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To. MAC e. 23
ws
Digitized by Google
e
Theologiſche
Ouartal(drift.
m d
In SBerbinbung mit mehreren Gelebrten
herausgegeben
von —
D. v». Kuhn, D. v. Hefele, D. Welte, D. Bukrigl
unb D. Aberle,
Brofefloren ber fatf. Theologie an der K. Univerfität Tübingen.
SReununbbreipigiter Jahrgang.
Erſtes Quartalheft. E
(837
Tübingen, 1857.
Verlag der H. 8 au pp'ſchen Buchhandlung.
— fgaupp € Sichel. —
Cut von δ. Zaupp fr.
Ι.
Abhandlungen.
1.
Das Anathem über Papft Sonorius.
Wenn wir nadjftebenbe Abhandlung als einen Pendant
zu unferer Unterfuhung über „Papft Liberius und fein
Verhältnig zum Arianismus und zum nicänifchen Sym⸗
bolum“ im Jahrgang 1853 tiefer Zeitfchrift bezeichnen, fo
beredjtigt und dazu ber Umftand, daß ba wie dort einer
der ftrittigften Punkte ver Papſtgeſchichte vorliegt und beide
causes célébres einander ganz Ahnlih find. In ‚beiden
brebt fid) Alles um die gleihe Hauptfrage: „ift der Papft
ein Ketzer gewejen ^; und während es fid) bei Liberiud
darım handelt, ob er eine allgemeine Synode, ble von
Kicäa, verworfen habe, fragt εὖ fi bei Honorins: „hat
das fedóéte allgemeine Eoncil ihn verworfen und mit bem
Anatheme belegt?" Die Duellen unparteiijd) geprüft,
mögen darauf antworten. |
Honorius, aus einer angefehenen Familie Gampaniené
entfprofjen, beftieg am 27. Oftober 625 nad dem Tode
Bonifazins’ IV. den römischen Stuhl. Der Abt Jonas von
1 *
&
4 Das 9Inatfem
Bobio, fein Zeitgenoffe, fhilvert ihn als sagax animo,
vigens consilio, doctrina clarus, dulcedine et humilitate
pollens 1). Gt mag alle diefe ſchönen Eigenfchaften gehabt,
indbefondere gute Senntnijje in ber Religion befefjen unb
bie bisherige bogmatijde Entwidlung verftanden haben;
. aber ber eben auftauchenden neuen und wichtigen chriftos
logifchen Frage war er nicht gemadj[en umb ba er bie Sache
nicht gehörig durchſchaute, trugen wohl aud) feine Freund-
lichkeit und Gefälligfeit (bie dulcedo und humilitates) gegen
Andere, bejonberó gegenüber tem Kaifer und Patriarchen
von Gonftantinopel, das Ihrige bei, um ihn irre zu führen.
Um bie beiden Naturen in Ehriftus, die göttliche unb
bie menjdlide, unverjebrt zu bewahren, hatten bie Nefto-
tianer bie wahre Einheit der Perſon geopfert; um aber
wieder leßtere zu retten, war von den Monophyfiten bie
dauernde Zweiheit der Naturen preisgegeben unb ber Sag
behauptet worden: Ehriftus [εἰ wohl aus zwei Naturen,
aber nad) deren Einigung bei ber Menfchwerbung dürfe nur
mehr von einer Natur gefprocdhen werden. Beiden Irr—
lehren gegenüber galt e, jowohl bie Zweiheit ber Naturen
als die Einheit. ber Berfon, das Eine fo vollftändig wie
das Andere feftzuhalten; und biefe Aufgabe löste das Goncil
von Chalcedon burd bie Lehre, daß beide Naturen ohne
ein Sufammenfließen und ohne Bermanplung,
ohne Zerreißung und ohne Trennung in der einen
Perſon des Logos zufammenlaufen. Das Perfonirende au
für die menſchliche Seite Ehrifti ift der Logos, unb die
Perfon, nicht bie göttlihe Natur des Logos, Hat die
Menschheit angenommen, denn legtere, bie göttlihe Natur
1) 3n f. vita S.- Bertulphi bei Baron. Annal. ad ann. 626, 39.
über 38, Honorius. 5
bed θοροῦ, ift identisch mit ter des Vaters und BI. Geifteó,
und ihre Menfchwerbung wäre eine Incarnation ber ganzen
Trinität. |
Das Gfalcebonenje hatte von ben beiben Naturen, bie
in Ehrifto geeinigt, nur im Allgemeinen geiproden, unb
eine Reihe neuer Fragen konnte und mußte fid) erheben,
wenn man bie Naturen in ihre Beftandtheile und Kräfte
jerlegend gerade deren ſpezielle Beichaffenheit in Chriftus
zu erörtern verſuchte. Ein Richtmaaß hiefür war zwar
implicite fdjon gegeben in ben Worten des Gonciló von
Chalcedon: „die Eigenthümlichfeit jeder Natur bleibt” unb
in der Ctelle der berühmten dogmatiſchen Epiftel Leos 1,
an Flavian: agit enim utraque forma (Natur) cum alterius
communione, quod proprium est, Aber nur ein Theil
ber Orthodoren verftand hieraus die richtigen Conſequenzen
zu ziehen; die Andern drangen nidt in bem Sinn ber
Worte ein, unb wenn fie biefelben audj nod) jo oft recis
tirten, fie blieben ihnen eine Frucht, deren Schaale fie
nit |prengten, um zum Kerne zu gelangen.
Die Trage nad der fpezielen Beichaffenheit ber ein-
zelnen Beftandtheile und Kräfte der in Chriſto geeinigten
Raturen wurde chronologiſch zuerft burd) bie Monophyſiten
angeregt in ihren Ctreitigfeiten: ob ver Leib Ehrifti vers
weslich gewejen fel, unb ob feine (menfhlihe) Seele
irgend etwas nicht gewußt habe? Für Monophyfiten, welche
die menfchlihe Natur Chrifti verſchwinden laffen, war es
freilich nicht pafjeb, nad der menſchlichen Geele
Chrifti zu fragen, unb bie Agnoeten wurden beßhalb
von ihren früheren Genoffen ercommunicirt, weil bie Hypo⸗
tfeje des ἀγνοεῖν confequent zur Annahme zweier Naturen
führen müfle, Es war jebod) natürlih, taf aud die
6 Das Anathem
Orthodoxen von den Streitfragen der Monophyfiten Notiz
nahmen unt fle von ihrem Standpunfte aus lösten. Bon
der Frage über das Wiffen Chrifti ift aber nur ein
Schritt zu der fiber das Wollen und Wirfen; unb wir
dürfen wohl annehmen, daß aud) ohne alle Aufere Vers
anlaffung, und ohne frembartige, 3. 98. irenifche Suede,
die dogmatifche Entwidlung von felbft zu ber Frage geführt
hätte: „wie verhält es fid) mit bem göttlichen unb menfch-
[iden Willen in Chriſtus?“ Kam nod) ein irenifcher Zweck
dazu, unb glaubte man durd eine gewifie Löfung dieſer
Frage die längft gewünſchte Union zwiſchen Ortfoboren
unb Monophyfiten bewirken zu fónnen, fo mußte natürlich
das Interefje für biefe Unterfuhung fid unendlich erhöhen.
Aber das Influiren dieſes praftiihen Momentes ftörte zu:
gleich wieder die Unbefangenheit und Ruhe ver Unterfuchung
und veranlaßte den großen Monotheletenfampf, in melden
Papft Honorius verwidelt wurde.
SSefanntlid) ift es zweifelhaft, wer ber eigentliche Vater
beó Monotheletismus fel. Das Richtige fcheint mir, taf
ſchon vor bem Jahre 619 Patriarch Sergius von Gon:
ftantinopel mit mehreren anderen Theologen über bie Formel
μέα ἐνέργεια ald Mittel zur Union der Severlaner (eine
Sraftion der Monophyfiten) verfanbeíte, daß aber dieſe
Parole des Monotheletismus erft i. I. 622, ale fie der
byzantiniſche Kaiſer Heraklius auf feinem Zuge gegen ble
Perſer in feiner Religionsconferenz mit tem Eeverlaner
Paulus befonberó belobte, allgemeiner befannt zu werben
unb Auffehen zu machen begann. Daß Heraflins dabei
von Sergius infpirirt geweſen fel, iſt wohl fein Zweifel,
wenngleich fegterer in feinem Briefe an Papft Honorius
die Sache fo barftelIt, als ob ver Kaiſer als guter Theologe
über PB. Honorius, 7
ven Terminus μέα ἐνέργεια felber erfunden hätte. Er
wolte die Verantwortlichfeit für ble Reuerung auf ben
Saifer wälgen.
Einer der erften Freunde der Bormel μέα ἐνέργεια
war Cyrus, Erzbiſchof von Phaſis in Colchis. Don Kaifer
Heraklius deßhalb 1. 3. 630 ober 631 anf ven Patriarchal⸗
fuhl von Alerandrien erhoben, machte er fogleich von bem
neuen Unionsmittel praftifche Anwendung unb bie in feinem
Sprengel zahlreichen Theovoflaner (zweiter Name der Ses
verianer) traten in der That am 3. Juni 633 in feierlichem
Akte in die Kirchengemeinfchaft mit ibm über auf Grund⸗
lage ber berühmten Unionsurfunde, melde in ihrem "ten
Lephalaion (fie hat deren 9) zwar zwei Naturen, aber
na eine Wirkung in Ehrifto lehrte, in ben Worten: „wer
niht befennt, daß der eine und felbe Gfriftuó und Sohn
jowohl das Gottgemäße als das Menſchliche wirkt durch
eine gottmenſchliche Wirkſamkeit, wie der bl. Dionyfius
lehrt, der fei Anathema” ἢ. Man -berief fih auf eine
falſch gebeutete Stelle des Pfendoareopagiten.
Natürlich erregten die Nachrichten aus Alerandrien große
Freude bei Heraklius und Sergius; richtiger als beide aber
fahen die Sfeoboflaner, wenn fie rühmend äußerten: „das
Ehalcedonenfe ift zu uns, nicht wir zu ihm gefommen" *).
Der gleichen Anficht war auch, freilich auf bem entgegen-
gefepten Standpunkte ftebenb, ter heilige und gelehrte
Sophronius, damals nod; Mönd, bald barauf Patriarch
von Serujalem. Er war eben in Alerandrien anweſend
1) Mansi, collect. Concil. T. XL p. 565. Harduin, collect.
Concil, T. IH. p. 1341.
2) Theophanes , Chronogr. ed. Bonn. T. I. p. 507.
€
8 Das Anatben
und Erzbiſchof Cyrus theilte ihm aus Qodadtung bie
- fragliche Unionsurfunde ſchon vor ihrer Publifation zum
Leſen mit. Sophronius mißbilligte die efre von einer
Energie, bebauptenb, man müjfe nothwendig zwei Energien
fetbalten; ja er fiel bem Eyrus zu Süßen und beſchwor
ihn unter Thränen, feine Kephalaia nit vom Ambo zu
verfünden, da fie offenbar apollinariftifch feien. Als aber
die Berfündigung dennoch gefchehen war, ging Sophronius
nad) Gonftantinopef, um burd ben Patriarchen Sergius bie
, Zurütfnahme der alerandrinifden κεφάλαια zu ermirfen.
Er wußte nicht, daß Sergius felbft bec Vater be& neuen
Irrthums fel.
Dur ble früftige Cpradje des Sophronius einigers
maßen bevenflih gemadjt, wollte Patriarch Sergius jest
ein Suftemilien einfchlagen, um bogmatifhe Kämpfe zu
vermeiden, unb verlangte, fortan weder von einer nod
von zwei Energien zu ſprechen. Hiefür follten Sophronius
und Cyrus, aber aud) ber Papft gewonnen werden, unb
Sergins richtete ein nod) erhaltenes ausführliches Schreiben
an Honorind. Rad einer {εὖτ höflihen Einleitung erzählt
er zuerft die Vorgänge in Armenien zwifchen K. Heraflins
und bem Severianer Paulus, unb wie bamaló ber Kaifer
bet μέα ἐνέργεια Ehrifti Erwähnung gethan habe. „Diefes
Geiprähes mit Paul, fagt er weiter, erinnerte (id) tet
Raifer Später in Laien in Gegenwart des B. Cyrus von
Phaſis, und da diefer nicht wußte, ob man eine ober
zwei Energien behaupten müjje, fragte ex und und bat,
ihm patriftifche Stellen darüber mitzutheilen. Dieß haben
wir nad Kräften gethan und ibm ben Brief des Mennasg,
der foldje Stellen der Väter über eine Energie und, einen
über B. Honorius. | 9
Willen enthält '), zugeſchickt, ohne jedoch ein eigenes Urtheil
abzugeben. Von da an ruhete die Sache einige Zeit. Vor
Kurzem aber hat Cyrus, jetzt Erzb. von Alexandrien, durch
Gottes Gnade unterſtützt und vom Kaiſer ermuntert, die
in Alexandrien wohnenden Anhänger des Eutyches, Dioſcur,
Severus und Julian zum Anſchluß an die katholiſche Kirche
aufgefordert. Nach vielen Diſputationen unb Mühen ers
reichte Cyrus, der dabei viel Klugheit an den Tag legte,
endlich ſein Ziel, und es wurden zwiſchen beiden Theilen
dogmatiſche κεφάλαια feſtgeſtellt, auf welche hin Alle, vie
den Dioſcur und Severus ihre Ahnherrn nannten, mit
der heiligen und katholiſchen Kirche ſich einigten. Ganz
Alexandrien, ja faſt ganz Aegypten, die Thebais, Libyen
und bie übrigen Eparchien (Provinzen) der ägyptifchen
Diöcefe (— Patriarhalfprengel) vourben jegt eine Heerde,
unb die früher in eine Menge von Härefien Gefpaltenen
wurden durch Gottes Gnade und ben Eifer des Eyrus Eins,
mit einer Etimme und in Einigfeit des Geiftes ble wahren
Dogmen der füirde befennend ἢ. Unter den berührten
Kephalaien war aud) das von tet μέα ἐνέργεια. Gerade
damals befand jid) auch der heiligfte Moͤnch Eophroning,
jest wie wir hören Biſchof von Iernfalem (wir haben fein’
Eynodalfchreiben nod) nicht erhalten) zu Alerandrien bei
Cyrus, redete mit ihm über jene Union, unb wibers
fprach dem κεφάλαιον von der ula ἐνέργεια, behaupten,
1) Ueber dieſe unächte, vielleicht von Gergiu8 felbft oder bod)
mit feinem Willen gefertigte Urfunde vgl. meine Gonciliengefhichte,
Br. I. ©. 831.
2) Um den Papft günflig zu ſtimmen, übertreibt Sergius. Nicht
alle monophyfitiihen Parteien, — nur die Theodoſtaner waren
in die Union getreten.
10 Das Anathem
man müſſe durchaus zwei Energien Chriſti lehren. Cyrus
zeigte Ausſpruͤche heiliger Väter, in denen bie μέα ἐνέργεια
vorkommt (ja, aber in anderem Sinne), unb fügte bei,
baf oft aud? bie heiligen Väter, um viele Seelen zu ges
winnen, eine gottgefällige Nachgiebigfeit (οἰκονομέα) gegen
gewifie Ausprüde gezeigt hätten, obne ber Orthodoxie etwas
‚zu vergeben, und baf man befonberó jept, wo das Heil
io vieler Myriaden auf bem Spiele ftehe, über jenes
πεφάλαιον, das die Drtboborie nicht gefährbe, nicht zanfen
folle. Aber Sophronius billigte bieje Nachgiebigfeit durch⸗
aus nicht, und fam wegen diefer Angelegenheit mit Briefen
des Cyrus zu und, ſprach audj mit uns über ble Cade
und verlangte, daß nad der Union aus den Kephalaien
bet Gag über die ula ἐνέργεια entfernt werben müſſe.
Dieß fchien uns hart. Denn wie folite es nit hart, ja
febr Bart fein, da baburd jene Union wieder vernichtet
würde in MAlerandrien und allen jenen Eparchien, welche |
bis dahin weder vom heiligften Vater Leo nod) vou bet
Synode zu Ehalcedon etwas hören wollten, jet aber mit
heller Stimme bei ber göttlihen Geheimnißfeier davon
fprechen! Nachdem wir darüber viel mit Sophronius vers
handelt, verlangten wir, er folle Bäterftellen vorzeigen, die
ganz beutíid und budftäblic zwei Energien in Ehriftus
anzuerfennen überliefeen. Er fonnte dieß nicht thun H.
Wir aber, erwägend, daß Etreitigkeiten, und ans tiefen
Härefien entftehen fónnten, erachteten e8 für nöthig, diefen
Wortfireit zum Schweigen zu bringen, unb fihrieben an
1) Sophronius hat übrigens, vielleicht erſt fpäter, in einem jet
verlornen Werke 600 patriftiihe Stellen für den Dyotheletismus ges
jommelt.
über P. Honorius. 41
bet Batriarchen von Alerandrien: er möge nad bewirfter
Union Niemanden geftatten, eine ober zwei Energien zu
behaupten, fonberm man folle, wie tie heiligen und oh
menijden Synoden ἐδ überliefert, befennen, daß eim unb
berfelbe eingeborne Sohn, unfer Herr Jeſus Chriftus, fo
wohl das Göttliche ald das Menſchliche wirfe (ἐνεργεῖν)
und taf alle gottgemäße unb menjdengemáfe Energie von
bem einen und felben fleifchgewordenen Logos ungefchieden
(ἀδιαιρέτως) ausgehe, und auf einen und benfelben fi
zurückbeziehe. Des Austruds μέα ἐνέργεια folfe man fid
enthalten, weil er, obgleich ihn einige Bäter gebraucht,
SRanden fremd vorfomme und ihre Ohren beleivige, indem
fie den 9Berbadjt hegen, er werde benügt, um bie zwei.
Naturen in Ehriftus aufzuheben, was ferne fei. Gbenfo
gibt das Reden von zwei Energien bei Vielen Aergerniß,
weil tiefer Ausdruck bei feinem der D. Väter vorfommt,
unb weil baraué folgen wuͤrde, aud) zwei einander wibers
ſprechende Willen (ϑελήματα) in Chriftus zu lehren Cfalfche
Folgerung!), al8 ob ber Logos das und heilbringenve Leiden
babe tulden wollen, bie Menschheit aber fi ihm widerfegt
hätte. Das ift gottlos, denn es ift unmöglid, daß ein
und daſſelbe Eubjeft zwei unb in einem Punkte einander
wiberfprechende Willen hat. Die Bäter lehren, bag niemals
die menfhlige Natur Chrifti feparatim und aus eigenem
Impuls (ὁρμὴ) entgegen bem Winfe. (veuuezı) des mit ihr
geeinigten Logos ihre natürliche Bewegung vollzogen hat,
fondern nur dann, unb fo, und in tem Maaße, ald bet
Logos es wollte; unb um ed Far zu jagen: wie beim
Menfchen ber Leib von ber vernünftigen Seele geleitet wird,
jo in Chriſtus die ganze menſchliche Natur von der Gott:
heit des Logos; fie war ϑεοκίνητος Ὁ, i. oon Gott bes
12 Das 9 natem
wegt. ... Endlich fegten wir feft, daß Copbroniue fünftig
weber von einer nod) von zwei Energien fpredjen, fondern
mit der Lehre der Väter fid) begnügen folle; unb ber heilige
Mann war damit zufrieven, verſprach ed zu halten unb
bat nur, ibm diefe Erklärung aud) [difti zu geben
(nämlich die von Sergius gegebene, in tlefem Briefe ents
baltene Glaubendauseinanderfegung), damit er fie denen
zeigen fónne, welche ihn über ben Streitpunft fragen würden.
Kürzlich aber Bat ber Kaifer uns von Edeſſa aus befohlen,
tie in bem Briefe des Mennas enthaltenen patriftifchen
Ausſprüche über μέα ἐνέργεια und ἕν Sélzua auszuziehen
und ibm zuzuſenden. Wir thaten bleg. Aber in Rüdficht
auf den bereits wegen diefer Cache entftanbenen Lärm ſtellten
wir ihm die Echwierigfeit des Gegenſtandes dar, unb
daß man über tle Frage nicht weiter grübeln, fonbern
bei der befannten und allgemein anerfannten Lehre ber
Väter ftehen bleiben und befennen folle, daß ver eine und
felbe eingebome Sohn Gottes ſowohl das Böttlihe als
Menſchliche wirfe, und tag aus bem einen und felben
fleiſchgewordenen Logos alle göttliche und men[djlidje Energie
ungetheilt und ungetrennt (aueplorwg καὶ ἀδιαιρέτως)
ausgehe. Denn bieß lehrt und der gotttragende Papſt Leo
in ben Worten: agit utraque forma cum alterius communione,
quod proprium est. ... Wir hielten ed nun für pafjend
und nótfig, von dieſer Angelegenheit eurer brüberlichen
Heiligfeit Kenntniß zu geben, unter SBellegung von Abs
Schriften unferer Briefe an Cyrus unb ben faifer, unb
bitten Euch, all tief au lefen, was ihr mangelhaft findet,
u ergänzen, und und eure Anficht darüber ſchriftlich mit:
zutheilen 1),"
1) Mansi, 1. c. p. 530 sqq. Harduin, 1. c. p. 1311 sqq.
über P. Honorius. 18
Wir ſehen, Sergius wollte zwar auf den offenen
Sieg feiner eigenen Formel μέα ἐνέργεια verzichten; aber
ver in ihr enthaltene Irrthum ſollte nicht verbrängt, und
damit er beftehe, die entgegengefegte orthodore Lehre von
wei Energien, der Dyotheletismus, befeitigt werben.
Bapt Honorius erwiederte: „ener Schreiben, mein
Bruder, habe ich erhalten und baraué erfahren, daß neue
Streitigfeiten angeregt wurden von einem gewiflen Eos
phronius gegen unferen Bruder Cyrus, weldyer ben von
der Ketzerei Zurüdfehrenden eine Energie unſeres Herrn
Jefu Ehriftt verfünbet hat. Diefer Sophronius hat nachher
Euch befugt, ben gleichen Tadel vorgebrad)t und nad) viel;
fältiger Belehrung gebeten, daß ibm, was er von Gnd
gehört, auch Fchriftlich mitgetheilt werde. Von blefem eurem
Ehreiden an Sophronius haben wir von Gud) eine Gopie
erhalten, und nachdem wir fie durchleſen, loben wir, daß
eure Brüderlichfeit mit vieler Vorfiht den neuen Ausdruck
(kin ἐνέργδια), der ven Einfältigen Anftoß geben fónnte,
entfernt hat. Denn wir müfjen in bem wandeln, was wir
gelent haben. Durch Gottes Leitung gelangen wir zum
Naaße des wahren Glaubens, welchen die Apoftel bet
Bahrheit durch das Licht (lat. durch die Richtſchnur)
der BC Schriften ausgebreitet haben, befennend, daß ber
Herr Jeſus Chriſtus, bec Mittler zwifchen Gott und Menfchen,
die göttlichen Werfe wirfe mittelft (μεσιτευσάσης) vet
Nenfhheit, die ihm, bem Logos, hypoſtatiſch geeinigt ift,
und daß derfelbe mirfe bie menfchlichen Werke, indem das.
Bleifh auf unausfprechliche einzige Weiſe ἀδιαιρέτως 1. mit
der Gottheit verbunden ift. Und ver, der im Fleiſche glänzte
turh die Wunder in vollfommener Gottheit, ift berfelbe,
Wt aud ble Zuftände des Fleiſches im fchimpflichen Leiven
14 Das Anathem
wirkte (ὠνεργήσας lat. patitur), vollfommener Gott und Menſch.
Er ift der eine Mittler zwiichen Gott und den Menſchen in
beiven Naturen ... unb der Herr der Herrlichkeit ift ges
freuzigt worden, während wir bod) befennen, baf die
Gottheit durchaus feinem. men[djliden Leiden unterworfen
fel. Und das Fleiſch wurde nicht aus dem Himmel, fonbern
aus ber B. Gottesgebärerin genommen, zum deutlichen Ber
weis, daß leinensfähiges Fleiſch mit der Gottheit vereinigt
wurde auf unausſprechliche einzige Weiſe: wie einerfeits
unterſchieden und unvermifcht, fo andererfeitd auch unge,
trennt; fo daß bie Einigung wunderbar gebadjt werben
muß. unter Sortbauer des Unterfchievs beider Naturen. Das
mit übereinftimmend fagt bet Apoftel (I Eor. 2, 8): den
Herrn ber Herrligfeit haben fie gefreuglgt,
während bod bie Gottheit weder gefreuzigt werben πο
leiden fonnte; aber wegen jener unaud[predjiden Einigung
fann man beides jagen: Gott hat gelitten und: bie
Menfhheit it vom Himmel herabgefommen
mit ber Gottbeit (Sof. 3, 13). Deßhalb befennen wir
aud einen Willen (unam voluntatem, ὃν ϑέλημα)
unfered Herrn 3. Gbr., ba unſere (bie men[dlide) Natur
offenbar von ber Gottheit angenommen wurde, und zwar
die [huldlofe, wie fie vor bem falle war. ... In ben
Bliedern Ehrifti war nicht ein anderes Gefeg und ein
anderer Wille (Röm. 7, 23) wiberftrebenb bem Erlöfer, weil
dieſer auf übernatürliche Weife geboren war. Und wenn
es in der f. Schrift Heißt: ich bin nicht gefommen,
meinen Villen qu vollziehen, fonbern ben des
Vaters, bec mid fanbte (305. 6, 38), und: nit
wie ἰῷ will, foubern wie bu milíft, o Vater
(Matth. 26, 39); jo if dieß nicht wegen Verſchiedenheit
über P. Gonortus. 15
des Willens (b. ὃ. als ob Chriftus einen bem Willen veg
Baterd entgegengejegten Willen gehabt hätte), fonbern aus
Defonomie (Accomodation) mit Rüdfiht auf bie Menſch⸗
heit, deren Natur er annahm, gefagt; denn um unferer
Willen ift jenes gefagt, bamit- wir feinen Fußtapfen folgend,
niht den eigenen Willen, fonbern ven des Vaters voll,
ziehen. Wir wollen nun auf dem fónigliden Wege ein,
herſchreitend die Schlingen redjtó unb links vermeiden ...
auf bem Pfade unferer Vorgänger gefenb (b. b. bie alten
Formeln fefibaltenb, neue vermeidend). Und wenn Einige,
die fogufagen ſtammeln, die Sache beſſer erflären wollen
und fich felbft für Lehrer ausgeben, fo darf man tod ihre
Behauptungen nicht zu kirchlichen Dogmen machen, baf
nämlich in Gbriftuó eine oder zwei Energien feiem; ba
weder bie Evangelien, nod) die Briefe ber Apoftel, nod
bie Synoden ſolches feftgeftellt haben. ... Daß unfer Herr
3. Gfr. der Sohn unb Logos Gottes, durch den Alles
geworden, ber eine und felbe ſowohl das Göttliche als das
Menschliche vollkommen wirft, das zeigen die h. Schriften
ganz deutlich; ob aber wegen der Werke ber Gottheit unb
Menfchheit paffenb ift, eine oder ἐ εἰ Energien als vore
handen zu denken unb auszuſprechen, das geht uns nicht
an, das überlafen wir den Grammatifern, welde ben
$uaben, um fie an fid) zu loden, die von ihnen erfonmenen
Yusprüde verkaufen. Denn wir haben. ans der Bibel nicht
gelernt, daß Chriſtus und fein heiliger Gelft eine ober
zwei Energien habe, wohl aber, daß er auf vielfade
Art wirfe (πολυτρόπως &vsgy&vra). Denn εὖ fteht ges
férieben: wer nicht ben Geift Ehrifti bat, der ig
vidt fein (9tóm. 8, 9); tnb micberum: X iemanb
Tann ſprechen: Herr Siefub, außer im h. Ocifte;
16 Das Anathem
eie Gaben find verſchieden, aber es if ein
Geiſt, und verfhieden find ble Aemter, aber
ein Herr, unb verſchieden die Wirkungen, aber
es ift ein Gott, der Alles in Allem wirkt. Gibt
eó aber viele Verfihiedenheiten von Wirkungen, unb. wirfet
Gott fie alle in all den Blievern des großen Leibes, wie
viel mehr paßt dieß bei tem Haupte (jenes myftifchen Leibes),
bei Chriſtus dem Herrn? ... Wenn ter Geift Chrifti in
feinen Gliedern auf vielfadje Weife wirkt, wie viel mehr
müfjen wir befennen, daß er durch fid) (elbft, ben Mittler
zwiſchen Gott und ben Menfchen, das Vollkommenſte wirfe
unb auf vielfache Weife, burd) die Gemeinſchaft ber belben
Staturen ? Wir aber wollen nad den Ausſprüchen ber
5. Schrift benfen und atfmen, alles das abweifenn, was
als Steuerung in Worten 9lergernig in der Kirche Gottes
verurfachen fónnte, damit nicht bie Unmündigen an bem
Ausdrucke zwei Energien (id ftoßenn uns für Neftos
tianer halten, und damit wir nicht (andererſeits) blöden
Ohren eutgdjlanifd) zu lehren fdelnen, wenn wir deutlich
nur eine Energie befennen. Wir müffen uns hüten, damit
nicht, nachdem bie fchlechten Waffen jener Feinde verbrannt
find, aus ihrer Aſche neue Flammen verfengenver Fragen
fid entzunden. In Einfachheit und Wahrheit wollen wir
befennen, daß ber Herr I. Chr., Einer und Derjelbe, wirke
in ber göttlichen und in der menfchlihen Natur Es ift
viel befjer, wenn bie leeren, unthätigen und paganifirenven
Philoſophen, welche bie Naturen abwägen, mit Stolz ihr
Srofchgefchrei gegen uns erheben, — als daß das einfache
und im Geifle arme Volk Chriſti ungefättigt bleibe. “Die
Schüler von Fifhern fafen fid nit durch Philoſophie
betrügen. ... Das werdet auch Ihr, mein Bruder, mit
über 3B. Gonotiu$. 17
und verfündigen, wie wir es einmüthig mit Gud) thun,
und wir ermahnen Euch, daß Ihr die neue Sprachweiſe
von einer ober zwei Energien fliehend mit ung verfünbiget
einen ferm 9. Chr., ben Sohn des lebendigen Getteó,
wahren Gott, in zwei Naturen wirfend das Góttlide und
Renfhlide '). ^ ö
Mir feben, Honorius ging von bem Dogma aus: bie
beiden Naturen in Ehriftus find miteinander hypoſtatiſch
geeinigt in der einen Perfon des Logos. Iſt aber nur
eine SBerfon da, fo ift aud) nur ein SRirfenbet vorhans
ben, unb ber eine Gbriftuó und Herr wirft fomobl ble
menſchlichen als die göttlihen Werke, erftere — mittelft
ber menſchlichen Natur. — Honorius fafte die Sache [den
von vornherein nicht richtig an. Er hätte bie Sage fo
ftellen follen: folgt aud ber Einperfönlichfeit Chrifti noth⸗
wendig nur eine Energie und ein Wille, oder ift Energie
and Wille mehr Cade ver Natur (ald der Perſon) unb
fat tatum nicht die Zweiheit der Naturen in Ehriftus aud) bte
Zweiheit ber Willen und Wirkungen zur Folge? Diefe Stage
aber hätte er burd einen Blick auf die Trinität löfen
Innen. In viefer find drei SBerfonen, aber nidt drei
Ville, fondern eine Natur (Weſen) und hienad nur
ein Wille. Darauf nicht adtenb, argumentirt er fur
aber unpaffenb: „wo nur eine Perſon, ba nur ein
Wirfender, und barum mut ein Wille.” Aber jo ent-
ſchieden Honorius von viejer Prämijje aus das ἕν ϑέλημα
behauptet, ebenfo feft verwirft er das μέα ἐνέργεια. Dieſer
eine Wirkende, Ehriftus, jagt er, wirkt auf vielfade
1) Mansi, l. c. p. 538 sqq. Harduin, l. c. p. 1319 sqq.
Theol. Quartalſchrift. 1857. 1. Heft. 2
18 Das Anathem
Weiſe, unb man barf barum weder μέαν ἐνέργειαν nod
δύο ἐνεργείας lehren, fondern ἐνεργεῖ πολυτρόπως. Ho⸗
norius hat hier bie Bedeutung der technifchen Termini mifi
verftanden ober mißverftehen wollen; er nimmt fie ibenti[d)
mit den concreten Wirfungen, ftatt mit Wirfung ὅν
arten. — Diefe Ausprüde μέα und δύο &repy., fährt er
fort, find aud) weder von ber D. Schrift nod) von Cynoben
approbirt, und man muß fie vermeiden, weil ihre Anwen⸗
bung neue Etreitigfeiten erzeugt, — Aber warum war in
Gbriítuó nur ein Wille? Weil er, fagt Honorius, nicht
bie durch den Cünbenfall verdorbene, fondern bie unvers
borbene menschlihe Natur angenommen hat, wie fie vor
bem Falle war. In bem gewöhnlichen Menfchen find aller-
dings zwei Willen, ein Wille des Geifteó unb ein Wille
bet Glieder, wie der Apoftel fagt (tóm. 7, 23); abet
legterer ift nur tyolge des Cünbenfalló unb fonnte darum
in Ehriftus nicht ftattbaben. Damit war Honorius gan
auf bem rechten Wege; aber er z0g ble Eonfequenzen nicht
richtig. Er hätte jegt jagen follen: daraus folgt, bag In
Ehriftug, weil er Gott und Menſch zugleih, neben feinem
göttlichen Willen, ber bem des Vaters ewig identifch ift,
nur ber unverdborbene menjdlide Wille, ber ben
göttlichen nie wiberftrebt, angenommen werben darf, und
nicht aud) ein widerftrebender Wille ber lieder. — Das
wäre bie natürlihe und nothwendige Solgerung gewefen ;
aber ftatt biefe zu ziehen, läft er ben unverborbenen menſch⸗
lichen Willen entweder ganz aufer Rechnung, ober richtiger;
identificirt ihn' mit dem göttlichen Willen. Well ver unver,
borbene menfchlihe Wille Ehrifti ftet& bem göttlichen unters
than unb conform ift, fo Bat Honorius dieſe moralifche
Einheit beider verwechjelt mit Einheit überhaupt, over
über 3D. Honorius. 19
phyfifcher Einheit, um melde fegtere es fid tod hier
handelte. Selbft bie Haren Etellen ber f. Schrift, worin
Chriftus feinen menfhlihen Willen von tem des Vater
untet[djeibet, Fonnten ihn nicht zur Anerkennung dieſes
menſchlichen Willens beftimmen. Unterſchied mit Gegenfjag
verwechfelnd glaubte er zwei unterſchiedene Willen in
Ehriftus nicht zulaffen zu dürfen, um nicht häretifch zwei
gegenfätliche, einander widerſprechende Willen in ihm zus
geben zu müflen. —
ALS bald darauf ber neue Patriarch Eophronius von
Serufalem fein Inthronifations- ober Synodalfchreiben (τὰ
owodıra oder συλλαβαὶ ἐνθρονιστικαὶ), worin er die orto:
bore Lehre von zwei Energien ebenfo ſchön als ausführlich
ausſprach, an alle Patriarchen und aud) nad) Rom gejandt
hatte, machte Papft Honorius nochmals, in gleichem Geifte
wie das erftemal, einen Verſuch, ben drohenden Streit zu
etftiden. Bon den drei Briefen, die er zu biefem Ende an
Sophronius, Cyrus unb Sergius richtete, find unà nur
von bem leßtern ‚zwei Bragmente übrig geblieben, aufbe-
wahrt unter den Akten ver 13ten Cigung des Oten allg.
Goncilá ἢ. Das erftere lautet: , aud an Eyrus von
Aerandrien ift. gefchrieben worden, damit verworfen werde
ber neu erfundene 9Inóbrud : eine ober zwei Energien ...,
benn bie, welche jolde Ausbrüde gebrauchen, was wollen
fie anderes, als ben Terminus: eine oder zwei Nas
turen nadabmeno, jo aud) eine ober zwei Energien ein-
führen. In Betreff ber Naturen ift bie Lehre der Bibel
far; aber ganz eitel ijt e8, dem Mittler zwifchen Gott und
Menſchen eine over zwei Energien zuaufchreiben. "
1) Mansi, 1. c. p. 579. Harduin, 1. c. p. 1351.
9*
20 Das ?Inatfem
Das zweite Fragment, am Schluffe des Briefes, fagt:
ν Dieß wollten wir eurer Brüberlichkeit durch biefen Brief
zur Kenntniß bringen. Im Uebrigen, was das firdjlide
Dogma anlangt, und was wir fefthalten und lehren follen,
jo müfjen wir wegen ber Einfalt ber Menfchen und um,
Streitigfeiten fern zu falten, wie ἰῷ ſchon oben fagte,
weber eine noch zwei Energien in bem Mittler zwifchen
Gott und ben Menfchen behaupten, fondern müfjen bes
fennen, daß beide Naturen in bem einen Ehriftus geeinigt,
jede in Gemeinfhaft der andern wirfe und handle; vie
göttlihe wirkte Das Góttlide, bie men[dlide
aber vollziehe das, was des Fleiſches (jt, ohne
Trennung und ohne Vermiſchung, und ohne baf verwandelt
wäre die Natur Gottes in die Menſchheit, ober bie Menſch⸗
heit in die Gottheit. Denn Einer und Derſelbe iſt niedrig
und erhaben, gleich dem Vater und geringer als der
Vater. ... Entfernend alfo, wie id) ſagte, das Aergerniß
der neuen Ausdrücke, dürfen wir nicht behaupten oder ver⸗
fünden weder eine nod zwei Energien, ſondern ſtatt
einer Energie muͤſſen wir bekennen, daß der eine Chris
us, ber Herr, in beiden Naturen wahrhaft wirfe; und
ftatt der zwei Energien follen fle lieber mit und verfünben
ble zwei Naturen, b. i. ble Gottheit und Menfchheit, die
in der einen Perfon des eingebornen Sohnes
Gottes unvermifht und ungetrennt und.un
verwandelt wirfen (ἐνεργόσας), was ihnen eigen
ift. Dieß wollen wir eurer brüderlichen Heiligkeit Funds
thun, damit wir in der einen Lehre des Glaubens harmo⸗
niren. Auch unfern Brüdern ben Bifchöfen Cyrus und
Eophronius fdrieben wir, daß fie nicht auf ben neuen
Ausdrücken von einer ober zwei Energien befarren, ſondern
über 3B. Honorius. 21
mit und verfünden bep einen Gfriftuó, mirfenb das Gött⸗
fide und das Menfchliche mittelft beider Naturen. Haupt
fachlich aber haben wir ble Geſandten, welche Sophronius
an uns fdidte, bearbeitet, damit er auf tem Ausdrude:
zwei Energien nicht beharre; und fie verfpradjen εὖ
volftändig für ben Fall, daß aud? Byrus von ber Vers
fünbigung ber wie ἐνέργεια ablaſſe.“
Bergleihen wir diefen zweiten Brief mit dem erften,
fo finden wir a) vor Allem in beiden bie gleich fcharfe
Accentuirung beó Hauptfages: „trog ber Zmeiheit ber Nas
turen in Gfriftuó ift bod nur ein Wirfenver, ber Herr
J. Chr., der das Göttliche und Menſchliche wirft mittelft
beider 9taturen."^ Da wie dort wird das Wollen unb
Wirken unridjtig nur von ber Perſon und nicht von ber
Natur ausgehend betrachtet. b) In feinem zweiten Briefe
aber fchreitet doch Honorius felbft wieder über biefen Irrthum
hinaus, fel es, daß bie Schöne und Flare Auseinanders
fe&ung des Sophronius ifm dazu verhalf, oder daß eine
tiefere Erwägung der klaſſiſchen Worte Leo's L, an bie er
ſich anſchloß (agit utraque forma etc.), ihn dahin führte.
Mit Befeitigung des abgejdjmadten πολυτρόπως ἐνεργεῖ
(im erften Briefe) fagt er jegt ganz richtig: „die göttliche -
9tatur (in Chriſtus) wirft das Göttliche, die menfchliche
aber vollzieht das, was des Kleifches ift", und: „wir
verfünden bie zwei Naturen, die in ber einen Perfon des
eingebornen Sohnes Gottes unvermifht wirken, was
ihnen eigen ift."
c) Hiemit hatte Honorius die ortfobore Lehre aus⸗
geſprochen, unb εὖ wäre völlig unrecht, ihn ber Härefte
zu bezüchtigen. Aber im Widerſpruche zu dieſen feinen
eigenen Aeußerungen ftellt er auch jept wieder die beiden
22 Das Anıtbem
Ausprüde μία und δύο évepgy. auf gleiche Linie, unb vers
langt die Bermeidung des einen wie des andern. Nachdem
et ſelbſt geſagt hatte: „beide Naturen wirken, was ihnen
eigen i^, war εὖ Inconfequenz, den Terminus, zwei
Energien verbieten zu wollen. Aengſtliche Sorge für
Erhaltung des Friedens und Mangel an Klarheit, aud)
nachgiebige (Θεά εἰ gegen die Gonftantinopolltaner (dul-
cedine et humilitate pollens) waren Schuld, daß der Papft
den richtigen Ausdruck für die orthodore Lehre vermarf, und
damit ber Härefle nicht unbeträchtlihen Vorſchub leiftete.
d) Das Anftößigfte im erften Briefe, die Behauptung
bes ἕν ϑέλημα in Ehriftus, dem Wortlaute nad ber
aufgelegte Monotheletismus, ift in den Fragmenten bes
zweiten Briefes nicht mehr widerholt. Ob es im legteren
überhaupt gar nicht geftanben, fann nicht entfchieben werben.
Auf jeden Fall fat es Honorius nicht widerrufen, und
barum hatten die Monotheleten formell wenigftens alles
Recht, fid) auf ihn als ihren Patron und Vorkämpfer zu
berufen. Und hierin liegt feine zweite Schuld. Wie er
elnerfeit (negativ) den richtigen Ausdrud ber orthodoxen
Lehre (δύο ἐνέργειαι) verbot, fo hat er andererfeits (pofitiv)
ben terminus technicus der Haͤreſie ſelbſt ausgeſprochen.
Und vod) badte er aud) in diefem Punfte nit häretiſch,
fonbern nur unflar, wie wir oben ©. 18 zeigten, und vers
fäumte nur, bie richtige Gonfequeng aus feiner eigenen
tidtigen Prämifje zu ziehen.
Eine Entfehuldigung, ja Vertheidigung des Honorius
verfuchte im 3. 641 fein zweiter Nachfolger Johann IV.,
als Patriarch Pyrrhus von Gonftantinopel fid) für bie
Einwillens Lehre auf Honorius berufen hatte. Papſt Johann
ífdrieb nun an Pyrrhus: „auf die Benachrichtigung durch
über 9B. Honorius. 23
Sergius, daß Einige in Ehriftus zwei einander wiber,
ſprechende Willen annähmen, ermieberte Honorius: Chris
fius hat zwar die wahre Menfchheit angenommen, aber
nicht bie durch ben Günbenfall verborbene, fonbern wie fte
vor bem Falle war. In ifm wat veßhalb Fein Gefeb ber
Gíieber, das tem Geſetze des Geiſtes widerftrebte. Dieß
it, fährt Sobann fort, ganz richtig, und Ehriftus hatte
barum, wie urfprünglid) Adam, nur einen natürlichen
menſchlichen Willen, während in uns zweierlei Wille
it. Go meinte ed aud Honorius und läugnete nur ben
Willen der Giieber im Gegenfage zu dem menfchlichen
Willen des Geifted. Er fprady nur von ber menſchlichen
Natur Ehrifti (wenn er das ὃν ϑέλημα behauptete), und
ed darf ihn Niemand tadeln, daß er blos von ber menſch⸗
lien Natur gefprochen unb von ber göttlichen gefchtwiegen
fat. Er fat eben auf ble Nachricht des Eergius gerade
das geantwortet, was damals noth war, und aud) ber
Apoftel hat ja bald bie göttliche bald bie menfchlihe Natur
Chriſti allein hervorgehoben ^ 1).
Auf gleiche Weile wurde Honorius von dem römifchen
Abte Johannes, deſſen er fid) bel Goncipirung feines Briefes
an Eergiud bedient hatte, vertelbigt. Der D. Abt Marimus
nahm befjen Worte in feine Difputation mit Pyrrhus auf.
Als lepterer behauptete, aud) Honorius habe In feinem
Schreiben an Sergius nur einen Willen gelehrt, erwiederte
SRarimuó; „der Gonciplent jenes Briefes von KHonoriug,
der fpäter im Auftrage Sohanne IV. aud; an Kaiſer Gon;
ftantin Heraklius fchrieb, verfichert: wir haben (in jenem
1) In Anastasii Collectanea bei Galland. Biblioth. PP. ©. XIII.
p. 32 sq. und Mansi, T. X. p. 682 aq.
I
Im
24 Das Anathem
Briefe) gefagt, bag ein Wille im Herrn fel, αἰῶ! ein
Wille ber Gottheit und Menjchheit zugleich, fondern wir
tebeten von bem einen Willen ber Menfchheit allein. Da
nämlich Sergius gefchrieben hatte, von Einigen würden
zwei einander wiberfprechende Willen Ehrifti gelehrt, fo
antmorteten wir, Chriftus habe nicht zwei einander wiber-
Iprechenne Willen gehabt, des Fleiſches und Geiſtes, wie
wir Menfchen nad, bem Falle, fonberm nur einen Willen,
bet feine Menfchheit quouxoc χαρακτηρίζει. Wollte aber
Semand fagen: warum habt Ihr, von der Menschheit Chrifti
Danbelnb von feiner Gottheit ganz gefdyiegen, fo ants
worten wir: erſtens, Honorius Bat eben auf das geant⸗
twortet, was Cergiuó fragte, und zweitens haben wir wie
in Allem jo aud) hier an bie Gewohnheit ver Hl. Schrift
uns gehalten, welche bald von der Gottheit, bald von der
Menſchheit Chriſti allein ſpricht“ 1).
Wir müſſen bekennen, die von Johann IV. und dem
Abte Johann gleichförmig gegebene Interpretation des
Honorius'ſchen Briefes ſcheint und suavior als verior.
Sergius von Conſtantinopel ſprach in ſeinem Briefe an
Honorius durchaus nicht von zweierlei menſchlichen
Willen in Chriſtus, ſondern davon, daß der Terminus
δύο ἐνέργειαε auf bie Annahme zweier Willen in Chriſto,
eines göttlihen und menjdjiden, unb damit zur Sufajfung
εἰπε Widerftreitö Ddiefer zwei Willen führen fónnte. Die
Situation des Papſtes Honorius bei feiner Antwort war
ſonach nicht die, welche feine Vertheidiger vorausſetzen, er
hatte fid) gar nicht über bie Möglichkeit zweier menſch⸗
[iden Willen in Chriftus zu äußern, unb bad £v ϑέλημα,
1) Maximi disput. cum Pyrrho bei Mansi, T. X. p. 739.
über B. Sonoriué.. 25
welches er anerkennt, ift nicht der unverborbene menſch⸗
lide, ſondern der góttlide Wille in Chriſtus. Eeine
eigenen Worte &. 14 zeigen dieß beutlid); unb aud) Cergiue,
bem er antwortete, hatte nur den göttliden Willen in
Gfriftu$ anerkannt (S. 11). Den menfhlihen Willen
Chrifti verliert er gänzlich ans dem Gefſichte, weil derſelbe
moralifch eins ift mit bem göttlichen unb Honorius zwifchen
moralifcher und pbyfifder Einheit nicht unterfcheibet.
An einem andern Orte berichtet uns Marimus, jener
römische Abt Iohanned habe nod) weiter behauptet, ber
Brief des Honorius fel von ben Griechen verfälfcht worden,
denn es [εἰ darin nit ausdrücklich geftanden: „in,
Chriftus war durcha us nur ein Wille”, and fel darin
nicht der men[diide Wille überhaupt, fonbern nur bet
fünbfafte Wille Chriſto abgefproden worden 1).
(δ mag gar wohl fein, bag die Freunde be8 Monos
theletismus in Griechenland mit dem Briefe des Honoring
eine Fleine Veränderung vornahmen und ein Wörtchen
6. 9. durchaus) einfhmwärzten (ähnlich wie Luther das
„allein“ in 9tóm. 3, 28), um ber übelgewählten Floskel
ἕν ϑέλημα vie vollfte monotheletifhe SSebeutung zu geben.
Aber biefe Verfälfhung fann fid nicht auf das Eremplar,
welches auf und gefommen ift, erftredt haben, da biefes
auf ter fechöten allgemeinen Synode in Gegenwart ber
päpftlihen Legaten und ohne alle berichtigenve Bemerkung
von ihrer Seite (in andern Fällen, 3. 38. in Betreff ber
angeblichen Briefe des Vigilius ließen fie ed an folden
nicht fehlen, vgl. Bd. IL ©. 832 meiner Conciliengeſchichte)
verlefen und ben Alten einverleibt worden war. Und wenn
Abt Johann weiter bemerkte, in bem Achten Texte bes
1) Maximi epist. ad Marinum presbyt. bei Mansi, T. X. p. 689.
26 Das Anathem
Honorius’fhen Briefes fel biteft und pofttio nur der fünd-
hafte, nicht aber der menſchliche Wille überhaupt
Chriſto abgeſprochen worden, [fo zeugt "auch dieß nicht
gegen ble Integrität unſeres Tertes, im Gegentheil paßt
e$ auf ihn vollſtändig. Direft und pofitiv ift darin
. nur bet fünbbafte Wille geläugnet, von bem andern ba;
gegen völlig geſchwiegen, und das Iinftatthafte der beiden
Entfhuldigungen von Papft Iohann IV. unb bem Abte
Johann liegt eben darin, daß fie behaupteten: Honorius
habe, weil überflüffig, des göttlihen Willens in Ehriftus
nidt erwähnt, während er doch vom natürfiden menſch⸗
lihen Willen fdnoleg, deſſen er bei ver vorliegenden
Streitfrage gerade hauptſaͤchlich hätte gebenfen follen.
Go bleibt und denn das Refultat: die beiden Briefe
des Honorins, wie wir fie jegt haben, find unverfälfcht
und dulden bie interpretatio suavis nicht, welche ihnen ges
gegen werben wollte; fie zeigen, daß Honorius fafti[d) von
ven beiden heteroboren Sevminió ὃν ϑέλημα und ule
ἐνέργεια ven erftern ſelbſt gebraudjte, ben andern aber mit
bem Schlagworte bet Orthodoxie dvo ἐνέργειαι auf gleiche
Linie ftellt und beide verwarf; fte zeigen aber aud, baf
die Grundanſchauung des Honorius, tie Grundlage feiner
Argumentation und damit er felbft im Herzen orthodor war,
unb fein Webler nur in unrichtiger Darftelung des Dogs
mas unb im Mangel an logifcher Eonfequenz beftant.
Sm blefer Weiſe erledigt fid) und die Frage nad) ber
Ortboborle ober Härefle des Papſtes Honorius unb mit
halten fonad) beu Mittelweg zwifchen denen, welche ihn
auf eine Stufe mit Sergius und Cyrus flellten und un,
bevenflih den Monotheleten beirechneten !) und denen,
1) €» bie meiften Gallifaner |. à. 28. Rioker, histor. Concil.
über 9B. Φοπουίιδ. 27
weíde durchaus Feine Nadel an ihm tbulbenb in das
Schickſal der nimium probantes verfallen find, fo daß fie
lieber die Wechtheit der Alten .ves jechften allgemeinen
Gonciló und mehrerer andrer Urkunden leugnen 1) oder aud
bem ófumenijden Goncil. einen faftifdjem Irrtum (in
untidtiger Beurtheilung des Honorius) zufchreiben woll⸗
ten ἢ). Letzteren gegenüber traten bie Appellanten (Jans
feniften) mit dem Argumente hervor: wenn Ihr behauptet,
das fechfte allgemeine Gonci( fel in einen error facti vers
fallen, fo dürfen wir dag Gleiche aud) in Betreff des Papſtes
Clemens XI. und feiner Gonftitution Unigenitus behaupten.
general. Lib. I, c. X. p. 567. seqq. ed. Colon. 1683. Dupin, nou-
velle Biblioth. etc. T. VI. p. 69. ed. Mons. 1692. Bossuet, de-
fensio declarat. cleri Gallicani, T. II. p. 190. unb Proteftanten 3. 3B.
Mal, Ketzerhiſt. Bo. IX. S. 125. Bower, Θεῷ. b. Päpfte,
Bd. IV. ©. 185. Forbesius, instructiones historico-theol. p. 240.
Dorner, Lehre v. b. Perſon Chrifi, Bo. IL. 1. ©. 218. — Ja
jelbft ber Cardinal be la Luzerne urtheilte fo ftrenge über Honorius
in f. 9Berfe sur la declaration de l'assemblée du clergé de France
an 1682. Paris 1821, bei Palma, —— hist. eccl. Romae
1839. T. II. P. I. p. 106 seqq. |
1) So befonderse Pighius (Diatriba de actis VL et VIL.
Concil.) unb Baronius, (ad ann. 633, 34 sqq. u. 681, 29 sqq.].
2) So Garbinal Surreccemata (lib. II. de ecclesia c. 93),
Bellarmin (lib. IV. de rom. pontif. c. 2.), unb ber gelebrte
Maronit Joſeph Simon Ajfemani (Biblioth. juris orient.
T. IV. p. 113. seqq )., Letzterer meint, bie fedjfte allg. Synode habe
allerdings den Honorius für einen Häretifer gehalten und als joldjen
anathematifirt, aber εὖ feien ihr die Punkte, bie zu feiner Entſchuldi⸗
gung fprechen, namentlid) bie oben angeführten Apologien befjelben
von Johann IV. und Abt Marimus nicht befannt gewejen. Der befjer
unterrichtete Papit eo II. dagegen habe das Anathema ber Synode
über Honorius nicht νοι ποίᾳ approbirt, [onbern ihn nur wegen
Nahläßigkfeit, nicht wegen Härefie anatgematifitt. Siehe
unten ©. 35 f.
2B — Dad Anathem
Allein ed findet ein großer Unterfchien zwiſchen ben Appel:
lanten und jenen Apologeten des Honorins ftatt. Lebtere
Kelten a) ihre Anfiht.aus Ehrfurdt gegen ben b.
Stuhl auf, nidt jene, unb gingen b) davon aus, bie
Briefe des Honorius oder aud) der Brief des Sergius,
auf weldjen Honorius antwortete, ſeien nachmals verfälicht
und in faljden Eremplaren bem fechften allgemeinen Gor:
cil vorgelegt worden, fo daß dieſes an ſich ganz richtig ge»
urtheilt und den (freilich Pfeudo-) Honorius verworfen
babe 1).
Der Mittelweg, den wir für den richtigen halten und
oben audeinandergefegt haben, ift aber mefentlich verfchie-
den von bem, welden Garnier entbedt haben wollte *)
und worauf ibm fo viele angefebene Theologen und Hiftos
rifer folgten 9), daß dieſe Sententia gewöhnlich für vie
communis erflärt wird. Hienach wird zugegeben, daß
bie fedfte allgemeine Synode bie Briefe beó Honorius
wirflih und mit Recht anathematifirt habe, aber nicht
als ob fie irgend etwas Häretifches enthielten, venn fie
feien bievon völlig frei, jondern ob imprudentem silentii
oeconomiam, weil Honorius durch Anbefehlung dieſes
1) Bgl. Chmel, O. S. B. Prof. Prag. Vindiciae concilii oecu-
menici VI. Pragae 1777. p. 441 sqq. 456 sqq.
2) Garnier, de Honorii et concilii VI. causa im Anhange zu
j. Ausgabe des Liber diurnus Romanorum pontificum.
3) Namentlid Combefis, Honorii Papae causa am Schlufje feines
großen Werfes historia haeresis Monotheletarum ; Thomassin, dissert.
12. in Concilia; Natalis Alexander, hist. eccl. Sec. VII. Diss. II.
Propos. IH. T. V. p. 522. ed Venet. 1778. Zu ben S3ertfeibigern
des Honorius gehören nod) Mamachi, origines et antiquitates, T. VI.
p. 92; Orsi, de rom. Pontificis authoritate, T. I. P. I. Lib. I. Balle-
rini, de vi ac ratione primatus, p. 303. sqq.; Assemani |. c.
Palma, 1. c. p. 112 sqq.
über P. Honorius. 29
Silentiums ter Härefte mächtigen Borfchub geleiftet habe. —
Auch tiefe Meinung, fcheint mir, ift zu günftig für Honos
rs, indem ſich und herausftellte, daß feine Briefe,
namentlich der erfte, in ber That Irriges enthielten.
Gfrörer (Kirchengeſch. Bo. II. 1. ©. 54) vermutbet,
bie Briefe des Honorius feien die bebungene Gegenlel(tung
geweien für bie große Gefälligfeit, bie ihm furg zuvor ber
$aifet Heraklius erwiefen. Keinem der bisherigen Päpfte,
auch Gregor b. Gr. nit, fel es trot wieverholter Ans
Rrengungen gelungen, ben feit bem Dreifapitelftreit ſchis⸗
matiihen Metropolitanftuhl Aquilejas Grabo fammt feiner
Kichenprovinz wieder mit Rom zu uniren. Aber Honos
tué, glücdlicher als feine Vorgänger, habe das große
Verf ausgeführt, ben fchismatifchen Erzbiſchof Bortunat
von Grabo verjagt und einen „Parteigänger Roms" Pris
mogeniuó auf ten Metropolitanftuhl Iſtriens gefegt —
mittelft bewaffneter Hülfe des griechiſchen Erarchen. „Kann
man, ruft Gfrörer aus, einen Augenblick zweifeln, baf bie
Unterwerfung ber iftrifchen Kirche unter den Stuhl Petri
der Preis war, für welchen Honorius bem monotheletifchen
Bunde beigetreten ift. Eine Hand wajdt bie andere!“
Ich kann biefer Hypothefe nicht das gleiche Lob fpem;
ben, wie Kurtz in j. Handbuch der Kirchengefchichte (1853.
Bv. L 2. €. 181). Abgefehen davon, daß Brimogenius
[εὖτ unpafjend ein Parteigänger Noms genannt wird (er
war Cubbiafon ber römischen Kirche), ift ſchon die Grund-
lage des Gfrörer'ſchen Baues haltlos, denn es ift unrichtig,
daß feinem der Päpfte vor Honorius ble Unirung beó
Stuhles von Grado gelungen fei. In Wahrheit fam
ſchon im S. 607 ſolche Union zu Stande; ber Stuhl von
Aquileja» Grado erhielt an Ganbibian einen ortboboren
30 Dad Anatbem
Metropoliten und alle Biſchoͤfe dieſer Kirchenprovinz,
deren Stühle in faiferlidem Gebiete lagen, verließen das
Schisma !). Waß aber geihah unter Papſt Honorins ?
Der Schismatiker Fortunat hatte fid) mit Hülfe ber Longo-
barden des Stuhls von Grato bemädtigt, und das
Schisma zu erneuern verfudjt. Darüber zürnten {εἶπε
Suffraganen, unb aud) der faijerlide Statthalter (Grardy)
zu Ravenna drohte, jo vaf Wortunat für gut fand, ben
Kirhenichap ftehlend ins Land ber ?ongobarben zu fliehen
(3. 629. oder 630). Papſt Honorius aber befepte jept den
Stuhl von Grabo mit bem römijchen Subbiafon Primo:
genins und forderte von ben Longobarden, freilich vergeblich,
bie Auslieferung jener Koftbarfeiten ber Kirche von Grabo,
Wir befipen noch jegt (bei Manfi, T. X. p. 577 und
Baron ad ann. 630, 14) feinen hierauf begügliden Brief
an bie Biſchöfe vou Iftrien, an beffen Schluffe ble von
Baronius mißverftandene Stelle vorfommt: „in ähnlichen
Fallen würden aud) die Väter ber christianissima respub-
lica Gleiches erweisen,“ b. B. geftohlenes Gut, das in ihr
Land gebracht wurde, ausliefern. Baronius meinte, unter
christianissima respublica fei Venedig zu verftehen; abet
Ihon Muratori (Θεῷ. v. Stat. Bd. IV. ©. 76) bemerfte
1) Als die ongobatben Oberitalien eroberten, war ber Metro⸗
politanftuhl von Aquilefa nad) Grado verlegt worben, ba. bieje Durch
Moräfte fefle Stadt von den ongobatben nicht erobert werben fonnte;
und die Metropoliten nannten fid) „von Aquileja zu Grado.“ Bon
ben zu dieſer Kirchenprovinz gehörigen Stäbten- aber waren bie einen
in der Gewalt des Kaifera geblieben, die andern von ben Longobars
ben erobert worden. Die Bifchöfe im Iongobarbifchem Gebiete. nun
wollten ber Union im S. 607 nicht beitreten, unb beftellten jest für
fid ein befonderes hierarchifches Oberhaupt mit dem Titel; „Patriarch
von Aquileja.“
über $99. Sonorius. 31
richtig, daß mit biefem Ausdrucke gar häufig das römifche
Reich bezeichnet werde. Aus bem Gefagten aber erhellt,
bag bie Union bes Stuhls von Grabo unb feiner Euffras
ganen fchon älter war als Papft Honorius, und unter
biefem nur eine temporäre Störung berfelben wieder bes
feitigt wurde. Letztere an, fid — durch den Widerſpruch
ver Euffraganen — unhaltbar, brauchte nit um das
Blutgeld der Saflimmung zur Härefie erfauft zu werben.
Wenn wir aber ben 9Bapft Honorius nicht von aller
Schuld freifprehen, fo werben wir hierin nicht durch ble
Sbatjadjen geftört, bag Martin L, fomie feine Lateran⸗
Eynode im I. 649 und ebenjo Papſt Agatho und feine
Synode im I. 680 ben Honorius nicht unter bie Monos
theleten gerechnet, vielmehr fein ?[nbenfet in Ehren ges
halten und (id) fo geäußert haben, als ob alle bisherigen
Päpfte Gegner der Härefie gemefen feien. G8 war natürs
ih, daß die Art und Weife, vole Papft Sohann IV. unb
Abt Johann ben Honorius ent[dulbigten und redytfertige
ten, damals in Rom die Allgemeine war, unb man fid
ihrer gewiß gerne bebiente, um glüdlic, über einen fchwies .
rigen Punkt Binübergufommen. Seit dem Ausſpruche bet
jechöten allg. Synode aber veränderte ſich bie Sade und
aud) bie Päpfte haben jegt das Anathem über Honorius
anerfannt und wiederholt. Und zur Unterfuchung der Sen⸗
tenz tet fedjóten allg. Synode gehen wir jept über.
1) Diefe durch faijer Conftantin Pogonatus im
Einverftändniffe mit Papft Agatho, ber fid) babel dur
Legaten vertreten ließ, zur Beilegung der monotheletifchen
Streitigkeiten berufen und am 7. Noveniber 680 eröffnet,
erwähnte zum erftenmale des verftorbenen Papftes Honor
tué im Gingange ihrer 13. Gigung am 28. März 681
32 : : Das Anathem
mit folgenden Worten: „Nachdem wir bie bogmatiichen
Schreiben des Sergins von Gonftantinopel an Eyrus von
Phaſis (fpáter von Alerandrien) unb an Papft Honos
rius, fowie ben Brief des Leptern an Sergins
gelefen haben, fanden wir, daß biefe Urkunden ben -
apoftolifhen Dogmen, aud ben Erflärungen
bet bl. Goncilien und aller angefehenen Bäs
ter wiber[preden unb den faljden Lehren
ber Häretiker folgen; beffalb verwerfen wir fie volls
ftändig unb verabfcheuen (βδελυττόμεϑα) fie ald feelen-
petberblid. Aber audj die Namen dieſer Männer
müſſen aus ber Kirche ausgeftoßen werben, nämlich ter
bed Sergins, ber zuerft über biefe gottlofe Lehre gefchrie-
ben hat. Werner der des Eyrus von Alerandrien, des
Pyrrhus, Paulus und Petrus von Gonftantinopel und des
Theodor von Pharan, welde fümmtlid) aud Papft Agatho
in feinem Echreiben an ven Faifer verworfen hat. Wir
belegen fie fámmtíid) mit bem 9Inatfeme. Nebft ihnen
aber foll, it unfer gemeinfamer Beihluß,
aud aus ber Kirche ausgeſchloſſen und anathes
matifirt werden ver ehemalige Bapft Honorius
von Altrom, weil wir in feinem Briefe an
Sergius fanden, daß er in Allem beffen Ans
fiht folgte und feine gottlofen Lehren bes
ftätigte (ara πάντα τῇ éxeiva ſdes Sergius] γνώμῃ
ἐξακολεϑύήσαντα καὶ τὰ αὐτῇ ἀσεβῆ κυρώσαντα δόγματα) 3).
2) Segen Ende verjelben Gigung urbe aud)? ber
zweite Brief des P. Honorius an Sergius zur Prüfung
1) Mansi, Collectio Concil. T. XI. p. 554 sq. Harduin, Collect.
Concil. T. II. p. 1332 sg.
über P. Honorius. , 83
vorgelegt und won ber Synode verorbnet, bag alle von
Arhivar Georg von Bonftantinopel- übergebenen Aftens
Rüde, darunter bie zwei Briefe des Honorius, fogleld) als
feelenverblich verbrannt werben follten 1).
3) Wiederum gedachte die fedjéte allgemeine Synode
bró Papftes Honorius in der 16. Sitzung am 9. Auguft 681
bei ben Acclamationen und Erelamationen, womit die Vers
bandlungen dieſes Tages fid) Ichloßen. Die Bifchöfe riefen:
„viele Jahre bem Kaiſer, viele Jahre bem römischen Papfte
Agatho, viele Jahre bem Patriarchen Georg von Eonftantis
nopel ıc., Anathema bem Häretifer Sergius, bem Däretifer
Cyrus, dem Häretifer Honorins, bem Häretifer
Pyrrhus ac. ac. ?).“
4) Noch wichtiger ift, was in ber 18. unb letzten
Sitzung am 16. Septbr. 681 geſchah. In dem Glaubens;
dekrete, welches jetzt publicirt wurde und die Haupturkunde
der Synode bildet, leſen wir: „Dieſe Symbole (der fruͤheren
allgemeinen Synoden) hätten genügt jur Erkenntniß unb
Beſtätigung des orthodoxen Glaubens. Weil aber ber Ans
faͤnger aller Bosheit immer noch eine helfende Schlange,
buch bie er fein Gift ausbreiten kann, unb damit gefüge
Merfzeuge für (einen Willen findet "voir meinen ben Theodor
von Pharan, ben Sergius, Pyrchus, Paulus, Petrus, bie
früheren Biſchöfe von Eonftantinopel, audj ben ono
rind, Papſt von, Altrom, ben Cyrus von Aleran-
drien 2c, fo füumte er nicht, durd fie 9lergernig in ber
Kiche anzurichten burd) Ausftreuung bet häretifchen Lehre
1) Mansi, 1. c. p. 582. Harduin, l. c. p. 1354.
2) Mansi, l. c. p. 622. Harduin, l. c. p. 1386.
Theol. Duartalfärift. 1857. 1. Heft. a
94 Das Anathem
von einem Willen und einer Energie der zwei Naturen
des einen Chriſtus ).“
5) Nachdem alle Bifhöfe unb ber Kaiſer bief Glau⸗
bensdekret angenommen unb unterzeichnet hatten, publicirte
bie Synode ben herkömmlichen λόγος προφωνητικὸς, bet
an ben Kaifer gerichtet unter Anderm fagt: „Deßhalb
belegen wir mit Ausſchließung und Anathem ben Theodor
von Pharan, bet Sergius, Paulus, Pyrrhus und Petrus,
aud bem Eyrus, unb mit ihnen den Honorius, efe
mals Bifhof von Rom, der ihnen folgte 9."
6) In berfelben Sigung erließ bie Synode aud) ein
Schreiben an Papft Agatho und fagt darin: „wir haben
ben Thurm ber Häretifer zerftört und fie burd) Anatheme
getödtet, gemäß ber früher in Deinem heiligen Briefe au
gefprodenen Sentenz, nämlich den Theodor von Pharan,
den Gergiuó, Honorius, Gpruó ıc. 9). 7
D Im engften Sufammenfange zu den Aften ber
fechsten allg. Synode ftehen vie zwei Beftätinungserifte
ihrer Beihlüffe, das Faiferlihe und päpftliche, unb in
bem einen wie in tem andern wird das Anathem über
Honorius betätigt. Der Kaifer fchreibt: „Mit biefer
Krankheit (mie fle von Apollinaris, Eutyches, Themi-
ftiud 1c. ausging) haben die Kirchen nachmals wieder
angeftedt jene unheiligen Priefter, bie vor unferen Zeiten
verſchiedene Kirchen falfch regiert haben. Es ſind vicf
Theodor von Pharan, Sergius, bet ehemalige Biſchof diefer
Sauptftabt, aud) Honorius, ber Papft des alten
1) Mansi, l. c. p. 635. Harduin, 1. c. p. 1398.
2) Mansi, l. c. p. 666. Harduin, l. o. p. 1422.
3) Mansi, I. c. p. 683. Harduin, 1. c. p. 1438.
über P. Honorius. 95
Roms (zc δὲ καὶ Ὀνώριος ὁ τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης
πάπας γενόμενος), ber Befeftiger (Beftätiger) ver
Härefie, ber fid) felbft wiberiproden hat (ὁ τῆς αἱρέσεως
βεβαιωτὴς, καὶ αὐτὸς ἑαυτῷ προσμαχόμενος). ... Wir
anathematifiren alle Härefie von Simon (Magus) an bie
jtbt ... überdieß anathematifiren und verwerfen wir bie
Urheber und Gönner ber falfchen und neuen Lehren, nämlich
ven Theodor von PBharan, den Sergius ..., mud) den
Honorins, welcher PBapft von Altrom war, ber in Allem
jenen beiftimmte, mit ihnen ging und ble Härefie befeftigte
(ἔτι dà xci Ὀνώριον «τὸν τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης πάπαν
γενόμενον, τὸν ward πάντα τότοις συναιρέτην καὶ σύνδρομον᾽
χαὶ βεβαιωτὴν τῆς αἱρέσεως) "). |
8) In Form eined Antwortſchreibens am ben Kaifer
gab auch ber Papft Leo IL, der unterveflen auf Agatho
(f 10. Sannar 682) gefolgt war, feine Beftätigung, unb
jagt babei: Pariter anathematizamus novi erroris inven-
lores, id est, Theodorum Pharanitanum episcopum, Gyrum
Alexandrinum, Sergium, Pyrrhum, Paulum, Petrum, Con-
stantinopolitanae ecclesiae subsessores magis quam prae-
sules, sec non et Honorium, qui hanc apostolicam
ecclesiam non apostolicae traditionis doctrina lustravit,
sed profana proditione immaculatam fidem subvertere
conatus est; (nad tem Griechifchen subverti permisit
fapexa Qnae) et omnes, qui in suo errore defuncti sunt ?).
Diefe Stellen aus ben Alten des fehsten allg. Goncilé
und ben zwei Beftätigungsediften find bie wichtigften Zeug⸗
1) Mansi, 1. c. p. 699 u. 710. Harduin, l. c. p. 1447 u. 1458.
2) Mansi, 1. c. p. 731. Harduin, l. c. p. 1475.
3*
x
36 Das Anathem
niffe des hriftlichen Alterthums in Betreff des Anathems
über Honorius. Ihnen reihen fid) folgende an.
9) In feinem Schreiben an die fpanijden Biſchöfe
fagt Vapft Leo IL: Qui vero adversum apostolicae tra-
diionis puritatem perduelliones exstiterant ... aeterna
condemnatione mulctati sunt, i. e. Theodorus Pharanitanus,
Cyrus Alexandrinus, Sergius, Pyrrhus, Paulus, Petrus
Constanfinopolitani, cum Honorio , qui flanmam haeretici
dogmatis non, ui decuit apostolicam auctoritatem, in-
cipientem extinzit, sed negligendo confovit 1).
10) Und im Briefe an K. Ervig: omnesque haereticae
assertionis auctores, venerando censente concilio condem-
nati, de catholicae ecclesiae adunatione projecli sunt, i. e.
Theodorus Pharanitanus episcopus, Cyrus. Alexandrinus,
Sergius, Paulus, Pyrrhus et Petrus, quondam Constanti-
nopolitani praesules; et una cum eis Honorius Romanus,
qui immaculatam apostolicae traditionis regulam, quam
a praedecessoribus suis accepit, maculari consensit *).
11) Bon ber Verdammung des Honorius durch bie
ſechste allg. Synode fpricht weiterhin i. 3. 692 das Quini-
sextum ober bie Trullanifhe Synode, welde nur zwölf
Sabre nach ber obigen ftattfatte. Sie fagt in ihrem erften
Canon: „ferner befennen wir und zu dem Glauben, welden
bie fedjéte Synode anóge[proden Hat. Sie lehrte, daß
man zwei natürlide Willen und Wirkungen in Chriftus
annehmen müfj und verurtheilte (καταδικάσασα) Alle,
welche nur einen Willen [efrten, nämlich ben Theodor
1) Mansi, 1. c. p. 1052. Harduin, 1. c. p. 1730.
2) Mansi, 1. c. p. 1057. Harduin, 1. c. p. 1735. Ob dieſer
Ießtere Brief von Papft Leo IL. oder feinem Nachfolger Benebift II.
herrühre, ijt hier gleichgültig.
über P. Honorius. 37
von Pharan, Cyrill von Alexandrien Honorius von
Rom, Sergius“ x. ⁊c. ἢ.
12) Gleiches Zeugniß gibt wiederholt auch die ſiebente
allg. Synode; insbeſondere ſagt fie in ihrer Haupturkunde,
dem Glaubensdekrete: „wir verkünden ſofort zwei Willen
und Wirkungen nach ber Eigenthümlichkeit ber Naturen in
Chriſtus, gleichwie auch bie ſechſte Synode in Conſtanti⸗
nopel gelehrt hat, verdammend (αστοκηρύξασα) ben Sergins,
Honorius, Cyrus 1. 216. ἢ." Das Gleiche wird von
Mt Synode ſelbſt oder ihren Mitgliedern noch an vete
ſchiedenen andern Stellen behauptet 5).
13) Ebenſo aͤußert ſich die achte allgemeine Synode:
smetam et universalem sextam synodum suscipientes ...
mathematizamus autem Theodorum, qui fuit episcopus
Pharan, οἱ Sergium et Pyrrhum ... atque cum eis Hono-
rum Romae, una cum Cyro Alexandrino 3).
14) Sag in dem römifhen Gremplare ber Aften des
höten allg. Eoncil8 ber Name des Honorius unter ben
Anathematiftrten fid vorfanb, erhellt auch ganz bentlid) aus
Anastasis vita Leonis IL, worin e8 heißt: Hic suscepit
sanctam sextam synodum ... in qua et condemneti sunt
Cyrus, Sergius, Honorius, et Pyrrhus, Paulus et Petrus,
nec non οἱ Macarius cum discipulo suo Stephano 5).
15) Endlih, um nod) fpätere Zeugen 3. 38. Beda,
gar nicht zu nennen, ſchreibt Papft Hadrian I. (867—
1) Mansi, T. XI. p. 938, Harduin, T. III. p. 1658.
2) Manei, T. XIII. p. 377. Harduin, T. IV. p. 454.
3) Mansi, T. XII. p. 1124. 1141. T. XIII. p. 404. 412. Har-
duin, l. c. p. 134. 147. 474. 482.
4) Mansi, T. XVI. p. 181. Harduin, T. V. p. 914,
5) Bei Manei, T. XI. p. 1047,
38 Das Anathem
872): licet enim Honorio sb Orientalibus post mortem
anathema sit dictum, sciendum tamen est, quia fuerat
super haeresi accusatus, propter quam solam licitum est
minoribus, majorum suorum molibus resistendi.
Diefe 9lengerung Hadrians vourbe in ber ftebenten
Cigung des adjten allg. Concils verlefen und gebilligt 1).
Werfen wir einen Blick zurück auf bie Stellen, in
denen bie fedjéte allg. Synode über Honorius fprad), [0
fann fein Zweifel fein, bag fie feine Briefe und ifm felbft
für häretifch erflärte. „Seine Briefe widerfprechen, jagt
fie, den apoftolifhen Dogmen ıc. und find als feelenvers
berblich zu verabſcheuen.“ „Honorius hat in Allem ben
Anfihten des Sergins gefolgt und deſſen gottlofe Lehren
beftätigt *; „Satan Bat duch ihn häretifche Lehren au;
geftreut *; batum „Anathem dem Häretifer Honorius.“
Hienach ift e8 klar, daß er nicht bloß ob imprudentem
silentii oeconomiam, wie Garnier meinte, nicht weil er
gur Unzeit gefchwiegen, fonbern weil er pofitiv in feinen
Briefen Häretifches vorgetragen unb bie Härefie beftätigt hatte,
mit dem Anatheme belegt wurde. Aber mie ftimmt vieß
mit unferem eigenen früher abgegebenen Urtheile über
Honorius zufammen? Wir behaupteten ja, daß die Grund»
anſchauung des Honoriuß, bie Grundlage feiner Argumens
tation -und damit er felbft im Herzen ortfobor war. —
Allerdings; aber bie Synode mußte fid an das halten,
was vorlag, und bief war a) bie Aufftellung ber häretifchen
Formel ὃν ϑέλημα unb b) die Verwerfung der orthodoren
Formel δύο ἐνέργειαι. Die Briefe des Honorius enthielten
alfo faktifch Häretifches und verdienten das firenge Urtheil
⸗
1) Mansi, T, XVI. p. 126. Merduin, T, V. p. 866,
über P. Honortuß. 39
ber Synode um fo mehr, je größeren Vorſchub fie, weil
von bet Dódften fivdjiden Autorität ausgegangen, der
Häreſte leiften mußten und leifteten. Enthielten aber bie
Briefe wirklich Häretifches, und hat Honorius die Irrthümer,
bie er darin behauptet und verfüntet, fpäter nicht nad)
weisbar. zurüdgenommen, fo fonnte bie Synode aud) tie
‚Berfon des Qonoritó mit Gen[ur belegen. Was er
faktiſch ſagte, verkündete, behauptete, das galt, unb tar
nadj mußte die Synode urtheilen; das Urtheil darüber,
ob er εὖ nicht fo ſchlimm meinte, und ob er nur in Dans
fellung ted Dogmas gefehlt habe, ohne im Herzen
Häretifer gewefen zu fein, bem allſehenden Auge Gottes
überlaſſend.
Daß aud) der Synode bie Entſchuldigungsgründe, welche
wir zu Gunſten des Honorius angeführt haben, nicht un:
befannt blieben, dafür bürgen bie beacdhtenswerthen Worte
in bem Eaiferlichen Beftätigungsfchreiben: „Honorius, ter
Befeftiger (Beftätiger) ber Härefie, ber fid) felbft wider
ſprochen hat“ (€. 35). Wir feben, man bemerfte damals
Ihon, daß die Concluſion des Honorius. mit feiner Praͤmiſſe
nicht zufammenflimme, daß er ben Terminus, zwei
Energien verwerfe und bod (im zweiten Briefe) felbft
io febre, und daß feine Grundanſchauung nicht zum Monc-
theletismus, fondern zum ortboboren Dyotheletismus hätte
führen follen (f. ©. 18).
Sehr beachtenswerth ift die Art und Weife, wie Bapft
Leo IL. das 9[natfem über Honorius beftätigte, unb [id
über befjen Schuld äußerte Wir haben feine dießfallſigen
Worte oben betrachtet und finden darin
a) daß aud) er das Anathem über ihn fpredye.
b) Uber er unterſcheidet ihn tod) von den eigentlichen
40 Das Anathem
inventores novi erroris, anathematifirt ihn nicht al einen
aus ihnen, fonbern mit ihnen, unb bezeichnet
c) ganz richtig feine Schuld theils als bloße 90a d»
fäffigfeit (negligendo confovit), theils a8 unbefonnene
Suftimmung (maculari consensit) ').
d) Beträchtlich herber ift nur die Aeußerung im Briefe
Leo's an ben Kalfer: sed profana proditione immaculatam .
fidem subvertere conatus est.
Das conalus est würde ben größten Stein auf ono:
rius werfen; aber wir bemerften fdjon oben, daß es im
griedi[den Serte (unb ber jebt vorhandene lateiniſche ift
nur Üeberfegung aus bem griechiſchen) heißt: τῇ BefrAg
προδοσίᾳ μιανθῆναι vr» ἄσπιλον παρεχώρησε, v. f. et
gab zu, bag ber unbeffedte Glaube Deffedt werde, ganz
ähnlih, wie Leo fonft fagt: maculari consensit. {πὸ zu
. blefem Vorwurfe: unbefonnener, febr ſchuldbarer
Sufimmung paffen aud ble Worte βεβήλῳ προδοσίᾳ.
Die προδοσία ift das Preisgeben ber firfe, das fte
Verlaſſen in ber Noth; unb das hatte ja Honorius
gethban, wie audj Qeo ibm anderwärts vorwarf: flammam
non, .ut decuit apostolicam auctoritatem, | incipientem
exlinxit, unb hanc apostolicam ecclesiam non apostolicae
traditionis doctrina lustravit.
, Aber ift e8 denn aud) wahr, daß bie fedjéte allg.
Synode das Anathem über Papft Honorius ausgeiprochen
hat? Nach bem Borgange des Pighius verneinte Baronius
1) Hieraus und aus bem Folgenden erhellt, bag Affemani (Biblioth.
juris orient. T. IV. p. 163) irrig behaupte, Leo Babe bem Honorius blos
Nachlaäſſigkeit vorgeworfen, quia orthodoxam doctrinam tradere
neglesit.
‚uber 5}. Sonpriu£, 44
biefe Frage mit großem Wortaufwande, unb Einzelne folgten
ibm 5.
Die Stellen, in denen bie fedóte allg. Synode bem
Honorins das Anathem Spricht, find theils foldje, welche
nur aus ein paar Worten beftehen, theild größere nnb
mehrere Eäte. Um erftere zu entfernen, nahm Baronius
an, e8 feien einzelne Worte in den echten Protofollen au ds
radirt And andere dafür eingefegt worden. Um aber aud
die größern Stellen zu befeitigen, verband er mit ber
erften vie zweite Annahme: es feien mehrere falfche Bogen
in die echten Protokolle eingefdjoben worden. Radirung
und Sinterpolirung wurden in ?Infprud) genommen, und
Erzbifchof Theodor von Eonftantinopel für ben Urheber diefer
großen Fälſchung erflärt.
Saffen mir die zerftreuten Argumente des Baronins bündig
und deutlich zufammen, fo ergibt fid und Kolgendes: Kurz
vor bem Beginne des fechöten allgemeinen Concils wurde
Theodor von QGonftantinope[ wegen feiner Neigung zum -
Monotheletismus vom Patriarchalſtuhl geftürzt und Georg
erhoben. Aber nad) Georg'8 Tod, bald nad) Beenbigung
des ſechsten Concils, gelang e$ jenem wieder eingefept zu
werden, nachdem er ein orthodores Glaubensbekenntniß —
um Scheine — abgelegt hatte. Sicherlich nun ift vlefet
Theodor von unferer Synode nicht mit Stilfchweigen übers
1) Albert. Pighius, Diatriba de Actis VI. et VII. Concilii. Baron.
ad ex. 680, 34. 681, 19—34. 682, 3—9. 683, 2—22. Barruel, du
Papae et ses droits, P. I. c. 1. Roisselet de Saucliéres, histoire
des Conciles, Paris 1846. T. III. p. 117. Mit SRobificationen traten
tet Hypotheſe des Baronius aud) bei: Boucat., tractat. de incarnatione,
Diss. IV. p. 162 und neueitene Dombttutt, ſiynchroniſt. Geſch. des
Rittelalters, Br. II. ©. 119 fi.
42 Das Anathem
gangen, ſondern gleich feinen Borfahrern Sergius, Pyrr⸗
fus ac. x. mit bem Anatheme belegt worden. Nur drei
unter den neueren Patriarchen Gonftantinopeló, ben Thomas,
Johannes und Gonftantin, erimirte fie in der 13. Sigung
vom Anatheme; daraus folgt, daß fie ſolches aud) über
Sbeobor, ben fie nicht erimirt, ausſprach. Nachdem aber
Theodor wierer Patriarch geworden, lag ibm natürlich
daran, feinen Namen aus den Alten der Synode zu ent-
fernen, und ba ihm das Original ber Akten zu Gebote
ftanb !), fo war er aud) im Stande, dieß durchzuführen.
Gr fand nun feinen Namen neben bem bed Sergius ıc.
anathematifirtt an vier Stellen: in ben Protofollen ber
í6ten und 18ten Sitzung, bem λόγος προφφωνητικὸς und
bem Cdreiben der Synode an Agatho (f. oben ©. 33 f.
Nr. 35—6). Da es ja nur wenige Worte waren, bie gegen
Ihm zeugten, fo rabirte er tiefe aus bem Originale heraus,
und febte ftatt feines Namens den ungefähr ebenfo großen
unb in ber Uncalfchrift ähnlich auéfebenben des Honorius,
alo ONRPION ftatt OEOARPON. Er fonnte damit
zugleih auch feinem Haffe gegen Rom Genüge thun. Aber
das Anathem über Honorius durfte nicht wie ein Deus ex
machina in bie Aften hineinfallen, vielmehr mußte zur Bes
gründung und Einleitung eine Art Unterfuhung vorangeftellt
werten, und Theodor machte zu dieſem Zwecke die Wiftion:
in der zwölften Sigung feien die Briefe des Honorius zur
Prüfung vorgelegt (oerfefem) worden und darauf in ber
preizehnten die Verurtheilung erfolgt. Dieſe Wiftion (leg
1) Das Iriginal befand fid) übrigens nit im Patriarchalarchiv,
fondeen im faiferlidjen Palafte, mie der Diakon und Notar Agatho,
ber εὖ ſchrieb, verfichert in |. ἐπέλογος bei Combefis ^ hist, Monothel.
jm Bd, IL feines Auctuarium novum, p. 199.
über 98. Honorius. 43
fid) am beiten an das Protokoll ber eilften Elgung ans
fchließen, denn gegen Ende diefer wurde aus emer Schrift
veó monotheletiihen Patriarchen Macarius von Antiochien
eine Etelle verlefen, worin er den verftorbenen Papft
Honorius für feinen Meinungsgenofien erklärte. Gegen
dieſe Behauptung proteftirten ficherlich fogleld) bie pápftliden
?egaten, aber Theodor firid) blefe Proteftation hinweg,
ſchrieb die Akten ber zwölften und brelgebnten &igung um,
fügte dem wirklich dabei 9Berfanbelten feine Fiktion bei und
ſchob bann bie neuen Blätter oder Bogen (Quaterne), ftatt
ber echten, bie er herausihnitt, in bie €ponobalaften ein,
So Baronius. Aber außer ben eigentlichen Synodal⸗
aften zeugen von bem Anathem über Honorius, wie wir
wifen, nod) viele andere alte Urfunvden. Auch fie müſſen
befeitigt werben. Bor Allem gehören hieher vie beiven
Beftätigungsedifte, das kaiſerliche unb päpftlihe (f. oben
€. 34 f. Nr. 7 u. 8). Vom erfteren, bem des Kaifers, fagt
Baronius feine Cilbe; er ſcheint es nicht gefannt zu haben.
Das be8 Papfted Leo IL dagegen erflärt er für unädht,
unb ebenfo alle andern von diefer Sache fprechenden Briefe
Leo's (j. oben ©. 36. Nr. 9 u. 10).
Aber aud) das Quinisextum vom Sahre 692, das
fiebente und achte allgemeine Goncil, unb verſchiedene Paͤpſte
und andere Autoritäten fprehen von dem Anathem über
Honorius (f. €. 36 f.). — Allerdings, fagt Baronius; aber
Theodor verübte feinen Betrug fo früfseitig, bag ſchon die
erften Eremplare der €gnobalaften, welche von Gonftanti
nopel aus verjd)idt wurden, verfälfcht waren, namentlid)
aud) das Gremplar, welches tie püpftfiden Legaten nad
Rom zurüd nahmen. Go hatten denn jene fpätern Eynoden
und Paͤpſte ꝛc. [anter gefälfchte Alten vor ὦ, unb beu
4 Des suf
Detrag midt ahnend, zogen fie απ biefen we Aachricht
vem Anathem über feneviut.
Ich geftefje, man fullte glauben, nicht Sarenind, fow-
Kern ein Sroßmeiſter ver neuen eriticz merdmx Nabe vieje
Wehr complicirte ut mehr als fülme £ropotlefe eroe,
rieſes greße uxo ſchwere Θεδάπσε, Bad amt fe ſchwachen
Buben ſteht. Eden eine Reihe ter umharteten Sefebeten
fat ferne Grundloſigkeit aufgedeckt, namentlich Gemhehe ἢ),
Pagi *), Gamier ἢ, Satatid Alerander ἢ, Mamadi 5),
Wie Ballerimi $, Joferh Cimem HáHéemanmi ἢ, Nalma ®),
Ehmel ἡ was Anker Bei ver Richtigkeit ver Cade
mag aber au Wie jeíqenbe Unterfndung nicht
kberflüffig ir welde das ven ver ifte Gelehrten δεῖ
gebrachte Miterial παρῦατ verwerten, ταῦ Wichtige unb
€éagenbe *waveu in gerrängter LEürze aucheben, cie
Θερεπατάπεε genauer yrücifreu wer taugliche meme Mes
mente Kinzufügen fel
1) Coméefs (run. Tumintfıner) Dissert. agelogetica pre Actis
sextae Synedı p. 66 sq. mr Anhange zu feiner Büstevia Memethelet.
iz |. Ascfwwimm movum, T. NB. Ginex Auczug duwem gib Dep,
meevelle Biblistböqme ,„ T. VL p. 67 sqq.
2) Pagi ad ana. 631, 7 sqq. 683, 1 sque.
3) Germier, de causa Homorü im Anhange zu ſ. Ausgabe tes
Kber diursus Bowmsnorem pouf. 1650.
4) Net. Alexander , historia eccles. Sec. VIL Diss. U Propos. I.
p. 914 sqq. ed. Venet. 1773.
9) Memechi, Origmum et antiquitatum T. VI. p. >.
6) Bellerini, de vi ac ratione Primatus p. 306.
7) Biblioth. juris orient. T. IV. p. 119 sg. .
8) Palma, praelectiones hist. eccl. T. IL P. L p. 149. Romae
1839.
9) Ckmel , Prof. Prag. Viadiciae concilii occum. sexti. Pragae
1777. p. 83 sqq.
über P. Sonortu£. 45
1) Schon {εὖτ ſchlimm ift es, daß Baronius nicht
einen einzigen Zeugen aus bem Altertum für ſich anfüh-
en kann. In feinem einzigen griechifchen Gober der Akten
des fedjóten Gonciló, in Feiner einzigen der alten Berfionen
fehlen ble den Donorius betreffenden Stellen, und nicht
ein Gelehrter, nit ein Gritifer, nidt ein Kichenfürft,
nicht ein Bertheidiger und Lobrebner des römischen Stuhls 1c.
fat vor Baronius unb Pighius je nur geahnt, baf bie Aften
ber fedjóten Synode unb die Briefe Leos IL, alles fammt
unb ſonders ſchmaͤhlich gefäljcht fet.
2) Der Grunbftein, anf welchem Baronius aufbaut,
ift nicht blos morſch, er ift nuc fdeinbar; denn bie Bes
Dauptung: „die Briefe be& Honorius find burdjaus orthos
bor, und ed war darım ein Anathem gar nicht möglich,” —
diefe Grundvorausſetzung ift falſch, und wir haben das
Richtige hiegegen ſchon oben ©. 38 beigebradit.
3) Abgefehen davon, meint Baronius weiter, daß nad
altem Grunbjape prima sedes non judicatur a quoquam !), hätte
eine ſolche Berurtheilung, zumal eines verftorbenen Bapftes,
nur das Refultat einer ausführlichen und gründlichen Unter
fuhung fein müffen. Habe man ja bod), um nur über ben vet»
ftorbenen Theodor von Mopsveftia das Anathem auszusprechen,
eine allgemeine Synode (bie fünfte) und auf diefer fet
umfafjende Verhandlungen für nöthig erachtet. Wie aber
die Alten des fechöten allg. Concils die Sache varftellen,
wäre Honorins faft nur en passant verurtheilt: worden,
nachdem man zuvor nidjtó getban, als feine Briefe ohne
nähere Prüfung ihres Inhaltes zu verlefen. Sa, das evfte
Anathem über ihn in ber 13. Gigung fei erfolgt, ſogar
1) Bol. hierüber meine Conciliengeſch. Bo. I. ©. 119.
46 ᾿ Das Anathem
ehe man nur feinen zweiten Brief vorgelegt habe. Ueberdieß
[εἰ nicht glaublih, daß die römiſchen Legaten ohne alle
SBiberrebe in ble Berurtheilung eines Papftes mit eingeftimmt
hätten. Das hätte fidet lange Verhandlungen, wenigftene
zwiſchen ihnen und bem ἢ. Gtuble nöthig gemadjt, wovon
nirgends eine Spur. Ueberdieß habe bie Cynobe in ber
43. Gigung unb in bem Cdrelben an den Papft Agatho,
ebenfo der Kaifer in feinem Briefe an Leo IL. die Sache
fo barpeftelít, αἱ feien von der Synode mit Ausnahme
des Macariud nur jene Männer anathematifirt worden,
welche [don Papft Agatho in feinem Schreiben ald vers
dammlich bezeichnet habe, und unter diefen befinde fid) ber
9Rame Honorius durchaus nicht. Im Gegentheil fage Agatho :
feine Vorgänger hätten semper ihre Brüder im Glauben
geftärft und feitbem einige Biſchöfe von Gonftantinepel bie
Neuerung einführten, niemals verfäumt (numquam
neglexerunt) fie zu ermahnen !). — Wir antworten barauf:
a) daß ber in einer falfhen Eynobalafte des J. 303 aus⸗
geiprodhene Sag prima sedes etc. im Alterthum durchweg
Geltung gehabt habe, bebarf gar jehr des Beweiſes. Gibt
ja bod) felbft Papſt Habrian IL zu, daß Honorins, weil es
Härefie betraf, von der Synode habe gerichtet werben fünnen.
Wie man zu Piſa und Gonftany dachte und handelte, durch
jenen Sag nicht beirrt, ift nicht nöthig zu erörtern. b) Wenn
Baronius von einer en passant Berurtheilung des Honoriug
fpricht, fo vergaß er, daß ven öffentlichen Sigungen, deren
Akten wir haben, gewiß manche Borberatiungen vorans
gingen. Das Refultat diefer fam dann in bie öffentliche
Seffion. So wurde fidherlid über das Glaubensdekret,
— — — — · —
1) Harduin, T. III. p. 1082 sq. Mensi. T. XL p. 242 sq.
über 3D. Honorius. 47
welches in ber 18. Sigung ohne alfe Berathung angenommen
worden zu fein fcheint, zuvor ffjon mande Verhandlung
gepflogen, und in Folge davon die Formel, über bie man
fij geeinigt, im ber öffentlichen Sitzung vorgelegt. Dieß
war bie Praxis bei gar mancher Synode, befanntlih aud
beim Trienter Goncil. c) Baronius fat gewiß recht, wenn
(t behauptet, daß bie päpftlihen Legaten auf bet fechäten
Eynode ohne Erlaubniß von Rom unmöglih in die Ber
dammung des Honorius hätten einftimmen fónnen; aber
daraus, daß die Ctynobalaften hievon nichts melben, folgt
"it, daß bie Legaten In biefem Punkte wirklich Feine Voll⸗
macht gehabt haben. Im Gegentbeil weist auf eine [olde
Dasjenige hin, was Papſt Hadrian IL da beifügt, wo et
von der Berurtheilung des Honorius durch die fechöte allg.
Cynobe fprid)t: quamvis et ibi (bei diefer SSerurtbeilung)
nec patriarcharum nec celerorum anlislitum cuipiam de eo
(Honorio) quamlibet fas fuerit proferendi sententiam, nisi
ejusdem. primae sedis pontificis consensus praecessissel
auctorifas. Schon Lupus ſchloß hieraus, taf Agatho feinen
Legaten, was aud) jebr wahrfheinlih ift, eine geheime
Inſtruktion in Betreff des Honorius werde mitgegeben
haben I. Daß fegtete aber gar feinen Verſuch machten,
ven Honoriuß zu ent(dufbigen, etwa in ber Weife, wie εὖ
früher SBapft Sobann IV. gethan (f. S.22 [.), geſchah viel»
lit darum, weil fonft aud die Griechen ihre nod) mehr,
als Honorius, ſchuldbaren alten Patriarchen ebenfalls vom
Anathem hätten befreien wollen. Verſuchten fie ja bod
ſolches wirklich in ter ſechszehnten Gigung.
1) Pagi ad ann. 681, 8.9. Wald, Ketzerhiſt. 80. IX.
€. 423, |
48 Das Anathen
d) War aber dem alfo, hatte Papft Agatho feinen
Legaten wirklich Vollmacht gegeben in Betreff des Hono⸗
riuó (unb ob fie jolde hatten, mußte man confibentiell
erfahren haben, bevor man zum feierlihen Anathem
Schritt), jo ift natürlich, daß bie Synode wiederholt fagte:
„fie babe nur diejenigen mit bem Anatheme belegt, welche
bereità von Papft Agatho als verwerflich bezeichnet wor⸗
ben. feien.” — Uebrigens felbft auch in bem alle, baf
fi) Papft Agatho über Honorius gar nicht fperiell ger
áufert hätte, fonnte man doc fagen, er habe ihn ana-
thematiſirt, nämlich implicite, indem er alle Urheber unb
Förderer der Härefie verurtheilte. |
e) Hiegegen fpridt nidt vie Aeußerung Agathos :
„ſeine Vorgänger hätten immer bie Brüder in ber Ortho⸗
borie beftärkt, und niemalg aufgehört, bie Monotheleten
qu warnen.” Er bat dieß, legtere& indbejonvere, unmógs
fid) von Honorius in specie ausfagen weder wollen nod
fónnen, unb bie Worte semper tnb 'nungdam dürfen
nidt fo premirt werben, ald ob ausdrücklich aud von
Honorius ſolches gelte.
f) Weiterhin ift es keineswegs ſo auffallend, ale
Baronius meint, daß der Name des abgeſetzten Patriar⸗
den Theodor von Gonftantinopel fid) nicht unter ben von
bet Synode Anathematifirten votfinbet.
Diejed Anathem erſtreckte fid) ja nominatim nur auf
die SBerftorbenen unb jene unter ben ebenben, welde aud
jet nod) der ortfoboren Lehre entſchieden widerſprachen.
Wer fann aber Qegtereó von Theodor behaupten, von bem
wir mijjen, daß er bald hernach wieder auf ben Patriarchal⸗
ftuhl reftituirt wurde und ein ortboboreó Glaubenóbefennts
nif ablegte? Sagt ja bod) ber Kaiſer in feinem Schreiben
über $9. Gonorlus. 49
an eo IL: Solus cum iis, quibuscum abreptus est, de-
fecit Macarius 1); alfo nur Macarius von Antiochien und
feine Genoſſen fielen entfchieden ab. Die Namen bet lebtern
werben wiederholt angegeben, aud) bei Anaftafius in feiner
vita Agathonis (Mansi, XL p. 168), worauf fih Baros
nius gerne beruft; aber Theodors Name findet fid) nicht
babel. Sie wurden nad Rom gefhidt und bem Bapfte
zur Beſſerung überliefert,, wie berfelbe Anaftafius fagt;
und wieberum ift Theodor nicht dabei. Dazu fommt, daß
ber im Range höhere (ehemalige) Patriarch von Eonftan-
tinopel wohl ſchwerlich unter die blofen Anhänger des im
Range nieverern (ehemaligen) Batriarhen von Antiochien
ohne befonbere Namenshervorhebung wäre jub[umirt worden.
4) Die Annahme, mehrere Bogen ober Quaternionen
feien zwiſchen die Protofolle der eilften und vierzehnten
Cigung einge[djoben worden, ift durch und burd) willführ-
ih, bloſe Gopie bejfen, was mit ben Aften ber fünften
allg. Synode gefhah. In biefe waren zwei entiweber ganz
oder theilweife falſche Briefe des Papftes Vigilius (circ. 550),
bie ihn als den Monotheleten günftig erfcheinen ließen,
wohl von legterm eingefchaltet worden 2). Obgleih nun
bereits 130 Jahre [eit Vigilius verfloffen waren, proteftirten
ble pápftliden Legaten gerade auf bem fechften Concil ganz
energifch gegen tiefe zwei Briefe und bewirkten deren Vers
werfung. Das Gleiche wäre gewiß auf der fiebenten allg.
1) Mansi, T. XL p. 715. Harduin, T. II. p. 1462. 56
weiß wohl, daß Baronius auch dieſen Brief beanſtandet; bod) ta;
von fpäter.
2) Wir haben barübert im zweiten Bande der Gonciliengefhichte
&. 832 geſprochen.
Theol. Quartalſchrift 1857. 1. eit. 4
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Vs quet ili tw Mähre anfbınzen, vorigen Jarrs Si ter
A st sem Anathem belegt werten!
36 mü'te tof Baronins gejagt kıten, were ibm
sun ahnlich zugemuthet hätte, zu glaxten, auf ter
über B. Honortus. 51
Trienter Synode {εἰ Papft Leo X. mit bem Anathem bes
legt worden !
5) Ganz ebenfo, wie mit bec Alteneinfhlebung
verhält e& fid mit ten angeblih radirten Stellen. Das
Eine ift pure Erfindung wie das Andere und nirgends auch
nur die leifefte Epur eines Beweiſes oder Zeugnifjes das
für Auch Bier hätte der mündliche Bericht ber Legaten
ven Betrug aufveden müffen.
Dazu fommt, daß bie 9tabirung fi nicht blos auf
ein einziges Wort, wie Baronius die Sade hinftellt, zu
erfireden gehabt hätte, ſondern auf Gàge. In der 18.
Cigung heißt εὖ das einemal ἔτε xal τὸν Ὀνώριον τὸν
γενόμενον πάπαν τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης, im ber andern
Stelle: καὶ σὺν αὐτοῖς Ὀνώριον τὸν τῆς Ῥώμης γενόμενον
πρύεδρον, wis ἐκείνοις ἐν τότοις ἀκολδϑήσαντα; und in
dem SBeftàtigungéebifte des Kaiferd: „er anathematifire
die Urheber und Gönner ber neuen Härefie ... ἔτι δὲ xol
Ὀγώριον τὸν τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης πάπαν γενόμενον,
τὸν κατὰ πάντα TETOIS συναιρέτην καὶ σύνδρομον καὶ
βεβαιωτὴν τῆς αἱρέσεως.“ Waft die gleihen Worte
finden fid im dieſem SBeftátigungéfd)reiben nod) einmal
(.€. 35). Hier war eine Veränderung von OEOARPON
in ONOPION νοΐ keineswegs genügenb.
Im Interefje feiner Hypothefe läßt Baronius ten
Faͤlſcher Theodor um ein Jahr früher ald e8 wirklich ges
ſchah (682 ftatt 683), auf den Stuhl von Gonftantinopet
teftituirt werben 1), damit er noch Zeit habe, vor ter Abs
teife der päpftlichen Legaten feine Radir⸗ und Interpolirs
fanft zu üben. Iſt diefe Ehronologie unrichtig, und: fie ift
1) Dieß beweist Pagi ad ann. 682, 7.
4*
50 Das Anathem
Synode aud) in Betreff der von Baronius für unädht ges
haltenen Stüde geſchehen, denn 4) die Ehre des Papftes
Honorius war buch fie weit mehr verlegt, ald das
Andenken des δία! πὸ durch jene zwei Briefe; und
bennod haben die päpftlihen Legaten auf bem fiebten
allg. Goncil nicht das geringfte Bedenken dagegen erhoben,
als das Anathem über Honorius erneuert wurde. Wären
fie vom hiſtoriſchen Faktum nicht überzeugt gemejen, fo
hätten fie bie Behauptung: vor hundert Jahren fel fogar
ein Papft anathematifirt worden, ficher beftritten, ja bes
ftreiten müffen.
^. b) Bel Vigilius handelte es fid) nur um zwei Brief-
den mit je einem falfchen Wort: unam operationem, um
Briefe, in ber Berne (zu Gonftantinopel) gefchrieben, und
bod) wußte man zu Rom nod) nad 130 Jahren, fo viele
verfloffen zwifchen ver fünften unb fechften allg. Synode,
daß dieſelben gefälfcht feien. Jetzt aber handelte es fid
um ein ganz anbereó viel beveutenderes Faktum, ob ber
Papſt mit bem Anatheme feierlich belegt worden fei, und
darüber fol man in Rom fo bald ſchon ohne richtige Kennt⸗
mif gemefen fein? Baronius meint, bie Aftenfälfchung fei
alsbald nach Beendigung des fechften allg. Goncil8 ges
ſchehen unb ben römischen Legaten fchon gefälfchte Akten
mit nadj Haufe gegeben worden. Gewiß, der mündliche
Bericht der heimgefehrten Legaten hätte die Faͤlſchung al:
bald ans ijt gebradjt; aber nein, bie Römer glaubten
den gefälfchten Aften und nicht ben Legaten, und ließen
ſich gutwillig die Mähre aufbinvden, vorigen Jahre [εἰ bet
SBapft mit bem Anathem belegt worden!
Was würde bod) Baronius gejagt haben, wenn ihm
Semand ähnlich zugemuthet hätte, zu glauben, auf bet .—
über m. δοποτίιϑ. 51
Trienter €ynobe fel Papft Leo X. mit tem Anathem De
legt worben !
5) Gan ebenfo, wie mit ver Altenelnſchiebung
verhält es fid mit ben angeblih radirten Stellen. Das
Eine ift pure Erfindung wie dad Andere und nirgenbó aud,
nur bie feifefte Spur eined Beweiſes oder Seugniffeó das
für. Auch hier hätte der mündliche Bericht der Legaten
den Betrug aufdecken müfjen.
Dazu fommt, daß die Rabirung fid nicht blos auf
ein einziges Wort, wie Baronius die Sache binftelit, zu
erfiteden gehabt hätte, fondern auf Gáge. In der 18.
Sigung heißt e8 das einemal &rı xal τὸν Ὀνώριον vov
γενόμενον πάπαν τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης, in der andern
Stelle: καὶ σὺν αὐτοῖς Ὀνώριον τὸν τῆς Ῥώμης γενόμενον
πρόεδρον, ὡς ἐκείνοις ἐν τότοις ἀκολαοϑήσαντα; und in
bem Beftätigungsedifte des Kaiſers: „er anathematiſire
die Urheber und Gönner ber neuen Härefie ... ἔτε δὲ xol
Ὀνώριον τὸν τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης πάπαν γενόμενον,
τὸν κατὰ πάντα τἄὅτοις συναιρέτην καὶ σύνδρομον καὶ
βεβαιωτὴν τῆς αἱρέσεως.“ Haft die gleichen Worte
finden fih in dieſem Beltätigungsfchreiben noch einmal
(f. Θ. 35). Hier war eine Veränderung von OEOARPON
in ONOQPION νοΐ feineswegs genügend.
Im Intereffe feiner Hypothefe läßt Baronius den
Sälfcher Theodor um ein Jahr früher als ed wirklish ges
ſchah (682 ftatt 683), auf den Stuhl von Eonftantinopel
reftituirt werden 1), damit er noch Zeit habe, vor ber Abs
reife der pápftliden Legaten feine Radirs und Interpolirs
funft zu üben. Iſt diefe Chronologie unrihtig, und fie iſt
1) Dieß beweist Pagi ad ann. 682, 7.
4*
52 Das Anathem
e8 nad dem Zengniß ber Ehronographie des Theophanes
(ad ann. 676 secundum Alexandrinos), wornad) Patriarch
Georg nad) der fedjften allg. Synode nod) bie ins britte
Jahr, aljo bis 683 lebte, jo fällt bie Hypothefe des Baro-
niud von felbft. Die päpftlichen Legaten kehrten ja mit
ben Akten des Gonciló [don im 3. 682 nad Rom zurüd
vor bet Reftitution Theodors. Aber felbft wenn die
Chronologie des Baronius wahr wäre, [o hätte bet
mündliche Bericht der Legaten bie Fälſchung and Licht
ziehen müjjen. Ja fogar wenn die Legaten ſämmtlich treulos
gewejen und zum Betruge geholfen hätten, jo wäre- durdy
die vielen andern Mitgliever ber Synode, Grieden unb
Lateiner, bie Kunde ber Wahrheit fider in vie Welt ge»
brungen. Ober follten fie alle, ungefähr zweihundert, unb
auch ber trefflihe Kaifer, in ben Betrug miteingeftimmt
haben, ber ihnen bod) nichts zu nügen vermochte! Die Wahr-
heit jo lauter Feinde, der δά ες Theodor lauter Freunde
und Helferöhelfer gefunden haben, nicht nur an allen
Afiaten, Aegyptern, Griechen 1c, aud) an den anmejenben
gateinern! — lleberbieg legt Combefis (l..c. p. 145) ein
Gewicht darauf, bag nod vor ber Vervielfältigung des
ganzen Aktencomplexes der fechften Synode fünf Gopien
ihres Glaubensdekretes nod) im Beifein ber Biſchöfe vom
Kaifer unterzeichnet und ben fünf Patriarchen zugefandt
worben feien. Dieſe Gopien feiem jevenfalls älter als bie
Steftitution Theodors, und bod) finde fid auch in hon
das Anathem über Honorius D.
1) Sic Argument ift nicht ganz flringent, denn es wäre mig:
lid), ba bie für Rom beſtimmte Gopie ben Legaten übergeben und
mit biefen in Gonftantinopel geblieben wäre bis ins Jahr 682, alfo
bis nad) der Reftitution — (nach der Chronologie des Ba⸗
ronius).
tiber 9B. Honorius. 53
7) Dem Baronius nodj unbefannt war ber zuerſt
von Gombefió veröffentlichte ἐπίλογος des conftantinopolis
tanifhen Notare und Diakons Agatho. Diefer fagt: et
habe vor ungefähr 32 Jahren ber fechften allg. Synode
αἰ Sefretär gedient und die Protofolfe, aud) die für bie
Patriarchen beftimmten fünf Gopien des Glaubenébefreted
gefhrieben. Was ihn aber jest zur Abfafjung viefer
Schrift antreibe, Tel bie Wuth, womit der neue Haller
Philippicus Bardanes die Orthodorie und die fechfte allg.
Synode verfolge. Derfelbe habe aud befohlen, daß die
Namen des Eergiud und Honorius und ber llebrigen
von der fedften allgemeinen Synode 9Inatbe
matifirten (xal τῶν λοιπῶν σὺν αὐτοῖς ὑπὸ τῆς
αὐτῆς ἁγίας xol οἰκεμενικῆς συνόδ ἐχβληϑέντων καὶ ἀνα-
ϑεματισϑέντων) in den Diptychen wieder hergeftellt würs
bet !)). — Diefer Agatho, der die Protokolle der fedjften
allg. Synode geführt hat, wird bod) wohl gewußt haben,
ob fie einen Papft anathematifirte, ober nicht. Sein Bud)
aber ift lange nad) Theodors Tode εὐ abgefaft, alfo von
biefem gewiß nicht verfälfcht worden.
8) Einen Hauptbeweid gegen Baronius liefern die
Briefe eo'6 II. Er mußte darum aud fie für verfälfcht
erflären, Wagniß auf Bagni, Luftſchloß auf Luftjchloß
bauend. Warum er aud) das Schreiben des Kalferd an
eo beanftanbete ?), ift nicht recht Far. Es ift bod) darin
von Honorius gar nicht bie 9tebe, unb εὖ fonnte ihn nur
in fofern geniren, als ber Brief Leo’8 an den fealfet, den |
er durchaus befeitigen mußte, eine Antwort darauf ift.
Gegen den Brief 2eo'ó an den Kaiſer aber, deſſen gegen
1) Combefis, novum auctuar. T. Il. p. 204. Mansi, T. XII. p. 190.
2) Baron. ad ann. 683, 6.
52 Das Anathen
eó nad) dem Zengniß der Chronographie des Theophanes
(ad ann. 676 secundum Alexandrinos), wornach Patriarch
Georg πα ber jechften allg. Synode nod) bis ins dritte
Sahr, alfo bis 683 Iebte, jo fällt bie Hypothefe des Baro»
nius von felbft. Die päpftlichen Legaten febrten ja mit
den Alten des Concils fon im I. 682 nad Rom zurüd
vor ber Reftitution Theodors. Uber felbft wenn bie
Ehronologie des Baronius wahr wäre, jo hätte bet
mündliche Bericht ber Legaten die Fälſchung and Licht
ziehen müfjen. Sa fogar menn bie Legaten ſämmtlich treulos
geweſen unb zum Betruge geholfen hätten, jo waͤre durch
bie vielen andern Mitgliever ber Cynobe, Grieden unb
gateinet, bie Kunde ber Wahrheit fidet im tie Welt ge»
brungen. Ober follten fie alle, ungefähr zweihundert, unb
au ber trefflihe Kaifer, in den Betrug miteingeftimmt
haben, ber ihnen bod) nidjtó zu nügen vermochte! Die Wahr:
heit foll. lauter Feinde, der Bälfcher Theodor lauter Freunde
und Helferhelfer gefunden haben, nit nur an allen
Aftaten, Aegypten, Griechen 1c, aud) an ben anweſenden
?ateinern! — lleberbieg legt Gombefió (l.c. p. 145) ein
Gewicht darauf, daß nod vor ber Vervielfältigung bes
ganzen Aktencomplexes ber fedjften Synode fünf Goplen
ihres Gíaubenóbefreteó nod) im Beifein ber Bilchöfe vom
Kaifer unterzeihnet und den fünf Patriarchen zugejandt
worden feien. Dieje Gopien feien jedenfalls älter als bie
Reftitution Theodors, und bod finde fid aud) in ihnen
das Anathem über Honorius !).
1) Dieß Argument ift nicht ganz flringent, denn es wäre mög-
lid, daß die für Rom beftimmte Gopie ben Legaten übergeben und
mit biejen in Gonflantinopel geblieben wäre bis ins Jahr 682, aljo
bis nad) der Reftitution Theodors (nach der Chronologie des Ba⸗
ronius).
tiber B. Honorius. | 53
7) Dem Baronius nod) unbefannt war der zuerſt
von Combefis veröffentlichte ἐπίλογος des conftantinopolis
tanifhen Notars und Diakons Agatho. Diefer fagt: er
habe vor ungefähr 32 Jahren bet fechften allg. Synode
αἰ Sefretär gedient und die Protofolfe, aud) die für bie
Patriarchen beftimmten fünf Gopien des Gíaubenóbefreteó
gefhrieben. Was ihn aber jest zur Abfaffung dieſer
Schrift antreibe, fei bie Wuth, womit ber neue Kaiſer
Philippicus SSarbaned die Orthodoxie unb bie fedjíte allg.
Cynobe verfolge. Derfelbe habe aud) befohlen, baf bie
Namen bed Cergiuó. unb Honoriud und ber llebrigen
von bet fedften allgemeinen Synode Anathe
matifirten (καὶ τῶν λοιπῶν σὺν αὐτοῖς ὑπὸ τῆς
αὐτῆς ἁγίας καὶ οἰκδμενικῆς συνόδε ἐκβληϑέντων καὶ dva-
ϑεματισϑέντων) in den Diptychen wieder Dergeftellt würs
ben !). — Diefer Agatho, der die Protokolle ber fechften
allg. Synode geführt Dat, wird bod wohl gewußt haben,
ob fie einen PBapft anathematifirte, ober nicht. Sein Bud,
aber ift lange nad) Theodor Tode erft abgefaßt, al[o von
biefem gewiß nicht verfälfcht worden.
8) Einen Hauptbeweis gegen Baronius liefern ' ble
Briefe Leo's II. Er mußte darum aud) fie für verfälfcht
erklären, Wagnig auf Bagni, Luftſchloß auf Luftfchloß
bauend. Warum er aud) das Schreiben des Kaiſers an
Leo beanftanbete ?), ift nicht recht Mar. Es ift bod) darin
von Honorius gar nicht bie Rede, und es fonnte ihn nur
in fofern geniren, ald ber Brief Leo’8 an ben Kaiſer, den
er durchaus befeitigen mußte, eine Antwort darauf ift.
Gegen den Brief Leo's an den Kaifer aber, deſſen gegen
1) Combefis, novum auctuar. T. II. p. 204. Mansi, T. XII. p. 190.
2) Baron. ad ann. 683, 6,
54 j Das Anathem
Honorius zeugende Stelle wir oben ©. 35 mitgetheilt,
bringt Baronius (683, 13—17) zwei Einwendungen vor.
a) In einer lateinischen Ueberfegung aus dem griehijchen
Terte des Briefe ift am Ende bie chronologiſche Note
beigefügt: datum Nonis Maji indictione X. (= 7. Mai
682). Im Briefe felbft aber wird gejagt, bie püpfts
lichen Legaten, bie bei der. Synode gemejen, feien im
Suli 682 nad Rom zurüdgefommen, Das [εἰ ja offens
barer Wiverfprud und fofglidy der Brief unädht. — ‚Aber
viel näher wäre bod) gelegen, in jener chronologiſchen
Note an einen Schreibfehler zu denfen und indict. XI. ftatt
X. zu lejen, ober fie gar nicht zu beachten, ba fie nur in
einer Ueberfegung fteht.
b) In bemjefben Briefe fei zweitens gefagt: „wir
anathematifiren den Honorius ... und alle, die in ihrem
Irrthum geftorben find.” Dieß fei, ruft Baronius από,
deutlich ein Zeichen ber Fälfhung, denn bag Honorius
nicht in der refte geftorben, beweife das feierliche Be⸗
gräbniß, bad er in Rom erhalten. — Aber Honorius
ftarb ja, ehe über die theologifche Ctteitfrage endgültig
entſchieden war; er ftarb als rechtmäßiger Papft, von
Niemand der. Härefie bezüchtigt, im Gegentheil von feinen
Zeitgenoffen, zumal in Rom, entjdulbigt unb belobt.
(ſ. o. S. 22 f.).
9) Gegen die epistola Leonis II. ad Hispanos (ſ.
S. 36.) bemerkt Baronius (683, 18): ber Papſt ſage
darin, archiepiscopi sunt ἃ nobis destinati, um ver
ſechſten allg. Synode anzuwohnen. Nun aber habe nicht
Leo, ſondern Agatho die Legaten abgeſchickt, und unter
dieſen ſei fein Erzbiſchff geweſen. Wir antworten: a)
nobis ift nicht gu uͤberſezen: ἰῷ für meine Perſon,
über P. Honorius. 55
fondern: wir = ber römifde Stuhl. b) Es ift
unridjtig, daß gar fein Erzbiſchof als Bevollmädhtigter des
Papfted und des Abendlandes auf der fechften Cynobe
gemefen fel. Unter den eigentlihen Legaten allerdings
fand fid) fein folcher, aber aufer ihnen unterzeichneten bie
Erzbifchöfe Johannes von Theflalonih und Ctepfan von
Gorinth bie Aften, erfterer als βικάριος und Anyarapıos
[egterer aíó Anyarog «8 ἀποστολικᾶ ϑρόνα Ῥώμης. Erz
bifchof SBafiliuó von Gortyna auf Greta aber unterjchrieb
als Anyarog τῆς cyleg συνόδε τᾶ ἀποστολικὰ ϑρόνα
τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης ').. Alle tiefe drei Biſchöfe ges
hörten bem Illyricum orientale, alfo tem Patriarhate Rom
und damit ber Synodus Romana an, bió auf Leo Iſauri⸗
cus ?); unb wenn fie aud) auf ber römischen Synode des
Jahres 680, welche tem fechften allg. Concil voranging
und Deputirte für letzteres beftellte, nicht perſoͤnlich er
fhienen waren, fo fonnten fie doch entweder von dieſer
Synode oder vom Bapfte in specie Vollmachten erhalten
haben. Das Erftere fcheint bei Baſilius von Gortyna
ber Sall gewefen zu fein, daher feine Unterſchrift ληγάτος
τῆς ovvode, das Leßtere bei ven beiden andern, zumal fie
ohnedieß beſtaͤndige Vikare des Papftes waren, ber Erz
biſchof von Theſſalonich feit lange für Illyricum, ber von
Gorintb für Hellas unb Achaia, feit. Kaifer Suftian I.
1) Mansi, T. XI. p. 659 sqq. u. 669. Harduin, T. III, p. 1402
sqq. u. 1426. gl. Combefis, pro Actis VI. Synodi c. 2. € 6. p.
160. hinter ber historia Monotheletarum unb feine Collatio Acto-
rum VI. Synodi, ibid. p. 257. Pagi, ad. ann. 683, 10.
2) Wiltſch, Kirchl. Gtatiftif, Bd. I. ©. 72, 126, 402, 431.
Assemani, Biblioth. juris orient. T. V. p. 75.
56 Das Anathem
diefe Provinzen von Illyricum getrennt hatte ἢ. Der bes
anftanbete Satz wird ſonach allem Tadel entrüdt, wenn
wir. nur leſen wollen: archiepiscopi el ' episcopi.
Will man aber das nit, fo kann man entweder das
érchi für einen Zuſatz des librarius halten ober anneh⸗
men, der Titel archiepiscopus [εἰ bier nicht in bem Einne
von Metropolit, ſondern in der weitern, befonders früher
fehr verbreiteten Bedeutung: befonders ehrwürdiger
Biſchof zu nehmen. Noch jegt unterſcheidet man ja in
der griechiſchen Kirche febr gut zwiſchen Erzbifhof unb
Metropolit. Erfteres ift nur Ehrentitel.
Weiterhin verbädhtigt Baronius (683,22) den Brief
Leo's ad Hispanos deßhalb, weil in ihm gefagt werbe, ber
Papſt überfhide den Epaniern einftweilen nur einige &tüde
ber Aften bed fechften Concils, das Gíaubenóbefret, ben λόγος
προςφωνητικὸς und das Beftätigungsedift des Kaiſers.
Das llebrige fel noch nicht ind Lateinifche überfegt. Die
14. toletanifhe Synode dagegen fage glei darauf: bet
Papſt habe eine Abfchrift ber gesta synodalia gefhidt. —
Aber Fonnten denn bie drei Haupturfunden bes fechften
allg. Concils nicht aud) gesta synodalia genannt werben ?
Don integra gesta ift ja nicht ble Rebe, obaleih Baros
nius bie Gade [o darftelt, als habe das Toletanum
diefen Ausdruck gebraudt 2).
10) Den Brief Leo's IL an den fpanifchen König
Ervig endlich bezüchtigt Baronius (ad ann. 683, 20. 21)
darum der Unächtheit, well er angebe, der Kaifer habe
in der Sinbictio IX. an Papft Agatho wegen Berufung
1) Qgl. Petr. de Marca de concordia sacerdotii et imperii,
lib. V. c. 19, 2. 3. u. c. 29, 11.
2) Combefie, 1. c. p. 138, Pagi, ad ann. 683, 14.
über P. Honorius. 57
der ſechſten allg. Synode geſchrieben. — Nicht an Agatho,
ſondern an deſſen Vorfahrer Donus ſei ja das kaiſerliche
Schreiben gerichtet geweſen und εὖ gehöre nicht ver LX.,
jondern VI. Indiction an. — Gdjon Gombefió und Bag
erwieberten: a) bet chronologiſche Irrthum ſei leicht durch
einen Schreibfehler zu erflären, b) bie Nennung Agathos
aber ſtatt Donus ſei nur * fogenarfnted compendium
historicum, indem Donus, al8 das faiferfide Schreiben ers
laffen wurde, nicht mehr lebte, und diefes nun an Agatho
fam unb von ihm beantwortet wurde !).
11) Affemani wundert (id 5, bag Baronius eine aufs
fallende Aeußerung des Papftes Nifolaus I nicht für feine
Hypotheſe verwendet habe. Derſelbe fchreibt nämlih in
feinem 8. Briefe an den Kaifer Michael II. von Eonftan
tinopel: „feine (des Kaifers) Vorfahren feien feit langer
Seit an dem Gifte verſchiedener Häreften franf, und hätten
Diejenigen, tie ihnen Rettung bringen wollten, entwes
der zu Theilnehmern ihres Irrthums gemakht,
wie zur Zeit des Papftes Gonon, oder fie ver
folgt u 5.
Auf was Papft Nifolaus Bier anfpiele, meint Affe:
mani, müjje auf ber von Juftinian IL veranftalteten cens
Rantinopolitanifhen Synode im 3. 686 gefchehen fein,
auf welcher Juſtinian im Beifein des päpftlichen Apo⸗
krifiars unb vieler Patriarhen und Erzbiſchöfe ꝛc. die
Driginalprotofolle der fechften allg. Synode verlefen und
von ihnen fiegeln ließ, damit fie nicht ſollten verfälfcht
— — — —
1) Combefis, l. c. p. 154 u. 164. Pagi, ad ann. 683, 13.
2) Biblioth. juris orient. T. IV. p. 549. T. V. p. 39.
3) Baron. ad ann. 686, 4. Pagi, ad ann. 686, 7.
58 Dad Anathem
werben fónnen !). Bei dieſer Gelegenheit, meint 9ffjes
mani, hätte wohl ein Betrug, wie ihn Baronius ans
nimmt, gefpielt werben fónnen, — Allein Baronius faf
ganz richtig, menn er dieß nicht in feine Hypotheſe herein
jog, denn eine Aftenfälfhung im Safre 686 war für
ihn um vier Jahre zu fpät. Er hätte dann zugeben
müffen, daß bie Achten Akten fdon zuvor, ja [don vier
Sabre zuvor nad) Rom gefommen feien, b. b. er hätte
feine eigene Hypotheſe vernichtet.
12) Was bisher gegen Baronius gefagt wurde, gilt
theilmeife aud) gegen Boucat ?), der an ber Hypotheſe
des Erftern eine Modification anbringen zu müfjen glaubte.
Nah ber eilften Cigung meint er, habe tie €ynobe aufs
gehört, eine legitima zu fein, und es [ei barum aud) -bie
Verurtheilung des Honorius nidt durch Spruch einer gils
tigen allgemeinen Synode erfolgt. Als Beweis führt. er
an: a) nad) ber eilften Cigung hätten fid) die päpftlichen
Legaten entfernt, und b) eà habe nad) Beendigung bert
eilften Cigung einer der päpftlichen 2egaten, 3B. Iohannes
von Porto, in Gegenwart des Kaifers 1. in ber Sophiens
fire ein Hochamt nad) lateinifem Ritus zur Dankſa⸗
gung für glüdlide Beendigung ber Synode celebrirt.
Beide Behauptungen find völlig grundlos, denn εὖ ift
a) faftijd) und ein Blick in die Eynodalaften zeigt ed, daß
tie päpftlihen Legaten aud) der 12., 13., 14., kurz allen
18 Cigungen bis zum Schluſſe anwohnten, und in bet
legten die Akten unterzeichneten.
b) Was Boucat von tem Hochamte des päpftlichen
1) Mansi, T. XI. p. 737. Harduin, T. IIl. p. 1478.
2) Anton Boucat, tractat. de incarnatione, Diss. 4. p. 162,
Bol. Chmel, 1. c. p. 101.
über 538. Honorius. | 59
Legaten Johann jagt, entlehnte er aus ben vitis Pontifi-
cum von Anaftafius !) ; aber ‚hier wird ausdrücklich gejagt,
daß die gottesdienftlihe Beier am Oſterfeſte, alfo nicht
nah ber eilften, fondern mad bet vierzehnten
Cigung ftatt hatte ?). Daß fie ein Danffeft für glüds
liche Beendigung ber Synode fein follte, davon weiß Anas
ftafius feine Eylbe; wohl aber fagt er: um die römijchen
Legaten zu ehren, habe man ben Ofterfeftgottespienft burd)
einen von ihnen celebriren lafien.
13) Einen eigenen aber bod) in bet Hauptfade bet
Hypotheje des Baronius verwandten Weg fchlug in neuer
Zeit Damberger ein in feiner ſynchroniſtiſchen Geſchichte
des Mittelalters, Bd. IL. &. 119 ff. Die erfte ziemlich (Ὁ)
unverdaͤchtige Hälfte ber Eynodalaften, fagt er, reiht nur
bis zur Iten Eigung inclusive. Die Aften der fpätern
Cigungen find gefälfcht. Die Griechen fonntem εὖ nicht
ertragen, daß eine Menge Patriarchen des ftolgen Conftantis
nopefó mit bem Anathem belegt werben follten, und haben
deßhalb, um fozufagen das Gleichgewicht herzuftellen, off eme
bar ohne Wiffen der pápftliden Legaten (!) in
bie Anathematismen ber Aften aud) ven Namen des Honos
rius eingefhoben. Wie die Aften jest vor und liegen,
zeigen fie von ber 10ten Sigung an überall , bie Schliche
des byzantinifchen Lügengeifted”, und Damberger muß
„darüber ftaunen, daß abendländifche Kirchenfchriftfteller,
und nidt blos Eompendienfchreiber, fonbern eigentliche
Forſcher bie erwähnten Aften für Acht hinnahmen.” Nur
— — — ....
1) In der vita Agathonis, abgedruckt bei Mansi, T. XI. p. 168.
2) Sm S. 681 fiel Oftern auf ben 14. April; bie eilfte Sikung
wurde am 20. März, bie vierzehnte am 5. April, bie fünfzehnte am .
26. April 681 gehalten.
60 Das Anathem
Gallifaner, meint er, haben, weil ffe fonft nirgents Ber
weife für bie angeblihe Euperiorität eines allg. Concils
über ben Papſt finden fonnten, für die Echtheit dieſes
„griechiſchen Aktenwuſtes“ gefochten.
In der weitern Entwicklung ſeiner Anſicht weicht
Damberger von Baronius ſehr ſtark ab durch die Behaup⸗
tungen: a) die echten Akten der ſechsten Synode feien wohl
nad Rom gejfanbt worden, bie gegenwärtigen aber feien
ein verfälfchter Auszug aus den echten. b) Die fiebente
und adte Eynode und bie Päpfte Leo IL und Hadrian II.
hätten wohl bie Akten des fechsten allg. Concils befobt,
nämlich die echten, bie ihnen vorlagen; bavon aber, daß
die fedjéte allg. Eynode über Honorius das Anathem gez
ſprochen habe, {εἰ ihnen nichts befannt. c) Ja, nirgends
fel. hievon -gefprodhen worten, bis Michael Eerularius im
eilften Jahrhundert das Schisma erneuerte. d) Die echten
Aften feien wohl in Rom zu Grunde gegangen, aber Leo IT.
und Hadrian II. hätten fie nod) gehabt.
Die Reihe des Staunend i(t jegt an and. — Die
fiebente und achte allg. Synode foll nichts von bem Anathem
über Honorius gewußt haben? Aber im Gíaubené:
befret der Tten Eynode heißt es: „wir verfünben fofort
zwei Willen und Wirkungen nad) ber Eigenthümlichfeit ber
Naturen in Chriftus, gleihwie auch die Πε δίς Eynote in
Eonftantinopel gelehrt hat, verdammend ben Sergius,
Honorius, Cyrus 1." (ἀποκηρύξασα Σέργιον, Ὀνώριδὄν,
Κῦρον x. v. λ.) ). Und tie achte allg. Synode fagt:
sanclam et universalem sex!am synodum suscipientes ...
anathematizamus ... Theodorum, qui fuit episcopus Pharan,
1) Mansi; T. XIII. p. 377, Harduin, T. IV. p. 454.
über PB. Honorius. ' 61
el sergium et Pyrrhum ... atque cum eis Honorium Romae,
una cum Cyro Alexandrino etc. '). |
Db Papft Leo IL. und Hadrian IL von dem Anathem
über Honorius etwas ober nichtd wußten, mag jeber, bet
ihre Aeußerungen ©. 35 ff. gelefen Bat, felber beantworten.
Gerade fie Tprechen ja am früftigften von ber Anathematis
frung des Honorius, und lebten viele hundert Jahre vor
Michael Gerufariud. Wenn Damberger endlich verfichert,
ko IL und Hadrian IL hätten nod) die echten Alten beó
jehöten Boncild vor Augen gehabt, fo wird ihm Baronius
t$ niemals verzeihen, denn alles Bisherige hat uns bes
lehrt, daß, wenn Leo IL und Habrian IL. die echten Aften
der jedjéten Synode befaßen, bann nidt mehr der leifefte
Zweifel gegen das Anathem über Honorius erhoben werben
kann. — Was aber aus ber Gefdjdjte des Honorins in
Betreff der Infallibilität des Papftes refultire, das zu er:
örtern liegt nicht im unferer Aufgabe und wir begnügen
und mit ber SBemerfung, daß die Animadversiones, weldje
der Kirchengeſchichte des Natalis Alerander beigegeben wurs
tn, um bleg Werf wieder aud dem Inder zu befreien, im
Intereffe der Infallibilität nadjumeifen ſuchten: Honorii
epistolae, ob quas haeresis fuit accusatus, privatae fuerunt,
non dogmaticae ?).
Hefele.
1) Mansi, T. XVI. p. 181. Harduin, T. V. p. 914.
2) Natal. Alex. l. c. p. 526.
2.
Die rechtlichen Wirkungen der Greommunication.
(Schluß.)
85.
Unfaͤhigkeit que Erlangung von Beneſieien.
Wie ſchon eine gewöhnliche Geſellſchaft, die ſich zu
irgend einem Zwecke conſtituirte, alle Regeln der Geredytig
feit und Klugheit im directeſter Weiſe verlegen wütbe,
falls ſie einen aus ver Genoſſenſchaft wegen Nichtbeachtung
ihrer Statuten unb Beeinträchtigung ihrer Zwecke foͤrmlich
Ausgeſtoßenen nachher mit einem Amte innerhalb derſelben
betrauen wollte, ſo kann auch die Kirche, dieſe große und
heilige Genoſſenſchaft, einen Excommunicirten zu ihren
Aemtern und Beneficien unmöglich zulaſſen: ſie würde da⸗
dutch die urfprüngliche Strafe nicht nur (n ihren Wirkungen
größtentheild {εἰ wieder aufheben, fonberm auch bem
SBetreffenben einen Wirfungsfreis eröffnen, ven ev gar leicht
zum Nachtheile ber Gejammtfeit benügen fünnte, bavon
ganz abgefehen, daß den Gläubigen gegenüber in ber Bes
vorzugung eines Golden sine große lingeredjtigfeit, eine
beleibigenbe Hintanfegung liegen würde. Außerdem tft nicht
in Abrede zu ziehen, daß bie Kirche durch Lebertragung
eines Beneficiums mit dem Ercommunicirten in audgezeichs
Die Wirkungen ber Greommunication. 63
neter SBeife fih in Verkehr fegen 1) und dadurch wieber-
um viele ihrer Mitglieder unmittelbar veranlafien würde,
mit jenem (n verbotenen Umgang zu treten. Endlich fiegt
im Begriff und 9Befen beó Beneficiums, daß εὖ ertheilt
wird wegen des Officiums und baf Derjenige, bet
fih im SBefige beffelben befindet, ble mit ihm verbundenen
Sunctionen gewifjenhaft verrichte 2): nun aber find bem
Ercommunicirten alle kirchlichen Functionen unterfagt, er
kann mithin eine Pfründe, eben weil fie nut. wegen des
Officiums verliehen wird, rechtlich nicht erwerben 3). — In
Erwägung der angeführten Berhältniffe hat vie Geſetz⸗
gebung ausdrücklich beftimmt, daß ein Ercommunichter zur
Erlangung von Beneficien abfolut unfähig
[εἰ8). Wird ihm eine Pfründe übertragen, fo ift vie
Gollation ipso facto 5) ungültig, die Etelle bleibt nad) wie
—— — ap mua c —
1) Sieg führen die Gefege, welche die Verleihung von SBeneficien
an Grcommunicitte unterfagen, ausdrüdlih als Motiv an. c. 7X
de clerico excomm. minist. 5. 27. - E:
2) ,Beneficium datur propter officium.* «c. 15 de rescript. VI.
1. 3. Cfr. c. 16 X de praebend. 3. 5.
3) Auch diefer Gefid)tepunft wird won ben Gefepen fpeciell her:
vorgehoben. c. ultim. X h. t. 5. 27.
4) c. 7 X h. t. 5. 27: „Consultationi vestrae taliter ΠΕ
quod, cum excommunicatis communicari non debeat, clericis, ex-
communicationis vinculo innodatis, ecclesiastica beneficia conferri
non possunt, nec illi valent ea retinere licite, nisi forsitan cum eis
fuerit misericorditer dispensatum: quum ea mon fuerint canonicé
consequuti.“
9) c. 1 de rescript. VI. 1. 3: — jure rescriptum, vel pro-
cessus, per ipsum habitus, non valeat, si ab excommunicalo super
alio, quam excommunicationis vel appellationis articulo, fuerit im-
petratum,^ Da hienach jedes Nefeript, das an einen Grcommunicirten
gerichtet wird unb fid) nicht auf bie Ercommunication oder Appellation
bezieht, ipso facto ungültig ijt, fo folgt, daß aud) bie ihm zugeftellte
64 Die Wirkungen der Ercommuntcatton.
vor erledigt, er felbft erwirbt auf fie nicht das geringfte
9tedjt und hat fie unverweilt zurüdzugeben. Die etwaige
Abfolution fanu den fdon in feinem Urfprunge ungültigen
Act nicht revalidicen !), es ift zum wirklichen Erwerb ber
Pfründe eine neue Gollation oder wenigftens eine Dispens 3)
nothwendig, die bie Stelle ber Gollation vertritt und ihr
rechtlich gleichfommt. Alle Handlungen, die ein Ercommuni-
cirter vermöge feines widerrechtlih erlangten SBeneficiumeé
vornimmt, find wegen mangelnder Jurisviction null unb
nichtig, — mit alleiniger Ausnahme des Falles, in welchem
wegen eined allgemeinen Irrthums der Gemeinde tie Kirche
vie fehlende Gerichtsbarkeit fupplirt und baburd) der be:
treffenden Handlung gefeglide Gültigkeit verleiht 9).
Diefe Grundfäge fommen bel allen Beneficien
ohne Unterſchied zur Anwendung und ble Ercommu-
nieirten find von allen unbedingt ausgeſchloſſen, mögen
có nun beneficia curata oder simplicia, minora ober majora,
secularia ober regularia fein, denn die Gefege beblenen fid)
ganz allgemeiner Ausdrücke und fpreden, ohne irgend eine
Ausnahme zu ftatuiren oder aud) nur anjubeuten, ben
Grunbjag aus, daß ble Gxcommunicirten von ben Benes-
Εἰ εἰ εἰ fernzuhalten feien: ba nun das Gejeg feine Unters
ſcheidung madjt, fo find aud) wir nicht beredtigt, eine
folche jugulaffen ). Ja nicht bloß die eigentlichen Pfruͤnden,
Gollationdurfunbe und damit bie Gollation fefbft ipso facto jeder
rechtlichen Wirfung ermangele.
1) c. 18 de regul. jur. VI. 5. 12: „Non firmatur tractu temporis,
quod de jure ab initio non subsistit."
2) c. 7 cit. X de cleric. excomm. minist. 5. 27.
3) L. 3 Dig. de offic. praetor. 1. 14.
4) Glossa in c. 32 X de verb, significat, 5. 40. verb. bene-
ficiorum.
Die Wirkungen der Ercommuntcation. 65
die ſelbſtſtaͤndig für fid) beftehen unb mit feftbeftimmten
Einkünften bleibend übertragen werben, fallen in Sinne
bed Gejeged unter den Begriff ber beneficia, vielmehr ge-
hören zu benjelben aud) jene Dignitäten und Aemter, mit
melden vorherrſchend Jurisdictionsrechte verbunden find unb
regelmäßig nur in interimiftifcher Weife verliehen werben,
wie bie Würde ber Legaten, der Apminiftratoren der Diö-
cefen !), der 9Bifitatoren, ber judices delegati etc. Es ver:
ftebt fid von felbft, bag aud) diefe an Ercommunicirte nicht
vergeben werben fónnen, denn einerjeits find fie wichtigere
und einflußreichere Stellen al& bie gewöhnlichen Pfrünven,
anbererjeitd erfordern fie bie Ausübung der Syurióbiction,
von welcher, wie wir fogleich zeigen werben, die Gebannten
ebenfalls auégejdjofjen find. Selbft die Commenden .°
machen feine Ausnahme, denn audj fie werden vom Ge:
e unter bem Gefichtspunfte ber Beneficien aufgefaßt 2).
Bas endlich die kirchlichen Penſionen betrifft, fo find
jear mit benjelben feine befondern Functionen verbunden,
aber ihre Verleihung jchließt jedenfalls eine große Gunft-
begengung in fid, die angewiefenen Einkünfte fließen aus
bem firdenvermógen und zwiſchen bem Verleiher unb
Empfänger findet eine communicatio ftatt. Deßhalb glauben
wir denjenigen Ganoniften beiftimmen zu müjjen, melde
bie SBenflonen den Beneficien gleichftellen und barau bie
Bolgerung ableiten, bag die Handlung, mittelft welcher
einem Excommunicirten eine Penfion zugewiejen wird, ipso
jure ungültig [εἰ 5). — Aus der erwähnten allgemeinen
1) c. 42 de elect. VI. 1. 6; c. 4 de supplenda neglig. praelat.
VL 1. 8. )
2) c. 15 de elect. VI. 1. 6.
3) Suares. 1. c. Disput. XIII. sect. 1. n. 9.
Theol. Quartal (drift. 1857. l. $eft. 5
66 Die Wirkungen der Greommunicatton.
Redeweiſe ver Gefege, daß Firchliche SBeneficien an Ercommu-
nicirte nicht vergeben werden dürfen, ergibt fid) ferner,
daß das Verbot auf alle Arten von Pfründever-
leihung fid bezieht. Es ift alfo nicht Bloß ble gewöhn⸗
fide Collatio libera des Biſchofs null und nidtig, ſondern
aud die firdfide Wahl, wenn fie auf einen Exrcommus
nicirten gefallen ift ἢ): vie Wähler verlieren für dieſesmal,
wenn fie um bie Ercommunication wußten, ihr Wahlrecht
unb unterliegen einer breijährigen Suspensio a beneficio 2).
Dasfelbe gilt von ber Boftulation?), — nur mit bem
Unterfchieve, daß bie legtgenannte Strafe der Suspenſion
nicht eintritt, fonberm bie Betreffenven bloß mit bem Ver⸗
[ufte des Poftulationsrechtes zu büßen haben *). Wie bie
Wahl unb Poftulation, fo ift aud) ble Präfentation
ein integrirendes Moment bel SBefegung eines SBeneficiume,
fie muß mithin unter bemfelben Geftdjtépunfte aufgefaßt
werben, b. B. fie ift, wenn ein Greommunicirter präfentirt
wurde, ipso facto ungültig 9. Hatte ber Patron von ber
Eenfur des Präfentirten Feine*Kenntniß, wofür ihm
übrigens ber Beweis obliegt, fo erhält er eine neue Frift 9),
' 1) c. 8 X de consuetud. 1, 4; c. ult. X de clerico excommun.
minist. 5. 27; Glossa in c. 23 X de appellat. 2. 28. verb. excom-
snunicationis.
2) c. 7$. 3X de elect. 1. 6: Clerici sane, qui contra formam
istam quenquam elegerint, et eligendi tunc potestate privatos, et ab
ecclesiasticis beneficiis triennio noverint se suspensos.^ — Wer zu
feiner Entfchuldigung geltend macht, er habe um bie Greommunication
des Gemwählten nichts gewußt, hat für feine Behauptung den Beweis
zu führen. c. 20 X de elect. 1. 6.
3) c. 1 X de postulat. 1. 5.
4) c. 2X h, t. 1. 5.
5) Covarruvias, Alma Mater, I. $. VII. n. 1. Barbosa, De offic.
et potest. Episcopi. P. IH. Allegat. 72. n. 96.
6) c. 26 de elect. VI. 1. 6. .
Die Wirkungen der Creommunicatton. 67
um einen Andern vorzufchlagen unb wenn innerhalb bete
jelben der zuerft Präfentirte die Abjolution erlangte, aljo:
zum Ermwerbe eines Beneficiums wieder fähig geworben ift,
jo kann er aufs Neue präfentirt werden. War dagegen
die Unfähigkeit des Präfentirten bem Patrone befannt
und handelte er babel in böslicher Abſicht, fo verliert ber
geiftliche Patron für biefeómal fein Präfentationsredht
und ed tritt bie Collatio libera des Biſchofs ein ); ber
!aienpatron faun einen Andern präfentiren, fofange bie
urſpruͤngliche Friſt noch nicht abgelaufen ift 5. Endlich
mangelt die Reſignation, mede zu Gunften eines
Crcommunicirten vorgenommen wurbe, unb der Bfründes
taufch, bei bem ein Ercommunicirter betheiligt ift, jeder
tehtlihen Gültigkeit, denn vie Nefignation 5) wie ber
Tanfch *) Schließen einen wirklichen Erwerb des Bene-
fiiumé in fi, müflen alfo für einen Grcommunicirten
wirkungslos fein. — Wie das in Stebe ftefenbe Verbot
auf alle Beneficten und alle Arten der Golfation Ans
wendung findet, fo erftredt es fij aud auf alle Er-
commmnicirte ohne Unterſchied. (ὁ ift daher
völlig gleichgültig, ob die Excommunicatio latae ober feren-
dae sententiae vorliege, ob fie öffentlich befannt ober ge-
helm 5) fei, denn bie Gefete reben auch, in dieſer Beziehung-
—
1) c. 18 de elect. VI. 1. 6.
2) Arg. c. 4 X de offic. jud. ordin. 1. 31. Vgl. Richter,
Kirchenrecht. 6 143. not. 8.
3) Regul. Cancellar. XLV: De consensu in Resignationibus.
4) c. unic. de rerum permutat. VI. 3. 10.
9) Die Gollation ift jelbft bann ungültig, wenn ber Betreffende
Wt Zeit, als ihm das Beneficium übertragen murbe, von ber, Excom⸗
munication, in bet et fid) befand, gar feine Kenntnig hatte, denn die
mit bem Kirchenbanne als [01 ὦ em unmittelbar eintvetenbe Unfähig-
5%
68 Die Wirkungen der Creommuntcation.
ganz allgemein und fnüpfen die Unfähigkeit zar Erlangung
von Pfründen einfah an das Factum ber Ercommunt-
cation, ohne über bie Art ber letztern irgend eine Bes
merkung beizufügen. Die Ertravagante Ad vitanda fann
auf biefe Verhaͤltniſſe Feinerlei Einfluß üben, weil jede
Pfründeverleifung eine Gunftbezeugung gegen ben
Empfänger in (id fchließt und ald Gnade aufzufaſſen
iſt ). — Daraus ergibt fi als nothwendige Eonfequenz,
ba felbft ein Excommunicatus occultus, wenn ihm, fei ἐδ
. butdj freie Gollation, burd) Wahl oder SBrájentation, ein
SBeneficium verliehen werden will, dafjelbe nicht annehmen
fann, fonber im Gewiſſen verpflichtet ift, e zurückzuweiſen.
Bei Entſcheidung der Frage, ob er in einem folhen Falle,
um die Nichtannahme zu motiviren, ble bisher geheim ge-
bliebene Ercommuncation befannt zu geben habe, ober (te
verfchweigen dürfe, fommt es auf ble jeweiligen Verhaͤlt⸗
nifje an. Kann er für bie Nichtannahme irgend einen
andern Grund namhaft machen und dieſelbe, ohne bie
Wahrheit zu verlegen, in anderer Weiſe motiviren, fo ift
er nidi verpflichtet, feine Ercommunication zu entbeden.
Stehen ihm die genannten Mittel nicht zw Gebote unb
braudjt er aus ber 3Befanntmadjung feinen erheblichen Nach⸗
theil zu befürchten, jo ift ble Ercommunication als das
eigentlihe Hinderniß anzugeben. Würben ihm aber aus
berjelben, falls fie zur öffentlihen Fenntniß gelangte, Ins
famie, gerichtliche Verfolgungen oder andere große Nach⸗
keit zum Pfeündeerwerb kann duch bie ignorentia facti nidjt ge:
‚hoben unb einer an fid) ungültigen Handlung feine rechtliche Gültig:
feit verliehen werben. Covarruvias, l. c. n. 3. Avila, De Censur. -
P. 11. c. VI. disp. 5. dub. 2.
1) Fagnani, Comment. ad c. 8 X de constit. 1, 2. n. 9.
* Die Wirkungen der Grecommunication. 69
theile erwachjen, fo fann er, um ihnen zu enfgeben, das
bargebotene Beneficium annehmen, muß jedoch fobalb als
möglich vie Abfolution nadjfuden und bis zur Erlangung
berfelben des Bezugs ber Pfründeeinfünfte fid) enthalten,
benn erft mit ber Abſolution geht das Beneficium jn feinen
eigentlichen 3Beftg über, — Dem Gefagten fügen wir nod)
die allgemeine Bemerfung bei, daß ble Ercommunication
nur bann zum Pfründeerwerb unfähig mache, wenn fie in
schtsfräftiger Weije verhängt wurbe; war dagegen
bie Centeng ſchon in ihrem Urfprunge aus irgend einem
Grunde ungültig, jo äußert fie überhaupt Feine rechtlichen
Wirkungen, mithin ift bie unter fofden Umftänven ertheilte
Gollation an fid) vollfommen gültig und ber Setrejfenbe
kann, ſobald bie Nichtigfeit ber Sentenz gerichtlich audges
ſprochen ift, das übertragene Beneficium unmittelbar und
ohne Weiteres antreten 1).
Wenn eine Pfrünvde wiffentlich einem Ercommunis
drten übertragen wird, jo macht fid) jowohl ber Verleiher
als ber Empfänger einer ſchweren Sünde [dulbig, denn
in einer folden Handlung liegt beiverfeitd eine communicatio
in sacris, có wird in einem ber wichtigften Punkte das
Wohl der Kirche leichtfertig bei Seite gefeht und bie Ge
rechtigfeit gegen Andere, die des Erwerbes fähig und würdig
find, in einer Weiſe verlegt, die fi nie rechtfertigen läßt.
Eine befonbete Strafe aber ift für ven Empfänger vom
Geſetze nicht ausgeſprochen, denn dieſe liegt bereits darin,
baf das SBeneficium nicht in feinen Befig übergeht, jondern
wieder zurüdgegeben werben mug; dem Verleiher dagegen
fol von feinem kirchlichen Vorgefegten auf eine beftimmte
1) Covarruvias, 1. c, n. 5.
70 Die Wirkungen der Crecommunication,
Zeitdauer das Eollationsredht entzogen werben!).
— Da jeve Verleihung, die auf einen Ercommunicirten -
lautet, ipso facto nichtig ift, fo bebarf berfefbe nad er»
[angter Abfolution zum wirklichen Erwerb des Beneficiums
entweder einer neuen Golfation oder wenigftens einer Dis⸗
pens ἢ. Die legtere vertritt ble Stelle der neuen Gol,
lation und fteht ihr rechtlich gleich, daher kann fte nur von
demjenigen kirchlichen Obern ausgehen, welchem das eigent-
fide Golfationéredgt über die Pfründe, um vie es fid)
handelt, zufommt: bei päpftlicden SBeueficlen und foldjen,
ble durch Wahl befept werben‘, vispenfirt alfo ber Bapft,
bei den gewöhnlichen Pfrünven bet Diöcefe, mögen fte nun
liberae collationis fein ober dem ‘Batronate unterliegen, —
bet SBifdof. Sollte bemfelben in ber oben erwähnten
Weiſe das Golfatlonóredjt temporär entzogen worben fein,
fo ertheilt fein unmittelbarer Vorgeſetzter die erforderliche
Dispend. —
Neben dem bisher befprodyenen Falle, in welchem
Derjenige, bem das Beneficium verliehen wird, bereits
. excommunicirt ift, läßt fi, namentlich bei folchen Ueber⸗
tragungen, bie auf Abweſende lauten, nod) ein anderes
Verhaͤltniß benfen, wornach bie Golfatlon vor bem Eins
tritte des Kirchenbannes erfolgte und hier fragt es fi, ob
ber Providirte, bet in ber Zwifchenzeit der Ercoms
munication verfiel, nunmehr die übertragene Pfründe
annehmen fönne unb (id durch diefe Annahme wirflid
1) c. 7 X de cleric. excomm. minist. 5. 27: ,llli vero, qui
scienter illa beneficia talibus contulerunt, tamdiu deben! a beneflciorum
collatione suspendi, donec super boc veniam consequi mereantur,
ut puniantur in hoc, in quo delinquere praesumpserunt.*
2) c. 7 cit.
Die Wirkungen bet Grcommunicatton, 71
in ben Befitz berfelben fege? Die gewöhnliche 9Inttvort
lautet dahin, daß eine folde Annahme gültig. fel unb
ben vollftändigen Beſitz des Beneficiums zur Folge Habe,
benn ber eigentliche Erwerb liege ausſchließlich in ber Gols
[ation, — die Annahme ber letern von Geiten bes
Beneficiaten begründe Fein neues Recht, fie enthalte eine
bloße Zuftimmung zu bem bereit beftebenben Rechtes
verhältniffe und barum fónne fie aud) von einem Ercom-
municirten gültig gegeben werben: blefer fel ja bloß vom
Pfründeermwerb ausgefchloffen unb um einen foldjen Handle
t$ fid) im vorliegenden alle nidt 5. Allein wenn wir
bie rechtliche SBebeutung näher erwägen, welche bie Firchliche
Geſetzgebung der Annahme einer bereits ver
liebenen Pfründe beilegt, fo fónnen wir dieſer Meis
nung unjere Suftimmung nicht geben. Das c. 17 de prae-
bend. VI. 3. 4. fagt auétrüd(id) 9, daß, wenn bet Bir
hof einem Abwejenden ein Beneficium verleihe, dieſes
durch die bloße Collation noch nicht in den eigentlichen und
vollen Beſitz des Providirten übergehe, vielmehr ſei das
Letztere erft dann der Fall, wenn er ſeinerſeits ſpeciell zu⸗
geſtimmt und das Dargebotene förmlich acceptirt habe.
1) Covarruvias, l. c. n. 4. „Admonendum est, omnia, quae
superius diximus, vera esse, quoties agitur de adquisitione juris et
tituli ad beneficium ecclesiasticum : quasi secus sit, ubi tractetur de
beneficii acceptatione, quae potius ad factum, quam ad jue pertinet,
aique ita non de beneficio adquirendo agitur, sed de jam adquisiti
acceptatione.*
2) ,Si tibi absenti per tuum episcopum conferatur beneficium,
licet per collationem hujusmodi, donec eam ratam habueris, jus in
ipso beneficio, ut tuum dici valeat, non adquiras; ipse tamen epis-
copus vel quicumque alius de ipso beneficio, nisi consentire recuses,
in personam alterius ordinare nequibit.*
| "2 Die Wirkungen der Gxcommuntcatton.
Es ift alfo die Annahme fein blos formeller Act, ſondern
fie hat wirklich eine rechtliche Bedeutung und gehört ebens
fo wejentlid zum Erwerb ber Pfründe wie die Golfation :
erft beide Momente zufammen begründen ben vollen
Beſitz. Demgemäß dürfte die vorliegende Frage nad) folgen⸗
ben Gefidtépunften zu betrachten fein. a. Da ber Excom⸗
municirte vom Erwerb ber Beneficien ausgeſchloſſen ift,
fo fann er bie Gollation, bie vor bem Eintritte des Baunes
ertheilt vourbe, in rechtöfräftiger Weife nicht acceptiren und
wenn er ed dennoch tbut, To ift bie Handlung null und
nichtig, das Recht, welches er in Folge ber, Golfation
erworben hatte, wird durch jene Annahme nit vers
mehrt und er gelangt Feineswegs in ven vollen Beſitz
der Pfruͤnde. Diefer Umftand mag in einzelnen Fällen
von großer practifcher Bedeutung fein: hat 4. B. ein Ex⸗
communichtter in der angegebenen Weife ein ihm barges
botenes Beneficium acceptirt und ftirbt er, ohne ble Abfos
Iution erhalten zu haben, fo war er nie ber eigentliche Ins
haber und ebenveßhalb tritt durch feinen Tod feine neue
Erlevigung ber Stelle ein, vielmehr dauert ble urfprimgliche
Vacatur nod) fort und wenn ble Pfründe von Zweien ober
Mehreren abwechſelnd vergeben wird, fo geht für viefes-
mal das Befegungsrecht nicht auf ben nachfolgenden Colla⸗
tor über, fonbern ber biäherige fanm eine andere Verleihung
vornehmen. b. Die urfprünglide Gollation war, ba fie vor
Eintritt ded Banned erfolgte, am fid) vollfommen gültig
unb bleibt auch nod) nachher zu Recht beftehen: deßhalb
fann fie der Gollator, bis ber Ercommunicirte bie Nichts
annahme erklärt hat, keineswegs zurücknehmen und bie
Pfründe feinem Anvern übertragen 1), denn das 9tedjt, das
1) c. 17 cit, de praebend. VI. 8, 4: „Ipse episcopus vel qui-
Die Wirkungen der Greommunitcation, 43
ber Crftere burd ble Verleihung erwarb, geht ibm durch
bie nadjfolgenbe Ercommunication nicht unmittelbar vers
Iören. c. Hat der Grcommunicirte die Abfolution erlangt,
fo fann er gültig acceptiren und ohne neue Collation ober
Dispens aldbald in ben rechtlichen Beſitz des Beneficiums
eintreten. d. War ihm aber für die Annahme eine bes
ſtimmte Zeitfrift feftgefegt und Bat er fi während ber,
felben von ber Excommunication nicht befreit, (o geht er
mad Ablauf ber Frift des duch die Gollation erworbenen
Rechtes verluftig und der Gollator fann ble Pfründe uns
gehindert einem Andern übertragen !).
Wenn bem Bisherigen zufolge die Ercommunication
ju jebem Erwerb von SBeneficien unfähig macht, fo bringt fte bei
denjenigen Pfründen, bie ver Ercommuntcirte don vorher ers
worben und fid) im rechtmäßigen und ungeftörten Beſitz berjelben
befunden hatte, ganz andere Wirfungen hervor: fie gehen
für ihn burd) ben Eintritt des Kirchenbannes nicht vers
loren und werben nicht erlebigt, ſon dern er bleibt nad
wie vor bet eigentlide Inhaberund trittnad
erlangter Abfolution wieder in den unge
\hmälerten Genuß berfelben. Zwar fam zur
direeten Begründung dieſes Satzes feine auóbrüdlide Ges
fegesftelle nahmhaft gemacht werben, aber auf indirecte
Weife läßt fid) vollftántig bartbun, daß er im Geifte und
in der Intention des canonifchen Rechtes gelegen fei und
cumque alius de ipso beneficio, nisi consentire recuses, in personam
alterius ordinare nequibit. Quodsi fecerit, ejus ordinatio, facta de
beneficio non libero, viribus non subsistet.*
1) c. 17 cit.: ,Sed si episcopus, notificata tibi collatione, ad
consehtiendum terminum competentem adsignet, nisi. consenseris,
poteri, eo lapso, beneficium libere, cui viderit expedire, conferre.*
74 Die Wirkungen der Greommunication,
von ihm überall voransgefeht werde. Auf der einen
Seite gilt als unbeftrittener Grunbfag, daß die Beneficien
für ihren Inhaber ipso facto nur im benjenigen Fällen
verloren gehen, in melden das Gefeh dieß aushrüdlich vor»
fchreibt 5: zu dieſen Bällen gehört aber ble Ercommuni⸗
cation nit, denn es findet fid feine Stelle, vie ben
Berluft des SBeneficiumó an fie fnüpfen würde. Auf ber
andern Seite enthält die Geje&gebung wiederholt bie
Beſtimmung, daß Suspendirte ?) und Greommunicirte 3),
wenn fie längere Zeit 3) in ihrer Hartnädigfeit verharren
unb bie Abfolution nicht nadfuden, Ihrer Seneficien
beraubt werden follen, woraus offenbar folgt, daß
bet wirkliche Verluft ber Pfründe in bem Augenblide, in
welchem biefe Strafen verhängt wurben, nodj nicht uns
mittelbar und ipso facto eingetreten war. Der Grund,
warum ble Grcommunication ben Pfründeverluft nicht nad
fd zieht, ift ohne Zweifel in bem Umſtande zu fuchen,
baf tiefe Genfur, obwohl die ſchwerſte von allen, dennoch
wohlerworbene Eigenthumsrehte und ben bes
teità beftebenben Sefigftanb aud In andern Bes
ziehungen immer unberührt läßt; außerdem betrachtet bie
Kirche den Zuftand, in melden bie Greommunication vers
fest, nur als einen vorübergebenben und deßhalb mag
e$ ihr als zu hart erfdjlenen fein, eine fo ſchwere Strafe,
wie die förmlihe Beraubung des SBeneficiumó , um feinet-
1) Reiffenstuel, Jus. can. L. III. tit. 5. €. 12. n. 342.
2) c. 8. X. de aetate et qualit. 1. 14. .
3) c. 36. C. XL. q. 3; c. 7. de baeretic. VI. 5. 2. Cfr. Fegnani
Comment. in c. 1. de schismat. 5. 8. n. 92,
4) Bei der Greonumunication. kann gewöhnli nad) Ablauf
eines Jahres, die Privatio beneficii ausgefprochen werden. — Alterius 1.
c. p. 223 seqq.
Die Wirkungen der Grcommunicatton. 75
willen unmittelbar eintreten zu laffen. Exft wenn eine wirk
fie Hartnädigfeit fid) geltend macht, ber Stand ter Excom⸗
munication durch bie eigene Schuld des Betreffenben fid) vers
längert und bie Hoffnung auf baldige Ausföhnung mit ber
Kirche immer mehr ſchwindet, foll vie Privatio beneficii
endlich Platz greifen. — |
Hienach ift als oberfter Grundſatz feftzuhalten, baf
br Gebannte an fidj im rechtlichen Befige feiner Pfründe
verbleibe: aber in feinem Verhältnifie zu berfelben. und in
ber Art und Weife, wie er nunmehr Gebraud von ihr
machen darf, tritt bennod) eine wefentlihe Aenderung ein.
Da tie Greommunication von der Vornahme aller Firch-
lihen Functionen ausſchließt und das SSenificium nur
wegen des Officiums verliehen wird; ba es ferner febr
snangemefjen fein. würbe, wenn ein aus ber Kirche fürms
üi$ Ausgeftoßener nichtsdeftoweniger aus bem DBermögen
derfelben feinen Unterhalt beziehen wollte, fo Bat fid
ber Ercommunicirte beó Bezugs der Pfründes
einfünfte zu enthalten. Das Gefeg fagt ausprüds
li$: IHi proventus ecclesiastici merito subtrahuntur, cui
ecclesiae communio negatur 1). Daß ber gebannte Pfründ-
ner feines Ginfommená unmwürbig fel und beffefben vers
[uftíg geben folle, unterliegt feinem. Zweifel: aber darüber
find die Banoniften getheilter Meinung, ob ber Verluft des
Einfommens ipso facto eintrete ober ob vorher eine bes
fondere richterlihe Eentenz, bie den Berluft fpeciel aus⸗
ipricht, erforderlich fel. Für tie legtece Anſicht entſcheidet
Rd bie GToffe zu unferer Stelle *) unb e8 werben für
1) C. 53 X. de appellat. 2. 28.
2) Verb. eubtrahuntur : ,lllud intelligi potest in eo casu, quando
in sententia hoc exprimitur, quod bona Ecclesiae subtrahuntur."
76 Die Wirkungen der Greomniunication,
diefelbe namentlich zwei Grunde geltend gemadjt. Die Worte
. des Geſetzes: Illi proventus ecclesiastici merito subirahuntur,
cui ecclesiae communio negatur, feien jmeibeutig, fie fon:
‚nen nicht nur von einer ipso jure eintretenden ‚Strafe,
fondern auch eben[o gut von einer erft durch ben Richter
zu verhängenden Entzjiehung des Ginfommené verftans
den werden: ba nun bei Interpretation zweifelhafter Ge:
feßesftellen der allgemeine Rechtsgrundſatz zur Anwendung
fomme — „in poenis benignior est interpretatio facienda ?),*
jo müjje ftd hier bie MWiffenfchaft für bie milbere, alfo
für bie erft vom Richter zu verhängende Strafe entſchei⸗
ben. Außerdem verliere ein Pfründner, falló er vorüber,
gehend gehindert fei, bie Functionen feines Amtes zu
verrichten, nicht alsbald unb ipso jure aud) fein Ginfom:
men, fondern er fónne für bie Dauer ber Verhinderung
einen Stellvertreter beftellen, ibm einen beftimmten Theil
ber Einfünfte zuweifen und das llebrige für fidj refervis
ten, — zur gänzlihen Entziehung des Einkommens ſei
ein richterliches Urtheil nöthig. Unter biefem Geſichtspunkte
müje nun aud? bie Ercommunication aufgefaßt werben:
fie fei bloß eine zeitliche Verhinderung für Vornahme
ber Fiechlichen Functionen, dieſe fónne ber Gebannte bis
zur erlangten Abfolution durch einen Stellvertreter au;
üben laffenm, den Ueberſchuß der Einkünfte jelbft beziehen
und follte er je ber Perception berjelben gänzlich beraubt
werden wollen, fo fónne bieB nur burd) eine [pecielle Sen⸗
tenz des vorgefegten Richters gefchehen. — Wenn wir aud
zugeben, daß die angeführten Gründe einigen Schein von
Wahrheit für fidj haben, fo kann ihnen bod) bei näherer
1) c. 49. de regul. jur. VI, 5. 12.
Die Wirkungen ber. Grcommunication. 71
Erwägung die Beweiskraft, bie fie in Anſpruch nehmen,
nicht vinbiritt werben und wir müflen ber entgegengefehten
Anfiht, daß bet Verluft des Pfrünveeinfommens ipso
facto eintrete, ben Borzug geben. Denn maó in erfter
Linie bie angeführte Gefepeóftelle betrifft, fo mögen immets
fin die Worte: Illi proventus ecclösiastici merito subtra-
huntur eic. jene boppelte Deutung zulafjen: betrachten wir
fie aber des Nähern und namentlid in Verbindung mit
bem unmittelbar Vorausgehenden, fo fann εὖ nicht mehr
zweifelhaft fein, daß ter Verluſt ber Einkünfte als ipso
facto eintretend ausgeſprochen werben wolle. a) Der
Grund jenes Berluftes ift, wie bie Stelle ausdrücklich fagt,
in ber Beraubung der Kirchengemeinfchaft zu ſuchen: weil
ber Greommunicirte nicht mehr Mitglied der Kirche ift,
bewegen [οἱ er aus ihrem Vermögen auch feine Eins
fünfte mehr beziehen, — jenes ift die Urſache, dieſes die
Birfung, jenes das Antecedens, dieſes das Eonfequens,
beine bedingen fid) gegenfeitig und gehören weſentlich zus
ſammen. Run aber tritt die Beraubung der Kirchenges
meinjdjaft mit ber Ercommunication ipso facto ein: alfo
mug im Sinne des Gefehes aud) die unmittelbare Wirs
fang, das nothwendige Gonfequenó, der Verluft des Pfründe⸗
einfommend ipso facto in tem Augenblide eintreten, in
welhem die Grcommunicationéfenteny ausgeſprochen wird.
b) (δ ift eine im gerichtlichen Progeßverfahren allgemein
befannte Regel, daß nad erhobener Appellation ber niebere
Richter in ber betreffenden Rechtsſache Feine Jurisdiction
mehr habe unb bemgemáf feine neue Entſcheidung mehr
geben dürfe, weil bie ganze Angelegenheit feiner Gognition
entzogen und bem höhern Richter vorgelegt ift. Nun hatte
nah bem Wortlaut ber in 9tebe ftehenden Decretale ber
78 Die Wirkungen der Greoumunication,
Biſchof von Eiy an Innocenz II. tie Anfrage geftellt,
ob er einem Greommunicicten, bet bereits Appellation
erhoben, die Einkünfte feines Seneficiumó entziehen
bürfe. Der Papſt bejabte ble Brage: mithin Tann er
nicht von der Anficht ausgegangen fein, in jener Entziehung
der Einkünfte liege eine neue richterliche Gnt[delbung, denn
dieß würde dem obgenannten 9tedjtégrunb[age widerſprochen
haben, vielmehr muß er von ber llebergengung geleitet ge-
weien fein, der Verluſt des Einkommens fel. mit der Gr»
communication ipso facto gejept, die wirflihe Entziehung
vefielben fel fein neuer Act des Richters, fie könne
alfo, weil (jon vor ber Appellation zu Recht ftebenb, auch
nod nad derjelben von ihm vollzogen werden. c) Die
Decretale ftellt die öffentliche SBefanntmadjung des Bannes
und: die Entziehung bes. Pfründeeinfommens ganz auf
diefelbe Stufe, fie mißt beiden bie gleiche recht⸗
[ide Bedeutung bel und benietft, beide fónnen nad)
erhobener Appellation vom Richter nod vorgenommen
werden. Als Grund, warum die Befanntmadhung der Er-
communication ftattfinden dürfe, führt Innocenz ben
Umftand an, daß biefelbe Feine neue Strafe bilbe,
fondern [don in der urfprüngliden Sentenz
enthalten fei. — „cum exsequutionem excommuni-
catio secum trahat el excommunicatus per denuntiationem
amplius non ligelur;^ — alſo muß er, ba er beide gleich«
ſtellt, bafjelbe aud) von bem Berlufte des Ginfommene
votauége[egt haben. Hienad dürfte ber Sinn der Stelle
nicht mehr zweifelhaft fein und jene Rechtsregel: in poe-
nis benignior est interpretatio facienda — hier als unan-
wendbar erjdeinen, mithin gewiß fein, bag tie Beraubung
rd
Die Wirkungen ber Ercommunication, 79
bes Pfründeeinfommens ipso jure eintrete '). d) Zu bem
gleichen Refultate führt nod) ein anderes Verhältnig, bae,
wie es ſcheint, bisher weniger, beachtet wurde. Diejenigen
Pfründbner, welche die 9tefibenpflit verlegen und alfo die
mit ihrem Beneficium verbundenen Zunctionen verabfäumen,
jollen nad) der Beftimmung des Tridentinumo für. bie
Dauer ihrer Abwefenheit des Pfründeeinfommens verluſtig
gehen und zwar ipso facto, ohne baf irgend ein richters
liches Grfenntnif nothwendig wäre 9. Ganz baffefbe fin-
bet bei den Excommunicirten ftatt: fie können bie Pflichten
ihres Amtes nicht erfüllen, deßhalb unterfagt ihnen das
Geje& den Bezug ihrer Ginfünfte und biefe Strafe wird
hier, wie dort, ipso jure eintreten, dba bei der Gleichheit
1) Beſondere Beachtung dürfte aud) bet Umfland verbienen, daß
bie unmittelbar nad dem Grjdjeinen der Seccetalenjammlung Θ᾽ τε:
Αὐτὸ IX. abgebaltenen Provinzialconceilien jenen Ausſpruch 3nno:
rng III. gleichfalls von dem ipso facto eintretenden SBerfufle ber
Ginfünfte verflanben. So fagt bie Synode von BPont-Aubemer
(Pons Audomari) im 3. 1279 c. 1.: „Volentes presbyterorum et
clericorum excommunicatorum insolentiam coarctare, sacris canoni-
bus inhaerendo, statuimus: quod presbyteri et clerici beneficiati,
quamdiu auctoritate ordinariorum suorum juste excommunicati fue-
rint, beneficiorum suorum stipendia sive fructus non percipiant, et
recuperandi eosdem fructus totaliter spem amittant: nisi quam
citius commode potuerint, quod ordinariorum suorum arbitrio duxi-
mus relinquendum, procuraverint se absolvi.^ Bei Hard. VII. p. 766.
2) Sess. XXIII. c. 1. de ref.: Si quis autem, quod utinam nun-
quam eveniat, conira hujus decreti dispositionem abfuerit, statuit
sacrosancta synodus, praeter alias poenas adversus non residentes
sub Paulo III. impositas et innovatas ac mortalis peccati reatum.
qnem incurrit, eum pro rata temporis absentiae fructus suos non
facere, nec tuta conscientia, alia etiam declaratione non secula,
illos sibi detinere posse, sed teneri, aut ipso cessante, per superio-
rem écclesiasticum, illos fabricae ecclesiarum aut pauperibus loci
erogare.*
80 Die Wirkungen ber Excommunication.
beider Faͤlle kein Grund denkbar iſt, aus dem ſie der
Geſetzgeber nach verſchiedenen Principien behandelt haben
ſollte. — Was ſodann noch das zweite Moment betrifft,
welches fuͤr die Anſicht, daß der Verluſt des Einkommens
nicht ipso facto eintrete, geltend gemacht wird, ſo iſt leicht
erſichtlich, daß ed unzureichend ſei. Wohl kann ein Bene-
ficiat bei unverſchuldeten Hinderniſſen, die ihm die
perſönliche Vornahme ſeiner Amtsverrichtungen unmöglich
machen, ſich einen Stellvertreter beſtellen, demſelben den
nöthigen Unterhalt reichen und bie übrigen Einkünfte für
ſich ſelbſt beziehen: es iſt dieſes ein Act der Milde und
Nachſicht, ten bie Kirche gegenüber von unverſchuldetem
Unglüd übt. Aber unter ben Begriff bed legten fann
bod) wohl bie Ercommunication nicht fallen, fie ift immer
bie Folge eines ſchweren Vergehens, bie woblverbiente
Strafe für das hartnädige Verharren in bemjelben, bie
Südtigung eine trogigen, unbuffertigen Sinnes : e8 wäre
deßhalb ein innerer Wiverfprudh, wenn bem Gebannten
bie in 9tebe ftehende Milde und Nachficht zugewendet unb
ihm damit ein beträchtlicher Theil feiner Einfünfte gerettet
‚werden wollte. Zudem würbe durch eine derartige Scho-
nung ble Strenge der Ercommunication beveutend herab-
gebrüdt und bem Glerifer bie Verfuchung nahegelegt, in
feinem Widerſtande zu verharen, zwei Wirfungen, bie
gleichfalls nicht in ber Intention der Kirche liegen fónnen.
Nach al tem Angeführten ift ber Verluft des Pfründe-
‚einfommend mit ber Gxcommunication ipso facto verbun-
ben !) : daraus ergibt fid) venn als unmittelbare Gonfequenj,
1) Wie ber Grrommunicirte vom Bezug bet Ginfünfte, jo iff er
aud) von bec Adminiftration des Pfründevermögens aus
geſchloſſen (cfr. c. 8. X. de dolo et contumac. 2. 14; c. 1. $ 2.
Die Wirkungen der Excommunication. 81
daß der Gebannte von bem Angenblide an, in weldem
bie Strafe über ihn verhängt wurbe, aus eigenem Ans
triebe und obne irgend melde Dazwiſchen—
funft des Richters (id) des Bezugs feines Einkommens
zu enthalten und das Bezogene wieder herauszugeben habe,
— ganz in berfelben Welfe, in welder nad) ber Verords
nung beó Tridentinums !) aud) die Stidtrefibirenben
im Gewiffen verpflidtet find, die Yrüchte ihrer Bene;
ficien nicht zu beziehen und ble bezogenen zu reftituiren.
Der Grund, warum bie Betreffenden In beiden Fällen das
Strafurtheil ber Kirche gleihfam an fid) felbft zu vollziehen
haben, ift in dem Umftanve zu ſuchen, baf fie des Bezugs
ver Einkünfte gefebfi unfähig werben, alfo nie zum
wirflihen und rechtmäßigen Beſitze berjelben gelangen
fónten und falls fie biefelben bereits factifh ufurpirt
haben follten, das fremde Eigenthbum, wie in allen
andern Berhältniffen, fo auch hier, freiwillig zurüderftattet
werden muß. Selbft ber vorausfichtlihe Mangel des ans
ftandigen Unterhaltes und bie Beforgniß, ber ercommuni:
cirte Pfrünnner möchte burd) ſchmutzigen Erwerb bem Ctanbe,
bem er angehörte, Unehre machen, kann für ihn, ben Ball
ver áuferften Noth ausgenommen ?), feinen Grund
abgeben, bie Ginfünfte ober wenigften$ einen Theil ver
felden zu beziehen ober bie bezogenen zu behalten 3): denn
de elect. VI. 1. 6.) und es muß bis zur erfolgten Abfolution für
Verwaltung deſſelben anderweitig Borforge getroffen werben. Alterius,
l. c. p. 244.
1) L. c.
2) c. 14. 21. Dist. LXXXVI.
3) Gloss« in c. 53. cit. de appellat. verb. Subtrahuntur in fin.
„Ego credo, quod licet deposito provideatur, ne in clericorum
opprobrium mendicare cogatur, exxcommuhicato in nullo sit provi-
Theol. Duartalfihrift. 1857. I. Heft. 6
82 Die Wirkungen der Crcommunicatton.
‚was ibn felbft anbelangt, fo geliebt ihm durch ben
etwa eintretendei Mangel fein. Unrecht,” ex hat venfelben
auf eigene Rechnung zu fhreiben und ihn durch Ungehor-
fam und Widerfpenftigfeit felbft verſchuldet; andererfeits
liegt εὖ immer in feiner Gewalt, durch Reue und Beſſe⸗
rung feiner bebrüngten Lage ein Ende zu machen, — thut
er ed nidt, fo Bat er widerum bie Schuld fid) felbft beis
zumefjen. Eine Unehre für den geiſtlichen Stand ijt
aber, wenn aud) wirklicher Mangel eintreten follte, nicht
fogleich zu bejorgen: Jedermann weiß, daß er zur Strafe
und um gebefjert zu werden, in biefer Lage ſich befinde
und ed nuran ihm liege, (id aus ihr zu befreien — bie
etwaige Unehre fällt lebiglih auf feine eigene Perfon.
Sollte er aber im hartnädigen Widerftande verharren unb
ohne Hoffnung auf SBefferung zu geben, allmählig in tir
lich unwürbiger Weife feinen Lebensunterhalt fid) zu ver
ſchaffen fuden, jo ift er {εἰπε Beneficinms gänzlich zu
berauben unb wie bie Deponirten in einem Klofter ober einem
Demeritenhanfe 2c. unterzubringen. — Wenn bie Excom⸗
munlcitten ans eigenem Antriebe fi ihres Pfründes
einfommend zu enthalten und das bereits Bezogene zu
reftituiren haben, fo ift dieß bod) keineswegs fo aufzufaſſen,
als ob bie Erfüllung ber in Rede ftehenven Pflicht lebige
lich ihrer Willkühr anbeimgegeben wäre, vielmehr fol,
wenn fie hierin fäumig find, der Richter von Amtswegen
einjchreiten und fie zum Nichtbezug ober zur Reftitution
anhalten‘). Die Mittel, melde ber Kirche zur Gr
dendum, qui contemnit claves Ecclesiae, cui participandum non est,
nisi forte fame periret, tunc debet ei subveniri, quia poterat adhuc
δὰ Ecclesiam redire."
1) Trid. 1. c.
Die Wirkungen der Grcommunicatton, 83
reichung dieſes Zweckes zu Gebote ſtehen, ſind, wie die
Strafe der Excommunication ſelbſt, zunächſt rein geiſtiger
Natur — Ermahnung, Warnung gegenüber vom Gebann⸗
tem, unb für diejenigen Gläubigen, bie ihm fein Einkom⸗
men zu verabreidjen haben, bie Aufforderung, dafjelbe ihm
fernerhin vorzuenthalten: eigentliche phyfifche Gewalt liegt
nicht im Bereich der Kirche, — führen daher bie genann;
ten Mittel nicht zum Zwede, fo muß ber Gebannte, ber
bis au einem ſolchen Grave des lingeborjamó "unb ber
Verblendung fortgefchritten ijt, feinem Gemifjen unb bem
Berichte Gottes überlafjen werben. In früheren Zeiten
hat für derartige Fälle regelmäßig ber Staat bie Gre
eution ber kirchlichen Strafjentenz übernommen und dabei
ficherlih im eigenen wohlverftandenen Intereſſe gehandelt:
aber eine ſolche Beihülfe ijt von [einer Seite immerhin
ein freie Zugeſtaͤndniß unb wenn er für gut findet, (ie
ju verweigern, fo fann vom Ctanbpunfte des Rechts
bagegen nichts eingemenbet werben. Sollte er aber, wie
Ihon geſchehen, feine Stellung und Aufgabe in ber Weife
‚mißfennen, daß er einen Excommunicitten im unrechtmaͤßi⸗
gen Bezuge feines Pfründeeinfommend direct unterftügt
unb in [einen „Rechten“ vertheibigt, fo heißt vieß vie
Strafgewalt ber Kirche vernichten, ihrer Gefeggebung fpotten
und ihre Freiheit mit Füßen treten. —
Unter ben Begriff ber Einfünfte, deren Bezug bie
Grcommunication hindert, ift Alles ohne Unterfchiev
ju fubjumiren, was das Beneficium in materieller Bezies
bung feinem Inhaber abwirft und zum Lebensunterhalte
irgendwie darbietet — mag ed nun im Grtrage eigener
Güter cter in Gelebegügen, in nutzbaren Rechten ober
Reiftungen Dritter, in Zehnten ober Distribuliones quo-
| 6*
84 Die Wirkungen der Ercommunication.
tidianae, in Altaropfer, Stolgebühren ober Stipendien be
ftehen '): Alles, was auf irgend eine Weife mit ber
Pfründe in Verbindung ftebt und von ihr herrührt, geht
dem Beneficiaten für bie Dauer ber Ercommmunication ver:
loren. Der Genuß ber Pfründegebäude ift hievon Feines:
wegs ausgenommen, — er fällt wie bie eigentlichen Bezüge
unter ben Begriff des fivdjliden Einkommens, woraus -fid)
al einfache Gonfequenj ergiebt, daß ber Ercommunicirte
feine bisherige Amtswohnung ungefäumt zu verlafien
habe. —
Gnblid) ift noch bie Frage zu berühren, wem δα ὁ
Ginfommen, deſſen Bezug dem Greommunicirten unter:
fagt it, aufalle unb zu melden Zwecken es ver
wendet werden ſolle? Eine allgemein gültige Ant-
wort läßt ὦ Bierauf nicht geben, vielmehr fommt ed auf
die jeweilige Ratur und SBefdaffenDeit der einzelnen Gir
fommenstheile an. Sind bieje ber Art, bag fie für ben Fall,
in welchem fie bem eigentfiden Inhaber ber Pfründe ver
foret gehen, geſetzlich unb ipso jure beftimmten dritten
SBerjonen zufallen, fo fommen fte aud) bei einer Ercom-
munication unmittelbar in vie Hände ber Letztern. 9tad
einer von Bonifaz VIII. erlafienen 2) und vom Tri⸗
bentinum 3) erneuerten Verordnung follen die gewöhn-
lichen *) Distributiones quotidianae für diejenigen Glerifer,
bie ben Gforbienft verfäumen, verloren gehen unb ipso
facto denjenigen zufallen, bie anme[enb waren. Dieß wird
1) Auch die Benfion, bie ber Excommunicirte aus feinem frühern
Beneficium bisher bezog, geht verloren. Alterius 1. c. p. 247.
2) c. unic. de cleric. non resid. VI. 3. 3.
3) Sess. XXIV. c. 12. de ref.
4) Reiffenstuel, Jus can. L. III. tit. 4. € 6. n. 183 seq.
Die Wirkungen der Ercommunication. 85
alfo aud? dann ber Fall fein, wenn ein Ganonifer in
δοίρε der Ercommunication gehindert ift, bem Officium
divinum anzuwohnen. — Hatte ber Beneficlat aus ben
Einkünften ber Pfründe feinem Vorgänger, der auf bie
Stelle verzichtete, eine jährlihe Benfion zu entrichten,
fo iff tiefe nad) der Ercommunication des Erftern in bets --
ielben Weife wie früher aus den Ginfünften des
Beneficiums an beu Penfionär zu ‚verabfolgen. Die
Behauptung einzelner Ganoniften, daß der Ercommunicirte,
va er fümmtlider Brüchte feines Beneficiums verluftig
gehe, tie Penfion aus feinem eigenen Vermögen
zu entrichten habe, laßt fid) nicht aufrecht erhalten, denn
die Verabreichung jened Jahrgeldes ruht in letter Inftanz
auf bem S8eneficium ἢ), an voeldjem burd die Excom⸗
munication feines Inhaber nichts geändert Tourbe, εὖ
wird alfo nad wie vor bie Laft zu tragen haben; ber
Pirünbner ftebt zur Penfion in feinem nähern Ber
haäͤltniſſe, denn die nad Abzug berjelbem nod übrig
bleibenden Einfünfte bilveten feine SSefofoung: tiefe
geht Für ihn wegen der Ercommunication verloren, auf
jene Bat ble Genjur feinen. Einfluß. — Bon denjenigen
Ginfommenétbeilen fobann, bie für ben Fall, daß ber
Pfründner ihrer verluftig geht, nicht unmittelbar britten
Berfonen zufallen, ift in erfter Linie ber Stellvew
treter des Ercommunicitten, der inzwifchen bie mit bem
Beneficium verbundenen Obliegenheiten erfüllt, zu befol-
1) Deßhalb Hört bie Penflon durch den Tod des neuen Pfründ-
ners nicht auf, fondern muf als auf bem Beneficium haftend auch
som Nachfolger ausbezahlt werden bis zum Tod des Penfionärs.
Garcias, De beueficiis, P. I. c. 5. n. 339. Pirhing, Jus can. L. III.
üt, 12. 5. 10. Eichhorn, Grunb[áge des Kirchenrechts. I. ©. 677,
86 Die Wirkungen der Greommunicatton.
den D; was nad) Beftreitung biefer Ausgaben nod) übrig
bleibt, fol an die Fabrik ver Kirche, bei welcher vie Pfruͤnde
fid befindet, abgeliefert und ein beftimmter Thell den Ars
men ber Gemeinde jugemenbet werben 3): die Größe bes
letztern richtet fid) παῷ der Dürftigfeit der Kirche, nad)
der Zahl der Armen und dem größern ober geringern Um⸗
fange des betreffenden Pfründeeinkommens, — im uns
günftigften alle aber wirb ben Armen berjenige Betrag
ausgehändigt werden müjfen, welchen ber Beneficiat felbft,
wenn er die Einkünfte bezogen hätte, ihnen zuzuwenden
verpflichtet gewefen wäre 9). — Die genannten über Ver⸗
wendung bed vacanten Pfründeeinfommens — beftebenben
firhlihen Verordnungen fat der Excommunicatus occultus
felbft und aus eigenem Antriebe zu erequiren;
ift die Ercommunication öffentlich befannt und die Sache
in foro externo anhängig, fo forgt der Richter für deren
Volftredung — Wir fügen nod) die Bemerfung bei, daß
der Ercommunicitte, falls feine Strafe eine verdiente und
gerechte war, nad erlangter Abfolution nie einen Anſpruch
auf MWievererftattung der verlomen infünfte geltend
maden fann *): tief ift elnerfeltó durch ble Gerechtigkeit
geboten, andererſeits könnte bie fidere Ausſicht auf fpätere
Steftitution den Gebannten gar leicht verleiten, feinen
ffüiberftanb gegen die Kirche zu verlängern und bie Unter-
werfung ungebührlich [ange hinauszuſchieben. War tage:
gen bie Sentenz des Rihterd eine ungerehte unb wurbe
1) c. 16. X. de cleric. non resid. 3. 4. ; c. 28. X. de appellat. 2. 28.
2) Trid. Sess. XXIII. c. 1. de ref.
3) Alterius, l. c. p. 249.
4) L. 46. Dig. de regul. jur. 50. 17.: "m a quoquam poenae
nomine exactum est, id eidem restiluerc nemo cogitur."
Die Wirkungen der Creomnumication. 87
fie in Folge ber Appellation als ſolche anerkannt, fo ver
ſteht εὖ (id) von jelbft, bag ihm die Einfünfte, ble er inzwischen
nit beziehen fonnte, ungefchmälert zurückerſtattet werben
müflen 9).
$. 6.
Verluſt der Jurisdietionsrechte.
Das allgemeine Geſetzbuch der Kirche enthaͤlt eine
Reihe von Beſtimmungen, durch welche einzelne Acte der
Jurisdiction für ben Sall, daß fie ein Excommunicirter
vornehmen follte, für null und nichtig erflárt werden. So
ſchreibt Papft Alexander I. an einen Bischof Valerianus,
der durch den Erzbiſchof von Ravenna exrcommunicirt morben
war, baf er um bieje Sentenz fidj nicht zu fümmern
brauche, — fie fei. ungültig, weil der Erzbiſchof, als er
fe ausſprach, im Kirchenbanne fidj befunden habe *. Sn
c. 24 X de sentent. et re judic. 2. 27. wird eine vichterliche
Entſcheidung deßwegen für nichtig erflärt, weil einer ber
Richter, die fie gefällt, ercommunicirt gewefen fel 9). 9tad
1) L. 15. Dig. de re militar. 49. 16. — Glossa in c. 11. C. II.
q. 5. verb. beneficia.
2) c. 4 C. XXIV. q. 1: , Audivimus, quod Henricus, Ravennas
dictus archiepiscopus, visus sit te exeommunicare, Verum, quia
ercommunicalus te excommunicare non potuit, apostolica auctori-
tate te tuosque absolvendo, mandamus exinde nunquam curare.“
3) ,Vos interim cognoscatis de confirmatione sententiae , quae
lata est a judicibus delegatis de electione custodis, ut eam, sicut
de jure fuerit. faciendum, confirmare vel infirmare curetis, ita, ut
si pro eo, quod unus ex delegatis judicibus, qui eandem sententiam
protulerunt, excommunicationis vinculo esset publice innodalus,
quendo sententia lata fuit, sicut per metropolitani litteras perhibetur,
aut ex alia justa causa eandem sententiam constiterit infirmandam,
ipsa cassala, de ipsius. electione custodis iterum cognoscatis.“
88 Die Wirkungen der Grecommunication,
c. 1 de offic. vicar. VI. 1. 13. verliert der Stellvertreter
des bifhöflichen Officials, wenn der feptere in ben Kirchen⸗
bann verfallen ift, für alle diejenigen Acte, ble er im Namen
des Officials vorzunehmen hat, bie Gerichtsbarkeit und feine
bießfallfigen Handlungen ermangeln der gefeglichen Gültig-
feit ἢ. Hiemit übereinftimmend verorbnet c. 10 de offic.
judic. delegat. VI. 1. 14, daß, wenn ein páyftlider Delegat
bie ibm übertragene Rechtsſache fubbelegirte und nachher
in die Grecommunication verfiel, die Appellation von ber
Cnt[djelbung des €ubbelegaten nicht an befjen Auftraggeber,
fondern an ben heiligen Stuhl zu richten fei, damit nicht
die Parteien in Erwartung der Abfolution ober des Nach⸗
folger8 mit ihrer Angelegenheit zu lange hingehalten wers
ben 9. — Obgleich die angeführten Gefepesftelen immer
nur auf einzelne Acte ber Jurisdiction fid) beziehen 5),
fo ift bod) Teicht erfichtlich, daß die Unguͤltigkeit dieſer Hand-
lungen aus bem allgemeinen Grunb[age, die Gr,
communication entziehe die Jurisdictionsrechte, abgeleitet
wird; weßhalb bie Ganoniften *) übereinftimmenb αἱ Regel
aufftellen, taf alle Rechte der Innern und äußern Gerichts:
1) „Ea tamen, quae ipsi gerendo hujusmodi vices agunt, eo
taliter excommunicato manente, si jurisdictionem tantum recipiunt
ab eodem, non possunt obtinere vigorem."
2) „Si is, cui causa a sede fuerat apostolica delegata, sub-
delegaverit non in totum vices suas alicui: a subdelegato bujusmodi,
si delegatum, ipsum excommunicari aut de medio tolli contingat,
impedimento tali durante, ad sedem ipsam, ne absolutionem, vel
successorem exspectando illius, praejudicari litigantibus, vel causa
plus debito prorogari valeat, volumus adpellari.“
3) Daſſelbe ift der Wall bei ben andern hieher gehörigen Beſtim⸗
mungen: c. 8 X de consuet. 1. 4; c. 16 X de elect. 1. 6; c. 1
Ne sede vacant. VI. 3. 8.
4) Dei Suares, |, c, Disput. XIV, sec}. 1. n. 2.
Die Wirkungen der Excommunicatlon. 89
barkeit, mögen fie fid beziehen auf was immer für Ange:
legenheiten, durch bie Ercommunication verloren gehen unb
alle Jurisdictionshandlungen, die ein Gebannter vornimmt,
ungültig feien. Diefer Grundſatz ergibt fid) als einfache
Folgerung unmittelbar aus dem Begriff unb Wefen bes
Sirhenbanned. Auf ber einen Seite ift ber Grcommunicitte
"jt nur unwürdig, irgend eine Sunction im Namen
Mt Kirche auszuüben, fondern es müßte auch als eine große
ünfdidtiid feit erfcheinen, wenn ein aus der Kirchen⸗
gemeinfchaft Ausgeftoßener über die andern Mitglieber eine
üihterlihe Gewalt fernerhin beanſpruchen wollte. Auf ber
andern Seite ſchließt der Bann für ben von ihm Betroffenen
M6 Verbot in fid, mit den übrigen Gläubigen zu ver
lehten — und dieſe ihrerfeits können wiederum mit ibm .
kim Umgang pflegen: ba nun mit ber Ausübung ber
dnisdiction nothwendig ein derartiger gegenfeitiger Verkehr
runden ift, fo muß bie Ercommunication unmittelbar
tit Entziehung der Gerichtsbarkeit zur Folge haben. Endlich
die Jurispiction immer an ein öffentliches Kirchenamt
gfnüpft und ber SBetreffenbe übt fie Eraft οἱ εἴ εὖ Amtes:
wm aber Schließt ter Bann immer zugleih die Suspensio
ab oficio in fi, mithin muß immer aud der Verluft ber
Gerichtsbarkeit mit ihm verbunden fein.
Diefe Wirkung hat die Ercommunication nicht bloß
für biefenigen kirchlichen Obern, bie eine jurisdictio propria
haben, fo daß 4. B. bem ercommunicirten Bifchofe die Vers
waltung feiner Diöcefe entzogen ift unt ihm für ble Dauer
V6 Bannes ein Stellvertreter von Eeite des Papftes gefept
wird !), fonbern ber SBerluft der Gerichtsbarkeit erftredt fid
— —
I) Ferraria , Prompta. biblioth. e. v. Capitulum, art, Ill. n. 36.
90 - Die Wirkungen der Ercommunication.
aud) auf ble jurisdictio delegata, venu ba jede Delegation
ein Ausflug des Jurisdictionsrechtes ijt '), fo verfteht có
fid) von felbft, bag fie, von einem Ercommunicirten vor
genommen, ungültig fein müſſe unb Demjenigen, auf ben
fie lautet, fein Recht übertragen fónne 2). Gelbft wenn
ble Delegation bereitó vor bem Eintritte des Bannes erfolgt
war, erlifcht bie Gerichtsbarkeit dennoch in demfelben Augen;
blide, in weldjem ber Delegirende der genannten Strafe
verfällt: weßhalb der Generalvicar eines excommunicicten
Bischofs ble ihm übertragenen Functionen in rechtöfräftiger
Weiſe nicht mehr vornehmen fann 9). Lautete aber bie
Delegation nidjt, wie beim Generalvicar der Sall ift, auf
eine universitas causarum und waltet zwiſchen Beiden nicht
eine unitas personae ob, ſondern ἰ ber Delegirte bloß
mit Schlichtung einer einzelnen Stedtéfade betraut, fo
muß bei Beantwortung bet Frage, ob ihm die Gerichts⸗
barfeit durch die Ercommunication feines Auftraggebers
verloren gebe, diftinguirt werden. Wenn der Delegat bei
Eintritt des Bannes mit ber Bollziehung feines Auftrags
bereit8 begonnen hat, fo erliſcht ifm die jurisdictio
delegata nicht; ift aber nod) res integra, fo hört fie ipso
jure auf *). Diefer Unterſchied beruht auf ber im Rechte
1) L. 3 Dig. de jurisdict. 2. 1,
2) Glossa ad c. 1 de offic. vicar. VI. 1. 13, verb. recipiunt et
vigorem. li
3) Glossa ad c. 1 cit. verb. ipsius.
4) L. 6 Dig. de jurisdict. 2. 1: „Ideoque si is, qui mandavit
᾿ς jurisdictionem, decesserit, antequam res ab eo, cui mandata est
jurisdictio ,: geri coeperit, solvi mandatum Labeo ait, sicut in reli-
quis causis.^ c. 19 X de offic. judic. delegat. 1. 29: , Nos itaque
consultationi vestrae respondemus, quod si iis fuerit ante prae-
decessoris nostri. obitum. contertaía, mandatam morte. maudatoris
Die Wirkungen der Ercommunication. 91.
ſpeciell ausgeſprochenen Anſchauung, wornad die Gerichts;
barfeit nicht fdon turd den bloßen Act der Delegation,
fondern erft in bem Angenblide auf ben Delegirten übers
geht, in welchem er von berfelben Gebraudj zu machen
anfängt 5. Iſt alfo das Legtere noch nicht gefchehen, fo
haftet die belegirte Gerichtsbarkeit nod an ber Perfon des
Deleganten und geht in allen Fällen, in welchen er ſelbſt
bie Jurisdiction verliert, audj für ben Beauftragten vers
foren. Hat aber der Delegat mit der Ausführung feines
Auftrages bereits begonnen, fo ift die Gerichtsbarkeit ang
dem Deleganten herausgetreten und auf den Beauftragten
übergegangen, fie hat eine von bem 9tedjte des Erftern
unabhängige Eriftenz, wird mithin durch tie etwaigen
PBeränderungen, bie mit blefem vorgehen, nicht mehr bes
rührt. — Anders, als bei der gewöhnlichen Jurisdiction,
verhält es fid bei ber delegirten Bußgerichtsbarkeit:
tiefe erlifcht weder durch ben Tod *), nod) bie nachfolgende
Ercommunication des Deleganten und befteht nad wie
vor ungefchmälert fort, denn eine fold Delegation fällt
unter den Begriff der firfjlijen Gnabenverleihun-
gen, die dadurch, daß ber Verleiher feines Rechtes
nullatenus exspiravit. Si vero ante litis contestationem decessit,
non est a judicibus, quos delegaverat, ex delegatione hujusmodi
procedendum.“ — c. 15 de offic. jud. delegat. VI. 1. 14: „Officium
aulem quorumcumque conservatorum ipso jure quoad non coepta
megotia per obitum concedentis volumus exspirare.“
1) c. 6 de offic. jud. delegat. VI. 1. 14: „jurisdictio, ex quo
ipsa usus non exstitit, non censetur in eum efficaciter tranaivisse."
Bgl. & eit, bie Bußgerihtsbarfeit des Pfarrers, G. 94 f.
2) Barbosa, De offic. et potest. Episcopi, P. II. Allegat. 25.
n. 43.
92 Die Wirkungen der Ercommunlcation.
verkuftig geht, nicht berührt werben !), fonbern unabhängig
fortbeftehen, mag nod) res integra fein ober nicht 3). Außer:
bem wird faum zu bemerfen nöthig fein, wie viele und
große Gefahren für das Seelenheil ber Gläubigen entftehen
müßten, wenn mit bem Tode ober ber Grcommunication
des Biſchofs in allen Prieftern und Seelforgern die Buß⸗
gerichtöbarfeit erlöfchen würde und das Sacrament nicht
mehr gültig gejpenvet werben könnte.
Da alle Acte der Jurisviction, bie von einem Gr.
communicitten vorgenommen werben, ipso facto ungültig
find, fo braucht Derjenige, der unter folden Umftänven
von einem Firchlichen Richter verurgheilt wurde, deſſen Sentenz,
bie ja ohne alle 9tedjtéfraft ift, nicht zu beobachten, und
ebenfo wenig ber Untergebene bem Befehlen feines Vorge⸗
ſetzten fi zu unterwerfen, — im Gegentheile, bie Gläus
bigen find in berartigen Bällen fpeciel zum Widerſtande
verpflichtet, denn fonft würden fte fij mit bert Ercommuni-
cirten in unerlaubten Verkehr fegen, die ihm von ver Kirche
entzogene Gewalt als nod; vorhanden anerfennen und ibm '
bieburd) nicht felten Anlaß geben, in feiner Hartnädigfeit
zu verharren. Aus verfelben Thatfache, daß bie Grcont
munication bie Gerichtsbarkeit entzieht, ergibt fid weiter,
dag Niemand von einer Erlaubnig oder Difpend, die ein
Ercommunicixter ertheilte, Gebraud) machen oder eine von
ihm verliehene Delegation ausüben dürfe, denn ba alle
biefe Acte jeder rechtlichen Gültigkeit ermangeln, fo würde
fid der Betreffende burd) den Gebraud einer ſolchen Ers
-— .ο
1) c. 16 de regul. jur. VI. 5. 12: „Decet concessum a principe
beneficium mansurum."
2) c. 36 de praebend. VI. 3. 4.
Die Wirkungen der Ercommunlcatton. 93
laubhniß ober Difpens gerade in der nämlichen Weife ver,
fündigen, wie Derjenige, ber diefe Gnaden weder nachgefucht
noh erhalten Bat, — und die Volljiehung ber von einem
Gebannten ertheilten Delegation würde einer Ufurpation
t Gerichtsbarkeit gleichfommen. Sind endlich anf eine
folge Ufurpation oder bie eigenmädhtige Vornahme einer
Handlung, welche bie Erlaubniß des competenten bern
vorausſetzt, vom Rechte beftimmte Strafen gejegt, jo wer:
den bleje auch bann eintreten, wenn bie nöthige Erlaubniß
von einem Ercommunicirten ertheilt wurde. Um ein Bei-
fiel namhaft zu machen, vermeifen wir auf c. 1 de privileg.
in Clement. 5. 7. Wenn nad) ber Beftimmung blefer Ge;
jegeöftelle diejenigen Religiofen, melde ohne Erlaubniß
des Pfarrers das Sacrament ber fegten Delung und
WP Altars Spenden, ipso facto in die Ercommunication
wjallen, fo wird die angebtofte Strafe fie auch bann
hfen, wenn fie wiffentlich von einem Pfarrer, ber
trcommutmicirt ift, die betreffende Erlaubniß einholen,
denn da die fegtere unter allen Umftänden nichtig ift, fo
fnb die Handelnden fo anzufehen, als hätten (te fi jene
Einmifhung in bie Parochialrechte ohne alle Erlaubs
niß und im böslicher Abficht angemaft.
Der von ber Gefeggebung ausgeſprochene Verluft ber
Jurigdictionsrechte trifft alle Excommunicati vitandi, denn
diefe find im fttengen Sinne des Wortes Ercommunis
die und ale Wirfungen des Banned maden fid ihnen
gegenüber im vollen Maaße und unbedingt geltend,
Anders verhält e8 fid) bei Denjenigen, deren Ercommunis
ation geheim ift: fie haben fi zwar ber Ausübung bet
Jurisdiction zu enthalten und machen fij im entgegen
Witten Salle einer Suͤnde ſchuldig, aber bie von Ihnen
94 ‚Die Wirkungen der Grcommunication.
einmal vorgenommenen Handlungen find gültig und
fönnen, wenn auch nachher die Grcommunication offenkundig
werben follte,. nicht mehr angefochten werden. Diefe An⸗
nahme findet fchon im ältern Rechte ihre Begründung: das
c. 24 X de sentent. et re judic. 2. 27. beſtimmt, daß bie
Sentenz, bei deren Sállung ein öffentlih Ercommuni-
cirter — excommunicationis vinculo publice innodatus —
fid) betbeiligte, ungültig fein folle, woraus bie Ganoniften
mit Recht den Schluß ableiteten 1), daß (te Gültigkeit habe,
bie Jurisbiction alfo nicht verloren gehe, folange bie Gr
communication nod) nicht zur öffentlichen Kenntniß gelangt
(e. Diefer Grundſatz ift aud practiſch febr vernünftig
und burd) bie Rüdfichten des öffentlihen Wohles in hohem
Grave geboten, denn bie Verwaltung ber firdliden Ange:
legenheiten unb bie Pflege des Rechts würde auf febr um
fihern Grundlagen rufen, wenn bei jebem Acte eines
hierarchiſchen Obern gezweifelt werben fónnte, ob er nid
etwa wegen einer geheimen Ercommunication des leßiern
an fi nichtig [εἰ und fpäterhin als folder angefochten
werben fónne, unaufhörliche Streitigkeiten, gegründet auf
bie Exceptio excommunicationis, wären unvermeidlich unb
eine allgemeine Rechtsverwirrung bie unmittelbare Folge,
davon ganz abgejeben, baf bei Firchlichen Gnabenacten,
Ertheilungen von Difpenfationen, Berleihungen von Bene
ficien 1c. immer der Gebanfe beunruhigen müßte, ob man
nicht etwa von einer Einräumung ober Erlaubniß Gebraud)
made, die wegen einer geheimen Ercommunication ihres
1) Covarruvias, Alma Meter, I. $. Xl. n. 4. Navarrus, Ma-
nuale, c. XXVII. n. 21. Sueres, |. c. n. 8.
Die Wirkungen der Ercommuntcation. 9
Verleihers innerlich jeder rechtlichen Gültigfeit entbehrt. — -
Den Excommunicatis occultis werden felt dem Erfcheinen
bec Bulle Ad vitanda tie tolerati in allem auf die Gerichts»
barfeit bezüglichen Angelegenheiten völlig gleidgeftellt,
jo taf bie Amtshandlungen eines Gebannten, folange diefer
noch nicht fpecielf, unter Anführung feines Namens benunciirt
wurde, Rechtskraft haben, gleichviel, ob feine Strafe fonft
öffentlich befannt fel ober nit. Die Gonftanjer Bulle
fat ten Gläubigen geftattet, mit den loleralis in allen
Berhältnifien des Lebens frei zu verkehren, mithin fónnen
fie diefes aud) tbun in denjenigen Angelegenheiten, bie (id
auf die Jurisdiction beziehen, woraus fid) aló nothwendige
Gonfequenz ergibt, daß die Kirche die von einem folchen
Ercommunicirten vorgenommenen Amtshandlungen als zu
Recht beftebeno anerfenne, denn fonft wäre jene Ginráumung
Martins V., wenigftens in Sachen ber Iurisviction, rein
illuſoriſch unb bie Gefeggebung mit fid) felbft im Wider
fpruche 1). Aber obwohl bie Geridjtóbarfeit ber tolerati an
fib nidt erliſcht unb alle Acte, tie fie vornehmen, giltig
find, fo müflen bod) nad bem Wortlaute unb ber Tendenz
ber Bulle Ad vitanda folgende Punkte wohl beachtet werben:
a) Den Ercommunicirten wollte Martin V. feine
Einräumung machen: εὖ fann alfo aud) ein toleratus nicht
aud freien Stüden von feiner Jurisdiction Gebraud
machen und würde fid durch eigenmádjtige Einmiſchung,
den Hal bet. Noth ausgenommen, [der verfündigen.
b) Den Gläubigen ift bie Grlaubni&, mit ben toleratis
1) Navarrus, |]. c. Pirhing , Jus can. L. V. tit. 39. sect. 1.
$.3. n. 18, Reiffenstuel, Jus can. L. V. tit. 39. 6. 2. υ. 70. Grit,
ἃ. ἃ. Ὁ, G. 86 f.
96 — Die Wirkungen bec Greommunicattort.
zu verfehren, in der Weife ertheilt voorben, bag fie. von
berfelben Gebrauch machen können , aber nift müſſen:
deshalb find fie befugt, diejenigen 9Imtébanblungen eines
toleratus, bie einen Nuten oder eine Gunftbezengung für
fie enthalten, zu acceptiren; aber bei jenen Entfcheidungen,
die zu ihren Ungunften fauten ober ein Onus in fid) ſchließen,
fónnen fie nicht gezwungen werben, bie Gerichtsbarkeit an»
zuerkennen, vielmehr find fte in verartigen Fällen bereditigt,
von ber Exceplio excommunicalionis Gebraud) zu machen
unb burd) Anwendung biejeó Nechtsmitteld ben Entſcheidun⸗
gen und Anordnungen bes toleratus bie verbindende Kraft
zu entziehen. c) Die Gläubigen follen bie Gerichtsbarkeit
eines toleratus nur dann in Anfpruch nehmen, wenn bief
mit Gründen ber Nothivenvigfeit ober Nuͤtzlichkeit motivirt
werben fánn: im entgegengejegten Salle, namentlich wenn
ihnen die Syurióbiction eined Nichtercommunicirten gu Gebote
fteht, würden fie fid) durch ben Verkehr, in welchen fie fid)
ohne Grund und Roth mit dem Gebannten festen, einer
leichtfertigen Verlegung ber kirchlichen Disciplin ſchuldig
machen. — Wenn enbíid) ein Ercommunicirter, nachdem er
vom Richter feierlih, unter Anführung feines Namens
benunciitt worden i, an einem andern Orte, wohin
ble Kunde des über ihn verfángten Banned nod) nicht ges
drungen unb er allgemein als ein Stidtexcommunicirter
angejehen wird, Acte der Firchlichen Gerichtsbarkeit vors
nimmt, fo find blefe gültig, denn für jenen Ort ift
er. facti[d) ein Exeommunicatus occulfus unb die Rechts»
fraft feiner Ämtshandlungen ift durch bie nàmlidjen Rüd:
fichten des öffentlichen Wohles geboten 1), bie wir oben in
m:
1) Suares, |. c. n. 16.
Die Wirkungen der Grcommunication. 97
Betreff der geheimen Ercommunication geltend gemadjt
haben.
᾿Φίεβ find bie Orundfäge des canonifdjen Rechts über
ben Berluft der Gerichtsbarkeit, fie beziehen fih auf alle
Acte der Jurisdiction und ihre Anwendung auf bie eim
seinen Fälle ift mit feinem befondem Schwierigkeiten’
verbunden: indeſſen bieten (id) bod einzelne Handlungen
dar, ble wegen der Eigenthümlichkeit ber Verhältnifie eine
nähere Auseinanverfegung als wünfchenswerth erfcheinen
faffen, — nämlich bie firdjlide Wahl, die Ausübung bes
nun unb bie Resignatio in favorem
lertii.
Daß das Firchliche Wahl recht in Folge der Excom⸗
manication verloren gehe und ble von einem Gebannten
vorgenommene Wahlhandlung jeder rechtlichen Gültigkeit
abere, ift vom Glefege audbrüdid) audgefproden !) unb
sm ben Ganoniften allgemein anerkannt ἢ. Ruht das
Vahlrecht in den Händen mehrerer Individuen ober einer
ganzen Corporation, fo find die Ercommunicirten von ber
Wahl auszufäließen unb diefe von ven übrigen Berechtigten
ansfchlieglich vorzunehmen ?) — ganz in ber Weile, wie
Diejenigen, weldje aus andern Gründen des Wahltechtes
verluftig giengen ober freiwillig nicht erjcheinen, unberüds.
fihtigt bleiben und bann bie Handlung von ben Uebrigen
vorgenommen wird ). Sollte ftd) aber gegen ble Beftim-
1) c. 23 X de appellat. 2. 28; c. 16 X de elect. 1.6. Glossa
in c, unic. Ne sede vacant. VI. 3. 8, verb. majoris.
2) Bei Covarruvias, Alma mater, I. δ. VII. n. 9.
3) Dieß ergibt fid) als nothwendige Gonjequeng aus c. unic, Ne
sede vacant. VI. 3. 8. ᾿ |
4) c. 19. 42 X de elect. 1. 6.
Theol. Quartalſchriſt. 1857. 1. eft. 7
*
98 Die Wirkungen der Excom munfeation.
mungen bed Gejebed ein ober mehrere Excommunicirte
bennod) an der Wahl betheiligt haben, fo fragt εὖ fid), ob
fie von ben Uebrigen wiffentlich zugelaflen worben feien
oder ob ihre Betheiligung wegen Unwiſſenheit oder Anz
wendung äußerer Gewalt erfolgt ſei. Im erftern Falle ift
bie Wahl abjolut ungültig unb felof bie Stimmen der
wirklich Berechtigten ohne jebe Wirkung, denn wenn das
Geſetz ſchon für Aufftelung eines gewöhnlichen Procurators
vorschreibt, daß biefelbe ungültig fein folle, falls zur Bor-
nahme des betreffenden Actes Excommunicirte wiſſentlich
zugelafjen wurden 1), fo wirb bief von ber Firchlichen Wahl
mit um fo größerem Rechte behauptet werden bürfen 2),
je mehr die legtere Handlung an Wichtigkeit und Bedentung
ble Aufftellung eines einfadyen Procurators übertrifft. Gbenfo
wird nicht geläugnet werden fónnen, daß tle Berechtigten,
die fij nidt ſcheuen, fórmlid) Excommunicirte wifjentlich
zur Vornahme eineó fo wichtigen und folgenreiden Actes
beizuziehen, ber Kirche für gewiſſenhafte Ausübung ihrer
Wahlbefugniffe Feinerlei Garantie mehr darbieten und wegen
jener Mißachtung der öffentlichen Disciplin vollſtaͤndig vers
blenen, ihres Wahlrechtes verluftig zu gehen. — Wurden
dagegen die Ercommunicirten nicht wiffentlih und in böfer
Abſicht, fonberm bloß deßwegen von ben Berechtigten zus
gelafjen, weil diefe von der Exrcommunication feine Kenntniß
hatten ober zur Zulafjung durch Anwendung phyfifcher Ges
waltmaßregeln gezwungen wurden, fo ift bie Wahl um
deßwillen noch πίε ungültig und fann nicht angefochten
1) c. ultim. X de procurat. 1. 38.
2) Avila, De censur. P. II. c. VI. disput. 5. dub. 1. Reifen-
etuel , Jus can. L. I. tit. 6. €. 7 n. 168,
De Wirkungen der Cxcontittiimication, 99:
werden ἢ), voraußgefeht, baf ber Gewählte nad
Abzug der Ercommunicirten von Seiten der
Berechtigten die erforberlige Stimmenzahl
auf fid) vereinigte Kür die practifhe Anwendung
biefer Regel müjfen ble verfchlevenen Fälle, tie babel vor
kommen Tönnen, forgfältig anseinanvergehalten werben.
Wird nad befondern Statuten oder in Folge des beftehen-
ven Gewohnheitsredhtes zur Güftigfeit ver Wahl Gin
timmigfeit gefordert, fo ift ble Handlung, wenn alle
Stimmen auf eine Berfon fi vereinigten, gültig, obgleich
bei derſelben auch ein Excommunicirter ſich betheiligte, denn
ta jerwe Bedingung beri Ginftémmigfeit nur den Sinn haben
kann, daß alle wirfliden und berechtigten Wähler
anf eine Perfon ſich vereinigen, fo fommt das Botum beà
Ercommunicirten gar nicht in Anfchlag und fam der Gin;
helligkeit ber Wahl ebenfo wenig Eintrag tbun, als bie
freiwillige Abweſenheit des einen oder andern der Wähler
vieß zu bewirken vermoͤchte: es wählen die Uebrigen, und
wenn fie übereinſtimmen, fo ift bie Bedingung erfüllt unb.
damit ble Wahl gültig, Sollte aber in bem Falle, wo
Unanimität erforbett wird, Einer der Wählenven: mit ben
übrigen nicht übereinfimmen, fo fommt es batauf an,
ob ber Wahlact ein- öffentlicher oder geheimer [εἰς Wird
die Abfiimmung öffentlich vorgenommen, fo laäßt fid
der Diffentirenve leicht ausfindig machen: findet er fid in
der Perfon des Ercommunicitten, fo ift die Wahl aus ven
eben genannten Gründen gültig; bat nicht bec Exrcommunis
— ——
t
1) Denn jeder colfegialijdy von Berechtigten und Unberechtigten
vorgenommene Act wird um der erftern willen aufrecht erhalten.
Reiffenstuel, |. c.
(*
100 Die Wirkungen der Grcemmunicatten,
citte, fonbern Einer ber Berechtigten die abweichende Stimme
abgegeben, [o ift bie Handlung nichtig, weil bie nótbige
Ginbelligfeit nit vorliegt. Bei geheimer Abftimmnng
dagegen entbehrt ble Wahl jedenfalls der gefeplihen Guͤltig⸗
feit, weil fid) nicht conftatiren läßt, wer der Difjentirende
[εἰ unb da bie wirklich Berechtigten die Mehrzahl ver
Stimmenven ausmachen, fo fpricht die Vermuthung dafür,
daß er auf ihrer Seite fid) befinde, mithin ble erforber-
[ide Unanimität nicht erzielt worben fel, — Bei den ges
wöhnligen canonijden Wahlen ift übrigens nidt Stimmen⸗
einbelligfeit, fondern bloße Stimmenmehrheit, fel ed ble
abfolute ober relative, als conditio sine qua non bet
Güítigfeit gefordert, weßhalb biefe Wahlari practifd)
weitaus am häufigften vorfommt. Yür tie richtige An⸗
wendung ber oben erwähnten Negel find in derartigen Fällen
folgende Möglichkeiten zu unterſcheiden. WBereinigte ber
Gewählte eine fo große Zahl von Stimmen auf fid, daß
nad Abzug der Ercommunicirten bennod bie
erforderliche Mehrheit ihm bleibt, fo ift die Wahl gültig,
denn bie Ercommunicirten haben zu derſelben nichts θείς
getragen und ihre Stimmen brauchen gar nicht in Betracht
gezogen zu werden, weil von Seiten ber Berechtigten
fo viele Bota auf eine Perfon fi vereinigten, als qut
gefeglihen Gültigfeit nothwendig waren. Lient aber biejer
günftige Sall nidt vor und ift bie Anzahl der Stimmen
der Art, daß nad) Abzug der Ercommmnicirten bie vorges
fchriebene Mehrheit nicht mehr übrig bleibt, fo ift wieberum
zwiſchen bem öffentlichen und geheimen Ecrutinium zu unters
ſcheiden: ftellt es fid bei tem erftern heraus, daß ble
Ereommunieirten wirklich dem Gewählten ihre Stimmen
gegeben haben, [o ift ble Wahl aus naheliegenden Grünben
Die Wirkungen. der Ercommunication, 101
ungültig, hatten fie dagegen ihre Bota einem Andern zus
gewendet, fo wird ter Wahlhandlung bie gefeblidje Gültig,
feit nicht abzuſprechen fein, weil nur Berechtigte für
den Gewählten ftimmten und biefer ble nöthige Majorität
von ihnen erhalten fat; bei geheimer Abftimmung aber
ift bie Wahl unter allen Umftänvden nichtig, well fchlechters
dings nicht bargetban werben fann, daß bem Gefege Genüge
geſchehen fel unb bie Perfon des Gewählten wirklich bie
erforderliche Zahl von berechtigten Stimmen auf fid) ver
einigt Babe’).
Wenn ble Excommunicati vitandi des activen Wahl,
echtes völlig beraubt find nnd die von ihnen abgegebenen
Stimmen unberüdfichtigt bleiden müfjen, fo verhält es (id)
anders bei ben toleratis. Zwar fónuen fie ein edt,
jugelafjen zu werben, nicht beanspruchen, benn bie Bulle
Ad vitanda wollte ven ®ebannten feine Gunftbegeugung
zuwenden, ebenjo find die übrigen Wähler nidt. ver
pfítdtet, fie zur Theilnahme zugulaffen und wenn and
nur Einer derfelben bie Exceptio excommunicationis geltend
macht, fo haben fie fld) ber Wahl zu enthalten; thun fie
das Letztere nicht und drängen fid) förmlich ein, fo können
die Uebrigen vor Beginn der Handlung Proteft erheben
und baburd) ihre Vota volftändig wirkungslos machen, fo
daß biefelben, wie bie ber vitandi, nicht gezählt werben
dürfen. Wenn ihnen aber bie berechtigten Wähler ie
Theilnahme freiwillig geftatten, — und biegu find. fie in
Gemäßheit der Conftanzer Bulle unbedingt beredjtigt —,
fo haben die von ihnen abgegebenen Stimmen vedytlidje
1) Vgl. über diefe Verhältniffe Suares, 1. c. sach. 2. n. 8 seqq.
109 Die Wirkungen der Grcommunication.
Gültigkeit und werben mitgegählt !), denn bie von Ex-
communicatis toleratis vorgenommenen SIuriövictionsacte,
gegen weldje feine Ginvebe erhoben wurde, werben von ber
Kirche als zu Recht beftehend anerkannt umb. aufrecht εἰν
Halten.
Endlich fügen wir in Betreff der Papſtwahl vie
fBemerfung bei, daß die angeführten Beſtimmungen auf
dieſelbe Feinerlei Anwendung finben, indem ble Ercom,
munication, in welcher. einzelne Wähler fid) etwa bes
finden, gar nidt in Betracht fommt und auf die
Bültigfeit ver vollzogenen Sabi nidt ben ge
ringften Einfluß ánfert 9. Diefes große rivi
legium ber Garbinále hat feinen Grund In ber außerorvent-
lidjen Wichtigkeit der Wahlhandlung, ἐπ ber Stotbroenbigfeit,
ſobald ald.möglicy der Kirche ein neues Oberhaupt zu geben
und bie volljegene Wahl gegen alle Anfechtungen ſicher zu
ftellen: ble Geſetzgebung will dur die genannte Verordnung
die etwaigen Verhandlungen über Ersommunication und
bie baraué folgende Wahlunfühigkelt der einzelnen Cardinaͤle,
wodurch die Thätigfeit des Eonclave.nerzögert werben fünnie,
‚um Voraus abfchneiden und nachherige fBeanflanbungen
ver Wahl, zu welchen vie Parteileidenſchaft fo gerne ihre
Suffudt nimmt, völlig unmäglih madjen.
^^ 4) Reiffenstuel, 1. c. n. 169.
2) c. 2. $. 4 de «lect. in Clement. 1. 3: „Ceterum, nt circa
electionem praediciam eo magis vitentur dissensiones et schismate,
quo minor eligentibus aderit dissidendi facultas: decernimus, ut
nullus cardinalium cujuslibei excommunicationis , suspensionis
aut interdicti praelezxiu a dicta valeat electione repelli, juribus aliis
circa electionem eamdem hactenus editis, plane ia suo robore dura-
inris, *
Die Wirkungen der Ercommuntcation. 103
Gehen wir über zu ben Wirfangen, welche bie Gr;
communication auf das Patronatrecht ausübt, fo mitb .
vor Allem anerfannt werden müflen, daß daſſelbe bem
Gebannten nicht [ὅτ und für immer verloren gebe,
denn wohlerworbene Eigenthumsrechte bleiben von biefer
Rirchenftrafe unberührt, aber die Ausübung des Praͤ—
fentationéred tes ijt für ble Dauer bevfelben ſuſpen⸗
birt und jede batauf bejüglide Handlung des excommuni,
tirten Patrons ungüftig und ohne alle rechtliche Wirfung.
Dieß ift zwar durch das Geſetz nirgends fpeciell. ausge:
ſprochen, ‚legt aber unmittelbar in der Natur fomobl ber
Ercommunication als auch des Watronated. Die nádfte
Wirkung beó Kirchenbanned üufert fih, wie wir [don
wiederholt bemerften, darin, daß ber Ercommunicirte mit
Niemanden verfehren darf, gleichwie auf der andern Geite
die Gläubigen verpflichtet find, jeden Umgang mit ihm
zu vermeiden: nun findet aber bei Ausübung des‘ Praͤſen⸗
tattonétedjteó zwiſchen dem Patrone und Biſchof offenbar
ber innigfte und unmittelbarfte Verkehr ftatt, mithin wird
der &rftere im Falle der Ercommunication von feinem '
Rechte Leinen Gebrauch machen können und der SBifdyof
verpfligtet fein, bie erfolgte Präafentation zuruͤckzuweiſen
unb dieß ww fo mehr, da das PBatronat ein Tpiritnel-
[es Recht ift '), alſo Beide in gewiſſer Beziehung einer
communicalio in saoris fij fdjtfbig machen würden. B
tradjten wir fobann das Weſen des Batronates, fo
gelangen wir zu bemfelben Reſultate. Es fichert feinem.
Inhaber dadurch, daß biefer für ble Patronatspfründe einen
Glerifer bezeichnen fann, dem die institutio canonica, falls
1) c. 16 X de jur. patronat. 3. 38,
104 Die Wirkungen der Greommunitation.
er fähig ift, ertheilt werben muß’), großen Cinfinf auf
ble Befegung der kirchlichen Beneficien und damit auf viele
andere, febr wichtige Momente des Firchlichen Lebens:
wäre e$ nun nicht in hohem Grade ungeziemend und ver
legend, wenn ein aus der Kirchengemeinfchaft völlig Aus
geftofener die Ausübung jenes Rechtes beanjpruden wollte
und der kirchliche Obere genöthigt wäre, dieß geichehen zu
laffen; würde hierin von, Seite des Excommunicirten nidt
eine unerträglihe Anmaßung liegen und der kirchlichen
Auctorität eine große Demüthigung ermadjjen ἢ Keines von
Beiden fann in bec Intention ber Gefeggebung gelegen
fein. Wenn die Kirche in Erwägung der genannten Ber
hältnifje ben Unglänbigen den Erwerb unb bie Ausübung
bes Patronates unterfagt bat, jo wird daſſelbe aud) auf
die Ercommunicirten, die ald Helden und Zöllner zu be
trachten find, feine Anwendung finden müffen, davon gar
abgejeben, daß tiefe wie jene von dem Ginffujje, ben fie
auf die Beſetzung der Pfründe haben, einen ber Kirche
höchſt nachtheiligen Gebraud) machen fónnten. Berner ijt
ple Präfentation unter ben Rechten des Patrons weitaus
das wichtigfte unb bie fogenannten jura honorifica ftefen
ifr an Bedeutung weit nad: nun aber ift allgemein ans
erfannt, bag die Ehrenrehte — der honor processionis,
sedis, aquae benedictae, precum, sepulturae etc. — für
& Dauer der Ercommunication nicht bean[prudjt werben
Onnen, woraus fidj als einfache Eonfequenz ergibt, daß
aud) die Präfentation αἱ das wichtigſte Norrecht ben
Ercommunicirten verloren gehen müjje. Endlich fleben
bie firdlide Wahl und die Bräfentation, was bie
1) Reiffenstuel, Jus can L. II. tit, 38. $. 4, π, 67.
Die Wirkungen der Gxcommunication. 105
Beſetzung des vacanten Beneficiumd betrifft, fid) völlig
αἰεὶ: beide räumen die Befugniß ein, bem kirchlichen
Vorgeſetzten bie Perfon des neuen Pfründners zu bezeich-
nen und zur Beftätigung vorzuftellen, beide gewähren ihrem
Inhaber gegenüber von bem betreffenden Kirchenobern dag
gleide Recht und ten gleichen Einfluß, alfo werden die
gefeglichen Beftimmungen, tie über den Beſitz und Berluft
des Wahlrechtes beftehen, aud) auf tie Präfentation An,
wendung finden !), mithin, ta bie Ercommunication ben
Verluft des erftern in fid fchließt und daſſelbe an ben
tirhlichen Vorgeſetzten ober bie Mitwähler übergehen läßt 2),
qud das Präfentationsrecht verloren gehen und an bie
SRitpatrone oder in Ermangelung berfelben an den Bischof
tevolpiren. — Aus diefen Grünben hat fid bie allgemeine
Anficht der Ganoniften dahin entfchieden, daß ein Excom⸗
municirter auf die Ausübung des Präfentationsrechtes
feinen 9Infprudy habe, daß tie Mitpatrone, weil ihnen
ver Verkehr unterfagt ift, ihm zur gemeinjdjaft(idjen Bors
nahme der Präfentation nicht beiziehen dürfen und daß ber
Bifhof aus demfelben Grunde ben Vorſchlag eined Einzeln:
patrones nicht acceptiren tónne, fondern als nicht erfolgt
zu betrachten habe 3). Läßt tec Patron, obne bie Abfo-
Intion erhalten und ſich baburdy zur Vornahme bet 9tomi
nation wieder fähig gemacht zu haben, bie geſetzliche
Praͤſentationsfriſt verftreihen, fo fällt für dieſesmal bas
Beneficium ber freien Collation des Biſchofs anheim und
1) Glossa in c. ultim. de elect. VI. 1. 6.
2) c. umic. Ne sede vacant. VL 3. 8.
3) Covarruvias, Alma Mater, I. $. Vil. n. 9. €. Lembertini,
De jure patronat. P. I. L. Il. q. 1. ar. 2. n. 1. Schilling, Der
fixáfide Sjatrouat, Leipzig 1854. ©. 128,
106 Die Wirkungen der Grcommunicatton.
erhält von bem legte ohne jede Mitwirkung des Patrond
ben neuen Spfrünbner. Die Präfentationsfrift läuft bem
Ercommunicitten, wie jedem andern Patrone, von bem
Augenblide an, in vwoefdem er von bet Erledigung des
Beneficiums zuverläßige Kunde erhält !): von einer «Ber
längerung ber Friſt fann hier bie Rede nicht fein, denn
fie ift gefeglid) nur dann zuläßig, wenn bie ber Präfen-
tation entgegenftehenden Hinderniffe von Seiten des Pas
tron$ unverſchuldet find und ihre Hinwegräumung nit
in feinen Kräften ftebt Ὁ, Beides trifft aber bei ber
Ercommunication nit zu. — An den aufgeführten Ver
hältnifjen bemirft die Bulle Ad eitanda nur infoferne eine
Veränderung, als ber Biſchof bie von einem toleratus
vorgenommene Bräfentation acceptiren kann, aber ver
pflichtet ift er hiezu keineswegs, ja wenn in Folge der
Ücceptation vorausfihtlih ein öffentliches Aergerniß ent
fteben, ter Gebannte in feinem Wiverfiande ermuthigt ober
das Sinjeben der Kirchengewalt irgendwie beeinträchtigt
würde, fo ift ber Bifchof feiner Stellung εὖ ſchuldig, aud
bei einem toleratus bie “Präfentation zurückzuweiſen und
die Pfründe unabhändig von ihm zu befegen.
Was enblid nod) bie Refignation beteifft, fo ift
allgemein anerfannt, baf ein Grcommunicirter auf fein
Beneficium, wenn εὖ frei und ohne Bedingung gefchieht,
jederzeit Verzicht leiften fónne 3), denn er übt durch biefen
1) c. ultim. X de elect. 1. 6.
2) Barbosa, De offic. et potest. Episcopi. P. III. Allegat. 72.
n. 138.
3) Constit. Pii V. v. 1. Aprıl 1568. 4, 3: , Episcopi et alii
feonlistem habentes, eorum dantaaat resiguationes recipere et ad-
mittere possit, qui aut ısenio vonfecti, nut valettidinasii, aut.comore
impediti vel vitiati, aut crimihi obnesii, vensurisgus vcolesiasticis
Die Wirkungen der Gxcommunication, 107
Act weder ein Jurisdietionsrecht aus, nod) erwaͤchst ihm
irgend ein Bortheil, vielmehr geht für ihn die Pfründe
verloren, bie nunmehr zum Nugen der Kirche einem Wuͤr⸗
digern übertragen werben fann. 9Inberó. aber verhält εὖ
fi} bei der Resigunatio in fasorem tertii. Zwar witb das
Beneficium. Demjenigen, zu deſſen Gunften die Refignation
vorgenommen wurke, von bem kirchlichen Obern
übertragen: allein da ber Refignirende bei der Berzichts
liftung bie Beringung beifügt, daß die Pfründe einem
beftimmten Dritten übertragen werde und ber Golfatot
diefe Bedingung erfüllen muß ἢ, jo übt ber Grftere burdj
Bezeichnung ber Perſon anf bie neue Berleibung einen
Einfluß, welcher ber Bräfentation factifch gleichkommt, alfo
einem Ercommunicitten jo wenig, als biefe, eingeräumt
werden fann 2). Deßhalb bat bie ‚kirchliche Behörde jebe
wurtige Nefignation, die von einem Excommunicatus
vndus vorgenommen werden mill, unbebingt zuruͤckzu⸗
weiſen; — die von einem tnleratus angebotene Verzicht⸗
kiftsng fann fie acceptiven, ift aber hiezu, wie bei der
Präfentation, in feiner Weife verpflidtet. —
8. 1.
Die Entziehung des äußern bürgerlichen Berkehrs.
In ber bisherigen Auseinanderſetzung haben wir von
wn geiftigen Gütern gehandelt, bie durch die Excom⸗
munication ipso facto verloren gehen, denn ba ihr Erwerb
irrelifi, ‚aut nequeunt aut npn debent .acclesiee vel beneficio in-
servire.^ Bei Neller, De statu resignationum ad favorem apud
Germanos, in Schmid, Thesaur. T. VI. p. 292.
1) Neller , L.c. p. 282.
2) Alterius, I. c. p. 222. Sueres, l. c. n. 35. 36.
-
108 Die Wirkungen der Crcommunicatton,
und Befib burd) ben Empfang der Taufe und die fortwährende
Mitglienfchaft ver Kirche bebingt lit, fo mug aud) ihre Cnt.
giehung mit der Ausftoßung aus der Gemeinfchaft bet
Gläubigen unmittelbar verbumven fein. Es Liegt dieß,
wie wir wieberholt zu bemerfen Gelegenheit hatten, im
Begriff und Wefen der Ercommunication als einer
geiftigen Strafe. Ganz anders dagegen verhält es fid) mit
ber weitem Vorfchrift der Firchlichen Gefeggebung, daß ber
Grcommunicirte auch des gewöhnliben bürgerlichen
Verkehrs fld) zu ‚enthalten habe und kein Glänbiger in
diefen Dingen irgend melden Umgang mit ifm pflegen
dürfe: and jenen Worten des Herrn — „wer die Kirde
nicht hört, der fel dir wie ein Heide nnb Zöllner” —
fonn biefe Wirkung des Bannes direct nicht abgeleitet
‚werden, denn bie Heiden und Zöllner waren nur von ben
eigentlih Firhlihen Wohlthaten ausgeſchloſſen, während
bet äußere bürgerliche Verkehr mit ihnen wenigftené
gejeplih Feiner Beihränfung unterlag Wenn au
biejen Berhältnifien mit Recht gefolgert wurde !), daß bie
Entziehung des bürgerlichen Verkehrs nift auf unmit
telbar göttlier Anordnung berufe, fo kann um tef»
willen die Rechtmäßigfeit des in Rede ftehenden Verbotes
bod) keineswegs bezweifelt werben, vielmehr Sprechen für
diefelbe fo wichtige Gründe, daß jene Anordnung ver Kirche
als unmittelbar geboten und al8 ein zur vollftánbigen
Durhführung bed Banned unumgänglid nothwendiges
—X e a —À ———— —
1) Coverruvias, Alma Mater, 1. $. E. pr.: ,Tllud tamen est
hac in re observamdum, lege cvangelica prohiberi communionem
cum excommunicetis in his, quae ad divina pertinent : in aliis autem
prohiheri lege humana." — Cfr, Suares, l e. Disput. XV. sect. 2.
p. 9. S
Die Wirkungen der Excommunication. 100
Requifit angefehen werden muß. Wir wollen feit beſon⸗
vered Gewicht auf den Umftand legen‘, daß εὖ [don eine
Sorderung des natürlichen Gefühles ift D, Diejenigen,
welche man als öffentlihe Günber mit tem Mipfallen
ber Gottheit und dem Fluche ihrer Diener beladen glaubt,
aud im Außern Verfehr zu melden, um an ihrem Vergehen
feinen Antheil zu nehmen: ber einfadhe Iweck des Ban-
ned verlangt das Abbrechen des Verfehres auch in den
aͤußern bürgerlihen Dingen ?). inerfeits fchließt die
fite bie öffentlichen Sünder aus ihrer Gemeinfchaft in
ber Abficht aus, fie zu befiern und durch ben PVerluft ver
geifigen Güter, durch das Elend, bem fie fid) preisgegeben
chen, zur Buße unb Umfehr zu vermögen. Wir -
geben zu, baß ihr bie bei &inzelnen durch die bloße Ent-
Hebung ihrer geiftigen Wohlthaten gelingen fónne; aber
bei ber Mehrzahl ver Menfchen, die fo gerne am Aeußern
fingen nnb nur burd finnlihe Motive fid beftimmen
laſen, fanum vpn der Anwendung rein geiftiger Mittel eine
volltändige Sinnedänderung nicht erwartet werben, — fie
bedürfen einer flärfern, fo zu fagen handgreiflihen Ans
1) Jul. Caesar. Comment. de bello gall. L. VI. c. 13: „Si quis
aut privatas aut publicus Druidum decreto non steterit, sacrificiis
interdicunt. Haec poena apud eos est gravissima. Quibus ita est
isterdietum, ii numero impiorum et sceleratorum habentur; fie
omnes decedunt, adiium eorum sermonemque defugiunt, ne quid
ex contagione incommodi accipiant; neque iis petentibus jus reddi-
lur, neque honoe ullus communicatur. *
2) ud) in oet proteftantifchen Kirche hatte pte Grcommuni-
cation überall die Wirfung, daß der Beftrafte vom äußern Verkehr
Wit den übrigen Gläubigen ausgefchloffen war. Bol. 3. 3B. die dieß-
fallige Beftimmung bet Württembergifihen Kirchenordnung bei
Richter, Geſchichte ber evangelifchen Kirchenverfaffung in Deutſch⸗
land, S. 139 f.
Ὁ. Die Wirkungen der Excommunication.
tegung, und biefe liegt eben in ber Entziehung des aͤußern
bürgerlichen Verkehrs? buch ben Umſtand, tag (le ſich von
allen Gläubigen ſorgfältig gemieden und audy im: ben
aͤußern Verhaͤltniſſen einer gaͤnzlichen Verlaſſenheit über⸗
antwortet ſehen, durch die Erwägung, taf das einzige
Mittel, dieſem Zuſtand ein Ende zu machen, in der Auf⸗
hebung des Bannes liege, ſollen ſie gleichſam genöthigt
werben, reumüthig und gebeſſert in den Schooß ber Küirche
zurüdzufehren !). Auf ver andern Celte hat ble Ercom-
munication die Beftimmung, vom Leibe ber Kirche bie
franfen Glieder abzutrennen, um die gejunben vor ber
Anftedung zn bewahren und dem jchleichennen Gifte ber
Verführung Einhalt zu tfun: wie wäre dieß mógtidj, wenn
jar bie communicalio in sacris unterfagt, aber ter äußere
fDerfebr des täglichen Lebens, ber ber Berführung unend⸗
(id) viele Anfnüpfungspunfte darbietet, völlig freigefafjen
würde? Müßte nicht gerade ba$ Gegentbeil von bem
eintreten, was ber Bann beabfihtigt, da Binlámglid) bes
— — — — —
1) Schr (djón wird dieſer Zweck, ben bie Kirche bei Entziehung
des bürgerlichen Verkehrs verfolgt, vom hl. Auguſtinus hervor⸗
gehoben. Er ſagt, die Grcommuniention ſolle, um Spaltungen zu
vermeiden, nur dann verhängt werden, wenn der Betreffende keinen
Anhang unb feine Vertheidiger unter dem Volke habe, und fügt bei:
» Tunc hoc sine labe pacis et unitatis οἱ sine laesione frumentorum
. feri potest, cum congregationis Ecclesiae muliitudo ab eo crimine,
quod anathematur, aliena est. Tunc enim adjuvas preepositum
potius corripientem, quam criminosum resistentem ; tuno se ab ejus
conjunctione salubriter continet, ut nec cibum. quisquam cum eo
sumat, non rabie inimica, sed coercitione fraterua. "T'unc etiam
ille ei timore percutitur, οἱ pudore seneiur, cum ab umiverss
Bicclesia se anathemalum videns, sociam turbam, cum qua in
delicto &uo gaudsat οἱ bonie insultel, non polest invenire.^ Contra
Epistol. Parmen. L. Il. c. 2. n. 13.
Die Wirkungen der Gxeommunicatien. f11
fannt iff, mit welcher Kraft und Energie die aus ber
Sitde Ausgeftoßenen bemüht find, für ihre Grundfäge
Anhänger zu werben und für ihre Vergehen Theinehmer
oder wenigftens Bertheidiger zu finden? Immer wird es
unter den Gläubigen jorglofe und unvorfihtige Gemüther
geben, bie ben verfdjiebenattigften und bebenflidften Ein-
fäffen zugänglih find und daher vor ber Gefahr, ben
lleberebungéfünflen oder dem ſchlechten Beijpiele zum
Dpfer zu fallen, nur baburd) bewahrt werben fónnen, baf
aller äußere Berfehr zwifchen ihnen nnb den Ercommuni-
cirten aufgehoben wird ἢ. Endlich hat ver Kirchenbann
ven Zweck, nicht nur ble von ihm Betroffenen zn beifern,
ſondern auch bie übrigen Gläubigen durch die Größe
ver Strafe, die fie über Andere verhängt felen, von
Ähnlichen Vergehen abzufhreden: wie fönnte ihnen
aber die Furchtbare Schwere der €trafe drutlich er vor Ans
gen geführt und ber genannte Zwed des Bannes ficherer ers
richt toerben, als dadurch, daß felbft ber äußere bürgerliche
Verkehr, ber bod) fonft mit jebem Menfchen geftattet ift, ben
Ercommunichtten gegenüber durchaus unterfagt wird. ie:
tin Tiegt ſicherlich die unmittelbarfte und eintringtidfte
Aufforderung für die Mitgliever ber Kirche, fid) iDrerfeite
vor der Sünde zu hüten, um veretwillen die Ausgeftoße-
1) Cyprian. De. unitate Eccles. c. 15 (ed. Krabing.; edit.
Benedict. p. 200): „Vitate, quaeso vos, ejusmodi homines et a
ltere atque asüribus vestris perniciosa collequia velut contegium
mortis arcete, sicut scriptum est: Sepi aures (uas spinis el noli
eudire linguam nequam. EI iterum: Corrumpunt gngenia bona.
Chfabulationes pessimae. Docet Dominus et admonet a talibus Í
recedendum. Caeci eunt, inquit, duces caecorum; caecus autem
Caecus ducens, simul in fovéam cadent. Aversandus. est talis at-
que fugiendus, quisquis fuerit ab ecclesia separatus."
112 Die Wirkungen der Excommunication.
nen fo [der zu büßen haben 1). — Geleitet von biefen
Erwägungen haben vemm fdon die Apoftel für. nöthig
erachtet, die Gläubigen vor dem Verkehr mit öffentlichen
Cünbern, felbft wenn bieje noch nicht förmlich aus ber
Kirche ausgeftoßen waren, zu warnen und ihnen ben äußern
Umgang geradezu zu unterfagen. So ermahnt Paulus bie
Gemeinde zu Gorintb 2): „ich habe euch gejchrieben, daß
ihr nidt Umgang haben follt mit Einem, ber fid)
Bruder nennen läßt und ein Hurer ijt oder ein Habfichtiger,
oder Gógenbiener ober Echmäher over Trunfenbold ober
Räuber: mit einem Golden folletihbraud nit
jufammenef[en.^ An die Theffalonicher richtet er in
Betreff Derjenigen, bie feinen Anorbnungen offenen Wiver-
ftand entgegenfegen würden, bie Weifung 9): wenn Jemand
nicht gehorchet unjerm Worte in dem Briefe, fo zeich-
net einen Eolden an und habet Feinen lime
gang mit ibm, auf daß er befhämet werde.”
Ueber ven Verkehr mit ten Häretifern fchreibt ber BI.
Sohannes *): „wenn Jemand zu euch fommt unb biefe
Lehre nicht bringt,. fo nehmet ihn nidt in' Haus
auf unb grüßet ibn nicht; denn wer ihn grüßet, der
nimmt Theil an feinen bójen Werfen.” Der Sinn tiefer
ON Au bie jer Grund für die Entziehung des äußern Verkehrs
wurde fchon in ber alten Kirche geltend gemadjt. Das erfte Concil
von Tours (ann. 461) fügt c. 8: „Si quis post acceptam poeni-
tentiam, sicut canis ad vomitum suum, ita ad saeculares illecebras,
derelicta quam professus est poenitentia, fuerit reversus, a commu-
nione ecclesiae, vel a communione fidelium exiraneus habeatur,
quo facilius et ipse compunctionem per hanc confusionem accipiut
et alii ejus terreantur. exemplo.^ Hard. Il. p. 795.
2) I Cor. V. 11. |
3) I Thessal. III. 14. "
4) II Joh. 10. 11.
Die Wirkungen der (communication. 113
Stellen bevarf feiner nähern Erftärung, bie Anſchauungen,
auf welchen tie genannten Vorſchriften ber Apoftel beruhen,
vie Abfihten, bie fie babel verfolgten, find teutlid) genug
audgefprodjen; ben beften Bommentar zu venjelben liefert
inbeffen die allgemeine Praris ber apoftoliffen unb
unmittelbar nachfolgenden Zeit, im welcher ter Umgang
mit Häretifern und Excommunicirten überall aufs Sorg—
fältigfte gemieden wurde. Irenäus berichtet !), von
Schülern des hi. Polycarp gehört zu haben, taf der Apo-
tel Sohannes, als er zu Ephefus in Begleitung des feb:
tern fidj in ein öffentliches Bad begeben wollte und nad)
jeinem intritte dafelbft des Cerinthus anſichtig wurde,
eiligft fid mit den Morten entfernt habe: lajfet und von
binnen fliehen, damit nicht etwa das Bad zufammenftürze,
in welchem fid) Gerintb, ber Feind ver Wahrheit, befindet.
Bon dem gleiden Abſcheu gegen die Häretifer und ber
nämlichen Sorgfalt, ‚jeden äußern SBerfebr mit ihnen zu
vermeiden, gibt eine andere Begebenheit Zeugniß, ie bet»
felbe Jrenäus berihtet ἢ. Als ver Bf. Polycarp bem
Mareion begegnete und biejer ihn fragte: fennft bu
uns, antwortete er: ja ich fenne bid, Erfigeborner Ga:
4) Contr. Haeres. L. III. c. 3: „ Ἐισὶν οἱ ἀκηκοότες αὐτοῦ, ὅτι
Ἰωάννης ὃ τοῦ κυρίου μαϑητῆς, ἂν τῇ Ἐφέσω πορευϑεὶς λούσασϑαι καὶ
ἰδὼν ἔσω Κήρινϑον, ἐξήλατο τοῦ βαλανείου un λουσάμενος, ἀλλ᾽ ἐπειπὼν"
φύγωμεν, μὴ καὶ τὸ βαλανέϊον συμπέσῃ, ἔνδον ὄντος Κηρίνϑον, τοῦ τῆς
ἀληϑείας ἐχϑροῦ. “" ᾿ |
2) L. c. !Mvróc δὲ 0 Πολύκαρπος Magxlov( ποτε eis ὄψιν duri
ἐλθόντι καὶ φήσαντι. ἐπιγινώσκεις ἡμᾶς, ἀπεχρίϑη, ἐπιγινώσχω τὸν πρω--
τότοχον τοῦ Zarura. Τοσαύτην οἱ ἀπόςολοι καὶ οἱ μαϑηταὶ αὐτῶν ἔσχον
εὐλάβειαν, πρὸς τὸ μηδὲ μέχρι λόγου κοινωνεῖν τινὶ τῶν
παραχαραξάντων τὴν ἀλήϑειαν, οἷς καὶ Παῦλος ἔφησεν ' αἱρετικὸν
ἄγνϑρωπον x. τ. A.
Theol. Quartalſchrift. 1857. 1. Heft. 8
114 Die Wirkungen der Cxcommunicatton,
tand. So groß, fügt Irenäns die damalige Disciplin
erläuternd hinzu, fo groß war ble Scheu, welche ble Apoftel
und ihre Schüler vor Leuten hatten, die ble Wahrheit vers
fehrten, daß fie nidt einmal mit einem Worte
mit denfelben Umgang pflegen wollten gemäß
der Vorſchrift Pauli: einen Häretifer melbe nach eiger
oder zwei Jurechtweifungen, mijjenb, dag ein Eolcher vers
fert ift und fünbigt, fein eigener Verurtheiler. — Einen
weitern Beweis für bie (egtere Bemerkung des Irenäus
liefert ber p. Ambrofius!), wenn er ans der Zeit Juliane,
des Apoftaten, von einem chriftlichen Richter erzählt, daß
biefer einen feiner Brüder, der einen heibnifhen Altar
umgeftürzt, verurtheilt habe und deßhalb von allen feinen
Glaubensgenoſſen verabfchent und gemieben worben fei:
Niemand Habe mit ihm verfehren wollen, Niemand ihn
des Bruderkuffes für würdig gehalten. Der BL Bafis
lius verfihert in einem Briefe an Athanaſius, daß ber
von bem Leptern mit dem Banrte belegte Statthalter 29
biens aud bei ihnen als ein Excommunicitter werde be
handelt und verabfcheut werden, fo bag Niemand mit
bemfelben verfehren und Feuer, Waffer oder
Obdach mit ibm werde theilen wollen). Wenn
aus diefen Zeugnifien hervorgeht, daß die Sitte, mit ben
Gebannten aud) in den äußern bürgerlihen Berhältniffen
1) Epist. XL ad Theodos.: ,Quanüi se offerre habent tali
optioni, cum meminerint tempore Juliani illum, quia aram dejecit
et turbavit sacrificium , damnatum a judice fecisse martyrium? aque
numquam alias ille judex, qui audivit eum, nisi persecutor habitus
est, nemo illum congressu, nemo illum umquam osculo dignum
putavit. *
2) Epist. XLVII ad Athanas.: ,,azorqonow» αὐτὸν πάντες ἡγήσον-
ται μὴ πυρὸς, ur ὕδατος, μὴ σκέπης αὐτῷ κοινωνοῦντες"
Die Wirkungen der Ercommuntcatton. 115
jeden Berfehr abzubrechen, damals bereitd eine allgemein.
anerfannte und überall beftebente Einrichtung war, fo
muß and dem Schreiben des Synefius'), durch weldes
er den übrigen Bifchöfen von ter Ercommunication dee
Andronicns Nachricht gibt und die Gläubigen auffordert,
mit ihm und feinen Genofien jeve Gemeinfdjaft ver Woh-
nung unb des Tiſches zu meiden, fie nicht zu grüßen unb
nad ihrem Tode das chriftliche Begräbnig zu verweigern,
der nämliche Schluß gezogen werden. —
Indefien war bie Entziehung des äußern Umgangs,
wie aus den angeführten Thatſachen vielleicht gefolgert
werden fónnte, in der damaligen wie fpätern Zelt nicht
etwa eine bloße Gemobnbeit, tie fid) gleihfam von
[δῇ gebildet Hatte und θέτει Beobachtung der Wilfführ
w8 Einzelnen überlafien blieb, vielmehr waren die Gfüus
digen dazu verpflichtet und die Gejeggebung enthält
über blefen Punkt förmliche und ausprüdtihe Vorſchrif—
ten. Das Eoncil von 9Intiodjien im I. 341 fagt c.
2.: „Es ift nicht erlaubt, mit Denen, ble. ausgefihloffen
find, Gemeinschaft zu halten, nod in Häufern mit ihnen
yifammenyufommen unb mit denen zu beten, bie nicht mit
ver Kirche beten, noch Diejenigen in einer andern Kirche
aufzunehmen, bie in ber eigenen nicht erjcheinen. Wenn
t6 fidj aber herausftellt, taf ein Biſchof ober ‘Priefter ober
Diacon ober eim anderer Glerifer mit Denen, die audges
ſchloſſen find, Gemeinfchaft unterhält, fo foll aud) er aus⸗
gefhloffen werben, weit er bie Ordnung ber Kirche ver:
wirrt ).^ Hiemit übereinſtimmend fagen die apoftoli-
1) Epist. LVII.
2) Concil, Antioch. c. 2 bei Hard. 1. p. 593.
8 a
116 Die Wirkungen der Grcommunication.
(den Ganoneó: Wenn Semanb mit einem Gxcommuni
cirten, {εἰ e8 aud) nur privatim in einem Hauſe, gemein:
ſchaftlich betet, jo fol aud) er aus der Kirche ausgeſchloſſen
werben ἢ). Unter Androhung der gleichen Strafe verbietet
das erfte Goncil von Toledo im I. 400 den Geiftliden
und Mönden, einen ercommunicirten Laien zu bejuchen
oder fein Haus zu betreten; ein tem Banne verfallener
Elerifer foll von allen Elerifern gemieven werben; Nies
mand darf mit einem Ercommunicirten reden ober ges
mein[daftlid mit ihm effen ?). — Die erfte jener beiben
irijden Synoden, bie von bem Hl. Patricius (1 465) ge
halten wurden, verorbnet, daß Jeder, ber einen ercommuni-
eirten Glerifer aufnehme, in bie[felbe Strafe verfalle 3) —
und daß es einem Mitglieve ber Kirche verboten fei, von einem
Gebannten aud) nur 9L Im ofen anzunehmen 4). — Indem
wir bie zahlreichen Verordnungen anderer Gonci(ien 5), vie
mit ben angeführten vollfommen übereinftimmen, bier
΄ e.
1) Can. Apost. ΧΙ, Dieſelbe SBeftimmung ijt faft wörtlich wieder⸗
holt von bem Concil. Carihag. IV. ann. 398. c. 70. Hard. I. p. 983.
2) Concil. Toletan. I. c. 15: „Si quis laicus abstinetur, ad hunc
vel ad domum ejus clericorum vel religiosorum nullus accedat.
Similiter et clericus si abstinetur, a clericis devitetur. Si quis cum
illo colloqui aut convivari fuerit deprehensus, etiam ipse abstineatur.*
Hard. 1. p. 991.
3) Synod. S. Pairic. c. 11: ,Quicumque clericus ab aliquo
excommunicatus fuerit et alius eum susceperit, coaequali poenitentia
utantur. *
4) c. 12: „Quicumque Christianus excommupicatus fuerit, nec
ejus eleemosyna recipiatur. ^ Bei Hard. I. p. 1791.
9) 3. 33. Concil. Venetic. ann. 465. c. 3. Hard. II. p. 797;
Concil. Turon. ann. 461. c. 8. Hard. II. p. 795; Concil. Jierdens.
ann. 524. c. 4. lbid. p. 1065; Concil. Aurelian. I. ann. 511. c. 3.
lbid. p. 1009. p istos
Die Wirkungen der Greommunication. 147
übergehen, fügen wir die Bemerfung bei, daß tie Firchliche
Gefegebung dag ganze Mittelalter hindurch die gleichen
Grundſaͤtze fefthielt und das gänzliche Abbrechen jedes Ver⸗
fehrs zwifchen Gläubigen und Ercommunicirten aufs Nach⸗
drüdlichfte einfchärfte; auch die Gapitularien ber fränfifchen
Könige enthalten hieher gehörige Beftimmungen, die bes
weifen, in welchem Umfange und mit welcher Strenge
bie Forderungen ber Kirche damals beobachtet wurden. So
fagt ein Gapitulare 4 10 ἰπ Ὁ. S. 755 1): ,Ut sciatis,
qualis sit modus istius excommunicationis: in ecclesiam
non debet intrare, nec cum ullo Christiano cibum et po-
tum sumere, nec ejus munera quisquam accipere debet,
nec ei osculum porrigere, nec ei oratione se jungere, nec
slutare, antequam Episcopo suo sit reconciliatus^ unb
Carl, ber Große, trüdt fid) im Capitul. I. v. I. 789,
We ebengenannten Punkte unter einen allgemeinen e;
ihtöpunft zufammenfaffend, alfo aus 3): Qui excommuni-
ealo praesumptiose communicaverit, excommunicetur et
ise.* Von Gratian tourben bie bereit beftehenven unb...
überall in der Praris beobachteten Vorſchriften unverändert
in Decret aufgenommen 3) und die Oefegesfammlung
Gregors IX. hat biefelben volfländig anerfannt *).
Die Praris, welde fid auf bem Boden tiefer ges
feglihen SBeftimmungen entwidelte, läßt fid) zunaͤchſt nur
in bem allgemeinen Gage zufammenfafien, vaß mit den
1) Bei Balus. Capitular. Regum Francor. I. p. 172.
2) Ibid. p. 226.
3) C. 16. 17. 18. 24. 26. C. XI. q. 3 unb an vielen andern
Stellen.
4) e. 29. 41. 59 X de sentent. excommun. 5. 39; c. 2 X de
exception. 2. 25.
118 Die Wirkungen der Grcommunicatign.
Ercommunicirten jeder äußere Verkehr abs
gebrodjen werden mü[je; inbejjen haben die Gane
niften nicht ermangelt, die einzelnen Bälle ausprüdlid
namhaft zu machen, in welden bieß zu gejchehen Habe.
Sie vrüden diefelben nad) dem Vorgange der Gloffe })
in dem befannten Memorialverfe aus:
Si pro delictis anathema quis efficiatur,
Os, Orare, Vale, Communio, Mensa negatur.
^ Mit bem erften biefer Worte will auégebrüdt wer;
ben, daß jede llntetrebung mit einem Ercommunis
eirten vermieden werben müjje, mag fie nun óffentlid) ober
im Geheimen, ſchriftlich ober münblid, durch Zeichen ober
Worte gepflogen werden, denn in dem Einen wie in bem
Andern liegt ein gegenfeitiger Verkehr; ebenjo macht εὖ
feinen Unterſchied, ob ein derartiger Austaufh von Ge
danfen aus freiem Antriebe oder auf Veranlafjung des
Gebannten erfolge, ob der Gläubige fid) dabei actio oder
blos paſſiv betheilige 2. Wie jebe gegenfeitige Mittheilung
und Unterrevung in den gewöhnlihen Verhältniffen des
äußern bürgerlichen Lebens unterfagt ijt, jo verhält es fid)
aud) mit ber Gemeinſchaft des Gebeteó — Orare. Die
Gíáubigen haben nicht bloß den Umgang des Ercommuni-
eirten bei ©elegenheit des öffentlichen Gottesvienftes, beim
Empfange ver Sacramente, bei den firdjliden Segnungen,
überhaupt bei allen öffentlichen Feierlichkeiten forgfältig zu
fliehen, fondern aud, wie bie oben erwähnten Gefege
wiederholt ausfprehen, in Betreff des Privat gebetes
jever Gemeinſchaft mit ihm fid) zu enthalten 5), — Ebenfo
| 1) Glossa ad c. 3 de sentent. excomm. VI. 5. 1l.
2) Alterius, 1. C. p. 109.
3) Navarrus, Manuale, c. XXVII. n. 20.
Die Wirkungen der Ercommunication. 119
fft jede SBeyeugung freundichaftlicher und wohlwollender Ges
finnungen, fel es öffentlich oder im Geheimen, jede Begrüßs
ung, mag fie in Worten oder Zeichen oder in mas immer
für Handlungen beftehen, einem Gebannten gegenüber
unterſagt — Vale Ὁ. Mit dem Ausdrucke Communio
wollen alle Arten des gewöhnlichen Verkehrs, alle Ge;
meinjdjaft in Handel und. Wandel, alle Gefdüftéverbins
dungen und Rechtsgeſchäfte, jede gemeinfame Verrichtung
einer und berjelben Arbeit, bie gegenjeltige Unterftügung
in Ausübung des Berufes ıc. als unerlaubt und fünbfaft
bezeichnet werben ?). Endlich gehört hieher vie Tifchgenoffen-
[daft — Mensa — in allen ihren verfchledenen Formen,
' fd εὖ óffentlid) ober privatim, im eigenen ober einem frem⸗
ben Haufe, vorausgefest, daß fte Feine bloß zufällige und
rein Außerkiche ift, jondern mit Wiffen und Abficht gepflos
gen wird und ans ben fie begleitenden Umſtaͤnden auf
einen wirklichen pgegenfeitigen Verkehr geichloffen werben
fann. Gan; baffelbe gilt von der gemeinfamen Wohnung 9).
— Die Verpflichtung, in den angeführten Beziehungen des
öffentlichen und Privatlebens ten Umgang zu meiden, ift
eine gegenfeitige, b. B. nicht blog bie Gläubigen
haben fid alles Verkehres zu enthalten, ſondern aud) der
Ercommunicirte feinerfeits ift verpflichtet unt
pear nod) mehr als jene 5), fid fernzuhalten und mit ben
Mitgliedern ber Kirche in Feinerlei Verbindung zu treten,
E scs d
1) Suares, l. c. sect. 1. n. 3. 4.
2) Alterius, |. c. ^ 3
3) Pirhing, Jus can. L. V. tit. 39. sect. 1. n. 21 in fin.
4) c. 5 X de clerico excommunicat. minist. 5. 27: „Excom-
municatos son vilare multo magis, quam non vitari periculosum -
existit. 4
120 Die Wirkungen der Grconmunication.
denn für ihn, nicht für biefe, foll bie Ercommunication
eine Strafe fein, er vor Allem Bat ihre Folgen zu tta»
gen und benjelben fi freiwillig zu unterwerfen; wenn
den Gläubigen verboten ift, mit ibm zu verfehren, fo ete
[deinen fie dabei vorherrfhenn als vie Vollſtrecker ber
firhlihen Sentenz, — die Abfiht, fie. vor Verführung
und ſchlechtem Beifpiele zu bewahren, fteht erft in zweiter Linie.
Wenn bem Gejagten zufolge vie Kirchliche Gefegges
bung fdon an fid) febr ftrenge ijt, indem fie das Verbot
des gegenſeitigen Verkehres auf alle Berhältniffe des
bürgerlichen Lebens ohne Unterſchied ausvehnt, fo machte
fid diefe Strenge in früheren Zeiten nod) baburd) in viel
umfafjenderer Weije geltend, daß das Verbot fid aud) auf -
alle Perſonen ohne Ausnahme erftredte, benn felbft
Diejenigen, die vermöge ihrer natürlichen oder rechtlichen
Stellung — wie ble Gatten, Finder, Dienftboten, Haus⸗
genofjen und Untergebenen jeder Art — auf einen täglichen
Verkehr angewiefen find und ihn bei der größten Gorge.
falt und Gewifjenhaftigfeit nicht völlig abzubrechen vermö- ,
gen, waren in jenem Verbote mitinbegriffen unb wenn fie
thaten, was fie nicht vermeiden fonnten, verfielen fie als
Zheilnehmer an dem Berbrechen ipso facto in biefelbe
Strafe. Und dabei hatte es fein Verbleiben nod nidt:
wer wiederum mit den Legtern in irgend einer Weife ums
ging, unterlag gleichfalls der Ercommunication, die von
diefen aus in ftelgenber Progreſſion fid) abermals weiter
verbreitete und [o fort in infinilum, [o baf ber Bann
fud, der urfprünglih einen Einzelnen getroffen hatte,
gleich dein Gontagium einer anftedenven Krankheit in fut
zer Zeit über ganze Orte. und Gegenven fid) ausbreiten
fonnte. Die gewöhnlichen Entfehuldigungsgründe ber Uns
Die Wirkungen der reommunication. 121
wiffenheit, der Furcht oder Gewalt, unter deren Einfluß
ber Betreffende handelte, waren nicht anerkannt, fondern
bad einfahe actum des Verkehrs entſchied ohne alle
Berüdfichtigung ber daſſelbe begleitenden Umſtaͤnde. Rechnen
wir nod hinzu bie große Menge von Greomminicationen,
bie früher verhängt und bie Strenge, mit welcher fie durch⸗
geführt wurden, fo wird feinen Augenblid gezweifelt werben
fónnem, daß fie febr nadhtheilig wirkten, Spaltungen, Un-
einigfeiten und Verwirrungen in’d Familien⸗ wie in’s
öffentlihe bürgerliche Leben brachten, eine Menge von
Unfhuldigen trafen unb biefe ebenjo Dart berührten, wie
bm eigentlichen Verbrecher ſelbſt; ta enblid) nur das
Sactum des Umganges entjdjieb und jeder Entſchuldigungs⸗
grund hinmwegfiel, fo mußten hieraus wie aus einer un-
verfiegbaren Duelle die mannigfaltigfien Zweifel unb
Gewiſſensbeunruhigungen ent[pringen, denn Niemand fonnte
wijen, ob er nicht burd) irgend einen unglüdlihen Zufall
mit einem Gebannten verkehrt und dadurch das Anathem
der Kirche auf fid) gezogen habe. Es leuchtet von felbft
ein, daß ein derartiger Stand der Dinge für die Dauer
unhaltbar und in feiner ganzen Etrenge unaué[üfrbax
fein mußte unb dieß um fo mehr, als er gerade bie Ge,
wiffenhafteften am meiften druͤckte. —
In Erwägung diefer mißlihen Verhältniffe, beren
unmittelbare Wirkungen bei der Ercommunication Kaifer
Heinrichs IV. zum erftenmale in ihrer ganzen Verderblich—
lit zu Tage traten, ließ Gregor VII. auf der Eynove
u Rom im I. 1078 bedeutende Milverungen des bisher
beftehenden Rechtes eintreten ἡ, Täglich bringe er in Cv
1) Concil. Roman. IV: „Et quoniam multos, peccatis nostris
exigentibus, pro causa excommunicationis perire quotidie cernimus,
122 Die Wirkungen der Creommunication,
fahrung, jagt ber große fBapft, daß Biele, [εἰ es aus
Unmwiffenheit ober Unfenntniß oder Furcht oder durch Außere
fferbültnijje gebrángt, mit Ercommunicirten verfehren und
baburd) bem Verderben ber Eeele anheimfallen. Getrieben
von driftlider Barmherzigkeit wolle er vorübergehend einige
Ermäßigungen der bisherigen Etrenge geftatten. Die
Frauen und Kinder der Ercommunicirten, ihre elbeigenen,
Eclaven, Landbebauer und Dienftleute, forie überhaupt Alle,
die im Verhaͤltniß der Abhängigfeit zu ihnen ftehen, follen
in Zufunft mit ihren Herm ꝛc. frei und ungehinvert
verkehren dürfen, — mit alleiniger Ansnahme jener
Berienfteten, ble in ihrer Stellung als Rathgeber ble Ge
bannten zu ihrem verbrecherifchen Treiben verleiteten, in
bemfelben — unterftügten oder beitärften. In gleicher
Weiſe follen Diejenigen fortan der Ercommunication vidt
mehr verfallen, ble mit einem Gebannten ans Unwiſſenheit
verfehren. Komme ein chriftliher Wanderer in eine Ge
gend, deren Bewohner ercommunicirt. felen und fónne er
von Niemanden anders, aíó von Gebannten feine nöthis
partim ignorantia, partim etiam nimia simplicitate, partim timore,
partim etiam necessitate, devicti misericordia, anathematis sententiam
ad tempus, prout possumus, opportune temperamus. Apostolics
namque auctoritate anathematis vinculo hos subtrahimus : videlicet
uxores, liberos, servos, ancillas, seu mancipis, nec non rustícos
et servientes et omnes alios, qui non adeo curiales sunt, ut eorum
consilio scelera perpetrentur, et illos, qui ignoranter excommunicatis
communicant, seu illos, qui communicant cum eis, qui communi-
cant excommunicatis, Quicumque autem aut orator, sive peregrinus,
aut viator in terram excommunicatorum devenerit, ubi mon possit
emere, vel non habet unde ent, ab excommunicatis accipiendi
licentiam damus. Et si quis excommunicatis pro sustentatione , non
superbiae sed humanitatis causa, aliquid dare voluerit, fieri non
prohibemus, ^ Hard. VI. p. 1578,
Die Wirkungen der Cxeommunication, 128
gm Subfiftenzmittel ſich verfchaffen, fo fel ihm zu biefem
Iwede der Verkehr geftattet. Wer umgekehrt einem Ex-
communicirten, der in Noth fid) befinde, aus Gründen der
Humanität und Närhftenliebe Etwas tarreiden wolle, [εἰ
daran nicht mehr gehindert. Endlich foll auch für bie
Bälle, in "weichen ber Umgang verboten bleibt, vie Excom⸗
municatien auf Jene fid) befehränfen,. ble mit einem Ge,
dannten unmittelbar verfehren und Diejenigen ferner
hin von ihr nicht mehr berührt werben, bie wiederum wit
wn Letztern in irgend eine nähere Verbindung fi ſetz⸗
t. — Als Gregor diefe Einräumungen made, gieng
(ine Abſicht, wie ex felbft anbeutet, nicht tabin, bie Ge:
ſehgebung ber five bleibend zu ändern, vielmebt foliten
le nut vorübergehende Sebeutung haben: aber da fie
in jo hohem Grabe ben Sebür[nijjen ber Gläubigen ents
nahen unb fo vielen Verwirrungen, Inconvenienzen unb
Omiffenszweifeln das langerjehnte Ziel festen, wurben fie
alzbald von der Praxis reripirt und hörten von da an
nich mehr anf, lebendige Theile der Kirchenvisciplin zu
fin. €don Urban ἢ. ſah fid veranlaßt, diefelben wenn
ἀδῷ mit einer Kleinen Modification anzuerkennen und zu
beftätigen 5 Gratian nahm die SBerorbnung Gregors
wie tie Urbans in das Derret ἀπῇ Ὁ und verlich ihnen
1) Epist. ad Guiehard. episcop. Constant.: , Sanctis canonibus
cautum constat, ut qui excommunicatis communicaverit, excommuni-
eetur. Ipsius tamen poenitentiae atque absolutionis modos ea mode-
mtione discrevimus, ut quicamque seu ignorantia seu timore seu
sécessitate negotii cujysque maximi οἱ maxime necessarii eorum se
convictu, salutatione, oratione, osculove contaminaverit, cum minoris
Poenitentiae absolutionisque medicina societatis nostrae puces
soriatur.“ Hard. VI. U. p. 1651 seq.
2) c. 103. 110, C. XI. q. 3.
124 Die Wirkungen ter. Cxeomnumicatton.
Dadurch auch formell bie SBebentung eines allgemein guͤlti⸗
gen Gefegeó, welche fie, ba auch das Decretalenrecht ihre
Gültigkeit wiederholt anerkennt !'),. bis auf ben hentigen
. &ag unangefodjten bewahrt haben. Bügen wir nod bit
Einraͤumungen hinzu, welche in bec Bulle Ad vitanda
enthalten find, fo wird fid ter Standpunkt des jegt
geltenden Rechtes in den zwei Sätzen zuſammen⸗
faffen laffen: 1) feit bem Concil von Eonftanz ift
den Gläubigen ber Verkehr mitden Eocommani-
catis toleratis in allen Berhältniffen des bürger
[iden Lebens unbedingt und ohne Einſchraän—
fung geftattet; 2) ble firengen Beftimmungen
bes Altern Rechts fommen nur mehr den eitan-
dis gegenüber auc Anwendung: mit iBnen if
jeder Umgang zu meiden, ausgenommen bie
Fälle, für welde das eben erwähnte Decret
Gregors VIL ibn ausdrüclich geftattet Hat.
Solen wir bemgemáf die heutige Gefeggebung und die
Anforderungen, die fie in Betreff des bürgerlichen Verkehrs
mit ben vitandis an bie Gläubigen ftellt, näherhin vat
legen, fo gebt unfere näcfte und einzige Aufgabe dahin,
jene Ausnahmsfälle im Geifte des Geſetzes und nad) vet
Auffaffung der anoniften des Weitern auseinanderzu⸗
fegen. Indem wir bleg im Folgenden unternehmen, fchließen
wir uns an die NReifenfolge an, im weldyer der altherge:
bradjte Memorialvers 3):
Utile, Lex, Humile, Res ignorata, Necesse;
Haec quinque solvunt anathema, ne possit obesse —
biefelbe zuſammengeſtellt hat.
1) c. 31. 43. 54. X de sentent. excommun. 5. 39.
2) Glossa ad c, 15 X de sentent. excommun. 5. 39. verb. Bæ-
communicationis.
Die Wirkungen der Grcomntunication. 125
Schon ber Apoftel ertbeilte den Chriften bie Weis
fung D, daß fie mit Denjenigen, bie feinen Anordnungen
f nicht fügen, zwar ben äußern Berfehr abzubreihen
haben, aber hierin bod) nicht fo weit gehen bürfen, taf
fie dieſelben fürmlih ald Feinde betrachten und behan⸗
ten, vielmehr follen fie bie SBiberfpenftigen im Geifte der
hriftlihen Liebe als Brüder ermahnen und durch
freundliche Anfprache zur Buße und Beflerung zu bewegen
ſuchen: das Seelenheil des Ausgeftoßenen tft. ver erfte
Zwed bei Verhängung bec Ercommmnication und zur Gr:
reichung befjelben das wirffamfte Mittel bie Ermahnung,
Juredtweijung, Crmuthigung von Seiten der Gläubigen.
Uebereinftimmend mit jener Vorſchrift des Apoftels und
von der Anſicht geleitet, daß fein Mittel, das zur Beſſe⸗
mung beó Gebannten beitragen fónne, nnverfucht bleiben
dürfe, geftattet denn aud) tie Gejeggebung ben freien
Befebr in tenjemigen Fällen, in weldhen das Seelen-
heil des Betreffenden ihn als nothwendig oder nüglid
erſcheinen läßt. Daher kann vor Ercommunicirten, um fie
zur Umfehr und Buße zu vermögen, wie wir bereits oben
ewähnten, nicht nur Öffentlich geprebigt werben 3), fonbetn
felbft die SBrivatunterrebung iſt jevem Gläubigen erlaubt,
foferne fie jenem Zwede dient. Daß fi viefelbe auf das
Wotfigte und allein zur Sache Gehörige zu befchränfen
habe, verftebt fid) von felbft: inbefjen hat das Gefeg bod
nicht unterlaffen, auébrüdlid) hinzuzufügen, baf eine ber,
artige Unterredung auch auf andere Dinge fij) erftreden
dürfe, wenn biefe Ausvehnung bed Gefpräches dazu diene,
—
1) 11 Thessal. ΠῚ, 15.
2) c. 43 X de sentent. excommun, 5, 39,
126 Die Wirkungen der Grcommunication.
dad Vertrauen des Ercommunieirten fi ju. gewinnen unb
ihn baburd) für bie eigentlihe Ermahnung empfänglicher
zu maden !), wobei freilich bie Einhaltung des richtigen :
Maßes bem gemwifienhaften Grmeffen des Einzelnen über:
lafjen bleiben muß. — Der Verkehr, welcher dag Seelen
heil des Ercommunicirten bezweckt, fteht unter ven Fällen,
welde die Ganoniften mit bem Worte Utile bezeichnen, in
erfter Linie: daneben aber iff ber Umgang mit ifm «ud
in allen jenen Berhältnifien geftlattet, in welchen fein
leiblider Nuten ihn erfordert, denn die Kirche will
einerfeitd ihr Strafrecht nicht in der Weile ausdehnen,
daß er bei wirklicher Noth gänzlich bülfeloó und von fei,
nen Mitmenfchen verlaffen ift, anbererfeit geht fie von
bet Anſicht aus, daß eine völlig rüdfichtslofe Verweigerung
jeder Hülfe nur geeignet wäre, ihn zu nod größerem
Wivderftande zu reizen und für immer zurüdzuftoßen, wäh
rend eine mildere Behandlung in vielen Fällen vie ent
gegengejegte Wirkung hervorbringen wird. In blefem Sinne
fat das Gefet ſelbſt geftattet ?), bag die Gläubigen
einem Greommunicitten Almofen reihen bürfen, fall
et befjen bevürftig ift unb fie e8 thun in wohlwollender
Anfiht und ohne ihn baburd) in feiner Hartnädigfeit zu
beftärken. Die Banoniften ihrerfeits behnen fobann
diefe Einräumung nod) weiter dahin aus, bag ihm über:
al Hülfe geleiftet werden dürfe, wo es (id wmm großen
1) c. 54 X ἢ. t. 5. 39: „Cum voluntate ac proposito maleficia -
distinguantur, excommunicationis sententiam non incurrit, qui ex-
communicato in his, quae ad absolutionem vel alias ad salutem
animae pertinent, in loquutione participat, licet etiam alia verba
incidenter, ut apud eum magis proficiat , el ^
2) c. 103. C. XL q. 3 in fin.
Die Wirkungen der Excommunication. 127
Xnget ober um Abwendung großen Nachtheils von feiner
Perſon, feiner Ehre ober Gigentbum handelt und er nicht
im Stande ift, mit eigener Kraft bie drohende Gefahr fern,
whalten 1). — Wie tie Gläubigen mit einem vitandus
verfehren dürfen, wenn fein geiftiger ober leibliher Nugen
es verlangt, fo iſt aud) ihr eigener Vortheil ein geſetz⸗
licher Entjchulvigungsgrund für den Umgang mit ihm.
Sie fónnen feinen Rath fid) erbitten ober feine ärztliche
Hülfe in Anſpruch nehmen, wenn hiezu ein dringender
Brunn vorliegt unb ein Anderer, ber bie betreffenden Dienfte
ebenfogut leiften fann, nicht zu Handen ift. Ueberhaupt
haben fie das Recht, in allen venjenigen Verhältniſſen
feiner Hülfeleiftung (id) zu bebienen, in welden fie ohne
bie legtere eined großen geiftigen oder leiblichen Vortheils
verluftig giengen ober in beiven Richtungen großem Scha⸗
den fid) ausfegen würden, denn ıdenn das Gefeh ausdrück⸗
li erlaubt ?), tag fie im Falle bec Roth von einem
Gebannten Almofen fordern und annehmen, fo werden
fie auch im allen andern Fällen ber Noth, bie bem eben:
genannten an Dringlichkeit gleichfommen, feine Dienfte fid)
zu Nutzen machen dürfen; außerdem würben bie Mitglieder.
ber Kirche, wenn dieß unterfagt wäre, obne irgend eine.
Schuld von ihrer Seite die Strafen der Ercommunication
mitzutragen haben, was bod) wohl nicht in ber Intention ber
Gefepgebung liegen fann. — Endlich verfteht es fid) von
ſelbſt, bag der Ercommunicirte überall da, wo die Gläubi-
gen feiner Hülfe fich zu bedienen das Recht haben, ihnen
diefelbe obne eine jpecielle Aufforderung abzuwarten aus
freien Stüden anzubieten und zu leiften befugt fei, gleich⸗
1) Suares , 1. c. sect. 3. n. 10.
2) c 103. C. XI. q. 3; c. 54. 6. 1 X de sent. excomm. 5. 39,
128 De Wirkungen bet Ereommunieatlon.
wie er aud) in denjenigen Faͤllen, im welchen fein eigener
Bortheil die Gläubigen zum Verkehr mit ihm berechtigt,
nicht erft abzumarten braudjt, bis fie ihre Hülfeleiftung
freiwillig eintreten fajfen, fonbern diefelbe nachzuſuchen und
zu fordern das Recht hat ').
Der zweite Ausnahmsfall, in weldhem das Geſetz ben
Verkehr mit den vitandis geftattet, wird mit dem Worte
Lex sc. matrimonialis bezeichnet: Durch die Ercommuni-
cation werben wohlerworbene ‚und längft beftefeube Rechte
nicht entzogen, alfo aud) diejenigen nicht, die auf bad cher
[ide Sufammenleben der Gatten und bie geijtung ber ge
genfeitigen Pflichten fich beziehen; fobanm ſucht bie Kirche
Nichts fo forgfältig von den Gatten fernzuhalten, als bie
Gefahr der Unenthaltfamfeit, aber gerade blefe würve ihnen
unendlich nahegelegt, wenn die Greommunication jeden
Verkehr aufheben wollte; envlich bietet das Außere Zufam-
menleben ver Ehegatten fo viele Berührungspunfte dar,
daß e8 bem unjdjulbigen Theile faum möglich ift, den Um—
gang volftändig zu vermeiden, — er wäre alfo bei bem
Verbote des Verkehrs ver beftánbigen Gefahr, zu fünpigen,
auégejegt und felbft wenn er im Stande fein follte, die
firengen Anforderungen bed Rechts zu erfüllen, würde ein
anderer, faft ebenfo großer Nachtheil fid) geltend machen:
Spaltung, Uneinigfeit, Auflöfung ber Familie. In Gv
wägung blefer mißlichen Verhältniffe geftattete das Decret
Gregoró VIL, daß die rau mit ihrem ercommw
nicirtten Manne frei wie vorher verkehren
dürfe Nach bem Wortlaute des Gefeged und nad der
Natur ber Cade find zum richtigen Verſtändniſſe dieſer
1) Suares, 1. c. n. 11. 12.
Die Wirkungen der Greommunication, 129
Einräumung folgende Momente näher hervorzuheben. Das
Recht des Verkehres ift nicht auf tie ehelichen Pflichten
und Leiftungen im engern Sinne des Wortes zu bes
ihränfen, fonvern die Frau ift befugt, aud) in allen
andern Beziehungen des ehelihen und häuslichen Zuſam⸗
menlebens mit bem excommunicirten Manne ungehindert zu
verkehren, denn Gregor hat hierin Feine Befchränfung θεὶς
gefügt, vielmehr ganz allgemein jeden Umgang geftattet;
auf ber andefn Seite ift ein unbefhränfter Verkehr aud)
deßhalb nöthig, weil im entgegengejegten alle den eben
erwähnten Gefahren und Nadiheilen nur in febr unvoll-
fommener Weife abgeholfen fein würde. — Berner if
bie Bortfegung des ehelihen und häuslihen Zuſam⸗
menlebens nicht in bie Willführ der Frau gelegt,
fondern fie hat, wie Innocenz II. ausbrüdlich hervor⸗
hebt 5, in allen biejen Beziehungen eine fórmlide Pflicht,
deren genaue Erfüllung der Mann fordern fann. —
Was das Gejeg in ber angegebenen θεῖε über den Vers
febr ber frau mit dem excommunicirten Manne beftimmt,
tad findet aud) auf ben umgefebrten Sall, wo die Frau
dem αππε unterliegt, gleichmäßige Anwendung ?), denn
die Pflichten der Ehe find immer gegenfeitig, — was für
den einen Theil gilt, gilt aud) für den andern 9). Ebenfo
walten bie Gründe, aus welden bie Wortjegung be8 Ber:
febró zwifchen Ehegatten erlaubt wurbe, aud) bier cb: die
Frau hat burdj die Ercommunication ihre Rechte nicht
1) c. 31 X de sent. excommun. 5. 39.
2) Covarruvius, Alma Mater. I. $. 1. n. 9. Navarrus, Ma-
nuale, c. XXVII. n. 27. |
3) c. 8 X de divort. 4. 19: , maritus et uxor in negotio matri-
monii non ad imparia judicantur. *
Theol. Cuartaljdrift. 1857. 1. Heft. 9
130 Die Wirkungen der Excommunication.
verloren, mithin ift fie befugt, die Erfüllung ber benfelben
entfpredenben. Pflidten von Seiten des Mannes zu for
bern — und das periculum incontinentiae forie bie Un-
möglichkeit, allen Verkehr abzubrechen, liegt bei der Grcom:
munication ber Fran ebenfo nahe als bei ber des Mannes,
Wenn einzelne Ganoniften ') zur Begründung der Anſicht,
daß ber Mann mit der’ ercommunicitten Frau nicht ver
fehren dürfe, auf das Secret Gregors hingewiefen und
bemerft haben, dafjelbe erimire bloß bie uxores, nicht aber
bie mariti, fo ift einfad) zu erwidern, daß der Geſetzgeber
eben den gewöhnlichen unb häufigern Sall ber Ercommuni-
cation be8 Mannes im Auge gehabt habe, ohne abet
damit ben andern, feltener vorfommenben ausschließen
zu wollen 2); außerdem würde bei jener Annahme vas
ganz unerflärliche Nefultat fidh erheben, daß ber ercommus
nicirte Mann den ehelihen Umgang fortfegen dürfte, wäh
rend dieß dem nidtercommunicivten unterfagt wäre, ein
Berhältniß, nad weldjem dem Gatten aus der Ercommuni-
cation der frau größere 9tadytbelle erwachſen würben, als
από feiner eigenen. — Befinden fid) beide Gatten zugleich
im Banne, fo fann dieß in Betreff ihres gegenfeitigen
Verkehres Feine Veränderung begründen und dieſer wird
ähnen ebenso erlaubt fein, wie wenn nur ein Theil excom:
municirt ift, denn diefelben Gründe, aus welchen für ben
fegtern Fall ber Umgang freigegeben wurde, fpreden in
nod) viel höherem Grade für die Freiheit defjelben bei der
beiverfeitigen Ercommunication, mithin muß die Einräus
mung Gregors aud hier Anwendung finden 3). — Dem
1) Bei Covarruvias 1l. c. *
2) Sanchex, De matrimon. L. IX, disput. 14. n. 16.
3) Suares, 1. c. sect. 4. n. 15.
Die Wirkungen der Greommunicatiot. 131
Gefagten muß nod) die allgemeine Bemerkung beigefügt
werben, ba der Verkehr zwifchen ven Gatten, mag nun
bloß einer oder beide excommunicirt fein, nie dazu mif
braucht werden dürfe, den fchuldigen Theil in feiner Harts
nädigfeit zu beftärfen unb ihn, [εἰ εὖ aud) nur inbirect,
von der Buße unb Umfehr abzuhalten, — denn dieß hieße
an jeinem Vergehen theilnehmen 1), und ver Umgang
würde eine ſchwere Sünde in fid) fchließen; bie er(le und
wichtigfte Pflicht des Unſchuldigen befteht vielmehr gerabe
darin, durch alle zu Gebote ftehenden Mittel den Excom⸗
municirten zur Einnedänverung zu ermahnen und zur Eins
holung ber Abjolution zu vermögen, — erft unter biefer
Borausfegung ijt ber Verkehr ein vollfommen erlaubter
und frei von Mitſchuld. — Endlich ift nod) die rage zu
berühren, wie εὖ fid) verhalte, wenn einer bet Contrahen⸗
ten [don vor Gingebung ber Ehe ercommunicirt war und
vr andere, obwohl er hievon Kenntniß hatte, bennod) fel
nen Eonfens ertheilte? Die Behauptung ?), daß, da eine
(olde Ehe gültig fei, bie Betreffenden al8 wirkliche Gatten
betrachtet werden müjjen, mithin aud) die Befugniß haben,
jene Einräumung, die Gregor ben Ehegatten madte,
in Anſpruch zu nehmen, fcheint ung der hinreichenden Bes
grünbung zu entbehren. Die Gültigfeit ihrer Ehe ift
allerdings außer Zweifel 9) und fie felbft find wirkliche
Gatten, aber daraus folgt nod) nicht, bag ihnen aud) zus
gleich ber Verkehr geftattet jel, denn einerfeits hat Innos
ieni II. in bem mehrerwähnten c. 31. X. h. t. απδοτ
—
1) c. 31 in fin. X h. t. 5. 39.
2) Giossa ad c. 31 X h. t. 5.39. verb. agent. Alterius, |. c.
. 161. Sanches, |. c. n. 3. :
3) c. 6 X de eo, qui duxit in matrim. 4. 7,
9%
132 Die Wirkungen der Excommunication.
- bemerkt, daß die Milderungen, weldhe Gregor VII. eins
treten ließ, nur bei denjenigen Rechten und Pflichten, bie
fhon vor der Grcommunication beftanben, zur Anwendung
fommen fónnen, mithin bei folden hinwegfallen, bie, wie
in unjerm Salle, erft nach verfelben erworben wurden,
andererſeits Danbelt der Gontrafent, der mit einem Ercoms
municirten wifjentli eine Ehe eingeht, gegen ble Gebote
der Kirche unb legt feine Beratung derfelben offen an
ben Tag: aber eine foldye violatio censurae kann ihm tod,
wohl das Recht nicht geben, von der in Rede ftebenben
Bergünftigung des freien Verkehrs Glebraud) zu machen
und aus feinem Ungehorfam gegen die Kirche Vortheil zu
ziehen. Deßhalb wird das ehelihe wie häusliche Zuſam⸗
menleben derartiger Perfonen jo [ange aufgehoben und
nöthigenfall8 gehindert werden müjfen, bis ber Gebannte
ber Wohlthat ber Abfolution fid) theilhaftig gemacht Hat.
Nur wenn einer der Contrahenten: bona fide fanbelte, in
dem er zur Zeit der Eheabſchließung von ber Grcommuni-
cation des andern Feine Kenntniß batte, mag von diefer
Regel eine Ausnahme geftattet werben, denn er hat baé
Gebot der Kirche wifjentlich nicht übertreten, fid) alfo aud
jener Vergünftigung des Geſetzes nicht umvürbig gemadt;
für ihn beftand damals "bie Ercommunication gar nicht
fie fann ihm mithin von feinen ehelichen Rechten, die er
erworben, nichts entziehen, biefe müffen vielmehr, abſtract
bie Sache betrachtet, fo angefehen werden, als haben fie
fhon vor bem Eintritte ber Grcommunication beftanben !).
Der allgemeine Grundfag, daß der Kirchenbann wohl⸗
erworbene 9tedjte und die daraus ent[pringenpen Pflichten
— -
1) Suares , l..c. n. 5 seqq.
Die Wirkungen der Ercommunication. 138
nicht auffebe, findet eine nod) ausgebehntere Anwendung
gegenüber von denjenigen ‘Berfonen, die, [εἰ e8 durch das
natürlihe Recht oder in Folge freier llebereinfunft, zu
einander im 9 ecbáltniffe ber Abhängigkeit unb
Unterordnung ftehen: fie fónnen trog der Ercommus
nication bed einen oder andern Theils frei verkehren wie
vorher. Das Decret Gregors bezeichnet als hieher ges
Bórig bie liberi, servi, ancillae, seu mancipia, nec non
ruslici sefvienles el omnes alii, qui non adeo curiales
sunt, ut eorum consilio scelera perpetrentur unb bet ge
nannte Memorialvers faßt vie verfchiedenen Ausnahmer
fälle, die dabei zur Sprache fomnen, unter bem Worte
Humile zujammen. Wir fegenu nen einzeln ver Reihe
nad) auseinander.
Mas in erfter Linie die Binder betrifft, fo find ft
vermöge des natürlihen Rechtes ihren Eltern Gehorjam,
Ehrfurcht und Unterwerfung ſchuldig unb dieſe haben dag
Recht, die Erfüllung ber genannten Pflichten von ihnen zu
verlangen; zugleich find ble Kinder, jolange fie mod
unter ber Obforge und Pflege der Eltern ftehen, auf ben
unmittelbarften Verkehr mit ben legtern innerhalb der Bas
milie angewiefen, den zu vermeiden ihnen gar nicht mögs
lif ift. In beiden Beziehungen verlangt die Gerechtigkeit
und Billigkeit eine Milderung des allgemeinen Verbotes
unb beffalb Bat Gregor ihnen bie Vergünftigung einge»
räumt, mit ihren excommunicirten Eltern ohne irgend eine
Ginjdrünfung verfehren zu dürfen, gleidymie die legterm
wiederum ihrerfeitö bie nämliche Befugniß haben gegenüber
ten Kindern. Daß dieſes Privilegium vor Allem bei "ben
legitimen Kindern, die nod) unter ber väterliden
Gewalt und Pflege ftehen, Anwendung finde,. ift
134 Die Wirkungen der Greommunication.
unzweifelhaft und unbeftritten: nicht fo übereinflimmend
dagegen find die Anfichten in Betreff der Ali emancipati
b. h. derjenigen Kinder, bie von ber väterlichen Gewalt
bereits befreit find, mit den Eltern weder zufammenleben,
nod von ihnen unterhalten werben, vielmehr durch Grün:
dung eined eigenen Hausſtandes ihre Celbítftànbigfeit et
langt haben und nicht mehr im engem Sinne beó Wortes
zur Kamille bed Vaters gehören ). Waährend einige Gano
niften behaupten 2), tie bereits fe[bftftánbig gewordenen
Kinder dürfen mit ihren ercommunicirten Eltern nicht ver
fehren, well fie mit denfelben nicht mehr aufammenmwohnen
und demgemäß ber Grund, aus weldhem das Privilegium
entftanden binmegfalle, vertheidigen Andere bie entgegens
gefegte Anficht, ba ble natürliche Verpflichtung, den Eltern
Ehrfurcht, Achtung, Gehorſam zu erweifen ober ihnen
Unterftügung zu gewähren, aud nach der Gntancipation
nod) fortbeftehe, alfo aud) ber Verkehr noch geftattet fein
müjfe; außerdem habe Gregor die Bergünftigung des .
Verkehrs ven Kindern, ohne eine Beihränkung hinzuzu⸗
fügen, eingeräumt, zu diefen gehören aber im weitern
Sinne immerhin aud) nod die emancipati und ebendarum
{εἰ das Privilegium nad) bem Orundfage — favores am-
plieri etc. audj auf tie legtern auszudehnen. Es ift leicht
erfihtlich, bag der einen wie der andern biefer Anfichten
etwas Wahres zu Grunde liege und die beiverfeitigen
Argumente eine gewiſſe Berechtigung haben, aber eben hie,
1) L. 55. Dig. de ritu nuptiar. 23. 2: „post emancipationem
eatraneus intelligor. *
2) Glossa ad c. 103, C. XI. 4. 3. verb. liberi; Soto, Comment
in IV. Sentent. Dist. XXII. q. 1. art. 4. conclus. 3; Navarrue, l.c.
v. 27,
Die Wirkungen der Grcommunication. 185
rin liegt aud) bie Andeutung, taf jede in ihrer Aus, —
jóliegfidfeit unwahr und einfeitig werbe. lm ‚bie
Frage richtig zu beantworten, muß biftinguirt werden. In
benjenigen Dingen, in wechen folde Kinder aud) nod) nad
ihrer Gmancipation zum Geborjam, zur Bezeugung der
kindlichen Ehrfurcht ober zur Unterflügung bet Eltern ver⸗
püidtet find, fónnen fie mit ihnen ungehinvert verfehren,
benn ber firdjliden Gefeggebung fann nicht bie Abficht
unterlegt werben, bie Erfüllung von derlei Pflichten hindern
ju wollen; in andern Beziehungen dagegen, bei welden
biefe Rückſichten nicht obwalten, vielmehr vie Kinder als
vollig felbftftändig erjcheinen unb zu ben Eltern in feinem
engern Berhältniffe ftehen als andere Perſonen, ift ber
gegenfeitige Verkehr durch feinem befondern Grund ge
fordert und ebenbarum nicht geftattet: die Entſcheidung,
ob und in wie weit der jedesmal vorliegende Fall zu ber
erften ober zweiten Claſſe gehöre, ift dem Gemifjen des
Einzelnen zu überlafien. — Bon bem gleichen Geſichté⸗
punfte aus find bie Verhältniffe ter unehlichen Kinder
zu beurtheilen. Wohnen fie unmittelbar bei ben Eltern,
jo fónnen fie, wie fid) von felbft verftebt, mit benjelben
tog der Ercommunication in allen Beziehungen frei vers
ehren; werben fie aber, was ber gewöhnlichere Ball ift,
auswärts untergebradjt und auf Soften ber Eltern erzogen,
jo dürfen fle mit ihnen in allen Punkten, welde ihre (ὅτε
ziehung und Unterhaltung forie ble Erfüllung ber natürs
lihen Kindespflichten betreffen, ungehindert verfehren, in
allen andern Beziehungen dagegen, wo eine phyſiſche ober
moraliihe Nothwendigfeit des Umgangs nicht vorliegt, ift
ihnen derſelbe unterjagt. — Was tie Adoptivkinder
betrifft, fo find verſchiedene Fälle zu unterſcheiden. Sa
136 Die Wirkungen der Ercommunication.
— [ange diefelben mit ihren Adoptivelten zufammenwohnen,
ſtehen fie rechtlich ben twirfliden Kindern gleich 1), vürfen
alfo, wie diefe, im Falle einer Grcommunication mit ihnen
verfehren; ihren natürlichen Eltern gegenüber Toetben fie
während ber Zeit, in weldyer fie fid) unter ber patria po-
testas bed Adoptivvaters befinden, nicht als Kinder bes
trachtet ἢ, Fönnen mithin bei einer Grcommunication bets
felben das in Rede ftebenbe Privilegium nicht beanspruchen;
πα ihrer Emancipation hören alle Beziehungen zu ihren
bisherigen Adoptiveltern auf, fte flefen denfelben rechtlich
wie fremde Perſonen gegenüber 5), worand für unfere
Frage fid) als Confequenz ergibt, daß ihnen der Verkehr
fernerhin nicht mehr geftattet fel, — etwa bie Fälle abs
gerechnet, in welchen ble Rüdfichten der Dankbarkeit eine
Ausnahme rechtfertigen; als Emancipirte endlich treten fie
zu ihren natürliden Eltern wieder in's Verhältniß ber
- Rinder 5), fie fónnen demgemäß mit ihnen verfehren, fo
weit die Erfüllung der natürlihen Kinvespflichten dieß
erfordert. — Wie mit den Kindern, fo verhält e8 fid) mit
andern nahen Verwandten, die zur Familie gerechnet zu
1) C. 13. Cod. de probat. 4. 19; „Non Epistolis (tantum) ne-
cessitudo consanguinilalie, sed Natalibus vel Adoptionis solennitate
conjungitur. ^ Cfr. 1. 8. Dig. de in jus vocand. 2. 4.
2) 6. 4. Instit. de exheredat. liberorum 2. 13: „Qua ratione
accidit, ut ex diverso, quod ad naturalem parentem attinet, quamdiu
quidem sunt in adoptiva familia, extraneorum numero habeantur."
3) Instit. I. c.: , Emancipati a patre adoptivo neque jure civili,
weque jure, quod ad edictum Praetoris altinet, inter liberos cou-
numerantur. 4
4) L. c.: „cum vero emancipati fuerint ab adoptiva patre, tunc
imcipiant in ea causa esse, in qua futuri essent, si & naturali patre
emencipati fuissent. * |
Die Wirfungen ber. Ereommunicatton. 137
werben pflegen — den Enfeln, Urenfeln !) Stieffinvern,
Schwiegertohter und Tochtermann ?): wohnen dieſe
mit ihren Groß⸗, Stief- oder Schwiegereltern zufammen,
fo i ihnen der gegenfeitige Verkehr geftattet, denn es
fprechen für venfelben bie nemlichen Gründe mie bei ben
eigentlichen Kindern; leben fie dagegen auswärts und ges
trennt von der Familie, fo fönnen fie, gfeld) ben filiis eman-
eipatis, nur in denjenigen Dingen mit ben Ercommunicirten
freien Umgang pflegen, in welchen dieß burd) ble natürs
lihen Pflichten und Rüdjichten ber Verwandtſchaft unum;
ganglich notfmenbig ift. — Das nàámlide Privilegium
endlich genießen die Minderjährigen gegenüber von ihren
ercommunicirten Tutoren in allen Angelegenheiten, bie vers
möge des genannten Nechtöverhältniffes den unmittelbar
perfönlichen Verkehr zwifchen beiven Theilen als geboten
erſcheinen - laffen.
Außer den Gatten und Kindern befnte Gregor das
Privilegium des freien Verkehrs aud) auf bie Leibeigenen,
tie Eclaven, die Landbebauer, die Dienftleute und über
haupt auf alle Diejenigen aus, bie zu dem Excommunicir⸗
ten im Berhältniffe der Abhängigkeit fteben. Es fpreden
für vie Exception tiefer Perfonen ganz diefelben Gründe,
wie bei jenen: die Herrn gehen durch die Ercommunication
bes Mechtes, ταῦ fie auf tie Dienftleiftungen berfelben ers
worben haben, nicht verluftig, bie Legtern find alfo ver:
1) L. 220. Dig. de verb. signif. 50. 16: „Liberorum appellatione
nepotes et pronepotes ceterique, qui ex his descendunt, conti-
nentur. ^ e
2) $. 6. Instit. de nuptiis. 1. 10: „Adfinitatis quoque irren
a quarundam nuptiis abstinere necesse est: ut ecce privignam aut
»urum uxorem ducere non licet, quia utraeque filiae loco sunt.
Quod ita scilicet accipi debet, si fuit nurus aut privigna tua, *
1
138 Die Wirkungen der Excommunication.
pflichtet, ihre Dienfte fortzuſetzen ); außerdem find berfei
Leute, ble in der unmittelbarften Umgebung ihres Gebieters
[eben , jeden Augenblid genöthigt, zu ihm in perſönliche
Beziehungen zu treten, jo daß fie, wenn der Verkehr nicht
freigegeben wäre, beftümbig Gefahr laufen würden, das
Berbot ber Kirche zu übertreten. — Die Art und Weife,
wie bie Betreffenden in das Verhältnig ver Abhängigfeit
gefommen find, ob burdy Recht ober Unrecht, ob dur Ges
walt ober, wie bei unfern Dienftboten, durch freie Ueber:
einfunft, begründet feinen Unterfchied, fondern das einfache
factum ber Unterordnung entfcheivet und Jeder kann
mit, feinem Herrn perjónlid) verfehren, wie unb jo oft bie
Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten ed erfordert. Nur
Diejenigen find von ber Vergünftigung beó Geſetzes aus
geihloffen, welche in ihrer Eigenfchaft als Rathgeber zur
Berübung des Verbrechens, das die Ercowmunication nad)
fidj 30g, verleiteten oder babel irgend welde thätige Bei:
huͤlfe leifteten, benn fie haben fid) als Urheber ober Thell-
nehmer an der verbredherifhen Handlung des Genuſſes
jenes Privilegiums nicht nur an fid) unmwürdig gemadit,
fondern geben auch zu ber Befürdtung Anlaß, fie möchten
durch ihren perfönlichen Umgang, wenn er fernerhin ge
ftattet würde, den Gebannten in feiner Hartnädigfeit be:
ftärfen und feine Unterwerfung unter die Yorderungen bet
Kirche zu verhindern fuchen. — Bei den Perſonen, deren
Abhängigkeit auf einem freien Uebereinfommen beruht, wird
erfordert, daß bajjelbe vor ber Ercommunication ihres
Herrn abgefchloffen worden fei: im entgegengefehten Salle
find fie nicht berechtigt, Ihre Dienfte zu feiften, denn fie
1) e. 31 X h, t. 5. 39.
Die Wirkungen der Creommunicatton, 139
haben fid dadurch, daß fie zum Zwede bes llebereinfom:
mens mit dem Grcommunicirten verfehrten, einer violalio
censurae ſchuldig gemadjt, aus welcher ein Anfprud auf
vie Nachſicht der Kirche nicht abgefeitet werden fanum.
Unter folhen PVerhältniffen muß das Lebereinfommen als
niht vorhanden angefehen und alle Dienftleiftungen unter
laffen werden, es müßte nur fein, daß ber Betreffende bei
Eingehung des Bertrags von der Ercommunication des
Andern Feine Kenntniß hatte, mithin bona fide hanvelte:
va hier von feiner Eeite feine Schuld vorliegt, fo faun
er den Dienft antreten und ble ausbebungene Zeit hindurch
fortfegen, namentlich iwenn ihm ans bem Anfgeben deſſel⸗
ben großer Nachtheil erwachſen würde ').
Im Bisherigen haben wir aller derjenigen Perſonen
Erwähnung getfan, die im Deerete Gregors ausdrücklich
genannt find, aber εὖ gehören hieher noch andere Verhälts
nifje der Ueber- und Unterordnung, die ben erftern ganz
gleichftehend von demſelben Geſichtspunkte aus betrachtet
und beurtheilt werben müflen. Was in erfler Linie bie
Frage betrifft, ob bie Unterthbanen mit bem gebann«
ten Landesherrn fernerhin verkehren bürfen ober. ihn
gänzlich zu meiden haben, fo kann ihre Entfcheidung nad ben
aufgeftellten Grundfägen nicht zweifelhaft fein. Wie bei
tem geringften Unterthanen bie Ercommunication wohler-
worbene Rechte nicht berührt, fo verhält es fih aud) bei ΄
tem Lanbesheren, — εὖ verbleiben ihm alle biejenigen
Befugniffe, bie mit feiner politifhen Stellung in
unmittelbarer. Verbindung ftehen, bie Unterthanen ihrerfeits
find verpflichtet, das Verhältniß ber Abhängigfeit aud
1) Suares, 1. c, sect. 5, n. 17.
140 . Die Wirkungen der Greommunicatton,
ferner anzuerfennen und ben Verkehr in allen jenen Ber
ziehnngen unverändert fortzufeßen, in melden berjelbe zur
Erfüllung ihrer ftaatlihen Pflichten nothwendig ijt: fie
werben nad) wie vor die beftehenden Abgaben entrichten,
ble Unterthanentreue bewahren, in allen erlaubten Dingen
Gehorſam leiften, den Anordnungen ihres rechtmäßigen
Fürften fid unterwerfen, die richterlihen Entſcheidungen
anerkennen, diejenige Ehrerbietung aud) im äußern Bench
men ihm erweifen, voeldje er ald Landesherr zu bean
fpruchen das Recht hat, fury allen Pflichten des Staats,
bürgers vollftändig unb unbetingt nadjfommen, inb wie
die lintertbanen in ben. erwähnten Richtungen mit bem
ercommunicitten Yürften zu verkehren verpflichtet find, fo
' Dat er das Recht, diefe Leiftungen von ihnen zu fordern
und (id) feinerjeits mit ihnen in Verbindung zu fegem, wie
ja aud) die ercommunicirten Eltern mit den Kindern, bie
Germ mit den Bebienfteten ıc. verfehren können: venn
daraus, daß bie Untergebenen zur Bortjegung des Umgangs
verpflichtet find, folgt von felbft, daß bie Vorgeſetzten, fol
bie in Rebe ftehende Gonce[flon "für fie nicht wirkungslos
fein, bie Befugniß haben, mit jenen aud) ihrerfeits unb
aus freien Stüden zu verfehren 1). — Wenn in ven Zei—
ten des Mittelalters ercommunicirte Bürften bed. Reiches
für verluftig erflärt und die lintertbanen vom Eid ber
Treue losgeſprochen wurden ?), fo bildet dieß feine Sinftan
gegen unjere Behauptung, daß ber Verfehr zwiſchen ihnen
geítattet fei, denn bie genannte Etrafe war mit der Gr
communication als ſolcher nicht unmittelbar verbunden,
1) S. Thomas, Comment. in IV. Lib. Sent, Dist. XVII. q. 2.
art. 4.
2) c. 4. ὅ, C. XV. q. 6.
Die Wirkungen der Excommunication. 141
fondern galt als eine Verfhärfung berfelben unb mußte
vurh eine neue, für fid) unabhängige Eentenz erft
ausgeſprochen werben !), woraus beutlid) hervorgeht, baf
bet Bann für fid allein das Band zwiſchen Fürft und
Unterthanen nicht gámjid auflöste Dieß wird um jo
weniger angenommen werben können, als bie Befugniß dazu
in ber Kirchengewalt als folder gar nicht enthalten ift:
wenn bie Päpfte bem Gebannten aud) nod) feine erri
torien entzogen unb ben Gib ber Treue lösten, fo fanbelten
fie dabei weniger in ihrer kirchlichen, al& vielmehr in ihrer
politifchen Stellung, bie fie al8 oberfte Echiedsrichter
zwiſchen Yürften und Völker nad ber Anfchauung ber ba:
maligen Zeit unbeftritten innehatten. — Obwohl ed bens
gemäß feinem Zweifel unterliegt, daß tet gegenfeitige Ver-
febr zwifchen Landesherrn und Unterthanen in allen Rer-
hältniffen der politifhen Lleber- und Unterordnung fortge:
jet werden darf, fo ift er bod auf dieſe zu be
ihränfen,. denn nur hier handelt ἐδ fid um wohler-
worbene Rechte: in Betreff ber gewöhnlichen geſellſchaftlichen
Beziehungen, bie von bem freien Willen der Einzelnen abs
hängen und bei melden weder ein Recht des Vorgefegten
nod eine Pflicht des Untergebenen in Betracht fommt, has
ben die Unterthanen des perfönlichen Umganges fid) zu
enthalten, namentíid menn berjelbe dazu dienen würde,
den Ercommunicirten in feinen feinbfeligen. Gefinnungen
gegen die Kirche zu beftärfen und ihn zu trogigem "Wider,
ande zu ermuthigen. —
Die Gründe, aus welden der Verkehr zwifchen Lans
desherrn und Unterthanen geftattet ift, finden auf tie
1) c. ult. X de poenis. 5. 37.
-
142 Die Wirkungen der Greommuntcattett.
kirchlichen Untergebenen gegenüber von ihren Vorgeſetzten
feine Anwendung. - Denn nad den Beftimmungen des
canonifgen Rechts gehen in Folge ber Ercommunication
bie kirchlichen Surióbictionóredte verloren,
mithin lóét fid) für die Dauer des Bannes das Verhält—⸗
nig der Abhängigkeit und wie ber firdliche Obere feine
Gewalt mehr hat über feine Untergebenen, fo find biefe
aud nicht verpflichtet, in Anerkennung berfelben ihre bie:
berigen Beziehungen zu ihm fortzufegen. Daher fónnen
Laien und Glerifet einer Diöcefe mit ihrem gebannten
Biſchofe in feiner Weife, fel ed privatim oder in öffentlich
firchlichen Angelegenheiten, irgend melden Berfehr unters
halten 5, — ausgenommen feine Diener und Hauscleriker,
bie ihm, wie andere Bebienftete ihrem Herrn, in ſpeciel—
[er Weife und burd) befonbereó Uebereinfommen verpflid-
tet find.
Aus demfelben Gefichtspunfte ift das Verhältniß zu
beftimmen, in welded fid) vie Mönche eines Klofters zu
ihrem excommunicirten Prälaren zu fegen haben. Da
berjelbe feiner Jurisdiction verluftig gegangen tft unb ihnen
nur mehr als Privatperfon gegenüberfteht, [0 Dat das
Verhältniß der linterorbnung aufgehört und fie können in
denjenigen Angelegenheiten, bie feine amtliche Stellung
betreffen, mit ihm nicht mehr verkehren; ba er aber bad
Klofter nicht verlaffen darf, fie alfo mit ihm leben müflen,
fo werben fie, wie bie Kinder, welche mit ihren Eltern
zufummenwohnen, für vie Bälle des gewöhnlichen Lebens,
in welchen ber Verkehr unvermeidlich ijt, das von Gre
ee
1) c. 2. Dist. XCIII. Avile, De Censur. P. IL. c. VI. disput. 1t
dub. 8. s n i
Die Wirkungen der Creommunication. 143
got verliehene SBriollegium in 9Injprud nehmen und mit
in in Berbindung treten fönnen in ber Weile, wie
ihnen dieß jedem ercommunicirten Mönche gegenüber ge:
Rattet ift. — Die gleiche Unterfcheidung zwifchen amtlichen
und auferamtlidem Berfehre iſt feftzuhalten bei Enticheis
bung ber weitern frage, ob der firdjlide Obere mit einem
lintergebenen, falls die ſer ercomnunicirt ift, fid) in nähere
Verbindung fegen dürfe? Was diejenigen BVerhältniffe bes
trifft, die mit bem Amte in feinem Zuſammenhange ftehen,
io lautet bie Gnt(deibung des Gejegeó 1) burdjaué ver,
neinend, fo zwar, bag der Bifchof nicht einmal mit
einem Diöcefanen, ben er felbft ercommunicirte,
irgendwie verkehren darf: bie kirchlichen Obern find es vor
Allen, melde darüber zu wachen haben, daß Andere ben
Bebannten meiden, es verlangt daher tie Gerechtigfeit unb
Klugheit, daß fie hierin mit gutem Beifpiele vorangeben
wb bie Worberungen, die fie an Andere ftellen, in 'erfter
finie felbft erfüllen ἢ. Der amtliche Verkehr dagegen
it Feineswegs fu[penbirt, denn durch bie Ercommunication
des Untergebenen hat ter Vorgeſetzte feine Jurisdictions⸗
rechte über ihn nicht verloren, es ftebt ihm daher bie Bes
fugniß zu, von denselben überall, wo es αἱ nothwendig
oder zweckdienlich erfcheint, Gebrauch zu machen, ja er ift
Dieu fogar verpflichtet, fobald er hoffen fann, durch
freundliche Ansprache, Belehrung, Ermahnung oder Zurecht⸗
weifung ven Betreffenden zu befjern und zur Kirche zurüds
uführen 7
1) c. 15. X h. t. 5. 39.
2) Glossa ad c. 15 cit. verb. MUNIRI:
3) Diefe Art Yon Verkehr, die unmittelbar aus bem Begriffe
und der Beftimmung des Firhliden Hirtenamtes fid) ergibt, findet
144 Die Wirkungen der Excommunieation.
Gnbfid) begründet aud) das Verhältnis von Schuld,
ner und Gläubiger eine gemifje Art von Abhängig-
feit, weßhalb die Frage, ob tie. Ginráumung Gregors VII.
, aud) bei ihnen Anwendung finbe, Bier nod fury berührt
ju werben verdient. Befindet fid) ver Chuldner in ber
Ercommunication, fo verfteht εὖ fid) von felbft, daß babutd)
an feinen Verbindlichfeiten nichts geändert werde unb er
nach wie *oor zur pünflichen Erfüllung derſelben verpflichtet
fei, denn im entgegengejebten Salle würbe er aug feiner
€trafe Vortheil ziehen, was bem Zmede verfelben wider .
jpricht und in jeder Weile verhindert werben [oll ); auf
ber andern Seite hat ber Gläubiger allegeit das Recht,
mit ihm fid ind Vernehmen zu fegen, ihn an feine Ber
pflitungen zu erinnern und die Erfüllung berjelben zu
fordern ?), [εἰ εὖ privatim ober auf geridjtlidem Wege,
denn wie dem Schuloner aus ber Excommunication fein
Vortheil, jo foll dem Gläubiger aus berfelben Fein Nad-
theil erwachfen. — Gegen wir den umgefehrten Sall, in
weldem der Gläubiger dem Kirchenhanne verfallen ἱβ,
jo geht er nad dem mehrerwähnten Grunbfage, daß bie
Ercommunication wohlerworbene Rechte unberührt fafje,
feines Forderungsrechtes nicht verluftig: er fann baefelbe,
wenn aud) nicht, wie wir unten zeigen werben, auf gericht:
fid [don in ben früheiten Zeiten. So fchreiben bie apoftoli[djen ,
Gonftitutionen (L.II.c. 40) ten Bifhöfen vor: ;, Τοῖς di’ auag-
tla; Gd opio eva. παρ᾽ ὑμῶν καὶ συναναςρέφεσϑε xai συναυ-
λίζεσϑε, ἐπιμελούμενοι, παρακαλοῦντες, ὑποςηρίέζοντες,
λέγοντες αὐτοῖς: ἰσχύσατε χεῖρες ἀνεμέναι καὶ γόνατα παραλελυμένα.
᾿ Jlagaxaáeiv γὰρ χρὴ τοὺς πενθοῦντας καὶ τοῖς ὀλιγοψυχοῦσι προϑυμίαν
διδόναι, ὅπως μὴ τῇ ἀμετρίᾳ τῆς λύπης εἰς ἀφροσύνην χωρήσωσιν, ἐπείπερ
ὀλιγόψυχος ἰσχυρῶς ἄφρων. *
1) c. 7 X de judic. 2. 1. .
2). c. 34 X h. t. 5. 39.
Die Wirkungen der Grcomntunicatiott. 145
[iem Wege, fo tod privatim ungehindert geltend machen
und zu bem genannten 3mede mündlich, oder ſchriftlich mit
tem Schuldner verkehren, weldyer gehalten ift, der Forde⸗
rung, fo fie nur überhaupt gerecht ijt, zu entiprechen !).
Wenden wir und zu ben zwei legten Entſchuldigungs⸗
gründen, tie mit ben Worten Res ignorata, Necesse be;
yidnet werben, fo i(t über diefelben nur nod) Weniges zu
bemerfen. Was ben erftern betrifft, fo fagt das Decret
Gregors, εὖ follen Diejenigen von feiner Strafe betroffen
werben, qui sgnoranter excommunicalis communicant, v. D.
wer ohne feine Schuld nicht weiß, daß ber Andere excom
municitt ijt — ignorantia facli, oder fid) darüber in lim:
wifienheit befindet, bag nad) ben Beftimmungen des Ge;
ſezes der Umgang, mit einem Ercommunicirten verboten
it — ignorantia juris, — dem fann die facti(dje Ueber
Ihreitung des Berboted nicht imputirt werben. Obwohl
We ignorantia juris von Gregor nicht auébrüdlid) Det
sorgehoben wurde, fo erflären die Ganoniften bod) überein,
fimmenb, daß fle im Geife und in der Intention des
Geſetzes liege und mit vemfelben Rechte als Entſchuldigungs⸗
grund angejehen werde, wie bie ignorantia facti: benn
einerfeits eximite Gregor ganz allgemein Diejenigen,
qui ignoranter excommunicatis communicant, ohne eine
nähere Beichränfung beizufügen, — wo aber bet Gejeg:
geber feinen. Unterſchied made, da dürfen audj wir einen
folgen nit ftatuiren unb dieß hier um fo weniger, weil
das Geje& ben Zweck habe, ängftlihe Gewiſſen in Bes
ttf des verbotenen Umgunges zu beruhigen, ein Zweck,
ber ficherer und in ausgebehnterem Maaße erreicht werke,
1) Suares, l. c. sect. 6. n. 5
Theol. Quartalſchrift 1857. I. Heit- 10
146 Die Wirkungen der Excommunication.
wenn ὦ der gefeglide Entſchuldigungsgrund nidjt auf bie
ignorantia facli beſchraͤnke, fonbern aud) tle ignorantia juris
in fd) Schließe; anbererfeité. fage Gregor bei Angabe
bet Motive feines Geſetzes, er wolle mit demfelben nicht
bloß Denjenigen zu Hülfe fommen, bie ignorantia, fonbern
aud) Ienen, bie mimia simplicitate mit Ercommunicirten
verfébren unb fid) baburd ber Gefahr auéfegen, im die
gleide Strafe zu verfallen: ba nun unter der nimia sim-
plicitas wohl nichts anderes, al8 ble ignorantia juris vet:
ftanben werben fónne !), fo müfje bie legtere, wenn das
Gefeg feinen vollen Zweck erreichen folle, wie bie ignoran-
tia facti als Gntfdjulbigungégrunb angefehen werben. —
Neben ver eigentlichen Unwiffenheit gehört zu den Aus
nahmefällen biefer Elaffe aud) ber bloße Zweifel. Wer
ohne [εἶπε Schuld und ohne vie nöthige Gewißheit fid)
verichaffen zu fónnen, einen gegründeten Zweifel hat, ob
der Andere in der Greommunication fid) befinde ober nicht,
fant mit bemfelben bis zur völligen Aufflärung ver Cade
ungehindert verkehren, benn ba Jeder auf den freien Ums
gang mit feinen Mitmenfchen ein Recht Bat und da in
bet Verweigerung desſelben eine Art von Injurie liegt, [o
findet auf denjenigen, über deſſen Ercommunication bet
Zweifel befteht, ber Grunbfag Anwendung: in dubio melior
est conditio possidentis und ebendarum wäre es ein Uns
teft, ihm auf einen bloßen Verdacht hin und wegen εἰπεῖ
nod, unerwiefenen Vermuthung den bürgerlichen Berfehr
entziehen zu wollen. —
Gnbíid) hat bie Gefeggebung, obwohl es fid) eigent-
1) Schon die Gloſſe erklärt den Ausdruck nimia simplicitate
mit den Worten: ex juris errore.
Die Wirkungen der Excommunication. 147
lich fdjon von felbft verfteht, zur vollftändigen Beruhigung
ber Gewiſſen noch ausprüdlic, erflärt, tag der Umgang
mit den vitandis geftattet fel, wo er wegen dringender lim:
fände, fei es abfolut ober doch ohne großen Nachtheil,
nicht vermieden werben fünne — Necesse. In diefer Richtung
fagt das Decret Gregors, daß dyriftlide Reifende, welche
in Gegenden fommen, deren Einwohner ercommunicirt
fien, von benfelben bie nöthigen Eubfiftenzmittel, wenn
fie auf anderem Wege nicht verfhafft werden können, fid)
fanfen und falls das Legtere wegen Armuth nicht möglich
i, von den Gebannten Almofen annehmen dürfen. Ein
anderes Beifpiel des durch bie Nothwendigkeit gebotenen
und barum erlaubten Verkehres mit Ercommunicirten ente
halt eine Secretafe Innocenz II !). Eine Anzahl von
Krenzfahrern hatte mit den SSenetianem zum Smede ihrer
Üeberfahrt in’8 Heilige Land einen Vertrag abgeſchloſſen
und bie bedungene Summe ihnen bereits ausgehändigt:
ta aber die Schiffsheren inzwifchen in ble Ercomnmnication
verfallen waren, wandten fid) die Erftern an ben Papft mit
ber Anfrage, ob εὖ ihnen jegt noch geftattet fei, von bem
getroffenen Hebereinfommen Gebraud) zu maden. Innos
cenz antwortete, daß fte, wenn bie Ercommunicirten die
Abfolution nicht nahfuhen unb das erfegte Geld heraus,
ingeben fid weigern, in diefem Balle ber Noth, um einen
großen Nachtheil von fid) abzumenden, der Schiffe ber Ge;
bannten fid) bedienen und mit den legterm. In alf ven An-
gelegenheiten verfchren dürfen, in melden dieß nicht vers -
mieden werben fónne, — Wenn in ben angeführten Gel,
lm junádft bloß von der äußern, [eibliden Noth—
1) c. 34 X h. t. 5. 39.
109
148 Die Wirkungen der Ercommuntcation.
wenbigfeit ble Rebe ift, (o dehnen bie Ganoniften biefelbe
SBefugnif aud) auf die Fälle ber geiftigen Noth aus,
jo bag die Gläubigen in allen Verhältnifien, wo Rath,
Hülfe unb Beiftand von Andern, aló Excommunicirten,
nicht zu erlangen ift, bie Dienftleiftungen berfelben nach⸗
juden oder wenn fte angeboten werden, ohne Weiteres
acceptiren dürfen. — Das gleiche Privilegium des freien
Verkehrs genießen Diejenigen, welche durch phyſiſche Ge
walt, burdj Ginjagung von Furcht ober fchwere Drohungen
genöthigt werden, mit einem Excommun icirten perfönlidhen |
Umgang zu pflegen. Wie endlich bie Gläubigen, wo fie -
in Noth find, mit einem Gebannten in PVerfehr treten
bürfen, jo ift ihnen tief aud) überall ba erlaubt, wo bet
Ercommunicirte fidj in einer age befindet, bie ben
Beiftand unb bie Hülfe 9Inberer als dringend unb unum-
gaͤnglich nothwendig erfcheinen läßt — und menn bie Mit-
glieber der Sirde, wo fie ber Hülfe bebürfen, dieſelbe
von Grcommunicirten nicht bloß anzunehmen, fondern aud) |
zu fordern befugt find, jo gilt das Gíeide aud in Br |
treff der Gebannten }).
Dieß find bie geſetzlichen Ausnahmsfälle, in
welchen auch mit ben Excommunicalis vitandis verkehrt
werben bar[: in allen Verhältniſſen dagegen, bie unter bie
aufgeführten Erceptionen nicht fubjumirt werben Fönnen,
ift jebmeber Umgang ftrenge unterfagt und mit ſchwerer
Strafe bevroht 9. Die Verpflihtung, den Gebannten zu
1) Bol. über biefe Verhältniffe Avila, 1. c. dub. 13.
\ 2) c. 30 X h. t. 5. 39: , Nullus scienter nominatim excommuni-
cato communicare teuetur, nisi quaedam personae, quae per illud
Gregorii papae capitulum: Quoniam smultoe specialiter excusantur.
Die Wirkungen der Ercommuntcation. 149
meiben, beginnt mit dem Slugenblide, in welchem bie fichere
£unbe von feiner Ercommunication und der erfolgten
Publicirung der Sentenz eingetroffen ift, — und währt fo»
lange, bis man von ber erlangten Abfolution in zuver-
läßiger Weiſe Kenntniß erlangt hat '), denn ble Präfums
tion fprit gegen den Ercommunicirten ?), er muß mit,
hin als foldher angefehen und behandelt werden, bis baé
Gegeniheil erwiefen if. Die Abfolution ijt als ermiejen,
alfo die Wiederaufnahme des Verkehrs ald erlaubt zu bes
traten, wenn bie Gläubigen burh eigene Sinnen
mabrnefmung fid) vom Vorhanvenfein derſelben übers
yugt haben, fel es, baf fie bem Acte, in meldjem fie auds
gefprochen wurde, perfónfid) anmwohnten, ober von ben fies
rauf bezüglichen Veröffentlihungen des competenten Kirchen⸗
obern Einficht zu nehmen Gelegenheit hatten: inbeffen fann
ver nöthige Beweis, wo eigene Anfchauung unmöglid, ift,
aud durch Zeugen erbracht werben, fall8 dieſe übers
haupt glaubwürdig find und von ber erfolgten Abjolution
fihere Kenntniß haben fónnen.3), ja im äußerften Salle
genügt fogar bie einfache Ausfage des Ercommunis
cirten, wenn fein perſönlicher Charakter und Firchliche
llli autem, qui nominatim excommunicatis praesumptuose participant,
praeter personas dicto canone annotatas, nisi ab eorum participatione
commoniti forte destiterint, excommunicationis vinculo sunt inno-
dandi. “
1) c. 30 cit.: , excommunicato, licet, quod $tet mandato eccle-
siae, juramento firmaverit, communicari non debet / donec per ec-
clesiam fuerit absolutus."
2) c. 8 de regul. jur. VI. 5. 12: ,Semel malus, semper prae-
sumitur esse malus."
3) Suares, |. c. sect, 3. n. 6.
150 Die Wirkungen der Exrcommunlcation.
Gefinnung für bie Wahrheit berfelben volle Buͤrgſchaft
darbietet !).
Prof. Kober.
1) Naegrrus, Manuale, c. XXVIL n. 36, Avila, 1. c. dub. 11.
conclus, 6.
Il.
WBerenfionem.
1.
Institutiones Patrologiae, quas ad frequentiorem, utiliorem
et faciliorem SS. Petrum lectionem promovendam concin-
mavit Jos. Fessler, SS. Theol. Dr., consiliarius eccl. Brixin.,
historiae eccles, etc. Prof. in Seminario episc. Brixinensi
(jebt Prof. des Kirchenrechts am der Univerfität Wien),
Tom I[**"* Oeniponte, typis οἱ sumtibus Feliciani Rauch.
1851. VIIL et 1071 pp. Oct. maj Pr. beiber Bde.
95]; 9ttp. — 9 ff. 24 fr. 5. |
Würde ἐδ fid) um eine Schrift von nut momentaner
Bebeutung handeln, fo dürfte man dieſer NRecenfion mit
Recht das befannte trop tard zurufen; aber anders ijt εὖ,
wenn ein Werk von bleibenpem Werthe fuͤr die Wiſſen⸗
ſchaft vorliegt.
Mit dieſem zweiten Bande hat Dr. Feßler ſeinem
Plane gemäß bie institutiones Patrologiae beendigt, und
—X
1) Bon demfelben Gelehrten erſchien Fürzlih auch „Geſchichte ber
Kirche Chriſti als Religionslehrbuch zum Gebraudje für Obergym:
wn. Qrier Theil, Wien 1857 bei Auer,“
152 Fessler,
es reichen diefelben von ten Anfängen der chriftlichen ite:
ratur bis auf Gregor b. Gr. inclus. — Ueber den erften.
Band, welcher die Kirchenväter der vier erften Jahrhunderte
behandelt, haben wir bereitd im Jahrgange 1851 dieſer
. Zeitfehrift Bericht erftattet. Der vorliegende zweite Band
befpricht bie Väter und Kirchenfchriftfteller von Ende des
vierten bis Anfang des fiebenten Jahrhunderts, Ὁ. B. big
zu bem vom Verfaſſer feftgefegten Schluffe des patriftifchen
Seltafteró. (δ᾽ find fonad) gerade tie großartigften Kirchen
väter, welche in biefem zweiten Bande vorfommen, nament;
ih Ephraim ber Syrer, Chryfoftomus, Hieronymus, Au:
guftin, Eyrill von Alerandrien, Leo b. Gr., Gregor b. Gr.
und Andere; und ſchon bie Bereutung blefer Männer ver
anfagte Herrn Feßler zu einer beträchtlich ausführlicheren
Behandlung ihrer Lebensgefchichte und ihrer Schriften, αἱ
er foldje zumal in der erften Abtheilung des erften Bandes
eingefchlagen hatte. Ueberall begegnen uns hier gruͤndliche
Duellenftudien, ausgedehnte Gelehrfamfeit, gewiſſenhafte
Genauigkeit, Einfiht in ven Entwidiungsgang der drift:
lien Wiſſenſchaft und die Gemandtheit, in wenigen Wors
ten Vieles zu jagen. Auch die Anlage des Ganzen und
bie Anordnung des Stoffes [ft ganz zwedmäßig. — Sebem
Kapitel, und ber vorliegende Band enthält deren vier, geht
ein conspeclus generalis voraus, um bie betreffende Zeit
im Allgemeinen zu charafterifiren und die theologischen
Kämpfe zu ſchildern, an welden bie zu beſprechenden Räs
ter Theil genommen haben. So wird 4. B. dem flebenten
Kapitel, das den Vätern qui errores Nestorii impugna-
runt zugewiefen ift, in zwei Paragraphen eine Ueberſicht
über ble Entftehung und den Charafter der neftorianifchen
Härefie vorangeftelt, um das folgende patrologifche Detail
φ
institutiones, Patrologiae. 153
befto verftänblicher zu machen. tur. der gar fo große
Umfang des 8. unb legten Kapitels, welches wieder in 5
Sektionen zerfällt, will uns weniger zufagen. Bei jedem
einzelnen Sirchenvater wird nad, Angabe ber fontes und
subsidia zuerſt fein Leben in einem ober mehreren Para⸗
graphen befchrieben, jo 3. 8B. das bes BL. Gyrill von Ales
randrien in 9 $$, darauf feine Werke in vie betreffenden
Kategorien: opera dogmatica, exegetica, historica, ser-
mones, epistolae etc. abgetbeilt und einzeln forgfältig bes
fpreden, aud) bie deperdita, dubia und spuria nicht vers
gefien. Daran fchließen fih, wo εὖ wichtig i, nod) ein
Paar Paragraphen über den Charakter des fragkichen
Kirhenvaters, feine wiffenfdjaftlide und ſchriftſtelleriſche
Bedeutung, und über feine doctrina, worin meift foldhe
Punkte erörtert werben, welche confeffionele Differenzen: bes
rühren. Sie geben zufammen eine Art nubes testium. für
tad Fatholifche Dogma bem Proteftantismus gegenüber. —
Den Cdlu bildet enblid die Aufzählung der wichtigeren
Evitionen; was unferes Erachtens befjer mit ben fontes
wäre zufammengenommen worden. So wie es jest ift,
wird ber Qefer 4. 9. von E. 531 an mehrere Duzenpmale
anf bie Opera S. Cyrilli, bald auf T. L, bald auf T. VL
ele. etc., und auf ‚deren verfchiedenfte paginae verwiefen,
aber erft auf ©. 576 erfährt er, welche Ausgabe denn
gemeint fel, Ebenfo mill e8 uns nicht gefallen, baf
bei den Editionen nicht aud) zugleich bec neuaufgefuns
denen Bücher ober Fragmente des betreffenten Kirchen⸗
vaterd gebadjt wird. Von Cyrill von Alerandrien δ. 99.
fand Garbinal Angelo Mai nicht weniger als 15 bisher
unbefannte Stüde, weldje zufammen mohl einen Folioband
ausfüllen würden. Wenn nun Hr. Feßler S, 576 bemerkt,
154 Fessler,
daß bie Werke Eyrill’s am beften von Aubert in 6 Folio⸗
bänden ebirt feien, fo hätten wir hiezu einen SSeifag ges
wuͤnſcht, etwa in folgender Form: „fünfzehn weitere Schrif⸗
ten (oder Sragmente) Cyrill's ebicte A. Mai in feinen drei
großen Sammelwerfen: Classici auctores, Scriptorum ve-
terum nova collectio, unb Spicilegium Romanum.“ Außer:
bem hätten bie nementbedten Stüde unter die übrigen
Werke jedes einzelnen Baterd an ber zufommenden Stelle
eingereibt werben follen; aber Feßler hat ihrer meift nur in
ben Fein» und enggebrudten Noten erwähnt, wo fie von bem
Lefer kaum zu entbeden (inb. Mehrere haben auch wit
nicht finden fónnen, befonders fold, welche A. Mai in
bem Spicilegium Romanum unb in ten Auctores classici
mitgetheilt hat.
Da wir bei ver Tüchtigfeit und großen Brauchbarkeit
viefes Handbuchs ter Patrologie vorausfegen unb wuͤnſchen,
baffelbe werde in recht viele Hände fommen und in Bälbe
einer zweiten Auflage bedürfen, fo halten wir εὖ für paf;
fend, nodj auf einige Detailpunfte einzugehen, ble vielleicht
eines Zufabes ober einer Verbeſſerung bebürften.
Auf €. 485 wird ber Neftorianismus daraus abge
leitet, daß Einzelne im Kampfe gegen ble Arianer bie
Naturen in Chriſtus zuſehr audeinanverhielten, um nidt
bie von einer Stiebrigfeit 2c. Chrifti fpredjenben SBibelftellen
auf den Logos beziehen zu müffen, voie jene Häretifer ge
than. Allein nicht ber Gegenfag zum Artanismus, fondern
ber zum Apollinarismus Hat unfered Erachtens - jene
antiochenifche Chriftologie hervorgerufen, melde in Reſto⸗
rius gipfelt. |
©. 497 lejen wir, Eufebins von Doryläum habe bes
wiejen, bag Neftorins bie Irriehre tea Paul von Sams
institutiones Patrologiae. 155
μία erneuere. Es ift nun allerbings richtig, bag bem
Reſtorius fold)er Vorwurf gemacht voutbe, aber ebenfo ges
wig ift auch, bag er benfefben von Anfang an entfchieben
und mit edt zurückwies.
Nicht genau ift €. 499 angegeben, wie man in Rom
Nachricht über bie neftorianifhen Streitigkeiten erhalten
habe. Es hätte gefagt werben dürfen, Reftorius felbft babe
fij zuerft und vor Cyrill an SBapft Cöleftin gewendet.
Grill à Benehmen wird dadurch um fo mehr motivirt.
Wiederum nicht ganz genau if ©. 501 bet Ausdruck:
Eyril Babe an ben Kaifer Theodoſius IL. und feine
Schwefter Pulcheria gefchrieben. Die belben Briefe ταῖς
βασιλίσσαις find ja nicht blos an Pulcheria, fonberm aud
an bie Raiferin Gubofia, bie Gemahlin des Theodoſius,
gerichtet. Zugleich hätte erwähnt werben follen, wie der
Kaifer tiefen Schritt Cyrill's aufgenommen und welde
Vorwürfe er ihm barüber gemacht habe. Nicht zu über
gehen war ferner Diet ober C. 641 das Verhältniß, in
welhem Cyrill zu Eutyches ftanb, [ange bevor-biefer ale
Häretifer auftrat. Sind ja doch daraus PVerdächtigungen
der Ortfoborie Cyrill's abgeleitet worden. Endlich durfte
au die ſchwere Anklage, Eyril Habe angeſehene
Perſonen beftochen, um bie Anerfennung der epheflnifchen
Synode von Seite des Kaiferd durchzuſetzen, nicht uners
örtert bleiben. Einen Verſuch, bieje Sache ins rechte Licht
zu ftellen, haben wir felbft im zweiten Bande ber Eons
ciliengeſchichte S. 229 f. und €. 249 gemadht.
Auf ©. 550 theilt der Verfaſſer bie gewöhnliche An-
fibt, ber dritte Brief Grill 'à an Neſtorius, bie 12 Anas
thematismen enthaltend, fei auf den allgemeinen Goncilien
von Gpbefuó unb Chalcedon nicht eigentlid approbirt
156 Fessler,
worben, und wir jelbft haben das Gleiche (Gonciflengefd).
Br. IL. ©. 451 Note 1) behauptet. Zweifel gegen vie
Richtigkeit diefer Annahme erheben fid) jevoc bei genauerer
Betrachtung einzelner Aeußerungen ber fünften allgemeinen
Synode. In ihrer festen Sitzung 2. 3B. wirb gefagt:
Chalcedonensis sancta Synodus Cyrillum sanctae memoriae
doctorem sibi -adscribit, et suscipit synodicas ejus episto-
las, quarum uni 12 capitula supposita sunt (Mansi,
Collectio Concil. T. IX. p. 341. Harduin, T. III. p. 167).
Aehnliche Stellen finden fid) ebenvafelbfi, Mansi, l. c.
p. 308 u. 327, Harduin, 1. c. p. 147. 161. Auch be
bauptet Ibas (ein Verehrer des Reftorius) in feinem Briefe
an Maris ausdrücklich, daß ble Synode von Epheſus vie
12 9Inatbematiómen Cyrill's beftätigt habe, und macht ihr
dieß zum Vorwurfe (Harduin, T. II. p. 530).
Bei Syneſius €. 636 vermiffen wir bie Angabe und
Zurechtſtellung zweier im Leben viejes Kirchenvaterd wid
tiger unb von ben Gegnern unferer Kirche vielfach für fid)
citirter Punkte, nämlid ber beiden Bedingungen, unter
welchen er i. J. 410 das bifchöflihe Amt annahm: daß
man ihm geftatte, ben ehelichen Umgang mit feiner frau
fortzufegen und einige der Kirchenlehre nicht adäquate
philofophifche Anfichten, 3. B. über bie Präeriftenz bet
Eeelen, nicht aufgeben zu müffen. — Wir haben hierüber
fhon anderwärts (Quartalſchrift 1852. S. 146 ff.) und
ausführlicher geäußert, batum mag ed an zwei furzen e
merfungen genügen. a) Da in ber griechifchen Kirche, und
zu ihr gehörte Syneſius, den Prieftern das Recht zufteht,
bie vor der Ordination eingegangene Ehe nad) betjelben
noch fortzufegen ; fo ift nicht beſonders auffallend, ‚wenn
fi$ Synefins bei der Weihe zum Bifchof dafjelde Recht
institutiones Patrologiae. 457
ansbedang. Konnte ja Semanb bei ber Weihe zum
Diakon fi das Recht ausbedingen, nad diefer Orbination
noch heirathen zu dürfen (vgl. c. 10 v. Ancyra v. 3. 314).
b) Daß man bem Synefins geftattete, feine origeniftifchen
Anfihten nod) beizubehalten, erklärt fid) daraus, baf εἰπεῖν
feitö der Origenismus damals noch nicht allgemein verpönt
und anbererjeitó bie Zahl der fürs bijdjoflide Amt tauge
liden Männer in Aegypten und Umgebung fo Flein war,
daß die Wähler von jenem Defekte ihres Ganbibaten ab»
ſehen zu dürfen glaubten, in der Hoffnung, wie Evagrius
hist. eccl. I. 15 jagt: „die göttliche Gnabe werde den für
Wahrheit fo empfángliden Mann ficher nod) zur vollen
Orthodoxie führen.”
Auf ©. 521 wün[dte ih das Wort praecipui Orien-
lis episcopi mit einem andern vertaufcht, indem befanntlid)
mehrere: ausgezeichnete Bifhöfe Afiens, namentlih Speo
doret damals ber Union mit Eyrill von Alexandrien nod
nicht beitraten. ^ Gbenfo dürfte auf €. 642 eine Bes
richtigung angebracht werben, indem Eutyches ficherlich von
bem Irrthum frei war, als ob Ehriftus auch feinen Leib
ans dem Himmel gebradjt habe. Er jelbft wies dieſe Ans
ſchuldigung ganz entfchieten jurüd, und fie beruht wohl
nur auf ber Anfangs [o häufigen Ipentificirung feiner
Lehre mit ber verwandten apollinariftiichen.
Zu ©. 668 ift beizufügen, daß Patriarch Anatolius
von Bonftantinopel fefbft, wenigftend zum Scheine, auf
ven Ganon 28 von Gbalcebon, ben Streitpunft zwiſchen
ihm unb bem Papfte (der Canon fchreibt bem Stuhle von
Eonftantinopel ben Rang unmittelbar hinter dem römis
hen zu, und verftoßt damit gegen c. 6. von Nicäa) ver
jichtet Babe, indem er an Leo I. ſchrieb: „die Geltung bete
158 Fessler,
felden hänge vont Papfte ab“ (Ep. 132 unter ben Briefen
Leo's). — Auch dürfte des Streites zwiſchen Papft Leo
und Grbifdof Hilarius von Arles fchon in ber vita Leonis
erwähnt, wenigftens auf bie Fünftige Befprechung desſelben
in p. 797 Bingemiefen wotben fein.
Was wit €. 691 über S feoboret leſen: ast meliora
edoctus etc., ift zu rofenfarbig gehalten. Factiſch tt, daß
Theodoret mit der fraglichen Union nicht zufrieden war
unb fij auf einige Zeit fórmfld) von feinem Patriarchen
Sohannes von 9Intiodjlen und ber gefammten Kirche trennte.
Auch das licet non consentiret (1. c.) ift nicht ganz genau;
bie Schuld fiegt hier vielmehr auf Patriarh Iohann,
welcher von Theodoret nadjmaló das Anathema über Nefto-
rind nicht mehr verlangte. Auf S. 525 ift hierüber das
Richtige gefagt. Weiterhin ift die Gefchichte der Aner
fennung Theodoret's auf dem Goncil zu Chalcevon (p. 692)
viel zu ſummariſch behandelt, als ob da Alles ganz plane
und ohne Stürme und Zweifel zugegangen wäre: die Be-
siehung Theodoret’d zum Dreifapitelftreite aber ift in feiner
vita ganz mit Stillfchweigen übergangen.
Wenn auf S. 950 am Ende der zweiten Rote gefagt
ift: bie τοποίοα [ὥς Angabe im Gelaftanifchen Decrete
de libris non recipiendis fei zu tilgen, fo ift vieß gan
tldjtig, aber bem Lefer unverftändlich, Indem hier nirgends
gejagt ift, ba in der Ueberſchrift dieſes Dekretes das Gor
fulat von Afterius und Präflvius, alfo das Jahr 494 flatt
496 angegeben fel.
Etwas inconfequent fdjelnt es, daß Bincentius von
Lirinum, nicht aber aud Gaffían als Sanctus bezeichnet
wurde. Beide befinden fid) doch ungefähr in gleicher Lage,
als Vertheidiger der damals noch nicht proferibirten femi
institutiones Patrologiae. 159
yelagianifchen 9Infidt. Auch hat Papft Urban V. ble Res
liquien Gaffian’s mit der Aufichrift Sancti Cassiani in bet
Kiche St. Victor zu Marfeile zur Verehrung auf
ſtellen laffen und alle Jahre feiert man bafefbft am 23. Iuli
(a8 Feſt tes Hi. Gajfianuó (Noris, historia Pelagiana,
lib. II. c. 12 am Schluſſe, unb Suttler, eben. bet
Väter, Bd. IX. ©. 583).
Bei ber Lebensgefchichte des Papſtes Symmachus
€. 953 vermifjen wir feine für die Geſchichte des Papfl-
thums jehr widjtigen Beziehungen zum Oftgothenfönige Theo⸗
beridj Ὁ. Gr. unb bie Unterfuchungen, melde biejer König
über ihn unb feine Wahl anftellen lieg. Mit bem byzan⸗
üniffen Kaifer Anaftafius kam Symmachus erft fpäter
in Eonflift und nur hievon fpricht ber Sterfajjer. Ebenſo
wird bei Papft Vigilius ber zwei ihm zugeſchriebenen mones
theletiſch lautenden Briefe nicht gebadjt, auf welde fid)
Sergius und U. fo gerne beriefen. Auch ftand ble Glaufel
salva in omnibus reverentia Synodi Chalcedonensis (p. 971)
wohl nicht wörtlih im Judicatum des Vigilius.
Endlich fiel uns auf, daß Boethius ohne Weiteres unter
die Kirchenfchriftfteller eingereiht und bie Frage gat nicht
berührt wird, ob er wirffid ein Gfrijt gewefen [εἰ ober
ob nicht die feinen Namen tragenben. theologijchen Werke
einem Andern als dem Verfaſſer des berühmten Buches
de consolatione philosophiae zugefchrieben werben müßten.
Bon legterem hätte die neuefte "Ausgabe von Obbarius
im 5. 1843 angegeben werden jollen.
Die Ausftattung ift gut, ber Drud correft, der Preis
billig, das Buch Gtubirenben und Geiftlihen beftend zu
empfehlen. Hefele
160 | Kruͤll,
2.
Chriſtliche Altertyumskunde. — Von Friedrich Honorat
Arüll, Stiftsvicar an bem Collegiatſtifte zu ben BI. Jo⸗
hann Bapt. und Johann Evang. in Regensburg. Erſter
Band XVI. und 436 €, Zweiter Band VII. und 518 ©.
in groß Octav. Regensburg bei Mans, 1856. Pr. beider
Bände 5 ff. 12 Er.
Die driftide Archäologie, früher von fatbolijden
Gelehrten fo. häufig und mit Vorliebe bearbeitet, ift in
neuerer Zeit gerade unter und leider ziemlich vernachlaͤßigt
worden. Nur der felige Binterim hat unter den beutjchen
Katholiken hierin eine rühmliche Ausnahme gemacht nnb
burdj fein großed Werk: „Denkwürbigfeiten der driftfatbo,
liſchen Kirche ᾿ς, 2. Aufl. Mainz 1837 — 41" febr vielen
9tugen geftiftet. Aber nod) immer blieben, abgefehen von
einzelnen, weniger befrieblgenben Partien des Binterim'ſchen
Werkes, drei Wünfche übrig. a) Die „Denkwürdigkeiten“
waren mehr nebeneinander geftelte Abhandlungen
über archäologiſche Hauptgegenftände, nicht aber ein Lehr
gebäude der drififidjen Archäologle. Es war eine
[»ftematifde 9Inorbnung bes Stoffes nicht verſucht mor
den, b) Außerdem erfivedte (id) jenes Werk faft ausſchließ⸗
li auf die kirchlich en Alterthümer in specie, auf Gult
und Disciplin; nad unferer Anfiht aber hat die drift:
liche Archäologie ein viel größeres, weiteres Feld. Wie bie
Archäologie eined Volkes alle Zuftände des Lebens zu
befchreiben hat, in denen die igenthümlichfeit biejet
Nation zu Tage trat, fo bat die chriſtliche Archäologie
alle jene Suftánbe des Lebens der Ehriften zu Ihrem Ob⸗
jefte, in denen vie Eigenthümlichkeit des chriftlihen Geifteó
(Wefens) ſich offenbarte, alfo nicht blos das ſpezifiſch
chriſtliche Alterthumskunde. 161
fkirchliche ober gottesdienſtliche, ſondern aud) das häusliche,
bürgerliche, gewerbliche, ſtaatliche, künſtleri—
ide, literarifche ꝛc. eben. Auch hierüber ſollte fid) fortan
vie chriſtliche Archäologie erſtrecken. c) Gnblid) wurde burd
ven großen Umfang des Binterim’fhen Werkes (17. Octav⸗
dände) der Wunſch nad) einem Fürzern auf ein paar Bände
[ᾧ beſchraͤnkenden Lehrbuche nahe gelegt.
Diefe Anfichten über bie nöthige Weiterbildung der
chriſtlichen Alterthumswiſſenſchaft unb über die Form eines
fünftigen Lehrbuchs derſelben haben wir [don im Jahr:
gange 1844 biejer Zeitſchrift (S. 491 f.) und im FKirchen-
terifon von Weper und Welte, 1847 98v. 1. ©. 401 f.
ausgeiprochen, jo theilweife in unferen eigenen Vorleſun⸗
gm über dieſen Gegenftanb feit 16 Jahren fie zu verwirk-
li$em gefudjt. Den Plan, ein nad diefen Grunpfägen
Warbeiteted Werk über chriſtl. Archäologie fefbft gem Pub-
fum zu übergeben, mußten wir burdj Anveres in An⸗
ah genommen zurüdftelen; um fo angenehmer ift .
(ὁ, die vorliegende chriſtliche Alterthumskunde ber Haupt:
με nad) auf die gleihen Grundſätze aufgebaut zu
(jen. — Was wir von ber Archäologie wiederholt verlang-
ten, ift bier zu verwirklichen gefucht, und nicht blos bie
Ärhlichen, fontetn auch ble häuslichen, bürgerlichen, gewerb-
lien 2c. Alterthümer in ben Kreis der Ünterfudung ges
jgen. Außerdem ift bie Anorbnung durchaus ſyſtematiſch,
und der Umfang des Werkes in zwei Baͤnden einerſeits
wm Etoffe, anbererjeitó dem Bebürfniffe ber weitaus
meiften Lefer gar wohl angemefjen. Das Ganze zerfällt
vem Berfafjer in 4 Bücher: L die hriftlihe Kirche;
1) Benennung, 2) tie Gliederung ber riftlihen Gemein-
tol. Quartalſchrift. 1857. t. Heft. 11
162 Krüll,
ſchaft, 3) ble verſchiedenen Stände in ber Kirche; IL. vie
chriſtliche Kirche in ver Welt; 1) das häusliche Leben,
2) das Wamilienleben, 3) das charltative Leben (Corge für
bie Armen, Sranfen, Berftorbenen 16), 4) das politiſche
Leben, 5) das Gewerbs⸗ unb Handelslehen, 6) das Kunſt⸗
leben,. 7) das wifienfchaftliche Leben, 8) das Seibenéleben
(vom Martyrium.und ben Martyreraften),, 9) das afcetifche
Reben. Alles dieſes wird im erften Theile beiprochen. Dem
zweiten ift das dritte und vierte Buch zugewiefen, und zwar
handelt baó MM. von ber Kriftliden firde im
$eiligtbum: 1) von ben Dienern des Qeillgtbume,
2) von den ff. Orten, 3) Zeiten, 4) Saden, 5) von den
Gultbanblungen und 6) vom Klofterleben. Das IV. Bud:
bie 39udt in ber chriſtlichen Kirche zerfällt wieder
in 5 Kapitel: 1) die Firhlihe Beauffichtiging, 2) die
kirchliche Geſetzgebung, 3) die firdjlide Verwaltung, 4) die
firchliche Gerichtöbarfeit und 5) die Energumenendifcipfin.
Diefe Diathefe des Stoffes fdeint uns im Ganzen
eine gelungene zu fein; aber um allgemeinen Beifall zu
finden, bebarf fie noch einiger wejentlihen Modificationen.
So ift e8 z. 3B. ein namhafter Mißſtand, daß von ben
kirchlichen Perſonen an zweierlei Orten Buch 1. Kap. 2
und Buch HL Kap. 1 gehandelt wird. Ebenfo ift zu tabeln,
daß die Ausipendung ber Saframente ber Taufe, Firmung
und Weihe, aud) bet Sterbfaframente und ber Ehe von
ben übrigen Guítu&banbfungen (im Buch II. Kap. 5) ge:
trennt im erften Buche Kap. 3 und Buch IL Kap. 1 u. 2
bargeftellt wurde. — Für das afcetifche Leben war in
Buch 11. Kap. 9 Fein eigener Platz zu gewinnen, da ber
etwa hieher gehörige Stoff ſchon beim häuslichen Leben
und andermärtd zur Sprache gefommen war, theild bem
chriſtliche Alterthumskunde. 163
Rap. 6 des dritten Baches, das vom Klofterleben han
beit, angehörte. Die 9Infftellung eines eigenen Sapitels
für das afcetifche Leben hatte die Folge, baf der Verfafſer
bad ganze Kapitel in 1, Seiten abtfun mußte, außer
allem Berhältniß zu ben übrigen Hanptftüden. Auch halte
ih es für eine Ausfchreitung, wenn in ber vom wiſſen⸗
idaftliden Leben handelnden Abtheilung eine ganze Patro⸗
logie im Seinen gegeben wird.
Wenden wir und von ber Anordnung bed Stoffes
in diefem felbft und feiner Behandlung, fo anerkennen wir
gerne, daß uns hier bie Refultate eines fiebenjährigen
Fleißes vorliegen, ein reiches umb interefjantes Materiale,
ba6 von großer Belefenheit und mandjfaden Stuben zeugt.
Dabei Hatte der Verfaffer nur theihweife in ben ältern
Werken über hriftlihe Archäologie tüchtige Vorarbeiten vor
fij; bel manden andern Partien, -befonders „im erften
Theile, mußte er den Weg ſelbſt bahnen, und ba ift es
fein Wunder, wenn er Einzelnes überjah, ober nit in
gehöriger Vollſtaͤndigkeit mittheilte, oder zu geringe anſchlug,
oder auch ba unb dort firauchelte. So ift Bd. I. ©. 2 der
Ausdruck „Kirche“ wohl mit Unrecht von „füren” =
wählen abgeleitet, ©. 8 ber Terminus „Häretifer“
nit ganz richtig erHärt, ©. 18 eine in Spanien zu Ehren
Nero's aufgeftellte Denftafel, bie jedoch höchſt wahrfcein-
dió unächt iR), als Duelle benügt, G. 41 Über die
Deutung von Didcefe in ven erften Jahrhunderten
Ungenaues beigebracht. Im jener Zeit war Diöcefe ibenti[d)
mit Patriarchal⸗ oder Erarhaliprengel. Was fofort über
1) Dgl. darüber Tillemont, Mémoires pour servir à l'hist. eccl.
T. IL Art. la persecution de Neron, p. 35 sq. ed. Brux. 1732,
11*
104 Krall,
ben Untetfchieb von Prieſtern und Laien, und Biſchoͤfen
und Prieftern gejagt ijt, ſollte fchärfer unb genauer fein;
die Note zu ©. 44 war ganz zu ftreihen und in Betreff
ber verjchienenen Kirchenämter mehr Gewicht auf die Ber-
ſchiedenheit der Zeiten zu legen. Lebteres ift ein Mangel,
bet fid) im Buche gar oft wiederholt, indem ber Verfaſſer
bie ſechs Jahrhunderte bis Gregor b. Gr. (bis dahin näm-
lich reiht ibm das Zeitalter der chriſtlichen Alterthümer)
wie einen Guß behandelt, als ob in dieſer Zeit alles
gleich gewejen, wenigftens feine beachtenswerthe Veraͤnde⸗
rung vorgefommen wäre. Meiterhin find wir nicht ein:
verftanden, wenn ©. 72 ble πρεσβύτιδες ibentifd) mit
Diakoniffinnen genommen werden. Eher [deinen fle Ober
biafoniffinnen geweſen zu fein, wie wir in ber Eoneilien-
geſchichte Bd. I. ©. 731 ff. auseinanvergefegt haben. Auch
hätte hier. ber Verfaſſer auf bie Brage: ob die Diafoniffin-
nen zu ihrem Amte eingeweiht vourben ober nicht, unter
Berüdfichtigung ber hierüber vorliegenden mehrfachen alten
Canones genauer eingehen follen. Theilweiſer Berichtigung
bedürfte, was S. 72 f. über die Metropoliten und ihre
angebliche Beftätigung von Seite Roms gefägt ift; nochmehr,
menn S. 75 behauptet wird, daß urfprünglih nur jene
Kirchen Patriarhalfite waren, wo entweder ber hl.
Petrus unmittelbar feinen biſchöflichen Cip
aufgefchlagen (Antiocdhien und Rom), obet wo bet:
felbe einen folden burd einen von ifm un
mittelbar beftellten Schüler gegründet hat
(Alerandrien),. — Auguftin und Papſt Leo b. Gr. fagen
und ja deutlih, daß zu einem Patriarhalfiuhl bie Grün
bung burd) einen Apoftel überhaupt (nicht gerade durch
Petrus allein) erfordert werbe. Vergl. Eonciliengefchichte
chriſtliche Alterthumskunde. 105
B». IL €. 511, 532. — Den Terminus χριστιανὸς im
Sinne von Katechumenus ber unterftem Klaſſe überfept
$. Krüll mit Chriftlinge, und citirt dafür ben flebten
Canon beó zweiten allgemeinen Gonciló, und das Truls
lanum. — Geo ift richtig, letzteres vepetivte in feinem Gas
non 95 die betreffende Vorſchrift der erftern Synobe, aber
(ὁ ift unpaffenb, das Trullanum, welches nicht weniger
ald 102 Canones aufftellte, nur im Allgemeinen zu citi»
tt. Verwandt damit ift, bag ed GC. 92 heißt: „vie
alerandrinifehe Synode” und ©. 161 die „Eynode von
Barcelona” ohne Angabe, welde von ben vielen aleran»
drinifhen unb ben mehreren barcelonenfifchen gemeint feien.
66 Hatte aber ber Verfaſſer die aferanbrini[dje des Jahres
339 unb die barcelorienfifhe des Sabre 599 im Auge.
Achnliche unbeftimmte Gitate finden fidj noch mehrere —
Unrichtig ift, wenn ©. 86 Auguftin deßhalb, weil er als
Ihrer der Beredfamkeit in Mailand die herrlichen Prebig-
im des BC Ambrofind bejuchte, zu ben Katechumenen
gerechnet wird. Distingue tempora. Gegen Ende des
vierten Jahrhunderts fonnten aud Nichtchriften ohne An-
fand ber SBrebigt antmdfnen. — S. 93 wirb das file
Abbeten des Pater noster in ben canonifhen Tagseiten
davon abgeleitet, daß in ber alten Kirche das Gebet des
Herrn per disciplinam arcani den Katechumenen 1c. nicht mit:
getheilt vourbe. Letzteres ift wohl richtig, aber jene Abs
leitung gewiß eine gemagte. Nicht ganz genau unb nicht
vollftändig ift, was G. 95 f. über die Taufnamen gefagt
wird; war e& ja bod) noch im Mittelalter Sitte, Täuflingen
auch andere als Heiligennamen zu geben; man benfe nur
an Erwin von Gteinbad. Ebenfo iſt ed ungenau, wenn
bir €, 310 leſen: jeder Häretifer taufe gültig, jo er
106 Krull,
nur bie geſetzliche Form beibehalte. Bei einem erklaͤrten
Mitgliede einer antitrinitariſchen Sekte genügt dieß
gewiß nicht. — Bei dieſem Abſchnitte vermiſſen wir auch
die Mittheilung jener alteften Beſchreibung einer chriſt⸗
lichen Taufe, melde uns Juſtin in feiner erſten Apologie
gibt, und ebenſo die Angabe des Unterſchieds zwiſchen
baptismus fluminis, flaminis unb sanguinis. — Bei der
Firmung hätte darauf hingewieſen werben follen, daß, nad»
bem ber Diakon Philippus in Samarien viele getauft, bie
Apoftel ben Petrus und Johannes dahin abſchickten, um
bein Getauften den Dl. Geiſt mitzutheilen (Act. 8, 14 ff.)
— Zu ©. 162 f. fehlt, daß in alter Zeit mitunter. bie
Biſchöfe, wenn fie alt wurben, Ihren Nachfolger felbft be
ftimmten, fogar in Rom (vergl. Gonciliengejdgld)te Bd. II.
€. 569, 571, 572, 608). Ebenfo vermiffen mir mande
febr inferejjante und widtige Aeußerung ber alten Väter
über bie Anwendung bes Krenzzeichens und über bie Kleis
bung iv. der alten Gprigen. Bor Allem waren in legterer
Beziehung die Bibelftellen L Timoth. 2, 9, 10 und I. Betr.
3, 3 anzuführen, unb ber Art und Weife. zu gebenfen, wie
man den Urſprung und Gebrauch bet edlen Metalle, bet
Surben und bert Evelfteine von gefallenen Engeln ableitete
(vgl. Tertull. de habitu muliebri c. 2. Cyprian, de ha-
bitu virginum, c. 11. ed. Krabing. und Clementinae homil.
VII, 14). Auch über das Tragen von Kränzen, über bie
Anwendung des Schleierd, über bie Farbe ber Selber,
über Kleidung unb Schmud ber Männer, über das Berbot
der falfihen Haare, der Frifur und des Raſirens und dgl.
wäre zu fprechen gewefen. Angefchloffen hätte fid) dann ber
auf V. Mof. 22, 5 geftügte Abſcheu gegen dad Tragen bet
bem andern Geſchlechte zugehörigen Kleider, und vie Gen
chriſtliche Alterthumskunde. 167.
far, womit bie Kirche das Unternehmen des Euſtathius
von Sebafte und 9Inbrrer. belegte, welche aus falfcher As
cefe von ben gottgeweihten Jungfrauen das Tragen von
SRannéfleibern und das Abſchneiden der Haare verlangt
hatten. Unſer Verfaſſer fommt zwar auch auf diefen Gu;
ftatbiud zu ſprechen und bemerft ©. 197: fein Verſuch,
bad Pallium bei ven Glerifern zu reftituiren, fei für un:
ídidiid) erachtet und mit 9lbfegung beftraft worden. Er
hätte beifügen ſollen: biefe Strafe {εἰ erfolgt, weil Eufta-
thius die Priefter, die andere Kleider trugen, verachtet
und das Pallium für durchaus nótbig erklärt Babe. Bol.
c. 12 von Gangra. — Bei ©. 217 hätten wir eine Ans
gabe und Erklärung bet wiederholten ſcharfen Werbote des
Würfelfpield gerne finden mögen. Es genügt hier nicht zu
fagen: bie Ha zardſpiele feien verboten geroefen, denn bei
ven Würfeln fam noch ber eigenthinmliche Umftand hinzu, daß
ihre Seiten nicht wie bei ung mit Ziffern, fondern mit
mythologischen Figuren bezeichnet waren und derjenige Alles
gewann, qui Venerem (baé Bild ber Venus auf bem
Würfel) jecerat.
Zu fury unb unvollftändig ift, was über bie Birgini«
tät in ber alten. feitdje ©. 230 f. gejagt wird; indbefondere
hätte ber Anforderungen an die wahre unb innere Sung:
fränlichkeit, der Vorſchriften über das ganze Benehmen bet
Virgines, auch einzelner Berirrungen 3. B. der Selbſtver⸗
fümmlung, des Selbftmordes, um ber Schänbung zu ent»
gehen, und des Syneisaftenthums gedacht, aud) die auffallende
Aeußerung des alerandrinifhen Clemens (Stromata VII.
11. p. 874), der das eheliche Leben ber Virginität überzus
ordnen fcheint, in rechte Licht geftellt werben ſollen. Auch
was über Eheſcheidung und Wiederverheirathung ©. 342 ff.
. e 4
168 Krüll, chriſtliche Alterthumbkunde.
geſagt iſt, finden wir theilweiſe luͤckenhaft. Der Verfaſſer
ſtellt die Sache ſo dar, als ob das heutige Kirchenrecht
von Anfang an fir unb fertig geweſen wäre, ohne an ben
can. 10 ber berühmten Synode von Arles i. 3. 314 unb
an c. 2. ber Synode von Banned i. J. 465 zu denken,
welde bem Manne, im Falle des Ehebruchs ber Frau,
zwar bie MWieberverheirathung bei Leibzeiten verfelben drin;
gend abratfen, aber body nicht geradezu verbieten, dagegen
bet rau, im Falle ber Mann die Ehe bricht, die Wieder
verheirathung bei Ercommunication unterfagen (vgl. Gom
eitiengefh. Br. I. ©. 179. Br. I. ©. 573). Auch über
die dritte, vierte ac. Ehe hätten alte Kirchenvorfchriften bei
gebracht werben ſollen.
Su ©. 309 (f. wären die Notigen am Plate gewe⸗
fen, weldje bie alten Goncillen in Betreff folder Chriften
enthalten, bie Staatsämter übernahmen und baburd) mit
dem Paganismus in unvermelblide Berührung famen
(vergl. c. 4. 55. 56. 57. von Elvira und c. 7 von Ar
les v. ὦ, 314, c. 4. u. 10. von Rom v. 3. 402). Unter
ben Gemetben, welde das Gfriftentbum ganz ober theil
weife verbot, hat der Berfaffer einzelne überfehen und des
heiligenden Einfluffes nicht gebadjt, ben ver chriftl. Geift
auf alle Berufsarten zumal ausübte. Auch vermiffen wir
in dem Kapitel über das Kunftleben eine eingängliche 8e
handlung ber Frage über bie Ehriftusbilver:
Wenigere Schwierigfeiten bot bie Bearbeitung des zwei⸗
ten, bem Inhalte nad) theilweife noch intereffanteren Ban
des, und auch er ift Zeuge von der Belefenheit des Bar.
unb feiner Gewanbtheit, das reichlich vorhandene Material
überfichtlich zu gruppiren und ffar und anfchaulich varzuftellen.
$ efete.
Mathias Beyr, Institutiones Theologiae dogmaticae. 169
3.
Institationes Theologiae dogmaticae editae a Mathia Beyr
Presbytero Dioecesis S. Hippolytanae saeculari, ss. Theo-
logiae doctore, et ejusdem disciplinae in Seminario Epi-
scopali ejusdem Dioeceseos professore. Pars I. pag. 336,
Pars ll. Lib. I. pag. 286, Lib. IL pag. 414. Viennse,
Braamüller et Seidel. 1847. Br. 7 fl. 27 fr.
Das vorliegende Werk ijt zunächſt für ben Schulges
branch beftimmt, will aber auch ben Anforderungen ber
Wiſſenſchaft infomeit gerecht werben, ald εὖ fein nächfter
Zweck geftattet. Da die neuere bogmatifche Literatur an
bgl. Werfen nichts weniger al& Ueberfluß Bat, fo mag eine
wenn auch etwas verjpátete Anzeige defjelben. als gerecht
fertigt erſcheinen.
Daſſelbe zerfällt in zwei Haupttheile, in deren erftem
bie Apologetif, im zweiten die katholiſche Glanbenslehre
behandelt wird. Das Ganze eröffnet eine kurze Einleis
tung (p. 1—5) über den Begriff ber Theologie unb ihre
Eintheilung, ſowie über bie Berechtigung der Kirche, ben
geoffenbarten Glaubensinhalt begrifflih zu formuliren,
(Der Berf. brüdt (id) hier etwas ungenau aus, wenn et
jagt: doctrinam a Christo ... traditam in formam scien-
lficorum conceptuum et systematis redigendi — dieß ijt
nicht Aufgabe der Kirche, ſondern ber kirchlichen Wiſſen⸗
ſchaft. Hierauf folgt bie Apologetif, ebetem dogmatica
generalis genannt. Der Verf. gibt der erfteren Benen⸗
nung den Vorzug, und gewiß mit vollem Rechte. Die
Wiffenfhaft, bie man gegenwärtig gemeinhin Apologetif
oder wohl aud) theologia generalis nennt, Tann feineds
wegs als Theil ber Dogmatik betrachtet werben, ſondern
170 Mathias Beyr,
bildet bie Grundlage für bie gefammte theoretifche (bog:
matifche unb Moral-) Theologie unb fann eben deßhalb
nicht, wie bie felbft in bem vorliegendenWerke gefchieht,
mit ber Dogmatik, fel ἐδ als Theil berjelben, fei e& al6
Einleitung in fie, sufammengenommen werben.
Obfect und Aufgabe ber Apologetik ift nad) bem Bf.
ber Beweis, daß die römifch-Fatholifche Kirche bie wahre
Kirche Chriſti ift. Sie vollzieht biefe ihre Aufgabe burd
Nachweiſung 1) der abfoluten Nothwendigfeit der Offen;
barung, 2) ber Wahrheit ber von Chriſtus geoffenbarten
Religion und 3) der Wahrheit der römifchen Kirche. Hie⸗
nad) beflimmt fid aud) ihre Eintheilung. An ihre Spise
hat der Verf. bie f. g. Beweife für das Dafein Gottes
geftelt. Sein Urtheil über ben Werth und tie Bedeutung
berfelben verdient alle Beachtung: Talis autem probatio
magis est exhibitio necessitatis Dei pro ratione et mundo
— ein Stadweifen der Nothwenvigfeit Gottes für bie
Vernunft unb die Welt — quae veritatem, aliunde per-
ceptam, propter inevitabilem ejus necessitatem et cum
indigentiis nostris concinnitatem cum felicissimo quietis el
beatitudinis sensu amplectitur, quam veri nominis probatio,
quae non est nisi aut principiorum rationis aut naturae
rerum et in theses et in harum cum fontibus suis inter-
nam cohaerentiam aut identitatem perspiciendam evolutio.
Die weitere Ausführung ber Apologetif anlangenb, fónnen
wir ung jebr fur fafjen. Was von Beyr hier uns bat;
geboten wird, ift zu zwei Drittheilen (p. 14 — 264),
wenn wir von einzelnen Zufägen, mehrfachen Auslaffungen
und Umftellungen, wodurch ber Zufammenhang nicht felten
unterbrohen, bie richtige Ordnung geftórt und das "θεῖν
ftänpniß erſchwert wird, Abſehen nehmen, eine faft τοῦτα
Institutiones Theologiae dogmaticae. 171
lide Uebertragung ber zwei erfien Bände des Drey'ſchen
Werkes (rer dritte Band des letztern erfchien gleichzeitig
mit dem Beyr’fchen) in ein fchwerfälliges und mitunter
ſchwer verftändliches Latein. Man vergleiche beifpieldhalber
vie SSegriffébeflimmung, die ber Verf. (p. 109) von bet
Snfpiration gibt: Inspiratio est talis Dei, spiritum hominis
immediate tangens operalio, per quam altiori totius na-
lurae, hinc eliam omnium virium ejus, potentiatione effec-
lus in et cum illo operatur, qui comparati cum viribus
ejus naturalibus, immediate divinae originis se exhibent.
Der dritte Theil, bie Apologetif der Kirche, ift felbfiftän,
dig ausgearbeitet. Die Methode der Behandlung wird
bier eine ganz andere und ftit gegen bie ftreng wiljen-
Ihaftlihe Haltung ber erften Theile febr merflih ab; bod
wied bie Darftellung minder gefdjrambt unb verftändlicher.
Bemerfenswerth ift das Urtheil des Verf. über bie Ins
falibilität des Papfted. Indem er zwiſchen fdyon erplicirs
tm unb feierlich promulgirten und zwiſchen erft zu ents
widelnden, nod) nicht förmlich declarirten Glaubenswahrs
keiten unterfcheidet, vindicirt er in Beziehung auf eritere
der cathedra Petri ſchlechtweg bie Unfehlbarfeit, in Rüd-
fibt anf feptere dagegen glaubt er fle. ihr blos in Einheit
und im Einklang mit bem gefammten fivdjfidjen Lehrkörper
beifegen zu ſollen. Ob mit biefer Unterfcheivung eine bes
fiebigenbe Löfung des viel erörterten Problemes erreicht
fei, möchten wir febr bezweifeln. Zwifchen ber Bezeugung
und der Gntwidíung ber hriftlihen Offenbarungsmwahrheit
durch bie Kirche findet ein reeller, fachlicher Unterſchied
nit ftatt: bie Entwidlung ift hier nicht Cegung eines
Neuen, zuvor nod nicht Dagemwefenen, fondern bloße
Herausſetzung des im chriſtlichen Bewußtſein bereitd Ent⸗
112 —— Mathias Beyr,
haltenen mittelft ver Reflexion des Bewußtfeins in fid)
felbft. Die Function ber Lehrfirche, besiehungsweife ihrer _
Organe in diefen Richtungen ift eine nur formell verjchies
dene. Der fpeclelle göttliche SBeiftanb, auf welchem ble für
den €tubl Betri in Anſpruch genommene Infallibilität beruht,
fann daher nidjt wohl auf die Bezeugung ber bereits Firch-
lich feftgeftellten, erplicirten Glaubenswahrheiten befhränft,
fondern muß ber Natur der Sache gemäß ebenfo auf bie
Erplication des Firchlihen Glaubensbewußtſeins erfiredt
werben; ober ed muß, wenn in legterer Beziehung eine
blos relative ober bebingte Unfehlbarkeit ftatuirt wird, eine
ſolche aud) in erfterer Hinficht geltend gemacht werden. —
Wie gehen auf bie Dogmatif über. Ihre Aufgabe
wird dahin beftimmt, bie firdjliden Lehrfäbe aufzuftellen
unb zu bemeifen (proponere et probare). Unter legterem
verftebt ber Verf. bem für jeben Glanbensſatz zu führenden
Nachweis der drei wefentiidjen Merkmale ber. 8atfolicitàt :
ber antiquitas, universalitas und consensio. Den ganzen
dogmatifchen Stoff zerlegt Beyr in zwei Theile, deren
erfter die Ueberſchrift: Salus in Christo, der zweite — Sa-
lus per Spiritum s. trägt. Beide Theile zerfallen wieber
in je drei Unterabtheilungen, ber erfte in ble Lehre von Gott
(Theologie), von der Welt (Eosmologie), von Ehriftus
(Gbriftologie); ber zweite in bie Lehre von der Gnabe
Chriſti (Garitofogie — nad) der Schreibweife des Berf.),
von den Sacramenten (Myſteriologie) und ben legten
Dingen (Gfdatelogie). Das Princip, welches viejer Gin:
theilung ber Dogmatif zu Grunde liegt, ift nad) ber (ὅτε
fíarung des Verf. (IL p. 6.) die verſchiedene Stellung
Ehrifti zum Heilswerke, fofern nämlich Chriftus tbelló uns
mittelbar burd) feine Lehr, und Erlöfungsthätigkeit, theilg
-
Institutiones Theologies dogmaticae. 178
mittelbar durch ben hl. Geift das Heil ber Menſchen bes
werkitelligt. Der erfte Theil fat daher ble objective Grund⸗
legung, ber zweite bie fubjective Vermittlung des von
Chriſtus begrünbeten Heiles, ober wie der Verf. dieß aud
audbrüdt, jener bie Heilslehren unb Heilsthatfachen, biefer
bie Heildverwirklihung zu behandeln. Wir glauben auf
das Berfehlte dieſer Eintheilung nicht erft aufmerkſam
machen zu müflen.
Aus der Darftelung des Verf. wollen wir nur mer
nige Punkte ausheben, um daran einige furze Bemerkungen
zu knüpfen, ba eine einläßliche Beiprechung des umfang»
reihen Werkes über bie und geftedten Grenzen weit hinaus⸗
führen würde. In ber 9luóeinanberjegung ber göttlichen
Cigenidaften vermijjen wir vie Ableitung berjelben aus
bet Idee Gotted. Dem Schema des Verf. liegt bie Be⸗
ttadjtung Gotteó unter dem Gefidhtöpunfte eines abfolut
einfachen, intelligenten und wollenben Weſſen sund Prin⸗
dpé und Zieles des gefhaffenen Geiftes zu Grunde. Das
(t eine etwas Außerlihe Betrachtungsweife, bei ber οὗ
nicht ausbleiben fonnte, daß weſentlich zufammengehörige
Eigenſchaften auédeinanbergerifjen murben und umgefebit.
So finden mir bie Weisheit Gottes neben feiner eilig»
feit unb bieje wiederum neben feiner. Allmacht, bie. abjos
Inte Freiheit Gottes neben feiner Gerechtigkeit u. ſ. w.,
alle unter ber Rubrif de voluntate Dei behandelt, wähs
temb unter ber Ueberſchrift de intellectu Dei allein die
Alwifienheit aufgeführt wird. Die Erklärungen ber ein»
zelnen göttlichen Eigenichaften -felbft find theilweife etwas
in vag unb unbeftimmt unb einige derfelben fónnten wohl
nit ohne Grund in Anſpruch genommen werben. Die
Trinitätslehre jobann hat ber Verf. tin Verhältnifie zu
174 ' Methias Beyr,
anderen minder wichtigen Partien ſehr kurz abgehandelt.
Die kirchlichen Lehrbeftimmungen find zwar vollſtaͤndig auf
geführt; allein einen Einblid in ihren innern Zufammen-
bang, überhaupt ein tiefered Verſtaͤndniß dieſes Myfteriums
wird man buch bie Darftelung des Verf. ſchwerlich ges
winnen. Hier namentíid tritt das Unzulänglicdye feiner
Methode zu Tage. In ber Lehre von ben Engeln bezeid»
net der Verf. biefe ald „von Gott gefchaffene Geifter,
melde zwiſchen Gott und den Menſchen in ber Mitte
ftehen“ (intermedii). Dieß ift offenbar eine ungenane unb
leicht mißbeutbare Beſtimmung; Mittelweſen zwiſchen Gott
und bem Menichen fennt nur die Gmanationélebre. — In
bem Abſchnitte von der übernatürliden Ausrüſtung ber
erften Menfchen finden wir eine Erörterung ber von bet
Altern Theologie vielfach ventilirten Frage, ob die Stamm
eltern fogleih im Momente ihrer Erſchaffung, ober erft
nachdem fie durch ben rechten Gebrauch ihrer natürlichen
Begabung fi biefür difponirt hatten, mit ber übernatür
lichen Ausrüftung verjeben worben fein? Der Verf. ent
idelbet fid) für bie (egtere Annahme, indem er amifden
ber. urfprünglichen Heiligkeit und Gerechtigfeit ſcharf unter
[deibenb unter jener ben Habitus ver heiligmachenven
Gnade, unter biefer bie natürliche, durch den Einfluß ver
actuellen göttlihen Gnade geförverte und gefräftigte har-
monia virium verfteht, daſſelbe, wag. man fonft wohl aud
bie rectitudo originalis nennt. Ohne und auf diefe ziem-
lid) müßige Streitfrage weiter einzulafjen, fónmen wir- und
doch ber Bemerkung nicht enthalten, bag uns bieje Tren⸗
nung von Heiligkeit und QGeredtigfeit und ihres beider
feitigen Principe als faum zuläffig erjcheint. Wir geben
bet Auffafjung unbevenflih ben Vorzug, wornac beide,
Institutiones "Theologiae dogmaticae, 175
ble urfprüngliche Heiligkeit und Gerechtigkeit ble fid inte
gritenben und auf ein einheitliches Princip, vie göttliche
Gnade, bie fid nad ber verichiedenen Richtung ihrer
Wirffamfeit ald habituelle oder actuelle Gnabe verhält,
zurüdzuführenden Momente ber urfprünglicden übernatürs
liben Ausrüftung des Menſchen find, bie fid) demnach
gegenfeitig fordern und bedingen, fomit aud) nicht zeitlich
audeinandergehalten werden fónnen. Wenn man daher bie
übernatürliche Ausftattung bed. erften Menfchen von feiner
Erſchaffung zeitlich trennen will, jo muß man jener ven
puren Raturzuftand vorausfegen, t. i. ein logifches Abftracs
tum, das nie wirflih gewefen iff und nie wirklich fein
kann. — Die Lehre von ber Perſon unb dem Werfe Ehrifti
hat oer Verf. ausführli unb in ber Hauptſache erfchöpfend
abgehandelt. Rühmenswerth ift bier inóbe[onbere bie ſorg⸗
fültige Behandlung ber einfchlägigen Schriftterte und bie
tide Auswahl patriſtiſcher Beweisftellen und firchlicher
Entfeheidangen, bie ung hier geboten wird. Auffällig ift
mbeg, daß bie Simbelofigfeit Jeſu nicht in biefem Lehr-
ftüde, fonbern in bem Kapitel von der Exrbfünde unb aud)
ba nur in wenigen &ágen befprochen wird — als Freiheit
Ehrifti von ber Erbfünde, womit ber Begriff der Sünde
(ofigfeit Chriſti bei Weiten nicht erfchöpft ift.
An der Darftelung oer Gnabenlefre begegnen wir
einer etwas jeltfamen Begriffsbeftimmung ber Gnabe, bie
wir, eben weil fte al8 Definition auftritt, nicht unbeanftan-
det laſſen fónnen. Die gratia Christi definirt nämlich
bet Verf. als ipsam charitatem Christi, sua ad mortem
crucis usque obedientia pro nobis et in nostrum bonum
manifestatam, salulem totius generis humani Suae et hu-
jus naturae convenienter, operantem. Dem entjprechend
176 Mathias Beyr,
wird fofort die charitas Christi, jofern fie ben Menfchen
entiveber innerlih umwandelt und heiligt, ober ihm ad ac-
tus in ordine ad salutem ponendos verliehen wirb, als
habituelle ober actuelle Gnade begriffen. Hier (ft, wie
man (left, bie „Liebe Ehrifti” theils im objectiven, theils
im fubjectiven Sinne genommen ; allein weber in dem einen
nod in bem andern Sinne fann fte mit der Gnade jelbft
lbentificitt werden. Im objectiven Sinne ift bie Liebe
Gbrifti ble Vervienfturfache der Gnade, das was Gott be
wegt, ben Menſchen wieber gnädig zu fein; im fubjectiven
Sinne dagegen ift fie gíeld ben Tugenden des Glaubens
unb ber Hoffnung eine Wirkung oder Frucht ber Gnade.
Im Verlaufe fommt ber Verf. aud? auf die befannte Unter
ſcheidung ber gratia efficax und suffciens ausführlich zu
fpreden, wobei aud) bie verſchiedenen Auffaffungen ber
Thomiſten, Auguftinianer, Moliniften unb Gongruiften in
Kürze entwidelt und beurteilt werden — einer ber wenis
gen Bälle, in welden er ben theologiſchen Differenzen
einige Aufmerffamfeit ſchenkt. Nach feiner Anſicht dft
bie wirffame unb bie zureichende Gnade an ſich oder ihrer
9tatur nad) Eind unb liegt ber Grund ihrer Verſchieden⸗
beit blos in Ihrem Erfolge am empirifchen Eubjecte. Ber
fagt der menfdjlide Wille ihr feine Suftimmung, fo wird
fie zur blos aureldjenoen ; umgefebrt alfo wird fte zur wirk⸗
famen, wenn ber Wille auf fie eingeht. Diefer Schluß
liegt nahe, unb ber Verf. fat ihn wirklich gezogen. Die
göttliche Gnade, das ift feine Anſchauung, führt ben menſch⸗
(iden Willen blos foweit, daß das fBermógen zum Guten
„erpedit,” tag mit andern Worten die Selbftenticheidung
für bad Gute ihm nahe gelegt, ſ. 3. f. in ble Hand gege
ben it; weiter aber bringt fie nicht vor. Die Zuftimmung
Institutiones. Théologise dogmaticae. 17
des Willens, feine Eelbftbeftimmung für das Gute hängt
in legter Inftanz (ultimo) vom freien Willen felbft und
von ihm allein ab. Diefer aber befindet fij hinſichtlich
btt Gnade in einer bald mehr, bald weniger günftigen
Verfaſſung und hienach geftaltet (id) der Erfolg der Gna⸗
denwirffamfeit verjchieden und ericheint eine und blefelbe
Gnade einmal ald wirffam, ein antereó Mal als blos zus
veihend. Wir haben hier, wie man fieht, im Wefentlichen
die congruiftifche Auffafjung vor uns, eine Auffaffung, in
welcher, ba fie ble Goncurreng der Gnade im Momente der
guten Willensentfcheivung (in actu secundo) ausſchließt,
fie wenigftens nicht direct babel mitwirken läßt, fonbern
tie Celbfibeftimmung des Willens zum Guten in gleicher
Weife wie zum Böfen fchließlih bem Willen allein zur
Ihiebt, fomit bie Gnade blos als unerläßliche Bedingung,
nicht aber als mitbemirfenbe Urſache des guten Willens;
ace anerkennt, der volle Begriff ber Gnade, wornad fi
biefelbe als bie burdjgángige Grundurſache des guten Wil-
ins verhält, verfümmert erfcheint. Bon Bier aus ijt εὖ
nur conjequent, wenn ber Verf. bie Präpdeftination zum:
ewigen Leben, die er nebenbei bemerkt in dem Abichnitte -
von ber Rechtfertigung befpricht, als eine burdj bie prae-
visa merita bebingte auffaßt; auffällig ift dagegen, daß er
bie Vorherbeftimmung zur Gnade ald unóebingte, abfolute
betrachtet. ine ab[o[ute Vorherbeftimmung zur Gnade
hat nur da ihre Berechtigung, wo die Gnabe felbft αἱ
bie abfolute und durdigängige Grunburjade des guten
Willens anerkannt wird.
Das Lehrftüd von ber θὲ ε ὦ tfettigung wird febr ein-
(àfid) behandelt, unter fteter Berüdfichtigung ber confeffto-
Wellen Lehrgegenfäge. Diefer Abfchnitt gehört unftreitig
Deol. Quartalſchrift. 1857. 1. Heft. 12
418 Mathies Begr,
qu den beften Partien des Werfes und zeichnet ὦ ebenfo
febr durch Schärfe und Beitimmtheit der Begriffe, wie
durch forgfältige Beweisführung aus der Edhrift unb
Veberlieferung and. Der Einfluß ver Möhfer’ichen Eym-
bolik macht fid) hier befonders bemerflich. Um fo bürftiget
ift dagegen die Lehre von den Sacramenten im Allgemei-
nen als Einleitung in ble Lehre von den Sacramenten im
Einzelnen. Ihrer Darftelung find mehr nicht als vier
Blätter gewinmet, und man begreift leiht, bag biefer allzu
farg jugemefjene Raum faum zur Aufftelung ver kirch⸗
lichen Lehrbeftimmungen zureicht und ble verſchiedenen Aufs
fafjungen der proteftantiichen Religionsparteien völlig uns
berüdjidtigt bleiben mußten. Erſt nach Darftellung der
fpecielen Sarramentenlehre holt ver Verf. das Verſaͤumte
‚theilweife nad) in einem bejonveren Kapitel, in welchem von
der Siebenzahl ber Gacramente, Ihrer Wirkſamkeit ex opere
operato, bem Minifier und ber bei ihm erforderlichen In⸗
terttion gehandelt wird. —
Im Allgemeinen darakterifirt fif) Pas vorliegende
togmatifdje Wert durch feine ſtreng pofitine Haltung.
Hierauf beruht fein Vorzug, wie feine Einfeitigfeit. Die
Methode des Verf., bie fid) wenigflens in der Olaubens⸗
(ere überall gleich bleibt, ift folgende. Die einzelnen Para⸗
graphen eröffnet regelmäßig ein Firchlicher Lehrſatz, gewöhn⸗
(id in Form eineó Dogma. Wo εὖ nöthig ſchien, iſt eine
fure Erklärung beigegeben. Hierauf folgen unmittelbar
ble Beweiſe, zuerft aus ber Schrift, dann aus der Ueber
lieferung. Diefe nehmen ben weitans größten Theil des
Raumes ein; insbefondere find bie patriftiichen Beleg-
ftellen für jedes einzelne Dogma mit großer Sorgfalt und
in. einer Volftändigfeit zufammengetragen, bie faum etwas
Institutiones Theologise dogmaticae. 179
qu wuͤnſchen übrig laßt. Damit glanbt aber aud) ber
Verf. ber doppelten Aufgabe, bie er bem Dogmatifer ftetit,
die Olaubenslehren der Kirche barzuftellen and zu begrün-
ven, volltändig genügt su haben. Die f. g. Beweiſe aus
vet Vernunft, welche bie Altere Dogmatik ber pofitiven Ber
grünbung ber Dogmen gewöhnlich folgen läßt unb bie
allerdings zum Theil von ſehr problematischen Werthe (inb,
find im vorliegenden Werke gänzlich ausgefallen und wird
diefer Ausfall and nicht durch dialectiſche und ſpeenlative
Behandlung ter Glaubenswahrbeiten gededt. Allen wiſſen⸗
ſchaftlichen Unterfugungen im engeren Sinne des Wortes
überhaupt (djeint ber Bf. abfichtlih aus bem Wege gegangen
zu fein; ſelbſt bie Berührung ber theslngifchen Controverſen
wird, fomeit dieß immer thunlich ijt, vermieden. Wer ba;
Der eine ziemlich erfchöpfende und überfihtliche Sujammen:
ftellung ber Firchlichen Lehrfäbe unb ber pofitiven Beweis-
mittel für dieſelben wünſcht, dürfte durch das Beyr'ſche
Handbuch wohl zufrieden geftellt werden, vorausgeſetzt,
taf er fi über die Härte und Echwerfälligfeit, mitunter
aud) Schwerverftänvlichfeit ber lateinifen Diction wegzu⸗
jegen vermag. Wer dagegen höhere Anforderungen an bie
Dogmatif ftet, wird Durch bad vorliegende Wer f$
ſchwerlich befriedigt finden und δεῖ aller Anerfennung ber
Gelebrfamfeit und "Giaubenétreue des Verf. kaum die
Ueberzeugung gewinnen können, daß derfelbe der Aufgabe,
die er fid) ſelbſt geftellt, eine ber. gegenwärtigen Bildungs⸗
Anfe entfprerhende und die Berürfniffe der Gegenwart
berückſichtigende Darftellung der gejammten Fatholifchen
Glaubenslehre zu geben, in allweg genügt habe. Wir
find weit entfernt, den Werth unb bie Beveutung einer
Rreng pofitiven Behandlung der GíaubenóleDxe zu nunter⸗
| 12"
480 Ludwig Rendu,
ſchaͤtzen. Den kirchlichen Lehrbegriff, jo wie er in ven Quellen
des Glaubens niedergelegt iſt, ju erheben und möglichſt
objectio zur Darſtellung zu bringen, wird ber katholiſche
Dogmatiker jederzeit als ſeine erſte und weſentlichſte Auf⸗
gabe betrachten. Eine andere Frage aber iſt, ob er hiebei
ſtehen bleiben ſoll und darf, ob, von allem anderen abge⸗
ſehen, die gegenwaͤrtigen Zeitverhaͤltniſſe nicht mindeſtens
ebenſo gebieteriſch als dieß vor ſteben Jahrhunderten ber Sall
war, zum Aufbau einer Glaubens wiſſenſchaft hindrän⸗
gen, burd) welche ber klaffende Riß zwifchen Glauben und
Wiſſen, Vernunft und Offenbarung, an beffen Erweiterung
die ungläubige Wiſſenſchaft unfrer Tage raftlos fortarbei-
tet, geheilt wird. Die Antwort hierauf kann faum zwei⸗
felfaft fein.
Hitzfelder.
4.
ſudwig Rendu, Biſchof von Annecy. Die Anſtrengungen
des Proteſtantismus in Europa und die Mittel, welche
er anwendet, um katholiſche Seelen zu verführen. Aus
bem Branzöflfchen überfegt, und mit widerlegenden
und berichtigenden Noten verfehen von einem proteflan«
tifchen Geiſtlichen. Weimar 1856. Verlag und Drud
von Bernhard Qriebrid) Voigt. Pr. 2 fl. 20 fr,
Wir haben nicht bie Abfiht, das Buch des eifrigen
Biſchofes von Annecy felbft einer Benrtheilung zu unter
geben. Unfere Anzeige gilt vielmehr der Erwiederung,
Biſchof von Annecy. 181.
mit welcher der proteftantifche Weberfeger demfelben ent»
gegentreten zu müfjen glaubte unb bie wir in den manig:
fadjen bem Text unterjegten Roten audeinanbergelegt finden.
Wir haben bie in Frage ftehenven polemifhen Grgüfje
nicht ohne viele Heiterfeit durdhlefen. Der Anonymus, der
das franzöfifche Werk verbeutfcht hat, ift Rationalift vom
reinften Waſſer. Schon bie Auctoritäten, bie wir beim
Durchblättern biefer Noten in denſelben citirt finden, die
Namen eined Hafe und Anderer, erweden in uns die Vers
muthung, daß wir c6 hier mit einem Rind ber vulgären
Aufflärung zu thun haben. Und bieje Vermuthung findet
fid denn aud) bei näherer Ginfidit in die Diatribe des Herrn
Ueberfegerd vollfommen beftátigt. Wenn ba& Borwort
nod) etwas verblümt gehalten ift, fo Taffen dagegen in ben
Roten vorkommende 9leuferungen, wie die folgenden, ges
mig Nichts zu münjden übrig.
Bon ber Trinität fagt ter Herr lleberfeger ©. 241:
„Das im Athanaftanifchen Symbolum enthaltene, und mit
biefem and, in die evangelifche Kirche übergegangene Dogs
ma von ber Trinität ober den brei verfchiebenen Perfonen
in ber einen Gottheit enthält einen unlösbaren, unb, wie
man dieſe Lehre auch immer auffajfet mag, unzuvers
mittelnden Widerſpruch, fo daß fie nicht nur als über,
fonbern geradezu ald gegen die Vernunft bezeichnet werben
muß.” Folgt bann bie plattrationaliftiiche Erflärung dieſes
Grundmyſteriums unferer Religion von afe. ©. 245
erfahren wir, daß die Wunpdertheorie mit bem Begriff
der göttlihen Vollkommenheit, wie Chriſtus fie unà fennen
lehrt, in einem unlösbaren MWiverfprüch ſteht.“ ©. 289
wird bemerft, vaß „vie Annahme einer ftellvertretenden
Genugthuung durch einen Unſchuldigen, anftatt und
183 Ludwig Rendu,
zu Gunſten des Echulvigen fdiedjterbing8 bem Begriff
bet göttlichen Gerechtigkeit widerfirebt, und daran knüpft
fi ein förmlicher Proteft im Namen der Vernunft gegen
die ganze hriftliche Lehre von der Erlöfung —
Wie man fieht, macht unfer Anonymus aus feiner Her:
zensmeinung gerade fein Gefeimnig. Was ift nun aber im
Einzelnen von foldem Ctanbpunft nidt Alles zu erwarten ?
Glücklicherweiſe ift berfelbe vod) fo univerfell gewählt, daß
ber Herr Ueberfeger auch nod) mit andern Gegnern, nam;
lidj der ganzen pofitiven Richtung im Proteflantismus, ans
binden muß unb fo bod nicht alle Streiche feiner 380:
lemik allein und ausſchließlich auf ble katholiſche Kirche
fallen.
Im erfierer Beziehung ftebt é& und vun freilich wicht zu,
uns im den Streit zu mifchen. Sache zunaͤchſt ver glaͤnbig⸗
proteftantifchen Theologen iff es, dieſer meyphiſtopheliſchen
Richtung, die Immer und immer wieder anflandt unb
fat fo oft fie ein chriftliches Myſterinm in den Stunt
nimmt, eine Blasphemie ansfpricht, einmal den gruͤndlichen
and üntbiberfeglidjen Beweis zu führen, bag fe Rd) mit
Unrecht auf das reformatoriihe Princip der Glaubens,
und Gewiſſensfreiheit berufe; umd ebenfo überlaffen mir
ed den nümliden Männern, bie Behauptang zu wibers
fegen, daß wenn fie Ernſt maden wollen mit ihrer
Bläubigkeit, bie Gonfequenz (le zur Mutierkirche zurüds
treibe (vergl. S. 369). — Mas bie Ausfälle betrifft,
die der Herr Ueberfeger nad unferer Seite bin macht, fo
müflen wir mit einigen Worten wohl darauf eingehen.
Ounádft [εἰ hier bad Geftántnif abgelegt, daß unfer Anonys
mus in diefer Beziehung wirklich das Mögliche geleiftet
bat, Seine Noten find ein wahres Archiv aller SBormürfe,
SMfdjef von Annech. 183
bie man je gegen bie Kirche unb ihren Glauben erhoben
hat. Wer das angehängte Regifter aud) mit nur halb»
wege billigen Anſprüchen durchliest, ber wirb befennen
müffn, daß im tem Buch faft Nichts ans dieſem Genre
vergefien ift. Königsmörder und Bartholomäusnacht, Bann-
βπῷ unb Inquiſitlon — Alles ift bier angemerkt und darf
zur Herbeiführung eines ganz gründlichen Entfegend nur
nobgefchlagen werben. In bem Buch ift amd) bie Rebe
vom Madinifchen Ehepaar unb von Borcindfy, nicht gm
reden von PBianori und Holofernes, deren blutige Schatten
nicht minder in biefen Blättern heraufbeſchworen werben.
Gan; befonberó aber machen wir Liebhaber von nod) nie
bageweienen Fürchterlichkeiten anf das ſchauerliche Acten-
küd aufmerifam, das S. 114 mitgetbeilt ἰ und in
ben klärlich erzählt wird, unter welch haarfträubenven
Geremonien ble Jeſuiten einen Menſchen zum Koͤnigsmord
vorbereiten.
Auf bem Umschlag des Buches ift bemerkt, vag auf⸗
geihnittene und beſchmutzte Gremplare nicht mehr zurück⸗
genommen werben; allein ein ſolcher Schaden ftedt [chen
im Werke felbft, fomwels fein Inhalt vom Kern Ueber⸗
jeger herrührt; εὖ ift vol oon Aufichneivereien und Schmug,
— und das nehmen wir and, nicht mehr zurüd.
Repetent Rudgaber.
184 Compendium Gredüalis
9.
Compendium Gradualis οἱ Antiphonarii Romani continens
officia Dominicarum et festorum totius anni. Moguntiae
apud Franciscum Kirchheim. Pr. 3 fl.
Während bei ten. meiften neuern Choralbuͤchern . εἶπε
fBorrebe darüber Auffchluß ertheilt, weldye alten Ausgaben
des römischen Antiphonariums und Grabuale benüpt und
melde Grundſatze bei Auswahl verfchievener Lefearten beo-
badjtet wurden, entbehrt das Mainzer Gompenbium folder
Borbemerkungen und ruft fo beim erften Anblid bie Ber,
muthung ‚hervor, daß baéjelbe ein bloßer Abdruck eines
Altern Werkes ſei. Diefe Vermuthung fanden wir durch
eine und von competenter Ceite zugelommene Mittheilung
beftätigt unb näher dahin beftimmt, bag bie in Mainz
ſchon feit längerer Zeit gebräuglihe Barifer Ausgabe
von 1782 zu Grund gelegt wurde, und daß man bei Abs
faffung der neuen Ausgabe nicht bie Fänterung bes Go
raló und damit eine Bereicherung der Ehoralliteratur bes
geedte, fondern nur ein für bie Kortführung des feither
in Mainz üblihen Choralgeſangs bequemes Handbuch
ſchaffen wollte. |
Da [emit das Kompendium felbft nicht ben ?Infprud
erhebt, ben reinen Cantus Gregorianus — jo weit unter
gegenwärtigen Berhältniffen von einem ſolchen die Rebe
fein fann — in fid zu bergen, fo fónnen wir über eins
gene Abweichungen vom Römifchen Ton, der im Ganzen
und Wesentlichen feftgebalten ift, um jo nachſichtiger ut
theilen, als felbft dann, wenn einmal unter ben Theo
retifern vollſtaͤndige Einigkeit herrſcht und über urfprüngs
lide gregorianifche Melodie fein Zweifel mehr obwaltet, in
et Àntiphonarii Romani. 185
ben einzelnen Diöcefen [ὦ immer noch befonbere Eigen,
thümlichfeiten erhalten werden und fid aud) einigermaßen
rehtfertigen lajfen.
Gbenfo wird die Bezeinigung bed Antiphonariume
und des Girabuale, welche zugleich zu einer VBerfürzung bed
einen und andern wurde, in bem ur[prüngliden Plane,
nur für die nächſte Nähe forgen zu wollen, ihre Recht⸗
fertigung finden. Indeſſen wünfchten wir body bie althers
gebrachte Trennung des Antiphonariums und Grabnaleó
feftgehalten, und werben jedenfalls von einem Choralbuch,
das nicht bloß für eine einzelne Diöcefe Werth haben foll,
verlangen fónnen, daß ed uns ein vollftánbigeó Graduale
und Antiphonarium biete; wobei ed dann allerdings feinem
Anftand unterliegen wird, aus biefem ten jeweiligen Bes
türfnifjen emtfpredjenbe Auszüge zu veranftalten.
Im Allgemeinen aber muß das Mainzer Gompenbium
als eine febr erfreuliche Erſcheinung im Gebiet der kirch⸗
ihen Tonfunft bezeichnet werben; es beymedt eine immer
größere "Verbreitung des ehrwürdigſten und erhabenften
Geſangs, des Gregorianifchen Ehorals, unb wird ebenbamit
yt Berherrlihung des katholiſchen Gottespienftes in hohem
Orabe beitragen.
Repetent Beron.
-
Literarifcher Anzeiger
Nr. 1.
[ie Sn ne τς -- a τ το τ CO nn een τ er]
Die hier angezeigten Schriften findet man in der 45. Laupp'ſchen Buch⸗
handlung (faupp & Siebeh) in Tübingen vorräthig fo wie alle Er⸗
ſcheinungen der neueften Litteratur.
Im Verlage der Stahel’schen Bach- & Kunsthandlung in Würz-
burg ist erschienen und durch alle Buchbandlungen zu beziehen:
Enehiridion symbolorum et definitionum, quse
de rebus fidei et morum a conciliis oecumenicis et
summis Pontificibus emanarunt. In auditorum usum
edidit Henricus Denzinger, philosophiae et
theologiae Doctor et in universitate Wirceburgensi
dogmalices Professor ordinarius. Editio tertia
aucta et emendata, el ab ordinaria approbata. Wirce-
burgi, Sumptibus Stahelianis. 1856. 12mo broch.
Preis fl. 1. 48 kr. oder Thlr. 1.
Mit Privilegium gegen den Nachdruck in Frankreich
und den Vereinigten Staaten in Nordamerika.
Dem Verfasser wurde von Sr. Heiligkeit Papst Pius
IX. ein sehr huldvolles Schreiben für Zusendung dieses
Buches, in welchem dessen Verdienstlichkeit und Nütz-
lichkeit annerkannt wird.
Die dem Buche ferner vorgedruckte Empfehlung des hoch-
würdigsten Bischofes Johann Martin in Millwauchee, sowie der
Umstand, dass dasselbe binnen 18 Monaten schon in 3 nicht unbe-
deuten Auflagen herausgegeben, welche, ausser in Deutschland, aus-
gedehnte Verbreitung in Holland, Frankreich, Spanien, Italien und
Amerika finden, lassen sicher jede Anpreisung überflüssig erscheinen.
Dr. €. 9. von Schuberts Selbfibiographie.
Der Erwerb and einem vergangenen und bie
Erwartungen von einem zufünftigen eben
iM mit der fo eben erfchienen 2. Abtheilung bes III. Baudes nun voll»
Händig und fann durch alle Buchhandlungen bezogen werben. Preis des
eompleten Werkes, das behufs erleichterter Anſchaffung aud) abtheilungs⸗
weiſe zu erhalten it, 6 Thlr. 18 Gar. oder 11 fl. 48 fr. rhein. Vom
L Bande murbe αἰ eine Separatausgabe unter bem Titel „meine
Fagendgeſchichte“ (Preis 1 Thle. 18 Gat. ober 2 fl. 48 fv. τῇ.)
2
veranftaltet, ble als belchrende, geiftig antegenbe Lektüre zu einem paflen-
ben Feſtgſchenk namentlich für die veifere Jugend, befonberé ges
eignet fein bürfte. |
- Erlangen im November 1856. Pam & Ente,
Nenes Predigtwerk!
Bermifchte Sanseloottráge auf alle Sonn-, Feſt⸗ und
Beiertage des Tatholifchen διῶ κα EL fowie einige
befondere Firchliche Anläffe von 91, Gb. Theophicl,
fatholifchem Beiftlihen ber Schweiz. I. u. II. Band. 1856.
gr. 8. brojd). 49 Bog. (Würzburg. Stahel's Berlag.)
Preis fl. 3. 36 fr. Rthlr. 2. 6 Nor.
Des Verfaſſers Streben: bie in fein Erfenntnißvermögen und fein
Gemüth aufgenommenen Religionswahrheiten frei von ben falten Formen
der Schule und ben Feſſein ftarrer Theorie — nach feiner Snbipibualitát
— rein, überzeugend, fíar und warm bem Zuhörer (ober Leſer) zum
richtigen Verſtaͤndniſſe vorzuführen, feinem Herzen und Willen zum Gv
greifen nahe zu legen u. f. Ὁ. — if in diefen vorzüglichen Predigten
far ausgeprägt, und find biefelben (auch ihrer Billigfeit wegen) dringend
empfeblenémettf. — ' .
Die beiden evilen Bände umfaffen in 103 Reden ein vollſtändiges
Kirchenjahr; der IM. Band enthält 53 Reden auf verfchiedene Sonntage.
Lebterer erfcheint bis Oftern 1857. Der IV. Band, ohngeführ 40 Reden
auf verfchiedene Feſt- und Feiertage, fowie für befondere Gelegenbeiten
enthaltend, erfcheint im Oftober 1857. Die zwei erſten Bände werben
nicht getrennt gegeben, verpflichten aber auch ebenfowenig zur Abnahme
des IIl. und IV. Bandes.
SBorrátbig in allen Buchhandlangen des Sus und Anslandes.
Dr. &. ἢ. von Sdyubert's Erzählungen.
Don diefem für die reifere Iugend wie für Erwachfene geeigneten
anerfannt geblegenen. Werke ift Fürzlich ber Ill. Band in neuer Auflage
erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten. Der Preis dieſes
Bandes t& 1 Thlr. 12 Sur. ober 2 ff. 15 fr. chn.; von den übrigen
Bänden I. II. unb IV. wird jeber auch einzeln, zu bem Preife von 1 Thlr.
18 Sgr. ob. 2 fl. 30 fr. rbn. verfauft und ift der Inhalt des TIT, 80.
aud in folgenden einzelnen Abdrüden zu haben: „bie alte Schuld“
(12 Sgr. ob. 48 fr. rhn.). „Die &daggtábet^ (8 Ggr. ob. 32 fr.)
„Herr Stephan Mirbel“ (12 Ggr. ober 48 fr. rhn.). „ Die
Beihen des Lebens; bie beiden Inderz zwei Crzählungen
nebft einer Anzahl Kalenderhiftörchen“ (8 Sgr. ob. 32 fr. rhn.). Don
Band IV, wurde auch eine Separatausgabe unter dem Titel „Sees
bilder“ (1 Thlr. 18 Ser. ob. 2 fl. 30 Er. tin.) veranftaltet.
. Bon demfelben Berfaffer find in gleichem Verlage folgende belichte
3
Iugendfhriften exffienm: „Rleine Erzählungen für
vie 3ugenb^ I. n. Il. Bochen. (Das Bochen. 24 Egr. ot. 1 fl.
4 f. vj) „Spiegel der Natur“ 2 Aufl. (1 Thlr. 4 Gor. ob.
1 &. 48 fr. xn.) „Mähren und Erzählungen für das find
lige Alter“ (12 Ggr. 36 fr. rhn.).
Erlangen den 1. December 1856. Palm & Ente.
3m Berlage der Stabel’fchen Bude & Kunſthandlung in Würz⸗
burg if erfchienen und durch alle Buchhanplungen zu beziehen:
Die fiturgie der Kirche
und
bie lateiniſche Sprache.
Bier Bortäge
von
Dr. Franz Settinger,
Brofeffor der Theologie an der Univerfität zu Würzburg.
Brfonbevec Abdruck ans ber Katholiſchen Wochenfchrift.
16. eleg. brojd). Preis 36 fr. 10. Ngr.
Im Berlage des Unterzeichneten ift. fo eben erfchienen umb butdj
ile Yuchhanvlungen des Ins unb Auslandes zu begeben: . ,
Die Martyrer.
Bilder
aus ben drei erftien Jahrhunderten
΄ δεῖ
“ Wriftlidyen Kirche.
9
on
Ada Gräfin Hahn⸗Hahn.
Mit hober δ δῇ, Approbation.
Vu 472 SE. gr. 8. eleg. brofh. Preis 2 fl. 12 fr.
oder 1 Thlr. 74 Car. |
Die berühmte Frau Berfaflerin hat ihre geiflreiche Feder in biefem
fife den erfien drei chriſtlichen Jahrhunderten gewidmet, indem fie bem
eier eine Reihe lebensvoller, hiftorifcher Schilderungen vorführt, bie,
4
au einem bermonlfchen Ganzen d) vereinigenb, den herrlichſten Einblick
in bie áltele Geſchichte der Kirche gewähren. Die Aufgabe der Mpofld
und die Auegießung des heiligen Geiſtes Rom and Secufalem,
Nero und bie Chriften, der Kricg in Subáa und die Serftóvung
Serufalems mit all’ ihren Gdjtednifjen, bie Ehriftenverfolgungen
unter Trajan und feinen Nachfulgern, bie Ratafomben, das Goli
feum, bet heil. Clemens von Rom, der heil. Simon von Serufalem,
ber heil. Ignatius von Antiochien, bie letzte Zerflörung Jeruſalems und
Entweihung der heiligen Stätten, die heiligen Martyrer Polykarp unb
Suftinué, der Fortgang ber Serfolgungen und in Folge davon ein übers
reicher Kranz chrifilicher Blutzeugen, unter ihnen Perpetua, Srenäus,
Eyprian, Laurentius, baun bie große Diofletianifche Verfolgung, der Hl.
Mauritius, der heil. Gebajtian, bie Heil. Agnes u. A. m. bis zur Bes
fehrung des Kaifers Gonftantin und deren Folgen — das ungefähr find
die vorzüglichen ber Bilder, welche bie Frau Verfafferin in diefem Buche
uns bietet, und dürfte daſſelbe unbefiritten neben den neueſten Werfen
von Wifeman und Newmann ben ihm gebührennen Rang εἰπε
nehmen. Schließlich bemevfen wir, bof ble „Martyrer“ den erſten
Band einer vollfändigen Kirchengefchichte bilden, welche die verehrte
Berfafferin nach und nach unter dem Gollectiotitel :
„Bilder aus der Geſchichte der Kirche *
herauszugeben gebenft. Jeder Band wird ein gefchloffenes Ganzes bilden
und mit entfprechendem Separattitel apart abgegeben werben.
Mainz im November 1856.
Stanz Kirchheim.
Wichtiges theologisches Werk!
Im Verlage der Stahel'schen Buch- & Kunsthandlung in
Würzburg ist sooben erschienen und durch alle Buchhandlungen
zu beziehen: :
Vier Bücher
von der
Religiösen Erkenntniss.
Yon
Heinrich Densinger,
Doctor der Philosophie und Theologie, öffentl. Professor der Dog-
matik an der Universität Würzburg.
1856. gr. 8. broch. 2 Bünde (77 Bog.). Preis 4 Thlr.
| - 42 ngr. 7 fl. 12 kr.
Nachdem die Frage über Glauben und Wissen in neuerer Zeit
der Gegenstand der lebhafieston Debatten geworden ist und den
ὃ
Ángelpupitt alter theoldgischen und religionsphllosgphischen Contro-
versen bildet, wird gegenwärtige Schrift, er den Gegenstand
in dogmatischer und 'historischer Beziehung mit grösster Ausführ-
lichkeit behandelt, sehon desshelb Anspruch auf die Aufmerksamkeit
des gelehrien Publikums erheben können. Die Verlagsbuchhandlun
i& susserdem der Ueberzeugung, dass sie dem Publikum ein Wer
vorlegt, das mit Vermeidung der Extreme das Gebiet des Glaubens
τοῦ der Vernunft auf gleiche Weise wahrt und des Resultat mehr-
führiger sorgfältiger Studien darstellt.
In der Zof. Thomann'ſchen Buchhandlung in Landshut find
etſchienen und ἈΣΤῸΝ Buchhandlungen ΝΗ haben —
Beifptele, erbauliche und abſchreckende aus
ben Segenben der Seiligen für Katecheten
unb Prediger gefammelt und fachweiſe geotbnet von
einem emeritirten MPriefter aus der Erzdiöceſe Münchens
Sreifing. 1. Abtheilung. 8. br. 25 Bog. 1. fl. 15 fr.
ober 224 Nor.
Die zweite Abtheilung, welche den Schluß des Werkes enthält,
erſcheint zu Anfang des nädhien Jahres.
Diefe Sammlung von Beifpielen ift aus der Bibel, der Kirchenge⸗
διε, ben Gellígenfegenben ac. entnommen, und wird befonders beu
ὃ. Katech eten und Bredigern willfommen fein, bod) bietet fie
auch jedem chriſtlichen Laien eine intereffante und belehrende Lektüre |
Bonillo, 3. M., Plaudereien eines Greiſes.
Aus dem Franzöf. frei bearbeitet oon Sy. A. uber,
De fgl. Studienlehrer. 8. br. 8 Bog. 27 fr. ober
Nor.
Ge ig Dea eine ber wenigen Jugendſchriften, welche man bec Jugend
ohne SBebenfen in bie Hände geben kann, ſireng fitlid und bem Geiſte
des Kindes angemeilen, Fann fie nur verebe(no und erheiternd auf να:
ſelbe einwirken. — Uebrigens haben fld) Bouillys „Erzählungen für meine
Tochter“ in Deutſchland vollkändig eingebürgert, daß and) wohl dieſes
Berichen der beften Aufnahme gewiß fein darf.
Kempis, Wb. v. fechsımdbreißig geiftreiche
: Steben. unb Betrachtungen über ka Menſch⸗
werdung, das Leben, Leiden und Sterben
und die Verherrlichung Jeſu Chriſti, des
Sohnes Gottes. br. 8.. 2. Aufl. 54 fr. ober
16 Ngr.
Der gefeierte Name bes Verfaflere überfebt uns jeder Anempfehlung.
Tb. ». Kempis iſt durch feine „Nachfolge“ in allen Familien heimiſch
und wird daher auch biefe zweite Auflage feiner ,,36 Reden“ fehr
willlommen fein. .
6
-Aotbfifcher, J., kurze und leichtfaßliche bent:
cbe Sprach⸗ unb Mechtſchreiblehre in
fragen unb Antworten sunádjft. für ?anbídjulen be:
arbeitet. — Mit einem Anhange von 250 deutſchen
ypradjübungen. Dritte, verb. Aufl. 8. br. 9 fr.
oder 3 Ngr.
Die erflen beiden Auflagen wurben größtentheils im nächflen Ge
ſchaͤftokreife der Verlagshandlung abgefebt und dürfte εὖ daher das Gr.
fcheinen einer dritten Auflage rechtfertigen, wenn wir dieſes billige und
praftifche Büchlein auch in weitern Kreifen zur Durchſicht anempfehlen.
Goffine, R. P., Ord. Praem., Katholiſches
Unterrichts: und Erbauungsbuch, over kurze
Auslegung aller fonn- und fefttágliden
Epifteln und Evangelien, fammt baraué ge
zogenen Glaubenós und Sittenlehren unb
einer Erflärung ber midtigften Kirchenge—
bräude. Menue, vielfach vermehrte und verbefferte
und mit bem Terte ber Evangelien ac. nad) der einzigen
vom römifhen Stuhle approbisten lleberfegumg. des
Domprobftes Dr. Allioli verjehene Ausgabe von
Franz Xaver Sted,
Pfarrer in Sarthaufen bei Ulm.
Mit Genehmigung tes hochwürdigſten Herrn Erzbifchofes von Freiburg,
bet hochw. Herru Bifchöfe von Rottenburg und Straßburg, des’ hochw.
Biſchoͤfl. Ordinariates Speyer und des hochw. Bifchöfl. Generals
'à vicariate® zu Trier. ᾿
ZweiTheile.
Mit einem feinen Stahlſtiche.
Siebente verbeſſerte Auflage.
50 Bog. Lex.⸗8. Preis nur 1 ἢ. 20 fr. δίς. :.- 35 Nor.
Wie bie ert vor 2 Sahren erfchtenene 6te fat aud) υἱεῖς ſiebente
Auflage viele Berbefferungen und bem bisher befolaten Plane
entfprechende Zufäße erhalten. Wir bitten daher die hochw. Geifſtlichkeit:
diefe neue Auflage, wie die früheren, Hohen und Niederen Ihrer An
gehörigen recht angelegentlich zu empfehlen.
Theologiſche
Quartalſchrift.
| — —
In Verbindung mit mehreren Gelehrten
Tn
D. v. Kuhn, D. v. Hefele, D. Welte, D. Zukrigl
unb D. Aberle,
fBrofefjoren der kath. Theologie an der K. Univerfität Tübingen. :
Reununddreißigfter Jahrgang.
Zweites Quartalbeft.
Tübingen, 1857.
fBerlag der $. Laupp' íden Buchhandlung.
— faupp & Sichel. —
Drud von H. gattpp jr.
I.
Abhandlungen.
1.
Sophronins und Marimus über die zwei Willen in
Chriſtus.
Acht Jahrhunderte lang waren die antiken Völker, die
Griechen unb Römer, ble Träger des chriftlichen Lebens
und heute noch danken wir ihnen eine ſtaunenswerth kräf⸗
fige und umfafjende Entfaltung der chriſtlichen Lehrwifſen⸗
haft. Ganz bejonberó ausgezeichnet waren in tiefer Rich.
tung bie Zeiten von Gonftantin b. Gr. an abwärts, wo
die erhabenften dogmatifchen Bragen über Trinität, Gnabe
und Freiheit, über Gottheit und Menfchheit in Chriftus in
mähtigen geiftigen Kämpfen ihre Erörterung fanden, deren
Reihe ber monotheletifche fchließt. Mit Staunen und Ber
wunderung, aber aud) mit Dank gegen die Borjehung
blifen wir auf jene großen Männer hin, welche wie Athar
nafiud berufen waren, gleih beim Anfang eines jeben
dieſer Kämpfe bem Geifte die wahre Richtung unb ben
Weg zur Wahrheit zu zeigen. Was Athanafius für ben
arianifhen, Cyrill für den neftoriani[den Kampf war, das
13 *
190 Sophronius unb Marimus
waren Sophronius und Marimus bem verunglüdten Ber:
fude der Monotheleten gegenüber. Wir haben früher ge
zeigt, wie im fiebenten Jahrhundert die Lehre von einem
Willen unb einer Energie (Wirkung, Wirkungsart) in
Ehriftus für das längftgefuchte Arkanum gehalten wurde,
um die Monophyfiten wieder mit der Kirche zu vereinigen.
Das Argument: „wenn in Chriſtus tro ber zwei Naturen
nur eine Perjönlichkeit, fo nur ein 9Bollenber, und wenn
Pie, dann aud) nur ein Wille”, dieß Argument war für
Viele verführeriih, und felbft Papſt Honorius wurbe in
biefer Schlinge gefangen 1)y. Defto höher fteht ba8 Ber -
dienft des b. Sophronius, welder, ein gelehrter Mönd
aus Paläftina, fid) eben in Alerandrien befand, als bet
dortige Patriarch Cyrus duch bie Formel von einer
Energie einen beträchtlihen Theil ber Monophyfiten 9e
gyptend mit bet Kirche unirte (uni 633). Er fiel bem
Batriarhen zu Füßen und bat inftändig aber vergeblid,
pie linionézxegaáoto, welche die falfd)e Lehre von ber ula
ἐνέργεια (unb bamit von einem Willen) enthielten, bod
ja nicht zu publiciren. Ebenſo fruchtlos war fein Verſuch,
ben mächtigen Patriarchen Sergius von Conftantinopel
gegen den neuen Irrthum in Bewegung zu bringen. Er
abnete wohl nicht, bag blefer gerade der eigentliche Urheber
befjelben war. Sophronius erachtete ed befbalb, ale er
bald darauf i. 3. 634 Patriarch von Sernfalem wurde,
für heilige Bricht, gleich in bem herkömmlichen Inthronis
(ationefdyreiben , welches allen Patriarchen und hohen Bis
ſchoͤfen mitgetheilt werben mußte, für ble ortfoboxe Lehre
| 1) Bgl. meine Abhandlung: „Das Anathem über P. Honorius“
im vorigen Heft der Quartalſchrift.
über bie zwei Willen in Chriſtus. 191
unb gegen bie irrige Neuerung aufzutreten, und bie theos
logiſche Abhandlung, bie er Diet gab, verbient jest nod)
bie Beachtung aller Freunde der Dogmengeſchichte. Es ijt
und davon das an Sergius von Gonftantinopel, gerichtete
Eremplar jegt πο erhalten und findet fi unter Anderem
bei Mansi, Collectio Concil. T. XI. p. 461—508 und Har-
duin, Collectio Concil. T. IH. p. 125 —1296.
Sophronius beginnt darin mit der VBerfiherung, daß
et ſich nad) feiner frühern Ruhe und Nievrigfeit in hohem
Grade zurüdjehne, und nur gezwungen, ja tyrannifch ges
nöthigt, dad Bisthum übernommen habe. Darauf empfiehlt
er fid) feinen Golfegen und bittet, ald Väter und Brüder
ihn zu unterftügen. Es [εἰ alte Sitte, daß ein Bifchof
bei feinem Amtsantritte ven andern Bifchöfen feinen Gau:
ben darlege; dieß thue aud) er, unb man möge fein Bes
fenntniß prüfen, und was mangelhaft fel verbefjerm. —
9tad) diefem Gingange folgt der Kern des ganzen Schreis
bens in Form eines Symbolums. Der erfte Abſatz handelt
von ber Trinität, ohne dad Ausgehen des b. Geifte8 aus
bem Sohne zu berühren. Die zweite weit ausführlichere
Abtheilung ift der Sncarnationélebre zugewiefen, melde im
Geifte des Gonciló von Gfalcebon und des Iuftinian’fchen
Ediktes gegen die drei Kapitel), wie legtere& von einer
μία ὑπόστασις Χριστᾶ σύνθετος ipridjt, den Cyrill'ſchen
Ausorud μία φύσις τὸ Se& Aoya σεσαρκωμένη wiederholt
unb bem Dofetismug, Neftorianismus unb Monophyfitismus
entgegentritt. Nachdem darin die Einheit ver Perfon und
ble Zweiheit der Naturen ſehr klar hervorgehoben, geht
Sophronius anf die neue Frage alfo über: „Chriftus ift
1) Siehe meine Gonciliengefhichte, 38b. II. &. 812 fi.
192 Sophronius und Marimus
ὃν καὶ dvo. Eins Ift er ber Hypoſtaſe unb Perſon nad;
zwei aber nad) ven Raturen und ihren natürlichen Eigen»
thuͤmlichkeiten. Aus viefen ift er beharrlid Eins, unb
bewahret zugleich, ber Natur nad) doppelt zu fein. Deß⸗
halb wird ein unb berfelóe (δ τί πὸ und Sohn und Ein,
geborner ungetrennt in beiden Raturen erfaunt, und er
wirkte φυσικῶς die Werfe jeder Ufte (Matur), nad ber
einer jeden Natur zufommenden wefenhaften Qualität oder
natürlichen Eigenthüimlichfeit '), was nicht möglich gewefen,
wenn er, wie nur eine Hypoſtaſe, fo nur. eine einzige
oder unzufammengefegte Ratur befäße. Der Eine und {εἴθε
hätte dann nit die Werke jeder Natur vollfommen vers
richtet. Denn mann hat bie Gottheit ohne Leib die Werke
bed 9eibeó φυσικῶς gewirft? Oper wann hat ein gib,
unverbunden mit der Gottheit, Werfe geübt, die ter Botts
heit weſenhaft zugehören? Der Emmanuel aber, der Einer
ift und in dieſer Einheit beides, Gott und Menſch, hat in
Wahrheit bie Werke jeder ber zwei Naturen verrichtet;
Einer und berfelbe αἰ Gott die göttlichen, als Menſch bie
menfchlihen. Einer unb berjelbe thut und redet er Gött⸗
liches und Menſchliches. Und nicht ein Anderer hat bie
Wunder verrichtet, ein Anderer bie menſchlichen Werfe voll;
zogen unb bie Leiden erbulbet, wie Neftorius meinte, fon;
dern ein und derjelbe Chriftus und Sohn hat das Gött⸗
liche und das Menfchliche gethan, aber zur’ ἄλλο καὶ ἄλλο,
1) Manft Hat Hier einen durch Drucdfehler entftellten Tert. Der
richtige lautet: καὶ τὰ Exuregas φυσικῶς ἐσίας εἰργάζετο, κατὰ τὴν fna-
τέρα προσῆσαν ἐσιώδη ποιότητα ἢ καὶ φυσικὴν ἰδιότητα. Herduin, |. c.
p. 1272. Mansi, l.c. p. 480. Rösler in f. Bibliothek der Kirchen⸗
väter, Bd. X. €. 414, gibt ben falſchen Manfi'ſchen Tert und eine
{εὖτ ungenaue Ueberfegung.
ber bie zwei Willm in Chriſtus. 198
wie der B. Cyrill lehrte; im jeder ver zwei Naturen hatte
er ble Kraft (ὀξοσίαν sc. zur natürliden Wirfung) unver
mifcht, aber aud) ungetbelit. Sofern er ewiger Gott ift,
verrichtete er die Wunder; fofern er aber zugleich in ben
legten Zeiten Menſch wurde, verrichtete er die niedrigen
und menjhligen SBerfe. Wie námlid in Ehriftus jede
Katar unverfehrt ihre Eigenthümlicyfeit bewahrt, jo wirkt
jeve Form (Natur) in Gemeinidjaft mit der andern, was
ihr eigen ift '); bet Logos wirft, mad des Logos ift, in
Gemeinſchaft mit dem Leibe; unb ber Leib vollzieht, was
bes Leibes ijt, in Verbindung mit bem Logos ?), und zwar
in einer Hypoftafe, mit Fernhaltung aller Theilung; denn
nicht getrennt wirkten fie (bie beiben formae) das ihnen
Eigenthümliche, damit wir nicht an eine Theilung verjelben
(der formae) denfen fönnen. Deßhalb darf Neftorius nicht
jubeln, denn εὖ hat feine ver beiden Naturen für fich, obne
Gemeinjdjaft ver andern, das was ihr eigen ift gewirkt,
unb wir lehren nicht wie er zwei wirkende Chriſtus unb
Söhne, wenn wir gleich zwei gemeinfam wirkende Formen
anerfennen, von benen jede mad) ihrer phyſiſchen Eigen
thümlidhfeit wirkt. Vielmehr fagen wir: es fei eim unb
berfelbe Chriſtus, ber dad Erhabene unb das Niedrige
phyſiſch vollzogen habe nad ber phyſiſchen und wejenhaften
Dnalität einer jeden feiner zwei Statuten, denn bie uns
verwandelten und unvermifchten Naturen find jener (bes
fondern Qualitäten und Gigentbümlidfeiten) durchaus nicht
1) Worte Leo’s I. in feiner berühmten epistola ad Flavianum:
agit enim ulraque forma (natura) cum alteriue communione quod
proprium eet.
2) Sophronius nimmt bier σῶμα ibentijd) mit σάρξ = menjdj:
lihe Natur.
194 Sophronius unb Marimus
beraubt worden. Aber auch Eutyched unb Dioskur bürfen
nicht frohloden, bie Lehrer der gottlofen Vermiſchung, denn
jede atur Bat in Gemeinfchaft ber andern das ihr Eigene
vollzogen, ohne Trennung und ohne Verwandlung, ihre
Berfchiedenheit von ber andern bewahrend. Deßhalb wollen
wir als Rechtgläubige, wie wir einerjeits lehren, ein und
verfelbe Ehriftus unb Eohn wirfe beides, fo anbererjeitó
burdj ben Gag, jede Worma wirfe in Gemeinſchaft ber
andern was ihr eigen ift, indem zwei natürli das Ihre
wirfende Formen in Chrifto find, durchaus feine Trennung
anbeuten, wie hier bie Eutychianer, dort die Steftorianer
behaupten, bie ‚obgleich [σπᾷ Gegner, in ten gottlofen Krieg
gegen unà fid) miteinander theilen. Sie nicht adjtenb ans
erfennen wir einer jeven Natur befondere Energie, und
zwar eine zu ihrem Weſen gehörige, phyſtſche und mit bet
andern gemeinjame, die ungetrennt aus jeder Ufie unb
Natur hervorgeht, nad) ber ifr inwohnenvden phyſtſchen
und zum Weſen gehörigen Qualität, und zugleich bie uns
getrennte und unvermifchte Energie ber andern Natur mit
fij führt (mit ihr verbunden ift). Dieß macht den Unter,
ſchied der Energien in Chriftus, wie das Dafeln der Na⸗
turen den Unterfehied ber Naturen. Denn nicht iventifch
find die Gottheit und ble Menſchheit nad) ihrer natürlichen
Qualität, wenn fie auch in eine Hppoftafe auf unaus-
ſprechliche Weife zufammengegangen find ..., denn ber
Gott Logos (ft Gott Logos und nicht Zleifch, wenn er aud)
(ogijd) (durch bie Vernunft) belebtes Fleifh angenommen
unb durch Dopoftatijfe und φυσικὴ ἕνωσις (im Sinne
Cyrills, vgl. Eonciliengefh. Bd. IL S. 814) mit fid) ger
einigt fat; und das Fleiſch ift Logifch belebt, aber nicht
Logos, wenn εὖ gleich Fleifch des Gott Logos ift. Def»
über bie zwei Willen in Chriſtus. 195
halb haben fie nad) bet hypoſtatiſchen Einigung auch nicht
unterſchiedslos mit einander dieſelbe Energie; unb wir bes
fennen nicht eine einzige, mnatürlihe, zum Weſen ges
fige, ganz unterjchieddlofe Energie berjelben, um bie
Raturen nicht in eine Ufie und eine Natur zuſammen⸗
drängen, wie die Afephaler thun. Wie wir nun jeber
ber zwei Naturen, welche unpermifcht in Chriſtus geeinigt
find, eine eigene Energie zufchreiben, um nicht die unver:
miſcht geeinigten Naturen zu vermifchen, indem bie 9taturen
aus den Energien und aus ihnen allein unb ber Unter
ihied der Naturen aus tem Unterfchied der Energien et
fannt wird, wie bie in biefen Dingen 9Berftánbigen fagen ;
jo behaupten wir, daß alle Rede und Energie (Thätigfeit,
Handlung) Ehrifti, mag fie eine góttlide und himmlifche,
oder menjchlihe unb irdiſche fein, von einem und demjelben
Chriſtus und Sohn ausgehe, aus ber einen zufammenges
festen (σύνϑετος f. Θ. 191) und einzigen Hypoftafe bejfelben,
welche iſt ber fleiffjgemorbene Logos Gottes, ber beibe
Energien ungetheilt und unvermifcht παῷ (κατὰ) feinen
Raturen aus fih φυσικῶς hervorbringt. Nach feiner götts
lichen Natur, wornach er bem Vater ὁμοόσιος ift, (bringt
tt hervor) die göttlihe und unausſprechliche Energie; nad)
feiner menſchlichen Natur aber, wornach er ὁμοᾶσιος mit
und Menfchen wurde, — die menjchlihe unb irbifde; unb
die Energie ift ſtets ber betreffenden Natur angemeffen ...
Dadurch, daß ein und verfelbe Ehriftus und Sohn beides
wirft, hat er (Chriftus) ben Reftorianismus widerlegt,
babutd) aber, daß bie Eigenthümlichkeiten jeber Natur nad
bet Einigung unvermijcht blieben, unb er (Chriſtus) beive
Energien der beiden Naturen gleichmäßig hervorbrachte, ...
fat er ben Eutychianismus befeitigt. Darum, geboren auf
196 Sophronius unb Marimus
gleihe Weite wie wir, wird er mit Mildy genährt, wädhet,
durchläuft die fórperliden Alterdübergänge bis zum Mannes;
alter, fühlte Hunger und Durft wie wir, unb wurde wie
wir müde durch Geben, denn er vollzog die gleiche Energie
im Gehen, wie wir, welde bod) eine ἀνϑρωπένως ἐνερ-
ysuévn ift und nach men[dlider Ufie hervorgehend ein
Beweis feiner menfchlihen Ratur war. Er ging barum
wie wir von einer Stelle zur andern, da er wahrhaft
Menſch geworden war, und ba er unjere Natur ohne
Schmälerung befaß, war er zugleich der Umfchreibung (lim;
rif, Geftalt) des Leibes theilhaft und hatte eine Geftalt
ber unfrigen ähnlih. Es ift dieß bie Geftalt eines eibeó,
zu ber er in Mutterleib gebilvet wurde, unb bie er auf
ewig unverfehrt bewahren wird. Deßhalb af er, wenn er
hungerte, tranf wenn er dürftete, unb tranf wie ein Menſch;
befhalb wurde er ald Find von ben jumgfräulihen Armen
getragen, und lag in bem mütterlichen Schooße. Dephalb
fegte er fi, wenn er müde war, unb jchlief, wenn er des
Schlafes bedurfte; empfand Schmerz, menn er gefchlagen
wurde, litt bei ber Geißelung, und buldete Schmerzen des
feibeó, ald man ihn an Händen und Füßen an’ Krenz
nagelte; denn er gab und gewährte ber menſch—
[iden Ratur, wann er wollte, Zeit zu wirfen
(ἐνεργεῖν) und zu leiden, was ihr eigen ift, ba
mit feine Menfhwerbung nidt für bloßen
Schein gehalten werde Niht unfreiwillig
nämlich oder gezwungen hat er bieg übernom
men, wenn er e$ gleich phyſiſch und menſchlich
an fid fommen ließ unb in menſchlichen Be
wegungen wirfte unb handelte. Coldje abjchews
lide Meinung fei ferne! Denn ber, ver foldhe Leiden im
über ble zwei Willen in Goriftus. - 497
Fleiſche ertrug, war Gott, ber turd) feine Leiden und er»
löste und und baburd) Befreiung von Leiden verfchaffte.
Ind er litt und handelte und wirfte mens
lid, wann er felbft wollte unb wann er eé für
tie 39ufdjauer nüglid eradtete, nidt aber,
mann bie pby»fifden und ſarkiſchen Beweguns
gen phyfifh zur Wirffamfeit bewegt fein
wollten; wenn aud) die gottlojen Feinde ihre Bosheit
m vollenden juchten (er litt doch erſt, wann er wollte).
Ct fatte einen leivensfähigen und flerblichen und vergängs
lihen Leib angezogen, ber ben natürlichen und fünbelofen
Leiden unterworfen ift, unb biefem geftattete er feiner eis
genen Natur entfpredjeno zu leiden und zu wirfen bió zur
Auferftehung von ben Todten. Denn bann löste er unfer
deidensfaͤhiges und Sterbliches unb Vergängliches auf, und
verlieh uns die Befreiung davon. So hat er das Niebrige
md Menſchliche ſowohl freiwillig als φυσικῶς an ben
Tag gelegt, aud) in diefem Gott bleibend. Er war für
ih felbft ber Berwalter über feine menſch⸗
liben Leiden und Handlungen, unb nidt blos
Bermalter, fonbern aud) Herr über blefelben,
obgleich er in einer leidensfähigen Natur phyſiſch Wleijd)
geworden war. Deßhalb war fein Menſchliches über ben
Menſchen hinaus, nicht als ob feine Natur nicht die menſch⸗
lide gemejen, ſondern foferne er freiwillig Menid ge
worden und als Menſch freiwillig vie Leiden übernoms
men hat, und nicht gezwungen unb genöthigt und unfrei-
willig, mie εὖ bei und ber Wall ift, jonbern manm und
im wie weit er wollte. Gr gab denen, bie ihm Seiben
bereiteten, die Erlaubnis dazu, unb ben phyſiſch gewirkten
Leiden nickte er Beifall, Seine göttlichen Handlungen aber,
198 . Sophronius unb Maximus
bie glángenben und erhabenen, bie unjere Geringfügigfeit
weit überfteigen, nämlid vie Wunder unb Zeichen, die
ftaunenerregenben Werke, 3. 98. die Empfängniß ohne Saa-
men, das 9luffpringen des Iohanned im Mutterleibe, die
Geburt ohne Verlegung, die unverjehrte Jungfrauſchaft,
die himmlifche Benachrichtigung der Hirten, bie burd) ben
Stern bewirkte Ankunft ber Magier, das Wiſſen ohne ge
lernt zu haben (Sob. 7, 15), bie Berwandlung bed Waflers
in Wein, die Stärfung der Lahmen, bie Heilung ber
Blinden 3€. 2c., die plößliche Speifung der Hungrigen, die
Beruhigung ber Winde und des Meeres, das Förperliche
Einherfchreiten auf dem 9Baffer, die Austreibung ber un:
reinen Geifter, die plóplide Gridütterung der Elemente,
die Selbftöffnung ber Gräber, die Auferftehung von ben
Todten nad) drei Tagen, das ungehinderte Herausgehen
aus bem bemadten Grabe trog Stein und: Siegel, das
Hereinfommen bei verfchlofjenen Thüren, das wunderbare
und förperlihe Auffteigen zum Himmel und alled Aehnliche,
was über unferen Berftand und über unfere Worte hinaus
ift und alles menschliche Denken überfteigt, alle dieſe Dinge
waren anerfanntermaßen Beweiſe der göttlichen Ufte und
Natur des Gotte8 Logos, menn fie aud) durch das Fleiſch
unb ben Leib verrichtet wurden und nicht ohne den durch
Vernunft bejeelten Leib... Der bet Hypoftafe παῷ eine
unb ungetrennte Sohn mit zwei Naturen hat nad) der
einen bie göttlichen Zeichen gewirft, nach ber andern bad
Niedere übernommen, und beßhalb fagen die Gotteögelehr:
ten: wenn bu über ven einen Sohn entgegengejebte Aus:
brüde hörft, fo theile fie ben Naturen gemäß; das Große
und Göttliche weile ver göttlihen Natur zu, das Niedrige
unb Menſchliche ter menfdliden ... Berner jagen fte in
über die zwei Willen in Chriſtus. 199
Betreff be Eohnnes: alle Energie gehört bem einen
€obne an, melder Natur aber das Gewirfte
tigen fei, θα δ muß man burd) den Berftand er
fennen. Sehr fchön fefren fie, man müfje einen Gm
manüe[ befennen, denn jo wird ber flelid)geworbene Logos
genannt, und diefer Eine (und nicht ein ἄλλος καὶ
ἄλλος) wirfe Alles, das Hohe und Stiebere ohne
Ausnahme... alle 9teben und Thaten (Energien) gez
hören Einem und demſelben an, wenn glei die einen
göttartig, bie andern men[djenartig find, und wieder andere
eine mittlere Art an fid) tragen und Glottartigeó und
Menfchliches zugleich ‚Haben. Bon tiefer Art ift. jene κοινὴ
(kun) καὶ ϑεανδρικὴ ἐνέργεια des Dionyfius Areopagita,
die nit eine ift, fonbern von zweierlei Art, fofern fie
Oottartigeó und Menſchliches zugleih bat, und durch zur
ſammengeſetzte Nennung ber einen wie der andern Natur
und Uſie, auch jede ber beiden Energien vollftändig an
wn Tag legt."
Die dritte Adtheilung des Sophronius'ſchen Schreibens
betrifft ble Weltichöpfung: „Der Vater hat burd) ben Sohn
im heiligen Geift Alles erfchaffen. Die finnlihen Crea⸗
ten nehmen ein Ende, die intelleftuellen und unfinnlichen
aber fterben nicht; doch find fie nicht von Natur unfterb-
ih, fonberm durch Gnade, fo bie Seelen der Menfchen
md bie Engel.” . Darauf wird bie Lehre von der Prä-
eriftenz der Seelen verworfen und blefer und andere Irr⸗
thümer bed Origenes getabelt, befonders vie Lehre von ber
ἀποχατάστασις, wogegen Sophronius bie Kirchenlehre vom
Ende ber Welt, vom künftigen Leben, von Hölle und Himmel
ausſpricht. Weiterhin verjichert er feine Anerkennung der
fünf allgemeinen Goncilien und ihrer Olaubengerflärungen,
200 * Sopbrontus und Marimus
ebenfo, daß er anerfenne alle Schriften Cyrills, bejonders
bie gegen Neftorius, feine Synodalbriefe fammt ven zwölf
Anathematismen, aud) fein Unionsfchreiben (j. Concilien-
geih. Br. U. S. 252) unb bie damit übereinftimmenben
Schreiben der DOrientalen, ferner den Brief 2eo'6 an δίας
vian, ja fámmtlidye Briefe defjelben; überhaupt nehme er
Alles an, was bie fire annimmt, und verwerfe Alles,
- was fie verwirft. Insbefondere [prede er das Anathem
über Simon Magus ꝛc. 20. unter namentlider Aufführung
einer großen Zahl von Häretifern und Qüreflen von ben
früheften ‚Zeiten an bis auf bie verjdjlebenen monophyſi⸗
tifdjen Fraktionen unb ihre jüngften Häupter. Zum Schlufie
bittet er feine Gollegen nochmals, das Mangelhafte in
diefem feinem Synodalſchreiben zu verbefjern, was er jehr
dankbar annehmen werde, und empfiehlt ihrem Gebete (td)
jelbft, feine Kirche und die Kalfer, venen er Siege, beſon⸗
ders über bie Caragenen, wünſcht, welche gegenwärtig zur
Strafe unferer Sünden das römische Reich [o fehr be.
läftigen unb bebrohen 1).
Der zweite unermübete Befämpfer des Monotheletis-
mus, in blejem fampfe fogar zum Martyrer geiworben,
war Abt Marimud Aus einer angefehenen Familie
Conftantinopeld um's Jahr 580 geboren, hatte er durch
bedeutende Talente und Kenntniſſe ble Aufmerkſamkeit des
Kaiſers Heraflius auf fid gezogen und war beffen etfier
, ©eheimfchreiber geworden, ein Mann von Einflug und
Anfehen. Aber im Jahre 630 verließ er die Bahn bet
1) Ueber die Lebensgefhichte des Sophronius unb Maximus vgl.
die betreffenden Artikel von Weinhbart und Beron im Kirchen:
lerifon von Weser und Welte, 90. X, ©. 246 (f. und Guppl.
©. 784 fi.
über bie zwei Willen im Chriſtus. 361
weltlihen Ehren unb wurde Mönd im Klofter zu Ehryfo-
polis (jegt Skutari) anf bem jenfeitigen Ufer von Gon;
ftantinope[ ; man glaubt: fowohl απὸ Liebe zur Ginjamfeit
als απὸ Unzufriedenheit mit der Stellung, die fein Herr
in der monotheletifchen Angelegenheit einnahbm. Als So⸗
phronius i. S. 633 zum erftenmal gegen bie Irrlehre in
Alerandprien auftrat, war Marimus in jeiner Begleitung.
Bon da wieder in fein Klofter zurückgekehrt entichloß ex
fi, als bie monotbeletifd)e Härefte in Eonftantinopel immer
mehr zunahm, zu einer Reife nad) Rom und fam auf bem
Wege dahin zum zweitenmal nad) Afrika. Während eines
längeren Aufenthaltes bafelbft hatte er vielfadyen Verkehr
mit bem dortigen SBifdjófen und warnte überall vor ber
monotheletifchen Irrlehre. In biefe Zeit fällt auch bie
merfwürdige Difputation zwiſchen Marimus unb bem ab;
gejegten und vertriebenen Patriarchen Pyrrhus von Gone
ftantinopel, die laut ber Ueberſchrift im Juli 645 in Gegen,
wart des Faiferlihen Statthalter und vieler Bifchöfe, wit
wiſſen nit wo in Afrika (tattBatte. Ihre ausführlichen
Akten find auf und gefommen !), und enthalten eine feft
eingängliche Beſprechung ſowohl ber orthoboren dyotheleti⸗
ien Lehre felbft, als ber gegnerifchen Ginmürfe. Maximus
zeigte dabei viel dialektiſche Gewandtheit und große Ueber⸗
legenheit über Pyrrhus, ben er mitunter nicht febr höflich
behandelte.
Pyrrhus eröffnet bie Unterredung mit ben Worten:
„was Babe ἰῷ, ober was fat mein Borgänger (Patriarch
1) Abgedruckt in S. Maximi Opera, ed. Combefis, T. IL. p. 159 sqq. ;
aud) bei Mansi, T. X. p. 709—760 (duch Drudfehler entftellt) unb
im Anbange zum 8ten Bande des Baronius.
202 Gopbronius und Marimus
Sergins) bir getban, tag du uns überall als Häretifer
verfchreift? Wer hat bid) je mehr geehrt, als wir, obs
gleih wir dich nicht von Angeficht fannten?" Marimus
erwieberte: „Letzteres ift richtig; aber feit ihr das chriftliche
Dogma verlegt habt, mußte ich eure Gunft der Wahrheit
nad[egen ... Die Lehre von einem Willen ift bem
Chriſtenthum zuwider, denn was ift unheiliger, als δὲν
Daupten: berfeíbe Wille, duch den Alles erichaffen ijt,
babe nad) der Menjchwerbung aud) Speife und Trank vet»
langt?” Pyrrhus: „Wenn Gfriftué nur eine Perfon ift,
fo wollte eben tiefer Eine, alfo ift nur ein Wille vor
banben." M. „Das ift Eonfufion. In Wahrheit ift bet
eine Gbriftuó Gott unb Menſch zugleich; ift et aber beides,
fo wollte er ald Gott unb ald Menſch, unb zwar je dag,
was bet betreffenden Natur angemefjen ift; feine Natur
entbehrte ihres Willend und ihrer Wirkfamteit. Wenn die
Zweizahl ver Naturen ben einen Chriftus nicht trennt,
fo thut dieß aud) nicht die Zweizahl ber Willen und
Operationen.” — 9B. „Aber zwei Willen jegen tod) zwei
Wollende voraus." M. „Das habt ihr allerdings in euren
Schriften behauptet; aber εὖ ift ungereimt. Angenommen
εὖ wäre jo, daß zwei Willen zwei Wollende voraudfegten,
fo müßten vice versa zwei Wollende aud) zwei Willen
haben. Wendet man dieß auf die Trinität an, fo müßt
ihr entweder mit Sabellins jagen: weil in Gott nur ein
Wille ift, fo ift aud nur eine Perſon (ein Wollenver)
. in ver Gottheit; ober ihr müßt wie Arius jagen: weil
drei SBollenbe (Berfonen), fo müffen in Gott drei Willen
fein, alfo drei Saturen, denn die Verfchiedenheit ver Willen
fommt παῷ der Lehre ber Väter von ber Verſchiedenheit
über die zwei Willen in Chriftus. 203
ber Naturen” P. P. „Aber es ijt nicht möglich, daß
in einer Perſon zwei einander nicht widerſprechende Willen
find.” M. „Hienach gibft vu zu, es fónnen wohl zwei
Willen in einer Perſon fein, nur fei nothiwendig, daß
fie ſich widerfprechen. Aber woher fommt denn ber Wider⸗
ſpruch? Wenn von bem natürlihen Willen (an ji), fo
fäme er von Gott, unb Gott wäre die Urfache des Kampfes.
Kommt er aber von ber Sünve, fo fonnte diefer Wider⸗
ſpruch nicht in Chriftus fein, weil er frei von aller Sünde
war.” P. „Das Wollen ift alfo Cade der Natur?“
SX. „Allerdings, das einfache Wollen.” 9B. „Aber vie
Väter jagen, die Heiligen hätten einen Willen mit Gott;
find fie_alfo ber gleidyen Natur wie Gott?" M. „Hier
ift Mangel an Diftinktion, und du verwechjelft den Gegen⸗
ftand des Wollens (das Gewollte) mit bem Willen an fidh.
Die Väter hatten bei jener Aeußerung nur den Gegen
ftand des Wollend im Auge, und gebrauchten ben Ausdruck
Willen nicht im eigentlichen Sinne.” 5p. „Wenn ber Wille
Cade ber Natur ift, fo müfjen wir unfere Natur febr. oft
ändern, denn unfer Wille ánbert fid oft, und wir müfjeu
anderer Natur fein, αἱ anbere Menfchen, denn bieje wollen
oft etwas Anderes, als wir." M. „Man muß das Wollen
unterfcheiden von bem concreten Wollen eines beftimmten
Dinges, wie man das Sehen unter[djelben muß von bem
Sehen eines beftimmten Dinges. Wollen und Sehen find
Sache ber Natur, und finden fid) bei Allen, welche gleicher
9tatur find; aber das Wollen und das Sehen eined ber
1) Dieß lehrten SSafiliué, Gregor von 9tyfja, Gyrill u. X. Vgl.
bie Sammlung ber patriftiichen Stellen für zwei Energien, von Was
rimué in f. Opp. T. IL p. 156 sqq.
Iheol. Duartalfchrift 1857. U. pert. 14
204 — Sophronius und Marimus
flimmten Dinges, 3. B. ob rechts ober linfó, nad) oben,
oder mad) unten 1c. ıc., das find modi ber Berrügung bed
Willens ober beó Sehens, und durch bieje modi unter:
fcheidet fid) Einer vom Andern.” P. „Wenn du in Ehris
flus zwei natürlihe Willen befaupteft, jo hebft du feine
Breiheit auf, denn was natürlich ift, ijt nothwendig.“
M. „Weder bie göttlihe noch ble menfchliche vernünftige
Ratur Chrifti ijt unfrei, denn die mit Vernunft audges
rüftete Natur bat die natürfide Kraft des vernünftigen
Berlangens, Ὁ. i. die ϑέλησις (dad Wollen) der vetnünf
tigen Seele. Aus bem Gate aber: dad Natürliche ift
notbwenbig, folgt Abſurdes. Gott ift natura gut, natura
Schöpfer, aljo müßte er nothwendig Schöpfer, notbroenbig
gut fein. Und wäre derjenige nicht frei, der einen natür
lichen Willen hat, (o müßte umgefehrt ber frei fein, ver
feinen natürlichen Willen hat, alfo das eblofe." P. „Ich
gebe zu, εὖ feien in Chriftus natürliche Willen, aber wie
aus zwei Naturen ἕν τὸ σύνθετον von und anerkannt
wird, fo müfjen wir aud aus beiden Willen ὃν vc ow-
Ierov annehmen; deßhalb follen bie, welche zwei Willen
wegen ber Zweiheit ber Raturen befennen, nicht mit denen
ftreiten, bie nur einen Willen wegen ber innigften Ber:
bindung annehmen es ift nur ein Wortftreit” ). M. „Du
irreft, weil du durchaus nicht einflehft, ba Synthefen nur
ftatthaben bei Dingen, bie in ber Hypoſtaſe unmittelbar
find (mie die Naturen), nicht aber bei ben Dingen, bie in
einem Andern find (wie die Willen in den Staturen).
Wenn man aber eine Synthefe ver Willen annähme, müßte
man nothwendig aud) eine Syntheſe aller andern Eigen,
1) Manei, |. c. p. 715.
über bie zwei Willen in Ehriftus. 205
tfümlid)felten der 9tatuten. annehmen, alfo 3.2. eine Syn
thefe des Geſchaffenen mit bem Ungeſchaffenen, des Ber
ſchränkten mit bem Schranfenlofen, des Sterblichen mit bem
Unfterblichen, und fäme (o auf abfurde Behauptungen... .“
P. „Haben denn die Eigenthümlichkeiten ber Naturen nicht
aud) ein Gemeinjameó, wie bie Naturen ſelbſt?“ M. „Nein,
fie haben nichts Gemeinfames (b. b. bie Eigenthümlichfeiten
der einen Statut. haben mit denen der andern nichts Ge,
meinfames), als bie eine Hppoftafe.” PB. „Aber fpredjen
wenn ble Väter nicht von einer Gemeinſchaft der Herrlich.
(it und einer Gemeinjdaft der Grniebrigung, wenn fte
(agen: bie Gemeinjdaft der Herrlichkeit hat eine andere
Duelle, und eine andere bie ber Schmach“ (jo fagte Papft
$to Ὁ. G., ſ. Conciliengeſch. Bv. IL. ©. 342. c. 4, wo et
davon ſpricht, daß die der Gottheit unb ber 9Wenjdbeit
in Chriſto gemeinfame (Bre eine andere Quelle hat, ale
die beiden gemeinjame Schmach). M. „Die Bäter reben
hier nad) Art der ἀνείδοσις (ber communicatio idio-
matum); biefe aber jegt zwei und zwar unábnlide Dinge
voraus, Indem was bem einen Theile Chriſti (e. g. ifm
alé Gott) natürlid) zugehört, bem andern Theile (bem
Menſchenſohn) auge[drieben wird. Und wenn bu nad) ber
Art der αντίδοσις να ϑέλημα Chriſti ein κοινὸν nennft,
fo befaupteft bu eben damit nicht einen, fonvern zwei
Villen.” P. „Wie, wurde das Fleiſch Chriſti nicht bes
wegt burd) ben Wink des mit ihm verbundenen Logos ?“
JR. „Wenn bu blefeó jagft, trenmft du Chriſtus, denn burd
ſeinen Winf wurde and Moſes und David ac. bemegt;
wir aber fagen mit den Vätern, daß verfelbe höchſte Gott,
welcher unverwandelt Menſch geworden, nicht nur als Gott
14 *
206 Sophrontus unb Maximus
wollte das feiner Gottheit Gemáfe, ſondern ebenberjelbe
aud; als Menih das wollte, was feiner Menfihheit gemäß.
ift. Da alle Dinge tie δύναμις des Seienden haben, unb
diefer natürlich ift die oou (das Hinneigen) zu vem Bor:
theilhaften, unb die ἀφορμὴ (das Surüdweiden, Fliehen)
vor bem Vernichtenvden, jo hatte aud) ber menſchgewordene
Logos bieje δύναμις ber Selbfterhaltung, und zeigte ihre
ὁρμὴ unb ἀφορμὴ durch tie Energie: die ὁρμὴ in Be
nügung bet phyfiichen Dinge (bod) ohne Sünde), bie
ἀφορμὴ aber, als er fid vor bem freiwilligen Tode fuͤrch⸗
tete. That aljo die Kirche etwas Unpaſſendes, wenn fie
in der menschlichen Natur auch bie ihr anerfchaffenen Eigen-
thümlichfeiten, ohne weldhe bie Natur gar nicht fein fann,
fefthält?” P. „Aber wenn in ber Natur Furt ift, fo ift
etwas Böfes darin, unb bie menſchliche Natur (Gbrifti) if
. bod) frei. von allem Böſen.“ M. „Du täufcheft dich wieder
durch ben Gieid)laut. Es gibt zweierlei Furt, eine natur
gemäße, und eine. nicht naturgemäße. — Grítere dient zur
Erhaltung bet Natur, die andere ift unvernünftig. Chriſtus
zeigte nur bie -erftere; ἰῷ fage: zeigte, denn bei ihm
war alles Phyſiſche freiwillig; er hungerte und bürftete
"und fürdtete fid) wahrhaft, aber bod) nicht wie wir, fon
dern freiwillig.” P. „Man follte eben mit Vermeidung
aller €ypigfinbigfeiten einfach fagen: Chriftus ift wahrer
Gott und wahrer Menſch, und von allem Andern (naͤmlich
ben Eigenthümlichfeiten und Willen ver 9tatuten) abfehen“ >.
M. „Das wäre eine Berwerfung der Synoden und Väter,
welde nicht nur die 9taturen, fonbern aud) deren Eigen
thümlichfeiten ausgefprodhen haben, lebrenb: Einer und
1) Mansi, 1. c. p. 720.
über bie zwei Willen in Chriſtus. 201
berfelbe fei fichtbar unb unfichtbar, flerblich und unſterblich,
taftbar und unantaftbar, gejchaffen und ungefchaffen. Auch
zwei Willen lehrten fie, nicht blos durch Gebraud ber Zahl
zwei, fonbern aud durch bie Gntgegenfegung von ἄλλο xal ἄλλο
unb durch vie Analogie von góttlid) und menschlich.”
S8. „Man joffte werer von einem nod zweien Willen [pres
hen, da bie Synoden dieß nicht getban haben uud bie
Häretifer diefe Ausprüde mifoeuten.^ M. „Wenn man
nur Ausdrüde der Synoden gebrauchen dürfte, jo dürfte
man aud) nicht (agen: μέα φύσις τὸ 968 Aoya σδσαρκω-
μένη. Uebrigens, aud) wenn man nur an die Eynoden | fid)
halten will, wird man gezwungen, aud ben zwei Raturen
und ihren Eigenthümlichfeiten (welche bie Synode von Ehals
(bon lehrt), auf zwei Willen zu- fließen und fie anzus
erfennen. Unter Eigenthümlichfeiten einer Natur verfteht
man ja das, was ifr φυσικῶς angehört, jeder Natur Chrifti
aber ift ein Wollen natureigen (φυσικῶς ἐμπέφυκεν). Und
wenn bie Synoden ben Apollinarid und Arins anathematis
τίει, von denen jeder nur einen Willen lehrte, — jener, '
weil er bie σάρξ Ehrifti für weſensgleich erflärte mit bet
Gottheit, Arius aber, weil er den Sohn erniebrigenb, ihm
feinen wahrhaft göttlichen Willen zuſchrieb —; wie füns
nen wir bann anftehen, zwei Willen zu lehren. Ferner,
bie fünfte Eynode erflärte: „wir anerkennen alle Schriften
des Athanafins, Bafilius, Gregor u. A.; in viefen aber
fnb deutlich zwei Willen gelehrt.” B. „Scheint bir denn
bet Ausdrud natürlicher Wille nicht anftopig? "^ M.
„Es gibt drei Arten des Lebens in ven Gefchöpfen, das
Pflanzenleben, das empfinbenbe Leben und das benfenbe.
Der Pflanze ift von Natur eigen, daß fie wachſe 1c,
den empfindenden Greaturen,, bag fle begehren, ben
208 Sophronius und Marimus
benfenben Geſchöpfen, daß fie wollen. Alles Bernünftige
muß barum von Natur wollenb fein. Nun hat ver Logos
eine vernünftig befeelte Menfchheit angenommen, barum
muß er auch, fo fern er Menſch ift, wollenn fein.“ — 9p.
„Ich bin überzeugt, daß vie Willen in Ehriftus den Ra;
turen angehören, ber creatürlide Wille feiner gefchaffenen
Natur ꝛc., und daß die beiden Willen nicht in einen zu
fammenfallen fónnen. Aber diejenigen, welde in Byzanz
gegen bie natürlichen Willen fümpfen, behaupten, bie Bas
tet hätten gefagt, ber Herr Babe κατ΄ οἰχδέωσιν (Aneig-
nung) einen men[dliden Willen” ), M. „Es gibt zweier⸗
[εἰ Aneignungen, nämlid die wefentlihe, durch die Jeder
hat, was der Natur angehört, und bie relative, wenn wir
Fremdes freunbíid) uns aneignen. Welche Aneignung ift
hier gemeint?" DB. „Die relative?" M. „Wie unpafjend
bief fel, wird fid) θα! zeigen. Das Natürliche wird nicht
erlernt; auch das Wollen wird nicht gelernt, folglich hat
der .Menih von Natur απὸ das Willensvermögen...
Wenn nun aber jene behaupten, Ehriftus habe ven menſch⸗
kichen Willen nur als ein Fremdes angenommen, fo müfjen
fie confequent fagen, er habe aud) die andern Eigenthüm⸗
lichfeiten der men[dliden Natur blos als Fremdes fid
angeeignet, wodurch bie ganze Menfchtwerdung zu einem -
Schein würde. Berner? Sergius anathematifirte Jeden,
ber zwei Willen annimmt. Nun nehmen and vie Lehrer
jener οἰκείωσις zwei Willen an, menn gleich einer bavon
nur ber angeeignete ift, aljo anathematifiren bie Freunde
des Sergius fich ſelbſt. Und menm fie, freilich fälſchlich,
behaupten, zwei Willen machen zwei Perſonen nöthig, [9
1) Mansi, |. c. p. 721,
über die zwei Willen in. Chriſtus. 209
führen bie Lehrer jener οἰκείωσις ſelbſt zwei Perfonen in
Gfriftuó ein.” P. „Lehrten denn die Vaͤter nit, daß
Ehriftus unferen Willen in fid) gebildet habe (ἐν ἑαυτῷ
ἐτύπωσε) ὃ" M. „Sa, fie lebrten audj, er habe unfere
Natur angenommen, aber fte meinten damit nicht κατ᾽
olxeloow." PB. „Aber wenn fie fagen: Ehriftus habe uns
ſern Willen in fi gebildet, fann dann damit ein nas
türlicher Wille gemeint fein?" M. „Allerbings, da Chris
Rus aud) wahrer Menſch ift, fo Bat ev in fid) und durch fid
tad Menſchliche Gott unterworfen unb unà ein Mufter
aufgeftellt , nidjtà zu wollen, ald was Gott wil." P.
„Aber bie nur einen Willen annehmen, meinen e8 nicht
666" D, M. „Auch die Severianer fagen, fle meinen οὖ
nift 668, menn fie nur eine Natur annehmen. Aber
welded foll denn tiefer eine Wille fein?" P. „Sie
nennen ihn ben gnomifchen, γνώμη if aber, wie Eyrill
fagt, der τρόπος ζωῆς, daß wir tugentfaft oder fünbfaft
leben.” M. „Die Lebensweife ift Sache ber Wahl, beim
Wählen aber wollen wir, darum ift γνώμη das Wollen
eines wirklichen ober vermeintlichen Gutes. Wie fann man
nun fagen: ber Wille [εἰ gnomifch, b. 5. aus einer γνώμῃ;
. das heißt ja nichts anderes, ald der Wille gehe aus einem
Willen hervor, was nicht möglich it ? Ueberbieß, wenn man
Ehrifto eine γνώμῃ zufchreibt (ein Wählen), fo macht man ihn
zu einem bloßen Menfchen, als ob er wie wir nicht gewußt
hätte, was zu thun, überlegt unb berathichlagt hätte...
vielmehr, da feine Hypoftafe eine göttliche, fo befaß er
don durd das Sein das natürlihe Gute" *), P. „Sind
1) Mansi, l. c. p. 725.
2) Hansi, l. c. p. 728.
210 Sophronius und Marimus
denn die Tugenden etwas natürlideó?" M. „Gewiß.”
P. „Aber warum find dann nicht alle Menichen gleich
tugenbfaft, da alle von einer Natur find?" M. „Weil
wir das Natürliche nicht gleichmäßig ausbilden, nicht gleich-
mäßig nad bem ftreben, wozu wir geboren find.“. P.
„Aber wir erwerben die Tugenden doch burd) Aſceſe.“ M.
„Die Afcefe und bie ifr folgenden Anftrengungen dienen
nur dazu, die Tänfchungen ver Sinne zu vertreiben; vers
ſchwinden biefe, fo fommen die natürlichen Tugenden von
ielbft.^ $8. „Es ift alfo Blasphemie, in Ehriftus eine
γνώμη zu behaupten.“ M. „die Väter gebrauchen γνωμὴ
in verfchievenem Sinne, als Rath, 3. 9. wenn Paulus
fagt: in Betreff ver IJungfrauen habe ἰῷ fein Gebot, aber
eine γνώμῃ; oder ald Berathſchlagung, bald αἱ
Sentenz, ald Meinung, 9Infidt. Sa id habe in
ver Bibel unb ben Vätern 28 Bedeutungen von yvoum
gefunden... Diejenigen nun, welche einen gnomi[djen oder
wählenden Willen 2c. behaupten, müfjen ihn entweder für
einen göttlichen ober englifhen ober menſchlichen ausgeben.
Erklären fie ihn für göttlich, jo nehmen ‚fie nur eine göfts
(ide Natur Chriſti an; wenn für engliih, fo nur eine
Engelsnatur, wenn für menfhlid, fo nur eine menfchliche
9tatur"^ 5. PB. „Um allem tem zu entgehen, fagen fie,
bet Wille [εἰ weder Sache der Natur nod) der Gnome,
jonbern er fel in uns Gade ver Gewandheit (enı-
τηδειότης, habilitas)." M. „Entweder ift tiefe Gewand«
heit κατὰ φύσιν und bann führt jener Ausdruck nur butd)
einen Umweg auf ben natürliden Willen zurüd; ober οὖ
ift bie Gewandheit Cade ber Anlernung. In lepterem
1) Mansi, |. c. p. 729.
über tle zwei Willen in Chriſtus. 211
Salle müffen fle der Schrift entgegen behaupten: Chriftus
babe nicht gewußt bevor er lernte, und verfallen in
Neſtorianismus, der aud; nur einen Willen in ben zwei
von ihm erfonnenen Perfonen annimmt. Nennen fie aber
jenen einen Willen Gprifti ben bypoftatifchen, fo fommt
er nur ter Perfon des Sohnes zu und fie behanpten damit,
ber Sohn Babe einen andern Willen, als der Bater. Nen⸗
nen fie ibn παρὰ φύσιν, fo vernichten fie damit bie Nas
turen in Chriftus. Ich möchte fie fragen: will Gott
Bater aló Gott ober ald Vater? WIN er ald Bater, fo
ift fein Wille von bem bed Sohnes verſchieden, was haͤ⸗
retifch ift. Will er aber ald Gott, fo folgt daraus, baf
der Wille Sache der Natur fei. Berner, da die Väter
lehren: zwei die nur einen Willen haben, haben aud
nur eine Subftanz, fo müfjen bie Monotheleten behaupten:
Gottheit und Menjchheit in Chriſtus jeien ein und dieſelbe
Subflanz. Berner, da bie Väter lehren: zweierlei Uſien
baben nicht einen gemeinfamen Willen ; fo dürfen fie noth⸗
wendig nicht behaupten, beide Naturen Ehrifti hätten einen
. gemeinfamen Willen; behaupten fie ed dennoch, jo wider
ipreden fie den Väten.” P. „Aber fie berufen fid) ja
jeloft auf die Väter“ M. „Nur die Neftorianer unb
Monophyfiten, obgleich Gegenjáge, lebren einen Willen,
nicht aber die anerfannten Väter” '). 9D. „Aber Gregor bet
Theologe (orat. 2 de filio) jagt: fein Wille war in nichts
Gott wiverfprechend, ganz vergóttlid)t. Spricht vieß nicht
gegen zwei Willen?" M. „Im Gegentheil, wie das Ents
günbete ein Entzuͤndendes voraudfegt, [0 das Vergöttlichte
ein Vergöttlichendes. Ueberdieß nennt berjelbe Gregor
Ld
1) Mansi, l. c. p. 732.
—-
L]
212 Gopbroniu& und Maximus
ganz ähnlich auch tie menfchlihe Natur Chriſti vergoͤtt⸗
(ijt; muß man deßhalb die zwei Naturen laͤugnen ?“ 3p.
„Dun haft vecht; aber fie führen aud? ben Gregor von
Nyſſa (orat. 1 de resur.) an, ber von Chriſtus fagt: bie
Seele Ehrifti will, ber Leib (des Kranfen) wird berührt,
und durch beides bie Krankheit vertrieben (Matth. 8, 3).
Hier fagt Gregor: die menſchliche Seele Gbrifti wollte durch
den göttlihen Willen ber. mit ihr hypoſtatiſch geeinigten
Gottbeit.^ M. „Dürfte man fagen: das Wollen vet ψυχή
fomme von ber Gottheit, fo dürfte man mit gleichem Rechte
aud) fagen: felbft die leiblihe Berührung fomme von der
Gottheit, was abfurd if." P. „Du haft 9tedt. Aber fie
berufen fid aud) auf Athanafius, welcher (orat. major de
fide) fagt: der (menſchliche) »8c des Serm ift nicht ber
Herr felbft, fonbern fein Wille, oder feine βόλησις oder
feine Energie auf etwas.” M. „Diefe Etelle beweist
gegen fi. Denn wenn ber »8c Ehrifti nicht felbft ter
Herr ift, fo Ift er offenbar nicht φύσει göttlich, aber hypoſta⸗
tiſch mit dem Herm geeinigt, unb darum feine ϑέλησες,
βόλησις oder ἐνέργεια. Athanafius richtet fi hier nad)
dem Spracdhgebrauhe des Glemenó von Alerandrien
(Strom. lib. VI), nad) weldyem ble ϑέλησις = väg opex-
τικὸς (begebvenber Geift), βόλησις — vernünftiges Bes
gehren; ben 9luóbrud ἐνέργεια πρός τε aber gebrauchte ber
f. Athanaflus, weil der Herr bei allen feinen gottgezies
menden (feiner göttlichen Natur angehörigen) Thaten fid)
bet hypoftatifch ibm geeinigten vernünftigen Menfchenfeele
bebiente."^ — SB. „Du Baft 9tedjt; aber Athanafius fagt
weiter: der Herr wurde aus bem Weibe geboren, aber
ohne farfifhe ϑελήματα und λογισμοὶ ἀνϑρώπινοι; die
ϑέλησις war nur die ber Gottheit." M. „Arkanaflus
über ble zwei Willen in Chriſtus. 213
fpridjt Hier gar nicht von bem Willen Ehrifti, fondern da⸗
von, daß die Menſchwerdung erfolgte rein durch göttlichen
Willen, ohne den Willen des Yleifches, ohne Zuthun eines
Mannes. Ueberhaupt lehren die Väter, wie tie 5. Schrift,
daß der Herr feinen zwei Naturen nad unfer Heil ge:
wollt und gewirkt habe.” P. „Habe die große Güte,
dieß zum zeigen”. M. „Nah Joh. 1, 43 wollte Jeſus
nadj Galiláa gehen; er wollte dahin gehen, wo er
mod) nit war. Nun war er aber blos der Menſch⸗
heit nad) nidt in Galilän, denn ald Gott ift er überall;
er wollte alfo nad) Galiláa gehen al& Menſch, nicht ale
Gott, und hatte fonad) als Menſch einen Willen. Ebenfo
Joh. 17, 24: er wollte, ald Menſch, daß wo er, aud
feine Schüler feien, denn nur als Menſch ift er an einem
gemifjen Orte. Bei Joh. 19, 28 unb Matth. 27, 34
fagte Sefus: mid dürftet und wollte ben mit Galle
gemifchten Wein nicht trinfen; dürften fann aber bod) offens
bar nur die Menfchheit, und barum war ed aud) fie, bie
den unpaffenben Trunk nicht nehmen wollte 9[ud in
Joh. 7, 1; Mark. 9, 29; 7, 245 II. Gor. 13, 4; Marl.
6, 48; 9Xattb. 26, 17; und Philipp. (idt Hebr. wie
Marimus fagt) 2, 8 ift ber menfchlihe Wille Ehrifti an»
gedeutet. In Pf. 39, 7. 8. heißt es: Schlahtopfer
"nb Speifeopfer haft bn nicht verlangt, aber
meinen Leib haft bu zugerichtet (zum Opfertob
beftimmt)... ſiehe, id fomme, im Bude ift von
mir gefchrieben, bag id deinen Willen thun
müjje, unb id wollte es. Daß dieß auf Gfriftue
als Menſch gebe, leugnet Niemand; und ſonach fchreibt
1) Mensi, 1. e. p. 736.
214 | Sophrontus und Martmus
ihm tiefe Stelle aud; als Menſch ein Wollen zu). Nach
L Mof. 1, 26 ift der Menſch nad) Gottes Ebenbild ge-
ſchaffen; tatum muß die menfdjfide Natur das Vermögen:
ver Freiheit haben, wie die göttliche. Und wenn Ehriftus
den menfchlihen Willen nicht angenommen hat, wie fie
behaupten, jo hat er ihn aud) nicht geheilt, unb wir find
des vollftändigen Heils nicht tbellbaftig. Daß aber ber
Herr aud) einen göttlichen Willen hatte, erhellt aus Luf.
13, 34 unb Joh. 5, 21° *). 5B. „Dieß beweist allerdings
zwei natürliche Willen. Aber warum hat ter Papft Pis
gilius die Schrift τοῦ Mennas, welde nur einen Willen
lehrt, angenommen, nadbem fie ihm im Gabinette des
Kaifers (Suftinian) und im Eenate gezeigt worden war?“
M. „Ich ftaune, daß ihr und euet Vorgänger, die ihr tod
Patriarchen jeib, zu lügen wagt. Gergius fagte in feinem
«Briefe an Honorius, Vigilius habe über jene Schrift Nach—
richt erhalten, aber nicht, daß fie ihm gezeigt oder übeve
geben worden fel; du aber jagft in deinem Briefe an 9p.
Sohannes, ſie [εἰ ihm gezeigt und übergeben worden.
Welchem von euch beiden fol man nun glauben?” P.
„Aber PBapft Honorius hat in feinem Schreiben an ere
gius nur einen Willen behaupte.“ M. „Der (δοπεὶς
pient jenes Briefe von Honorius, ver päter im Auftrag
Sebanné IV. aud) an K. Gonftantin fchrieb, verfichert, dort
nur gefagt zu haben: ald Menſch habe Iefus nur einen
Willen gehabt (dad Gefe& des Geiftes), und nicht zugleich
auch den Willen ber Glieder“ 5), P. „Mein Vorgänger
1) Mansi, l. c. p. 737.
2) Mansi, I. c. p. 740.
3) Vgl voriges Heft ber Quartalſchrift €. 23 f.
über bie zwei Willen in Gfriftus. 215
bat ed anders verflanben." M. „Nichts entfernte mid) fo
iebr von deinem Vorgänger, als feine Unbeſtaͤndigkeit. Bald
bilfigte ec den Ausprud: ein góttlider Wille Chriſti,
bald ein βελευτικὸν ϑέλημα, bald: ein ὑποστατικὸν,
bald ἐξοσιαστικὸν, bald προαιρδτικὸν, bald γνωμοιὸν, bald
oixovotuxov. : Durch jene Urkunden aber (die Efthefis)
hat er Spaltung verurfudjt.^ (Im Nächftfolgenden wider
legt Marimus die Behauptung bes Pyrchus, daß Sophros
nius von Gonftantinopel ben Streit angefangen habe.)
M. „Wir wollen jezt, nachdem ble Unterſuchung über vie
zwei Willen zu Ende, zu den zwei Energien übergeben" 1).
P. „Da das Wollen Sade der Natur ift, fo muß per
Synecdochen aud dad Wirken Sadje der Natur fein, unb
ich widerrufe meine früheren gegentheiligen Behauptungen“.
M. „In deinen Schriften habe ich gefunden, daß vu Ehrifto
alé Gangem nur eine Energie zuſchreibſt. Da nun
fein Ganzes feine Hypoftafe ift, jo müßte auch dieſe feine
“einzige Energie Dopoftati[d) fein. Dann aber wäre fie von
ber Energie feines Vaters und feiner Mutter verfchieden,
wie er von beiden hypoftatifch verſchieden iſt?). P. „Wenn
ijr wegen ber Berfchiedenheit ver Naturen in Chriftus
zwei Energien behauptet, und nicht wegen der Einheit {εἰν
ner Perfon eine einzige, fo müßt ihr auch wegen bes fub,
ftantiellen Unterſchiedes von Leib unb Seele zwei Energien
im Menſchen annehmen, und folgereht wären dann in
Ehriftus drei Energien.” M. „Was ihr ba gegen vie
Gigentbümlidjfeiten ber Naturen (in Ehriftus) vorbringt,
das wenden die Monophyfiten gegen die Naturen felbft
1) Mansi, 1. c. p. 744.
2) Mansi, l. c. p. 745.
-
216 Sophrenius und Marimus
ein, und was die Väter dieſen entgegengehalten haben,
das halten wir euch entgegen. Ihr nehmet mit uns zwei
— Statuten. in Chriftus an, und nicht blod eine wegen ber
Einheit feiner Berfon. Wenn ihr aber wegen des [ub
ftantiellen Unterjchieved von Leib und Geele zwei Ener
gien im Menfchen behauptet, jo müßt ihr aud) zwei 9ὲ αν
turen im Menfchen annehmen, und fonad in Ehriftus
drei. Nehmet ifr aber nit Drei Naturen in Chriftus
an, fo habet ihr aud) fein Recht, und einen Vorwurf zu
machen, daß wir nicht drei Energien behaupten. Ueber
bieß: was eins ift in Rüdficht auf vie Gattung (εἶδος)
Menſch, das ijt nicht aud eins burd fubftantielle Gin
beit von Leib und Seele. Die menjdjlide Natur ift eine,
weil fie der ganzen Gattung gemein ift, nicht aber weil
Leib und Seele eind wären. Ebenſo ijt ed in-Betreff der
Energie. Wenn wir nun Chrifto eine menſchliche Gat:
tungsenergie zufchreiben, fo entgehen wir ter Alternative:
bie Energie entweder ber Perfönlichkeit (Hypoſtaſe) aug
tbeilen, ober drei Energien in Chriftus anzuerkennen,
weil bie Energie fid) nad) der Natur richtet” D. 93. „Den
Energien ent[preden, jagt Neftorius, Perfonen, darum
fallet ihr durch vie Lehre von zwei Energien in ven Ne
florianiómue." M. „Bor Allem hat Neftorind bei zwei
Perſonen mdr einen Willen gelehrt. Aber wenn e8
wahr wäre, was ihr faget, daß ben Energien bie Perſonen
entfprechen, jo müßten umgefehrt den Perfonen aud) die
Energien entiprehen, und ifr müftet dann wegen bet
1) €» glaube ἰῷ den Sinn biefer fhwierigen Stelle auffaffen zu
müfjen. Die alte lat. Ueberjegung von Turrianus weicht hier wills
kührlich vom Griechiſchen ab unb ift unrichtig.
über die zwei Willen in Chriſtus. 217
drei Perfonen drei Energien in ber Trinität anerfennen,
ober wegen der einen Energie nur eine Perfon... Gbenjo
müßte man fagen, weil εὖ viele Perfonen in der Menſch⸗
heit gibt, gibt εὖ auch viele menfchlihe Energien, während
es in der That nur eine menjdlide Energie gibt (κατ᾽
eldog), und die Väter (Gregor von Nyfja) fügen: was
bie gleiche Uſie hat, bat aud) die gleiche Energie. Berner:
wenn fie behaupten, den Energien entfprechen SBerfonen,
unb menn fie felbft (anderwärts) jagen, Chriſtus habe
viele Energien (dieß lehrte Honorius), fo würde folgen,
daß fie bem einen Ehriftus viele Perſonen zufchreiben
müßten. Werner: menn ben Energien Perfonen entiprechen,
fo hören legtere auf, wenn erftere aufgehoben werden. Run
wollen aber die Monotheleten (ben Ausdruck) eine oder
zwei Energien aufheben, und würden damit, wenn fte
könnten, Chriftum felbft aufheben '). — Betrachten wir
und felbg, jo finden wir, daß Jemand gehen unb zu gleis
her Zeit benfen fann, ohne daß er daburh zu zwei
Menſchen wird, und ohne daß er vie feinen (beiden) Nas
turen (Leib und Eeele) entfprehenden Wirfungen vers
mijdte. Ebenfo bewahrt ein glühend gemachtes Schwerbt
feine beiden Naturen (Eifen unb Feuer) und deren natür-
liche Wirkungen, es ſchneidet und brennt zugleich; aber e
ift bod) nur ein Schwerdt, ohne daß jebod) die Naturen
befjelben vermifcht wären.” P. „Aber es ift (in Ehriftus)
nur ein Wirfender, und darum mur eine Wirkung,
Energie.” M. „Diefer Eine ber Perfon nad), tt zweifach
ben Raturen nad, und wirkte varum zweifach, als Einer,
fo daß mit der Mehrzahl ver Energien nicht auch eine
— —
1) Menei, I. o. p. 748.
218 ' GSopbrontus unb Marimus
Mehrzahl ber Perfonen eingeführt wird. Wollte man aber
bie Energie nicht den Raturen, jondern ber Perjon zus
Schreiben, jo würbe man auf Thorheiten fommen, die fchon
abgewiefen find. Was würbeft bm jagen, wenn ein Ans
derer behauptete: weil Chriſtus eine Perſon ift, jo hatte
er aud nut eine Natur? Sod, wenn ihr nur eine
Energie annehmet, weldes joll viefe eine fein; bie götts
fide, ober menſchliche oder feine von beiven? Wenn bie
göttliche, fo war Ehriftus purer Gott; wenn bie ππεπ
liche, jo nur Menſch; wenn feine von beiden, fo war er
weder Gott nod) Menſch.“ P. „Wenn wit von einer
Energie der Gottheit und Menſchheit Ehrifti reden, [fo
meinen wir nicht, in ihm fel fie vorhanden λόγῳ φύσεως,
fondern τρόπῳ ἑνώσεως (dur vie Einigung von Gott
heit und Menſchheit).“ M. „Wenn er die Energie, wie
ihr jagt, vurd ἕνωσις hat, fo war er vor diefer ἕνωσις
ohne Energie, hat alfo ohne Energie und mit Zwang bie
Welt gefchaffen. Berner: da der Vater und heil. Geift
nicht aud) hypoſtatiſch unirt find mit bem Fleiſch, jo hätten
fie folglich feine Energie, wären nidt aud Weltichöpfer.
Berner: müßt ihr die Energie entweder eine gefchafjene
ober ungejchaffene nennen, denn e8 gibt fein Drittes;
wenn eine gefchaffene, fo weist fie nur auf eine gefdaf»
fene Natur Gprifti bin; im anderen Sale nur auf eine
ungefchaffene ; wie fónnte die Energie einer gefchaffenen
9tatur eine ungejdaffene fein, und umgekehrt?" — 59.
„Stimmft du aud) denen nicht bei, welde das ἀποτέλεσμα
(Effekt) ber von Ehriftus vollgogenen Handlungen unter
ula ἐνέργεια vexfteen 1^ 1) M. „Verſchiedene Handlungen
1) Mensi, 1. c. p. 749.
über die zwei Willen in Chriſtus. 219
haben verſchiedene Effekte, und nicht einen. Wenn aud)
bei dem glühenden Schwerbte die Gnergie des Feuerd unt:
tie des Eiſens geeiniget find, jo ift bod) ver Effeft des
Feners das Brennen, der des Gifend das Schneiden, wenn
fie gleich nicht von einander getrennt erfcheinen in dem
brennenden Cdnitt und in dem fchneidenden Brennen.
Man fann nicht von einem Effeft fpreden, wenn nicht
aud eine Handlung ba if. Da nun ber Handlungen
Ehrifti viele find, fo müßt ihr zahllofe Effekte annehmen,
oder, wenn ihr einen Effeft fefthalten wollt, müßt ihr
auj nur eine Handlung Ehrifti annehmen. Uebrigens
haben wir nicht von den Handlungen Ehrifti zu teben,
nijt von bem, was ἐξω Χριστᾷ ift, fondern von bem,
tad ἐν Χριστῷ ift, von bem phyſiſchen Berhältniß bert
lien Ehrifti, ob ed durch vie Einigung der Menſchheit
und Gottheit beeinträchtigt wurde ober nicht... Uebrigens
habt ihr nicht (mie du glauben madjen wilft) mit Ruͤd⸗
fijt auf bie Handlung (τὸ ἔργον, ἀποτέλεσμα), fonbetn
mit Rüdficht auf die phyſiſche Beichaffenheit ber geeinigten
Raturen von einer Energie gefproden und fo das Fabel-
tbier Bockhhirſch aufgeftellt. Das beweifen deutlich die Ga;
pitula des Cyrus, die ihr angenommen habt, worin gelehrt
it, Chriſtus habe durch dieſelbe Energie Göttliche und
Menichliched gewirkt. Dieß widerfpricht der Schrift unb
ben B. Bätern, ja felbft der Natur ber Sache, denn fein
Ding fann neben feiner natürlien Wirkung nod) eine
entgegengefeßte haben, das Feuer kann nicht warm unb
fait zugleih machen. Ebenfo fann nicht eine Natur
Wunder wirken unb Leiden erbulden“ 1). P. „Aber Ey-
1) Hansi, 1. c. p. 751.
Thesl. Quartalſchrijt. 1857. IL Heft. 15
220 Sophrontus unb Marimus
till jagt bod, Ehriftus habe ulm συγγενῆ δὲ ἀμφοῖν
ἐνέργειαν an ben Tag gelegt." M. „Cyrill war weit ent
fernt, der Gottheit und Menfchheit nur eine gua]
ἐνέργδια zuzufchreiben, denn er lehrt ja anderwaͤrts: Fein
Bernünftiger wird behaupten, bag Schöpfer
und Gefhöpf eine und biefelbe Energie haben.
Vielmehr wollte.ex zeigen, daß bie göttliche Energie eine
und viefelbe fei, jowohl ohne Verbindung mit ber Menſch⸗
heit, als in Verbindung mit derfelben, gleichwie bie Energie
bes Feuers eine und viefelbe ift, fowohl in αἰ ohne Ver⸗
bindung mit einer ὕλη. Der Bater Cyrill Dat fo nicht
von einer Energie bet. beiden Naturen in Gbriftuó ges
ſprochen, fondern gejagt, bie göttliche Energie {εἰ eine
und biefelbe, bie gleiche im fleifchgewordenen Sohne wie
im Bater; und Chriftus habe die Wunder nidt durch all
mächtigen Befehl (= göttliche Energie) allein, afomatiich
gewirft — aud) nad) ber Fleifchwerbung ift et ja ὁμοεργὸς
bem afomati[d) wirkenden Bater — fondern er hat fie aud
burdj leiblide Berührung (agr) ſomatiſch gewirkt, alfo
δι ἀμφοῖν. Die durch das Wort unb den allmächtigen
Willen gefchehene Wiedererweckung des Maͤdchens und Heis
[ung des Blinden war, verbunden mit ber durch Berührung
fomatifch vollzogenen Heilung. Die göttlihe Energie hob
dabei die menſchliche nicht anf, fondern beuügte fie zum
ihrer eigenen Manifeftation.. Das Ausftreden der anb
(bei der Heilung des Blinden), bae Miſchen von Epeichel
und Erde ic. gehörte bet ἐνέργεια der menſchlichen Natur
Ehrifti an, und Gott war beim Wunder zugleich aud) als
Menſch tfátig. Cyrill hat alfo ble Eigenthümlichkeit jeder
Natur nicht verfannt, jondern ble fehöpferifche göttliche
Energie und bie ζωτρηὴ (Ὁ. i. bie bush ble menfchliche
über ble zwei Willen in Chriſtus. 221
Seele bewirkte [εἰσ δε Energie) als ἀσυγχύτως im fleifch-
gewordenen Logos verbunden gefeben.^ P. „Du Daft gut
gezeigt, daß der B. Cyrill ber Lehre von zwei Energien
nicht widerjpreche, im Gegenthell mit ihr harmonire; aber
bet B. Dionyfins Areopagita fpridgt von einer καινὴ ϑεαν-
doux; ἐνέργεια" M. „Hältft du blefe καινὴ ϑεανδρικὴ
δνέργεια für etwas quantitativ oder qualitativ Neues ?^
$8. „Kür quantitativ nen.” M. „Dann mile in Chriſtus
aud) eine britte tatur, ϑεανδρικὴ, angenommen werden,
denn eine dritte Energie (und das wäre fie, wenn fie
quantitativ neu wäre), febt eine dritte Natur voraus,
weil zum Begriffe Ratar ba& Moment ver eigenen weſen⸗
haften Wirkſamkeit gehört. Ift aber das Neue ein qua:
[itativ Nenes, fo ift damit nicht eine einzige Energie,
ſondern die neue, geheimmißoolle Art und Weife ver
menfchlihen Thätigfeiten (Energien) Chriſti ausgebrüdt,
welde eine Folge ift der geheimnißsollen Vereinigung und
Perichorefe (= das Ineinanderfichbeiwegen) ber zwei Nas
turen in Chriftus. Sa, in bem Ausdrucke ϑεανδρικὴ ἐνέρ-
γειὰ wird, weil er ble 9tatiten numeriſch aufführt,
pertphraftifch (mittekbar) zugleich auch die Zweiheit ver
Energien gelehrt. Denn hebt man: die zwei Gegenfäge'
(Söttlihes und Menſchliches in Chriſtus) auf, fo bleibt
nichts Mittleres übrig. Und gejcht, es wäre nur eine
einzige Energie in Chriſtus, die ϑεανδριχῆ, fo hätte Chriſtus
ale Gott eine andere Energie! al& ber Bater, denn bie be$
Baters ift unmöglich gottmenſchlich.“ P. „Den Gag, was
gleicher Natur fel, habe audy bie gleiche Energie (wie ble
drei Perfonen der Trinität), und was fidj im der Energie
unterfcheide, unterfcheive fi aud) In ber Natur, — liefen
Sag haben die Väter nur in-SSetreff der Theologie, und nicht
19*
222 Sophrontus unb Marimus
απῷ in Betreff der Defonomie (Menſchwerdung) aufgeftellt.^
M. „Sp wäre aljo nad) Gud) der Sohn nad) feiner Menſch⸗
werbung nicht mehr gleicher Theologie mit bem Vater,
er dürfte aud nidt mehr neben bem Vater angerufen
werden, er wäre nicht gleicher Eubftanz mit bem Vater,
unb es wären bie Bibelfiellen unwahr, welche ibm biefelbe
Energie zufhreiben, wie bem Vater (Job. 5, 17. 19. 21;
10, 25. 38). Kerner: die fortwährenne Weltregierung ift
Sache Gottes, nicht nur des Vaters und Geifteó, fondern
auch des Sohnes; folglich hat ber Sohn aud nad bet
Menihwerbung mod) bieje(be Energie wie der Vater”...
$8. „Wenn wir von einer Energie fpreden, wollen wir
das menjdlide Wirken Chrifti nicht aufheben, aber ber
göttlichen Energie gegenüber ift und heißt εὖ Leiden.”
- M. „Die Dinge werden nicht erfannt aus dem Gegenjage
burdj bloße Negation, fonft müßte man 4. 3B. die menſch⸗
fide Natur 658 nennen, weil die gottlie gut ift.
Ebenso darf man nicht jagen, weil die göttliche Bewegung
Energie ift (eim. Wirfen), fo ift die menfdlide ein
gelben. Auch die Väter nennen das menſchliche Wirken
niót bloó Leiden, [onbern aud) δύναμις, ἐνέργεια, xi-
γησις γε, 1€. unb zwar nicht im Gegenjage zur göttlichen
Thätigfeit, fonberm nad) Ihrer eigenen Art und Weiſe, bie
fie vom Schöpfer erhalten hat. Sofern fie 4. B. erhalten
wirft, heißt fie δύναμες, fofern fie in allen Wefen berjelben
Gattung (ἐν πᾶσι τοῖς ὁμοειδέσιν) die gleiche ijt, heißt
fie ἐνέργεια 2c, ıc. Und aud, wenn le Väter das menſch⸗
liche Wirken ein Leiven nannten, tbaten fie dieß nicht im
Gegenjage zum göttliben Wirken, [onberm in Rüdficht auf
bie vom Echöpfer eingepflangte Art unb Weiſe des menſch⸗
[iden Wirkens jelbft. Und wenn (Papft) Leo fagt: agit
über ble zwei Willen tn. GDriftue. 223
utraque forma etc., fo ift bieB nichts Anderes, als was
ein Anderer fagt: nadjbem er vierzig Tage gefaftet,
bungerte ihn. Er gewährte nämlich der Natur, wann
er wollte, daß fie das ihr Eigene mirfe."
Durch biefe Auseinanderfegung wurde Pyrrhus übers
jengt, und legte bald darauf zu Rom freiwillig ein orthos
doxes Giíaubenóbefenntni ab. Leider führte ihn jpäter
die Begierde, wieder auf den Stuhl von Gohftantinopel zu
gelangen , in bie Reihen der Monotheleten zurüd. Die
Disputatio Maximi aber ift das 9Befte, was in jener Zeit
zur Bertheidigung ber Lehre von zwei Willen in Chriftus
gefchrieben worden ift.
Hefele
2.
Weber den Charakter ber flawifchen Liturgie.
Bei ber Wichtigkeit und bem Intereffe, welches die Frage
nad) der mefentliden Beſchaffenheit der flamijdjen Liturgie
in der Kirchengeſchichte überhaupt, und befonber8 für bie
Kirchengeſchichte der Elawenländer in Anſpruch nimmt, -
verdient biejelbe um fo mehr eine eingängliche Erörterung,
je weniger die Gelehrten über den Charakter der ſlawiſchen
Liturgie einig find.
So einftimmig tiefe Liturgie auf die Slawenapoftel
Eyrill unb Method als ihre Urheber zurücdgeführt
wird, fo wenig ift man darüber einig: welche Liturgie
die genannten Männer ind Slawiſche übertrugen.
Während die Einen die fraglidhe Liturgie für die
griechiſche der Kirche von Gonftantinopel ausgeben 1),
1) 3d) nenne unter Diefen den Leitmeriger Rathsheren und bob:
mifhen Grulanten Stranſky (f 1657), weldjer aus Abneigung gegen
Nom in f. Werfe vom Staate Böhmens (M. Pauli Stransky Respu-
blica Bojema. Lugd. Batav. Elzevir. 1634, 16. it. recogn. et aucta
1643, 8. Amstel. 1713, 12. Francof. 1719, fol.) c. 6. $. 3. fchreibt:
Graecorum enim is (Methodius) in religiosis rebus instituta seque-
batur, et graeco, in plerisque tum adhuc oppido sinceriore, non
Romano ritu plantatam in Bojemia (!) ecclesiam ordinarat, — Kohl
in f. Introductio in historiam Slavorum, Dobromfty in f. Gyrill
unb Method, fo wie in ſ. Mährifchen Legend, Dümmler im Archiv
Veber den Charakter der flamifchen Liturgie. 225
behaupten Andere, Methobs Liturgie fel Feine andere ald
die der römiſchen Kirche geweſen "), indeffen Dritte ble
Wrage nadj ber wahren Eigenthümlichfeit der ſlawiſchen
Liturgie ganz unentſchieden laffen ?).
older Unbeftimmtheit und folem Widerſtreit der
Meinungen wäre fein Raum gegeben, wenn ein Achter
Gober ber urfprüngfiden von Cyrill und Method verfaften
ſlawiſchen Liturgie vorhanden wäre 9). Bei bem biöherigen
fe Kunde offert. Gefchichtsquellen X. u. XII. !Bbe, und Koͤſſing in
ſ. diturgifden Borlefungen über ble ἢ. Meſſe. Regensburg 1856.
©. 140 i.
1) Jos. Simon Assemani in f. Kalendaria Ecclesiae universae.
Romae 1755. III. IV. 401 ss. unb Gelasius Dobner in f. Animadver-
sion. in Wenc. Hegck Annales Bohemorum P. IH. Pragae 1765,
peg. 197 s. unb in f. befondern fritijdjen Unterſuchung in ben Abhand⸗
lungen der böhm. Gefellffdjaft der Wiſſenſchaften. Prag 1786. IV.
©. 140 .
2) Barth. Kopitar in |. Prolegomena historiea in Evangelia slawice
(Slawiſche Bibliothek von ty. Miflofih J. Wien 1851. ©. 59. 64.)
ſchreibt: Methodius aut graece aut latine perrexisset dicere missam. . .
Hoc ergo nobile Graecorum par fratrum Moravis jam per-duas aetates
christianis sacra procurabat, lingua rittuque nescias gruecone (noc
enim schisma extiterat) an cui assueti erant latino Moravi. Palacky
fpricht fid) über biejen Punkt in f. Geſchichte v. Böhmen I. nirgends
beflimmt aus.
3) Gin folder it nicht vorhanden; denn „bie Ueberfegungen ber
beiden Brüder find nit aus erfter Hand auf uns gelangt, da bie
Verfolgungsfucht der deutfchen Priefter und bie Zerſtörungswuth bet
Ungarn in ihrer Wiege, in Mähren und Pannonien, alle Spuren von
ihnen vertilgte. Die vertriebenen Schüler des Methodius brachten
fie jebod) nad) Bulgarien, wo namentlich ber im I. 916 verftorbene
Biſchof Elemens fte abjchreiben ließ, und nad) Serbien, von wo fie
endlich feit dem I. 988 in Rußland Gingang fanden, und fo, fm
mannichfach veränderter Geftalt freilid), für die Nachwelt gerettet
wurden“. Dümmler im a. Archiv XIII. 198,
226 Heber ben. Gharalter
Mangel 1) eines ſolchen fam die Frage nad) bem Charakter
derjelben vou der forſchenden Gefchichte zwar nur indirect
beantwortet werben; εὖ find aber ber fi ihr zur Cnt
fdeibung biefer rage bietenden fiforifdyen Momente fo
viele und zugleich fo fidere, daß es fid) aufs Gelbentefte
herausſtellt:
die von Method in ſlawiſcher Sprache ge—
feierte Liturgie war jene der römiſchen Kirche.
Die Meinung, die von Cyrill und Method ſlawiſirte
Liturgie ſei jene der Kirche von Conſtantinopel geweſen,
ſtützt ſich einzig und allein auf den an ſich zwar richtigen,
aber auch gänzlich irrelevanten, alle& und jedes Gewichtes
zum Beweiſe deſſen, wofür er geltend gemacht werden
will, ermangelnden Umſtand, daß die Slawenapoftel nad
ihrer Abſtammung ſowohl in nationeler als kirchlicher
Beziehung Griehen waren.
Wohl waren fie Priefter ber griechiſchen Kirche,
aber — nur bis zum Sabre 863, wo „fie in den
Dienft ber abendländifhen lateinifhen Kirche
traten, um bis an ihr Ende in demfelben zu verbleiben;
and es erleidet fchlechthin Keinen Widerſpruch, daß bie
ebeín Brüder, tie fürmabr mehr Elawen als Griechen und
zugleich hochpäpftlich gefinnt waren, als Diener der lateini:
Shen Kirche vem Gejege und Brauche viefer Kirche, wie
in allen Stüden fo insbejondere in der Gottesdienſtfeier,
unterworfen waren und fid) freudig unterwarfen.
1) Gopitar wollte nidjt an ber Auffintung urfprünglider
Codices ber flam. Liturgie verzweifeln: deesse adhuc genuinos nobis
codices primos, ipsius S. Methodii setate A. 870-—900 in ipsa
Pannonis scriptos; wec tamen eos desperandos, quippe cum ali
ejusdem aevi graeci latinique plurimi aetatem tulerint Aragone
Clozian. p. IX.).
der ſlawiſchen Liturgie. 221
Zwar beraft fid Dobrowſky für feine Behauptung
von dem durch Gonftantin (Eyril) und Method eingeführ-
ten griechiſch-ſlawiſchen Ritus ') auf ven Diokle⸗
aten ?), welder fcdhreibt: Constantinus vir sanclissimus
ordinavit presbyterog(!) et literam lingua slavonica com-
ponens commutavit evangelium Christi atque psalterium
et omnes divinos libres veteris ei novi testamenti (7) de
graeca litera in slavonicam, nec non et missam eis ordinans
more Graecorum, confirmavit eos in fide Christi; aber
einen ungnverläffigern Zeugen 5), deſſen Umviffenfelt. in
1) Mährifche Legende, Prag 1826. ©. 91.
2) Sp wird insgemein der anonyme Berfafjer ber Regum Slavo-
rum bistoria genannt, ber ein Priefter des Erzbisthums von Doclea
oder Dioclea, das nah Zerftörung diefer Stadt gegen Ende bes
10. Jahrhunderts nach Ragufa übertragen wurde, nad) bem 3. 1161
ihrivd. Siehe Assemani Kalend, I. 336. 352.
3) Es mag genügen, das Urtheil Farlati's (lllyricum sacrum
Il. 144) über ihn zu vernehmen: In historia Diocletana multa passim
reperies, quge quum neque temporibus, neque locis, neque veterum mo-
numeutis consentanea sint, illins auctoritatem in magnum discrimen con-
jiciunt. Anachfonismis scatet fere ubique; et Imperatores, Pontifices,
Reges simul jungit, quos intervalla aetatum ac temporum longe inter se
disjungunt. Loca commemorat, quae vetus recensque Geographia
penitus ignoravit. Reges nominat vel antiquis seculis ignotos, vel
e longinquis terris gentibusque adscitos, atque in Dalmatiam invectos.
Quae quum animadverteret Joannes Lucius, fabulosum et commen-
litium magna ex parie habendum esse censuit hujusmodi Regnum
descriptum & Dioclente, qui, ut ipse ait lib. 2. cap. 14. de Reg.
Dalm. et Croat. in Regno statuendo Regumque recensione, regiones,
srpes, tempora adeo confundit, ut potius fabulam quam historiam
scripsisse deprebendatur; idemque aliis locis nihilo mitiorem huic
bistorico et historiae censuram inflixit. Und Pagi (Critica in Annsl.
Baronii ad a. 870. nun. 30.): Diocleas quidem presbyter in Regno
Slavorum, editus a Joanne Lucio in calce historiae suae de Regno
Dalmatiae et Croatiae, affirmat, Cyrilli nomen Constantino philosopho
8 Stephano Papa attributum fuisse. Verum is scriptor, qui sub
228 Ueber den Charakter
der Geſchichte der SClamenapoftel fij Dobrowffy in ten
wenigen bier angeführten Worten beffeíben anforingen
mußte, hätte er nicht anführen können. Der Diofleat
bildete fid) felbft die Meinung: Gonftantin und 9Retfob
Bätten unter den Mährern den Gottesdienſt nad) 9Beife ber
Griechen eingerichtet — aus feinem andern Grunde, ale
weil er in hiſtoriſcher Kurzfichtigfeit bloß ihr Herkommen
im Ange hatte.
Indem ich hier auf das, was ἰῷ über das anfängliche
Wirfen der Slamenlehrer in Mähren urkundlich nachge⸗
wiefen !), vermeije, Bebe ich hier nur hervor, daß Gon
ftantin und Method in ein Land famen, in bem feit zwei
Menſchenaltern das Chriftenthum, und zwar in Form beé
lateinifhen Kirchenweſens, beimijd war. Den
erleuchteten, von Kunde wie von Achtung des Kirchengeſetzes
gleih burdjbrungenen Prieftern fonnte e8 nicht in ven
Cinn fommen, von ber in Mähren gefeglihen Form dee
kirchlichen Cultus abzuweichen, und fie lafen babet bie
pl. Meſſe nad römifhem 9titne 5.
Maren fie fdjon als SBriefter im Dienfte der lateini—
jhen Kirhe an das Miffal und Ritual berjelben gebunden,
fo — wenn möglid — in um fo höherem Grave {εἰ fie
im Jahre 868 zu Bifchöfen der römischen Kirche ge
finem seculi XL vixit, saepissime falsa veris permiscet εἰς. Sicht
Assemani Kalend. II. 74 ss. UI. 118.
1) In einer nádjftené erfcheinenden Gefdji te bev &lamem
apoftel Eyrill unb Method unb ber flawifchen Liturgie.
Das Bud) ift bereits unter der Preffe.
2) Durch Gelebrirung der Meſſe nad) griehifhem Nitus würden
fe das chriſtliche Volt Mährens, das nur bie Mefie nach tómijdem
Ritus fannte, nur in unnöthige, ja ſchädliche Berwirrung gefeht
haben, .
ber flawifchen Liturgie. | 229
weihet waren. Bei feiner Gonfecration, fo wie bei feiner
Erhebung zur ergbifdófliden Würde war Methop
nit nur auf den Glanben bet römischen Kirche, fontem
and zur Wahrung der Einheit in allen kirchlichen Inftituten
und Gebräudyen derſelben eidlich verpflichtet worden, alfo
vorzugeweife and zum Gebrauche ber römifchen Liturgie.
Die Gefdidte der ergbifchöflichen 9Blrffamfeit Methods
fbt εὖ aber ‚anfier jeden Zweifel, bag er vom Anfang
$6 ans Ende berjelben Feiner anderen Liturgie in feiner
Kirchenprovinz, als ber von den Zeiten der Pflanzung des
$riftlidjen Glaubens in Mähren und Bannonien herrſchenden
Römischen, Raum gegeben babe. Der unverwerfliäfte
und berebtefte Zeuge beffen find die beutfden
Gegner unb Anktläger Methods.
ALS diefer feit dem Jahre 870 in Bannonien anfing,
βῷ bei ber Feier der HI. SRefje ber flawifchen Sprache zu
bedienen, wurde alsbald miber ihn ob dieſer unerhörten
Nenerung von Salzburg απὸ in Rom Klage erhoben,
worauf Papft Johann VII. vemfelben im Sabre 873
in einem durch ben Biſchof Paul von Ancona ifm juges
ſchicken Schreiben tiefe Titurgifche Neuerung verbot !).
lage unb Verbot betraf einzig unb allein bie liturgifche
Epradhe?), deren fid Method zu bedienen anfing;
1) Joannes P. VIII. ad Methodium (18. Kal. Jul. 879.): Au-
dimus eliam , quod missas cantes in barbara, hoc est in sclavina
liagna. Unde iam litteris nostris, per Paulum episcopum Anconitanum
ibi directis prohibuimus, ne in ea lingna sacra missarum solempnia
telebrares. Bocsek Codex diplom. et, epistol. Moraviae. Olomucii
1836. 1, pag. 39.
2) Wie bie eben angeführten Worte B. Johann VIIL bemeifen;
eben jo deutlich Jehren bief bie Worte des Anonymus Salisburgensis in f.
Conversio Carantanorum : Quidam graecns, methodi nomine, noviter
230 Ucher den Charakter
und das tiefe Echweigen über eine Reuerung im Gebrauche
der Liturgie felbft ift das wumverwerflichfte SeugniB, Vaf
Method in tem pannonifhen Antheile feiner Kirchen⸗
provinz, unb inóbefonbere in ben ſlawiſchen Gemeinten!)
an die Ctelle der früher gebráudjfiden römifchen nicht
die griechifche Meſſe gefeht habe ?).
inventis sclavinis litteris, linguam latinam doctrinamque romanam
atque literas auctorales latinas philosophice superducens, vilescere
fecit cuncto populo ex parte missas et evangelia ecclesiasticumque
officium illorum, qui hoc latine celebraverunt. Kopitar Glagolita
Clozianus. Windobonae 1836. fol. pag. LXXV.
1) Neben ben ſlawiſchen Gemeinden beftanb in Bannonien eine
bedeutende Zahl deutſcher Gemeinden. Nur in jenen wurde buch
Method vie lateinifhe Sprache bei der Meſſe und ben andern kirchlichen
Sunctionen durch die flawifche verdrängt — nad) ben unzweibeutigen in
ber vorigen Rote angeführten Worten des Anonymus, zu denen δὲ οί:
tat Ll c. bemerft: Bene interpretatus. est summas Dobrovius: er
parte sc. Sclavorum ; nam „Bawariorum“ quidem, qui nostro auctore
„cum Slavis inhabitabant hes terras“, quorumque bavarica ecclesia-
rum nomina ad Isangrimeschirichun et similium satis indicant paro-
chias, vix quidqam intererat, sive latine sive slavinice sacra fierent.
At intererat Salisburgensium ne latius serperet exemplum. Freilid
muß id) in Abrede fiellen, was hier Kopitar bemerft: als [εἰ es ben
deutſchen Gemeinben ganz gleichgültig gemejen, ob bei ihnen ber
Gottesdienſt Iateinifch oder flamijd) gefeiert werde. Denn verftanben
fie aud) Latein eben fo wenig als Slawiſch, fo war ihnen der lateiniſche
Gottesdienft bod) zur ur[prünglidjen lieben Gewohnheit geworben, bit
fie fier gegen die ihnen ſtockfremde ſlawiſche Neuerung nicht gleich⸗
gültig würden aufgegeben haben.
2y Dem fo ungzweideutigen Seugniffe des Anonymus gegenüber
führte demnah Method den Gebraud) der flawifchen Sprache beim
Gottesbienfle bloß in ben flawifhen Gemeinden ein, und in
den beutíd)en, aus bayeriihen Anfiedlern beftehenden &emeinden
blieb bie lateinijdje Meſſe fort und fort im Gebraude. Die Ber:
theidiger bec griehifhflawifhen Liturgie können diefem Zeug
niffe gegenüber weiter nichts annehmen, als Method habe einer
beppelten Liturgie in feiner Kirchenprovinz Raum gegeben, in ben
/
der ſlawiſchen Liturgie. 231
Ober follten die Salzburger, wenn ver ihnen verhaßte
Grieche wirfih auf ihrem frühern kirchlichen Territorium
wn römifchen Meßritus verdrängt hätte, darüber mit
Stillſchweigen Dinmeggegangen fein? lInglaublid ; venn
dadurch hätte fid) Method εἶπες nod) weit jchreiendern
Feuerung auf bem Boden ber lateinifhen Kirche ſchuldig
gemacht, indem er dad unbeftreitbare Recht verjelben auf
ausfchließliche Geltung ihrer eigenthümlichen Liturgie offen,
bar angetaftet hätte. Oder ſollte Papſt Johann VIIL bie
Bebrüngung ter römischen Liturgie durch Method, wenn
tt fil derfelben unterfangen und von ben Salzburgern
deßhalb in Rom verklagt worden wäre, als eine Cade
wn wenig Belang haben ungerügt hingehen lafjen? Dieß
fónnte nur Jemand glaublih finden, ber überhaupt eben
fo wenig den Geift des römischen Stuhles als bie Bes
dentung der kirchlichen Liturgie Fennt, und insbefonvere
überfieht, daß ber Papſt nothwendig auf die wie immer
articulirte Plage eingehen mußte.
Es fteht daher Hiftorifch feft, daß gegen Method
während feiner erzbiſchöflichen Wirffamfeit in Pannonien
feine Slage wegen Einführung der griedis
den Liturgie erhoben wurde, unb barum ift e6 aud)
eine unbeftreitbare gefhichtlihe Thatfahe, bag Method
tet an bie Ctelle des römischen Megritus nicht ben
griechiſchen geſetzt habe. |
Diefe Thatſache wird burd) ben weitern Verlauf ver
Angelegenheiten Methods in das Deflfte Licht geftellt. Im
Stüfjafre 879, als Method ben €djauplag feines Wirkens
llawifhen Gemeinden der morgenländifchen, und in ben beutjden Ge:
meinden der abendländifhen; — eine Meinung, durch welche fie bem
weiſen Elawenapoftel eine Verkehrtheit fondergleichen andichten.
232 Ueber ben. Charakter
in Swatopfuls Lande verlegt: hatte, erhoben [εἶπε deusfchen
Gegner aufs Neue ihre Klage wegen eier ver N. Meſſe
in ſlawiſcher Sprache beim römiſchen Stuhle. In Folge
deſſen mnfte Method (i im Rom zur Verantwortung
ftellen, und bie wider ibn erhobenen Klagen fanden in
einer conciliarijdjen Unterfuhung 1) ibre Erledigung. Das
von Papſt Johaun VII. bier über ven Slagepunft in Ber
treff ber Liturgie gefällte Urtheil gebt einzig und allein
bie liturgifhe Cprade an, und εὖ wird ter Ge
brand) ber flawifchen Cpradje bei ter. Feier der hl. Mefie
geftattet 4. —
MWäre ber Gebrauch des griehifhen Meßri—
(πὸ in Frage gemejen, fonnte ber Papft in feinem Ur
theile davon Umgang nehmen? Unmöglih; er mußte ten:
jelben ausdrücklich entweder gleihwie ven Gebrauch ver
ſlawiſchen Sprache geftatten, ober benfelben verbieten 9).
Da nun weder das Eine nod) das Andere gefchehen, fo
(jt es fider unb gewiß: niemals wurde Method wegen
— +
1) Dieß lehren die Worte P. Johann VI. in f. Briefe an
Swatopluf vom Suni 880: Hunc Methodium, venerabilem archie-
piscopum vestrum, interrogavimus coram posilis fratribus nostrie
episcopis etc. Harduin Acta Conc. Tom. VI. P. I. Paris. 1714.
c. 85.
2) $8. Johann VII. ebendaſelbſt: Nec sanae fidei vel doctrinae
. aliquid obstat, missas in eadem sclavinica lingua canere: quoniam
qui feeit tres linguas principales, hebream acilicet, grecam et latinam,
ipse creavit et alias omnes ad laudem et gloriam suam.
3) Jede ſpecielle Klage muß ihre richterliche Erledigung finden.
Da in bem Schreiben Johanns VII. an Swatcpluf' vom Juni 880
alle wider Method erhobenen Klagen erledigt werden, des griechiſchen
Meßritus in demfelben aber mit feiner Sylbe Erwähnung gejchteht,
ſo iſt e8 durch richterlichen Ausſpruch ronftatirt, daß niemals gegen
Method in Betreff diefes Punktis eine Klage war erhoben worden.
ber. ſlawiſchen Liturgte. | 233
Berdrängung ber römiſchen Liturgie butd). ble griechiſche
stflagt, weil εὖ ibm niemals in den Sinn gefommen
war, auf bem Boden ber abenvländifchen Kirche griechifche
Eultusformen einzuführen.
Aus den in Rom gegen Method gepflogenen Berhand»
lungen ergibt fid) aber audj ein pofitiver Beweis für
ttn Sag: bie von Method in ſlawiſcher Sprache gefeierte
iturgie war feine andere als bie Liturgie der
römiſchen Kirche. Den Gebraud) biejer Liturgie fand
Method in Mähren wie in Bannonien vor, und er hielt
(id — mit Ausnahme eines einzigen Punktes — fort
und fort an biefe Liturgie, und zwar in ber
Gehalt, meíde fie in bem [fránfijdsbeut[den
Aeie gewonnen hatte Hier war námlid im
fiebenten und achten Sabrbunberte in bie römische Meſſe
dad Abfagen des Credo ober des Eymbolum mit bem
Zuſatze Filioque nah bem Vorgange ber Eynode von
Zoledo im Jahr 389 eingeführt worden !), unb mit ber
Manzung des Chriftenthums in SBannonien und Mähren
von Salzburg unb Paffau aus war bie Feier der Meſſe
mit diefem Credo dort Beimijd) geworden. Wie Method
ald Presbyter nach biejer im Lande gebráudyiden Liturgie
selebrirt hatte, fo fuhr er als Erzbiſchof fort, bie römische
Neffe mit bem Eymbolum zu fingen, aber — er ließ
indemfelben das Filiogue weg. Auf tiefen Umftand
din fochten bie deutſchen Biſchöfe bie Orthodoxie Methods
1) Sieha meine Geſchichte der Kirche IL 391. 3n Rom
aber wurde zu diefen Zeit wader Das Credo bei ber Mefle gefungen, nod)
tud haste dis römische: Kirche zum Symbolum von Jticáa = Gonftantis.
ads ba$ Filioque hinzugeſetzt. €. Köſſing, liturg. Borlefungen
39 ἢ.
234 Ueber den Gbarafter
an, indem fie ihn ber griechifchen Härefie über den Aus,
gang des hi. Geiftes beſchuldigten 1), Daraus ergibt fid)
aber mit voller Evidenz, bag Method vie römifche Liturgie
in der Geftalt, in welcher fie durch ble deutſchen Bifchöfe
in Mähren und Pannonien eingeführt worden war, unvers
ändert fortbeftehen ließ.
Ein weiterer pofitiver Beweis für ben Cap: die von
Method ffamifd gefeierte Liturgie war feine
andere ald die ber römifhen Kirche, ift in bem
Urtheile enthalten, fraft beffen 9B. Johann VII im
juni 880 ben Gebraud der flawifhen Sprade
bei der Beier ber bl. Meſſe, bei Cpentung ber bí. Sacra⸗
mente unb den Firchlihen Tagzeiten autorifirte. Der Papft
etfíárte in dieſem Urtheile die von welland bem Philos
fophen Eonftantin erfundene flawifche Schriftiprade als
geeignet und würdig, nidt nur bei ber Predigt jonbern
aud) bei ber Feier ber Hl. Mefje gebraudjt zu werben, und
viefer Gebrauch wiberftreite nicht dem Glauben unb ber
1) Die Beſchuldigung betubte auf dem offenbaren Fehlſchluße:
wer das Filioque im Symbolum nidt fingt, láugnet ben
Ausgang des Bl Geiftleó vom Sohne; denn Method fiimmte
ganz unb gar mit der römifchen Kirche wie in allen Glaubendartifeln,
fo auch im Artifel vom Ausgange des bl. Geifte8 von Bater unb
Sohn überein, und hielt fid), indem er das Filioque wegließ, ftteng
an die Norm der rómijden Kirche. Dieb Alles beftätigte der Papſt
mit den Worten: Igitur hunc Methodium .. interrogavimus.., si
orthodoxae fidei symbolum ita crederet, et inter sacra missarum
sollempnia caneret, sicuti S. Romanam ecclesiam tenere, οἱ in sanc-
tis sex universalibus synodis, a sanctis patribus, secundum evangeli-
cam Christi Dei nostri auctoritatem, promulgstum atque traditum
constat. llle autem professus est, se juxta evangelicam et apostoli-
tam doctrinam, sicuti sancta Romana ecclesia docet, et a patribus
traditum est, tenere et psallero.
ber ſlawiſchen iturgte. 235
$ebre der Kirche ἢ. Der Papft erflärte — in Folge
einer mit den von Method ald corpus delicti nadj Rom
gebrachten Codices der flamifden Liturgie vorgenommenen
Prüfung ?) — die ffawijde lleberjegung ver Liturgifhen
Bücher ald eine gute 5), unb band ven Gebraud) des
Stawifchen ald Cultusſprache nur an die Bedingung:
bie allgemeine liturgifhe Sprache des Abendlandes babutd)
fort und fort zu ehren, daß bei ver Feier des Glotteé:
dienftes das Evangelium zuerft lateinifd unb
darauf in flawifher Ueberſetzung bem Bolfe vers
fündigt werben folle, wie bereits in einigen Kirchen zu
gefchehen pflege 9.
1) Litteras denique sclaviniscas a Constantino quondam philo-
sopho repertas, quibus deo laudes debite resonent, jure laudamus;
et in eadem lingua Christi domini nostri preconia et opera enarren-
tur jubemus. .. Nec sanae fidei vel doctrinae aliquid obstat, sive
missas in eadem sclavinica lingua canere, sive sacrum evange-
lium vel lectiones divinas novi et veteris testamenti bene trans-
latas et interpretaias legere aut alia horarum officia omnia psal-
lere etc.
2) Aseemani nimmt eine förmlidhe Prüfung der Ueberſebung
an, wenn er Kalend. III. 170. ſchreibt: Pro certo affirmamus, motum
Joannem papam ad concedendum Slavonicae linguae in sacris usum,
praevio tum orthodoxae Methodii doctrinae, tum accuratae sacrarum .
scriptararum divinorumque officiorum in Slavicam linguem trans-
lationis examine. Dan kann diefer Annahme unbedenklich beiftimmen,
denn es flanden bem apoftolijdjen Gtuble unparteiiſche, des Slawiſchen
vollkommen kundige Männer aus Dalmatien unb Venedig zu
Gebote, deren er fid) zum Behufe einer Prüfung der Gyrill = Methods
ſchen Ueberjeßung der Kirchenbücher bedienen fonnte.
3) In den Worten: lectiones divinas novi et veteris testamenti
bene translates.
4) Jubemus tamen, ut in omnibus ecclesiis terrae vestrae
propter msjorem honorificentiam evangelium latine legatur et post-
modum sclavinica lingua translatum in auribus populi, latina verba -
Aheol. Quartalſchrift. 1857. U. oeit. 16
M
o-— - e — er xm Sem ven
mm oa Án - δε: είτε geſtattete,
Zim = = 222 Werne?
Son fem wr iid SW :teimij de Liturgie der
ihn E 48 αὶ ἃ ε übertragen, anf? Un
dee corem ὃ ;; Latinität det jlawi
fire bt, μάν vr £opitar? fi
TU
, sdpuscietut, sicut iB quibusdım ecclesiis feri
v;detur.
ιν) Dram wm vit aciei] t eiurgie von Meihod eingeführt
sid überiept worden wäre, müßte es vernünfti |
am je mtt zis dit
pie gri eiit Sptache als tituratfdt Hanptipra
(quoniam qei fecit tres linguas princi bebream stili cam
et latimam elc. An eine Trenmung aber btt Liturgie von der ihr
digen e τη Spracht, und an eine neberſehung der in der griechi⸗
iem Viturs sorfommenben geictüdt ins Latein wird fein 8e
linguao gacrat
jeznenet s«nfcn.
2) Glagolita Cloziamus Cap. xu Slavorum
origines. PPE- vill as. Gegenüber piefem [0 ſtegreich von goptiat
eda dbtemen harafter der ſlawiſchen Firchenſprache iſt ip immer
εὐπί τ geblieben, wie er ſelbſt üder die von Method gebrauchte
gimreu (1. oben g. 225. Nott 2) in gweifel bleiben tennit.
der ſlawiſchen iturgte. 237
Diefen inbirect gewonnenen Beweis über ben Charakter
ber flawifchen Liturgie halte ich für fo verläßlih, daß ein
urfprünglicher Gober berfelben ihn nicht evidenter zu machen,
jondern nur zu beftätigen vermöchte.
Ginzel.
16*
236 | Ueber den Charakter
In diefer SBebingung, unter welcher der Bapft ben
Gebrauh des Slawiſchen beim Gottesdienfte geftattete,
ift aufs Deutlichfte ausgefproden: ble von Method
gebraudte Liturgie, um deren Spradye allein e8 fid)
handelte, fei die lateinifche, b. i. bie ber römifchen
Kirche gewefen ἢ), und Method habe, um, ben Vorwurf,
al$ veradjte er bie lateinifhe Kirchenſprache, thatſächlich
zurüdzuweifen, angeorbnet, e8 folle in ben flamifchen Ge
meinden bei bem Gottesdienſte das Evangelium früher
[ateinifd), dann ſlawiſch gefungen ober gelejen werben.
Endlich wird unfer Sat, daß bie Brüder Eyrill und
Method Feine andere al8 bie lateinifde Liturgie bet
römischen Kirche in’s Slawiſche übertrugen, αὐ ὃ Un;
umftößlihte erwiefen burd) bie Latinität ber flawis
fhen Kirchenſprache, welde durch fopitar?) für
immer aufer Srage geftelt ift.
non intelligentis, adnuncietur, sicut in quibusdam ecclesiis feri
videtur.
1) Denn wenn bie griehifche Liturgie von Method eingeführt
und ins Slawifche überfet worden wäre, müßte e8 vernünftiger Weife
heißen: das Gvangelium foffe zuerft griechifch vorgelefen werben,
um fo mehr als der Bapft vorher nebft der lateinifchen unb hebräifchen
bie griehifche Sprache als liturgifche Hauptſprache anerfannt hatte
(quoniam qui fecit tres linguas principales, hebream seilicet, grecam
et latinam etc.). An eine Trennung aber der Liturgie von ber ibt
eigenthümlichen Sprache, und an eine Veberfeßung ber in ber griedhis
[den Liturgie vorkommenden Lefeftüde ins Latein. wird fein Bes
fonnener benfen.
2) Glagolita Clozismus cap. XII Slavorum linguae sacrae
origines. pag. VIII ss. Gegenüber biefem fo flegreid) von Kopitar
verfochtenen Gfarafter ber flawifchen Kirchenſprache ift. es mir immer
unetflárlid) geblieben, wie ev felb über die vou Method gebraudjte
Liturgie (j. oben €&. 225. Note 2) in Zweifel Bleiben fonuntt.
der flawifchen Liturgie. 237
Diefen inbirect gewonnenen Beweis über den Charakter
tet flawifchen Liturgie halte ich für fo verläßlich, bag ein
urfprünglicher Gober verfelben ihn nicht evidenter zu machen,
jondern nur zu beftätigen vermödhte.
Binzel.
16 *
8.
Der fiebenarmige Leuchter.
Ohne gehörige Sachkenntniß lehrt Philo ehrlich unb
aufrihtig im feiner Art, bag die fieben Campen des heiligen
Leuchters nichts Anderes beveuten als bie fieben Planeten
nad bem alten Eyftem. Wie nämlih die Sonne ald
Planet mitten unter den übrigen Planeten ftehe, und ben
breien über ihr (Mars, Jupiter unb Saturn), wie ben
brelem unter ihr (Venus, Merkur und Mond) Licht gebe,
fo ftehe aud) auf bem heiligen Leuchter vie Rampe des
' €toded in ber Mitte und zu beiden Seiten die Lampen
von je drei Armen ). Gedanfenlos ben Philo ausfchreis
bend, ober mit befannter Pfiffigfeit den heidniſchen Römern
ein gutes Präjudiz für die Religion ber Syuben beibringen
wollend, lehrt dafjelde aud Flavius Joſephus mit
beutliden Worten an einer Etelle 3), während er an einer
andern Etelle verftedterweife ebendahin zielen mag, wenn
er ble fieben Lampen darftellt als τῆς παρὰ τοῖς Tovdatoig
ἑβδομαδος vr» τιμὴν ἐμφανίζοντες, v. i. als foldye, welde
- Har darthun, was die im jüdiſchen Kultus fo oft vorkom⸗
menbe Siebenzahl zu bedeuten habe 8).
1) De vita Moys. IIL 6.9; Quis rer. div. her. 6. 45.
2) Antiqq. III. 6. 4. 7.
3) Bell. Jud. VII. 5. 4. 5.
Der fiebenarmige Leuchter. 239
Mit gewohnter Gruͤndlichkeit hat blefe ſeitdem nod; oft
wiederholte Deutung Bähr zurüdgewiefen. „Nirgends im
Mofaismus findet fi eine Hinweifung auf die Geſtirne,
vielmehr fland er im beftimmteften erflärten Gegenſatz
gegen Alles, was zum Geftimdienft führen fonnte, unb
betrachtete diefen Dienft als Abdgötterei, als einen Greuel
vor Jehova. Würde aber im Innern des Heiligthums ein
Bild der Planeten aufgeftellt worden fein, fo wäre jenem
^. Sienft wahrlich nicht entgegengearbeitet, fonbern eher auf»
geholfen worden, ja ed wäre nicht möglich gewejen, ihm
abzuwehren. Was folten aud) bie. fieben Planeten hier
im Innern ber Wohnung hinter bem Vorhang, vor den
Augen des Volfed verborgen? Warum das Eymbol einer
Sache, die jeder immerdar fehen fonnte, verhüllen unb
verbergen? Warum follten die fieben Planeten nur ben
SDrieftern, ble allein in's Innere treten durften, leuchten ?” !)
— Die wahre Bedeutung des Leuchterd mit den fieben
gampen wird fid) mit großer Leichtigfeit wie von felbft ers
geben, fobald nur bie wahre Geftalt des Leuchterd aug
den Tertesworten Grot. 25, 31—37, womit (rob. 37,
17—23 zu vergleihen, richtig beſchrieben ift.
1. Der unterfte Theil des Leuchter, fein Fuß, mit
bem er auf dem Boden auffteht, heißt 77 (Grob. 25, 31).
9tadj Gefenius bezeichnet ber Dual dieſes Wortes am
menschlichen Körper geminum membrum crassum et car-
nosum ab ima spina dorsi ad crura pertinens. Um viefes
feines Namens willen muß ber Buß des Leuchterd in con,
verer orm vom Boden fid) erhoben haben.
2. Aus bem Buße erhebt fid) ber 732, das Rohr, bet
1) Symbolif des Moſaiſchen Gultue I. 410.
240 Der fiebenarmige 2endjter.
Schaft, der eigentlihe Stod des Leuchter. Aus diefem
laufen an drei Stellen übereinander nad) rechts und linfó
im Ganzen fedjó Rohre aus, welde im Texte denjelben
Namen führen wie der Stod, naͤmlich ὩΣ vom Singular
ya, bie wir aber zur befjemm Unterſcheidung vom Stode
immer die Arme des Leuchters nennen wollen. Da bet
Gtod die Arme trägt, erſcheint er als Hauptbeftandtheil
Bes Leuchters, und wird daher B. 34. 35 geradezu Leuchter,
"p genannt. — Bon ben ὩΣ, ben aus bem Stode
andlaufenven ſechs Armen, find aber wohl zu unterfheiden
die MID in $5. 36. Die Suffire nämlih in CAD?
ori beziehen fi gerade auf die im Terte 8, 35 um
mittelbar vorhergegangenen fed DA, unb bie nap find
barum nicht die ὯΔ) felber, fondern Dinge, die fih an
den DON befinden.
3. Jeder Arm Hat drei Evo ΟΡ δ, von melden
jeber απὸ zwei Theilen, ANDI unb map, befteht, wie dieſes
Theniug. jedenfalls richtig aus ber Stellung der legten
Worte in $8. 33. 34 erfchlofjen hat (qu 1 Kön. 7, 49).
Andere Dinge waren nah ®. 33 an ten Armen nidt.
Wenn nun ®. 36 von den Dr mp3 unb Min der Arme
bie Rebe ift, fo ift min deutlich eine Bezeichnung derſelben
Dinge, welche vorher mit bem Namen AT benannt find.
Mas haben wir unter den Ganzen und ihren Theilen zu
verfteben ?
Der origetceue JI quita hat ΡΨ D'ya3 wieder
gegeben durch oxugor ἐξημυγδαλιαμένοι, Ὁ. i. Nachahmungen
der Trinfgefäßformen, welde fid) am Mandelbaum Cp)
finden. — 2723 iff nun wirflih ein Trinfgefäß (Gen.
44, 2 fg), und νὰ nad unferem Gonterte zwei Theile
Der flebenarmige Reuchter. 241
baran deutlich fid) unterfcheiden, fo wird die Möglichkeit
geboten, unter tiefen beiden Theilen fid) eine Kuppe,
und einen unterhalb biefer figenben Schaft zu benfen.
Am Manvelbaum aber zeigen fid) in der That dergleichen
Formen, nämlich feine ber Blumenblätte- Entfaltung nahen
Knospen, deren ein Theil füglid) den Namen inp» tragen,
der andere je nad) Umftänden ΠῚ oder np heißen fan.
"np3 heißt bei Säulen ber obere, breiter hervors
tretende, dem Schaft auffigende Theil, der fnauf (Amos
9, 15; Zeph. 2, 14). Ihm entipricht bei Sinfgefáifen die
auf dem Schaft figenbe Kuppe. Die bec Blumenblätter
Entfaltung nahe Knospe des Mandelbaumes hat ebenfalls,
ähnlich vole bei dem Kirche unb Pflaumenbaum, einen
obern Theil, der duch feine Ausdehnung in die Dide
ſtark vom unten abfiijt. Daß nun fowohl bie Kuppe
eines Trinfgefäfles, wie ber obere bidere Theil ber vollen
Mandelfnospe mit bem Eäulenfnauf denfelben Namen
"nb3 trage, ift durch bie Achnlichfeit der Formen unb bie
Gleichheit der Stellung gerechtfertigt.
Wenn ein Subftantivum generis masculini ein (ebenbeó,
oder an Lebendem befinvlihes Ding bedeutet, fo wird es
im Hebräifhen gern ein Semininum und erhält aud) die
Feminin-Endung, wenn eó auf ein bem betreffenden Les
benden ähnliches leblofed Ding übertragen wird !). Dems
gemäß bezeichnet dad Masfulinum 97 ein langgeſtreck—
tes gewachſenes Ding, inóbefonbere dad Rohr (Gef.
42, 3), den Getreibealm (Gen. 41, 5. 22), den Ctod
fowohl wie bie Arme des heiligen Leuchter, . weil dieſes
Geräthe ausfieht wie ein lebenviger Baum mit feinen
1) Geſenius Hebr. Gramm. 15te Aufl. $. 105. nro 3. a,
242 Der flebenatmige Leuchter.
Aeſten; fa die Vorftellung von etwas Gewachfenem verlor
fih bem Hebräer nicht felbft bei einer Meßſtange (Ezech.
40, 3. 5; 41, 8), unb bei einem aus Holz gefertigten
Wagebalken (Gef. 46, 6). Wenn dagegen fdjon bet Röhrs
Inochen des Oberarmes nicht mehr als etwas Gewachſenes,
fondern als Teblofer ftarrer Knochen galt, und darum nicht
mehr ΠΡ, fondern nyo heißt (Hiob 31, 22), [o muß bet
zwifchen dem eigentlichen Fuß und der Kuppe figenbe Schaft
eines Trinkgefäfles mit viel größerem Rechte yp heißen,
vesgleichen ber ihm ähnliche unb entsprechende untere dün⸗
nere Theil der vollen Mandelknospe, weshalb aud) 98. 36
genannt werden DYINHI und nip, welches bie Theile ber
C'y23 find, infofern man dieſe al8 fertige Gange be
tradjtet, Was fo man heißt, erhält, menn die volle Mans
velfnospe al allmälig gemotbeneó Ganzes anges
fehen wird, naturhiftorifch durchaus fadgemáf den Namen
mop. Auf Grund von Sum. 17, 23 ift vorab zu bes
merfen, daß fon das Ausfchlagen ober Augentreiben mit
bem fBerbum ΠῚ bezeichnet wird, und daß, wenn man
die Mebergangsftufen unberüdfidjtigt läßt, am Mandel⸗
baume auf einander folgen ble Knospe MID, bie aufge
brochene Blüthe Y’y, und enblih bie reife Frucht. Die
Manvelfnospe hat anfangs nicht den Knauf; dieſer bildet
fid erft fpäter mit bem Wahsthum ber von ben Kelds
lappen eingefchloffenen Blumenblätter. Was aber Knospe
heißt, bevor ber Knauf ba ift, fann mit 9tedjt aud) den
Namen Knospe beibehalten, nachdem der Knauf fid) ibm
aufgefegt hat. Aus ber anfänglihen $no&pe, np, und
bem fpäter Binyufommenben Knauf, “MEI, beftebt ge»
Der flebenarmige Leuchter. 243
rabe bie feldjjórmige volle Mandelknospe, 73).
Alſo — jever der fedjó Arme des Leuchter bat nad
V. 33 drei volle Manvdelfnospen, melde kelchförmig
find unb απὸ Knauf und Schaft befteben. Vier ders
gleichen volle Manvelfnospen hat laut 9B. 34 ber Stod
des Leuchters.
4. Die Arme des Leuchters gehen aus vem Ctode
heraus (Cw m. 32), die vollen Mandelfnospen bes
Stoded dagegen find aus bem Stode AM ΠΩ
B. 31). Aus tem Wedel ber Berba kann man auf einen
verjchiedenen Modus des beiberfeitigen Hervortretens ſchlieſ⸗
fen. Die natürlihen Manvelfnospen haben feinen Stengel,
fie fiber unmittelbar bem Zweige auf, und man fann gut
von ihnen fagen, fie gehen aus dem Zweige heraus, wie
ja aud) nad) Num. 17, 23 der Stab Aarons Manvelfnospen
hberaustrieb. An ein folded SHeraustreten aus bem
Stode des Leuchters ift aber bei feinem fünftlihen Mandel»
fnoépen wegen des abfichtlichen Wechſels der Verba wy?
unb MM nicht zu denfen. Es bleibt nur übrig anzunehmen,
daß der Ctod des Leuchterd an vier Stellen eine größere
Ausdehnung in die Breite gehabt habe, und daß biefe (ὅτε
weiterungen Nahahmungen voller Manvelfnospen gewefen
feien. Auf folde Art treten die Mandelknospen aus bem
Stode hervor, ohne aus ibm herauszugehen wie bie Arme.
-——
1) Gs fommt im Gonterte gerade darauf an, bie Form ber vollen
Mandelfnospe unb ihre Theile bejonberá zu bezeichnen, weil von bicfen
in 9. 36 etwas Befonderes auszufagen ift. Sonft fanu die Mantel:
Inospe, gleichviel in welhem Stadium ihrer Entwidelung, überhaupt
ben Namen my führen, wie denn aud bei ben Heiligen Leuchtern
im falomonifchen Tempel nur das Knospenwerf und die ams
pen hervorgehoben werben (1 £n. 7, 49).
244 * Der fiebenarmige Leuchter.
Es unterliegt feinem Zweifel, daß die vollen Manbelfnospen
der Arme in derjelben Weife aus diefen Dervorgetreten find,
obgleich bet Tert dieſes nicht ausdrücklich meldet, da 93. 36
nicht hievon, fondern von etwas Anderem bie 9tebe ἰῇ,
wie wir alsbald darlegen werben. Uebrigens figem aud)
bei dem anf dem Triumphbogen des Titus abgebildeten
heiligen Leuchter bie Zierathben an den Armen unb. bem
Ctode in ber von und angegebenen 9Beife.
5. Bon ben vollen Manvelfnospen des Etoded wird
$3. 35 angegeben, daß unterhalb der drei Stellen, von
welden ein Armepaar aus bem Ctode auélief, immer
deren eine gefefjen habe; bie vierte fag nad allgemeiner
Annahme über dem oberften Armepaar. Aber ed wirb
eigentlich nicht gefagt, daß ein y*23 unterhalb jedes aus⸗
laufenden Armepaared gewefen fei, fonberm ein “nD>-
Daraus wiffen wir ungweideutig, daß am Stode des eudys
(τό bie vollen Mandelfnospen in gehöriger Stellung ges
fanden haben, der Schaft unten, ber Knauf oben. Man
[olite meinen, das verftehe fid) von felbft; aber, bag für
nöthig befunden wotben ift, bei tem Stode dieſes aus⸗
erüd(id anzugeben, berechtigt zu ber im Folgenden fid) bes
ftätigenden Bermuthung, daß bei allen oder bei einigen
Armen die vollen Manvelfnospen nicht die gleiche Stellung
gehabt Haben.
6. Nach 8. 4 befteben die vollen Manvelfnospen des
Stodes in bloßen Erweiterungen des lehtern. “Dasfelbe
fann $8. 36 von den vollen Manvelfnospen ber Arme,
oder vielmehr von deren S pellen, ben Knäufen und &daften
bet Arme nicht gefagt fein; fonft müßte e8 heißen: Die
Knäufe und Schafte der Arme follen fein aus ihnen —
En, nämlid) ten Armen C'yp. Da aber nicht zug im
Der flebenarmige Leuchter. 245
Texte ftebt, fonbern 1399, ba ferner das Suffixr des feptem
Wortes (id) bezieht auf das nächftvorhergehende Femininum
"D, bet bie Arme ansjendenden Leuchterſtock, fo
kann ®. 36 πᾶς die Rebe fein von der Stellung unb bem
Berhältniß der Snáufe und: Schafte ber Arme zum Gtodt.
Die betreffenden Worte in $8. 36 befagen alfo: bie Knaufe
ber Arme und bie Schafte der Arme find, oder befinden
fi, ober werden angetroffen vom Stode aus, b. b. fährt
man mit bem Finger vom Stode από längs ben Armen
bin, [9 lommt man bei ben Armen ber einen Seite auf
vie Knäufe der vollen Mandelfnospen, bei ben Armen ber
andern Seite dagegen auf bie Schafte ber vollen Manvels
fnospen — ober mit andern Worten: ble vollen. Manvels
fnospen an den Armen der einen Seite haben ganz dies
felde Stellung wie an bem Gtede, ber Schaft unten, ber
Knauf oben; an ben drei Ürmen ber andern Eeite aber
figen vie vollen Mandelfnospen in umgefehrter Stellung,
der Schaft oben, ber Knauf unten. So [onberbar das
auf ben erften Anblick aud) fcheinen mag, der genau ans
gejehene ert jagt εὖ einmal aus, unb es ift ein weſent⸗
liches Ctüd, um ble fombolifche SBebeutung des Leuchtere
zu erfaſſen.
7. Der Stod ſowohl wie bie ſechs Arme trugen jeder
oben eine Lampe. Dieſe Lampen ſollen nad) V. 37 brennen
"map νῦν, wo das Euffir fid) auf nm, nicht ben
gendjterftod, fondern den ganzen Leuchter bezieht, wie
auferbem noch zweimal vorher in bemfelben, und zweimal
nachher im folgenden Verſe; baéfelbe wird Num. 8, 2
ausgedrüdt burd) rrj wp "o-bw. — Was [oll das
heißen ?
246 Der flebenarmige Leuchter.
An der Süpfeite, links und nidjt weit vom Eingange,
dem Schaubrobtifche gerade gegenüber flanb ber Leuchter,
weber mit ben Langfeiten nod) mit den SBreitfeiten parallel,
fondern jchräg, indem Flavius Joſephus von. feinen fieben
Lampen fagt: ὁρῶσε δ᾽ εἴς ve τὴν ἀνατολὴν xal τὴν ue-
σημβρίαν, λοξῶς αὐτῆς κειμένης, scil. λυχνίας ". Diefe
Tchräge Stellung Binberte aber nicht, daß man von of
[iden und meftliden Lampen des Leuchterd ſprach,
& 2. Tamid 3, 9 — obwohl man firenge genommen von
norbófiliden und ſüdweſtlichen hätte fprechen follen. Wie
es nun nichts Auffallendes hat, wenn Joſephus fagt, vie
Lampen des Leuchterd fdauen, opwar,. nad zwei ent
gegengefeßten Richtungen, fo wird man es aud) nicht bes
frembenb finden, wenn an unferer Stelle nidgt von einer,
fondem von zwei faciebus des Leuchterd nad) unferer
Meinung bie Reve ift, nämlich von einer facies orientalis
und einer facies occidentalis, zumal das Lerifon bem Worte
ὯΔ fowohl vie Cingular; als die Pluralbeventung bes
weiſend zufpricht. Zu ber einen facies gehört aldbanm ber
tod mit ben Armen, an weldjen bie vollen Manvelfnospen
die rechte Stellung haben, ben Schaft unten, ben. Knauf
oben, und fie hat vier Lampen; die andere facies befteht
aus den drei übrigen Armen, an weldyen die vollen Manbels
fnoópen in verfehrter Stellung ἤθεα, unb fie Dat drei
Lampen. Die Worte be& Terted in (ὄχον. 25, 37 unb
Rum. 8, 2 befagen nun, daß die Lampen brennen follen
1) Antiqq. III. 6. 6.7. — Bergl. $. 6 u. 8, wonad der Schau:
Probtijd) an der Nordfeite οὐ πόῤῥω τοῦ μυχοῦ, der Leuchter ihm ge:
tabe gegenüber an der Süpfeite, zwilchen beiden, jedoch nicht in ge
taber Linie, fondern weiter in'8 Heilige hinein, ἔνδον, bet golden
Raͤucheraltar fland.
Der fiebenarmige" Leuchter. 241
an ber ben betreffenden faciebus. des Leuchterd entgegen;
gefehten Eeite, t. ἢ. die Lampen der facies orientalis jollen
τε zur Aufnahme des Dochtes hergerichteten Rinnen nad
füeflen kehren, bie der facies occidentalis nad Often, jo
ta ble Flammen ver einen facies den Flammen der anbern
facies zugefehrt (inb. Zu welcher facies bie Lampe des
Stodes gehört habe, wird fid) weiter unten ergeben.
8. Flavius Joſephus lehrt: „Zweimal τῆς ἡμέρας,
vor Aufgang und gegen Untergang der Sonne lag ihnen
(den SBrieftern) ob, Räucherwerk zu opfern, forole bie
Rampen zu reinigen. und mit Del zu verjehen, von welchen
fie die aus dreien befteenbe Abtheilung (τοὺς μὲν τρεῖς)
anzunden unb auf bem heiligen Leuchter κατὰ πᾶσαν ἡμέραν
Gott zu Ehren brennend erhalten, die übrigen aber gegen
Abend anjünben mußten” 1). :
Sn diefer Periode fommt zweimal das Wort ἡμέρα
vor. Das erfte Mal beveutet es offenbar nicht bie Zeit
von Eonnenaufgang bió Sonnenuntergang, fondern ben
24ftündigen Tag, weil bie Zeit vor Aufgang der Sonne
darin mitbegriffen ift. Da fein befonderer Grund zum
Gegentheil vorhanden ift, muß and an zweiter Stelle bem
Worte die námlide Bedeutung verbleiben. Darnach wären
ajo bie drei Lampen vor Anfgang und gegen Unter
gang ber Sonne angezündet worden, um ben ganzen
Aftündigen Tag über zu brennen, bie übrigen vier Lampen
aber Hätten nur bie Nacht über zu brennen gehabt, und
wären deshalb nur vor Sonnenuntergang angezündet wors
ven. Dabei ift, was ben Sinn anbelangt, in unferem
Eonterte völlig gleichgültig, ob wir bem guten griechiichen
ines — — — —
1) Antiqq. UL. 8. $. 3.
hj
248 Der flebenermige Leuchter.
Gpradjgebrand) folgend vie Worte χατὰ πᾶσων ἡμέραν
überfegen mit „jeden 24ftünbigen Tag hinvurch“, ober
mit Rüdficht auf tie Ungenanigfeit ver ſpätern Schriftfteller ,
mit „ven ganzen 2dftündigen Tag über“ ἢ). Was aber
unferer Auffaffung vollends tad Siegel der Richtigkeit aufs
brüdt, ift die Angabe der Mifchna (wovon im folgenden 9),
daß vie Stadjt über alle fieben Lampen gebrannt haben,
während, wenn ἡμέρα an zweiter Stelle den 12ftünvigen
Tag von Aufgang bis Untergang der Sonne bebeutete,
den Tag über drei, bie Racht über nur vier gebrannt
haben würden.
Flavius Joſephus fagt nicht, baf drei beliebige Lampen
Gott zu Ehren immerfort brennend erhalten vourben, fonfl
hätte er gefchrieben τρεῖς μὲν — da er aber τοὺς μὲν τρεῖς
ge[djrieben Dat, fo find mod) zur Zeit des Tempeldienſtes
bie fieben Lampen des Leuchterd in eine Abtheilung aus
brei, und in eine zweite aud vier Lampen gefondert worben.
Unfere auf tie Worte des biblifhen Textes baſirte Bes
hauptung über bie zwei facies des Leuchterd erhält damit
eine erwünfchte Beftätigung aus bem Alterthum ſelbſt.
9. Die Miſchna beſchreibt den Dienft bei bem Leuchter
im Tempel in folgender θεῖε. Während der Morgens
dämmerung ſchließen die beiden Priefter, welchen durch das
2008 bie Säuberung des Räucheropferaltares und bes Leuch⸗
ters zugefallen ift, die zum Heiligthum führenden Thüren
auf. Das Aufgehen ber großen Thür ift das Signal zum
Schlachten des täglichen WMorgenopferd (Tamid 3, 6. 7).
Findet ber Rampenreiniger die zwei öftlichften Lampen nod
brennend, fo fanbert er bie übrigen (ohne fie wieder ans
1) Vergl LXX. Grob. 16, 2; Sof. 18, 1.
Der flebenarmige Leuchter. 249
zuzünden), bie zwei aber läßt er vorläufig ruhig fortbrennen ;
brennen aber bie zwei öftlichften Rampen nicht mehr, fo
werben fie nad) vorhergegangener vorläufiger Reinigung
von den brennenden angezündet, und alddann erft die fünf
übrigen Lampen gefäubert (Tamid 3, 9. Rad ter Blut⸗
fprengung des tügliden Morgenopferd und vor dem täg-
lichen Meorgen-Räucherwerfopfer geht der Lampenreiniger
wieder in das Heilige. Brennen die zwei Lampen nod,
fo fäubert er diejenige, welche unter ihnen die öftliche ift
(obne fte wieder anzuzünden); bie aber, welche unter ihnen
die weftliche ift — alfo diejenige, welche auf tem mittlern
unter ben drei nad Offen ans dem Etod auélaufenben
Armen ſteht — läßt er ganz allein fortbrennen. Sie allein
brennt den Tag über bis zum täglichen Abendopfer, tmb
von ihr werden gegen Abend fümmtlide übrige Lampen
angezündet. Sollte fie zufällig vor Abend von felbft aus⸗
gegangen fein, wird fie gereinigt unb vom euer bes
Branvopferaltared angezündet, unb dann erft von ihr bie
übrigen (Samib 6, 1).
Zwiſchen Flavius Joſephus unb bet Miſſchna iſt alſo
folgende Differenz. Jener ſagt, daß die aus drei Lampen
beſtehende Abtheilung des Leuchters auch am Tage gebrannt
habe, ohne anzugeben, ob dieſes ble facies orientalis oder
occidentalis beó 9eudjteró gemejen fei — diefe lehrt, vaf
vie mittlere ber drei vom Ctode nad Oſten ftebenben
Lampen aud) ben Tag über gebrannt habe. Aus ver Gom;
bination biefer beiden Angaben geht hervor: 1) nur von
der facies orientalis wird unaufhoͤrlich Tag und Nacht Licht
im Heiligen verbreitet. Die Miſchna behauptet biefes,
unb Joſephus ift durchaus nicht dagegen. — 2) Die aus
den drei Lampen beftehenve Abtheilung des Leuchters, welche
. 250 Der fiebenarmige Leuchter.
nad Iofephus audj am Tage brennt, ift bie facies orien-
talis des Leuchterd, und bie Lampe des Etodes gehört zu
ber facies occidentalis, weshalb fie aud) von der jübifdjen
Tradition mit Recht ale Ian "3 bezeichnet wird 1). —
3) Die Differenz zwifchen Joſephus unb ber Mifchna te:
bucitt Ὁ darauf, ob ſaͤmmtliche Lampen der facies orien-
talis aud) am Tage gebrannt haben, ober nur bie mittlere
unter ihnen.
10. €o abgefdjmadt bei Joſephus die Deutung bert
fieben Lampen auf ble fieben Planeten ijt, fo wenig fann
man für die naderilifche Zeit ble Richtigkeit feiner thats
fádliden Semerfung über bie Zahl der aud) bei Tage
brennenden Lampen beanftanden. Nachdem Joſephus An-
tigq. II. 6. $. 7 feine Deutung vorgelegt, hätte er ihr zu
Liebe fogar Grund gehabt, bald darauf in Antiqq. IIL 8.
$. 3 die Zahl der am Tage brennenden Lampen mit Etills
ſchweigen zu übergehen, weil drei am Tage leuchtenve
Lampen eine Deutung jämmtlicher Lampen auf bie βία:
neten dem denfenden Menſchen geradezu unmögli machen
— die von ihm angeführte Thatfache ift deshalb um jo
weniger anzuzweifeln. Aber auch bie Angabe ber Mifchna
fteht nicht in ber Luft, fondern fat ihren guten Grund in
ber heiligen Schrift ſelbſt. Die betreffende Hauptftelle
Lev. 24, 2—4 macht bei einzelnen Worten exflürenbe Be⸗
merfungen nothwendig, und biefe Worte vorläufig unübers
fegt lafjend geben wir bie Stelle folgenbermaafen wieder:
nBefiehl ben Kindern Iſraels, daß fie dir liefern reines,
geftoßenes Dlivendl 819b, um brennen zu laffen ^3 immer
dar. Außerhalb des Vorhanges des Zeugniffes im Zelte
1) Baͤhr Symbolik J. 418.
Der flebenarmige Leuchter. 251
bet Zufammenkunft ſoll aufftellen iri Aaron gay DAY
vor Jehova immerbar; das ift eine ewige Gagung für eure
Generationen. Auf bem ganz goldenen 735 foll er aufs
ftellen MAIT"NS vor Jehova immerdar” (vgl. Grov. 27,
20. 21). |
(8 wird hier genannt eine Lampe 2, und nebenbei
die Lampen nfwn. Unter folden Umftänven ift εὖ
nicht möglih, ben Singular Δ in collectiver Bedeutung
für fammtlide Lampen zu nehmen, abgefehen davon, daß
audj in 1 Sam. 3, 3, auf welde Stelle man fid) zur
Rechtfertigung ſolchen Thuns berufen möchte, das Wort Ἢ
gar nicht auf den heiligen Leuchter bezogen werben fann,
wie wir im folgenden $ zeigen werben, Während fämmts
fie Lampen immerfort auf dem Leuchter fteben (und nur
behufs ihrer Säauberung von ihrem Plage für furge Zeit
entfernt werben) follten, war eine aus ihnen immerfort
brennend zu erhalten. — Das masculine demonftrative 1riN
bezieht fid) auf Δ, die immerfort brennende Lampe, weldes
MWort im Plural zwar MIN hat, aber defjenungeachtet nad
Sprüchw. 13, 9 ein Mascnlinum ift. Auf das weiter
entfernte Masculinum 119 darf alſo nit zuruͤck gegriffen
werden. — Diefe eine brennende Lampe fol 9[aron vor
Jehova immerfort aufftellen Kay 20. Rad Gen.
1, 5. 8. 13. 19. 23. 31 ift Sy bie erfte, unb "RS bie
zweite Hälfte eines in ber Reihe fortlaufenden unb
mit den fortlaufenden Zahlen zu bezeichnenvden Tages Qf»
9tit die 12ſtündigen, ſondern bie 24ftünbigen Tage
ſchließen fid unmittelbar einander an, unb werben mit ven
laufenden Zahlen benannt, weshalb unfere beiben Worte
audj ble Namen für bie beiden Hälften ded mit Sonnen⸗
Theol. Duartulichrift. 1857. U. Heft. 17
252 Der fiebenarmige Leuchter.
untergang anfangenden 24ftünblgen Kalendertages find.
Da nun nad) hebräifchem Eprachgebraudy bie Worte ἽΝ — Ἰῷ
ſowohl ben terminus a quo, als auch den terminus ad quem
einfließen und fateini[d) burdj tam — quam zu überjegen
fib 5, fo foll nad unferer Stelle Aaron tie immerfort
brennende Lampe „fowohl bie erfte ald tie zweite Hälfte
des Kalendertages“, t. b. den ganzen 24ftündigen Tag
über im Heiligen ber Ctiftéfütte vor Jehova immerbar
aufftelen. — in ift ein Licht gebended Ding, wie bie
Eonne, der Mond; aber darum nicht ber bunfle Leuchter,
welcher übrigens mit feinem eigenthünlihen Namen 1739
im Gonterte vorfommt, ſondern nad Num. 4, 9 dasjenige,
was ber Leuchter trägt unb um bejfen willen der Leuchter
ba ift, mad man auf ten Leuchter ftellt, damit e8 weithin
Licht verbreite, bie Kerze, bie mit Del gefüllte Lampe, oder
vielmehr das Del und ber Docht in ber Lampe, „Das
Leuchtmaterial”, al& welches die Kinder Ifraeld Del liefern
follen; um brennen zu laffen eine Lampe immerdar.
Was alfo vie zwiſchen Flavius Joſephus und ber Miſchna
obſchwebende Differenz in Betreff ber Zahl der am Tage
brennenden Lampen anbelangt, fo ift bie heilige Schrift
und ber urfprüngliche fidjerfid) nad) ihr fid vidjtenbe (δὲς
brauh auf Eeiten der Mifchna. Nah ber Miſchna ift
ferner das Hauptgefhäft beim Leuchter am Morgen das
Säubern ber Lampen, von tenen ja nur eine Wieder
angezündet wurde, am Abend dagegen bad Anzünden
fámmtlider Lampen; damit (timmt fefr gut überein Grob.
30, 7. 8 (vergl. 2 Chron. 13, 11; Rum. 8, 2), wornad
bie Lampen des Morgens zurecht gemacht, gegen Abend
1) Gesenii Lexic. Man. s. v. fp» nro. 8.
£
Der fiebenarmige Leuchter. 253
angezündet wurden, natürlih unbefchavet der einen
laut Exod. 27, 20. 21 immerfort brennenden Lampe. Doch
aud) ver naderlliihe Gebrauh, ben wir aus Flavius
Joſephus fennen, ftejt mit (χοῦ. 30, 7. 8 nicht in
Widverſpruch. | ;
In ber Miſchna unb namentlih im Tractat Tamid
find bie Vorſchriften für ben altteftamentlichen Gotteóbienft
verzeichnet worden vorzüglic barum, daß barnad) bei ber
gehofften Wiebererrihtung beó Tempels verfahren werben
möchte. „Daß i(t^, heißt ed Tamid 7, 3 „die Orbnung
des immerwährenden Opferd bei dem Dienft im Tempel
unferes Gottes. Möchte er bod) aufgebaut werben bald
in unfern Tagen. Amen!” Man ift gewöhnt auf bie
gottespdienftlihen Borfchriften ber Miſchna, als auf nad»
erilifche, mit Geringídügung herabzuſehen. Hier hätten
wir einen Fall, wo die Mifchna mit ſtillſchweigender Bers
werfung des nacheriliihen Gebraudjeó auf bie vorerilifche
Uebungen zurüdging. Den Grund glauben wir mit Sichers
beit angeben zu fónnen, unb werben es unten thun.
11. Obwohl es urjprünglideó Gefeb war, eine Lampe
fortwährend brennend zu erhalten, fo fonnte eó vod) Bin
unb wieder einmal vorfommen, daß fie von felbft ausging,
unb bie Mifchna fdreibt vor, waß in biefem Yale zu thun
$ei. — Wollte man aber bie gangbare Erflärung von 1 Sam.
3, 3 als richtig gelten laſſen, monad RIS V in collecs
tiver Bedeutung ble fümmtliden Lampen des Leuchters bes
zeichnen fol, jo wären jfämmtliche Lampen [0 regelmäßig
jedesmal vor Tagesanbrud von {εἰ ausgegangen, baf
man ben Ausdruck „die Lampen bed Heiligen Leuchters
gingen ποῦ nicht aus” als gleichbedeutend gebrauchen
fonnte mit „geraumer Zeit vor Tagesanbruch“. Abgeſehen
17 *
254 Der fiebenarmige Leuchter.
davon, daß biefe Auffaffung bem Geſehe miberjpridit, was
bereitó im der LXX ber Grund zu einer &erteóveránberung
geweſen ig, jo wird dadurch nod) der Eontert jàmmeríid
zerriffen. Aller SBerlegenfeit ift abgebolfen, wenn nad
Maaßgabe von Sprüchw. 20, 27 τίς Ὃ angefehen wird
ald „vie von Gott im 9Renjden angezünvete Leuchte“,
ber Geift, bie geiftige Kraft. Wir brauden nur vie
Üeberfegung zu geben, und bie Richtigfeit unferer Auf:
faffung leuchtet jogleid) von [εἰδῇ ein „Es geſchah zu
jener Zeit, tag Heli ſchlief in feiner (ganz nahe am Vor⸗
hofe der Stifishütte gelegenen) Wohnung — zwar hatten
feine Augen angefangen ſchwach zu werben und er fomnte
nicht ſehen, vod) vie Geiſteskraft erloſch noch nicht — Sa
muel aber [dlief innerhalb des (Borhofes des) Heilig⸗
tbumé Jehovas π. f. τὸ."
12. Beſchreibt man ben Leuchter als ein tobte8 $unft
product, das vie Seftimmung hat bie Lampen zu tragen,
fo jagt man von ihm mit Recht, taf von feinem Stocke
nad) rechts und linfd je drei Arme ausgehen (τοῦ. 25,
32). Aber der Stod und bie Arme ftellen feine totte,
fonvern lebendige, wachfende Dinge vor, denn fie erweitern
fih ja zu vollen Mandelknospen. Aus dieſem Gefichts⸗
punfte betrachtet gehen die drei Arme ber facies orientalis
nicht aus bem Stode heraus, ſondern fie wachfen vielmehr
in den Stod hinein, weil ihre volle Manvelfnospen in
umgefehrter Stellung fichen. Aus bem ΤῊ dagegen erhebt
fi nad) Art eines Baumes der Stod, und läuft mit ben
1) Berg. τὸ φῶς τὸ ἐν ἀνθρώπῳ δα δ. 6, 22 und uf. 11, 34,
ebenjo der Gegenjag zu bem leiblichen Auge, wie in 1 Sam. 3, 3. 4. —
Bem bie bem Austrud von uns zugefchriebene Bedeutung für bit
Stelle zu poetiſch dünkt, der vergleiche auferbem 2 Sam. 21, 17.
Des flebenarmige Leuchter. 255
tei wirflih aus ihm herandgehenden Armen der facies
occidentalis in vier Cpigen από. Drei ift nun nad) alf;
gemeiner alter Anfchauung ignatur Gotteó. (Bahr, Sym⸗
bif L 138 folgd.), Bier Signatur ber Welt (Bähr
Spmbolif I. 155 folgd.), Hier in&befonbere ber Menfchens
welt, weil bie in vier Spigen auslaufenve facies occiden-
ulis aus einem 7 entjpringt, alfo dad von einem unb
demſelben Stammvater herkommende Geſchlecht bezeichnet
(Gen. 46, 26; Exod. 1, 5; Richt. 8, 30). Im Allge⸗
meinen brüdt alfo ber Leuchter burdj Symbole aus eine
Herablaffung Gottes zu bem Menfhenge
ſhlechte, da bie facies orientalis von oben nad) unten
it die facies occidentalis hineinwächft.
Die Drei ald Signatur Gotteó war dem hebrälfchen
Volke urjprünglich geläufig. Zum Zeichen, bag tud) fie
ewas an und für fid) Wahres in Gott auógebrüdt werbe,
wurde fie felbft im moſaiſchen Gefege nicht verworfen; da
aber dem Polytheismus gegenüber im Geſetze die Einheit
Gottes ſtark zu betonen war, wurde bie Drei nur in
Verbindung mit andern ſymboliſchen Zahlen beibehalten,
. 8. in dem fiebenarmigen Leuchter, der in drei öftliche
und vier weftliche Lampen fi theilt, ferner in ben brei
und vier Tagen ber Unreinheit, welche durch Todte vernrs
δ! warb (Num. 19, 19) — wo fie dagegen allein et»
Weinen folfte, tritt im mofaifchen Gefege die Eins an ihre
Stelle, fo bei der einmaligen Blutfprengung Lev. 16, 14. 15,
welhe ber flebenmaligen voranging. Während vor bem
Belege in Egypten das Blut des Pafchalammes in drei
Sprengungen an die Häufer bet fraeliten fam (τοῦ. 12, 7),
Wurde nad) Verleihung des Gefehed in Ganaan es in
einer Sprengung an den untern Theil des Altares gebracht
256 Der ſiebenarmige Leuchter.
(SBejadim 5, 6; Zebahim 5, 8). Des 9ladjtó, wo die
vier Lampen ber facies occidentalis. brannten, :leuchteten
zugleih aud bie drei Lampen ber facies orientalis; am
Sage aber, wo nur bie facies orienlalis Licht geben jollte,
brannte in vorerilifcher Zeit ſicherlich nur eine Lampe biefer
facies, um feinen Anlaß zum Polytheismus zu geben,
zu weldem ja damals das Volk fo ftat? finneigte. Nach
dem Eril war der vorige Hang zum Polytheismns vollig
aus ben Juden verfchwunden, und ohne Gefahr fonnte die
Drei allein wieder ald Signatur Gottes gebraucht werben,
wie denn aud) wirflid zur Zeit des Flavius Joſephus vie
drei Rampen ter facies orientalis unausgeſetzt brannten,
ohne daß tarum [ofort ber breieinige Gott vom ganzen
jüdischen Volfe explicite befannt worben wäre. . Difeneó
SSefenntnig wurde diefes erft in der chriftlichen Lehre. In
ihrer hartnädigen Oppofition gegen dad Chriſtenthum war
ἐδ den jüdiſchen Lehrern ein Leichtes, die in der heiligen
Schrift nicht firirten nacherilifchen Vorfchriften, von denen
die Ehriften mit Erfolg polemifchen Gebraud) machen fonnten,
. gefliffentlich zu ignoriren; in unfrem Yale fehrten fie zu
dem voreriliihen Gebrauch zurüd, und daher fommt die
Differenz zwifchen der Mifchna und Flavius Joſephus.
Ein zweiter Fall biefer Art ift folgender. Rad) bem Erile
war berorbnet worden, bag am Berföhnungstage überall,
wo eine zahlreihe Judenſchaft ſich befand, eine Kuh vers
brannt, bie aufgebobene Aſche davon mit Wafler vermiſcht,
unb dann Jeder damit befprengt werden folfte zur Reinigung
vom Seelen» Ausfage, von ſchweren Sünden P. — Suftinué
—
1) Hebr. 9, 13; Barnabas ep. 8; Juſtin dialog. 41. An letzter
Stelle ijt für das handſchriftliche richtige δαμάλεως, welches Perionius
in feiner Ueberſetzung ausgedrückt hat, durch eine verfehlte Gonjectut
Der flebenarmige Leuchter. 257
Martyr fieht darin einen Typus des überall darge
bradjt werdenden eudjriftijden Opfers der Ehriften, die
Miſchna — möchte e8 gern toot fchweigen.
13. Sollte durch den Leuchter weiter nichtd dargeftellt
fein, als daß fid) Gott zu ben Menfchen herablaffe, fo wäre
es einerfeitd nicht nótbig gemefen, bag gerade voleMandels
fnospen am Etode und an ben Armen fagen, fondern
ganz beliebige Knospen oder Blumen, an ber facies orien-
talis jetod) verkehrt geftellt, würden dasſelbe geleiftet Haben
— andrerfeitd wären auch bie fieben Lampen ein Uebers
fug. Die vollen Mandelfnospen und bie Lampen vers
langen. befondere Deutung.
Der Mandelbaum trägt ben. Namen Ψ, weil et
nach Ueberwindung des winterlichen &álafee früher ale
irgend ein anderer Baum wacht, Ὁ. ἢ. blüht (Bähr, Sym⸗
botif I. 450). Das in vollen Knospen fid manifeftirenve
frühefte Leben des Mandelbaumes ift barum ein pajfenteó
Symbol des göttlichen Lebens, welches Alter ift als das
Dafein unb Leben ber Ereatur. Finden fi num tie vollen
Mandelknospen an einem die Creatur bezeichnenden Eyms
bole, wie an ter in vier €pigen auslaufenden facies occi-
dentalis des Leuchterd, fo fónnen fie nur anbeuten, taf
das Leben der Ereatur ein von Gott verlichenes fei. Der
zur facies occidentalis gehörige Stock des Leuchterd zeigt
eine volle Mandelfnospe, bevor er Arme ausſendet —
das will Jagen; ber Stammvater des Menfchenge-
ſchlechtes befaß das phyſiſche Leben als eine Gabe von Gott.
Der Ctod fenbet nicht eher feine weftlichen Arme aus, ald
ein falſches σεμιδάλεως in den gebrudten Ausgaben zu Iefen. — Zur
Sache vergl. Jahrgang 1852 diefer Quartalſchrift S. 621 fg.
258 Der ſtebenarmige Leuchter:
mit bem Hineinwachjen je eined der drei öftlihen Armez
erft dann geht er jedesmal in zwei Sprofien auseinander,
welde im Ganzen jedesmal vier volle Mandelknospen
haben, bie jenfrechte Sortjegung in bie Höhe jebe&mal eine,
ber Geitenarm jedesmal drei — mit Rüdfiht auf ven
jedem Iſraeliten befannten Günbenfall des Stammvaters
und befjen Folgen will dieſes jagen: aus bem bem Stamms
vater urfprünglih von Gott verliehenen Leben ift baé
Menſchengeſchlecht nicht ent[profjen, fonbern dazu war eine
be[onbere Herablafjung des lebendigen Gottes zu bem mit
dem Stammvater zugleich bem Tode anheimgefallenen Ges
Ichlechte, und eine abermalige Mittheilung ver Lebensfraft
von Seiten Gottes nothwendig.
Licht ifl das Symbol ber Reinheit, Klarheit, Heiligs
feit (1 Sof. 1, 5; yaf. 1, 17). Die aus drei Lampen
beftebenbe ftetd helle facies orientalis des Leuchter, deren
ſaͤmmtliche Lampen auch in vorerilifcher Zeit unaufhörlich
gebrannt haben würden, wenn nicht ber Hang des Volkes
zum PBolytheismus das fortwährende -Brennen von nur
einer Lampe ratbjam gemacht hätte, ijt barum eine ſym⸗
bolifche Darftelung des unveränderlich Heiligen Gottes.
Die das Menſchengeſchlecht mit Inbegriff des Stammvaters
parftellenbe facies occidentalis wird oor Abend angezündet,
damit fie in ber erften Hälfte des mit Sonnenuntergang
beginnenden Kalendertages brenne; in deſſen zweiter Hälfte
find ihre Lampen felbft zwar finfter, bod) nicht im Yinftern,
weil das von ber facies Orientalis. fommenbe Licht ihnen -
zugefehrt ift, ja fie ftehen fogar zum neuen Anzünden völlig
zugerichtet an ihrem Plabe auf bem Leuchter — das will
jagen: das Menfchengefhleht war anfangs heilig, unb
wurde nad ber unhellig; aud) bem unheilig gemotbenen
Der fiebenarmige Lenchter. 259
Menſchengeſchlechte wendet fid) ver heilige Gott unabläffig
zu, offenbart fid) ihm, und εὖ hat die Fähigkeit und An⸗
wartfhaft mit Eintritt einer neuen Zeit wieder heilig
zu werben.
Die Zeichenfprache des Leuchters in bie Wortſprache
überfeßt und in bie Worm. eines Lehrſatzes gebracht lautet
nad) allem Obigen: Ἐν αὐτῷ ζωὴ m (scil. ἐν ἀρχῇ), xal
ἡ ζωὴ ἦν τὸ φῶς τῶν ἀνθρώπων, καὶ τὸ φῶς ἐν τῇ
σχοτίᾳ φαίνεε (oh. 1, 4. 5), Ὁ. f. als bie Welt gefchaffen
wurde unb das Leben empfing, war da ber nichterfchaffene
lebendige Gott; er, ber aller Greatur Daſein und Leben
verlieh, erſchuf das Menſchengeſchlecht als ein heiliges;
auch in dem nachher unheilig gemorbenen Menfchenge-
ſchlechte offenbart fid) unabläffig ber heilige Gott.
14. Mit bem Leuchter im Heiligen der Stiftshütte und
des Tempeld hat ber Leuchter in Zadar. 4, 2 folgb. feine
Achnlichkeit. Zwar ift er von Gold und trägt den Namen
nn, weldes Wort nad) ben Rabbinen niemals einen ges
taben, fonbern immer einen Armleuchter bebeutet (Bähr
Symbolif I. 412), trägt aud) fieben Lampen, wid abet
von bet gewöhnlichen Worm eines Armleuchters nicht ab,
weil jonft Zacharia nicht unterlaffen haben mürbe, biefeó
hervorzuheben; ber Leuchter im Heiligen des naderilifchen
Zempeld dagegen, welcher bod) wenigftend in ber Grunds
geftalt den gefegliden 9Bor[dyriften entſprechend gearbeitet
war, hatte eine von den fonft im ‚Leben gebräuchlichen
Armleuchtern ganz abweichende Worm, ἐξήλλακτο τῆς κατὰ
τὴν ἡμετέραν χρῆσιν συνηϑείαρ, wie Flavius Iofephus
Bell. Jud. VII. 5. 8. 5. berichtet. Die fieben λαμπάδες
πυρὸς in Apor. 4, 5 ſcheinen mit den fieben Lampen auf
vem Leuchter bei Zacharia iventifch zu fei, find eben darum
260 Der flebenarmige Leuchter,
aber mit den fleben Lampen des Leuchters im Heiligen nicht
zu confundiren. Am alferwenigften aber ftimmen die fieben
goldenen λυχνίαι Apoc. 1, 12. 20 zu dem einen fieben»
armigen Leuchter im Heiligen.
Der alterthümlihe 9eudterfug in der zum Prager
Dome gehörigen 9toftigfen Kapelle, welcher vorgeblich
bem falomonifchen Tempel entftammt, ift nicht golden, und
hat barum zum fiebenarmigen Leuchter im Heiligen nidt
gehört. Wer fih entſchließen kann, dieſes wunderliche
Durcheinander von Thier⸗ und Menſchengeſtalten dem judi⸗
ſchen Alterthume zuzuweiſen, der könnte ihn allenfalls den
am Abend des Laubhüͤttenfeſtes im Vorhof ber Weiber ges
brauchten Leuchtern mit je vier Lampen zuſprechen, an
denen nur ber oberſte Theil golden war (Succa 5, 2).
Der Leuchter im Heiligen des nadjerififden Tempels,
welden Situé nod) an Ort und Stelle faf, wurde bei des
legtern Triumphzuge öffentlich zur Schau getragen, und in
bem von Veſpaſtan erbauten τέμενος Εἰρήνης, eine Art
von Mufeum, aufgeftelt 5. Eein Gtod wird von Flavius
Iofephus κίων genannt, feine Arme λεπτοὶ καυλίσκοι
(Bell. Jud. VII. 5. $. 5), worin liegt, daß der Ctod bes
beutenb bilder αἰ die Arme war. Dod ber römische Bild⸗
bauer, welcher ihn an der innern Wand des Triumphbogens
bes Titus tarftelite, hat ed nidjt darauf abgejehen, ihn
ganz getreu nad ver Wirkfichfeit zu zeichnen, fondern nur
in Baufh und Bogen feine Grundgeftalt wiederzugeben.
Stod und Arme machte er in der Dide gleih, und was
von Zierathen am Fuß, am Etod und an ben Armen πο
erkennbar ift, ift freied Product des Künftlers, der ed nicht
1) Joseph. Bell. Jud. VI. 4. 6. 7; VII. 5.6.5. 7,
Der flebenarmige Leuchter. 261
einmal für nótfig befunden hat, unterhalb jedes vom Stode
ausgehenden Armepaares eine Zierath, anzubringen. Einen
Gewinn haben wir aber bed) aus dieſer Abbildung, näms
lich tie Gemiffeit, taf die Arme tes Heiligen Leuchters
zu gleiher Höhe mit tem Etode fih erhoben, und bie
fieben 2ampen in einer geraden Linie geftanden haben.
Die fpátern Rabbinen lehren dieſes zwar aud, aber weder
ble hl. €drift gibt e8 an, nod) läßt es fid) aus Philo
und Joſephus mit einiger Eicherheit folgern.
Dr. Krüger,
Profeſſor in Braunsberg.
II.
Recenſionen.
1.
Caroli Passaglia S. J., in Romano collegio theologiae pro-
fessoris, de Ecclesia Christi commentariorum libri V.
Vol. I, Ratisbonae, Manz 1853, X 142 ©, Vol.II. 1856.
XXVIII 865. gr. 8. - Preis 8 fl. |
Nachdem die Herausgabe gegenwärtigen Werkes burd)
bie Arbeiten des Verfaſſers bei ber Gongregation über bie
Unbefledte Empfängniß unb bie Abfafjung feines rühmlichft
befannten, bebeutenden Werkes über dieſen Gegenftand
längere Zeit unterbrochen worden war, ift viefelbe jo weit
vorge[d)ritten, daß ber Verleger einen namhaften Theil
beffelben bem Publicum vorführen fonnte. Es foll in fünf
Bücher zerfallen, wovon bereitö brei in zwei Bänden ers
[dienen find. Das erfte beichäftigt fid) mit bem Begriff
der Kirche, der zuerft philologifh aus dem Sprachgebraudy
ber Profanfchriftfteller unb der Schrift beftimmt, fobanm
durch eine Vergleihung mit ber Synagoge, burd) Benuͤtzung
ſämmtlicher Bilder, womit die Kirche im N. T. bezeichnet
wird, forie der Parabeln, melde von ihr handeln, mod
Caroli Passaglia de Ecclesia Christi comment. libri V. 263
näher beleuchtet wird. Das zweite Buch fpricht vom wirk⸗
lichen Dafein ver Kirche, alfo von ihrer Gründung, ihrer
Wortbaner und PVerennität unb von ihrer fortwährenden
Sichtbarkeit. Das dritte Buch führt ben Titel: de eccle-.
siae causis. Dieſe πὸ 1) die causa efficiens eaque prin-
ceps, unter welcher Bezeihnung das Verhältnig Gottes
und des göttlichen Geiftes zur Kirche behandelt wird. 2) Die
causa effectrix eaque instrumentalis ift dad ministerium
ecclesiasticum , von weeldem in ber Art geiprochen wird,
daß zuerft vefien Anfang im Apoftolat, fobann die Fort⸗
ſetzung im Cplócopat nad) allen Beziehungen Hin erörtert
werden. 3) Die causa exemplaris Ecclesiae hat der Ver⸗
faffer nad) Anleitung ber Väter als eine dreifache beftimmt :
die causa exemplaris theologica — bie Trinität, die oeco-
nomica — Ehriftus, unb bie angelica, auf welche (don
Elemend von Alerandrien in Bezug auf ble Hierarchie
finbeutete. 4) Die causa materialis bilden bie Angehörigen
der Kirche, melde febr ausführlich in negativer und affirs
mitenber Weife beftimmt werden. 5) Die causa formalis
wird in eine innere, welche Gott, Chriftus und ber hi. Geift
ift, und in eine äußere, melde das Geſetz des Glaubens,
des Lebens unb der Gemein[djaft ift, unter[fjieben. Ends
lid) fpricht ber Verfaffer 6) von ber causa finalis, welche
in ben finis theologicus, theanthropicus und anthropo-
logicus eingetheilt wird. Wergleiht man die Zahl viefer
Gegenftände mit dem Umfang des Werkes, jo wird man
fid) leicht eine Vorftellung von ber Ausführlichfeit und ber
ἱπ ὁ Einzelnfte gehenden Sorgfalt, mit ber fle behanbelt
find, machen fónnen. Der Reihthum an Fragen, weld
zur Sprache fommen, die PVielfeitigfeit und Neuheit bet
Gefihtspunfte, von denen aus fie nad) Anleitung der Väter
264 Ceroli Passaglia de Ecclesia Christi comment. libri V,
behandelt werden, machen das Werk zu einem Außerfi atv
tegenden und belehrenden. Der patriftifche Stoff ift ‚in
größter Fülle gefammelt und bearbeitet worden, und gerade
dieſes gab bem Verfaſſer Anlaß, die ragen von ber Kirche
παῷ Seiten bin zu behandeln, nad welden fie feltener
berührt zu werben pflegen, und zahlreiche Beziehungen
zwifchen biefer Lehre und denen von ber Trinität nnb
Menjhwerbung in geiftreiher Weife zur Sprache zu bringen.
Der Berfaffer hat es nicht unterlaffen, befonberó bei
exegetiſchen Fragen auf bie beutfche Literatur Rüdficht zu
nehmen. (δ᾽ wird nur bei der Unterfuchung über bie
Entftehung der Kirche eine Benrtheilung ber neueften von
der fritijen Schule unter ben Proteftanten anfgeftellten
Eyfteme über die Uranfänge der altfatholifchen Kirche. ver»
mißt. Diefelben, fowie die bejonbere Anfiht von Rothe,
hätten bei ben Fragen über ben Epifcopat einen Haupt⸗
beftanbtheil der Fritifchen Seite des Werkes bilden fónnen.
Auch die Anordnung des Werkes hat nad unferem Ges
ihmad Einiges, was der Anforderung eines wahrhaft
organischen Baues nicht ganz genügt, befonberó im vritten
Bud, de causis Ecclesiae, das eine Eintheilung bloß nad)
Kategorien, nad) ádern hat. Im Beftreben, die gewons
nenen Begriffe möglihft auszubeuten unb nupbringenb zu
geftalten, hat der Verfaſſer ſtets eine große Zahl von Go:
rollarien daraus gezogen, welde durch Anticipation ben
regelrechten Gang ber almähligen Entwidlung unterbrechen,
aud maude Fragen, welde mit dem Gegenitand .in ent
fernterer Beziehung ftehen, aus einer etwas überwuchernden
Reichhaltigfeit über die Grenzen einer firengen Syſtematik
hinaus hereingezogen. Allerdings muß man babei geftehen,
taf vie ſtets belehrende Behandlung berfelben ven Leſer
Alessandro Pestalozza, Theologia Naturale. 205
verführt, foídeó μὲ überfehen. Die Schärfe in tex Be
kimmung ber Begriffe, jowie das befondere Geſchick des
Verfaſſers, die SBemwei&momente gehörig audzubenten und
durch vortheilhafte Stellung des Beweiſes ihre Kraft móg:
ht hervorzuheben, verdienen alle Anerkennung. Die
katinität iff vortrefflish, "die Darftelung Har und troß ber
zu bewältigenden Maffe verhältnißmäßig überſichtlich.
Ὁ. Denzinger.
2.
Theologia Naturale. Per Alessandro Pestalozza, Prete
Milanese. '
Peſtalozza íft Anhänger ver Philoſophie von dem bes
tühmten Antonio Rosmini. Er hat ein Werf heransges
geben, in weldyem er ble ganze Philoſophie auf ter Grund»
lage feines Meifters abhandelt, unter dem Titel: „Elemenli
di filosofia. Terza edizione, ritoccata dall’ autore.^ Mi-
lano, 1856. — Wir wollen hieraus bloß tie natürliche
Theologie des Verfaſſers befprechen, da fie für eine then
logische Zeitfchrift mehr Intereſſe bietet, als ble andern
philoſophiſchen Disciplinen. — Der Berf. geht in feiner
Einleitung davon aus, daß alle fpeciellen Wiſſenſchaften,
befonders tie philofophifchen bie Vollendung ihrer Erfennt-
Mig in ber Idee Gottes, daher in ber Theologie finden.
Dieß zeigt er gut von ter Pſychologie, Cosmologie und
Moral (€. 264 — 265). Er unterfcheidet fobanm die
natürliche und geoffenbarte Theologie aljo ©. 266: „La
prima ὁ quella già accennala del metodo, che nell’ una ὁ
— — — —
266 Alessandro Pestelozza,
razionale e naturale, dove nell' altra ὁ principalmente di-
dascalico e autoritativo. L’altra consiste nella natura
stessa delle cognizioni che riguardano Dio, le quali nella
teologia naturale, benché sisno perla massima parte ne-
galive, pure sono accessibili all’ umana ragione, la quale,
se da un lato letrova sempre incomprensibili, dall altro
le conosce come apodittiche e le dimostra come necessa-
rie; quando all incontro molte delle verità depositate
nella tradizione divina sono misteriose, e perció tali che
la ragione non avrebbe mai potuto trovarle col proprio
lume, come non puó spiegarle e comprenderle dopo che
le ha ricevute dalla rivelazione.“ Uns fcheint es, baf
ber Verf. in bem Punkte zu weit gehe, wenn er meint:
die Vernunft fónne von den pofitiven Offendbarungswahr-
heiten gar nichts erklären, erfajfen unb begreifen. Ein
Verſtaͤndniß und ein Begreifen derfelben auf einen gewiſſen
Grab laßt ſich allervings erreihen. Dieb Hat ber Di.
Auguftin felbft behauptet. Er ſchreibt in feinen 110. Briefe
an Conſentius: „Daß dasjenige, was ber Glaube und
porftellt, bió zu einem gewifien Grave durch das Licht ber
Bernunft begriffen werben könne.“ Aber etwas Anderes
ift das vollftändige, adäquate Begreifen der Myfterien, und
das Begreifen des realen Wie von benjelben. Dieß if
für die menfdjlide Vernunft unmóglid. Ebenfowenig fann
die Vernunft rein aus fid) bie Myſterien entbeden, abet
immerhin fann fie iveelle Gründe im Selbftbewußtfein auf»
finden, warum man biejelben notfmenbig feftbalten müffe.
Denn ift bie pofltive fecundäre Offenbarung für ben Geifl
beftimmt, jo müfjen fij aud) bie Beduͤrfniſſe aufzeigen
lafien, die im Geifte dafür liegen.
Der Berf. handelt die natürliche Theologie in 5 Ab⸗
Theologia Naturale. 261
(dnitten ab. — Im erften Abfchnitt fprid)t ev im 1. Gay.
„vom allgemeinen unb gewöhnlihen Begriffe Gottes.“
Er fagt S. 269: „L’idea (di Dio) pià commune e vol-
gare ὁ quella di — ente creatore e provido reggitore
del mondo.^ Das ift wohl ber Fall bei den diviftliden
Pölfern, wie es ber Verf. jelbft gefteht, aber nicht fo bei
pen Heiden. Bei diefen herricht bie Idee der Emanation,
ftatt der Greation der Welt aus Nichts, da von lepteter
es feine Analogie gibt, babet fie nicht fo leicht erkennbar
i. ©. 271, Cap. IL ftellt ver Berf. feinen „philofor
ybilden Begriff” von Gott auf: „Dio ὁ l'Essere assoluto
e completo. — Quando si dice l'Essere assoluto e com-
pleto, s'intende quell' Essere a cui apparliene tutta l'es-
senza dell’ essere. — Cos’ ὁ che appartiene all’ essere es-
senzialmente ? Nell' ontologia abbiam veduto, che l'essere
sussiste in tre forme a lui essenziali, le quali sono cosi
fra.loro distinte che non possono ridursi l'una nell" altra:
lidealità, che ὁ la forma per cui l'essere ὁ per sé intelli-
gibile o pensabile; la realità, per cui l'essere ha’ vita,
sentimento, intelligenza; la moralità, che é la forma risul-
tante dall' unione e armonia delle altre due, per cui l'essere
reale e intelligente ama e aderisce all' essere secondo la
norma ideale. Dunque l'Essere assoluto ὁ tütt' insieme
ideale, reale, morale.^ Wohl find biefe drei Formen bei
Gott nothwendig. Nach unjerer Faſſung würden fte lauten:
Sein ſchlechthin, höchſte Intelligenz, ober abjolutes Selbft-
bewußtfein (Dreiperfönlichkeit), und abfolute Heiligfeit.
Ein unperjónlidjeó Abfolute fónnen wir nicht an die Spiße
ber Weltihöpfung ftelfen, da wir. fonft die regelmäßige
Einrichtung des 9Beltallà gar nicht zu begreifen vermöchten.
— Im IM. Gap. ift.bie. 9tebe vom lirjprunge ver See
Geol. Duartaljchrift. 1857. I. Qeit. 18
A
268 Alessandro Pesteloxza ,
Gottes. Hier erhebt ber Berf. bie (rage: ob bie Idee
Gottes dem Geifte etwa angeboren. fei? S. 278: „Ma si
potrà egli accordare che almeno l'idea di Dio sia im-
pressa naturalmente nel nostro spirito? — Forse "perché
tutti gli uomini, tutte le nazioni hanno questa idea?“
Er antwortet hierauf: „Hanno anche quella di uomo, e
d’altri oggetti molti, senza che questo fatto basti a dimo-
sirare che queste idee le portano dalla nascita.* — Aud)
einen andern Einwurf wiberlegt er bajelbft: ,Forse per-
ché tutti gli uomini hanno una naturale tendenza a cre-
dere l'esistenza di Dio? — Ne abbiamo indicata la ra-
gione nel bisogno che prova la nosira mente di riconos-
eere una causa produttrice e una forza reggitrice di questo
universo che si presenta come passivo e imperfetlo e
contingente : dall' essere sommamente evidente la necessità
di dare alle oose un principio, non segue che l'idea di
questo principio sia innata, ma che sia delle piü fäcili ad
acquistarsi coll’ istruzione e ad aceompagnarsi con un giu-
dizio della realtà del suo obietto.^ Wir theilen 'viefelbe
Anfiht. Denn wäre ble Idee Gottes bem Geifte als εἶπε
fertige angeboren, fo Fünnte es nicht jo verſchiedene Gottes⸗
begriffe in ven verſchiedenen Religionen geben. Aber ans
geboren ijt bem Geiſte bie SBebingtbelt. feines Seins, daher
wird er ſollicitirt, das bebingende Princip als feinen
ſchöpferiſchen Urheber hinzuzudenken.
Nachdem der Verf. den Begriff Gottes beſtimmt hat,
redet er im IL Abſchnitt von der „Exiſtenz Gottes.“ Im
L Gap. löst er das Problem: „Se l'esistenza di Dio sia
oggetto di dimostrazione?* Der Verf. (ft für den Beweis
des Dafeins Gottes. Er befpricht deßhalb auch eine Einwens
bung dagegen’ C. 296: „Altri sostengono. non potersi di-
Theologis Naturale. 269
mostrare l'esistenza di Dio, perché noi ne abbiamo una
cognizione nalurale immediata. — Ma le cose che .sono
oggelto di un' intuizione immediata non si possono di-
mostrare, perché sono note per sé. Dio, essendo il lume
stesso della nostra intelligenza, dicono costoro; Dio es-
sendo nolo per sé, mentre ripugna che la luce stessa si
renda nota per altra cosa da lei diversa, e a lei inferiore,
ne segue .che la proposizione^ Dio ὁ „non puó essere
oggeto di dimostrazione, ma ὁ indimostrabile.* — Darauf
erwidert ber fBerf.: „Che l’ohietio del nostro intuito pri-
mitivo non ὁ Dio stesso; che lintuizione di Dio sarebbe
in pari tempo percegione di, Dio, giacché Dio non puó
ennoscersi in sé se non dall inteletto; e chi percepisce
Dio partecipa dell’ ondine sopranaturale di grazia o ‚anche
di gloria. — Se Dio non ὁ obietto d’intuito naturale, se
non puó confondersi col Jume ‚della regione, hisogna pure,
per conoscerlo, che la nostra ragione ne deduca l'esistenza
col ragionamento; dunque l'esistenza di Dio ὁ dimostra-
bile. — Den Grund, warum Sande meinen, daß bie
Idee Gotteó bem Geiſte ſchon als fertige angehoren. fei,
jheint und .ver Verf. in folganben Morten auógefproden
zu haben ©. 298: . „Beoitata ‚la.riflessione.a considerare
la cognizione .dixeita .e posiiva ‚delle cose contingenti,
‚non appena si.é aeporta della.:conlingenza loro ahe.& già
salita alla causa primitiva assolula, indipendente, delle cose
slesse. I termini correlativi .di, causa e di effelo, di .ne-
.cessità e conlingenza,. di finito 6, infinito, non si formano
in menle successivamente ma in un istante simultaneo,
perehé l'uno. chiama l'altro.“ — Der Verf. xügt e8, daß
Kant ber theoretifchen Vernyunft tie. Fähigkeit. abgeſprochen,
das Dafein (BoMeó qu bewedjen. S. 300: „L’errore di
18 *
270 Alessandro Pestälorza,
Kant ha la sua origine dal subiettivismo, sistema che ri-
duce il lume della ragione a delle forme subiettive dello
spirito, le quali non danno alla ragione il diritto di amet-
lere il mondo esterno.*
Im zweiten Gapitel zeigt ber Verf. die ver[djiebenen
Arten, das Dafein Gottes zu beweifen. Er reducirt fele
vorzüglich auf vier, und zwar alfo ©. 302: „La prima
dimostrazione parte dall’ essenza dell’ essere da noi intuito:
prova ontologica. La seconda dimostrazione parte dalla
Forma ideale, che serve a noi di lume della ragione:
prova ideologica. La terza si ricava dall’ essere reale da
moi percepito, vale a dire-dal me, dal mondo esterno, da
tutto vió: che lo costituisce in quel modo ch'egli é: prova
'cosmologica, o, come suol dirsi, fisica. La quarta per
ultimo si fonda su la forma morale dell essere, cio& su
la legge morale: prova morale.* Gigentbümlid) ift bem
Verf. bier bloß ber iveologifche Beweis, weßhalb wir ihn
aud) anführen wollen, va er für die Leſer ein Interefie
haben dürfte. ©. 307: „La seconda dimosiralione a
priori dell esistenza di Dio si trae dalla forma ideale
dell’ essere, o sia dall' ente ideale, che costituisce il lume
della nostra ragione; onde quesia si chiama prova ideo-
logica. — E infatti cos’ ὁ l'idea dell’ essere, se non
lobietto essenziale del nostro intelletio? — Ma l'idea,
l'obielto, puó esso sussistere in sé, diviso da ogni mente?
Tolla una mente, che intuisca l'idea, essa non ὁ piu che
un’ astrazione, o a dir meglio un assurdo, perché il
proprio dell idea ὁ di essere pensata, di essere termine
a qualche mente. Niun termine puó stare né concepirsi
separato e disgiunto dal suo principio. — Il principio poi
o sia quello che intuisce l'idea, sue termine ὁ la mente.
Theologia Naturale. 271
Ma l'idea dell’ ente, termine obbiettivo della nostra mente,
ὁ obielto elerno, quando all’ incontro mon ὁ eterno il
nostro spirito che lo intuisce. Dunque, se esso non
puó sussistere in sé diviso da ogni mente, a lui. é.affailo
accidentale l'intuizione del nostro spirito, e peró deve
esistere una mente eterna, in cui risieda come mel suo
proprio subietto o principio. Dall’ esistenza dunque della
forma ideale a ragione si risale a un reale eterno, in cui
lessere ideale formi una perfetta unità. Questo reale ὁ
Dio, da.cui ci viene: appunto l'intuizione dell’ idea.“
Das Ill. Gap. lautet vom Atheismus. Nachdem ber
Berf. ben Begriff unb bie Grifteny Gottes erörtert hat, fo
betrachtet er ſofort „die Natur Gottes“ (im IH. Abfchnitt),
und zwar betrachtet er zuerft a) Gott in feiner vreifachen
Form (welche von ihm ale l'idealità, la realità e la moralitä
beftimmt wurde), bierauf b) Gott in feinen Gigenjdaften,
unb enblid) c) ble göttliche SBejenbeit. in jeder der eben
befagten drei Formen. Schön zeigt ber Berf. ©. 325:
bag Gott nicht ald das allgemeine Sein ober ald ta
Grundweſen der Welt aufgefagt werben fann. — Wichtig
ift aud) feine Bemerkung vom Logos in Gott €. 339:
„L’atto con cui Die conosce se stesso, ὁ un alto con cui
Dio afferma e pone sé stesso. L’atto di affermare si
chiama Verbo; dunque in Dio bisogna ammettere il Verbo
divino. — Ripugna pensar Dio senza il Verbo, benché
sia Pintelligenza divina che pronuncia il Verbo, e non già
il Verbo che genera l'intelligenza divina. E in questo
Verbo la Chiesa riconosce Ia personalilà, e insegna venire
dall' intelletto divino per via di generazione. Ciö che la
ragione umana, ajutata dalla rivelazione, riconosce: bensi
come necessario ad ammeltersi, mentre un Dio che non
272 ᾿ Alessandro Pesialozta,
conosoa 86 stesso non ὁ Dío, e la cognizione di sà stesso
senza il Verbo ὁ cosa. inconcepibile.^ — „Ma come pot
lddio generi il Verbo, e come questo sussista qual Per-
sona realmente distinte da Quella che lo genera, serà
sempre un mistero.^ | Allerdings erfennt die SBernunjt,
erleuchtet durch bie Fackel ber pofitiven Offenbarung, bie
Nothwendigkeit des ewigen Wortes (be& Logos) in Gott.
Denn fol Gott fein abfolutes Selbftbewußtfein ober feine
abfelute Selbfterfenntniß. erreichen, d. 8. fein Weſen als
abjolutes unmittelbar fdjauen, fo muß er jid nothwendig
real felbftobjectioirem, Ὁ. B. das Wort (ben Sohn) erzeugen.
Nur fo fann Gott fid) αἱ Sein jchtechthin erfaffen und
wiffen. Und nur fo ἱξ feine Gelbfterfaffung qalitativ
verſchieden von der bedingten Selbfterfaffung des endlichen
Menſchengeiſtes, ver (eiit Weſen nicht unmittelbar zu ſchauen
vermag, ſondern bloß aus der Eriheinung εὖ erfchließt.
Die Vernunft kann demnad bie Trinität nid aus fid
allein entbeden, aber erleuchtet durch die poſitive Offen»
barung nachdenken, b. D. ideell reconftruiren (weil eben im
perfönlihen Menfchengeifte eine Analogie liegt) und infos
fern zeigen, daß fie nicht undenkbar ift. Denn vieß ers
weiten ble fpeeulativen 9teconftructionóperjud)e vom bl. Au-
guftin, Anfelm, Thomas von Aquino, nnb von Duns
Scotus. bod wird das Erfaffen ber Trinität von Seite
der Vernunft nie ein vollfiändiges unb vollfommen ads
äquates fein, und gar nid wird dad reale Wie Verjelben
von ihr begriffen werden. Darauf hat and) beo Verf.
ganz richtig Dingebentet. Nur verfioßt er ſich hier gegen
feine frühere Behauptung ©. 266, wo er fügt: baf bie
Bernunft von den erhaltenen geoffenbarten Wahrheiten
Theologis Naturale. 273
gar fein Verftändniß gewinnen fünne. Wahrfcheinlich Dat
er fid) dafelbft nicht richtig ausgedrüdt. |
Nun übergeht ver Berf. zur Betrachtung vom Bers
hältniffe Gottes zur Welt (im IV. Abſchnitt). Er hat
ſchon im vorhergehenden Artikel VII, S. 357 gezeigt, daß
Gott die Welt nicht nothwendig zu wollen brauche, ſondern
fie frei απὸ Nichts geſchaffen habe: „Nella nozione dell’
essere assoluto non enira la nozione del monde.“ Er
hätte mit Rüdfiht auf den Pantheismus nod) hinzufügen
fónnen: Wenn Gott bereits feine Subjectobjectivtrung in
ber abfoluten Dreiperſönlichkeit befigt, To hat er nicht erft
nótbig, fie in ber Weltwerbung zu erreichen. Daher (ít
aud) die Welt zur Vollendung feined Weſens nicht not:
wendig. — In Betreff der göttlichen Vorfehung madjt ber
Berf. hie unb ba gute Bemerfungen. Wir fónnen jebod)
[εἴθε nicht anführen, da εὖ ber Raum ber Zeitfchrift nicht
geftattet. — Interefjanter nod) erfcheint uns ver V. 916»
íónitt. Hier behandelt ber Berf. „die irrigen Cyfteme
vom Sein und ber Natur Gottes." Scharfſinnig unters
Iheidet er ©. 389 zwei Hauptquellen aller Irrthümer in
Betreff der Natur Gottes: „Se in antico l'ignoranza con-
giunta col naturale predominio dei sensi e della fantasia
corruppe miseramente le verità primitive, e piü di tutte
la verità cardinale che riguarda la nozione della divinità;
nelle eià che possiamo dire moderne, i sistemi erronei
circa la natura di Dio traggono principalmente origine
da un moto inverso a quello degli antichi, oioe dall' abuso
: della ragione o riflessione filosofica, che noi chiameremo,
con un termine usitato, razionalismo.^ — Allein dieſer
Mißbrauch ter Vernunft [fdeint uns bejonteró darin zu
befteben, daß der richtige Standpunkt ver Speculation (b. ἰ,
214 Alessandro Pestalozza,
der Dualismus, welcher Gott und Welt, unb ebenjo auch
Geift und Natur qualitativ unterfcheidet) nicht beachtet
wird. Denn meber vom moniftifchen, nod) monadiftifchen,
nod femipantbeiftifen, nod) naturaliftijen Standpunfte
fann fij bie wahre Idee Gotted ergeben. Richtig bes
zeichnet der Berf. die Solgen ber beiden befagten Principe
€. 393: „Perciö il predominio dei sensi e della fantasia
produsse il politeismo di forme varie e moltiplici; quello
della ragione sopra le verità rivelate o anche di senso
commune produsse il panteismo, vario anch' esso di
forme.^ — Im HL Gap. finden wir bie Erörterung: Del
naturalismo e delle varie sue forme (als Fetiſchismus,
Gabàiómuó, perfifcher Dualismus, inbijdjer Sritbeiómue,
Anthropomorphismus bei ben Griechen und Römern). —
Im IX. Gap. beftimmt ber Verf. ven Unterſchied zwiſchen
Bolytheismus und Pantheismus €. 418: „Come il pre-
dominio dei sensi e della fantasia trascinó l'uomo a im-
medesimar Dio con la natura, l'infinito col finito; cosi
per l'opposto l'abuso della riflessione filosofica, ne falsó
il concetto per un aliro verso, non vedendo nel finito e
relativo, se non dei modi e delle esplicazioni dell’ in-
finito.^ llebrigené gibt ber Verf. drei veríd)lebene Haupt:
partheien der PBantheiften an Θ. 420: „1. Alcuni, am-
meltendo la realita sostanziale del finito, ne spiegano
lorigine per via di emanazione, supponendo che il finito
preesista in uno stato di indeterminazione e come in
germe nell’ essere infinito. — 2. Altri che ammettono
anch' essi la realilä del finito, lo riguardano, non già
come un' emanazione dell' infinito, ma come coesistente
con lui, un compimento di esso. — 3. Altri per ultimo,
non sapendo come spiegare la realilà e sussistenza del
e Theologia Naturale. 215
finito, lo riducono a una mera apparenza, a una serie di
fenomeni, o a delle forme del nostro spirito, a delle idee.*
Daher unterfcheidet ter Verf. aud) drei Hauptformen des
Pantheismus: „tre forme principali, che sono il panteismo
emanalistico, il panteismo realistico, il panteismo ideali-
stico.^ — Er benrtheilt hierauf im X. Gay. den „Emanas
tismus.“ Gut widerlegt er hier folgenden Einwurf ©. 422:
„Si dirà che, se l'emanatista riguarda il finito come uscito.
dalla sostanza divina e da essa separato, sicché formi un
complesso d'individui distinti da Dio, esso non é piü
panteista, mentre al concetto di panteismo ὁ essenziale
quello dell’ unità di sostanza.* Ebenſo meinen aud) Mande
in Deutſchland ven Pantheismus dadurch überwunden zu
haben, daß fie nicht bloß die Immanenz Gottes in ber
Welt, fonbern aud) teffen Tranfcendenz über ber Welt
bebaupten. Der Berf. jagt richtig dagegen ©. 422: „N
loro individuarsi non toglie che siano una stessa sostanza,
un ente medesimo coll’ infinito. — I diversi individui,
per l'emanatisia, altro non sono che la sostanza divina,
la quale si spande in un dato spazio e opera in diversi
modi. Das Syſtem des Gpinoja rechnet ber Verf. zum
realiftifhen Pantheismus (XL Eap.).
Im XII. Gap. fpricht er vom „ivealiftiichen Pantheis⸗
mud." Dem Kant fchreibt er tranjcenbentalen Idealismus
zu (S. 429), und bemerft, baf der ivealiftifhe Pantheis⸗
mus daraus hervorgegangen. Und wie fo? ©. 429 heißt
ἐδ: „Per lui non era certo se non questo, che lo spirito
umano giudica delle cose secondo delle forme subiettive
sue proprie. E perció tutto il mondo esteriore non é
conosciuto in sé, come reale, ma solamente come feno-
menale, e veste le forme del subietto conoscente.^ Ten
216 Alesssadro Pestalozzi, 5
ten Stadjfolgem Kant’d meint er ©. 429: Τα svolsero
le consequenze viriualmenle conienale nell’ idealismo ira-
scendeniale da lui fondato.* Bon Fichte im GOegenjate
m Sant urtbeilt er αἴο S. 430: „Egli stabili come fallo
primigenio e supremo, e in pari iempo come principie
primo della cognizione e della scienza, l'esistenza del me,
i quale con un suo alio produce, pone, crea sé siesso
e il non-me e ogmi cosa E ciö che ὁ pur singolare,
lio ponendo sé siesso per se. ὁ l'agenie primo e asso-
leio, e insieme il prodotto dell alio!'* Kant „non ne
gava la realilä delle cose, ma solo diceva non polersi
dimostrare, questi riduce ogni reslilà a wma creazione
dell io per mezzo della riflessione." — Bon &íbelling
jagt er, daß er von Fichte's Syſtem nur vie Gonjequen
gezegen €. 430: „Se l'oggetio non ὁ che una produzione
del soggetio, l'uno e l'alro veagomo a immedesimarsi.
Dunque lio e il non-io non sono che uma siessa coss,
veduia solio diverso- rapporto. Questa ὁ la teoria dell
jdeniità assolets.^ Von Drgei bemerft er Ξ. 430: „Bi-
dotte per tal modo taetie le cose all’ umilà e identità as-
solea, Hegel cercó qual fosse colesia cosa; e dedusse
che questa cosa ὁ lidee. — Idea premde varie e diverse
forme, e sache opposite, e cosi si trasforma in iutie le
cose, e uscemdo dal malla al aulis räorma.” Cr zeigt ali;
tann, taf Fichte, Schelling unc Hegel in ven Pantheiſswus
verfallen Anar (S. 431) Gine ιτεΐεπεε Bemerkung ve?
Vers. über Fichte's Sebauptung: „Man fómne Get feine
Perienlihfeit beilegen, ebae ibn in eim endliches Weien
wmuskütem^ — fénnew wir bier nicht mit Stillſchweigen
übergehen. Der Ser. erwidert bieranj S. 431: .}} che
sarebbe verissimo, quando si premdesse Tmtelligenza ὁ la
Theologia Naturale. 271
personalità che si predica di Dio in un senso univoco
con quella che si predica dell uomo.* Das überjehen
and bie Deiften heutzutage, indem fie meinen: fie hätten
ba Weſen ber abjolnten Perſönlichkeit fon erfaßt, wenn
fie fagen : Gott [εἰ der intelligentefte Geift, die vernünfs
tigle Einzelperfönlichfeit. Sie fragen gar nicht: wie Gott
ſich als Sein ſchlechthin denken und erfafen müffe. Daher
nicht zu wundern ift, daß ihnen bie Dreiperfönlichfeit
Gottes in ber pofitiven Offenbarung widerſprechend erjcheint.
— Im XIIL Cap. befchreibt der Verf. fobann ganz richtig
die verberblichen Wolgen vom Pantheismus €. 434—437.
3m XIV. Gap. madjt fid) der 9Berf. an vie Wider
legnng des Pantheismus überhaupt. Er beftreitet hier ben
Pantheismus in feinem Wefen. Wir glauben, biefe Wider:
legung hieher fetzen zu müflen, da fie mande gründliche
demerfungen enthält. Gr fagt juerft ©. 438: „Che il
pmteismo offende il bon senso e contradice al testimonio
ll μὰ certo e irrefragabile della coscienza. — Qual uomo,
88 non delira, potrà persuadersi di non essere um indi-
viduo sussistente im sé, distinto e separato da tutti gli
ali ma tutto all’ opposto di aver commune con gli altri
Uomini, anzi con BPio-siesso una stessa sostanza? — Ció
che distingue un: subieto umano da ogni altro essere
reale ὁ il sentimento: corporeo e intellettivo.^ — Dann:
„X dunque impossibile che un subietto intelligente di
mente sana possa, non dico persuadersi, ma né men so-
Spellare di non esser altro che o un atto o un modo,
un altributo di um’ identiea: sostanza che non ὁ lui, ma
di cui egli non sia che una parte o un accidente.“
Gut Hat ber Verf. hierauf aufmetfjam. gemacht, daß man
bei der Befämpfung des: Weſens vom Pantheismus vom
218 Alessandro Pestalogza,
Selbfibewußtfein des (Θείβεδ ausgehen muß. Er meint,
daß das GSelbfigefühl und zuverfichtlidh Tage: daß jeder
von and ein in fid) ſubſiſtirendes Individuum fe. — Hätte
der Berf. ben Ichgedanken des Menſchengeiſtes analvfirt,
fo würde εὖ ibm nod) flarer gemorben fein, daß ber Men:
fchengeift ih im Selbfibewußtfein als €em für ὦ erfaßt.
— Daß tec Menfchengeifi ein Eein für ih ift, erhelle
amd) daraus, daß er fi feiner freien Selbſtbeſtimmung
bewußt if, da er fid) fonft bei ter Berlebung des Eitten:
gejeßed nicht anflagen, no fid Borwürfe madjen, πο
Reue empfinden könnte. Nur auf diefem Wege fann man
die Mehrheit ter Enbflangen erweifen, fowie amfzeigen,
dag ter menſchliche Geiſt feineöwegd bloß eine Dffen-
barungsthätigfeit, oder ein Attribut, ober ein Erſcheinungs⸗
Modus ter göttlihen Subſtanz [εἰς Uebrigens exfenuen
wir ferner amd) daraus, daß ὑεῖ Menfchengeifi nicht eine
Eriheinungsform von Gott id, da er ih oftmals von
tem &ittengejege tijpenitven möchte, wenn er eine 2ieblingé
leidenſchaft befämpfen ſoll. — Allein ver Berf. befämpit
amd) ned) auf einem andern Wege ben Pantheiomus. Er
geht hier von zwei Gejegen and, welche alfo lauten €. 439:
„1. Che niente manchi all’ essere di ciö che ὁ necessario
alla sua sussistenza; 2. che negli accidenti o nelle qua-
lità dell’ essere non si dia coniradizione.^ Gr fagt daher:
die Annahme Einer identiſchen Subſtanz veriteßt gegen
das SBvincip des Widerſpruches — Allerdings. ©. 439:
„Ma i fenomeni seguono ἰδ legge delia sostanza, da cui
emanzno. Se dumque i femomeni o i modi e accidenti dell
essere fanno una stessa cosa coll essere medesimo, €
d'altra parie questi modi o sccidemii sono finiti contin-
genli passaggieri e mutabili, mecessariamenie deve dirsi
Theologis Naturale. 279
che anche la. sostanza, da cui provengono e con cui fanno
una slessa cosa, sia mulabile contingente finita. Ma la
sostanza unica ammessa dal panteista ὁ necessaria infinita
immatabile assoluta, quantenque si esplichi sotto tutte le
forme finite mutebili contingenti. Dunque il panteista
accoglie come una verità, la maggior possibile di tutte
le assurdità, cio& che una sola e medesima sostanza con-
lenga nel suo seno qualità e attributi, non solo diversi
e anche opposti, ché in ció non c'é assurdo, ma fra loro
ripugnanti nel massimo grado. Und warum? ©. 440:
)L unica sostanza del panteista ὁ tull' insieme finila e
ininita, necessaria e contingente, mutabile e immutabile,
derna e prodotta nel tempo, assoluta e relativa; anzi
olima e malvaggia, beata e soggetta al dolore e alla
morte.^ Hierauf €. 440: „Come potete concepire, che
il contingente sia un modo dell necessario, il mutabile
una maniera di essere dell’ immutabile?* Der Berf. ers
kennt richtig S. 441: taf das Unenvliche fein Selbſt nicht
in endlichen Formen und Dingen offenbaren fónne. Auch
wir jagen: Gin abfolutes Princip kann nur eine abfolute
Snbjectobjectivirung (im ber Dreiperfönlichkeit) haben, aber
ni$t eine enblidje (in der Weltiwerbung).
Das XV. (Gap. mag vielleiht das intereffantefte im
ganzen Buche jein. Es enthält die Widerlegung beó mo-
dernen Pantheismus unter feinen verjchiedenen Wormen.
Zuerſt beftreitet er bier ben Gmanatiómué. S. 443: „L’idea
di emanazione implica solamente l’idea di manifestazione
di ci ch’esisteva di già in un germe. L’emanazione dun-
que dà per supposta la preesistenza sostanziale delle cose
che si producono, e quindi la preesistenza dell’ universo
hella sostanza divina.^ Daher bemerkt er auch bafeíbft:
280 Alessandro Pestalorza,
„La teoria dell' emanazione non ὁ che l'alióragione del
concetto di creazione. Il concetio di creazione implica
il concetto di realizzazione di ció che men era non solo
come modo, ma né men come gostanza.^ Mit Reck.
Denn wenn Gott fein Sein denkt, fo benft er ein unend⸗
lihed Sein, baher zeugt er aud) ein ihm gleiches Gavige:
den Sohn. Anders ift e, wenn er die Welt benft. Als⸗
dann benft er fein. Nichtich, aljo ein endliches Sein, mit«
hin fann εὖ aud) nicht aus feinem Weſen gezeugt, [ombetn
es muß aus Nichts gefdjaffen werben. — Der Verf. be⸗
fümpft hierauf tenu realiftifchen. Pautheiamus in Spinoza.
Einige Begenbemerfungen find mohl hier ungegründet, an-
bere jebod) wieder ausgezeichnet. Wir fóunen bemnad
nidt umbin, diefe anzuführen, ba fie als Waffe, gegen. den
überfantnefmenben Pantheismus in unjerer Zeit ‚dienen
fünnen. — Co zeigt der Verf. bie Quelle des Irrthums
von Cpinoja'é Syftem 5. 445: „La teoria dello Spineza
si fonda sopra una falsa nozione dell’ infinito. Egli sup-
pose falsamente che la sostanza infinia, per essere in-
finita, deve contenere in sé tutti i modi dell’ essere, e
la realità tutta quanta.^ Dieſem können wir vollfommen
beiftimmen. Denn ber Charafter ber Abſolutheit befteht
darin, daß Gott das Sein ſchlechthin ift. Dadurch unters
ſcheidet er fi von ber Weltereatur. Es gehört aber zum
Begriffe ber Abſolutheit nidt, daß Gott das Allein ift.
Denn fonft fónnte ber Menjihengeift fid) der freien Selbft-
beftimmung nicht bewußt fein. — Weiter 1691 Der Verf.:
„Jnolire, l'infinito non ὁ già.la.somma dagli esseri, mentre
Qgni somma ὁ di sua nalura finita .e limitata, dove all’
inconiro lünfinito é.nnità e.semplieilà perfetlisaima.“ — Gine
Summe απὸ enplidjen Weſen beftehenn, fonn nie eine un⸗
Theologia Naturale. 281
ἐπ δ. werben. Das hat απ Strauß nicht bebadt, jonft
hätte er das Abſolute nicht als vie Allheit des Weltvafeins
beftimmt. Mit Grund bemerft ber Verf. €. 445: ,L'as-
serire che, se l'infinito non comprende in sé l'universo,
non é piü infinito, mentre c'é qualcosa che non é lui e
di cui quindi egli manca, ὁ lo stesso che asserire che
l'ininito, per essere infinito, deve essere anche finito,
vale a dire, che per essere ció che é, deve essere e
non essere a un tempo ció che ὁ." — Gofort gibt ber
Ber. an, wie Epingza fein &yftem auf die falſche Auf;
foffung des Bartefianifchen Subftanzbegriffes gründete.
€. 445 ff.: „Il sistema di Spinoza si fonda sopra una
felsa interpretazione della definizione cartesiana della so-
slanza. Carlesio aveva detto che la sostanza ὁ ció che
non ha bisogno d'alira cosa per sussistere, o sia ὁ ció
che sussiste per sé. Spinoza ne conchiuse che: tutli gli
esseri finiti, non sussistendo per sé, ma avendo bisogno
di Dio per sussistere, non sono sostanze, e non si pos-
sono concepire se non come semplici attributi dell’ unica
sostanza che sola sussiste per sé:e.da sé. Ma, per quanto
inesatla o incompleta fosse la definizione cartesiana, essa
non mirava a definir la sostanza se non in relazione con
gli accidenti. . L'accidenle ὁ ció che non puó concepirsi
esislente in sé e per sé, ma ha bisogno per -sussistere
di altra cosa cioé della sostanza. La sostanza invece ὁ
cid che non ha bisogno d'alira cosa per sussistere, ció ὁ
é il primo atto, pel quale un essere é, e in cui si fon-
deno gli accidenti. — Altro à perö definire la sostanza
in relazione oon :gli accidenti, coi modi, di cui ὁ fornita;
eltro il cercare! il principio o la causa, per la quale una
soslanza: sussiste. . Solto questo rispeito, altro ὁ l'essere
«
282 Alessandro Pestalosza,
che sussisle per sé, perché improdoito e assoluto, il quale
solo ὁ sostanza assoluta e necessaria; e altro ὁ l'essere
che sussiste per sé relativamente a' suoi modi che si
considerano asirattamenle, ma che dipende nella sua sus-
sistenza dalla sostanza assoluta come da causa efficiente.“
Mit vielem biafectijdem Scharffinn bekämpft der Verf.
bie Gründe, mit welden Spinoza fein Syftem befeftigte.
Er Sagt €. 446: „Spinoza impugnó la possibilità di una
produzione delle sostanze, fondàndosi su questo argo-
menio, che le sostanze prodotle non possono avere se
non o gli slessi attributi della sostanza produttrice, o
attributi differenti. — E in primo luogo egli "nega che
una sostanza possa produrne un’ altra che abbia attributi
differenti, pel principio che una causa non puó produrre
ció che non contiene in sé stessa.^ — Darauf entgegnet
et ©. 446 ἢ. : „Il principio ὁ vero in qualche senso, ma
la deduzione é falsa. Una causa non puó produrre che
effetti simili a sé: simili, ma non identici; altrimenti, se
l’effetto ὁ già contenuto nella sua causa come effetto reale
e sussistente, non ὁ piü effelto, e la causa non ὁ vera
causa, mentre produrrebbe ció che già esisle! — Con-
cediamo dunque che nessuna causa puó produrre un effetio
che non sia simile a sé, che deva contenere ció che é
nell' effeito; ma neghiamo che deva o possa produrre,
un effelto identico a sé, che deva o possa contenere in
sé l'effetto sotto la stessa forma e nella stessa maniera."
Und wie jo? „Cosi ὁ vero che la causa infinita contiene
in sé eminentemente ció ch'.essa communica di un modo
finito alle sostanze da lei 'etreate. — Inquesto senso le
sostanze prodotte hano i medesimi attribuli e le slesse
perfezioni che si trovano nella sostanza produttrice, perché
Theologia Neturale. 283
vi si trovano sotto altra forma, non già nella forma reale,
ma come in causa esemplare ed efficiente; e perció ne
differiscono essenzialmente, giacché passa un' essenziale
differenza tra l'esemplare e l'esemplato, tra la causa effi-
cienle e la sostanza effettuata.^ — Die Schöpfung aus
Nichts ſucht ber Verf. alfo zu rechtfertigen ©. 447: „Spi-
noza stabilisce il principio che la causa non puó produrre
dió che non contiene in sé stessa. — Noi soggiungiamo,
che di ció che un essere già contiene in sé non puó
esser causa in senso proprio. — La vera causa é quella
che produce cosa che non contiene in sé, ma che ha
unicamente in sé l'atlività e le condizioni per produrla.
Tali sono appunto in Dio l'esemplare delle cose, la po-
lenza attiva e assoluta di effettuarle o sia di realizzare
l'esemplare, e la volontà di operare con questa potenza."
Anh wir glauben, daß nur burd) biefe Principien ber
Jeentificirung der Welt mit Gott im Wefen vorgebeugt
werden könne. — Der Verf. zeigt nun aud bie Nichtigfeit
der zweiten Einwendung von Cpinoja ©. 447: „L’altra
parie del dilema spinoziano era che, se le sostanze pro-
dole hano gli stessi attributi della loro causa, non sono
sostanze distinte da 6888." — Geine Entgegnung ift:
‚Rispondiamo, che le sostanze prodotte hanno attributi
che rispondono all’ esemplare esistente in Dio, ma non
gà gli stessi attributi reali.^ Alſo ift eine weſentliche
Differenz zwifchen Gott und Welt. Dann ©. 447: „In-
oltre, bisogna distinguere la differenza specifica dalla dif-
ferenza numerica. Piü sostanze numericamente distinte .
possono avere gli stessi altributi, la stessa natura, vale
* dire, una natura specificamente identica. ᾿Οἰὸ prova la
Possibilità che sussistano piü sostanze.* -
Teol. Quartalſchrift. 1857. U. Heft. 19
284 Alessandro Pestalozza, Theologia Naturale.
Der Verf. widerlegt zulegt ben idealiſtiſchen Pantheis⸗
mus von Fichte, Schelling und Hegel. Gelungen ift ihm
bie Kritif über Fichtes Syſtem (€. 451). Er gibt fuu
ben Fehler von bejjen Syftem dahin an €. 452; „L’errore
di Fichte nasce dal falso supposto che l'io non sia allro
che pura altivilà, e non passivilä ad un tempo. — Egli
non vide nell uomo altro che pensiero, puro pensiero,
dimenticando che l'uomo é anche sentimento, il quale di
natura sua é passivo. — Considerö di poi che l'uomo
non puó parlere se non di ció di cui egli ha coscienza,
perché infatti, fino a tanto che una cognizione non é
avverlita, per noi é come se non fosse. — E da ció
dedussé falsamente che niente é, se non é pensato e av-
verlito, quasi che le cose non esistessero prima che siano
da noi pensate.* — Nicht mit Unrecht findet der Verf.
€. 455 (f. ben Grund vom Pantheismug aud) darin, daß
der Begriff vom allgemeinen Sein verwechſelt wurde mit
bem wirklihen Abfoluten. Gott ift allerdings das allge,
meine jchöpferifche Princip von Geift, Statur unb. Menſch.
Dieß muß jebody nad) ber Idee und nidt begrifflich auf
gefaßt werben. Faßt man ἐδ begrifflih, jo muß Gott
freilih dann zum allgemeinen Grundweſen der Welt
werben.
Wir erjehen hieraus, daß ber Verf. von ber beut[den
Philoſophie gut die neuern Pantheiften fennt, ob aud) bie
Theiften — fónnen wir nicht beftimmen, ba nirgends ein
Gitat fid von einem derſelben in feinem Werke vorfinbet.
Die Fenntniß ber Legteren aber wäre in Italien münjdjené«
werth, zur richtigen Würdigung ber ganzen beut[den Philo-
fophie, da biefe Feineswegs überall Pantheismus ift. In
de müfjen wir befennen, und befennen es gerne, baf
Hofmann, Gombolif. 285
„die natürlige Theologie" des Verfaſſers ein geblegente
Werk ift.
Zukrigl.
3.
Symbolik oder ſyſtematiſche Darftellung des ſymboliſchen
Schrbegriffs der verfchtenenen chriftlichen Kirchen und
namhaften Sekten. Von Prof. Rudolph Hofmann, Lic.
theol. unb Dr. phil, Lehrer der Religion an ver Königl.
Saͤchſ. Lanvesfchule zu Meißen. Leipzig, Friedrich 3Bolgt.
1857. G6. X. 550. Pr. 5 fl. 15 fr,
Der Verf. vorliegenden Werkes will damit „eine nicht
blos von ihm gefühlte 9üde^ in ber Literatur ber Sym-
bolif ausfüllen. Die meiften ver bisherigen Symboliken
fein comparativer Natur. Sp wenig nun ber Werth
diefer. Form verfannt werben wolle, fo fege blefelbe eineds
theils fchon eine genauere Befanntfhaft mit ben Lehrbes
griffen voraus, bie verglichen werben jollen, anbrerfeits
könne es nicht fehlen, daß burd) bie vergleichende Darftellung
ver fdjavfen Darlegung des innern foftematijden Zufammens
hangs ber jeber Kirche eigenthümlichen Lehre, und [omit
dem Berftänpniffe derfelben Eintrag gefchehe, wozu πο
weiter fomme, daß jebe Vergleihung fchon eine Reflerion
über bie Lehre fel und ben objectiven Charakter ber Syms -
bolik verlege. Der Berf. gibt daher bet ſy ſtem a⸗
tifhen Worm ben Vorzug, ,melde mit ber Möglichkeit
ftrengerer Objectivität den Vortheil größerer Anfchaulichkeit
unb Leberfichtlichfeit verbindet.” „Es wird alfo jeder ein;
19 *
286 Hofmann,
zelne Lehrbegriff als ein ſelbſtſtaͤndiges, abgefchloffenes
Ganze zur Darftellung fonımen, in der Ordnung, wie bie
einzelnen Lehren aus bem an die Spibe geftellten Princip
fid) abwideln, mit Berüdfichtigung der ſymboliſchen Argu⸗
mentation, wenn eine folde in ben Symbolen felbft ge»
geben ifi^ (S. 2 f. und faft gleichlautend Vorr. V sq.).
Nur für bie Darftelung des Iutherifchen und reformirten
Lehrbegriffs hat ber Verf. bie comparative Form gewählt
— eine Inconfequenz, die er fid) felbft nicht verbirgt, ie
aber fhwerli durch bie Bemerkung gerechtfertigt ift, baf
das, was beide Kirchen trenne und auseinanderhalte, nicht
ſowohl in ben Lehrelementen, fonvern vielmehr in bem
verfhiedenen Geifte liege, der hier unb dort das ganze
Lehrfyftem durchdringe unb in jenen unter[djeibenben efr.
elementen nur feine beftimmtere Ausprägung gefunben habe
(S. 224). Wir werben im Verlaufe hierauf zurüdfommen.
Einer einläßlihen Beurtheilung beider Methoden glauben
wir uns überheben zu fónnem. Das vorliegende Werk
liefert den thatfächlichen Beweis, menn es befjen überhaupt
nod; bedarf, vag bie fpflematifde Behandlung in ihrer
Ausfchließlichfeit nicht weniger einfeitig und ungenügend
ift. αἱ die bloß vergleichende und was fie vor legtetet
an objectiver Haltung und ftärferer Hervorhebung des
inneren Zufammmenhangs ver einzelnen Lehrbegriffe vorauds
hat, baburd) wieder aufgewogen wird, daß biefe Qebrbes
griffe fefbft in rein Außerliher Weife einander gegenüber;
treten und ihr inneres Berhältnig unerkannt bleibt. Ob
damit bem Intereſſe eines großen Theiled ber Lefer — der
Berf. hat vorzugsweife angehende Theologen im Auge —
geblert fei und ob burd) die Furzen beurtheilennen Schluß, -
bemerfungen, welde (id der Entwidlung des katholiſchen
Symbollk. 287
unb griehifchen Lehrbegriffs angehängt finden, ber Mangel
einer ble verfchiedenen Lehrtypen auf einander 6eglebenben
und ihren relativen Werth unbefangen abmügenben Darts
ftelung compenfirt werde, wird wohl nicht ohne Grund zu
bezweifeln fein.
Indeß find wir gerne geneigt, diefen formellen Mangel
gelinde zu beurtheilen, wofern bie Darftellung des Verf.
in der That ben Charakter „fterengfter Objectivität“
an ſich trägt, ber zu liebe er (td hauptfächlih für bie
Ípftematijde Behandlungsweife ent[dieben hat unt bie
nad. Kräften angeftrebt zu haben, er wiederholt bie be:
ftimmtefte Verfiherung gibt (SBorr. VII sq. S. 3). Leider
aber wird alsbald unfere Erwartung bebeutend herabges
flimmt duch die Erklärung, der wir ſchon ©. 7 begegnen:
„Wie objectio fih aud) ber Symbolifer zu allen Symbolen
ohne Unterſchied ftellt, fo ift ibm bod ein fubjec
tives Refultat vie Hauptſache, nämlich dieß, daß
auch bei der unpartheiifchften Darlegung jedem einleuchte,
wie bie Symbole feiner Kirche jeden 9Bergleid mit denen
andrer Kirchen aushalten und, um ed rund heraus zu
fagen, unter allen doch allein bem Herzen einen freubigen
Zuruf der Zuftimmung entloden.” Wie ftd) „ftrengfte
Objectivität” und Unparteilichfeit mit biefem fubjectiven
Rejultate, welches als ble „Hauptfache” gilt, vertragen
mögen, ba6 läßt fid) nur (dimer einfehen, unb wie wenig
fi in ber That in bem vorliegenden Werfe beides mit
einander vertragen hat, dafür werben wir bie factifchen
Belege in nicht geringer Anzahl beibringen. Einem Specis
men ber „ftrengften Objectivität” unſeres Symbolikers bes
gegnen wir fogleid) auf der nädftfolgenden Seite, wo er
ft über ble Symbolif von Möhler folgenbermafen aus
288 Hofmann,
laͤßt: „Ein Beweis von ächter Wiſſenſchaftlichkeit aud) unter
Katholiken (sich), aber auch von katholiſcher Entſtellung:
oft unrichtiges Verſtaͤndniß, ſelbſt unbewußt ketzeriſche Aus⸗
deutung katholiſcher Dogmen.“ Für ſolche Anſchuldigung
eines in der Kirche hochverehrten und ſelbſt von ſeinen
Gegnern hochgeachteten Gelehrten iſt man mindeſtens einen
Beweis ſchuldig. Hr. Hofm. iſt ihn ſchuldig geblieben;
wir finden nirgends auch nur einen Verſuch dazu, ſtatt
deſſen S. 120. A. 1 die wiederholte Verſicherung, daß
fid) ſelbſt bei Möhler (wie bei anderen 9Bortfübrern ber
katholiſchen Kirche) „weſentliche Abweichungen von dem
tridentiniſchen Glauben nachweiſen ließen,“ wodurch er
„zum Ketzer geſtempelt werden würde.“ Wir unſererſeits
vermögen in dieſer kecken, unerwieſenen und unerweisbaren
Behauptung nichts anderes zu erkennen αἰ die alte Taf-
tif (die wir irrthümlicherweife für eine längft veraltete
und abgenüste gehalten) — der katholiſchen Sache die
vortheilhafte Stellung, die ihr bie Möhlerihe Gym.
bolif ihren fámmtfiden Gegnern gegenüber errungen, ba;
durch zu entreißen unb die erfolgreichen. Angriffe des fatbo
liihen Symbolifers damit im Voraus zu entfräften, taf
man letteren ijolirt, indem man zwifchen vem angeb-
(i „Möhler'ſchen Katholicismus“ und bem wirklichen,
bem tridentinifchen Katholicismus eine fcharfe Scheivelinie
giebt. If man vorbem zumeift bei ber Behauptung ftehen
geblieben, Möhler habe den Katholicismus „idealiſirt,“ fo
gebt unfer Symbolifer einen Schritt weiter: Möhler ift in
manchen Stüden, wenn auch unbewußt, ein Ketzer. Wir
haben hierüber fein Wort zu verlieren, hätten überhaupt
bievon gänzlich Umgang genommen, wenn nicht tiefe Aus:
laffung des Berf. Im voraus deutlich erfennen ließe, welde
Symbolik. | 289
Stellung er der katholiſchen Kirchenlehre gegenüber einzns
nehmen gedenft und weſſen wir und von feiner Darftellung
derfelben zu gemürtigen haben. (ὁ find, um bieß von
vorneherein Furz und zund zu erflären, Gehäffigfelt gegen
die Fatholiihe Kirche unb Unfenntniß ihrer Xehre, welche
in biefem Buche einander ben Vorrang ftreitig machen.
Der fpecielle Nachweis im Bolgenden.
Der Symbolik ber có mifdsfatbolifden Kirche
find ΕΘ, 11—123 gewidmet. Die Eriftenz tiefer Kirche
datirt nad) ber Berechnung des Verf. erft von ver Zeit
ihrer (Ὁ Trennung von ber griechifch-morgenländifchen Kirche,
wo fie fid) zuerft factiſch als eine befonbere Kirche mit bes
fonderem Namen und unterfcheidenden Grunvfägen geltend
gemadjt hat (S. 11). Der erfte Abfchnitt handelt von
ihren fombolifden Schriften. Als Hauptſymbol werben
die canones et decreta concilii Tridentini aufgeführt, ale
Cecunbür[ombole ble Professio fidei Tridentinae, der Cate-
chismus Romanus, das Missale Romanum und das Drevia-
rium nambaft gemacht unb in einem Anhange vie f. g.
ófumeni[den Symbole (das apoftolifde, nicánozconftantino:
politani[de unb athanafianifche) beigefügt. Hr. Hofmann
fann fid bier nicht enthalten, aud) des fo übel berüchteten
„Ungarifhen Windjformularó^ gebührende Erwähnung zu
thun, welded freilih, „da die Kirche ihre Mitwifjenichaft
(eugnet, feine Onelle für die Darftellung des Tombolifchen
Glaubens abgeben fann, aber bod) ein Zeugniß für bie
Wrudt des Fatholifchen Glaubens if.” Die Fatholifche
Kirche ift nämlih „Hug genug, folden Dingen, vie fie
wohl recht gerne flieht, gegen bie fie aber Widerſpruch ers
wartet, nicht öffentlihe Sanction zu geben, um jeberzeit
bie Verantwortung dafür ablehnen zu fónnen. Daher hat
L
290 . Sofmann,
fie εὖ denn and geídjeben laſſen, daß {εἰδῇ vie verab-
fheuungswürbigften Formulare, vol von Berfluchungen im
ultramontanen Sinne, bei llebertritten zur Anwendung
gebracht wurben, wie febr aud) bie Kirche als folde mit
ihrer Unfenntniß coquettirt“ (€. 18; in allgemeinerer
Faſſung ©. 119 f. wiederholt), Wir erachten es unter
ber Würde ber Fatholifchen Kirche, fie gegen foldje Beſude⸗
[ung, gegen jo haͤmiſche, völlig aus ber Luft gegriffene
fBerbüdjtigung in Schug zu nehmen. Gehen wir weiter.
Ans dem Umftande, daß in ben Fatholifchen Bekenntniß⸗
fchriften das Symbolum Quicunque ferfómmtidjermeife S.
divi Athanasii genannt wird, glaubt ver Verf. ſchließen zu
muͤſſen, εὖ folle damit wohl die Autorfchaft des Athanaſtus
behauptet werden, und hält fid) für berufen, dieſen hiſto⸗
rifchen Irrthum zu berichtigen, wobei ex indeß nicht ver
ſchweigen fann, daß „felbft ein Papft, Benebict XIV. fi
gegen ben Urfprung von Athanafius erflärt hat“ (G. 24).
Hr. Hofm. hätte fi, alfo wohl vie Mühe einer Berich⸗
tigung erfparen können; um ihm jebody einigermaßen bafür
erfenntlid zu fein, wollen wir ihn darauf aufmerffam
machen, daß es, gelinbe ausgebrüdt, fodit unwahrſcheinlich
ift, was ihn das wahrſcheinlichſte bünft, bag nämlich der
Autor des nicänifchen Symbolums Eufebius von Cäfarea
it (€. 24).
Die Darftelung ber Fatholifchen Glaubenslehre eröffnet
fachgemäß vie Lehre von ber Kirche. „Die Kirche”, wird
bemerkt, „ift in bem. katholiſchen Glaubensſyſtem die noth⸗
wendige Vorausſetzung dieſes Syſtems felbft. Aller Glaube
ruht in bem Selbftbewußtfein ber Kirche. Was als Glaube
bingeftellt wird, wird εὖ deßwegen, weil ſich ble Kirche
pen, als ihres Glaubens bewußt geworben if. — Alle
Symbolik. 201
einzelnen Glaubenslehren erhalten ſomit ihre Aufſtellung,
ihre Berechtigung, ihre Form und ihre Gewähr allein aus
ber fitde. Es fann ihr Gíaube von nichts Anderem ab;
hängig gemadt werben, als von ihr felbft; fo fónnen ihr
auch nicht bie Exrfenntnißquellen ihres Glaubens von außen -
vorgefchrieben werden, fonbern fie entſcheidet bavüber voll;
fommen frei, was fie ald Grfenntnifquellen ihres Glaubens
anfehen will... Sie allein hat zu beftimmen, wer fie
fein will, aber Niemand hat ihr vorzufchreiben, wer fie
fein foll^ CS. 25). „Die fatfoli[e Kirche war etwas
Giegebeneó , und ſchrieb ihrerfeitd vor, in weldhem Buche
fie ihren Glauben ausgebrüdt finde. Die Schrift ift. erft
von ihr in bie Würde eines Offenbarungscoder eingejeót,
alfo eigentlich ihr Machwerk, während nad proteftantifchen
Begriffen bie Kirche ein Machwerk ber Schrift ift, burd)
welche fie erft das Diftori[e Recht: zu beftehen erhalten
fat" (&. 275). Hier herrſcht, der Verf. möge und ben
9luébrud zu gute halten, vollftändige Begriffjsverwirrung
und erweist fid ſchlagend fein Unvermögen, bie Fatholifche
Kirchenlehre objectiv aufzufaſſen und wieberzugeben. Wer
nur einigermaßen ein Verftänpniß ber Fatholiihen Ans
ſchauung von ber Kirche hat, flieht auf ben erften Blick,
daß in ber obigen Darftelung ganz verſchiedene und ſtreng
απὸ einander zu Daltenbe Momente unter[djlebé[o8 in eins
ander gewirrt find, bie Stellung ber Kirche einerfeits .
bem einzelnen Gläubigen gegenüber, anbrerfeits zu bet
chriſtlichen Offenbarung und deren Erfenntnißquellen. In
erfterer Hinficht ift vollfommen ridtig, wenn gejagt wird,
aller Glaube ruhe im Selbſtbewußtſein der Kirche und ibt
Gíaube fóune von nichts Anderem abhängig gemacht met:
ben als von Ihr jelbft. Der einzelne Gläubige ift für
. 292 Hofmann,
feinen Glauben an bie Kirche gewiefen, aus ihrer Hand
empfängt er denfelben, nicht umgefehrt die Kirche von ihm;
die Kirche ift bem Einzelnen gegenüber autonom, wobei
inbeg nicht zu überfehen, bag ber Einzelne, foferm er leben
viges Glied am Leibe ber Kirche, nicht in einem blos pafs
fiven Abhängigfeitsverhältnifie zu ihr flebt. Ganz anders
dagegen verhält e fid) Binfiditlid) ber Stellung ver Kirche
zum Glaubenéobject unb zu ben Gíaubenóquellen. Es ift
burdjauó unwahr unb verftößt offen gegen ben. Sinn ber
Kirhe, wenn gejagt wird, dieſe entftbelbe darüber voll;
fommen frei, was fie als folded anjehen wolle, tie Bf.
Schrift fel ifr Machwerf u. dgl. Die Kirche war fidh ſtets
bewußt und Dat ed auf ber Gynobe von Trient feierlich
erflärt, daß ald Quelle der ganzen Heildlehre die zuerft
von bem Herrn felbft unb dann auf feinen Auftrag von
den Apofteln verfünbete Heilsbotfchaft zu gelten hat, nieder:
gelegt in bem apoftofifdjen Schriften unb ber auf die
Apoftel zurüdgehenden mündlichen lleberiieferung (Sess.
IV. decret. de canon. scriptur.). Wie fónnte fte fid) über
ihre Abhängigkeit und Sórigfeit nad) beiden Beziehungen,
fowohl was den Glaubensinhalt ald die Glaubensquellen
betrifft, beftimmter erflären, wie fónnte fie unumwundener
anerfennen, daß fte auferbaut ift auf bem Fundamente
ver Apoſtel und Propheten (Eph. 2, 20), daß fte die von
ven Apofteln ihr übergebene Heilslehre als ein heiliges
Depofitum betrachtet, welches fie mit gewifjenhaftefter Treue
zu bewahren und zu verwalten fich für verpflichtet hält?
(1 Tim. 6, 20; vgl. Vincent. Lir. Commonit. c. 27.) Die
Kirche ift allerdings nad katholiſchen Begriffen fein „Mach⸗
werk der Schrift” und kann es nicht fein, well fie das
Brühere, die Echrift das Spätere ift; fie fann eben darum
Symbolik. 293
naturgemäß das Recht ihrer Eriftenz nicht erft von ber
Schrift erhalten haben; allein ebenfowenig ift die Schrift
„ein Machwerk der Kirche” (wenn man die Apoftel nicht
in die Kirche miteinbegreift). Die Kirche macht nicht bie
Schrift, fonbern fie bewahrt und bezeugt blefelbe, fo wie
fie fie aus den Händen ber Apoftel empfangen hat; in ver
Frage, was DL. Capoftolifche) &drift fei und was nicht, ent»
fheidet nicht ihr Gutbünfen nod) aud) ber sensus priyatus
ihrer Glieder, fonbern ihr hiſtoriſches Bewußtſein und
Gewiſſen. Man follte nit nöthig haben, einem gelehrten
Theologen dgl. Binfenwahrheiten in Erinnerung zu bringen.
In bem folgenden $., wo bie Merfmale bet wahren
Kirche aufgeführt werden, fommt ber Verf. aud) auf ben
Eat: extra ecclesiam nulla salus, iw feiner Weiſe zu
ſprechen. Es wird bemerft (S. 27), viefer Cat werbe
qud) von ber futherifchen Kirche vinbicirt, nur mit bem
Unterfchieve, daß in tiefer nicht ble wahre fire mit ber
änferen Erfcheinung der Kirche identificirt werde, bie fa;
tholifche Kirche dagegen auébrüdlid) verlange, daß man
ein änfßeres Glied der äußeren Kirche fei — wo nicht, fo
gehöre man zum regnum diaboli Gt hat freilih aud
gehört, baf „aufgeflärte Theologen” blefen Sag von jeher
zu mildern gefud)t haben, ja er weiß, daß fogar ber römifche
Catechismus (I, 10, 1) ihn nur auf wiſſentliche und hart,
nädige SBiberfadyer der Kirche angewendet wiflen will.
Nichtsdeſtoweniger, meint er, fónne tiefe mifbere Anfſicht
nicht af Meinung ter Kirche angefehen werben, und zwar
aus tem Grunde nicht, weil „jedem Kanon das Triven-
tinum ein anathema sit für jede abweichende Lehrmeinufg
beigegeben hat." Wir enthalten uns hier, wie billig, jeber
Bemerkung.
294 Sofmann,
„Die Kirche“, fefen wir €. 28, „fofern fie einen
Verein barftellt, mug ans Gliedern beftehen. (Natürlich !)
Die ganze Maffe der Glieder {δεῖς fid in zwei große
Hälften“ (bie triumpbirtenbe unb bie flreitende Kirche).
Woher weiß ble Hr. Hofmann? Der rómi[de Catechis⸗
mus, auf ben er fid) bezieht, fagt einfach: 2 Theile. Ein
betartigeó Quidproquo follte fidy tod) wohl ein Autor nicht
zu Schulven fommen lafjen, ver von fidj ſelbſt rühmt, daß
er „vor allem nad) Klarheit der Darftellung. und Präs
cifion des Ausdrucks geftrebt” und „mande Stelle,
mander Ausdruck, ber fid) fo obenhin liest, dad Ergebniß
wiederholten Duelenftudiums, Stadjbenfenó unb Abwägens
gewejen ift^ (Vorr. VII.
€. 32 ftoßen wir auf die Behauptung: „Jedes Goncil
erweist (id als ökumeniſch erft durch den Erfolg: ob feine
Decrete einestheild mit bem consensus patrum, anderntheils
mit bem consensus omnium fidelium übereinftimmenb et»
funden werden. Die Annahme ber Deerete von €eiten
ber Gefammtheit der Kirchengliever gibt alfo factifch ben
Concilbeſchlüſſen erft die Sanction.” Dies ftellt Hofmann
als fatfolijde Kirchenlehre bin! Er fat wohl fdyon davon
gehört, taf einzelne Particularfgnoven durch allgemeine
Annahme ihrer Beichlüffe das Anfehen ofumeni[der Gon»
eilien erlangt haben unb conftruirt fid hieraus frifchweg
eine allgemeine Regel. Das nádjfte befte Gompenbium ber
Dogmatik fann ihn belehren, daß er fid) hier gröblich ge
irrt hat.
€. 39 kommt er auf das kirchliche Verbot des Bibel⸗
loſens zu teben. Er gibt bie Gründe dieſes Verbotes an,
und zwar als ben [egtem und feines Erachtens wohl ale
ben Hauptgrund „das Snterefje, welded vie Geiſtlichkeit
Symbolik. 295
daran hatte, ſich allein den hl. Schatz zu vindiciren und
das Volk in abhängiger Unwiſſenheit zu erhalten.“ — Armes
katholiſches Volk, wie traurig ſtünde e8 um bid, wenn
nicht bie Londoner unb Basler Golporteute deiner Unwiſſen⸗
heit ungerufen zu Hilfe fámen und tro& beiner Harthörig-
kit und Ungelehrigkeit an vem Foftipieligen Werfe teiner
Evangelifirung unberbroffen fortarbeiteten!
ϑια S. 42 ift εὖ ſymboliſche Lehre, daß zwar alle
Engel gut gefchaffen worben, die meiften aber von Gott
in Hochmuth abgefallen feien. So überfegt Hofm. das
primi des römiſchen Gatehismus. Wir führen dieß nur
an, weil ſchon bie oberflächlichfte Bekanntſchaft mit ber
Lehre der Väter und Theologen folche lleberjegung τοῦτος
unmöglich gemacht haben. Ebenvaf. findet er bie Bemer-
fung des Catechismus, die rein materielle Ereatur erfülle .
aud nach bem Yale des Menfchen mod) überall ihren
Zweck, wo Ihr nicht von außen ein Hinberniß in ben Weg
gelegt werde (IV, 12. 3), im Widerſpruch mit Genef. 3,
11--19 πὶ Röm. 8, 19 f. Wir glauben, daß mit Aus
nahme des Berf. wohl Niemand hierin einen Wiverfprud
erblikckt, und würden hievon völlig Umgang genommen
haben, hätte ber Verf. nicht in ber Vorrede die Verficherung
gegeben, daß er „vie Lehrfyfteme felbit zur Wahrung ihrer
Objectivität nie durch eine eingemifchte Kritif unterbrochen
habe (S. VIII). Es if tie übrigens nicht ber einzige
dal, in bem er feines Verſprechens uneingebenf. gewefen.
Ueber das Mißverſtaͤndniß ter Fatholifchen Lehre von
der justitia et sanctitas originalis, bie Hofm. in ber „fteten
Herrichaft der Vernunft über ble niederen Triebe“ aufs
gehen läßt (€. 43 f), wollen wir uns nidt weiter aud;
laſſen. Hätte ver Verf, bevor er zur Darſtellung ber
296 Hofmann,
fatbolifden Kicchenlehre fchritt, aud) nur oberflaͤchlich in
ber Eirchlihen Theologie ὦ umgefehen, fo wäre ihm das
richtige Verſtaͤndniß der bejügliden Stelle des römifchen
Catehismus (L 2. 18) nicht fihwer geworben und die
völlig mißlungene Erklärung des dort vorfommenben Aus⸗
drucks: temperavit erſpart geblieben. — ©. 45 fodann ers
fahren wir, daß zufolge ber Kirchenlehre bie Sünde Adams
jevem feiner Nachfommen als perſönliche Sünde ins
härire. Wir erfuhen den Verf., dieſes Dogma für fid)
zu behalten. Ebenſo müfjen wir gegen die angebliche
Kirchenlehre Verwahrung einlegen, in Folge der Erbfünde
könne ber Menfch „in feiner Weife von Cünten fi frei
erhalten.” Die hiefür angezogenen Stellen des Gatedjió;
mus fprechen blos bie Unfähigfeit des (erbſündlichen) Mens
iden zu wahrhaft Gott gefälligem Wollen und Thun unb
weiterhin dieß aus, daß berfelbe ohne göttlihen SBeijtanb
fid von Sünden nit rein erhalten fünne. Der Zufag:
„in feiner Weiſe“, jofern er alles Thun des Menſchen ale
ein fündhaftes characterifirt, ift mit ber Fatholifchen Lehre
nicht zu vereinbaren. Gleicherweiſe müffen wir es als ein
ans höchft mangelhafter Senntni ber firdjliden Theologie
fidj herleitendes Mißverftänpniß erklären, wenn ber Verf.
Cebendaf.) die Anficht einiger Theologen, wornach vie Erbs
fünbe levigli im ber carentia justitiae originalis inesse
debitae befteht, ohneweiters zur fymbolifdyen Lehre ftempelt.
Richt weniger unridjtig ift εὖ, wenn Hofın. (S. 42) meint,
bie Kirche müfje ihre Unterftügung durch Gebet unb Opfer
Allen verweigern, die nicht ihre Glieder find. „Dan bente
dabei an ble unlängft bem fel. Großherzog von Baden
verweigerten legten Ehren.” (S. 96 fommt ber Berf. auf
biefen erlatanten Sall. noch einmal zurüd) Nun wohl!
Symbolik. 297
bie feierliche unb öffentliche Darbringung ihres bI. Opfers
verweigert die Fatholifche Kirche Denjenigen, die außerhalb
ihrer Gemeinschaft aus biejem Leben gefchieden find. Co
weit bat unfer Symbolifer Recht, obwohl er weit davon
entfernt ift, ven wahren Grund diejes Verfahrens einzus
ſehen; was er dagegen mod) außerdem behauptet, beruht
auf völliger linfenntnig ver fatfolijden Lehre unb Praris.
Eine gleihe Unkenntniß verräth fi in ber Angabe
(€. 54), ter Ablaß betreffe „zunädft nur die von ber
Kirche auferlegten Strafen, über welche der Kirche allein
ein Urtheil zuftehe; aber bittweife, per modum suffragii
erftrede er fid) audj auf die von Gott bem Menfchen zus
gedachten zeitlichen Strafen hier in dieſem eben over
im Segfeuer.^ Gbenbaj. (&. 55 f.) weiß uns ber Verf.,
neben bem „abjcheulichften Mißbrauche“, bis zu ‚welchem
bie Lehre vom Ablaß von einigen Theologen (wer find
bieje?) „ausgebildet worden ift", aud) von ben Inbeljahren
zu berichten, deren eier Clemens VL, „ven Bortheil des
rómijden Volkes bebenfenb", je auf das 50. Jahr feftges
fegt babe, und außerdem von „noch jept häufig wieder⸗
fehrenden Promulgationen von Ablaß für beftimmte
Sünden auf beftimmte Zeit.“
Wie febr unjerem Symbolifer bie Bekanntſchaft mit
der katholiſchen Theologie abgeht, beweist fogleid) wieder
auf der nädhfifolgenden Seite die Gonfundirung ber gratia
gratis data mit ber gr. praeveniens s. excitans. Und wie
wenig er fid) bemüht ober wie wenig es ihm gelungen, in
den Sinn und Geifl ber fatbolifden Rechtfertigungslehre
einzubringen, zeigt die ſeltſame Yolgerung, vie er aus bem
Gage des Triventinumd: hano dispositionem seu prae-
parationem justificatio ipsa consequitur, glaubt ziehen zu
298 Hofmann,
müflen, daß nämlich hienach die Vollendung ber Wieders
geburt Gott allein vollbringe (S. 58). Sollen tiefe
Worte ven Sinn haben — und fie können faum einen
anderen haben — im Acte der Rechtfertigung ſelbſt fel
Gott allein thätig, der Menſch verbalte ſich dabei blos
paffto; fo hätte den Verf. von tiefer Ausventung ber
katholiſchen Auffaffung ſchon allein bie Erwägung abhalten
follen, daß eine Xehre, melde ble freie Mitthätigfeit des
Menfchen für ben gefammten Proceß feiner Rechtfertigung
und Heiligung mit allem Stadjvud in 9Infprud) nimmt,
diefelbe im Acte ber Rechtfertigung felbft nicht ausfchließen
. fann, und daß fte dieß in Wirklichkeit nicht thut, davon
hätte ihn die von ibm felbft angeführte tribentinijde 98e
griffsbeftimmung von ber Rechtfertigung überführen fónnen,
ber zufolge bieje nicht bloße Suͤndennachlaſſung it, fondern
aud) Heiligung und Ernenerung des inneren Menfchen
per voluntariam susceptionem gratiae et donorum (S. VI.
cap. 7). Vollends unbegreiflih ift uns bie Behauptung,
im katholiſchen Syfteme habe ber Glaube mit ber vertrauend-
vollen Hingabe an die fünbenpergebenbe Gabe Gottes in
Chriſto (ber f. g. fiducia) nichts zu tbun (S. 65). Hätte
bieß allerdings nur den Sinn, die Fatholifche Kirchenlehre
halte die fides und die fiducia als fubjective Momente im
Rechtfertigungsprocefje begrifflih auseinander, während im
proteftantifchen Syfteme der allein rechtfertigende Glaube
nichts anderes aí8 eben jene fiducia it; fo fónnten wir
und mit Hrn. Hofm. einverftanden erklären. Allein wenn
derſelbe (S. 162) in Bezug auf ble Rechtfertigungslehre
ber griechiſchen Kirche bemerkt, daß dieſe Kirche zwar in
ber Auffafjung des Glaubens als feften Bürwahrbaltend
alles bejfen was Gott geoffenbart, mit ber römifchen zus
Symbolik. | 299
fammenftimme, infofern aber ber proteftantifchen Auf
faffung von ber Heilsordnung fid) nähere, als fte zu bem
Glauben nod) die ἐλπίς, das fefte Vertrauen auf ble gött-
[ide Gnade in Gfrifto, hinzutreten laſſe; fo fällt in vie
Augen, daß mit bem oben angezogenen Sage auferbem
gefagt werben will, bie Fatholifche Kirche habe dieſes Ver⸗
trauen. nicht zur Geltung gebracht. Hierin verräth (id,
wenn nicht abfidtlide Verdrehung, fo zum wenigften voll
ftändige Gedanfenlofigfeit: Um fi) davon felbft zu über:
zeugen, möge Hr. Hofm. nur ben Paſſus nachlefen, ven
er felber (S. 56 f.) aus bem Triventinum (VI, 6) aus-
gehoben hat. |
Aus der Verwerfung der calvinifchen SBrábeftinationé:
lebre Seitens ber Fatholifchen Kirche folgert ber Verf., daß
legtere bie Prädeftination überhaupt und in jebem Einne
(aud) als ewige Borherbeftiimmung Einiger zum Leben)
nicht anerfenne — im offenen Gegenfa& gegen bie bod
ficchlich autorifirte und neuerbingó von Janfenius vertretene -
Lehre Auguſtins (S. 58 f). Ein höchſt voreiliger Schluß,
von deffen Unftatthaftigfeit ihn [don die von ihm ange
jogene, aber freilich in Fläglicher Weiſe eregefirte Stelle
des Tridentinums (VI, 12) hätte überführen müfjen, wenn
ibm nur einige f'enntnig ber in ber Kirche über dieſe Frage
gepflogenen Berhandlungen zu Gebote geftanben wäre.
©. 67 f. jobann wird der Synode von Trient verübelt,
baf fie feine. flare Begriffsbeftimmung von Tod⸗ unb Gr;
laßfünden gegeben Babe. Wir fefbft bebauern bief um
des Berfaffers willen, ber ſich nicht geringe Mühe foften
läßt, ihren Unterfchied zu eruiren und zu bem Ergebniß
gelangt, „daß die Fatholifche Kirche ben Unterfchieb weniger
auf. bie Gefinnung des Menfchen aíd auf das Material
Lheol. Quartalſchrift. 1857. U. Heft. 20
300 Hofmann,
der Handlung gründet” und ,bag Erlaßfünden ſolche find,
vor denen aud) der Gerechtfertigte fid) nicht hüten kann.“
Aus der Darftelung der Fatholiichen Lehre von ben
Cacramenten wollen wir, mit Uebergehung mander
theils fdjielenber, theil® geradezu unrichtiger Angaben, nur
einige Punkte fpeciell hervorheben. Die kirchliche Lehre von
ber Wirkfamfeit ber Sacramente ex opere operato wirb
vom Berf., wie dieß bei proteftantifchen Theologen Sitte
ift, dahin auégebeutet, daß von Seite des Empfängers
nur verlangt werde „pofitiv: daß er die Intention habe,
das zu empfangen, was von bet Kirche abminiftritt wird;
negativ: daß er der Wirkung des Sacraments fein Hinder⸗
niß entgegenftelle, was dann 'gefchieht, wenn er ed mit dem
Borfage in feiner Sünde zu beharren empfängt“ (©. 74).
Unſer Eymbolifer hat zwar von Bellarmin gelernt, daß,
wenn man fid ben Riegel wegbenfe, nothwendigerweiſe
voluntas, fides et poenitentia an {εἶπες Stelle erjcheint
und bemnad) ein indifferentes SBerpalten zum Gacramente
nicht denkbar it. Nichtsdeſtoweniger bleibt ex bel der obigen
Deutung ftehen, obwohl eine unbefangene Erwägung der
tridentinifchen Ausführungen über bie erforderliche fubjec
tive Dispofition auf die Steditfertigung, bie im Empfange
des Taufs (oder Buß⸗) Sacramentes zum Abſchluſſe fómmt
(S. VI. cap. 5 und 6), fowie bet Erklärung derfelben
Eynode S. XIV. cap. 4 de poenit. (am Schluß) ihn Hätte
überzeugen fónnen, vag Bellarmin fid bier ganz im Sinne
ber Kirche ausgefprochen hat. Allein wo man mit Angriffe
mitteln jo übel berathen ift, gibt man nicht gerne eine
Waffe aus der Hand, mag fie nod) fo (djartig jein.
Die Apminiftration ber Firmung wird (&. 76, ebeujo
©. 83) ten SBijdófen allein jugeftanben unb (G. 174)
Symbolik, . 301
hierin eine Unterſcheivangslehte der fatemifdjen tmb orien-
taliſchen Kirche entbedt. ine genauere Beachtung δεῖ
- Worte des betseffenven triventiniichen Kanons, wornad
ber ordentliche Minifter dieſes Sacramentes allein bet
Biſchof ift, Hätte den Verf. auch ohne Zuratheziehung der
. Instructio ad Armenos des P. Eugen IV. belehrt, daß in
fraglicyer Hinficht feine ausfchließliche Befugniß ber Bifchöfe
geltend gemadjt werden will, wie benn befannt ift, daß
die Giltigfeit der von griedifdjen Prieftern gefpenbeten
Firmung von ber lateinifchen Kirche nicht beanftandet wird,
wiewohl die griechiſche Praris in ihr zu ten Ausnahme,
fällen gehört. — Unter ten. Wirkungen des Sacramentes
bet Euchariftie figurirt (S. 90) in zweiter Linie der Er,
laß ter zeitlihen Günbenfirafen. Da der Berf., wie wit
öfter8 zu bemerfen Gelegenheit hatten, ſehr geringe Befannt-
daft mit der katholiſchen Theologie verräth, fo waren wir
nidt wenig erftaunt, bier eine fefv Dopotbetijde Anficht
einiger Theologen als fombolifde Lehre der Kirche zu
finden. Oder ſollte vielleicht der Verf. diefe Lehre in ven
Worten ted Triventinumd gefunden haben, denen zufolge
ble Hi. Gudjariftie ein antidotum ift, quo liberemur a cul-
pis quotidianis? Allein er mußte bod) wohl einjeben, vag
unter culpae quotidianae nicht zeitliche Sünbenftrafen vers
fanden fein fónnen. — ὁ ig fernerhin ungenau, wenn
(€. 102) gefagt wird, e& liege in ber Natur der Sati&
factionen, taf fle aud) ftelvertretend von anderen ges
büßt werben fónnen. Sie fónnen bieß nad) firchlicher Lehre
nur, fofern fie vinbicatipet, nicht aber auch fofern fle medi⸗
einaler NRatur’find. (Vgl. Cet. rom. II, 5. 72.)
Der große Bann (Excommunicatio major), werden
wir (6. 106) belehrt, fann allein vom Papfte ausgeſprochen
20 *
802 | Hofmann,
werden. Gleich abſonderliche Dinge erfahren wir (Ὁ. 109 f.)
in Betreff bet Ehe. Sie gilt für geſchtoſſen, wenn bie
Brautleute ihren Conſenſus vor dem rechtmäßigen Pfarrer
und wenigftend zwei Zeugen ausgeiprochen haben; „anßer-
bem ift ed ein malrimonium clandestinum“ (febr euphe⸗
miftifh 5 weiterhin „die herrfchende Anficht ber Theologen“
heine zu fein, daß ald Materie des Ehefacramentes bie
corpora contrahentium anjujeben feien; enblid) obne das
Verſprechen katholiſcher Kinvererziehung finde höchſtens εἰπε
fadhe assistentia sacerdotis en ſpecielle Erlaubniß bed
Papftes"- ftatt.
lleber die Ranonifation der Heiligen (— ie
Möglichkeit der Heiligwerdung beruht nad) S. 63 auf ber
Lehre von ben überverbienftlihen Werfen —) wird (€. 116)
bemerft, daß fie erft nad) vorangegangenem „Heiligenproceß“
erfolge, „der wohl ein Jahrhundert in Anſpruch nehmen
fam," indem „vor allem ber Lebenswandel unb bie Wunder
einer weitläufigen Unterſuchung unterworfen werben." Dieſer
Bemerkung [deint der Verf. völlig vergefjen zu haben, va
er (©. 192; Lehrbegriff ber griech. Kirche) ben Say nieder⸗
ihrieb: „die Kanonifation ber Heiligen fleht ber Kirche
zu, mweldye aber diefelbe nur nad) der genaueften Prüfung
ihrer Qualification vornimmt, daher denn audj die Zahl
ber Heiligen in ber griechifchen Kirche bei weiten nicht fo
groß ift, als in ber römifchen Kirche.” Der Grund ver
Verſchiedenheit beider Kirchen in fraglicher Hinficht [eint
denn bod) in etwas Anderem liegen zu müfjen, wenn bet
Berf. uns an erft genannter Stelle vecht berichtet hat.
Ebendaſelbſt erfahren wir audj, daß „im I: 993 tie erfte
Kanoniſation des bl. Ulrich von Würtemberg
geſchah.“ —
Symbolik. 303
Hiemit find wir am Schluſſe ber Symbolif der katho⸗
lifchen Kirche angelangt. An manden minder bebeutenben
Verſtoͤßen find wir mit Stillſchweigen vorübergegangen,
in der lleberyeugung, daß das Beigebradhte mehr als bin»
reichend ift, um Jedem über den Beruf des Verf. zum
Cymbolifer ein wohl motivirted Urtheil zu ermöglichen.
Diefer felbft fcheint übrigens durchweg, wie man zu fagen
pflegt, guten Glaubens gemefen zu fein. Nachdem er von
ver fatfolifden Kirche und ihrer Lehre ein Serrbilo ent-
worfen, daß es ſchwer hält, fte in dem entftelfenben Auf«
puge wieder zu erfennen, leitet er feine „allgemeine Schluß,
bemerfung^ mit den Worten ein: „Zum Schluß möge εὖ
bem Gymbolifer, der bisher ganz objectiv verfuhr, vergónnt
fein, einen prüfenben Blick auf das zurüdzumwerfen, mas
tt als fymbolifche Lehre des Katholicismus erfannt und
durch ſyſtematiſche Zufammenftellung zur befferen Ueber»
δι gebradjt hat" (Ὁ. 118) Das Ergebniß dieſer
prüfenben Rüdihau wird ©. 119 — 123 bloßgelegt und
[hließlih in bem Gage zufammengefaßt: „In Summa,
neben manchem Guten, das wir dem Katholleismus nicht
ftreitig machen wollen, daran wir vielleicht felbft lernen
finnten, fommt doc fein wahres Weſen ſchließlich auf
ven oberflädhlichften Semipelagianismug und hierarchiſche
Herrſchſucht hinaus.“ Daß vie obligaten Phrafen: Abs
loßfram, Werfheiligfeit und was dgl. banale Vorwürfe
mehr find, nicht gejpart woürben, war im voraus zu et:
warten, wie nidjt minder die befannten Klagen wegen Zus
tudftellung ter Predigt gegen die Sacramente, wegen finn-
liher Weberfchwänglichkeit des katholiſchen Eultus, worin,
wie Gueride richtig ſage, „der himmlifche Gottesdienſt
anticipirt," aber aud), wie ver Verf. ergänzend und bes
304 Hofmann,
richtigend beifügt, durch bae ewig wiederkehrende Einerlei
derſelben Ceremonien allmaͤhlig ſtumpfe Gedankenloſigkeit
herbeigeführt werde; endlich und vornehmlich wegen der
unbedingten Herrſchaft der Kirche uͤber die Gewiſſen haupt⸗
[ὦ mittelſt ihres Beichtinſtituts. („Sie Bat daher
alle, um einen gemeinen, aber treffenden Ausdruck zu ge⸗
brauchen, im Sad.”)- Referent geſteht, bag ihm bel Ans
bórung dieſes Plaidoyers unwillführlic die befaunte (freis
lich auch nicht ganz hoffähige) Babel von ben beiden Füchſen
beiftel, von denen bem einen ble Trauben, die ihmi etwas
zu hoch Dingen, fauer bünften, ber andere, ein ſchlauer
Geſell, der in Folge eines bebauetliden Mißgeſchicks einer
gewiſſen Leibeszierde ſich entledigt jab, feinen minder glüds
lichen Vettern im Walde gar beweglich demonftrirte, welch'
überflüffiges, in recht bäßliches und bie perfönliche Freiheit
gefährdendes Anhängfel fie an fid) berumtrügen.
Schwerer ind Gewicht fällt vie Anklage auf „Unehr⸗
lichfeit,“ bie ber Verf. in faft elegifcher Stimmung gegen
die fatboli(de Kirche richtet. Die Anklage gründet fid
zunädhft darauf, daß die Kirche, obwohl fte neben bet
Schrift aud) die Tradition als ergänzende Glaubenéquelfe
anerfenne, doch faft alle ihre GíaubenéleDren aud) aus ver
Schrift nachweiſe, wobei ὦ legtere fogar noch „Bers
drehungen und Entftellungen gefallen laffen muß, wie das
[don baburd) ermiejen wird, daß man fid) weigert, mit
Aufopferung der Wulgata, auf den Grundtext zurückzu⸗
geben.“ Allein woher weiß denn ber Berf. jo genau,
bag ber griechiſche Tert in feiner gegenwärtigen Geftalt
der Girunbtert, in der Bulgata dagegen diefer verbreht und
ent(telit tft? Und wie fann ein halbwegs Urtheildfähiger
darin eine „Unehrlichkeit“ erbliden, daß die Kirche Glaubens,
Symbolik, 305
lehren, deren Offenbarungscharakter ihr zunädft nicht bie
Schrift, fonberm die Meberlieferung verbürgt und außer
Zweifel ftellt, aud) auf die Schrift begründet —
Solchen gegenüber, welche dad Anfehen ver Travition bes
fireiten? Auf ble weitere Motivirung der Anflage, die
fidj Fürzlich dahin formullren läßt, daß die Fatholifche Kirche
nicht für Alles, was innerhalb Ihres Umkreiſes vorgeht,
die Verantwortung auf fid) nimmt, können wir und einer
" Cntgegnung um fo leichter überheben, als e8 bem Berf.
nicht gefallen hat, feine Inerimination durch irgend welche
Thatfachen zu belegen. Die unfidjtbare Kirche befindet fid)
hier allerdings in einer ungleich behaglicheren Lage, da fie
ein für allemal erflärt hat, mit den Unebenheiten der fidt
baren nichts zu fchaffen gu haben.
Auch an die viel gerühmte Gonfequeny und Einheit
des Fatholifchen Syftems glaubt Hr. Hofm. ſchließlich feine
Obelisken anzeihnen zu follen. Der Gegenjag des Gpiófo
pal. unb Papalſyſtems; die Meinungsverfchiedenheiten ber
Thomiften und Gfotiften, die felbft dad Tridentinum nicht
überall zu ſchlichten wagte; die offene Frage, was bei ber
Priefterweihe und Ehe als Worm und Materie anzufehen,
während bod „die Eymbole darauf bringen, daß jedes
Cactament eine beftimmte Materie und Form haben müffe;
die Aeußerung des römifchen Catechismus (vie beiläufig
bemerft ber Verf. verftümmelt wiebergibt), das Nichteins
treten ber leiblichen Genefung beim Empfänger des Sacras
ments ber legten Delung fónne wohl aud) vom Unglauben
bes Empfängers oder be8 Ausfpenderd herrühren, da tod
fonft die Wirfung des Sacramentes ald davon unabhängig
dargeftellt werde; endlich daß bie Kirche „nach bet fitengen
Gonfequenj ber Lehre vou der Exbfünde die ewige Ver
306 Hofmann,
dammniß ber ungetauft ſterbenden Kinder behaupten müßte,
und das bod) nicht thut“ — das find bem Verf. ebenſo
viele vollwichtige Beweiſe, daß es mit bet geprieſenen Gin;
heit und Conſequenz der katholiſchen Kirche, deren ſich dieſe
ſelbſt „mit einem gewiſſen ſtolzen Sebſtgefühle rühmt,“
denn doch nicht am beſten beſtellt iſt. Mißgoͤnnen wir ihm
nicht dieſen Troſt, deſſen er wohl ſehr bedürftig ſein
mag! — — |
Das Lehrfyftem der griedifden Kirche findet ἢ
fid €. 123 — 196 abgehandelt. Die Darftelung des
fRerf., jo ſehr fie darauf angelegt ift, bie Differenzen
zwifchen der griedijden und lateiniffen Kirche in ein
grelles Licht zu ftellen, gibt gleihwohl ben ſchlagenden Bes
weis an bie Hand, daß zwifchen beiden firden, vie bes
fannten Gontroverópunfte abgerechnet, durchgängig die voll;
fommenfte, ja zumeift, wie namentlid in ber Xehre von
der Rechtfertigung und den Sacramenten, insbefondere ber
bl. Euchariftie bie formellfte, bis auf den bogmati[djen Aus⸗
druck fid) erſtreckende Uebereinſtimmung befteht. Die zwiſchen
beiden Kirchen ſtrittigen Punkte anlangend, laßt (id) ohne
Mühe ver Beweis führen, daß bie obwaltenden Differenzen
nicht eigentlich bogmatijder Natur find, fonberm theils
bío8 in einer Verfchievenheit ber Vorftelung und des Aus;
drucks, theild in einer abweichenden Praxis wurzeln. Der
Ausgang des DL. Geifteó vom Sohne zugleich wird wenigftens
infoweit anerfannt , als eine Sendung des Geiftes burd
ben Eohn gelehrt wird ἢ). Die Orientalen find hier auf
1) Ein kirchlicher Hymnus auf ben Donnerftag nad) Pfingften 5e
fingt fogar ben 81. Geift als ἐξ ἀνάρχου τελείου Πατρὸς καὶ di Υἱοῦ
προερχόμενον (ganz nad ber Ausbrudsmeife der griechifchen Väter).
Bei Pitzipios, l'église orientale. Rom, 1855. P. I. p. 63.
Gmboltf. 907
einer von ber fateinijden Kirche überfchrittenen Stufe ber
Lehrentwidlung ftehen geblieben. In ber Lehre vom Feg⸗
feuer ftimmt die griechiſche Kirche fachlich mit der (ateini,
[den überein; ihr Widerfpruch gegen biefe läuft auf das
Mißverſtaͤndniß hinaus, als gehöre in ihr die euet
ftrafe in einer befonderen Räumlichfeit zum Dogma. Wenn
Hofm. (€. 187) der griechiſchen Kirche die Lehre zufchiebt,
als würden „felbft von ben groben Günbern nod) einige
zu der Zahl ber Gerechten übergehen zwar nicht durch
eigene Beflerung, welche im Ienfeitd nicht mehr möglich
ift, aber dur bie frommen Dienfte der Hinterlaffenen
und burd die Würbittem und das Mefjelefen der Kirche ;”
fo berichtigt er dieß felbft in ber Note zu ©. 188 dahin, '
daß dieß nur in 9Infebung bußfertig Geftorbener Geltung
habe. Der Primat des Papftes envlid wird befanntlich
in der griechiſch⸗ſchismatiſchen Kirche theoretiich, menn
aud) nicht förmlich und unumwunden anerfannt, practijd)
geleugnet. Die fonftigen Differenzen find zugeftanveners
maßen ganz untergeorbneter (ritueller und bisciplinärer)
Art oder aud) blos fingirt. Die ziemlich verbreitete Ans
nahme, daß die griechiſche Kirche vie fj. 4. beuterofanos
nifchen Bücher des A. T. verwerfe, wird vom Berf. felbft
(€. 147) mit Recht als irrig bezeichnet. Die Angabe
(6. 174), nad) griechifcher Lehre fel. das Sacrament ber
Firmung zum Heile nothwendig, läßt fid) aus ben Worten
ber confessio orthodoxa: (wie ver hi. Geift ben Apofteln ὁ
jur Befeftigung des Glaubené notfmenbig war,
[0) καὶ τὴν βοήϑειαν ταύτην χρειάζονται καὶ οἱ
βαπειζόμενοι — nicht beweifen, eher das Gegentheil.
Die Behauptung, die orientalifche Kirche anerfenne weder
ein überfchüffiges Verdienſt Chrifti, nod) ein Mehrverdienſt
308 Hofmann,
der Heiligen (€. 154), fügt Rd in ihrem erften Theile
auf nichts, in ihrem zweiten auf eine tummituarifche Aeuße⸗
ung ded Metrophbanes Eritopulus, deſſen Ortho⸗
borie zugeflandenermaßen in vielen PBunften mehr als ver-
dachtig iR '). Auf bie gleihe Auctorität gründen fid
bie weiteren Affertionen, die griechiſche Kirche verwerfe die
Ablaͤfſſe (€. 154) unb bie fünbeloje Empfängnis Mariens
(€. 153 f.) Das ετβετε betreffend, wirb dieß von Metro:
phanes nicht einmal ausdrücklich erklärt, fonbem if eine
bloße Holgerung des Berf., ver die befamnte Praris ver
orientalifchen Kirche, Abläfle (μεεριόεητες, συγχωροχαρτια)
feleR für Verſtorbene zu gewähren, unter ausdrüdlicer
'" Bernfung auf tie vom Herm ver Kirche übertragene Binde⸗
unb Löfegewralt, witerfpredeno entgegenfteht. (Vgl. Püzipios
a. a. Ὁ. €. 79.) Das andere anlangend ift ebenjo be
fannt, daß die orientalifche Kirche, in ber Verehrung ter
HL Gotteömutter mit der lateinijden wetteifernb, in ihren
Bekenntnißſchriften bie vollfommene Freiheit der unbefledten
Jangfran (apölıwros, ἄμωμος, παναγία παρϑένος) von
jeter actmellen Sünde ald Glaubensfag feRhält wnt tie
entgegenftchenve (calvinifche) Behauptung mit Abſchen ver.
1) Derfelbe war cine Greatur tes beridtigten Gyrilue Eufaris und
then Racbfolger auf tem Patrisrchalüuhle zu lerautrien Bon
tidem zu weiterer theologiſchen Ausbiltunm med) Guropa geſchickt,
Üstirte er einige Zeit zu Qeimiátt unt jegte anf Berlangen ter dortigen
Tprslogen L 3. 1625 cin Gíaubentfelenntmg feiner Kirde auf. Bon
tidem Privarbefenntuige madit θεῖαι. im feiner Taritellung des grie:
iſchen Lebrbegrĩs teu umfahentüen Gebrand, obwohl ex nicht um:
bin lama einzugeüchen, tap Metrephans vwécljadjc Aälidhungen des
Glaubrnsizmujtirins (uet Ride Ab erlaubt bar. (Ξ. 138 [.) —
Gfentai erfaleen wir amd, tab tie Rirde von Gürl. tie tragiſche
Serreinng vem ihren tiiermfranchden Katriarchen Gwrillus 2. den
enigig:ziommınca ÜÜcmbumgea ber Aue qm verbanfen abe.
Cymbolif, 308
wirft. (Auf dem beiden Synoden zu Gonftantinopel i. S.
1642 und zu SIerufalem i. S. 1672; bei Harduin, Acta
Conci T. XI. p. 171. E; p. 238 sq. Paris 1715.) Ihre
Breiheit von der Crb[ünbe ift damit nod) keineswegso ges
(rugnet, daß bie Allgemeinheit biefer Sünde gelehrt und
Chriſtus allein förmlich und ansprüdlih von ihr ausge⸗
nommen wird; fte ift vielmehr deutlich genug in den von
der Synode zu Iernfalem allegirten Worten des Cyrill
indieirt, daß bei Maria bet leiblihe Top nicht Sold ber
Cünbe (Röm. 6, 12 (T), fonvern Folge ber phyſiſchen Natur
geweien, eine Bolge, welche fie, wenn fte gewollt, aud hätte
von fid abwenven fönnen. (Harduin 1. c. p. 198 sq.)
Dogmatifch bat ſich allerdings die morgenländiſche Kirche
über diefen Punkt noch nicht ausgefprohen und wird es
wohl auch nicht, fo lange εὖ ihr an einer einheitlichen
oberfien Leitung und einer bódjften Inftanz in Glaubens,
ſachen fehlt und infolge hievon die Dogmenentwidiung
(im firdjlidjen Sinne des Wortes) in ihr ftilefteht. —
In einem Anhange ©. (197 — 219 behandelt
Hofm. die Lehreigenthümlichkeiten der altgriechiſchen
Sepatattitden:
1. Der Neſtorianer (a. der eigentlichen Neftorianer
oder chaldaͤiſchen Chriften, b. ber Thomaschriſten);
2. Der Monophyfiten (a. Armenier, b. Kopten,
c. Abyffinier, d, Safobiten) und |
3. Dee Monvtheleten (Matoniten).
Die Quellen für bie Lchrmeinungen diefer ver[djiebenen
Eecten find großentheils höchſt unzuverläßig und wider
ſptechend und it rückſichtlich mehrerer derfelben minbeften
ſehr fraglich, ob fid überhaupt ein beflimmter unb reci»
irter Rehrbegriff bei ihnen vorfinbe. Die von bem be
-
810 Hofmenn,
lebenden Quelle abgefchnittenen Baͤchlein haben fid) mehr
und mehr im Sande verloren — das enblide Schidfal
aller Härefie und Trennung, deſſen früherer ober Tpäterer
Eintritt toefentíid burd) bie entferntere oder nähere Be
rührung mit der Mutterfirhe und die baburd erzeugte
ſchwaͤchere ober ſtarkere Spannung des exorare mits
bedingt ift. —
Die 3. Abtheilung (S. 219 — 489) entwidelt
ben Lehrbegriff ber proteftantifchen, b. i. ber Intherifchen
unb reformirten Kirche, und zwar, wie bereitó bemerft,
in comparativer Weife, näherhin fo, daß bie beiber-
feitigen Lehrmeinungen überall sufammengenommen und
in Eins verbunden werden und nur, wo ihre Discrepanz
allzu ſchneidend hervortritt, eine Sonderung beider vorges
nommen wird. Wenn es richtig ift, was ber Berf.
(€. 224) jagt, daß das was beide Kirchen auseinander
halte, nicht fomob( in ben Lehrelementen, ſondern vielmehr
in bem verſchiedenen Geifte liege, ber hier und tort baó
ganze Lehrfyftem durchdringe, fo leuchtet unmittelbar ein,
daß die von Hofm. hier gewählte Form der Darftellung
burdjauó ungeeignet ijt, in den eigentbümliden Geift unt
das charakteriſtiſche Weſen beider Syſteme einen tiefern
Einblid zu eröffnen.
Die Einleitung läßt es felbitverftänblih an ges
häfftgen Ausfällen gegen bie katholiſche Kirche — altem
bis zum Gdelerregen. aufgewärmten Kohl — nidjt mangeln.
Wir erfahren gelegentlih aud), taf ber Proteftantismus,
bei rechtem Lichte befehen, eigentlich viel älter ift, als fein
Geburtsfchein ausmeist. „Er ift ba gemefen, fo lange εὖ
eine Kirche Ehrifti gibt, in ver man nichts durch Π {εἰ
fein und gelten will, fondern alles vurd Gottes Gnade,
Symbolik. 311
in der man glaubt, daß wir ohne Chriſtum verloren wären,
duch Gfriflum aber felig worden find und Erben des
ewigen Lebens” (€. 219). Diefer Proteftantismus If
allerdings ſchon ſehr alt, darin hat ber Verf. vollfommen
Recht, alle Väter und Goncilien befennen (id zu ibm, von
ter HI. Schrift gar nicht zu reden. — Der Einleitung folgt
eine ausführliche Gefchichte ber ſymboliſchen Schriften beiber
Gonfeifionen (S. 225 -- 272). Bon ber „Augsburger
Gonfejffion," bem „Stolz“ und „Augapfel” der evanges
lichen Kicche, wird unter anderem rühmend bemerft: „Sie
gibt in ſcharfen unb doch nicht fehroffen Zügen mit unüber,
trefflicher Präcifion des Ausdrucks in chriftlid-ernftem unb
tod) verföhnlichem Tone das vollfommene Abbild des evanges
lichen Glaubens, unb ift fo febr angeweht von bem Geifte
ver Beiligften Gefinnung, daß ber heilige Gelft jelbft bem
hehren Werke die Spuren feiner Mitarbeit aufgeprágt zu
haben ſcheint.“ (E. 233.) Referent gefteht, daß er dieß
begeifterte Zeugniß nicht ohne Rührung las, aber aud) nicht
ohne einige ‚Anwandlung von Wehmuth wenige Zeilen
weiter unten bie feltfjame Kunde vernahm, daß berfelbe
Mann, der dieß vom hl. Geifte durchwehte und befiegelte
Buch verfaßt, in fpäterer Zeit febr bebenflide Aenderungen
felbft an feinem Inhalte vorzunehmen feine Schene trug,
und zwar, um das Maaß vollzumachen, in offener Ans
naͤherung an die Fatholifche Xehre von der Menfchennatur
und Rechtfertigung. — Der Apologie ver A. C. wirb
(€. 237) nadgerüfmt: „Sie ift ein ebenfo fchönes Zeug,
niß evangelifcher Gottesgelahrtheit, freimüthiger Offen;
heit, durchſichtiger Klarheit, präcifer Beftimmtheit, vemüthigen
Glaubenómutbeó, fiegeógemiffer Milde, wie die Gonfutation
ein von ven Katholiken felbft beflagtes Zeugniß fatfolifdyer
| 3912 | Sofmann,
Unwifienheit, feiger Zurüdhaltung, abſichtlicher Dunkelheit,
gweideutiger Unbeftimmtheit, bodjmütbiger Glanbensvemuth
unb verzweifelter Gegenwehr dur Koihwerfen if.” Man
fieht, der Mann verfteht fid) auf kunſtgerechte Antitheſen
und fchreibt, wo εὖ noththut, einen recht fráftigen Stil und,
was vielleiht nod) höher anzufchlagen ift, das ber Apologie
bier auógeftellte glänzende Teftat hindert ihn nicht, S. 421
das unummundene Belenntnif abzulegen :- „vie Apologie
wird fid fchwerlich von bem Vorwurf Iosmachen Fönnen,
taf fie an die Fatholiihe Transſubſtantiationslehre (!)
mindeftend anftreife, da fie ausdrücklich auf ihren Gon
fenfus in ber Lehre vom Abenpmahl mit der fatfoli(den
Kirche in ziemlich -unjmeibeutigen Worten (!) hinweist.”
Den Lehrbegriff der beiden proteflantifchen Gon:
feffionen finden wir in großer Ausführlicgfeit bargelegt ;
den weitaus größeren Theil des Raumes nehmen übrigens
bie den Gert fortlaufend begleitenden Belegftellen aus ben
ſymboliſchen Büchern ein, welche der Verf. in einer Voll,
ftändigfeit zufammengetragen, ble faum da und dort etwas
zu wünfchen übrig läßt. Möchte es ihm nur aud) gefallen
haben, auf jo mande charakteriſtiſche Anfichten unb Aeuße⸗
rungen ber Väter ber Reformation, welde, ohne in bie
ſymboliſche Lehre übergegangen zu fein, tod) biefe felbft
ins tedjte Licht zu fegen vorzüglich geeignet find und in
manchen Punkten deren richtiges und volles SBerftántnif
bedingen, wenigftens in den beigegebenen Noten hänfiger,
als er εὖ für raͤthlich erachtet, Rüdfidt zu nehmen! Indeß
nehmen wir feinen Anftand, Hr. Hofm. die Anerkennung
zu zollen, bag feine Darftellung Bier im Ganzen fo objec⸗
tiv gehalten ift, als e8 fein fpezififch Iutherifiher Stand»
yunft und das „fubjective Refultat,* das ihm überall ale
ESymbolik. 313
die „Hauptſache“ vorſchwebt, ihm immer geſtatten mochten.
Daß er das lutheriſche Syſtem mit ſichtlicher Vorliebe
behandelt, die Härten deſſelben, ohne ſie, wie ſonſt ſo
häufig geſchieht, geradezu zu verbergen, ſoweit als thunlich
abſchleift und die vielfachen Inconſequenzen desſelben, die
kaum oberflächlich verdeckt, ſobald ſie einmal klar erkannt
ſind, das ganze mühſam zuſammengehaltene Syſtem aus⸗
einanderſprengen, wahrzunehmen und herauszukehren nicht
eben ſonderlich bemüft ift; werben wir ibm um fo eher
wugutehalten, al& wir bieg nicht anderd erwartet haben.
Der Berf. fieint Hier überhaupt feinen Weg ganz argloó
verfolgt zu haben. Nur einmal ift ihm etwas aufgeftoßen,
was ihn auf einige 9Ingenblide fiugig machte. Um bem
Verdienſte Chrifti in nichts zu berogiren und dad Heil beo
Menſchen auf fiherftien Grund zu ftellen, lehren befannt-
lid) bie Reformatoren und ihnen folgend bie fymbolifchen
Schriften „vie totale Unfähigkeit des Menfchen, etwas zu
feiner Befchrung beizutragen und bie Alleinwirffamteit des
pl. Geiſtes — bis zur völligen Wiedergeburt.” (©. 335.)
Die 9Reftriction, die in den legteren Worten liegt, wollen
wir bier nicht weiter in Anſpruch nehmen, wiewohl fid)
unſchwer zeigen läßt, daß vie Belehrung und Recht⸗
fertigung entweder nie in bie Wiedergeburt des Menjchen
za freier fittliher Selbftbeftimmung und Gelbfttbátigfeit
ausläuft oder aber leptere $don von Anfang an als
wefentliches Moment in fid) trägt. Hievon al[o abgefehen,
ergibt ſich and ber obigen reformatorifchen Thefe ald unabs
weislihe Folgerung die abfolute (calotnijde) Praͤdeſti⸗
1) 3391. Form. Conc. p. 680: hominem in conversione sua pure
passive se habere, id est, plane nihil agere, sed tantummodo pati id,
quod Deus in ipso agit. (Bei Qofm. €. 341.)
3814 - Hofmann,
nationdlehre: wenn Gott alles, der Menſch nichts tfut,
fo ift das SBerberben des Menfchen ganz ebenfo wie fein
Heil lediglich Gottes Werk, allein auf bie göttliche Cauſa⸗
ἀξ zurückzuführen. Nun anerkennt aber bie Concordien⸗
formel feine abfofute, fondern nur eine bedingte Gnaden⸗
wahl, bedingt durch das Borherwifien Gottes von bem
verjdiebenen (entgegengefegten) Berbalten der Menjchen
zur Gnabe (Widerſtreben oder Nichtwiderftreben gegen fie).
Der Widerſpruch zwifchen diefem und bem obigen Lehrfage
fpringt in die Augen. Sft die Erwählung des Menfchen,
feine Vorberbeftimmung zur Gnade (und durch blefe zum
ewigen Leben) von feinem Nichtwiderftreben, ebenfo wie
feine Nichterwählung von feinem Wiverftreben gegen die
Gnade abhängig, jo folgt unwiderſprechlich, daß des
Menſchen eigene Mitthätigfeit, feine freie Gelbftbeftimmung
und Selbftentfcheidung ein wejentlicher, unentbehrlicher Factor
in bem Heildöwerfe ift unb wie für ben Beginn, folge
richtig auch für den ganzen Berlauf befjelben geforvert
werden muß; oder aber, wenn man fid bejjen im Interefie
des Wunbamentalbogma von ber totalen Unfähigkeit unb
Paſſivitaͤt des Menſchen im Heildwerfe weigert, daß man
fid zur Anerkennung ver abfoluten Präpeftination ent-
fdjíiegen und ben 9Biber[prud) gegen die vom Calvinismus
unerbittlid) gezogene Conſequenz, das horribile decretum
fallen laffen muß. (6 ift ecgógli zu fehen, wie unfer
Symbolifer fid) wendet und brebt, um biefem gefährlichen
Dilemma zu entihlüpfen. (&. 338 — 343.) Die Mit
thätigfeit, bie von Seite bed Menfchen gefordert wird,
befhränft fid) lebiglid) darauf, daß er, von der ihm mod
gebliebenen natürlichen Freiheit Gebrauch machend, fid
entſchließt (ober wie ter Verf. gewählt ſich ausprüdt:
Symbolik. 315
„daß der natürliche Menſch feine natürliche Freiheit einmal
gerade fo lenft”), „in bie Kirche zu gehen, vie Predigt und das
Wort Gottes zu hören ober zu lejen," natürlich „nur externis
auribus." (Der Glaube an dafjelbe fol [ebiglid) Werf des bem
Worte einmobnenben Dl. Geifteó fein.) „Diejer Entfchluß
hängt“ nun zwar „ganz allein vom Menſchen ab^; allein „jein
Handeln dabei ift ein rein indifferenter Act, ein actus ex-
ternus, der aber bod) für ben 81. Geift nöthig ift, um da⸗
burch einen Zugang zu ihm zu haben”... „Es fommt alfo
vod) aud) eine menſchliche Thätigfeit dabei in Betracht,
nämlich, eine leivende Thätigfeit, fofern aud) das Leinen
eine Thätigfeit genannt werden fann.” So hätten wir —
denn endlich glüdlich eine Thätigkeit gefunden, bie eigent-
lich feine Thätigfeit, eine Uctivität, die im Grunde reine
Baffivität ift; der Begriff eines hölzernen Schüreifens
gehört von jegt ab keineswegs mehr zu den unvollziehbaren
Begriffen. Allein bat denn ber Verf. in feinem apolos
getijchen Eifer durchaus nicht bemerkt, was Jedem in bie
Augen füllt, daß der Entichluß zum Anhören ober Leſen
des Wortes Gottes und die Ausführung diefes Entfchluffes,
wenn aud) nod) nicht jofort ein poſitives ober directes Ent⸗
gegenfommen gegen die Gnabe, immerhin, mag man ihn
aud) durch beliebig viele Retorten eines begrifflichen Defitl-
lirapparated hindurchfuͤhren, eine Thätigkeit, das Richt-
wiverftreben im vorliegenden Kalle fein bloßes Leiden, fein
blos paſſives Gewährenlaffen, jonbern in ber That unb
Wahrheit ein „Mitthun“ unb, fofern darin bie „Bedingung“
erkannt wird, „von deren Erfüllung ober Nichterfüllung
bie göttlihe Erwählung abhängig ift," fein „rein inbiffes
enter Act,“ fondern eine auf das Heil beó Menfchen
weſentlich influirende Thätigfeit ift? Wollte vollends biejer
Theol. Quartalſchrift. 1857. U. Heft. | 21
916 Saalſchütz,
Act, wie es allerdings den Anſchein hat, lediglich auf die
„natürliche Freiheit" des Menſchen felbft zurüdgeführt
werden, fo fteht man im Begriff, mit vollen Eegeln in ben
Hafen des Semipelagianismus einzulaufen ; faßt man ihn
dagegen aí8 einen rein göttlich gewirften Act, fo gebe
man die bedingte Ermwählungslehre preis, da εὖ ihr
fofort an jeglicher Beringung gebricht. —
In ber 4. Abtheiltung (S. 490—545) bringt Hofm.
den Lehrbegriff per mit bem Proteftantismug ver
wandten Secten zur Darftelung. Die Lehreigenthüm-
lidjfeiten der Walvenfer, Socinianer, Mennoniten und
Baptiften, Quäker, Methodiften, Arminianer, Herrnhuter
unb Ewedenborgianer fommen hier ber Reihe nad zur
Sprache. Wir gehen hierauf nicht näher ein, ba wir ben
und zugemefjenen Raum ohnehin fdon überjdritten haben.
Dem Buch ift ein kurzes Negifter angehängt. Drud unb
Ausftattung find lobenswerth.
Repet. Lic. Gigfelber.
4.
Ardjclogie der febrüer. Bür Wreunbe des Alterthums und
zum Gebrauche bei akademiſchen Vorleſungen. Bon Dr.
Jof. f. Saalſchütz, Profeſſor ber Archäologie, Mitglied
ber Fönigl. Deutfchen unb ber phyſikaliſch öfonomifchen Ge-
ſellſchaft in Königsberg, ber Hiftorifch«theologifchen in Leipzig.
Zweiter Theil. Königsberg, Verlag der Gebrüber Born-
träger. 1856. Preis: 4 fl, 54 Er.
Auf den erften Theil diefer Archäologie ift Im vorigen
Sabrg. ver Quartalſchr. S. 331 ff. aufmerffam gemadt
Archaͤologie ver Hebräer. 417
‚worden unb wir fónnen das tort ausgeſprochene günftlge
UÜrtheil im Allgemeinen aud? auf ben vorliegenben zweiten
Theil, welcher Gr. Majeftät Friede. Wilhelm IV. ffünig
‚von Preußen tebicirt ift, unbedenklich ausdehnen.
Diefer Theil befaubelt im fed)éten Abſchnitt (vie erften
fünf Abſchnitte enthält ver erfte Theil) „Wiſſenſchaftliches“,
im fiebenten „allgemeine Sitten und conventionelle Ver⸗
haͤltniſſe“, im achten Familienweſen“, im neunten „Städte
wefen^, im zehnten „Rechtspflege und Policey“, im eilften
„religiöſe Bolksinftitwtionen”, und im zwölften „politifche
Berhältniffe und Snfitutionen." In Betreff be noch wei:
teren archäologiſchen Stoffes bemerkt vie Vorreve: „Die
legten Zeiten des Israelitiſchen Altertbums find nur fo
weit berüdfichtigt, als der Umriß ber Darftellung εὖ nöthig
machte. Sie haben eine ganz andere Färbung und andere
Quellen und bedürfen einer eigenen jujammenfajjenben
Schilderung. Diefe fol demnad, wenn Muße und Kraft
nicht fehlt, in einem befondern, auch als dritter Theil zu
betrachtenden Buche nachfolgen” (S. X).
Wir erlauben und nur nod) Bemerkungen über ein
Paar einzelne Bunfte.
In bem Gapitel über Mathematit und Feldmeßkunſt
wird eine eigene Erklärung von ber fchwierigen Stelle
Num. 35, 4. 5. gegeben, welche hie, Bezirke ber Leviten-
ftábte beftimmt. Die verfchleven gebeutete Stelle lautet:
„Und die Bezirke der Städte, vie ihr bem Leviten geben
. felit, feien von ber Mauer ber Stadt auswärts taufenb
Ellen ringsum. Und mefjet außerhalb ber Gtabt auf ber
Seite nadj Often zweitauſend Ellen, und auf der Seite
nach Süden zweitanfend Ellen, und auf ber Seite nad
21 *
318 Saalſchut,
Weſten zweitauſend Ellen, und auf der Seite nach Norden
zweitauſend Ellen, und die Stadt ſei in der Mitte; dieß
ſollen die Bezirke ihrer Städte fein.” Hr. S. nimmt nun
an, baf die Gnbopunfte ber vier Linien, welde von ber
Ctabtmauer an nad) ben. vier Himmelsgegenden je 2000
Ellen lang gemefjen werden follen, durch vier gerade Linien
mit einander verbunden werben und fomit vie Gdpunfte
eines großen die Stadt umgebenden Quadrates bilden follen,
weßhalb er au das 317 wp nw geradezu mit: „bie Edle“
(nad Often, Süden 1c) überfegt (Das Mofaifhe Recht.
1. 100) Da es nun heißt, die Bezirke follen von ber
Stadtmauer an auswärts taufend Ellen ringsum betragen,
jo behauptet er, die Linien des Quadrates feien αἰ Tan:
genten bed. Kreifes zu benfen, und εὖ werbe zugleich dag
Berhältniß des Stadtbezirfed zur Ausdehnung der Stadt
"mit beftimmt. „Denn Hatte die Ede des tangirenben,
äußern Quadrats von bet großen Peripherie und dieſe
von ber feinen des Innern concentrifhen Mauerfreifes je
einen Abfland von taujenb Ellen, ſo mußte ber Durch⸗
meſſer ber Stadi felbft dreitaufend Ellen betragen“
(6. 88 f). Gegen diefe allerdings ſcharfſinnige Erklärung
icheint jevoh das Bedenken fi zu erheben, daß unter
Vorausſetzung ihrer Richtigkeit alle epitenftábte gleiche
Ausdehnung gehabt Haben müßten, weil vie Entfernung
"von ber Stadtmauer bis zu ber Grenze des Bezirkes für
alle auf gleiche Weife beftimmt wird. Denn wo bet Durch⸗
meſſer der Stadt mehr oder weniger als 3000 Ellen be⸗
trüge, ſtünde die Ausdehnung des Bezirkes zur Ausdehnung
ber Stadt nicht mehr im richtigen Verhaͤltniſſe, welches
tod) feftzuftellen gerade auch bie Abſicht des fraglichen
Geſetzes ſein foll. Eine gleiche Groͤße für ſaͤmmtliche Le⸗
Archäologie ber Hebraͤer. 310
vitenftäbte wird aber wohl audj Hr. ©. ſelbſt ſchwerlich
annehmen wollen.
In Betreff des heiligen Zeltes oder der ſog. moſaiſchen
Stiftshütte hält Hr. €. die gewöhnlichen Beſchreibungen
und Abbildungen für unrichtig, giebt aber feinerfeits zwei
verſchiedene Borftelungen von diefem Heiligthume, tie (id)
nicht wohl mit einander vereinigen laffen. Die eine ift
audgefproden mit ben Worten: „Dad vergolbete Gevüfte
bildete den unterm, zehn Ellen hohen Theil des Zelte,
bei einer Länge von 30 und einer Breite von 5 ober 6 Ellen.
Oben darüber lagen die Teppiche nicht flach auf, fonbern
fie flefem in eine Spige zufammen, welche (id über bie
vergoldeten Wände noch etwa breisehn Ellen erhob und
demnad vom Boden an drei und zwanzig Ellen 5od) war“
(€. 321); die andere findet fid) in einer dazu gemachten
Anmerfung, wo εὖ heißt: „Sollte εὖ demnach nicht ges
rathen fein, anzunehmen, daß das eigentliche Zelt ein für
fij beftehenves bildete und bag das Brettergerüfte dafjelbe
nur von außen ſchützend umgabt?^ Obwohl Hr. €.
über legtere Vorftellung nod) mehreres beibringt, hält et
bod) nicht ftreng an ihr feft, und während er hervorzuheben
[udt, was zu ihren Bunften fpreden fónnte (©. 323 f),
fommt er faft unvermerft wieder in die andere Vorftellung
hinüber, wonad) ter buntgewirfte Teppich „nur eine hohe
Wölbung ober Spitze des Zeltes bifbete, und bie bain
hinabreichte, wo die Brettermwände begannen.” Die Bors
ftellung, daß das Bretiergerüfte nur eine fchügende lim»
gebung des für fich bejtebenben Zeltes gebilbet habe, Bat
auch in ber That ben pentateudhifhen Tert zu augenfällig
gegen fid), ald bag (te fid) ihm gegenüber fefthalten ließe.
Der Seppid) 3. B., um nur bie Eine zu berühren, ber
320 Gaalft$ü$ ,
ble beiden parallelen Bretterwände an bet vorderen Seite
mit einander verbindet, erfcheint zugleich αἱ Eingangsvors
hang des Zeltes, denn er ift. gemadht —X nnpo (Gr.
26, 37. 36, 37), und aud Hr. €. felbft fieht ibn fo an,
indem er bemerkt, wenn man burdj ihn in den innen
Raum getreten fei, habe man finfé an ver Wand den
golbenen géndjter, ifm gegenüber bem vergoldeten Tiſch 1c.
geliehen. Iſt biefeó ber Wall, fo war man, wenn man
burdj diefen Vorhang eingegangen war, im Zelte felbft,
umb nicht erf in einem von bem SSrettergevüfte umſchloſ⸗
fenen Raume, in weldem das Zelt fi befand. Aber aud
bie andere Vorſtellung Bat ven Tert nicht für fif, denn
tet Tert jagt nidjtà von einer hohen Wölbung oder Spitze
des Zelted unb erwähnt auch Feiner dazu nöthigen Bors
rihtung, vielmehr läßt die Art, wie bie zwei unteren
Teppiche vorgefchrieben werden, nicht an eine durch fie ge
bildete Wölbung oder Epige des Zeltes denken, venn um
eine fole zu bilden, hätten fie fidjer eine andere Worm
erhalten. Die beiden Teppiche beftänden nämlih je aus
zwei großen vietedigen Gtüden, bie mit Hafen und Schleifen
zufammengefügt waren, unb taugten jo zur Bildung einer
nadj oben auslaufenden Spige ober Wölbung gewiß nicht
gut; und wenn ed bann heißt, daß der Borhang, ber das
Zelt abtheilte, unter bec Zufammenfügungslinie des unteren
Teppiche fid) befinden [offe (Er. 26, 33), jo ijt ſchwer
einzufehen, wie fid das bewerfftelligen ließ, wenn das Zelt
mit feinen Teppichen in eine Spige oder Wölbung auétief,
zumal bei ber jo bebeutend verjchledenen Größe ber beiven
Adtheilungen. — Wenn Hr. S. außerdem υἷε Breite des
Seite zu 5 ober 6 Ellen angiebt, fo ſcheint aud) vieß mit
dem pentateudjjden Text nicht leicht vereinbar zu fein.
Archaͤelogie der Hebraͤer. 321
Denn die Rückwand, welche die beiden Seitenwände gegen
Weſten verbindet, beſteht aus 8 neben einander geſtellten
Brettern von je anderhalb Ellen Breite, hatte alſo eine
Länge von 12 Ellen, unb ed muß daher, wenn bie Dicke
ber Breiter eine Elle betrug, und bie hintere Wand die
beiden Seitenwände bedfte, wozu bann 2 Ellen nöthig waren,
wifchen ben belben Seitenwänden nod ein Raum von
10 Ellen als Breite des Zelte übrig geblieben fein, welcher
Raum natürlich nod) größer würde, wenn man bie Dide
ver Bretter Fleiner al8 eine Ele zu benfen hätte. Sodann
von bem Vorhang, welher den Eingang bedte, wird be
merft, er fei an fünf vergolbeten Säulen (ΟΥ̓, worunter
fier nicht etwa nur bünne Stäbe zu denfen find) aufge:
hängt gemefen (Exod. 26, 37), die natürlid in gleichen
Diftanzen von einander aufgeftellt zu denfen find. Nehmen
wir nun die größere Zahl (6 Eden) an, und benfen wir
bie beiden äußerften Säulen hart an ben beiden vorbern
Enden der Seitenwände ftehend und die Die der Säulen
bloß zu 3.300, fo nehmen die Säulen zufammen von ben
6 Ellen der Breite fdjon eine Elle oder darüber ein (bie
Elle beträgt nah Hrn. ©. 12, höchſtens 16 Zoll) und es
bleibt für bie 4 Oeffnungen zwifchen den fünf Sänlen nur
je 11. Glfe ober weniger übrig. Ein folder Zwifchenraum
wäre aber vod) wohl zu Flein gemefen, ald daß ein Mann
von etwas mehr als mittlerer Größe und 9Beleibtbeit be»
quem, ober aud nur irgenbwie, hätte Dinburdjfommen
fónuen; unb bod mußte tügíid) ein Prieſter wiederholt
zwiſchen jenen Säulen hindurch in’d Heilige gehen. End»
ih fagt Hr. ©. ſelbſt, beim falomonifchen Tempel [εἰ „ber
Urtypus des heiligen Zelted weſentlich unverändert ges
blieben, fowohl in ven Hauptigeräthen als ſelbſt in bem
322 Saalſchütz, Archäologie der Hebräer.
gegenfeitigen Verhältniffe ver Räumlichkeiten? (S. 329 f.).
Nun betrug abet beim falomonifhen Tempel vie Breite
den dritten Theil der Länge, denn er war 60 Ellen fang
unb 20 Ellen breit (1 Fön. 6, 2), wonah fi für tie
Stiftshütte eine Breite von 10 Ellen ergiebt, da fte 30
Ellen fang war.
Vebrigens liefern felbft aud) dieſe Punfte, bei denen
man bem Hrn. Verf. nicht beiftimmen Tann, bod den Bes
weis, daß feine Unterfuhungen fid durchweg felbftftändig
bewegen, aud) ijt nicht zu ver[dywelgen, daß fie fid) ge
woͤhnlich ftrenger, als es nad den gemachten Bemerfungen
[deinen fónnte, an ven biblifden Tert anfdjfiefen.
Gelegenheitlich werden aud) hier, wie im erften Theile,
ſprachliche Bemerfungen gebradjt, die mitunter Beachtung
verbienen , wie 3. B. über die Bedeutung von y*2" unb
Dav ©. 67 f. ober über TP, »Ὲ unb mnmnun ©. 128 f.
Bemerkenswerth fdeint noch bie Abweifung eines bem
Buche Efther oft gemachten Vorwurfes, daß nämlich tet
Name Gottes in demſelben aud) nicht ein einziges Mal
vorfomme: „Daß man dabei (bei Schriften der erilifchen
und naderilifchen Zeit) eine Art von heidniſch⸗inquiſitoriſcher
Genfur zu fürdjten hatte, geht 3. 98. aus der Umfchreibung
der Namen Babel und Ehaldäa bei Jeremias hervor. Auch
im Buche Efther ijt die ihm oft zum Vorwurf gemachte
Sortlafjung, oder Umfchreibung des göttlichen Namens zu
auffallend, als daß fie nicht abſichtlich fein follte. Sm
den gefchriebenen Synagogen-Rollen find Stellen hervor:
gehoben, an melden befonberó beveutfame, bie Wendung
ber Dinge bezeichnende und nad) einander folgende Worte
in ihren 9Infangébudjftaben ven Namen Gottes enthalten,
was man faum für Zufälligkeit nehmen kann“ (G. 103).
Gitabler und Heim, Heiligen⸗Lexicon. 323
Dem wird in einer Anmerkung beigefügt, daß von ten
Borten: Dm jon „bon ni. Gf. 5, 4: die Anfangs
buchſtaben, und von ben vier Ausbrüden: sw Π] 9]
5 γὴν Efth. 5, 13 die Endbuchſtaben in umgekehrter Ord⸗
nung den Namen m geben.
Möge Hr. ©. Stufe finden, den dritten und ab»
Ihließenden Theil feiner Archäologie bald nadjfofgen zu
laffen. 5
MWelte.
9.
Vollſtaͤndiges f)riligen-fericon oder Lebensgeſchichten
aller Heiligen, Geligen 1c. 2c. aller rte unb aller Jahr⸗
Dunberte, deren Andenken in der Fatholifchen Kirche gefelert
oder fonft geehrt wird, unter Bezugnahme auf ba8 damit
in Verbindung ftehende Kritifche, Alterthümliche, Liturgiſche
unb Symbolifche, in alphabethifcher (sic) Ordnung mit
zwei Beilagen, die Attribute und ben Kalender der Heiligen _
enthaltend. SHeraudgegeben von Dr. Joh. Evang. Stadler, |
Domfapitular u, geiſtl. Rath in Augsburg, und Fr. Joſeph
Heim, Domprediger in Augsburg. Band 1. Erfte Lieferung.
Mit oberbirtlicher Drucbewilligung. Augsburg, B. Schmid»
che Verlagsbuchhandlung (F. G. Kremer), 1— 5. Lieferung.
Preis der Lieferung 18 fr.
Die Herausgeber des vorftehenven Werkes fommen
einem wirflichen, in weiten Seifen gefühlten Bebürfniffe
entgegen. — (96 wird 3.3. nicht leicht einen mit ber Paftos
ration befchäftigten Geiſtlichen geben, der nicht ſchon durch
324 Stadler und Helm,
Bragen über Namenspatrone ober Kindern zu ertheilenve
Namen in Berlegenheit gefegt werben wäre, da ſelbſt aude
führlihe Legenden unb Martyrologien nicht zureihen, um
in biefer Beziehung genügenve Auskunft zu ertheilen.. Aber.
auch für bie gelehrte Forſchung ift eine möglichſt vollftän-
dige Jujammenftellung des vielfach zerftreuten hagiologifchen
Materials in lericalifher Form von großem Werth, was
Jeder zugeben wird, ber fid) einmal mit einfchlägigen Stu-
bien abgegeben. Zwar Bat bereit das vorige Jahrhundert
ein „ausführliches Heiligen-Lexicon“ hervorgebracht (GólIn
und Srandfurt 1719) und verließ erft in jüngfter Zeit ein
Dictionnaire hagiologique ^ie unerfhöpflihen Prefien des
Abbé Migne; allein das erftere Werf, an unb für (id)
idon unvollftändig, ift veraltet und zudem nod) febr felten
geworden, und aud) am legtern wird man, abgefehen davon
daß ed vorzugsweife für Branfreich berechnet ift, in Bezug
auf Genanigfeit und Grünblichfeit manches auszuſetzen
finden. Daher ift man den Herausgebern zn Danf ver
pflichtet, bag fie fid) ver Feineswegs geringen Mühe unter;
zogen, ein ben Bedürfniffen der Gegenwart und dentfcher
Leſer insbeſondere entiprechendes Heiligenlericon herzuftellen.
Wie Referent weiß, ift vor Jahren fdjon unabhängig
von ben Herausgebern von zwei verfchievdenen Seiten vers
felbe Plan gefaßt worden, mußte aber aus Mangel bet
nothwendigen Mittel wieder aufgegeben werben. Im biefer
Beziehung befinden fich die Herausgeber in einer glüdlichen
Lage. Abgeſehen davon, daß ihnen tie Hilfsmittel, welche
auch ſonſt in größern Bibliotheken (id) vorfinven, vole y. 3B.
die Acta Sanctorum bet Bollandiſten, joweit fie biöher er⸗
(dienen, die Acta Sanctorum O. S. Benedicti ves Mabillon,
taé Menologium des Bucelin u. f. m. zu Gebote eben,
Heiligen⸗Lexicon. 325
hat ihnen der Vorſtand der reſtaurirten Bollandiſtencon⸗
gregation Van Hecke in Brüſſel auf ihr Anſuchen den Ge⸗
fallen erwieſen, ihnen den Catalog der Heiligen, deren
Gedächtniß in bie Zeit vom 21. Oct. bis 31. Dec. fällt,
mitzutheilen zugleich mit dem Verſprechen, ihnen vorkom⸗
menden Falls auf Anfragen ſachdienliche Auskunft zu geben.
Dieſe Zuvorkommenheit gereicht dem nen anfblühenden In;
ftitut der Bollandiften zu großer Ehre; fle fegt aber aud
die Herausgeber in Stand, ihrer Arbeit bie nad bem
gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft móglide Vollſtaͤn⸗
bigfeit zu geben, was ihnen ohne foldje Beihilfe wohl faum
möglich gemejen wäre.
Ueber bie Grundſaͤtze, melde vie Heransgeber befolgen
wollen, fprechen fie fid) folgendermaßen aus:
„I. Sollen in bemjelben alle Heiligen, Seligen, Ehr⸗
| würdigen und ald Fromme Berehrten, des alten und
des neuen Bundes, aller Zeiten und Nölfer, aller
Orte und Orden 2c., fie mögen von der ganzen Kirche
als jolde verehrt werden ober nur von einem Theil
berfelben, ſoweit ihre Namen befannt find, in alpha-
betijder Ordnung Aufnahme finden, wobei jebod)
unter gewifjenhafter Beobachtung ber hieher bezügs
[iden Gonftitutionen Urban's VIIL vom Jahre 1625
und 1634 nur jene ben betreffenden Titel: „heilig“,
„ſelig“ wu. f. w. erhalten follen, bie entweder von
ber Kirche förmlich dafür erflärt oder feit unfürdenk⸗
lichen Zeiten in berfelben al8 „heilig“ verehrt worden
find, und die Unterzeichneten erflären hiemit aus⸗
brüdlih, bafi fie fid) in blefer wie in jeder andern
Beziehung vollfommen bem Urtheil ber Bí. römiſch⸗
fathol. Kirche unterwerfen ;
326
Stapler und Heim,
2. ſollen nebft dem Tage ber Verehrung (der in bet
Regel ber Todestag iff) von jebem Heiligen 1c. 1c.,
foweit εὖ die vorhandenen Acten geftatten, in Kürze
bie Hauptmomente feines Lebens hervorgehoben wet:
ben, wobei möglihft auf jene Tugenden befonbere
Rüdfiht genommen werden foll, durch weld er fid)
vor andern ausgezeichnet hat;
. foll, fomeit εὖ mit Sicherheit gefchehen fann, wenig»
ftend von jenen Heiligen 3c. ıc., die in ben Kalendern
vorzufommen pflegen und im Leben befannt find,
eine Verdeutſchung ihrer Namen gegeben werben;
. da eine ausführliche Angabe ber beftehenven Literatur
über einen Heiligen 2c. ıc., und eine einläßliche Kritik
über den biftorifhen Werth ver betreffenden Acten
zu weit führen und das Werk zu umfangreich madjen
würde, fo foll ber Kürze halber nur bei großen Heis
ligen auf jene reflectirt und in Berng auf leßtere
etwa blos vorfommenben Falls von der Verſchieden⸗
heit der Meinungen in ftveitigen Punften das Be-
treffende bündig angemerft werben;
. da ferner in einer Hagiographle das Sagen» und
eigentlich €egenbenBafte, das fih an irgend einen
Heiligen fnüpft, nicht umgangen werden fann, fo
fol dasfelbe, wenn εὖ vorfommt, um der mannigs
fachen Sintereffen willen, die es hat, in entfpredjenber
Kürze mitgetheilt werben, mit Beifügung ver Anliegen
und Nöthen, in denen ein Heiliger beſonders ange»
rufen ober für deren Abhilfe er ald Patron betrachtet
wird;
. folfen zur Vollendung des Ganzen nicht nur die Wefte
ber Heiligen, und die Orte, wo ihre Reliquien fi
Heiligen⸗Lexicon. 327
befinden, ſowie welche von dieſen noch vorhanden
find, ſoviel als möglich angemerkt werden, ſondern
aud) bie Attribute und Symbole, wit denen fie ge»
woͤhnlich zur fünftlerifchen Darftellung kommen, und
viefes Leutere unter jededmaliger Hinweifung auf
bet Grund dieſer Gewohnheit, joweit dieſes möglich,
ift. Uebrigens follen aud) die Fefte des Herrn und
der feligften Jungfrau Maria geeignete Berüdfichti-
gung finden;
1. enblid) bilden 2 Beilagen ben Schluß, von bene
bie erfte bie alphabetiihe Aufführung ber Attribute
enthält, wie fie im Laufe des Werkes bei ben ein;
zelnen Heiligen vorfommen, mit Angabe ber Heiligen,
denen fie gehören, unb bie zweite die Heiligen nad,
bem Tage ihrer Berehrung orbnet und baber ben
allgemeinen Heiligen-Kalenver bilbet." |
Man wird diefe Grundfäge im SBefentliden nur bil
ligen können. Höchſtens darüber könnte man vielleicht mit
den Heraudgebern rechten, ob fie nicht bem erbaulichen
Element zu viel Pla eingeräumt. Um fid) zu erbauen,
greift man nicht leicht nad) einem Lericon und ein ſolches
wird zu diefem Zwede [don wegen ber nothwendigen Kürze
der einzelnen Artifel gegenüber den gewöhnlichen Legenden
oder Sammlungen von Heiligenleben nadjteben. — Auch
glauben wir, vaß mer das Heiligenlericon faut, mit einem
Werke ver legtern Art entweder verjehen ift ober bod) ein
ſolches fid) leicht verſchaffen fann. Daher würden wir
principiell das Erbauliche, wenn nicht ganz ausichließen,
doch möglichft beichränfen, um für Anderes, das in erbaus
lien Werfen feinen. Play zu finden pflegt, 4. 3B. Sconto
graphifches, Literariſches u. [. vo. mehr Raum zu gewinnen.
328 Gtabler und Heim,
Go würde εὖ 3. Ὁ. nicht leicht Jemand bedauern,
wenn in ber vierten ber vorliegenben Lieferungen bie eben:
befgreibung des hi. Athanafius um zwei Drittel Fürzer
ausgefallen wäre, wohl aber wirb es vielfach auffallen,
bag in diefem Artifel Möhlers „Athanaſius“ nicht einmal
genannt ift und über bie Schriftwerfe des hi. Patriarchen
unb Kirchenlehrers jede einläßlichere Notiz fehlt. So mod
ten wir aud) bie Verfaſſer ihres Verfprechens, „die efte
bes Heren und ber jeligften Jungfrau Maria geeignete
‚Berüdfichtigung finden” zu lajffen, gerne entbinven, fofern
baéfelbe von erbanlicher Behandlung des betreffenden Gegen:
ſtandes zu verftehen fein folite. Es ift inbe& möglich, daß
bie SBerfafjet dabei nur bie Fünftlerifhen Momente im
Auge haben, bie fid) an die fraglichen Wefte anfnüpfen,
unb daß fie nur biefe hervorheben wollen. Sollte biele
Porausfegung richtig fein, jo wäre nut nod) zu mün[den,
daß fie aud) dem limftanbe Rechnung tragen würven, baf
in romani[den Ländern häufig bie Vornamen von folden
Feften genommen werben, 3. 3B. Natalid (Noel), Paschalis,
Sinnunciaba, Dolores u. f. Ὁ. Dadurch würde. freilich bie
Nothwendigkeit entfliehen, jene Wefte nach der lateinifchen
Bezeihnung anzuführen, was wenigftend in ben biófer
erſchienenen Heften nicht gejdjeben, da ber Artifel Annun- —
‚tiatio fehlt.
Ueber bie Art wie vie Verfaſſer ihre Grundfäge burdy
führen, läßt fid) bei ber. geringen Zahl ber bisher erjchie,
nenen Hefte natürlich ein vefinitives Urtheil nicht fällen,
bod) bürgen bie Namen berjelben dafür, daß das Werk in
bem[elben Geifte, in weldem ed begonnen worben, aud
fortgeführt werde. Was bisher vorliegt, gereicht den er
axégebetn zur Ehre: £6 if im Weſentlichen eine fleißige
Heiligen⸗Lexicon. 329
und, was bei derartigen Unternehmungen die Hauptſache
iſt, puͤnktliche Arbeit. Was wir auszuſetzen haben, kann
im Nachfolgenden leicht verbeſſert werden und um deß—
willen, nicht um vorlaute Kritik zu üben, ſetzen wir es bei.
Man kann es nur loben, wenn die Verfaſſer die
gangbarſten Namen fremdlaändiſchen ober altdeutſchen Ur⸗
ſprungs zu verdeutſchen ober zu verneudeutſchen verſuchen
unb es ift zuzugeben, daß ihnen dieß vielfach recht gut
gelungen iſt. Manches aber wird man vom Standpunkt
moderner Sprachwiſſenſchaft aus nicht zu billigen vermögen.
Wenn ſie z. B. bei Anteros bemerken: „vom griech.
Artouc Gegenliebe 1c. ic. oder ἀντήρης — entgegenkäm—
pfend x. 2c. ober ἀνϑηρὸς blühend ic. ıc.”, fo fieht man
lit, bag nur bie erfte Ableitung ſprachlich richtig, die
beiden andern aber zu verwerfen find. Ober wenn fie bei
Auremund vie Ableitung von aurum mundum adoptiren,
jo braucht man nur wenig von lateinischer Wortzufammens
fegung zu willen, um das gänzlich Verfehlte derjelben zu
erkennen. Auremund ift vielmehr ein gut beutjder Name
von ben Wurzeln AVS (mit Verwandlung des S in R)
und MUNT gebildet und dürfte ber Bebentung nad) bem
greifen Aglaophamos entiprechen. -Wie εὖ fcheint,
baben fid) in diefen und nod) andern Fällen die Seraué;
geber dadurch, daß fie zuweilen [don ältere Ramendeutungen
vorfanden, verleiten lafjen, von ber richtigen Verfahrungs⸗
weife in biefer Beziehung abzugeben, und Verdeutſchungen
von Ramen zu geben, die fie wohl felbft nicht gerechtfertigt
finden. Wir glauben, daß fie hierin ben Reſpect vor bem
Alterthum zu weit getrieben. Wir meinen aber nicht, baf
[olde alterthümliche Deutungen ignorirt werden follen: fie
find oft in Bofem Grave finnig und enthalten mitunter
330 Stadler und Selm,
bie ganze Charafteriftif eines Heiligen; aber es dürfte ges
nügen, fie einfach ald ältere Anficht anzuführen, nachdem
vorher das Richtige angegeben worden.
Da dad Heiligens2ericon zunähft für Deutſchland
beftimmt ift, jo darf man erwarten, baf in bemjelben auf
Heilige, die für Deutſchland hervorragende Bedeutung haben,
befonvders Rüdficht genommen werbe. In biefer Beziehung
müflen wir εὖ beflagen, daß ber Schutzheilige bed für
beutíde Kirchen, und Kunftgefchichte jo wichtigen Klofters
Hirfau, ber hl. Aurelius, jo Färglich bebadjt worden. Wir
finden nämlich über benfelben nur Folgendes:
„19. St Aurelius, Ep. (9. Nov.). Nah Migne war diefer
hl. Aurelius Biſchof von Ariarathe in fappabocien;
bei Butler dagegen findet fid) fein Name gar nicht
vor. Derfelbe ijt befonberó befannt durch bie Leber:
tragung des Qeidjnamó des hi. Biſchofs Dionyfius
von Mailand, ber in feiner Diöcefe ftarb unb auf
Beranlafjung des Hl. Ambrofius in biefe Stadt ju
rüdgebradt wurde. Der bl. Aurelius ftarb im Jahr
‚ 383 an bem Tage, an weldem bie llebertragung
des Bl. Dionyfius ftattfand, und wird in Mailand
verehrt. Im Klofter Hirſchau in Württemberg follen
einige Reliquien von ihm ſich befunden haben. Bei
den Bollandiften wird biefer hi. Aurelius ein armes
nijder 3Bijdjof genannt und am 25. Mai, 14. unb
25. Sept. aufgeführt, an weldem Tage wahrſchein⸗
lid Translationen gefeiert worden find. Im Elenchus
heißt er Ep. Redician. Mediol."
Genaueres hätten die Herausgeber (don in bem
„Kirchenlexicon“ von Weger und Welte, Art. Qir[djau,
finden können. Eine ausführliche Lebensbeſchreibung bed
Heiligen⸗Lexlcon. 331
bl. Aurelius findet fidj in des Trithemius Chronicon Hir-
saugiense, einem Buche, das keineswegs zu den Selten,
heiten gehört. Nach diefer war bet Heilige von Geburt
ein Deuticher und Biſchof zu Redicia in Armenien, wohin
i. 3. 361 der hl. Dionyfius Bifhof von Mailand durch
die Arianer ind Eril gejchidt wurde. Als diefer am Orte
feiner Verbannung geftorben, brachte er den Leichnam bes
jelben i. 3. 382 nah Mailand ἑπτὰ δ und blieb bafelbft
auf Bitten des bf. Ambrofius noch ein Jahr, nad) deſſen
Umfluß er ftarb und feine 9tufeftátte in ver Kirche neben
bem hl. Dionyfius fand. Ungefähr 450 Jahre fpäter
wurden feine Gebeine durch den Bifchof Notting von Vers
(ΕΠ, einen geborenen Grafen von Galm, erhoben unb in
das damald neureftnurirte Klofter Hirfau übergetragen.
Snbeffen blieb in Mailand die Verehrung des Dl. Aurelius
und man wollte daſelbſt jpäter behaupten, vie Gebeine
desfelben felen nod) vollftändig im dortigen Dom. Es ift
bleB eine Streitfrage, weldye bie Herausgeber, da fte öffents
fid in Schriften verhandelt wurde, wohl hätten berühren
dürfen. In Hirfau blieben bie von Notting überbrachten
Gebeine des Heiligen bis zu ber gewaltfamen Einführung
der Reformation in 9Bürtemberg burd) Herzog Ulrich. Die
wechſelnden Schiefale berjelben in ber Zwifchenzeit, nament⸗
lid wie fie vor einem Normanneneinfall vergraben und
fpäter burdj den großen deutſchen Pabft Leo IX. wieder
erhoben wurden, fann man bei Trithemius nachleſen. Sept
befinden fid) tiefe Reliquien in ber Pfarr, ehemals φοβεῖν
fire zu Zwiefalten. Nach Einführung ver Reformation
nänlich wurden fie aus der Aurelinsficche zu Hirfau ἐπὶ»
fernt und zuerft in einer Scheuer niebergelegt, jpäter aber
von Herzog Ulrich bem Grafen Wilhelm Werner von Herrens
Theol. Duartalfchrijt. 1857. 11. Heft. 22
Jj
332 Didascalia. Apostolorum.
zimmern auf beffen Bitte überlaffen. In der Kapelle des
Schloſſes Herrenzimmern blieben fte von 1534 bie. 1594,
in meldem Jahr fie Gibylla, Genmhlin des Grafen Eitel-
frig von Hohenzollern, eine geborne Gräfin von Zimmern,
nad Hedingen brddjte. Won da erhielt fie 1690 der Abt
Martin von Swiefalten auf inftändiges Bitten durch eine
Schenfung des Fürften Friedrich, Wilhelm von Hohenzollern:
$edingen. Dean fieht, es fpiegelt fid) in tem Gejdide
diefer Reliquien ein gutes Stück deutſcher Kirchengefchichte,
weßhalb vasfelbe von den Herausgebern wohl einer Be:
adtung würdig gemejen wäre. Ueberhaupt dürfen ihnen
Specialgefhichten beutjder Klöfter und Stifter zu bejon-
beret. Berüdfihtigung empfohlen werben.
Die Ausftattung des Werkes ift gut und ber Preis
der einzelnen je 6 Bogen in 2ericonformat umfafjenden
Lieferung zu 24 fr. nicht zu bod.
9L berle.
6.
Didascalia Apostolorum, Syriace. Lipsise, B. G. Teubner.
. 1854. Pr. * ff.
Schon llelgen bemerkte in der 9Borrebe zu feiner 9Im&
gabe der apoſtoliſchen Konftitutionen (praef. p. XVII, nota
33), taf fid in Paris unter bem Titel διδασκαλία eine
alte ſyriſche lleberfegung der fed) erften Bücher unferer
apoftoliihen Gonftitutionen vorfinde, unb das vorliegende
Bud) ift nichts Anderes, als ber nur in 100 Eremplaren
ausgegebene Abdruck diefer ſyriſchen Pariſerhandſchrift. Der
Herausgeber, bem Vernehmen nad) ein gewiſſer Herr de
Didascslia Apostolorum. 333
Legarde, δαὶ fi abfidtlid) nicht genannt, und gibt hen
Grund biefür in der Vorrede alſo an: Nomen meum eden-
lis celavi, ne quis me e fide salis illa quidem molesta
el laedii plenissima describendi gloriolam eaptare velle
dicat. Vereor praeterea, ne nomini vesaniae crimen iny-
ralur quod homo egestate oppressus aeris alieni magnum
pondus coniraxi quo ederem quue per Eurogam viz ho-
mines quinque intelligent, nemo accuratius lecturus. est,
omnes judicabunt. Etwas früher flagt er in der Vorrede:
„In punctis titubatum est; ignoveril haec quicunque me
toto die pueris puellisque instituendis et quae ill. ela-
borassent emendandis vacantem sudore scholastico vix
absterso noctu quos operae labyrinthos siruzissent peram-
bulasse didécerit. Quantum mihi negotium puncta faces-
serint dici vix potest, plane ad codicis fidem non ad
grammaticorum praecepila a me posHa; verum ingenue
profiteor in primis triginta fere paginis puncla, quum nac
ipse ulpote talis laboris insuetus salis recte correxissem
neque tum operas haberem ea qua par erai observaniia
jussa mea exequentes, haud raro non ita posita esse ut
in apographo transscripseram. In his igitur fere paginis
et suhinde in reliquis puncta paululum ad sinistram aut
ad dexteram deflexerunt nunquam tamen ita ut non indi-
cassem si alii quam scholastico homini grave videri posset.
Catalogum talium non addo quum satis aeris alieni propter
didascaliam contraxerim.4 Nach diefen Aeußerungen muß
man in ber That, wenn man bie Berhältniffe beó eraut;
geberd erwägt, feinem Fleiße und bem für bie Wifien-
(daft gebraten Opfer hohe Anerfennung zollen.
Was nun das fyrifche Werf felbft betrifft, gilt im Verhälts
niffe zum griech. Terte darübee, was llelgen an ber [don oben
227
334 Didascalia Apostolorem.
zitirten Stelle über eine arab. Ueberfegung fagt, ber Gert
ſei namlich gegeben „multis omissis, additis, — €
(ὁ enthält 26 theils längere theild fürzere Kapitel,
denen der Stoff der ſechs erfien Bücher ver ee
Gonflitutionen anf eine von biejem vollig abmeidente
θεῖε aljo vertheilt ift:
Das 1. Rap. handelt von bem einfadjen unt
natürfiden Gejetbe unb. fdjliept mit ten Worten
„damit wir Eöhne des Lichtes ferien," tie im Griech. ſchon
im 2. Rap. des 1. Buches Ἐπ. 1 mb 2 fichen. Die erften
Zeilen tiejeó unb ber folgenden Kapitel geben immmer den
Hauptinhalt an. Das 9, fyr. Kap. beginnt mit ver Be;
lehrung fürden Mann, nur feinem Weibe zu gefallen,
was bei llelgen im 2. ap. Zeile 2 Six. 3 u. f. τὸ. ftebt.
Das 8. fyr. Kap. enthält bie Selefrung für die
Weiber, die im 8. Kap. u. j. m. des griedh. Tertes fid
findet. So ift das erfle Sud in 3 Kap. vertbeilt. Das
A. Kap. bantelt von der Wahl ver Biſchöfe, womit
im Gried. dad Buch IL anfängt. Anftatt „wir baben
über die Bifchöfe gehört” heißt εὖ nad bem Syriſch. „Ueber
das Epifcopat aber hört!” bie Worte „von tem Herrn“
fehlen. Das B. Kap. Bat die Aufihrift „über das
Gericht“ und enthält bie im griedh. ap. des 2. Buchs
Ἐπ. 5 beginnende Belehrung ver Bilchöfe, wie fie
dad ihnen von Gott amfgetragene Wächteramt über
die Eeelen gewiſſenhaft verwalten follen. Im 6. ἴνι.
Kap. finren wir, was im 12. Zap. des IL griech. Buches
anfängt, von ben Berbrehern unb Büßern. 40}.
7, an bie Bifchöfe gerichtet, beginnt nad) einem. 3ujate
von einer Zeile mit vem, was Kap. 18 Rr. 2 im 2. Bude
des gricdj. Tertes fieht. Das 8, Kap. enthält Ermahnungen
Didascalia Apostolorum. 385
über bifhöflihen Wandel, anfangenb mit ben Worten :
„Liebet nicht ben Wein m. f. w.“! Bergleihe S. 40
Zeile 3 des griech. Tertes vor bem 25. Kap. — Das 9, Kap.
bat die Ermahnung an'é Volk, die Biſchöfe zu
ehren. Siehe gried. Tert ©. 42 Nr. 10, 25. Haupts
füd; das 10. handelt von den falſchen Brüdern;
im Gried. ©. 51 Hauptſtück 37 Nr. 2 des 2. Buchs.
Im 11. Kap. fommt die Erhorte an die Bifchöfe
und Diaconen vor, bie im Gried. ©. 57 9r. 5 vor
pem 44. Kap. des 2. Buches anfängt. Im Griech. wird
ein Bifchof mit bem untergeorbneten. Klerus angerebet, im
Cyr. fteht der Plural und find aud) die Diaconen erwähnt.
Das 12. Kap. enthält bie Ermahnung an die
Bischöfe mild zu fein. Bergleihe ©. 66, 1, Kap.
97 des 2. Buchs im Griech. — Das 13. Hauptſtück θέε
greift in fi, die Belehrung an'8 Voll, beim Gottes
dienfte fleißig zu erfheinen und auszuhalten,
nah Kap. 59 u. |. m. bis zum Ende des IL Bus des
griech. Textes.
Das III. Bud, des griech. Tertes beginnt im 14. Rap.
ted for. Tertes mit der Anordnung über die aufzu—
nehmenden Wittwen. Während im Gried). 60 Jahre
gefordert merben, wird im Cyr. das BO fte abr als Ger
min angegeben, vor dem eine Wittwe nidt aufgenommen
werden dürfe. Im 15 for. Kap. wird die Belehrung
über Die Wittwen unb zwar überibren Wandel
nad) bem 5. Kap. u. f. w. des 3. Buches im Griech. fort»
gelegt. Das Kap., woburd 9Heibern dad Taufen vers
boten wird unb weldes lleígen als fpäteres Ginfdjiebfel
anfieht, findet fih aud) im for. Sexte.
Das 16. for. fap. (prit von ter Beftellung der
336 Didasonliae Apostolorum.
Diasonen und Diaconiffen. Bergleide im Griech.
vas 15 Kay. Rr. 5 des 3. Buchs. Das 20. Kap. des
griech. Serted, von ber Bifchofsweihe, fehlt im Syriſchen.
Sm 17. for. Kap. treffen wir die Belehrung über
bie Erziehung von Waifen, womit im Giried. das
Ate Bud, anfängt. Das 5. Kap. dieſes 4. Baches, G. 93
bei Uelten, findet fid im Gyr. nidi.
Das 18. jor. Kap. enthält tie Warnung, von
Tadelnswfürdigen feine wohlthätigen Gaben
anzunehmen; die Bifchöfe werden angemiejen, auf bie
Sitten Iener zu achten, bie da Almofen geben. Eiche im
Griech. Kap. 6 des 4. Buchs. Der ſyr. Tert ift anfangs
etwas erweitert, dann aber enthält er faft nur Namenauf-
zählung derjenigen, deren Gejdjenfe nicht anzunehmen ftnt,
ohne Aufführung von Bibelftelen. Die Kap. 11—14
fehlen im Syrifchen. |
Mit dem Anfange des V. DB. des gried). Tertes beginnt
das 19. for. Kap., handelnd von ber Sorge für bic
Märtyrer. Die im 5. Hauptftüde des griech. Originals
enthaltene Ermahnung, fi dem Martyrihume muthig zu
unterziehen, ijt im Syr. ziemlich abgefürzt.
Das 20. ior. Rap. enthält bie Lehre von der Aufer
Hebung bet Todten nad bem 7. Kap. des 5. Bude
im Griech. — Die ſybilliniſchen Verfe viefes 7. griech. Haupt
fiüdé find auch ind Eyrifche, aber nicht metrifch überfegt.
Das 21. Rap. der for. lleberfegung fängt mit bec
Warnung vor eitlen Revdenan, die im 10 Kay. bes
9. Buchs im Griech. (teft: e8 hat aber tle Aufichrift „über
das Paſcha unddie Auferftehung Chriſti.“ Die
griech. Kap. 14 u. 12 finden ſich ebenfalls darin; darauf fommt
«ft bie Abhandlung über bie Rafchafeier c.2c, Gegen das
Didascalia Apostolorum. 337
Ende dieſes ſyr. Hauptftüds ftebt ein Abfchnitt über das
Baften an Samftagen, ven ich im Griech. nicht ger
funden habe. Im Syr. fommt dagegen nit vor, was
zum Theil im Hauptft. 19 unb 20 des griech. Textes von
der Beier der Auferfiehung Chrifti und des Pfingftfeites
gefagt wird.
Sm 22. ſyr. Kap. findet fid) die im 11. Kap. des Akten
griedy. Buches vorfommende Ermahnung, die Finder in
Handwerfen zu unterrihten. Was im I. Rap. u. f. f. des
VI. Bude im Gried. von fegereien und Kirchen
ſpaltungen fteht, hat abgefürzt feinen Platz im 28.
for. Hauptft. gefunden.
Das 24. ſyr. Kap. hat die Auffchrift: über die Ein,
tihtung ber Kirche und wie bte Apoftel wegen
Befferung der Aergerniffe zufammen famen, -
nah Kap. 14 be8 G. gried. Buchs. Die Namen ber
Apoftel finden fid im Gyr. nicht, ebenjomenig mehrere
Bibelſtellen. Voran geht eine aus Kap. 10 des 6. Buchs
genommene Einleitung über bie Veranlaſſung zu biefer
Didascalia. Weber bie Taufe, wovon das ganze 15. griech.
Rap. fpridót, find im Cyr. nur 3 Zeilen. Dann wird
abgekürzt im Syr. vom Streite über die DBeobadtung
be inofaifden Öefeges erzählt, was fid in Gried.
im 12 Rap. des VI. Buchs finbet. Rad der Erzählung
von ber Viſton des hi. Petrus (Apoft. Θεῷ. 1) Taufe
δε Cornelius, worin der 9[poftelfürft in ver erften
Verfon fpricht, wird im Cyr. aud) ter HI. Apoftel Jacobus
in der erſten Perſon revend eingeführt, wo im Griech. bie
dritte Perfon fteht. Der Schluß im Syr. lautet: „Dann
ſchtieben wir biefe Fathol. Didascalia."
Im 28. fyr. Hauptftüd wird berichtet, wie bie DI.
338 Didascalia Apostolorum.
Apoftel wieder gu ben Kirchen zurüdfehrten
unb fie einridteten. Vergleiche Kap. 13 des 6. Buchs.
Rah bem, was hier im Griech. vorkommt, fteht dann im
Syr. was im 18. Kap. von der Vermeidung der
Häretifer gejagt wird, jedoch kürzer. 9Beitláufiger αἱ
im griedh. Terte ift über bie Bervammung Jener ge
ſprochen, die ben hl. Geift läftern.
Das 26. unb legte fyr. Kap. endlich enthält ven Nach⸗
weis, daß die Subendriften zur Beobahtung Ὁ εὖ
mofaifhen Geſetzes nidt verbunden feien,
einige Zeilen nod; vom 18. Kap. des 6. griedh. Buches,
dann Kap. 19 u. f. τὸ. umfaſſend. Das 20. griech. Kap.
über die Zuftände der Juden nach ihrer Verwerfung ift im -
Gyr. erweitert; ebenfo wird weitläufig gegen bie jübdifchen
Gebräuche, 3. B. die gefeglichen Reinigungen, geeifert.
. Anderes wieder, wie Kap. 28. und 29. im Griech., ift
‚zum Theil ausgelaffen. Bor dem Epilogus (Kap. 30,
Nr. 5 im Gried.) ftebt im Eyr. pag. 120 eine Recht⸗
fertigung über bie Strenge der Vorfchriften in ver Didascalia,
die im Griech. fid) hier nicht findet. Der Epilogus felbft
hat im Syr. nad) der lleberjegung der Worte „oravpw-
ϑέντος ἐπὶ Ποντίβ Πιλάτα ven Zufaß: „und er enıfchlief,
um Abraham, Ifaaf und Jakob und allen feinen Heiligen
zu verfünben vom Ende ber Welt unb von ber Auferftehung
bet Todten.” Im llebrigen ift der Epilog abgekürzt.
P. Pius Zingerle,
Gymnaffalbirector in Meran.
Probft, Grequien. 339
1.
. Exequien von Dr. Serdinand Probſt, Priefter. Mit Ap-
probation der Hochw. Bifchöfl. und Erzbifch. Ordinariate
Rottenburg und Freiburg. Tübingen, 1856. Berlag
der H. Laupp'ſchen Buchhandlung. — Laupp u. Stiebel. —
gr. 8. S. 149. Preis 45 fr.
. Yerwaltung der Euchariftie als Sakrament von Dr. fer-
dinand jérobfi. Mit Approbation mie oben. Zweite
verbefjerte Auflage Tübingen, 1857. Berlag
der H. £aupy'fden Buchhandlung. — Laupp u. Siebe. —
gr. 8. S. 236. Pr. 1 fl. 12 fr. ;
. Verwaltung der €udjariftie als Opfer von Dr. Ser-
dinand Probſt. Mit Approbation wie oben. Zweite
verbefferte und vermehrte Auflage. Tübingen,
1857. Berlag ber $. gaupy' [den Buchhandlung —
$aupp u. Siebed. — gr. 8. ©. 445. Pr. 2fl. 8 fr.
. Die fiturgie der Kirche und die lateinifche Sprache.
Bier Vorträge von Dr. Franz Hettinger, Subregend im
Klerikalfeminar zu Würzburg. (Befonderer Abdrud aus ber
fatb. Wochenfchrift) Würzburg, 1856. Verlag der.
Sta hel'ſchen Buchhandlung. — fI. 8. ©. 81. Pr. 30 fr.
1) Man ift in der Praris fo vielfach von den vituellen
Rormen ber Kirche abgefommen, daß ed an ber Zeit ift,
wieder genau an die Orbnung und an bie Regeln erinnert
in werden, welde bie Kirche für tiefen ober jenen fultact
vorgezeichnet hat. Diefe find um fo wichtiger, al& fte ihre
Entftehung nicht dem angenblidlihen Ginfalle eines Ins
dividnums, fondern der Jahrhunderte lang forgfältig
fortgefegten kirchlichen Thätigfeit und Uebung verbanfen
und fo ein Provuft ihres Gieifted find, der fid) die Formen
340 Probft,
feiner Berhätigung mad) beftimmten inneren Motiven ges
féaffen hat. Diefen innern Motiven ber einzenen Stüde
unfers kirchlichen Ritus nachzugehen, it ein dankenswerthes
Ge[djáft, und muß um fo mehr Anerfenmung finden, wenn
ber betreffende Ritus in ber Praxis verunftaltet umb nad
feinem inneren Werthe nicht gewürbigt ift. —
Diefes läßt fid) zum Theil von unjerm Begräbniß-
rifud jagen; denn nicht leicht gibt ed einen gottesbienftlichen
Act, bei tem die althergebradhten Firhlichen Normen mehr
jurüdgebrüngt wären. Es ift daher ein verbienftliches Werk
von Probſt, daß er e unternommen hat, biefen Ritus
bi8 in feine eingelnften Theile hinaus genau darzulegen,
auf deffen innern Organismus hinzuweifen und feinen
ſchönen Sinn zu tentem. Diefe liturgifhe Arbeit reiht
fid) würdig feinen frühern Arbeiten ber Art über bie hl.
(Sudjariftie und das SBrepter an. —
Wenn er fid in feiner Abhandlung genau an die
bießfälligen Vorſchriften im römifhen Rituale anfchließt,
fo wird man εὖ mur billigen fónnen. Auch danıit wird
man einverftanden fein müjfen, daß er bie Fragen über
Begräbnißrecht und Begräbnißort aud dem Kirchenrechte,
wo fie gewoͤhnlich Platz finden, in feine Echrift herüber-
genommen hat, ba fie al& nicht zu umgehende Borfragen
der eigentlichen Grequien anzufehen find. Wie bieje Bor
bedingungen des Begräbnißritus eine jehr ausführliche Ber
fchreibung gefunden haben, fo hätten aber wohl aud) ble
Nachwirkungen oder Nachklaͤnge der kirchlichen Begräbnißs
feier, bie fid in bem Dies tertius, septimus, Iricesimus
und anniversarius äußern, etmaé mehr als bloß vorübete
gehend (€. 119. 121) berührt werben follen. Eonft muß
bie große Genauigfeit, mit ber alle dieſen Firhlichen Ritus
Grequiet. 341
betreffenden Fragen vorgeführt, und bie Sicherheit, mit ber
fie entfchieden wurben, gerübmt werden. Aus bem Vielen
weifen wir nur auf ein paar Punfte fin, deren ruhige -
und griümbofide Erörterung ficherlih jevem paftorirenven
Geiftlihen wilfommen ift; wir meinen ben Paſſus über
die Frage, wen das kirchliche Begräbniß zu verweigern fet
(€. 16—84), und die Weifung über dad Verhalten ben
verftorbenen Akatholifen gegenüber, wenn e8 fid) um bie
preces exequiales oder um Application ber Meſſe banbelt.
Es tritt überall das Beftreben des Verfaſſers bettlid) Der»
vor, bie Anordnungen der Kirche in ihrem Cinne für fid)
unb in ihrer Bedeutung im Zufammenhang mit ber τῷ
lihen Lehre und llebung zu vedtfertigen, und alle aud)
tie fleinften Theile im Ritus nad der Abficht der Kirche
auffaffen zu lebren. Seine Leiftungen nad) dieſer Seite
hin verdienen alle Anerfennung. So dient feine Arbeit
auf ber einen Seite dazu, den tiefen Sinn dieſes Fathos
liſchen Ritus zu erfchließen und nachzuweiſen, baf alle
Theile deffelben zu einem innern finnreihen Organismus
verbunden find und daß dabei tem SBebür[nifje des menfdy
lichen Herzens, das ven einem Todesfalle berührt wurde,
nicht weniger Redynung getragen ift, ald bem ernften Geifte
ber Kirche. Auf ver. andern Geite if fit aber zugleich
Anweifung für den paftorirenden Geiftlihen, wie er bem '
Begräbnißact nad firdlidyen Mormen und nad) Firchlichem
Sinn vorzunehmen fabe. —
Ref. ftebt feinen Augenblid an, bad Bervienft unferer
Schrift nad) den bezeichneten zwei Seiten in gebührender
Meife anzuerkennen, glaubt jedoch auch bemerken zu dürfen,
daß deren Werth nai der legtern Seite hin mefentlich er:
böht worden wäre, wenn der. Berf. eine gemife Aus—
342 Probſt,
gleichung zwiſchen ben von ihm dargeſtellten feierlichen
kirchlichen Exequien und zwiſchen der vielfach namentlich
in Deutſchland und zwar mit wenigſtens ſtillſchweigender
Gutheißung der Biſchöfe beſtehenden Praxis geſucht hätte.
Es kann damit nicht gemeint fein, ber Verf. haͤtte außer
dem römiſchen Rituale noch eine Menge von Diöceſan⸗
Ritualien berüdfichtigen ſollen. Es hätte genügt, auf ben
eigenthuͤmlichen Charakter, ben dieſer Ritus in ben deutſchen
Disceſen faſt durchgäängig angenommen Bat, hinzuweiſen.
Es wird dem Verf. nicht entgehen, daß der Ritus, wie er
ihn beſchreibt, in Deutſchland auch beim beſten Willen nur
in vereinzelten Fällen ausgeführt werden kann, etwa bei
Begräbniſſen von Vornehmen und Geiſtlichen, aber nicht
bei der Großzahl von Glaͤubigen. Es wird bei dieſem
Ritus vorausgeſetzt, daß die Leichen in die Kirchen gebracht
werden, daß eine proceſſionale Begleitung der Leiche unter
Aſſiſtenz mehrerer Cleriker eben dahin und von dort an
ben Begräbnißort ſtattfindet, daß das Officium defunctorum
wenigſtens theilweiſe im Chore gebetet werde und dergl.
Dinge, die aus verſchiedenen Gründen bei uns gar nicht
oder nur ſelten werden beobachtet werden können. Da die
feierlichen Exequien nach ber Vorſchrift des rit. Rom. ſchwer
auszuführen und ihre Ausführung mit nicht unbebeutenben
Auslagen verbunden ift, und gerade biefe vielfachen 9Inftof
erregt und zu gehäffigen Ausfällen Veranlaſſung gegeben
haben, fo hat fi ber Ritus für die Begräbnißfelerlichkeit
in mander Beziehung veteinfadjt. Dabei wurde jedoch
das róm. Rituale immer als maf« und normgebenb ange
ſehen; denn von ben liturgifchen Neologen der legtverflofs
fenen Dezennien ift bier feine Rede. Ich verweife nur
auf das alte bewährte Eonftanzer-Rituale, das einen Aus⸗
Grequien, 343
trud ber in Deutſchland üblidyen und zwar kirchlichen Be
gräbnißfelerlichkeit enthält, fid) babel aber ganz an das
römische Rituale anjdjiegt. Noch mehr ift legtered bei
bem alten Augsburger-Rituale ber Fall, das alle Gebetd- .
ftüde des römischen Rituals für ben in ber Diöcefe üb-
[iden Begräbnißmodus zu vermenben weiß. Wenn das
Eine oder Andere biefer Ritualien für beutjde Diöceſen
wenigftens einigermaßen berüdfichtigt worden wäre, würbe
ber praftifde Werth unferer Schrift firherlih um ein 9tam;
haftes erhöht worden fein. —
Es läßt fid nicht làugnen, ber Verf. Bat die ΜΠ
gabe, bie er fich geftellt, gelöst unb zwar in jebr lobené;
werther SBeije. Er bat ben Firdlihen Begräbnißritus,
wie ihn das róm. Rituale gibt, in feiner Anwendung fchön
befchrieben, alle etwa fid) erhebenden Schwierigkeiten über
bejjen Ausführung gehoben, unb benfelben aus fid).jelbft
volftändig gerechtfertigt. In feiner Schrift tritt ung die
Wahrnehmung Far entgegen, daß die Kirche einen fchönen,
wohlgegliederten und in feiner ganzen Anlage wohlberech⸗
neten Begräbnißritus aus ihrem innerften Weſen erzeugt
bat, und wir zweifeln nit, daß mander Liturge nad
Durchlefung dieſes Buches Manches in biefem Ritus anders
anjehen und auffaffen wird, als es vielleicht bisher ber
Hall war, und daß er, wenn er aud benjelben nicht in feiner
Volftändigfeit anwenden fann, die nöthigen Abweichungen
nach dem ihm bebánbigten Ritnale jefber treffen wird. —
Indeſſen wirb gewiß mancher Lefer mit uns wünfchen,
ber Verf. möchte jelbft auf einige wohl faft überall fid)
als notbmenbig herausftellende Abweichungen Bedacht ges
nommen haben. Er wäre damit auf verſchiedene nah und
fern gangbare theils ftatthafte Gebräuche, theils Mißbräude
344 Prebft,
zu reden gelommen. Wir wollen nur auf Ginigeó auf
merfjam machen. Nach ber hier gebotenen Anweifung
haben bie einer Beerdigung ajfiftivenben Glerifer bie Roc;
turnen ober. wenigftend die erfte 9tocturm und die Laudes
von bem officium defunctorum zu beten. Wenn blos ber
Pfarrer ober ein anderer einzelner Priefter das Begräbniß
vornimmt, ift die Abbetung des offücium defunctorum aud
für ihn ein verpflicdstender Theil der preces exequiales?
Es ſoll das die Leiche begleitende Volk nicht lant beten
(S. 103), die £eidjname dürfen nicht auf Wagen geführt,
fondern follen getragen werben (€. 102), bie Leichname
follen mábrenb der Erequien in der Kirche aufgeftellt wet:
den (S. 109), nad) Umſtänden faun man dieſes ergwingen
(©. 91); vie 2eidenrete ſoll erit nad) ver Meile und bios
im Talare gehalten werden (S. 111). Es hat (id in
biefen und andern Punkten eine gegentheilige Praris ge-
bildet, — ift fie zu verwerfen, over fann man fid) bei ihr
beruhigen? Auch ver Gebrauch, daß bei den Greqnial
Meſſen von ben Gläubigen Gelbopfer dargebracht werben,
unb baber der Dies tertius u. j. f. die Bezeihnung „erfteß,
zweites 2c. Opfer“ erhalten hat, hätte wohl berührt werben
dürfen. Ebenfo wäre ber Umftand einer Berückfichtigung
werth gewejen, daß bie wirkliche Abhaltung ber eben ge
nannten Opfertage meift mit bem Wortlaut ber kirchlichen
Anordnungen nicht Dacmonirt. Aud über vie Jahrtags-
Riftungen und vie Abhaltung ber Jahrtäge wäre hier ein
Wort am Plag geweien. Es könnte vesgleihen auffallen,
daß ber ſelbſt durch Discefan-Rituallen (3. B. von Bres⸗
lau, Freiburg m. a.) autorifirte Gebraud), den Ritus am
Grabe in deutscher Sprache vorzimehinen, in diefer Schrift
gar Feine Beurtheilung gefunden Dat. Es wird freilich
Euchariftie. 345
kaum zu zweifeln ſein, daß die Beurtheilung bei unſerm
Verfafjer zur Verurtheilung geworden wäre. Wir wollen
jedoch mit ihm nicht darüber rechten, ob biejeó oder jenes
in feiner Schrift zu beſprechen ohne Etörung des einzu:
haltenden Ganges tfunfid), und mit Rüdfiht auf die End-
abſicht nothwendig gemefen fei. Wir wiederholen gerne
die Anerfennung, die Schon ausgeſprochen murbe, und zwei⸗
feln nicht, daß auch υἱεῖς Schrift, wie feine frühern auf
dem praktiſch theologifchen Gebiete, das Verſtändniß des
betreffenden Fath. Eultactes und deſſen firchengemäße Bor:
nahme bei ihren Lefern in hohem Grade fürbern wird.
Es wird jeder Ceelforger nad; Maßgabe des ibm vorge:
fchriebenen Ritnald und etwaiger örtlicher altherfömmlicyer
Gebräude die nöthigen Modificationen eintreten laffen,
ohne ben Geift, ver in dieſem kirchlich liturgiſchen Stüde
auögebrüdt ift, abzufhmwächen ober zu alteriven. —
2) Derfelbe Verf. veröffentlichte vor einigen Jahren eine
Schrift über „vie Berwaltaung der Gudariftte"
(cf. Onartalfchrift 1853. Ὁ. 514), worin diefes Bl. Sakra⸗
ment nad) feinen verſchiedenen Beziehungen ind Auge ge
faßt, aber in liturgifcher Volfftändigfeit nur, infofern es
Opfer ift, abgehantelt wird. Als eine zweite Auflage
dieſes Werkes nothwendig wurde, glaubte der Berf. mit
edt, die Gudariftie aud ad Gommmunion und ale
Gegenftanb der Anbetnng einläßlidher befprechen
und ben hierauf bezüglichen Kult genau barftellen zu follen.
Was daher dort in untergeorbneten Abjchnitten S. 398 —
472 abgethan wurde, ift Hier zum Hauptgegenftande bet
Unterfuhung und Darftelung geworben.
Bei der großen practiſchen Wichtigfeit der fraglichen
Guitftüde ift eine weitläufigere alles Einſchlägige móglidft
M
: 046 Probſt,
berüdfichtigende Beſchreibung ohne Widerrede gerechtfertigt.
Indeſſen iſt Ref. doch der Anſicht, daß der ganze auf die
Euchariſtie bezügliche Cult als ein zuſammengehöriges Ganze
in Einer Schrift hätte dargeſtellt werden ſollen, ba er einer
zu großen Zerfplitterung in ber Darftellung ber kath. Liturgie
das Wort nicht reden möchte, und ba feines Gradjtenó da
und dort eine fürgere Faſſung und eben damit die Zuſammen⸗
ftellung des Ganzen in Einen Band wohl möglich gewefen
wäre. Die Trennung fann nur Infofern gerechtfertigt εἴν
ſcheinen, als die Darftelung der Gudjariftie ale Opfer,
bie in einer neuen weiter unten fur zu befprechenden Aus⸗
gabe erfchienen ift, im SBefentliden unverändert blieb, unb
jomit von ben Befitern ber früheren Schrift: „Ber
waltung der Gudari(tie" nurmehr ble durchaus neu
bearbeitete Schrift ver „Berwaltung ber Gudariftie
als Sakrament“ angefchafft zu werben braucht.
Wie ſchon angedeutet, ift unfere Schrift nicht eine
bloße Erweiterung der entfprechenven Abfchnitte in der
etften. Auflage der „Verwaltung ber Eudariftie,” ſondern
eine völlige Umarbeitung, die zu einer neuen Schrift an
gemadjen if. Wir finden hier eine jo vollftändige litur-
giſch⸗rubriciſtiſche Darftelung der betreffenden Materien,
wie ſonſt nirgends; es dürfte fid) daher im paftorellen
Gebiet Dinfidjtlid) der Gpenbung der Kommunion und beó
Adorationscultus nicht leicht eine Frage erheben, bie hier
nicht ihre Beantwortung fände, ober deren Beantwortung
fid) nicht leicht aus bem Dargeftellten erſchließen ließe.
Es ijt beſonders lobend anzuerfennnnen, baf ber Ser.
mehr, als es in ber eben befprochenen Abhandlung über bie
Erequien der Fall ift, auf bie beftebenbe Praris unb gewohn⸗
heitömäßigen Gebrände eingeht und fie an der Hand der
Euchariſtie. 347
kirchlichen Normen regulirt, rechtfertigt ober verwirft, fur
die oft zwiſchen dem Buchſtaben der rubricalen Vorſchriften
oder zwiſchen den -Anfichten ber Rubriciſten unb ber [ange
herrſchenden Praxis fid) zeigende Kluft nicht einfach übers
fpringt, und fo den practifhen Geiftlihen rathlos läßt,
wenn in dem einzelnen Yale eine Ausgleihung zwifchen
ben Forderungen der Rubriciften und feiner bisherigen
llebung aufgefunden werben folle. —
^ Sie Schrift zerfällt fadjgemág in zwei größere Ab—⸗
tbeilungen, nämlih in die „non ber Erpofition bet
Euchariſtie“, unb in die „von ber Gommunion",
denen ein kleiner Abjchnitt über bie Aufbewahrung des
hl. Sarramented und über die Erforderniffe dazu voraus⸗
geſchickt if. lleberall ift auf bie größtmögliche Vollſtändig⸗
feit der einjchlägigen Materien Bedacht genommen. -
Wenn gar zu häufigen Exrpofitionen das Wort nit
geredet wird, jo fann Ref. ganz beiftimmen, und glaubt,
daß bie Grenzen, weldje hier gezogen werben (δ. 12), nod)
weit genug gefteft find, zumal da bie in Deutfchland ges
braͤuchliche Grpofttion des Ciboriums nicht in fonvern über
dem Tabernadel ald eine durchaus private und jomit
ind Belieben des Pfarrers geftellte erklärt wird ($. 13).
Wir finden übrigens diefe Anſicht ©. 31 fg. nicht hin⸗
teichend gerechtfertigt und bejonders nicht genugjam darauf
aufmerffam gemacht, daß buch inbióctete Häufung bet
artiger Erpofitionen nicht nur, bie Verehrung des bod»
$eifigften Gacramenté abgeſchwächt, [onbern mannigs
fade Verwirrung aus bem verſchiedenartigen Gebrauch der
Pfarrer für die Gläubigen entftebem fanm. Es wäre.
wahrfcheinlich zutreffender, wenn bie Exrpofition in bet
Monſtranz unter feierlihem Gotteóbienfte und aus einer
Theol. Ouartalfgrift. 1857. II. Geft. 23
348 Probſt,
publica causa (&. 30) nicht als eine ausſchließlich oͤffent⸗
lie ber Erpofition im Giborium als einer bloß pri
vaten gegenübergeftellt würde. Es fann (eBtete, wenn
fie an einem Sonns oder Wefttage vor ber ganzen vers
fanımelten Gemeinde ftattfindet, gewiß nicht als eine rein
private angefehen werben, mie foldje bie Nubriciften bei
den bieje Erpofition betreffenden Beftinmungen im Auge
haben. Wenn bie Ansfegung in ber Monftranz eine im
vorzüglihen Sinne öffentliche unb zugleih feierliche
ift, jo fafjen fid) die Erpofitionen im Ciborium theils als
óffentlide, theild alá private bezeichnen, ald private
ὁ. B. wenn eine Familie ober eine Genofjenfchaft aus be
fonderen Gründen eine Erpofition im Ciborium wünſcht
und erlangt, als öffentliche, wenn fie bei einem öffent:
lichen Gottesdienfte ftattfinbet, bei welchem fid) bie ganze
Gemeinde zu verfammeln pflegt, in welchem Yale fte nur
als eine minder feierlihe αἱ die in der Monftranz
ericheint.
Daß in ber feierlichen Ausfegung unter der DI. Mefle
weit entfernt feine Unangemefjenheit liege, taf fte viel⸗
mehr einen liturgifhen Fortſchritt in fid fehließe,
davon hat und ber Verf. nicht überzeugt. Ref. weiß wohl,
dag der Opfercult ber Meſſe die Anbetung nicht nur nicht
ausfchließt, fonberm als ein wejentliches Moment in fid
begreift, aber eben als eine Anbetung, wie fie bem ganzen
Berlaufe des Opfereultus entfpricht. Der Opfereult ber
Meſſe tft namlich als eine Handlung anzufehen, bie ihren
wohl geregelten Verlauf hat unb die ebendeßhalb eine Bes
wegung von ber Opferung zur Wandlung und von biefer
jut Gommunion (um nur die Hauptpunfte der innern Be⸗
wegung anjubeutem) in fid) fagt. Die Gläubigen follen
Euchariflle. 849
nun dieſer Handlung, die ſo viele innere ſtets wechſelnde
Motive in fid) ſchließt, nicht bewegungslos blos als Ans
betende beiwohnen, ſondern ſollen die Opferhandlung in
ihren einzelnen Theilen begleiten, dazu wird fie vor ihren
Augen vorgenommen. Es fann und foll nicht fehlen, bag
bie anweſenden Gläubigen ben vreieinigen Gott während
bes Opfers anbeten, unb biefe Anbetung indbejondere auf
dag Opfer richten, das f ibnen aber erít im Berlaufe
bes Opferns ald das anbetungswürbige Lamm wirklich und
wahrhaftig gegenwärtig vorftellt. Iſt bie Euchariſtie vom
Anfange der Meſſe an den Augen der Gläubigen blosges
ftellt, jo brauchen fie ihre Aufmerffamfeit nidt auf das
fid evft zu vollbringende Opfer zu richten, fte haben das
Vollbrachte ſchon vor (id. Die Adoration der Gudjari(tie,
joweit fie mit bem Meßritus in vollem Einklange fteht,
ift dadurch regelrecht in venfelben eingereiht, daß die
Opfertheile nad) ber Gonferration elevirt werden. Der
Erpofitionsritus, der in der Inſtruction von Papſt (δίς:
mené XII!) für- das 4Oftünbige Gebet bargeftelít, unb von
Probft feiner Ausführung zu Grunde gelegt wird, hat eine
Erpofition unter einer Mefje nicht im Auge, wie über:
haupt die alten kirchlichen Vorſchriften über Grpofition
immer davon ausgehen, daß außer ber Meffe exponict
werde. Ich glaube, daß hierin für unjere Frage ein bes
adtungémertfer Wink liegt. So fegt nod) Merati in feinen
Erweiterungen des Gavantus voraus, daß jelbft am Fron⸗
leichnamstag und bei Eröffnung des dOftünbigen Gebetes
uit Schon während des Amtes, fondern erft nad) ber
1) Bei Probit €. 33 unrichtig Clemens XIII.
23 *
350 Vrobſt,
Communion deſſelben exponitt werde !). Ref. iſt weit ent⸗
fernt, den nunmehr beſtehenden Gebrauch, unter der Meſſe
zu exponiren, als einen verwerflichen bezeichnen zu wollen,
er findet ihn wohl zuläßig und gerechtfertigt, aber einen
fiturgifchen Fortfchritt vermag er darin nicht zu erfennen,
wie Probſt. Die Kirche, welche derartige Exrpofitionen nie
einführte, if nad) und nad, wie im manden andern
Punkten, fo aud) in dieſem bem vielfachen thatjächlichen
Beſtande gemideu und hat madjgerabe dieſen Gebtaud)
anerfannt unb geregelt. Gayantus fagt auébrüdiid: „in
caeremoniali episc. lib. I, cp. 12. opiime monemur ex anti-
quorum documentis, ut abstineamus a missa celebranda
coram sacramento, eliam in suo tabernaculo incluso: quod
si ferat necessitas, vel suadeat alia justa causa, puta
infra octavam Corp. Christi, et Romae in fine publicae
orationis 40 horerum, eo casu genuflexiones omnes et
actus reverentiales debiti diligenter sunt observandi etc.*
unb fügt bei, baf er nur deßhalb, weil es, vielfach begehrt
werde, das zufammenftelle, was bei einer Meſſe coram
exposito zu beobachten [εἰ *). :
In dem zweiten Haupttheile, der von ter Gommunion
handelt, läßt fid) ber Verf. weitläufig auf bie ὅταρε ein, .
wie es (id Hinfichtlih des Gebotes ber öfterlichen Gom»
munion verhalte.
Mit befonvers danfenswerther Grünblidfeit befpricht
er weiter den durchaus practiihen Punkt über den „ofts
maligen Empfang der Gudjariftie.". Er ididt
1) cf. Gavantus-Merati P. IV. tit. XIL Nr. 7. u. P. 11. tit. XIV,
Nr. 3.
2) Gavantus-Merati P. H. tit. XIV. Nr. 1.
Euchariſtie. 351
eine hiſtoriſche Unterſuchung voraus, um einen feſten Boden
zu gewinnen. So wenig der Werth derſelben zu verkennen
ift, fo macht fie doch ben Eindruck, daß der Verf. mit
zu großer Vorliebe ble Zengniffe zum Wort fommen laffe,
welche für eine möglidy häufige Gommunion fpreden. Die
Behauptung, daß die apoftolifche Zeit wie tie ber erften
Liebe, fo aud) die der täglichen Gontmunionen fel, ruht
auf ſchwachen Füßen, denn die hiefür angerufenen Bibel:
ftelfen I. Cor. 10 15 und act 2, 42 (©. 103. unt.) unb
epist. 50 ad Pammach. v. Hieron. (S. 104) beweifen εὖ
gewiß nicht. Das Gleiche gilt von ter weitern Annahme,
ba im 7. und 8. Jahrhundert die tägliche Gommunton
Im Dceident nod) ziemlich allgemein gemejfen ſei. (68 mag
dieſes am einzelnen wenigen Orten und bei einzelnen
Gläubigen der Fall gewefen fein, bei ber Mafje ber Glaͤu⸗
bigen ficherlich nicht, darauf beutet Keines ber von dem
Verf. angeführten Seugnifje. Es [iege fid) aber dagegen
bemerfen, daß, wie der Verf. aud) nebenbei anbeutet, von
diefer Zeit an fid) durchgängig in den Diöcefanftatuten
unb bifhöflihen Vorſchriften dad Gebot findet, bie Glam
bigen fellen zu einer jährlich dreimaligen Gommunion an
den Feſten von Weihnadten, Oftern und Pfingften ange:
halten werben, bis bekanntlich auf ber Lateranfynode von
1215 das nod beftehende Gebot gegeben wurde.
Wenn ber Berf. feine Anficht über bleje Frage vahin -
formulirt: „die monatliche Kommunion ift Allen, die wöchent⸗
liche Bielen, die tägliche Wenigen zu rathen unb zu eme
pfehlen“ (&. 103), fo fann man in thesi wohl beiftimmen,
mug es aber in praxi für unausführbar halten. Bon bem,
was man τὰ unt empfiehlt, muß man münjden, daß ἐδ
Alle ober menigftenó der größere Theil befolgen. Geſetzt
"852 Probſt P
nun, ein Pfarrer mit 400 Communicanten (ed gibt aber
Pfarrer mit weit mehr Gommunicanten) hätte alle Monate
400 Beichten von Allen, unb von ben häufiger Gommuni-
eirenden noch weitere Beichten abzunehmen, wie nermöchte
er zu beftehen? Wann follten die Dienftboten, Gewerb-
treibenden ic. bie Zeit dazu finden? Ich weiß wohl, daß
das Reich Gottes zuerft zu fudjen ift, aber in dieſem Punfte
wird ber ernftefte Rath gegen bie Forderungen des Lebens
nicht turdjbringen. Es hätte wohl bei Löſung δεν ἐπ Rebe
ftebenben Frage bad ber Gommunion wenigſtens in ber
Regel vorausgehende Beichtbefenntnig mehr im Ange be:
halten und namentlih aud) ber Umftand berührt werben
ſollen, ob und wann ed angebe, die Gläubigen ohne voraus;
geídjidte Beicht zur Kommunion zuzulaffen. Uns fdeint e$
practifher und ausführbarer zu fein, wenn man jagt:
Es {εἰ Allen zu rathen, jährlid wenigftend 3 bis A mal,
wo möglih an ten Hauptfeften und Weftzeiten zu come
municiren, Vielen alle Monate, Wenigen alle 8 Tage,
und unter bem gewöhnlichen Weltleuten faft Stiemanben
täglich. |
| Seven Gefang in deutſcher Sprache bei bem eucha⸗
riftifchen Kulte für unftattfaft zu erklären, ift wohl durch
ben Buchſtaben einiger Decrete der Congregatio ril. bes
gründet ; aber dieſe ift ficherlich nicht gemeint, bie feit alten
Zeiten in Deutſchland eingebürgerten fchönen Adorations⸗
lieder verdrängen zu wollen. Daß die Benediction des
Volkes mit dem Ciborium nad) ertheilter Gommunton aufer
ber Meſſe gegen bie allgemeinen Rubriken verftößt, ift nicht
zu läugnen. Sollte fie aber nicht in Deutfchland als eine
consuetudo immemorabilis zu Recht befteben ἢ Die S. 209
Anm. 13 angeführte Deciſion ſcheint bie Sache nicht voll⸗
Eucharifie. 353
ftändig zu entfheiven, da aus derſelben nicht erhellt, ob
bie anfragenben Gapujiner jene SBenebiction al eine in Deutſch⸗
land unfürbenfíide und allgemein beftebenbe bezeichnet haben.
Wir wollen jedoch nicht in weitere Beſprechung eins "
gener an fid) untergeorpneter Gegenftänve, über bie man
verſchiedener Meinung fein fann, eintreten. Das Bud
behandelt feine Materie mit folder Gruͤndlichkeit, Allſeitig-
feit und geſunder kirchlicher Anſchauung, und enthält tarum
in Earer überſichtlicher Anordnung jo viel Treffliches unb
Gutes, bag wir e& jedem paftorirenden Geiftlichen in bie
Hände wünfchen und nicht zweifeln, er werbe für ble Ver
waltung des eudjriftijen Kultus, bie nie forgfáltig und
würdig genug gefchehen kann, jehr Vieles gewinnen.
3) Die dritte der oben angeführten Schriften von
Propft ift eine neue Auflage feines im Jahr 1853 unter
bem Titel „Berwaltung ber Bodl. Gudarijtic"
erichienenen Werfed. Ans demſelben ift jedoch das britte
Kapitel der zweiten Abtheilung, das von ber Euchariſtie
als Kommunion unb als Gegenítanb ber Anbetung handelte,
weggefallen, weil bieje zwei Seiten an dem euchariftifchen
Kulte in der eben befprochenen abgefonverten Schrift nun,
mehr eine weitläufigere Darftelung gefunden haben. — 9[ud
Einiges was nicht einen fpeziellen Bezug auf ven Meßritus,
fondern eine allgemeine liturgifche Bedeutung hat, wurde
‚ In der neuen Auflage ansgelaflen, wie die Verbindlichkeit
der Rubriken und der Decrete bet Gongregation ber Riten,
und Anderes der Art, (alte Ausg. p. 12—30), ferner ift
bie Auseinanverfegung über den verfchiedenen Rang ber
δεβίαρε (alte Ausg. ©. 473—496) weggefallen. Dagegen
bat das Wert im Einzelnen vielfadye Verbeſſerungen ev
fahren, und ift ein Abſchnitt über den Ritus der ſolennen
354 Hettinger, .
Mefje unb über bie festa propria und bie barauf bezügliche
Mepfeier neu aufgenommen worden. Da fid aber das
Merk feiner ganzen Tendenz unb feiner Anlage nad) gleich
geblieben ift, unb baffelbe bier ídon früher feine Beurs
theilung gefunden hat (Ouartalfehrift 1853. ©. 514 fg.),
fo befchränfen wir απὸ darauf, auf bie neue Ausgabe
beffelben aufmerffam zu madjn, unb dasſelbe aufs Neue
zu empfehlen in der llebergeugung, daß ed vorzüglich ge:
eignet ift, bie Priefter zu einer den kirchlichen Vorſchriften
ganz ent(predjenben und damit würdigen unb erjprießlichen
Selet des DI. Meßopfers anzuregen und anzuleiten.
4) Wir find jo ziemlich über jene Zeit hinaus, wo
man von allen Seiten nad liturgifchen Reformen als nad
einer unabweisbaren Nothwendigfeit rief und mitunter
durch mwilführliche Aenverungen ben. gefegmäßigen Auctori⸗
täten fed vorgriff. Eine vernünftige 9Inffjauung unb Bes
. Wribellung des Althergebraditen und Ehrwürbigen in ber
kathol. Liturgie hat fid) wieder Bahn gebrochen; es find
nurmehr faft vereinzelte unb faum beachtenswerthe Stimmen,
welde ben Geift unb das 9Bejem ber firdjliden Liturgie
ganz verfennenb eine burdgrelfenbe Reform derſelben in
GCprade und Einrichtung begehrten. Wenn auch nod
Meinungsverfchiedenheit herrjcht über bie Anwendung ber
Landesſprache In einzelnen liturgifchen Acten, fo ift man
in urtheilsfähigen Kreifen darüber eins, bag vie bI. Meſſe
ald der Mittels und Höhepunkt der ganzen giturgie in ber
Kirchenſprache gefeiert werden müſſe. Hirfcher, ber im feinen
frühern Jahren den gegentheiligen Beftrebungen nicht ganz
fremd geblieben war, hat neuerdings „bie Forderer
deutſcher Liturgieen“ in einer Weife gefennzeiähnet'),
1) Grörterungen über bie großen Bragen der Gegenwart: II, €. 141,
Liturgie. 35
daß Manche fid zurüdgefchredt fühlen wird, ſich ferner
in ihre Reihe zu ſtellen.
Soll aber die Verſöhnung mit den liturgiſchen Ein⸗
richtungen der Kirche eine aufrichtige und dauernde ſein,
fo müffen nicht nur die dießfälligen reformatoriſchen Bes
ſtrebungen unterbleiben, ſondern es muß ein allgemeines
richtiges Verſtaͤndniß des kath. Kultus angebahnt werden.
Wir haben oben Schriften angezeigt, tie in ſehr lobend-
werther Weife ein tiefered Berftänpnig einzelner Kultacte
vermitteln. Wir reihen daran die Anzeige einiger Vorträge
von Dr. ὅτ. Hettinger, weldhe es fid) zur Aufgabe ges
macht haben zu zeigen, „daß die Idee ber Kirche unb der
kirchlichen Liturgie in ver lateinischen Sprache viel eher
ihre entfprechenvde Form und ben adäquaten Ausdruck findet,
ald in dem Gebrauche ber Volksſprache.“ Dabei hatte
H. vorzugsweife die Meßliturgie unb den facramentalen
Kult im Auge. |
Der Raum geftattet und nicht auf den reichen unb
Ihönen Inhalt dieſer vier Vorträge näher einzugehen; wir
müjjen und begnügen bier furz auf diefelben aufmerffam
zu machen mit dem DBemerfen, daß fie nicht blos treffliche
Erörterungen über das Verhaͤltniß ber Gpradje überhaupt
und ber lateinischen insbefondere zum Inhalt unb Wefen
des Fathol. Kultus enthalten, fondern and) in dieſes 9Befen
ſelbſt mit vielem Geifte einbringen und dafjelbe in feiner
ganzen Tiefe zu erfafien beftrebt find. Ueber dieſe allges
meinen ragen ift ſchon Vieles gefprodjen und gefchrieben
worden, aber bet Gegenſtand ift von folder Wichtigkeit
und ich möchte faft Jagen Unerfchöpflichfeit, bag jeder neue
Beitrag zur Erſchließung ber großen Tiefen des feit Jahr,
hunderten aufgeführten liturgiſchen Baues in ver fatb.
356 Hettinger, Liturgie,
Kirche willfommen fein mug. Wir möchten daher dieſes
Schriftchen Jedem empfehlen, tem e an richtiger Würbigung
der orm und beó Weſens ber Fath. Liturgie gelegen ift,
indbefonbere wünjchten wir e& ben fogenannten gebilveten
Layen in die Hände, bei denen man gegenwärtig noch am
meiften Unflarheit in den genannten Stüden trifft.
Dr. Benvel,
Convictsdirector.
Literarifcher Anzeiger
.. Nr. 2. |
-—————————————————ÁÀP————má——
Die Bier angezeigten Schriften findet man in der 4. Laupp'ſchen
Buchhandlung (faupp & Siebech) in Jübingen vorräthig |o wie
alle Erfcheinungen der neueften Literatur.
Leipzig, in der Hahn'schen Verlagsbuchhandlung ist so eben
erschienen und an alle. Buchhandlungen versandt:
Geschichte
des
. Gottesfriedens
von
Dr. Aug. Kluckhohn.
gr. 8. 1857. geh. ?/; Bthlr.
ἐν Pis erschien in Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhandiung
in Berlin:
Grammatik des neutestamentlichen
Sprachgebrauch’s. Im Anschlusse an Ph.
Buttmanns Griechische Grammalik bearbeitet von
Prof. Al. Buttmann. Erste Abtheilung: For-
menlehre. gr. 8. geh. 10 Sgr.
Die zweite Abtheilung, die Syntax enthaltend befindet sich
unter der Presse.
Im Verlag von Sriedr. Fleiſcher in Leipzig erfchien fo eben:
Der Urfprung des Ghriftenthums
feine vorbereitenben did ^ en und fein Eintritt in bie
von Ludwig 9icad,
Vrofeflor in Gieffen.
2 Theile. 1857. Preis 3 221. 10 Nor.
In demfelben Berlage erfchien im Jahre 1856:
Die Heldenzeiten des Chriſtenthums.
Die drei erften Jahrhunderte ver Kirche Chriſti
dargeftellt von Heinrich Kitzler.
Erſter Band. Der Kampf mit dem Heidenthum. 1 Thl. 18 9tgr.
/
2
Verlag von Scheitlin & Zollikofer in Et. Ballen.
Bolks: δ Jugendſchriften.
Herausgegeben von
Karl Steiger,
Berfafler der SBodenprebigten, Pretioſen Gitten und Eprüde x.
Rene Ausgabe. Zwölf Bändchen.
Mit neuen ſchön celorirten Gitelbiluern von $. Rothbart.
Jedes Bändchen foflet 71/5 Nor. 24 ἔτ. 85 (δ. und wird aud
einzeln abgegeben.
Steiger’ 8 Volke- unb Jugendſchriften bilden eine Reihe
von Erzählungen voll geiftreicher aͤcht religiöfer, ſittüch⸗erhebender Moniente
unb Anfichten, die zur wahren Bildung des Bolfes unb der Jugend bei:
tragen müflen. Die Anerkennung und ber Beifall, bem fie gefunden,
fpriht fid) am deutlichen durch bie wiederholten neuen Auflagen aus.
Die Ausflattung ift eine zeitgemäße. "
K3» Die tüdtigften pädagogifchen Blätter haben fich über obige Schriften
auf das Günfligfte ausgefprochen und zählen fie zu dem Bellen, was in
biefem Zweige ber Literatur erfchienen ig.
“εἰ Franz Kirchheim in Mainz ift fo eben erfchlenen unb
durch alle Buchhandlungen bes us und Auslaudes zu beziehen:
Der
practifche Seelforger,
oder;
Wie wirkt man fegensreih in einer Gemeinde?
Bon
9. Bubois,
Ghrendomperen von Goutances, Pfarrer und efemaligem Seminardirector.
9tad ber dritten Auflage des franzöſiſchen Originale
ftet bearbeitet
von | "
einem Prieſter ber Diöceſe Mainz.
Mit hoher oberhirtlicder Genehmigung.
XII u. 544 G6, gr. ge.; Pr. 1 fl. 45 fr. ober 1 Rthlr.
Diefes vortreffliche Buch dürfte, wie von dem franzöftfchen, [o aud
von bem beutfchen Klerus mit Qreuben begrüßt werben umb fid, wie in _
Frankreich, — bei und ſehr bald in ben Haͤnden faſt aller Prieſter und
Seminariſten befinden. Dubois“ ,practifder Seelſorger“ iſt durchaus
nicht mit einer nur theoretiſchen und wiffenſchaftlichen Paſtoraltheologie
3
zu verwechfeln, deren wir ja fdjon eine ziemliche Anzahl befibenz bet
gefeierte Berfaffer wollte vielmehr ein Buch fehreiben, δα δ Nichts,
als reine Praxis enhalten follte, eine große Menge prac.
fier Fingerzeige für bie Seelſorge, bie oft nidt genug
beachtet werden und vondeneningelcehrten Abhandlungen
Nichts zu finden if.“ — Was bie deutfche Bearbeitung des Werkes
betrifft, fo Bot der auf biefem Felde bereits rühmlichft erprobte Herr
Herausgeber Nichte unterlaffen, um vaffelbe fo recht zu einem deutſchen
umzugeftalten, und es durch nicht wenige, unferen vaterländifchen Berhälts
niſſen entfprechende Sufáge feinen hochwürbigen Herrn Amtsbrüdern nur
uod) ſchaͤtzbarer zu machen.
Berlag von Scheitlin ἃ Zollikofer in St. Gallen.
Gebidcte
von Theodor Klein (aus Gtrapburg). Wintatur-Ausgabe.
24 Nor. 1 ἢ, 24 fr. 3 Br.
Lyrifche Gerichte volt Anmuth und Gragie, bie, in durchweg fchöner
Form, ein wahrhaft puetifches Genie beurfunden.
Zübingen. Im Laupp’ichen Berlage (faupp ἃ Siebeh) iit
jo eben erfdienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Gagarin, 99. J., Mitglied der Θείεπίδα Jeſu, Wird
ußland Fatbolifch werden? Aus bem Fran-
zöftfchen überfebt. 9 Bog. gr. 8. broch. 45 fr. —
15 Nor.
Die Schrift Gagarin’s hat überall wo fic kefannt wurde, das größte
Auffehen erregt. Ind das mit Mech, mag man nun auf die Größe bet
Stage binbliden um bie es fid) handelt, ober auf bie intereffanten Aufs
ſchlüſſe bie bem Lefer im Berlaufe bet Erörterung geboten werben unb
über die ruffijd)en Suflánbe der Gegenwart, wie ber Bergangenheit, ein
oft überrafchendes Licht verbreiten.
Eine ventfche Mebertragung dieſes geiftvollen Werkes wird babet
δεν wilifommen fein. |
Majer, G., Die Geschichte des Fürstenthums
Neuenburg, mit besonderer Rücksicht auf die
neuesten Vorgünge und Verhandlungen chrono-
logisch dargestellt und genealogisch erläutert. gr. 4.
broch. 45 kr. — 15 Ngr.
Dieſe Schrift gewäget einerfeit6 den Zeitungslefern einen voll»
fünbigen Ucherbli über ben Berlauf der Neuenburger Frage in ihrer
eben zurückgelegten erften Phaſe; andrerfeits bietet fie dem Gefchichtes -
freunde Inierenante genealougifchshiftorifche Nachweife über die ältere Ges
ſchichte nicht nuc Neuenburg's, ſondern auch Burgunde, Alemanniens,
4
der Stabt Freiburg, ber Zäringifchen Herzoge, ter Badiſchen
Markgrafen, des Haufes Oranten zc. wodurch bte Schrift ein die Ab⸗
widelung der Neuenburger Frage überbanernbee, bleibendes Intereſſe
beanfpruchen dürfte. s
In ber 2. Schwann’fchen sBerlagéefjanblung in Köln und Neuß
i erfchienen und durch alle fSudjfanblungen zu beziehen:
Vollſtändiges Miſſionsbuch. Ein fatp. Lehr- und
Erbauungsbug, worin außer dem Inhalte ber ge
wöhnlichen Miffiong-Predigten Ermahnungen zur Ber-
meidung ber häufigften Sünden unb offer, Unter
weifungen in Betreff der nothwendigfien Tugenden
unb ver(djiebene andere Belehrungen enthalten find.
Nebft volfändigem Gebetbuche. Zum Beſten des
Knaben-Seminard in Neuß ausgearbeitet vom Berfaffer
des: „Der bl. Rofenfranz, bae ſchönſte und heiligendfte
Gebet.” 2. vermehrte Auflage Mit 1 Sitelfupfer.
12. 720 €. Geh. 221, €gr., Belinausgabe 1 Thlr.
Unter allen Mifftionsbüchern ift diefes das vollfländigfte; es enthält
die Miffionspredigten fo ausführlich, wie man fie in feinem andern Buche
findet und das beigefügte Gebetbuch, mit fleter Beziehung auf die voran⸗
ebenden Brediaten, iſt eben fo reichhaltia und für alle Stände unb
debenelagen geeignet. -Der neuen Auflage find bie Bruderfchafts-Andacht
von Iefus, Maria und Sofepf unb die vom unbrffedten Herzen Maris,
Andacht beim 4Oftünbigen Gebet, die Vesper⸗ und Gompletpfalmen iu
Latein und Deutfch Hinzugefügt. Der Drud obgleich fein, ift deutlich
unb bie Ausflattung elegant.
Aus diefem iff beſonders abgebrudt der I. Theil, enthaltend bie
Miffionspredigten, unter bem Titel:
fatboli(cbe Haus⸗Miſſion. Fin Lehr- und Be
tradjtungébud), worin außer bem Sinhalte ber gewöhn-
lichen Miffionspredigten verfchiedene Belehrungen unb
Ermahnungen enthalten find. Mit 1 Titelkupfer.
12. 372 €. Geh. 15 Ser. '
Der II. Theil unter dem Titel:
Katbolifches Gebet: unb Erbauungsbuch, worin
außer den gewöhnlichen Andachts⸗Uebungen viele Unter-
weifungen, Brubderfchaften, Litaneien, Faſten⸗ unb
Stationen-Andachten enthalten find. Mit 1 Titelkupfer
und geftdchenem Titel. 12. 404 Ὁ, Geh, 15 Ggr,,
Belinausgabe 20 Ser.
Dem letztern finb in einem Anhange bie ‚gebräuchlichen gemelu
5
fdaftiidjen Anbachten beim Bottespienfle hinzugefügt, als: bei ber erſten
Kinder-Sommunion, zum 5l. Herzen Iefu, im ber Baften, zum bi. Altars⸗
fattament, zu Ehren des unbeflecten Herzens Mariä, bie Mai⸗Andacht
πιὸ für Allerfeelen. ᾿
Geiftliches Yalmgärtlein. Ein vollftändiges Gebet-
und — für die Jugend und Erwachſene.
Von Th. Wollersheim, Pfarrer zu Jüchen. Mit
Genehmigung des erzbifchöfl. General⸗Vikariats zu
Köln. 2te durch 6 Meßandachten vermehrte Aufl.
12. 360 ©. 7, Sgr., Partiepreis gebunden in
Ua Leder 6 Gar.
Melodien dazu. NRedigirt von bemfelben. 8. 136 ©.
Geh. 12!/, Ser.
Das Balmgärtlein eignet [ὦ fowohl zum Privats als zum gemein»
ſchaftlichen Gebrauche, und enthält nebft einem vollftánbigen Gebetbuche,
befiehend in: Morgen- und Abendgeheten, vielen Meßgebeten, Beicht:
unb Communion⸗Andachten. Gebeten bei der eciten Communion, auf alle
Tage ber Woche, 14 Litaneien, Bruderfchafts-Andacht von Jefus, Maria
unb Joſeph, Andachten beim AOftündigen Gebet und ewigen Anbetung des
allerhl. Altars⸗Sacramentes, Tagzeiten von der unbefledten Empfängniß
Martens und verfchievenen andern Gebeten und Andachten, — 223 Lieber
anf alle Zefle umb Zefzeiten. In bet Erzdioͤceſe Coͤln if baffelbe in
vielen Pfarren eingeführt, wozu von bem Hochw. erzbifchöfl. Orbinatiat
bie Erlaubniß bereitwilligft ertheilt worden, und bie Verbreitung von
25,000 Exemplaren liefert ben Beweis, bap das Buch fid praftifch bewährt.
Aübingen. In $$. Laupp’ihen Berlage (faupp & Siebe) i
Vidit in allen P. zu haben i ( ) iſt
Predigten
auf alle |
Sonn- und fefltage
des Kirchenjahrs
von í
Anton Danneder,
fat$. Stabtpfarrer in Stuttgart.
2 Bände. 62 Bog. 8. broch. fl. 4. — Rthle. 2. 20 Str.
Es gereicht uns zur befonderen Freude, ben zahlreichen Freunden,
welche (i ber hochw. Herr SBerfoffet durch Herausgabe feiner Faſten⸗
prebigten fo ſchnell erworben, nun eine volltántige Sammlung een
Predigten auf alle Sonn» und Befltage vorlegen zu Können, Wie bei
ben ‚Faftenprebigten ijt auch bel diefen neuen Kanzelreden der Zwed bet
Belehrung, Ueberzeugung, Erbauung und Bewegung in fehöue Harmonie
ebradjt. — Eine große Anzahl ber Bredigten verfolgt eine apologetifche
endenz, und überall ift bem Scheine die ernfte Wahrheit, bem äußeren
Gange die innere Schönheit, der Oberflächlichkeit die ergreifende Tiefe
unb der zerfeßenden Auflöfung bie heilfam erhaltende Kraft des Glaubens
entgegengeftellt. Wenn diefer oder jener Punft eingänglich behandelt
wurde, find andere nur kurz bezeichnet oder angedeutet, fo daß baé eigene
Nachdenken des Leſers angeregt wird. An Stoff dazu fehlt εὖ wenigflens
nicht. Auf Fefttage unb einzelne Sonntage find häufig zwei und mehr
— gegeben, was der Sammlung nur zur Empſehlung gereichen
dürfte.
Zur Erleichterung des Ankaufes fann das Wert aud) in 10 monat
lichen Lieferungen à 24 fr. — 71/2 Nor. bezogen werben.
Goffine, R. P., Ord. Praem., ftatboli(cbes Unter:
richte: und Erbauungsbuch, ober furze
Auslegung aller fonn- und fefttägliden
Epyifteln und Evangelien, fammt daraus
gezogenen Glaubené- und Sittenlehbren und
einer Erklärung der widtigften firdenge
bräude. Sene, vielfach vermehrte und verbefferte
und mit bem Terte der Evangelien ꝛc. nad) ver ein
zigen vom römiſchen Stuhle approbirten Ueberfegung
des Domprobfies Dr. Allioli verfehene Ausgabe von
Franz Xaver Sted,
Pfarrer in Harthaufen bei Ulm.
Dit Genehmigung des hochwürdigſten Heren Erzbiſchofes von Freiburg,
der hochw. Herrn Bifchöfe von Ütottenburg und Straßburg, des hochw.
Biſchofl. Ordinariates Speyer unb des Body. Bifchäfl. General:
vicariates zu Trier.
| Zwei Theile
Mit einem feinen Gtablftide.
Siebente verbeilerte Auflage.
50 Bog. Qer..8. Preis nur 1 fl. 20 ἔν. Rthlr. — 25 Nor.
Wie bie erfi vor 2 Jahren erfchtenene 6te bat auch diefe fiebente
Auflage viele Verbeſſerungen und bem bisher befulgten Plane
entfprechende Sufátge erhalten. Wir bitten daher die hochw. Geiſtlichkeit:
blefe neue Auflage, wie die früheren, Hohen und Niederen Ihrer Ans
gehörigen recht angelegentlich zu empfehlen.
Theologiſche
Quartalſchrift.
d
Sn Berbindung mit mehreren Gelebrten
| herausgegeben
D. v. Kuhn, D. v. Hefele, D. 3ukrigl und D. Aberle,
SBrofefforen bet fati. Theologie an ber K. Univerfität Tübingen.
— — — — —
Neununddreißigſter Jahrgang.
ee en
Drittes Duartalbeft.
Tübingen, 1857.
Verlag der $. Lau pp’ (den Buchhandlung.
— Laupp € Siebed. —
trud von H. Laupp jr.
I.
Abhandlungen.
1.
Die Aufgabe der fatbolifen Apologetik.
Die vielfad) abweichende Art und Welfe, wie bie drift»
liche Apologetif in neuerer Zeit von Fatholifhen Theologen
anfgefaßt und behandelt worben ift, zeigt zur Genüge, daß
eine wünfchenswerthe' Uebereinftimmung über den Begriff
und bie Aufgabe tiefer Wiffenfhaft unter ihnen nicht vor»
handen fei. Während vie Einen auf tem althergebrachten
Stanppunfte verharren und die Apologetik nad herfümm-
liher Eintheilungsweife noch als „demonstratio evangelica
und demonstratio catholica varftellen, gilt fie Andern in
einer modernen Anfchauungsweife, bald al8 „allgemeine
Dogmatik”, bald „als Syftem ber göttlichen Thaten”, bald
als „Theorie ber Offenbarung”, bald „als Einleitung in
in die Theologie.” Daß hinter diefen verjchievenen Be:
nennungen einer unb berjefben Wiffenfchaft fid) auch ver
ſchiedene Auffaffungen berfelben verbergen, verfteht fid) von
ſelbſt. Es ift nun nicht unfere Abficht, tlefe verfchievenen
24 *
260 Die Aufgabe
Auffaffungen eine nad) der andern Fritifch zu unterfuchen
und Ihren Werth oder Unwerth zu prüfen. Wir wollen
vielmehr verfuchen, pofitio und geneti[d) den Begriff unb
die Aufgabe der Fatholifchen Apologetif auszumitteln, und
überlaffen e8 bem efer, felbft zu prüfen unb zu entſchei⸗
ben, ob und inwieweit wir anbei das Rechte getroffen ober
nur die Zahl ber vorhandenen Auffaffungsweifen um eine
neue vermehrt haben.
1. Der Begriff „hriftlihe Apologetik“ enthält zunächft
ganz allgemein dieß, bag fie eine Vertheidigung unb Recht⸗
fertigung des Chriftenthums fein wolle gegen die mandherlei
Angriffe, welche dafjelbe im Laufe ver Zeiten von ben vers
Ichiedenften Seiten Ber erfahren hat. Halten wir vorläufig
biefe Begriffsbeftimmung feft, fo zeigt fid) fogleih, baf
unter diefer Vorausfegung die Apologetif al& eine befon-
dere theologifche Wiflenichaft unmöglich fel. Geben wir
nämlich bieje einzelnen Angriffe und Anklagen näher an,
fo find fle tDeil gegen einzelne Dogmen, theild gegen bie
Säge der chriſtlichen Moral, {δε [6 gegen das äußere Er:
feinen der Kirche in der Ge[didte, theild gegen Beſtim⸗
mungen bet firdjliden Gefetgebung u. f. w. gerichtet, woraus
folgt, daß diejenigen theologiſchen Wilfenfchaften, weldje fid
ipeciell bie Darftellung ver firdjliden Lehre, der Moral,
der Kirhengefchichte, des Kirchenrechts wu. f. m. zur Anfgabe
machen, neben bet pofttiven Darftelung Ihres Gegenftandes
auch verpflichtet feien, zugleich feine wiſſenſchaftliche Ver⸗
tbeibigung und Rechtfertigung gegen ble wider ihn erhobenen
Anflagen und Angriffe zu übernehmen, mit andern Worten
alfo, daß für bie Apologetif als eine beſondere Wifjen-
haft fein Raum übrig gelajjen jel. Sie geht dann in
den einzelnen theologiſchen Wiflenfchaften auf, and wenn.
der katholiſchen Apologetik. 361
mam απὸ praftiihen Rüdfichten e6 aud) angemeffen finden
fann, einzelne beſonders wichtige ober beſonders angefeinvete
Punfte hervorzuheben und von bem übrigen getrennt einer
apofogetijden Behandlung zu unterwerfen, fo ändert das
in der Hauptſache nichts. Man erhält bamit wohl eine
Reihe von Apologien, aber feine Apologetif, und biefe Apo-
logien find nichts anders, al8 [pecielle Ausführungen von
Gebanfen, bie, wenn e8 darauf ankommt, fie im Syfteme
ber Theologie unterzubringen, nur in ben einzelnen Wiflen-
haften, wie in ber Dogmatik, Moral u. f. w. ihre Stelle
finden fónnen. Auch απὸ der Aneinanderreihung mehrerer
ſolcher Apologien zu einem größern Ganzen fann niemals
eine Apologetif, eine befonvere theologifhe Wiſſenſchaft
bervorgehn. Denn απ in diefem Falle entfteht das Ganze
wohl durch ein äußeres praftifches Bebürfniß, unb [olde
Darftelungen können immerhin, wenn fie gelungen find,
einen großen Werth Haben; aber für eine eigene theolo,
giſche Wiſſenſchaft, für Apologetif im Unterſchiede von
Dogmatit, Moral u. f. m. darf man fte nicht ausgeben
wollen. Der Unterfchied ift bier nicht in ber Sache ges
legen, jondern nur in ber größern Ausführlichfeit unb
Grünbdlichfeit, mit welcher Gegenftände der einzelnen theo-
logiſchen Zweigwifjenichaften nod) einmal beſonders zur
Sprache gebracht werben. Wenn nun bejjenungeadhtet von
ber Apologetif als einer je(bftftánbigen theologiſchen
Wiſſenſchaft bie Rede ift, fo muß ihre Aufgabe von ber
Aufgabe der übrigen theologifhen Fächer verfchieden fein,
und menn bie Aufgabe ber legtern eine einzelne unb bes
fondere ift, fo mug ihre Aufgabe eine allgemeine,
allumfaffenve fein. Sie hat εὖ demnach nicht zu thun
mit den Anflagen, melde etwa gegen einzelne Lehrjäge des
582 Die Aufgabe
Chriſtenthums oder gegen befondere Ginrid)tungen ber Kirche
erhoben morben find, fondern mit dem Princip, aus
weldem fie hervorgegangen find, mit den allgemeinen
Grundfäsen, melde in ihrer Anwendung auf bie Lehre
und das Leben ber Kirche fid) in beftimmten Sägen, refp.
Gegenfägen und Anklagen ausgeſprochen haben, mit ben
verihiedbenen Standpunften, von welden and
Kiche und Chriſtenthum betrachtet und beurtheilt worden
find. !
2. Die chriſtliche Apologetik if bann aber weiterhin
nicht blos eine Rechtfertigung des Chriftenthums gegen Ans
griffe, welche εὖ von außen her erfahren hat, fonbern eben»
fo aud) eine innere Begründung feiner Bahr
heit. Auch dieſer legterm Forderung muß fie genügen,
‚wenn fie ald Wiſſenſchaft, b. b. ald Erfenntniß ihres Ge
genftandes nad) allen feinen Seiten hin gelten will. Es
genügt nun aber in ber Wiſſenſchaft keineswegs, gegen
überftehende Anflchten widerlegt oder Einwürfe und Ein,
wendungen gegen irgend einen Sag in ihrer Richtigkeit '
au[gebedt zu haben; es ift das eine blos negative Dialeftif,
unb für ben vertheidigten Sag felbft folgt nichts, als erft
bie bloße Möglichkeit feiner Wahrheit. Kann ihm nicht
eine andere, πο tiefer greifenbe Dialeftif daſſelbe Schickſal
bereiten und aud) ihn nod) als unmwahr erweifen? Um
bieje Möglichkeit abzuſchneiden, muß fid daher an jene
negative Dialektif (Kritif) eine zweite positive anfchließen,
welche die wirkliche Wahrheit eines Sages aus ibm feldft,
aud feinen eigenen logifchen Elementen und ans feinen
Innern Gründen und Borausfegungen zur Ueberzeugung
bringe, — verfteht ſich, Innerhalb der Grenzen, welche der
Wiffenfhaft überhaupt gezogen find. Diefe allgemeine
der katholiſchen Apologetik. 363
wiffenichaftliche Forderung gilt natürlid) aud) von der drift:
liem Wahrheit. Die Rechtfertigung derſelben hat ihre:
Aufgabe erft zur Hälfte gelóót, wenn fie nur bie gegen vies
ſelben gerichteten Angriffe ald unbegründet zurückgewieſen
fat. Ebenfo nothwendig ift ed aud, fie als Innere Wahr
heit, an fid) unb ofme Rüdficht auf den Irrthum, darzu⸗
Rellen unb zu begrimben. Aber aud) bier werben wir bie
Aufgabe der Apologetif, wenn fie uns nicht wolebec mit ben
einzelnen theologiſchen Wiffenfchaften, der Dogmatif, Moral
u. ſ. m. unterſchiedslos zufammenfallen fol, als eine alt
gemeine beftimmen müjfen. Sie hat ed mit bem allge
meinen Grunbgebanfen des Chriſtenthums, mit feinem
Weien, feinem Princip zu thun. Die Apologetif unter,
ſcheidet fid) dadurch von ben einzelnen theologifhen Did
eiplinen, daß fie nad) ihrer negativen, wie pofitiven Seite
fi nur mit ben Priucipienfragen befhäftigt. Sie ift, ben
einzelnen Zweigen ber Theologie gegenüber, die allge
meine Theologie.
3. Somit werben wir dem Begriffe der chriftlichen
Apologetif näher kommen, wenn ed uns gelingt, das all,
gemeine Princip ausfindig zu madjen, aus weldem bie
Angriffe gegen bie einzelnen Lehren und Einrichtungen bee
Chriſtenthums hervorgegangen find, und zweitens den all
gemeinen Grunbgebanfen. auszuſprechen, befjen Entwidlung
bie einzelnen chriſtlichen Wahrheiten find, und in weldem
fie ihre Begründung finden. Welche von biefen beiden
Fragen zuerft beantwortet werden müffe, fann faum zwei⸗
felhaft fein. Erſt nämlich muß pofitiv das Weſen einer
Gadje erfannt und ber Begriff feftgeftellt worben fein, ehe
man ju den Gründen übergehen fann, aus welchen fie be
Aritten wird, Weber eine Sache freiten kann man nur
364 Die Aufgabe
bann, wenn man bie Sache felbft Thon fenut unb genau
über fle unterrichtet if. Auch fegen die Angriffe auf irgend
eine Wahrheit bie frühere Eriftenz biefer Wahrheit vot
jenen Angriffen fchon voraus. So verhält es fid) aud) mit
Allem, was je gegen das Chriftenthum vorgebracdht worden
if. Es trägt nothwendig einen negativen Charakter an
fid, und bezeugt baburd fchon von vornherein, daß das
Chriſtenthum das eigentliche Pofitive, das Grfte und Urs
fprüngliche fei. Zuerft ift daher das Weſen bes Chriſten⸗
thums näher zu unterſuchen und als pofitiver Begriff fef-
zuftellen.
4. Sollen wir das Weſen des Chriſtenthums näher
bezeichnen, fo gerathen wir fogleid in eine nicht geringe
Verlegenheit. Was ift ναὸ Gfriftentbum?* . Von taufend
Seiten her erhalten wir auf biefe Frage taufend verſchie⸗
dene Antworten; alle weichen auf das Mannigfaltigfte von
einander ab. So fiheint εὖ denn bei der großen Berfchies
benbelt von Meinungen und Auffaffungen, welde es in
Betreff des Chriſtenthums gibt, von vornherein unmöglich,
fid für eine von ihnen zu enticheiben und ſie al& vie Achte
und allgemein anerkannte von ben übrigen abzufondern,
wenn man nicht etwa willführlich verfahren unb bie Wahl
bem Zufall prel&geben will. Allein wenn wir biefe ver
[diebenen Auffafjungsweifen des Chriſtenthums unter ein-
ander vergleihen, fo tritt eine unter ihnen hervor, von
welcher alle übrigen abhängig fin. Es gibt eine unter
ihnen, von welcher alle andern fid) dadurch unterfcheiden,
daß fie zwar in manchen Lehren und Einrichtungen mit ihr
übereinftimmen, andere. dagegen leugnen unb als undrift-
lich verwerfen. Sie treten damit fdon auf die Seite ber
Gegner des Ehriftenthums, üben fdon an ihm ihre Kritik,
ber katholiſchen Apologetik. 35
erheben ſchon Anflagen gegen bafjelbe; fury fie müffen
ansgefchloffen werden, wenn es fid) barum handelt zu bes
fimmen, was das Ehriftenthum an fih obne Rüdficht auf
bie Gegenfäße fel, bie fte ihm im Laufe ber Zeit gegens
übergeftellt und ftatt des ganzen Chriſtenthums nur eins
jelne Theile beffelben angenommen haben. Denn offen»
bar muß diejenige Worm des Chriftentbums, welche von
allen übrigen Formen beffelben beftritten wird, ohne daß
fie ſelbſt burd) bie Beftreitung einer frühern Yorm bes
Ehriftenthums entflanden ift, als bie erfte und urfprüng-
lichſte zum Grunde gelegt werben, wenn εὖ gilt zu beftimmen,
was das Gpriftentbum an fid) fei. Es ift bieje Worm
eben die eine unb allgemeine, welche allen andern abwei⸗
enden unb wie immer geftatteten Auffaffungen des Chris
Rentbumó nicht blos gefchichtlich vorhergeht, fondern aud,
ihnen zum Grunde liegt und ihmen dad Dafein verleiht.
Diefe urfprünglidfte und beftimmtefte, biefe allgemeine und
pofitive Worm des Gbriftentbumó ift nun die Fatholifche
Kirche. Ihre Üebergeugung ift εὖ, welche das eigentliche
pofitive Object aller Apologetif bilbet, woraus folgt,
dag εὖ nur eine, nur eine fatholifche Apologetif geben
könne, was im Princip, wenn aud nicht im Refultat
felbft ber SBrotegantiómue, ſelbſt ble Härefie überhaupt an⸗
zuerfennen genöthigt ift. Demgemäß haben wir vom Stands
punft ber Fatholifchen Lehre aus zu beftimmen, was taé
allgemeine Weſen, das Princip des Chriſtenthums ſei.
Sehen wir nun von allen einzelnen Lehren und Einrich—
tungen bei ber Fatholifchen Kirche ab, fo bleiben foígenbe
fBeftimmungen als das allgemeine Weſen des Ehriftenthume
übrig:
306 Die Sfufgabe
a) Die katholiſche Kirche ift bie reale Fortfepung der
Erlöfungsthätigfeit Chrifti in ber Geſchichte.
b) Ehriftus ift ber Menfch gewordene Sohn Gottes
unb der Erlöfer ber Welt..
c) Durch diefe Erlöfung ift das Achte, das im Weſen
Gottes unb des Menfchen gegründete Verhältniß zwiſchen
beiden, bie wahre und urfprüngtide Religion. wieder ber.
geftellt. Dieſes Berhältnig ift das burd die Schöpfung
geſetzte freie Berhältniß des endlichen Geifted zum abfofuten
Geiſte.
d) Die katholiſche Kirche ift demnach die Verwirk⸗
lichung des durch die Suͤnde getrübten, aber durch den
Gottmenſchen Jeſus Ehriftus wiederhergeſtellten Verhaͤlt⸗
niſſes zwiſchen Gott und der Menſchheit.
Die Rechtfertigung dieſes Gedankens ſowohl an ſich,
als gegenüber den Angriffen von außen bildet demnach
das eigentliche Object ber Apologetik.
5. Gehen wir nun, nachdem poſitiv die Aufgabe unſerer
Wiſſenſchaft feſtgeſtellt worden ift, dazu über, das allge⸗
meine Princip und die Wurzel aufzuchen, aus welcher alle
einzelnen Anklagen gegen das Chriſtenthum entſprießen.
Hier ift für's Erſte Mar, daß dieſes Princip ber Unglaube
ift. Wenn námlid das Chriſtenthum als Offenbarung von
unſerer Seite eine gläubige Anerkennung fordert, die fid)
fiber die Geſammtheit ber geoffenbarten Wahrheit erſtreckt,
ſo kann die Polemik gegen dieſe Offenbarung nur aus dem
Mangel an Glauben, aus dem Unglauben hervorgehn.
Aber eben ſo gewiß iſt es auch zweitens, daß dieſer Un⸗
glaube ein ſchwanken der Begriff fel, der einen größeren
oder geringeren Umfang haben kann. Er fann a) vollen
peter Gegenfag gegen das Chriftenthum, vollenbetec Un»
der katholiſchen Apologetik. 987
glaube fein nnd rundweg die gefammte Grunbanfdjauung
des Chriſtenthums überhaupt leugnen, ober aber aud) b) ein
‚ und das andere wefentlihe Element berfelben in Abrede
fielen. . Darnach Tann der Unglaube in verjchievener Ge,
ftalt auftreten. Er fann fürs Erfte überzengt fein, daß
ἐδ zwar eine Religion für ben Menfchen geben müffe, und
daß das religiöje Berhältnif des Menſchen zu Gott, feinem
gegenwärtigen Zuſtand entſprechend, durch Ehriftus wieber
bergeftellt fei, aber er fann leugnen, daß die Art und Weiſe,
. wie diefe Erlöfung in der Gefchichte fortbefteht und allen
einzelnen Menfchen mitgetheilt wird, fo Statt finde, wie
vie katholiſche Kirche lehrt. Oper er kann zweitens ber
Anficht fein, daß zwar im Allgemeinen ein religiöfes ere
hältniß des Menſchen zu Gott beftehen müfje, daß e& abet
Privatfache jedes Einzelnen fei, und nicht durch Seins
Chriſtus erft auf eine allgemein gültige Weife habe wieder
bergeftellt werben müfjen. Oder er fann drittens jedes
religiöje Berhältnig des Menſchen zu Gott überhaupt
leugnen unb fid) zum offenbaren Unglauben unb zur voll»
endeten SIrreligiofität befennen.
6. Dem breifad) geglieberten 9Befen des Chriſtenthums
fteht demnach ein dreifach geftalteter Unglauben gegenüber.
Jedem ber drei Momente, aud welchem bet Begriff und
νοῦ Weien des Chriſtenthums zufammengefegt ift, ents
ſpricht eine bejonbere Form be8 Unglaubens. Unterſuchen
wir nun, um dieſes gegenfeitige Verhältniß zwiſchen Glauben
und Unglauben näher zu beftimmen, bie Verbindung unb
ben Jujammenbang, in welchem bie einzelnen Gliever beider
Gegenſätze zu einander ftehn, fo ift das erfte und allge
meinfe, was wir in biefer Hinfiht am Glauben wahre
nehmen, vieß, daß jedes _fpätere Element nicht ohne das
968 Die Aufgabe
frühere exiſtiren, contret audgebrüdt,: daß es feine Fathor
(ide Kirche ohne Chriſtus, feinen Ehriftus ohne bie Roth⸗
wendigkeit einer Religion geben fónne. Die Religion iit
bemnad die Duelle des Chriſtenthums und ber. Kirche.
Wenn bie Religion nothwendig hervorgeht aus bem Ber
hältniffe, in welchem der Menſch als freier, aber enblidyer
Geiſt zu Gott als dem abjoluten Geifte und Schöpfer ber
Welt fteht, fo ift bie Religion ihrerjeits, mit Rüdficgt auf,
den gegenwärtigen Zuſtand der Menfchheit und auf die
hiſtoriſche Geftaltung ihres Verhaͤltniſſes zu Gott nicht
möglih ohne einen Mittler und Erlöſer, Jeſus Chriſtus,
und biefe Erlöfung endlich wäre nichtig unb zwecklos ohne
ihren Fortbeftand in der Gefchichte, ohne bie Kirche. In
ber Verbindung, in welche die Kirche bie brei Elemente
des Chriſtenthums — Religion, Chriſtus, Kirche — ſetzt,
findet daher ein confequenter Fortfchritt vom Allgemeinen
sum Befonvdern und Einzelnen Statt. Die Religion Tann
fi nur verwirklichen im Chriftenthum, das Chriftenthum
nur im ber Kirche. Die umgekehrte Ordnung dagegen
findet bei den Gliedern Statt, aus welchen der linglaube
beftebt. Gr wird als Negation des Chriftenthums, vieje
feine negative Thätigkeit zuerſt beginnen bei denjenigen
Theilen des Chriftenthums, die ihm zunächft liegen, alfo
bei der Kirche ale der Form, in welcher ihm bie chriftliche
Religion zuerft entgegentritt, wird hier, nachdem er zuvor
Ginjelneó in ven Kehren der Kirche verworfen hat, feine
Negation bald auf die Kirche ale foíde audbebnen, Chris
ſtus und die Kirche von einander trennen, unb je beftimmter
er bie Kirche verleugnet, deſto entichlevener am Chriſten⸗
tfum fefibalten wollen. Da aber tie fidjtbare Kirche mit
ber Menfhwerbung Gottes in einem innern und moti
der katholiſchen Apologetik. 360
wendigen Zuſammenhang ſteht, fo kann er jene Trennung
von Kirche und Chriſtus nicht vornehmen, ohne damit
zweitens aud den Keim ber Auflöfung im die Lehre von
Chriſtus zu tragen und genótbigt zu fein, das Verhältniß
des Géttliden und Menfchlihen in Chriſtus anders zu bes
flimmen, als ba8 in. ber katholiſchen Kirche ver Fan ift.
Wenn aber der Begriff eines Gottmenſchen nur in der
katholiſchen Auffaffung mit ber SBivffidjfeit unb ber Ge,
ſchichte im Einklang fteht, fo heißt. tiefe Auffaffung Anvern
wollen, nichts anders, als. bie Thatfache der Menſchwerdung
ſelbft leugnen, und wenn bieje Thatfache wiederum in ber
engften Beziehung zum Begriff ber Religion fteht, fo ift
ber Unglaube enblid) drittens genöthigt, auch bier feine
Regation geltend zu machen und das Weſen der Religion
anders zu beſtimmen, ald es in ber Fatholifchen Kirche ber
Fall ift. Wenn aber aud) hier bie fatfolifdje Auffaffung
einzig bem wirklihen Berhältnifie des Menschen zu Gott
entfpricht, fo bedeutet auch Hier eine abweichende Auffaffung
biefeó Begriffes nichts anders, als eine Zerftörung beós
ſelben. So geftaltet fi der Unglaube durch confequenten
Sortfchritt von einer Negation zur andern : zum vollendeten
Unglauben, bis er bem Gfriftentfum und ber Kirche nur
noch die ganz inhaltsleere Negation entgegengehalten hat,
woburd er eben fein eigentliches Wefen, feinen gänzlichen
Nihilismus offenbart. Es erhellt aber aus bem Gefagten,
daß ber Weg, ben er dabei einfchlägt, geradezu demjenigen
entgegengefegt fel, welchem vie chriſtliche Entwicklung ges
folgt ift, bag er von ber Negation des Einzelnen und Eon;
creien fortgehe zur allgemeinen und alfumfaffenben Ne⸗
gation des Chriſtenthums in feiner Erfcheinung und in
feinem Grunde.
870 Die Aufgabe
7. Damit taucht eine neue. wichtige Srage auf, die
. fjrage na der Methode der Apologetik. Es erhellt naͤm⸗
(id απὸ tem Bisherigen, daß eine boppelte Methode möglich
(ti, je nachdem man von bem pofitiven Begriff des Chriſten⸗
thums oder bem negativen Begriff des Unglaubens aue;
geht. Im erfterm Salle wirb bae Verfahren ein progreſſiv⸗
ſynthetiſches, im legtern Falle ein regreifiv -analytifches
fein, ober, heutlicher gefprod)en, im erfterm Salle wird man
den allgemeinen Begriff Religion zum Ausgangspunkte
wählen, ihn a) an fidj unb b) gegenüber ben verfchiedenen
Auffaffungen, bie er beim Unglauben findet, begründen,
wird fofort zeigen, wie ein religiöſes Berhältnig des Menſchen
zu Gott unmöglich fel ohne Jeſus Chriſtus, ben Gott;
menschen, und bemnad), mie früher ben Begriff Religion,
nun aud ben Begriff des Gottmenſchen al8 der geſchicht⸗
lichen Wirklichkeit entfprechend rechtfertigen und ihn gegen
alle Ginreben des linglanbenó in Schuß nehmen, wirb
enblih ben Beweis führen, bag das dur Chriſtus er
neuerte religiöje Leben der Menfchheit Beftand und Daner
nur in einer Kirche, wie bie Fatholtfche ift, gewinnen Eönne,
unb bemgemág aud) blejen Begriff pofitip unb negativ be-
gründen und rechtfertigen. Im zweiten Salle wird man
ben. umgefebrten Weg einfchlagen, aljo a) von bem Begriffe
ber Fatholifchen Kirche ausgehen, "ifm gegenüber bie vet»
ſchiedenen Modificationen biejes Begriffes aufftellen, welche
bem Unglauben (ber Härefle) ihren Urfprung verbanfen.
Sofort muß eine vergleihenne Kritik blefer ver[dlebeneu
Begriffe ben Beweis liefern, daß jeber von ihnen eine
eigenthümliche und abweichende Anficht über die Perfon Jeſu
Gfrifti und über das Verhältniß vorausfege, in welchem
er jut Menschheit ſteht. Diefe Kritik fchließt deßhalb mit
ber katholifchen S3fpologetif. 371
ber Alternative: entweber ift. Chriſtus das, wofür ifn bie
katholiſche Kirche Hält, alfo wirklicher Gottmenjd), wirklicher
Mittler und Erlöfer, ober er ift e& nicht, unb fein Weſen
muß anders befimmt werben. Aus ber erfiern Annahme
ergibt fid) die Nothwendigkeit, daß diejenigen, welche iw
der Ehriftologie mit bet katholiſchen Kirche übereinftimmen, .
auch bem daraus hervorgehenden Begriffe ter Kirche ihre
Zuftimmung nicht verfagen bürfen; aus ber zweiten An-
nahme aber, daß biefenigen, welche mit ber Kirche nicht in
ihrer Chriftologie unb darum, auch nicht in bem Begriffe
der Kirche einvetftanben find, ift auf eim neues Feld ber
Discuffion folgen müfjen, wo εὖ fi nun inébejonbere um
die Perſon Chriſti unb ihr Berbálini zur Menſchheit
handelt. Auch Hier wird εὖ erſtes Grforbernig fein, en
Gragepunft Flar zu beftimmen, alfo a) ben Begriff „Chriftus“
pofitio nad) ber Lehre bec Kirche, b) bie verſchiedenen Modi⸗
ficationen dieſes Begriffs durch bie Härefle und den Un⸗
glauben bis zur Leugnung der gefchichtlichen Perſönlichkeit
Chriſti Hinauf bavjnftellen, und aud; hier wird dann das
Refultat ver daran (ij ſchließenden Kritik nothwendig bie
Sorm einer Alternative annehmen: entweder. gibt es einen
Gfriftuó nur, wie ihn bie fatholifche Kirche glaubt, ober
die haͤretiſch geftaltete und mobificirte Ehriftologie entſpricht
ber Geſchichte, oder es gibt überhaupt feinen hiſtoriſchen
Gfrifiud, und darnach wird dann aud) ba8 Ergebniß der
bisherigen Kritik aufammengefaót werben müfjen. ie
nun aber audj blefe& Ergebniß ausfallen, ob e6 dem katho⸗
lifchen Begriffe von Chriftus und ber Kirche, ober ob e$
ben ungläubigen fBorftellungen über beide günftig lante,
nothivendig ift e8 endlich auf bem dritten Theil ber Unter
ſuchung einzugehen, und hier a) den Begriff der Religion
872 Die Aufgabe . -
nad katholiſcher Auffaffung, v. b. wie er tem Glauben
der Kirche an (6d) felbft und an ihren Ehriftus zum Grunde
fiegt, auszufprechen und bem gegenüber b) ble verfchiebenen
Formen aufzuftellen, welche bie theilweife ober ble vollenbete
Leugnung dieſes Begriffes enthalten. . Auch hier wird bie
Kritik entweder die Wahrheit des Fatholifhen Begriffes von
Religion, over die Wahrheit irgend. einer Modification
biefes Begriffes, ober bie gänzlihe Unwahrheit beflelben
Beranéftellen, und fomit ein dreifaches Refultat möglich
fein. Da aber bie ganze Fritifche Unterfuhung bem Zu-
fammenhange gefolgt ift, ber ane ſich in ben Begriffen
Kirche, Chrifius, Religion gegeben ift, fo wird fid) am
Schluſſe der vargeftellten Unterſuchung vie begründete Ueber⸗
geugung gebilbet haben: entweder nur bie Fatholifche Kirche,
ober der theilweife Unglaube (bie Härefie), ober ber ab
ſolute Unglaube hat Recht.
8. Beide Methoden laffen, wie bie ἜΤ Aus⸗
führung. derſelben gezeigt haben muß, an Bündigkeit unb
uͤberzengender Kraft nichts zu wuͤnſchen übrig. Jede ber
ſelben führt zu einer Ueberzeugung, die nicht nur ihrer
eigenen Wahrheit, ſondern auch der Unwahrheit ihres Ge⸗
gentheils ſich bewußt iſt. Beide ſind daher im Allgemeinen
von gleichem Werth, und bei der Frage, welche von ihnen
den Vorzug verdiene, ſcheinen nur Zweckmaͤßigkeitsgruͤnde,
praktiſche Ruͤckſichten oder ſubjective Vorliebe ben Ausſchlag
geben zu können. Dennoch möchten wir eine ſolche Löſung
“der aufgeworfenen Frage für oberflàdjld und nicht genuͤ⸗
gend halten. Wir glauben bag es für bie Apologetif des
Chriſtenthums als ſelbſtſtaͤndige Wiſſenſchaft neben beu
übrigen Zweigen ber Theologie nicht gleichgültig fel, für
welche Methode man fi entſcheide. Gejegt naͤmlich, taf
ber katholiſchen Apologetik. 379
man bie erſtere, ven Weg ber ſynthetiſchen Demonſtration,
vorziehe, ſo wird ſchwerlich, was doch vermieden wer⸗
den ſoll, einem Zuſammenfallen der Apologetik mit der
Dogmatik vorgebeugt werden können. Man wird bei einem
einigermaßen gründlichen unb nicht ganz willführlichen Ver⸗
‚ fahren nicht umfin füónnen, beim Begriffe ber Religion
vom Dafein unb Wefen Gottes, vom Menſchen unb von
ber Natur des Menschen, von feinem Berhältniffe zu Gott
und zur Natur, von feiner urfprünglichen Beichaffenheit,
von feiner Sünde unb von ber burdj bie Entwidlung ber
Eünde unb bie Vorbereitung ber Exrlöfung bedingten Ges
[dite des Alterthums m ipreden. Ganz ebenjo wird
bel Chrifius feine Perfon und [εἰπ Werk ausführlid ere
Örtert werben müflen, tbeild mit Rückſicht auf ble Zeit
vor ihm, welche ben Beweis für bie Nothwendigkeit eines
und zwar eines fo beftimmten Grlóferó liefert, theils mit.
Rückſicht auf die Folgezeit, um zu zeigen, wie Ehriftus in
ber Gefchichte fortlebt. Was den dritten Punkt, ble Kirche,
betrifft, jo fdeint hier alles er[djopft zu fein, wenn ber
faktifche Beftand berfelben und ble fortdauernde Wirkſam⸗
feit Chrifti mit feinen drei Aemtern in ihr dargethan ift;
allein da tiefe Wirffamfeit ihrerjeits durch die Gacramente
vermittelt ift, fo Ift e8, wenn nicht geboten, wenigſtens doch
eine lockende ©elegenheit, ber Lehre von der Kirche in der
Lehre von ben Gacramenten ben Abfchluß unb bie Vollendung
zu geben. Ja, felbft die Eſchatologie fann nicht ganz außers
halb des Kreifes biefer Darftellung liegen; denn wenn die
Welt in ihrem Princip erfannt, und aus blefem Princip
heraus ber Gang ber gefchichtlichen Entwicklung zum Vers
ftänpniß gebradjt lit, ſo kann man nldjt nur, fonbern muß
fogat, wenn man die Unterſuchung nicht willkuͤrlich brechen
Theol. Quartalſchrift. 4857. 11. Heft. 25
814 Die Aufgabe
will, qud) hie Frage nad) bem Zwecke ter Welt und bem
Ziele ihrer gefchichtlichen Entwidlung aufwerfen. Die Apo⸗
[ogeti£, auf bieje Weiſe batgeftelIt, ift ein ganz elaftifcher
Begriff. Gr laßt fid) zufammenprefjen in ben engen Rahmen
einer allgemeinen und überfichtlihen Dogmatik, welche nur
die Höhenpunfte, nur bie allgemeinen Begriffe biefer Wifs
ſenſchaft fury berührt, unb er läßt fid) aud) voleber fo in's
Einzelne und Specielle auseinanberziehn, daß bie gefammte
Dogmatif in ihr untergebracht werden fann. — Sft bie aber
ber Hal, bann hat bie Apologetif damit das Recht ver-
[oten, al8 eigene Wiſſenſchaft zu eriftiren. Sie muß ale»
dann, um unnüge Wiederholungen au vermeiden, in ber
Dogmatif aufgehn, wenn man ihr nicht etwa ihre wifjen:
ſchaftliche Würde rauben unb fie al8 populäre Dogmatif
in abgefonberter Darftellung beibehalten will. Daß aber
Apologetif und Dogmatik zufammenfallen, fat feinen Grund
nicht darin, daß beibe im Allgemeinen benjefben Inhalt
haben, fonberm barin zunäcft, bafi beide denſelben Inhalt
qud nad derfelben Methode varftelen. Sollen
fie nid t zufammenfallen, fo ijt notbmenbig, daß der Auf
bau ber einen, wie ber andern Wifienfhaft nad) vers
Ihiedenen Methoven und damit audj von ver[djiebenen
Standpunften aus vollzogen werde, daß alfo, wenn in bet
Dogmatif ver Weg vom Allgemeinen zum Einzelnen und
. Goncreten, die ſynthetiſche Methode, eingehalten werben
muß, für bie Apologetif von felbft ber analytifche Weg
vom Einzelnen und Eonereten zum Allgemeinen und zum
Princip befolgt werde. Das ift indeß nur ein Außerer
Grund; diefelbe Nothwendigfeit erhellt aber audj aus bem
verfdiebenen Zwede beider Wiſſenſchaften. Die
Dogmatik ift die pofitive Darftelung der kirchlichen Lehre.
*
ber kathaliſchen Upplogetik. FR:
Sie will den Inhalt und Umfang ved. kirchlichen Glaubens
fennen lehren. Diejes Pofitine ift für fie ble Hauptſache.
Soll dieß nun in wiſſenſchaftlicher Form gefdebn, jo muß
fie nun zwar aud) bie Gegenſätze gegen ben kirchlichen
Glauben ebenfalls erörtern; denn ber Glaube felbft ift ετῇ
Har unb beftimmt erfaßt unb. zum Verſtändniß gefommen,
wenn nicht: blos gejagt. ift, was er pofitiv enthält, ſondern
aud was er nicht enthält. und was. ausvrüdlich burd).
ihn ausgescjloffen werben fol, Alle Klarheit ber Begriffe
bernht ja befanntlid, anf bem Grundſatze, dag man nicht.
bios weiß, was fie an fid) find, fondern and, baf man
fie von ihrem. Gegentbeil, von ven falſchen Auffaflungen,
bie fie gefunden haben, unterjdjelben fann. So muß. nun
allerdings auch bie Dogmatik bie Gegenjage des Unglaubens
in ben Kreis ihrer Darftellung Bineingiehn, unb ba in ihr
her Fortſchritt vom Allgemeinen zum Gingelnen Statt findet,
fo wird dafjelbe Geſetz auch bie Darftelung ber aus bem,
Unglauben Beroorgegangenen Gegen[age beherrichen. Aber
eben jo ift εὖ nad: bem Gefagten. aud) gewiß, daß bie
Darftellung. diefer Gegenjáge nur eine ganz untergeorbnete
SBebentung. habe, oder genauer geſprochen, daß fie nicht um.
ihrer felbft,. foubern nur um des Glaubens willen gegeben
merbe, nadj.bem Grundſatze: Contraria. juxta se posita magis
dilucescunt, Eine Dogmatik wuͤrde barum. nicht minder
vollftändig, wenn aud wifienfhaftlih mangelhaft, fein,
wenn fie von den Gegen[ágen. des Unglaubens aud) ganz,
abjähe unb fid) rein. auf das poftttve Gebiet des. Firchlichen
Glaubens: beſchraͤnkte. Daffelbe gilt num aber. nicht von
ber Apologetik. Sie fest ihrem Begriffe nad bie 9tüd»
ſtchtsnahme anf bie verfchienenen. Formen. des Unglaubens
vnraus; fie erörters, bie Principienfrage: ob Glaube ober
: 95 it
316 Die Aufgabe
Unglaube? und-weldhe Form des Glaubens ober Unglaubens
ber Wahrheit entipreche, unb welche Stellung wir aud) zu
biefer rage einnehmen mögen, ob wir bereit auf bem
ganz pofitiven Stanbpunfte des Glaubens ftehen unb und
nur von ber Unwahrheit und Unmöglichkeit des Unglaus
bens überzeugen wollen, ober ob wir und mit einer Fünfts
lichen Sinbiffereng über beive erheben und fragen, ob wir
uns für ben Glauben ber Fatholifchen Kirche ober für ben
Unglauben entfcheiven follen: immer tritt ber Unglaube in
diefe Unterfuchung als ein nothwendiges, gar nicht zu ums
gehendes Element mit hinein. Die Aufnahme der ver
ſchiedenen Formen des lingíaubend it e8, welde ber
geíammten Apologetif erf. ihr wiſſenſchaftliches Intereſſe
verleiht und ihren Zwed und ihre Aufgabe, ſowie bie
Mittel zur Löfung biefer Aufgabe bedingt. Der Unglanbe
in allen feinen Formen fteht hier im Vordergrund ; von
ibm ift der Charakter unb bie Methode ber anzuftellenden
Unterfuhung abhängig. Die Apologetif hat daher gerade
ben umgefchrten Charakter von ber Dogmatif. Wie fid)
eine Dogmatif nicht denfen läßt ohne Darftelung ber
pofitiven Lehrbeftimmungen der Kirche, jo ift eine Apolos
getit unmöglich ohne Darftelung ber ver[diebenen Sormen
des Unglaubens, und wie eine Dogmatif wohl eriftiren
fann aud) ohne Darftelung ber aus bem Unglauben ftam
menden Gegenfáge gegen ble Firchliche Lehre, [0 könnte es
auch wohl eine Apologetif geben, welche fid) leviglich mit
ber Darftellung und Kritik des Unglaubens beichäftigt, ohne
ben Glauben felbft näher zu berühren unb tiefer fid) auf
ihn einzulaffen. So haben Dogmatif und Apologetif ente
gegengejegte Zwede, und wenn bieß, dann aud) wohl
entgegengejegte Methoden, unb wenn ber Dogmatif
* bet. Tatholifchen Apologetik. 9t
ber progreffive ſynthetiſche Weg eigen ift, fo wird ber te
greffive analgtifdje wohl der Apologetif zufommen müfjen.
Dann aber fallen aud) beide Wiſſenſchaften nit mehr
jufammen ; fte verſchwimmen nicht mehr in einander; beide
ergänzen fid) nun vielmehr, gerabe fo mie a“ belben Mes
thoden fid) einander ergänzen.
9. Damit find aber die Gründe noch nicht erfchöpft,
auf welde fid unfere Auffaffung ver Apologetif, ihrer
Aufgabe und ihrer Methode ftübt. Wir können der Sadje
nod näher fommen, wenn wir das Verhältniß zur Sprache
bringen, in welchem bie Apologetif nicht bloß zu ber ihr
zunächft verwandten Wiffenihaft der Dogmatif, ſondern
in welchem fie zur gefammten Theologie überhaupt fteht.
Der Unterſchied zwiſchen dem einfachen, an die Kirche (id)
anjdjtegenben Glauben und ber theologifchen ober wifien-
fhaftlihen Erfenntniß ift ber, bag hier zu jenem Glauben
nod das Wiffen Bingufommt. Der Inhalt ift in beiden
Fallen derfelbe, nur bie Worm des Bewußtſeins ift ver
ſchieden. Die theologische Wiſſenſchaft entftebt nun dadurch,
daß fid das Denken auf ben Inhalt des Glaubens richtet,
daß ble urfprünglide unmittelbare Einheit der Firchlichen
Lehre mit unferm Glauben aufgehoben wird, und fomit
ber Glaubenétnfalt auf bie eine, und das Denfen (mit
bem Inhalt des natürlichen Bewußtſeins) auf die andere
Seite tritt, mit der Frage nad dem Grunde jener ur
fprünglicden Einheit ber geoffenbarten Lehre mit bem menſch⸗
[iden 3Bemuftfein. Diefe Einheit iff. nun offenbar Bets
vorgebradjt durch den Glaubensact, unb [omit wird εὖ
fih zunaͤchſt um ben zureichenden Grund für tiefen Glan,
bendact handeln. Diefer Grund IM die Anctorität ber
Kirche einerfeits, und das ans bem Weſen des Menſchen
"AES Die Aufgabr
entſpringende religiöſe Bebirfniß andererſeits. Allein das
Geltenlafſen dieſes Grundes wird beanſtandet; bie Häres
tiſchen Gegenſätze des Unglaubens ſind es, welche
zwar das religiöſe Bedürfniß des Menſchen zugeben, aber
leugnen, daß εὖ durch die Kirche feine ‚Befriedigung finde.
Damit ift von felbft die Frage gegeben: wer nun Recht
babe, wie Kirche mit bec Behauptung, ober bie Qürefte
mit der Leugnung ihrer Sluctoritàt, eine rage, welche
nur durch Kritik, mur dur prüfendes Eingehen auf bie
Gründe für bie eine ober bie andere Behauptung beant-
wortet werden Tann. Ihre eigentílde Löfung aber kann
biefe Frage, wie auf ber Hand flegt, nur in der Gfrifto,
logie, nur in ver Stellung finden, melde Chriſtus vermöge
feiner Gottheit unb Menfchheit zum menfchlihen Geſchlecht
unb zur Geſchichte emm, und biefer Begriff von
Chriſtus vorauégefegt, wird e& fi nun beftimmter
darum handeln, ob bie Kirche ober. ble Härefie mit ihm
im Einflange εἰ. Diejenigen aber, welche mit ihrer Auf
faffung ver Kirche aud) eine abweichende Chriſtologie ver;
binden, fónnem ſich mit der bisherigen Lritif nit ganz
zufrieden geben ; fie werben einwenven, bag ed «ben nod)
wit ausgemacht fei, wer und was Chriſtus geweſen.
Auch wir ſelbſt fónmen die begonnene Unterfuchung nod)
nit als geſchloſſen betrachten, infofeen die formelle Mög,
lichkeit bleibt, bag die Kirche mit ihrer Ehriftologie Uns
recht, ihre Geguer aber Recht Haben können. Sofort muß
nun alfo auch bie kirchliche Chriftologie in Parallele ger
ftellt werben mit den verfdjlebenen Formen der außerkirch⸗
lichen Chriftologie, und aud) hier ift bie Frage, auf welche
ed anfommt, nicht anberó zu löfen, als durch Kritik,
durch Prüfung nämlich, welde unter den verfchiebenen
ber katholiſchen Apologetik. 879
Auffaſſungen bec Perfon Chrifti der Wirklichleit entſproche.
Wenn auch hier das nádjfie Refultat entweder Annahme
oder Verwerfung ber Eirchlichen Chriſtologie ift, To i& vie
Unterſuchung felbft damit bodj πο nicht με Ihrem Ziele
gelangt. Einen Chriſtus nàmlid, welcher das wahre τὸν
ligiöfe Verbältnig des Menfchen zu Gott, dem Weſen des
erſtern gemäß, wiederherftellt, Kann ed nur geben, wehn
ed überhaupt eine Religion gibt, und wenn. bie Beſchaffen⸗
beit derſelben eine Wieverherftellung und zwar eine fo
beftimmte, wie bie durch Chriftus gefchaffene unb in bec
Kirche erhaltene, nothiwendig madjt. Das ijt εὖ nun aud,
was bie Kirche als den tiefen Grund ihrer ſelbſt and
ihrer Lehre vorausfegt, während ber ling(aube feine Wurzel
entweder in ber birecten Qeugnung der Religion ober
in abweichenden Begriffsbeftimmungen berfelben bat. Wie
ift εὖ möglich, aud bier das Wahre anszumitteln, Irrthum
von Wahrheit zu ſcheiden und in biefem Labyrinth von
Fragen fld zurechtzufinden, wenn man nicht mit Hülfe bet
Kritif die aufgemorfenen Fragen löst und entſcheidet?
Damit find wir nun aber, wie gejagt, bió zum tiefften
Grund unfers religiös⸗kirchlichen Bewußtſeins vorgedrungenz
nun muß es fich entídjeiben, ob ber Glaube in feiner Eins
heit und feinem Zuſammenhang, wie er im ber Kirche
vorliegt, ober ber abfolute, ober ber theilmeife Unglaube
Recht Babe. In bem Princip und Grunde unfers kirch⸗
lihen Glaubens haben wir nun aber aud) beu feftem
Standpunkt gewonnen, auf melden. unjere religiöfe Leber
zeugung fij flübt; mit tem Bewußtſein ver Gewißheit
fönnen wir uud nun von bem vielgeftaltigen Unglauben
abs unb ber feirdje zuwenden, und fónnen ihren Glauben
und ire Lehre nun zum Gegenftand fernerer Unterfuchungen
880 Die Aufgabe
maden. Wir find zurüdgefehrt zu dem Punkt, von
welchem wir ausgegangen find; unjer Glaube an die Kirche
befteht nicht mehr bloß in feiner ur[prünglidjen und that
fächlichen Unmittelbarfeit, jondern wir, verbinden jet bamit
das wiffenfchaftlihe Bewußtfein ver Nothwendigkeit. Wir
haben jest den allgemeinen Standpunft erreicht, welchen
wir bem Glauben ber Kirche gegenüber bei unfern weitern
wifienfchaftlichen Unterfuchungen einnehmen müffen. Wir
haben erftens den Schlüffel zum Verſtändniß der Geſchichte
empfangen, vermögen fie jept in ihrem Zufammenhange
vor unb nad) Gfriftuó zu verftehn, woraus eine Reihe
einzelner chriftlicher Wiffenfchaften überwiegend Diftorijdyen
Charakters hervorgeht. Es wird fid) um die Gejchichte
des alten Heidenthums, um eine eingehende Renntniß des
Judenthuus unb um das Entwidiungsgefeg handeln, baó
in beiden fid offenbart. Es wird fid) fpeciell bei Chriſtus
um geſchichtliche Kenntniß feiner Perſon, feines Lebens,
feiner Wirffamfeit, feiner Lehre, insbefondere aud) um bie
Schickſale feines Werkes in ber unmittelbar darauf folgen,
ven apoftollihen Zeit, fury um Alles handeln, was bei
der wifjenfchaftlihen Behandlung des Neuen Seftamenté
in Stage fommt. Es wird fid) erftlich um eine Geſchichte
des Ghriftenthbums in ver Fatholifhen Kirche handeln,
welde ben Gntmidíungégang des chriftlichen Lebens bis
auf bie Gegenwart herab verfolgt. Ebenſo wird bet ge
wonnene Standpunft zmweitend zum Ausgangspunft für
eine fpeculatioe Erkenntniß der im religtöfen Bewußtſein
enthaltenen Gebanfen. Es [ἀβὲ fid) nun einfehn und bats
ftellen, wie das religiöfe Bewußtfein aus feiner Urform
herans, zwar durch Störung unterbrochen, aber in biefer
Störung doch gefegmáfig fid) in ber alten Welt entwidelt
der katholiſchen Apologetik. 881
bis auf Chriſtus, wie es bier in feinem eigentlichen Mit-
telpunft anlangt, und wie von hier wieder der Strom bes
fichlichen Gnabenfebená in Lehre, Gactament und Regies
rung ausgeht; fury bie wirfliche Geneſts des Firchlichen
Bewußtſeins läßt fih von jenem. Standpunkte aus zum
Verſtaͤndniß bringen. Ganz bafjelée gilt audj von ber
chriſtlichen Ethik. Auch hier läßt fid) zeigen, wie auf ber
allgemeinen religiöfen Baſis fid) die SDebingungen des fitt«
(iden Handelns in bem Bewußtfein von bet Freiheit, von
bet Sünde, von bem Gefege und von ber Gnade Gottes
allmaͤlig entwideln und in ber. Kirche bie Factoren mers
ben, aus welchen fid) das wirkliche Verhalten des Menfchen
ju Gott, zum Menſchen als Menfchen, zur Samilie, zum
Staate und zur Kirche fid) ergibt. Jener allgemeine te»
figióje GCtanbpunft wirb ferner die Grundlage für bie
hriftliche Nechtswiffenichaft, indem gezeigt wird, wie baé
religiöje Bewußtſein auf den verſchiedenen Stufen feiner
Entwidlung das Princip aller focialen Geftaltungen in
Staat und Kirche und aller Gejeggebung geworben ift,
oder wenigftens werden will. Endlich bilbet jener Stand»
punft aud) die Vorausſetzung für bie Grfenntnig ver Art
und Weiſe wie, in allmäliger Entwidlung bis auf Gbriftue,
“das religiófe Bewußtfein ſich praftijd), Ὁ. B. als wirklicher
Eultus unb Gottesdienſt fid) offenbart. Kurz, wie baé
Bisherige bargetban haben muß, die Apologetik ift εὖ,
welche durch ihre Kritik, durch ihre wifienichaftliche 9Inas
[pfe des chriftlihen Bewußtfeins zuvor das allgemeine
Prineip ausmitteln mug, aus weldem bie einzelnen theos
Iogifchen Disciplinen nad den verfchiebenen Seiten be
religiöfen Lebens organifd) hervorwachſen.
10. Es ergibt fid) daraus bie fdon früher entwidelte
382 Die Aufgabe
Stellung, welche der Apologetif zu ven einzelnen theologis
ſchen Diseiplinen gebührt, nur nod) beut(ider. Sie ift ver
Mittelpunft verjelben, ihre Einheit, dur welche fie zu
einem Ganzen zufammengefchlofien werben; fte ift es, bie
pas allgemeine Princip ber Theologie zur Erkenntniß bringt,
befien concrete Geftaltungen die einzelnen theologifchen
Zweigwifienfchaften find. Sie ijt mit einem Worte bie
allgemeine Theologie, zu welcher fid) ble übrigen Disciplis
nen verhalten wie bie Arten zur Gattung, wie ble Er⸗
[deinungéformen zu ihrem Weſen. Noch beutíidjer wird
vieß. erhellen, wenn wir das Verhältniß der Apologetif
auch zu den philofophifchen Wiffenfchaften in Anfchlag
bringen. Wir fegen voraus, daß eine vernünftige Gr;
fenntniß der Wirklichfeit in ber Natur und im Menfchen-
geifte zu ber llebergeugung führe, bie Welt fel an fid)
Gedanke, und weil Gebanfe, fo weife fle auch zurüd auf
einen von ihr unabhängigen Geift, ber biefen Gebanfen
richt bloß an fid) gebadjt, jonberm aud) burdj Schöpfung
nad) außen hin realifirt habe. Wir fepen voraus, ba vie
Philofophie mit tiefer Erfenntniß ſchließe; bann aber reicht
fe unmittelbar bis an bie Grundform des religiöfen Bes
wußtſeins, bió an den Standpunkt ber.Apologetif heran.
Die Religion erfcheint dann ald das Ziel, in welchem fid
ble philofophifche Erkenntniß der Welt vollendet. Sft aber,
was [omit ber Abſchluß ber Philofophie ift, ber Ausgangs,
punft ber chriſtlichen Theologie, unb zwar zunaͤchſt bet εἰν
geutlide Kern und Grunbgebanfe ber Apologetif, fo muß
weiterhin aud) behauptet werben, ba die legtere das eis
gentlide Band zwifchen ber Hriftlichen Theologie und ber
Philofophie fei, und wenn bie Philojophie zu ihrem In⸗
halt das natürliche, bie Theologie Das durch Offenbarung
— — —
T
der katholiſchen Apologetik. 883
entftanbene Bewußtſein hat, fo ift e8 tie 9lpologetif, in
welcher tie Verföhnung beider Erkenntnißweiſen zu Stande
fommt, indem fte in ber Offenbarung ben Punkt auffinvet,
buch welchen fie mit bem natürlichen Bewußtſein bed
Menſchen zuſammenhängt wnb in ihm Ihre Wurzel bat,
Damit felit fte ecft ven rechten Geſichtspunkt auf, mutet
welchem nicht nur bie Geſchichte ber Religionen uͤberhaupt,
ſondern and) die Geſchichte des Chriſtenthums betrachtet fein
will. Die Religion Hat dann ebenfo ihre Quelle in Gott,
wie im Menſchen, wurzelt ebeufo in ber Offenbarung, wie
in der natürlichen Entwidiung bed menſchlichen Bewußt⸗
feine, beide Factoren dürfen nicht von einander getrennt
werden, und bilden erft in ihrer Einheit die wahre und
vollfommene Religion. Die wahre und vollfommene Re
ligion ift bie, weldye durch die höchſte Offenbarung Gottes
entſtanden und das allgemein menſchliche Bewußtſein zu
ihrer Borausfegung Bat. Auch hier iff bie Apologetif bie
eigentlihe theologiſche Grundwiſſenſchaft. Sie ift mehr,
als bloße „Einleitung in bie Theologie," obwohl blefe
Auffaffung ber Wahrheit nodj am nádten fommt. Sie
ift ble erſte anter allen theologiſchen Disciplinen, als dies
jenige, burd) welche der Uebergang von ber Philoſophie zur
Theologie fid vollzieht, und welde ben Standpunkt ans
weist, von welchem aus bie übrigen Seiten des kirchlichen
Lebens zur Erkenntniß gebracht werben fónnen. Alle
übrigen theologiſchen Wiſſenſchaften aber find nur bie cott
exete Ausführung der einzelnen im apologetiihen SBrincip
enthaltenen Grunbgebanfen. Darum hat aud) bie Apolo⸗
geti£ die meifte Achnlichleit mit bev Encyklopaͤdie der theo⸗
logiſchen Wiſſenſchaften, ohne bod) aud) mit diefer zuſam⸗
menzufallen. Wie nümlid) bie Apologetit die einheitliche
, 984 | Die Aufgabe
Wurzel ift, aus welcher ver Baum bet theologifchen Wiſ⸗
fenfdjaft mit allen feinen Zweigen unb Aeſten hervorwaͤchſt,
fo fan man auch umgefebrt von biejer Bielheit der theor
fogi[djen Disciplinen ausgehn, fann fie in ihrer gegenfeis
gen Zufammengehörigfeit und in ihrem Innern Zufam-
menhange als einheitliches Syſtem unb ale wifjenfchaftlichen
Organismus barftellen. Dann aber iſt der Schluß biefer
Darftelung das Bewußtſein, das chriſtliche Bewußtſein
feinem ganzen Inhalte nad, nad) allen Seiten und Rich⸗
tungen wifjen[djaftlid gerechtfertigt und alle abweichenven
Anfihten und Meinungen als nicht chriftlich wiverlegt zu
haben; dann bilbet bie Apologetif ebenfo ben Schluß⸗
punft, in meldjem ble Grunbgebanfen bet einzelnen theolos
giſchen Disciplinen zufammengefaßt werben, wie fte vorher
ihr Ausgangspunft gewefen war. Die Theologie ent⸗
widelt fih dann als Wiffenfchaft unter einem breifachen
Geíidtópunfte: als Einheit in der Apologetif, als SRielbeit
in ben einzelnen theologischen Zweigwiſſenſchaften, als
Zotalität in der Encyklopädie dieſer Wiflenichaften und
fommt bier dadurch zu ihrem Abſchluß, daß fie auf ben
Standpunft ber Apologetif zurüdfehrt. Gerade viefe That-
fade fpricht aber wieder auf das Entfchievenfte und Deut
lihfte für unfere Auffafjung der Apologetif als theologifcher
Grundwiſſenſchaft. Es if, feit Ariftoteles, ein allgemein
befannter und anerfannter Gag, daß das wahrhaft Grfte
auch das Lepte fei. Was Princip ift, ift auch Ziel, und
was das Ziel ift, wird aud) wieder zum Princiy. Der
Saamen 4. Ὁ. ift ebenfo Princip, wie Ziel ted organischen
Lebens in ber Pflanze obet bem Thiere. Es ift mit jenem
Cafe ein allgemeines Gefeg aller otganifdjen Entwidlung
auégefprodjen. Ganz vafjelbe Gefe& Bat fid nun gezeigt
der katholiſchen Apologetif. 385
bei der Verfolgung des Verhältnifies, in welchem bie Apo⸗
logetif zu den übrigen theologifhen Wiſſenſchaften fteht.
Sie ift ebenſo die erfte wie bie legte unter ihnen, unb
darum werben wir aud) nicht irren, wenn wir fie als vie
eigentliche theologifche Grundwiſſenſchaft, ober, um einen
Ariſtoteliſchen Ausprud auf fie anzuwenden, wenn wir fie
aló prima theologia betrachten.
11. Hiemit fönnten wir ſchließen. Wir fónnten ben
Gegenftand, den wir bier zur Unterfuhung gebracht haben,
als erledigt anfehn, nachdem er von allen Seiten beleuchtet
worben ift, und in allen dieſen $yállen fid) daſſelbe Res
fultat ergeben hat. Neue Gründe Iafjen fid aud) in ver
That nicht weiter anführen. Aber εὖ ift tod) nod) möglich,
den von ber Apologetif aufgeftellten Begriff bem Denfen
und bem Verſtaͤndniſſe näher zu bringen, durch eine ans
fhaulihe, aus ber Geſchichte und bem Leben gefchöpfte
Detaillirung der ragen, weldhe in ihr erörtert werben
ſollen. Wir werben dann zugleich ermeffen fónnen, in
welchem Berhältniffe viefe Auffaſſung ber Apologetif zur
Gegenwart, zu den wiſſenſchaftlichen Forderungen unb Bes
duͤrfniſſen, fury zur wiflenfchaftlichen Aufgabe ber Gegen:
wart ftehe.
Fürs Erfte handelt es fich in ber Apologetif um die
alfgemeinfte Differenz zwifchen ber Kirche unb ber Härefte.
Durch ben Proteftantismus ift e8 und zur Evidenz gebracht,
daß ber größere ober geringere Grab ber Lebereinftimmung
mit ben Lehren der Kirche ben Unterfchied zwiſchen Kirche
unb Härefie nicht begrünbe. Der Unterſchied liegt viel-
mehr in ber Beftimmung des Begriffs „Kirche,“ welde
nad) Fatholifcher Lehre nothwendig fihtbar, nad) häretifcher
Cproteftantifcher) Auffeffung nothwendig unfihtbar ift. Die
386 Die Aufgabe
Sichtbarkeit ber. Kirche im Fatholifhen Sinne laßt fuf nur
anf Eine Weife, nur im Zufammenhange mit ihrer Lehre
von Chriſtus denken, während. ber Begriff: einer unſicht⸗
baren Kirche verſchieden beftimmt werben faun unb auf
eine ebenjo vielfahe Verfchievenheit audy in ver Anſicht
von Ehriftus zurüsfveutet. Die fatfoli[e Kirche iſt naͤm⸗
fid in dem Sinne fihtbar, daß fie die fihtbam Form ift,
durch melde Chriftus feine erloͤſende Thaͤtigkeit fortſetzt.
Mit ber fihtbaren Kirche ift bie unſichtbare Wirkfamfeit
Jeſu Gbrigi zur Erlöfung ber Menfchheit untrennbar ver
bunden; fie ift das eigentlich Subflantielle, welded bem.
äußern Ericheinungsleben ver Kirche zu Grunde liegt. Um
verfennbar ijt εὖ, daß die Kirche mit blefem ihrem Gelbft»
bewußtſein nur eine Gonfequeng aus ihrer Lehre non bet
Perfon Chriſti zieht. Chriſtus ift Eine Perfon in zwei,
9taturen, ift Gott unb Menſch, fo zwar, daß bie SBrübicate
beider Naturen auf die Eine Perfon übertragen werben
fónnem. Aber mit Umgehung der PBerf.on fónnen
weder von ber göttlihen Natur die Prädicate ber menſch⸗
[iden Natur, nod) von biefer bie Prädicate jener ausge⸗
jagt werben. Die WSortbauer ber erlöſenden Wirkſamkeit
Ehrifti fordert nur feine ftete Gegenwart in ber Welt; tie
men[dlidje Natur in Chriftus ift aber nicht alfgegenmärtig ;
durch fie ift ber geiftig überall gegenwärtige Chriſtus auf
fihtbare Weiſe nur an Einem Orte und zu einer be
fimmten Zeit gegenwärtig. Daraus folgt, bag er nad
feiner Himmelfahrt. und Rüdkehr zum Vater feine erlör
jende Wirffamfeit in der Welt nur dadurch fortfegen:
fann, daß er fi mit neuen Menſchen verbindet, biefe zu
feinen Organen madt, durch fie feine Lehre verkündet,
feine Gnade [penbet, [εἰπε Gläubigen auf bem Wege zum
ber katholiſchen Apologetik. 387
Himmel leitet, kurz er kann das nur durch ſeine weſen⸗
hafte Verbindung mit einer ſichtbaren Kirche. Wird nun
dieſe Art ber Verbindung Chriſti mit der Kirche geleugnet,
ſo kann dieſe Leugnung eine verſchiedene, beſtimmter eine
dreifache Geſtalt annehmen. a) Chriſtus ſteht mit ber
Kirche in gar keiner innern und geiſtigen Verbindung. Es
gibt weder eine Hierarchie, durch welche, noch Sacramente,
in welchen er feine erlöſende Thätigkeit fortſetzt, und es
bedarf aud) folder fihtbaren Mittel für die Gemeinſchaft
bes Menſchen mit Gott nicht, da Gott felbft das im Men⸗
ſchen allein wirfende Princip ift, unb bie Thätigfeit des
Menschen ihren Grund nicht in feiner perfönlichen Gelbfts
ftändigfeit hat. Bon Chriftus gibt es nur ein Außerlid
geihichtlihes, durch bie heilige Schrift und beftimmte
Eymbole vermitteltes Wiſſen, durch welches vie Kluft, welche
Sahrhunderte zwifhen und unb ifm gezogen haben, nit
aufgehoben wird. Db) Ehriftus ift mit ber Menſchheit we»
fentlid und innerlid verbunden, und fest in ihr feine er⸗
löfende Thätigfeit fort, indem er im Herzen des Menichen
den allein rechtfertigenden Glauben erzeugt. Er bebarf
dazu aber nicht beftimmter Menfchen als feiner Organe,
jondern er theilt feine vedytfertigenbe Gnade mit burd) ben
Buchſtaben der heiligen Schrift, mit welchem bie Wirkſam⸗
feit des. heiligen Geiſtes unauflöslic verbunden ift. Das
burd nun, daß ber BL. Geift im Glauben des Menfchen
ein unmittelbareó geiftiges Band zwiſchen Chriftus unb
ben einzelnen Gläubigen herftelt, bewirkt ev bie innere
und unfihtbare Bereinigung Chrifti mit ber Kirche. Man
muß daher forgfältig zwiſchen dem äußern Befenntniß des
Glaubens unb jenem innern und unfijtbaren Bande zwi⸗
Then Ehriftus unb ben einzelnen Menfchen unter[djelben.
388 Die Aufgabe
Nur folje, die in diefer Innern und unftdjtbaren Lebens,
. gemeinfhaft mit Ehriftus ftehn, gehören zur Kirche, die
deßhalb unfichtbar und Außerlich nicht erfennbar ift, waͤh⸗
rend das bloße SSefenntnig des Glaubens wohl bie Theil
nahme an ber äußern und fichtbaren Gemeinde, aber nod
nicht an ber unflchtbaren Kirche zur Folge hat. Der Bes
griff der fihtbaren Kirche ift allgemeiner und umfaffenber,
al8 ber Begriff ber unfichtbaren Kirche. Diefe ift. in jener
enthalten als eine ecclesiola in ecclesia und befteht aus
bem Häuflein der Auserwählten unb Heiligen. c) Chriſtus
bleibt auf eine fidjtbare Weife mit der Menſchheit verbun⸗
ben, aber diefe Gemeinfdjaft ift nicht burd) beftimmte, von
ifm befonberó audermábíte Organe vermittelt. Seine
Wirkſamkeit erftredt fid) über alle Mitglieder bet Gemeinde
gleichmäßig, und burd) biefe erwählt er fid) feine befonveren
Werkzeuge, durch melde er bie Leitung ber einzelnen Gee
meinden ausübt. Diefe unfihtbare Wirffamkeit, nicht
feine wirkliche (fijtbare ober unfichtbare) Gegenwart in
pet. Welt, fein Einmwirken aus bem Jenſeits in das Dieß-
ſeits ift der Grund der fihtbaren Kirche. Erſcheint fomit
hier das Verhaͤltniß Chrifti zur Menfchheit im Allgemeinen
in einer dreifach verſchiedenen Geftalt, jo ift e8 nur bie
Eonfequenz einer einmal eingefchlagenen Gebanfenrichtung,
wenn nun biefe dreifache Auffafjung jenes Verhaäͤltniſſes
aud auf das Verhältniß ber göttlichen und menfchlichen
tatur in Chriſtus fefbft übertragen wird. a) S Chriſtus
als Menſch nad feiner Himmelfahrt gänzlich von ber
Welt getrennt und nur im Himmel gegenwärtig, fo folgt
daraus, daß eine communicatio idiomatum in ihm nidt
Statt finde, daß εὖ für ihn unmöglich fel, auch auf fihtbare
Seife überall gegenwärtig zu fein. Nur eine Erinnerung
der katholiſchen Apologetik. 989
an feine Erſcheinung Bat er jurüdgelaffen, unb nur in
biefer iR er gegenwärtig. Ὁ) If Chriftus als Erlöfer
wahrhaft und wirfli in bet Welt gegenwärtig, aber auf
unfihtbare Weiſe, und ohne daß dieſe Gegenwart burd)
perfönliche Organe vermittelt wird, fo muß aud) vie menſch⸗
liche Natur in ihr allgegenwärtig fein, t. b. es findet in
im nad) feiner Himmelfahrt eine wirkliche llebertragung
ber Attribute der göttlichen Natur an die menjchliche Statt,
and bie Verſchiedenheit beider wird entweder im Princip
aufgehoben, jo daß bie Perſon in Chriſtus ganz verſchwin⸗
bet, oder ed muß jeder Natur aud) eine eigene Perfon
zugefchrieben werben. c) Sf Chriſtus nur burdj feine
Wirkſamkeit in der Welt gegenwärtig, unb wird von ihm
ans ein dynamiſcheo Innewohnen in bie Menfchheit gelehrt,
fo wirb damit die communicatio idiomatum allein auf
feine Perſon befgränft und damit eine ber Menfchwerdung
analoge Verbindung Chrifti mit ber Kirche als feinem
myftifchen Leibe geleugnet, im Grunde aber bie Menſch⸗
werbung ſelbſt aufgehoben; denn ein dynamiſches Einwirs
fen des Logos auf die Menschheit durch Offenbarung und
Erleuchtung Bat zu allen Zeiten und unabhängig von fei
ner Senjdwerbung Statt gefunden.
Diefe Gegenfäge find es, welde in ver Kritif ber
Lehre von der Kirche einander gegenübergeftellt und in
ihrer Wahrheit ober Unmwahrheit erwogen werben müſſen.
Wir haben aber [don angedeutet, daß dieſe Gegenfäge
nit a priori conftruirt, ſondern geſchichtlich wirklich find,
taf fie ble proteftantifche Antithefe zur fatbolijden Kirche
bilden, daß bie drei der katholiſchen Auffaffung entgegen-
fehenden Anfichten Zwingli’s, Luther's und Galvin’d Ges
danken über die Kirche und vie Perſon Ehrifti enthalten.
Tbeol. Ouartalſchrift. 1867. IU. Heft. 26
890 Se Aufgabe
Somit liefert tiefer erfte Theil ver ?Ipofogetif. eine wifien-
ſchaftliche Kritif des Proteſtantismus, unb da- in tiefen
das 9Befen ber Härefie überhaupt in feinem Unterſchiede
von der Kirche zu Tage getreten ift, nicht bloß eine Kritik
bed Proteftantismus, ſondern ber Härefie überhaupt.
Als ber €tanbpunft, von weldem aus dieſe Kritik
zu vollziehen ift, wirb im Allgemeinen der diftie vors
quógefegt. Es handelt fid) ja gerade um das SBejem ber
chriſtlichen Kicche, und worin blefeó beftehe, dag muß eben
aud der eigentbümliden Beichaffenheit des chriſtlichen Geis
fies erfannt werden. Als Offenbarung und ald pofitive
Religion fann nun aber das Gbrijtentbum nidt etwas
Wandelbared und Veränverliched fein. Es muß (id zu
allen Zeiten in feiner Lehre von der Kirche und von ber
Perſon Ehrifti woejentlid). gleich geblieben fein. Go wird
e8 (id fragen, welcher von beibeu Theilen, ob die Kirche
oder bie Härefie, bieje Unveränberlichfeit der Grundans
ſchauung in der gefhichtlächen Entwicklung an fid aufzeige,
und. ba wird fid) für'é Erfte ergeben, daß tie Kirche im
ben genannten Punkten ſtets ſich felbgt treu geblieben jet
und eine Einheit ber Lehre und llebergeugung durch ihre
ganze Geſchichte hindurch gehe, währenn bie Härefie ven
Keim ber Auflöfung, der Auflöfung nämlich ver Einen
geoffenbarten Wahrheit in ein Choas fubjectivev Anfichten
und individueller Meinungen über Chriſtus und bie Kirche
in fid trägt. Dort findet fid) ein burdj die fletige Suc⸗
ceffion ter Bifchöfe unb durdy ble ununterbrochen fortlaus
fende Tradition ber Lehre verbürgter Sujammenbang ber
Kirche mit dem Diftorijden Gbriftuó, bier ift ber Zuſam⸗
menfang mit bem Yaden ber Tradition willfürlid) abge⸗
brochen; tort herrjcht das durch Teinen Zweifel geftörte
Der katholiſchen Anologetif. 39;
Vewußtſein ber Wahrheit, hier das unfihere Euchen und:
Serien nad der Wahrheit und das Verlangen nad) einer
Kirche der Zukunft; tort. Einheit des Glaubens, hier ein
Zwielpalt der. Meinungen, jo bag nicht einmal zwei Pers
jonen diejelbe llebergeugung hegen. Co gebt die Kirche
m ihrem unmittelbaren Anſchluß an Chriſtus aller Härelie
voraus, bie Härefie aber zeichnet fid) ſelbſt als Abfall von.
ver Ringe, ale: Abfall. vom Ehriftenthum:
Die Wrage iſt daher nun nad) ver Wahrheit des bris
ſtenthums; mit diefer Frage beginnt ber zweite Theil ber
Apologetik, al8 Kritik der verſchiedenen Anfichten, welche
über Chriſtus möglich find. Sft Chriſtus wirklich Der, w⸗⸗
für ihn vie katholiſche Kirche hält, ober etwas Anderes,
and was ifi.ec in dieſem Kalle? Welche Auffafiung ente
ſpricht der geſchichtlichen Wirklichkeit ?
Auf tiefe Fragen laffen fi verfchievene Antivorten.
geben. a) Chriftns ift purer Menſch, b) Chriſtus ift fe
diglich Bott; 6) ober er ift Gott und Menſch ohne hypo⸗
flatiffe Vereinigung beider Natnren; oder d) er ift. Gott
und Menſch nady ber Lehre der Fatholiichen Kirche. Ep ift
flat, daß hier Auffaffungen zur Sprache kommen, welde
vie Berfon Chrifti bei den Juden, Heiden unb. álteften d»
retifern gefunden bat, unb taf ed fid) bei Löfung dieſer
Fragen um das Wefen und um bie Wahrheit ved Chriſten⸗
thums im Unterfchied vom Judenthum und Heidenthum un.
im Gegenfag qur falihen Vermittlung beider in. nen älter
fen Härefien handele. Die Antwort auf dieſe Fragen
kann nur an der Hand ber duch die kirchliche Trabition
und Ancterität beglaubigten Geſchichte bes Lebens Jeſu
Ehriſti gegeben. werben.
Wie aben . bleje. Antwort ausfallen — jumerhin
26 *
392 Die Aufgabe
bleibt noch ble Mögtichfeit beftehen, baf die Geſchichte Sefu
Chriſti al des Menfc gewordenen Sohnes Gottes blofe
Sage oder Didtung, ein bloßer Mythus fei, daß Chriſtus
im Einne des Chriſtenthums als eine hiſtoriſche Perfon
nicht gelten fónne. Wie vieje Anficht aus einer beſtimm⸗
ten theologifchen und philofophiihen Auffaffung des relis
giöfen Entwidiungsganges im Judenthum und Heidenthum
hervorgegangen iſt, fo gründet jid) aud) bie enigegengefepte
auf bie Gefchichte der Menfchheit vor Chriſtus, und fo
muß dieſe Unterfuhung über bie Perſon des Gelójferó. mit
einer Kritif beider Auffaffungen ber vorchriſtlichen Geſchichte
gefihloffen werden. Ὁ
Führt nun aber tiefe Kritif zu. bet Ueberzeugung, daß
bie Entwicklung in ter alten Welt wefentlich eine xeligiöfe
gemefen fel, daß fie in ver Religion ebenfo ihren Aus⸗
gangépunft, wie ihr feftes Ziel gehabt habe, und daß dieſes
Ziel kein anderes als das Chriftenthum, Ehriftus die Fülle
und bie Mitte aller Zeiten fel, fo muß die Kritik au
nodj den legten Schritt thun, muß das Sunbament diefer
gefammten Entwidlung, ben Begriff ber Religion unters
fuchen, und fo zum lebten Theile ihrer Aufgabe ober zum
dritten Theile der Apologetit übergehen.
Es ift nun eine vierfache Auffafjung dieſes Begriffes
móglid. a) Gott unb Menſch verhalten fid zu einander,
wie freie Geifter, fo jebod) daß jener abfoluter, biefer eub
lider Geiff ift, und bie Freiheit und Gelefftanbigfeit des
legtern der göttlichen Wirffamfelt gegenüber feine Gränze
bildet (chriſtlicher Theismus). b) Die Freiheit und Selbſt⸗
itánbigfeit des Menfchen wird Gott gegenüber feftgebalten
und foweit ausgedehnt, baf fie ber Wirkfamfelt Gottes
gegenüber zur trennenden Grenze wird, Gott und Menſch
der fatfofiftben Ayologetik. 303
von einander geſchieden find und jeder für fid) if. (Ra:
tionalismus.) c) Die Freiheit und Selbſtſtaändigkelt wird.
anf Seite des Menſchen gefeugnet; er wird zu einer Selbſt⸗
offenbarnng des göttlichen Geiſtes oder vielmehr. ver. gött-
fien Weltvernunft. .d) Die Neligion ift- zwar eine
Thatfache des menſchlichen Bewußtſeins, aber fle entftefit
burch eine pſychologiſche Sefhfttäufchung, iff nur die unbe⸗
wußte und unmilffürlihe Pergötterung des menfchliden
MWefens, in Wahrheit alfo ein Verhalten des Menfchen zu
‚fi felbft, wie er fid) vermittelt ber Phantafle als unend⸗
τῷ, als Gott anſchaut, und tfr Geheimniß ift ber Atheis-
mu. (Raturalismng.)
Diefe vier verſchiedenen Auffaffungen müffen nun zum
Gegenftante der Kritik gemacht werben, und zwar handelt
es fidj, ba in ben drei erften ebenfo die Wirklichkeit Gottes,
wie der Welt unb bed Menfchen feftgehalten wird, wenig⸗
ſtens feitgehalten werben folf, bet der Kritik tiefer Auffafr
fungen darum, welche von ihnen ber genannten Norand-
fegung in ver That entfprede. Denn einerfelts forbert
bie Idee Gottes als des abjoluten Beiftes, dag vie Welt,
aud. der menfchliche Geift nicht ausgenommen, von ihm
abſolut abhängig fei, und andererfeits liegt es in ber
Wirflichfeit der Welt und der Selbftftänvigfeit des enblichen
Beiftes, daß fté biefe Wirklichkeit und Selbftftändigfeit auch
nit der Gottheit gegenüber volftändig eimbüfen. An
jener Vorausſetzung von ber Wirklichkeit Gotted und ber
Welt mit Einfluß des Menihen hat barum die Kritik
einen genügenben Anhaltspunft, um das wahre und wirk⸗
fije Verhaͤltniß zwifchen Beiden ausfindig zu madjen und
den Achten Begriff ver Religion aufzuftellen, welder bann
an ber Gefihichte feine Bewährung finden muß.
QM Die Aufgaboe
Was vie vierte Anſicht beieifft, fo muß Hier ble Kritik
das Gebiet der Pſychologie betreten und muß bie wirkliche
Geneſis des Gottesbewußtſeins im Menſchen nachweiſen.
Daraus wird ſich von felb(t ergeben, ob ber Glaube an
Gott ein Taaumbild ver Phantaſie, ober ob et die Ex
kenniniß einer Wirklichkeit fel, und bie Idee Gottes, tret
ber Ilnmittelbanfeit, mit welcher fie in uns eutftebt, bod
nur and bem iu unſerer Natur liegenden und durch feine
fünflide Dialeftif zu vertilgennen Zuge des Gefchöpfes
zum Echöpfer Berporgebe. :
Diefe linterjudung muß aber zur Erkenutniß einer
höchſt merfwürbigen, in ber gegenwärtigen Befchaffenheit
un[jeró Gottesbewußtſeins enthaltenen Antinomie führen.
Cinerjeitó fordert nàmlid) bie weſentliche Abhängigkeit, in
welcher ber enbfide Geijt als Geſchöpf vom abfoluteu
Beifte als dem Schöpfer fteht,. baf ein . unmittelbarer
gegenfeitiger Verkehr zwiſchen beiden Statt finde, daß ber
Menſch mit feiner. Freiheit, mit feiner Jntelligenz und {εἰν
nem Willen fid) ebenfo ber Gottheit entgegenbewege, wie
diefe fid) zu ihm Derablàft, fid ihm offenbart und ihm
entgegenfommt. Der 9Xenjd) follte au in der Wirklig-
feit fein, was er in ber Ioee, in bem Gebanfen Gottes
von ibm ift, und durch tiefe lleberelnftimmung ber: Wirk
lifeit mit ber bee vollfommen mit Gott verbunden, feine
„sntelligenz alfo unmittelbare geiftige Anſchauung Gottes,
fein Wille dem göttlihen Willen ganz conform fein. Ans
hererfeits liefert aber die gegenwärtige Beſchaffenheit unferes
Gottesbewußtſeins, wie e8 jegt in uns mwirflih vorhanden
ift, ben Beweis,. daß bieje unmittelbare Beziehung des
Menſchen auf Gott, fomeit fie Sache unferer Freiheit,
unferer Intelligenz und unſers SBilleng it, nit Statt
der kathpliſchen 3fpologetif. 395
finde, daß unferer Erkenntnis Gottes bie Unmittelbarkeit
ber Anſchanung, und unferer eifijdjeu Vereinigung mit
Gott bie volle Brreidung ihres Zieles fehle. Ohne die
Erlöfung befindet fh Intelligenz; unb Wille viefmebr
im Znflande ber: Gottentfrembung,, und aud) die Erlöfung
verbeißt jene Unmittelbarkeit der Beziehung. zu Gott ex(t
als das im Ienfeitd zu erreichende Ziel unjeró Lebens.
Diefer bei allen Menſchen ſich finbenbe Wiverſpruch ber
Wirklichkeit wit der: Idee weist zurüd auf einen alfgemei-
nen Abfall der Menſchheit von Gott im Beginn ber Ge
ſchichte, auf eine Trerinung bec menſchlichen Intelligenz und
des menschlichen Willens vou Gott, anf einen Act, duch
weldyen fid) der Menſch a(8 etwas Anderes feste, als er
παῷ ber Idee Gottes fein follte, der dann in feinen Fol⸗
gen als Zuſtand auf bie ganze Menfchheit übergegangen
if, — auf einen Sündenfall vor aller Geſchichte nnb
auf eine Erb ſuͤnde.
Der wirkliche Suflanb des Menfchen ift bemnad) fol:
genber: Soweit dem SXenjden fein eigenes Weſen in
feine Gewalt gegeben und feiner Intelligenz; und feinem
Willen unterworfen ift, ſoweit hat er fid von (Gott los⸗
gerifien; ſoweit fein Weſen aber außerhalb dem Bereiche
feiner Preiheit liegt und. in einem natürlichen, nidt
zu zerſtörenden Lebensverfehr mit Gott ald bem Schöpfer
and Erhalter des Menfchen ftebt, ift εὖ mit blejem in einem
unmittelbaren Zuſammenhange geblieben. Daraus folgt
eine doppelte Möglichkeit: einmal das Beharren und fiu
fenweife Sortfchreiten in ber freiwilligen Trennung von Gott,
das fid) in ben falſchen Religionen und auf feiner höchften
Spige im Atheismus ausfpriht, fobann zweitens bad Be⸗
fireben, duf Grund be& aud nad ver Sünde gebliebenen
396 Die Aufgabe -
natürlihen SufammenBangeó mit Gott zu ihm zurüchzu⸗
fehten und bie volle Unmittelbarkeit der Gemeinſchaft
mit ihm durch freie Thätigkeit, burd) Intelligenz und Wille
wieder herzuftellen, mit andern Worten: in jener Antinomie
ber Wirklichkeit mit der Idee, welche in unferm @otteöbe: -
wußtfein vorhanden ift, hat bie Kritik die Quelle alles
Irrthums und aller Sünde, nnb ben Grund ber Nothwen⸗
bígfeit der Offenbarung und ber Erlöfung aufgefunden.
Mit der Gonflatirumg ver Thatfache eines allgemeinen
Abfalls der Menfchheit von Gott und wit der Gefenntni$
der Genefió des Gotteóberonftjeinó im Menſchen hat aber
bie apologetifche Kritif ihr Ziel erreiht. Ein Echritt weis
ter.in ber erfien Richtung würde fie auf ναὸ Gebiet bet
einzelnen theologifchen Wiffenfchaften, ein Schritt ἐπ τῇ ἃ
in der zweiten Richtung würde fie anf das δεῖν der Phi⸗
loſophie führen.
Betrachten wir nod) einen Augenblid das Refuftat,
welches die Apoldgetif auf bem eben bezeichneten Wege
gewonnen Bat, .. jo darf nun mit ber größten Zuver⸗
fit ver Cat ausgeſprochen werben: Die Fatholifche
Kirche trägt in fid) a) dad univerfell dyriftlije, b) das
wniverjell geſchichtliche, c) das univerfel menſchliche Bes
wußtfein. Sie ftellt das univerfelle Bewußtſein der Menſch⸗
heit im Zuſammenhange mit ber Gejdjidte unb bem Mit-
telpunfte ber Geſchichte, mit Ehriftus bar. Sie tjt wahrhaft
unb im eigentfiden Sinne Fatholifh, während jebe 91;
weichung von ihr fid) ald Abfall vom allgemein chriftlichen,
vom allgemein gefchichtlihen, und vom allgemein menſch⸗
lihen Bewußtjein djarafterifixt.
Gerade diefe Erkenntnig ver Kirche in ihrer univer⸗
ſellen Bedentung unb Beziehung if aber der Punkt, um
ber katholiſchen Upplogeti. — — ΒΟΥ
weldjen allein fid). beut su. Tage alle Polemik zwiſchen ihr
und ihren Gegnern dreht. Die Lengnung diefer Univer⸗
falitát ig εὖ, wovon die Härefte unb ble bem Chriſtenthum
und ber Kirche feindliche Philoſophie ihr epbemereó Dasein
friſtet. Könnte. e& eine Härefie geben, wenn bie leben
jeugung allgemein herrſchend wäre, daß die Kirche das
univerfell chriftliche Sermétfein in fid enthalte, oder würbe
eine antichriklihe und. antiveligiófe Philoſophie eriftiren,
wenn diejenigen, mekfe tiefer Richtung folgen, fid) übetr
jeugen mwürben, daß ber Glaube ver fire das allge»
mein menfdyide Bewußtſein zu feiner VBorausfegung
habe unb in ibm wurzele? |
Der dutch Gegenfáge zerrifienen Zeit gegenüber if
die Aufgabe der Kirche eine erlöfende und verföhnende.
Sie fol, was bie Zeit geſchieden, wieber vereinen unb ín
ihrem Glauben αἵ. vereinigt barftellen. Nimmt vie Wif-
fenfchaft, fo aufgefaßt, wie fie fo. eben dargeſtellt wurde,
nid an biefem Friedenswerke Theil? Ueber ben Irrthum
fónnen fih die Getrennten bie Hand der Berföhnung
reichen.
Wir wollen nicht in Abreve ftellen, baf απῷ anf
andern Wegen .ein wiſſenſchaftliches Berftänpnig deſſen,
was bie Kirche ift, gewonnen werben fönne; aber fo direct,
fo ofme alle Umſchweife führt fein Weg zu biefem Ziele,
ale bie Apologetif, in ber hier entwidelten Weiſe aufge⸗
faßt unb dargeftell. Sie erfchließt nicht nur das Ver⸗
fländniß der Kirche ats folder, ſondern auch ber theolo-
gifchen Methode und gewährt, an ber Schwelle der einzelnen
tbeologifchen Diesciplinen, tie Einfiht in den organijdyen
SufammenBang und die ſyſtematiſche Einheit verfelben.
Wie wichtig ἐξ es aber für ben jungen Theologen, wenn
396 Die Aufgabe
er gleil im Beginn des Studiums der einzelnen Sáde
feiner Wiſſenſchaft fid des Standpunkles dentlich bewn$t iR,
yon meldem aus er ben Glauben, tie Cittentebre, die Geſehe,
ben Kultus feiner Kirche zu betrachten habe, wenn er weiß,
daß er die Kirche in ihrer gefammten änfern Erſcheinungs⸗
weile ven einem nniverfelen Geficktöpunfte aus vergeben
fermen müfje; wenn er von vornherein überzeugt iR, taf
pie Kirche nicht εἶπε bejonbere Form des Ehrikenthume
oder ber Religion neben antern fei, fentern ba$ fie über
ihnen fiche, und was jene an einzelnen Glementen ber
Wahrheit in fid enthalten, als höhere Einheit und als
Ganzes in fid vereinige! Wie wichtig iR es für ihn,
glei von vornherein in ben. foftematifden Ban der theo⸗
logischen Wiffenfchaften eingeführt unb hier genau in ben
einzelnen Theilen beójelben oriemtirt zu fein, da bei ver
herrſchenden Behunvlungsweife ber Theologie feine Gefahr
größer für ihn iR, ald über ter SBielfeit der einzelnen
Fachwifienfihaften ten leitenden Girunbgebanfeu und ben
einheitlichen llebevblid zu verlieren!
Aber aud) tie chriſtliche Philofophie bürfte bei ver Bier
wergetragemen Aufaffung ter Apologetif nicht ganz leet
an Gewinn andgehen. Denn bie Apologetif if es welde
turd) ven Getanfen, mit welchen fie fchließt, ver Philoſo⸗
pbie ihren eigentlichen Sielpunft, ihre Aufgabe umb ihr
eigenthümliches Problem bezeidmet. Sie jagt vex Philoſo⸗
pbie, baf fie in ber Grfenntni$ eines yerfönlichen Goltes
als bed &€djopjeró ver Belt fid) zu wellenten habe. So
fommt tie Ayologefif tem Streben ver. neuem Zeit, eine
dyifüde Philoſophie zu [Φαβεπ, emigegen uud Pajat ifc
bie Wege dazu. 9Ber aber weiß, wie unenblid) viel barauf
anfsmme, tef die Pfilefephie endlich qu ührem Ziele
der Tatholifchen Apologetik. 399
gelange und wieder eine chriſtliche 9Biffenfdjaft werbe, ber
wird eine Auffaffung ber Apologetif nicht gering achten
fórmen, bie zur Erreichung dieſes Zieles wefentlid) beiträgt.
Diefen SBunft wollen wir zum Schluß ter Erwägung uns
feren Leſern nod) ganz beſonders empfohlen haben.
Hildesheim.
| Hagemann.
2.
Ueber die vom Seren Profeffor Dr. 9tanfe zu Fuld
aufgefundenen Fragmente einer Versio Antehierony-
miana des alten Teſtamentes.
Der Profefjor der Theologie zu Marburg, Herr Dr.
Ernft Ranke, veröffentlichte zur Geburtöfeier des Chnrfürften
Friedrih Wilhelm am 20. Auguft Ὁ. 3. eine febr. merk
würbige Univerſitäts⸗Schrift, die aber and) als eignes
Werk in den Buchhandel fam und ben Titel führt:
„Fragmenta versionis latinae Antehieronymianae Pro-
phetarum Hoseae, Amosi et Michae. E codice
Fuldensi eruit, aique adnotationibus criticis in-
siruxit Ernestus Ranke. Accedit tabula lapidi incisa.
Marburgi typis et sumptibus J. A. Kochii. MDCCCLVI.*
49.—IV und 52 Seiten: —
weld fo recht lebhaft an Fulda, jener Pflanzſchule des
Gatholicismus in Teutſchland, erinnert und ſicherlich ein
Fragment jener weltberühmten Bibliothef barbletet, die im
8. Jahrhundert begonnen, vom Kaiſer Earl dem Großen
mit Büchern reichlich befchenft, und von Männern mie
Rhabanus, Otfrid, Marianus Scotus u. a. gepflegt
und vermehrt, endlich im Berlaufe des XVII. Jahrhunderts
ans Teutſchland verfhwand, fo daß, als im Jahre 1775
ber Fürftabt Heinrih VIIL von Bibra bie Bibliothefen
bet Abtei unb des fürftlien Schlofies zu Einer Samms
Bragmente einer Versio Antehieronymiana bed a. T. 404.
lung. vereinigte, vor ben 794 Banben Handſchriften, welche
bie Abtei noch im XVI Jahrhunderte beſaß, laum eine
und bie andere nod) vorhanden. war.
Sn biejer Bibliothek machte Herr Profeffor Dr. Ranke,
feine Gntoedung, bie mit feinen eignen Worten hier bes
idrieben werben möge.
„Quum nuper Fuldae studiis crilicis occupatus velu-
stissimos aliquos illius, quae ibi asservalur bibliothecae olim.
Abbatialis, nunc Elecioralig libros mangscriptos perlustra-
rem, in folia duo!) ineidi, scripturee latinae summa
velustate conspicua, agglutinata illa interioribus tegumen-
torum lateribus latini: Bibligrum codicis signati A 13, qui
el ipse circiler nongentorum annorum esse palaeologis.
videtur. In quibus accurata. nonnullorum yersuum perqui+
silione instituta didici Fragmenta latinae Veteris Test.
contineri a Vulgata non uno in loco valde discrepantis:
Quod quum iiscum, penes quos bibliothecae Fuldensis
cura regimenque esl, communicassem, a viris humanis-
simis non solum veteris illius textus in lucem eruendi atque
edendi sed lotius codicis, cui insertus erat, Marburgum,
vehendi licentiam impetravi. Ubi posiquam ‚foliorm ea
latera, quae. oculis subjecta erant, legerem, conligit mihi,
ut memibranas aquis perfusas aique madefactas leniler. ἃ
tegumentis libri.ligneis solyerem textumque, quem in versis
lateribus continent, adipiscerer. Glossis quoque, quae manu
seriori quidem, salis tamen velusta ad marginem apposilae
sunt, legendis animum epplicui, qua opera complures per
menses contipuata, licet lilerarum characteres prae velu-
1) Profefior Dr. Ranke hätte fchreiben müfjen „quatuor folia",
denn vier Bläter ber alten Handſchrift find es, wenn fie gleichwohl
in extenso aufgeflebt nuc 2 Blätter beim evfien Anblick zepräfentieren,
402 Fragmente
state multis in locis discerni vix possent, oculis microscopio
armatis eo perveni, ul ubicunque membrana: inlegra est,
fere omnia quae adnotata sunt legerem, ubi vero lacerata
vermibusque exesa esse deprehenditur, quae scripta fue-
rint ex litererum reliquiis conjectura assequerer.*
Bon diefen fogenannten „Borfepblättern” entnahm
nun Dr. Ranfe vie folgenden Fragmente einer Vorhlerony⸗
mianiſchen Verſion, als |
Oseas Vil, 16 — VEHI, 6.
VIII, 8 — ΙΧ, 417.
Amos VII, 10 — ΙΧ, 9.
Michaas I, 3 — M, 3. |
einige weitere Heine Fragmente des Ofeas (IV, 13. 14: V,
4.7. XIF, 3. T. 9. 12. XIII, 1. 35 nicht miigerechnet.
Die mitgerheilte Schriftprobe, fb wie υἷε Beſchreibung vieſer
Fragmente laſſen einem geübten Diplomatifer feinem: Zweifel
übrig, taf die Textſchrift zum wenigſten auf den Anfung
ves 6. Jahrhunderts zu: fepen fel, momad; dieſe Fragmente
allerdings jw den Alteften xoanv rinm georen, die ſich
echulten haben.
Dafür zeugt vorerft: jene unverkennbare Befihaffengeir
des Alteften Pergamentes „membranas esse- genavisi tentis
mi ao... peliucidif von wnbefchreiblicher Feinheit und
Welße, verfen eigenthümliche Maunße — 12. Zoll Höhe,
11: 301 Breite — die: Beichaffenheit der Uneialſchrift wit
ungetrennten Worten, jene unnachahmbare Tinte, ble ſich
pent. Pergämente eingeägt?, Überhaupt: der ganze Ehirallter
ver Blätter, in fo welt fte: ὦ unverjehet! erhalten haben,
Der Eoder felbft hatte auf jeder SBlattfelte 3 Eolumnen,
jede zu 23 Zeilen, die vorzüglich gleich und ſchön gejchrieben
find. Wenn jedoch Ranke fchreibt „Aliud- noster seribe
einer Versio Antehieronymiana be8 a, T. 403
pulcbritudinis. geyus efficiendum. sibi proposuit, quod ra-
rissime inveniri mihi videlur, posilum in. eo, ul linearum
membranis stylo imprimendarum consuetudinem in plurimis
libris manuscriptis obviam neque ad versus dirigendos,
peque ad columnas normandas sequerelur, unde factum
est, ut ne acuum quidem infixione qua codices deformari
solent, indigeret -und glaubt, εὖ müfle bem Schreiber
eine onrdjfdjeinenbe Unterlage vorgelegen jein, jo mag ε
dahingeſtellt bleiben, ob eben dieſe Riſchtungslinien, die je
ad) der Feinheit des Pergamentes oft faum bem britteren
Auge fitlid) geangen au werben pflegten, nicht durch. bad
Auffieben und. Ehnen ded Pergaments auf jene Holzdeckel
verwiſcht, oder unfenntlih geworben ſeien.
Anlangend- bie S. 17 ausgeſprochene Vermuthung
des Dr. Ranfe; „Respicientes.. quotam ea, quae in hig
foliis scripla sunt, impressorum- quibus ulimur s. scriptu-
rae exemplarium parlem compleant, inlelligimus hujus
generis librum, si quod vix dubium est utrumque complec-
tebatur testamentum, plus quater mille et quingentas paginas
exhibuisse^ fo ift es nicht glaubfi, daß biefe Fragmente
zu einem Gober gehört haben können, welcher bie ganze
heilige Schrift enthalten. hätte, Dagegen. flreitet: eben
das Alter! Es läßt fid nemlich nicht ermeijen, daß vov
bem IX. Sabrüngbert. !) je eiue ganze lateiniſche Bibel ge»
ſchrieben worden wäre. Die ültefte ‚ver vorhandenen iít
zweifelSohne jene, die mit der Kaiſerbibliothek Henrich IL,
des Stifters des. Bamberger ‘Doms, in jene des Domftifts
bajelbft. fam, ans 450, mächtigen Folioblattern befteht, und
1) Dem widerſpricht aud) bie befannte Stelle Gajftobora — de
institut. divin. literer. Edit. Veuet. pg. 516. 517 — angeführt ber
Ranke pg. 30 — feines Wege! '
404 Fragmente ὦ
απ! Befehl Alcuins „Jusserat hos — Aleüinus ecclesiae
famulus perscribere libros* wohl für Gard den Großen
gefchrieben urbe.
Dagegen war e8 Ufus, nur einzelne helle deſſelben
abzuſchreiben, wodurch ein allgemeinerer Gebrauch ermoͤglichet
wurde, indem der eine Leſer die Buͤcher Moſes, ein anderer
die Propheten, oder einzelne derſelben u. Ὁ. 4. vor fid) hatte,
was nicht möglich gewefen wäre, würbe man ganze Bibeln
gefhrieben haben, da ja nur allein der Pergamentwerth
über 500 Reichsthaler bei diejer Handſchrift betragen
haben würde — „plus quingentorum imperialium con-
stiterint® wie Ranfe ©. 17 ganz richtig berechnet, ein
Preis, deſſen Erfhwingung im Mittelalter höchſtens dem
Kaiſer over einem reihen Dynaften móglid) war, inbefjen
im früherer Zeit ſchon bie vorherrſchende Armuth der drift,
fien Befenner die Serftellung eines ſolchen Werkes ver
hindert hätte, andy abgejehen davon, baf bie Miffionäre
nicht ſchwere Wollanten brauchen konnten.
Sa ſelbſt bie Bibliothek des weltberühmten Fulda—
Stiftes beſaß bis zur Erfindung der Buchdruckerkunſt keine
ganze Bibel, und der Catalog ihrer ehemaligen Hands
ſchriften, der fid) bekanntlich in einer fpátren Abfchrift ev
halten fat 5, führt als Bibelbeſitz die folgenden Bände auf:
2. „Leviticus et Numerorum ex textu biblico. -
„3. Libri Numeri, Deuteronom., Josuae et Judie.
„4. Libri Regum.
»9. Libri Ezechielis, Danielis, Oseae Johelis, Amos,
„Abadiae, Jonae, Micheae, Naum, Abacuc, Sopho-
1) Vrgl.: „Katalog unb Nachrichten von ber ehemaligen aus
lauter Handjchriften beftauben Bibliothek in. Fulda. Leipzig 1812.“
Der Oerautgeber ift. Kinderling.
einer Versio Antehieronymiana des a. 3. ' 405
„Rise, Achaei, Zachariae et Malachiae Prophetarum
„fol.
„6. Psalterium Davidis latinum et graecum cum prae-
fationibus S. Hieronimi, fol. |
„t. Libri Salomonis, Proverbiorum, Ecclesiastic. Canti-
„cum canticorum, Jesu Filii Syrach, lib. paralipo-
„wmenon et libri Machabaeorum: item libri Joannis
,8pocalipseos, septem epistolae Canonicae Jacobi
„apostoli, Petri, Joannis et Judae, Acta Aposlo-
„lorum, Epistolae Pauli. fol.
„8. ,Textus Esaiae el Jeremiae prophetarum.
„9. „Libri paralipomenon.
„10. Liber sapientiae et Jesu Syrach.
„11. Esaias prophela.“
welche in ber Bibliothek als ,Ordo primus,* alſo als erſte
Fachreihe aufgeführt werden, indeſſen als „Ordo secundus*
noch erſcheinen:
„1. Textus Evangeliorum Matthaei el Joannis.
. 9. Textus Evangelii secundum Joannem cum aliquot
glossis marginalibus.
„3. Textus Evangelii Joannis.
59. Libri Esdrae.
.59. Liber proverbiorum, en el Cantic. Can-
^ A ticorum.
». Evangelia 4 Evangelistarum pulchris literis. de-
scripta. 49.*
le alfo ber ganze Fuldaer Bibelvorrath, ber nicht
aus gleich gefchriebenen Bänden beftand, fondern aus
einzelnen Büchern der Bibel.
Wie in Buld, fo war «6 an allen Stifts⸗ und Doms
faulen. Selbft ver Wirgburger Bifhof Humbert, (832—42)
Theol. Quartalſchrift. 1857. I. Heft. | 27
406 Fragmente
der Freund des Rhabanus Maurus, welchet erſterem ſeinen
Commentar über die Richter unb über Ruth gewidmet
hatte, ließ als eifriger Förderer der Domſchule, in Fuld
nur einzelne bibliſche Bücher abſchreiben, von denen fid)
die „Libri Paralipomenon“ erhalten haben, welche die In⸗
ſchrift führen: „In Christi nomine incipit Liber Paralipo-
menon, qui hebraice dicilur Drabejamin, id est, Verba
dierum, quem Domnus Hunbertus Wirziburganensium Epis-
copus fieri jussil.* Wohl Andeutung genug, daß man
beim Auftauchen folder Fragmente jeinen Geſichtskreis
wohl nur auf das Sunádffliegenbe begrenzen bürfe.
Die mitgetheilten Fragmente haben nun aud; Gloſſen,
die 9tanfe mit ber Uncialfchtift ziemlich gleichzeitig hält,
fid auf Tifchenvorf berufenb: „C. Tischendorfius .. Saxo-
niae illud decus. . amicissime monuit, ut a juniori aetate
glossis tribuenda providenter abstinerem, quibus addidit,
haec non scribae manum exarasse, sed docli alicujus viri,
doclos vero homines jam tempore admodum velusto, quo
Scribae unciali scribendorum librorum rationi eliam addicli
fuerint, minüsculariis characteribus esse usos.^ Allein im
fRergleide dieſer ES chriftzüge mit andren uns gu Gebote
ftebenben Hanpfihriften, bei ben charakteriſtiſchen Merkmalen
mehrerer fBudjjtaben, dürfte derjenige faum irren, welder
dieſe Gloffen in jene Zeit verweist, in welder das Schrift⸗
ſtudium hauptſächlich in Fulda blühte — in bie Zeit des
erft vorhin erwähnten Rhabanus Manrus.
Es wäre fofort das Vaterland be8 Tertes feiner
gahyem Außern Befchaffenhelt nad) mit mehr ald halber
Gewißheit in Italien zu fuchen, woher wohl alle im
Uncialcharakter gehaltene Codices unfres teutfchen Baters
fanbeó, bei bem ungemein ſtarken Verkehr, in weldjem vie
einer Versio Antehieronymiana be8 a. T. 407
erſten teutſchen Glaubensboten mit Rom flanden,. ge
kommen fein mögen, wie denn aud) [pátre Blichöfe bie
herab ind X. Jahrhundert ungemein mit Rom verbrüdert
waren.
Mehr als Alles beweist biefed ber berühmte Codex
Theodosianus over beffet das Breviarium Alarici, befannts
lid) das ältefte Manufeript, welches fld) in Teutfchland
findet, und dermalen in der f, Hof und Staatsbibliothef
zu Münden aufbewahrt wird, wohin es im Sahre 1806,
im Momente ber Befigergreifung des Wirzburger Landes
buch Großherzog Ferdinand, von bem f. Bayerifchen Generals
Landes:E ommisfariate απὸ der Univerfitätsbibliothef Wirzs
burg weldedie Domcodices in Folgeder Säcularifation
erhalten hatte, nad) Mündyen zur Eentralftaatsbibliothef übers
fidt ward. Bon ihm gilt fiher, was von Gdfart bereits in
feinen Commentariis de rebus Franciae orientalis et Epis-
copalus Wirzeburgensis T. I. Pg. 522 vermuthet: daß
der Dl. Burcard tiefe Handſchrift „rarisstmum illud Codicis
Theodosiani exemplar, Pandectis Florentinis aetate si non
superius, saltem aequale* mit (id) von Rom nad) Wirzburg
bradjte: — „Homines ecclesiastici — fügt er bei — legi-
bus Romanis vivebant, quae Codice Theodosiano compre-
hendebantur* — ein Umftand, der um jo mehr Begrüntung
findet, als das nod) vorhandene Evangeliare des heiligen Bur-
cards, welches dem 6. Jahrhundert angehört, ſicherlich Römi⸗
chen Urfprungs ift, aljo von Rom nad) Wirzburg fam, mie c6
denn überhaupt ein wahrer Genuß fein würde, wenn jemand im
Ctante wäre, die Reifbefchreibung ber Codices zu fertigen!
Mer würde 3. B. in der Dombibliothef zu Bercelli das
im IX./X. Jahrhundert gefertigte, aus bem Klofter Fuld
ftammenbe, Missale des Biſchofs Heinrih von Wirzburg
27 *
408
Fragmente
ſuchen? Und dennoch befindet ſich ſolches bis auf den
heutigen Tag dort, und ift kenntlich durch feine bem X. Jahr⸗
hundert angehörige Schlußſchrift:
Noverit astantium & futurorũ populorũ pia
devotio queadmodu Erkanbaldus sci fulden
sis collegii puisor indignus. Heinricho sce Vuir
ziburgensis psuli uenerabillimo. libru hunc
missale, dó scisq. suis seruiendu prestitit. eo
dicto ut post terminum uite sue ad di sciq.
bonifatii seruitium sine dilatione psentetur
Anlangend nun den Inhalt ber veróffentlidten Frag⸗
menten [o möge hier eine Probe aus Oſeas IX, 4 unter
Beifegung der Vulgata ftehen:
Fuldaer Gober.
v. 4. Non libaverunt domino
vinum et non placuerunt
ei victimae eorum. sicut
panis Juctus eius
Omnes qui manducaverunt
ea coinquinabuntur.
. propter quod panes eorum
in animas eorum.
non intrabunt in domum
domini.
. Quid facietis in die
mercatus et in die
sollemne domini
propter hoc ecce ibunt
ex infelicitate Aegypti.
et suscipiet eos Memphis
et sepelivit eos Machmas.
argentum eorum interitus
possidebit et spinae
in tabernaculis eorum.
Bulgata.
4. Non libabunt Domino
vinum et non placebunt
ei: sacrificia eorum quasi
panis logentium:
omnes pui comedent
eum, contaminabuntur:
quia panis eorum
animae ipsorum.
. Quid facietis in die
solemni, in die
festivitatis Domini?
6. Ecce enim prefecti sunt
a vastitate: Aegyptus
congregabit eos, Memphis
sepeliet eos: desiderabile
argentum eorum urtica
haereditabit, lappa
in tabernaculis eorum.
einer Versio Antehieronymiana be8 a. S. 409
7. Venerunt dies ultionis tuae 7. Venerunt dies visitationis
venerunt dies perditionis tue venerunt dies retributionis:
et male tractabitur istrahel. scitote Israel stultum
sicut profetes qui extitit prophetam insanum
homo spiritalis. a virum spiritualem, propter
multitudine iniquitatum ' multitudinem iniquitatis tue,
repletus insaniae. et multitudinem amentiae.
Was num ben Werth biefer Fragmente betrifft, fo ift
vorerft ind Auge zu fafjen, daß hier ein Product vorliegt,
welches fdjon aus diplomatifhen Gründen wenigftenó bem
VI. Jahrhundert angehören muß. Infofern gewähren biefe
Fragmente jenes literärifche Intereſſe, melde jeder Urs
theilsfähige beim Auftanchen unbekannter Denfniale ber
Pergangenheit zu haben pflegt.
Allein weit höher als dieſer generelle ftebt ver fpeciell
theologifche Werth dieſes ehrwürdigen Fragment's der Ver⸗
gangenheit, welches eine ber aälteſten lateiniſchen Verſionen
des alten Teſtamentes bietet, deren Einfachheit ja gewiſſer⸗
maſen Rufticität auf jene Zeit des werdenden Chriſten⸗
thnmes hinweist, welche bad Verbum Dei scriptum hoch
haltend, Nichts wollte, als daß jedem ermöglichet würde,
ans jener Quelle des Heild zu fchöpfen, wie Tertullian
in jener claffifhen Ctelle „Adversus gentes C. XVIII* wo:
er auf die Entflehung ber Septuaginta hinweist, bezeichnend
fagt: „Sed quo plenius el impressius tem ipsum quam
disposiliones ejus et voluntates adiremus, instrumentum
adjecit lilleraturae, si quis velit de Deo inquirere, et
inquisitum invenire, et invento credere, et credilo de-
servire“.
Daß mit der Ausbreitung des Chriftenthumes aber
ble Nothwendigkeit einer fateinifen Verfion für jene bet
Roͤmiſchen Zunge fid) Bedienenden, nothwendig warb, ift
419 Fragmente
einleuchtend, $a bie Septusginta bod) für Tauſende vor
Ehriften, und eben für die ármere Volksklaſſe ein ver⸗
ſchloſſenes Buch blieb. Denn fo wenig Beute qu Tage in
per neuen Welt Alle ein Branzöfifch geſchriebnes Bud,
zu lefen vermögen, fo verbreitet aud) blefe Sprache ift, fo
wenig verftund in ber alten römischen Welt das Volk in
feiner Mehrzahl bie griechiſche Sprache, obſchon bleje, wie
jattfam befaunt, να war, was heut zu Tage dad Frans
zöſiſche ift.
Diefes der Urfprung jener uralten lateinischen Ver
fionnen, deren eigenthümliche Beichaffenheit im 9erpáltniffe
zu bem Urtert und der Sepluaginta jeven Schriftforſcher
unwillkuͤhrlich fejfelt, unb an jene Auguſtiniſche Itala et»
innert, über deren eigentlichen Wejenheit bis heute nod
Niemand ind Reine fommen fonnte, weßhalb aud) jede
Entvefung eines Stüdes einer fo uralten Verſton jeder
Zeit ein Stein zum Weiterbau in ber Frage ift: Welches
eigentlih das Original ober bie Itala jei, eine Frage die
übrigens nie ganz zum Abfchluß gebracht werden dürfte,
nadbem nun einmal burd) bie in ber Kirche zur Geltung
gefommene Bearbeitung des BI. Hieronymus die alten Vers
fionen zu Grunde giengen, wozu namentlidh der Gebrauch
des Referibierend des Pergamentes „Codices palimpsesti*
ungemein viel beigetragen haben mag, ba allerdings vurd)
den fixdjliden Gebraud) her Hieronymianiſchen Bearbeitung
jene alten Berfionen für die damaligen Vefiger ihren,
Merth verloren.
Anderſeits fonnte man fidj aber wohl um fo leichter,
zu jolden Umſchreibungen entfchließen, als immer nur
einzelne Schriften, nie das Ganze vertilgt zu werben fchien,
durch welche Praris man zugleich bem bekannten Eonftantings
einer Versio Antehieromymiana be8 a. X. 411
politaniſchen Concilien Beſchluß genügt zu haben glauben,
mochte, ber ein allgemeines Berbot Eremplareder Bibel
zu. rejerihieren gegeben Batte.
Indem auf viefe Weife die lateiniſchen Urüberfegungen
ber Bücher be& alten Teftaments faft gänzlich zu Grunde
giengen, gieng aber audj — abgefefen von dem critifchen
Werthe, ben jede lleberfe&ung für dad Original hat —
eine Grlänterumgsquelle für das Verſtaͤndniß unb für bie
Erklärung der älteften lateinifchen Vaͤter verloren, bie oft
mals ſchmerzlich entbehrt wird.
- Jeder Beitrag, ber demnach zur Ergänzung des Vor⸗
handenen, ober zur Wiederherftellung des Verlornen — gleich⸗
viel innerhalb ober außer bet Fatholifhen Kirche gefchieht,
fanum nur mit Freude aufgenommen werden, [omit aud)
bie Arbeit Ranfes, tec dieſe Sragmente wirklich recht tüditig
bearbeitet bat, und überbieß in ber Bearbeitung lediglich
den objectiven Etandpunft fefthält, fo daß man faft Alles
was er jagt — aud, als Fatholifcher Theologe unterfchreiben
fann.
Ranke fpridt nun Gap. 2. „De antiquae latinae sacr.
liter. versionis interilu^ und beutet an, daß nad bem
Seugniffe óber beffer nad) den Klagen ber Väter bie latei⸗
nifche lleberfegung der heil. &drift am Ausgange des Aten
Sahrhunnerts durch bie Adfchreiber fo verdorben gewefen
fei, daß ber B. Hieronymus fid an eine neue lleberjegung
wagte, welche anfänglich Biel getabelt, nad) unb nad)...
„ad summum auclorilalis ecclesiasticae fastigium“ gelangte.
Quo factum est — fährt er fort — ut paucis quibusdam
scripturarum parlibus exceptis, quas Ecclesia Romana usque
ed hunc diem secundum anliquam versionem legere con-
suevit, i. e. Psallerio, libris Sapientiae, Ecclesiastici, Macca-
412 Fragmente -
baeorum, nonnullis librorum Estherae ac Dunielis capitibus,
epistola Jeremiae et propheta Baruch, illa ipsa, qua ante
Hieronymi aetatem quicunque latine loquebantur Christiani
usi sunt, versio non solum ex consuetudine sensim sen-
simque in desuetudinem abierit, sed temporum injuria
fere tota disparuerit.*
Er befanbelt bann Gap. 2 die rage: ,Quid viros
doctos sd restituendae illius versionis conatum impulerit^
und führt bie Meinung von Blandini auf, ber fid) deß⸗
halb fo viele Mühe gab, weil er annahm : illam principio
nascentis ecclesiae a — nescio quo — Apostolorum aequali
sapienter esse elaboratam.* (δ ift dieſes reine Gonjectur,
die bem Profefjor Ranke mit Recht ebenfoniel gielt αἱ
jene frühere Anficht des Ifaac Bolfius, ber in feiner Ab»
handlung „De Sibyllinis oraculis^ c. XIIL conjecturierte,
daß die lateini[de Heberfegung des alten Teftaments vor»
apoftolifhen Urfprungs fei. Dagegen ftimmt er jenen
bei, bie einen befonberen Werth ber Itala in bem Umftande
fudyen, daß fid) die ‚Väter berfelben fo oft und erfolgreich
in ihren Cdriften beblenten, und nod) -mehr bem bereits
300 Sabre alten Ausſpruche des Flaminius Nobilis, jenes
berühmten Interpreten der Septuaginta und Bibelmanneg
im wahren Wortfinne: ,magno doctos piosque homines
desiderio affectos fuisse, illam qua latini patres ante beati
Gregorii tempora privatim publiceque ad fidei doctrinam
moresque formandos usi essent, versionem integram le-
gendi: quippe sine qua praeclarae illorum lucubrationes
vix aut ne vix quidem percipi interdum possent.* Diefer
Grund ift auch, wie (don früher angebeutet, der gewichtigfte,
abgejeben von bem: Einfluffe, den bie vollftánbige Itala
anf die Textcritik der Bibel üben würde, worüber ble Aus⸗
einer Versio Antehieronymiana de A. 3. 413
ſprüche Mill's, Mai's und Tiſchendorf's angeführt werben.
In bem 3. Capitel wird die Frage erörtert: „Quid
potissimum in restituenda illa a viris doclis praestitum
sit?“ und werden bier bie SBerblenfte Martianay's
(Vulgata antiqua latina et Itala versio Evangelii secundum
Matthaeum et epist. canon. Jacobi. Paris 1695.) Saba⸗
tier’3 (Bibliorum 8. lat. versiones. Remis 1743. Paris 1751.)
‚Blandini’s (Evangeliarium quadruplex latinae versionis
antiquae seu veleris Italae. Romae 1749), forie des uner
müblihen Gifdenborf'é(Evangelium Palatinum ineditum.
Lipsiae 1847 u. s. w.) aufgeführt, unb zugleich beflagt,
baf für das alte Teftament fo wenig übergeblieben fel:
„Nam e tota librorum Vet. Test. historicorum serie praeter
librum Esther, e MS. Corbeiensi a Sabaterio edilum et
cantica, quae Exod. XV. Dt. XXXII et I. Samuel II legun-
tur in compluribus MSS. obvia et post Blanchinum a Sa-
baterio edita, nihil ad nostram aetatem pervenit. Psalmorum
quidem plures uno codd. veluslissimi superstites sunt,
sed Jobi, Proverbiorum, Ecclesiastae atque Cantici canti-
corum versio anlehieronymiana aetatem non tulit; nec
magis s$ nonnula Jesaiae, Habacuci, Jonae οἱ Jeremiae
capita, quae vel Thomasius vel Blanchinius vel Sabaterius
ediderunt, et fragmenta quaedam, quae nostro saeculo
Federus in codice rescripto Herbipolensi repperit atque
eruit, Munlerus vero publicavit, exceperis, prophetarum
antiqua interpretatio superstes est.
Anlangend legtete Fragmente, jo befam die K. Unis
verfität Wirzburg mit den Hanpfchriften ver hiefigen Doms
bibliothek im Jahre 1803 einen Gober des h. Auguftinus,
befien Commentar über 32 Pfalmen enthaltend, welder
im Iten Jahrhundert über eine Handſchrift, die Im älteften
414 Fragmente
Uncialcharakter gefertigt eine Antehieronymianiſche Verfion
der Propheten enthielt, — geſchrieben wurde.
Der damalige Oberbibliothekar Geiſtliche Rath Dr.
Michael Feder ſuchte nun, ſo weit ihm immer mit dem
Auge möglich, die Urſchrift zu entziffern, was um fo merk⸗
würeiger ift, als Weber im 19ten Jahrhundert der erſte
war, ber nad) ben wenigen Vorgängern bes 18ten Sabe
hunderts, fein Augenmerf auf eine [oldje Arbeit warf.
Bereitö im Sabre 1808 warb über das Refultat blefer
Arbeit in dem Buche des vormaligen Domſtifts⸗Archivars
% 4. egg „PBerfuh einer Korographie der Erz unb
Sroßherzogl. Haupts und Reſidenzſtadt Würzburg. I. Bnd.
€. 361—375" Mittheilung gemacht; indeſſen unterblieb
die Veröffentlichung bi ber befaunte nordiſche preteftantifche
Biſchof Münter fie auf einer Reife in hieſiger Bibliothek
fab, und bat, folde veröffentlichen zu dürfen, mas ihm
auch Feder obue Anftand geftattete. Die Ausgabe erfchien
»Fragmenta versionis antiquae latinae antehieronymianae
prephetarum Jerermiae, Ezechielis, Danielis et Hoseae
— e codice rescripto bibliothecae Universitatis Wir-
ceburgensis. . . Hafniae 1819. 40,
Was man nament(id) Sabatier's Bemühungen anbelangt,
jo äußert fid Ranfe Gap. 4 „Qua in re excellentissimi
restilutoris summus error existal® daß durch bie vielen
Gntbedungen und Herausgabe alter Schriftwerle, die, ble
Welt bem Garbinal Angelo Mai zu danken hat, Cabe
tier (qui „improbi illius qui omnia vincit laboris indefes-
sacque industriae ac sedulitatis exemplum omni aetati
venerandum praebuerit“) vieler Ergänzungen bebürfe, In»
befjen fib in feiner Ausgabe aud; Vieles als Fragmente
ber Hala aufgeführt finde, was er nur in feinem Eifer für
einer Versio Antehieronymiana beà U. 3. 415
Herftellung feines Werfes, wohl vurd) feine critifchen Nor⸗
men mandmal irre geleitet, αἱ ſolche Ueberbleibſel aufnahm.
Diefe 9infigt Rankes if ganz richtig. Denn man
würbe fehr irre gehen, wollte man glauben, bie Kirchen⸗
vater und Kirchenſchriftſteller hätten bei ihren Gitateu
immer nad einem vorliegenden Gremplar bec
Bibel ihre Stellen aufgeführt! Sie citierten bie Stellen
eben audj aus bem Gedächtniſſe, wie dieſes 3. 3B. jeder
geübte und tüchtige Prediger Dente nod) tbut und thun
muß, wenn ihm eine verſchwommene, matte, ober verfüßelte
Üeberfegung ber Bibel — wir erinnern nur an bie Allioli'ſche
— nicht zufagt.
Sm 5. Gapitel „Quibus maxime sludiis restilutionis
opus sit promovendum“ gibt nun Ranfe indem er Saba
tier's Qebigriffe im Weiteren ausführt negative Regeln,
nad, denen bei der Reflitution ber Itala verfahren werben
muß. Uns bünft aber, daß aud) die höchſt forgfältigfte
Benügung der Väter nie ein ſichres Fundament zur Hera
ftelung des Textes, namentlih für das alte Teftament,
geben werbe, fonterm baf hier nur das Auffinden alter
eielifder Handſchriften eine neue Baſis bieten.
fónne. Zwar ift nicht wahrfheinlih, daß nod) viele un;
verjehrte Codices vorhierongmianifcher Verfionen des alten
Zeftaments, in ten Bibliothefen unebiert vorhanden feien,
aber höchſt wahrſcheinlich, ja gewiß, daß nod) viele vefcribierte
Codices vorhanden fein müflen, deren Urſchrift ſolche
vorhierongmianifchen VBerfionen enthielt, zu deren Wieder
anffinden eben Zufall, Glück, gute Augen, tie Gioberti[de
Zinetur und Ausdauer gehören! . |
Wenn z. Ὁ, Nanfe, wie oben angeführt, erwähnte:
». » „ Proverbiorum ., versio antehieronymiana aetalem
416 Fragmente
non tulit^ fo ift εὖ intereffant, zu woijfen, daß der talent
volle junge Mone bei ber Bearbeitung feines rejcribierten
Plinius wirklid auf ein Bragment berjefben fam. „Deni-
que“. — fagt er in feiner {εὖτ inftructiven Echrift: „De
libris palimpsestis tam lalinis quam graecis. Carlsruhae 1855.
Pg. 49“ nos versionis ante Hieronymi authenticum frag-
mentum in eodem codice Hieronymi bibliothecae monasterii
ad S. Paulum in valle Lavantina Carinthiae invenimus, ex
quo codice rescripto C. Plint Secundi naturae historiarum
fragmenta edidimus. Quod fragmenlum saeculo V con-
scriptum libri proverbiorum Cap. XV. v. 9—26, Cap. XVL
29—33, Cap. XVII. 1—12 continet et praecipue idcirco
prae omnibus versionibus insigne est, quarum cum nulla
alia consentit, quod est pars versionis ex hebraico ser-
mone in latinum translatae (??). Duo sunt folia nunc
mulilata, quae integra longitudinem 0, 35 et latitudinem
0, 18" mensurae franco — gallicae habebant, literis
majusculis unctalibus majoris formae conscripta saeculo
quinto. Singulae paginae vicenis binis lineis sive versi-
bus sunt exaratae ; maxima linea 31 literas, minima 9 fere
continet.*
Ginige Verſe mögen ald Probe gelten, unb bewelfen,
daß tiefe lleberfegung weit beffer als jene ber Vulgata ift.
C. XY.
10. Disciplina hominis sine malitia denoscitur pre-
tereunlibus, nam qui oderunt correptionem
moriuntur turpiter.
11. Inferi et mors manifesta apud Deum, quomodo
non eliam corda hominum.
12. Non amabit indisciplinalus corripientes se, et
, cum sapientibus non conloquetur u. |. tv,
einer Versio Antebieronymiana des 9f. T. 417
Die Herausgabe der Fragmente felbft befangenb, fo
gab Ranfe einen genauen Abdrud ber einzelnen Eeiten
unb der auf ihnen befindlichen Kolumnen — gleichſam
als Facfimile des Ganzen, infoweit bie Druderei mit den
entfprechenden Formen verfehen war, inbefjen er befufé
des critifchen Gebrauchs diefer Fragmente
a) die Sepluaginta nad) Tiſchendorf's Ausgabe,
b) tie entbedten. Fragmente,
c) Antiqua versio latina ab Hieronymo emendata,
d) Hieronymi Vulgata nova
in 4 Golumnen neben einander fteffte, dagegen in ben Ans
merfungen jene Vaͤterſtellen gab, in welden eine ober bie
andere Stelle der treffenden Propheten aufgeführt wird.
Das critijde Gnbrefultat diefer fleißigen und umſich—
tigen Arbeit ſtellt Ranke mit ben Worten feft:
a) Triginta sex esse locos in quibus Fragmenta
nostra ab omnibus, qui sunt, graecis codicibus
V. T. recedant. Quod vero ad nominatissimos
codices special, praeter illos videmus
b) XXXIII locos, in quibus diversa exhibeant et a
Vaticano et ab Alexandrino,
c) XVIII autem, ubi cum Alex. faciat contra Vat,
et XIX, ub cum Vatic. conspirel contra Alex.
d) denique, ubi tum ab illo tum ab hoc dissident,
ibi illa haud raro cum iis codicibus minusculariis,
pui in editione Holmesiana numeris 22, 26. 49.
153. 311 insigniuntur, cernimus convenire, ita
tamen ut nonnulis aliis in locis ab iisdem dis-
senliant.
Qua in re, ut quae mihi videantur esse gravissima
breviter eloquar, primum novarum leclionum variantium
418 Fragmente
numerus non exiguus nobis praebefur;. deinde quod ad
accuratam codioum MSS. notiliam attinet, fragmentis nostris
neque eorum conjeciura qui antiquam versionem lalinam
magis ad codicem Alexandrinum accedere quam ad Vati-
canum arbitrati sunt, fulcitur, neque aliorum opinio
confirmatur, qui Vaticano illam similiorem esse quam
Alexandrino exislimaverunt. In multis enim illa quum
ab alterutro dissidere animadvertimus, in multis eadem
cum alteroutro facere videmus; ita ut utri propinquius sint
conjuncia dici nequeat.
Ans einem verhältnißmäßig jo Fffeinem Fragmente
ergibt fid) fofort abermal ble Wichtigkeit biejer alten latet;
niſchen Berfionen.
Anlangend bie Glofjen — 1o haben folde, wie uns
wenigftend ſcheint, einen eigentlih theologifch eregetifchen
Werth eben nicht, allein ehrwürdig find und bleiben fie
*turd) ijr Alter, wie denn aud) vie Abfaffung derfelben
einen belefenen Schreiber verrathen.
Zu Oſeas 8, 1 las Ranke tie Gloſſe: [„inimicum
persecuti sunt sibi] quod ipse sibi inimicum excit (at a)
‚liter LXX sic velainus.4 In ter Nota fagt Ranfe: „Fa-
teor me in legendo hoc nomine diu incertum huaesisse,
ita ut aliud quoddam iflis lileris expressum esse suspicarer :
sicut. latinus ; sed hoc nec characteribus nec celerorum
glossae "verborum sententia tantopere commendabatur,
quanto quod supra posui velainus sive, si quae lineola
transversa disparuisse recte mihi videbatur, eelatinus ;
qui vir secundum hanc glossam s. scripturae vel saltem
Hoseae prophetae velus interpres, quum tot saeculis quod
sciam protinus velatus fuerit, nomimis mirabilem vita ...
comprobavit.
einer Versio Antehieronymiana des U. 3. 419
Allein das ganze Argument ſcheint ſich am €nbe auf
ein irriges Lejen zu bafteren. Abgefehen bag ver Rame
Velainus over Velatinus in ver chriftlichen Kirche
und in ber Literaturgeſchichte ein nie vorfommenver ift, fo
gibt bie mögliche, von Ranke felbft angeführte Leſeart
sicut latinus^ vie nahe liegende Vermuthung, baf ber
Gloſſator vie Lefeart- der Septuaginta — gleichviel nad
welcher Worm, bem lateinischen Tert emtgegen ege, ſomit
fagte: daß anders die LXX — fo aber „inimicum perse-
cali sunt sibi^ ber lateinijde Tert leje: „aliter LXX sic
vero latinus (scilicet textus).*
Am Uebrigen wäre herzlich zu münfdyen, daß der Schluß
bed Verfafjers zur Wahrheit würde: „Ceterum fieri potest
ut ab iis, qui ad bibliothecas sedent commodoque ad
membranarum scrinia aditu fruuntur, vel aliorum versionis
antiquae codicum, vel ejusdem, cujus aliqua folia ut inve-
nirer& mihi contigit, alia eliam fragmenta deteganlur.
Antiquae enim versionis codices postquam Vulgata nova
in ecclesiis introducta fuit ad libros compingendos facillime
adhibebantur. llla cero folia nostra quum codici cuidam
agglutinata fuerint, qai judicibus avchaeologis (?) saeculo
circiter decimo quinto compacéws est, ipsa testantur,
originale cujus olim fuerunt columen sero demtím
lempore dilaceratum fuisse; unde ewspecialio oritur,
fore wi si illius aliqua folia ad parandas aliorum co-
dicum compaciuras adhibita sunt, ea fuluro tempore
iidem inveniantur. Quod ut feliciler eveniat, quoniam
quo major fuerit manuscriptorum copia allata, eo clarior
his rebus lux affundelur, etiam atque eliam opto.*
Allein baf felt ber SBerrüftung der Stifts⸗ unb Kloſter⸗
bibliothefen ein großer Theil viefer Bragmente turd) Macn-
M
420 Fragmente
lierung für ewig verloren fel, ift nur zu gewiß, objchon
pereinted Suchen immer no mandje Cntbedung machen
mag, nidt nur für die Itala, jonterm aud) für Liturgie,
bem in ber Kirche fortlebenden Worte Gottes !
Eo befand fid) erft vor 2 Jahren in der Hand eines
Suben aus bem Wallerftein’ichen ein kleines Octav Papiers
manufcript, 24 Blätter fart, entfjaltenb eine werthlofe „Histo-
ria de bla Virgine,“ Blatt 24 fand fid) die barbarifche Unters
ſchrift: „Scripta est historia hec jussu precibusque vene-
rabilis Dne Dne Dorothee Castelrmurerin per me Joaumé
Simde Trophero natü in cenobio Scti Divique Joannis
baptiste Valli in monasterii Anno Christi 1509 quindecimo
calendas Januarias finita — .. — Ihr Φίοβ (id eine
10 Blätter ftarfe „Historia de Scta Dorothea“ an.
Allein dieſes werthlofe Manufeript war bei feiner
Anfertigung in ein Foftbares Bergamentblatt des Bten Jahr,
hunderts eingeheftet worden — welches, urfprünglich 11 Zoll
hoch, faft 7 breit, — das erfte Blatt eines Sacramenta-
riums bildete mit der in Quadratcharakteren befindlichen
Ueberfchrift:
In nomine Domini nostri IHV
XPI Et salvatoris MVNDi
Incipit. Liber Sacramentorum
Ecl. Orationis ANNI
Circuli Orationes
Et Preces: DMIS
Bon diefem in Angeffächfifcher Halbcurſive gefchriebenen
Blatte, welches natürlich auf der Außenfeite feit 1509 ſehr
abgenugt morden war, nahm der Echreiber blefer Zeilen
(da ein Ankauf an bem lingebote des Befigerd fcheiterte)
einer Versio Antehieronymiana des U. 3. 421
ſchnell eine Abſchrift, vie hier fteben möge zum Beweife,
wie werthvolle Fragmente nod) zufällig auftauchen fónnen.
.. „se Oblenente et te remuneranle perveniat illuc
.plebs ad quesila per gratiam, ubi te caelis com-
paratis ipse vidit in gloriam; quod ipse.
Benedictio de Innocentibus. ')
Benedicat vobis Dominus Deus, noster atque animas vesiras
corporaque sanclificet; Et qui sacris pueris martyrii gra-
liam praestitit, eliain vobis indulgentiàe munera largiatur.
Dans vobis in labore ..., in opere virtutem, in connalu
prosperitatem, in, consummatione justiliam ; et illam vobis
tribuat astuliam mentis, quae non jam alimentum disiderat
lactis, sed solido cybo refecta proficiat in praeceptis; quod.
Suscipe sancta Trinitas hanc oblationen, .quam tibi
offero pro imperatore nostro ill.. et sua venerabili prole,
pro stratu?) regni Francorum et pro omni populo Chri-
stiano; pro abbate nostro et nostrae congregationis salute;
pro omnibus in XPO fratribus et sororibus nostris, pro
elemosinis, vel agapes nobis facientibus, pro is eliam,
qui se in nostras commendavere horaciones, et qui nostri
memoriam in suis continuis oralionibus habent; ul hic
veniam recipiant peccatorum et in futuro premia consequi
mereantur eterna. P. Dnm.
—P À
Gewiß für bie alte Liturgie eine Perle, wie Ranke's
Fragmente eine folde für die Gregefe find.
Wirzburg. Dr. 9. S utfanb.
1) Im Originale tof unb abbreviert: BC de INNOCEN —
Natürlich find im Abdrucke alle Abkürzungen aufgelöst.
2) Wahrſcheinlich „pro stata oder „pro prosperatu.“
Theol. Quartalſchrift. 1857. U. Heit. 28
Il.
Rerenfiouen
Dr. f. €. Movers: Die Phöntzier. a) Steligion und Gott«
heiten ber Phönizier. Bonn 1841. b) Politiſche Ges
fhichte und Staatsverfaffung. Berlin 1849. c) Gefchichte
‘der Gofonien D. 1850. d) Handel unb N D.
1856, Dr. 20 f. 24 ἔν.
Eine dem Raume biefer — entſprechende An⸗
zeige der voranſtehenden Unterſuchungen, die in längeren
Zwiſchenräumen erſchienen find, duͤrfte aufer der Wichtig.
feit dieſes Volkes, das mit bem Altteſtamentaliſchen in nächfter
unb unmittelbarer Verbindung ſteht, aud) dadurch gerecht⸗
fertigt erſcheinen, daß dieſelben, unſers Wiſſens, noch nicht
vom theologiſchen Geſichtspunkte gewürdigt worden find.
Movers Debt mit ber „Religion ver Phoͤnizier“ an,
feine Grundanſchauung über biejelbe läßt fid im wefent-
lichen aljo zuſammenfaſſen: ie phöniziſche Religion fei
ebenfowenig wie bie hebräifche von Hans aue Raturreligion,
erft allmälig wurden ble reineren Ideen einer älteren Res
ligionsſtufe verbunfelt, nie völlig vertilgt (168). Die Phö⸗
nizier, ein ſemitiſcher Volksſtamm (1), eigneten fidj nad
ihrer Einwanderung In Ganaan, zu einer Zeit ble über ben
Anfang der Geſchichte hinausreicht, ben Staturbienft ber
die Moͤnizier. 423
Einwohner an, in welchem vie Raturfräfte mptplid) pev,
ſonifitirt wurden (148 f.). Die Gottheit wurde nad menſch⸗
licher Analogie als Dann und Weib gebadjt, jedem werben
diejenigen Kräfte und Erfcheinungen in der Natur juge
theilt, die feinem Geſchlechte am angemeſſenſten find (149);
ſchwerer fet εὖ jedoch, ble Grundidee der weiblichen Gott»
heiten zu -unterfihelven und zu vermitteln (559). Heroen-
dienft iſt mit bios bei ven Phoͤniziern, ſondern durchaus
bet allen Drientalen unerweislich, ebenfo fremd ft denfelben
das ſideriſche Eleieirt, was die Klaſſiker hier widerſprechend
bezengen, beruht auf Unkunde und Mißverſtändniß (536).
Durch Handelsverbindungen und Colonien brachten die
Bhönizier ihre Gottheiten nad Egypten, Aſten und Gries
chenland, insbeſondere fann der Einfluß bet phöniziſchen
Religion auf ble griechiſche nicht bebeutemb genug anges
fWlagen werden (48), aber aud) bie Phoͤnizier elgnetew fid)...
vieles aus ber griechiichen Mythelogie an, dadurch entftan⸗
ben bie mixta composita: Baalsaturn, Bualmars (184)
wm. f. w. Mit der Herrſchaft ber Aſſyrer In Vorverafien
erlitt das phoͤniziſche Gotterweſen eine bedeutende Umge⸗
Haltung durch Aufnahme von aſtrologiſchen Elementen; eine
gämztiche Veränderung hingegen trat mit ver djalodifden
und perſiſchen Weltmonarchie ein: Chaldäer Bhönizier Pers
fer taufchten ihre Gottheiten und religiäfen Vorſtellungen
ein; überall ſchmolz dergeflalt die ſemitiſche Religion mit
der aſſyriſch⸗perfiſchen. zufammen (73). So ift Belitan ges
wöhnfich El benannt und urſprünglich derfelbe mit Jehovah
(312), bie höchſte Gottheit der Semiten, nad) eingetvetener
Steflerion Über ben Planetenlauf ber. Bótifte Planet Saturn
geworben, in er jüngern morgenlandiſchen Aſtrologle mit
gaͤnzlicher Veraͤnderung feines Grundbegriffe ein Unglücks⸗
28*
42A Movers,
planet (310). Der aſſyriſch⸗chaldaͤiſche Moloch verbindet
ſich durch Theokraſie (301) mit El⸗Saturn (315) und
verwandelt ſich hinwieder im puniſchen Dyoniſos (325);
ſein Stern iſt der Feuerplanet Mars, endlich nimmt er im
Durchgang zum ſyriſchen Naturdienſt den Charakter der
unzüchtigen Mylitta an. Der tyriſche Zeus Baal, der in
Samarien und Jeruſalem verehrt wurde und mit Herakles
einerlei ift, tritt fpäter ganz in Hintergrund, und wird ba
fein Reich vollends endet, nach Wanderung aus. dem phöoͤ⸗
niziſchen in das egyptiſche Pantheon (525) ſogar ein böſes
Weſen: ber Dämon. Ihm zur Seite ſteht unter ben weit
lichen Gottheiten: Aſchera ein in einer Säule verehrtes
Idol, ber Movers zuerft eine felbftfländige von ber Aftarte
verschiedene Kriftenz im afintifchen Olymp vinbicirte, bie
aber ber neuefte Erflärer des Buches der „Richter“, ‚wie
, e und jdeint, mit Recht fireitig macht. Der Gegen
part zu Moloch ift bie Beuergöttin Melehet (609), die
ſidoniſche Aftarte, bie alte aſſyriſch⸗perſiſche Kriegsgöttin
&anaió, ber ald Dido die Erbauung von Karthago zuger
foprieben wird (620), in der Vermiſchung des phönizifchen
und [prijden Cultus wird fie der Planet Venus (607) unb
verwandelt dort, wo fie mit ber vorzugäweife verehrten
Mylitta zufammenteifft, nad) allen Spuren ihren Charakter
in jenen ber lesteren (615. 631) u. j. wv.
Jede Darftellung ber heidniſchen Religionen muß. von
ber Frage: wie. ber Potytheismus yrfprünglih aus dem
Monotheismus entganben fei, ihren Ausgangspunkt nehmen,
wer biefe nicht be[riebigeno löst, wird kaum eine haltbare
Anſchauung des Qeibeutjumé aufftelen. Das alte wie
neue Teftament gibt hierüber nie genug zu würbigende Aufs
Ichtüffe; denn baf man mit ber Boransfegung des gegen:
die Ἰθϑϑη δες, 425
feltigen. Götterandtäufches burtb Handel, Golonien, Unter
werfung nicht ausreiche, wird niemand verfennen. Movers
Hat nidt-für nothwendig erachtet, ben Spuren der heiligen
Echrift nachzugehen und mas fle berichten auseinander zu
ft&enj hiedurch geſchah es, daß viele wefentliche Etüde
' feiner Unterfuchung über die Religion eines fo alten Volkes
feer ausgegangen ; wir meinen: das Opferwefen, bie Magie,
vie Mythen, welche fid auf bie Schöpfung, Fluth u. f. w.
beziehen ; nicht einmal das Berhältniß ber A. T. Religion
jur phoͤniziſchen If im Zuſammenhange erörtert worben,
twiewohl and zerftreuterr Bemerkungen fein. Zweifel über
die Anficht des Verfaſſers hierüber obwalten fann. Da ges
τάδε hierin Moverd am ftärfften von der Wahrheit abirrt, ὦ
und anberfeli& gerade vie für eine richtige Beurtheilung
der fraglichen Unterfuchungen maaßgebend ift, fo muß eine
gedrängte Zufammenftellung berfelben zur Orientirung hier
nothwendig einen Platz finden. Movers verfihert €. 315:
er nehme feinen Anftand, den Mofaismus In Sufammen:
hang mit bem religiöfen Ideenkreis bet. fpradjs nnd ſtamm⸗
verwandten Voͤlker zu bringen und (fm „für eine Vered⸗
fung des vorberaftatifchen Saturndienftes (ba aber Saturn
mad ©. 400. 401 Moloch ift: alfo bed Molochvienftes)
anjufeben ; aus bem fi bann unter Mofes ber Jehovah—
blenft feraudgerungen. Die mofaifhe Religion ift zwar
Peineswegd als eine Entwicklung aus bem Heidenthume zu
betrachten, fonbern im Sinne ber heil. Schrift für eine
Reftitution, ber reineren Gottesverehrung der älteren Zeit,
welche zu verfchiedenen Zeiten mehr oder weniger getrübt
war. Zuerft nach bibliffen Nachrichten bei Abrahame
Boreltern in Gfaltáa (Gen. 31, 19—29. Jos, 24, 2 f.);
fpäter in Bolge Ihrer Einwanderung durch Aneignung veg
426 Movers
Cultus der Laudesgottheiten Palaͤſtinas; Bi galt hx
G( Gijon des Königs unb Priefters von Calem für bem
Hebräergott, und bie Ctammvüter be& Debr. Volkes epfevten
an ben, Eultusftätten ber Ganaaniter, wo ein heiliger Baum
eine heilige Quelle ober Betyl fid) befand (8), fo epfette
à Ὁ. auf bem heil. Berge der Jebuſiter Abraham (670).
In weit bebeutenderen Maaße geſchah dies als ble hebräls
{hen Stämme nad Egypten verpflanzt von einem bier
angefiebelten phöniziihen Stamme Hyffes © 315. —
den Cultus des Moloch. und Kijun kennen (evnten, hen
fie mit bem Jehovadienſte verſchmolzen aud) im Palaͤftina
nod lange beibepleften, Das mofaijde Gefe& verpönte
zwar ble tofefien Wornen des 9taturblenged z. B. bod
abgeftugte Barthaar, welded der bem Moloch Bemeihte
als priefterliches Abzeichen trug (36), die unzüntige Cite
Im @ulte des phöniziſchen Herakles, wonach feine Berehrer
weiblide, tie Weiber mánnlide Kleider anlegten, nahm
aber andere mit weifer NRachgiebigkeit unter Modifilation
auf (453) wis: ble Heiligung bec Knäblein durch vie Be⸗
ſchneidung, ein Prärogatiov gegen die bem Saturn zu Ehre
geſchehenen Grieftionen (315), eine Sitte ver Weihung
qn Saturn, bie mit bem Molochvienfte nach Gggpten fam
(362. 3); die Heiligung ber Erftgeburt, die als Umaͤnderung
bet Opferuug der Kinder an Moloch anzuſehen ig, wie
tie aus ber Phrafe „Hindurchgehen laffen vayn^ hie ffo
beide Sitten gemelnfam gebraudjt wird, und aus Ga. 20, 26
hervorgeht, wo ber Profet audbrüdlidy behaupte, taf vie
Siraeliten in Egypten alle Erfigeburt bem Moloch weihten
(328); nicht minder fege bie Subſtitution ber Leviten flatt
des Exſtgeburt voraus, bag früher die Erfigehornen zum
Hierodulendienſte der Molochheiligthümer verwendet waren
bie ϑϑρόπθίει. RT.
(983). In viefen: Ueberbleibfeln eines phoͤniziſch⸗ gyptiſchen
Molochdienſtes, bie ſich im Hebraismus verhalten wie mande
urſprünglich heidniſche Bräuche im Chriften
thum, rechnet Movers ben Azazel im Cevemoniell bt
großen Suͤhne am Verſöhnungstage, ven die Iſraeliten
an Moloch als Mars-Typhon, aid αἀποπροπιφόμος vate
gebracht haben (365 ei 78); ein Ahnlihes Bewandtniß
Int εὐ mit dem Opfer der roten. Kuh als Surrogat bes
Menſchenopfers an Typhon (366) ; mit bem Cabbat unb
ben heiligen Siebenzahl (313), bie in ganz Vorderaſien
beet Saturn Beilig war (315); mit ber heiligen Lade ala
einen Msbertragung ber Sitte, vie Heiligthümer des Moloch
in einen golvenen Lade — Molochkapelle nad) Amos 5, 26
—aufzubzwahren (355); hieher gehört ferner bte 9Infdjauung,
das Schwein [εἰ ein unreines, weil einer imfernalifchen
Macht geweihtes Thier (218) ; wuͤrdigt man ſchließlich bad
ganze Verhältnis deo Iſraelltiomus in Egypten zum Mo⸗
lochdienſte, [ὁ fri εὖ nicht imt geringſten unwahrſcheinlich,
Moſes Babe bue bie Auerdnung deé Laubhüttenfeſtes
eine den Ifraeliten befannte Sitte (der heidniſchen Safürn)
adoptirt und ihr eine hiſtorifche Beziehung auf vae Wohnen
ih Zelten in der Wüfte gegeben (485). Wie vem älteften
phöntzifchen {εἰ aud) bem ifraelitiftben Cultus ber Geftixns.
dienſt fremb gewefen ; hievon finde fich feine Spur, tiejelbe
datire fid evft feit! bem Auftreten bey Afiyrer in Judaͤa
tnter θΠ πὸ, bie Mahnung Deut. 4, 19 (id von bem vers
führeriſchen Himmelsheere nicht bethören gu laſſen, beweiſe
nichts, θα dad Deuteronomium feinem Inhalte nad) zwar
wefentlich mofaift ifi, [eine Faſſung abet In bie aſſyriſche
Periode gehöre (68. 112. 158); wat (don Geben und
Geſenius für bie viel ältere allgemeine Verehrung der
438 Moders,
Planeten: dargethan, wird nicht widerlegt, fóhbern einfach
als zw gefünftelt zurückgewieſen. — Einer ſolchen Ans
ſchanung, welche auf einer gánjliden Berfennung der A. T.
Religion beruht und: durch Ihre Ungeſchichtlichkeit fid) felbfi
richtet, müfjen wir nothwendig unfere Zuſtimmung ver
fagen. Unzählige Stellen des Pantateuchs bezeugen , taf
ber hebr. Monotheismus vem heidniſchen Polythelsmuo
entgegengeſetzt iſt, daß Iſrael In feinen Vaͤtern erwaͤhlt
um ber Träger desſelben zu fen, ein Zeugniß für vie
Kontinnität dieſes Bewußtſeins jelbft während des Anfent-
haltes in Egypten liegt ſchon in ber ausführlichen Auf
zeichnung der Nachrichteri über die Altwäter in ber Geneſis
als das fofibatfle Grbflüd ber Bäter. Das namentlid
tle als Bundeszeichen eingefehte SBefdnelbung (Gen. 17.
Joan. 7) fortwährend in Uebung geblieben , iſt bezeugt
Ex. 4, 24—26. Jos. 5, 5; nod) hätte fd) M. nach θα δ᾽ δ
Vorgang anf ein fo wenig zutreffendes Beiſpiel role (4. 20, 26
berufen follen, we (c. 16, 20) der Brofet die größte Bers
Irrung feiner Zeitgenofien geißelt: die Theilnahme an ben
canaan. Kinderopfern, hätte der Profet die vor.oder mofai»
difche Zeit im Auge, fo würde er bieß näher burdj eim
wejentlih nothmenbiges Inciſum beſtimmt haben, nad
welchem vergebens gefucht. wird. Ebenſo urbegreiflich ift
e$, wie M. ben Azazel als ein Opfer für Typhon deuten
fonnte; παῷ Lev. 16 fol er die Entfernung.ver Sünde,
ble burdj den zweiten als Sündopfer geſchlachteten Bod
bewirkt wurde, ſymboliſiren; Bingegen hat das Rituale des
Sühnopfers bet rothen Kuh zunächft bie Unreinheit des
Tobes einju[djürfen unb bie Hinwegnahme ber &dyufo,
die auf tem Sobfdlage laffet, bildlich darzuſtellen. Die
Ableitung ver Bundeslade won ben fogenannten Moloch⸗
die Phoͤnizier. 429
fapellen beruht auf: einer in vielen: Stücken unriätigen
Erflärung ver fehwierigen Stelle Amos 5, 26; welden
Vers wir ſchon darum febr gern auf die Gegenwart bes
Brofeten beziehen möchten, weil fonft die Strafandröhung
V. 27 in der Quft ſchwebt. Noch ſchwerer dürfte es fein
ju beweifen, bie Urſprünge des hebr. Raubhüttenfeftes felem
in den unzüchtigen Eafäenorgien zu fuchen, wogegen ſchon
vie Verſchiedenheit der Feſtzeit (9. Juli nnb 8. Oftober)
fpridyt, wie unbibliſch dieſe Annahme fel, erhellt aus Lev. 23.
c. N. 29. D. 16, dort wird das Feft als ein gefchichtliches
Erinnerungsfeft gleih dem Paſſa eingefegt und erhielt
jomit auch feiner natürlichen Grundlage nadj als SDanffeft
für die eingefammelten Brüchte die höhere religiöfe Weihe.
€o zieht M., welcher ble Anſchanungsweiſe ber neuen Kritif
über die gefchichtlichen Relationen des A. T. theilt, aus
falífen Boransfegungen falfhe Schlüſſe unb legt ben
Schriftſtellen oft geradezu das entgegengefehte von bem
bei, was fie berichten; eine Methode ble natürlich (don im
Prinzipe grundfalſch ift.
b) Bolitifhe Geſchichte ber Phönizier. Da
mit diefex jene der Golonien (c) parallel lauft, jo wollen
wir beide fondjconiftif) in unferer Anzeige verweben ; bets
jelben werben als Vorgeſchichte bis S. 244 Erörterungen
über den Namen, Herkunft ber Phönizier, bie altem Landes⸗
bewohner Paläftinas, bie Stämme an der Meeresfüfte,
Tyrus nad der jmelfaden Stiftung nebft Topographie,
vorausgeſchickt, ble aud) für bie ältefte Gefchichte Paläftinad
einleitend werben fónnen. |
Bei ber offen ausgefprochenen Anſicht, daß die Gas
naaniter ebenfalls Semiter feien, mußte 9m. aud) die
$3Q — Mopers,
weiteren irrthümlichen Folgerungen der neuen Kritik adop⸗
tiren, wonach ber bihliſche Name des phöniziichen. Volkes
von der lokalen Beſchaffenheit entnommen und von dem
in den Küſtenniederungen gelegenen Lande auf die Bewohner
übergegangen fel (32), Canaan bezeichne nur ben paláf,
phöniz. Kuͤſtenſtrich, nie das vorherrſchend gebirgige Binnen«
land, in dieſem Umfange war Canaan ein obſoleter Name,
womit die Iſraeliten Palaͤſtina benannt hätten, che ihnen
daſſelbe genau befannt geworben wäre (&. 19. 20) 5 nenne
We Schrift Sivon ald den Grftgebornen Canaans, fo be
zeichne dieß blog feine höhere Stellung und Macht unter
ven Abrigen canaanitijdjen an ber Meeresfüfte angeftebelten
Stämmen ©. 90. 91, Sidon erhielt feinen Namen von
Sifófang als ber erften Beichäftigung feiner Bewohner
(34); nichts fei nad biblijden Angaben deutlicher als baf
We Bildung der Stämme von Stäbten ausging (83), fo
etbielt. yon der Stadt Sidon der Stamm und Staat feinen
Namen (81), vie phöniz. Tradition fennt feinen. Urakn
bes Namens, fondern eine Göttin Sidon als Perfonififation
bet Stadt (89). Die einzelnen fogenannten canaan.
Stämmae find allmählig eingewanbert, denn es fehle ihnen
paf Bewußtfein gemeinjfamer Abftammung (66), woher?
gebe die Gejdidte nidt.an, entſchieden [εἰ jedeufalls bie
Nachricht zu verwerfen, nad) weldjer bie Phönizier urfprüngs
lich am indiſchen ober perfifchen Meere gewohnt, von ba
an bie Küften des mittellánbijden Meeres überftebelt
wären (24. 25), weil fie aus einpeimiiden Berichten gar
nichts biefür aufbringen kann (66), unb aud) vie altifraes
litiſche Anſchauung von. den urfprünglihen Bewohnern
Paläftinas dagegen [predje, wonach canaanitijde Stämme
nd der Fluth das Land bejept (31), auch kennen ble
c and c — * — —
2*
—
a:
LÀ
4c Ξ' f o Eg.
bie Phöntgier. 494
Sfraeliten und hie Canaaniter feld, pon denen jene tit
Runde. ver alten Lamwesnerhältsifie hatten, feine vorcanaan.
Beoölferung, - Wir Inffen. dieß mit ven hier gegebenen
Bründen .beigtnben, bemerken nur, daß neueſtens glaͤubige
Interpreten ber .Beueflä dargethan haben, ba bie, durch
ihr. hiſtoriſches Anſehen empfohlene Annahme einer Ein⸗
Wanderung vom erpihräifchen Meere Gen. 10, keineswegs
wiberfireite, ja den daſelbſt mitgetheilien Nachrichten fi
trefflich einfüge. -
Gehen wir zur eigentlichen Geſchichte über, fo brauden
wir faum zu bemerfen, bag wir keineswegs eine erfchöpfende
Darfellung ver Entwidlung bes yphöniz. Staates zu εἴ
warten haben, jo lehrreich viefelbe immerhin, insbefondere
für die alte Eufturgefhiääte wäre, über vieles, worunter
eft gerabe das wichtigfle, erhalten wir feinem Aufſchluß;
der Grund lieg hauptfächlih in dem jüngeren Alter ver
vermittelnden Quellen, theilweife im gänslihen Mangel
von felden, worüber fid) M. öfters ausläßt, fo geftebt er,
über 100 Jahre, hie mit der Blüthe ber affori[djen Welt
monatdjie gleichzeitig verlaufen, nichts berichten zu fünnen,
a[& was bie Nachrichten ber Nachbarländer erfchließen laffen
(400), bei bem gänzliden Abgang einheimifcher Berichte,
ift er an fremde gewiefen, unter welden bie ber bil.
Bücher obenan fteben.. M. hat viefelben durch finnreiche
und gefhidte Gombinationen zu benügen gewußt, und bie
zerſtreuten oft kurz angedeuteten Machrichten beinahe ets
ſchäpfend zuſamwengeſtellt, wodurch et vecht dankeswerthe
Aufſchlüſſe erzielt, ood) ift er auch hier nicht mit ber wün«
ſchenswerthen Adstung für diefe Altefien Quellen der Ge,
ſchichte verfaßbren, und während εἰ Sagen und. mytf.
Anstoriäten rin ext[djeibenbeó Moment einräumt, werben
485 aa Moverd,
bibl. Nachrichten tle. feinen Hypotheſen widerſprechen, durch
Scheingrunde in Frage geſtellt. So iſt ifm z. B. Zah. 9 — 14
ein: Profet des 8. Jahrhunderts, Jes. 15 und 16 υἱὲ Wieder⸗
holung einer aͤlteren Prophetie, Jes. 23 eine Ueberarbeitung
aus der erſten chaldäiſchen Zeit (382. 406). Bei dieſer
Veſchaffenheit der Quellen. mußte die Darſtellung öfters
zu einer umfaſſenden Ueberſicht erweitert werden, um die
fragmenttarifhen Notizen richtig zu würdigen. Einzelne
Lüden fudte M. dur fleißige 9Inmenbung von Etellen
aus griehifchen und römtfchen Klaffifern anszufüllen. —
M. unterſcheidet 4 Berioden ver phoͤniz. Geſchichte; die
erſte vorhifiorifche umfaßt: bie Entſtehung and Entwidiung
des phön. Staates bis 1600 νυ. G., wo Sidon als ber
mädtigfte Stamm des Landes erfcheint (244). Während
bibl. Nachrichten Sivon als den älteften und mádtigften
Ramen ber. Borzeit kennen, unterliegt ed feinem. Zweifel,
ba nicht Sidon ſondern die Städte des noͤrdlichen Phönis
ziens viefen fBorráng in ver Urzelt gehabt haben (254).
Zur Zeit der Eroberung Paläftinas dur ble Israeliten
erſcheint ©. als Metropole des Landes mit einem anfehns
lichen Gebiete, ble isra. Trapition verfegte dieß in bie Ur⸗
zeit (2257); der Mühe biefe Behauptung zu begründen
bnt fid ber Verfaſſer enthoben. Schon in dieſer Periode
begegnen wir den SBeftvebungen Affyriens (9) fid in ven
Beſitz Phöniziens und 3Baláftinaé zu fegen (258), Affyrien
babe breimal die Grenzen feines Reiches ausgedehnt in
der. ‚älteren mittleren und neueren Zeit, zwerft gegen 2000
v. E., dann gegen bie Mitte des 13. Jahrhunderts, endlich
in jünger Zelt 750 v. δ. Nach allen Nachrichten zu
urtbeilen, feien tie zwei erſteren Herrſchaften, bie glor⸗
vreichſten Perioden des alten Ninives geweien, und babe
die Phoͤnzier. 488
eine volftändige Umgeftaltung in; ben Ländern Vorderaſtens
herbeigeführt; ſuchen wir nad Gründen, welde H. M
zu dieſer intereſſanten Angabe von einer urgeitigen afly-
tischen Herrſchaft bi8 an das Mittelmeer, (melde die
Orunbíage. vieler Behauptungen des 98. in ber phöniz
Mythologie bildet,) beftimmten und welche biefelben zur vollen
Evidenz (287) herausſtellen follen: fo finden wir das haupt
ſaͤchlichſte Gewicht ber Lofalfagen und Mythen beigelegt, welche
Semiramis den äthiop. Memnon (denn Aethiopien [ἢ
Aſſyrien bei Homer &. 287) mit ber Urgeſchichte Phöntziens
verfnüpfen (267). Hieran lehnen fid) bie Berichte Ktefind
Manetho's, unverdähtige Nachrichten bei Eufebius und
Barhebraus, Gen. 10. 9 als Fragment eines Liedes,
in bem eine Perſon der hebräifchen Vorzeit mit Nimrod
verglichen wird (269); endlich finde fich ein anderes für
diefelbe wichtiged Fragment Gen. 14, 1; vod) müjje bier
vieles im Dunkaln bleiben, bis εὖ gelungen fein wird,
die zahlreichen Infchriften auf den noch erhaltenen Sieges⸗
venfmälern ber altafiyrifchen Könige mit Sicherheit zu leſen.
Vie wenig aber bieje Argumente geeignet feien, dieſe Ver⸗
muthung zu erhärten, Jeuchtet von felbft ein, Kenner bes
Orients werben leicht aud bem Gharafter desſelben ben
Urſprung der Sage bezeichnen, bie weiters beigebradhten
Gewährsmänner haben ihre Nachrichten ohne Zweifel aus
Gen. 14, 1. coll. Jud. 3, 8 gefchöpft — worin 3X. folgt
— ihre Seugenjdaft ‚beruht auf bem Mißverftänpniß. bet
Erzählung von dem öftlihen Königen, bie fie mit Kuſchan
Riſchataim, dem Könige von Aram ber zwei Ströme,
welher Othniel befiegte, ohne weiters zu Aſſyrien rechnen.
In. diefem Zeitpunfte. follen (c. 227—229) die paläft:
Stämme nad Weften gemonbert jein, und unter bem
434 Moers,
Stomen Hykſos Egypten erobert haben. — Zweite Periode.
Sidon der fauptftaat Phöniziend: 1600— 1100 v. €.
In bieje gehört das in feiner nádften Folge aud) für
Bhönizien außerordentlich wichtige, in ber Weltgefchichte
(pode machende Ereigniß, ter Eroberung Paläftinas durch
bie Ieraeliten (303); was die Bibel hierüber biete, fel:
Die Israeliten haben bei der Beflgnahme des Landes
feine Kriege mit Phönizien geführt, Sie Urſache davon iſt
in den beiberfeitigen Intereffen zu ſuchen (305), εὖ fam
eine Ansgleihung zu €tanbe, tie πότοι ζει Stämme wohn:
ten in phöniz. Handelsſtäädten unter Ertheilung von Grund»
beit gegen gewiffe Leiſtungen, fo fol Gen. 49, 19 das
Hörigkeiteverhältniß Aſers ſchildern, „Löfflihen Waizen“
für die koͤnigliche Hofhaltung zu liefern (308); im aähnlicher
Weife fdjiftern v. 14 ib. Iſſaſchar als Rarawanenführer:
v. 13 ib.; Zebulon und Nephtali ald Seefahrer bei bem
phöntz. Handelözägen; tod verfhlimmerte Ah allmaͤhlig
dieſe in älterer Zeit keineswegs vrüdenve Rage der SBelfaffen,
wie dies auch eine Stelle bei Ariſtophanes bezeuge (in den
Bögeln?), wo bei tem Rufe des Kufuf „beichnittene in
das Seo" an die Suben zu benfen fei (314. 315), befonders
etfdjeinen die Sidonier als Unterbrüder der Ieraeliten
feit bem 9. Jahrhundert, wo fie im beften Einvernehmen
mit dem Erbfeinde Paläftinae Philiftaͤg ſtehen (316).
Wie wir feben, berubt die Enfwidiung ber Verhaͤltniſſe ber
Séraeliten zu ven Phöniziern anf einer willführlihen Gt
flátung des 49. Kapitels ver Geneſts. M. theilt, wiewohl
er dieß formell wicht ausſpricht, bie rationaliftifdye An⸗
ſchauung vom Jalobsſegen, wornach derſelbe ein in ben
Mund des Patriarchen gelegtes vaticinium post eventum
ift, deſſen Alter nach Momenten, die aus ibm ſelbſt geſchoͤpft
ble Phöntzier. 435
werben müffen, zu beflimmen fei, bie wieder ben. Macht
ſpruch dieſer Kritik zur Vorausſetzung Bat: „es gibt Feine
eigentliche Welsfagung“; weßhalb wir auch auf eine vigere
Widerlegung dieſer ſoweit es uns bekannt iſt nur noch
von Ritter (Aſien XVI. 2 Auf. p. 620) beifälfig aufge⸗
nommenen Erklärung, bie M. auch im 3. Theile feſthaͤlt
(d. 236) und die ſelbſtverſtaͤndlich in geringen Aehnlichkeiten
ihren Anhaltspunkt hat, verzichten. Hieran ſchließen wir
die Unterſuchung des Verfaſſers (c. 413 seq.) über die an
ſich ſo febr glaubwuͤrdige Nachricht, die von Joſna beſiegten
Canaaniten ſeien einem Theil nach ausgewandert und
hätten fid im noͤrdlichen Afrika niedergelaſſen, elite Wach
"jt, die man bei zahlreichen zum Theil ganz unabhaͤngigen
juͤdiſchen chriftlichen arabifchen und moslemitkihen Schrift:
Rellern findet: für die Alteften canaanitifhen Wanderzüge
nach Afrika erblickt M. eine Spur Num. 13, 23, wo bie
Geſchichte mit der Sage vermifcht fei. (b. 253. c. 414)
und zweifelt nicht, daß nachdem Paläſtina von Joſua εἰν
öbert worden ift, die Ganaaniter nur in einzelnen Gegentei
mrüdblieben, vie Mehrzahl der canaanitiihen Stämme
ji direct vom Birmenlanve nad) Afrika gemanbert, wo⸗
[δὲ aus ihren Eonnubien mit ben lybifchen Gingebornen
das Miſchvolt ber Lybophoͤnizier entftand (c. 44), von welchem
dann weiter die Goloniften nad) Sardinien, ben Balearen
und Spanien ausgingen (c. 453; 559 --- 92) — eine Nu,
die jedenfalls beachtet zu werben verbient. In dieſe Per
tite gehöre aufer ver erwähnten Eoloniftrung in Afrifa bie
Gründung der Golonlen in Eypern, unb in ven kleineren
Infeln des mittellaͤndiſchen Meeres. — Cypern, das Land
der fittler, eines Zweiges der großen Völferfamilie ber
Javaniten (c. 204), erhielt feine ältefte Bevölferung durch
436 Movers,
phóng. Stämme (c. 221), es βεῆε mad) phoͤniziſchen
(? Culten Sagen Mythen), ſowohl als bibliſchen Quellen
(1 Beg. 10, 28. 11, 1. 2. R. 7, 16. Jud. 1, 26 in dieſen
Gitaten ift von ben nördlichen canaanit. Königen bie Rebe,
bie in größerer Entfernung von ihrem urſprünglichen
Wohnſitze gegen den Libanon, über ben Steg des daſelbſt
verbliebenen canaanitifchen Volkes regierten, und nad
1 Reg. 9, 20. 21. wahrjcheinlih Salomos Bafallen waren)
feft, daß der Volksſtamm der Littier auf Eypern mit bem
alten canaanitifhen Stamme ver Gfittier derfelbe, von bem
diefem Stamme eigentbümliden Ramen benannt worden
[εἰ (c. 218 s.), zwar werten Gen. 10 bie Kittier von Ja⸗
phet bie Ghittier von Cham abgeleitet, hieraus aber folge
nur, baß die Kunde von der canaanitijen Abftammung
der cgprijden Küfte im Zeitalter der febr alten Völkertafel,
ven Israeliten nicht mehr in traditioneller Erinnerung war
(c 218); jebod) find die phöniz. Seeſtaaten erſt nad) ben
größten Anflrengungen in ben Befit der Injel gefommen
(237). Es ift faum zu verfennen, daß M. der traditionell
geworbenen Borftellung der modernen Kritif Bulbigt, nad
welcher die Bölfertafel, die allein das Dunkel fo ferner
Zeiten auffellt und fid) aud außer bem biblifhen Stand»
punft bie Achtung ber Sor(der errungen hat, feine&wegó
als ein auf objectiver Bollftändigfeit beruhenved Zeugniß
anzufehen jei, fondern als ein zufälliges nad phöniz. Aus
gaben zufammengebradhtes Verzeichniß des Rölferbeftanded
zwifhen 1200—1100 ». 6. (c 247); eine ?Injdjanung,
tie fi dur das ganze Werk M. durchzieht und mit ben
Worten: „bie Phönizier gehörten zum ſemitiſchen Bolf-
Ramme“ an die Epige desſelben geſtellt iR; wogegen wit
ἀπὸ guten Orünten feflhalten: die Völfertafel [εἰ im
bie Phonizier. 437
Sinne der bibl. Angaben die Aufzeihnung ber patriarcha⸗
liſchen Srabition über die Uranfänge der Bevölferung
anferer Erde nach der Kataftrophe von Babel; — ober
hatte blos tie alte Feindſchaft Mofes dazu beftimmt, vie
Ganaaniter zu Hamiten zu ftempeln? ἢ
Sehr verftändig hingegen Spricht fid) M. über das alte
tyriihe Goloniallanb Tarſts aus, er meist vorzüglih au
der Gen. 10, 3. 4. gegebenen Zufammenftelung mit Elifn,
Ehittim und Sobanim (M. verändert vie Lejeart ohne
Orunb nad) dem Zerte ver Chronik in „Rhodanim”) nad),
vap bei Tarfis an ein: in ber hebräifchen Anficht von Javan
abftammendes Volk zu denken fei, was aud) bie übrigen
Angaben ber Schrift beftättigen, welche mit außerbiblifchen
Wadridten darin überein kommen, daß Tarfis im fübweft-
lien Spanien außerhalb ber Meerenge gelegen habe, [δε
li bis Kalpe, nördlich bis. zum Anes (c. 610, 11), bod)
halt M. bier nod) immer an feiner früheren oft widerlegten
Meinung feft: der Ehronift unterfcheine ein boppelteó Tarfig,
das eine in Weften das andere in Often, d. ©. 164 bim
gegen fcheint M. ſelbſt nicht an wie Richtigkeit biefer An-
nahme mehr geglaubt zu haben. Die. Tyrier hatten ein;
jene für ven Handel geeignete Küftenpunfte bejegt, bann
angelodt durch die unbenupten Silberſchätze Tarſis das
Land erobert und bis an das Gnbe des Jahrhunderts in
Unterwürfigfeit erhalten (c. 615), fie hielten alle Fremde
von biefer Golonie fern, wie fehr ihnen dieß gelungen,
geht zur Genüge απὸ bem Umftande hervor, bag die Griechen
dieſes Land. erft zu einer Zeit fennen, wo die tyrijchen
Golonien bexeitd im Berfalle waren, und bie Tarfisfchiffe
(don Jahrhunderte fang ihre Fahrten längs, ven griedhifchen
Küften gemadt hatten (c. 40). — 3. Periode. Sidon tritt
Theol. Ouurıulihrift. 1857. IH. Heft. 29
428 Movers,
gegen das raſch emporkommende Tyrxus in^ Hintergrund
und erreicht durch feinen Welthandel und feine Colonien
vie höchſte Spike feiner Macht, bie Erzählung enthält nichts
bemerfenswerthes für bie Aufhelung des biblifchen Alter:
thumes, mehr für bie des profauen à. 9. die Stiftung
Carthago's. — 4. und legte Periode. Innere und äußere
Berhältniffe bringen Phönizien um die Selbftänbigfeit, unter
bie wechjelnde Herrihaft ber Afiyrier, Egyptier und Babys
fonier, bi8 daß es fid) ald Werkzeug für bie Eroberungss
pläne ber Perfer vollenbé aufreiGt. “Der Eroberungsplan
ber Aſſyrer gebe deutlih dahin fd zunächſt im Beſitze bet
Handelsſtädte und Straßen zu fepen, welde bie Länder
vom Mittelmeer mit dem mittleren Aften verbinden, fid)
des Sxanfitobanbeló zu bemächtigen, und endlich mit £ft
ber Phönizier Egypten zn erobern (300 f. 400). Dasſelbe
Ziel verfolgten bie Beftrebungen ber Pharaoner nicht fo febr
aus Eroberung als vielmehr aud Nothwendigkeit gegen bie
Uebermacht der aflatifchen Weltmonardie; ſchließlich vie
Chaldaͤer, deren Unternehmungen übrigens die Einfälle bet
Scythen hemmten (420) (wie wenig diefelben hiftorifch bes
glaubigt find zeigte Strauß Zeph. S. XVIL). Die fchwerften
braden für Phönigien mit ber Herrſchaft 9tebufabnejaté
an, ber nachdem er Serufalem erobert unb zerftört, ben
Feldzug gegen Phönizien eröffnete, iweldher mit ber Eroberung
Phöniziens ausgenommen Tyrus (427) endete. M. hält
fef an ber Annahme: Tyrus fel voeber erobert, nod) viel
weniger gänzlich zerflört worden; Ez. 2628 hat mur im
fofern eine geſchichtliche Erfüllung gefunden ald nad) allen
Nachrichten „die ehemalige Metropole Phoͤniziens jest in
den Hintergrund tritt.” M. Beweisführung bürfte nicht
minder wie die „ſcharfe Widerlegung“ Winers Higige,
ble Phiöntzier. 459
been gemeinſchaftliche Argumennte M. wiederholt, faum
Me „große Verlegenheit“ derjenigen Theologen vermehten, tie
wie Billig die Unfehlbarkeit ver prophetiſchen Vorherver⸗
fündigungen voranófeben, fle find eher geeignet die S. Bate
fache ber Eroberung Tyrus qu beftättigen, a(8 zu entfräften;
geftebt doc, M. fefbfl ein mefentliches Argument zu, wos
rauf die orthodoxe Gregefe ihren Beweis gründet. Rach⸗
tem die Perſer dem Reiche Nebukadnezat's ein Ende
machten, famen die phoͤniziſchen Länder in dasſelbe Merhält-
Mg zu den Berfern, in dem ſte in jüngfter Zeit zu den
Chaldãern geftanven haben (468 wie fe?) da Ihre Der
haͤltniffe at& eine Fortſetzung der früheren an Babylon ans
gefehen werden können, fo waren aud) Mitgliever ber
tyriſchen Königsfamilie, mie vie erilirten. Sprößlinge der
fübifden, am Babyloniichen und dann am perfiichen Hofe
geblieben (471); und fiebt wicht an anzunehmen: vag bie
&ónigéfanrifie ber Tyrier feit der Unterwerfung Tyrus an
Hofe zu Babel zurädgehalten worden [εἰ (402), baber aud)
ble &prier fi nad einander zwei Könige aus Babylon
belen (460). Bekanntlich war. oie Verbannung der wider
ſpenſtigen Könige und ihrer Samitlen eine beliebte Regierungs⸗
maßregel Nebukadnezar's (466). Aug Mejer von M. dars
gereihten Prämifte ſchließen wir: it Tyras ver chaldaͤiſchen
Macht überhaupt eelegen, fo ἐξ fie ohne Zweifel nach unpars
teiiſcher Würbigung ber Geſchichte nicht von Rebukadnezar's
Rachfolger ſondern von Rebuladnezar {εἰδῇ unterworfen
worden. Auf Jes. 23, das Ezechiel deftättigend aufnimmt,
we der Untergang Tyrus angefünbigt mtb, nimmt 3X.
feine δά δι, was begreiflich if, da er nicht zu jenen
Eregeten gehört, welche vie bibliſche Weisfagung ald Wahr
fagung anfehen (428).
29 *
440 . Moverd, .
Am ſchwächſten fanden wir ble Darftellung der Staats»
verfafjung, ber unter allen Unterfuhungen ber. geringfte
Raum (von S. 479—561) gewidmet ift, freilich Riegen
aud) über feinem Theil des phöniz. Alterthums vie Quellen
jo dürftig, wie über biejen. Gleich ben übrigen orienta:
lijdjen Völkern, zerfiel das phönizifche in dreifache Glieberung
(486), ihre VBerfaffung war eine Stammverfaffung Phör
nizien ein Wahlreich (538) gleich den israelitifchen, wo fid) nach
Pr. 45. die ältere Wahl, durch die. 10 Aelteften ver Gefchlechter
erhielt, felbft nachdem bie Succeffion erblic) geworden? Zu
ben Ehrenrechten der Könige gehörte ein zahlreicher Harem
und zwar ebenfalls nad) Pf. 45, in meldjem M. (b. 537)
ein Lieb findet bei der Vermählung einer israelitifchen
Königstochter mit einem Behersicher von Tyrus; eine Bes
bauptung die febr verwandt ift mit der ebenfo abgeſchmackten
ald laͤſteriſchen Annahme Hibigs, nad welder biejer
(meſſtaniſche) Palm auf: die Bermählung des gottlojen
Achab mit ber. großen Patronin der Balspriefter Ifabel
geht (nad M. 347, „ein Charakter von großer geiftiger
Ueberlegenheit”). — tabe daß hier Alles aus der Luft
gegriffen ift! Dem Könige fommen gleich vie karth. Euffeten,
eine dem römischen Gon[ulate entſprechende Staatögewalt
(34). Die phöniz. Staaten bildeten einen Staatenbund
mit einem Vororte an der Spite (549), deſſen Organ
das Synedrium war, welches zu Txipolid tagt; ähnlich ven
eanaan. Städten, bei melden dieſe Stellung das Präpifat
rabba anzeigt 4. 9. Rabbat-ammon Rabbat-moab (55). Einem
gebeihlihen Gtaatéleben .ftanden bei den Phöniziern bie
Verſchiedenheit der Stämme entgegegen; bie innere Sere
riffenheit erzeugte ein ſchwaches Königthum, ühermächtige
Ariftofratie, unterbrüdte Mittelftände (559), bie politifche
ble Bhöntzier. 441
Verfaſſung der Golonien wurde burdjauf nad dem Bor
Bilde des Mutterftantes errichtet (c. 44). Dem römlfchen
Quaestor ent[predje in feiner Stellung neben ben Suffeten,
wie bei ben Israeliten, ber Sopher (c. 48).
d.') Handel und Schiffahrt. M. eröffner feine Unter
ſuchung hierüber mit einer Ginfeitung, bie ben Verſuch einer
umfafjenden Darftellung des pbóniy. Handels durch bie
kulturgeſchichtliche namentlich religiös⸗geſchichtliche Seite tea»
ſelben reihtfertigt; e8 {εἰ Thatſache bag mit der Verbreitung
von Hausthieren, Naturproduften, Induftriemnaren, Erzeugs
niffen religiöfe Ideen mancherlei Art fortgepflanzt wurden
(4, 5); war die tobte Waare Berbreiterin religiöfer Bor
ftellungen, um wie viel mehr ber ald Waare in ferne
Länder gebrachte Menſch (6), fo find aflatifche Gulte oft
butd) Sklaven nach Griechenland unb Stalien gelangt (7).
In großartigfter Weife ſtellt fid) dieſer Einfluß in ber Vers
breitung des Subentfumó unb nad ihm des Chriftenthums
dar. Schon In ben Tagen Elifas fel bie Kenntniß Jeho⸗
vas burd eine Sklavin an ben Hof von Damaskns ges
fommen (2 Reg. 5, 2— 27); in ben Orten, vo ber phöniz.s -
paläftin. Handel feine Hauptftationen hatte, fand das
Chriſtenthum zuerft Eingang, und verbreitete fid) von da
aus in ble Umgegend; in ben Straßen, bie der phöniz. Kuͤſten⸗
verkehr einhielt, bewegten fich ble apoftolifchen Mifftonen (2). .
"Da tle Quellen für vie Geſchichte des Handels vers
felben Befchaffenheit find mie jene ber phöniz. Gefchichte
überhaupt, fämmtlih nicht phönizifh und mittelbarer Art,
leuchtet‘ ein, daß eine eigentlihe Geſchichte des phoͤniz.
Handels nicht gegeben werden fann, weil vieles was dazu
.
1) Die Bezeichnung ber einzelnen Bände durch bie S8udjftaben bet
Titelanzeige a, b, c, d, wurde bey Kürze wegen gewählt. X. b. G,
notbwenbig wäre, faft gar nicht befaunt ift (13). Als bie
einzige unmittelbare Duelle jeien ble biblijden Nachrichten
anzufehen, weil bie Hehraͤer in der Blüthezeit des pbóniy.
Handels in die Unternehmungen bec Phänizier verflochten
waren; in$befonberó beichreibt Ez. 26—28 ben Landhandel
ber &prier, M. bat auch hier die furgangebeuteten Nady
sichten ber Bibel guf das forgfáltigBe benäpt unb würde
nod) weit mehr das Vexſtaͤndniß berjelben gefördert haben,
wenn ex fid) feiner Gewohnheit, eben[o grunds als zweckloß
zu fubjeftiviren, entfdylagen hätte, es wären viele Bew
muthungen dann hinmeggefallen, die and der Vorausſetzung
der Ungeſchichtlichkeit biblifcher Nachrichten eutiprungen find
unb jehr geeignet find, ben Fleiß unb Scharfſinn bes
Forſchers in Frage zu fellen, tod) gefteben wir offen, daß
‚das unbegrünbete Zweifeln an der Hifforizität der biblischen
Geſchichte in dieſen Unterfuchungen weniger Dervortritt,
melde auch hinſichtlich des Styls fid) fepr vorsheilhaft vor
ber ſchwerfaͤlligen Schreibart ber früheren auszeichnen.
Der Urfprung des phöniz. Handels reicht über ben
Anfang der Geſchichte (14), ‚ging ven bec Fiſcherei au$,
wurde [piter Hauſirhandel, weshalb ber Händler ber von
Mrt zu irt gebt und umwandernd feine Waare feilbot
"nd 53% heißt, Nur burd) bie Bermittlung phöniz. Haͤnd⸗
kt — nad unſerer Meinung aber and) von andern als
pbániy Karapanen, mehreres brachten fie and Egypten —
fonnten bie Iuraeliten die agr Errichtung ver Ctiftebütte
erforberliden Stoffe erhalten, bis in bie fpátefte Zeiten
erbielt fid) der Hanſirhandel, fo heziehe fid) Mtth, 6, 2: ber
Herr anf vie phöniz. Sitte durch Die Trompete zum anf
der Waaren einzuladen (9). Phönizien, feiner age mad)
jim Ctappelplag der öſtlichen und weſtlichen Waaren bte
die Phoͤntzier. 443
ſtimmt, ift früh zum Centralpunkt des alten Handels ge⸗
worden. Unter ben Handelsgegenſtaͤnden, bie ein culturge⸗
ſchichtliches Intereſſe in Anſpruch nehmen, iſt in erſter
Stelle der edlen Metalle zu gedenken, wovon Silber von
ungleich groͤßerer Bedeutung. Silber war bereits 1000 Jahre
Verkehromittel geweſen, ehe eine Spur porkommt, daß
Gold zu demſelben Zwecke gedient hätte (28). Schon im
alten Palaͤſtina war der Gebrauch des Silbers, das von
zuͤglich durch die Phoͤnizier allgemeines Tauſchmittel geworden
(56), in fruͤheſter Zeit allgemein; ja Gen. 23, 6. 20, 16
iege. vorauó, daß Shekel in normirten Stücken furfirten,
Gelb obne ein beftimmtes Gewicht und beglanbigten Stempel
ericheine jo undenkbar, wie In unferer Seit; was wir obey
fehr bezweifeln. Bei allen Bölfern des Alterthums diente
angemünztes Metall in ihrer erften Periove als Geld, und
bie Annahme, daß bie vormoſaiſchen Shefel nad) einem
anbelannten Gewichte abgetheilte Silherftäde waren, bie
man bei ber Zahlung, um fid) von ber Richtigkeit der
Zahlung zu überzeugen, nachgewogen, empflehlt fid) [djou
durch ihre natürliche Angemeſſenheit. Die mofaifche Ge
fesgebung, welche in ihrem álteften unzweifelhaften
Theile alles nad Silberwerth beftimmt, fegt ben alfgemeinen
Gebraud des Silbergeldes voraus (34). Im älterer Zeit
war aber hieran Israel jer arm (47); fo biete Joab für
ben Kopf Abjalons 10 Chefel, während ie Philiftäer
fürften auf ben Simfons 500 Ehefel oder 4208 Thl. 8 gr.?
fegen (48). M. folgt bier ven Berechnungen ber neueften
unb metrologifchen Unterſuchungen Bölh s und Bertheauß,
bie aber nad) unſerem Dafürhalten auf bie Altefte Zeit nicht
yaflen. Das Gtrafgelb 5M. 22, 19 hundert Shefel würbe
nad) dieſem Calcul jedenfalls das Vermögen eines Priyaten
444 Moverd,
überſteigen; die in ben älteren hiſtoriſchen Schriften ev»
waͤhnten Maaß⸗ und Gewichtsbeſtimmungen waren höchſt
wahrſcheinlich Heiner wie tie gleichnamigen einer fpäteren
Zeit, gleidjmie die griechiſchen Münzen äfterer Zeit einen
geringeren Silbergehalt haben. Gewiß ift, daß die biblifchen
Nachrichten fein anderes Silber ald aus dem Silberlande
Tarfis fennen, während die Goldſchätze aus Arabien
fommen (36. 58). In den älteften Nachrichten wird das
Gold von Ehawilah benannt, in fpäteren als Ophirgold,
und als die Schiffahrt nad) Ophir aufhörte, von fBatvaim nad)
einem andern an bie Stelle Ophirs getretenen afrifanifchen
Emporium 2 C. 3, 6; in einem jüngeren Zuſatze (Y). zu
Jer. 10, 9 von Uphaz (59) eine andere Ausſprache für
Ophir. Zu ben Metallen welche Handeldgegenftände waren,
gehört ferner: Zinn (63) — aus Wefteuropa; Kupfer, an
dem Phöntzien und Eyrien fehr reih war (65); Eifen —
deſſen Gebraud) in Paläſtina verhältnigmäßig jüngeren
Alters, fo erwähnen die älteften Beſtandtheile (?) des Pentas
teudjó gegen dOmal Kupfer, zweimal hingegen nur Elfen, das
jüngere Deuteronomium Dagegen adjtmal, bei ver Etiftshütte
und bem falamon. Tempel fam fein Eifen, nur Kupfer in Ges
braud) aus Eden vor Eifen in hieratiſchen Dingen (9);
wenn bie Gbronif hievon abweicht, fo ergiebt fid) taf der
Gebrauch des Gifenó in fpäterer Zeit nicht mehr anftößig
war (68), ben Nachweis hat M. nicht geliefert, wird doch die
Sunft bad Eifen zu bearbeiten G. 4. 22 als adjtbar erwähnt. —
Uebrigens war es allgemeine Sitte audj bei den Hellenen,
Geraͤthſchaften aller Art aus Erz (Kupfer) zu verferiigen.
Einer der älteften und umfaſſendſten Zweige des
pbóni. Handels waren die Sklaven, pbóniy. Kanfleute
. fanden fi auf den Schlachtfeldern ein, wo fie inmitten
die Phönizier. 445
der Erfihlagenen die Priegsgefangenen anfaufen (72); vot
züglich lieferten den Phöniziern Syrien unb Baläftina bie Skla⸗
ven. Die Einfaufspreife ftanben ungemein niedrig (83), wo»
rauf Joel 4, 3. Amos 2, 6. Jeſ. 2, 1 hinweist; — in biefen
Stellen fönnen wir feine Preisbeftimmung finden, fondern
nur bad Beftreben ber Profeten, ben Gedanken ber volfftändigen
Nieverlage fdjavf anszaprüden: fo groß wird bie Menge
der bem. Sieger zugefallenen Gefangenen fein, daß fle dies
jelben um jeden ſelbſt den ſchnoͤdeſten Preis mweggeben
werden — dagegen erfcheinen bie Preife des mofaifchen
Gefepes ungemein hoch (84). Hiezu fommen Waaren aller
Art: Oehl, Obſt und Baumfrüchte, Fiſche unb Siete,
darunter febr feltene als Affen, Pfauen, welche die Ophirs
fahrer heimführten (93), fertige Kleivungsftüde, Gewürze,
Salben und πο weitere zahlreiche und manigfache Artikel,
deren vollftändige Aufzählung hier von unferen bürftigen
Dnellen nicht erwartet werden fann (87). Den Werth ihrer
Waaren wußten die Phönizier nicht wenig durch märdens
hafte Ausfagen über Ihre Herkunft zu fteigern (104).
Der Großhandel und vorjugémelje ber Seehandel war
Sache des Staates, tes Königs unb ber Girofen, und zwar
durch Darlehen auf Faufmännifche Unternehmungen und
Hanvelsviener (109); fo follen die jübifchen Könige ben
Handel mit Balfam monopolifirt haben — es [εἰ und et
lanbt, Bier gelegentlich unfer SSebenfen gegen den Pferde⸗
handel €alomo'é, nad 1 R. 9, 26 ein ,regale^, auszu⸗
fprehen, am angezogenen Orte heißt ed einfadj, es hätten
die Händler gegen jofortige Bezahlung in Egypten nicht
blos für Salomo fonbern aud. für alle hethitifchen und
ſyriſchen Könige die Pferde beforgt. Der Qanbel war
ein doppelter, zu Land unb zur Ere. Der ganbfantef im
4 Movers,
Orient iſt von den älteſten Zeiten ſich weſentlich gleich. ge⸗
blieben, die Waaren wurden durch Laſtthiere, wozu in Palaͤ⸗
ſtina vorzüglich Eſel und Maulthiere, ſeltener Kameele
dienten (20), meiſtentheils durch Araber transportirt, toad
mit vielen Koſten verbunden war, außer dem Miethgelde
für Thiere und Schutz mußten für den Gebrauch der
Brunnen, Straßen, Abgaben (131, 2) entrichtet werden,
weshalb die Waaren 19 bod) im Preiſe ſtanden (131). Die
mühenollen Karawanenreiſen ſowie ber Handel überhaupt
wurden durch die uralte Sitte gefördert, wornach ie
Märkte bei Gelegenheit ver Jahresfeſte gehalten wurben,
eine Sitte ble fid aug dem Mittelalter in unſeren Meſſen
zum Theil nod) erhalten; fo umfaffend übrigenó ber Land-
handel war, bem Seehandel fteht er weit zurück (148),
worauf bie Lage des Landes [don hinwied und woran
ver ?anbfanbel hervorgegangen ift Die erften Anfänge
ber Schiffahrt gehen auf die Fifcherei zurüf (153, 4),
wie weitere Ausbildung förderte ber Umftand, bag Phönizien
in reiches Yüle Alles darbot (155), was zum Sciffban
erforderlich mar,
An diefem vand⸗ unb. Seehandel nahmen ble hebraͤiſchen
Staͤmme, wiewohl im Centrum und lebhaften Verkehr
‚mit bet alten Handelswelt, auf die Dauey niemals, ſondern
uut zu einzelnen Zeiten aktiv Theil; über ben Grund läßt
und das Geſetz nicht einen Augenblid ‚zweifelhaft fein,
um [o unangenchmer vermiffen wir eine Augeinanderfegung,
weshalb dasſelbe vie Hanvelsbefhäftigung nit nur nicht
begünftigte, fondern ihr geradezu durch befonvere Gin»
tidtungen entgegenmitfte, die fpäteren Qanbeléunters
nehmungen, an welchen aud) bie Könige betheiligt erjcheinen,
befinden ih u IM. 17, 17 im Widerſpruche, und trugen
ble Phoͤntzier. AAR
nicht wenig, mie hie Geſchichte lehrt, aum Schisma unb gum
vollen Ruin des Landes au; Hamdelgeiferſucht, bie hen
Hehräern feinen. Ingong zum Meer geftattete, war öfters
bud) den Beſitz ber füfe und ber Straßen fein Hinder-
nij, noch weniger der Umſtand, daß Palaͤſtina im Often
unb Süben νυτῷ Wüfte abgeſchnitten, wie ble$ neuerdings
Ritter 2L fien XV. 9 ff, dargethan, er muß daher in ver Beitiew
mung bes fBolfed unb in ber theofratiichen Verfaſſung geſucht
werden, Der Verkehr zwiſchen Phönizien und Baldftina war
ein lebhafter, beide waren durch ihre Interefien an einander
gewiefen, durch die Befchaffenheit ihres Landes bepurfte
Phönizien ber Erzeugniſſe des Aderbaued unb bet Vieh—⸗
zucht des Binnenlandes, während bie Phönizier die Produkte
ihrer Snbuftrie, Künſtler, Bauleute und Materialien nad
Serufalem fenden. Hierauf berubte trog aller nationalen
Antipathie das Kinvernehmen zwiſchen Phönizien und 26
tuf. Mir finden deshalb nebft berumpglebenben Kaufleuten
auch folche bie in PBalaftina anjäffig waren unb in allen
Etädten ihre Bazars hatten, von bem großen furuó und
bet Ueppigfeit dieſer reichen Qauffeute, bie ehemals inner
halb ber alten Mauern Jeruſalems wohnten, Tpreche Prov.
1, 65 allein viefe Stelle, melde mit nadybrudvoller Wahr⸗
heit und Qebenbigfeit ein warnendes Bild einer Ber
führungsgeſchichte entwirft, muß mindeſtens nicht nothe
wendig wegen (B. 19) von einem pbóni. Kaufmanne
und feiner Ehehälfte gedeutet werben. M. bat εὖ mehr
als 50mal vergribau, vof. ber. Kaufmann ben. Hebsäer
„Canaaniter“ heiße.
Im allgemeinen war im nördlichen SBaláftina, wo bie
Hanptfarawanenftraßen fid) verliefen, der Handelsverkehr
mit Phönizien viel bedeutender αἱ im ſüdlichen Paläftina,
. 448 Movers,
taf trogbem dort feine Niederlaſſung erwähnt worden, fei
auf Rechnung der unvollſtaͤndigen Kunde von den Zuſtaͤnden
des noͤrdlichen Israel’ zu fegen (204). In Süden war
Cetn[alem als Reſidenz und Sttz des Heiligthums bie
Hauptftelle des Handels, bie Verbindung zwiſchen ihr und
Phoͤnizien unterhielt die Stadt Joppe, welde als Hafen
son Serufalem galt (205); insbeſonders wohnten bie von
den Emporiften abhängigen Detailhänpler, Biktualienhändfer,
Schröter, Bäder In dem Stabttheil, welcher von bem Ges
räufche ber Mörfer (nicht etwa von der Form?) Maktesch
hieß (206) nad Zeph. 1, 10. Diefe Gombination M.
beruht auf einer willfürlihen Deutung ber profetifchen
Stebefigur, denn Zeph. bezeichnet gleich Ezechiel 16, 3 den
Abfall von Gott durch Glieidfleliung mit dem Wolfe,
welcher das Geſetz als das Ertrem fittlicher Verworfenheit fins
flet; die Anzahl der phoͤniz. Kaufleute in Jeruſalem war
bedeutend und fie hatten außerhalb Serufalem eigene Eultuss
fätten, bie unter bem Schutze der Verträge ftanten (9),
hiedurch allein laffe Π trop wiederholten Reformen ihre
Fortvaner erflären (207) — daß biefe 9Inffjauung, bie
jener Ewald's: Salomo habe eine religiöfe Toleranz, durch
die Einführung des Götzendienſtes feinen fremden Unters
tharien verleihen wollen, febr ähnlich ift, nicht fchriftgemäß
fel, zeigt ein oberflädhlicher Einblid in die von M. hiefür
6. 206 angezogenen Schriftterte ). Die Hantelögegens
ftände des phöniz.paläft. Verkehrs waren: Gletrelbe, durch
defien Ausfuhr allein jaͤhrlich, 12,500,000 Th. (! 212) in
Eirfulation gefommen, Honig, Wein, Obf, Wolle, eitis
wand, Flachs, Byſſus, vorzüglich für die Ausrüftung ber
)LR. 11, 5. II. R. 16, 4, 23, 13.
die Phoͤnizier. «9
Schiffe nothwendige Produkte, ver fogenannte Balſam von
(Bileab, bie resina ber Alten; ven: Jahn, Hartmann, Ges
fenins, Wiener, Tuch, fnobel ohne hinlänglichen Gron für
nen Balfam von Mekfa halten (220); der ádte Balfam,
eim Monopol der Könige (nad Hohl. 5, 1.9, welder
im Rufe ftant, nirgends befjer gewonnen zu werten, αἱ
in Judaa, mit weldem bie gleichfalls in fóniglidyeu Garten
erzeugten Nußvattel wetteiferten (232), ſchließlich eicherne
Stuberf)ólyer, die Baſan fieferte (235).
Bon Paläftina wandte fid) gunddjft bet Landhandel
nad ben Euphratländern, wie bed) derſelbe in ter Ent⸗
wicklung Phöniziens ſelbſt anzuſchlagen ſei, folge ſchon da;
raus, daß alle auf ein geordnetes Handelsweſen Bezug
nehmende Einrichtungen, Maaße unb Gewichte von dort⸗
her ftammen, namentlich iſt vie phöniz. Induſtrie und Kunſt
von jener dieſer Länder abhängig, weshalb zahlreiche
Straßen [dou in ältefter Zeit zwifchen ven Enphratländern
unb PBhönizien unterhalten warden (242—252). Nicht
geringer war ber Verkehr mit Arabien, ber ſchon um feines
hohen Alters willen eine der merfwürdigſten Erſcheinungen
ber Geſchichte ift (271) ; uralte Erinnerungen erhalten in
bem Eigennamen &etura--Staudywerf, Basmath (7), Wohlges
yud) (G. 36,.3) fnüpfem ben Handel biefer Stämme .an
die Genealogie ihrer Urväter (274). Sémaeliten und Mas
bianiten verfchren bald nad) bem Tod ihres Gtammbateré
über Syrien. und Paläftina nad) Egypten (G. 37, 25)
und. find unter dem Namen Hyffos mit ben Seraeliten
einzurechnen (275), waren jebod) an die óftliden Schiff
fahrten ber Phönizier angewiefen (278), vie fo lange fie
von Egypten abhängig waren, dein arabifchen Handel bie
Richtung über bie Landenge von Cnueg gaben; jeit bem
450 Mevers,
$0. Jahrhunderte unter Begünftigung der israel. Könige,
bie damals bis zum Alanitifchen Meerbufen Herrichten, veu
Verſuch machten, vom öftlihen Arm bes arabiſchen Meer:
bujend aus zu dem Emporium des ofafrifanifden Handels
vorzubringen. Vielen Beichränfungen war ber Land» wie
Seehandel der Phönizier in Egypten unterworfen, das feiner
Lage, Religion nnd dem Geifte feiner Bewohner nady von
der übrigen Welt abgeithloffen war (314, 5), ungeachtet
beffen unterhielten bie Phönizier einen flarken Verkehr mit
Egypten, welches zwar frember Güter wenig bevürftig war,
aber beflo mehr ber eigenen zu verfenden hatte, und vie
Bhönizier betrieben von da aus zu Land und zu See einen
außerordentlich ftarfen Handel, nad) allen Stiftungen: Yem
nördlichen wie öftlihen 9Ifrifa (336), ven Euphratländern,
am flärfken aber mit den weftliden Küſten bed mittelländis
ſchen Meeres.
Trotz aller Unfälle blieb Phöntzlen aud nad) bem
politiſchen Schiffbruch eines der erften Hanvelövölfer ver
alten Welt, ter unverwüftlide Unternehmungsſinn erhielt
feinen Bewohnern ven Ramen eines Handelsvolkes, bis
ec im Mittelalter, mit allen ſchlimmen Nebenbegriffen an
ihre ehemaligen Nachbarn — die uten. in der Diaſpora
überging; jevenfalls ein nicht zu verachtendes Zeugniß für
ble Verwerfung Israels!
Hiemit find wir am Schluffe unferer Anzeige ange
(uat, was nad) vem Vorworte des V's (zur Geſchichte Phö⸗
nigiens), der bereits vom Herrn abberufen wurde, nod) ju
erwarten flünde, wären Unterfuhungen über die Kunſt,
Induſtrie, Sitten und Literatur der Phönizter, leglere dürften
bei bem Umſtande, daß bis zur Stunde fei einziges ganzes
von phönizifcher Hand gefchriebenes Buch gefunden worden
die Phoͤnißier. £54
ift, den geringften Raum einnehmen, febr wünfhenswerth
wären bie ebenbafelbft in Ausſicht geftellten ſynchroniſtiſchen
Zahellen und ‚forgfältige Regifter, zumal ber einzige zur
Religion ter Phönizier gefertigte, ſehr mangelhaft, bie Ge:
(dichte nicht einmal ein Juhaltsverzeichniß, ie Unter
fuhungen, über die Colonien, Handel unb Schiffahrt ein
ſehr kurz gefaßtes enthalten, auch eim Druckfehlerverzeich⸗
nif ſollte nicht fehlen, denn deren. πὸ allerdings verhält⸗
nißmaͤßig viele.
Müffen wir aud nothwendig die oben ἜΗΝ Reful-
tate, welche M. vom Gtanbpuntte einer ebenſo befangenen als
ſchriftwidrigen Kritik gewonnen hatte, unb denen er bei
anderen Grunbjágen leicht entgangen wäre, beflagen, fo
find wir bed) weit entfernt vie Borzüge vlefer Unterſuchungen
einjeüig angufedjtem, unb wir wuͤnſchen e6 mögen dieſelben
bald durch das noch ſehlende abigefchloffen werben, wie [ehr
hatte M. vie Bibelforſcher alferfeità erfreut, wenn er an
der Integrität und Glaubwürdigkeit der hl. Schriften feft;
gehalten hätte. Haben wir willführliche Vorausfegungen,
Ierige Erklärungen, falſche Kombinationen getabelt, [Ὁ
wollen wir benuod) nicht im geringſten das ob tlefet
fleißigen und fcharfinnigen Anſammtung von Matertalten
tür das Verſtändniß ded phöniz. Alderthums Tchmäseen.
Vieles was bisher auf dieſem Gebiete überſehen worden,
ift aufgebellt, anderes if richtiger beſtiumt und mit Qui
benj. vargelegt worken, alken berartigen Gvgebniffen wünfdyen
wit, fe mögen im bie Darktellung bes bibliſchen Altew
mums Gingang finden, vesfehhte biwgegen entſchieden "m
tüdgewitjen werden.
Dr. Ὁ. αν ἔν,
452 | Meignen,
2.
Les Prophéties Messianiques de l'Ancien Testament ou
la Divinité du Christianisme demontree par la Bible
- par M. l'Abbé Guillaume Meignan, Chanoine honoraire,
Docteur en Theologie. Propheties du Pentateuque préce-
dées des preuves de l'Authenticité des cinq livres de Molise.
Paris, Librairie Adrien le Clerc et Cie, imprimeurs
de N. S. P. le Pape et de l'Archevéché de Paris, Rue
Cassette, 29, prés Saint-Sulpice. 1856. Propriété. —
L'Auteur et l'Editeur se réservent le droit de traduction.
Vorliegendes Bu ift hauptſächlich gegen ben deutſchen
Rationalismus und fein Unfichgreifen in Franfreich ger
richtet. Nachdem Hr. Abbe Meignan denſelben mit einer
überrafchenden Senntniß ver betreffenden deutſchen Literatur
kurz charakterifirt und auf fein Endziel (Befeitigung ver
Göttlichkeit des Chriſtenthums) aufmerffam gemacht hat,
wirft er fid bie rage auf: si le rationalisme allemand
ne crée aucun danger pour la France? und antwortet auf
biefelbe: Nous pensons qu'à un époque οὐ l'obstacle des
distances a disparu, ou la barriére élevée entre la France
et l'Allemagne par la diversité de la langue tend' à s'abais-
ser, oü l'esprit public recommence à se préoccuper de la
question religieuse, le rationalisme biblique allemand est
un ennemi redoutable. ἢ crée des tentations malheureuses
par l'attrait de la nouveauté, par le spécieux de la science,
et par la merveilleuse facilité qu'il epporte à chacun
d'interpréler la Bible. selon ses desirs et ses passions. . .
Des nombreux symptómes révélent que notre France esl
Prophéties Messianiques. 453
déjà travaillée sourdement par le rationalisme. ^ Le souffle
malsain qui part des universités de Tubingue, d'Heidelberg,
de Berlin etc. a déjà passé sur le sol de France et causé
des ravages (p. XXL). Mell nun nad feiner Ueberzeugung
in ben altteftamentlichen Weiljagungen ein Hauptbeweig
für die Böttlichfeit des Chriſtenthums liegt, fo hat er eben
diefe der rationaliftifhen Auslegung gegenüber in ihr rechtes
Licht zu ftellen fid) vorgenommen. Und um feiner Arbeit
die erforderliche Griünblidfeit zu geben, glaubte er aud
auf Fritiihe Fragen fid) einlaffen, und namentlich die Auc—
toritàt ber Urkunden, auf die er ſich angewiefen fab, fichern
zu müjjen. Darum ftelte er fi, indem er fid vorläufig
auf den Pentateuch befchränfte, eine zweifache Aufgabe:
1) eine fritifdje, welche ble höhere Auctorität des Pentas
teuch8 nadjgumeijen Dat, unb 2) eine eregetiihe, welche
bie in ihm vorfommenben meffianifchen DEEP: ete
Hären foll.
Statt einer Approbation folgt auf die SBorrebe eine
Zuſchrift, welche ber Herr Erzb. Gibour, beffen Ermordung
neulich die Fatholifhe Welt mit Abſcheun und Gntfepen ers
füllte, unterm 15. Mai v. S. an ben Berf. richtete, und
die wir mittheilen zu jollen glauben, weil fie mehr ift als
' eine. gewöhnliche Approbation; fte lautet:
Mon cher Abbé. Je vois avec beaucoup de plaisir
la publication de volre livre sur les Prophéties Messiani-
ques de l'Ancien Testament, et j’applaudis aux sentiments
qui vous ont inspiré ce travail, ainsi qu'au talent dont il
est la preuve. Vous avez entrepris de venger nos saints .
Livres des allaques dirigées contre eux: par une exégésé
avenlureuse ou mal intentionnée; vous avez mis à profi
les découvertes et les progrés de la science moderne et
Theol. Duartalfehrift. 1857. 111. Heft. 30
454 Meignan,
fait servir à cause de Dieu les armes que des. esprits
égarés avaient forgées pour le combattre.
Autant que j'ai déjà pu m'en convaincre, mon cher
Abbe, volre ouvrage se distingue par la méthode el la
clarté: il est le fruit d'une étude patiente el conduite avec
de pensées de foi; les apologistes de la religion et les -
interpretes de la sainte Écriture y trouveront des indi-
cations utiles et de judicieux apergus. Il m'est donc bien
agréable de vous féliciler de l'ardeur qu'il vous a fallu
pour mener a bonne fin, au milieu des occupalions du
minisiere paroissial ce travail consciencieux et instructi.
Recevez, mon cher Abbe, avec mes sincéres félici-
tations, l'assurance de mes sentiments bien affeclueux.
1 M. D. Auguste, Archevéque de Paris.
Den Beweis für bie 9luctoritàt des Pentateuchs führt
Hr. M. dadurch, daß er zuerft die Aechtheit des Buches
aus äußern und Innern Gründen nachweist unb bann bie
rationalifti(de Beftreitung derfelben zu wieberlegen ſucht.
Als äußere Gründe für bie Aechtheit hebt er hervor a)
bad Alter des Pentateuchs, fofern er jedenfalls, abgefehen
von feinem Berfaffer, das ältefte Buch fei, welches vie
Menſchen befigen, b) das Hiftorifche Seugnif, wie nament-
lid die conftante Tradition bei den Hebräern in Betreff
ber pentateudjijdjen Wunder unb bie politiſche und gotteé:
-Bienftlihe Verfafjung der Hebraͤer in ber nachmoſaiſchen
Zeit, und c) das Zeugniß der hebräifchen Literatur, fofern
in allen hiftorifchen Büchern des a, T. vom Buche Joſua
‚ bis zu ben Büchern bet Maccabaͤer,des Pentateuched Gr»
wähnung geſchehe. Als innere Gründe für bie Aechtheit
macht ex gelten a) daß ber Zweck des. Pentateuchs identiſch
{εἰ mit dem Ziele, weldes ſich Mojes vorgefept, b) baf
Prophéties Messianiques. 455
der Pentatench durch feinen einheitlihen Gfarafter fid) ale
das Werk eines. Verfaffers ausweife und In ihm bet Geiſt
und das Leben Mofe’s nad, feinen verfihledenen Perioden
fij abfpiegle-und c) tag im den Archaismen des Dent:
teuchs ſich ble mofaifche Zeit verrathe. ]
Die MWiderlegung ber rationaliftifhen Angriffe gegen
bie Aechtheit bed. Pentateuchs wird mit einem allgemeinen
Urtheile über bie negative Bibel-Kritif in Deutſchland eins
geleitet, welches nad) dem [don Berührten nicht günftig
ausfallen fann. Hr. M. vergleicht fie mit vem Voltärianiss
mus unb bemerft, daß fie fid) zwar in Bezug auf Aus«
gangépunft und Methode von demfelben unter[djeibe, ihm
aber in Bezug auf ihre traurigen Refultate gleiche, indem
fie wie jener das Chriſtenthum in Europa in Gefahr fepe.
Außerdem gleiche fie Ihm aud) durch ihre Kühnheit im Bes
Baupten, ohne zu beweifen. Le ralionalisme allemand place
et déplace les événements a son gré: là, il hazarde une
date; ici il risque une élymologie; d'un fait douteux il
Lire une cerlilude. ... Confondant le ciel avec la terre,
il nie le surnaturel, mesurant la puissance de Dieu aa
pouvoir de l'homme, il rejette le miracle; il méle à la
fois les notions, les faits et les idées (p. 97). Uebrigens
will Hr. M. die Beftreitung ter Mechtheit nicht in ums
faffender und erfchöpfender Weife würdigen, fondern nur
an einzelnen Beifpielen zeigen, von welcher Art bie
Schwierigkeiten feien, die man fo zuverfichtlid als Zeichen
der Unaͤchtheit befanble. Bei der Auswahl dieſer SBeifpiele
aber ſcheint er fid) Dauptjádjid) nad einem vor Kurzem
in Paris erfchienenen unb im Sinne bed teut[den Rutionas
liomus abgefaßten Werke zu richten, deſſen Verfaffer er
als den bebeutenbften. Repräfentanten und Verbreiter des
30 *
456 Meignan,
Nationalismus in Frankreich bezeichnet. Es ift das Werk:
Histoire générale et systéme comparé des langues semi-
tiques, par Ernest Renan. Ouvrage couronné par l'In-
stitut et imprimé à Paris, par autorisation de l'empereur,
à limnprimerie imperiale. MDCCCLV. (p. XII) Zuerſt
giebt Hr. M. den Bericht über Even unb feine Topographie
in Unterfuhung, bann bie Angabe über die Cherubim am
Eingange be8 Paradieſes, die Angaben über bie lange
Lebensdauer der Patriarchen, bie Verſchiedenheit ber bib:
liſchen Chronologie im hebräifchen, jamaritanifhen und
griechiſchen ert, bie Arche Noe's, bie Sammlung ber
Thiere in diefelbe, die Sünpfluth, bie Zerfireuung der
Thiere nad) derfelben, und eine Reihe anderer Bunfte, aus
denen man nadtbeilige Folgerungen gegen die Aechtheit
unb ben hiftorischen Charakter bed Pentateuchs gezogen Dat,
unb zeigt,. daß biefe Golgerungen unberedjtigt feien. Wir
müjjn jedoch in Betreff ber[felben, fowie auch hinſichtlich
der Erörterung über bie Sprache des Pentateuchs im Ver
hältniß zur Cypradje der fpäteren Bücher des bebräifchen
Kanons, auf das Bud) felbft verweifen.
Als Hauptfache erjcheint der zweite oder eregetifche
Theil, bie Erklärung nämlid ber im Pentateuch vorfon
menden meffianifchen Werheißungen. Als ſolche werben
ausführlich behandelt: 1) das Proto-Evangelium , 2) der
Gegen Noa's über Cem, 3) die Berheißungen an bie
Patriarchen, 4) vie Weifjagung Jacobs (Gifo), 5) ble Weis
fagung Bileams und 6) die Verheißungen eines Propheten
von Ceite Moſe's.
Beim Proto-Evangelium wird zuerft gezeigt, daß tet
betreffenve Bericht nicht etwa als Mythus, ober, wie εὖ
hen im Alterthum von Einzelnen geſchah, αἱ Allegorie
- Prophéties Messianiques. 457
aufzufaſſen fel, dann daß vie Schlange ber Catan. gewefen
fei, und daß ber Glaube an gefallene Engel aud) in ber
vorerilifchen Zeit unter ben Juden geherrſcht habe, und
nod; bemerft, warum ber Böſe gerade bie Geſtalt εἰπεῖ
Schlange angenommen habe. Daranf wird eine ausführs
(ide Erklärung der betreffenden Stelle gegeben, und Preuves
intrinséques de la réalité du Proto-Evangelium beigebracht,
und endlich die Harmonie du Proto-Evangelium avec la
nature humaine et avec l’economie’ de la Redemption auf;
gezeigt. Hieraus ift ſchon erfitli, bag Hr. 9X. den zum
Theil ſchwierigen Fragen, bie fid) an bie wichtige Etelle
anfehließen, nicht aus bem Wege geht; aud fertigt er bles
felben nicht etwa nur kurz unb oberflächlich ab, fondern
laßt fid) in ausführliche, gründliche Erörterungen über dies
felben ein, unb berüdfichtigt dabei bie vorhandenen eregetifchen
Arbeiten in erforberlihem Manfe. Und das nämliche ift
and) bei den folgenden von ihm behandelten meffianifihen
€teffen der Fall. Wir glauben übrigens ein Urtheil über
fein eregetiiches Verfahren am beften vermitteln zu fónnen
burd) Mittheilung eines Beifpieles, und wählen dazu, was
er über das befannte: ipsa conteret caput tuum bet
Bulgata (Genes. 3, 15.) fagt (Θ. 252 ff.). Selon la Vulgate,
c'est la femme qui brisera la téte du serpent: Inimicitias ponam
inter le ei mulierem, et semen iuum et semen illius: ipsa
conteret caput. tuum, et tu insidiaberis calcaneo ejus.
La.Vulgate a-t-elle bien traduit? — Selon l'hebreu ce
n'est pas, littéralement parlant, la sainte Vierge qui brise
la lête du serpent, mais Jésus-Christ; et la vraie tra-
duction est: Inimicilias ponam inler... semen tuum et se-
men illius, ipsum (semen) conteret caput iuum. Nous
adoptons celte traduction, Elle est appuyée sur les autQ-
458 .. Meignan, ,
. rilés les plus décisives, sur celle des Septante, qui ont
traduit NY par αυτός, ipse !), sur l'exemple de toutes les
paraphrases chaldaiques, celle d'Onkélos, de Jonathan, de
Jerusalem, sur toutes les versions syriaques, touts les
versions arabes, : celle de Saadias comme celle d'Erpé-
nius, sur la version persane de Tawos, sur la version
égyplienne, la version copte, la version arménienne,
et sur le texte samaritain. Saint Irénée ?), saint Jean
Chrysostóme ?), saint Jéróme lui-méme ?), saint Ephrem,
et enfin saint Pierre Chrysologue 5) ont également admis
la traduction ipsum αὐτὸς. II est vrai que le pro-
nom NY? se rapporte quelquefois dans le Pentateuque à
un substantif féminin et peut par exception éter traduil
par ipsa; qu'un verbe avec une terminaison féminine
s’accorde quelquefois avec un sujet masculin et vice
versá: il est vrai que saint Augustin 9), saint Ambroise 7),
el, à partir de. la seconde moitié du V* siécle, Ia majo-
rié des Péres de l'Église ainsi que les scholastiques ont
adopté la traduelion ipsa. Bellarmin citait de son temps
à l'appui de celte interprétation un manuscrit hébreu qui,
à la place du pronom masculin NY^, portail le pronom
féminin δ 9); aujourd'hui, on pourrait en citer au
1) Il est étonnant que les Septante aient traduit NY" par avro
puisque le subsiantif σπέρμα ess du neutre. lls ont eu une in-
tention; ils ont cru désigner plus clairement le Messie.
2) S. Irénée, lib. IV, Advers. haeres., c. LXXVIII.
3) S. Chrysost. Hom. XVII.
4) S. Hieronymus. In Quest. hebr., VII.
9) S. Petrus Chrysol.. Serm. 173.
6) S. Aug. de Genesi, L. II. c. XVIII et XXXVI.
7) S. Ambr. De fuga saeculi, VII.
8) ,Etiamsi codices hebraei habent wm legi tamen. unum, in
quo scriptum orab ary ipsa. ;
Prophéties Messianiques. 459
moins trois, sans parler de cinq auftes thanüscrils oli ld
texte est douteux !"). Il est incontestable néanmoins qué -
la premiére opinion est aujourd'hui la seule que l'on
puisse défendre en bonne critique; car, non seulement
l'autorité de presque tous les manuscrits, celle de tous
les Péres grecs, celle de tous les Péres latins avant le
γε siécle, celle de toutes les paraphrases et les versions
militent en faveure du: pronom ipse, mais encore le genre
du verbe auquel il se rapporte et celui des suffixes.
Nous lisons dans le texte hébreu: BY, Il te brisera;
vbw/n, Tu lui briseras, οἱ non Elle te brisera Bon,
ni tu briseras A Elle ΟΦ. La version ipse est tellement
naturelle, tellement necessaire, qu'il est vraiment difficile
de s'expliquer comment la traducfion ipsa a pu-s'intro-
duire dans l'Église latine. L'ancienne italique traduisait
MY" par ipse. Serait-ce saint Jéróme qui aurait introduit
la version ipsa? L'hypothése est fort improbable, car
saint Jéróme, dans ses ouvrages el dans sa propre tra-
duction a écrit ipse. Serait-ce une faute des copistes,
les quels, dit saint Jéróme, écrivent non pas ainsi qu'ils
lisent, mais ainsi qu'ils comprennent; maitres malhabiles,
continue-l-il, dont les correclions sont elles-mémes ἃ
corriger. Cette hypol&se nous paralt probable. Ce qui
est cerlain, c'est que l'erreur n'a été possible que parce
que l'expression ipsa, infidéle à la lettre du texte , est
cependant conforme à son esprit.
Mais, quelle que soit la version que l'on adopte,
l'évidence de la prophétie est la méme. — Dans l'un et
autre cas, le röle auguste de la Vierge Marie est predit:
1) Ces manuscrits se trouvent à la bibliothéque du Vatican.
Voy. De Immaculato conceptu, C. Passaglia, t. II, p. 97.
460 Krammer,
c'est, toujours la nouvelle Eve qui par son fruit béni
ganfond le serpent irompeur el lui brise la téle.
. $a Hr. M. gerade her antichriſtlichen und antifirds
lichen Richtung der Schrifterflärung entgegentritt, [o braucht
faum nod) bemerkt zu werben, daß er fid) mit voller Ents
ſchiedenheit auf dem Standpunkt ber. Firhlihen Auslegung
befindet und ble Vertreter derfelben hinlänglich berüdfichtigt
und nöthigen Falls audj zum Worte fommen läßt. Sein
Buch ift tafer folhen, die fid etwas einläßliker mit
ten meffianifchen Weiffagungen des Pentateuchs vertraut
machen wollen, unbedenflih zu empfehlen und wird ihnen
ſicherlich zugleich wegen der Friſche und Lebendigkeit ter
Darſtellung nicht bloß eine helehrende ſondern aud) anges
nehme Lectüre gewähren.
Welte.
3.
fran; Arammer, der Philoſophie unb Theologie Doctor,
Öffentlicher ordentlicher Profeſſor der Patrologie unb Dog⸗
matik an der K. Ungariſchen Univerſitaͤt zu Tyrnau,
Domherr bei der Primatialkirche zu Gran, — Bon ber
alleinſeligmachenden katholiſchen Kirche. Aus bem
Lateiniſchen überſetzt unb mit Zufägen vermehrt von Dr. A.
3. ginterim unb Dr. 3. Deby. Düffeldorf, 1857. Drud
und Verlag von Engeld und Lenſch. — 4 Thle. in gr. 8.
‚Pr 3 fl. 30 Er.
Eine na großartigem Maafftabe angelegte, Rechtfer⸗
tigung des katholiſchen Lehrſatzes von der alleinſeligmachen⸗
ben Kirche gegenüber bem modernen Latitudinarismus, der
von der alleinfeligmachenven Tatholifchen Kirche. 461
ein natürliches, wiewohl vielfach verläugnetes Kind des in
Secten gerfplitterten und in, feiner centrifugalen Richtung
unaufhaltfam fortgetriebenen Proteſtantismus, bie Thore
ber Kirche Chrifti und des Himmelreihes Allen offen
hält, welde an ber ἥδετο und bem Werfe des Erlöfere
im Allgemeinen nod) etwaó Göttliches oder Uebermenſch⸗
liche8 anerkennen, mögen fie in ihren anberweitigen rell;
giöfen Ueberzgengungen mod) jo weit auédeinanbergeben.
Daß diefer monftröfe „Katholicismus“ ber von der fatbos
lifchen Kirche für fid in Anfprud genommenen Prärogas
tive, ausfchließliche göttlihe Heilsanftalt zu fein, die Ans
erfennung ſchlechtweg verweigert und ihr eben auf biefem
Punkte abjolut feinblidy entgegentritt, liegt in feinem Bes
griff unb Wefen. Andrerſeits ijt derfelbe ganz dazu anges
than, innerhalb des Proteftantismus, aus dem er ent
fprungen, fid) bie weitefte Anerkennung und Aufnahme zu
verfchaffen; erfcheint er ja als ber lepte Nothbehelf, wor
mit man fid auf diefer Ceite über die grenzenlofe äußere
unb innere Zerfahrenheit mit einiger Beruhigung wegzus
feßen vermag. Aber aud) den Gliebern ver Fatholifchen
Kirche, inébejonbere denjenigen, die ben f. g. gebildeten
C tánben angehören, ift bei der Unvermeiblichkeit des geiftigen
Gontagiumá mit ben Nachbarconfeflionen die „neumodifche
Satfolicitàt," wie der Verfaſſer die proteftantifche Garifatur
ver fatfolijden Univerfalität zu benennen pflegt, vielfach
als Verfuhung genaht und nicht wenige find ihr erlegen.
Man wird daher eine gründliche Beleuchtung diefes Pſeudo⸗
catholicismus, der fid) in die Etelle des üchten einzubrängen
bemüht ijt, und eine alfeitige Begründung des Anrechtes
ber Fatholifhen Kirche auf ben Namen und Vorzug der
alleinſeligmachenden als ein ganz geitgemäßes Unternehmen
462 Krammer,
um fo mehr milffommen heißen, je häufiger und heftiger .
nad ber Bemerfung des Verfaſſers von ber einen Eeite
die Angriffe auf dieſes Dogma find unb je faumfeliger
auf der andern die Vertheidigung deſſelben bisher ge
weſen ift.
Dr. Krammer, dem zur 2ófung blefer Aufgabe neben
einer gründlichen theolegifchen Bildung, ausgebreiteten Ge;
lehrſamkeit und einem nicht gewöhnlichen Scharffinne eine
feltene Belefenheit in ter neueren apologetifhen tmb pe;
lemifhen 9iteratur Ungarns und Deutfchlande zu Gebote
ftebt, entlevigt fid) feiner Aufgabe in bem angezeigten 610
Seiten umfaffenden Werke. Die Einleitung (1. Theil)
gibt eine Gefchichte ber Geneſis nnb weiteren Entwidlung
ter neuen. Ratholicität, bie mit ber Geſchichte der inneren
Entwidlung des Proteftantismys überhaupt nahezu zus
fammenfält. Das proteftantifche Princip erwies fid) als
unfähig, die riftliche Religion in ihrem obfectiven Boll;
beftande zu wahren. Die von bet haltenven, leitenden und
erziehenvden Autorität der Kirche entbundene Subjectivität
warf Schritt für Schritt die Echranfen nieder, welche ibt
in dem göttlihen Anfehen der Schrift und den Symbolen
gejegt werden wollten, und lief, wo fie auf ihrem Wege
nicht durch Außere Hemmniffe aufgehalten wurde, entweder
i völligen Invifferentismus aus, ber hinwieberum ben
9taturaliómué und Atheismus im Gefolge bat; ober fit
fommt, wo das chriftlich religiöfe Interefje nod) einiger
maßen reagirt, in jener religiöfen Weitherzigfelt zur Ruhe,
die auf eine objective Glaubensnorm und allen pofltiven
Blaubensinhalt verzihtend, „die neue, allgemeine, auf
wenige, aber „„große”" Wahrheiten befchränfte Religion
und die neumobifde, Alles, was nod ten Namen Ehrift
von ber alfeinfefigmadjenben katholiſchen Kirche. 463
traͤgt, umſchließende Fatholifhe Kirche“ anf ihr Programm
gejest hat. Der Berf. hat fit) bie Mühe nicht vervrießen
lafjen, diefen Proceß durch all. feine gefdjidtliden Phafen
zu verfolgen, wobei (id) freilich feine Darflelung zu [ehe
in das hiſtoriſche Detail verliert und einzelne Perſoͤnlich⸗
feiten, namentlich die des ſächſiſchen Reformators zu ftarf
in den Vordergrund gebrängt werben — nicht ohne Beeins
trádjtigung der Leberfichtlichfeit und Gefährbung bet Haren
Einfiht in bie inneren Gründe und treibenden Motive des
geſchichtlichen Verlaufs.
Im zweiten Theile führt Krammer den Beweis, daß
die chriſtliche Religion, weil göttlichen Urfprunges unb fos
mit durchaus objectiv wahr, ebenveßhalb notbmenbig nur
Eine over einzig ift, in bem Sinne, daß ihr ,àdter und
wahrer Sefanımtinhalt innerlich und feiner Natur nad
Einer fein muß”, Eine in eine Bielheit aufs engfte mid
einander verbundener Momente (Dogmen) fid) auslegende
göttliche Wahrheit. Weil aus göttliher Offenbarung ent»
fprungen, ift die chriftliche Religion felbftrebend aud) bie
allein felig madjenbe. Damit fie aber viefes fel und bleibe,
ift nothwendig, daß fie ten Menfchen aller Zeiten bis an
tad Ende ber Welt in ihrer vollen Integrität, ihrem ganzen
ungefchmälerten Beftande und mit derjenigen objectiven
Sicherheit und Gewißheit überbradjt werde, welche eine
fefte Ueberzeugung von ihrer Wahrheit und Göttlihfeit zu
begründen im Stande ift. Zu viejem Endzwecke hat ihr
göttlicher Urheber vie Firchlihe 9Berfünbigung angeordnet,
bie auf ſpezieller göttliher Senvung berubenb, auf das
zwedmäßigfte organifirt unb unter Gottes befonderen Schuß
und Leitung geftellt, (id) nad) beiben Beziehungen als das
allein angemefiene und volfommen zwechdienliche Mittel
3
464 : Krammer,
bewährt; während ber Proteftantismus, indem er an vie
Stelle ber antoritativen Firchlihen Verkündigung das ges
fchriebene Bibelwort fest, ebenbamit bie Bollftändigfeit
unb bie Gewißhelt der chriftlihen 9tellgion, die beiden
Grunbbebingungen ihrer befeligenden Wirkfamfeit, preis
gegeben hat. Aus ber Einzigfeit der feligmadjenben Relis
gion wird fofort mit vollem 9tedjte die Einzigfeit ver fellg-
machenden Kirche gefolgert; ift ja tiefe nichts anderes al
die in die Erfcheinung tretenbe, die real gewordene Religion
ſelbſt. Im dritten Theile wird fodann bie wefentlihe Bes
ſchaffenheit ber alfeinfeligmadenben Kirche ausführlich
befprodyen. Als Sundamentalfag wird an bie €pige ges
ftelt: „Wie die Kirche Gottes im Anfange, bei ben Qeb;
zeiten der Apoftel war, fo muß fie immer bleiben.” Die
wahre Kirche muß taber vor allem eine „außerorbentlidye“
(auf einem übernatürlishen Grunde ruhende) fein (nicht
blos in ihrem Urfprunge, ſondern aud) in ihrer Fortdauer),
weiterhin die gefammte Religion bewahrend, weife einges
tidjtet, Eine, heilig, apoſtoliſch, katholiſch, ſichtbar, einzig,
allein wahr und abfolnt vein. Diejenige Kirche, weldje
alle biefe Egenfchaften in fij vereinigt, i(t bie wahre
Kirche Gfriftl und daher die alleiufeligmad)enbe. Nichte
von alle bem paßt aber auf bie fatfolijde Kirche im
Sinne ber Neuerer, die vielmehr in offenbarem Wider
fprudje mit bem Evangelium, mit bem Geifte des Chriſten⸗
thums, ja fogar mit bem Geifte des (fgmboli[djen) Protes
fiuntiómuó und mit fid felber ſteht unb Glauben unb
hriftliches eben, ftatt fie aufrecht zu erhalten und zu
pflegen, untergräbt und zugrunderichtet; nod) paßt dasfelbe
überhaupt auf eine Später entftandene Kirche, namentlich
nicht auf ben Proteftantismns, welchem wie bie Einheit,
‚von ber alleinfeltgmachenven Fatholifchen Klirche. 465
fo aud) die Merkmale ver Heiligkeit, ber Apoftolicität, ber
Ratholicität abgehen und nicht minder die weife Ginrldtung
mangelt. Dagegen finden fid) al die angegebenen Eigens
Ihaften in der römifchsfatholifchen Kirche vereinigt, die eben⸗
barum als die allein wahre Kirche und als vie alleinige
göttliche Heildanftalt für ale Senden zu betradten ift.
Daß bei ihr alle Merkmale der wahren Kirche zutreffen,
beruht nad) Krammer „auf ver unantaftbaren Auctorität
ves heiligen gebramteó, verbunden mit bem Vorzuge bet
Unfehlbarkeit.“ Lesterer Punkt wird im vierten Theile,
der übrigens in ziemlich fragmentarifcher Geftalt vorliegt,
weiter andgeführt, tiefer begründet unb Inóbejonbere nachges
wiefen, daß nur in einem unfehlbaren Lehramte ein ficheres
und allen angemefjenes Erfenntnißprincip ver chriftlichen
Religion gewonnen ift.
Diefe gebrángte Ueberficht über den Inhalt des vore
liegenden Werfed mag genügen, um eine annähernve ors
Kellung von ber Anordnung unb bet Reichhaltigfeit des
darin verarbeiteten Stoffes zu geben. Dan fann bem Ber:
fafjer das Zeugniß nicht verfagen, daß er in ber That
fein Thema thetiſch ſowohl alà antithetiich in einer bió;
fer von feinem anderen erreichten Ausführlichfeit und Voll⸗
ftändigfeit abgehandelt hat. Insbeſondere ijt er bem fid)
fpreigenden Irrthume auf all feinen gewundenen und las
byrintbifch verfchlungenen Pfaden unermüdet nachgegangen,
um ihn bis in feine legten Schlupfwinfel zu verfolgen und
zu befämpfen ; die Proteusnatur desfelben, bie aud) einen
rüftigen Gegner zu ermüben vermag, hat ihn nicht abges
halten, ihn in al feinem wechfelnden Geftalten mit tüchtigen,
der Schrift und der gefunden Vernunft entnommenen Ar
gumenten .anzufaffen unb jeine Geheimniffe ihm zu ent:
466 Krammer, v. b. alleinſeligmachenden Bath, Kirche.
reißen. Die Beweisführung ift faft durchgängig fíat,
Khlagend und überzeugend, wenn fie.aud) nicht, was hier
faum möglih fein dürfte, alle Ausflüchte abjchneidet.
Dagegen wird man die Dispofition des Stoffes im Eins
zelnen nicht überall gutheißen fónnen. Die Aufeinanders
folge ber einzelnen Materien ift da und dort, wenn nicht
unlogijd), bod) zu wenig motipirt unb erjdeint jo nicht
felten als eine zufällige und willführlihe. Daher aud)
vielfade, zum Theil ermüdende Wiederholungen, Indem
ein und berjelbe Gegenftand zwei oder mehrere Male, wies
wohl unter etwas anderem Geſichtspunkte oder verjchledene
Gegenſtände unter bem gleichen Geſichtspunkte, abgehandelt
"werden. Mandmal bat ber Berfaffer aud) zu weit auds
geholt ober Materien herbeigegogen, deren Zufammenhang
mit bem eigentlihen Thema ein ziemlich (oderer ift. Das
bei ift feine Darftelung zu ftoffartig, dad in großer Voll
ftändigfeit zufammengetragene Rohmaterial zu wenig ver»
arbeitet. Die häufig ganz äußerlich an einander gereihten
febr zahlreichen und langen Bitate aus Schriften ver vers
ſchiedenſten Verfaffer, weldye zudem bie Herausgeber um ein
bedeutendes vermehrt haben, nicht minder bie (beſonders im
erſi enund zweiten Theile) allgufebr gehäuften Anmerkungen,
die wiederum da und dort dur neue, fie ergänzende
Noten von Seite bet lleberjeger bereichert werben, machen
die Darftellung breit und fchleppend und fónnen nicht vers
fehlen, bie Geduld des Leferd manchmal auf eine ziemlich
harte Probe zu fielen. Cine freie lleberatbeitung des
Ganzen ftatt einer mit (allerdings recht banfenswerthen)
e Bufäpen vermehrten bloßen lleberjegung des in feinem
Kerne vortrefflihen Werkes wäre aus den angeführten
Gründen wohl febr wünfhenswerth gemejen; will ja ber
Thalhofer, Erflärung der Pfalmen. 467
Verfaſſer fefbft feine durch ein bringenbe8 SBebürfnig θεῖν
vorgerufene Schrift ald einen bloßen Entwurf betrachtet
wiffen, ben er burdj andere Hände „zu einem tüdjtig bes
arbeiteten und vollfommenen Werke umgeftaltet" zu jefen
wün[dt.
Die beutíde lleberegung des erften Theiles ift nicht
ohne fühlbare Mängel, dabei ziemlich hart und [dymerfállig ;
namentlich begegnen wir €. 9 f. einer Außerft langathr
migen und munbetlid) verfchlungenen Periode, bie im Las
teinifchen vieleicht nod) erträglich, im Deutfchen geradezu
ungeniefbar ift. In bem übrigen Theilen dagegen ift ble
leberfegung correct unb fließend unb läßt nur tie Gorrecs
tur des Druckes manches zu wünfchen übrig. .
Lic. Hitzfelder.
4.
Erklärung der Palmen mit befonverer Rückſicht auf deren
liturgifd)en Gebrauch im Brevier, Miffale, Pontificale -
und Rituale, nebft einem Anhang enthaltend die Gr»
Härung ber im Brevier vorkommenden alttefl. Gantica
von. Dr. Balentin Thalhofer, Prof. ver biblifchen Wiffen-
fohaften zu Dillingen. Regensburg, . 1857. Verlag von
Sof. Manz S. 740. Pr. 4 fl. 12 fr.
Es Tiegt nicht in ber Abficht des Nef. auf den eres
getifch wiſſenſchaftlichen Werth und Gehalt vorliegender
Dialmenerflärung einzugehen. Der Verf. will fefGít nicht
nad) biefer Eeite hin ein beſonderes Verdienſt beanſpruchen,
obgleich nicht zu verfennen ift, daß fich in den Noten, wos
hin der gelehrte Apparat verwiefen wurde, viel Studium
468 Thalhofer,
und Gelehrſamkeit kund gibt. Man kann dem Verf. glauben,
wenn er ſagt: „Es koſtete mich manche Ueberwindung,
die Reſultate nicht blog ſtunden- ſondern tagelangen Stus
diums in einige kurze Sätze zuſammenziehen zu müſſen.
Der kundige Leſer wird finden, daß ich die ältere, neuere
und neueſte Literatur durchweg benuͤtzt habe, obgleich ich
Kürze halber es unterlaſſen mußte, all' die verſchiedenen
Auffaſſungen anzuführen, zu würdigen und beziehungsweiſe
zu widerlegen” (Vorr. S. VI).
Das Hauptbeftreben des Verfaſſers geht dahin, die
Pfalmen mit Rüdficht auf ihre liturgifche Verwendung zu
erklären, und auf bie Beziehungen hinzuweiſen, welche vem
Inhalt eined Pfalmen je nad) feiner Stellung in einem
Officium zu geben if. Wir haben verfchievene ältere unb
neuere Erklärungen ber Pfalmen, bie theils wiſſenſchaft—
liche, theils practifche Zivede (betrad)tenbe Exegefe), tbeiló
beide zujammen verfolgen wie bet Kommentar von Schegg,
aber bie fpecielen Beziehungen, welde bie einzelnen Pfal-
men in biefem obgr jenem Officium des Breviers ober in
biefem oder jenem Ritus haben, unb die Gebetöftimmung,
in welcher ein Pfalm je nad feiner liturgifchen Stellung
und Verwendung gebetet werben fol, find unſers Wiſſens
nod) von feinem Erflärer ver Palmen aufgefuht und bes
zeichnet worben. Der Verfaſſer hat fid) baber bei feiner
Pfalmenerflärung eine neue Aufgabe geftellt, bie, wie jeder
einjehen wird, ihre eigenthümlihen und zwar bedeutenden
Scwierigfeiten hat. So fhwer es aber ift, die innern
Motive aufzufuhen und genau zu bezeichnen, nad) welchen
die fitdiden Organe bie Pfalmen in die Officin und
andere rituelle Stüde eingereiht haben, fo Ift bod) gemi,
daß nicht Zufall fondern ficherlich die beftimmte Abjicht ob»
Erklärung ber Pſalmen. 469
gewaltet hat, jedem Palmen unb SBfalmftüde, bie man
liturgifch verwenden wollte, eine beftimmte Beziehung zu
bem jeweiligen Hefte ober zu ber zutreffenden Zeit zu geben.
Diefen innern Beziehungen ber Pfalmen nad) ihrer liturgi
(fen Stellung Bat ber Verf. mit aller Sorgfalt nadge:
fpürt, unb fie in möglihfter Kürze und Beftimmtheit an»
zudenten geſucht. ? 4
Die Methode, bie er bei Löfung feiner Aufgabe ein;
ſchlaͤgt, ift unzweifelhaft bie richtige. Es wird bei jebem
Plalm der Tert ber Bulgata mit nebenftehender fchöner
rythmiſcher lleberjegung vorausgefhidt. Sofort wird ber
wörtlihe Sinn‘ des Palmen, deſſen grammati[d) hiftorifcher
Einn erörtert und nad Umftänden auf bie myſtiſchen
und prophetifchen Beziehungen desſelben aufmerkfam ges
macht. Soweit fid) hiebei ſprachliche Schwierigfeiten er-
heben, find fie in ven unter bem Text angebrachten Noten "
furj bejproden. Obgleich bie Bulgata, wie es bei bem
Endzwede unferer Erflärung nicht anders erwartet werben
fann, überall zu Grunde gelegt ift, fo wird bod) bei bunfein
Stellen ber hebräifche Tert zur Aufhellung beigezgogen und
benügt.
Auf ber durch ble Sinnerflärung gewonnenen Grunds
lage vollzieht fobann ber Verf. feine Aufgabe gang fun
und einfad. Es wird Hingewiefen auf bie verſchiedenen
Cellungen, welche der betreffende Palm in den Officien
fat, welche Grund-Beziehung ihm bier und melde ihm dort
zu geben fei, welcher Grundton in ber Gebetéftimmnng
vorzuherrfchen habe, wenn er an diefem Wefle ober Tage,
und welche wenn er an einem andern, Sefte gebetet werde.
Selbſt bie Heinen Pfalmftüde, die in den Mepliturgien
vorfommen, find herbeigezogen. Es ift dieſes mit folder Ge
Theol. Quartalſchrift. 1857. I. δεῖ |. 81
470 Thalhofer,
nauigkeit geſchehen, daß ſich wenige Pſalmen finden werden,
deren liturgiſche Verwendung nicht vollſtaͤndig berüͤckſichtigt
worden wäre. Bei ben Wenigen, wo dieſes nicht ber Fall
ſein ſollte, iſt das Verſäumniß von ganz untergeordneter
Bedeutung; ſo fanden wir bei Pſalm 24 deſſen Stellung
im offic. defunctorum und bei Pſalm 125 deſſen Ber
wendung in der Veſper ter fer. IIL nicht angegeben,
was bei der anderweitigen Genanigfeit nicht hoch anzu-
ſchlagen ift.
- (ὅδ wird Jedermann begreiflich finden, daß jene Be
ziehungen mehr nur angebeutet als ausgeführt find. €egteted .
würde zu weit führen, und ber individuellen Stimmung
des Betenden zu feft vorgreifen. Denn wenn and nad
Maßgabe des Inhalts eines Pfalmen und in Rüdiiht auf
das Feft und bie Zeit, wo berfelbe gebetet wird, ein ge
wiffer allgemein zu empfeblenber Grundton vorherrfchen
fann und fol, jo find doch bie geiftigen Bebürfniffe und
Grfebniffe des Einzelnen fo wie deſſen Stellung zur Kirche,
zu einer Gemeinde ober Einzelne fo verſchieden, daß (id
darnach die Gebetsregungen in verfchledenen Sinbipibuen
notbwenbig eigentbümlid geftalten müfjen. Der univer
felle Charafter ver Pſalmen ald Gebetöformularien bringt
es mit fi, daß die individuellſten Stimmungen unſchwer
darin ihren Ausdrud finden fönnen. Solchen [nbipibuellen
Regungen, bie ein Pfalm je nad) den eigenthümlichen Ver
hältniffen des Betenden hervorbringen fann, nachzugehen
and fie anzudeuten, war bem Berf. nicht zuzumuthen.
Er fonnte eó nur als feine Aufgabe anfehen, vie allge
‚meinen Gefihtspunfte hervorzufehren, von welden aus ein
Pſalm je nad feiner Einordnung in ein Officium gebetet
werten könne oder müfle, damit εὖ im Sinne der Kirche
Grflárung ber. Pſalmen. 471
geſchehe. Auf dieſen Grimbton hin wird fid) die individuelle
Stimmung des aufmerkſamen und erwärmten Beters von
ſelbſt modifiziren und nad verſchiedenen en
Richtungen hin verlaufen.
Es ijt wohl das Angemefjenfie, wenn mit, um bud
. bießfällige Verfahren des Berf. zu veranfhanlichen, ein
Beifpiel davon Derjegen. Wir wählen Palm 18 „ooeli
enarrant, gloriam. Dei etc.“ €. 76—82. Nachdem ver
Sinn desjelben entwidelt ift, wird beffen Titurgifche Ver⸗
wendung in folgender Weile angegeben &. 80: „Die
Pracht des phyſiſchen Himmels und. bie des myftifchen, wie
Offenbarung im mejaijden Geſehe unb die im Evangelium
ift zuletzt Werk aller drei göttlichen SBerfonen, ift Werk
des Dreieinen, den wir in Mat. fest. ss. Trinit. mit biefent
Pſalm verherrlihen.” — „In Ehrifto wohnt bie Fülle ber
Gottheit leibhaftig”" (CoL 2, 9), feine menjdtide Natur
it im volften Sinne des Worted „Wohnung“ Gottes,
nicht nur für einige Zeit, jonbetm auf ewig; im biejet
Sonne, in Gfrifto, hat fih Gott, die Gottheit in aller
Wahrheit ein Zelt gebaut (in sole posuit — smtiph. im
oct. nativ. Dom.). Dieſe gottmenſchliche Sonne, von weldyer
das Gejeg ver Wahrheit und Gnade ausftrahlte, ning herr
vor in ber Weihnacht aus dem SBrautgemad) des jungfräns
(iden Mutterſchooßes (Mat. nativ. et circumc. Dom.).
Das lieblichfte (sicut myrrha electa dedisti odorem suavi-
tatis) unter ben Geſtirnen, welde um bie Gentraljonne,
Chriſtus, fich bewegen, ift Maria (oer Mond); auf fie,
deren Ruhm durch bie ganze Welt erſchallt (V. 2—5) unb
auf ihr Verhaͤltniß zu ihrem Sohne (V. 6—7) hinſchauend,
beten wir den Pfalm in den Muttergostesofficien, und e
Innernd, daß ne allzeit das Giefe& des. Herrn (Y. 8-11)
31 *
413 Thalhofer,
erfüllt hat, und (febenb, taf e$ auf Grund ihrer Sürbitte
audj uns gelingen mödte (V. 12—16). — Durch bie
ganze Welt bin haben vie Apoftel des Herrn Ehre vet,
fündet (Commune Apost.), und bió zur Stunde erfdjallt
ijr Wort απὸ dem Munde ihrer Nachfolger; barum et
[Heinen die Apoftel unter den Geftirnen am myſiiſchen
Himmel als tie leuchtendften (V..2—5); fte gaben Zeugs
Tif von ber Sonne, Ehriftus Iefus (V.. 6-7), verkünden
fein Gejeg (V. 8-11); o daß aud wir es hielten
(V. 12—16)! Unter den übrigen Heiligen zeugen bie
Sungfrauen am lauteften davon, was das Gbriftentbum
vermöge ; In der Jungfräulichkeit, der foftbarften ber Tugen⸗
ben, tritt und bad Licht, weldhes von ber Sonne Ehriftus,
dem jungfräulihen Gottmenſchen, ausftrahlt, am ſchoͤnſten
unb reinften vor Augen; zu blefen laut zeugenden Sternen,
die Ihrer Sonne folgen, wohin fie geht, ſchauen wir empor,
wenn wir an ben Feſten der Iungfrauen, bie getreu das
Geſetz hielten (V. 8—11), ten Pfalm beten. — Der all
mächtige Gott, von beffen Herrlichfeit die Himmel zeugen
(V. 2—7), hält uns für fo groß, daß er und Engel zu
Begleitern gibt, damit wir unter ihrem Schutze um fo
fiherer ven Weg- feiner dius (V. 8—11) gehen möchten.
Fest. Angelorum.*
Bei genauer Prüfung fann nit entgehen, daß ber
Verf. ein feines Gefühl befist, bie tiefen Beziehungen bet
Pſalmen und Pfalmenftüde zu den jeweiligen Heften und
Seftzeiten aufzufinden. Die hervorgehobenen Beziehungen
ruhen freilich immer mehr oder weniger auf bem Boden
fubjectiver Anfchauung, entbehren aber bod) nicht ganz eines
objectiven Charakters, da fie fih an ten Inhalt ber Pfal-
men, über bem man fid verftänvigen fann, anſchließen.
Erklärung der Pfalmen, 418
Eigentliche Willkür und auffällige oder abſurde Sins;
bentungen haben wir nicht getroffen. Es ift Alles nüchtern,
berftánbig, und zengt von klarer und richtiger Anſchauung
religiöfer Verhaͤltniſſe unb Juftände und von gefunbet
firchlicher Brömmigfeit.
Es mögen zwar immerhin mande Deutungen und
Winfe des Verf. einzelnen Pſalmbetern nicht vet eins —
leuchten, aber angeregt werben fle davon immerhin werben.
Bir zweifeln aud) nicht, daß bie melften Lefer ber Pfalmen
gerne auf die hier gegebenen Welfungen eingehen, und
hledurch in fid einen Gebetston anftimmen laffen.
Das Berbienft des Verf. ift. nicht gering anzufchlagen,
ba et auf bem nenbetretenen Wege einer liturgifchen
Pfalmenerflärung mit fo richtigem Takte verfahren ift.
Ref. nimmt Feinen Anftand, dieſes Buch allen denen zu
empfehlen, welche tie Liturgie zu verwalten, und baé
Brevier zu beten Haben, und hegt dabei die Ueberzeugung,
baf εὖ zu einer verfländigen, aufmerffamen und ans
bádjtigen Recitation des Officiums anzuregen und anzus
leiten in hohem Grabe geeignet ift.
Dr. Senbel, Gonbictébirector.
3$.
Die Dogmatiſche febre von den heiligen Sahramekten ber
katholiſchen Kirche. Won Dr. 3. f. Oswald. IL Band:
Die Buße, die legte Oelung, die Prieflerweihe und bie
Ehe. Münfter 1857. S. IX. 456. Pr. fl. 2. 24 fe.
Wir haben ben 1. Band diefes nunmehr vollendet
— Werkes im vorigen Jahrgange diefet'Zektfhtifl
4T4 Oewald,
(Heft 3. δ. 455 fi.) empfehlend angezeigt unb. nehmen
nm fo weniger Anſtand, bie dortige Empfehlung bier zu
wiederholen, aló der 2. Band, ohne an innerem Gehalte
bem erften nadgugeben, in formeller Hinfiht unverkenn⸗
bare Vorzüge vor biefem hat. Die eigentbümlide Gabe
des Berfafjers, den dogmatiſchen Etoff in leichter, fließender
^ Sprade, in Harer lichtvoller Darftelung, i einer en
unb Gemüth anfpredenben form bem Lefer vorzulegen, Bat
fd aud im 2. Bande nift verläugnet. Was dagegen
methodiſche Entwidlung der Gebanfen, Schärfe unb Be:
flimmtheit ber Begriffe unb Sünbigfeit der Schlußfolgerungen,
fowie Stil und Diction anlangt, läßt fid in ber That ein
merklicher Wortjdritt nicht verfennen, wiewohl allerdings
eine weniger breite, concifere Darftellung,
größere Befchränfung des oratorifchen Elementes und mehr
Maafhalten im Gebrauche von ungewöhnlicden unb leicht
vermeinlichen Fremdwörtern nad) unferem Dafürhalten aud)
hier wäre zu münfdjen gemefen.
Die Darfiellung ver Lehre vom Bußfacramente,
einf&hließli ber vom Ablaſſe, fat im vorliegenven Bande
über die Hälfte des Raumes in Anſpruch genommen
(6. 1—242). (δ find benn aud) die einfchlägigen dog»
matifchen Lehrpunfte in einer- Ausführlichfeit und relativen
Bolftändigkeit abgehandelt, bie faum da und dort etwas
zu wünfchen übrig läßt. Nur das Geſchichtliche hinſichtlich
ber Bußviociplin müdjte etwas zu karg bebadyt fein und
dürfte bie Ausgleihung ber. zwiſchen ber älteren und ber
fpätexen klirchlichen Praris in dieſer Richtung beftebenben
Differenzen, welche insbeſondere rüdfichtlich der SBebentung
ber Gatiéfactionen weit tiefer gehen, als bie in ber Dar
Relung des Verfaſſers heraustritt, nidt in allweg völlig
‚ bie bogm. Lehre vom den DL. Sacramenten. 475
befriedigen. ^ Unter den patriftifchen Seugniffen für ba9
Bußfarrament vermifien wir ungern das bed Paftor Hermä,
Nicht minder vermißt man eine nähere Verfländigung das
rüber, daß duch bie farramentale Abfolution nad) τάν
licher Lehre in der Regel nicht zugleih aud) ber Reat
zeitliher Strafe getilgt wird. Die hierauf begügliden
Grflürungen ber Synode ven Trient (sess. XIV. cap. 8.
de poeni) dürften, namentlid) angeſichts der nicht ganz
unerbeblihen gegneriichen Einwendungen, ben fatfolijdjen
Dogmatiker ber Pflicht einer tieferen und allfeitigeren Bes
gruͤndung biefeó befonberó für bie Ablaßlehre fo wichtigen
Lehrpunktes kaum entheben. Ebenſo [πὶ man vergeblich
nach einer Erflärung, wiefern bie Acte des Pönitenten:
Reue, Bekenntniß und Genugthuung beides zugleich find,
einmel Dispofitionsacte zum fruchtbaren Empfang des
Giacramenteó , vie fubjectine Bedingung der burd) bie obs
jective Handlung vermittelten Gnabenmirfung, anbrerfeità
zum Weſen unb Beſtande des Sacramentes felbft gehörige
Momente, weſentliche Theile ber objectipen Handlung felbft,
mit einem Worte (Quafis) Materie des Sacramentes,
Sofern fie beides nicht wohl in einer und derſelben Weife
oder Beziehung fein fónnen, jo wird man zwiſchen bem
Aeußerlichen und Inneren biefer Acte unterfcheiden unb fie
nad jener Seite ber Materie des Sacramentes, nach vieler
ber Dispofition zutheilen müffen. Hieraus ergäbe fid)
unter anderem bie bebeutjame Folgerung, daß durch äußere
ornungsgemäße €egung ber bezeichneten Acte der objective
Beſtand des Sacramentes gewahrt, b. D. das Sacrament
durch Hinzutrist feiner wefentlihen Form, ber Abfolution
vollzogen und von ber inneren, fubjectiven SSefdjaffenbeit
jener Acte, ihrer größeren ober geringeren Wahrheit unb
46 Oswalb,
Intenſtvität, nicht die Realität oder Giltigkeit des Sacra⸗
mentes, ſondern blos deſſen fruchtbarer Empfang be⸗
rührt wird. Die Richtigkeit dieſer Folgerung vorausgeſetzt,
muß die Anficht des Verfaſſers, (jo wir ihn anders reiht
verftanven haben) mornadj in all ven Fällen, in welchen
e$ ber Pönitent an der erforderlichen ethiſchen Dispofition
mangeln läßt, das Sacrament gar nicht vollgogen wich,
abgewiefen werben. (Roc mehr unter Vorausfekung ber
feotiftiichen Auffaffung vom Weſen des SBuffacramentee.)
Wir begnügen und damit, diefe Frage angeregt zu haben.
Weiterhin glauben wir nod) bemerken zu müffen, daß eine
tiefer eingehende SBefpredjung der eigentlichen Bebentung bes
priefterlichen Abfolutionsactes oder wenn man will, der Func⸗
tion des abfolvirenden Priefters nicht gerade überflüffig ger
wefen wäre. Daß dieſelbe nicht ald bloße Erflärung der von
Gott unmittelbar ertheilten &ünbennadjla(fung zu faſſen ift,
wird vom Verfaſſer nadjgemiefen ; allein wie im Acte ber
Suͤndennachlaſſung göttliche und priefterliche (minifterielle)
Thätigfeit concurriren und in welchem näheren Berbältnifie
wir und demnach bie Abfolution zum Sündenerlaß zu benfen
haben, darüber fehlt eine bentlidje und beftimmte Grflárung
und laßt ver Berfafier feine Anfiht mehr nur errathen.
Am meiften hat uns tie ebenfo grünbfidje als Licht
volle Abhandlung über bie Eontrition unb Attrition
befriedigt (6. 70—88). Insbefondere hat hier der Ber
faffer überzeugend bargetban, daß der f. g. amor initialis
(dieſer Sanfapfel der Altern Theologen) mit ter vom Triden⸗
tinum. geforderten Attrition ftet& mit pfychologifcher Noth⸗
toenblgfeit verbunden ijt. Es dürfte dieß wohl vie einzig
richtige Löfung ber intricaten Brage fein. Dagegen fonnten
mir und durchaus nicht befreunden mit der eigenthümlichen
ble bogm. Lehre von ben DL. Cacramenten, ATI.
vom Verfaſſer nachdrücklich verfochtenen Anficht, derzufolge
das jurtébictionelle Moment am Bußſaeramente, der eigents
fid) richterlihe Charakter desfelben nidjt fo faft in ver Ab⸗
folntion, als vielmehr in ber Erfennung und Aufleguug
ber Satisfaction (föfern dieſe vindicativer Ratur ift) liegen
fol. In ber Abfolution anerkennt ver Berfafler eigentlich
und direct bloß einengnadenvermittelnden Act (Rad
laß ber Sundenſchuld und ewigen Strafe); einen richten
lichen Charakter hat nach ifm biefer Act nur inbireet, in»
fofern nämlih, aíó ver Erlaß ber ewigen Strafe durch
bie Tacramentale Abfolution regelmäßig unter Nefervation
ber Verpflichtung zur Abtragung -zeitliher Strafen erfolgt,
dann auch nad) feiner äußerlihen Seite, ſofern ble Abſo⸗
fution in Form einer richterlidhen . Sentenz ansgefprochen
wird. (Vgl. befonteró €. 15 f. 97. 147. 161.) Das
hienach das jurispictionele Moment außerhalb bed. Sacra⸗
menteó als folden zu ftehen fommt, fällt in bie Augen,
und ber fBerfafjer hat bieje Conſequenz ſelbſt gezogen,
wenn er C. 147 fagt: „Das Gacrament als Gnaden⸗
mittel. (die Abfolntion) verleiht bie Gnade, b. f. Bier, gibt
ben Nachlaß ber Schuld; mit ber Strafe, auf melde fid)
die facramentale Genngthuung bezieht (in. deren Auflegung
bem SBemerften zufolge das eigentlich richtexrliche Moment
des Bußfacramentes fid) ausſprechen fol) hat das Sacra⸗
ment als folded ... nicht zu thun.” Wir möchten {εὖτ
zweifeln, ob diefe, übrigens vom Verfaſſer nicht überall
feng. feftgebaltene unb durchgeführte Auffafjung, in ber
bie sententia communis ber Theologen gerabezu auf bem
Kopf geftelft ift, irgend Beifall finden werde ἢ). Insbe⸗
1) Der Berfaffer trifft hierin mit dem berühmten Arnauld zus
jammen, beffen Anfit Betaviue (Theolog. dogmat. de poenit.
lib. I. cap. 8) gewürbigt hat. Wir verweifen ber Kürze halber hierauf.
—
—
476 | £e
Sintenfivität, nid" —* großes Bedenken
mentes, fonbe me, uͤbrigens nicht weiter,
rührt wird. T pt "P, j,ribete Meinung von einer
mu bie 9 m A tion bewirkten Um wand⸗
verftander 253 “4 Cinbenfivafen in zeitlide
e$ ter ⸗ a p prmügen. Laͤßt man nümlid) tiefe
nang —⸗ ,, p rite ebenbaumit bie priefterliche Abfos
aba: » * ah nur mittelbar ober indirect ein juris»
fc —* det er fein; fie wäre bieß nurmehr ihrer
—* sad) und dieſe {εἰδῇ blos mehr katachreſtiſch
jai μοί 9 gegen den Sinn unb Geift der tribentinifchen
wn (vgl. sess. XIV. cap. 6 und cam. 9 de
— zuletzt berührte Hypotheſe ſelbſt aber — denn
jr als eine Hypotheſe iſt die Annahme einer Umwand⸗
jung der ewigen Sündenſtrafen in zeitliche durch die factas
mentale Abſolution nicht — möchte auf ziemlich ſchwachen
guͤßen ſtehen. Es klingt zwar [εὖτ ſchoͤn und geiſtreich,
wenn ber Verfaſſer ©. 9 f. ausführt: „Fuͤr bie Kirche
als communio sanctorum, in welcher Chriſti Werk an ben
Einzemen andgeführt wird, ijt, fo fünnen wir und aue:
brüden, die ewige Strafe ber Sünde ein für alle mal in
eine zeitliche umgefegt; und daher aud) für bie: Mitglieder
ber Kirche, fofern fie als lebenbige Gilebmafen am Orge
nismus berjelben zu betrachten find; fie können nur nod
eine zeitlich abgutragenbe Strafe vermirfen. Wir wollen
fagen: ber getaufte Ehrift, wenn er [der fünbigt, vers
wirft zwar, inbem er butdj bie Sünde aus vem lebendigen
Verbande ber Kirche (id herausfeht, und fo die Aus
firómung ber Kraft Ehrifti auf fein Thun gleihfam unter
bindet, für fid in feiner inbipibuellen SBefonberfeit mit
bie bogm. Lehre von deu DL Sacramenten. 678
ber unenbliden Schuld and eine ewige Strafe, eben {Ὁ
wie der lingetaufte allein fofern ex als Mitglien ber
Kirche betrachtet wird, ift dieſe ewige Strafe vurch biefe
Bidt völlig zerriffene Mitglienfchaft fofort de jure verend⸗
lit, und daher durch eine zeitliche Buße obec Glenugtlbunng
in ver Site abtragbar. Da nun ber gefallene Chriß
wegen ber Unaustilgbarkeit feines Taufcharafters Immer
mod in einem, wenngleich momentan unterbrochenen,, ot»
ganijdjen Berbande mit dem Gnadenleben ber Kirche bieibt,
fo geſchieht εὖ, daß die verwirfte ewige Strafe aud) de facto
für ihn in bie entfprechende zeitliche übergeht, wenn jene
Störung gehoben, wenn jene im Taufcharakter wnau&s -
löſchlich gejegte und nur momentan unterbrochene [ebenbige
Berbindung mit Chrifto in der Kirche wiederhergeſtellt
wird; und vie geſchieht beim Erlaß ber Sünde im Buß
facrament.^ Man fann all das im. Allgemeinen zugeben,
obwohl e$ uneublid) ſchwer halten dürfte, von der Verend⸗
lichung des (wenigfiens ber Daner nad) Unenplichen, over
was dasſelbe ift, von bert Umſetzung ewiger Suündenſtrafen
in ,ent[predenbe" ober, wie dieß jonfi and) ausgenrüdt
wird, in „angemefjene” zeitliche fid einen klaren Begriff
ju bilden. Aber hievon auch abgefehen, was nöthigt oder
berechtigt zu der Annahme, daß bem nad) ber Taufe ger
fallenen Eünder bie von. ihm verwirfte ewige Strafe εἰν
laffen ober, wenn man will, commutirt, in eine nicht blos
bem Maafe unb ber Dauer nach unenblid) vou ihr vete
ſchiedene, fondern qualitativ andere umgewandelt werde —
ohne jegliche eigene Satisfaction, lebiglid anf
Grund ver Zurehnung ber Satisfaction Gfrifti? Der ein⸗
ige planfible Orunp, den man hiefür etwa anführen fünnte,
wäre biejet, daß ter Pönitent ſchlechterdings außer Stand
A79 * o Oewald,
ſondere dürften Diejenigen ihm beizutreten großes Bedenken
tragen, welche bie von ifm vertretene, übrigens nicht weiter,
wenigftens nidjt genügend begründete Meinung von einer
durch bie facramentale Abfolntion bewirlten Ummands
tung der ewigen Sündenftrafen in zeitliche
fd anzueignen nicht vermögen. Laͤßt man nümlid) biefe
. Meinung fallen, fo τοῦτος ebenbamit bie priefterliche Abſo⸗
lutlon aufhören, aud nur mittelbar ober indirect ein juri»
bictioneler Act zu fein; fie wäre bief nurmehr ihrer
verbalen Form nach unb bieje {εἰδῇ blo8 mehr katachreſtiſch
— gewiß gegen den Sinn unb Gift ber tripentinifchen
Beitimmungen (vgl. sess. XIV. cap. 6 unb cam. 9 de
poenit). ᾿Ξ
Die zuletzt berührte Hypothefe jelbit aber — denn
mehr aí8 eine Hypotheſe ift die Annahme einer Ummwands
fung ber ewigen Sünbenftrafen in zeitliche burd) die facra;
mentale Abfolution nicht — möchte auf ziemlih ſchwachen
Süfen fteben. Es Elingt zwar feft [dn unb geiftreidh,
wenn der Berfafler ©. 9 f. ausführt: ^ „Kür die Kirche
old communio sanctorum, in welcher Chriſti Werk an ben
Einzelnen andgeführt wird, ift, fo fónnen wir und au$;
brüden, bie ewige Strafe der Sünde ein für alle mal in
eine zeitliche umgefegt; und daher auch für bie Mitglieder
der Kirche, fofern fie als [ebenbige Gliedmaßen am Orga»
niómu$ berfelben zu betrachten find; fie können nur nod
eine zeitlich abzutragende Strafe verwirken. Wir wollen
fagen: bet getaufte Grit, wenn er ſchwer fündigt, vers
wirft zwar, indem er durch bie Sünde aus vem lebendigen
Berbanve ber Kirche (fi herausfept, unb fo die Auge
ftrömung ber Kraft Ehrifti auf fein Thun gleidjjam unters
bindet, für fid) in feiner inbipibuellen Befonverheit mit
bie bogm. Lehre ton be BL. Sacramenten 679
ber mendlichen Schuld aud) eine ewige Strafe, eben {Ὁ
wie der Ungetaufte; allein fofern er als Mitglied vet
Kirche betrachtet wird, ift dieſe ewige Strafe vurch biefe
nicht völlig zerriſſene Mitgliedſchaft fofert de jure verend⸗
licht, und daher durch eine zeitliche Buße oder Genugikuung
in der Kirche abtragbar. Da nun der gefallene Chriß
wegen bet. Unaustilgbarkeit feines Taufcharakters immer
nod i einem, wenngleid momentan unterbrochenen , ot
ganifchen Verbande mit bem Ginabenleben ber Kirche bleibt,
fo geichieht es, daß bie verwirfte ewige Strafe aud) de facto
für ihn in die entfprechende zeitliche übergeht, wenn jene
Störung gehoben, wenn jene im Taufcharakter wnaués -
lójdjlid) gejegte unb nur momentan uuterbrodyene lebendige
fBerbinbung mit Ehrifto in ber Kirche wiederhergeſtellt
wird; und dieß gefchieht beim Erlaß der Sünde im Bußs
facrament.^ Man fann al das im. Allgemeinen zugeben,
obwohl εὖ unendlich ſchwer halten bürfte, von ber Verend⸗
lidung des (wenigftlenó ber Daner nad) Unendlichen, oder
mas dasſelbe ii, von ber Umſetzung ewiger Sündenſtrafen
in „entſprechende“ ober, wie dieß ſonſt and anégebrüdit
wird, in ,angemefjene^ zeitlihe fid) einen klaren Begriff
ju biben. Aber bievon auch abgefehen, was nöthigt ober
bereihtigt zu der Annahme, baf bem nad) ber Taufe ger
fallenen ۟nber bie von ihm verwirfte ewige Strafe ev
laſſen ober, wenn man will, commutitt, in eine nicht blos
bem Maaße. und ber Dauer nah unenvlih von ihr vet,
ſchiedene, fonbern qualitativ andere umgewandelt werde —
ohne jeglide eigene Satisfaction, [εὐἰρ ὦ anf
Grund ver Zurechnung ber Satisfaction Chriſti? Der eim;
age planfible Grunp, ben mon hiefür etwa anführen fünnte,
wäre diefer, daß ver Pönitent fehlechterbings außer Stand
480 ij : ^ ^ Onhal,
fel, für bie Schuld und ewige Strafe in irgend einer Weiſe
genugzuthun. Allein biefe Behauptung — fie ift ble des
Verfaſſers — fiheint uns fürs erfte nicht gehörig begrünbet,
fofern fie neben ber Unendlichkeit ver Sündenfchuld und
ewigen Strafe den unenbliden Charakter einer in bie
Satisfaction Ehrifti aufgenommenen menfchlihen Satis⸗
faction außer Acht läßt, unb flieht fürs zweite in. einem
ſchwer auszugleichenden SBiberfprude mit der altkirchlichen
Anſchauung, welche faut ber von Morinus in feinem be
kannten klaſſiſchen Werke über die alte Bußdisciplin in
großer Anzahl aufammengeftellten Bätergeugniffen eine Satis⸗
faction audj pro culpa et poena aeterna, ja vorjugémeife
hiefür anerfannt, begiehungswelfe gefordert unb bie 916:
baßung ver zeitlihen Suͤndenſtrafen in dieſe miteinbe-
griffen hat '), Unterliegt e8 nun allerdings keinem Zweifel,
baf die Gatiéfactionen nach der gegenwärtigen Praris fid)
6108 auf tie reftirenven zeitlichen Strafen beziehen, fo wird
man die anfcheinend bogmatifhe Differenz zwiſchen ber
älteren und ber fpäteren Bußpraris kaum anderd aus
gleichen fónnen als dur die Annahme, taf die Kirche
nunmehr bie Dispofitionsacte des Pönitenten, fpeciell tie
Acte der Rene, der Selbfivervemüthigung im Günbenbes
fenntnifje, den ernften, tfatfráftigen Entſchluß, durch ein
bußfertiges Leben die göttliche Gerechtigkeit gu verföhnen,
als noch genügenbe Satisfacion für die Schuld unb
ewige Strafe der Sünde betrachtet, währenn vie Kirche
der alten Zeit noch auferbem eine Reihe von SBufacten,
in denen die Bußgefinnung fid) auszuwirken unb zu erproben
1) J. Morini Commentar. histor. de disciplina in —
sacram. Poenit. Lib. III. cap. 11 sq.
ble bogm. Lehre von ben Hi. Sacramenten. 481
batte, zu bem bezeichneten Zwede geforbert Bat. Wuͤrde
es fid biemit alfo verhalten, jo lenchtete ein, taf durch
die facramentale Abfolution nicht eine Verwandlung, fondern
einfacher Erlaß ver ewigen Eündenftrafe bewirkt τοῦτος
and, die in ber Negel reftirenpen zeitlichen Strafen nur
als folhe zu betrachten wären, welche neben bet ewigen
ſtets im Gefolge ber (Tod) Sünde find. Wir müjfen
unó hier mit dieſen freilich unzulaͤnglichen Andeutungen
begmügen. — | !
€. 161—170 be[prid)t der Verf. bie Frage über ie
Zuläffigfeit der Spenbung des SSugjacramenteó in ber
bingter Form. Da diefe Frage von großer practifcher
Bedeutung ift, fo mag εὖ von Intereſſe fein, fein Urtheil
hierüber zu vernehmen. Nachdem er voransgeihidt, δ
es fidj blos um eine conditio de praeterito oder de prae»
genti, nicht aber de futuro handeln fónne, was aud) all
‚gemein zugegeben wird, bemerft er weiter, daß, bie Dring-
lichkeit des Saframenis-Empfanges vorausgeſetzt, das ber
‚gründete und augenb(idíid) nicht zu Debenbe Bedenken (denn
nur ein ſolches fann bier in Betracht fommen) fid) emt
weder darauf beziehen fónne, „ob der Pönitent zum Em
pfang des Bußfarramentes überhaupt (gleihfam) pb jid
tüdtig unb qualificirt (0b 4. Ὁ. getauft, nicht ſchon ab
foloirt und dgl.), ober aber, ob er in ber gehörigen jltt
[iden Berfaffung (Cetbijfen Dispofition) fei.” Im
ergen Salle kann bie Zuläffigfeit der bebingten Worm (si
capax es) nicht wohl in Frage geftellt werden. Schwieriger
ift dagegen allerdings die Entſcheidung in dem zweiten
Salle. Während eine bevingnißweife Spenvung bed Sauf
facramenteó, jo etiva argumentirt der Berfafler, auf Grund
eines gegen vie etbijdbe Dispofition des Taͤuflings obs
488 Oswald,
waltenden und nicht zu beſeitigenden Bedenkens deßhalb
unſtatthaft wäre, weil die Indispoſition des Empfängers
das Sacrament ſelbſt nicht völlig irritirt, ja ſelbſt bie
ſacramentale Gnade in Folge des Charakters fpäterhin
aufleben fann; fo wird dagegen das SBuffacrament durch
die Indispoſition des Empfängers, ſofern dieſer mit feiner
Dispofition die (Quaſi) Materie des Sacramentes iſt,
geradezu invalidirt. „Der Zweifel an feiner Dispoſition
wäre daher bem Bedenken glei zn achten, ob die Flüſſig⸗
feit, mit weldjer getauft werden foll, wirkliches und natürs
ches Wafler {εἰ oder nicht.” Durch eine unbebingte
Abſolution füme fomit das Sarrament in Gefahr, null
und nichtig zu fein, und erfcheine babet vie Suláfftgfeit
der bevingten Form „plaufibel®. Wir fönnen uns, bem
oben DBemerkten zufolge, vie Praͤmiſſe des Schluſſes nicht
aneignen und eben barum and) richt vie Folgerung. Die
aber aud aud einem anderen, formellen Grunde nicht.
Die dei einer abfoluten €penbung eintretende Gefahr einer
Irritirung des Eacramentes kann naͤmlich als Beweis⸗
grund für tie Zulaäſſigkeit der bebingten Spendung nur
geltend gemacht werben, nachdem bec Beweis geführt if,
baf durch Anwendung ber forma conditionata diefe Gefahr
befeitigt wird, nadjbem Das Bedenken gehoben, eb nicht
diefe Form das Sacrament in jenem Falle, alfo audj
in dem der wirklichen Dispofttion des Empfängers, inva⸗
lidire, nachdem mit einem Worte bie Suláffigfeit berfelben
fdjon anderweitig erwiefen iſt. Indeß der Berfafier erflärt
fid ſchließlich felbft für die gegentheilige Annahme. „Die
Kiche fpenbet vie &acramente nur minifteriel. Ihre Or-
gane fónnen bafer bie facramentalen Gnaden nit er⸗
theilen einfadj vurh Willenserklärung, fonbert nım
bie bogm. Lehre von ben Hl. GCacramenten. 483
unter Qanbfabung ber von Chriſte angeord
neten faccamentalen.Seidjen. Es muß baber bei
Grtfellung der facramentalen Gnaben auf Seiten des firdy
liden Spenders ein actus ministerialis concuvriven. Diefeg
it bei ber Buße die Abfolution in forma judicii. Die
Sacramentehandlung ift bier vidterlidelction (D);
eine [olde ift aber... mit binguge[ügter SBebingung unzu⸗
tráglid. Dentlicher mit andern Worten. (δ gehört innen
ih und wefjentlid zur Verwaltung des Bußfacramente,
baB der Bußpriefter nad) feiner beften. Einfiht urtheile
über bie ethifche Dispofttion des Pönitenten, ebenfo weſent⸗
ὦ wie bel ber Taufe, baf er Waſſer aufglefe: das Urs,
tbeil ift bier ble Sacramentshandlung. Wem er
alfo ... urtheilen und ent[djeiben fol, fo darf er nicht bie
Entſcheidung Gott anheimgeben wollen, wie das bie hin⸗
zugefügte Bedingung (si dispositus es) mir zu tbun fdeint. ..
Dagegen gehört e8 nift innerlich zum Sacramente (zu
femer Berwaltung), über die fonftige, nicht⸗ethiſche Dies
pofition bes Pönitenten zu urtbel(en. Mir. Scheint tief
Gegenargument entjcheidend.” Dem Referenten ebenfo.
Eine richterliche Sentenz — und bieg ift bie jacramentale
Abſolution — hört auf dieß zu fein, fobalb ifr.eine ihr
wefentliches Object, ihre eigentliche SBaft& berührende Bes
dingung. beigegeben wird. Die Erklärung eines weltlichen
Richters: Ich fprede dich los, wenn tu ſchuldlos bif
oder bein Vergeben bereneft, mag eiften Sinn haben, aber
eine richterlihe Sentenz iſt (le nicht. —
Sehr einläßlih, gründlih und Far finden wir bie
Lehre vom Ablaſſe abgehandelt (€. 183 242), Wenn
aud nicht zu erwarten fieht, bag alle Urtheile des Ver
fafjers in tiefer. falebvojen Materie allgemeinen Anklang
484 ^^ — * Ofwafb,
finden werden, wenn inóbefoubere ble S. 198 ff. Anm.
entwidelte Anficht, tag die Abläffe zunächft und unmittel-
bar aus den Verdienſten der Heiligen gefhöpft werben
and. die Satisfaction Ehrifti, wur foferm fie Princip jener
ift, auf ben f. g. thesaurus ecclesiae inffuite, auf viel:
fachen Wiverfpruch ftofen und die bem Theologen, naments
lid dem Dogmatifer ungemofinte, der höheren Winanjpolitit
abgelaufchte Ausprudsweife (vgl. befonders ©. 198 f.) bem
einen und anderen Leſer etwas anftößig erfcheinen dürfte;
fo wird man gleichwohl feimen Anftand nehmen, in der
betreffenden Erpofttion einen danfenswerthen Beitrag zur
tieferen Grfaffung und Berftändigung über blejen ſchwie⸗
tigen Lehrpunft anzuerkennen.
Die Darftelung der 3 nod) übrigen Saframente an⸗
langen», befdtünfen wir und auf einige kurze Bemerkungen.
Dem Trapditionsbeweis für ble Realität des Gacramenteé
ber b. Delung hätte unferes Erachtens größere Gorg;
Salt zugewendet werben follen, als bie ſeitens des Ber-
faffers gefchehen ift (S. 252 f). Die gewöhnlich alle
Hirten Väterftellen lauten befanntlid febr unbeftimint, fo
namentlich die aus Origenes und Chryfoftomus angezogenen,
in denen zunaͤchſt nidyt das Gacrament ber. franfenófung,
fondern das Bußfacrament inbicitt fdeint; felbft die bes
fannte Aeußerung des Papftes Innocenz I. (ep. ad Decent.
c, 8.) bebarf, um beweisfräftig zu erfcheinen, einer ges
naneren: Erklärung. Um fo befrieblgenber ift dagegen bie
Abhandlung über Weſen und Wirkungen dieſes Sacra⸗
wented (€. 254— 275). Inshefondere dürfte ble Ausfüh-
vung des Verfaffers über bie Frage, inwiefern die Bl. Oelung
Sarrament des Sündenerlafjes fei, aller Beachtung werth
fen. Sie ift tiep — um das ‚Ergebniß feiner bierauf
4
die bogm. Lehre von ben hl. Sacramenten. 485.
bezüglichen Unterfuchung fury anzugeben — einmal (jedoch
blog mittelbar) infofern als durch fie tie f. g. lleberrefte
ber Sünden (worunter fündhafte Gewohnheiten unb das
mit verbundene Schwäche des Willens zum Guten, fittliche
Stumpfheit und Ohnmacht zu verftehen) getilgt, weiterhin
läßliche Sünden, endlich felbft Todſünden, diefe jedoch nur
in dem Falle erlafien werben, daß ber Gterbenbe das
Bußfarrament ohne eigene Schuld nicht empfangen fonnte
und menigftens attritus ift. Wir zweifeln nicht, daß viele
Auffafjung dem Sinne der Kirchenlehre entſpreche. Auch
was die leiblide Wirkung dieſes Sacramentes betrifft,
ftimmen wir bem Berfaffer bei, wenn er (©. 268) erflärt:
„Die Genefung des Kranken butd) die bl. Oelung ift aller
dinge Wirfung des Sacramentes; infofern aber das: Sa,
cament überhaupt als wirkſames Zeichen ver geiftigen
Gnade definirt wird, werden wir fagen müjjen, fie ift
Wirkung des Sacramentes nit als ſolchen, fonbern
eines ungertrennlid) mit dem eigentlichen Sacramente vers
bundenen Sacramentales.“ Hierauf ſcheint aud) [don
der römische Katehismus hinzudenten, wenn er ben häufigen -
Nichteintritt diefer Heildwirfung mitunter als Folge vet
fides infirmior auf Seite des Empfängerd oder auch des
Ausfpenvers erflärt. (Pars II. cap. VI. quaest. 14.) Aber
eben deßhalb follte man fid, glauben wir, ber hieraus
fid ergebenden Folgerung nicht entziehen, nämlich, die „Uns
fehlbarkeit“ des in Stebe ftehenven Effects der Delung
nidt allein von ber Sebingung feiner Heildzuträglich-
feit abhängig machen.
Die beiden Tractate über ben Ordo und die Ehe,
insbefondere ber leßtere, zeichnen fid) durch eine forgfältige
Behandlung des bogmati(djen Stoffes aus unb bieten neben
Theol. Quartalſchrift. 1857. Ill. Heft. 32
486 — Chateaubriand,
manchen wohl etwas zu kuͤhnen Behauptungen nicht wenige
feine und geiftvolle Gebanfen und Bemerkungen, hinficht-
fid) deren wir ben Leſer an das Werk felbft verweifen
müfjen. Den Schluß des Ganzen bildet ein ausführliches
Sachregiſter. |
Lic. Hitzfelder.
6.
Der Geiſt des Chriſtenthums von f. X. Chateaubriand,
überfegt von Dr. 3. $. Schneller, weil. Profeffor ber
PHilofophte an der Univerſitaͤt Freiburg. Zweite ber
richtigte und vervolftändigte Auflage, beforgt von Dr. 3.
König, Profefior ber Theologie an ber Univerfität Stel»
burg. Brelburg im Brelögau. Br. Wagner’fche Buch⸗
handlung. 1857, Preis beider Bände 4-fl.
Wie man auch immer im Einzelnen über den „Geift
bes Chriſtenthums“ von Chateaubriand urtheilen mag, εὖ
bleibt gewiß, daß es eines ber merkwürbigften Bücher
unjereó Jahrhunderts ift. Es erfchien, um mit ben Worten
bes Serfafferó zu reben, zu einer Zeit, als Frankreich eben
bem revolutionären Chaos zu entfteigen im Begriffe war
(1802), und menn es in ber That viefem tief zerrütteten
Lande gelang, mieber in bie Geleife einer hriftlihen Ord⸗
nung zurüdzufehren, fo darf unter ben Factoren, bie zu
dieſem fegensvollen Refultate mitgewirkt, gewiß eben ble
genannte Schrift nicht überfehen werben, meldje in genialer
Weiſe fid) ber Aufgabe entfebigte, für das Gfriftentbum
und bie Kirche in den weiteften Kreiſen wieder Liebe unb
Gehorfam zu ermeden, Der Cpott war es vorzüglich ges
' ber. Geift des Chriſtenihums. 487
weſen, burdj ben bie Enchelopädiften bieje Liebe aus bem
Herzen eines Volkes geriffen, bei bem εὖ nichts Berhängniß-
volleres gibt, ald lächerlich zu werden; barum fchlug aud)
Chateaubriand in feinen apologetifhen Bemühungen für
ble hriftliche Religion nicht den alten Weg ein, in ftreng
wifjenfchaftlicher Deduction ihre Wahrheit zu beweifen ;
den Spott galt e8 vor Allem niederzufchlagen; und Das
fonnte er burdy Nichts fo gut erreichen, ald wenn es ihm
gelang, burdy eine lebendige und wahre Schilderung ber
Kirche und ihres Weſens den Hohn verftummen zu machen
und bie Gemüther wieder mit Ehrfurdt und Bewunderung
zu erfüllen ; ben Schwächen gegenüber, bie man bem Ehriftens
thum angebidytet hatte, ober bie body nur wie verfdyminbenbe
Punkte den Gíang feiner ixdifchen Erſcheinung beffedten,
mußte e8 als Aufgabe erjcheinen, die ewige Schönheit
feiner Dogmen, feiner Moral und feines (δε πὸ, ſowie
bie großartigen SSerbieníte, die εὖ in feinem Gang durch
.. Pie Jahrhunderte fid) um die SRenjdjbeit erworben, ind
Licht zu fegen. Chateaubriand Dat aber nicht bloß mit
bem richtigen Blid des Genies fid) fein Thema aljo formu-
lirt, er bat dasſelbe aud) in meifterhafter Weife durchge⸗
führt, unterftügt, wie er war, von einer. fhwunghaften
Phantaſie, einem feinen Gefühl für das Schöne unb einer
großen Gemanbtfeit, feine Bilder wie feine Empfindungen .
in das Gewand einer glänzenden, oft hinreißenden Sprache
zu fleiben. Unter ſolchen Umftänven konnte bem Bud, ber
Erfolg nicht fehlen, unb in ber That war es zum großen
Theil ibm zu danken, wenn bie öffentliche Meinung all;
mählig vollfommen umſchlug. Der Glaube wagte εὖ wieder
ungefcheut an das Tageslicht hervorzutreten, feidem ber -
Schatten Voltaire vor ben enthüllten Herrlichfeiten ver
32 ἢ
488 Gfateaubrtanb ,
Kirche fid verfrochen hatte: vie Sceptifer ſchwiegen ober
befebrteu fid), man drängte fid) wieder in dad Haus Gottes,
unb war eó aud) eine Fleine Eitelfeit von Chateaubriand,
wenn er fid) in fpäteren Tagen in bem Gebanfen ge
fiel, daß er der welterobernde Napoleon in dem Gebiete
des Geiftes gemejen fei, fo glauben wir body nicht zu weit
zu gehen, wenn wir nad einer Richtung Gfateaubrianb
neben Napoleon fielen, wenn wir bem Geift des Chriſten⸗
thums eine annähernde SBebeutung wie dem Goncorbate
des erften Conſuls vindiciren, ja wenn wir bie Behauptung
aufftellen, daß diefer große Staatsact vielleicht unausführ⸗
bar gewejen wäre, wenn nidt Gfateaubrianb der öffent
fiden Meinung einen’ fo gewaltigen Impuld zu Gunften
des Gbriftentbumé gegeben hätte. Bonaparte fal aud
das Gr(djeinen des Buchs mit ver lebhafteften Befriedigung,
und als bie Academie, wie Gf. erzählt, Anſtand nahm,
vasfelbe unter den Werfen zu nennen, welde auf ben
Preis des Jahrzehntes Anfpruc machen fonnten, fo erhielt
fie vom erften Gonjul ven Befehl, über das Werk eigenen
Bericht zu erftatten, und Napoleon nahm fid ernftlidh vor,
bem geifteihen Schriftfteller feine Protection zuzuwenden,
nadjem er bie Gunft feiner hochſinnigen unb religiófen
Schweſter Elifabeth fdjon länger genojjen hatte. Bonaparte
geftattete fogar, daß bie zweite Auflage des „Geiſtes des
Ehriftenthums,” die fdon im April 1803 erfhien, ibm ge
widmet wurde. „Fahren Cie fort, fchrieb damals Ch. an
den erften Gonful, die fdügente Hand auszuftreden über
dreißig Millionen Ehriften, welche für fie beten am Fuße.
bet Altäre, deren 9Bieberaufridjtung man Ihnen verdankt.”
Eine 9lengerung, die Napoleon zu einer ganz andern Zeit
und in einer ganz andern Stimmung that, beweist nicht
der Geift des Ghriftenthums. 489
minder, welche Bedeutung er bem Buche beimaß. Ch. er:
zählt uns, daß berfebe in bem Augenblid feines Sturzes
ben Geift des Chriftenthums für das Buch erklärt habe,
befjen Beröffentlihung am Meiften feiner Macht ſchaͤdlich
gemejen fel. Breilih mag er bei tiefer Bemerkung weniger
an den Einfluß diefer Schrift zu Gunften. der religiöfen,
al8 vielmehr der politifhen Reftauration gedacht haben;
denn Eh. war in ber That einer jener Iegitimiftifchen Geifter,
bie fid) das Kreuz in Frankreich nicht ohne die Lilien benfen
fönnen, unb wie er felbft fagte, atfmete fein Buch bei aller
religiöfen Tendenz doch zugleich die ganze alte Monarchie; bet
red)tmáfige Erbe ftanb fo zu fagen verborgen im Hinter
grund des Heiligthums, deſſen Vorhang er lüftete, und
über bem Altare des Gottes des DL. Ludwig ſchwebte
auch bie Krone des hi. Ludwig. — Indeß nidt nur Nas
poleon urtheilte fo über bie Bedeutung unſeres Buches ;
überall, wo man an ber Wieverherftellung eines chriftlichen
Lebens arbeitete, zollte man bemfelben die wärmfte ner:
fennung; bie Kanzel felbft ertönte von Ausſprüchen des
geiftreichen Apologeten. Aber gerade was die Anerkennung
und "die Dankbarkeit von Seite der Gläubigen und der
Priefterfchaft betrifft, fo beklagte fid) Gb. fpäter zum
öftern, .baf biefelbe feinen langen Beftand gehabt habe.
Napoleon war geftürgt und die Zeiten der Reftauration
begannen. In raſchem Auffhwung, wenn aud) nicht in
Golge übertriebener Anftrengungen der, neuen 9tegirung,
erhofte fid) ble franzöfiihe Kirche. „Neue Gefchlechter ents
fanden, um Gf. felbft reden zn laffen, unb eine alte Welt,
welche aus Franfreid verbannt war, fehrte dorthin zurüd.
Diefe Welt genof tle Frucht von Arbeiten, welche Andere
als fie vollbracht, und wußte nicht, was fie gefoftet hatten,
490 Gfateaubrianb ,
Bald empfand man fogar eine Art Abneigung gegen bens
jenigen, ber indem er bie evangeliihe Mäßigung ptebigte,
die Pforte der Tempel wieder eröffnet, gegen den, der das
Chriſten thum um der Schönheit feines Guítuó, um bes
Genies feiner Redner, um der Wifjenfchaft feiner Gelehrten,
um ber Tugenden feiner Apoftel und feiner Jünger willen
lieben zu lehren gedacht hatte. Ich weiß nicht, wie εὖ
fommt, daß die Dienfte, bie id) zu leiften das Glück hatte,
mit bei denen, denen ich fie geleiftet, fetten Wohlmwollen
verdient, während dagegen bie Männer, vie id) ftetó bes
fámpfte, Neigung für meine €driften und fogar für meine
Perſon zeigten; nicht meine Weinbe find es, bie mich vers
[eumbet haben.” Ch. gibt aud) den näheren Grund ber
Umnzufrievenheit an, die man ihm gegenüber merfen ließ.
„Er hätte weiter gehen follen," warf man ihm vor. Aber
er eriwiedert: In meinem Gewifjen konnte ἰῷ das nicht...
Man hätte umgefehrt befjer getban, meint ver Ange:
griffene, wenn man den von ifm vorgezeichneten Weg, ber
Religion ihren heilfamen Einfluß zurüdznerobern, aud
fortan feftgehalten hätte. Eingehend auf ben Geift unferer
SInftitutionen, einbringenb in das PVerftänpniß des Jahr⸗
hunderts, die Tugenden des Glaubens turd) jene der Liebe
máfigenb, wäre man ſicher zum Ziel gefommen. Man’
. lebe in einer Zeit, die viel Nachſicht und Schonung bebürfe.
Bon ber einfachen Forderung an das Deranmadjfenbe Ges
Ihleht, unter das Joch des Glaubens feinen Rüden zu
beugen, fei Alles zu fürchten...
Mer follte in ben geichilverten Vorkommniſſen, in ben
Klagen von ber einen und von ber andern Seite nicht Dinge
erkennen, die aud) anderwärtd erlebt worden find? Wie manig-
fad) mußten [don Männer, die in Zeiten be$ Uebergangs die
der Geiſt des Chriftenthums, 491
Fahne des Glaubens unb ber Firchlichfeit aus dem Staube
gehoben und das Geflecht von Neuem um das faft vers
gefiene Panier gefammelt hatten, die Erfahrung machen,
daß bie Bewegung, die von ihnen begonnen worben, bald
über jenes Maaß hinausschritt, welches fie gerne verfelben
gefegt hätten! Aber biefe8 Hinausfchreiten mag gar leicht
eine einfadje Nothwendigkeit fein; denn find einmal die
PBrineipien einer Anſchaung geltend gemadjt, dann fann
feine Gewalt, felbft nicht die Ehrfurcht, ble man bem Vers
dienfte ſchuldig iſt, es hindern, daß jene Principien alle
ihre Conſequenzen, bis zu der geringſten hinunter aus ſich
entwickeln. Das erzeugt dann leicht auf jener Seite eine
Stimmung, in der man fid) oft übermäßig empfindlich zeigt.
Aehnlich ſcheint es bei Eh. gegangen zu fein. Denn fo Bod)
wir von feinem Werfe benfen, fo [áugnen wir bod) nicht, daß
er, um. baé Ehriftenthum feiner Zeit mundgerecht zu machen,
nidt nur bie Sybee desfelben etwas zu allgemein unb zu
veridjmommen hielt, fondern auch wirklich in bem einen -
ober andern Punkt ſich incorrect. ausdrückte. Wir erinnern
4 9B. an bie Abhandlung über die Volksandachten; aud)
bie Aenßerung, die wir oben angeführt, ta ble Tugenden
des Glaubens durch die ber Liebe gemäßigt werben follen,
wird jeder verfänglich finden. Bei diefem Sachverhalt fann
ἐδ nicht Wunder nehmen, wenn Gf., ber burdauód bei
feinem Buche ftehen bleiben wollte, mit ber gläubigen
Richtung in manigfade Spannungen gerietb, und mir
benfen und dabei die Schuld mejfentlid auf feiner Seite,
Freilih darf man babet nicht überfehen, daß bei bem natüts
lien Zug des menfdjiden Gemüthes zur linbanfbarfeit
oft das Unzulängliche an bem Gtanbpunft eines verdienten
Mannes im einer Weife hervorgehoben wird, welde bie
492 Chateaubriand
demſelben ſchuldige Pietat verletzt; und was noch —
wiegt, gar häufig wird aud) als wahre und nothwendige
Gonfequeng des kirchlichen Principe etwas ausgegeben,
was das nicht ifi; unb wo man fid Insbefonbere bie
Entwidlung bet firhlihen Gefinnung unter den Menfchen
in unbereditigter Weife ald einen unenbliden Proceß
-vorftellt, da wird man fehr leicht in tie Irrung verfallen,
dasjenige, moburd) fid) vielleicht eine etwas ältere Genes
ration von ber jüngern unterſcheidet, auch wenn ed nod
fo unmefentlid) ift, als das relatio noch Unfirchlihe an ihr
zu charafterifiren, und Nuancen, bie neben ber Haupſache
verichwinden, zu eigentlichen jo genannten „Richtungen“
zu erweitern und zu vertiefen.
Wir koͤnnen nicht beurtheilen, inwieweit Ch. auch nad
blefer Richtung hin Erfahrungen gemacht hat. Jedenfalls
aber bleibt fein Buch famt Allem, was e8 Gutes geleiftet
und Schlimmes erfahren, für den Freund ber Kirchenge⸗
ſchichte Außerft interefjant. — Es fei ung indeſſen erlaubt,
aud) ben bleibenden Werth des Buches mit einigen Worten -
nod ausbrüdlich feftzuftellen. Schon aus unferer ganzen
Darftelung geht e hervor, daß das Interefje, welches das
Bud, einflößt, Fein lediglich hiftorisches fein fann, unb in
bet That möchten wir insbefondere hier die Wahrheit zur
Anerkennung bringen, daß bie Art und θεῖε, wie Gf.
das Chriſtenthum vertheidigt, im Allgemeinen "eine voll,
fommen unb fchledhthin berechtigte ift. Wohl muß die
Apologetit als fórmlide Wiſſenſchaſt auf einem andern
Grund auferbaut werben; fie hat e zunächft mit ber Date
ftellung ber ben BVerftand ‚bewegenden und überzeugenden
moliva credibilitatis zu thun; aud) in individuo wird ber
SBrocef, in welchem der Ungläubige zum Glauben fommt, der
ber Geiſt des Chriſtenthums. 493
Gläubige bie eingegoffene theologifche Tugend zum perfóne
lichen Befisthum erhebt, ftetó mit einer vernünftigen
Erwägung beginnen ober doch in eine jolde auslaufen.
Aber große Thorheit ift εὖ, barum der Anficht zu Dulvigen,
bie praftifhen Bemühungen zu Gunften des Glaubenó
müßten immer unb überall von jenem Punfte ausgehen
unb gar dabei ftehen bleiben. Dieß gilt weder von der.
Kanzel nod) von einem Buch, wie der Gift des Chriſten⸗
thums. Ein tieferer Ginblid in die Schönheit und das
Tröſtliche der chriftlichen Religion ober irgend einer ihrer
lebungen ift εὖ [don oft gewefen, was unter Mitwirfung —-
ber göttlihen Gnade ben erften Anftoß zu jener innern
religiöfen Entwidlung gegeben, und wir find lebhaft übers
zeugt, daß felbft denen gegenüber, die jene Enwicklung
längft durchgemacht, in ber Predigt hin und wieder, ohne
jede weitere Abficht, ben tiefen Sinn unb die Herrlichfeiten
des chriftlichen Glaubens zu enthüllen, fange nicht fo un:
practifch ift, al8 man oft glaubt. Eine foldhe Predigt wird
In ihrer Art ftetó dazu beitragen, jene übernatürliche ges
heimnißvolle Triebfraft in den Gemüthern zu nähren, vie
tod) allein das ganze praftifche Chriftenthum eines Jeden
in Blüthe erhält. Ch. fann in tiefer Beziehung immer -
nod) mit vielem 9tugen gelefen werben, wenn auch Manches
an feinen Ausführungen unjerem Geſchmack nicht mehr
zufagt. — Anderes anlangenb, was ebenfalls von bleibendem
Werth an bem Buche ift, jo machen wir nur nod) auf die
Darftelung aufmerffam, in welder er den Einfluß des
Gbriftentbumé auf bie Poefte fdilbert. Sie ift reih an
ben. herrlichften Schönheiten; und mag aud) das eine over
andere ihrer Urtheile veraltet fein, wir glauben immer»
bin behaupten zu dürfen, daß eine Wefthetif oom chrift-
494 ' Ghateaubriand,
lichen Ctanbpünft απὸ febr Vieles daraus lernen fónnnte.
Unter fofden Umftänven fónnen wir e$ an ſich nur
danfend anerfennen, daß die 9Bagner'fde Buchhandlung vie
von Schneller beforgte Ueberſetzung des Geiſtes des Chriſten⸗
tbumé in einer von H. Dr. König berichtigten und vervoll-
ftändigten Auflage Bat wieder erfcheinen laſſen. Zu unferem
Bedanern find wir aber nicht in ber Lage, bie Ueberfegung
ſelbſt im ihrer revidirten Geſtalt Toben zu können. Wir
wollen nicht leugnen, daß die llebertragung eines berartigen-
Werkes ihre große Schwierigkeiten hat, aud) geben wir
gerne zu, daß es auf Ceite ber llebertragenben nicht an
jeglicher Geſchicklichkeit fehlte, dieſe Schwierigfeiten zu über-
winden. Das Alles aber fann und nicht abhalten, εὖ
anszufprehen, daß bie und -vorliegende Ueberfegung dem
Driginal feine Ehre madt. Für's Grfte hat biefelbe ben
franzöfiihen Typus in einer ganz unguläßigen 9Beije bei,
behalten, und es dürfte wenig Seiten geben, auf denen nicht
Ausorüde und Wendungen vorfämen, bie für das deutfche
Ohr unausftehlih Flingen. “Der unangenehme Eindrud,
ben das hervorbringen muß, wirb nod) erhöht durch einen
entgegengefegten Fehler, an dem die Ueberfegung leidet, durch
ben Purismus námlidj, mit vem oft in geſchmackloſeſter Weiſe
ein fremdes Wort vermieden und verdeutfcht wird (3. 99. 99. II.
p. 164: Frankreichs neuefte Dichtung über die Trümmer).
Noch. viel Schlimmer aber ift e8, daß ber Sinn des Textes
oft nur ganz annähernd getroffen und fchielend wiedergegeben
wird. Wir fónnten mit einer ganzen Blumenlefe derartiger
Stellen dienen. — (S8 würde das aber zu weit führen, um fo
mehr, da εὖ nothwendig wäre, ganze Paſſus bet Ueberfegung
nad) diefer Richtung hin Fritifch zu beleuchten. Und was
fol man vollends fagen zu Fehlern, wie bie folgenden find;
ber Geift des Chriſtenthums. 495
3.1. €. 20 heißt es: „Glück genug für das Alter, menn
bie Geheimniffe des Lebens enden, aber jene beó Todes
beginnen” πα: „zum Glück für das Alter beginnen,
wenn bie Gebeimnifje bed Lebens enden, die des Todes ^
auf ber nämlihen Seite lefen wir; „Zu welder Willen:
[daft gelangt man alle Zeit?” ftatt tag es etwa heißen
ſollte: „Zu welder Wiffenfhaft fert man immer unb
immer wieder zurück“ ©. 228 lefen wir ftatt: „eine
Sprache, deren Weſen und Geift in ihren Barbarismen
liegt” „eine Sprache, deren Barbariömen allein gelten
müfjen für Confequenz und Genie." B. IL p. 34 ftebt: ftatt
bie eracen Wiflenichaften: die unbezweifelten Wiſſen⸗
fdaften. — Das find offenbar Verſtöße — und wir
fönnten nod mand dazu fügen —, bie eine ernfte Rüge
verdienen. Auch llebereilungen hat die lleberfegung, bie
weit über dad Gewöhnlidhe gehen; wir wollen nur zwei
anführen: 5B. IL p. 26 wird l'antre de l'ancienne Sibylle
überfegt mit: ber Eingang der alten Sibylle; p. 93 heißt
e$ von Boſſuet, al Geſchichtſchreiber: an tauſend Orten
erfcheint er auf einmal; Erzvater unter dem’ Palmbaum
ber Apoftel ... (sous le palmier de Tophel). — Wir
fónnen nidt umhin, Seren Dr. König zu bemerfen, baf
nad) unferer Anficht größere Vorficht von Nöthen ift, wenn
εὖ gilt, einen Philofophen zu berichtigen. |
Repetent Rudgaber.
496 | Feßler,
7.
Geſchichte der Kirche Chriſti, als Religionslehrbuch zum
Gebrauch für das Ober⸗Gymnaſium bearbeitet von Dr. 3of.
Feßler, t. f. Goffaplan unb Profeffor ber Kirchengeſchichte
(jet des Kirchenrecht) an ber Univerfität zu Wien. rud
und Verlag von M. Auer. Wien 1857. ©. 449. gr. 8.
Pr. 1 fl. 12 fr.
Das in bet Ueberſchrift genannte Werk be 9. Dr.
Feßler, der theologiſchen Welt beſonders durch feine Insti-
tutiones Patrologiae befannt, verdankt feine Entftehung
ber Neugeftaltung der kirchlich⸗religiöſen Verhaͤltniſſe im
Oeſtreich.
aum nemíid war durch bie April⸗Verordnungen von
1850 eine freiere Bewegung der Kirche in Oeſtreich anges
babnt, als bie Biſchöfe des Kaiferreihe, in gerechter
Würdigung der hohen Wichtigfeit des Gegenftandes, fogleld)
die rage in Berathung nahmen, wie fortan ber Religions,
unterricht auf ben Gymnaſien zu behandeln fei. Ein
bifchöflicher Ausſchuß entwarf für den Gang des Unter:
rihts einen Plan, in weldhen ganz mit Recht aud) bie
Kichengefhichte aufgenommen würde und zwar in ber
9Beife und Ordnung, daß fi der Religionsunterricht
während des ganzen legten Obergymnafiums-Curfes mit
jenem Zweig des religiöfen Wiſſens jn befafjen habe. Da
es aber nicht leicht ift, eine theologifche Disciplin ven Bes
bürfniffen ter Gymnaſialſchüler entfprechend zu behandeln,
[o erging an H. Feßler von Seite des bifchöflihen Aus⸗
ſchuſſes die befonbere Aufforderung, für ben bezeichneten
Zwed ein Lehrbuch der Kirchengefchichte auszuarbeiten. Die
Frucht blefer Arbeit legt nun vor unb ift bereits, wie wir -
Geſchichte ber Kirche Chriſti. . 497
aus bet Vorrede erfahren, „von jenen, melden das llt
theil hierüber zuſtand,“ zur Einführung als Religions»
lehrbuch in der oberften Gymnaſialclaſſe für geeignet erklärt
worden.
Hiemit ift bie für bie Abfaffung und Beurtheilung
dieſer Kirchengefchichte maaßgebende Beftimmung des
Buches angegeben. Es ift ein katholiſches Neligionslehr-
buch für die Schüler ber oberften Glafje des Gymnaſiums
und es follen darin die findirenden Sünglinge, ehe fte zum
eigentlichen Berufsſtudium an ber Univerfität ‚übergehen,
ben Abjchluß des NReligionsunterrichted empfangen. Man
-erfennt fogleich, daß bem vorliegenden Werf obwohl von
mäßigem Umfange, eine febr hohe SBebeutung zufommt,
höher, als mandjer bändereichen litterariihen Erfcheinung.
$. Feßler hat fid aud) die große Miffton feiner Arbeit
nicht verhehlt, das zeigt ber überall hervortretenve Fleiß,
ben er derſelben zugewendet. Wirklih fat das Bud, unter
ber gewanbten Hand diefes Gelehrten eine feiner Bedeutung.
entiprechenve Tüchtigfeit erhalten unb es können bie Gym;
naftaljchüler daraus reihen Gewinn ziehen für bie Gr.
ftarfung im Glauben, für die Befeftigung im kirchlichen
Sinne und für die Anregung zum fittlihen Streben.
Schon die Gliederung unb Zufammenftels
lung bed firdengefdidtliden Stoffes muß als
gelungen bezeichnet werden, ja ift nicht feften wirflich über:
rajdenb glücklich. H. Feßler verfolgt nemlih durch das
ganze Buch die Aufgabe, die Kirche Ehrifti in ihrem fegens-
vollen Wirfen auf bie Menfchheit darzuftellen unb fo ben
Glauben an ihre göttlihe Gründung unb Sendung αὐ
ihren Werfen zu beweifen. Um nun dieſe Wirkſamkeit
recht anschaulich unb fráftig, gleidjjam überwältigend aufs
498 Feßler,
treten zu laſſen, vermeidet er ed ſorgfältig, ben kirchenge⸗
ſchichtlichen Stoff in viele Perioden und Abtheilungen zu
zerſplittern, entrollt vielmehr das Bild der ſegenſpendenden
Anſtalt in Chriſti auf zwei großen Hauptblättern. Im
erſten Theil nemlich wird die neuſchaffende Thätigkeit der
Kirche bei den gebildeten Griechen und Römern (S. 23—
192), im zweiten Theil ſodann ihr noch ſegensreicheres
Walten bei den im Zuſtand der Barbarei angetroffenen
Germanen und Slaven dargeſtellt (€. 193—418). Der
Verfaſſer hat ſomit die bekannte Moͤhler'ſche Eintheilung
der Kirchengeſchichte nur theilweiſe angenommen, indem er
den Zeitraum ſeit dem Ende des 15. Jahrhunderts, den
Möhler als das „griechiſch⸗römiſch⸗germaniſche Zeitalter“
den beiden vorangehenden chriſtlichen Zeitaltern parallel
ſtellt, nur als eine Unterabtheilung des zweiten ober gets
maniſchen Zeitalters behandelt. Verdient ſchon dieſe Haupt⸗
gliederung der Feßler'ſchen Kirchengeſchichte im Hinblick auf
ihre Beſtimmung vollfommene Anerkennung, fo muß εὖ
nod) mehr gebilliget werten, daß H. Feßler die übliche
Bertheilung des den einzelnen Perioden zufallenden Stoffes
unter bie Xubrifen: Ausbreitung, Häreſie, Hierarchie
u. |. τὸ. ganz verlafien hat. Was für eine fireng theologifch
gehaltene Bearbeitung ter Kirchengejchichte fid) eignet, wird
durch mechanijche Uebertragung auf eine zum Religions;
lehrbuch deſtimmte Kirchengeſchichte unpaſſend. Wir νεῖ:
weiſen, um dieſe Bemerkung zu rechtfertigen, auf das weit⸗
verbreitete, gleichfalls für jDbergomnajten berechnete Lehr:
bud von Martin Auch bier bat die Kirchengeſchichte,
wie Re εὖ jo wohl vertient, eine ziemlid umfangreide
Aufnahme gefunten; aber indem Martin bie “Perioden
nad ten genannten gelebrten Geſichtspunkten zerlegt, wird
Gefchichte der Kirche Chriftt. 499
ble Darftellung vielfach zum trodenen: bürren Gerippe, das
wegen Mangel an Anfchaulichfeit ven Schüler nicht an-
ſpricht. Auch H. Feßler bringt über die Härefien, über
die Ausbildung der Firchlichen Wiffenfchaft und feunft, ebens
fo über die Hierarchie überall foviel bei, αἱ für ben Zwed
des Buches nothwendig ift; reiht aber das hierüber paſſend
Erfannte in die Ge[ammtbarftellung ber Zeit durch glüds
(ide Gruppierung febr geihidt ein, [o daß der Leſer ein
anſchauliches Bild des kirchlichen Wirkens in ber jeweiligen
Periode gewinnt. Wir erhalten fo nicht bloße ercerpierte
Rotizen aus der Kirchengeſchichte, fondern eine wahre, ber
Wirklichkeit ent[predjenbe Gefchichte der Kirche.
Wer den mafjenhaften Cto(f der chriſtlichen Jahr⸗
hunderte fo leicht unb ſicher zu orbnem verfteht, von bem
darf zum Voraus erwartet werben, baf er in bie gelungene _
Worm aud) einen gebiegenen Inhalt gießen werde. 9.
Feßler bietet in ber That fowohl durch die Gejammte
ſchilderung des Wirkens ber Fatholifhen Kirche als turd)
die reichlich eingeftreuten Einzelheiten des Lehrreihen und
Bildenden fo viel, daß wir glauben, εὖ [εἰ durch fein Buch
ber Kirchengefchichte ihre Aufnahme in ben Religionsunter:
riht an Obergymnaften für immer und überall gefichert.
Wenigftens hat man jegt, wo ein [o tüdjtigeó Handbuch
vorliegt, feine Entfchuldigung mehr, ben katholiſchen Schülern
an höhern gelehrten Anftalten gerade ben bilbenbften, ans
regendften und anjpredjenbften Unterrichtögegenftand vorzus
enthalten und ein fo reiched Material, wie es die Kirchen,
geichichte zur Stärkung des katholiſchen Bewußtſeins dar⸗
bietet, unbenüpt liegen zu lafien. — Es zeichnet fid aber
bie Feßler'ſche Bearbeitung ber. Kirchengefchichte. für die
Zwede ber Schule be[onberó vaburd) aus, daß fie Fein
498 Feßler,
treten: zu laſſen, vermeidet er εὖ forgfältig, ben kirchenge⸗
ſchichtlichen Stoff in viele Perioden und Abtheilungen zu
jeriplittern, entrollt vielmehr das Bild der fegenjpenbenben
Anſtalt in Chriſti auf zwei großen Hauptblättern. Im
erften Theil nemlich wird die neufchaffende Thätigfeit bet
Kirche bei den gebildeten Griechen und Römern (S. 23—
192), im zweiten Theil ſodann ihr nod) jegensreicheres
. Walten bei den im Zuftand ber Barbarei angetroffenen
Germanen und Slaven dargeftellt (€. 193—418). Der
Verfaſſer Bat [omit die befannte Moͤhler'ſche Eintheilung
der Kirchengeſchichte nur theilmeife angenommen, indem er
ben Zeitraum feit dem Ende des 15. Jahrhunderts, ben
Möhler als das „griechiſch-römiſch-⸗germaniſche Zeitalter"
den - beiven vorangehenden chriſtlichen Zeitaltern parallel
fielt, nur als eine Unterabtheilung des zweiten ober θεῖν
manijden Zeitalterd behandelt. Verdient [don dieſe Haupts
glieberung der Feßler'ſchen Kirchengeſchichte im Hinblid auf
ihre Beftimmung vollfommene Anerfennung, jo muß e$
nod mehr gebilliget werben, daß H. Feßler die übliche
Bertheilung des den einzelnen Perioden zufallenden Stoffes
unter die Rubriken: Ausbreitung, Härefie, Hierardjie
u. [. m. ganz verlaffen hat. Was für eine ftreng theologiſch
gehaltene Bearbeitung der Kirchengefchichte (id) eignet, wird
durch medjanijde llebertragung auf eine zum Süeligioné:
[ebrbud) beftimmte Kirchengefchichte unpajfenb. Wir vers
weijen, um dieſe Bemerfung, zu rechtfertigen, auf das weit:
verbreitete, gleichfalls für Obergymnaften berechnete efr:
buh von Martin. Auch hier hat die Kirchengefchichte,
wie fie εὖ [o wohl verbient, eine ziemlich umfangreiche
Aufnahme gefunden; aber indem Martin die Perioden
nad ben genannten gelehrten Gefidjtépunften zerlegt, wird
Geſchichte der Kirche Chriſti. 499
bie Darftelung vielfach zum trodenen: vürren Gerippe, das
wegen Mangel an Anſchaulichkeit den Schüler nit an
ſpricht. Auch H. Feßler bringt über die Härefien, über
die Ausbildung der kirchlichen Wiſſenſchaft unb feunft, eben:
jo über bie Hierarchie überall foviel bei, als für ben Zwed
bes Buches nothwendig ift; reiht aber das hierüber paffenb
Erfannte in die Gefammtdarftellung ber Zeit durch glüds
[ie Gruppierung febr gefchidt ein, fo daß ber Leſer ein
anſchauliches Bild des Firhlichen Wirkens in der jeweiligen
Periode gewinnt. Wir erhalten fo nicht bloße ercerpierte
Rotizen aus der Kirchengefchichte, fonbern eine wahre, ver
Wirklichkeit ent[predyenbe Geſchichte ber Kirche.
Wer ben mafjenhaften Stoff ber driftliden Jahr⸗
hunderte fo leicht und fider zu orbnen verftebt, von bem
darf zum Voraus erwartet werben, daß er in bie gelungene _
Borm and einen gebiegenen Inhalt gießen werde H.
Feßler bietet in der That fowohl duch die Gefammt-
ſchilderung des Wirkens ber Fatholifhen Kirche als durch
bie reichlich eingeftreuten inzelheiten des Lehrreichen und
Bildenden jo viel, daß wir glauben, es fei durd fein Buch
ber Rirchengefchichte ihre Aufnahme in den Religionsunter:
riht an Obergymnaften für immer und überall gefichert.
Wenigftens hat man jet, wo ein fo tüchtiges Handbuch
vorliegt, feine Entſchuldigung mehr, ben Fatholifchen Schülern
an höhern gelehrten Anftalten gerade den bifbenbften , ans
regendften und anfprechenpften Unterrichtögegenftand vorzu⸗
enthalten und ein fo reiches Material, wie es die Kirchen⸗
geihichte zur Stärkung des Fatholifhen Bemußtfeind dar;
bietet, unbenüpt liegen zu laffen. — Es zeichnet fid) aber
bie Feßler'ſche Bearbeitung der Kirchengefchichte. für die
Zwede ber Schule be(onberó dadurch aus, daß fie fein
500 Vepler,
Ercerpt από einem größern Werfe, fondern eine ganz felbfts
ftändige, ihrer eigenthümlichen Beftimmung angepaßte Ars
beit ift. Der Berfaffer nimmt das, was ihm geeignet
fcheint, unmittelbar aus den Quellen, gibt feine trodenen
Skizzen, fonbern ſchildert lebensvoll, oft mit den Worten
ber Quellen; die in den meiften Fällen genau citiert werben.
Dieß gibt Zuverfiht, vaß man die Wahrheit vor fid) habe.
— Im erften Theil, bel ber Darftellung ber Kirche in
der griechifcherömifchen Periove, hat man gar oft Gelegen-
heit, ven belefenen Patrologen zu erfennen. Bon ben
, widtigften und einflußreichften Kirchenvätern entwirft ber
H. Berfaffer febr anziehende Lebensbilder und theilt aus
ihren Werfen fowohl ganze Entwidlungen chriftliher Lehr:
fäge, als einzelne Gofbfómer in ver Urfprache mit. Wir
verweifen zum Belege hiefür auf bie jchönen 8. $. 24 und
25 über Origenes gegen GEelfus, ferner vie $. 40, 41
unb 42 über ben hl. ?luguftinuó und ben Pelagianismus.
Auf den erften Anblick möchte e8 fcheinen, αἱ ob H. Feßler
in diefer Beziehung zuviel aufgenommen habe, allein bei
näherer Durchſicht der betreffenden Stüde überzeugt man
fid) bald, daß bie genannten 8. $. wahre Perlen des Buches
find. Solches Hinweifen auf die Kirchenväter [dafft nod
ben weitern Nußen, daß babutd) bie auf Gymnaften hin
und wieder verbreitete Meinung, als ob das Schöne und
gar aud) das Wahre nur bei den alten Meiftern Roms
und Athens zu finden fei," hingeftellt wird als das, was
fie ift, alà eine aus bem Unglauben hervorgegangene Tleber-
ſchätzung dee claffifhen Alterthums. — Den zweiten
Theil des Wefler'tden Buches fann man als eine Aus:
führung des befannten Wortes von Herder betrachten:
„Ohne fie Cnämlih die Kirhe und ihre Hierarchie)
Geſchichte ber Kirche Chriſti. 501
wäre Europa warſcheinlich ein Raub der De&
poten, ein Schauplat ewiger Swietradt oder
gar eine mongoli[de Wüfte geworden.” Den
beiven Säulen des mittelalterlihen Baues, bem Papftthum
und Kaiſerthum, fdenft bie Behandlung dieſes germanijdjen
Zeitraumes beſondere Aufmerkfamfeit, überall Unwahrheiten
zurüchveifend, Vorurtheile zerftrenend unb ble Geſichtspunkte
zur richtigen Beurtheilung barbietend. Gregor VIL, Innos
cenz IH. und aud; ber jo oft verfannte Bonifaz VD. et:
[deinen als die. Träger und Bertheidiger großer, felbft
das bürgerliche Wohl des Abendlandes bebingenver Sybeen,
während daneben bie gefährlihen Plane „ver Caller, bet
Hohenftaufen und ber fchlauen franzöſtſchen Könige aus
ben Quellen betgelegt werben. Auch die Wifjenichaft und
Kunſt des Mittelalters, wie feine thätige Gottes und
Nächftenliebe, die fid) namentlich in ben religiófen Orben
entfaltete, haben eine entfpredyende Berüdfichtigung erfahren,
wobei, um bie göttliche Kraft des Chriſtenthums Flarer
ins Licht zu flellen, wieberbolt auf die ganz außerorbents
liden Schwierigkeiten hingewiefen wird, welche ber lehrenben,
bildenden und fittigenven Thätigfeit ber Kirche im Abend:
land entgegenftanden. — Eines müjjen wir nod, um ben
Inhalt des Buches gehörig zu charakterifieren, dem bereits
Angeführten hinzufügen, weil e& bem funbigen Lefer feft
merklich fid präfentiert, nemlich bie birecte und inbirecte
Bekämpfung be8 f. 4. Joſephinismus. Die von
Chriſtus felbft geordneten unveránberliden Grunblagen ber
Kirchenverfaffung werden tbellá in eigenen $. $., theild in
einleitenden Bemerfungen nadjerüdlid) hervorgehoben. Das
zu wird nod) in $. 91 mit der Leberfchrift: „Die neuern
bäretifhen Syfteme von ber firdengemalt
Theol. Quartalſchrift. 1857. III. Heft. 33
502 Seiler,
unb die Verſuche, fieauf benfatbolifden Boden
zn verpflanzen” bie Genefió des Webronianiómus anf
eine ebenjo gründliche, als infructive Weile bloßgelegt.
€o ift denn tiefe Kirchengeſchichte, durch die Erneuerung
des Firchlichen Lebens in Deftreich hervorgerufen, auch ihrer
feitö wieder geeignet, unter den Taufenden, denen fie als
leitende Storm für ihre religiöfen Grundſätze in bie Hand
gegeben wird, jene Erneuerung zu verbreiten unb zu fichern.
Hiemit glauben wir für folde, welde das in Rebe
fiehbenve Werk nod) nicht fennen, Hinreihendes über Be
fimmung, Anlage, Inhalt und Werth beójelben
gefagt zu Haben. Daß nemlih darin bie Geſchichte δεῖ
Ausbreitung der chriftlichen Religion, der Berfolgungen
n. b. g. nicht fehlen und eine bem Geifte des Ganzen ent
ſprechende tüchtige Behandlung gefunden haben ‘werde, vers
fteht fid) ohne bejonbere Hervorhebung von ſelbſt. Da
aber bem Buch ohne Zweifel weitere Auflagen bevorftehen,
. jo erlauben wir und, nod) einige Bemerkungen beizufügen
über bie Answahldes Stoffes, geſchichtliche Michtigs
feit und ftpliftife Behandlung beéfelben. Wir
werben dabei aué[djlieglid bie Seftimmung des Buches
für die Schule im Auge behalten.
Der H. Verf. macht in der Vorrede mit Recht das
rauf aufmerffam, daß es mit Schwierigkeit verbunden fei,
für ein 2efrbud), wie das vorliegende, aus tem unge
heuren Gebiet der kirchengeſchichtlichen Wiſſenſchaft eine
paffenbe Auswahl des Stoffes zu treffen. Man
wird εὖ hierin nie allen, tie ein folded Buch beim Unter
richt gebrauchen, recht machen fónnen. So wollte ed aud
dem Ref. fcheinen, ald ob da zu viel, dort zu wenig gegeben
werde. Zu umfaflend für ben Zwed des Buches dauchte
Geſchichte der Kirche Chriſti. 503
ihn. δ. Ὁ. die Darftellung in $. 20 u. 26 über bie Gnoftifer
unb Manichäer, während e8 ihm anbernjeitó auffiel, baf -
über bie Glaubensentſcheidungen des erften und
zweiten allgemeinen Gonciló, wie überhaupt über die allge
meinen Goncilien mit Ausnahme des Tridentinums, [0
fhnel unb kurz hinweggegangen wird. Desgleichen vere
mögen wir ed nicht, zu billigen, daß ber Ketzertauf—⸗
ftreit, bei bem es fid) ja um eine bogmatijdje Frage von
allgemeiner Bedeutung. handelte, und ebenfo tie Unions⸗
verhandlungen zwifchen ber lateinijden und griechifchen
Kirche nicht beſprochen werden. Auch können wir eó und
nicht erflären, warum Ὁ. Beßler bem Hl. Hieronymus,
diefen „doctor maximus in exponendis scripturis sacris,“
nur einen halben Eat unb eine Heine Annerfung (©. 155)
widmet, ba bod) die andern großen Kirchenlehrer eine febr
weitläufige Berüdfichtigung erfahren. — Dod) fiber derartige
Wünſchen wollen wir mit bem Verf. nicht weiter rechten.
Das mündlihe Wort des Lehrers kann nachhelfen, wo εὖ
biefem gut dünft. Aber ganz unb gar widerfprechen müſſen
wir darin, daß die Geſchichte des Cultus von bem
Buche ausgefchlofien wurde. So ift denn in blefer Kirchen⸗
geihichte nichts zu lejem über den Gottesbienft in ben
Lagen ber Apoftel, Tiber bie Katafomben, über bae Katechus
menat, die Stufen des Bußweſens, über bie Einführung
neuer Feſte u. Ὁ. g. Sft dieß nicht ein wirklicher, ja weſent⸗
liher Mangel? Wir antworten mit einem zuverfichtlichen
Sa, nicht überzeugt durch die in ber Vorrede deshalb ange
führten Gründe. H. Wefler fagt nemlih S. VIL: „Die
[o intereffante Gefhichte ber liturgifden Ent-
widlung durfte bier feine Stelle finden, ba
einerfeits [don να ὁ Lehrbuch berameiten Gym,
33 * :
504 Feßler,
naſialklaſſe dieſen Gegenſtand behandelte
und andernſeits bie Kirchengeſchichte für Theo—
logen denſelben wieder behandeln muß.” Der
letzte Grund ift offenbar unſtichhaltig, denn wollte man ba;
mit Ernſt machen, fo τοῦτος ber Inhalt einer für Gym⸗
naften bearbeiteten Kirchengeſchichte ind pure Nichts ſich
auflöſen, da ja auch die Abſchnitte über die Ausbreitung
ber Kirche, ihre Siege, ihre Leiden, ihre hierarchiſche Ge
ſtaltung u. ſ. w. bei der ſtreng theologiſchen Behandlung
wiederkehren müſſen. Was bliebe alſo von der Kirchenge-
ſchichte für bie Schüler eineó Obergymnaſiums noch übrig,
wenn man Alles auéjdjeiben wollte, was bet Theologe
auf der Univerfität zu hören befommt? Wenn jodann
H. Feßler, um vie gänzliche Ausschließung der Liturgie zu
rechtfertigen, auf den für bie öftreihifchen Gymnaſien ent-
worfenen Religionsunterrichtd-Plan fid beruft, [o faun
Ref. feinen Zweifel nicht zurüdhalten, ob jener Plan ba;
tin, daß für die zweite G(affe des Untergymnaſiums ein
ganzes Jahr lang ausfchließlih und getrennt vom Kate
chismus die Erklärung der gotteóbienftliden Gebräuche
angejegt wird, die Probe ber Erfahrung werde aushalten
fónnen. Aber felbft jenen Unterricht vorauógefegt darf ein
Buch, worin bet Religionsunterricht auf einem Gymnafium
zum gründlichen Abfchluß gelangen fol, von ber Ge
Tchichte des Gottesdienſtes nicht Schweigen, fo wenig, als
bie fpätere Glaubens und Sittenlehre das auslaſſen dürfte,
was Schon im erften Jahr der Katechismus behandelt hatte.
In der zweiten Untergymnaftalclaffe wäre ed im Hinblid
auf die Faflungskräfte der Echüler gar nicht möglich, ja
geradezu gefährlich, eine eigentliche Geſchichte ber liturgifchen
Entwidlung zu geben. In jenen erftien Jahren vermag
Geſchichte der Kirche Gbrijtt. 505
der Schüler die Unterſcheidung zwiſchen Wefentlichem unb
Unmefentlihem nod) nicht zu tragen und was nur Cnt:
faltung ift, erídeint ihm als Neuerung und Beränderung.
Und doch müffen die Schüler, wenn fie das Gymnaſium
verlaffen, einen Einblid haben in die großartige, reiche
Beftaltung des Fatholifchen Eultus. Zu biefer Einführung
bietet aber bie Kirchengefchichte bie einfachfte und mannich⸗
fahfte Gelegenheit. Stef. glaubt darum einen wohl bes
gründeten Wunfch zu äußern, wenn er an den H. Verf.
"das Anfinnen ftellt, die folgende Auflage feines Buches
mit einigen, am gehörigen Ort eingerichteten $. $. über
bie B. Handlungen zu bereichern und babutd) ble fonft
gute Auswahl des Stoffes zu vervollftändigen.
Die gefhihtlihe Richtigkeit beó aufgenommen
und dargeftellten Stoffes anlangend verdient das Sud
großes Lob. Die Genauigkeit, mit welcher darin fo viele
Greignifje theils in umftánbliden Erzählungen, theild in
überfihtlichen Reſüme's angeführt werben, beweist ben
Gelehrten, dem die Kirchengefchichte ble tägliche Beichäftigung
ift. Ueber Diefes unb Syene. wird man freilic, biáceptieren
fönnen, ber Verbefjerung bebütftig erfchien aber bem Ref. _
nut Weniges. So 4. B. wird C. 39 das 3. 62 ald das
Todesjahr des Evangeliften Lucas angefegt. Diefe -
Annahme beruht auf einer Angabe des δ΄. Hieronymus;
t6 wirb aber von ben Gregeten, fo namentlid von Reith.
mayr in feiner Einleitung zum N. T. S. 379, gewöhnlich
angenommen, taf Hieronymus (id) geirrt habe und ber
hl. Lucas viel fpäter geftorben fei. Auch einige Angaben
übet den Bf. Apoftel Paulus dürften geändert werben.
Co fümmt es mit der nachdrücklichen unb wieberholten
Hervorhebung des Apofteld in feinen Briefen, daß er das
506 Feßler,
Evangelium mit, ſeinem Lehrinhalt durch un mittelbare
Offenbarung empfangen habe, gar nicht überein, wenn
H. Feßler ©. 36 ſagt, taf Paulus „zum Empfang ber
nöthigen Belehrung” an einen Jünger gewieſen worden
fei. Wenn ferner S. 42 und 43 fo ganz zuverfichtlid
und umftánblid vie Thätigfeit bed Apofteld nad) der Brel
lafjung ans ber erften römischen Gefangen(djaft befchrieben
wird, jo hat man ein 9tedjt zu fragen, woher denn ber
H. Berf. feine Angaben gefdjópft babe. Au wirb an
einigen Stellen des Buches Ungewiffes als ganz unzweifels
bafte Thatfache hingeſtellt. So ©. 57, wo über Kaifer
Nero berichtet wird, er habe Rom anzünden laflen, für -
welde Beichuldigung unfer Verfaſſer fid) auf Taritus bes
ruft, obwohl gerade biefer behutfame Geſchichtſchreiber aus⸗
druͤcklich ſagt, es [εἰ unentſchieden, ob jener Brand zufällig
ober auf Anſtiften des Kaiſers entſtanden ſei. (Forte an
dolo principis incertum. Annal XV., 38.) Weiiere, allzuſicher
hingeſtellte Berichte finden ſich S. 59 über bem Tod des
bl. Clemens und ©. 219 über das Ende Muhameds,
wo von bem Gift, das bem Propheten gegeben worden
fein foll, gar nod) gejagt wird, dasſelbe habe erft „nad
einigen Jahren” (Sagen?) feine Wirkung geäußert. —
Bon ter Bundeslade heißt es ©. 56, fie fel bei ber
Zerftörung Jeruſalems unter Titus „in den Flammen aufs
gegangen.” Der H. Berf. feheint, ald er biefen Sag
niederſchrieb, überjeben zu haben, daß das Allerheiligfte
des zweiten Tempels leer war, weil der Prophet Jeremias
bei ver Belagerung ver Bl. Stadt unter Nabuchodonoſor
jenes hl. Geräth in einer Höhle beó Berges Nebo verborgen
hatte und baéfelbe fpäter nichtmehr aufgefunden wurde. —
Einer völligen Umarbeitung halten wir bebürftig den €. 33
Geſchichte der Kirche Chrifti. 507
über die Entftehung des Möndhsthume Die Ent
widlungsftufen, wie diefelben Möhler in einer befannten
Abhandlung fo ſchön aufweist, treten in dem befannten
8. nicht gehörig hervor unb wenn ebenbajelbft von „preis
jähriger Probezeit” bei ben erften, ägyptiichen Mönchen
die Rede ift, ihr „eifriged Betreiben der 9Bijjenfdjaft" ge;
lobt und dad „Anachoretenthum“ als eine fpätere, aus bem
bereit& georbneten „Klofterleben” fid) bildende Erſcheinung
aufgefaßt wird, fo find das, foweit 9tef. wenigftens mit
der Sache befannt ift, der Geſchichte widerſprechende An-
gaben, weichen jedenfalls von der üblichen Darftellung ab.
— Um Anderes, was rüdjihtlih der hiſtoriſchen Präcifton
mod zu bemerfen wäre (y. 38. €. 201 über die Gothen-
fürften), zu übergehen, madjen wir nur nod) auf ein allzu⸗
ſcharfes Urtheil über Albrecht, Erzbiſchof von Mainz
unb auf eine ben bL. Ignatius betreffende Bemerkung
aufmerffam. €. 378 nemlih wird ber aus ber Refors
mationsgeſchichte befannte Erzbifhof Albrecht „ven un»
thätigen, ſchwachen unb nadgiebigen Biſchöfen“ beigezählt,
durch deren Schuld bie Glaubensnenerung fo weit fid) vers
breitet babe. Dieß Urtheil weicht aber fo weit von bem
gewöhnlichen ab (vgl. 3. B. Freib. Kirchenlericon s. v), —
daß H. Feßler fein firenged Gericht, das er über viefen
Sirdenfürften hält, burd) Berufung auf bie Quellen hätte
begründen follen, wenn dasſelbe voirflid) begründet ift.
Ueber ben 81, Sgnatiue, den Stifter des Iefuitenorveng,
ift €. 372 zu lefen, daß er nad Vollendung ber philofo-
pbijden Studien an ber Univerfität Paris zum „Doctor
der Philofophie” promoviert worben (ei. Sonft reden bie
Biographieen des Heiligen nur vom Magiſter⸗Grad.
Allein. diefe Abweichung belegt H. Feßler burd) bie Ber
508 : Fehler,
tüfung anf Benelli, in befjen „Leben des bl. Ignatius” .
das Doctor: Diplom wörtlich abgedrudt εἰ. Stef. hat vie
citierte Schrift nicht bei Handen, hegt aber ftarfe Zweifel
gegen die Richtigkeit, weil in gar allen ihm eben zu
Gebot ſtehenden Eirchengefchichtlicden Werfen beharrlich und
beflimmt nur ber Magifterwürde Erwähnung gefchieht.
Bei einem für den Gdjulgebraud) beftimmten Buche
fommt außerordentlich viel darauf an, daß ber Stoff nicht
bloß gut gewählt und richtig gegeben, joubern aud) Teicht
überfihtlih und ansprechend, verarbeitet [ei^
Die Arbeit H. Feßler's, im Ganzen beurtheilt, trägt aud)
in diefer Beziehung das Gepráge ber Meifterhand an fid.
Die erften $. $., namentlich die einleitenden, find allerdings
ftyliftiich weniger gelungen. Breite und Einförmigfeit des
Ausdruckes ftören im Leſen und mandymal zeigt fich bie
bei hiſtoriſchen Werken fo unpafjende rhetoriihe Amplifi-
cation. Auch [páter ließen fid) mande 8. 8. 4. Ὁ. 8. 16
über den Untergang bes Judenthums, 5. 30 über Gon;
ftantin den Großen, 8. 34 und 35 über Kaiſer Iulian
u. a. ohne alle Beihädigung des Inhalte in eine kürzere,
förnigere Form bringen. Im Allgemeinen und Ganzen jedoch
zieht fid durch das ganze Buch eine eble, fíare und dabei
warme unb anziehende Sprache Binburd). Weil H. Feßler
nicht excerplert, fonbetn unmittelbar an bie Quellen fi
wendet, fo wird aud) bie Darftellung friſch und (ebenóvoll,
weit entfernt von der Trodenheit eines Gompenbiumé.
Die reichlich eingeftreuten Sentenzen und eingewobenen
Züge aus bem Leben ber Heiligen und anbrer großer
Männer geben bem Gemüth Erhebung, wie auch bie überall
burchftrahlende Begeifterung mit ver ber H. Verf. feiner
Kirche zugethan ift, wobitbuenb ben Lefer ergreift. Die
Geſchichte ber Kirche Chriſti. 509
Lehrer, welche das Buch beim Unterricht zu Grund legen,
werben bem Berfafjer aud) deshalb zum Dank fid ver-
pflichtet erfennen, weil ber Innhalt meift febr geſchickt zu
abgefchlofienen Paragraphen abgerundet, gleihfam zu hand»
famen 2ehrpenfen hergerichtet ift. Gegen Ende werben
freilich die S. $., deren das Buch im Ganzen 95 zählt, febr
vol unb εὖ wäre ohne Zweifel für den Zweck des” Unter-
richtes eine Erleichterung, wenn 4. B. die $. 6. 88, 89,
90 und andere in mehrere zerlegt würden, jo bag einer
Lehrftunde immer ein Paragraph ald Penfum zuflele.
Die Lectüre des angezeigten Buches hat bem Ref.
einen großen Genuß bereitet und er wün]dt bemjefben
auch außerhalb Oeſtreich die weiteſte Verbreitung. Selbſt
der kundige Theologe wird der Darſtellung da und dort
mit Intereſſe folgen; denen aber, die ſich mit dem Studium
der Kirchengeſchichte oder auch der ſpäteren Profangeſchichte
beſchäftigen, kann bie Heine Feßler'ſche Arbeit gar oft bes
hilflich fein, über bie wichtigften hiſtoriſchen Ereigniſſe zur
rihtigen Auffafjung zu gelangen. Namentlich für bie Bes
urtheilung des Mittelalters und der neuetn Zeit hat unſer
H. Verf. viele Lichter aufgeſteckt.
Die Ausſtattung des Buches iſt ſchön, der Druck ſehr
correct. Unter den wenigen Druckfehlern ſind etwa die
ſtoͤrendſten S. 44 Juli ft. Juni und ©. 372, wo ft. 23
die Jahresbeſtimmung 33 zu fegen ift. Der Preis fonnte
offenbar nur im Hinblid auf bie Verbreitung an ben
Gymnaften fo. außerorbentlih billig geftellt werben. Die
-— chronologiſche Tabelle ift febr braudbar.
® 9» ev, .
. 9tepetent im Gonvict zu Rottweil und Religionslehrer
am bortigen Gymnaftum.
*
—
510 Hofmann,
8.
Ueber den Berg Galiläa. (Matih. 28, 16). Gin. Beitrag
zur Harmonie der evangelifchen Berichte von den Erſchei⸗
nungen des Auferflandenen. Bon Prof. Rudolph fof-
mann, Lic. theol. u. Dr. phil, gerer der Oldigion an
der &bnigL Sach. Landesfchule zu Meißen. Leipzig,
Friedrich Voigt 1856. Pr. 36 Er.
Der Berfaffer, ver fi durch ein „Leben Jeſu nad
ben Apofryphen” forie burdj eine aud) in biejen Blättern
befprodene „Symbolik“ in weitern Kreifen befannt gemadht,
[ndt in der vorliegenden Heinen Schrift nachzuweiſen, daß
der Ausdruck Γαλελαία Matth. 28, 7. 10. 16 und Marr.
16, 6 nidt von ter Landſchaft Galiláa, fonbern von einem
Theil des befannten Delberge, unb zwar von ber nórb.
lihen Spige beófelben zu verfteben fei. Gr verſpricht fid)
(S. 26) von diefem Nachweis ein Doppeltes, „nämlich
erftlih, daß dadurch einzelne Parthien der evangelifchen
Berichte merfwürdig an Klarheit gewinnen; und, zweitens,
daß ed baturd) möglid wird, vie bisher ummóglide Har⸗
monie der ſämtlichen evangelifhen Berichte von ben
Erſcheinungen des Auferftandenen zu bewerfftelligen.” Ein
ſolches Refultat wäre ſicher an fid) ſchon beveutfam gering,
Vaf man ifm, wenn ed in Ausſicht geflellt wird, eine
forgfältige Brüfung nicht verjagen fónnte. Außerdem aber
zeigt der Verfaſſer in feiner Abhandlung fo viel guten
Gíauben und religiójen Ernft, daß wir aud) von biefer
Seite ans glauben, biefelbe nicht unbeſprochen vorübergehen
lafjen zu dürfen.
Die Anſicht des Verfaſſers ift, wie ex felbft angibt,
nicht nen. Er fand fie bereits bei Suarez und Qarbuin
über ben Berg Galiláa. 511
vor unb er glaubt, biefelbe fei von den Eregeten nur nicht
gehörig beachtet worben und fo aus ber eregetifchen Sra»
bition ver[dymunben. Er fest fid) bemnad) bie Aufgabe,
biefelbe wieder auf's neue vorzulegen und was bie Haupt:
jache ift, fie neu zu begründen. Zu legterm Behuf fchlägt
et fofgenten Weg ein. Zuerft zeigt er, wie bie gewöhn-
life Auffaffung des Γαλιλαία in. ven (angeführten Stellen '
zu unlösbaren Widerſprüchen in der Auferftehungsgefchichte
führe; fobann weist er nadj, daß die bisherigen Verſuche
biefe Widerſprüche zu befeitigen, nicht gelungen ſeien unb
endlich führt ev weitläufig aus, daß bereits im chriftlichen
Alteribum unter Galiläa bie Nordſpitze des Oelbergs vers
ftanden worden fel, eine Auffafjung, bie man nur auf
ven Bericht unferer Evangelien überzutragen brauche, um
jeden Widerſpruch verfchtwinden zu machen. Bolgen wir
dem Berfaffer auf feinem Wege und prüfen wir Schritt
für Schritt ven Gang feiner Beweisführung.
Was das erfte anbelangt, fo Spricht fid) ber Verfafjer
nachdem et bie Berichte ber Evangeliften über die Vorgänge
nad; ber Auferftehung dargelegt, fo aus: „Vergleichen wir
nun dieſe Berichte unter einander, fo tritt uns als erfter
Widerſpruch bie Unmöglichkeit entgegen, die Weiſung
ber jünger nad) Galilàa bei Matthäus und Markus, und
ihren jofortigen Aufbruch bei Matthäus mit dem ruhigen
Berharren der Jünger in ber Nähe von Serufalem bei
Markus, Lukas und Johannes zu vereinbaren. Am aufs
fälligften erjcheint biejer Widerſpruch bei Markus, weil
diefer zuvor felbft bie Weifung nad) Galiláa berichtet, unb
dann fie ſcheinbar ganz wieder amfer Acht läßt, während
bei €ufaó und Johannes ber SBiber[prud) fidj wenigftenó
nicht innerhalb ber eigenen 9telation bewegt. Es muß bie
"»
512 Hofmann,
Nichtbefolgung jener Weifung von Seiten ber Jünger um
fo mehr befremven, als ein Verſchieben der Befolgung
etwa bis nad) der Grideinung, welde bem Thomas zu
Theil wurde, (benn hier erft würden bie zeitlichen Verhälts
nifje εὖ geftatten, eine Reife nad) Galilän bei Markus,
Lufas und Johannes einzufchieben), nicht wohl benfbar
"At, nachdem bei Matthäus und Markus ver Befehl aus-
trüdlid aló ein ſchnell zu vollziehender (ταχὺ πορευ-
ϑεῖσαι εἴπατδ, oder ὑπάγετε, εἴπατε) Dingeftellt wird,
vie Weiber auch ἐξελϑοῦσαι ταχὺ ven Befehl ben Süngern
bringen, enblid) Chriſtus, was deſſen Antheil ar ber Volls
jiehung des SSefefleó anlangt, durch das Präfens ἰδοὺ
προάγει ὑμᾶς als [don auf bem Wege nad) Gallläa
befindfich bezeichnet wird. Was wären das für Jünger,
ble ihren Meifter, ben Todtgeglaubten und Wieveranfer:
ftanberien, nicht fogleid) wieder aufgefucht hätten, nachdem
fie eine Kunde von ihm erhalten und erfahren hatten, wo
fie ihn jehen fónnten; ja bie ihn Sogar vergeblich auf (id)
hätten warten lafjen, fo daß er ſich bequemen mußte, fie
zu Haufe anfzuſuchen. Over, fatte der Herr bereits im
Sinne, fid vor ber Erfheinung ἐν τῇ Γαλιλαίᾳ ven ver-
jammelten Süngern am Abend zu zeigen, wie fonnte er
bann vor und nad) feiner Auferfiehung (Matth. 26, 32;
28, 17. 10; Marf. 14, 28; 16, 7) eine fpätere Zufams
menfunjt als tiefe mit den Worten ankündigen, ἐκεῖ μὲ
ὄψονται, welche die Jünger jedenfalls nicht anders als
auf ein erftes Wiederſehen beziehen fonnten.. Und mom
tann überhaupt [don jest tiefe Verabredung, da fid) nod)
Zeit und Gelegenheit genug dazu fanb, wenn er daß erfte
Mal wieder mit ihnen-zufammen fein würde? Wozu eine
naochmalige Beftelung nad Galiläa durch den Engel und
, Uber den Berg Galilän. 513
e
durch bie Weiber, wenn an bemfelben Tage mod eim Wies
berfefen bevorſtand, wo Jeſus perjónlid) den Süngern feine
Abficht mittheilen Fonnte. Wir müffen hier Strauß
Recht geben, wenn er fagt: „Mit Recht beharrt ble neuere
Kritif auf bem, was [don Leffing geltend gemad;t hat,
daß Fein Bernünftiger feinen Wreunben durch eine britte
Berfon eine fpätere Sufammenfunft zu freudigem Wieder .
(eben an einem entfernten Orte anberaumen lafje, wenn
er nod) an demfelben Tage und öfters an gegenwärtigem
Orte fie zu fefem gewiß [ei^ Ober ift etwa Chriftus
während bed Tages auf andere Gedanken gefommen, unb
bat fid), al& er auf bem Wege nad? Galilàáa bie Emmaun⸗
tischen Jünger nod fo glaubenófo8 traf, unb fid) von bem
Stidtfommen ber ungläubigen Jünger überzengte, nachträg⸗
lid entichloffen, von feiner Weifung nad) Oaliläa vors
láufíig abzuſehen und bie Jünger in ihrer eigenen Behaufung
anfzufuhen? Wir müßten, wäre dieß ber Sall, zu unferm
Leidweſen abermaló Strauß beiftimmen, wenn er von
Olshauſen, der diefe Meinung vorträgt, jagt: „wie
fid) eine foldje irrige Berehnung von Eeiten Jeſu mit bet
ortBoboren Anficht von feiner Perſon vertrage, möge hiebei
Ols hauſen zuſehen.“ Wozu ferner, wie bei Markus,
er eine foldhe Gewichtlegung auf dieſes ὄψεσθαι ἐν τῇ
Γαλιλαίᾳ unb bann nicht einmia| bie Erwähnung einer
Ericheinung dafelbft ? Wie endlich wird es erklärbar, baf
eine folde Haupterfheinung, die längft verabredet war,
von Lufas und Johannes gänzlich übergangen wird? Alles
dieſes bleiben unbeantwortbare Fragen, ſobald unter ber
Weifung an bie Jünger, ἕνα ἀπέλθωσιν εἰς τὴν Γαλι-
λαίαν, eine auf bie Provinz Galiläa lautende Ordre vet»
ftanben wird. Uber ber Widerfpruch foll fid) nod mehr
’%
514 Hofmann,
haͤufen. Wie kann Jeſus die Jünger zu einer Reiſe nach
Galilaͤa angewieſen haben und ihnen aud) daſelbſt nad
dem Wortlaut des Matthaͤus zuerſt erſchienen ſein, da er
nach der Relation des Lukas und Johannes an demſelben
Abend auch in oder bei Jeruſalem bei verſchloſſenen Thüren
mitten unter ſie getreten iſt? Denn ſelbſt wenn wir für
. Ehrifti Perſon eine wunderbare Entrückung ftatuiren moll
ten, woburd) ed möglich wurbe, bem zwölfmeiligen Weg
nah Galilàa in einem Tage bin und zurüd zu machen,
fo würbe doch jedem das Wunder zu weit extenbirt. erjcheis
nen, wenn wir aud) für bie Jünger eine jolde wunderbare
Entrüdung in Anſpruch nehmen wollten. Ober zugegeben,
der Bericht bei Matthäus ließe fid) fo wenden, daß bie
Reife der Jünger nad) Galiláa erft nad) bem erftmaligen
Grideinen am Abend des Auferftehungstages ftattgefunben
"habe, wie ift εὖ erflärbar, daß an bemjelben Abende Jeſus
den JIüngern eine grade entgegengefegte S'Beijung giebt
(uf. 24, 49), Ierufatem nicht zu verlafien, bis daß fie
am Pfingftfeft ben heiligen Geift erhalten haben würben ὃ
‚Hier bleibt, wenn man fid) nicht. vurd) exegeti[e Künftes
leen. felbft täuſchend in bie Harmonie hineinreven will,
fein anbrer Ausweg übrig, al8 mit vielen bet gebiegenften
Eregeten fid) demuͤthig zu beugen unb zu geftehen, daß
wenigftend für unfre Erfenntniß eine Bereinbarung ber
verſchiedenen epangeli[den Berichte nicht möglich εἰ. Dieſer
Ausweg wäre nad) unfrer Anficht wenigftens ber ehrlichfte
unb gläubigite.” |
Man fieht aus blefer Darftellung leicht, daß ber Vers
fafler die Abweichungen der evangelifchen Berichte nicht zu
mildern fucht, jonbern daß er fie in aller Schärfe faßt
unb fte zu wirklichen Widerſpruͤchen ausſpitzt. Gr thut dieß
-—
über ben Berg Galilüa. 515
offenbar nicht, um durch Vergrößerung ber eregetifchen
Noth das Hülfsmittel, das er gefunden haben will, vefto
beet zu empfehlen, fonbetn er fann auf feinem Stand»
punkt gar nicht anderd, wenn er ehrlich verfahren will.
Daher ift e aud) nicht zu verwundern, daß er bie bit»
herigen Verſuche, die fraglichen SBiberjprüdje zu befeitigen,
entjdjieben verwirft; denn vie Urheber derſelben ftanben. im
Weſentlichen auf bemfelben Gtanbpunft, ven der Verfaſſer
einnimmt und hätten aljo zu bemfel6en Refultate gelangen
müffen wie er. Auch wir find weit entfernt, diefe Verſuche
Rügen zu wollen und ftimmen daher in der Zurückweiſung
berfelben mit bem Verfaſſer überein; Aber darum gefällt
und fein Verſuch nod) um nichts beffer. Denn abgefehen
von andern Schwierigkeiten, in die er verwidelt, it er
fogax ungenügend, einen vom: Verfaſſer felbft hervorgeho⸗
benen Widerſpruch zu löͤſen. Wenn nämlich der Auftrag
des Herrn an die Jünger Luc. 24, 49: καϑίσατε ἐν τῇ
πόλει ἕως οὗ ἐνδύσησϑε δύναμιν ἐξ ὕψους fo aufzufaſſen
ift,.wie e8 vom Verfaſſer geihieht, wie founten fie bann
überhaupt vor ber Geiſtesſendung nad) Galilàa abgeben,
wo fie doch nad) Sof. 21, 1 unzweifelhaft waren? Hier
bleibt ber Wiverfpruch auch nad) des Verfaſſers Hypothefe,
ji er wird durch viefelbe nur nod) verfchärft, inbem fte,
fiteng durchgeführt, eine Abwefenheit ver Bünger von Je⸗
ufalem vor ber Geiftesfendung gar nicht julàft. Wir
glauben, es liegt ſchon hierin Grund genug, aud) ben
Verſuch des Verfaflers zurückzuweiſen, wie wir denn übers
haupt glauben, daß man von bem Gtanbpunfte ans, von
welchem er ble biblifchen Berichte betrachtet, über Wider
forüdje in benfelben gar nicht hinauskommt.
Diefer Standpunkt ift nämlich ber der Bibelfufficienz,
-
516 Hofmann,
näherhin die Vorftellung, taf, wie ble Bibel überhaupt,
fo das neue Teſtament insbefondere von Anfang an fo
angelegt vootben , ausſchließlich das Lehr⸗ beziehungsweiſe
Gefegbud) der Ehriftenheit zu bilden. Für bie Hiftorifchen
Bücher modificirt fid) tieje Vorſtellung dahin, daß bie
Verfaſſer derfelben, fo weit es ihnen móglid) war, ein
vollſtaͤndiges Bild der von ihnen bargeftellten Begebenheiten
hätten geben wollen und nichts hätten auslaflen dürfen,
was fie gewußt und ihnen für bie Belehrung der Ehriften
von Wichtigfeit erjchienen wäre. Nur von einer foldjen
Anſchauung ber Cade aus erflärt fid) die Möglichkeit einer
frage, wie fie oben der Berfafier aufiwirft: „wie endlich
wird εὖ erflärbar, daß eine jolde Haupterfcheinung, bie
längft verabredet war, von Lucad unb Sohannes gänz-
lic übergangen wird 5 Daß aber biefe Anfchanungsweife
nicht richtig ift, ſollte Schon daraus erhellen, taf biefelbe
von Reimarus — oder vielmehr (don vom legten Drittel
bes erften chriftlichen Jahrhunderts an benübt wurde, um
ble Wahrhaftigkeit ber evangelifchen Berichte zu untergraben.
Gerade auf folhen Fragen, wie ber SBerfafjer eine auf
fiet, ruft in letzter Inſtanz das Beweisverfahren ver
negativen Critik und bie factamentale Formel verfelben
„Davon weiß Matthäus, Lucas u. f. f. nichts,” Bat einen
teivlih vernünftigen Sinn nur auf Grund ber fraglichen
Anſchaunngsweiſe. Wir meinen aber, man follte baé et
ab hoste doceri nirgenà, auch in der Theologie nicht, ver,
geffen. Dazu fommt aber nod) ein anderer limftanb von
unendlich wichtigerer Beventung. Der Weg, den ber Herr
für Verbreitung feines Evangeliums vorgeſchrieben, ift
befanntlih ber ber mündlichen Ueberlieferung. Diefe
Vorſchrift ift ein fogenanntes affirmatives Gebot unb fchließt
-
über den Berg Galllaͤa. 517
fomit den Weg ber fchriftlichen Ueberlieferung nicht aus,
erlaubt aber das Betreten desfelben nur aus ben gewich⸗
tigften Gründen und nur. inſoweit, aí8 tiefe Gründe εὖ
erfordern. Aus biefem Grundſatz, gegen teffen Richtigkeit
man nicht viel wird einwenden fónnen, folgt für bie hifto-
riſchen Bücher des N. S76, baf fie aus bem Leben Ehrifti
und feiner Apoftel nicht alles enthalten, was für Ehriften
wiſſenswerth fein fonnte;; — denn bief mußten fie aue
bem münbliden Unterricht der Apoftel und ihrer Stellver⸗
treter erfahren — fondern nur fo viel und nicht iveiter,
als genügend erfchien, bei gegebener Beranlafjung das
jeweilig vorliegende SBebürfnig zu befriedigen. Man muß
fid) daher bei ben neufeft. Gefhihtsbüchern zum voraué
darauf gefaßt machen, taf ihre Verfaffer nicht alles jagen,
was fie willen, bag fle Umftänvde und Begebenheiten übers
geben, vie vielleidjt an fid von ber größten Bedeutung
find, und daß fie dagegen, namentlih wenn fie in apolos
getiſchem Intereffe gefchrieben, andere aufnehmen, bie für ben
eigentlich hriftlichen Unterricht nur untergeoronete Bedeu⸗
tung haben. Deßwegen laſſen fid) auch bie Nachrichten
der Evangeliften nicht unmittelbar zu einander ind Verhälts
nig feßen, wie das bisher die Harmoniftif und auch unfer
Verfafier getfan, fondern man muß juerft bei jebem eins.
zelnen berfefben bie Frage aufwerfen, was wollte ex ſchrift⸗
fid) ‚nieberlegen, unb was behielt er für den blod münds
lichen Vortrag vor, eine Frage, deren Beantwortung in
ber Regel die genauefte Unterfuhung über Veranlafjung
unb Zwed eines neuteft. Geſchichtsbuches vorausfegt. In
unjerm Fall jebod) glauben wir, ohne zuweit andholen zu
müfen, zu derſelben fdyreiten zu fónnen.
Su c. 28, 11—15 erwähnt Matthäus eineó nod) zur
Theol. Duartalfegrift. 1857. III. Heft. 34
518 Hofmann,
Zeit der Abfaſſung ſeiner Schrift unter den Juden ver⸗
breiteten Geruchtes, die Jünger hätten ven Leichnam Jeſu
bei Nacht geſtohlen. Indem er nicht nur den Inhalt des
Gerüchtes, ſondern aud) bie Geneſis desſelben angibt und
ed damit von ſelbſt als eine Lüge barftellt, muß man ans
nehmen, daß er in dieſem Abſchnitt ſeiner Darſtellung
einen polemiſchen Zweck verfolge, und das erwähnte Ge;
rücht beftreiten wolle. Werfen wir nun einen 3Blid auf
das, was. Matth. in v. 1—10 über die Auferftehung Jeſu
fagt, fo ergibt fid) das Auffallende, daß er und als tfà«
tige menjdlide Perfonen blo8 Frauen vorführt. Man
fieht leicht, in biefem Umftanve liegt eine indirecte Wider:
legung ber boshaften Ausftreuung, wie fie vom Synebrium
andgegangen. „Die Jünger haben Jeſum geftoblen^ lafjen
bie Synebriften jagen; , nein," fagt ber Goangelift, „et⸗
[ide frauen waren die erften, tie an das Grab famen
unb von welchen die erfte Kunde von der Auferftehung
Jeſu herrührt. Es ift gewiß nicht zufällig, wenn fid)
hier die Gegenjáge fo ſcharf gegenübertreten., fonbern fidet
fo vom Evangeliften intenbirt, unb wir haben fomit 9tedjt,
anzunehmen, baf er fid) in feinem Bericht über die Auf
. erftehung des Herrn von denselben polemifchen Intereſſe
leiten ließ, in welchem er bie Entftehung be8 oben ers
wähnten Gerüchtes referirt. In dieſer Beziehung ift es
interefjant, ben Bericht des Matthäus mit tem be8 Paulus
1 Gor. 15, 5 ff. über ben gleichen Gegenftand zu vergleichen.
Paulus nennt ald Zeugen ter 2fuferftebung blos Männer,
offenbar, weil feine Gegner das Zeugniß von Frauen nicht
als genügend anerkannt hätten, Matthäus dagegen nennt
blos Frauen, weil ſolchen eine That, wie bad Gteblen
bes Leichnams Jeſu nicht zugemuthet werben fonnte. Er
fiber bett Berg Galiláa. \ 519
reichte aber Mattbäus feinen Zweck durch Hervorhebung
deſſen, was die Frauen gethan und erfahren, ſo durfte er
weiteres nicht beibringen, Ob nad) ben Frauen nod) Män-
ner zum Grabe gekommen, wie jene ihre Aufträge aus
gerichtet, wie ihre Nachrichten im Kreife ber Jünger auf»
genommen wurden, ob der Herr auch πο andern erſchie⸗
nen ſei — bief fag aufer bem Bereiche feiner fchriftlichen -
Darftelung in ber 9Beije, daß er barauf nidt eingehen
durfte, jonberm es dem münbliden Unterrichte überlafjen
mußte, bió etwa eine anbere Beranlaffung ihm oder einen
andern aus bem Kreife ber Jünger nöthigte, auch auf
ſolches die Schriftliche Aufzeichnung audaubebnen. Uebrigens
if mit Anerkennung einer polemifchen Tendenz beó Abs
ſchnittes Matth. 28, 1—10 tie Bedeutung desſelben nod)
nicht erfchöpft. In ben Reben des Engeld v. 7, und des
Herrn v. 10 ift ein folder 9tadbrud auf die Weifung,
nah Galiláa fid) zu verfügen, gelegt, daß man zugeben
muß, taf ver Evangelift, indem er gerade dieſen Punkt
aus den unzweifelhaft ausführlichen Verhandlungen θεῖς
vorhebt, damit einen befondern Zwed erreichen wollte,
Welches diefer Zweck war, erhellt aus vem Gewicht, wel»
ches er anf bie Erzählung v. 16—20 legt, mit ber er
feinem Werfe gleichſam die Krone aufſetzt. Da der Schau⸗
platz ber betreffenden Begebenheit Galilag war, fo mußte
er motiviren, wie bie Sünger in dieſe Landſchaft famen,
unb er tfut bie, indem er ble betreffenden Aufträge des
Engels und des Herrn referirt.
Darnad werben fid) die vom Verfaſſer oben aufges
ftellten SBebenfen, beziehungsweife Widerſprüche leicht löfen
Infien. Matthäus erzählt bío8 bie Aufträge, welche vie
rauen erhielten; wie diefe zur Ausführung famen , übers
94 *
520 Hofmann,
geht er. Wenn der Berfafler fragt: „was wären das für
Jünger, bie ihren Meifter, ben Gobtgeglaubten. und wieder
Auferftandenen nicht ſogleich wieder aufgefucht hätten,
nachdem fie eine Kunde von ihm erhalten und erfahren
Batten, wo fte ihn fehen fónnten ?" fo ift das eine bloße
Sitabe, zu ber nichts berechtigt, und ber das pofitive
Zeugniß entgegenftebt, daß die Frauen zuerft ihre Aufträge
aus Furcht und Cdreden nicht ausrichteten Marc. 11, 8,
und als fe biefelben ausrichteteten, feinen Glauben fanden
. Mare. 11, 11. Luc. 24, 22. Leider waren bie Jünger nicht‘
fo, wie fie der Verfaffer fid) vorftellt, fondern mit ἀπεςία
und σκληροχαρδία, Marc. 16, 14 behaftet. Wenn aber
bet Herr mit dieſer Gemüthöbefchaffenheit Gebuld trug
und fie durch viele Beweife (Apg. 1, 3) von feiner Aufer-
ftehung überzeugte, fo mwiderfpricht das ber orthodoren Ans
fidt von ber Perſon Sefu fo wenig als der Umftand, daß
er vor feinem Tode als Lehrer durch brel Jahre Dinburd)
thätig war. Es. war ein Mangel von Seite ber Jünger,
‚wenn fie der durch ble Frauen an fie gelangten Anweifung
feine Folge gaben, aber nicht ein Mangel von Seite Jeſu,
wenn er fie durch wieberbolte Erjcheinungen überzeugte,
daß jene Anweifung wirffid) von ibm, bem 9Iuferftanbenen,
ausgegangen. Das ἰδοὺ προάγει ὑμᾶς jo zu prefjen, ale
ob dadurch Jeſus Schon auf bem Wege nad Galilàa bes
findlich bezeichnet werbe, ift ein Kunſtgriff, bem ber Ber:
faffer füglih ben Wertretern der negativen Kritif hätte
überlafjen dürfen; es hätte genügt, wenn er fid) an bie
gewöhnliche grammatifche Regel, wornach bei Verbis bet
Bewegung im Griedji[den. das Präfens auch Futuralbe⸗
deutung haben fann, erinnert hätte. Daß bie Iünger- bag
éxet ue ὄψονέαι „jedenfalls nicht ander als auf ein erfteó
fiber den Berg Galilda. 521
Wiederfehen beziehen fonnten,^ ig zum minbeften zweifel-
haft; e8 fommt aber ja gar nicht darauf an, wie fte εὖ
auffaßten, ſondern wie ber 9tebenbe e8 meinte, unb bes
haupten zu wollen, daß biefer ein erfte8 Wieverfehen- bate
unter verftanden, wäre bod) etwas mehr als fonft bem
Eregeten erlaubt if. Wil ber Verfaſſer fefthalten, daß
Se[n8 nod) am Abend des Auferfiehungstages ven Jüngern
ben Befehl gegeben, von Ierufalem fid) nicht zu entfernen,
jo muß er aud die Himmelfahrt Jeſu noch auf venfelben
Abend anfegen und damit Lucas mit fid) felbft (vgl. Apg.
1,3) in Wiverfpruc bringen. WIN er aber dieß nicht,
jo wird er anerfennen müfjen, bag Lucas, ber ganz andere
Zwede verfolgt, als eine Erzählung von ber Thätigfeit
des Auferftandenen zu geben, in bem vießfallfigen Bericht
fummarifh und ohne Rüdfiht auf das Chronologifche
verfährt unb daß fomit berfelbe nad) anderweitigen Sar '
ftelungen zu erflären ift, wornach εὖ feinem Alnftanve
unterliegen fann, daß ber betreffende Befehl erft am vier
zigften Tage nad) der Auferfiehung gegeben worden. -
Nach diefen Auseinanverfegungen wird Har fein, daß bie
Hypotheſe des Verfaſſers zu Befeitigung ber fraglichen Wis
berfprüdje in ber Auferftehungsgeichichte auf einem richtigen
Stanppunft der Betrachtung nicht nothwendig ift. Iſt fie
aber bieB nicht, fo wird fid) gewiß Niemand dazu verftes
hen, das Γαλιλαία im legten Kapitel ded Matthäusevans
gelium in einem andern Sinn zu faffen, ald in bem, in
welchem es wohl ein Dugendmal in berjelben Schrift fonft
nod unb in welchem es überhaupt im N. S. vorkommt.
Es erübrigt nur nod; unjere Meinung über die Bes
weisführung zu fagen, durch welche ber Verfaffer feftftellen
will, daß bereits zur Zeit Chrifti ble Nordſpitze des Del,
"522 ] Hofmann,
berges ven Ramen Oaliláa geführt Babe. Prüft man tie
von ihm vorgebradjten Zeugnifie, fo lajjen ih alle auf
eine Quelle, das apofryphifche Evangelium ded Ricodemus,
zurudführen. Dieſes verfegt allerdings unzweifelhaft das
Γαλελαία te8 Matthäus auf ten Oelberg. Allein dieſe
Angabe ift mehr ald bloß verbädtig. Der Berfaffer hätte
fh an tie für die Kritif der apokryphiſchen Evangelien
fo widtige Stelle bei Orig. c. Celsum IL 27 erinnern follen.
Dort fagt der von Celſus rebenb eingeführte Sube in Bezug
auf die Ehriften, taf fie, indem fie wie Trunkene an fi
{εἰδῇ Hand anlegen, aus ber erfien Schrift das Evanges
[ium dreifad unb vierfach und vielfach umarbeiten unb umnge⸗
Ralten, um gegen vie Uleberweifungen 9augnung erheben zu
fónnen. Indem Origene? vieje 9lengerung in Betreff tex apos
frypbijden Evangelien zugibt, läßt er einen tiefen Blid in
die Entſtehungsgeſchichte derſelben tbun. Es entftanten —
wie es ſcheint, hauptſächlich von jübifder €eite — Giw
wentungen gegen bie chriſtliche Lehre, tenen. man mit ben
vorhandenen Evangelien nid glaubte begegnen zu fonuen,
es wurden Angaben in biejen ſelbſt in Zweifel gezogen, εὖ
warb tie Unvollftändigfeit der in ihnen enthaltenen Rad
richten benügt, um fie in Widerfprüche mit einanter zu vers
wideln, unb auf chriſtlicher Seite ſuchte verfehrter Eifer und
Unverfland fi damit zu heifen, daß man neue Evangelien
fhuf, vie alles enthielten, was man zur Beweisführung
gegen die láftigen Gegner braudte. Ein genaues Studium
der nodj vorhandenen apofrypbijden Evangelien Ichrt, daß
dieß wirflih zum großen Theil ihre Entſtehungsgeſchichte
war unb befonders gilt dieß von den verfchiedenen Recens
fionen te$ Evangelium Nicodemi. Aud, tie Etelle (cap. 14
ber zweiten Recenfion in Tiſchendorfs evangelia apocrypha)
-
über ben Berg Galilaͤa. 523
auf welche fid) ber Verfafjer beruft, jcheint fo entftauben
zu fein. Gin pfiffiger Sube, ber nur das gefchriebene -
Mort gelten ließ, mag diefelben Wiverfprüce in der Aufs
erftehungsgefchichte gefunden haben, auf weldje ber Vers
faſſer bie Nothwendigkeit feiner Hypothefe ftügt, und ein
getaufter Grieche, ber in Betreff des Γαλιλαία auf ben»
felben Gebanfen fam, wie unfer Verfaſſer, fand ed nicht
gegen fein Gewilfen, demſelben durch Interpolation ber
ältern acta Pilati eine hiftorifche Grundlage zu geben, bie
freilich nirgenb anders eriftirte als in feiner erfindungs-
reihen Phantafie.
Aberle.
Literarifcher Unzeiger
Nr. 3. :
.—UH——————————————Ánp—— ——— }
Die hier angezeigten Schriften findet man in der $$. Laupp'ſchen
Buchhandlung (Say & Siebeh) in Tübingen —— wie
alle Erſcheinungen der neueſten Litteratur.
Im Verlage der Theifſing'ſchen Buchhandlung in Münſter ti
erſchienen:
Beiträge zur Neform der Grammatik. Erſtes
Seh: Die Grundlegung ber Grammatif
mit Rüdfiht auf bie Stellung der Gram.
matif ín ber Volksſchule unb auf den 3
fammenbang ber modernen Orammatifmit
ben Principien ber Revolution. Bon Dr.
8. —— Pfarrer zu Albachten. 8. Geheftet
gr.
Tübingen. Im Verlage der $$. Laupp'ſchen Buchhandlung
en & Siebe) ijt foeben erfchienen und in allen Buchhandlungen
zu haben:
Chryſoſtomus Poſtille.
Vier und fiebenzig Predigten aus den
Werken des hl. Chryſoſtomus
für Prebdiger und zur Privaterbauung ausgewählt
unb aus dem Griechifchen überſetzt
von
Dr. G, J. Hefele,
9. 6. Profeſſor der Theologie zu Tübingen.
Britte vielfach verbefferte und vermehrte Auflage.
423, Bog. gt. 8. brodj. fl. 2. 12 fr. Rthlr. 1. 12 Nor.
G6 freut uns abermals eine neue Auflage der Chryſoſtomuspoftille
anzeigen zu können, deren beträchtliche Vorzüge vor ben beiden frühern
bauptfád)lid) darin befteben, daß 8 neue Predigten beigefügt, 4 weniger
paffenbe ausgelafien und die erflen 62 nadj den Sonn unb Fef-
tagen des Kirchenjahres geordnet worden find. Sie fchließen
fid) den fonn« unb fefttäglichen Perikopen an unb bilden fo einen Jahre ἐσ
2
eyfius. Zwölf weitere, blegu weniger PETS aber hochſt werthvolle
Reden wurden in dem Anhange zuſammengeſtellt. Ein ziemlich ausführ⸗
liches Regiſter wird den Gebrauch erleichtern. Außerdem ift ble Aus:
ftattung fchöner , bie Bogenzahl bedeutend größer unb ber Preis bennod)
billiger. Wir zweifeln daher nicht, bag bie bisherige beifällige Aufnahme
noch wefentlich erhöht werde.
Bei 9. Dverwetter in Dönabrüd ift erfchienen unb vorräthig
in. allen guten Buchhandlungen :
Seling I. M. Vernunftwiſſenſchaft, befonders
eine vernunftwiffenfhaftlide Menfdhen-
und Gotteslehre, mit einem Anhange über
die Ewigfeit der Zeit auf Seite Gottes.
Preis 1 Thlr.
Diefes Werk if das Refultat langjähriger, ernfler Studien und
fann diefe Erfheinung in Anbetracht ber hohen, woifienfchaftlidyen Ins
terefien der Gegenwart als eine febr willfommene bezeichnet werben.
Sn ber Unterzeichneten ift fo eben erfchtenen:
Das Bub Tobias
iic unb erflärt
von
eine. Neuſch,
E „or Theo ogie an der —— Bonn.
Mit apis ἢ bes ln ei Gui ole von Freiburg.
Rthlr. — cd
' — Seiburg im Breiögan 1857.
Herder'ſche Verlagshandlung
Katholifche Kapitalwerke zu bedeutend
ermäßigten Preijen: |
Durch alle Buchhandlungen ift zu beziehen:
at. I Stolberg, Geſchichte ber Religion Jefu
Ehrifti. Wiener Ausgabe gr. 8. 15 Bde. unb 2 Reg.
Bode. früherer Preis 19 Rihlr. 15 Ngr., jegt Rthlr. 4 —
Deffelben Betrahtungen und Beherzigungen ber
heiligen Schrift. 2 Bde. früher 2 Rtihlr. jegt — 20 gr.
Thomas von Kempis, fämmtlidhe Werke über.
von 3. 9. Silbert. 4 Bde. früher Rthlr. 5. 20 Nor.
jegt Rthlr. 2 —
4
2.
Auguſtinus (des heil), Stadt Gottes. Nach ver
Mauriner Ausgabe von 3. 9. Silbert. 2 Bde. früher
Kthlr. 6 — jest Rthir. 2 — "E
Berlag ber Wallishaußerſchen Buchhandlung (Sof. Klemm) im Wien.
Zübingen. Im Laupp’fhen Berlage (faupp ἃ Sieberk) {fl
foeben erfdienen und in allen Buchhandlungen zu haben: |
Kirchliche Benediftinnen
- ππὸ ihre Sermaltung.
Bon
Dr. Ferd. Probſt,
Priefter.
Mit Genehmigung des Hochw. Erzbifchöflichen Ordinariats Freiburg.
21 Bog. größtes 8. broch. fl. 1. 36 fr. Rıhle. 1. —
Die Abficht des H. Verfaſſers bei Ausarbeitung diefes Werkes war,
durchweg bie Lehre ber fird)e fo treu als möglich wiederzugeben und
mit Benützung des Vorhandenen eine umfaffenbe und eingehende Löfung
der gegebenen Aufgabe zu verfuchen.
— Da unfere Literatur noch Fein derartiges wiflenfchaftliches und
practifches Buch über biefe wichtige Lehre aufzuweifen Dat, bürfte
dieß neue Werk des bekannten H. Berfaflers, das fid) an befen:
Brevier, bie Euchariſtie xc. anfdjliegt und fo einen weiteren Bei⸗
trag zu einer fatb. Paſtoraltheologie bildet, wieder großen Beifall finden.
Der firdenbann.
Nach den Grundfühen des canonifchen Rechts
dargeftellt von
Dr. F. fober,
0. Profeſſor der Fathol.stheol. Bacultät in Tübingen.
^36 Bog. gr. 8. Brod). fl. 3. 36 fr. Nthlr. 2. 8 Ngr.
Der Q. Verfaſſer des vorliegenden Werkes Hat fi die Aufgabe
gefteflt, an der Hand der Geſchichte und in fireng wiffenicyaftlicher orm
die Srundfäge ter Eicchlichen Gefeggebung über die Strafe der Grcome
munication monographifch darzulegen und ein Hares Beritänbniß biefes
für Handhabung der äußeren Kirchenzucht fo überaus wichtigen Punftes
allfeitig zu ermitteln. Nicht nur der Gegen(tanb an fih, fonberm aud)
die Art und Seife feiner Behandlung dürfte für die Wiffenfchaft wie für
die gerichtliche Praxis gleich großes Interefie barbieten.
2
eyfíus. Zwölf weitere, hiezu weniger geeignete, aber δ wertbvolle
Reden wurden in dem Anhange zufammengeftellt. Ein ziemlich ausführt
liches Regifter wird den Gebrauch erleichtern. Außerdem ift bie Aus
ftattung ſchöner, bie Bogenzahl bedeutend größer und ber Preis bennod)
billiger. Wir zweifeln daher nicht, bag bie bisherige beifällige Aufnahme
noch wefentlich erhöht werbe.
Bei 9. Overwetter in Dönabrüd ift erfchienen und vorrätig
in. allen guten. Buchhandlungen:
Seling 3. M. Vernunftwiſſenſchaft, befonders
eine oernunftwiffenfhaftlide Menfden-
unb Gotteslehre, mit einem Anhange über
die Ewigfeit ber Zeit auf Seite Gottes.
Preis 1 Thlr.
Diefes Werk it das Refultat langjähriger, ernfler Studien unb
fann υἱεῖς Erfcheinung in Anbetracht der hohen, vwoifienfchaftlichen In⸗
terefien der Gegenwart als eine febr. willfommene bezeichnet werben.
Sn bet Unterzeichneten ift fo eben erfchienen:
Das Bub Tobias
überfeßt und erflärt
von
Lic. $t. eint. Neuſch,
Privatdocent ber Theologie an der liniverfitát Bonn.
Mit Approbation des hochwürdigften Herrn Erzbiſchofs von fyrelburg.
Preis: Rthlr. — 21 gr. fl. 1. 12 fx.
Feiburg im Breisgau 1857.
x
Herder’fhe Verlagshandlung
Katholifche KRapitalwerke zu bedeutend
ermäßigten Preijen:
Durch alle Buchhandlungen ift zu beziehen:
Fr. Graf Stolberg, Geídidte der Religion Jeſu
Gbriftt. Wiener Ausgabe gr. 8. 15 Bde. und 2 Meg.
Bde. früherer Preis 19 Nıblr. 15 Ngr., jegt Rthlr. 4 —
Deſſelben Betrahtungen und Beherzigungen δεῖ
heiligen Schrift. 2 Bde. früher 2 Rthlr. jegt — 20 gr.
Thomas von Kempis, [immtlide Werke überf.
von 3. 9. Silbert. 4 Bde. früher Rthlr. 5. 20 Ngr.
jest Rthlr. 2 —
.
4
Auguſtinus (b Heil), Stadt Gottes. Nach ber
' SUÜtbuauriner Ausgabe von 3. 9. Silbert. 2 Bde. früher
Re. 6 — jest Rthlr. 2 —
Berlag ber Wallishaußerſchen Buchhandlung (Sof. Klemm) in Wien.
Tübingen. Im Laupp'ſchen Verlage (Laupp & Siebe) if
foeben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: i
Kirchliche SYenebiFtionen
amd ihre Berwallung.
Don
Dr. Ferd. Brobft, -
Prieſter.
Mit Genehmigung des Hochw. Erzbiſchoͤflichen Ordinariats Freiburg.
21 Bog. größtes 8. broch. fl. 1. 36 fr. Rthlr. 1. —
Die Abficht des H. Verfaſſers bei Ausarbeitung diefes Werfes war,
durchweg die Lehre der Kirche fo treu als möglich wiederzugeben und
mit Benügung des Borhandenen eine umfaflende und eingehende Löfung
der gegebenen Aufgabe zu verfuchen.
— Da unfere Literatur noch Fein derartiges wiflenfchaftliches unb
practifches Buch über biefe wichtige Lehre aufzuweifen bat, bürfte
bieB neue Werk des befannten H. Verfaſſers, das (id an befen:
Brevier, bie Euchariſtie x. anfchließt und fo einen weiteren Bei⸗
trag zu einer Fath. Paftoraltbeologie bildet, wieder großen Beifall finden.
Der Kirhenbann.
9tad) den Grundfühen des canoniſchen Rechts
dargeftellt von
Dr. F. SKober,
Ὁ. Profeſſor der kathol.⸗theol. Bacultät in Tübingen.
^86 Bog. gr. 8. brodh. fl. 3. 36 fr. Rthlr. 2. 8 Ngr.
Der H. Berfafler des vorliegenden Werkes hat fid) die Aufgabe
geſtellt, an ber Hand der Geſchichte und in fireng wiflenfchaftlicher Form
die Orunbfáge ter kirchlichen Gefeggebung über die Strafe der Ercom⸗
munication monographifch darzulegen uud ein Hares Verſtaͤndniß biefes
für Handhabung der Äußeren Kirchenzucht fo überaus wichtigen Punktes
allfeitig zu ermitteln. Nicht nur der Gegenftand an ὦ, fondern aud)
bie Art und Weife feiner Behandlung bürfte für bie Wiſſenſchaft wie für
vie gerichtliche Braris gleich großes Intereſſe darbieten.
4
In bem Berlage ver (5, H. Beck' ſchen Buchhandlung in Nörd:
lingen if fo eben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Chriſtliche Beligionsphilofophie
in drei Büchern
' von
Xaber Schmid aus Schwarsenber erg
Doctor und Decent der Philoſophie an der fgl. Univerfität luit:
gr. 8. 33 Bogen. br. Preis 2 Thlr 20 Ngr. oder 4 fl. 36 Fr.
Motto: Propria cuique genti loquela, sed loquelae
materia communis. T ertull.
Diefes ee Merk ift der Tendenz unb bem Inhalte nad
feitifch-fpeculativ. Der Herr Berfaffer wollte nämlich durch Fritifche Bes
leudtung „das Gewoͤlke zerftreuen (wie er felbft fagt), durch welches
die Menfchen bie Wahrheit verbunfelt Haben.” Sodann fuchte er fpecus
latio die Grundidee alle& geiftigen Lebens und ber Religion, befonvers
der chriftlichen, zu finden, und auf eine fíare Weiſe die volffommenftt
Harmonie biefer Grundidee nachzumweifen, woraus erft eine höhere Einheit
der Philofophie und Theologie unt fomit eine nur höhere Form be
Chriſtenthums erblühen kann. Da bie Darftellung fer. präcis und ein
fach. i, fo wird das Buch nicht blos den Fachgelehrten, fondern allen
Denfern, welche fid) für bie ernften fpeculativen — der Gegenwart
interefftren, von großem Intereſſe fein. —
In ber 8. Hurter’fhen Buchhandlung in Schaffgaufen e ers
ſchien fo eben
fianonifd)es Bed
von
Dr. €, F. Noßhirt.
Thlr. 3. 22 Nor. fl. 6. 18 fr.
Die
Verſöhnung des Weltalls
burd) baé
Blut Jeſu Ehrifi
nad) Kolofier 1. 20
von
J. 9€. Schneider.
' 8. Breis fl. 2. 20 Tr. Rthlr. 1. 10 Nor.
9
Die neuern
religiöſen Frauen-Genoſſenſchaften
nad) ihren rechtlichen Berhältniffen
dargeftellt
j von
Dr. B. Schels.
8. Preis fl, 2. 20 fr. Rthlr. 1. 10 Nor.
Bandbud)
der
Univerfalgefchichte
für
die höhere Anterrichtsflufe und zum Selbfifiudium
bearbeitet ”
von
H. Nucgaber.
IL. Band. Enthaltend die Gefchichte des Mittelalters.
Lex. 8. Preis fl. 5. Rthlr. 3. ὅτ, 10. 60.
„Ein ſehr gediegenes Gefchichtswerf, indem überall der gelehrte
Apparat Elar und fcharf ausgeprägt, benügt unb der Ertrag der neneften
Forſchungen vermertbet ift. Das Eare, ruhige, befonnene Urtheil thut
ín diefem tüchtigen Buche feft wohl; überall fpiegelt fid) in bemfefben
eine würbige religiöfe Auffaflung ab.“
Instructio practica
in missae celebratione, officii divini recitatione
οἱ
sacramentorum administratione
juxta. ritum Romanum
usui clericorum accommodata et prolata
a
Josepho Schuster.
8. Preis fl. 2. 24 fr, Rthlr. +. 12 Ngr.
6
Y là di 2 Y
Die heiligen Schriften
— EC des
Neuen Teſtamentes,
Tad), den
beften katholifchen ältern und neueren Schriftauslegern
practifch eiklaͤrt
2T PME u.. Mn B. o4
Dr. Jordan Bucher.
I. Band: Das Hl. Evangelium Sefu Chrifti nad) Markus und Lukas.
8. Preis fl. 1. 36 fr. Rthlr. — 27 Nor.
Buchhandlung zu haben:
Raläftina,
oder das heilige Sand zur Brit Sefu,
in geographifchen, religtöfen, haͤuslichen und bürgerlichen Ver⸗
| p bältntffen. . :
Ein Handbuch für Lehrer beim Unterricht in der biblifchen Gefchichte
und zugleich zum nüglichen Gebraudje für das Haus.
Bon Th. Weſthaus, Lehrer an ber Fatholifchen Knabenfchule zu Soeſt.
' Mebft einer Karte von SBaláftina. zur Zeit Sefn.
Mit Approbation der Bifchöflichen Behörde.
148 Selten 8. Preid 12 Gar. . Die Karte allein koſtet 21/2 Ser.
Durch Tangjähriges Studium des Gegenflandes obigen Werkes fonute
der Berfafler εὖ ermöglichen, über ble geogt., telig. und bürgerlichen Ver⸗
hältniffe des alten Baläftina eine Schrift n liefern, die nicht verfeblen
Tann den Lehrern beim Unterrichte im der bibl. Geſchichte große Dienfte
zu leiften.- Abgefehen von unferer eigenen Weberzeugung, von ber Ge:
biegenheit befagten Werkes, fónmen wir felbiges um fo mehr empfehlen,
als aud) bewährte unb tüchtige NRecenfenten durchaus Feine wefentlide
Mängel an bemfelben zu rügen vermochten. Und wenn biefes Werfchen
fchon bei feinem erſten Erſcheinen fib der beiten Aufnahme erfreute, [9
dürfen wir folches mit Recht auch von feiner zweiten verbefferten Auflage
erwarten. — :
Um auch ben Schülern bei Erlernen tet. bibl. Gefchichte eine Gv
leichterung zu verfchaffen, fat dee Verfaſſer aus obigem größern Werke
einen furgen. Auszug (gef. mit Karte a 11/3 Sgr.) bearbeitet der n
feiner fünften Auflage ben Lehrern unbebingt auf's Beſte empfohlen
werden darf. .
Bei tine erfehlen fo eben in zweiter Auflage unb ift in jeder
7
Hüſer's Leſebuch 5. Auflage!
A ——— e Ó m d
Leſebuch
für die Oberklaſſen
katholiſcher Elementarſchulen.
Von
J. A. Hüſer,
Paſtor in der Kirchveiſchede.
Mit Approbation des Hochwürdigſten Biſchoͤflichen Ordinariats
in Paderborn.
Zwei Theile.
Fünfte Auflage.
30 Bogen gr. 8. Preis geb. 10 Gar. .
Angedeutetes Werk erfreut fich einer derartig günftigen Aufnahme,
daß ἐδ im der kurzen Zeit feines Erfcheinens fünfmal aufgelegt werden
mußte; mehr denn als 15,000 Gremplare haben bereits Eingang in
Schulen gefunden.
Unfer Lehrbuch, welches einen entfchievenen Fath. Charakter trägt,
zerfällt in zwei Theile, deren erfter nach einer Reihe von Fürzeren, (td
an die Sittenlehre des fatf. Katechismus anlehnenden Erzählungen zur
Nahahmung und Warnung vorführt. Auch find Hinzugefügt nod) 24
Lehensbefchreibungen der befannteften Heiligen Gottes. --
Der zweite Theil enthält die fog. Steallen, bei deren Darftellung
der Berfafler von dem Princip ausgegangen, daß εὖ beim Erlernen vers
felben weniger auf das Auffaffen mit bem Gebádjtniffe, als auf Bildung
bes Geiftes anfomme. — An geeigneten Stellen find Gedichte ,- Spriche
wörter 1c. zur Belehrung beigegeben. —
Sm Uebrigen verweilen wir auf bie vielfeitig erfolgten fehr günfligen
Recenfionen, namentlich der „Deutfchen Bulfshalle,” Zugabe vom 8. Ian.
1854, „Deutſchland“ 1856, No. 13, des „Trierfchen Schulblatteg
No. 40 von 1856. —
Dem cbigen, großen Lefehuch fchließt fi) an:
Leſebuch für bie Mittelklaffen
katholiſcher Elementarfchulen.
Don Cj. U. H. Hüfer, Baftor in Kirchveifchebe.
Mit Approbation. des Hochw. Bifchöflichen Ordinariads in Paderborn.
Zweite Auflage.
.8 Bogen gr. 8. Breis geh. 4 Gar.
Diefes Hat ebenfo wie das größere bie erfreulichtte Aufnahme yes
funben, fo daß in kurzer Zeit eine dritte Auflage nothwendig wird.
Bei Einführung find wir gerne bereit, durch Freieremplare zu
unterftügen. NRafferise Buchhandlung in oet.
8 !
Su 9. Kellnerd Buchhandlung in Würzburg i fo eben ev
ſchienen unb durch alle foliben Buchhandlungen zu beziehen:
Reatholiſche
KanzelVortraͤge
πο. unb Feiertage 08 Τοιφοπίδει Kirchenjahres.
Ignaz Lampert, |
Benefiziat und Rektor der Kreis⸗Landwirthſchaft⸗ unb Gewerbſchule zu Würzburg.
Drei Theile.
Erſter Theil enthaltend: Gionntagspreblgten.
Mit bifchöflicher Approbation. —
Preis geheftet 1 fl. 30 Er.
Eine willfommene Gabe für Prieſter und Raten wird ftd) diefes Buch
eine große Zahl von Freunden erwerben; ba bie wifienfchaftlichen Kennt»
niffe, fowie die vielfeitigen Lebenserfahrungen des Berfaflers, ber während
feines Wirkens fid) guten Klang des Namens errungen hat, für bie
Tüchtigkeit des Inhaltes bürgen. Die SBrebigten dürften bei ihrer Kürze
eine willkommene Erbauungs⸗Lektüre für jeden Gläubigen bilden und
empfehlen fich burd) warme und lebhafte Sprache.
Zübingen. Sm unterzeichneten Derlage it foeben erfchienen
unb in allen Buchhandlungen zu haben:
Katholiſche Dogmatik.
Dr. I Ruben, ἢ
orb. Profeffor ber Theologie zu Tübingen.
Bweiter Sand.
Die Trinttätslehre. -
Auch unter dem Titel:
Die chriſtliche febre
von der
göttlichen Dreieinigfeit.
423/, Bog. gr. 8. Velinppr. broch. fl. 4. 16 fr. Rthlr. 2. 20 Ngr.
Der ecfte Band der Dogmatik ift ſchon längere Zeit vergriffen;
eine zweite Auflage davon hoffen wir noch in biefem Jahre unter bit
Preſſe zu bringen.
9. Laupp'ſche Buchhandlung (Kaupp & Siebeck.)
LY
Cheologifhe
Quartalſchrift.
In Verbindung mit mehreren Gelehrten
herausgegeben
von
D. v. Kuhn, D. v. Hefele, D. Zukrigl und D. Aberle,
Profeſſoren ber kath. Theologie an der f. Univerfität Tübingen.
Neununddreißigſter Jahrgang.
Viertes Quartalheft.
B
Tübingen, 1857.
Berlag der H. La upp' [den Buchhandlung.
— faupp ἃ Giebed. —
Trend von δ. aupy jr.
I.
Abhandlungen.
1.
Das erſte Luftrum des Bilderftreits
in hronologifcher und fachlicher Berichtigung.
Unter ben. Gelehrten, die ben Verlauf des Bilverftreits
bes Genauern unter[udjten, wie Friedrich Spanheim ὃ. j.,
Chriftian Walk, Schloffer in Heidelberg, Baronius, Pagi,
Maimbourg unb Marr hat faft jeder eine eigene Hypotheſe
über bie Chronologie des erſten Luſtrums dieſer bittern
Streitigkeiten aufgeftellt. Das Unfichere und Unbeftimmte
in ben Nachrichten der Quellen gab hiezu Beranlaflung.
Rene Prüfung ber legtern führte und zu mehreren neuen Res
fultaten, bie wir in einer gebrängten Darftelung der Anfänge
des SSilberfireitó um fo mehr uns darzulegen erlauben, als
wir damit mandje andere nöthige Berichtigung in ber Ges
ſchichte und Auffaffung tiefer Streitigkeiten zu verbinden
Gelegenheit haben.
Den feit Conftantin v. Gr. in der gefammten Kirche,
bei den Griechen nod mehr als ben Lateinern üblichen
Gebraud) der Bilder wollte im achten Jahrhundert Kaifer
35 *
528 Dad erfte. guftrum
2 e 0 ber Iſaurier wieder ausrotten. Seine Jugendgeſchichte
und Laufbahn wird von ben Alten fefr vev[djieben erzählt.
Nach ben Einen war er ein armer Handeldmann aus Ifaus
tien in Kleinafien, ber feine wenigen Waaren auf einem
Efel mit fid) führte, und fpäter als gemeiner &olbat ins
faiferlide Heer trat, worin er wegen feiner körperlichen
Kraft und Gewandtheit von Stufe zu Stufe emporftieg.
Nah Theophanes dagegen 1) ftammte er aus Germanicia
an bet Grenze Iſauriens, mußte unter Kaifer Suftinian II.
jammt feinem Vater nah Mejembria in Thrazien übers
fieveln (warum, ift unbefannt), machte biejem Kaifer, als
er einmal mit feinem Heere ziemlich in Noth war, ein Ges
(dent von 500 Schafen, wurde dafür Faiferliger Spatha⸗
rius ?), unter Anaftafius IL. aber General des Heeres in
Kleinaften. Als [egterer Kaifer in Folge einer Meuterel
im Sabre 716 refignirte und in ein Klofter ging, um bem
gutmüthigen aber ſchwachen Theodoſius, ben die Infurgenten
zum Kaiſer ausgerufen hatten, Platz zu mahen, verfagte
Leo diefem den Geborfam, befiegte und zwang ihn, eben;
falls in ein Klofter zu geben, und beftieg nun felbft ben
Thron ald Gründer einer neuen Dynaftied) Bon Haus
aus ohne Bildung, rob an Sitten, ein militärifcher Empor;
fómmling, fand er in fid) fein Verſtändniß ber Kunſt und
1) Theophanis Chronographia, ed Bonn. T. I. p. 600.
2) Spatharius von spatha = Schwert, ein Officier,
der dem Kaifer das Schwert trägt, etwa — Adjutant. Bol. Du
Cgnge, Glossar. mediae et inf. latinitatis s. v. Spalharius.
3) Baronius ad ann. 716, 1—3 verfeht ben Regierungsans
tritt Leo's in bae Jahr 716; Theophanes bagrgen, faft Zeit:
genofje, gibt (1. c. p. 635) an: Leo habe ben Thron am 25. März
δεῖ 15. Indiction (aljo 717) beftiegen. Lebtere lief vom 1. Sept. 716
bis 1. &ept. 717. Ihm flimmte Bagi bei ad ann. 716, 1—3. Wir
werben das Richtige fpäter &. 577 f. zu bemerken Gelegenheit haben.
des Bilderftreits. 529
fein Afthetifches Gefühl, das ihn von Vandalismus hätte
abhalten fónnen. Ohne Zweifel war er alles Ernftes der
Meinung, bie Bilderverehrung [εἰ ein Rüdfall ins Heiden⸗
thum, und das altteftamentliche Verbot berjelben noch jegt
in voller Kraft. Wie er aber zu biefer Anficht gefommen,
ob fie in ihm felbft entftanben ober von außen ihm einge,
flößt worden fei, muß bei ben theild unvoliftánbigen, theile
unwahrjcheinlihen Angaben der Duellen unentjchieden
bleiben. Gewiß dagegen ift, daß gewaltthätige Durch—
fegung feiner Plane aud) in Religionsſachen, ohne Rüds
fit auf die Freiheit ber Gewiffen, ebenjo im Charafter
Leo's, wie in ber Praris ber byzantiniſchen Kaiſer über:
haupt lag. Dieß zeigte er Schon im fechsten Sabre feiner
Regierung, als er bie Juden unb Montaniften zur Annahme
ber Taufe zwang. Die erfteren unterwarfen ſich zum Scheine,
ble Montaniften aber zündeten dad Haus, worin fte fid)
verfammelt, jelbft an, und ftarben lieber in ben Flammen,
als daß fie fid) bem Befehle gefügt hätten. So erzählt ver
Chronograph Theophanes (+ 818).
Da bem Angriffe Leo’8 auf tie Bilder ein ganz ähn-
licher vorausging, welchen ber Ehalife Jezid IL. nur trei
Sahre früher in ben von ihm beherrfchten chriftlichen Pros
singen durchzuführen fudjte, fo war natürlich, daß fdjon bie
Zeitgenofjen ben Erfteren befchuldigten, er habe ben Maho⸗
medaner nachgeahmt, unb ihm farazenifche Gefinnung zur
Laft legten. So namentlid) Theophanes (1. c. p. 618. 623),
ber ben Renegaten Befer und ben Bilhof Gonftantin
ans Nakolia in Phrygien als bte Hauptgehülfen des Kaifers
in biefer Sache bezeichnet!). Den Biſchof Eonftantin insbeſon⸗
1) Schloſſer in f. Gefhichte der Bilverflürmenden Kaifer
530 Das erfte guftrum
bete nennt er einen unwiflenden Dann aller Ilnreinigfeit voll,
von Beer aber erzählt er, daß er von Haus aus ein Ehrift,
unter den Arabern ben Glauben verläugnet habe 5, fpäter
nad) Eonftantinopel gegangen und bei Kaifer eo in große
Gunft gefommen ſei. Wahrfheinlih war er wieder zum
Chriſtenthum zurüdgetreten.
Weitere Nachrichten über Gonftantin von Nafolia ers
falten wir aus zwei Briefen des bamaligen Patriarchen
Germanns von Gonftantinopel ὃ. Der eine davon ift an
Biſchof Gonftantin felbft, ber andere an feinen Metropoliten
Sohannes von Synnada gerichtet. Aus legterem erhellt,
daß Eonftantin perfönlih nah onftantinopel gefommen
war, unb bieß feinen Metropoliten veranlaßte, eigené an
den Patriarchen zu fhreiben und ihn von bejfen bilders
feindlihen 9Infidten in Senntnig zu feßen. In Folge
hievon unterrevete fid) Germanus mit Bifchof Gonftantin
über diefen Gegenftand. Lebterer berief fid) auf das A. T.,
welches bie Bilder verbiete; aber der Patriarch fette ihm
ben wahren Sachverhalt auseinander und Gonftantin ftimmte
ibm endlich bei mit der Verfiherung, daß aud) er fortan
bad Gleiche befennen und Riemanden Wergerniß geben
wolle Wir erfahren bie gerade aus dem erwähnten
Briefe des Patriarhen an ben Erzbifhof von Synnas
©. 161 nennt ihn irrig Theophilus von 9tafolia, einen Fehler
bes Baronius nachſchreibend.
1) Die Barianten des griechifchen Textes faffen es unentſchieden,
ob Beier au ὁ Syrien gebürtig gemefen, oder fpäter in Syrien in
farazenifche Befangenfchaft gefommen ſei. Vgl. bie Noten bes P.
G oat zu Theophanes, ed. Bonn. T. IL, p. 636.
2) Germanus, früher Erzbifchof von Cyzikus, fatte unter Kaifer
Philippifus Bardanes zu ben Gegnern ber fechsten allgemeinen Sy:
node gehalten, aber in Baͤlde fid) wieder befchrt.
des Bilderftreits. 531
ba 1), melden er bem Bifchof Gonftantin zur Beforgung ein,
hänbigte, als biefer in feine Heimath zurüdfehrte. Conftans
tin täufchte jedoch dieß Vertrauen, unterfchlug ben Brief,
und hielt fid) von feinem Metropoliten ferne, angeblich aus
Furcht, von ihm verfolgt zu werden. Der Batriarch erließ
barum jept ein Fräftiged Echreiben. an Eonftantin felbft
unb belegte ihn bi8 zur llebergabe jenes Briefe mit Excom⸗
munication ?).
Wir zweifeln nicht, daß die Anwesenheit Conſtantins
in Gonftantinopel in bie Vorgefchichte des Bilderſturmes ges
höre. Biſchof Gonftantin hatte, wie wir aud tiefen Briefen
erfeben, zuerft in feinem 9Baterlanbe den Kampf gegen die
Bilder begonnen, unb war babel auf Widerftand von Seite
des Metropoliten und der Comprovinzialbifchöfe geftoßen.
Er ging nun παῷ Gonftantinopef, und fuchte ten Schuß
feines höheren kirchlichen Ober, des Patriarchen, indem
er zum Scheine ber Auseinanderfegung beffelben beitrat.
Daß εὖ ihm dabei nicht Grnft gewefen, dürfen wir aus
- feinem nachherigen Benehmen erjchließen. Patriarch Gers
manué aber beutet nicht im Geringften an, daß damals
auch ſchon ber Kaiſer Schritte gegen bie Bilder getban
habe, fei es, daß von Seite Leo's wirklich in biejer Rich⸗
tung noch nichts gefchehen war, ober ver Patriarch es nur
aus Klugheit ignorirte. Ich möchte die erftere Vermuthung
vorziehen, denn aud) das Ignoriren war nur bann möglich,
wenn wenigftens noch nichts 3Bebeutenbeó und Aufſehen⸗
eregenbeó von dem Kaifer war angeorbnet worden.
1) Aufbewahrt in ben Akten der vierten Gigung von Micha,
bei Mansi, Coll. Concil. T. XIII, p. 99 sqq. Harduin , T. IV.,
p. 239 sqq.
2) Mansi, 1. c. p. 106. Harduin, |. c. p. 243.
532 Das erſte 2uftrum
Außer Befer und Gonftantin von Nafolia gehörten aud,
Biſchof Thomas von Claudiopolis!) und Erzbiſchof Theo:
bofiud von Ephefus, der Sohn des früheren Kaifers Apfis
mar ober Tiberius IL zu ben Meinungsgenofien des Kaifers.
Den Erfteren lernen wir aus einem Briefe des Patriarchen
Germanus fennen, der ihm die kirchliche Anſicht in Betreff
bet Bildervetehrung weitläufig audeinanderjegt und beflagt,
daß er fo Ungünftiges, ja faum Glaubliches über Bifchof
Thomas habe hören müjjen ). Den genannten Erzbifchof
von Epheſus aber bezeichnet Papft Gregor Il. als den ges
heimen Rathgeber Leo's 9).
Ein anderer alter Zeuge will den Biſchof Eonftantin
‚von Nafolia in ein Berhältniß zu dem Chalifen Jezid
bringen. Der Mönd, Johannes nàmlid), Stellvertreter ver
orientalifhen Patriarchate, verlas in ber fünften Gigung
des fiebenten allg. Concils einen furzen Auffag, worin er
erzählt: „nad Omars Tode wurde Ezid das Haupt bet
Araber , ein leichtfinniger und wirrer Mann. Damals lebte
zu Siberiad ein Vorfteher ber Juden, ein Zauberer, Wahr⸗
ſager und Diener ber Dämonen, mit Namen Teſſarakon⸗
ἰαρεῶνό (= 40 Ellen lang; nad andern Handſchriften
heißt er Sarantatecho8), der bie Gunft Ezid's gewann und
zu ihm fpradj: Du wirft lange leben und nod) 30 Jahre
regieren..., wenn bu alle Bilder, Gemälde unb Mofaifen,
alle Bilder an Wänden, Gefäflen und Tüchern, vie fid)
1) G6 gab mehrere Städte diefes Namens in Kleinafien, fo 3. 2.
— ein Bistum Glaubiopofié in Ifaurien, unb eine Metropole in Pas
phlagonien.
2) Bei Mansi, T. XIIL, p. 107 sqq. Herduin, T. IV.,
p. 246 sqq.
3) Bei Mansi, T. XIL, p. 968. Harduin, T. IV., p. 10,, |. unten
S. 909.
des Bilderſtreits. 533
in den chriſtlichen Kirchen deines Reiches vorfinden, ſogleich
vernichteſt; ebenſo alle andern auch nicht religiöſen Bilder,
bie in den Städten ba und bort zum Schmucke angebracht
find. Letzterer erwähnte er, um den Verdacht, als fpredje
er nur απ Haß gegen die Ehriften, fern zu halten. Und
der Tyrann fdenfte ihm Gehör, vernichtete ble Bilder und
beraubte bie Kirchen alles Schmudes, ſchon bevor dieß Uebel
auch in unfere Gegend fam. Da vie Chriften flohen unb
die heiligen Bilver nicht ſelbſt gerftóren wollten, fo benügten
bie damit beauftragten Emird hiezu die Juden und gemeine
Araber. Die ehrwürdigen Bilder wurden verbrannt, bie
Wände der Kirchen überfchmiert oder abgefragt. Da der
Pſeudobiſchof von Nafolia und feine Wreunbe bieB hörten,
ahmten fie die Bosheit ber Juden und Araber nad) unb
fügten den Kirchen große Unbill zu. Ezid aber farb fchon
nad 2'/ Jahren und bie Bilder wurden in feinem Reiche
wieder hergeftelt. Ja, fein Nachfolger Ulid (Walid) ließ
jenen Judenvorſteher, weil er den Tod feines Vaters (als
Strafe Gottes) veranlaßt habe, hinrichten !)."
Hienach erfiheint ber Biſchof von Nafolia, ber übris
gend nicht allein geftanben fel, fontern Genoſſen gehabt
habe (vielleicht aud) unter vem Episfopate), ald das Mittels
glied zwifchen Jezid und Leo, als derjenige, ber wohl ben
Letzteren beftimmte, Nachfolger des Chalifen im Bilvers
finrme zu werben. Ein anderes Mittelgliev aber fchoben
tie fpütern griechifchen Hiftorifer ein, und zwar haben
1) Mansi , T. XIII, p. 198. Harduin, T. IV., p. 319. —
Schloſſer a. a. Ὁ. G. 162 f. fagt: berfelbe Chalif Jezid Habe
feinen diriftiden Unterthanen aud) ben Wein verboten; unb legt
hierauf ein Gewicht. Allein nicht Segib, jonbetn fein Vorfahrer Omar
that bief, wie Theophanes 1. c. p. 614 bezeugt.
534 Dad erſte Luftrum
ihrer Angabe zu Folge dieſelben Juden, welche ben Iezib
verleitet, fpáter aud) ben Kaiſer für fid) gewonnen. Nach
des Chalifen Tod ffieenb, famen fte an ble Grenzen Ifaus
riens und trafen ba an einer Duelle einen jungen Dann,
Leo, von anfehnliher Geftalt, ber fid) von einem (Θε ἀπ
(Kaufmannſchaft) nährte. Sie fegten ὦ zu ibm, prophes
zeiten ihm ben. Kaiſerthron, nahmen ihm aber aud) einen
Eid ab, daß er im Falle feiner Erhöhung die Bilder Chriſti
und Mariä überall entfernen wolle!). Leo verſprach εὖ,
trat nad) einiger Zeit in das Militär, wurde unter Juſti⸗
nian II. Spatharius, endlich fogar Kaiſer. Nun fagten bie
Juden, mahnten ihn an fein Verſprechen, unb Leo griff im
zehnten Jahre feiner Regierung die Bilder an. — So er
zählen mit verfchiedenen Variationen im Detail, aber in
der Hauptfache übereinftimmend, Gebrenuó, Zonaras, Mi⸗
djael Glykas, Gonftantin Manafjes und zwei Anonymi,
ble Autoren der oratio adv. Constantinum Cabalinum und
ver epistola ad Theophilum. Das Zeitalter ber beiden
Legteren ift nicht mehr zu beftimmen, wahrſcheinlich lebten
fie aber ein paar Jahrhunderte nad? Kaiſer Xeo dem Iſau⸗
tier), unb die ganze Erzählung trägt fo deutlich ven Charak⸗
ter einer fpätern Gage, taß εὖ überflüffig wäre mit Bower
(Θεῷ. v. Päpfte, Bo. IV., ©. 277 ff.) und Wald) (&. 205 ff.)
allerlei Verbachtsgründe dagegen zu fammeln. Um nur Eins
zu fagen , fo würden fid) bie Juden von Leo wohl etwas für fie
1) Maimbourg ſchmückt Hier und anderwärts bie Sache eigens
mächtig weiter aus, ohne Berechtigung durch bie Duellen.
2) Die beiden fraglichen Schriften wurben früher irrig bem f.
Sohannes von Damaskus zugefchrieben, und finden fid) unter befjen
Werken ed. Le Quien, T. I., p. 625 sqq. und p. 633 sqq. gl.
Walch, Keperhifl. Bd. X. ©. 151—155,
des Bilderſtreits. 535
Nützlicheres, als die Vertilgung ber Bilder ausbebungen haben ;
und wie wenig ber Kaifer den Iuden bankbar ober geneigt
war, zeigt der Umftand, daß er fie, wie wir willen, mit
Gewalt zur Annahme der Taufe zwang. Bielleicht aber
haben gerade bie in legterer Beziehung gemachten Erfah⸗
rungen ihn auf den Gebanfen gebradjt, daß bie ihm fo
febr erwünfchte Befehrung der Iuden durch Hinwegräumung
ber Bilder merflid) erleichtert werben müßte. Ia Viele
meinen fogar, er habe baburd) zugleich aud) feine ſaraze⸗
nijden Nachbarn günftiger zu ftimmen und felbft ihnen ben
Meg zum Eintritt in die Kirche zu ebnen ge[udt 5. —
Nehmen wir zu diefen politijen Gründen nod) hinzu [02
mohl bie bereit8 angeführte eigene befchränkte Anficht Leo’s,
baß alle Bilderverehrung abgöttifch fei, al& aud) bie Gin»
flüfterungen Beſers, Gonftantinó von Nafolia und Anderer,
jo werben bie eigentlichen Gründe des SBilberfturmeó ung
vor Augen liegen. — Daß berjelbe mit den monotheletifchen
Etreitigfeiten zufammenhänge und von bem Faktum, baf
$aifer Philippikus Bardanes ein Bild ber fedóéten allg.
Eynode entfernen ließ, fid) Berbatire, ift blos capriciöfe
Behauptung einiger Altern Proteftanten, namentlih Dalläus
und Cpanfeim ?).
Nach Theophanes (Il. c. p. 621), weldjem Anaftafius
(hist. eccl.) und Paulus Diafonus (hist. miscella lib. XXI)
folgten, begann Leo im neunten Jahre feiner Regierung
(725 m. Gpr.), von ber Wegnahme ber heiligen Bilder
λόγον ποιεῖσϑαι Ὁ. b. nicht blos überhaupt zu Sprechen,
fenbern. eine Berorbnung, einen Befehl zu erfajjen,
1) Vgl. Joh. v. Müller, allg. Θεῷ. 98b. XI. f. 10.
Marr, der Bilderſtreit ©. 15 f. Walch, a. a. O. ©. 217.
2) 3Bgl. 59 αἰ ὦ, a. a. Ὁ, €. 211.
536 Das erfle Luftrum
denn wenige Zeilen weiter unten jagt Theophanes: bet
Papft habe hierauf bem Kaifer gefchrieben, μῆ δεῖν βασιλέα
περὶ πίστεως λόγον ποιεῖσϑαι. Papſt Gregor II. dagegen
(epist. 1. ad Leonem), jomie Gebrenuó und Zonaras vet
legen ben Anfang des SBilberfireitó in das zehnte Jahr
des Kaiſers und dieß hat auf vie Autorität Gregors
als des älteften Zeugen, bie größere Wahrſcheinlichkeit für
fib. Dazu fommt, daß in diefem Sabre 726 jenes Ras
turereigniß ftatthatte, welches nad) der einftimmigen Angabe
ber Alten den Plan des Kaiferd zur Reife bradjte. Zwi—
Then den cykladiſchen Inſeln Thera und Therafia (norte
öftlih von Greta) erhob fid) plöglich unter bem Meere ein
Bulfan, der mehrere Tage [ang Feuer und Steine mit
folder Gewalt ausfpie, daß die Küften von Kleinaften, ja
felbft die von Lesbos, Abydos unb Stacebonien vielfad
davon befhüttet wurden. Zugleich entftanb eine neue Infel,
bie fid) mit ber Infel Hiera vereinigte. Der Raifer unb
fein Genofje Beer wollten hierin ein Strafgericht Gottes
wegen der Bilververehrung erbliden und griffen nun zum
Werke ').
Daß ber Kaifer bei feinem Vorſchreiten gegen die
Bilder von Anfang an ben Patriarhen Germanus von
Eonftantinopel entweder gar nicht zu 9tatfe 30g, ober bod)
feinem Rathe nicht folgte, erhellt aud bem erften Briefe
Gregors an Leo, worin er ihm den Vorwurf madt: sa-
pientes non percontatus es?). Dagegen fpridyt ber Bios
graph des ἢ. Abtes Stephanug, der unter Gonftantin Kopros
1) Theophanes, l. c. p. 622. Nicephorus, de rebus post Mau-
ritium gestis, in ber Bonner Ausgabe ber Byzantiner 1837, p. 64
und alle Spätern.
2) Bei Mansi, T. XIL, p. 960. Harduin, T. IV., p. 5., |. u. ©. 563.
des Bilderfireitd. 537
nymus wegen ber Bilder gemartert wurde, von einer Vers
fammlung, bie ber Kaifer veranftaltet und worin er erflärt
habe: „da bie Fertigung ber Bilder eine abgöttifche Kunſt
ift, fo dürfen die Bilder nicht verehrt werden (στροσκυνεῖσ-
ϑαι).. Die alte lateinische Ueberſetzung dieſer Biographie
brüdt dieß abweichend vom griechifchen Original alfo aus:
accita el coacta senatorum classe absurdum illud et
impium evomuit (Leo): imaginum picturas formam quam-
dam idolorum retinere, neque iis cultum esse adhiben-
dum!). Hienad bat Schloſſer (a. a. D. ©. 166) angenommen,
Kaiſer eo habe je t jdjon eine Rathöverfammlung wegen bet
Bilder veranftaltet; id) fürdjte mit Unrecht, denn mie Papft
Gregor IL, fo wiffen aud) Theophanes und Patriarch Nice-
phorus, überhaupt bie älteften Quellen nichts von einer bet:
“artigen Verfammlung im Jahre 726, unb der Biograph
bes Stephanus hatte bei feinen Worten wohl nichts anderes
als jenes Silentium (Berfammlung der geiftlid)en und melt:
[iden Großen) im Auge, welded im Jahre 730 in ber
Bilderfache ftatthatte, voie Theophanes und Andere bezeugen.
Cedrenus, Zonaras, Gonftantin Manafjes und Glykas
erzählen, ber ftaifer babe aud) bie zwölf Profeſſoren, welche
an der großen Bibliothef (von 36,000 Bänden) in ber
Nähe ber Sophienfirche angeftellt waren, fammt ihrem Dis
teftor berufen und für feine Anficht zu gewinnen geſucht.
Da dieß nicht gelang, habe er vie Bibliothek fammt ben
darin eingefchloffenen genannten 13 Gelehrten verbrennen
fafjen. — Da weder Gregor IL, nod) Theophanes over
Nicephorus ober fonft einer der Alten, die bod die Gräuel
Leo's genau verzeichnen, hievon fpricht, [o ift jene Ans
1) Bei Baron. ad ann. 726, 4.
538 Das erfte Luſtrum
Angabe wohl in bad Reich ber Fabeln zu verlegen. Schloffer
meint (S. 163 f.), fo viel werde wohl wahr fein, ba ver
Kaiſer mit jenen Gelehrten geſprochen, aber fie nicht ge»
wonnen babe. Man Babe dann ben faft ſechs Sabre
ipátern Brand ber Bibliothef hievon abgeleitet. — Allein
das Faktum dieſes Brandes ift gar nidjt genügend verbürgt
und beruht wohl nur auf einer Verwechslung mit bem
unter Kaiſer Seno ums Jahr 480 erfolgten Brande jener
Bihliothef. Namentlich { das wunderſame Eremplar bet
Sliade und Odyſſee, auf eine Sradenfaut geſchrieben, nad,
ber Angabe beó Suidas [don unter Seno unb nicht erft,
wie Gonftantin Manafjes behauptet, je&t unter eo wet;
brannt. Beranlafjung aber zu ver SSranbfabel gab vieleicht
ber Umftand, bag Theophanes (I. c. p. 623) erzählt: Qeo
habe be[onberó bie Gelehrten verfolgt, jo daß die Schulen
vernichtet worden feien.
Daß Kaifer Leo (im Jahr 726) eine Verordnung,
ein Edikt gegen die Bilder erlaffen habe, ift aus ben oben
©. 536 angeführten Worten des Theophanes vollfommen
deutlich und wird von Niemand geläugnet. Aber ſchwieriger
ift e8, au den Inhalt dieſes erften Ediktes anzugeben.
Mir werden fpäter finden, tag mehrere Hauptfäge befjelben
im erften Briefe Gregors IL an Leo aufbewahrt find; aber
gerade hier fuchte man fie nicht, weil man biefen Brief
irrig in eine zu fpäte Zeit verjegte. Man ftüpte fid) lieber
auf bie alte lateinische lleberfegung der Biographie des D.
Abtes Stephanus, wornach der Kaifer, um das Volk zu
begütigen, erflärte: „er wolle ja vie Bilver nicht vernichten,
jondern nur höher hängen laffen, damit man fte nicht mehr
mit dem Munde berühre” 1), und ſchloß hieraus, das erfte
1) Baron. ad ann. 726, 5.
des Bilderſtreits. 539
Edikt habe blos das Küſſen und Verehren der Bilder,
unb erſt das zweite im Jahr 730 deren Vernichtung bes
fohlen 1). Allein abgeſehen davon, daß dieſe lateiniſche
Ueberſetzung gar wenig Autorität hat, gehört dem bereits
S. 537 geſagten gemäß die Verſammlung, wobei der Kaiſer
Solches geſprochen haben ſoll, wohl dem Jahre 730 an.
Dazu kommt noch, daß eine Menge, ja die meiſten alten
Bilder in ben Kirchen Wandgemälde ober Wandmoſaiken
waren, die nicht beliebig verrüdt werben fonnten unb ohnes
hin meift in beträchtlicher Höhe angebracht waren. Endlich
wären bie gleich zu erzählenden Vorfälle gar nicht erflärlich,
wenn ber Kaifer nur ein Höherhängen ter Bilder verlangt
hätte. Theophanes berichtet nämlich zum Jahre 718 feiner
Zeitrechnung, b. i. bem zehnten Jahre Qeo'8 ober 726 n..
Ehr.: „vie Einwohner von Gonftantinopel wurden durch bie
neuen Lehren (das Bilvderverbot) fehr betrübt und bis zur
Empörung gereizt. Als einige Diener des Kaifers das
Bild des Herrn über dem großen ehernen Sore zerftörten,
brachte fie bad Volf um, und εὖ wurden nun zur Etrafe
Diele wegen ihrer Srómmigfeit (Anhänglichkeit an bie Bilver)
mit Berftimmelung, Schlägen, (rif, belegt, bejonberó Ges
lehrte, fo daß bie Schulen vernichtet wurden.“ Ueber bie»
ſelbe Begebenheit jagt Papft Gregor I. in feinem erften
Briefe an Leo: „ald bu den Gpatfarocanbibatuá (b. i.
. Spatharius und Ganbibatué zugleih, f. Du Cange) Io:
vinus nad Ehalfoprateia (ein Ctabttfeil von Conftanti-
nopel, wo Metallmaaren verkauft wurden) fdidteft, um
das Chriſtusbild, welches Antiphonetes heißt 3), zu zerftören,
. 1) So Wald, a. a. D. €. 225 unb Neander, £.G. Bd. III.
S. 287.
2) Gin fog. wunberthätiges Bild, welches einft für einen frommen
540 Das erſte Luflrum
fo baten fromme Frauen, weldje tort landen, ben Beamten,
er möge tod) das nicht thun. Er aber nicht darauf achtend
beftieg eine Leiter und fdjfug mit einer Art dreimal auf
das Gefiót des Ehriftusbildes. (Er wollte aljo nicht blos
das Bild höher hängen; εὖ hing ja jdn fo Dod), taf er
eine Leiter brauchte.) Die Frauen aufs Tieffte entrüftet,
warfen bie Leiter um und fchlugen ibn todt; du aber fchictef
deine Diener und ließeft id) weiß nicht wie viele von ven
Frauen Binridjten."^ Auch Cedrenus u. A. erzählen Achn;
liches, und Kleine Abweichungen in den einzelnen Berichten
find dabei nicht Dod) anzufchlagen. — Der Biograph des
b. Etephanus verfegt dieß Ereigniß in tie Zeit nad ver
Abſetzung des Patriarhen Germanuó und fügt bei: jene
Frauen feien, nadjbem fie bie Leiter des Bilverftürmers umge:
ftürzt, vor bie Wohnung des neuen Patriarchen Anaftafius
gezogen, um ihn, menn möglich, zu fteinigen und hätten ger
rufen: ,bu fchändlicher Feind ber Wahrheit, bift du deßhalb
SBatriard) geworden, um bie $eiligtbümer zu zerftören ?"
Hierauf fid flügend, verſetzte Pagi biefe Begebenheit in
das Jahr 730 und betrachtet fie al8 eine Folge des zweiten
Eoiftes '). Faſt alle fpätern Gelehrten traten ihm bei;
allein Theophanes und Gebrenud — des Anaftafius unb
Paulus Diafonus gar nicht zu gebenfen — ftellen diefen
Borfall audbrüdlid ins zehnte Jahr Leo's (— 726), und
in ben Anfang des Bilverftreitd weifet ihn auch deutlich
Papft Gregor I. Die erfte Nachricht, jagt er, von bem
Schiffer Theodor, der Gelb aufnehmen mußte, wunderbar Bürgfchaft
geleiftet haben ſoll; ἀντιφωνητῆς — Bürge. Vol. Wald, a. a. D.
€. 178 unb 183. Pagi, ad ann. 730, 5.
1) Pagi, ad ann. 726, 9. 730, 3. 5. 6. Bald, a. a. Ὁ,
©. 199..201.
bes Bilderſtreitd. 541
Bilderfiurme des Kaifers fam nad) tem Abendlande durch
Solche, welche Zeugen des Ereignifies in Ehalfoprateia. ges
weſen find, und bevor nod ein kaiſerliches Edikt gegen
bie Bilder im Abendlande Gährung veranlaßte, Dat bie
Nachricht von jener Begebenheit Einfülle der gongobatben
in bie Faiferlihen Provinzen Staliend verurfadht .
Darand erhellt weiter, daß zwifchen ber Zerftörung
jenes Chriftusbildes und der Abfaffung des päpftlichen
Schreibens eine beträchtliche Zwifchenzeit verfloffen fein
muß. Diefe ift aber gar nicht zu gewinnen, wenn wir
jene in das Jahr 730 verlegen, denn Papſt Gregor H.
ftarb Schon am 11. Februar 731 und wir dürfen feinen
fraglichen Brief nicht feinen legten Tagen zumweifen, ba
et daranf nod) Antwort vom Kaifer befam und fogar nod
einen zweiten Brief an biefen richtete.
(δ᾽ hat aber ble Annahme, die brutale Zerftörung des
berühmten Chriſtusbildes habe [don im J. 726 im Abend»
lanbe heftige Auftritte veranlaßt, [don barum nichts Bes
benfíidjed, weil in bemfelben Jahre auch anberwürtó aus
gleihem Grunde Unruhen, ja Empörungen entftanbem.
Theophanes (p. 623) und Nicephorus (p. 65) u. A. εἰν
zählen, tag die Bewohner von Griechenland unb den cyflas
diſchen Snfeln tie gottlofe Lehre nicht annehmend fid) gegen
Leo empörten, eine Flotte rüfteten und einen gewifien Kosmas
zum Gegenfaifer audriefen. Unter Anführung zweier Offi
ziere Agallianus und Stephanus fegelten fte nad Conſtan⸗
tinopel und famen am 18. April ver zehnten Indiktion
(diefe geht vom 1. Cept. 726—1. Sept. 727) dafelbit an.
1) Mansi, T. XIL, p. 969. Harduin, T. IV., p. 11., f. unten
©. 567.
S eof. Duartalfeprift. 1857. IV. Heit. 36
542 Das erfte Luſtrum
Aber ihre Schiffe wurden durch das fog. griechifche Weuet
zerftört, Agallianus ftürzte ſich ſelbſt in voller Rüftung ins
Meer, Eosmas und Stephanus wurben hingerichtet, Kaifer
Leo aber fuhr nun um fo entichievener in feinem Bilder
fturme fort. Bald darauf, ungefähr ums Sommerfolftis
tium der zehnten Indiktion (21. Iuni 727), belagerten bie
Araber die Stadt 9ticaa, welde von einem Faiferlichen
Heere vertheidigt wurde. in Soldat des legtern, Namen
Gonflantin, warf im diefer Zeit mit einem Steine nad
einem Muttergottesbilve, das in ber Stabt aufgeftellt war,
and zerichmetterte deſſen Füße; aber fdon am andern
Zage wurde er {εἰδῇ bei einem Angriffe ber Araber
burd einen Ctelnmurf getödtet. Uebrigens wurde Siicàa,
wie Theophanes (p. 625) fagt, „durd die Fürbitte Mariend
"nb anderer Heiligen, deren Bilder dort verehrt wurden,
gerettet, dem Kaifer zur heilfamen Lehre. Allein ftatt fid
zu befehren, verwarf Leo jept auch ble Fürbitte der ei
ligen und die Verehrung ber Reliquien. Bon blefec Zeit an
(b. b. feit der Bilderfturm anfing), haßte er ben Patrlars
den Germanus und erflärte (faktiſch) alle früheren Kaifer,
Biſchöfe und Glänbige für Götzendiener.“
Wir erwähnten oben bed Briefes, welchen Patriard
Germanud von onftantinopel an den Biſchof Thomas
von Glaudiopolis richtete, um ihn wegen feiner Angriffe
auf die Bilder zu tabeln. Da Germanué unter Anderem
hierin fagt:- e8 feien wegen blefer Angelegenheit ganze
Städte und Völker in nicht geringer Aufregung , fo bürfen
1) Νῦν δὲ πόλεις ὅλαι καὶ τὰ πλήϑη τῶν λαῶν ἐκ bv ὀλίγῳ περὶ
τότο ϑορύβῳ τυγχάνοσιν. Mansi, T. XL, p. 124, Marduin, T. IV.,
p. 260.
des Bilderſtreits. 543
wir annehmen, baf ber Brief des Germanus in biefe Zeit
falle, und bag einzelne Bifchöfe, wie Thomas, Gonftantin
von Stafolia u. 9I. im Sinne des Kaiſers reformirten. Sie
warfen natürlih die Bilder auch aus ihren Kirchen;
in andern Städten dagegen, deren Bilchöfe e8 mit Ger-
manus hielten, fdeint der vom Kaiſer verorbnete Bilder⸗
fturm bisher weniger das Innere der Kirchen, als vielmehr
nur bie an óffentliden Plätzen aufgeftellten Bilder betroffen
zu haben. Ein folded war das über der ehernen Pforte
zu Gonftantinopel und das von bem Colbaten zu Nicäa
jerftörte, während legtere Stadt bamaló nad) bem anges
führten Seugniffe des Theophanes mod) reid an heiligen
Bildern war. Sollte bec Kampf gegen die Bilder fráftigen
Sortfchritt gewinnen und aud das Innere ber Kirchen
gefäubert werben, fo war nöthig, endlich aud) ben Patriars
den Germanué zu gewinnen oder ihn zu entfernen. Theo⸗
phanes (p. 625 sqq.) erzählt: im Jahre 721 (nad feiner
Rechnung = bem dreizehnten Regierungsjahre Leo's, ber
ginnend ben 25. März 729) berief der Kaifer den Batriars
den zu fih und gab ihm zuerft febr freundlihe Worte. Der
Biſchof entgegnete: „eine alte Prophezeiung fagt, daß allers
dings ein Bilverfturm ftattbaben werde, aber nicht unter
beiner Regierung.” „Unter welder Regierung bann ?^
fragte der feaifer. „Unter Konon.” „Ich felbft, fagte Leo,
erhielt in bet Taufe ben Namen Konon.” Darauf bet Pas
ttiatdj: „ferne [εἰ e8, o Herr, daß unter deiner Regierung
bieß llebel gefchehe, denn wer Solches thut, ift ein Vor⸗
läufer des Antichrifts.” Der Syrann hierüber erbittert,
jujte in den Worten des Patriarchen Stoff zu einer Klage
wegen Mafeftätöbeleivigung, um ihn anftändiger abjegen
ju Fönnen. Einen Gehülfen hiebei fand er in Anaftafius,
36 *
544 Daß ετῇε 2uftrum
bem Schüler und Syncellus des Patriarchen, ber ihn vom
Stuhle vervrängen wollte. Germanus dieß merfenb, mahnte
wie εἰπῇ Chriftus milde ben neuen Iffariot, und als biejet
nidt auf ihn hörte unb εἰπῇ, ald ter Patriarch den Kaifer
befuchte, auf ben Schlepp des Erfteren trat, jprad) Germanus
zu ihm: „eile nicht jo febr, bu wirft noch bald genug in
ben Eirfus fommen.^ Er weifjagte ihn damit fein Schidfal,
welches ihn nah 15 Jahren unter bem folgenden Kaifer
traf (er wurde auf einen Eſel gejebt und im Eirfus um
hergeführt). Hierauf veranftaltete ver Kaifer am Dinftage
den 7. Januar ber 13. Indiktion (730) ein Silentjum ober
Rathsverſammlung 1) im Saale ver 19 Accubiti oder
Polſter 2), und verſuchte babel nochmals, den Patriarchen,
ber dazu berufen war, für feinen Plan umzuftimmen. Als
diefer tapfer wiberflanben unb bie Wahrheit in Fräftiger
und [anger Rede dargethan hatte, aber feinen Erfolg fah,
legte et feine biſchöfliche Würde nieder unb z0g das Palium
" unter ven Worten and: „wenn id Jonas bin, fo werfet
mid) ins Meer; ohne vie Autorität eines allgemeinen Gon
cils darf, o Kaiſer, am Glauben nichtd verändert werben.“
Daranf 30g et fid) in feine PBrivntwohnung zurück, wo er feine
übrigen Tage (er war ſchon über 90 Jahre alt) vollends
in 9tube verlebte. Anaftafius aber wurde am 7. Januar
(ober 22, Januar, wie andere Gopiceó und Anaftafius haben)
zum Nachfolger geweiht. — So erzählt Theophanes a. a.
O. 3), und Patriarch Nicephorus (p. 65) ftimmt mit ihm
1) Das Gynobifon, und nad) ihm Spanheim u. X. machen ba:
raus irrig eine Synode.
2) Ueber diefes burd) Schönheit berühmte Gebäude, worin am
Meihnachtsfefte der Raifer nicht sedendo, fondern recumbendo jpeidte
(daher der Name), vgl. Pagi, ad ann. 730, 1.
3) Nah Johannes Damascenus oret. II. de imag. c. 12 wurbe
des Bilderſtreits. 545
überein. Nur fpricht er bei der ihm gewöhnlichen Kürze
blos von dem Silentium, welches ber Kaifer abhielt (Nice⸗
phorus nennt e eine Bolfsverfammlung) ohne ber voran⸗
gegangenen Berhandlung mit Germanus zu erwähnen;
fügt dagegen febr gut bei, Leo habe tiefen beftimmen wollen,
eine Schrift in Betreff ber Silbervetnidtung
ju erlaffen. Wir fehen daraus, aud, der Patriarch hätte
ein Edikt gegen bie Bilder, bem Faiferlichen entfprechend,
veröffentlichen, oder etwa ein neues Faiferliched mitunter,
fchreiben follen.
Theophanes gibt ganz genau an, jenes Sifentium fel
am Dinftage den 7. Januar 730 abgehalten worden.
Allein im Jahre 730 fiel der 7. Januar auf einen Sams⸗
tag, und ed muß darum hier irgend ein Schreibfehler ans
genommen werten. Petavius in feinen Noten zu Nicephos
rud (l. c. p. 128) fchlug vor, entweder ftatt bem 7. Januar
ven dritten, oder ftatt ἡμέρᾳ γ᾽ (Dinftag) zu fegen. £'
(= Samstag). Allein nod) mehr empfiehlt fich vielleicht bie
Permuthung, ftatt des 7. Januars zu lefen den 17., aljo
i ftatt ζ΄ Y. Damit paßt dann ganz gut zufammen, baf ber
neue Patriarch Anaſtaſtus ah 22. Januar ordinirt worden
fei, denn ed war bieB ein Sonntag und zwar der nádjfte
Sonntag παῷ Dinftag bem 17. Sanuar, unb an Conn:
tagen wurben gewöhnlich die Weihen ber SBifdjófe vorges
nommen.
Germanus gefchlagen und des Landes verwiefen. Nach der Biographie
des Abtes Stephanus wäre er fogar erbrofjelt worden.
1) Ge drängt fih uns aud) der Verdacht auf, ob nicht vielleicht
die Zahl der Snbiftion irrig angegeben, alfo flatt des Jahres 730 ein
anderes zu feßen fei. Unter allen Jahren, bie hier in Frage kommen
fonnten, fatte nur 727 ben 7. Januar an einem Dinflage, und e$
müßte bann flatt τῆς «y ἰνδικτιῶγος gelefen werben ἐ — 10.
540 Das erfle guftrum
Mie wir oben fahen, lag zwifchen ber von Theophanes
teferirten Unterredung des Kaiferd mit Germanuó und ber
Abhaltung ded Silentiums eine ziemliche Frift in Mitte.
Sn bieje Zwifchenzeit fallen ja tie Verſuche, den Patriar⸗
hen in einen Prozeß wegen Majeftätöbeleivigung zu vers
wideln, ebenfo bie Warnungen, welde Germanus bem
treufofen Anaftafius ertheilte, und fein mit einer Prophes
zeiung verbunbener Beſuch bei bem Kaiſer. Webervieß, fo
vermuthen wir wenigftens, fdjrieb Germanus jebt aud) an
SBapft Gregor IL, um ihn über das Verlangen des Kaiſers
und feine abfchlägige Antwort in Kenntniß zu fegen. Sein
Brief ift verloren gegangen, aber wir fennen ihn nod, aus
ber Antwort des Papftes, die unter ben Aften des (tebenten
allg. Goncilà aufbewahrt ift. Gregor begrüßt darin ben
Patriarchen als feinen Bruder und Borfämpfer ber Kirche,
deſſen Thaten er zu preiſen verpflichtet ſei. „Uebrigens
fónnte man, führt er fort, paſſend ſagen: dieſe Daten
fol nod mehr ausrufen jener Vorläufer der Gottlofigfeit,
welder Dir, o glüdjeliger Mann (felicitati tuae), für Gutes
Schlimmes erwiedert hat. Er glaubte, gegen den, ber von
oben fam (Ehriftus), fid) anflehnen und über bie rom:
migfeit fiegen zu fónnen; aber er ift jet von oben ge
hindert und feiner Hoffnung beraubt, und hörte von ber
Kirche das Gleiche, was Pharao von Mofes hören mußte,
daß er ein Feind Gottes fei, aber er hörte aud) das Wort
des Propheten: Gott wird bid) vernichten. So ift er in
feinen Unternehmungen gehindert, durd die von oben ges
fommene &tárfe Deines Widerftanded entfräftet und fein
Stolz faft bió zur Vernichtung verwundet worden. Der
Etarfe ift, wie die DL. Schrift fagt, durch den Schwachen
befiegt worden. Haft du nicht mit Gott gefümp[t, und
des Bilderſtreits. 547
wie es Gott dir angewieſen hat, indem er verordnete, daß
im Lager des Reiches Chriſti das Labarum des Kreuzes
voranſtehe, und dann das h. Bild der Gottesmutter? Die
dem Bilde erwieſene Ehre geht über auf den Prototyp (das
im Bilde Dargeſtellte), wie ber große Baſilius ſagt, und
ber Bildergebrauch ift voll Frommigkeit, wie fid Chryſoſto⸗
mus auébrüdt ... Und die Kirche irrt nicht, wenn fie
behauptet, Gott geftatte die Bilderverehrung und biefelbe
{εἰ nidt eine 9tadabmung des Heidenthums. Als die
blutflüffige Frau (Matth. 9, 20) zur Erinnerung an baé
an ihr gefdjebene Wunter eine Bilpfäule Ehrifti zu Paneas
aufftellte, wurbe fie damit (von Gott) nicht zurüdgewiefen,
vielmehr wuchs am Buße biefer Bilvfäule burd) bie Gnade
Gottes ein ganz unbefanntes Heilfraut hervor '). Dieß ift für
und ein Beweis, daß wir die menſchliche Geftalt beffen, der
unfere Sünden binwegnahm, vor Aller Augen anfftellen
bürfen, um daran bie Größe ber Celbfterniebrigung des
göttlichen Logos zu erfennen und feinen Wandel auf Grben
und fein Leiden uns ins Gedächtniß zu rufen. Die Worte
bes 91. 3. hindern und daran nicht, denn wäre Gott nicht
Menſch geworden, fo würden wir ihn aud) nicht in Mens
ichengeftalt abbilden... Nur bie Bilder von Dingen, bie
nicht eriftiren, heißen Gögenbilver, fo 4. 98. die Bilder ber
von bet Bellenifdjen Mythologie fingirten nicht exiftirenben
Götter. Die Kirche Chriſti hat Feine Verwandtſchaft mit
ben polen, denn wir beten fein Kalb an ac, opferten
unfere Rinder niemals ben Dämonen x. Oder fab Ezechiel
(8, 14. 16), daß wir ben Adonis beweinten und ber Sonne
-
1) Bol. meine Abhandlung über Chriſtusbilder im Kirchen-
ler. von Weber und Weite, Bo. IL, ©. 520.
548 Das erfte Luſtrum
ein Rauchopfer braten? Wenn aber Jemand nad, jüdiſcher
Art die Worte des A. T., welche einft gegen Ipololatrie ges
richtet wurden, mifbraudjenb unfere Kirche ber Ipololatrie
beſchuldigt, fo fönnen wir ihn nur für einen bellenden Hund
halten, und als ein weit hinweg (in fpáte Zeit) gefchlen-
berter Jude foll er hören: wäre εὖ vod) geſchehen, daß
Sérael durch bie fichtbaren Dinge, die ihm vorgefchrieben
waren, Gott bie Verehrung bargebradjt, durch die Typen
fid des Schöpferd erinnert hätte! Hätte εὖ doch mehr
nad) dem heiligen Altare verlangt, als nad) ten Kälbern
Samariens, mehr auf den Stab Aarons geachtet, ale auf
Aftartel Ja hätte Israel mehr auf ven Stab Mofis ges
fehen, und ben goldenen Krug, unb die Bundeslade, und
den Gnadenthron (Dedel der Bunbeslade) und das Gpfob
und ben Tiſch unb das Gezelt und die Ehernbim; was
lauter Werfe von Menſchenhand find, und bod das Aller
heiligfte genannt werben. Hätte Jerael darauf geachtet,
fo wäre e8 nicht got Götzenbildern niebergefalfen. “Denn
jedes Bildwerf, welches im Namen Gotteó gemacht wird,
ift ehrwärbig und heilig... Mit vir fámpfte die Herrin
bet Ehriftenheit, die Muttergottes, und diejenigen, die ſchon
feit lange gegen fie rebellirten, haben einen ebenfo ftarfen
Gegenfampf (von ihr) al Wiederfprudh (von bir) erfahren H.“
Der Inhalt diefes Briefe, glanben wir, weist von
ſelbſt auf jene Zeit Din, unmittelbar nad dem, fráftigen
Wivderftande, welden Germanué im Jahr 729 vem Kaifer
entgegenjegte, und vor jenem Cilentium, wo er am Er
folge feines Bemuͤhens verzweifelnd ven biſchöflichen Mans
tel ablegte. Die Worte des Papftes, foweit fie Wieders
1) Mansi, T. XIII, p. 91 sqq. Harduin, T. IV., p. 281 sqq.
des Bilderſtreits. 549
Ball derer des Patriarchen find, zeigen, bag legterer im Bes
wußtfein eines geiftigen Sieges über den Kaifer gefchrieben
unb damals noch nicht die Abſicht zu refigniren gehabt
habe. Im Gegentheil hoffte er, burd) feinen Widerftand
bem Bilderftreite ein Ende gemacht zu haben. Nach jenem
Eilentium dagegen und παῷ der Erhebung des Anaftafius
war εὖ natürlich, daß legterer die vom Kalfer gewünfchte
eigene συγγραφὴ gegen die Bilder, wie Nicephorus (p. 65)
fagt, verfaßte, ober wie Theophanes (p. 929) will, bag
vom Kaiſer erlaffene Gbift unterfchrieb. Ob ledteres von .
bem bes Jahres 726 verſchieden war, wie Wald (S. 225)
u. 9l. annehmen, over ob dad Neue daran nur in ber Unter;
fchrift des Patriarchen beftand, mag bahingeftellt bleiben.
Die Quellen nótbigen uns meines Willens nicht, ein völlig
neues Evift anzunehmen ; jedenfalls aber hatte ber Bilder
fturm nun eine kirchliche Sanftion erlangt, und bei ber
befannten Eervilität der Mehrzahl der griechifchen Bis
fchöfe machte er, nachdem ber 9Biberftanb ber prima sedes
des Oſtens gebrochen, gewiß von jegt an bebeutenbe fort,
féritte.
Anders ging εὖ im Abendland; leider find jebod) ble
Berichte über das mas hier ge[djab, febr ſchwer unter fi
felbft und mit fonft befannten Thatſachen in Einklang zu
bringen. Theophanes berichtet fdjon beim neunten Jahre
des Kaiſers: „nachdem der Bapft Gregor von Rom
dieß (den λόγος des Kaiferd wegen Wegnahme der Bils
ber) erfahren hatte, fdrieb er an Leo einen dogmatifchen
Brief, daß der Kaifer in Betreff des Glaubens feine Ber
ordnung geben unb am den alten Dogmen nichts ändern
dürfe; hernach hinderte er, daß Italien und Nom bie Ads
gaben (gogag) entrichteten.“
550 Das erſte uftrum
Von verfelben Cade fpricht Theophanes zum zweitens
mal (p. 628 f.) beim Sabre 729—30 mit den Worten;
„Germanus wiberftand bem Leo zu Gonftantinopel, wie ber
apoftoli(dje Mann Gregor zu Rom, welder Rom und Italien
und das ganze Abendland von bem politifihen unb τῷ»:
lihen Gehorfam gegen Leo und von feinem Reiche abtrennte...
und in feinen allbefannten Briefen ihn tabefte." Die
britte Stelle p. 630 lautet: , Gregor aber, ber hl. Bifchof
von Rom, -verwarf den (neuen Patriarchen) 9Inaftaftué
. fammt feinen Briefen (bie litterae inthronisticae, welche
berfelbe nad) Rom gejandt), rügte ben Kaiſer Leo brieflich
‚wegen feiner Unfrömmigfeit, und machte Rom und ganz
Stalien von feinem Reiche abtrünnig."
Beſſer unterrichtet αἱ Theophanes waren In biefer
Sache „natürlich bie Lateiner. Anaftafius erzählt in
feiner Biographie Gregors II. bei Mansi, T. XII, p. 229 sqq.:
„(ſchon bevor das Faiferlihe Evift gegen vie Bilder in
Italien anfam) fielen vie Songobarben in das Faiferliche
Gebiet von Italien ein, eroberten Narnia (im Herzogthum
Epoleto) und Ravenna und machten große Beute. Nach
einigen Tagen verfhworen fid ber Dur Baſilius, ber
Ehartular Sorbaneó und ber Subviafon Johannes Lurion,
ben Papft zu tóbten, unb es ftimmte ihnen der Faiferliche
Spatharius Marimus bei, der damals das Herzogthum
Rom abminiftrirte; aber fie fanden feine günftige Zeit dazu.
Später ald ber Patricier Paulus als Exarch nad) Italien
fam, griffen fie ihren Plan wieder auf, aber die Sade
wurde entbedt unb bie Römer ermordeten ven Lurion und
Jordanes, während Bafilins fid) in ein Kloſter rettete.
Dagegen ſuchte jept der Grard) Paulus auf Befehl des
Kaiſers den Papft zu töbten, eo quod censum in provincia
; des Bilderſtreits. . 551
ponere praepediebat, et cogitaret suis opibus ecclesias de-
nudare, sicul in caeteris actum est locis, atque alium in
ejus ordinare loco, Ὁ. B. weil bec Bapft ihn Dinberte,
bie Provinz mit einer (unbilfigen) Auflage zu bebrüden,
unb weil ber Kaifer vie Abficht batte, die Kirchen von
ihrem Vermögen zu entblößen, wie εὖ [don anbermüárté
gefhehen war, — und an Gregoró Stelle einen andern
Papft zu ſetzen. Darauf fanbte der Kaifer einen andern
Epatharius mit dem Befehl, ben Papft von feinem Stuhle
ju entfernen, und Paulus fchidte zur 9Boffytebung dieſes
Frevels fo viele Lente (Militär) aus Ravenna unb ben
Lagern, als er dazu gewinnen fonnte, gen Rom ab. Aber
die Römer und bie Longobarden erhoben fid) zur Verthei⸗
bígung des Papftes, befegten die Brüde Salario, im Spo⸗
letinifchen, umgaben bie Grengen von Rom und hinverten
bie Ausführung. In einem Defrete, welches nachmals
gefandt wurde, hatte ber Kaifer verorbnet, man dürfe nire
gente das Bild irgend eines Heiligen ober Martyrerd ober
Engels Baben; tiefe Dinge feien alle fluhwärbig Würde
der Papft Diemit übereinftimmen, fo folfe ihm bie Gnade
bed Kaiſers zu Theil werden; voürbe er fid) aber wiber-
jegen, jo verliere er fein Amt. Der fromme Dann aber
verwarf die Härefie, waffnete fid gegen ven Kaifer wie
gegen einen Feind und fchrieb überall bin, bie Ehriften
folftem fid) vor ber neuen Gottlofigfeit hüten. Auf dieß
hin leifteten alle Einwohner ber SBentapolió und das venez
tiani[de Heer bem Faiferlihen Befehl Widerftand, erflärend,
fie würden ber Ermordung des Papſtes nie beiftimmen, im
Gegentheil zu feiner Vertheidigung muthig fámpfen. Sie
belegten nun mit dem Anathem den Erarhen Paul und
ben, ber ihm ben Auftrag gegeben, forie alle feine Ges
552 Das erfte guftrum
noffen; vom Gehorfam gegen ihn ſich [oófagenb wählten
fi die Italiener überall eigene Anführer, unb auf ble
Nachricht von des Kaiferd Bosheit beſchloß ganz Italien,
einen neuen Kalfer zu wählen unb blefen nach Conftantis
nopel zu führen. Aber ver Papft beruhigte und brachte fie
von diefem Plane ab, Doffenb, ter faifer metbe fid nod)
befferm. Unterbefien hatte der Dur (faiferl. Statthalter)
Erhilaratus von Neapel jammt feinem Sohne Habrian die
Bewohner von Bampanien verleitet, dem Kaiſer zu ge:
horchen und bem Papfte nad) bem Leben zu trachten. Die
Stómer aber verfolgten und tödteten ihn fammt feinem
Sohne. Ebenfo verjagten fie ben Dur Petrus (von Rom),
weil er in Verdacht fand, gegen ven SBapft an den Hof
gefchrieben zu haben. In Ravenna aber brachen, weil es
ein Theil mit bem Kaifer, ber andere mit dem Papft und
den Gläubigen hielt, Ctreitigfeiten aus, und ber SBatricier
Paul (der Exarch) fam babel ums Leben. Die Longobars
den eroberten um biefe Zeit die Städte Caſtra Aemilia,
Ferorianus, Montebelli, Berablum fammt Burum und
SBerficetum , auch die Pentapolis) und Auximanum ?).
1) Die Pentapolis befteht aus bem Gebiet der 5 Städte Mimini,
SBefato , (ano, Umana und Ancona. 9.61. Muratori, Geld. v.
Stal. Bd. IV., ©. 289.
2) Etwas verfchieden gibt Paulus Diafonus hist. Longob. lib. VI.
c. 49 tie Städtenamen an. Muratori (Θεῷ. v. Ital. 85. IV. ©.
291) fagt hierüber: „So viel läßt fi aus biefen Worten erkennen,
daß die Stadt Dfimo (Auximanum) von Pentapolis unterjchieden ge:
weſen, Feronianum aber $regnano, eine Heine Provinz des Herzog:
thums Modena auf bem Gebirge fei, wo Seftola, Fanano und andere
Derter liegen. Mons Bellius ift Monte Beglio oder Monte Bio in
dem Gebirge Bononiens bei bem Bluffe Gamoggia. Berablo unb
Buffo oder Bußeta find vielleicht verfälichte Namen, denn Bußeto,
welches zwiſchen Parına und Piacenza gegen den Bo zu liegt, kann
des Vilderſtreits. 553
Nach einiger Zeit fdjidte der Kaifer ben Spatricler Gutys
bins, ben Eunuchen, ber früher Grard) gemejen, nad
Neapel, um den bisher mißglüdten Plan gegen ten Papft
durchzuführen; aber ed wurde bald offenbar, baf er die
Kichen idünben, Alle verderben und berauben wolle. Als
er einen feiner Intergebenen nad Rom janbte, mit bem
Befehle, ben Bapft und bie Optimaten der Stadt zu töbten,
[o wollten bie Römer dieſen Abgefandten ermorden, aber
ver Papft Dinberte fie daran. Sie anathematifirten nun
ben Eutychius und verpflichteten fid) eivlih zum Schutze
bed Papſtes. Eutychius ver[prad) jebt bem Könige unb
ben Herzogen der qongobarben große Gefdenfe, wenn fie
von ber Vertheidigung be8 Papftes abftehen würben ; aber
bie Longobarven verbanben (id mit den Römern unb er
Härten fid) bereit, für ven Papft das Leben ecingufegen.
Letzterer banfte bem Volke für [olde Anhänglichfeit, feinen
Hauptſchutz aber juchte er bei Gott, durch häufige Gebete
unb Faſten und reichlihe Almofen. Zugleich ermahnte er
Alle, ne desisterent ab amore vel fide Romani imperii.
Um biefelbe Zeit, in ber eilften Indiktion (vom 1. Sept.
124—128) bemädtigten fid Die €ongobarben durch Lift des
Schloſſes Sutri (in der Nähe nórblid) von Rom), und
behielten es 140 Tage, bis ber Bapft durch Ermahnungen
und Gejdjenfe es ald Opfer für die Apoftel 9Betruó und Baus
Ins zurüd erhielt. Um viefelbe Zeit, im Januar der 12.
es nicht fein, inbem nicht zu glauben, daß bie ongobatben als Herrn
der benachbarten Städte bie Groberung diejes Ortes bis auf biefe
Beit follten verfhoben haben. Perflcetum ift ein Strich Landes, bet
in den alten Seiten. zu der Grafſchaft Modena gehörte. Das vor:
trefiliche Landgut San Giovanni in PBerficeto in bem Bor
nonifchen Gebiete hat diefen Namen nod) bis jetzt erhalten.”
554 Das erfte Luftrum
Indiktion (729) erfhien am Himmel ein Komet. Auch
madten jeht Eutychius unb ber Longobarbenfönig Luitprand
das fdjünblide Bündniß, mit einem vereinigten eere für
Zuitprand die [ombarbifden Vafallenherzoge von Spoleto
und Benevent (die fid) vielleicht frei zu machen judyten !)
für den Kaifer aber die Stadt Rom anzugreifen, und mit
bem Papfte nad Befehl zu verfahren. Luitprand zwang
in der That bie beiden Herzoge zur Unterwerfung und 309
bann gegen Rom. Aber ber SBapft fam ihm entgegen und
fprad) zu ihm fo einbringlidj, daß der König fid ibm zu
Füßen warf. Nur bat er, der Papft möge ben Eutychius
wieder in ben Zrieven aufnehmen. Dieß geſchah, unb bie
Berföhnung fam zu Ctanbe. Während der Grard) nun
wieder in Rom wohnte, warf Π ein Betrüger Tiberius
Betafius in Italien zum Gegenfaifer auf, und lief fid)
von mehreren Etädten huldigen ?). Der Exarch murbe
darüber febr beftürzt, aber der Papſt tröftete und unter
ftügte ihn fo fráftig, bag ber 9lufftano in Bälde erbrüdt,
unb ber Kopf des Tiberius nad) Gonftagtinopel geſchickt
werben fonnte. Deßungeadhtet blieb ber Kaifer ben Römern
ungnübig. Auch wurde feine Bosheit immer flarer, jo daß
er alle Bewohner von Gonftantinopel zwang, die Bilder
bes Erlöfers, feiner hl. Mutter und aller Heiligen überall
wegzunehmen, fie in Mitte der Stadt zu verbrennen und bie
bemalten Wände mit weißer Farbe zu beftreichen. Weil
febr viele Einwohner fid) wiverfegten, wurben mehrere hin
gerichtel, andere am Leibe verftümmelt. Den Batriarchen
1) Vgl. Muratori ©. 297.
2) Welche Städte dieß gewejen, unterſucht Muratori a. a. D.
©. 298 f.
des Bilderſtreito. 555
Germanus fe&te der Kaifer ab und vergab den Stuhl an
Anaftafius. Dieſer ſchickte eine &ynobifa nah Rom, aber
Gregor fand, daß er ter Härefie beiftimme , und bebrobte
ihn mit bem Banne, menn er nicht zum Fatholifchen Gíaus
ben jurüdfebre. Auch bem Kaifer gab er heilfame Mah—
nungen in Briefen !).”
Aus alle dem erfahren wir, 1) daß fchon bevor baé
foiferlihe Evift gegen die Bilder in Italien verfündet
wurde, eine Heftige Epannung zwifchen Papſt Gregor II.
unb bem Kaifer vorhanden war. Wie unb warum fie ente
ftanden, gibt Anaftafius nicht an, nur fagt er: der Papft
babe den Erarchen gehindert, bie (römifche) Provinz mit
einem Genfus zu belegen. Wir haben und unter lehterem
wohl eine ungewöhnlidhe und ungeredte Abgabe vors
guftellen , vieleicht ahnlich jener Kopffteuer, welche Kaifer
Leo etwas fpäter für Galabrien und Eicilien ausſchrieb ?).
Anaftafius deutet an, daß e8 dabei hauptſächlich auf Ber
raubung der Kirchen abgejeben geweſen fei, und vielleicht
liegt gerade hierin ber Grund des päpftlichen SBiberftanbeó.
Wie viefer letztere befchaffen geweſen fei, fein rechtlicher
Charafter läßt fid) bei ber ganz mangelhaften Angabe des
Anaftafius (und Theophanes) nicht mehr erfennen. "Nur
erhellt aus dem fpätern Cbereitd aus Anaftafius angeführs
ten) Benehmen des Papftes, daß er die Treue und Unters
tbanenpflicht gegen den Kaifer forgfam zu bewahren fuchte.
Es gibt ja gegen ungeredjte Zumuthungen gar wohl einen
Wiverftand auch innerhalb ber Grenzen des Rechtes unb
1) Bei Mansi, T. XIL, p. 229—232.
2) Theophanes , |l. c. p. 631. Bgl. Pagi, ad ann. 726, 10,
Walch, a. a. Ὁ. ©. 261.
556 Das erſte Lufirum
der lintertbanenpfli&t. Daß aber ver SBapft die Entridtung
der redjtmáfigen Steuern und Abgaben nicht gehindert,
oder gar nod) größere Untreue gegen ven Kaifer nicht be⸗
gangen haben fann, das erhellt gewiß zur Genüge a) aus
den Orunbjágen, die er felbft über das Berhältniß vom
SBrieftertbum und Kaiſerthum in feinen Briefen an Leo aue
einanderjegte. Wir werten fie in Bälde (€. 567 u. 572)
näher fennen fernen!). Zeuge für und find ferner b) bie
eifrigen SBeftvebungen Gregor, alle Rebellion gegen ben
Kaiſer und alle Gewaltthaten gegen beffen Beamten zu ver
hindern. Dieß erhellt (don. aus ven Details, meldje Ana-
flafius angibt und aud bem Briefe des SBapfteó an Herzog
Urfus in Venedig (S. 559). Aber εὖ legt dafür c) aud
Paulus Diafonus ein fráftigeó Zeugniß ab, indem er (de
rebus gestis Longobard. VL 49) ſchreibt: Omnis quoque Ra-
vennae exercitus et Veneliarum talibus jussis (der Bilderver⸗
uidjífuug) uno animo restiterunt, et nisi eos prohibwissel
Ponlifez, imperatorem super se constituere fuissent agressi.
Wenn taber bie in abenvländifhen Dingen oft fchlecht unter:
richteten Griechen angeben, ber Bapft Babe nicht blos Italien,
fontern das ganze Abendland (!) zum Abfall vom Kaifer
veranlagt, [9 faun biefe Behauptung gegen bie eigenen
Worte Giregotó unb gegen das Zeugniß von Anafafins
und Paulus Diafonus nit in die Wagfchaale fallen.
Wenn aber Zonaras fagt: bet SBapft und feine Synode
1) Walch, a. a. D. €. 248 und Br. IX, €. 459 f. meist in
Betreff der Abgabenverweigerung darauf Bin, bag fdon gegen K. Phi⸗
lippieus Bardanes, weil er ein Keßer getoejen, der Papft fid) ähnlid
benommen habe. Allein es iſt wohl zu bead)ten, bap damals bad
tbmifdje Bolf, nit der Sapft bem Kaifer ben Gchorfam auf:
Fündete.
des Bilderfireits, 557
habe den Kaifer mit tem Anatheme belegt, fo ift tief, ba
jonft feiner ber Alten hievon meltet, mobi nur ein Miß-
verftändniß, entftanben aus einer Aeußerung im zweiten
Briefe Gregoré an Leo (f. €. 572), wo der Papft anfchließend
an die Worte Pauli 1 Gor. 5, 5 dem Kaifer einen Dämon
wünfcht, der fein Fleiſch ſchlage, damit feine Seele genefe 1).
Auf einem andern Mißverftänpniffe beruht bie Angabe
befjelben Zonaras: Papſt Gregor II. habe fid) gegen ben
Kaiſer mit ben Franken zu verbinden gefudj Daß ber
Papft ein foldhes Bündniß angeftrebt habe, ift allervinge
richtig und Anaftafius in feiner vita Stephaui II. (III.)
ipit davon ἢ). Aber εὖ war gegen die Longobarden,
nicht gegen ben Kaiſer gerichtet.
2) Wir erinnern uns, daß Theophanes vie Verhindes
tung jener Steueranflage als eine Folge be8 Bilderver-
bot vom Jahre 726 darſtellt; Anaftafiud dagegen bringt
tiefe beiden Ereignifje in feine Beziehung zu einander.
3) Er fagt ausdrücklich, die Faiferlichen Beamten hätten
mit Vorwiſſen des Kaiferd bem Papſte wiederholt nach bem
Leben getrachtet. Dieß wollen Einige dahin auslegen, eo
habe wohl nur befohlen, ben SBapft gefangen zu nehmen und
nad Gonftantinopel zu liefern, wovon ja Gregor felbft in
finem erften Briefe an Leo wirklich ſpreche (f. €. 568) ; vae
1) Gine befondere Abhandlung De Gregorii II. erga Leonem Imp.
moderatione fchrieb 9tatalis Alex. hist. eccl. Sec. VIII. Diss.
L T. VL, p. 72 sqq. ed. Venet. 1778. Berner behandelten dieſen
Gegenſtand, freilich vielfad) von einander abweichend Baron., ad ann.
730, 5. Pagi, ad ann. 726, 10—13. 730, 8-11. Bomer, Geſch.
b. Bäpfte, Bo. IV., €. 381 d. Bald, a. a. O. Bd. X., ©. 263—283.
2) Bei Manei, T. XIL, p. 524. Pagi, ad ann. 726, 13. Wald,
ἃ. a. Ὁ. ©. 255.
Theol. Ouartal(drift. 1857. IV. Heft. 37
558 Das erſte Luſtrum
Geruͤcht aber habe die Sache vergrößert, aus Verhaftbefehlen
Mordbefehle gemacht ').
4) Anaftafius ſpricht von zwei Haupteinfaͤllen ber
Longobarden ins kaiſerliche Gebiet. Den einen, wobei
fie die Stadt Narni und ſogar Ravenna, ble Hauptſtadt
des Exarchats, ſammt der Hafenſtadt Claſſis eroberten und
viele Beute machten ?), ſtellt er vo x die Ankunft des Ediktes
gegen bie Bilder, ben andern Einfall bagegen, wobei Castra
Aemilia etc. erobert: vourben, jpáter. Ganz ebenfo berichtet
Paulus Diafonus (de gestis Longobard. VL, 48 u. 49)
bie Eroberung von Narnia und Ravenna, bevor er des
Bilderverbots gebenft, läßt dagegen Gaftra Aemilia ac. erft
nad bem Grjdeinen des faijerliden Ediktes den Longos
batben in bie Hände fallen. Das volle Licht in dieſer
Cade aber verdanfen wir dem erften Briefe Gregors IL
an Leo, worin ed heißt, daß viele Abendlaͤnder gerabe zur
Zeit der Zerftörung des Chriftusbildes in Chalfopratela zu
Gonftantinopel anweſend gemefen feien und durch die Gr»
zahlung biejeó Gräueld und ber daran gefnüpften Gram,
famfeiten das ganze Abendland mit Zorn über den Kaifer
erfüllt hätten, fo bag ble Longobarven in bie Dekapolis 3)
einfielen und fogar Ravenna eroberten 3).
Wir fehen, vie Longobarden machten fid) ble burdj
jene Erzählungen veranlaßte große Mißſtimmung ber Itas
1) Walch, a. a. O. 8b. X, G. 283 fi.
2) Sn der bezüglichen Stelle bei Anaftaflus ift wohl ftatt captas
zu leſen captos.
3) Die Defapolis befand aus 10 zu gemeinfamem Schupe vers
bundenen Städten des Grarchats, nämlich Ravenna, Claffis, Gáfatea,
Gervir, Gejena, Forlimpopuli, Forli, Bologna und Faenza. 3881. Le
Bret, Θεῷ. v. Italien, ©. 153., Bd. 40 ber allg. Welthiſt.
4) Mansi , T. XIL, p. 970 sq. Harduin, T. IV., p. 11. €.
unten ©. 568.
des Bilderftreits. 559
liener gegen den Kaiſer zu Nutzen und fielen in been
Gebiet ein, das ſchon länaft ein Gegenftand ihrer Gelüfte
war. Die Eroberung von Ravenna 1c. fteht fonad) aller
dings in Beziehung zum Bilderverbot, war eine Yolge
befjen, unb doc haben Anaftafius und Paulus Diafonus
Recht, wenn fie dieß Ereigniß ver BPublifation des fal»
ſerlichen Eviftes In Italien vorangehen laffen. Ohne Zweifel
hatten jene Zengen der Serftórung des Ehriftusbildes in
Gfalfoprateia tie erfte fichere Nachricht von bem Bilder
ſturme nad Italien gebradjt.
5) Unter ten Briefen Gregors IL. findet fid) einer an
Urfus, den Dur von Venetien ). Gregor fagt darin: die
Stadt Ravenna fel a non dicenda gente Longobardorum
erobert worden, und wie er höre, fel der Exarch nad Bes
nedig geflohen. Der Dur möge demfelben bod) treu bleiben
und mit ihm dahin wirfen, daß Ravenna wieder dem Kaiſer
nrüdgeftellt werde). Daß er tief auch wirklich erzielte,
erfahren wir von Paulus Diafonus de gestis Longob. VL,
94, welcher fagt: bei feinen vielen Kriegen gegen tie Fair
jerlihen fei der Longobarvenfönig Luitprand nur zweimal
unglücklich gewefen, das einemal zu Ariminum, das anderes
mal als fein Reffe Hildebrand, den er über Ravenna ges
jegt, durch einen plöglichen Angriff ver Venetianer übers
rafcht und gefangen wurde. — Daß Papſt Gregor oben
den Abſcheuausdruck a non dicenda gente in Betreff bet
Longobarden gebraucht, beweist Mar, taf biefer Brief ges
1) Venetien gehörte damals nod) den byzantinifchen Kaifern, f.
Muratori, a. a. Ὁ. €. 289. Walch, a. a. Ὁ. ©. 245 f.
2) Mansi, T. XII, p. 244. Baron., ad ann. 726, 27. Mus
tatort erhebt ©. 294 f. einige Bedenken gegen bie Aechtheit biefes
Briefes.
37*
560 Das efle Luſtrum
ſchrieben wurde, ehe fid) ble Longobarven näher an ihn
anſchloßen unb um ihn verbient machten. Ja εὖ muß bie
MWiedereroberung Ravennas ſchon frühe eingetreten fein,
denn ber Grard Paulus fonnte ja bald wieder von Ras
venna aus ein Heer gegen Rom und ben Papft abjenden,
wie Anaftafius und Paulus Diafonus gemeinfam berichten.
Es war bief jenes Heer, bem bie Römer und Longobarben
vereint am pons Salarius fid) entgegenftellten (©. 551).
6) Pagi, Wald u. A. nahmen an, das Faiferliche
Evift gegen bie Bilder, von beffen Publikation in Italien
Anaftafius [prede, [εἰ das des Jahres 730 gewejen 5;
allein Anaftafius gibt und einen ganz andern djronologi[djen
Anhaltspunkt. Nachdem er bie Wirren, welde bieg Gift
in Stalien verur[adjte, und bie uner[djütterlide Trene des
vielmißhanvdelten Papfted gegen ben Kaifer bejchrieben, fährt
er alfo fort: „um biefelbe Zeit (o. Bb. ziemlich lange nad
ber Publifation des faiferfiden Edikts) bemächtigten fid)
die Longobarden in der 11. Snbiftion (1. Sept. 727—728)
des Schloſſes Cutri, und im Januar 729 erfchien ein
Komet.” Hienah muß die Publifation des kaiſerlichen
Ediktes Show geraume Zeit vor dem Jahre 728 erfolgt,
fomit das erfte Gbift vom Jahre 726 hier gemeint fein.
4) Deophanes (p. 621) fügt glei nad Erwähnung
des erften Evifted gegen die Bilder bei, ber Papft habe
dagegen einen Brief an Leo gejanbt, des Inhalts: „dem
Kaiſer ftebe εὖ nicht zu, eine Verordnung über den Glauben
zu erlafjen und an den alten Dogmen etwas zu ändern.”
Auch nodj an zwei andern Orten redet Theophanes (j.
oben ©. 550) von Briefen Gregors an den Kaifer, und
1) Walch, a. a. O. ©. 248. Anm.
des Bilderſtreits. - 561
ebenfo gebenft fofdjer aud) Anaftafius. Aber erft im fed
zehnten Jahrhundert wurden biefe Briefe von bem gelehrten
Sefuiten Sronton fe Suc in ber Bibliothek des Garbinalé
von Lothringen wieder aufgefunden und aus bem Gries
chiſchen ind Lateinische überfept. Bon ihm erhielt fte Bas
ronius und ließ fie ad ann. 726 zum erftenmale bruden.
Papft Gregor führt in ber Meberfchrift derſelben burdj
Verwechslung mit Gregor b. Gr. den Beinamen Dialogus,
denn 9epterer wurde wegen feines berühmten gleichnamigen
Werkes vielfad) mit diefem Titel bezeichnet). Diefe Briefe
gingen fofort in bie Concilienfammlungen über und wurben
zu den Vorakten des fiebenten allg. Gonciló φοβεῖ. Duß
fie nicht mie andere ähnliche Urfunden, 4. 98. das Schreiben
befielben Papftes an Patriarch Germanus, auf bem fiebenten
allg. Goncif felbft angewendet und verlefen wurden, ift
allerdings auffallend, wie Rösler bemerft ?); erklärt fid)
aber vielleiht baburdj, bag Kaifer eo das nad) Eonftan-
tinopel gefommene Exemplar wahrfcheinlich hatte vernichten
faffen, und fo bie fragliche Synode feines zur Hand hatte.
Mit Unrecht glaubte Labbeus bieje zwei Briefe nicht bem
Papfte Gregor IL, fondern feinem Nachfolger Gregor III.
zufchreiben au follen 5), und bie Zweifel, welde Semmler
unb Nösler gegen ihre Acchtheit erhoben, find nicht von
Belang. Ueber vie Abfafjungszeit diefer Briefe aber fónnen
wir und erft παῷ Mittheilung ihres Inhalts ein Urtheil
erlauben.
Der erfte lautet: „Deinen Brief, von Gott befchügter
1) Baron., ad ann. 626, 31.
2) Bibliothek der Kirchenväter, Bd. X., ©. 475.
3) Vgl. dagegen Pagi, ad ann. 726, 5. unb Walch, α. a. Ὁ.
€. 173 f.
562 Das efle guftrum
Kaiſer unb Bruder, haben wir durch den Faiferlihen Spa;
tharocandidaten empfangen, ald Du in der 14. Inpiftion
regierteft; unb wir haben Deine Briefe von eben diefer 14,
Indiktion, und bie ber 15. unb ber 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
8. und 9. fiher aufbewahrt in ber Sirdje am Fuße bes
Grades Petri, wo fid) aud) bie Deiner Vorgänger befinden.
In zehn Briefen Daft Du, wie es fid) für einen chriftlichen
Saifer geziemt, die Lehren ber Väter treu zu beobachten
verfprocen. Und vor Allem das Wichtigfte ift, bag εὖ
Deine eigenen, mit bem kaiſerlichen Cigill verfehenen Briefe
find, feine unterfchobenen. Du fchreibft darins wer bie
Ordnungen ber Väter aufhebt, ber [εἰ verfluht. Nach
Empfang biefer Briefe fdjidten wir Danfeshymnen zu Gott,
daß er Dir das Reich gegeben. Und ba Du recht Liefeft,
wer hat Dir Falſches in die Ohren geflingelt und Dein
Herz verdreht? Zehn Jahre Haft Du mit Gottes Gnade
recht gemanbeft und ber heiligen Bilder nicht erwähnt;
jegt aber behauptet Du, daß fie bie Stelle der
Idole vertreten und daß bie, welde fie ver;
ehren, Öögendiener feien, und wilft, daß fie ganz
unb gar befeitigt und vernichtet werben follen. Du fürchteft
nicht das Gericht Gottes, unb daß Aergerniß gegeben wetbe
nicht blos den Gläubigen, fonberm audj ten Ungläubigen.
Ehriftus verbietet, nur den Geringften zu ärgern, und Du
haft die ganze Welt geärgert, als ob Du nicht aud) fterben
und Rechenschaft geben müfiteft. Du [friebft: man darf
wie Gott befiehlt (2 Mof. 20, 4), nidt vers
ehren, was von Menſchenhand gemadt ift,
jeglihes Abbild von dem, was im Himmel
oder auf Erden ift; beweife mir nur, wer ung
gelehrt bat, von Menfhenhänden Gemachtes
des Bilderftreits. 563
au verehrten (σέβεσθαι xol ripvoxuveiv), und id
will bann zugeben, bag εὖ Bottes Wille fei.
Aber warum haft Du o ftaijer und Haupt ter. Ehriften,
bevor Du die armen Völfer beftürzt und verwirrt haft, nicht
weile Männer hierüber gefragt; Du hätteft von Ihnen ers
fahren, wegen welder Art von Bildwerfen (χειροποίητα)
Gott jenes gefagt bat. Aber Du haft unjere Väter und
Lehrer verworfen, obgleich, Du in eigenbánbiger Unterſchrift
verfidjerteft, ihnen folgen zu wollen. Die heiligen Bäter
und Lehrer find unfere Schrift, unfer Licht und unfer Heil,
unb bie ſechs Eynoden haben ung (jenes) gelehrt, Du aber
nimmft ihre Zeugniß nidt an. Ich bin genöthigt, Dir
Unfeines und Ungelehrtes zu fchreiben, ta Du aud) uns
gelehrt und unfein bift; aber es enthält tod) ble göttliche
Wahrheit... Gott bat jenes Gebot gegeben, wegen ber
Götzendiener, welde das Land ber Verheißung im Beſitz
hatten, und golvene Thiere 2c. anbeteten, fpredjenb: das find
unfere Götter und es gibt feinen andern Gott. Wegen biefer
biabofifden χειροποίητα hat Gott verboten fie zu ver
ehren. Da εὖ aber aud) χειροποίητα zum Dienft und zur
Ehre Gottes gibt, ... fo hat Gott aus bem israelitifchen
Bolfe zwei Männer anderwählt und gejegnet, damit fie yeupo-
ποίητα fertigten, aber zur Ehre und zum Dienfte Gottes, naͤm⸗
lid) den Bezeleel und Dliab (2 Mof. 35, 30. 34). Gott felbft
ſchrieb die zehn Gebote auf zwei fteinerne Tafeln und ſprach:
made Gferubim und Seraphim, unb einen Tiſch und über
ziehe ihn mit Bold innen und außen; und made eine
Lade von nichtfaulendem Hole, unb in bie gabe lege bie
Zengniffe zur Erinnerung eurer Geſchlechter, nämlich die
Gefepestafeln und den Krug und ben Stab und das
Manna (2 Mof. 25, 10. 16. 18. 23. 24). Sind das
564 Das erfte Luſtrum
GSeftalten und Bilpwerfe von Menfhenhand gemadt over
nicht? Aber zur Ehre unb zum Dienfte Gottes. Moſes
wünfchte ven Heren zu ſehen, aber er zeigte ſich ihm nur
vom Rüden; uns dagegen zeigte fid) der Herr vollftändig,
indem Gottes Eohn Menſch geworden ift... Bon allen
Gegenden her famen nun Menſchen nad Serujalem, um
ihn zu feben, und haben ihn dann Andern gefchilvert und
abgebildet. Ebenfo haben fie ben Jakobus, den Stephanus
unb bie Martyrer geihildert und abgebildet, und bie Mens
fchen Haben bie Verehrung des Teufels verlaffend dieſe
Bilder verehrt, aber nicht fatreutifch, fonbern relativ (ταύτας
προρεκύνησαν εἰ λατρευτικῶς ἀλλὰ σχετικῶς). Was meirft
Du nun, o Ralfer, fol man diefe Bilder ober bie des
diabolifchen Truges verehren? Chriſtus ſelbſt ſchickte bem
9(6gar fein Portrait, ein ἀχειροποίητον 1). Blicke auf
dieſes hin; viele Völker des Morgenlandes verfammeln fid)
um daſſelbe, um dort zu beten. Und aud .andere Bilder,
von Menſchenhand gemadjt, werden von frommen Walls
fahrern 6i8 heute verehrt. Warum aber madjen wir fein
Bild von Gottvater? Die gótt(ide Natur kann nicht bar,
geftelt merben ; hätten wir ibn aber gefefen, wie ben Sohn,
fo fönnten wir audj ein Bild von ihm machen. Wir be:
ſchwören Did, als Bruder in Ehriftus, fefre wieder zurüd
zur Wahrheit und richte durch ein neues Gift diejenigen
wieder auf, meldje Du geärgert haft, wenn Du bieje aud
nad) Deiner großen Fühlloſigkeit für nichts báltft. Ehriftus
weiß es, bag fo oft wir im die Kirche des D. Petrus gehen und
1) Vol. meine Abhgen. über Abgar Uhomo und Chriſtus⸗
bilder im Kirdenler. von 58 ἐθ εὐ unb Welte, Bu, L, ©. 36
u. Dr. IL, €, 523.
des Bilderfireits. 565
das Bild diefes Heiligen feben, wir evídyüttert werben und
Thränen ung entftrömen. Chriftus hat vie Blinden jehend
gemacht, Du haft bie €efenben geblenbet. . . Dun fagft:
wir verehren Steine und Wände und Bretter.
Aber es ift bem nicht fo, o ftaifer; (onbern fie dienen ung
zur Erinnerung und Aufmunterung, um unfern trägen
Geift nadj oben zu erheben turd) die (Perſonen), deren
tamen die Bilder tragen und deren Darftellungen fie find.
Und wir verefren fie nit wie Gott, wie Du behaupteft;
ba6 [εἰ ferne. Denn wir fegen unfere Hoffnung nicht
auf fie, und wenn ein Bild des Herrn da ift, fprechen
wir: Herr Jeſus Ehriftus, Hilf und rette und. Bei einem
Bilde feiner f. Mutter fpreden wir: heilige Gottesges
bárerin, bitte für ung bei deinem Sohn; Ähnlich bei einem
Martyrer. Und es ift nicht richtig, was Du fagft: daß
wir bie Martyrer Götter nennen. Sd) befchmwöre
Di, laß ab von den fchlimmen Gebanfen unb rette Deine
Seele vor den Aergerniffen und SSermün[dungen, weldye
bie ganze Welt Dir entgegenjenbet. Die Kinder fpotten
über Did. Gehe nur in bie Schulen der Kinder unb
fage: ich bin ber Bilverfeind und fie werben fogleich ihre
Tafeln nah Dir werfen. Du [driebft: wie ber jüdts
Ihe König Ozias (follte heißen Hisfias) nad 800
Jahren die eherne Schlange auó dem Tempel
warf (4 Kön. 18, 4), [0 id nad 800 Jahren bie
Bilderanspen Kirchen. 9a, Ozias mar bein Bruber
und that wie Du ben Prieftern Gewalt an (2 Gron. 26,
16 ff). Sene eherne Schlange hatte David fammt ber
Bundeslade in ben Tempel gebracht, und fie war ein Erz
bild von Gott geheiligt zum Nugen derer, welche von den
Schlangen gebifjen waren (5 Moſ. 21, O ff.). Wir wollten
566 Das erfle guflrum
gemäß der von Petrus auf und gefommenen Gewalt Di
beftrafen; aber Du haft felbft den Wind) über bid) ausge⸗
fproden !) und magft ihn nun fammt Deinen Rathgebern
haben. Welche große Erbauung der Gläubigen Daft Du
zerftört? Chriftus weiß es, fo oft wir in die Kirche gingen
unb bie Darftelung der Wunder Chrifti ſahen, oder das
Bild feiner Mutter, den göttlihen Säugling in den Armen,
und bie Engel im Kreife umberftehend und das Trifagion
tufenb, nicht ohne Rührung find wir wieder hinausge⸗
gangen ... ES wäre Dir beffer gewefen, ein Häretifer
als ein Bildervertilger zu fein. Die Dogmatifirenven vet
fallen nämlich, wenn εὖ ihnen an Demuth fehlt, theils ans
Unfenntniß, theild wegen ber Dunfelheit der Sache, leicht:
lid) in Irrthum, und ihre Verfchuldung ift nicht fo groß,
al bie beinige, denn Du haft das, was ganz offen unb
flat ift, wie das Licht, verfolgt unb die Kirche Gottes
entblößt. Die D. Bäter haben fte befleivet und gefchmüdt,
Du haft fie entfíeibet und entblößt, obgleih Du einen fo
trefflihen Oberpriefter haft (ἔχων), unferen Bruder Get
manus. Diefen hätteft Du als Vater und Lehrer zu Rathe
ziehen follen, denn et hat große Erfahrung, ift jest 95
Sahre alt und hat vielen Patriarchen und Kaifern gevient.
Aber ihn bei Seite lafjend, haft Du ben gottlofen Narren
. von Ephefus, ben Sohn des Apfimar (den Erzb. Theo
doſius j. €. 532) und ähnliche Leute gehört. Ganz anders
verhielt fid) Kaifer Gonftantin (Pogonatus), ald et wegen
Abhaltung ber fedjóten allg. Synode nad Rom fihrieb.
Du fiehft, daß tie Dogmen der Kirche nicht Sache ded
1) Indem der Kaifer früher ſchrieb: „verflucht fei, wer bie Orb:
nungen ber Väter aufhebt.“
bed Bilderſtreits. 567
Kaiſers find, fonbern ter S3ijdjófe. Wie diefe nicht in ble
bürgerlichen, jo duͤrfen bie Kaiſer nicht in vie kirchlichen
Angelegenheiten eingreifen. Du fdriebft: es folle eine
allgemeine Synode berufen werden. Mir fcheint
dieß überflüjfig, denn jo Du ruhig bift, ift Alles ruhig.
Denfe Dir, ich hätte deinem Wunfche entjprodjen und e
wären bie 3Bijdjofe der ganzen Welt verjammelt, wo ift
dann der gottesfürdtige Kaifer, ber bem Herfommen ger
mäß biejen Verfammlungen beimohnen foll, ba Du {εἰ
ben Firchenfrievden ftörft und bie Barbaren (ben Jezid)
nadabmft? ... Während die Kirchen Gottes tiefen Frieden
hatten, haft Du Kämpfe, Streitigkeiten und Aergernifie
veranlaßt. Höre auf und fel ruhig, bann bedarf εὖ feiner
Synode. Schreibe in alle Länder, die Du geärgert, daß
Germanus von Gon(tantinopel und Papſt Gregor von Rom
in Betreff der Bilder geirrt hätten, unb wir, bie wir ble
Binder und Löfegewalt haben, wollen Dir Deinen Fehltritt
verzeihen !). Gott ift Zeuge, daß ἰῷ alle Deine Briefe
den Königen des Abenplandes mitgetheilt, und lebtere Dir
zu Sreunden gemacht habe, indem ich Dich lobte und pries.
Dephalb haben fie aud) Deine laureata (Bilpnifje) anges
nommen und geehrt, bevor fie von Deinem böfen Unters
nehmen gegen die Bilder hörten. ALS fie aber erfuhren,
daß Du den Spatharofanvidaten Jovinus nad Chalfos
prateia [djidteft, um das wunderbare Ehriftusbild, welches
1) Gregor meint, der Kaiſer folle, um fi ben Widerruf zu ers
lei'htern, die Schuld auf den Papft und ben Patriarchen fchieben, als
ob ihm dieſe in Betreff der Bilder foldjen falfehen Rath gegeben. —
€o glaube ἰῷ diefe jchwierige Stelle, bie fid im zweiten Briefe des
Bapfes nod) deutlicher wiederholt, verfiehen zu müflen. Anders
QR 56let, a. a. D. ©. 485.
508 Das erſte Luſtrum
Antiphonetes heißt, zu zerſtören — fromme Frauen, Nach⸗
ahmerinnen jener, welche den Herrn geſalbt, riefen dem
Spatharokandidaten zu: thue doch das nicht; und als er
nicht darauf achtete, eine Leiter beftieg und dreimal mit
ber Art auf das Geſicht des Bildes losſchlug, warfen vie
Frauen entrüftet bie Leiter um und tödteten ihn; Du abet
ſchickteſt Mititär und liegeft, id weiß nicht wie viele
Grauen dort lödten in Gegenwart vielge angefehenen Männer
aus Rom, Franfreih, von ben Vandalen, Gothen und aus
Mauretanien, ja faft aus bem ganzen Abendland — ale
diefe zurüdfamen und jeder in feiner Heimath Deine fin
bifhen Thaten erzählten, da zerftörten fie Deine laureata,
und bie Longobarden und Sarmaten u. 9L, melde im Nor
ben wohnen, madjten Einfälle in die unglüdliche Defapolis
und eroberten die Metropole Ravenna !), festen Deine
Ohrigfeiten ab, ftelften eigene dafür auf und wollten εὖ
mit den Faiferlichen Städten in unferer Nähe, ja fogar
mit Rom jelbft ebenfo machen, ohne daß Du uns [hüten
kannſt. Da haft Du bic Frucht Deiner Thorheit. Aber
Du wilft mich fdreden und fagft: ih mill nad Rom
fenben und das Bild des b. Petrus zerftören
unddenPapft Gregorgefangen wegführen, wie
Eonftantin (ConftansIL)esmitMartinusgemadt
bat. Du folft wifjen, baf bie Bifhöfe von Rom um des Fries
bené willen bafigen ald Zwifchenmauer zwiſchen bem Morgen:
land und Abendland, und Brievensftifter find. Wenn Dn
1) Gregor jagt nichts davon, baf Ravenna auf fein Betreiben
dur Hülfe der Venetianer wieder erobert worben fei (f. ©. 359).
Ebenfo ſchweigt er darüber, daß er bie Aufftändifchen in Italien be
tubigt und von ber Beftellung eines neuen Kaifers abgehalten habe.
Sein Brief ſcheint fonach vor diefen Begebenheiten abgefaßt zu fein.
x
, des Bilderftreits. 569
mir nachftelen wilft, wie Du fagft, fo habe ἰῷ nicht
nötig, mit Dir zu fümpfen. Der vómi[de Biſchof wird
fi) bios 24 Stadien weit entfernen nad) Ganpanien, unt
dann fomm und verfolge die Winde Y. lInfern Vorfahrer
Martin I. fat Kaiſer Eonftantin mißhandelt und verbannt.
Aber der Kaifer wurde in feinen Sünden ermorbet, wähs
end Martin αἱ Heiliger verehrt wird. — Gerne. möchte
ih das gleihe Schikfal haben, wie Martin, aber zum
Nutzen des Volkes will ih am Leben bleiben, denn ber
ganze Occident richtet feine Augen auf mid, obgleid Un-
würdigen, unb hofft auf mich unb ben f. Petrus, vejjen
Bild Du zerftören zu wollen droheſt. Wirft Du ed wagen,
jo find bie Abendländer bereit, zugleich aud) für bie von
Dir beleidigten Orlentalen Rache zu nehmen. Aber ἰῷ
beſchwöre Dich bel bem Herrn, laß ab von fo thörichten
Dingen. Du weißt, daß Dein Thron Rom nicht verthei-
digen faun ?), außer. etwa ble Stadt allein, unb wenn ber
PBapft, wie wir fagten, 24 Stadien weit fid) entfernt, hat
er von Dir nichts mehr zu fürdten. ... Wird das Bilo
des b. Petrus wirklich zerftört, ich befchwöre Dich, ich bin
unfhuldig an bem Blute, das alddann wird vergofen
werben. Es fomme auf Dein Haupt! Ein Fürft aus
dem innerften Abendlande, Septetus genannt 9), hat mid)
1) 24 Stabien betragen ungefähr 1/2 geogr. Meile == 1 Stunde.
Mehrere zweifeln, daß die 2ongobarben jdjon jo nahe bei Rom ge:
flanben, unb vermutben in ber Zahl einen Schreibfehler. Vgl. Mus
tatori, a. a. D. ©. 294.
2) Bei Qatbuin unb Manſt fiet duch einen Drudfehler δύνασαι.
Baronius dagegen hat richtig δύναται.
3) Vielleicht ein von Bonifaz befehrter deutfcher Fürſt. Du Cange
(s. v. Septeius) vermuthet, es ſollte vielleicht mepelus heißen, was
identifh wäre mit Mepe — Iberorum regis dignitas ac appelatio,
510 Das eifle Luſtrum N
gebeten, zu ihm zu fommen unb ihm bie B. Taufe zu ets
tbeilen, und ich werde es tfum. Der Herr aber lege in
Dein Herz wieder Gotteófurdjt, unb bringe Dich zur Wahrs
beit zurück! Möchte ih doch bald Briefe mit der 9tad»
richt Deiner Beſſerung von Dir erhalten !).”
Wir fahen, bag Papft Gregor in viefem Briefe meh-
tere Stellen απὸ dem Edikte, welches ber Kaifer wegen
der Bilder nad Italien gefanbt hatte, ganz ober nahezu
wörtlih wiederholte. Wir haben tiefe Stellen oben ©.
562 (f. durch gelperrten Drud hervorgehoben, unb ba, wie
wir S. 560 zeigten, dieß Goift nicht erft im Jahre 730,
ſondern jdon vor 728 in Italien publicirt wurde, fo ift
jegt unjere Sehnſucht, den Wortlaut des erften Goifteó
wenigftené der Qauptjadje nad) fennen zu lernen, befriedigt.
Zugleich zeigt fid) und aber, wie jehr Wald, und alle An-
dern irren, die das erfte Gift für gar milde erachten, unb
nur dad Verbot, bie Bilder zu küſſen, ihm zufchreiben
wollten. Die aus bem Epvifte felbft mitgetheilten Stellen
beweifen feinen fdon völlig ifonoflaftifchen Charafter.
Daß der $aijer bem 9Bapfte antwortete, erjehen wir
aus dem zweiten Briefe Gregors: „Ich habe, jagt hier
bet Papſt, Dein Schreiben, von Gott bejdügter Kaifer
und Bruder in Ehriftus, burd Deinen Geſandten Rufinus
erhalten, und es ift mir dad Leben ganz entleivet, weil Du
Deine Gefinnung nicht geändert haft, im Böfen verharreft
und ben B. Vätern nicht folgen will(t. Und bod) berufe
ih mid) nicht auf fremde, fonbetn gerade auf griechifche
Bäter. Du ſchreibſt: Ih bin Kaiſer und Priefter
1) Mansi , T. XII, p. 959 sqq. Harduin, T. IV., p. 1 sqq
Baron., ad ann, 726. ;
᾿ des Bilderſtreits. 511
à4ugleid. Ja, Deine Vorgänger waren bief in ber That,
Gonftantin Ὁ. Gr., Theodoſius Ὁ. Gr., Valentinian b. Gir.
unb Gonftantin (Pogonatus); fie haben ald Kaiſer religiös
regiert und in Verbindung mit ben Biſchöfen Synoden
gehalten und Kirchen erbaut und geſchmückt. Sie zeigten
in Werfen, daß fie Kaifer und Priefter zugleich felen;
Du aber Daft ... die. Beftimmungen ver Bäter nicht
beobachtet; fondern bie Kirchen ihres Schmudes beraubt
und entblößt. . . . Männer und Frauen unterrichten
ihre Kinder und die Neulinge aus bem Heidenthum, in
bem fie mit ben Fingern hinweifen auf die Geſchichten,
melde in ben Kirchen abgebildet ſind, fie erbauen fie
damit und geben ihren Herzen baburd) die Richtung nad
oben. Du aber Daft vieß bem Volke entzogen und ibm
nichts gelafien, als thörichte Neben, Fabeln und muſika⸗
lifche Poſſen!)). Höre mich Nievrigen, o Kaifer, laß ab
und folge ber B. Kirhe, wie Du es vorgefunden und
überliefert erhalten Daft. Die Dogmen find nicht Sache
der Raifer, ſondern ber Bifchöfe, weil mir ben Einn (và)
Gprifti haben. ... Es ift ein Unterfchied zwifchen bem
Palaſt unb ber Kirche, zwifchen Kaifern und Bifchöfen.
Erfenne dieß unb rette Dich! Wenn man Dir die faifer
[iden Gewänder, ven Purpur, das Diadem ıc. nähme, fo
würbdeft Du vor ben Menfchen mifadtet ericheinen; in ben
gleihen Zuftand Daft Du die Kirchen verjept, indem Du
1) Sinn: „das was für das Volk ſchaͤdlich ift, faft Ou ihm
gelafien, bamit jolf es fid) fortwährenn befchäftigen; aber das, was
ihm nüglid) ift, haft Du ihm genommen." Völlig irrig fagt Rösler
a. a. Ὁ. 6. 491: „nad diejer Stelle Bat Leo dem Bolf, und zwar
in ber Kirche, anflatt ber Bilder eiwas Anderes zur Unterhaltung
geben wollen.“ |
512 Das erfte guftrum :
fie ihres Schmudes beraubteft. Wie ber Biſchof fein Recht
hat, (i in die Angelegenheiten ted Palafted zu mifchen
und bie Aemter zu vergeben, fo fteht εὖ bem Kaifer nicht
zu, fid in das Innere ber Kirche zu mifchen, Cleriker zu
wählen, bie Caframente zu verwalten 2c. Jeder bleibe an
der Stelle, wohin ibn Gott berufen. Weißt Du, o Kaifer,
den Unterfchied zwifhen Kaifer und Bifhof? Wenn Se
manb gegen Did, o Kaifer, fid) verfehlt, 1o nimmft Du
ihm fein Haus und Vermögen, ja vielleiht aud) dad
Leben oder erilirft ihn. Nicht fo tie Bilchöfe. Wenn
Jemand gefündigt hat unb er befennt, fo legem fie ftatt
des Strides ihm das Evangelium und das Kreuz auf ben
Staden, weifen ihn ftatt in dad GefüngniB, in bie Dia-
fonia ober Katechumena der Kirche ) und legen ibm $a
ften 2c. auf. Hat er gebüßt, [o reichen fie ifm ven Leib
unb das Blut bed Herrn ... Du verfolgft unb tyranni,
firft ung mit militärifcher und pbofifder Gewalt ; mir aber
waffenlos und ohne irbijdjeó Kriegsheer rufen ben Heer
führer ber ganzen Echöpfung Jeſus Ehriftus au, damit er
Dir einen Damon jenbe, gemäß dem Worte des Apoftels
(1 Gor. 5, 5): id) willihn übergeben bem Satan
zum Verderben des Bleifhes, bamit bie Seele
gerettet werde Siehe o Kaifer, in foldyes Elend
ftürzet Du Did ſelbſt. Wie unglüdlih find wir bod
unferen Borfahrern gegenüber, weldye wegen ihres guten
Einflufjes auf die Kaifer am Tage des Gerichtes Lob er
werben werben, während wir erröthen müfjen, daß mir
unferen Kaiſer nicht herrlich und reih an Ruhm Gott bar
1) gofalitàten in der Kirche, offenbar für bie Bönitenten. Bol.
Binterim, Denfw. Br. V., 35. 3. €. 13 f.
des Bilderſtreits. 573
ftellen fónnen. Siehe, aud) jegt nod) ermahnen wir Dich:
thue Buße und febre zur Wahrheit zurüd, unb ehre die
b. Vaͤter. Du [driebft: wie fommt es, bag in den
ſechs Eoncilien von ben Bildern nidté gefagt
wurde? Aber es ift bod), o Kaifer, darin aud) von τοῦ
und Wafler nichts gejagt worden, ob man e effen und trinfen
Tolle oder nicht, weil hier ber Gebrauch bereits feftftanb. Gbenjo
ftand der Gebrauch der Bilder'feft, unb die Biſchöfe brachten
ſelbſt Bilder mit auf die Goncilien, da fein frommer Mann
ohne Bilder reiste Wir ermahnen Sid, Biſchof unb
Kaifer zugleich zu fein, wie Du ſchriebſt. Wenn Du υἱῷ
Ihämft ald Kaifer, die Schuld Deines Irrthums Dir jelbft
zuzufchreiben (αἰτιολογῆσαι Eavrov), jo ſchreibe in alle Ge:
genden, bie Du geärgert, es hätten Papſt Gregor von Rom
und Patriarch Germanus von Gonftantinopel fid in Bes
treff der Bilder geirrt, unb wir verzeihen Dir Deinen Fehl⸗
tritt fraft. unferer Gewalt zu löfen und zu binden...
Da wir Ehriftus Rechenſchaft ablegen müfjen, haben wir
Did ermahnt, Du aber haft weder unfere Niedrigfeit, nod)
ben Germanué, nod die B. Väter gehört, und folgteft ben
Verfehrten, ven Berfälfchern ber wahren Lehre. Wie wir
gefhrieben haben, werden wir in das Innere bes Abend»
lanbe8 reifen, um die D. Taufe zu ertheilen. Ich habe
zwar Schon Biſchöfe und Glerifer dahin gefhidt, aber bie
Häuptlinge diefer Länder find nod) nicht getauft, wünfchen
es vielmehr durch mich zu werben. Gott möge Dir Ein-
fit und Sinnesänderung verleihen H.“
Wenn wir ble oben &. 549 f, angeführten 9LenBerungen
1) Mansi, T. XIL, p. 975 sqq. Harduin, T. IV., p. 13 sqq.
Baron. δὰ ann. 726.
Theol. Duartalfehrift. 1857. IV. Heft. 38
514 Das -erfte Auftrum
be6 Theophanes über bie Briefe Gregord an faijer Leo
mit bem Inhalte ber beiden eben mitgetheilten vergleichen,
fo fann wohl fein Zweifel fein, daß Theophanes gerade
fie und feine andern im Auge gehabt habe. Was er ja
ald den Hauptinhalt ber päpftlichen Briefe angibt: „ed
ftebe den Kaifer nicht zu, in Betreff des Glaubens Vers
orbnungen zu erlaffen unb an ben alten Dogmen etwas
ju ändern,” das findet fid) nicht nur wörtlih aud) in uns
jeren zwei Briefen, fondern madjt fogar ein Hauptargument
berjelben aud. Wenn man befungeadtet legtere von denen,
weldje Theophanes befpricht, unterfcheiden, unb fie für be:
trächtlih Tpäter erklären wollte, fo beruht dieß nur auf
einer falſchen Vorausfegung, welche von Pagi ausgegangen,
die obligate Wanderung faft dur alle fpäteren Bücher
gemadt fat, und damit fommen wir zur linterjudjung
über die Abfaffungszeit ber beiden päpftlichen Briefe.
Baronius hatte diefelben in ben Aufang bes Bilder,
ftteité, alfo ind Jahr 726 verlegt und mit Theophanes
für eine Antwort auf baé erfte Faiferliche Evifk angefchen.
Dies beftritt Pagi (ad ann. 726, 3—6 u. 730, D. Auf
bie Biographie bed D. Abtes Stephanus fid ghägend
(&. 540) verlegt Pagi die Zerſchlagung des Chriſtusbrdes
über ber χαλκὴ πύλη ober in Chalfoprateia in bie Zenit
nad ber Abfegung des Germanud und nad) ber Orbi; *
nation beó Anaftafius, alfo ins Jahr 730. Bon viefem
. Ereigniffe, jo argumentirt Bagi weiter, ſpricht Papft Gre;
gor bereitó in feinem erften Briefe, folgli muß biefer nod
tiefer in das Jahr 730, δίεπα ber zweite an das Ende
beó Jahres 730 oder Anfang von 731 verfegt werben,
denn am 11. Februar 731 ftarb Gregor II.
Wie [djon bemerkt, beftreiten wir bie Grundlage biefer
$e8. Bilderſtreits. 515
ganzen Argumentation, indem wir das Greignif an ber
χαλκὴ mit Theophanes u. A. bem Jahre 726 zumeifen,
und ber erſte Brief Giregoró ſelbſt befeftigt und hierin,
indem er berichtet, ele erften Nachrichten über den Bilder⸗
ſturm des Kaiferd (alfo vor Ankunft feines Ediktes) feien
dur Zeugen jener Gewalttbat ind Abenpland gefommen.
Daß aber das erfte Edikt vor bem Jahre 728 in Stalien
verkündet wurde, erfuhren wir von Anaftafius (&. 560).
Pagi beruft fid) zweitens darauf, daß Papft Gregor
in feinem vrften Schreiben an Leo von Germanus alé
ebemaligem Patriarchen fprede, in den Worten: t2-
metsi talem habebas pontificem (Pagi, ad ann. 726, 3).
Allein bieje lateiniſche Ueberfegung ift bekanntlich nur ein
Werk des Wronton le Duc, der griedjijdje Text aber hat
ἔχων (Θ. 566), und in beiden Briefen Gregors iſt feine
Andeutung, bag Germanus damals [don abgejept geweſen
fei. Pagi weist drittens auf bie Eurzen chronologiſchen
Andeutungen bin, ble fid) im Anfange des erften päpftlichen
Briefes an Kaiſer Leo finden. Gregor fage darin, ex habe
das Schreiben des Kaiferd von ber 14. Indiftion erhalten.
Da nun Leo am 25. März der 15. Sinbiftion, wie Theo»
phanes fage, Kaifer geworben fei, jo gehe bie 14. Invif-
tion vom 1. Septemper 730 bis 1. September 731, und
es müfle ſonach aud) bie Antwort des Papfteß dem Jahre
130 zugewiefen werden (Pagi ad ann. 730, 7). Allein
gerade dieſes Argument, welches Pagi fo fidher vorbringt,
müfjen mir gegen ihn wenden. Wenn ber Kaiſer in bet
14, Snbiftion, alfo nach bem 1. September 730, an ben
Bapft ſchrieb — und daß ver Kaiſer in ber 14. Indiktion
1) Bgl. Muratori,a. a. Ὁ. €. 293 f.
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des Bilberftreite. 577
*ei eine ۟de von der 9. Snbiftion bis zur 14., b. b.
125—'130, intem ber Kaiſer in biejen fünf Jahren
"Bapfte wahrfcheinlich gar nicht gefchrieben habe). —
iheint natürlicher, bag Papft Gregor alle die Briefe,
x vom Kaiſer erhielt, dronofogijd) aufführte, vom
en beginnend und mit dem jüngften enbigenb. Diefer
4e wäre bann ber ber 9. Indiktion oder des Jahres
und ihn gerade halten wir für denjenigen, der das
ide Anfinnen wegen ber Bilder enthielt. Das paßt
„rtrefflih zum Datum ber Anfänge des Bilderftreits,
zu ber Neußerung Gregors, Leo habe in feinem zehnten
rungsjahre feine Thorheiten begonnen. Sein zehntes
‚rungsjahr trägt gerade bie Indiktionszahl IX. Gre⸗
rügt bei: zehn Briefe des Kaifers feien ganz recht
jm; unb diefe Zehnzahl befommen wir eben, wenn
von der oben angegebenen Reihe ben [egten Brief ber
diktion abziehen. Uebrigens werden wir burd) das
'agte zu derfelben Yolgerung gebrüngt, wie Baronine.
ἀπ nämlich ber erfte oder frühefte Brief des Kaifers
an den Papſt Gregor nod) der 14. Inviftion angehört,
nuf deſſen Regierungsanfang in das Jahr 716, nidi
Theophanes auf 717 verlegt werden ?). Und bief zu
1) Pagi, ad ann. 726, 6. Die Argumentation Pagi's wird burd)
" Drudfehler entftellt. Es ift nämlich in bet citirten Stelle n. 6
‚imal Indict. XIV ftatt XV gedruckt. Das oftemal in ben Worten:
ἐδ am 25. März 717 zum Kaifer erhoben, fchrieb an Papft Gregor
en Brief Indictione XIV, quae eo anno in cursu erat. Es muß
" Beifen, denn bie 15. Jjnbiftion lief vom 1. September 716
s 1. September 717, und Pagi jagt ad ann. 717, 2. u. 726, 3.
u. 9 felbft das Richtige. Aehnlich if ber Webler gegen Ende ber
tirten Nr. 6.
2) Baron., ad aun. 716, 1.
516 Das erfte Luſtrum
gefchrieben, nicht ber Bapft in dieſer Indiktion geantwortet
habe, jagen die Worte Gregors auóbrüdlid, — wenn ber
Raifer fo Spät erft fdrieb, nad) bem 1. September 730,
fo vergingen wieder mehrere Wochen bis dieß Schreiben in
Rom ankam, und wieder Wochen, bis ber Bapft die wohl
überlegte und ohne Zweifel mit feinem Clerus berathene
Antwort erließ. Es mußte jet das Jahr 730 zu Ende
gehen. Aber bie pápfifide Antwort wird nun nad) Gor:
ftantinopel gefchidt, abermald waren Wochen dazu nöthig,
der Kaiſer antwortet darauf, [didt die Antwort nad
Rom, und ber Papſt fchreibt ihm zum zweitenmal, unb
das alles foll noch im Jahre 730 ober im Januar 731
gefchehen fein (Pagi, ad ann. 730, 10). Solche Schnellig-
feit im amtlichen und diplomatiſchen Verfehre wäre aud)
in den Zeiten der Gifenbabnen unb Telegraphen eine Sels
tenbeit. Ich glaube barum behaupten zu dürfen: wenn
Gregor II. am 11. Februar 731 ftarb, unb das bezweifelt
aud) Pagi nicht, jo fónnen die vielen ebenbefprodyenen
Fakta: das Schreiben des Kaiferd, beffen Transport nad
Rom, die Antwort ded Papftes, ihr Transport nad) Gon
ftantinopel, die Erwiederung des Kaifers, ihre Ueberbrin-
gung nad Rom, und das darauf erfolgte zweite Schreiben
bed Papftes — nicht in die fure Zeit zwifchen dem 1.
Eeptember 730 und bem Tode des Papftes zufammenge-
ſchoben werben. | "
SBapft Gregor führt bie Schreiben, weldje er vom
faijer erhalten, in folgender Reihe auf: ba6 ber 14,
das ver 15., 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. und 9. Indiktion.
Pagi meint nun, das primo loco geftellte der 14. Sif
tion fei das fpätefte vom Jahre 730, das darauf folgende
das ültefte vom Jahr 717 und fo gehe die Reihe weiter;
be8 Bilberftreite. 577
nur fel eine ۟de von ber 9. Indiktion bis zur 14., b. D.
von 725— 730, indem ber Kaiſer in biejen fünf Sabren
dem Papſte wahrſcheinlich gar nicht gefchrieben habe . —
Mir fdeint natürlicher, bag Papſt Gregor alle bie Briefe,
bie er vom Kaiſer erhielt, chronologiſch aufführte, vom
älteften beginnend unb mit bem jüngften enbigenb. Diefer
jüngfte wäre dann ber ber 9. Indiftion oder des Jahres
126, und ihn gerade halten wir für denjenigen, ber das
ärgerliche Anfinnen wegen ber Bilder enthielt. Das paßt
ja vortrefflih zum Datum der Anfänge des Bilvderftreits,
und zu ber Aeußerung Gregors, Leo habe in feinem zehnten
Regierungsjahre feine Thorheiten begonnen. Cein zehntes
Regierungsjahr trägt gerade bie Indiktionszahl IX. Gre⸗
gor fügt bei: zehn Briefe des Kaiferd feiem gang recht
gemejen; unb diefe Zehnzahl befommen wir eben, wenn
wir von ber oben angegebenen Reihe ben legten Brief ber
9. Snbiftion abziehen. Uebrigens werden wir butd) das
Gefagte zu derjelben Folgerung gedrängt, wie Baronine.
Wenn nämlich der erfte oder frühefte Brief des Kaifers
Leo an ben Papſt Gregor nod) der 14. Indiktion angehört,
jo muß befen Regierungsanfang in das Jahr 716, nidji
mit Theophanes auf 717 verlegt werden 2). Und dieß zu
1) Pagi, ad ann. 726, 6. Die Argumentation Pagi's wird burd)
zwei Drudfehler entflefft. Es ift nämlich in ber citirten Stelle n. 6
zweimal Indict. XIV μαι XV gedruckt. Das erflemal in den Worten:
„Leo am 25. März 717 zum Kaiſer erhoben, fchrieb an Papft Gregor
einen Brief Indictione XIV, quae eo anno in cursu eret. Es muß
XV heißen, denn bie 15. Indiktion lief vom 1. September 716
bis 1. September 717, und Pagi fagt ad ann. 717, 2. u. 726, 3.
4 u. 5 felbft das Richtige. Aehnlich ifl der Fehler gegen Ende ber
ritirten Nr. 6.
2) Baron., ad ann. 716, 1.
τ
; —
576 | Das erfte Luftrum
gefchrieben, nicht ver Papſt in biefer ^ αι Angabe
habe, jagen die Worte Gregotó ^— iL 4t Regierungsfahre
Raifer fo fpät erft ſchrieb, v Wr /(ingug8 in Gonftan
fo vergingen wieder mehrer — 7 ,"i Leo deßhalb ein Res
Rom ankam, und wieder — 7 jtm und 25 Tagen zu.
überlegte und ohne Zw " finem. Ehronifon 25 Jahre,
Antwort erließ. G6 .“, pA denn er rechnet von bem
gehen. Aber bie p' /, 77i gegen den ſchwachen Theodoſtus
ftantinopel Be FL aiſer ausgerufen wurde ». Das
der Raifer anf Feine daß Leo gleich bei Beginn
Rom, unb t 2 , aljo nod in der 14. Indiktion d. i.
das alles T ven im Abendland fo mächtigen Papft
ge[deben ' E E ſuchte, und ibn fchriftlich feiner Or.
feit im Wu te, wohl wiffend, daß die italifchen Pros
in den gie ihn viel leichter anerfennen würden,
tenfe' — r^ rft Für ibn ſpreche.
Gre p αἱ glauben wir bie Aufgabe, bie wir und ftellten,
au ‚nd die Begebenheiten des erften Luftrums der
φ £e in ihr wahres Licht und zugleich im vie
aronologiſche Ordnung geftellt zu haben.
f) p Schloſſer, a. a. Ὁ. €. 143 unb die Noten des Te
jit P Nictphori Breviarlum de rebüs post Mauritium gestis, ed.
» so. p. 127, wo nod) weitere Zeugen für das Jahr 716 ober [n-
zero XIV αἰ Regierungsanfang Leo's beigebracht find.
Hefele
2,
„ver eine Stelle im VIII. Kapitel des von dem 5. An-
tiohenifchen Biſchofe Ignatius an die Philadelphier
gerichteten Sendfchreibens,
Zu ben vielbefprodenften und viefgebeutetften Stellen
in ben Briefen des Martyr-Bifchofed von 9Intiodjien gehört
ohne Zweifel folgende im VII. Kapitel feines Briefes an
die Philadelphier: Πιστεύω τῇ xapırı Ἰησοῦ Χριστοῦ,
ὃς λύσει ἀφ᾽ ὑμῶν πάντα δέσμον. παρακαλῶ δὲ ὑμᾶς
μηδὲν κατ᾽ ἐριϑείαν πράσσειν, ἀλλὰ κατὰ χριστομαϑιαν" 1)
ἐπεὶ ἤκουσα vuov λεγόντων, ὅτι ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχαίοις
δὕρω, ἔν τῷ εὐαγγελίῳ οὐ πιστεύω" χὰἀὶλ λέγοντός μου
αὐτοῖς " ὅτι γέγραπται" ἀπεκρέϑησαν μοι" ὅτι πρόκειται.
ἐμοὶ δὲ ἀρχεῖα ἐστιν Ἰησοῦς Χριστός, τὰ ἄϑικτα ἀρχεῖα
ὁ σταυρὸς αὐτοῦ καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ἡ ἀνάστασις αὐτοῦ
καὶ ἡ πίστις ἡ di αὐτοῦ, ἂν οἷς ϑέλω ἐν τῇ προσευχῇ
ὑμῶν δικαιωϑῆναι. So lautet ber Tert ber Handſchriften 3).
1) Ginige Ausgaben haben fálfdjlid) χριστομαϑείαν anftatt χριστο--
μάϑειαν Wir haben ferner die verkehrte Interpunction dieſer Stelle
in ben Ausgaben berichtigt.
2) A (= armenifche Ueberfegung) bei Petermann s. Ign. epist.
p. 207 ff. giebt die Stelle aljo wieder: „Credo gratiae Jesu Christi,
quod is (hic) solvit (tempus praesens e futur. syrac. videtur expli-
candum) a vobis omnia vincula. Peto a vobis fratres, ne facite
quidquam resistentia (contentione), sed nomine Jesu Christi. Sed
578 S8 erſte Luſtrum des Bilberflreite.
thun ſcheuen wir und nicht trotz ver ausdrücklichen Angabe
des Theophanes, denn letzterer rechnet die Regierungsjahre
Leos von bem Tage feines feierlihen Einzugs in Gonftan;
tinopel an, und fdreibt bem Kaifer Leo deßhalb ein Re
giment von 24 Jahren, 2 Monaten und 25 Tagen zu.
Nicephorus dagegen gibt in feinem Chronikon 25 Fahre,
3 Monate und 14 Tage an, denn er rechnet von bem
Augenblid an, wo fid) Leo gegen ten ſchwachen Theodoſtius
erhob und im Lager αἱ Kaifer ausgerufen wurde ). Das
bei ift gar nidt unwahrfcheinlidh, bag Leo gleich bei Beginn
feiner Eelbfterhebung, alfo noch in ver 14. Indiktion b. i.
im Sabre 716, aud) den im Abentland fo mächtigen Papft
für fid zu gewinnen ſuchte, und ihn fchriftlih feiner Or
thodorie verficherte, wohl wiſſend, daß die italifchen Pros
vinzen des Reichs ihn viel leichter anerfennen würken,
wenn der Papft für ihn fprece.
Hiemit glauben wir die Aufgabe, die wir uns ftellten,
gelöst, und bie Begebenheiten des erften Luftrums ver
Bilverftreitigfeit in ihr wahres Licht und zugleich in bie
richtige d)ronologijde Ordnung geftellt zu haben.
1) Vgl. Schloffer, a. a. Ὁ. €. 143 unb die Noten des Per
tavius zu Nicephori Breviarium de rebüs post Mauritium gestis, ed.
Bonn. p. 127, wo nod) weitere Zeugen für das Saft 716 ober In-
dictio XIV als Otegierungéanfang Leo's beigebracht find.
Hefele
2.
Weber eine Stelle im VIII. Kapitel des von bem 5. An-
tiochenifchen Bifchofe Ignatius an bie Philadelphier
gerichteten Sendſchreibens.
Zu den vielbefprocdhenften und vielgeventetften Stellen
in ben Briefen des Martyr-Bifchofes von Antiodhien gehört
ohne Zweifel folgende im VII. Kapitel feines Briefes an
vie Philavelphier: Πιστεύω τῇ χάριτε Ἰησοῦ Χριστοῦ,
ὃς λύσει ἀφ᾽ ὑμῶν πάντα δέσμον. παρακαλῶ δὲ ὑμὰς
μηδὲν κατ᾽ ἐριϑείαν πράσσειν, ἀλλὰ κατὰ χριστομαϑιαν" 1)
ἐπεὶ ἤκουσα τένων λεγόντων, ὅτι ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχαίοις
εὕρω, ἔν τῷ εὐαγγελίῳ οὐ πιστεύω" κἀὶ λέγοντός μου
αὐτοῖς " ὅτε γέγραπται" ἀπεκρέϑησαν μοι" ὅτι πρόκειται.
ἐμοὶ δὲ ἀρχεῖα ἐφτιν Ἰησοῦς Χριστός, τὰ ἄϑιχτα ἀρχεῖα
ὁ σταυρὸς αὐτοῦ καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ἡ ἀνάστασις αὐτοῦ
καὶ ἡ πίστις ἡ δὲ αὐτοῦ, ἐν οἷς ϑέλω ἐν τῇ προσευχῇ
ὑμῶν δικαιωϑῆναι. So lautet ber Tert der anpjdriften 3).
1) Einige Ausgaben haben faälſchlich χριστομαϑείαν anftatt χριστο--
μάϑειαν Wir haben ferner die verkehrte Interpunction biefer Stelle
in den Ausgaben berichtigt.
2) A (= armenijdje Ueberfegung) bei Petermann s. Ign. epist.
p. 207 (f. giebt die Stelle aljo wieder: „Credo gratiae Jesu Christi,
quod is (hic) solvit (tempus praesens e futur. syrac. videtur expli-
candum) a vobis omnia vincula. Peto a vobis fratres, ne facite
quidquam resistentia (contentione), sed nomine Jesu Christi. Sed
Ἐς) A m UY
IT ve m ri Treten τὰς nee Seele alte wieder⸗
τσ στ ἔα icxime jem rs. «uu selvei a vobis
use vucuhmm Degrecur zm vor mhi secumdem con-
wxüdmem ı sc mmt mimi 3.0 cmd Cases) Émcere, sed
seeundum Uır:sii üseinümmm: qua zmlv: quasdam dicen-
les: ,UOHEMB τὶ nam m vcierhes m veieries mom hat
end Ca: aee m coamehe mas crede*; εἰ dicente
me iS | gels 1,1 crow Cab: „us scriplum
est^. rpespemderemi mun: „um praemeei®. — Mihi
suem priacigumm est Jesus Chr’stes. mepproxmmabilia prin-
cya crux Seis (9&4 cux ji: ced Cab) ei mors εἰ
resureche yems et Ines. quee per ipsum, im quibas volo
m erseec νεῖ msllrszü — er eee las alfo in
teizem Sere - ἐμοὶ dé a o gr ἔσειν ὁ Xp, (ei) ἄϑικχτοι
άφχαι w. (i ag er mühe LS, wien: Dr. an
1, Orbexe ε 3 ἀφχνν, primcupuam. we L ? mium hut;
c. (4 ἢ τις (ofzniz εἶσε Lo... epgr ...- doyrz, prin-
cipium, principium, ve auf L 21): c. 19 ἀρχήν, princi-
pem, L 2 principsium; ı τ Nagy. c. (3 ἐν apyn, in
principio, icit in L 2: a. v. Jem. c. 1 apyr, principium,
we ia principia L 2 Pat, a'i0 ai ἀρχαὶ vielleicht las;
quonism a quibedam, qued dicebemi (dicere s. quosdam dicere):
sí ja bris (scriptis) primes (prieribas, eeywia:) nen laudibus cele-
brster evongelium (cf. G 2, L 2), nea credimus ei. Nonne (Nona
stique) dixi vobis, qued scriptum est (scriptum esse)? quamquam
et icti dicunt, qued abundans (superum, inutile, hand necessarium,
addititium) est. Jam mihi liber primus Jesus Christus est, qui non
rapitur (om. bic vocem .2prsa-), crux (eins) et mors (eius) et re-
surrectio (eins) et fides cius; im quibas (ad verbum „m quibus in
his“) exspecto instificari precibus vestris.
1) G2 beizufügen, war nidjt nothwendig, wie Seber Reit. Uebri⸗
gené it G 2 6 1, mie L z—L 1.
Ep. S. Ignatii ad. Philad. 581
d, b. Smyr. c. 8 ὡς doy», ut principium, L 9 sicut prin-
cipatum ; PBolyf. a. d. Philipp. c. 1: καὶ ὅτε ἡ βεβαία τῆς
πίστεως ὑμῶν ῥίζα ἐξ ἀρχαίων καταγγελλομένη χρόνων
μέχρι νῦν διαμένει; L: et quia firmitas vestrae fidei (jo
af yd) ἃ principio usque nunc permanet; er lag alfo: 7
βεβαιότης τῆς πίστεως ὑμῶν ἐξ ἀρχῆς μέχρι νῦν δια-
μένει; c. 4 ἀρχή, principium; c. 7 ἐξ ἀρχῆς, a principio;
Martyr. Ign. c. 1. p. 550 ed. Jacobs. ἀρχήν, principatum;
Martyr. Polyc. übergeht L c. 10 ἀρχαῖς, wie c. 17 an’
ἀρχῆς; Martyr. Ign. c. 3. p. 372 ed. Dressel ἐν ἀρχαῖς,
in initio. |
Sehen wir jest, wie in bem interpolirten Briefe blefe
Stelle lautet. Παρακαλῶ οὖν ὑμᾶς " undev κατ᾽ ἐρέϑειαν
πράσσετε, ἀλλὰ κατὰ χριστομαϑειαν" 1) ἤκουσα γὰρ τινων
λεγόντων" ὅτι ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχείοις εὕρω τὸ εὐαγγέ-
Ao» ?), οὐ πιστεύω" τοῖς δὲ τοιούτοις ἐγὼ λέγω, ὅτι
ἐμοὶ ἀρχεῖα ἐστιν Ἰησοῦς ὃ Χριστός, οὗ παρακοῦσαι πρό-
δηλος ὄλεϑρος. ᾿Α1ϑικτόν μοι 8) ἐστιν ἀρχεῖον ὁ σταυρὸς
αὐτοῦ xol ó ϑάνατος καὶ ἡ ἀνάστασις αὐτοῦ καὶ ἡ πίστις
ἡ περὶ τούτων, ἐν οἷς ϑέλω ἐν τῇ προσευχῇ ὑμῶν δικαιω-
1) „Dedi γρηστομιάϑειαν ex marg. cod. Ottobon. (jo Bat ber
Gert eines unfeter codd.), in cnius textu et FV (jo hat aud einer
unferer codd.) χριστομάϑιαν, illic mutatum in vulg. yocroua9ea»*
Dreſſel ad h. 1. Snbeffen ift zur Leſeart χριστομάϑιαν zurüdzufehren.
2) Dr. ad h. |. τοῦ εὐαγγελίον BOV (und cod. Augustan. und
unfere codd.). qua lectione admissa, supple τόν νόμον vel τά nag-
eyyéluara vel simile quid.^ Dod) nicht; τοῦ εὐαγγελίου ift cottupt,
mag man nun mit cod. Nydpr. unb L 2 τὸ εὐαγγέλιον fchreiben oder
mit uns [ra] τοῦ εὐαγγελέον, ober nad) εὕρω interpungiren unb τῷ
εὐαγγελίῳ lejen unb mit οὐ π. verbinden.
3) So haben BOV, unfere codd. unb cod. Aug.; cod. Nydpr.
fat αὐϑέντικόν μοι, was ein offenbares Gloſſem iff unb deßhalb von
Dreffel und Anderen nicht aufgenommen werben durfte,
—
580 "T
Der alte fateini ponia ὁμοῦ ἀπιστεῖ"
. gegeben: Cred " 2^ 4,6 πνεύματος. L2 bat:
omne vinculr — ,,, 7^5. ndum irritationem agelis,
tentionem (ty onem; audivi enim quosdam
A ὦ evangelium in antiquis, non
secundum -
gm ego dico, quia mihi antiquitas
»qu' f,
cod. Ca’ z rt gi non obedire, manifestus et irre-
pl Principatus eius est crux el mors
me ip
»» — el fides in omnibus his, in quibus
est“,
aute pr " rola haben einige codd.) in orationibus
ci » "s Qui non credit evangelio, omnibus
γ uh et, quia non praeiudicatur (praeiudicat haben
Er las alfo etwa:
gl jm ) anitiquitali spirius 3).
dn μεομαχίαν" ἤκ u... ἕν τοῖς ἀρχαίοις εὕρω
|«& ἀρχαῖά ἐστιν .... ὄλεϑρος. (N) ἀρχὴ
i .,. οὐ γὰρ (od. ὅτε οὐ) προχρίνεται τ ὧν aQ-
" τὸ πνεῦμα (oder vielmehr und einzig richtig:
, «à ἀρχαῖα τοῦ πνεύματος) u. f. f.
Kehren wir jest wieder zu G τὰ, um näher auf
das Einzelne einzugehen.
ar an
1) So bie in der verauégegangenen Note genannten codd., mo:
gegen Dr. u. A. das Gloſſem rraoxgiverm aus cod. Nydpr. u. L 2 d
2) Ge ift aus eutem nidt zu folgern, bag L 2 παρακ. dE lab.
3) G6 ijt zu emendiren praeiudicatur antiquitas spiritus, die
Leſeart der codd. ifl mibtrfinnig. Es findet fid) übrigens zooxpivev
ep. ad Mag. c. 1... ἧς (8€. τῆς ἑνώσεως, „qua unione“ A). . meo-
κέκριται, „cui nihil praefertur^ L; ad Smyr. c. 6 ὧν (sc. πίστεως καὶ
ἀγάπης) οὐδὲν προκέκριται, „quibus nihjl praepositum est“ L, ber alfo
wohl πρόκειται hier las, vgl. Martyr s. Ign. c. 4 p. 373 ed. Dr. καὶ
T. προκειμένων κι) „de adiacentibus malis 1.“ L bei Bollandus; Ign.
ad Eph. c. 17 (coll. ep. ad Hebr. 6, 18), wo ix προκειμένου mit
„ex praesent^ wiedergegeben ift; in Bezug auf bie Worte αἰχμαλω-
τίσαρ y. f. f. ibid. vgl, Justin. dial. c. Jud. Tryph. c. 39 med.
.*
e*
Pr
Ep. S. Ignatii ad Philad. 583
1) Ueber ἐριϑεέα vol. Fritſche's Exkurs zu Paul. a.
b. Röm. 2, 8, wo aud) bie übrigen Gommentatoren nad
zulefen find, wie aud Winer Gr. p. 60 u. 105 ed. V.
L 1 fat: ,secundum contentionem“; L 2: „secundum
irritalionem*; A: ,resistentia^ — contentione; Qolftein
bei Dr. ad h. 1. „per contentionem.^ — Grebner, Beiträge
a. f. f. Bo. 1, ©. 15 überjegt: „.... Nichts handwerks⸗
mäßig zu tbun u. f. f.”, was er ibid. 9t. 1 näher erklärt;
bod) will υἱεῖς Bedeutung Bier nicht recht paſſen.
2) Das Wefen der χρισετομάϑια ober. χριστομάϑεια
wird aus Matth. 11, 25 ff.; €uf. 10, 21 f.; Matth. 12, 19
erfannt !).
3) Zu ἐν τῷ wvayysllp πιστεύω vgl. Mark. 1, 15:
πιστεύετε ἐν τῷ εὐαγγελίῳ A: „non credimus ei“ i. e.
evangelio.
4) Zu ἡ πίστις ἡ di’ αὐτοῦ vgl. Act. Apost. 3, 16;
A: „fides eius“; Credner L c. „der dur ibn bewirfte
Glaube (an ihn).“ Sacobfon- ad ἢ. 1. p. 419 ed. III. bes
merft: „internum spiritus sancti teslimonium intelligit
Duesterdieckius.^ Da, wie wir unten fefen werden, Igna⸗
tiuó es hier mit Juden oder Jüdiſch-⸗Geſinnten zu thun
hat, jo ift ἡ πίστις ἡ di αὐτοῦ vielleicht von ihm mit
wohl berechneter Adfichtlichfeit beigefügt, da bem Gegner
0 νόμος und τὰ ἔργα τοῦ νόμου vie Hauptfache wären,
bem der νόμος πίστεως allein nicht genügte.
5) ἄϑηκτα codd. Med. und Casan., verfehrt genug.
Denn ,ἄϑηκεος ὁ μὴ rxovguévog καὶ ἀϑηγὶ ἐπίῤῥημα"
ἄϑικτος δὲ ὁ ἀπρθσέγγιστος καὶ ἀϑιγὴ (sic; lied ἀϑεγὶ)
1) Bgl. aud) nod) Matth. 18, 8 mit der Auslegung des Hilarius.
2) Bgl. Justin. 1.1. c. 69: ταῦτα βεβαίαν μου τὴν ἐν ταῖς γραφαῖς
γνῶσιν xai πίσειΨ κατέστησεν,
382 Su Cap. VII
ϑῆναι. Ὁ ἀπιστῶν τῷ εὐαγγελίῳ πᾶσιν ὁμοῦ ἀπιστεῖ"
οὐ γὰρ πρόκειται !) τὰ ἀρχεῖα τοῦ πνεύματος. L 2 fet:
Rogo autem 3) vos, ut nihil secundum irritationem agalis,
sed secundum Christi dimicationem ; audivi enim quosdam
dicenles: „Si non invenero evangelium in antiquis, non
credam. Talibus autem ego dico, quia mihi antiquitas
Jesus Christus est, cui non obedire, manifestus el irre-
missibilis interitus est. Principatus eius est crux et mors
ipsius et resurrectio et fides in omnibus his, in quibus
volo vos (vos volo haben einige codd.) in orationibus
vesiris iustificari. (Qui non credit evangelio, omnibus
Simul non credit, quia non praeiudicatur (praeiudicat haben
einige codd.) arttiquitati spiritus 9). Er las alfo etwa:
e. χρεστομαχίαν' Aa... ἐν volg ἀρχαίοις εὕρω
.... ἐμοὶ τὰ ἀρχαῖα ἐστεν.... ὄλεϑρος. (ἡ) ἀρχὴ
αὐτοῦ .... οὐ γὰρ (ob. ὅτε οὐ) προχρίνεται τὧν ἀρ-
χαέων τὸ πνεῦμα (ober vielmehr und einzig richtig:
προχρ. τὰ ἀρχαῖα τοῦ πνεύματος) u. f. f.
Kehren wir jegt wieder zu G zurück, um näber auf
das Einzelne einzugehen.
1) So die im bet verausgegangenen Note genannten codd,, mo:
gegen Dr. u. 3f. das Gloſſem neoxewerm: aus cod. Nydpr. u. L 2 geben.
3) Es ift aus autem nidt zu folgern, bag L 2 παρακ. ὃ las.
3) G6 if zu emendiren praeindicatur ontiquitae spiritus, die
Lejeart der codd. ift widerfinnig. Es findet fid) übrigens προκρίνειν
ep. ad Mag, c. 1... ἧς (sc. τῆς ἑνώσεως, „qua unione“ A) . . προ-
κέκριται, „cui nihil praefertur^ L; ad Smyr. c. 6 ὧν (sc. πίστεως καὶ
ἀγάπης) οὐδὲν προκέκχριται, „quibus nihjl preepositum est“ L, ber alfo
wohl πρόκειται hier las, vgl. Martyr s. Ign. c. 4 p. 373 ed. Dr. καὶ
T. προκχϑιμέγων x., „de adiacentibus malis 1.“ L bei fBolfanbue; Ign.
οὐ Eph. c. 17 (coll. ep. ad Hebr. 6, 18), wo ?x προχειμένου mit
„ex praesenti^ wiedergegeben ift; in Bezug auf bie Worte αἰχμαλω-
τίσαρ u. j. f. ibid. vgl, Justin, dial. c. Jud. Tryph. c. 39 med.
Ep. S. Ignatii ad Philad. 583
1) Ueber δριϑεέα vgl. Fritſche's Exkurs zu Paul. a.
b. Röm. 2, 8, wo aud die übrigen Gommentatoren nad»
zulefen find, wie aud Winer Gr. p. 60 u. 105 ed. V.
L 1 Bat: ,secundum contentionem“; L 2: „secundum
irritationem*; A: ,resistentia^ — contentione; Holſtein
bei Dr. ad ἢ. 1. „per contentionem.* — Grebner, Beiträge
a. f. f. Bo. 1, ©. 15 überſetzt: „.... Nichts handwerks⸗
mäßig zu thun u. f. f.”, was er ibid. N. 1 näher erklärt;
bod) will dieſe SSebeutung Bier nicht recht paffen.
2) Das Wefen bet χριστομάϑια over χριστομάϑεια
wird aus Matth. 11, 25 ff.; uf. 10, 21 ῇ.; Matth. 12, 19
erfannt 1).
3) Zu ἐν τῷ δυαγγελέῳ πιστεύω vgl. Mark. 1, 15:
πιστεύετε ἐν τῷ εὐαγγελίῳ *) ; A: „non credimus ei^ i. e.
evangelio.
4) Zu ἡ πίστις 5) δι᾿ αὐτοῦ vgl. Act. Apost. 3, 16;
A: „fides eius^; (Grebner L c. „der burd) ihn bewirfte
Glaube (an ibn). Jacobſon ad h. l. p. 419 ed. IH. δὲς
merft: „internum spiritus sancli teslimonium intelligit
Duesterdieckius.^ Da, wie wir unten fehen werben, Ignas
{πὸ εὖ hier mit Juden oder Jüdiſch-⸗Geſinnten zu thun
hat, jo ift ἡ πίστις ἡ di αὐτοῦ vielleicht von ihm mit
wohl berechneter Abfichtlichfeit beigefügt, da dem Gegner
6 νόμος und τὰ ἔργα τοῦ νόμου vie Hauptſache waren,
bem der νόμος πίστεως allein nicht genügte.
5) ἄϑηκτα codd. Med. und Casan., verfehrt genug.
Denn „aImmros ὁ μὴ raovnutvog xoi ἀϑηγὲ ἐπίῤῥημα"
ἄϑικτος dà ὁ angeosyyıorog xal ἀϑιγὴ (sic; lied agıyl)
.1) 33gl. aud) nod) Matth. 18, 3 mit der Auslegung des Hilarius.
2) Bgl. Justin. 1.1. c. 69: ταῦτα βεβαίαν μου τὴν ἐν ταῖς γραφαῖς
γνῶσιν καὶ πίστιΨ κατέστησεν,
582 Su Cap. V"
* € 23 m m - rd
ϑήναι. Ο ἀπιστῶν τῷ ΄ ^ * 4| Baracc. 159 nad)
οὐ γὰρ πρόκειται ') - „7a Steph. ed. Didot i. v.
Rogo autem 3) vos, J "tw 7^, Herausgeber faft alle
sed secundum Chr! — 757," ,,4 unnöthig ift bie Bere
dicentes: „Sin ^ du gelehrten, xeformirten nieder⸗
a0 Mat
credam." Tal ^ yp ber in feiner histor. eccles.
Jesus Christv Au. ἄτηκτα — „non liquescentia,
missibilis iv ——* haberi debent, sed semper
ipsius et —* Hebr. c. XU. fin.“ Ebenſo unnöthig
volo vo 2 A μακίδει, L 1 habe o£ ἀΐκτοι (= ,,d7toó-
vestris AP ἐτρόσικτοι, vgl. Hérm. h. Homer. Merc.
simu — pr y d»aguxros fid unferes Willens nirgends
eini 49) i os ἀρχαὶ gelejen; A: „qui (sc. liber = ἀρ-
pn pitur."
Pg finnen jest in der Erklärung diefer Stelle nicht
ereiten, ald bis wir und vergegenwärtigt haben,
7 Beiftes Kinder bie Gegner find, die Ignatins hier
pn Und ba finden wir, indem wir auf das VI. Ka⸗
itl rüdgehen, daß ber B. Vater hier vor Golden warnt,
pit jadaifiren. Den Geift diefer aber, ſeien es nun
Guben von Haus aus, ſeien es in jüdiſchen SSorurtbeilen
gríangene, lernen wir am beften aus bem Dialog beó
f Juſtinus mit bem Juden Tryphon fennen, in weldem
und ver eifrige Apologet den wie aud immer von ihm
felbft mobificirten Iuden jener Zeit nach beffen Denkungs—
art und bem von diefem ben Griften gegenüber befolgten
Vertheidigungsſyſteme ſchildert. Wir hören dort ben Juden
äußern, daß er nur glaubt, wenn: „7 γραφὴ τοῦτο avay-
κάζει ὁμολογεῖν“ (cap. 57) 1); c. 67 fagt Tryphon: „ei
1) G6 heißt eigentlich ὅτι d yo... φαίνεται, was bezeichnend ift.
Ep. S. Ignatii ad Philad. 585
ἀναγκαζουσί us ὁμολογεῖν.“ Daher bie Bitte des
»καὶ ἡμᾶς οὖν προβίβασον ἐκ τῶν γραφῶν, ἵνα
υϑῶμεν καὶ ἡμεῖς“ (c. 90 coll. cc. 68, 70 u. ſ. f.).
t betont e8 Iuftinus nachdrücklich: διὰ πάντων τῶν
yo» ἀπὸ τῶν nag ὑμῖν — i. e. Ἰουδαίοις — ἁγίων
xal προφητικῶν γραφῶν τὰς πάσας ἀποδείξεις ποιεῖσθαι“
(c. 32 coll. cc. 55, 56, 58, 59, 61, 63, 64 u. f. fJ;
„os ὑμῖν φίλον πράξω“ fagt er c. 70. Sa Tryphon et
innert ben Juſtinus ausdrücklich daran: καί gov λέγοντος
οὐκ ἠνειχόμεϑα, εἰ μὴ πάντα ἐπὶ τὰς γραφὰς avınyes“
(c. 56). Iuftinus felbft räumt denn aud) ein: „ei τοῦτο
ἀνϑρωπείοις διδάγμασι ἢ ἐπιχειρήμασιν ἐπεβαλόμην ἀπο-
δειχνύναι, ἀνάσχεσϑαί μου οὐκ ἂν ἔδει ὑμᾶς" εἰ δὲ γρα-
φὰς καὶ u. j. f." (c. 68).
Kehren wir jept wieder zum Ignatius 3urüd, fo fragt
es fidj zunaͤchſt: wer ober was wird in den Worten ἐν
τοῖς ἀρχαίοις bezeichnet. Es kann eben fo gut ein Mas-
culinum (vgl. Matth. V, 21, 27, 33), als ein Neutrum
fein. Im erften Sale wird die Erklärung des Bullus,
baf Bier bie „DW, veteres rabbini sive magistri 1) ac
doctores Hebraeorum, qui aliquot annis ante domini nostri
adventum claruerunt; quorum παραδόσεις et διδάγματα
Judaei et qui cum ipsis insaniere, pro oraculis habue-
runt^ *) zu verftehen feien, wohl ſchwerlich Jemand am
nehmbar finden. (δ (inb einfach die Verfafler der παρὰ
1) Suftinué nennt diefe dıdaoxaloı 1. 1. 4. 98. c. 38, 48, 62 (mo
bie Note Maran’s zu vgl. ift), 71, 83, 94, 110, 112, 117, 134, 136;
c. 36 nennt er fie οἱ παρ᾽ ὑμῖν — i. e. Ιουδαίοις — ἐξηγηταίς et cha⸗
tafterifitt fie näher c. 112; vgl. aud) nod) c. 82.
2) Bgl. Bull. Jud. Eccl. Cath. VII, 9. tom. VL, p. 208 ed.
Burton. citirt von Jacobſon ad h. 1. p. 416.
/
584 : Zu Cap. VIII
ἐπίῤῥημα ἀντὶ τοῦ ἀπροσεγγιστί““ cod. Baracc. 159 nad)
einer Mittheilung Gramer'ó im Thes. Steph. ed. Didot i. v.
ἄϑηχκτος. Richtig haben alfo bie Herausgeber faft alle
ἄϑικτα geſchrieben. Mindeſtens unnöthig ift die Vers
muthung des übrigenà fer gelebrten, rveformirten nieder
[ánbifden Theologen Venema, der in feiner histor. eccles.
saec. II. €. 37 vermuthet: ἄτηκτα τῷ „non liquescentia,
non diffluentia, sicut legalia haberi debent, sed semper
durantia, uti ep. ad Hebr. c. ΧΙ. fin.^ Ebenſo unnöthig
würbe εὖ fein, zu vermuthen, L 1 habe o£ Gixror (= „arıoo-
oo“ Heſych., ἀπρόσικτοι, vgl. Hérm. ἢ. Homer. Merc.
346) oder, ba ἀνγάφικτοι fid unferes Wiſſens nirgends
findet, ἀγέφικτοι ἀρχαὶ gelejen; A: „qui (sc. liber = ag-
yeiae) non rapitur.“
Mir fónnen jest in der Erklärung diefer Stelle nicht
eher fortjchreiten, al8 bis wir und vergegenwärtigt haben,
weflen Gelftes Kinder die Gegner find, die Ignatius hier
befümpft. Und ba finden wir, indem wir auf das VI. a:
pitel zurüdgehen, daß der D. Vater hier vor Golden warnt,
die jubalfiven. Den Geift diefer aber, feien e8 nun
Juden von Haus aus, feien ed in jüdiſchen Vorurtheilen
Befangene, lernen wir am beften aus bem Dialog bed
5. Suftínud mit bem Iuden Tryphon fennen, in welchem
uns der eifrige Apologet ben wie auch immer von ifm
felbft mobificirten Juden jener Zeit nad) beffen Senfungés
art unb bem von diefem ben Ehriften gegenüber befolgten
Bertheivigungsiyfteme ſchildert. Wir hören dort den Juden
äußern, daß er nur glaubt, wenn: „7 γραφὴ τοῦτο avay-
καζει ὁμολογεῖν“ (cap. 57) ); c. 67 fagt Tryphon: „ad
1) G6 Heißt eigentlich ὅτι dj yo... φαίνεται, was bezeichnend fft.
Ep. S. Ignatii ad Philad. 585
γραφαὶ ἀναγκαζουσί us ὁμολογεῖν“ Daher bie Bitte des
Tryphon: ,xol ἡμᾶς οὖν προβίβασον ἐκ τῶν γραφῶν, ἵνα
σοι πεισϑῶμεν καὶ ἡμεῖς“ (c. 90 coll. cc. 68, 70 u. . f.).
Daher betont es Iuftinus nadjorüdlid): „due πάντων τῶν
λόγων ἀπὸ τῶν παρ᾽ ὑμῖν — i. e. Ἰουδαίοις — ἀγέων
καὶ προφητικῶν γραφῶν τὰς πάσας ἀποδείξεις ποιεῖσϑαι“"
(c. 32 coll. cc. 55, 56, 58, 59, 61, 63, 64 u. ſ. f.);
„wg ὑμῖν φίλον πράξω“ fagt er c. 70. Sa Tryphon er
innert ben Juftinus ausdrüdlicd daran: ,xoí σου λέγοντος
οὐκ ἠνειχόμεϑα, el um πάντα ἐπὶ τὰς γραφὰς αἀνῆγες"
(c. 56). Iuftinus jelbft räumt denn aud) ein: „ei τοῦτο
ἀνϑρωπείοις διδάγμασε ἢ ἐπιχειρήμασιν ἐπεβαλόμην ἀπο-
deixvuvou, ἀνάσχεσϑαί μου οὐκ ἂν ἔδει ὑμᾶς" εἰ δὲ γρα-
φὰς καὶ u. j. f." (c. 68). |
Kehren wir jegt wieder zum Ignatius zurüd, fo fragt
es fidj zunaͤchſt: wer over was wirb in ben Worten ἐν
τοῖς ἀρχαίοις bezeichnet. Es kann eben jo gut ein Mas-
cufinum (vgl. Matth. V, 21, 27, 33), al8 ein Neutrum
fein. Im erften alle wird die Erklärung des Bullus,
baf bier die „D’%P, veleres rabbini sive magistri 1) ac
doctores Hebraeorum, qui aliquot annis ante domini nostri
adventum claruerunt; quorum παραδόσεις et διδάγματα
Judaei et qui cum ipsis insaniere, pro oraculis habue-
runi *) zu verftefen feien, wohl ſchwerlich Semanb am
nefmbar finden. Es find einfach die SRetfajfer der παρὰ
1) Iuftinus nennt diefe διδάσκαλοι 1. 1. 4. 3B. c. 38, 48, 62 (mo
bie Note Maran’s zu vgl. ift), 71, 83, 94, 110, 112, 117, 134, 136;
c. 96 nennt er fie οἱ παρ᾽ ὑμῖν — i. e. Joudaloıs — ἐξηγηταί: et da:
rakteriſirt fie näher c. 112; vgl. aud) nod) c. 82.
2) Vgl. Bull. Jud. Eccl. Cath. VII, 9. tom. VL, p. 208 ed.
Burton. citirt von Sacobfon ad h. 1. p. 416.
LY
586 Yu .Cap. VIII
Ἰουδαίοις ἁγίων καὶ mooquro)v γραφῶν gemeint. Als
Neutrum gefaßt, wird etwa βιβλέοις ober γράμμασι zu
ergänzen und ed werben Darunter bie altteftamentlideu
Schriften zu verftehen fein.
Was erwiedert Ignatius ihnen? Ginfad: „yeyeam-
«ae Aber wo?!) Offenbar „Dr τοῖς ἀρχαίοις“ ; denn:
„eav μὴ ἐν τοῖς ἀρχαίοες εὕρω, ἂν τῷ εὐαγγελέῳ οὐ
σειστεύω."
Die Gegner geben bem in fofort zur Antwort:
»Q0x8LT au
Diefed „rooxezar“ ift nun aber höchſt verſchieden
" ausgelegt.
1) Hug in feiner &inleitung erklärt: „Diejes ver
dient ben Vorzug” (8 Dat πρφοκεῖσθαι allerdings
biefe Bedeutung, aber nur in Verbindung mit bem
Genitiv des Gegenftaubeó, bet von einem au
beren übertroffen wird.
2) Holftein bei Drefiel p. 181 überfegt unjete
Etelle: „nisi in archivis, hoc est, in evangelio invenero,
non credo, et cum dioerem ipsis, quod in scripturis ha-
betur, responderunt mihi, id omnibus patere. Indeſſen
hat er a) bie handſchriftliche Leſeart voillfürlid) verändert;
b) in höchſt ungeſchickter und geiftlofer Weife ἐν τῷ evoy-
γελέῳ als Appofition zu ἐν τοῖς ἀρχεῖοις, wie er licóf,
1) Bullus — vgl. Jacobſon ad h. l p. 418 — meint 1. 1. ἐν
τῷ εὐαγγελίῳ; zu fpielend und gefudyt, bem Sujfammenbange aud) nit
angemefjen. Gine joldje PBläfanterie darf man bem ἢ. Biſchofe wohl
ſchwerlich zuf reiben. Derſelbe erklärt ferner nodzeza duch: εὖ ifl
fo [don früher (nimlid vor dem Evangelium) feftgeftellt, be
flimmt worden (nàmlid von ben jübijdjen Mabbinern, vgl. oben).
Wahrlich eine zecht gefünjlelte und gefdjranbte und verſchrobene Gr
Härung.
Ep. S. Ignatii sd Philad. 581
genommen; c) lag bem Juden ober Jüdiſch-Geſinnten Nichts
an einem Beweife aus dem Evangelium, fondern er wollte
feinem Standpunkte gemäß aus dem A. T. vie SBemeije
geführt willen; d) wird πρόκειται wohl ſchwerlich [o ab»
icut im Sinne von manifestum esse alà bei den Griechen
üblich nachgewiefen werben fünnen. Eben Diefes gilt and
von Credner's Erflärung L.1.p. 15: „Jo iit bie Sache
ausgemacht, fo hat εὖ [εἶπε Richtigkeit.“ Wahr
li jo leichten Kaufs werden bie Gegner ihre Sache wohl
ſchwerlich aufgegeben haben.
3) Routh reliq. sacr. tom. IL, p. 212 ed. I. erflärt:
teris ac germanis scripturis adiectum est^ mit Berufung
auf Heſychius, ber προκείμενα burdj παρακείμενα und
πρόχειται durch παράκϑιται erklärt. Indeſſen a) hat Stout
in ber ed. IL, tom. IL p. 327 seq. unfere Stelle wegge-
laſſen. b) Sft dieſe Erklärung des Heſychius, wie fo viele
andere, ein „ipse fecit*, was er ficherlich nad) irgend einer
verberbten Stelle eines Schriftſtellers fid) felber ausgeflügelt
fat. Denn er, wie Suidas, Möris, Thomas Magifter,
Phrynichus u. f. f. hätten eines Lehrmeifters, der ihnen
jeigte, was Griedjijd) fei, was nicht, höchſt dringend beburft.
Coll diefe Erklärung, bie aud) A befolgt, angenommen
werben, jo ift unbebenflid mit Alberti in ber Note zu
Heſychius in v. πρόσκειται i. e. ἐκ προϑήκης nern“
aud hier πρόσκειται, be[jen opp. ἀφήρηται bei Plat,
Cratyl. p. 393 D fid) findet, zu fchreiben; ba πρὸ und πρὸς
1) In ber Stelle Epiph. de ponderib. et mens. c. 8, melde
Routh für feine Deutung aud) nod) angerufen gat, liest 3Baloié in
feiner ep. ad Usser. de versione LXX interpret. παράκειται für
πρόκειται; über diefe Stelle zu einer anderen Seit und an einem ans
deren Orte.
4
586 Yu ‚Cap. V"
wem, "vgl à. Ὁ.
Allein a) ift εὖ mif:
, 4nberumg vorzunehmen;
Schriften zu verſtehe „ll, au eng; man muß
Was erwieder ggnatius habe ſich auf die
sou" Aber wo , Jitt als interpolirt abgewieſen
"1 μὴ ἐν t νῷ nicht von allen Stellen ders
πιστεύω." um Gegen Voß vgl. Ittig histor.
Die © 1,7 9- Zügen wir Diet nod) bei, taf
Ἰουδαίοις ἁγίων καὶ πρί
Neutrum gefaßt, wird
ergänzen und 28 We
sg Ox. i sd ἃ. 1. am Rande [eine Gremplaró
Die‘ it ἴσως ὅτι pro οὔτε, was gat nicht
ausgele d lí Angeſichts des Ov, γέγραπται; nicht
: οὐ in die Vermuthung des Voß οὐ πρό-
die MP. παράκειται jein [ο΄. |
bic ": sii υἱεῖδι und, um nicht langer mit nicht minder
e jg werfehrten Deutungen Anderer, vie man bei
we ah L. nacdhlefen mag, und unnöthiger Weiſe
y (oom nichts Anderes übrig, als ben Zuſammen⸗
* wt game Stelle zu betrachten, um δὰ fehen, ob
ak auf dieſem, allein zuläßigen Wege ohne Aende⸗
gati ohne zu gezwungenen Erklaͤrungen unſere
gioi za nehmen, οἷς finns und ſprachgemaͤße Bedeutung
yon 9er zu finden vermögen. Ignatius hat fun
set OU Philadelphier gebeten, μηδὲν κατ᾽ ἐρυϑείαν
Der Sube aber, wie bie ibm Gleichgeſinnten,
wat ιστος xol κενός (Justin. l.l. c. 64); das φιλο-
stir (ib. c. 117), das φιλεριστεῖν (ibid. c. 118) mat
κὰκ Handwerk, mit ibm wat nie auszukommen. Die
δύγησις der LXX, „un εἶναι ἔν τισιν ἀληθῆ“, war eine
finer Antworten, „un οὕτω yeygapdau“ eine andere, ein?
peitte, die Stelle müfje in anderer Weile ἐξηγεῖσϑαι (sg!
Ep. S. Ignatii ad Philad. 589
u. 71); „za μὲν τοῦ ϑεοῦ ἁγιὰ ἐστιν, oi δὲ
ἐξηγήσεις τετεχνασμέναι εἰσίν, ὡς φαίνεται καὶ
. ἐξηγημένων ὑπὸ σοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ βλάσφημοι“,
dert Tryphon ib. c. 79 bem Juſtinus. ine ähnliche
.ntmott erhielt aud) Ignatius, nümlid): πρόκειταις, —
baó ift ed eben, was dahin ftebt, warum es
fih Banbelt, vas ift εὖ, was in Frage (tebt,
basiftes, was bewiefen werden muß, dieſes
eben tft ναὸ προκείμενον. Die Belege für diefe
Bedeutung von rrgoxelodeı, weldher 9tudjat, Wocher, Arndt,
Hefele, Jacobſon u. f. f. beiftimmen, finden fid) in ziem-
lider Anzahl im Thes. Steph. ed. Didot. in h. v. Diefe
Grflárung beftätigt aud) das folgenbe ἄϑικτα, das, an
bem man Nichts drehen unb wenden fann, wie
bie von Ignatius fogleid) angeführten Thatfachen, bei denen
das bei Echriftftellen allenfalls mögliche Drehen unb Wen-
ben wegfällt, bie eben als Thatjachen nicht angefochten,
nicht in Frage geftellt werden fónnen, bie als foldje ihr
eigener Beweis find, auf die dad οὕτω un γεγράφϑαι u. f. f.
feine Anwendung finden fann.
Im Folgenden haben bie codd. ἀρχδῖα .... ἀρχεῖα,
was Sacobfon, Petermann und nad Hefele’s Note ad h. 1.
Uhlhorn beibehalten; L las ganz anders, wie wir oben
nadgemiefet haben; G 2 hat freilich jegt ) ἀρχεῖα ....
ἄϑικτον .... ἀρχεῖον, aber L 2 fand ebenfalls in feinem
Eremplare eine ganz andere Qefeatt, wie wir das aud
oben bemerkt haben; über A vgl. Note 2 ©. 579. Wie
aber oben Voß, Eotelier, Smith, Semler, Orelli, Giefeler,
1) Wir glauben, daß in G 2 ἐν τοῖς ἀρχαίοις .... doyaia ἔστιν
... ἐστὶν ἀρχαῖον zu ſchreiben ift.
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV, Heft. 39
588 Zu Cap. ΥΠΙ
eben fo leicht, als oft, verwechjelt werben‘, vgl. 3. 9.
Schwegler zu homil. Clem. 2, 41. Allein a) ift es mif»
lich, gegen die codd. und L eine Aenverung vorzunehmen;
b) ift diefe Erklärung zu fpeciell, zu eng; man muß
alétann mit Voß annehmen, Ignatius habe ὦ auf bie
LXX berufen, weld ber Sube als intetpolitt abgewiefen
habe; das aber fonnte bod) nicht voa allen Stellen bet,
jelben behauptet werden. Gegen Voß vgl. Ittig histor.
eccles. capp. sel. II, p. 97. Fügen wir bier nod) bei, daß
Pearfon nah Smith ad h. 1. am Rande feines Exemplars
beigefchrieben hatte: ἔσως ὅτε pro οὔτι, was gar nidt
wabr[deinlid) ift Angefihts bed Ov. γέγραπται; nicht
minder entbehrlich ift bie SBermutfung des Voß οὐ πρό-
κειταὶ, was — οὐ παράκειται fein fol. | |
4) Somit bleibt und, um nicht länger mit nicht minder
gefuchten, al& verkehrten Deutungen Anderer, ble man bei
Sacobjon ad ἢ. 1. nadjfejen mag, uns unnöthiger 9Belje
zu befchäftigen, nichts Anderes übrig, als den Zufammen-
bang bet ganzen Stelle zu betrachten, um zu feben, ob
wir nicht auf biefem, allein zuläßigen Wege ohne Aende
rungsverfuche, ohne zu gezwungenen Erklärungen unfere
Sufludjt zu nehmen, ble finns und fpradgemáfe SBebeutung
von προκεῖσϑαι zu finden vermögen. Ignatius hat fur
vorher bie Philavelphier gebeten, μηδὲν κατ᾽ ἐρεϑείαν
πράσσειν. Der Sube aber, wie bie ihm Gleichgefinnten,
war φιλέριστος καὶ κενός (Justin. 1. 1. c. 64); das φελο-
verxeiv (ib. c. 117), das φιλεριστεῖν (ibid. c. 118) war
fein Handwerk, mit ibm war nie anszufommen. Die
ἐξήγησις der LXX, „um elvat ἔν τισιν ἀληθῆ“, war eine
feiner Antworten, „un οὕτω γεγράφϑαι“ eine andere, eine
ptitte, die Stelle müfje in anderer Weife ἐξηγεῖσθαι (vgl.
Ep. S. Ignatii ad Philad. 589
ib co. 68 u. 71); „za μὲν τοῦ ϑεοῦ ἁγιὰ ἐστιν, αἱ δὲ
ὑμέτεραι ἐξηγήσεις τετεχνασμέναι εἰσίν, ὡς φαίνεται καὶ
& τῶν ἐξηγημένων ὑπὸ σοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ βλάσφημοι",
erwiedert Tryphon ib. c. 79 tem Juftinus. ine ähnliche
Antwort erhielt auch Ignatius, nämlich: νπρόκειται“, —
bag ift es eben, was dahin ftebt, warum es
jii Banbelt, das ift εὖ, ταῦ in Frage ftebt,
das ift es, was bewiefen werden muß, diefes
eben [ft Das προκείμενον. Die Belege für biefe
Bedeutung von προκεῖσθαι, weldyer Ruchat, Wocher, 9Itmbt,
Hefele, Iacobfon u. ſ. f. beiftimmen, finden fid) in ziem-
liher Anzahl im Thes. Steph. ed. Didot. in h. v. Diefe
Grflárung beftätigt audj das folgende ἄϑεκτα, bae, an
bem man Nichts drehen unb wenden fann, wie
bie von Ignatius fogleich angeführten Thatfachen, bei denen
das bei Schriftftellen allenfalls mögliche Drehen und Wen
ben wegfällt, bie eben als Thatſachen nicht angefochten,
nicht in Frage geftellt werden fónnen, die als folde ihr
eigener Beweis find, auf bie das οὕτω μὴ γεγράφϑαι u. f. f.
feine Anwendung finden fann.
Sm Folgenden haben bie codd. ἀρχεῖα .... ἀρχεῖα,
was Sacobfon, Petermann und nach Hefele’s Note ad ἢ. 1.
Uhlhorn beibehalten; 1, [αὖ ganz anders, wie wir oben
nadhgewiefen haben; G 2 hat freilich jegt ') ἀρχεῖα ....
ἄϑικτον .... ἀρχεῖον, aber L 2 fand ebenfalls in feinem
Eremplare eine ganz andere Qefeart, wie wir das aud)
oben bemerkt haben; über A vgl. Note 2 ©. 579. Wie
aber oben Voß, Gotelier, Smith, Semler, Orelli, Giefeler,
1) Wir glauben, bag in G 2 ἐν τοῖς ἀρχαίοις .... doyaia ἐστιν
... ἐστὶν ἀρχαῖον zu ſchreiben ift.
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV, eit. 39
588 Su Cap. Vli
eben fo leicht, als oft, verwechfelt werben, vgl. 4. 98.
Schwegler zu homil. Clem. 2, 41. Allein a) ift εὖ mif;
lich, gegen bie codd. und L eine Aenderung vorzunehmen;
b) ift biefe Erklärung zu fpeciell, zu eng; man muß
alstann mit Voß annehmen, Ignatius habe fid) auf bie
LXX berufen, welche ber Jude als interpolirt abgewiefen
habe; das aber fonnte bod) nicht von allen Stellen ver
felben behauptet werden. Gegen Voß vgl. Ittig ἰδίου.
eccles. capp. sel. II, p. 97. Fügen wir hier nod) bei, taf
SBearfon nad Smith ad h..1. am Rande feines Exemplare
beigefchrieben hatte: ἔσως ὅτε pro οὔτε, was gar nidi
wahrſcheinlich ift Angefihts ved Ov. γέγραπται; nidt
minder entbehrlich ift bie Vermuthung beó Voß ov πρό-
κεῖται, was — οὐ παράκειται fein fol. — |
4) Somit bleibt uns, um nicht länger mit nicht minder
gefuchten, als verkehrten Deutungen Anderer, die man bei
Jacobſon ad ἢ. 1. nachleſen mag, uns unnöthiger Weile
zu befhäftigen, nichts Anderes übrig, ald ben Zufammen-
hang bet ganzen Stelle zu betrachten, um zu feben, ob
wir nicht auf diefem, allein zuläßigen Wege ohne 9lenbe
rungsverſuche, ohne zu geziwungenen Erklärungen unjere
Zuflucht zu nehmen, die finn- unb fpradjgemáfe Bedeutung
von προκεῖσϑαι zu finden vermögen. Ignatius hat fun
vorher bie Philadelphier gebeten, μηδὲν κατ᾽ ἐρυϑείαν
πράσσειν. Der Sube aber, wie bie ihm Gleichgefinnten,
wat φιλέριστος καὶ κενὸς (Justin. 1.1. c. 64); das φιλο-
verxeiv (ib. c. 117), das φιλεριστεῖν (ibid. c. 118) wat
fein Handwerf, mit ihm war nie auszukommen. “Die
ἐξήγησις der LXX, „un εἶναι ἔν τισιν ἀληθῆκ, war eine
feiner Antworten, „un οὕτω yeygaq 9o eine andere, eine
pritte, bie Stelle müfje in anderer Weiſe ἐξηγεῖσθαι (vgl.
Ep. S. Ignatii ad Philad. 589
ib cc. 68 u. 71); „za μὲν τοῦ ϑεοῦ ἁγιὰ ἐστιν, ai δὲ
ὑμέτεραι ἐξηγήσεις τετεχνασμέναι δἰσίν, ὡς φαίνεται καὶ
& τῶν ἐξηγημένων ὑπὸ σοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ βλασφημοι,
erwiedert Tryphon ib. c. 79 dem Juſtinus. ine ähnliche
Antwort erhielt aud Ignatius, nämlih: „mooxeza“, =
ba6 ift es eben, was dahin ftebt, warum ἐδ
fid Banteít, das ift ed, was in Frage ftebt,
basift es, was bewiefen werden muß, dieſes
eben (ft das mooxeíusvo». Die Belege für dieſe
Bedeutung von προκεῖσθαι, welcher 9tudjat, Woher, Arndt,
Hefele, Jacobſon u. f. f. beiftimmen, finden ftd) in atem:
liher Anzahl im Thes. Steph. ed. Didot. in ἢ, v. Diefe
Grflárung beftätigt auch das folgende ἄϑεκτα, das, an
bem man θὲ 16 drehen und wenden fann, wie
bie von Ignatins fogleih angeführten Thatfachen, bei denen
das bei Ehriftftellen allenfalls mögliche Drehen unb Wen,
ben wegfällt, bie eben als Thatfachen nicht angefochten,
nicht in Frage geftellt werben fónnen, bie als foldye ihr
eigener Beweis find, auf ble das οὕτω un yeypapdaı u. f. f.
feine Anwendung finden fann.
Sm Folgenden haben die codd. doxela .... ἀρχεῖα,
was Sacobfon, Petermann und nad) Hefele's Note ad ἢ. I.
Uhlhorn beibehalten; L las ganz anders, wie wir oben
nachgewieſen haben; G 2 hat freilich jet 1) ἀρχεῖα ....
ἄϑικτον .... ἀρχεῖον, aber L 2 fand ebenfalls in feinem
Eremplare eine ganz andere Lefeart, wie wir das aud
oben bemerft haben; über A vgl. Note 2 ©. 579. Wie
aber oben Voß, Eotelier, Smith, Semler, Orelli, Giejeler,
1) Wir glauben, daß in G 2 ἐν τοῖς ἀρχαίοις .... ἀρχαϊά ἔστιν
... ἐστὶν ἀρχαῖον zu ſchreiben ift.
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV, Heft. 39
590 Zu Cep. Vill Ep. S. Ignatii ad Philad.
Wake, Woher u. f. f. (vgl. Jacobſon ad h. 1. p. 416) in
ben &ert gegen bie codd., gegen L unb L 2 auó bem .
jegigen Serte von G 2 ἀρχείοις faljd genug G aufge
brungen haben, wie bie ganze Stelle lehrt und Clericus
ad h. 1. fattjam bargetfan hat; ebenfo verräth es wenig
fritifhen Sinn, bie faljde Lefeart ber codd. und unferes
jebigen G 2 gegen L 2 beibehalten zu wollen. Es muß,
bünft und, Seber fühlen, daß ἀρχαῖα unb nichts Anderes
von Ignatius hier gefchrieben fei. Markland's Vermuthung
aber, daß apxalos ἐστιν zu leſen fei, ift eben fo überflüſſig
und faljd, aló die von Junius vorgejchlagene, von Drefiel
erwähnte Vermuthung, bag ep. Polyc. ad Philipp. c. 6
τοὺς ἀποπεπλανημένους anftatt τὰ αἀποπεπλανημένα zu
ſchreiben jel, die wir anderdwo ald unbegründet und faljd)
nachgewiefen haben.
Ignatius, des Hin: und Gerbifputirené mit foldeu '
Gegnern müde, beruft fid), um bie Sache fury abzumaden,
anftatt auf Schriftftellen und Worte, auf Thatſachen ges
treu dem Beifpiele feines Meifters im Evangel. Joh. 14,
11; 5, 36; 10, 25.
Paris in festo corporis Christi 1857.
Dr. Nolte.
3. ?
Weber Sprüchw. 24, 16,
Die Bulgata liefet Spr. 24, 16: Septies enim cadet
justus οἱ resurget; impii autem corruent in malum. Es
ift bei diefer Stelle 1) zu unterfuchen, ob fie vom Fallen
in Unglüd over vom Fallen in Sünde verftlanben
werben müjje, 2) was ed mit bem Zufage in die (septies
in die cadet [-dit] justus) für eine Bewandtniß habe.
1) Geben wir a) auf ben Sinn und bie Bedeutung
ber an diefer Stelle gebrauchten hebräifchen Wörter, fo
werben wir die Stelle von Unglüdsfällen zu erflären haben.
„Hallen und nicht wieder auffteben" ift nämlidy im Hebräir
hen eine häufig vorfommenbe Redensart von folden Men,
ihen, bie hoffnungslos in Trübfal oder Ofnmadt und
Sob barniebet liegen. ©. Jer. 25, 27; Jeſ. 24, 20;
Amos 8, 14. Diefelde Bedeutung von 59) und CP geht
aus Pi. 37, 24; 145, 14; Epr. 24, 17; Mid. 7, 8
hervor. Dom fittlihen Falle fommt, jo viel ich weiß, p
eben jo wenig fiher vor, ald Dip von Belehrung.
b) Parallelftelen fordern unà auf, bie Worte von
lingiüdéfállen zu erflären. Den Gerechten fügt unb
fügt Gott, ver Böfe erliegt im Unglüd; das ift ein Satz,
ben wir aud) Epr. 11, 28; Pf. 34, 19 ff.; 37, 24; 52,
9 5.5 145, 14; Sob. 5, 19 unb a. a. Stellen lejen. c) bet
Su[ammenfang fordert gebiertjd) jene Erklärung. Zuförverft
39 *
592 lieber Sprüchw. 24, 16.
ift der in Rebe ftebenbe Vers pie Begründung des vorher:
gehenden. Diefer aber heißt nad) bem hebr. Terte: „Stelle
nicht nach, wie ein Frevler, ber Wohnung des Gerechten und
nicht übe Gemalt gegen feine Rubheftätte” ; wie ſchön paßt nun:
„denn er fallt fiebenmal und fteht wieder auf“, b. i. denn
wie oft er aud) in Unglüd fällt, fo richtet er fi bod) durch
Gottes Hülfe immer wieder auf, b. B. denn bu wirft bod
auf bie Dauer nichts gegen ihn ausrichten, ba nur bie
Böfen im Unglüd erliegen. Schlecht würde pafjen: „venn
er fünbigt nicht mit Hartnädigfeit, er befehrt ſich glei
nad feinem Falle.” Darf man ja aud) dem größten Sün-
der nicht nadjftellen, nicht Gewalt gegen ihn üben, wenn
er fih aud) gar nicht befehrt! Zudem ift ber Parallelis-
mus unferer Auffafjung gün(ítig. Der zweite Halbvers
heißt offenbar: „Die Bottlojen liegen im Unglüd barnieber,
ſtürzen im Unglüd darnieder,“ denn wollte man etwa über
tragen: „die Gottloſen flürzen ganz in Sünde,” fo wäre
der Sinn matt, denn wer fann vom Gottlofen etwas att
ders erwarten? Muß aber der zweite Halbverd von Uns
glüd, nicht von Sünde gebeutet werden, fo weifet ung ber
Parallelismus an, auch ben erften alfo aufzufafjen. d) Diefe
Deutung trägt ſchon ber Hi. Auguftinus mit aller Ent:
fchiedenheit vor. Gr fchreibt de civ. Dei 11, 31:. Septies
cadet justus et resurget, i. e. quotiescumque ceciderit,
non peribit. Quod non de iniquitatibus, sed de tribulatio-
nibus ad humilitatem perducentibus intelligi voluit. Aehn⸗
lid) de trin. 2, 31, unb an einer andern Stelle (serm.
117 in ps. 118): ,septies cadet justus et resurget, i. e.
non peribil justus, modis omnibus humiliatus, sed fon
praevaricatus, alioquin non erit justus.^ Calmet zählt
eine Menge Erflärer auf, welche tiefe Auffafjung billigen
Ueber Sprüchw. 24, 16, 593
und Cuer (theol dogm. et mor. t. 1. p. 244) fagt, daß
P. Smits au dj deßhalb verfelben beiftimme, weil tie Juden
das Sprüchwort hätten: „Sieben Gruben geübt, man bem
Sohne des Friedens, unb er entgeht ihnen; aber eine eins
jige genügt für ben Uebelthäter.“ e) Ga(met meint zwar,
daß auch der andere Sinn gut (n ben Zufammenhang pafle,
aber er überfebt bann ble Worte ber Bulgata im V. 15:
ne insidieris et quaeras iniquitatem in domo justi elc. alfo:
„Forſche und fude nicht nad) Bosheit im Haufe des Ger
rechten und ftöre nicht baburd) feine Ruhe, denn er wird
zwar auch fünbigen, aber fid bald befefren." Jedoch
müffen wir offenbar die Vulgata mit Anfchließung απὸ
Hebraifche überfepen, ba ihr feine andere Lesart zu Grunbe
zu liegen fheint, und bann paßt unfere Erklärung 6efjet
jum Folgenden („vergreife bid) an dem Gerechten nicht,
auch deinen Feinden gönne fein Unglüd und beneibe nicht
ihr Gfüd 1^). Deßhalb überträgt audy ſchon Ulenberg (1630)
unb ber Benediktiner Erhard richtig: „Made nicht liftige
Anſchläge unb jude nicht Unrecht zu thun im Haufe des
Geredjten 2c." Wer an ber SBebeutuag von SYS), mor,
nad) ed banieberftürgen und liegen heißen fol, Anftoß nehs
men möchte, bebenfe, daß You» Spr. 16, 18 im Parallelis,
mus mit "2V ftebt, und taf Gjed. 33, 12 genau in
demſelben Sinne das fragfidje Wort vorfommt. “Diejenigen,
melde bie Stelle von einem Sündenfalle ver
fteben, find in ihren Meinungen nidt einig.
Manche wollen daraus beweilen, daß es läßlihe Sünden
gebe, weil εὖ von einem Gered) ten heiße, taf er falle;
ber Ball alfo bebe tie Gerechtigkeit nidt auf. Wie aber,
menn Ezechiel 33, 12 ſpricht: „ven Gerechten wird feine
Gerechtigkeit nicht retien am Tage, wo er fündigt, unb ben
30M dee Sur. 28 14
Borer vu «ne Pester ur Tecergncufem m 3age we
e mmfeSr: som αι» log dí 29d wohl ox Kern
Zünven τς ete oe xem. cec 2i acer qecedt 46
weisu wız. Ter 5, Cıeruwmud 3uir wer xm Lafer,
σα sem Einte ne Nede 76,2 ıfer ec meint, gemmft werte
zr ummerün nef jetmunr, weder ce Zunge wäh
SuGinpeÉ werner ane. — Seples cad mies. Kreide ex zu
sex Ratifaé, e$ sesumpi Fi εἰς quamsde pulus? Ss
jgees, quemedo cadit ^ Sed puli vocabulum non milk,
qu per peemtemiam semper sesurp ΕΝ men solum
sepes, sed sephampes septóes dekaquemü, si comveriaiur
ad poenitennm, peccato denssimr. Roni uec $- Sema
sem Elisa (opp. Ang. Vmd. 1... domm. 4 qundrages.
p 24; E): Scripte est: Seplies ἐπ die cada pastus. Si
justes, quemsdo isses cada? ἘΣ si kaltes cadi, quomedo
jets? Lüge quía nen merelur semen justi muliere
leste lberonymo , qui beet do frapihu fu ui seplies ca-
derei, sic lamen diigeus fai, ui seplies un die resurge-
vet. Ber allen εἰεῖεπ Fate Feu ver ἢ. σε, διδεῖ *Retra$
yen Altantıiı im jeinen Samewm (Hard col conci
L 1, p. 226 sg cam. 5) tiejemigen, welde vem ante
verraihen queri von drinlihen Glauben verlinguet , tamu
aber unter Qualen befannt Birnen, mit teu Gerechten νεῖ,
glichen, welche Kebenmal fallen zur weieter anrüclen.— Man
fiebt alfo seit cin, κα ß εὖ nidt cátblid ig, fid anf
Bie oft berührte Stelle 3m berufen, wenn man
ba6 Vorhandenſein von láflid$en Sünden be
weiſen mill, tennamd vie beiümtige Erflärung
tet Kirhenlchrer fann man nidt für ih an;
führen. Tod gebrauden Echrifificher oft tieje &telle
u tem genannten Beweiſe. £o €denfl in feiner elhica
Ueber Sprüchw. 24,.106. 595
christiana t. 1 ed. 2, p. 244; Marr in f. größern katech.
Religionslehrbuh 3B. 1, €. 349; elementa theol pract,
(Venet. 1796) t. 1, p. 225 v. 9]. —
llebrigenó wird unjere Stelle von ben ascetifchen
Schriftſtellern und ben Homileten des Mittelalters und ber
zunächft folgenden Jahrhunderte bod) nicht fo viel gebraucht
ald man vielleicht benfen möchte Thomas von Kempen
hat in allen feinen Werfen fie wohl nie angeführt, fo nahe
ibm die Veranlaffung dazu lag; in ben Homilien des
Radulphus Arvens, ber um 1100 farb, finde ich fle eben
fo wenig, aud) nicht in denen des Kornel. Janſenius, Bis
ſchofs von Gent. (T 1576). Indeß gebraucht ber h.Liguori
die Worte von der läßlihen Sünde. „Man muß große
Sorge tragen," fagt er in feinem 9Berfe: ber Priefter im
Gebete und in ber Betrachtung, Thl. 2, Kap. 5, 13 (über!.
von Hugued ©. 62), „jene Sünden zu vermeiden, die mit
Ueberlegung und offenen Augen begangen werden. Man
fati nicht läugnen, daß außer Jeſus und feiner göttlichen
Mutter, welche durch eine befonbereó Vorrecht von Aller Sün-
denmakel frei geblieben find, alle andere Menfchen, felbft die
Heiligen, nicht ganz frei von menigftené läßlihen Sünden
geblieben fein. Wir alle, fagt ber D. Jakobus (3, 2),-
fehlen in vielen Dingen. Nothwendigerweife, fagt
ber B. Leo, muß ein jeder Abkömmling Adams fid) mit
vem Kothe blefer Welt befleden. In Bezug hierauf muß
man ὦ aber wohl merfen, was der weile Mann jagt:
Siebenmal fällt ver Geredjte unb ftebt wieder
anf. Sprüchw. 24, 16. Wer aus menthlicher Schwad-
heit, ohne vollfommene Erfenntniß des Uebels, das er
begeht, und ofne veollftánbige Einwilligung fällt, der ftebt
leicht wieder auf." — Aehnlich fejen wir bei tem 5. So»
596 Ueber Sprüchw. 24, 16.
hbannes vom Kreuz (+ 1591) im 1. Buche 11. Kap.
des Auffteigens zum Berg Karmel: „Bon folden nicht
ganz freiwilligen Sünden fteht gefchrieben: der Gerechte
wird fiebenmal fallen und wieder aufftehen.“ Ich weiß
nit, ob Ludwig von Granada unjere Stelle gebraucht,
vielleicht deutet er auf diefelbe hin, wenn er in einer Pre⸗
vigt auf ben Ofterfonntag Chomiletifche Predigten, überf. von
Gi(6ert B. 2, ©. 155) fagt: „Daher ermahnt einer aus
ben B. Vätern, daß wir, wenn wir fogar taufenbmal an
einem Tage fallen, eben fo oft aud) aufflehen und auf die
Barmherzigkeit beójenigen vertrauen follen, der bem Petrus
befahl, bem Menfchen, ber gegen ihn fündigte, flebenzigmal
fiebenmal zu verzeihen.” An einer andern Stelle (Predigt
auf den Sonntag nad Chriſti Himmelfahrt — a. a. Ὁ.
Th. 3, €. 17) unb bei einer andern Gelegenheit findet
et durch die Siebenzahl das ganze Leben bezeichnet. In
ben medilationes ad usum cleri vorl Angeli a Scotli — lat.
von Mitterrutzner t. 2, p. 135 leſen wir in Bezug auf
läßliche Sünden : recordemur, quod septies cadet justus —
prov. 24, 16 unb Dieringer citirt in feiner Dogmatif
3. Auflage ©. 377 die oft genannten Worte, in vielem
‚Einne, veßgleihen Mehler in feinem Fatehetifchen Handbuche
Thl. 2, €. 343; Dr. Wappler in feiner fatfol. Religion»
febre (Wien 1855) 98. 2, €. 24 und Beckedorff in feinen
Worten ved. Friedens (3. Aufl. Ὁ. 200). — Dagegen
finden wir aud die Beziehung auf [hwere
Sünden. P. Cheminais de la C. D. J. predicateur
. ordinaire du Roi jagt in feinen sermons (4 ed. t. 1, p.
95): ,Quand un pecheur sujet à retomber se trompe
dans la pratique de la penitence, sa faute est plus excu-
Sable que celle d'un pecheur impenitent; il fait du nioins
Vieber Sprüchw. 24, 16. 597
encore quelques pas pour retourner à Dieu; il täche de
se reconeilier avec lui; il a encore du respect pour les
exercices de sa Religion, οἱ voilà la difference que met
le Sage entre le juste et l'impie: Septies enim cadet
justus et resurget, impii autem corruent in malum. Le
juste tombe sept fois et se releve autent de fois qu'il
tombe et c'est en cela qu'il est juste, au lieu que l'impie
tombe si rudement, qu'il ne s'en releve jamais."
2) Stapf citirt in feiner Moral (theol. mor. in comp.
red. ed. 5tae t. 1, p. 253) unfere Stelle al(o: Septies in
die cadit justus et resurget. Aug. Hölfcher fagt in feinem
Religionshandbuche 2. 21615. 1. Ausg. Θ. 13: „Bon dieſen
läßlihen ober Schwachheitsſünden rebet ber Heiland, wenn
et die Cünbe mit einem Splitter vergleicht, und ber Pros
phet im 91. B., wenn er fagt, daß „ver Gerechte fiebenmal
in einem Tage falle und wieder aufftehe, taf aber bet
Gottloſe im Böfen verfinfe." In einer Prebigt von dem —
Alumnatsdirektor Pichler in Klagenfurt (Previgtmagazin
von Heim Ὁ. 22, ©. 339 vom Jahr 1853) lefem wir: ΄
„Selbft der Geredite fällt fiebenmal des Tags unb ftebt
wieder auf.” {πὸ eben baf. B. 15, ©. 189 ſagt Hoff⸗
mann, Oberfaplan zu Franfenftein: „Stebenmal, Spricht
bet Meifter (!), fallt felbft ber Geredjte des Tags." —
Sa ſelbſt in Dietenbergs deutſcher fatholifcher Bibel (Wuͤrz⸗
burg, gebrudt dei Sof. Mich. Kleyer — 1738) fteht ohne
weitere Bemerkung: „dann ein Gerechter fällt im Tag
fiebenmal und &ebt wieder auf, aber tle Gottlofen werben
fallen in Unglück.“ Bellarmin (disp. de controv. t. 3 1. 2
p. 82) führt bie Worte in die ebenfalls an ohne Bemers
fung, jedoch nur, wo er bie bald näher zu bezeichnende
Stelle ans Kaffianus citirt, In dem Werkchen des
598 Ueber Sprüchw. 24, 16.
Jeſuitengenerals Aquaviva: Industriae wird c. 11 citixt:
Septies in die cadet justus, aber zur Seite ift auf S. Gregor.
in l 1 regg. c. 15 verwiejen.
Wir fragen nun, woher bod) diefer Sufag „in die“
fomme, unb wie er oerftanben werde. Daß Thomas von
Billanova in die leje, ift fdon oben bemerkt, aber
auch bei Gregor. M.1.6 in 1 regg. c. 2 heißt ed: „De ju-
storum casu scriptum est: seplies iw die cadit justus et
resurgit. Ia, Johannes Kaſſianus, Abt von Gt.
Viktor in Marfeille, ber etwas nad) 433 ftarb, hat [don
collat. 22 c. 13: septies in die c. j. et res. Ich habe
mit bemerft, bag berfelbe an einer andern Stelle ben Zus
fa auéfaffe, bin aber augenblidlih nicht Im Stande, vie
Sache nachzuſehen. Auffallend wäre ble eben nicht, ba
in alten gebrudten Eremplaren der Bulgata das in die
fteht, aber mit einem + bezeichnet ift, mit der Randbemer⸗
fung, daß bie Worte bei Andern fehlten. Eo finde id) εὖ
in einem alten Eremplare, das ich befige, in bem ich aber,
weil viele Blätter fehlen, feine Jahrszahl entdecken fann.
Auch Cornelius a Lapide bemerft, daß einige codices manu-
scripti die beiden Worte enthielten. Der 5. Bernardus
citirt die Stelle mehrmals mit dem Zufage, bod) gibt er
eine eigentbümtide Erflärung. T. IIL, p. 24 in
Cantica serm. 17 ſchreibt ev: septies cadit justus et sep-
lies resurgit, si tamen cadit in dile, ut se cadere vi-
deat et cecidisse sciat ei resurgere cupiat et requirat
manum adjuvantis. Scheint er hier das in die nicht auf
ble Erkenntniß des fünbigen Zuftandes besogen zu haben?
T. IL, p. 167 serm. 2 in ps. 90 lefen wir: homines ali-
quando cadere necesse est, dum in hoc seculo detinentur,
sed alii colliduntur, alii non, quia Deus supponit manum
Ueber Sprüchw. 24, 16. 599
suam. Sed quomodo eos discernere poterimus, ut segrege-
mus juxta Domini exemplum agnos ab hoedis, justos ab
inustis? Nam et justus septies in die cadit. Verum
hoc interest inter eorum casus, quod justus suscipitur ἃ
Domino ideoque resurgit fortior. Injustus autem cum
ceciderit, non adjiciet ultra, ut resurgat. Wir fónnen
hieraus nicht erfehen, welden Sinn ber D. Kixchenlehrer
in den beiden Worten findet, nur das jfeben wir, daß er
fie ohne Zweifel ald zum h. Tert gehörig betrachtet. Ans
ders wieder fdeint der gelehrte Kardinal Hugo dieſelben
aufzufaffen. Er fagt: septies eic. i. e. in tempore prae-
Senti, quod septem diebus agitur. Golf das heißen: „in
unferm ganzen Leben?” Over was ift biet praesens
lempus? Wir glauben, daß die oft genannten Worte
aus bem Beſtreben, eine abgegrüngte Zeit zu wilfen, wos
auf fíd das septies beziehe, ‚hervorgegangen feien, unb
bag fie fid ein Leſer ber Bulgata ſchon in ven älteften
Zeiten — vor Johannes Kaſſianus — an den Rand ger
ihrieben habe, woher fie durch Abfchreiber in ben Text
famen. Merkwürdig verfährt Tirinus. Er hat: Septies,
it est, saepius, in die cadet justus. Darnad) jollte man
glauben, er betrachte nur bie Worte sept. cadet justus als
dert und füge das llebrige als Erflärung hinzu. Er fährt
dann fort: Quid ergo reprehendis in uno, quod scis
commune esse omnibus? Et ut reprehendas, in aliquo
justum deliquisse, imo et in multis, scias primo, non
persistere eum in melo, sed statim resipiscere, poenitere
el resurgere. Ita s. Augustinus, s. Gregorius et Chryso-
stomus, qui addit: peccatum, si quando ad animum justi
divertit, hospes est, non incola. Scias secundo, lapsus
illos justi non esse letales, sed leves οἱ veniales. Ita
600 Ueber Sprüchw. 24, 16.
Beda et alii Die Erflärung ftimmt faft mit ber von
Gafmet. Welche Stelle des ἢ. Auguftinns er aber meine,
ift mir unbefannt, und ich möchte glauben, baf ein Irr⸗
thum zu Grunbe liege, denn serm. 58 de tempore wirb
man faum eine Anfpielung finden. Die aus Chryſoſtomus
beigebrachte Erflärung wuͤrde fo ziemlich mit ber be6 D.
Hieronymus flimmen, tod; weiß id fie nirgends zu finden,
nuc unter den unechten Werfen des Chryſ. (in ps. 4,
t. 5, p. 745 ed Montf.) ift zu leſen: ἑἕπεάκχις πεσεῖται ὁ
δίκαιος xol ἀναστήσεται. Beda bezieht in feinem Kom⸗
mentar zu den Sprüchw., welcher fälfchlich bem Hieronymus
zugefchrieben wurde, bie Etelle auf Sünde; vod) find die
beiden verdaͤchtigen Worte dort nicht anzutreffen. Aber er
flefet das Präfens: cadit, resurgit, welches wir aud) bei
Andern finden, melde den Vers auf Sünde deuten. Mit
Ausnahme des oben Thon aufgeführten Petrus von Ale
randria, habe ἰῷ ben Vers bei feinem ver griechifchen
Rirchenväter gefunden, und namentlich fcheinen Baftlins,
Gregor von Nazianz, Epiphanius, Joh. Damascenus ihn
nicht zu gebrauchen. Doc findet fif) fogar der vermorfene
Sufag bei bem Berfaffer einer griechifchen Catena, wie ἰῷ
bei Cornelius a Lapide fefe. Man darf aber vielleicht mit
Grund annehmen, ba er aus bem Lateinifchen fid) dort
eingebrängt habe, da wir ihn bei alten lateinifhen Schrift
ftellern, wie wir faben, ziemlich oft antreffen, zu ber Ans
nahme aber, er habe fid) ſowohl In griechifche, als in latei⸗
nifhe Manuferipte ber Bibel eingefchlihen, Fein Grund
vorhanden if. Sicher ift, daß man, ba ber Zuſatz
im Hebräifchen und Grlechifchen unb in ber von ber Kirche
gebilligten Bulgata fehlt, denſelben zum Beweife
irgend einer Art niht anführen darf, tmb daß
t
Leber Sprücm. 24, 16. 601
e überhaupt abanratben ift, jenen Gert yum Be
weife des «Borbanbenfeiné verläßliden Sünde
zu gebrauden. Brentano,Derefer fagt zu Vers 16:
„Diele verftehen diefe Worte nicht von Sünpdenfällen, fon:
bern von Unglüdöfällen; es ift alfo (D ein Mißbrauch
dieſes Denkfpruches, wenn man ihn von Günben, (befon-
ders von vorfäglichen) verftebt."
Teipel.
II.
Wrcen[fionen.
1.
Der Webertritt König Heinrichs des Wierten von $rank-
reich sur rómifd)-hatbolifden Kirche und ter Einfluß
diefes fürflen auf das Geſchick der franzöflichen Refor-
mation von bem Zeitpunfte der Bartholomäusnadht an bis
zum Crlaffe des Ediktes von Nantes. Eine reformationd-
gefhichtliche Studie von Ernſt Stähelin. Bafel, Verlag
ber Schweighauferjhen Sortimentsbuhhandlung 1856.
XXX. 795 ©. gr. 8. Pr. 6 fl.
Nicht mit Unrecht erflärt der Berfaffer vorliegender
umfangreiher Schrift den Sampf um das religiöje Bes
fenntniß der bourbonijden Dynaftie, die mit Heinrich IV.
ihren Anfang nahm, für den Snotenpunft, von deſſen
Entwidlung nadj biefer ober jener Seite hin bie ganze
Geftaltung ber neueren Geſchichte abhing. „Man vergegens
wärtige fid) bod), was das zu Pebeuten hatte, daß das
bourbonifhe Frankreich eine fireng katholiſche Macht ges
worden ift, obwohl εὖ in feiner Politif nicht durchweg ben
Interefien des Katholicismus bienftbar blieb — man benfe
Stähelin, der Uebertritt König Heinrichs IV. von &ranfreid) sc. 603
fid eine Ausbildung der europäifhen Berhältniffe in ben
zwei legten Jahrhunderten unter der Mitwirkung eines
entidjieben von Rom Insgerifienen, wenn aud) vielleicht
nicht geradezu proteftantifch gemworbenen Frankreichs: und
man wird (i ber Erfenntniß nicht entziehen können, daß
ber Entfihluß Heinrichs IV., um den unfere Darftellung
fij bewegt, ben mafgebenben Ausgangspunft für das
bildet, was vom Beginne des 17. Jahrhunderts an bie
auf unjere Tage in Europa gejdeben, zu Stande ges
fommen , feftgeftelt worden iſt.“ (S. ΧΙ) Das Werf
beginnt mit einer ziemlich fatalifti[d) Klingenven, das
mobern-calvinifche SBefenntnig des Verfaſſers nicht vers
läugnenvden Geſchichtsbetrachtung, welche dem (eptern jedoch
ugleih in biefem heiklen Gegenftanbe eher zu einer uns
parteiifchen, wenigftens einigermaßen vorurtbeiléfrelen Aufs
foffung und Beurtheilung verhilft. „Zwar nicht anders
als mit tiefem Schmerze vermögen unfere Blide bem über
die Reformation ergangenen Gefchide zu folgen; es mit
angufeben, wie nad, furzer Zeit eine Schranke nach ber
andern fid bem SBorbringen diefer Schöpfung Gotteó ers
folgreich entgegenftelt und Niederlage auf Niederlage ihr
ben fchon faft errungenen Sieg wieder entminbet. Aber
dennoch werden wir befennen müfjen: Zu ihrem Helle ift
(ὁ fo gefchehen. Denn verfelbe Gegner, der ihren Sieg
verhinderte, hat aud) ihre völlige Entartung unmöglich
gemadjt; nidt nur ihrem Bortfchreiten auf bem von
Gott ihr vorgegeidneten Wege, fondern aud)
ihrem Weitergehen auf den Bahnen ſündlicher Abs
irrung, auf denen am Ende das eben gewonnene Gut
wieber verborben und verloren worden wäre, haben fid)
ble hemmenden Echranfen entgegengefegt. Zwar nicht fo,
604 Stähelin,
wie bie römischen MWortführer bie Sache bargnítellen lieben,
aíó ob nämlih bie Kirche der Reformation der nöthigen
Bofitivität für fid) felber entbehrt und ihre beften Kräfte
immer wieder aus ber fatboli[fen Kirche hätte ziehen
müjfen, um weiter befteben zu fónnen ; in dieſer Beziehung
ift gerade das limgefebrte richtig. (9?) Nicht die evanges
lifche Kirche lebt und befteht fort durch römifche Kräfte,
fondern im Gegentbeile die römifche Kirche burd) ble evan-
gelifchen Elemente, die fte nod) in fid) trägt und theilweife
aus alten Zeiten her erexrbt, theilweife aus ber allgemeinen
Surüdbemegung zu bem reinen Evangelium hin überfommen
hat, welche im 16. Jahrhundert ihren Anfang nahm.
9 ber in einer andern Beziehung ift allerdings bie Tathor
(ijde Kirche der Arzt und Wächter der evangelifchen ge
weſen, nämlich burdj bie Gefahr, mit ber ſie dieſe fort,
währenn bebrobte, durch Die aggreffive Seinbfeligfeit, mit
der fie ihr unaufhörlich begegnet ift. £ber fónnen wir εὖ
und verhehlen, daß ohne biejen Gegenfag , der bie evans
gelifche Kirche immer wieber zur Sammlung in fi jelbf,
zur Geltendmachung ihrer großen Grunbprinciplen gegen
über den Einzelnheiten der Lehrauffafiung und ber Zerſplit⸗
terung der Inbividnalitäten, zu einem Wetteifer in ber
chriſtlichen Thätigfeit drängte, ber dann mehr als ein
Mal zu einer fegensreihen Neubelebung für bie game
Gemeinſchaft geworben ift — fónnen wir ed und verfeblen,
frage id, daß ohne biefen Gegenfag und bie ſtets ernewerte
Läuterung burd) bie von ibm ausgegangenen Berfolgungen
ble Kirche der Reformation vielleicht ſchon in bem Jahr⸗
hunderte ihrer Geburt bie nen gewonnenen Echäge leben,
digen hriftlihen Glaubens und Lebens wieder hätte bin
ſchwinden fehen in bem leidenſchaftlichen Gezänfe um unter,
der Uebertritt "König Geinrichs IV. von Frankreich sc. $63
geordnete Punkte dogmatiſcher Erkenntniß in ϑειμη αν
öfumenifden Sinne, in bem man beſonders von Iuthbriädjer
Seite her die große Spaltung uod) in verfchiedene Feiner?
zu vervielfältigen und bie trennenden Formeln 3t 06dreuil
gen fuchte, in bem verfehlten Streben der refennirten
Gemeinschaft, eine neue theofratiiche Gewalt „über ie
Reihe diefer Erde aufzurihten, einem Streben 4a6 ἢ
mande Foftbare Kräfte dem religiöjen Dienfle ‚orttzogen
und zu bem politijden verwandt, das Die unb: ba, die Me⸗e
wifen mit fid in Widerſpruch gebradht und Vesu.beiligen
Bewer fo manches unreine Element beigemifcht Hat. ff. (Sy 43$
€. 10 f.) Nah dem. gewaltfamen Tode Qeinvida; ML;
been Regierung ffiggirt wird, war Heinrich IV, den fe
gitime Erbe des franzöfifchen Thrones. Gawöhnlich wirk
vie SBexfettung der Greignifje, voelde dieſen απὸ, bat
Angelegenheiten herbeigeführt, als vie höchfte (umfi; 040
Glückes, welches Heinrich IV. ſtets begleitstiihabe, Dar⸗
geſtellt. Der-Berfafjer ermangelt nicht, aud oie; Kehrſeite,
die ſchwachen Hülfsmittel des neuen Sänigs wh. {εἶπε
Etellung befonders zu den Fatholiichen Großen Frankreichs
jn beleuchten, weldye alébalo wit ver Sayprrumg sed Wes,
ſprechens, in den Schooß tec Fathollfhen ‚Kirche: gwelidans
fehren, vor ihn traten unb ihm bereits am wierten, Tage,
nad) bem Tode Heinrichs IIL eine feierliche, Erklärung; af»
wöthigten, daß et fid) in ber katholiſchen Neligipn- ‚unter
rihten laffen wolle. Soweit das erſte Kapitel Chi... 47
In den beiden folgenden Kapiteln (greift. bex Verfoſſer,
nad einer, wie und jdeint, unzweduäßigen Anlage feinen,
Werkes, weiter zurück, indem er zuerk: vie: Gannerionds
verjude mit Heinrich, melde. im Iahre..1h72,:pig: £589
gemadt wurden, weitläufig erzählt: amd dann ἰ8. Das
Theol. Ouartalfchrift. 1857. IV. Heft. 40
606 Stähelin,
flelung Könige Anton von Navarra und deſſen berühmter
Gemahlin, Iohanna von Albert, der Eltern Heinrichs,
ſowie der Perföntichfeit des letzteren ſelbſt giebt (S. 48
bis 150), während er im dritten Kapitel die Gejchichte
der Hugenotten von ber Bartholomäusnadyt bis zur Thron:
befteigung Heinrichs IV., fomie des Septem Proteftorat
über jene behandelt (&. 151—202).
Wie fdjon in ber Vorrede furz gefchehen (©. XIV. ),
weist der Verf. beim Beginn dieſes (dritten) Kapitels
mit beredten Worten auf bie falſche Etellung bin, weldye
ber Proteftantismus in Frankreich zu den ftaatlihen Vers
hältniffen einnahm und welde [don von Anfang an ben
Keim feines politiichen Berfalles in fid) trug Kaum
habe irgend ein anderer Theil ber Geſchichte einen tragi»
fheren Charafter an ſich getragen, als der ber franzöfifchen
Reformation. Nicht nur etwa beffalb, weil ihr eben
gleih von ihrem erften Tage an ein fortwährenver Kampf
gewefen fel, in welchem fie — in edt tragifcher Weiſe
— obgleich ἱππεῖ überlegen, äußerlich unterlegen [εἰ
und doc wieder gerade im Unterliegen fid) als Sies
gerin erwiefen Babe; fondern nod) bei weitem mehr aus
dem Grunde, weil fie in und an fich felber unaufhörlich
jenen eigentlich tragifchen Conflict zu erfahren gehabt habe,
ba die verfchledenen Pflichten und Neigungen unter fid)
in Kampf geriethen,, die göttlihen und bie menſchlichen
Ordnungen [ὦ zu wiverfprechen fchienen, das äußere Thun
in Bahnen hineingeriffen wurde, ble ber Innern SBeftimmung
und llebergeugung entgegen feien. Denn ed werde Niemand
daran zweifeln können: ole enge Verbindung mit den por
litiſchen Parteien und ihren Abfichten, welche bie frangós
fife Reformation gleich bei ihrem exften allgemeineren
ber Webertritt König Heinrichs IV. von Frankreich ꝛc. 607
Auftreten eingegangen, die Kriege, durch die fie ihre Sache,
wenn aud nicht auszubreiten, fo bod) aufrecht zu erhalten
geſucht, tie feindfelige Stellung, die fle in faft ununter-
brochener Folge der obrigfeitliden Gewalt gegenüber eins
genommen, das Alles habe fid) Übel genug mit ven rein
teligiófen Interefien vertragen , bie ihr das Leben gegeben
und aud) fortwährend ihre Seele und eigentliche Lebend-
kraft ausgemacht hätten. Ja bis zum offenbaren Wider;
ſpruch zwifchen ihrem Außern und innern Wefen babe fi)
oft dieſes Viißverhältniß geftaltet, daS wie ein unentrinnbares
Verhängniß ihre Geſchichte begleite und beftimme. Die
gleihen Männer, welde nicht nur mit Worten, fondern
απὸ wirklicher Ueberzeugung und innerftem Kerzen Alles
was das Schickſal feiner Kirche betrifft, wnbebingt bet
feitung Gottes anheimgeftelt hätten wiſſen wollen, hätten
nidjtóveftomeniger alle Mittel weltlicher Klugheit und Ruͤh⸗
rigfeit aufgeboten, um ihrer Angelegenheit damit zu dienen,
und während fte nicht anders ald mit ben ehrfurchtövollen Aus,
brüden ber Schrift von bem obrigfeitlichen Amte gefprochen,
feinen Augenblick gezögert hätten, bie unbebingte Unter
iwerfung anzuerkennen, bie man ihm ſchuldet, hätten fie
ein Mal über das andere feinen Trägern die Gewalt
ber Waffen entgegengejegt unb ter beftehenven ftaatlichen
Ordnung eine neue ſelbſtgeſchaffene gegenübergeftelt, vie
id unmóglid auf bie "Dauer mit ifr habe vertragen
fónnen. (©. 151 f.) Im Folgenden wird fobann aue»
geführt, wie man deſſenungeachtet die Träger der frans
zoͤſiſchen Reformation deßhalb nicht ber bemuften Ders
läugnung ihrer Principien ober gar jenes Epieled mit ber
Religion, das fid) ihrer nur als Dedmantel für irdiſche
Swede beviene, befchuldigen dürfe. Im Gegentheil liege
40 *
609 Ban. —— M piro ' Stähelin, jp P RM νον. TN M
das Sragijdjt gerade: darin, daß jene Männer durch tle
Macht ver Umftänve in eine fo unheilvolle Stellung, ver
Vermiſchung des Politifchen mit dem Religiöſen, hinein⸗
gezogen und darin feflgehalten worden ſeien.
Das: vierte Kapitel enthält den Kern bed ganzen
Werkes: eine Darftelung der Zeit oon ver Thronbeſteigung
Heinrichs IV. His zw ‚feinem Vebertvitte zur katholiſchen
Kirche (S. 203—614). Wir jehen hier den König. mitten
in dem Getriebe ber. einander gegenüberftehenden firdyfiden
and politiächen Parteien, im Berkäliniffe zu feinen bie;
ferigen Berbündeten, ben Hagenotten, zu bem römifchen
Stuhle, .zu den proteftantifchen Alliirten bed MAnsdandeg,
zu bem Fatholiächen Fractionen des franzoſiſchen Reiches
unb beſonders zu bem [ogenaunten tiers parü. Als ber
ſonders .interefjant Beben wir hervor. bie Schilderung ber
vermittelnden xeliglöfen Richtungen, welche: ftd) damals In
Frankreich geltend machten. EB gab bamals auf Father
üfder wie auf reformirter Seite εἶπε ziemlich große Anzahl
folder mit ben Zuftänden Ihrer eigenen Partei Unzufriede⸗
net, welche beſonders auch auf Literarischem Wege durch Herr
ausgabe einer ganzen Maffe von tbeologifdyen. unb kirchlich⸗
politiihen Schriften, eine Bereinigung zwiſchen den Katho⸗
fifen unb. Reformirten Frankreichs herguftellen ſuchten, in
ber Weiſe, daß ble gallicanifdje. Kirche ein vorn dem Papſte
unabhängiges Patriarchat mit Beibehaltung ter mad) ber
Anſicht biefer Männer geelnigten Dogmen und der pet
einfachten Liturgie und Disriplin bilden folte (S, 327
bis 369). Der Berfaffer, welcher überhaupt ber vermit«
telnden Geiſtesrichtung der vefoumivten ‚Theologen Hagen⸗
bach und. Hundeshagen anzugehören ſcheint, unterwirft die
Frage nach der damaligen Möglichkeit einer ſelbſſtaͤndigen
14.
ber Uebertritt König Heinrichs IV. von Frankreich ꝛc. 609
gallicaniſchen Kirche einer weitläufigen Erörterung. Hören
wir einige feiner dießfälligen Aeußerungen. Allerdings
müfle .er ber unter ben Fatholifchen und proteftanttjchen
Geſchichtsſchreibern gang und gäben Anſicht, daß es fuͤr
Heinrich IV. eine ſittliche Unmöglichkeit geweſen fel, als
Anhänger ber Confessio Gallicana unb als Parteihaupt ver
Hugenotten über bie Mehrzahl bes katholiſchen Frankreichs
als Koͤnig das Scepter zu führen, beiſtimmen; nichtsdefſto⸗
weniger mäfle ét geltend machen, vag bem König nod
εἶπ anderer Ausweg als der Rücktritt zur römischen Kirche
offen geſtanden hätte. „Gleichſam mit ausgeſtrecktem Finger
wieſen jene vermittelnden Richtungen darauf hin, indem
fe ihn zugleich auf das Ungeſcheuteſte beim Namen nennen
— und nod) lauter und eindringlicher jeigen ihn bie ganze
Geſchichte, der Charakter, die Eigenthümtichfeiten, die Neis
dungen ber Kirche und des Volkes, um das es fid) handelt.
Es beftand einfah in bet Trennung ber galki—
canifdofatb»lifden Kirche von vemrömis
iden Stuhle, bie gjugleid ble Verföhnung
bes religiöfen Zwiefpaltes, der feit 30
Jahren die Nation zerriß, in fid gefhlof
fen B & t t e Mag die Reformation immerhin an ber meiften
Orten mit vollem Rechte das zerriffen haben, was man
bie „„hiſtoriſche Continnitaͤt““ zu nennen pflegt: eine
unerläßliche Conſequenz ihres Weſens war dieſe Wirkung
nicht; und fie ſelber Hat ung ja mit zu der Erkenntniß
verholfen, va die eine Wahrheit in fehr ver[djiebenen
Formen Geftalt gewinnen könne und dur fefr mannig-
faltig 'geartéte Vermittlungen hindurch ihre Wirkfamfelt
übe. Auch in Frankreich hatte ſich die Reformation zuerſt
In der Erſcheinung einer voͤlllgen, ſelbſtſtaͤndigen Erneue⸗
610 Staͤhelin,
rung ber religiöſen Erkenntniſſe und Ordnungen verſucht,
die ohne Weiteres auf die älteften normgebenden Quellen
des chriſtlichen Lebens zurüdgieng und nad) biejem nun
aud) bie Gegenwart umzubilden trachtete. Aber fie hatte
unter diefer Geftalt im Ganzen und Großen bier feinen
Erfolg gehabt, und zwar ganz hauptjählih and bem
Grunde, weil fie fo mit der geſchichtlich herangebilbeten
Einheit des nationalen Lebens — an der den Franzoſen
jhon damals ebenfoviel lag, wie heutigen Tages — und
mit den Orbnungen der Kirche unb bed Staates, auf
denen bie elgentfümlide Stellung und Macht des Reiches
berubte, in 9Biber[prud) gerietb. So wenig ed mit ber
Vorftelung zufammenftimmt, die man fid) gewöhnlich von
dem franzöſiſchen National-Charafter madt, fo wahr ift
es bod, daß in Frankreich bie Reformation, wenn fie
einen durchdringenden Erfolg haben follte, von oben
herab, wo nicht ausgehen, fo doch in wirflihen Vollzug
gelegt werden mußte — von dem Throne her, in dem
fid alle Elemente des nationalen Beftehens und Lebens,
als in ihrer Epige, zufunmenfanden, unb ber eine Bürgs
[haft dafür gegeben hätte, bag die Neuerung nicht eine
Störung des bisherigen Suftanbed, fonberm vielmehr eine
Förderung bejfelben, und ein einfaches Vorwärtsichreiten
auf bem Wege fein werde, auf dem fid) die Nation fchon
von {εἰδῇ befand.” (€. 381 f.) „Auch hätte fid) dieſes
Ziel leicht erreichen fafjem. Wenn dad Bedürfniß bet
Reinigung und Erneuerung fih nur aud) ben leitenden
Gewalten in Kirche und Etaat fühldar machte und ber
neuere befjere Geift nach und nad die alten Formen durch⸗
drang und erfüllte, jo konnten fid) diefe ohne große Er
ſchuͤtterung, wie eine reife Frucht von dem Zweige, von
ber Uebertritt König Heinrichs IV. von Sranfrel x. 611
ber Gewalt ablófen, die fonft aller Orten ble Arbeit ber
fRerbefjerumg fo unenbíid erſchwerte; und amit eine
Kirche der Reformation zu Stande fomme, in welder das
Bisherige und das Neue fidj die Hände reichten, und in -
der das franzöfifhe Volk nad) wie vor feine gallicani[dy
fatholifche Kirche erfannte: nur mit dem Unterfchiede, daß
fie jebt wirklich an bem Ziel angelangt war, bem fie [don
feit. längerer Zeit Ihrem ganzen Weſen nad zuftrebte.”
«S. 382 f) „Und welde glänzende Zukunft hätte fid)
bann ber franzöfifhen Nation eröffnet! Cine gallicanifche
Kirche, wie (jenfeit& des Canals) eine anglicanifche; eine
völlig felbfiffánbige und bod) burd) ben reformatorifchen
GBarafter des Volkes vor dem Mißbrauche ber Gewalt
immer von Neuem zurüdgehaltene Monarchie (als ob
nidt auch in England ber Mißbrauch der königlichen Ges
walt zwei Revolutionen, darunter eine höchft blutige, ber
erſten franzöfifchen in vielfacher Beziehung ähnliche, ber.
vorgerufen hätte!); eine Einheit ber Nation, bie zugleich
in der gemeinfamen Autorität und in ber gemeinfamen
Sreiheit begründet ift: das mar bie Ausſicht, vie jept
dur merfwürdig günftige Fügung ber Umftänve fid) πο
einmal vor Frankreich auftbat.^ (€. 384) Wenn aud
die 9ieformirten bei dieſer Vereinigung Hinfichtlich Ihrer
fpecifiichen Dogmen hätten nachgeben müfjen, fo hätten
fie nad) ber Anficht des Verfafjers dem Siege der Wahr:
heit bod) getroft entgegenfehen fónnen. Wo einmal in
einer Kirche die verwirrende, auffaltenbe, widerſprechende
Menfchen-Antorität aus dem Wege geräumt und dadurch
der heiligen Schrift mit ihrer Wahrheit von oben Dex
wieber bie Breiheit der Bewegung und ter Wirkfaufeit
zurüdgegeben fei: wie [σε da blefeó zweiſchneidige Schwert
1
gib &táfelin,
richt jede Entwidfung und Zugabe, die von mo anteré
herſtamme, nad und nach zu entfernen vermögen und ter
Sauerteig den ganzen Teig mit feinem Weſen durch⸗
dringen? Ueberbieß fel e8 ja wirklich wahr, taf nar ter
Papismus einen diametralen Gegenfag zu dem evan
gelifchen Chriftenthum bilde, nicht aber ver Katholicismus,
von bem im Gegentbeife viele Brüden ver Gemeinfdaft
zu diefem hinüberführen. (€. 389 f) —
Das die proteftantifchen Fürften Deutfhlands mis
dem größten Bergnügen von dem Plane, ein unabhängiges
franzöſiſches Patriarchat zu gründen, reden hörten, wie
€. 397 berichtet wird, ift begreiflih; denn das ſchisma⸗
tifche Frankreich wäre wahrfcheintid, mitten in den Protes
ftantismus hineingetrieben worden und hätte jedenfalls
naturgemäß eine anti-fatbolijde Bolitif einſchlagen müſſen.
Der 9Berfaffer it auf Heinrich IV. febr. ungehalten,
daß er feine, wie er meint, durch die Vorſehung ihm vot
gelegte Aufgabe nicht gelöst habe. Niemand anders als
er fei ed geme[en, an. bem der Plan gefcheitert habe.
Eo erhalten wir denn audj eine Cdjifoerung der Perföns
lichfeit des Königs, welde namentlid im Unterſchiede von
jener, welche der freilich über tem Politiſchen dag Sittliche
und Eharaftervolle gerne hintanfegende 9tantfe in feinem
neueften Werke über die franzöflfche Gefchichte giebt, nicht
ungünftiger fein fbónnte. Allerdings ſei Heinrich von
Natur aus mit glänzenden Eigenfchaften begabt gewefen,
aber aud) nicht ohne angeborene Fehler. Und gerade das
[εἰ das Echlimme, daß, als er einmal angefangen, den
da® ganze Leben tragenden religiöfen Halt und die fittlide
Zucht daran zu geben, dieſe Fehler mit unaufhaltfamer
Gewalt emporgewachfen ſeien und als ein ververbliches,
ber Uebertritt König Heinrichs TV. von Qranfrei ꝛc. 613
Marf und Praft verzehrenves Unkraut feine beffern Gigen,
ſchaften überroudyert hätten. „ES macht einen traurigen
Ginbrud, zu bemerfen, wie {2 πεῖ und entſchleden dieſes
Werk der Serflótung vor fid) gieng; in wie bebeutenbem
Maße ed nur in der kurzen Zeit vorangefchritten ift, bie
zwiſchen feiner Thronbefteigung und bem Seltpunfte fag,
in bem die befinitive Entſcheidung — nad) reits ober
nad) links? — nun unwiderruflich von Ihm geforbert murbe.
Wir Haben fibon früher davon geredet, welder Art υἱέ
fündfichen Elemente waren, ble ihn am meiften in Gefahr
brachten und die ftürffte Herrfchaft über ihn ausübten:
eine anßerorventlih flarf angeregte Sinnlichkeit, εἰπε
Leichtfertigfeit der Gefinnung, bie fid nur ſchwer mit ben
ernfteren Dingen befreunbete und nirgends eine rechte
Trene auffommen läßt, endlich ein Zug des Egoldmns
und bed Strebend nad eigenem MWohlfein, ber nicht nur
das Intereſſe der Anden, jontern auch bie eigene Ehre
und Innere Wahrhaftigkeit zu vergeffen in Gefahr ſtand,
wenn ὦ durch ihre Verläugnung wieder ein Schritt vor
wärts thun ließ zu dem erwünfchten Ziele hin. Und nun
blieb ed unglüdtidyer Weiſe nicht babel, daß dieſe ſchlimmen
natürlihen Anlagen fich einfach regten und gleichſam αἴθ
anwiäfürliche, ihrer {εἰδῇ unbewußte Triebe geltend machten,
fondern fle wurden burh die unermübliche Gonfequeng
ber freigelaffenen Cünbe nad und nah Gefinnung
and Grundfag, ja ein Syftem des Verhaltens und
Lebens, nad) bem εὖ mit bewußter Abſichtlichkeit (id) vid)
tete. Wenn man bie Weiſe feines Handelns und feines
Berfchres mit den Menfchen ungefähr von feiner Thron,
beftelgung an genau beobachtet, jo wird man faum mehr
In Zweifel darüber fein fónnen, daß er «6 fid recht eis
614 Gtiübelin,
gentih zur Marime gemadt hatte, fid) an Nichte
hinzugeben, jonbern Alles wur zu benügen unb durch Alles
etwas zu erreichen.“ (399.)
€o fam es denn, daß Heinrid, W., ungeachtet ber Ab-
mahnungen feiner alten Freunde, befonberó: des Dupleſſis⸗
Mornay, deflen Charakter der Berfaffer im Gegenfaß
zu Marimilian Rosni, dem fpätern Günftlinge des Königs
und Herzog von Eully, bie größten Lobſprüche ertheilt
(€. 440 fi), nadbem er, um ben Außen Schein zu
wahren, in der fatfofi(djen Religion Unterrigt genommen
(594—603), den ſchon geraume Zeit vorher befchloffenen
Schritt that, dem Calvinismus abfhwur und in die fas
tholiſche Kirche (wie fdon früher unmittelbar nadj bet
Bartholomaͤusnacht) wieder zurüdtrat. Weber die Folgen
dieſes Cdritte8 für die Neformirten und ble nunmebrige
Etellung Heinrichs IV. zu benfelben verbreitet fid) das
fünfte Kapitel (€. 617—761), weldhes mit einer Dar;
legung ver Urtheile der Hugenotten, ver proteftantifchen
Fürſten Deutfchlande und der Königin Elifabetb über
diefe Gonverfton beginnt. Heinrich IV. wurde nad) feinem
Üebertritte feinen früheren Gíaubenágenofjen, über bie er
das Proteftorat geführt, nicht bloß bald entfrembet, fons
bern fie wurden ifm aud) wegen ihres rauhen Weſens
und ihrer unauffórfiden Forderungen läflig und wider
wärtig, bis ihn julept eine, völlige Antipathie gegen alles
Qugenettentbum erfaßte. Noch einmal regten fi unter
einer Anzahl Katholiken und Reformirten Reunionsbeftre-
bungen (&. 709 fi.) In den reformirten reifen, welde
mit dem Hofe in die meifte Berührung famen, trat eine
auffallenbe Erfhlaffung des confeffionellen Bewußtſeins
ein, welde fid) immer weiter verbreitete. Inter ben res
ber Uebertritt König Heinrichs IV. von Frankreich ıc. 615
formirten Literaten, welche irenifchen Planen Bulbigten, ift
bejonberó der berühmte Caſaubonus zu nennen. (S. 718 ff.)
Sreilid) hatten biefe SBefitebungen feinen Erfolg; im Ges
gentheil fteigerte fi) die €pannung zwifchen tem. Könige
unb ber eigentlihen Mafje der Hugenotten, al& der plöß-
[ide lleberfall der wichtigen Grenzfeftung Amiens burd
die Epanier ben. König beftimmte, durch Bewilligung ber
Forderungen der Hugenotten die wegen ter Gefahr nad)
außen jo notfmenbige Stufe und Einigfeit im Innern
berzuftellen.. So fam das Evict von Nantes zu Stande,
deſſen inregiftrirung Heinrich IV. ungeadtet des Wir -
beritanded der Parlamente und des Klerus butd»
ſetzte. Dem Berfaffer erfcheint dieſer von Heinrich IV.
den Hugenotten aus wohlwollender Abfiht, und um mit
ihnen einmal abzufommen , ertheilter Friedensvertrag für
deren Sache als nadjtbeilig. Dur denſelben follte ble
anormale , unheilvolle Etelung der Hugenotten freilich
nad ihrem eigenen Berlangen verewigt werden. „Die
Keformirten wurden nun recht eigentlih von Ctaató unb
fjbrigfeitó wegen als ein Etaat im Staate conftituirt,
auf die Gefchäfte ber Politif, des Krieges, der Admini⸗
ftration in allen ihren Zweigen angewiefen. Sie hatten
Truppen zu unterhalten, Geftungen zu bewachen, Gerichte
zu beftellen, Unterhandlungen zu pflegen, ble Ausführung
^ eineó. verwidelten Vertrags zu überwachen; unb fo enge
wurden alle viefe Thätigkeiten mit ihren geiftlichen Inte⸗
reffen verfnüpft, daß der ganze Beſtand der Gemeinfchaft
von nun an an der Behanptung der zugewieſenen politi;
Then Stellung hieng. So war ed unvermeiblih,, daß
die Aufmerffamfeit ber Gemeinden von dem innern, gel
ftigen Aufbau zum großen Theile abgezogen wurde und
Φ
610 Stähelin, brc Uebertritt König Heinrichs Iv. von Wrontreld c.
der Berftärfung oder Aufrechthallung der dnpem C€dup
wehren fid zuwendete, daß das Mittel zum Zwede zu
werden drohte, die Nebenfache zur Hauptangelegenheit.“
(&. 759. f.) p ὁ | Mem s
Das Gbift von Rantes [εἰ fomit ganz dazu anges
than gewefen, ven franzöfiihen Proteftantismus um feinen
eigentlichen Herzſchlag zu bringen, fein inneres wahres
Leben zu etdrücken unter ver Saft der frembartigen aͤußern
Aufgabe , und eben dadurch ben. Feinden gebunden in bie
Hände zu Tiefen, daß es ihn bis an die Zähne bewaffnet
' fatte, um ihnen widerſtehen zu können. Die größte
Wohlthat, die bem evangeliſchen Sefenntnife in Sant;
reich widerfahren, εἰ daher nicht der Grla des Eokets,
ſondern deſſen Aufhebung (durch Ludwig XIV.) geweſen;
ven nun felen die irdifchen Intereſſen bei Seite, vie
sein geiftigen in ben. Vordergrund getreten und durch eine
blutige Suͤhnung der niederdrückende Fluch von ihm wieder
—— worden.
Hier ſchließt das Beh, Wir Haben im Allgemeinen
veften Anhalt mitgetheilt. "Der Standpunkt nes Verfaſſers
iſt ἀπὸ den beigebrachten, zum Theil wörtlichen Auszügen
zu erkennen. Leber: Einzeines mit Ihm zu: rechten, tft hier
nit ver Ort. Ber. fir tiefen wichtigen {πε΄ nicht
ploß ber Sranzöfifchen Geſchichte (ὦ intereſſirt, wird αὐ
bem Buche viele Belehrung: ſchöpfen, wenn er qu ver
Lektüre deſſelben die nöthigen Borkenntnifie und ein: ges
wu —— MUN
e E Beifyar.
Abel, Kaifer Otto ΙΝ. δῦ König Friedrich I. 617
i “Ὶ
2. ἢ
Raifer ©tto IV. und König Sriedrich 1I. (1208— 1212).
Aus beni Nachlaſſe von Dr. Otto Abel, weiland Privat:
^" tocnt ber Geſchichte in Bonn. Cine Fortſetzung von
u „König Philipp der SGobenftaufe^ von demfelben Ber:
Τὰ faſſer. Berlin 1856. Verlag von W. $e. VIII. 144 e |
Gr. 85, Pr. 1 ft 21 f.
Se Vexfaſſer —— Schrift, et ‚Sen ner
protetantiféjen. Pfatrers zu Klofter Reichenbach auf vem
' wöürttembergifhen Schwarzwald , ift mitten in feiner, bet
ftoriihen Wiſſenſchaft gewidmeten Thaätigkeit im October
4854. von. bem obe ereilt worden. Zur Hauptaufgabe
“feines ‚Lebens hatte er. (id) gemacht, eine Geſchichte ὅδ Ὁ ε d⸗
11d) 8. II. auszuarbeiten. Als Einleitung zu verfeiben ſollte
die in J. 1852 erſchienene Schrift: „König Philipy
vot Schwaben” dienen, welche von uns feiner Zeit ἐπ
dieſer Zeitſchrift beſprochen worden iſt. Gin Theil: dieſes
beabſichtigten Hauptwerkes nun, welches ſich unmittelbar
an bie Oeſchichte Philipps anſchließt, bat ſich in dem Ras
laſſe vos Verſtorbenen vorgefunden. Mit der Herausgabe
vdeſſelben wurde H. Wegele von: ber Familie des Ber
ſtorbenen betraut, und er legt: nun dieſelbe unverandert,
ohne ale und jede Zuthat, dem Publicum vor. Der
Herausgeber zollt in dem Vorworte dem: VWorſtorbenen
großes Loh; er dürfe es ohne Uebertreibung behaupten,
feit Pappenkordis allzu frühem Tode Babe bie Muſe vet
Geſchichte keinen fo ſchweren Verkauft: an einer friſch se
firebenten Kraft, wie in. biefem Falle erlitten.
Auch wit geſtahen demſelben gründliche Forſchung,
618 Abel,
tüchtige Beherrſchung des Stoffes und lebendige, anziehende
Darftelung zu; fünnen und aber nicht verhehlen, daß feine
einfeitig gibellinijde Auffafjung der Berhältniffe und Ber
fonen, welche fid) in deſſen erfter Echrift bereits entſchieden
fund gibt, feither zu einer gerabezu feindfeligen Gefinnung
gegen Kirche unb Papftthum fortgefchritten ift. Zeuge bie
von ift befonders feine Echrift: „Die Legende vom Heil.
Sobann von Nepomuk.” Eine gefhichtlihe Abhand⸗
lung aus beffen 9tadjía , welde an Gehäffigfeit gegen
das Katholiſche Ihresgleihen fudjt. Auch aus vorliegen;
bem Abſchnitte ver Geſchichte Friedrichs IL. ift abzunehmen,
was für ein Geifle&probuct von ihm zu erwarten gewefen
wäre, wäre ihm deſſen Vollendung vergönnt worben. Ders
{εἴθε beginnt mit einer Darftelung der Berhältniffe in
Deutſchland nah Philipps gewaltfamen Tode. Otto IV.
wurde nun urplößlich durch letzteres Greignig aud tieffter
Erniedrigung, nadjbem ihn bereitö feine treneften Anhänger,
darunter Erzbifchof Adolph von Köln, weicher feine Gre:
bung hauptfächlich betrieben hatte, unb fein eigener Bruder
Pfalzgraf Heinrich, verlaffen, emporgeboben, fo taf fid) auf
einmal die einander fo feindfellg gegenübergeftandenen
Pateien um ihn fammelten. — Ueber den unmittelbar
nad) feiner Saiferfrónung eingetretenen Bruch Otto'é TV.
mit bem Bapfte urtheilt ber Berf. (S. 57 ff.) alfo: bie
Befignahme ted Kirchenftaats und der Mathildiſchen Lande,
die Eröffnung ber Feindſeligkeiten gegen König Friedrich
von Cicillen, Otto’d ganzes Thun feit feiner Krönung,
fei, das [affe ſich nicht verhehlen, ein fortlaufenber Meineiv
gewefen. Und tod) werde man mit diefem Verdammungs⸗
fpruche fein Urtheil über des Kaifers Thun nod nidt abs
ſchließen dürfen, ſondern zugeftehen müffen, taf neben bem
Kater Dtto IV. und König Friedrich II. 619
Moraliften and der Hiftorifer eine Stimme habe, ber die
Cadje nicht als eine rein perfönliche vom abftracten Stand⸗
punct des Sittengefeges auffaſſe, fondern aus ber Fülle tec
gegebenen Berhältniffe ihre Erklärung judje, vielleicht ihre
Entfhuldigung finde. Die wahre Schuld Otto's liege nicht
fowohl in bem Bruch, als in ber eiftung feines Schwurs;
fie fei entfprungen bem erften großen Behltritt feines polis
tiihen Lebens, als er fi dazu hergegeben, ben Gegenfonig
jt fpielen. Was ihm damals ald einem unerfahrenen
Reuling nodj hingehen mochte, das habe fid) zu fehwerer
Berfündigung an feinem Fföniglichen Berufe gefteigert, als
er nach Philipps Tode, wo er frei und feft bageftanben
im Reich, die Krüden nicht weit von fid) geworfen, bie ihn
bid dahin hatten ftügen und tragen müflen, als er nicht
ben Muth gehabt, das Mißtrauen unb bie Feindſchaft des
Papſtes πο vor ber Erlangung der faijerfrone zu weden.
Auch wir (timmen mit bem Berf. überein, wenn er weiters
bin bemerft, der Schlüffel für Ottos ganzes Thun liege
barin, daß er nicht eine befiegte Partei aufgenommen, fons
bern einer flegreichen, (der gibellinifhen) fid angeſchloſſen
und deren politifhe Grundfäge und Abfichten fid) angeeignet
habe. Aber mit Recht fann man fagen : hätte nicht Otto IV.
bem Drängen der gibellinifhen Ctaatémànner in feinem
Rathe gerade baburd) Einhalt thun und eine auf der Einig-
feit mit bem päpftlichen Stuhle hinziehende Politik feftalten
können, daß er fie darauf hinwies, εὖ fel ihm durch wiebers
holte felerfide Eide verwehrt, auf ber von ben Hohenftaufen
betretenen Bahn weiter zu wanden? — ©. 61 ff. wird
bie Lage Unteritalieng, feit. Heinrichs VL Tode fíat und
anſchaulich gefdjilbert, forie aud die Jugendzeit Friedrichs,
melde er mitten im gráulid)ften Parteikampfe zubracte,
620 Abel; Kaifer Otto IV. unb. König Friedrich IL
„Da lernte Friedrich fdjon in jungen Jahren, daß er auf fid
ſelbſt geftelit jet, Niemanben trauen könne. In einem Alter,
wo der. Menfch Fonft. noch in zufriebener linbefangenfelt
und Abhängigfeit dahin lebt, hatte er bereits Selbftändig⸗
féit. im Denten und Handeln, berechnende Klugheit unb
eine feltene Menſchenkenniniß fi angeeignet. Freilich
fonnten andj die Schattenfeiten nicht ausbleiben: dieſe
Menſchenkenntniß wurde oft zur Menſchenverachtung, bie
Gelbftánbigleit. zur Selbſtſucht und. Geringſchätzung befjeu,
was für Andere ein: gebeiligted Auſehen hatte, zu ber eins
Sachen Klugheit gefellte (id) giftigfeit und. die Kunſt ber
Verſtellung; über bad ganze Weſen des inngen Fürften,
bem nie ein warmes, theilnchmendes Herz entgegengeichlagen
hatte, ‚verbreitete ſich Thon Frühe eine eifige Kälte, bie nie
mehr von ifm. gevoidyen umd ‚nur in einzelnen. Kälfen durch
heftige, aus ben. Tiefen der Seele fommenbe Gefühldergüfie
vorübergehend: gebrochen worden i^ .(9..87 f) Es
folgt ſodann eine Schlinerung des Verhaͤltniſſes des jungen
Königs. zu Dentſchland, tem Papft und Philipp Auguf
von Wraufreid), mit weichen fury vor Friedrichs feierlicher
Wahl zu Wranffurt und Krönung zu Mainz ein wichtiges
Bündniß zu Stande kam. So weit reidst vorliegende Schrift.
Dr. Briſchar.
Photii liber de Spir. s. mystagogie ed. Hergenr. 621
3.
Qoría Πατριάρχα λόγος περὶ τῆς v8 ayla πνεύματος
μυσταγωγίας. Photii Constantinopolitani liber de Spi-
ritus sancli mystagogia , quem notis variis illustretum ac
theologicae crisi subjectum nunc primum edidit J. Hergen-
röther, S. Theol. Doctor ejusdemque in Wirceburgensi lit.
Universitate Professor P. O. Ratisbonae, MDCCCLVII.
Sumptus fecit G. J. Manz. XXXVI et 337 pp. Oct. maj.
Br. 4 fl. 48 fr.
Jeder Gebanfe an bie unfelige Trennung der griechi⸗
iden von ber fateini[fen Kirche ruft und ben Namen
Photius ins Gebádjtnig, denn er war οὖ ja, ber ben bisher
nur nebelartig da und dort umherziefenven Irrthum wegen
des hi. Geiftes zu einer ſchweren diden Wolfe verfeftigte,
bie feitbent den Himmel der griedjijen Kirche verfinftert.
Acht Jahrhunderte fang waren hauptfächli die griechifchen
Stämme bie Träger des chriftlichen Lebens und bet drift;
lichen Wiſſenſchaft; die erhabenften theologifchen Probleme,
bie größten bogmatijden Fragen toutben unter ihnen anges ἢ
regt und buch fie gelöst, und es glängte unter ihnen
weitaus die Mehrzahl der frömmften und geiftreichften
Väter. Aber feit Photius muß bie griechifche Kirche mit
dem Pſalmiſten (43, 20) ansrufen: cooperuit nos umbra
mortis. Die εἰπῇ fo berrlihe Blüthe i(t verſchwunden,
das Leben erftarrt, der Born ber Wiſſenſchaft verfiegt.
Gerade jet find εὖ taufend Jahre, bag Photius, auf bem
bie erfte und größte Schuld von alle bem laftet, ven erzbis
ſchöflichen Stuhl von Conſtantinopel beftieg; groß an Geiſt
unb Gelebrjamfeit, aber noch größer an Verkehrtheit des
Willens. Zeuge des Einen wie bes Andern find feine
Tpeol. Ouartalſchrift. 1857. IV. Heft. 4
622 Pheotii hber de fou. =. mpstegugin
yabfreidhen, grefentbriló ned, verbuntenen Cjrifürm, von
benen mande gerate tie Berfefligung ter Irtichte in Be
treff te6 BL Geines zu ihrem Gegenſtande baben: temm jo
lange et lebte, wurte er nidt müte, fein vermeintliches
Dogma immer aufd Reue, wenn and mit tenjelten Eos
phismen, jo bod in neuen Worten mnt Wendungen zu
vertheitigen unb das Filioque ter Lateiner zu befümpfen.
Die widtigfte unter allen Schriften, worin er tieß gethan,
ift die vorliegende, und gerate fie hatte das Schickſal, bie
ber faft unbefannt in Bibliothefen verborgen zu liegen.
Der Erſte, ver tiefer Schrift bed Photins erwähnte und
harand Manches in feine eigenen Bader aufnahm, war
Der gelchrte Grieche Leo Allatius; neuerdings aber fand
fie Angelo Mai in mehreren Handſchriften der vatifa
nifdyen Bibliothef, und gab baven ziemlih ausführliche
Beſchreibung, fam aber bod) nicht dazu, aud) ven Gert un6
mitzutheilen, und Dezennien vergingen wieder, bis fd
Prof. Hergenrötber in Würzburg das Berdienft erwarb,
im Borliegenden uns die ere Ausgabe einer für bie
Dogmatif und Kirchengeſchichte fo wichtigen Schrift bau
bieten.
Er benüste zu dieſer editio princeps drei Codices:
einen Mündner and bem 15. oder 16. Jahundert, ber
jebed) nicht das Ganze enthielt, und zwei Batifanifche aus
bem 13. Jahrhundert. Den Münchner copirte er qſelbſt,
wie er verfihert, aufs Gewiſſenhafteſte, die beiden andern
aber conferirten für ihn einige gelehrte zu Rom wobnenbe
Srennde. Die beiden vatifanifhen Handſchriften geben das
Werk volifiánbig, and imeen unser fid) {εὖτ genau übers
ein, während tie jüngere Muͤnchner mande Abweichungen
darbietet. Hergenröther folgte Hauptjächlich dem einen vati⸗
ied. Hergenröther. 623
laniſchen, Nr. 1923. Gines nod) ülteren Codex, ber ſich
ebenfalld in ber Vaticana befinde (Codex Golummensis
XXXVIII), Hatte fon Angelo Mai erwähnt, aber man
fonnte ihn, ba Mai beffen Nummer nicht augab, nidt for
gleich :wieber .auffinben und entdeckte ihn erſt, als her Druck
diefer Ausgabe ſchon fehr weit vorgeſchritten war. $e
genröther fonnte ihn barum nur mehr bei wenigen Kapiteln
unmittelbar benügen, :verfäumte jebod) nicht, bie zahlreichen
Barianten, bie derſelbe gab, sin einer beſondern Tadelle
mitzuthellen, und noticte darunter jene mit einem Stern⸗
den, welche den Vorzug ‚vor dem aufgenommenen Texte zu
verdienen fdjienen. Ein fünfter Gober, ebenfalls vatifanijd),
. nd zwar ‚Oltobon. XXVII, der auch nod) aufgefunden wurde,
ſtimmt mit dem Maänchner vollſaändig üben und gewährte
darım für bie Tertescritik keine weitere Ausbeute.
Photius betitelte bie vorliegende Schrift λόγος περὶ
τῆς a8 ale πρρήμαεφς μυσεαγωγέας, Ὁ. ἢ. Abhandlung
zur (infülfrusg:in das Dogma (Myferium, Geheimlehre)
vom HI. Geifte. SHergenröther zerlegte dieſelbe bem Inhalte
nach in 96 Paxagraphen, fügte aber am Rande nad, eine
anbere in einem yatikaniſchan Bader vargefundene Abthei
lung mit griechiſchen Zahlzeichen bei. In den vielen bem
Terte untexftellten Noten ſammelte er tpeiló ‚vie bezüglichen
in andern Werken des Photius vorfommenben Parallels
ftellen, theils die von alten Autoren aus der vorliegenden
Schrift entlehnten Gitate, und aud wo von Andern bie
Worte und Argumente des Photius nur theilweife recipirt
ober freier nachgebildet waren, follten and) dieſe nicht fehlen.
Eine lateiniſche Ueberſetzung theilte er nicht mit, und ſucht
diefe Unterlaſſung durch vie Angabe μι rechtfertigen, daß
lateini[dje Weberfegungen griechiiher Autoren überhaupt
41 *
624 Photii liber de Spit. s. mystagogia
fiberflüffig felen unb von ben Gelehrten nicht gerne gefeben
würden. Man kann zweifeln, ob das Eine unb Andere
wahr ift, zumal bei den vielen fchwierigen Stellen, melde
das vorliegende Werk bietet, und wo eine gelungene Ueber⸗
fegung zugleih eregetifchen Werth gehabt hätte; aber
auffallend ift εὖ, wenn ber Heraudgeber da, wo ältere
Gelebrte bereits ble eine oder andere Stelle aus unferem
Buche ins Lateinifche überfegt hatten, dieſe Bruchftüde
mittheilt und nicht auch fie für überflüjfig Diet. Daß
letztere Ueberfegungsfragmente Anderer ftets einen befon,
deren, etwa fritifdoen Werth haben, wird Niemand be;
haupten. |
Mehr als bie Hälfte des Raums verwendete H. et;
genröther zu animadversiones historicae et theologicae,
die zur illustratio et refutetio vet Photiusfchen Lehre unb
Argumente dienen foliten. Diefe große theologiſche Abhand⸗
lung zerfällt in 4 Paragraphen: 1) Photii liber univer-
sim expenditur et illustratur p. 123—144; 2) Argumenta
ex auctoritate utrimque (von Photius unb feinen Gegnern)
petita, quae potiora sunt, examini subjiciuntur p. 145—216;
3) considerantur principia theologica a Photio propugnata
p. 216—267; 4) ad praecipua Photii sophismata variorum
Theologorum responsa proponuntur p. 267—332. Diefe
vier Difjertationen, wie wir fie nennen fónnen, bieten
mandes für ble Sogmengefdjigte febr Interefjante bar,
aber hätten wohl eher Theile einer befonderen Monographie
über Photius, als Anhang zu tiefer einzelnen Schrift beg;
felben fein follen. Es find darin j. 88. in langer Reihe
ble verjehlevenen Entgegnungen gefammelt und aufgeführt,
womit die Alten, von den Zeitgenofien des Photius an,
defien Sophismen gegen das Filioque befämpft Baben.
ed. Hergenröther. 625
Dabei wollte H. Hergenröther vorherrfchend nur Fremdes
geben, und auf eine eigene eingänglie Kritik und Unter
fuchung ber dogmatifchen Etreitfrage um fo mehr verzichten,
als er bereits feit Jahren an einem größeren Werfe über
Photius arbeitet. So intereffant und übrigens ble Bier
[don gegebenen vier Differtationen waren, fo hätten wir
bod) eine beijere Diathefe des darin befanbelten Stoffes,
namentlich nähere Zufammenftellung des logiſch Zufammens
gehörigen gewünfcht, während jegt Manches gar zu febr
auseinander geriffen, Anderes wiederholt bejproden
ericheint.
Nicht unverbienftlid) ift, daß Hergenröther aud) eine
andere bem Photius zugefchriebene Heine Schrift über das⸗
{εἶδε Thema (Ausgang des hi. Geifle aus tem Vater
allein) von p. 113—120 mittheilt, da fie bisher nur ein,
mal unb zwar nur in ber Außerft feltenen, im J. 1710
in ber Walachei gedrudten Panoplia des Euthymius Ziga-
benus veröffentlicht wurde. Bedenken gegen vie Nechtheit
diefes Opusculums hatte [don Leo Allatius auégefprodjen,
und Hergenröther glaubt, Jeder werde fie theilen, ber dieß
Büchlein mit der und vorliegenden Myftagogie des Photius
vergleiche. Deßungeachtet will er bod) nicht entgültig ent⸗
heiten und die Möglichkeit offen laffen, daß wenigftens
die erften 13 Kapitel von Photius ſelbſt herrühren mit
Ausnahme einer einzigen interpolirten Etele in Kap. 12.
Bei diefer Gelegenheit berichtigt er aud ten Irrthum
mehrerer Literarhiftorifer, daß bie genannte Panoplia des
Euthymius Zigabenus aud) von Matthäi zu Leipzig im
Fahr 1792 edirt worden fel (p. XX), und ebenfo zeigt er
p. XII, daß tie bisherige Annahme, als habe Photius
ein befonvered Buch κατὰ ““ατίνων über ven bL. Geift bes
628) Ginzel,
ginhenis mit: ben Worten: zig ὅλως ovdSyouo cum ἐν
Χριστιανοῖς τελάντων. ὀπὺ τῆς. ἁγίας spuddog δύο sigu-
em οὔτια geichrieben: habe, irrig, und daß diefer angebe
fide Traftat nur ein Bruchſtück and feiner epist. 2 οὐ
batinos (ed. Londin. p. 51 sqq.) fei, tem einige anbexe
Fragmente ans Photius angehängt worden.
Hefele.
Be rro ctc trdbs accanto
4.
fjanbbud) des neueflen in Orflerreid) geltenden Kirhen-
rechtes. Für den practiihen Gebrauch bearbeitet von Dr.
Iofeph Auguffin Ginzel, Ehrendomherrn, Confiſtorial⸗
und Ehegerichtsrathe, Vertheidiger der Ehe, Profeffor der
Kirchengeſchichte und be8 Kirchenrechtes an der theologiichen
Lehranftalt zu Leitmerig. Erfler Band. Prolegomena
und Berfaffungsrecht der Kirche. Wien 1857. Wilhelm
' Braumüller. VI. und 390 Ὁ. — Preis 3 fl. 30 fr.
Der H. Berfaffer beabfichtigt bei Herausgabe bes vors
liegenden Werfes eine Darftelung des gefammten, jest
in Oeſterreich geltenden Kicchenreihts, Ὁ. b. ved gemeinen
Rechts unter Beifügung bevjenigen Modifiscationen,
bie daſſelbe in Defterreih erlitten hat. €. VI u. 3 —
Wenn: wir εὖ [dom an. fid als ein verdienſtliches
Unternehmen bezeichnen müffen, bei dem lebhaften Interefie,
weiches gegenwärtig in Oeſtereich dem Studium des Kirchen⸗
rechtes zugewendet wird, unb bei ben mannigfaden Schwie⸗
vigkeiten, bie ber Ausführung des Goncorbateó fid) entgegene.
ftehten nnb nod entgegenfiellen mögen, eine jujammem
Handbuch des γε, Kirchenrechtes. 627
hängenve und überfichtliche Darlegung. aller Rechtönormen
zu geben, weld theild als Beftandtheile der allgemeinen
Gejeggebung, theils in Folge befonbern. lebereinfommené
und fpecieller Privilegien im Kaiferflante bereitö Geltung
baben ober dieſe erft erlangen follen, fo gfagben. wir auch
bie: Deberzeilgung anöfprechen zu tiefen, daß dx H: θεῖν
faffer. diefe Aufgabe, ſoweit ber vorliegende erfte Band:
urtheilen laßt, glüdlid) gelöst babe und daß feine. Arbeit
ſowohl den kirchlichen Vorgeſetzten in Deflerreih, als aud)
ihren Untergebenen für Begründung uut: Buchführung
ber neuer Rechtsordnung ven bem mannigfaltigſten Nutzen
fein werde.
Was in erfter Linie die Darftellung des gemeinen.
Rechts betrifft, fo ift diefelbe durchaus einfach, Mar und
präcis, bei jebem einzelnen Punkte werden vie. betreffen-
ben Beweifesftellen aus ben firhliden Gefegen aufgeführt
und bte einfchlägige: ältere und neuere Literatur forgfältig
namhaft gemacht. Die Grundzüge der Kirchenverfaſſung
find überall deutlich auseinandergeſetzt und Ihe organifiher
Zufammenhang febr gut aufgezeigt. Bel: ven Hauptmo⸗
menten derfelden werden die erften bevettó vom Serv ſelbſt
gegebenen Anfänge aus ver Bl. Schrift nachgewieſen und
ſodann unter Anfühuung weniger, aber immer treffender
Bäterftellen dargethan, daß ble betreffende Sinftitution iut
Bewußtſein tor. Kirche immer fortgelebt Habe in ber Komm;
welde vie Schrift enthält unt: welde, nur ventlicher ente
wickelt, nod heute beſteht. Wir führen: zur nähern Gus
laͤuterung einige Beripiele an. Nachdem bet Berfafjer Ὁ. 82
ans ber Erik dargethan, daß ber Herr das‘ Apeftefamt
für alle Zeiten. eingefegt und gewollt habe, daß bie
den Apofteln verliehene Gewalt durch lleberttagung auf
628 Gin,
Andere fortgepflangt werde, wie dieß aud) wirklich Durch tle
Apoftel mittelft Händeauflegung gefchehen fel, führt er zum
Beweiſe, vaß die gleihe Anihauung und Praris aud in
ber unmittelbar nachfolgenden Zeit beftanben habe, vie Stelle
aus bem erften Briefe des Hi. Clemens an tie Eorin-
thier c. 44 an: „Apostoli quoque nostri per Jesum Chri-
stum Dominum nostrum cognoverunt, contentionem de no-
mine Episcopatus oborituram; ob eam ergo causam, per-
fecta praescientia praediti, constituerunt praedictos ac
deinceps ordinationem dederunt, ut, quum illi decessissent,
ministerium eorum alii viri probati exciperent.^ — Für
die auf Schriftftelen gegründete Behauptung, daß der gris
mat bed Petrus den Zwed habe, die Einheit in ver Kirche
zu wahren, unb daß ber bl. Stuhl immer unter biefem
Gefidjtépunfte betrachtet worben fei, verweist ber Verfaſſer
€. 96 f. auf Optatus von Mileve und auf ben bl.
Hieronymus: „Opfatus Milevit. 1. 2. contra Parmenia-
num: Negare non potes, scire te, in urbe Roma Petro
primo episcopalem cathedram esse collatam, in qua sederit
omnium apostolorum caput Petrus, unde et Cephas appel-
latus est, in qua una cathedra unitas ab omnibus ser-
varelur, ne ceteri apostoli singulas sibi quisque defende-
rent: ui jam schismaticus esset el peccator, qui contra
singularem calhedram alteram collocare. — Hieronymus
adv. Jovinianum |. 1. c. 14: At dicis, super Petrum fun-
datur ecclesia; licet id ipsum alio in loco super omnes
apostolos fiat, οἱ cuncti claves regni coelorum accipiant,
el ex aequo super eos ecclesiae fortitudo solidelur;
iamen propterea inter duodecim unus eligitur, «f capite
constituto schismatis tollatur occasio.^ — Ebenfo wird
€. 145 au$ der Schrift dargethan, daß Staat und Kirche
Handbuch be8 ac. Kirchenrechtes. 629
ſelbſtſtaͤndig neben einander beftehen, mithin feine bet
beiden Auctoritäten in das Rechtsgebiet der andern will-
fürlih eingreifen bürfe; tiefe Auffaffung ve8 Berhälts
nifjes von Kirche und Staat fel nicht nur in ber Natur
der Sache begründet, fondern aud) fdon in ber alten
Kirche practiſch anerkannt gewefen. 918. Zeuge wird
Hofius genannt, welcher ad Imperatorem Constantium
fagt: „Ne te rebus misceas ecclesiasticis, neu nobis his
de rebus praecepta mandes, sed a nobis potius hsec edis-
cas. Tibi Deus imperium tradidit, nobis ecclesiastica con-
credidit. Ac quemadmodum qui tibi imperium subripit,
Deo ordinanti repugnat, ita melue ne si ad te ecclesia-
stica pertrahas, magni criminis reus fias: Reddite, scrip-
tum est, quae sunt Caesaris, Caesari, et quae suni Dei,
Deo. Neque nobis igitur terrae imperare licet, neque tu
adolendi habes. potestatem.^ — Derartige furze, aber fig;
nificante Ausfprüche ter erften Kirche find burdj das ganze
Werf in großer Anzahl namhaft gemacht: wir übergehen
bie übrigen, aber fchon aus den angeführten mag erfichtlich
fein, in welch treffender Weile baburd) die Grunb[ápe des
beftehenden Kirchenrechtes dem SBerftánbnifje nahe ge:
tüdt, die Anerfennung ihrer Wahrheit und göttlichen Bes
rechtigung direct vermittelt wird. —
Mit der gleichen Sorgfalt hat ber H. Verfaſſer eine
Reihe neuerer Ausſprüche des heiligen Stuhles
über einzelne Lehren des Kirchenrechts gefammelt unb an
den betreffenden Stellen eingefügt: andy dieß ift in hohem
Grabe geeignet, die Grundfäge der Firdlichen Disciplin
flar zu machen und über mandje früher weniger erörterte
Frage das rechte Licht zu verbreiten. So wird ©. 91 ἢ
der Gag ausgeführt, daß alle Apoftel dem Petrus ale
020 ᾿ Ginzel,
ihrem gemeinſamen Haupte untergeordnet geweſen und daß
and Paulus dieſes Verhaäͤlmiß anerfannt: habe: Dabei
flebt die erläuternde Bemerkung: „Der Say, weldher vie
gleiche Stellung der Apoftelfürften Petrus und Paulus in
bem Negimente ber Kirche behanptet unb die Unterordnung
des Leptern unter Petrus laͤugnet, ift durch Papſt Innos
cenz X.. kraft. folgenden Deereted der B. Gongregation S.
Officii ober. Inquisitienis. vom 29. Januar 1674 ale häre-
tifich erklärt. worden: Sanclissimus, releta unagimi theo-
logorum: ad: hoc. speoialiter deputatorum: oensura οἱ; audilis
votis. eminentissimorum: ei.reverendissimorum DD. Cardina-
linm. Genenalum Inquisitorum , propositionem hane: S.
Petrus et: S. Paulus sunt duo Eoclesiae prineipes qui uni-
cum efficiunt, vel: sunt. duo Ecclesiae catholicae coryphaei ἢ
ac supremi duces summa inier se unilate. conjuncli vel:
geminus universalis Ecclesiae veriex qui in unum diwinis-
sime Coaluerunt, vel: sunt duo Ecclesise summi pastores
ac praesides qui. unicum eaput constituunt, ita explicatam,
ut. ponat omnimodam aequalitatem inter S. Petrum. el 8.
Peulum sine subordinatione et subjectione S. Pauli ad
S. Petrum in potestate suprema ei regimine universalis
Ecclesiae, haereticam censuit et deeleravit^ — Die
fBebauptung, daß ber Curiébiction ver Kirche nicht nur
ihre wirklichen Mitglieder untermorfen felen, fonberm aud)
bie gültig getauften Häretifer, Schismatifer unb
Apoftaten, wird ©. 103 durch einen Ausſpruch "Bes
nedicto XIV. unterftügt, welcher fi in feinem Breve Sin-
gulari. Ὁ. 9. Webxuac 1749, & 13. 14. vorfindet: „Com-
pertum est, eum, qui baptisma. ab haerelico rite suscepit,
ilius vi ecelesiae catholicae membrum effici. Exploratum
habemus, ab haereticis baptizatos, si ad eam aetatem ve-
Handbuch des a. Archenrechtes. 631
nerint, in.qua. bona. a malis dispioere per se possint, atque
erroribus baptizantis adhaereant, illos quidem ab ecclesime-
unitate repelli, iisqne bonis. orbari omnibus, quibus fruun-
tur in ecolesia versantes; non iamen ab ejus auciorilate:
et legibus liberari.^ —
Wie ber H. Verf. wiederholt bemerft, ift bad vorliegende
Handbuch des Kirchenrechts hauptſaͤchlich für ben practi
[den Gebrauch begimmt. In ganz richtiger Erwägung,
dieſes Zweckes hat er. vie einzelnen Materien bis ind Speciellſte
verarbeitet und zur Beantwortung deumannigfachen, [τ prac
tiſche Leben oft. jo wichtigen Detailfragen eine Menge von
Entſcheid ungen der Congregatio Concilii angeführt, bie er
theils ummittelbar tenu Thesaurus: Resolutionum, theils ver:
SRidyer [den Ausgabe des. Triventinumd, theild ben Werken
von. Benebict XIV.,, Ferraris und Barbofa, theild tem von
ibm felbft herausgegebenen. „Archiv für Kirchengeſchichte und
Kirchenrecht“ entnommen hat. Beſonders bemerkenswerth
in. dieſer Richtung iff die Lehre von ben Jurisdictionsrechten
ber niebern. Praͤlaten €. 360 ff. weldje fih faf. ausſchließ⸗
(id) auf. Gntideibungen ber vómijd)en Congregationen grünbat,
unb: mis einer Ausführlichkeit beBanbelt ift, wie. dieß unſeres
Wiſſens nod, nirgends geſchehen ijt. — Außerdem hat bie
mactiſche Brauchbavfeit. ned. Werkes auch baburd) fehr ger
wonnen, daß ber Berfaffer zugleich bie neuern páyR.
[iden Bullen forgfältig benüste, um: and: benjelben.
für bie einzelnen Behauptungen die entjpred)eubeu Boweiſes⸗
fielen anführen zu fónnen, authentiihe Exflärungen, bie.
jeven: weitern Zweifel unmöglich machen. Wir erlauben:
und, aus vielen Beifpielen zur nähern Erläuterung ein
einzige® anzuführen. S. 265 f. ift: gelegt, daß bie Biſchöfe,
um von ihren Diöcejen länger alà drei Monate abweſend
632 Ginzel,
zu fein, die Gründe dafür dem Papfte vorzulegen haben,
daß biefer fle gu prüfen unb nad Befund ber Gadje bie
Gríanbnif zu ertheilen ober zu verweigern befugt ſei. Zur
Begründung biefer nenern Praris ift die Bemerkung δεῖς
gefügt: „Das Goncl von Trient hatte Sess. XXI. c. 1
de ref. nebft bem Papfte aud; bem Metropoliten und in
deſſen Abwefenheit tem. älteften refidirenden Suffragans
bifchofe das Recht ber Approbation der gefeglichen Abmefen-
heitögründe zuerkannt. Diefe Beftimmung ift burd) Papft
Urban VIII Const. Sancta synodus vom 12. Der. 1634
aufer Kraft gefegt worden, indem 6. 8 berfelben vie ®es
währung dieſer Erlaubnig alein bem Papfte vorbehält:
Ecclesiarum Praefectis (Patriarchis, Primatibus, Archiepis-
'copis, Episcopis) injungimus ne ab eorum ecclesiis disce-
dant, nisi prius obtenta nostra et Romani Pontificis pro
tempore existentis per Breve seu literas missivas licentia.
Zu einer bloß breimonatliden Abwefenheit bedarf ed aber
feiner Erlaubniß — nad S. C. C. die 3. Febr. 1635:
Requirentibus nonnullis Episcopis, S. C. habito prius verbo
cum Sanctissimo Domino nostro respondit: per constitu-
tionem super Episcoporum etiam S. R. E. Cardinalium
residentia ab eodem S. D. N. nuper editam non fuisse
sublatam facultatem ab eodem S. Concil. c. 1. Sess. XXIII
de Ref. concessam, aequa ex causa abessendi aliquantisper
ἃ residentia, dummodo absentiae spatium duos vel, ad
summum ires menses non excedat.^ — Endlich find bei
Fragen, über weld befonbere gefegliche Gnt[djelbumgen
nidjt vorliegen, für das practi[fje Verſtaͤndniß febr häufig
ble 9leuferungen bewährter Ganoniften wörtlich angeführt,
z. S. Benediet XIV, De synodo dioecesana, Reiffens
fuel, Jus can. u. Andere. — j
Handbuch be8 κς. Kirchenrechtes. 633
Zur befondern Empfehlung gereicht dem Werke ver
weitere Umſtand, daß aus bet neuern und neneften
Kirchengeſchichte eine Menge von Thatſachen hervow
gehoben werben, an melden bie allgemeinen Grunpfäge
bes befiehenden Rechts factij zur Anwendung famen.
Hiedurch wird nidt nur das Verftänpniß der erftern febr
erleichtert, jondern dem Lefer auch unmittelbar nahegelegt,
bag unb in meldet Weife tie alten Ganoneó nod) jebt
Geltung und gefeglide Autorität haben. In dieſer Rich⸗
tung bemerkt der Verfaſſer S. 128 über vie National
Goncilien : a) daß viefelben ohne befondere Bench,
migung bes apoftolifhen Stuhles weder ausges
fhrieben nod) abgehalten werben dürfen, unb b) daß,
wenn bie Bifchöfe eines Reiches zu einer Primatle nicht
vereinigt find, wie die Genehmigung, fo and) die Be
tufung und der Vorfig auf bem Goncil bem Papfte
zuſtehe, ein Recht, welches ter heilige Stuhl regelmäßig
durch feinen Nuntind ober Legaten, und falls ein folder
im Reiche nicht anweſend fei, durch einen ber betreffenden
Biſchöfe ausüben laffe. Zum erfleren der genannten
Punkte in als hiſtoriſche Erläuterung beigefügt: „Fran⸗
zoͤſiſche Bifchöfe richteten Enve Februar 1849 die Bitte
an Se. Heiligkeit: Ad Sanctitatem Vestram concurrimus
deprecantes ut Concilium plenarium tolius gentis galli-
canae ordinare dignemini. Darauf antwortete Papſt
Pius IX. unterm 17. Mai: Optime nostis Concilium ejus-
modi absque apostolicae Sedis venia nec indici nec ha-
beri posse. Diefelbe Antwort wurde ben zu Würzburg
im November 1848 verfammelt gewefenen Bifchöfen, bie
daffelbe Berlangen nad einem NationalsBoncil an €e.
Heiligkeit ausgeſprochen hatten.“ Die zweite Behauptung
634 Ginzel,
wird durch die Bemerkung näher beleuchtet: „Deßhalb
iſchrieb δὲν Exzbifihof von Paris au Ge. Heiligkeit: Bt
nobis :quidem omnibus esset pergratissimum audire verbe
quae procederent de labiis Vestris, et frui eloquiis quae
procederent de ore Vestro: at si de .absentie Patris fore
est ut filii doleant, saltem per Delegatum nobis in Con-
cilio praesideatis. Und Pius IX. ermaͤchtigte auf bie
von ben Biſchöfen Nordamerikas geftellte Bitte im Jahr
1852 den Erzbiſchof von Baltimore, Dr. Kenrik, ein
National⸗Concil nad) Baltimore zu berufen und "bemjelben
ald Delegat:des heiligen Stuhles zu prüfibiven.^ — ©. 435
wird erwähnt, daß swie Beſchlüſſe ber Provinzial-Synoden
an :bie Congregatio Concilii zu dem Zwecke einer nähern
Mrüfurfg einge(anbt werden müfjen usb daß nad geſche⸗
hener Revifion ber Cardinalpräfect fie zurüchihide unter
Angabe derjenigen Munfte, Die ‚einer 9leuberung ober Ver⸗
befferung :bebürftig feien. Hiezu ift bemerft: „So ſchrieb
4. 8. Garbinal Mai unterm 12. Aluguft 1850 an γε
Metropoliten von Avignon: Caelerum si .quid minus
accurate expressum wel aliquanlisper emendandum cen-
seit Sacra Congregstio, id eliam SS. D. Nostro subjecit,
proui perspieiet Ampli. Tua m folio signato A. Quae
im :Bunodo super jejunio triduo Rogationum statela fuerunt
de woto Bacrae .ÜCongregationis benigne confirmarit Banc-
titus Sua, ut ex folio .B., quae iamen prorogandem «een-
suit 'kosdemine “οἱ 'graduum conferendorum adpröbatio-
nem, 'prout aliis Prewinsiarum Archiepisqopis ;peseriptem
fuit. Tandem sub folio C. reperiet Ampli. Tua nannul-
los Sacrae .Scriptunae ac :SS. Patrum .textus suae fidei
restitutos .utpale in capitibus Synodi non bene exscriptos
ab Amanuensi, quorum correctionem curebis, antequam
Handbuch des 1c. Kirchenrechtes. 639
iypis Synodus ipsa mandelur.“ S. 139 bezeichnet ber
(6. Berfaffer bie KRund machung und Durchführung
bert Decrete des Provinzial-⸗Concils als tie
Hauptaufgabe der Diöceſan⸗Synode, weßhalb es kirchliche
Praxis ſei, daß jenes vor dieſer abgehalten werde. Um
hiefür ein Beiſpiel aus der neueſten Geſchichte namhaft
zu machen, wird aus dem Schreiben Pius IX. an den
Cardinal Schwarzenberg und die Würzburger Ber
ſammlung bie Stelle hervorgehoben: Opportunius 'et salu-
tarius fore arbitramur, ut archiepiscopi provinciales sy-
nodos primum habeant. Posimodum vero uliliori prorsus
ralione dioecesanae synodi convocari poterunt, in qui-
. bus unusquisque «episcopus ea cum suo clero ad exitum
deducat, quae cum aliorum antistitum «consilio constituta
el apostolicae sedis auctoritate fuerint corroborats.^ —
Derartiger hiſtoriſcher Thatfachen enthält das Werf εἶπε
{εὖτ große Anzahl: wir müffen die weitere Aufzählung
berfelben hier unterlafien, :aber tad wird nicht in Abreve
gezogen werden können, daß auf biefe Weile ble Lecture
des Buches das mannigfaltigfte Interefje darbiete und bte
jest lebende Kirchendisciplin dem Berftändniffe des Leſers
viel näher gevidt werde, αἰ dieß durch bloße Zufammen-
ftelung abftracter Rechtsögrundſätze hätte geſchehen fónnen.
Meben dem gemeinen Rechte will ver H. Verfaſſer
im vorliegenden Handbuche aud) bie Abweichungen und
SX obificationen aufzeigen, welde das erftere in Defters
reich erfahren Bat. Als Quellen biefeó ſpeciell öfters
reihifhen Kirchenrechts werben S. 66 aufgeführt:
1) Das Eoncordat. 2) „Iene Anordnungen bes
apoftolifd en Stuhles, durch welche befondere Gegen;
fände des kirchlichen Lebens in Defterreich geregelt werben,
636 Gin,
Eine [oíde erfloß im Jahre 1841 über bie Behandlung
ber gemi[dten Ehen an ben Episcopat Ungarns unterm
30. April, wie an die Erzbiſchöfe und Biſchöfe der deutſch⸗
öfterreichifchen Länder unterm 22. Mai.” 3) Die „Befug
nifje ober Bacultáten, welde ver apoftoli(e Stuhl
den Bifchöfen Oefterteid)ó herkömmlicher oder auferorbent
lider Weife zur Führung des Kirchenregiments zu erteilen
pflegt. Zu diefen herfömmlichen Facultäten gehören vie
fogenannten Duinquennals und Triennals-Facul
täten.” 4) Die „im Einklang mit ben Grundſätzen des
Eoncorvates ſtehenden SBegimmungen des öfter
reihifhen Episcopates zur Durdfübrung befjelben
im Allgemeinen unb inóbefonbere des X. Artikels.“ 5) Die
„Berordbnungen ber öfterreihifhen Staat
tegierung zur Durdführung ver Seftimmungen des
Goncorbatéó , foie überhaupt 9Berorbnungen berfelben zum
Beften der Kirche, infofern (ie ben Ganonen überhaupt
unb befonderd den Beftimmungen des Boncorbated gemäß
find.” Die in tiejen Quellen enthaltenen Rechtsnormen
find am geeigneten Orte den Grundſätzen bed gemeinen
Rechts — als in Defterreih geltende Abweichungen und
SRobificationen — vollftändig, Far und deutlich beigefügt;
im Anhange ,Gober dee öſterreichiſchen Kirchenrechtes“
werben fie ihrem Wortlaute nad mitgeteilt. Wir
zweifeln nicht, daß eine [olde Bearbeitung bed neueften
öfterreichifchen Kirchenrechtes bem εἰ π 8 εἰ πα ἰ ᾧ ἐπ Clerus
febr willfommen fein wird, aber and) bem Auswärtigen
bietet fie bie mannigfaltigftien Mittel ver Belehrung dar,
indem über eine Menge ſpeciell öfterreichifcher Verhältniſſe
bejonbere Auffchlüffe gegeben werben, y. B. über bie Cnt;
ſtehung und vedtlide Stellung des apoflolifhen Held
Handbuch des o. Kirchenrechtes. 637
vicariates und ber demſelben untergeorbneten Feldgeiſt⸗
lichkeit ©. 212 ff. und 343 ff., über das Hiflorifche und
sechtliche Verhältnis des Metropolitanftuhles von Salz -
burg zu ben Suffraganftühlen oon Gurt, Sedau unb
avant €. 220 f., über ben Perfonalftand ber Doms
capitel in Defterreih ©. 286, Über ven Gefchäftsfreis
unb bie Zufammenfegung ver bifchöflichen Eonfiftorien
und Gbegeridte ©. 309 ff.
Wenn wir im Bisherigen viejenigen Momente bete
vorgehoben haben, die bem Werke zur befonpern Empfeh⸗
lung dienen unb bajfelbe al& feft brauchbar erjdeinen
lafjen, fo möge ed und nunmehr geftattet fein, aud) jene
Punkte zu bezeichnen, die vielleicht einer Verbeſſerung ober
genauen Darftelung fähig find.
©. 110 ftelit der H.- Berfaffer die Behauptung auf,
daß „der Ordo des Presbyters keineswegs ein unb bet»
jelbe Ordo mit jenem des Biſchofs, [onbern biefem, αἱ
dem höhern, untergeorpnet fel." Die berührte Frage ger
hört zu den theologifchen Gontroverfen, und wir glauben
nicht, bag bie gegebene Cnt[djeibung über allen Zweifel
erhaben fel, denn aud) für bie entgegengefegte Anficht,
wornach Presbyter und Bifhof den gleichen Ordo haben,
Iprechen wichtige Gründe. 1) Der Presbyter ift jo gut
als der Biſchof befähigt, das euchariſtiſche Opfer darzu⸗
bringen, aljo die höchſte unb heiligfte Function des Gacers
betiumó auszuüben. 2) Das -Triventinum fennt nur
fieben ordines, drei höhere und vier niebere — Sess,
XXI. cap. 2. de sacram. ordinis. 3) Die alte Kirche
verlangte für den Presbyterat daſſelbe Alter wie für
ben Gpiécopat — dreißig Jahre. 4) Der Presbyter faun,
ohne vorher die bifhöfliche Bonfecration empfangen zu
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV. Heft. 42
638 Ginzel,
haben, im Auftrage des Papfles das Sarrament bet Fir
mung fpenden und wicht nur bie ordines minores, fonbern
aud, wie bie ben Ciſterzienſer⸗Aebten ertheilten Privilegien
beweifen, den Sabviaconat und Diaconat verldihen: εὖ
muß alje ber Presbyter wenigftenó der innern Befä
bigung nad bem Bifchofe gleidteben. 5) Der vom
Berfafier für feine Meinung in Anſpruch genommene
Ganon des Triventinumd Sess. XXIIL c. 7 de sac. or-
dinis: „Si quis dixeril, episcopos non esse presbyleris
superiores vel non habere prolesiatem confirmamdi et
ordinandi vel. eas, quam habent, illis esse cum presby-
deris communem, ἃ. s.^ enthält feinen. birecten Beweis
für biefelbe , denn bie Worte fünnen aud) dahin gebeutet
werden, baf vie Presbyter mit ben Biſchöfen am fid)
and potentialiter immerhin ben. gleidjen Ordo
haben, daß aber bie erftern durch die Geſetzgebung ge:
bindert feien, benjelben in feinem vollen Umfange
auszuüben, bap mithin das Tridentinum unc in Be
siehung auf bie pofitioe Geſezgebung und bie darauf ge
gründete Praris ausfprechen wolle: episcopos esse pres-
byleris superiores et poleslalem, quam habent, illis non
esse communem cum presbyteris. — In Erwägung biefer
Berhältnifie wäre «à vielleicht das Richtigere gemefen, die
Stage nicht als eine willig entſchiedene Binzuftellen, fon;
dern fie als das zu bezeichnen, was fie ift — al6 eine
Gontroverfe, und für beide Auffaffungen bie betreffenden
Grünbe darzulegen, um ben Lefer in ben Stand zu ſetzen,
fd) felbRfändig für bie eine ober ambete Anſicht ju ent
ſcheiden —
©. 121 wird. bemerft, daß „alle Bifchöfe, Diös
ceſan⸗Biſchofe ſowohl als Titulars ober Weih-Bifchöfe Fraft
Handbuch des’. Kirchenrechtes. 639
ihres Autes berechtigt feien, einem allgemeinen Concile
mit bem Rechte entſcheibden der Stimme beizuwohnen.“
Auch dieſes iſt nicht ganz gewiß, denn das votum deci-
sivum der Titular⸗Biſchöfe wird von vielen Eanoniften hi
Zweifel gezogen, und wie uns Tcheint, dürfte tle Anficht
der Lepteren den Vorzug verdienen. Zwar machen wie
Vertheidiger der ent[delbenben Stimme geltend, vag bie
episcopi titulares, tie die arbem, confeerirte Bifchöfe
felen und eigene Didcefen haben, obwohl fid) biefelbenu
noch In den Händen ver lÍngláubigen befinden 1): alfelii
wenn bie Beichlüffe ber allgemeinen Concilien ihre vers
binbenbe Kraft dadurch erlangen, daß bet eigene Biſchof
nicht etwa feine individuelle Anficht geltend macht, ſondern
die an feiner Kirche lebende Tradition ausſpricht und bes
zeugt, fo ift εὖ ohne Ziveifel dem Wefen ver Kirche ent
ſprechender, vie TitularsBifchöfe, eben weil fte eine [οἷδε
Tradition nicht bezeugen fönnen, vom Rechte der unbe⸗
dingten Theilnahme andzufchließen und ihre Zulaſſung ven
ver jeweiligen Entfcheldung des Concils abhängig zu nia⸗
den. Dieß ſcheint aud) vorherrfchenn bie Praxis ber
fide zu fein, wenigftens erzählt Bettebict XIV. von
fij felbft 5, er habe bem römifchen Goncile vom Jahr
1725 beigewohnt als Doctor des canonifhen Rechtes,
nicht ale Titular⸗Erzbiſchof von Theodoſia, weil den epis-
copis titdlaribas anf det genantiten Synode ber
Zutritt didt geflattet gewefen fei. — |
Weiterhin i und aufgefallen, daß in tec Lehre von
Ven Concilien bet Anweſenheit und Theilnahme der a tem gat
feine Erwaͤhnung geſchieht. It Betreff der allgemeinen
1) Ferráris, Probipta biblioth. k. v. Cohéiliuni, at. 1, ἃ. 28.
2) De synodo dioeces. L. V. c. 10. n. 3.
42 *
640 Gingel,
Goncilien ift befannt, daß venfelben Kaiſer unb welt
liche Fürſten entweder in eigener Perſon oder durch ihre
Gefandten anwohnten und vielfach bie Synobalacten
mit unterzeihneten. Hier hätte auseinanbergejebt
werben follen, bag fie nicht anmejenb waren, um ein
votum decisivum zu beanjpruden ober ben Borfib zu
führen ἢ), fondern lebiglid) um bie Synode zu ſchützen,
ihr 9Injefen zu erhöhen, Ercefje zu verhüten oder zu unter
brüden und eiwaige Wünfche ihrer Bölfer zur Erwägung
unb Entfcheivung vorzulegen 9. Gbenjo war die Inter
fdrift, die der Kaifer ven Synodalacten beifügte , Feine
confirmatio auclorilaliva, jonbern fie enthielt bloß die Gr.
Härung, daß er die Befchlüffe ald wirflid) von der Synode
erlaffen anerfenne und für Bollfiredung derſelben forgen
wolle 3. Daß ferner auf ven Brovinzial-Eonci
[ien vielfach Laien anweſend waren, ift gleichfalls gewiß
— und ber. Herr Berfafler hätte darlegen follen, daß fie
aud bier fein Recht gehabt haben, zu erfcheinen ober
gat mitzuftimmen, daß ihnen vielmehr ber Zutritt nur ges
ftattet gemefen, wenn das Goncil fie fpeciell berief, um
ihre Meinungen zu hören oder fie bei ben Arbeiten der Bers
1) Ferraris, 1. c. n. 33—44. Hefele, Conciliengeſchichte, L
€. 24 f.
2) Benedict. XIV., De synod. dioeces. L. II c. 9. n. 1.
3) Card. Cusanus, De Concordia cath. c. 15.: ,Summus Pon-
tifex confirmat tanquam auctoritatem praebens Concilio, Imperator
vero tanquam testis eorum, quae gesta sunt et decreta, οἱ tanquam
ea approbans et recipiens eisque se subjiciens, et quia Hegis ad
exemplum totus componitur Orbis ceteri omnes Concilio obediunt;
nullam vero vocem Synodicam vel decisivam vel conclusivam habet:
ideo cum deprehendimus Imperatores concilia confrmasse, id factum
est, ut manus auxiliares praeberent Ecclesiac.*
Handbuch des sc. Kirchenrechtes. 641
fammlung zu benügen 1), — Was endlich die Didcefan«
Synoden betrifft, fo hätte die in neuern Zeiten vielfach
geftellte Forderung, den Laien Zutritt zu geftatten und
eine entſcheidende Stimme einzuräumen, näher berührt
und babel gezeigt werden follen, daß eine derartige Theil⸗
nahme ber Laien direct ber Verfaffung ber Kirche wider⸗
fpred)e, daß das Volk einen foldjen unmittelbaren Einfluß
auf die Verfammlung nie geübt habe und nie üben könne,
baf ber Biſchoſ nur befugt fei, einzelne durch Firchlichen
Einn, Reinheit der Sitten und burdj Bildung hervor;
ragenbe Männer aus dem Laienftande beiguziehen, um
ihre Anfichten über bie Bedürfniffe der Gemeinden und
deren Wüufche zu vernehmen, daß er aber auch biefes
nur felten unb nur aus ben bringenbften Gründen thun
folle, damit ans ber zu häufigen 9Bleberfolung Fein Ge;
wohnheitsrecht fid) bilbe ?).
GC. 127 bemerft ber H. Verfaffer, daß der Papft
allein berechtigt fei, bie „dogmatiſchen Bejchlüffe der all
gemeinen Goncllien unfehlbar zu interpretiren, fowie
den Disciplinars®efegen derfelben zu derogiren.“ Bei
des hat feine vollfommene 9tidtigfeit, aber das Lebtere
[εἶπε uns zu fury und zu allgemein auégeorüdt zu fein,
fo daß bie Worte von Denjenigen, die des Sachverhaltes
weniger funbig find, leicht fo aufgefaft werben Fünnten,
als ob ter Papſt ohne Weiteres unb nah Willfür bie
Beſchluͤſſe allgemeiner Concilien abzuändern oder aufzu⸗
heben befugt wäre. Dieß ift aber befanntlich nicht bet
1) „Laici et inferiores clerici conciliis aderant edocendi et ad-
Jaboraturi, non opinandi , non suffragandi jure usuri.^ T’homassin.
Vet. et nova Ecclesiae Disciplina. P. II. L. III. c, 57. n. 1.
2) Benedict. XIV. 1. c. n. 8.
642 . Gin,
Sal, vielmehr echt ber Papft, wie jedes andere Mitglied
ber Kirche, unter ben allgemeinen Gefegen , ex if nicht
ber dominus, jonbern ter custos canonum — und zu alfen
Zeiten haben bie Päpfte ihre Verpflichtung, bie Beſchlüſſe
ber Gonciflen aufrecht zu erhalten und fidj venfelben zu
unterwerfen, auf's Bereitwilligfte anerfannt). Als ober
fier Grunbfag ift immer feftzuhalten, daß tie Beichlüfie
eines allgemeinen Concils an (ij nur wieber durch ein
' allgemeines Goncil aufgehoben werben fónnen, und daß
das. päpftlihe Derogationsreht nur als feltene Aus⸗
nahme zur Anwendung fommen bürfe — dann nemlid,
wenn eine allgemeine DisciplinarsVerorbnung auf bie vet:
änderten Zeitverhältniffe nicht mehr paßt, unb falls fie in
ihrer alten Form beftehen bliebe, ftatt zu nügen, für bie
Kirche von nadtbeiligen Wolgen begleitet wäre. Nur in
derartigen Fällen ift ber Papft befugt, in Grmangelung
eines allgemeinen Gonciló und wenn eine unabweisbare
Nothwendigkeit — causa justissima — vorliegt, nad) reif
lichfter Erwägung das betreffende Geſetz abzuändern unb
daſſelbe mit bem beſtehenden Berhältnifien in Einklang zu
bringen. Wir find überzeugt, daß der H. Berfaffer die:
felbe Anſicht theilt 2), aber wir hätten gewünjcht, daß er
fie, um Mißverftändniffe zu verhüten, deutlicher unb bes
flimmter hargelegt hätte. —
1) Eine Reihe folder Ausſprüche ber Päpfte ift zufammengeftellt
von Sei, Zeitfhrift für Kirchenrecht, L 2. ©. 40 ἢ.
2) Dieß geht aus bem von ihm beigebrachten Gitate hervor, wor
nad Pius V. in feiner Gonflitution vom 14. Oft. 1568 ausbrüdlid
jagt: ,Bomanus Pontifex conciliorum auctor et intqrpzes, ila, quae
in hujusmodi «onciliis sajuhriter sancita sunt, pre aui, pastoralis ol-
ficii debito, quum, aequitas, honestas et decus suadet, sicuti decla-
rare et moderari, ita etiam ad alios casus extendere consuavit"
Handbuch des x. Kirchenrechtes. 643
Endlich wird ©. 318 bemerkt, daß „ver Biſchof das
Reit habe, απὸ hinreichenden Grünven vie Pfarrer zu
verſetzen.“ Anch dieſes ift an fid) richtig, aber bie Auo⸗
drudsweife zu allgemein, denn fie läßt leicht ble uißver⸗
flànblide Deutung zu, afó ob bet einer Verſetzung die
Beurtheilung der Gründe lediglich bem Bifchofe anheim⸗
gegeben wäre unb als ob er dabei nach feinem fubjeetiven
Gutduͤnken vorſchreiten könnte. So ift εὖ nicht, vielmehr
Bat bte Gefebgebung zu allen Zeiten vie Benefieiaten gegen
die Wilffür ihrer Vorgeſetzten in Schu genommen unb
vorgefchrieben,, daß bie unfreimillige Verſetzung nur verte
hängt werben fónne ald Strafe für ein Bergehen,
taf fle eine fórmlide Unterfuhung und ridter-
liche Sentenz vorausfege und daß tem Verurtheilten,
wenn er Unrecht erlitten 3n haben glaube, jederzeit bad Rechts⸗
mittel der 9fppellation zu Gebete ftehe ἢ. Demgemäaß ik
ba, wo fein Vergeben vorliegt, die Smamovibilität ber
Beneficiaten als oberfter Grundſatz feſtzuhalten. Wenn in
bem vom H. 9Serfaffer angeführten c. 5 X de rerum per-
mulat. 3. 19 ausgeſprochen ift: „Si autem episcopus cau-
sam inspexeriä necessariam, licite poterit de uno loco ad
alium transferre personas, ut quae uni loco minus sunt
uliles, alibi se valeant utilius exercere,^ fo fcheint Diet
alferbiugà bie Unterfuchung der Gründe bem Bifchofe über»
faffen und vie Verfepung, ſelbſt wenn fein Vergehen vore
liegt, feinem Gutbünfen anheimgeftellt zu fein: allein das
Gefe& redet nur von einem Ausnahmefalle, bet an
der allgemeinen Regel nichts ändert und falls er eintritt,
ben Beneficiaten faum beeinträchtigen dürfte. Nach ber
1) Thomassin. 1. c. P. N. L. I. c. 15. seqq.
642 . Bingel,
Sal, vielmehr felt ber Papft, wie jedes andere Mitglied
ber Kirche, unter ben allgemeinen Geſetzen, er iR nicht
ber dominus, fondern ber custos canonum — und zu allen
Zeiten haben bie Päpfte ihre Verpflichtung, bie Beſchlüſſe
der Goncilien aufrecht zu erhalten und fidj benjelben zu
unterwerfen, auf's Bereitwilligfte anerfannt). Als obers
fter Grundſatz ift immer feftzuhalten, daß tie Beſchlüſſe
eines. allgemeinen Concils an fid nur wieber durch ein
' allgemeines Gonci(. aufgehoben werben fónnen, und daß
das. päpftlihe Derogationsredht nur als feltene Aus
nahme zur Anwendung kommen dürfe — dann nemlid,
wenn eine allgemeing DisciplinansVerorbnung auf bie ver-
änderten Zeitverhältniffe nicht mehr paßt, unb falls fie in
ihrer alten Form beftehen bliebe, ftatt zu nügen, für bie
Kirche vor nachtheiligen Wofgen begleitet wäre Nur in
derartigen Fällen ift ber Papft befugt, in Grmangelung
eines allgemeinen Concils und wenn eine nnabweisbare
Nothwendigkeit — causa justissima — vorliegt, nad) reifs
lichfter Erwägung das betreffende Gefeg abzuändern unb
daſſelbe mit den beſtehenden Berhältnifien in Ginffang zu
bringen. Wir find überzeugt, daß ber H. Verfaffer die:
felbe Anſicht theilt 2), aber wir hätten gewünſcht, daß er
fie, um Mißverſtändniſſe zu verhäten, bentlicher unb θὲ;
flimmter dargelegt hätte —
1) Eine Reihe folder Ausſprüche ber Päpfte ift zufammengeftellt
von Sei, Zeitfhrift für Kirchenrecht, L 2. ©. 40 ff.
2) Dieß geht aus bem von ihm beigebrachten Gitate hervor, mot:
nad Pius V. in feiner Gonftitution vom 14. Oft. 1568 ausbrüdlid
fagt: 4Homanus, Pontifex conciliorum auctor et interpses, ila, quae
in hujusmodi «onciliis sajuhriter sapcite sunt, pro aui, pastaralia of-
ficii debito, quum, aequitas, honestas et decus suadet, sicuti declg-
Tare et moderari, ita etiam ad alios casus extendere consuavit,"
Handbuch des x. Kirchenrechtes. 043
Endlich wird ©. 318 bemerkt, taf „ver Biſchof das
Recht Habe, απὸ hinreichenden Grunden vie Pfarrer zu
verſetzen.“ Anch dieſes ift an fid) richtig, aber bie Auo⸗
brudsweife zu allgemein, denn fie läßt leicht vie mißver⸗
fländlide Dentung zn, ald ob bei einer Verſetzung bie
Benrtheilung der Gründe lebiglidó bem Biſchofe anheim⸗
gegeben wäre und als ob er dabei nach feinem fuljediven
Gutdunken vorſchreiten könnte. So ift ed nicht, vielmehr
bat bte Gejfepgebung zu allen Zeiten tle SSeueficiatet gegen
ble 9Billfür ihrer Vorgeſetzten in Schub genommen und
vorgefchrieben,, daß die unfreiwillige Berfegung nur vete
hängt werben fónne ald Strafe für ein Bergeden,
taf fle eine fórmlide Unterfuhung unb ridter
(ide Sentenz vorauéfege und daß tem Berurtheilten,
wenn er Unrecht erlitten zu haben glaube, jederzeit das Rechts⸗
mittel der Appellation zu Gebete ftebe ἢ. Demgemaͤß ik
ba, wo fein Vergehen vorliegt, bie Inamovibilität ber
Beneficiaten als oberfter Grundſatz feffyubalten. Wenn in
bem vom H. Berfaffer angeführten c. 5 X de rerum per-
mutat. 3. 19 ausgefprochen ift: „Si autem episcopus cau-
sam. inspexeril necessariam, licite poterit de uno loco ad
alium transferre personas, ut quae uni loco minus sunt
utiles, alibi se valeant utillus exercere, ^ fo fcheint hier
allerdings die Unterfuhung der Gründe bem Bifchofe übers
laffen und bie Verfegung, felbft wenn fein Vergehen vor-
liegt, feinem Guteünfen anheimgeftellt zu fein: allein tae
Geſetz redet nur von einem Ausnahmäfalle, ber an
ber allgemeinen Regel nichts ändert und falls er eintritt,
ben Beneficiaten faum beeinträchtigen dürfte. Nach ber
1) Thomassin. |. c. P. II. L. I. c. 15. seqq.
642 . Binzel, AMlechteb.
Tall, vielmehr ſteht der Papſt, wir zen kann nemlich bie
ber Kirche, unter den allgemein: ,.» Anfäulvigen vom 3i.
ber dominus, fondern ber cu ,- a) si gravis causa id
Zeiten haben bie Päpfte + sründner aus irgend einem
der Goncilien aufrecht , sm fo verhaßt geworten märe,
unterwerfen, auf's et ohne allen Erfolg fein
fer Grunbfab '_ aber der Verſetzung fein anderes
eines. allger — 7 ⸗ za «swaltenden Mißſtanden abzuhelfen,
allgemeir "T ame muB dem Betreffenden alsbald ein
das uu 7 ᾿« &nlün[ten dem bisherigen gleichftehenved
"na ,, erden ?). In tiefer Weife ift bem Wohle
y —— Ἰκόπυνῃ getragen, augleidj aber aud), [05
ug sem εὖ geftattet, das Recht des einzelnen Be⸗
- erg gewahrt. —
zur Uk Vie wenigen Bemerkungen, bie wir beifügen
«δα γαπδίεπ: fie betreffen nur untergeorbnete Punfte
zur waren vom trefflihen Werfe, das wit dem theolo-
Weblifum hiemit angelegentlih empfehlen, nicht
» n Eintrag tfun. —
γα einigen Drudfehlern abgefeben , ift das Werk
ameet, bie Ausftattung fehr [djón, ber Preis mäßig. —
-——— HÀ
t) Bgl. Reiffenstuel, 1. C. L. III. tit. 19. n. 38. seqq.
Prof. Dr. Kober.
Vrobſt, Kirchliche Benedictionen und ihre Verwaltung. 645
5.
„ice Benedictionen und ihre Verwaltung von Dr.
Ferdinand Probſt, Priefter. Mit Genehmigung des hochw.
Erzbifhöfl. Ordinariats Freiburg. Tübingen, 1857. Ver⸗
lag der 9. Laupp'ſchen Buchhandlung. — Laupp und
Siebed. — ©. 323. Pr. 1 fl. 36 fr.
2) Benedictionale Constantiense, jussu et auctoritate cel-
sissimi et reverendissimi D. D. Maximiliani Christophori
ctc. Biberaci, sumtibus Fried. Haller, librarii 1856,
8" ©. 314.
1) Wir hatten ſchon öfters Gelegenheit, das große
Verdienſt Probſt's auf dem paftoraltheologifchen Gebiete
anzuerfennen, und wir freuen und in feiner unlängft ers
Ihienenen Schrift über tie SBenebictionen einen neuen. Bes
weid feines unermüblichen Fleißes und feiner bewährten
Tüchtigfeit zu finden. Wer nur einmal etnfifid über die
in der Kirche üblichen Benedictionen nachgedacht hat, ber
weiß, auf welche Schwierigkeiten man floßt, wenn man
ifnen ein feftes theologifches Fundament geben, wenn man
bei der Verſchiedenartigkeit derfelben ihre Wirkungen unb
die Art und Weiſe ihrer Wirffamfeit genau und -prácié
bezeichnen, wenn man über die Zuläffigfeit einzelner Sor»
mularien entfcheiden will u. brgl.
Der Berf. greift diefe Schwierigkeiten mit gewohnter
Sicherheit unb Grünblidjfeit an. Er erledigt die fchwierigeren
Fragen in einem allgemeinen Theile, indem er hier von
bem theologifchen Fundamente, bem Wefen, ben Wirkungen
and der Eintheilung ber Benedictionen, ferner von ber Form,
Materie und bem Minifter berfelben handelt. Im zweiten
644 Sinzel, Handbuch des ꝛc Kirchenrechtes.
übereinſtimmenden Anſicht der Canoniſten kann nemlich die
in Rede ſtehende Verſetzung eines Unſchuldigen vom Bi⸗
ſchofe nut ausgeſprochen werden: a) si gravis causa id
postulet, 3. 99. wenn ber Pfründner ἀπὸ irgend einem
Grunde bei feiner Gemeinde fo verhaßt geworten wäre,
daß feine fernere Wirffamfeit ohne allen Erfolg fein
würde; b) menn εὖ aufer der Berfegung fein anderes
Mittel mehr gibt, den obwaltenden Miffländen abzuhelfen,
unb c) ber Biſchof muß dem Betreffenden alsbald ein
nad Rang und Ginfünften bem bisherigen gleichſtehendes
SSeneficium verleihen 5). In biefer Weile ifl bem Wohle
ber Gemeinden Rechnung getragen, zugleich aber auch, fo-
weit das erſtere εὖ geftattet, das Recht des einzelnen Bes
neficiaten vollftändig gewahrt. —
Dieß find die wenigen Bemerkungen, bie wir beifügen
zu foffen glaubten: fie betreffen nur untergeorbnete Punfte
und werden dem trefflihen Werfe, das wir bem theolos
giſchen Publifum hiemit angelegentlih empfehlen, nicht
den geringften Eintrag tfun. —
Bon einigen Drudfehleen abgejeben , ift das Werf
correct, die Sluóftattung febr [dón, ver Preis mäßig. —
1) Bgl. Reiffenstuel, J. C. L. III. tit. 19. n. 38. seqq.
Prof. Dr. Kober.
Probft, Kirchliche Benedictionen und Ihre Verwaltung. 645
5.
1) Kirchliche ffenebictionen und ihre Verwaltung von Dr.
Ferdinand Probfl, Priefter. Mit Genehmigung des hochw.
Erzbifhöfl. Ordinariats Freiburg. Tübingen, 1857. Ders
lag der 9. Laupp’fhen Buchhandlung. — Laupp und
Sichel. — ©. 323. Pr. 1 fl. 36 fr.
2) Benedictionale Constantiense, jussu et auctoritate cel-
sissimi οἱ reverendissimi D. D. Maximiliani Christophori
clc. Biberaci , sumtibus Fried. Haller, librerii. 1856.
8" ©. 314.
1) Wir hatten ſchon öfterd Gelegenheit, das große
SBerbienft Probſt's auf bem paſtoraltheologiſchen Gebiete
anzuerfennen, und wir freuen und in feiner unlängft er-
ſchienenen Schrift über die SSenebictionen einen neuen Bes
weis feines unermüblichen Fleißes und feiner bewährten
Tüchtigfeit zu finden. Wer nur einmal ernftlich über ble
in bec Kirche üblihen Benedictionen nachgedacht Bat, bet
weiß, auf weldhe Schwierigfeiten man floßt, wenn man
ihnen ein feftes theologifches Fundament geben, wenn man
bei der SBerfdjlebenartigfeit derjelben ihre Wirkungen und
bie Art und 98eife ihrer Wirffamfeit genau unb -prácié
bezeichnen , wenn man über die Zuläffigfeit einzelner For⸗
mularien entfcheiden will u. brgl.
Der Verf. greift diefe Schwierigfeiten mit gewohnter
Sicherheit unb Grünvlichfeit an. Gr ex(ebigt die ſchwierigeren
Fragen in einem allgemeinen Theile, indem er hier von
bem theologischen Fundamente, bem Wefen, ben Wirkungen
unb der Eintheilung der S8enebictionen, ferner von ber Form,
Materie und bem Minifter derſelben handelt. Im zweiten
646 Probſt,
Theile verbreitet ev ſich über die Benedictionen im
Beſondern. Unter den vielen Eintheilungen, die man
zur. Claſſificirung derſelben aufgeſtellt, wählte er die in
Segnungen und Welhungen over Invocativ⸗ unb
GonftitutivsBeneblctionen. Bel jeder Gattung
macht er wieder drei Unterabtheilungen, naͤmlich f) Seg⸗
nungen bei verſchiedenen Anlaͤſſen unb Weihungen für
den Gottesdienſt im Allgemeinen, 2) Segnungen unb
Weihungen, bie fld an das Kirchenjahr anſchließen, und
9) Segnungen unb Weihungen, ble ſich an bie Sakramente
anfchließen. Man fónnte gegen diefe Eintheilung das Eine
und Andere bemerken, inbefjen ift Stef. mit dem Verf. ver
Anficht, daß man mit dieſer Eintheilung bie verfchieden-
artigen Benebictionen am beften rubsiciren fann.
Bei teen einzelnen Benebictionen wird ber Ritus ges
woͤhnlich ausführlich beichrieben, und ſoweit e$. nothwendig
erſcheint, nad) ven im allgemeinen Theile feftgefegten Grund⸗
lägen erläutert. Durch die Mebevfegung langer Formula⸗
vien z. Ὁ. ver Benadiction her Jungfrauen ©. 218 u. —
ifs der zweite Theil jer ausgedehnt geworden. —
Um den Benedictionen eine richtige Stellung im theo⸗
logiſchen Syſteme zuweiſen unb ihre Bedeutung gehörig
wörbigen zu kännen, geht ber Verf. mit Recht auf bie
Folgen der Sünde zur, unb tritt babel einer befonberó
in neuerer Zeit fid) geltend machenden Anficht, als φῇ Sen.
3, 17 vog einem Würde die Rede fel, der eine vollſtaͤndige
Weſensveränderung ber Ratur bezeichne, mit aller Ent
phiedenheit entgegen. Man fana mit der Auffaflung 8). ἃ
Binfichtlich ber Folgen ber Sünde für bie äußere Natur im
Ganzen eingerftanden fein, unb bed) bie Ausführung ber»
felben im. Einzelnen nicht ganz billigen. Er [deint ung
/
Kirchliche Benedictionen umb ihre Verwaltung. 647
anf der einen Seite bie befämpfte Anficht zu ſchroff aufge-
faft, auf ber andern Eeite zu wenig eine SBermittfung
mit feiner eigenen Anſicht verfucht au haben. Es iR wahr,
ἐδ haben einige Theologen neuerer Zeit bie Folgen ber
Sünde für die äußere Natur auf Grund von Gen. 3, 17
uno Röm. 8, 19 mit etwas grellen Farben andgemalt unb
in verfchiedenen rhetorifhen Wendungen baryugellen gefucht,
lo daß εὖ leicht den Anfchein gewinnt, die äußere Natur
[εἰ unmittelbar in Zolge der erfien Sünde wie der Menſch
von einer höhern Dafeinsform in eine weit niedrigere herab⸗
geftürzt worden. Daran hängt fif ber 9Berf., unb übers
fieht, baf bie Theologen, wenn fie nicht reine Pectoral⸗
thenfogen find, von ihren rhetorifchen Ausmalungen immer
wieder auf den Wortlaut der angeführten Schriftftellen.
jurüdgeben, Ignorirt man aber biefen nicht ganz, jo wird
man zugeben müjlen, daß auch die vernunftlofe Natur wie
ber Menſch unter bem. Drude der Sünde leivet, daß eine
Veränderung mit ihr gegenüber von dem Suftanb, in Bes
{τῇ deſſen Gott nadj bec Schöpfung jagte: „er faf, taf
Alles gut fei" (Gen. 1, 31), vorgegangen fein müjje.
Berührt diefe Veränderung aud wicht bie Innern Geſetze
und das Weſen ter Natur, fondern nur ihr BVerbältnig
zum Menſchen unb zu Gott, fo kann biefe Veränderung
bod ſehr tiefgehend fein und ift εὖ auch, wie der Verf.
zugibt, wenn ev jagt: daß bie Natur. herrenlos geworben,
und ſich eim unrechtmäßiger Herr derfelben bemächtigt hat.
Aber, gerade das ift ber Iluch der Notus (Gen. 3, 17),
bafi ihr ber rechtmäßige Herr entzogen wurde, und. das ift
ber Drud, unter bem fte ſeufzt (Röm. 8, 19), taf. fie Bott,
zum Theil einem Herrn überlafjen hat, der fie gegen Ihren
648 Probſt,
rechtmäßigen Herrn mißbraucht unb von dieſem mißbrauchen
macht. —
In der ſtarken Polemik gegen die vermeintlich ganz
falſche Auffaſſung des auf die Natur gelegten Fluches laßt
fid) ver Verf. aud) hinfichtlich des Zweckes ver SBenebictionen
zu fehr von ber hergebrachten Auffaffung abtreiben. Iſt
aud) in den Formularien nicht ausdrücklich von einem Fluche
bie Rede, wie der Verf. S. 18 fagt, fo läßt ſich bod) nicht
läugnen, daß bie Benebictionen ihrer ‚größeren Zahl nad
eine beftimmte Bebentung durch die Anfchauung erhalten,
daß die ganze Kreatur, wie einzelne Freatürliche Dinge burd)
daͤmoniſche Einflüffe inficirt find, oder inficirt fein fónnen,
und wegen biefer Infection nicht unmittelbar αἰ causae
instrumentariae einer höhern virtus bienen, dagegen dem
Menschen, der fid) ihrer im Leben bebienen muß, leichtlich
thädlich werden fónnen. Wie bei ber Benebictionsgewalt
im Großen zwei Seiten bervortreten, eine negative und
eine pofitive, eine entbinbenbe unb löſende einerfeitd unb
eine befrudjtenbe und fpenbenbe anderfeits (dur Exorcis⸗
men und Benedictionen vertreten), fo findet es fid) aud
bei der einzelnen SBenebiction, wenn dieſes aud) nicht in
allen Benebictionsformularien fo Far unb beftimmt hervors
gehoben ift, wie in dem Formular für die 9Baffermeibe.
Hätte ber Verf., wie er nad) unferer Anficht hätte thun
follen, bie Lehre von den Erorcismen in Verbindung mit
ben Benedictionen behandelt, fo wäre er wahrſcheinlich nicht
auf die jedenfalls etwas einfeitige Auffaffung gekommen,
als hätte vie Benedictionsgewalt nicht befonber& viel mit
einem auf der Natur liegenden Bluche zu thun. Wenn
bet Verf. einigen Theologen mit Recht ben Vorwurf macht,
daß fie ben Zweck unb bie Wirkung der Benedictionen zu
Kirchliche Benebictionen und ihre Verwaltung. 649
einfeitig in der Hinmwegnahme eines Fluches fuchen unb
das pofitive Element nicht zu feiner gehörigen Geltung
fommen laſſen, fo werben fie ihm nicht ohne Grund ben
Vorhalt maden, bag er fid) in feiner Oppofition mehr
ald billig auf die entgegengefehte Seite habe treiben
lafien. —
Mit befonderd lobenswerther Genauigkeit und Gin:
läßlichkeit bat der Verf. die zwei fchwierigen Punkte über
die Wirfungsweife und über bie Wirkungen ber Benedic⸗
tionen behandelt. In Betreff des erften Punktes fommt
ex zu dem Refultate: daß die SBenebictionen ex opere ope-
rato unb operantis wirfen. „Würben fie, fagt er, wie
bie Sacramente blos eine virtus habitualis ertheilen, To
müßte man von ihnen eine Wirffamfeit ex opere operato
behaupten und würden fie blos eine virtus actualis vers
mitteln, fo hätten jene Theologen Recht, weldje lehren, fie
wirfen ex opere operantis, weil fie aber eine virtus habi-
tualis unb actualis verleihen, mirfen fte ex opere operato
unb operantis ©. 57. —
Wenn gegenüber von denjenigen, woeldje in ben Bes
nebictionen gerne nur Invocationen oder bloße kirchliche
Gebete per modum impetrationis erbliden wollen, mit allem
Nachdrucke darauf hingewiejen wird, daß fie eine virtus
verleihen, bie in genauer Beziehung zur Rechtfertigung
fee, fo ift es {εὖτ anexfennenómertb. Nur ijt e bem
Perf. ſchwer geworben, wie e8 immer ſchwer bleiben wird,
eine klare Vorftelung von biefer virtus zu geben. Dieſelbe
wird fid) aud je nad bem Charakter der einzelnen Bene⸗
dietionen mobificiren. Wir hätten es daher für zweckdien⸗
licher gehalten, wenn der Verf. anftatt jene virtus nad)
ver ihm [o beliebten trilogifchen Formel zu befchreiben,
650 Prebf,
biefelbe nadj vem Charakter einzelner Benebictionen ober
vielmehr einzelner Gruppen von tenfelben concret zu bes
ſtimmen ober zu deuten vev[ndt Halte. —
Die Frage, ob tie Benedictionen von Chriſtus oder
von bet fire eingeſegt felen, läßt er infoferne in vet
Schwebe, als er (S. 43) behauptet, man fónne Beibes
mit gleicher Betedtigung behaupten. Dem Ref. fcheint
bie Anſicht, vie Benebictionen feien von der Kirche einge:
ftt, der andern entfihieden vorzuziehen, wenn man atti
fagt und wohl (agen muß, daß Chriſtus ben Auftrag unb
bie Gewalt za benediciren verliehen Babe, denn bavon bleibt
bie Einfegung der Benebictionen immer nod) verſchieden. —
Wie bei vom ,Stequiem^ bat Pr. aud) bei biefet
Arbeit nur das römiſche Rituale zu Grunde gelegt; wir
müfjen barin Bier wie dort einen Mangel erbliden, der
bem practifchen Werthe des Buches großen Eintrag that.
C) erinnere nur an die Benebichon der Ställe, Aber veren
Bulaßbarfeit gewiß mandjer Geiſtliche Auskunft wünfchte,
an bie in Deutfchland übliche SBettevbenebictlott nach bet
Mefie zur. Commerógeit, an die Benediction bei Waſſers⸗
und Yenersnoih u. a. Bel ver Anſicht, die ber Verf. von
ber 9edjteglitigfeit der Formularien Dat, konnte er freilich
nicht anders verfahren. Er glaubt námlid), εὖ bürften
außer ben im römiſchen Rituale enthaltenen Sormtlarien
nur ſolche gebraucht werden, welche von ver Eongregätid
Ritunm audorüdiid approbirt fein. Den Beweis für
bieje Anfiht &. 88. Halt Ref. ni&jt für geriigend, fann
aber hier nicht anf einen Gegenbeweis eingehen, da er zu
viel Raum ferberte, erlaubt fid) aber ven Verf. anf einige
Artikel von Nilles über ble Rechtskraft ber Dectete ber
Gongregationen in Rom überhaupt und ver Gongregation
Kirchliche Benedictionen und ihre Verwaltung. 651
der Riten insbeſondere im erften Bande des „Archivs für
kathol. Kicchenreht von 909" aufmerffam zu madjen.
Auch zweifeln wir nicht, daß er bei veiffiderm Nachdenken
bem Ausdrucke „confermis® in dem Deerete (S. 89), das
zu feiner Entſcheidung fo vieles beiträgt, einen weltern
Sam geben wird, ald es geſchehen ift. —
Wenn dem Ref. die ebenberührte Anficht des Verf. zu
rigoros erfcheint, fo weit mehr nod) die ſchnelle Abfertigung
bed Gonflanger Benevictionale, das weitum in wohlvers
blentem Anſehen ſteht. Fürs erfte glaubt 9tef., daß einem
Benedictionale, an deſſen Vervollkommnung rehtmäßige
firchliche Organe Jahrhunderte lang gearbeitet haben, das
unter ben Aufpicien unb mit ber Auctorität eines klrchlichen
Vorgeſetzten, bem bie bieffalfigen Firchlichen Beſtimmungen
nicht unbekannt fein fonnten, herausgegeben und als ein:
ziges und ausschließliches Handbuch für Benebictionen an
befohlen wurde, eine genügenve unb unjmelfelbafte Firchliche
Auctorität zur Seite flee. Es unterfcheivet fid) baburd)
von den vielen Privatfammlungen von Eroreismen und
SBenebictionen, und follte gerade blefe außer allen Gebraud
fegen, mie der einleitenbe Hirtenidrief des Biſchofes Mari:
milian Chriſtophorus «auébrüdlid) anbefiebtt. Wir Halten
ſodann aud) die Bemerkung für beachtendwerth, daß dieſes
Benedictionale juxta normam ritualis romani teformirt fei.
Wenn man das Conſtanzer Benebictionale ohne alle Vor
engenommenheit mit dem röm. Rituale vergleicht, und
unter der Gonformität nicht eine Uniformität verfteht, fo
wird man erftere von bem Gonftanger SBenebletionafe gegen-
über dem röm. Rituale ausfagen fónnen, obgleich jene
mande Formularien enthält, welche in dieſem midjt find,
ba die SBilbnng der ormulatien ganz nad) bem Geifte und
652 Maximiliani Christophori Benedictionale Constantiense.
der Geflaltung der im rom. Rituale enthaltenen Mufter
vollzogen worden ift. Eine rationaliftifhe Faͤrbung fonnte
ber Verf. im Gonftanzer SBenebictionale bod) wohl im
Ernfte nicht finden. Wir erlauben und vbenfelben baranf
aufmerffam zu madjen, daß gerade bie in legterer Beziehung
ihm anrüdjig ſcheinenden Formularien (cf. €. 177 u. 275)
nidté weniger als wie er glaubt, bem fog. rationaliftifchen
Sahrhunderte entfprungen find. Sämmtliche Orationen bet
beiven Benedictionen finden fid) fdon in bem Eonftanzer
Obſequiale ober Benedictionale von 1510. Die Refor:
mation jener Zormularien juxta normam rilualis Romani
beftebt darin, daß in ber Ausgabe von 1781 bei ber Bene-
dictio mulieris die Antiphone mit bem Pjalm 23, und bei
ber Benedictio super herbas bie Antiphone vidi speciosam
elc. απὸ bem róm. Rituale herübergenommen ift. —
Diefe Ausfiellungen follen ber Anerfennung feinen Gin;
trag thun, welde das rühmliche Streben des Verf. unb
die vielfach gliüdlide Behandlung fo ſchwieriger paftoral-
theologifcher Materien in vollem Maaße verdienen, es ift
nur zu wünfcdhen, daß er in ber Fortführung des unters
uommenen Werkes nicht ermüde.
2) Dieſes Senebictionale ift ein ganz genaner
Abdruck der Ausgabe in 89 vom Jahr 1781; es ift ſelbſt
bie gleiche Seitenzahl eingehalten. Das Papier ift febr
weiß, der Drud jchön, und ber Preis bei diefer Ausftattung
bilfig. Einige Verweifungen, wie aufs Brevier ©. 111,
oder auf das novum rituale (Ὁ) hätten in viefem Abdrucke
wegbleiben follen. Zu gleicher Zeit erſchien ein Abdruck
defjelben S3enebictionale in Stuttgart (im Verlagsmagazin),
ver gleichfalls ſehr ſchön in 4" ausgeftattet ift unb bie
einfhlägigen Pfalmen überall einfügt, um das erum;
Prebigtwerke. 653
ſchlagen unnöthig zu madjen (Pr. 2 fl.). Beide Ausgaben
fónnen empfohlen werden, und εὖ freut ſich gewiß Mancher,
dieſes erprobte liturgifche Buch in einem fchönen neuen Ges
wanbe fid) leicht verfchaffen zu fónnen. Wie in ber voraus
gehenden Anzeige angebeutet worben ift, gehen die Anfänge
des Conſtanzer Didcefan-Rituals und Benedictionald weit
jurüd. Die erfte Ausgabe davon finden wir in dem typifch
febr ſchön audgeftatteten „Obsequiale sive benedictionale
secundum ecclesiam consliantiensem^ v. I. 1510. —
Bendel, Gonv. Dir.
6.
1) Predigten auf die Sonn- und frfitage des Kirchen-
jahres von 30b. Martin Mentges, Priefter der ©. J.,
weiland SDompreblger zu Paberborn und Paſtor zu Brakel.
Vorzüglich zum Gebraudje für Sanbpfarter. WBenrbeitet
unb zum erftenmale herausgegeben von einem Verehrer bel
Verftorbenen. S. 406 u. 166. Paderborn, 1856. Drud
und Berlag von Ferd. Schöningh. Pr. 2 fl. 40 fr. —
2) Sredigten auf alle Sonntage des füirdjenjareo von
Matth. Reiter, weil, erzb. geiftlichem Mathe, Dechant unb
Pfarrer zu Ainring. Mit Approbation des hochw. fürfl-
erzb. Ordinariats Salzburg. Salzburg, Mayer'ſche Buch⸗
handlung 1. 3b. G. 424. 11. 330, ©. 447. Pr 8 .
12 tr. —
3) fr. X. fjirhl, der Seelenwecker oder Sonn- und
Sefltagspredigten , nebft mehreren Gelegenheitsreden.
Weol. Quartalſqh rift. 1857. IV. Heft. 43
654 Predigtwerke.
Schaffhauſen, 1856. Fr. Hurter'ſche Buchhandlung. 380. 1.
€. 392. 380. I. ©. 220. Pr. 8 ἢ, —
4) Feſthomilien nad) ben Officien des kath. Kirchenjahres
von ὅτ. Joh. Ant. Aöhler, Dekan unb Pfarrer in Zwie⸗
ſalten. Mit Approbation des biſch. Ordinariats Rotten⸗
burg. Lindau, Verlag von Joh. Th. Stettner. 1857.
©. 184. Pr. 54 fr. —
9) Homiletifcher Führer durch das ganze Kirchenjahr,
nebft Gerte zu Gafualreben von Dr. Carl Hans. Augs-
burg, 1857. K. Kollmann’sche Buchhandlung. S. 355.
Pr. 1 ἢ. —
6) Saflenpredigten des 9. Hieronymus Trento aus b. ©. 3.
— Aus dem Staltenifdyen--tr&er(egt. Breiburg im Breis⸗
gau, Herder'ſche Verlagshandlung 1857. ©. 456. Br.
2 ἢ. -- ;
1) Sit heil. Geheimniffe Mariä, ter jungfräulichen Gottes⸗
mutter, in einer Reihe von Predigten bargeftelt von Dr.
Ioh. Cheod. faurent, Biſchof von Cherfones u. f. w.
Br. 1. ©. 874, Bd. II. ©. 410. Mainz, Kirchheim.
1856. — Pr. 4 fl. 48 f, —
Anhang: Fuhlrott, Venedien, A. Müller, Weſtermaier. —
1) Se mehr man fi mit Leſen und Beurtheilen ber
homiletiſchen Erzeugniſſe des fatfol. Deutſchlands abgibt,
deſto mehr uͤberzeugt man ſich, daß weder die Vergangen⸗
heit noch die Gegenwart etwas in Allweg Vollendetes und
für alle Zeiten Muſterhaftes hervorgebracht hat. Es iſt
wahr, unſere Predigtliteratur hat unter der faſt erdruͤckenden
Maſſe manches Gute und Treffliche aufzuweiſen, aber die
meiſten deutſchen Predigten tragen doch zu ſehr einen ge—
wiſſen von ber Individnalität und Bildung des Predigers,
Predigtwerke. 655
von der Zeit und ben limftánben herrührenden Stempel
an fih, als daß fie ald Zeugniß und homiletifcher Aus-
dru des allgemeinen kirchlichen Geiſtes angefeben und
gejáàgt werden fónnten, was von ben alten firdjliden
Homileten bed vierten und fünften Jahrhunderts unb in
gewifjfer Weife aud) von den großen frangöfifchen Prebigern
gilt. Es werden ficherlich fefbft von ben angefehenften
Homileten der Jetztzeit Wenige oder Keine ein ganzes
Jahrhundert hindurch ungejchmälertes Anfehen behaupten,
fo wenig ald man Previgern, die vor hundert Jahren in
Ruhm und Ehre ftunben, die Ehre zu erweifen geneigt ift,
fe als vollgiltige Mufter für unfere Prediger aufjuftellen.
Die Predigten von Hunolt, Neumayer u. 9L, die man in
neuerer Zeit wieder zu Ehren bradjte, verdienen unſeres
Erachtens, daß fie aus ter Vergeſſenheit hervorgegogen
wurben; aber befbalb werben fie bod) Fein unbebingtes
und allgemeines Anfehen, namentlich feine Muftergiltigfeit
für unfere Zeit weber anſprechen nodj aud) erlangen; benn
fie find nad) ihrer ganzen Geftaltung zu febr Finder ihrer
Seit. —
Bon den beften deutjchen Predigten fann man nur
fagen: fie haben Vorzüge, vielleicht viele Vorzüge, aber fie
haben nicht alle diejenigen Vorzüge, melde man von einem
objectiven Stantpunfte aus an wahrhaft mufterhaften
Predigten wünfhen muß. Der Fritifer muß fid daher
zufrieden geben, wenn er an Predigten einiges Gute Bev
vorheben und fie mit 9tüdfidgt darauf empfehlen kann. —
In diefer Lage ift Ref. ohne Anftand den Predigten
von Mentges gegenüber. Obgleich fie ihre Entftehung
einer weit frühern Zeit verbanfen, als fie im Drude ers
fhienen find, fo können fie body neben ben vielen neuen
43 *
656 Predigtwerke.
und neueſten Producten mit Ehren beſtehen. Mentges im
J. 1743 in Trier geboren, trat im J. 1762 in ben 3e
fuitenorben. Nah Aufhebung des Ordens war er unter
Anderem fünf Iahre Domprebiger in Paverborn, und vor
feinem Tode (im ἃ, 1815) einundzwanzig Sabre Pfarrer .
in Brafel. —
An feinen Predigten loben wir einmal ben würde,
vollen Ernft in ber einfadjften unb beídeibem
flen Form. Obgleich bie Sprade mit Ausnahme von
einigen Ausdrücken, die für unfere Zeit zu berb find, ebef
und mitunter oratorifch gehoben ift, fo ift bod) nitgenbé
ein Haſchen nad) ſchönen Nevensarten und 9tebefiguren
wahrnehmbar, nirgends eine leere Wortmacherei. Es ift
ibm fichtlih nur darum zu tbun, von feinen Zuhörern
verftanden zu werben unb auf bem fürzeften und geradeften
Wege auf ifr hriftlihes Glauben und Leben einzumwirfen.
Jedes Predigtftüd ift ein Zeugniß dafür, daß es ibm eine
ernfte Angelegenheit war, duch dad Previgtamt die Beſſe⸗
rung und Heiligung der ihm anvertrauten Gläubigen zu
erzielen. Er Spricht daher überall ble emfte Cpradje des
Evangeliums, und in einer Welfe, bag er von Jedermann
leicht verftanben werden mußte. —
An unferm Prediger rühmen wir weiter einen großen
Gedantenreihthum Er zeigt nicht blos tüchtige
Kenntniffe in den chriftlichen Lehren, ſondern aud) eine
genaue Bekanntſchaft mit bem menſchliche Herzen und Leben.
Diefe feine Senntniffe weiß er vielfach auf die unfchein,
barfte Weife reichlih unb nugbar anzuwenden. G8. ift ibm
eigenthümlich, wie ven Glanz der SDatftellung jo aud) ben
Blanz der Gedanfen zu vermeiden; und bod) reihen fid)
Predigtwerke. 657
letztere oft in raſcher Abfolge an einander an, und ſind
einſchlagend und treffend. —
Wir heben ferner an den Predigten Mentges hervor
ihren durchaus poſitiven Charakter. Es find immer
poſitive Lehren, Forderungen u. dgl., die nicht nur an die
Spitze einer Predigt oder eines Predigttheiles geſtellt ſind;
man findet aud) bie Ausführungspunfte eben fo poſitiv und
beftimmt gehalten. Die Borverungen an ein wahrhaft
hriftliches Leben in ben verfchiedenen nicht gewöhnlichen
Verhältniffen treten immer in ganz concreter, aus bem
Weſen des Evangeliums hervorgehenver Form auf. Nady-
bem 3. B. in ber Previgt I. €. 303 im 1. Theile durch
genaue Detaillirung gezeigt wurde, wer ein Qeibeds und
wer ein Seelenmörber fel, wird bann im IL Theile nad,
den Regeln der pofttiven Moral auseinander gefegt, worin
ble Verbindlichkeit zur Gutmachung des angerichteten Scha-
dens für die Einen und Andern beftehe, und wie fte ver
felben nadjufommen hätten. —
Die Eintheilungen der SBrebigten find nicht gefucht
unb fünftlih, fonvern einfach, ohne jedoch bloß an ber
Oberfläche des Gegenſtandes hängen zu bleiben, unb bes
halten mehr practifchen als Togifchen Gejegen folgend ven
naͤchſten Zwed ver Predigt im Auge. In einer Predigt
3. Ὁ. von den Mitteln, ten Schreden des jüngften Berichtes
zu entgehen ©. 400 theilt er folgender Weife ab: „urtheilet
jest über bie Welt und über die Wahrheiten, bie unfer
ewiges Heil betreffen, wie ihr an jenem Tage darüber
urtheilen werbet, und zweitens: thuet jebt, was ihr an
jenem Tage unfehlbar wünfchen werdet, getfan zu haben.”
Der Ausführung des erften Theiles liegt die Subdiviſion
zu Grunde: wir werden an jenem Tage ganz andere Ges
658 Predigtwerke.
ſinnungen hegen als jetzt, unb zwar andere Gefinnungen
a) von ber Welt, ihren Reichthümern, Ehren, Freuden,
Gewohnheiten unb Grundſaͤtzen, b) von Gott, feiner Größe,
Macht, Liebe und Geredjtigfeit, c) von der Sünde, unb
d) von den ewigen Strafen und Belohnungen n. f. w. —
Eine empfehlenswerthe Gigen[daft unferer Predigten
it ferner ihre anfhaulidhe und concretegorm und
Darftellung. Diefelbe gewinnt der Verf. befonders butd)
Sinbipibuafifirung und Specialifirung, In deren Anwendung
er eine Gewandtheit und Fertigkeit befigt, wie fie Ref. nod)
felten in andern Predigten gefunden hat. Er wendet je
bod bie genannten Veranſchaulichungsmittel in foldjer Fülle
an, daß fie bei affer Manigfaltigfeit der Wendungen ben
Ausführungen vielfady eine gemifje Einförmigfeit auforüden
und ben freien Fluß von Gebanfenentiidlungen mitunter
hemmen ober befeitigen. —
In der Regel ftellt er einen Gag oder eine Wahrheit
ober fittliche Vorfchrift voraus, und indem er fie in ihrer
pofitiven Form feinen Zuhörern Far zu maden ober an’s
Herz zu legen fucht, begibt er fid) alsbald auf ben Boden
ber concreten. Verhältniffe und reiht Glied an Glied an,
bis er bie verjchiebenen Seiten und Beziehungen, weldje
feine Zuhörer nad ihren Berhältniffen zu bem beſprochenen
Gegenftand haben fónnen, hervorgehoben hat. Man findet
oft Predigten, deren Ausführung faft aus lauter fpezialis
firenden und individualiſirenden Sägen befteht, 4. 8. ©. 349,
303, 343 und IL 40. An einer Stelle beginnt 4. B. eine
Predigt: „Wenn von ben Leibeds und Seelenmörbern bie
Rede ift, fo hat ber größte Theil bec Menfchen davon febr
unvollfommene Begriffe. Dan nennt diejenigen Leibesmör«
der, welche aus Mißgunft, Rachbegierde oder einer andern
PBrebigtiwerke. - 659
handlichen Leivenfhaft ihre Hände mit frembem Blute
färben, und Seelenmörver diejenigen, welde εὖ fid qum
Geſchäfte machen, unfchuldige Seelen zu verführen und in’s
fBerberben zu ftürzen.” Nachdem nun bie Leibes- und Sees
lenmórber im Allgemeinen sharafterifirt find, fo fährt er
fort: „Leibesmörver find alfo jene Söhne und Töchter,
welche bem Gebote des Herrn zumider durch ihre Wider
fpenftigfeit, Ausfchweifungen, Grobheiten und andere Bes
leidigungen Urfache find, daß ihre Eltern erfranfen und vor
bet Zeit ind Grab ftelgen 2c. — Mörver find jene Eltern,
welde u. j. .^ Es werben fofort alle Lebensverhältniffe
angezogen, wo bie betreffenden Fehler vorfommen fónnen.
So fer turd) dieſes Verfahren die conereten Beziehungen
der religiöfen Wahrheiten zu den verfchiedenen Berhältniffen
des chriftlichen Lebens und der Individuen hervortreten, und
dadurch die Predigten einen ganz praftifchen Charakter ge;
voinnen, fo iff doch bei ber zu häufigen unb faft ausfchließ-
[iden Anwendung ber Individnalifirungsmethode eine ge»
wifje fteife Manier und die vielfache Wiederholung von
einzelnen Rubrifen faft unvermeidbar. Man wird ber biefis
fälligen Kunft des Verfaſſers alles Recht widerfahren lafjen
fónnen, und bód) im Interefje einer größern Vollfommen-
heit feiner Predigten wünjden, er möchte fid) hierin mehr
gemäßigt und in weiterm Umfange ein logiſches und bia»
lektiſches Verfahren bei Ausführung und Gntmidlung feiner
Säge eingejdlagen haben. —
Denjenigen Prebigern, weldhe noch zu [febr in ber
Schultheologie fteden und über bie abftraften und allgemeis
nen Faflungen ber religiöjen Wahrheiten nicht hinauszu⸗
fommen wifjen, empfehlen wir biefe Predigten befonberé,
fie fónnen viel aus ihnen lernen, ohne daß ich rathen
660 Predigtwerke.
möchte, dieſelben in allen Stüden zum Muſter zu nehmen.
Wenn ber Titel fie vorzüglich den Landpfarrern empfiehlt,
fo glauben wir beifügen zu dürfen, daß aud) Prediger in
Städten fie gewiß nicht nutzlos zur Hand nehmen werden,
wenn fie bafelbft pofitiv und praftijd) prebigen zu müffen
glauben. —
2) Auch bie unter Nr. 2. aufgeführten Predigten
haben einen Berfaffer, der ſchon vor beinahe 30 Jahren
aus bem Leben abgeſchieden if. Man glaubte, bie von
Reiter binterlaffenen Prebigten hätten aud) jeBt ned)
einen hohen Werth, daher ihre wenn aud) verjpätete Ders
öffentlihung. Wir fónnen dieſem Urtheile, ba8 die Hers
ausgabe unferer Predigten beförderte, im Allgemeinen
beipflihten. Wir finden an ihnen faft diefelben Vorzüge,
die wir eben an ben Prebigten des Mentged hervorgeho-
ben haben. —
Große Einfachheit und Popularität tft eà vor Allem,
was dieſelben auszeichnet, Der Verfaſſer weiß recht ver-
ftánelid zu ven gewöhnlichen Leuten zu reden, kennt ihre
Berhältniffe genau und beleuchtet fie im Lichte der ewigen
Wahrheiten. Er [deut fih nicht, alle bie verfdiebenen
Gelegenheiten und Berfuhungen zur Sünde bis ins Gin;
zelne hinein zu verfolgen, fie aufzubeden unb vor ihnen
ju warnen. —
Er verfährt dabei jebod) mit aller Liebe unb Schos
nung; es ift ihm aufridjtig barum zu thun, ble Verirrten
zu gewinnen unb ble nod Unverborbenen zu bewahren.
Gemüthlichfeit mit Einvringlichfeit, Einfachheit in ber Dar
ftellung mit ziemlicher Reichhaltigkeit von Gedanken, Bers
ftánblidfelt ohne Oberflaͤchlichkeit, vielfältiges Herabfteigen
zu den gewöhnlichen menfchlichen Verhältnifien unb Hands
Predigtwerke. 661
thierungen ohne triviales Gerede machen die Predigten
Reiter's zu braven und brauchbaren Volkspredigten. —
Daß er εἶπε beſtimmte Gemeinde und nur bie Bes
dürfniſſe blefer Gemeinde vor Augen hatte, merft man
ben Pretigten leiht an. Da jedoch bie religiöfen und
fittlichen Verhältniffe ber gemühnlichen Landgemeinden ziem⸗
lich gleich find, fo find fie aud) anbermürtó brauchbar.
Indeſſen glaubt Ref. tod, daß gerade dieſer Umftand,
weil in biefen Predigten nur bie fittlihen und religiöfen
Zuftände einer einzelnen und, wie es fheint, etwas bes
fdránften Gemeinde berüdfichtigt find, dem allgemeinen
Werthe derſelben einigen Eintrag thut. Ich will nur auf.
einen Umftand aufmerffam machen. Der Berfaffer ver
hält fid faft turdjgdngig nur erflärend und ermahnend;
höchft felten ift auf ein tiefered Beweisverfahren ober auf
Wivderlegung von etwaigen falfchen Anfchauungen und
Irrthümern SSebadjt genommen, um baburdy auf bie Ueber
zeugung einzuwirfen. In einer vollig gläubigen und von
aller Frivolität frei erhaltenen Gemeinde ift dieſes Ver;
fahren ausreichend, befonderd wenn nod) ein großes pers
fönliches Anfehen des Prediger hinzufommt , wie es bei
SReiter ber all war. Allein in vielen Gemeinden fann
der Prediger nicht einen zweifellojen Glauben und ein
unbebvenflihes Hinnehmen der hohen Verpflichtungen eines
Chriſten vorausfegen, und es fann daher feine Aufgabe
nicht bloß fein, zu erbauen unb zu ermahnen, er muß
auch überzeugen von der Wichtigfeit und Wahrheit ber
Glaubenslehren und fittliden Vorfchriften. —
In Predigten, welche einen fo unmittelbar praftifchen
wer verfolgen wie ble unferigen, fónnen bie logifchen
Regeln demfelben wohl einigermaßen zum Opfer gebradit
662 Predigtwerke.
werden. Dieſe homiletiſche Freiheit ſcheint aber doch hie
und ba eine zu ausgedehnte Anwendung gefunden zu has
ben. Nicht felten vermißt man in ber Ausführung bet
einzelnen Theile eine lichte und ffare Anordnung in bet
Abfolge der Gebanfen und eine genauere. Gedanfenvers
bindung. Man findet mitunter gewöhnlich je im zweiten
Theile der Predigten Sätze an Cáge oder Gedanken an
Gedanken gereiht ohne innere orventliche Verbindung over
höchſtens mit ganz [ofer Verbindung, fo daß man auf die
Vermuthung fommen muß, Ref. habe nur etwas weitläus
figer ſtizziit und die Volziehung einer genauern innern
Verbindung der Gebanfen bem münbliden Vortrage über
laffen. —
Ref, glaubt aud) nod) einen weitern Punft zur Sprache
bringen zu follen. In ben vorliegenden zwei Bänden
„Sonntagspredigten” finden fid) zufammen 140 Pre,
digten. Diefe find anf die Sonntage ungleich vertheilt,
auf ben einen eine, auf den andern zwei unb fo fort bie
zu ſechs Predigten. Diefed Verfahren des Herausgebers
fónnen wir nicht billigen. Es ſcheint dabei nur ber Grund»
fag obgewaltet zu haben, vruden zu lajfen, was im Mar
nuferipte vorlag Warum nicht lieber aus dem vorliegen;
den Material eine Auswahl treffen! Es fann bem
Herausgeber bei einiger Aufmerffamfeit fo wenig als bem
Lefer entgehen, daß fid) unter den Predigten, fo fdjón aud
einzelne find und fo vieled Gute fie faft durchgaͤngig ent:
halten, doch die eine und andere eingeſchlichen hat, welche
in Anlage und Ausführung mangelhaft une ziemlich ges
danfenarm if, 4. Ὁ. 1. ©. 232, IL ©. 293. — Auf
©. 32 99». IL. finden wir gar feine Previgtausführung,
nicht einmal eine Skizze. Der Previger hat fid) nur einen
Prebigtwerte. 663
Anfang und einen Schluß einer Predigt gemadt unb für
bie Predigtausführung ſich einige Notizen nievergefchrieben.
Die Predigt für Dienftboten nad) einem Einfall ver Frans
ofen I. €. 240 fatte nur ganz temporären Werth. —
Dazu fommt, daß, wenn aud) mehr als eine Previgt
für einen Sonntag ausgewählt ift, blefelben in der Regel
ble Pericope nicht nach ihrem mannigfaltigen Inhalte bes
handeln, fonbern ziemlich einförmig Am vierten Sonn⸗
tage παῷ Epiphanie handeln alle trei Prebigten von ber
„Furcht“, und zwar zwei davon in ziemlich gleicher Seife
von ber Gottesfurcht; am Sonntage Septnagefimä unter
ſechs Predigten fünf vom Worte Gotted. Nichts davon
zu fagen, baf einige Parthieen in den Predigten ziemlich
gleichförmig wiederkehren; fo erinnere ih mid), ungefähr
breimal die Gefährlicfeit des gegenwärtigen Tanzens ges
fhilvert gelefen zu haben. Im Laufe vieler Jahre mag
Reiter wohl Grund gehabt haben, fo oft auf benjelben
Gegenftand zurückzukommen, aber in ein und bemfelben
Predigtwerfe follte es wohl nicht fo oft gebrudt werden. —
Nach unferem Bedünken wäre es baber wohlgethan
gemejen, eine genauere Auswahl nad) bem innern Werthe
bet Predigten zu treffen und auf einen Sonntag je nur
ein Stück zu geben. Wir machen hierauf aufmerkfam,
weil laut ber Vorrede von demfelben Verfaſſer nod) δε:
tags», Gelegenheitd-, Chriftenlehr- und biblifche und Relis
gionsgeſchichts-Predigten zu erwarten find. —
Wenn in der angebeuteten Weife eine Auswahl ges
troffen wird, werden wir bie weitern Predigten willfommen
heißen, vta fie fid) durch ihre pofitioe und dabei doch ges
müthlihe Safjung, fowie burd) ihre ganz praftifhe und
populäre Haltung unzweifelhaft empfehlen. —
664 Sfretlgticetfe.
3) Der erfte Band enthält Predigten für alle Sonn⸗
tage des Jahres, tet zweite für die Feſte des Herrn,
Maria's und einiger andern Heiligen, aud) einige Gafual
reden, wie Antritts- und Abſchiedsreden, Primizpredigt u. A.
Wir haben hier einfache und ungefünftelte Previgten
vor und. Man ficht εὖ ihnen an, taf fie gerade fo vor
getragen vourben, wie fie jebt gebrudt vorliegen. Der
Verfaſſer hält fid) an Themate, wie fie fid) im gemöhns
lichen Gemeindeleben einem Seelforger ungeſucht barbieten.
Da die Predigten in angemeffener Kürze für ben Vortrag
abgefaßt find, fo fóunen, wie leicht begreiffid), die einzel-
nen Themute nicht erichöpft fein. Der Verf. beabfichtigte
ἐδ auch nicht, fondern wählte foldje Divifionsglieder, deren
weitere Ausführung ifm von den religiöfen Zuftänden
feiner Zuhörer am meiften gefordert erfcheinen mochte.
Dagegen Tann man, wenn man nit einen rein Iheos
retifchen Ctanbpunft einnehmen will, nichts einmenben;
allein das kann man wohl an tiefen Predigten ansftellen,
daß die Ausführungen in ihren einzelnen Glievern nicht
. fireng auf den aufgeftellten Eat zurüdweifen, fonbern
faft wie zufällig gerade unter biefem oder jenem Thema
erfcheinen. 3.8. Band L S. 115 ff. ift von dem Zwede
des Waftengeboteó die Rede. Derfelbe ἱβ ein verfihiedener,
ich vermeife nur auf bie Präfation: Qui corporali jejunio
vitia comprimis, mentem elevas, virtutem largiris et prae-
mia. Von dieſen verfchiedenen Sweden des Faſtens ift
hier wohl die Rede, 3. 98. wie durch Waften ble finnliche
Natur darnievergehalten und eben baburd) bie Sünde zus
rüdgedrängt, wie dad geiftige Leben durch Bändigung des
förperlichen gefördert, wie den Waften ein Charafter bet
Bußübung gegeben werben folle unb bergleihen, allein
Prebigtwerke. 665
die einzelnen Punkte find nicht auselnandergehalten. Nach⸗
dem biejeó und jenes ohne gehörige Sonderung gejagt ijt,
dreht fid) bie weitere Ausführung bloß um ben allgemeinen
Sap, taf tie gànjlide Veränderung ber Geſinnungs⸗ unb
Handlungsweife der Zwed bed Faftengebotes ſei. Aehnlich
bet zweite Theil diefer Predigt, ber mad) ber Partition
von ber Verbindlichkeit des Faſtengebotes han-
deln fol. Wir vermiffen auch hier eine ffare und genaue
Aneinanderreihung ver SBerpflidgtungégrünbe, wodurch die
Zuhörer über biefen fo vielfach ‚angefochtenen Punkt tid
tig aufgeklärt und für freubige Befolgung des Gebotes
gewonnen würden. Im zweiten Bande ©. 99 (f. will .
nach der Ankündigung davon gehandelt werden, wie man
Gott für die Erndte Dank fagen fol, aber im Grunde
it nur vorzugsweife vom Halten der Gebote Gottes und
ben erfprießlichen Folgen befjelben bie 9tebe, was bei einem
andern Thema ebenjogut untergebracht würde. —
Ein derartiges bei gewöhnlichen Predigern nicht felten
vorfommendes Verfahren hat zur Folge, daß die Prebigt-
ausführung feinen eigenthümlichen, von tem Thema be
ftimmten Charafter gewinnt, daß man [ὦ in allgemeine
Säge und Debuctionen, die bei ben verfchiedenartigften
Thematen wiederfehren fünnen, verliert, und daß fo das
thema finale verfehlt wird. — |
Go anerfennenswerth ed. ift, daß ber Verf. meift ge
tadenwegs auf praftifhe Zwede losgeht, jo muß tod
mitunter als ein Kehler angefehen werben, daß er fid
gerne mit bem Nächftliegenden begnügt und nicht gar tief
einbringt, und in ber Predigtabhandlung nicht immer auf
eine durchfichtige Abfolge der Gedanken und Gedanfenents
— widlungen erwünſchlichen Bedacht nimmt, —
666 Bredigtmerke.
Obgleich Ref. blefe Ausftellungen unumwunden mas
den zu müfjen glaubte, beläßt er diefe Previgten tod)
gerne in ihrem Werthe. Sie find Zeugen warmen Giferó
für das Heil der Seelen, fte beurfunden eine gute Beob-
achtungsgabe unb jorgfáltige Benübung der in ber Paftos
ration gemadten Erfahrungen; εὖ ift vem Verf. nicht um
Schmud ber Rede und um Glanz der Gebanfen zu thun,
fondern nur um bie Wahrheit und um das durd fie zu
erwirfende Heil. Die Diction ift rein unb bie Farbe ber
jelben nad der Materie gut gewechſelt. —
4) Dem Berf. der Feſthomilien ift bei feinem
Unternehmen ein fchöner Gedanke vorgefchwebt, nämlich
ben Inhalt der Officien für bie Wefttage Bomileti[d) zu
verarbeiten. (à fann Niemanden entgehen, daß bie je
weilige Deßliturgie und das Officium des Breviers an
den einschlägigen Weften ſchöne und treffende Gebanfen
und tfeiló fchon tüchtig verarbeiteten Stoff zu Homilien
an die Hand geben.
Der Berf. konnte bei feiner Arbeit ndn doppelten
Weg einfdjlagen. Er fonnte die in den Officien vorkom⸗
menden, den Seftinhalt ausdrüdenden Stüde, wie Introis
tus, Kapitel ber Hpren, Antiphonen u. dgl. zum Aus;
gangépunfte feiner weitern Domiletifen Entwidlungen
madjen, ober er fonnte von bem Feftevangelium ausgehen
unb zu beffen homiletifcher Verarbeitung vie Offtcien bes
nügen. Er hat ben legtern Weg gewählt und mußte εὖ
bei feinem Verfahren audj, da er vorzugsweife nur bie
homiletiſchen Stüde des Brevierd benügt, welde fih aud)
an das Beftevangelium anlehnen.
Wenn man darin. feinen Mangel erbliden will, daß
vie vielfach fo ſchönen Antiphonen, Verſikel u. dgl. nicht
Prebigtwerte. 667
in ber Weife audgebentet wurten, wie ἐδ leicht hätte ges
Ihehen fónnen, jo fann man bem Berbienfte des Verfaſſers
alle Gerechtigkeit wiperfahren laffen. Er hat aus bem
reihen homiletifhen Stoffe für das einzelne Feſt recht
Schöned und Brauchbares ausgewählt und die Homilien-
ftüde der Väter unter ὦ in Verbindung zu fegen geſucht.
In bem einen Balle ifi tie Zuthat des Verfaſſers eine
größere, im andern eine fíeinete. —
Die Arbeit ift als erbauenbe und belehrende Lectüre
für Laien zu empfehlen, und bem Homileten hat fie. einen
guten Theil des reichen homiletifhen Stoffes im Brevier
bequem zugänglich gemacht, jebenfalló ihm einen verftänd-
(iden Winf gegeben, daß in ben Feftofficien eine nicht zu
verachteide Sunbgrube zu homiletifchen Etoffen liege. —
5) Unter dem Titel „bomiletifher Führer“
veröffentlichte H. eine Sammlung von Skizzen zu Domi:
letiihen Vorträgen für alle Eonns und Pefttage des
Jahres. Skizzen haben vor ausgearbeiteten Predigten das
voraus, daß fie den Homileten mehr zum’ Gelbftbenfen
und zur Gelbfitbütigfeit anregen. Die vorliegenden ems
pfeblen fid) insbeſondere dadurch, daß fie faft durchgängig
auf den Tertinhalt ber Pericopen fi flüpen. Es finden
fid) dadurch biejenigen eines Andern belehrt, welche bet
Anficht find, unfere Goangelienpericopen feien inhaltlich, zu
unfruchtbar ober gleihfürmig, als bag man einen reichen
unb mannigfaltigen Stoff zu Predigten aus ihnen ents
heben unb fte deßhalb immer oder wenigftens in ben meiften
Fällen, wie e8 viele Homiletifer mit Recht fordern, ale
Ausgangspunft und Bafid der weitern Previgtabhandlung
gebrauchen könnte. —
Dr. 9. wußte aus jeber Bericope eine ziemlich große
668 fBrebigtmerte.
Anzahl von Gfigen (meift 16—20) zu bilden. Bei bet
Eonftruirung der Skizzen geben ihm einzelne Momente
des Tertinhaltes bie [eitenben Gefichtöpunfte, fo daß wir
faft ausfchließlih Entwürfe zu Homilien vor uns haben.
Durch eine gewanbte Deutung und Auslegung des Tertes
nach feinem hiftorifchen, moralifchen, bogmatifchen, myſti⸗
Shen und figürliden Sinne ift es ihm möglid geworben,
auf ein fo reiches Material in den Terten ver Pericopen
hinzuweifen. Bloß Hinweifungen unb Andentungen find
im Grunde unfere Slizzen, infofern nur bie Qauptgebanfen
und leitenden Ideen zu einer homiletifchen Ausführung in
aller Kürze angegeben find. Dieſes halten wir für feinen
Mangel, ba bie Erweiterungen leicht find, wenn ber
Grundton angegeben ift, unb ba jeder etwaige Benützer
biefer Entwürfe lieber in ber ihm eigenthümlichen Weiſe
an den Grunbgebanfen weitere Entwidiungen anjegt, als
fid halbwegs babel leiten läßt, denn mehr fónnte bod
nicht gefchehen, wenn bie Skizzen nicht zu Predigten wers
den follen. —
Bei der Menge der Entwürfe fann es nicht ‚fehlen,
daß fih mande eingejhlichen haben, welde eine Kritik
ihwer zu beftehen vermödten. Einmal feinen uns bie
gleichen Gedanken bei benfelben Pericopen etwas zu häufig
in ver[diebenen Wendungen wolebergufefren. Es hätte
daher wohl etwas wählerifcher verfahren werben bürfen,
wenn aud die Zahl ber Entwürfe geringer geworden wäre,
Ebenfo glauben wir, daß bei Aufftelung und Anordnung
der Dispofitionsglieder die Gefege der €ogif hie und va
mehr außer Act geblieben find, als es fid) bel Bomileti
(den Vorträgen aus praftijdjen und oratorifhen Gründen
fonft wohl rechtfertigen läßt; 3. 3. ©. 113 lautet eine
Predigtwerfe. 669
Aufftelung für Dom. 5. Quadr.: „Der Sieg über unjete
Seinde hängt davon ab, daß wir 1) ſchuldlos vor ihnen
fleben (wer von eud) fann mid) ıc.), 2) mit der Wahrheit
befteben unb 3) daß fie nicht aus Gott find (alfo Gottes
unb Sefu Wort nicht hören).” Die erften zwei Barti-
tionégliebet fallen zu wenig aud einander, und das legte
bat ein ganz anbereó Subject als bie zwei voraudges
benben. —
Go fehr ed Ref. billigt, daß H. durch feine Arbeit
vorzugsweife auf analytifche Predigten Hinzielt, fo hätten
bod) unferes Erachtens aus jeder Pericope zwei oder drei
Themate, bie fid als ihr ganz eigenthümliche ableiten
ließen, zu jsnthetifchen Predigten vorausgeftellt werben
follen. Ref. hätte εὖ überhaupt nicht bloß vom theoretis
iden ſondern aud)? vom praftifhen Standpunkte aus gerne
gefehen, wenn bie Entwürfe für fonthetifche Predigten,
für Homilien höherer Art und für Homilien *nieberer Art
je zufammengeftellt und förmlich clafftficirt worden wären. —
Indeſſen halten wir bieje Entwürfe für recht geeignet,
dem Homileten Fingerzeige zu geben, wie er zu feinen
Sweden in ben Text einzubringen und bejfen Inhalt zu
entheben habe. Der Verf. zeigt hiebei nicht bloß große for»
melle Gemanbtbeit in homiletifcher Textanwendung unb Gert:
auélegung, unb ein tiefes Verſtändniß des Tertinhalteg,
fondern auch viel geiftige Beweglichfeit und Gedanfen-
reichthum.
Die letztern Eigenſchaften des Verf. zeigen ſich auch
in einer frühern homiletiſchen Arbeit, bie er im vorigen
Sabre unter bem Titel: „Evangelium und Leben
in 29 antithetifgen Predigten vom erften Advent
bis Pfingften” ꝛc. herausgab, wovon vor einiger Seit aud)
Theol. Ouarialjrift. 1857. IV. Heft. 44
670 Predigtwerke.
der zweite Theil erſchienen iſt. Hier finden wir ausge⸗
führte Predigten mit durchaus antithetiſchen Partitionen.
Es läßt ſich nicht läugnen, daß die Antitheſe, wie ſie als
Redefigur ober Erklärungsmittel in der Entwicklung eines
einzelnen Gedankens oft eine recht gute Wirkung hervor⸗
bringt, auch in der die ganze Ausführung beherrſchenden
Dispoſition gut angebracht ſein kann. Ref. gehört nicht
zu denienigen, welche, wie viele Homiletiker, neueſtens
aud Lutz (Homiletif S. 604) jede antithetiſche Partition
als eine fehlerhafte verwerfen. In einzelnen Fällen kann
eine antithetiſche Eintheilung und Ausführung nicht nur
gerechtfertigt, ſondern recht treffend und deßhalb für die
Zuhörer eindringlich und leicht behältlich ſein, z. B. „der
Eintritt Chriſti in die Welt iſt traurig — iſt freudig.“
Aber immer unb überall Antitheſen aufſtellen zu wollen,
wäre verfehlt und müßte zu einem ganz einſeitigen, vers
fünftelten und vielfach ganz abgefhmadten Predigtverfahren
führen. Wir fónnen nicht glauben, bag ber Verf. das
dur, daß er hier lauter antithetifche Predigten zufammen-
ftellte, damit die Anficht ausfprechen wollte, daß fie aue
Thlieglih ober auch nur vorzugsweife anzuwenden feien.
Er beabfidjtigte wohl nur, gu zeigen, daß unb wie anti
tbetijdje Predigten gemadjt werden können. Diefen Bers
fud) können wir unter obiger Verwahrung als wohl ge
lungen anjeben. Näher auf diefe Predigten hier eingehen,
liegt nicht in unferer Abfiht, wir wollten nur anläßlich
oben genannter Skizzen ἔπ auf biefelben aufmerkſam
maden. —
6) 93. Trento pflegte von 1745—1785 in den be
rühmteften Städten Italiens Baftenpredigten zu halten.
Die vorliegenden Predigten, neueftens ind Deutſche über
Η Predigiwerke. 671
ſetzt, find ein Produkt dieſer feiner Thätigkeit. Wir finden
darin eine nicht gewöhnliche Beredfamfeit, tiefe, treffenve
Gebanfen, überrafgende Wendungen unb überall ein Bener
unb eine Lebhaftigfeit, melde mit fid) fortzureißen geeignet
unb für den kältern Nordländer faft zu ftarf ift. Er
bindet fid) nicht feft an eine Form, vie feinem ſprudelnden
Geifte Feſſeln anlegte; daher meift ein großes Mißvers
baltniß zwiſchen ven Ausführungen der einzelnen Theile.
In bet Regel läßt er im erften Theil feiner Beredfamfeit
die Zügel der Art fhießen, daß für ben zweiten ober et»
waigen dritten Theil nur nod wenig Raum bleibt. ΘΙεἰ
wie bel feinem ältern gantémanne, Paolo Segneri,
mit bem er viele Vorzüge theilt, unb ben er vielleicht in
einigen übertrifft, wird wenigftend bem Xefer (bei bem
Zuhörern war. es wohl weniger ber Ball) eine gewilfe
Breite etwas làftig. —
Im Ganzen faun man bem Urtheile des 93. Marfili,
eines Begleiterd von Trento auf feinen Miffionen , δεῖς
pflihten, wenn er von feiner Predigtweife fagt: „Sie
war augíeld) populär und erfaben, einfach und gejucht,
baftig unb ruhig, hart und fanft, befeblenb und befcheiben,
denn fie war in jedem Theile von einem Herzen geleitet,
das voll von Liebe zu Gott, von Haß gegen die Cünbe,
von Liebe zu den Sündern, von Achtung gegen feine
Zuhörer unb von [febr geringer Meinung von fid) jelbft
war" Und es ift glaubhaft, wenn berjelbe verfichert:
„Gewiß, tie 9Birfungen der Prebigten des D. Trento
waren fo ausgezeichnet, wie fid) ihrer nur bie wahre und
vollfommene Beredſamkeit rühmen fann; denn man fann
in aller Wahrheit fagen, tag er burd) feine Predigten
44* :
672 SPrebigiwerfe. .
eine vollftànbige. Herrihaft über alle Herzen, aud) vie
verfehrteften und hartnädigften, ausübte.” —
Stef. bemerkt nodj, daß bie 38 Previgten ihrem Ins
halte nach nicht einen in fid) gefdlojjenen Cyclus, em
foftematifches Ganze bilden ober bilden wollen, jontern
ohne beftimmte Ordnung von bem ernftern und wichtigern
religiöfen und fittlichen Wahrheiten und Suftánblidfeiten
handeln, wie es für bie Waftengeit angemefjen erfchien.
Die Ueberſetzung ift gut, die Ausftattung febr jdjón. —
1. Bon ben Predigten ded Biſchofs unb apoftolifchen
Vikars von Luremburg,-Dr.3. Theod. Laurent: „Die
heil. Scheimniffe Mariä, der jungfráulidjen
Gotteómutter^ ift nunmehr der zweite Band erfchienen.
Der Berf. glaubte fid in einem Vorworte deſſelben über
bie Bebenfen auéjpreden zu follen, weldje in mehreren
Zeitfchriften gegen ben theilweifen Inhalt des erften Bans
des erhoben wurden. Diefelben gingen bahin, baf bet Hr.
Verf. die gnabenvolle Stellung Mariens in etwas zu ftat:
fen Ausbrüden dargeftellt und beſonders ihren Gnadenvor⸗
jug der unbefledten Empfängniß nicht ganz richtig aufge-
faßt habe. Stef. Fann nicht leugnen, daß aud) ibm einige
Auffaffungen und Darftelungen im erften Bande aufgefallen
find. (δὲ ijt freilich Schwer mit bem Verf. zu rechten, da
er, wie wir nicht zweifeln, dogmatiſch alle feine Behaup-
tungen und Entiwidlungen zu rechtfertigen wiſſen wird.
Allein damit ift ble Brage nicht befeitigt, ob fte nicht in
Predigten, die in der Regel ein gemifchtes Publikum haben,
leicht mifbeutet ober mifperftanben unb darum für Mans
hen verfánglid) und fdjübíidy werben fónnen. —
So haben wir im zweiten Bande wieder mehrere
Sätze gefunden, in denen, wie nun einmal ber Wortlaut
Predigtwerke. 673
ift, der ſeligften Jungfrau an ber Ausführung unb Ver⸗
wirklichung des Heildwerfes eine SBetbeiligung zugefchrieben
zu werben ſcheint, die ihr ficherlich nicht zugefchrieben were
ben fann. Sie erfcheint zu febr ald miterlöfender Faktor,
in allen Erlöfungsthaten mitwirfend neben Chriſtus geftellt.
Säte wie: „Die hl. Mefje und die Bl. Gommunion fom:
men und von Maria her” (p. 82), — „Auch ald Opfer
haben wir bie hl. Gudjariftie ter Mutter Maria zu danten” —
(p. 87), — „Der Gottmenfd) jelbft Fönnte nicht als völlig
vom Tode erftanben und in ben Himmel aufgefahren gel»
ten, wenn er bie, bie ihm baó Leben gab und erhielt, im
Top unb Grab gefajjen hätte” (p. 112), — „Das Reis
nigungsopfer Mariä Bat ihnen (sc. den jungfräulichen Zu-
hörerinnen) Reinheit der Seele, der Mutterſchmerz Mariä
hat ihnen Reinheit des Herzens, die Fürbitte Mariä Dat
ihnen Reinheit des Lebend erworben (p. 147)" unb 9I. —
find gewiß leicht mifbeutbar. Wir find weit entfernt, dem
fo gelehrten Verf. einen fórmfidyen Verftoß zur Laft legen
zu wollen. Er deutet folche ſchiefe Sätze im Verlaufe ber
Entwidlung richtig, ober verwahrt fid ganz beftimmt gegen
9Rifbeutung wie ©. 238. Obgleich er fid) aber hier ver-
wahrt, al ob er, wie e8 allerdings die vorausgehenden
Worte nahe legen, jagen wolle, Maria habe das weibliche
Geſchlecht erlöst, To ſpricht er fid) tod) fury darauf &. 239
wieder verfänglih aus: „Die perfönlide Würde Mariä
hatte erft dad Frauengeſchlecht blefer Wievererhebung fähig
und bebürftig gemadt .... Zum Zeichen viefer dur
Maria bewirkten (?) Umwandlung des Eheverhältnifjes
im Chriftentbum warb auf der Hochzeit zu Gana das Waf-
fer in Wein verwandelt durch ein Wunder Chrifti; aber
614 Predigtwerke.
dieſes Wunder geſchah nicht anders als nur durch die ev
mittlung Mariä.“ —
Bei den myſtiſchen Beziehungen, die vielfach hervorge⸗
hoben werden, verliert ſich der Verf. gerne in Spielereien,
die in einer aſcetiſchen Lektüre noch leichter als in Predig⸗
ten Platz finden können. So wird ©. 89 behauptet, „das
ganze Leben Maria ſei im weitern Sinne eine Gommunion,
ihre Empfangung des göttlichen Sohnes durch den hl. Geiſt
war eine Gommunion ... unb ifr Magnificat eine Dank⸗
fagung für diefe Gommunion. Diefe Gommunion Mariä
mit Ehrifto wiederholte fi), ald ber Herr fi ihrem Schooß
entwand, um fid) ihr vor Augen zu ftellen, in die Arme
zu legen, and Herz zu drüden, diefe Gommunion Mariä
ſetzte fid) fort, als fie zwar ihr Kind nährte mit der Milch,
ihrer Bruft, e aber feine Mutter tränfte mit dem Etrom
ber Himmeldwonne; diefe Gommunion dauerte, [o lange
ber göttlihe Knabe mit unb bei der Mutter wohnte unb
weilte in der armen Hütte, durch jeden Blick, ben er auf
fie, ven fie auf ihn warf, dur jedes Wort, das fie von
ibm hörte und zu ihm ſprach, burd) jede Liebfofung, die fte
von ihn empfing und ihm erwies u. f. f." —
Doch wir wollen nicht fortfahren, unfere Ausftelungen
zu belegen, jonbern nur noch unfer Bedauern ausfprechen,
daß der ehrwürdige Verf. aud im zweiten Bande folde
Säge und Ausdrüde nicht forgfam vermieden hat, welche
von Gutgefinnten leicht mißverftanden, von Uebelgefinnten
aber ausgebeutet werben fönnen, um bie Verehrung Mariä
in der Fatholifhen Kirche anzugreifen und zu verhöhnen.
Es ift diefes um fo mehr zu bebauern, als fonft die Pre-
bigten treffliche- Gedanken, tiefgebenbe herrliche Entwicklun⸗
gen von €ebrpunften, geiftreiche Erörterungen über religiöfe
Predigtwerke. 675
und ſittliche Verhaͤltniſſe und Beziehungen des Invidnal—⸗
und Geſammtlebens, kurz vieles Vortreffliche enthalten. —
Wir haben im vergangenen Jahre (f. Quartalſchr. 1856
S. 672) Faſtenpredigten „keine Sünde mehr“
von Fuhlrott, Pfarrer in Kirchworbis, angezeigt. Unter
demſelben Titel hat er eine zweite Reihe von Faſtenpredig—
ten erfcheinen laſſen. Das Urtheil, dad wir über bie erften
gefällt haben, findet aud) auf die zweiten Anwendung, und
fónnen fomit blefe wie jene empfohlen werben. —
Unter ten Previgtwerfen, die neuerdings erſchienen
find, und in diefen Blättern noch feine Berüdfichtigung
gefunden haben, vetbient ble von Nagelfchmitt beforgte
Ausgabe der Pretigten des Heinrich Venedien, Pr.
t. ©. Sy. und ehemals Domprediger in Cöln (Paderborn
bel Schöningh 1854 — 57) alle 3Beadjtung. Eben ift ein
dritter Jahrgang von Sonn» und Fefttagsprebigten erfchienen.
Dieſe wie die zwei voraudgebenben Jahrgänge (einer Ans»
gabe von 1730 entnommen) zeichnen ſich durch manche Bors
züge aus. Die €pradje ift Iebhaft und von richtigem Maße
oratsrifhen Schwunges begleitet, die Darftelung durch Gin;
miſchung von vielen Vergleihungen und Gefchichten intref;
fant, die Gedanken meift treffend, die Gchanfenentwidlung
wenn auch nicht immer ftreng logifch, fo body woblgeorbnet.
Die Hi. Schrift ift ſehr reichlich verwendet, nur vermißt man
febr ungerne die Angabe des Orts, wo bie allegirten Stt
fen zu finden find. —
Ein A. Müller hat aud Kapuzinerprebigten für
unfere Zeit mundgereht zu machen gefucht (Regensburg,
Manz 1837, 1. Abthlg.) Ueber bie Quellen, aus denen
bet Herausgeber gefchöpft, bemerft er nur im Allgemeinen,
daß er fle als von Kapuzinern herrührende Predigten in
676 Predigtwerke.
einem Folio gefunden unb bag fie von anno 1600 u. 1700 (ἢ ἢ)
herfiammen. Man merft bie umgeftaltende und mobernis
firente Hand ziemlich ftarf, Ὁσ ift der alte Charakter unb
Typus nicht ganz verwifht. Die Predigten find durchaus
pofitiv und praftifch gehalten; find reih an Beziehungen -
an den verſchiedenen Lebensverhältniffen, an biblifchen (ὅτε
Örterungen, an Beifpielen aus ber Gefchichte der Heiligen —
fury intreffant in Stoff und Ausführung unb darum lefend-
wertf. Zu wünjchen wäre, ber Herausgeber hätte das Vers
hältniß feiner Arbeit zu bem Original näher bezeichnet, unb
[egtereó auch für bie Leſer fenntlid) gemadt. —
Schließlich wollen wir nod) furz auf ein homiletifches.
Werft „VBredigten für wahre Aufflärung und
Bildung” von 9l. Weftermaier, 6. Durterin Schaff-
haufen aufmerffam madjen, von weldem Fürzlih ver
Schluß des erften Bandes ausgegeben wurde. Dasfelbe ift
auf 15 Lieferungen à 30 fr. berechnet. Nach dem Vorlies
genden zu urtheilen, zeichnen fid) dieſe Predigten wie ble
früher von bemfelben Verf. erfchienenen durch Frifche ber
Darftelung und Kraft und Lebhaftigfeit der Beweisführung
and. Er fudt befonders in die Schäden des Firchlichen, fo
cialen und familiären Lebens einzugreifen, unb Bat ein mit
ben bießfälligen Bragen, wie fie in Zeitungen und gefelligen
Kreifen angeregt und verhandelt werben, wohl vertrautes
Publifum vor Augen, wie denn auch die Predigten in ber
Michaelskirche zu München wirklich gehalten wurden. Wir
fommen übrigens wahrfcheinlih, wenn dieſes Predigtwerk
ganz erſchienen fein wirb, auf eine einläßlichere SBefpredyuug
defjelben zurüd. —
Dr. Bendel, Bonvictsbirertor,
Dubois, der prakt. Seelforger. 677
1.
1, Der praktifche Seelforger, ober wie wirft man fegensreich
in einer Gemeinde? Bon fj. Dubois, Ehrendomherrn
von Coutances u. f. f. — Nah der dritten Aufl. des
franzöftfchen Originals frei bearbeitet von einem Prieſter
ber Didcefe Mainz. Mit oberhirtliher Genehmigung.
Mainz, Berlag von Franz Kirchheim. 1856. G. 544.
Pr.ifl. 45 fr.
2, Erbauliche und abichreckende feifpiele aus den Se-
genden der Heiligen, für Satedeten und Prediger ge=
fammelt und fachmwelfe georbnet von einem emeritirten
Priefler aus der Erz-Diöcehe Münden-Sreyfing.
L Band. Landshut 1857. Thoman'ſche Buchhandlung.
©. 396. Pr. 1 fl. 15 Er.
Das Werk von Dubois führt mit Recht ten Titel
„praftifher Seelforger”, denn εὖ befchäftigt fid)
nur damit, zu zeigen, wie fid) ber Seelforger in den ges
gebenen Berhältniffen zu benehmen habe, um feinen Zweck
zu erreichen, b. B. die ibm anvertrauten Seelen zu retten.
Gt greift dabei in das innerfte Leben des ‘Priefterd ein;
er fudjt ihn gewiffermaßen bei jebem Schritte, ben er in
ber feiner Sorge anvertrauten Gemeinde tbut, auf dem
Fuße zu begleiten, um ihn beftändig am das zu erinnern,
was er zu thun und zu laſſen habe, wenn er wirffam
am Heil feiner Brüder arbeiten wolle. —
Der vorwiegend praftifche Zwed machte ed nicht not»
wendig, einen ftreng foftematifdjen Gang einzuhalten. Bon
ben zwei Theilen, in welde dad Buch zerfällt, beipricht
ber erfte bie Bethätigung des Serleneiferd durch dad gute
678 Dubols,
Beifpiel, und fomit die Tugenden, melde zu einer fegens-
reihen Wirkſamkeit vorzugsweife noifmenbig find. Der
zweite Theil handelt davon, wie fif ein feeleneifriger
Priefter den ver[djiebenen Perfonen gegenüber zu benehmen
habe, 3. 3B. ein Pfarrer gegen feinen Kaplan, biefer
gegen feinen Pfarrer, wie ein Priefter fid) zu verhalten
habe gegen {εἶπε geiftl. Nachbarn, gegen Frauensperſonen
überhaupt und Dienftboten insbefonvere, wie gegenüber
der €dule, der Ortéobrigfeit, gegen Sünder, gegen Arme,
gegen Sranfe, gegen Betrübte, als Prediger, ald Katechet,
als Beichtvater u. f. f. Im erften Theile fat ter Verf.
die Tugend des Geefeneiferó , ber Sanftmuth, ver Fröm⸗
migfeit, ber Nächftenliebe, des Wohlanftandes, ter Uneigen-
nuͤbigkeit und die Nothwendigkeit der Wiſſenſchaft ins
Auge. —
Wenn gleich der Verf. bei Aneinanderreihung der
Materien mehr erfahrungsmäßig als ſyſtematiſch verfährt,
ſo kommt er doch an Alles, was für das Seelſorgsleben
irgendwie von Werth ift; aud) das Kleinſte und fd:einbar
Geringfügigfte entgeht ifm nicht. Namentlich legt er aud)
ein großes Gewicht auf das äußere Erfcheinen, Auftreten
und Benehmen des Priefters unb- ſucht Alles genau zu
regeln, wie Miene, Gang, Haarpup, Kleidung, Ausſprache
s. dgl. Wir Dentfchen dürfen und hievon wohl Einiges
merken. Wenn aud) ber deutfche Charafter in dieſer Ber
ziehung flarf vom franzöfiichen abweicht und und im Bes
nehmen des franzöfifhen Klerus Mandes als affectirt
und geziert erjcheint, jo dürfte tod) auf tie Urbanität in
der Erziehung bed deutſchen Klerus und in beffen. Ders
halten ein "größeres Gewicht gelegt werden, als gewöhnlid
geihieht. Die Korderungen des Berf. gehen in ber Regel
ber prakt. Seelforger. 679
nicht zu weit; er hält ih an das Ausführbare und an
das für einen wahrhaft eifrigen Geiftlihen Nothwendige.
Jn bem einen und andern Punkte könnte man freilich
etwas anderer Anſicht fein. So meint à. 98. ver Verf.,
man fónnte Die und da den Beichtkindern ftatt der Vers
richtung einiger Gebete ald Bußwerf auflegen, „zwei ober
drei Befehrungsverfuche bei befannten Suͤndern zu machen“
(©. 280). Ein [ο ἐδ Satisfactionswerf als förmliche
Bußauflage fann gewiß nur in ganz feltenen Fällen ein»
treten. €. 321 rátf der Berf., man follte folden Ger
meindes Angehörigen, „von denen fid) vermuthen läßt, tag
fie in ihren legten Augenbliden die Annahme eines geift«
[iden Beiftandes verweigern werben, ziemlich oft Höflich-
feitö-Befuche abftatten, damit fte fpäter im Augenblid ber
Gefahr audj ben nod) als einen ſolchen anfehen unb ans
nehmen, ber in der Abſicht des Eeelforgers dieſesmal einen
ganz andern Zwed hat.” Diefen Rath werben wohl
wenige Prieſter zu befolgen fid) entichließen fónnen. —
Auch im Verhalten gegen die Drtsobrigfeit (S. 237 ff.)
fcheint uns etwas zu viel Konnivenz empfohlen zu fein,
obgleich aud) wir ber Anfiht find, ein Priefter unb nas
mentlich ein Pfarrer folle fo lange und fo weit immer
móglid mit der Ortéobrigfeit im Frieden leben und in
diefem Stüde lieber zu nachſichtig und nachgiebig als zu
ftreng fein, da Uneinigfeiten aud) für bie Wirffamfeit des
Seelſorgers immer große Nachtheile haben.
Wenn ber Berf. S. 30 ff. die Sanftmuth als eine
wefentlihe Tugend des Prieſters bezeichnet, [o ift Nef.
ganz damit einverftanven, findet fie aber tod) hier zu aus—⸗
Tchließlich betont; daher gefällt ihm das befjer, was Gregor
M. in feiner cura pastoralis (pars II. cp. 6.) über biefen
680 Beifpiele aus 2egenben.
Punkt fagt: ,Miscenda est lenitas cum severitate, facien-
dum quoddam temperamentum ex atroque, ut neque multa
asperitate exulcerentur subditi, neque nimia benignitate
solvantur. Sit itaque amor, sed non emolliens, sit rigor,
sed non exasperans, sit zelus, sed non immoderete sae-
viens, sit pielas, sed non plus quam expediat, parcens,
ut dum se in arce regiminis justitia clementiaque per-
miscel, is, qui praeest, corda gubditorum et terrendo de-
mulceat, et tamen ad terroris reverentiam demulcendo
constringat.^ —
Trotz ber Ausftelungen, die in einzelnen Punften
gemacht werben fónnen, ift das Bud, burdjaud praktiſch
und in ausgezeichneter Weife geeignet, feinen Zweck zu
erfüllen, den deſſen Verf. mit folgenden Worten angibt:
„Ich wollte die Gluth heiligen Seeleneifers, wovon die
Bruſt des Priefters erfüllt fein muß, von Neuem darin
anfadjen, wollte ihn an die Haupttugenven erinnern, ohne
die er erichlafft, mit denen er aber Wunder wirft; wollte
ihn endlich ble praktiſche Berhätigung dieſes Seeleneifers
lebren, indem ich ihm zeigte, was ec in den verfchiedenen
Begegniffen, wie fie jeder Tag mit fi bringt, unb bin.
ſichtlich aller SBerfonen, mit denen er beftändig in Beruͤh⸗
rung fommt und in Berfehr fteht, zu thun habe (©. V.).
Diefe Schrift kann daher allen Seelforgs-Geiftlihen ans
gelegentlich empfohlen werben.
2) Oben genannte Sammlung von Beifpielen fließt
fid) den Vielen dieſer Art in empfehlenswerther Weife an.
Sie unterfcheivet fih von den Sammlungen Schmid's,
Mehler's u. A. dadurch, daß fie ihren Stoff ausſchließlich
aus Segenbenbüdjern gefchöpft hat, unb daß die Beis
fpiele unter in alphabetifcher Ordnung abfolgenbe religiöfe
Birkler, missae polyphonae. 681
Begriffe geordnet find. Diefe Orbnung ift nicht frei von
einem medjanifden Verfahren, empfiehlt fi aber für ben
prafti[den Gebraud. —
Wie bei allen derartigen Sammlungen trifft man
audj hier mandje Stüde, deren Weglafjung fein Verluſt
für das Ganze gewefen wäre. Derfelde anonyme Verf.
hat früher Schon eine Beifpielfammlung aus ber Bibel
und Kirchengefchichte herausgegeben. Wäre es nicht τὰ δε
lich geweien, das SBeffere der neuern Sammlung in jene
anfzunehmen? Der erfte Band geht bis zu bem Worte
„Kreuzzeichen.“ Ein zweiter mit einem breifachen Negifter
wird dad Ganze fchließen. —
8.
Missae polyphonae e natura cantus choralis haustae atque re-
vocatae ad similitudinem contrapuncti una vocibus Sopr.,
Alt., Ten., Bass., altera 1.et 2. Ten. 1. et 2. Bass con-
cinenda. Composuit Birkler, professor regii Gymnasii Rott-
wilensis. Tubingae sumptibus Henrici Laupp. Pr.: 1 Rthir.
Unſre firhenmufifalifche Literatur hat durch das Gr.
ſcheinen blefer beiden polyphonen Meſſen einen höchſt erfreu⸗
lichen Zuwachs erhalten.
Hr. Profeffor Birfler, weldher das Ctublum ber alten
klaſſiſchen Kirchenmuſik feit Jahren fich zur Aufgabe gemacht
und die Früchte defjelben jchon in mehreren trefflichen Ab⸗
bandlungen über Choral nnb Gontrapunft niedergelegt hat,
ift nun auch auf Bitten feiner Freunde mit einigen feiner
praktiſchen Verſuche, deren er fdon mehrere ausgearbeitet
682 Birkler,
bat, vor bie Oeffentfidfeit getreten; und wir zweifeln fei
nen Augenblid, bag diefelben ba überall, wo man das Wes
fen und die Bedeutung der Kirchenmuſik vom richtigen
Standpunkt auffaßt, eine günftige Aufnahme finden, und
als Mufter eines Achten fivdliden Styls werden anerfannt
werden.
Die Grundfäge, von welchen der Hr. Verf. fi leiten
(leg, hat er in einem Borworte des Weitern auseinander
gefegt, und in feinen Gompofitionen getreu durchgeführt.
Bon ber Ueberzeugung durchdrungen, daß bie moderne
Lichenmufif vadurd, daß fie ven melodiöſen Styl zur
Oberherrfchaft gelangen ließ, gu einer unkirchlichen gewor⸗
ben ift, hofft ex eine butdjgrelfenbe und dauernde Verbefjerung
biefed Zweige ber kirchlichen funft nur von ber Ruͤckkehr
zu den beiden bis jegt kirchlich fanftlonirten Mufifgattuns
gen, dem Choral unb Gontrapunft. Anprerfeits weiß er
aber aud) απὸ Erfahrung, in welch' großem Mißverhältniß
der Erfolg zu der Anftrengung fteht, der man fid) fon an
manden Orten unterzogen hat, um den alten Elaffifchen
Merken Eingang zu verfhaffen; und er fieht den Grund
biefer Erfcheinung mit Recht einmal in dem fdroffen Ges
genfag überhaupt, welcher zwiſchen aftitalifdjer und mobers
ner Kirchenmuſik befteht und welder eine Vermittlung uns
umgänglich nothwendig made, ſodann in ber Unzulänglid-
feit unfrer Sängerdöre im Befondern, von denen eben
größtentheils die Werke alter Meifter wegen Mangel an
Stimmittel u. f. f. enttveber gar nicht ober nicht bem Geift
bes Gomponiften gemäß ausgeführt werben können, Diefen
beiden Mißſtaͤnden will Hr. Birfler mit feinen Gompofitios
nen begegnen unb läßt barum einerfeitd in benfelben zwar
hauptſaͤchlich die Regeln des Contrapunktes ihre Anwendung
Missae polyphonae. 683
finden, aber ofne bie eine oder andere Conceſſion an ben
Geſchmack ver Neuzeit auszuschließen; andrerfeits fucht er
fie jo einzurichten, daß biefelben auch von kleinern Chören
aufgeführt werden Fönnen.
Es leuchtet von felbft ein, daß man auf blefem Wege
am Schnellſten und Eicherften zur alten Erhabenheit, Ein:
fachheit und Würde ber Kirchenmuſik gelangt und wir mid
ten nur barauf aufmerffam machen, daß ber Ausſchuß für
S&onfunft auf der 2. Generalverfanmlung des chriftlichen
Kunſtvereins zu Regensburg dasjelbe Prinzip zur Anerfen-
nung bringt, wenn er neben ber Heransgabe von Werfen
ber Kirchenmuſik aus der Beriode im Gtyl Baläftrinas für
unfre Zeit und unfre Berhältniffe aud die Her-
ausgabe einer Sammlung der beften Firhlichen Tonwerfe
aus der folgenden Periode für febr zweckmäßig und M
wünfchenswerth hält.
An bie Werke ber Gontrapunftiften dieſer Periode (des
17. Jahrhdts.) laſſen fid) nun aber bie Birkler'ſchen Gom;
pofitionen am Füglichften anfchließen und ed nag uns dieſes
ein Fingerzeig fein, bag wir hier nicht bloß Gompofitionen
von einem wünfchenswerthen Uebergangsſtyl — den ber
Perf. für feine Gompofitionen in Anſpruch nimmt — zu
begrüßen haben, fontern daß wir Hrn. SBirffer das Verbienft
aufchreiben müjfen, daß er den Faden der Entwidlung des
Gontrapunfté da wieder aufgenommen hat, wo er durch den
Concertſtyl abgebrochen worden ijt, und daß er uͤberhaupt
ben Beweis geliefert hat, wie man an ber von ber Kirche
fanftionirten Mufifgattung fefthalten und tod) in tiefen
Grenzen der Sunft eine freie Bewegung gönnen fann. —
Ein weiteres Moment, das hervorgehoben werden muß,
ift dieſes, daß eine ter beiden Mefjen für Männerftimmen
684 Birkler,
eingerichtet ift. Bekannt ift nemlih, welche Ausdehnung
und Verbreitung der Männergefang iu neuerer Zeit gefun-
ben hat unb wie Vieles bie Leiftungen der Männergefang-
vereine zur Verherrlihung des Gottesdienſtes beitragen
fónnten; ebenfo befannt ift aber, daß tie Kirchencompoſi⸗
tionen der Alten ſtets einen gemifchten Chor vorauéjegen
und daß die Neuern nur ganz felten auf bem religiójen
Gebiet den Männergefang berüdfichtigen und wo dieſes
gefchieht, bald in mehr bald in weniger melobiöfem Styl
Wir müffen daher Hrn. Birkler Dank wifjen, daß er feine
eontrapunftifchen Verjuche vor Allem aud) auf den Männer:
gefang ausgedehnt hat und diefes in einer Weile, daß man
bei deren Aufführung weder Tenor nod; Baßſtimmen erfter
Größe vonnótfen Dat.
Die Rüdfiht auf die leichte Ausführbarfeit hat ben
Hrn. Verf. auch veranlaft,. eine Abkürzung des Textes
im Gloria und Credo eintreten zu laſſen; unb menn man
weiß, wie fchwierig, ja für viele Muftfchöre geradezu
unmóglid es ift, ein auf contrapunftifhe 9Beije voll
ftändig turdjcomponitteó Gloria und Credo aufzuführen,
jo wird man hierüber feinen Gabel ausfpredhen fónnen.
WIN. man aber hierin einen Verftoß gegen die Liturgif,
und näherhin einen Verftoß gegen bie Stellung, welde
der Chor zum Gelebrand einzunehmen hat, erkennen, [0
führt diefes eben auf bie einfache, aber wie allgemein
zugegeben wird, nicht zu billigenbe Gonfequenz, bag man
beim Amt nur Choral fingen dürfe. Allerdings muß man
als eine Haupturſache beó SBerfalló der Kirchenmuſik bie
Mißkennung des Verhältniffes ziwifchen Gfor unb Gelebrané
bezeichnen ; aber biefem SBerbáltnig ift fidjerlid bann genug
Rechnung getragen, wenn man nur. feine andere, als litur
Missae polyphonae. 685
gifche Tertesworte bei ben Compofitionen zuläßt; immer
alle Worte, die ber Priefter beim Gloria, Grebo, Offer:
torium betet, vom Chor fingen zu laffen, wird man faum
in Klofters und SDomfirden verlangen fónnen. —
Hr. Birkler fdjliegt fein Vorwort mit der Bemerkung,
daß eine wefentlide Wirfung des ältern Styls zu Grunde
gehe, wenn der Vortrag fchleppend wird unb baf ebenjo
die ganze Wirkung fid) verberge, wenn bie einzelnen Stim⸗
men nidt mit höchſter Reinheit, Klarheit und Präcifion
zufammenwirfen. Wir fónnen nicht umbin, hierauf aud)
ganz befonders aufmerkffam zu machen: bei der technifchen
Leichtigkeit, die unà in tiefen Mefjen entgegentritt, darf man
[ὦ der Mühe nicht für enthoben halten, biefelben genau
und práció einzuüben; und nur unter dieſer Vorausfegung
wird bie ganze Schönheit und Erhabenheit unfrer Gompo»
fitionen zu Tag treten.
Wir müfjen und auf bieje allgemeinen Andeutungen
beichränfen, indem wir bie und durch ben Zweck biefer Blät«
ter geftedten Grenzen überjchreiten würden, wollten wir
und auf Beſprechung der einzelnen muſikaliſchen Schönheiten
näher einfafjen; nur nod den Wunſch fónneu wir ἀπ
fpreden, daß ber Hr. Verf. diefen 2 polyphonen Meſſen
bald weitere Nummern anreihen möchte.
Die Ausftattung verdient alle Anerkennung ; bet Preis
ift billig geftellt; das beigefügte Veni creator, vie Reſpon⸗
[orien und ein o salutaris hostia mögen für mande Mufil-
höre eine willfommene Zugabe fein. |
Stepetent Beron.
Geol. Quartalſchrift. 1857. IV. Heft. 45
686 Saalſchũtz, Archäologie.
Eine Erklärung des Hrn, Prof. Saalſchütz iu
Königsberg. *
Dem gütigen Hrn. 9tecenfenten meiner Archäologie,
wie aud) mir felbft, bin ich es ſchuldig, hervorzuheben, daß
fein Nachweis eines Irrthums (δῇ. 2. Sahrg. 1857. S. 320.)
in der Angabe ver Zeltbreite zu 5—6 Ellen (auf ©. 321
bes 2. Thls. meiner Schr.) vollfommen begründet ift. Im
bet That ift aber hier nur ein ſehr bebauetlifer Schreibes
fehler eingefloffen, indem id für ble ganze nur bie
halbe Breite Hinfchrieb, welche letztere mich bel ber Bes
rechnung ber Höhe S. 324 befchäftigte. Sonft find bie rid
tigen Dimenfionen tes heil. Zeltes, namentlich feine wirt
[ide Breite von 10— 12 Ehen in ber betreffenden Unter
ſuchung überall veraudgefegt (f. δ. 8. ©.324 3. 1 v. ob.)
aud in Th. L €. 62 bezeichnet. Dem fehr geebrten Hrn.
Recenfenten kann ich nur ungemein dankbar fein, daß er
mit Gelegenheit gegeben, einen mich betrübenven bei bet
Gorrectur. überfehenen Fehler hier zu verbefiern.
Königsberg, am 7. Sept. 1857.
Saalſchütz.
n. _
3ntelligensblatt.
Sanctissimi Domini nostri Pii Papae IX litterae aposto-
licae, quibus conventio cum serenissimo Virtembergae
rege inita confirmatur.
Pius Episcopus, Servus Servorum Dei.
Ad perpetuam rei memoriam.
Cum in sublimi Principis Apostolorum Cathedra nullis certe
Nostris promeritis, sed arcano Divinae Providentiae consilio collocati
universam catholicam Ecclesiam Nobis ab ipso Christo Domino com-
missam regere ac tutari, ejusque utilitatem, prosperitatemque sine
intermissione, totisque viribus tueri et amplificare debeamus, tum,
Apostolicae Nostrae vigilantiae curas, ac sollicitudines ad eccle-
siasticas superioris Rheni provincias omni studio convertimus, ut ibi
sanctissima nostra Religio majora semper incrementa suscipiat, ac
magis in dies prospere feliciterque vigeat et efflorescat. Etsi enim,
veluti omnes norunt, recolendae memoriae Decessores Nostri Pius
praesertim VII suis Apostolicis Litteris XVII Kalendas septembris
anno millesimo octingentesimo vigesimo primo sub plumbo datis, et
incipientibus „Provida solersque^ ac Leo XII per alias similes Lit-
teras III Idus Aprilis anno millesimo octingentesimo vigesimo septimo
editas, quarum initium ,Ad Dominici gregis custodiam" ecclesiasticis
earumdem provinciarum negotiis, et spirituali illorum fidelium bono
accurate consulere studuerunt, tamen apprime cognoscebamus ob
rerum ac temporum vicissitudines Nobis alia omnino suscipienda esse
consilia tum &d majorem illorum fidelium utilitatem procurandam, tum
45 *
688 Intelligenzblatt.
ad eas removendas difficultates, quae ultimis hisce praecipue tem-
poribus exortae fuerant. Itaque summo gaudio affecti fuimus ubi
Serenissimus ac Potentissimus Princeps Gulielmus I Virtembergae
Rex Illustris a Nobis efflagitavit, ut ecclesiastica in suo Regno negotia
componere vellemus. Quocirca ejusdem Serenissimi Principis votis,
quae et Nostra vota erant diuturna et impensissima, quam libentissime
obsecundantes, nulla interposita mora, cum ipso Conventionem ineun-
dam esse existimavimus. Atque huic gravissimo sane negotio manum
illico admoventes, Dilectum Filium Nostrum Carolum Augustum 8.
R. E. Presbyterum Cardinalem de Reisach pietate, doctrina ac pru-
dentia spectatum, cum necessariis facultatibus et instructionibus de-
putavimus, ut cum Dilecto Filio Nobili Viro Adolfo libero Barone
de Ow, qui ejusdem Virtembergae Regis apud Caesaream et Aposto-
licam Majestatem Minister Plenipotentiarius ad Nos cum liberis mandadis
missus fuerat, rem omnem sedulo diligenterque tractandam et con-.
ficiendam curaret. Et quoniam probe noscebamus qua egregia justitia,
aequitate, et excelsi animi maguitudine, et qua propensa in Catholicos
sibi subditos voluntate ipse Serenissimus ac Potentissimus Virtem-
bergae Rex praestet, idcirco maxima, ac probe explorata spe nite-
bamur fore, ut res ipsa, Deo bene juvante, juxta Nostra desideria
ad felicem adduceretur exitum. Neque inanem hujusmodi spem
Nostram fuisse vehementer laetamur. Etenim post sedulam consul-
tationem, quam rei gravitas plane postulabat, Conventio ipsa pluribus
articulis distincta, et a VV. FF. NN. S. R. E. Cardinalibus Congre-
gationis negotiis ecclesiasticis extraordinariis praepositae examinata
“cum eodem Serenissimo Rege fuit inita, atque ad optatum exitum
perducta. Cum autem ejusdem Conventionis articuli tum a Nostro,
tum a Regio Plenipotentiario die octavo mensis Aprilis hujus anni
subscripti fuerint, atque a Nobis ipsis diligentissime perpensi, eandem
Conventionem suprema Nostra auctoritate confirmandam esse censui-
mus, eamque, benedicente Domino, in maximum animarum commodum,
et catholicae Ecclesiae bonum cessuram esse confidimus. Hujusce
autem conventionis tenor est qui sequitur, videlicet:
Conventio
Inter. Sanctitatem. Suam Pium IX Summum Pontificem οἱ Maje-
etatem Suam Serenissimam Gulielmum I. Virtembergae Regem.
In nomine sanctissimae et individuae Trinitatis.
Sanctitas Sua Summus Pontifex Pius IX et Majestas Sua Sere-
nissima Gulielmus I Virtembergae Rex, cupientes Ecclesise Catholicae
Intelligenzblatt. 689
Romanae negotia componere in Regno Virtembergae, Suos Pleni-
potentiarios constituerunt , videlicet, Sanctitas Sua Eminentissimum
Dominum Carolum Augustum S. R. E. Tituli S. Anastasiae Presby-
terum Cardinalem de Reisach, et
Majestas Sua Rex Virtembergae Nobilem Virum Dominum Adol-
fum liberum Baronem de Ow Suum Ministrum Plenipotentiarium apud
Majeststem suam Caesareo-Regiam Apostolicam Imperatorem Austriae,
et a Consiliis Legationum Secretis.
Qui Plenipotentiarii post sibi mutuo tradita legitima et authen-
tica suae quisque plenipotentiae instrumenta de sequentibus articulis
convenerunt.
Art. I.
Circa provisionem Sedis Episcopalis Rottemburgensis, Canonica-
tuum et Praebendarum Cathedralis Ecclesiae ea tantum servabuntur,
de quibus cum S. Sede jam conventum est.
Art. IT.
Episcopus, antequam Ecclesiae suae gubernacula suscipiat, coram
Regia Majestate fidelitatis juramentum sequentibus verbis expressum
emittet.
„Ego juro, et promitto ad Sancta Dei Evangelia, sicut decet
Episcopum, obedientiam et fidelitatem Regise Majestati, et Succes-
soribus suis; juro item et promito, me nullam communicationem
habiturum, nullique consilio interfuturum, quod tranquillitati publicae
noceat, nullamque suspectam unionem, neque intra, neque exira
Regni limites conservaturum, atque si publicum aliquod periculum
imminere resciverim, me ad illud avertendum nihil omissurum.“
Art. ΠῚ.
" Regium Gubernium non deerit obligationi, quam semper agnovit,
dotandi in fundis stabilibus Episcopatum, ubi primum permiserit
temporum ratio.
Art. IV.
Pro regimine Diócesis suae Episeopo ea jura omnia exercere
liberum erit, quae in vim pastoralis Ejus ministerii, sive ex decla-
retione, sive ex dispositione Sacrorum Canonum juxta praesentem,
et a Sancta Sede adprobatam Ecclesiae disciplinam, Ipsi competunt,
ac praesertim:
a) Beneficia omnia, exceptis iis, quae juri patronatus legitime
acquísito subjacent, conferre;
690 Inlelligenzblatt.
b) Vicarium suum generalem, atque extraordinarios Ordinariatus
Consiliarios, seu Adsessores, nec non Decanos rurales eligere,
nominare, vel confirmare;
c) Examina tum pro recipiendis in Seminarium alumnis, tum pro
iis, quibus beneficia curata conferenda sunt, praescribere,
indicere, et dirigere;
d) Clericis sacros Ordines conferre, non solum ad titulos a sacris
Canonibus adprobatos, sed etiam ad titulum mensae ab ipso
assignandum;
e) Secundum Sacrorum Canonum praescripta ea omnia ordinare,
quae tum ad divinum cultum, tum ad functiones ecclesiasticas,
tum ad ea religionis exercitia pertinent, quae ad suscitandam,
confirmandamque fidelium pietatem institauntur;
f) Convocare et celebrare Synodum Dioecesanam, nec non adire
Concilia Provincialia ;
g) In propria Dioecesi utriusque sexus Ordines seu Congregationes
Religiosas a Sancta Sede adprobatas constituere, collatis tamen
quolibet in casu cum Regio Gubernio consiliis.
Art. V.
Causas omnes ecclesiasticas, quae fidem, sacramenta, sacras
functiones, nec non officia et jura sacro ministerie adnexa, respi-
eiunt, Episcopi tribunal ad Canonum normam et juxta Tridentina De-
creta judicat: ac proinde de causis etiam matrimonialibus judicium
feret, remisso tamen ad judicem saecularem de civilibus matrimonii
effectibus judicio. R
Episcopo liberum erit Clericorum moribus invigilare, atque in
608, quos aut vitae ratione, aut quomodocumque reprehensione dignos
invenerit, poenas canonicis legibus consentaneas in suo foro infligere,
salvo tamen canonico recursu.
Competit item Episcopo in Laicos ecclesiasticarum legum trans-
gressores censuris animadvertere.
Licet de jure patronatus judex ecclesiasticus cognoscat, con-
sentit tamen Sancta Sedes, ut, [quando de patronatu laicali agatur,
tribunalia saecularia judicare possint de juribus et oneribus civilibus,
cum hujusmodi patronatu connexis, néc non de successione quoad
eundem patronatum, seu controversiae ipsae inter veros, et suppo-
sitos patronos agantur, seu inter ecclesiasticos viros, qui ab iisdem
patronis designati fuerint.
Temporum ratione habita, Sanctitas Sua permittit, ut Clericorum
Intelligenzblatt. 691
caudas meré civiles, veluti éontractuum, debitorum, haereditatum,
judices saeculares cognoscant, et definiant.
item Sancta Sedes annuit, ut lites de civilibus juribus vel one-
ribus Ecclesiarum, beneficiorum, decimarum, et de onere construendi
aedificia ecclesiastica in foro saeculari dirimentur,
Eadem de causa S. Sedes non recusat, quominus causae Cleri-
corum pro criminibus seu delictis, quae poenalibus Regni legibus
animadvertuntur, ad judicem laicum deferantur, cui tamen incumbet
Episcopum ea de re absque mora certiorem reddere. Quod si in
virum ecclesiasticum mortis vel carceris ultra quinquennium duraturi
sententia feratur, Episcopo nunquam non acta judicialia communi-
cabuntur, eique condemnatum audiendi facultas fiet, in quantum ne-
cessarium sit, ut de poena ecclesiastica eidem infligenda cognoscere
possit, Hoc idem, si minor poena decreta fuerit, Antistite petente,
praestabitur.
Art. VI.
Épiscopi, Cleri, et populi mutua cum Sancta Sede communicatio
in rebus ecclesiasticis libera erit. Item Episcopus cum Clero et
populo libere communicabit.
Hinc instructiones et ordinationes Épiscopi, nec non Synodi
Dioecesanae, Concilii Provincialis, et ipsius S. Sedis acta de rebus
ecclesiasticis absque praevia inspectione et adprobatione Regii Gu-
bernii publicabuntur.
Art. VII.
Episcopus ex proprii pastoralis officii munere religiosam catho-
licae juventutis tum instructionem , tum educationem in omnibus
scholis publicis et privatis diriget, et super utraque vigilabit. Pro-
inde statuet, quinam ad religiosam instructionem libri et Catechismi
adhibendi sint.
In scholis elementaribus religiosa instructio a parochis tradetur;
in reliquis scholis nonnisi ab iis, quibus ad hoc auctoritatem et mis-
sionem Episcopus contulerit, nec postea revocaverit.
Art. VIII.
Liberum erit Episcopo erigere Seminarium juxta normam Con-
eilii Tridentini, in quod adolescentes et pueros informandos admittet,
quos pro necessitate et utilitate Dioecesis suae recipiendos judi-
692 Intelligenzblatt.
caverit, Hujus Seminarii ordinstio, doctrina, gubernatio et admi-
nistratio Episcopi auctoritati pleno liberoque jure subjectae eruut.
Rectores quoque et Professores seu magistros Episcopus nomi-
nabit, et quotiescumque necessarium vel utile ab ipso censebitur,
removebit.
Quamdiu vero Seminarium ad normam Tridentini Concilii de-
siderabitnr, et Convictus publici aerarii maxime sumptibus sustentati,
Ehingae, Rotvilae et Tubingae existent, haec observabuntur.
8) Quod attinet ad educationem religiosam et disciplinam domes-
ticam, ea instituta regimini et inspectioni Episcopi subdita
suut.
b) Alumni horum iustitutorum quatenus erudiuntur in scholis
publicis, aeque ac ceteri discipuli legibus, quae scholis illis
constitutae sunt, et normis de ratione et cursu studiorum
praescriptis subjacent.
Si ea in re Episcopus (quoad Gymnasia) immutationem
quamdam necessariam vel magis opportunam judicaverit, con-
silia conferet cum Regio Gubernio, quod item pro sua parte
nihil nisi antea collatis cum Episcopo consiliis mutabit,
c) Episcopus institutorum eorumdem Rectores et Repetitores
deputabit, eosque removebit; quos tamen gravibus de causis
factoque innitentibus circa res civiles et politicas Regio Gu-
bernio minus acceptos esse resciverit, numquam eliget. Item
quos postea ob easdem causas ingratos "Gubernio evasisse
compererit, dimittet.
d) Episcopo competit eadem instituta visitare, delegatos suos ad
examina publica, praesertim pro recipiendis alumnis, mittere,
relationes periodicas exigere.
e) Prospiciet Regium Gubernium, ut in Gymnasiis, quibuscum
conjuncti sunt convictus inferiores, paulatim non alii, nisi ex
Clericorum ordine, Professores instituantur.
Art. IX.
Facultas theologica catholica Universitatis Regiae quoad munus
docendi ecclesiasticum Episcopi regimini, et inspectioni subest. Potest
proinde Episcopus Professoribus et Magistris docendi auctoritatem
et missionem tribuere, eamdemque, quum id opportunum censuerit,
revocare, ab ipsis fidei professionem exigere, eorumque scripta et
compendia suo examini subjicere,
. — Intelligengblatt. 693
Art. X.
Bona temporalia, quae Ecclesia propria possidet, vel in poste-
rum acquiret, semper et integre conservabuntur, nec sine potestatis
ecclesiasticae venia distrahi, et alienari, aut eorum fructus in alios
usus converti poterunt; oneribus tamen publicis et vectigalibus, nec
non aliis legibus Regni generalibus, aeque ac ceterae proprietates,
suberunt.
Bona ecclesiastica nomine Ecclesiae sub Episcopi inspectione
ab iis administrabuntur, quibus haec administratio aut canonum dis-
positione, aut ex consuetudine, aut ex privilegio, et constitntione
aliqua loci legitime competit; omnes vero administratores, etiamsi
ob eosdem titulos aliis administrationis ratio reddenda sit, eam pa-
riter Ordinario, ejusve Deputatis reddere singulis annis teneantur.
Proinde Sancta Sedes, spectatis peculiaribus rerum circumstan-
tiis, consentit, ut singularum Ecclesiarum fabricae, ceteraeque ec-
clesiasticae cujusque loci fundationes nomine Ecclesiae eo modo
qui jam in Regno receptus est, administrentur, dummodo Parochi et
Decani rurales munus, quod hac in parte gerunt, Episcopi auctori-
tate exerceant. De speciali hujus rei executione Regium Gubernium
cum Episcopo conveniet.
Insuper S. Sedes. aunuit, ut quamdiu publici aerarii sumptibus
tum generalibus, tum localibus Ecclesiae necessitatibus subvenietur,
beneficia vacantia, et fundus ex interealaribus eornm fructibus col-
lectus administrentur sub Episcopi auctoritate, et Ecclesiae nomine
per Commissionem mixtam ex viris praesertim ecclesiasticis ab Epis-
copo deputandis, et viris catholicis pari numero a Regio Gubernio
constituendis. Hujusmodi autem Commissioni Episcopus ipse, ejusve
Delegatus praeerit. Qua de re specialis atque accuratior inter Re-
gium Gubernium et Episcopum fiet conventio.
Hujus fundi reditus prae ceteris semper erunt erogandi in augen-
dos usque ad congruam Parochorum reditus, in assignandas Benefi-
.ciasis senio morbove confectis congruentes pensiones, in constituen-
dos pro Clericis ordinationis titulos, in necessaria pro deputandis
Vicariis stipendia; quee vero supererunt, nonnisi in alios Eeclesiae
usus impendentar. ;
᾿ Regium Gubernium de ipsius fundi conservatione, fructuumque
'erogatione ab administrante Commissione semper edocebitur.
Quamdiu mixta pro administratione ejusdem fundi Commissio
ezistet, reliqua etiam beneficia ab eorum Rectoribus sub praefatae
Commissionis generali inspectione secundum Canones administrabuntur,
694 Intelligenzblatt.
Art. XI
Episcopus cum Regiis magistratibus ommibus immediate com-
municabit.
Art. XII.
Quaecumque cum praesenti Conventione noa congruunt Regis
Decreta et Edicta abrogata sunt: quae vero legum dispositiones ei-
dem Conventioni adversantur, mutabuntur.
Art. XIII.
Si quae in posterum super iis, quae conventa sunt, snperve-
nerit difficultas, Sanctitas Sua et Regia Majestas invicem conferent
ad rem amice componendam.
Retificationes praesentis Conventionis mutuo tradentur Romae
duorum mensium spatio, aut citius, si fieri poterit.
In quorum fidem praedicti Plenipotentiarii huic Conventioni sub-
scripserunt, illamque suo quisque sigillo obsignaverunt.
Datum Romae die octava aprilis anno reparatae salutis mille-
simo octingentesimo quinquagesimo septimo,
Carolus Aug. Card. REISACH.
Adolfus Liber Baro de OW.
Cum igitur hujusmodi Conventionis pacia et coneordata in om-
nibus οἱ singulis punctis, clausulis, articulis et conditionibus tum a
Nobis, tum a Serenissimo ei Potentissimo Gulielmo I Virtembergae
Rege Illustri fuerint adprobata, confirmeta et ratificata, et cum Ipse
Serenissimus Princeps enixe postulaverit, ut pro firmiori eorum sub-
sistentis, robur Apostolicae firmitatis adjiceremus, ac solemniorem
Auctoritatem et Decretam interponeremue, Nos plane in Domino con-
üdentes (ore, ui pro sua misericordia haec Nostra studia ad com-
ponendas in Virtembergae Regno ecclesiasticas res intenta uberrimis
diviane suse gratiae donis prosequi dignetur, ex certa scientia et
mature delibaratione Nostra, deque Apostolicae potestatis plenitu-
dine supradictas Conventiones, Capitula, Paeta, Concordata et Con-
cessiones tenore praesentium approbamus, ratificamus et acceptamus,
illisque Apostolici muniminis et firmitatis tobur et efficaciam adjun-
gimus, omniaque in iis contenta et promissa sincere et inviolabiliter
ex Nosira et ex 8. Sedis parte adimpletum et servatum ivi tem
Nostro, quam Sucoossorum Nostrorum nomine promittimus ac spot
domus.
Intelligenzblatt. — 695
"Majori autem qua possumus contentione monemus et exhorta-
mur Venerabilem Fratrem in eodem Regno Saerorum Antistitem,
eliosque omnes Catholicos tum ecclesiasticos, tum laicos viros in
eodem Regno degentes, ut pro sua quisque parie omnia praemissa
et pacta ad majorem Dei gloriam, et Christiani nominis decus se-
dulo ac diligenter observent et summo studio eorum emnes cogita-
tiones et cnras assidue conferant, ut catholicae doctrinae puritas,
et divini cultus nitor, et ecclesiasticae disciplinae splendor, et Ec-
clesiae legum observantia ac morum honestas, et christianae pietatis
ac virtutis amor et opéra in eodem Regno quotidie magis tefulgeant.
Decernentes easdem praesentes Litteras nullo unquam tempore
de subreptionis et obreptionis aut nullitatis vitio vel intentionis
Nostrae aut alio quocumque, quamvis magno, aut inexcogitato de-
fectu notari, aut impugnari posse, sed semper firmas, validas et ef-
ficaces existere et fore, suosque plenarios et integros effectus sortiri
et obtinere, et inviolabiliter observari debere, quousque conditiones
et pacta in Tractatu expressa serventur. Non obstantibus Apostolieis
et Synodalibus, Provincialibus et Universalibus Conciliis editis gene-
ralibus Constitutionibus et Ordinationibus, ac Nostris et Cancellariae
Apostolicae regulis, praesertim de jure quaesito non tollendo, nec
non quarumcumque Ecclesiarum, Capitulorum, aliorumque Piorum
Locorum fundationibus, etiam confirmatione Apostolica, vel quavis
firmitate alia roboratis, privilegiis quoque, Indultis et Litteris Apo-
stolicis in contrarium quomodolibet concessis, confirmatis et innova-
iis, ceterisque contrariis quibuscumque. . Quibus omnibus et singulis,
illorum tenores pro expressis et ad verbum insertis habentes, illis
alias in suo robore permansuris, ad praemissorum effectum dumtaxat,
specialiter et expresse derogamus.
Prseterea quia difficile foret praesentes Literas ad singula, in
quibus de eis fides facienda fuerit, loca deferri, eadem Apostolica
Auctoritate decernimus et mandamus, ut earum transumptis etiam
impressis, manu tamen publici Notarii subscriptis, et sigillo alicujus
personae in ecclesiastica dignitate constitutae munitis, plena ubique
fides adhibeatur, perinde ac si praesentes Litterae forent exhibitae
vel ostensae. Et insuper irritum quoque et inane decernimus si
secus super his a quoquam quavis auctoritale scienter vel ignoranter
contigerit attentari.
Nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam Nostrae con-
cessionis, adprobationis, retificationis, acceptationis, promissionis,
spousionis, monitionis, hortationis, decreti, derogationis, statuti, man»
696 Intelligenzblait.
dati, voluntatis infringere, vel ei ausu temerario contraire. Si quis
autem hoc attentare praesumpserit, indignationem Omnipotentis Dei,
ac Beatorum Petri et Pauli Apostolorum Ejus se noverit incursurum.
Datum Bononiae anno Incarnationis Dominicae Millesimo Octin-
gentesimo Quinquagesimo Septimo die decimo Kalendas Julii. Pon-
tiicatus Nostri Anno Duodecimo.
V. P. Card. SPINOLA Pro-Datarius
V. Card. MACCHI.
Visa de Curía
Pro. R. D. Dominico Bruti Abbreviatore de Curia
FRANCISCUS VICI Sub-Datarius.
Loco t Plumbi.
I. Cugnonius.
Apoſtoliſches Schreiben,
in weldem unfer heiliger Water Pius IX: der mit dem burd.
laudtigften König oon Württemberg geſchloſſenen Eonvention
bie Beftätigung ertpeilt.
Pins Sifhof, Anecht der Knechte Gottes.
Zum ewigen Gedaͤchtniß.
Auf den erhabenen Stuhl des Apoftelfürften, freilih ganz ohne
Unfer Verdienſt, vielmehr nad) einem acheimen Rathſchluß der abit:
lidjen Borfehung erhoben, ift- es Unfere Pflicht, die ganze Fatholifche
fitde, bie Uns Chriſtus der Herr felbft anvertraut hat, zu regieren
und zu fhügen und ihre Wohlfahrt und ihr Gebeifen ohne Unterlaß
unb mit al Unfern Kräften zu hüten unb zu mehren. So haben Wir
aud) insbefondere die Innigfle Sorgfalt Unſeres apoftolifchen Wächter:
amtes ber oberrheinifhen Kirhenprovinz mit allem Gifer
zugewandt, damit bort unjere heiligfte Religion immer größeres Wachs⸗
thum gewinne und von Tag zu Tag fröhlicder und herrlicher erſtarke
und erblühe.. Denn wenn aud), wie affbefannt, Unfere Borgänger
preiswürbigen Andenfens, befonders Pius VIL. butdj bie Bulle Provida
solersque vom 16. Auguft 1821 und Leo XII. durch die weitere Bulle
Ad dominici gregis custodiam- vom 11. April 1827 für bie Firchlichen
Angelegenheiten jener Provinz und das geiftlihe Wohl ihrer Bläus
bigen auf das Beſte zu forgen befliffen waren, fo erfannten Wir bod)
alebald, ba bie veränderten Seitumftánbe Uns ganz andere Maßregeln
vorzeihneten, wenn it ben dortigen Gläubigen zu vortheilhafteren
Intelligenzblatt. 697
Berhältniffen verhelfen unb bie Schwierigkeiten Hinwegräumen wollten,
die befonters in der jüngften Zeit dafelbft aufgetaucht waren. Daher
erfüllte εὖ Uns mit der größten Freude, als der erhabenjte und mäch⸗
tigfle Fürft, ber durhlaudtigfte König von Württemberg, Wilhelm I.
an Uns ben dringenden Wunſch gelangen ließ, die kirchlichen Ange:
legenheiten in feinem Königreich ordnen zu wollen. Mit der größten
Bereitwilligfeit eingehend auf die Wünfche des erhabenen Fürſten, bie
nicht minder Unfere eigenen lángft und innigftgehegten Wünſche waren,
glaubten Wir, ohne irgend welchen Berzug mit ihm eine Uebereinfunft
abjchließen zu jolfen. Und indem Wir an das hochwichtige Geſchäft
fofort Hand anlegten, verfahen Wir Unjetn geliebten Sohn, Carl Auguft
v. 9teijad), Garbinalpriejter der heil. römifchen Kirche, einen Mann
burd Brömmigfeit, Gelehrſamkeit und Klugheit ausgezeichnet, mit ben
nöthigen Vollmachten und Anmeifungen, damit er mit Unferem ge:
liebten Sohn, bem Baron von Ow, bevollmädhtigten Minifter des Kö:
nigé von Württemberg bei Gr. faijerliden und apoftolifchen Majeftät,
ber mit ausgedehnten Inftruftionen an Uns abgefandt worden war,
die ganze Augelegenheit reiflih und forgfältig verbanble und bereinige.
Und da Wir recht wohl wußten, wie erhaben bie Gerechtigkeit, Billig:
feit und Seelengröße ift, durch bie ber butdjlaudjtigite und mädhtigfte
König von Württemberg fid) auszeichnet, und wie wohlwollend bie
Gefinnungen find, bie er gegen feine Fatholifgen Unterthanen hegt, fo
gaben Wir Uns auch der froheften und wohlbegründeten Hoffnung hin,
die Angelegenheit werde unter dem gnábigen Schuße Gottes nad) Uns
ferem Wunfche zu einem glüdlichen Ziele geführt werden. Und Wir
freuen Uns innigft, biefe Unfere Hoffnung ift feine eitle gemefen.
Denn nad) einer forgfältigen Berathung, wie fte die Wichtigkeit ber
Sache vollfommen verlangte, wurde bie Gonvention, bie felbft aus
mehreren Artikeln beflebt und von Unfern Brüdern, ben ehrwürdigen
Gardinälen der Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegen-
heiten noch geprüft worden war, mit bem genannten burdjfaudjtigften
König abgeſchloſſen unb zum erwünfchten Ende gebracht. Nachdem
aber bie Artikel eben diefer Convention fowohl von Unferem als bem
föniglihem Bevollmächtigten am 8. April diefes Jahres unterzeichnet
und von Uns ſelbſt auf das Gorgfáltigfle erwogen worden waren,
glaubten Wir bie Konvention burdj Unfere höchfte apoftolifhe Autos
rität beftätigen zu follen und Wir hegen bie fefte Suvetfidjt, daß die⸗
[εἶδε vom göttlihen Segen begleitet, das Heil der Seelen und das
Wohl ber Fatholiihen Kirche auf das SBebeutfamfte befördern werde.
Der Wortlaut aber blejer Convention ift folgender:
698 Intelligenzblatt.
Act. 1*)
Sn Betreff der Belebung des bifgöfliden Stuhles von Rottens
burg, der Ranonifate unb ber Bräbenden an ber Domkirche bleibt εὖ
lediglich bei bem mit bem Heil. Stuhle früher vereinbarten Berfahren.
Art. IL
Der Biſchof wird, bevor er bie Leitung feiner Kirche übernimmt,
vor €t. fónigl. Majeflät ben Qib ber Treue in folgenden — ab⸗
legen:
„Ich ſchwöre unb gelobe auf Gottes heiliges — wie εὖ
einem Biſchof geziemt, Euerer fónigI. Majeſtaͤt und Allerhoͤchſt Ihren
SRadjfolgern Geborjam und Treue. Ingleichen ſchwöre und gelobe id,
an feinem Berfehre oder Anfchlage, welcher die öffentlihe Ruhe ge:
fügtbet, Theil zu nehmen, unb weder inner nod) außer den Grünen
des Königreihs irgend eine verbäcdhtige Verbindung zu unterhalten;
folíte ἰῷ aber in Erfahrung bringen, daß bem Staate irgend eine
Gefahr brofe, zu Abwendung berjelben Nichts zu unterlafjen.“
Art. II.
Die fonigl. Regierung wird die von ifr ſtets anerkannte Verbind⸗
lidjfeit zur realen Dotation des Bistums erfüllen, fobald e& bie Vers
Hältnifje aulaffen.
Art. IV.
Zur Leitung feinee Diöcefe wirb ber Biſchof die Freiheit haben,
alle jene Rechte auszuüben, welche demſelben in Kraft feines kirch⸗
fiden Hirtenamtes laut Grflárung ober Verfügung der heiligen Kits
Hengefege nad) der gegenwärtigen, vom heiligen Stuhle gutgeheißenen
Disriplin der Kirche gebühren und inébejonbere
a) alle Pfrunden zu verleihen, mit Ausnahme von jenen, welche
einem rechtmäßig erworbenen Patronatsredhte unterliegen ;
b) feinen Generalvifar, bie auferotbentlidjen Mitglieder des Or:
binariates, fowie bie Landdekane zu erwählen, zu ernennen, be:
ziehungsweiſe zu beflätigen;
c) die Prüfungen für bie Aufnahme in das Seminartum und für
bie Zulaſſung zu Seelforgerftellen anzuordnen, auszufchreiben
und zu leiten;
d) den Klerifern die Heiligen Weihen zu ertheilen, nicht nur auf
*) Diefe Ucberfegung ber Artikel ift bem „St.-Ang.* entuommen.
Intelligenzblatt. 699
bie beftehenden fanonifden, fondern aud auf den von ihm
felbft anzumeifenden Tifchtitel Hin;
e) nad) den fanonijdjen Borfchriften alles das anzuorbnen, was
den Gotteóbienft, bie Firchlichen Feierlichkeiten und Diejenigen
Religionsübungen betrifft, welche die Aufweckung und Befeftig-
ung bes frommen Sinnes der Gläubigen zum Zweck haben;
f) Didcefanfynoden einzuberufen und abzuhalten, fowie Provinzials
coneilien zu befuchen;
g) in feinem Kirdhenfprengel vom heiligen Stuhl genehmigte rez
ligiöfe Orden ober Gongregationen beiverlei Geſchlechts einzu⸗
führen. Jedoch wird fid) der Bifchof, betreffend tiefen fegteren
Punkt, in jedem einzelnen Fall mit ber fónigl. Megierung in's
Einvernehmen feßen.
Art. V.
Ueber alle kirchlichen Nechtsfälle, welche den Glauben, die Sa⸗
framente, bie geififiden Verrichtungen und bie mit bem geiflichen
Amte verbundenen Pflichten betreffen, hat der Gerichtshof des Bifchofs
zu erkennen πα Vorſchrift ver firdjengefege und nach den Beſtim⸗
mungen des Concils von Trient. Somit wird berjebe aud) über
Cheſachen entſcheiden; jedoch bleibt das Urtheil über die bürgerlichen
Wirfungen ber Ehe den weltlichen Gerichten überlaffen.
Deßgleichen wird ber Bifchof unbehindert den Wandel der Geiſt⸗
lichen überwachen und wo biefe burd) ihr Betragen oder in irgend
. einer andern Weife zu Ahndungen Anlaß geben, in feinem Berichte
bie den firdjliden Gelegen entfprechenden Strafen über die Schuldigen
verhängen, wobei jebod) der Fanonifche Recurs gewährt bleibt. ὁ
Gegen 2aien, welche fid) Uebertretungen kirchlicher Satzungen zu
Schulden fommen laffen, fiet e& bem Biſchof zu, bie fitdjliden Gens
juren in Anwendung zu bringen.
ffüenn gleich über das Patronatreht das Kirchliche Gericht zu
entſcheiden hat, jo gibt doch der Heilige Stuhl feine Einwilligung, daß,
wenn es fid) um ein Laienpatronat Handelt, bie weltlichen Gerichte
fprechen können über die damit in Verbindung flehenden civilrechtlichen
Anfprüde und aflen, fowie über bie 9tad)fofge in bemfelben; ber
Streit mag zwifchen den wahren und angeblidjen Patronen oder zwi⸗
fen ben Geiftlihen, welche von dieſen Patronen für bie Pfründe
bezeichnet wurden, geführt werben.
Suit Nüdfiht auf die Zeitverhältniffe gibt der Heilige Stuhl feine
Suftimmung; daß bie rein weltlichen Rechtsſachen der Geiftlidjen, wie
100 Iutelligenzblatt.
Berträge, Schulden, Erbſchaften, von bem weltlichen Bericht unterſucht
unb entídjieben werden.
Deßgleichen hindert ber Heilige Stuhl nit, daß Streitigfeiten
über civilrechtliche Anſprüche und Laften ber Kirche nnb fBeneficien,
über Sefnten und über Kirchenbaulaft von bem weltlichen Gerichte
gefchlichtet werben. Aus gleichem Grunde ijt ber Heil. Stuhl nicht
entgegen, daß bie flerifer wegen Verbrechen ‚und SSetgeben, wider
welche bie Strafgefege bes Königreichs gerichtet find, vor das weltliche
Gericht geftellt werden; jedoch liegt e8 biejem ob, hievon den Biſchof
ohne Verzug in Renntnif zu feßen. Wenn das gegen einen Geifllihen -
gefällte Urtheil auf Tod ober Gefangenfchaft von mehr als fünf Sab:
ten bauert, jo wird man jedesmal dem Bifchofe die Gerichtsverhand⸗
lungen mittheilen und ifm möglich madjen, ben Schuldigen infoweit
zu hören, als es nothwendig ift, um über bie zu vetbángenbe Kirchen:
firafe entfcheiden zu konnen. Dasjelbe wird auf Verlangen des Bi-
fchofs auch dann gefchehen, wenn auf eine geringere Strafe erfannt
worden iſt.
Art. VI.
Sn kirchlichen Angelegenheiten wird der wechſelſeitige Berfehr bes
Bifchofs, des Glerus und des Volkes mit dem Heil. Stuhl völlig frei
fein. Ebenſo wird der Biſchof mit feinem Clerus und dem Volke frei
verfehren.
Daher können bie Belchrungen und Erlaſſe des Biſchofs, bie
Aktenftücde der Divcefanfynoden, des Provinzialconcild unb des Heil.
Stuhles jelbft, die von firdjlid)en Angelegenheiten Handeln, ohne vors
gängige Ginfídt und Genehmigung ber Fönigl. Regierung verdfients
licht werben.
Art. VII.
. Die teligibfe Unterweifung und Erziehung ber-Fatholifchen Jugend
in allen öffentlihen und Privatfchulen wird der Bifchof gemäß ber
ihm eigenen Hirtenpflicht leiten und überwachen. Darum wirb δεῖς
felbe aud) die Katehismen und Religionshandbücher beflimmen, nad
denen der Unterricht zu ertheilen ift.
3n ben Clementarſchulen erteilt der Ortsgeiftliche ben Meligionss
unterricht ; in andern Lehranftalten nur folche, denen bet Biſchof Ers
mädtigung und Sendung dazu verliehen und nicht wieder entzogen Bat.
Art. VII.
Dem Biſchof wird e& freifiehen, Seminarien nad) der Vorſchrift
Snteltigen Blatt. 701
bes tridentinifchen Gonciló zu errichten und in biefelben nad) Beduͤrf⸗
nif und Nuten ber Didzefe SYünglinge und Knaben zur Ausbildung
aufzunehmen. Diefe Anftalten werden in Abſicht auf Ginvid)tung,
Unterricht, Leitung und Berwaltung der völlig freien bifhöflichen Autos
rität unterftellt fein. Auch bie Vorſteher und Lehrer derfelben wird
der Bifchof ernennen und fo oft er εὖ nothwendig oder zweckdienlich
findet, wieder entlaffen.
So lange aber Seminarien in befagter Form nicht errichtet find ἢ
unb bie wefentlih aus Staatsmitteln unterhaltenen &onvifte zu Gin:
gen, Rottweil und Tübingen foribefleben, werben in Betreff berfelben
folgende Beftimmungen eingehalten werben:
a) Diefe Inftitute ſtehen bezüglich der religiöfen GraieBung und
der Hausordnung unter bet Leitung und Aufſicht des Biſchofs.
b) Infofern bie Zöglinge biejer Snftitute den Unterricht an felbft-
flánbigen flaatlichen Studienanftalten erhalten, flefen fle glei
ben andern Schülern unter den für biefe Gtubienanftalten gel;
tenden Gefegen und bem für biefelben vorgefchriebenen Lehr:
plan. Sollte aber der Bifchof bezüglich ber Gymnafien Hierin
eine Aenderung für nothwendig oder zweckmäßig erachten, fo
wird er fi ins Binvernehmen fe&en mit bet fonigl. Regierung,
welde audj ihrerfeits nichts ändern wird, ohne vorheriges Gin:
vernehmen mit dem Bilchof.
, €) Borfteher und Mepetenten der genannten SInftitute wirb ber
Biſchof ernennen und entlaffen; jebod) wird er dazu niemals
ſolche auserſehen, von denen et weiß, daß fie der Fgl. Regierung
aus erheblichen unb auf Thatfachen beruhenden Gründen in
bürgerlicher oder politifcher Hinficht minder angenehm find,
unb ebenfo’ jene entlaffen, welche aus denfelben Gründen nad
ihrer Anftellung unangenehm geworben find.
d) Dem Bifchof flebt es zu, dieſe Inflitute zu vifttiten, eigene
Abgeordnete den öffentlichen Prüfungen, zumal jenen für ble
Aufnahme neuer Zöglinge, beizugeben und fid) periodifche Bes
richte abflattem zu laſſen.
e) Die fónigl. Regierung wird dafür Sorge tragen, daß an den
oberen Oymnaflen, mit welchen bie niederen Konvikte verbunden
find, nad) und nad) nur geiftliche Profefjoren angeftellt werden.
Art. IX.
Die fatfolifd theologische Fakultaͤt an der Landesuniverfität ſteht
in Bezug auf das kirchliche Lehramt unter Leitung und Aufſicht des
Theol. Ouarialfchrift. 1857. IV. Heft. 46
702 Sutelligengblatt.
Biſchofs. Denmad fann berfelbe den Profefforen und Dorenten bie
Ermachtigung und Sendung zu theologifchen Lehroorträgen erteilen
und nad) feinem Grmefjen wieder entziehen, das Glaubensbefenntniß
abnehmen, auch ihre Hefte und Vorleſebücher prüfen.
Art. X.
Das Vermögen, weldjeó die Kirche als ihr Gigenthum befigt oder
in Zufanft erwerben wird, ift beftánbig unverlegt zu erhalten, unb
wird dasjelbe ohne Suflimmung der Kirchengewalt niemals eine Ber:
änderung oder Veräußerung erleiden, noch werben befjen Früchte zu
anderen Zwecken verwendet werben; indeflen unterliegt basfelbe ben
öffentlichen Laften und Abgaben, fo wie ben übrigen allgemeinen Ge:
feben bes Königreichs wie alles andere Bigenihum.
Das Kirchenvermögen wird im Namen bet Kirche unter ber Auf:
Richt des Biſchofs von Senen verwaltet, welche nad) Vorjchrift des fa:
nonifchen Rechts oder nad) bem Herfommen oder butd) ein Privilegium
and eine bejonbere Beſtimmung für irgend eine milde Stiftung zu
foldger Berwaltung berufen find. Alle Berwalter aber find gehalten,
aud) wenn diefes auf Grund der eben angeführten Titel Andern ges
genüber zu geſchehen hat, zugleich auch bem Biſchof oder feinen Be⸗
vollmächtigten jährli Mechenichaft von ihrer Verwaltung abzulegen.
Mit Rüdfiht auf die beftehenden Verhältniffe gibt fofort ber B.
Stuhl feine Suftimmung, daß die einzelnen Kirchenfabrifen fomie bie
übrigen firdjlid)en Lofalftiftungen im Namen der Kirche in der Weife
aud) ferner verwaltet werden, wie fie im Landg eingeführt ift; mur
follen Pfarrer und anbbefane ihre bieffallfigen Verrichtungen im
Auftrag des Biſchofs ausüben. Ueber die fperielle Ausführung biefer
Angelegenheit wird die fónigl. Megierung mit dem Biſchof ein Ueber:
einfommen treffen.
Meberbieß willigt der heil, Stuyl ein, daß, fo lange bie Staats:
kaſſe zu ben allgemeinen oder örtlichen SBebür[nifjen ber Kirche Bei⸗
teäge leitet, bie vafanten Pfründen und ber Interfalarfond unter der
Tberleitung des Bifhofs und im Namen ber Kirche durch eine ge:
mijdte Gommijflon verwaltet werden. Die eine Hälfte der Mitglieder
biejer Commiſſion erwählt der Bifchof, hauptſaͤchlich aus Geiftlichen,
bie andere die koͤnigl. Megierung aus Katholifen; ben 3Borfig hat ber
SBijdjof oder bejjen Bevollmächtigter. Die genaueren Uebereinftimmuns
gen hierüber werben in einem Uebereinfommen zwifchen der fgl. Res
sierung und bem Biſchofe feſtgeſetzt werben.
Die Einkünfte des Interfalarfonde werben vor Allem ſtets zur
t
Intelligenzblatt. 703
Ergaänzung ber Pfarrgehalte bis zur Congrua, zur Anweiſung von ans
gemeſſenen Penſionen für altersſchwache oder gebrechliche Pfründner,
zu den Tiſchtiteln für neu zu weihende Geiſtliche und zu den Koſten
bet nothwendigen außerordentlichen Vikarien, etwaige Ueberſchüfſe hbet
nur für andere kirchliche Bedürfniſſe verwendet werden.
Ueber die Erhaltung des Grundſtocks des Interkalarfonds, ſowie
über Verwendung der Erträgnifſe desſelben wird bie genannte Gom:
miffton der fgl. Regierung ftet& Gewißheit Heben.
So lange die gemifdjte Commiſſion zur Verwaltung des Inter:
Falarfonds befteht, übt viefelbe bie Oberauffſicht auch über ble Vers
waltung der befegten SBfrünben, weldhe deren jeweilige Inhaber nach
kanoniſcher Vorſchrift zu führen Haben.
Art. XI.
Der Biſchof wird mit allen fgl. Behörden unmittelbar verfehren.
Art. AU.
Die mit der vorftehenden Vereinbarung im Widerſpruch ftebenben
fgl. Verordnungen und Berfügungen treten außer Kraft; foweit aber
gefehliche Beflimmungen berjelben entgegenftehen, werden biefe geändert
werden.
Art. XIII.
Sollte fih in Zukunft in Betreff diefer Vereinbarung irgend eine
Schwierigkeit ergeben, fo werden Se. Heiligkeit und Se. fal. Majeftät
fij zu freundfchaftlicher Beilegung der Sache in'8 Binvernehmen fegen.
(Bolgen bie Unterfäpriften.)
Nachdem nun bie Beflimmungen und Vereinbarungen dieſer Gon:
vention in allen Punkten, Klaufeln, Artikeln und Bebingungen ins»
gefammt und im einzelnen, fowohl von Uns, als von dem erhabenften
und mächtigften Fürften, bem durchlauchtigſten König von Württemberg
Wilhelm I. gebilligt, betätigt und ratifleirt worden find unb eben bies
fer erhabenfte Souverain Uns gebeten hat, damit diefelben mehr Feſtig⸗
feit und Schuß hätten, ihnen nod) den befondern Schirm Unferes apos
ftolifchen Amtes angebeihen zu laflen, und ihnen einen außerordent-
tidjen Akt Unferer Autorität und ein feierliche Deeret zu widmen:
fo beftätigen Wir, in Kraft des Borliegenden, in vollem Bertrauen,
bet Herr werbe nach feiner Barmberzigkeit Unfere SBefitebungen für
bie Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten im Koönigreich Württems
berg mit den reichten Geſchenken feiner gottliden Gnade begleiten,
nad zuverläßiger Kenntnißnahme und reiflicher Brwägung und aus
46 *
104 Intelligeuzblatt.
ber Bollgewalt Unferes apoftolijd)en Amtes oben genannte Berein-
barungen, Beftimmungen, Uebereinfünfte und Goncejftonen, ratificiren
fie und nehmen fie an, flellen fie unter ben Schirm und Schuß Un:
ferer apoftolijdjen Gewalt, unb verjprechen und geloben ſowohl iu Un-
jerem als Unferer Nachfolger Namen, daß Alles, was in ihnen ent:
halten und verfproden ift, von Unferer und bes heil. Stuhles Seite
wird aufrichtig unb unverbrüdlich erfüllt und beobachtet werben.
Nicht eifrig und inftánbig genug aber fónnen Wir Unferen ebr:
würdigen Bruder, den Oberhirten in jenem Königreich, fowie alle an:
dern Katholiken des Landes, Geiftliche und Laien, bitten und ermah⸗
nen, fie mögen Jeder für feinen Theil alle oben erwähnten Verein⸗
barungen zur größeren Ehre Gottes unb zum Ruhme des dhriftlichen
Namens forgfältig und gewiffenhaft beobachten und mit vollem Eifer
alle Gedanken und alle Sorgen unermübet darauf richten, daß bie
9teinbeit der fatfolifdjen Lehre, der Glanz des Gottesdienſtes, bie
Schönheit der kirchlichen Disciplin, ber Gehorfam gegen bie Gefepe
der Kirche, daß Zucht und Sitte, daß bie Liebe zu einer in Werfen
fid) bethätigenden chriftlichen Krömmigfeit und Tugend täglich fert:
lider in jenem Königreich firahle und erblühe.
Wir wollen, daß dieſes gegenwärtige Schreiben zu Feiner Zeit
fol angetaftet und angefochten werden fónnen, weder unter dem Bor:
wand einer geſchehenen Erſchleichung irgend welcher Art ober wegen
rechtlicher Ungiltigkeit, nod) aud) butd) ben SBerjudj, einen Mangel an
Unferer Intention und Willensmeinung oder einen andern wie immer
befchaffenen, wenn aud) nod) fo großen Webler nachzumeifen; Wir bes
fehlen vielmehr, bag diefes Schreiben ſtets rechtskräftig, giltig und
wirkſam fei unb bleibe, feiner vollen und ungefchmälerten Wirkungen
fid) erfreue und fie behaupte, und daß es unverleht beobad)tet werben
folle, jo lange die in bem Bertrag ausgejprochenen Bedingungen unb
Bereinbarungen beobachtet werden; — dieß Alles nicht angefehen etwa
entgegenftehende SBeftimmungen, bie in apoftolifchen unb Iynobalen,
Provinzials und allgemeinen Goncilien, in veröffentlichten allgemeinen
Gonftitutionenen und Verordnungen, in Unferen und der apoftoli[d)en
Kanzlei Regeln, befonders über bie Unantaftbarfeit erworbener Rechte,
ober in den Stiftungsbriefen irgend welcher Kirchen, Kapitel oder ans
derer frommer Snflitute, auch menn diefelben durch apoftoli(dje Be⸗
flätigung ober was immer für einen rechtlichen Grund gefhüst find,
oder aud) in einzelnen nad) einer wie immer entgegengefegten Seite
ertheilten, beftätigten, erneuerten Privilegien, , Indulten und Grlaffen
des apoftolifchen Stuhles, umb in allen andern fiemit nicht überein:
Intelligenzblatt. 705
flimmenden Aftenftüden, welchen Namen fie immer tragen, enthalten
fein mögen. Alle biefe Seftimmungen und jede einzelne beríelben fegen
Mir, indem Wir deren Inhalt τοῦτ und budjftáblid) nehmen unb
meinen, lebiglid) um dem Vorausgeſchickten rechtliche Bedeutung zu
verſchaffen, beſonders und ausdrücklich außer Wirkſamkeit, wollen aber,
daß dieſelben im Uebrigen in ihrer Giltigkeit fortbeſtehen.
Weil es überdies ſchwer wäre, das vorliegende Schreiben überall⸗
bin, to von demſelben officielle Kenntniß gegeben werben fol, zu
bringen, ſo beſchließen Wir und befehlen vermöge derſelben apoſto⸗
liſchen Autorität, daß den Copien, aud) ben gebrudten, wenn fte nur
bie Unterfchrift eines öffentlichen Notare und das Siegel einer in einer
Eirchlichen Würde ftefenben Berfon tragen, überall berjelbe volle Glaube
beigemefjen werde, wie wenn das gegenwärtige Schreiben aufgezeigt
unb vorgemwiejen werden würde. Außerdem aber erflären Wir für un,
giltig und nichtig, was mit Hinwegfeßung über biefe Beflimmungen
von irgend Jemand, meldje Würde er immer befleive, wifientli ober
unmijfentlid unternommen werben wollte.
Keinem unter allen Menſchen foll es demnad erlaubt fein, biejer
Urkunde Unferer Gewährung, Beflätigung, Matififation, Annahme,
Verſprechung, Gefobung, Mahnung, Ermunterung, Gntideibung, Der
rogation, tyeftjegung, Verordnung und Willensmeinung Gewalt anzus
tfun oder in frevlem Beginnen berfelben zumiberzubandeln. Wenn
aber bod) Jemand fid) vermefjen follte, ſolches zu wagen, ber wiſſe,
daß er dem Zorn des allmädhtigen Gottes und feiner heiligen Apoftel
Petrus und Paulus verfallen werde.
Gegeben zu Bologna im Jahre der Menihwerbung unſeres
Heren 1857, den 22. Juli, im zwölften Jahre Unferes montiftfate.
Cardinal Spinola, Prodatar.
Garbinal Mack.
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Inhaltsverzeichniß
des
neununddreißigſten Jahrgangs der theologiſchen Quartalſchrift.
I. Abhandlungen.
Das Anathem über Papſt Honorius. Qefele. . . .
Die rechtlichen Wirkungen ber Greommunication. ober. . .
Sophroniys und Marimus über bie zwei Willen in Chriſtus.
$efele. . .. ; E E —
lieber den Gharafter der ſlaviſchen — HE .
Der fiebenarmige Leuchter. Krüger. "D e
Die Aufgabe ber Fatholifhen Apologetif. Hagemann.
Fragmente einer Versio antehieronymiana des A. T. Ruland.
Das erfte ufirum des Bilderftreite.. Hefele . .
Ueber eine Stelle im VIII. Kap. des von bem hl. Antiocheniſchen
Biſchofe Ignatius an die — ias Send⸗
ſchreibens. Dr. Nolte . . —
Ueber Sprüchw. 24, 19. Teipel.....
II. Recenſionen.
Abel, Kaiſer Otto IV. unb König — ΠΡ ἰοῦ ee
Benedictionale Constantiense. P. Wu
Beyr, institutiones theologiae doguatices. : .
Birkl, ber Seelenweder, Sonn: und ϑεβιαρορεονήρινι,
Birkler, missae polyphenae. . . ὅν uus
G5ate«ubriaub, ber Geiſt des Ghrißentgums. sn ae ἃ
Compendium Gradualis et en eris uoce od
Didascalia apostolorum. . : .
Duboisg, der prafitfife Stetforger. "M
Grtbaulidje unb abfchredende Beifpiele aus bol erben * ad
Fessler, institutiones Patrologiae. . . . . . :
Feßler, Geſchichte ber Kirche Gorifli.. . . . . . nee
708 Inhalt.
Binzel, Qanbbud) des neueften in geltenden —
rechts....
Haas, homiletiſcher Führer durch das jan Kirenjahr. .
Hettinger, die Liturgie der Kirche und die an a
Hofmann, über ben Berg Balilän.
— — Symbolif. .
Köhler, Fefthomilien. ; ,
Kramer, von ber alíeinfeligmadjenben διἰτῶε. à er
Krull, chriſtliche X(tertbumefunbe. . -» 2 2 000.
Laurent, die bl. Gefeimnijje Maris.
Meignan, Prophéties messianiques.
Mentges, Prebigten ἽΝ bie Sonn- und Log bes Binden
jahre. . . .
Movers, bie Bhönizier. A
Dsmwald, bie bogmatijde Lehre von bit él. ecc oda
Passaglia, de ecclesia Christi. . . . . . . . .
Pestalozza, theologia naturale.
Photii, liber de Spiritus s. mystagogia, ed. Hergenröther. ὃ
Propft, Grequien
— — Berwaltung der Gudjariftie als Saframennt
— — Berwaltung der Gudjariftie ale Opfer
— — Kirchliche SBenebiftionen und ihre Verwaltung.
Reiter, Predigten auf alle Sonntage bes rn
Rendu, Ludw., SBijdjof von Annıy. . . . .
€aalídjüt, Archäologie der Hebräer. .
Stadler und Heim, Heiligen-2ericon. .
€tábelin, der Uebertritt König Heinrichs IV. von » δεαηπείφ
zur römifhsfatholifchen Kiche. . . . . .
Thalhofer, Grflátung ber SPfalmen. . à
Trento, P. Qieconym., Faftenpredigten. .
II. Intelligenzblatt.
Sanctissimi Domini nostri Pii Papae IX litterae apostolicae,
quibus conventio cum serenissimo Virtembergae rege inita
confrmatur. . . 2 0... 4 nn ως
IV. fiterarifder Angeiger.
Nr. 1. 2. 3 u. 4 am Ende jedes Heftes.
687
giterarifcher Anzeiger
Nr. 4.
bier findet man in
uchhandlung (faupp & Ziebeh) in Tübin gen vorräthig |o wie
alle Grjdeinungen der neueften itteratur.
Im Verlage von Franz Kirchheim in Mainz ift [oeben er:
(dienen und dur alle Buchhandlungen des In: und Auslandes zu
beziehen:
Die
Wahrheit und Bernünftigkeit
des
Glaubens.
Heſpräche
über den katholiſchen Segriff und Sewris der chriſtlichen Oſſenbaruug
bon
$3. Dechamps,
aus der Gongregation bes allerbeiligfien Erloöſers.
Deutfh bearbeitet
von
Dr. 3. 3. $einrid,
Domecapitular unb Profeflor der Theologie in 3iaing.
Mit Approbation des hochw. biſchöflichen Orbinariates zu Mainz.
XX u. 702 SS. 8., elegant brochfchirt, Preis 2 fl. 42 fr.
ober 1 Rthlr. 15 Ser.
„Das Bu des Pater Dechamps, davon find wir überzeugt —
gt Baron be Gerlache, Präfldent des Brüfjeler Caſſationshofes
— ift Beflimmt, feinen auf durch die ganze Öhriften
2 qu madjen und einen lag an der Geite der berühmteften
pologien der Gegenwart einzunehmen; ja εὖ fcheint uns vor ben
meißten einen Vorzug zu haben, nämlid den, nicht Bloß fdón unb
treffend von ber Sabıheit u reden, fondern aud) Liebe zu ps unb
Sehnſucht πα ihr inquil len. — Die hödiften fragen, jene Wragen,
bie aud) thatfählih das größte Intereſſe erregen, bie täglih von ben
Freunden und Feinden der Meligion beiprochen unb beftritten werben,
find darin Far und fpruchreif der Faſſungskraft aller ernften Geiſter
basgelegt.” — Dieſes begeifterte Lob eines hochgebildeten Weltmannes
2
wird aud) ber mit ben theologischen und philoſophiſchen Wiffenfchaften
wohl Bertraute nach einem gruͤndlichen Studium des Buches nicht un-
begründet finden, und ed wird darum aud) feiner Rechtfertigung bes
bürfen, daß duch bie Hier angefündigte Bearbeitung des Herrn Dom:
capitular Dr. Heinrich das urfprünglich unter bem Titel „le libre
examen de la verité de la .foi“ erjdjienene Werf aud) der beut[djen
Sprache angeeignet wurde.
Literarifche Anzeige
einem hochwürdigen Elerus angelegentlihft empfohlen.
* $n der AE dein Dadientbmy in £anbébut
unb in ber J. G. Wölfle'ſchen Buchhandlung in Freifing ift
foeben erſchienen und burd) alle Buchhandlungen Ὁ ἐπ 7 ᾧ Tante
unb bet Schweiz zu beziehen:
Wermaneder, Dr. Michael, Profeſſor beider Rechte, erz⸗
bifhöfliher geiſtlicher Rath ꝛc, Handbuch des gemein⸗
nützigen katholichen Kirchenrechts, mie ſteter
Rückſicht auf das katholiſch⸗kirchliche Partikularrecht in Oeſter⸗
reich, Preußen, Baiern, Gadfen, Hannover und ben Übrigen
deutſchen Staaten. Dritte gänzlich umgearbeitete
Auflage gr. 8. cirea 70 Bogen. 7 ἢ. 12 fr.
Das Werk des hochw. Herrn Verfaflers ift burd) bie beiden erften
Auflagen hinlänglih als febr gebiegen und reidibaltig be:
fannt, jo daß biefe Dritte Auflage feiner weitern Empfehlung bedarf.
Mir erlauben unà nur zu bemerken, baf in diefer neuen Bearbeitung
bie Geſetze des öfterreihifhenGonrcordats und die
neueften Erfheinungen bet PBarticular- Gefetgge
bungen feit 1852 überall an ben betreffenden Stellen
berückſichtigt find, fo mie berfelben ein febr gelungener Sta m m⸗
baum ber Berwandtfchaft beigegeben ἢ, ber in allen neuern
Kompendien des Kirchenrechts, welche feit dem Anfange dieſes Jahr:
hunderts erſchienen, ver mißt wird. 88 verdient daher mit Net
biefe 3. Auflage in Hinfiht aller diefer Sufápe und Grgángungen,
ne in feinem andern neuern Kirchenrechte enthalten find, ben
orzug.
Im Berlage von Adolph Büchting in RNordhauſen erſchien
foeben und ift in allen Buchhandlungen zu haben;
Franz, Dr. A., das Gebet für die Todten, in seinem
Zusammenhange mit Cultus und Lebre, nach den Schriften des
heiligen Augustinus. Eine patristische Studie. gr. 8, 1857.
. geb. Preis 24 Sgr.
3
LIBERMANN’S INSTITUTIONFS THEO-
LOGICAE,
Achte Auflage.
Im Verlage des Unterzeichneten ist soeben erschienen:
INSTITUTIONES
THEOLOGICAE
AUCTORE
FR. LEOP. BR. LIBERMANN,
SS. THEOLOGIAE DOCTORE, DIOECESIS ARGENTORATENSIS
VICARIO GENERALI.
TOMUS EX.
COMBRLECTENS PROLEGOMENA IN UNIVERSAM THEOLOGIAM,
DEMONSTRATIONEM RELIGIONIS CHRISTIANAE ET DEMON-
STRATIONEM CATHOLICAM.
EDITIO OCTAYA EMENDATISSIMA.
Preis für swei Bände nur 6 fl. od. 3 Rthl. 15 Sgr.
Beim Herannahen des neuen Lehrcurses erlaube ich mir alle Herren T. T. Vorstände
der Semenarien und Professoren der Theologie auf das Erscheinen der Achten Auf-
lage dieses berühmten Werkes aufmerksam zu machen und bemerke nur noch, dass die-
selbe in ihrer äusseren Ausstattung mehrere längst gewünschte und höchst zweckmässige
Verbesserungen erfahren hat. Dem zweiten Bande, welcher in sechs Wochen die Presse
Yeh ist ein Appendix über das Dugma der immaculata conceptio B. M. V. bei-
gerügi.
MAINZ, 1. Oktober 1857.
Franz Kirchheim.
Bei ὅτ. Puſtet ift erſchienen:
Das Leben des beil. S9bilippus Neri, Stifters
der Gongregation des Oratoriums in Italien. Bearbeitet
von Dr. Sr. Yösl, Priefter ber Berfammlung des Allerhei⸗
ligRen Erlöſers. Zweite, verbeſſerte Auflage. Mit bem
y be& 81. Philippus in feinem Holzſtih. Paris 1 fl.
fr.
Die Pſychologie des Heil. Gregor von Nyſſa,
zen bargeftellt von Dr. Joh. Nep. Stigler. Preis
4
Huentbehrlidyes, populär gefihriebenes Sjanbbud)
für | :
Seelforger nnb Lehrer.
Bei . Schöningh in Paderborn if ſoeben erſchienen
und in allen Buchhandlungen zu haben:
Gründliche und leichtfaßliche Erklärung des
katholiſchen Katechismus. Nebft einer Auswahl
yaffenber Beifpiele, als Hülfsbuch zum katechetiſchen
ünterridte in ter Schule und in ber Kirde. Bon
Joseph Deharbe, Briefter aus ber Geſellſchaft Jeſu. L Bo.
27 Bogen. Mit Approbation des hochw. erzbiſchöflichen -
Grneralvikariats in Köln. Preis 18 Ser.
Das Bud) dient zur Erflärung fámmtlidjet von P. Deharb
dii oia Ratediemen [bei den wenigen Abweichungen des ut:
fprünglidyen „Regensburger Katechismus“ von ben andern Didceſan⸗
Katedismen find für erflern beſondere GErflärungen gebeben;} ben
einzeln Abſchnitten, weildye bie Reihenfolge der Abjchnitte im Kater
chismus innehalten, find Bemerkungen eingereift und S eifpiclt
beigefügt; zum bequemern Gebrauch ift das Wefentlihe von bem
Minderwichtigen durch ben Drud unterfhieden unb wird jeber
Band ein ausführlihes Inhalts-Berzeihniß erhalten. —
Im Verlage von Fr. Mauke in Jena erscheint mit Neujar 1858.
Zeitschrift
für
wissenschaftliche Theologie.
Herausgegeben
von
Dr. A. Hilgenfeld,
Professor der Theologie an der Universitát Jena.
gr. 8. in Quertal-Heften von mindestens 8 Bogen. Preis des
Jahrganges 2 Thaler 20 Sgr. Einzelne Hefte à 22!/, Sgr.
Ihre Bereitwilligkeit zur Mitwirkung heben bereits erklärt:
Prof. Dr. v. Baur in Tübingen, Prof. Dr. Grimm in Jens,
Geh. KR. Dr. Hase in Jena, Prof. Dr. Hitzig in Zürich, Prof.
Dr. Knobel in Giessen, Prof. Dr. K. R. Köstlin in Tübingen,
9
Kirchenrath Dr. Rückert in Jena, Prof. Dr. Moritz Schmidt
in Jena, Geh. KR. Dr. Schwarz in Jena, Oberconsistorialrath
Dr. Schwarz in Gotha, Hofrath Dr. Stickel in Jena, Capitels-
diacon Dr. Volkmar in Zürich, Prof. Dr. Zeller in Marburg,
Ausführliche Próspecte giebt jede Buchhandlung gratis aus.
Wichtige theologische Werke.
Verlag der Stahel'schen Buch- und Kunsthandlung
in Würzburg. .
ejusque natura, ac traduce,
D 6 P eccalo Or iginali, et poena: deque multiplici
statu hominis, innocentis, lapsi, reparatique ac de possibili purae
naturae statu: Tractatus theologicus: in quo haeresum historia
diligentius enarratur, vindicantur fidei catholicae dogmata, ac
solidiores quae agi solent in scholis, juxta s. Thomae Aquinatis
doctrinam dirimuntur quaestiones: auctore Fr. J. Franc. Bernardo
M. de Rubeis, Ordinis Praedicatorum. Superioribus annuentibus.
Recusus ad edicionem primariam Venetam MDCCLVII apud Si-
monem Occhi. 1857. XXXII et 468 fol. gr. 8. 2 fl. 42 kr.
— 1 Thir. 18 Sgr.
Das vorzügliche Werk des gelehrten Dominikaners Bernhard
de Rossi über die Erbsünde verdient unter die Zahl der klassischen
Monographien gesetzt zu werden. Glücklicher ist wohl selten die
katholische Lehre über diesen Gegenstand nach den grossen Kirchen-
lebrern Augustinus, Anselmus und Thomas dargestellt und vertheidigt
worden. Die Durchführung des Begriffs der Sünde in dem Gebiete
der erblichen Schuld ist besonders meisterhaft. Dennoch ist dieses
treffliche Buch selbst in Italien nicht mehr häufig, ausser Italien
aber fast gar nicht zu haben. Daher glaubte die Verlagshandlung
durch Besorgung eines neuen Abdruckes dem theologischen Publikum
einen nicht unerwünschten Dienst zu leisten.
A symbolorum et definitionum, quae de rebus
Enchiridion fidei et morum a conciliis needs el
summis ponlificibus emanarunt. In auditorum usum edidit Hen-
ricus Denzinger, philosophiae et theologiae Doctor et in
Universitate Wirceburgensi dogmatices Professor ordinarius. Editio
tertia aucta et emendata, et ab ordinario approbata. 1856. 120.
1 fi. 48 kr. — 1 Thir.
Regula Fidel Catholicae & !c‘o doemeun
6
Nerio Chri»smann, Otdih. Minór. S. Frenc. Reéollecti Prov.
Argentor. Seu Alemanniae SS. Theol. et Hist. Becl. Lect. Otdim.
Denuo tevidit et edidit Phil Jaco, Spindles, eccles. cath. Aus
gust, Vio. nec nen ordinariétus episcopl. August. Secret. Editio
nova. Superiorum permissu et approbatione. 1855. 1 fi ΞΕ
18 Sgr.
Principia "Theologlae Moralis, 2": «er-
ribus selecta exercitationibus moralibus, quibus in Seminario
clericorum Wirceburgensi praeest, accommodavit Andreas Jo-
sephus Haehnlein, philosophise et theologiae Doctor et in
Universitate Wirceburgensi theologiae Professor ordinarius. 1855.
Gr. 8. 3 ἢ. 12 kr. = 1 Thlr. 25 Sgr.
von der religiösen Erkenntnis. Von
Vier Bücher Heinrich Denzinger, Doctor der Philo-
sophie und Theologie, ordentlicher Professor der Dogmatik an
der Universität Würzburg. ὃ Bde. 1856. 7 fl. 13 kr, =
4 Thir. 12 Sgr.
nach katholischen Grund-
Biblische Hermeneutlk sen in streng ayste-
malischem Zusammenhange und unter Berücksichtigung der
neuesten approbirten hermeneutischen Lehrbücher, ihsbesondere
der Lib. I. I. De interpretatione scripturae sacrae des Rev.
Franc, Xae. Pairitius (e Soc. Jesu) ed. Romae 1844.
Bearbeitet von Dr. Chr. Gottl. Wilke. Mit Approbat. des
Hochw, Bischöfl. Ordinariats za Würzbug. 2 fl. 24 kr. —
1 Thir. 10 Sgr.
Carl Rutta's Ererritienreden 485 ev
n
Mit Fragmenten zu feiner Biographie herausgegeben von Dr.
Pinfon Ruland, f. Oberbibliofhefar in Würzburg fl. 8. 1857.
2!/o Bogen. Preis 1 fl. ober 18 Gar.
Die Verlagshandlung bietet Hiermit eine Schrift, melde — aud
abgejehen von der Achtung und Xiebe, bie in der Diöcefe und in δε
Stadt Mürzburg an den Namen Rutta (weiland Regens des Semi⸗
nars inm guten Hirten und Dompfarrers zu MWürzdurg) gefnüpft
find, nad) bem Urtheile competenter Männer — für foldje, die Prieſter
werden molten, eine ernfte Mahnftimme, für fo[dje, bie Priefter
find, eine treffliche Anleitung zur prüfenden Selbflihan über ihre
Pflichterfüllung fein wird.
Y
1
Bei 6. P. Aderholi im Breslau ist soeben erschienen:
Die Wesenheit des menschlichen Geistes.
Rede, gehalten am 15. October 1857 in der Aula Leopoldina
beim Antritte des Rectorats der Breslauer Universität
von
Dr. Pet. Jos. Elvenich.
d. z. Rector.
gr. 4. geh. Preis 6 Sgr.
Bei Fr. Puftet in Negendburg if erfhienen:
Eine Brautfahrt.
Hiſtoxiſcher Roman ans dem XVI. Dahrhumderf
von
Eourad von Bolanden.
Zweite Auflage. 8. eleg. broch. Preis 1 fl. 24 fr.
Diefe zweite Auflage ift mit einer trefflichen Vorrede vermehrt,
in welcher bie verfchiedenartigen Angriffe auf diefes interejjante Buch
gefchlagen werben.
— — — — o ————— — — — —— .ν-ὕ.-.-.. — —— —
Dr. 9. $. Sdubers neueſtes Werk.
Bei Palm & Ente in Erlangen ἰ neu erfchienen und durch
jede Buchhandlung zu erhalten.
Schubert, Dr. ©. H. von, vermifhte Schrif—
ten. Mit 9adtrágen zu des Verfaſſers Selbftbiograpbie.
Erfter Band. Mit bem Bildniffe des Bev
faſſers. gr. 8. X und 248 Seiten geh. 1 Thlr. 6 Sgr.
ober 2 fl. rhn. |
Dubalt, Wragen und Antworten über das Diesfeits und das
Jenſelts in Briefen: der geiftige 9Banbertrieb. Wechfel von Licht und
Schatten an Kranfen: und Sterbebetten. Bine Iehrreihe Schule am
Gied)bette. Das Sterben ein Erwachen aus bem Traume des Lebene.
Beftehen und Vergehen der Grinnerungen. Gedanfen über das Sein
nad bem Tode. Der Vorhof der Heiden unb JIſsrals Tempel:
Das Pfingftwunder im Vorhofe. Erinnerungen an Dr. S. ὅτ. υ. Roth,
geweſenen Präflpenten des proteftantifhen Obereonfiftoriums unt Staats:
rati) in München.
8
id LÍ
Bet Fr. Puſtet in Regensburg ift erfchienen :
Der Beruf. Eine Novelle aus der Neuſchweij. 18 Bogen ín 8.
1 fl. — oder 18 Sgr.
Diefe in 60 Briefen niebergelegte Novelle ift fein Phantaflegebilve,
fondern ein auf Thatſachen gefüpies treue: Gemälde eines bewegten
Menichenlebens, das erft nad) langen Stürnien und jchweren Ver⸗
fudungen zur Ruhe kommt. Der befcheidene Autor, welcher bae
menſchliche Herz in allen feinen Fugen ftubiert zu haben jcheint, nennt
fid) leider nidt. Doch bleibt das dud deßhalb nicht minder ſchaͤtzens⸗
werth, unb bet freunblide Lefer wird aud) bas namenloſe, aber Acht
Eatholifche, anjiefenbe Sittenbild bald liebgeminnen. Das Ganze durch⸗
weht der reine Hauch eines unſchuldsvollen Gemüthes, und ift bie
gat oft auf bie Probe geftellte Glaubensſtaͤrke des Helden dieſer (ὅτε
zaͤhlung bejonders bet Jugend nidjt ohne Nutzen als nachahmungs⸗
werthes Vorbild zu empfehlen.
— — — — — —— — —— —
Im Verlage des uUnterzeichneten iſt ſoeben erſchienen und durch
alle Buchhandlungen des In⸗ und Auslandes zu beziehen:
Die Väter der MWüſte.
Von
Ida Gräfin Hahn⸗Hahn.
XVI u. 512. SE. gr. 8., elegant broſchirt; Preis 2 fl. 24 fr.
oder 1 Rthlr. 10 Sgr. j
„Die Väter bet Wüfte“ bilden zugleich aud) ben weiten Band
bet. „Bilder ans bet Gefchichte ber Kirche von Ida Gräfin Hahn⸗Hahn,“
"unb führt uns bie berühmte Frau Verfafferin in diefem Bande aus
dem tobenden Amphitheater in die Bellen der Ginfiebler in der ſchwei⸗
genden Wüſte, wo wir ganz andere Bilder ecbfid'en, als im erften
ande, den „Martyrern.“ Wir lernen hier das Chriſtenthum in feiner
Freiheit fennen, feinen Gultue, feine Qyefte und Bußen; dann werben
wir an ben Hof der Gäfaren, an den fadjenben Bosporus, unb von
ba nad) Aegypten, an den Mil verfeht, wo wir uns in ber Wüſte
wieder finden unb nun bier den heiligen Ginftebletn, den „Vätern ber
MWüfte” begegnen. Große, heilige Geftalten, wie Baulus von Theben,
Antonius, Hilarion, Baul der Ginfáltige, Ammon, Pachomius, Gera:
pion, Arfenius, Bphrem der Syrer, Simeon Etylites, Nilus, Johannes
Climacus u. X. ziehen an unferem geiftigen Auge vorüber, ebenfo,
nadbem wir die entarteten Töchter der Giracden Fennen gelernt, eine
ffi eife heiliger Krauen, wie Martina, Thais, Pelagia, Marcella, Fabiola,
Paula u. A. — Der Beifall diefes Buches wird gewiß jenem gleidj:
kommen, beffen ber erfte Band der „Bilder aus ber Geſchichte bet
Kirche” fid) fortwährend zu erfreuen hat. Die Sammlung wird uns
unterbrochen fortgefeßt und wie) bie (rau Verfaſſerin im dritten Bande
den „Kirchenvätern“ ihre geiftreiche Weber wibmen.
Mainz im November 1857.
Franz Kirchheim.
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Paca. 4m
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