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Full text of "Theologische Quartalschrift"

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To. MAC e. 23 


ws 


Digitized by Google 
e 


























Theologiſche 
Ouartal(drift. 


m d 


In SBerbinbung mit mehreren Gelebrten 
herausgegeben 
von — 


D. v». Kuhn, D. v. Hefele, D. Welte, D. Bukrigl 
unb D. Aberle, 


Brofefloren ber fatf. Theologie an der K. Univerfität Tübingen. 
SReununbbreipigiter Jahrgang. 


Erſtes Quartalheft. E 


(837 








Tübingen, 1857. 


Verlag der H. 8 au pp'ſchen Buchhandlung. 
— fgaupp € Sichel. — 


Cut von δ. Zaupp fr. 


Ι. 
Abhandlungen. 





1. 
Das Anathem über Papft Sonorius. 


Wenn wir nadjftebenbe Abhandlung als einen Pendant 
zu unferer Unterfuhung über „Papft Liberius und fein 
Verhältnig zum Arianismus und zum nicänifchen Sym⸗ 
bolum“ im Jahrgang 1853 tiefer Zeitfchrift bezeichnen, fo 
beredjtigt und dazu ber Umftand, daß ba wie dort einer 
der ftrittigften Punkte ver Papſtgeſchichte vorliegt und beide 
causes célébres einander ganz Ahnlih find. In ‚beiden 
brebt fid) Alles um die gleihe Hauptfrage: „ift der Papft 
ein Ketzer gewejen ^; und während es fid) bei Liberiud 
darım handelt, ob er eine allgemeine Synode, ble von 
Kicäa, verworfen habe, fragt εὖ fi bei Honorins: „hat 
das fedóéte allgemeine Eoncil ihn verworfen und mit bem 
Anatheme belegt?" Die Duellen unparteiijd) geprüft, 
mögen darauf antworten. | 

Honorius, aus einer angefehenen Familie Gampaniené 
entfprofjen, beftieg am 27. Oftober 625 nad dem Tode 
Bonifazins’ IV. den römischen Stuhl. Der Abt Jonas von 

1 * 


& 


4 Das 9Inatfem 


Bobio, fein Zeitgenoffe, fhilvert ihn als sagax animo, 
vigens consilio, doctrina clarus, dulcedine et humilitate 
pollens 1). Gt mag alle diefe ſchönen Eigenfchaften gehabt, 
indbefondere gute Senntnijje in ber Religion befefjen unb 
bie bisherige bogmatijde Entwidlung verftanden haben; 
. aber ber eben auftauchenden neuen und wichtigen chriftos 
logifchen Frage war er nicht gemadj[en umb ba er bie Sache 
nicht gehörig durchſchaute, trugen wohl aud) feine Freund- 
lichkeit und Gefälligfeit (bie dulcedo und humilitates) gegen 
Andere, bejonberó gegenüber tem Kaifer und Patriarchen 
von Gonftantinopel, das Ihrige bei, um ihn irre zu führen. 

Um bie beiden Naturen in Ehriftus, die göttliche unb 
bie menjdlide, unverjebrt zu bewahren, hatten bie Nefto- 
tianer bie wahre Einheit der Perſon geopfert; um aber 
wieder leßtere zu retten, war von den Monophyfiten bie 
dauernde Zweiheit der Naturen preisgegeben unb ber Sag 
behauptet worden: Ehriftus [εἰ wohl aus zwei Naturen, 
aber nad) deren Einigung bei ber Menfchwerbung dürfe nur 
mehr von einer Natur gefprocdhen werden. Beiden Irr— 
lehren gegenüber galt e, jowohl bie Zweiheit ber Naturen 
als die Einheit. ber Berfon, das Eine fo vollftändig wie 
das Andere feftzuhalten; und biefe Aufgabe löste das Goncil 
von Chalcedon burd bie Lehre, daß beide Naturen ohne 
ein Sufammenfließen und ohne Bermanplung, 
ohne Zerreißung und ohne Trennung in der einen 
Perſon des Logos zufammenlaufen. Das Perfonirende au 
für die menſchliche Seite Ehrifti ift der Logos, unb die 
Perfon, nicht bie göttlihe Natur des Logos, Hat die 
Menschheit angenommen, denn legtere, bie göttlihe Natur 


1) 3n f. vita S.- Bertulphi bei Baron. Annal. ad ann. 626, 39. 


über 38, Honorius. 5 


bed θοροῦ, ift identisch mit ter des Vaters und BI. Geifteó, 
und ihre Menfchwerbung wäre eine Incarnation ber ganzen 
Trinität. | 

Das Gfalcebonenje hatte von ben beiben Naturen, bie 
in Ehrifto geeinigt, nur im Allgemeinen geiproden, unb 
eine Reihe neuer Fragen konnte und mußte fid) erheben, 
wenn man bie Naturen in ihre Beftandtheile und Kräfte 
jerlegend gerade deren ſpezielle Beichaffenheit in Chriftus 
zu erörtern verſuchte. Ein Richtmaaß hiefür war zwar 
implicite fdjon gegeben in ben Worten des Gonciló von 
Chalcedon: „die Eigenthümlichfeit jeder Natur bleibt” unb 
in der Ctelle der berühmten dogmatiſchen Epiftel Leos 1, 
an Flavian: agit enim utraque forma (Natur) cum alterius 
communione, quod proprium est, Aber nur ein Theil 
ber Orthodoren verftand hieraus die richtigen Conſequenzen 
zu ziehen; die Andern drangen nidt in bem Sinn ber 
Worte ein, unb wenn fie biefelben audj nod) jo oft recis 
tirten, fie blieben ihnen eine Frucht, deren Schaale fie 
nit |prengten, um zum Kerne zu gelangen. 

Die Trage nad der fpezielen Beichaffenheit ber ein- 
zelnen Beftandtheile und Kräfte der in Chriſto geeinigten 
Raturen wurde chronologiſch zuerft burd) bie Monophyſiten 
angeregt in ihren Ctreitigfeiten: ob ver Leib Ehrifti vers 
weslich gewejen fel, unb ob feine (menfhlihe) Seele 
irgend etwas nicht gewußt habe? Für Monophyfiten, welche 
die menfchlihe Natur Chrifti verſchwinden laffen, war es 
freilich nicht pafjeb, nad der menſchlichen Geele 
Chrifti zu fragen, unb bie Agnoeten wurden beßhalb 
von ihren früheren Genoffen ercommunicirt, weil bie Hypo⸗ 
tfeje des ἀγνοεῖν confequent zur Annahme zweier Naturen 
führen müfle, Es war jebod) natürlih, taf aud die 





6 Das Anathem 


Orthodoxen von den Streitfragen der Monophyfiten Notiz 
nahmen unt fle von ihrem Standpunfte aus lösten. Bon 
der Frage über das Wiffen Chrifti ift aber nur ein 
Schritt zu der fiber das Wollen und Wirfen; unb wir 
dürfen wohl annehmen, daß aud) ohne alle Aufere Vers 
anlaffung, und ohne frembartige, 3. 98. irenifche Suede, 
die dogmatifche Entwidlung von felbft zu ber Frage geführt 
hätte: „wie verhält es fid) mit bem göttlichen unb menfch- 
[iden Willen in Chriſtus?“ Kam nod) ein irenifcher Zweck 
dazu, unb glaubte man durd eine gewifie Löfung dieſer 
Frage die längft gewünſchte Union zwiſchen Ortfoboren 
unb Monophyfiten bewirken zu fónnen, fo mußte natürlich 
das Interefje für biefe Unterfuhung fid unendlich erhöhen. 
Aber das Influiren dieſes praftiihen Momentes ftörte zu: 
gleich wieder die Unbefangenheit und Ruhe ver Unterfuchung 
und veranlaßte den großen Monotheletenfampf, in melden 
Papft Honorius verwidelt wurde. 
SSefanntlid) ift es zweifelhaft, wer ber eigentliche Vater 
beó Monotheletismus fel. Das Richtige fcheint mir, taf 
ſchon vor bem Jahre 619 Patriarch Sergius von Gon: 
ftantinopel mit mehreren anderen Theologen über bie Formel 
μέα ἐνέργεια ald Mittel zur Union der Severlaner (eine 
Sraftion der Monophyfiten) verfanbeíte, daß aber dieſe 
Parole des Monotheletismus erft i. I. 622, ale fie der 
byzantiniſche Kaiſer Heraklius auf feinem Zuge gegen ble 
Perſer in feiner Religionsconferenz mit tem Eeverlaner 
Paulus befonberó belobte, allgemeiner befannt zu werben 
unb Auffehen zu machen begann. Daß Heraflins dabei 
von Sergius infpirirt geweſen fel, iſt wohl fein Zweifel, 
wenngleich fegterer in feinem Briefe an Papft Honorius 
die Sache fo barftelIt, als ob ver Kaiſer als guter Theologe 


über PB. Honorius, 7 


ven Terminus μέα ἐνέργεια felber erfunden hätte. Er 
wolte die Verantwortlichfeit für ble Reuerung auf ben 
Saifer wälgen. 

Einer der erften Freunde der Bormel μέα ἐνέργεια 
war Cyrus, Erzbiſchof von Phaſis in Colchis. Don Kaifer 
Heraklius deßhalb 1. 3. 630 ober 631 anf ven Patriarchal⸗ 
fuhl von Alerandrien erhoben, machte er fogleich von bem 
neuen Unionsmittel praftifche Anwendung unb bie in feinem 
Sprengel zahlreichen Theovoflaner (zweiter Name der Ses 
verianer) traten in der That am 3. Juni 633 in feierlichem 
Akte in die Kirchengemeinfchaft mit ibm über auf Grund⸗ 
lage ber berühmten Unionsurfunde, melde in ihrem "ten 
Lephalaion (fie hat deren 9) zwar zwei Naturen, aber 
na eine Wirkung in Ehrifto lehrte, in ben Worten: „wer 
niht befennt, daß der eine und felbe Gfriftuó und Sohn 
jowohl das Gottgemäße als das Menſchliche wirkt durch 
eine gottmenſchliche Wirkſamkeit, wie der bl. Dionyfius 
lehrt, der fei Anathema” ἢ. Man -berief fih auf eine 
falſch gebeutete Stelle des Pfendoareopagiten. 

Natürlich erregten die Nachrichten aus Alerandrien große 
Freude bei Heraklius und Sergius; richtiger als beide aber 
fahen die Sfeoboflaner, wenn fie rühmend äußerten: „das 
Ehalcedonenfe ift zu uns, nicht wir zu ihm gefommen" *). 
Der gleichen Anficht war auch, freilich auf bem entgegen- 
gefepten Standpunkte ftebenb, ter heilige und gelehrte 
Sophronius, damals nod; Mönd, bald barauf Patriarch 
von Serujalem. Er war eben in Alerandrien anweſend 


1) Mansi, collect. Concil. T. XL p. 565. Harduin, collect. 
Concil, T. IH. p. 1341. 
2) Theophanes , Chronogr. ed. Bonn. T. I. p. 507. 


€ 


8 Das Anatben 

und Erzbiſchof Cyrus theilte ihm aus Qodadtung bie 
- fragliche Unionsurfunde ſchon vor ihrer Publifation zum 
Leſen mit. Sophronius mißbilligte die efre von einer 
Energie, bebauptenb, man müjfe nothwendig zwei Energien 
fetbalten; ja er fiel bem Eyrus zu Süßen und beſchwor 
ihn unter Thränen, feine Kephalaia nit vom Ambo zu 
verfünden, da fie offenbar apollinariftifch feien. Als aber 
die Berfündigung dennoch gefchehen war, ging Sophronius 
nad) Gonftantinopef, um burd ben Patriarchen Sergius bie 
, Zurütfnahme der alerandrinifden κεφάλαια zu ermirfen. 
Er wußte nicht, daß Sergius felbft bec Vater be& neuen 
Irrthums fel. 

Dur ble früftige Cpradje des Sophronius einigers 
maßen bevenflih gemadjt, wollte Patriarch Sergius jest 
ein Suftemilien einfchlagen, um bogmatifhe Kämpfe zu 
vermeiden, unb verlangte, fortan weder von einer nod 
von zwei Energien zu ſprechen. Hiefür follten Sophronius 
und Cyrus, aber aud) ber Papft gewonnen werden, unb 
Sergins richtete ein nod) erhaltenes ausführliches Schreiben 
an Honorind. Rad einer {εὖτ höflihen Einleitung erzählt 
er zuerft die Vorgänge in Armenien zwifchen K. Heraflins 
und bem Severianer Paulus, unb wie bamaló ber Kaifer 
bet μέα ἐνέργεια Ehrifti Erwähnung gethan habe. „Diefes 
Geiprähes mit Paul, fagt er weiter, erinnerte (id) tet 
Raifer Später in Laien in Gegenwart des B. Cyrus von 
Phaſis, und da diefer nicht wußte, ob man eine ober 
zwei Energien behaupten müjje, fragte ex und und bat, 
ihm patriftifche Stellen darüber mitzutheilen. Dieß haben 
wir nad Kräften gethan und ibm ben Brief des Mennasg, 
der foldje Stellen der Väter über eine Energie und, einen 





über B. Honorius. | 9 


Willen enthält '), zugeſchickt, ohne jedoch ein eigenes Urtheil 
abzugeben. Von da an ruhete die Sache einige Zeit. Vor 
Kurzem aber hat Cyrus, jetzt Erzb. von Alexandrien, durch 
Gottes Gnade unterſtützt und vom Kaiſer ermuntert, die 
in Alexandrien wohnenden Anhänger des Eutyches, Dioſcur, 
Severus und Julian zum Anſchluß an die katholiſche Kirche 
aufgefordert. Nach vielen Diſputationen unb Mühen ers 
reichte Cyrus, der dabei viel Klugheit an den Tag legte, 
endlich ſein Ziel, und es wurden zwiſchen beiden Theilen 
dogmatiſche κεφάλαια feſtgeſtellt, auf welche hin Alle, vie 
den Dioſcur und Severus ihre Ahnherrn nannten, mit 
der heiligen und katholiſchen Kirche ſich einigten. Ganz 
Alexandrien, ja faſt ganz Aegypten, die Thebais, Libyen 
und bie übrigen Eparchien (Provinzen) der ägyptifchen 
Diöcefe (— Patriarhalfprengel) vourben jegt eine Heerde, 
unb die früher in eine Menge von Härefien Gefpaltenen 
wurden durch Gottes Gnade und ben Eifer des Eyrus Eins, 
mit einer Etimme und in Einigfeit des Geiftes ble wahren 
Dogmen der füirde befennend ἢ. Unter den berührten 
Kephalaien war aud) das von tet μέα ἐνέργεια. Gerade 
damals befand jid) auch der heiligfte Moͤnch Eophroning, 
jest wie wir hören Biſchof von Iernfalem (wir haben fein’ 
Eynodalfchreiben nod) nicht erhalten) zu Alerandrien bei 
Cyrus, redete mit ihm über jene Union, unb wibers 
fprach dem κεφάλαιον von der ula ἐνέργεια, behaupten, 





1) Ueber dieſe unächte, vielleicht von Gergiu8 felbft oder bod) 
mit feinem Willen gefertigte Urfunde vgl. meine Gonciliengefhichte, 
Br. I. ©. 831. 

2) Um den Papft günflig zu ſtimmen, übertreibt Sergius. Nicht 
alle monophyfitiihen Parteien, — nur die Theodoſtaner waren 
in die Union getreten. 


10 Das Anathem 


man müſſe durchaus zwei Energien Chriſti lehren. Cyrus 
zeigte Ausſpruͤche heiliger Väter, in denen bie μέα ἐνέργεια 
vorkommt (ja, aber in anderem Sinne), unb fügte bei, 
baf oft aud? bie heiligen Väter, um viele Seelen zu ges 
winnen, eine gottgefällige Nachgiebigfeit (οἰκονομέα) gegen 
gewifie Ausprüde gezeigt hätten, obne ber Orthodoxie etwas 
‚zu vergeben, und baf man befonberó jept, wo das Heil 
io vieler Myriaden auf bem Spiele ftehe, über jenes 
πεφάλαιον, das die Drtboborie nicht gefährbe, nicht zanfen 
folle. Aber Sophronius billigte bieje Nachgiebigfeit durch⸗ 
aus nicht, und fam wegen diefer Angelegenheit mit Briefen 
des Cyrus zu und, ſprach audj mit uns über ble Cade 
und verlangte, daß nad der Union aus den Kephalaien 
bet Gag über die ula ἐνέργεια entfernt werben müſſe. 
Dieß fchien uns hart. Denn wie folite es nit hart, ja 
febr Bart fein, da baburd jene Union wieder vernichtet 

würde in MAlerandrien und allen jenen Eparchien, welche | 
bis dahin weder vom heiligften Vater Leo nod) vou bet 
Synode zu Ehalcedon etwas hören wollten, jet aber mit 
heller Stimme bei ber göttlihen Geheimnißfeier davon 
fprechen! Nachdem wir darüber viel mit Sophronius vers 
handelt, verlangten wir, er folle Bäterftellen vorzeigen, die 
ganz beutíid und budftäblic zwei Energien in Ehriftus 
anzuerfennen überliefeen. Er fonnte dieß nicht thun H. 
Wir aber, erwägend, daß Etreitigkeiten, und ans tiefen 
Härefien entftehen fónnten, erachteten e8 für nöthig, diefen 
Wortfireit zum Schweigen zu bringen, unb fihrieben an 


1) Sophronius hat übrigens, vielleicht erſt fpäter, in einem jet 
verlornen Werke 600 patriftiihe Stellen für den Dyotheletismus ges 
jommelt. 


über P. Honorius. 41 


bet Batriarchen von Alerandrien: er möge nad bewirfter 
Union Niemanden geftatten, eine ober zwei Energien zu 
behaupten, fonberm man folle, wie tie heiligen und oh 
menijden Synoden ἐδ überliefert, befennen, daß eim unb 
berfelbe eingeborne Sohn, unfer Herr Jeſus Chriftus, fo 
wohl das Göttliche ald das Menſchliche wirfe (ἐνεργεῖν) 
und taf alle gottgemäße unb menjdengemáfe Energie von 
bem einen und felben fleifchgewordenen Logos ungefchieden 
(ἀδιαιρέτως) ausgehe, und auf einen und benfelben fi 
zurückbeziehe. Des Austruds μέα ἐνέργεια folfe man fid 
enthalten, weil er, obgleich ihn einige Bäter gebraucht, 
SRanden fremd vorfomme und ihre Ohren beleivige, indem 
fie den 9Berbadjt hegen, er werde benügt, um bie zwei. 
Naturen in Ehriftus aufzuheben, was ferne fei. Gbenfo 
gibt das Reden von zwei Energien bei Vielen Aergerniß, 
weil tiefer Ausdruck bei feinem der D. Väter vorfommt, 
unb weil baraué folgen wuͤrde, aud) zwei einander wibers 
ſprechende Willen (ϑελήματα) in Chriftus zu lehren Cfalfche 
Folgerung!), al8 ob ber Logos das und heilbringenve Leiden 
babe tulden wollen, bie Menschheit aber fi ihm widerfegt 
hätte. Das ift gottlos, denn es ift unmöglid, daß ein 
und daſſelbe Eubjeft zwei unb in einem Punkte einander 
wiberfprechende Willen hat. Die Bäter lehren, bag niemals 
die menfhlige Natur Chrifti feparatim und aus eigenem 
Impuls (ὁρμὴ) entgegen bem Winfe. (veuuezı) des mit ihr 
geeinigten Logos ihre natürliche Bewegung vollzogen hat, 
fondern nur dann, unb fo, und in tem Maaße, ald bet 
Logos es wollte; unb um ed Far zu jagen: wie beim 
Menfchen ber Leib von ber vernünftigen Seele geleitet wird, 
jo in Chriſtus die ganze menſchliche Natur von der Gott: 
heit des Logos; fie war ϑεοκίνητος Ὁ, i. oon Gott bes 





12 Das 9 natem 


wegt. ... Endlich fegten wir feft, daß Copbroniue fünftig 
weber von einer nod) von zwei Energien fpredjen, fondern 
mit der Lehre der Väter fid) begnügen folle; unb ber heilige 
Mann war damit zufrieven, verſprach ed zu halten unb 
bat nur, ibm diefe Erklärung aud) [difti zu geben 
(nämlich die von Sergius gegebene, in tlefem Briefe ents 
baltene Glaubendauseinanderfegung), damit er fie denen 
zeigen fónne, welche ihn über ben Streitpunft fragen würden. 
Kürzlich aber Bat ber Kaifer uns von Edeſſa aus befohlen, 
tie in bem Briefe des Mennas enthaltenen patriftifchen 
Ausſprüche über μέα ἐνέργεια und ἕν Sélzua auszuziehen 
und ibm zuzuſenden. Wir thaten bleg. Aber in Rüdficht 
auf den bereits wegen diefer Cache entftanbenen Lärm ſtellten 
wir ihm die Echwierigfeit des Gegenſtandes dar, unb 
daß man über tle Frage nicht weiter grübeln, fonbern 
bei der befannten und allgemein anerfannten Lehre ber 
Väter ftehen bleiben und befennen folle, daß ver eine und 
felbe eingebome Sohn Gottes ſowohl das Böttlihe als 
Menſchliche wirfe, und tag aus bem einen und felben 
fleiſchgewordenen Logos alle göttliche und men[djlidje Energie 
ungetheilt und ungetrennt (aueplorwg καὶ ἀδιαιρέτως) 
ausgehe. Denn bieß lehrt und der gotttragende Papſt Leo 
in ben Worten: agit utraque forma cum alterius communione, 
quod proprium est. ... Wir hielten ed nun für pafjend 
und nótfig, von dieſer Angelegenheit eurer brüberlichen 
Heiligfeit Kenntniß zu geben, unter SBellegung von Abs 
Schriften unferer Briefe an Cyrus unb ben faifer, unb 
bitten Euch, all tief au lefen, was ihr mangelhaft findet, 
u ergänzen, und und eure Anficht darüber ſchriftlich mit: 
zutheilen 1)," 


1) Mansi, 1. c. p. 530 sqq. Harduin, 1. c. p. 1311 sqq. 


über P. Honorius. 18 


Wir ſehen, Sergius wollte zwar auf den offenen 
Sieg feiner eigenen Formel μέα ἐνέργεια verzichten; aber 
ver in ihr enthaltene Irrthum ſollte nicht verbrängt, und 
damit er beftehe, die entgegengefegte orthodore Lehre von 
wei Energien, der Dyotheletismus, befeitigt werben. 

Bapt Honorius erwiederte: „ener Schreiben, mein 
Bruder, habe ich erhalten und baraué erfahren, daß neue 
Streitigfeiten angeregt wurden von einem gewiflen Eos 
phronius gegen unferen Bruder Cyrus, weldyer ben von 
der Ketzerei Zurüdfehrenden eine Energie unſeres Herrn 
Jefu Ehriftt verfünbet hat. Diefer Sophronius hat nachher 
Euch befugt, ben gleichen Tadel vorgebrad)t und nad) viel; 
fältiger Belehrung gebeten, daß ibm, was er von Gnd 
gehört, auch Fchriftlich mitgetheilt werde. Von blefem eurem 
Ehreiden an Sophronius haben wir von Gud) eine Gopie 
erhalten, und nachdem wir fie durchleſen, loben wir, daß 
eure Brüderlichfeit mit vieler Vorfiht den neuen Ausdruck 
(kin ἐνέργδια), der ven Einfältigen Anftoß geben fónnte, 
entfernt hat. Denn wir müfjen in bem wandeln, was wir 
gelent haben. Durch Gottes Leitung gelangen wir zum 
Naaße des wahren Glaubens, welchen die Apoftel bet 
Bahrheit durch das Licht (lat. durch die Richtſchnur) 
der BC Schriften ausgebreitet haben, befennend, daß ber 
Herr Jeſus Chriſtus, bec Mittler zwifchen Gott und Menfchen, 
die göttlichen Werfe wirfe mittelft (μεσιτευσάσης) vet 
Nenfhheit, die ihm, bem Logos, hypoſtatiſch geeinigt ift, 
und daß derfelbe mirfe bie menfchlichen Werke, indem das. 
Bleifh auf unausfprechliche einzige Weiſe ἀδιαιρέτως 1. mit 
der Gottheit verbunden ift. Und ver, der im Fleiſche glänzte 
turh die Wunder in vollfommener Gottheit, ift berfelbe, 
Wt aud ble Zuftände des Fleiſches im fchimpflichen Leiven 


14 Das Anathem 


wirkte (ὠνεργήσας lat. patitur), vollfommener Gott und Menſch. 
Er ift der eine Mittler zwiichen Gott und den Menſchen in 
beiven Naturen ... unb der Herr der Herrlichkeit ift ges 
freuzigt worden, während wir bod) befennen, baf die 
Gottheit durchaus feinem. men[djliden Leiden unterworfen 
fel. Und das Fleiſch wurde nicht aus dem Himmel, fonbern 
aus ber B. Gottesgebärerin genommen, zum deutlichen Ber 
weis, daß leinensfähiges Fleiſch mit der Gottheit vereinigt 
wurde auf unausſprechliche einzige Weiſe: wie einerfeits 
unterſchieden und unvermifcht, fo andererfeitd auch unge, 
trennt; fo daß bie Einigung wunderbar gebadjt werben 
muß. unter Sortbauer des Unterfchievs beider Naturen. Das 
mit übereinftimmend fagt bet Apoftel (I Eor. 2, 8): den 
Herrn ber Herrligfeit haben fie gefreuglgt, 
während bod bie Gottheit weder gefreuzigt werben πο 
leiden fonnte; aber wegen jener unaud[predjiden Einigung 
fann man beides jagen: Gott hat gelitten und: bie 
Menfhheit it vom Himmel herabgefommen 
mit ber Gottbeit (Sof. 3, 13). Deßhalb befennen wir 
aud einen Willen (unam voluntatem, ὃν ϑέλημα) 
unfered Herrn 3. Gbr., ba unſere (bie men[dlide) Natur 
offenbar von ber Gottheit angenommen wurde, und zwar 
die [huldlofe, wie fie vor bem falle war. ... In ben 
Bliedern Ehrifti war nicht ein anderes Gefeg und ein 
anderer Wille (Röm. 7, 23) wiberftrebenb bem Erlöfer, weil 
dieſer auf übernatürliche Weife geboren war. Und wenn 
es in der f. Schrift Heißt: ich bin nicht gefommen, 
meinen Villen qu vollziehen, fonbern ben des 
Vaters, bec mid fanbte (305. 6, 38), und: nit 
wie ἰῷ will, foubern wie bu milíft, o Vater 
(Matth. 26, 39); jo if dieß nicht wegen Verſchiedenheit 


über P. Gonortus. 15 


des Willens (b. ὃ. als ob Chriftus einen bem Willen veg 
Baterd entgegengejegten Willen gehabt hätte), fonbern aus 
Defonomie (Accomodation) mit Rüdfiht auf bie Menſch⸗ 
heit, deren Natur er annahm, gefagt; denn um unferer 
Willen ift jenes gefagt, bamit- wir feinen Fußtapfen folgend, 
niht den eigenen Willen, fonbern ven des Vaters voll, 
ziehen. Wir wollen nun auf dem fónigliden Wege ein, 
herſchreitend die Schlingen redjtó unb links vermeiden ... 
auf bem Pfade unferer Vorgänger gefenb (b. b. bie alten 
Formeln fefibaltenb, neue vermeidend). Und wenn Einige, 
die fogufagen ſtammeln, die Sache beſſer erflären wollen 
und fich felbft für Lehrer ausgeben, fo darf man tod ihre 
Behauptungen nicht zu kirchlichen Dogmen machen, baf 
nämlich in Gbriftuó eine oder zwei Energien feiem; ba 
weder bie Evangelien, nod) die Briefe ber Apoftel, nod 
bie Synoden ſolches feftgeftellt haben. ... Daß unfer Herr 
3. Gfr. der Sohn unb Logos Gottes, durch den Alles 
geworden, ber eine und felbe ſowohl das Göttliche als das 
Menschliche vollkommen wirft, das zeigen die h. Schriften 
ganz deutlich; ob aber wegen der Werke ber Gottheit unb 
Menfchheit paffenb ift, eine oder ἐ εἰ Energien als vore 
handen zu denken unb auszuſprechen, das geht uns nicht 
an, das überlafen wir den Grammatifern, welde ben 
$uaben, um fie an fid) zu loden, die von ihnen erfonmenen 
Yusprüde verkaufen. Denn wir haben. ans der Bibel nicht 
gelernt, daß Chriſtus und fein heiliger Gelft eine ober 
zwei Energien habe, wohl aber, daß er auf vielfade 
Art wirfe (πολυτρόπως &vsgy&vra). Denn εὖ fteht ges 
férieben: wer nicht ben Geift Ehrifti bat, der ig 
vidt fein (9tóm. 8, 9); tnb micberum: X iemanb 
Tann ſprechen: Herr Siefub, außer im h. Ocifte; 


16 Das Anathem 


eie Gaben find verſchieden, aber es if ein 
Geiſt, und verfhieden find ble Aemter, aber 
ein Herr, unb verſchieden die Wirkungen, aber 
es ift ein Gott, der Alles in Allem wirkt. Gibt 
eó aber viele Verfihiedenheiten von Wirkungen, unb. wirfet 
Gott fie alle in all den Blievern des großen Leibes, wie 
viel mehr paßt dieß bei tem Haupte (jenes myftifchen Leibes), 
bei Chriſtus dem Herrn? ... Wenn ter Geift Chrifti in 
feinen Gliedern auf vielfadje Weife wirkt, wie viel mehr 
müfjen wir befennen, daß er durch fid) (elbft, ben Mittler 
zwiſchen Gott und ben Menfchen, das Vollkommenſte wirfe 
unb auf vielfache Weife, burd) die Gemeinſchaft ber belben 
Staturen ? Wir aber wollen nad den Ausſprüchen ber 
5. Schrift benfen und atfmen, alles das abweifenn, was 
als Steuerung in Worten 9lergernig in der Kirche Gottes 
verurfachen fónnte, damit nicht bie Unmündigen an bem 
Ausdrucke zwei Energien (id ftoßenn uns für Neftos 
tianer halten, und damit wir nicht (andererſeits) blöden 
Ohren eutgdjlanifd) zu lehren fdelnen, wenn wir deutlich 
nur eine Energie befennen. Wir müffen uns hüten, damit 
nicht, nachdem bie fchlechten Waffen jener Feinde verbrannt 
find, aus ihrer Aſche neue Flammen verfengenver Fragen 
fid entzunden. In Einfachheit und Wahrheit wollen wir 
befennen, daß ber Herr I. Chr., Einer und Derjelbe, wirke 
in ber göttlichen und in der menfchlihen Natur Es ift 
viel befjer, wenn bie leeren, unthätigen und paganifirenven 
Philoſophen, welche bie Naturen abwägen, mit Stolz ihr 
Srofchgefchrei gegen uns erheben, — als daß das einfache 
und im Geifle arme Volk Chriſti ungefättigt bleibe. “Die 
Schüler von Fifhern fafen fid nit durch Philoſophie 
betrügen. ... Das werdet auch Ihr, mein Bruder, mit 


über 3B. Gonotiu$. 17 


und verfündigen, wie wir es einmüthig mit Gud) thun, 
und wir ermahnen Euch, daß Ihr die neue Sprachweiſe 
von einer ober zwei Energien fliehend mit ung verfünbiget 
einen ferm 9. Chr., ben Sohn des lebendigen Getteó, 
wahren Gott, in zwei Naturen wirfend das Góttlide und 
Renfhlide '). ^ ö 

Mir feben, Honorius ging von bem Dogma aus: bie 
beiden Naturen in Ehriftus find miteinander hypoſtatiſch 
geeinigt in der einen Perfon des Logos. Iſt aber nur 
eine SBerfon da, fo ift aud) nur ein SRirfenbet vorhans 
ben, unb ber eine Gbriftuó und Herr wirft fomobl ble 
menſchlichen als die göttlihen Werke, erftere — mittelft 
ber menſchlichen Natur. — Honorius fafte die Sache [den 
von vornherein nicht richtig an. Er hätte bie Sage fo 
ftellen follen: folgt aud ber Einperfönlichfeit Chrifti noth⸗ 
wendig nur eine Energie und ein Wille, oder ift Energie 
and Wille mehr Cade ver Natur (ald der Perſon) unb 
fat tatum nicht die Zweiheit der Naturen in Ehriftus aud) bte 
Zweiheit ber Willen und Wirkungen zur Folge? Diefe Stage 
aber hätte er burd einen Blick auf die Trinität löfen 
Innen. In viefer find drei SBerfonen, aber nidt drei 
Ville, fondern eine Natur (Weſen) und hienad nur 
ein Wille. Darauf nicht adtenb, argumentirt er fur 
aber unpaffenb: „wo nur eine Perſon, ba nur ein 
Wirfender, und barum mut ein Wille.” Aber jo ent- 
ſchieden Honorius von viejer Prämijje aus das ἕν ϑέλημα 
behauptet, ebenfo feft verwirft er das μέα ἐνέργεια. Dieſer 
eine Wirkende, Ehriftus, jagt er, wirkt auf vielfade 





1) Mansi, l. c. p. 538 sqq. Harduin, l. c. p. 1319 sqq. 
Theol. Quartalſchrift. 1857. 1. Heft. 2 


18 Das Anathem 


Weiſe, unb man barf barum weder μέαν ἐνέργειαν nod 
δύο ἐνεργείας lehren, fondern ἐνεργεῖ πολυτρόπως. Ho⸗ 
norius hat hier bie Bedeutung der technifchen Termini mifi 
verftanden ober mißverftehen wollen; er nimmt fie ibenti[d) 
mit den concreten Wirfungen, ftatt mit Wirfung ὅν 
arten. — Diefe Ausprüde μέα und δύο &repy., fährt er 
fort, find aud) weder von ber D. Schrift nod) von Cynoben 
approbirt, und man muß fie vermeiden, weil ihre Anwen⸗ 
bung neue Etreitigfeiten erzeugt, — Aber warum war in 
Gbriítuó nur ein Wille? Weil er, fagt Honorius, nicht 
bie durch den Cünbenfall verdorbene, fondern bie unvers 
borbene menschlihe Natur angenommen hat, wie fie vor 
bem Falle war. In bem gewöhnlichen Menfchen find aller- 
dings zwei Willen, ein Wille des Geifteó unb ein Wille 
bet Glieder, wie der Apoftel fagt (tóm. 7, 23); abet 
legterer ift nur tyolge des Cünbenfalló unb fonnte darum 
in Ehriftus nicht ftattbaben. Damit war Honorius gan 
auf bem rechten Wege; aber er z0g ble Eonfequenzen nicht 
richtig. Er hätte jegt jagen follen: daraus folgt, bag In 
Ehriftug, weil er Gott und Menſch zugleih, neben feinem 
göttlichen Willen, ber bem des Vaters ewig identifch ift, 
nur ber unverdborbene menjdlide Wille, ber ben 
göttlichen nie wiberftrebt, angenommen werben darf, und 
nicht aud) ein widerftrebender Wille ber lieder. — Das 
wäre bie natürlihe und nothwendige Solgerung gewefen ; 
aber ftatt biefe zu ziehen, läft er ben unverborbenen menſch⸗ 
lichen Willen entweder ganz aufer Rechnung, ober richtiger; 
identificirt ihn' mit dem göttlichen Willen. Well ver unver, 
borbene menfchlihe Wille Ehrifti ftet& bem göttlichen unters 
than unb conform ift, fo Bat Honorius dieſe moralifche 
Einheit beider verwechjelt mit Einheit überhaupt, over 


über 3D. Honorius. 19 


phyfifcher Einheit, um melde fegtere es fid tod hier 
handelte. Selbft bie Haren Etellen ber f. Schrift, worin 
Chriftus feinen menfhlihen Willen von tem des Vater 
untet[djeibet, Fonnten ihn nicht zur Anerkennung dieſes 
menſchlichen Willens beftimmen. Unterſchied mit Gegenfjag 
verwechfelnd glaubte er zwei unterſchiedene Willen in 
Ehriftus nicht zulaffen zu dürfen, um nicht häretifch zwei 
gegenfätliche, einander widerſprechende Willen in ihm zus 
geben zu müflen. — 

ALS bald darauf ber neue Patriarch Eophronius von 
Serufalem fein Inthronifations- ober Synodalfchreiben (τὰ 
owodıra oder συλλαβαὶ ἐνθρονιστικαὶ), worin er die orto: 
bore Lehre von zwei Energien ebenfo ſchön als ausführlich 
ausſprach, an alle Patriarchen und aud) nad) Rom gejandt 
hatte, machte Papft Honorius nochmals, in gleichem Geifte 
wie das erftemal, einen Verſuch, ben drohenden Streit zu 
etftiden. Bon den drei Briefen, die er zu biefem Ende an 
Sophronius, Cyrus unb Sergius richtete, find unà nur 
von bem leßtern ‚zwei Bragmente übrig geblieben, aufbe- 
wahrt unter den Akten ver 13ten Cigung des Oten allg. 
Goncilá ἢ. Das erftere lautet: , aud an Eyrus von 
Aerandrien ift. gefchrieben worden, damit verworfen werde 
ber neu erfundene 9Inóbrud : eine ober zwei Energien ..., 
benn bie, welche jolde Ausbrüde gebrauchen, was wollen 
fie anderes, als ben Terminus: eine oder zwei Nas 
turen nadabmeno, jo aud) eine ober zwei Energien ein- 
führen. In Betreff ber Naturen ift bie Lehre der Bibel 
far; aber ganz eitel ijt e8, dem Mittler zwifchen Gott und 
Menſchen eine over zwei Energien zuaufchreiben. " 





1) Mansi, 1. c. p. 579. Harduin, 1. c. p. 1351. 
9* 


20 Das ?Inatfem 


Das zweite Fragment, am Schluffe des Briefes, fagt: 
ν Dieß wollten wir eurer Brüberlichkeit durch biefen Brief 
zur Kenntniß bringen. Im Uebrigen, was das firdjlide 
Dogma anlangt, und was wir fefthalten und lehren follen, 
jo müfjen wir wegen ber Einfalt ber Menfchen und um, 
Streitigfeiten fern zu falten, wie ἰῷ ſchon oben fagte, 
weber eine noch zwei Energien in bem Mittler zwifchen 
Gott und ben Menfchen behaupten, fondern müfjen bes 
fennen, daß beide Naturen in bem einen Ehriftus geeinigt, 
jede in Gemeinfhaft der andern wirfe und handle; vie 
göttlihe wirkte Das Góttlide, bie men[dlide 
aber vollziehe das, was des Fleiſches (jt, ohne 
Trennung und ohne Vermiſchung, und ohne baf verwandelt 
wäre die Natur Gottes in die Menſchheit, ober bie Menſch⸗ 
heit in die Gottheit. Denn Einer und Derſelbe iſt niedrig 
und erhaben, gleich dem Vater und geringer als der 
Vater. ... Entfernend alfo, wie id) ſagte, das Aergerniß 
der neuen Ausdrücke, dürfen wir nicht behaupten oder ver⸗ 
fünden weder eine nod zwei Energien, ſondern ſtatt 
einer Energie muͤſſen wir bekennen, daß der eine Chris 
us, ber Herr, in beiden Naturen wahrhaft wirfe; und 
ftatt der zwei Energien follen fle lieber mit und verfünben 
ble zwei Naturen, b. i. ble Gottheit und Menfchheit, die 
in der einen Perfon des eingebornen Sohnes 
Gottes unvermifht und ungetrennt und.un 
verwandelt wirfen (ἐνεργόσας), was ihnen eigen 
ift. Dieß wollen wir eurer brüderlichen Heiligkeit Funds 
thun, damit wir in der einen Lehre des Glaubens harmo⸗ 
niren. Auch unfern Brüdern ben Bifchöfen Cyrus und 
Eophronius fdrieben wir, daß fie nicht auf ben neuen 
Ausdrücken von einer ober zwei Energien befarren, ſondern 





über 3B. Honorius. 21 


mit und verfünden bep einen Gfriftuó, mirfenb das Gött⸗ 
fide und das Menfchliche mittelft beider Naturen. Haupt 
fachlich aber haben wir ble Geſandten, welche Sophronius 
an uns fdidte, bearbeitet, damit er auf tem Ausdrude: 
zwei Energien nicht beharre; und fie verfpradjen εὖ 
volftändig für ben Fall, daß aud? Byrus von ber Vers 
fünbigung ber wie ἐνέργεια ablaſſe.“ 

Bergleihen wir diefen zweiten Brief mit dem erften, 
fo finden wir a) vor Allem in beiden bie gleich fcharfe 
Accentuirung beó Hauptfages: „trog ber Zmeiheit ber Nas 
turen in Gfriftuó ift bod nur ein Wirfenver, ber Herr 
J. Chr., der das Göttliche und Menſchliche wirft mittelft 
beider 9taturen."^ Da wie dort wird das Wollen unb 
Wirken unridjtig nur von ber Perſon und nicht von ber 
Natur ausgehend betrachtet. b) In feinem zweiten Briefe 
aber fchreitet doch Honorius felbft wieder über biefen Irrthum 
hinaus, fel es, daß bie Schöne und Flare Auseinanders 
fe&ung des Sophronius ifm dazu verhalf, oder daß eine 
tiefere Erwägung der klaſſiſchen Worte Leo's L, an bie er 
ſich anſchloß (agit utraque forma etc.), ihn dahin führte. 
Mit Befeitigung des abgejdjmadten πολυτρόπως ἐνεργεῖ 
(im erften Briefe) fagt er jegt ganz richtig: „die göttliche - 
9tatur (in Chriſtus) wirft das Göttliche, die menfchliche 
aber vollzieht das, was des Kleifches ift", und: „wir 
verfünden bie zwei Naturen, die in ber einen Perfon des 
eingebornen Sohnes Gottes unvermifht wirken, was 
ihnen eigen ift." 

c) Hiemit hatte Honorius die ortfobore Lehre aus⸗ 
geſprochen, unb εὖ wäre völlig unrecht, ihn ber Härefte 
zu bezüchtigen. Aber im Widerſpruche zu dieſen feinen 
eigenen Aeußerungen ftellt er auch jept wieder die beiden 


22 Das Anıtbem 


Ausprüde μία und δύο évepgy. auf gleiche Linie, unb vers 
langt die Bermeidung des einen wie des andern. Nachdem 
et ſelbſt geſagt hatte: „beide Naturen wirken, was ihnen 
eigen i^, war εὖ Inconfequenz, den Terminus, zwei 
Energien verbieten zu wollen. Aengſtliche Sorge für 
Erhaltung des Friedens und Mangel an Klarheit, aud) 
nachgiebige (Θεά εἰ gegen die Gonftantinopolltaner (dul- 
cedine et humilitate pollens) waren Schuld, daß der Papft 
den richtigen Ausdruck für die orthodore Lehre vermarf, und 
damit ber Härefle nicht unbeträchtlihen Vorſchub leiftete. 

d) Das Anftößigfte im erften Briefe, die Behauptung 
bes ἕν ϑέλημα in Ehriftus, dem Wortlaute nad ber 
aufgelegte Monotheletismus, ift in den Fragmenten bes 
zweiten Briefes nicht mehr widerholt. Ob es im legteren 
überhaupt gar nicht geftanben, fann nicht entfchieben werben. 
Auf jeden Fall fat es Honorius nicht widerrufen, und 
barum hatten die Monotheleten formell wenigftens alles 
Recht, fid) auf ihn als ihren Patron und Vorkämpfer zu 
berufen. Und hierin liegt feine zweite Schuld. Wie er 
elnerfeit (negativ) den richtigen Ausdrud ber orthodoxen 
Lehre (δύο ἐνέργειαι) verbot, fo hat er andererfeits (pofitiv) 
ben terminus technicus der Haͤreſie ſelbſt ausgeſprochen. 
Und vod) badte er aud) in diefem Punfte nit häretiſch, 
fonbern nur unflar, wie wir oben ©. 18 zeigten, und vers 
fäumte nur, bie richtige Gonfequeng aus feiner eigenen 
tidtigen Prämifje zu ziehen. 

Eine Entfehuldigung, ja Vertheidigung des Honorius 
verfuchte im 3. 641 fein zweiter Nachfolger Johann IV., 
als Patriarch Pyrrhus von Gonftantinopel fid) für bie 
Einwillens Lehre auf Honorius berufen hatte. Papſt Johann 
ífdrieb nun an Pyrrhus: „auf die Benachrichtigung durch 





über 9B. Honorius. 23 


Sergius, daß Einige in Ehriftus zwei einander wiber, 
ſprechende Willen annähmen, ermieberte Honorius: Chris 
fius hat zwar die wahre Menfchheit angenommen, aber 
nicht bie durch ben Günbenfall verborbene, fonbern wie fte 
vor bem Falle war. In ifm wat veßhalb Fein Gefeb ber 
Gíieber, das tem Geſetze des Geiſtes widerftrebte. Dieß 
it, fährt Sobann fort, ganz richtig, und Ehriftus hatte 
barum, wie urfprünglid) Adam, nur einen natürlichen 
menſchlichen Willen, während in uns zweierlei Wille 
it. Go meinte ed aud Honorius und läugnete nur ben 
Willen der Giieber im Gegenfage zu dem menfchlichen 
Willen des Geifted. Er fprady nur von ber menſchlichen 
Natur Ehrifti (wenn er das ὃν ϑέλημα behauptete), und 
ed darf ihn Niemand tadeln, daß er blos von ber menſch⸗ 
lien Natur gefprochen unb von ber göttlichen gefchtwiegen 
fat. Er fat eben auf ble Nachricht des Eergius gerade 
das geantwortet, was damals noth war, und aud) ber 
Apoftel hat ja bald bie göttliche bald bie menfchlihe Natur 
Chriſti allein hervorgehoben ^ 1). 

Auf gleiche Weile wurde Honorius von dem römifchen 
Abte Johannes, deſſen er fid) bel Goncipirung feines Briefes 
an Eergiud bedient hatte, vertelbigt. Der D. Abt Marimus 
nahm befjen Worte in feine Difputation mit Pyrrhus auf. 
Als lepterer behauptete, aud) Honorius habe In feinem 
Schreiben an Sergius nur einen Willen gelehrt, erwiederte 
SRarimuó; „der Gonciplent jenes Briefes von KHonoriug, 
der fpäter im Auftrage Sohanne IV. aud; an Kaiſer Gon; 
ftantin Heraklius fchrieb, verfichert: wir haben (in jenem 


1) In Anastasii Collectanea bei Galland. Biblioth. PP. ©. XIII. 
p. 32 sq. und Mansi, T. X. p. 682 aq. 


I 


Im 


24 Das Anathem 


Briefe) gefagt, bag ein Wille im Herrn fel, αἰῶ! ein 
Wille ber Gottheit und Menjchheit zugleich, fondern wir 
tebeten von bem einen Willen ber Menfchheit allein. Da 
nämlich Sergius gefchrieben hatte, von Einigen würden 
zwei einander wiberfprechende Willen Ehrifti gelehrt, fo 
antmorteten wir, Chriftus habe nicht zwei einander wiber- 
Iprechenne Willen gehabt, des Fleiſches und Geiſtes, wie 
wir Menfchen nad, bem Falle, fonberm nur einen Willen, 
bet feine Menfchheit quouxoc χαρακτηρίζει. Wollte aber 
Semand fagen: warum habt Ihr, von der Menschheit Chrifti 
Danbelnb von feiner Gottheit ganz gefdyiegen, fo ants 
worten wir: erſtens, Honorius Bat eben auf das geant⸗ 
twortet, was Cergiuó fragte, und zweitens haben wir wie 
in Allem jo aud) hier an bie Gewohnheit ver Hl. Schrift 
uns gehalten, welche bald von der Gottheit, bald von der 
Menſchheit Chriſti allein ſpricht“ 1). 

Wir müſſen bekennen, die von Johann IV. und dem 
Abte Johann gleichförmig gegebene Interpretation des 
Honorius'ſchen Briefes ſcheint und suavior als verior. 
Sergius von Conſtantinopel ſprach in ſeinem Briefe an 
Honorius durchaus nicht von zweierlei menſchlichen 
Willen in Chriſtus, ſondern davon, daß der Terminus 
δύο ἐνέργειαε auf bie Annahme zweier Willen in Chriſto, 
eines göttlihen und menjdjiden, unb damit zur Sufajfung 
εἰπε Widerftreitö Ddiefer zwei Willen führen fónnte. Die 
Situation des Papſtes Honorius bei feiner Antwort war 
ſonach nicht die, welche feine Vertheidiger vorausſetzen, er 
hatte fid) gar nicht über bie Möglichkeit zweier menſch⸗ 
[iden Willen in Chriftus zu äußern, unb bad £v ϑέλημα, 


1) Maximi disput. cum Pyrrho bei Mansi, T. X. p. 739. 


über B. Sonoriué.. 25 


welches er anerkennt, ift nicht der unverborbene menſch⸗ 
lide, ſondern der góttlide Wille in Chriſtus. Eeine 
eigenen Worte &. 14 zeigen dieß beutlid); unb aud) Cergiue, 
bem er antwortete, hatte nur den göttliden Willen in 
Gfriftu$ anerkannt (S. 11). Den menfhlihen Willen 
Chrifti verliert er gänzlich ans dem Gefſichte, weil derſelbe 
moralifch eins ift mit bem göttlichen unb Honorius zwifchen 
moralifcher und pbyfifder Einheit nicht unterfcheibet. 

An einem andern Orte berichtet uns Marimus, jener 
römische Abt Iohanned habe nod) weiter behauptet, ber 
Brief des Honorius fel von ben Griechen verfälfcht worden, 
denn es [εἰ darin nit ausdrücklich geftanden: „in, 
Chriftus war durcha us nur ein Wille”, and fel darin 
nicht der men[diide Wille überhaupt, fonbern nur bet 
fünbfafte Wille Chriſto abgefproden worden 1). 

(δ mag gar wohl fein, bag die Freunde be8 Monos 
theletismus in Griechenland mit dem Briefe des Honoring 
eine Fleine Veränderung vornahmen und ein Wörtchen 
6. 9. durchaus) einfhmwärzten (ähnlich wie Luther das 
„allein“ in 9tóm. 3, 28), um ber übelgewählten Floskel 
ἕν ϑέλημα vie vollfte monotheletifhe SSebeutung zu geben. 
Aber biefe Verfälfhung fann fid nicht auf das Eremplar, 
welches auf und gefommen ift, erftredt haben, da biefes 
auf ter fechöten allgemeinen Synode in Gegenwart ber 
päpftlihen Legaten und ohne alle berichtigenve Bemerkung 
von ihrer Seite (in andern Fällen, 3. 38. in Betreff ber 
angeblichen Briefe des Vigilius ließen fie ed an folden 
nicht fehlen, vgl. Bd. IL ©. 832 meiner Conciliengeſchichte) 
verlefen und ben Alten einverleibt worden war. Und wenn 
Abt Johann weiter bemerkte, in bem Achten Texte bes 


1) Maximi epist. ad Marinum presbyt. bei Mansi, T. X. p. 689. 


26 Das Anathem 


Honorius’fhen Briefes fel biteft und pofttio nur der fünd- 
hafte, nicht aber der menſchliche Wille überhaupt 
Chriſto abgeſprochen worden, [fo zeugt "auch dieß nicht 
gegen ble Integrität unſeres Tertes, im Gegentheil paßt 
e$ auf ihn vollſtändig. Direft und pofitiv ift darin 
. nur bet fünbbafte Wille geläugnet, von bem andern ba; 
gegen völlig geſchwiegen, und das Iinftatthafte der beiden 
Entfhuldigungen von Papft Iohann IV. unb bem Abte 
Johann liegt eben darin, daß fie behaupteten: Honorius 
habe, weil überflüffig, des göttlihen Willens in Ehriftus 
nidt erwähnt, während er doch vom natürfiden menſch⸗ 
lihen Willen fdnoleg, deſſen er bei ver vorliegenden 
Streitfrage gerade hauptſaͤchlich hätte gebenfen follen. 

Go bleibt und denn das Refultat: die beiden Briefe 
des Honorins, wie wir fie jegt haben, find unverfälfcht 
und dulden bie interpretatio suavis nicht, welche ihnen ges 
gegen werben wollte; fie zeigen, daß Honorius fafti[d) von 
ven beiden heteroboren Sevminió ὃν ϑέλημα und ule 
ἐνέργεια ven erftern ſelbſt gebraudjte, ben andern aber mit 
bem Schlagworte bet Orthodoxie dvo ἐνέργειαι auf gleiche 
Linie ftellt und beide verwarf; fte zeigen aber aud, baf 
die Grundanſchauung des Honorius, tie Grundlage feiner 
Argumentation und damit er felbft im Herzen orthodor war, 
unb fein Webler nur in unrichtiger Darftelung des Dogs 
mas unb im Mangel an logifcher Eonfequenz beftant. 

Sm blefer Weiſe erledigt fid) und die Frage nad) ber 
Ortboborle ober Härefle des Papſtes Honorius unb mit 
halten fonad) beu Mittelweg zwifchen denen, welche ihn 
auf eine Stufe mit Sergius und Cyrus flellten und un, 
bevenflih den Monotheleten beirechneten !) und denen, 


1) €» bie meiften Gallifaner |. à. 28. Rioker, histor. Concil. 








über 9B. Φοπουίιδ. 27 


weíde durchaus Feine Nadel an ihm tbulbenb in das 
Schickſal der nimium probantes verfallen find, fo daß fie 
lieber die Wechtheit der Alten .ves jechften allgemeinen 
Gonciló und mehrerer andrer Urkunden leugnen 1) oder aud 
bem ófumenijden Goncil. einen faftifdjem Irrtum (in 
untidtiger Beurtheilung des Honorius) zufchreiben woll⸗ 
ten ἢ). Letzteren gegenüber traten bie Appellanten (Jans 
feniften) mit dem Argumente hervor: wenn Ihr behauptet, 
das fechfte allgemeine Gonci( fel in einen error facti vers 
fallen, fo dürfen wir dag Gleiche aud) in Betreff des Papſtes 
Clemens XI. und feiner Gonftitution Unigenitus behaupten. 


general. Lib. I, c. X. p. 567. seqq. ed. Colon. 1683. Dupin, nou- 
velle Biblioth. etc. T. VI. p. 69. ed. Mons. 1692. Bossuet, de- 
fensio declarat. cleri Gallicani, T. II. p. 190. unb Proteftanten 3. 3B. 
Mal, Ketzerhiſt. Bo. IX. S. 125. Bower, Θεῷ. b. Päpfte, 
Bd. IV. ©. 185. Forbesius, instructiones historico-theol. p. 240. 
Dorner, Lehre v. b. Perſon Chrifi, Bo. IL. 1. ©. 218. — Ja 
jelbft ber Cardinal be la Luzerne urtheilte fo ftrenge über Honorius 
in f. 9Berfe sur la declaration de l'assemblée du clergé de France 
an 1682. Paris 1821, bei Palma, —— hist. eccl. Romae 
1839. T. II. P. I. p. 106 seqq. | 

1) So befonderse Pighius (Diatriba de actis VL et VIL. 
Concil.) unb Baronius, (ad ann. 633, 34 sqq. u. 681, 29 sqq.]. 

2) So Garbinal Surreccemata (lib. II. de ecclesia c. 93), 
Bellarmin (lib. IV. de rom. pontif. c. 2.), unb ber gelebrte 
Maronit Joſeph Simon Ajfemani (Biblioth. juris orient. 
T. IV. p. 113. seqq )., Letzterer meint, bie fedjfte allg. Synode habe 
allerdings den Honorius für einen Häretifer gehalten und als joldjen 
anathematifirt, aber εὖ feien ihr die Punkte, bie zu feiner Entſchuldi⸗ 
gung fprechen, namentlid) bie oben angeführten Apologien befjelben 
von Johann IV. und Abt Marimus nicht befannt gewejen. Der befjer 
unterrichtete Papit eo II. dagegen habe das Anathema ber Synode 
über Honorius nicht νοι ποίᾳ approbirt, [onbern ihn nur wegen 
Nahläßigkfeit, nicht wegen Härefie anatgematifitt. Siehe 
unten ©. 35 f. 


2B — Dad Anathem 


Allein ed findet ein großer Unterfchien zwiſchen ben Appel: 
lanten und jenen Apologeten des Honorins ftatt. Lebtere 
Kelten a) ihre Anfiht.aus Ehrfurdt gegen ben b. 
Stuhl auf, nidt jene, unb gingen b) davon aus, bie 
Briefe des Honorius oder aud) der Brief des Sergius, 
auf weldjen Honorius antwortete, ſeien nachmals verfälicht 
und in faljden Eremplaren bem fechften allgemeinen Gor: 
cil vorgelegt worden, fo daß dieſes an ſich ganz richtig ge» 
urtheilt und den (freilich Pfeudo-) Honorius verworfen 
babe 1). 

Der Mittelweg, den wir für den richtigen halten und 
oben audeinandergefegt haben, ift aber mefentlich verfchie- 
den von bem, welden Garnier entbedt haben wollte *) 
und worauf ibm fo viele angefebene Theologen und Hiftos 
rifer folgten 9), daß dieſe Sententia gewöhnlich für vie 
communis erflärt wird. Hienach wird zugegeben, daß 
bie fedfte allgemeine Synode bie Briefe beó Honorius 
wirflih und mit Recht anathematifirt habe, aber nicht 
als ob fie irgend etwas Häretifches enthielten, venn fie 
feien bievon völlig frei, jondern ob imprudentem silentii 
 oeconomiam, weil Honorius durch Anbefehlung dieſes 





1) Bgl. Chmel, O. S. B. Prof. Prag. Vindiciae concilii oecu- 
menici VI. Pragae 1777. p. 441 sqq. 456 sqq. 

2) Garnier, de Honorii et concilii VI. causa im Anhange zu 
j. Ausgabe des Liber diurnus Romanorum pontificum. 

3) Namentlid Combefis, Honorii Papae causa am Schlufje feines 
großen Werfes historia haeresis Monotheletarum ; Thomassin, dissert. 
12. in Concilia; Natalis Alexander, hist. eccl. Sec. VII. Diss. II. 
Propos. IH. T. V. p. 522. ed Venet. 1778. Zu ben S3ertfeibigern 
des Honorius gehören nod) Mamachi, origines et antiquitates, T. VI. 
p. 92; Orsi, de rom. Pontificis authoritate, T. I. P. I. Lib. I. Balle- 
rini, de vi ac ratione primatus, p. 303. sqq.; Assemani |. c. 
Palma, 1. c. p. 112 sqq. 





über P. Honorius. 29 


Silentiums ter Härefte mächtigen Borfchub geleiftet habe. — 
Auch tiefe Meinung, fcheint mir, ift zu günftig für Honos 
rs, indem ſich und herausftellte, daß feine Briefe, 
namentlich der erfte, in ber That Irriges enthielten. 
Gfrörer (Kirchengeſch. Bo. II. 1. ©. 54) vermutbet, 
bie Briefe des Honorius feien die bebungene Gegenlel(tung 
geweien für bie große Gefälligfeit, bie ihm furg zuvor ber 
$aifet Heraklius erwiefen. Keinem der bisherigen Päpfte, 
auch Gregor b. Gr. nit, fel es trot wieverholter Ans 
Rrengungen gelungen, ben feit bem Dreifapitelftreit ſchis⸗ 
matiihen Metropolitanftuhl Aquilejas Grabo fammt feiner 
Kichenprovinz wieder mit Rom zu uniren. Aber Honos 
tué, glücdlicher als feine Vorgänger, habe das große 
Verf ausgeführt, ben fchismatifchen Erzbiſchof Bortunat 
von Grabo verjagt und einen „Parteigänger Roms" Pris 
mogeniuó auf ten Metropolitanftuhl Iſtriens gefegt — 
mittelft bewaffneter Hülfe des griechiſchen Erarchen. „Kann 
man, ruft Gfrörer aus, einen Augenblick zweifeln, baf bie 
Unterwerfung ber iftrifchen Kirche unter den Stuhl Petri 
der Preis war, für welchen Honorius bem monotheletifchen 
Bunde beigetreten ift. Eine Hand wajdt bie andere!“ 
Ich kann biefer Hypothefe nicht das gleiche Lob fpem; 
ben, wie Kurtz in j. Handbuch der Kirchengefchichte (1853. 
Bv. L 2. €. 181). Abgefehen davon, daß Brimogenius 
[εὖτ unpafjend ein Parteigänger Noms genannt wird (er 
war Cubbiafon ber römischen Kirche), ift ſchon die Grund- 
lage des Gfrörer'ſchen Baues haltlos, denn es ift unrichtig, 
daß feinem der Päpfte vor Honorius ble Unirung beó 
Stuhles von Grado gelungen fei. In Wahrheit fam 
ſchon im S. 607 ſolche Union zu Stande; ber Stuhl von 
Aquileja» Grado erhielt an Ganbibian einen ortboboren 


30 Dad Anatbem 


Metropoliten und alle Biſchoͤfe dieſer Kirchenprovinz, 
deren Stühle in faiferlidem Gebiete lagen, verließen das 
Schisma !). Waß aber geihah unter Papſt Honorins ? 
Der Schismatiker Fortunat hatte fid) mit Hülfe ber Longo- 
barden des Stuhls von Grato bemädtigt, und das 
Schisma zu erneuern verfudjt. Darüber zürnten {εἶπε 
Suffraganen, unb aud) der faijerlide Statthalter (Grardy) 
zu Ravenna drohte, jo vaf Wortunat für gut fand, ben 
Kirhenichap ftehlend ins Land ber ?ongobarben zu fliehen 
(3. 629. oder 630). Papſt Honorius aber befepte jept den 
Stuhl von Grabo mit bem römijchen Subbiafon Primo: 
genins und forderte von ben Longobarden, freilich vergeblich, 
bie Auslieferung jener Koftbarfeiten ber Kirche von Grabo, 
Wir befipen noch jegt (bei Manfi, T. X. p. 577 und 
Baron ad ann. 630, 14) feinen hierauf begügliden Brief 
an bie Biſchöfe vou Iftrien, an beffen Schluffe ble von 
Baronius mißverftandene Stelle vorfommt: „in ähnlichen 
Fallen würden aud) die Väter ber christianissima respub- 
lica Gleiches erweisen,“ b. B. geftohlenes Gut, das in ihr 
Land gebracht wurde, ausliefern. Baronius meinte, unter 
christianissima respublica fei Venedig zu verftehen; abet 
Ihon Muratori (Θεῷ. v. Stat. Bd. IV. ©. 76) bemerfte 


1) Als die ongobatben Oberitalien eroberten, war ber Metro⸗ 
politanftuhl von Aquilefa nad) Grado verlegt worben, ba. bieje Durch 
Moräfte fefle Stadt von den ongobatben nicht erobert werben fonnte; 
und die Metropoliten nannten fid) „von Aquileja zu Grado.“ Bon 
ben zu dieſer Kirchenprovinz gehörigen Stäbten- aber waren bie einen 
in der Gewalt des Kaifera geblieben, die andern von ben Longobars 
ben erobert worden. Die Bifchöfe im Iongobarbifchem Gebiete. nun 
wollten ber Union im S. 607 nicht beitreten, unb beftellten jest für 
fid ein befonderes hierarchifches Oberhaupt mit dem Titel; „Patriarch 
von Aquileja.“ 


über $99. Sonorius. 31 


richtig, daß mit biefem Ausdrucke gar häufig das römifche 
Reich bezeichnet werde. Aus bem Gefagten aber erhellt, 
bag bie Union bes Stuhls von Grabo unb feiner Euffras 
ganen fchon älter war als Papft Honorius, und unter 
biefem nur eine temporäre Störung berfelben wieder bes 
feitigt wurde. Letztere an, fid — durch den Widerſpruch 
ver Euffraganen — unhaltbar, brauchte nit um das 
Blutgeld der Saflimmung zur Härefie erfauft zu werben. 

Wenn wir aber ben 9Bapft Honorius nicht von aller 
Schuld freifprehen, fo werben wir hierin nicht durch ble 
Sbatjadjen geftört, bag Martin L, fomie feine Lateran⸗ 
Eynode im I. 649 und ebenjo Papſt Agatho und feine 
Synode im I. 680 ben Honorius nicht unter bie Monos 
theleten gerechnet, vielmehr fein ?[nbenfet in Ehren ges 
halten und (id) fo geäußert haben, als ob alle bisherigen 
Päpfte Gegner der Härefie gemefen feien. G8 war natürs 
ih, daß die Art und Weife, vole Papft Sohann IV. unb 
Abt Johann ben Honorius ent[dulbigten und redytfertige 
ten, damals in Rom die Allgemeine war, unb man fid 
ihrer gewiß gerne bebiente, um glüdlic, über einen fchwies . 
rigen Punkt Binübergufommen. Seit dem Ausſpruche bet 
jechöten allg. Synode aber veränderte ſich bie Sade und 
aud) bie Päpfte haben jegt das Anathem über Honorius 
anerfannt und wiederholt. Und zur Unterfuchung der Sen⸗ 
tenz tet fedjóten allg. Synode gehen wir jept über. 

1) Diefe durch faijer Conftantin Pogonatus im 
Einverftändniffe mit Papft Agatho, ber fid) babel dur 
Legaten vertreten ließ, zur Beilegung der monotheletifchen 
Streitigkeiten berufen und am 7. Noveniber 680 eröffnet, 
erwähnte zum erftenmale des verftorbenen Papftes Honor 
tué im Gingange ihrer 13. Gigung am 28. März 681 


32 : : Das Anathem 


mit folgenden Worten: „Nachdem wir bie bogmatiichen 
Schreiben des Sergins von Gonftantinopel an Eyrus von 
Phaſis (fpáter von Alerandrien) unb an Papft Honos 
rius, fowie ben Brief des Leptern an Sergins 
gelefen haben, fanden wir, daß biefe Urkunden ben - 
apoftolifhen Dogmen, aud ben Erflärungen 
bet bl. Goncilien und aller angefehenen Bäs 
ter wiber[preden unb den faljden Lehren 
ber Häretiker folgen; beffalb verwerfen wir fie volls 
ftändig unb verabfcheuen (βδελυττόμεϑα) fie ald feelen- 
petberblid. Aber audj die Namen dieſer Männer 
müſſen aus ber Kirche ausgeftoßen werben, nämlich ter 
bed Sergins, ber zuerft über biefe gottlofe Lehre gefchrie- 
ben hat. Werner der des Eyrus von Alerandrien, des 
Pyrrhus, Paulus und Petrus von Gonftantinopel und des 
Theodor von Pharan, welde fümmtlid) aud Papft Agatho 
in feinem Echreiben an ven Faifer verworfen hat. Wir 
belegen fie fámmtíid) mit bem 9Inatfeme. Nebft ihnen 
aber foll, it unfer gemeinfamer Beihluß, 
aud aus ber Kirche ausgeſchloſſen und anathes 
matifirt werden ver ehemalige Bapft Honorius 
von Altrom, weil wir in feinem Briefe an 
Sergius fanden, daß er in Allem beffen Ans 
fiht folgte und feine gottlofen Lehren bes 
ftätigte (ara πάντα τῇ éxeiva ſdes Sergius] γνώμῃ 
ἐξακολεϑύήσαντα καὶ τὰ αὐτῇ ἀσεβῆ κυρώσαντα δόγματα) 3). 

2) Segen Ende verjelben Gigung urbe aud)? ber 
zweite Brief des P. Honorius an Sergius zur Prüfung 





1) Mansi, Collectio Concil. T. XI. p. 554 sq. Harduin, Collect. 
Concil. T. II. p. 1332 sg. 





über P. Honorius. , 83 


vorgelegt und won ber Synode verorbnet, bag alle von 
Arhivar Georg von Bonftantinopel- übergebenen Aftens 
Rüde, darunter bie zwei Briefe des Honorius, fogleld) als 
feelenverblich verbrannt werben follten 1). 

3) Wiederum gedachte die fedjéte allgemeine Synode 
bró Papftes Honorius in der 16. Sitzung am 9. Auguft 681 
bei ben Acclamationen und Erelamationen, womit die Vers 
bandlungen dieſes Tages fid) Ichloßen. Die Bifchöfe riefen: 
„viele Jahre bem Kaiſer, viele Jahre bem römischen Papfte 
Agatho, viele Jahre bem Patriarchen Georg von Eonftantis 
nopel ıc., Anathema bem Häretifer Sergius, bem Däretifer 
Cyrus, dem Häretifer Honorins, bem Häretifer 
Pyrrhus ac. ac. ?).“ 

4) Noch wichtiger ift, was in ber 18. unb letzten 
Sitzung am 16. Septbr. 681 geſchah. In dem Glaubens; 
dekrete, welches jetzt publicirt wurde und die Haupturkunde 
der Synode bildet, leſen wir: „Dieſe Symbole (der fruͤheren 
allgemeinen Synoden) hätten genügt jur Erkenntniß unb 
Beſtätigung des orthodoxen Glaubens. Weil aber ber Ans 
faͤnger aller Bosheit immer noch eine helfende Schlange, 
buch bie er fein Gift ausbreiten kann, unb damit gefüge 
Merfzeuge für (einen Willen findet "voir meinen ben Theodor 
von Pharan, ben Sergius, Pyrchus, Paulus, Petrus, bie 
früheren Biſchöfe von Eonftantinopel, audj ben ono 
rind, Papſt von, Altrom, ben Cyrus von Aleran- 
drien 2c, fo füumte er nicht, durd fie 9lergernig in ber 
Kiche anzurichten burd) Ausftreuung bet häretifchen Lehre 


1) Mansi, 1. c. p. 582. Harduin, l. c. p. 1354. 
2) Mansi, l. c. p. 622. Harduin, l. c. p. 1386. 


Theol. Duartalfärift. 1857. 1. Heft. a 





94 Das Anathem 


von einem Willen und einer Energie der zwei Naturen 
des einen Chriſtus ).“ 

5) Nachdem alle Bifhöfe unb ber Kaiſer bief Glau⸗ 
bensdekret angenommen unb unterzeichnet hatten, publicirte 
bie Synode ben herkömmlichen λόγος προφωνητικὸς, bet 
an ben Kaifer gerichtet unter Anderm fagt: „Deßhalb 
belegen wir mit Ausſchließung und Anathem ben Theodor 
von Pharan, bet Sergius, Paulus, Pyrrhus und Petrus, 
aud bem Eyrus, unb mit ihnen den Honorius, efe 
mals Bifhof von Rom, der ihnen folgte 9." 

6) In berfelben Sigung erließ bie Synode aud) ein 
Schreiben an Papft Agatho und fagt darin: „wir haben 
ben Thurm ber Häretifer zerftört und fie burd) Anatheme 
getödtet, gemäß ber früher in Deinem heiligen Briefe au 
gefprodenen Sentenz, nämlich den Theodor von Pharan, 
den Gergiuó, Honorius, Gpruó ıc. 9). 7 

D Im engften Sufammenfange zu den Aften ber 
fechsten allg. Synode ftehen vie zwei Beftätinungserifte 
ihrer Beihlüffe, das Faiferlihe und päpftliche, unb in 
bem einen wie in tem andern wird das Anathem über 
Honorius betätigt. Der Kaifer fchreibt: „Mit biefer 
Krankheit (mie fle von Apollinaris, Eutyches, Themi- 
ftiud 1c. ausging) haben die Kirchen nachmals wieder 
angeftedt jene unheiligen Priefter, bie vor unferen Zeiten 
verſchiedene Kirchen falfch regiert haben. Es ſind vicf 
Theodor von Pharan, Sergius, bet ehemalige Biſchof diefer 
Sauptftabt, aud) Honorius, ber Papft des alten 


1) Mansi, l. c. p. 635. Harduin, 1. c. p. 1398. 
2) Mansi, l. c. p. 666. Harduin, l. o. p. 1422. 
3) Mansi, I. c. p. 683. Harduin, 1. c. p. 1438. 





über P. Honorius. 95 


Roms (zc δὲ καὶ Ὀνώριος ὁ τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης 
πάπας γενόμενος), ber Befeftiger (Beftätiger) ver 
Härefie, ber fid) felbft wiberiproden hat (ὁ τῆς αἱρέσεως 
βεβαιωτὴς, καὶ αὐτὸς ἑαυτῷ προσμαχόμενος). ... Wir 
anathematifiren alle Härefie von Simon (Magus) an bie 
jtbt ... überdieß anathematifiren und verwerfen wir bie 
Urheber und Gönner ber falfchen und neuen Lehren, nämlich 
ven Theodor von PBharan, den Sergius ..., mud) den 
Honorins, welcher PBapft von Altrom war, ber in Allem 
jenen beiftimmte, mit ihnen ging und ble Härefie befeftigte 
(ἔτι dà xci Ὀνώριον «τὸν τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης πάπαν 
γενόμενον, τὸν ward πάντα τότοις συναιρέτην καὶ σύνδρομον᾽ 
χαὶ βεβαιωτὴν τῆς αἱρέσεως) "). | 

8) In Form eined Antwortſchreibens am ben Kaifer 
gab auch ber Papft Leo IL, der unterveflen auf Agatho 
(f 10. Sannar 682) gefolgt war, feine Beftätigung, unb 
jagt babei: Pariter anathematizamus novi erroris inven- 
lores, id est, Theodorum Pharanitanum episcopum, Gyrum 
Alexandrinum, Sergium, Pyrrhum, Paulum, Petrum, Con- 
stantinopolitanae ecclesiae subsessores magis quam prae- 
sules, sec non et Honorium, qui hanc apostolicam 
ecclesiam non apostolicae traditionis doctrina lustravit, 
sed profana proditione immaculatam fidem subvertere 
conatus est; (nad tem Griechifchen subverti permisit 
fapexa Qnae) et omnes, qui in suo errore defuncti sunt ?). 

Diefe Stellen aus ben Alten des fehsten allg. Goncilé 
und ben zwei Beftätigungsediften find bie wichtigften Zeug⸗ 





1) Mansi, 1. c. p. 699 u. 710. Harduin, l. c. p. 1447 u. 1458. 
2) Mansi, 1. c. p. 731. Harduin, l. c. p. 1475. 


3* 


x 


36 Das Anathem 


niffe des hriftlichen Alterthums in Betreff des Anathems 
über Honorius. Ihnen reihen fid) folgende an. 

9) In feinem Schreiben an die fpanijden Biſchöfe 
fagt Vapft Leo IL: Qui vero adversum apostolicae tra- 
diionis puritatem perduelliones exstiterant ... aeterna 
condemnatione mulctati sunt, i. e. Theodorus Pharanitanus, 
Cyrus Alexandrinus, Sergius, Pyrrhus, Paulus, Petrus 
Constanfinopolitani, cum Honorio , qui flanmam haeretici 
dogmatis non, ui decuit apostolicam auctoritatem, in- 
cipientem extinzit, sed negligendo confovit 1). 

10) Und im Briefe an K. Ervig: omnesque haereticae 
assertionis auctores, venerando censente concilio condem- 
nati, de catholicae ecclesiae adunatione projecli sunt, i. e. 
Theodorus Pharanitanus episcopus, Cyrus. Alexandrinus, 
Sergius, Paulus, Pyrrhus et Petrus, quondam Constanti- 
nopolitani praesules; et una cum eis Honorius Romanus, 
qui immaculatam apostolicae traditionis regulam, quam 
a praedecessoribus suis accepit, maculari consensit *). 

11) Bon ber Verdammung des Honorius durch bie 
ſechste allg. Synode fpricht weiterhin i. 3. 692 das Quini- 
sextum ober bie Trullanifhe Synode, welde nur zwölf 
Sabre nach ber obigen ftattfatte. Sie fagt in ihrem erften 
Canon: „ferner befennen wir und zu dem Glauben, welden 
bie fedjéte Synode anóge[proden Hat. Sie lehrte, daß 
man zwei natürlide Willen und Wirkungen in Chriftus 
annehmen müfj und verurtheilte (καταδικάσασα) Alle, 
welche nur einen Willen [efrten, nämlich ben Theodor 


1) Mansi, 1. c. p. 1052. Harduin, 1. c. p. 1730. 

2) Mansi, 1. c. p. 1057. Harduin, 1. c. p. 1735. Ob dieſer 
Ießtere Brief von Papft Leo IL. oder feinem Nachfolger Benebift II. 
herrühre, ijt hier gleichgültig. 


über P. Honorius. 37 


von Pharan, Cyrill von Alexandrien Honorius von 
Rom, Sergius“ x. ⁊c. ἢ. 

12) Gleiches Zeugniß gibt wiederholt auch die ſiebente 
allg. Synode; insbeſondere ſagt fie in ihrer Haupturkunde, 
dem Glaubensdekrete: „wir verkünden ſofort zwei Willen 
und Wirkungen nach ber Eigenthümlichkeit ber Naturen in 
Chriſtus, gleichwie auch bie ſechſte Synode in Conſtanti⸗ 
nopel gelehrt hat, verdammend (αστοκηρύξασα) ben Sergins, 
Honorius, Cyrus 1. 216. ἢ." Das Gleiche wird von 
Mt Synode ſelbſt oder ihren Mitgliedern noch an vete 
ſchiedenen andern Stellen behauptet 5). 

13) Ebenſo aͤußert ſich die achte allgemeine Synode: 
smetam et universalem sextam synodum suscipientes ... 
mathematizamus autem Theodorum, qui fuit episcopus 
Pharan, οἱ Sergium et Pyrrhum ... atque cum eis Hono- 
rum Romae, una cum Cyro Alexandrino 3). 

14) Sag in dem römifhen Gremplare ber Aften des 
höten allg. Eoncil8 ber Name des Honorius unter ben 
Anathematiftrten fid vorfanb, erhellt auch ganz bentlid) aus 
Anastasis vita Leonis IL, worin e8 heißt: Hic suscepit 
sanctam sextam synodum ... in qua et condemneti sunt 
Cyrus, Sergius, Honorius, et Pyrrhus, Paulus et Petrus, 
nec non οἱ Macarius cum discipulo suo Stephano 5). 

15) Endlih, um nod) fpätere Zeugen 3. 38. Beda, 
gar nicht zu nennen, ſchreibt Papft Hadrian I. (867— 





1) Mansi, T. XI. p. 938, Harduin, T. III. p. 1658. 

2) Manei, T. XIII. p. 377. Harduin, T. IV. p. 454. 

3) Mansi, T. XII. p. 1124. 1141. T. XIII. p. 404. 412. Har- 
duin, l. c. p. 134. 147. 474. 482. 

4) Mansi, T. XVI. p. 181. Harduin, T. V. p. 914, 

5) Bei Manei, T. XI. p. 1047, 


38 Das Anathem 


872): licet enim Honorio sb Orientalibus post mortem 
anathema sit dictum, sciendum tamen est, quia fuerat 
super haeresi accusatus, propter quam solam licitum est 
minoribus, majorum suorum molibus resistendi. 

Diefe 9lengerung Hadrians vourbe in ber ftebenten 
Cigung des adjten allg. Concils verlefen und gebilligt 1). 

Werfen wir einen Blick zurück auf bie Stellen, in 
denen bie fedjéte allg. Synode über Honorius fprad), [0 
fann fein Zweifel fein, bag fie feine Briefe und ifm felbft 
für häretifch erflärte. „Seine Briefe widerfprechen, jagt 
fie, den apoftolifhen Dogmen ıc. und find als feelenvers 
berblich zu verabſcheuen.“ „Honorius hat in Allem ben 
Anfihten des Sergins gefolgt und deſſen gottlofe Lehren 
beftätigt *; „Satan Bat duch ihn häretifche Lehren au; 
geftreut *; batum „Anathem dem Häretifer Honorius.“ 
Hienach ift e8 klar, daß er nicht bloß ob imprudentem 
silentii oeconomiam, wie Garnier meinte, nicht weil er 
gur Unzeit gefchwiegen, fonbern weil er pofitiv in feinen 
Briefen Häretifches vorgetragen unb bie Härefie beftätigt hatte, 
mit dem Anatheme belegt wurde. Aber mie ftimmt vieß 
mit unferem eigenen früher abgegebenen Urtheile über 
Honorius zufammen? Wir behaupteten ja, daß die Grund» 
anſchauung des Honoriuß, bie Grundlage feiner Argumens 
tation -und damit er felbft im Herzen ortfobor war. — 
Allerdings; aber bie Synode mußte fid an das halten, 
was vorlag, und bief war a) bie Aufftellung ber häretifchen 
Formel ὃν ϑέλημα unb b) die Verwerfung der orthodoren 
Formel δύο ἐνέργειαι. Die Briefe des Honorius enthielten 
alfo faktifch Häretifches und verdienten das firenge Urtheil 


⸗ 


1) Mansi, T, XVI. p. 126. Merduin, T, V. p. 866, 


über P. Honortuß. 39 


ber Synode um fo mehr, je größeren Vorſchub fie, weil 
von bet Dódften fivdjiden Autorität ausgegangen, der 
Häreſte leiften mußten und leifteten. Enthielten aber bie 
Briefe wirklich Häretifches, und hat Honorius die Irrthümer, 
bie er darin behauptet und verfüntet, fpäter nicht nad) 
weisbar. zurüdgenommen, fo fonnte bie Synode aud) tie 
‚Berfon des Qonoritó mit Gen[ur belegen. Was er 
faktiſch ſagte, verkündete, behauptete, das galt, unb tar 
nadj mußte die Synode urtheilen; das Urtheil darüber, 
ob er εὖ nicht fo ſchlimm meinte, und ob er nur in Dans 
fellung ted Dogmas gefehlt habe, ohne im Herzen 
Häretifer gewefen zu fein, bem allſehenden Auge Gottes 
überlaſſend. 

Daß aud) der Synode bie Entſchuldigungsgründe, welche 
wir zu Gunſten des Honorius angeführt haben, nicht un: 
befannt blieben, dafür bürgen bie beacdhtenswerthen Worte 
in bem Eaiferlichen Beftätigungsfchreiben: „Honorius, ter 
Befeftiger (Beftätiger) ber Härefie, ber fid) felbft wider 
ſprochen hat“ (€. 35). Wir feben, man bemerfte damals 
Ihon, daß die Concluſion des Honorius. mit feiner Praͤmiſſe 
nicht zufammenflimme, daß er ben Terminus, zwei 
Energien verwerfe und bod (im zweiten Briefe) felbft 
io febre, und daß feine Grundanſchauung nicht zum Monc- 
theletismus, fondern zum ortboboren Dyotheletismus hätte 
führen follen (f. ©. 18). 

Sehr beachtenswerth ift die Art und Weife, wie Bapft 
Leo IL. das 9[natfem über Honorius beftätigte, unb [id 
über befjen Schuld äußerte Wir haben feine dießfallſigen 
Worte oben betrachtet und finden darin 

a) daß aud) er das Anathem über ihn fpredye. 

b) Uber er unterſcheidet ihn tod) von den eigentlichen 


40 Das Anathem 


inventores novi erroris, anathematifirt ihn nicht al einen 
aus ihnen, fonbern mit ihnen, unb bezeichnet 

c) ganz richtig feine Schuld theils als bloße 90a d» 
fäffigfeit (negligendo confovit), theils a8 unbefonnene 
Suftimmung (maculari consensit) '). 

d) Beträchtlich herber ift nur die Aeußerung im Briefe 
Leo's an ben Kalfer: sed profana proditione immaculatam . 
fidem subvertere conatus est. 

Das conalus est würde ben größten Stein auf ono: 
rius werfen; aber wir bemerften fdjon oben, daß es im 
griedi[den Serte (unb ber jebt vorhandene lateiniſche ift 
nur Üeberfegung aus bem griechiſchen) heißt: τῇ BefrAg 
προδοσίᾳ μιανθῆναι vr» ἄσπιλον παρεχώρησε, v. f. et 
gab zu, bag ber unbeffedte Glaube Deffedt werde, ganz 
ähnlih, wie Leo fonft fagt: maculari consensit. {πὸ zu 
. blefem Vorwurfe: unbefonnener, febr ſchuldbarer 
Sufimmung paffen aud ble Worte βεβήλῳ προδοσίᾳ. 
Die προδοσία ift das Preisgeben ber firfe, das fte 
Verlaſſen in ber Noth; unb das hatte ja Honorius 
gethban, wie audj Qeo ibm anderwärts vorwarf: flammam 
non, .ut decuit apostolicam auctoritatem, | incipientem 
exlinxit, unb hanc apostolicam ecclesiam non apostolicae 
traditionis doctrina lustravit. 

, Aber ift e8 denn aud) wahr, daß bie fedjéte allg. 
Synode das Anathem über Papft Honorius ausgeiprochen 
hat? Nach bem Borgange des Pighius verneinte Baronius 


1) Hieraus und aus bem Folgenden erhellt, bag Affemani (Biblioth. 
juris orient. T. IV. p. 163) irrig behaupte, Leo Babe bem Honorius blos 
Nachlaäſſigkeit vorgeworfen, quia orthodoxam doctrinam tradere 
neglesit. 





‚uber 5}. Sonpriu£, 44 


biefe Frage mit großem Wortaufwande, unb Einzelne folgten 
ibm 5. 

Die Stellen, in denen bie fedóte allg. Synode bem 
Honorins das Anathem Spricht, find theils foldje, welche 
nur aus ein paar Worten beftehen, theild größere nnb 
mehrere Eäte. Um erftere zu entfernen, nahm Baronius 
an, e8 feien einzelne Worte in den echten Protofollen au ds 
radirt And andere dafür eingefegt worden. Um aber aud 
die größern Stellen zu befeitigen, verband er mit ber 
erften vie zweite Annahme: es feien mehrere falfche Bogen 
in die echten Protokolle eingefdjoben worden. Radirung 
und Sinterpolirung wurden in ?Infprud) genommen, und 
Erzbifchof Theodor von Eonftantinopel für ben Urheber diefer 
großen Fälſchung erflärt. 

Saffen mir die zerftreuten Argumente des Baronins bündig 
und deutlich zufammen, fo ergibt fid und Kolgendes: Kurz 
vor bem Beginne des fechöten allgemeinen Concils wurde 
Theodor von QGonftantinope[ wegen feiner Neigung zum - 
Monotheletismus vom Patriarchalſtuhl geftürzt und Georg 
erhoben. Aber nad) Georg'8 Tod, bald nad) Beenbigung 
des ſechsten Concils, gelang e$ jenem wieder eingefept zu 
werden, nachdem er ein orthodores Glaubensbekenntniß — 
um Scheine — abgelegt hatte. Sicherlich nun ift vlefet 
Theodor von unferer Synode nicht mit Stilfchweigen übers 


1) Albert. Pighius, Diatriba de Actis VI. et VII. Concilii. Baron. 
ad ex. 680, 34. 681, 19—34. 682, 3—9. 683, 2—22. Barruel, du 
Papae et ses droits, P. I. c. 1. Roisselet de Saucliéres, histoire 
des Conciles, Paris 1846. T. III. p. 117. Mit SRobificationen traten 
tet Hypotheſe des Baronius aud) bei: Boucat., tractat. de incarnatione, 
Diss. IV. p. 162 und neueitene Dombttutt, ſiynchroniſt. Geſch. des 
Rittelalters, Br. II. ©. 119 fi. 





42 Das Anathem 


gangen, ſondern gleich feinen Borfahrern Sergius, Pyrr⸗ 
fus ac. x. mit bem Anatheme belegt worden. Nur drei 
unter den neueren Patriarchen Gonftantinopeló, ben Thomas, 
Johannes und Gonftantin, erimirte fie in der 13. Sigung 
vom Anatheme; daraus folgt, daß fie ſolches aud) über 
Sbeobor, ben fie nicht erimirt, ausſprach. Nachdem aber 
Theodor wierer Patriarch geworden, lag ibm natürlich 
daran, feinen Namen aus den Alten der Synode zu ent- 
fernen, und ba ihm das Original ber Akten zu Gebote 
ftanb !), fo war er aud) im Stande, dieß durchzuführen. 
Gr fand nun feinen Namen neben bem bed Sergius ıc. 
anathematifirtt an vier Stellen: in ben Protofollen ber 
í6ten und 18ten Sitzung, bem λόγος προφφωνητικὸς und 
bem Cdreiben der Synode an Agatho (f. oben ©. 33 f. 

Nr. 35—6). Da es ja nur wenige Worte waren, bie gegen 
Ihm zeugten, fo rabirte er tiefe aus bem Originale heraus, 
und febte ftatt feines Namens den ungefähr ebenfo großen 
unb in ber Uncalfchrift ähnlich auéfebenben des Honorius, 
alo ONRPION ftatt OEOARPON. Er fonnte damit 
zugleih auch feinem Haffe gegen Rom Genüge thun. Aber 
das Anathem über Honorius durfte nicht wie ein Deus ex 
machina in bie Aften hineinfallen, vielmehr mußte zur Bes 
gründung und Einleitung eine Art Unterfuhung vorangeftellt 
werten, und Theodor machte zu dieſem Zwecke die Wiftion: 
in der zwölften Sigung feien die Briefe des Honorius zur 
Prüfung vorgelegt (oerfefem) worden und darauf in ber 
preizehnten die Verurtheilung erfolgt. Dieſe Wiftion (leg 


1) Das Iriginal befand fid) übrigens nit im Patriarchalarchiv, 
fondeen im faiferlidjen Palafte, mie der Diakon und Notar Agatho, 
ber εὖ ſchrieb, verfichert in |. ἐπέλογος bei Combefis ^ hist, Monothel. 
jm Bd, IL feines Auctuarium novum, p. 199. 


über 98. Honorius. 43 


fid) am beiten an das Protokoll ber eilften Elgung ans 
fchließen, denn gegen Ende diefer wurde aus emer Schrift 
veó monotheletiihen Patriarchen Macarius von Antiochien 
eine Etelle verlefen, worin er den verftorbenen Papft 
Honorius für feinen Meinungsgenofien erklärte. Gegen 
dieſe Behauptung proteftirten ficherlich fogleld) bie pápftliden 
?egaten, aber Theodor firid) blefe Proteftation hinweg, 
ſchrieb die Akten ber zwölften und brelgebnten &igung um, 
fügte dem wirklich dabei 9Berfanbelten feine Fiktion bei und 
ſchob bann bie neuen Blätter oder Bogen (Quaterne), ftatt 
ber echten, bie er herausihnitt, in bie €ponobalaften ein, 

So Baronius. Aber außer ben eigentlichen Synodal⸗ 
aften zeugen von bem Anathem über Honorius, wie wir 
wifen, nod) viele andere alte Urfunvden. Auch fie müſſen 
befeitigt werben. Bor Allem gehören hieher vie beiven 
Beftätigungsedifte, das kaiſerliche unb päpftlihe (f. oben 
€. 34 f. Nr. 7 u. 8). Vom erfteren, bem des Kaifers, fagt 
Baronius feine Cilbe; er ſcheint es nicht gefannt zu haben. 
Das be8 Papfted Leo IL dagegen erflärt er für unädht, 
unb ebenfo alle andern von diefer Sache fprechenden Briefe 
Leo's (j. oben ©. 36. Nr. 9 u. 10). 

Aber aud) das Quinisextum vom Sahre 692, das 
fiebente und achte allgemeine Goncil, unb verſchiedene Paͤpſte 
und andere Autoritäten fprehen von dem Anathem über 
Honorius (f. €. 36 f.). — Allerdings, fagt Baronius; aber 
Theodor verübte feinen Betrug fo früfseitig, bag ſchon die 
erften Eremplare der €gnobalaften, welche von Gonftanti 
nopel aus verjd)idt wurden, verfälfcht waren, namentlid) 
aud) das Gremplar, welches tie püpftfiden Legaten nad 
Rom zurüd nahmen. Go hatten denn jene fpätern Eynoden 
und Paͤpſte ꝛc. [anter gefälfchte Alten vor ὦ, unb beu 


4 Des suf 


Detrag midt ahnend, zogen fie απ biefen we Aachricht 
vem Anathem über feneviut. 

Ich geftefje, man fullte glauben, nicht Sarenind, fow- 
Kern ein Sroßmeiſter ver neuen eriticz merdmx Nabe vieje 
Wehr complicirte ut mehr als fülme £ropotlefe eroe, 
rieſes greße uxo ſchwere Θεδάπσε, Bad amt fe ſchwachen 
Buben ſteht. Eden eine Reihe ter umharteten Sefebeten 
fat ferne Grundloſigkeit aufgedeckt, namentlich Gemhehe ἢ), 
Pagi *), Gamier ἢ, Satatid Alerander ἢ, Mamadi 5), 
Wie Ballerimi $, Joferh Cimem HáHéemanmi ἢ, Nalma ®), 
Ehmel ἡ was Anker Bei ver Richtigkeit ver Cade 
mag aber au Wie jeíqenbe Unterfndung nicht 
kberflüffig ir welde das ven ver ifte Gelehrten δεῖ 
gebrachte Miterial παρῦατ verwerten, ταῦ Wichtige unb 
€éagenbe *waveu in gerrängter LEürze aucheben, cie 
Θερεπατάπεε genauer yrücifreu wer taugliche meme Mes 
mente Kinzufügen fel 


1) Coméefs (run. Tumintfıner) Dissert. agelogetica pre Actis 
sextae Synedı p. 66 sq. mr Anhange zu feiner Büstevia Memethelet. 
iz |. Ascfwwimm movum, T. NB. Ginex Auczug duwem gib Dep, 
meevelle Biblistböqme ,„ T. VL p. 67 sqq. 

2) Pagi ad ana. 631, 7 sqq. 683, 1 sque. 

3) Germier, de causa Homorü im Anhange zu ſ. Ausgabe tes 
Kber diursus Bowmsnorem pouf. 1650. 

4) Net. Alexander , historia eccles. Sec. VIL Diss. U Propos. I. 
p. 914 sqq. ed. Venet. 1773. 

9) Memechi, Origmum et antiquitatum T. VI. p. >. 

6) Bellerini, de vi ac ratione Primatus p. 306. 

7) Biblioth. juris orient. T. IV. p. 119 sg. . 

8) Palma, praelectiones hist. eccl. T. IL P. L p. 149. Romae 
1839. 

9) Ckmel , Prof. Prag. Viadiciae concilii occum. sexti. Pragae 
1777. p. 83 sqq. 


über P. Sonortu£. 45 


1) Schon {εὖτ ſchlimm ift es, daß Baronius nicht 
einen einzigen Zeugen aus bem Altertum für ſich anfüh- 
en kann. In feinem einzigen griechifchen Gober der Akten 
des fedjóten Gonciló, in Feiner einzigen der alten Berfionen 
fehlen ble den Donorius betreffenden Stellen, und nicht 
ein Gelehrter, nit ein Gritifer, nidt ein Kichenfürft, 
nicht ein Bertheidiger und Lobrebner des römischen Stuhls 1c. 
fat vor Baronius unb Pighius je nur geahnt, baf bie Aften 
ber fedjóten Synode unb die Briefe Leos IL, alles fammt 
unb ſonders ſchmaͤhlich gefäljcht fet. 

2) Der Grunbftein, anf welchem Baronius aufbaut, 
ift nicht blos morſch, er ift nuc fdeinbar; denn bie Bes 
Dauptung: „die Briefe be& Honorius find burdjaus orthos 
bor, und ed war darım ein Anathem gar nicht möglich,” — 
diefe Grundvorausſetzung ift falſch, und wir haben das 
Richtige hiegegen ſchon oben ©. 38 beigebradit. 

3) Abgefehen davon, meint Baronius weiter, daß nad 
altem Grunbjape prima sedes non judicatur a quoquam !), hätte 
eine ſolche Berurtheilung, zumal eines verftorbenen Bapftes, 
nur das Refultat einer ausführlichen und gründlichen Unter 
fuhung fein müffen. Habe man ja bod), um nur über ben vet» 
ftorbenen Theodor von Mopsveftia das Anathem auszusprechen, 
eine allgemeine Synode (bie fünfte) und auf diefer fet 
umfafjende Verhandlungen für nöthig erachtet. Wie aber 
die Alten des fechöten allg. Concils die Sache varftellen, 
wäre Honorins faft nur en passant verurtheilt: worden, 
nachdem man zuvor nidjtó getban, als feine Briefe ohne 
nähere Prüfung ihres Inhaltes zu verlefen. Sa, das evfte 
Anathem über ihn in ber 13. Gigung fei erfolgt, ſogar 


1) Bol. hierüber meine Conciliengeſch. Bo. I. ©. 119. 


46 ᾿ Das Anathem 


ehe man nur feinen zweiten Brief vorgelegt habe. Ueberdieß 
[εἰ nicht glaublih, daß die römiſchen Legaten ohne alle 
SBiberrebe in ble Berurtheilung eines Papftes mit eingeftimmt 
hätten. Das hätte fidet lange Verhandlungen, wenigftene 
zwiſchen ihnen und bem ἢ. Gtuble nöthig gemadjt, wovon 
nirgends eine Spur. Ueberdieß habe bie Cynobe in ber 
43. Gigung unb in bem Cdrelben an den Papft Agatho, 
ebenfo der Kaifer in feinem Briefe an Leo IL. die Sache 
fo barpeftelít, αἱ feien von der Synode mit Ausnahme 
des Macariud nur jene Männer anathematifirt worden, 
welche [don Papft Agatho in feinem Schreiben ald vers 
dammlich bezeichnet habe, und unter diefen befinde fid) ber 
9Rame Honorius durchaus nicht. Im Gegentheil fage Agatho : 
feine Vorgänger hätten semper ihre Brüder im Glauben 
geftärft und feitbem einige Biſchöfe von Gonftantinepel bie 
Neuerung einführten, niemals verfäumt (numquam 
neglexerunt) fie zu ermahnen !). — Wir antworten barauf: 
a) daß ber in einer falfhen Eynobalafte des J. 303 aus⸗ 
geiprodhene Sag prima sedes etc. im Alterthum durchweg 
Geltung gehabt habe, bebarf gar jehr des Beweiſes. Gibt 
ja bod) felbft Papſt Habrian IL zu, daß Honorins, weil es 
Härefie betraf, von der Synode habe gerichtet werben fünnen. 
Wie man zu Piſa und Gonftany dachte und handelte, durch 
jenen Sag nicht beirrt, ift nicht nöthig zu erörtern. b) Wenn 
Baronius von einer en passant Berurtheilung des Honoriug 
fpricht, fo vergaß er, daß ven öffentlichen Sigungen, deren 
Akten wir haben, gewiß manche Borberatiungen vorans 
gingen. Das Refultat diefer fam dann in bie öffentliche 
Seffion. So wurde fidherlid über das Glaubensdekret, 


— — — — · — 


1) Harduin, T. III. p. 1082 sq. Mensi. T. XL p. 242 sq. 


über 3D. Honorius. 47 


welches in ber 18. Sigung ohne alfe Berathung angenommen 
worden zu fein fcheint, zuvor ffjon mande Verhandlung 
gepflogen, und in Folge davon die Formel, über bie man 
fij geeinigt, im ber öffentlichen Sitzung vorgelegt. Dieß 
war bie Praxis bei gar mancher Synode, befanntlih aud 
beim Trienter Goncil. c) Baronius fat gewiß recht, wenn 
(t behauptet, daß bie päpftlihen Legaten auf bet fechäten 
Eynode ohne Erlaubniß von Rom unmöglih in die Ber 
dammung des Honorius hätten einftimmen fónnen; aber 
daraus, daß die Ctynobalaften hievon nichts melben, folgt 
"it, daß bie Legaten In biefem Punkte wirklich Feine Voll⸗ 
macht gehabt haben. Im Gegentbeil weist auf eine [olde 
Dasjenige hin, was Papſt Hadrian IL da beifügt, wo et 
von der Berurtheilung des Honorius durch die fechöte allg. 
Cynobe fprid)t: quamvis et ibi (bei diefer SSerurtbeilung) 
nec patriarcharum nec celerorum anlislitum cuipiam de eo 
(Honorio) quamlibet fas fuerit proferendi sententiam, nisi 
ejusdem. primae sedis pontificis consensus  praecessissel 
auctorifas. Schon Lupus ſchloß hieraus, taf Agatho feinen 
Legaten, was aud) jebr wahrfheinlih ift, eine geheime 
Inſtruktion in Betreff des Honorius werde mitgegeben 
haben I. Daß fegtete aber gar feinen Verſuch machten, 
ven Honoriuß zu ent(dufbigen, etwa in ber Weife, wie εὖ 
früher SBapft Sobann IV. gethan (f. S.22 [.), geſchah viel» 
lit darum, weil fonft aud die Griechen ihre nod) mehr, 
als Honorius, ſchuldbaren alten Patriarchen ebenfalls vom 
Anathem hätten befreien wollen. Verſuchten fie ja bod 
ſolches wirklich in ter ſechszehnten Gigung. 





1) Pagi ad ann. 681, 8.9. Wald, Ketzerhiſt. 80. IX. 
€. 423, | 


48 Das Anathen 


d) War aber dem alfo, hatte Papft Agatho feinen 
Legaten wirklich Vollmacht gegeben in Betreff des Hono⸗ 
riuó (unb ob fie jolde hatten, mußte man confibentiell 
erfahren haben, bevor man zum feierlihen Anathem 
Schritt), jo ift natürlich, daß bie Synode wiederholt fagte: 
„fie babe nur diejenigen mit bem Anatheme belegt, welche 
bereità von Papft Agatho als verwerflich bezeichnet wor⸗ 
ben. feien.” — Uebrigens felbft auch in bem alle, baf 
fi) Papft Agatho über Honorius gar nicht fperiell ger 
áufert hätte, fonnte man doc fagen, er habe ihn ana- 
thematiſirt, nämlich implicite, indem er alle Urheber unb 
Förderer der Härefie verurtheilte. | 

e) Hiegegen fpridt nidt vie Aeußerung Agathos : 
„ſeine Vorgänger hätten immer bie Brüder in ber Ortho⸗ 
borie beftärkt, und niemalg aufgehört, bie Monotheleten 
qu warnen.” Er bat dieß, legtere& indbejonvere, unmógs 
fid) von Honorius in specie ausfagen weder wollen nod 
fónnen, unb bie Worte semper tnb 'nungdam dürfen 
nidt fo premirt werben, ald ob ausdrücklich aud von 
Honorius ſolches gelte. 

f) Weiterhin ift es keineswegs ſo auffallend, ale 
Baronius meint, daß der Name des abgeſetzten Patriar⸗ 
den Theodor von Gonftantinopel fid) nicht unter ben von 
bet Synode Anathematifirten votfinbet. 

Diejed Anathem erſtreckte fid) ja nominatim nur auf 
die SBerftorbenen unb jene unter ben ebenben, welde aud 
jet nod) der ortfoboren Lehre entſchieden widerſprachen. 
Wer fann aber Qegtereó von Theodor behaupten, von bem 
wir mijjen, daß er bald hernach wieder auf ben Patriarchal⸗ 
ftuhl reftituirt wurde und ein ortboboreó Glaubenóbefennts 
nif ablegte? Sagt ja bod) ber Kaiſer in feinem Schreiben 


über $9. Gonorlus. 49 


an eo IL: Solus cum iis, quibuscum abreptus est, de- 
fecit Macarius 1); alfo nur Macarius von Antiochien und 
feine Genoſſen fielen entfchieden ab. Die Namen bet lebtern 
werben wiederholt angegeben, aud) bei Anaftafius in feiner 
vita Agathonis (Mansi, XL p. 168), worauf fih Baros 
nius gerne beruft; aber Theodors Name findet fid) nicht 
babel. Sie wurden nad Rom gefhidt und bem Bapfte 
zur Beſſerung überliefert,, wie berfelbe Anaftafius fagt; 
und wieberum ift Theodor nicht dabei. Dazu fommt, daß 
ber im Range höhere (ehemalige) Patriarch von Eonftan- 
tinopel wohl ſchwerlich unter die blofen Anhänger des im 
Range nieverern (ehemaligen) Batriarhen von Antiochien 
ohne befonbere Namenshervorhebung wäre jub[umirt worden. 

4) Die Annahme, mehrere Bogen ober Quaternionen 
feien zwiſchen die Protofolle der eilften und vierzehnten 
Cigung einge[djoben worden, ift durch und burd) willführ- 
ih, bloſe Gopie bejfen, was mit ben Aften ber fünften 
allg. Synode gefhah. In biefe waren zwei entiweber ganz 
oder theilweife falſche Briefe des Papftes Vigilius (circ. 550), 
bie ihn als den Monotheleten günftig erfcheinen ließen, 
wohl von legterm eingefchaltet worden 2). Obgleih nun 
bereits 130 Jahre [eit Vigilius verfloffen waren, proteftirten 
ble pápftliden Legaten gerade auf bem fechften Concil ganz 
energifch gegen tiefe zwei Briefe und bewirkten deren Vers 
werfung. Das Gleiche wäre gewiß auf der fiebenten allg. 


1) Mansi, T. XL p. 715. Harduin, T. II. p. 1462. 56 
weiß wohl, daß Baronius auch dieſen Brief beanſtandet; bod) ta; 
von fpäter. 

2) Wir haben barübert im zweiten Bande der Gonciliengefhichte 
&. 832 geſprochen. 


Theol. Quartalſchrift 1857. 1. eit. 4 


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Bert Aev h⸗ marfkehetea Je dice sie Si ’Zumg X x 
vo 944 Ihr gehradit; i20 mol, ne Umm joIXx2le 
ta gv dta Alten uno noíc Rem Xenlet 02 exon 
Vs quet ili tw Mähre anfbınzen, vorigen Jarrs Si ter 
A st sem Anathem belegt werten! 

36 mü'te tof Baronins gejagt kıten, were ibm 
sun ahnlich zugemuthet hätte, zu glaxten, auf ter 


über B. Honortus. 51 


Trienter Synode {εἰ Papft Leo X. mit bem Anathem bes 
legt worden ! 

5) Ganz ebenfo, wie mit bec Alteneinfhlebung 
verhält e& fid mit ten angeblih radirten Stellen. Das 
Eine ift pure Erfindung wie das Andere und nirgends auch 
nur die leifefte Epur eines Beweiſes oder Zeugnifjes das 
für Auch Bier hätte der mündliche Bericht ber Legaten 
ven Betrug aufveden müffen. 

Dazu fommt, daß bie 9tabirung fi nicht blos auf 
ein einziges Wort, wie Baronius die Sade hinftellt, zu 
erfireden gehabt hätte, ſondern auf Gàge. In der 18. 
Cigung heißt εὖ das einemal ἔτε xal τὸν Ὀνώριον τὸν 
γενόμενον πάπαν τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης, im ber andern 
Stelle: καὶ σὺν αὐτοῖς Ὀνώριον τὸν τῆς Ῥώμης γενόμενον 
πρύεδρον, wis ἐκείνοις ἐν τότοις ἀκολδϑήσαντα; und in 
dem SBeftàtigungéebifte des Kaiferd: „er anathematifire 
die Urheber und Gönner ber neuen Härefie ... ἔτι δὲ xol 
Ὀγώριον τὸν τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης πάπαν γενόμενον, 
τὸν κατὰ πάντα TETOIS συναιρέτην καὶ σύνδρομον καὶ 
βεβαιωτὴν τῆς αἱρέσεως.“  Waft die gleihen Worte 
finden fid im dieſem SBeftátigungéfd)reiben nod) einmal 
(.€. 35). Hier war eine Veränderung von OEOARPON 
in ONOPION νοΐ keineswegs genügenb. 

Im Interefje feiner Hypothefe läßt Baronius ten 
Faͤlſcher Theodor um ein Jahr früher ald e8 wirklich ges 
ſchah (682 ftatt 683), auf den Stuhl von Gonftantinopet 
teftituirt werben 1), damit er noch Zeit habe, vor ter Abs 
teife der päpftlichen Legaten feine Radir⸗ und Interpolirs 
fanft zu üben. Iſt diefe Ehronologie unrichtig, und: fie ift 





1) Dieß beweist Pagi ad ann. 682, 7. 
4* 


50 Das Anathem 


Synode aud) in Betreff der von Baronius für unädht ges 
haltenen Stüde geſchehen, denn 4) die Ehre des Papftes 
Honorius war buch fie weit mehr verlegt, ald das 
Andenken des δία! πὸ durch jene zwei Briefe; und 
bennod haben die päpftlihen Legaten auf bem fiebten 
allg. Goncil nicht das geringfte Bedenken dagegen erhoben, 
als das Anathem über Honorius erneuert wurde. Wären 
fie vom hiſtoriſchen Faktum nicht überzeugt gemejen, fo 
hätten fie bie Behauptung: vor hundert Jahren fel fogar 
ein Papft anathematifirt worden, ficher beftritten, ja bes 
ftreiten müffen. 
^. b) Bel Vigilius handelte es fid) nur um zwei Brief- 
den mit je einem falfchen Wort: unam operationem, um 
Briefe, in ber Berne (zu Gonftantinopel) gefchrieben, und 
bod) wußte man zu Rom nod) nad 130 Jahren, fo viele 
verfloffen zwifchen ver fünften unb fechften allg. Synode, 
daß dieſelben gefälfcht feien. Jetzt aber handelte es fid 
um ein ganz anbereó viel beveutenderes Faktum, ob ber 
Papſt mit bem Anatheme feierlich belegt worden fei, und 
darüber fol man in Rom fo bald ſchon ohne richtige Kennt⸗ 
mif gemefen fein? Baronius meint, bie Aftenfälfchung fei 
alsbald nach Beendigung des fechften allg. Goncil8 ges 
ſchehen unb ben römischen Legaten fchon gefälfchte Akten 
mit nadj Haufe gegeben worden. Gewiß, der mündliche 
Bericht der heimgefehrten Legaten hätte die Faͤlſchung al: 
bald ans ijt gebradjt; aber nein, bie Römer glaubten 
den gefälfchten Aften und nicht ben Legaten, und ließen 
ſich gutwillig die Mähre aufbinvden, vorigen Jahre [εἰ bet 
SBapft mit bem Anathem belegt worden! 

Was würde bod) Baronius gejagt haben, wenn ihm 


Semand ähnlich zugemuthet hätte, zu glauben, auf bet .— 


über m. δοποτίιϑ. 51 


Trienter €ynobe fel Papft Leo X. mit tem Anathem De 
legt worben ! 

5) Gan ebenfo, wie mit ver Altenelnſchiebung 
verhält es fid mit ben angeblih radirten Stellen. Das 
Eine ift pure Erfindung wie dad Andere und nirgenbó aud, 
nur bie feifefte Spur eined Beweiſes oder Seugniffeó das 
für. Auch hier hätte der mündliche Bericht der Legaten 
den Betrug aufdecken müfjen. 

Dazu fommt, daß die Rabirung fid nicht blos auf 
ein einziges Wort, wie Baronius die Sache binftelit, zu 
erfiteden gehabt hätte, fondern auf Gáge. In der 18. 
Sigung heißt e8 das einemal &rı xal τὸν Ὀνώριον vov 
γενόμενον πάπαν τῆς πρεςβυτέρας Ῥώμης, in der andern 
Stelle: καὶ σὺν αὐτοῖς Ὀνώριον τὸν τῆς Ῥώμης γενόμενον 
πρόεδρον, ὡς ἐκείνοις ἐν τότοις ἀκολαοϑήσαντα; und in 
bem Beftätigungsedifte des Kaiſers: „er anathematiſire 
die Urheber und Gönner ber neuen Härefie ... ἔτε δὲ xol 
Ὀνώριον τὸν τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης πάπαν γενόμενον, 
τὸν κατὰ πάντα τἄὅτοις συναιρέτην καὶ σύνδρομον καὶ 
βεβαιωτὴν τῆς αἱρέσεως.“ Haft die gleichen Worte 
finden fih in dieſem Beltätigungsfchreiben noch einmal 
(f. Θ. 35). Hier war eine Veränderung von OEOARPON 
in ONOQPION νοΐ feineswegs genügend. 

Im Intereffe feiner Hypothefe läßt Baronius den 
Sälfcher Theodor um ein Jahr früher als ed wirklish ges 
ſchah (682 ftatt 683), auf den Stuhl von Eonftantinopel 
reftituirt werden 1), damit er noch Zeit habe, vor ber Abs 
reife der pápftliden Legaten feine Radirs und Interpolirs 
funft zu üben. Iſt diefe Chronologie unrihtig, und fie iſt 








1) Dieß beweist Pagi ad ann. 682, 7. 
4* 


52 Das Anathem 


e8 nad dem Zengniß ber Ehronographie des Theophanes 
(ad ann. 676 secundum Alexandrinos), wornad) Patriarch 
Georg nad) der fedjften allg. Synode nod) bie ins britte 
Jahr, aljo bis 683 lebte, jo fällt bie Hypothefe des Baro- 
niud von felbft. Die päpftlichen Legaten kehrten ja mit 
ben Akten des Gonciló [don im 3. 682 nad Rom zurüd 
vor bet Reftitution Theodors. Aber felbft wenn die 
Chronologie des Baronius wahr wäre, [o hätte bet 
mündliche Bericht der Legaten bie Fälſchung and Licht 
ziehen müjjen. Ja fogar wenn die Legaten ſämmtlich treulos 
gewejen und zum Betruge geholfen hätten, jo wäre- durdy 
die vielen andern Mitgliever ber Synode, Grieden unb 
Lateiner, bie Kunde ber Wahrheit fider in vie Welt ge» 
brungen. Ober follten fie alle, ungefähr zweihundert, unb 
auch ber trefflihe Kaifer, in ben Betrug miteingeftimmt 
haben, ber ihnen bod) nichts zu nügen vermochte! Die Wahr- 
heit jo lauter Feinde, der δά ες Theodor lauter Freunde 
und Helferöhelfer gefunden haben, nicht nur an allen 
Afiaten, Aegyptern, Griechen 1c, aud) an den anmejenben 
gateinern! — lleberbieg legt Combefis (l..c. p. 145) ein 
Gewicht darauf, bag nod vor ber Vervielfältigung des 
ganzen Aktencomplexes der fechften Synode fünf Gopien 
ihres Glaubensdekretes nod) im Beifein ber Biſchöfe vom 
Kaifer unterzeichnet und ben fünf Patriarchen zugefandt 
worben feien. Dieſe Gopien feiem jevenfalls älter als bie 
Steftitution Theodors, und bod) finde fid auch in hon 
das Anathem über Honorius D. 

1) Sic Argument ift nicht ganz flringent, denn es wäre mig: 
lid), ba bie für Rom beſtimmte Gopie ben Legaten übergeben und 
mit biefen in Gonftantinopel geblieben wäre bis ins Jahr 682, alfo 


bis nad) der Reftitution — (nach der Chronologie des Ba⸗ 
ronius). 


tiber 9B. Honorius. 53 


7) Dem Baronius nodj unbefannt war ber zuerſt 
von Gombefió veröffentlichte ἐπίλογος des conftantinopolis 
tanifhen Notare und Diakons Agatho. Diefer fagt: et 
habe vor ungefähr 32 Jahren ber fechften allg. Synode 
αἰ Sefretär gedient und die Protofolfe, aud) die für bie 
Patriarchen beftimmten fünf Gopien des Glaubenébefreted 
gefhrieben. Was ihn aber jest zur Abfafjung viefer 
Schrift antreibe, Tel bie Wuth, womit der neue Haller 
Philippicus Bardanes die Orthodorie und die fechfte allg. 
Synode verfolge. Derfelbe habe aud befohlen, daß die 
Namen des Eergiud und Honorius und ber llebrigen 
von der fedften allgemeinen Synode 9Inatbe 
matifirten (xal τῶν λοιπῶν σὺν αὐτοῖς ὑπὸ τῆς 
αὐτῆς ἁγίας xol οἰκεμενικῆς συνόδ ἐχβληϑέντων καὶ ἀνα- 
ϑεματισϑέντων) in den Diptychen wieder hergeftellt würs 
bet !)). — Diefer Agatho, der die Protokolle der fedjften 
allg. Synode geführt hat, wird bod) wohl gewußt haben, 
ob fie einen Papft anathematifirte, ober nicht. Sein Bud) 
aber ift lange nad) Theodors Tode εὐ abgefaft, alfo von 
biefem gewiß nicht verfälfcht worden. 

8) Einen Hauptbeweid gegen Baronius liefern die 
Briefe eo'6 II. Er mußte darum aud fie für verfälfcht 
erflären, Wagniß auf Bagni, Luftſchloß auf Luftjchloß 
bauend. Warum er aud) das Schreiben des Kalferd an 
eo beanftanbete ?), ift nicht recht Far. Es ift bod) darin 
von Honorius gar nicht bie 9tebe, unb εὖ fonnte ihn nur 
in fofern geniren, als ber Brief Leo’8 an den fealfet, den | 
er durchaus befeitigen mußte, eine Antwort darauf ift. 
Gegen den Brief 2eo'ó an den Kaiſer aber, deſſen gegen 





1) Combefis, novum auctuar. T. Il. p. 204. Mansi, T. XII. p. 190. 
2) Baron. ad ann. 683, 6. 


52 Das Anathen 


eó nad) dem Zengniß der Chronographie des Theophanes 
(ad ann. 676 secundum Alexandrinos), wornach Patriarch 
Georg πα ber jechften allg. Synode nod) bis ins dritte 
Sahr, alfo bis 683 Iebte, jo fällt bie Hypothefe des Baro» 
nius von felbft. Die päpftlichen Legaten febrten ja mit 
den Alten des Concils fon im I. 682 nad Rom zurüd 
vor ber Reftitution Theodors. Uber felbft wenn bie 
Ehronologie des Baronius wahr wäre, jo hätte bet 
mündliche Bericht ber Legaten die Fälſchung and Licht 
ziehen müfjen. Sa fogar menn bie Legaten ſämmtlich treulos 
geweſen unb zum Betruge geholfen hätten, jo waͤre durch 
bie vielen andern Mitgliever ber Cynobe, Grieden unb 
gateinet, bie Kunde ber Wahrheit fidet im tie Welt ge» 
brungen. Ober follten fie alle, ungefähr zweihundert, unb 
au ber trefflihe Kaifer, in den Betrug miteingeftimmt 
haben, ber ihnen bod) nidjtó zu nügen vermochte! Die Wahr: 
heit foll. lauter Feinde, der Bälfcher Theodor lauter Freunde 
und Helferhelfer gefunden haben, nit nur an allen 
Aftaten, Aegypten, Griechen 1c, aud) an ben anweſenden 
?ateinern! — lleberbieg legt Gombefió (l.c. p. 145) ein 
Gewicht darauf, daß nod vor ber Vervielfältigung bes 
ganzen Aktencomplexes ber fedjften Synode fünf Goplen 
ihres Gíaubenóbefreteó nod) im Beifein ber Bilchöfe vom 
Kaifer unterzeihnet und den fünf Patriarchen zugejandt 
worden feien. Dieje Gopien feien jedenfalls älter als bie 
Reftitution Theodors, und bod finde fid aud) in ihnen 
das Anathem über Honorius !). 

1) Dieß Argument ift nicht ganz flringent, denn es wäre mög- 
lid, daß die für Rom beftimmte Gopie ben Legaten übergeben und 
mit biejen in Gonflantinopel geblieben wäre bis ins Jahr 682, aljo 


bis nad) der Reftitution Theodors (nach der Chronologie des Ba⸗ 
ronius). 





tiber B. Honorius. | 53 


7) Dem Baronius nod) unbefannt war der zuerſt 
von Combefis veröffentlichte ἐπίλογος des conftantinopolis 
tanifhen Notars und Diakons Agatho. Diefer fagt: er 
habe vor ungefähr 32 Jahren bet fechften allg. Synode 
αἰ Sefretär gedient und die Protofolfe, aud) die für bie 
Patriarchen beftimmten fünf Gopien des Gíaubenóbefreteó 
gefhrieben. Was ihn aber jest zur Abfaffung dieſer 
Schrift antreibe, fei bie Wuth, womit ber neue Kaiſer 
Philippicus SSarbaned die Orthodoxie unb bie fedjíte allg. 
Cynobe verfolge. Derfelbe habe aud) befohlen, baf bie 
Namen bed Cergiuó. unb Honoriud und ber llebrigen 
von bet fedften allgemeinen Synode Anathe 
matifirten (καὶ τῶν λοιπῶν σὺν αὐτοῖς ὑπὸ τῆς 
αὐτῆς ἁγίας καὶ οἰκδμενικῆς συνόδε ἐκβληϑέντων καὶ dva- 
ϑεματισϑέντων) in den Diptychen wieder Dergeftellt würs 
ben !). — Diefer Agatho, der die Protokolle ber fechften 
allg. Synode geführt Dat, wird bod wohl gewußt haben, 
ob fie einen PBapft anathematifirte, ober nicht. Sein Bud, 
aber ift lange nad) Theodor Tode erft abgefaßt, al[o von 
biefem gewiß nicht verfälfcht worden. 

8) Einen Hauptbeweis gegen Baronius liefern ' ble 
Briefe Leo's II. Er mußte darum aud) fie für verfälfcht 
erklären, Wagnig auf Bagni, Luftſchloß auf Luftfchloß 
bauend. Warum er aud) das Schreiben des Kaiſers an 
Leo beanftanbete ?), ift nicht recht Mar. Es ift bod) darin 
von Honorius gar nicht bie Rede, und es fonnte ihn nur 
in fofern geniren, ald ber Brief Leo’8 an ben Kaiſer, den 
er durchaus befeitigen mußte, eine Antwort darauf ift. 
Gegen den Brief Leo's an den Kaifer aber, deſſen gegen 


1) Combefis, novum auctuar. T. II. p. 204. Mansi, T. XII. p. 190. 
2) Baron. ad ann. 683, 6, 


54 j Das Anathem 


Honorius zeugende Stelle wir oben ©. 35 mitgetheilt, 
bringt Baronius (683, 13—17) zwei Einwendungen vor. 
a) In einer lateinischen Ueberfegung aus dem griehijchen 
Terte des Briefe ift am Ende bie chronologiſche Note 
beigefügt: datum Nonis Maji indictione X. (= 7. Mai 
682). Im Briefe felbft aber wird gejagt, bie püpfts 
lichen Legaten, bie bei der. Synode gemejen, feien im 
Suli 682 nad Rom zurüdgefommen, Das [εἰ ja offens 
barer Wiverfprud und fofglidy der Brief unädht. — ‚Aber 
viel näher wäre bod) gelegen, in jener chronologiſchen 
Note an einen Schreibfehler zu denfen und indict. XI. ftatt 
X. zu lejen, ober fie gar nicht zu beachten, ba fie nur in 
einer Ueberfegung fteht. 

b) In bemjefben Briefe fei zweitens gefagt: „wir 
anathematifiren den Honorius ... und alle, die in ihrem 
Irrthum geftorben find.” Dieß fei, ruft Baronius από, 
deutlich ein Zeichen ber Fälfhung, denn bag Honorius 
nicht in der refte geftorben, beweife das feierliche Be⸗ 
gräbniß, bad er in Rom erhalten. — Aber Honorius 
ftarb ja, ehe über die theologifche Ctteitfrage endgültig 
entſchieden war; er ftarb als rechtmäßiger Papft, von 
Niemand der. Härefie bezüchtigt, im Gegentheil von feinen 
Zeitgenoffen, zumal in Rom, entjdulbigt unb belobt. 
(ſ. o. S. 22 f.). 

9) Gegen die epistola Leonis II. ad Hispanos (ſ. 
S. 36.) bemerkt Baronius (683, 18): ber Papſt ſage 
darin, archiepiscopi sunt ἃ nobis destinati, um ver 
ſechſten allg. Synode anzuwohnen. Nun aber habe nicht 
Leo, ſondern Agatho die Legaten abgeſchickt, und unter 
dieſen ſei fein Erzbiſchff geweſen. Wir antworten: a) 
nobis ift nicht gu uͤberſezen: ἰῷ für meine Perſon, 


über P. Honorius. 55 


fondern: wir = ber römifde Stuhl. b) Es ift 
unridjtig, daß gar fein Erzbiſchof als Bevollmädhtigter des 
Papfted und des Abendlandes auf der fechften Cynobe 
gemefen fel. Unter den eigentlihen Legaten allerdings 
fand fid) fein folcher, aber aufer ihnen unterzeichneten bie 
Erzbifchöfe Johannes von Theflalonih und Ctepfan von 
Gorinth bie Aften, erfterer als βικάριος und Anyarapıos 
[egterer aíó Anyarog «8 ἀποστολικᾶ ϑρόνα Ῥώμης. Erz 
bifchof SBafiliuó von Gortyna auf Greta aber unterjchrieb 
als Anyarog τῆς cyleg συνόδε τᾶ ἀποστολικὰ ϑρόνα 
τῆς πρεσβυτέρας Ῥώμης ').. Alle tiefe drei Biſchöfe ges 
hörten bem Illyricum orientale, alfo tem Patriarhate Rom 
und damit ber Synodus Romana an, bió auf Leo Iſauri⸗ 
cus ?); unb wenn fie aud) auf ber römischen Synode des 
Jahres 680, welche tem fechften allg. Concil voranging 
und Deputirte für letzteres beftellte, nicht perſoͤnlich er 
fhienen waren, fo fonnten fie doch entweder von dieſer 
Synode oder vom Bapfte in specie Vollmachten erhalten 
haben. Das Erftere fcheint bei Baſilius von Gortyna 
ber Sall gewefen zu fein, daher feine Unterſchrift ληγάτος 
τῆς ovvode, das Leßtere bei ven beiden andern, zumal fie 
ohnedieß beſtaͤndige Vikare des Papftes waren, ber Erz 
biſchof von Theſſalonich feit lange für Illyricum, ber von 
Gorintb für Hellas unb Achaia, feit. Kaifer Suftian I. 


1) Mansi, T. XI. p. 659 sqq. u. 669. Harduin, T. III, p. 1402 
sqq. u. 1426. gl. Combefis, pro Actis VI. Synodi c. 2. € 6. p. 
160. hinter ber historia Monotheletarum unb feine Collatio Acto- 
rum VI. Synodi, ibid. p. 257. Pagi, ad. ann. 683, 10. 

2) Wiltſch, Kirchl. Gtatiftif, Bd. I. ©. 72, 126, 402, 431. 
Assemani, Biblioth. juris orient. T. V. p. 75. 


56 Das Anathem 


diefe Provinzen von Illyricum getrennt hatte ἢ. Der bes 
anftanbete Satz wird ſonach allem Tadel entrüdt, wenn 
wir. nur leſen wollen: archiepiscopi el ' episcopi. 
Will man aber das nit, fo kann man entweder das 
érchi für einen Zuſatz des librarius halten ober anneh⸗ 
men, der Titel archiepiscopus [εἰ bier nicht in bem Einne 
von Metropolit, ſondern in der weitern, befonders früher 
fehr verbreiteten Bedeutung: befonders ehrwürdiger 
Biſchof zu nehmen. Noch jegt unterſcheidet man ja in 
der griechiſchen Kirche febr gut zwiſchen Erzbifhof unb 
Metropolit. Erfteres ift nur Ehrentitel. 

Weiterhin verbädhtigt Baronius (683,22) den Brief 
Leo's ad Hispanos deßhalb, weil in ihm gefagt werbe, ber 
Papſt überfhide den Epaniern einftweilen nur einige &tüde 
ber Aften bed fechften Concils, das Gíaubenóbefret, ben λόγος 
προςφωνητικὸς und das Beftätigungsedift des Kaiſers. 
Das llebrige fel noch nicht ind Lateinifche überfegt. Die 
14. toletanifhe Synode dagegen fage glei darauf: bet 
Papſt habe eine Abfchrift ber gesta synodalia gefhidt. — 
Aber Fonnten denn bie drei Haupturfunden bes fechften 
allg. Concils nicht aud) gesta synodalia genannt werben ? 
Don integra gesta ift ja nicht ble Rebe, obaleih Baros 
nius bie Gade [o darftelt, als habe das Toletanum 
diefen Ausdruck gebraudt 2). 

10) Den Brief Leo's IL an den fpanifchen König 
Ervig endlich bezüchtigt Baronius (ad ann. 683, 20. 21) 
darum der Unächtheit, well er angebe, der Kaifer habe 
in der Sinbictio IX. an Papft Agatho wegen Berufung 

1) Qgl. Petr. de Marca de concordia sacerdotii et imperii, 


lib. V. c. 19, 2. 3. u. c. 29, 11. 
2) Combefie, 1. c. p. 138, Pagi, ad ann. 683, 14. 











über P. Honorius. 57 


der ſechſten allg. Synode geſchrieben. — Nicht an Agatho, 
ſondern an deſſen Vorfahrer Donus ſei ja das kaiſerliche 
Schreiben gerichtet geweſen und εὖ gehöre nicht ver LX., 
jondern VI. Indiction an. — Gdjon Gombefió und Bag 
erwieberten: a) bet chronologiſche Irrthum ſei leicht durch 
einen Schreibfehler zu erflären, b) bie Nennung Agathos 
aber ſtatt Donus ſei nur * fogenarfnted compendium 
historicum, indem Donus, al8 das faiferfide Schreiben ers 
laffen wurde, nicht mehr lebte, und diefes nun an Agatho 
fam unb von ihm beantwortet wurde !). 

11) Affemani wundert (id 5, bag Baronius eine aufs 
fallende Aeußerung des Papftes Nifolaus I nicht für feine 
Hypotheſe verwendet habe. Derſelbe fchreibt nämlih in 
feinem 8. Briefe an den Kaifer Michael II. von Eonftan 
tinopel: „feine (des Kaifers) Vorfahren feien feit langer 
Seit an dem Gifte verſchiedener Häreften franf, und hätten 
Diejenigen, tie ihnen Rettung bringen wollten, entwes 
der zu Theilnehmern ihres Irrthums gemakht, 
wie zur Zeit des Papftes Gonon, oder fie ver 
folgt u 5. 

Auf was Papft Nifolaus Bier anfpiele, meint Affe: 
mani, müjje auf ber von Juftinian IL veranftalteten cens 
Rantinopolitanifhen Synode im 3. 686 gefchehen fein, 
auf welcher Juſtinian im Beifein des päpftlichen Apo⸗ 
krifiars unb vieler Patriarhen und Erzbiſchöfe ꝛc. die 
Driginalprotofolle der fechften allg. Synode verlefen und 
von ihnen fiegeln ließ, damit fie nicht ſollten verfälfcht 


— — — — 


1) Combefis, l. c. p. 154 u. 164. Pagi, ad ann. 683, 13. 
2) Biblioth. juris orient. T. IV. p. 549. T. V. p. 39. 
3) Baron. ad ann. 686, 4. Pagi, ad ann. 686, 7. 


58 Dad Anathem 


werben fónnen !). Bei dieſer Gelegenheit, meint 9ffjes 
mani, hätte wohl ein Betrug, wie ihn Baronius ans 
nimmt, gefpielt werben fónnen, — Allein Baronius faf 
ganz richtig, menn er dieß nicht in feine Hypotheſe herein 
jog, denn eine Aftenfälfhung im Safre 686 war für 
ihn um vier Jahre zu fpät. Er hätte dann zugeben 
müffen, daß bie Achten Akten fdon zuvor, ja [don vier 
Sabre zuvor nad) Rom gefommen feien, b. b. er hätte 
feine eigene Hypotheſe vernichtet. 

12) Was bisher gegen Baronius gefagt wurde, gilt 
theilmeife aud) gegen Boucat ?), der an ber Hypotheſe 
des Erftern eine Modification anbringen zu müfjen glaubte. 
Nah ber eilften Cigung meint er, habe tie €ynobe aufs 
gehört, eine legitima zu fein, und es [ei barum aud) -bie 
Verurtheilung des Honorius nidt durch Spruch einer gils 
tigen allgemeinen Synode erfolgt. Als Beweis führt. er 
an: a) nad) ber eilften Cigung hätten fid) die päpftlichen 
Legaten entfernt, und b) eà habe nad) Beendigung bert 
eilften Cigung einer der päpftlichen 2egaten, 3B. Iohannes 
von Porto, in Gegenwart des Kaifers 1. in ber Sophiens 
fire ein Hochamt nad) lateinifem Ritus zur Dankſa⸗ 
gung für glüdlide Beendigung ber Synode celebrirt. 

Beide Behauptungen find völlig grundlos, denn εὖ ift 
a) faftijd) und ein Blick in die Eynodalaften zeigt ed, daß 
tie päpftlihen Legaten aud) der 12., 13., 14., kurz allen 
18 Cigungen bis zum Schluſſe anwohnten, und in bet 
legten die Akten unterzeichneten. 

b) Was Boucat von tem Hochamte des päpftlichen 


1) Mansi, T. XI. p. 737. Harduin, T. IIl. p. 1478. 
2) Anton Boucat, tractat. de incarnatione, Diss. 4. p. 162, 
Bol. Chmel, 1. c. p. 101. 


über 538. Honorius. | 59 


Legaten Johann jagt, entlehnte er aus ben vitis Pontifi- 
cum von Anaftafius !) ; aber ‚hier wird ausdrücklich gejagt, 
daß die gottesdienftlihe Beier am Oſterfeſte, alfo nicht 
nah ber eilften, fondern mad bet vierzehnten 
Cigung ftatt hatte ?). Daß fie ein Danffeft für glüds 
liche Beendigung ber Synode fein follte, davon weiß Anas 
ftafius feine Eylbe; wohl aber fagt er: um die römijchen 
Legaten zu ehren, habe man ben Ofterfeftgottespienft burd) 
einen von ihnen celebriren lafien. 

13) Einen eigenen aber bod) in bet Hauptfade bet 
Hypotheje des Baronius verwandten Weg fchlug in neuer 
Zeit Damberger ein in feiner ſynchroniſtiſchen Geſchichte 
des Mittelalters, Bd. IL. &. 119 ff. Die erfte ziemlich (Ὁ) 
unverdaͤchtige Hälfte ber Eynodalaften, fagt er, reiht nur 
bis zur Iten Eigung inclusive. Die Aften der fpätern 
Cigungen find gefälfcht. Die Griechen fonntem εὖ nicht 
ertragen, daß eine Menge Patriarchen des ftolgen Conftantis 
nopefó mit bem Anathem belegt werben follten, und haben 
deßhalb, um fozufagen das Gleichgewicht herzuftellen, off eme 
bar ohne Wiffen der pápftliden Legaten (!) in 
bie Anathematismen ber Aften aud) ven Namen des Honos 
rius eingefhoben. Wie die Aften jest vor und liegen, 
zeigen fie von ber 10ten Sigung an überall , bie Schliche 
des byzantinifchen Lügengeifted”, und Damberger muß 
„darüber ftaunen, daß abendländifche Kirchenfchriftfteller, 
und nidt blos Eompendienfchreiber, fonbern eigentliche 
Forſcher bie erwähnten Aften für Acht hinnahmen.” Nur 


— — — .... 


1) In der vita Agathonis, abgedruckt bei Mansi, T. XI. p. 168. 

2) Sm S. 681 fiel Oftern auf ben 14. April; bie eilfte Sikung 
wurde am 20. März, bie vierzehnte am 5. April, bie fünfzehnte am . 
26. April 681 gehalten. 





60 Das Anathem 


Gallifaner, meint er, haben, weil ffe fonft nirgents Ber 
weife für bie angeblihe Euperiorität eines allg. Concils 
über ben Papſt finden fonnten, für die Echtheit dieſes 
„griechiſchen Aktenwuſtes“ gefochten. 

In der weitern Entwicklung ſeiner Anſicht weicht 
Damberger von Baronius ſehr ſtark ab durch die Behaup⸗ 
tungen: a) die echten Akten der ſechsten Synode feien wohl 
nad Rom gejfanbt worden, bie gegenwärtigen aber feien 
ein verfälfchter Auszug aus den echten. b) Die fiebente 
und adte Eynode und bie Päpfte Leo IL und Hadrian II. 
hätten wohl bie Akten des fechsten allg. Concils befobt, 
nämlich die echten, bie ihnen vorlagen; bavon aber, daß 
die fedjéte allg. Eynode über Honorius das Anathem gez 
ſprochen habe, {εἰ ihnen nichts befannt. c) Ja, nirgends 
fel. hievon -gefprodhen worten, bis Michael Eerularius im 
eilften Jahrhundert das Schisma erneuerte. d) Die echten 
Aften feien wohl in Rom zu Grunde gegangen, aber Leo IT. 
und Hadrian II. hätten fie nod) gehabt. 

Die Reihe des Staunend i(t jegt an and. — Die 
fiebente und achte allg. Synode foll nichts von bem Anathem 
über Honorius gewußt haben? Aber im Gíaubené: 
befret der Tten Eynode heißt es: „wir verfünben fofort 
zwei Willen und Wirkungen nad) ber Eigenthümlichfeit ber 
Naturen in Chriftus, gleihwie auch die Πε δίς Eynote in 
Eonftantinopel gelehrt hat, verdammend ben Sergius, 
Honorius, Cyrus 1." (ἀποκηρύξασα Σέργιον, Ὀνώριδὄν, 
Κῦρον x. v. λ.) ). Und tie achte allg. Synode fagt: 
sanclam et universalem sex!am synodum suscipientes ... 
anathematizamus ... Theodorum, qui fuit episcopus Pharan, 


1) Mansi; T. XIII. p. 377, Harduin, T. IV. p. 454. 














über PB. Honorius. ' 61 


el sergium et Pyrrhum ... atque cum eis Honorium Romae, 
una cum Cyro Alexandrino etc. '). | 

Db Papft Leo IL. und Hadrian IL von dem Anathem 
über Honorius etwas ober nichtd wußten, mag jeber, bet 
ihre Aeußerungen ©. 35 ff. gelefen Bat, felber beantworten. 
Gerade fie Tprechen ja am früftigften von ber Anathematis 
frung des Honorius, und lebten viele hundert Jahre vor 
Michael Gerufariud. Wenn Damberger endlich verfichert, 
ko IL und Hadrian IL hätten nod) die echten Alten beó 
jehöten Boncild vor Augen gehabt, fo wird ihm Baronius 
t$ niemals verzeihen, denn alles Bisherige hat uns bes 
lehrt, daß, wenn Leo IL und Habrian IL. die echten Aften 
der jedjéten Synode befaßen, bann nidt mehr der leifefte 
Zweifel gegen das Anathem über Honorius erhoben werben 
kann. — Was aber aus ber Gefdjdjte des Honorins in 
Betreff der Infallibilität des Papftes refultire, das zu er: 
örtern liegt nicht im unferer Aufgabe und wir begnügen 
und mit ber SBemerfung, daß die Animadversiones, weldje 
der Kirchengeſchichte des Natalis Alerander beigegeben wurs 
tn, um bleg Werf wieder aud dem Inder zu befreien, im 
Intereffe der Infallibilität nadjumeifen ſuchten: Honorii 
epistolae, ob quas haeresis fuit accusatus, privatae fuerunt, 
non dogmaticae ?). 


Hefele. 


1) Mansi, T. XVI. p. 181. Harduin, T. V. p. 914. 
2) Natal. Alex. l. c. p. 526. 


2. 


Die rechtlichen Wirkungen der Greommunication. 
(Schluß.) 
85. 
Unfaͤhigkeit que Erlangung von Beneſieien. 


Wie ſchon eine gewöhnliche Geſellſchaft, die ſich zu 
irgend einem Zwecke conſtituirte, alle Regeln der Geredytig 
feit und Klugheit im directeſter Weiſe verlegen wütbe, 
falls ſie einen aus ver Genoſſenſchaft wegen Nichtbeachtung 
ihrer Statuten unb Beeinträchtigung ihrer Zwecke foͤrmlich 
Ausgeſtoßenen nachher mit einem Amte innerhalb derſelben 
betrauen wollte, ſo kann auch die Kirche, dieſe große und 
heilige Genoſſenſchaft, einen Excommunicirten zu ihren 
Aemtern und Beneficien unmöglich zulaſſen: ſie würde da⸗ 
dutch die urfprüngliche Strafe nicht nur (n ihren Wirkungen 
größtentheild {εἰ wieder aufheben, fonberm auch bem 
SBetreffenben einen Wirfungsfreis eröffnen, ven ev gar leicht 
zum Nachtheile ber Gejammtfeit benügen fünnte, bavon 
ganz abgefehen, daß den Gläubigen gegenüber in ber Bes 
vorzugung eines Golden sine große lingeredjtigfeit, eine 
beleibigenbe Hintanfegung liegen würde. Außerdem tft nicht 
in Abrede zu ziehen, daß bie Kirche durch Lebertragung 
eines Beneficiums mit dem Ercommunicirten in audgezeichs 


Die Wirkungen ber Greommunication. 63 


neter SBeife fih in Verkehr fegen 1) und dadurch wieber- 
um viele ihrer Mitglieder unmittelbar veranlafien würde, 
mit jenem (n verbotenen Umgang zu treten. Endlich fiegt 
im Begriff und 9Befen beó Beneficiums, daß εὖ ertheilt 
wird wegen des Officiums und baf Derjenige, bet 
fih im SBefige beffelben befindet, ble mit ihm verbundenen 
Sunctionen gewifjenhaft verrichte 2): nun aber find bem 
Ercommunicirten alle kirchlichen Functionen unterfagt, er 
kann mithin eine Pfründe, eben weil fie nut. wegen des 
Officiums verliehen wird, rechtlich nicht erwerben 3). — In 
Erwägung der angeführten Berhältniffe hat vie Geſetz⸗ 
gebung ausdrücklich beftimmt, daß ein Ercommunichter zur 
Erlangung von Beneficien abfolut unfähig 
[εἰ8). Wird ihm eine Pfründe übertragen, fo ift vie 
Gollation ipso facto 5) ungültig, die Etelle bleibt nad) wie 


—— — ap mua c — 


1) Sieg führen die Gefege, welche die Verleihung von SBeneficien 
an Grcommunicitte unterfagen, ausdrüdlih als Motiv an. c. 7X 
de clerico excomm. minist. 5. 27. - E: 

2) ,Beneficium datur propter officium.* «c. 15 de rescript. VI. 
1. 3. Cfr. c. 16 X de praebend. 3. 5. 

3) Auch diefer Gefid)tepunft wird won ben Gefepen fpeciell her: 
vorgehoben. c. ultim. X h. t. 5. 27. 

4) c. 7 X h. t. 5. 27: „Consultationi vestrae taliter ΠΕ 
quod, cum excommunicatis communicari non debeat, clericis, ex- 
communicationis vinculo innodatis, ecclesiastica beneficia conferri 
non possunt, nec illi valent ea retinere licite, nisi forsitan cum eis 
fuerit misericorditer dispensatum: quum ea mon fuerint canonicé 
consequuti.“ 

9) c. 1 de rescript. VI. 1. 3: — jure rescriptum, vel pro- 
cessus, per ipsum habitus, non valeat, si ab excommunicalo super 
alio, quam excommunicationis vel appellationis articulo, fuerit im- 
petratum,^ Da hienach jedes Nefeript, das an einen Grcommunicirten 
gerichtet wird unb fid) nicht auf bie Ercommunication oder Appellation 
bezieht, ipso facto ungültig ijt, fo folgt, daß aud) bie ihm zugeftellte 


64 Die Wirkungen der Ercommuntcatton. 


vor erledigt, er felbft erwirbt auf fie nicht das geringfte 
9tedjt und hat fie unverweilt zurüdzugeben. Die etwaige 
Abfolution fanu den fdon in feinem Urfprunge ungültigen 
Act nicht revalidicen !), es ift zum wirklichen Erwerb ber 
Pfründe eine neue Gollation oder wenigftens eine Dispens 3) 
nothwendig, die bie Stelle ber Gollation vertritt und ihr 
rechtlich gleichfommt. Alle Handlungen, die ein Ercommuni- 
cirter vermöge feines widerrechtlih erlangten SBeneficiumeé 
vornimmt, find wegen mangelnder Jurisviction null unb 
nichtig, — mit alleiniger Ausnahme des Falles, in welchem 
wegen eined allgemeinen Irrthums der Gemeinde tie Kirche 
vie fehlende Gerichtsbarkeit fupplirt und baburd) der be: 
treffenden Handlung gefeglide Gültigkeit verleiht 9). 

Diefe Grundfäge fommen bel allen Beneficien 
ohne Unterſchied zur Anwendung und ble Ercommu- 
nieirten find von allen unbedingt ausgeſchloſſen, mögen 
có nun beneficia curata oder simplicia, minora ober majora, 
secularia ober regularia fein, denn die Gefege beblenen fid) 
ganz allgemeiner Ausdrücke und fpreden, ohne irgend eine 
Ausnahme zu ftatuiren oder aud) nur anjubeuten, ben 
Grunbjag aus, daß ble Gxcommunicirten von ben Benes- 
Εἰ εἰ εἰ fernzuhalten feien: ba nun das Gejeg feine Unters 
ſcheidung madjt, fo find aud) wir nicht beredtigt, eine 
folche jugulaffen ). Ja nicht bloß die eigentlichen Pfruͤnden, 


Gollationdurfunbe und damit bie Gollation fefbft ipso facto jeder 
rechtlichen Wirfung ermangele. 

1) c. 18 de regul. jur. VI. 5. 12: „Non firmatur tractu temporis, 
quod de jure ab initio non subsistit." 

2) c. 7 cit. X de cleric. excomm. minist. 5. 27. 

3) L. 3 Dig. de offic. praetor. 1. 14. 

4) Glossa in c. 32 X de verb, significat, 5. 40. verb. bene- 
ficiorum. 


Die Wirkungen der Ercommuntcation. 65 


die ſelbſtſtaͤndig für fid) beftehen unb mit feftbeftimmten 
Einkünften bleibend übertragen werben, fallen in Sinne 
bed Gejeged unter den Begriff ber beneficia, vielmehr ge- 
hören zu benjelben aud) jene Dignitäten und Aemter, mit 
melden vorherrſchend Jurisdictionsrechte verbunden find unb 
regelmäßig nur in interimiftifcher Weife verliehen werben, 
wie bie Würde ber Legaten, der Apminiftratoren der Diö- 
cefen !), der 9Bifitatoren, ber judices delegati etc. Es ver: 
ftebt fid von felbft, bag aud) diefe an Ercommunicirte nicht 
vergeben werben fónnen, denn einerjeits find fie wichtigere 
und einflußreichere Stellen al& bie gewöhnlichen Pfrünven, 
anbererjeitd erfordern fie bie Ausübung der Syurióbiction, 
von welcher, wie wir fogleich zeigen werben, die Gebannten 


ebenfalls auégejdjofjen find. Selbft die Commenden .° 


machen feine Ausnahme, denn audj fie werden vom Ge: 
e unter bem Gefichtspunfte ber Beneficien aufgefaßt 2). 
Bas endlich die kirchlichen Penſionen betrifft, fo find 
jear mit benjelben feine befondern Functionen verbunden, 
aber ihre Verleihung jchließt jedenfalls eine große Gunft- 
begengung in fid, die angewiefenen Einkünfte fließen aus 
bem firdenvermógen und zwiſchen bem Verleiher unb 
Empfänger findet eine communicatio ftatt. Deßhalb glauben 
wir denjenigen Ganoniften beiftimmen zu müjjen, melde 
bie SBenflonen den Beneficien gleichftellen und barau bie 
Bolgerung ableiten, bag die Handlung, mittelft welcher 
einem Excommunicirten eine Penfion zugewiejen wird, ipso 
jure ungültig [εἰ 5). — Aus der erwähnten allgemeinen 


1) c. 42 de elect. VI. 1. 6; c. 4 de supplenda neglig. praelat. 
VL 1. 8. ) 

2) c. 15 de elect. VI. 1. 6. 

3) Suares. 1. c. Disput. XIII. sect. 1. n. 9. 


Theol. Quartal (drift. 1857. l. $eft. 5 


66 Die Wirkungen der Greommunicatton. 


Redeweiſe ver Gefege, daß Firchliche SBeneficien an Ercommu- 
nicirte nicht vergeben werden dürfen, ergibt fid) ferner, 
daß das Verbot auf alle Arten von Pfründever- 
leihung fid bezieht. Es ift alfo nicht Bloß ble gewöhn⸗ 
fide Collatio libera des Biſchofs null und nidtig, ſondern 
aud die firdfide Wahl, wenn fie auf einen Exrcommus 
nicirten gefallen ift ἢ): vie Wähler verlieren für dieſesmal, 
wenn fie um bie Ercommunication wußten, ihr Wahlrecht 
unb unterliegen einer breijährigen Suspensio a beneficio 2). 
Dasfelbe gilt von ber Boftulation?), — nur mit bem 
Unterfchieve, daß bie legtgenannte Strafe der Suspenſion 
nicht eintritt, fonberm bie Betreffenven bloß mit bem Ver⸗ 
[ufte des Poftulationsrechtes zu büßen haben *). Wie bie 
Wahl unb Poftulation, fo ift aud) ble Präfentation 
ein integrirendes Moment bel SBefegung eines SBeneficiume, 
fie muß mithin unter bemfelben Geftdjtépunfte aufgefaßt 
werben, b. B. fie ift, wenn ein Greommunicirter präfentirt 
wurde, ipso facto ungültig 9. Hatte ber Patron von ber 
Eenfur des Präfentirten Feine*Kenntniß, wofür ihm 
übrigens ber Beweis obliegt, fo erhält er eine neue Frift 9), 


' 1) c. 8 X de consuetud. 1, 4; c. ult. X de clerico excommun. 
minist. 5. 27; Glossa in c. 23 X de appellat. 2. 28. verb. excom- 
snunicationis. 

2) c. 7$. 3X de elect. 1. 6: Clerici sane, qui contra formam 
istam quenquam elegerint, et eligendi tunc potestate privatos, et ab 
ecclesiasticis beneficiis triennio noverint se suspensos.^ — Wer zu 
feiner Entfchuldigung geltend macht, er habe um bie Greommunication 
des Gemwählten nichts gewußt, hat für feine Behauptung den Beweis 
zu führen. c. 20 X de elect. 1. 6. 

3) c. 1 X de postulat. 1. 5. 

4) c. 2X h, t. 1. 5. 

5) Covarruvias, Alma Mater, I. $. VII. n. 1. Barbosa, De offic. 
et potest. Episcopi. P. IH. Allegat. 72. n. 96. 

6) c. 26 de elect. VI. 1. 6. . 


Die Wirkungen der Creommunicatton. 67 


um einen Andern vorzufchlagen unb wenn innerhalb bete 
jelben der zuerft Präfentirte die Abjolution erlangte, aljo: 
zum Ermwerbe eines Beneficiums wieder fähig geworben ift, 
jo kann er aufs Neue präfentirt werden. War dagegen 
die Unfähigkeit des Präfentirten bem Patrone befannt 
und handelte er babel in böslicher Abſicht, fo verliert ber 
geiftliche Patron für biefeómal fein Präfentationsredht 
und ed tritt bie Collatio libera des Biſchofs ein ); ber 
!aienpatron faun einen Andern präfentiren, fofange bie 
urſpruͤngliche Friſt noch nicht abgelaufen ift 5. Endlich 
mangelt die Reſignation, mede zu Gunften eines 
Crcommunicirten vorgenommen wurbe, unb der Bfründes 
taufch, bei bem ein Ercommunicirter betheiligt ift, jeder 
tehtlihen Gültigkeit, denn vie Nefignation 5) wie ber 
Tanfch *) Schließen einen wirklichen Erwerb des Bene- 
fiiumé in fi, müflen alfo für einen Grcommunicirten 
wirkungslos fein. — Wie das in Stebe ftefenbe Verbot 
auf alle Beneficten und alle Arten der Golfation Ans 
wendung findet, fo erftredt es fij aud auf alle Er- 
commmnicirte ohne Unterſchied. (ὁ ift daher 
völlig gleichgültig, ob die Excommunicatio latae ober feren- 
dae sententiae vorliege, ob fie öffentlich befannt ober ge- 
helm 5) fei, denn bie Gefete reben auch, in dieſer Beziehung- 


— 





1) c. 18 de elect. VI. 1. 6. 

2) Arg. c. 4 X de offic. jud. ordin. 1. 31. Vgl. Richter, 
Kirchenrecht. 6 143. not. 8. 

3) Regul. Cancellar. XLV: De consensu in Resignationibus. 

4) c. unic. de rerum permutat. VI. 3. 10. 

9) Die Gollation ift jelbft bann ungültig, wenn ber Betreffende 
Wt Zeit, als ihm das Beneficium übertragen murbe, von ber, Excom⸗ 
munication, in bet et fid) befand, gar feine Kenntnig hatte, denn die 
mit bem Kirchenbanne als [01 ὦ em unmittelbar eintvetenbe Unfähig- 


5% 


68 Die Wirkungen der Creommuntcation. 


ganz allgemein und fnüpfen die Unfähigkeit zar Erlangung 
von Pfründen einfah an das Factum ber Ercommunt- 
cation, ohne über bie Art ber letztern irgend eine Bes 
merkung beizufügen. Die Ertravagante Ad vitanda fann 
auf biefe Verhaͤltniſſe Feinerlei Einfluß üben, weil jede 
Pfründeverleifung eine Gunftbezeugung gegen ben 
Empfänger in (id fchließt und ald Gnade aufzufaſſen 
iſt ). — Daraus ergibt fi als nothwendige Eonfequenz, 
ba felbft ein Excommunicatus occultus, wenn ihm, fei ἐδ 
. butdj freie Gollation, burd) Wahl oder SBrájentation, ein 
SBeneficium verliehen werden will, dafjelbe nicht annehmen 
fann, fonber im Gewiſſen verpflichtet ift, e zurückzuweiſen. 
Bei Entſcheidung der Frage, ob er in einem folhen Falle, 
um die Nichtannahme zu motiviren, ble bisher geheim ge- 
bliebene Ercommuncation befannt zu geben habe, ober (te 
verfchweigen dürfe, fommt es auf ble jeweiligen Verhaͤlt⸗ 
nifje an. Kann er für bie Nichtannahme irgend einen 
andern Grund namhaft machen und dieſelbe, ohne bie 
Wahrheit zu verlegen, in anderer Weiſe motiviren, fo ift 
er nidi verpflichtet, feine Ercommunication zu entbeden. 
Stehen ihm die genannten Mittel nicht zw Gebote unb 
braudjt er aus ber 3Befanntmadjung feinen erheblichen Nach⸗ 
theil zu befürchten, jo ift ble Ercommunication als das 
eigentlihe Hinderniß anzugeben. Würben ihm aber aus 
berjelben, falls fie zur öffentlihen Fenntniß gelangte, Ins 
famie, gerichtliche Verfolgungen oder andere große Nach⸗ 


keit zum Pfeündeerwerb kann duch bie ignorentia facti nidjt ge: 
‚hoben unb einer an fid) ungültigen Handlung feine rechtliche Gültig: 
feit verliehen werben. Covarruvias, l. c. n. 3. Avila, De Censur. - 
P. 11. c. VI. disp. 5. dub. 2. 

1) Fagnani, Comment. ad c. 8 X de constit. 1, 2. n. 9. 


* Die Wirkungen der Grecommunication. 69 


theile erwachjen, fo fann er, um ihnen zu enfgeben, das 
bargebotene Beneficium annehmen, muß jedoch fobalb als 
möglich vie Abfolution nadjfuden und bis zur Erlangung 
berfelben des Bezugs ber Pfründeeinfünfte fid) enthalten, 
benn erft mit ber Abſolution geht das Beneficium jn feinen 
eigentlichen 3Beftg über, — Dem Gefagten fügen wir nod) 
die allgemeine Bemerfung bei, daß ble Ercommunication 
nur bann zum Pfründeerwerb unfähig mache, wenn fie in 
schtsfräftiger Weije verhängt wurbe; war dagegen 
bie Centeng ſchon in ihrem Urfprunge aus irgend einem 
Grunde ungültig, jo äußert fie überhaupt Feine rechtlichen 
Wirkungen, mithin ift bie unter fofden Umftänven ertheilte 
Gollation an fid) vollfommen gültig und ber Setrejfenbe 
kann, ſobald bie Nichtigfeit ber Sentenz gerichtlich audges 
ſprochen ift, das übertragene Beneficium unmittelbar und 
ohne Weiteres antreten 1). 

Wenn eine Pfrünvde wiffentlich einem Ercommunis 
drten übertragen wird, jo macht fid) jowohl ber Verleiher 
als ber Empfänger einer ſchweren Sünde [dulbig, denn 
in einer folden Handlung liegt beiverfeitd eine communicatio 
in sacris, có wird in einem ber wichtigften Punkte das 
Wohl der Kirche leichtfertig bei Seite gefeht und bie Ge 
rechtigfeit gegen Andere, die des Erwerbes fähig und würdig 
find, in einer Weiſe verlegt, die fi nie rechtfertigen läßt. 
Eine befonbete Strafe aber ift für ven Empfänger vom 
Geſetze nicht ausgeſprochen, denn dieſe liegt bereits darin, 
baf das SBeneficium nicht in feinen Befig übergeht, jondern 
wieder zurüdgegeben werben mug; dem Verleiher dagegen 
fol von feinem kirchlichen Vorgefegten auf eine beftimmte 


1) Covarruvias, 1. c, n. 5. 


70 Die Wirkungen der Crecommunication, 


Zeitdauer das Eollationsredht entzogen werben!). 
— Da jeve Verleihung, die auf einen Ercommunicirten - 
lautet, ipso facto nichtig ift, fo bebarf berfefbe nad er» 
[angter Abfolution zum wirklichen Erwerb des Beneficiums 
entweder einer neuen Golfation oder wenigftens einer Dis⸗ 
pens ἢ. Die legtere vertritt ble Stelle der neuen Gol, 
lation und fteht ihr rechtlich gleich, daher kann fte nur von 
demjenigen kirchlichen Obern ausgehen, welchem das eigent- 
fide Golfationéredgt über die Pfründe, um vie es fid) 
handelt, zufommt: bei päpftlicden SBeueficlen und foldjen, 
ble durch Wahl befept werben‘, vispenfirt alfo ber Bapft, 
bei den gewöhnlichen Pfrünven bet Diöcefe, mögen fte nun 
liberae collationis fein ober dem ‘Batronate unterliegen, — 
bet SBifdof. Sollte bemfelben in ber oben erwähnten 
Weiſe das Golfatlonóredjt temporär entzogen worben fein, 
fo ertheilt fein unmittelbarer Vorgeſetzter die erforderliche 
Dispend. — 

Neben dem bisher befprodyenen Falle, in welchem 
Derjenige, bem das Beneficium verliehen wird, bereits 
. excommunicirt ift, läßt fi, namentlich bei folchen Ueber⸗ 
tragungen, bie auf Abweſende lauten, nod) ein anderes 
Verhaͤltniß benfen, wornach bie Golfatlon vor bem Eins 
tritte des Kirchenbannes erfolgte und hier fragt es fi, ob 
ber Providirte, bet in ber Zwifchenzeit der Ercoms 
munication verfiel, nunmehr die übertragene Pfründe 
annehmen fönne unb (id durch diefe Annahme wirflid 


1) c. 7 X de cleric. excomm. minist. 5. 27: ,llli vero, qui 
scienter illa beneficia talibus contulerunt, tamdiu deben! a beneflciorum 
collatione suspendi, donec super boc veniam consequi mereantur, 
ut puniantur in hoc, in quo delinquere praesumpserunt.* 

2) c. 7 cit. 


Die Wirkungen bet Grcommunicatton, 71 


in ben Befitz berfelben fege? Die gewöhnliche 9Inttvort 
lautet dahin, daß eine folde Annahme gültig. fel unb 
ben vollftändigen Beſitz des Beneficiums zur Folge Habe, 
benn ber eigentliche Erwerb liege ausſchließlich in ber Gols 
[ation, — die Annahme ber letern von Geiten bes 
Beneficiaten begründe Fein neues Recht, fie enthalte eine 
bloße Zuftimmung zu bem bereit beftebenben Rechtes 
verhältniffe und barum fónne fie aud) von einem Ercom- 
municirten gültig gegeben werben: blefer fel ja bloß vom 
Pfründeermwerb ausgefchloffen unb um einen foldjen Handle 
t$ fid) im vorliegenden alle nidt 5. Allein wenn wir 
bie rechtliche SBebeutung näher erwägen, welche bie Firchliche 
Geſetzgebung der Annahme einer bereits ver 
liebenen Pfründe beilegt, fo fónnen wir dieſer Meis 
nung unjere Suftimmung nicht geben. Das c. 17 de prae- 
bend. VI. 3. 4. fagt auétrüd(id) 9, daß, wenn bet Bir 
hof einem Abwejenden ein Beneficium verleihe, dieſes 
durch die bloße Collation noch nicht in den eigentlichen und 
vollen Beſitz des Providirten übergehe, vielmehr ſei das 
Letztere erft dann der Fall, wenn er ſeinerſeits ſpeciell zu⸗ 
geſtimmt und das Dargebotene förmlich acceptirt habe. 


1) Covarruvias, l. c. n. 4. „Admonendum est, omnia, quae 
superius diximus, vera esse, quoties agitur de adquisitione juris et 
tituli ad beneficium ecclesiasticum : quasi secus sit, ubi tractetur de 
beneficii acceptatione, quae potius ad factum, quam ad jue pertinet, 
aique ita non de beneficio adquirendo agitur, sed de jam adquisiti 
acceptatione.* 

2) ,Si tibi absenti per tuum episcopum conferatur beneficium, 
licet per collationem hujusmodi, donec eam ratam habueris, jus in 
ipso beneficio, ut tuum dici valeat, non adquiras; ipse tamen epis- 
copus vel quicumque alius de ipso beneficio, nisi consentire recuses, 
in personam alterius ordinare nequibit.* 


| "2 Die Wirkungen der Gxcommuntcatton. 


Es ift alfo die Annahme fein blos formeller Act, ſondern 
fie hat wirklich eine rechtliche Bedeutung und gehört ebens 
fo wejentlid zum Erwerb ber Pfründe wie die Golfation : 
erft beide Momente zufammen begründen ben vollen 
Beſitz. Demgemäß dürfte die vorliegende Frage nad) folgen⸗ 
ben Gefidtépunften zu betrachten fein. a. Da ber Excom⸗ 
municirte vom Erwerb ber Beneficien ausgeſchloſſen ift, 
fo fann er bie Gollation, bie vor bem Eintritte des Baunes 
ertheilt vourbe, in rechtöfräftiger Weife nicht acceptiren und 
wenn er ed dennoch tbut, To ift bie Handlung null und 
nichtig, das Recht, welches er in Folge ber, Golfation 
erworben hatte, wird durch jene Annahme nit vers 
mehrt und er gelangt Feineswegs in ven vollen Beſitz 
der Pfruͤnde. Diefer Umftand mag in einzelnen Fällen 
von großer practifcher Bedeutung fein: hat 4. B. ein Ex⸗ 
communichtter in der angegebenen Weife ein ihm barges 
botenes Beneficium acceptirt und ftirbt er, ohne ble Abfos 
Iution erhalten zu haben, fo war er nie ber eigentliche Ins 
haber und ebenveßhalb tritt durch feinen Tod feine neue 
Erlevigung ber Stelle ein, vielmehr dauert ble urfprimgliche 
Vacatur nod) fort und wenn ble Pfründe von Zweien ober 
Mehreren abwechſelnd vergeben wird, fo geht für viefes- 
mal das Befegungsrecht nicht auf ben nachfolgenden Colla⸗ 
tor über, fonbern ber biäherige fanm eine andere Verleihung 
vornehmen. b. Die urfprünglide Gollation war, ba fie vor 
Eintritt ded Banned erfolgte, am fid) vollfommen gültig 
unb bleibt auch nod) nachher zu Recht beftehen: deßhalb 
fann fie der Gollator, bis ber Ercommunicirte bie Nichts 
annahme erklärt hat, keineswegs zurücknehmen und bie 
Pfründe feinem Anvern übertragen 1), denn das 9tedjt, das 


1) c. 17 cit, de praebend. VI. 8, 4: „Ipse episcopus vel qui- 


Die Wirkungen der Greommunitcation, 43 


ber Crftere burd ble Verleihung erwarb, geht ibm durch 
bie nadjfolgenbe Ercommunication nicht unmittelbar vers 
Iören. c. Hat der Grcommunicirte die Abfolution erlangt, 
fo fann er gültig acceptiren und ohne neue Collation ober 
Dispens aldbald in ben rechtlichen Beſitz des Beneficiums 
eintreten. d. War ihm aber für die Annahme eine bes 
ſtimmte Zeitfrift feftgefegt und Bat er fi während ber, 
felben von ber Excommunication nicht befreit, (o geht er 
mad Ablauf ber Frift des duch die Gollation erworbenen 
Rechtes verluftig und der Gollator fann ble Pfründe uns 
gehindert einem Andern übertragen !). 

Wenn bem Bisherigen zufolge die Ercommunication 
ju jebem Erwerb von SBeneficien unfähig macht, fo bringt fte bei 
denjenigen Pfründen, bie ver Ercommuntcirte don vorher ers 
worben und fid) im rechtmäßigen und ungeftörten Beſitz berjelben 
befunden hatte, ganz andere Wirfungen hervor: fie gehen 
für ihn burd) ben Eintritt des Kirchenbannes nicht vers 
loren und werben nicht erlebigt, ſon dern er bleibt nad 
wie vor bet eigentlide Inhaberund trittnad 
erlangter Abfolution wieder in den unge 
\hmälerten Genuß berfelben. Zwar fam zur 
direeten Begründung dieſes Satzes feine auóbrüdlide Ges 
fegesftelle nahmhaft gemacht werben, aber auf indirecte 
Weife läßt fid) vollftántig bartbun, daß er im Geifte und 
in der Intention des canonifchen Rechtes gelegen fei und 


cumque alius de ipso beneficio, nisi consentire recuses, in personam 
alterius ordinare nequibit. Quodsi fecerit, ejus ordinatio, facta de 
beneficio non libero, viribus non subsistet.* 

1) c. 17 cit.: ,Sed si episcopus, notificata tibi collatione, ad 
consehtiendum terminum competentem adsignet, nisi. consenseris, 


poteri, eo lapso, beneficium libere, cui viderit expedire, conferre.* 


74 Die Wirkungen der Greommunication, 


von ihm überall voransgefeht werde. Auf der einen 
Seite gilt als unbeftrittener Grunbfag, daß die Beneficien 
für ihren Inhaber ipso facto nur im benjenigen Fällen 
verloren gehen, in melden das Gefeh dieß aushrüdlich vor» 
fchreibt 5: zu dieſen Bällen gehört aber ble Ercommuni⸗ 
cation nit, denn es findet fid feine Stelle, vie ben 
Berluft des SBeneficiumó an fie fnüpfen würde. Auf ber 
andern Seite enthält die Geje&gebung wiederholt bie 
Beſtimmung, daß Suspendirte ?) und Greommunicirte 3), 
wenn fie längere Zeit 3) in ihrer Hartnädigfeit verharren 
unb bie Abfolution nicht nadfuden, Ihrer Seneficien 
beraubt werden follen, woraus offenbar folgt, daß 
bet wirkliche Verluft ber Pfründe in bem Augenblide, in 
welchem biefe Strafen verhängt wurben, nodj nicht uns 
mittelbar und ipso facto eingetreten war. Der Grund, 
warum ble Grcommunication ben Pfründeverluft nicht nad 
fd zieht, ift ohne Zweifel in bem Umſtande zu fuchen, 
baf tiefe Genfur, obwohl die ſchwerſte von allen, dennoch 
wohlerworbene Eigenthumsrehte und ben bes 
teità beftebenben Sefigftanb aud In andern Bes 
ziehungen immer unberührt läßt; außerdem betrachtet bie 
Kirche den Zuftand, in melden bie Greommunication vers 
fest, nur als einen vorübergebenben und deßhalb mag 
e$ ihr als zu hart erfdjlenen fein, eine fo ſchwere Strafe, 
wie die förmlihe Beraubung des SBeneficiumó , um feinet- 


1) Reiffenstuel, Jus. can. L. III. tit. 5. €. 12. n. 342. 

2) c. 8. X. de aetate et qualit. 1. 14. . 

3) c. 36. C. XL. q. 3; c. 7. de baeretic. VI. 5. 2. Cfr. Fegnani 
Comment. in c. 1. de schismat. 5. 8. n. 92, 

4) Bei der Greonumunication. kann gewöhnli nad) Ablauf 

eines Jahres, die Privatio beneficii ausgefprochen werden. — Alterius 1. 

c. p. 223 seqq. 





Die Wirkungen der Grcommunicatton. 75 


willen unmittelbar eintreten zu laffen. Exft wenn eine wirk 
fie Hartnädigfeit fid) geltend macht, ber Stand ter Excom⸗ 
munication durch bie eigene Schuld des Betreffenben fid) vers 
längert und bie Hoffnung auf baldige Ausföhnung mit ber 
Kirche immer mehr ſchwindet, foll vie Privatio beneficii 
endlich Platz greifen. — | 

Hienach ift als oberfter Grundſatz feftzuhalten, baf 
br Gebannte an fidj im rechtlichen Befige feiner Pfründe 
verbleibe: aber in feinem Verhältnifie zu berfelben. und in 
ber Art und Weife, wie er nunmehr Gebraud von ihr 
machen darf, tritt bennod) eine wefentlihe Aenderung ein. 
Da tie Greommunication von der Vornahme aller Firch- 
lihen Functionen ausſchließt und das SSenificium nur 
wegen des Officiums verliehen wird; ba es ferner febr 
snangemefjen fein. würbe, wenn ein aus ber Kirche fürms 
üi$ Ausgeftoßener nichtsdeftoweniger aus bem DBermögen 
derfelben feinen Unterhalt beziehen wollte, fo Bat fid 
ber Ercommunicirte beó Bezugs der Pfründes 
einfünfte zu enthalten. Das Gefeg fagt ausprüds 
li$: IHi proventus ecclesiastici merito subtrahuntur, cui 
ecclesiae communio negatur 1). Daß ber gebannte Pfründ- 
ner feines Ginfommená unmwürbig fel und beffefben vers 
[uftíg geben folle, unterliegt feinem. Zweifel: aber darüber 
find die Banoniften getheilter Meinung, ob ber Verluft des 
Einfommens ipso facto eintrete ober ob vorher eine bes 
fondere richterlihe Eentenz, bie den Berluft fpeciel aus⸗ 
ipricht, erforderlich fel. Für tie legtece Anſicht entſcheidet 
Rd bie GToffe zu unferer Stelle *) unb e8 werben für 

1) C. 53 X. de appellat. 2. 28. 


2) Verb. eubtrahuntur : ,lllud intelligi potest in eo casu, quando 
in sententia hoc exprimitur, quod bona Ecclesiae subtrahuntur." 





76 Die Wirkungen der Greomniunication, 


diefelbe namentlich zwei Grunde geltend gemadjt. Die Worte 
. des Geſetzes: Illi proventus ecclesiastici merito subirahuntur, 
cui ecclesiae communio negatur, feien jmeibeutig, fie fon: 
‚nen nicht nur von einer ipso jure eintretenden ‚Strafe, 
fondern auch eben[o gut von einer erft durch ben Richter 
zu verhängenden Entzjiehung des Ginfommené verftans 
den werden: ba nun bei Interpretation zweifelhafter Ge: 
feßesftellen der allgemeine Rechtsgrundſatz zur Anwendung 
fomme — „in poenis benignior est interpretatio facienda ?),* 
jo müjje ftd hier bie MWiffenfchaft für bie milbere, alfo 
für bie erft vom Richter zu verhängende Strafe entſchei⸗ 
ben. Außerdem verliere ein Pfründner, falló er vorüber, 
gehend gehindert fei, bie Functionen feines Amtes zu 
verrichten, nicht alsbald unb ipso jure aud) fein Ginfom: 
men, fondern er fónne für bie Dauer ber Verhinderung 
einen Stellvertreter beftellen, ibm einen beftimmten Theil 
ber Einfünfte zuweifen und das llebrige für fidj refervis 
ten, — zur gänzlihen Entziehung des Einkommens ſei 
ein richterliches Urtheil nöthig. Unter biefem Geſichtspunkte 
müje nun aud? bie Ercommunication aufgefaßt werben: 
fie fei bloß eine zeitliche Verhinderung für Vornahme 
ber Fiechlichen Functionen, dieſe fónne ber Gebannte bis 
zur erlangten Abfolution durch einen Stellvertreter au; 
üben laffenm, den Ueberſchuß der Einkünfte jelbft beziehen 
und follte er je ber Perception berjelben gänzlich beraubt 
werden wollen, fo fónne bieB nur burd) eine [pecielle Sen⸗ 
tenz des vorgefegten Richters gefchehen. — Wenn wir aud 
zugeben, daß die angeführten Gründe einigen Schein von 
Wahrheit für fidj haben, fo kann ihnen bod) bei näherer 


1) c. 49. de regul. jur. VI, 5. 12. 


Die Wirkungen ber. Grcommunication. 71 


Erwägung die Beweiskraft, bie fie in Anſpruch nehmen, 
nicht vinbiritt werben und wir müflen ber entgegengefehten 
Anfiht, daß bet Verluft des Pfrünveeinfommens ipso 
facto eintrete, ben Borzug geben. Denn maó in erfter 
Linie bie angeführte Gefepeóftelle betrifft, fo mögen immets 
fin die Worte: Illi proventus ecclösiastici merito subtra- 
huntur eic. jene boppelte Deutung zulafjen: betrachten wir 
fie aber des Nähern und namentlid in Verbindung mit 
bem unmittelbar Vorausgehenden, fo fann εὖ nicht mehr 
zweifelhaft fein, daß ter Verluſt ber Einkünfte als ipso 
facto eintretend ausgeſprochen werben wolle. a) Der 
Grund jenes Berluftes ift, wie bie Stelle ausdrücklich fagt, 
in ber Beraubung der Kirchengemeinfchaft zu ſuchen: weil 
ber Greommunicirte nicht mehr Mitglied der Kirche ift, 
bewegen [οἱ er aus ihrem Vermögen auch feine Eins 
fünfte mehr beziehen, — jenes ift die Urſache, dieſes die 
Birfung, jenes das Antecedens, dieſes das Eonfequens, 
beine bedingen fid) gegenfeitig und gehören weſentlich zus 
ſammen. Run aber tritt die Beraubung der Kirchenges 
meinjdjaft mit ber Ercommunication ipso facto ein: alfo 
mug im Sinne des Gefehes aud) die unmittelbare Wirs 
fang, das nothwendige Gonfequenó, der Verluft des Pfründe⸗ 
einfommend ipso facto in tem Augenblide eintreten, in 
welhem die Grcommunicationéfenteny ausgeſprochen wird. 
b) (δ ift eine im gerichtlichen Progeßverfahren allgemein 
befannte Regel, daß nad erhobener Appellation ber niebere 
Richter in ber betreffenden Rechtsſache Feine Jurisdiction 
mehr habe unb bemgemáf feine neue Entſcheidung mehr 
geben dürfe, weil bie ganze Angelegenheit feiner Gognition 
entzogen und bem höhern Richter vorgelegt ift. Nun hatte 
nah bem Wortlaut ber in 9tebe ftehenden Decretale ber 


78 Die Wirkungen der Greoumunication, 


Biſchof von Eiy an Innocenz II. tie Anfrage geftellt, 
ob er einem Greommunicicten, bet bereits Appellation 
erhoben, die Einkünfte feines  Seneficiumó entziehen 
bürfe. Der Papſt bejabte ble Brage: mithin Tann er 
nicht von der Anficht ausgegangen fein, in jener Entziehung 
der Einkünfte liege eine neue richterliche Gnt[delbung, denn 
dieß würde dem obgenannten 9tedjtégrunb[age widerſprochen 
haben, vielmehr muß er von ber llebergengung geleitet ge- 
weien fein, der Verluſt des Einkommens fel. mit der Gr» 
communication ipso facto gejept, die wirflihe Entziehung 
vefielben fel fein neuer Act des Richters, fie könne 


alfo, weil (jon vor ber Appellation zu Recht ftebenb, auch 


nod nad derjelben von ihm vollzogen werden. c) Die 
Decretale ftellt die öffentliche SBefanntmadjung des Bannes 
und: die Entziehung bes. Pfründeeinfommens ganz auf 
diefelbe Stufe, fie mißt beiden bie gleiche recht⸗ 
[ide Bedeutung bel und benietft, beide fónnen nad) 
erhobener Appellation vom Richter nod vorgenommen 
werden. Als Grund, warum die Befanntmadhung der Er- 
communication ftattfinden dürfe, führt Innocenz ben 
Umftand an, daß biefelbe Feine neue Strafe bilbe, 
fondern [don in der urfprüngliden Sentenz 
enthalten fei. — „cum exsequutionem excommuni- 
catio secum trahat el excommunicatus per denuntiationem 
amplius non ligelur;^ — alſo muß er, ba er beide gleich« 
ſtellt, bafjelbe aud) von bem Berlufte des Ginfommene 
votauége[egt haben. Hienad dürfte ber Sinn der Stelle 
nicht mehr zweifelhaft fein und jene Rechtsregel: in poe- 
nis benignior est interpretatio facienda — hier als unan- 
wendbar erjdeinen, mithin gewiß fein, bag tie Beraubung 


rd 





Die Wirkungen ber Ercommunication, 79 


bes Pfründeeinfommens ipso jure eintrete '). d) Zu bem 
gleichen Refultate führt nod) ein anderes Verhältnig, bae, 
wie es ſcheint, bisher weniger, beachtet wurde. Diejenigen 
Pfründbner, welche die 9tefibenpflit verlegen und alfo die 
mit ihrem Beneficium verbundenen Zunctionen verabfäumen, 
jollen nad) der Beftimmung des Tridentinumo für. bie 
Dauer ihrer Abwefenheit des Pfründeeinfommens verluſtig 
gehen und zwar ipso facto, ohne baf irgend ein richters 
liches Grfenntnif nothwendig wäre 9. Ganz baffefbe fin- 
bet bei den Excommunicirten ftatt: fie können bie Pflichten 
ihres Amtes nicht erfüllen, deßhalb unterfagt ihnen das 
Geje& den Bezug ihrer Ginfünfte und biefe Strafe wird 
hier, wie dort, ipso jure eintreten, dba bei der Gleichheit 


1) Beſondere Beachtung dürfte aud) bet Umfland verbienen, daß 
bie unmittelbar nad dem Grjdjeinen der Seccetalenjammlung Θ᾽ τε: 
Αὐτὸ IX. abgebaltenen Provinzialconceilien jenen Ausſpruch 3nno: 
rng III. gleichfalls von dem ipso facto eintretenden SBerfufle ber 
Ginfünfte verflanben. So fagt bie Synode von BPont-Aubemer 
(Pons Audomari) im 3. 1279 c. 1.: „Volentes presbyterorum et 
clericorum excommunicatorum insolentiam coarctare, sacris canoni- 
bus inhaerendo, statuimus: quod presbyteri et clerici beneficiati, 
quamdiu auctoritate ordinariorum suorum juste excommunicati fue- 
rint, beneficiorum suorum stipendia sive fructus non percipiant, et 
recuperandi eosdem fructus totaliter spem amittant: nisi quam 
citius commode potuerint, quod ordinariorum suorum arbitrio duxi- 
mus relinquendum, procuraverint se absolvi.^ Bei Hard. VII. p. 766. 

2) Sess. XXIII. c. 1. de ref.: Si quis autem, quod utinam nun- 
quam eveniat, conira hujus decreti dispositionem abfuerit, statuit 
sacrosancta synodus, praeter alias poenas adversus non residentes 
sub Paulo III. impositas et innovatas ac mortalis peccati reatum. 
qnem incurrit, eum pro rata temporis absentiae fructus suos non 
facere, nec tuta conscientia, alia etiam declaratione non secula, 
illos sibi detinere posse, sed teneri, aut ipso cessante, per superio- 
rem écclesiasticum, illos fabricae ecclesiarum aut pauperibus loci 
erogare.* 


80 Die Wirkungen ber Excommunication. 


beider Faͤlle kein Grund denkbar iſt, aus dem ſie der 
Geſetzgeber nach verſchiedenen Principien behandelt haben 
ſollte. — Was ſodann noch das zweite Moment betrifft, 
welches fuͤr die Anſicht, daß der Verluſt des Einkommens 
nicht ipso facto eintrete, geltend gemacht wird, ſo iſt leicht 
erſichtlich, daß ed unzureichend ſei. Wohl kann ein Bene- 
ficiat bei unverſchuldeten Hinderniſſen, die ihm die 
perſönliche Vornahme ſeiner Amtsverrichtungen unmöglich 
machen, ſich einen Stellvertreter beſtellen, demſelben den 
nöthigen Unterhalt reichen und bie übrigen Einkünfte für 
ſich ſelbſt beziehen: es iſt dieſes ein Act der Milde und 
Nachſicht, ten bie Kirche gegenüber von unverſchuldetem 
Unglüd übt. Aber unter ben Begriff bed legten fann 
bod) wohl bie Ercommunication nicht fallen, fie ift immer 
bie Folge eines ſchweren Vergehens, bie woblverbiente 
Strafe für das hartnädige Verharren in bemjelben, bie 
Südtigung eine trogigen, unbuffertigen Sinnes : e8 wäre 
deßhalb ein innerer Wiverfprudh, wenn bem Gebannten 
bie in 9tebe ftehende Milde und Nachficht zugewendet unb 
ihm damit ein beträchtlicher Theil feiner Einfünfte gerettet 
‚werden wollte. Zudem würbe durch eine derartige Scho- 
nung ble Strenge der Ercommunication beveutend herab- 
gebrüdt und bem Glerifer bie Verfuchung nahegelegt, in 
feinem Widerſtande zu verharen, zwei Wirfungen, bie 
gleichfalls nicht in ber Intention der Kirche liegen fónnen. 

Nach al tem Angeführten ift ber Verluft des Pfründe- 
‚einfommend mit ber Gxcommunication ipso facto verbun- 
ben !) : daraus ergibt fid) venn als unmittelbare Gonfequenj, 





1) Wie ber Grrommunicirte vom Bezug bet Ginfünfte, jo iff er 
aud) von bec Adminiftration des Pfründevermögens aus 
geſchloſſen (cfr. c. 8. X. de dolo et contumac. 2. 14; c. 1. $ 2. 


Die Wirkungen der Excommunication. 81 


daß der Gebannte von bem Angenblide an, in weldem 
bie Strafe über ihn verhängt wurbe, aus eigenem Ans 
triebe und obne irgend melde Dazwiſchen— 
funft des Richters (id) des Bezugs feines Einkommens 
zu enthalten und das Bezogene wieder herauszugeben habe, 
— ganz in berfelben Welfe, in welder nad) ber Verords 
nung beó Tridentinums !) aud) die Stidtrefibirenben 
im Gewiffen verpflidtet find, die Yrüchte ihrer Bene; 
ficien nicht zu beziehen und ble bezogenen zu reftituiren. 
Der Grund, warum bie Betreffenden In beiden Fällen das 
Strafurtheil ber Kirche gleihfam an fid) felbft zu vollziehen 
haben, ift in dem Umftanve zu ſuchen, baf fie des Bezugs 
ver Einkünfte gefebfi unfähig werben, alfo nie zum 
wirflihen und rechtmäßigen Beſitze berjelben gelangen 
fónten und falls fie biefelben bereits factifh ufurpirt 
haben follten, das fremde Eigenthbum, wie in allen 
andern Berhältniffen, fo auch hier, freiwillig zurüderftattet 
werden muß. Selbft ber vorausfichtlihe Mangel des ans 
ftandigen Unterhaltes und bie Beforgniß, ber ercommuni: 
cirte Pfrünnner möchte burd) ſchmutzigen Erwerb bem Ctanbe, 
bem er angehörte, Unehre machen, kann für ihn, ben Ball 
ver áuferften Noth ausgenommen ?), feinen Grund 
abgeben, bie Ginfünfte ober wenigften$ einen Theil ver 
felden zu beziehen ober bie bezogenen zu behalten 3): denn 


de elect. VI. 1. 6.) und es muß bis zur erfolgten Abfolution für 
Verwaltung deſſelben anderweitig Borforge getroffen werben. Alterius, 
l. c. p. 244. 

1) L. c. 

2) c. 14. 21. Dist. LXXXVI. 

3) Gloss« in c. 53. cit. de appellat. verb. Subtrahuntur in fin. 
„Ego credo, quod licet deposito provideatur, ne in clericorum 
opprobrium mendicare cogatur, exxcommuhicato in nullo sit provi- 


Theol. Duartalfihrift. 1857. I. Heft. 6 


82 Die Wirkungen der Crcommunicatton. 


‚was ibn felbft anbelangt, fo geliebt ihm durch ben 
etwa eintretendei Mangel fein. Unrecht,” ex hat venfelben 
auf eigene Rechnung zu fhreiben und ihn durch Ungehor- 
fam und Widerfpenftigfeit felbft verſchuldet; andererfeits 
liegt εὖ immer in feiner Gewalt, durch Reue und Beſſe⸗ 
rung feiner bebrüngten Lage ein Ende zu machen, — thut 
er ed nidt, fo Bat er widerum bie Schuld fid) felbft beis 
zumefjen. Eine Unehre für den geiſtlichen Stand ijt 
aber, wenn aud) wirklicher Mangel eintreten follte, nicht 
fogleich zu bejorgen: Jedermann weiß, daß er zur Strafe 
und um gebefjert zu werden, in biefer Lage ſich befinde 
und ed nuran ihm liege, (id aus ihr zu befreien — bie 
etwaige Unehre fällt lebiglih auf feine eigene Perfon. 
Sollte er aber im hartnädigen Widerftande verharren unb 
ohne Hoffnung auf SBefferung zu geben, allmählig in tir 
lich unwürbiger Weife feinen Lebensunterhalt fid) zu ver 
ſchaffen fuden, jo ift er {εἰπε Beneficinms gänzlich zu 
berauben unb wie bie Deponirten in einem Klofter ober einem 
Demeritenhanfe 2c. unterzubringen. — Wenn bie Excom⸗ 
munlcitten ans eigenem Antriebe fi ihres Pfründes 
einfommend zu enthalten und das bereits Bezogene zu 
reftituiren haben, fo ift dieß bod) keineswegs fo aufzufaſſen, 
als ob bie Erfüllung ber in Rede ftehenven Pflicht lebige 
lich ihrer Willkühr anbeimgegeben wäre, vielmehr fol, 
wenn fie hierin fäumig find, der Richter von Amtswegen 
einjchreiten und fie zum Nichtbezug ober zur Reftitution 
anhalten‘). Die Mittel, melde ber Kirche zur Gr 


dendum, qui contemnit claves Ecclesiae, cui participandum non est, 
nisi forte fame periret, tunc debet ei subveniri, quia poterat adhuc 
δὰ Ecclesiam redire." 


1) Trid. 1. c. 


Die Wirkungen der Grcommunicatton, 83 


reichung dieſes Zweckes zu Gebote ſtehen, ſind, wie die 
Strafe der Excommunication ſelbſt, zunächſt rein geiſtiger 
Natur — Ermahnung, Warnung gegenüber vom Gebann⸗ 
tem, unb für diejenigen Gläubigen, bie ihm fein Einkom⸗ 
men zu verabreidjen haben, bie Aufforderung, dafjelbe ihm 
fernerhin vorzuenthalten: eigentliche phyfifche Gewalt liegt 
nicht im Bereich der Kirche, — führen daher bie genann; 
ten Mittel nicht zum Zwede, fo muß ber Gebannte, ber 
bis au einem ſolchen Grave des lingeborjamó "unb ber 
Verblendung fortgefchritten ijt, feinem Gemifjen unb bem 
Berichte Gottes überlafjen werben. In früheren Zeiten 
hat für derartige Fälle regelmäßig ber Staat bie Gre 
eution ber kirchlichen Strafjentenz übernommen und dabei 
ficherlih im eigenen wohlverftandenen Intereſſe gehandelt: 
aber eine ſolche Beihülfe ijt von [einer Seite immerhin 
ein freie Zugeſtaͤndniß unb wenn er für gut findet, (ie 
ju verweigern, fo fann vom Ctanbpunfte des Rechts 
bagegen nichts eingemenbet werben. Sollte er aber, wie 
Ihon geſchehen, feine Stellung und Aufgabe in ber Weife 
‚mißfennen, daß er einen Excommunicitten im unrechtmaͤßi⸗ 
gen Bezuge feines Pfründeeinfommend direct unterftügt 
unb in [einen „Rechten“ vertheibigt, fo heißt vieß vie 
Strafgewalt ber Kirche vernichten, ihrer Gefeggebung fpotten 
und ihre Freiheit mit Füßen treten. — 

Unter ben Begriff ber Einfünfte, deren Bezug bie 
Grcommunication hindert, ift Alles ohne Unterfchiev 
ju fubjumiren, was das Beneficium in materieller Bezies 
bung feinem Inhaber abwirft und zum Lebensunterhalte 
irgendwie darbietet — mag ed nun im Grtrage eigener 
Güter cter in Gelebegügen, in nutzbaren Rechten ober 
Reiftungen Dritter, in Zehnten ober Distribuliones quo- 

| 6* 





84 Die Wirkungen der Ercommunication. 


tidianae, in Altaropfer, Stolgebühren ober Stipendien be 
ftehen '): Alles, was auf irgend eine Weife mit ber 
Pfründe in Verbindung ftebt und von ihr herrührt, geht 
dem Beneficiaten für bie Dauer ber Ercommmunication ver: 
loren. Der Genuß ber Pfründegebäude ift hievon Feines: 
wegs ausgenommen, — er fällt wie bie eigentlichen Bezüge 
unter ben Begriff des fivdjliden Einkommens, woraus -fid) 
al einfache Gonfequenj ergiebt, daß ber Ercommunicirte 
feine bisherige Amtswohnung ungefäumt zu verlafien 
habe. — 

Gnblid) ift noch bie Frage zu berühren, wem δα ὁ 
Ginfommen, deſſen Bezug dem Greommunicirten unter: 
fagt it, aufalle unb zu melden Zwecken es ver 
wendet werden ſolle? Eine allgemein gültige Ant- 
wort läßt ὦ Bierauf nicht geben, vielmehr fommt ed auf 
die jeweilige Ratur und SBefdaffenDeit der einzelnen Gir 
fommenstheile an. Sind bieje ber Art, bag fie für ben Fall, 
in welchem fie bem eigentfiden Inhaber ber Pfründe ver 
foret gehen, geſetzlich unb ipso jure beftimmten dritten 
SBerjonen zufallen, fo fommen fte aud) bei einer Ercom- 
munication unmittelbar in vie Hände ber Letztern. 9tad 
einer von Bonifaz VIII. erlafienen 2) und vom Tri⸗ 
bentinum 3) erneuerten Verordnung follen die gewöhn- 
lichen *) Distributiones quotidianae für diejenigen Glerifer, 
bie ben Gforbienft verfäumen, verloren gehen unb ipso 
facto denjenigen zufallen, bie anme[enb waren. Dieß wird 





1) Auch die Benfion, bie ber Excommunicirte aus feinem frühern 
Beneficium bisher bezog, geht verloren. Alterius 1. c. p. 247. 

2) c. unic. de cleric. non resid. VI. 3. 3. 

3) Sess. XXIV. c. 12. de ref. 

4) Reiffenstuel, Jus can. L. III. tit. 4. € 6. n. 183 seq. 


Die Wirkungen der Ercommunication. 85 


alfo aud? dann ber Fall fein, wenn ein Ganonifer in 
δοίρε der Ercommunication gehindert ift, bem Officium 
divinum anzuwohnen. — Hatte ber Beneficlat aus ben 
Einkünften ber Pfründe feinem Vorgänger, der auf bie 
Stelle verzichtete, eine jährlihe Benfion zu entrichten, 
fo iff tiefe nad) der Ercommunication des Erftern in bets -- 
ielben Weife wie früher aus den Ginfünften des 
Beneficiums an beu Penfionär zu ‚verabfolgen. Die 
Behauptung einzelner Ganoniften, daß der Ercommunicirte, 
va er fümmtlider Brüchte feines Beneficiums verluftig 
gehe, tie Penfion aus feinem eigenen Vermögen 
zu entrichten habe, laßt fid) nicht aufrecht erhalten, denn 
die Verabreichung jened Jahrgeldes ruht in letter Inftanz 
auf bem S8eneficium ἢ), an voeldjem burd die Excom⸗ 
munication feines Inhaber nichts geändert Tourbe, εὖ 
wird alfo nad wie vor bie Laft zu tragen haben; ber 
Pirünbner ftebt zur Penfion in feinem nähern Ber 
haäͤltniſſe, denn die nad Abzug berjelbem nod übrig 
bleibenden Einfünfte bilveten feine SSefofoung: tiefe 
geht Für ihn wegen der Ercommunication verloren, auf 
jene Bat ble Genjur feinen. Einfluß. — Bon denjenigen 
Ginfommenétbeilen fobann, bie für ben Fall, daß ber 
Pfründner ihrer verluftig geht, nicht unmittelbar britten 
Berfonen zufallen, ift in erfter Linie ber Stellvew 
treter des Ercommunicitten, der inzwifchen bie mit bem 
Beneficium verbundenen Obliegenheiten erfüllt, zu befol- 


1) Deßhalb Hört bie Penflon durch den Tod des neuen Pfründ- 
ners nicht auf, fondern muf als auf bem Beneficium haftend auch 
som Nachfolger ausbezahlt werden bis zum Tod des Penfionärs. 
Garcias, De beueficiis, P. I. c. 5. n. 339. Pirhing, Jus can. L. III. 
üt, 12. 5. 10. Eichhorn, Grunb[áge des Kirchenrechts. I. ©. 677, 


86 Die Wirkungen der Greommunicatton. 


den D; was nad) Beftreitung biefer Ausgaben nod) übrig 
bleibt, fol an die Fabrik ver Kirche, bei welcher vie Pfruͤnde 
fid befindet, abgeliefert und ein beftimmter Thell den Ars 
men ber Gemeinde jugemenbet werben 3): die Größe bes 
letztern richtet fid) παῷ der Dürftigfeit der Kirche, nad) 
der Zahl der Armen und dem größern ober geringern Um⸗ 
fange des betreffenden Pfründeeinkommens, — im uns 
günftigften alle aber wirb ben Armen berjenige Betrag 
ausgehändigt werden müjfen, welchen ber Beneficiat felbft, 
wenn er die Einkünfte bezogen hätte, ihnen zuzuwenden 
verpflichtet gewefen wäre 9). — Die genannten über Ver⸗ 
wendung bed vacanten Pfründeeinfommens — beftebenben 
firhlihen Verordnungen fat der Excommunicatus occultus 
felbft und aus eigenem Antriebe zu erequiren; 
ift die Ercommunication öffentlich befannt und die Sache 
in foro externo anhängig, fo forgt der Richter für deren 
Volftredung — Wir fügen nod) die Bemerfung bei, daß 
der Ercommunicitte, falls feine Strafe eine verdiente und 
gerechte war, nad erlangter Abfolution nie einen Anſpruch 
auf MWievererftattung der verlomen infünfte geltend 
maden fann *): tief ift elnerfeltó durch ble Gerechtigkeit 
geboten, andererſeits könnte bie fidere Ausſicht auf fpätere 
Steftitution den Gebannten gar leicht verleiten, feinen 
ffüiberftanb gegen die Kirche zu verlängern und bie Unter- 
werfung ungebührlich [ange hinauszuſchieben. War tage: 
gen bie Sentenz des Rihterd eine ungerehte unb wurbe 


1) c. 16. X. de cleric. non resid. 3. 4. ; c. 28. X. de appellat. 2. 28. 

2) Trid. Sess. XXIII. c. 1. de ref. 

3) Alterius, l. c. p. 249. 

4) L. 46. Dig. de regul. jur. 50. 17.: "m a quoquam poenae 
nomine exactum est, id eidem restiluerc nemo cogitur." 


Die Wirkungen der Creomnumication. 87 


fie in Folge ber Appellation als ſolche anerkannt, fo ver 
ſteht εὖ (id) von jelbft, bag ihm die Einfünfte, ble er inzwischen 
nit beziehen fonnte, ungefchmälert zurückerſtattet werben 
müflen 9). 


$. 6. 
Verluſt der Jurisdietionsrechte. 


Das allgemeine Geſetzbuch der Kirche enthaͤlt eine 
Reihe von Beſtimmungen, durch welche einzelne Acte der 
Jurisdiction für ben Sall, daß fie ein Excommunicirter 
vornehmen follte, für null und nichtig erflárt werden. So 
ſchreibt Papft Alexander I. an einen Bischof Valerianus, 
der durch den Erzbiſchof von Ravenna exrcommunicirt morben 
war, baf er um bieje Sentenz fidj nicht zu fümmern 
brauche, — fie fei. ungültig, weil der Erzbiſchof, als er 
fe ausſprach, im Kirchenbanne fidj befunden habe *. Sn 
c. 24 X de sentent. et re judic. 2. 27. wird eine vichterliche 
Entſcheidung deßwegen für nichtig erflärt, weil einer ber 
Richter, die fie gefällt, ercommunicirt gewefen fel 9). 9tad 


1) L. 15. Dig. de re militar. 49. 16. — Glossa in c. 11. C. II. 
q. 5. verb. beneficia. 

2) c. 4 C. XXIV. q. 1: , Audivimus, quod Henricus, Ravennas 
dictus archiepiscopus, visus sit te exeommunicare, Verum, quia 
ercommunicalus te excommunicare non potuit, apostolica auctori- 
tate te tuosque absolvendo, mandamus exinde nunquam curare.“ 

3) ,Vos interim cognoscatis de confirmatione sententiae , quae 
lata est a judicibus delegatis de electione custodis, ut eam, sicut 
de jure fuerit. faciendum, confirmare vel infirmare curetis, ita, ut 
si pro eo, quod unus ex delegatis judicibus, qui eandem sententiam 
protulerunt, excommunicationis vinculo esset publice innodalus, 
quendo sententia lata fuit, sicut per metropolitani litteras perhibetur, 
aut ex alia justa causa eandem sententiam constiterit infirmandam, 
ipsa cassala, de ipsius. electione custodis iterum cognoscatis.“ 


88 Die Wirkungen der Grecommunication, 


c. 1 de offic. vicar. VI. 1. 13. verliert der Stellvertreter 
des bifhöflichen Officials, wenn der feptere in ben Kirchen⸗ 
bann verfallen ift, für alle diejenigen Acte, ble er im Namen 
des Officials vorzunehmen hat, bie Gerichtsbarkeit und feine 
bießfallfigen Handlungen ermangeln der gefeglichen Gültig- 
feit ἢ. Hiemit übereinftimmend verorbnet c. 10 de offic. 
judic. delegat. VI. 1. 14, daß, wenn ein páyftlider Delegat 
bie ibm übertragene Rechtsſache fubbelegirte und nachher 
in die Grecommunication verfiel, die Appellation von ber 
Cnt[djelbung des €ubbelegaten nicht an befjen Auftraggeber, 
fondern an ben heiligen Stuhl zu richten fei, damit nicht 
die Parteien in Erwartung der Abfolution ober des Nach⸗ 
folger8 mit ihrer Angelegenheit zu lange hingehalten wers 
ben 9. — Obgleich die angeführten Gefepesftelen immer 
nur auf einzelne Acte ber Jurisdiction fid) beziehen 5), 
fo ift bod) Teicht erfichtlich, daß die Unguͤltigkeit dieſer Hand- 
lungen aus bem allgemeinen Grunb[age, die Gr, 
communication entziehe die Jurisdictionsrechte, abgeleitet 
wird; weßhalb bie Ganoniften *) übereinftimmenb αἱ Regel 
aufftellen, taf alle Rechte der Innern und äußern Gerichts: 


1) „Ea tamen, quae ipsi gerendo hujusmodi vices agunt, eo 
taliter excommunicato manente, si jurisdictionem tantum recipiunt 
ab eodem, non possunt obtinere vigorem." 

2) „Si is, cui causa a sede fuerat apostolica delegata, sub- 
delegaverit non in totum vices suas alicui: a subdelegato bujusmodi, 
si delegatum, ipsum excommunicari aut de medio tolli contingat, 
impedimento tali durante, ad sedem ipsam, ne absolutionem, vel 
successorem exspectando illius, praejudicari litigantibus, vel causa 
plus debito prorogari valeat, volumus adpellari.“ 

3) Daſſelbe ift der Wall bei ben andern hieher gehörigen Beſtim⸗ 
mungen: c. 8 X de consuet. 1. 4; c. 16 X de elect. 1. 6; c. 1 
Ne sede vacant. VI. 3. 8. 

4) Dei Suares, |, c, Disput. XIV, sec}. 1. n. 2. 


Die Wirkungen der Excommunicatlon. 89 


barkeit, mögen fie fid beziehen auf was immer für Ange: 
legenheiten, durch bie Ercommunication verloren gehen unb 
alle Jurisdictionshandlungen, die ein Gebannter vornimmt, 
ungültig feien. Diefer Grundſatz ergibt fid) als einfache 
Folgerung unmittelbar aus dem Begriff unb Wefen bes 
Sirhenbanned. Auf ber einen Seite ift ber Grcommunicitte 
"jt nur unwürdig, irgend eine Sunction im Namen 
Mt Kirche auszuüben, fondern es müßte auch als eine große 
ünfdidtiid feit erfcheinen, wenn ein aus der Kirchen⸗ 
gemeinfchaft Ausgeftoßener über die andern Mitglieber eine 
üihterlihe Gewalt fernerhin beanſpruchen wollte. Auf ber 
andern Seite ſchließt der Bann für ben von ihm Betroffenen 
M6 Verbot in fid, mit den übrigen Gläubigen zu ver 
lehten — und dieſe ihrerfeits können wiederum mit ibm . 
kim Umgang pflegen: ba nun mit ber Ausübung ber 
dnisdiction nothwendig ein derartiger gegenfeitiger Verkehr 
runden ift, fo muß bie Ercommunication unmittelbar 
tit Entziehung der Gerichtsbarkeit zur Folge haben. Endlich 
die Jurispiction immer an ein öffentliches Kirchenamt 
gfnüpft und ber SBetreffenbe übt fie Eraft οἱ εἴ εὖ Amtes: 
wm aber Schließt ter Bann immer zugleih die Suspensio 
ab oficio in fi, mithin muß immer aud der Verluft ber 
Gerichtsbarkeit mit ihm verbunden fein. 

Diefe Wirkung hat die Ercommunication nicht bloß 
für biefenigen kirchlichen Obern, bie eine jurisdictio propria 
haben, fo daß 4. B. bem ercommunicirten Bifchofe die Vers 
waltung feiner Diöcefe entzogen ift unt ihm für ble Dauer 
V6 Bannes ein Stellvertreter von Eeite des Papftes gefept 
wird !), fonbern ber SBerluft der Gerichtsbarkeit erftredt fid 


— — 


I) Ferraria , Prompta. biblioth. e. v. Capitulum, art, Ill. n. 36. 


90 - Die Wirkungen der Ercommunication. 


aud) auf ble jurisdictio delegata, venu ba jede Delegation 
ein Ausflug des Jurisdictionsrechtes ijt '), fo verfteht có 
fid) von felbft, bag fie, von einem Ercommunicirten vor 
genommen, ungültig fein müſſe unb Demjenigen, auf ben 
fie lautet, fein Recht übertragen fónne 2). Gelbft wenn 
ble Delegation bereitó vor bem Eintritte des Bannes erfolgt 
war, erlifcht bie Gerichtsbarkeit dennoch in demfelben Augen; 
blide, in weldjem ber Delegirende der genannten Strafe 
verfällt: weßhalb der Generalvicar eines excommunicicten 
Bischofs ble ihm übertragenen Functionen in rechtöfräftiger 
Weiſe nicht mehr vornehmen fann 9). Lautete aber bie 
Delegation nidjt, wie beim Generalvicar der Sall ift, auf 
eine universitas causarum und waltet zwiſchen Beiden nicht 
eine unitas personae ob, ſondern ἰ ber Delegirte bloß 
mit Schlichtung einer einzelnen Stedtéfade betraut, fo 
muß bei Beantwortung bet Frage, ob ihm die Gerichts⸗ 
barfeit durch die Ercommunication feines Auftraggebers 
verloren gebe, diftinguirt werden. Wenn der Delegat bei 
Eintritt des Bannes mit ber Bollziehung feines Auftrags 
bereit8 begonnen hat, fo erliſcht ifm die jurisdictio 
delegata nicht; ift aber nod) res integra, fo hört fie ipso 
jure auf *). Diefer Unterſchied beruht auf ber im Rechte 


1) L. 3 Dig. de jurisdict. 2. 1, 

2) Glossa ad c. 1 de offic. vicar. VI. 1. 13, verb. recipiunt et 
vigorem. li 

3) Glossa ad c. 1 cit. verb. ipsius. 

4) L. 6 Dig. de jurisdict. 2. 1: „Ideoque si is, qui mandavit 
᾿ς jurisdictionem, decesserit, antequam res ab eo, cui mandata est 
jurisdictio ,: geri coeperit, solvi mandatum Labeo ait, sicut in reli- 
quis causis.^ c. 19 X de offic. judic. delegat. 1. 29: , Nos itaque 
consultationi vestrae respondemus, quod si iis fuerit ante prae- 
decessoris nostri. obitum. contertaía, mandatam morte. maudatoris 


Die Wirkungen der Ercommunication. 91. 


ſpeciell ausgeſprochenen Anſchauung, wornad die Gerichts; 
barfeit nicht fdon turd den bloßen Act der Delegation, 
fondern erft in bem Angenblide auf ben Delegirten übers 
geht, in welchem er von berfelben Gebraudj zu machen 
anfängt 5. Iſt alfo das Legtere noch nicht gefchehen, fo 
haftet die belegirte Gerichtsbarkeit nod an ber Perfon des 
Deleganten und geht in allen Fällen, in welchen er ſelbſt 
bie Jurisdiction verliert, audj für ben Beauftragten vers 
foren. Hat aber der Delegat mit der Ausführung feines 
Auftrages bereits begonnen, fo ift die Gerichtsbarkeit ang 
dem Deleganten herausgetreten und auf den Beauftragten 
übergegangen, fie hat eine von bem 9tedjte des Erftern 
unabhängige Eriftenz, wird mithin durch tie etwaigen 
PBeränderungen, bie mit blefem vorgehen, nicht mehr bes 
rührt. — Anders, als bei der gewöhnlichen Jurisdiction, 
verhält es fid bei ber delegirten Bußgerichtsbarkeit: 
tiefe erlifcht weder durch ben Tod *), nod) bie nachfolgende 
Ercommunication des Deleganten und befteht nad wie 
vor ungefchmälert fort, denn eine fold Delegation fällt 
unter den Begriff der firfjlijen Gnabenverleihun- 
gen, die dadurch, daß ber Verleiher feines Rechtes 


nullatenus exspiravit. Si vero ante litis contestationem decessit, 
non est a judicibus, quos delegaverat, ex delegatione hujusmodi 
procedendum.“ — c. 15 de offic. jud. delegat. VI. 1. 14: „Officium 
aulem quorumcumque conservatorum ipso jure quoad non coepta 
megotia per obitum concedentis volumus exspirare.“ 

1) c. 6 de offic. jud. delegat. VI. 1. 14: „jurisdictio, ex quo 
ipsa usus non exstitit, non censetur in eum efficaciter tranaivisse." 
Bgl. & eit, bie Bußgerihtsbarfeit des Pfarrers, G. 94 f. 

2) Barbosa, De offic. et potest. Episcopi, P. II. Allegat. 25. 
n. 43. 


92 Die Wirkungen der Ercommunlcation. 


verkuftig geht, nicht berührt werben !), fonbern unabhängig 
fortbeftehen, mag nod) res integra fein ober nicht 3). Außer: 
bem wird faum zu bemerfen nöthig fein, wie viele und 
große Gefahren für das Seelenheil ber Gläubigen entftehen 
müßten, wenn mit bem Tode ober ber Grcommunication 
des Biſchofs in allen Prieftern und Seelforgern die Buß⸗ 
gerichtöbarfeit erlöfchen würde und das Sacrament nicht 
mehr gültig gejpenvet werben könnte. 

Da alle Acte der Jurisviction, bie von einem Gr. 
communicitten vorgenommen werben, ipso facto ungültig 
find, fo braucht Derjenige, der unter folden Umftänven 
von einem Firchlichen Richter verurgheilt wurde, deſſen Sentenz, 
bie ja ohne alle 9tedjtéfraft ift, nicht zu beobachten, und 
ebenfo wenig ber Untergebene bem Befehlen feines Vorge⸗ 
ſetzten fi zu unterwerfen, — im Gegentheile, bie Gläus 
bigen find in berartigen Bällen fpeciel zum Widerſtande 
verpflichtet, denn fonft würden fte fij mit bert Ercommuni- 
cirten in unerlaubten Verkehr fegen, die ihm von ver Kirche 
entzogene Gewalt als nod; vorhanden anerfennen und ibm ' 
bieburd) nicht felten Anlaß geben, in feiner Hartnädigfeit 
zu verharren. Aus verfelben Thatfache, daß bie Grcont 
munication bie Gerichtsbarkeit entzieht, ergibt fid weiter, 
dag Niemand von einer Erlaubnig oder Difpend, die ein 
Ercommunicixter ertheilte, Gebraud) machen oder eine von 
ihm verliehene Delegation ausüben dürfe, denn ba alle 
biefe Acte jeder rechtlichen Gültigkeit ermangeln, fo würde 
fid der Betreffende burd) den Gebraud einer ſolchen Ers 





-— .ο 


1) c. 16 de regul. jur. VI. 5. 12: „Decet concessum a principe 
beneficium mansurum." 
2) c. 36 de praebend. VI. 3. 4. 


Die Wirkungen der Ercommunlcatton. 93 


laubhniß ober Difpens gerade in der nämlichen Weife ver, 
fündigen, wie Derjenige, ber diefe Gnaden weder nachgefucht 
noh erhalten Bat, — und die Volljiehung ber von einem 
Gebannten ertheilten Delegation würde einer Ufurpation 
t Gerichtsbarkeit gleichfommen. Sind endlich anf eine 
folge Ufurpation oder bie eigenmädhtige Vornahme einer 
Handlung, welche bie Erlaubniß des competenten bern 
vorausſetzt, vom Rechte beftimmte Strafen gejegt, jo wer: 
den bleje auch bann eintreten, wenn bie nöthige Erlaubniß 
von einem Ercommunicirten ertheilt wurde. Um ein Bei- 
fiel namhaft zu machen, vermeifen wir auf c. 1 de privileg. 
in Clement. 5. 7. Wenn nad) ber Beftimmung blefer Ge; 
jegeöftelle diejenigen Religiofen, melde ohne Erlaubniß 
des Pfarrers das Sacrament ber fegten Delung und 
WP Altars Spenden, ipso facto in die Ercommunication 
wjallen, fo wird die angebtofte Strafe fie auch bann 
hfen, wenn fie wiffentlich von einem Pfarrer, ber 
trcommutmicirt ift, die betreffende Erlaubniß einholen, 
denn da die fegtere unter allen Umftänden nichtig ift, fo 
fnb die Handelnden fo anzufehen, als hätten (te fi jene 
Einmifhung in bie Parochialrechte ohne alle Erlaubs 
niß und im böslicher Abficht angemaft. 

Der von ber Gefeggebung ausgeſprochene Verluft ber 
Jurigdictionsrechte trifft alle Excommunicati vitandi, denn 
diefe find im fttengen Sinne des Wortes Ercommunis 
die und ale Wirfungen des Banned maden fid ihnen 
gegenüber im vollen Maaße und unbedingt geltend, 
Anders verhält e8 fid) bei Denjenigen, deren Ercommunis 
ation geheim ift: fie haben fi zwar ber Ausübung bet 
Jurisdiction zu enthalten und machen fij im entgegen 
Witten Salle einer Suͤnde ſchuldig, aber bie von Ihnen 


94 ‚Die Wirkungen der Grcommunication. 


einmal vorgenommenen Handlungen find gültig und 
fönnen, wenn auch nachher die Grcommunication offenkundig 
werben follte,. nicht mehr angefochten werden. Diefe An⸗ 
nahme findet fchon im ältern Rechte ihre Begründung: das 
c. 24 X de sentent. et re judic. 2. 27. beſtimmt, daß bie 
Sentenz, bei deren Sállung ein öffentlih Ercommuni- 
cirter — excommunicationis vinculo publice innodatus — 
fid) betbeiligte, ungültig fein folle, woraus bie Ganoniften 
mit Recht den Schluß ableiteten 1), daß (te Gültigkeit habe, 
bie Jurisbiction alfo nicht verloren gehe, folange bie Gr 
communication nod) nicht zur öffentlichen Kenntniß gelangt 
(e. Diefer Grundſatz ift aud practiſch febr vernünftig 
und burd) bie Rüdfichten des öffentlihen Wohles in hohem 
Grave geboten, denn bie Verwaltung ber firdliden Ange: 
legenheiten unb bie Pflege des Rechts würde auf febr um 
fihern Grundlagen rufen, wenn bei jebem Acte eines 
hierarchiſchen Obern gezweifelt werben fónnte, ob er nid 
etwa wegen einer geheimen Ercommunication des leßiern 
an fi nichtig [εἰ und fpäterhin als folder angefochten 
werben fónne, unaufhörliche Streitigkeiten, gegründet auf 
bie Exceptio excommunicationis, wären unvermeidlich unb 
eine allgemeine Rechtsverwirrung bie unmittelbare Folge, 
davon ganz abgejeben, baf bei Firchlichen Gnabenacten, 
Ertheilungen von Difpenfationen, Berleihungen von Bene 
ficien 1c. immer der Gebanfe beunruhigen müßte, ob man 
nicht etwa von einer Einräumung ober Erlaubniß Gebraud) 
made, die wegen einer geheimen Ercommunication ihres 


1) Covarruvias, Alma Meter, I. $. Xl. n. 4. Navarrus, Ma- 
nuale, c. XXVII. n. 21. Sueres, |. c. n. 8. 


Die Wirkungen der Ercommuntcation. 9 


Verleihers innerlich jeder rechtlichen Gültigfeit entbehrt. — - 
Den Excommunicatis occultis werden felt dem Erfcheinen 
bec Bulle Ad vitanda tie tolerati in allem auf die Gerichts» 
barfeit bezüglichen Angelegenheiten völlig gleidgeftellt, 
jo taf bie Amtshandlungen eines Gebannten, folange diefer 
noch nicht fpecielf, unter Anführung feines Namens benunciirt 
wurde, Rechtskraft haben, gleichviel, ob feine Strafe fonft 
öffentlich befannt fel ober nit. Die Gonftanjer Bulle 
fat ten Gläubigen geftattet, mit den loleralis in allen 
Berhältnifien des Lebens frei zu verkehren, mithin fónnen 
fie diefes aud) tbun in denjenigen Angelegenheiten, bie (id 
auf die Jurisdiction beziehen, woraus fid) aló nothwendige 
Gonfequenz ergibt, daß die Kirche die von einem folchen 
Ercommunicirten vorgenommenen Amtshandlungen als zu 
Recht beftebeno anerfenne, denn fonft wäre jene Ginráumung 
Martins V., wenigftens in Sachen ber Iurisviction, rein 
illuſoriſch unb bie Gefeggebung mit fid) felbft im Wider 
fpruche 1). Aber obwohl bie Geridjtóbarfeit ber tolerati an 
fib nidt erliſcht unb alle Acte, tie fie vornehmen, giltig 
find, fo müflen bod) nad bem Wortlaute unb ber Tendenz 
ber Bulle Ad vitanda folgende Punkte wohl beachtet werben: 
a) Den Ercommunicirten wollte Martin V. feine 
Einräumung machen: εὖ fann alfo aud) ein toleratus nicht 
aud freien Stüden von feiner Jurisdiction Gebraud 
machen und würde fid durch eigenmádjtige Einmiſchung, 
den Hal bet. Noth ausgenommen, [der verfündigen. 
b) Den Gläubigen ift bie Grlaubni&, mit ben toleratis 


1) Navarrus, |]. c. Pirhing , Jus can. L. V. tit. 39. sect. 1. 
$.3. n. 18, Reiffenstuel, Jus can. L. V. tit. 39. 6. 2. υ. 70. Grit, 
ἃ. ἃ. Ὁ, G. 86 f. 


96 — Die Wirkungen bec Greommunicattort. 


zu verfehren, in der Weife ertheilt voorben, bag fie. von 
berfelben Gebrauch machen können , aber nift müſſen: 
deshalb find fie befugt, diejenigen 9Imtébanblungen eines 
toleratus, bie einen Nuten oder eine Gunftbezengung für 
fie enthalten, zu acceptiren; aber bei jenen Entfcheidungen, 
die zu ihren Ungunften fauten ober ein Onus in fid) ſchließen, 
fónnen fie nicht gezwungen werben, bie Gerichtsbarkeit an» 
zuerkennen, vielmehr find fte in verartigen Fällen bereditigt, 
von ber Exceplio excommunicalionis Gebraud) zu machen 
unb burd) Anwendung biejeó Nechtsmitteld ben Entſcheidun⸗ 
gen und Anordnungen bes toleratus bie verbindende Kraft 
zu entziehen. c) Die Gläubigen follen bie Gerichtsbarkeit 
eines toleratus nur dann in Anfpruch nehmen, wenn bief 
mit Gründen ber Nothivenvigfeit ober Nuͤtzlichkeit motivirt 
werben fánn: im entgegengejegten Salle, namentlich wenn 
ihnen die Syurióbiction eined Nichtercommunicirten gu Gebote 
fteht, würden fie fid) durch ben Verkehr, in welchen fie fid) 
ohne Grund und Roth mit dem Gebannten festen, einer 
leichtfertigen Verlegung ber kirchlichen Disciplin ſchuldig 
machen. — Wenn enbíid) ein Ercommunicirter, nachdem er 
vom Richter feierlih, unter Anführung feines Namens 
benunciitt worden i, an einem andern Orte, wohin 
ble Kunde des über ihn verfángten Banned nod) nicht ges 
drungen unb er allgemein als ein Stidtexcommunicirter 
angejehen wird, Acte der Firchlichen Gerichtsbarkeit vors 
nimmt, fo find blefe gültig, denn für jenen Ort ift 
er. facti[d) ein Exeommunicatus occulfus unb die Rechts» 
fraft feiner Ämtshandlungen ift durch bie nàmlidjen Rüd: 
fichten des öffentlichen Wohles geboten 1), bie wir oben in 


m: 





1) Suares, |. c. n. 16. 


Die Wirkungen der Grcommunication. 97 


Betreff der geheimen Ercommunication geltend gemadjt 
haben. 

᾿Φίεβ find bie Orundfäge des canonifdjen Rechts über 
ben Berluft der Gerichtsbarkeit, fie beziehen fih auf alle 
Acte der Jurisdiction und ihre Anwendung auf bie eim 
seinen Fälle ift mit feinem befondem Schwierigkeiten’ 
verbunden: indeſſen bieten (id) bod einzelne Handlungen 
dar, ble wegen der Eigenthümlichkeit ber Verhältnifie eine 
nähere Auseinanverfegung als wünfchenswerth erfcheinen 
faffen, — nämlich bie firdjlide Wahl, die Ausübung bes 
nun unb bie Resignatio in favorem 
lertii. 

Daß das Firchliche Wahl recht in Folge der Excom⸗ 
manication verloren gehe und ble von einem Gebannten 
vorgenommene Wahlhandlung jeder rechtlichen Gültigkeit 
abere, ift vom Glefege audbrüdid) audgefproden !) unb 
sm ben Ganoniften allgemein anerkannt ἢ. Ruht das 
Vahlrecht in den Händen mehrerer Individuen ober einer 
ganzen Corporation, fo find die Ercommunicirten von ber 
Wahl auszufäließen unb diefe von ven übrigen Berechtigten 
ansfchlieglich vorzunehmen ?) — ganz in ber Weile, wie 
Diejenigen, weldje aus andern Gründen des Wahltechtes 
verluftig giengen ober freiwillig nicht erjcheinen, unberüds. 
fihtigt bleiben und bann bie Handlung von ben Uebrigen 
vorgenommen wird ). Sollte ftd) aber gegen ble Beftim- 

1) c. 23 X de appellat. 2. 28; c. 16 X de elect. 1.6. Glossa 
in c, unic. Ne sede vacant. VI. 3. 8, verb. majoris. 


2) Bei Covarruvias, Alma mater, I. δ. VII. n. 9. 


3) Dieß ergibt fid) als nothwendige Gonjequeng aus c. unic, Ne 
sede vacant. VI. 3. 8. ᾿ | 


4) c. 19. 42 X de elect. 1. 6. 
Theol. Quartalſchriſt. 1857. 1. eft. 7 


* 


98 Die Wirkungen der Excom munfeation. 


mungen bed Gejebed ein ober mehrere Excommunicirte 
bennod) an der Wahl betheiligt haben, fo fragt εὖ fid), ob 
fie von ben Uebrigen wiffentlich zugelaflen worben feien 
oder ob ihre Betheiligung wegen Unwiſſenheit oder Anz 
wendung äußerer Gewalt erfolgt ſei. Im erftern Falle ift 
bie Wahl abjolut ungültig unb felof bie Stimmen der 
wirklich Berechtigten ohne jebe Wirkung, denn wenn das 
Geſetz ſchon für Aufftelung eines gewöhnlichen Procurators 
vorschreibt, daß biefelbe ungültig fein folle, falls zur Bor- 
nahme des betreffenden Actes Excommunicirte wiſſentlich 
zugelafjen wurden 1), fo wirb bief von ber Firchlichen Wahl 
mit um fo größerem Rechte behauptet werden bürfen 2), 
je mehr die legtere Handlung an Wichtigkeit und Bedentung 
ble Aufftellung eines einfadyen Procurators übertrifft. Gbenfo 
wird nicht geläugnet werden fónnen, daß tle Berechtigten, 
die fij nidt ſcheuen, fórmlid) Excommunicirte wifjentlich 
zur Vornahme eineó fo wichtigen und folgenreiden Actes 
beizuziehen, ber Kirche für gewiſſenhafte Ausübung ihrer 
Wahlbefugniffe Feinerlei Garantie mehr darbieten und wegen 
jener Mißachtung der öffentlichen Disciplin vollſtaͤndig vers 
blenen, ihres Wahlrechtes verluftig zu gehen. — Wurden 
dagegen die Ercommunicirten nicht wiffentlih und in böfer 
Abſicht, fonberm bloß deßwegen von ben Berechtigten zus 
gelafjen, weil diefe von der Exrcommunication feine Kenntniß 
hatten ober zur Zulafjung durch Anwendung phyfifcher Ges 
waltmaßregeln gezwungen wurden, fo ift bie Wahl um 
deßwillen noch πίε ungültig und fann nicht angefochten 


1) c. ultim. X de procurat. 1. 38. 
2) Avila, De censur. P. II. c. VI. disput. 5. dub. 1. Reifen- 
etuel , Jus can. L. I. tit. 6. €. 7 n. 168, 


De Wirkungen der Cxcontittiimication, 99: 


werden ἢ), voraußgefeht, baf ber Gewählte nad 
Abzug der Ercommunicirten von Seiten der 
Berechtigten die erforberlige Stimmenzahl 
auf fid) vereinigte Kür die practifhe Anwendung 
biefer Regel müjfen ble verfchlevenen Fälle, tie babel vor 
kommen Tönnen, forgfältig anseinanvergehalten werben. 
Wird nad befondern Statuten oder in Folge des beftehen- 
ven Gewohnheitsredhtes zur Güftigfeit ver Wahl Gin 
timmigfeit gefordert, fo ift ble Handlung, wenn alle 
Stimmen auf eine Berfon fi vereinigten, gültig, obgleich 
bei derſelben auch ein Excommunicirter ſich betheiligte, denn 
ta jerwe Bedingung beri Ginftémmigfeit nur den Sinn haben 
kann, daß alle wirfliden und berechtigten Wähler 
anf eine Perfon ſich vereinigen, fo fommt das Botum beà 
Ercommunicirten gar nicht in Anfchlag und fam der Gin; 
helligkeit ber Wahl ebenfo wenig Eintrag tbun, als bie 
freiwillige Abweſenheit des einen oder andern der Wähler 
vieß zu bewirken vermoͤchte: es wählen die Uebrigen, und 
wenn fie übereinſtimmen, fo ift bie Bedingung erfüllt unb. 
damit ble Wahl gültig, Sollte aber in bem Falle, wo 
Unanimität erforbett wird, Einer der Wählenven: mit ben 
übrigen nicht übereinfimmen, fo fommt es batauf an, 
ob ber Wahlact ein- öffentlicher oder geheimer [εἰς Wird 
die Abfiimmung öffentlich vorgenommen, fo laäßt fid 
der Diffentirenve leicht ausfindig machen: findet er fid in 
der Perfon des Ercommunicitten, fo ift die Wahl aus ven 
eben genannten Gründen gültig; bat nicht bec Exrcommunis 





— —— 


t 


1) Denn jeder colfegialijdy von Berechtigten und Unberechtigten 
vorgenommene Act wird um der erftern willen aufrecht erhalten. 
Reiffenstuel, |. c. 


(* 


100 Die Wirkungen der Grcemmunicatten, 


citte, fonbern Einer ber Berechtigten die abweichende Stimme 
abgegeben, [o ift bie Handlung nichtig, weil bie nótbige 
Ginbelligfeit nit vorliegt. Bei geheimer Abftimmnng 
dagegen entbehrt ble Wahl jedenfalls der gefeplihen Guͤltig⸗ 
feit, weil fid) nicht conftatiren läßt, wer der Difjentirende 
[εἰ unb da bie wirklich Berechtigten die Mehrzahl ver 
Stimmenven ausmachen, fo fpricht die Vermuthung dafür, 
daß er auf ihrer Seite fid) befinde, mithin ble erforber- 
[ide Unanimität nicht erzielt worben fel, — Bei den ges 
wöhnligen canonijden Wahlen ift übrigens nidt Stimmen⸗ 
einbelligfeit, fondern bloße Stimmenmehrheit, fel ed ble 
abfolute ober relative, als conditio sine qua non bet 
Güítigfeit gefordert, weßhalb biefe Wahlari practifd) 
weitaus am häufigften vorfommt. Yür tie richtige An⸗ 
wendung ber oben erwähnten Negel find in derartigen Fällen 
folgende Möglichkeiten zu unterſcheiden. WBereinigte ber 
Gewählte eine fo große Zahl von Stimmen auf fid, daß 
nad Abzug der Ercommunicirten bennod bie 
erforderliche Mehrheit ihm bleibt, fo ift die Wahl gültig, 
denn bie Ercommunicirten haben zu derſelben nichts θείς 
getragen und ihre Stimmen brauchen gar nicht in Betracht 
gezogen zu werden, weil von Seiten ber Berechtigten 
fo viele Bota auf eine Perfon fi vereinigten, als qut 
gefeglihen Gültigfeit nothwendig waren. Lient aber biejer 
günftige Sall nidt vor und ift bie Anzahl der Stimmen 
der Art, daß nad) Abzug der Ercommmnicirten bie vorges 
fchriebene Mehrheit nicht mehr übrig bleibt, fo ift wieberum 
zwiſchen bem öffentlichen und geheimen Ecrutinium zu unters 
ſcheiden: ftellt es fid bei tem erftern heraus, daß ble 
Ereommunieirten wirklich dem Gewählten ihre Stimmen 
gegeben haben, [o ift ble Wahl aus naheliegenden Grünben 


Die Wirkungen. der Ercommunication, 101 


ungültig, hatten fie dagegen ihre Bota einem Andern zus 
gewendet, fo wird ter Wahlhandlung bie gefeblidje Gültig, 
feit nicht abzuſprechen fein, weil nur Berechtigte für 
den Gewählten ftimmten und biefer ble nöthige Majorität 
von ihnen erhalten fat; bei geheimer Abftimmung aber 
ift bie Wahl unter allen Umftänvden nichtig, well fchlechters 
dings nicht bargetban werben fann, daß bem Gefege Genüge 
geſchehen fel unb bie Perfon des Gewählten wirklich bie 
erforderliche Zahl von berechtigten Stimmen auf fid) ver 
einigt Babe’). 

Wenn ble Excommunicati vitandi des activen Wahl, 
echtes völlig beraubt find nnd die von ihnen abgegebenen 
Stimmen unberüdfichtigt bleiden müfjen, fo verhält es (id) 
anders bei ben toleratis. Zwar fónuen fie ein edt, 
jugelafjen zu werben, nicht beanspruchen, benn bie Bulle 
Ad vitanda wollte ven ®ebannten feine Gunftbegeugung 
zuwenden, ebenjo find die übrigen Wähler nidt. ver 
pfítdtet, fie zur Theilnahme zugulaffen und wenn and 
nur Einer derfelben bie Exceptio excommunicationis geltend 
macht, fo haben fie fld) ber Wahl zu enthalten; thun fie 
das Letztere nicht und drängen fid) förmlich ein, fo können 
die Uebrigen vor Beginn der Handlung Proteft erheben 
und baburd) ihre Vota volftändig wirkungslos machen, fo 
daß biefelben, wie bie ber vitandi, nicht gezählt werben 
dürfen. Wenn ihnen aber bie berechtigten Wähler ie 
Theilnahme freiwillig geftatten, — und biegu find. fie in 
Gemäßheit der Conftanzer Bulle unbedingt beredjtigt —, 
fo haben die von ihnen abgegebenen Stimmen vedytlidje 





1) Vgl. über diefe Verhältniffe Suares, 1. c. sach. 2. n. 8 seqq. 


109 Die Wirkungen der Grcommunication. 


Gültigkeit und werben mitgegählt !), denn bie von Ex- 
communicatis toleratis vorgenommenen SIuriövictionsacte, 
gegen weldje feine Ginvebe erhoben wurde, werben von ber 
Kirche als zu Recht beftehend anerkannt umb. aufrecht εἰν 
Halten. 

Endlich fügen wir in Betreff der Papſtwahl vie 
fBemerfung bei, daß die angeführten Beſtimmungen auf 
dieſelbe Feinerlei Anwendung finben, indem ble Ercom, 
munication, in welcher. einzelne Wähler fid) etwa bes 
finden, gar nidt in Betracht fommt und auf die 
Bültigfeit ver vollzogenen Sabi nidt ben ge 
ringften Einfluß ánfert 9. Diefes große rivi 
legium ber Garbinále hat feinen Grund In ber außerorvent- 
lidjen Wichtigkeit der Wahlhandlung, ἐπ ber Stotbroenbigfeit, 
ſobald ald.möglicy der Kirche ein neues Oberhaupt zu geben 
und bie volljegene Wahl gegen alle Anfechtungen ſicher zu 
ftellen: ble Geſetzgebung will dur die genannte Verordnung 
die etwaigen Verhandlungen über Ersommunication und 
bie baraué folgende Wahlunfühigkelt der einzelnen Cardinaͤle, 
wodurch die Thätigfeit des Eonclave.nerzögert werben fünnie, 
‚um Voraus abfchneiden und nachherige fBeanflanbungen 
ver Wahl, zu welchen vie Parteileidenſchaft fo gerne ihre 
Suffudt nimmt, völlig unmäglih madjen. 





^^ 4) Reiffenstuel, 1. c. n. 169. 


2) c. 2. $. 4 de «lect. in Clement. 1. 3: „Ceterum, nt circa 
electionem praediciam eo magis vitentur dissensiones et schismate, 
quo minor eligentibus aderit dissidendi facultas: decernimus, ut 
nullus cardinalium cujuslibei excommunicationis , suspensionis 
aut interdicti praelezxiu a dicta valeat electione repelli, juribus aliis 
circa electionem eamdem hactenus editis, plane ia suo robore dura- 
inris, * 


Die Wirkungen der Ercommuntcation. 103 


Gehen wir über zu ben Wirfangen, welche bie Gr; 
communication auf das Patronatrecht ausübt, fo mitb . 
vor Allem anerfannt werden müflen, daß daſſelbe bem 
Gebannten nicht [ὅτ und für immer verloren gebe, 
denn wohlerworbene Eigenthumsrechte bleiben von biefer 
Rirchenftrafe unberührt, aber die Ausübung des Praͤ— 
fentationéred tes ijt für ble Dauer bevfelben ſuſpen⸗ 
birt und jede batauf bejüglide Handlung des excommuni, 
tirten Patrons ungüftig und ohne alle rechtliche Wirfung. 
Dieß ift zwar durch das Geſetz nirgends fpeciell. ausge: 
ſprochen, ‚legt aber unmittelbar in der Natur fomobl ber 
Ercommunication als auch des Watronated. Die nádfte 
Wirkung beó Kirchenbanned üufert fih, wie wir [don 
wiederholt bemerften, darin, daß ber Ercommunicirte mit 
Niemanden verfehren darf, gleichwie auf der andern Geite 
die Gläubigen verpflichtet find, jeden Umgang mit ihm 
zu vermeiden: nun findet aber bei Ausübung des‘ Praͤſen⸗ 
tattonétedjteó zwiſchen dem Patrone und Biſchof offenbar 
ber innigfte und unmittelbarfte Verkehr ftatt, mithin wird 
der &rftere im Falle der Ercommunication von feinem ' 
Rechte Leinen Gebrauch machen können und der SBifdyof 
verpfligtet fein, bie erfolgte Präafentation zuruͤckzuweiſen 
unb dieß ww fo mehr, da das PBatronat ein Tpiritnel- 
[es Recht ift '), alſo Beide in gewiſſer Beziehung einer 
communicalio in saoris fij fdjtfbig machen würden. B 
tradjten wir fobann das Weſen des Batronates, fo 
gelangen wir zu bemfelben Reſultate. Es fichert feinem. 
Inhaber dadurch, daß biefer für ble Patronatspfründe einen 
Glerifer bezeichnen fann, dem die institutio canonica, falls 


1) c. 16 X de jur. patronat. 3. 38, 


104 Die Wirkungen der Greommunitation. 


er fähig ift, ertheilt werben muß’), großen Cinfinf auf 
ble Befegung der kirchlichen Beneficien und damit auf viele 
andere, febr wichtige Momente des Firchlichen Lebens: 
wäre e$ nun nicht in hohem Grade ungeziemend und ver 
legend, wenn ein aus der Kirchengemeinfchaft völlig Aus 
geftofener die Ausübung jenes Rechtes beanjpruden wollte 
und der kirchliche Obere genöthigt wäre, dieß geichehen zu 
laffen; würde hierin von, Seite des Excommunicirten nidt 
eine unerträglihe Anmaßung liegen und der kirchlichen 
Auctorität eine große Demüthigung ermadjjen ἢ Keines von 
Beiden fann in bec Intention ber Gefeggebung gelegen 
fein. Wenn die Kirche in Erwägung der genannten Ber 
hältnifje ben Unglänbigen den Erwerb unb bie Ausübung 
bes Patronates unterfagt bat, jo wird daſſelbe aud) auf 
die Ercommunicirten, die ald Helden und Zöllner zu be 
trachten find, feine Anwendung finden müffen, davon gar 
abgejeben, daß tiefe wie jene von dem Ginffujje, ben fie 
auf die Beſetzung der Pfründe haben, einen ber Kirche 
höchſt nachtheiligen Gebraud) machen fónnten. Berner ijt 
ple Präfentation unter ben Rechten des Patrons weitaus 
das wichtigfte unb bie fogenannten jura honorifica ftefen 
ifr an Bedeutung weit nad: nun aber ift allgemein ans 
erfannt, bag die Ehrenrehte — der honor processionis, 
sedis, aquae benedictae, precum, sepulturae etc. — für 
& Dauer der Ercommunication nicht bean[prudjt werben 
Onnen, woraus fidj als einfache Eonfequenz ergibt, daß 
aud) die Präfentation αἱ das wichtigſte Norrecht ben 
Ercommunicirten verloren gehen müjje. Endlich fleben 
bie firdlide Wahl und die Bräfentation, was bie 





1) Reiffenstuel, Jus can L. II. tit, 38. $. 4, π, 67. 


Die Wirkungen der Gxcommunication. 105 


Beſetzung des vacanten Beneficiumd betrifft, fid) völlig 
αἰεὶ: beide räumen die Befugniß ein, bem kirchlichen 
Vorgeſetzten bie Perfon des neuen Pfründners zu bezeich- 
nen und zur Beftätigung vorzuftellen, beide gewähren ihrem 
Inhaber gegenüber von bem betreffenden Kirchenobern dag 
gleide Recht und ten gleichen Einfluß, alfo werden die 
gefeglichen Beftimmungen, tie über den Beſitz und Berluft 
des Wahlrechtes beftehen, aud) auf tie Präfentation An, 
wendung finden !), mithin, ta bie Ercommunication ben 
Verluft des erftern in fid fchließt und daſſelbe an ben 
tirhlichen Vorgeſetzten ober bie Mitwähler übergehen läßt 2), 
qud das Präfentationsrecht verloren gehen und an bie 
SRitpatrone oder in Ermangelung berfelben an den Bischof 
tevolpiren. — Aus diefen Grünben hat fid bie allgemeine 
Anficht der Ganoniften dahin entfchieden, daß ein Excom⸗ 
municirter auf die Ausübung des Präfentationsrechtes 
feinen 9Infprudy habe, daß tie Mitpatrone, weil ihnen 
ver Verkehr unterfagt ift, ihm zur gemeinjdjaft(idjen Bors 
nahme der Präfentation nicht beiziehen dürfen und daß ber 
Bifhof aus demfelben Grunde ben Vorſchlag eined Einzeln: 
patrones nicht acceptiren tónne, fondern als nicht erfolgt 
zu betrachten habe 3). Läßt tec Patron, obne bie Abfo- 
Intion erhalten und ſich baburdy zur Vornahme bet 9tomi 
nation wieder fähig gemacht zu haben, bie geſetzliche 
Praͤſentationsfriſt verftreihen, fo fällt für dieſesmal bas 
Beneficium ber freien Collation des Biſchofs anheim und 


1) Glossa in c. ultim. de elect. VI. 1. 6. 

2) c. umic. Ne sede vacant. VL 3. 8. 

3) Covarruvias, Alma Mater, I. $. Vil. n. 9. €. Lembertini, 
De jure patronat. P. I. L. Il. q. 1. ar. 2. n. 1. Schilling, Der 
fixáfide Sjatrouat, Leipzig 1854. ©. 128, 





106 Die Wirkungen der Grcommunicatton. 


erhält von bem legte ohne jede Mitwirkung des Patrond 
ben neuen Spfrünbner. Die Präfentationsfrift läuft bem 
Ercommunicitten, wie jedem andern Patrone, von bem 
Augenblide an, in vwoefdem er von bet Erledigung des 
Beneficiums zuverläßige Kunde erhält !): von einer «Ber 
längerung ber Friſt fann hier bie Rede nicht fein, denn 
fie ift gefeglid) nur dann zuläßig, wenn bie ber Präfen- 
tation entgegenftehenden Hinderniffe von Seiten des Pas 
tron$ unverſchuldet find und ihre Hinwegräumung nit 
in feinen Kräften ftebt Ὁ, Beides trifft aber bei ber 
Ercommunication nit zu. — An den aufgeführten Ver 
hältnifjen bemirft die Bulle Ad eitanda nur infoferne eine 
Veränderung, als ber Biſchof bie von einem toleratus 
vorgenommene Bräfentation acceptiren kann, aber ver 
pflichtet ift er hiezu keineswegs, ja wenn in Folge der 
Ücceptation vorausfihtlih ein öffentliches Aergerniß ent 
fteben, ter Gebannte in feinem Wiverfiande ermuthigt ober 
das Sinjeben der Kirchengewalt irgendwie beeinträchtigt 
würde, fo ift ber Bifchof feiner Stellung εὖ ſchuldig, aud 
bei einem toleratus bie “Präfentation zurückzuweiſen und 
die Pfründe unabhändig von ihm zu befegen. 

Was enblid nod) bie Refignation beteifft, fo ift 
allgemein anerfannt, baf ein Grcommunicirter auf fein 
Beneficium, wenn εὖ frei und ohne Bedingung gefchieht, 
jederzeit Verzicht leiften fónne 3), denn er übt durch biefen 


1) c. ultim. X de elect. 1. 6. 

2) Barbosa, De offic. et potest. Episcopi. P. III. Allegat. 72. 
n. 138. 

3) Constit. Pii V. v. 1. Aprıl 1568. 4, 3: , Episcopi et alii 
feonlistem habentes, eorum dantaaat resiguationes recipere et ad- 
mittere possit, qui aut ısenio vonfecti, nut valettidinasii, aut.comore 
impediti vel vitiati, aut crimihi obnesii, vensurisgus vcolesiasticis 


Die Wirkungen der Gxcommunication, 107 


Act weder ein Jurisdietionsrecht aus, nod) erwaͤchst ihm 
irgend ein Bortheil, vielmehr geht für ihn die Pfründe 
verloren, bie nunmehr zum Nugen der Kirche einem Wuͤr⸗ 
digern übertragen werben fann. 9Inberó. aber verhält εὖ 
fi} bei der Resigunatio in fasorem tertii. Zwar witb das 
Beneficium. Demjenigen, zu deſſen Gunften die Refignation 
vorgenommen wurke, von bem kirchlichen Obern 
übertragen: allein da ber Refignirende bei der Berzichts 
liftung bie Beringung beifügt, daß die Pfründe einem 
beftimmten Dritten übertragen werde und ber Golfatot 
diefe Bedingung erfüllen muß ἢ, jo übt ber Grftere burdj 
Bezeichnung ber Perſon anf bie neue Berleibung einen 
Einfluß, welcher ber Bräfentation factifch gleichkommt, alfo 
einem Ercommunicitten jo wenig, als biefe, eingeräumt 
werden fann 2). Deßhalb bat bie ‚kirchliche Behörde jebe 
wurtige Nefignation, die von einem Excommunicatus 
vndus vorgenommen werden mill, unbebingt zuruͤckzu⸗ 
weiſen; — die von einem tnleratus angebotene Verzicht⸗ 
kiftsng fann fie acceptiven, ift aber hiezu, wie bei der 
Präfentation, in feiner Weife verpflidtet. — 


8. 1. 
Die Entziehung des äußern bürgerlichen Berkehrs. 
In ber bisherigen Auseinanderſetzung haben wir von 
wn geiftigen Gütern gehandelt, bie durch die Excom⸗ 
munication ipso facto verloren gehen, denn ba ihr Erwerb 


irrelifi, ‚aut nequeunt aut npn debent .acclesiee vel beneficio in- 
servire.^ Bei Neller, De statu resignationum ad favorem apud 
Germanos, in Schmid, Thesaur. T. VI. p. 292. 

1) Neller , L.c. p. 282. 

2) Alterius, I. c. p. 222.  Sueres, l. c. n. 35. 36. 


- 


108 Die Wirkungen der Crcommunicatton, 


und Befib burd) ben Empfang der Taufe und die fortwährende 
Mitglienfchaft ver Kirche bebingt lit, fo mug aud) ihre Cnt. 
giehung mit der Ausftoßung aus der Gemeinfchaft bet 
Gläubigen unmittelbar verbumven fein. Es Liegt dieß, 
wie wir wieberholt zu bemerfen Gelegenheit hatten, im 
Begriff und Wefen der Ercommunication als einer 
geiftigen Strafe. Ganz anders dagegen verhält es fid) mit 
ber weitem Vorfchrift der Firchlichen Gefeggebung, daß ber 
Grcommunicirte auch des gewöhnliben bürgerlichen 
Verkehrs fld) zu ‚enthalten habe und kein Glänbiger in 
diefen Dingen irgend melden Umgang mit ifm pflegen 
dürfe: and jenen Worten des Herrn — „wer die Kirde 
nicht hört, der fel dir wie ein Heide nnb Zöllner” — 
fonn biefe Wirkung des Bannes direct nicht abgeleitet 
‚werden, denn bie Heiden und Zöllner waren nur von ben 
eigentlih Firhlihen Wohlthaten ausgeſchloſſen, während 
bet äußere bürgerliche Verkehr mit ihnen wenigftené 
gejeplih Feiner Beihränfung unterlag Wenn au 
biejen Berhältnifien mit Recht gefolgert wurde !), daß bie 
Entziehung des bürgerlichen Verkehrs nift auf unmit 
telbar göttlier Anordnung berufe, fo kann um tef» 
willen die Rechtmäßigfeit des in Rede ftehenden Verbotes 
bod) keineswegs bezweifelt werben, vielmehr Sprechen für 
diefelbe fo wichtige Gründe, daß jene Anordnung ver Kirche 
als unmittelbar geboten und al8 ein zur vollftánbigen 
Durhführung bed Banned unumgänglid nothwendiges 


—X e a —À ———— — 


1) Coverruvias, Alma Mater, 1. $. E. pr.: ,Tllud tamen est 
hac in re observamdum, lege cvangelica prohiberi communionem 
cum excommunicetis in his, quae ad divina pertinent : in aliis autem 
prohiheri lege humana." — Cfr, Suares, l e. Disput. XV. sect. 2. 
p. 9. S 


Die Wirkungen der Excommunication. 100 


Requifit angefehen werden muß. Wir wollen feit beſon⸗ 
vered Gewicht auf den Umftand legen‘, daß εὖ [don eine 
Sorderung des natürlichen Gefühles ift D, Diejenigen, 
welche man als öffentlihe Günber mit tem Mipfallen 
ber Gottheit und dem Fluche ihrer Diener beladen glaubt, 
aud im Außern Verfehr zu melden, um an ihrem Vergehen 
feinen Antheil zu nehmen: ber einfadhe Iweck des Ban- 
ned verlangt das Abbrechen des Verfehres auch in den 
aͤußern bürgerlihen Dingen ?). inerfeits fchließt die 
fite bie öffentlichen Sünder aus ihrer Gemeinfchaft in 
ber Abficht aus, fie zu befiern und durch ben PVerluft ver 
geifigen Güter, durch das Elend, bem fie fid) preisgegeben 
chen, zur Buße unb Umfehr zu vermögen. Wir - 
geben zu, baß ihr bie bei &inzelnen durch die bloße Ent- 
Hebung ihrer geiftigen Wohlthaten gelingen fónne; aber 
bei ber Mehrzahl ver Menfchen, die fo gerne am Aeußern 
fingen nnb nur burd finnlihe Motive fid beftimmen 
laſen, fanum vpn der Anwendung rein geiftiger Mittel eine 
volltändige Sinnedänderung nicht erwartet werben, — fie 
bedürfen einer flärfern, fo zu fagen handgreiflihen Ans 





1) Jul. Caesar. Comment. de bello gall. L. VI. c. 13: „Si quis 
aut privatas aut publicus Druidum decreto non steterit, sacrificiis 
interdicunt. Haec poena apud eos est gravissima. Quibus ita est 
isterdietum, ii numero impiorum et sceleratorum habentur; fie 
omnes decedunt, adiium eorum sermonemque defugiunt, ne quid 
ex contagione incommodi accipiant; neque iis petentibus jus reddi- 
lur, neque honoe ullus communicatur. * 

2) ud) in oet proteftantifchen Kirche hatte pte Grcommuni- 
cation überall die Wirfung, daß der Beftrafte vom äußern Verkehr 
Wit den übrigen Gläubigen ausgefchloffen war. Bol. 3. 3B. die dieß- 
fallige Beftimmung bet Württembergifihen Kirchenordnung bei 
Richter, Geſchichte ber evangelifchen Kirchenverfaffung in Deutſch⸗ 
land, S. 139 f. 


Ὁ. Die Wirkungen der Excommunication. 


tegung, und biefe liegt eben in ber Entziehung des aͤußern 
bürgerlichen Verkehrs? buch ben Umſtand, tag (le ſich von 
allen Gläubigen ſorgfältig gemieden und audy im: ben 
aͤußern Verhaͤltniſſen einer gaͤnzlichen Verlaſſenheit über⸗ 
antwortet ſehen, durch die Erwägung, taf das einzige 
Mittel, dieſem Zuſtand ein Ende zu machen, in der Auf⸗ 
hebung des Bannes liege, ſollen ſie gleichſam genöthigt 
werben, reumüthig und gebeſſert in den Schooß ber Küirche 
zurüdzufehren !). Auf ver andern Celte hat ble Ercom- 
munication die Beftimmung, vom Leibe ber Kirche bie 
franfen Glieder abzutrennen, um die gejunben vor ber 
Anftedung zn bewahren und dem jchleichennen Gifte ber 
Verführung Einhalt zu tfun: wie wäre dieß mógtidj, wenn 
jar bie communicalio in sacris unterfagt, aber ter äußere 
fDerfebr des täglichen Lebens, ber ber Berführung unend⸗ 
(id) viele Anfnüpfungspunfte darbietet, völlig freigefafjen 
würde? Müßte nicht gerade ba$ Gegentbeil von bem 
eintreten, was ber Bann beabfihtigt, da Binlámglid) bes 


— — — — — 


1) Schr (djón wird dieſer Zweck, ben bie Kirche bei Entziehung 
des bürgerlichen Verkehrs verfolgt, vom hl. Auguſtinus hervor⸗ 
gehoben. Er ſagt, die Grcommuniention ſolle, um Spaltungen zu 
vermeiden, nur dann verhängt werden, wenn der Betreffende keinen 
Anhang unb feine Vertheidiger unter dem Volke habe, und fügt bei: 
» Tunc hoc sine labe pacis et unitatis οἱ sine laesione frumentorum 
. feri potest, cum congregationis Ecclesiae muliitudo ab eo crimine, 
quod anathematur, aliena est. Tunc enim adjuvas preepositum 
potius corripientem, quam criminosum resistentem ; tuno se ab ejus 
conjunctione salubriter continet, ut nec cibum. quisquam cum eo 
sumat, non rabie inimica, sed coercitione fraterua. "T'unc etiam 
ille ei timore percutitur, οἱ pudore seneiur, cum ab umiverss 
Bicclesia se anathemalum videns, sociam turbam, cum qua in 
delicto &uo gaudsat οἱ bonie insultel, non polest invenire.^ Contra 
Epistol. Parmen. L. Il. c. 2. n. 13. 


Die Wirkungen der Gxeommunicatien. f11 


fannt iff, mit welcher Kraft und Energie die aus ber 
Sitde Ausgeftoßenen bemüht find, für ihre Grundfäge 
Anhänger zu werben und für ihre Vergehen Theinehmer 
oder wenigftens Bertheidiger zu finden? Immer wird es 
unter den Gläubigen jorglofe und unvorfihtige Gemüther 
geben, bie ben verfdjiebenattigften und bebenflidften Ein- 
fäffen zugänglih find und daher vor ber Gefahr, ben 
lleberebungéfünflen oder dem ſchlechten Beijpiele zum 
Dpfer zu fallen, nur baburd) bewahrt werben fónnen, baf 
aller äußere Berfehr zwifchen ihnen nnb den Ercommuni- 
cirten aufgehoben wird ἢ. Endlich hat ver Kirchenbann 
ven Zweck, nicht nur ble von ihm Betroffenen zn beifern, 
ſondern auch bie übrigen Gläubigen durch die Größe 
ver Strafe, die fie über Andere verhängt felen, von 
Ähnlichen Vergehen abzufhreden: wie fönnte ihnen 
aber die Furchtbare Schwere der €trafe drutlich er vor Ans 
gen geführt und ber genannte Zwed des Bannes ficherer ers 
richt toerben, als dadurch, daß felbft ber äußere bürgerliche 
Verkehr, ber bod) fonft mit jebem Menfchen geftattet ift, ben 
Ercommunichtten gegenüber durchaus unterfagt wird. ie: 
tin Tiegt ſicherlich die unmittelbarfte und eintringtidfte 
Aufforderung für die Mitgliever ber Kirche, fid) iDrerfeite 
vor der Sünde zu hüten, um veretwillen die Ausgeftoße- 


1) Cyprian. De. unitate Eccles. c. 15 (ed. Krabing.; edit. 
Benedict. p. 200): „Vitate, quaeso vos, ejusmodi homines et a 
ltere atque asüribus vestris perniciosa collequia velut contegium 
mortis arcete, sicut scriptum est: Sepi aures (uas spinis el noli 
eudire linguam nequam. EI iterum: Corrumpunt gngenia bona. 
Chfabulationes pessimae. Docet Dominus et admonet a talibus Í 
recedendum. Caeci eunt, inquit, duces caecorum; caecus autem 
Caecus ducens, simul in fovéam cadent. Aversandus. est talis at- 
que fugiendus, quisquis fuerit ab ecclesia separatus." 





112 Die Wirkungen der Excommunication. 


nen fo [der zu büßen haben 1). —  Geleitet von biefen 
Erwägungen haben vemm fdon die Apoftel für. nöthig 
erachtet, die Gläubigen vor dem Verkehr mit öffentlichen 
Cünbern, felbft wenn bieje noch nicht förmlich aus ber 
Kirche ausgeftoßen waren, zu warnen und ihnen ben äußern 
Umgang geradezu zu unterfagen. So ermahnt Paulus bie 
Gemeinde zu Gorintb 2): „ich habe euch gejchrieben, daß 
ihr nidt Umgang haben follt mit Einem, ber fid) 
Bruder nennen läßt und ein Hurer ijt oder ein Habfichtiger, 
oder Gógenbiener ober Echmäher over Trunfenbold ober 
Räuber: mit einem Golden folletihbraud nit 
jufammenef[en.^ An die Theffalonicher richtet er in 
Betreff Derjenigen, bie feinen Anorbnungen offenen Wiver- 
ftand entgegenfegen würden, bie Weifung 9): wenn Jemand 
nicht gehorchet unjerm Worte in dem Briefe, fo zeich- 
net einen Eolden an und habet Feinen lime 
gang mit ibm, auf daß er befhämet werde.” 
Ueber ven Verkehr mit ten Häretifern fchreibt ber BI. 
Sohannes *): „wenn Jemand zu euch fommt unb biefe 
Lehre nicht bringt,. fo nehmet ihn nidt in' Haus 
auf unb grüßet ibn nicht; denn wer ihn grüßet, der 
nimmt Theil an feinen bójen Werfen.” Der Sinn tiefer 
ON Au bie jer Grund für die Entziehung des äußern Verkehrs 
wurde fchon in ber alten Kirche geltend gemadjt. Das erfte Concil 
von Tours (ann. 461) fügt c. 8: „Si quis post acceptam poeni- 
tentiam, sicut canis ad vomitum suum, ita ad saeculares illecebras, 
derelicta quam professus est poenitentia, fuerit reversus, a commu- 
nione ecclesiae, vel a communione fidelium exiraneus habeatur, 
quo facilius et ipse compunctionem per hanc confusionem accipiut 
et alii ejus terreantur. exemplo.^ Hard. Il. p. 795. 
2) I Cor. V. 11. | 


3) I Thessal. III. 14. " 
4) II Joh. 10. 11. 


Die Wirkungen der (communication. 113 


Stellen bevarf feiner nähern Erftärung, bie Anſchauungen, 
auf welchen tie genannten Vorſchriften ber Apoftel beruhen, 
vie Abfihten, bie fie babel verfolgten, find teutlid) genug 
audgefprodjen; ben beften Bommentar zu venjelben liefert 
inbeffen die allgemeine Praris ber apoftoliffen unb 
unmittelbar nachfolgenden Zeit, im welcher ter Umgang 
mit Häretifern und Excommunicirten überall aufs Sorg— 
fältigfte gemieden wurde. Irenäus berichtet !), von 
Schülern des hi. Polycarp gehört zu haben, taf der Apo- 
tel Sohannes, als er zu Ephefus in Begleitung des feb: 
tern fidj in ein öffentliches Bad begeben wollte und nad) 
jeinem intritte dafelbft des Cerinthus anſichtig wurde, 
eiligft fid mit den Morten entfernt habe: lajfet und von 
binnen fliehen, damit nicht etwa das Bad zufammenftürze, 
in welchem fid) Gerintb, ber Feind ver Wahrheit, befindet. 
Bon dem gleiden Abſcheu gegen die Häretifer und ber 
nämlichen Sorgfalt, ‚jeden äußern SBerfebr mit ihnen zu 
vermeiden, gibt eine andere Begebenheit Zeugniß, ie bet» 
felbe Jrenäus berihtet ἢ. Als ver Bf. Polycarp bem 
Mareion begegnete und biejer ihn fragte: fennft bu 
uns, antwortete er: ja ich fenne bid, Erfigeborner Ga: 


4) Contr. Haeres. L. III. c. 3: „ Ἐισὶν οἱ ἀκηκοότες αὐτοῦ, ὅτι 
Ἰωάννης ὃ τοῦ κυρίου μαϑητῆς, ἂν τῇ Ἐφέσω πορευϑεὶς λούσασϑαι καὶ 
ἰδὼν ἔσω Κήρινϑον, ἐξήλατο τοῦ βαλανείου un λουσάμενος, ἀλλ᾽ ἐπειπὼν" 
φύγωμεν, μὴ καὶ τὸ βαλανέϊον συμπέσῃ, ἔνδον ὄντος Κηρίνϑον, τοῦ τῆς 
ἀληϑείας ἐχϑροῦ. “" ᾿ | 

2) L. c. !Mvróc δὲ 0 Πολύκαρπος Magxlov( ποτε eis ὄψιν duri 
ἐλθόντι καὶ φήσαντι. ἐπιγινώσκεις ἡμᾶς, ἀπεχρίϑη, ἐπιγινώσχω τὸν πρω-- 
τότοχον τοῦ Zarura. Τοσαύτην οἱ ἀπόςολοι καὶ οἱ μαϑηταὶ αὐτῶν ἔσχον 
εὐλάβειαν, πρὸς τὸ μηδὲ μέχρι λόγου κοινωνεῖν τινὶ τῶν 
παραχαραξάντων τὴν ἀλήϑειαν, οἷς καὶ Παῦλος ἔφησεν ' αἱρετικὸν 
ἄγνϑρωπον x. τ. A. 

Theol. Quartalſchrift. 1857. 1. Heft. 8 


114 Die Wirkungen der Cxcommunicatton, 


tand. So groß, fügt Irenäns die damalige Disciplin 
erläuternd hinzu, fo groß war ble Scheu, welche ble Apoftel 
und ihre Schüler vor Leuten hatten, die ble Wahrheit vers 
fehrten, daß fie nidt einmal mit einem Worte 
mit denfelben Umgang pflegen wollten gemäß 
der Vorſchrift Pauli: einen Häretifer melbe nach eiger 
oder zwei Jurechtweifungen, mijjenb, dag ein Eolcher vers 
fert ift und fünbigt, fein eigener Verurtheiler. — Einen 
weitern Beweis für bie (egtere Bemerkung des Irenäus 
liefert ber p. Ambrofius!), wenn er ans der Zeit Juliane, 
des Apoftaten, von einem chriftlichen Richter erzählt, daß 
biefer einen feiner Brüder, der einen heibnifhen Altar 
umgeftürzt, verurtheilt habe und deßhalb von allen feinen 
Glaubensgenoſſen verabfchent und gemieben worben fei: 
Niemand Habe mit ihm verfehren wollen, Niemand ihn 
des Bruderkuffes für würdig gehalten. Der BL Bafis 
lius verfihert in einem Briefe an Athanaſius, daß ber 
von bem Leptern mit dem Banrte belegte Statthalter 29 
biens aud bei ihnen als ein Excommunicitter werde be 
handelt und verabfcheut werden, fo bag Niemand mit 
bemfelben verfehren und Feuer, Waffer oder 
Obdach mit ibm werde theilen wollen). Wenn 
aus diefen Zeugnifien hervorgeht, daß die Sitte, mit ben 
Gebannten aud) in den äußern bürgerlihen Berhältniffen 


1) Epist. XL ad Theodos.: ,Quanüi se offerre habent tali 
optioni, cum meminerint tempore Juliani illum, quia aram dejecit 
et turbavit sacrificium , damnatum a judice fecisse martyrium? aque 
numquam alias ille judex, qui audivit eum, nisi persecutor habitus 
est, nemo illum congressu, nemo illum umquam osculo dignum 
putavit. * 

2) Epist. XLVII ad Athanas.: ,,azorqonow» αὐτὸν πάντες ἡγήσον- 
ται μὴ πυρὸς, ur ὕδατος, μὴ σκέπης αὐτῷ κοινωνοῦντες" 


Die Wirkungen der Ercommuntcatton. 115 


jeden Berfehr abzubrechen, damals bereitd eine allgemein. 
anerfannte und überall beftebente Einrichtung war, fo 
muß and dem Schreiben des Synefius'), durch weldes 
er den übrigen Bifchöfen von ter Ercommunication dee 
Andronicns Nachricht gibt und die Gläubigen auffordert, 
mit ihm und feinen Genofien jeve Gemeinfdjaft ver Woh- 
nung unb des Tiſches zu meiden, fie nicht zu grüßen unb 
nad ihrem Tode das chriftliche Begräbnig zu verweigern, 
der nämliche Schluß gezogen werden. — 

Indefien war bie Entziehung des äußern Umgangs, 
wie aus den angeführten Thatſachen vielleicht gefolgert 
werden fónnte, in der damaligen wie fpätern Zelt nicht 
etwa eine bloße Gemobnbeit, tie fid) gleihfam von 
[δῇ gebildet Hatte und θέτει Beobachtung der Wilfführ 
w8 Einzelnen überlafien blieb, vielmehr waren die Gfüus 
digen dazu verpflichtet und die Gejeggebung enthält 
über blefen Punkt förmliche und ausprüdtihe Vorſchrif— 
ten. Das Eoncil von 9Intiodjien im I. 341 fagt c. 
2.: „Es ift nicht erlaubt, mit Denen, ble. ausgefihloffen 
find, Gemeinschaft zu halten, nod in Häufern mit ihnen 
yifammenyufommen unb mit denen zu beten, bie nicht mit 
ver Kirche beten, noch Diejenigen in einer andern Kirche 
aufzunehmen, bie in ber eigenen nicht erjcheinen. Wenn 
t6 fidj aber herausftellt, taf ein Biſchof ober ‘Priefter ober 
Diacon ober eim anderer Glerifer mit Denen, die audges 
ſchloſſen find, Gemeinfchaft unterhält, fo foll aud) er aus⸗ 
gefhloffen werben, weit er bie Ordnung ber Kirche ver: 
wirrt ).^ Hiemit übereinſtimmend fagen die apoftoli- 

1) Epist. LVII. 

2) Concil, Antioch. c. 2 bei Hard. 1. p. 593. 
8 a 


116 Die Wirkungen der Grcommunication. 


(den Ganoneó: Wenn Semanb mit einem Gxcommuni 
cirten, {εἰ e8 aud) nur privatim in einem Hauſe, gemein: 
ſchaftlich betet, jo fol aud) er aus der Kirche ausgeſchloſſen 
werben ἢ). Unter Androhung der gleichen Strafe verbietet 
das erfte Goncil von Toledo im I. 400 den Geiftliden 
und Mönden, einen ercommunicirten Laien zu bejuchen 
oder fein Haus zu betreten; ein tem Banne verfallener 
Elerifer foll von allen Elerifern gemieven werben; Nies 
mand darf mit einem Ercommunicirten reden ober ges 
mein[daftlid mit ihm effen ?). — Die erfte jener beiben 
irijden Synoden, bie von bem Hl. Patricius (1 465) ge 
halten wurden, verorbnet, daß Jeder, ber einen ercommuni- 
eirten Glerifer aufnehme, in bie[felbe Strafe verfalle 3) — 
und daß es einem Mitglieve ber Kirche verboten fei, von einem 
Gebannten aud) nur 9L Im ofen anzunehmen 4). — Indem 
wir bie zahlreichen Verordnungen anderer Gonci(ien 5), vie 
mit ben angeführten vollfommen übereinftimmen, bier 


΄ e. 





1) Can. Apost. ΧΙ, Dieſelbe SBeftimmung ijt faft wörtlich wieder⸗ 
holt von bem Concil. Carihag. IV. ann. 398. c. 70. Hard. I. p. 983. 

2) Concil. Toletan. I. c. 15: „Si quis laicus abstinetur, ad hunc 
vel ad domum ejus clericorum vel religiosorum nullus accedat. 
Similiter et clericus si abstinetur, a clericis devitetur. Si quis cum 
illo colloqui aut convivari fuerit deprehensus, etiam ipse abstineatur.* 
Hard. 1. p. 991. 

3) Synod. S. Pairic. c. 11: ,Quicumque clericus ab aliquo 
excommunicatus fuerit et alius eum susceperit, coaequali poenitentia 
utantur. * 

4) c. 12: „Quicumque Christianus excommupicatus fuerit, nec 
ejus eleemosyna recipiatur. ^ Bei Hard. I. p. 1791. 

9) 3. 33. Concil. Venetic. ann. 465. c. 3. Hard. II. p. 797; 
Concil. Turon. ann. 461. c. 8. Hard. II. p. 795; Concil. Jierdens. 
ann. 524. c. 4. lbid. p. 1065; Concil. Aurelian. I. ann. 511. c. 3. 
lbid. p. 1009. p istos 


Die Wirkungen der Greommunication. 147 


übergehen, fügen wir die Bemerfung bei, daß tie Firchliche 
Gefegebung dag ganze Mittelalter hindurch die gleichen 
Grundſaͤtze fefthielt und das gänzliche Abbrechen jedes Ver⸗ 
fehrs zwifchen Gläubigen und Ercommunicirten aufs Nach⸗ 
drüdlichfte einfchärfte; auch die Gapitularien ber fränfifchen 
Könige enthalten hieher gehörige Beftimmungen, die bes 
weifen, in welchem Umfange und mit welcher Strenge 
bie Forderungen ber Kirche damals beobachtet wurden. So 
fagt ein Gapitulare 4 10 ἰπ Ὁ. S. 755 1): ,Ut sciatis, 
qualis sit modus istius excommunicationis: in ecclesiam 
non debet intrare, nec cum ullo Christiano cibum et po- 
tum sumere, nec ejus munera quisquam accipere debet, 
nec ei osculum porrigere, nec ei oratione se jungere, nec 
slutare, antequam Episcopo suo sit reconciliatus^ unb 
Carl, ber Große, trüdt fid) im Capitul. I. v. I. 789, 
We ebengenannten Punkte unter einen allgemeinen e; 
ihtöpunft zufammenfaffend, alfo aus 3): Qui excommuni- 
ealo praesumptiose communicaverit, excommunicetur et 
ise.* Von Gratian tourben bie bereit beftehenven unb... 
überall in der Praris beobachteten Vorſchriften unverändert 
in Decret aufgenommen 3) und die Oefegesfammlung 
Gregors IX. hat biefelben volfländig anerfannt *). 

Die Praris, welde fid auf bem Boden tiefer ges 
feglihen SBeftimmungen entwidelte, läßt fid) zunaͤchſt nur 
in bem allgemeinen Gage zufammenfafien, vaß mit den 


1) Bei Balus. Capitular. Regum Francor. I. p. 172. 

2) Ibid. p. 226. 

3) C. 16. 17. 18. 24. 26. C. XI. q. 3 unb an vielen andern 
Stellen. 

4) e. 29. 41. 59 X de sentent. excommun. 5. 39; c. 2 X de 
exception. 2. 25. 


118 Die Wirkungen der Grcommunicatign. 


Ercommunicirten jeder äußere Verkehr abs 
gebrodjen werden mü[je; inbejjen haben die Gane 
niften nicht ermangelt, die einzelnen Bälle ausprüdlid 
namhaft zu machen, in welden bieß zu gejchehen Habe. 
Sie vrüden diefelben nad) dem Vorgange der Gloffe }) 
in dem befannten Memorialverfe aus: 
Si pro delictis anathema quis efficiatur, 
Os, Orare, Vale, Communio, Mensa negatur. 

^ Mit bem erften biefer Worte will auégebrüdt wer; 
ben, daß jede llntetrebung mit einem Ercommunis 
eirten vermieden werben müjje, mag fie nun óffentlid) ober 
im Geheimen, ſchriftlich ober münblid, durch Zeichen ober 
Worte gepflogen werden, denn in dem Einen wie in bem 
Andern liegt ein gegenfeitiger Verkehr; ebenjo macht εὖ 
feinen Unterſchied, ob ein derartiger Austaufh von Ge 
danfen aus freiem Antriebe oder auf Veranlafjung des 
Gebannten erfolge, ob der Gläubige fid) dabei actio oder 
blos paſſiv betheilige 2. Wie jebe gegenfeitige Mittheilung 
und Unterrevung in den gewöhnlihen Verhältniffen des 
äußern bürgerlichen Lebens unterfagt ijt, jo verhält es fid) 
aud) mit ber Gemeinſchaft des Gebeteó — Orare. Die 
Gíáubigen haben nicht bloß den Umgang des Ercommuni- 
eirten bei ©elegenheit des öffentlichen Gottesvienftes, beim 
Empfange ver Sacramente, bei den firdjliden Segnungen, 
überhaupt bei allen öffentlichen Feierlichkeiten forgfältig zu 
fliehen, fondern aud, wie bie oben erwähnten Gefege 
wiederholt ausfprehen, in Betreff des Privat gebetes 
jever Gemeinſchaft mit ihm fid) zu enthalten 5), — Ebenfo 
| 1) Glossa ad c. 3 de sentent. excomm. VI. 5. 1l. 


2) Alterius, 1. C. p. 109. 
3) Navarrus, Manuale, c. XXVII. n. 20. 


Die Wirkungen der Ercommunication. 119 


fft jede SBeyeugung freundichaftlicher und wohlwollender Ges 
finnungen, fel es öffentlich oder im Geheimen, jede Begrüßs 
ung, mag fie in Worten oder Zeichen oder in mas immer 
für Handlungen beftehen, einem Gebannten gegenüber 
unterſagt — Vale Ὁ. Mit dem Ausdrucke Communio 
wollen alle Arten des gewöhnlichen Verkehrs, alle Ge; 
meinjdjaft in Handel und. Wandel, alle Gefdüftéverbins 
dungen und Rechtsgeſchäfte, jede gemeinfame Verrichtung 
einer und berjelben Arbeit, bie gegenjeltige Unterftügung 
in Ausübung des Berufes ıc. als unerlaubt und fünbfaft 
bezeichnet werben ?). Endlich gehört hieher vie Tifchgenoffen- 
[daft — Mensa — in allen ihren verfchledenen Formen, 
' fd εὖ óffentlid) ober privatim, im eigenen ober einem frem⸗ 
ben Haufe, vorausgefest, daß fte Feine bloß zufällige und 
rein Außerkiche ift, jondern mit Wiffen und Abficht gepflos 
gen wird und ans ben fie begleitenden Umſtaͤnden auf 
einen wirklichen pgegenfeitigen Verkehr geichloffen werben 
fann. Gan; baffelbe gilt von der gemeinfamen Wohnung 9). 
— Die Verpflichtung, in den angeführten Beziehungen des 
öffentlichen und Privatlebens ten Umgang zu meiden, ift 
eine gegenfeitige, b. B. nicht blog bie Gläubigen 
haben fid alles Verkehres zu enthalten, ſondern aud) der 
Ercommunicirte feinerfeits ift verpflichtet unt 
pear nod) mehr als jene 5), fid fernzuhalten und mit ben 
Mitgliedern ber Kirche in Feinerlei Verbindung zu treten, 





E scs d 


1) Suares, l. c. sect. 1. n. 3. 4. 

2) Alterius, |. c. ^ 3 

3) Pirhing, Jus can. L. V. tit. 39. sect. 1. n. 21 in fin. 

4) c. 5 X de clerico excommunicat. minist. 5. 27: „Excom- 
municatos son vilare multo magis, quam non vitari periculosum - 
existit. 4 


120 Die Wirkungen der Grconmunication. 


denn für ihn, nicht für biefe, foll bie Ercommunication 
eine Strafe fein, er vor Allem Bat ihre Folgen zu tta» 
gen und benjelben fi freiwillig zu unterwerfen; wenn 
den Gläubigen verboten ift, mit ibm zu verfehren, fo ete 
[deinen fie dabei vorherrfhenn als vie Vollſtrecker ber 
firhlihen Sentenz, — die Abfiht, fie. vor Verführung 
und ſchlechtem Beifpiele zu bewahren, fteht erft in zweiter Linie. 

Wenn bem Gejagten zufolge vie Kirchliche Gefegges 
bung fdon an fid) febr ftrenge ijt, indem fie das Verbot 
des gegenſeitigen Verkehres auf alle Berhältniffe des 
bürgerlichen Lebens ohne Unterſchied ausvehnt, fo machte 
fid diefe Strenge in früheren Zeiten nod) baburd) in viel 
umfafjenderer Weije geltend, daß das Verbot fid aud) auf - 
alle Perſonen ohne Ausnahme erftredte, benn felbft 
Diejenigen, die vermöge ihrer natürlichen oder rechtlichen 
Stellung — wie ble Gatten, Finder, Dienftboten, Haus⸗ 
genofjen und Untergebenen jeder Art — auf einen täglichen 
Verkehr angewiefen find und ihn bei der größten Gorge. 
falt und Gewifjenhaftigfeit nicht völlig abzubrechen vermö- , 
gen, waren in jenem Verbote mitinbegriffen unb wenn fie 
thaten, was fie nicht vermeiden fonnten, verfielen fie als 
Zheilnehmer an dem Berbrechen ipso facto in biefelbe 
Strafe. Und dabei hatte es fein Verbleiben nod nidt: 
wer wiederum mit den Legtern in irgend einer Weife ums 
ging, unterlag gleichfalls der Ercommunication, die von 
diefen aus in ftelgenber Progreſſion fid) abermals weiter 
verbreitete und [o fort in infinilum, [o baf ber Bann 
fud, der urfprünglih einen Einzelnen getroffen hatte, 
gleich dein Gontagium einer anftedenven Krankheit in fut 
zer Zeit über ganze Orte. und Gegenven fid) ausbreiten 
fonnte. Die gewöhnlichen Entfehuldigungsgründe ber Uns 


Die Wirkungen der reommunication. 121 


wiffenheit, der Furcht oder Gewalt, unter deren Einfluß 
ber Betreffende handelte, waren nicht anerkannt, fondern 
bad einfahe actum des Verkehrs entſchied ohne alle 
Berüdfichtigung ber daſſelbe begleitenden Umſtaͤnde. Rechnen 
wir nod hinzu bie große Menge von Greomminicationen, 
bie früher verhängt und bie Strenge, mit welcher fie durch⸗ 
geführt wurden, fo wird feinen Augenblid gezweifelt werben 
fónnem, daß fie febr nadhtheilig wirkten, Spaltungen, Un- 
einigfeiten und Verwirrungen in’d Familien⸗ wie in’s 
öffentlihe bürgerliche Leben brachten, eine Menge von 
Unfhuldigen trafen unb biefe ebenjo Dart berührten, wie 
bm eigentlichen Verbrecher ſelbſt; ta enblid) nur das 
Sactum des Umganges entjdjieb und jeder Entſchuldigungs⸗ 
grund hinmwegfiel, fo mußten hieraus wie aus einer un- 
verfiegbaren Duelle die mannigfaltigfien Zweifel unb 
Gewiſſensbeunruhigungen ent[pringen, denn Niemand fonnte 
wijen, ob er nicht burd) irgend einen unglüdlihen Zufall 
mit einem Gebannten verkehrt und dadurch das Anathem 
der Kirche auf fid) gezogen habe. Es leuchtet von felbft 
ein, daß ein derartiger Stand der Dinge für die Dauer 
unhaltbar und in feiner ganzen Etrenge unaué[üfrbax 
fein mußte unb dieß um fo mehr, als er gerade bie Ge, 
wiffenhafteften am meiften druͤckte. — 

In Erwägung diefer mißlihen Verhältniffe, beren 
unmittelbare Wirkungen bei der Ercommunication Kaifer 
Heinrichs IV. zum erftenmale in ihrer ganzen Verderblich— 
lit zu Tage traten, ließ Gregor VII. auf der Eynove 
u Rom im I. 1078 bedeutende Milverungen des bisher 
beftehenden Rechtes eintreten ἡ, Täglich bringe er in Cv 





1) Concil. Roman. IV: „Et quoniam multos, peccatis nostris 
exigentibus, pro causa excommunicationis perire quotidie cernimus, 


122 Die Wirkungen der Creommunication, 


fahrung, jagt ber große fBapft, daß Biele, [εἰ es aus 
Unmwiffenheit ober Unfenntniß oder Furcht oder durch Außere 
fferbültnijje gebrángt, mit Ercommunicirten verfehren und 
baburd) bem Verderben ber Eeele anheimfallen. Getrieben 
von driftlider Barmherzigkeit wolle er vorübergehend einige 
Ermäßigungen der bisherigen Etrenge geftatten. Die 
Frauen und Kinder der Ercommunicirten, ihre elbeigenen, 
Eclaven, Landbebauer und Dienftleute, forie überhaupt Alle, 
die im Verhaͤltniß der Abhängigfeit zu ihnen ftehen, follen 
in Zufunft mit ihren Herm ꝛc. frei und ungehinvert 
verkehren dürfen, — mit alleiniger Ansnahme jener 
Berienfteten, ble in ihrer Stellung als Rathgeber ble Ge 
bannten zu ihrem verbrecherifchen Treiben verleiteten, in 
bemfelben — unterftügten oder beitärften. In gleicher 
Weiſe follen Diejenigen fortan der Ercommunication vidt 
mehr verfallen, ble mit einem Gebannten ans Unwiſſenheit 
verfehren. Komme ein chriftliher Wanderer in eine Ge 
gend, deren Bewohner ercommunicirt. felen und fónne er 
von Niemanden anders, aíó von Gebannten feine nöthis 


partim ignorantia, partim etiam nimia simplicitate, partim timore, 
partim etiam necessitate, devicti misericordia, anathematis sententiam 
ad tempus, prout possumus, opportune temperamus. Apostolics 
namque auctoritate anathematis vinculo hos subtrahimus : videlicet 
uxores, liberos, servos, ancillas, seu mancipis, nec non rustícos 
et servientes et omnes alios, qui non adeo curiales sunt, ut eorum 
consilio scelera perpetrentur, et illos, qui ignoranter excommunicatis 
communicant, seu illos, qui communicant cum eis, qui communi- 
cant excommunicatis, Quicumque autem aut orator, sive peregrinus, 
aut viator in terram excommunicatorum devenerit, ubi mon possit 
emere, vel non habet unde ent, ab excommunicatis accipiendi 
licentiam damus. Et si quis excommunicatis pro sustentatione , non 
superbiae sed humanitatis causa, aliquid dare voluerit, fieri non 
prohibemus, ^ Hard. VI. p. 1578, 


Die Wirkungen der Cxeommunication, 128 


gm Subfiftenzmittel ſich verfchaffen, fo fel ihm zu biefem 
Iwede der Verkehr geftattet. Wer umgekehrt einem Ex- 
communicirten, der in Noth fid) befinde, aus Gründen der 
Humanität und Närhftenliebe Etwas tarreiden wolle, [εἰ 
daran nicht mehr gehindert. Endlich foll auch für bie 
Bälle, in "weichen ber Umgang verboten bleibt, vie Excom⸗ 
municatien auf Jene fid) befehränfen,. ble mit einem Ge, 
dannten unmittelbar verfehren und Diejenigen ferner 
hin von ihr nicht mehr berührt werben, bie wiederum wit 
wn Letztern in irgend eine nähere Verbindung fi ſetz⸗ 
t. — Als Gregor diefe Einräumungen made, gieng 
(ine Abſicht, wie ex felbft anbeutet, nicht tabin, bie Ge: 
ſehgebung ber five bleibend zu ändern, vielmebt foliten 
le nut vorübergehende Sebeutung haben: aber da fie 
in jo hohem Grabe ben Sebür[nijjen ber Gläubigen ents 
nahen unb fo vielen Verwirrungen, Inconvenienzen unb 
Omiffenszweifeln das langerjehnte Ziel festen, wurben fie 
alzbald von der Praxis reripirt und hörten von da an 
nich mehr anf, lebendige Theile der Kirchenvisciplin zu 
fin. €don Urban ἢ. ſah fid veranlaßt, diefelben wenn 
ἀδῷ mit einer Kleinen Modification anzuerkennen und zu 
beftätigen 5 Gratian nahm die SBerorbnung Gregors 
wie tie Urbans in das Derret ἀπῇ Ὁ und verlich ihnen 





1) Epist. ad Guiehard. episcop. Constant.: , Sanctis canonibus 
cautum constat, ut qui excommunicatis communicaverit, excommuni- 
eetur. Ipsius tamen poenitentiae atque absolutionis modos ea mode- 
mtione discrevimus, ut quicamque seu ignorantia seu timore seu 
sécessitate negotii cujysque maximi οἱ maxime necessarii eorum se 
convictu, salutatione, oratione, osculove contaminaverit, cum minoris 
Poenitentiae absolutionisque medicina societatis nostrae puces 
soriatur.“ Hard. VI. U. p. 1651 seq. 

2) c. 103. 110, C. XI. q. 3. 


124 Die Wirkungen ter. Cxeomnumicatton. 


Dadurch auch formell bie SBebentung eines allgemein guͤlti⸗ 
gen Gefegeó, welche fie, ba auch das Decretalenrecht ihre 
Gültigkeit wiederholt anerkennt !'),. bis auf ben hentigen 
. &ag unangefodjten bewahrt haben. Bügen wir nod bit 
Einraͤumungen hinzu, welche in bec Bulle Ad vitanda 
enthalten find, fo wird fid ter Standpunkt des jegt 
geltenden Rechtes in den zwei Sätzen zuſammen⸗ 
faffen laffen: 1) feit bem Concil von Eonftanz ift 
den Gläubigen ber Verkehr mitden Eocommani- 
catis toleratis in allen Berhältniffen des bürger 
[iden Lebens unbedingt und ohne Einſchraän— 
fung geftattet; 2) ble firengen Beftimmungen 
bes Altern Rechts fommen nur mehr den eitan- 
dis gegenüber auc Anwendung: mit iBnen if 
jeder Umgang zu meiden, ausgenommen bie 
Fälle, für welde das eben erwähnte Decret 
Gregors VIL ibn ausdrüclich geftattet Hat. 
Solen wir bemgemáf die heutige Gefeggebung und die 
Anforderungen, die fie in Betreff des bürgerlichen Verkehrs 
mit ben vitandis an bie Gläubigen ftellt, näherhin vat 
legen, fo gebt unfere näcfte und einzige Aufgabe dahin, 
jene Ausnahmsfälle im Geifte des Geſetzes und nad) vet 
Auffaffung der anoniften des Weitern auseinanderzu⸗ 
fegen. Indem wir bleg im Folgenden unternehmen, fchließen 
wir uns an die NReifenfolge an, im weldyer der altherge: 
bradjte Memorialvers 3): 

Utile, Lex, Humile, Res ignorata, Necesse; 

Haec quinque solvunt anathema, ne possit obesse — 
biefelbe zuſammengeſtellt hat. 

1) c. 31. 43. 54. X de sentent. excommun. 5. 39. 


2) Glossa ad c, 15 X de sentent. excommun. 5. 39. verb. Bæ- 
communicationis. 


Die Wirkungen der Grcomntunication. 125 


Schon ber Apoftel ertbeilte den Chriften bie Weis 
fung D, daß fie mit Denjenigen, bie feinen Anordnungen 
f nicht fügen, zwar ben äußern Berfehr abzubreihen 
haben, aber hierin bod) nicht fo weit gehen bürfen, taf 
fie dieſelben fürmlih ald Feinde betrachten und behan⸗ 
ten, vielmehr follen fie bie SBiberfpenftigen im Geifte der 
hriftlihen Liebe als Brüder ermahnen und durch 
freundliche Anfprache zur Buße und Beflerung zu bewegen 
ſuchen: das Seelenheil des Ausgeftoßenen tft. ver erfte 
Zwed bei Verhängung bec Ercommmnication und zur Gr: 
reichung befjelben das wirffamfte Mittel bie Ermahnung, 
Juredtweijung, Crmuthigung von Seiten der Gläubigen. 
Uebereinftimmend mit jener Vorſchrift des Apoftels und 
von der Anſicht geleitet, daß fein Mittel, das zur Beſſe⸗ 
mung beó Gebannten beitragen fónne, nnverfucht bleiben 
dürfe, geftattet denn aud) tie Gejeggebung ben freien 
Befebr in tenjemigen Fällen, in weldhen das Seelen- 
heil des Betreffenden ihn als nothwendig oder nüglid 
erſcheinen läßt. Daher kann vor Ercommunicirten, um fie 
zur Umfehr und Buße zu vermögen, wie wir bereits oben 
ewähnten, nicht nur Öffentlich geprebigt werben 3), fonbetn 
felbft die SBrivatunterrebung iſt jevem Gläubigen erlaubt, 
foferne fie jenem Zwede dient. Daß fi viefelbe auf das 
Wotfigte und allein zur Sache Gehörige zu befchränfen 
habe, verftebt fid) von felbft: inbefjen hat das Gefeg bod 
nicht unterlaffen, auébrüdlid) hinzuzufügen, baf eine ber, 
artige Unterredung auch auf andere Dinge fij) erftreden 
dürfe, wenn biefe Ausvehnung bed Gefpräches dazu diene, 


— 


1) 11 Thessal. ΠῚ, 15. 
2) c. 43 X de sentent. excommun, 5, 39, 








126 Die Wirkungen der Grcommunication. 


dad Vertrauen des Ercommunieirten fi ju. gewinnen unb 
ihn baburd) für bie eigentlihe Ermahnung empfänglicher 
zu maden !), wobei freilich bie Einhaltung des richtigen : 
Maßes bem gemwifienhaften Grmeffen des Einzelnen über: 
lafjen bleiben muß. — Der Verkehr, welcher dag Seelen 
heil des Ercommunicirten bezweckt, fteht unter ven Fällen, 
welde die Ganoniften mit bem Worte Utile bezeichnen, in 
erfter Linie: daneben aber iff ber Umgang mit ifm «ud 
in allen jenen Berhältnifien geftlattet, in welchen fein 
leiblider Nuten ihn erfordert, denn die Kirche will 
einerfeitd ihr Strafrecht nicht in der Weile ausdehnen, 
daß er bei wirklicher Noth gänzlich bülfeloó und von fei, 
nen Mitmenfchen verlaffen ift, anbererfeit geht fie von 
bet Anſicht aus, daß eine völlig rüdfichtslofe Verweigerung 
jeder Hülfe nur geeignet wäre, ihn zu nod größerem 
Wivderftande zu reizen und für immer zurüdzuftoßen, wäh 
rend eine mildere Behandlung in vielen Fällen vie ent 
gegengejegte Wirkung hervorbringen wird. In blefem Sinne 
fat das Gefet ſelbſt geftattet ?), bag die Gläubigen 
einem Greommunicitten Almofen reihen bürfen, fall 
et befjen bevürftig ift unb fie e8 thun in wohlwollender 
Anfiht und ohne ihn baburd) in feiner Hartnädigfeit zu 
beftärken. Die Banoniften ihrerfeits behnen fobann 
diefe Einräumung nod) weiter dahin aus, bag ihm über: 
al Hülfe geleiftet werden dürfe, wo es (id wmm großen 


1) c. 54 X ἢ. t. 5. 39: „Cum voluntate ac proposito maleficia - 
distinguantur, excommunicationis sententiam non incurrit, qui ex- 
communicato in his, quae ad absolutionem vel alias ad salutem 
animae pertinent, in loquutione participat, licet etiam alia verba 
incidenter, ut apud eum magis proficiat , el ^ 

2) c. 103. C. XL q. 3 in fin. 


Die Wirkungen der Excommunication. 127 


Xnget ober um Abwendung großen Nachtheils von feiner 
Perſon, feiner Ehre ober Gigentbum handelt und er nicht 
im Stande ift, mit eigener Kraft bie drohende Gefahr fern, 
whalten 1). — Wie tie Gläubigen mit einem vitandus 
verfehren dürfen, wenn fein geiftiger ober leibliher Nugen 
es verlangt, fo iſt aud) ihr eigener Vortheil ein geſetz⸗ 
licher Entjchulvigungsgrund für den Umgang mit ihm. 
Sie fónnen feinen Rath fid) erbitten ober feine ärztliche 
Hülfe in Anſpruch nehmen, wenn hiezu ein dringender 
Brunn vorliegt unb ein Anderer, ber bie betreffenden Dienfte 
ebenfogut leiften fann, nicht zu Handen ift. Ueberhaupt 
haben fie das Recht, in allen venjenigen Verhältniſſen 
feiner Hülfeleiftung (id) zu bebienen, in welden fie ohne 
bie legtere eined großen geiftigen oder leiblichen Vortheils 
verluftig giengen ober in beiven Richtungen großem Scha⸗ 
den fid) ausfegen würden, denn ıdenn das Gefeh ausdrück⸗ 
li erlaubt ?), tag fie im Falle bec Roth von einem 
Gebannten Almofen fordern und annehmen, fo werden 
fie auch im allen andern Fällen ber Noth, bie bem eben: 
genannten an Dringlichkeit gleichfommen, feine Dienfte fid) 
zu Nutzen machen dürfen; außerdem würben bie Mitglieder. 
ber Kirche, wenn dieß unterfagt wäre, obne irgend eine. 
Schuld von ihrer Seite die Strafen der Ercommunication 
mitzutragen haben, was bod) wohl nicht in ber Intention ber 
Gefepgebung liegen fann. — Endlich verfteht es fid) von 
ſelbſt, bag der Ercommunicirte überall da, wo die Gläubi- 
gen feiner Hülfe fich zu bedienen das Recht haben, ihnen 
diefelbe obne eine jpecielle Aufforderung abzuwarten aus 
freien Stüden anzubieten und zu leiften befugt fei, gleich⸗ 


1) Suares , 1. c. sect. 3. n. 10. 
2) c 103. C. XI. q. 3; c. 54. 6. 1 X de sent. excomm. 5. 39, 


128 De Wirkungen bet Ereommunieatlon. 


wie er aud) in denjenigen Faͤllen, im welchen fein eigener 
Bortheil die Gläubigen zum Verkehr mit ihm berechtigt, 
nicht erft abzumarten braudjt, bis fie ihre Hülfeleiftung 
freiwillig eintreten fajfen, fonbern diefelbe nachzuſuchen und 
zu fordern das Recht hat '). 

Der zweite Ausnahmsfall, in weldhem das Geſetz ben 
Verkehr mit den vitandis geftattet, wird mit dem Worte 
Lex sc. matrimonialis bezeichnet: Durch die Ercommuni- 
cation werben wohlerworbene ‚und längft beftefeube Rechte 
nicht entzogen, alfo aud) diejenigen nicht, die auf bad cher 
[ide Sufammenleben der Gatten und bie geijtung ber ge 
genfeitigen Pflichten fich beziehen; fobanm ſucht bie Kirche 
Nichts fo forgfältig von den Gatten fernzuhalten, als bie 
Gefahr der Unenthaltfamfeit, aber gerade blefe würve ihnen 
unendlich nahegelegt, wenn die Greommunication jeden 
Verkehr aufheben wollte; envlich bietet das Außere Zufam- 
menleben ver Ehegatten fo viele Berührungspunfte dar, 
daß e8 bem unjdjulbigen Theile faum möglich ift, den Um— 
gang volftändig zu vermeiden, — er wäre alfo bei bem 
Verbote des Verkehrs ver beftánbigen Gefahr, zu fünpigen, 
auégejegt und felbft wenn er im Stande fein follte, die 
firengen Anforderungen bed Rechts zu erfüllen, würde ein 
anderer, faft ebenfo großer Nachtheil fid) geltend machen: 
Spaltung, Uneinigfeit, Auflöfung ber Familie. In Gv 
wägung blefer mißlichen Verhältniffe geftattete das Decret 
Gregoró VIL, daß die rau mit ihrem ercommw 
nicirtten Manne frei wie vorher verkehren 
dürfe Nach bem Wortlaute des Gefeged und nad der 
Natur ber Cade find zum richtigen Verſtändniſſe dieſer 


1) Suares, 1. c. n. 11. 12. 


Die Wirkungen der Greommunication, 129 


Einräumung folgende Momente näher hervorzuheben. Das 
Recht des Verkehres ift nicht auf tie ehelichen Pflichten 
und Leiftungen im engern Sinne des Wortes zu bes 
ihränfen, fonvern die Frau ift befugt, aud) in allen 
andern Beziehungen des ehelihen und häuslichen Zuſam⸗ 
menlebens mit bem excommunicirten Manne ungehindert zu 
verkehren, denn Gregor hat hierin Feine Befchränfung θεὶς 
gefügt, vielmehr ganz allgemein jeden Umgang geftattet; 
auf ber andefn Seite ift ein unbefhränfter Verkehr aud) 
deßhalb nöthig, weil im entgegengejegten alle den eben 
erwähnten Gefahren und Nadiheilen nur in febr unvoll- 
fommener Weife abgeholfen fein würde. — Berner if 
bie Bortfegung des ehelihen und häuslihen Zuſam⸗ 
menlebens nicht in bie Willführ der Frau gelegt, 
fondern fie hat, wie Innocenz II. ausbrüdlich hervor⸗ 
hebt 5, in allen biejen Beziehungen eine fórmlide Pflicht, 
deren genaue Erfüllung der Mann fordern fann. — 
Was das Gejeg in ber angegebenen θεῖε über den Vers 
febr ber frau mit dem excommunicirten Manne beftimmt, 
tad findet aud) auf ben umgefebrten Sall, wo die Frau 
dem αππε unterliegt, gleichmäßige Anwendung ?), denn 
die Pflichten der Ehe find immer gegenfeitig, — was für 
den einen Theil gilt, gilt aud) für den andern 9). Ebenfo 
walten bie Gründe, aus welden bie Wortjegung be8 Ber: 
febró zwifchen Ehegatten erlaubt wurbe, aud) bier cb: die 
Frau hat burdj die Ercommunication ihre Rechte nicht 


1) c. 31 X de sent. excommun. 5. 39. 

2) Covarruvius, Alma Mater. I. $. 1. n. 9. Navarrus, Ma- 
nuale, c. XXVII. n. 27. | 

3) c. 8 X de divort. 4. 19: , maritus et uxor in negotio matri- 
monii non ad imparia judicantur. * 


Theol. Cuartaljdrift. 1857. 1. Heft. 9 


130 Die Wirkungen der Excommunication. 


verloren, mithin ift fie befugt, die Erfüllung ber benfelben 
entfpredenben. Pflidten von Seiten des Mannes zu for 
bern — und das periculum incontinentiae forie bie Un- 
möglichkeit, allen Verkehr abzubrechen, liegt bei der Grcom: 
munication ber Fran ebenfo nahe als bei ber des Mannes, 
Wenn einzelne Ganoniften ') zur Begründung der Anſicht, 
daß ber Mann mit der’ ercommunicitten Frau nicht ver 
fehren dürfe, auf das Secret Gregors hingewiefen und 
bemerft haben, dafjelbe erimire bloß bie uxores, nicht aber 
bie mariti, fo ift einfad) zu erwidern, daß der Geſetzgeber 
eben den gewöhnlichen unb häufigern Sall ber Ercommuni- 
cation be8 Mannes im Auge gehabt habe, ohne abet 
damit ben andern, feltener vorfommenben ausschließen 
zu wollen 2); außerdem würde bei jener Annahme vas 
ganz unerflärliche Nefultat fidh erheben, daß ber ercommus 
nicirte Mann den ehelihen Umgang fortfegen dürfte, wäh 
rend dieß dem nidtercommunicivten unterfagt wäre, ein 
Berhältniß, nad weldjem dem Gatten aus der Ercommuni- 
cation der frau größere 9tadytbelle erwachſen würben, als 
από feiner eigenen. — Befinden fid) beide Gatten zugleich 
im Banne, fo fann dieß in Betreff ihres gegenfeitigen 
Verkehres Feine Veränderung begründen und dieſer wird 
ähnen ebenso erlaubt fein, wie wenn nur ein Theil excom: 
municirt ift, denn diefelben Gründe, aus welchen für ben 
fegtern Fall ber Umgang freigegeben wurde, fpreden in 
nod) viel höherem Grade für die Freiheit defjelben bei der 
beiverfeitigen Ercommunication, mithin muß die Einräus 
mung Gregors aud hier Anwendung finden 3). — Dem 
1) Bei Covarruvias 1l. c. * 


2) Sanchex, De matrimon. L. IX, disput. 14. n. 16. 
3) Suares, 1. c. sect. 4. n. 15. 


Die Wirkungen der Greommunicatiot. 131 


Gefagten muß nod) die allgemeine Bemerkung beigefügt 
werben, ba der Verkehr zwifchen ven Gatten, mag nun 
bloß einer oder beide excommunicirt fein, nie dazu mif 
braucht werden dürfe, den fchuldigen Theil in feiner Harts 
nädigfeit zu beftärfen unb ihn, [εἰ εὖ aud) nur inbirect, 
von der Buße unb Umfehr abzuhalten, — denn dieß hieße 
an jeinem Vergehen theilnehmen 1), und ver Umgang 
würde eine ſchwere Sünde in fid) fchließen; bie er(le und 
wichtigfte Pflicht des Unſchuldigen befteht vielmehr gerabe 
darin, durch alle zu Gebote ftehenden Mittel den Excom⸗ 
municirten zur Einnedänverung zu ermahnen und zur Eins 
holung ber Abjolution zu vermögen, — erft unter biefer 
Borausfegung ijt ber Verkehr ein vollfommen erlaubter 
und frei von Mitſchuld. — Endlich ift nod) die rage zu 
berühren, wie εὖ fid) verhalte, wenn einer bet Contrahen⸗ 
ten [don vor Gingebung ber Ehe ercommunicirt war und 
vr andere, obwohl er hievon Kenntniß hatte, bennod) fel 
nen Eonfens ertheilte? Die Behauptung ?), daß, da eine 
(olde Ehe gültig fei, bie Betreffenden al8 wirkliche Gatten 
betrachtet werden müjjen, mithin aud) die Befugniß haben, 
jene Einräumung, die Gregor ben Ehegatten madte, 
in Anſpruch zu nehmen, fcheint ung der hinreichenden Bes 
grünbung zu entbehren. Die Gültigfeit ihrer Ehe ift 
allerdings außer Zweifel 9) und fie felbft find wirkliche 
Gatten, aber daraus folgt nod) nicht, bag ihnen aud) zus 
gleich ber Verkehr geftattet jel, denn einerfeits hat Innos 
ieni II. in bem mehrerwähnten c. 31. X. h. t. απδοτ 


— 





1) c. 31 in fin. X h. t. 5. 39. 
2) Giossa ad c. 31 X h. t. 5.39. verb. agent. Alterius, |. c. 
. 161. Sanches, |. c. n. 3. : 
3) c. 6 X de eo, qui duxit in matrim. 4. 7, 


9% 


132 Die Wirkungen der Excommunication. 


- bemerkt, daß die Milderungen, weldhe Gregor VII. eins 
treten ließ, nur bei denjenigen Rechten und Pflichten, bie 
fhon vor der Grcommunication beftanben, zur Anwendung 
fommen fónnen, mithin bei folden hinwegfallen, bie, wie 
in unjerm Salle, erft nach verfelben erworben wurden, 
andererſeits Danbelt der Gontrafent, der mit einem Ercoms 
municirten wifjentli eine Ehe eingeht, gegen ble Gebote 
der Kirche unb legt feine Beratung derfelben offen an 
ben Tag: aber eine foldye violatio censurae kann ihm tod, 
wohl das Recht nicht geben, von der in Rede ftebenben 
Bergünftigung des freien Verkehrs Glebraud) zu machen 
und aus feinem Ungehorfam gegen die Kirche Vortheil zu 
ziehen. Deßhalb wird das ehelihe wie häusliche Zuſam⸗ 
menleben derartiger Perfonen jo [ange aufgehoben und 
nöthigenfall8 gehindert werden müjfen, bis ber Gebannte 
ber Wohlthat ber Abfolution fid) theilhaftig gemacht Hat. 
Nur wenn einer der Contrahenten: bona fide fanbelte, in 
dem er zur Zeit der Eheabſchließung von ber Grcommuni- 
cation des andern Feine Kenntniß batte, mag von diefer 
Regel eine Ausnahme geftattet werben, denn er hat baé 
Gebot der Kirche wifjentlich nicht übertreten, fid) alfo aud 
jener Vergünftigung des Geſetzes nicht umvürbig gemadt; 
für ihn beftand damals "bie Ercommunication gar nicht 
fie fann ihm mithin von feinen ehelichen Rechten, die er 
erworben, nichts entziehen, biefe müffen vielmehr, abſtract 
bie Sache betrachtet, fo angefehen werden, als haben fie 
fhon vor bem Eintritte ber Grcommunication beftanben !). 

Der allgemeine Grundfag, daß der Kirchenbann wohl⸗ 
erworbene 9tedjte und die daraus ent[pringenpen Pflichten 


— - 


1) Suares , l..c. n. 5 seqq. 


Die Wirkungen der Ercommunication. 138 


nicht auffebe, findet eine nod) ausgebehntere Anwendung 
gegenüber von denjenigen ‘Berfonen, die, [εἰ e8 durch das 
natürlihe Recht oder in Folge freier llebereinfunft, zu 
einander im 9 ecbáltniffe ber Abhängigkeit unb 
Unterordnung ftehen: fie fónnen trog der Ercommus 
nication bed einen oder andern Theils frei verkehren wie 
vorher. Das Decret Gregors bezeichnet als hieher ges 
Bórig bie liberi, servi, ancillae, seu mancipia, nec non 
ruslici sefvienles el omnes alii, qui non adeo curiales 
sunt, ut eorum consilio scelera perpetrentur unb bet ge 
nannte Memorialvers faßt vie verfchiedenen Ausnahmer 
fälle, die dabei zur Sprache fomnen, unter bem Worte 
Humile zujammen. Wir fegenu nen einzeln ver Reihe 
nad) auseinander. 

Mas in erfter Linie die Binder betrifft, fo find ft 
vermöge des natürlihen Rechtes ihren Eltern Gehorjam, 
Ehrfurcht und Unterwerfung ſchuldig unb dieſe haben dag 
Recht, die Erfüllung ber genannten Pflichten von ihnen zu 
verlangen; zugleich find ble Kinder, jolange fie mod 
unter ber Obforge und Pflege der Eltern ftehen, auf ben 
unmittelbarften Verkehr mit ben legtern innerhalb der Bas 
milie angewiefen, den zu vermeiden ihnen gar nicht mögs 
lif ift. In beiden Beziehungen verlangt die Gerechtigkeit 
und Billigkeit eine Milderung des allgemeinen Verbotes 
unb beffalb Bat Gregor ihnen bie Vergünftigung einge» 
räumt, mit ihren excommunicirten Eltern ohne irgend eine 
Ginjdrünfung verfehren zu dürfen, gleidymie die legterm 
wiederum ihrerfeitö bie nämliche Befugniß haben gegenüber 
ten Kindern. Daß dieſes Privilegium vor Allem bei "ben 
legitimen Kindern, die nod) unter ber väterliden 
Gewalt und Pflege ftehen, Anwendung finde,. ift 


134 Die Wirkungen der Greommunication. 


unzweifelhaft und unbeftritten: nicht fo übereinflimmend 
dagegen find die Anfichten in Betreff der Ali emancipati 
b. h. derjenigen Kinder, bie von ber väterlichen Gewalt 
bereits befreit find, mit den Eltern weder zufammenleben, 
nod von ihnen unterhalten werben, vielmehr durch Grün: 
dung eined eigenen Hausſtandes ihre Celbítftànbigfeit et 
langt haben und nicht mehr im engem Sinne beó Wortes 
zur Kamille bed Vaters gehören ). Waährend einige Gano 
niften behaupten 2), tie bereits fe[bftftánbig gewordenen 
Kinder dürfen mit ihren ercommunicirten Eltern nicht ver 
fehren, well fie mit denfelben nicht mehr aufammenmwohnen 
und demgemäß ber Grund, aus weldhem das Privilegium 
entftanden binmegfalle, vertheidigen Andere bie entgegens 
gefegte Anficht, ba ble natürliche Verpflichtung, den Eltern 
Ehrfurcht, Achtung, Gehorſam zu erweifen ober ihnen 
Unterftügung zu gewähren, aud nach der Gntancipation 
nod) fortbeftehe, alfo aud) ber Verkehr noch geftattet fein 
müjfe; außerdem habe Gregor die Bergünftigung des . 
Verkehrs ven Kindern, ohne eine Beihränkung hinzuzu⸗ 
fügen, eingeräumt, zu diefen gehören aber im weitern 
Sinne immerhin aud) nod die emancipati und ebendarum 
{εἰ das Privilegium nad) bem Orundfage — favores am- 
plieri etc. audj auf tie legtern auszudehnen. Es ift leicht 
erfihtlich, bag der einen wie der andern biefer Anfichten 
etwas Wahres zu Grunde liege und die beiverfeitigen 
Argumente eine gewiſſe Berechtigung haben, aber eben hie, 


1) L. 55. Dig. de ritu nuptiar. 23. 2: „post emancipationem 
eatraneus intelligor. * 

2) Glossa ad c. 103, C. XI. 4. 3. verb. liberi; Soto, Comment 
in IV. Sentent. Dist. XXII. q. 1. art. 4. conclus. 3; Navarrue, l.c. 
v. 27, 


Die Wirkungen der Grcommunication. 185 


rin liegt aud) bie Andeutung, taf jede in ihrer Aus, — 
jóliegfidfeit unwahr und einfeitig werbe. lm ‚bie 
Frage richtig zu beantworten, muß biftinguirt werden. In 
benjenigen Dingen, in wechen folde Kinder aud) nod) nad 
ihrer Gmancipation zum Geborjam, zur Bezeugung der 
kindlichen Ehrfurcht ober zur Unterflügung bet Eltern ver⸗ 
püidtet find, fónnen fie mit ihnen ungehinvert verfehren, 
benn ber firdjliden Gefeggebung fann nicht bie Abficht 
unterlegt werben, bie Erfüllung von derlei Pflichten hindern 
ju wollen; in andern Beziehungen dagegen, bei welden 
biefe Rückſichten nicht obwalten, vielmehr vie Kinder als 
vollig felbftftändig erjcheinen unb zu ben Eltern in feinem 
engern Berhältniffe ftehen als andere Perſonen, ift ber 
gegenfeitige Verkehr durch feinem befondern Grund ge 
fordert und ebenbarum nicht geftattet: die Entſcheidung, 
ob und in wie weit der jedesmal vorliegende Fall zu ber 
erften ober zweiten Claſſe gehöre, ift dem Gemifjen des 
Einzelnen zu überlafien. — Bon bem gleichen Geſichté⸗ 
punfte aus find bie Verhältniffe ter unehlichen Kinder 
zu beurtheilen. Wohnen fie unmittelbar bei ben Eltern, 
jo fónnen fie, wie fid) von felbft verftebt, mit benjelben 
tog der Ercommunication in allen Beziehungen frei vers 
ehren; werben fie aber, was ber gewöhnlichere Ball ift, 
auswärts untergebradjt und auf Soften ber Eltern erzogen, 
jo dürfen fle mit ihnen in allen Punkten, welde ihre (ὅτε 
ziehung und Unterhaltung forie ble Erfüllung ber natürs 
lihen Kindespflichten betreffen, ungehindert verfehren, in 
allen andern Beziehungen dagegen, wo eine phyſiſche ober 
moraliihe Nothwendigfeit des Umgangs nicht vorliegt, ift 
ihnen derſelbe unterjagt. — Was tie Adoptivkinder 
betrifft, fo find verſchiedene Fälle zu unterſcheiden. Sa 


136 Die Wirkungen der Ercommunication. 


— [ange diefelben mit ihren Adoptivelten zufammenwohnen, 
ſtehen fie rechtlich ben twirfliden Kindern gleich 1), vürfen 
alfo, wie diefe, im Falle einer Grcommunication mit ihnen 
verfehren; ihren natürlichen Eltern gegenüber Toetben fie 
während ber Zeit, in weldyer fie fid) unter ber patria po- 
testas bed Adoptivvaters befinden, nicht als Kinder bes 
trachtet ἢ, Fönnen mithin bei einer Grcommunication bets 
felben das in Rede ftebenbe Privilegium nicht beanspruchen; 
πα ihrer Emancipation hören alle Beziehungen zu ihren 
bisherigen Adoptiveltern auf, fte flefen denfelben rechtlich 
wie fremde Perſonen gegenüber 5), worand für unfere 
Frage fid) als Confequenz ergibt, daß ihnen der Verkehr 
fernerhin nicht mehr geftattet fel, — etwa bie Fälle abs 
gerechnet, in welchen ble Rüdfichten der Dankbarkeit eine 
Ausnahme rechtfertigen; als Emancipirte endlich treten fie 
zu ihren natürliden Eltern wieder in's Verhältniß ber 
- Rinder 5), fie fónnen demgemäß mit ihnen verfehren, fo 
weit die Erfüllung der natürlihen Kinvespflichten dieß 
erfordert. — Wie mit den Kindern, fo verhält e8 fid) mit 
andern nahen Verwandten, die zur Familie gerechnet zu 


1) C. 13. Cod. de probat. 4. 19; „Non Epistolis (tantum) ne- 
cessitudo consanguinilalie, sed Natalibus vel Adoptionis solennitate 
conjungitur. ^ Cfr. 1. 8. Dig. de in jus vocand. 2. 4. 

2) 6. 4. Instit. de exheredat. liberorum 2. 13: „Qua ratione 
accidit, ut ex diverso, quod ad naturalem parentem attinet, quamdiu 
quidem sunt in adoptiva familia, extraneorum numero habeantur." 

3) Instit. I. c.: , Emancipati a patre adoptivo neque jure civili, 
weque jure, quod ad edictum Praetoris altinet, inter liberos cou- 
numerantur. 4 

4) L. c.: „cum vero emancipati fuerint ab adoptiva patre, tunc 
imcipiant in ea causa esse, in qua futuri essent, si & naturali patre 
emencipati fuissent. * | 


Die Wirfungen ber. Ereommunicatton. 137 


werben pflegen — den Enfeln, Urenfeln !) Stieffinvern, 
Schwiegertohter und Tochtermann ?): wohnen dieſe 
mit ihren Groß⸗, Stief- oder Schwiegereltern zufammen, 
fo i ihnen der gegenfeitige Verkehr geftattet, denn es 
fprechen für venfelben bie nemlichen Gründe mie bei ben 
eigentlichen Kindern; leben fie dagegen auswärts und ges 
trennt von der Familie, fo fönnen fie, gfeld) ben filiis eman- 
eipatis, nur in denjenigen Dingen mit ben Ercommunicirten 
freien Umgang pflegen, in welchen dieß burd) ble natürs 
lihen Pflichten und Rüdjichten ber Verwandtſchaft unum; 
ganglich notfmenbig ift. — Das nàámlide Privilegium 
endlich genießen die Minderjährigen gegenüber von ihren 
ercommunicirten Tutoren in allen Angelegenheiten, bie vers 
möge des genannten Nechtöverhältniffes den unmittelbar 
perfönlichen Verkehr zwifchen beiven Theilen als geboten 
erſcheinen - laffen. 

Außer den Gatten und Kindern befnte Gregor das 
Privilegium des freien Verkehrs aud) auf bie Leibeigenen, 
tie Eclaven, die Landbebauer, die Dienftleute und über 
haupt auf alle Diejenigen aus, bie zu dem Excommunicir⸗ 
ten im Berhältniffe der Abhängigkeit fteben. Es fpreden 
für vie Exception tiefer Perfonen ganz diefelben Gründe, 
wie bei jenen: die Herrn gehen durch die Ercommunication 
bes Mechtes, ταῦ fie auf tie Dienftleiftungen berfelben ers 
worben haben, nicht verluftig, bie Legtern find alfo ver: 





1) L. 220. Dig. de verb. signif. 50. 16: „Liberorum appellatione 


nepotes et pronepotes ceterique, qui ex his descendunt, conti- 
nentur. ^ e 


2) $. 6. Instit. de nuptiis. 1. 10: „Adfinitatis quoque irren 
a quarundam nuptiis abstinere necesse est: ut ecce privignam aut 
»urum uxorem ducere non licet, quia utraeque filiae loco sunt. 
Quod ita scilicet accipi debet, si fuit nurus aut privigna tua, * 


1 


138 Die Wirkungen der Excommunication. 


pflichtet, ihre Dienfte fortzuſetzen ); außerdem find berfei 
Leute, ble in der unmittelbarften Umgebung ihres Gebieters 
[eben , jeden Augenblid genöthigt, zu ihm in perſönliche 
Beziehungen zu treten, jo daß fie, wenn der Verkehr nicht 
freigegeben wäre, beftümbig Gefahr laufen würden, das 
Berbot ber Kirche zu übertreten. — Die Art und Weife, 
wie bie Betreffenden in das Verhältnig ver Abhängigfeit 
gefommen find, ob burdy Recht ober Unrecht, ob dur Ges 
walt ober, wie bei unfern Dienftboten, durch freie Ueber: 
einfunft, begründet feinen Unterfchied, fondern das einfache 
factum ber Unterordnung entfcheivet und Jeder kann 
mit, feinem Herrn perjónlid) verfehren, wie unb jo oft bie 
Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten ed erfordert. Nur 
Diejenigen find von ber Vergünftigung beó Geſetzes aus 
geihloffen, welche in ihrer Eigenfchaft als Rathgeber zur 
Berübung des Verbrechens, das die Ercowmunication nad) 
fidj 30g, verleiteten oder babel irgend welde thätige Bei: 
huͤlfe leifteten, benn fie haben fid) als Urheber ober Thell- 
nehmer an der verbredherifhen Handlung des Genuſſes 
jenes Privilegiums nicht nur an fid) unmwürdig gemadit, 
fondern geben auch zu ber Befürdtung Anlaß, fie möchten 
durch ihren perfönlichen Umgang, wenn er fernerhin ge 
ftattet würde, den Gebannten in feiner Hartnädigfeit be: 
ftärfen und feine Unterwerfung unter die Yorderungen bet 
Kirche zu verhindern fuchen. — Bei den Perſonen, deren 
Abhängigkeit auf einem freien Uebereinfommen beruht, wird 
erfordert, daß bajjelbe vor ber Ercommunication ihres 
Herrn abgefchloffen worden fei: im entgegengefehten Salle 
find fie nicht berechtigt, Ihre Dienfte zu feiften, denn fie 








1) e. 31 X h, t. 5. 39. 


Die Wirkungen der Creommunicatton, 139 


haben fid dadurch, daß fie zum Zwede bes llebereinfom: 
mens mit dem Grcommunicirten verfehrten, einer violalio 
censurae ſchuldig gemadjt, aus welcher ein Anfprud auf 
vie Nachſicht der Kirche nicht abgefeitet werden fanum. 
Unter folhen PVerhältniffen muß das Lebereinfommen als 
niht vorhanden angefehen und alle Dienftleiftungen unter 
laffen werden, es müßte nur fein, daß ber Betreffende bei 
Eingehung des Bertrags von der Ercommunication des 
Andern Feine Kenntniß hatte, mithin bona fide hanvelte: 
va hier von feiner Eeite feine Schuld vorliegt, fo faun 
er den Dienft antreten und ble ausbebungene Zeit hindurch 
fortfegen, namentlich iwenn ihm ans bem Anfgeben deſſel⸗ 
ben großer Nachtheil erwachſen würde '). 

Im Bisherigen haben wir aller derjenigen Perſonen 
Erwähnung getfan, die im Deerete Gregors ausdrücklich 
genannt find, aber εὖ gehören hieher noch andere Verhälts 
nifje der Ueber- und Unterordnung, die ben erftern ganz 
gleichftehend von demſelben Geſichtspunkte aus betrachtet 
und beurtheilt werben müflen. Was in erfler Linie bie 
Frage betrifft, ob bie Unterthbanen mit bem gebann« 
ten Landesherrn fernerhin verkehren bürfen ober. ihn 
gänzlich zu meiden haben, fo kann ihre Entfcheidung nad ben 
aufgeftellten Grundfägen nicht zweifelhaft fein. Wie bei 
tem geringften Unterthanen bie Ercommunication wohler- 
worbene Rechte nicht berührt, fo verhält es fih aud) bei ΄ 
tem Lanbesheren, — εὖ verbleiben ihm alle biejenigen 
Befugniffe, bie mit feiner politifhen Stellung in 
unmittelbarer. Verbindung ftehen, bie Unterthanen ihrerfeits 
find verpflichtet, das Verhältniß ber Abhängigfeit aud 


1) Suares, 1. c, sect. 5, n. 17. 


140 . Die Wirkungen der Greommunicatton, 


ferner anzuerfennen und ben Verkehr in allen jenen Ber 
ziehnngen unverändert fortzufeßen, in melden berjelbe zur 
Erfüllung ihrer ftaatlihen Pflichten nothwendig ijt: fie 
werben nad) wie vor die beftehenden Abgaben entrichten, 
ble Unterthanentreue bewahren, in allen erlaubten Dingen 
Gehorſam leiften, den Anordnungen ihres rechtmäßigen 
Fürften fid unterwerfen, die richterlihen Entſcheidungen 
anerkennen, diejenige Ehrerbietung aud) im äußern Bench 
men ihm erweifen, voeldje er ald Landesherr zu bean 
fpruchen das Recht hat, fury allen Pflichten des Staats, 
bürgers vollftändig unb unbetingt nadjfommen, inb wie 
die lintertbanen in ben. erwähnten Richtungen mit bem 
ercommunicitten Yürften zu verkehren verpflichtet find, fo 
' Dat er das Recht, diefe Leiftungen von ihnen zu fordern 
und (id) feinerjeits mit ihnen in Verbindung zu fegem, wie 
ja aud) die ercommunicirten Eltern mit den Kindern, bie 
Germ mit den Bebienfteten ıc. verfehren können: venn 
daraus, daß bie Untergebenen zur Bortjegung des Umgangs 
verpflichtet find, folgt von felbft, daß bie Vorgeſetzten, fol 
bie in Rebe ftehende Gonce[flon "für fie nicht wirkungslos 
fein, bie Befugniß haben, mit jenen aud) ihrerfeits unb 
aus freien Stüden zu verfehren 1). — Wenn in ven Zei— 
ten des Mittelalters ercommunicirte Bürften bed. Reiches 
für verluftig erflärt und die lintertbanen vom Eid ber 
Treue losgeſprochen wurden ?), fo bildet dieß feine Sinftan 
gegen unjere Behauptung, daß ber Verfehr zwiſchen ihnen 
geítattet fei, denn bie genannte Etrafe war mit der Gr 
communication als ſolcher nicht unmittelbar verbunden, 

1) S. Thomas, Comment. in IV. Lib. Sent, Dist. XVII. q. 2. 


art. 4. 
2) c. 4. ὅ, C. XV. q. 6. 


Die Wirkungen der Excommunication. 141 


fondern galt als eine Verfhärfung berfelben unb mußte 
vurh eine neue, für fid) unabhängige Eentenz erft 
ausgeſprochen werben !), woraus beutlid) hervorgeht, baf 
bet Bann für fid allein das Band zwiſchen Fürft und 
Unterthanen nicht gámjid auflöste Dieß wird um jo 
weniger angenommen werben können, als bie Befugniß dazu 
in ber Kirchengewalt als folder gar nicht enthalten ift: 
wenn bie Päpfte bem Gebannten aud) nod) feine erri 
torien entzogen unb ben Gib ber Treue lösten, fo fanbelten 
fie dabei weniger in ihrer kirchlichen, al& vielmehr in ihrer 
politifchen Stellung, bie fie al8 oberfte Echiedsrichter 
zwiſchen Yürften und Völker nad ber Anfchauung ber ba: 
maligen Zeit unbeftritten innehatten. — Obwohl ed bens 
gemäß feinem Zweifel unterliegt, daß tet gegenfeitige Ver- 
febr zwifchen Landesherrn und Unterthanen in allen Rer- 
hältniffen der politifhen Lleber- und Unterordnung fortge: 
jet werden darf, fo ift er bod auf dieſe zu be 
ihränfen,. denn nur hier handelt ἐδ fid um wohler- 
worbene Rechte: in Betreff ber gewöhnlichen geſellſchaftlichen 
Beziehungen, bie von bem freien Willen der Einzelnen abs 
hängen und bei melden weder ein Recht des Vorgefegten 
nod eine Pflicht des Untergebenen in Betracht fommt, has 
ben die Unterthanen des perfönlichen Umganges fid) zu 
enthalten, namentíid menn berjelbe dazu dienen würde, 
den Ercommunicirten in feinen feinbfeligen. Gefinnungen 
gegen die Kirche zu beftärfen und ihn zu trogigem "Wider, 
ande zu ermuthigen. — 

Die Gründe, aus welden der Verkehr zwifchen Lans 
desherrn und Unterthanen geftattet ift, finden auf tie 





1) c. ult. X de poenis. 5. 37. 


- 


142 Die Wirkungen der Greommuntcattett. 


kirchlichen Untergebenen gegenüber von ihren Vorgeſetzten 
feine Anwendung. - Denn nad den Beftimmungen des 
canonifgen Rechts gehen in Folge ber Ercommunication 
bie kirchlichen Surióbictionóredte verloren, 
mithin lóét fid) für die Dauer des Bannes das Verhält—⸗ 
nig der Abhängigkeit und wie ber firdliche Obere feine 
Gewalt mehr hat über feine Untergebenen, fo find biefe 
aud nicht verpflichtet, in Anerkennung berfelben ihre bie: 
berigen Beziehungen zu ihm fortzufegen. Daher fónnen 
Laien und Glerifet einer Diöcefe mit ihrem gebannten 
Biſchofe in feiner Weife, fel ed privatim oder in öffentlich 
firchlichen Angelegenheiten, irgend melden Berfehr unters 
halten 5, — ausgenommen feine Diener und Hauscleriker, 
bie ihm, wie andere Bebienftete ihrem Herrn, in ſpeciel— 
[er Weife und burd) befonbereó Uebereinfommen verpflid- 
tet find. 

Aus demfelben Gefichtspunfte ift das Verhältniß zu 
beftimmen, in welded fid) vie Mönche eines Klofters zu 
ihrem excommunicirten Prälaren zu fegen haben. Da 
berjelbe feiner Jurisdiction verluftig gegangen tft unb ihnen 
nur mehr als Privatperfon gegenüberfteht, [0 Dat das 
Verhältniß der linterorbnung aufgehört und fie können in 
denjenigen Angelegenheiten, bie feine amtliche Stellung 
betreffen, mit ihm nicht mehr verkehren; ba er aber bad 
Klofter nicht verlaffen darf, fie alfo mit ihm leben müflen, 
fo werben fie, wie bie Kinder, welche mit ihren Eltern 
zufummenwohnen, für vie Bälle des gewöhnlichen Lebens, 
in welchen ber Verkehr unvermeidlich ijt, das von Gre 


ee 


1) c. 2. Dist. XCIII. Avile, De Censur. P. IL. c. VI. disput. 1t 
dub. 8. s n i 


Die Wirkungen der Creommunication. 143 


got verliehene SBriollegium in 9Injprud nehmen und mit 
in in Berbindung treten fönnen in ber Weile, wie 
ihnen dieß jedem ercommunicirten Mönche gegenüber ge: 
Rattet ift. — Die gleiche Unterfcheidung zwifchen amtlichen 
und auferamtlidem Berfehre iſt feftzuhalten bei Enticheis 
bung ber weitern frage, ob der firdjlide Obere mit einem 
lintergebenen, falls die ſer ercomnunicirt ift, fid) in nähere 
Verbindung fegen dürfe? Was diejenigen BVerhältniffe bes 
trifft, die mit bem Amte in feinem Zuſammenhange ftehen, 
io lautet bie Gnt(deibung des Gejegeó 1) burdjaué ver, 
neinend, fo zwar, bag der Bifchof nicht einmal mit 
einem Diöcefanen, ben er felbft ercommunicirte, 
irgendwie verkehren darf: bie kirchlichen Obern find es vor 
Allen, melde darüber zu wachen haben, daß Andere ben 
Bebannten meiden, es verlangt daher tie Gerechtigfeit unb 
Klugheit, daß fie hierin mit gutem Beifpiele vorangeben 
wb bie Worberungen, die fie an Andere ftellen, in 'erfter 
finie felbft erfüllen ἢ. Der amtliche Verkehr dagegen 
it Feineswegs fu[penbirt, denn durch bie Ercommunication 
des Untergebenen hat ter Vorgeſetzte feine Jurisdictions⸗ 
rechte über ihn nicht verloren, es ftebt ihm daher bie Bes 
fugniß zu, von denselben überall, wo es αἱ nothwendig 
oder zweckdienlich erfcheint, Gebrauch zu machen, ja er ift 
Dieu fogar verpflichtet, fobald er hoffen fann, durch 
freundliche Ansprache, Belehrung, Ermahnung oder Zurecht⸗ 
weifung ven Betreffenden zu befjern und zur Kirche zurüds 
uführen 7 


1) c. 15. X h. t. 5. 39. 

2) Glossa ad c. 15 cit. verb. MUNIRI: 

3) Diefe Art Yon Verkehr, die unmittelbar aus bem Begriffe 
und der Beftimmung des Firhliden Hirtenamtes fid) ergibt, findet 


144 Die Wirkungen der Excommunieation. 


Gnbfid) begründet aud) das Verhältnis von Schuld, 
ner und Gläubiger eine gemifje Art von Abhängig- 
feit, weßhalb die Frage, ob tie. Ginráumung Gregors VII. 
, aud) bei ihnen Anwendung finbe, Bier nod fury berührt 
ju werben verdient. Befindet fid) ver Chuldner in ber 
Ercommunication, fo verfteht εὖ fid) von felbft, daß babutd) 
an feinen Verbindlichfeiten nichts geändert werde unb er 
nach wie *oor zur pünflichen Erfüllung derſelben verpflichtet 
fei, denn im entgegengejebten Salle würbe er aug feiner 
€trafe Vortheil ziehen, was bem Zmede verfelben wider . 
jpricht und in jeder Weile verhindert werben [oll ); auf 
ber andern Seite hat ber Gläubiger allegeit das Recht, 
mit ihm fid ind Vernehmen zu fegen, ihn an feine Ber 
pflitungen zu erinnern und die Erfüllung berjelben zu 
fordern ?), [εἰ εὖ privatim ober auf geridjtlidem Wege, 
denn wie dem Schuloner aus ber Excommunication fein 
Vortheil, jo foll dem Gläubiger aus berfelben Fein Nad- 
theil erwachfen. — Gegen wir den umgefehrten Sall, in 
weldem der Gläubiger dem Kirchenhanne verfallen ἱβ, 
jo geht er nad dem mehrerwähnten Grunbfage, daß bie 
Ercommunication wohlerworbene Rechte unberührt fafje, 
feines Forderungsrechtes nicht verluftig: er fann baefelbe, 
wenn aud) nicht, wie wir unten zeigen werben, auf gericht: 
fid [don in ben früheiten Zeiten. So fchreiben bie apoftoli[djen , 
Gonftitutionen (L.II.c. 40) ten Bifhöfen vor: ;, Τοῖς di’ auag- 
tla; Gd opio eva. παρ᾽ ὑμῶν καὶ συναναςρέφεσϑε xai συναυ- 
λίζεσϑε, ἐπιμελούμενοι, παρακαλοῦντες, ὑποςηρίέζοντες, 
λέγοντες αὐτοῖς: ἰσχύσατε χεῖρες ἀνεμέναι καὶ γόνατα παραλελυμένα. 
᾿ Jlagaxaáeiv γὰρ χρὴ τοὺς πενθοῦντας καὶ τοῖς ὀλιγοψυχοῦσι προϑυμίαν 

διδόναι, ὅπως μὴ τῇ ἀμετρίᾳ τῆς λύπης εἰς ἀφροσύνην χωρήσωσιν, ἐπείπερ 


ὀλιγόψυχος ἰσχυρῶς ἄφρων. * 
1) c. 7 X de judic. 2. 1. . 
2). c. 34 X h. t. 5. 39. 


Die Wirkungen der Grcomntunicatiott. 145 


[iem Wege, fo tod privatim ungehindert geltend machen 
und zu bem genannten 3mede mündlich, oder ſchriftlich mit 
tem Schuldner verkehren, weldyer gehalten ift, der Forde⸗ 
rung, fo fie nur überhaupt gerecht ijt, zu entiprechen !). 
Wenden wir und zu ben zwei legten Entſchuldigungs⸗ 
gründen, tie mit ben Worten Res ignorata, Necesse be; 
yidnet werben, fo i(t über diefelben nur nod) Weniges zu 
bemerfen. Was ben erftern betrifft, fo fagt das Decret 
Gregors, εὖ follen Diejenigen von feiner Strafe betroffen 
werben, qui sgnoranter excommunicalis communicant, v. D. 
wer ohne feine Schuld nicht weiß, daß ber Andere excom 
municitt ijt — ignorantia facli, oder fid) darüber in lim: 
wifienheit befindet, bag nad) ben Beftimmungen des Ge; 
ſezes der Umgang, mit einem Ercommunicirten verboten 
it — ignorantia juris, — dem fann die facti(dje Ueber 
Ihreitung des Berboted nicht imputirt werben. Obwohl 
We ignorantia juris von Gregor nicht auébrüdlid) Det 
sorgehoben wurde, fo erflären die Ganoniften bod) überein, 
fimmenb, daß fle im Geife und in der Intention des 
Geſetzes liege und mit vemfelben Rechte als Entſchuldigungs⸗ 
grund angejehen werde, wie bie ignorantia facti: benn 
einerfeits eximite Gregor ganz allgemein Diejenigen, 
qui ignoranter excommunicatis communicant, ohne eine 
nähere Beichränfung beizufügen, — wo aber bet Gejeg: 
geber feinen. Unterſchied made, da dürfen audj wir einen 
folgen nit ftatuiren unb dieß hier um fo weniger, weil 
das Geje& ben Zweck habe, ängftlihe Gewiſſen in Bes 
ttf des verbotenen Umgunges zu beruhigen, ein Zweck, 
ber ficherer und in ausgebehnterem Maaße erreicht werke, 


1) Suares, l. c. sect. 6. n. 5 
Theol. Quartalſchrift 1857. I. Heit- 10 


146 Die Wirkungen der Excommunication. 


wenn ὦ der gefeglide Entſchuldigungsgrund nidjt auf bie 
ignorantia facli beſchraͤnke, fonbern aud) tle ignorantia juris 
in fd) Schließe; anbererfeité. fage Gregor bei Angabe 
bet Motive feines Geſetzes, er wolle mit demfelben nicht 
bloß Denjenigen zu Hülfe fommen, bie ignorantia, fonbern 
aud) Ienen, bie mimia simplicitate mit Ercommunicirten 
verfébren unb fid) baburd ber Gefahr auéfegen, im die 
gleide Strafe zu verfallen: ba nun unter der nimia sim- 
plicitas wohl nichts anderes, al8 ble ignorantia juris vet: 
ftanben werben fónne !), fo müfje bie legtere, wenn das 
Gefeg feinen vollen Zweck erreichen folle, wie bie ignoran- 
tia facti als Gntfdjulbigungégrunb angefehen werben. — 
Neben ver eigentlichen Unwiffenheit gehört zu den Aus 
nahmefällen biefer Elaffe aud) ber bloße Zweifel. Wer 
ohne [εἶπε Schuld und ohne vie nöthige Gewißheit fid) 
verichaffen zu fónnen, einen gegründeten Zweifel hat, ob 
der Andere in der Greommunication fid) befinde ober nicht, 
fant mit bemfelben bis zur völligen Aufflärung ver Cade 
ungehindert verkehren, benn ba Jeder auf den freien Ums 
gang mit feinen Mitmenfchen ein Recht Bat und da in 
bet Verweigerung desſelben eine Art von Injurie liegt, [o 
findet auf denjenigen, über deſſen Ercommunication bet 
Zweifel befteht, ber Grunbfag Anwendung: in dubio melior 
est conditio possidentis und ebendarum wäre es ein Uns 
teft, ihm auf einen bloßen Verdacht hin und wegen εἰπεῖ 
nod, unerwiefenen Vermuthung den bürgerlichen Berfehr 
entziehen zu wollen. — 

Gnbíid) hat bie Gefeggebung, obwohl es fid) eigent- 


1) Schon die Gloſſe erklärt den Ausdruck nimia simplicitate 
mit den Worten: ex juris errore. 


Die Wirkungen der Excommunication. 147 


lich fdjon von felbft verfteht, zur vollftändigen Beruhigung 
ber Gewiſſen noch ausprüdlic, erflärt, tag der Umgang 
mit den vitandis geftattet fel, wo er wegen dringender lim: 
fände, fei es abfolut ober doch ohne großen Nachtheil, 
nicht vermieden werben fünne — Necesse. In diefer Richtung 
fagt das Decret Gregors, daß dyriftlide Reifende, welche 
in Gegenden fommen, deren Einwohner ercommunicirt 
fien, von benfelben bie nöthigen Eubfiftenzmittel, wenn 
fie auf anderem Wege nicht verfhafft werden können, fid) 
fanfen und falls das Legtere wegen Armuth nicht möglich 
i, von den Gebannten Almofen annehmen dürfen. Ein 
anderes Beifpiel des durch bie Nothwendigkeit gebotenen 
und barum erlaubten Verkehres mit Ercommunicirten ente 
halt eine Secretafe Innocenz II !). Eine Anzahl von 
Krenzfahrern hatte mit den SSenetianem zum Smede ihrer 
Üeberfahrt in’8 Heilige Land einen Vertrag abgeſchloſſen 
und bie bedungene Summe ihnen bereits ausgehändigt: 
ta aber die Schiffsheren inzwifchen in ble Ercomnmnication 
verfallen waren, wandten fid) die Erftern an ben Papft mit 
ber Anfrage, ob εὖ ihnen jegt noch geftattet fei, von bem 
getroffenen Hebereinfommen Gebraud) zu maden. Innos 
cenz antwortete, daß fte, wenn bie Ercommunicirten die 
Abfolution nicht nahfuhen unb das erfegte Geld heraus, 
ingeben fid weigern, in diefem Balle ber Noth, um einen 
großen Nachtheil von fid) abzumenden, der Schiffe ber Ge; 
bannten fid) bedienen und mit den legterm. In alf ven An- 
gelegenheiten verfchren dürfen, in melden dieß nicht vers - 
mieden werben fónne, — Wenn in ben angeführten Gel, 
lm junádft bloß von der äußern, [eibliden Noth— 


1) c. 34 X h. t. 5. 39. 





109 


148 Die Wirkungen der Ercommuntcation. 


wenbigfeit ble Rebe ift, (o dehnen bie Ganoniften biefelbe 
SBefugnif aud) auf die Fälle ber geiftigen Noth aus, 
jo bag die Gläubigen in allen Verhältnifien, wo Rath, 
Hülfe unb Beiftand von Andern, aló Excommunicirten, 
nicht zu erlangen ift, bie Dienftleiftungen berfelben nach⸗ 
juden oder wenn fte angeboten werden, ohne Weiteres 


acceptiren dürfen. — Das gleiche Privilegium des freien 


Verkehrs genießen Diejenigen, welche durch phyſiſche Ge 


walt, burdj Ginjagung von Furcht ober fchwere Drohungen 
genöthigt werden, mit einem Excommun icirten perfönlidhen | 
Umgang zu pflegen. Wie endlich bie Gläubigen, wo fie - 


in Noth find, mit einem Gebannten in PVerfehr treten 
bürfen, jo ift ihnen tief aud) überall ba erlaubt, wo bet 
Ercommunicirte fidj in einer age befindet, bie ben 
Beiftand unb bie Hülfe 9Inberer als dringend unb unum- 


gaͤnglich nothwendig erfcheinen läßt — und menn bie Mit- 


glieber der Sirde, wo fie ber Hülfe bebürfen, dieſelbe 


von Grcommunicirten nicht bloß anzunehmen, fondern aud) | 
zu fordern befugt find, jo gilt das Gíeide aud in Br | 


treff der Gebannten }). 

Dieß find bie geſetzlichen Ausnahmsfälle, in 
welchen auch mit ben Excommunicalis vitandis verkehrt 
werben bar[: in allen Verhältniſſen dagegen, bie unter bie 
aufgeführten Erceptionen nicht fubjumirt werben Fönnen, 
ift jebmeber Umgang ftrenge unterfagt und mit ſchwerer 
Strafe bevroht 9. Die Verpflihtung, den Gebannten zu 


1) Bol. über biefe Verhältniffe Avila, 1. c. dub. 13. 
\ 2) c. 30 X h. t. 5. 39: , Nullus scienter nominatim excommuni- 
cato communicare teuetur, nisi quaedam personae, quae per illud 


Gregorii papae capitulum: Quoniam smultoe specialiter excusantur. 


Die Wirkungen der Ercommuntcation. 149 


meiben, beginnt mit dem Slugenblide, in welchem bie fichere 
£unbe von feiner Ercommunication und der erfolgten 
Publicirung der Sentenz eingetroffen ift, — und währt fo» 
lange, bis man von ber erlangten Abfolution in zuver- 
läßiger Weiſe Kenntniß erlangt hat '), denn ble Präfums 
tion fprit gegen den Ercommunicirten ?), er muß mit, 
hin als foldher angefehen und behandelt werden, bis baé 
Gegeniheil erwiefen if. Die Abfolution ijt als ermiejen, 
alfo die Wiederaufnahme des Verkehrs ald erlaubt zu bes 
traten, wenn bie Gläubigen burh eigene Sinnen 
mabrnefmung fid) vom Vorhanvenfein derſelben übers 
yugt haben, fel es, baf fie bem Acte, in meldjem fie auds 
gefprochen wurde, perfónfid) anmwohnten, ober von ben fies 
rauf bezüglichen Veröffentlihungen des competenten Kirchen⸗ 
obern Einficht zu nehmen Gelegenheit hatten: inbeffen fann 
ver nöthige Beweis, wo eigene Anfchauung unmöglid, ift, 
aud durch Zeugen erbracht werben, fall8 dieſe übers 
haupt glaubwürdig find und von ber erfolgten Abjolution 
fihere Kenntniß haben fónnen.3), ja im äußerften Salle 
genügt fogar bie einfache Ausfage des Ercommunis 
cirten, wenn fein perſönlicher Charakter und Firchliche 


llli autem, qui nominatim excommunicatis praesumptuose participant, 
praeter personas dicto canone annotatas, nisi ab eorum participatione 
commoniti forte destiterint, excommunicationis vinculo sunt inno- 
dandi. “ 

1) c. 30 cit.: , excommunicato, licet, quod $tet mandato eccle- 
siae, juramento firmaverit, communicari non debet / donec per ec- 
clesiam fuerit absolutus." 

2) c. 8 de regul. jur. VI. 5. 12: ,Semel malus, semper prae- 
sumitur esse malus." 

3) Suares, |. c. sect, 3. n. 6. 


150 Die Wirkungen der Exrcommunlcation. 


Gefinnung für bie Wahrheit berfelben volle Buͤrgſchaft 
darbietet !). 
Prof. Kober. 


1) Naegrrus, Manuale, c. XXVIL n. 36, Avila, 1. c. dub. 11. 
conclus, 6. 


Il. 


WBerenfionem. 


1. 


Institutiones Patrologiae, quas ad frequentiorem, utiliorem 
et faciliorem SS. Petrum lectionem promovendam concin- 
mavit Jos. Fessler, SS. Theol. Dr., consiliarius eccl. Brixin., 
historiae eccles, etc. Prof. in Seminario episc. Brixinensi 
(jebt Prof. des Kirchenrechts am der Univerfität Wien), 
Tom I[**"* Oeniponte, typis οἱ sumtibus Feliciani Rauch. 
1851. VIIL et 1071 pp. Oct. maj Pr. beiber Bde. 
95]; 9ttp. — 9 ff. 24 fr. 5. | 


Würde ἐδ fid) um eine Schrift von nut momentaner 
Bebeutung handeln, fo dürfte man dieſer NRecenfion mit 
Recht das befannte trop tard zurufen; aber anders ijt εὖ, 
wenn ein Werk von bleibenpem Werthe fuͤr die Wiſſen⸗ 
ſchaft vorliegt. 

Mit dieſem zweiten Bande hat Dr. Feßler ſeinem 
Plane gemäß bie institutiones Patrologiae beendigt, und 


—X 





1) Bon demfelben Gelehrten erſchien Fürzlih auch „Geſchichte ber 
Kirche Chriſti als Religionslehrbuch zum Gebraudje für Obergym: 
wn. Qrier Theil, Wien 1857 bei Auer,“ 


152 Fessler, 


es reichen diefelben von ten Anfängen der chriftlichen ite: 
ratur bis auf Gregor b. Gr. inclus. — Ueber den erften. 
Band, welcher die Kirchenväter der vier erften Jahrhunderte 
behandelt, haben wir bereitd im Jahrgange 1851 dieſer 
. Zeitfehrift Bericht erftattet. Der vorliegende zweite Band 
befpricht bie Väter und Kirchenfchriftfteller von Ende des 
vierten bis Anfang des fiebenten Jahrhunderts, Ὁ. B. big 
zu bem vom Verfaſſer feftgefegten Schluffe des patriftifchen 
Seltafteró. (δ᾽ find fonad) gerade tie großartigften Kirchen 
väter, welche in biefem zweiten Bande vorfommen, nament; 
ih Ephraim ber Syrer, Chryfoftomus, Hieronymus, Au: 
guftin, Eyrill von Alerandrien, Leo b. Gr., Gregor b. Gr. 
und Andere; und ſchon bie Bereutung blefer Männer ver 
anfagte Herrn Feßler zu einer beträchtlich ausführlicheren 
Behandlung ihrer Lebensgefchichte und ihrer Schriften, αἱ 
er foldje zumal in der erften Abtheilung des erften Bandes 
eingefchlagen hatte. Ueberall begegnen uns hier gruͤndliche 
Duellenftudien, ausgedehnte Gelehrfamfeit, gewiſſenhafte 
Genauigkeit, Einfiht in ven Entwidiungsgang der drift: 
lien Wiſſenſchaft und die Gemandtheit, in wenigen Wors 
ten Vieles zu jagen. Auch die Anlage des Ganzen und 
bie Anordnung des Stoffes [ft ganz zwedmäßig. — Sebem 
Kapitel, und ber vorliegende Band enthält deren vier, geht 
ein conspeclus generalis voraus, um bie betreffende Zeit 
im Allgemeinen zu charafterifiren und die theologischen 
Kämpfe zu ſchildern, an welden bie zu beſprechenden Räs 
ter Theil genommen haben. So wird 4. B. dem flebenten 
Kapitel, das den Vätern qui errores Nestorii impugna- 
runt zugewiefen ift, in zwei Paragraphen eine Ueberſicht 
über ble Entftehung und den Charafter der neftorianifchen 
Härefie vorangeftelt, um das folgende patrologifche Detail 
φ 


institutiones, Patrologiae. 153 


befto verftänblicher zu machen. tur. der gar fo große 
Umfang des 8. unb legten Kapitels, welches wieder in 5 
Sektionen zerfällt, will uns weniger zufagen. Bei jedem 
einzelnen Sirchenvater wird nad, Angabe ber fontes und 
subsidia zuerſt fein Leben in einem ober mehreren Para⸗ 
graphen befchrieben, jo 3. 8B. das bes BL. Gyrill von Ales 
randrien in 9 $$, darauf feine Werke in vie betreffenden 
Kategorien: opera dogmatica, exegetica, historica, ser- 
mones, epistolae etc. abgetbeilt und einzeln forgfältig bes 
fpreden, aud) bie deperdita, dubia und spuria nicht vers 
gefien. Daran fchließen fih, wo εὖ wichtig i, nod) ein 
Paar Paragraphen über den Charakter des fragkichen 
Kirhenvaters, feine wiffenfdjaftlide und ſchriftſtelleriſche 
Bedeutung, und über feine doctrina, worin meift foldhe 
Punkte erörtert werben, welche confeffionele Differenzen: bes 
rühren. Sie geben zufammen eine Art nubes testium. für 
tad Fatholifche Dogma bem Proteftantismus gegenüber. — 
Den Cdlu bildet enblid die Aufzählung der wichtigeren 
Evitionen; was unferes Erachtens befjer mit ben fontes 
wäre zufammengenommen worden. So wie es jest ift, 
wird ber Qefer 4. 9. von E. 531 an mehrere Duzenpmale 
anf bie Opera S. Cyrilli, bald auf T. L, bald auf T. VL 
ele. etc., und auf ‚deren verfchiedenfte paginae verwiefen, 
aber erft auf ©. 576 erfährt er, welche Ausgabe denn 
gemeint fel, Ebenfo mill e8 uns nicht gefallen, baf 
bei den Editionen nicht aud) zugleich bec neuaufgefuns 
denen Bücher ober Fragmente des betreffenten Kirchen⸗ 
vaterd gebadjt wird. Von Cyrill von Alerandrien δ. 99. 
fand Garbinal Angelo Mai nicht weniger als 15 bisher 
unbefannte Stüde, weldje zufammen mohl einen Folioband 
ausfüllen würden. Wenn nun Hr. Feßler S, 576 bemerkt, 


154 Fessler, 


daß bie Werke Eyrill’s am beften von Aubert in 6 Folio⸗ 
bänden ebirt feien, fo hätten wir hiezu einen SSeifag ges 
wuͤnſcht, etwa in folgender Form: „fünfzehn weitere Schrif⸗ 
ten (oder Sragmente) Cyrill's ebicte A. Mai in feinen drei 
großen Sammelwerfen: Classici auctores, Scriptorum ve- 
terum nova collectio, unb Spicilegium Romanum.“ Außer: 
bem hätten bie nementbedten Stüde unter die übrigen 
Werke jedes einzelnen Baterd an ber zufommenden Stelle 
eingereibt werben follen; aber Feßler hat ihrer meift nur in 
ben Fein» und enggebrudten Noten erwähnt, wo fie von bem 
Lefer kaum zu entbeden (inb. Mehrere haben auch wit 
nicht finden fónnen, befonders fold, welche A. Mai in 
bem Spicilegium Romanum unb in ten Auctores classici 
mitgetheilt hat. 

Da wir bei ver Tüchtigfeit und großen Brauchbarkeit 
viefes Handbuchs ter Patrologie vorausfegen unb wuͤnſchen, 
baffelbe werde in recht viele Hände fommen und in Bälbe 
einer zweiten Auflage bedürfen, fo halten wir εὖ für paf; 
fend, nodj auf einige Detailpunfte einzugehen, ble vielleicht 
eines Zufabes ober einer Verbeſſerung bebürften. 

Auf €. 485 wird ber Neftorianismus daraus abge 
leitet, daß Einzelne im Kampfe gegen ble Arianer bie 
Naturen in Chriſtus zuſehr audeinanverhielten, um nidt 
bie von einer Stiebrigfeit 2c. Chrifti fpredjenben SBibelftellen 
auf den Logos beziehen zu müffen, voie jene Häretifer ge 
than. Allein nicht ber Gegenfag zum Artanismus, fondern 
ber zum Apollinarismus Hat unfered Erachtens - jene 
antiochenifche Chriftologie hervorgerufen, melde in Reſto⸗ 
rius gipfelt. | 

©. 497 lejen wir, Eufebins von Doryläum habe bes 
wiejen, bag Neftorins bie Irriehre tea Paul von Sams 


institutiones Patrologiae. 155 


μία erneuere. Es ift nun allerbings richtig, bag bem 
Reſtorius fold)er Vorwurf gemacht voutbe, aber ebenfo ges 
wig ift auch, bag er benfefben von Anfang an entfchieben 
und mit edt zurückwies. 

Nicht genau ift €. 499 angegeben, wie man in Rom 
Nachricht über bie neftorianifhen Streitigkeiten erhalten 
habe. Es hätte gefagt werben dürfen, Reftorius felbft babe 
fij zuerft und vor Cyrill an SBapft Cöleftin gewendet. 
Grill à Benehmen wird dadurch um fo mehr motivirt. 

Wiederum nicht ganz genau if ©. 501 bet Ausdruck: 
Eyril Babe an ben Kaifer Theodoſius IL. und feine 
Schwefter Pulcheria gefchrieben. Die belben Briefe ταῖς 
βασιλίσσαις find ja nicht blos an Pulcheria, fonberm aud 
an bie Raiferin Gubofia, bie Gemahlin des Theodoſius, 
gerichtet. Zugleich hätte erwähnt werben follen, wie der 
Kaifer tiefen Schritt Cyrill's aufgenommen und welde 
Vorwürfe er ihm barüber gemacht habe. Nicht zu über 
gehen war ferner Diet ober C. 641 das Verhältniß, in 
welhem Cyrill zu Eutyches ftanb, [ange bevor-biefer ale 
Häretifer auftrat. Sind ja doch daraus PVerdächtigungen 
der Ortfoborie Cyrill's abgeleitet worden. Endlich durfte 
au die ſchwere Anklage, Eyril Habe angeſehene 
Perſonen beftochen, um bie Anerfennung der epheflnifchen 
Synode von Seite des Kaiferd durchzuſetzen, nicht uners 
örtert bleiben. Einen Verſuch, bieje Sache ins rechte Licht 
zu ftellen, haben wir felbft im zweiten Bande ber Eons 
ciliengeſchichte S. 229 f. und €. 249 gemadht. 

Auf ©. 550 theilt der Verfaſſer bie gewöhnliche An- 
fibt, ber dritte Brief Grill 'à an Neſtorius, bie 12 Anas 
thematismen enthaltend, fei auf den allgemeinen Goncilien 
von Gpbefuó unb Chalcedon nicht eigentlid approbirt 


156 Fessler, 


worben, und wir jelbft haben das Gleiche (Gonciflengefd). 
Br. IL. ©. 451 Note 1) behauptet. Zweifel gegen vie 
Richtigkeit diefer Annahme erheben fid) jevoc bei genauerer 
Betrachtung einzelner Aeußerungen ber fünften allgemeinen 
Synode. In ihrer festen Sitzung 2. 3B. wirb gefagt: 
Chalcedonensis sancta Synodus Cyrillum sanctae memoriae 
doctorem sibi -adscribit, et suscipit synodicas ejus episto- 
las, quarum uni 12 capitula supposita sunt (Mansi, 
Collectio Concil. T. IX. p. 341. Harduin, T. III. p. 167). 
Aehnliche Stellen finden fid) ebenvafelbfi, Mansi, l. c. 
p. 308 u. 327, Harduin, 1. c. p. 147. 161. Auch be 
bauptet Ibas (ein Verehrer des Reftorius) in feinem Briefe 
an Maris ausdrücklich, daß ble Synode von Epheſus vie 
12 9Inatbematiómen Cyrill's beftätigt habe, und macht ihr 
dieß zum Vorwurfe (Harduin, T. II. p. 530). 

Bei Syneſius €. 636 vermiffen wir bie Angabe und 
Zurechtſtellung zweier im Leben viejes Kirchenvaterd wid 
tiger unb von ben Gegnern unferer Kirche vielfach für fid) 
citirter Punkte, nämlid ber beiden Bedingungen, unter 
welchen er i. J. 410 das bifchöflihe Amt annahm: daß 
man ihm geftatte, ben ehelichen Umgang mit feiner frau 
fortzufegen und einige der Kirchenlehre nicht adäquate 
philofophifche Anfichten, 3. B. über bie Präeriftenz bet 
Eeelen, nicht aufgeben zu müffen. — Wir haben hierüber 
fhon anderwärts (Quartalſchrift 1852. S. 146 ff.) und 
ausführlicher geäußert, batum mag ed an zwei furzen e 
merfungen genügen. a) Da in ber griechifchen Kirche, und 
zu ihr gehörte Syneſius, den Prieftern das Recht zufteht, 
bie vor der Ordination eingegangene Ehe nad) betjelben 
noch fortzufegen ; fo ift nicht beſonders auffallend, ‚wenn 
fi$ Synefins bei der Weihe zum Bifchof dafjelde Recht 


institutiones Patrologiae. 457 


ansbedang. Konnte ja Semanb bei ber Weihe zum 
Diakon fi das Recht ausbedingen, nad diefer Orbination 
noch heirathen zu dürfen (vgl. c. 10 v. Ancyra v. 3. 314). 
b) Daß man bem Synefins geftattete, feine origeniftifchen 
Anfihten nod) beizubehalten, erklärt fid) daraus, baf εἰπεῖν 
feitö der Origenismus damals noch nicht allgemein verpönt 
und anbererjeitó bie Zahl der fürs bijdjoflide Amt tauge 
liden Männer in Aegypten und Umgebung fo Flein war, 
daß die Wähler von jenem Defekte ihres Ganbibaten ab» 
ſehen zu dürfen glaubten, in der Hoffnung, wie Evagrius 
hist. eccl. I. 15 jagt: „die göttliche Gnabe werde den für 
Wahrheit fo empfángliden Mann ficher nod) zur vollen 
Orthodoxie führen.” 

Auf ©. 521 wün[dte ih das Wort praecipui Orien- 
lis episcopi mit einem andern vertaufcht, indem befanntlid) 
mehrere: ausgezeichnete Bifhöfe Afiens, namentlih Speo 
doret damals ber Union mit Eyrill von Alexandrien nod 
nicht beitraten. ^ Gbenfo dürfte auf €. 642 eine Bes 
richtigung angebracht werben, indem Eutyches ficherlich von 
bem Irrthum frei war, als ob Ehriftus auch feinen Leib 
ans dem Himmel gebradjt habe. Er jelbft wies dieſe Ans 
ſchuldigung ganz entfchieten jurüd, und fie beruht wohl 
nur auf ber Anfangs [o häufigen Ipentificirung feiner 
Lehre mit ber verwandten apollinariftiichen. 

Zu ©. 668 ift beizufügen, daß Patriarch Anatolius 
von Bonftantinopel fefbft, wenigftend zum Scheine, auf 
ven Ganon 28 von Gbalcebon, ben Streitpunft zwiſchen 
ihm unb bem Papfte (der Canon fchreibt bem Stuhle von 
Eonftantinopel ben Rang unmittelbar hinter dem römis 
hen zu, und verftoßt damit gegen c. 6. von Nicäa) ver 
jichtet Babe, indem er an Leo I. ſchrieb: „die Geltung bete 


158 Fessler, 


felden hänge vont Papfte ab“ (Ep. 132 unter ben Briefen 
Leo's). — Auch dürfte des Streites zwiſchen Papft Leo 
und Grbifdof Hilarius von Arles fchon in ber vita Leonis 
erwähnt, wenigftens auf bie Fünftige Befprechung desſelben 
in p. 797 Bingemiefen wotben fein. 

Was wit €. 691 über S feoboret leſen: ast meliora 
edoctus etc., ift zu rofenfarbig gehalten. Factiſch tt, daß 
Theodoret mit der fraglichen Union nicht zufrieden war 
unb fij auf einige Zeit fórmfld) von feinem Patriarchen 
Sohannes von 9Intiodjlen und ber gefammten Kirche trennte. 
Auch das licet non consentiret (1. c.) ift nicht ganz genau; 
bie Schuld fiegt hier vielmehr auf Patriarh Iohann, 
welcher von Theodoret nadjmaló das Anathema über Nefto- 
rind nicht mehr verlangte. Auf S. 525 ift hierüber das 
Richtige gefagt. Weiterhin ift die Gefchichte der Aner 
fennung Theodoret's auf dem Goncil zu Chalcevon (p. 692) 
viel zu ſummariſch behandelt, als ob da Alles ganz plane 
und ohne Stürme und Zweifel zugegangen wäre: die Be- 
siehung Theodoret’d zum Dreifapitelftreite aber ift in feiner 
vita ganz mit Stillfchweigen übergangen. 

Wenn auf S. 950 am Ende der zweiten Rote gefagt 
ift: bie τοποίοα [ὥς Angabe im Gelaftanifchen Decrete 
de libris non recipiendis fei zu tilgen, fo ift vieß gan 
tldjtig, aber bem Lefer unverftändlich, Indem hier nirgends 
gejagt ift, ba in der Ueberſchrift dieſes Dekretes das Gor 
fulat von Afterius und Präflvius, alfo das Jahr 494 flatt 
496 angegeben fel. 

Etwas inconfequent fdjelnt es, daß Bincentius von 
Lirinum, nicht aber aud Gaffían als Sanctus bezeichnet 
wurde. Beide befinden fid) doch ungefähr in gleicher Lage, 
als Vertheidiger der damals noch nicht proferibirten femi 





institutiones Patrologiae. 159 


yelagianifchen 9Infidt. Auch hat Papft Urban V. ble Res 
liquien Gaffian’s mit der Aufichrift Sancti Cassiani in bet 
Kiche St. Victor zu Marfeile zur Verehrung auf 
ſtellen laffen und alle Jahre feiert man bafefbft am 23. Iuli 
(a8 Feſt tes Hi. Gajfianuó (Noris, historia Pelagiana, 
lib. II. c. 12 am Schluſſe, unb Suttler, eben. bet 
Väter, Bd. IX. ©. 583). 

Bei ber Lebensgefchichte des Papſtes Symmachus 
€. 953 vermifjen wir feine für die Geſchichte des Papfl- 
thums jehr widjtigen Beziehungen zum Oftgothenfönige Theo⸗ 
beridj Ὁ. Gr. unb bie Unterfuchungen, melde biejer König 
über ihn unb feine Wahl anftellen lieg. Mit bem byzan⸗ 
üniffen Kaifer Anaftafius kam Symmachus erft fpäter 
in Eonflift und nur hievon fpricht ber Sterfajjer. Ebenſo 
wird bei Papft Vigilius ber zwei ihm zugeſchriebenen mones 
theletiſch lautenden Briefe nicht gebadjt, auf welde fid) 
Sergius und U. fo gerne beriefen. Auch ftand ble Glaufel 
salva in omnibus reverentia Synodi Chalcedonensis (p. 971) 
wohl nicht wörtlih im Judicatum des Vigilius. 

Endlich fiel uns auf, daß Boethius ohne Weiteres unter 
die Kirchenfchriftfteller eingereiht und bie Frage gat nicht 
berührt wird, ob er wirffid ein Gfrijt gewefen [εἰ ober 
ob nicht die feinen Namen tragenben. theologijchen Werke 
einem Andern als dem Verfaſſer des berühmten Buches 
de consolatione philosophiae zugefchrieben werben müßten. 
Bon legterem hätte die neuefte "Ausgabe von Obbarius 
im 5. 1843 angegeben werden jollen. 

Die Ausftattung ift gut, ber Drud correft, der Preis 
billig, das Buch Gtubirenben und Geiftlihen beftend zu 


empfehlen. Hefele 


160 | Kruͤll, 


2. 

Chriſtliche Altertyumskunde. — Von Friedrich Honorat 
Arüll, Stiftsvicar an bem Collegiatſtifte zu ben BI. Jo⸗ 
hann Bapt. und Johann Evang. in Regensburg. Erſter 
Band XVI. und 436 €, Zweiter Band VII. und 518 ©. 
in groß Octav. Regensburg bei Mans, 1856. Pr. beider 
Bände 5 ff. 12 Er. 


Die driftide Archäologie, früher von fatbolijden 
Gelehrten fo. häufig und mit Vorliebe bearbeitet, ift in 
neuerer Zeit gerade unter und leider ziemlich vernachlaͤßigt 
worden. Nur der felige Binterim hat unter den beutjchen 
Katholiken hierin eine rühmliche Ausnahme gemacht nnb 
burdj fein großed Werk: „Denkwürbigfeiten der driftfatbo, 
liſchen Kirche ᾿ς, 2. Aufl. Mainz 1837 — 41" febr vielen 
9tugen geftiftet. Aber nod) immer blieben, abgefehen von 
einzelnen, weniger befrieblgenben Partien des Binterim'ſchen 
Werkes, drei Wünfche übrig. a) Die „Denkwürdigkeiten“ 
waren mehr nebeneinander geftelte Abhandlungen 
über archäologiſche Hauptgegenftände, nicht aber ein Lehr 
gebäude der drififidjen Archäologle. Es war eine 
[»ftematifde 9Inorbnung bes Stoffes nicht verſucht mor 
den, b) Außerdem erfivedte (id) jenes Werk faft ausſchließ⸗ 
li auf die kirchlich en Alterthümer in specie, auf Gult 
und Disciplin; nad unferer Anfiht aber hat die drift: 
liche Archäologie ein viel größeres, weiteres Feld. Wie bie 
Archäologie eined Volkes alle Zuftände des Lebens zu 
befchreiben hat, in denen die igenthümlichfeit biejet 
Nation zu Tage trat, fo bat die chriſtliche Archäologie 
alle jene Suftánbe des Lebens der Ehriften zu Ihrem Ob⸗ 
jefte, in denen vie Eigenthümlichkeit des chriftlihen Geifteó 
(Wefens) ſich offenbarte, alfo nicht blos das ſpezifiſch 








chriſtliche Alterthumskunde. 161 


fkirchliche ober gottesdienſtliche, ſondern aud) das häusliche, 
bürgerliche, gewerbliche, ſtaatliche, künſtleri— 
ide, literarifche ꝛc. eben. Auch hierüber ſollte fid) fortan 
vie chriſtliche Archäologie erſtrecken. c) Gnblid) wurde burd 
ven großen Umfang des Binterim’fhen Werkes (17. Octav⸗ 
dände) der Wunſch nad) einem Fürzern auf ein paar Bände 
[ᾧ beſchraͤnkenden Lehrbuche nahe gelegt. 

Diefe Anfichten über bie nöthige Weiterbildung der 
chriſtlichen Alterthumswiſſenſchaft unb über die Form eines 
fünftigen Lehrbuchs derſelben haben wir [don im Jahr: 
gange 1844 biejer Zeitſchrift (S. 491 f.) und im FKirchen- 
terifon von Weper und Welte, 1847 98v. 1. ©. 401 f. 
ausgeiprochen, jo theilweife in unferen eigenen Vorleſun⸗ 
gm über dieſen Gegenftanb feit 16 Jahren fie zu verwirk- 
li$em gefudjt. Den Plan, ein nad diefen Grunpfägen 
Warbeiteted Werk über chriſtl. Archäologie fefbft gem Pub- 
fum zu übergeben, mußten wir burdj Anveres in An⸗ 
ah genommen zurüdftelen; um fo angenehmer ift . 
(ὁ, die vorliegende chriſtliche Alterthumskunde ber Haupt: 
με nad) auf die gleihen Grundſätze aufgebaut zu 
(jen. — Was wir von ber Archäologie wiederholt verlang- 
ten, ift bier zu verwirklichen gefucht, und nicht blos bie 
Ärhlichen, fontetn auch ble häuslichen, bürgerlichen, gewerb- 
lien 2c. Alterthümer in ben Kreis der Ünterfudung ges 
jgen. Außerdem ift bie Anorbnung durchaus ſyſtematiſch, 
und der Umfang des Werkes in zwei Baͤnden einerſeits 
wm Etoffe, anbererjeitó dem Bebürfniffe ber weitaus 
meiften Lefer gar wohl angemefjen. Das Ganze zerfällt 
vem Berfafjer in 4 Bücher: L die hriftlihe Kirche; 
1) Benennung, 2) tie Gliederung ber riftlihen Gemein- 

tol. Quartalſchrift. 1857. t. Heft. 11 


162 Krüll, 


ſchaft, 3) ble verſchiedenen Stände in ber Kirche; IL. vie 
chriſtliche Kirche in ver Welt; 1) das häusliche Leben, 
2) das Wamilienleben, 3) das charltative Leben (Corge für 
bie Armen, Sranfen, Berftorbenen 16), 4) das politiſche 
Leben, 5) das Gewerbs⸗ unb Handelslehen, 6) das Kunſt⸗ 
leben,. 7) das wifienfchaftliche Leben, 8) das Seibenéleben 
(vom Martyrium.und ben Martyreraften),, 9) das afcetifche 
Reben. Alles dieſes wird im erften Theile beiprochen. Dem 
zweiten ift das dritte und vierte Buch zugewiefen, und zwar 
handelt baó MM. von ber Kriftliden firde im 
$eiligtbum: 1) von ben Dienern des Qeillgtbume, 
2) von den ff. Orten, 3) Zeiten, 4) Saden, 5) von den 
Gultbanblungen und 6) vom Klofterleben. Das IV. Bud: 
bie 39udt in ber chriſtlichen Kirche zerfällt wieder 
in 5 Kapitel: 1) die Firhlihe Beauffichtiging, 2) die 
kirchliche Geſetzgebung, 3) die firdjlide Verwaltung, 4) die 
firchliche Gerichtöbarfeit und 5) die Energumenendifcipfin. 

Diefe Diathefe des Stoffes fdeint uns im Ganzen 
eine gelungene zu fein; aber um allgemeinen Beifall zu 
finden, bebarf fie noch einiger wejentlihen Modificationen. 
So ift e8 z. 3B. ein namhafter Mißſtand, daß von ben 
kirchlichen Perſonen an zweierlei Orten Buch 1. Kap. 2 
und Buch HL Kap. 1 gehandelt wird. Ebenfo ift zu tabeln, 
daß die Ausipendung ber Saframente ber Taufe, Firmung 
und Weihe, aud) bet Sterbfaframente und ber Ehe von 
ben übrigen Guítu&banbfungen (im Buch II. Kap. 5) ge: 
trennt im erften Buche Kap. 3 und Buch IL Kap. 1 u. 2 
bargeftellt wurde. — Für das afcetifche Leben war in 
Buch 11. Kap. 9 Fein eigener Platz zu gewinnen, da ber 
etwa hieher gehörige Stoff ſchon beim häuslichen Leben 
und andermärtd zur Sprache gefommen war, theild bem 


chriſtliche Alterthumskunde. 163 


Rap. 6 des dritten Baches, das vom Klofterleben han 
beit, angehörte. Die 9Infftellung eines eigenen Sapitels 
für das afcetifche Leben hatte die Folge, baf der Verfafſer 
bad ganze Kapitel in 1, Seiten abtfun mußte, außer 
allem Berhältniß zu ben übrigen Hanptftüden. Auch halte 
ih es für eine Ausfchreitung, wenn in ber vom wiſſen⸗ 
idaftliden Leben handelnden Abtheilung eine ganze Patro⸗ 
logie im Seinen gegeben wird. 

Wenden wir und von ber Anordnung bed Stoffes 
in diefem felbft und feiner Behandlung, fo anerkennen wir 
gerne, daß uns hier bie Refultate eines fiebenjährigen 
Fleißes vorliegen, ein reiches umb interefjantes Materiale, 
ba6 von großer Belefenheit und mandjfaden Stuben zeugt. 
Dabei Hatte der Verfaffer nur theihweife in ben ältern 
Werken über hriftlihe Archäologie tüchtige Vorarbeiten vor 
fij; bel manden andern Partien, -befonders „im erften 
Theile, mußte er den Weg ſelbſt bahnen, und ba ift es 
fein Wunder, wenn er Einzelnes überjah, ober nit in 
gehöriger Vollſtaͤndigkeit mittheilte, oder zu geringe anſchlug, 
oder auch ba unb dort firauchelte. So ift Bd. I. ©. 2 der 
Ausdruck „Kirche“ wohl mit Unrecht von „füren” = 
wählen abgeleitet, ©. 8 ber Terminus „Häretifer“ 
nit ganz richtig erHärt, ©. 18 eine in Spanien zu Ehren 
Nero's aufgeftellte Denftafel, bie jedoch höchſt wahrfcein- 
dió unächt iR), als Duelle benügt, G. 41 Über die 
Deutung von Didcefe in ven erften Jahrhunderten 
Ungenaues beigebracht. Im jener Zeit war Diöcefe ibenti[d) 
mit Patriarchal⸗ oder Erarhaliprengel. Was fofort über 





1) Dgl. darüber Tillemont, Mémoires pour servir à l'hist. eccl. 
T. IL Art. la persecution de Neron, p. 35 sq. ed. Brux. 1732, 


11* 


104 Krall, 


ben Untetfchieb von Prieſtern und Laien, und Biſchoͤfen 
und Prieftern gejagt ijt, ſollte fchärfer unb genauer fein; 
die Note zu ©. 44 war ganz zu ftreihen und in Betreff 
ber verjchienenen Kirchenämter mehr Gewicht auf die Ber- 
ſchiedenheit der Zeiten zu legen. Lebteres ift ein Mangel, 
bet fid) im Buche gar oft wiederholt, indem ber Verfaſſer 
bie ſechs Jahrhunderte bis Gregor b. Gr. (bis dahin näm- 
lich reiht ibm das Zeitalter der chriſtlichen Alterthümer) 
wie einen Guß behandelt, als ob in dieſer Zeit alles 
gleich gewejen, wenigftens feine beachtenswerthe Veraͤnde⸗ 
rung vorgefommen wäre. Meiterhin find wir nicht ein: 
verftanden, wenn ©. 72 ble πρεσβύτιδες ibentifd) mit 
Diakoniffinnen genommen werden. Eher [deinen fle Ober 
biafoniffinnen geweſen zu fein, wie wir in ber Eoneilien- 
geſchichte Bd. I. ©. 731 ff. auseinanvergefegt haben. Auch 
hätte hier. ber Verfaſſer auf bie Brage: ob die Diafoniffin- 
nen zu ihrem Amte eingeweiht vourben ober nicht, unter 
Berüdfichtigung ber hierüber vorliegenden mehrfachen alten 
Canones genauer eingehen follen. Theilweiſer Berichtigung 
bedürfte, was S. 72 f. über die Metropoliten und ihre 
angebliche Beftätigung von Seite Roms gefägt ift; nochmehr, 
menn S. 75 behauptet wird, daß urfprünglih nur jene 
Kirchen Patriarhalfite waren, wo entweder ber hl. 
Petrus unmittelbar feinen biſchöflichen Cip 
aufgefchlagen (Antiocdhien und Rom), obet wo bet: 
felbe einen folden burd einen von ifm un 
mittelbar beftellten Schüler gegründet hat 
(Alerandrien),. — Auguftin und Papſt Leo b. Gr. fagen 
und ja deutlih, daß zu einem Patriarhalfiuhl bie Grün 
bung burd) einen Apoftel überhaupt (nicht gerade durch 
Petrus allein) erfordert werbe. Vergl. Eonciliengefchichte 


chriſtliche Alterthumskunde. 105 


B». IL €. 511, 532. — Den Terminus χριστιανὸς im 
Sinne von Katechumenus ber unterftem Klaſſe überfept 
$. Krüll mit Chriftlinge, und citirt dafür ben flebten 
Canon beó zweiten allgemeinen Gonciló, und das Truls 
lanum. — Geo ift richtig, letzteres vepetivte in feinem Gas 
non 95 die betreffende Vorſchrift der erftern Synobe, aber 
(ὁ ift unpaffenb, das Trullanum, welches nicht weniger 
ald 102 Canones aufftellte, nur im Allgemeinen zu citi» 
tt. Verwandt damit ift, bag ed GC. 92 heißt: „vie 
alerandrinifehe Synode” und ©. 161 die „Eynode von 
Barcelona” ohne Angabe, welde von ben vielen aleran» 
drinifhen unb ben mehreren barcelonenfifchen gemeint feien. 
66 Hatte aber ber Verfaſſer die aferanbrini[dje des Jahres 
339 unb die barcelorienfifhe des Sabre 599 im Auge. 
Achnliche unbeftimmte Gitate finden fidj noch mehrere — 
Unrichtig ift, wenn ©. 86 Auguftin deßhalb, weil er als 
Ihrer der Beredfamkeit in Mailand die herrlichen Prebig- 
im des BC Ambrofind bejuchte, zu ben Katechumenen 
gerechnet wird. Distingue tempora. Gegen Ende des 
vierten Jahrhunderts fonnten aud Nichtchriften ohne An- 
fand ber SBrebigt antmdfnen. — S. 93 wirb das file 
Abbeten des Pater noster in ben canonifhen Tagseiten 
davon abgeleitet, daß in ber alten Kirche das Gebet des 
Herrn per disciplinam arcani den Katechumenen 1c. nicht mit: 
getheilt vourbe. Letzteres ift wohl richtig, aber jene Abs 
leitung gewiß eine gemagte. Nicht ganz genau unb nicht 
vollftändig ift, was G. 95 f. über die Taufnamen gefagt 
wird; war e& ja bod) noch im Mittelalter Sitte, Täuflingen 
auch andere als Heiligennamen zu geben; man benfe nur 
an Erwin von Gteinbad. Ebenfo iſt ed ungenau, wenn 
bir €, 310 leſen: jeder Häretifer taufe gültig, jo er 


106 Krull, 


nur bie geſetzliche Form beibehalte. Bei einem erklaͤrten 
Mitgliede einer antitrinitariſchen Sekte genügt dieß 
gewiß nicht. — Bei dieſem Abſchnitte vermiſſen wir auch 
die Mittheilung jener alteften Beſchreibung einer chriſt⸗ 
lichen Taufe, melde uns Juſtin in feiner erſten Apologie 
gibt, und ebenſo die Angabe des Unterſchieds zwiſchen 
baptismus fluminis, flaminis unb sanguinis. — Bei der 
Firmung hätte darauf hingewieſen werben follen, daß, nad» 
bem ber Diakon Philippus in Samarien viele getauft, bie 
Apoftel ben Petrus und Johannes dahin abſchickten, um 
bein Getauften den Dl. Geiſt mitzutheilen (Act. 8, 14 ff.) 
— Zu ©. 162 f. fehlt, daß in alter Zeit mitunter. bie 
Biſchöfe, wenn fie alt wurben, Ihren Nachfolger felbft be 
ftimmten, fogar in Rom (vergl. Gonciliengejdgld)te Bd. II. 
€. 569, 571, 572, 608). Ebenfo vermiffen mir mande 
febr inferejjante und widtige Aeußerung ber alten Väter 
über bie Anwendung bes Krenzzeichens und über bie Kleis 
bung iv. der alten Gprigen. Bor Allem waren in legterer 
Beziehung die Bibelftellen L Timoth. 2, 9, 10 und I. Betr. 
3, 3 anzuführen, unb ber Art und Weife. zu gebenfen, wie 
man den Urſprung und Gebrauch bet edlen Metalle, bet 
Surben und bert Evelfteine von gefallenen Engeln ableitete 
(vgl. Tertull. de habitu muliebri c. 2. Cyprian, de ha- 
bitu virginum, c. 11. ed. Krabing. und Clementinae homil. 
VII, 14). Auch über das Tragen von Kränzen, über bie 
Anwendung des Schleierd, über bie Farbe ber Selber, 
über Kleidung unb Schmud ber Männer, über das Berbot 
der falfihen Haare, der Frifur und des Raſirens und dgl. 
wäre zu fprechen gewefen. Angefchloffen hätte fid) dann ber 
auf V. Mof. 22, 5 geftügte Abſcheu gegen dad Tragen bet 
bem andern Geſchlechte zugehörigen Kleider, und vie Gen 


chriſtliche Alterthumskunde. 167. 


far, womit bie Kirche das Unternehmen des Euſtathius 
von Sebafte und 9Inbrrer. belegte, welche aus falfcher As 
cefe von ben gottgeweihten Jungfrauen das Tragen von 
SRannéfleibern und das Abſchneiden der Haare verlangt 
hatten. Unſer Verfaſſer fommt zwar auch auf diefen Gu; 
ftatbiud zu ſprechen und bemerft ©. 197: fein Verſuch, 
bad Pallium bei ven Glerifern zu reftituiren, fei für un: 
ídidiid) erachtet und mit 9lbfegung beftraft worden. Er 
hätte beifügen ſollen: biefe Strafe {εἰ erfolgt, weil Eufta- 
thius die Priefter, die andere Kleider trugen, verachtet 
und das Pallium für durchaus nótbig erklärt Babe. Bol. 
c. 12 von Gangra. — Bei ©. 217 hätten wir eine Ans 
gabe und Erklärung bet wiederholten ſcharfen Werbote des 
Würfelfpield gerne finden mögen. Es genügt hier nicht zu 
fagen: bie Ha zardſpiele feien verboten geroefen, denn bei 
ven Würfeln fam noch ber eigenthinmliche Umftand hinzu, daß 
ihre Seiten nicht wie bei ung mit Ziffern, fondern mit 
mythologischen Figuren bezeichnet waren und derjenige Alles 
gewann, qui Venerem (baé Bild ber Venus auf bem 
Würfel) jecerat. 

Zu fury unb unvollftändig ift, was über bie Birgini« 
tät in ber alten. feitdje ©. 230 f. gejagt wird; indbefondere 
hätte ber Anforderungen an die wahre unb innere Sung: 
fränlichkeit, der Vorſchriften über das ganze Benehmen bet 
Virgines, auch einzelner Berirrungen 3. B. der Selbſtver⸗ 
fümmlung, des Selbftmordes, um ber Schänbung zu ent» 
gehen, und des Syneisaftenthums gedacht, aud) die auffallende 
Aeußerung des alerandrinifhen Clemens (Stromata VII. 
11. p. 874), der das eheliche Leben ber Virginität überzus 
ordnen fcheint, in rechte Licht geftellt werben ſollen. Auch 
was über Eheſcheidung und Wiederverheirathung ©. 342 ff. 





. e 4 


168 Krüll, chriſtliche Alterthumbkunde. 


geſagt iſt, finden wir theilweiſe luͤckenhaft. Der Verfaſſer 
ſtellt die Sache ſo dar, als ob das heutige Kirchenrecht 
von Anfang an fir unb fertig geweſen wäre, ohne an ben 
can. 10 ber berühmten Synode von Arles i. 3. 314 unb 
an c. 2. ber Synode von Banned i. J. 465 zu denken, 
welde bem Manne, im Falle des Ehebruchs ber Frau, 
zwar bie MWieberverheirathung bei Leibzeiten verfelben drin; 
gend abratfen, aber body nicht geradezu verbieten, dagegen 
bet rau, im Falle ber Mann die Ehe bricht, die Wieder 
verheirathung bei Ercommunication unterfagen (vgl. Gom 
eitiengefh. Br. I. ©. 179. Br. I. ©. 573). Auch über 
die dritte, vierte ac. Ehe hätten alte Kirchenvorfchriften bei 
gebracht werben ſollen. 

Su ©. 309 (f. wären die Notigen am Plate gewe⸗ 
fen, weldje bie alten Goncillen in Betreff folder Chriften 
enthalten, bie Staatsämter übernahmen und baburd) mit 
dem Paganismus in  unvermelblide Berührung famen 
(vergl. c. 4. 55. 56. 57. von Elvira und c. 7 von Ar 
les v. ὦ, 314, c. 4. u. 10. von Rom v. 3. 402). Unter 
ben Gemetben, welde das Gfriftentbum ganz ober theil 
weife verbot, hat der Berfaffer einzelne überfehen und des 
heiligenden Einfluffes nicht gebadjt, ben ver chriftl. Geift 
auf alle Berufsarten zumal ausübte. Auch vermiffen wir 
in dem Kapitel über das Kunftleben eine eingängliche 8e 
handlung ber Frage über bie Ehriftusbilver: 

Wenigere Schwierigfeiten bot bie Bearbeitung des zwei⸗ 
ten, bem Inhalte nad) theilweife noch intereffanteren Ban 
des, und auch er ift Zeuge von der Belefenheit des Bar. 
unb feiner Gewanbtheit, das reichlich vorhandene Material 
überfichtlich zu gruppiren und ffar und anfchaulich varzuftellen. 


$ efete. 


Mathias Beyr, Institutiones Theologiae dogmaticae. 169 


3. 

Institationes Theologiae dogmaticae editae a Mathia Beyr 
Presbytero Dioecesis S. Hippolytanae saeculari, ss. Theo- 
logiae doctore, et ejusdem disciplinae in Seminario Epi- 
scopali ejusdem Dioeceseos professore. Pars I. pag. 336, 
Pars ll. Lib. I. pag. 286, Lib. IL pag. 414.  Viennse, 
Braamüller et Seidel. 1847. Br. 7 fl. 27 fr. 


Das vorliegende Werk ijt zunächſt für ben Schulges 
branch beftimmt, will aber auch ben Anforderungen ber 
Wiſſenſchaft infomeit gerecht werben, ald εὖ fein nächfter 
Zweck geftattet. Da die neuere bogmatifche Literatur an 
bgl. Werfen nichts weniger al& Ueberfluß Bat, fo mag eine 
wenn auch etwas verjpátete Anzeige defjelben. als gerecht 
fertigt erſcheinen. 

Daſſelbe zerfällt in zwei Haupttheile, in deren erftem 
bie Apologetif, im zweiten die katholiſche Glanbenslehre 
behandelt wird. Das Ganze eröffnet eine kurze Einleis 
tung (p. 1—5) über den Begriff ber Theologie unb ihre 
Eintheilung, ſowie über bie Berechtigung der Kirche, ben 
geoffenbarten Glaubensinhalt begrifflih zu formuliren, 
(Der Berf. brüdt (id) hier etwas ungenau aus, wenn et 
jagt: doctrinam a Christo ... traditam in formam scien- 
lficorum conceptuum et systematis redigendi — dieß ijt 
nicht Aufgabe der Kirche, ſondern ber kirchlichen Wiſſen⸗ 
ſchaft. Hierauf folgt bie Apologetif, ebetem dogmatica 
generalis genannt. Der Verf. gibt der erfteren Benen⸗ 
nung den Vorzug, und gewiß mit vollem Rechte. Die 
Wiffenfhaft, bie man gegenwärtig gemeinhin Apologetif 
oder wohl aud) theologia generalis nennt, Tann feineds 
wegs als Theil ber Dogmatik betrachtet werben, ſondern 


170 Mathias Beyr, 


bildet bie Grundlage für bie gefammte theoretifche (bog: 
matifche unb Moral-) Theologie unb fann eben deßhalb 
nicht, wie bie felbft in bem vorliegendenWerke gefchieht, 
mit ber Dogmatik, fel ἐδ als Theil berjelben, fei e& al6 
Einleitung in fie, sufammengenommen werben. 

Obfect und Aufgabe ber Apologetik ift nad) bem Bf. 
ber Beweis, daß die römifch-Fatholifche Kirche bie wahre 
Kirche Chriſti ift. Sie vollzieht biefe ihre Aufgabe burd 
Nachweiſung 1) der abfoluten Nothwendigfeit der Offen; 
barung, 2) ber Wahrheit ber von Chriſtus geoffenbarten 
Religion und 3) der Wahrheit der römifchen Kirche. Hie⸗ 
nad) beflimmt fid aud) ihre Eintheilung. An ihre Spise 
hat der Verf. bie f. g. Beweife für das Dafein Gottes 
geftelt. Sein Urtheil über ben Werth und tie Bedeutung 
berfelben verdient alle Beachtung: Talis autem probatio 
magis est exhibitio necessitatis Dei pro ratione et mundo 
— ein Stadweifen der Nothwenvigfeit Gottes für bie 
Vernunft unb die Welt — quae veritatem, aliunde per- 
ceptam, propter inevitabilem ejus necessitatem et cum 
indigentiis nostris concinnitatem cum felicissimo quietis el 
beatitudinis sensu amplectitur, quam veri nominis probatio, 
quae non est nisi aut principiorum rationis aut naturae 
rerum et in theses et in harum cum fontibus suis inter- 
nam cohaerentiam aut identitatem perspiciendam evolutio. 
Die weitere Ausführung ber Apologetif anlangenb, fónnen 
wir ung jebr fur fafjen. Was von Beyr hier uns bat; 
geboten wird, ift zu zwei Drittheilen (p. 14 — 264), 
wenn wir von einzelnen Zufägen, mehrfachen Auslaffungen 
und Umftellungen, wodurch ber Zufammenhang nicht felten 
unterbrohen, bie richtige Ordnung geftórt und das "θεῖν 
ftänpniß erſchwert wird, Abſehen nehmen, eine faft τοῦτα 


Institutiones Theologiae dogmaticae. 171 


lide Uebertragung ber zwei erfien Bände des Drey'ſchen 
Werkes (rer dritte Band des letztern erfchien gleichzeitig 
mit dem Beyr’fchen) in ein fchwerfälliges und mitunter 
ſchwer verftändliches Latein. Man vergleiche beifpieldhalber 
vie SSegriffébeflimmung, die ber Verf. (p. 109) von bet 
Snfpiration gibt: Inspiratio est talis Dei, spiritum hominis 
immediate tangens operalio, per quam altiori totius na- 
lurae, hinc eliam omnium virium ejus, potentiatione effec- 
lus in et cum illo operatur, qui comparati cum viribus 
ejus naturalibus, immediate divinae originis se exhibent. 
Der dritte Theil, bie Apologetif der Kirche, ift felbfiftän, 
dig ausgearbeitet. Die Methode der Behandlung wird 
bier eine ganz andere und ftit gegen bie ftreng wiljen- 
Ihaftlihe Haltung ber erften Theile febr merflih ab; bod 
wied bie Darftellung minder gefdjrambt unb verftändlicher. 
Bemerfenswerth ift das Urtheil des Verf. über bie Ins 
falibilität des Papfted. Indem er zwiſchen fdyon erplicirs 
tm unb feierlich promulgirten und zwiſchen erft zu ents 
widelnden, nod) nicht förmlich declarirten Glaubenswahrs 
keiten unterfcheidet, vindicirt er in Beziehung auf eritere 
der cathedra Petri ſchlechtweg bie Unfehlbarfeit, in Rüd- 
fibt anf feptere dagegen glaubt er fle. ihr blos in Einheit 
und im Einklang mit bem gefammten fivdjfidjen Lehrkörper 
beifegen zu ſollen. Ob mit biefer Unterfcheivung eine bes 
fiebigenbe Löfung des viel erörterten Problemes erreicht 
fei, möchten wir febr bezweifeln. Zwifchen ber Bezeugung 
und der Gntwidíung ber hriftlihen Offenbarungsmwahrheit 
durch bie Kirche findet ein reeller, fachlicher Unterſchied 
nit ftatt: bie Entwidlung ift hier nicht Cegung eines 
Neuen, zuvor nod nicht Dagemwefenen, fondern bloße 
Herausſetzung des im chriſtlichen Bewußtſein bereitd Ent⸗ 


112 —— Mathias Beyr, 


haltenen mittelft ver Reflexion des Bewußtfeins in fid) 
felbft. Die Function ber Lehrfirche, besiehungsweife ihrer _ 
Organe in diefen Richtungen ift eine nur formell verjchies 
dene. Der fpeclelle göttliche SBeiftanb, auf welchem ble für 
den €tubl Betri in Anſpruch genommene Infallibilität beruht, 
fann daher nidjt wohl auf die Bezeugung ber bereits Firch- 
lich feftgeftellten, erplicirten Glaubenswahrheiten befhränft, 
fondern muß ber Natur der Sache gemäß ebenfo auf bie 
Erplication des Firchlihen Glaubensbewußtſeins erfiredt 
werben; ober ed muß, wenn in legterer Beziehung eine 
blos relative ober bebingte Unfehlbarkeit ftatuirt wird, eine 
ſolche aud) in erfterer Hinficht geltend gemacht werden. — 

Wie gehen auf bie Dogmatif über. Ihre Aufgabe 
wird dahin beftimmt, bie firdjliden Lehrfäbe aufzuftellen 
unb zu bemeifen (proponere et probare). Unter legterem 
verftebt ber Verf. bem für jeben Glanbensſatz zu führenden 
Nachweis der drei wefentiidjen Merkmale ber. 8atfolicitàt : 
ber antiquitas, universalitas und consensio. Den ganzen 
dogmatifchen Stoff zerlegt Beyr in zwei Theile, deren 
erfter die Ueberſchrift: Salus in Christo, der zweite — Sa- 
lus per Spiritum s. trägt. Beide Theile zerfallen wieber 
in je drei Unterabtheilungen, ber erfte in ble Lehre von Gott 
(Theologie), von der Welt (Eosmologie), von Ehriftus 
(Gbriftologie); ber zweite in bie Lehre von der Gnabe 
Chriſti (Garitofogie — nad) der Schreibweife des Berf.), 
von den Sacramenten (Myſteriologie) und ben legten 
Dingen (Gfdatelogie). Das Princip, welches viejer Gin: 
theilung ber Dogmatif zu Grunde liegt, ift nad) ber (ὅτε 
fíarung des Verf. (IL p. 6.) die verſchiedene Stellung 
Ehrifti zum Heilswerke, fofern nämlich Chriftus tbelló uns 
mittelbar burd) feine Lehr, und Erlöfungsthätigkeit, theilg 


- 


Institutiones Theologies dogmaticae. 178 


mittelbar durch ben hl. Geift das Heil ber Menſchen bes 
werkitelligt. Der erfte Theil fat daher ble objective Grund⸗ 
legung, ber zweite bie fubjective Vermittlung des von 
Chriſtus begrünbeten Heiles, ober wie der Verf. dieß aud 
audbrüdt, jener bie Heilslehren unb Heilsthatfachen, biefer 
bie Heildverwirklihung zu behandeln. Wir glauben auf 
das Berfehlte dieſer Eintheilung nicht erft aufmerkſam 
machen zu müflen. 

Aus der Darftelung des Verf. wollen wir nur mer 
nige Punkte ausheben, um daran einige furze Bemerkungen 
zu knüpfen, ba eine einläßliche Beiprechung des umfang» 
reihen Werkes über bie und geftedten Grenzen weit hinaus⸗ 
führen würde. In ber 9luóeinanberjegung ber göttlichen 
Cigenidaften vermijjen wir vie Ableitung berjelben aus 
bet Idee Gotted. Dem Schema des Verf. liegt bie Be⸗ 
ttadjtung Gotteó unter dem Gefidhtöpunfte eines abfolut 
einfachen, intelligenten und wollenben Weſſen sund Prin⸗ 
dpé und Zieles des gefhaffenen Geiftes zu Grunde. Das 
(t eine etwas Außerlihe Betrachtungsweife, bei ber οὗ 
nicht ausbleiben fonnte, daß weſentlich zufammengehörige 
Eigenſchaften auédeinanbergerifjen murben und umgefebit. 
So finden mir bie Weisheit Gottes neben feiner eilig» 
feit unb bieje wiederum neben feiner. Allmacht, bie. abjos 
Inte Freiheit Gottes neben feiner Gerechtigkeit u. ſ. w., 
alle unter ber Rubrif de voluntate Dei behandelt, wähs 
temb unter ber Ueberſchrift de intellectu Dei allein die 
Alwifienheit aufgeführt wird. Die Erklärungen ber ein» 
zelnen göttlichen Eigenichaften -felbft find theilweife etwas 
in vag unb unbeftimmt unb einige derfelben fónnten wohl 
nit ohne Grund in Anſpruch genommen werben. Die 
Trinitätslehre jobann hat ber Verf. tin Verhältnifie zu 


174 ' Methias Beyr, 


anderen minder wichtigen Partien ſehr kurz abgehandelt. 
Die kirchlichen Lehrbeftimmungen find zwar vollſtaͤndig auf 
geführt; allein einen Einblid in ihren innern Zufammen- 
bang, überhaupt ein tiefered Verſtaͤndniß dieſes Myfteriums 
wird man buch bie Darftelung des Verf. ſchwerlich ges 
winnen. Hier namentíid tritt das Unzulänglicdye feiner 
Methode zu Tage. In ber Lehre von ben Engeln bezeid» 
net der Verf. biefe ald „von Gott gefchaffene Geifter, 
melde zwiſchen Gott und den Menſchen in ber Mitte 
ftehen“ (intermedii). Dieß ift offenbar eine ungenane unb 
leicht mißbeutbare Beſtimmung; Mittelweſen zwiſchen Gott 
und bem Menichen fennt nur die Gmanationélebre. — In 
bem Abſchnitte von der übernatürliden Ausrüſtung ber 
erften Menfchen finden wir eine Erörterung ber von bet 
Altern Theologie vielfach ventilirten Frage, ob die Stamm 
eltern fogleih im Momente ihrer Erſchaffung, ober erft 
nachdem fie durch ben rechten Gebrauch ihrer natürlichen 
Begabung fi biefür difponirt hatten, mit ber übernatür 
lichen Ausrüftung verjeben worben fein? Der Verf. ent 
idelbet fid) für bie (egtere Annahme, indem er amifden 
ber. urfprünglichen Heiligkeit und Gerechtigfeit ſcharf unter 
[deibenb unter jener ben Habitus ver heiligmachenven 
Gnade, unter biefer bie natürliche, durch den Einfluß ver 
actuellen göttlihen Gnade geförverte und gefräftigte har- 
monia virium verfteht, daſſelbe, wag. man fonft wohl aud 
bie rectitudo originalis nennt. Ohne und auf diefe ziem- 
lid) müßige Streitfrage weiter einzulafjen, fónmen wir- und 
doch ber Bemerkung nicht enthalten, bag uns bieje Tren⸗ 
nung von Heiligkeit und QGeredtigfeit und ihres beider 
feitigen Principe als faum zuläffig erjcheint. Wir geben 
bet Auffafjung unbevenflih ben Vorzug, wornac beide, 


Institutiones "Theologiae dogmaticae, 175 


ble urfprüngliche Heiligkeit und Gerechtigkeit ble fid inte 
gritenben und auf ein einheitliches Princip, vie göttliche 
Gnade, bie fid nad ber verichiedenen Richtung ihrer 
Wirffamfeit ald habituelle oder actuelle Gnabe verhält, 
zurüdzuführenden Momente ber urfprünglicden übernatürs 
liben Ausrüftung des Menſchen find, bie fid) demnach 
gegenfeitig fordern und bedingen, fomit aud) nicht zeitlich 
audeinandergehalten werden fónnen. Wenn man daher bie 
übernatürliche Ausftattung bed. erften Menfchen von feiner 
Erſchaffung zeitlich trennen will, jo muß man jener ven 
puren Raturzuftand vorausfegen, t. i. ein logifches Abftracs 
tum, das nie wirflih gewefen iff und nie wirklich fein 
kann. — Die Lehre von ber Perſon unb dem Werfe Ehrifti 
hat oer Verf. ausführli unb in ber Hauptſache erfchöpfend 
abgehandelt. Rühmenswerth ift bier inóbe[onbere bie ſorg⸗ 
fültige Behandlung ber einfchlägigen Schriftterte und bie 
tide Auswahl patriſtiſcher Beweisftellen und firchlicher 
Entfeheidangen, bie ung hier geboten wird. Auffällig ift 
mbeg, daß bie Simbelofigfeit Jeſu nicht in biefem Lehr- 
ftüde, fonbern in bem Kapitel von der Exrbfünde unb aud) 
ba nur in wenigen &ágen befprochen wird — als Freiheit 
Ehrifti von ber Erbfünde, womit ber Begriff der Sünde 
(ofigfeit Chriſti bei Weiten nicht erfchöpft ift. 

An der Darftelung oer Gnabenlefre begegnen wir 
einer etwas jeltfamen Begriffsbeftimmung ber Gnabe, bie 
wir, eben weil fte al8 Definition auftritt, nicht unbeanftan- 
det laſſen fónnen. Die gratia Christi definirt nämlich 
bet Verf. als ipsam charitatem Christi, sua ad mortem 
crucis usque obedientia pro nobis et in nostrum bonum 
manifestatam, salulem totius generis humani Suae et hu- 
jus naturae convenienter, operantem. Dem entjprechend 





176 Mathias Beyr, 


wird fofort die charitas Christi, jofern fie ben Menfchen 
entiveber innerlih umwandelt und heiligt, ober ihm ad ac- 
tus in ordine ad salutem ponendos verliehen wirb, als 
habituelle ober actuelle Gnade begriffen. Hier (ft, wie 
man (left, bie „Liebe Ehrifti” theils im objectiven, theils 
im fubjectiven Sinne genommen ; allein weber in dem einen 
nod in bem andern Sinne fann fte mit der Gnade jelbft 
lbentificitt werden. Im objectiven Sinne ift bie Liebe 
Gbrifti ble Vervienfturfache der Gnade, das was Gott be 
wegt, ben Menſchen wieber gnädig zu fein; im fubjectiven 
Sinne dagegen ift fie gíeld ben Tugenden des Glaubens 
unb ber Hoffnung eine Wirkung oder Frucht ber Gnade. 
Im Verlaufe fommt ber Verf. aud? auf die befannte Unter 
ſcheidung ber gratia efficax und suffciens ausführlich zu 
fpreden, wobei aud) bie verſchiedenen Auffaffungen ber 
Thomiſten, Auguftinianer, Moliniften unb Gongruiften in 
Kürze entwidelt und beurteilt werden — einer ber wenis 
gen Bälle, in welden er ben theologiſchen Differenzen 
einige Aufmerffamfeit ſchenkt. Nach feiner Anſicht dft 
bie wirffame unb bie zureichende Gnade an ſich oder ihrer 
9tatur nad) Eind unb liegt ber Grund ihrer Verſchieden⸗ 
beit blos in Ihrem Erfolge am empirifchen Eubjecte. Ber 
fagt der menfdjlide Wille ihr feine Suftimmung, fo wird 
fie zur blos aureldjenoen ; umgefebrt alfo wird fte zur wirk⸗ 
famen, wenn ber Wille auf fie eingeht. Diefer Schluß 
liegt nahe, unb ber Verf. fat ihn wirklich gezogen. Die 
göttliche Gnade, das ift feine Anſchauung, führt ben menſch⸗ 
(iden Willen blos foweit, daß das fBermógen zum Guten 
„erpedit,” tag mit andern Worten die Selbftenticheidung 
für bad Gute ihm nahe gelegt, ſ. 3. f. in ble Hand gege 
ben it; weiter aber bringt fie nicht vor. Die Zuftimmung 


Institutiones. Théologise dogmaticae. 17 


des Willens, feine Eelbftbeftimmung für das Gute hängt 
in legter Inftanz (ultimo) vom freien Willen felbft und 
von ihm allein ab. Diefer aber befindet fij hinſichtlich 
btt Gnade in einer bald mehr, bald weniger günftigen 
Verfaſſung und hienach geftaltet (id) der Erfolg der Gna⸗ 
denwirffamfeit verjchieden und ericheint eine und blefelbe 
Gnade einmal ald wirffam, ein antereó Mal als blos zus 
veihend. Wir haben hier, wie man fieht, im Wefentlichen 
die congruiftifche Auffafjung vor uns, eine Auffaffung, in 
welcher, ba fie ble Goncurreng der Gnade im Momente der 
guten Willensentfcheivung (in actu secundo) ausſchließt, 
fie wenigftens nicht direct babel mitwirken läßt, fonbern 
tie Celbfibeftimmung des Willens zum Guten in gleicher 
Weife wie zum Böfen fchließlih bem Willen allein zur 
Ihiebt, fomit bie Gnade blos als unerläßliche Bedingung, 
nicht aber als mitbemirfenbe Urſache des guten Willens; 
ace anerkennt, der volle Begriff ber Gnade, wornad fi 
biefelbe als bie burdjgángige Grundurſache des guten Wil- 
ins verhält, verfümmert erfcheint. Bon Bier aus ijt εὖ 
nur conjequent, wenn ber Verf. bie Präpdeftination zum: 
ewigen Leben, die er nebenbei bemerkt in dem Abichnitte - 
von ber Rechtfertigung befpricht, als eine burdj bie prae- 
visa merita bebingte auffaßt; auffällig ift dagegen, daß er 
bie Vorherbeftimmung zur Gnade ald unóebingte, abfolute 
betrachtet. ine ab[o[ute Vorherbeftimmung zur Gnade 
hat nur da ihre Berechtigung, wo die Gnabe felbft αἱ 
bie abfolute und durdigängige Grunburjade des guten 
Willens anerkannt wird. 

Das Lehrftüd von ber θὲ ε ὦ tfettigung wird febr ein- 
(àfid) behandelt, unter fteter Berüdfichtigung ber confeffto- 
Wellen Lehrgegenfäge. Diefer Abfchnitt gehört unftreitig 

Deol. Quartalſchrift. 1857. 1. Heft. 12 


418 Mathies Begr, 


qu den beften Partien des Werfes und zeichnet ὦ ebenfo 
febr durch Schärfe und Beitimmtheit der Begriffe, wie 
durch forgfältige Beweisführung aus der Edhrift unb 
Veberlieferung and. Der Einfluß ver Möhfer’ichen Eym- 
bolik macht fid) hier befonders bemerflich. Um fo bürftiget 
ift dagegen die Lehre von den Sacramenten im Allgemei- 
nen als Einleitung in ble Lehre von den Sacramenten im 
Einzelnen. Ihrer Darftelung find mehr nicht als vier 
Blätter gewinmet, und man begreift leiht, bag biefer allzu 
farg jugemefjene Raum faum zur Aufftelung ver kirch⸗ 
lichen Lehrbeftimmungen zureicht und ble verſchiedenen Aufs 
fafjungen der proteftantiichen Religionsparteien völlig uns 
berüdjidtigt bleiben mußten. Erſt nach Darftellung der 
fpecielen Sarramentenlehre holt ver Verf. das Verſaͤumte 
‚theilweife nad) in einem bejonveren Kapitel, in welchem von 
der Siebenzahl ber Gacramente, Ihrer Wirkſamkeit ex opere 
operato, bem Minifier und ber bei ihm erforderlichen In⸗ 
terttion gehandelt wird. — 

Im Allgemeinen darakterifirt fif) Pas vorliegende 
togmatifdje Wert durch feine ſtreng pofitine Haltung. 
Hierauf beruht fein Vorzug, wie feine Einfeitigfeit. Die 
Methode des Verf., bie fid) wenigflens in der Olaubens⸗ 
(ere überall gleich bleibt, ift folgende. Die einzelnen Para⸗ 
graphen eröffnet regelmäßig ein Firchlicher Lehrſatz, gewöhn⸗ 
(id in Form eineó Dogma. Wo εὖ nöthig ſchien, iſt eine 
fure Erklärung beigegeben. Hierauf folgen unmittelbar 
ble Beweiſe, zuerft aus ber Schrift, dann aus der Ueber 
lieferung. Diefe nehmen ben weitans größten Theil des 
Raumes ein; insbefondere find bie patriftiichen Beleg- 
ftellen für jedes einzelne Dogma mit großer Sorgfalt und 
in. einer Volftändigfeit zufammengetragen, bie faum etwas 


Institutiones Theologise dogmaticae. 179 


qu wuͤnſchen übrig laßt. Damit glanbt aber aud) ber 
Verf. ber doppelten Aufgabe, bie er bem Dogmatifer ftetit, 
die Olaubenslehren der Kirche barzuftellen and zu begrün- 
ven, volltändig genügt su haben. Die f. g. Beweiſe aus 
vet Vernunft, welche bie Altere Dogmatik ber pofitiven Ber 
grünbung ber Dogmen gewöhnlich folgen läßt unb bie 
allerdings zum Theil von ſehr problematischen Werthe (inb, 
find im vorliegenden Werke gänzlich ausgefallen und wird 
diefer Ausfall and nicht durch dialectiſche und ſpeenlative 
Behandlung ter Glaubenswahrbeiten gededt. Allen wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Unterfugungen im engeren Sinne des Wortes 
überhaupt (djeint ber Bf. abfichtlih aus bem Wege gegangen 
zu fein; ſelbſt bie Berührung ber theslngifchen Controverſen 
wird, fomeit dieß immer thunlich ijt, vermieden. Wer ba; 
Der eine ziemlich erfchöpfende und überfihtliche Sujammen: 
ftellung ber Firchlichen Lehrfäbe unb ber pofitiven Beweis- 
mittel für dieſelben wünſcht, dürfte durch das Beyr'ſche 
Handbuch wohl zufrieden geftellt werden, vorausgeſetzt, 
taf er fi über die Härte und Echwerfälligfeit, mitunter 
aud) Schwerverftänvlichfeit ber lateinifen Diction wegzu⸗ 
jegen vermag. Wer dagegen höhere Anforderungen an bie 
Dogmatif ftet, wird Durch bad vorliegende Wer f$ 
ſchwerlich befriedigt finden und δεῖ aller Anerfennung ber 
Gelebrfamfeit und "Giaubenétreue des Verf. kaum die 
Ueberzeugung gewinnen können, daß derfelbe der Aufgabe, 
die er fid) ſelbſt geftellt, eine ber. gegenwärtigen Bildungs⸗ 
Anfe entfprerhende und die Berürfniffe der Gegenwart 
berückſichtigende Darftellung der gejammten Fatholifchen 
Glaubenslehre zu geben, in allweg genügt habe. Wir 
find weit entfernt, den Werth unb bie Beveutung einer 
Rreng pofitiven Behandlung der GíaubenóleDxe zu nunter⸗ 
| 12" 





480 Ludwig Rendu, 


ſchaͤtzen. Den kirchlichen Lehrbegriff, jo wie er in ven Quellen 
des Glaubens niedergelegt iſt, ju erheben und möglichſt 
objectio zur Darſtellung zu bringen, wird ber katholiſche 
Dogmatiker jederzeit als ſeine erſte und weſentlichſte Auf⸗ 
gabe betrachten. Eine andere Frage aber iſt, ob er hiebei 
ſtehen bleiben ſoll und darf, ob, von allem anderen abge⸗ 
ſehen, die gegenwaͤrtigen Zeitverhaͤltniſſe nicht mindeſtens 
ebenſo gebieteriſch als dieß vor ſteben Jahrhunderten ber Sall 
war, zum Aufbau einer Glaubens wiſſenſchaft hindrän⸗ 
gen, burd) welche ber klaffende Riß zwifchen Glauben und 
Wiſſen, Vernunft und Offenbarung, an beffen Erweiterung 
die ungläubige Wiſſenſchaft unfrer Tage raftlos fortarbei- 
tet, geheilt wird. Die Antwort hierauf kann faum zwei⸗ 
felfaft fein. 
Hitzfelder. 


4. 


ſudwig Rendu, Biſchof von Annecy. Die Anſtrengungen 
des Proteſtantismus in Europa und die Mittel, welche 
er anwendet, um katholiſche Seelen zu verführen. Aus 
bem Branzöflfchen überfegt, und mit widerlegenden 
und berichtigenden Noten verfehen von einem proteflan« 
tifchen Geiſtlichen. Weimar 1856. Verlag und Drud 
von Bernhard Qriebrid) Voigt. Pr. 2 fl. 20 fr, 
Wir haben nicht bie Abfiht, das Buch des eifrigen 


Biſchofes von Annecy felbft einer Benrtheilung zu unter 
geben. Unfere Anzeige gilt vielmehr der Erwiederung, 


Biſchof von Annecy. 181. 


mit welcher der proteftantifche Weberfeger demfelben ent» 
gegentreten zu müfjen glaubte unb bie wir in den manig: 
fadjen bem Text unterjegten Roten audeinanbergelegt finden. 
Wir haben bie in Frage ftehenven polemifhen Grgüfje 
nicht ohne viele Heiterfeit durdhlefen. Der Anonymus, der 
das franzöfifche Werk verbeutfcht hat, ift Rationalift vom 
reinften Waſſer. Schon bie Auctoritäten, bie wir beim 
Durchblättern biefer Noten in denſelben citirt finden, die 
Namen eined Hafe und Anderer, erweden in uns die Vers 
muthung, daß wir c6 hier mit einem Rind ber vulgären 
Aufflärung zu thun haben. Und bieje Vermuthung findet 
fid denn aud) bei näherer Ginfidit in die Diatribe des Herrn 
Ueberfegerd vollfommen beftátigt. Wenn ba& Borwort 
nod) etwas verblümt gehalten ift, fo Taffen dagegen in ben 
Roten vorkommende 9leuferungen, wie die folgenden, ges 
mig Nichts zu münjden übrig. 

Bon ber Trinität fagt ter Herr lleberfeger ©. 241: 
„Das im Athanaftanifchen Symbolum enthaltene, und mit 
biefem and, in die evangelifche Kirche übergegangene Dogs 
ma von ber Trinität ober den brei verfchiebenen Perfonen 
in ber einen Gottheit enthält einen unlösbaren, unb, wie 
man dieſe Lehre auch immer auffajfet mag, unzuvers 
mittelnden Widerſpruch, fo daß fie nicht nur als über, 
fonbern geradezu ald gegen die Vernunft bezeichnet werben 
muß.” Folgt bann bie plattrationaliftiiche Erflärung dieſes 
Grundmyſteriums unferer Religion von afe. ©. 245 
erfahren wir, daß die Wunpdertheorie mit bem Begriff 
der göttlihen Vollkommenheit, wie Chriſtus fie unà fennen 
lehrt, in einem unlösbaren MWiverfprüch ſteht.“ ©. 289 
wird bemerft, vaß „vie Annahme einer ftellvertretenden 
Genugthuung durch einen Unſchuldigen, anftatt und 


183 Ludwig Rendu, 


zu Gunſten des Echulvigen fdiedjterbing8 bem Begriff 
bet göttlichen Gerechtigkeit widerfirebt, und daran knüpft 
fi ein förmlicher Proteft im Namen der Vernunft gegen 
die ganze hriftliche Lehre von der Erlöfung — 

Wie man fieht, macht unfer Anonymus aus feiner Her: 
zensmeinung gerade fein Gefeimnig. Was ift nun aber im 
Einzelnen von foldem Ctanbpunft nidt Alles zu erwarten ? 
Glücklicherweiſe ift berfelbe vod) fo univerfell gewählt, daß 
ber Herr Ueberfeger auch nod) mit andern Gegnern, nam; 
lidj der ganzen pofitiven Richtung im Proteflantismus, ans 
binden muß unb fo bod nicht alle Streiche feiner 380: 
lemik allein und ausſchließlich auf ble katholiſche Kirche 
fallen. 

Im erfierer Beziehung ftebt é& und vun freilich wicht zu, 
uns im den Streit zu mifchen. Sache zunaͤchſt ver glaͤnbig⸗ 
proteftantifchen Theologen iff es, dieſer meyphiſtopheliſchen 
Richtung, die Immer und immer wieder anflandt unb 
fat fo oft fie ein chriftliches Myſterinm in den Stunt 
nimmt, eine Blasphemie ansfpricht, einmal den gruͤndlichen 
and üntbiberfeglidjen Beweis zu führen, bag fe Rd) mit 
Unrecht auf das reformatoriihe Princip der Glaubens, 
und Gewiſſensfreiheit berufe; umd ebenfo überlaffen mir 
ed den nümliden Männern, bie Behauptang zu wibers 
fegen, daß wenn fie Ernſt maden wollen mit ihrer 
Bläubigkeit, bie Gonfequenz (le zur Mutierkirche zurüds 
treibe (vergl. S. 369). — Mas bie Ausfälle betrifft, 
die der Herr Ueberfeger nad unferer Seite bin macht, fo 
müflen wir mit einigen Worten wohl darauf eingehen. 
Ounádft [εἰ hier bad Geftántnif abgelegt, daß unfer Anonys 
mus in diefer Beziehung wirklich das Mögliche geleiftet 
bat, Seine Noten find ein wahres Archiv aller SBormürfe, 


SMfdjef von Annech. 183 


bie man je gegen bie Kirche unb ihren Glauben erhoben 
hat. Wer das angehängte Regifter aud) mit nur halb» 
wege billigen Anſprüchen durchliest, ber wirb befennen 
müffn, daß im tem Buch faft Nichts ans dieſem Genre 
vergefien ift. Königsmörder und Bartholomäusnacht, Bann- 
βπῷ unb Inquiſitlon — Alles ift bier angemerkt und darf 
zur Herbeiführung eines ganz gründlichen Entfegend nur 
nobgefchlagen werben. In bem Buch ift amd) bie Rebe 
vom Madinifchen Ehepaar unb von Borcindfy, nicht gm 
reden von PBianori und Holofernes, deren blutige Schatten 
nicht minder in biefen Blättern heraufbeſchworen werben. 
Gan; befonberó aber machen wir Liebhaber von nod) nie 
bageweienen Fürchterlichkeiten anf das ſchauerliche Acten- 
küd aufmerifam, das S. 114 mitgetbeilt ἰ und in 
ben klärlich erzählt wird, unter welch haarfträubenven 
Geremonien ble Jeſuiten einen Menſchen zum Koͤnigsmord 
vorbereiten. 

Auf bem Umschlag des Buches ift bemerkt, vag auf⸗ 
geihnittene und beſchmutzte Gremplare nicht mehr zurück⸗ 
genommen werben; allein ein ſolcher Schaden ftedt [chen 
im Werke felbft, fomwels fein Inhalt vom Kern Ueber⸗ 
jeger herrührt; εὖ ift vol oon Aufichneivereien und Schmug, 
— und das nehmen wir and, nicht mehr zurüd. 

Repetent Rudgaber. 





184 Compendium Gredüalis 


9. 


Compendium Gradualis οἱ Antiphonarii Romani continens 
officia Dominicarum et festorum totius anni. Moguntiae 
apud Franciscum Kirchheim. Pr. 3 fl. 


Während bei ten. meiften neuern Choralbuͤchern . εἶπε 
fBorrebe darüber Auffchluß ertheilt, weldye alten Ausgaben 
des römischen Antiphonariums und Grabuale benüpt und 
melde Grundſatze bei Auswahl verfchievener Lefearten beo- 
badjtet wurden, entbehrt das Mainzer Gompenbium folder 
Borbemerkungen und ruft fo beim erften Anblid bie Ber, 
muthung ‚hervor, daß baéjelbe ein bloßer Abdruck eines 
Altern Werkes ſei. Diefe Vermuthung fanden wir durch 
eine und von competenter Ceite zugelommene Mittheilung 
beftätigt unb näher dahin beftimmt, bag bie in Mainz 
ſchon feit längerer Zeit gebräuglihe Barifer Ausgabe 
von 1782 zu Grund gelegt wurde, und daß man bei Abs 
faffung der neuen Ausgabe nicht bie Fänterung bes Go 
raló und damit eine Bereicherung der Ehoralliteratur bes 
geedte, fondern nur ein für bie Kortführung des feither 
in Mainz üblihen Choralgeſangs bequemes Handbuch 
ſchaffen wollte. | 

Da [emit das Kompendium felbft nicht ben ?Infprud 
erhebt, ben reinen Cantus Gregorianus — jo weit unter 
gegenwärtigen Berhältniffen von einem ſolchen die Rebe 
fein fann — in fid zu bergen, fo fónnen wir über eins 
gene Abweichungen vom Römifchen Ton, der im Ganzen 
und Wesentlichen feftgebalten ift, um jo nachſichtiger ut 
theilen, als felbft dann, wenn einmal unter ben Theo 
retifern vollſtaͤndige Einigkeit herrſcht und über urfprüngs 
lide gregorianifche Melodie fein Zweifel mehr obwaltet, in 


et Àntiphonarii Romani. 185 


ben einzelnen Diöcefen [ὦ immer noch befonbere Eigen, 
thümlichfeiten erhalten werden und fid aud) einigermaßen 
rehtfertigen lajfen. 

Gbenfo wird die Bezeinigung bed Antiphonariume 
und des Girabuale, welche zugleich zu einer VBerfürzung bed 
einen und andern wurde, in bem ur[prüngliden Plane, 
nur für die nächſte Nähe forgen zu wollen, ihre Recht⸗ 
fertigung finden. Indeſſen wünfchten wir body bie althers 
gebrachte Trennung des Antiphonariums und Grabnaleó 
feftgehalten, und werben jedenfalls von einem Choralbuch, 
das nicht bloß für eine einzelne Diöcefe Werth haben foll, 
verlangen fónnen, daß ed uns ein vollftánbigeó Graduale 
und Antiphonarium biete; wobei ed dann allerdings feinem 
Anftand unterliegen wird, aus biefem ten jeweiligen Bes 
türfnifjen emtfpredjenbe Auszüge zu veranftalten. 

Im Allgemeinen aber muß das Mainzer Gompenbium 
als eine febr erfreuliche Erſcheinung im Gebiet der kirch⸗ 
ihen Tonfunft bezeichnet werben; es beymedt eine immer 
größere "Verbreitung des ehrwürdigſten und erhabenften 
Geſangs, des Gregorianifchen Ehorals, unb wird ebenbamit 
yt Berherrlihung des katholiſchen Gottespienftes in hohem 
Orabe beitragen. 

Repetent Beron. 


- 








Literarifcher Anzeiger 
Nr. 1. 


[ie Sn ne τς -- a τ το τ CO nn een τ er] 

Die hier angezeigten Schriften findet man in der 45. Laupp'ſchen Buch⸗ 

handlung (faupp & Siebeh) in Tübingen vorräthig fo wie alle Er⸗ 
ſcheinungen der neueften Litteratur. 


Im Verlage der Stahel’schen Bach- & Kunsthandlung in Würz- 
burg ist erschienen und durch alle Buchbandlungen zu beziehen: 


Enehiridion symbolorum et definitionum, quse 


de rebus fidei et morum a conciliis oecumenicis et 
summis Pontificibus emanarunt. In auditorum usum 
edidit Henricus Denzinger, philosophiae et 
theologiae Doctor et in universitate Wirceburgensi 
dogmalices Professor ordinarius. Editio tertia 
aucta et emendata, el ab ordinaria approbata. Wirce- 
burgi, Sumptibus Stahelianis. 1856. 12mo broch. 
Preis fl. 1. 48 kr. oder Thlr. 1. 


Mit Privilegium gegen den Nachdruck in Frankreich 
und den Vereinigten Staaten in Nordamerika. 


Dem Verfasser wurde von Sr. Heiligkeit Papst Pius 
IX. ein sehr huldvolles Schreiben für Zusendung dieses 
Buches, in welchem dessen Verdienstlichkeit und Nütz- 
lichkeit annerkannt wird. 

Die dem Buche ferner vorgedruckte Empfehlung des hoch- 
würdigsten Bischofes Johann Martin in Millwauchee, sowie der 
Umstand, dass dasselbe binnen 18 Monaten schon in 3 nicht unbe- 
deuten Auflagen herausgegeben, welche, ausser in Deutschland, aus- 
gedehnte Verbreitung in Holland, Frankreich, Spanien, Italien und 
Amerika finden, lassen sicher jede Anpreisung überflüssig erscheinen. 


Dr. €. 9. von Schuberts Selbfibiographie. 


Der Erwerb and einem vergangenen und bie 
Erwartungen von einem zufünftigen eben 


iM mit der fo eben erfchienen 2. Abtheilung bes III. Baudes nun voll» 
Händig und fann durch alle Buchhandlungen bezogen werben. Preis des 
eompleten Werkes, das behufs erleichterter Anſchaffung aud) abtheilungs⸗ 
weiſe zu erhalten it, 6 Thlr. 18 Gar. oder 11 fl. 48 fr. rhein. Vom 
L Bande murbe αἰ eine Separatausgabe unter bem Titel „meine 
Fagendgeſchichte“ (Preis 1 Thle. 18 Gat. ober 2 fl. 48 fv. τῇ.) 


2 


veranftaltet, ble als belchrende, geiftig antegenbe Lektüre zu einem paflen- 
ben Feſtgſchenk namentlich für die veifere Jugend, befonberé ges 
eignet fein bürfte. | 

- Erlangen im November 1856. Pam & Ente, 





Nenes Predigtwerk! 


Bermifchte Sanseloottráge auf alle Sonn-, Feſt⸗ und 

Beiertage des Tatholifchen διῶ κα EL fowie einige 

befondere Firchliche Anläffe von 91, Gb. Theophicl, 

fatholifchem Beiftlihen ber Schweiz. I. u. II. Band. 1856. 

gr. 8. brojd). 49 Bog. (Würzburg. Stahel's Berlag.) 
Preis fl. 3. 36 fr. Rthlr. 2. 6 Nor. 


Des Verfaſſers Streben: bie in fein Erfenntnißvermögen und fein 
Gemüth aufgenommenen Religionswahrheiten frei von ben falten Formen 
der Schule und ben Feſſein ftarrer Theorie — nach feiner Snbipibualitát 
— rein, überzeugend, fíar und warm bem Zuhörer (ober Leſer) zum 
richtigen Verſtaͤndniſſe vorzuführen, feinem Herzen und Willen zum Gv 
greifen nahe zu legen u. f. Ὁ. — if in diefen vorzüglichen Predigten 
far ausgeprägt, und find biefelben (auch ihrer Billigfeit wegen) dringend 
empfeblenémettf. — ' . 

Die beiden evilen Bände umfaffen in 103 Reden ein vollſtändiges 
Kirchenjahr; der IM. Band enthält 53 Reden auf verfchiedene Sonntage. 
Lebterer erfcheint bis Oftern 1857. Der IV. Band, ohngeführ 40 Reden 
auf verfchiedene Feſt- und Feiertage, fowie für befondere Gelegenbeiten 
enthaltend, erfcheint im Oftober 1857. Die zwei erſten Bände werben 
nicht getrennt gegeben, verpflichten aber auch ebenfowenig zur Abnahme 
des IIl. und IV. Bandes. 

SBorrátbig in allen Buchhandlangen des Sus und Anslandes. 


Dr. &. ἢ. von Sdyubert's Erzählungen. 


Don diefem für die reifere Iugend wie für Erwachfene geeigneten 
anerfannt geblegenen. Werke ift Fürzlich ber Ill. Band in neuer Auflage 
erfchienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten. Der Preis dieſes 
Bandes t& 1 Thlr. 12 Sur. ober 2 ff. 15 fr. chn.; von den übrigen 
Bänden I. II. unb IV. wird jeber auch einzeln, zu bem Preife von 1 Thlr. 
18 Sgr. ob. 2 fl. 30 fr. rbn. verfauft und ift der Inhalt des TIT, 80. 
aud in folgenden einzelnen Abdrüden zu haben: „bie alte Schuld“ 
(12 Sgr. ob. 48 fr. rhn.). „Die &daggtábet^ (8 Ggr. ob. 32 fr.) 
„Herr Stephan Mirbel“ (12 Ggr. ober 48 fr. rhn.). „ Die 
Beihen des Lebens; bie beiden Inderz zwei Crzählungen 
nebft einer Anzahl Kalenderhiftörchen“ (8 Sgr. ob. 32 fr. rhn.). Don 
Band IV, wurde auch eine Separatausgabe unter dem Titel „Sees 
bilder“ (1 Thlr. 18 Ser. ob. 2 fl. 30 Er. tin.) veranftaltet. 

. Bon demfelben Berfaffer find in gleichem Verlage folgende belichte 








3 


Iugendfhriften exffienm: „Rleine Erzählungen für 
vie 3ugenb^ I. n. Il. Bochen. (Das Bochen. 24 Egr. ot. 1 fl. 
4 f. vj) „Spiegel der Natur“ 2 Aufl. (1 Thlr. 4 Gor. ob. 
1 &. 48 fr. xn.) „Mähren und Erzählungen für das find 
lige Alter“ (12 Ggr. 36 fr. rhn.). 


Erlangen den 1. December 1856. Palm & Ente. 


3m Berlage der Stabel’fchen Bude & Kunſthandlung in Würz⸗ 
burg if erfchienen und durch alle Buchhanplungen zu beziehen: 


Die fiturgie der Kirche 


und 


bie lateiniſche Sprache. 
Bier Bortäge 


von 
Dr. Franz Settinger, 
Brofeffor der Theologie an der Univerfität zu Würzburg. 
Brfonbevec Abdruck ans ber Katholiſchen Wochenfchrift. 
16. eleg. brojd). Preis 36 fr. 10. Ngr. 


Im Berlage des Unterzeichneten ift. fo eben erfchienen umb butdj 
ile Yuchhanvlungen des Ins unb Auslandes zu begeben: . , 


Die Martyrer. 


Bilder 
aus ben drei erftien Jahrhunderten 
΄ δεῖ 


“  Wriftlidyen Kirche. 
9 


on 
Ada Gräfin Hahn⸗Hahn. 
Mit hober δ δῇ, Approbation. 

Vu 472 SE. gr. 8. eleg. brofh. Preis 2 fl. 12 fr. 

oder 1 Thlr. 74 Car. | 
Die berühmte Frau Berfaflerin hat ihre geiflreiche Feder in biefem 
fife den erfien drei chriſtlichen Jahrhunderten gewidmet, indem fie bem 
eier eine Reihe lebensvoller, hiftorifcher Schilderungen vorführt, bie, 





4 


au einem bermonlfchen Ganzen d) vereinigenb, den herrlichſten Einblick 
in bie áltele Geſchichte der Kirche gewähren. Die Aufgabe der Mpofld 
und die Auegießung des heiligen Geiſtes Rom and Secufalem, 
Nero und bie Chriften, der Kricg in Subáa und die Serftóvung 
Serufalems mit all’ ihren Gdjtednifjen, bie Ehriftenverfolgungen 
unter Trajan und feinen Nachfulgern, bie Ratafomben, das Goli 
feum, bet heil. Clemens von Rom, der heil. Simon von Serufalem, 
ber heil. Ignatius von Antiochien, bie letzte Zerflörung Jeruſalems und 
Entweihung der heiligen Stätten, die heiligen Martyrer Polykarp unb 
Suftinué, der Fortgang ber Serfolgungen und in Folge davon ein übers 
reicher Kranz chrifilicher Blutzeugen, unter ihnen Perpetua, Srenäus, 
Eyprian, Laurentius, baun bie große Diofletianifche Verfolgung, der Hl. 
Mauritius, der heil. Gebajtian, bie Heil. Agnes u. A. m. bis zur Bes 
fehrung des Kaifers Gonftantin und deren Folgen — das ungefähr find 
die vorzüglichen ber Bilder, welche bie Frau Verfafferin in diefem Buche 
uns bietet, und dürfte daſſelbe unbefiritten neben den neueſten Werfen 
von Wifeman und Newmann ben ihm gebührennen Rang εἰπε 
nehmen. Schließlich bemevfen wir, bof ble „Martyrer“ den erſten 
Band einer vollfändigen Kirchengefchichte bilden, welche die verehrte 
Berfafferin nach und nach unter dem Gollectiotitel : 


„Bilder aus der Geſchichte der Kirche * 


herauszugeben gebenft. Jeder Band wird ein gefchloffenes Ganzes bilden 
und mit entfprechendem Separattitel apart abgegeben werben. 


Mainz im November 1856. 
Stanz Kirchheim. 


Wichtiges theologisches Werk! 


Im Verlage der Stahel'schen Buch- & Kunsthandlung in 
Würzburg ist sooben erschienen und durch alle Buchhandlungen 








zu beziehen: : 
Vier Bücher 
von der 
Religiösen Erkenntniss. 
Yon 


Heinrich Densinger, 
Doctor der Philosophie und Theologie, öffentl. Professor der Dog- 
matik an der Universität Würzburg. 
1856. gr. 8. broch. 2 Bünde (77 Bog.). Preis 4 Thlr. 
| - 42 ngr. 7 fl. 12 kr. 


Nachdem die Frage über Glauben und Wissen in neuerer Zeit 
der Gegenstand der lebhafieston Debatten geworden ist und den 


ὃ 


Ángelpupitt alter theoldgischen und religionsphllosgphischen Contro- 
versen bildet, wird gegenwärtige Schrift, er den Gegenstand 
in dogmatischer und 'historischer Beziehung mit grösster Ausführ- 
lichkeit behandelt, sehon desshelb Anspruch auf die Aufmerksamkeit 
des gelehrien Publikums erheben können. Die Verlagsbuchhandlun 
i& susserdem der Ueberzeugung, dass sie dem Publikum ein Wer 
vorlegt, das mit Vermeidung der Extreme das Gebiet des Glaubens 
τοῦ der Vernunft auf gleiche Weise wahrt und des Resultat mehr- 
führiger sorgfältiger Studien darstellt. 


In der Zof. Thomann'ſchen Buchhandlung in Landshut find 
etſchienen und ἈΣΤῸΝ Buchhandlungen ΝΗ haben — 


Beifptele, erbauliche und abſchreckende aus 
ben Segenben der Seiligen für Katecheten 
unb Prediger gefammelt und fachweiſe geotbnet von 
einem emeritirten MPriefter aus der Erzdiöceſe Münchens 
Sreifing. 1. Abtheilung. 8. br. 25 Bog. 1. fl. 15 fr. 
ober 224 Nor. 

Die zweite Abtheilung, welche den Schluß des Werkes enthält, 
erſcheint zu Anfang des nädhien Jahres. 

Diefe Sammlung von Beifpielen ift aus der Bibel, der Kirchenge⸗ 
διε, ben Gellígenfegenben ac. entnommen, und wird befonders beu 


ὃ. Katech eten und Bredigern willfommen fein, bod) bietet fie 
auch jedem chriſtlichen Laien eine intereffante und belehrende Lektüre | 


Bonillo, 3. M., Plaudereien eines Greiſes. 
Aus dem Franzöf. frei bearbeitet oon Sy. A. uber, 
De fgl. Studienlehrer. 8. br. 8 Bog. 27 fr. ober 


Nor. 

Ge ig Dea eine ber wenigen Jugendſchriften, welche man bec Jugend 
ohne SBebenfen in bie Hände geben kann, ſireng fitlid und bem Geiſte 
des Kindes angemeilen, Fann fie nur verebe(no und erheiternd auf να: 
ſelbe einwirken. — Uebrigens haben fld) Bouillys „Erzählungen für meine 
Tochter“ in Deutſchland vollkändig eingebürgert, daß and) wohl dieſes 
Berichen der beften Aufnahme gewiß fein darf. 

Kempis, Wb. v. fechsımdbreißig geiftreiche 

: Steben. unb Betrachtungen über ka Menſch⸗ 

werdung, das Leben, Leiden und Sterben 
und die Verherrlichung Jeſu Chriſti, des 
Sohnes Gottes. br. 8.. 2. Aufl. 54 fr. ober 
16 Ngr. 

Der gefeierte Name bes Verfaflere überfebt uns jeder Anempfehlung. 
Tb. ». Kempis iſt durch feine „Nachfolge“ in allen Familien heimiſch 
und wird daher auch biefe zweite Auflage feiner ,,36 Reden“ fehr 
willlommen fein. . 


6 


-Aotbfifcher, J., kurze und leichtfaßliche bent: 
cbe Sprach⸗ unb Mechtſchreiblehre in 
fragen unb Antworten sunádjft. für ?anbídjulen be: 
arbeitet. — Mit einem Anhange von 250 deutſchen 
ypradjübungen. Dritte, verb. Aufl. 8. br. 9 fr. 
oder 3 Ngr. 


Die erflen beiden Auflagen wurben größtentheils im nächflen Ge 
ſchaͤftokreife der Verlagshandlung abgefebt und dürfte εὖ daher das Gr. 
fcheinen einer dritten Auflage rechtfertigen, wenn wir dieſes billige und 
praftifche Büchlein auch in weitern Kreifen zur Durchſicht anempfehlen. 





Goffine, R. P., Ord. Praem., Katholiſches 
Unterrichts: und Erbauungsbuch, over kurze 
Auslegung aller fonn- und fefttágliden 
Epifteln und Evangelien, fammt baraué ge 
zogenen Glaubenós und Sittenlehren unb 
einer Erflärung ber midtigften Kirchenge— 
bräude. Menue, vielfach vermehrte und verbefferte 
und mit bem Terte ber Evangelien ac. nad) der einzigen 
vom römifhen Stuhle approbisten lleberfegumg. des 
Domprobftes Dr. Allioli verjehene Ausgabe von 


Franz Xaver Sted, 


Pfarrer in Sarthaufen bei Ulm. 
Mit Genehmigung tes hochwürdigſten Herrn Erzbifchofes von Freiburg, 
bet hochw. Herru Bifchöfe von Rottenburg und Straßburg, des’ hochw. 
Biſchoͤfl. Ordinariates Speyer und des hochw. Bifchöfl. Generals 
'à vicariate® zu Trier. ᾿ 
ZweiTheile. 


Mit einem feinen Stahlſtiche. 
Siebente verbeſſerte Auflage. 


50 Bog. Lex.⸗8. Preis nur 1 ἢ. 20 fr. δίς. :.- 35 Nor. 
Wie bie ert vor 2 Sahren erfchtenene 6te fat aud) υἱεῖς ſiebente 
Auflage viele Berbefferungen und bem bisher befolaten Plane 
entfprechende Zufäße erhalten. Wir bitten daher die hochw. Geifſtlichkeit: 
diefe neue Auflage, wie die früheren, Hohen und Niederen Ihrer An 
gehörigen recht angelegentlich zu empfehlen. 


Theologiſche 
Quartalſchrift. 


| — — 





In Verbindung mit mehreren Gelehrten 
Tn 
D. v. Kuhn, D. v. Hefele, D. Welte, D. Zukrigl 
unb D. Aberle, 


fBrofefjoren der kath. Theologie an der K. Univerfität Tübingen. : 


Reununddreißigfter Jahrgang. 


Zweites Quartalbeft. 





Tübingen, 1857. 
fBerlag der $. Laupp' íden Buchhandlung. 
— faupp & Sichel. — 





Drud von H. gattpp jr. 


I. 
Abhandlungen. 





1. 


Sophronins und Marimus über die zwei Willen in 
Chriſtus. 


Acht Jahrhunderte lang waren die antiken Völker, die 
Griechen unb Römer, ble Träger des chriftlichen Lebens 
und heute noch danken wir ihnen eine ſtaunenswerth kräf⸗ 
fige und umfafjende Entfaltung der chriſtlichen Lehrwifſen⸗ 
haft. Ganz bejonberó ausgezeichnet waren in tiefer Rich. 
tung bie Zeiten von Gonftantin b. Gr. an abwärts, wo 
die erhabenften dogmatifchen Bragen über Trinität, Gnabe 
und Freiheit, über Gottheit und Menfchheit in Chriftus in 
mähtigen geiftigen Kämpfen ihre Erörterung fanden, deren 
Reihe ber monotheletifche fchließt. Mit Staunen und Ber 
wunderung, aber aud) mit Dank gegen die Borjehung 
blifen wir auf jene großen Männer hin, welche wie Athar 
nafiud berufen waren, gleih beim Anfang eines jeben 
dieſer Kämpfe bem Geifte die wahre Richtung unb ben 
Weg zur Wahrheit zu zeigen. Was Athanafius für ben 
arianifhen, Cyrill für den neftoriani[den Kampf war, das 

13 * 


190 Sophronius unb Marimus 


waren Sophronius und Marimus bem verunglüdten Ber: 
fude der Monotheleten gegenüber. Wir haben früher ge 
zeigt, wie im fiebenten Jahrhundert die Lehre von einem 
Willen unb einer Energie (Wirkung, Wirkungsart) in 
Ehriftus für das längftgefuchte Arkanum gehalten wurde, 
um die Monophyfiten wieder mit der Kirche zu vereinigen. 
Das Argument: „wenn in Chriſtus tro ber zwei Naturen 
nur eine Perjönlichkeit, fo nur ein 9Bollenber, und wenn 
Pie, dann aud) nur ein Wille”, dieß Argument war für 
Viele verführeriih, und felbft Papſt Honorius wurbe in 
biefer Schlinge gefangen 1)y. Defto höher fteht ba8 Ber - 
dienft des b. Sophronius, welder, ein gelehrter Mönd 
aus Paläftina, fid) eben in Alerandrien befand, als bet 
dortige Patriarch Cyrus duch bie Formel von einer 
Energie einen beträchtlihen Theil ber Monophyfiten 9e 
gyptend mit bet Kirche unirte (uni 633). Er fiel bem 
Batriarhen zu Füßen und bat inftändig aber vergeblid, 
pie linionézxegaáoto, welche die falfd)e Lehre von ber ula 
ἐνέργεια (unb bamit von einem Willen) enthielten, bod 
ja nicht zu publiciren. Ebenſo fruchtlos war fein Verſuch, 
ben mächtigen Patriarchen Sergius von Conftantinopel 
gegen den neuen Irrthum in Bewegung zu bringen. Er 
abnete wohl nicht, bag blefer gerade der eigentliche Urheber 
befjelben war. Sophronius erachtete ed befbalb, ale er 
bald darauf i. 3. 634 Patriarch von Sernfalem wurde, 
für heilige Bricht, gleich in bem herkömmlichen Inthronis 
(ationefdyreiben , welches allen Patriarchen und hohen Bis 
ſchoͤfen mitgetheilt werben mußte, für ble ortfoboxe Lehre 


| 1) Bgl. meine Abhandlung: „Das Anathem über P. Honorius“ 
im vorigen Heft der Quartalſchrift. 


über bie zwei Willen in Chriſtus. 191 


unb gegen bie irrige Neuerung aufzutreten, und bie theos 
logiſche Abhandlung, bie er Diet gab, verbient jest nod) 
bie Beachtung aller Freunde der Dogmengeſchichte. Es ijt 
und davon das an Sergius von Gonftantinopel, gerichtete 
Eremplar jegt πο erhalten und findet fi unter Anderem 
bei Mansi, Collectio Concil. T. XI. p. 461—508 und Har- 
duin, Collectio Concil. T. IH. p. 125 —1296. 
Sophronius beginnt darin mit der VBerfiherung, daß 
et ſich nad) feiner frühern Ruhe und Nievrigfeit in hohem 
Grade zurüdjehne, und nur gezwungen, ja tyrannifch ges 
nöthigt, dad Bisthum übernommen habe. Darauf empfiehlt 
er fid) feinen Golfegen und bittet, ald Väter und Brüder 
ihn zu unterftügen. Es [εἰ alte Sitte, daß ein Bifchof 
bei feinem Amtsantritte ven andern Bifchöfen feinen Gau: 
ben darlege; dieß thue aud) er, unb man möge fein Bes 
fenntniß prüfen, und was mangelhaft fel verbefjerm. — 
9tad) diefem Gingange folgt der Kern des ganzen Schreis 
bens in Form eines Symbolums. Der erfte Abſatz handelt 
von ber Trinität, ohne dad Ausgehen des b. Geifte8 aus 
bem Sohne zu berühren. Die zweite weit ausführlichere 
Abtheilung ift der Sncarnationélebre zugewiefen, melde im 
Geifte des Gonciló von Gfalcebon und des Iuftinian’fchen 
Ediktes gegen die drei Kapitel), wie legtere& von einer 
μία ὑπόστασις Χριστᾶ σύνθετος ipridjt, den Cyrill'ſchen 
Ausorud μία φύσις τὸ Se& Aoya σεσαρκωμένη wiederholt 
unb bem Dofetismug, Neftorianismus unb Monophyfitismus 
entgegentritt. Nachdem darin die Einheit ver Perfon und 
ble Zweiheit der Naturen ſehr klar hervorgehoben, geht 
Sophronius anf die neue Frage alfo über: „Chriftus ift 


1) Siehe meine Gonciliengefhichte, 38b. II. &. 812 fi. 


192 Sophronius und Marimus 


ὃν καὶ dvo. Eins Ift er ber Hypoſtaſe unb Perſon nad; 
zwei aber nad) ven Raturen und ihren natürlichen Eigen» 
thuͤmlichkeiten. Aus viefen ift er beharrlid Eins, unb 
bewahret zugleich, ber Natur nad) doppelt zu fein. Deß⸗ 
halb wird ein unb berfelóe (δ τί πὸ und Sohn und Ein, 
geborner ungetrennt in beiden Raturen erfaunt, und er 
wirkte φυσικῶς die Werfe jeder Ufte (Matur), nad ber 
einer jeden Natur zufommenden wefenhaften Qualität oder 
natürlichen Eigenthüimlichfeit '), was nicht möglich gewefen, 
wenn er, wie nur eine Hypoſtaſe, fo nur. eine einzige 
oder unzufammengefegte Ratur befäße. Der Eine und {εἴθε 
hätte dann nit die Werke jeder Natur vollfommen vers 
richtet. Denn mann hat bie Gottheit ohne Leib die Werke 
bed 9eibeó φυσικῶς gewirft? Oper wann hat ein gib, 
unverbunden mit der Gottheit, Werfe geübt, die ter Botts 
heit weſenhaft zugehören? Der Emmanuel aber, der Einer 
ift und in dieſer Einheit beides, Gott und Menſch, hat in 
Wahrheit bie Werke jeder ber zwei Naturen verrichtet; 
Einer und berfelbe αἰ Gott die göttlichen, als Menſch bie 
menfchlihen. Einer unb berjelbe thut und redet er Gött⸗ 
liches und Menſchliches. Und nicht ein Anderer hat bie 
Wunder verrichtet, ein Anderer bie menſchlichen Werfe voll; 
zogen unb bie Leiden erbulbet, wie Neftorius meinte, fon; 
dern ein und derjelbe Chriftus und Sohn hat das Gött⸗ 
liche und das Menfchliche gethan, aber zur’ ἄλλο καὶ ἄλλο, 

1) Manft Hat Hier einen durch Drucdfehler entftellten Tert. Der 
richtige lautet: καὶ τὰ Exuregas φυσικῶς ἐσίας εἰργάζετο, κατὰ τὴν fna- 
τέρα προσῆσαν ἐσιώδη ποιότητα ἢ καὶ φυσικὴν ἰδιότητα. Herduin, |. c. 
p. 1272. Mansi, l.c. p. 480. Rösler in f. Bibliothek der Kirchen⸗ 


väter, Bd. X. €. 414, gibt ben falſchen Manfi'ſchen Tert und eine 
{εὖτ ungenaue Ueberfegung. 





ber bie zwei Willm in Chriſtus. 198 


wie der B. Cyrill lehrte; im jeder ver zwei Naturen hatte 
er ble Kraft (ὀξοσίαν sc. zur natürliden Wirfung) unver 
mifcht, aber aud) ungetbelit. Sofern er ewiger Gott ift, 
verrichtete er die Wunder; fofern er aber zugleich in ben 
legten Zeiten Menſch wurde, verrichtete er die niedrigen 
und menjhligen SBerfe. Wie námlid in Ehriftus jede 
Katar unverfehrt ihre Eigenthümlicyfeit bewahrt, jo wirkt 
jeve Form (Natur) in Gemeinidjaft mit der andern, was 
ihr eigen ift '); bet Logos wirft, mad des Logos ift, in 
Gemeinſchaft mit dem Leibe; unb ber Leib vollzieht, was 
bes Leibes ijt, in Verbindung mit bem Logos ?), und zwar 
in einer Hypoftafe, mit Fernhaltung aller Theilung; denn 
nicht getrennt wirkten fie (bie beiben formae) das ihnen 
Eigenthümliche, damit wir nicht an eine Theilung verjelben 
(der formae) denfen fönnen. Deßhalb darf Neftorius nicht 
jubeln, denn εὖ hat feine ver beiden Naturen für fich, obne 
Gemeinjdjaft ver andern, das was ihr eigen ift gewirkt, 
unb wir lehren nicht wie er zwei wirkende Chriſtus unb 
Söhne, wenn wir gleich zwei gemeinfam wirkende Formen 
anerfennen, von benen jede mad) ihrer phyſiſchen Eigen 
thümlidhfeit wirkt. Vielmehr fagen wir: es fei eim unb 
berfelbe Chriſtus, ber dad Erhabene unb das Niedrige 
phyſiſch vollzogen habe nad ber phyſiſchen und wejenhaften 
Dnalität einer jeden feiner zwei Statuten, denn bie uns 
verwandelten und unvermifchten Naturen find jener (bes 
fondern Qualitäten und Gigentbümlidfeiten) durchaus nicht 


1) Worte Leo’s I. in feiner berühmten epistola ad Flavianum: 
agit enim ulraque forma (natura) cum alteriue communione quod 
proprium eet. 

2) Sophronius nimmt bier σῶμα ibentijd) mit σάρξ = menjdj: 
lihe Natur. 


194 Sophronius unb Marimus 


beraubt worden. Aber auch Eutyched unb Dioskur bürfen 
nicht frohloden, bie Lehrer der gottlofen Vermiſchung, denn 
jede atur Bat in Gemeinfchaft ber andern das ihr Eigene 
vollzogen, ohne Trennung und ohne Verwandlung, ihre 
Berfchiedenheit von ber andern bewahrend. Deßhalb wollen 
wir als Rechtgläubige, wie wir einerjeits lehren, ein und 
verfelbe Ehriftus unb Eohn wirfe beides, fo anbererjeitó 
burdj ben Gag, jede Worma wirfe in Gemeinſchaft ber 
andern was ihr eigen ift, indem zwei natürli das Ihre 
wirfende Formen in Chrifto find, durchaus feine Trennung 
anbeuten, wie hier bie Eutychianer, dort die Steftorianer 
behaupten, bie ‚obgleich [σπᾷ Gegner, in ten gottlofen Krieg 
gegen unà fid) miteinander theilen. Sie nicht adjtenb ans 
erfennen wir einer jeven Natur befondere Energie, und 
zwar eine zu ihrem Weſen gehörige, phyſtſche und mit bet 
andern gemeinjame, die ungetrennt aus jeder Ufie unb 
Natur hervorgeht, nad) ber ifr inwohnenvden phyſtſchen 
und zum Weſen gehörigen Qualität, und zugleich bie uns 
getrennte und unvermifchte Energie ber andern Natur mit 
fij führt (mit ihr verbunden ift). Dieß macht den Unter, 
ſchied der Energien in Chriftus, wie das Dafeln der Na⸗ 
turen den Unterfehied ber Naturen. Denn nicht iventifch 
find die Gottheit und ble Menſchheit nad) ihrer natürlichen 
Qualität, wenn fie auch in eine Hppoftafe auf unaus- 
ſprechliche Weife zufammengegangen find ..., denn ber 
Gott Logos (ft Gott Logos und nicht Zleifch, wenn er aud) 
(ogijd) (durch bie Vernunft) belebtes Fleifh angenommen 
unb durch Dopoftatijfe und φυσικὴ ἕνωσις (im Sinne 
Cyrills, vgl. Eonciliengefh. Bd. IL S. 814) mit fid) ger 
einigt fat; und das Fleiſch ift Logifch belebt, aber nicht 
Logos, wenn εὖ gleich Fleifch des Gott Logos ift. Def» 





über bie zwei Willen in Chriſtus. 195 


halb haben fie nad) bet hypoſtatiſchen Einigung auch nicht 
unterſchiedslos mit einander dieſelbe Energie; unb wir bes 
fennen nicht eine einzige, mnatürlihe, zum Weſen ges 
fige, ganz unterjchieddlofe Energie berjelben, um bie 
Raturen nicht in eine Ufie und eine Natur zuſammen⸗ 
drängen, wie die Afephaler thun. Wie wir nun jeber 
ber zwei Naturen, welche unpermifcht in Chriſtus geeinigt 
find, eine eigene Energie zufchreiben, um nicht die unver: 
miſcht geeinigten Naturen zu vermifchen, indem bie 9taturen 
aus den Energien und aus ihnen allein unb ber Unter 
ihied der Naturen aus tem Unterfchied der Energien et 
fannt wird, wie bie in biefen Dingen 9Berftánbigen fagen ; 
jo behaupten wir, daß alle Rede und Energie (Thätigfeit, 
Handlung) Ehrifti, mag fie eine góttlide und himmlifche, 
oder menjchlihe unb irdiſche fein, von einem und demjelben 
Chriſtus und Sohn ausgehe, aus ber einen zufammenges 
festen (σύνϑετος f. Θ. 191) und einzigen Hypoftafe bejfelben, 
welche iſt ber fleiffjgemorbene Logos Gottes, ber beibe 
Energien ungetheilt und unvermifcht παῷ (κατὰ) feinen 
Raturen aus fih φυσικῶς hervorbringt. Nach feiner götts 
lichen Natur, wornach er bem Vater ὁμοόσιος ift, (bringt 
tt hervor) die göttlihe und unausſprechliche Energie; nad) 
feiner menſchlichen Natur aber, wornach er ὁμοᾶσιος mit 
und Menfchen wurde, — die menjchlihe unb irbifde; unb 
die Energie ift ſtets ber betreffenden Natur angemeffen ... 
Dadurch, daß ein und verfelbe Ehriftus und Sohn beides 
wirft, hat er (Chriftus) ben Reftorianismus widerlegt, 
babutd) aber, daß bie Eigenthümlichkeiten jeber Natur nad 
bet Einigung unvermijcht blieben, unb er (Chriſtus) beive 
Energien der beiden Naturen gleichmäßig hervorbrachte, ... 
fat er ben Eutychianismus befeitigt. Darum, geboren auf 


196 Sophronius unb Marimus 


gleihe Weite wie wir, wird er mit Mildy genährt, wädhet, 
durchläuft die fórperliden Alterdübergänge bis zum Mannes; 
alter, fühlte Hunger und Durft wie wir, unb wurde wie 
wir müde durch Geben, denn er vollzog die gleiche Energie 
im Gehen, wie wir, welde bod) eine ἀνϑρωπένως ἐνερ- 
ysuévn ift und nach men[dlider Ufie hervorgehend ein 
Beweis feiner menfchlihen Ratur war. Er ging barum 
wie wir von einer Stelle zur andern, da er wahrhaft 
Menſch geworden war, und ba er unjere Natur ohne 
Schmälerung befaß, war er zugleich der Umfchreibung (lim; 
rif, Geftalt) des Leibes theilhaft und hatte eine Geftalt 
ber unfrigen ähnlih. Es ift dieß bie Geftalt eines eibeó, 
zu ber er in Mutterleib gebilvet wurde, unb bie er auf 
ewig unverfehrt bewahren wird. Deßhalb af er, wenn er 
hungerte, tranf wenn er dürftete, unb tranf wie ein Menſch; 
befhalb wurde er ald Find von ben jumgfräulihen Armen 
getragen, und lag in bem mütterlichen Schooße. Dephalb 
fegte er fi, wenn er müde war, unb jchlief, wenn er des 
Schlafes bedurfte; empfand Schmerz, menn er gefchlagen 
wurde, litt bei ber Geißelung, und buldete Schmerzen des 
feibeó, ald man ihn an Händen und Füßen an’ Krenz 
nagelte; denn er gab und gewährte ber menſch— 
[iden Ratur, wann er wollte, Zeit zu wirfen 
(ἐνεργεῖν) und zu leiden, was ihr eigen ift, ba 
mit feine Menfhwerbung nidt für bloßen 
Schein gehalten werde Niht unfreiwillig 
nämlich oder gezwungen hat er bieg übernom 
men, wenn er e$ gleich phyſiſch und menſchlich 
an fid fommen ließ unb in menſchlichen Be 
wegungen wirfte unb handelte. Coldje abjchews 
lide Meinung fei ferne! Denn ber, ver foldhe Leiden im 





über ble zwei Willen in Goriftus. - 497 


Fleiſche ertrug, war Gott, ber turd) feine Leiden und er» 
löste und und baburd) Befreiung von Leiden verfchaffte. 
Ind er litt und handelte und wirfte mens 
lid, wann er felbft wollte unb wann er eé für 
tie 39ufdjauer nüglid eradtete, nidt aber, 
mann bie pby»fifden und ſarkiſchen Beweguns 
gen phyfifh zur Wirffamfeit bewegt fein 
wollten; wenn aud) die gottlojen Feinde ihre Bosheit 
m vollenden juchten (er litt doch erſt, wann er wollte). 
Ct fatte einen leivensfähigen und flerblichen und vergängs 
lihen Leib angezogen, ber ben natürlichen und fünbelofen 
Leiden unterworfen ift, unb biefem geftattete er feiner eis 
genen Natur entfpredjeno zu leiden und zu wirfen bió zur 
Auferftehung von ben Todten. Denn bann löste er unfer 
deidensfaͤhiges und Sterbliches unb Vergängliches auf, und 
verlieh uns die Befreiung davon. So hat er das Niebrige 
md Menſchliche ſowohl freiwillig als φυσικῶς an ben 
Tag gelegt, aud) in diefem Gott bleibend. Er war für 
ih felbft ber Berwalter über feine menſch⸗ 
liben Leiden und Handlungen, unb nidt blos 
Bermalter, fonbern aud) Herr über blefelben, 
obgleich er in einer leidensfähigen Natur phyſiſch Wleijd) 
geworden war. Deßhalb war fein Menſchliches über ben 
Menſchen hinaus, nicht als ob feine Natur nicht die menſch⸗ 
lide gemejen, ſondern foferne er freiwillig Menid ge 
worden und als Menſch freiwillig vie Leiden übernoms 
men hat, und nicht gezwungen unb genöthigt und unfrei- 
willig, mie εὖ bei und ber Wall ift, jonbern manm und 
im wie weit er wollte. Gr gab denen, bie ihm Seiben 
bereiteten, die Erlaubnis dazu, unb ben phyſiſch gewirkten 
Leiden nickte er Beifall, Seine göttlichen Handlungen aber, 


198 . Sophronius unb Maximus 


bie glángenben und erhabenen, bie unjere Geringfügigfeit 
weit überfteigen, nämlid vie Wunder unb Zeichen, die 
ftaunenerregenben Werke, 3. 98. die Empfängniß ohne Saa- 
men, das 9luffpringen des Iohanned im Mutterleibe, die 
Geburt ohne Verlegung, die unverjehrte Jungfrauſchaft, 
die himmlifche Benachrichtigung der Hirten, bie burd) ben 
Stern bewirkte Ankunft ber Magier, das Wiſſen ohne ge 
lernt zu haben (Sob. 7, 15), bie Berwandlung bed Waflers 
in Wein, die Stärfung der Lahmen, bie Heilung ber 
Blinden 3€. 2c., die plößliche Speifung der Hungrigen, die 
Beruhigung ber Winde und des Meeres, das Förperliche 
Einherfchreiten auf dem 9Baffer, die Austreibung ber un: 
reinen Geifter, die plóplide Gridütterung der Elemente, 
die Selbftöffnung ber Gräber, die Auferftehung von ben 
Todten nad) drei Tagen, das ungehinderte Herausgehen 
aus bem bemadten Grabe trog Stein und: Siegel, das 
Hereinfommen bei verfchlofjenen Thüren, das wunderbare 
und förperlihe Auffteigen zum Himmel und alled Aehnliche, 
was über unferen Berftand und über unfere Worte hinaus 
ift und alles menschliche Denken überfteigt, alle dieſe Dinge 
waren anerfanntermaßen Beweiſe der göttlichen Ufte und 
Natur des Gotte8 Logos, menn fie aud) durch das Fleiſch 
unb ben Leib verrichtet wurden und nicht ohne den durch 
Vernunft bejeelten Leib... Der bet Hypoftafe παῷ eine 
unb ungetrennte Sohn mit zwei Naturen hat nad) der 
einen bie göttlichen Zeichen gewirft, nach ber andern bad 
Niedere übernommen, und beßhalb fagen die Gotteögelehr: 
ten: wenn bu über ven einen Sohn entgegengejebte Aus: 
brüde hörft, fo theile fie ben Naturen gemäß; das Große 
und Göttliche weile ver göttlihen Natur zu, das Niedrige 
unb Menſchliche ter menfdliden ... Berner jagen fte in 


über die zwei Willen in Chriſtus. 199 


Betreff be Eohnnes: alle Energie gehört bem einen 
€obne an, melder Natur aber das Gewirfte 
tigen fei, θα δ muß man burd) den Berftand er 
fennen. Sehr fchön fefren fie, man müfje einen Gm 
manüe[ befennen, denn jo wird ber flelid)geworbene Logos 
genannt, und diefer Eine (und nicht ein ἄλλος καὶ 
ἄλλος) wirfe Alles, das Hohe und Stiebere ohne 


Ausnahme... alle 9teben und Thaten (Energien) gez 


hören Einem und demſelben an, wenn glei die einen 
göttartig, bie andern men[djenartig find, und wieder andere 
eine mittlere Art an fid) tragen und Glottartigeó und 
Menfchliches zugleich ‚Haben. Bon tiefer Art ift. jene κοινὴ 
(kun) καὶ ϑεανδρικὴ ἐνέργεια des Dionyfius Areopagita, 
die nit eine ift, fonbern von zweierlei Art, fofern fie 
Oottartigeó und Menſchliches zugleih bat, und durch zur 
ſammengeſetzte Nennung ber einen wie der andern Natur 
und Uſie, auch jede ber beiden Energien vollftändig an 
wn Tag legt." 

Die dritte Adtheilung des Sophronius'ſchen Schreibens 
betrifft ble Weltichöpfung: „Der Vater hat burd) ben Sohn 
im heiligen Geift Alles erfchaffen. Die finnlihen Crea⸗ 
ten nehmen ein Ende, die intelleftuellen und unfinnlichen 
aber fterben nicht; doch find fie nicht von Natur unfterb- 
ih, fonberm durch Gnade, fo bie Seelen der Menfchen 
md bie Engel.” . Darauf wird bie Lehre von der Prä- 
eriftenz der Seelen verworfen und blefer und andere Irr⸗ 
thümer bed Origenes getabelt, befonders vie Lehre von ber 
ἀποχατάστασις, wogegen Sophronius bie Kirchenlehre vom 
Ende ber Welt, vom künftigen Leben, von Hölle und Himmel 
ausſpricht. Weiterhin verjichert er feine Anerkennung der 
fünf allgemeinen Goncilien und ihrer Olaubengerflärungen, 


200 * Sopbrontus und Marimus 


ebenfo, daß er anerfenne alle Schriften Cyrills, bejonders 
bie gegen Neftorius, feine Synodalbriefe fammt ven zwölf 
Anathematismen, aud) fein Unionsfchreiben (j. Concilien- 
geih. Br. U. S. 252) unb bie damit übereinftimmenben 
Schreiben der DOrientalen, ferner den Brief 2eo'6 an δίας 
vian, ja fámmtlidye Briefe defjelben; überhaupt nehme er 
Alles an, was bie fire annimmt, und verwerfe Alles, 
- was fie verwirft. Insbefondere [prede er das Anathem 
über Simon Magus ꝛc. 20. unter namentlider Aufführung 
einer großen Zahl von Häretifern und Qüreflen von ben 
früheften ‚Zeiten an bis auf bie verjdjlebenen monophyſi⸗ 
tifdjen Fraktionen unb ihre jüngften Häupter. Zum Schlufie 
bittet er feine Gollegen nochmals, das Mangelhafte in 
diefem feinem Synodalſchreiben zu verbefjern, was er jehr 
dankbar annehmen werde, und empfiehlt ihrem Gebete (td) 
jelbft, feine Kirche und die Kalfer, venen er Siege, beſon⸗ 
ders über bie Caragenen, wünſcht, welche gegenwärtig zur 
Strafe unferer Sünden das römische Reich [o fehr be. 
läftigen unb bebrohen 1). 

Der zweite unermübete Befämpfer des Monotheletis- 
mus, in blejem fampfe fogar zum Martyrer geiworben, 
war Abt Marimud Aus einer angefehenen Familie 
Conftantinopeld um's Jahr 580 geboren, hatte er durch 
bedeutende Talente und Kenntniſſe ble Aufmerkſamkeit des 
Kaiſers Heraflius auf fid gezogen und war beffen etfier 
, ©eheimfchreiber geworden, ein Mann von Einflug und 
Anfehen. Aber im Jahre 630 verließ er die Bahn bet 


1) Ueber die Lebensgefhichte des Sophronius unb Maximus vgl. 
die betreffenden Artikel von Weinhbart und Beron im Kirchen: 
lerifon von Weser und Welte, 90. X, ©. 246 (f. und Guppl. 
©. 784 fi. 


über bie zwei Willen im Chriſtus. 361 


weltlihen Ehren unb wurde Mönd im Klofter zu Ehryfo- 
polis (jegt Skutari) anf bem jenfeitigen Ufer von Gon; 
ftantinope[ ; man glaubt: fowohl απὸ Liebe zur Ginjamfeit 
als απὸ Unzufriedenheit mit der Stellung, die fein Herr 
in der monotheletifchen Angelegenheit einnahbm. Als So⸗ 
phronius i. S. 633 zum erftenmal gegen bie Irrlehre in 
Alerandprien auftrat, war Marimus in jeiner Begleitung. 
Bon da wieder in fein Klofter zurückgekehrt entichloß ex 
fi, als bie monotbeletifd)e Härefte in Eonftantinopel immer 
mehr zunahm, zu einer Reife nad) Rom und fam auf bem 
Wege dahin zum zweitenmal nad) Afrika. Während eines 
längeren Aufenthaltes bafelbft hatte er vielfadyen Verkehr 
mit bem dortigen SBifdjófen und warnte überall vor ber 
monotheletifchen Irrlehre. In biefe Zeit fällt auch bie 
merfwürdige Difputation zwiſchen Marimus unb bem ab; 
gejegten und vertriebenen Patriarchen Pyrrhus von Gone 
ftantinopel, die laut ber Ueberſchrift im Juli 645 in Gegen, 
wart des Faiferlihen Statthalter und vieler Bifchöfe, wit 
wiſſen nit wo in Afrika (tattBatte. Ihre ausführlichen 
Akten find auf und gefommen !), und enthalten eine feft 
eingängliche Beſprechung ſowohl ber orthoboren dyotheleti⸗ 
ien Lehre felbft, als ber gegnerifchen Ginmürfe. Maximus 
zeigte dabei viel dialektiſche Gewandtheit und große Ueber⸗ 
legenheit über Pyrrhus, ben er mitunter nicht febr höflich 
behandelte. 

Pyrrhus eröffnet bie Unterredung mit ben Worten: 
„was Babe ἰῷ, ober was fat mein Borgänger (Patriarch 


1) Abgedruckt in S. Maximi Opera, ed. Combefis, T. IL. p. 159 sqq. ; 
aud) bei Mansi, T. X. p. 709—760 (duch Drudfehler entftellt) unb 
im Anbange zum 8ten Bande des Baronius. 


202 Gopbronius und Marimus 


Sergins) bir getban, tag du uns überall als Häretifer 
verfchreift? Wer hat bid) je mehr geehrt, als wir, obs 
gleih wir dich nicht von Angeficht fannten?" Marimus 
erwieberte: „Letzteres ift richtig; aber feit ihr das chriftliche 
Dogma verlegt habt, mußte ich eure Gunft der Wahrheit 
nad[egen ... Die Lehre von einem Willen ift bem 
Chriſtenthum zuwider, denn was ift unheiliger, als δὲν 
Daupten: berfeíbe Wille, duch den Alles erichaffen ijt, 
babe nad) der Menjchwerbung aud) Speife und Trank vet» 
langt?” Pyrrhus: „Wenn Gfriftué nur eine Perfon ift, 
fo wollte eben tiefer Eine, alfo ift nur ein Wille vor 
banben." M. „Das ift Eonfufion. In Wahrheit ift bet 
eine Gbriftuó Gott unb Menſch zugleich; ift et aber beides, 
fo wollte er ald Gott unb ald Menſch, unb zwar je dag, 
was bet betreffenden Natur angemefjen ift; feine Natur 
entbehrte ihres Willend und ihrer Wirkfamteit. Wenn die 
Zweizahl ver Naturen ben einen Chriftus nicht trennt, 
fo thut dieß aud) nicht die Zweizahl ber Willen und 
Operationen.” — 9B. „Aber zwei Willen jegen tod) zwei 
Wollende voraus." M. „Das habt ihr allerdings in euren 
Schriften behauptet; aber εὖ ift ungereimt. Angenommen 
εὖ wäre jo, daß zwei Willen zwei Wollende voraudfegten, 
fo müßten vice versa zwei Wollende aud) zwei Willen 
haben. Wendet man dieß auf die Trinität an, fo müßt 
ihr entweder mit Sabellins jagen: weil in Gott nur ein 
Wille ift, fo ift aud nur eine Perſon (ein Wollenver) 
. in ver Gottheit; ober ihr müßt wie Arius jagen: weil 
drei SBollenbe (Berfonen), fo müffen in Gott drei Willen 
fein, alfo drei Saturen, denn die Verfchiedenheit ver Willen 
fommt παῷ der Lehre ber Väter von ber Verſchiedenheit 


über die zwei Willen in Chriftus. 203 


ber Naturen” P. P. „Aber es ijt nicht möglich, daß 
in einer Perſon zwei einander nicht widerſprechende Willen 
find.” M. „Hienach gibft vu zu, es fónnen wohl zwei 
Willen in einer Perſon fein, nur fei nothiwendig, daß 
fie ſich widerfprechen. Aber woher fommt denn ber Wider⸗ 
ſpruch? Wenn von bem natürlihen Willen (an ji), fo 
fäme er von Gott, unb Gott wäre die Urfache des Kampfes. 
Kommt er aber von ber Sünve, fo fonnte diefer Wider⸗ 
ſpruch nicht in Chriftus fein, weil er frei von aller Sünde 
war.” P. „Das Wollen ift alfo Cade der Natur?“ 
SX. „Allerdings, das einfache Wollen.” 9B. „Aber vie 
Väter jagen, die Heiligen hätten einen Willen mit Gott; 
find fie_alfo ber gleidyen Natur wie Gott?" M. „Hier 
ift Mangel an Diftinktion, und du verwechjelft den Gegen⸗ 
ftand des Wollens (das Gewollte) mit bem Willen an fidh. 
Die Väter hatten bei jener Aeußerung nur den Gegen 
ftand des Wollend im Auge, und gebrauchten ben Ausdruck 
Willen nicht im eigentlichen Sinne.” 5p. „Wenn ber Wille 
Cade ber Natur ift, fo müfjen wir unfere Natur febr. oft 
ändern, denn unfer Wille ánbert fid oft, und wir müfjeu 
anderer Natur fein, αἱ anbere Menfchen, denn bieje wollen 
oft etwas Anderes, als wir." M. „Man muß das Wollen 
unterfcheiden von bem concreten Wollen eines beftimmten 
Dinges, wie man das Sehen unter[djelben muß von bem 
Sehen eines beftimmten Dinges. Wollen und Sehen find 
Sache ber Natur, und finden fid) bei Allen, welche gleicher 
9tatur find; aber das Wollen und das Sehen eined ber 


1) Dieß lehrten SSafiliué, Gregor von 9tyfja, Gyrill u. X. Vgl. 
bie Sammlung ber patriftiichen Stellen für zwei Energien, von Was 
rimué in f. Opp. T. IL p. 156 sqq. 


Iheol. Duartalfchrift 1857. U. pert. 14 


204 — Sophronius und Marimus 


flimmten Dinges, 3. B. ob rechts ober linfó, nad) oben, 
oder mad) unten 1c. ıc., das find modi ber Berrügung bed 
Willens ober beó Sehens, und durch bieje modi unter: 
fcheidet fid) Einer vom Andern.” P. „Wenn du in Ehris 
flus zwei natürlihe Willen befaupteft, jo hebft du feine 
Breiheit auf, denn was natürlich ift, ijt nothwendig.“ 
M. „Weder bie göttlihe noch ble menfchliche vernünftige 
Ratur Chrifti ijt unfrei, denn die mit Vernunft audges 
rüftete Natur bat die natürfide Kraft des vernünftigen 
Berlangens, Ὁ. i. die ϑέλησις (dad Wollen) der vetnünf 
tigen Seele. Aus bem Gate aber: dad Natürliche ift 
notbwenbig, folgt Abſurdes. Gott ift natura gut, natura 
Schöpfer, aljo müßte er nothwendig Schöpfer, notbroenbig 
gut fein. Und wäre derjenige nicht frei, der einen natür 
lichen Willen hat, (o müßte umgefehrt ber frei fein, ver 
feinen natürlichen Willen hat, alfo das eblofe." P. „Ich 
gebe zu, εὖ feien in Chriftus natürliche Willen, aber wie 
aus zwei Naturen ἕν τὸ σύνθετον von und anerkannt 
wird, fo müfjen wir aud aus beiden Willen ὃν vc ow- 
Ierov annehmen; deßhalb follen bie, welche zwei Willen 
wegen ber Zweiheit ber Raturen befennen, nicht mit denen 
ftreiten, bie nur einen Willen wegen ber innigften Ber: 
bindung annehmen es ift nur ein Wortftreit” ). M. „Du 
irreft, weil du durchaus nicht einflehft, ba Synthefen nur 
ftatthaben bei Dingen, bie in ber Hypoſtaſe unmittelbar 
find (mie die Naturen), nicht aber bei ben Dingen, bie in 
einem Andern find (wie die Willen in den Staturen). 
Wenn man aber eine Synthefe ver Willen annähme, müßte 
man nothwendig aud) eine Syntheſe aller andern Eigen, 


1) Manei, |. c. p. 715. 


über bie zwei Willen in Ehriftus. 205 


tfümlid)felten der 9tatuten. annehmen, alfo 3.2. eine Syn 
thefe des Geſchaffenen mit bem Ungeſchaffenen, des Ber 
ſchränkten mit bem Schranfenlofen, des Sterblichen mit bem 
Unfterblichen, und fäme (o auf abfurde Behauptungen... .“ 
P. „Haben denn die Eigenthümlichkeiten ber Naturen nicht 
aud) ein Gemeinjameó, wie bie Naturen ſelbſt?“ M. „Nein, 
fie haben nichts Gemeinfames (b. b. bie Eigenthümlichfeiten 
der einen Statut. haben mit denen der andern nichts Ge, 
meinfames), als bie eine Hppoftafe.” PB. „Aber fpredjen 
wenn ble Väter nicht von einer Gemeinſchaft der Herrlich. 
(it und einer Gemeinjdaft der Grniebrigung, wenn fte 
(agen: bie Gemeinjdaft der Herrlichkeit hat eine andere 
Duelle, und eine andere bie ber Schmach“ (jo fagte Papft 
$to Ὁ. G., ſ. Conciliengeſch. Bv. IL. ©. 342. c. 4, wo et 
davon ſpricht, daß die der Gottheit unb ber 9Wenjdbeit 
in Chriſto gemeinfame (Bre eine andere Quelle hat, ale 
die beiden gemeinjame Schmach). M. „Die Bäter reben 
hier nad) Art der ἀνείδοσις (ber communicatio idio- 
matum); biefe aber jegt zwei und zwar unábnlide Dinge 
voraus, Indem was bem einen Theile Chriſti (e. g. ifm 
alé Gott) natürlid) zugehört, bem andern Theile (bem 
Menſchenſohn) auge[drieben wird. Und wenn bu nad) ber 
Art der αντίδοσις να ϑέλημα Chriſti ein κοινὸν nennft, 
fo befaupteft bu eben damit nicht einen, fonvern zwei 
Villen.” P. „Wie, wurde das Fleiſch Chriſti nicht bes 
wegt burd) ben Wink des mit ihm verbundenen Logos ?“ 
JR. „Wenn bu blefeó jagft, trenmft du Chriſtus, denn burd 
ſeinen Winf wurde and Moſes und David ac. bemegt; 
wir aber fagen mit den Vätern, daß verfelbe höchſte Gott, 
welcher unverwandelt Menſch geworden, nicht nur als Gott 
14 * 


206 Sophrontus unb Maximus 

wollte das feiner Gottheit Gemáfe, ſondern ebenberjelbe 
aud; als Menih das wollte, was feiner Menfihheit gemäß. 
ift. Da alle Dinge tie δύναμις des Seienden haben, unb 
diefer natürlich ift die oou (das Hinneigen) zu vem Bor: 
theilhaften, unb die ἀφορμὴ (das Surüdweiden, Fliehen) 
vor bem Vernichtenvden, jo hatte aud) ber menſchgewordene 
Logos bieje δύναμις ber Selbfterhaltung, und zeigte ihre 
ὁρμὴ unb ἀφορμὴ durch tie Energie: die ὁρμὴ in Be 
nügung bet phyfiichen Dinge (bod) ohne Sünde), bie 
ἀφορμὴ aber, als er fid vor bem freiwilligen Tode fuͤrch⸗ 
tete. That aljo die Kirche etwas Unpaſſendes, wenn fie 
in der menschlichen Natur auch bie ihr anerfchaffenen Eigen- 
thümlichfeiten, ohne weldhe bie Natur gar nicht fein fann, 
fefthält?” P. „Aber wenn in ber Natur Furt ift, fo ift 
etwas Böfes darin, unb bie menſchliche Natur (Gbrifti) if 
. bod) frei. von allem Böſen.“ M. „Du täufcheft dich wieder 
durch ben Gieid)laut. Es gibt zweierlei Furt, eine natur 
gemäße, und eine. nicht naturgemäße. — Grítere dient zur 
Erhaltung bet Natur, die andere ift unvernünftig. Chriſtus 
zeigte nur bie -erftere; ἰῷ fage: zeigte, denn bei ihm 
war alles Phyſiſche freiwillig; er hungerte und bürftete 
"und fürdtete fid) wahrhaft, aber bod) nicht wie wir, fon 
dern freiwillig.” P. „Man follte eben mit Vermeidung 
aller €ypigfinbigfeiten einfach fagen: Chriftus ift wahrer 
Gott und wahrer Menſch, und von allem Andern (naͤmlich 
ben Eigenthümlichfeiten und Willen ver 9tatuten) abfehen“ >. 
M. „Das wäre eine Berwerfung der Synoden und Väter, 
welde nicht nur die 9taturen, fonbern aud) deren Eigen 
thümlichfeiten ausgefprodhen haben, lebrenb: Einer und 


1) Mansi, 1. c. p. 720. 


über bie zwei Willen in Chriſtus. 201 


berfelbe fei fichtbar unb unfichtbar, flerblich und unſterblich, 
taftbar und unantaftbar, gejchaffen und ungefchaffen. Auch 
zwei Willen lehrten fie, nicht blos durch Gebraud ber Zahl 
zwei, fonbern aud durch bie Gntgegenfegung von ἄλλο xal ἄλλο 
unb durch vie Analogie von góttlid) und menschlich.” 
S8. „Man joffte werer von einem nod zweien Willen [pres 
hen, da bie Synoden dieß nicht getban haben uud bie 
Häretifer diefe Ausprüde mifoeuten.^ M. „Wenn man 
nur Ausdrüde der Synoden gebrauchen dürfte, jo dürfte 
man aud) nicht (agen: μέα φύσις τὸ 968 Aoya σδσαρκω- 
μένη. Uebrigens, aud) wenn man nur an die Eynoden | fid) 
halten will, wird man gezwungen, aud ben zwei Raturen 
und ihren Eigenthümlichfeiten (welche bie Synode von Ehals 
(bon lehrt), auf zwei Willen zu- fließen und fie anzus 
erfennen. Unter Eigenthümlichfeiten einer Natur verfteht 
man ja das, was ifr φυσικῶς angehört, jeder Natur Chrifti 
aber ift ein Wollen natureigen (φυσικῶς ἐμπέφυκεν). Und 
wenn bie Synoden ben Apollinarid und Arins anathematis 
τίει, von denen jeder nur einen Willen lehrte, — jener, ' 
weil er bie σάρξ Ehrifti für weſensgleich erflärte mit bet 
Gottheit, Arius aber, weil er den Sohn erniebrigenb, ihm 
feinen wahrhaft göttlichen Willen zuſchrieb —; wie füns 
nen wir bann anftehen, zwei Willen zu lehren. Ferner, 
bie fünfte Eynode erflärte: „wir anerkennen alle Schriften 
des Athanafins, Bafilius, Gregor u. A.; in viefen aber 
fnb deutlich zwei Willen gelehrt.” B. „Scheint bir denn 
bet Ausdrud natürlicher Wille nicht anftopig? "^ M. 
„Es gibt drei Arten des Lebens in ven Gefchöpfen, das 
Pflanzenleben, das empfinbenbe Leben und das benfenbe. 
Der Pflanze ift von Natur eigen, daß fie wachſe 1c, 
den empfindenden Greaturen,, bag fle begehren, ben 


208 Sophronius und Marimus 


benfenben Geſchöpfen, daß fie wollen. Alles Bernünftige 
muß barum von Natur wollenb fein. Nun hat ver Logos 
eine vernünftig befeelte Menfchheit angenommen, barum 
muß er auch, fo fern er Menſch ift, wollenn fein.“ — 9p. 
„Ich bin überzeugt, daß vie Willen in Ehriftus den Ra; 
turen angehören, ber creatürlide Wille feiner gefchaffenen 
Natur ꝛc., und daß die beiden Willen nicht in einen zu 
fammenfallen fónnen. Aber diejenigen, welde in Byzanz 
gegen bie natürlichen Willen fümpfen, behaupten, bie Bas 
tet hätten gefagt, ber Herr Babe κατ΄ οἰχδέωσιν (Aneig- 
nung) einen men[dliden Willen” ), M. „Es gibt zweier⸗ 
[εἰ Aneignungen, nämlid die wefentlihe, durch die Jeder 
hat, was der Natur angehört, und bie relative, wenn wir 
Fremdes freunbíid) uns aneignen. Welche Aneignung ift 
hier gemeint?" DB. „Die relative?" M. „Wie unpafjend 
bief fel, wird fid) θα! zeigen. Das Natürliche wird nicht 
erlernt; auch das Wollen wird nicht gelernt, folglich hat 
der .Menih von Natur απὸ das Willensvermögen... 
Wenn nun aber jene behaupten, Ehriftus habe ven menſch⸗ 
kichen Willen nur als ein Fremdes angenommen, fo müfjen 
fie confequent fagen, er habe aud) die andern Eigenthüm⸗ 
lichfeiten der men[dliden Natur blos als Fremdes fid 
angeeignet, wodurch bie ganze Menfchtwerdung zu einem - 
Schein würde. Berner? Sergius anathematifirte Jeden, 
ber zwei Willen annimmt. Nun nehmen and vie Lehrer 
jener οἰκείωσις zwei Willen an, menn gleich einer bavon 
nur ber angeeignete ift, aljo anathematifiren bie Freunde 
des Sergius fich ſelbſt. Und menm fie, freilich fälſchlich, 
behaupten, zwei Willen machen zwei Perſonen nöthig, [9 


1) Mansi, |. c. p. 721, 


über die zwei Willen in. Chriſtus. 209 


führen bie Lehrer jener οἰκείωσις ſelbſt zwei Perfonen in 
Gfriftuó ein.” P. „Lehrten denn die Vaͤter nit, daß 
Ehriftus unferen Willen in fid) gebildet habe (ἐν ἑαυτῷ 
ἐτύπωσε) ὃ" M. „Sa, fie lebrten audj, er habe unfere 
Natur angenommen, aber fte meinten damit nicht κατ᾽ 
olxeloow." PB. „Aber wenn fie fagen: Ehriftus habe uns 
ſern Willen in fi gebildet, fann dann damit ein nas 
türlicher Wille gemeint fein?" M. „Allerbings, da Chris 
Rus aud) wahrer Menſch ift, fo Bat ev in fid) und durch fid 
tad Menſchliche Gott unterworfen unb unà ein Mufter 
aufgeftellt , nidjtà zu wollen, ald was Gott wil." P. 
„Aber bie nur einen Willen annehmen, meinen e8 nicht 
666" D, M. „Auch die Severianer fagen, fle meinen οὖ 
nift 668, menn fie nur eine Natur annehmen. Aber 
welded foll denn tiefer eine Wille fein?" P. „Sie 
nennen ihn ben gnomifchen, γνώμη if aber, wie Eyrill 
fagt, der τρόπος ζωῆς, daß wir tugentfaft oder fünbfaft 
leben.” M. „Die Lebensweife ift Sache ber Wahl, beim 
Wählen aber wollen wir, darum ift γνώμη das Wollen 
eines wirklichen ober vermeintlichen Gutes. Wie fann man 
nun fagen: ber Wille [εἰ gnomifch, b. 5. aus einer γνώμῃ; 
. das heißt ja nichts anderes, ald der Wille gehe aus einem 
Willen hervor, was nicht möglich it ? Ueberbieß, wenn man 
Ehrifto eine γνώμῃ zufchreibt (ein Wählen), fo macht man ihn 
zu einem bloßen Menfchen, als ob er wie wir nicht gewußt 
hätte, was zu thun, überlegt unb berathichlagt hätte... 
vielmehr, da feine Hypoftafe eine göttliche, fo befaß er 
don durd das Sein das natürlihe Gute" *), P. „Sind 


1) Mansi, l. c. p. 725. 
2) Hansi, l. c. p. 728. 


210 Sophronius und Marimus 


denn die Tugenden etwas natürlideó?" M. „Gewiß.” 
P. „Aber warum find dann nicht alle Menichen gleich 
tugenbfaft, da alle von einer Natur find?" M. „Weil 
wir das Natürliche nicht gleichmäßig ausbilden, nicht gleich- 
mäßig nad bem ftreben, wozu wir geboren find.“. P. 
„Aber wir erwerben die Tugenden doch burd) Aſceſe.“ M. 
„Die Afcefe und bie ifr folgenden Anftrengungen dienen 
nur dazu, die Tänfchungen ver Sinne zu vertreiben; vers 
ſchwinden biefe, fo fommen die natürlichen Tugenden von 
ielbft.^ $8. „Es ift alfo Blasphemie, in Ehriftus eine 
γνώμη zu behaupten.“ M. „die Väter gebrauchen γνωμὴ 
in verfchievenem Sinne, als Rath, 3. 9. wenn Paulus 
fagt: in Betreff ver IJungfrauen habe ἰῷ fein Gebot, aber 
eine γνώμῃ; oder ald Berathſchlagung, bald αἱ 
Sentenz, ald Meinung, 9Infidt. Sa id habe in 
ver Bibel unb ben Vätern 28 Bedeutungen von yvoum 
gefunden... Diejenigen nun, welche einen gnomi[djen oder 
wählenden Willen 2c. behaupten, müfjen ihn entweder für 
einen göttlichen ober englifhen ober menſchlichen ausgeben. 
Erklären fie ihn für göttlich, jo nehmen ‚fie nur eine göfts 
(ide Natur Chriſti an; wenn für engliih, fo nur eine 
Engelsnatur, wenn für menfhlid, fo nur eine menfchliche 
9tatur"^ 5. PB. „Um allem tem zu entgehen, fagen fie, 
bet Wille [εἰ weder Sache der Natur nod) der Gnome, 
jonbern er fel in uns Gade ver Gewandheit (enı- 
τηδειότης, habilitas)." M. „Entweder ift tiefe Gewand« 
heit κατὰ φύσιν und bann führt jener Ausdruck nur butd) 
einen Umweg auf ben natürliden Willen zurüd; ober οὖ 
ift bie Gewandheit Cade ber Anlernung. In lepterem 


1) Mansi, |. c. p. 729. 


über tle zwei Willen in Chriſtus. 211 


Salle müffen fle der Schrift entgegen behaupten: Chriftus 
babe nicht gewußt bevor er lernte, und verfallen in 
Neſtorianismus, der aud; nur einen Willen in ben zwei 
von ihm erfonnenen Perfonen annimmt. Nennen fie aber 
jenen einen Willen Gprifti ben bypoftatifchen, fo fommt 
er nur ter Perfon des Sohnes zu und fie behanpten damit, 
ber Sohn Babe einen andern Willen, als der Bater. Nen⸗ 
nen fie ibn παρὰ φύσιν, fo vernichten fie damit bie Nas 
turen in Chriftus. Ich möchte fie fragen: will Gott 
Bater aló Gott ober ald Vater? WIN er ald Bater, fo 
ift fein Wille von bem bed Sohnes verſchieden, was haͤ⸗ 
retifch ift. Will er aber ald Gott, fo folgt daraus, baf 
der Wille Sache der Natur fei. Berner, da die Väter 


lehren: zwei die nur einen Willen haben, haben aud 


nur eine Subftanz, fo müfjen bie Monotheleten behaupten: 
Gottheit und Menjchheit in Chriſtus jeien ein und dieſelbe 
Subflanz. Berner, da bie Väter lehren: zweierlei Uſien 
baben nicht einen gemeinfamen Willen ; fo dürfen fie noth⸗ 
wendig nicht behaupten, beide Naturen Ehrifti hätten einen 
. gemeinfamen Willen; behaupten fie ed dennoch, jo wider 
ipreden fie den Väten.” P. „Aber fie berufen fid) ja 
jeloft auf die Väter“ M. „Nur die Neftorianer unb 
Monophyfiten, obgleich Gegenjáge, lebren einen Willen, 
nicht aber die anerfannten Väter” '). 9D. „Aber Gregor bet 
Theologe (orat. 2 de filio) jagt: fein Wille war in nichts 
Gott wiverfprechend, ganz vergóttlid)t. Spricht vieß nicht 
gegen zwei Willen?" M. „Im Gegentheil, wie das Ents 
günbete ein Entzuͤndendes voraudfegt, [0 das Vergöttlichte 
ein Vergöttlichendes. Ueberdieß nennt berjelbe Gregor 


Ld 





1) Mansi, l. c. p. 732. 


—- 


L] 


212 Gopbroniu& und Maximus 


ganz ähnlich auch tie menfchlihe Natur Chriſti vergoͤtt⸗ 
(ijt; muß man deßhalb die zwei Naturen laͤugnen ?“ 3p. 
„Dun haft vecht; aber fie führen aud? ben Gregor von 
Nyſſa (orat. 1 de resur.) an, ber von Chriſtus fagt: bie 
Seele Ehrifti will, ber Leib (des Kranfen) wird berührt, 
und durch beides bie Krankheit vertrieben (Matth. 8, 3). 
Hier fagt Gregor: die menſchliche Seele Gbrifti wollte durch 
den göttlihen Willen ber. mit ihr hypoſtatiſch geeinigten 
Gottbeit.^ M. „Dürfte man fagen: das Wollen vet ψυχή 
fomme von ber Gottheit, fo dürfte man mit gleichem Rechte 
aud) fagen: felbft die leiblihe Berührung fomme von der 
Gottheit, was abfurd if." P. „Du haft 9tedt. Aber fie 
berufen fid aud) auf Athanafius, welcher (orat. major de 
fide) fagt: der (menſchliche) »8c des Serm ift nicht ber 
Herr felbft, fonbern fein Wille, oder feine βόλησις oder 
feine Energie auf etwas.” M. „Diefe Etelle beweist 
gegen fi. Denn wenn ber »8c Ehrifti nicht felbft ter 
Herr ift, fo Ift er offenbar nicht φύσει göttlich, aber hypoſta⸗ 
tiſch mit dem Herm geeinigt, unb darum feine ϑέλησες, 
βόλησις oder ἐνέργεια. Athanafius richtet fi hier nad) 
dem Spracdhgebrauhe des Glemenó von Alerandrien 
(Strom. lib. VI), nad) weldyem ble ϑέλησις = väg opex- 
τικὸς (begebvenber Geift), βόλησις — vernünftiges Bes 
gehren; ben 9luóbrud ἐνέργεια πρός τε aber gebrauchte ber 
f. Athanaflus, weil der Herr bei allen feinen gottgezies 
menden (feiner göttlichen Natur angehörigen) Thaten fid) 
bet hypoftatifch ibm geeinigten vernünftigen Menfchenfeele 
bebiente."^ — SB. „Du Baft 9tedjt; aber Athanafius fagt 
weiter: der Herr wurde aus bem Weibe geboren, aber 
ohne farfifhe ϑελήματα und λογισμοὶ ἀνϑρώπινοι; die 
ϑέλησις war nur die ber Gottheit." M. „Arkanaflus 


über ble zwei Willen in Chriſtus. 213 


fpridjt Hier gar nicht von bem Willen Ehrifti, fondern da⸗ 
von, daß die Menſchwerdung erfolgte rein durch göttlichen 
Willen, ohne den Willen des Yleifches, ohne Zuthun eines 
Mannes. Ueberhaupt lehren die Väter, wie tie 5. Schrift, 
daß der Herr feinen zwei Naturen nad unfer Heil ge: 
wollt und gewirkt habe.” P. „Habe die große Güte, 
dieß zum zeigen”. M. „Nah Joh. 1, 43 wollte Jeſus 
nadj Galiláa gehen; er wollte dahin gehen, wo er 
mod) nit war. Nun war er aber blos der Menſch⸗ 
heit nad) nidt in Galilän, denn ald Gott ift er überall; 
er wollte alfo nad) Galiláa gehen al& Menſch, nicht ale 
Gott, und hatte fonad) als Menſch einen Willen. Ebenfo 
Joh. 17, 24: er wollte, ald Menſch, daß wo er, aud 
feine Schüler feien, denn nur als Menſch ift er an einem 
gemifjen Orte. Bei Joh. 19, 28 unb Matth. 27, 34 
fagte Sefus: mid dürftet und wollte ben mit Galle 
gemifchten Wein nicht trinfen; dürften fann aber bod) offens 
bar nur die Menfchheit, und barum war ed aud) fie, bie 
den unpaffenben Trunk nicht nehmen wollte 9[ud in 
Joh. 7, 1; Mark. 9, 29; 7, 245 II. Gor. 13, 4; Marl. 
6, 48; 9Xattb. 26, 17; und Philipp. (idt Hebr. wie 
Marimus fagt) 2, 8 ift ber menfchlihe Wille Ehrifti an» 
gedeutet. In Pf. 39, 7. 8. heißt es: Schlahtopfer 
"nb Speifeopfer haft bn nicht verlangt, aber 
meinen Leib haft bu zugerichtet (zum Opfertob 
beftimmt)... ſiehe, id fomme, im Bude ift von 
mir gefchrieben, bag id deinen Willen thun 
müjje, unb id wollte es. Daß dieß auf Gfriftue 
als Menſch gebe, leugnet Niemand; und ſonach fchreibt 


1) Mensi, 1. e. p. 736. 


214 | Sophrontus und Martmus 


ihm tiefe Stelle aud; als Menſch ein Wollen zu). Nach 
L Mof. 1, 26 ift der Menſch nad) Gottes Ebenbild ge- 
ſchaffen; tatum muß die menfdjfide Natur das Vermögen: 
ver Freiheit haben, wie die göttliche. Und wenn Ehriftus 
den menfchlihen Willen nicht angenommen hat, wie fie 
behaupten, jo hat er ihn aud) nicht geheilt, unb wir find 
des vollftändigen Heils nicht tbellbaftig. Daß aber ber 
Herr aud) einen göttlichen Willen hatte, erhellt aus Luf. 
13, 34 unb Joh. 5, 21° *). 5B. „Dieß beweist allerdings 
zwei natürliche Willen. Aber warum hat ter Papft Pis 
gilius die Schrift τοῦ Mennas, welde nur einen Willen 
lehrt, angenommen, nadbem fie ihm im Gabinette des 
Kaifers (Suftinian) und im Eenate gezeigt worden war?“ 
M. „Ich ftaune, daß ihr und euet Vorgänger, die ihr tod 
Patriarchen jeib, zu lügen wagt. Gergius fagte in feinem 
«Briefe an Honorius, Vigilius habe über jene Schrift Nach— 
richt erhalten, aber nicht, daß fie ihm gezeigt oder übeve 
geben worden fel; du aber jagft in deinem Briefe an 9p. 
Sohannes, ſie [εἰ ihm gezeigt und übergeben worden. 
Welchem von euch beiden fol man nun glauben?” P. 
„Aber PBapft Honorius hat in feinem Schreiben an ere 
gius nur einen Willen behaupte.“ M. „Der (δοπεὶς 
pient jenes Briefe von Honorius, ver päter im Auftrag 
Sebanné IV. aud) an K. Gonftantin fchrieb, verfichert, dort 
nur gefagt zu haben: ald Menſch habe Iefus nur einen 
Willen gehabt (dad Gefe& des Geiftes), und nicht zugleich 
auch den Willen ber Glieder“ 5), P. „Mein Vorgänger 


1) Mansi, l. c. p. 737. 
2) Mansi, I. c. p. 740. 
3) Vgl voriges Heft ber Quartalſchrift €. 23 f. 


über bie zwei Willen in Gfriftus. 215 


bat ed anders verflanben." M. „Nichts entfernte mid) fo 
iebr von deinem Vorgänger, als feine Unbeſtaͤndigkeit. Bald 
bilfigte ec den Ausprud: ein góttlider Wille Chriſti, 
bald ein βελευτικὸν ϑέλημα, bald: ein ὑποστατικὸν, 
bald ἐξοσιαστικὸν, bald προαιρδτικὸν, bald γνωμοιὸν, bald 
oixovotuxov. : Durch jene Urkunden aber (die Efthefis) 
hat er Spaltung verurfudjt.^ (Im Nächftfolgenden wider 
legt Marimus die Behauptung bes Pyrchus, daß Sophros 
nius von Gonftantinopel ben Streit angefangen habe.) 
M. „Wir wollen jezt, nachdem ble Unterſuchung über vie 
zwei Willen zu Ende, zu den zwei Energien übergeben" 1). 
P. „Da das Wollen Sade der Natur ift, fo muß per 
Synecdochen aud dad Wirken Sadje der Natur fein, unb 
ich widerrufe meine früheren gegentheiligen Behauptungen“. 
M. „In deinen Schriften habe ich gefunden, daß vu Ehrifto 
alé Gangem nur eine Energie zuſchreibſt. Da nun 
fein Ganzes feine Hypoftafe ift, jo müßte auch dieſe feine 
“einzige Energie Dopoftati[d) fein. Dann aber wäre fie von 
ber Energie feines Vaters und feiner Mutter verfchieden, 
wie er von beiden hypoftatifch verſchieden iſt?). P. „Wenn 
ijr wegen ber Berfchiedenheit ver Naturen in Chriftus 
zwei Energien behauptet, und nicht wegen der Einheit {εἰν 
ner Perfon eine einzige, fo müßt ihr auch wegen bes fub, 
ftantiellen Unterſchiedes von Leib unb Seele zwei Energien 
im Menſchen annehmen, und folgereht wären dann in 
Ehriftus drei Energien.” M. „Was ihr ba gegen vie 
Gigentbümlidjfeiten ber Naturen (in Ehriftus) vorbringt, 
das wenden die Monophyfiten gegen die Naturen felbft 


1) Mansi, 1. c. p. 744. 
2) Mansi, l. c. p. 745. 


- 


216 Sophrenius und Marimus 


ein, und was die Väter dieſen entgegengehalten haben, 
das halten wir euch entgegen. Ihr nehmet mit uns zwei 
— Statuten. in Chriftus an, und nicht blod eine wegen ber 
Einheit feiner Berfon. Wenn ihr aber wegen des [ub 
ftantiellen Unterjchieved von Leib und Geele zwei Ener 
gien im Menfchen behauptet, jo müßt ihr aud) zwei 9ὲ αν 
turen im Menfchen annehmen, und fonad in Ehriftus 
drei. Nehmet ifr aber nit Drei Naturen in Chriftus 
an, fo habet ihr aud) fein Recht, und einen Vorwurf zu 
machen, daß wir nicht drei Energien behaupten. Ueber 
bieß: was eins ift in Rüdficht auf vie Gattung (εἶδος) 
Menſch, das ijt nicht aud eins burd fubftantielle Gin 
beit von Leib und Seele. Die menjdjlide Natur ift eine, 
weil fie der ganzen Gattung gemein ift, nicht aber weil 
Leib und Seele eind wären. Ebenſo ijt ed in-Betreff der 
Energie. Wenn wir nun Chrifto eine menſchliche Gat: 
tungsenergie zufchreiben, fo entgehen wir ter Alternative: 
bie Energie entweder ber Perfönlichkeit (Hypoſtaſe) aug 
tbeilen, ober drei Energien in Chriftus anzuerkennen, 
weil bie Energie fid) nad) der Natur richtet” D. 93. „Den 
Energien ent[preden, jagt Neftorius, Perfonen, darum 
fallet ihr durch vie Lehre von zwei Energien in ven Ne 
florianiómue." M. „Bor Allem hat Neftorind bei zwei 
Perſonen mdr einen Willen gelehrt. Aber wenn e8 
wahr wäre, was ihr faget, daß ben Energien bie Perſonen 
entfprechen, jo müßten umgefehrt den Perfonen aud) die 
Energien entiprehen, und ifr müftet dann wegen bet 





1) €» glaube ἰῷ den Sinn biefer fhwierigen Stelle auffaffen zu 
müfjen. Die alte lat. Ueberjegung von Turrianus weicht hier wills 
kührlich vom Griechiſchen ab unb ift unrichtig. 


über die zwei Willen in Chriſtus. 217 


drei Perfonen drei Energien in ber Trinität anerfennen, 
ober wegen der einen Energie nur eine Perfon... Gbenjo 
müßte man fagen, weil εὖ viele Perfonen in der Menſch⸗ 
heit gibt, gibt εὖ auch viele menfchlihe Energien, während 
es in der That nur eine menjdlide Energie gibt (κατ᾽ 
eldog), und die Väter (Gregor von Nyfja) fügen: was 
bie gleiche Uſie hat, bat aud) die gleiche Energie. Berner: 
wenn fie behaupten, den Energien entfprechen SBerfonen, 
unb menn fie felbft (anderwärts) jagen, Chriſtus habe 
viele Energien (dieß lehrte Honorius), fo würde folgen, 
daß fie bem einen Ehriftus viele Perſonen zufchreiben 
müßten. Werner: menn ben Energien Perfonen entiprechen, 
fo hören legtere auf, wenn erftere aufgehoben werden. Run 
wollen aber die Monotheleten (ben Ausdruck) eine oder 
zwei Energien aufheben, und würden damit, wenn fte 
könnten, Chriftum felbft aufheben '). — Betrachten wir 
und felbg, jo finden wir, daß Jemand gehen unb zu gleis 
her Zeit benfen fann, ohne daß er daburh zu zwei 
Menſchen wird, und ohne daß er vie feinen (beiden) Nas 
turen (Leib und Eeele) entfprehenden Wirfungen vers 
mijdte. Ebenfo bewahrt ein glühend gemachtes Schwerbt 
feine beiden Naturen (Eifen unb Feuer) und deren natür- 
liche Wirkungen, es ſchneidet und brennt zugleich; aber e 
ift bod) nur ein Schwerdt, ohne daß jebod) die Naturen 
befjelben vermifcht wären.” P. „Aber es ift (in Ehriftus) 
nur ein Wirfender, und darum mur eine Wirkung, 
Energie.” M. „Diefer Eine ber Perfon nad), tt zweifach 
ben Raturen nad, und wirkte varum zweifach, als Einer, 
fo daß mit der Mehrzahl ver Energien nicht auch eine 


— — 


1) Menei, I. o. p. 748. 





218 ' GSopbrontus unb Marimus 


Mehrzahl ber Perfonen eingeführt wird. Wollte man aber 
bie Energie nicht den Raturen, jondern ber Perjon zus 
Schreiben, jo würbe man auf Thorheiten fommen, die fchon 
abgewiefen find. Was würbeft bm jagen, wenn ein Ans 
derer behauptete: weil Chriſtus eine Perſon ift, jo hatte 
er aud nut eine Natur? Sod, wenn ihr nur eine 
Energie annehmet, weldes joll viefe eine fein; bie götts 
fide, ober menſchliche oder feine von beiven? Wenn bie 
göttliche, fo war Ehriftus purer Gott; wenn bie ππεπ 
liche, jo nur Menſch; wenn feine von beiden, fo war er 
weder Gott nod) Menſch.“ P. „Wenn wit von einer 
Energie der Gottheit und Menſchheit Ehrifti reden, [fo 
meinen wir nicht, in ihm fel fie vorhanden λόγῳ φύσεως, 
fondern τρόπῳ ἑνώσεως (dur vie Einigung von Gott 
heit und Menſchheit).“ M. „Wenn er die Energie, wie 
ihr jagt, vurd ἕνωσις hat, fo war er vor diefer ἕνωσις 
ohne Energie, hat alfo ohne Energie und mit Zwang bie 
Welt gefchaffen. Berner: da der Vater und heil. Geift 
nicht aud) hypoſtatiſch unirt find mit bem Fleiſch, jo hätten 
fie folglich feine Energie, wären nidt aud Weltichöpfer. 
Berner: müßt ihr die Energie entweder eine gefchafjene 
ober ungejchaffene nennen, denn e8 gibt fein Drittes; 
wenn eine gefchaffene, fo weist fie nur auf eine gefdaf» 
fene Natur Gprifti bin; im anderen Sale nur auf eine 
ungefchaffene ; wie fónnte die Energie einer gefchaffenen 
9tatur eine ungejdaffene fein, und umgekehrt?" — 59. 
„Stimmft du aud) denen nicht bei, welde das ἀποτέλεσμα 
(Effekt) ber von Ehriftus vollgogenen Handlungen unter 
ula ἐνέργεια vexfteen 1^ 1) M. „Verſchiedene Handlungen 





1) Mensi, 1. c. p. 749. 


über die zwei Willen in Chriſtus. 219 


haben verſchiedene Effekte, und nicht einen. Wenn aud) 
bei dem glühenden Schwerbte die Gnergie des Feuerd unt: 
tie des Eiſens geeiniget find, jo ift bod) ver Effeft des 
Feners das Brennen, der des Gifend das Schneiden, wenn 
fie gleich nicht von einander getrennt erfcheinen in dem 
brennenden Cdnitt und in dem fchneidenden Brennen. 
Man fann nicht von einem Effeft fpreden, wenn nicht 
aud eine Handlung ba if. Da nun ber Handlungen 
Ehrifti viele find, fo müßt ihr zahllofe Effekte annehmen, 
oder, wenn ihr einen Effeft fefthalten wollt, müßt ihr 
auj nur eine Handlung Ehrifti annehmen. Uebrigens 
haben wir nicht von den Handlungen Ehrifti zu teben, 
nijt von bem, was ἐξω Χριστᾷ ift, fondern von bem, 
tad ἐν Χριστῷ ift, von bem phyſiſchen Berhältniß bert 
lien Ehrifti, ob ed durch vie Einigung der Menſchheit 
und Gottheit beeinträchtigt wurde ober nicht... Uebrigens 
habt ihr nicht (mie du glauben madjen wilft) mit Ruͤd⸗ 
fijt auf bie Handlung (τὸ ἔργον, ἀποτέλεσμα), fonbetn 
mit Rüdficht auf die phyſiſche Beichaffenheit ber geeinigten 
Raturen von einer Energie gefproden und fo das Fabel- 
tbier Bockhhirſch aufgeftellt. Das beweifen deutlich die Ga; 
pitula des Cyrus, die ihr angenommen habt, worin gelehrt 
it, Chriſtus habe durch dieſelbe Energie Göttliche und 
Menichliched gewirkt. Dieß widerfpricht der Schrift unb 
ben B. Bätern, ja felbft der Natur ber Sache, denn fein 
Ding fann neben feiner natürlien Wirkung nod) eine 
entgegengefeßte haben, das Feuer kann nicht warm unb 
fait zugleih machen. Ebenfo fann nicht eine Natur 
Wunder wirken unb Leiden erbulden“ 1). P. „Aber Ey- 





1) Hansi, 1. c. p. 751. 
Thesl. Quartalſchrijt. 1857. IL Heft. 15 





220 Sophrontus unb Marimus 


till jagt bod, Ehriftus habe ulm συγγενῆ δὲ ἀμφοῖν 
ἐνέργειαν an ben Tag gelegt." M. „Cyrill war weit ent 
fernt, der Gottheit und Menfchheit nur eine gua] 
ἐνέργδια zuzufchreiben, denn er lehrt ja anderwaͤrts: Fein 
Bernünftiger wird behaupten, bag Schöpfer 
und Gefhöpf eine und biefelbe Energie haben. 
Vielmehr wollte.ex zeigen, daß bie göttliche Energie eine 
und viefelbe fei, jowohl ohne Verbindung mit ber Menſch⸗ 
heit, als in Verbindung mit derfelben, gleichwie bie Energie 
bes Feuers eine und viefelbe ift, fowohl in αἰ ohne Ver⸗ 
bindung mit einer ὕλη. Der Bater Cyrill Dat fo nicht 
von einer Energie bet. beiden Naturen in Gbriftuó ges 
ſprochen, fondern gejagt, bie göttliche Energie {εἰ eine 
und biefelbe, bie gleiche im fleifchgewordenen Sohne wie 
im Bater; und Chriftus habe die Wunder nidt durch all 
mächtigen Befehl (= göttliche Energie) allein, afomatiich 
gewirft — aud) nad) ber Fleifchwerbung ift et ja ὁμοεργὸς 
bem afomati[d) wirkenden Bater — fondern er hat fie aud 
burdj leiblide Berührung (agr) ſomatiſch gewirkt, alfo 
δι ἀμφοῖν. Die durch das Wort unb den allmächtigen 
Willen gefchehene Wiedererweckung des Maͤdchens und Heis 
[ung des Blinden war, verbunden mit ber durch Berührung 
fomatifch vollzogenen Heilung. Die göttlihe Energie hob 
dabei die menſchliche nicht anf, fondern beuügte fie zum 
ihrer eigenen Manifeftation.. Das Ausftreden der anb 
(bei der Heilung des Blinden), bae Miſchen von Epeichel 
und Erde ic. gehörte bet ἐνέργεια der menſchlichen Natur 
Ehrifti an, und Gott war beim Wunder zugleich aud) als 
Menſch tfátig. Cyrill hat alfo ble Eigenthümlichkeit jeder 
Natur nicht verfannt, jondern ble fehöpferifche göttliche 
Energie und bie ζωτρηὴ (Ὁ. i. bie bush ble menfchliche 


über ble zwei Willen in Chriſtus. 221 


Seele bewirkte [εἰσ δε Energie) als ἀσυγχύτως im fleifch- 
gewordenen Logos verbunden gefeben.^ P. „Du Daft gut 
gezeigt, daß der B. Cyrill ber Lehre von zwei Energien 
nicht widerjpreche, im Gegenthell mit ihr harmonire; aber 
bet B. Dionyfins Areopagita fpridgt von einer καινὴ ϑεαν- 
doux; ἐνέργεια" M. „Hältft du blefe καινὴ ϑεανδρικὴ 
δνέργεια für etwas quantitativ oder qualitativ Neues ?^ 
$8. „Kür quantitativ nen.” M. „Dann mile in Chriſtus 
aud) eine britte tatur, ϑεανδρικὴ, angenommen werden, 
denn eine dritte Energie (und das wäre fie, wenn fie 
quantitativ neu wäre), febt eine dritte Natur voraus, 
weil zum Begriffe Ratar ba& Moment ver eigenen weſen⸗ 
haften Wirkſamkeit gehört. Ift aber das Neue ein qua: 
[itativ Nenes, fo ift damit nicht eine einzige Energie, 
ſondern die neue, geheimmißoolle Art und Weife ver 
menfchlihen Thätigfeiten (Energien) Chriſti ausgebrüdt, 
welde eine Folge ift der geheimnißsollen Vereinigung und 
Perichorefe (= das Ineinanderfichbeiwegen) ber zwei Nas 
turen in Chriftus. Sa, in bem Ausdrucke ϑεανδρικὴ ἐνέρ- 
γειὰ wird, weil er ble 9tatiten numeriſch aufführt, 
pertphraftifch (mittekbar) zugleich auch die Zweiheit ver 
Energien gelehrt. Denn hebt man: die zwei Gegenfäge' 
(Söttlihes und Menſchliches in Chriſtus) auf, fo bleibt 
nichts Mittleres übrig. Und gejcht, es wäre nur eine 
einzige Energie in Chriſtus, die ϑεανδριχῆ, fo hätte Chriſtus 
ale Gott eine andere Energie! al& ber Bater, denn bie be$ 
Baters ift unmöglich gottmenſchlich.“ P. „Den Gag, was 
gleicher Natur fel, habe audy bie gleiche Energie (wie ble 
drei Perfonen der Trinität), und was fidj im der Energie 
unterfcheide, unterfcheive fi aud) In ber Natur, — liefen 
Sag haben die Väter nur in-SSetreff der Theologie, und nicht 
19* 


222 Sophrontus unb Marimus 


απῷ in Betreff der Defonomie (Menſchwerdung) aufgeftellt.^ 
M. „Sp wäre aljo nad) Gud) der Sohn nad) feiner Menſch⸗ 
werbung nicht mehr gleicher Theologie mit bem Vater, 
er dürfte aud nidt mehr neben bem Vater angerufen 
werden, er wäre nicht gleicher Eubftanz mit bem Vater, 
unb es wären bie Bibelfiellen unwahr, welche ibm biefelbe 
Energie zufhreiben, wie bem Vater (Job. 5, 17. 19. 21; 
10, 25. 38). Kerner: die fortwährenne Weltregierung ift 
Sache Gottes, nicht nur des Vaters und Geifteó, fondern 
auch des Sohnes; folglich hat ber Sohn aud nad bet 
Menihwerbung mod) bieje(be Energie wie der Vater”... 
$8. „Wenn wir von einer Energie fpreden, wollen wir 
das menjdlide Wirken Chrifti nicht aufheben, aber ber 
göttlichen Energie gegenüber ift und heißt εὖ Leiden.” 
- M. „Die Dinge werden nicht erfannt aus dem Gegenjage 
burdj bloße Negation, fonft müßte man 4. 3B. die menſch⸗ 
fide Natur 658 nennen, weil die gottlie gut ift. 
Ebenso darf man nicht jagen, weil die göttliche Bewegung 
Energie ift (eim. Wirfen), fo ift die menfdlide ein 
gelben. Auch die Väter nennen das menſchliche Wirken 
niót bloó Leiden, [onbern aud) δύναμις, ἐνέργεια, xi- 
γησις γε, 1€. unb zwar nicht im Gegenjage zur göttlichen 
Thätigfeit, fonberm nad) Ihrer eigenen Art und Weiſe, bie 
fie vom Schöpfer erhalten hat. Sofern fie 4. B. erhalten 
wirft, heißt fie δύναμες, fofern fie in allen Wefen berjelben 
Gattung (ἐν πᾶσι τοῖς ὁμοειδέσιν) die gleiche ijt, heißt 
fie ἐνέργεια 2c, ıc. Und aud, wenn le Väter das menſch⸗ 
liche Wirken ein Leiven nannten, tbaten fie dieß nicht im 
Gegenjage zum göttliben Wirken, [onberm in Rüdficht auf 
bie vom Echöpfer eingepflangte Art unb Weiſe des menſch⸗ 
[iden Wirkens jelbft. Und wenn (Papft) Leo fagt: agit 








über ble zwei Willen tn. GDriftue. 223 


utraque forma etc., fo ift bieB nichts Anderes, als was 
ein Anderer fagt: nadjbem er vierzig Tage gefaftet, 
bungerte ihn. Er gewährte nämlich der Natur, wann 
er wollte, daß fie das ihr Eigene mirfe." 

Durch biefe Auseinanderfegung wurde Pyrrhus übers 
jengt, und legte bald darauf zu Rom freiwillig ein orthos 
doxes Giíaubenóbefenntni ab. Leider führte ihn jpäter 
die Begierde, wieder auf den Stuhl von Gohftantinopel zu 
gelangen , in bie Reihen der Monotheleten zurüd. Die 
Disputatio Maximi aber ift das 9Befte, was in jener Zeit 
zur Bertheidigung ber Lehre von zwei Willen in Chriftus 
gefchrieben worden ift. 

Hefele 


2. 
Weber den Charakter ber flawifchen Liturgie. 


Bei ber Wichtigkeit und bem Intereffe, welches die Frage 
nad) der mefentliden Beſchaffenheit der flamijdjen Liturgie 
in der Kirchengeſchichte überhaupt, und befonber8 für bie 
Kirchengeſchichte der Elawenländer in Anſpruch nimmt, - 
verdient biejelbe um fo mehr eine eingängliche Erörterung, 
je weniger die Gelehrten über den Charakter der ſlawiſchen 
Liturgie einig find. 

So einftimmig tiefe Liturgie auf die Slawenapoftel 
Eyrill unb Method als ihre Urheber zurücdgeführt 
wird, fo wenig ift man darüber einig: welche Liturgie 
die genannten Männer ind Slawiſche übertrugen. 

Während die Einen die fraglidhe Liturgie für die 
griechiſche der Kirche von Gonftantinopel ausgeben 1), 


1) 3d) nenne unter Diefen den Leitmeriger Rathsheren und bob: 
mifhen Grulanten Stranſky (f 1657), weldjer aus Abneigung gegen 
Nom in f. Werfe vom Staate Böhmens (M. Pauli Stransky Respu- 
blica Bojema. Lugd. Batav. Elzevir. 1634, 16. it. recogn. et aucta 
1643, 8. Amstel. 1713, 12. Francof. 1719, fol.) c. 6. $. 3. fchreibt: 
Graecorum enim is (Methodius) in religiosis rebus instituta seque- 
batur, et graeco, in plerisque tum adhuc oppido sinceriore, non 
Romano ritu plantatam in Bojemia (!) ecclesiam ordinarat, — Kohl 
in f. Introductio in historiam Slavorum, Dobromfty in f. Gyrill 
unb Method, fo wie in ſ. Mährifchen Legend, Dümmler im Archiv 


Veber den Charakter der flamifchen Liturgie. 225 


behaupten Andere, Methobs Liturgie fel Feine andere ald 
die der römiſchen Kirche geweſen "), indeffen Dritte ble 
Wrage nadj ber wahren Eigenthümlichfeit der ſlawiſchen 
Liturgie ganz unentſchieden laffen ?). 

older Unbeftimmtheit und folem Widerſtreit der 
Meinungen wäre fein Raum gegeben, wenn ein Achter 
Gober ber urfprüngfiden von Cyrill und Method verfaften 
ſlawiſchen Liturgie vorhanden wäre 9). Bei bem biöherigen 


fe Kunde offert. Gefchichtsquellen X. u. XII. !Bbe, und Koͤſſing in 
ſ. diturgifden Borlefungen über ble ἢ. Meſſe. Regensburg 1856. 
©. 140 i. 

1) Jos. Simon Assemani in f. Kalendaria Ecclesiae universae. 
Romae 1755. III. IV. 401 ss. unb Gelasius Dobner in f. Animadver- 
sion. in Wenc. Hegck Annales Bohemorum P. IH. Pragae 1765, 
peg. 197 s. unb in f. befondern fritijdjen Unterſuchung in ben Abhand⸗ 
lungen der böhm. Gefellffdjaft der Wiſſenſchaften. Prag 1786. IV. 
©. 140 . 

2) Barth. Kopitar in |. Prolegomena historiea in Evangelia slawice 
(Slawiſche Bibliothek von ty. Miflofih J. Wien 1851. ©. 59. 64.) 
ſchreibt: Methodius aut graece aut latine perrexisset dicere missam. . . 
Hoc ergo nobile Graecorum par fratrum Moravis jam per-duas aetates 
christianis sacra procurabat, lingua rittuque nescias gruecone (noc 
enim schisma extiterat) an cui assueti erant latino Moravi. Palacky 
fpricht fid) über biejen Punkt in f. Geſchichte v. Böhmen I. nirgends 
beflimmt aus. 

3) Gin folder it nicht vorhanden; denn „bie Ueberfegungen ber 
beiden Brüder find nit aus erfter Hand auf uns gelangt, da bie 
Verfolgungsfucht der deutfchen Priefter und bie Zerſtörungswuth bet 
Ungarn in ihrer Wiege, in Mähren und Pannonien, alle Spuren von 
ihnen vertilgte. Die vertriebenen Schüler des Methodius brachten 
fie jebod) nad) Bulgarien, wo namentlich ber im I. 916 verftorbene 
Biſchof Elemens fte abjchreiben ließ, und nad) Serbien, von wo fie 
endlich feit dem I. 988 in Rußland Gingang fanden, und fo, fm 
mannichfach veränderter Geftalt freilid), für die Nachwelt gerettet 
wurden“. Dümmler im a. Archiv XIII. 198, 


226 Heber ben. Gharalter 


Mangel 1) eines ſolchen fam die Frage nad) bem Charakter 
derjelben vou der forſchenden Gefchichte zwar nur indirect 
beantwortet werben; εὖ find aber ber fi ihr zur Cnt 
fdeibung biefer rage bietenden fiforifdyen Momente fo 
viele und zugleich fo fidere, daß es fid) aufs Gelbentefte 
herausſtellt: 

die von Method in ſlawiſcher Sprache ge— 
feierte Liturgie war jene der römiſchen Kirche. 

Die Meinung, die von Cyrill und Method ſlawiſirte 
Liturgie ſei jene der Kirche von Conſtantinopel geweſen, 
ſtützt ſich einzig und allein auf den an ſich zwar richtigen, 
aber auch gänzlich irrelevanten, alle& und jedes Gewichtes 
zum Beweiſe deſſen, wofür er geltend gemacht werden 
will, ermangelnden Umſtand, daß die Slawenapoftel nad 
ihrer Abſtammung ſowohl in nationeler als kirchlicher 
Beziehung Griehen waren. 

Wohl waren fie Priefter ber griechiſchen Kirche, 
aber — nur bis zum Sabre 863, wo „fie in den 
Dienft ber abendländifhen lateinifhen Kirche 
traten, um bis an ihr Ende in demfelben zu verbleiben; 
and es erleidet fchlechthin Keinen Widerſpruch, daß bie 
ebeín Brüder, tie fürmabr mehr Elawen als Griechen und 
zugleich hochpäpftlich gefinnt waren, als Diener der lateini: 
Shen Kirche vem Gejege und Brauche viefer Kirche, wie 
in allen Stüden fo insbejondere in der Gottesdienſtfeier, 
unterworfen waren und fid) freudig unterwarfen. 

1) Gopitar wollte nidjt an ber Auffintung urfprünglider 
Codices ber flam. Liturgie verzweifeln: deesse adhuc genuinos nobis 
codices primos, ipsius S. Methodii setate A. 870-—900 in ipsa 
Pannonis scriptos; wec tamen eos desperandos, quippe cum ali 


ejusdem aevi graeci latinique plurimi aetatem tulerint Aragone 
Clozian. p. IX.). 


der ſlawiſchen Liturgie. 221 


Zwar beraft fid Dobrowſky für feine Behauptung 
von dem durch Gonftantin (Eyril) und Method eingeführ- 
ten griechiſch-ſlawiſchen Ritus ') auf ven Diokle⸗ 
aten ?), welder fcdhreibt: Constantinus vir sanclissimus 
ordinavit presbyterog(!) et literam lingua slavonica com- 
ponens commutavit evangelium Christi atque psalterium 
et omnes divinos libres veteris ei novi testamenti (7) de 
graeca litera in slavonicam, nec non et missam eis ordinans 
more Graecorum, confirmavit eos in fide Christi; aber 
einen ungnverläffigern Zeugen 5), deſſen Umviffenfelt. in 


1) Mährifche Legende, Prag 1826. ©. 91. 

2) Sp wird insgemein der anonyme Berfafjer ber Regum Slavo- 
rum bistoria genannt, ber ein Priefter des Erzbisthums von Doclea 
oder Dioclea, das nah Zerftörung diefer Stadt gegen Ende bes 
10. Jahrhunderts nach Ragufa übertragen wurde, nad) bem 3. 1161 
ihrivd. Siehe Assemani Kalend, I. 336. 352. 

3) Es mag genügen, das Urtheil Farlati's (lllyricum sacrum 
Il. 144) über ihn zu vernehmen: In historia Diocletana multa passim 
reperies, quge quum neque temporibus, neque locis, neque veterum mo- 
numeutis consentanea sint, illins auctoritatem in magnum discrimen con- 
jiciunt. Anachfonismis scatet fere ubique; et Imperatores, Pontifices, 
Reges simul jungit, quos intervalla aetatum ac temporum longe inter se 
disjungunt. Loca commemorat, quae vetus recensque Geographia 
penitus ignoravit. Reges nominat vel antiquis seculis ignotos, vel 
e longinquis terris gentibusque adscitos, atque in Dalmatiam invectos. 
Quae quum animadverteret Joannes Lucius, fabulosum et commen- 
litium magna ex parie habendum esse censuit hujusmodi Regnum 
descriptum & Dioclente, qui, ut ipse ait lib. 2. cap. 14. de Reg. 
Dalm. et Croat. in Regno statuendo Regumque recensione, regiones, 
srpes, tempora adeo confundit, ut potius fabulam quam historiam 
scripsisse deprebendatur; idemque aliis locis nihilo mitiorem huic 
bistorico et historiae censuram inflixit. Und Pagi (Critica in Annsl. 
Baronii ad a. 870. nun. 30.): Diocleas quidem presbyter in Regno 
Slavorum, editus a Joanne Lucio in calce historiae suae de Regno 
Dalmatiae et Croatiae, affirmat, Cyrilli nomen Constantino philosopho 
8 Stephano Papa attributum fuisse. Verum is scriptor, qui sub 


228 Ueber den Charakter 


der Geſchichte der SClamenapoftel fij Dobrowffy in ten 
wenigen bier angeführten Worten beffeíben anforingen 
mußte, hätte er nicht anführen können. Der Diofleat 
bildete fid) felbft die Meinung: Gonftantin und 9Retfob 
Bätten unter den Mährern den Gottesdienſt nad) 9Beife ber 
Griechen eingerichtet — aus feinem andern Grunde, ale 
weil er in hiſtoriſcher Kurzfichtigfeit bloß ihr Herkommen 
im Ange hatte. 

Indem ich hier auf das, was ἰῷ über das anfängliche 
Wirfen der Slamenlehrer in Mähren urkundlich nachge⸗ 
wiefen !), vermeije, Bebe ich hier nur hervor, daß Gon 
ftantin und Method in ein Land famen, in bem feit zwei 
Menſchenaltern das Chriftenthum, und zwar in Form beé 
lateinifhen Kirchenweſens, beimijd war. Den 
erleuchteten, von Kunde wie von Achtung des Kirchengeſetzes 
gleih burdjbrungenen Prieftern fonnte e8 nicht in ven 
Cinn fommen, von ber in Mähren gefeglihen Form dee 
kirchlichen Cultus abzuweichen, und fie lafen babet bie 
pl. Meſſe nad römifhem 9titne 5. 

Maren fie fdjon als SBriefter im Dienfte der lateini— 
jhen Kirhe an das Miffal und Ritual berjelben gebunden, 
fo — wenn möglid — in um fo höherem Grave {εἰ fie 
im Jahre 868 zu Bifchöfen der römischen Kirche ge 
finem seculi XL vixit, saepissime falsa veris permiscet εἰς. Sicht 
Assemani Kalend. II. 74 ss. UI. 118. 

1) In einer nádjftené erfcheinenden Gefdji te bev &lamem 
apoftel Eyrill unb Method unb ber flawifchen Liturgie. 
Das Bud) ift bereits unter der Preffe. 

2) Durch Gelebrirung der Meſſe nad) griehifhem Nitus würden 
fe das chriſtliche Volt Mährens, das nur bie Mefie nach tómijdem 
Ritus fannte, nur in unnöthige, ja ſchädliche Berwirrung gefeht 
haben, . 


ber flawifchen Liturgie. | 229 


weihet waren. Bei feiner Gonfecration, fo wie bei feiner 
Erhebung zur ergbifdófliden Würde war Methop 
nit nur auf den Glanben bet römischen Kirche, fontem 
and zur Wahrung der Einheit in allen kirchlichen Inftituten 
und Gebräudyen derſelben eidlich verpflichtet worden, alfo 
vorzugeweife and zum Gebrauche ber römifchen Liturgie. 

Die Gefdidte der ergbifchöflichen 9Blrffamfeit Methods 
fbt εὖ aber ‚anfier jeden Zweifel, bag er vom Anfang 
$6 ans Ende berjelben Feiner anderen Liturgie in feiner 
Kirchenprovinz, als ber von den Zeiten der Pflanzung des 
$riftlidjen Glaubens in Mähren und Bannonien herrſchenden 
Römischen, Raum gegeben babe. Der unverwerfliäfte 
und berebtefte Zeuge beffen find die beutfden 
Gegner unb Anktläger Methods. 

ALS diefer feit dem Jahre 870 in Bannonien anfing, 
βῷ bei ber Feier der HI. SRefje ber flawifchen Sprache zu 
bedienen, wurde alsbald miber ihn ob dieſer unerhörten 
Nenerung von Salzburg απὸ in Rom Klage erhoben, 
worauf Papft Johann VII. vemfelben im Sabre 873 
in einem durch ben Biſchof Paul von Ancona ifm juges 
ſchicken Schreiben tiefe Titurgifche Neuerung verbot !). 
lage unb Verbot betraf einzig unb allein bie liturgifche 
Epradhe?), deren fid Method zu bedienen anfing; 





1) Joannes P. VIII. ad Methodium (18. Kal. Jul. 879.): Au- 
dimus eliam , quod missas cantes in barbara, hoc est in sclavina 
liagna. Unde iam litteris nostris, per Paulum episcopum Anconitanum 
ibi directis prohibuimus, ne in ea lingna sacra missarum solempnia 
telebrares.  Bocsek Codex diplom. et, epistol. Moraviae. Olomucii 
1836. 1, pag. 39. 

2) Wie bie eben angeführten Worte B. Johann VIIL bemeifen; 
eben jo deutlich Jehren bief bie Worte des Anonymus Salisburgensis in f. 
Conversio Carantanorum : Quidam graecns, methodi nomine, noviter 


230 Ucher den Charakter 


und das tiefe Echweigen über eine Reuerung im Gebrauche 
der Liturgie felbft ift das wumverwerflichfte SeugniB, Vaf 
Method in tem pannonifhen Antheile feiner Kirchen⸗ 
provinz, unb inóbefonbere in ben ſlawiſchen Gemeinten!) 
an die Ctelle der früher gebráudjfiden römifchen nicht 
die griechifche Meſſe gefeht habe ?). 


inventis sclavinis litteris, linguam latinam doctrinamque romanam 
atque literas auctorales latinas philosophice superducens, vilescere 
fecit cuncto populo ex parte missas et evangelia ecclesiasticumque 
officium illorum, qui hoc latine celebraverunt. Kopitar Glagolita 
Clozianus. Windobonae 1836. fol. pag. LXXV. 

1) Neben ben ſlawiſchen Gemeinden beftanb in Bannonien eine 
bedeutende Zahl deutſcher Gemeinden. Nur in jenen wurde buch 
Method vie lateinifhe Sprache bei der Meſſe und ben andern kirchlichen 
Sunctionen durch die flawifche verdrängt — nad) ben unzweibeutigen in 
ber vorigen Rote angeführten Worten des Anonymus, zu denen δὲ οί: 
tat Ll c. bemerft: Bene interpretatus. est summas Dobrovius: er 
parte sc. Sclavorum ; nam „Bawariorum“ quidem, qui nostro auctore 
„cum Slavis inhabitabant hes terras“, quorumque bavarica ecclesia- 
rum nomina ad Isangrimeschirichun et similium satis indicant paro- 
chias, vix quidqam intererat, sive latine sive slavinice sacra fierent. 
At intererat Salisburgensium ne latius serperet exemplum. Freilid 
muß id) in Abrede fiellen, was hier Kopitar bemerft: als [εἰ es ben 
deutſchen Gemeinben ganz gleichgültig gemejen, ob bei ihnen ber 
Gottesdienſt Iateinifch oder flamijd) gefeiert werde. Denn verftanben 
fie aud) Latein eben fo wenig als Slawiſch, fo war ihnen der lateiniſche 
Gottesdienft bod) zur ur[prünglidjen lieben Gewohnheit geworben, bit 
fie fier gegen die ihnen ſtockfremde ſlawiſche Neuerung nicht gleich⸗ 
gültig würden aufgegeben haben. 

2y Dem fo ungzweideutigen Seugniffe des Anonymus gegenüber 
führte demnah Method den Gebraud) der flawifchen Sprache beim 
Gottesbienfle bloß in ben flawifhen Gemeinden ein, und in 
den beutíd)en, aus bayeriihen Anfiedlern beftehenden &emeinden 
blieb bie lateinijdje Meſſe fort und fort im Gebraude. Die Ber: 
theidiger bec griehifhflawifhen Liturgie können diefem Zeug 
niffe gegenüber weiter nichts annehmen, als Method habe einer 
beppelten Liturgie in feiner Kirchenprovinz Raum gegeben, in ben 





/ 


der ſlawiſchen Liturgie. 231 


Ober follten die Salzburger, wenn ver ihnen verhaßte 
Grieche wirfih auf ihrem frühern kirchlichen Territorium 
wn römifchen Meßritus verdrängt hätte, darüber mit 
Stillſchweigen Dinmeggegangen fein?  lInglaublid ; venn 
dadurch hätte fid) Method εἶπες nod) weit jchreiendern 
Feuerung auf bem Boden ber lateinifhen Kirche ſchuldig 
gemacht, indem er dad unbeftreitbare Recht verjelben auf 
ausfchließliche Geltung ihrer eigenthümlichen Liturgie offen, 
bar angetaftet hätte. Oder ſollte Papſt Johann VIIL bie 
Bebrüngung ter römischen Liturgie durch Method, wenn 
tt fil derfelben unterfangen und von ben Salzburgern 
deßhalb in Rom verklagt worden wäre, als eine Cade 
wn wenig Belang haben ungerügt hingehen lafjen? Dieß 
fónnte nur Jemand glaublih finden, ber überhaupt eben 
fo wenig den Geift des römischen Stuhles als bie Bes 
dentung der kirchlichen Liturgie Fennt, und insbefonvere 
überfieht, daß ber Papſt nothwendig auf die wie immer 
articulirte Plage eingehen mußte. 

Es fteht daher Hiftorifch feft, daß gegen Method 
während feiner erzbiſchöflichen Wirffamfeit in Pannonien 
feine Slage wegen Einführung der griedis 
den Liturgie erhoben wurde, unb barum ift e6 aud) 
eine unbeftreitbare gefhichtlihe Thatfahe, bag Method 
tet an bie Ctelle des römischen Megritus nicht ben 
griechiſchen geſetzt habe. | 

Diefe Thatſache wird burd) ben weitern Verlauf ver 
Angelegenheiten Methods in das Deflfte Licht geftellt. Im 
Stüfjafre 879, als Method ben €djauplag feines Wirkens 





llawifhen Gemeinden der morgenländifchen, und in ben beutjden Ge: 
meinden der abendländifhen; — eine Meinung, durch welche fie bem 
weiſen Elawenapoftel eine Verkehrtheit fondergleichen andichten. 


232 Ueber ben. Charakter 


in Swatopfuls Lande verlegt: hatte, erhoben [εἶπε deusfchen 
Gegner aufs Neue ihre Klage wegen eier ver N. Meſſe 
in ſlawiſcher Sprache beim römiſchen Stuhle. In Folge 
deſſen mnfte Method (i im Rom zur Verantwortung 
ftellen, und bie wider ibn erhobenen Klagen fanden in 
einer conciliarijdjen Unterfuhung 1) ibre Erledigung. Das 
von Papſt Johaun VII. bier über ven Slagepunft in Ber 
treff ber Liturgie gefällte Urtheil gebt einzig und allein 
bie liturgifhe Cprade an, und εὖ wird ter Ge 
brand) ber flawifchen Cpradje bei ter. Feier der hl. Mefie 
geftattet 4. — 

MWäre ber Gebrauch des griehifhen Meßri— 
(πὸ in Frage gemejen, fonnte ber Papft in feinem Ur 
theile davon Umgang nehmen? Unmöglih; er mußte ten: 
jelben ausdrücklich entweder gleihwie ven Gebrauch ver 
ſlawiſchen Sprache geftatten, ober benfelben verbieten 9). 
Da nun weder das Eine nod) das Andere gefchehen, fo 
(jt es fider unb gewiß: niemals wurde Method wegen 





— + 


1) Dieß lehren die Worte P. Johann VI. in f. Briefe an 
Swatopluf vom Suni 880: Hunc Methodium, venerabilem archie- 
piscopum vestrum, interrogavimus coram posilis fratribus nostrie 
episcopis etc. Harduin Acta Conc. Tom. VI. P. I. Paris. 1714. 
c. 85. 

2) $8. Johann VII. ebendaſelbſt: Nec sanae fidei vel doctrinae 
. aliquid obstat, missas in eadem sclavinica lingua canere: quoniam 
qui feeit tres linguas principales, hebream acilicet, grecam et latinam, 
ipse creavit et alias omnes ad laudem et gloriam suam. 

3) Jede ſpecielle Klage muß ihre richterliche Erledigung finden. 
Da in bem Schreiben Johanns VII. an Swatcpluf' vom Juni 880 
alle wider Method erhobenen Klagen erledigt werden, des griechiſchen 
Meßritus in demfelben aber mit feiner Sylbe Erwähnung gejchteht, 
ſo iſt e8 durch richterlichen Ausſpruch ronftatirt, daß niemals gegen 
Method in Betreff diefes Punktis eine Klage war erhoben worden. 


ber. ſlawiſchen Liturgte. | 233 


Berdrängung ber römiſchen Liturgie butd). ble griechiſche 
stflagt, weil εὖ ibm niemals in den Sinn gefommen 
war, auf bem Boden ber abenvländifchen Kirche griechifche 
Eultusformen einzuführen. 

Aus den in Rom gegen Method gepflogenen Berhand» 
lungen ergibt fid) aber audj ein pofitiver Beweis für 
ttn Sag: bie von Method in ſlawiſcher Sprache gefeierte 
iturgie war feine andere als bie Liturgie der 
römiſchen Kirche. Den Gebraud) biejer Liturgie fand 
Method in Mähren wie in Bannonien vor, und er hielt 
(id — mit Ausnahme eines einzigen Punktes — fort 
und fort an biefe Liturgie, und zwar in ber 
Gehalt, meíde fie in bem [fránfijdsbeut[den 
Aeie gewonnen hatte Hier war námlid im 
fiebenten und achten Sabrbunberte in bie römische Meſſe 
dad Abfagen des Credo ober des Eymbolum mit bem 
Zuſatze Filioque nah bem Vorgange ber Eynode von 
Zoledo im Jahr 389 eingeführt worden !), unb mit ber 
Manzung des Chriftenthums in SBannonien und Mähren 
von Salzburg unb Paffau aus war bie Feier der Meſſe 
mit diefem Credo dort Beimijd) geworden. Wie Method 
ald Presbyter nach biejer im Lande gebráudyiden Liturgie 
selebrirt hatte, fo fuhr er als Erzbiſchof fort, bie römische 
Neffe mit bem Eymbolum zu fingen, aber — er ließ 
indemfelben das Filiogue weg. Auf tiefen Umftand 
din fochten bie deutſchen Biſchöfe bie Orthodoxie Methods 





1) Sieha meine Geſchichte der Kirche IL 391. 3n Rom 
aber wurde zu diefen Zeit wader Das Credo bei ber Mefle gefungen, nod) 
tud haste dis römische: Kirche zum Symbolum von Jticáa = Gonftantis. 
ads ba$ Filioque hinzugeſetzt. €. Köſſing, liturg. Borlefungen 

39 ἢ. 


234 Ueber den Gbarafter 


an, indem fie ihn ber griechifchen Härefie über den Aus, 
gang des hi. Geiftes beſchuldigten 1), Daraus ergibt fid) 
aber mit voller Evidenz, bag Method vie römifche Liturgie 
in der Geftalt, in welcher fie durch ble deutſchen Bifchöfe 
in Mähren und Pannonien eingeführt worden war, unvers 
ändert fortbeftehen ließ. 

Ein weiterer pofitiver Beweis für ben Cap: die von 
Method ffamifd gefeierte Liturgie war feine 
andere ald die ber römifhen Kirche, ift in bem 
Urtheile enthalten, fraft beffen 9B. Johann VII im 
juni 880 ben Gebraud der flawifhen Sprade 
bei der Beier ber bl. Meſſe, bei Cpentung ber bí. Sacra⸗ 
mente unb den Firchlihen Tagzeiten autorifirte. Der Papft 
etfíárte in dieſem Urtheile die von welland bem Philos 
fophen Eonftantin erfundene flawifche Schriftiprade als 
geeignet und würdig, nidt nur bei ber Predigt jonbern 
aud) bei ber Feier ber Hl. Mefje gebraudjt zu werben, und 
viefer Gebrauch wiberftreite nicht dem Glauben unb ber 


1) Die Beſchuldigung betubte auf dem offenbaren Fehlſchluße: 
wer das Filioque im Symbolum nidt fingt, láugnet ben 
Ausgang des Bl Geiftleó vom Sohne; denn Method fiimmte 
ganz unb gar mit der römifchen Kirche wie in allen Glaubendartifeln, 
fo auch im Artifel vom Ausgange des bl. Geifte8 von Bater unb 
Sohn überein, und hielt fid), indem er das Filioque wegließ, ftteng 
an die Norm der rómijden Kirche. Dieb Alles beftätigte der Papſt 
mit den Worten: Igitur hunc Methodium .. interrogavimus.., si 
orthodoxae fidei symbolum ita crederet, et inter sacra missarum 
sollempnia caneret, sicuti S. Romanam ecclesiam tenere, οἱ in sanc- 
tis sex universalibus synodis, a sanctis patribus, secundum evangeli- 
cam Christi Dei nostri auctoritatem, promulgstum atque traditum 
constat. llle autem professus est, se juxta evangelicam et apostoli- 
tam doctrinam, sicuti sancta Romana ecclesia docet, et a patribus 
traditum est, tenere et psallero. 


ber ſlawiſchen iturgte. 235 


$ebre der Kirche ἢ. Der Papft erflärte — in Folge 
einer mit den von Method ald corpus delicti nadj Rom 
gebrachten Codices der flamifden Liturgie vorgenommenen 
Prüfung ?) — die ffawijde lleberjegung ver Liturgifhen 
Bücher ald eine gute 5), unb band ven Gebraud) des 
Stawifchen ald Cultusſprache nur an die Bedingung: 
bie allgemeine liturgifhe Sprache des Abendlandes babutd) 
fort und fort zu ehren, daß bei ver Feier des Glotteé: 
dienftes das Evangelium zuerft lateinifd unb 
darauf in flawifher Ueberſetzung bem Bolfe vers 
fündigt werben folle, wie bereits in einigen Kirchen zu 


gefchehen pflege 9. 


1) Litteras denique sclaviniscas a Constantino quondam philo- 
sopho repertas, quibus deo laudes debite resonent, jure laudamus; 
et in eadem lingua Christi domini nostri preconia et opera enarren- 
tur jubemus. .. Nec sanae fidei vel doctrinae aliquid obstat, sive 
missas in eadem sclavinica lingua canere, sive sacrum evange- 
lium vel lectiones divinas novi et veteris testamenti bene trans- 
latas et interpretaias legere aut alia horarum officia omnia psal- 
lere etc. 

2) Aseemani nimmt eine förmlidhe Prüfung der Ueberſebung 
an, wenn er Kalend. III. 170. ſchreibt: Pro certo affirmamus, motum 
Joannem papam ad concedendum Slavonicae linguae in sacris usum, 
praevio tum orthodoxae Methodii doctrinae, tum accuratae sacrarum . 
scriptararum divinorumque officiorum in Slavicam linguem trans- 
lationis examine. Dan kann diefer Annahme unbedenklich beiftimmen, 
denn es flanden bem apoftolijdjen Gtuble unparteiiſche, des Slawiſchen 
vollkommen kundige Männer aus Dalmatien unb Venedig zu 
Gebote, deren er fid) zum Behufe einer Prüfung der Gyrill = Methods 
ſchen Ueberjeßung der Kirchenbücher bedienen fonnte. 

3) In den Worten: lectiones divinas novi et veteris testamenti 
bene translates. 

4) Jubemus tamen, ut in omnibus ecclesiis terrae vestrae 
propter msjorem honorificentiam evangelium latine legatur et post- 
modum sclavinica lingua translatum in auribus populi, latina verba - 


Aheol. Quartalſchrift. 1857. U. oeit. 16 








M 


o-— - e — er xm Sem ven 
mm oa Án - δε: είτε geſtattete, 
Zim = = 222 Werne? 


Son fem wr iid SW :teimij de Liturgie der 
ihn E 48 αὶ ἃ ε übertragen, anf? Un 
dee corem ὃ ;; Latinität det jlawi 
fire bt, μάν vr £opitar? fi 


TU 


, sdpuscietut, sicut iB quibusdım ecclesiis feri 


v;detur. 
ιν) Dram wm vit aciei] t eiurgie von Meihod eingeführt 
sid überiept worden wäre, müßte es vernünfti | 


am je mtt zis dit 

pie gri eiit Sptache als tituratfdt Hanptipra 

(quoniam qei fecit tres linguas princi bebream stili cam 

et latimam elc. An eine Trenmung aber btt Liturgie von der ihr 

digen e τη Spracht, und an eine neberſehung der in der griechi⸗ 

iem  Viturs sorfommenben geictüdt ins Latein wird fein 8e 
linguao gacrat 


jeznenet s«nfcn. 

2) Glagolita Cloziamus Cap. xu Slavorum 
origines. PPE- vill as. Gegenüber piefem [0 ſtegreich von goptiat 
eda dbtemen harafter der ſlawiſchen Firchenſprache iſt ip immer 
εὐπί τ geblieben, wie er ſelbſt üder die von Method gebrauchte 
gimreu (1. oben g. 225. Nott 2) in gweifel bleiben tennit. 





der ſlawiſchen iturgte. 237 


Diefen inbirect gewonnenen Beweis über ben Charakter 
ber flawifchen Liturgie halte ich für fo verläßlih, daß ein 
urfprünglicher Gober berfelben ihn nicht evidenter zu machen, 
jondern nur zu beftätigen vermöchte. 


Ginzel. 


16* 


236 | Ueber den Charakter 


In diefer SBebingung, unter welcher der Bapft ben 
Gebrauh des Slawiſchen beim Gottesdienfte geftattete, 
ift aufs Deutlichfte ausgefproden: ble von Method 
gebraudte Liturgie, um deren Spradye allein e8 fid) 
handelte, fei die lateinifche, b. i. bie ber römifchen 
Kirche gewefen ἢ), und Method habe, um, ben Vorwurf, 
al$ veradjte er bie lateinifhe Kirchenſprache, thatſächlich 
zurüdzuweifen, angeorbnet, e8 folle in ben flamifchen Ge 
meinden bei bem Gottesdienſte das Evangelium früher 
[ateinifd), dann ſlawiſch gefungen ober gelejen werben. 

Endlich wird unfer Sat, daß bie Brüder Eyrill und 
Method Feine andere al8 bie lateinifde Liturgie bet 
römischen Kirche in’s Slawiſche übertrugen, αὐ ὃ Un; 
umftößlihte erwiefen burd) bie Latinität ber flawis 
fhen Kirchenſprache, welde durch fopitar?) für 
immer aufer Srage geftelt ift. 


non intelligentis, adnuncietur, sicut in quibusdam ecclesiis feri 
videtur. 

1) Denn wenn bie griehifche Liturgie von Method eingeführt 
und ins Slawifche überfet worden wäre, müßte e8 vernünftiger Weife 
heißen: das Gvangelium foffe zuerft griechifch vorgelefen werben, 
um fo mehr als der Bapft vorher nebft der lateinifchen unb hebräifchen 
bie griehifche Sprache als liturgifche Hauptſprache anerfannt hatte 
(quoniam qui fecit tres linguas principales, hebream seilicet, grecam 
et latinam etc.). An eine Trennung aber der Liturgie von ber ibt 
eigenthümlichen Sprache, und an eine Veberfeßung ber in ber griedhis 
[den Liturgie vorkommenden Lefeftüde ins Latein. wird fein Bes 
fonnener benfen. 

2) Glagolita Clozismus cap. XII Slavorum linguae sacrae 
origines. pag. VIII ss. Gegenüber biefem fo flegreid) von Kopitar 
verfochtenen Gfarafter ber flawifchen Kirchenſprache ift. es mir immer 
unetflárlid) geblieben, wie ev felb über die vou Method gebraudjte 
Liturgie (j. oben €&. 225. Note 2) in Zweifel Bleiben fonuntt. 


der flawifchen Liturgie. 237 


Diefen inbirect gewonnenen Beweis über den Charakter 
tet flawifchen Liturgie halte ich für fo verläßlich, bag ein 
urfprünglicher Gober verfelben ihn nicht evidenter zu machen, 
jondern nur zu beftätigen vermödhte. 


Binzel. 


16 * 





8. 
Der fiebenarmige Leuchter. 


Ohne gehörige Sachkenntniß lehrt Philo ehrlich unb 
aufrihtig im feiner Art, bag die fieben Campen des heiligen 
Leuchters nichts Anderes beveuten als bie fieben Planeten 
nad bem alten Eyftem. Wie nämlih die Sonne ald 
Planet mitten unter den übrigen Planeten ftehe, und ben 
breien über ihr (Mars, Jupiter unb Saturn), wie ben 
brelem unter ihr (Venus, Merkur und Mond) Licht gebe, 
fo ftehe aud) auf bem heiligen Leuchter vie Rampe des 
' €toded in ber Mitte und zu beiden Seiten die Lampen 
von je drei Armen ). Gedanfenlos ben Philo ausfchreis 
bend, ober mit befannter Pfiffigfeit den heidniſchen Römern 
ein gutes Präjudiz für die Religion ber Syuben beibringen 
wollend, lehrt dafjelde aud Flavius Joſephus mit 
beutliden Worten an einer Etelle 3), während er an einer 
andern Etelle verftedterweife ebendahin zielen mag, wenn 
er ble fieben Lampen darftellt als τῆς παρὰ τοῖς Tovdatoig 
ἑβδομαδος vr» τιμὴν ἐμφανίζοντες, v. i. als foldye, welde 
- Har darthun, was die im jüdiſchen Kultus fo oft vorkom⸗ 
menbe Siebenzahl zu bedeuten habe 8). 


1) De vita Moys. IIL 6.9; Quis rer. div. her. 6. 45. 
2) Antiqq. III. 6. 4. 7. 
3) Bell. Jud. VII. 5. 4. 5. 


Der fiebenarmige Leuchter. 239 


Mit gewohnter Gruͤndlichkeit hat blefe ſeitdem nod; oft 
wiederholte Deutung Bähr zurüdgewiefen. „Nirgends im 
Mofaismus findet fi eine Hinweifung auf die Geſtirne, 
vielmehr fland er im beftimmteften erflärten Gegenſatz 
gegen Alles, was zum Geftimdienft führen fonnte, unb 
betrachtete diefen Dienft als Abdgötterei, als einen Greuel 
vor Jehova. Würde aber im Innern des Heiligthums ein 

Bild der Planeten aufgeftellt worden fein, fo wäre jenem 
^. Sienft wahrlich nicht entgegengearbeitet, fonbern eher auf» 
geholfen worden, ja ed wäre nicht möglich gewejen, ihm 
abzuwehren. Was folten aud) bie. fieben Planeten hier 
im Innern ber Wohnung hinter bem Vorhang, vor den 
Augen des Volfed verborgen? Warum das Eymbol einer 
Sache, die jeder immerdar fehen fonnte, verhüllen unb 
verbergen? Warum follten die fieben Planeten nur ben 
SDrieftern, ble allein in's Innere treten durften, leuchten ?” !) 
— Die wahre Bedeutung des Leuchterd mit den fieben 
gampen wird fid) mit großer Leichtigfeit wie von felbft ers 
geben, fobald nur bie wahre Geftalt des Leuchterd aug 
den Tertesworten Grot. 25, 31—37, womit (rob. 37, 
17—23 zu vergleihen, richtig beſchrieben ift. 

1. Der unterfte Theil des Leuchter, fein Fuß, mit 
bem er auf dem Boden auffteht, heißt 77 (Grob. 25, 31). 
9tadj Gefenius bezeichnet ber Dual dieſes Wortes am 
menschlichen Körper geminum membrum crassum et car- 
nosum ab ima spina dorsi ad crura pertinens. Um viefes 
feines Namens willen muß ber Buß des Leuchterd in con, 
verer orm vom Boden fid) erhoben haben. 

2. Aus bem Buße erhebt fid) ber 732, das Rohr, bet 


1) Symbolif des Moſaiſchen Gultue I. 410. 








240 Der fiebenarmige 2endjter. 


Schaft, der eigentlihe Stod des Leuchter. Aus diefem 
laufen an drei Stellen übereinander nad) rechts und linfó 
im Ganzen fedjó Rohre aus, welde im Texte denjelben 
Namen führen wie der Stod, naͤmlich ὩΣ vom Singular 
ya, bie wir aber zur befjemm Unterſcheidung vom Stode 
immer die Arme des Leuchters nennen wollen. Da bet 
Gtod die Arme trägt, erſcheint er als Hauptbeftandtheil 
Bes Leuchters, und wird daher B. 34. 35 geradezu Leuchter, 
"p genannt. — Bon ben ὩΣ, ben aus bem Stode 
andlaufenven ſechs Armen, find aber wohl zu unterfheiden 
die MID in $5. 36. Die Suffire nämlih in CAD? 
ori beziehen fi gerade auf die im Terte 8, 35 um 
mittelbar vorhergegangenen fed DA, unb bie nap find 
barum nicht die ὯΔ) felber, fondern Dinge, die fih an 
den DON befinden. 

3. Jeder Arm Hat drei Evo ΟΡ δ, von melden 
jeber απὸ zwei Theilen, ANDI unb map, befteht, wie dieſes 
Theniug. jedenfalls richtig aus ber Stellung der legten 
Worte in $8. 33. 34 erfchlofjen hat (qu 1 Kön. 7, 49). 
Andere Dinge waren nah ®. 33 an ten Armen nidt. 
Wenn nun ®. 36 von den Dr mp3 unb Min der Arme 
bie Rebe ift, fo ift min deutlich eine Bezeichnung derſelben 
Dinge, welche vorher mit bem Namen AT benannt find. 
Mas haben wir unter den Ganzen und ihren Theilen zu 
verfteben ? 

Der origetceue JI quita hat ΡΨ D'ya3 wieder 
gegeben durch oxugor ἐξημυγδαλιαμένοι, Ὁ. i. Nachahmungen 
der Trinfgefäßformen, welde fid) am Mandelbaum Cp) 
finden. — 2723 iff nun wirflih ein Trinfgefäß (Gen. 
44, 2 fg), und νὰ nad unferem Gonterte zwei Theile 





Der flebenarmige Reuchter. 241 


baran deutlich fid) unterfcheiden, fo wird die Möglichkeit 
geboten, unter tiefen beiden Theilen fid) eine Kuppe, 
und einen unterhalb biefer figenben Schaft zu benfen. 
Am Manvelbaum aber zeigen fid) in der That dergleichen 
Formen, nämlich feine ber Blumenblätte- Entfaltung nahen 
Knospen, deren ein Theil füglid) den Namen inp» tragen, 
der andere je nad) Umftänden ΠῚ oder np heißen fan. 

"np3 heißt bei Säulen ber obere, breiter hervors 
tretende, dem Schaft auffigende Theil, der fnauf (Amos 
9, 15; Zeph. 2, 14). Ihm entipricht bei Sinfgefáifen die 
auf dem Schaft figenbe Kuppe. Die bec Blumenblätter 
Entfaltung nahe Knospe des Mandelbaumes hat ebenfalls, 
ähnlich vole bei dem Kirche unb Pflaumenbaum, einen 
obern Theil, der duch feine Ausdehnung in die Dide 
ſtark vom unten abfiijt. Daß nun fowohl bie Kuppe 
eines Trinfgefäfles, wie ber obere bidere Theil ber vollen 
Mandelfnospe mit bem Eäulenfnauf denfelben Namen 
"nb3 trage, ift durch bie Achnlichfeit der Formen unb bie 
Gleichheit der Stellung gerechtfertigt. 

Wenn ein Subftantivum generis masculini ein (ebenbeó, 
oder an Lebendem befinvlihes Ding bedeutet, fo wird es 
im Hebräifhen gern ein Semininum und erhält aud) die 
Feminin-Endung, wenn eó auf ein bem betreffenden Les 
benden ähnliches leblofed Ding übertragen wird !). Dems 
gemäß bezeichnet dad Masfulinum 97 ein langgeſtreck— 
tes gewachſenes Ding, inóbefonbere dad Rohr (Gef. 
42, 3), den Getreibealm (Gen. 41, 5. 22), den Ctod 
fowohl wie bie Arme des heiligen Leuchter, . weil dieſes 
Geräthe ausfieht wie ein lebenviger Baum mit feinen 


1) Geſenius Hebr. Gramm. 15te Aufl. $. 105. nro 3. a, 


242 Der flebenatmige Leuchter. 


Aeſten; fa die Vorftellung von etwas Gewachfenem verlor 
fih bem Hebräer nicht felbft bei einer Meßſtange (Ezech. 
40, 3. 5; 41, 8), unb bei einem aus Holz gefertigten 
Wagebalken (Gef. 46, 6). Wenn dagegen fdjon bet Röhrs 
Inochen des Oberarmes nicht mehr als etwas Gewachſenes, 
fondern als Teblofer ftarrer Knochen galt, und darum nicht 
mehr ΠΡ, fondern nyo heißt (Hiob 31, 22), [o muß bet 
zwifchen dem eigentlichen Fuß und der Kuppe figenbe Schaft 
eines Trinkgefäfles mit viel größerem Rechte yp heißen, 
vesgleichen ber ihm ähnliche unb entsprechende untere dün⸗ 
nere Theil der vollen Mandelknospe, weshalb aud) 98. 36 
genannt werden DYINHI und nip, welches bie Theile ber 
C'y23 find, infofern man dieſe al8 fertige Gange be 
tradjtet, Was fo man heißt, erhält, menn die volle Mans 
velfnospe al allmälig gemotbeneó Ganzes anges 
fehen wird, naturhiftorifch durchaus fadgemáf den Namen 
mop. Auf Grund von Sum. 17, 23 ift vorab zu bes 
merfen, daß fon das Ausfchlagen ober Augentreiben mit 
bem fBerbum ΠῚ bezeichnet wird, und daß, wenn man 
die Mebergangsftufen unberüdfidjtigt läßt, am Mandel⸗ 
baume auf einander folgen ble Knospe MID, bie aufge 
brochene Blüthe Y’y, und enblih bie reife Frucht. Die 
Manvelfnospe hat anfangs nicht den Knauf; dieſer bildet 
fid erft fpäter mit bem Wahsthum ber von ben Kelds 
lappen eingefchloffenen Blumenblätter. Was aber Knospe 
heißt, bevor ber Knauf ba ift, fann mit 9tedjt aud) den 
Namen Knospe beibehalten, nachdem der Knauf fid) ibm 
aufgefegt hat. Aus ber anfänglihen $no&pe, np, und 
bem fpäter Binyufommenben Knauf, “MEI, beftebt ge» 


Der flebenarmige Leuchter. 243 


rabe bie feldjjórmige volle Mandelknospe, 73). 
Alſo — jever der fedjó Arme des Leuchter bat nad 
V. 33 drei volle Manvdelfnospen, melde kelchförmig 
find unb απὸ Knauf und Schaft befteben. Vier ders 
gleichen volle Manvelfnospen hat laut 9B. 34 ber Stod 
des Leuchters. 

4. Die Arme des Leuchters gehen aus vem Ctode 
heraus (Cw m. 32), die vollen Mandelfnospen bes 
Stoded dagegen find aus bem Stode AM ΠΩ 
B. 31). Aus tem Wedel ber Berba kann man auf einen 
verjchiedenen Modus des beiberfeitigen Hervortretens ſchlieſ⸗ 
fen. Die natürlihen Manvelfnospen haben feinen Stengel, 
fie fiber unmittelbar bem Zweige auf, und man fann gut 
von ihnen fagen, fie gehen aus dem Zweige heraus, wie 
ja aud) nad) Num. 17, 23 der Stab Aarons Manvelfnospen 
hberaustrieb. An ein folded SHeraustreten aus bem 
Stode des Leuchters ift aber bei feinem fünftlihen Mandel» 
fnoépen wegen des abfichtlichen Wechſels der Verba wy? 
unb MM nicht zu denfen. Es bleibt nur übrig anzunehmen, 
daß der Ctod des Leuchterd an vier Stellen eine größere 
Ausdehnung in die Breite gehabt habe, und daß biefe (ὅτε 
weiterungen Nahahmungen voller Manvelfnospen gewefen 
feien. Auf folde Art treten die Mandelknospen aus bem 
Stode hervor, ohne aus ibm herauszugehen wie bie Arme. 


-—— 





1) Gs fommt im Gonterte gerade darauf an, bie Form ber vollen 
Mandelfnospe unb ihre Theile bejonberá zu bezeichnen, weil von bicfen 
in 9. 36 etwas Befonderes auszufagen ift. Sonft fanu die Mantel: 
Inospe, gleichviel in welhem Stadium ihrer Entwidelung, überhaupt 
ben Namen my führen, wie denn aud bei ben Heiligen Leuchtern 


im falomonifchen Tempel nur das Knospenwerf und die ams 
pen hervorgehoben werben (1 £n. 7, 49). 


244 * Der fiebenarmige Leuchter. 


Es unterliegt feinem Zweifel, daß die vollen Manbelfnospen 
der Arme in derjelben Weife aus diefen Dervorgetreten find, 
obgleich bet Tert dieſes nicht ausdrücklich meldet, da 93. 36 
nicht hievon, fondern von etwas Anderem bie 9tebe ἰῇ, 
wie wir alsbald darlegen werben. Uebrigens figem aud) 
bei dem anf dem Triumphbogen des Titus abgebildeten 
heiligen Leuchter bie Zierathben an den Armen unb. bem 
Ctode in ber von und angegebenen 9Beife. 

5. Bon ben vollen Manvelfnospen des Etoded wird 
$3. 35 angegeben, daß unterhalb der drei Stellen, von 
welden ein Armepaar aus bem Ctode auélief, immer 
deren eine gefefjen habe; bie vierte fag nad allgemeiner 
Annahme über dem oberften Armepaar. Aber ed wirb 
eigentlich nicht gefagt, daß ein y*23 unterhalb jedes aus⸗ 
laufenden Armepaared gewefen fei, fonberm ein “nD>- 
Daraus wiffen wir ungweideutig, daß am Stode des eudys 
(τό bie vollen Mandelfnospen in gehöriger Stellung ges 
fanden haben, der Schaft unten, ber Knauf oben. Man 
[olite meinen, das verftehe fid) von felbft; aber, bag für 
nöthig befunden wotben ift, bei tem Stode dieſes aus⸗ 
erüd(id anzugeben, berechtigt zu ber im Folgenden fid) bes 
ftätigenden Bermuthung, daß bei allen oder bei einigen 
Armen die vollen Manvelfnospen nicht die gleiche Stellung 
gehabt Haben. 

6. Nach 8. 4 befteben die vollen Manvelfnospen des 
Stodes in bloßen Erweiterungen des lehtern. “Dasfelbe 
fann $8. 36 von den vollen Manvelfnospen ber Arme, 
oder vielmehr von deren S pellen, ben Knäufen und &daften 
bet Arme nicht gefagt fein; fonft müßte e8 heißen: Die 
Knäufe und Schafte der Arme follen fein aus ihnen — 
En, nämlid) ten Armen C'yp. Da aber nicht zug im 


Der flebenarmige Leuchter. 245 


Texte ftebt, fonbern 1399, ba ferner das Suffixr des feptem 
Wortes (id) bezieht auf das nächftvorhergehende Femininum 
"D, bet bie Arme ansjendenden Leuchterſtock, fo 
kann ®. 36 πᾶς die Rebe fein von der Stellung unb bem 
Berhältniß der Snáufe und: Schafte ber Arme zum Gtodt. 
Die betreffenden Worte in $8. 36 befagen alfo: bie Knaufe 
ber Arme und bie Schafte der Arme find, oder befinden 
fi, ober werden angetroffen vom Stode aus, b. b. fährt 
man mit bem Finger vom Stode από längs ben Armen 
bin, [9 lommt man bei ben Armen ber einen Seite auf 
vie Knäufe der vollen Mandelfnospen, bei ben Armen ber 
andern Seite dagegen auf bie Schafte ber vollen Manvels 
fnospen — ober mit andern Worten: ble vollen. Manvels 
fnospen an den Armen der einen Seite haben ganz dies 
felde Stellung wie an bem Gtede, ber Schaft unten, ber 
Knauf oben; an ben drei Ürmen ber andern Eeite aber 
figen vie vollen Mandelfnospen in umgefehrter Stellung, 
der Schaft oben, ber Knauf unten. So [onberbar das 
auf ben erften Anblick aud) fcheinen mag, der genau ans 
gejehene ert jagt εὖ einmal aus, unb es ift ein weſent⸗ 
liches Ctüd, um ble fombolifche SBebeutung des Leuchtere 
zu erfaſſen. 

7. Der Stod ſowohl wie bie ſechs Arme trugen jeder 
oben eine Lampe. Dieſe Lampen ſollen nad) V. 37 brennen 
"map νῦν, wo das Euffir fid) auf nm, nicht ben 
gendjterftod, fondern den ganzen Leuchter bezieht, wie 
auferbem noch zweimal vorher in bemfelben, und zweimal 
nachher im folgenden Verſe; baéfelbe wird Num. 8, 2 
ausgedrüdt burd) rrj wp "o-bw. — Was [oll das 
heißen ? 





246 Der flebenarmige Leuchter. 


An der Süpfeite, links und nidjt weit vom Eingange, 
dem Schaubrobtifche gerade gegenüber flanb ber Leuchter, 
weber mit ben Langfeiten nod) mit den SBreitfeiten parallel, 
fondern jchräg, indem Flavius Joſephus von. feinen fieben 
Lampen fagt: ὁρῶσε δ᾽ εἴς ve τὴν ἀνατολὴν xal τὴν ue- 
σημβρίαν, λοξῶς αὐτῆς κειμένης, scil. λυχνίας ". Diefe 
Tchräge Stellung Binberte aber nicht, daß man von of 
[iden und meftliden Lampen des Leuchterd ſprach, 
& 2. Tamid 3, 9 — obwohl man firenge genommen von 
norbófiliden und ſüdweſtlichen hätte fprechen follen. Wie 
es nun nichts Auffallendes hat, wenn Joſephus fagt, vie 
Lampen des Leuchterd fdauen, opwar,. nad zwei ent 
gegengefeßten Richtungen, fo wird man es aud) nicht bes 
frembenb finden, wenn an unferer Stelle nidgt von einer, 
fondem von zwei faciebus des Leuchterd nad) unferer 
Meinung bie Reve ift, nämlich von einer facies orientalis 
und einer facies occidentalis, zumal das Lerifon bem Worte 
ὯΔ fowohl vie Cingular; als die Pluralbeventung bes 
weiſend zufpricht. Zu ber einen facies gehört aldbanm ber 
tod mit ben Armen, an weldjen bie vollen Manvelfnospen 
die rechte Stellung haben, ben Schaft unten, ben. Knauf 
oben, und fie hat vier Lampen; die andere facies befteht 
aus den drei übrigen Armen, an weldyen die vollen Manbels 
fnoópen in verfehrter Stellung ἤθεα, unb fie Dat drei 
Lampen. Die Worte be& Terted in (ὄχον. 25, 37 unb 
Rum. 8, 2 befagen nun, daß die Lampen brennen follen 





1) Antiqq. III. 6. 6.7. — Bergl. $. 6 u. 8, wonad der Schau: 
Probtijd) an der Nordfeite οὐ πόῤῥω τοῦ μυχοῦ, der Leuchter ihm ge: 
tabe gegenüber an der Süpfeite, zwilchen beiden, jedoch nicht in ge 
taber Linie, fondern weiter in'8 Heilige hinein, ἔνδον, bet golden 
Raͤucheraltar fland. 


Der fiebenarmige" Leuchter. 241 


an ber ben betreffenden faciebus. des Leuchterd entgegen; 
gefehten Eeite, t. ἢ. die Lampen der facies orientalis jollen 
τε zur Aufnahme des Dochtes hergerichteten Rinnen nad 
füeflen kehren, bie der facies occidentalis nad Often, jo 
ta ble Flammen ver einen facies den Flammen der anbern 
facies zugefehrt (inb. Zu welcher facies bie Lampe des 
Stodes gehört habe, wird fid) weiter unten ergeben. 

8. Flavius Joſephus lehrt: „Zweimal τῆς ἡμέρας, 
vor Aufgang und gegen Untergang der Sonne lag ihnen 
(den SBrieftern) ob, Räucherwerk zu opfern, forole bie 
Rampen zu reinigen. und mit Del zu verjehen, von welchen 
fie die aus dreien befteenbe Abtheilung (τοὺς μὲν τρεῖς) 
anzunden unb auf bem heiligen Leuchter κατὰ πᾶσαν ἡμέραν 
Gott zu Ehren brennend erhalten, die übrigen aber gegen 
Abend anjünben mußten” 1). : 

Sn diefer Periode fommt zweimal das Wort ἡμέρα 
vor. Das erfte Mal beveutet es offenbar nicht bie Zeit 
von Eonnenaufgang bió Sonnenuntergang, fondern ben 
24ftündigen Tag, weil bie Zeit vor Aufgang der Sonne 
darin mitbegriffen ift. Da fein befonderer Grund zum 
Gegentheil vorhanden ift, muß and an zweiter Stelle bem 
Worte die námlide Bedeutung verbleiben. Darnach wären 
ajo bie drei Lampen vor Anfgang und gegen Unter 
gang ber Sonne angezündet worden, um ben ganzen 
Aftündigen Tag über zu brennen, bie übrigen vier Lampen 
aber Hätten nur bie Nacht über zu brennen gehabt, und 
wären deshalb nur vor Sonnenuntergang angezündet wors 
ven. Dabei ift, was ben Sinn anbelangt, in unferem 
Eonterte völlig gleichgültig, ob wir bem guten griechiichen 


ines — — — — 


1) Antiqq. UL. 8. $. 3. 


hj 





248 Der flebenermige Leuchter. 


Gpradjgebrand) folgend vie Worte χατὰ πᾶσων ἡμέραν 
überfegen mit „jeden 24ftünbigen Tag hinvurch“, ober 
mit Rüdficht auf tie Ungenanigfeit ver ſpätern Schriftfteller , 
mit „ven ganzen 2dftündigen Tag über“ ἢ). Was aber 
unferer Auffaffung vollends tad Siegel der Richtigkeit aufs 
brüdt, ift die Angabe der Mifchna (wovon im folgenden 9), 
daß vie Stadjt über alle fieben Lampen gebrannt haben, 
während, wenn ἡμέρα an zweiter Stelle den 12ftünvigen 
Tag von Aufgang bis Untergang der Sonne bebeutete, 
den Tag über drei, bie Racht über nur vier gebrannt 
haben würden. 

Flavius Joſephus fagt nicht, baf drei beliebige Lampen 
Gott zu Ehren immerfort brennend erhalten vourben, fonfl 
hätte er gefchrieben τρεῖς μὲν — da er aber τοὺς μὲν τρεῖς 
ge[djrieben Dat, fo find mod) zur Zeit des Tempeldienſtes 
bie fieben Lampen des Leuchterd in eine Abtheilung aus 
brei, und in eine zweite aud vier Lampen gefondert worben. 
Unfere auf tie Worte des biblifhen Textes baſirte Bes 
hauptung über bie zwei facies des Leuchterd erhält damit 
eine erwünfchte Beftätigung aus bem Alterthum ſelbſt. 

9. Die Miſchna beſchreibt den Dienft bei bem Leuchter 
im Tempel in folgender θεῖε. Während der Morgens 
dämmerung ſchließen die beiden Priefter, welchen durch das 
2008 bie Säuberung des Räucheropferaltares und bes Leuch⸗ 
ters zugefallen ift, die zum Heiligthum führenden Thüren 
auf. Das Aufgehen ber großen Thür ift das Signal zum 
Schlachten des täglichen WMorgenopferd (Tamid 3, 6. 7). 
Findet ber Rampenreiniger die zwei öftlichften Lampen nod 
brennend, fo fanbert er bie übrigen (ohne fie wieder ans 


1) Vergl LXX. Grob. 16, 2; Sof. 18, 1. 


Der flebenarmige Leuchter. 249 


zuzünden), bie zwei aber läßt er vorläufig ruhig fortbrennen ; 
brennen aber bie zwei öftlichften Rampen nicht mehr, fo 
werben fie nad) vorhergegangener vorläufiger Reinigung 
von den brennenden angezündet, und alddann erft die fünf 
übrigen Lampen gefäubert (Tamid 3, 9. Rad ter Blut⸗ 
fprengung des tügliden Morgenopferd und vor dem täg- 
lichen Meorgen-Räucherwerfopfer geht der Lampenreiniger 
wieder in das Heilige. Brennen die zwei Lampen nod, 
fo fäubert er diejenige, welche unter ihnen die öftliche ift 
(obne fte wieder anzuzünden); bie aber, welche unter ihnen 
die weftliche ift — alfo diejenige, welche auf tem mittlern 
unter ben drei nad Offen ans dem Etod auélaufenben 
Armen ſteht — läßt er ganz allein fortbrennen. Sie allein 
brennt den Tag über bis zum täglichen Abendopfer, tmb 
von ihr werden gegen Abend fümmtlide übrige Lampen 
angezündet. Sollte fie zufällig vor Abend von felbft aus⸗ 
gegangen fein, wird fie gereinigt unb vom euer bes 
Branvopferaltared angezündet, unb dann erft von ihr bie 
übrigen (Samib 6, 1). 

Zwiſchen Flavius Joſephus unb bet Miſſchna iſt alſo 
folgende Differenz. Jener ſagt, daß die aus drei Lampen 
beſtehende Abtheilung des Leuchters auch am Tage gebrannt 
habe, ohne anzugeben, ob dieſes ble facies orientalis oder 
occidentalis beó 9eudjteró gemejen fei — diefe lehrt, vaf 
vie mittlere ber drei vom Ctode nad Oſten ftebenben 
Lampen aud) ben Tag über gebrannt habe. Aus ver Gom; 
bination biefer beiden Angaben geht hervor: 1) nur von 
der facies orientalis wird unaufhoͤrlich Tag und Nacht Licht 
im Heiligen verbreitet. Die Miſchna behauptet biefes, 
unb Joſephus ift durchaus nicht dagegen. — 2) Die aus 
den drei Lampen beftehenve Abtheilung des Leuchters, welche 


. 250 Der fiebenarmige Leuchter. 


nad Iofephus audj am Tage brennt, ift bie facies orien- 
talis des Leuchterd, und bie Lampe des Etodes gehört zu 
ber facies occidentalis, weshalb fie aud) von der jübifdjen 
Tradition mit Recht ale Ian "3 bezeichnet wird 1). — 
3) Die Differenz zwifchen Joſephus unb ber Mifchna te: 
bucitt Ὁ darauf, ob ſaͤmmtliche Lampen der facies orien- 
talis aud) am Tage gebrannt haben, ober nur bie mittlere 
unter ihnen. 

10. €o abgefdjmadt bei Joſephus die Deutung bert 
fieben Lampen auf ble fieben Planeten ijt, fo wenig fann 
man für die naderilifche Zeit ble Richtigkeit feiner thats 
fádliden Semerfung über bie Zahl der aud) bei Tage 
brennenden Lampen beanftanden. Nachdem Joſephus An- 
tigq. II. 6. $. 7 feine Deutung vorgelegt, hätte er ihr zu 
Liebe fogar Grund gehabt, bald darauf in Antiqq. IIL 8. 
$. 3 die Zahl der am Tage brennenden Lampen mit Etills 
ſchweigen zu übergehen, weil drei am Tage leuchtenve 
Lampen eine Deutung jämmtlicher Lampen auf bie βία: 
neten dem denfenden Menſchen geradezu unmögli machen 
— die von ihm angeführte Thatfache ift deshalb um jo 
weniger anzuzweifeln. Aber auch bie Angabe ber Mifchna 
fteht nicht in ber Luft, fondern fat ihren guten Grund in 
ber heiligen Schrift ſelbſt. Die betreffende Hauptftelle 
Lev. 24, 2—4 macht bei einzelnen Worten exflürenbe Be⸗ 
merfungen nothwendig, und biefe Worte vorläufig unübers 
fegt lafjend geben wir bie Stelle folgenbermaafen wieder: 

nBefiehl ben Kindern Iſraels, daß fie dir liefern reines, 
geftoßenes Dlivendl 819b, um brennen zu laffen ^3 immer 
dar. Außerhalb des Vorhanges des Zeugniffes im Zelte 





1) Baͤhr Symbolik J. 418. 


Der flebenarmige Leuchter. 251 


bet Zufammenkunft ſoll aufftellen iri Aaron gay DAY 
vor Jehova immerbar; das ift eine ewige Gagung für eure 
Generationen. Auf bem ganz goldenen 735 foll er aufs 
ftellen MAIT"NS vor Jehova immerdar” (vgl. Grov. 27, 
20. 21). | 

(8 wird hier genannt eine Lampe 2, und nebenbei 
die Lampen nfwn. Unter folden Umftänven ift εὖ 
nicht möglih, ben Singular Δ in collectiver Bedeutung 
für fammtlide Lampen zu nehmen, abgefehen davon, daß 
audj in 1 Sam. 3, 3, auf welde Stelle man fid) zur 
Rechtfertigung ſolchen Thuns berufen möchte, das Wort Ἢ 
gar nicht auf den heiligen Leuchter bezogen werben fann, 
wie wir im folgenden $ zeigen werben, Während fämmts 
fie Lampen immerfort auf dem Leuchter fteben (und nur 
behufs ihrer Säauberung von ihrem Plage für furge Zeit 
entfernt werben) follten, war eine aus ihnen immerfort 
brennend zu erhalten. — Das masculine demonftrative 1riN 
bezieht fid) auf Δ, die immerfort brennende Lampe, weldes 
MWort im Plural zwar MIN hat, aber defjenungeachtet nad 
Sprüchw. 13, 9 ein Mascnlinum ift. Auf das weiter 
entfernte Masculinum 119 darf alſo nit zuruͤck gegriffen 
werden. — Diefe eine brennende Lampe fol 9[aron vor 
Jehova immerfort aufftellen Kay 20. Rad Gen. 
1, 5. 8. 13. 19. 23. 31 ift Sy bie erfte, unb "RS bie 
zweite Hälfte eines in ber Reihe fortlaufenden unb 
mit den fortlaufenden Zahlen zu bezeichnenvden Tages Qf» 
9tit die 12ſtündigen, ſondern bie 24ftünbigen Tage 
ſchließen fid unmittelbar einander an, unb werben mit ven 
laufenden Zahlen benannt, weshalb unfere beiben Worte 
audj ble Namen für bie beiden Hälften ded mit Sonnen⸗ 

Theol. Duartulichrift. 1857. U. Heft. 17 


252 Der fiebenarmige Leuchter. 


untergang anfangenden 24ftünblgen Kalendertages find. 
Da nun nad) hebräifchem Eprachgebraudy bie Worte ἽΝ — Ἰῷ 
ſowohl ben terminus a quo, als auch den terminus ad quem 
einfließen und fateini[d) burdj tam — quam zu überjegen 
fib 5, fo foll nad unferer Stelle Aaron tie immerfort 
brennende Lampe „fowohl bie erfte ald tie zweite Hälfte 
des Kalendertages“, t. b. den ganzen 24ftündigen Tag 
über im Heiligen ber Ctiftéfütte vor Jehova immerbar 
aufftelen. — in ift ein Licht gebended Ding, wie bie 
Eonne, der Mond; aber darum nicht ber bunfle Leuchter, 
welcher übrigens mit feinem eigenthünlihen Namen 1739 
im Gonterte vorfommt, ſondern nad Num. 4, 9 dasjenige, 
was ber Leuchter trägt unb um bejfen willen der Leuchter 
ba ift, mad man auf ten Leuchter ftellt, damit e8 weithin 
Licht verbreite, bie Kerze, bie mit Del gefüllte Lampe, oder 
vielmehr das Del und ber Docht in ber Lampe, „Das 
Leuchtmaterial”, al& welches die Kinder Ifraeld Del liefern 
follen; um brennen zu laffen eine Lampe immerdar. 

Was alfo vie zwiſchen Flavius Joſephus und ber Miſchna 
obſchwebende Differenz in Betreff ber Zahl der am Tage 
brennenden Lampen anbelangt, fo ift bie heilige Schrift 
und ber urfprüngliche fidjerfid) nad) ihr fid vidjtenbe (δὲς 
brauh auf Eeiten der Mifchna. Nah ber Miſchna ift 
ferner das Hauptgefhäft beim Leuchter am Morgen das 
Säubern ber Lampen, von tenen ja nur eine Wieder 
angezündet wurde, am Abend dagegen bad Anzünden 
fámmtlider Lampen; damit (timmt fefr gut überein Grob. 
30, 7. 8 (vergl. 2 Chron. 13, 11; Rum. 8, 2), wornad 
bie Lampen des Morgens zurecht gemacht, gegen Abend 


1) Gesenii Lexic. Man. s. v. fp» nro. 8. 


£ 


Der fiebenarmige Leuchter. 253 


angezündet wurden, natürlih unbefchavet der einen 
laut Exod. 27, 20. 21 immerfort brennenden Lampe. Doch 
aud) ver naderlliihe Gebrauh, ben wir aus Flavius 
Joſephus fennen, ftejt mit (χοῦ. 30, 7. 8 nicht in 
Widverſpruch. | ; 

In ber Miſchna unb namentlih im Tractat Tamid 
find bie Vorſchriften für ben altteftamentlichen Gotteóbienft 
verzeichnet worden vorzüglic barum, daß barnad) bei ber 
gehofften Wiebererrihtung beó Tempels verfahren werben 
möchte. „Daß i(t^, heißt ed Tamid 7, 3 „die Orbnung 
des immerwährenden Opferd bei dem Dienft im Tempel 
unferes Gottes. Möchte er bod) aufgebaut werben bald 
in unfern Tagen. Amen!” Man ift gewöhnt auf bie 
gottespdienftlihen Borfchriften ber Miſchna, als auf nad» 
erilifche, mit Geringídügung herabzuſehen. Hier hätten 
wir einen Fall, wo die Mifchna mit ſtillſchweigender Bers 
werfung des nacheriliihen Gebraudjeó auf bie vorerilifche 
Uebungen zurüdging. Den Grund glauben wir mit Sichers 
beit angeben zu fónnen, unb werben es unten thun. 

11. Obwohl es urjprünglideó Gefeb war, eine Lampe 
fortwährend brennend zu erhalten, fo fonnte eó vod) Bin 
unb wieder einmal vorfommen, daß fie von felbft ausging, 
unb bie Mifchna fdreibt vor, waß in biefem Yale zu thun 
$ei. — Wollte man aber bie gangbare Erflärung von 1 Sam. 
3, 3 als richtig gelten laſſen, monad RIS V in collecs 
tiver Bedeutung ble fümmtliden Lampen des Leuchters bes 
zeichnen fol, jo wären jfämmtliche Lampen [0 regelmäßig 
jedesmal vor Tagesanbrud von {εἰ ausgegangen, baf 
man ben Ausdruck „die Lampen bed Heiligen Leuchters 
gingen ποῦ nicht aus” als gleichbedeutend gebrauchen 
fonnte mit „geraumer Zeit vor Tagesanbruch“. Abgeſehen 

17 * 


254 Der fiebenarmige Leuchter. 


davon, daß biefe Auffaffung bem Geſehe miberjpridit, was 
bereitó im der LXX ber Grund zu einer &erteóveránberung 
geweſen ig, jo wird dadurch nod) der Eontert jàmmeríid 
zerriffen. Aller SBerlegenfeit ift abgebolfen, wenn nad 
Maaßgabe von Sprüchw. 20, 27 τίς Ὃ angefehen wird 
ald „vie von Gott im 9Renjden angezünvete Leuchte“, 
ber Geift, bie geiftige Kraft. Wir brauden nur vie 
Üeberfegung zu geben, und bie Richtigfeit unferer Auf: 
faffung leuchtet jogleid) von [εἰδῇ ein „Es geſchah zu 
jener Zeit, tag Heli ſchlief in feiner (ganz nahe am Vor⸗ 
hofe der Stifishütte gelegenen) Wohnung — zwar hatten 
feine Augen angefangen ſchwach zu werben und er fomnte 
nicht ſehen, vod) vie Geiſteskraft erloſch noch nicht — Sa 
muel aber [dlief innerhalb des (Borhofes des) Heilig⸗ 
tbumé Jehovas π. f. τὸ." 

12. Beſchreibt man ben Leuchter als ein tobte8 $unft 
product, das vie Seftimmung hat bie Lampen zu tragen, 
fo jagt man von ihm mit Recht, taf von feinem Stocke 
nad) rechts und linfd je drei Arme ausgehen (τοῦ. 25, 
32). Aber der Stod und bie Arme ftellen feine totte, 
fonvern lebendige, wachfende Dinge vor, denn fie erweitern 
fih ja zu vollen Mandelknospen. Aus dieſem Gefichts⸗ 
punfte betrachtet gehen die drei Arme ber facies orientalis 
nicht aus bem Stode heraus, ſondern fie wachfen vielmehr 
in den Stod hinein, weil ihre volle Manvelfnospen in 
umgefehrter Stellung fichen. Aus bem ΤῊ dagegen erhebt 
fi nad) Art eines Baumes der Stod, und läuft mit ben 


1) Berg. τὸ φῶς τὸ ἐν ἀνθρώπῳ δα δ. 6, 22 und uf. 11, 34, 
ebenjo der Gegenjag zu bem leiblichen Auge, wie in 1 Sam. 3, 3. 4. — 
Bem bie bem Austrud von uns zugefchriebene Bedeutung für bit 
Stelle zu poetiſch dünkt, der vergleiche auferbem 2 Sam. 21, 17. 


Des flebenarmige Leuchter. 255 


tei wirflih aus ihm herandgehenden Armen der facies 
occidentalis in vier Cpigen από. Drei ift nun nad) alf; 
gemeiner alter Anfchauung ignatur Gotteó. (Bahr, Sym⸗ 
bif L 138 folgd.), Bier Signatur ber Welt (Bähr 
Spmbolif I. 155 folgd.), Hier in&befonbere ber Menfchens 
welt, weil bie in vier Spigen auslaufenve facies occiden- 
ulis aus einem 7 entjpringt, alfo dad von einem unb 
demſelben Stammvater herkommende Geſchlecht bezeichnet 
(Gen. 46, 26; Exod. 1, 5; Richt. 8, 30). Im Allge⸗ 
meinen brüdt alfo ber Leuchter burdj Symbole aus eine 
Herablaffung Gottes zu bem Menfhenge 
ſhlechte, da bie facies orientalis von oben nad) unten 
it die facies occidentalis hineinwächft. 

Die Drei ald Signatur Gotteó war dem hebrälfchen 
Volke urjprünglich geläufig. Zum Zeichen, bag tud) fie 
ewas an und für fid) Wahres in Gott auógebrüdt werbe, 
wurde fie felbft im moſaiſchen Gefege nicht verworfen; da 
aber dem Polytheismus gegenüber im Geſetze die Einheit 
Gottes ſtark zu betonen war, wurde bie Drei nur in 
Verbindung mit andern ſymboliſchen Zahlen beibehalten, 
. 8. in dem fiebenarmigen Leuchter, der in drei öftliche 
und vier weftliche Lampen fi theilt, ferner in ben brei 
und vier Tagen ber Unreinheit, welche durch Todte vernrs 
δ! warb (Num. 19, 19) — wo fie dagegen allein et» 
Weinen folfte, tritt im mofaifchen Gefege die Eins an ihre 
Stelle, fo bei der einmaligen Blutfprengung Lev. 16, 14. 15, 
welhe ber flebenmaligen voranging. Während vor bem 
Belege in Egypten das Blut des Pafchalammes in drei 
Sprengungen an die Häufer bet fraeliten fam (τοῦ. 12, 7), 
Wurde nad) Verleihung des Gefehed in Ganaan es in 
einer Sprengung an den untern Theil des Altares gebracht 


256 Der ſiebenarmige Leuchter. 


(SBejadim 5, 6; Zebahim 5, 8). Des 9ladjtó, wo die 
vier Lampen ber facies occidentalis. brannten, :leuchteten 
zugleih aud bie drei Lampen ber facies orientalis; am 
Sage aber, wo nur bie facies orienlalis Licht geben jollte, 
brannte in vorerilifcher Zeit ſicherlich nur eine Lampe biefer 
facies, um feinen Anlaß zum Polytheismus zu geben, 
zu weldem ja damals das Volk fo ftat? finneigte. Nach 
dem Eril war der vorige Hang zum Polytheismns vollig 
aus ben Juden verfchwunden, und ohne Gefahr fonnte die 
Drei allein wieder ald Signatur Gottes gebraucht werben, 
wie denn aud) wirflid zur Zeit des Flavius Joſephus vie 
drei Rampen ter facies orientalis unausgeſetzt brannten, 
ohne daß tarum [ofort ber breieinige Gott vom ganzen 
jüdischen Volfe explicite befannt worben wäre. . Difeneó 
SSefenntnig wurde diefes erft in der chriftlichen Lehre. In 
ihrer hartnädigen Oppofition gegen dad Chriſtenthum war 
ἐδ den jüdiſchen Lehrern ein Leichtes, die in der heiligen 
Schrift nicht firirten nacherilifchen Vorfchriften, von denen 
die Ehriften mit Erfolg polemifchen Gebraud) machen fonnten, 
. gefliffentlich zu ignoriren; in unfrem Yale fehrten fie zu 
dem voreriliihen Gebrauch zurüd, und daher fommt die 
Differenz zwifchen der Mifchna und Flavius Joſephus. 
Ein zweiter Fall biefer Art ift folgender. Rad) bem Erile 
war berorbnet worden, bag am Berföhnungstage überall, 
wo eine zahlreihe Judenſchaft ſich befand, eine Kuh vers 
brannt, bie aufgebobene Aſche davon mit Wafler vermiſcht, 
unb dann Jeder damit befprengt werden folfte zur Reinigung 
vom Seelen» Ausfage, von ſchweren Sünden P. — Suftinué 


— 





1) Hebr. 9, 13; Barnabas ep. 8; Juſtin dialog. 41. An letzter 
Stelle ijt für das handſchriftliche richtige δαμάλεως, welches Perionius 
in feiner Ueberſetzung ausgedrückt hat, durch eine verfehlte Gonjectut 


Der flebenarmige Leuchter. 257 


Martyr fieht darin einen Typus des überall darge 
bradjt werdenden eudjriftijden Opfers der Ehriften, die 
Miſchna — möchte e8 gern toot fchweigen. 

13. Sollte durch den Leuchter weiter nichtd dargeftellt 
fein, als daß fid) Gott zu ben Menfchen herablaffe, fo wäre 
es einerfeitd nicht nótbig gemefen, bag gerade voleMandels 
fnospen am Etode und an ben Armen fagen, fondern 
ganz beliebige Knospen oder Blumen, an ber facies orien- 
talis jetod) verkehrt geftellt, würden dasſelbe geleiftet Haben 
— andrerfeitd wären auch bie fieben Lampen ein Uebers 
fug. Die vollen Mandelfnospen und bie Lampen vers 
langen. befondere Deutung. 

Der Mandelbaum trägt ben. Namen Ψ, weil et 
nach Ueberwindung des winterlichen &álafee früher ale 
irgend ein anderer Baum wacht, Ὁ. ἢ. blüht (Bähr, Sym⸗ 
botif I. 450). Das in vollen Knospen fid manifeftirenve 
frühefte Leben des Mandelbaumes ift barum ein pajfenteó 
Symbol des göttlichen Lebens, welches Alter ift als das 
Dafein unb Leben ber Ereatur. Finden fi num tie vollen 
Mandelknospen an einem die Creatur bezeichnenden Eyms 
bole, wie an ter in vier €pigen auslaufenden facies occi- 
dentalis des Leuchterd, fo fónnen fie nur anbeuten, taf 
das Leben der Ereatur ein von Gott verlichenes fei. Der 
zur facies occidentalis gehörige Stock des Leuchterd zeigt 
eine volle Mandelfnospe, bevor er Arme ausſendet — 
das will Jagen; ber Stammvater des Menfchenge- 
ſchlechtes befaß das phyſiſche Leben als eine Gabe von Gott. 
Der Ctod fenbet nicht eher feine weftlichen Arme aus, ald 


ein falſches σεμιδάλεως in den gebrudten Ausgaben zu Iefen. — Zur 
Sache vergl. Jahrgang 1852 diefer Quartalſchrift S. 621 fg. 


258 Der ſtebenarmige Leuchter: 


mit bem Hineinwachjen je eined der drei öftlihen Armez 
erft dann geht er jedesmal in zwei Sprofien auseinander, 
welde im Ganzen jedesmal vier volle Mandelknospen 
haben, bie jenfrechte Sortjegung in bie Höhe jebe&mal eine, 
ber Geitenarm jedesmal drei — mit Rüdfiht auf ven 
jedem Iſraeliten befannten Günbenfall des Stammvaters 
und befjen Folgen will dieſes jagen: aus bem bem Stamms 
vater urfprünglih von Gott verliehenen Leben ift baé 
Menſchengeſchlecht nicht ent[profjen, fonbern dazu war eine 
be[onbere Herablafjung des lebendigen Gottes zu bem mit 
dem Stammvater zugleich bem Tode anheimgefallenen Ges 
Ichlechte, und eine abermalige Mittheilung ver Lebensfraft 
von Seiten Gottes nothwendig. 

Licht ifl das Symbol ber Reinheit, Klarheit, Heiligs 
feit (1 Sof. 1, 5; yaf. 1, 17). Die aus drei Lampen 
beftebenbe ftetd helle facies orientalis des Leuchter, deren 
ſaͤmmtliche Lampen auch in vorerilifcher Zeit unaufhörlich 
gebrannt haben würden, wenn nicht ber Hang des Volkes 
zum PBolytheismus das fortwährende -Brennen von nur 
einer Lampe ratbjam gemacht hätte, ijt barum eine ſym⸗ 
bolifche Darftelung des unveränderlich Heiligen Gottes. 
Die das Menſchengeſchlecht mit Inbegriff des Stammvaters 
parftellenbe facies occidentalis wird oor Abend angezündet, 
damit fie in ber erften Hälfte des mit Sonnenuntergang 
beginnenden Kalendertages brenne; in deſſen zweiter Hälfte 
find ihre Lampen felbft zwar finfter, bod) nicht im Yinftern, 
weil das von ber facies Orientalis. fommenbe Licht ihnen - 
zugefehrt ift, ja fie ftehen fogar zum neuen Anzünden völlig 
zugerichtet an ihrem Plabe auf bem Leuchter — das will 
jagen: das Menfchengefhleht war anfangs heilig, unb 
wurde nad ber unhellig; aud) bem unheilig gemotbenen 


Der fiebenarmige Lenchter. 259 


Menſchengeſchlechte wendet fid) ver heilige Gott unabläffig 
zu, offenbart fid) ihm, und εὖ hat die Fähigkeit und An⸗ 
wartfhaft mit Eintritt einer neuen Zeit wieder heilig 
zu werben. 

Die Zeichenfprache des Leuchters in bie Wortſprache 
überfeßt und in bie Worm. eines Lehrſatzes gebracht lautet 
nad) allem Obigen: Ἐν αὐτῷ ζωὴ m (scil. ἐν ἀρχῇ), xal 
ἡ ζωὴ ἦν τὸ φῶς τῶν ἀνθρώπων, καὶ τὸ φῶς ἐν τῇ 
σχοτίᾳ φαίνεε (oh. 1, 4. 5), Ὁ. f. als bie Welt gefchaffen 
wurde unb das Leben empfing, war da ber nichterfchaffene 
lebendige Gott; er, ber aller Greatur Daſein und Leben 
verlieh, erſchuf das Menſchengeſchlecht als ein heiliges; 
auch in dem nachher unheilig  gemorbenen Menfchenge- 
ſchlechte offenbart fid) unabläffig ber heilige Gott. 

14. Mit bem Leuchter im Heiligen der Stiftshütte und 
des Tempeld hat ber Leuchter in Zadar. 4, 2 folgb. feine 
Achnlichkeit. Zwar ift er von Gold und trägt den Namen 
nn, weldes Wort nad) ben Rabbinen niemals einen ges 
taben, fonbern immer einen Armleuchter bebeutet (Bähr 
Symbolif I. 412), trägt aud) fieben Lampen, wid abet 
von bet gewöhnlichen Worm eines Armleuchters nicht ab, 
weil jonft Zacharia nicht unterlaffen haben mürbe, biefeó 
hervorzuheben; ber Leuchter im Heiligen des naderilifchen 
Zempeld dagegen, welcher bod) wenigftend in ber Grunds 
geftalt den gefegliden 9Bor[dyriften entſprechend gearbeitet 
war, hatte eine von den fonft im ‚Leben gebräuchlichen 
Armleuchtern ganz abweichende Worm, ἐξήλλακτο τῆς κατὰ 
τὴν ἡμετέραν χρῆσιν συνηϑείαρ, wie Flavius Iofephus 
Bell. Jud. VII. 5. 8. 5. berichtet. Die fieben λαμπάδες 
πυρὸς in Apor. 4, 5 ſcheinen mit den fieben Lampen auf 
vem Leuchter bei Zacharia iventifch zu fei, find eben darum 


260 Der flebenarmige Leuchter, 


aber mit den fleben Lampen des Leuchters im Heiligen nicht 
zu confundiren. Am alferwenigften aber ftimmen die fieben 
goldenen λυχνίαι Apoc. 1, 12. 20 zu dem einen fieben» 
armigen Leuchter im Heiligen. 

Der alterthümlihe 9eudterfug in der zum Prager 
Dome gehörigen 9toftigfen Kapelle, welcher vorgeblich 
bem falomonifchen Tempel entftammt, ift nicht golden, und 
hat barum zum fiebenarmigen Leuchter im Heiligen nidt 
gehört. Wer fih entſchließen kann, dieſes wunderliche 
Durcheinander von Thier⸗ und Menſchengeſtalten dem judi⸗ 
ſchen Alterthume zuzuweiſen, der könnte ihn allenfalls den 
am Abend des Laubhüͤttenfeſtes im Vorhof ber Weiber ges 
brauchten Leuchtern mit je vier Lampen zuſprechen, an 
denen nur ber oberſte Theil golden war (Succa 5, 2). 

Der Leuchter im Heiligen des nadjerififden Tempels, 
welden Situé nod) an Ort und Stelle faf, wurde bei des 
legtern Triumphzuge öffentlich zur Schau getragen, und in 
bem von Veſpaſtan erbauten τέμενος Εἰρήνης, eine Art 
von Mufeum, aufgeftelt 5. Eein Gtod wird von Flavius 
Iofephus κίων genannt, feine Arme λεπτοὶ καυλίσκοι 
(Bell. Jud. VII. 5. $. 5), worin liegt, daß der Ctod bes 
beutenb bilder αἰ die Arme war. Dod ber römische Bild⸗ 
bauer, welcher ihn an der innern Wand des Triumphbogens 
bes Titus tarftelite, hat ed nidjt darauf abgejehen, ihn 
ganz getreu nad ver Wirkfichfeit zu zeichnen, fondern nur 
in Baufh und Bogen feine Grundgeftalt wiederzugeben. 
Stod und Arme machte er in der Dide gleih, und was 
von Zierathen am Fuß, am Etod und an ben Armen πο 
erkennbar ift, ift freied Product des Künftlers, der ed nicht 


1) Joseph. Bell. Jud. VI. 4. 6. 7; VII. 5.6.5. 7, 


Der flebenarmige Leuchter. 261 


einmal für nótfig befunden hat, unterhalb jedes vom Stode 
ausgehenden Armepaares eine Zierath, anzubringen. Einen 
Gewinn haben wir aber bed) aus dieſer Abbildung, näms 
lich tie Gemiffeit, taf die Arme tes Heiligen Leuchters 
zu gleiher Höhe mit tem Etode fih erhoben, und bie 
fieben 2ampen in einer geraden Linie geftanden haben. 
Die fpátern Rabbinen lehren dieſes zwar aud, aber weder 
ble hl. €drift gibt e8 an, nod) läßt es fid) aus Philo 
und Joſephus mit einiger Eicherheit folgern. 


Dr. Krüger, 
Profeſſor in Braunsberg. 


II. 
Recenſionen. 





1. 


Caroli Passaglia S. J., in Romano collegio theologiae pro- 
fessoris, de Ecclesia Christi commentariorum libri V. 
Vol. I, Ratisbonae, Manz 1853, X 142 ©, Vol.II. 1856. 
XXVIII 865. gr. 8. - Preis 8 fl. | 


Nachdem die Herausgabe gegenwärtigen Werkes burd) 
bie Arbeiten des Verfaſſers bei ber Gongregation über bie 
Unbefledte Empfängniß unb bie Abfafjung feines rühmlichft 
befannten, bebeutenden Werkes über dieſen Gegenftand 
längere Zeit unterbrochen worden war, ift viefelbe jo weit 
vorge[d)ritten, daß ber Verleger einen namhaften Theil 
beffelben bem Publicum vorführen fonnte. Es foll in fünf 
Bücher zerfallen, wovon bereitö brei in zwei Bänden ers 
[dienen find. Das erfte beichäftigt fid) mit bem Begriff 
der Kirche, der zuerft philologifh aus dem Sprachgebraudy 
ber Profanfchriftfteller unb der Schrift beftimmt, fobanm 
durch eine Vergleihung mit ber Synagoge, burd) Benuͤtzung 
ſämmtlicher Bilder, womit die Kirche im N. T. bezeichnet 
wird, forie der Parabeln, melde von ihr handeln, mod 


Caroli Passaglia de Ecclesia Christi comment. libri V. 263 


näher beleuchtet wird. Das zweite Buch fpricht vom wirk⸗ 
lichen Dafein ver Kirche, alfo von ihrer Gründung, ihrer 
Wortbaner und PVerennität unb von ihrer fortwährenden 
Sichtbarkeit. Das dritte Buch führt ben Titel: de eccle-. 
siae causis. Dieſe πὸ 1) die causa efficiens eaque prin- 
ceps, unter welcher Bezeihnung das Verhältnig Gottes 
und des göttlichen Geiftes zur Kirche behandelt wird. 2) Die 
causa effectrix eaque instrumentalis ift dad ministerium 
ecclesiasticum , von weeldem in ber Art geiprochen wird, 
daß zuerft vefien Anfang im Apoftolat, fobann die Fort⸗ 
ſetzung im Cplócopat nad) allen Beziehungen Hin erörtert 
werden. 3) Die causa exemplaris Ecclesiae hat der Ver⸗ 
faffer nad) Anleitung ber Väter als eine dreifache beftimmt : 
die causa exemplaris theologica — bie Trinität, die oeco- 
nomica — Ehriftus, unb bie angelica, auf welche (don 
Elemend von Alerandrien in Bezug auf ble Hierarchie 
finbeutete. 4) Die causa materialis bilden bie Angehörigen 
der Kirche, melde febr ausführlich in negativer und affirs 
mitenber Weife beftimmt werden. 5) Die causa formalis 
wird in eine innere, welche Gott, Chriftus und ber hi. Geift 
ift, und in eine äußere, melde das Geſetz des Glaubens, 
des Lebens unb der Gemein[djaft ift, unter[fjieben. Ends 
lid) fpricht ber Verfaffer 6) von ber causa finalis, welche 
in ben finis theologicus, theanthropicus und anthropo- 
logicus eingetheilt wird. Wergleiht man die Zahl viefer 
Gegenftände mit dem Umfang des Werkes, jo wird man 
fid) leicht eine Vorftellung von ber Ausführlichfeit und ber 
ἱπ ὁ Einzelnfte gehenden Sorgfalt, mit ber fle behanbelt 
find, machen fónnen. Der Reihthum an Fragen, weld 
zur Sprache fommen, die PVielfeitigfeit und Neuheit bet 
Gefihtspunfte, von denen aus fie nad) Anleitung der Väter 


264  Ceroli Passaglia de Ecclesia Christi comment. libri V, 


behandelt werden, machen das Werk zu einem Außerfi atv 
tegenden und belehrenden. Der patriftifche Stoff ift ‚in 
größter Fülle gefammelt und bearbeitet worden, und gerade 
dieſes gab bem Verfaſſer Anlaß, die ragen von ber Kirche 
παῷ Seiten bin zu behandeln, nad welden fie feltener 
berührt zu werben pflegen, und zahlreiche Beziehungen 
zwifchen biefer Lehre und denen von ber Trinität nnb 
Menjhwerbung in geiftreiher Weife zur Sprache zu bringen. 

Der Berfaffer hat es nicht unterlaffen, befonberó bei 
exegetiſchen Fragen auf bie beutfche Literatur Rüdficht zu 
nehmen. (δ᾽ wird nur bei der Unterfuchung über bie 
Entftehung der Kirche eine Benrtheilung ber neueften von 
der fritijen Schule unter ben Proteftanten anfgeftellten 
Eyfteme über die Uranfänge der altfatholifchen Kirche. ver» 
mißt. Diefelben, fowie die bejonbere Anfiht von Rothe, 
hätten bei ben Fragen über ben Epifcopat einen Haupt⸗ 
beftanbtheil der Fritifchen Seite des Werkes bilden fónnen. 
Auch die Anordnung des Werkes hat nad unferem Ges 
ihmad Einiges, was der Anforderung eines wahrhaft 
organischen Baues nicht ganz genügt, befonberó im vritten 
Bud, de causis Ecclesiae, das eine Eintheilung bloß nad) 
Kategorien, nad) ádern hat. Im Beftreben, die gewons 
nenen Begriffe möglihft auszubeuten unb nupbringenb zu 
geftalten, hat der Verfaſſer ſtets eine große Zahl von Go: 
rollarien daraus gezogen, welde durch Anticipation ben 
regelrechten Gang ber almähligen Entwidlung unterbrechen, 
aud maude Fragen, welde mit dem Gegenitand .in ent 
fernterer Beziehung ftehen, aus einer etwas überwuchernden 
Reichhaltigfeit über die Grenzen einer firengen Syſtematik 
hinaus hereingezogen. Allerdings muß man babei geftehen, 
taf vie ſtets belehrende Behandlung berfelben ven Leſer 


Alessandro Pestalozza, Theologia Naturale. 205 


verführt, foídeó μὲ überfehen. Die Schärfe in tex Be 
kimmung ber Begriffe, jowie das befondere Geſchick des 
Verfaſſers, die SBemwei&momente gehörig audzubenten und 
durch vortheilhafte Stellung des Beweiſes ihre Kraft móg: 
ht hervorzuheben, verdienen alle Anerkennung. Die 
katinität iff vortrefflish, "die Darftelung Har und troß ber 
zu bewältigenden Maffe verhältnißmäßig überſichtlich. 

Ὁ. Denzinger. 


2. 


Theologia Naturale. Per Alessandro Pestalozza, Prete 
Milanese. ' 


Peſtalozza íft Anhänger ver Philoſophie von dem bes 
tühmten Antonio Rosmini. Er hat ein Werf heransges 
geben, in weldyem er ble ganze Philoſophie auf ter Grund» 
lage feines Meifters abhandelt, unter dem Titel: „Elemenli 
di filosofia. Terza edizione, ritoccata dall’ autore.^ Mi- 
lano, 1856. — Wir wollen hieraus bloß tie natürliche 
Theologie des Verfaſſers befprechen, da fie für eine then 
logische Zeitfchrift mehr Intereſſe bietet, als ble andern 
philoſophiſchen Disciplinen. — Der Berf. geht in feiner 
Einleitung davon aus, daß alle fpeciellen Wiſſenſchaften, 
befonders tie philofophifchen bie Vollendung ihrer Erfennt- 
Mig in ber Idee Gottes, daher in ber Theologie finden. 
Dieß zeigt er gut von ter Pſychologie, Cosmologie und 
Moral (€. 264 — 265). Er unterfcheidet fobanm die 
natürliche und geoffenbarte Theologie aljo ©. 266: „La 
prima ὁ quella già accennala del metodo, che nell’ una ὁ 


— — — — 


266 Alessandro Pestelozza, 


razionale e naturale, dove nell' altra ὁ principalmente di- 
dascalico e autoritativo. L’altra consiste nella natura 
stessa delle cognizioni che riguardano Dio, le quali nella 
teologia naturale, benché sisno perla massima parte ne- 
galive, pure sono accessibili all’ umana ragione, la quale, 
se da un lato letrova sempre incomprensibili, dall altro 
le conosce come apodittiche e le dimostra come necessa- 
rie; quando all incontro molte delle verità depositate 
nella tradizione divina sono misteriose, e perció tali che 
la ragione non avrebbe mai potuto trovarle col proprio 
lume, come non puó spiegarle e comprenderle dopo che 


le ha ricevute dalla rivelazione.“ Uns fcheint es, baf 


ber Verf. in bem Punkte zu weit gehe, wenn er meint: 
die Vernunft fónne von den pofitiven Offendbarungswahr- 
heiten gar nichts erklären, erfajfen unb begreifen. Ein 


Verſtaͤndniß und ein Begreifen derfelben auf einen gewiſſen 


Grab laßt ſich allervings erreihen. Dieb Hat ber Di. 
Auguftin felbft behauptet. Er ſchreibt in feinen 110. Briefe 
an Conſentius: „Daß dasjenige, was ber Glaube und 
porftellt, bió zu einem gewifien Grave durch das Licht ber 
Bernunft begriffen werben könne.“ Aber etwas Anderes 
ift das vollftändige, adäquate Begreifen der Myfterien, und 
das Begreifen des realen Wie von benjelben. Dieß if 
für die menfdjlide Vernunft unmóglid. Ebenfowenig fann 
die Vernunft rein aus fid) bie Myſterien entbeden, abet 
immerhin fann fie iveelle Gründe im Selbftbewußtfein auf» 
finden, warum man biejelben notfmenbig feftbalten müffe. 
Denn ift bie pofltive fecundäre Offenbarung für ben Geifl 
beftimmt, jo müfjen fij aud) bie Beduͤrfniſſe aufzeigen 
lafien, die im Geifte dafür liegen. 

Der Berf. handelt die natürliche Theologie in 5 Ab⸗ 


Theologia Naturale. 261 


(dnitten ab. — Im erften Abfchnitt fprid)t ev im 1. Gay. 
„vom allgemeinen unb gewöhnlihen Begriffe Gottes.“ 
Er fagt S. 269: „L’idea (di Dio) pià commune e vol- 
gare ὁ quella di — ente creatore e provido reggitore 
del mondo.^ Das ift wohl ber Fall bei den diviftliden 
Pölfern, wie es ber Verf. jelbft gefteht, aber nicht fo bei 
pen Heiden. Bei diefen herricht bie Idee der Emanation, 
ftatt der Greation der Welt aus Nichts, da von lepteter 
es feine Analogie gibt, babet fie nicht fo leicht erkennbar 
i. ©. 271, Cap. IL ftellt ver Berf. feinen „philofor 
ybilden Begriff” von Gott auf: „Dio ὁ l'Essere assoluto 
e completo. — Quando si dice l'Essere assoluto e com- 
pleto, s'intende quell' Essere a cui apparliene tutta l'es- 
senza dell’ essere. — Cos’ ὁ che appartiene all’ essere es- 
senzialmente ? Nell' ontologia abbiam veduto, che l'essere 
sussiste in tre forme a lui essenziali, le quali sono cosi 
fra.loro distinte che non possono ridursi l'una nell" altra: 
lidealità, che ὁ la forma per cui l'essere ὁ per sé intelli- 
gibile o pensabile; la realità, per cui l'essere ha’ vita, 
sentimento, intelligenza; la moralità, che é la forma risul- 
tante dall' unione e armonia delle altre due, per cui l'essere 
reale e intelligente ama e aderisce all' essere secondo la 
norma ideale. Dunque l'Essere assoluto ὁ tütt' insieme 
ideale, reale, morale.^ Wohl find biefe drei Formen bei 
Gott nothwendig. Nach unjerer Faſſung würden fte lauten: 
Sein ſchlechthin, höchſte Intelligenz, ober abjolutes Selbft- 
bewußtfein (Dreiperfönlichkeit), und abfolute Heiligfeit. 
Ein unperjónlidjeó Abfolute fónnen wir nicht an die Spiße 
ber Weltihöpfung ftelfen, da wir. fonft die regelmäßige 
Einrichtung des 9Beltallà gar nicht zu begreifen vermöchten. 
— Im IM. Gap. ift.bie. 9tebe vom lirjprunge ver See 
Geol. Duartaljchrift. 1857. I. Qeit. 18 


A 


268 Alessandro Pesteloxza , 


Gottes. Hier erhebt ber Berf. bie (rage: ob bie Idee 
Gottes dem Geifte etwa angeboren. fei? S. 278: „Ma si 
potrà egli accordare che almeno l'idea di Dio sia im- 
pressa naturalmente nel nostro spirito? — Forse "perché 
tutti gli uomini, tutte le nazioni hanno questa idea?“ 
Er antwortet hierauf: „Hanno anche quella di uomo, e 
d’altri oggetti molti, senza che questo fatto basti a dimo- 
sirare che queste idee le portano dalla nascita.* — Aud) 
einen andern Einwurf wiberlegt er bajelbft: ,Forse per- 
ché tutti gli uomini hanno una naturale tendenza a cre- 
dere l'esistenza di Dio? — Ne abbiamo indicata la ra- 
gione nel bisogno che prova la nosira mente di riconos- 
eere una causa produttrice e una forza reggitrice di questo 
universo che si presenta come passivo e imperfetlo e 
contingente : dall' essere sommamente evidente la necessità 
di dare alle oose un principio, non segue che l'idea di 
questo principio sia innata, ma che sia delle piü fäcili ad 
acquistarsi coll’ istruzione e ad aceompagnarsi con un giu- 
dizio della realtà del suo obietto.^ Wir theilen 'viefelbe 
Anfiht. Denn wäre ble Idee Gottes bem Geifte als εἶπε 
fertige angeboren, fo Fünnte es nicht jo verſchiedene Gottes⸗ 
begriffe in ven verſchiedenen Religionen geben. Aber ans 
geboren ijt bem Geiſte bie SBebingtbelt. feines Seins, daher 
wird er ſollicitirt, das bebingende Princip als feinen 
ſchöpferiſchen Urheber hinzuzudenken. 

Nachdem der Verf. den Begriff Gottes beſtimmt hat, 
redet er im IL Abſchnitt von der „Exiſtenz Gottes.“ Im 
L Gap. löst er das Problem: „Se l'esistenza di Dio sia 
oggetto di dimostrazione?* Der Verf. (ft für den Beweis 
des Dafeins Gottes. Er befpricht deßhalb auch eine Einwens 
bung dagegen’ C. 296: „Altri sostengono. non potersi di- 


Theologis Naturale. 269 


mostrare l'esistenza di Dio, perché noi ne abbiamo una 
cognizione nalurale immediata. — Ma le cose che .sono 
oggelto di un' intuizione immediata non si possono di- 
mostrare, perché sono note per sé. Dio, essendo il lume 
stesso della nostra intelligenza, dicono costoro; Dio es- 
sendo nolo per sé, mentre ripugna che la luce stessa si 
renda nota per altra cosa da lei diversa, e a lei inferiore, 
ne segue .che la proposizione^ Dio ὁ „non puó essere 
oggeto di dimostrazione, ma ὁ indimostrabile.* — Darauf 
erwidert ber fBerf.: „Che l’ohietio del nostro intuito pri- 
mitivo non ὁ Dio stesso; che lintuizione di Dio sarebbe 
in pari tempo percegione di, Dio, giacché Dio non puó 
ennoscersi in sé se non dall inteletto; e chi percepisce 
Dio partecipa dell’ ondine sopranaturale di grazia o ‚anche 
di gloria. — Se Dio non ὁ obietto d’intuito naturale, se 
non puó confondersi col Jume ‚della regione, hisogna pure, 
per conoscerlo, che la nostra ragione ne deduca l'esistenza 
col ragionamento; dunque l'esistenza di Dio ὁ dimostra- 
bile. — Den Grund, warum Sande meinen, daß bie 
Idee Gotteó bem Geiſte ſchon als fertige angehoren. fei, 
jheint und .ver Verf. in folganben Morten auógefproden 
zu haben ©. 298: . „Beoitata ‚la.riflessione.a considerare 
la cognizione .dixeita .e posiiva ‚delle cose contingenti, 
‚non appena si.é aeporta della.:conlingenza loro ahe.& già 
salita alla causa primitiva assolula, indipendente, delle cose 
slesse. I termini correlativi .di, causa e di effelo, di .ne- 
.cessità e conlingenza,. di finito 6, infinito, non si formano 
in menle successivamente ma in un istante simultaneo, 
perehé l'uno. chiama l'altro.“ — Der Verf. xügt e8, daß 
Kant ber theoretifchen Vernyunft tie. Fähigkeit. abgeſprochen, 
das Dafein (BoMeó qu bewedjen. S. 300: „L’errore di 
18 * 


270 Alessandro Pestälorza, 


Kant ha la sua origine dal subiettivismo, sistema che ri- 
duce il lume della ragione a delle forme subiettive dello 
spirito, le quali non danno alla ragione il diritto di amet- 
lere il mondo esterno.* 

Im zweiten Gapitel zeigt ber Verf. die ver[djiebenen 
Arten, das Dafein Gottes zu beweifen. Er reducirt fele 
vorzüglich auf vier, und zwar alfo ©. 302: „La prima 
dimostrazione parte dall’ essenza dell’ essere da noi intuito: 
prova ontologica. La seconda dimostrazione parte dalla 
Forma ideale, che serve a noi di lume della ragione: 
prova ideologica. La terza si ricava dall’ essere reale da 
moi percepito, vale a dire-dal me, dal mondo esterno, da 
tutto vió: che lo costituisce in quel modo ch'egli é: prova 
'cosmologica, o, come suol dirsi, fisica. La quarta per 
ultimo si fonda su la forma morale dell essere, cio& su 
la legge morale: prova morale.* Gigentbümlid) ift bem 
Verf. bier bloß ber iveologifche Beweis, weßhalb wir ihn 
aud) anführen wollen, va er für die Leſer ein Interefie 
haben dürfte. ©. 307: „La seconda dimosiralione a 
priori dell esistenza di Dio si trae dalla forma ideale 
dell’ essere, o sia dall' ente ideale, che costituisce il lume 
della nostra ragione; onde quesia si chiama prova ideo- 
logica. — E infatti cos’ ὁ l'idea dell’ essere, se non 
lobietto essenziale del nostro intelletio? — Ma l'idea, 
l'obielto, puó esso sussistere in sé, diviso da ogni mente? 
Tolla una mente, che intuisca l'idea, essa non ὁ piu che 
un’ astrazione, o a dir meglio un assurdo, perché il 
proprio dell idea ὁ di essere pensata, di essere termine 
a qualche mente. Niun termine puó stare né concepirsi 
separato e disgiunto dal suo principio. — Il principio poi 
o sia quello che intuisce l'idea, sue termine ὁ la mente. 


Theologia Naturale. 271 


Ma l'idea dell’ ente, termine obbiettivo della nostra mente, 
ὁ obielto elerno, quando all’ incontro mon ὁ eterno il 
nostro spirito che lo intuisce. Dunque, se esso non 
puó sussistere in sé diviso da ogni mente, a lui. é.affailo 
accidentale l'intuizione del nostro spirito, e peró deve 
esistere una mente eterna, in cui risieda come mel suo 
proprio subietto o principio. Dall’ esistenza dunque della 
forma ideale a ragione si risale a un reale eterno, in cui 
lessere ideale formi una perfetta unità. Questo reale ὁ 
Dio, da.cui ci viene: appunto l'intuizione dell’ idea.“ 
Das Ill. Gap. lautet vom Atheismus. Nachdem ber 
Berf. ben Begriff unb bie Grifteny Gottes erörtert hat, fo 
betrachtet er ſofort „die Natur Gottes“ (im IH. Abfchnitt), 
und zwar betrachtet er zuerft a) Gott in feiner vreifachen 
Form (welche von ihm ale l'idealità, la realità e la moralitä 
beftimmt wurde), bierauf b) Gott in feinen Gigenjdaften, 
unb enblid) c) ble göttliche SBejenbeit. in jeder der eben 
befagten drei Formen. Schön zeigt ber Berf. ©. 325: 
bag Gott nicht ald das allgemeine Sein ober ald ta 
Grundweſen der Welt aufgefagt werben fann. — Wichtig 
ift aud) feine Bemerkung vom Logos in Gott €. 339: 
„L’atto con cui Die conosce se stesso, ὁ un alto con cui 
Dio afferma e pone sé stesso. L’atto di affermare si 
chiama Verbo; dunque in Dio bisogna ammettere il Verbo 
divino. — Ripugna pensar Dio senza il Verbo, benché 
sia Pintelligenza divina che pronuncia il Verbo, e non già 
il Verbo che genera l'intelligenza divina. E in questo 
Verbo la Chiesa riconosce Ia personalilà, e insegna venire 
dall' intelletto divino per via di generazione. Ciö che la 
ragione umana, ajutata dalla rivelazione, riconosce: bensi 
come necessario ad ammeltersi, mentre un Dio che non 


272 ᾿ Alessandro Pesialozta, 


conosoa 86 stesso non ὁ Dío, e la cognizione di sà stesso 
senza il Verbo ὁ cosa. inconcepibile.^ — „Ma come pot 
lddio generi il Verbo, e come questo sussista qual Per- 
sona realmente distinte da Quella che lo genera, serà 
sempre un mistero.^ | Allerdings erfennt die SBernunjt, 
erleuchtet durch bie Fackel ber pofitiven Offenbarung, bie 
Nothwendigkeit des ewigen Wortes (be& Logos) in Gott. 
Denn fol Gott fein abfolutes Selbftbewußtfein ober feine 
abfelute Selbfterfenntniß. erreichen, d. 8. fein Weſen als 
abjolutes unmittelbar fdjauen, fo muß er jid nothwendig 
real felbftobjectioirem, Ὁ. B. das Wort (ben Sohn) erzeugen. 
Nur fo fann Gott fid) αἱ Sein jchtechthin erfaffen und 
wiffen. Und nur fo ἱξ feine Gelbfterfaffung qalitativ 
verſchieden von der bedingten Selbfterfaffung des endlichen 
Menſchengeiſtes, ver (eiit Weſen nicht unmittelbar zu ſchauen 
vermag, ſondern bloß aus der Eriheinung εὖ erfchließt. 
Die Vernunft kann demnad bie Trinität nid aus fid 
allein entbeden, aber erleuchtet durch die poſitive Offen» 
barung nachdenken, b. D. ideell reconftruiren (weil eben im 
perfönlihen Menfchengeifte eine Analogie liegt) und infos 
fern zeigen, daß fie nicht undenkbar ift. Denn vieß ers 
weiten ble fpeeulativen 9teconftructionóperjud)e vom bl. Au- 
guftin, Anfelm, Thomas von Aquino, nnb von Duns 
Scotus. bod wird das Erfaffen ber Trinität von Seite 
der Vernunft nie ein vollfiändiges unb vollfommen ads 
äquates fein, und gar nid wird dad reale Wie Verjelben 
von ihr begriffen werden. Darauf hat and) beo Verf. 
ganz richtig Dingebentet. Nur verfioßt er ſich hier gegen 
feine frühere Behauptung ©. 266, wo er fügt: baf bie 
Bernunft von den erhaltenen geoffenbarten Wahrheiten 


Theologis Naturale. 273 


gar fein Verftändniß gewinnen fünne. Wahrfcheinlich Dat 
er fid) dafelbft nicht richtig ausgedrüdt. | 

Nun übergeht ver Berf. zur Betrachtung vom Bers 
hältniffe Gottes zur Welt (im IV. Abſchnitt). Er hat 
ſchon im vorhergehenden Artikel VII, S. 357 gezeigt, daß 
Gott die Welt nicht nothwendig zu wollen brauche, ſondern 
fie frei απὸ Nichts geſchaffen habe: „Nella nozione dell’ 
essere assoluto non enira la nozione del monde.“ Er 
hätte mit Rüdfiht auf den Pantheismus nod) hinzufügen 
fónnen: Wenn Gott bereits feine Subjectobjectivtrung in 
ber abfoluten Dreiperſönlichkeit befigt, To hat er nicht erft 
nótbig, fie in ber Weltwerbung zu erreichen. Daher (ít 
aud) die Welt zur Vollendung feined Weſens nicht not: 
wendig. — In Betreff der göttlichen Vorfehung madjt ber 
Berf. hie unb ba gute Bemerfungen. Wir fónnen jebod) 
[εἴθε nicht anführen, da εὖ ber Raum ber Zeitfchrift nicht 
geftattet. — Interefjanter nod) erfcheint uns ver V. 916» 
íónitt. Hier behandelt ber Berf. „die irrigen Cyfteme 
vom Sein und ber Natur Gottes." Scharfſinnig unters 
Iheidet er ©. 389 zwei Hauptquellen aller Irrthümer in 
Betreff der Natur Gottes: „Se in antico l'ignoranza con- 
giunta col naturale predominio dei sensi e della fantasia 
corruppe miseramente le verità primitive, e piü di tutte 
la verità cardinale che riguarda la nozione della divinità; 
nelle eià che possiamo dire moderne, i sistemi erronei 
circa la natura di Dio traggono principalmente origine 
da un moto inverso a quello degli antichi, oioe dall' abuso 
: della ragione o riflessione filosofica, che noi chiameremo, 
con un termine usitato, razionalismo.^ — Allein dieſer 
Mißbrauch ter Vernunft [fdeint uns bejonteró darin zu 
befteben, daß der richtige Standpunkt ver Speculation (b. ἰ, 


214 Alessandro Pestalozza, 


der Dualismus, welcher Gott und Welt, unb ebenjo auch 
Geift und Natur qualitativ unterfcheidet) nicht beachtet 
wird. Denn meber vom moniftifchen, nod) monadiftifchen, 
nod femipantbeiftifen, nod) naturaliftijen Standpunfte 
fann fij bie wahre Idee Gotted ergeben. Richtig bes 
zeichnet der Berf. die Solgen ber beiden befagten Principe 
€. 393: „Perciö il predominio dei sensi e della fantasia 
produsse il politeismo di forme varie e moltiplici; quello 
della ragione sopra le verità rivelate o anche di senso 
commune produsse il panteismo, vario anch' esso di 
forme.^ — Im HL Gap. finden wir bie Erörterung: Del 
naturalismo e delle varie sue forme (als Fetiſchismus, 
Gabàiómuó, perfifcher Dualismus, inbijdjer Sritbeiómue, 
Anthropomorphismus bei ben Griechen und Römern). — 
Im IX. Gap. beftimmt ber Verf. ven Unterſchied zwiſchen 
Bolytheismus und Pantheismus €. 418: „Come il pre- 
dominio dei sensi e della fantasia trascinó l'uomo a im- 
medesimar Dio con la natura, l'infinito col finito; cosi 
per l'opposto l'abuso della riflessione filosofica, ne falsó 
il concetto per un aliro verso, non vedendo nel finito e 
relativo, se non dei modi e delle esplicazioni dell’ in- 
finito.^  llebrigené gibt ber Verf. drei veríd)lebene Haupt: 
partheien der PBantheiften an Θ. 420: „1. Alcuni, am- 
meltendo la realita sostanziale del finito, ne spiegano 
lorigine per via di emanazione, supponendo che il finito 
preesista in uno stato di indeterminazione e come in 
germe nell’ essere infinito. — 2. Altri che ammettono 
anch' essi la realilä del finito, lo riguardano, non già 
come un' emanazione dell' infinito, ma come coesistente 
con lui, un compimento di esso. — 3. Altri per ultimo, 
non sapendo come spiegare la realilà e sussistenza del 


e Theologia Naturale. 215 


finito, lo riducono a una mera apparenza, a una serie di 
fenomeni, o a delle forme del nostro spirito, a delle idee.* 
Daher unterfcheidet ter Verf. aud) drei Hauptformen des 
Pantheismus: „tre forme principali, che sono il panteismo 
emanalistico, il panteismo realistico, il panteismo ideali- 
stico.^ — Er benrtheilt hierauf im X. Gay. den „Emanas 
tismus.“ Gut widerlegt er hier folgenden Einwurf ©. 422: 
„Si dirà che, se l'emanatista riguarda il finito come uscito. 
dalla sostanza divina e da essa separato, sicché formi un 
complesso d'individui distinti da Dio, esso non é piü 
panteista, mentre al concetto di panteismo ὁ essenziale 
quello dell’ unità di sostanza.* Ebenſo meinen aud) Mande 
in Deutſchland ven Pantheismus dadurch überwunden zu 
haben, daß fie nicht bloß die Immanenz Gottes in ber 
Welt, fonbern aud) teffen Tranfcendenz über ber Welt 
bebaupten. Der Berf. jagt richtig dagegen ©. 422: „N 
loro individuarsi non toglie che siano una stessa sostanza, 
un ente medesimo coll’ infinito. — I diversi individui, 
per l'emanatisia, altro non sono che la sostanza divina, 
la quale si spande in un dato spazio e opera in diversi 
modi. Das Syſtem des Gpinoja rechnet ber Verf. zum 
realiftifhen Pantheismus (XL Eap.). 

Im XII. Gap. fpricht er vom „ivealiftiichen Pantheis⸗ 
mud." Dem Kant fchreibt er tranjcenbentalen Idealismus 
zu (S. 429), und bemerft, baf der ivealiftifhe Pantheis⸗ 
mus daraus hervorgegangen. Und wie fo? ©. 429 heißt 
ἐδ: „Per lui non era certo se non questo, che lo spirito 
umano giudica delle cose secondo delle forme subiettive 
sue proprie. E perció tutto il mondo esteriore non é 
conosciuto in sé, come reale, ma solamente come feno- 
menale, e veste le forme del subietto conoscente.^ Ten 





216 Alesssadro Pestalozzi, 5 


ten Stadjfolgem Kant’d meint er ©. 429: Τα svolsero 
le consequenze viriualmenle conienale nell’ idealismo ira- 
scendeniale da lui fondato.* Bon Fichte im GOegenjate 
m Sant urtbeilt er αἴο S. 430: „Egli stabili come fallo 
primigenio e supremo, e in pari iempo come principie 
primo della cognizione e della scienza, l'esistenza del me, 
i quale con un suo alio produce, pone, crea sé siesso 
e il non-me e ogmi cosa E ciö che ὁ pur singolare, 
lio ponendo sé siesso per se. ὁ l'agenie primo e asso- 
leio, e insieme il prodotto dell alio!'* Kant „non ne 
gava la realilä delle cose, ma solo diceva non polersi 
dimostrare, questi riduce ogni reslilà a wma creazione 
dell io per mezzo della riflessione." — Bon &íbelling 
jagt er, daß er von Fichte's Syſtem nur vie Gonjequen 
gezegen €. 430: „Se l'oggetio non ὁ che una produzione 
del soggetio, l'uno e l'alro veagomo a immedesimarsi. 
Dunque lio e il non-io non sono che uma siessa coss, 
veduia solio diverso- rapporto. Questa ὁ la teoria dell 
jdeniità assolets.^ Von Drgei bemerft er Ξ. 430: „Bi- 
dotte per tal modo taetie le cose all’ umilà e identità as- 
solea, Hegel cercó qual fosse colesia cosa; e dedusse 
che questa cosa ὁ lidee. — Idea premde varie e diverse 
forme, e sache opposite, e cosi si trasforma in iutie le 
cose, e uscemdo dal malla al aulis räorma.” Cr zeigt ali; 
tann, taf Fichte, Schelling unc Hegel in ven Pantheiſswus 
verfallen Anar (S. 431)  Gine ιτεΐεπεε Bemerkung ve? 
Vers. über Fichte's Sebauptung: „Man fómne Get feine 
Perienlihfeit beilegen, ebae ibn in eim endliches Weien 
wmuskütem^ — fénnew wir bier nicht mit Stillſchweigen 
übergehen. Der Ser. erwidert bieranj S. 431: .}} che 
sarebbe verissimo, quando si premdesse Tmtelligenza ὁ la 


Theologia Naturale. 271 


personalità che si predica di Dio in un senso univoco 
con quella che si predica dell uomo.* Das überjehen 
and bie Deiften heutzutage, indem fie meinen: fie hätten 
ba Weſen ber abjolnten Perſönlichkeit fon erfaßt, wenn 
fie fagen : Gott [εἰ der intelligentefte Geift, die vernünfs 
tigle Einzelperfönlichfeit. Sie fragen gar nicht: wie Gott 
ſich als Sein ſchlechthin denken und erfafen müffe. Daher 
nicht zu wundern ift, daß ihnen bie Dreiperfönlichfeit 
Gottes in ber pofitiven Offenbarung widerſprechend erjcheint. 
— Im XIIL Cap. befchreibt der Verf. fobann ganz richtig 
die verberblichen Wolgen vom Pantheismus €. 434—437. 

3m XIV. Gap. madjt fid) der 9Berf. an vie Wider 
legnng des Pantheismus überhaupt. Er beftreitet hier ben 
Pantheismus in feinem Wefen. Wir glauben, biefe Wider: 
legung hieher fetzen zu müflen, da fie mande gründliche 
demerfungen enthält. Gr fagt juerft ©. 438: „Che il 
pmteismo offende il bon senso e contradice al testimonio 
ll μὰ certo e irrefragabile della coscienza. — Qual uomo, 
88 non delira, potrà persuadersi di non essere um indi- 
viduo sussistente im sé, distinto e separato da tutti gli 
ali ma tutto all’ opposto di aver commune con gli altri 
Uomini, anzi con BPio-siesso una stessa sostanza? — Ció 
che distingue un: subieto umano da ogni altro essere 
reale ὁ il sentimento: corporeo e intellettivo.^ — Dann: 
„X dunque impossibile che un subietto intelligente di 
mente sana possa, non dico persuadersi, ma né men so- 
Spellare di non esser altro che o un atto o un modo, 
un altributo di um’ identiea: sostanza che non ὁ lui, ma 
di cui egli non sia che una parte o un accidente.“ 
Gut Hat ber Verf. hierauf aufmetfjam. gemacht, daß man 
bei der Befämpfung des: Weſens vom Pantheismus vom 


218 Alessandro Pestalogza, 


Selbfibewußtfein des (Θείβεδ ausgehen muß. Er meint, 
daß das GSelbfigefühl und zuverfichtlidh Tage: daß jeder 
von and ein in fid) ſubſiſtirendes Individuum fe. — Hätte 
der Berf. ben Ichgedanken des Menſchengeiſtes analvfirt, 
fo würde εὖ ibm nod) flarer gemorben fein, daß ber Men: 
fchengeift ih im Selbfibewußtfein als €em für ὦ erfaßt. 
— Daß tec Menfchengeifi ein Eein für ih ift, erhelle 
amd) daraus, daß er fi feiner freien Selbſtbeſtimmung 
bewußt if, da er fid) fonft bei ter Berlebung des Eitten: 
gejeßed nicht anflagen, no fid Borwürfe madjen, πο 
Reue empfinden könnte. Nur auf diefem Wege fann man 
die Mehrheit ter Enbflangen erweifen, fowie amfzeigen, 
dag ter menſchliche Geiſt feineöwegd bloß eine Dffen- 
barungsthätigfeit, oder ein Attribut, ober ein Erſcheinungs⸗ 
Modus ter göttlihen Subſtanz [εἰς Uebrigens exfenuen 
wir ferner amd) daraus, daß ὑεῖ Menfchengeifi nicht eine 
Eriheinungsform von Gott id, da er ih oftmals von 
tem &ittengejege tijpenitven möchte, wenn er eine 2ieblingé 
leidenſchaft befämpfen ſoll. — Allein ver Berf. befämpit 
amd) ned) auf einem andern Wege ben Pantheiomus. Er 
geht hier von zwei Gejegen and, welche alfo lauten €. 439: 
„1. Che niente manchi all’ essere di ciö che ὁ necessario 
alla sua sussistenza; 2. che negli accidenti o nelle qua- 
lità dell’ essere non si dia coniradizione.^ Gr fagt daher: 
die Annahme Einer identiſchen Subſtanz veriteßt gegen 
das SBvincip des Widerſpruches — Allerdings. ©. 439: 
„Ma i fenomeni seguono ἰδ legge delia sostanza, da cui 
emanzno. Se dumque i femomeni o i modi e accidenti dell 
essere fanno una stessa cosa coll essere medesimo, € 
d'altra parie questi modi o sccidemii sono finiti contin- 
genli passaggieri e mutabili, mecessariamenie deve dirsi 











Theologis Naturale. 279 


che anche la. sostanza, da cui provengono e con cui fanno 
una slessa cosa, sia mulabile contingente finita. Ma la 
sostanza unica ammessa dal panteista ὁ necessaria infinita 
immatabile assoluta, quantenque si esplichi sotto tutte le 
forme finite mutebili contingenti. Dunque il panteista 
accoglie come una verità, la maggior possibile di tutte 
le assurdità, cio& che una sola e medesima sostanza con- 
lenga nel suo seno qualità e attributi, non solo diversi 
e anche opposti, ché in ció non c'é assurdo, ma fra loro 
ripugnanti nel massimo grado. Und warum? ©. 440: 
)L unica sostanza del panteista ὁ tull' insieme finila e 
ininita, necessaria e contingente, mutabile e immutabile, 
derna e prodotta nel tempo, assoluta e relativa; anzi 
olima e malvaggia, beata e soggetta al dolore e alla 
morte.^ Hierauf €. 440: „Come potete concepire, che 
il contingente sia un modo dell necessario, il mutabile 
una maniera di essere dell’ immutabile?* Der Berf. ers 
kennt richtig S. 441: taf das Unenvliche fein Selbſt nicht 
in endlichen Formen und Dingen offenbaren fónne. Auch 
wir jagen: Gin abfolutes Princip kann nur eine abfolute 
Snbjectobjectivirung (im ber Dreiperfönlichkeit) haben, aber 
ni$t eine enblidje (in der Weltiwerbung). 

Das XV. (Gap. mag vielleiht das intereffantefte im 
ganzen Buche jein. Es enthält die Widerlegung beó mo- 
dernen Pantheismus unter feinen verjchiedenen Wormen. 
Zuerſt beftreitet er bier ben Gmanatiómué. S. 443: „L’idea 
di emanazione implica solamente l’idea di manifestazione 
di ci ch’esisteva di già in un germe. L’emanazione dun- 
que dà per supposta la preesistenza sostanziale delle cose 
che si producono, e quindi la preesistenza dell’ universo 
hella sostanza divina.^ Daher bemerkt er auch bafeíbft: 


280 Alessandro Pestalorza, 


„La teoria dell' emanazione non ὁ che l'alióragione del 
concetto di creazione. Il concetio di creazione implica 
il concetto di realizzazione di ció che men era non solo 
come modo, ma né men come gostanza.^ Mit Reck. 
Denn wenn Gott fein Sein denkt, fo benft er ein unend⸗ 
lihed Sein, baher zeugt er aud) ein ihm gleiches Gavige: 
den Sohn. Anders ift e, wenn er die Welt benft. Als⸗ 
dann benft er fein. Nichtich, aljo ein endliches Sein, mit« 
hin fann εὖ aud) nicht aus feinem Weſen gezeugt, [ombetn 
es muß aus Nichts gefdjaffen werben. — Der Verf. be⸗ 
fümpft hierauf tenu realiftifchen. Pautheiamus in Spinoza. 
Einige Begenbemerfungen find mohl hier ungegründet, an- 
bere jebod) wieder ausgezeichnet. Wir fóunen bemnad 
nidt umbin, diefe anzuführen, ba fie als Waffe, gegen. den 
überfantnefmenben Pantheismus in unjerer Zeit ‚dienen 
fünnen. — Co zeigt der Verf. bie Quelle des Irrthums 
von Cpinoja'é Syftem 5. 445: „La teoria dello Spineza 
si fonda sopra una falsa nozione dell’ infinito. Egli sup- 
pose falsamente che la sostanza infinia, per essere in- 
finita, deve contenere in sé tutti i modi dell’ essere, e 
la realità tutta quanta.^ Dieſem können wir vollfommen 
beiftimmen. Denn ber Charafter ber Abſolutheit befteht 
darin, daß Gott das Sein ſchlechthin ift. Dadurch unters 
ſcheidet er fi von ber Weltereatur. Es gehört aber zum 
Begriffe ber Abſolutheit nidt, daß Gott das Allein ift. 
Denn fonft fónnte ber Menjihengeift fid) der freien Selbft- 
beftimmung nicht bewußt fein. — Weiter 1691 Der Verf.: 
„Jnolire, l'infinito non ὁ già.la.somma dagli esseri, mentre 
Qgni somma ὁ di sua nalura finita .e limitata, dove all’ 
inconiro lünfinito é.nnità e.semplieilà perfetlisaima.“ — Gine 
Summe απὸ enplidjen Weſen beftehenn, fonn nie eine un⸗ 


Theologia Naturale. 281 


ἐπ δ. werben. Das hat απ Strauß nicht bebadt, jonft 
hätte er das Abſolute nicht als vie Allheit des Weltvafeins 
beftimmt. Mit Grund bemerft ber Verf. €. 445: ,L'as- 
serire che, se l'infinito non comprende in sé l'universo, 
non é piü infinito, mentre c'é qualcosa che non é lui e 
di cui quindi egli manca, ὁ lo stesso che asserire che 
l'ininito, per essere infinito, deve essere anche finito, 
vale a dire, che per essere ció che é, deve essere e 
non essere a un tempo ció che ὁ." — Gofort gibt ber 
Ber. an, wie Epingza fein &yftem auf die falſche Auf; 
foffung des Bartefianifchen Subftanzbegriffes gründete. 
€. 445 ff.: „Il sistema di Spinoza si fonda sopra una 
felsa interpretazione della definizione cartesiana della so- 
slanza. Carlesio aveva detto che la sostanza ὁ ció che 
non ha bisogno d'alira cosa per sussistere, o sia ὁ ció 
che sussiste per sé. Spinoza ne conchiuse che: tutli gli 
esseri finiti, non sussistendo per sé, ma avendo bisogno 
di Dio per sussistere, non sono sostanze, e non si pos- 
sono concepire se non come semplici attributi dell’ unica 
sostanza che sola sussiste per sé:e.da sé. Ma, per quanto 
inesatla o incompleta fosse la definizione cartesiana, essa 
non mirava a definir la sostanza se non in relazione con 
gli accidenti. . L'accidenle ὁ ció che non puó concepirsi 
esislente in sé e per sé, ma ha bisogno per -sussistere 
di altra cosa cioé della sostanza. La sostanza invece ὁ 
cid che non ha bisogno d'alira cosa per sussistere, ció ὁ 
é il primo atto, pel quale un essere é, e in cui si fon- 
deno gli accidenti. — Altro à perö definire la sostanza 
in relazione oon :gli accidenti, coi modi, di cui ὁ fornita; 
eltro il cercare! il principio o la causa, per la quale una 
soslanza: sussiste. . Solto questo rispeito, altro ὁ l'essere 


« 


282 Alessandro Pestalosza, 


che sussisle per sé, perché improdoito e assoluto, il quale 
solo ὁ sostanza assoluta e necessaria; e altro ὁ l'essere 
che sussiste per sé relativamente a' suoi modi che si 
considerano asirattamenle, ma che dipende nella sua sus- 
sistenza dalla sostanza assoluta come da causa efficiente.“ 

Mit vielem biafectijdem Scharffinn bekämpft der Verf. 
bie Gründe, mit welden Spinoza fein Syftem befeftigte. 
Er Sagt €. 446: „Spinoza impugnó la possibilità di una 
produzione delle sostanze, fondàndosi su questo argo- 
menio, che le sostanze prodotle non possono avere se 
non o gli slessi attributi della sostanza produttrice, o 
attributi differenti. — E in primo luogo egli "nega che 
una sostanza possa produrne un’ altra che abbia attributi 
differenti, pel principio che una causa non puó produrre 
ció che non contiene in sé stessa.^ — Darauf entgegnet 
et ©. 446 ἢ. : „Il principio ὁ vero in qualche senso, ma 
la deduzione é falsa. Una causa non puó produrre che 
effetti simili a sé: simili, ma non identici; altrimenti, se 
l’effetto ὁ già contenuto nella sua causa come effetto reale 
e sussistente, non ὁ piü effelto, e la causa non ὁ vera 
causa, mentre produrrebbe ció che già esisle! —  Con- 
cediamo dunque che nessuna causa puó produrre un effetio 
che non sia simile a sé, che deva contenere ció che é 
nell' effeito; ma neghiamo che deva o possa produrre, 
un effelto identico a sé, che deva o possa contenere in 
sé l'effetto sotto la stessa forma e nella stessa maniera." 
Und wie jo? „Cosi ὁ vero che la causa infinita contiene 
in sé eminentemente ció ch'.essa communica di un modo 
finito alle sostanze da lei 'etreate. —  Inquesto senso le 
sostanze prodotte hano i medesimi attribuli e le slesse 
perfezioni che si trovano nella sostanza produttrice, perché 





Theologia Neturale. 283 


vi si trovano sotto altra forma, non già nella forma reale, 
ma come in causa esemplare ed efficiente; e perció ne 
differiscono essenzialmente, giacché passa un' essenziale 
differenza tra l'esemplare e l'esemplato, tra la causa effi- 
cienle e la sostanza effettuata.^ — Die Schöpfung aus 
Nichts ſucht ber Verf. alfo zu rechtfertigen ©. 447: „Spi- 
noza stabilisce il principio che la causa non puó produrre 
dió che non contiene in sé stessa. — Noi soggiungiamo, 
che di ció che un essere già contiene in sé non puó 
esser causa in senso proprio. — La vera causa é quella 
che produce cosa che non contiene in sé, ma che ha 
unicamente in sé l'atlività e le condizioni per produrla. 
Tali sono appunto in Dio l'esemplare delle cose, la po- 
lenza attiva e assoluta di effettuarle o sia di realizzare 
l'esemplare, e la volontà di operare con questa potenza." 
Anh wir glauben, daß nur burd) biefe Principien ber 
Jeentificirung der Welt mit Gott im Wefen vorgebeugt 
werden könne. — Der Verf. zeigt nun aud bie Nichtigfeit 
der zweiten Einwendung von Cpinoja ©. 447: „L’altra 
parie del dilema spinoziano era che, se le sostanze pro- 
dole hano gli stessi attributi della loro causa, non sono 
sostanze distinte da 6888." —  Geine Entgegnung ift: 
‚Rispondiamo, che le sostanze prodotte hanno attributi 
che rispondono all’ esemplare esistente in Dio, ma non 
gà gli stessi attributi reali.^ Alſo ift eine weſentliche 
Differenz zwifchen Gott und Welt. Dann ©. 447: „In- 
oltre, bisogna distinguere la differenza specifica dalla dif- 
ferenza numerica. Piü sostanze numericamente distinte . 
possono avere gli stessi altributi, la stessa natura, vale 
* dire, una natura specificamente identica. ᾿Οἰὸ prova la 
Possibilità che sussistano piü sostanze.* - 
Teol. Quartalſchrift. 1857. U. Heft. 19 





284 Alessandro Pestalozza, Theologia Naturale. 


Der Verf. widerlegt zulegt ben idealiſtiſchen Pantheis⸗ 
mus von Fichte, Schelling und Hegel.  Gelungen ift ihm 
bie Kritif über Fichtes Syſtem (€. 451). Er gibt fuu 
ben Fehler von bejjen Syftem dahin an €. 452; „L’errore 
di Fichte nasce dal falso supposto che l'io non sia allro 
che pura altivilà, e non passivilä ad un tempo. — Egli 
non vide nell uomo altro che pensiero, puro pensiero, 
dimenticando che l'uomo é anche sentimento, il quale di 
natura sua é passivo. — Considerö di poi che l'uomo 
non puó parlere se non di ció di cui egli ha coscienza, 
perché infatti, fino a tanto che una cognizione non é 
avverlita, per noi é come se non fosse. — E da ció 
dedussé falsamente che niente é, se non é pensato e av- 
verlito, quasi che le cose non esistessero prima che siano 
da noi pensate.* — Nicht mit Unrecht findet der Verf. 
€. 455 (f. ben Grund vom Pantheismug aud) darin, daß 
der Begriff vom allgemeinen Sein verwechſelt wurde mit 
bem wirklihen Abfoluten. Gott ift allerdings das allge, 
meine jchöpferifche Princip von Geift, Statur unb. Menſch. 
Dieß muß jebody nad) ber Idee und nidt begrifflich auf 
gefaßt werben. Faßt man ἐδ begrifflih, jo muß Gott 
freilih dann zum allgemeinen Grundweſen der Welt 
werben. 

Wir erjehen hieraus, daß ber Verf. von ber beut[den 
Philoſophie gut die neuern Pantheiften fennt, ob aud) bie 
Theiften — fónnen wir nicht beftimmen, ba nirgends ein 
Gitat fid von einem derſelben in feinem Werke vorfinbet. 
Die Fenntniß ber Legteren aber wäre in Italien münjdjené« 
werth, zur richtigen Würdigung ber ganzen beut[den Philo- 
fophie, da biefe Feineswegs überall Pantheismus ift. In 
de müfjen wir befennen, und befennen es gerne, baf 


Hofmann, Gombolif. 285 


„die natürlige Theologie" des Verfaſſers ein geblegente 
Werk ift. 
Zukrigl. 


3. 


Symbolik oder ſyſtematiſche Darftellung des ſymboliſchen 
Schrbegriffs der verfchtenenen chriftlichen Kirchen und 
namhaften Sekten. Von Prof. Rudolph Hofmann, Lic. 
theol. unb Dr. phil, Lehrer der Religion an ver Königl. 
Saͤchſ. Lanvesfchule zu Meißen. Leipzig, Friedrich 3Bolgt. 
1857. G6. X. 550. Pr. 5 fl. 15 fr, 


Der Verf. vorliegenden Werkes will damit „eine nicht 
blos von ihm gefühlte 9üde^ in ber Literatur ber Sym- 
bolif ausfüllen. Die meiften ver bisherigen Symboliken 
fein comparativer Natur. Sp wenig nun ber Werth 
diefer. Form verfannt werben wolle, fo fege blefelbe eineds 
theils fchon eine genauere Befanntfhaft mit ben Lehrbes 
griffen voraus, bie verglichen werben jollen, anbrerfeits 
könne es nicht fehlen, daß burd) bie vergleichende Darftellung 
ver fdjavfen Darlegung des innern foftematijden Zufammens 
hangs ber jeber Kirche eigenthümlichen Lehre, und [omit 
dem Berftänpniffe derfelben Eintrag gefchehe, wozu πο 
weiter fomme, daß jebe Vergleihung fchon eine Reflerion 
über bie Lehre fel und ben objectiven Charakter ber Syms - 
bolik verlege. Der Berf. gibt daher bet ſy ſtem a⸗ 
tifhen Worm ben Vorzug, ,melde mit ber Möglichkeit 
ftrengerer Objectivität den Vortheil größerer Anfchaulichkeit 
unb Leberfichtlichfeit verbindet.” „Es wird alfo jeder ein; 

19 * 


286 Hofmann, 


zelne Lehrbegriff als ein ſelbſtſtaͤndiges, abgefchloffenes 
Ganze zur Darftellung fonımen, in der Ordnung, wie bie 
einzelnen Lehren aus bem an die Spibe geftellten Princip 
fid) abwideln, mit Berüdfichtigung der ſymboliſchen Argu⸗ 
mentation, wenn eine folde in ben Symbolen felbft ge» 
geben ifi^ (S. 2 f. und faft gleichlautend Vorr. V sq.). 
Nur für bie Darftelung des Iutherifchen und reformirten 
Lehrbegriffs hat ber Verf. bie comparative Form gewählt 
— eine Inconfequenz, die er fid) felbft nicht verbirgt, ie 
aber fhwerli durch bie Bemerkung gerechtfertigt ift, baf 
das, was beide Kirchen trenne und auseinanderhalte, nicht 
ſowohl in ben Lehrelementen, fonvern vielmehr in bem 
verfhiedenen Geifte liege, der hier unb dort das ganze 
Lehrfyftem durchdringe unb in jenen unter[djeibenben efr. 
elementen nur feine beftimmtere Ausprägung gefunben habe 
(S. 224). Wir werben im Verlaufe hierauf zurüdfommen. 
Einer einläßlihen Beurtheilung beider Methoden glauben 
wir uns überheben zu fónnem. Das vorliegende Werk 
liefert den thatfächlichen Beweis, menn es befjen überhaupt 
nod; bedarf, vag bie fpflematifde Behandlung in ihrer 
Ausfchließlichfeit nicht weniger einfeitig und ungenügend 
ift. αἱ die bloß vergleichende und was fie vor legtetet 
an objectiver Haltung und ftärferer Hervorhebung des 
inneren Zufammmenhangs ver einzelnen Lehrbegriffe vorauds 
hat, baburd) wieder aufgewogen wird, daß biefe Qebrbes 
griffe fefbft in rein Außerliher Weife einander gegenüber; 
treten und ihr inneres Berhältnig unerkannt bleibt. Ob 
damit bem Intereſſe eines großen Theiled ber Lefer — der 
Berf. hat vorzugsweife angehende Theologen im Auge — 
geblert fei und ob burd) die Furzen beurtheilennen Schluß, - 
bemerfungen, welde (id der Entwidlung des katholiſchen 


Symbollk. 287 


unb griehifchen Lehrbegriffs angehängt finden, ber Mangel 
einer ble verfchiedenen Lehrtypen auf einander 6eglebenben 
und ihren relativen Werth unbefangen abmügenben Darts 
ftelung compenfirt werde, wird wohl nicht ohne Grund zu 
bezweifeln fein. 

Indeß find wir gerne geneigt, diefen formellen Mangel 
gelinde zu beurtheilen, wofern bie Darftellung des Verf. 
in der That ben Charakter „fterengfter Objectivität“ 
an ſich trägt, ber zu liebe er (td hauptfächlih für bie 
Ípftematijde Behandlungsweife ent[dieben hat unt bie 
nad. Kräften angeftrebt zu haben, er wiederholt bie be: 
ftimmtefte Verfiherung gibt (SBorr. VII sq. S. 3). Leider 
aber wird alsbald unfere Erwartung bebeutend herabges 
flimmt duch die Erklärung, der wir ſchon ©. 7 begegnen: 
„Wie objectio fih aud) ber Symbolifer zu allen Symbolen 
ohne Unterſchied ftellt, fo ift ibm bod ein fubjec 
tives Refultat vie Hauptſache, nämlich dieß, daß 
auch bei der unpartheiifchften Darlegung jedem einleuchte, 
wie bie Symbole feiner Kirche jeden 9Bergleid mit denen 
andrer Kirchen aushalten und, um ed rund heraus zu 
fagen, unter allen doch allein bem Herzen einen freubigen 
Zuruf der Zuftimmung entloden.” Wie ftd) „ftrengfte 
Objectivität” und Unparteilichfeit mit biefem fubjectiven 
Rejultate, welches als ble „Hauptfache” gilt, vertragen 
mögen, ba6 läßt fid) nur (dimer einfehen, unb wie wenig 
fi in ber That in bem vorliegenden Werfe beides mit 
einander vertragen hat, dafür werben wir bie factifchen 
Belege in nicht geringer Anzahl beibringen. Einem Specis 
men ber „ftrengften Objectivität” unſeres Symbolikers bes 
gegnen wir fogleid) auf der nädftfolgenden Seite, wo er 
ft über ble Symbolif von Möhler folgenbermafen aus 


288 Hofmann, 


laͤßt: „Ein Beweis von ächter Wiſſenſchaftlichkeit aud) unter 
Katholiken (sich), aber auch von katholiſcher Entſtellung: 
oft unrichtiges Verſtaͤndniß, ſelbſt unbewußt ketzeriſche Aus⸗ 
deutung katholiſcher Dogmen.“ Für ſolche Anſchuldigung 
eines in der Kirche hochverehrten und ſelbſt von ſeinen 
Gegnern hochgeachteten Gelehrten iſt man mindeſtens einen 
Beweis ſchuldig. Hr. Hofm. iſt ihn ſchuldig geblieben; 
wir finden nirgends auch nur einen Verſuch dazu, ſtatt 
deſſen S. 120. A. 1 die wiederholte Verſicherung, daß 
fid) ſelbſt bei Möhler (wie bei anderen 9Bortfübrern ber 
katholiſchen Kirche) „weſentliche Abweichungen von dem 
tridentiniſchen Glauben nachweiſen ließen,“ wodurch er 
„zum Ketzer geſtempelt werden würde.“ Wir unſererſeits 
vermögen in dieſer kecken, unerwieſenen und unerweisbaren 
Behauptung nichts anderes zu erkennen αἰ die alte Taf- 
tif (die wir irrthümlicherweife für eine längft veraltete 
und abgenüste gehalten) — der katholiſchen Sache die 
vortheilhafte Stellung, die ihr bie Möhlerihe Gym. 
bolif ihren fámmtfiden Gegnern gegenüber errungen, ba; 
durch zu entreißen unb die erfolgreichen. Angriffe des fatbo 
liihen Symbolifers damit im Voraus zu entfräften, taf 
man letteren ijolirt, indem man zwifchen vem angeb- 
(i „Möhler'ſchen Katholicismus“ und bem wirklichen, 
bem tridentinifchen Katholicismus eine fcharfe Scheivelinie 
giebt. If man vorbem zumeift bei ber Behauptung ftehen 
geblieben, Möhler habe den Katholicismus „idealiſirt,“ fo 
gebt unfer Symbolifer einen Schritt weiter: Möhler ift in 
manchen Stüden, wenn auch unbewußt, ein Ketzer. Wir 
haben hierüber fein Wort zu verlieren, hätten überhaupt 
bievon gänzlich Umgang genommen, wenn nicht tiefe Aus: 
laffung des Berf. Im voraus deutlich erfennen ließe, welde 


Symbolik. | 289 


Stellung er der katholiſchen Kirchenlehre gegenüber einzns 
nehmen gedenft und weſſen wir und von feiner Darftellung 
derfelben zu gemürtigen haben. (ὁ find, um bieß von 
vorneherein Furz und zund zu erflären, Gehäffigfelt gegen 
die Fatholiihe Kirche unb Unfenntniß ihrer Xehre, welche 
in biefem Buche einander ben Vorrang ftreitig machen. 
Der fpecielle Nachweis im Bolgenden. 

Der Symbolik ber có mifdsfatbolifden Kirche 
find ΕΘ, 11—123 gewidmet. Die Eriftenz tiefer Kirche 
datirt nad) ber Berechnung des Verf. erft von ver Zeit 
ihrer (Ὁ Trennung von ber griechifch-morgenländifchen Kirche, 
wo fie fid) zuerft factiſch als eine befonbere Kirche mit bes 
fonderem Namen und unterfcheidenden Grunvfägen geltend 
gemadjt hat (S. 11). Der erfte Abfchnitt handelt von 
ihren fombolifden Schriften. Als Hauptſymbol werben 
die canones et decreta concilii Tridentini aufgeführt, ale 
Cecunbür[ombole ble Professio fidei Tridentinae, der Cate- 
chismus Romanus, das Missale Romanum und das Drevia- 
rium nambaft gemacht unb in einem Anhange vie f. g. 
ófumeni[den Symbole (das apoftolifde, nicánozconftantino: 
politani[de unb athanafianifche) beigefügt. Hr. Hofmann 
fann fid bier nicht enthalten, aud) des fo übel berüchteten 
„Ungarifhen Windjformularó^ gebührende Erwähnung zu 
thun, welded freilih, „da die Kirche ihre Mitwifjenichaft 
(eugnet, feine Onelle für die Darftellung des Tombolifchen 
Glaubens abgeben fann, aber bod) ein Zeugniß für bie 
Wrudt des Fatholifchen Glaubens if.” Die Fatholifche 
Kirche ift nämlih „Hug genug, folden Dingen, vie fie 
wohl recht gerne flieht, gegen bie fie aber Widerſpruch ers 
wartet, nicht öffentlihe Sanction zu geben, um jeberzeit 
bie Verantwortung dafür ablehnen zu fónnen. Daher hat 


L 


290 . Sofmann, 


fie εὖ denn and geídjeben laſſen, daß {εἰδῇ vie verab- 
fheuungswürbigften Formulare, vol von Berfluchungen im 
ultramontanen Sinne, bei llebertritten zur Anwendung 
gebracht wurben, wie febr aud) bie Kirche als folde mit 
ihrer Unfenntniß coquettirt“ (€. 18; in allgemeinerer 
Faſſung ©. 119 f. wiederholt), Wir erachten es unter 
ber Würde ber Fatholifchen Kirche, fie gegen foldje Beſude⸗ 
[ung, gegen jo haͤmiſche, völlig aus ber Luft gegriffene 
fBerbüdjtigung in Schug zu nehmen. Gehen wir weiter. 
Ans dem Umftande, daß in ben Fatholifchen Bekenntniß⸗ 
fchriften das Symbolum Quicunque ferfómmtidjermeife S. 
divi Athanasii genannt wird, glaubt ver Verf. ſchließen zu 
muͤſſen, εὖ folle damit wohl die Autorfchaft des Athanaſtus 
behauptet werden, und hält fid) für berufen, dieſen hiſto⸗ 
rifchen Irrthum zu berichtigen, wobei ex indeß nicht ver 
ſchweigen fann, daß „felbft ein Papft, Benebict XIV. fi 
gegen ben Urfprung von Athanafius erflärt hat“ (G. 24). 
Hr. Hofm. hätte fi, alfo wohl vie Mühe einer Berich⸗ 
tigung erfparen können; um ihm jebody einigermaßen bafür 
erfenntlid zu fein, wollen wir ihn darauf aufmerffam 
machen, daß es, gelinbe ausgebrüdt, fodit unwahrſcheinlich 
ift, was ihn das wahrſcheinlichſte bünft, bag nämlich der 
Autor des nicänifchen Symbolums Eufebius von Cäfarea 
it (€. 24). 

Die Darftelung ber Fatholifchen Glaubenslehre eröffnet 
fachgemäß vie Lehre von ber Kirche. „Die Kirche”, wird 
bemerkt, „ift in bem. katholiſchen Glaubensſyſtem die noth⸗ 
wendige Vorausſetzung dieſes Syſtems felbft. Aller Glaube 
ruht in bem Selbftbewußtfein ber Kirche. Was als Glaube 
bingeftellt wird, wird εὖ deßwegen, weil ſich ble Kirche 
pen, als ihres Glaubens bewußt geworben if. — Alle 


Symbolik. 201 


einzelnen Glaubenslehren erhalten ſomit ihre Aufſtellung, 
ihre Berechtigung, ihre Form und ihre Gewähr allein aus 
ber fitde. Es fann ihr Gíaube von nichts Anderem ab; 
hängig gemadt werben, als von ihr felbft; fo fónnen ihr 
auch nicht bie Exrfenntnißquellen ihres Glaubens von außen - 
vorgefchrieben werden, fonbern fie entſcheidet bavüber voll; 
fommen frei, was fie ald Grfenntnifquellen ihres Glaubens 
anfehen will... Sie allein hat zu beftimmen, wer fie 
fein will, aber Niemand hat ihr vorzufchreiben, wer fie 
fein foll^ CS. 25). „Die fatfoli[e Kirche war etwas 
Giegebeneó , und ſchrieb ihrerfeitd vor, in weldhem Buche 
fie ihren Glauben ausgebrüdt finde. Die Schrift ift. erft 
von ihr in bie Würde eines Offenbarungscoder eingejeót, 
alfo eigentlich ihr Machwerk, während nad proteftantifchen 
Begriffen bie Kirche ein Machwerk ber Schrift ift, burd) 
welche fie erft das Diftori[e Recht: zu beftehen erhalten 
fat" (&. 275). Hier herrſcht, der Verf. möge und ben 
9luébrud zu gute halten, vollftändige Begriffjsverwirrung 
und erweist fid ſchlagend fein Unvermögen, bie Fatholifche 
Kirchenlehre objectiv aufzufaſſen und wieberzugeben. Wer 
nur einigermaßen ein Verftänpniß ber Fatholiihen Ans 
ſchauung von ber Kirche hat, flieht auf ben erften Blick, 
daß in ber obigen Darftelung ganz verſchiedene und ſtreng 
απὸ einander zu Daltenbe Momente unter[djlebé[o8 in eins 
ander gewirrt find, bie Stellung ber Kirche einerfeits . 
bem einzelnen Gläubigen gegenüber, anbrerfeits zu bet 
chriſtlichen Offenbarung und deren Erfenntnißquellen. In 
erfterer Hinficht ift vollfommen ridtig, wenn gejagt wird, 
aller Glaube ruhe im Selbſtbewußtſein der Kirche und ibt 
Gíaube fóune von nichts Anderem abhängig gemacht met: 
ben als von Ihr jelbft. Der einzelne Gläubige ift für 


. 292 Hofmann, 


feinen Glauben an bie Kirche gewiefen, aus ihrer Hand 
empfängt er denfelben, nicht umgefehrt die Kirche von ihm; 
die Kirche ift bem Einzelnen gegenüber autonom, wobei 
inbeg nicht zu überfehen, bag ber Einzelne, foferm er leben 
viges Glied am Leibe ber Kirche, nicht in einem blos pafs 
fiven Abhängigfeitsverhältnifie zu ihr flebt. Ganz anders 
dagegen verhält e fid) Binfiditlid) ber Stellung ver Kirche 
zum Glaubenéobject unb zu ben Gíaubenóquellen. Es ift 
burdjauó unwahr unb verftößt offen gegen ben. Sinn ber 
Kirhe, wenn gejagt wird, dieſe entftbelbe darüber voll; 
fommen frei, was fie als folded anjehen wolle, tie Bf. 
Schrift fel ifr Machwerf u. dgl. Die Kirche war fidh ſtets 
bewußt und Dat ed auf ber Gynobe von Trient feierlich 
erflärt, daß ald Quelle der ganzen Heildlehre die zuerft 
von bem Herrn felbft unb dann auf feinen Auftrag von 
den Apofteln verfünbete Heilsbotfchaft zu gelten hat, nieder: 
gelegt in bem apoftofifdjen Schriften unb ber auf die 
Apoftel zurüdgehenden mündlichen lleberiieferung (Sess. 
IV. decret. de canon. scriptur.). Wie fónnte fte fid) über 
ihre Abhängigkeit und Sórigfeit nad) beiden Beziehungen, 
fowohl was den Glaubensinhalt ald die Glaubensquellen 
betrifft, beftimmter erflären, wie fónnte fie unumwundener 
anerfennen, daß fte auferbaut ift auf bem Fundamente 
ver Apoſtel und Propheten (Eph. 2, 20), daß fte die von 
ven Apofteln ihr übergebene Heilslehre als ein heiliges 
Depofitum betrachtet, welches fie mit gewifjenhaftefter Treue 
zu bewahren und zu verwalten fich für verpflichtet hält? 
(1 Tim. 6, 20; vgl. Vincent. Lir. Commonit. c. 27.) Die 
Kirche ift allerdings nad katholiſchen Begriffen fein „Mach⸗ 
werk der Schrift” und kann es nicht fein, well fie das 
Brühere, die Echrift das Spätere ift; fie fann eben darum 


Symbolik. 293 


naturgemäß das Recht ihrer Eriftenz nicht erft von ber 
Schrift erhalten haben; allein ebenfowenig ift die Schrift 
„ein Machwerk der Kirche” (wenn man die Apoftel nicht 
in die Kirche miteinbegreift). Die Kirche macht nicht bie 
Schrift, fonbern fie bewahrt und bezeugt blefelbe, fo wie 
fie fie aus den Händen ber Apoftel empfangen hat; in ver 
Frage, was DL. Capoftolifche) &drift fei und was nicht, ent» 
fheidet nicht ihr Gutbünfen nod) aud) ber sensus priyatus 
ihrer Glieder, fonbern ihr hiſtoriſches Bewußtſein und 
Gewiſſen. Man follte nit nöthig haben, einem gelehrten 
Theologen dgl. Binfenwahrheiten in Erinnerung zu bringen. 

In bem folgenden $., wo bie Merfmale bet wahren 
Kirche aufgeführt werden, fommt ber Verf. aud) auf ben 
Eat: extra ecclesiam nulla salus, iw feiner Weiſe zu 
ſprechen. Es wird bemerft (S. 27), viefer Cat werbe 
qud) von ber futherifchen Kirche vinbicirt, nur mit bem 
Unterfchieve, daß in tiefer nicht ble wahre fire mit ber 
änferen Erfcheinung der Kirche identificirt werde, bie fa; 
tholifche Kirche dagegen auébrüdlid) verlange, daß man 
ein änfßeres Glied der äußeren Kirche fei — wo nicht, fo 
gehöre man zum regnum diaboli Gt hat freilih aud 
gehört, baf „aufgeflärte Theologen” blefen Sag von jeher 
zu mildern gefud)t haben, ja er weiß, daß fogar ber römifche 
Catechismus (I, 10, 1) ihn nur auf wiſſentliche und hart, 
nädige SBiberfadyer der Kirche angewendet wiflen will. 
Nichtsdeſtoweniger, meint er, fónne tiefe mifbere Anfſicht 
nicht af Meinung ter Kirche angefehen werben, und zwar 
aus tem Grunde nicht, weil „jedem Kanon das Triven- 
tinum ein anathema sit für jede abweichende Lehrmeinufg 
beigegeben hat." Wir enthalten uns hier, wie billig, jeber 
Bemerkung. 


294 Sofmann, 


„Die Kirche“, fefen wir €. 28, „fofern fie einen 
Verein barftellt, mug ans Gliedern beftehen. (Natürlich !) 
Die ganze Maffe der Glieder {δεῖς fid in zwei große 
Hälften“ (bie triumpbirtenbe unb bie flreitende Kirche). 
Woher weiß ble Hr. Hofmann? Der rómi[de Catechis⸗ 
mus, auf ben er fid) bezieht, fagt einfach: 2 Theile. Ein 
betartigeó Quidproquo follte fidy tod) wohl ein Autor nicht 
zu Schulven fommen lafjen, ver von fidj ſelbſt rühmt, daß 
er „vor allem nad) Klarheit der Darftellung. und Präs 
cifion des Ausdrucks geftrebt” und „mande Stelle, 
mander Ausdruck, ber fid) fo obenhin liest, dad Ergebniß 
wiederholten Duelenftudiums, Stadjbenfenó unb Abwägens 
gewejen ift^ (Vorr. VII. 

€. 32 ftoßen wir auf die Behauptung: „Jedes Goncil 
erweist (id als ökumeniſch erft durch den Erfolg: ob feine 
Decrete einestheild mit bem consensus patrum, anderntheils 
mit bem consensus omnium fidelium übereinftimmenb et» 
funden werden. Die Annahme ber Deerete von €eiten 
ber Gefammtheit der Kirchengliever gibt alfo factifch ben 
Concilbeſchlüſſen erft die Sanction.” Dies ftellt Hofmann 
als fatfolijde Kirchenlehre bin! Er fat wohl fdyon davon 
gehört, taf einzelne Particularfgnoven durch allgemeine 
Annahme ihrer Beichlüffe das Anfehen ofumeni[der Gon» 
eilien erlangt haben unb conftruirt fid hieraus frifchweg 
eine allgemeine Regel. Das nádjfte befte Gompenbium ber 
Dogmatik fann ihn belehren, daß er fid) hier gröblich ge 
irrt hat. 

€. 39 kommt er auf das kirchliche Verbot des Bibel⸗ 
loſens zu teben. Er gibt bie Gründe dieſes Verbotes an, 
und zwar als ben [egtem und feines Erachtens wohl ale 
ben Hauptgrund „das Snterefje, welded vie Geiſtlichkeit 


Symbolik. 295 


daran hatte, ſich allein den hl. Schatz zu vindiciren und 
das Volk in abhängiger Unwiſſenheit zu erhalten.“ — Armes 
katholiſches Volk, wie traurig ſtünde e8 um bid, wenn 
nicht bie Londoner unb Basler Golporteute deiner Unwiſſen⸗ 
heit ungerufen zu Hilfe fámen und tro& beiner Harthörig- 
kit und Ungelehrigkeit an vem Foftipieligen Werfe teiner 
Evangelifirung unberbroffen fortarbeiteten! 

ϑια S. 42 ift εὖ ſymboliſche Lehre, daß zwar alle 
Engel gut gefchaffen worben, die meiften aber von Gott 
in Hochmuth abgefallen feien. So überfegt Hofm. das 
primi des römiſchen Gatehismus. Wir führen dieß nur 
an, weil ſchon bie oberflächlichfte Bekanntſchaft mit ber 
Lehre der Väter und Theologen folche lleberjegung τοῦτος 
unmöglich gemacht haben. Ebenvaf. findet er bie Bemer- 
fung des Catechismus, die rein materielle Ereatur erfülle . 
aud nach bem Yale des Menfchen mod) überall ihren 
Zweck, wo Ihr nicht von außen ein Hinberniß in ben Weg 
gelegt werde (IV, 12. 3), im Widerſpruch mit Genef. 3, 
11--19 πὶ Röm. 8, 19 f. Wir glauben, daß mit Aus 
nahme des Berf. wohl Niemand hierin einen Wiverfprud 
erblikckt, und würden hievon völlig Umgang genommen 
haben, hätte ber Verf. nicht in ber Vorrede die Verficherung 
gegeben, daß er „vie Lehrfyfteme felbit zur Wahrung ihrer 
Objectivität nie durch eine eingemifchte Kritif unterbrochen 
habe (S. VIII). Es if tie übrigens nicht ber einzige 
dal, in bem er feines Verſprechens uneingebenf. gewefen. 

Ueber das Mißverſtaͤndniß ter Fatholifchen Lehre von 
der justitia et sanctitas originalis, bie Hofm. in ber „fteten 
Herrichaft der Vernunft über ble niederen Triebe“ aufs 
gehen läßt (€. 43 f), wollen wir uns nidt weiter aud; 
laſſen. Hätte ver Verf, bevor er zur Darſtellung ber 





296 Hofmann, 


fatbolifden Kicchenlehre fchritt, aud) nur oberflaͤchlich in 
ber Eirchlihen Theologie ὦ umgefehen, fo wäre ihm das 
richtige Verſtaͤndniß der bejügliden Stelle des römifchen 
Catehismus (L 2. 18) nicht fihwer geworben und die 
völlig mißlungene Erklärung des dort vorfommenben Aus⸗ 
drucks: temperavit erſpart geblieben. — ©. 45 fodann ers 
fahren wir, daß zufolge ber Kirchenlehre bie Sünde Adams 
jevem feiner Nachfommen als perſönliche Sünde ins 
härire. Wir erfuhen den Verf., dieſes Dogma für fid) 
zu behalten. Ebenſo müfjen wir gegen die angebliche 
Kirchenlehre Verwahrung einlegen, in Folge der Erbfünde 
könne ber Menfch „in feiner Weife von Cünten fi frei 
erhalten.” Die hiefür angezogenen Stellen des Gatedjió; 
mus fprechen blos bie Unfähigfeit des (erbſündlichen) Mens 
iden zu wahrhaft Gott gefälligem Wollen und Thun unb 
weiterhin dieß aus, daß berfelbe ohne göttlihen SBeijtanb 
fid von Sünden nit rein erhalten fünne. Der Zufag: 
„in feiner Weiſe“, jofern er alles Thun des Menſchen ale 
ein fündhaftes characterifirt, ift mit ber Fatholifchen Lehre 
nicht zu vereinbaren. Gleicherweiſe müffen wir es als ein 
ans höchft mangelhafter Senntni ber firdjliden Theologie 
fidj herleitendes Mißverftänpniß erklären, wenn ber Verf. 
Cebendaf.) die Anficht einiger Theologen, wornach vie Erbs 
fünbe levigli im ber carentia justitiae originalis inesse 
debitae befteht, ohneweiters zur fymbolifdyen Lehre ftempelt. 
Richt weniger unridjtig ift εὖ, wenn Hofın. (S. 42) meint, 
bie Kirche müfje ihre Unterftügung durch Gebet unb Opfer 
Allen verweigern, die nicht ihre Glieder find. „Dan bente 
dabei an ble unlängft bem fel. Großherzog von Baden 
verweigerten legten Ehren.” (S. 96 fommt ber Berf. auf 
biefen erlatanten Sall. noch einmal zurüd) Nun wohl! 


Symbolik. 297 


bie feierliche unb öffentliche Darbringung ihres bI. Opfers 
verweigert die Fatholifche Kirche Denjenigen, die außerhalb 
ihrer Gemeinschaft aus biejem Leben gefchieden find. Co 
weit bat unfer Symbolifer Recht, obwohl er weit davon 
entfernt ift, ven wahren Grund diejes Verfahrens einzus 
ſehen; was er dagegen mod) außerdem behauptet, beruht 
auf völliger linfenntnig ver fatfolijden Lehre unb Praris. 
Eine gleihe Unkenntniß verräth fi in ber Angabe 
(€. 54), ter Ablaß betreffe „zunädft nur die von ber 
Kirche auferlegten Strafen, über welche der Kirche allein 
ein Urtheil zuftehe; aber bittweife, per modum suffragii 
erftrede er fid) audj auf die von Gott bem Menfchen zus 
gedachten zeitlichen Strafen hier in dieſem eben over 
im Segfeuer.^  Gbenbaj. (&. 55 f.) weiß uns ber Verf., 
neben bem „abjcheulichften Mißbrauche“, bis zu ‚welchem 
bie Lehre vom Ablaß von einigen Theologen (wer find 
bieje?) „ausgebildet worden ift", aud) von ben Inbeljahren 
zu berichten, deren eier Clemens VL, „ven Bortheil des 
rómijden Volkes bebenfenb", je auf das 50. Jahr feftges 
fegt babe, und außerdem von „noch jept häufig wieder⸗ 
fehrenden Promulgationen von Ablaß für beftimmte 
Sünden auf beftimmte Zeit.“ 

Wie febr unjerem Symbolifer bie Bekanntſchaft mit 
der katholiſchen Theologie abgeht, beweist fogleid) wieder 
auf der nädhfifolgenden Seite die Gonfundirung ber gratia 
gratis data mit ber gr. praeveniens s. excitans. Und wie 
wenig er fid) bemüht ober wie wenig es ihm gelungen, in 
den Sinn und Geifl ber fatbolifden Rechtfertigungslehre 
einzubringen, zeigt die ſeltſame Yolgerung, vie er aus bem 
Gage des Triventinumd: hano dispositionem seu prae- 
parationem justificatio ipsa consequitur, glaubt ziehen zu 


298 Hofmann, 

müflen, daß nämlich hienach die Vollendung ber Wieders 
geburt Gott allein vollbringe (S. 58). Sollen tiefe 
Worte ven Sinn haben — und fie können faum einen 
anderen haben — im Acte der Rechtfertigung ſelbſt fel 
Gott allein thätig, der Menſch verbalte ſich dabei blos 
paffto; fo hätte den Verf. von tiefer Ausventung ber 
katholiſchen Auffaffung ſchon allein bie Erwägung abhalten 
follen, daß eine Xehre, melde ble freie Mitthätigfeit des 
Menfchen für ben gefammten Proceß feiner Rechtfertigung 
und Heiligung mit allem Stadjvud in 9Infprud) nimmt, 
diefelbe im Acte ber Rechtfertigung felbft nicht ausfchließen 
. fann, und daß fte dieß in Wirklichkeit nicht thut, davon 
hätte ihn die von ibm felbft angeführte tribentinijde 98e 
griffsbeftimmung von ber Rechtfertigung überführen fónnen, 
ber zufolge bieje nicht bloße Suͤndennachlaſſung it, fondern 
aud) Heiligung und Ernenerung des inneren Menfchen 
per voluntariam susceptionem gratiae et donorum (S. VI. 
cap. 7). Vollends unbegreiflih ift uns bie Behauptung, 
im katholiſchen Syfteme habe ber Glaube mit ber vertrauend- 
vollen Hingabe an die fünbenpergebenbe Gabe Gottes in 
Chriſto (ber f. g. fiducia) nichts zu tbun (S. 65). Hätte 
bieß allerdings nur den Sinn, die Fatholifche Kirchenlehre 
halte die fides und die fiducia als fubjective Momente im 
Rechtfertigungsprocefje begrifflih auseinander, während im 
proteftantifchen Syfteme der allein rechtfertigende Glaube 
nichts anderes aí8 eben jene fiducia it; fo fónnten wir 
und mit Hrn. Hofm. einverftanden erklären. Allein wenn 
derſelbe (S. 162) in Bezug auf ble Rechtfertigungslehre 
ber griechiſchen Kirche bemerkt, daß dieſe Kirche zwar in 
ber Auffafjung des Glaubens als feften Bürwahrbaltend 
alles bejfen was Gott geoffenbart, mit ber römifchen zus 


Symbolik. | 299 


fammenftimme, infofern aber ber proteftantifchen Auf 
faffung von ber Heilsordnung fid) nähere, als fte zu bem 
Glauben nod) die ἐλπίς, das fefte Vertrauen auf ble gött- 
[ide Gnade in Gfrifto, hinzutreten laſſe; fo fällt in vie 
Augen, daß mit bem oben angezogenen Sage auferbem 
gefagt werben will, bie Fatholifche Kirche habe dieſes Ver⸗ 
trauen. nicht zur Geltung gebracht. Hierin verräth (id, 
wenn nicht abfidtlide Verdrehung, fo zum wenigften voll 
ftändige Gedanfenlofigfeit: Um fi) davon felbft zu über: 
zeugen, möge Hr. Hofm. nur ben Paſſus nachlefen, ven 
er felber (S. 56 f.) aus bem Triventinum (VI, 6) aus- 
gehoben hat. | 
Aus der Verwerfung der calvinifchen SBrábeftinationé: 
lebre Seitens ber Fatholifchen Kirche folgert ber Verf., daß 
legtere bie Prädeftination überhaupt und in jebem Einne 
(aud) als ewige Borherbeftiimmung Einiger zum Leben) 
nicht anerfenne — im offenen Gegenfa& gegen bie bod 
ficchlich autorifirte und neuerbingó von Janfenius vertretene - 
Lehre Auguſtins (S. 58 f). Ein höchſt voreiliger Schluß, 
von deffen Unftatthaftigfeit ihn [don die von ihm ange 
jogene, aber freilich in Fläglicher Weiſe eregefirte Stelle 
des Tridentinums (VI, 12) hätte überführen müfjen, wenn 
ibm nur einige f'enntnig ber in ber Kirche über dieſe Frage 
gepflogenen Berhandlungen zu Gebote geftanben wäre. 
©. 67 f. jobann wird der Synode von Trient verübelt, 
baf fie feine. flare Begriffsbeftimmung von Tod⸗ unb Gr; 
laßfünden gegeben Babe. Wir fefbft bebauern bief um 
des Berfaffers willen, ber ſich nicht geringe Mühe foften 
läßt, ihren Unterfchied zu eruiren und zu bem Ergebniß 
gelangt, „daß die Fatholifche Kirche ben Unterfchieb weniger 
auf. bie Gefinnung des Menfchen aíd auf das Material 
Lheol. Quartalſchrift. 1857. U. Heft. 20 


300 Hofmann, 


der Handlung gründet” und ,bag Erlaßfünden ſolche find, 
vor denen aud) der Gerechtfertigte fid) nicht hüten kann.“ 

Aus der Darftelung der Fatholiichen Lehre von ben 
Cacramenten wollen wir, mit Uebergehung mander 
theils fdjielenber, theil® geradezu unrichtiger Angaben, nur 
einige Punkte fpeciell hervorheben. Die kirchliche Lehre von 
ber Wirkfamfeit ber Sacramente ex opere operato wirb 
vom Berf., wie dieß bei proteftantifchen Theologen Sitte 
ift, dahin auégebeutet, daß von Seite des Empfängers 
nur verlangt werde „pofitiv: daß er die Intention habe, 
das zu empfangen, was von bet Kirche abminiftritt wird; 
negativ: daß er der Wirkung des Sacraments fein Hinder⸗ 
niß entgegenftelle, was dann 'gefchieht, wenn er ed mit dem 
Borfage in feiner Sünde zu beharren empfängt“ (©. 74). 
Unſer Eymbolifer hat zwar von Bellarmin gelernt, daß, 
wenn man fid ben Riegel wegbenfe, nothwendigerweiſe 
voluntas, fides et poenitentia an {εἶπες Stelle erjcheint 
und bemnad) ein indifferentes SBerpalten zum Gacramente 
nicht denkbar it. Nichtsdeſtoweniger bleibt ex bel der obigen 
Deutung ftehen, obwohl eine unbefangene Erwägung der 
tridentinifchen Ausführungen über bie erforderliche fubjec 
tive Dispofition auf die Steditfertigung, bie im Empfange 
des Taufs (oder Buß⸗) Sacramentes zum Abſchluſſe fómmt 
(S. VI. cap. 5 und 6), fowie bet Erklärung derfelben 
Eynode S. XIV. cap. 4 de poenit. (am Schluß) ihn Hätte 
überzeugen fónnen, vag Bellarmin fid bier ganz im Sinne 
ber Kirche ausgefprochen hat. Allein wo man mit Angriffe 
mitteln jo übel berathen ift, gibt man nicht gerne eine 
Waffe aus der Hand, mag fie nod) fo (djartig jein. 

Die Apminiftration ber Firmung wird (&. 76, ebeujo 
©. 83) ten SBijdófen allein jugeftanben unb (G. 174) 








Symbolik, . 301 


hierin eine Unterſcheivangslehte der fatemifdjen tmb orien- 
taliſchen Kirche entbedt. ine genauere Beachtung δεῖ 
- Worte des betseffenven triventiniichen Kanons, wornad 
ber ordentliche Minifter dieſes Sacramentes allein bet 
Biſchof ift, Hätte den Verf. auch ohne Zuratheziehung der 
. Instructio ad Armenos des P. Eugen IV. belehrt, daß in 
fraglicyer Hinficht feine ausfchließliche Befugniß ber Bifchöfe 
geltend gemadjt werden will, wie benn befannt ift, daß 
die Giltigfeit der von griedifdjen Prieftern gefpenbeten 
Firmung von ber lateinifchen Kirche nicht beanftandet wird, 
wiewohl die griechiſche Praris in ihr zu ten Ausnahme, 
fällen gehört. — Unter ten. Wirkungen des Sacramentes 
bet Euchariftie figurirt (S. 90) in zweiter Linie der Er, 
laß ter zeitlihen Günbenfirafen. Da der Berf., wie wit 
öfter8 zu bemerfen Gelegenheit hatten, ſehr geringe Befannt- 
daft mit der katholiſchen Theologie verräth, fo waren wir 
nidt wenig erftaunt, bier eine fefv Dopotbetijde Anficht 
einiger Theologen als fombolifde Lehre der Kirche zu 
finden. Oder ſollte vielleicht der Verf. diefe Lehre in ven 
Worten ted Triventinumd gefunden haben, denen zufolge 
ble Hi. Gudjariftie ein antidotum ift, quo liberemur a cul- 
pis quotidianis? Allein er mußte bod) wohl einjeben, vag 
unter culpae quotidianae nicht zeitliche Sünbenftrafen vers 
fanden fein fónnen. — ὁ ig fernerhin ungenau, wenn 
(€. 102) gefagt wird, e& liege in ber Natur der Sati& 
factionen, taf fle aud) ftelvertretend von anderen ges 
büßt werben fónnen. Sie fónnen bieß nad) firchlicher Lehre 
nur, fofern fie vinbicatipet, nicht aber auch fofern fle medi⸗ 
einaler NRatur’find. (Vgl. Cet. rom. II, 5. 72.) 

Der große Bann (Excommunicatio major), werden 
wir (6. 106) belehrt, fann allein vom Papfte ausgeſprochen 

20 * 


802 | Hofmann, 


werden. Gleich abſonderliche Dinge erfahren wir (Ὁ. 109 f.) 
in Betreff bet Ehe. Sie gilt für geſchtoſſen, wenn bie 
Brautleute ihren Conſenſus vor dem rechtmäßigen Pfarrer 
und wenigftend zwei Zeugen ausgeiprochen haben; „anßer- 
bem ift ed ein malrimonium clandestinum“ (febr euphe⸗ 
miftifh 5 weiterhin „die herrfchende Anficht ber Theologen“ 
heine zu fein, daß ald Materie des Ehefacramentes bie 
corpora contrahentium anjujeben feien; enblid) obne das 
Verſprechen katholiſcher Kinvererziehung finde höchſtens εἰπε 
fadhe assistentia sacerdotis en ſpecielle Erlaubniß bed 
Papftes"- ftatt. 

lleber die Ranonifation der Heiligen (— ie 
Möglichkeit der Heiligwerdung beruht nad) S. 63 auf ber 
Lehre von ben überverbienftlihen Werfen —) wird (€. 116) 
bemerft, daß fie erft nad) vorangegangenem „Heiligenproceß“ 
erfolge, „der wohl ein Jahrhundert in Anſpruch nehmen 
fam," indem „vor allem ber Lebenswandel unb bie Wunder 
einer weitläufigen Unterſuchung unterworfen werben." Dieſer 
Bemerkung [deint der Verf. völlig vergefjen zu haben, va 
er (©. 192; Lehrbegriff ber griech. Kirche) ben Say nieder⸗ 
ihrieb: „die Kanonifation ber Heiligen fleht ber Kirche 
zu, mweldye aber diefelbe nur nad) der genaueften Prüfung 
ihrer Qualification vornimmt, daher denn audj die Zahl 
ber Heiligen in ber griechifchen Kirche bei weiten nicht fo 
groß ift, als in ber römifchen Kirche.” Der Grund ver 
Verſchiedenheit beider Kirchen in fraglicher Hinficht [eint 
denn bod) in etwas Anderem liegen zu müfjen, wenn bet 
Berf. uns an erft genannter Stelle vecht berichtet hat. 
Ebendaſelbſt erfahren wir audj, daß „im I: 993 tie erfte 
Kanoniſation des bl. Ulrich von Würtemberg 


geſchah.“ — 





Symbolik. 303 


Hiemit find wir am Schluſſe ber Symbolif der katho⸗ 
lifchen Kirche angelangt. An manden minder bebeutenben 
Verſtoͤßen find wir mit Stillſchweigen vorübergegangen, 
in der lleberyeugung, daß das Beigebradhte mehr als bin» 
reichend ift, um Jedem über den Beruf des Verf. zum 
Cymbolifer ein wohl motivirted Urtheil zu ermöglichen. 
Diefer felbft fcheint übrigens durchweg, wie man zu fagen 
pflegt, guten Glaubens gemefen zu fein. Nachdem er von 
ver fatfolifden Kirche und ihrer Lehre ein Serrbilo ent- 
worfen, daß es ſchwer hält, fte in dem entftelfenben Auf« 
puge wieder zu erfennen, leitet er feine „allgemeine Schluß, 
bemerfung^ mit den Worten ein: „Zum Schluß möge εὖ 
bem Gymbolifer, der bisher ganz objectiv verfuhr, vergónnt 
fein, einen prüfenben Blick auf das zurüdzumwerfen, mas 
tt als fymbolifche Lehre des Katholicismus erfannt und 
durch ſyſtematiſche Zufammenftellung zur befferen Ueber» 
δι gebradjt hat" (Ὁ. 118) Das Ergebniß dieſer 
prüfenben Rüdihau wird ©. 119 — 123 bloßgelegt und 
[hließlih in bem Gage zufammengefaßt: „In Summa, 
neben manchem Guten, das wir dem Katholleismus nicht 
ftreitig machen wollen, daran wir vielleicht felbft lernen 
finnten, fommt doc fein wahres Weſen ſchließlich auf 
ven oberflädhlichften Semipelagianismug und hierarchiſche 
Herrſchſucht hinaus.“ Daß vie obligaten Phrafen: Abs 
loßfram, Werfheiligfeit und was dgl. banale Vorwürfe 
mehr find, nicht gejpart woürben, war im voraus zu et: 
warten, wie nidjt minder die befannten Klagen wegen Zus 
tudftellung ter Predigt gegen die Sacramente, wegen finn- 
liher Weberfchwänglichkeit des katholiſchen Eultus, worin, 
wie Gueride richtig ſage, „der himmlifche Gottesdienſt 
anticipirt," aber aud), wie ver Verf. ergänzend und bes 





304 Hofmann, 


richtigend beifügt, durch bae ewig wiederkehrende Einerlei 
derſelben Ceremonien allmaͤhlig ſtumpfe Gedankenloſigkeit 
herbeigeführt werde; endlich und vornehmlich wegen der 
unbedingten Herrſchaft der Kirche uͤber die Gewiſſen haupt⸗ 
[ὦ mittelſt ihres Beichtinſtituts. („Sie Bat daher 
alle, um einen gemeinen, aber treffenden Ausdruck zu ge⸗ 
brauchen, im Sad.”)- Referent geſteht, bag ihm bel Ans 
bórung dieſes Plaidoyers unwillführlic die befaunte (freis 
lich auch nicht ganz hoffähige) Babel von ben beiden Füchſen 
beiftel, von denen bem einen ble Trauben, die ihmi etwas 
zu hoch Dingen, fauer bünften, ber andere, ein ſchlauer 
Geſell, der in Folge eines bebauetliden Mißgeſchicks einer 
gewiſſen Leibeszierde ſich entledigt jab, feinen minder glüds 
lichen Vettern im Walde gar beweglich demonftrirte, welch' 
überflüffiges, in recht bäßliches und bie perfönliche Freiheit 
gefährdendes Anhängfel fie an fid) berumtrügen. 

Schwerer ind Gewicht fällt vie Anklage auf „Unehr⸗ 
lichfeit,“ bie ber Verf. in faft elegifcher Stimmung gegen 
die fatboli(de Kirche richtet. Die Anklage gründet fid 
zunädhft darauf, daß die Kirche, obwohl fte neben bet 
Schrift aud) die Tradition als ergänzende Glaubenéquelfe 
anerfenne, doch faft alle ihre GíaubenéleDren aud) aus ver 
Schrift nachweiſe, wobei ὦ legtere fogar noch „Bers 
drehungen und Entftellungen gefallen laffen muß, wie das 
[don baburd) ermiejen wird, daß man fid) weigert, mit 
Aufopferung der Wulgata, auf den Grundtext zurückzu⸗ 
geben.“ Allein woher weiß denn ber Berf. jo genau, 
bag ber griechiſche Tert in feiner gegenwärtigen Geftalt 
der Girunbtert, in der Bulgata dagegen diefer verbreht und 
ent(telit tft? Und wie fann ein halbwegs Urtheildfähiger 
darin eine „Unehrlichkeit“ erbliden, daß die Kirche Glaubens, 


Symbolik, 305 


lehren, deren Offenbarungscharakter ihr zunädft nicht bie 
Schrift, fonberm die Meberlieferung verbürgt und außer 
Zweifel ftellt, aud) auf die Schrift begründet — 
Solchen gegenüber, welche dad Anfehen ver Travition bes 
fireiten? Auf ble weitere Motivirung der Anflage, die 
fidj Fürzlich dahin formullren läßt, daß die Fatholifche Kirche 
nicht für Alles, was innerhalb Ihres Umkreiſes vorgeht, 
die Verantwortung auf fid) nimmt, können wir und einer 
" Cntgegnung um fo leichter überheben, als e8 bem Berf. 
nicht gefallen hat, feine Inerimination durch irgend welche 
Thatfachen zu belegen. Die unfidjtbare Kirche befindet fid) 
hier allerdings in einer ungleich behaglicheren Lage, da fie 
ein für allemal erflärt hat, mit den Unebenheiten der fidt 
baren nichts zu fchaffen gu haben. 

Auch an die viel gerühmte Gonfequeny und Einheit 
des Fatholifchen Syftems glaubt Hr. Hofm. ſchließlich feine 
Obelisken anzeihnen zu follen. Der Gegenjag des Gpiófo 
pal. unb Papalſyſtems; die Meinungsverfchiedenheiten ber 
Thomiften und Gfotiften, die felbft dad Tridentinum nicht 
überall zu ſchlichten wagte; die offene Frage, was bei ber 
Priefterweihe und Ehe als Worm und Materie anzufehen, 
während bod „die Eymbole darauf bringen, daß jedes 
Cactament eine beftimmte Materie und Form haben müffe; 
die Aeußerung des römifchen Catechismus (vie beiläufig 
bemerft ber Verf. verftümmelt wiebergibt), das Nichteins 
treten ber leiblichen Genefung beim Empfänger des Sacras 
ments ber legten Delung fónne wohl aud) vom Unglauben 
bes Empfängers oder be8 Ausfpenderd herrühren, da tod 
fonft die Wirfung des Sacramentes ald davon unabhängig 
dargeftellt werde; endlich daß bie Kirche „nach bet fitengen 
Gonfequenj ber Lehre vou der Exbfünde die ewige Ver 


306 Hofmann, 


dammniß ber ungetauft ſterbenden Kinder behaupten müßte, 
und das bod) nicht thut“ — das find bem Verf. ebenſo 
viele vollwichtige Beweiſe, daß es mit bet geprieſenen Gin; 
heit und Conſequenz der katholiſchen Kirche, deren ſich dieſe 
ſelbſt „mit einem gewiſſen ſtolzen Sebſtgefühle rühmt,“ 
denn doch nicht am beſten beſtellt iſt. Mißgoͤnnen wir ihm 
nicht dieſen Troſt, deſſen er wohl ſehr bedürftig ſein 
mag! — — | 

Das Lehrfyftem der griedifden Kirche findet ἢ 
fid €. 123 — 196 abgehandelt. Die Darftelung des 
fRerf., jo ſehr fie darauf angelegt ift, bie Differenzen 
zwifchen der griedijden und lateiniffen Kirche in ein 
grelles Licht zu ftellen, gibt gleihwohl ben ſchlagenden Bes 
weis an bie Hand, daß zwifchen beiden firden, vie bes 
fannten Gontroverópunfte abgerechnet, durchgängig die voll; 
fommenfte, ja zumeift, wie namentlid in ber Xehre von 
der Rechtfertigung und den Sacramenten, insbefondere ber 
bl. Euchariftie bie formellfte, bis auf den bogmati[djen Aus⸗ 
druck fid) erſtreckende Uebereinſtimmung befteht. Die zwiſchen 
beiden Kirchen ſtrittigen Punkte anlangend, laßt (id) ohne 
Mühe ver Beweis führen, daß bie obwaltenden Differenzen 
nicht eigentlich bogmatijder Natur find, fonberm theils 
bío8 in einer Verfchievenheit ber Vorftelung und des Aus; 
drucks, theild in einer abweichenden Praxis wurzeln. Der 
Ausgang des DL. Geifteó vom Sohne zugleich wird wenigftens 
infoweit anerfannt , als eine Sendung des Geiftes burd 
ben Eohn gelehrt wird ἢ). Die Orientalen find hier auf 


1) Ein kirchlicher Hymnus auf ben Donnerftag nad) Pfingften 5e 
fingt fogar ben 81. Geift als ἐξ ἀνάρχου τελείου Πατρὸς καὶ di Υἱοῦ 
προερχόμενον (ganz nad ber Ausbrudsmeife der griechifchen Väter). 
Bei Pitzipios, l'église orientale. Rom, 1855. P. I. p. 63. 








Gmboltf. 907 


einer von ber fateinijden Kirche überfchrittenen Stufe ber 
Lehrentwidlung ftehen geblieben. In ber Lehre vom Feg⸗ 
feuer ftimmt die griechiſche Kirche fachlich mit der (ateini, 
[den überein; ihr Widerfpruch gegen biefe läuft auf das 
Mißverſtaͤndniß hinaus, als gehöre in ihr die euet 
ftrafe in einer befonderen Räumlichfeit zum Dogma. Wenn 
Hofm. (€. 187) der griechiſchen Kirche die Lehre zufchiebt, 
als würden „felbft von ben groben Günbern nod) einige 
zu der Zahl ber Gerechten übergehen zwar nicht durch 
eigene Beflerung, welche im Ienfeitd nicht mehr möglich 
ift, aber dur bie frommen Dienfte der Hinterlaffenen 
und burd die Würbittem und das Mefjelefen der Kirche ;” 
fo berichtigt er dieß felbft in ber Note zu ©. 188 dahin, ' 
daß dieß nur in 9Infebung bußfertig Geftorbener Geltung 
habe. Der Primat des Papftes envlid wird befanntlich 
in der griechiſch⸗ſchismatiſchen Kirche theoretiich, menn 
aud) nicht förmlich und unumwunden anerfannt, practijd) 
geleugnet. Die fonftigen Differenzen find zugeftanveners 
maßen ganz untergeorbneter (ritueller und bisciplinärer) 
Art oder aud) blos fingirt. Die ziemlich verbreitete Ans 
nahme, daß die griechiſche Kirche vie fj. 4. beuterofanos 
nifchen Bücher des A. T. verwerfe, wird vom Berf. felbft 
(€. 147) mit Recht als irrig bezeichnet. Die Angabe 
(6. 174), nad) griechifcher Lehre fel. das Sacrament ber 
Firmung zum Heile nothwendig, läßt fid) aus ben Worten 
ber confessio orthodoxa: (wie ver hi. Geift ben Apofteln ὁ 
jur Befeftigung des Glaubené notfmenbig war, 
[0) καὶ τὴν βοήϑειαν ταύτην χρειάζονται καὶ οἱ 
βαπειζόμενοι — nicht beweifen, eher das Gegentheil. 
Die Behauptung, die orientalifche Kirche anerfenne weder 
ein überfchüffiges Verdienſt Chrifti, nod) ein Mehrverdienſt 





308 Hofmann, 


der Heiligen (€. 154), fügt Rd in ihrem erften Theile 
auf nichts, in ihrem zweiten auf eine tummituarifche Aeuße⸗ 
ung ded Metrophbanes Eritopulus, deſſen Ortho⸗ 
borie zugeflandenermaßen in vielen PBunften mehr als ver- 
dachtig iR '). Auf bie gleihe Auctorität gründen fid 
bie weiteren Affertionen, die griechiſche Kirche verwerfe die 
Ablaͤfſſe (€. 154) unb bie fünbeloje Empfängnis Mariens 
(€. 153 f.) Das ετβετε betreffend, wirb dieß von Metro: 
phanes nicht einmal ausdrücklich erklärt, fonbem if eine 
bloße Holgerung des Berf., ver die befamnte Praris ver 
orientalifchen Kirche, Abläfle (μεεριόεητες, συγχωροχαρτια) 
feleR für Verſtorbene zu gewähren, unter ausdrüdlicer 
'" Bernfung auf tie vom Herm ver Kirche übertragene Binde⸗ 
unb Löfegewralt, witerfpredeno entgegenfteht. (Vgl. Püzipios 
a. a. Ὁ. €. 79.) Das andere anlangend ift ebenjo be 
fannt, daß die orientalifche Kirche, in ber Verehrung ter 
HL Gotteömutter mit der lateinijden wetteifernb, in ihren 
Bekenntnißſchriften bie vollfommene Freiheit der unbefledten 
Jangfran (apölıwros, ἄμωμος, παναγία παρϑένος) von 
jeter actmellen Sünde ald Glaubensfag feRhält wnt tie 
entgegenftchenve (calvinifche) Behauptung mit Abſchen ver. 


1) Derfelbe war cine Greatur tes beridtigten Gyrilue Eufaris und 
then Racbfolger auf tem Patrisrchalüuhle zu lerautrien Bon 
tidem zu weiterer theologiſchen Ausbiltunm med) Guropa geſchickt, 
Üstirte er einige Zeit zu Qeimiátt unt jegte anf Berlangen ter dortigen 
Tprslogen L 3. 1625 cin Gíaubentfelenntmg feiner Kirde auf. Bon 
tidem Privarbefenntuige madit θεῖαι. im feiner Taritellung des grie: 
iſchen Lebrbegrĩs teu umfahentüen Gebrand, obwohl ex nicht um: 
bin lama einzugeüchen, tap Metrephans vwécljadjc Aälidhungen des 
Glaubrnsizmujtirins (uet Ride Ab erlaubt bar. (Ξ. 138 [.) — 
Gfentai erfaleen wir amd, tab tie Rirde von Gürl. tie tragiſche 
Serreinng vem ihren tiiermfranchden Katriarchen Gwrillus 2. den 
enigig:ziommınca ÜÜcmbumgea ber Aue qm verbanfen abe. 





Cymbolif, 308 


wirft. (Auf dem beiden Synoden zu Gonftantinopel i. S. 
1642 und zu SIerufalem i. S. 1672; bei Harduin, Acta 
Conci T. XI. p. 171. E; p. 238 sq. Paris 1715.) Ihre 
Breiheit von der Crb[ünbe ift damit nod) keineswegso ges 
(rugnet, daß bie Allgemeinheit biefer Sünde gelehrt und 
Chriſtus allein förmlich und ansprüdlih von ihr ausge⸗ 
nommen wird; fte ift vielmehr deutlich genug in den von 
der Synode zu Iernfalem allegirten Worten des Cyrill 
indieirt, daß bei Maria bet leiblihe Top nicht Sold ber 
Cünbe (Röm. 6, 12 (T), fonvern Folge ber phyſiſchen Natur 
geweien, eine Bolge, welche fie, wenn fte gewollt, aud hätte 
von fid abwenven fönnen. (Harduin 1. c. p. 198 sq.) 
Dogmatifch bat ſich allerdings die morgenländiſche Kirche 
über diefen Punkt noch nicht ausgefprohen und wird es 
wohl auch nicht, fo lange εὖ ihr an einer einheitlichen 
oberfien Leitung und einer bódjften Inftanz in Glaubens, 
ſachen fehlt und infolge hievon die Dogmenentwidiung 
(im firdjlidjen Sinne des Wortes) in ihr ftilefteht. — 

In einem Anhange ©. (197 — 219 behandelt 
Hofm. die Lehreigenthümlichkeiten der altgriechiſchen 
Sepatattitden: 

1. Der Neſtorianer (a. der eigentlichen Neftorianer 
oder chaldaͤiſchen Chriften, b. ber Thomaschriſten); 

2. Der Monophyfiten (a. Armenier, b. Kopten, 
c. Abyffinier, d, Safobiten) und | 

3. Dee Monvtheleten (Matoniten). 

Die Quellen für bie Lchrmeinungen diefer ver[djiebenen 
Eecten find großentheils höchſt unzuverläßig und wider 
ſptechend und it rückſichtlich mehrerer derfelben minbeften 
ſehr fraglich, ob fid überhaupt ein beflimmter unb reci» 
irter Rehrbegriff bei ihnen vorfinbe. Die von bem be 


- 


810 Hofmenn, 


lebenden Quelle abgefchnittenen Baͤchlein haben fid) mehr 
und mehr im Sande verloren — das enblide Schidfal 
aller Härefie und Trennung, deſſen früherer ober Tpäterer 
Eintritt toefentíid burd) bie entferntere oder nähere Be 
rührung mit der Mutterfirhe und die baburd erzeugte 
ſchwaͤchere ober ſtarkere Spannung des exorare mits 
bedingt ift. — 

Die 3. Abtheilung (S. 219 — 489) entwidelt 
ben Lehrbegriff ber proteftantifchen, b. i. ber Intherifchen 
unb reformirten Kirche, und zwar, wie bereitó bemerft, 
in comparativer Weife, näherhin fo, daß bie beiber- 
feitigen Lehrmeinungen überall sufammengenommen und 
in Eins verbunden werden und nur, wo ihre Discrepanz 
allzu ſchneidend hervortritt, eine Sonderung beider vorges 
nommen wird. Wenn es richtig ift, was ber Berf. 
(€. 224) jagt, daß das was beide Kirchen auseinander 
halte, nicht fomob( in ben Lehrelementen, ſondern vielmehr 
in bem verſchiedenen Geifte liege, ber hier und tort baó 
ganze Lehrfyftem durchdringe, fo leuchtet unmittelbar ein, 
daß die von Hofm. hier gewählte Form der Darftellung 
burdjauó ungeeignet ijt, in den eigentbümliden Geift unt 
das charakteriſtiſche Weſen beider Syſteme einen tiefern 
Einblid zu eröffnen. 

Die Einleitung läßt es felbitverftänblih an ges 
häfftgen Ausfällen gegen bie katholiſche Kirche — altem 
bis zum Gdelerregen. aufgewärmten Kohl — nidjt mangeln. 
Wir erfahren gelegentlih aud), taf ber Proteftantismus, 
bei rechtem Lichte befehen, eigentlich viel älter ift, als fein 
Geburtsfchein ausmeist. „Er ift ba gemefen, fo lange εὖ 
eine Kirche Ehrifti gibt, in ver man nichts durch Π {εἰ 
fein und gelten will, fondern alles vurd Gottes Gnade, 





Symbolik. 311 


in der man glaubt, daß wir ohne Chriſtum verloren wären, 
duch Gfriflum aber felig worden find und Erben des 
ewigen Lebens” (€. 219). Diefer Proteftantismus If 
allerdings ſchon ſehr alt, darin hat ber Verf. vollfommen 
Recht, alle Väter und Goncilien befennen (id zu ibm, von 
ter HI. Schrift gar nicht zu reden. — Der Einleitung folgt 
eine ausführliche Gefchichte ber ſymboliſchen Schriften beiber 
Gonfeifionen (S. 225 -- 272). Bon ber „Augsburger 
Gonfejffion," bem „Stolz“ und „Augapfel” der evanges 
lichen Kicche, wird unter anderem rühmend bemerft: „Sie 
gibt in ſcharfen unb doch nicht fehroffen Zügen mit unüber, 
trefflicher Präcifion des Ausdrucks in chriftlid-ernftem unb 
tod) verföhnlichem Tone das vollfommene Abbild des evanges 
lichen Glaubens, unb ift fo febr angeweht von bem Geifte 
ver Beiligften Gefinnung, daß ber heilige Gelft jelbft bem 
hehren Werke die Spuren feiner Mitarbeit aufgeprágt zu 
haben ſcheint.“ (E. 233.) Referent gefteht, daß er dieß 
begeifterte Zeugniß nicht ohne Rührung las, aber aud) nicht 
ohne einige ‚Anwandlung von Wehmuth wenige Zeilen 
weiter unten bie feltfjame Kunde vernahm, daß berfelbe 
Mann, der dieß vom hl. Geifte durchwehte und befiegelte 
Buch verfaßt, in fpäterer Zeit febr bebenflide Aenderungen 
felbft an feinem Inhalte vorzunehmen feine Schene trug, 
und zwar, um das Maaß vollzumachen, in offener Ans 
naͤherung an die Fatholifche Xehre von der Menfchennatur 
und Rechtfertigung. — Der Apologie ver A. C. wirb 
(€. 237) nadgerüfmt: „Sie ift ein ebenfo fchönes Zeug, 
niß evangelifcher Gottesgelahrtheit, freimüthiger Offen; 
heit, durchſichtiger Klarheit, präcifer Beftimmtheit, vemüthigen 
Glaubenómutbeó, fiegeógemiffer Milde, wie die Gonfutation 
ein von ven Katholiken felbft beflagtes Zeugniß fatfolifdyer 


| 3912 | Sofmann, 


Unwifienheit, feiger Zurüdhaltung, abſichtlicher Dunkelheit, 
gweideutiger Unbeftimmtheit, bodjmütbiger Glanbensvemuth 
unb verzweifelter Gegenwehr dur Koihwerfen if.” Man 
fieht, der Mann verfteht fid) auf kunſtgerechte Antitheſen 
und fchreibt, wo εὖ noththut, einen recht fráftigen Stil und, 
was vielleiht nod) höher anzufchlagen ift, das ber Apologie 
bier auógeftellte glänzende Teftat hindert ihn nicht, S. 421 
das unummundene Belenntnif abzulegen :- „vie Apologie 
wird fid fchwerlich von bem Vorwurf Iosmachen Fönnen, 
taf fie an die Fatholiihe Transſubſtantiationslehre (!) 
mindeftend anftreife, da fie ausdrücklich auf ihren Gon 
fenfus in ber Lehre vom Abenpmahl mit der fatfoli(den 
Kirche in ziemlich -unjmeibeutigen Worten (!) hinweist.” 
Den Lehrbegriff der beiden proteflantifchen Gon: 
feffionen finden wir in großer Ausführlicgfeit bargelegt ; 
den weitaus größeren Theil des Raumes nehmen übrigens 
bie den Gert fortlaufend begleitenden Belegftellen aus ben 
ſymboliſchen Büchern ein, welche der Verf. in einer Voll, 
ftändigfeit zufammengetragen, ble faum da und dort etwas 
zu wünfchen übrig läßt. Möchte es ihm nur aud) gefallen 
haben, auf jo mande charakteriſtiſche Anfichten unb Aeuße⸗ 
rungen ber Väter ber Reformation, welde, ohne in bie 
ſymboliſche Lehre übergegangen zu fein, tod) biefe felbft 
ins tedjte Licht zu fegen vorzüglich geeignet find und in 
manchen Punkten deren richtiges und volles SBerftántnif 
bedingen, wenigftens in den beigegebenen Noten hänfiger, 
als er εὖ für raͤthlich erachtet, Rüdfidt zu nehmen! Indeß 
nehmen wir feinen Anftand, Hr. Hofm. die Anerkennung 
zu zollen, bag feine Darftellung Bier im Ganzen fo objec⸗ 
tiv gehalten ift, als e8 fein fpezififch Iutherifiher Stand» 
yunft und das „fubjective Refultat,* das ihm überall ale 


ESymbolik. 313 


die „Hauptſache“ vorſchwebt, ihm immer geſtatten mochten. 
Daß er das lutheriſche Syſtem mit ſichtlicher Vorliebe 
behandelt, die Härten deſſelben, ohne ſie, wie ſonſt ſo 
häufig geſchieht, geradezu zu verbergen, ſoweit als thunlich 
abſchleift und die vielfachen Inconſequenzen desſelben, die 
kaum oberflächlich verdeckt, ſobald ſie einmal klar erkannt 
ſind, das ganze mühſam zuſammengehaltene Syſtem aus⸗ 
einanderſprengen, wahrzunehmen und herauszukehren nicht 
eben ſonderlich bemüft ift; werben wir ibm um fo eher 
wugutehalten, al& wir bieg nicht anderd erwartet haben. 
Der Berf. fieint Hier überhaupt feinen Weg ganz argloó 
verfolgt zu haben. Nur einmal ift ihm etwas aufgeftoßen, 
was ihn auf einige 9Ingenblide fiugig machte. Um bem 
Verdienſte Chrifti in nichts zu berogiren und dad Heil beo 
Menſchen auf fiherftien Grund zu ftellen, lehren befannt- 
lid) bie Reformatoren und ihnen folgend bie fymbolifchen 
Schriften „vie totale Unfähigkeit des Menfchen, etwas zu 
feiner Befchrung beizutragen und bie Alleinwirffamteit des 
pl. Geiſtes  — bis zur völligen Wiedergeburt.” (©. 335.) 
Die 9Reftriction, die in den legteren Worten liegt, wollen 
wir bier nicht weiter in Anſpruch nehmen, wiewohl fid) 
unſchwer zeigen läßt, daß vie Belehrung und Recht⸗ 
fertigung entweder nie in bie Wiedergeburt des Menjchen 
za freier fittliher Selbftbeftimmung und Gelbfttbátigfeit 
ausläuft oder aber leptere $don von Anfang an als 
wefentliches Moment in fid) trägt. Hievon al[o abgefehen, 
ergibt ſich and ber obigen reformatorifchen Thefe ald unabs 
weislihe Folgerung die abfolute (calotnijde) Praͤdeſti⸗ 


1) 3391. Form. Conc. p. 680: hominem in conversione sua pure 
passive se habere, id est, plane nihil agere, sed tantummodo pati id, 
quod Deus in ipso agit. (Bei Qofm. €. 341.) 


3814 - Hofmann, 


nationdlehre: wenn Gott alles, der Menſch nichts tfut, 
fo ift das SBerberben des Menfchen ganz ebenfo wie fein 
Heil lediglich Gottes Werk, allein auf bie göttliche Cauſa⸗ 
ἀξ zurückzuführen. Nun anerkennt aber bie Concordien⸗ 
formel feine abfofute, fondern nur eine bedingte Gnaden⸗ 
wahl, bedingt durch das Borherwifien Gottes von bem 
verjdiebenen (entgegengefegten) Berbalten der Menjchen 
zur Gnabe (Widerſtreben oder Nichtwiderftreben gegen fie). 
Der Widerſpruch zwifchen diefem und bem obigen Lehrfage 
fpringt in die Augen. Sft die Erwählung des Menfchen, 
feine Vorberbeftimmung zur Gnade (und durch blefe zum 
ewigen Leben) von feinem Nichtwiderftreben, ebenfo wie 
feine Nichterwählung von feinem Wiverftreben gegen die 
Gnade abhängig, jo folgt unwiderſprechlich, daß des 
Menſchen eigene Mitthätigfeit, feine freie Gelbftbeftimmung 
und Selbftentfcheidung ein wejentlicher, unentbehrlicher Factor 
in bem Heildöwerfe ift unb wie für ben Beginn, folge 
richtig auch für den ganzen Berlauf befjelben geforvert 
werden muß; oder aber, wenn man fid bejjen im Interefie 
des Wunbamentalbogma von ber totalen Unfähigkeit unb 
Paſſivitaͤt des Menſchen im Heildwerfe weigert, daß man 
fid zur Anerkennung ver abfoluten Präpeftination ent- 
fdjíiegen und ben 9Biber[prud) gegen die vom Calvinismus 
unerbittlid) gezogene Conſequenz, das horribile decretum 
fallen laffen muß. (6 ift ecgógli zu fehen, wie unfer 
Symbolifer fid) wendet und brebt, um biefem gefährlichen 
Dilemma zu entihlüpfen. (&. 338 — 343.) Die Mit 
thätigfeit, bie von Seite bed Menfchen gefordert wird, 
befhränft fid) lebiglid) darauf, daß er, von der ihm mod 
gebliebenen natürlichen Freiheit Gebrauch machend, fid 
entſchließt (ober wie ter Verf. gewählt ſich ausprüdt: 


Symbolik. 315 


„daß der natürliche Menſch feine natürliche Freiheit einmal 
gerade fo lenft”), „in bie Kirche zu gehen, vie Predigt und das 
Wort Gottes zu hören ober zu lejen," natürlich „nur externis 
auribus." (Der Glaube an dafjelbe fol [ebiglid) Werf des bem 
Worte einmobnenben Dl. Geifteó fein.) „Diejer Entfchluß 
hängt“ nun zwar „ganz allein vom Menſchen ab^; allein „jein 
Handeln dabei ift ein rein indifferenter Act, ein actus ex- 
ternus, der aber bod) für ben 81. Geift nöthig ift, um da⸗ 
burch einen Zugang zu ihm zu haben”... „Es fommt alfo 
vod) aud) eine menſchliche Thätigfeit dabei in Betracht, 
nämlich, eine leivende Thätigfeit, fofern aud) das Leinen 
eine Thätigfeit genannt werden fann.” So hätten wir — 
denn endlich glüdlich eine Thätigkeit gefunden, bie eigent- 
lich feine Thätigfeit, eine Uctivität, die im Grunde reine 
Baffivität ift; der Begriff eines hölzernen Schüreifens 
gehört von jegt ab keineswegs mehr zu den unvollziehbaren 
Begriffen. Allein bat denn ber Verf. in feinem apolos 
getijchen Eifer durchaus nicht bemerkt, was Jedem in bie 
Augen füllt, daß der Entichluß zum Anhören ober Leſen 
des Wortes Gottes und die Ausführung diefes Entfchluffes, 
wenn aud) nod) nicht jofort ein poſitives ober directes Ent⸗ 
gegenfommen gegen die Gnabe, immerhin, mag man ihn 
aud) durch beliebig viele Retorten eines begrifflichen Defitl- 
lirapparated hindurchfuͤhren, eine Thätigkeit, das Richt- 
wiverftreben im vorliegenden Kalle fein bloßes Leiden, fein 
blos paſſives Gewährenlaffen, jonbern in ber That unb 
Wahrheit ein „Mitthun“ unb, fofern darin bie „Bedingung“ 
erkannt wird, „von deren Erfüllung ober Nichterfüllung 
bie göttlihe Erwählung abhängig ift," fein „rein inbiffes 
enter Act,“ fondern eine auf das Heil beó Menfchen 
weſentlich influirende Thätigfeit ift? Wollte vollends biejer 
Theol. Quartalſchrift. 1857. U. Heft. | 21 


916 Saalſchütz, 


Act, wie es allerdings den Anſchein hat, lediglich auf die 
„natürliche Freiheit" des Menſchen felbft  zurüdgeführt 
werden, fo fteht man im Begriff, mit vollen Eegeln in ben 
Hafen des Semipelagianismus einzulaufen ; faßt man ihn 
dagegen aí8 einen rein göttlich gewirften Act, fo gebe 
man die bedingte Ermwählungslehre preis, da εὖ ihr 
fofort an jeglicher Beringung gebricht. — 

In ber 4. Abtheiltung (S. 490—545) bringt Hofm. 
den Lehrbegriff per mit bem Proteftantismug ver 
wandten Secten zur Darftelung. Die Lehreigenthüm- 
lidjfeiten der Walvenfer, Socinianer, Mennoniten und 
Baptiften, Quäker, Methodiften, Arminianer, Herrnhuter 
unb Ewedenborgianer fommen hier ber Reihe nad zur 
Sprache. Wir gehen hierauf nicht näher ein, ba wir ben 
und zugemefjenen Raum ohnehin fdon überjdritten haben. 
Dem Buch ift ein kurzes Negifter angehängt. Drud unb 
Ausftattung find lobenswerth. 

Repet. Lic. Gigfelber. 


4. 


Ardjclogie der febrüer. Bür Wreunbe des Alterthums und 
zum Gebrauche bei akademiſchen Vorleſungen. Bon Dr. 
Jof. f. Saalſchütz, Profeſſor ber Archäologie, Mitglied 
ber Fönigl. Deutfchen unb ber phyſikaliſch öfonomifchen Ge- 
ſellſchaft in Königsberg, ber Hiftorifch«theologifchen in Leipzig. 
Zweiter Theil. Königsberg, Verlag der Gebrüber Born- 
träger. 1856. Preis: 4 fl, 54 Er. 


Auf den erften Theil diefer Archäologie ift Im vorigen 
Sabrg. ver Quartalſchr. S. 331 ff. aufmerffam gemadt 


Archaͤologie ver Hebräer. 417 


‚worden unb wir fónnen das tort ausgeſprochene günftlge 
UÜrtheil im Allgemeinen aud? auf ben vorliegenben zweiten 
Theil, welcher Gr. Majeftät Friede. Wilhelm IV. ffünig 
‚von Preußen tebicirt ift, unbedenklich ausdehnen. 

Diefer Theil befaubelt im fed)éten Abſchnitt (vie erften 
fünf Abſchnitte enthält ver erfte Theil) „Wiſſenſchaftliches“, 


im fiebenten „allgemeine Sitten und conventionelle Ver⸗ 


haͤltniſſe“, im achten Familienweſen“, im neunten „Städte 
wefen^, im zehnten „Rechtspflege und Policey“, im eilften 
„religiöſe Bolksinftitwtionen”, und im zwölften „politifche 
Berhältniffe und Snfitutionen." In Betreff be noch wei: 
teren archäologiſchen Stoffes bemerkt vie Vorreve: „Die 
legten Zeiten des Israelitiſchen Altertbums find nur fo 
weit berüdfichtigt, als der Umriß ber Darftellung εὖ nöthig 
machte. Sie haben eine ganz andere Färbung und andere 
Quellen und bedürfen einer eigenen jujammenfajjenben 
Schilderung. Diefe fol demnad, wenn Muße und Kraft 
nicht fehlt, in einem befondern, auch als dritter Theil zu 
betrachtenden Buche nachfolgen” (S. X). 

Wir erlauben und nur nod) Bemerkungen über ein 
Paar einzelne Bunfte. 

In bem Gapitel über Mathematit und Feldmeßkunſt 
wird eine eigene Erklärung von ber fchwierigen Stelle 
Num. 35, 4. 5. gegeben, welche hie, Bezirke ber Leviten- 
ftábte beftimmt. Die verfchleven gebeutete Stelle lautet: 
„Und die Bezirke der Städte, vie ihr bem Leviten geben 
. felit, feien von ber Mauer ber Stadt auswärts taufenb 
Ellen ringsum. Und mefjet außerhalb ber Gtabt auf ber 
Seite nadj Often zweitauſend Ellen, und auf der Seite 
nach Süden zweitanfend Ellen, und auf ber Seite nad 

21 * 


318 Saalſchut, 


Weſten zweitauſend Ellen, und auf der Seite nach Norden 
zweitauſend Ellen, und die Stadt ſei in der Mitte; dieß 
ſollen die Bezirke ihrer Städte fein.” Hr. S. nimmt nun 
an, baf die Gnbopunfte ber vier Linien, welde von ber 
Ctabtmauer an nad) ben. vier Himmelsgegenden je 2000 
Ellen lang gemefjen werden follen, durch vier gerade Linien 
mit einander verbunden werben und fomit vie Gdpunfte 
eines großen die Stadt umgebenden Quadrates bilden follen, 
weßhalb er au das 317 wp nw geradezu mit: „bie Edle“ 
(nad Often, Süden 1c) überfegt (Das Mofaifhe Recht. 
1. 100) Da es nun heißt, die Bezirke follen von ber 
Stadtmauer an auswärts taufend Ellen ringsum betragen, 
jo behauptet er, die Linien des Quadrates feien αἰ Tan: 
genten bed. Kreifes zu benfen, und εὖ werbe zugleich dag 
Berhältniß des Stadtbezirfed zur Ausdehnung der Stadt 
"mit beftimmt. „Denn Hatte die Ede des tangirenben, 
äußern Quadrats von bet großen Peripherie und dieſe 
von ber feinen des Innern concentrifhen Mauerfreifes je 
einen Abfland von taujenb Ellen, ſo mußte ber Durch⸗ 
meſſer ber Stadi felbft dreitaufend Ellen betragen“ 
(6. 88 f). Gegen diefe allerdings ſcharfſinnige Erklärung 
icheint jevoh das Bedenken fi zu erheben, daß unter 
Vorausſetzung ihrer Richtigkeit alle epitenftábte gleiche 
Ausdehnung gehabt Haben müßten, weil vie Entfernung 
"von ber Stadtmauer bis zu ber Grenze des Bezirkes für 
alle auf gleiche Weife beftimmt wird. Denn wo bet Durch⸗ 
meſſer der Stadt mehr oder weniger als 3000 Ellen be⸗ 
trüge, ſtünde die Ausdehnung des Bezirkes zur Ausdehnung 
ber Stadt nicht mehr im richtigen Verhaͤltniſſe, welches 
tod) feftzuftellen gerade auch bie Abſicht des fraglichen 
Geſetzes ſein foll. Eine gleiche Groͤße für ſaͤmmtliche Le⸗ 


Archäologie ber Hebraͤer. 310 


vitenftäbte wird aber wohl audj Hr. ©. ſelbſt ſchwerlich 
annehmen wollen. 

In Betreff des heiligen Zeltes oder der ſog. moſaiſchen 
Stiftshütte hält Hr. €. die gewöhnlichen Beſchreibungen 
und Abbildungen für unrichtig, giebt aber feinerfeits zwei 
verſchiedene Borftelungen von diefem Heiligthume, tie (id) 
nicht wohl mit einander vereinigen laffen. Die eine ift 
audgefproden mit ben Worten: „Dad vergolbete Gevüfte 
bildete den unterm, zehn Ellen hohen Theil des Zelte, 
bei einer Länge von 30 und einer Breite von 5 ober 6 Ellen. 
Oben darüber lagen die Teppiche nicht flach auf, fonbern 
fie flefem in eine Spige zufammen, welche (id über bie 
vergoldeten Wände noch etwa breisehn Ellen erhob und 
demnad vom Boden an drei und zwanzig Ellen 5od) war“ 
(€. 321); die andere findet fid) in einer dazu gemachten 
Anmerfung, wo εὖ heißt: „Sollte εὖ demnach nicht ges 
rathen fein, anzunehmen, daß das eigentliche Zelt ein für 
fij beftehenves bildete und bag das Brettergerüfte dafjelbe 
nur von außen ſchützend umgabt?^ Obwohl Hr. €. 
über legtere Vorftellung nod) mehreres beibringt, hält et 
bod) nicht ftreng an ihr feft, und während er hervorzuheben 
[udt, was zu ihren Bunften fpreden fónnte (©. 323 f), 
fommt er faft unvermerft wieder in die andere Vorftellung 
hinüber, wonad) ter buntgewirfte Teppich „nur eine hohe 
Wölbung ober Spitze des Zeltes bifbete, und bie bain 
hinabreichte, wo die Brettermwände begannen.” Die Bors 
ftellung, daß das Bretiergerüfte nur eine fchügende lim» 
gebung des für fich bejtebenben Zeltes gebilbet habe, Bat 
auch in ber That ben pentateudhifhen Tert zu augenfällig 
gegen fid), ald bag (te fid) ihm gegenüber fefthalten ließe. 
Der Seppid) 3. B., um nur bie Eine zu berühren, ber 


320 Gaalft$ü$ , 


ble beiden parallelen Bretterwände an bet vorderen Seite 
mit einander verbindet, erfcheint zugleich αἱ Eingangsvors 
hang des Zeltes, denn er ift. gemadht —X nnpo (Gr. 
26, 37. 36, 37), und aud Hr. €. felbft fieht ibn fo an, 
indem er bemerkt, wenn man burdj ihn in den innen 
Raum getreten fei, habe man finfé an ver Wand den 
golbenen géndjter, ifm gegenüber bem vergoldeten Tiſch 1c. 
geliehen. Iſt biefeó ber Wall, fo war man, wenn man 
burdj diefen Vorhang eingegangen war, im Zelte felbft, 
umb nicht erf in einem von bem SSrettergevüfte umſchloſ⸗ 
fenen Raume, in weldem das Zelt fi befand. Aber aud 
bie andere Vorſtellung Bat ven Tert nicht für fif, denn 
tet Tert jagt nidjtà von einer hohen Wölbung oder Spitze 
des Zelted unb erwähnt auch Feiner dazu nöthigen Bors 
rihtung, vielmehr läßt die Art, wie bie zwei unteren 
Teppiche vorgefchrieben werden, nicht an eine durch fie ge 
bildete Wölbung oder Epige des Zeltes denken, venn um 
eine fole zu bilden, hätten fie fidjer eine andere Worm 
erhalten. Die beiden Teppiche beftänden nämlih je aus 
zwei großen vietedigen Gtüden, bie mit Hafen und Schleifen 
zufammengefügt waren, unb taugten jo zur Bildung einer 
nadj oben auslaufenden Spige ober Wölbung gewiß nicht 
gut; und wenn ed bann heißt, daß der Borhang, ber das 
Zelt abtheilte, unter bec Zufammenfügungslinie des unteren 
Teppiche fid) befinden [offe (Er. 26, 33), jo ijt ſchwer 
einzufehen, wie fid das bewerfftelligen ließ, wenn das Zelt 
mit feinen Teppichen in eine Spige oder Wölbung auétief, 
zumal bei ber jo bebeutend verjchledenen Größe ber beiven 
Adtheilungen. — Wenn Hr. S. außerdem υἷε Breite des 
Seite zu 5 ober 6 Ellen angiebt, fo ſcheint aud) vieß mit 
dem pentateudjjden Text nicht leicht vereinbar zu fein. 


Archaͤelogie der Hebraͤer. 321 


Denn die Rückwand, welche die beiden Seitenwände gegen 
Weſten verbindet, beſteht aus 8 neben einander geſtellten 
Brettern von je anderhalb Ellen Breite, hatte alſo eine 
Länge von 12 Ellen, unb ed muß daher, wenn bie Dicke 
ber Breiter eine Elle betrug, und bie hintere Wand die 
beiden Seitenwände bedfte, wozu bann 2 Ellen nöthig waren, 
wifchen ben belben Seitenwänden nod ein Raum von 
10 Ellen als Breite des Zelte übrig geblieben fein, welcher 
Raum natürlich nod) größer würde, wenn man bie Dide 
ver Bretter Fleiner al8 eine Ele zu benfen hätte. Sodann 
von bem Vorhang, welher den Eingang bedte, wird be 
merft, er fei an fünf vergolbeten Säulen (ΟΥ̓, worunter 
fier nicht etwa nur bünne Stäbe zu denfen find) aufge: 
hängt gemefen (Exod. 26, 37), die natürlid in gleichen 
Diftanzen von einander aufgeftellt zu denfen find. Nehmen 
wir nun die größere Zahl (6 Eden) an, und benfen wir 
bie beiden äußerften Säulen hart an ben beiden vorbern 
Enden der Seitenwände ftehend und die Die der Säulen 
bloß zu 3.300, fo nehmen die Säulen zufammen von ben 
6 Ellen der Breite fdjon eine Elle oder darüber ein (bie 
Elle beträgt nah Hrn. ©. 12, höchſtens 16 Zoll) und es 
bleibt für bie 4 Oeffnungen zwifchen den fünf Sänlen nur 
je 11. Glfe ober weniger übrig. Ein folder Zwifchenraum 
wäre aber vod) wohl zu Flein gemefen, ald daß ein Mann 
von etwas mehr als mittlerer Größe und 9Beleibtbeit be» 
quem, ober aud nur irgenbwie, hätte Dinburdjfommen 
fónuen; unb bod mußte tügíid) ein Prieſter wiederholt 
zwiſchen jenen Säulen hindurch in’d Heilige gehen. End» 
ih fagt Hr. ©. ſelbſt, beim falomonifchen Tempel [εἰ „ber 
Urtypus des heiligen Zelted weſentlich unverändert ges 
blieben, fowohl in ven Hauptigeräthen als ſelbſt in bem 


322 Saalſchütz, Archäologie der Hebräer. 


gegenfeitigen Verhältniffe ver Räumlichkeiten? (S. 329 f.). 
Nun betrug abet beim falomonifhen Tempel vie Breite 
den dritten Theil der Länge, denn er war 60 Ellen fang 
unb 20 Ellen breit (1 Fön. 6, 2), wonah fi für tie 
Stiftshütte eine Breite von 10 Ellen ergiebt, da fte 30 
Ellen fang war. 

Vebrigens liefern felbft aud) dieſe Punfte, bei denen 
man bem Hrn. Verf. nicht beiftimmen Tann, bod den Bes 
weis, daß feine Unterfuhungen fid durchweg felbftftändig 
bewegen, aud) ijt nicht zu ver[dywelgen, daß fie fid) ge 
woͤhnlich ftrenger, als es nad den gemachten Bemerfungen 
[deinen fónnte, an ven biblifden Tert anfdjfiefen. 

Gelegenheitlich werden aud) hier, wie im erften Theile, 
ſprachliche Bemerfungen gebradjt, die mitunter Beachtung 
verbienen , wie 3. B. über die Bedeutung von y*2" unb 
Dav ©. 67 f. ober über TP, »Ὲ unb mnmnun ©. 128 f. 

Bemerkenswerth fdeint noch bie Abweifung eines bem 
Buche Efther oft gemachten Vorwurfes, daß nämlich tet 
Name Gottes in demſelben aud) nicht ein einziges Mal 
vorfomme: „Daß man dabei (bei Schriften der erilifchen 
und naderilifchen Zeit) eine Art von heidniſch⸗inquiſitoriſcher 
Genfur zu fürdjten hatte, geht 3. 98. aus der Umfchreibung 
der Namen Babel und Ehaldäa bei Jeremias hervor. Auch 
im Buche Efther ijt die ihm oft zum Vorwurf gemachte 
Sortlafjung, oder Umfchreibung des göttlichen Namens zu 
auffallend, als daß fie nicht abſichtlich fein follte. Sm 
den gefchriebenen Synagogen-Rollen find Stellen hervor: 
gehoben, an melden befonberó beveutfame, bie Wendung 
ber Dinge bezeichnende und nad) einander folgende Worte 
in ihren 9Infangébudjftaben ven Namen Gottes enthalten, 
was man faum für Zufälligkeit nehmen kann“ (G. 103). 





Gitabler und Heim, Heiligen⸗Lexicon. 323 


Dem wird in einer Anmerkung beigefügt, daß von ten 
Borten: Dm jon „bon ni. Gf. 5, 4: die Anfangs 
buchſtaben, und von ben vier Ausbrüden: sw Π] 9] 
5 γὴν Efth. 5, 13 die Endbuchſtaben in umgekehrter Ord⸗ 
nung den Namen m geben. 

Möge Hr. ©. Stufe finden, den dritten und ab» 
Ihließenden Theil feiner Archäologie bald nadjfofgen zu 
laffen. 5 


MWelte. 


9. 


Vollſtaͤndiges f)riligen-fericon oder Lebensgeſchichten 
aller Heiligen, Geligen 1c. 2c. aller rte unb aller Jahr⸗ 
Dunberte, deren Andenken in der Fatholifchen Kirche gefelert 
oder fonft geehrt wird, unter Bezugnahme auf ba8 damit 
in Verbindung ftehende Kritifche, Alterthümliche, Liturgiſche 
unb Symbolifche, in alphabethifcher (sic) Ordnung mit 
zwei Beilagen, die Attribute und ben Kalender der Heiligen _ 
enthaltend. SHeraudgegeben von Dr. Joh. Evang. Stadler, | 
Domfapitular u, geiſtl. Rath in Augsburg, und Fr. Joſeph 
Heim, Domprediger in Augsburg. Band 1. Erfte Lieferung. 
Mit oberbirtlicher Drucbewilligung. Augsburg, B. Schmid» 
che Verlagsbuchhandlung (F. G. Kremer), 1— 5. Lieferung. 
Preis der Lieferung 18 fr. 


Die Herausgeber des vorftehenven Werkes fommen 
einem wirflichen, in weiten Seifen gefühlten Bebürfniffe 
entgegen. — (96 wird 3.3. nicht leicht einen mit ber Paftos 
ration befchäftigten Geiſtlichen geben, der nicht ſchon durch 


324 Stadler und Helm, 


Bragen über Namenspatrone ober Kindern zu ertheilenve 
Namen in Berlegenheit gefegt werben wäre, da ſelbſt aude 
führlihe Legenden unb Martyrologien nicht zureihen, um 
in biefer Beziehung genügenve Auskunft zu ertheilen.. Aber. 
auch für bie gelehrte Forſchung ift eine möglichſt vollftän- 
dige Jujammenftellung des vielfach zerftreuten hagiologifchen 
Materials in lericalifher Form von großem Werth, was 
Jeder zugeben wird, ber fid) einmal mit einfchlägigen Stu- 
bien abgegeben. Zwar Bat bereit das vorige Jahrhundert 
ein „ausführliches Heiligen-Lexicon“ hervorgebracht (GólIn 
und Srandfurt 1719) und verließ erft in jüngfter Zeit ein 
Dictionnaire hagiologique ^ie unerfhöpflihen Prefien des 
Abbé Migne; allein das erftere Werf, an unb für (id) 
idon unvollftändig, ift veraltet und zudem nod) febr felten 
geworden, und aud) am legtern wird man, abgefehen davon 
daß ed vorzugsweife für Branfreich berechnet ift, in Bezug 
auf Genanigfeit und Grünblichfeit manches auszuſetzen 
finden. Daher ift man den Herausgebern zn Danf ver 
pflichtet, bag fie fid) ver Feineswegs geringen Mühe unter; 
zogen, ein ben Bedürfniffen der Gegenwart und dentfcher 
Leſer insbeſondere entiprechendes Heiligenlericon herzuftellen. 

Wie Referent weiß, ift vor Jahren fdjon unabhängig 
von ben Herausgebern von zwei verfchievdenen Seiten vers 
felbe Plan gefaßt worden, mußte aber aus Mangel bet 
nothwendigen Mittel wieder aufgegeben werben. Im biefer 
Beziehung befinden fich die Herausgeber in einer glüdlichen 
Lage. Abgeſehen davon, daß ihnen tie Hilfsmittel, welche 
auch ſonſt in größern Bibliotheken (id) vorfinven, vole y. 3B. 
die Acta Sanctorum bet Bollandiſten, joweit fie biöher er⸗ 
(dienen, die Acta Sanctorum O. S. Benedicti ves Mabillon, 
taé Menologium des Bucelin u. f. m. zu Gebote eben, 


Heiligen⸗Lexicon. 325 


hat ihnen der Vorſtand der reſtaurirten Bollandiſtencon⸗ 
gregation Van Hecke in Brüſſel auf ihr Anſuchen den Ge⸗ 
fallen erwieſen, ihnen den Catalog der Heiligen, deren 
Gedächtniß in bie Zeit vom 21. Oct. bis 31. Dec. fällt, 
mitzutheilen zugleich mit dem Verſprechen, ihnen vorkom⸗ 
menden Falls auf Anfragen ſachdienliche Auskunft zu geben. 
Dieſe Zuvorkommenheit gereicht dem nen anfblühenden In; 
ftitut der Bollandiften zu großer Ehre; fle fegt aber aud 
die Herausgeber in Stand, ihrer Arbeit bie nad bem 
gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft móglide Vollſtaͤn⸗ 
bigfeit zu geben, was ihnen ohne foldje Beihilfe wohl faum 
möglich gemejen wäre. 
Ueber bie Grundſaͤtze, melde vie Heransgeber befolgen 
wollen, fprechen fie fid) folgendermaßen aus: 
„I. Sollen in bemjelben alle Heiligen, Seligen, Ehr⸗ 
| würdigen und ald Fromme Berehrten, des alten und 
des neuen Bundes, aller Zeiten und Nölfer, aller 
Orte und Orden 2c., fie mögen von der ganzen Kirche 
als jolde verehrt werden ober nur von einem Theil 
berfelben, ſoweit ihre Namen befannt find, in alpha- 
betijder Ordnung Aufnahme finden, wobei jebod) 
unter gewifjenhafter Beobachtung ber hieher bezügs 
[iden Gonftitutionen Urban's VIIL vom Jahre 1625 
und 1634 nur jene ben betreffenden Titel: „heilig“, 
„ſelig“ wu. f. w. erhalten follen, bie entweder von 
ber Kirche förmlich dafür erflärt oder feit unfürdenk⸗ 
lichen Zeiten in berfelben al8 „heilig“ verehrt worden 
find, und die Unterzeichneten erflären hiemit aus⸗ 
brüdlih, bafi fie fid) in blefer wie in jeder andern 
Beziehung vollfommen bem Urtheil ber Bí. römiſch⸗ 
fathol. Kirche unterwerfen ; 


326 


Stapler und Heim, 


2. ſollen nebft dem Tage ber Verehrung (der in bet 


Regel ber Todestag iff) von jebem Heiligen 1c. 1c., 
foweit εὖ die vorhandenen Acten geftatten, in Kürze 
bie Hauptmomente feines Lebens hervorgehoben wet: 
ben, wobei möglihft auf jene Tugenden befonbere 
Rüdfiht genommen werden foll, durch weld er fid) 
vor andern ausgezeichnet hat; 


. foll, fomeit εὖ mit Sicherheit gefchehen fann, wenig» 


ftend von jenen Heiligen 3c. ıc., die in ben Kalendern 
vorzufommen pflegen und im Leben befannt find, 
eine Verdeutſchung ihrer Namen gegeben werben; 


. da eine ausführliche Angabe ber beftehenven Literatur 


über einen Heiligen 2c. ıc., und eine einläßliche Kritik 
über den biftorifhen Werth ver betreffenden Acten 
zu weit führen und das Werk zu umfangreich madjen 
würde, fo foll ber Kürze halber nur bei großen Heis 
ligen auf jene reflectirt und in Berng auf leßtere 
etwa blos vorfommenben Falls von der Verſchieden⸗ 
heit der Meinungen in ftveitigen Punften das Be- 
treffende bündig angemerft werben; 


. da ferner in einer Hagiographle das Sagen» und 


eigentlich €egenbenBafte, das fih an irgend einen 
Heiligen fnüpft, nicht umgangen werden fann, fo 
fol dasfelbe, wenn εὖ vorfommt, um der mannigs 
fachen Sintereffen willen, die es hat, in entfpredjenber 
Kürze mitgetheilt werben, mit Beifügung ver Anliegen 
und Nöthen, in denen ein Heiliger beſonders ange» 
rufen ober für deren Abhilfe er ald Patron betrachtet 
wird; 


. folfen zur Vollendung des Ganzen nicht nur die Wefte 


ber Heiligen, und die Orte, wo ihre Reliquien fi 





Heiligen⸗Lexicon. 327 


befinden, ſowie welche von dieſen noch vorhanden 
find, ſoviel als möglich angemerkt werden, ſondern 
aud) bie Attribute und Symbole, wit denen fie ge» 
woͤhnlich zur fünftlerifchen Darftellung kommen, und 
viefes Leutere unter jededmaliger Hinweifung auf 
bet Grund dieſer Gewohnheit, joweit dieſes möglich, 
ift. Uebrigens follen aud) die Fefte des Herrn und 
der feligften Jungfrau Maria geeignete Berüdfichti- 
gung finden; 

1. enblid) bilden 2 Beilagen ben Schluß, von bene 
bie erfte bie alphabetiihe Aufführung ber Attribute 
enthält, wie fie im Laufe des Werkes bei ben ein; 
zelnen Heiligen vorfommen, mit Angabe ber Heiligen, 
denen fie gehören, unb bie zweite die Heiligen nad, 
bem Tage ihrer Berehrung orbnet und baber ben 
allgemeinen Heiligen-Kalenver bilbet." | 

Man wird diefe Grundfäge im SBefentliden nur bil 
ligen können. Höchſtens darüber könnte man vielleicht mit 
den Heraudgebern rechten, ob fie nicht bem erbaulichen 
Element zu viel Pla eingeräumt. Um fid) zu erbauen, 
greift man nicht leicht nad) einem Lericon und ein ſolches 
wird zu diefem Zwede [don wegen ber nothwendigen Kürze 
der einzelnen Artifel gegenüber den gewöhnlichen Legenden 
oder Sammlungen von Heiligenleben nadjteben. — Auch 
glauben wir, vaß mer das Heiligenlericon faut, mit einem 
Werke ver legtern Art entweder verjehen ift ober bod) ein 
ſolches fid) leicht verſchaffen fann. Daher würden wir 
principiell das Erbauliche, wenn nicht ganz ausichließen, 
doch möglichft beichränfen, um für Anderes, das in erbaus 
lien Werfen feinen. Play zu finden pflegt, 4. 3B. Sconto 
graphifches, Literariſches u. [. vo. mehr Raum zu gewinnen. 


328 Gtabler und Heim, 


Go würde εὖ 3. Ὁ. nicht leicht Jemand bedauern, 
wenn in ber vierten ber vorliegenben Lieferungen bie eben: 
befgreibung des hi. Athanafius um zwei Drittel Fürzer 
ausgefallen wäre, wohl aber wirb es vielfach auffallen, 
bag in diefem Artifel Möhlers „Athanaſius“ nicht einmal 
genannt ift und über bie Schriftwerfe des hi. Patriarchen 
unb Kirchenlehrers jede einläßlichere Notiz fehlt. So mod 
ten wir aud) bie Verfaſſer ihres Verfprechens, „die efte 
bes Heren und ber jeligften Jungfrau Maria geeignete 
‚Berüdfichtigung finden” zu lajffen, gerne entbinven, fofern 
baéfelbe von erbanlicher Behandlung des betreffenden Gegen: 
ſtandes zu verftehen fein folite. Es ift inbe& möglich, daß 
bie SBerfafjet dabei nur bie Fünftlerifhen Momente im 
Auge haben, bie fid) an die fraglichen Wefte anfnüpfen, 
unb daß fie nur biefe hervorheben wollen. Sollte biele 
Porausfegung richtig fein, jo wäre nut nod) zu mün[den, 
daß fie aud) dem limftanbe Rechnung tragen würven, baf 
in romani[den Ländern häufig bie Vornamen von folden 
Feften genommen werben, 3. 3B. Natalid (Noel), Paschalis, 
Sinnunciaba, Dolores u. f. Ὁ. Dadurch würde. freilich bie 
Nothwendigkeit entfliehen, jene Wefte nach der lateinifchen 
Bezeihnung anzuführen, was wenigftend in ben biófer 
erſchienenen Heften nicht gejdjeben, da ber Artifel Annun- — 
‚tiatio fehlt. 

Ueber bie Art wie vie Verfaſſer ihre Grundfäge burdy 
führen, läßt fid) bei ber. geringen Zahl ber bisher erjchie, 
nenen Hefte natürlich ein vefinitives Urtheil nicht fällen, 
bod) bürgen bie Namen berjelben dafür, daß das Werk in 
bem[elben Geifte, in weldem ed begonnen worben, aud 
fortgeführt werde. Was bisher vorliegt, gereicht den er 
axégebetn zur Ehre: £6 if im Weſentlichen eine fleißige 


Heiligen⸗Lexicon. 329 


und, was bei derartigen Unternehmungen die Hauptſache 
iſt, puͤnktliche Arbeit. Was wir auszuſetzen haben, kann 
im Nachfolgenden leicht verbeſſert werden und um deß— 
willen, nicht um vorlaute Kritik zu üben, ſetzen wir es bei. 

Man kann es nur loben, wenn die Verfaſſer die 
gangbarſten Namen fremdlaändiſchen ober altdeutſchen Ur⸗ 
ſprungs zu verdeutſchen ober zu verneudeutſchen verſuchen 
unb es ift zuzugeben, daß ihnen dieß vielfach recht gut 
gelungen iſt. Manches aber wird man vom Standpunkt 
moderner Sprachwiſſenſchaft aus nicht zu billigen vermögen. 
Wenn ſie z. B. bei Anteros bemerken: „vom griech. 
Artouc Gegenliebe 1c. ic. oder ἀντήρης — entgegenkäm— 
pfend x. 2c. ober ἀνϑηρὸς blühend ic. ıc.”, fo fieht man 
lit, bag nur bie erfte Ableitung ſprachlich richtig, die 
beiden andern aber zu verwerfen find. Ober wenn fie bei 
Auremund vie Ableitung von aurum mundum adoptiren, 
jo braucht man nur wenig von lateinischer Wortzufammens 
fegung zu willen, um das gänzlich Verfehlte derjelben zu 
erkennen. Auremund ift vielmehr ein gut beutjder Name 
von ben Wurzeln AVS (mit Verwandlung des S in R) 
und MUNT gebildet und dürfte ber Bebentung nad) bem 
greifen Aglaophamos entiprechen. -Wie εὖ fcheint, 
baben fid) in diefen und nod) andern Fällen die Seraué; 
geber dadurch, daß fie zuweilen [don ältere Ramendeutungen 
vorfanden, verleiten lafjen, von ber richtigen Verfahrungs⸗ 
weife in biefer Beziehung abzugeben, und Verdeutſchungen 
von Ramen zu geben, die fie wohl felbft nicht gerechtfertigt 
finden. Wir glauben, daß fie hierin ben Reſpect vor bem 
Alterthum zu weit getrieben. Wir meinen aber nicht, baf 
[olde alterthümliche Deutungen ignorirt werden follen: fie 
find oft in Bofem Grave finnig und enthalten mitunter 





330 Stadler und Selm, 


bie ganze Charafteriftif eines Heiligen; aber es dürfte ges 

nügen, fie einfach ald ältere Anficht anzuführen, nachdem 

vorher das Richtige angegeben worden. 

Da dad Heiligens2ericon zunähft für Deutſchland 
beftimmt ift, jo darf man erwarten, baf in bemjelben auf 
Heilige, die für Deutſchland hervorragende Bedeutung haben, 
befonvders Rüdficht genommen werbe. In biefer Beziehung 
müflen wir εὖ beflagen, daß ber Schutzheilige bed für 
beutíde Kirchen, und Kunftgefchichte jo wichtigen Klofters 
Hirfau, ber hl. Aurelius, jo Färglich bebadjt worden. Wir 
finden nämlich über benfelben nur Folgendes: 

„19. St Aurelius, Ep. (9. Nov.). Nah Migne war diefer 
hl. Aurelius Biſchof von Ariarathe in fappabocien; 
bei Butler dagegen findet fid) fein Name gar nicht 
vor. Derfelbe ijt befonberó befannt durch bie Leber: 
tragung des Qeidjnamó des hi. Biſchofs Dionyfius 
von Mailand, ber in feiner Diöcefe ftarb unb auf 
Beranlafjung des Hl. Ambrofius in biefe Stadt ju 
rüdgebradt wurde. Der bl. Aurelius ftarb im Jahr 

‚ 383 an bem Tage, an weldem bie llebertragung 

des Bl. Dionyfius ftattfand, und wird in Mailand 
verehrt. Im Klofter Hirſchau in Württemberg follen 
einige Reliquien von ihm ſich befunden haben. Bei 
den Bollandiften wird biefer hi. Aurelius ein armes 
nijder 3Bijdjof genannt und am 25. Mai, 14. unb 
25. Sept. aufgeführt, an weldem Tage wahrſchein⸗ 
lid Translationen gefeiert worden find. Im Elenchus 
heißt er Ep. Redician. Mediol." 

Genaueres hätten die Herausgeber (don in bem 
„Kirchenlexicon“ von Weger und Welte, Art. Qir[djau, 
finden können. Eine ausführliche Lebensbeſchreibung bed 


Heiligen⸗Lexlcon. 331 


bl. Aurelius findet fidj in des Trithemius Chronicon Hir- 
saugiense, einem Buche, das keineswegs zu den Selten, 
heiten gehört. Nach diefer war bet Heilige von Geburt 
ein Deuticher und Biſchof zu Redicia in Armenien, wohin 
i. 3. 361 der hl. Dionyfius Bifhof von Mailand durch 
die Arianer ind Eril gejchidt wurde. Als diefer am Orte 
feiner Verbannung geftorben, brachte er den Leichnam bes 
jelben i. 3. 382 nah Mailand ἑπτὰ δ und blieb bafelbft 
auf Bitten des bf. Ambrofius noch ein Jahr, nad) deſſen 
Umfluß er ftarb und feine 9tufeftátte in ver Kirche neben 
bem hl. Dionyfius fand. Ungefähr 450 Jahre fpäter 
wurden feine Gebeine durch den Bifchof Notting von Vers 
(ΕΠ, einen geborenen Grafen von Galm, erhoben unb in 
das damald neureftnurirte Klofter Hirfau übergetragen. 
Snbeffen blieb in Mailand die Verehrung des Dl. Aurelius 
und man wollte daſelbſt jpäter behaupten, vie Gebeine 
desfelben felen nod) vollftändig im dortigen Dom. Es ift 
bleB eine Streitfrage, weldye bie Herausgeber, da fte öffents 
fid in Schriften verhandelt wurde, wohl hätten berühren 
dürfen. In Hirfau blieben bie von Notting überbrachten 
Gebeine des Heiligen bis zu ber gewaltfamen Einführung 


der Reformation in 9Bürtemberg burd) Herzog Ulrich. Die 


wechſelnden Schiefale berjelben in ber Zwifchenzeit, nament⸗ 
lid wie fie vor einem Normanneneinfall vergraben und 
fpäter burdj den großen deutſchen Pabft Leo IX. wieder 
erhoben wurden, fann man bei Trithemius nachleſen. Sept 
befinden fid) tiefe Reliquien in ber Pfarr, ehemals φοβεῖν 
fire zu Zwiefalten. Nach Einführung ver Reformation 
nänlich wurden fie aus der Aurelinsficche zu Hirfau ἐπὶ» 
fernt und zuerft in einer Scheuer niebergelegt, jpäter aber 
von Herzog Ulrich bem Grafen Wilhelm Werner von Herrens 
Theol. Duartalfchrijt. 1857. 11. Heft. 22 


Jj 


332 Didascalia. Apostolorum. 


zimmern auf beffen Bitte überlaffen. In der Kapelle des 
Schloſſes Herrenzimmern blieben fte von 1534 bie. 1594, 
in meldem Jahr fie Gibylla, Genmhlin des Grafen Eitel- 
frig von Hohenzollern, eine geborne Gräfin von Zimmern, 
nad Hedingen brddjte. Won da erhielt fie 1690 der Abt 
Martin von Swiefalten auf inftändiges Bitten durch eine 
Schenfung des Fürften Friedrich, Wilhelm von Hohenzollern: 
$edingen. Dean fieht, es fpiegelt fid) in tem Gejdide 
diefer Reliquien ein gutes Stück deutſcher Kirchengefchichte, 
weßhalb vasfelbe von den Herausgebern wohl einer Be: 
adtung würdig gemejen wäre. Ueberhaupt dürfen ihnen 
Specialgefhichten beutjder Klöfter und Stifter zu bejon- 
beret. Berüdfihtigung empfohlen werben. 

Die Ausftattung des Werkes ift gut und ber Preis 
der einzelnen je 6 Bogen in 2ericonformat umfafjenden 
Lieferung zu 24 fr. nicht zu bod. 
9L berle. 


6. 


Didascalia Apostolorum, Syriace. Lipsise, B. G. Teubner. 
. 1854. Pr. * ff. 

Schon llelgen bemerkte in der 9Borrebe zu feiner 9Im& 
gabe der apoſtoliſchen Konftitutionen (praef. p. XVII, nota 
33), taf fid in Paris unter bem Titel διδασκαλία eine 
alte ſyriſche lleberfegung der fed) erften Bücher unferer 
apoftoliihen Gonftitutionen vorfinde, unb das vorliegende 
Bud) ift nichts Anderes, als ber nur in 100 Eremplaren 
ausgegebene Abdruck diefer ſyriſchen Pariſerhandſchrift. Der 
Herausgeber, bem Vernehmen nad) ein gewiſſer Herr de 


Didascslia Apostolorum. 333 


Legarde, δαὶ fi abfidtlid) nicht genannt, und gibt hen 
Grund biefür in der Vorrede alſo an: Nomen meum eden- 
lis celavi, ne quis me e fide salis illa quidem molesta 
el laedii plenissima describendi gloriolam eaptare velle 
dicat. Vereor praeterea, ne nomini vesaniae crimen iny- 
ralur quod homo egestate oppressus aeris alieni magnum 
pondus coniraxi quo ederem quue per Eurogam viz ho- 
mines quinque intelligent, nemo accuratius lecturus. est, 
omnes judicabunt. Etwas früher flagt er in der Vorrede: 
„In punctis titubatum est; ignoveril haec quicunque me 
toto die pueris puellisque instituendis et quae ill. ela- 
borassent emendandis vacantem sudore scholastico vix 
absterso noctu quos operae labyrinthos siruzissent peram- 
bulasse didécerit. Quantum mihi negotium puncta faces- 
serint dici vix potest, plane ad codicis fidem non ad 
grammaticorum praecepila a me posHa; verum ingenue 
profiteor in primis triginta fere paginis puncla, quum nac 
ipse ulpote talis laboris insuetus salis recte correxissem 
neque tum operas haberem ea qua par erai observaniia 
jussa mea exequentes, haud raro non ita posita esse ut 
in apographo transscripseram. In his igitur fere paginis 
et suhinde in reliquis puncta paululum ad sinistram aut 
ad dexteram deflexerunt nunquam tamen ita ut non indi- 
cassem si alii quam scholastico homini grave videri posset. 
Catalogum talium non addo quum satis aeris alieni propter 
didascaliam contraxerim.4 Nach diefen Aeußerungen muß 
man in ber That, wenn man bie Berhältniffe beó eraut; 
geberd erwägt, feinem Fleiße und bem für bie Wifien- 
(daft gebraten Opfer hohe Anerfennung zollen. 

Was nun das fyrifche Werf felbft betrifft, gilt im Verhälts 
niffe zum griech. Terte darübee, was llelgen an ber [don oben 

227 


334 Didascalia Apostolorem. 


zitirten Stelle über eine arab. Ueberfegung fagt, ber Gert 
ſei namlich gegeben „multis omissis, additis, — € 
(ὁ enthält 26 theils längere theild fürzere Kapitel, 
denen der Stoff der ſechs erfien Bücher ver ee 
Gonflitutionen anf eine von biejem vollig abmeidente 
θεῖε aljo vertheilt ift: 

Das 1. Rap. handelt von bem einfadjen unt 
natürfiden Gejetbe unb. fdjliept mit ten Worten 
„damit wir Eöhne des Lichtes ferien," tie im Griech. ſchon 
im 2. Rap. des 1. Buches Ἐπ. 1 mb 2 fichen. Die erften 
Zeilen tiejeó unb ber folgenden Kapitel geben immmer den 
Hauptinhalt an. Das 9, fyr. Kap. beginnt mit ver Be; 
lehrung fürden Mann, nur feinem Weibe zu gefallen, 
was bei llelgen im 2. ap. Zeile 2 Six. 3 u. f. τὸ. ftebt. 
Das 8. fyr. Kap. enthält bie Selefrung für die 
Weiber, die im 8. Kap. u. j. m. des griedh. Tertes fid 
findet. So ift das erfle Sud in 3 Kap. vertbeilt. Das 
A. Kap. bantelt von der Wahl ver Biſchöfe, womit 
im Gried. dad Buch IL anfängt. Anftatt „wir baben 
über die Bifchöfe gehört” heißt εὖ nad bem Syriſch. „Ueber 
das Epifcopat aber hört!” bie Worte „von tem Herrn“ 
fehlen. Das B. Kap. Bat die Aufihrift „über das 
Gericht“ und enthält bie im griedh. ap. des 2. Buchs 
Ἐπ. 5 beginnende Belehrung ver Bilchöfe, wie fie 
dad ihnen von Gott amfgetragene Wächteramt über 
die Eeelen gewiſſenhaft verwalten follen. Im 6. ἴνι. 
Kap. finren wir, was im 12. Zap. des IL griech. Buches 
anfängt, von ben Berbrehern unb Büßern. 40}. 
7, an bie Bifchöfe gerichtet, beginnt nad) einem. 3ujate 
von einer Zeile mit vem, was Kap. 18 Rr. 2 im 2. Bude 
des gricdj. Tertes fieht. Das 8, Kap. enthält Ermahnungen 


Didascalia Apostolorum. 385 


über bifhöflihen Wandel, anfangenb mit ben Worten : 
„Liebet nicht ben Wein m. f. w.“! Bergleihe S. 40 
Zeile 3 des griech. Tertes vor bem 25. Kap. — Das 9, Kap. 
bat die Ermahnung an'é Volk, die Biſchöfe zu 
ehren. Siehe gried. Tert ©. 42 Nr. 10, 25. Haupts 
füd; das 10. handelt von den falſchen Brüdern; 
im Gried. ©. 51 Hauptſtück 37 Nr. 2 des 2. Buchs. 
Im 11. Kap. fommt die Erhorte an die Bifchöfe 
und Diaconen vor, bie im Gried. ©. 57 9r. 5 vor 
pem 44. Kap. des 2. Buches anfängt. Im Griech. wird 
ein Bifchof mit bem untergeorbneten. Klerus angerebet, im 
Cyr. fteht der Plural und find aud) die Diaconen erwähnt. 
Das 12. Kap. enthält bie Ermahnung an die 
Bischöfe mild zu fein. Bergleihe ©. 66, 1, Kap. 
97 des 2. Buchs im Griech. — Das 13. Hauptſtück θέε 
greift in fi, die Belehrung an'8 Voll, beim Gottes 
dienfte fleißig zu erfheinen und auszuhalten, 
nah Kap. 59 u. |. m. bis zum Ende des IL Bus des 
griech. Textes. 

Das III. Bud, des griech. Tertes beginnt im 14. Rap. 
ted for. Tertes mit der Anordnung über die aufzu— 
nehmenden Wittwen. Während im Gried). 60 Jahre 
gefordert merben, wird im Cyr. das BO fte abr als Ger 
min angegeben, vor dem eine Wittwe nidt aufgenommen 
werden dürfe. Im 15 for. Kap. wird die Belehrung 
über Die Wittwen unb zwar überibren Wandel 
nad) bem 5. Kap. u. f. w. des 3. Buches im Griech. fort» 
gelegt. Das Kap., woburd 9Heibern dad Taufen vers 
boten wird unb weldes lleígen als fpäteres Ginfdjiebfel 
anfieht, findet fih aud) im for. Sexte. 

Das 16. for. fap. (prit von ter Beftellung der 


336 Didasonliae Apostolorum. 


Diasonen und Diaconiffen. Bergleide im Griech. 
vas 15 Kay. Rr. 5 des 3. Buchs. Das 20. Kap. des 
griech. Serted, von ber Bifchofsweihe, fehlt im Syriſchen. 

Sm 17. for. Kap. treffen wir die Belehrung über 
bie Erziehung von Waifen, womit im Giried. das 
Ate Bud, anfängt. Das 5. Kap. dieſes 4. Baches, G. 93 
bei Uelten, findet fid im Gyr. nidi. 

Das 18. jor. Kap. enthält tie Warnung, von 
Tadelnswfürdigen feine wohlthätigen Gaben 
anzunehmen; die Bifchöfe werden angemiejen, auf bie 
Sitten Iener zu achten, bie da Almofen geben. Eiche im 
Griech. Kap. 6 des 4. Buchs. Der ſyr. Tert ift anfangs 
etwas erweitert, dann aber enthält er faft nur Namenauf- 
zählung derjenigen, deren Gejdjenfe nicht anzunehmen ftnt, 
ohne Aufführung von Bibelftelen. Die Kap. 11—14 
fehlen im Syrifchen. | 

Mit dem Anfange des V. DB. des gried). Tertes beginnt 
das 19. for. Kap., handelnd von ber Sorge für bic 
Märtyrer. Die im 5. Hauptftüde des griech. Originals 
enthaltene Ermahnung, fi dem Martyrihume muthig zu 
unterziehen, ijt im Syr. ziemlich abgefürzt. 

Das 20. ior. Rap. enthält bie Lehre von der Aufer 
Hebung bet Todten nad bem 7. Kap. des 5. Bude 
im Griech. — Die ſybilliniſchen Verfe viefes 7. griech. Haupt 
fiüdé find auch ind Eyrifche, aber nicht metrifch überfegt. 

Das 21. Rap. der for. lleberfegung fängt mit bec 
Warnung vor eitlen Revdenan, die im 10 Kay. bes 
9. Buchs im Griech. (teft: e8 hat aber tle Aufichrift „über 
das Paſcha unddie Auferftehung Chriſti.“ Die 
griech. Kap. 14 u. 12 finden ſich ebenfalls darin; darauf fommt 
«ft bie Abhandlung über bie Rafchafeier c.2c, Gegen das 








Didascalia Apostolorum. 337 


Ende dieſes ſyr. Hauptftüds ftebt ein Abfchnitt über das 
Baften an Samftagen, ven ich im Griech. nicht ger 
funden habe. Im Syr. fommt dagegen nit vor, was 
zum Theil im Hauptft. 19 unb 20 des griech. Textes von 
der Beier der Auferfiehung Chrifti und des Pfingftfeites 
gefagt wird. 

Sm 22. ſyr. Kap. findet fid) die im 11. Kap. des Akten 
griedy. Buches vorfommende Ermahnung, die Finder in 
Handwerfen zu unterrihten. Was im I. Rap. u. f. f. des 
VI. Bude im Gried. von fegereien und Kirchen 
ſpaltungen fteht, hat abgefürzt feinen Platz im 28. 
for. Hauptft. gefunden. 

Das 24. ſyr. Kap. hat die Auffchrift: über die Ein, 
tihtung ber Kirche und wie bte Apoftel wegen 
Befferung der Aergerniffe zufammen famen, - 
nah Kap. 14 be8 G. gried. Buchs. Die Namen ber 
Apoftel finden fid im Gyr. nicht, ebenjomenig mehrere 
Bibelſtellen. Voran geht eine aus Kap. 10 des 6. Buchs 
genommene Einleitung über bie Veranlaſſung zu biefer 
Didascalia. Weber bie Taufe, wovon das ganze 15. griech. 
Rap. fpridót, find im Cyr. nur 3 Zeilen. Dann wird 
abgekürzt im Syr. vom Streite über die DBeobadtung 
be inofaifden Öefeges erzählt, was fid in Gried. 
im 12 Rap. des VI. Buchs finbet. Rad der Erzählung 
von ber Viſton des hi. Petrus (Apoft. Θεῷ. 1) Taufe 
δε Cornelius, worin der 9[poftelfürft in ver erften 
Verfon fpricht, wird im Cyr. aud) ter HI. Apoftel Jacobus 
in der erſten Perſon revend eingeführt, wo im Griech. bie 
dritte Perfon fteht. Der Schluß im Syr. lautet: „Dann 
ſchtieben wir biefe Fathol. Didascalia." 

Im 28. fyr. Hauptftüd wird berichtet, wie bie DI. 


338 Didascalia Apostolorum. 


Apoftel wieder gu ben Kirchen zurüdfehrten 
unb fie einridteten. Vergleiche Kap. 13 des 6. Buchs. 
Rah bem, was hier im Griech. vorkommt, fteht dann im 
Syr. was im 18. Kap. von der Vermeidung der 
Häretifer gejagt wird, jedoch kürzer. 9Beitláufiger αἱ 
im griedh. Terte ift über bie Bervammung Jener ge 
ſprochen, die ben hl. Geift läftern. 

Das 26. unb legte fyr. Kap. endlich enthält ven Nach⸗ 
weis, daß die Subendriften zur Beobahtung Ὁ εὖ 
mofaifhen Geſetzes nidt verbunden feien, 
einige Zeilen nod; vom 18. Kap. des 6. griedh. Buches, 
dann Kap. 19 u. f. τὸ. umfaſſend. Das 20. griech. Kap. 
über die Zuftände der Juden nach ihrer Verwerfung ift im - 
Gyr. erweitert; ebenfo wird weitläufig gegen bie jübdifchen 
Gebräuche, 3. B. die gefeglichen Reinigungen, geeifert. 
. Anderes wieder, wie Kap. 28. und 29. im Griech., ift 
‚zum Theil ausgelaffen. Bor dem Epilogus (Kap. 30, 
Nr. 5 im Gried.) ftebt im Eyr. pag. 120 eine Recht⸗ 
fertigung über bie Strenge der Vorfchriften in ver Didascalia, 
die im Griech. fid) hier nicht findet. Der Epilogus felbft 
hat im Syr. nad) der lleberjegung der Worte „oravpw- 
ϑέντος ἐπὶ Ποντίβ Πιλάτα ven Zufaß: „und er enıfchlief, 
um Abraham, Ifaaf und Jakob und allen feinen Heiligen 
zu verfünben vom Ende ber Welt unb von ber Auferftehung 
bet Todten.” Im llebrigen ift der Epilog abgekürzt. 

P. Pius Zingerle, 
Gymnaffalbirector in Meran. 





Probft, Grequien. 339 


1. 

. Exequien von Dr. Serdinand Probſt, Priefter. Mit Ap- 
probation der Hochw. Bifchöfl. und Erzbifch. Ordinariate 
Rottenburg und Freiburg. Tübingen, 1856. Berlag 
der H. Laupp'ſchen Buchhandlung. — Laupp u. Stiebel. — 
gr. 8. S. 149. Preis 45 fr. 


. Yerwaltung der Euchariftie als Sakrament von Dr. fer- 
dinand jérobfi. Mit Approbation mie oben. Zweite 
verbefjerte Auflage Tübingen, 1857. Berlag 
der H. £aupy'fden Buchhandlung. — Laupp u. Siebe. — 
gr. 8. S. 236. Pr. 1 fl. 12 fr. ; 


. Verwaltung der €udjariftie als Opfer von Dr. Ser- 
dinand Probſt. Mit Approbation wie oben. Zweite 
verbefferte und vermehrte Auflage. Tübingen, 
1857. Berlag ber $. gaupy' [den Buchhandlung — 
$aupp u. Siebed. — gr. 8. ©. 445. Pr. 2fl. 8 fr. 

. Die fiturgie der Kirche und die lateinifche Sprache. 
Bier Vorträge von Dr. Franz Hettinger, Subregend im 
Klerikalfeminar zu Würzburg. (Befonderer Abdrud aus ber 
fatb. Wochenfchrift) Würzburg, 1856. Verlag der. 
Sta hel'ſchen Buchhandlung. — fI. 8. ©. 81. Pr. 30 fr. 


1) Man ift in der Praris fo vielfach von den vituellen 


Rormen ber Kirche abgefommen, daß ed an ber Zeit ift, 
wieder genau an die Orbnung und an bie Regeln erinnert 
in werden, welde bie Kirche für tiefen ober jenen fultact 
vorgezeichnet hat. Diefe find um fo wichtiger, al& fte ihre 


Entftehung nicht dem angenblidlihen Ginfalle eines Ins 
dividnums, fondern der Jahrhunderte lang forgfältig 
fortgefegten kirchlichen Thätigfeit und Uebung verbanfen 
und fo ein Provuft ihres Gieifted find, der fid) die Formen 





340 Probft, 


feiner Berhätigung mad) beftimmten inneren Motiven ges 
féaffen hat. Diefen innern Motiven ber einzenen Stüde 
unfers kirchlichen Ritus nachzugehen, it ein dankenswerthes 
Ge[djáft, und muß um fo mehr Anerfenmung finden, wenn 
ber betreffende Ritus in ber Praxis verunftaltet umb nad 
feinem inneren Werthe nicht gewürbigt ift. — 

Diefes läßt fid) zum Theil von unjerm Begräbniß- 
rifud jagen; denn nicht leicht gibt ed einen gottesbienftlichen 
Act, bei tem die althergebradhten Firhlichen Normen mehr 
jurüdgebrüngt wären. Es ift daher ein verbienftliches Werk 
von Probſt, daß er e unternommen hat, biefen Ritus 
bi8 in feine eingelnften Theile hinaus genau darzulegen, 
auf deffen innern Organismus hinzuweifen und feinen 
ſchönen Sinn zu tentem. Diefe liturgifhe Arbeit reiht 
fid) würdig feinen frühern Arbeiten ber Art über bie hl. 
(Sudjariftie und das SBrepter an. — 

Wenn er fid in feiner Abhandlung genau an die 
bießfälligen Vorſchriften im römifhen Rituale anfchließt, 
fo wird man εὖ mur billigen fónnen. Auch danıit wird 
man einverftanden fein müjfen, daß er bie Fragen über 
Begräbnißrecht und Begräbnißort aud dem Kirchenrechte, 
wo fie gewoͤhnlich Platz finden, in feine Echrift herüber- 
genommen hat, ba fie al& nicht zu umgehende Borfragen 
der eigentlichen Grequien anzufehen find. Wie bieje Bor 
bedingungen des Begräbnißritus eine jehr ausführliche Ber 
fchreibung gefunden haben, fo hätten aber wohl aud) ble 
Nachwirkungen oder Nachklaͤnge der kirchlichen Begräbnißs 
feier, bie fid in bem Dies tertius, septimus, Iricesimus 
und anniversarius äußern, etmaé mehr als bloß vorübete 
gehend (€. 119. 121) berührt werben follen. Eonft muß 
bie große Genauigfeit, mit ber alle dieſen Firhlichen Ritus 


Grequiet. 341 


betreffenden Fragen vorgeführt, und bie Sicherheit, mit ber 
fie entfchieden wurben, gerübmt werden. Aus bem Vielen 
weifen wir nur auf ein paar Punfte fin, deren ruhige - 
und griümbofide Erörterung ficherlih jevem paftorirenven 
Geiftlihen wilfommen ift; wir meinen ben Paſſus über 
die Frage, wen das kirchliche Begräbniß zu verweigern fet 
(€. 16—84), und die Weifung über dad Verhalten ben 
verftorbenen Akatholifen gegenüber, wenn e8 fid) um bie 
preces exequiales oder um Application ber Meſſe banbelt. 
Es tritt überall das Beftreben des Verfaſſers bettlid) Der» 
vor, bie Anordnungen der Kirche in ihrem Cinne für fid) 
unb in ihrer Bedeutung im Zufammenhang mit ber τῷ 
lihen Lehre und llebung zu vedtfertigen, und alle aud) 
tie fleinften Theile im Ritus nad der Abficht der Kirche 
auffaffen zu lebren. Seine Leiftungen nad) dieſer Seite 
hin verdienen alle Anerfennung. So dient feine Arbeit 
auf ber einen Seite dazu, den tiefen Sinn dieſes Fathos 
liſchen Ritus zu erfchließen und nachzuweiſen, baf alle 
Theile deffelben zu einem innern finnreihen Organismus 
verbunden find und daß dabei tem SBebür[nifje des menfdy 
lichen Herzens, das ven einem Todesfalle berührt wurde, 
nicht weniger Redynung getragen ift, ald bem ernften Geifte 
ber Kirche. Auf ver. andern Geite if fit aber zugleich 
Anweifung für den paftorirenden Geiftlihen, wie er bem ' 
Begräbnißact nad firdlidyen Mormen und nad) Firchlichem 
Sinn vorzunehmen fabe. — 

Ref. ftebt feinen Augenblid an, bad Bervienft unferer 
Schrift nad) den bezeichneten zwei Seiten in gebührender 
Meife anzuerkennen, glaubt jedoch auch bemerken zu dürfen, 
daß deren Werth nai der legtern Seite hin mefentlich er: 
böht worden wäre, wenn der. Berf. eine gemife Aus— 


342 Probſt, 


gleichung zwiſchen ben von ihm dargeſtellten feierlichen 
kirchlichen Exequien und zwiſchen der vielfach namentlich 
in Deutſchland und zwar mit wenigſtens ſtillſchweigender 
Gutheißung der Biſchöfe beſtehenden Praxis geſucht hätte. 
Es kann damit nicht gemeint fein, ber Verf. haͤtte außer 
dem römiſchen Rituale noch eine Menge von Diöceſan⸗ 
Ritualien berüdfichtigen ſollen. Es hätte genügt, auf ben 
eigenthuͤmlichen Charakter, ben dieſer Ritus in ben deutſchen 
Disceſen faſt durchgäängig angenommen Bat, hinzuweiſen. 
Es wird dem Verf. nicht entgehen, daß der Ritus, wie er 
ihn beſchreibt, in Deutſchland auch beim beſten Willen nur 
in vereinzelten Fällen ausgeführt werden kann, etwa bei 
Begräbniſſen von Vornehmen und Geiſtlichen, aber nicht 
bei der Großzahl von Glaͤubigen. Es wird bei dieſem 
Ritus vorausgeſetzt, daß die Leichen in die Kirchen gebracht 
werden, daß eine proceſſionale Begleitung der Leiche unter 
Aſſiſtenz mehrerer Cleriker eben dahin und von dort an 
ben Begräbnißort ſtattfindet, daß das Officium defunctorum 
wenigſtens theilweiſe im Chore gebetet werde und dergl. 
Dinge, die aus verſchiedenen Gründen bei uns gar nicht 
oder nur ſelten werden beobachtet werden können. Da die 
feierlichen Exequien nach ber Vorſchrift des rit. Rom. ſchwer 
auszuführen und ihre Ausführung mit nicht unbebeutenben 
Auslagen verbunden ift, und gerade biefe vielfachen 9Inftof 
erregt und zu gehäffigen Ausfällen Veranlaſſung gegeben 
haben, fo hat fi ber Ritus für die Begräbnißfelerlichkeit 
in mander Beziehung veteinfadjt. Dabei wurde jedoch 
das róm. Rituale immer als maf« und normgebenb ange 
ſehen; denn von ben liturgifchen Neologen der legtverflofs 
fenen Dezennien ift bier feine Rede. Ich verweife nur 
auf das alte bewährte Eonftanzer-Rituale, das einen Aus⸗ 


Grequien, 343 


trud ber in Deutſchland üblidyen und zwar kirchlichen Be 
gräbnißfelerlichkeit enthält, fid) babel aber ganz an das 
römische Rituale anjdjiegt. Noch mehr ift legtered bei 
bem alten Augsburger-Rituale ber Fall, das alle Gebetd- . 
ftüde des römischen Rituals für ben in ber Diöcefe üb- 
[iden Begräbnißmodus zu vermenben weiß. Wenn das 
Eine oder Andere biefer Ritualien für beutjde Diöceſen 
wenigftens einigermaßen berüdfichtigt worden wäre, würbe 
ber praftifde Werth unferer Schrift firherlih um ein 9tam; 
haftes erhöht worden fein. — 

Es läßt fid nicht làugnen, ber Verf. Bat die ΜΠ 
gabe, bie er fich geftellt, gelöst unb zwar in jebr lobené; 
werther SBeije. Er bat ben Firdlihen Begräbnißritus, 
wie ihn das róm. Rituale gibt, in feiner Anwendung fchön 
befchrieben, alle etwa fid) erhebenden Schwierigkeiten über 
bejjen Ausführung gehoben, unb benfelben aus fid).jelbft 
volftändig gerechtfertigt. In feiner Schrift tritt ung die 
Wahrnehmung Far entgegen, daß die Kirche einen fchönen, 
wohlgegliederten und in feiner ganzen Anlage wohlberech⸗ 
neten Begräbnißritus aus ihrem innerften Weſen erzeugt 
bat, und wir zweifeln nit, daß mander Liturge nad 
Durchlefung dieſes Buches Manches in biefem Ritus anders 
anjehen und auffaffen wird, als es vielleicht bisher ber 
Hall war, und daß er, wenn er aud benjelben nicht in feiner 
Volftändigfeit anwenden fann, die nöthigen Abweichungen 
nach dem ihm bebánbigten Ritnale jefber treffen wird. — 

Indeſſen wirb gewiß mancher Lefer mit uns wünfchen, 
ber Verf. möchte jelbft auf einige wohl faft überall fid) 
als notbmenbig herausftellende Abweichungen Bedacht ges 
nommen haben. Er wäre damit auf verſchiedene nah und 
fern gangbare theils ftatthafte Gebräuche, theils Mißbräude 


344 Prebft, 


zu reden gelommen. Wir wollen nur auf Ginigeó auf 
merfjam machen. Nach ber hier gebotenen Anweifung 
haben bie einer Beerdigung ajfiftivenben Glerifer bie Roc; 
turnen ober. wenigftend die erfte 9tocturm und die Laudes 
von bem officium defunctorum zu beten. Wenn blos ber 
Pfarrer ober ein anderer einzelner Priefter das Begräbniß 
vornimmt, ift die Abbetung des offücium defunctorum aud 
für ihn ein verpflicdstender Theil der preces exequiales? 
Es ſoll das die Leiche begleitende Volk nicht lant beten 
(S. 103), die £eidjname dürfen nicht auf Wagen geführt, 
fondern follen getragen werben (€. 102), bie Leichname 
follen mábrenb der Erequien in der Kirche aufgeftellt wet: 
den (S. 109), nad) Umſtänden faun man dieſes ergwingen 
(©. 91); vie 2eidenrete ſoll erit nad) ver Meile und bios 
im Talare gehalten werden (S. 111). Es hat (id in 
biefen und andern Punkten eine gegentheilige Praris ge- 
bildet, — ift fie zu verwerfen, over fann man fid) bei ihr 
beruhigen? Auch ver Gebrauch, daß bei den Greqnial 
Meſſen von ben Gläubigen Gelbopfer dargebracht werben, 
unb baber der Dies tertius u. j. f. die Bezeihnung „erfteß, 
zweites 2c. Opfer“ erhalten hat, hätte wohl berührt werben 
dürfen. Ebenfo wäre ber Umftand einer Berückfichtigung 
werth gewejen, daß bie wirkliche Abhaltung ber eben ge 
nannten Opfertage meift mit bem Wortlaut ber kirchlichen 
Anordnungen nicht Dacmonirt. Aud über vie Jahrtags- 
Riftungen und vie Abhaltung ber Jahrtäge wäre hier ein 
Wort am Plag geweien. Es könnte vesgleihen auffallen, 
daß ber ſelbſt durch Discefan-Rituallen (3. B. von Bres⸗ 
lau, Freiburg m. a.) autorifirte Gebraud), den Ritus am 
Grabe in deutscher Sprache vorzimehinen, in diefer Schrift 
gar Feine Beurtheilung gefunden Dat. Es wird freilich 





Euchariftie. 345 


kaum zu zweifeln ſein, daß die Beurtheilung bei unſerm 
Verfafjer zur Verurtheilung geworden wäre. Wir wollen 
jedoch mit ihm nicht darüber rechten, ob biejeó oder jenes 
in feiner Schrift zu beſprechen ohne Etörung des einzu: 
haltenden Ganges tfunfid), und mit Rüdfiht auf die End- 
abſicht nothwendig gemefen fei. Wir wiederholen gerne 
die Anerfennung, die Schon ausgeſprochen murbe, und zwei⸗ 
feln nicht, daß auch υἱεῖς Schrift, wie feine frühern auf 
dem praktiſch theologifchen Gebiete, das Verſtändniß des 
betreffenden Fath. Eultactes und deſſen firchengemäße Bor: 
nahme bei ihren Lefern in hohem Grade fürbern wird. 
Es wird jeder Ceelforger nad; Maßgabe des ibm vorge: 
fchriebenen Ritnald und etwaiger örtlicher altherfömmlicyer 
Gebräude die nöthigen Modificationen eintreten laffen, 
ohne ben Geift, ver in dieſem kirchlich liturgiſchen Stüde 
auögebrüdt ift, abzufhmwächen ober zu alteriven. — 

2) Derfelbe Verf. veröffentlichte vor einigen Jahren eine 
Schrift über „vie Berwaltaung der Gudariftte" 
(cf. Onartalfchrift 1853. Ὁ. 514), worin diefes Bl. Sakra⸗ 
ment nad) feinen verſchiedenen Beziehungen ind Auge ge 
faßt, aber in liturgifcher Volfftändigfeit nur, infofern es 
Opfer ift, abgehantelt wird. Als eine zweite Auflage 
dieſes Werkes nothwendig wurde, glaubte der Berf. mit 
edt, die Gudariftie aud ad Gommmunion und ale 
Gegenftanb der Anbetnng einläßlidher befprechen 
und ben hierauf bezüglichen Kult genau barftellen zu follen. 
Was daher dort in untergeorbneten Abjchnitten S. 398 — 
472 abgethan wurde, ift Hier zum Hauptgegenftande bet 
Unterfuhung und Darftelung geworben. 

Bei der großen practiſchen Wichtigfeit der fraglichen 
Guitftüde ift eine weitläufigere alles Einſchlägige móglidft 


M 





: 046 Probſt, 


berüdfichtigende Beſchreibung ohne Widerrede gerechtfertigt. 
Indeſſen iſt Ref. doch der Anſicht, daß der ganze auf die 
Euchariſtie bezügliche Cult als ein zuſammengehöriges Ganze 
in Einer Schrift hätte dargeſtellt werden ſollen, ba er einer 
zu großen Zerfplitterung in ber Darftellung ber kath. Liturgie 
das Wort nicht reden möchte, und ba feines Gradjtenó da 
und dort eine fürgere Faſſung und eben damit die Zuſammen⸗ 
ftellung des Ganzen in Einen Band wohl möglich gewefen 
wäre. Die Trennung fann nur Infofern gerechtfertigt εἴν 
ſcheinen, als die Darftelung der Gudjariftie ale Opfer, 
bie in einer neuen weiter unten fur zu befprechenden Aus⸗ 
gabe erfchienen ift, im SBefentliden unverändert blieb, unb 
jomit von ben Befitern ber früheren Schrift: „Ber 
waltung der Gudari(tie" nurmehr ble durchaus neu 
bearbeitete Schrift ver „Berwaltung ber Gudariftie 
als Sakrament“ angefchafft zu werben braucht. 

Wie ſchon angedeutet, ift unfere Schrift nicht eine 
bloße Erweiterung der entfprechenven Abfchnitte in der 
etften. Auflage der „Verwaltung ber Eudariftie,” ſondern 
eine völlige Umarbeitung, die zu einer neuen Schrift an 
gemadjen if. Wir finden hier eine jo vollftändige litur- 
giſch⸗rubriciſtiſche Darftelung der betreffenden Materien, 
wie ſonſt nirgends; es dürfte fid) daher im paftorellen 
Gebiet Dinfidjtlid) der Gpenbung der Kommunion und beó 
Adorationscultus nicht leicht eine Frage erheben, bie hier 
nicht ihre Beantwortung fände, ober deren Beantwortung 
fid) nicht leicht aus bem Dargeftellten erſchließen ließe. 
Es ijt beſonders lobend anzuerfennnnen, baf ber Ser. 
mehr, als es in ber eben befprochenen Abhandlung über bie 
Erequien der Fall ift, auf bie beftebenbe Praris unb gewohn⸗ 
heitömäßigen Gebrände eingeht und fie an der Hand der 


Euchariſtie. 347 


kirchlichen Normen regulirt, rechtfertigt ober verwirft, fur 
die oft zwiſchen dem Buchſtaben der rubricalen Vorſchriften 
oder zwiſchen den -Anfichten ber Rubriciſten unb ber [ange 
herrſchenden Praxis fid) zeigende Kluft nicht einfach übers 
fpringt, und fo den practifhen Geiftlihen rathlos läßt, 
wenn in dem einzelnen Yale eine Ausgleihung zwifchen 
ben Forderungen der Rubriciften und feiner bisherigen 
llebung aufgefunden werben folle. — 

^ Sie Schrift zerfällt fadjgemág in zwei größere Ab—⸗ 
tbeilungen, nämlih in die „non ber Erpofition bet 
Euchariſtie“, unb in die „von ber Gommunion", 
denen ein kleiner Abjchnitt über bie Aufbewahrung des 
hl. Sarramented und über die Erforderniffe dazu voraus⸗ 
geſchickt if. lleberall ift auf bie größtmögliche Vollſtändig⸗ 
feit der einjchlägigen Materien Bedacht genommen. - 

Wenn gar zu häufigen Exrpofitionen das Wort nit 

geredet wird, jo fann Ref. ganz beiftimmen, und glaubt, 
daß bie Grenzen, weldje hier gezogen werben (δ. 12), nod) 
weit genug gefteft find, zumal da bie in Deutfchland ges 
braͤuchliche Grpofttion des Ciboriums nicht in fonvern über 
dem Tabernadel ald eine durchaus private und jomit 
ind Belieben des Pfarrers geftellte erklärt wird ($. 13). 
Wir finden übrigens diefe Anſicht ©. 31 fg. nicht hin⸗ 
teichend gerechtfertigt und bejonders nicht genugjam darauf 
aufmerffam gemacht, daß buch inbióctete Häufung bet 
artiger Erpofitionen nicht nur, bie Verehrung des bod» 
$eifigften Gacramenté abgeſchwächt, [onbern mannigs 
fade Verwirrung aus bem verſchiedenartigen Gebrauch der 
Pfarrer für die Gläubigen entftebem fanm. Es wäre. 
wahrfcheinlich zutreffender, wenn bie Exrpofition in bet 
Monſtranz unter feierlihem Gotteóbienfte und aus einer 

Theol. Ouartalfgrift. 1857. II. Geft. 23 


348 Probſt, 


publica causa (&. 30) nicht als eine ausſchließlich oͤffent⸗ 
lie ber Erpofition im Giborium als einer bloß pri 
vaten gegenübergeftellt würde. Es fann (eBtete, wenn 
fie an einem Sonns oder Wefttage vor ber ganzen vers 
fanımelten Gemeinde ftattfindet, gewiß nicht als eine rein 
private angefehen werben, mie foldje bie Nubriciften bei 
den bieje Erpofition betreffenden Beftinmungen im Auge 
haben. Wenn bie Ansfegung in ber Monftranz eine im 
vorzüglihen Sinne öffentliche unb zugleih feierliche 
ift, jo fafjen fid) die Erpofitionen im Ciborium theils als 
óffentlide, theild alá private bezeichnen, ald private 
ὁ. B. wenn eine Familie ober eine Genofjenfchaft aus be 
fonderen Gründen eine Erpofition im Ciborium wünſcht 
und erlangt, als öffentliche, wenn fie bei einem öffent: 
lichen Gottesdienfte ftattfinbet, bei welchem fid) bie ganze 
Gemeinde zu verfammeln pflegt, in welchem Yale fte nur 
als eine minder feierlihe αἱ die in der Monftranz 
ericheint. 

Daß in ber feierlichen Ausfegung unter der DI. Mefle 
weit entfernt feine Unangemefjenheit liege, taf fte viel⸗ 
mehr einen liturgifhen Fortſchritt in fid fehließe, 
davon hat und ber Verf. nicht überzeugt. Ref. weiß wohl, 
dag der Opfercult ber Meſſe die Anbetung nicht nur nicht 
ausfchließt, fonberm als ein wejentliches Moment in fid 
begreift, aber eben als eine Anbetung, wie fie bem ganzen 
Berlaufe des Opfereultus entfpricht. Der Opfereult ber 
Meſſe tft namlich als eine Handlung anzufehen, bie ihren 
wohl geregelten Verlauf hat unb die ebendeßhalb eine Bes 
wegung von ber Opferung zur Wandlung und von biefer 
jut Gommunion (um nur die Hauptpunfte der innern Be⸗ 
wegung anjubeutem) in fid) fagt. Die Gläubigen follen 


Euchariflle. 849 


nun dieſer Handlung, die ſo viele innere ſtets wechſelnde 
Motive in fid) ſchließt, nicht bewegungslos blos als Ans 
betende beiwohnen, ſondern ſollen die Opferhandlung in 
ihren einzelnen Theilen begleiten, dazu wird fie vor ihren 
Augen vorgenommen. Es fann und foll nicht fehlen, bag 
bie anweſenden Gläubigen ben vreieinigen Gott während 
bes Opfers anbeten, unb biefe Anbetung indbejondere auf 
dag Opfer richten, das f ibnen aber erít im Berlaufe 
bes Opferns ald das anbetungswürbige Lamm wirklich und 
wahrhaftig gegenwärtig vorftellt. Iſt bie Euchariſtie vom 
Anfange der Meſſe an den Augen der Gläubigen blosges 
ftellt, jo brauchen fie ihre Aufmerffamfeit nidt auf das 
fid evft zu vollbringende Opfer zu richten, fte haben das 
Vollbrachte ſchon vor (id. Die Adoration der Gudjari(tie, 
joweit fie mit bem Meßritus in vollem Einklange fteht, 
ift dadurch regelrecht in venfelben eingereiht, daß die 
Opfertheile nad) ber Gonferration elevirt werden. Der 
Erpofitionsritus, der in der Inſtruction von Papſt (δίς: 
mené XII!) für- das 4Oftünbige Gebet bargeftelít, unb von 
Probft feiner Ausführung zu Grunde gelegt wird, hat eine 
Erpofition unter einer Mefje nicht im Auge, wie über: 
haupt die alten kirchlichen Vorſchriften über Grpofition 
immer davon ausgehen, daß außer ber Meffe exponict 
werde. Ich glaube, daß hierin für unjere Frage ein bes 
adtungémertfer Wink liegt. So fegt nod) Merati in feinen 
Erweiterungen des Gavantus voraus, daß jelbft am Fron⸗ 
leichnamstag und bei Eröffnung des dOftünbigen Gebetes 
uit Schon während des Amtes, fondern erft nad) ber 





1) Bei Probit €. 33 unrichtig Clemens XIII. 
23 * 


350 Vrobſt, 


Communion deſſelben exponitt werde !). Ref. iſt weit ent⸗ 
fernt, den nunmehr beſtehenden Gebrauch, unter der Meſſe 
zu exponiren, als einen verwerflichen bezeichnen zu wollen, 
er findet ihn wohl zuläßig und gerechtfertigt, aber einen 
fiturgifchen Fortfchritt vermag er darin nicht zu erfennen, 
wie Probſt. Die Kirche, welche derartige Exrpofitionen nie 
einführte, if nad) und nad, wie im manden andern 
Punkten, fo aud) in dieſem bem vielfachen thatjächlichen 
Beſtande gemideu und hat madjgerabe dieſen Gebtaud) 
anerfannt unb geregelt. Gayantus fagt auébrüdiid: „in 
caeremoniali episc. lib. I, cp. 12. opiime monemur ex anti- 
quorum documentis, ut abstineamus a missa celebranda 
coram sacramento, eliam in suo tabernaculo incluso: quod 
si ferat necessitas, vel suadeat alia justa causa, puta 
infra octavam Corp. Christi, et Romae in fine publicae 
orationis 40 horerum, eo casu genuflexiones omnes et 
actus reverentiales debiti diligenter sunt observandi etc.* 
unb fügt bei, baf er nur deßhalb, weil es, vielfach begehrt 
werde, das zufammenftelle, was bei einer Meſſe coram 
exposito zu beobachten [εἰ *). : 

In dem zweiten Haupttheile, der von ter Gommunion 
handelt, läßt fid) ber Verf. weitläufig auf bie ὅταρε ein, . 
wie es (id Hinfichtlih des Gebotes ber öfterlichen Gom» 
munion verhalte. 

Mit befonvers danfenswerther Grünblidfeit befpricht 
er weiter den durchaus practiihen Punkt über den „ofts 
maligen Empfang der Gudjariftie.". Er ididt 


1) cf. Gavantus-Merati P. IV. tit. XIL Nr. 7. u. P. 11. tit. XIV, 
Nr. 3. 
2) Gavantus-Merati P. H. tit. XIV. Nr. 1. 


Euchariſtie. 351 


eine hiſtoriſche Unterſuchung voraus, um einen feſten Boden 
zu gewinnen. So wenig der Werth derſelben zu verkennen 
ift, fo macht fie doch ben Eindruck, daß der Verf. mit 
zu großer Vorliebe ble Zengniffe zum Wort fommen laffe, 
welche für eine möglidy häufige Gommunion fpreden. Die 
Behauptung, daß die apoftolifche Zeit wie tie ber erften 
Liebe, fo aud) die der täglichen Gontmunionen fel, ruht 
auf ſchwachen Füßen, denn die hiefür angerufenen Bibel: 
ftelfen I. Cor. 10 15 und act 2, 42 (©. 103. unt.) unb 
epist. 50 ad Pammach. v. Hieron. (S. 104) beweifen εὖ 
gewiß nicht. Das Gleiche gilt von ter weitern Annahme, 
ba im 7. und 8. Jahrhundert die tägliche Gommunton 
Im Dceident nod) ziemlich allgemein gemejfen ſei. (68 mag 
dieſes am einzelnen wenigen Orten und bei einzelnen 
Gläubigen der Fall gewefen fein, bei ber Mafje ber Glaͤu⸗ 
bigen ficherlich nicht, darauf beutet Keines ber von dem 
Verf. angeführten Seugnifje. Es [iege fid) aber dagegen 
bemerfen, daß, wie der Verf. aud) nebenbei anbeutet, von 
diefer Zeit an fid) durchgängig in den Diöcefanftatuten 
unb bifhöflihen Vorſchriften dad Gebot findet, bie Glam 
bigen fellen zu einer jährlich dreimaligen Gommunion an 
den Feſten von Weihnadten, Oftern und Pfingften ange: 
halten werben, bis bekanntlich auf ber Lateranfynode von 
1215 das nod beftehende Gebot gegeben wurde. 

Wenn ber Berf. feine Anficht über bleje Frage vahin - 
formulirt: „die monatliche Kommunion ift Allen, die wöchent⸗ 
liche Bielen, die tägliche Wenigen zu rathen unb zu eme 
pfehlen“ (&. 103), fo fann man in thesi wohl beiftimmen, 
mug es aber in praxi für unausführbar halten. Bon bem, 
was man τὰ unt empfiehlt, muß man münjden, daß ἐδ 
Alle ober menigftenó der größere Theil befolgen. Geſetzt 


"852 Probſt P 


nun, ein Pfarrer mit 400 Communicanten (ed gibt aber 
Pfarrer mit weit mehr Gommunicanten) hätte alle Monate 
400 Beichten von Allen, unb von ben häufiger Gommuni- 
eirenden noch weitere Beichten abzunehmen, wie nermöchte 
er zu beftehen? Wann follten die Dienftboten, Gewerb- 
treibenden ic. bie Zeit dazu finden? Ich weiß wohl, daß 
das Reich Gottes zuerft zu fudjen ift, aber in dieſem Punfte 
wird ber ernftefte Rath gegen bie Forderungen des Lebens 
nicht turdjbringen. Es hätte wohl bei Löſung δεν ἐπ Rebe 
ftebenben Frage bad ber Gommunion wenigſtens in ber 
Regel vorausgehende Beichtbefenntnig mehr im Ange be: 
halten und namentlih aud) ber Umftand berührt werben 
ſollen, ob und wann ed angebe, die Gläubigen ohne voraus; 
geídjidte Beicht zur Kommunion zuzulaffen. Uns fdeint e$ 
practifher und ausführbarer zu fein, wenn man jagt: 
Es {εἰ Allen zu rathen, jährlid wenigftend 3 bis A mal, 
wo möglih an ten Hauptfeften und Weftzeiten zu come 
municiren, Vielen alle Monate, Wenigen alle 8 Tage, 
und unter bem gewöhnlichen Weltleuten faft Stiemanben 
täglich. | 

| Seven Gefang in deutſcher Sprache bei bem eucha⸗ 
riftifchen Kulte für unftattfaft zu erklären, ift wohl durch 
ben Buchſtaben einiger Decrete der Congregatio ril. bes 
gründet ; aber dieſe ift ficherlich nicht gemeint, bie feit alten 
Zeiten in Deutſchland eingebürgerten fchönen Adorations⸗ 
lieder verdrängen zu wollen. Daß die Benediction des 
Volkes mit dem Ciborium nad) ertheilter Gommunton aufer 
ber Meſſe gegen bie allgemeinen Rubriken verftößt, ift nicht 
zu läugnen. Sollte fie aber nicht in Deutfchland als eine 
consuetudo immemorabilis zu Recht befteben ἢ Die S. 209 
Anm. 13 angeführte Deciſion ſcheint bie Sache nicht voll⸗ 


Eucharifie. 353 


ftändig zu entfheiven, da aus derſelben nicht erhellt, ob 
bie anfragenben Gapujiner jene SBenebiction al eine in Deutſch⸗ 
land unfürbenfíide und allgemein beftebenbe bezeichnet haben. 


Wir wollen jedoch nicht in weitere Beſprechung eins " 


gener an fid) untergeorpneter Gegenftänve, über bie man 
verſchiedener Meinung fein fann, eintreten. Das Bud 
behandelt feine Materie mit folder Gruͤndlichkeit, Allſeitig- 
feit und geſunder kirchlicher Anſchauung, und enthält tarum 
in Earer überſichtlicher Anordnung jo viel Treffliches unb 
Gutes, bag wir e& jedem paftorirenden Geiftlichen in bie 
Hände wünfchen und nicht zweifeln, er werbe für ble Ver 
waltung des eudjriftijen Kultus, bie nie forgfáltig und 
würdig genug gefchehen kann, jehr Vieles gewinnen. 

3) Die dritte der oben angeführten Schriften von 
Propft ift eine neue Auflage feines im Jahr 1853 unter 
bem Titel „Berwaltung ber Bodl. Gudarijtic" 
erichienenen Werfed. Ans demſelben ift jedoch das britte 
Kapitel der zweiten Abtheilung, das von ber Euchariſtie 
als Kommunion unb als Gegenítanb ber Anbetung handelte, 
weggefallen, weil bieje zwei Seiten an dem euchariftifchen 
Kulte in der eben befprochenen abgefonverten Schrift nun, 
mehr eine weitläufigere Darftelung gefunden haben. — 9[ud 
Einiges was nicht einen fpeziellen Bezug auf ven Meßritus, 
fondern eine allgemeine liturgifche Bedeutung hat, wurde 
‚ In der neuen Auflage ansgelaflen, wie die Verbindlichkeit 
der Rubriken und der Decrete bet Gongregation ber Riten, 
und Anderes der Art, (alte Ausg. p. 12—30), ferner ift 
bie Auseinanverfegung über den verfchiedenen Rang ber 
δεβίαρε (alte Ausg. ©. 473—496) weggefallen. Dagegen 
bat das Wert im Einzelnen vielfadye Verbeſſerungen ev 
fahren, und ift ein Abſchnitt über den Ritus der ſolennen 


354 Hettinger, . 


Mefje unb über bie festa propria und bie barauf bezügliche 
Mepfeier neu aufgenommen worden. Da fid aber das 
Merk feiner ganzen Tendenz unb feiner Anlage nad) gleich 
geblieben ift, unb baffelbe bier ídon früher feine Beurs 
theilung gefunden hat (Ouartalfehrift 1853. ©. 514 fg.), 
fo befchränfen wir απὸ darauf, auf bie neue Ausgabe 
beffelben aufmerffam zu madjn, unb dasſelbe aufs Neue 
zu empfehlen in der llebergeugung, daß ed vorzüglich ge: 
eignet ift, bie Priefter zu einer den kirchlichen Vorſchriften 
ganz ent(predjenben und damit würdigen unb erjprießlichen 
Selet des DI. Meßopfers anzuregen und anzuleiten. 

4) Wir find jo ziemlich über jene Zeit hinaus, wo 
man von allen Seiten nad liturgifchen Reformen als nad 
einer unabweisbaren Nothwendigfeit rief und mitunter 
durch mwilführliche Aenverungen ben. gefegmäßigen Auctori⸗ 
täten fed vorgriff. Eine vernünftige 9Inffjauung unb Bes 
. Wribellung des Althergebraditen und Ehrwürbigen in ber 
kathol. Liturgie hat fid) wieder Bahn gebrochen; es find 
nurmehr faft vereinzelte unb faum beachtenswerthe Stimmen, 
welde ben Geift unb das 9Bejem ber firdjliden Liturgie 
ganz verfennenb eine burdgrelfenbe Reform derſelben in 
GCprade und Einrichtung begehrten. Wenn auch nod 
Meinungsverfchiedenheit herrjcht über bie Anwendung ber 
Landesſprache In einzelnen liturgifchen Acten, fo ift man 
in urtheilsfähigen Kreifen darüber eins, bag vie bI. Meſſe 
ald der Mittels und Höhepunkt der ganzen giturgie in ber 
Kirchenſprache gefeiert werden müſſe. Hirfcher, ber im feinen 
frühern Jahren den gegentheiligen Beftrebungen nicht ganz 
fremd geblieben war, hat neuerdings „bie Forderer 
deutſcher Liturgieen“ in einer Weife gefennzeiähnet'), 


1) Grörterungen über bie großen Bragen der Gegenwart: II, €. 141, 





Liturgie. 35 


daß Manche fid zurüdgefchredt fühlen wird, ſich ferner 
in ihre Reihe zu ſtellen. 

Soll aber die Verſöhnung mit den liturgiſchen Ein⸗ 
richtungen der Kirche eine aufrichtige und dauernde ſein, 
fo müffen nicht nur die dießfälligen reformatoriſchen Bes 
ſtrebungen unterbleiben, ſondern es muß ein allgemeines 
richtiges Verſtaͤndniß des kath. Kultus angebahnt werden. 
Wir haben oben Schriften angezeigt, tie in ſehr lobend- 
werther Weife ein tiefered Berftänpnig einzelner Kultacte 
vermitteln. Wir reihen daran die Anzeige einiger Vorträge 
von Dr. ὅτ. Hettinger, weldhe es fid) zur Aufgabe ges 
macht haben zu zeigen, „daß die Idee ber Kirche unb der 
kirchlichen Liturgie in ver lateinischen Sprache viel eher 
ihre entfprechenvde Form und ben adäquaten Ausdruck findet, 
ald in dem Gebrauche ber Volksſprache.“ Dabei hatte 
H. vorzugsweife die Meßliturgie unb den facramentalen 
Kult im Auge. | 

Der Raum geftattet und nicht auf den reichen unb 
Ihönen Inhalt dieſer vier Vorträge näher einzugehen; wir 
müjjen und begnügen bier furz auf diefelben aufmerffam 
zu machen mit dem DBemerfen, daß fie nicht blos treffliche 
Erörterungen über das Verhaͤltniß ber Gpradje überhaupt 
und ber lateinischen insbefondere zum Inhalt unb Wefen 
des Fathol. Kultus enthalten, fondern and) in dieſes 9Befen 
ſelbſt mit vielem Geifte einbringen und dafjelbe in feiner 
ganzen Tiefe zu erfafien beftrebt find. Ueber dieſe allges 
meinen ragen ift ſchon Vieles gefprodjen und gefchrieben 
worden, aber bet Gegenſtand ift von folder Wichtigkeit 
und ich möchte faft Jagen Unerfchöpflichfeit, bag jeder neue 
Beitrag zur Erſchließung ber großen Tiefen des feit Jahr, 
hunderten aufgeführten liturgiſchen Baues in ver fatb. 


356 Hettinger, Liturgie, 


Kirche willfommen fein mug. Wir möchten daher dieſes 
Schriftchen Jedem empfehlen, tem e an richtiger Würbigung 
der orm und beó Weſens ber Fath. Liturgie gelegen ift, 
indbefonbere wünjchten wir e& ben fogenannten gebilveten 
Layen in die Hände, bei denen man gegenwärtig noch am 
meiften Unflarheit in den genannten Stüden trifft. 


Dr. Benvel, 
Convictsdirector. 





Literarifcher Anzeiger 
.. Nr. 2. | 


-—————————————————ÁÀP————má—— 

Die Bier angezeigten Schriften findet man in der 4. Laupp'ſchen 

Buchhandlung (faupp & Siebech) in Jübingen vorräthig |o wie 
alle Erfcheinungen der neueften Literatur. 


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erschienen und an alle. Buchhandlungen versandt: 


Geschichte 


des 


. Gottesfriedens 


von 


Dr. Aug. Kluckhohn. 


gr. 8. 1857. geh. ?/; Bthlr. 


ἐν Pis erschien in Ferd. Dümmler's Verlagsbuchhandiung 
in Berlin: 

Grammatik des neutestamentlichen 
Sprachgebrauch’s. Im Anschlusse an Ph. 
Buttmanns Griechische Grammalik bearbeitet von 
Prof. Al. Buttmann. Erste Abtheilung: For- 
menlehre. gr. 8. geh. 10 Sgr. 


Die zweite Abtheilung, die Syntax enthaltend befindet sich 
unter der Presse. 





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Der Urfprung des Ghriftenthums 
feine vorbereitenben did ^ en und fein Eintritt in bie 
von Ludwig 9icad, 


Vrofeflor in Gieffen. 
2 Theile. 1857. Preis 3 221. 10 Nor. 


In demfelben Berlage erfchien im Jahre 1856: 


Die Heldenzeiten des Chriſtenthums. 


Die drei erften Jahrhunderte ver Kirche Chriſti 


dargeftellt von Heinrich Kitzler. 
Erſter Band. Der Kampf mit dem Heidenthum. 1 Thl. 18 9tgr. 


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Verlag von Scheitlin & Zollikofer in Et. Ballen. 


Bolks: δ Jugendſchriften. 


Herausgegeben von 


Karl Steiger, 


Berfafler der SBodenprebigten, Pretioſen Gitten und Eprüde x. 
Rene Ausgabe. Zwölf Bändchen. 
Mit neuen ſchön celorirten Gitelbiluern von $. Rothbart. 


Jedes Bändchen foflet 71/5 Nor. 24 ἔτ. 85 (δ. und wird aud 
einzeln abgegeben. 


Steiger’ 8 Volke- unb Jugendſchriften bilden eine Reihe 
von Erzählungen voll geiftreicher aͤcht religiöfer, ſittüch⸗erhebender Moniente 
unb Anfichten, die zur wahren Bildung des Bolfes unb der Jugend bei: 
tragen müflen. Die Anerkennung und ber Beifall, bem fie gefunden, 
fpriht fid) am deutlichen durch bie wiederholten neuen Auflagen aus. 
Die Ausflattung ift eine zeitgemäße. " 

K3» Die tüdtigften pädagogifchen Blätter haben fich über obige Schriften 
auf das Günfligfte ausgefprochen und zählen fie zu dem Bellen, was in 
biefem Zweige ber Literatur erfchienen ig. 


“εἰ Franz Kirchheim in Mainz ift fo eben erfchlenen unb 


durch alle Buchhandlungen bes us und Auslaudes zu beziehen: 
Der 


practifche Seelforger, 


oder; 
Wie wirkt man fegensreih in einer Gemeinde? 
Bon 
9. Bubois, 

Ghrendomperen von Goutances, Pfarrer und efemaligem Seminardirector. 
9tad ber dritten Auflage des franzöſiſchen Originale 
ftet bearbeitet 

von | " 
einem Prieſter ber Diöceſe Mainz. 
Mit hoher oberhirtlicder Genehmigung. 
XII u. 544 G6, gr. ge.; Pr. 1 fl. 45 fr. ober 1 Rthlr. 
Diefes vortreffliche Buch dürfte, wie von dem franzöftfchen, [o aud 


von bem beutfchen Klerus mit Qreuben begrüßt werben umb fid, wie in _ 


Frankreich, — bei und ſehr bald in ben Haͤnden faſt aller Prieſter und 
Seminariſten befinden. Dubois“ ,practifder Seelſorger“ iſt durchaus 
nicht mit einer nur theoretiſchen und wiffenſchaftlichen Paſtoraltheologie 


3 


zu verwechfeln, deren wir ja fdjon eine ziemliche Anzahl befibenz bet 
gefeierte Berfaffer wollte vielmehr ein Buch fehreiben, δα δ Nichts, 
als reine Praxis enhalten follte, eine große Menge prac. 
fier Fingerzeige für bie Seelſorge, bie oft nidt genug 
beachtet werden und vondeneningelcehrten Abhandlungen 
Nichts zu finden if.“ — Was bie deutfche Bearbeitung des Werkes 
betrifft, fo Bot der auf biefem Felde bereits rühmlichft erprobte Herr 
Herausgeber Nichte unterlaffen, um vaffelbe fo recht zu einem deutſchen 
umzugeftalten, und es durch nicht wenige, unferen vaterländifchen Berhälts 
niſſen entfprechende Sufáge feinen hochwürbigen Herrn Amtsbrüdern nur 
uod) ſchaͤtzbarer zu machen. 


Berlag von Scheitlin ἃ Zollikofer in St. Gallen. 


Gebidcte 


von Theodor Klein (aus Gtrapburg). Wintatur-Ausgabe. 
24 Nor. 1 ἢ, 24 fr. 3 Br. 


Lyrifche Gerichte volt Anmuth und Gragie, bie, in durchweg fchöner 
Form, ein wahrhaft puetifches Genie beurfunden. 


Zübingen. Im Laupp’ichen Berlage (faupp ἃ Siebeh) iit 
jo eben erfdienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 
Gagarin, 99. J., Mitglied der Θείεπίδα Jeſu, Wird 

ußland Fatbolifch werden? Aus bem Fran- 
zöftfchen überfebt. 9 Bog. gr. 8. broch. 45 fr. — 
15 Nor. 

Die Schrift Gagarin’s hat überall wo fic kefannt wurde, das größte 
Auffehen erregt. Ind das mit Mech, mag man nun auf die Größe bet 
Stage binbliden um bie es fid) handelt, ober auf bie intereffanten Aufs 
ſchlüſſe bie bem Lefer im Berlaufe bet Erörterung geboten werben unb 
über die ruffijd)en Suflánbe der Gegenwart, wie ber Bergangenheit, ein 
oft überrafchendes Licht verbreiten. 

Eine ventfche Mebertragung dieſes geiftvollen Werkes wird babet 
δεν wilifommen fein. | 
Majer, G., Die Geschichte des Fürstenthums 

Neuenburg, mit besonderer Rücksicht auf die 
neuesten Vorgünge und Verhandlungen chrono- 
logisch dargestellt und genealogisch erläutert. gr. 4. 
broch. 45 kr. — 15 Ngr. 

Dieſe Schrift gewäget einerfeit6 den Zeitungslefern einen voll» 
fünbigen Ucherbli über ben Berlauf der Neuenburger Frage in ihrer 
eben zurückgelegten erften Phaſe; andrerfeits bietet fie dem Gefchichtes - 
freunde Inierenante genealougifchshiftorifche Nachweife über die ältere Ges 
ſchichte nicht nuc Neuenburg's, ſondern auch Burgunde, Alemanniens, 


4 


der Stabt Freiburg, ber Zäringifchen Herzoge, ter Badiſchen 
Markgrafen, des Haufes Oranten zc. wodurch bte Schrift ein die Ab⸗ 
widelung der Neuenburger Frage überbanernbee, bleibendes Intereſſe 
beanfpruchen dürfte. s 





In ber 2. Schwann’fchen sBerlagéefjanblung in Köln und Neuß 

i erfchienen und durch alle fSudjfanblungen zu beziehen: 
Vollſtändiges Miſſionsbuch. Ein fatp. Lehr- und 
Erbauungsbug, worin außer dem Inhalte ber ge 
wöhnlichen Miffiong-Predigten Ermahnungen zur Ber- 
meidung ber häufigften Sünden unb offer, Unter 
weifungen in Betreff der nothwendigfien Tugenden 
unb ver(djiebene andere Belehrungen enthalten find. 
Nebft volfändigem Gebetbuche. Zum Beſten des 
Knaben-Seminard in Neuß ausgearbeitet vom Berfaffer 
des: „Der bl. Rofenfranz, bae ſchönſte und heiligendfte 
Gebet.” 2. vermehrte Auflage Mit 1 Sitelfupfer. 
12. 720 €. Geh. 221, €gr., Belinausgabe 1 Thlr. 
Unter allen Mifftionsbüchern ift diefes das vollfländigfte; es enthält 
die Miffionspredigten fo ausführlich, wie man fie in feinem andern Buche 
findet und das beigefügte Gebetbuch, mit fleter Beziehung auf die voran⸗ 
ebenden Brediaten, iſt eben fo reichhaltia und für alle Stände unb 
debenelagen geeignet. -Der neuen Auflage find bie Bruderfchafts-Andacht 
von Iefus, Maria und Sofepf unb die vom unbrffedten Herzen Maris, 
Andacht beim 4Oftünbigen Gebet, die Vesper⸗ und Gompletpfalmen iu 


Latein und Deutfch Hinzugefügt. Der Drud obgleich fein, ift deutlich 
unb bie Ausflattung elegant. 


Aus diefem iff beſonders abgebrudt der I. Theil, enthaltend bie 

Miffionspredigten, unter bem Titel: 

fatboli(cbe Haus⸗Miſſion. Fin Lehr- und Be 
tradjtungébud), worin außer bem Sinhalte ber gewöhn- 
lichen Miffionspredigten verfchiedene Belehrungen unb 
Ermahnungen enthalten find. Mit 1 Titelkupfer. 
12. 372 €. Geh. 15 Ser. ' 
Der II. Theil unter dem Titel: 


Katbolifches Gebet: unb Erbauungsbuch, worin 
außer den gewöhnlichen Andachts⸗Uebungen viele Unter- 
weifungen, Brubderfchaften, Litaneien, Faſten⸗ unb 
Stationen-Andachten enthalten find. Mit 1 Titelkupfer 
und geftdchenem Titel. 12. 404 Ὁ, Geh, 15 Ggr,, 
Belinausgabe 20 Ser. 

Dem letztern finb in einem Anhange bie ‚gebräuchlichen gemelu 





5 


fdaftiidjen Anbachten beim Bottespienfle hinzugefügt, als: bei ber erſten 

Kinder-Sommunion, zum 5l. Herzen Iefu, im ber Baften, zum bi. Altars⸗ 

fattament, zu Ehren des unbeflecten Herzens Mariä, bie Mai⸗Andacht 

πιὸ für Allerfeelen. ᾿ 

Geiftliches Yalmgärtlein. Ein vollftändiges Gebet- 
und — für die Jugend und Erwachſene. 
Von Th. Wollersheim, Pfarrer zu Jüchen. Mit 
Genehmigung des erzbifchöfl. General⸗Vikariats zu 
Köln. 2te durch 6 Meßandachten vermehrte Aufl. 
12. 360 ©. 7, Sgr., Partiepreis gebunden in 
Ua Leder 6 Gar. 


Melodien dazu. NRedigirt von bemfelben. 8. 136 ©. 
Geh. 12!/, Ser. 

Das Balmgärtlein eignet [ὦ fowohl zum Privats als zum gemein» 
ſchaftlichen Gebrauche, und enthält nebft einem vollftánbigen Gebetbuche, 
befiehend in: Morgen- und Abendgeheten, vielen Meßgebeten, Beicht: 
unb Communion⸗Andachten. Gebeten bei der eciten Communion, auf alle 
Tage ber Woche, 14 Litaneien, Bruderfchafts-Andacht von Jefus, Maria 
unb Joſeph, Andachten beim AOftündigen Gebet und ewigen Anbetung des 
allerhl. Altars⸗Sacramentes, Tagzeiten von der unbefledten Empfängniß 
Martens und verfchievenen andern Gebeten und Andachten, — 223 Lieber 
anf alle Zefle umb Zefzeiten. In bet Erzdioͤceſe Coͤln if baffelbe in 
vielen Pfarren eingeführt, wozu von bem Hochw. erzbifchöfl. Orbinatiat 
bie Erlaubniß bereitwilligft ertheilt worden, und bie Verbreitung von 
25,000 Exemplaren liefert ben Beweis, bap das Buch fid praftifch bewährt. 


Aübingen. In $$. Laupp’ihen Berlage (faupp & Siebe) i 
Vidit in allen P. zu haben i ( ) iſt 


Predigten 


auf alle | 
Sonn- und fefltage 
des Kirchenjahrs 


von í 
Anton Danneder, 
fat$. Stabtpfarrer in Stuttgart. 
2 Bände. 62 Bog. 8. broch. fl. 4. — Rthle. 2. 20 Str. 


Es gereicht uns zur befonderen Freude, ben zahlreichen Freunden, 
welche (i ber hochw. Herr SBerfoffet durch Herausgabe feiner Faſten⸗ 


prebigten fo ſchnell erworben, nun eine volltántige Sammlung een 
Predigten auf alle Sonn» und Befltage vorlegen zu Können, Wie bei 
ben ‚Faftenprebigten ijt auch bel diefen neuen Kanzelreden der Zwed bet 
Belehrung, Ueberzeugung, Erbauung und Bewegung in fehöue Harmonie 
ebradjt. — Eine große Anzahl ber Bredigten verfolgt eine apologetifche 
endenz, und überall ift bem Scheine die ernfte Wahrheit, bem äußeren 
Gange die innere Schönheit, der Oberflächlichkeit die ergreifende Tiefe 
unb der zerfeßenden Auflöfung bie heilfam erhaltende Kraft des Glaubens 
entgegengeftellt. Wenn diefer oder jener Punft eingänglich behandelt 
wurde, find andere nur kurz bezeichnet oder angedeutet, fo daß baé eigene 
Nachdenken des Leſers angeregt wird. An Stoff dazu fehlt εὖ wenigflens 
nicht. Auf Fefttage unb einzelne Sonntage find häufig zwei und mehr 
— gegeben, was der Sammlung nur zur Empſehlung gereichen 
dürfte. 
Zur Erleichterung des Ankaufes fann das Wert aud) in 10 monat 
lichen Lieferungen à 24 fr. — 71/2 Nor. bezogen werben. 





Goffine, R. P., Ord. Praem., ftatboli(cbes Unter: 
richte: und Erbauungsbuch, ober furze 
Auslegung aller fonn- und fefttägliden 
Epyifteln und Evangelien, fammt daraus 
gezogenen Glaubené- und Sittenlehbren und 
einer Erklärung der widtigften firdenge 
bräude. Sene, vielfach vermehrte und verbefferte 
und mit bem Terte der Evangelien ꝛc. nad) ver ein 
zigen vom römiſchen Stuhle approbirten Ueberfegung 
des Domprobfies Dr. Allioli verfehene Ausgabe von 


Franz Xaver Sted, 
Pfarrer in Harthaufen bei Ulm. 

Dit Genehmigung des hochwürdigſten Heren Erzbiſchofes von Freiburg, 
der hochw. Herrn Bifchöfe von Ütottenburg und Straßburg, des hochw. 
Biſchofl. Ordinariates Speyer unb des Body. Bifchäfl. General: 

vicariates zu Trier. 


| Zwei Theile 
Mit einem feinen Gtablftide. 
Siebente verbeilerte Auflage. 


50 Bog. Qer..8. Preis nur 1 fl. 20 ἔν. Rthlr. — 25 Nor. 

Wie bie erfi vor 2 Jahren erfchtenene 6te bat auch diefe fiebente 
Auflage viele Verbeſſerungen und bem bisher befulgten Plane 
entfprechende Sufátge erhalten. Wir bitten daher die hochw. Geiſtlichkeit: 
blefe neue Auflage, wie die früheren, Hohen und Niederen Ihrer Ans 
gehörigen recht angelegentlich zu empfehlen. 





Theologiſche 


Quartalſchrift. 


d 





Sn Berbindung mit mehreren Gelebrten 
| herausgegeben 


D. v. Kuhn, D. v. Hefele, D. 3ukrigl und D. Aberle, 


SBrofefforen bet fati. Theologie an ber K. Univerfität Tübingen. 


— — — — — 


Neununddreißigſter Jahrgang. 


ee en 


Drittes Duartalbeft. 





Tübingen, 1857. 
Verlag der $. Lau pp’ (den Buchhandlung. 
— Laupp € Siebed. — 





trud von H. Laupp jr. 


I. 
Abhandlungen. 





1. 
Die Aufgabe der fatbolifen Apologetik. 


Die vielfad) abweichende Art und Welfe, wie bie drift» 
liche Apologetif in neuerer Zeit von Fatholifhen Theologen 
anfgefaßt und behandelt worben ift, zeigt zur Genüge, daß 
eine wünfchenswerthe' Uebereinftimmung über den Begriff 
und bie Aufgabe tiefer Wiffenfhaft unter ihnen nicht vor» 
handen fei. Während vie Einen auf tem althergebrachten 
Stanppunfte verharren und die Apologetik nad herfümm- 
liher Eintheilungsweife noch als „demonstratio evangelica 
und demonstratio catholica varftellen, gilt fie Andern in 
einer modernen Anfchauungsweife, bald al8 „allgemeine 
Dogmatik”, bald „als Syftem ber göttlichen Thaten”, bald 
als „Theorie ber Offenbarung”, bald „als Einleitung in 
in die Theologie.” Daß hinter diefen verjchievenen Be: 
nennungen einer unb berjefben Wiffenfchaft fid) auch ver 
ſchiedene Auffaffungen berfelben verbergen, verfteht fid) von 
ſelbſt. Es ift nun nicht unfere Abficht, tlefe verfchievenen 

24 * 


260 Die Aufgabe 


Auffaffungen eine nad) der andern Fritifch zu unterfuchen 
und Ihren Werth oder Unwerth zu prüfen. Wir wollen 
vielmehr verfuchen, pofitio und geneti[d) den Begriff unb 
die Aufgabe der Fatholifchen Apologetif auszumitteln, und 
überlaffen e8 bem efer, felbft zu prüfen unb zu entſchei⸗ 
ben, ob und inwieweit wir anbei das Rechte getroffen ober 
nur die Zahl ber vorhandenen Auffaffungsweifen um eine 
neue vermehrt haben. 

1. Der Begriff „hriftlihe Apologetik“ enthält zunächft 
ganz allgemein dieß, bag fie eine Vertheidigung unb Recht⸗ 
fertigung des Chriftenthums fein wolle gegen die mandherlei 
Angriffe, welche dafjelbe im Laufe ver Zeiten von ben vers 
Ichiedenften Seiten Ber erfahren hat. Halten wir vorläufig 
biefe Begriffsbeftimmung feft, fo zeigt fid) fogleih, baf 
unter diefer Vorausfegung die Apologetif al& eine befon- 
dere theologifche Wiflenichaft unmöglich fel. Geben wir 
nämlich bieje einzelnen Angriffe und Anklagen näher an, 
fo find fle tDeil gegen einzelne Dogmen, theild gegen bie 
Säge der chriſtlichen Moral, {δε [6 gegen das äußere Er: 
feinen der Kirche in der Ge[didte, theild gegen Beſtim⸗ 
mungen bet firdjliden Gefetgebung u. f. w. gerichtet, woraus 
folgt, daß diejenigen theologiſchen Wilfenfchaften, weldje fid 
ipeciell bie Darftellung ver firdjliden Lehre, der Moral, 
der Kirhengefchichte, des Kirchenrechts wu. f. m. zur Anfgabe 
machen, neben bet pofttiven Darftelung Ihres Gegenftandes 
auch verpflichtet feien, zugleich feine wiſſenſchaftliche Ver⸗ 
tbeibigung und Rechtfertigung gegen ble wider ihn erhobenen 
Anflagen und Angriffe zu übernehmen, mit andern Worten 
alfo, daß für bie Apologetif als eine beſondere Wifjen- 
haft fein Raum übrig gelajjen jel. Sie geht dann in 
den einzelnen theologiſchen Wiflenfchaften auf, and wenn. 


der katholiſchen Apologetik. 361 


mam απὸ praftiihen Rüdfichten e6 aud) angemeffen finden 
fann, einzelne beſonders wichtige ober beſonders angefeinvete 
Punfte hervorzuheben und von bem übrigen getrennt einer 
apofogetijden Behandlung zu unterwerfen, fo ändert das 
in der Hauptſache nichts. Man erhält bamit wohl eine 
Reihe von Apologien, aber feine Apologetif, und biefe Apo- 
logien find nichts anders, al8 [pecielle Ausführungen von 
Gebanfen, bie, wenn e8 darauf ankommt, fie im Syfteme 
ber Theologie unterzubringen, nur in ben einzelnen Wiflen- 
haften, wie in ber Dogmatik, Moral u. f. w. ihre Stelle 
finden fónnen. Auch απὸ der Aneinanderreihung mehrerer 
ſolcher Apologien zu einem größern Ganzen fann niemals 
eine Apologetif, eine befonvere theologifhe Wiſſenſchaft 
bervorgehn. Denn απ in diefem Falle entfteht das Ganze 
wohl durch ein äußeres praftifches Bebürfniß, unb [olde 
Darftelungen können immerhin, wenn fie gelungen find, 
einen großen Werth Haben; aber für eine eigene theolo, 
giſche Wiſſenſchaft, für Apologetif im Unterſchiede von 
Dogmatit, Moral u. f. m. darf man fte nicht ausgeben 
wollen. Der Unterfchied ift bier nicht in ber Sache ges 
legen, jondern nur in ber größern Ausführlichfeit unb 
Grünbdlichfeit, mit welcher Gegenftände der einzelnen theo- 
logiſchen Zweigwifjenichaften nod) einmal beſonders zur 
Sprache gebracht werben. Wenn nun bejjenungeadhtet von 
ber Apologetif als einer je(bftftánbigen theologiſchen 
Wiſſenſchaft bie Rede ift, fo muß ihre Aufgabe von ber 
Aufgabe der übrigen theologifhen Fächer verfchieden fein, 
und menn bie Aufgabe ber legtern eine einzelne unb bes 
fondere ift, fo mug ihre Aufgabe eine allgemeine, 
allumfaffenve fein. Sie hat εὖ demnach nicht zu thun 
mit den Anflagen, melde etwa gegen einzelne Lehrjäge des 


582 Die Aufgabe 


Chriſtenthums oder gegen befondere Ginrid)tungen ber Kirche 
erhoben morben find, fondern mit dem Princip, aus 
weldem fie hervorgegangen find, mit den allgemeinen 
Grundfäsen, melde in ihrer Anwendung auf bie Lehre 
und das Leben ber Kirche fid) in beftimmten Sägen, refp. 
Gegenfägen und Anklagen ausgeſprochen haben, mit ben 
verihiedbenen Standpunften, von welden and 
Kiche und Chriſtenthum betrachtet und beurtheilt worden 
find. ! 

2. Die chriſtliche Apologetik if bann aber weiterhin 
nicht blos eine Rechtfertigung des Chriftenthums gegen Ans 
griffe, welche εὖ von außen her erfahren hat, fonbern eben» 
fo aud) eine innere Begründung feiner Bahr 
heit. Auch dieſer legterm Forderung muß fie genügen, 
‚wenn fie ald Wiſſenſchaft, b. b. ald Erfenntniß ihres Ge 
genftandes nad) allen feinen Seiten hin gelten will. Es 
genügt nun aber in ber Wiſſenſchaft keineswegs, gegen 
überftehende Anflchten widerlegt oder Einwürfe und Ein, 
wendungen gegen irgend einen Sag in ihrer Richtigkeit ' 
au[gebedt zu haben; es ift das eine blos negative Dialeftif, 
unb für ben vertheidigten Sag felbft folgt nichts, als erft 
bie bloße Möglichkeit feiner Wahrheit. Kann ihm nicht 
eine andere, πο tiefer greifenbe Dialeftif daſſelbe Schickſal 
bereiten und aud) ihn nod) als unmwahr erweifen? Um 
bieje Möglichkeit abzuſchneiden, muß fid daher an jene 
negative Dialektif (Kritif) eine zweite positive anfchließen, 
welche die wirkliche Wahrheit eines Sages aus ibm feldft, 
aud feinen eigenen logifchen Elementen und ans feinen 
Innern Gründen und Borausfegungen zur Ueberzeugung 
bringe, — verfteht ſich, Innerhalb der Grenzen, welche der 
Wiffenfhaft überhaupt gezogen find. Diefe allgemeine 


der katholiſchen Apologetik. 363 


wiffenichaftliche Forderung gilt natürlid) aud) von der drift: 
liem Wahrheit. Die Rechtfertigung derſelben hat ihre: 
Aufgabe erft zur Hälfte gelóót, wenn fie nur bie gegen vies 
ſelben gerichteten Angriffe ald unbegründet zurückgewieſen 
fat. Ebenfo nothwendig ift ed aud, fie als Innere Wahr 
heit, an fid) unb ofme Rüdficht auf den Irrthum, darzu⸗ 
Rellen unb zu begrimben. Aber aud) bier werben wir bie 
Aufgabe der Apologetif, wenn fie uns nicht wolebec mit ben 
einzelnen theologiſchen Wiffenfchaften, der Dogmatif, Moral 
u. ſ. m. unterſchiedslos zufammenfallen fol, als eine alt 
gemeine beftimmen müjfen. Sie hat ed mit bem allge 
meinen Grunbgebanfen des Chriſtenthums, mit feinem 
Weien, feinem Princip zu thun. Die Apologetif unter, 
ſcheidet fid) dadurch von ben einzelnen theologifhen Did 
eiplinen, daß fie nad) ihrer negativen, wie pofitiven Seite 
fi nur mit ben Priucipienfragen befhäftigt. Sie ift, ben 
einzelnen Zweigen ber Theologie gegenüber, die allge 
meine Theologie. 

3. Somit werben wir dem Begriffe der chriftlichen 
Apologetif näher kommen, wenn ed uns gelingt, das all, 
gemeine Princip ausfindig zu madjen, aus weldem bie 
Angriffe gegen bie einzelnen Lehren und Einrichtungen bee 
Chriſtenthums hervorgegangen find, und zweitens den all 
gemeinen Grunbgebanfen. auszuſprechen, befjen Entwidlung 
bie einzelnen chriſtlichen Wahrheiten find, und in weldem 
fie ihre Begründung finden. Welche von biefen beiden 
Fragen zuerft beantwortet werden müffe, fann faum zwei⸗ 
felhaft fein. Erſt nämlich muß pofitiv das Weſen einer 
Gadje erfannt und ber Begriff feftgeftellt worben fein, ehe 
man ju den Gründen übergehen fann, aus welchen fie be 
Aritten wird, Weber eine Sache freiten kann man nur 


364 Die Aufgabe 


bann, wenn man bie Sache felbft Thon fenut unb genau 
über fle unterrichtet if. Auch fegen die Angriffe auf irgend 
eine Wahrheit bie frühere Eriftenz biefer Wahrheit vot 
jenen Angriffen fchon voraus. So verhält es fid) aud) mit 
Allem, was je gegen das Chriftenthum vorgebracdht worden 
if. Es trägt nothwendig einen negativen Charakter an 
fid, und bezeugt baburd fchon von vornherein, daß das 
Chriſtenthum das eigentliche Pofitive, das Grfte und Urs 
fprüngliche fei. Zuerft ift daher das Weſen bes Chriſten⸗ 
thums näher zu unterſuchen und als pofitiver Begriff fef- 
zuftellen. 

4. Sollen wir das Weſen des Chriſtenthums näher 
bezeichnen, fo gerathen wir fogleid in eine nicht geringe 
Verlegenheit. Was ift ναὸ Gfriftentbum?* . Von taufend 
Seiten her erhalten wir auf biefe Frage taufend verſchie⸗ 
dene Antworten; alle weichen auf das Mannigfaltigfte von 
einander ab. So fiheint εὖ denn bei der großen Berfchies 
benbelt von Meinungen und Auffaffungen, welde es in 
Betreff des Chriſtenthums gibt, von vornherein unmöglich, 
fid für eine von ihnen zu enticheiben und ſie al& vie Achte 
und allgemein anerkannte von ben übrigen abzufondern, 
wenn man nicht etwa willführlich verfahren unb bie Wahl 
bem Zufall prel&geben will. Allein wenn wir biefe ver 
[diebenen Auffafjungsweifen des Chriſtenthums unter ein- 
ander vergleihen, fo tritt eine unter ihnen hervor, von 
welcher alle übrigen abhängig fin. Es gibt eine unter 
ihnen, von welcher alle andern fid) dadurch unterfcheiden, 
daß fie zwar in manchen Lehren und Einrichtungen mit ihr 
übereinftimmen, andere. dagegen leugnen unb als undrift- 
lich verwerfen. Sie treten damit fdon auf die Seite ber 
Gegner des Ehriftenthums, üben fdon an ihm ihre Kritik, 


ber katholiſchen Apologetik. 35 


erheben ſchon Anflagen gegen bafjelbe; fury fie müffen 
ansgefchloffen werden, wenn es fid) barum handelt zu bes 
fimmen, was das Ehriftenthum an fih obne Rüdficht auf 
bie Gegenfäße fel, bie fte ihm im Laufe ber Zeit gegens 
übergeftellt und ftatt des ganzen Chriſtenthums nur eins 
jelne Theile beffelben angenommen haben. Denn offen» 
bar muß diejenige Worm des Chriftentbums, welche von 
allen übrigen Formen beffelben beftritten wird, ohne daß 
fie ſelbſt burd) bie Beftreitung einer frühern Yorm bes 
Ehriftenthums entflanden ift, als bie erfte und urfprüng- 
lichſte zum Grunde gelegt werben, wenn εὖ gilt zu beftimmen, 
was das Gpriftentbum an fid) fei. Es ift bieje Worm 
eben die eine unb allgemeine, welche allen andern abwei⸗ 
enden unb wie immer geftatteten Auffaffungen des Chris 
Rentbumó nicht blos gefchichtlich vorhergeht, fondern aud, 
ihnen zum Grunde liegt und ihmen dad Dafein verleiht. 
Diefe urfprünglidfte und beftimmtefte, biefe allgemeine und 
pofitive Worm des Gbriftentbumó ift nun die Fatholifche 
Kirche. Ihre Üebergeugung ift εὖ, welche das eigentliche 
pofitive Object aller Apologetif bilbet, woraus folgt, 
dag εὖ nur eine, nur eine fatholifche Apologetif geben 
könne, was im Princip, wenn aud nicht im Refultat 
felbft ber SBrotegantiómue, ſelbſt ble Härefie überhaupt an⸗ 
zuerfennen genöthigt ift. Demgemäß haben wir vom Stands 
punft ber Fatholifchen Lehre aus zu beftimmen, was taé 
allgemeine Weſen, das Princip des Chriſtenthums ſei. 
Sehen wir nun von allen einzelnen Lehren und Einrich— 
tungen bei ber Fatholifchen Kirche ab, fo bleiben foígenbe 
fBeftimmungen als das allgemeine Weſen des Ehriftenthume 
übrig: 


306 Die Sfufgabe 


a) Die katholiſche Kirche ift bie reale Fortfepung der 
Erlöfungsthätigfeit Chrifti in ber Geſchichte. 

b) Ehriftus ift ber Menfch gewordene Sohn Gottes 
unb der Erlöfer ber Welt.. 

c) Durch diefe Erlöfung ift das Achte, das im Weſen 
Gottes unb des Menfchen gegründete Verhältniß zwiſchen 
beiden, bie wahre und urfprüngtide Religion. wieder ber. 
geftellt. Dieſes Berhältnig ift das burd die Schöpfung 
geſetzte freie Berhältniß des endlichen Geifted zum abfofuten 
Geiſte. 

d) Die katholiſche Kirche ift demnach die Verwirk⸗ 
lichung des durch die Suͤnde getrübten, aber durch den 
Gottmenſchen Jeſus Ehriftus wiederhergeſtellten Verhaͤlt⸗ 
niſſes zwiſchen Gott und der Menſchheit. 

Die Rechtfertigung dieſes Gedankens ſowohl an ſich, 
als gegenüber den Angriffen von außen bildet demnach 
das eigentliche Object ber Apologetik. 

5. Gehen wir nun, nachdem poſitiv die Aufgabe unſerer 
Wiſſenſchaft feſtgeſtellt worden ift, dazu über, das allge⸗ 
meine Princip und die Wurzel aufzuchen, aus welcher alle 
einzelnen Anklagen gegen das Chriſtenthum entſprießen. 
Hier ift für's Erſte Mar, daß dieſes Princip ber Unglaube 
ift. Wenn námlid das Chriſtenthum als Offenbarung von 
unſerer Seite eine gläubige Anerkennung fordert, die fid) 
fiber die Geſammtheit ber geoffenbarten Wahrheit erſtreckt, 
ſo kann die Polemik gegen dieſe Offenbarung nur aus dem 
Mangel an Glauben, aus dem Unglauben hervorgehn. 
Aber eben ſo gewiß iſt es auch zweitens, daß dieſer Un⸗ 
glaube ein ſchwanken der Begriff fel, der einen größeren 
oder geringeren Umfang haben kann. Er fann a) vollen 
peter Gegenfag gegen das Chriftenthum, vollenbetec Un» 


der katholiſchen Apologetik. 987 


glaube fein nnd rundweg die gefammte Grunbanfdjauung 
des Chriſtenthums überhaupt leugnen, ober aber aud) b) ein 
‚ und das andere wefentlihe Element berfelben in Abrede 
fielen. . Darnach Tann der Unglaube in verjchievener Ge, 
ftalt auftreten. Er fann fürs Erfte überzengt fein, daß 
ἐδ zwar eine Religion für ben Menfchen geben müffe, und 
daß das religiöje Berhältnif des Menſchen zu Gott, feinem 
gegenwärtigen Zuſtand entſprechend, durch Ehriftus wieber 
bergeftellt fei, aber er fann leugnen, daß die Art und Weiſe, 
. wie diefe Erlöfung in der Gefchichte fortbefteht und allen 
einzelnen Menfchen mitgetheilt wird, fo Statt finde, wie 
vie katholiſche Kirche lehrt. Oper er kann zweitens ber 
Anficht fein, daß zwar im Allgemeinen ein religiöfes ere 
hältniß des Menſchen zu Gott beftehen müfje, daß e& abet 
Privatfache jedes Einzelnen fei, und nicht durch Seins 
Chriſtus erft auf eine allgemein gültige Weife habe wieder 
bergeftellt werben müfjen. Oder er fann drittens jedes 
religiöje Berhältnig des Menſchen zu Gott überhaupt 
leugnen unb fid) zum offenbaren Unglauben unb zur voll» 
endeten SIrreligiofität befennen. 

6. Dem breifad) geglieberten 9Befen des Chriſtenthums 
fteht demnach ein dreifach geftalteter Unglauben gegenüber. 
Jedem ber drei Momente, aud welchem bet Begriff und 
νοῦ Weien des Chriſtenthums zufammengefegt ift, ents 
ſpricht eine bejonbere Form be8 Unglaubens. Unterſuchen 
wir nun, um dieſes gegenfeitige Verhältniß zwiſchen Glauben 
und Unglauben näher zu beftimmen, bie Verbindung unb 
ben Jujammenbang, in welchem bie einzelnen Gliever beider 
Gegenſätze zu einander ftehn, fo ift das erfte und allge 
meinfe, was wir in biefer Hinfiht am Glauben wahre 
nehmen, vieß, daß jedes _fpätere Element nicht ohne das 


968 Die Aufgabe 


frühere exiſtiren, contret audgebrüdt,: daß es feine Fathor 
(ide Kirche ohne Chriſtus, feinen Ehriftus ohne bie Roth⸗ 
wendigkeit einer Religion geben fónne. Die Religion iit 
bemnad die Duelle des Chriſtenthums und ber. Kirche. 
Wenn bie Religion nothwendig hervorgeht aus bem Ber 
hältniffe, in welchem der Menſch als freier, aber enblidyer 
Geiſt zu Gott als dem abjoluten Geifte und Schöpfer ber 
Welt fteht, fo ift bie Religion ihrerjeits, mit Rüdficgt auf, 
den gegenwärtigen Zuſtand der Menfchheit und auf die 
hiſtoriſche Geftaltung ihres Verhaͤltniſſes zu Gott nicht 
möglih ohne einen Mittler und Erlöſer, Jeſus Chriſtus, 
und biefe Erlöfung endlich wäre nichtig unb zwecklos ohne 
ihren Fortbeftand in der Gefchichte, ohne bie Kirche. In 
ber Verbindung, in welche die Kirche bie brei Elemente 
des Chriſtenthums — Religion, Chriſtus, Kirche — ſetzt, 
findet daher ein confequenter Fortfchritt vom Allgemeinen 
sum Befonvdern und Einzelnen Statt. Die Religion Tann 
fi nur verwirklichen im Chriftenthum, das Chriftenthum 
nur im ber Kirche. Die umgekehrte Ordnung dagegen 
findet bei den Gliedern Statt, aus welchen der linglaube 
beftebt. Gr wird als Negation des Chriftenthums, vieje 
feine negative Thätigkeit zuerſt beginnen bei denjenigen 
Theilen des Chriftenthums, die ihm zunächft liegen, alfo 
bei der Kirche ale der Form, in welcher ihm bie chriftliche 
Religion zuerft entgegentritt, wird hier, nachdem er zuvor 
Ginjelneó in ven Kehren der Kirche verworfen hat, feine 
Negation bald auf die Kirche ale foíde audbebnen, Chris 
ſtus und die Kirche von einander trennen, unb je beftimmter 
er bie Kirche verleugnet, deſto entichlevener am Chriſten⸗ 
tfum fefibalten wollen. Da aber tie fidjtbare Kirche mit 
ber Menfhwerbung Gottes in einem innern und moti 


der katholiſchen Apologetik. 360 


wendigen Zuſammenhang ſteht, fo kann er jene Trennung 
von Kirche und Chriſtus nicht vornehmen, ohne damit 
zweitens aud den Keim ber Auflöfung im die Lehre von 
Chriſtus zu tragen und genótbigt zu fein, das Verhältniß 
des Géttliden und Menfchlihen in Chriſtus anders zu bes 
flimmen, als ba8 in. ber katholiſchen Kirche ver Fan ift. 
Wenn aber der Begriff eines Gottmenſchen nur in der 
katholiſchen Auffaffung mit ber SBivffidjfeit unb ber Ge, 
ſchichte im Einklang fteht, fo heißt. tiefe Auffaffung Anvern 
wollen, nichts anders, als. bie Thatfache der Menſchwerdung 
ſelbft leugnen, und wenn bieje Thatfache wiederum in ber 
engften Beziehung zum Begriff ber Religion fteht, fo ift 
ber Unglaube enblid) drittens genöthigt, auch bier feine 
Regation geltend zu machen und das Weſen der Religion 
anders zu beſtimmen, ald es in ber Fatholifchen Kirche ber 
Fall ift. Wenn aber aud) hier bie fatfolifdje Auffaffung 
einzig bem wirklihen Berhältnifie des Menschen zu Gott 
entfpricht, fo bedeutet auch Hier eine abweichende Auffaffung 
biefeó Begriffes nichts anders, als eine Zerftörung beós 
ſelben. So geftaltet fi der Unglaube durch confequenten 
Sortfchritt von einer Negation zur andern : zum vollendeten 
Unglauben, bis er bem Gfriftentfum und ber Kirche nur 
noch die ganz inhaltsleere Negation entgegengehalten hat, 
woburd er eben fein eigentliches Wefen, feinen gänzlichen 
Nihilismus offenbart. Es erhellt aber aus bem Gefagten, 
daß ber Weg, ben er dabei einfchlägt, geradezu demjenigen 
entgegengefegt fel, welchem vie chriſtliche Entwicklung ges 
folgt ift, bag er von ber Negation des Einzelnen und Eon; 
creien fortgehe zur allgemeinen und alfumfaffenben Ne⸗ 
gation des Chriſtenthums in feiner Erfcheinung und in 
feinem Grunde. 


870 Die Aufgabe 


7. Damit taucht eine neue. wichtige Srage auf, die 
. fjrage na der Methode der Apologetik. Es erhellt naͤm⸗ 
(id απὸ tem Bisherigen, daß eine boppelte Methode möglich 
(ti, je nachdem man von bem pofitiven Begriff des Chriſten⸗ 
thums oder bem negativen Begriff des Unglaubens aue; 
geht. Im erfterm Salle wirb bae Verfahren ein progreſſiv⸗ 
ſynthetiſches, im legtern Falle ein regreifiv -analytifches 
fein, ober, heutlicher gefprod)en, im erfterm Salle wird man 
den allgemeinen Begriff Religion zum Ausgangspunkte 
wählen, ihn a) an fidj unb b) gegenüber ben verfchiedenen 
Auffaffungen, bie er beim Unglauben findet, begründen, 
wird fofort zeigen, wie ein religiöſes Berhältnig des Menſchen 
zu Gott unmöglich fel ohne Jeſus Chriſtus, ben Gott; 
menschen, und bemnad), mie früher ben Begriff Religion, 
nun aud ben Begriff des Gottmenſchen al8 der geſchicht⸗ 
lichen Wirklichkeit entfprechend rechtfertigen und ihn gegen 
alle Ginreben des linglanbenó in Schuß nehmen, wirb 
enblih ben Beweis führen, bag das dur Chriſtus er 
neuerte religiöje Leben der Menfchheit Beftand und Daner 
nur in einer Kirche, wie bie Fatholtfche ift, gewinnen Eönne, 
unb bemgemág aud) blejen Begriff pofitip unb negativ be- 
gründen und rechtfertigen. Im zweiten Salle wird man 
ben. umgefebrten Weg einfchlagen, aljo a) von bem Begriffe 
ber Fatholifchen Kirche ausgehen, "ifm gegenüber bie vet» 
ſchiedenen Modificationen biejes Begriffes aufftellen, welche 
bem Unglauben (ber Härefle) ihren Urfprung verbanfen. 
Sofort muß eine vergleihenne Kritik blefer ver[dlebeneu 
Begriffe ben Beweis liefern, daß jeber von ihnen eine 
eigenthümliche und abweichende Anficht über die Perfon Jeſu 
Gfrifti und über das Verhältniß vorausfege, in welchem 
er jut Menschheit ſteht. Diefe Kritik fchließt deßhalb mit 


ber katholifchen S3fpologetif. 371 
ber Alternative: entweber ift. Chriſtus das, wofür ifn bie 


katholiſche Kirche Hält, alfo wirklicher Gottmenjd), wirklicher 


Mittler und Erlöfer, ober er ift e& nicht, unb fein Weſen 
muß anders befimmt werben. Aus ber erfiern Annahme 
ergibt fid) die Nothwendigkeit, daß diejenigen, welche iw 
der Ehriftologie mit bet katholiſchen Kirche übereinftimmen, . 
auch bem daraus hervorgehenden Begriffe ter Kirche ihre 
Zuftimmung nicht verfagen bürfen; aus ber zweiten An- 
nahme aber, daß biefenigen, welche mit ber Kirche nicht in 
ihrer Chriftologie unb darum, auch nicht in bem Begriffe 
der Kirche einvetftanben find, ift auf eim neues Feld ber 
Discuffion folgen müfjen, wo εὖ fi nun inébejonbere um 
die Perſon Chriſti unb ihr Berbálini zur Menſchheit 
handelt. Auch Hier wird εὖ erſtes Grforbernig fein, en 
Gragepunft Flar zu beftimmen, alfo a) ben Begriff „Chriftus“ 
pofitio nad) ber Lehre bec Kirche, b) bie verſchiedenen Modi⸗ 
ficationen dieſes Begriffs durch bie Härefle und den Un⸗ 
glauben bis zur Leugnung der gefchichtlichen Perſönlichkeit 
Chriſti Hinauf bavjnftellen, und aud; hier wird dann das 
Refultat ver daran (ij ſchließenden Kritik nothwendig bie 
Sorm einer Alternative annehmen: entweder. gibt es einen 
Gfriftuó nur, wie ihn bie fatholifche Kirche glaubt, ober 
die haͤretiſch geftaltete und mobificirte Ehriftologie entſpricht 
ber Geſchichte, oder es gibt überhaupt feinen hiſtoriſchen 
Gfrifiud, und darnach wird dann aud) ba8 Ergebniß der 
bisherigen Kritik aufammengefaót werben müfjen. ie 
nun aber audj blefe& Ergebniß ausfallen, ob e6 dem katho⸗ 
lifchen Begriffe von Chriftus und ber Kirche, ober ob e$ 
ben ungläubigen fBorftellungen über beide günftig lante, 
nothivendig ift e8 endlich auf bem dritten Theil ber Unter 
ſuchung einzugehen, und hier a) den Begriff der Religion 


872 Die Aufgabe . - 


nad katholiſcher Auffaffung, v. b. wie er tem Glauben 
der Kirche an (6d) felbft und an ihren Ehriftus zum Grunde 
fiegt, auszufprechen und bem gegenüber b) ble verfchiebenen 
Formen aufzuftellen, welche bie theilweife ober ble vollenbete 
Leugnung dieſes Begriffes enthalten. . Auch hier wird bie 
Kritik entweder die Wahrheit des Fatholifhen Begriffes von 
Religion, over die Wahrheit irgend. einer Modification 
biefes Begriffes, ober bie gänzlihe Unwahrheit beflelben 
Beranéftellen, und fomit ein dreifaches Refultat möglich 
fein. Da aber bie ganze Fritifche Unterfuhung bem Zu- 
fammenhange gefolgt ift, ber ane ſich in ben Begriffen 
Kirche, Chrifius, Religion gegeben ift, fo wird fid) am 
Schluſſe der vargeftellten Unterſuchung vie begründete Ueber⸗ 

geugung gebilbet haben: entweder nur bie Fatholifche Kirche, 
ober der theilweife Unglaube (bie Härefie), ober ber ab 
ſolute Unglaube hat Recht. 

8. Beide Methoden laffen, wie bie ἜΤ Aus⸗ 
führung. derſelben gezeigt haben muß, an Bündigkeit unb 
uͤberzengender Kraft nichts zu wuͤnſchen übrig. Jede ber 
ſelben führt zu einer Ueberzeugung, die nicht nur ihrer 
eigenen Wahrheit, ſondern auch der Unwahrheit ihres Ge⸗ 
gentheils ſich bewußt iſt. Beide ſind daher im Allgemeinen 
von gleichem Werth, und bei der Frage, welche von ihnen 
den Vorzug verdiene, ſcheinen nur Zweckmaͤßigkeitsgruͤnde, 
praktiſche Ruͤckſichten oder ſubjective Vorliebe ben Ausſchlag 
geben zu können. Dennoch möchten wir eine ſolche Löſung 
“der aufgeworfenen Frage für oberflàdjld und nicht genuͤ⸗ 
gend halten. Wir glauben bag es für bie Apologetif des 
Chriſtenthums als ſelbſtſtaͤndige Wiſſenſchaft neben beu 
übrigen Zweigen ber Theologie nicht gleichgültig fel, für 
welche Methode man fi entſcheide. Gejegt naͤmlich, taf 


ber katholiſchen Apologetik. 379 


man bie erſtere, ven Weg ber ſynthetiſchen Demonſtration, 
vorziehe, ſo wird ſchwerlich, was doch vermieden wer⸗ 
den ſoll, einem Zuſammenfallen der Apologetik mit der 
Dogmatik vorgebeugt werden können. Man wird bei einem 
einigermaßen gründlichen unb nicht ganz willführlichen Ver⸗ 
‚ fahren nicht umfin füónnen, beim Begriffe ber Religion 
vom Dafein unb Wefen Gottes, vom Menſchen unb von 
ber Natur des Menschen, von feinem Berhältniffe zu Gott 
und zur Natur, von feiner urfprünglichen Beichaffenheit, 
von feiner Sünde unb von ber burdj bie Entwidlung ber 
Eünde unb bie Vorbereitung ber Exrlöfung bedingten Ges 
[dite des Alterthums m ipreden. Ganz ebenjo wird 
bel Chrifius feine Perfon und [εἰπ Werk ausführlid ere 
Örtert werben müflen, tbeild mit Rückſicht auf ble Zeit 
vor ihm, welche ben Beweis für bie Nothwendigkeit eines 
und zwar eines fo beftimmten Grlóferó liefert, theils mit. 
Rückſicht auf die Folgezeit, um zu zeigen, wie Ehriftus in 
ber Gefchichte fortlebt. Was den dritten Punkt, ble Kirche, 
betrifft, jo fdeint hier alles er[djopft zu fein, wenn ber 
faktifche Beftand berfelben und ble fortdauernde Wirkſam⸗ 
feit Chrifti mit feinen drei Aemtern in ihr dargethan ift; 
allein da tiefe Wirffamfeit ihrerjeits durch die Gacramente 
vermittelt ift, fo Ift e8, wenn nicht geboten, wenigſtens doch 
eine lockende ©elegenheit, ber Lehre von der Kirche in der 
Lehre von ben Gacramenten ben Abfchluß unb bie Vollendung 
zu geben. Ja, felbft die Eſchatologie fann nicht ganz außers 
halb des Kreifes biefer Darftellung liegen; denn wenn die 
Welt in ihrem Princip erfannt, und aus blefem Princip 
heraus ber Gang ber gefchichtlichen Entwicklung zum Vers 
ftänpniß gebradjt lit, ſo kann man nldjt nur, fonbern muß 
fogat, wenn man die Unterſuchung nicht willkuͤrlich brechen 
Theol. Quartalſchrift. 4857. 11. Heft. 25 


814 Die Aufgabe 


will, qud) hie Frage nad) bem Zwecke ter Welt und bem 
Ziele ihrer gefchichtlichen Entwidlung aufwerfen. Die Apo⸗ 
[ogeti£, auf bieje Weiſe batgeftelIt, ift ein ganz elaftifcher 
Begriff. Gr laßt fid) zufammenprefjen in ben engen Rahmen 
einer allgemeinen und überfichtlihen Dogmatik, welche nur 
die Höhenpunfte, nur bie allgemeinen Begriffe biefer Wifs 
ſenſchaft fury berührt, unb er läßt fid) aud) voleber fo in's 
Einzelne und Specielle auseinanberziehn, daß bie gefammte 
Dogmatif in ihr untergebracht werden fann. — Sft bie aber 
ber Hal, bann hat bie Apologetif damit das Recht ver- 
[oten, al8 eigene Wiſſenſchaft zu eriftiren. Sie muß ale» 
dann, um unnüge Wiederholungen au vermeiden, in ber 
Dogmatif aufgehn, wenn man ihr nicht etwa ihre wifjen: 
ſchaftliche Würde rauben unb fie al8 populäre Dogmatif 
in abgefonberter Darftellung beibehalten will. Daß aber 
Apologetif und Dogmatik zufammenfallen, fat feinen Grund 
nicht darin, daß beibe im Allgemeinen benjefben Inhalt 
haben, fonberm barin zunäcft, bafi beide denſelben Inhalt 
qud nad derfelben Methode varftelen. Sollen 
fie nid t zufammenfallen, fo ijt notbmenbig, daß der Auf 
bau ber einen, wie ber andern Wifienfhaft nad) vers 
Ihiedenen Methoven und damit audj von ver[djiebenen 
Standpunften aus vollzogen werde, daß alfo, wenn in bet 
Dogmatif ver Weg vom Allgemeinen zum Einzelnen und 
. Goncreten, die ſynthetiſche Methode, eingehalten werben 
muß, für bie Apologetif von felbft ber analytifche Weg 
vom Einzelnen und Eonereten zum Allgemeinen und zum 
Princip befolgt werde. Das ift indeß nur ein Außerer 
Grund; diefelbe Nothwendigfeit erhellt aber audj aus bem 
verfdiebenen Zwede beider Wiſſenſchaften. Die 
Dogmatik ift die pofitive Darftelung der kirchlichen Lehre. 


* 


ber kathaliſchen Upplogetik. FR: 


Sie will den Inhalt und Umfang ved. kirchlichen Glaubens 
fennen lehren. Diejes Pofitine ift für fie ble Hauptſache. 
Soll dieß nun in wiſſenſchaftlicher Form gefdebn, jo muß 
fie nun zwar aud) bie Gegenſätze gegen ben kirchlichen 
Glauben ebenfalls erörtern; denn ber Glaube felbft ift ετῇ 
Har unb beftimmt erfaßt unb. zum Verſtändniß gefommen, 
wenn nicht: blos gejagt. ift, was er pofitiv enthält, ſondern 
aud was er nicht enthält. und was. ausvrüdlich burd). 
ihn ausgescjloffen werben fol, Alle Klarheit ber Begriffe 
bernht ja befanntlid, anf bem Grundſatze, dag man nicht. 
bios weiß, was fie an fid) find, fondern and, baf man 
fie von ihrem. Gegentbeil, von ven falſchen Auffaflungen, 
bie fie gefunden haben, unterjdjelben fann. So muß. nun 
allerdings auch bie Dogmatik bie Gegenjage des Unglaubens 
in ben Kreis ihrer Darftellung Bineingiehn, unb ba in ihr 
her Fortſchritt vom Allgemeinen zum Gingelnen Statt findet, 
fo wird dafjelbe Geſetz auch bie Darftelung ber aus bem, 
Unglauben Beroorgegangenen Gegen[age beherrichen. Aber 
eben jo ift εὖ nad: bem Gefagten. aud) gewiß, daß bie 
Darftellung. diefer Gegenjáge nur eine ganz untergeorbnete 
SBebentung. habe, oder genauer geſprochen, daß fie nicht um. 
ihrer felbft,. foubern nur um des Glaubens willen gegeben 
merbe, nadj.bem Grundſatze: Contraria. juxta se posita magis 
dilucescunt, Eine Dogmatik wuͤrde barum. nicht minder 
vollftändig, wenn aud wifienfhaftlih mangelhaft, fein, 
wenn fie von den Gegen[ágen. des Unglaubens aud) ganz, 
abjähe unb fid) rein. auf das poftttve Gebiet des. Firchlichen 
Glaubens: beſchraͤnkte. Daffelbe gilt num aber. nicht von 
ber Apologetik. Sie fest ihrem Begriffe nad bie 9tüd» 
ſtchtsnahme anf bie verfchienenen. Formen. des Unglaubens 
vnraus; fie erörters, bie Principienfrage: ob Glaube ober 
: 95 it 


316 Die Aufgabe 


Unglaube? und-weldhe Form des Glaubens ober Unglaubens 
ber Wahrheit entipreche, unb welche Stellung wir aud) zu 
biefer rage einnehmen mögen, ob wir bereit auf bem 
ganz pofitiven Stanbpunfte des Glaubens ftehen unb und 
nur von ber Unwahrheit und Unmöglichkeit des Unglaus 
bens überzeugen wollen, ober ob wir und mit einer Fünfts 
lichen Sinbiffereng über beive erheben und fragen, ob wir 
uns für ben Glauben ber Fatholifchen Kirche ober für ben 
Unglauben entfcheiven follen: immer tritt ber Unglaube in 
diefe Unterfuchung als ein nothwendiges, gar nicht zu ums 
gehendes Element mit hinein. Die Aufnahme der ver 
ſchiedenen Formen des lingíaubend it e8, welde ber 
geíammten Apologetif erf. ihr wiſſenſchaftliches Intereſſe 
verleiht und ihren Zwed und ihre Aufgabe, ſowie bie 
Mittel zur Löfung biefer Aufgabe bedingt. Der Unglanbe 
in allen feinen Formen fteht hier im Vordergrund ; von 
ibm ift der Charakter unb bie Methode ber anzuftellenden 
Unterfuhung abhängig. Die Apologetif hat daher gerade 
ben umgefchrten Charakter von ber Dogmatif. Wie fid) 
eine Dogmatif nicht denfen läßt ohne Darftelung ber 
pofitiven Lehrbeftimmungen der Kirche, jo ift eine Apolos 
getit unmöglich ohne Darftelung ber ver[diebenen Sormen 
des Unglaubens, und wie eine Dogmatif wohl eriftiren 
fann aud) ohne Darftelung ber aus bem Unglauben ftam 
menden Gegenfáge gegen ble Firchliche Lehre, [0 könnte es 
auch wohl eine Apologetif geben, welche fid) leviglich mit 
ber Darftellung und Kritik des Unglaubens beichäftigt, ohne 
ben Glauben felbft näher zu berühren unb tiefer fid) auf 
ihn einzulaffen. So haben Dogmatif und Apologetif ente 
gegengejegte Zwede, und wenn bieß, dann aud) wohl 
entgegengejegte Methoden, unb wenn ber Dogmatif 


* bet. Tatholifchen Apologetik. 9t 


ber progreffive ſynthetiſche Weg eigen ift, fo wird ber te 
greffive analgtifdje wohl der Apologetif zufommen müfjen. 
Dann aber fallen aud) beide Wiſſenſchaften nit mehr 
jufammen ; fte verſchwimmen nicht mehr in einander; beide 
ergänzen fid) nun vielmehr, gerabe fo mie a“ belben Mes 
thoden fid) einander ergänzen. 

9. Damit find aber die Gründe noch nicht erfchöpft, 
auf welde fid unfere Auffaffung ver Apologetif, ihrer 
Aufgabe und ihrer Methode ftübt. Wir können der Sadje 
nod näher fommen, wenn wir das Verhältniß zur Sprache 
bringen, in welchem bie Apologetif nicht bloß zu ber ihr 
zunächft verwandten Wiffenihaft der Dogmatif, ſondern 
in welchem fie zur gefammten Theologie überhaupt fteht. 
Der Unterſchied zwiſchen dem einfachen, an die Kirche (id) 
anjdjtegenben Glauben und ber theologifchen ober wifien- 
fhaftlihen Erfenntniß ift ber, bag hier zu jenem Glauben 
nod das Wiffen Bingufommt. Der Inhalt ift in beiden 
Fallen derfelbe, nur bie Worm des Bewußtſeins ift ver 
ſchieden. Die theologische Wiſſenſchaft entftebt nun dadurch, 
daß fid das Denken auf ben Inhalt des Glaubens richtet, 
daß ble urfprünglide unmittelbare Einheit der Firchlichen 
Lehre mit unferm Glauben aufgehoben wird, und fomit 
ber Glaubenétnfalt auf bie eine, und das Denfen (mit 
bem Inhalt des natürlichen Bewußtſeins) auf die andere 
Seite tritt, mit der Frage nad dem Grunde jener ur 
fprünglicden Einheit ber geoffenbarten Lehre mit bem menſch⸗ 
[iden 3Bemuftfein. Diefe Einheit iff. nun offenbar Bets 
vorgebradjt durch den Glaubensact, unb [omit wird εὖ 
fih zunaͤchſt um ben zureichenden Grund für tiefen Glan, 
bendact handeln. Diefer Grund IM die Anctorität ber 
Kirche einerfeits, und das ans bem Weſen des Menſchen 


"AES Die Aufgabr 


entſpringende religiöſe Bebirfniß andererſeits. Allein das 
Geltenlafſen dieſes Grundes wird beanſtandet; bie Häres 
tiſchen Gegenſätze des Unglaubens ſind es, welche 
zwar das religiöſe Bedürfniß des Menſchen zugeben, aber 
leugnen, daß εὖ durch die Kirche feine ‚Befriedigung finde. 
Damit ift von felbft die Frage gegeben: wer nun Recht 
babe, wie Kirche mit bec Behauptung, ober bie Qürefte 
mit der Leugnung ihrer Sluctoritàt, eine rage, welche 
nur durch Kritik, mur dur prüfendes Eingehen auf bie 
Gründe für bie eine ober bie andere Behauptung beant- 
wortet werden Tann. Ihre eigentílde Löfung aber kann 
biefe Frage, wie auf ber Hand flegt, nur in der Gfrifto, 
logie, nur in ver Stellung finden, melde Chriſtus vermöge 
feiner Gottheit unb Menfchheit zum menfchlihen Geſchlecht 
unb zur Geſchichte emm, und biefer Begriff von 
Chriſtus vorauégefegt, wird e& fi nun beftimmter 
darum handeln, ob bie Kirche ober. ble Härefie mit ihm 
im Einflange εἰ. Diejenigen aber, welche mit ihrer Auf 
faffung ver Kirche aud) eine abweichende Chriſtologie ver; 
binden, fónnem ſich mit der bisherigen Lritif nit ganz 
zufrieden geben ; fie werben einwenven, bag ed «ben nod) 
wit ausgemacht fei, wer und was Chriſtus geweſen. 
Auch wir ſelbſt fónmen die begonnene Unterfuchung nod) 
nit als geſchloſſen betrachten, infofeen die formelle Mög, 
lichkeit bleibt, bag die Kirche mit ihrer Ehriftologie Uns 
recht, ihre Geguer aber Recht Haben können. Sofort muß 
nun alfo auch bie kirchliche Chriftologie in Parallele ger 
ftellt werben mit den verfdjlebenen Formen der außerkirch⸗ 
lichen Chriftologie, und aud) hier ift bie Frage, auf welche 
ed anfommt, nicht anberó zu löfen, als durch Kritik, 
durch Prüfung nämlich, welde unter den verfchiebenen 


ber katholiſchen Apologetik. 879 


Auffaſſungen bec Perfon Chrifti der Wirklichleit entſproche. 
Wenn auch hier das nádjfie Refultat entweder Annahme 
oder Verwerfung ber Eirchlichen Chriſtologie ift, To i& vie 
Unterſuchung felbft damit bodj πο nicht με Ihrem Ziele 
gelangt. Einen Chriſtus nàmlid, welcher das wahre τὸν 
ligiöfe Verbältnig des Menfchen zu Gott, dem Weſen des 
erſtern gemäß, wiederherftellt, Kann ed nur geben, wehn 
ed überhaupt eine Religion gibt, und wenn. bie Beſchaffen⸗ 
beit derſelben eine Wieverherftellung und zwar eine fo 
beftimmte, wie bie durch Chriftus gefchaffene unb in bec 
Kirche erhaltene, nothiwendig madjt. Das ijt εὖ nun aud, 
was bie Kirche als den tiefen Grund ihrer ſelbſt and 
ihrer Lehre vorausfegt, während ber ling(aube feine Wurzel 
entweder in ber birecten Qeugnung der Religion ober 
in abweichenden Begriffsbeftimmungen berfelben bat. Wie 
ift εὖ möglich, aud bier das Wahre anszumitteln, Irrthum 
von Wahrheit zu ſcheiden und in biefem Labyrinth von 
Fragen fld zurechtzufinden, wenn man nicht mit Hülfe bet 
Kritif die aufgemorfenen Fragen löst und entſcheidet? 
Damit find wir nun aber, wie gejagt, bió zum tiefften 
Grund unfers religiös⸗kirchlichen Bewußtſeins vorgedrungenz 
nun muß es fich entídjeiben, ob ber Glaube in feiner Eins 
heit und feinem Zuſammenhang, wie er im ber Kirche 
vorliegt, ober ber abfolute, ober ber theilmeife Unglaube 
Recht Babe. In bem Princip und Grunde unfers kirch⸗ 
lihen Glaubens haben wir nun aber aud) beu feftem 
Standpunkt gewonnen, auf melden. unjere religiöfe Leber 
zeugung fij flübt; mit tem Bewußtſein ver Gewißheit 
fönnen wir uud nun von bem vielgeftaltigen Unglauben 
abs unb ber feirdje zuwenden, und fónnen ihren Glauben 
und ire Lehre nun zum Gegenftand fernerer Unterfuchungen 


880 Die Aufgabe 


maden. Wir find zurüdgefehrt zu dem Punkt, von 
welchem wir ausgegangen find; unjer Glaube an die Kirche 
befteht nicht mehr bloß in feiner ur[prünglidjen und that 
fächlichen Unmittelbarfeit, jondern wir, verbinden jet bamit 
das wiffenfchaftlihe Bewußtfein ver Nothwendigkeit. Wir 
haben jest den allgemeinen Standpunft erreicht, welchen 
wir bem Glauben ber Kirche gegenüber bei unfern weitern 
wifienfchaftlichen Unterfuchungen einnehmen müffen. Wir 
haben erftens den Schlüffel zum Verſtändniß der Geſchichte 
empfangen, vermögen fie jept in ihrem Zufammenhange 
vor unb nad) Gfriftuó zu verftehn, woraus eine Reihe 
einzelner chriftlicher Wiffenfchaften überwiegend Diftorijdyen 
Charakters hervorgeht. Es wird fid) um die Gejchichte 
des alten Heidenthums, um eine eingehende Renntniß des 
Judenthuus unb um das Entwidiungsgefeg handeln, baó 
in beiden fid offenbart. Es wird fid) fpeciell bei Chriſtus 
um geſchichtliche Kenntniß feiner Perſon, feines Lebens, 
feiner Wirffamfeit, feiner Lehre, insbefondere aud) um bie 
Schickſale feines Werkes in ber unmittelbar darauf folgen, 
ven apoftollihen Zeit, fury um Alles handeln, was bei 
der wifjenfchaftlihen Behandlung des Neuen Seftamenté 
in Stage fommt. Es wird fid) erftlich um eine Geſchichte 
des Ghriftenthbums in ver Fatholifhen Kirche handeln, 
welde ben Gntmidíungégang des chriftlichen Lebens bis 
auf bie Gegenwart herab verfolgt. Ebenſo wird bet ge 
wonnene Standpunft zmweitend zum Ausgangspunft für 
eine fpeculatioe Erkenntniß der im religtöfen Bewußtſein 
enthaltenen Gebanfen. Es [ἀβὲ fid) nun einfehn und bats 
ftellen, wie das religiöfe Bewußtfein aus feiner Urform 
herans, zwar durch Störung unterbrochen, aber in biefer 
Störung doch gefegmáfig fid) in ber alten Welt entwidelt 


der katholiſchen Apologetik. 881 


bis auf Chriſtus, wie es bier in feinem eigentlichen Mit- 
telpunft anlangt, und wie von hier wieder der Strom bes 
fichlichen Gnabenfebená in Lehre, Gactament und Regies 
rung ausgeht; fury bie wirfliche Geneſts des Firchlichen 
Bewußtſeins läßt fih von jenem. Standpunkte aus zum 
Verſtaͤndniß bringen. Ganz bafjelée gilt audj von ber 
chriſtlichen Ethik. Auch hier läßt fid) zeigen, wie auf ber 
allgemeinen religiöfen Baſis fid) die SDebingungen des fitt« 
(iden Handelns in bem Bewußtfein von bet Freiheit, von 
bet Sünde, von bem Gefege und von ber Gnade Gottes 
allmaͤlig entwideln und in ber. Kirche bie Factoren mers 
ben, aus welchen fid) das wirkliche Verhalten des Menfchen 
ju Gott, zum Menſchen als Menfchen, zur Samilie, zum 
Staate und zur Kirche fid) ergibt. Jener allgemeine te» 
figióje GCtanbpunft wirb ferner die Grundlage für bie 
hriftliche Nechtswiffenichaft, indem gezeigt wird, wie baé 
religiöje Bewußtſein auf den verſchiedenen Stufen feiner 
Entwidlung das Princip aller focialen Geftaltungen in 
Staat und Kirche und aller Gejeggebung geworben ift, 
oder wenigftens werden will. Endlich bilbet jener Stand» 
punft aud) die Vorausſetzung für bie Grfenntnig ver Art 
und Weiſe wie, in allmäliger Entwidlung bis auf Gbriftue, 
“das religiófe Bewußtfein ſich praftijd), Ὁ. B. als wirklicher 
Eultus unb Gottesdienſt fid) offenbart. Kurz, wie baé 
Bisherige bargetban haben muß, die Apologetik ift εὖ, 
welche durch ihre Kritik, durch ihre wifienichaftliche 9Inas 
[pfe des chriftlihen Bewußtfeins zuvor das allgemeine 
Prineip ausmitteln mug, aus weldem bie einzelnen theos 
Iogifchen Disciplinen nad den verfchiebenen Seiten be 
religiöfen Lebens organifd) hervorwachſen. 

10. Es ergibt fid) daraus bie fdon früher entwidelte 





382 Die Aufgabe 


Stellung, welche der Apologetif zu ven einzelnen theologis 
ſchen Diseiplinen gebührt, nur nod) beut(ider. Sie ift ver 
Mittelpunft verjelben, ihre Einheit, dur welche fie zu 
einem Ganzen zufammengefchlofien werben; fte ift es, bie 
pas allgemeine Princip ber Theologie zur Erkenntniß bringt, 
befien concrete Geftaltungen die einzelnen theologifchen 
Zweigwifienfchaften find. Sie ijt mit einem Worte bie 
allgemeine Theologie, zu welcher fid) ble übrigen Disciplis 
nen verhalten wie bie Arten zur Gattung, wie ble Er⸗ 
[deinungéformen zu ihrem Weſen. Noch beutíidjer wird 
vieß. erhellen, wenn wir das Verhältniß der Apologetif 
auch zu den philofophifchen Wiffenfchaften in Anfchlag 
bringen. Wir fegen voraus, daß eine vernünftige Gr; 
fenntniß der Wirklichfeit in ber Natur und im Menfchen- 
geifte zu ber llebergeugung führe, bie Welt fel an fid) 
Gedanke, und weil Gebanfe, fo weife fle auch zurüd auf 
einen von ihr unabhängigen Geift, ber biefen Gebanfen 
richt bloß an fid) gebadjt, jonberm aud) burdj Schöpfung 
nad) außen hin realifirt habe. Wir fepen voraus, ba vie 
Philofophie mit tiefer Erfenntniß ſchließe; bann aber reicht 
fe unmittelbar bis an bie Grundform des religiöfen Bes 
wußtſeins, bió an den Standpunkt ber.Apologetif heran. 
Die Religion erfcheint dann ald das Ziel, in welchem fid 
ble philofophifche Erkenntniß der Welt vollendet. Sft aber, 
was [omit ber Abſchluß ber Philofophie ift, ber Ausgangs, 
punft ber chriſtlichen Theologie, unb zwar zunaͤchſt bet εἰν 
geutlide Kern und Grunbgebanfe ber Apologetif, fo muß 
weiterhin aud) behauptet werben, ba die legtere das eis 
gentlide Band zwifchen ber Hriftlichen Theologie und ber 
Philofophie fei, und wenn bie Philojophie zu ihrem In⸗ 
halt das natürliche, bie Theologie Das durch Offenbarung 


— — — 


T 


der katholiſchen Apologetik. 883 


entftanbene Bewußtſein hat, fo ift e8 tie 9lpologetif, in 
welcher tie Verföhnung beider Erkenntnißweiſen zu Stande 
fommt, indem fte in ber Offenbarung ben Punkt auffinvet, 
buch welchen fie mit bem natürlichen Bewußtſein bed 
Menſchen zuſammenhängt wnb in ihm Ihre Wurzel bat, 
Damit felit fte ecft ven rechten Geſichtspunkt auf, mutet 
welchem nicht nur bie Geſchichte ber Religionen uͤberhaupt, 
ſondern and) die Geſchichte des Chriſtenthums betrachtet fein 
will. Die Religion Hat dann ebenfo ihre Quelle in Gott, 
wie im Menſchen, wurzelt ebeufo in ber Offenbarung, wie 
in der natürlichen Entwidiung bed menſchlichen Bewußt⸗ 
feine, beide Factoren dürfen nicht von einander getrennt 
werden, und bilden erft in ihrer Einheit die wahre und 
vollfommene Religion. Die wahre und vollfommene Re 
ligion ift bie, weldye durch die höchſte Offenbarung Gottes 
entſtanden und das allgemein menſchliche Bewußtſein zu 
ihrer Borausfegung Bat. Auch hier iff bie Apologetif bie 
eigentlihe theologiſche Grundwiſſenſchaft. Sie ift mehr, 
als bloße „Einleitung in bie Theologie," obwohl blefe 
Auffaffung ber Wahrheit nodj am nádten fommt. Sie 
ift ble erſte anter allen theologiſchen Disciplinen, als dies 
jenige, burd) welche der Uebergang von ber Philoſophie zur 
Theologie fid vollzieht, und welde ben Standpunkt ans 
weist, von welchem aus bie übrigen Seiten des kirchlichen 
Lebens zur Erkenntniß gebracht werben fónnen. Alle 
übrigen theologiſchen Wiſſenſchaften aber find nur bie cott 
exete Ausführung der einzelnen im apologetiihen SBrincip 
enthaltenen Grunbgebanfen. Darum hat aud) bie Apolo⸗ 
geti£ die meifte Achnlichleit mit bev Encyklopaͤdie der theo⸗ 
logiſchen Wiſſenſchaften, ohne bod) aud) mit diefer zuſam⸗ 
menzufallen. Wie nümlid) bie Apologetit die einheitliche 


, 984 | Die Aufgabe 


Wurzel ift, aus welcher ver Baum bet theologifchen Wiſ⸗ 
fenfdjaft mit allen feinen Zweigen unb Aeſten hervorwaͤchſt, 
fo fan man auch umgefebrt von biejer Bielheit der theor 
fogi[djen Disciplinen ausgehn, fann fie in ihrer gegenfeis 
gen Zufammengehörigfeit und in ihrem Innern Zufam- 
menhange als einheitliches Syſtem unb ale wifjenfchaftlichen 
Organismus barftellen. Dann aber iſt der Schluß biefer 
Darftelung das Bewußtſein, das chriſtliche Bewußtſein 
feinem ganzen Inhalte nad, nad) allen Seiten und Rich⸗ 
tungen wifjen[djaftlid gerechtfertigt und alle abweichenven 
Anfihten und Meinungen als nicht chriftlich wiverlegt zu 
haben; dann bilbet bie Apologetif ebenfo ben Schluß⸗ 
punft, in meldjem ble Grunbgebanfen bet einzelnen theolos 
giſchen Disciplinen zufammengefaßt werben, wie fte vorher 
ihr Ausgangspunft gewefen war. Die Theologie ent⸗ 
widelt fih dann als Wiffenfchaft unter einem breifachen 
Geíidtópunfte: als Einheit in der Apologetif, als SRielbeit 
in ben einzelnen theologischen Zweigwiſſenſchaften, als 
Zotalität in der Encyklopädie dieſer Wiflenichaften und 
fommt bier dadurch zu ihrem Abſchluß, daß fie auf ben 
Standpunft ber Apologetif zurüdfehrt. Gerade viefe That- 
fade fpricht aber wieder auf das Entfchievenfte und Deut 
lihfte für unfere Auffafjung der Apologetif als theologifcher 
Grundwiſſenſchaft. Es if, feit Ariftoteles, ein allgemein 
befannter und anerfannter Gag, daß das wahrhaft Grfte 
auch das Lepte fei. Was Princip ift, ift auch Ziel, und 
was das Ziel ift, wird aud) wieder zum Princiy. Der 
Saamen 4. Ὁ. ift ebenfo Princip, wie Ziel ted organischen 
Lebens in ber Pflanze obet bem Thiere. Es ift mit jenem 
Cafe ein allgemeines Gefeg aller otganifdjen Entwidlung 
auégefprodjen. Ganz vafjelbe Gefe& Bat fid nun gezeigt 


der katholiſchen Apologetif. 385 


bei der Verfolgung des Verhältnifies, in welchem bie Apo⸗ 
logetif zu den übrigen theologifhen Wiſſenſchaften fteht. 
Sie ift ebenſo die erfte wie bie legte unter ihnen, unb 
darum werben wir aud) nicht irren, wenn wir fie als vie 
eigentliche theologifche Grundwiſſenſchaft, ober, um einen 
Ariſtoteliſchen Ausprud auf fie anzuwenden, wenn wir fie 
aló prima theologia betrachten. 

11. Hiemit fönnten wir ſchließen. Wir fónnten ben 
Gegenftand, den wir bier zur Unterfuhung gebracht haben, 
als erledigt anfehn, nachdem er von allen Seiten beleuchtet 
worben ift, und in allen dieſen $yállen fid) daſſelbe Res 
fultat ergeben hat. Neue Gründe Iafjen fid aud) in ver 
That nicht weiter anführen. Aber εὖ ift tod) nod) möglich, 
den von ber Apologetif aufgeftellten Begriff bem Denfen 
und bem Verſtaͤndniſſe näher zu bringen, durch eine ans 
fhaulihe, aus ber Geſchichte und bem Leben gefchöpfte 
Detaillirung der ragen, weldhe in ihr erörtert werben 
ſollen. Wir werben dann zugleich ermeffen fónnen, in 
welchem Berhältniffe viefe Auffaſſung ber Apologetif zur 
Gegenwart, zu den wiſſenſchaftlichen Forderungen unb Bes 
duͤrfniſſen, fury zur wiflenfchaftlichen Aufgabe ber Gegen: 
wart ftehe. 

Fürs Erfte handelt es fich in ber Apologetif um die 
alfgemeinfte Differenz zwifchen ber Kirche unb ber Härefte. 
Durch ben Proteftantismus ift e8 und zur Evidenz gebracht, 
daß ber größere ober geringere Grab ber Lebereinftimmung 
mit ben Lehren der Kirche ben Unterfchied zwiſchen Kirche 
unb Härefie nicht begrünbe. Der Unterſchied liegt viel- 
mehr in ber Beftimmung des Begriffs „Kirche,“ welde 
nad) Fatholifcher Lehre nothwendig fihtbar, nad) häretifcher 
Cproteftantifcher) Auffeffung nothwendig unfihtbar ift. Die 


386 Die Aufgabe 


Sichtbarkeit ber. Kirche im Fatholifhen Sinne laßt fuf nur 
anf Eine Weife, nur im Zufammenhange mit ihrer Lehre 
von Chriſtus denken, während. ber Begriff: einer unſicht⸗ 
baren Kirche verſchieden beftimmt werben faun unb auf 
eine ebenjo vielfahe Verfchievenheit audy in ver Anſicht 
von Ehriftus zurüsfveutet. Die fatfoli[e Kirche iſt naͤm⸗ 
fid in dem Sinne fihtbar, daß fie die fihtbam Form ift, 
durch melde Chriftus feine erloͤſende Thaͤtigkeit fortſetzt. 
Mit ber fihtbaren Kirche ift bie unſichtbare Wirkfamfeit 
Jeſu Gbrigi zur Erlöfung ber Menfchheit untrennbar ver 
bunden; fie ift das eigentlich Subflantielle, welded bem. 
äußern Ericheinungsleben ver Kirche zu Grunde liegt. Um 
verfennbar ijt εὖ, daß die Kirche mit blefem ihrem Gelbft» 
bewußtſein nur eine Gonfequeng aus ihrer Lehre non bet 
Perfon Chriſti zieht. Chriſtus ift Eine Perfon in zwei, 
9taturen, ift Gott unb Menſch, fo zwar, daß bie SBrübicate 
beider Naturen auf die Eine Perfon übertragen werben 
fónnem. Aber mit Umgehung der PBerf.on fónnen 
weder von ber göttlihen Natur die Prädicate ber menſch⸗ 
[iden Natur, nod) von biefer bie Prädicate jener ausge⸗ 
jagt werben. Die WSortbauer ber erlöſenden Wirkſamkeit 
Ehrifti fordert nur feine ftete Gegenwart in ber Welt; tie 
men[dlidje Natur in Chriftus ift aber nicht alfgegenmärtig ; 
durch fie ift ber geiftig überall gegenwärtige Chriſtus auf 
fihtbare Weiſe nur an Einem Orte und zu einer be 
fimmten Zeit gegenwärtig. Daraus folgt, bag er nad 
feiner Himmelfahrt. und Rüdkehr zum Vater feine erlör 
jende Wirffamfeit in der Welt nur dadurch fortfegen: 
fann, daß er fi mit neuen Menſchen verbindet, biefe zu 
feinen Organen madt, durch fie feine Lehre verkündet, 
feine Gnade [penbet, [εἰπε Gläubigen auf bem Wege zum 


ber katholiſchen Apologetik. 387 


Himmel leitet, kurz er kann das nur durch ſeine weſen⸗ 
hafte Verbindung mit einer ſichtbaren Kirche. Wird nun 
dieſe Art ber Verbindung Chriſti mit der Kirche geleugnet, 
ſo kann dieſe Leugnung eine verſchiedene, beſtimmter eine 
dreifache Geſtalt annehmen. a) Chriſtus ſteht mit ber 
Kirche in gar keiner innern und geiſtigen Verbindung. Es 
gibt weder eine Hierarchie, durch welche, noch Sacramente, 
in welchen er feine erlöſende Thätigkeit fortſetzt, und es 
bedarf aud) folder fihtbaren Mittel für die Gemeinſchaft 
bes Menſchen mit Gott nicht, da Gott felbft das im Men⸗ 
ſchen allein wirfende Princip ift, unb bie Thätigfeit des 
Menschen ihren Grund nicht in feiner perfönlichen Gelbfts 
ftändigfeit hat. Bon Chriftus gibt es nur ein Außerlid 
geihichtlihes, durch bie heilige Schrift und beftimmte 
Eymbole vermitteltes Wiſſen, durch welches vie Kluft, welche 
Sahrhunderte zwifhen und unb ifm gezogen haben, nit 
aufgehoben wird. Db) Ehriftus ift mit ber Menſchheit we» 
fentlid und innerlid verbunden, und fest in ihr feine er⸗ 
löfende Thätigfeit fort, indem er im Herzen des Menichen 
den allein rechtfertigenden Glauben erzeugt. Er bebarf 
dazu aber nicht beftimmter Menfchen als feiner Organe, 
jondern er theilt feine vedytfertigenbe Gnade mit burd) ben 
Buchſtaben der heiligen Schrift, mit welchem bie Wirkſam⸗ 
feit des. heiligen Geiſtes unauflöslic verbunden ift. Das 
burd nun, daß ber BL. Geift im Glauben des Menfchen 
ein unmittelbareó geiftiges Band zwiſchen Chriftus unb 
ben einzelnen Gläubigen herftelt, bewirkt ev bie innere 
und unfihtbare Bereinigung Chrifti mit ber Kirche. Man 
muß daher forgfältig zwiſchen dem äußern Befenntniß des 
Glaubens unb jenem innern und unfijtbaren Bande zwi⸗ 
Then Ehriftus unb ben einzelnen Menfchen unter[djelben. 


388 Die Aufgabe 


Nur folje, die in diefer Innern und unftdjtbaren Lebens, 
. gemeinfhaft mit Ehriftus ftehn, gehören zur Kirche, die 
deßhalb unfichtbar und Außerlich nicht erfennbar ift, waͤh⸗ 
rend das bloße SSefenntnig des Glaubens wohl bie Theil 
nahme an ber äußern und fichtbaren Gemeinde, aber nod 
nicht an ber unflchtbaren Kirche zur Folge hat. Der Bes 
griff der fihtbaren Kirche ift allgemeiner und umfaffenber, 
al8 ber Begriff ber unfichtbaren Kirche. Diefe ift. in jener 
enthalten als eine ecclesiola in ecclesia und befteht aus 
bem Häuflein der Auserwählten unb Heiligen. c) Chriſtus 
bleibt auf eine fidjtbare Weife mit der Menſchheit verbun⸗ 
ben, aber diefe Gemeinfdjaft ift nicht burd) beftimmte, von 
ifm  befonberó audermábíte Organe vermittelt. Seine 
Wirkſamkeit erftredt fid) über alle Mitglieder bet Gemeinde 
gleichmäßig, und burd) biefe erwählt er fid) feine befonveren 
Werkzeuge, durch melde er bie Leitung ber einzelnen Gee 
meinden ausübt. Diefe unfihtbare Wirffamkeit, nicht 
feine wirkliche (fijtbare ober unfichtbare) Gegenwart in 
pet. Welt, fein Einmwirken aus bem Jenſeits in das Dieß- 
ſeits ift der Grund der fihtbaren Kirche. Erſcheint fomit 
hier das Verhaͤltniß Chrifti zur Menfchheit im Allgemeinen 
in einer dreifach verſchiedenen Geftalt, jo ift e8 nur bie 
Eonfequenz einer einmal eingefchlagenen Gebanfenrichtung, 
wenn nun biefe dreifache Auffafjung jenes Verhaäͤltniſſes 
aud auf das Verhältniß ber göttlichen und menfchlichen 
tatur in Chriſtus fefbft übertragen wird. a) S Chriſtus 
als Menſch nad feiner Himmelfahrt gänzlich von ber 
Welt getrennt und nur im Himmel gegenwärtig, fo folgt 
daraus, daß eine communicatio idiomatum in ihm nidt 
Statt finde, daß εὖ für ihn unmöglich fel, auch auf fihtbare 
Seife überall gegenwärtig zu fein. Nur eine Erinnerung 


der katholiſchen Apologetik. 989 


an feine Erſcheinung Bat er jurüdgelaffen, unb nur in 
biefer iR er gegenwärtig. Ὁ) If Chriftus als Erlöfer 
wahrhaft und wirfli in bet Welt gegenwärtig, aber auf 
unfihtbare Weiſe, und ohne daß dieſe Gegenwart burd) 
perfönliche Organe vermittelt wird, fo muß aud) vie menſch⸗ 
liche Natur in ihr allgegenwärtig fein, t. b. es findet in 
im nad) feiner Himmelfahrt eine wirkliche llebertragung 
ber Attribute der göttlichen Natur an die menjchliche Statt, 
and bie Verſchiedenheit beider wird entweder im Princip 
aufgehoben, jo daß bie Perſon in Chriſtus ganz verſchwin⸗ 
bet, oder ed muß jeder Natur aud) eine eigene Perfon 
zugefchrieben werben. c) Sf Chriſtus nur burdj feine 
Wirkſamkeit in der Welt gegenwärtig, unb wird von ihm 
ans ein dynamiſcheo Innewohnen in bie Menfchheit gelehrt, 
fo wirb damit die communicatio idiomatum allein auf 
feine Perſon befgränft und damit eine ber Menfchwerdung 
analoge Verbindung Chrifti mit ber Kirche als feinem 
myftifchen Leibe geleugnet, im Grunde aber bie Menſch⸗ 
werbung ſelbſt aufgehoben; denn ein dynamiſches Einwirs 
fen des Logos auf die Menschheit durch Offenbarung und 
Erleuchtung Bat zu allen Zeiten und unabhängig von fei 
ner Senjdwerbung Statt gefunden. 

Diefe Gegenfäge find es, welde in ver Kritif ber 
Lehre von der Kirche einander gegenübergeftellt und in 
ihrer Wahrheit ober Unmwahrheit erwogen werben müſſen. 
Wir haben aber [don angedeutet, daß dieſe Gegenfäge 
nit a priori conftruirt, ſondern geſchichtlich wirklich find, 
taf fie ble proteftantifche Antithefe zur fatbolijden Kirche 
bilden, daß bie drei der katholiſchen Auffaffung entgegen- 
fehenden Anfichten Zwingli’s, Luther's und Galvin’d Ges 
danken über die Kirche und vie Perſon Ehrifti enthalten. 

Tbeol. Ouartalſchrift. 1867. IU. Heft. 26 


890 Se Aufgabe 


Somit liefert tiefer erfte Theil ver ?Ipofogetif. eine wifien- 
ſchaftliche Kritif des Proteſtantismus, unb da- in tiefen 
das 9Befen ber Härefie überhaupt in feinem Unterſchiede 
von der Kirche zu Tage getreten ift, nicht bloß eine Kritik 
bed Proteftantismus, ſondern ber Härefie überhaupt. 

Als ber €tanbpunft, von weldem aus dieſe Kritik 
zu vollziehen ift, wirb im Allgemeinen der diftie vors 
quógefegt. Es handelt fid) ja gerade um das SBejem ber 
chriſtlichen Kicche, und worin blefeó beftehe, dag muß eben 
aud der eigentbümliden Beichaffenheit des chriſtlichen Geis 
fies erfannt werden. Als Offenbarung und ald pofitive 
Religion fann nun aber das Gbrijtentbum nidt etwas 
Wandelbared und Veränverliched fein. Es muß (id zu 
allen Zeiten in feiner Lehre von der Kirche und von ber 
Perſon Ehrifti woejentlid). gleich geblieben fein. Go wird 
e8 (id fragen, welcher von beibeu Theilen, ob die Kirche 
oder bie Härefie, bieje Unveränberlichfeit der Grundans 
ſchauung in der gefhichtlächen Entwicklung an fid aufzeige, 
und. ba wird fid) für'é Erfte ergeben, daß tie Kirche im 
ben genannten Punkten ſtets ſich felbgt treu geblieben jet 
und eine Einheit ber Lehre und llebergeugung durch ihre 
ganze Geſchichte hindurch gehe, währenn bie Härefie ven 
Keim ber Auflöfung, der Auflöfung nämlich ver Einen 
geoffenbarten Wahrheit in ein Choas fubjectivev Anfichten 
und individueller Meinungen über Chriſtus und bie Kirche 
in fid trägt. Dort findet fid) ein burdj die fletige Suc⸗ 
ceffion ter Bifchöfe unb durdy ble ununterbrochen fortlaus 
fende Tradition ber Lehre verbürgter Sujammenbang ber 
Kirche mit dem Diftorijden Gbriftuó, bier ift ber Zuſam⸗ 
menfang mit bem Yaden ber Tradition willfürlid) abge⸗ 
brochen; tort herrjcht das durch Teinen Zweifel geftörte 





Der katholiſchen Anologetif. 39; 


Vewußtſein ber Wahrheit, hier das unfihere Euchen und: 
Serien nad der Wahrheit und das Verlangen nad) einer 
Kirche der Zukunft; tort. Einheit des Glaubens, hier ein 
Zwielpalt der. Meinungen, jo bag nicht einmal zwei Pers 
jonen diejelbe llebergeugung hegen. Co gebt die Kirche 
m ihrem unmittelbaren Anſchluß an Chriſtus aller Härelie 
voraus, bie Härefie aber zeichnet fid) ſelbſt als Abfall von. 
ver Ringe, ale: Abfall. vom Ehriftenthum: 

Die Wrage iſt daher nun nad) ver Wahrheit des bris 
ſtenthums; mit diefer Frage beginnt ber zweite Theil ber 
Apologetik, al8 Kritik der verſchiedenen Anfichten, welche 
über Chriſtus möglich find. Sft Chriſtus wirklich Der, w⸗⸗ 
für ihn vie katholiſche Kirche hält, ober etwas Anderes, 
and was ifi.ec in dieſem Kalle? Welche Auffafiung ente 
ſpricht der geſchichtlichen Wirklichkeit ? 

Auf tiefe Fragen laffen fi verfchievene Antivorten. 
geben. a) Chriftns ift purer Menſch, b) Chriſtus ift fe 
diglich Bott; 6) ober er ift Gott und Menſch ohne hypo⸗ 
flatiffe Vereinigung beider Natnren; oder d) er ift. Gott 
und Menſch nady ber Lehre der Fatholiichen Kirche. Ep ift 
flat, daß hier Auffaffungen zur Sprache kommen, welde 
vie Berfon Chrifti bei den Juden, Heiden unb. álteften d» 
retifern gefunden bat, unb taf ed fid) bei Löfung dieſer 
Fragen um das Wefen und um bie Wahrheit ved Chriſten⸗ 
thums im Unterfchied vom Judenthum und Heidenthum un. 
im Gegenfag qur falihen Vermittlung beider in. nen älter 
fen Härefien handele. Die Antwort auf dieſe Fragen 
kann nur an der Hand ber duch die kirchliche Trabition 
und Ancterität beglaubigten Geſchichte bes Lebens Jeſu 
Ehriſti gegeben. werben. 

Wie aben . bleje. Antwort ausfallen — jumerhin 

26 * 


392 Die Aufgabe 


bleibt noch ble Mögtichfeit beftehen, baf die Geſchichte Sefu 
Chriſti al des Menfc gewordenen Sohnes Gottes blofe 
Sage oder Didtung, ein bloßer Mythus fei, daß Chriſtus 
im Einne des Chriſtenthums als eine hiſtoriſche Perfon 
nicht gelten fónne. Wie vieje Anficht aus einer beſtimm⸗ 
ten theologifchen und philofophiihen Auffaffung des relis 
giöfen Entwidiungsganges im Judenthum und Heidenthum 
hervorgegangen iſt, fo gründet jid) aud) bie enigegengefepte 
auf bie Gefchichte der Menfchheit vor Chriſtus, und fo 
muß dieſe Unterfuhung über bie Perſon des Gelójferó. mit 
einer Kritif beider Auffaffungen ber vorchriſtlichen Geſchichte 
gefihloffen werden. Ὁ 

Führt nun aber tiefe Kritif zu. bet Ueberzeugung, daß 
bie Entwicklung in ter alten Welt wefentlich eine xeligiöfe 
gemefen fel, daß fie in ver Religion ebenfo ihren Aus⸗ 
gangépunft, wie ihr feftes Ziel gehabt habe, und daß dieſes 
Ziel kein anderes als das Chriftenthum, Ehriftus die Fülle 
und bie Mitte aller Zeiten fel, fo muß die Kritik au 
nodj den legten Schritt thun, muß das Sunbament diefer 
gefammten Entwidlung, ben Begriff ber Religion unters 
fuchen, und fo zum lebten Theile ihrer Aufgabe ober zum 
dritten Theile der Apologetit übergehen. 

Es ift nun eine vierfache Auffafjung dieſes Begriffes 
móglid. a) Gott unb Menſch verhalten fid zu einander, 
wie freie Geifter, fo jebod) daß jener abfoluter, biefer eub 
lider Geiff ift, und bie Freiheit und Gelefftanbigfeit des 
legtern der göttlichen Wirffamfelt gegenüber feine Gränze 
bildet (chriſtlicher Theismus). b) Die Freiheit und Selbſt⸗ 
itánbigfeit des Menfchen wird Gott gegenüber feftgebalten 
und foweit ausgedehnt, baf fie ber Wirkfamfelt Gottes 
gegenüber zur trennenden Grenze wird, Gott und Menſch 


der fatfofiftben Ayologetik. 303 


von einander geſchieden find und jeder für fid) if. (Ra: 
tionalismus.) c) Die Freiheit und Selbſtſtaändigkelt wird. 
anf Seite des Menſchen gefeugnet; er wird zu einer Selbſt⸗ 
offenbarnng des göttlichen Geiſtes oder vielmehr. ver. gött- 
fien Weltvernunft. .d) Die Neligion ift- zwar eine 
Thatfache des menſchlichen Bewußtſeins, aber fle entftefit 
burch eine pſychologiſche Sefhfttäufchung, iff nur die unbe⸗ 
wußte und unmilffürlihe Pergötterung des menfchliden 
MWefens, in Wahrheit alfo ein Verhalten des Menfchen zu 
‚fi felbft, wie er fid) vermittelt ber Phantafle als unend⸗ 
τῷ, als Gott anſchaut, und tfr Geheimniß ift ber Atheis- 
mu. (Raturalismng.) 

Diefe vier verſchiedenen Auffaffungen müffen nun zum 
Gegenftante der Kritik gemacht werben, und zwar handelt 
es fidj, ba in ben drei erften ebenfo die Wirklichkeit Gottes, 
wie der Welt unb bed Menfchen feftgehalten wird, wenig⸗ 
ſtens feitgehalten werben folf, bet der Kritik tiefer Auffafr 
fungen darum, welche von ihnen ber genannten Norand- 
fegung in ver That entfprede. Denn einerfelts forbert 
bie Idee Gottes als des abjoluten Beiftes, dag vie Welt, 
aud. der menfchliche Geift nicht ausgenommen, von ihm 
abſolut abhängig fei, und andererfeits liegt es in ber 
Wirflichfeit der Welt und der Selbftftänvigfeit des enblichen 
Beiftes, daß fté biefe Wirklichkeit und Selbftftändigfeit auch 
nit der Gottheit gegenüber volftändig eimbüfen. An 
jener Vorausſetzung von ber Wirklichkeit Gotted und ber 
Welt mit Einfluß des Menihen hat barum die Kritik 
einen genügenben Anhaltspunft, um das wahre und wirk⸗ 
fije Verhaͤltniß zwifchen Beiden ausfindig zu madjen und 
den Achten Begriff ver Religion aufzuftellen, welder bann 
an ber Gefihichte feine Bewährung finden muß. 


QM Die Aufgaboe 


Was vie vierte Anſicht beieifft, fo muß Hier ble Kritik 
das Gebiet der Pſychologie betreten und muß bie wirkliche 
Geneſis des Gottesbewußtſeins im Menſchen nachweiſen. 
Daraus wird ſich von felb(t ergeben, ob ber Glaube an 
Gott ein Taaumbild ver Phantaſie, ober ob et die Ex 
kenniniß einer Wirklichkeit fel, und bie Idee Gottes, tret 
ber Ilnmittelbanfeit, mit welcher fie in uns eutftebt, bod 
nur and bem iu unſerer Natur liegenden und durch feine 
fünflide Dialeftif zu vertilgennen Zuge des Gefchöpfes 
zum Echöpfer Berporgebe. : 

Diefe linterjudung muß aber zur Erkenutniß einer 
höchſt merfwürbigen, in ber gegenwärtigen Befchaffenheit 
un[jeró Gottesbewußtſeins enthaltenen Antinomie führen. 
Cinerjeitó fordert nàmlid) bie weſentliche Abhängigkeit, in 
welcher ber enbfide Geijt als Geſchöpf vom abfoluteu 
Beifte als dem Schöpfer fteht,. baf ein . unmittelbarer 
gegenfeitiger Verkehr zwiſchen beiden Statt finde, daß ber 
Menſch mit feiner. Freiheit, mit feiner Jntelligenz und {εἰν 
nem Willen fid) ebenfo ber Gottheit entgegenbewege, wie 
diefe fid) zu ihm Derablàft, fid ihm offenbart und ihm 
entgegenfommt. Der 9Xenjd) follte au in der Wirklig- 
feit fein, was er in ber Ioee, in bem Gebanfen Gottes 
von ibm ift, und durch tiefe lleberelnftimmung ber: Wirk 
lifeit mit ber bee vollfommen mit Gott verbunden, feine 
„sntelligenz alfo unmittelbare geiftige Anſchauung Gottes, 
fein Wille dem göttlihen Willen ganz conform fein. Ans 
hererfeits liefert aber die gegenwärtige Beſchaffenheit unferes 
Gottesbewußtſeins, wie e8 jegt in uns mwirflih vorhanden 
ift, ben Beweis,. daß bieje unmittelbare Beziehung des 
Menſchen auf Gott, fomeit fie Sache unferer Freiheit, 
unferer Intelligenz und unſers SBilleng it, nit Statt 


der kathpliſchen 3fpologetif. 395 


finde, daß unferer Erkenntnis Gottes bie Unmittelbarkeit 
ber Anſchanung, und unferer eifijdjeu Vereinigung mit 
Gott bie volle Brreidung ihres Zieles fehle. Ohne die 
Erlöfung befindet fh Intelligenz; unb Wille viefmebr 
im Znflande ber: Gottentfrembung,, und aud) die Erlöfung 
verbeißt jene Unmittelbarkeit der Beziehung. zu Gott ex(t 
als das im Ienfeitd zu erreichende Ziel unjeró Lebens. 
Diefer bei allen Menſchen ſich finbenbe Wiverſpruch ber 
Wirklichkeit wit der: Idee weist zurüd auf einen alfgemei- 
nen Abfall der Menſchheit von Gott im Beginn ber Ge 
ſchichte, auf eine Trerinung bec menſchlichen Intelligenz und 
des menschlichen Willens vou Gott, anf einen Act, duch 
weldyen fid) der Menſch a(8 etwas Anderes feste, als er 
παῷ ber Idee Gottes fein follte, der dann in feinen Fol⸗ 
gen als Zuſtand auf bie ganze Menfchheit übergegangen 
if, — auf einen Sündenfall vor aller Geſchichte nnb 
auf eine Erb ſuͤnde. 

Der wirkliche Suflanb des Menfchen ift bemnad) fol: 
genber: Soweit dem SXenjden fein eigenes Weſen in 
feine Gewalt gegeben und feiner Intelligenz; und feinem 
Willen unterworfen ift, ſoweit hat er fid von (Gott los⸗ 
gerifien; ſoweit fein Weſen aber außerhalb dem Bereiche 
feiner Preiheit liegt und. in einem natürlichen, nidt 
zu zerſtörenden Lebensverfehr mit Gott ald bem Schöpfer 
and Erhalter des Menfchen ftebt, ift εὖ mit blejem in einem 
unmittelbaren Zuſammenhange geblieben. Daraus folgt 
eine doppelte Möglichkeit: einmal das Beharren und fiu 
fenweife Sortfchreiten in ber freiwilligen Trennung von Gott, 
das fid) in ben falſchen Religionen und auf feiner höchften 
Spige im Atheismus ausfpriht, fobann zweitens bad Be⸗ 
fireben, duf Grund be& aud nad ver Sünde gebliebenen 


396 Die Aufgabe - 


natürlihen SufammenBangeó mit Gott zu ihm zurüchzu⸗ 
fehten und bie volle Unmittelbarkeit der Gemeinſchaft 
mit ihm durch freie Thätigkeit, burd) Intelligenz und Wille 
wieder herzuftellen, mit andern Worten: in jener Antinomie 
ber Wirklichkeit mit der Idee, welche in unferm @otteöbe: - 
wußtfein vorhanden ift, hat bie Kritik die Quelle alles 
Irrthums und aller Sünde, nnb ben Grund ber Nothwen⸗ 
bígfeit der Offenbarung und ber Erlöfung aufgefunden. 

Mit der Gonflatirumg ver Thatfache eines allgemeinen 
Abfalls der Menfchheit von Gott und wit der Gefenntni$ 
der Genefió des Gotteóberonftjeinó im Menſchen hat aber 
bie apologetifche Kritif ihr Ziel erreiht. Ein Echritt weis 
ter.in ber erfien Richtung würde fie auf ναὸ Gebiet bet 
einzelnen theologifchen Wiffenfchaften, ein Schritt ἐπ τῇ ἃ 
in der zweiten Richtung würde fie anf das δεῖν der Phi⸗ 
loſophie führen. 

Betrachten wir nod) einen Augenblid das Refuftat, 
welches die Apoldgetif auf bem eben bezeichneten Wege 
gewonnen Bat, .. jo darf nun mit ber größten Zuver⸗ 
fit ver Cat ausgeſprochen werben: Die Fatholifche 
Kirche trägt in fid) a) dad univerfell dyriftlije, b) das 
wniverjell geſchichtliche, c) das univerfel menſchliche Bes 
wußtfein. Sie ftellt das univerfelle Bewußtſein der Menſch⸗ 
heit im Zuſammenhange mit ber Gejdjidte unb bem Mit- 
telpunfte ber Geſchichte, mit Ehriftus bar. Sie tjt wahrhaft 
unb im eigentfiden Sinne Fatholifh, während jebe 91; 
weichung von ihr fid) ald Abfall vom allgemein chriftlichen, 
vom allgemein gefchichtlihen, und vom allgemein menſch⸗ 
lihen Bewußtjein djarafterifixt. 

Gerade diefe Erkenntnig ver Kirche in ihrer univer⸗ 
ſellen Bedentung unb Beziehung if aber der Punkt, um 


ber katholiſchen Upplogeti. —  — ΒΟΥ 


weldjen allein fid). beut su. Tage alle Polemik zwiſchen ihr 
und ihren Gegnern dreht. Die Lengnung diefer Univer⸗ 
falitát ig εὖ, wovon die Härefte unb ble bem Chriſtenthum 
und ber Kirche feindliche Philoſophie ihr epbemereó Dasein 
friſtet. Könnte. e& eine Härefie geben, wenn bie leben 
jeugung allgemein herrſchend wäre, daß die Kirche das 
univerfell chriftliche Sermétfein in fid enthalte, oder würbe 
eine antichriklihe und. antiveligiófe Philoſophie eriftiren, 
wenn diejenigen, mekfe tiefer Richtung folgen, fid) übetr 
jeugen mwürben, daß ber Glaube ver fire das allge» 
mein menfdyide Bewußtſein zu feiner VBorausfegung 
habe unb in ibm wurzele? | 

Der dutch Gegenfáge zerrifienen Zeit gegenüber if 
die Aufgabe der Kirche eine erlöfende und verföhnende. 
Sie fol, was bie Zeit geſchieden, wieber vereinen unb ín 
ihrem Glauben αἵ. vereinigt barftellen. Nimmt vie Wif- 
fenfchaft, fo aufgefaßt, wie fie fo. eben dargeſtellt wurde, 
nid an biefem Friedenswerke Theil? Ueber ben Irrthum 
fónnen fih die Getrennten bie Hand der Berföhnung 
reichen. 

Wir wollen nicht in Abreve ftellen, baf απῷ anf 
andern Wegen .ein wiſſenſchaftliches Berftänpnig deſſen, 
was bie Kirche ift, gewonnen werben fönne; aber fo direct, 
fo ofme alle Umſchweife führt fein Weg zu biefem Ziele, 
ale bie Apologetif, in ber hier entwidelten Weiſe aufge⸗ 
faßt unb dargeftell. Sie erfchließt nicht nur das Ver⸗ 
fländniß der Kirche ats folder, ſondern auch ber theolo- 
gifchen Methode und gewährt, an ber Schwelle der einzelnen 
tbeologifchen Diesciplinen, tie Einfiht in den organijdyen 
SufammenBang und die ſyſtematiſche Einheit verfelben. 
Wie wichtig ἐξ es aber für ben jungen Theologen, wenn 





396 Die Aufgabe 


er gleil im Beginn des Studiums der einzelnen Sáde 
feiner Wiſſenſchaft fid des Standpunkles dentlich bewn$t iR, 
yon meldem aus er ben Glauben, tie Cittentebre, die Geſehe, 
ben Kultus feiner Kirche zu betrachten habe, wenn er weiß, 
daß er die Kirche in ihrer gefammten änfern Erſcheinungs⸗ 
weile ven einem nniverfelen Geficktöpunfte aus vergeben 
fermen müfje; wenn er von vornherein überzeugt iR, taf 
pie Kirche nicht εἶπε bejonbere Form des Ehrikenthume 
oder ber Religion neben antern fei, fentern ba$ fie über 
ihnen fiche, und was jene an einzelnen Glementen ber 
Wahrheit in fid enthalten, als höhere Einheit und als 
Ganzes in fid vereinige! Wie wichtig iR es für ihn, 
glei von vornherein in ben. foftematifden Ban der theo⸗ 
logischen Wiffenfchaften eingeführt unb hier genau in ben 
einzelnen Theilen beójelben oriemtirt zu fein, da bei ver 
herrſchenden Behunvlungsweife ber Theologie feine Gefahr 
größer für ihn iR, ald über ter SBielfeit der einzelnen 
Fachwifienfihaften ten leitenden Girunbgebanfeu und ben 
einheitlichen llebevblid zu verlieren! 

Aber aud) tie chriſtliche Philofophie bürfte bei ver Bier 
wergetragemen Aufaffung ter Apologetif nicht ganz leet 
an Gewinn andgehen. Denn bie Apologetif if es welde 
turd) ven Getanfen, mit welchen fie fchließt, ver Philoſo⸗ 
pbie ihren eigentlichen Sielpunft, ihre Aufgabe umb ihr 
eigenthümliches Problem bezeidmet. Sie jagt vex Philoſo⸗ 
pbie, baf fie in ber Grfenntni$ eines yerfönlichen Goltes 
als bed &€djopjeró ver Belt fid) zu wellenten habe. So 
fommt tie Ayologefif tem Streben ver. neuem Zeit, eine 
dyifüde Philoſophie zu [Φαβεπ, emigegen uud Pajat ifc 
bie Wege dazu. 9Ber aber weiß, wie unenblid) viel barauf 
anfsmme, tef die Pfilefephie endlich qu ührem Ziele 





der Tatholifchen Apologetik. 399 


gelange und wieder eine chriſtliche 9Biffenfdjaft werbe, ber 
wird eine Auffaffung ber Apologetif nicht gering achten 
fórmen, bie zur Erreichung dieſes Zieles wefentlid) beiträgt. 
Diefen SBunft wollen wir zum Schluß ter Erwägung uns 
feren Leſern nod) ganz beſonders empfohlen haben. 


Hildesheim. 
| Hagemann. 





2. 


Ueber die vom Seren Profeffor Dr. 9tanfe zu Fuld 
aufgefundenen Fragmente einer Versio Antehierony- 
miana des alten Teſtamentes. 


Der Profefjor der Theologie zu Marburg, Herr Dr. 
Ernft Ranke, veröffentlichte zur Geburtöfeier des Chnrfürften 
Friedrih Wilhelm am 20. Auguft Ὁ. 3. eine febr. merk 
würbige Univerſitäts⸗Schrift, die aber and) als eignes 
Werk in den Buchhandel fam und ben Titel führt: 

„Fragmenta versionis latinae Antehieronymianae Pro- 
phetarum Hoseae, Amosi et Michae. E codice 

Fuldensi eruit, aique adnotationibus criticis in- 

siruxit Ernestus Ranke. Accedit tabula lapidi incisa. 

Marburgi typis et sumptibus J. A. Kochii. MDCCCLVI.* 

49.—IV und 52 Seiten: — 
weld fo recht lebhaft an Fulda, jener Pflanzſchule des 
Gatholicismus in Teutſchland, erinnert und ſicherlich ein 
Fragment jener weltberühmten Bibliothef barbletet, die im 
8. Jahrhundert begonnen, vom Kaiſer Earl dem Großen 
mit Büchern reichlich befchenft, und von Männern mie 
Rhabanus, Otfrid, Marianus Scotus u. a. gepflegt 
und vermehrt, endlich im Berlaufe des XVII. Jahrhunderts 
ans Teutſchland verfhwand, fo daß, als im Jahre 1775 
ber Fürftabt Heinrih VIIL von Bibra bie Bibliothefen 
bet Abtei unb des fürftlien Schlofies zu Einer Samms 


Bragmente einer Versio Antehieronymiana bed a. T. 404. 


lung. vereinigte, vor ben 794 Banben Handſchriften, welche 
bie Abtei noch im XVI Jahrhunderte beſaß, laum eine 
und bie andere nod) vorhanden. war. 

Sn biejer Bibliothek machte Herr Profeffor Dr. Ranke, 
feine Gntoedung, bie mit feinen eignen Worten hier bes 
idrieben werben möge. 

„Quum nuper Fuldae studiis crilicis occupatus velu- 
stissimos aliquos illius, quae ibi asservalur bibliothecae olim. 
Abbatialis, nunc Elecioralig libros mangscriptos perlustra- 
rem, in folia duo!) ineidi, scripturee latinae summa 
velustate conspicua, agglutinata illa interioribus tegumen- 
torum lateribus latini: Bibligrum codicis signati A 13, qui 
el ipse circiler nongentorum annorum esse palaeologis. 
videtur. In quibus accurata. nonnullorum yersuum perqui+ 
silione instituta didici Fragmenta latinae Veteris Test. 
contineri a Vulgata non uno in loco valde discrepantis: 
Quod quum iiscum, penes quos bibliothecae Fuldensis 
cura regimenque esl, communicassem, a viris humanis- 
simis non solum veteris illius textus in lucem eruendi atque 
edendi sed lotius codicis, cui insertus erat, Marburgum, 
vehendi licentiam impetravi. Ubi posiquam ‚foliorm ea 
latera, quae. oculis subjecta erant, legerem, conligit mihi, 
ut memibranas aquis perfusas aique madefactas leniler. ἃ 
tegumentis libri.ligneis solyerem textumque, quem in versis 
lateribus continent, adipiscerer. Glossis quoque, quae manu 
seriori quidem, salis tamen velusta ad marginem apposilae 
sunt, legendis animum epplicui, qua opera complures per 
menses contipuata, licet lilerarum characteres prae velu- 

1) Profefior Dr. Ranke hätte fchreiben müfjen „quatuor folia", 


denn vier Bläter ber alten Handſchrift find es, wenn fie gleichwohl 
in extenso aufgeflebt nuc 2 Blätter beim evfien Anblick zepräfentieren, 


402 Fragmente 


state multis in locis discerni vix possent, oculis microscopio 
armatis eo perveni, ul ubicunque membrana: inlegra est, 
fere omnia quae adnotata sunt legerem, ubi vero lacerata 
vermibusque exesa esse deprehenditur, quae scripta fue- 
rint ex litererum reliquiis conjectura assequerer.* 

Bon diefen fogenannten „Borfepblättern” entnahm 
nun Dr. Ranfe vie folgenden Fragmente einer Vorhlerony⸗ 
mianiſchen Verſion, als | 

Oseas Vil, 16 — VEHI, 6. 

VIII, 8 — ΙΧ, 417. 

Amos VII, 10 — ΙΧ, 9. 

Michaas I, 3 — M, 3. | 
einige weitere Heine Fragmente des Ofeas (IV, 13. 14: V, 
4.7. XIF, 3. T. 9. 12. XIII, 1. 35 nicht miigerechnet. 
Die mitgerheilte Schriftprobe, fb wie υἷε Beſchreibung vieſer 
Fragmente laſſen einem geübten Diplomatifer feinem: Zweifel 
übrig, taf die Textſchrift zum wenigſten auf den Anfung 
ves 6. Jahrhunderts zu: fepen fel, momad; dieſe Fragmente 
allerdings jw den Alteften xoanv rinm georen, die ſich 
echulten haben. 

Dafür zeugt vorerft: jene unverkennbare Befihaffengeir 
des Alteften Pergamentes „membranas esse- genavisi tentis 
mi ao... peliucidif von wnbefchreiblicher Feinheit und 
Welße, verfen eigenthümliche Maunße — 12. Zoll Höhe, 
11: 301 Breite — die: Beichaffenheit der Uneialſchrift wit 
ungetrennten Worten, jene unnachahmbare Tinte, ble ſich 
pent. Pergämente eingeägt?, Überhaupt: der ganze Ehirallter 
ver Blätter, in fo welt fte: ὦ unverjehet! erhalten haben, 

Der Eoder felbft hatte auf jeder SBlattfelte 3 Eolumnen, 
jede zu 23 Zeilen, die vorzüglich gleich und ſchön gejchrieben 
find. Wenn jedoch Ranke fchreibt „Aliud- noster seribe 


einer Versio Antehieronymiana be8 a, T. 403 


pulcbritudinis. geyus efficiendum. sibi proposuit, quod ra- 
rissime inveniri mihi videlur, posilum in. eo, ul linearum 
membranis stylo imprimendarum consuetudinem in plurimis 
libris manuscriptis obviam neque ad versus dirigendos, 
peque ad columnas normandas sequerelur, unde factum 
est, ut ne acuum quidem infixione qua codices deformari 
solent, indigeret -und glaubt, εὖ müfle bem Schreiber 
eine onrdjfdjeinenbe Unterlage vorgelegen jein, jo mag ε 
dahingeſtellt bleiben, ob eben dieſe Riſchtungslinien, die je 
ad) der Feinheit des Pergamentes oft faum bem britteren 
Auge fitlid) geangen au werben pflegten, nicht durch. bad 
Auffieben und. Ehnen ded Pergaments auf jene Holzdeckel 
verwiſcht, oder unfenntlih geworben ſeien. 

Anlangend- bie S. 17 ausgeſprochene Vermuthung 
des Dr. Ranfe; „Respicientes.. quotam ea, quae in hig 
foliis scripla sunt, impressorum- quibus ulimur s. scriptu- 
rae exemplarium parlem compleant, inlelligimus hujus 
generis librum, si quod vix dubium est utrumque complec- 
tebatur testamentum, plus quater mille et quingentas paginas 
exhibuisse^ fo ift es nicht glaubfi, daß biefe Fragmente 
zu einem Gober gehört haben können, welcher bie ganze 
heilige Schrift enthalten. hätte, Dagegen. flreitet: eben 
das Alter! Es läßt fid nemlich nicht ermeijen, daß vov 
bem IX. Sabrüngbert. !) je eiue ganze lateiniſche Bibel ge» 
ſchrieben worden wäre. Die ültefte ‚ver vorhandenen iít 
zweifelSohne jene, die mit der Kaiſerbibliothek Henrich IL, 
des Stifters des. Bamberger ‘Doms, in jene des Domftifts 
bajelbft. fam, ans 450, mächtigen Folioblattern befteht, und 

1) Dem widerſpricht aud) bie befannte Stelle Gajftobora — de 


institut. divin. literer. Edit. Veuet. pg. 516. 517 — angeführt ber 
Ranke pg. 30 — feines Wege! ' 





404 Fragmente ὦ 


απ! Befehl Alcuins „Jusserat hos — Aleüinus ecclesiae 
famulus perscribere libros* wohl für Gard den Großen 
gefchrieben urbe. 

Dagegen war e8 Ufus, nur einzelne helle deſſelben 
abzuſchreiben, wodurch ein allgemeinerer Gebrauch ermoͤglichet 
wurde, indem der eine Leſer die Buͤcher Moſes, ein anderer 
die Propheten, oder einzelne derſelben u. Ὁ. 4. vor fid) hatte, 
was nicht möglich gewefen wäre, würbe man ganze Bibeln 
gefhrieben haben, da ja nur allein der Pergamentwerth 
über 500 Reichsthaler bei diejer Handſchrift betragen 
haben würde — „plus quingentorum imperialium con- 
stiterint® wie Ranfe ©. 17 ganz richtig berechnet, ein 
Preis, deſſen Erfhwingung im Mittelalter höchſtens dem 
Kaiſer over einem reihen Dynaften móglid) war, inbefjen 
im früherer Zeit ſchon bie vorherrſchende Armuth der drift, 
fien Befenner die Serftellung eines ſolchen Werkes ver 
hindert hätte, andy abgejehen davon, baf bie Miffionäre 
nicht ſchwere Wollanten brauchen konnten. 

Sa ſelbſt bie Bibliothek des weltberühmten Fulda— 
Stiftes beſaß bis zur Erfindung der Buchdruckerkunſt keine 
ganze Bibel, und der Catalog ihrer ehemaligen Hands 
ſchriften, der fid) bekanntlich in einer fpátren Abfchrift ev 
halten fat 5, führt als Bibelbeſitz die folgenden Bände auf: 

2. „Leviticus et Numerorum ex textu biblico. - 
„3. Libri Numeri, Deuteronom., Josuae et Judie. 
„4. Libri Regum. 
»9. Libri Ezechielis, Danielis, Oseae Johelis, Amos, 
„Abadiae, Jonae, Micheae, Naum, Abacuc, Sopho- 
1) Vrgl.: „Katalog unb Nachrichten von ber ehemaligen aus 


lauter Handjchriften beftauben Bibliothek in. Fulda. Leipzig 1812.“ 
Der Oerautgeber ift. Kinderling. 


einer Versio Antehieronymiana des a. 3. ' 405 


„Rise, Achaei, Zachariae et Malachiae Prophetarum 
„fol. 
„6. Psalterium Davidis latinum et graecum cum prae- 
fationibus S. Hieronimi, fol. | 
„t. Libri Salomonis, Proverbiorum, Ecclesiastic. Canti- 
„cum canticorum, Jesu Filii Syrach, lib. paralipo- 
„wmenon et libri Machabaeorum: item libri Joannis 
,8pocalipseos, septem epistolae Canonicae Jacobi 
„apostoli, Petri, Joannis et Judae, Acta Aposlo- 
„lorum, Epistolae Pauli. fol. 
„8. ,Textus Esaiae el Jeremiae prophetarum. 
„9. „Libri paralipomenon. 
„10. Liber sapientiae et Jesu Syrach. 
„11. Esaias prophela.“ 
welche in ber Bibliothek als ,Ordo primus,* alſo als erſte 
Fachreihe aufgeführt werden, indeſſen als „Ordo secundus* 
noch erſcheinen: 
„1. Textus Evangeliorum Matthaei el Joannis. 
. 9. Textus Evangelii secundum Joannem cum aliquot 
glossis marginalibus. 
„3. Textus Evangelii Joannis. 
59. Libri Esdrae. 
.59. Liber proverbiorum, en el Cantic. Can- 
^ A ticorum. 
». Evangelia 4 Evangelistarum pulchris literis. de- 
scripta. 49.* 
le alfo ber ganze Fuldaer Bibelvorrath, ber nicht 
aus gleich gefchriebenen Bänden beftand, fondern aus 
einzelnen Büchern der Bibel. 
Wie in Buld, fo war «6 an allen Stifts⸗ und Doms 
faulen. Selbft ver Wirgburger Bifhof Humbert, (832—42) 
Theol. Quartalſchrift. 1857. I. Heft. | 27 


406 Fragmente 


der Freund des Rhabanus Maurus, welchet erſterem ſeinen 
Commentar über die Richter unb über Ruth gewidmet 
hatte, ließ als eifriger Förderer der Domſchule, in Fuld 
nur einzelne bibliſche Bücher abſchreiben, von denen fid) 
die „Libri Paralipomenon“ erhalten haben, welche die In⸗ 
ſchrift führen: „In Christi nomine incipit Liber Paralipo- 
menon, qui hebraice dicilur Drabejamin, id est, Verba 
dierum, quem Domnus Hunbertus Wirziburganensium Epis- 
copus fieri jussil.* Wohl Andeutung genug, daß man 
beim Auftauchen folder Fragmente jeinen Geſichtskreis 
wohl nur auf das Sunádffliegenbe begrenzen bürfe. 

Die mitgetheilten Fragmente haben nun aud; Gloſſen, 
die 9tanfe mit ber Uncialfchtift ziemlich gleichzeitig hält, 
fid auf Tifchenvorf berufenb: „C. Tischendorfius .. Saxo- 


niae illud decus. . amicissime monuit, ut a juniori aetate 


glossis tribuenda providenter abstinerem, quibus addidit, 
haec non scribae manum exarasse, sed docli alicujus viri, 
doclos vero homines jam tempore admodum velusto, quo 
Scribae unciali scribendorum librorum rationi eliam addicli 
fuerint, minüsculariis characteribus esse usos.^ Allein im 
fRergleide dieſer ES chriftzüge mit andren uns gu Gebote 
ftebenben Hanpfihriften, bei ben charakteriſtiſchen Merkmalen 
mehrerer fBudjjtaben, dürfte derjenige faum irren, welder 
dieſe Gloffen in jene Zeit verweist, in welder das Schrift⸗ 
ſtudium hauptſächlich in Fulda blühte — in bie Zeit des 
erft vorhin erwähnten Rhabanus Manrus. 

Es wäre fofort das Vaterland be8 Tertes feiner 
gahyem Außern Befchaffenhelt nad) mit mehr ald halber 
Gewißheit in Italien zu fuchen, woher wohl alle im 
Uncialcharakter gehaltene Codices unfres teutfchen Baters 
fanbeó, bei bem ungemein ſtarken Verkehr, in weldjem vie 





einer Versio Antehieronymiana be8 a. T. 407 


erſten teutſchen Glaubensboten mit Rom flanden,. ge 
kommen fein mögen, wie denn aud) [pátre Blichöfe bie 
herab ind X. Jahrhundert ungemein mit Rom verbrüdert 
waren. 

Mehr als Alles beweist biefed ber berühmte Codex 
Theodosianus over beffet das Breviarium Alarici, befannts 
lid) das ältefte Manufeript, welches fld) in Teutfchland 
findet, und dermalen in der f, Hof und Staatsbibliothef 
zu Münden aufbewahrt wird, wohin es im Sahre 1806, 
im Momente ber Befigergreifung des Wirzburger Landes 
buch Großherzog Ferdinand, von bem f. Bayerifchen Generals 
Landes:E ommisfariate απὸ der Univerfitätsbibliothef Wirzs 
burg weldedie Domcodices in Folgeder Säcularifation 
erhalten hatte, nad) Mündyen zur Eentralftaatsbibliothef übers 
fidt ward. Bon ihm gilt fiher, was von Gdfart bereits in 
feinen Commentariis de rebus Franciae orientalis et Epis- 
copalus Wirzeburgensis T. I. Pg. 522 vermuthet: daß 
der Dl. Burcard tiefe Handſchrift „rarisstmum illud Codicis 
Theodosiani exemplar, Pandectis Florentinis aetate si non 
superius, saltem aequale* mit (id) von Rom nad) Wirzburg 
bradjte: — „Homines ecclesiastici — fügt er bei — legi- 
bus Romanis vivebant, quae Codice Theodosiano compre- 
hendebantur* — ein Umftand, der um jo mehr Begrüntung 
findet, als das nod) vorhandene Evangeliare des heiligen Bur- 
cards, welches dem 6. Jahrhundert angehört, ſicherlich Römi⸗ 
chen Urfprungs ift, aljo von Rom nad) Wirzburg fam, mie c6 
denn überhaupt ein wahrer Genuß fein würde, wenn jemand im 
Ctante wäre, die Reifbefchreibung ber Codices zu fertigen! 
Mer würde 3. B. in der Dombibliothef zu Bercelli das 
im IX./X. Jahrhundert gefertigte, aus bem Klofter Fuld 
ftammenbe, Missale des Biſchofs Heinrih von Wirzburg 

27 * 


408 


Fragmente 


ſuchen? Und dennoch befindet ſich ſolches bis auf den 
heutigen Tag dort, und ift kenntlich durch feine bem X. Jahr⸗ 
hundert angehörige Schlußſchrift: 

Noverit astantium & futurorũ populorũ pia 

devotio queadmodu Erkanbaldus sci fulden 

sis collegii puisor indignus. Heinricho sce Vuir 
ziburgensis psuli uenerabillimo. libru hunc 

missale, dó scisq. suis seruiendu prestitit. eo 

dicto ut post terminum uite sue ad di sciq. 

bonifatii seruitium sine dilatione psentetur 

Anlangend nun den Inhalt ber veróffentlidten Frag⸗ 
menten [o möge hier eine Probe aus Oſeas IX, 4 unter 


Beifegung der Vulgata ftehen: 


Fuldaer Gober. 


v. 4. Non libaverunt domino 


vinum et non placuerunt 
ei victimae eorum. sicut 
panis Juctus eius 

Omnes qui manducaverunt 
ea coinquinabuntur. 


. propter quod panes eorum 


in animas eorum. 
non intrabunt in domum 
domini. 


. Quid facietis in die 


mercatus et in die 
sollemne domini 


propter hoc ecce ibunt 
ex infelicitate Aegypti. 

et suscipiet eos Memphis 
et sepelivit eos Machmas. 
argentum eorum interitus 
possidebit et spinae 

in tabernaculis eorum. 


Bulgata. 


4. Non libabunt Domino 


vinum et non placebunt 
ei: sacrificia eorum quasi 
panis logentium: 

omnes pui comedent 
eum, contaminabuntur: 
quia panis eorum 

animae ipsorum. 


. Quid facietis in die 


solemni, in die 
festivitatis Domini? 


6. Ecce enim prefecti sunt 


a vastitate: Aegyptus 
congregabit eos, Memphis 
sepeliet eos: desiderabile 
argentum eorum urtica 
haereditabit, lappa 

in tabernaculis eorum. 


einer Versio Antehieronymiana be8 a. S. 409 


7. Venerunt dies ultionis tuae 7. Venerunt dies visitationis 
venerunt dies perditionis tue venerunt dies retributionis: 


et male tractabitur istrahel. scitote Israel stultum 

sicut profetes qui extitit prophetam insanum 

homo spiritalis. a virum spiritualem, propter 
multitudine iniquitatum  ' multitudinem iniquitatis tue, 
repletus insaniae. et multitudinem amentiae. 


Was num ben Werth biefer Fragmente betrifft, fo ift 
vorerft ind Auge zu fafjen, daß hier ein Product vorliegt, 
welches fdjon aus diplomatifhen Gründen wenigftenó bem 
VI. Jahrhundert angehören muß. Infofern gewähren biefe 
Fragmente jenes literärifche Intereſſe, melde jeder Urs 
theilsfähige beim Auftanchen unbekannter Denfniale ber 
Pergangenheit zu haben pflegt. 

Allein weit höher als dieſer generelle ftebt ver fpeciell 
theologifche Werth dieſes ehrwürdigen Fragment's der Ver⸗ 
gangenheit, welches eine ber aälteſten lateiniſchen Verſionen 
des alten Teſtamentes bietet, deren Einfachheit ja gewiſſer⸗ 
maſen Rufticität auf jene Zeit des werdenden Chriſten⸗ 
thnmes hinweist, welche bad Verbum Dei scriptum hoch 
haltend, Nichts wollte, als daß jedem ermöglichet würde, 
ans jener Quelle des Heild zu fchöpfen, wie Tertullian 
in jener claffifhen Ctelle „Adversus gentes C. XVIII* wo: 
er auf die Entflehung ber Septuaginta hinweist, bezeichnend 
fagt: „Sed quo plenius el impressius tem ipsum quam 
disposiliones ejus et voluntates adiremus, instrumentum 
adjecit lilleraturae, si quis velit de Deo inquirere, et 
inquisitum invenire, et invento credere, et credilo de- 
servire“. 

Daß mit der Ausbreitung des Chriftenthumes aber 
ble Nothwendigkeit einer fateinifen Verfion für jene bet 
Roͤmiſchen Zunge fid) Bedienenden, nothwendig warb, ift 


419 Fragmente 


einleuchtend, $a bie Septusginta bod) für Tauſende vor 
Ehriften, und eben für die ármere Volksklaſſe ein ver⸗ 
ſchloſſenes Buch blieb. Denn fo wenig Beute qu Tage in 
per neuen Welt Alle ein Branzöfifch geſchriebnes Bud, 
zu lefen vermögen, fo verbreitet aud) blefe Sprache ift, fo 
wenig verftund in ber alten römischen Welt das Volk in 
feiner Mehrzahl bie griechiſche Sprache, obſchon bleje, wie 
jattfam befaunt, να war, was heut zu Tage dad Frans 
zöſiſche ift. 

Diefes der Urfprung jener uralten lateinischen Ver 
fionnen, deren eigenthümliche Beichaffenheit im 9erpáltniffe 
zu bem Urtert und der Sepluaginta jeven Schriftforſcher 
unwillkuͤhrlich fejfelt, unb an jene Auguſtiniſche Itala et» 
innert, über deren eigentlichen Wejenheit bis heute nod 
Niemand ind Reine fommen fonnte, weßhalb aud) jede 
Entvefung eines Stüdes einer fo uralten Verſton jeder 
Zeit ein Stein zum Weiterbau in ber Frage ift: Welches 
eigentlih das Original ober bie Itala jei, eine Frage die 
übrigens nie ganz zum Abfchluß gebracht werden dürfte, 
nadbem nun einmal burd) bie in ber Kirche zur Geltung 
gefommene Bearbeitung des BI. Hieronymus die alten Vers 
fionen zu Grunde giengen, wozu namentlidh der Gebrauch 
des Referibierend des Pergamentes „Codices palimpsesti* 
ungemein viel beigetragen haben mag, ba allerdings vurd) 
den fixdjliden Gebraud) her Hieronymianiſchen Bearbeitung 
jene alten Berfionen für die damaligen Vefiger ihren, 
Merth verloren. 

Anderſeits fonnte man fidj aber wohl um fo leichter, 
zu jolden Umſchreibungen entfchließen, als immer nur 
einzelne Schriften, nie das Ganze vertilgt zu werben fchien, 
durch welche Praris man zugleich bem bekannten Eonftantings 


einer Versio Antehieromymiana be8 a. X. 411 


politaniſchen Concilien Beſchluß genügt zu haben glauben, 
mochte, ber ein allgemeines Berbot Eremplareder Bibel 
zu. rejerihieren gegeben Batte. 

Indem auf viefe Weife die lateiniſchen Urüberfegungen 
ber Bücher be& alten Teftaments faft gänzlich zu Grunde 
giengen, gieng aber audj — abgefefen von dem critifchen 
Werthe, ben jede lleberfe&ung für dad Original hat — 
eine Grlänterumgsquelle für das Verſtaͤndniß unb für bie 
Erklärung der älteften lateinifchen Vaͤter verloren, bie oft 
mals ſchmerzlich entbehrt wird. 

- Jeder Beitrag, ber demnach zur Ergänzung des Vor⸗ 
handenen, ober zur Wiederherftellung des Verlornen — gleich⸗ 
viel innerhalb ober außer bet Fatholifhen Kirche gefchieht, 
fanum nur mit Freude aufgenommen werden, [omit aud) 
bie Arbeit Ranfes, tec dieſe Sragmente wirklich recht tüditig 
bearbeitet bat, und überbieß in ber Bearbeitung lediglich 
den objectiven Etandpunft fefthält, fo daß man faft Alles 
was er jagt — aud, als Fatholifcher Theologe unterfchreiben 
fann. 

Ranke fpridt nun Gap. 2. „De antiquae latinae sacr. 
liter. versionis interilu^ und beutet an, daß nad bem 
Seugniffe óber beffer nad) den Klagen ber Väter bie latei⸗ 
nifche lleberfegung der heil. &drift am Ausgange des Aten 
Sahrhunnerts durch bie Adfchreiber fo verdorben gewefen 
fei, daß ber B. Hieronymus fid an eine neue lleberjegung 
wagte, welche anfänglich Biel getabelt, nad) unb nad)... 
„ad summum auclorilalis ecclesiasticae fastigium“ gelangte. 
Quo factum est — fährt er fort — ut paucis quibusdam 
scripturarum parlibus exceptis, quas Ecclesia Romana usque 
ed hunc diem secundum anliquam versionem legere con- 
suevit, i. e. Psallerio, libris Sapientiae, Ecclesiastici, Macca- 


412 Fragmente - 


baeorum, nonnullis librorum Estherae ac Dunielis capitibus, 
epistola Jeremiae et propheta Baruch, illa ipsa, qua ante 
Hieronymi aetatem quicunque latine loquebantur Christiani 
usi sunt, versio non solum ex consuetudine sensim sen- 
simque in desuetudinem abierit, sed temporum injuria 
fere tota disparuerit.* 

Er befanbelt bann Gap. 2 die rage: ,Quid viros 
doctos sd restituendae illius versionis conatum impulerit^ 
und führt bie Meinung von Blandini auf, ber fid) deß⸗ 
halb fo viele Mühe gab, weil er annahm : illam principio 
nascentis ecclesiae a — nescio quo — Apostolorum aequali 
sapienter esse elaboratam.* (δ ift dieſes reine Gonjectur, 
die bem Profefjor Ranke mit Recht ebenfoniel gielt αἱ 
jene frühere Anficht des Ifaac Bolfius, ber in feiner Ab» 
handlung „De Sibyllinis oraculis^ c. XIIL conjecturierte, 
daß die lateini[de Heberfegung des alten Teftaments vor» 
apoftolifhen Urfprungs fei. Dagegen ftimmt er jenen 
bei, bie einen befonberen Werth ber Itala in bem Umftande 
fudyen, daß fid) die ‚Väter berfelben fo oft und erfolgreich 
in ihren Cdriften beblenten, und nod) -mehr bem bereits 
300 Sabre alten Ausſpruche des Flaminius Nobilis, jenes 
berühmten Interpreten der Septuaginta und Bibelmanneg 
im wahren Wortfinne: ,magno doctos piosque homines 
desiderio affectos fuisse, illam qua latini patres ante beati 
Gregorii tempora privatim publiceque ad fidei doctrinam 
moresque formandos usi essent, versionem integram le- 
gendi: quippe sine qua praeclarae illorum lucubrationes 
vix aut ne vix quidem percipi interdum possent.* Diefer 
Grund ift auch, wie (don früher angebeutet, der gewichtigfte, 
abgejeben von bem: Einfluffe, den bie vollftánbige Itala 
anf die Textcritik der Bibel üben würde, worüber ble Aus⸗ 


einer Versio Antehieronymiana de A. 3. 413 


ſprüche Mill's, Mai's und Tiſchendorf's angeführt werben. 

In bem 3. Capitel wird die Frage erörtert: „Quid 
potissimum in restituenda illa a viris doclis praestitum 
sit?“ und werden bier bie SBerblenfte Martianay's 
(Vulgata antiqua latina et Itala versio Evangelii secundum 
Matthaeum et epist. canon. Jacobi. Paris 1695.) Saba⸗ 
tier’3 (Bibliorum 8. lat. versiones. Remis 1743. Paris 1751.) 
‚Blandini’s (Evangeliarium quadruplex latinae versionis 
antiquae seu veleris Italae. Romae 1749), forie des uner 
müblihen Gifdenborf'é(Evangelium Palatinum ineditum. 
Lipsiae 1847 u. s. w.) aufgeführt, unb zugleich beflagt, 
baf für das alte Teftament fo wenig übergeblieben fel: 
„Nam e tota librorum Vet. Test. historicorum serie praeter 
librum Esther, e MS. Corbeiensi a Sabaterio edilum et 
cantica, quae Exod. XV. Dt. XXXII et I. Samuel II legun- 
tur in compluribus MSS. obvia et post Blanchinum a Sa- 
baterio edita, nihil ad nostram aetatem pervenit. Psalmorum 
quidem plures uno codd. veluslissimi superstites sunt, 
sed Jobi, Proverbiorum, Ecclesiastae atque Cantici canti- 
corum versio anlehieronymiana aetatem non tulit; nec 
magis s$ nonnula Jesaiae, Habacuci, Jonae οἱ Jeremiae 
capita, quae vel Thomasius vel Blanchinius vel Sabaterius 
ediderunt, et fragmenta quaedam, quae nostro saeculo 
Federus in codice rescripto Herbipolensi repperit atque 
eruit, Munlerus vero publicavit, exceperis, prophetarum 
antiqua interpretatio superstes est. 

Anlangend legtete Fragmente, jo befam die K. Unis 
verfität Wirzburg mit den Hanpfchriften ver hiefigen Doms 
bibliothek im Jahre 1803 einen Gober des h. Auguftinus, 
befien Commentar über 32 Pfalmen enthaltend, welder 
im Iten Jahrhundert über eine Handſchrift, die Im älteften 


414 Fragmente 


Uncialcharakter gefertigt eine Antehieronymianiſche Verfion 
der Propheten enthielt, — geſchrieben wurde. 

Der damalige Oberbibliothekar Geiſtliche Rath Dr. 
Michael Feder ſuchte nun, ſo weit ihm immer mit dem 
Auge möglich, die Urſchrift zu entziffern, was um fo merk⸗ 
würeiger ift, als Weber im 19ten Jahrhundert der erſte 
war, ber nad) ben wenigen Vorgängern bes 18ten Sabe 
hunderts, fein Augenmerf auf eine [oldje Arbeit warf. 
Bereitö im Sabre 1808 warb über das Refultat blefer 
Arbeit in dem Buche des vormaligen Domſtifts⸗Archivars 
% 4. egg „PBerfuh einer Korographie der Erz unb 
Sroßherzogl. Haupts und Reſidenzſtadt Würzburg. I. Bnd. 
€. 361—375" Mittheilung gemacht; indeſſen unterblieb 
die Veröffentlichung bi ber befaunte nordiſche preteftantifche 
Biſchof Münter fie auf einer Reife in hieſiger Bibliothek 
fab, und bat, folde veröffentlichen zu dürfen, mas ihm 
auch Feder obue Anftand geftattete. Die Ausgabe erfchien 

»Fragmenta versionis antiquae latinae antehieronymianae 
prephetarum Jerermiae, Ezechielis, Danielis et Hoseae 

— e codice rescripto bibliothecae Universitatis Wir- 

ceburgensis. . . Hafniae 1819. 40, 

Was man nament(id) Sabatier's Bemühungen anbelangt, 
jo äußert fid Ranfe Gap. 4 „Qua in re excellentissimi 
restilutoris summus error existal® daß durch bie vielen 
Gntbedungen und Herausgabe alter Schriftwerle, die, ble 
Welt bem Garbinal Angelo Mai zu danken hat, Cabe 
tier (qui „improbi illius qui omnia vincit laboris indefes- 
sacque industriae ac sedulitatis exemplum omni aetati 
venerandum praebuerit“) vieler Ergänzungen bebürfe, In» 
befjen fib in feiner Ausgabe aud; Vieles als Fragmente 
ber Hala aufgeführt finde, was er nur in feinem Eifer für 


einer Versio Antehieronymiana beà U. 3. 415 


Herftellung feines Werfes, wohl vurd) feine critifchen Nor⸗ 
men mandmal irre geleitet, αἱ ſolche Ueberbleibſel aufnahm. 

Diefe 9infigt Rankes if ganz richtig. Denn man 
würbe fehr irre gehen, wollte man glauben, bie Kirchen⸗ 
vater und Kirchenſchriftſteller hätten bei ihren  Gitateu 
immer nad einem vorliegenden Gremplar bec 
Bibel ihre Stellen aufgeführt! Sie citierten bie Stellen 
eben audj aus bem Gedächtniſſe, wie dieſes 3. 3B. jeder 
geübte und tüchtige Prediger Dente nod) tbut und thun 
muß, wenn ihm eine verſchwommene, matte, ober verfüßelte 
Üeberfegung ber Bibel — wir erinnern nur an bie Allioli'ſche 
— nicht zufagt. 

Sm 5. Gapitel „Quibus maxime sludiis restilutionis 
opus sit promovendum“ gibt nun Ranfe indem er Saba 
tier's Qebigriffe im Weiteren ausführt negative Regeln, 
nad, denen bei der Reflitution ber Itala verfahren werben 
muß. Uns bünft aber, daß aud) die höchſt forgfältigfte 
Benügung der Väter nie ein ſichres Fundament zur Hera 
ftelung des Textes, namentlih für das alte Teftament, 
geben werbe, fonterm baf hier nur das Auffinden alter 
eielifder Handſchriften eine neue Baſis bieten. 
fónne. Zwar ift nicht wahrfheinlih, daß nod) viele un; 
verjehrte Codices vorhierongmianifcher Verfionen des alten 
Zeftaments, in ten Bibliothefen unebiert vorhanden feien, 
aber höchſt wahrſcheinlich, ja gewiß, daß nod) viele vefcribierte 
Codices vorhanden fein müflen, deren Urſchrift ſolche 
vorhierongmianifchen VBerfionen enthielt, zu deren Wieder 
anffinden eben Zufall, Glück, gute Augen, tie Gioberti[de 
Zinetur und Ausdauer gehören! . | 

Wenn z. Ὁ, Nanfe, wie oben angeführt, erwähnte: 
». » „ Proverbiorum ., versio antehieronymiana aetalem 


416 Fragmente 


non tulit^ fo ift εὖ intereffant, zu woijfen, daß der talent 
volle junge Mone bei ber Bearbeitung feines rejcribierten 
Plinius wirklid auf ein Bragment berjefben fam. „Deni- 
que“. — fagt er in feiner {εὖτ inftructiven Echrift: „De 
libris palimpsestis tam lalinis quam graecis. Carlsruhae 1855. 
Pg. 49“ nos versionis ante Hieronymi authenticum frag- 
mentum in eodem codice Hieronymi bibliothecae monasterii 
ad S. Paulum in valle Lavantina Carinthiae invenimus, ex 
quo codice rescripto C. Plint Secundi naturae historiarum 
fragmenta edidimus. Quod fragmenlum saeculo V con- 
scriptum libri proverbiorum Cap. XV. v. 9—26, Cap. XVL 
29—33, Cap. XVII. 1—12 continet et praecipue idcirco 
prae omnibus versionibus insigne est, quarum cum nulla 
alia consentit, quod est pars versionis ex hebraico ser- 
mone in latinum translatae (??). Duo sunt folia nunc 
 mulilata, quae integra longitudinem 0, 35 et latitudinem 
0, 18" mensurae franco — gallicae habebant, literis 
majusculis unctalibus majoris formae conscripta saeculo 
quinto. Singulae paginae vicenis binis lineis sive versi- 
bus sunt exaratae ; maxima linea 31 literas, minima 9 fere 
continet.* 

Ginige Verſe mögen ald Probe gelten, unb bewelfen, 
daß tiefe lleberfegung weit beffer als jene ber Vulgata ift. 

C. XY. 

10. Disciplina hominis sine malitia denoscitur pre- 
tereunlibus, nam qui oderunt correptionem 
moriuntur turpiter. 

11. Inferi et mors manifesta apud Deum, quomodo 
non eliam corda hominum. 

12. Non amabit indisciplinalus corripientes se, et 

, cum sapientibus non conloquetur u. |. tv, 


einer Versio Antebieronymiana des 9f. T. 417 


Die Herausgabe der Fragmente felbft befangenb, fo 
gab Ranfe einen genauen Abdrud ber einzelnen Eeiten 
unb der auf ihnen befindlichen Kolumnen — gleichſam 
als Facfimile des Ganzen, infoweit bie Druderei mit den 
entfprechenden Formen verfehen war, inbefjen er befufé 
des critifchen Gebrauchs diefer Fragmente 

a) die Sepluaginta nad) Tiſchendorf's Ausgabe, 

b) tie entbedten. Fragmente, 

c) Antiqua versio latina ab Hieronymo emendata, 

d) Hieronymi Vulgata nova 
in 4 Golumnen neben einander fteffte, dagegen in ben Ans 
merfungen jene Vaͤterſtellen gab, in welden eine ober bie 
andere Stelle der treffenden Propheten aufgeführt wird. 

Das critijde Gnbrefultat diefer fleißigen und umſich— 
tigen Arbeit ſtellt Ranke mit ben Worten feft: 

a) Triginta sex esse locos in quibus Fragmenta 

nostra ab omnibus, qui sunt, graecis codicibus 
V. T. recedant. Quod vero ad nominatissimos 
codices special, praeter illos videmus 

b) XXXIII locos, in quibus diversa exhibeant et a 

Vaticano et ab Alexandrino, 

c) XVIII autem, ubi cum Alex. faciat contra Vat, 

et XIX, ub cum Vatic. conspirel contra Alex. 

d) denique, ubi tum ab illo tum ab hoc dissident, 

ibi illa haud raro cum iis codicibus minusculariis, 
pui in editione Holmesiana numeris 22, 26. 49. 
153. 311 insigniuntur, cernimus convenire, ita 
tamen ut nonnulis aliis in locis ab iisdem dis- 
senliant. 

Qua in re, ut quae mihi videantur esse gravissima 
breviter eloquar, primum novarum leclionum variantium 


418 Fragmente 


numerus non exiguus nobis praebefur;. deinde quod ad 
accuratam codioum MSS. notiliam attinet, fragmentis nostris 
neque eorum conjeciura qui antiquam versionem lalinam 
magis ad codicem Alexandrinum accedere quam ad Vati- 
canum arbitrati sunt, fulcitur, neque aliorum opinio 
confirmatur, qui Vaticano illam similiorem esse quam 
Alexandrino exislimaverunt. In multis enim illa quum 
ab alterutro dissidere animadvertimus, in multis eadem 
cum alteroutro facere videmus; ita ut utri propinquius sint 
conjuncia dici nequeat. 

Ans einem verhältnißmäßig jo Fffeinem Fragmente 
ergibt fid) fofort abermal ble Wichtigkeit biejer alten latet; 
niſchen Berfionen. 

Anlangend bie Glofjen — 1o haben folde, wie uns 
wenigftend ſcheint, einen eigentlih theologifch eregetifchen 
Werth eben nicht, allein ehrwürdig find und bleiben fie 
*turd) ijr Alter, wie denn aud) vie Abfaffung derfelben 
einen belefenen Schreiber verrathen. 

Zu Oſeas 8, 1 las Ranke tie Gloſſe: [„inimicum 
persecuti sunt sibi] quod ipse sibi inimicum excit (at a) 
‚liter LXX sic velainus.4 In ter Nota fagt Ranfe: „Fa- 
teor me in legendo hoc nomine diu incertum huaesisse, 
ita ut aliud quoddam iflis lileris expressum esse suspicarer : 
sicut. latinus ; sed hoc nec characteribus nec celerorum 
glossae "verborum sententia tantopere commendabatur, 
quanto quod supra posui velainus sive, si quae lineola 
transversa disparuisse recte mihi videbatur, eelatinus ; 
qui vir secundum hanc glossam s. scripturae vel saltem 
Hoseae prophetae velus interpres, quum tot saeculis quod 
sciam protinus velatus fuerit, nomimis mirabilem vita ... 
comprobavit. 


einer Versio Antehieronymiana des U. 3. 419 


Allein das ganze Argument ſcheint ſich am €nbe auf 
ein irriges Lejen zu bafteren. Abgefehen bag ver Rame 
Velainus over Velatinus in ver chriftlichen Kirche 
und in ber Literaturgeſchichte ein nie vorfommenver ift, fo 
gibt bie mögliche, von Ranke felbft angeführte Leſeart 
sicut latinus^ vie nahe liegende Vermuthung, baf ber 
Gloſſator vie Lefeart- der Septuaginta — gleichviel nad 
welcher Worm, bem lateinischen Tert emtgegen ege, ſomit 
fagte: daß anders die LXX — fo aber „inimicum perse- 
cali sunt sibi^ ber lateinijde Tert leje: „aliter LXX sic 
vero latinus (scilicet textus).* 

Am Uebrigen wäre herzlich zu münfdyen, daß der Schluß 
bed Verfafjers zur Wahrheit würde: „Ceterum fieri potest 
ut ab iis, qui ad bibliothecas sedent commodoque ad 
membranarum scrinia aditu fruuntur, vel aliorum versionis 
antiquae codicum, vel ejusdem, cujus aliqua folia ut inve- 
nirer& mihi contigit, alia eliam fragmenta deteganlur. 
Antiquae enim versionis codices postquam Vulgata nova 
in ecclesiis introducta fuit ad libros compingendos facillime 
adhibebantur. llla cero folia nostra quum codici cuidam 
agglutinata fuerint, qai judicibus avchaeologis (?) saeculo 
circiter decimo quinto compacéws est, ipsa testantur, 
originale cujus olim fuerunt columen sero  demtím 
lempore dilaceratum fuisse; unde ewspecialio oritur, 
fore wi si illius aliqua folia ad parandas aliorum co- 
dicum compaciuras adhibita sunt, ea fuluro tempore 
iidem inveniantur. Quod ut feliciler eveniat, quoniam 
quo major fuerit manuscriptorum copia allata, eo clarior 
his rebus lux affundelur, etiam atque eliam opto.* 

Allein baf felt ber SBerrüftung der Stifts⸗ unb Kloſter⸗ 
bibliothefen ein großer Theil viefer Bragmente turd) Macn- 





M 


420 Fragmente 


lierung für ewig verloren fel, ift nur zu gewiß, objchon 
pereinted Suchen immer no mandje Cntbedung machen 
mag, nidt nur für die Itala, jonterm aud) für Liturgie, 
bem in ber Kirche fortlebenden Worte Gottes ! 

Eo befand fid) erft vor 2 Jahren in der Hand eines 
Suben aus bem Wallerftein’ichen ein kleines Octav Papiers 
manufcript, 24 Blätter fart, entfjaltenb eine werthlofe „Histo- 
ria de bla Virgine,“ Blatt 24 fand fid) die barbarifche Unters 
ſchrift: „Scripta est historia hec jussu precibusque vene- 
rabilis Dne Dne Dorothee Castelrmurerin per me Joaumé 
Simde Trophero natü in cenobio Scti Divique Joannis 
baptiste Valli in monasterii Anno Christi 1509 quindecimo 
calendas Januarias finita — .. — Ihr Φίοβ (id eine 
10 Blätter ftarfe „Historia de Scta Dorothea“ an. 

Allein dieſes werthlofe Manufeript war bei feiner 
Anfertigung in ein Foftbares Bergamentblatt des Bten Jahr, 
hunderts eingeheftet worden — welches, urfprünglich 11 Zoll 
hoch, faft 7 breit, — das erfte Blatt eines Sacramenta- 
riums bildete mit der in Quadratcharakteren befindlichen 
Ueberfchrift: 

In nomine Domini nostri IHV 
XPI Et salvatoris MVNDi 
Incipit. Liber Sacramentorum 
Ecl. Orationis ANNI 

Circuli Orationes 
Et Preces: DMIS 

Bon diefem in Angeffächfifcher Halbcurſive gefchriebenen 
Blatte, welches natürlich auf der Außenfeite feit 1509 ſehr 
abgenugt morden war, nahm der Echreiber blefer Zeilen 
(da ein Ankauf an bem lingebote des Befigerd fcheiterte) 


einer Versio Antehieronymiana des U. 3. 421 


ſchnell eine Abſchrift, vie hier fteben möge zum Beweife, 
wie werthvolle Fragmente nod) zufällig auftauchen fónnen. 
.. „se Oblenente et te remuneranle perveniat illuc 
.plebs ad quesila per gratiam, ubi te caelis com- 
paratis ipse vidit in gloriam; quod ipse. 
Benedictio de Innocentibus. ') 
Benedicat vobis Dominus Deus, noster atque animas vesiras 
corporaque sanclificet; Et qui sacris pueris martyrii gra- 
liam praestitit, eliain vobis indulgentiàe munera largiatur. 
Dans vobis in labore ..., in opere virtutem, in connalu 
prosperitatem, in, consummatione justiliam ; et illam vobis 
tribuat astuliam mentis, quae non jam alimentum disiderat 
lactis, sed solido cybo refecta proficiat in praeceptis; quod. 


Suscipe sancta Trinitas hanc oblationen, .quam tibi 
offero pro imperatore nostro ill.. et sua venerabili prole, 
pro stratu?) regni Francorum et pro omni populo Chri- 
stiano; pro abbate nostro et nostrae congregationis salute; 
pro omnibus in XPO fratribus et sororibus nostris, pro 
elemosinis, vel agapes nobis facientibus, pro is eliam, 
qui se in nostras commendavere horaciones, et qui nostri 
memoriam in suis continuis oralionibus habent; ul hic 
veniam recipiant peccatorum et in futuro premia consequi 
mereantur eterna. P. Dnm. 


—P À 


Gewiß für bie alte Liturgie eine Perle, wie Ranke's 
Fragmente eine folde für die Gregefe find. 
Wirzburg. Dr. 9. S utfanb. 








1) Im Originale tof unb abbreviert: BC de INNOCEN — 
Natürlich find im Abdrucke alle Abkürzungen aufgelöst. 
2) Wahrſcheinlich „pro stata oder „pro prosperatu.“ 


Theol. Quartalſchrift. 1857. U. Heit. 28 


Il. 
Rerenfiouen 
Dr. f. €. Movers: Die Phöntzier. a) Steligion und Gott« 
heiten ber Phönizier. Bonn 1841. b) Politiſche Ges 
fhichte und Staatsverfaffung. Berlin 1849. c) Gefchichte 


‘der Gofonien D. 1850. d) Handel unb N D. 
1856, Dr. 20 f. 24 ἔν. 


Eine dem Raume biefer — entſprechende An⸗ 
zeige der voranſtehenden Unterſuchungen, die in längeren 
Zwiſchenräumen erſchienen find, duͤrfte aufer der Wichtig. 
feit dieſes Volkes, das mit bem Altteſtamentaliſchen in nächfter 
unb unmittelbarer Verbindung ſteht, aud) dadurch gerecht⸗ 
fertigt erſcheinen, daß dieſelben, unſers Wiſſens, noch nicht 
vom theologiſchen Geſichtspunkte gewürdigt worden find. 

Movers Debt mit ber „Religion ver Phoͤnizier“ an, 
feine Grundanſchauung über biejelbe läßt fid im wefent- 
lichen aljo zuſammenfaſſen: ie phöniziſche Religion fei 
ebenfowenig wie bie hebräifche von Hans aue Raturreligion, 
erft allmälig wurden ble reineren Ideen einer älteren Res 
ligionsſtufe verbunfelt, nie völlig vertilgt (168). Die Phö⸗ 
nizier, ein ſemitiſcher Volksſtamm (1), eigneten fidj nad 
ihrer Einwanderung In Ganaan, zu einer Zeit ble über ben 
Anfang der Geſchichte hinausreicht, ben Staturbienft ber 


die Moͤnizier. 423 


Einwohner an, in welchem vie Raturfräfte mptplid) pev, 
ſonifitirt wurden (148 f.). Die Gottheit wurde nad menſch⸗ 
licher Analogie als Dann und Weib gebadjt, jedem werben 
diejenigen Kräfte und Erfcheinungen in der Natur juge 
theilt, die feinem Geſchlechte am angemeſſenſten find (149); 
ſchwerer fet εὖ jedoch, ble Grundidee der weiblichen Gott» 
heiten zu -unterfihelven und zu vermitteln (559). Heroen- 
dienft iſt mit bios bei ven Phoͤniziern, ſondern durchaus 
bet allen Drientalen unerweislich, ebenfo fremd ft denfelben 
das ſideriſche Eleieirt, was die Klaſſiker hier widerſprechend 
bezengen, beruht auf Unkunde und Mißverſtändniß (536). 
Durch Handelsverbindungen und Colonien brachten die 
Bhönizier ihre Gottheiten nad Egypten, Aſten und Gries 
chenland, insbeſondere fann der Einfluß bet phöniziſchen 
Religion auf ble griechiſche nicht bebeutemb genug anges 
fWlagen werden (48), aber aud) bie Phoͤnizier elgnetew fid)... 
vieles aus ber griechiichen Mythelogie an, dadurch entftan⸗ 
ben bie mixta composita: Baalsaturn, Bualmars (184) 
wm. f. w. Mit der Herrſchaft ber Aſſyrer In Vorverafien 
erlitt das phoͤniziſche Gotterweſen eine bedeutende Umge⸗ 
Haltung durch Aufnahme von aſtrologiſchen Elementen; eine 
gämztiche Veränderung hingegen trat mit ver djalodifden 
und perſiſchen Weltmonarchie ein: Chaldäer Bhönizier Pers 
fer taufchten ihre Gottheiten und religiäfen Vorſtellungen 
ein; überall ſchmolz dergeflalt die ſemitiſche Religion mit 
der aſſyriſch⸗perfiſchen. zufammen (73). So ift Belitan ges 
wöhnfich El benannt und urſprünglich derfelbe mit Jehovah 
(312), bie höchſte Gottheit der Semiten, nad) eingetvetener 
Steflerion Über ben Planetenlauf ber. Bótifte Planet Saturn 
geworben, in er jüngern morgenlandiſchen Aſtrologle mit 
gaͤnzlicher Veraͤnderung feines Grundbegriffe ein Unglücks⸗ 
28* 





42A Movers, 


planet (310). Der aſſyriſch⸗chaldaͤiſche Moloch verbindet 
ſich durch Theokraſie (301) mit El⸗Saturn (315) und 
verwandelt ſich hinwieder im puniſchen Dyoniſos (325); 
ſein Stern iſt der Feuerplanet Mars, endlich nimmt er im 
Durchgang zum ſyriſchen Naturdienſt den Charakter der 
unzüchtigen Mylitta an. Der tyriſche Zeus Baal, der in 
Samarien und Jeruſalem verehrt wurde und mit Herakles 
einerlei ift, tritt fpäter ganz in Hintergrund, und wird ba 
fein Reich vollends endet, nach Wanderung aus. dem phöoͤ⸗ 
niziſchen in das egyptiſche Pantheon (525) ſogar ein böſes 
Weſen: ber Dämon. Ihm zur Seite ſteht unter ben weit 
lichen Gottheiten: Aſchera ein in einer Säule verehrtes 
Idol, ber Movers zuerft eine felbftfländige von ber Aftarte 
verschiedene Kriftenz im afintifchen Olymp vinbicirte, bie 
aber ber neuefte Erflärer des Buches der „Richter“, ‚wie 
, e und jdeint, mit Recht fireitig macht. Der Gegen 
part zu Moloch ift bie Beuergöttin Melehet (609), die 
ſidoniſche Aftarte, bie alte aſſyriſch⸗perſiſche Kriegsgöttin 
&anaió, ber ald Dido die Erbauung von Karthago zuger 
foprieben wird (620), in der Vermiſchung des phönizifchen 
und [prijden Cultus wird fie der Planet Venus (607) unb 
verwandelt dort, wo fie mit ber vorzugäweife verehrten 
Mylitta zufammenteifft, nad) allen Spuren ihren Charakter 
in jenen ber lesteren (615. 631) u. j. wv. 

Jede Darftellung ber heidniſchen Religionen muß. von 
ber Frage: wie. ber Potytheismus yrfprünglih aus dem 
Monotheismus entganben fei, ihren Ausgangspunkt nehmen, 
wer biefe nicht be[riebigeno löst, wird kaum eine haltbare 
Anſchauung des Qeibeutjumé aufftelen. Das alte wie 
neue Teftament gibt hierüber nie genug zu würbigende Aufs 
Ichtüffe; denn baf man mit ber Boransfegung des gegen: 





die Ἰθϑϑη δες, 425 


feltigen. Götterandtäufches burtb Handel, Golonien, Unter 
werfung nicht ausreiche, wird niemand verfennen. Movers 
Hat nidt-für nothwendig erachtet, ben Spuren der heiligen 
Echrift nachzugehen und mas fle berichten auseinander zu 
ft&enj hiedurch geſchah es, daß viele wefentliche Etüde 
' feiner Unterfuchung über die Religion eines fo alten Volkes 
feer ausgegangen ; wir meinen: das Opferwefen, bie Magie, 
vie Mythen, welche fid auf bie Schöpfung, Fluth u. f. w. 
beziehen ; nicht einmal das Berhältniß ber A. T. Religion 
jur phoͤniziſchen If im Zuſammenhange erörtert worben, 
twiewohl and zerftreuterr Bemerkungen fein. Zweifel über 
die Anficht des Verfaſſers hierüber obwalten fann. Da ges 
τάδε hierin Moverd am ftärfften von der Wahrheit abirrt, ὦ 
und anberfeli& gerade vie für eine richtige Beurtheilung 
der fraglichen Unterfuchungen maaßgebend ift, fo muß eine 
gedrängte Zufammenftellung berfelben zur Orientirung hier 
nothwendig einen Platz finden. Movers verfihert €. 315: 
er nehme feinen Anftand, den Mofaismus In Sufammen: 
hang mit bem religiöfen Ideenkreis bet. fpradjs nnd ſtamm⸗ 
verwandten Voͤlker zu bringen und (fm „für eine Vered⸗ 
fung des vorberaftatifchen Saturndienftes (ba aber Saturn 
mad ©. 400. 401 Moloch ift: alfo bed Molochvienftes) 
anjufeben ; aus bem fi bann unter Mofes ber Jehovah— 
blenft feraudgerungen. Die mofaifhe Religion ift zwar 
Peineswegd als eine Entwicklung aus bem Heidenthume zu 
betrachten, fonbern im Sinne ber heil. Schrift für eine 
Reftitution, ber reineren Gottesverehrung der älteren Zeit, 
welche zu verfchiedenen Zeiten mehr oder weniger getrübt 
war. Zuerft nach bibliffen Nachrichten bei Abrahame 
Boreltern in Gfaltáa (Gen. 31, 19—29. Jos, 24, 2 f.); 
fpäter in Bolge Ihrer Einwanderung durch Aneignung veg 


426 Movers 


Cultus der Laudesgottheiten Palaͤſtinas; Bi galt hx 
G( Gijon des Königs unb Priefters von Calem für bem 
Hebräergott, und bie Ctammvüter be& Debr. Volkes epfevten 
an ben, Eultusftätten ber Ganaaniter, wo ein heiliger Baum 
eine heilige Quelle ober Betyl fid) befand (8), fo epfette 
à Ὁ. auf bem heil. Berge der Jebuſiter Abraham (670). 
In weit bebeutenderen Maaße geſchah dies als ble hebräls 
{hen Stämme nad Egypten verpflanzt von einem bier 
angefiebelten phöniziihen Stamme Hyffes © 315. — 
den Cultus des Moloch. und Kijun kennen (evnten, hen 
fie mit bem Jehovadienſte verſchmolzen aud) im Palaͤftina 
nod lange beibepleften, Das mofaijde Gefe& verpönte 
zwar ble tofefien Wornen des 9taturblenged z. B. bod 
abgeftugte Barthaar, welded der bem Moloch Bemeihte 
als priefterliches Abzeichen trug (36), die unzüntige Cite 
Im @ulte des phöniziſchen Herakles, wonach feine Berehrer 
weiblide, tie Weiber mánnlide Kleider anlegten, nahm 
aber andere mit weifer NRachgiebigkeit unter Modifilation 
auf (453) wis: ble Heiligung bec Knäblein durch vie Be⸗ 
ſchneidung, ein Prärogatiov gegen die bem Saturn zu Ehre 
geſchehenen Grieftionen (315), eine Sitte ver Weihung 
qn Saturn, bie mit bem Molochvienfte nach Gggpten fam 
(362. 3); die Heiligung ber Erftgeburt, die als Umaͤnderung 
bet Opferuug der Kinder an Moloch anzuſehen ig, wie 
tie aus ber Phrafe „Hindurchgehen laffen vayn^ hie ffo 
beide Sitten gemelnfam gebraudjt wird, und aus Ga. 20, 26 
hervorgeht, wo ber Profet audbrüdlidy behaupte, taf vie 
Siraeliten in Egypten alle Erfigeburt bem Moloch weihten 
(328); nicht minder fege bie Subſtitution ber Leviten flatt 
des Exſtgeburt voraus, bag früher die Erfigehornen zum 
Hierodulendienſte der Molochheiligthümer verwendet waren 


bie ϑϑρόπθίει. RT. 


(983). In viefen: Ueberbleibfeln eines phoͤniziſch⸗ gyptiſchen 
Molochdienſtes, bie ſich im Hebraismus verhalten wie mande 
urſprünglich heidniſche Bräuche im Chriften 
thum, rechnet Movers ben Azazel im Cevemoniell bt 
großen Suͤhne am Verſöhnungstage, ven die Iſraeliten 
an Moloch als Mars-Typhon, aid αἀποπροπιφόμος vate 
gebracht haben (365 ei 78); ein Ahnlihes Bewandtniß 
Int εὐ mit dem Opfer der roten. Kuh als Surrogat bes 
Menſchenopfers an Typhon (366) ; mit bem Cabbat unb 
ben heiligen Siebenzahl (313), bie in ganz Vorderaſien 
beet Saturn Beilig war (315); mit ber heiligen Lade ala 
einen Msbertragung ber Sitte, vie Heiligthümer des Moloch 
in einen golvenen Lade — Molochkapelle nad) Amos 5, 26 
—aufzubzwahren (355); hieher gehört ferner bte 9Infdjauung, 
das Schwein [εἰ ein unreines, weil einer imfernalifchen 
Macht geweihtes Thier (218) ; wuͤrdigt man ſchließlich bad 
ganze Verhältnis deo Iſraelltiomus in Egypten zum Mo⸗ 
lochdienſte, [ὁ fri εὖ nicht imt geringſten unwahrſcheinlich, 
Moſes Babe bue bie Auerdnung deé Laubhüttenfeſtes 
eine den Ifraeliten befannte Sitte (der heidniſchen Safürn) 
adoptirt und ihr eine hiſtorifche Beziehung auf vae Wohnen 
ih Zelten in der Wüfte gegeben (485). Wie vem älteften 
phöntzifchen {εἰ aud) bem ifraelitiftben Cultus ber Geftixns. 
dienſt fremb gewefen ; hievon finde fich feine Spur, tiejelbe 
datire fid evft feit! bem Auftreten bey Afiyrer in Judaͤa 
tnter θΠ πὸ, bie Mahnung Deut. 4, 19 (id von bem vers 
führeriſchen Himmelsheere nicht bethören gu laſſen, beweiſe 
nichts, θα dad Deuteronomium feinem Inhalte nad) zwar 
wefentlich mofaift ifi, [eine Faſſung abet In bie aſſyriſche 
Periode gehöre (68. 112. 158); wat (don Geben und 
Geſenius für bie viel ältere allgemeine Verehrung der 


438 Moders, 


Planeten: dargethan, wird nicht widerlegt, fóhbern einfach 
als zw gefünftelt zurückgewieſen. — Einer ſolchen Ans 
ſchanung, welche auf einer gánjliden Berfennung der A. T. 
Religion beruht und: durch Ihre Ungeſchichtlichkeit fid) felbfi 
richtet, müfjen wir nothwendig unfere Zuſtimmung ver 
fagen. Unzählige Stellen des Pantateuchs bezeugen , taf 
ber hebr. Monotheismus vem heidniſchen Polythelsmuo 
entgegengeſetzt iſt, daß Iſrael In feinen Vaͤtern erwaͤhlt 
um ber Träger desſelben zu fen, ein Zeugniß für vie 
Kontinnität dieſes Bewußtſeins jelbft während des Anfent- 
haltes in Egypten liegt ſchon in ber ausführlichen Auf 
zeichnung der Nachrichteri über die Altwäter in ber Geneſis 
als das fofibatfle Grbflüd ber Bäter. Das namentlid 
tle als Bundeszeichen eingefehte SBefdnelbung (Gen. 17. 
Joan. 7) fortwährend in Uebung geblieben , iſt bezeugt 
Ex. 4, 24—26. Jos. 5, 5; nod) hätte fd) M. nach θα δ᾽ δ 
Vorgang anf ein fo wenig zutreffendes Beiſpiel role (4. 20, 26 
berufen follen, we (c. 16, 20) der Brofet die größte Bers 
Irrung feiner Zeitgenofien geißelt: die Theilnahme an ben 
canaan. Kinderopfern, hätte der Profet die vor.oder mofai» 
difche Zeit im Auge, fo würde er bieß näher burdj eim 
wejentlih nothmenbiges Inciſum beſtimmt haben, nad 
welchem vergebens gefucht. wird. Ebenſo urbegreiflich ift 
e$, wie M. ben Azazel als ein Opfer für Typhon deuten 
fonnte; παῷ Lev. 16 fol er die Entfernung.ver Sünde, 
ble burdj den zweiten als Sündopfer geſchlachteten Bod 
bewirkt wurde, ſymboliſiren; Bingegen hat das Rituale des 
Sühnopfers bet rothen Kuh zunächft bie Unreinheit des 
Tobes einju[djürfen unb bie Hinwegnahme ber &dyufo, 
die auf tem Sobfdlage laffet, bildlich darzuſtellen. Die 
Ableitung ver Bundeslade won ben fogenannten Moloch⸗ 


die Phoͤnizier. 429 


fapellen beruht auf: einer in vielen: Stücken unriätigen 
Erflärung ver fehwierigen Stelle Amos 5, 26; welden 
Vers wir ſchon darum febr gern auf die Gegenwart bes 
Brofeten beziehen möchten, weil fonft die Strafandröhung 
V. 27 in der Quft ſchwebt. Noch ſchwerer dürfte es fein 
ju beweifen, bie Urſprünge des hebr. Raubhüttenfeftes felem 
in den unzüchtigen Eafäenorgien zu fuchen, wogegen ſchon 
vie Verſchiedenheit der Feſtzeit (9. Juli nnb 8. Oftober) 
fpridyt, wie unbibliſch dieſe Annahme fel, erhellt aus Lev. 23. 
c. N. 29. D. 16, dort wird das Feft als ein gefchichtliches 
Erinnerungsfeft gleih dem Paſſa eingefegt und erhielt 
jomit auch feiner natürlichen Grundlage nadj als SDanffeft 
für die eingefammelten Brüchte die höhere religiöfe Weihe. 
€o zieht M., welcher ble Anſchanungsweiſe ber neuen Kritif 
über die gefchichtlichen Relationen des A. T. theilt, aus 
falífen Boransfegungen falfhe Schlüſſe unb legt ben 
Schriftſtellen oft geradezu das entgegengefehte von bem 
bei, was fie berichten; eine Methode ble natürlich (don im 
Prinzipe grundfalſch ift. 


b) Bolitifhe Geſchichte ber Phönizier. Da 
mit diefex jene der Golonien (c) parallel lauft, jo wollen 
wir beide fondjconiftif) in unferer Anzeige verweben ; bets 
jelben werben als Vorgeſchichte bis S. 244 Erörterungen 
über den Namen, Herkunft ber Phönizier, bie altem Landes⸗ 
bewohner Paläftinas, bie Stämme an der Meeresfüfte, 
Tyrus nad der jmelfaden Stiftung nebft Topographie, 
vorausgeſchickt, ble aud) für bie ältefte Gefchichte Paläftinad 
einleitend werben fónnen. | 

Bei ber offen ausgefprochenen Anſicht, daß die Gas 
naaniter ebenfalls Semiter feien, mußte 9m. aud) die 


$3Q — Mopers, 


weiteren irrthümlichen Folgerungen der neuen Kritik adop⸗ 
tiren, wonach ber bihliſche Name des phöniziichen. Volkes 
von der lokalen Beſchaffenheit entnommen und von dem 
in den Küſtenniederungen gelegenen Lande auf die Bewohner 
übergegangen fel (32), Canaan bezeichne nur ben paláf, 
phöniz. Kuͤſtenſtrich, nie das vorherrſchend gebirgige Binnen« 
land, in dieſem Umfange war Canaan ein obſoleter Name, 
womit die Iſraeliten Palaͤſtina benannt hätten, che ihnen 
daſſelbe genau befannt geworben wäre (&. 19. 20) 5 nenne 
We Schrift Sivon ald den Grftgebornen Canaans, fo be 
zeichne dieß blog feine höhere Stellung und Macht unter 
ven Abrigen canaanitijdjen an ber Meeresfüfte angeftebelten 
Stämmen ©. 90. 91, Sidon erhielt feinen Namen von 
Sifófang als ber erften Beichäftigung feiner Bewohner 
(34); nichts fei nad biblijden Angaben deutlicher als baf 
We Bildung der Stämme von Stäbten ausging (83), fo 
etbielt. yon der Stadt Sidon der Stamm und Staat feinen 
Namen (81), vie phöniz. Tradition fennt feinen. Urakn 
bes Namens, fondern eine Göttin Sidon als Perfonififation 
bet Stadt (89). Die einzelnen fogenannten canaan. 
Stämmae find allmählig eingewanbert, denn es fehle ihnen 
paf Bewußtfein gemeinjfamer Abftammung (66), woher? 
gebe die Gejdidte nidt.an, entſchieden [εἰ jedeufalls bie 
Nachricht zu verwerfen, nad) weldjer bie Phönizier urfprüngs 
lich am indiſchen ober perfifchen Meere gewohnt, von ba 
an bie Küften des mittellánbijden Meeres überftebelt 
wären (24. 25), weil fie aus einpeimiiden Berichten gar 
nichts biefür aufbringen kann (66), unb aud) vie altifraes 
litiſche Anſchauung von. den urfprünglihen Bewohnern 
Paläftinas dagegen [predje, wonach canaanitijde Stämme 
nd der Fluth das Land bejept (31), auch kennen ble 


c and c — * — — 


2* 
— 


a: 


LÀ 
4c Ξ' f o Eg. 


bie Phöntgier. 494 


Sfraeliten und hie Canaaniter feld, pon denen jene tit 
Runde. ver alten Lamwesnerhältsifie hatten, feine vorcanaan. 
Beoölferung, - Wir Inffen. dieß mit ven hier gegebenen 
Bründen .beigtnben, bemerken nur, daß neueſtens glaͤubige 
Interpreten ber .Beueflä dargethan haben, ba bie, durch 
ihr. hiſtoriſches Anſehen empfohlene Annahme einer Ein⸗ 
Wanderung vom erpihräifchen Meere Gen. 10, keineswegs 
wiberfireite, ja den daſelbſt mitgetheilien Nachrichten fi 
trefflich einfüge. - 

Gehen wir zur eigentlichen Geſchichte über, fo brauden 
wir faum zu bemerfen, bag wir keineswegs eine erfchöpfende 
Darfellung ver Entwidlung bes yphöniz. Staates zu εἴ 
warten haben, jo lehrreich viefelbe immerhin, insbefondere 
für die alte Eufturgefhiääte wäre, über vieles, worunter 
eft gerabe das wichtigfle, erhalten wir feinem Aufſchluß; 
der Grund lieg hauptfächlih in dem jüngeren Alter ver 
vermittelnden Quellen, theilweife im gänslihen Mangel 
von felden, worüber fid) M. öfters ausläßt, fo geftebt er, 
über 100 Jahre, hie mit der Blüthe ber affori[djen Welt 
monatdjie gleichzeitig verlaufen, nichts berichten zu fünnen, 
a[& was bie Nachrichten ber Nachbarländer erfchließen laffen 
(400), bei bem gänzliden Abgang einheimifcher Berichte, 
ift er an fremde gewiefen, unter welden bie ber bil. 
Bücher obenan fteben.. M. hat viefelben durch finnreiche 
und gefhidte Gombinationen zu benügen gewußt, und bie 
zerſtreuten oft kurz angedeuteten Machrichten beinahe ets 
ſchäpfend zuſamwengeſtellt, wodurch et vecht dankeswerthe 
Aufſchlüſſe erzielt, ood) ift er auch hier nicht mit ber wün« 
ſchenswerthen Adstung für diefe Altefien Quellen der Ge, 
ſchichte verfaßbren, und während εἰ Sagen und. mytf. 
Anstoriäten rin ext[djeibenbeó Moment einräumt, werben 


485 aa Moverd, 


bibl. Nachrichten tle. feinen Hypotheſen widerſprechen, durch 
Scheingrunde in Frage geſtellt. So iſt ifm z. B. Zah. 9 — 14 
ein: Profet des 8. Jahrhunderts, Jes. 15 und 16 υἱὲ Wieder⸗ 
holung einer aͤlteren Prophetie, Jes. 23 eine Ueberarbeitung 
aus der erſten chaldäiſchen Zeit (382. 406). Bei dieſer 
Veſchaffenheit der Quellen. mußte die Darſtellung öfters 
zu einer umfaſſenden Ueberſicht erweitert werden, um die 
fragmenttarifhen Notizen richtig zu würdigen. Einzelne 
Lüden fudte M. dur fleißige 9Inmenbung von Etellen 
aus griehifchen und römtfchen Klaffifern anszufüllen. — 
M. unterſcheidet 4 Berioden ver phoͤniz. Geſchichte; die 
erſte vorhifiorifche umfaßt: bie Entſtehung and Entwidiung 
des phön. Staates bis 1600 νυ. G., wo Sidon als ber 
mädtigfte Stamm des Landes erfcheint (244). Während 
bibl. Nachrichten Sivon als den älteften und mádtigften 
Ramen ber. Borzeit kennen, unterliegt ed feinem. Zweifel, 
ba nicht Sidon ſondern die Städte des noͤrdlichen Phönis 
ziens viefen fBorráng in ver Urzelt gehabt haben (254). 
Zur Zeit der Eroberung Paläftinas dur ble Israeliten 
erſcheint ©. als Metropole des Landes mit einem anfehns 
lichen Gebiete, ble isra. Trapition verfegte dieß in bie Ur⸗ 
zeit (2257); der Mühe biefe Behauptung zu begründen 
bnt fid ber Verfaſſer enthoben. Schon in dieſer Periode 
begegnen wir den SBeftvebungen Affyriens (9) fid in ven 
Beſitz Phöniziens und 3Baláftinaé zu fegen (258), Affyrien 
babe breimal die Grenzen feines Reiches ausgedehnt in 
der. ‚älteren mittleren und neueren Zeit, zwerft gegen 2000 
v. E., dann gegen bie Mitte des 13. Jahrhunderts, endlich 
in jünger Zelt 750 v. δ. Nach allen Nachrichten zu 
urtbeilen, feien tie zwei erſteren Herrſchaften, bie glor⸗ 
vreichſten Perioden des alten Ninives geweien, und babe 


die Phoͤnzier. 488 


eine volftändige Umgeftaltung in; ben Ländern Vorderaſtens 
herbeigeführt; ſuchen wir nad Gründen, welde H. M 
zu dieſer intereſſanten Angabe von einer urgeitigen afly- 
tischen Herrſchaft bi8 an das Mittelmeer, (melde die 
Orunbíage. vieler Behauptungen des 98. in ber phöniz 
Mythologie bildet,) beftimmten und welche biefelben zur vollen 
Evidenz (287) herausſtellen follen: fo finden wir das haupt 
ſaͤchlichſte Gewicht ber Lofalfagen und Mythen beigelegt, welche 
Semiramis den äthiop. Memnon (denn Aethiopien [ἢ 
Aſſyrien bei Homer &. 287) mit ber Urgeſchichte Phöntziens 
verfnüpfen (267). Hieran lehnen fid) bie Berichte Ktefind 
Manetho's, unverdähtige Nachrichten bei Eufebius und 
Barhebraus, Gen. 10. 9 als Fragment eines Liedes, 
in bem eine Perſon der hebräifchen Vorzeit mit Nimrod 
verglichen wird (269); endlich finde fich ein anderes für 
diefelbe wichtiged Fragment Gen. 14, 1; vod) müjje bier 
vieles im Dunkaln bleiben, bis εὖ gelungen fein wird, 
die zahlreichen Infchriften auf den noch erhaltenen Sieges⸗ 
venfmälern ber altafiyrifchen Könige mit Sicherheit zu leſen. 
Vie wenig aber bieje Argumente geeignet feien, dieſe Ver⸗ 
muthung zu erhärten, Jeuchtet von felbft ein, Kenner bes 
Orients werben leicht aud bem Gharafter desſelben ben 
Urſprung der Sage bezeichnen, bie weiters beigebradhten 
Gewährsmänner haben ihre Nachrichten ohne Zweifel aus 
Gen. 14, 1. coll. Jud. 3, 8 gefchöpft — worin 3X. folgt 
— ihre Seugenjdaft ‚beruht auf bem Mißverftänpniß. bet 
Erzählung von dem öftlihen Königen, bie fie mit Kuſchan 
Riſchataim, dem Könige von Aram ber zwei Ströme, 
welher Othniel befiegte, ohne weiters zu Aſſyrien rechnen. 
In. diefem Zeitpunfte. follen (c. 227—229) die paläft: 
Stämme nad Weften gemonbert jein, und unter bem 


434 Moers, 

Stomen Hykſos Egypten erobert haben. — Zweite Periode. 
Sidon der fauptftaat Phöniziend: 1600— 1100 v. €. 
In bieje gehört das in feiner nádften Folge aud) für 
Bhönizien außerordentlich wichtige, in ber Weltgefchichte 
(pode machende Ereigniß, ter Eroberung Paläftinas durch 
bie Ieraeliten (303); was die Bibel hierüber biete, fel: 
Die Israeliten haben bei der Beflgnahme des Landes 
feine Kriege mit Phönizien geführt, Sie Urſache davon iſt 
in den beiberfeitigen Intereffen zu ſuchen (305), εὖ fam 
eine Ansgleihung zu €tanbe, tie πότοι ζει Stämme wohn: 
ten in phöniz. Handelsſtäädten unter Ertheilung von Grund» 
beit gegen gewiffe Leiſtungen, fo fol Gen. 49, 19 das 
Hörigkeiteverhältniß Aſers ſchildern, „Löfflihen Waizen“ 
für die koͤnigliche Hofhaltung zu liefern (308); im aähnlicher 
Weife fdjiftern v. 14 ib. Iſſaſchar als Rarawanenführer: 
v. 13 ib.; Zebulon und Nephtali ald Seefahrer bei bem 
phöntz. Handelözägen; tod verfhlimmerte Ah allmaͤhlig 
dieſe in älterer Zeit keineswegs vrüdenve Rage der SBelfaffen, 
wie dies auch eine Stelle bei Ariſtophanes bezeuge (in den 
Bögeln?), wo bei tem Rufe des Kufuf „beichnittene in 
das Seo" an die Suben zu benfen fei (314. 315), befonders 
etfdjeinen die Sidonier als Unterbrüder der Ieraeliten 
feit bem 9. Jahrhundert, wo fie im beften Einvernehmen 
mit dem Erbfeinde Paläftinae Philiftaͤg ſtehen (316). 
Wie wir feben, berubt die Enfwidiung ber Verhaͤltniſſe ber 
Séraeliten zu ven Phöniziern anf einer willführlihen Gt 
flátung des 49. Kapitels ver Geneſts. M. theilt, wiewohl 
er dieß formell wicht ausſpricht, bie rationaliftifdye An⸗ 
ſchauung vom Jalobsſegen, wornach derſelbe ein in ben 
Mund des Patriarchen gelegtes vaticinium post eventum 
ift, deſſen Alter nach Momenten, die aus ibm ſelbſt geſchoͤpft 


ble Phöntzier. 435 


werben müffen, zu beflimmen fei, bie wieder ben. Macht 
ſpruch dieſer Kritik zur Vorausſetzung Bat: „es gibt Feine 
eigentliche Welsfagung“; weßhalb wir auch auf eine vigere 
Widerlegung dieſer ſoweit es uns bekannt iſt nur noch 
von Ritter (Aſien XVI. 2 Auf. p. 620) beifälfig aufge⸗ 
nommenen Erklärung, bie M. auch im 3. Theile feſthaͤlt 
(d. 236) und die ſelbſtverſtaͤndlich in geringen Aehnlichkeiten 
ihren Anhaltspunkt hat, verzichten. Hieran ſchließen wir 
die Unterſuchung des Verfaſſers (c. 413 seq.) über die an 
ſich ſo febr glaubwuͤrdige Nachricht, die von Joſna beſiegten 
Canaaniten ſeien einem Theil nach ausgewandert und 
hätten fid im noͤrdlichen Afrika niedergelaſſen, elite Wach 
"jt, die man bei zahlreichen zum Theil ganz unabhaͤngigen 
juͤdiſchen chriftlichen arabifchen und moslemitkihen Schrift: 
Rellern findet: für die Alteften canaanitifhen Wanderzüge 
nach Afrika erblickt M. eine Spur Num. 13, 23, wo bie 
Geſchichte mit der Sage vermifcht fei. (b. 253. c. 414) 
und zweifelt nicht, daß nachdem Paläſtina von Joſua εἰν 
öbert worden ift, die Ganaaniter nur in einzelnen Gegentei 
mrüdblieben, vie Mehrzahl der canaanitiihen Stämme 
ji direct vom Birmenlanve nad) Afrika gemanbert, wo⸗ 
[δὲ aus ihren Eonnubien mit ben lybifchen Gingebornen 
das Miſchvolt ber Lybophoͤnizier entftand (c. 44), von welchem 
dann weiter die Goloniften nad) Sardinien, ben Balearen 
und Spanien ausgingen (c. 453; 559 --- 92) — eine Nu, 
die jedenfalls beachtet zu werben verbient. In dieſe Per 
tite gehöre aufer ver erwähnten Eoloniftrung in Afrifa bie 
Gründung der Golonlen in Eypern, unb in ven kleineren 
Infeln des mittellaͤndiſchen Meeres. — Cypern, das Land 
der fittler, eines Zweiges der großen Völferfamilie ber 
Javaniten (c. 204), erhielt feine ältefte Bevölferung durch 


436 Movers, 


phóng. Stämme (c. 221), es βεῆε mad) phoͤniziſchen 
(? Culten Sagen Mythen), ſowohl als bibliſchen Quellen 
(1 Beg. 10, 28. 11, 1. 2. R. 7, 16. Jud. 1, 26 in dieſen 
Gitaten ift von ben nördlichen canaanit. Königen bie Rebe, 
bie in größerer Entfernung von ihrem urſprünglichen 
Wohnſitze gegen den Libanon, über ben Steg des daſelbſt 
verbliebenen canaanitifchen Volkes regierten, und nad 
1 Reg. 9, 20. 21. wahrjcheinlih Salomos Bafallen waren) 
feft, daß der Volksſtamm der Littier auf Eypern mit bem 
alten canaanitifhen Stamme ver Gfittier derfelbe, von bem 
diefem Stamme eigentbümliden Ramen benannt worden 
[εἰ (c. 218 s.), zwar werten Gen. 10 bie Kittier von Ja⸗ 
phet bie Ghittier von Cham abgeleitet, hieraus aber folge 
nur, baß die Kunde von der canaanitijen Abftammung 
der cgprijden Küfte im Zeitalter der febr alten Völkertafel, 
ven Israeliten nicht mehr in traditioneller Erinnerung war 
(c 218); jebod) find die phöniz. Seeſtaaten erſt nad) ben 
größten Anflrengungen in ben Befit der Injel gefommen 
(237). Es ift faum zu verfennen, daß M. der traditionell 
geworbenen Borftellung der modernen Kritif Bulbigt, nad 
welcher die Bölfertafel, die allein das Dunkel fo ferner 
Zeiten auffellt und fid) aud außer bem biblifhen Stand» 
punft bie Achtung ber Sor(der errungen hat, feine&wegó 
als ein auf objectiver Bollftändigfeit beruhenved Zeugniß 
anzufehen jei, fondern als ein zufälliges nad phöniz. Aus 
gaben zufammengebradhtes Verzeichniß des Rölferbeftanded 
zwifhen 1200—1100 ». 6. (c 247); eine ?Injdjanung, 
tie fi dur das ganze Werk M. durchzieht und mit ben 
Worten: „bie Phönizier gehörten zum ſemitiſchen Bolf- 


Ramme“ an die Epige desſelben geſtellt iR; wogegen wit 


ἀπὸ guten Orünten feflhalten: die Völfertafel [εἰ im 


bie Phonizier. 437 


Sinne der bibl. Angaben die Aufzeihnung ber patriarcha⸗ 
liſchen Srabition über die Uranfänge der Bevölferung 
anferer Erde nach der Kataftrophe von Babel; — ober 
hatte blos tie alte Feindſchaft Mofes dazu beftimmt, vie 
Ganaaniter zu Hamiten zu ftempeln? ἢ 

Sehr verftändig hingegen Spricht fid) M. über das alte 
tyriihe Goloniallanb Tarſts aus, er meist vorzüglih au 
der Gen. 10, 3. 4. gegebenen Zufammenftelung mit Elifn, 
Ehittim und Sobanim (M. verändert vie Lejeart ohne 
Orunb nad) dem Zerte ver Chronik in „Rhodanim”) nad), 
vap bei Tarfis an ein: in ber hebräifchen Anficht von Javan 
abftammendes Volk zu denken fei, was aud) bie übrigen 
Angaben ber Schrift beftättigen, welche mit außerbiblifchen 
Wadridten darin überein kommen, daß Tarfis im fübweft- 
lien Spanien außerhalb ber Meerenge gelegen habe, [δε 
li bis Kalpe, nördlich bis. zum Anes (c. 610, 11), bod) 
halt M. bier nod) immer an feiner früheren oft widerlegten 
Meinung feft: der Ehronift unterfcheine ein boppelteó Tarfig, 
das eine in Weften das andere in Often, d. ©. 164 bim 
gegen fcheint M. ſelbſt nicht an wie Richtigkeit biefer An- 
nahme mehr geglaubt zu haben. Die. Tyrier hatten ein; 
jene für ven Handel geeignete Küftenpunfte bejegt, bann 
angelodt durch die unbenupten Silberſchätze Tarſis das 
Land erobert und bis an das Gnbe des Jahrhunderts in 
Unterwürfigfeit erhalten (c. 615), fie hielten alle Fremde 
von biefer Golonie fern, wie fehr ihnen dieß gelungen, 
geht zur Genüge απὸ bem Umftande hervor, bag die Griechen 
dieſes Land. erft zu einer Zeit fennen, wo die tyrijchen 
Golonien bexeitd im Berfalle waren, und bie Tarfisfchiffe 
(don Jahrhunderte fang ihre Fahrten längs, ven griedhifchen 
Küften gemadt hatten (c. 40). — 3. Periode. Sidon tritt 

Theol. Ouurıulihrift. 1857. IH. Heft. 29 


428 Movers, 


gegen das raſch emporkommende Tyrxus in^ Hintergrund 
und erreicht durch feinen Welthandel und feine Colonien 
vie höchſte Spike feiner Macht, bie Erzählung enthält nichts 
bemerfenswerthes für bie Aufhelung des biblifchen Alter: 
thumes, mehr für bie des profauen à. 9. die Stiftung 
Carthago's. — 4. und legte Periode. Innere und äußere 
Berhältniffe bringen Phönizien um die Selbftänbigfeit, unter 
bie wechjelnde Herrihaft ber Afiyrier, Egyptier und Babys 
fonier, bi8 daß es fid) ald Werkzeug für bie Eroberungss 
pläne ber Perfer vollenbé aufreiGt. “Der Eroberungsplan 
ber Aſſyrer gebe deutlih dahin fd zunächſt im Beſitze bet 
Handelsſtädte und Straßen zu fepen, welde bie Länder 
vom Mittelmeer mit dem mittleren Aften verbinden, fid) 
des Sxanfitobanbeló zu bemächtigen, und endlich mit £ft 
ber Phönizier Egypten zn erobern (300 f. 400). Dasſelbe 
Ziel verfolgten bie Beftrebungen ber Pharaoner nicht fo febr 
aus Eroberung als vielmehr aud Nothwendigkeit gegen bie 
Uebermacht der aflatifchen Weltmonardie; ſchließlich vie 
Chaldaͤer, deren Unternehmungen übrigens die Einfälle bet 
Scythen hemmten (420) (wie wenig diefelben hiftorifch bes 
glaubigt find zeigte Strauß Zeph. S. XVIL). Die fchwerften 
braden für Phönigien mit ber Herrſchaft 9tebufabnejaté 
an, ber nachdem er Serufalem erobert unb zerftört, ben 
Feldzug gegen Phönizien eröffnete, iweldher mit ber Eroberung 
Phöniziens ausgenommen Tyrus (427) endete. M. hält 
fef an ber Annahme: Tyrus fel voeber erobert, nod) viel 
weniger gänzlich zerflört worden; Ez. 2628 hat mur im 
fofern eine geſchichtliche Erfüllung gefunden ald nad) allen 
Nachrichten „die ehemalige Metropole Phoͤniziens jest in 
den Hintergrund tritt.” M. Beweisführung bürfte nicht 
minder wie die „ſcharfe Widerlegung“ Winers Higige, 


ble Phiöntzier. 459 


been gemeinſchaftliche Argumennte M. wiederholt, faum 
Me „große Verlegenheit“ derjenigen Theologen vermehten, tie 
wie Billig die Unfehlbarkeit ver prophetiſchen Vorherver⸗ 
fündigungen voranófeben, fle find eher geeignet die S. Bate 
fache ber Eroberung Tyrus qu beftättigen, a(8 zu entfräften; 
geftebt doc, M. fefbfl ein mefentliches Argument zu, wos 
rauf die orthodoxe Gregefe ihren Beweis gründet. Rach⸗ 
tem die Perſer dem Reiche Nebukadnezat's ein Ende 
machten, famen die phoͤniziſchen Länder in dasſelbe Merhält- 
Mg zu den Berfern, in dem ſte in jüngfter Zeit zu den 
Chaldãern geftanven haben (468 wie fe?) da Ihre Der 
haͤltniffe at& eine Fortſetzung der früheren an Babylon ans 
gefehen werden können, fo waren aud) Mitgliever ber 
tyriſchen Königsfamilie, mie vie erilirten. Sprößlinge der 
fübifden, am Babyloniichen und dann am perfiichen Hofe 
geblieben (471); und fiebt wicht an anzunehmen: vag bie 
&ónigéfanrifie ber Tyrier feit der Unterwerfung Tyrus an 
Hofe zu Babel zurädgehalten worden [εἰ (402), baber aud) 
ble &prier fi nad einander zwei Könige aus Babylon 
belen (460). Bekanntlich war. oie Verbannung der wider 
ſpenſtigen Könige und ihrer Samitlen eine beliebte Regierungs⸗ 
maßregel Nebukadnezar's (466). Aug Mejer von M. dars 
gereihten Prämifte ſchließen wir: it Tyras ver chaldaͤiſchen 
Macht überhaupt eelegen, fo ἐξ fie ohne Zweifel nach unpars 
teiiſcher Würbigung ber Geſchichte nicht von Rebukadnezar's 
Rachfolger ſondern von Rebuladnezar {εἰδῇ unterworfen 
worden. Auf Jes. 23, das Ezechiel deftättigend aufnimmt, 
we der Untergang Tyrus angefünbigt mtb, nimmt 3X. 
feine δά δι, was begreiflich if, da er nicht zu jenen 
Eregeten gehört, welche vie bibliſche Weisfagung ald Wahr 
fagung anfehen (428). 
29 * 





440 . Moverd, . 


Am ſchwächſten fanden wir ble Darftellung der Staats» 
verfafjung, ber unter allen Unterfuhungen ber. geringfte 
Raum (von S. 479—561) gewidmet ift, freilich Riegen 
aud) über feinem Theil des phöniz. Alterthums vie Quellen 
jo dürftig, wie über biejen. Gleich ben übrigen orienta: 
lijdjen Völkern, zerfiel das phönizifche in dreifache Glieberung 
(486), ihre VBerfaffung war eine Stammverfaffung Phör 
nizien ein Wahlreich (538) gleich den israelitifchen, wo fid) nach 
Pr. 45. die ältere Wahl, durch die. 10 Aelteften ver Gefchlechter 
erhielt, felbft nachdem bie Succeffion erblic) geworden? Zu 
ben Ehrenrechten der Könige gehörte ein zahlreicher Harem 
und zwar ebenfalls nad) Pf. 45, in meldjem M. (b. 537) 
ein Lieb findet bei der Vermählung einer israelitifchen 
Königstochter mit einem Behersicher von Tyrus; eine Bes 
bauptung die febr verwandt ift mit der ebenfo abgeſchmackten 
ald laͤſteriſchen Annahme Hibigs, nad welder biejer 
(meſſtaniſche) Palm auf: die Bermählung des gottlojen 
Achab mit ber. großen Patronin der Balspriefter Ifabel 
geht (nad M. 347, „ein Charakter von großer geiftiger 
Ueberlegenheit”). — tabe daß hier Alles aus der Luft 
gegriffen ift! Dem Könige fommen gleich vie karth. Euffeten, 
eine dem römischen Gon[ulate entſprechende Staatögewalt 
(34). Die phöniz. Staaten bildeten einen Staatenbund 
mit einem Vororte an der Spite (549), deſſen Organ 
das Synedrium war, welches zu Txipolid tagt; ähnlich ven 
eanaan. Städten, bei melden dieſe Stellung das Präpifat 
rabba anzeigt 4. 9. Rabbat-ammon Rabbat-moab (55). Einem 
gebeihlihen Gtaatéleben .ftanden bei den Phöniziern bie 
Verſchiedenheit der Stämme entgegegen; bie innere Sere 
riffenheit erzeugte ein ſchwaches Königthum, ühermächtige 
Ariftofratie, unterbrüdte Mittelftände (559), bie politifche 


ble Bhöntzier. 441 


Verfaſſung der Golonien wurde burdjauf nad dem Bor 
Bilde des Mutterftantes errichtet (c. 44). Dem römlfchen 
Quaestor ent[predje in feiner Stellung neben ben Suffeten, 
wie bei ben Israeliten, ber Sopher (c. 48). 

d.') Handel und Schiffahrt. M. eröffner feine Unter 
ſuchung hierüber mit einer Ginfeitung, bie ben Verſuch einer 
umfafjenden Darftellung des pbóniy. Handels durch bie 
kulturgeſchichtliche namentlich religiös⸗geſchichtliche Seite tea» 
ſelben reihtfertigt; e8 {εἰ Thatſache bag mit der Verbreitung 
von Hausthieren, Naturproduften, Induftriemnaren, Erzeugs 
niffen religiöfe Ideen mancherlei Art fortgepflanzt wurden 
(4, 5); war die tobte Waare Berbreiterin religiöfer Bor 
ftellungen, um wie viel mehr ber ald Waare in ferne 
Länder gebrachte Menſch (6), fo find aflatifche Gulte oft 
butd) Sklaven nach Griechenland unb Stalien gelangt (7). 
In großartigfter Weife ſtellt fid) dieſer Einfluß in ber Vers 
breitung des Subentfumó unb nad ihm des Chriftenthums 
dar. Schon In ben Tagen Elifas fel bie Kenntniß Jeho⸗ 
vas burd eine Sklavin an ben Hof von Damaskns ges 
fommen (2 Reg. 5, 2— 27); in ben Orten, vo ber phöniz.s - 
paläftin. Handel feine Hauptftationen hatte, fand das 
Chriſtenthum zuerft Eingang, und verbreitete fid) von da 
aus in ble Umgegend; in ben Straßen, bie der phöniz. Kuͤſten⸗ 
verkehr einhielt, bewegten fich ble apoftolifchen Mifftonen (2). . 

"Da tle Quellen für vie Geſchichte des Handels vers 
felben Befchaffenheit find mie jene ber phöniz. Gefchichte 
überhaupt, fämmtlih nicht phönizifh und mittelbarer Art, 
leuchtet‘ ein, daß eine eigentlihe Geſchichte des phoͤniz. 
Handels nicht gegeben werden fann, weil vieles was dazu 





. 


1) Die Bezeichnung ber einzelnen Bände durch bie S8udjftaben bet 
Titelanzeige a, b, c, d, wurde bey Kürze wegen gewählt. X. b. G, 


notbwenbig wäre, faft gar nicht befaunt ift (13). Als bie 
einzige unmittelbare Duelle jeien ble biblijden Nachrichten 
anzufehen, weil bie Hehraͤer in der Blüthezeit des pbóniy. 
Handels in die Unternehmungen bec Phänizier verflochten 
waren; in$befonberó beichreibt Ez. 26—28 ben Landhandel 
ber &prier, M. bat auch hier die furgangebeuteten Nady 
sichten ber Bibel guf das forgfáltigBe benäpt unb würde 
nod) weit mehr das Vexſtaͤndniß berjelben gefördert haben, 
wenn ex fid) feiner Gewohnheit, eben[o grunds als zweckloß 
zu fubjeftiviren, entfdylagen hätte, es wären viele Bew 
muthungen dann hinmeggefallen, die and der Vorausſetzung 
der Ungeſchichtlichkeit biblifcher Nachrichten eutiprungen find 
unb jehr geeignet find, ben Fleiß unb Scharfſinn bes 
Forſchers in Frage zu fellen, tod) gefteben wir offen, daß 
‚das unbegrünbete Zweifeln an der Hifforizität der biblischen 
Geſchichte in dieſen Unterfuchungen weniger Dervortritt, 
melde auch hinſichtlich des Styls fid) fepr vorsheilhaft vor 
ber ſchwerfaͤlligen Schreibart ber früheren auszeichnen. 
Der Urfprung des phöniz. Handels reicht über ben 
Anfang der Geſchichte (14), ‚ging ven bec Fiſcherei au$, 
wurde [piter Hauſirhandel, weshalb ber Händler ber von 
Mrt zu irt gebt und umwandernd feine Waare feilbot 
"nd 53% heißt, Nur burd) bie Bermittlung phöniz. Haͤnd⸗ 
kt — nad unſerer Meinung aber and) von andern als 
pbániy Karapanen, mehreres brachten fie and Egypten — 
fonnten bie Iuraeliten die agr Errichtung ver Ctiftebütte 
erforberliden Stoffe erhalten, bis in bie fpátefte Zeiten 
erbielt fid) der Hanſirhandel, fo heziehe fid) Mtth, 6, 2: ber 
Herr anf vie phöniz. Sitte durch Die Trompete zum anf 
der Waaren einzuladen (9). Phönizien, feiner age mad) 
jim Ctappelplag der öſtlichen und weſtlichen Waaren bte 


die Phoͤntzier. 443 
ſtimmt, ift früh zum Centralpunkt des alten Handels ge⸗ 
worden. Unter ben Handelsgegenſtaͤnden, bie ein culturge⸗ 
ſchichtliches Intereſſe in Anſpruch nehmen, iſt in erſter 
Stelle der edlen Metalle zu gedenken, wovon Silber von 
ungleich groͤßerer Bedeutung. Silber war bereits 1000 Jahre 
Verkehromittel geweſen, ehe eine Spur porkommt, daß 
Gold zu demſelben Zwecke gedient hätte (28). Schon im 
alten Palaͤſtina war der Gebrauch des Silbers, das von 
zuͤglich durch die Phoͤnizier allgemeines Tauſchmittel geworden 
(56), in fruͤheſter Zeit allgemein; ja Gen. 23, 6. 20, 16 
iege. vorauó, daß Shekel in normirten Stücken furfirten, 
Gelb obne ein beftimmtes Gewicht und beglanbigten Stempel 
ericheine jo undenkbar, wie In unferer Seit; was wir obey 
fehr bezweifeln. Bei allen Bölfern des Alterthums diente 
angemünztes Metall in ihrer erften Periove als Geld, und 
bie Annahme, daß bie vormoſaiſchen Shefel nad) einem 
anbelannten Gewichte abgetheilte Silherftäde waren, bie 
man bei ber Zahlung, um fid) von ber Richtigkeit der 
Zahlung zu überzeugen, nachgewogen, empflehlt fid) [djou 
durch ihre natürliche Angemeſſenheit. Die mofaifche Ge 
fesgebung, welche in ihrem álteften unzweifelhaften 
Theile alles nad Silberwerth beftimmt, fegt ben alfgemeinen 
Gebraud des Silbergeldes voraus (34). Im älterer Zeit 
war aber hieran Israel jer arm (47); fo biete Joab für 
ben Kopf Abjalons 10 Chefel, während ie Philiftäer 
fürften auf ben Simfons 500 Ehefel oder 4208 Thl. 8 gr.? 
fegen (48). M. folgt bier ven Berechnungen ber neueften 
unb metrologifchen Unterſuchungen Bölh s und Bertheauß, 
bie aber nad) unſerem Dafürhalten auf bie Altefte Zeit nicht 
yaflen. Das Gtrafgelb 5M. 22, 19 hundert Shefel würbe 
nad) dieſem Calcul jedenfalls das Vermögen eines Priyaten 


444 Moverd, 

überſteigen; die in ben älteren hiſtoriſchen Schriften ev» 
waͤhnten Maaß⸗ und Gewichtsbeſtimmungen waren höchſt 
wahrſcheinlich Heiner wie tie gleichnamigen einer fpäteren 
Zeit, gleidjmie die griechiſchen Münzen äfterer Zeit einen 
geringeren Silbergehalt haben. Gewiß ift, daß die biblifchen 
Nachrichten fein anderes Silber ald aus dem Silberlande 
Tarfis fennen, während die Goldſchätze aus Arabien 
fommen (36. 58). In den älteften Nachrichten wird das 
Gold von Ehawilah benannt, in fpäteren als Ophirgold, 
und als die Schiffahrt nad) Ophir aufhörte, von fBatvaim nad) 
einem andern an bie Stelle Ophirs getretenen afrifanifchen 
Emporium 2 C. 3, 6; in einem jüngeren Zuſatze (Y). zu 
Jer. 10, 9 von Uphaz (59) eine andere Ausſprache für 
Ophir. Zu ben Metallen welche Handeldgegenftände waren, 
gehört ferner: Zinn (63) — aus Wefteuropa; Kupfer, an 
dem Phöntzien und Eyrien fehr reih war (65); Eifen — 
deſſen Gebraud) in Paläſtina verhältnigmäßig jüngeren 
Alters, fo erwähnen die älteften Beſtandtheile (?) des Pentas 
teudjó gegen dOmal Kupfer, zweimal hingegen nur Elfen, das 
jüngere Deuteronomium Dagegen adjtmal, bei ver Etiftshütte 
und bem falamon. Tempel fam fein Eifen, nur Kupfer in Ges 
braud) aus Eden vor Eifen in hieratiſchen Dingen (9); 
wenn bie Gbronif hievon abweicht, fo ergiebt fid) taf der 
Gebrauch des Gifenó in fpäterer Zeit nicht mehr anftößig 
war (68), ben Nachweis hat M. nicht geliefert, wird doch die 
Sunft bad Eifen zu bearbeiten G. 4. 22 als adjtbar erwähnt. — 
Uebrigens war es allgemeine Sitte audj bei den Hellenen, 
Geraͤthſchaften aller Art aus Erz (Kupfer) zu verferiigen. 
Einer der älteften und umfaſſendſten Zweige des 
pbóni. Handels waren die Sklaven, pbóniy. Kanfleute 
. fanden fi auf den Schlachtfeldern ein, wo fie inmitten 


die Phönizier. 445 


der Erfihlagenen die Priegsgefangenen anfaufen (72); vot 
züglich lieferten den Phöniziern Syrien unb Baläftina bie Skla⸗ 
ven. Die Einfaufspreife ftanben ungemein niedrig (83), wo» 
rauf Joel 4, 3. Amos 2, 6. Jeſ. 2, 1 hinweist; — in biefen 
Stellen fönnen wir feine Preisbeftimmung finden, fondern 
nur bad Beftreben ber Profeten, ben Gedanken ber volfftändigen 
Nieverlage fdjavf anszaprüden: fo groß wird bie Menge 
der bem. Sieger zugefallenen Gefangenen fein, daß fle dies 
jelben um jeden ſelbſt den ſchnoͤdeſten Preis mweggeben 
werden — dagegen erfcheinen bie Preife des mofaifchen 
Gefepes ungemein hoch (84). Hiezu fommen Waaren aller 
Art: Oehl, Obſt und Baumfrüchte, Fiſche unb Siete, 
darunter febr feltene als Affen, Pfauen, welche die Ophirs 
fahrer heimführten (93), fertige Kleivungsftüde, Gewürze, 
Salben und πο weitere zahlreiche und manigfache Artikel, 
deren vollftändige Aufzählung hier von unferen bürftigen 
Dnellen nicht erwartet werden fann (87). Den Werth ihrer 
Waaren wußten die Phönizier nicht wenig durch märdens 
hafte Ausfagen über Ihre Herkunft zu fteigern (104). 
Der Großhandel und vorjugémelje ber Seehandel war 
Sache des Staates, tes Königs unb ber Girofen, und zwar 
durch Darlehen auf Faufmännifche Unternehmungen und 
Hanvelsviener (109); fo follen die jübifchen Könige ben 
Handel mit Balfam monopolifirt haben — es [εἰ und et 
lanbt, Bier gelegentlich unfer SSebenfen gegen den Pferde⸗ 
handel €alomo'é, nad 1 R. 9, 26 ein ,regale^, auszu⸗ 
fprehen, am angezogenen Orte heißt ed einfadj, es hätten 
die Händler gegen jofortige Bezahlung in Egypten nicht 
blos für Salomo fonbern aud. für alle hethitifchen und 
ſyriſchen Könige die Pferde beforgt. Der Qanbel war 
ein doppelter, zu Land unb zur Ere. Der ganbfantef im 





4 Movers, 


Orient iſt von den älteſten Zeiten ſich weſentlich gleich. ge⸗ 
blieben, die Waaren wurden durch Laſtthiere, wozu in Palaͤ⸗ 
ſtina vorzüglich Eſel und Maulthiere, ſeltener Kameele 
dienten (20), meiſtentheils durch Araber transportirt, toad 
mit vielen Koſten verbunden war, außer dem Miethgelde 
für Thiere und Schutz mußten für den Gebrauch der 
Brunnen, Straßen, Abgaben (131, 2) entrichtet werden, 
weshalb die Waaren 19 bod) im Preiſe ſtanden (131). Die 
mühenollen Karawanenreiſen ſowie ber Handel überhaupt 
wurden durch die uralte Sitte gefördert, wornach ie 
Märkte bei Gelegenheit ver Jahresfeſte gehalten wurben, 
eine Sitte ble fid aug dem Mittelalter in unſeren Meſſen 
zum Theil nod) erhalten; fo umfaffend übrigenó ber Land- 
handel war, bem Seehandel fteht er weit zurück (148), 
worauf bie Lage des Landes [don hinwied und woran 
ver ?anbfanbel hervorgegangen ift Die erften Anfänge 
ber Schiffahrt gehen auf die Fifcherei zurüf (153, 4), 
wie weitere Ausbildung förderte ber Umftand, bag Phönizien 
in reiches Yüle Alles darbot (155), was zum Sciffban 
erforderlich mar, 

An diefem vand⸗ unb. Seehandel nahmen ble hebraͤiſchen 
Staͤmme, wiewohl im Centrum und lebhaften Verkehr 
‚mit bet alten Handelswelt, auf die Dauey niemals, ſondern 
uut zu einzelnen Zeiten aktiv Theil; über ben Grund läßt 
und das Geſetz nicht einen Augenblid ‚zweifelhaft fein, 
um [o unangenchmer vermiffen wir eine Augeinanderfegung, 
weshalb dasſelbe vie Hanvelsbefhäftigung nit nur nicht 
begünftigte, fondern ihr geradezu durch befonvere Gin» 
tidtungen  entgegenmitfte, die fpäteren Qanbeléunters 
nehmungen, an welchen aud) bie Könige betheiligt erjcheinen, 
befinden ih u IM. 17, 17 im Widerſpruche, und trugen 








ble Phoͤntzier. AAR 


nicht wenig, mie hie Geſchichte lehrt, aum Schisma unb gum 
vollen Ruin des Landes au; Hamdelgeiferſucht, bie hen 
Hehräern feinen. Ingong zum Meer geftattete, war öfters 
bud) den Beſitz ber füfe und ber Straßen fein Hinder- 
nij, noch weniger der Umſtand, daß Palaͤſtina im Often 
unb Süben νυτῷ Wüfte abgeſchnitten, wie ble$ neuerdings 
Ritter 2L fien XV. 9 ff, dargethan, er muß daher in ver Beitiew 
mung bes fBolfed unb in ber theofratiichen Verfaſſung geſucht 
werden, Der Verkehr zwiſchen Phönizien und Baldftina war 
ein lebhafter, beide waren durch ihre Interefien an einander 
gewiefen, durch die Befchaffenheit ihres Landes bepurfte 
Phönizien ber Erzeugniſſe des Aderbaued unb bet Vieh—⸗ 
zucht des Binnenlandes, während bie Phönizier die Produkte 
ihrer Snbuftrie, Künſtler, Bauleute und Materialien nad 
Serufalem fenden. Hierauf berubte trog aller nationalen 
Antipathie das Kinvernehmen zwiſchen Phönizien und 26 
tuf. Mir finden deshalb nebft berumpglebenben Kaufleuten 
auch folche bie in PBalaftina anjäffig waren unb in allen 
Etädten ihre Bazars hatten, von bem großen furuó und 
bet Ueppigfeit dieſer reichen Qauffeute, bie ehemals inner 
halb ber alten Mauern Jeruſalems wohnten, Tpreche Prov. 
1, 65 allein viefe Stelle, melde mit nadybrudvoller Wahr⸗ 
heit und Qebenbigfeit ein warnendes Bild einer Ber 
führungsgeſchichte entwirft, muß mindeſtens nicht nothe 
wendig wegen (B. 19) von einem pbóni. Kaufmanne 
und feiner Ehehälfte gedeutet werben. M. bat εὖ mehr 
als 50mal vergribau, vof. ber. Kaufmann ben. Hebsäer 
„Canaaniter“ heiße. 

Im allgemeinen war im nördlichen SBaláftina, wo bie 
Hanptfarawanenftraßen fid) verliefen, der Handelsverkehr 
mit Phönizien viel bedeutender αἱ im ſüdlichen Paläftina, 





. 448 Movers, 

taf trogbem dort feine Niederlaſſung erwähnt worden, fei 
auf Rechnung der unvollſtaͤndigen Kunde von den Zuſtaͤnden 
des noͤrdlichen Israel’ zu fegen (204). In Süden war 
Cetn[alem als Reſidenz und Sttz des Heiligthums bie 
Hauptftelle des Handels, bie Verbindung zwiſchen ihr und 
Phoͤnizien unterhielt die Stadt Joppe, welde als Hafen 
son Serufalem galt (205); insbeſonders wohnten bie von 
den Emporiften abhängigen Detailhänpler, Biktualienhändfer, 
Schröter, Bäder In dem Stabttheil, welcher von bem Ges 
räufche ber Mörfer (nicht etwa von der Form?) Maktesch 
hieß (206) nad Zeph. 1, 10. Diefe Gombination M. 
beruht auf einer willfürlihen Deutung ber profetifchen 
Stebefigur, denn Zeph. bezeichnet gleich Ezechiel 16, 3 den 
Abfall von Gott durch Glieidfleliung mit dem Wolfe, 
welcher das Geſetz als das Ertrem fittlicher Verworfenheit fins 
flet; die Anzahl der phoͤniz. Kaufleute in Jeruſalem war 
bedeutend und fie hatten außerhalb Serufalem eigene Eultuss 
fätten, bie unter bem Schutze der Verträge ftanten (9), 
hiedurch allein laffe Π trop wiederholten Reformen ihre 
Fortvaner erflären (207) — daß biefe 9Inffjauung, bie 
jener Ewald's: Salomo habe eine religiöfe Toleranz, durch 
die Einführung des Götzendienſtes feinen fremden Unters 
tharien verleihen wollen, febr ähnlich ift, nicht fchriftgemäß 
fel, zeigt ein oberflädhlicher Einblid in die von M. hiefür 
6. 206 angezogenen Schriftterte ). Die Hantelögegens 
ftände des phöniz.paläft. Verkehrs waren: Gletrelbe, durch 
defien Ausfuhr allein jaͤhrlich, 12,500,000 Th. (! 212) in 
Eirfulation gefommen, Honig, Wein, Obf, Wolle, eitis 
wand, Flachs, Byſſus, vorzüglich für die Ausrüftung ber 


)LR. 11, 5. II. R. 16, 4, 23, 13. 





die Phoͤnizier. «9 


Schiffe nothwendige Produkte, ver fogenannte Balſam von 
(Bileab, bie resina ber Alten; ven: Jahn, Hartmann, Ges 
fenins, Wiener, Tuch, fnobel ohne hinlänglichen Gron für 
nen Balfam von Mekfa halten (220); der ádte Balfam, 
eim Monopol der Könige (nad Hohl. 5, 1.9, welder 
im Rufe ftant, nirgends befjer gewonnen zu werten, αἱ 
in Judaa, mit weldem bie gleichfalls in fóniglidyeu Garten 
erzeugten Nußvattel wetteiferten (232), ſchließlich eicherne 
Stuberf)ólyer, die Baſan fieferte (235). 

Bon Paläftina wandte fid) gunddjft bet Landhandel 
nad ben Euphratländern, wie bed) derſelbe in ter Ent⸗ 
wicklung Phöniziens ſelbſt anzuſchlagen ſei, folge ſchon da; 
raus, daß alle auf ein geordnetes Handelsweſen Bezug 
nehmende Einrichtungen, Maaße unb Gewichte von dort⸗ 
her ftammen, namentlich iſt vie phöniz. Induſtrie und Kunſt 
von jener dieſer Länder abhängig, weshalb zahlreiche 
Straßen [dou in ältefter Zeit zwifchen ven Enphratländern 
unb PBhönizien unterhalten warden (242—252). Nicht 
geringer war ber Verkehr mit Arabien, ber ſchon um feines 
hohen Alters willen eine der merfwürdigſten Erſcheinungen 
ber Geſchichte ift (271) ; uralte Erinnerungen erhalten in 
bem Eigennamen &etura--Staudywerf, Basmath (7), Wohlges 
yud) (G. 36,.3) fnüpfem ben Handel biefer Stämme .an 
die Genealogie ihrer Urväter (274). Sémaeliten und Mas 
bianiten verfchren bald nad) bem Tod ihres Gtammbateré 
über Syrien. und Paläftina nad) Egypten (G. 37, 25) 
und. find unter dem Namen Hyffos mit ben Seraeliten 
einzurechnen (275), waren jebod) an die óftliden Schiff 
fahrten ber Phönizier angewiefen (278), vie fo lange fie 
von Egypten abhängig waren, dein arabifchen Handel bie 
Richtung über bie Landenge von Cnueg gaben; jeit bem 


450 Mevers, 


$0. Jahrhunderte unter Begünftigung der israel. Könige, 
bie damals bis zum Alanitifchen Meerbufen Herrichten, veu 
Verſuch machten, vom öftlihen Arm bes arabiſchen Meer: 
bujend aus zu dem Emporium des ofafrifanifden Handels 
vorzubringen. Vielen Beichränfungen war ber Land» wie 
Seehandel der Phönizier in Egypten unterworfen, das feiner 
Lage, Religion nnd dem Geifte feiner Bewohner nady von 
der übrigen Welt abgeithloffen war (314, 5), ungeachtet 
beffen unterhielten bie Phönizier einen flarken Verkehr mit 
Egypten, welches zwar frember Güter wenig bevürftig war, 
aber beflo mehr ber eigenen zu verfenden hatte, und vie 
Bhönizier betrieben von da aus zu Land und zu See einen 
außerordentlich ftarfen Handel, nad) allen Stiftungen: Yem 
nördlichen wie öftlihen 9Ifrifa (336), ven Euphratländern, 
am flärfken aber mit den weftliden Küſten bed mittelländis 
ſchen Meeres. 

Trotz aller Unfälle blieb Phöntzlen aud nad) bem 
politiſchen Schiffbruch eines der erften Hanvelövölfer ver 
alten Welt, ter unverwüftlide Unternehmungsſinn erhielt 
feinen Bewohnern ven Ramen eines Handelsvolkes, bis 
ec im Mittelalter, mit allen ſchlimmen Nebenbegriffen an 
ihre ehemaligen Nachbarn — die uten. in der Diaſpora 
überging; jevenfalls ein nicht zu verachtendes Zeugniß für 
ble Verwerfung Israels! 

Hiemit find wir am Schluffe unferer Anzeige ange 
(uat, was nad) vem Vorworte des V's (zur Geſchichte Phö⸗ 
nigiens), der bereits vom Herrn abberufen wurde, nod) ju 
erwarten flünde, wären Unterfuhungen über die Kunſt, 
Induſtrie, Sitten und Literatur der Phönizter, leglere dürften 
bei bem Umſtande, daß bis zur Stunde fei einziges ganzes 
von phönizifcher Hand gefchriebenes Buch gefunden worden 


die Phoͤnißier. £54 


ift, den geringften Raum einnehmen, febr wünfhenswerth 
wären bie ebenbafelbft in Ausſicht geftellten ſynchroniſtiſchen 
Zahellen und ‚forgfältige Regifter, zumal ber einzige zur 
Religion ter Phönizier gefertigte, ſehr mangelhaft, bie Ge: 
(dichte nicht einmal ein Juhaltsverzeichniß, ie Unter 
fuhungen, über die Colonien, Handel unb Schiffahrt ein 
ſehr kurz gefaßtes enthalten, auch eim Druckfehlerverzeich⸗ 
nif ſollte nicht fehlen, denn deren. πὸ allerdings verhält⸗ 
nißmaͤßig viele. 

Müffen wir aud nothwendig die oben ἜΗΝ Reful- 
tate, welche M. vom Gtanbpuntte einer ebenſo befangenen als 
ſchriftwidrigen Kritik gewonnen hatte, unb denen er bei 
anderen Grunbjágen leicht entgangen wäre, beflagen, fo 
find wir bed) weit entfernt vie Borzüge vlefer Unterſuchungen 
einjeüig angufedjtem, unb wir wuͤnſchen e6 mögen dieſelben 
bald durch das noch ſehlende abigefchloffen werben, wie [ehr 
hatte M. vie Bibelforſcher alferfeità erfreut, wenn er an 
der Integrität und Glaubwürdigkeit der hl. Schriften feft; 
gehalten hätte. Haben wir willführliche Vorausfegungen, 
Ierige Erklärungen, falſche Kombinationen getabelt, [Ὁ 
wollen wir benuod) nicht im geringſten das ob tlefet 
fleißigen und fcharfinnigen Anſammtung von Matertalten 
tür das Verſtändniß ded phöniz. Alderthums Tchmäseen. 
Vieles was bisher auf dieſem Gebiete überſehen worden, 
ift aufgebellt, anderes if richtiger beſtiumt und mit Qui 
benj. vargelegt worken, alken berartigen Gvgebniffen wünfdyen 
wit, fe mögen im bie Darktellung bes bibliſchen Altew 
mums Gingang finden, vesfehhte biwgegen entſchieden "m 
tüdgewitjen werden. 

Dr. Ὁ. αν ἔν, 


452 | Meignen, 


2. 


Les Prophéties Messianiques de l'Ancien Testament ou 
la Divinité du Christianisme demontree par la Bible 

- par M. l'Abbé Guillaume Meignan, Chanoine honoraire, 
Docteur en Theologie. Propheties du Pentateuque préce- 
dées des preuves de l'Authenticité des cinq livres de Molise. 
Paris, Librairie Adrien le Clerc et Cie, imprimeurs 

de N. S. P. le Pape et de l'Archevéché de Paris, Rue 
Cassette, 29, prés Saint-Sulpice. 1856. Propriété. — 
L'Auteur et l'Editeur se réservent le droit de traduction. 


Vorliegendes Bu ift hauptſächlich gegen ben deutſchen 
Rationalismus und fein Unfichgreifen in Franfreich ger 
richtet. Nachdem Hr. Abbe Meignan denſelben mit einer 
überrafchenden Senntniß ver betreffenden deutſchen Literatur 
kurz charakterifirt und auf fein Endziel (Befeitigung ver 
Göttlichkeit des Chriſtenthums) aufmerffam gemacht hat, 
wirft er fid bie rage auf: si le rationalisme allemand 
ne crée aucun danger pour la France? und antwortet auf 
biefelbe: Nous pensons qu'à un époque οὐ l'obstacle des 
distances a disparu, ou la barriére élevée entre la France 
et l'Allemagne par la diversité de la langue tend' à s'abais- 
ser, oü l'esprit public recommence à se préoccuper de la 
question religieuse, le rationalisme biblique allemand est 
un ennemi redoutable. ἢ crée des tentations malheureuses 
par l'attrait de la nouveauté, par le spécieux de la science, 
et par la merveilleuse facilité qu'il epporte à chacun 
d'interpréler la Bible. selon ses desirs et ses passions. . . 
Des nombreux symptómes révélent que notre France esl 


Prophéties Messianiques. 453 


déjà travaillée sourdement par le rationalisme. ^ Le souffle 
malsain qui part des universités de Tubingue, d'Heidelberg, 
de Berlin etc. a déjà passé sur le sol de France et causé 
des ravages (p. XXL). Mell nun nad feiner Ueberzeugung 
in ben altteftamentlichen Weiljagungen ein Hauptbeweig 
für die Böttlichfeit des Chriſtenthums liegt, fo hat er eben 
diefe der rationaliftifhen Auslegung gegenüber in ihr rechtes 
Licht zu ftellen fid) vorgenommen. Und um feiner Arbeit 
die erforderliche Griünblidfeit zu geben, glaubte er aud 
auf Fritiihe Fragen fid) einlaffen, und namentlich die Auc— 
toritàt ber Urkunden, auf die er ſich angewiefen fab, fichern 
zu müjjen. Darum ftelte er fi, indem er fid vorläufig 
auf den Pentateuch befchränfte, eine zweifache Aufgabe: 
1) eine fritifdje, welche ble höhere Auctorität des Pentas 
teuch8 nadjgumeijen Dat, unb 2) eine eregetiihe, welche 
bie in ihm vorfommenben meffianifchen DEEP: ete 
Hären foll. 

Statt einer Approbation folgt auf die SBorrebe eine 
Zuſchrift, welche ber Herr Erzb. Gibour, beffen Ermordung 
neulich die Fatholifhe Welt mit Abſcheun und Gntfepen ers 
füllte, unterm 15. Mai v. S. an ben Berf. richtete, und 
die wir mittheilen zu jollen glauben, weil fie mehr ift als 
' eine. gewöhnliche Approbation; fte lautet: 

Mon cher Abbé. Je vois avec beaucoup de plaisir 
la publication de volre livre sur les Prophéties Messiani- 
ques de l'Ancien Testament, et j’applaudis aux sentiments 
qui vous ont inspiré ce travail, ainsi qu'au talent dont il 
est la preuve. Vous avez entrepris de venger nos saints . 
Livres des allaques dirigées contre eux: par une exégésé 
avenlureuse ou mal intentionnée; vous avez mis à profi 
les découvertes et les progrés de la science moderne et 

Theol. Duartalfehrift. 1857. 111. Heft. 30 


454 Meignan, 


fait servir à cause de Dieu les armes que des. esprits 
égarés avaient forgées pour le combattre. 

Autant que j'ai déjà pu m'en convaincre, mon cher 
Abbe, volre ouvrage se distingue par la méthode el la 
clarté: il est le fruit d'une étude patiente el conduite avec 
de pensées de foi; les apologistes de la religion et les - 
interpretes de la sainte Écriture y trouveront des indi- 
cations utiles et de judicieux apergus. Il m'est donc bien 
agréable de vous féliciler de l'ardeur qu'il vous a fallu 
pour mener a bonne fin, au milieu des occupalions du 
minisiere paroissial ce travail consciencieux et instructi. 

Recevez, mon cher Abbe, avec mes sincéres félici- 
tations, l'assurance de mes sentiments bien affeclueux. 
1 M. D. Auguste, Archevéque de Paris. 

Den Beweis für bie 9luctoritàt des Pentateuchs führt 
Hr. M. dadurch, daß er zuerft die Aechtheit des Buches 
aus äußern und Innern Gründen nachweist unb bann bie 
rationalifti(de Beftreitung derfelben zu wieberlegen ſucht. 
Als äußere Gründe für bie Aechtheit hebt er hervor a) 
bad Alter des Pentateuchs, fofern er jedenfalls, abgefehen 
von feinem Berfaffer, das ältefte Buch fei, welches vie 
Menſchen befigen, b) das Hiftorifche Seugnif, wie nament- 
lid die conftante Tradition bei den Hebräern in Betreff 
ber pentateudjijdjen Wunder unb bie politiſche und gotteé: 
-Bienftlihe Verfafjung der Hebraͤer in ber nachmoſaiſchen 
Zeit, und c) das Zeugniß der hebräifchen Literatur, fofern 
in allen hiftorifchen Büchern des a, T. vom Buche Joſua 
‚ bis zu ben Büchern bet Maccabaͤer,des Pentateuched Gr» 
wähnung geſchehe. Als innere Gründe für bie Aechtheit 
macht ex gelten a) daß ber Zweck des. Pentateuchs identiſch 
{εἰ mit dem Ziele, weldes ſich Mojes vorgefept, b) baf 


Prophéties Messianiques. 455 


der Pentatench durch feinen einheitlihen Gfarafter fid) ale 
das Werk eines. Verfaffers ausweife und In ihm bet Geiſt 
und das Leben Mofe’s nad, feinen verfihledenen Perioden 
fij abfpiegle-und c) tag im den Archaismen des Dent: 
teuchs ſich ble mofaifche Zeit verrathe. ] 
Die MWiderlegung ber rationaliftifhen Angriffe gegen 
bie Aechtheit bed. Pentateuchs wird mit einem allgemeinen 
Urtheile über bie negative Bibel-Kritif in Deutſchland eins 
geleitet, welches nad) dem [don Berührten nicht günftig 
ausfallen fann. Hr. M. vergleicht fie mit vem Voltärianiss 
mus unb bemerft, daß fie fid) zwar in Bezug auf Aus« 
gangépunft und Methode von demfelben unter[djeibe, ihm 
aber in Bezug auf ihre traurigen Refultate gleiche, indem 
fie wie jener das Chriſtenthum in Europa in Gefahr fepe. 
Außerdem gleiche fie Ihm aud) durch ihre Kühnheit im Bes 
Baupten, ohne zu beweifen. Le ralionalisme allemand place 
et déplace les événements a son gré: là, il hazarde une 
date; ici il risque une élymologie; d'un fait douteux il 
Lire une cerlilude. ... Confondant le ciel avec la terre, 
il nie le surnaturel, mesurant la puissance de Dieu aa 
pouvoir de l'homme, il rejette le miracle; il méle à la 
fois les notions, les faits et les idées (p. 97). Uebrigens 
will Hr. M. die Beftreitung ter Mechtheit nicht in ums 
faffender und erfchöpfender Weife würdigen, fondern nur 
an einzelnen Beifpielen zeigen, von welcher Art bie 
Schwierigkeiten feien, die man fo zuverfichtlid als Zeichen 
der Unaͤchtheit befanble. Bei der Auswahl dieſer SBeifpiele 
aber ſcheint er fid) Dauptjádjid) nad einem vor Kurzem 
in Paris erfchienenen unb im Sinne bed teut[den Rutionas 
liomus abgefaßten Werke zu richten, deſſen Verfaffer er 
als den bebeutenbften. Repräfentanten und Verbreiter des 
30 * 


456 Meignan, 


Nationalismus in Frankreich bezeichnet. Es ift das Werk: 
Histoire générale et systéme comparé des langues semi- 
tiques, par Ernest Renan. Ouvrage couronné par l'In- 
stitut et imprimé à Paris, par autorisation de l'empereur, 
à limnprimerie imperiale. MDCCCLV. (p. XII) Zuerſt 
giebt Hr. M. den Bericht über Even unb feine Topographie 
in Unterfuhung, bann bie Angabe über die Cherubim am 
Eingange be8 Paradieſes, die Angaben über bie lange 
Lebensdauer der Patriarchen, bie Verſchiedenheit ber bib: 
liſchen Chronologie im hebräifchen, jamaritanifhen und 
griechiſchen ert, bie Arche Noe's, bie Sammlung ber 
Thiere in diefelbe, die Sünpfluth, bie Zerfireuung der 
Thiere nad) derfelben, und eine Reihe anderer Bunfte, aus 
denen man nadtbeilige Folgerungen gegen die Aechtheit 
unb ben hiftorischen Charakter bed Pentateuchs gezogen Dat, 
unb zeigt,. daß biefe Golgerungen unberedjtigt feien. Wir 
müjjn jedoch in Betreff ber[felben, fowie auch hinſichtlich 
der Erörterung über bie Sprache des Pentateuchs im Ver 
hältniß zur Cypradje der fpäteren Bücher des bebräifchen 
Kanons, auf das Bud) felbft verweifen. 

Als Hauptfache erjcheint der zweite oder eregetifche 
Theil, bie Erklärung nämlid ber im Pentateuch vorfon 
menden meffianifchen Werheißungen. Als ſolche werben 
ausführlich behandelt: 1) das Proto-Evangelium , 2) der 
Gegen Noa's über Cem, 3) die Berheißungen an bie 
Patriarchen, 4) vie Weifjagung Jacobs (Gifo), 5) ble Weis 
fagung Bileams und 6) die Verheißungen eines Propheten 
von Ceite Moſe's. 

Beim Proto-Evangelium wird zuerft gezeigt, daß tet 
betreffenve Bericht nicht etwa als Mythus, ober, wie εὖ 
hen im Alterthum von Einzelnen geſchah, αἱ Allegorie 








- Prophéties Messianiques. 457 


aufzufaſſen fel, dann daß vie Schlange ber Catan. gewefen 
fei, und daß ber Glaube an gefallene Engel aud) in ber 
vorerilifchen Zeit unter ben Juden geherrſcht habe, und 
nod; bemerft, warum ber Böſe gerade bie Geſtalt εἰπεῖ 
Schlange angenommen habe. Daranf wird eine ausführs 
(ide Erklärung der betreffenden Stelle gegeben, und Preuves 
intrinséques de la réalité du Proto-Evangelium beigebracht, 
und endlich die Harmonie du Proto-Evangelium avec la 
nature humaine et avec l’economie’ de la Redemption auf; 
gezeigt. Hieraus ift ſchon erfitli, bag Hr. 9X. den zum 
Theil ſchwierigen Fragen, bie fid) an bie wichtige Etelle 
anfehließen, nicht aus bem Wege geht; aud fertigt er bles 
felben nicht etwa nur kurz unb oberflächlich ab, fondern 
laßt fid) in ausführliche, gründliche Erörterungen über dies 
felben ein, unb berüdfichtigt dabei bie vorhandenen eregetifchen 
Arbeiten in erforberlihem Manfe. Und das nämliche ift 
and) bei den folgenden von ihm behandelten meffianifihen 
€teffen der Fall. Wir glauben übrigens ein Urtheil über 
fein eregetiiches Verfahren am beften vermitteln zu fónnen 
burd) Mittheilung eines Beifpieles, und wählen dazu, was 
er über das befannte: ipsa conteret caput tuum bet 
Bulgata (Genes. 3, 15.) fagt (Θ. 252 ff.). Selon la Vulgate, 
c'est la femme qui brisera la téte du serpent: Inimicitias ponam 
inter le ei mulierem, et semen iuum et semen illius: ipsa 
conteret caput. tuum, et tu insidiaberis calcaneo ejus. 
La.Vulgate a-t-elle bien traduit? — Selon l'hebreu ce 
n'est pas, littéralement parlant, la sainte Vierge qui brise 
la lête du serpent, mais Jésus-Christ; et la vraie tra- 
duction est: Inimicilias ponam inler... semen tuum et se- 
men illius, ipsum (semen) conteret caput iuum. Nous 
adoptons celte traduction, Elle est appuyée sur les autQ- 





458 .. Meignan, , 


. rilés les plus décisives, sur celle des Septante, qui ont 
traduit NY par αυτός, ipse !), sur l'exemple de toutes les 
paraphrases chaldaiques, celle d'Onkélos, de Jonathan, de 
Jerusalem, sur toutes les versions syriaques, touts les 
versions arabes, : celle de Saadias comme celle d'Erpé- 
nius, sur la version persane de Tawos, sur la version 
égyplienne, la version copte, la version arménienne, 
et sur le texte samaritain. Saint Irénée ?), saint Jean 
Chrysostóme ?), saint Jéróme lui-méme ?), saint Ephrem, 
et enfin saint Pierre Chrysologue 5) ont également admis 
la traduction ipsum αὐτὸς. II est vrai que le pro- 
nom NY? se rapporte quelquefois dans le Pentateuque à 
un substantif féminin et peut par exception éter traduil 
par ipsa; qu'un verbe avec une terminaison féminine 
s’accorde quelquefois avec un sujet masculin et vice 
versá: il est vrai que saint Augustin 9), saint Ambroise 7), 
el, à partir de. la seconde moitié du V* siécle, Ia majo- 
rié des Péres de l'Église ainsi que les scholastiques ont 
adopté la traduelion ipsa. Bellarmin citait de son temps 
à l'appui de celte interprétation un manuscrit hébreu qui, 
à la place du pronom masculin NY^, portail le pronom 
féminin δ 9); aujourd'hui, on pourrait en citer au 
1) Il est étonnant que les Septante aient traduit NY" par avro 
puisque le subsiantif σπέρμα ess du neutre. lls ont eu une in- 
tention; ils ont cru désigner plus clairement le Messie. 
2) S. Irénée, lib. IV, Advers. haeres., c. LXXVIII. 
3) S. Chrysost. Hom. XVII. 
4) S. Hieronymus. In Quest. hebr., VII. 
9) S. Petrus Chrysol.. Serm. 173. 
6) S. Aug. de Genesi, L. II. c. XVIII et XXXVI. 
7) S. Ambr. De fuga saeculi, VII. 


8) ,Etiamsi codices hebraei habent wm legi tamen. unum, in 
quo scriptum orab ary ipsa. ; 


Prophéties Messianiques. 459 


moins trois, sans parler de cinq auftes thanüscrils oli ld 
texte est douteux !"). Il est incontestable néanmoins qué - 
la premiére opinion est aujourd'hui la seule que l'on 
puisse défendre en bonne critique; car, non seulement 
l'autorité de presque tous les manuscrits, celle de tous 
les Péres grecs, celle de tous les Péres latins avant le 
γε siécle, celle de toutes les paraphrases et les versions 
militent en faveure du: pronom ipse, mais encore le genre 
du verbe auquel il se rapporte et celui des suffixes. 
Nous lisons dans le texte hébreu: BY, Il te brisera; 
vbw/n, Tu lui briseras, οἱ non Elle te brisera Bon, 
ni tu briseras A Elle ΟΦ. La version ipse est tellement 
naturelle, tellement necessaire, qu'il est vraiment difficile 
de s'expliquer comment la traducfion ipsa a pu-s'intro- 
duire dans l'Église latine. L'ancienne italique traduisait 
MY" par ipse. Serait-ce saint Jéróme qui aurait introduit 
la version ipsa?  L'hypothése est fort improbable, car 
saint Jéróme, dans ses ouvrages el dans sa propre tra- 
duction a écrit ipse. Serait-ce une faute des copistes, 
les quels, dit saint Jéróme, écrivent non pas ainsi qu'ils 
lisent, mais ainsi qu'ils comprennent; maitres malhabiles, 
continue-l-il, dont les correclions sont elles-mémes ἃ 
corriger. Cette hypol&se nous paralt probable. Ce qui 
est cerlain, c'est que l'erreur n'a été possible que parce 
que l'expression ipsa, infidéle à la lettre du texte , est 
cependant conforme à son esprit. 

Mais, quelle que soit la version que l'on adopte, 
l'évidence de la prophétie est la méme. — Dans l'un et 
autre cas, le röle auguste de la Vierge Marie est predit: 


1) Ces manuscrits se trouvent à la bibliothéque du Vatican. 
Voy. De Immaculato conceptu, C. Passaglia, t. II, p. 97. 


460 Krammer, 


c'est, toujours la nouvelle Eve qui par son fruit béni 
ganfond le serpent irompeur el lui brise la téle. 

. $a Hr. M. gerade her antichriſtlichen und antifirds 
lichen Richtung der Schrifterflärung entgegentritt, [o braucht 
faum nod) bemerkt zu werben, daß er fid) mit voller Ents 
ſchiedenheit auf dem Standpunkt ber. Firhlihen Auslegung 
befindet und ble Vertreter derfelben hinlänglich berüdfichtigt 
und nöthigen Falls audj zum Worte fommen läßt. Sein 
Buch ift tafer folhen, die fid etwas einläßliker mit 
ten meffianifchen Weiffagungen des Pentateuchs vertraut 
machen wollen, unbedenflih zu empfehlen und wird ihnen 
ſicherlich zugleich wegen der Friſche und Lebendigkeit ter 
Darſtellung nicht bloß eine helehrende ſondern aud) anges 
nehme Lectüre gewähren. 


Welte. 


3. 


fran; Arammer, der Philoſophie unb Theologie Doctor, 
Öffentlicher ordentlicher Profeſſor der Patrologie unb Dog⸗ 
matik an der K. Ungariſchen Univerſitaͤt zu Tyrnau, 
Domherr bei der Primatialkirche zu Gran, — Bon ber 
alleinſeligmachenden katholiſchen Kirche. Aus bem 
Lateiniſchen überſetzt unb mit Zufägen vermehrt von Dr. A. 
3. ginterim unb Dr. 3. Deby. Düffeldorf, 1857. Drud 
und Verlag von Engeld und Lenſch. — 4 Thle. in gr. 8. 
‚Pr 3 fl. 30 Er. 


Eine na großartigem Maafftabe angelegte, Rechtfer⸗ 
tigung des katholiſchen Lehrſatzes von der alleinſeligmachen⸗ 
ben Kirche gegenüber bem modernen Latitudinarismus, der 


von der alleinfeligmachenven Tatholifchen Kirche. 461 


ein natürliches, wiewohl vielfach verläugnetes Kind des in 
Secten gerfplitterten und in, feiner centrifugalen Richtung 
unaufhaltfam  fortgetriebenen Proteſtantismus, bie Thore 
ber Kirche Chrifti und des Himmelreihes Allen offen 
hält, welde an ber ἥδετο und bem Werfe des Erlöfere 
im Allgemeinen nod) etwaó Göttliches oder Uebermenſch⸗ 
liche8 anerkennen, mögen fie in ihren anberweitigen rell; 
giöfen Ueberzgengungen mod) jo weit auédeinanbergeben. 
Daß diefer monftröfe „Katholicismus“ ber von der fatbos 
lifchen Kirche für fid in Anfprud genommenen Prärogas 
tive, ausfchließliche göttlihe Heilsanftalt zu fein, die Ans 
erfennung ſchlechtweg verweigert und ihr eben auf biefem 
Punkte abjolut feinblidy entgegentritt, liegt in feinem Bes 
griff unb Wefen. Andrerſeits ijt derfelbe ganz dazu anges 
than, innerhalb des Proteftantismus, aus dem er ent 
fprungen, fid) bie weitefte Anerkennung und Aufnahme zu 
verfchaffen; erfcheint er ja als ber lepte Nothbehelf, wor 
mit man fid auf diefer Ceite über die grenzenlofe äußere 
unb innere Zerfahrenheit mit einiger Beruhigung wegzus 
feßen vermag. Aber aud) den Gliebern ver Fatholifchen 
Kirche, inébejonbere denjenigen, die ben f. g. gebildeten 
C tánben angehören, ift bei der Unvermeiblichkeit des geiftigen 
Gontagiumá mit ben Nachbarconfeflionen die „neumodifche 
Satfolicitàt," wie der Verfaſſer die proteftantifche Garifatur 
ver fatfolijden Univerfalität zu benennen pflegt, vielfach 
als Verfuhung genaht und nicht wenige find ihr erlegen. 
Man wird daher eine gründliche Beleuchtung diefes Pſeudo⸗ 
catholicismus, der fid) in die Etelle des üchten einzubrängen 
bemüht ijt, und eine alfeitige Begründung des Anrechtes 
ber Fatholifhen Kirche auf ben Namen und Vorzug der 
alleinſeligmachenden als ein ganz geitgemäßes Unternehmen 





462 Krammer, 


um fo mehr milffommen heißen, je häufiger und heftiger . 
nad ber Bemerfung des Verfaſſers von ber einen Eeite 
die Angriffe auf dieſes Dogma find unb je faumfeliger 
auf der andern die Vertheidigung deſſelben bisher ge 
weſen ift. 

Dr. Krammer, dem zur 2ófung blefer Aufgabe neben 
einer gründlichen theolegifchen Bildung, ausgebreiteten Ge; 
lehrſamkeit und einem nicht gewöhnlichen Scharffinne eine 
feltene Belefenheit in ter neueren apologetifhen tmb pe; 
lemifhen 9iteratur Ungarns und Deutfchlande zu Gebote 
ftebt, entlevigt fid) feiner Aufgabe in bem angezeigten 610 
Seiten umfaffenden Werke. Die Einleitung (1. Theil) 
gibt eine Gefchichte ber Geneſis nnb weiteren Entwidlung 
ter neuen. Ratholicität, bie mit ber Geſchichte der inneren 
Entwidlung des Proteftantismys überhaupt nahezu zus 
fammenfält. Das proteftantifche Princip erwies fid) als 
unfähig, die riftliche Religion in ihrem obfectiven Boll; 
beftande zu wahren. Die von bet haltenven, leitenden und 
erziehenvden Autorität der Kirche entbundene Subjectivität 
warf Schritt für Schritt die Echranfen nieder, welche ibt 
in dem göttlihen Anfehen der Schrift und den Symbolen 
gejegt werden wollten, und lief, wo fie auf ihrem Wege 
nicht durch Außere Hemmniffe aufgehalten wurde, entweder 
i völligen Invifferentismus aus, ber hinwieberum ben 
9taturaliómué und Atheismus im Gefolge bat; ober fit 
fommt, wo das chriftlich religiöfe Interefje nod) einiger 
maßen reagirt, in jener religiöfen Weitherzigfelt zur Ruhe, 
die auf eine objective Glaubensnorm und allen pofltiven 
Blaubensinhalt verzihtend, „die neue, allgemeine, auf 
wenige, aber „„große”" Wahrheiten befchränfte Religion 
und die neumobifde, Alles, was nod ten Namen Ehrift 


von ber alfeinfefigmadjenben katholiſchen Kirche. 463 


traͤgt, umſchließende Fatholifhe Kirche“ anf ihr Programm 
gejest hat. Der Berf. hat fit) bie Mühe nicht vervrießen 
lafjen, diefen Proceß durch all. feine gefdjidtliden Phafen 
zu verfolgen, wobei (id) freilich feine Darflelung zu [ehe 
in das hiſtoriſche Detail verliert und einzelne Perſoͤnlich⸗ 
feiten, namentlich die des ſächſiſchen Reformators zu ftarf 
in den Vordergrund gebrängt werben — nicht ohne Beeins 
trádjtigung der Leberfichtlichfeit und Gefährbung bet Haren 
Einfiht in bie inneren Gründe und treibenden Motive des 
geſchichtlichen Verlaufs. 

Im zweiten Theile führt Krammer den Beweis, daß 


die chriſtliche Religion, weil göttlichen Urfprunges unb fos 


mit durchaus objectiv wahr, ebenveßhalb notbmenbig nur 
Eine over einzig ift, in bem Sinne, daß ihr ,àdter und 
wahrer Sefanımtinhalt innerlich und feiner Natur nad 
Einer fein muß”, Eine in eine Bielheit aufs engfte mid 
einander verbundener Momente (Dogmen) fid) auslegende 
göttliche Wahrheit. Weil aus göttliher Offenbarung ent» 
fprungen, ift die chriftliche Religion felbftrebend aud) bie 
allein felig madjenbe. Damit fie aber viefes fel und bleibe, 
ift nothwendig, daß fie ten Menfchen aller Zeiten bis an 
tad Ende ber Welt in ihrer vollen Integrität, ihrem ganzen 
ungefchmälerten Beftande und mit derjenigen objectiven 
Sicherheit und Gewißheit überbradjt werde, welche eine 
fefte Ueberzeugung von ihrer Wahrheit und Göttlihfeit zu 
begründen im Stande ift. Zu viejem Endzwecke hat ihr 
göttlicher Urheber vie Firchlihe 9Berfünbigung angeordnet, 
bie auf ſpezieller göttliher Senvung berubenb, auf das 
zwedmäßigfte organifirt unb unter Gottes befonderen Schuß 
und Leitung geftellt, (id) nad) beiben Beziehungen als das 
allein angemefiene und volfommen zwechdienliche Mittel 


3 


464 : Krammer, 


bewährt; während ber Proteftantismus, indem er an vie 
Stelle ber antoritativen Firchlihen Verkündigung das ges 
fchriebene Bibelwort fest, ebenbamit bie Bollftändigfeit 
unb bie Gewißhelt der chriftlihen 9tellgion, die beiden 
Grunbbebingungen ihrer befeligenden Wirkfamfeit, preis 
gegeben hat. Aus ber Einzigfeit der feligmadjenben Relis 
gion wird fofort mit vollem 9tedjte die Einzigfeit ver fellg- 
machenden Kirche gefolgert; ift ja tiefe nichts anderes al 
die in die Erfcheinung tretenbe, die real gewordene Religion 
ſelbſt. Im dritten Theile wird fodann bie wefentlihe Bes 
ſchaffenheit ber alfeinfeligmadenben Kirche ausführlich 
befprodyen. Als Sundamentalfag wird an bie €pige ges 
ftelt: „Wie die Kirche Gottes im Anfange, bei ben Qeb; 
zeiten der Apoftel war, fo muß fie immer bleiben.” Die 
wahre Kirche muß taber vor allem eine „außerorbentlidye“ 
(auf einem übernatürlishen Grunde ruhende) fein (nicht 
blos in ihrem Urfprunge, ſondern aud) in ihrer Fortdauer), 
weiterhin die gefammte Religion bewahrend, weife einges 
tidjtet, Eine, heilig, apoſtoliſch, katholiſch, ſichtbar, einzig, 
allein wahr und abfolnt vein. Diejenige Kirche, weldje 
alle biefe Egenfchaften in fij vereinigt, i(t bie wahre 
Kirche Gfriftl und daher die alleiufeligmad)enbe. Nichte 
von alle bem paßt aber auf bie fatfolijde Kirche im 
Sinne ber Neuerer, die vielmehr in offenbarem Wider 
fprudje mit bem Evangelium, mit bem Geifte des Chriſten⸗ 
thums, ja fogar mit bem Geifte des (fgmboli[djen) Protes 
fiuntiómuó und mit fid felber ſteht unb Glauben unb 
hriftliches eben, ftatt fie aufrecht zu erhalten und zu 
pflegen, untergräbt und zugrunderichtet; nod) paßt dasfelbe 
überhaupt auf eine Später entftandene Kirche, namentlich 
nicht auf ben Proteftantismns, welchem wie bie Einheit, 





‚von ber alleinfeltgmachenven Fatholifchen Klirche. 465 


fo aud) die Merkmale ver Heiligkeit, ber Apoftolicität, ber 
Ratholicität abgehen und nicht minder die weife Ginrldtung 
mangelt. Dagegen finden fid) al die angegebenen Eigens 
Ihaften in der römifchsfatholifchen Kirche vereinigt, die eben⸗ 
barum als die allein wahre Kirche und als vie alleinige 
göttliche Heildanftalt für ale Senden zu betradten ift. 
Daß bei ihr alle Merkmale der wahren Kirche zutreffen, 
beruht nad) Krammer „auf ver unantaftbaren Auctorität 
ves heiligen gebramteó, verbunden mit bem Vorzuge bet 
Unfehlbarkeit.“ Lesterer Punkt wird im vierten Theile, 
der übrigens in ziemlich fragmentarifcher Geftalt vorliegt, 
weiter andgeführt, tiefer begründet unb Inóbejonbere nachges 
wiefen, daß nur in einem unfehlbaren Lehramte ein ficheres 
und allen angemefjenes Erfenntnißprincip ver chriftlichen 
Religion gewonnen ift. 

Diefe gebrángte Ueberficht über den Inhalt des vore 
liegenden Werfed mag genügen, um eine annähernve ors 
Kellung von ber Anordnung unb bet Reichhaltigfeit des 
darin verarbeiteten Stoffes zu geben. Dan fann bem Ber: 
fafjer das Zeugniß nicht verfagen, daß er in ber That 
fein Thema thetiſch ſowohl alà antithetiich in einer bió; 
fer von feinem anderen erreichten Ausführlichfeit und Voll⸗ 
ftändigfeit abgehandelt hat. Insbeſondere ijt er bem fid) 
fpreigenden Irrthume auf all feinen gewundenen und las 
byrintbifch verfchlungenen Pfaden unermüdet nachgegangen, 
um ihn bis in feine legten Schlupfwinfel zu verfolgen und 
zu befämpfen ; die Proteusnatur desfelben, bie aud) einen 
rüftigen Gegner zu ermüben vermag, hat ihn nicht abges 
halten, ihn in al feinem wechfelnden Geftalten mit tüchtigen, 
der Schrift und der gefunden Vernunft entnommenen Ar 
gumenten .anzufaffen unb jeine Geheimniffe ihm zu ent: 


466 Krammer, v. b. alleinſeligmachenden Bath, Kirche. 


reißen. Die Beweisführung ift faft durchgängig fíat, 
Khlagend und überzeugend, wenn fie.aud) nicht, was hier 
faum möglih fein dürfte, alle Ausflüchte abjchneidet. 
Dagegen wird man die Dispofition des Stoffes im Eins 
zelnen nicht überall gutheißen fónnen. Die Aufeinanders 
folge ber einzelnen Materien ift da und dort, wenn nicht 
unlogijd), bod) zu wenig motipirt unb erjdeint jo nicht 
felten als eine zufällige und willführlihe. Daher aud) 
vielfade, zum Theil ermüdende Wiederholungen, Indem 
ein und berjelbe Gegenftand zwei oder mehrere Male, wies 
wohl unter etwas anderem Geſichtspunkte oder verjchledene 
Gegenſtände unter bem gleichen Geſichtspunkte, abgehandelt 
"werden. Mandmal bat ber Berfaffer aud) zu weit auds 
geholt ober Materien herbeigegogen, deren Zufammenhang 
mit bem eigentlihen Thema ein ziemlich (oderer ift. Das 
bei ift feine Darftelung zu ftoffartig, dad in großer Voll 
ftändigfeit zufammengetragene Rohmaterial zu wenig ver» 
arbeitet. Die häufig ganz äußerlich an einander gereihten 
febr zahlreichen und langen Bitate aus Schriften ver vers 
ſchiedenſten Verfaffer, weldye zudem bie Herausgeber um ein 
bedeutendes vermehrt haben, nicht minder bie (beſonders im 
erſi enund zweiten Theile) allgufebr gehäuften Anmerkungen, 
die wiederum da und dort dur neue, fie ergänzende 
Noten von Seite bet lleberjeger bereichert werben, machen 
die Darftellung breit und fchleppend und fónnen nicht vers 
fehlen, bie Geduld des Leferd manchmal auf eine ziemlich 
harte Probe zu fielen. Cine freie lleberatbeitung des 
Ganzen ftatt einer mit (allerdings recht banfenswerthen) 
e  Bufäpen vermehrten bloßen lleberjegung des in feinem 
Kerne vortrefflihen Werkes wäre aus den angeführten 
Gründen wohl febr wünfhenswerth gemejen; will ja ber 


Thalhofer, Erflärung der Pfalmen. 467 


Verfaſſer fefbft feine durch ein bringenbe8 SBebürfnig θεῖν 
vorgerufene Schrift ald einen bloßen Entwurf betrachtet 
wiffen, ben er burdj andere Hände „zu einem tüdjtig bes 
arbeiteten und vollfommenen Werke umgeftaltet" zu jefen 
wün[dt. 

Die beutíde lleberegung des erften Theiles ift nicht 
ohne fühlbare Mängel, dabei ziemlich hart und [dymerfállig ; 
namentlich begegnen wir €. 9 f. einer Außerft langathr 
migen und munbetlid) verfchlungenen Periode, bie im Las 
teinifchen vieleicht nod) erträglich, im Deutfchen geradezu 
ungeniefbar ift. In bem übrigen Theilen dagegen ift ble 
leberfegung correct unb fließend unb läßt nur tie Gorrecs 
tur des Druckes manches zu wünfchen übrig. . 


Lic. Hitzfelder. 


4. 


Erklärung der Palmen mit befonverer Rückſicht auf deren 
liturgifd)en Gebrauch im Brevier, Miffale, Pontificale - 
und Rituale, nebft einem Anhang enthaltend die Gr» 
Härung ber im Brevier vorkommenden alttefl. Gantica 
von. Dr. Balentin Thalhofer, Prof. ver biblifchen Wiffen- 
fohaften zu Dillingen. Regensburg, . 1857. Verlag von 
Sof. Manz S. 740. Pr. 4 fl. 12 fr. 


Es Tiegt nicht in ber Abficht des Nef. auf den eres 
getifch wiſſenſchaftlichen Werth und Gehalt vorliegender 
Dialmenerflärung einzugehen. Der Verf. will fefGít nicht 
nad) biefer Eeite hin ein beſonderes Verdienſt beanſpruchen, 
obgleich nicht zu verfennen ift, daß fich in den Noten, wos 
hin der gelehrte Apparat verwiefen wurde, viel Studium 





468 Thalhofer, 


und Gelehrſamkeit kund gibt. Man kann dem Verf. glauben, 
wenn er ſagt: „Es koſtete mich manche Ueberwindung, 
die Reſultate nicht blog ſtunden- ſondern tagelangen Stus 
diums in einige kurze Sätze zuſammenziehen zu müſſen. 
Der kundige Leſer wird finden, daß ich die ältere, neuere 
und neueſte Literatur durchweg benuͤtzt habe, obgleich ich 
Kürze halber es unterlaſſen mußte, all' die verſchiedenen 
Auffaſſungen anzuführen, zu würdigen und beziehungsweiſe 
zu widerlegen” (Vorr. S. VI). 

Das Hauptbeftreben des Verfaſſers geht dahin, die 
Pfalmen mit Rüdficht auf ihre liturgifche Verwendung zu 
erklären, und auf bie Beziehungen hinzuweiſen, welche vem 
Inhalt eined Pfalmen je nad) feiner Stellung in einem 
Officium zu geben if. Wir haben verfchievene ältere unb 
neuere Erklärungen ber Pfalmen, bie theils wiſſenſchaft— 
liche, theils practifche Zivede (betrad)tenbe Exegefe), tbeiló 
beide zujammen verfolgen wie bet Kommentar von Schegg, 
aber bie fpecielen Beziehungen, welde bie einzelnen Pfal- 
men in biefem obgr jenem Officium des Breviers ober in 
biefem oder jenem Ritus haben, unb die Gebetöftimmung, 
in welcher ein Pfalm je nad feiner liturgifchen Stellung 
und Verwendung gebetet werben fol, find unſers Wiſſens 
nod) von feinem Erflärer ver Palmen aufgefuht und bes 
zeichnet worben. Der Verfaſſer hat fid) baber bei feiner 
Pfalmenerflärung eine neue Aufgabe geftellt, bie, wie jeder 
einjehen wird, ihre eigenthümlihen und zwar bedeutenden 
Scwierigfeiten hat. So fhwer es aber ift, die innern 
Motive aufzufuhen und genau zu bezeichnen, nad) welchen 
die fitdiden Organe bie Pfalmen in die Officin und 
andere rituelle Stüde eingereiht haben, fo Ift bod) gemi, 
daß nicht Zufall fondern ficherlich die beftimmte Abjicht ob» 


Erklärung ber Pſalmen. 469 


gewaltet hat, jedem Palmen unb SBfalmftüde, bie man 
liturgifch verwenden wollte, eine beftimmte Beziehung zu 
bem jeweiligen Hefte ober zu ber zutreffenden Zeit zu geben. 
Diefen innern Beziehungen ber Pfalmen nad) ihrer liturgi 
(fen Stellung Bat ber Verf. mit aller Sorgfalt nadge: 
fpürt, unb fie in möglihfter Kürze und Beftimmtheit an» 
zudenten geſucht. ? 4 

Die Methode, bie er bei Löfung feiner Aufgabe ein; 
ſchlaͤgt, ift unzweifelhaft bie richtige. Es wird bei jebem 
Plalm der Tert ber Bulgata mit nebenftehender fchöner 
rythmiſcher lleberjegung vorausgefhidt. Sofort wird ber 
wörtlihe Sinn‘ des Palmen, deſſen grammati[d) hiftorifcher 
Einn erörtert und nad Umftänden auf bie myſtiſchen 
und prophetifchen Beziehungen desſelben aufmerkfam ges 
macht. Soweit fid) hiebei ſprachliche Schwierigfeiten er- 
heben, find fie in ven unter bem Text angebrachten Noten " 
furj bejproden. Obgleich bie Bulgata, wie es bei bem 
Endzwede unferer Erflärung nicht anders erwartet werben 
fann, überall zu Grunde gelegt ift, fo wird bod) bei bunfein 
Stellen ber hebräifche Tert zur Aufhellung beigezgogen und 
benügt. 

Auf ber durch ble Sinnerflärung gewonnenen Grunds 
lage vollzieht fobann ber Verf. feine Aufgabe gang fun 
und einfad. Es wird Hingewiefen auf bie verſchiedenen 
Cellungen, welche der betreffende Palm in den Officien 
fat, welche Grund-Beziehung ihm bier und melde ihm dort 
zu geben fei, welcher Grundton in ber Gebetéftimmnng 
vorzuherrfchen habe, wenn er an diefem Wefle ober Tage, 
und welche wenn er an einem andern, Sefte gebetet werde. 
Selbſt bie Heinen Pfalmftüde, die in den Mepliturgien 
vorfommen, find herbeigezogen. Es ift dieſes mit folder Ge 

Theol. Quartalſchrift. 1857. I. δεῖ |. 81 


470 Thalhofer, 


nauigkeit geſchehen, daß ſich wenige Pſalmen finden werden, 
deren liturgiſche Verwendung nicht vollſtaͤndig berüͤckſichtigt 
worden wäre. Bei ben Wenigen, wo dieſes nicht ber Fall 
ſein ſollte, iſt das Verſäumniß von ganz untergeordneter 
Bedeutung; ſo fanden wir bei Pſalm 24 deſſen Stellung 
im offic. defunctorum und bei Pſalm 125 deſſen Ber 
wendung in der Veſper ter fer. IIL nicht angegeben, 
was bei der anderweitigen Genanigfeit nicht hoch anzu- 
ſchlagen ift. 

- (ὅδ wird Jedermann begreiflich finden, daß jene Be 


ziehungen mehr nur angebeutet als ausgeführt find. €egteted . 


würde zu weit führen, und ber individuellen Stimmung 
des Betenden zu feft vorgreifen. Denn wenn and nad 
Maßgabe des Inhalts eines Pfalmen und in Rüdiiht auf 
das Feft und bie Zeit, wo berfelbe gebetet wird, ein ge 
wiffer allgemein zu empfeblenber Grundton vorherrfchen 
fann und fol, jo find doch bie geiftigen Bebürfniffe und 
Grfebniffe des Einzelnen fo wie deſſen Stellung zur Kirche, 
zu einer Gemeinde ober Einzelne fo verſchieden, daß (id 
darnach die Gebetsregungen in verfchledenen Sinbipibuen 
notbwenbig eigentbümlid geftalten müfjen. Der univer 
felle Charafter ver Pſalmen ald Gebetöformularien bringt 
es mit fi, daß die individuellſten Stimmungen unſchwer 
darin ihren Ausdrud finden fönnen. Solchen [nbipibuellen 
Regungen, bie ein Pfalm je nad) den eigenthümlichen Ver 
hältniffen des Betenden hervorbringen fann, nachzugehen 
and fie anzudeuten, war bem Berf. nicht zuzumuthen. 
Er fonnte eó nur als feine Aufgabe anfehen, vie allge 
‚meinen Gefihtspunfte hervorzufehren, von welden aus ein 
Pſalm je nad feiner Einordnung in ein Officium gebetet 
werten könne oder müfle, damit εὖ im Sinne der Kirche 








Grflárung ber. Pſalmen. 471 


geſchehe. Auf dieſen Grimbton hin wird fid) die individuelle 
Stimmung des aufmerkſamen und erwärmten Beters von 
ſelbſt modifiziren und nad verſchiedenen en 
Richtungen hin verlaufen. 
Es ijt wohl das Angemefjenfie, wenn mit, um bud 
. bießfällige Verfahren des Berf. zu veranfhanlichen, ein 
Beifpiel davon Derjegen. Wir wählen Palm 18 „ooeli 
enarrant, gloriam. Dei etc.“ €. 76—82. Nachdem ver 
Sinn desjelben entwidelt ift, wird beffen Titurgifche Ver⸗ 
wendung in folgender Weile angegeben &. 80: „Die 
Pracht des phyſiſchen Himmels und. bie des myftifchen, wie 
Offenbarung im mejaijden Geſehe unb die im Evangelium 
ift zuletzt Werk aller drei göttlichen SBerfonen, ift Werk 
des Dreieinen, den wir in Mat. fest. ss. Trinit. mit biefent 
Pſalm verherrlihen.” — „In Ehrifto wohnt bie Fülle ber 
Gottheit leibhaftig”" (CoL 2, 9), feine menjdtide Natur 
it im volften Sinne des Worted „Wohnung“ Gottes, 
nicht nur für einige Zeit, jonbetm auf ewig; im biejet 
Sonne, in Gfrifto, hat fih Gott, die Gottheit in aller 
Wahrheit ein Zelt gebaut (in sole posuit — smtiph. im 
oct. nativ. Dom.). Dieſe gottmenſchliche Sonne, von weldyer 
das Gejeg ver Wahrheit und Gnade ausftrahlte, ning herr 
vor in ber Weihnacht aus dem SBrautgemad) des jungfräns 
(iden Mutterſchooßes (Mat. nativ. et circumc. Dom.). 
Das lieblichfte (sicut myrrha electa dedisti odorem suavi- 
tatis) unter ben Geſtirnen, welde um bie Gentraljonne, 
Chriſtus, fich bewegen, ift Maria (oer Mond); auf fie, 
deren Ruhm durch bie ganze Welt erſchallt (V. 2—5) unb 
auf ihr Verhaͤltniß zu ihrem Sohne (V. 6—7) hinſchauend, 
beten wir den Pfalm in den Muttergostesofficien, und e 
Innernd, daß ne allzeit das Giefe& des. Herrn (Y. 8-11) 
31 * 


413 Thalhofer, 


erfüllt hat, und (febenb, taf e$ auf Grund ihrer Sürbitte 
audj uns gelingen mödte (V. 12—16). — Durch bie 
ganze Welt bin haben vie Apoftel des Herrn Ehre vet, 
fündet (Commune Apost.), und bió zur Stunde erfdjallt 
ijr Wort απὸ dem Munde ihrer Nachfolger; barum et 
[Heinen die Apoftel unter den Geftirnen am myſiiſchen 
Himmel als tie leuchtendften (V..2—5); fte gaben Zeugs 
Tif von ber Sonne, Ehriftus Iefus (V.. 6-7), verkünden 
fein Gejeg (V. 8-11); o daß aud wir es hielten 
(V. 12—16)! Unter den übrigen Heiligen zeugen bie 
Sungfrauen am lauteften davon, was das Gbriftentbum 
vermöge ; In der Jungfräulichkeit, der foftbarften ber Tugen⸗ 
ben, tritt und bad Licht, weldhes von ber Sonne Ehriftus, 
dem jungfräulihen Gottmenſchen, ausftrahlt, am ſchoͤnſten 
unb reinften vor Augen; zu blefen laut zeugenden Sternen, 
die Ihrer Sonne folgen, wohin fie geht, ſchauen wir empor, 
wenn wir an ben Feſten der Iungfrauen, bie getreu das 
Geſetz hielten (V. 8—11), ten Pfalm beten. — Der all 
mächtige Gott, von beffen Herrlichfeit die Himmel zeugen 
(V. 2—7), hält uns für fo groß, daß er und Engel zu 
Begleitern gibt, damit wir unter ihrem Schutze um fo 
fiherer ven Weg- feiner dius (V. 8—11) gehen möchten. 
Fest. Angelorum.* 

Bei genauer Prüfung fann nit entgehen, daß ber 
Verf. ein feines Gefühl befist, bie tiefen Beziehungen bet 
Pſalmen und Pfalmenftüde zu den jeweiligen Heften und 
Seftzeiten aufzufinden. Die hervorgehobenen Beziehungen 
ruhen freilich immer mehr oder weniger auf bem Boden 
fubjectiver Anfchauung, entbehren aber bod) nicht ganz eines 
objectiven Charakters, da fie fih an ten Inhalt ber Pfal- 
men, über bem man fid verftänvigen fann, anſchließen. 


Erklärung der Pfalmen, 418 


Eigentliche Willkür und auffällige oder abſurde Sins; 
bentungen haben wir nicht getroffen. Es ift Alles nüchtern, 
berftánbig, und zengt von klarer und richtiger Anſchauung 
religiöfer Verhaͤltniſſe unb Juftände und von gefunbet 
firchlicher Brömmigfeit. 

Es mögen zwar immerhin mande Deutungen und 
Winfe des Verf. einzelnen Pſalmbetern nicht vet eins — 
leuchten, aber angeregt werben fle davon immerhin werben. 
Bir zweifeln aud) nicht, daß bie melften Lefer ber Pfalmen 
gerne auf die hier gegebenen Welfungen eingehen, und 
hledurch in fid einen Gebetston anftimmen laffen. 

Das Berbienft des Verf. ift. nicht gering anzufchlagen, 
ba et auf bem nenbetretenen Wege einer liturgifchen 
Pfalmenerflärung mit fo richtigem Takte verfahren ift. 
Ref. nimmt Feinen Anftand, dieſes Buch allen denen zu 
empfehlen, welche tie Liturgie zu verwalten, und baé 
Brevier zu beten Haben, und hegt dabei die Ueberzeugung, 
baf εὖ zu einer verfländigen, aufmerffamen und ans 
bádjtigen Recitation des Officiums anzuregen und anzus 
leiten in hohem Grabe geeignet ift. 


Dr. Senbel, Gonbictébirector. 


3$. 


Die Dogmatiſche febre von den heiligen Sahramekten ber 
katholiſchen Kirche. Won Dr. 3. f. Oswald. IL Band: 
Die Buße, die legte Oelung, die Prieflerweihe und bie 
Ehe. Münfter 1857. S. IX. 456. Pr. fl. 2. 24 fe. 


Wir haben ben 1. Band diefes nunmehr vollendet 
— Werkes im vorigen Jahrgange diefet'Zektfhtifl 


4T4 Oewald, 


(Heft 3. δ. 455 fi.) empfehlend angezeigt unb. nehmen 
nm fo weniger Anſtand, bie dortige Empfehlung bier zu 
wiederholen, aló der 2. Band, ohne an innerem Gehalte 
bem erften nadgugeben, in formeller Hinfiht unverkenn⸗ 
bare Vorzüge vor biefem hat. Die eigentbümlide Gabe 
des Berfafjers, den dogmatiſchen Etoff in leichter, fließender 
^ Sprade, in Harer lichtvoller Darftelung, i einer en 
unb Gemüth anfpredenben form bem Lefer vorzulegen, Bat 
fd aud im 2. Bande nift verläugnet. Was dagegen 
methodiſche Entwidlung der Gebanfen, Schärfe unb Be: 
flimmtheit ber Begriffe unb Sünbigfeit der Schlußfolgerungen, 
fowie Stil und Diction anlangt, läßt fid in ber That ein 
merklicher Wortjdritt nicht verfennen, wiewohl allerdings 
eine weniger breite, concifere Darftellung, 
größere Befchränfung des oratorifchen Elementes und mehr 
Maafhalten im Gebrauche von ungewöhnlicden unb leicht 
vermeinlichen Fremdwörtern nad) unferem Dafürhalten aud) 
hier wäre zu münfdjen gemefen. 

Die Darfiellung ver Lehre vom Bußfacramente, 
einf&hließli ber vom Ablaſſe, fat im vorliegenven Bande 
über die Hälfte des Raumes in Anſpruch genommen 
(6. 1—242). (δ find benn aud) die einfchlägigen dog» 
matifchen Lehrpunfte in einer- Ausführlichfeit und relativen 
Bolftändigkeit abgehandelt, bie faum da und dort etwas 
zu wünfchen übrig läßt. Nur das Geſchichtliche hinſichtlich 
ber Bußviociplin müdjte etwas zu karg bebadyt fein und 
dürfte bie Ausgleihung ber. zwiſchen ber älteren und ber 
fpätexen klirchlichen Praris in dieſer Richtung beftebenben 
Differenzen, welche insbeſondere rüdfichtlich der SBebentung 
ber Gatiéfactionen weit tiefer gehen, als bie in ber Dar 
Relung des Verfaſſers heraustritt, nidt in allweg völlig 





‚ bie bogm. Lehre vom den DL. Sacramenten. 475 


befriedigen. ^ Unter den patriftifchen Seugniffen für ba9 
Bußfarrament vermifien wir ungern das bed Paftor Hermä, 
Nicht minder vermißt man eine nähere Verfländigung das 
rüber, daß duch bie farramentale Abfolution nad) τάν 
licher Lehre in der Regel nicht zugleih aud) ber Reat 
zeitliher Strafe getilgt wird. Die hierauf begügliden 
Grflürungen ber Synode ven Trient (sess. XIV. cap. 8. 
de poeni) dürften, namentlid) angeſichts der nicht ganz 
unerbeblihen gegneriichen Einwendungen, ben fatfolijdjen 
Dogmatiker ber Pflicht einer tieferen und allfeitigeren Bes 
gruͤndung biefeó befonberó für bie Ablaßlehre fo wichtigen 
Lehrpunktes kaum entheben. Ebenſo [πὶ man vergeblich 
nach einer Erflärung, wiefern bie Acte des Pönitenten: 
Reue, Bekenntniß und Genugthuung beides zugleich find, 
einmel Dispofitionsacte zum fruchtbaren Empfang des 
Giacramenteó , vie fubjectine Bedingung der burd) bie obs 
jective Handlung vermittelten Gnabenmirfung, anbrerfeità 
zum Weſen unb Beſtande des Sacramentes felbft gehörige 
Momente, weſentliche Theile ber objectipen Handlung felbft, 
mit einem Worte (Quafis) Materie des Sacramentes, 
Sofern fie beides nicht wohl in einer und derſelben Weife 
oder Beziehung fein fónnen, jo wird man zwiſchen bem 
Aeußerlichen und Inneren biefer Acte unterfcheiden unb fie 
nad jener Seite ber Materie des Sacramentes, nach vieler 
ber Dispofition zutheilen müffen. Hieraus ergäbe fid) 
unter anderem bie bebeutjame Folgerung, daß durch äußere 
ornungsgemäße €egung ber bezeichneten Acte der objective 
Beſtand des Sacramentes gewahrt, b. D. das Sacrament 
durch Hinzutrist feiner wefentlihen Form, ber Abfolution 
vollzogen und von ber inneren, fubjectiven SSefdjaffenbeit 
jener Acte, ihrer größeren ober geringeren Wahrheit unb 


46 Oswalb, 


Intenſtvität, nicht die Realität oder Giltigkeit des Sacra⸗ 
mentes, ſondern blos deſſen fruchtbarer Empfang be⸗ 
rührt wird. Die Richtigkeit dieſer Folgerung vorausgeſetzt, 
muß die Anficht des Verfaſſers, (jo wir ihn anders reiht 
verftanven haben) mornadj in all ven Fällen, in welchen 
e$ ber Pönitent an der erforderlichen ethiſchen Dispofition 
mangeln läßt, das Sacrament gar nicht vollgogen wich, 
abgewiefen werben. (Roc mehr unter Vorausfekung ber 
feotiftiichen Auffaffung vom Weſen des SBuffacramentee.) 
Wir begnügen und damit, diefe Frage angeregt zu haben. 
Weiterhin glauben wir nod) bemerken zu müffen, daß eine 
tiefer eingehende SBefpredjung der eigentlichen Bebentung bes 
priefterlichen Abfolutionsactes oder wenn man will, der Func⸗ 
tion des abfolvirenden Priefters nicht gerade überflüffig ger 
wefen wäre. Daß dieſelbe nicht ald bloße Erflärung der von 
Gott unmittelbar ertheilten &ünbennadjla(fung zu faſſen ift, 
wird vom Verfaſſer nadjgemiefen ; allein wie im Acte ber 
Suͤndennachlaſſung göttliche und priefterliche (minifterielle) 
Thätigfeit concurriren und in welchem näheren Berbältnifie 
wir und demnach bie Abfolution zum Sündenerlaß zu benfen 
haben, darüber fehlt eine bentlidje und beftimmte Grflárung 
und laßt ver Berfafier feine Anfiht mehr nur errathen. 

Am meiften hat uns tie ebenfo grünbfidje als Licht 
volle Abhandlung über bie Eontrition unb Attrition 
befriedigt (6. 70—88). Insbefondere hat hier der Ber 
faffer überzeugend bargetban, daß der f. g. amor initialis 
(dieſer Sanfapfel der Altern Theologen) mit ter vom Triden⸗ 
tinum. geforderten Attrition ftet& mit pfychologifcher Noth⸗ 
toenblgfeit verbunden ijt. Es dürfte dieß wohl vie einzig 
richtige Löfung ber intricaten Brage fein. Dagegen fonnten 
mir und durchaus nicht befreunden mit der eigenthümlichen 


ble bogm. Lehre von ben DL. Cacramenten, ATI. 
vom Verfaſſer nachdrücklich verfochtenen Anficht, derzufolge 


das jurtébictionelle Moment am Bußſaeramente, der eigents 
fid) richterlihe Charakter desfelben nidjt fo faft in ver Ab⸗ 
folntion, als vielmehr in ber Erfennung und Aufleguug 
ber Satisfaction (föfern dieſe vindicativer Ratur ift) liegen 
fol. In ber Abfolution anerkennt ver Berfafler eigentlich 
und direct bloß einengnadenvermittelnden Act (Rad 
laß ber Sundenſchuld und ewigen Strafe); einen richten 
lichen Charakter hat nach ifm biefer Act nur inbireet, in» 
fofern nämlih, aíó ver Erlaß ber ewigen Strafe durch 
bie Tacramentale Abfolution regelmäßig unter Nefervation 
ber Verpflichtung zur Abtragung -zeitliher Strafen erfolgt, 
dann auch nad) feiner äußerlihen Seite, ſofern ble Abſo⸗ 
fution in Form einer richterlidhen . Sentenz ansgefprochen 
wird. (Vgl. befonteró €. 15 f. 97. 147. 161.) Das 
hienach das jurispictionele Moment außerhalb bed. Sacra⸗ 
menteó als folden zu ftehen fommt, fällt in bie Augen, 
und ber fBerfafjer hat bieje Conſequenz ſelbſt gezogen, 
wenn er C. 147 fagt: „Das Gacrament als Gnaden⸗ 
mittel. (die Abfolntion) verleiht bie Gnade, b. f. Bier, gibt 
ben Nachlaß ber Schuld; mit ber Strafe, auf melde fid) 
die facramentale Genngthuung bezieht (in. deren Auflegung 
bem SBemerften zufolge das eigentlich richtexrliche Moment 
des Bußfacramentes fid) ausſprechen fol) hat das Sacra⸗ 
ment als folded ... nicht zu thun.” Wir möchten {εὖτ 
zweifeln, ob diefe, übrigens vom Verfaſſer nicht überall 
feng. feftgebaltene unb durchgeführte Auffafjung, in ber 
bie sententia communis ber Theologen gerabezu auf bem 
Kopf geftelft ift, irgend Beifall finden werde ἢ). Insbe⸗ 
1) Der Berfaffer trifft hierin mit dem berühmten Arnauld zus 


jammen, beffen Anfit Betaviue (Theolog. dogmat. de poenit. 
lib. I. cap. 8) gewürbigt hat. Wir verweifen ber Kürze halber hierauf. 


— 


— 


476 | £e 

Sintenfivität, nid" —* großes Bedenken 
mentes, fonbe me, uͤbrigens nicht weiter, 
rührt wird. T pt "P, j,ribete Meinung von einer 
mu bie 9 m A tion bewirkten Um wand⸗ 


verftander 253 “4 Cinbenfivafen in zeitlide 
e$ ter ⸗ a p prmügen. Laͤßt man nümlid) tiefe 
nang —⸗ ,, p rite ebenbaumit bie priefterliche Abfos 
aba: » * ah nur mittelbar ober indirect ein juris» 
fc —* det er fein; fie wäre bieß nurmehr ihrer 
—* sad) und dieſe {εἰδῇ blos mehr katachreſtiſch 

jai μοί 9 gegen den Sinn unb Geift der tribentinifchen 

wn (vgl. sess. XIV. cap. 6 und cam. 9 de 


— zuletzt berührte Hypotheſe ſelbſt aber — denn 

jr als eine Hypotheſe iſt die Annahme einer Umwand⸗ 
jung der ewigen Sündenſtrafen in zeitliche durch die factas 
mentale Abſolution nicht — möchte auf ziemlich ſchwachen 
guͤßen ſtehen. Es klingt zwar [εὖτ ſchoͤn und geiſtreich, 
wenn ber Verfaſſer ©. 9 f. ausführt: „Fuͤr bie Kirche 
als communio sanctorum, in welcher Chriſti Werk an ben 
Einzemen andgeführt wird, ijt, fo fünnen wir und aue: 
brüden, die ewige Strafe ber Sünde ein für alle mal in 
eine zeitliche umgefegt; und daher aud) für bie: Mitglieder 
ber Kirche, fofern fie als lebenbige Gilebmafen am Orge 
nismus berjelben zu betrachten find; fie können nur nod 
eine zeitlich abgutragenbe Strafe vermirfen. Wir wollen 
fagen: ber getaufte Ehrift, wenn er [der fünbigt, vers 
wirft zwar, inbem er butdj bie Sünde aus vem lebendigen 
Verbande ber Kirche (id herausfeht, und fo die Aus 
firómung ber Kraft Ehrifti auf fein Thun gleihfam unter 
bindet, für fid in feiner inbipibuellen SBefonberfeit mit 


bie bogm. Lehre von deu DL Sacramenten. 678 


ber unenbliden Schuld and eine ewige Strafe, eben {Ὁ 
wie der lingetaufte allein fofern ex als Mitglien ber 
Kirche betrachtet wird, ift dieſe ewige Strafe vurch biefe 
Bidt völlig zerriffene Mitglienfchaft fofort de jure verend⸗ 
lit, und daher durch eine zeitliche Buße obec Glenugtlbunng 
in ver Site abtragbar. Da nun ber gefallene Chriß 
wegen ber Unaustilgbarkeit feines Taufcharafters Immer 
mod in einem, wenngleich momentan unterbrochenen,, ot» 
ganijdjen Berbande mit dem Gnadenleben ber Kirche bieibt, 
fo geſchieht εὖ, daß die verwirfte ewige Strafe aud) de facto 
für ihn in bie entfprechende zeitliche übergeht, wenn jene 
Störung gehoben, wenn jene im Taufcharakter wnau&s - 
löſchlich gejegte und nur momentan unterbrochene [ebenbige 
Berbindung mit Chrifto in der Kirche wiederhergeſtellt 
wird; und vie geſchieht beim Erlaß ber Sünde im Buß 
facrament.^ Man fann all das im. Allgemeinen zugeben, 
obwohl e$ uneublid) ſchwer halten dürfte, von der Verend⸗ 
lichung des (wenigfiens ber Daner nad) Unenplichen, over 
was dasſelbe ift, von bert Umſetzung ewiger Suündenſtrafen 
in ,ent[predenbe" ober, wie dieß jonfi and) ausgenrüdt 
wird, in „angemefjene” zeitliche fid einen klaren Begriff 
ju bilden. Aber hievon auch abgefehen, was nöthigt oder 
berechtigt zu der Annahme, daß bem nad) ber Taufe ger 
fallenen Eünder bie von. ihm verwirfte ewige Strafe εἰν 
laffen ober, wenn man will, commutirt, in eine nicht blos 
bem Maafe unb ber Dauer nach unenblid) vou ihr vete 
ſchiedene, fondern qualitativ andere umgewandelt werde — 
ohne jegliche eigene Satisfaction, lebiglid anf 
Grund ver Zurehnung ber Satisfaction Gfrifti? Der ein⸗ 
ige planfible Orunp, den man hiefür etwa anführen fünnte, 
wäre biejet, daß ter Pönitent ſchlechterdings außer Stand 


A79 * o Oewald, 


ſondere dürften Diejenigen ihm beizutreten großes Bedenken 
tragen, welche bie von ifm vertretene, übrigens nicht weiter, 
wenigftens nidjt genügend begründete Meinung von einer 
durch bie facramentale Abfolntion bewirlten Ummands 
tung der ewigen Sündenftrafen in zeitliche 
fd anzueignen nicht vermögen. Laͤßt man nümlid) biefe 
. Meinung fallen, fo τοῦτος ebenbamit bie priefterliche Abſo⸗ 
lutlon aufhören, aud nur mittelbar ober indirect ein juri» 
bictioneler Act zu fein; fie wäre bief nurmehr ihrer 
verbalen Form nach unb bieje {εἰδῇ blo8 mehr katachreſtiſch 
— gewiß gegen den Sinn unb Gift ber tripentinifchen 
Beitimmungen (vgl. sess. XIV. cap. 6 unb cam. 9 de 
poenit). ᾿Ξ 

Die zuletzt berührte Hypothefe jelbit aber — denn 
mehr aí8 eine Hypotheſe ift die Annahme einer Ummwands 
fung ber ewigen Sünbenftrafen in zeitliche burd) die facra; 
mentale Abfolution nicht — möchte auf ziemlih ſchwachen 
Süfen fteben. Es Elingt zwar feft [dn unb geiftreidh, 
wenn der Berfafler ©. 9 f. ausführt: ^ „Kür die Kirche 
old communio sanctorum, in welcher Chriſti Werk an ben 
Einzelnen andgeführt wird, ift, fo fónnen wir und au$; 
brüden, bie ewige Strafe der Sünde ein für alle mal in 
eine zeitliche umgefegt; und daher auch für bie Mitglieder 
der Kirche, fofern fie als [ebenbige Gliedmaßen am Orga» 
niómu$ berfelben zu betrachten find; fie können nur nod 
eine zeitlich abzutragende Strafe verwirken. Wir wollen 
fagen: bet getaufte Grit, wenn er ſchwer fündigt, vers 
wirft zwar, indem er durch bie Sünde aus vem lebendigen 
Berbanve ber Kirche (fi herausfept, unb fo die Auge 
ftrömung ber Kraft Ehrifti auf fein Thun gleidjjam unters 
bindet, für fid) in feiner inbipibuellen Befonverheit mit 


bie bogm. Lehre ton be BL. Sacramenten 679 


ber mendlichen Schuld aud) eine ewige Strafe, eben {Ὁ 
wie der Ungetaufte; allein fofern er als Mitglied vet 
Kirche betrachtet wird, ift dieſe ewige Strafe vurch biefe 
nicht völlig zerriſſene Mitgliedſchaft fofert de jure verend⸗ 
licht, und daher durch eine zeitliche Buße oder Genugikuung 
in der Kirche abtragbar. Da nun der gefallene Chriß 
wegen bet. Unaustilgbarkeit feines Taufcharakters immer 
nod i einem, wenngleid momentan unterbrochenen , ot 
ganifchen Verbande mit bem Ginabenleben ber Kirche bleibt, 
fo geichieht es, daß bie verwirfte ewige Strafe aud) de facto 
für ihn in die entfprechende zeitliche übergeht, wenn jene 
Störung gehoben, wenn jene im Taufcharakter wnaués - 
lójdjlid) gejegte unb nur momentan uuterbrodyene lebendige 
fBerbinbung mit Ehrifto in ber Kirche wiederhergeſtellt 
wird; und dieß gefchieht beim Erlaß der Sünde im Bußs 
facrament.^ Man fann al das im. Allgemeinen zugeben, 
obwohl εὖ unendlich ſchwer halten bürfte, von ber Verend⸗ 
lidung des (wenigftlenó ber Daner nad) Unendlichen, oder 
mas dasſelbe ii, von ber Umſetzung ewiger Sündenſtrafen 
in „entſprechende“ ober, wie dieß ſonſt and anégebrüdit 
wird, in ,angemefjene^ zeitlihe fid) einen klaren Begriff 
ju biben. Aber bievon auch abgefehen, was nöthigt ober 
bereihtigt zu der Annahme, baf bem nad) ber Taufe ger 
fallenen ۟nber bie von ihm verwirfte ewige Strafe ev 
laſſen ober, wenn man will, commutitt, in eine nicht blos 
bem Maaße. und ber Dauer nah unenvlih von ihr vet, 
ſchiedene, fonbern qualitativ andere umgewandelt werde — 
ohne jeglide eigene Satisfaction, [εὐἰρ ὦ anf 
Grund ver Zurechnung ber Satisfaction Chriſti? Der eim; 
age planfible Grunp, ben mon hiefür etwa anführen fünnte, 
wäre diefer, daß ver Pönitent fehlechterbings außer Stand 


480 ij : ^ ^ Onhal, 


fel, für bie Schuld und ewige Strafe in irgend einer Weiſe 
genugzuthun. Allein biefe Behauptung — fie ift ble des 
Verfaſſers — fiheint uns fürs erfte nicht gehörig begrünbet, 
fofern fie neben ber Unendlichkeit ver Sündenfchuld und 
ewigen Strafe den unenbliden Charakter einer in bie 
Satisfaction Ehrifti aufgenommenen menfchlihen Satis⸗ 
faction außer Acht läßt, unb flieht fürs zweite in. einem 
ſchwer auszugleichenden SBiberfprude mit der altkirchlichen 
Anſchauung, welche faut ber von Morinus in feinem be 
kannten klaſſiſchen Werke über die alte Bußdisciplin in 
großer Anzahl aufammengeftellten Bätergeugniffen eine Satis⸗ 
faction audj pro culpa et poena aeterna, ja vorjugémeife 
hiefür anerfannt, begiehungswelfe gefordert unb bie 916: 
baßung ver zeitlihen Suͤndenſtrafen in dieſe miteinbe- 
griffen hat '), Unterliegt e8 nun allerdings keinem Zweifel, 
baf die Gatiéfactionen nach der gegenwärtigen Praris fid) 
6108 auf tie reftirenven zeitlichen Strafen beziehen, fo wird 
man die anfcheinend bogmatifhe Differenz zwiſchen ber 
älteren und ber fpäteren Bußpraris kaum anderd aus 
gleichen fónnen als dur die Annahme, taf die Kirche 
nunmehr bie Dispofitionsacte des Pönitenten, fpeciell tie 
Acte der Rene, der Selbfivervemüthigung im Günbenbes 
fenntnifje, den ernften, tfatfráftigen Entſchluß, durch ein 
bußfertiges Leben die göttliche Gerechtigkeit gu verföhnen, 
als noch genügenbe Satisfacion für die Schuld unb 
ewige Strafe der Sünde betrachtet, währenn vie Kirche 
der alten Zeit noch auferbem eine Reihe von SBufacten, 
in denen die Bußgefinnung fid) auszuwirken unb zu erproben 


1) J. Morini Commentar. histor. de disciplina in — 
sacram. Poenit. Lib. III. cap. 11 sq. 


ble bogm. Lehre von ben Hi. Sacramenten. 481 


batte, zu bem bezeichneten Zwede geforbert Bat. Wuͤrde 
es fid biemit alfo verhalten, jo lenchtete ein, taf durch 
die facramentale Abfolution nicht eine Verwandlung, fondern 
einfacher Erlaß ver ewigen Eündenftrafe bewirkt τοῦτος 
and, die in ber Negel reftirenpen zeitlichen Strafen nur 
als folhe zu betrachten wären, welche neben bet ewigen 
ſtets im Gefolge ber (Tod) Sünde find. Wir müjfen 
unó hier mit dieſen freilich unzulaͤnglichen Andeutungen 
begmügen. — | ! 

€. 161—170 be[prid)t der Verf. bie Frage über ie 
Zuläffigfeit der Spenbung des SSugjacramenteó in ber 
bingter Form. Da diefe Frage von großer practifcher 
Bedeutung ift, fo mag εὖ von Intereſſe fein, fein Urtheil 
hierüber zu vernehmen. Nachdem er voransgeihidt, δ 
es fidj blos um eine conditio de praeterito oder de prae» 
genti, nicht aber de futuro handeln fónne, was aud) all 
‚gemein zugegeben wird, bemerft er weiter, daß, bie Dring- 
lichkeit des Saframenis-Empfanges vorausgeſetzt, das ber 
‚gründete und augenb(idíid) nicht zu Debenbe Bedenken (denn 
nur ein ſolches fann bier in Betracht fommen) fid) emt 
weder darauf beziehen fónne, „ob der Pönitent zum Em 
pfang des Bußfarramentes überhaupt (gleihfam) pb jid 
tüdtig unb qualificirt (0b 4. Ὁ. getauft, nicht ſchon ab 
foloirt und dgl.), ober aber, ob er in ber gehörigen jltt 
[iden Berfaffung (Cetbijfen Dispofition) fei.” Im 
ergen Salle kann bie Zuläffigfeit der bebingten Worm (si 
capax es) nicht wohl in Frage geftellt werden. Schwieriger 
ift dagegen allerdings die Entſcheidung in dem zweiten 
Salle. Während eine bevingnißweife Spenvung bed Sauf 
facramenteó, jo etiva argumentirt der Berfafler, auf Grund 
eines gegen vie etbijdbe Dispofition des Taͤuflings obs 


488 Oswald, 


waltenden und nicht zu beſeitigenden Bedenkens deßhalb 
unſtatthaft wäre, weil die Indispoſition des Empfängers 
das Sacrament ſelbſt nicht völlig irritirt, ja ſelbſt bie 
ſacramentale Gnade in Folge des Charakters fpäterhin 
aufleben fann; fo wird dagegen das SBuffacrament durch 
die Indispoſition des Empfängers, ſofern dieſer mit feiner 
Dispofition die (Quaſi) Materie des Sacramentes iſt, 
geradezu invalidirt. „Der Zweifel an feiner Dispoſition 
wäre daher bem Bedenken glei zn achten, ob die Flüſſig⸗ 
feit, mit weldjer getauft werden foll, wirkliches und natürs 
ches Wafler {εἰ oder nicht.” Durch eine unbebingte 
Abſolution füme fomit das Sarrament in Gefahr, null 
und nichtig zu fein, und erfcheine babet vie Suláfftgfeit 
der bevingten Form „plaufibel®. Wir fönnen uns, bem 
oben DBemerkten zufolge, vie Praͤmiſſe des Schluſſes nicht 
aneignen und eben barum and) richt vie Folgerung. Die 
aber aud aud einem anderen, formellen Grunde nicht. 
Die dei einer abfoluten €penbung eintretende Gefahr einer 
Irritirung des Eacramentes kann naͤmlich als Beweis⸗ 
grund für tie Zulaäſſigkeit der bebingten Spendung nur 
geltend gemacht werben, nachdem bec Beweis geführt if, 
baf durch Anwendung ber forma conditionata diefe Gefahr 
befeitigt wird, nadjbem Das Bedenken gehoben, eb nicht 
diefe Form das Sacrament in jenem Falle, alfo audj 
in dem der wirklichen Dispofttion des Empfängers, inva⸗ 
lidire, nachdem mit einem Worte bie Suláffigfeit berfelben 
fdjon anderweitig erwiefen iſt. Indeß der Berfafier erflärt 
fid ſchließlich felbft für die gegentheilige Annahme. „Die 
Kiche fpenbet vie &acramente nur minifteriel. Ihre Or- 
gane fónnen bafer bie facramentalen Gnaden nit er⸗ 
theilen einfadj vurh Willenserklärung, fonbert nım 





bie bogm. Lehre von ben Hl. GCacramenten. 483 


unter Qanbfabung ber von Chriſte angeord 
neten faccamentalen.Seidjen. Es muß baber bei 
Grtfellung der facramentalen Gnaben auf Seiten des firdy 
liden Spenders ein actus ministerialis concuvriven. Diefeg 
it bei ber Buße die Abfolution in forma judicii. Die 
Sacramentehandlung ift bier vidterlidelction (D); 
eine [olde ift aber... mit binguge[ügter SBebingung unzu⸗ 
tráglid. Dentlicher mit andern Worten. (δ gehört innen 
ih und wefjentlid zur Verwaltung des Bußfacramente, 
baB der Bußpriefter nad) feiner beften. Einfiht urtheile 
über bie ethifche Dispofttion des Pönitenten, ebenfo weſent⸗ 
ὦ wie bel ber Taufe, baf er Waſſer aufglefe: das Urs, 
tbeil ift bier ble Sacramentshandlung. Wem er 
alfo ... urtheilen und ent[djeiben fol, fo darf er nicht bie 
Entſcheidung Gott anheimgeben wollen, wie das bie hin⸗ 
zugefügte Bedingung (si dispositus es) mir zu tbun fdeint. .. 
Dagegen gehört e8 nift innerlich zum Sacramente (zu 
femer Berwaltung), über die fonftige, nicht⸗ethiſche Dies 
pofition bes Pönitenten zu urtbel(en. Mir. Scheint tief 
Gegenargument entjcheidend.” Dem Referenten ebenfo. 
Eine richterliche Sentenz — und bieg ift bie jacramentale 
Abſolution — hört auf dieß zu fein, fobalb ifr.eine ihr 
wefentliches Object, ihre eigentliche SBaft& berührende Bes 
dingung. beigegeben wird. Die Erklärung eines weltlichen 
Richters: Ich fprede dich los, wenn tu ſchuldlos bif 
oder bein Vergeben bereneft, mag eiften Sinn haben, aber 
eine richterlihe Sentenz iſt (le nicht. — 

Sehr einläßlih, gründlih und Far finden wir bie 
Lehre vom Ablaſſe abgehandelt (€. 183 242), Wenn 
aud nicht zu erwarten fieht, bag alle Urtheile des Ver 
fafjers in tiefer. falebvojen Materie allgemeinen Anklang 


484 ^^ — * Ofwafb, 


finden werden, wenn inóbefoubere ble S. 198 ff. Anm. 
entwidelte Anficht, tag die Abläffe zunächft und unmittel- 
bar aus den Verdienſten der Heiligen gefhöpft werben 
and. die Satisfaction Ehrifti, wur foferm fie Princip jener 
ift, auf ben f. g. thesaurus ecclesiae inffuite, auf viel: 
fachen Wiverfpruch ftofen und die bem Theologen, naments 
lid dem Dogmatifer ungemofinte, der höheren Winanjpolitit 
abgelaufchte Ausprudsweife (vgl. befonders ©. 198 f.) bem 
einen und anderen Leſer etwas anftößig erfcheinen dürfte; 
fo wird man gleichwohl feimen Anftand nehmen, in der 
betreffenden Erpofttion einen danfenswerthen Beitrag zur 
tieferen Grfaffung und Berftändigung über blejen ſchwie⸗ 
tigen Lehrpunft anzuerkennen. 

Die Darftelung der 3 nod) übrigen Saframente an⸗ 
langen», befdtünfen wir und auf einige kurze Bemerkungen. 
Dem Trapditionsbeweis für ble Realität des Gacramenteé 
ber b. Delung hätte unferes Erachtens größere Gorg; 
Salt zugewendet werben follen, als bie ſeitens des Ber- 
faffers gefchehen ift (S. 252 f). Die gewöhnlich alle 
Hirten Väterftellen lauten befanntlid febr unbeftimint, fo 
namentlich die aus Origenes und Chryfoftomus angezogenen, 
in denen zunaͤchſt nidyt das Gacrament ber. franfenófung, 
fondern das Bußfacrament inbicitt fdeint; felbft die bes 
fannte Aeußerung des Papftes Innocenz I. (ep. ad Decent. 
c, 8.) bebarf, um beweisfräftig zu erfcheinen, einer ges 
naneren: Erklärung. Um fo befrieblgenber ift dagegen bie 
Abhandlung über Weſen und Wirkungen dieſes Sacra⸗ 
wented (€. 254— 275). Inshefondere dürfte ble Ausfüh- 
vung des Verfaffers über bie Frage, inwiefern die Bl. Oelung 
Sarrament des Sündenerlafjes fei, aller Beachtung werth 
fen. Sie ift tiep — um das ‚Ergebniß feiner bierauf 


4 


die bogm. Lehre von ben hl. Sacramenten. 485. 


bezüglichen Unterfuchung fury anzugeben — einmal (jedoch 
blog mittelbar) infofern als durch fie tie f. g. lleberrefte 
ber Sünden (worunter fündhafte Gewohnheiten unb das 
mit verbundene Schwäche des Willens zum Guten, fittliche 
Stumpfheit und Ohnmacht zu verftehen) getilgt, weiterhin 
läßliche Sünden, endlich felbft Todſünden, diefe jedoch nur 
in dem Falle erlafien werben, daß ber Gterbenbe das 
Bußfarrament ohne eigene Schuld nicht empfangen fonnte 
und menigftens attritus ift. Wir zweifeln nicht, daß viele 
Auffafjung dem Sinne der Kirchenlehre entſpreche. Auch 
was die leiblide Wirkung dieſes Sacramentes betrifft, 
ftimmen wir bem Berfaffer bei, wenn er (©. 268) erflärt: 
„Die Genefung des Kranken butd) die bl. Oelung ift aller 
dinge Wirfung des Sacramentes; infofern aber das: Sa, 
cament überhaupt als wirkſames Zeichen ver geiftigen 
Gnade definirt wird, werden wir fagen müjjen, fie ift 
Wirkung des Sacramentes nit als ſolchen, fonbern 
eines ungertrennlid) mit dem eigentlichen Sacramente vers 
bundenen Sacramentales.“ Hierauf ſcheint aud) [don 
der römische Katehismus hinzudenten, wenn er ben häufigen - 
Nichteintritt diefer Heildwirfung mitunter als Folge vet 
fides infirmior auf Seite des Empfängerd oder auch des 
Ausfpenvers erflärt. (Pars II. cap. VI. quaest. 14.) Aber 
eben deßhalb follte man fid, glauben wir, ber hieraus 
fid ergebenden Folgerung nicht entziehen, nämlich, die „Uns 
fehlbarkeit“ des in Stebe ftehenven Effects der Delung 
nidt allein von ber Sebingung feiner Heildzuträglich- 
feit abhängig machen. 

Die beiden Tractate über ben Ordo und die Ehe, 
insbefondere ber leßtere, zeichnen fid) durch eine forgfältige 
Behandlung des bogmati(djen Stoffes aus unb bieten neben 

Theol. Quartalſchrift. 1857. Ill. Heft. 32 


486 — Chateaubriand, 


manchen wohl etwas zu kuͤhnen Behauptungen nicht wenige 
feine und geiftvolle Gebanfen und Bemerkungen, hinficht- 
fid) deren wir ben Leſer an das Werk felbft verweifen 
müfjen. Den Schluß des Ganzen bildet ein ausführliches 
Sachregiſter. | 

Lic. Hitzfelder. 


6. 


Der Geiſt des Chriſtenthums von f. X. Chateaubriand, 
überfegt von Dr. 3. $. Schneller, weil. Profeffor ber 
PHilofophte an der Univerſitaͤt Freiburg. Zweite ber 
richtigte und vervolftändigte Auflage, beforgt von Dr. 3. 
König, Profefior ber Theologie an ber Univerfität Stel» 
burg. Brelburg im Brelögau. Br. Wagner’fche Buch⸗ 
handlung. 1857, Preis beider Bände 4-fl. 


Wie man auch immer im Einzelnen über den „Geift 
bes Chriſtenthums“ von Chateaubriand urtheilen mag, εὖ 
bleibt gewiß, daß es eines ber merkwürbigften Bücher 
unjereó Jahrhunderts ift. Es erfchien, um mit ben Worten 
bes Serfafferó zu reben, zu einer Zeit, als Frankreich eben 
bem revolutionären Chaos zu entfteigen im Begriffe war 
(1802), und menn es in ber That viefem tief zerrütteten 
Lande gelang, mieber in bie Geleife einer hriftlihen Ord⸗ 
nung zurüdzufehren, fo darf unter ben Factoren, bie zu 
dieſem fegensvollen Refultate mitgewirkt, gewiß eben ble 
genannte Schrift nicht überfehen werben, meldje in genialer 
Weiſe fid) ber Aufgabe entfebigte, für das Gfriftentbum 
und bie Kirche in den weiteften Kreiſen wieder Liebe unb 
Gehorfam zu ermeden, Der Cpott war es vorzüglich ges 





' ber. Geift des Chriſtenihums. 487 


weſen, burdj ben bie Enchelopädiften bieje Liebe aus bem 
Herzen eines Volkes geriffen, bei bem εὖ nichts Berhängniß- 
volleres gibt, ald lächerlich zu werden; barum fchlug aud) 
Chateaubriand in feinen apologetifhen Bemühungen für 
ble hriftliche Religion nicht den alten Weg ein, in ftreng 
wifjenfchaftlicher Deduction ihre Wahrheit zu beweifen ; 
den Spott galt e8 vor Allem niederzufchlagen; und Das 
fonnte er burdy Nichts fo gut erreichen, ald wenn es ihm 
gelang, burdy eine lebendige und wahre Schilderung ber 
Kirche und ihres Weſens den Hohn verftummen zu machen 
und bie Gemüther wieder mit Ehrfurdt und Bewunderung 
zu erfüllen ; ben Schwächen gegenüber, bie man bem Ehriftens 
thum angebidytet hatte, ober bie body nur wie verfdyminbenbe 
Punkte den Gíang feiner ixdifchen Erſcheinung  beffedten, 
mußte e8 als Aufgabe erjcheinen, die ewige Schönheit 
feiner Dogmen, feiner Moral und feines (δε πὸ, ſowie 
bie großartigen SSerbieníte, die εὖ in feinem Gang durch 


.. Pie Jahrhunderte fid) um die SRenjdjbeit erworben, ind 


Licht zu fegen. Chateaubriand Dat aber nicht bloß mit 
bem richtigen Blid des Genies fid) fein Thema aljo formu- 
lirt, er bat dasſelbe aud) in meifterhafter Weife durchge⸗ 
führt, unterftügt, wie er war, von einer. fhwunghaften 
Phantaſie, einem feinen Gefühl für das Schöne unb einer 
großen Gemanbtfeit, feine Bilder wie feine Empfindungen . 
in das Gewand einer glänzenden, oft hinreißenden Sprache 
zu fleiben. Unter ſolchen Umftänven konnte bem Bud, ber 
Erfolg nicht fehlen, unb in ber That war es zum großen 
Theil ibm zu danken, wenn bie öffentliche Meinung all; 
mählig vollfommen umſchlug. Der Glaube wagte εὖ wieder 
ungefcheut an das Tageslicht hervorzutreten, feidem ber - 
Schatten Voltaire vor ben enthüllten Herrlichfeiten ver 
32 ἢ 





488 Gfateaubrtanb , 


Kirche fid verfrochen hatte: vie Sceptifer ſchwiegen ober 
befebrteu fid), man drängte fid) wieder in dad Haus Gottes, 
unb war eó aud) eine Fleine Eitelfeit von Chateaubriand, 
wenn er fid) in fpäteren Tagen in bem Gebanfen ge 
fiel, daß er der welterobernde Napoleon in dem Gebiete 
des Geiftes gemejen fei, fo glauben wir body nicht zu weit 
zu gehen, wenn wir nad einer Richtung Gfateaubrianb 
neben Napoleon fielen, wenn wir bem Geift des Chriſten⸗ 
thums eine annähernde SBebeutung wie dem Goncorbate 
des erften Conſuls vindiciren, ja wenn wir bie Behauptung 
aufftellen, daß diefer große Staatsact vielleicht unausführ⸗ 
bar gewejen wäre, wenn nidt Gfateaubrianb der öffent 
fiden Meinung einen’ fo gewaltigen Impuld zu Gunften 
des Gbriftentbumé gegeben hätte. Bonaparte fal aud 
das Gr(djeinen des Buchs mit ver lebhafteften Befriedigung, 
und als bie Academie, wie Gf. erzählt, Anſtand nahm, 
vasfelbe unter den Werfen zu nennen, welde auf ben 
Preis des Jahrzehntes Anfpruc machen fonnten, fo erhielt 
fie vom erften Gonjul ven Befehl, über das Werk eigenen 
Bericht zu erftatten, und Napoleon nahm fid ernftlidh vor, 
bem geifteihen Schriftfteller feine Protection zuzuwenden, 
nadjem er bie Gunft feiner hochſinnigen unb religiófen 
Schweſter Elifabeth fdjon länger genojjen hatte. Bonaparte 
geftattete fogar, daß bie zweite Auflage des „Geiſtes des 
Ehriftenthums,” die fdon im April 1803 erfhien, ibm ge 
widmet wurde. „Fahren Cie fort, fchrieb damals Ch. an 
den erften Gonful, die fdügente Hand auszuftreden über 
dreißig Millionen Ehriften, welche für fie beten am Fuße. 
bet Altäre, deren 9Bieberaufridjtung man Ihnen verdankt.” 
Eine 9lengerung, die Napoleon zu einer ganz andern Zeit 
und in einer ganz andern Stimmung that, beweist nicht 


der Geift des Ghriftenthums. 489 


minder, welche Bedeutung er bem Buche beimaß. Ch. er: 
zählt uns, daß berfebe in bem Augenblid feines Sturzes 
ben Geift des Chriftenthums für das Buch erklärt habe, 
befjen Beröffentlihung am Meiften feiner Macht ſchaͤdlich 
gemejen fel. Breilih mag er bei tiefer Bemerkung weniger 
an den Einfluß diefer Schrift zu Gunften. der religiöfen, 
al8 vielmehr der politifhen Reftauration gedacht haben; 
denn Eh. war in ber That einer jener Iegitimiftifchen Geifter, 
bie fid) das Kreuz in Frankreich nicht ohne die Lilien benfen 
fönnen, unb wie er felbft fagte, atfmete fein Buch bei aller 
religiöfen Tendenz doch zugleich die ganze alte Monarchie; bet 
red)tmáfige Erbe ftanb fo zu fagen verborgen im Hinter 
grund des Heiligthums, deſſen Vorhang er lüftete, und 
über bem Altare des Gottes des DL. Ludwig ſchwebte 
auch bie Krone des hi. Ludwig. — Indeß nidt nur Nas 
poleon urtheilte fo über bie Bedeutung unſeres Buches ; 
überall, wo man an ber Wieverherftellung eines chriftlichen 
Lebens arbeitete, zollte man bemfelben die wärmfte ner: 
fennung; bie Kanzel felbft ertönte von Ausſprüchen des 
geiftreichen Apologeten. Aber gerade was die Anerkennung 
und "die Dankbarkeit von Seite der Gläubigen und der 
Priefterfchaft betrifft, fo beklagte fid) Gb. fpäter zum 
öftern, .baf biefelbe feinen langen Beftand gehabt habe. 
Napoleon war geftürgt und die Zeiten der Reftauration 
begannen. In raſchem Auffhwung, wenn aud) nicht in 
Golge übertriebener Anftrengungen der, neuen 9tegirung, 
erhofte fid) ble franzöfiihe Kirche. „Neue Gefchlechter ents 
fanden, um Gf. felbft reden zn laffen, unb eine alte Welt, 
welche aus Franfreid verbannt war, fehrte dorthin zurüd. 
Diefe Welt genof tle Frucht von Arbeiten, welche Andere 
als fie vollbracht, und wußte nicht, was fie gefoftet hatten, 


490 Gfateaubrianb , 


Bald empfand man fogar eine Art Abneigung gegen bens 
jenigen, ber indem er bie evangeliihe Mäßigung ptebigte, 
die Pforte der Tempel wieder eröffnet, gegen den, der das 
Chriſten thum um der Schönheit feines Guítuó, um bes 
Genies feiner Redner, um der Wifjenfchaft feiner Gelehrten, 
um ber Tugenden feiner Apoftel und feiner Jünger willen 
lieben zu lehren gedacht hatte. Ich weiß nicht, wie εὖ 
fommt, daß die Dienfte, bie id) zu leiften das Glück hatte, 
mit bei denen, denen ich fie geleiftet, fetten Wohlmwollen 
verdient, während dagegen bie Männer, vie id) ftetó bes 
fámpfte, Neigung für meine €driften und fogar für meine 
Perſon zeigten; nicht meine Weinbe find es, bie mich vers 
[eumbet haben.” Ch. gibt aud) den näheren Grund ber 
Umnzufrievenheit an, die man ihm gegenüber merfen ließ. 
„Er hätte weiter gehen follen," warf man ihm vor. Aber 
er eriwiedert: In meinem Gewifjen konnte ἰῷ das nicht... 
Man hätte umgefehrt befjer getban, meint ver Ange: 
griffene, wenn man den von ifm vorgezeichneten Weg, ber 
Religion ihren heilfamen Einfluß zurüdznerobern, aud 
fortan feftgehalten hätte. Eingehend auf ben Geift unferer 
SInftitutionen, einbringenb in das PVerftänpniß des Jahr⸗ 
hunderts, die Tugenden des Glaubens turd) jene der Liebe 
máfigenb, wäre man ſicher zum Ziel gefommen. Man’ 
. lebe in einer Zeit, die viel Nachſicht und Schonung bebürfe. 
Bon ber einfachen Forderung an das Deranmadjfenbe Ges 
Ihleht, unter das Joch des Glaubens feinen Rüden zu 
beugen, fei Alles zu fürchten... 

Mer follte in ben geichilverten Vorkommniſſen, in ben 
Klagen von ber einen und von ber andern Seite nicht Dinge 
erkennen, die aud) anderwärtd erlebt worden find? Wie manig- 
fad) mußten [don Männer, die in Zeiten be$ Uebergangs die 


der Geiſt des Chriftenthums, 491 


Fahne des Glaubens unb ber Firchlichfeit aus dem Staube 
gehoben und das Geflecht von Neuem um das faft vers 
gefiene Panier gefammelt hatten, die Erfahrung machen, 
daß bie Bewegung, die von ihnen begonnen worben, bald 
über jenes Maaß hinausschritt, welches fie gerne verfelben 
gefegt hätten! Aber biefe8 Hinausfchreiten mag gar leicht 
eine einfadje Nothwendigkeit fein; denn find einmal die 
PBrineipien einer Anſchaung geltend gemadjt, dann fann 
feine Gewalt, felbft nicht die Ehrfurcht, ble man bem Vers 
dienfte ſchuldig iſt, es hindern, daß jene Principien alle 
ihre Conſequenzen, bis zu der geringſten hinunter aus ſich 
entwickeln. Das erzeugt dann leicht auf jener Seite eine 
Stimmung, in der man fid) oft übermäßig empfindlich zeigt. 
Aehnlich ſcheint es bei Eh. gegangen zu fein. Denn fo Bod) 
wir von feinem Werfe benfen, fo [áugnen wir bod) nicht, daß 
er, um. baé Ehriftenthum feiner Zeit mundgerecht zu machen, 
nidt nur bie Sybee desfelben etwas zu allgemein unb zu 
veridjmommen hielt, fondern auch wirklich in bem einen - 
ober andern Punkt ſich incorrect. ausdrückte. Wir erinnern 
4 9B. an bie Abhandlung über die Volksandachten; aud) 
bie Aenßerung, die wir oben angeführt, ta ble Tugenden 
des Glaubens durch die ber Liebe gemäßigt werben follen, 
wird jeder verfänglich finden. Bei diefem Sachverhalt fann 
ἐδ nicht Wunder nehmen, wenn Gf., ber burdauód bei 
feinem Buche ftehen bleiben wollte, mit ber gläubigen 
Richtung in manigfade Spannungen gerietb, und mir 
benfen und dabei die Schuld mejfentlid auf feiner Seite, 
Freilih darf man babet nicht überfehen, daß bei bem natüts 
lien Zug des menfdjiden Gemüthes zur linbanfbarfeit 
oft das Unzulängliche an bem Gtanbpunft eines verdienten 
Mannes im einer Weife hervorgehoben wird, welde bie 


492 Chateaubriand 


demſelben ſchuldige Pietat verletzt; und was noch — 
wiegt, gar häufig wird aud) als wahre und nothwendige 
Gonfequeng des kirchlichen Principe etwas ausgegeben, 
was das nicht ifi; unb wo man fid Insbefonbere bie 
Entwidlung bet firhlihen Gefinnung unter den Menfchen 
in unbereditigter Weife ald einen unenbliden Proceß 

-vorftellt, da wird man fehr leicht in tie Irrung verfallen, 

dasjenige, moburd) fid) vielleicht eine etwas ältere Genes 
ration von ber jüngern unterſcheidet, auch wenn ed nod 
fo unmefentlid) ift, als das relatio noch Unfirchlihe an ihr 
zu charafterifiren, und Nuancen, bie neben ber Haupſache 
verichwinden, zu eigentlichen jo genannten „Richtungen“ 
zu erweitern und zu vertiefen. 

Wir koͤnnen nicht beurtheilen, inwieweit Ch. auch nad 
blefer Richtung hin Erfahrungen gemacht hat. Jedenfalls 
aber bleibt fein Buch famt Allem, was e8 Gutes geleiftet 
und Schlimmes erfahren, für den Freund ber Kirchenge⸗ 
ſchichte Außerft interefjant. — Es fei ung indeſſen erlaubt, 
aud) ben bleibenden Werth des Buches mit einigen Worten - 
nod ausbrüdlich feftzuftellen. Schon aus unferer ganzen 
Darftelung geht e hervor, daß das Interefje, welches das 
Bud, einflößt, Fein lediglich hiftorisches fein fann, unb in 
bet That möchten wir insbefondere hier die Wahrheit zur 
Anerkennung bringen, daß bie Art und θεῖε, wie Gf. 
das Chriſtenthum vertheidigt, im Allgemeinen "eine voll, 
fommen unb fchledhthin berechtigte ift. Wohl muß die 
Apologetit als fórmlide Wiſſenſchaſt auf einem andern 
Grund auferbaut werben; fie hat e zunächft mit ber Date 
ftellung ber ben BVerftand ‚bewegenden und überzeugenden 
moliva credibilitatis zu thun; aud) in individuo wird ber 
SBrocef, in welchem der Ungläubige zum Glauben fommt, der 


ber Geiſt des Chriſtenthums. 493 


Gläubige bie eingegoffene theologifche Tugend zum perfóne 
lichen Befisthum erhebt, ftetó mit einer vernünftigen 
Erwägung beginnen ober doch in eine jolde auslaufen. 
Aber große Thorheit ift εὖ, barum der Anficht zu Dulvigen, 
bie praftifhen Bemühungen zu Gunften des Glaubenó 
müßten immer unb überall von jenem Punfte ausgehen 
unb gar dabei ftehen bleiben. Dieß gilt weder von der. 
Kanzel nod) von einem Buch, wie der Gift des Chriſten⸗ 
thums. Ein tieferer Ginblid in die Schönheit und das 
Tröſtliche der chriftlichen Religion ober irgend einer ihrer 
lebungen ift εὖ [don oft gewefen, was unter Mitwirfung —- 
ber göttlihen Gnade ben erften Anftoß zu jener innern 
religiöfen Entwidlung gegeben, und wir find lebhaft übers 
zeugt, daß felbft denen gegenüber, die jene Enwicklung 
längft durchgemacht, in ber Predigt hin und wieder, ohne 
jede weitere Abficht, ben tiefen Sinn unb die Herrlichfeiten 
des chriftlichen Glaubens zu enthüllen, fange nicht fo un: 
practifch ift, al8 man oft glaubt. Eine foldhe Predigt wird 
In ihrer Art ftetó dazu beitragen, jene übernatürliche ges 
heimnißvolle Triebfraft in den Gemüthern zu nähren, vie 
tod) allein das ganze praftifche Chriftenthum eines Jeden 
in Blüthe erhält. Ch. fann in tiefer Beziehung immer - 
nod) mit vielem 9tugen gelefen werben, wenn auch Manches 
an feinen Ausführungen unjerem Geſchmack nicht mehr 
zufagt. — Anderes anlangenb, was ebenfalls von bleibendem 
Werth an bem Buche ift, jo machen wir nur nod) auf die 
Darftelung aufmerffam, in welder er den Einfluß des 
Gbriftentbumé auf bie Poefte fdilbert. Sie ift reih an 
ben. herrlichften Schönheiten; und mag aud) das eine over 
andere ihrer Urtheile veraltet fein, wir glauben immer» 
bin behaupten zu dürfen, daß eine Wefthetif oom chrift- 


494 ' Ghateaubriand, 


lichen Ctanbpünft απὸ febr Vieles daraus lernen fónnnte. 

Unter fofden Umftänven fónnen wir e$ an ſich nur 
danfend anerfennen, daß die 9Bagner'fde Buchhandlung vie 
von Schneller beforgte Ueberſetzung des Geiſtes des Chriſten⸗ 
tbumé in einer von H. Dr. König berichtigten und vervoll- 
ftändigten Auflage Bat wieder erfcheinen laſſen. Zu unferem 
Bedanern find wir aber nicht in ber Lage, bie Ueberfegung 
ſelbſt im ihrer revidirten Geſtalt Toben zu können. Wir 
wollen nicht leugnen, daß die llebertragung eines berartigen- 
Werkes ihre große Schwierigkeiten hat, aud) geben wir 
gerne zu, daß es auf Ceite ber llebertragenben nicht an 
jeglicher Geſchicklichkeit fehlte, dieſe Schwierigfeiten zu über- 
winden. Das Alles aber fann und nicht abhalten, εὖ 
anszufprehen, daß bie und -vorliegende Ueberfegung dem 
Driginal feine Ehre madt. Für's Grfte hat biefelbe ben 
franzöfiihen Typus in einer ganz unguläßigen 9Beije bei, 
behalten, und es dürfte wenig Seiten geben, auf denen nicht 
Ausorüde und Wendungen vorfämen, bie für das deutfche 
Ohr unausftehlih Flingen. “Der unangenehme Eindrud, 
ben das hervorbringen muß, wirb nod) erhöht durch einen 
entgegengefegten Fehler, an dem die Ueberfegung leidet, durch 
ben Purismus námlidj, mit vem oft in geſchmackloſeſter Weiſe 
ein fremdes Wort vermieden und verdeutfcht wird (3. 99. 99. II. 
p. 164: Frankreichs neuefte Dichtung über die Trümmer). 
Noch. viel Schlimmer aber ift e8, daß ber Sinn des Textes 
oft nur ganz annähernd getroffen und fchielend wiedergegeben 
wird. Wir fónnten mit einer ganzen Blumenlefe derartiger 
Stellen dienen. — (S8 würde das aber zu weit führen, um fo 
mehr, da εὖ nothwendig wäre, ganze Paſſus bet Ueberfegung 
nad) diefer Richtung hin Fritifch zu beleuchten. Und was 
fol man vollends fagen zu Fehlern, wie bie folgenden find; 


ber Geift des Chriſtenthums. 495 


3.1. €. 20 heißt es: „Glück genug für das Alter, menn 
bie Geheimniffe des Lebens enden, aber jene beó Todes 
beginnen” πα: „zum Glück für das Alter beginnen, 
wenn bie Gebeimnifje bed Lebens enden, die des Todes ^ 
auf ber nämlihen Seite lefen wir; „Zu welder Willen: 
[daft gelangt man alle Zeit?” ftatt tag es etwa heißen 
ſollte: „Zu welder Wiffenfhaft fert man immer unb 
immer wieder zurück“ ©. 228 lefen wir ftatt: „eine 
Sprache, deren Weſen und Geift in ihren Barbarismen 
liegt” „eine Sprache, deren Barbariömen allein gelten 
müfjen für Confequenz und Genie." B. IL p. 34 ftebt: ftatt 
bie eracen Wiflenichaften: die unbezweifelten Wiſſen⸗ 
fdaften. — Das find offenbar Verſtöße — und wir 
fönnten nod mand dazu fügen —, bie eine ernfte Rüge 
verdienen. Auch llebereilungen hat die lleberfegung, bie 
weit über dad Gewöhnlidhe gehen; wir wollen nur zwei 
anführen: 5B. IL p. 26 wird l'antre de l'ancienne Sibylle 
überfegt mit: ber Eingang der alten Sibylle; p. 93 heißt 
e$ von Boſſuet, al Geſchichtſchreiber: an tauſend Orten 
erfcheint er auf einmal; Erzvater unter dem’ Palmbaum 
ber Apoftel ... (sous le palmier de Tophel). — Wir 
fónnen nidt umhin, Seren Dr. König zu bemerfen, baf 
nad) unferer Anficht größere Vorficht von Nöthen ift, wenn 
εὖ gilt, einen Philofophen zu berichtigen. | 


Repetent Rudgaber. 


496 | Feßler, 


7. 


Geſchichte der Kirche Chriſti, als Religionslehrbuch zum 
Gebrauch für das Ober⸗Gymnaſium bearbeitet von Dr. 3of. 
Feßler, t. f. Goffaplan unb Profeffor ber Kirchengeſchichte 
(jet des Kirchenrecht) an ber Univerfität zu Wien. rud 
und Verlag von M. Auer. Wien 1857. ©. 449. gr. 8. 
Pr. 1 fl. 12 fr. 


Das in bet Ueberſchrift genannte Werk be 9. Dr. 
Feßler, der theologiſchen Welt beſonders durch feine Insti- 
tutiones Patrologiae befannt, verdankt feine Entftehung 
ber Neugeftaltung der kirchlich⸗religiöſen Verhaͤltniſſe im 
Oeſtreich. 

aum nemíid war durch bie April⸗Verordnungen von 
1850 eine freiere Bewegung der Kirche in Oeſtreich anges 
babnt, als bie Biſchöfe des Kaiferreihe, in gerechter 
Würdigung der hohen Wichtigfeit des Gegenftandes, fogleld) 
die rage in Berathung nahmen, wie fortan ber Religions, 
unterricht auf ben Gymnaſien zu behandeln fei. Ein 
bifchöflicher Ausſchuß entwarf für den Gang des Unter: 
rihts einen Plan, in weldhen ganz mit Recht aud) bie 
Kichengefhichte aufgenommen würde und zwar in ber 
9Beife und Ordnung, daß fi der Religionsunterricht 
während des ganzen legten Obergymnafiums-Curfes mit 
jenem Zweig des religiöfen Wiſſens jn befafjen habe. Da 
es aber nicht leicht ift, eine theologifche Disciplin ven Bes 
bürfniffen ter Gymnaſialſchüler entfprechend zu behandeln, 
[o erging an H. Feßler von Seite des bifchöflihen Aus⸗ 
ſchuſſes die befonbere Aufforderung, für ben bezeichneten 
Zwed ein Lehrbuch der Kirchengefchichte auszuarbeiten. Die 
Frucht blefer Arbeit legt nun vor unb ift bereits, wie wir - 


Geſchichte ber Kirche Chriſti. . 497 


aus bet Vorrede erfahren, „von jenen, melden das llt 
theil hierüber zuſtand,“ zur Einführung als Religions» 
lehrbuch in der oberften Gymnaſialclaſſe für geeignet erklärt 
worden. 

Hiemit ift bie für bie Abfaffung und Beurtheilung 
dieſer Kirchengefchichte maaßgebende Beftimmung des 
Buches angegeben. Es ift ein katholiſches Neligionslehr- 
buch für die Schüler ber oberften Glafje des Gymnaſiums 
und es follen darin die findirenden Sünglinge, ehe fte zum 
eigentlichen Berufsſtudium an ber Univerfität ‚übergehen, 
ben Abjchluß des NReligionsunterrichted empfangen. Man 
-erfennt fogleich, daß bem vorliegenden Werf obwohl von 
mäßigem Umfange, eine febr hohe SBebeutung zufommt, 
höher, als mandjer bändereichen litterariihen Erfcheinung. 
$. Feßler hat fid aud) die große Miffton feiner Arbeit 
nicht verhehlt, das zeigt ber überall hervortretenve Fleiß, 
ben er derſelben zugewendet. Wirklih fat das Bud, unter 
ber gewanbten Hand diefes Gelehrten eine feiner Bedeutung. 
entiprechenve Tüchtigfeit erhalten unb es können bie Gym; 
naftaljchüler daraus reihen Gewinn ziehen für bie Gr. 
ftarfung im Glauben, für die Befeftigung im kirchlichen 
Sinne und für die Anregung zum fittlihen Streben. 

Schon die Gliederung unb Zufammenftels 
lung bed firdengefdidtliden Stoffes muß als 
gelungen bezeichnet werden, ja ift nicht feften wirflich über: 
rajdenb glücklich. H. Feßler verfolgt nemlih durch das 
ganze Buch die Aufgabe, die Kirche Ehrifti in ihrem fegens- 
vollen Wirfen auf bie Menfchheit darzuftellen unb fo ben 
Glauben an ihre göttlihe Gründung unb Sendung αὐ 
ihren Werfen zu beweifen. Um nun dieſe Wirkſamkeit 
recht anschaulich unb fráftig, gleidjjam überwältigend aufs 


498 Feßler, 

treten zu laſſen, vermeidet er ed ſorgfältig, ben kirchenge⸗ 
ſchichtlichen Stoff in viele Perioden und Abtheilungen zu 
zerſplittern, entrollt vielmehr das Bild der ſegenſpendenden 
Anſtalt in Chriſti auf zwei großen Hauptblättern. Im 
erſten Theil nemlich wird die neuſchaffende Thätigkeit der 
Kirche bei den gebildeten Griechen und Römern (S. 23— 
192), im zweiten Theil ſodann ihr noch ſegensreicheres 
Walten bei den im Zuſtand der Barbarei angetroffenen 
Germanen und Slaven dargeſtellt (€. 193—418). Der 
Verfaſſer hat ſomit die bekannte Moͤhler'ſche Eintheilung 
der Kirchengeſchichte nur theilweiſe angenommen, indem er 
den Zeitraum ſeit dem Ende des 15. Jahrhunderts, den 
Möhler als das „griechiſch⸗römiſch⸗germaniſche Zeitalter“ 
den beiden vorangehenden chriſtlichen Zeitaltern parallel 
ſtellt, nur als eine Unterabtheilung des zweiten ober gets 
maniſchen Zeitalters behandelt. Verdient ſchon dieſe Haupt⸗ 
gliederung der Feßler'ſchen Kirchengeſchichte im Hinblick auf 
ihre Beſtimmung vollfommene Anerkennung, fo muß εὖ 
nod) mehr gebilliget werten, daß H. Feßler die übliche 
Bertheilung des den einzelnen Perioden zufallenden Stoffes 
unter bie Xubrifen: Ausbreitung, Häreſie, Hierarchie 
u. |. τὸ. ganz verlafien hat. Was für eine fireng theologifch 
gehaltene Bearbeitung ter Kirchengejchichte fid) eignet, wird 
durch mechanijche Uebertragung auf eine zum Religions; 
lehrbuch deſtimmte Kirchengeſchichte unpaſſend. Wir νεῖ: 
weiſen, um dieſe Bemerkung zu rechtfertigen, auf das weit⸗ 
verbreitete, gleichfalls für jDbergomnajten berechnete Lehr: 
bud von Martin Auch bier bat die Kirchengeſchichte, 
wie Re εὖ jo wohl vertient, eine ziemlid umfangreide 
Aufnahme gefunten; aber indem Martin bie “Perioden 
nad ten genannten gelebrten Geſichtspunkten zerlegt, wird 


Gefchichte der Kirche Chriftt. 499 


ble Darftellung vielfach zum trodenen: bürren Gerippe, das 
wegen Mangel an Anfchaulichfeit ven Schüler nicht an- 
ſpricht. Auch H. Feßler bringt über die Härefien, über 
die Ausbildung der Firchlichen Wiffenfchaft und feunft, ebens 
fo über die Hierarchie überall foviel bei, αἱ für ben Zwed 
des Buches nothwendig ift; reiht aber das hierüber paſſend 
Erfannte in die Ge[ammtbarftellung ber Zeit durch glüds 
(ide Gruppierung febr geihidt ein, [o daß der Leſer ein 
anſchauliches Bild des kirchlichen Wirkens in ber jeweiligen 
Periode gewinnt. Wir erhalten fo nicht bloße ercerpierte 
Rotizen aus der Kirchengeſchichte, fondern eine wahre, ber 
Wirklichkeit ent[predjenbe Gefchichte der Kirche. 

Wer den mafjenhaften Cto(f der chriſtlichen Jahr⸗ 
hunderte fo leicht unb ſicher zu orbnem verfteht, von bem 
darf zum Voraus erwartet werben, baf er in bie gelungene _ 
Worm aud) einen gebiegenen Inhalt gießen werde. 9. 
Feßler bietet in ber That fowohl durch die Gejammte 
ſchilderung des Wirkens ber Fatholifhen Kirche als turd) 
die reichlich eingeftreuten Einzelheiten des Lehrreihen und 
Bildenden fo viel, daß wir glauben, εὖ [εἰ durch fein Buch 
ber Kirchengefchichte ihre Aufnahme in ben Religionsunter: 
riht an Obergymnaften für immer und überall gefichert. 
Wenigftens hat man jegt, wo ein [o tüdjtigeó Handbuch 
vorliegt, feine Entfchuldigung mehr, ben katholiſchen Schülern 
an höhern gelehrten Anftalten gerade ben bilbenbften, ans 
regendften und anjpredjenbften Unterrichtögegenftand vorzus 
enthalten und ein fo reiched Material, wie es die Kirchen, 
geichichte zur Stärkung des katholiſchen Bewußtſeins dar⸗ 
bietet, unbenüpt liegen zu lafien. — Es zeichnet fid aber 
bie Feßler'ſche Bearbeitung ber. Kirchengefchichte. für die 
Zwede ber Schule be[onberó vaburd) aus, daß fie Fein 





498 Feßler, 


treten: zu laſſen, vermeidet er εὖ forgfältig, ben kirchenge⸗ 
ſchichtlichen Stoff in viele Perioden und Abtheilungen zu 
jeriplittern, entrollt vielmehr das Bild der fegenjpenbenben 
Anſtalt in Chriſti auf zwei großen Hauptblättern. Im 
erften Theil nemlich wird die neufchaffende Thätigfeit bet 
Kirche bei den gebildeten Griechen und Römern (S. 23— 
192), im zweiten Theil ſodann ihr nod) jegensreicheres 
. Walten bei den im Zuftand ber Barbarei angetroffenen 
Germanen und Slaven dargeftellt (€. 193—418). Der 
Verfaſſer Bat [omit die befannte Moͤhler'ſche Eintheilung 
der Kirchengeſchichte nur theilmeife angenommen, indem er 
ben Zeitraum feit dem Ende des 15. Jahrhunderts, ben 
Möhler als das „griechiſch-römiſch-⸗germaniſche Zeitalter" 
den - beiven vorangehenden chriſtlichen Zeitaltern parallel 
fielt, nur als eine Unterabtheilung des zweiten ober θεῖν 
manijden Zeitalterd behandelt. Verdient [don dieſe Haupts 
glieberung der Feßler'ſchen Kirchengeſchichte im Hinblid auf 
ihre Beftimmung vollfommene Anerfennung, jo muß e$ 
nod mehr gebilliget werben, daß H. Feßler die übliche 
Bertheilung des den einzelnen Perioden zufallenden Stoffes 
unter die Rubriken: Ausbreitung, Härefie, Hierardjie 
u. [. m. ganz verlaffen hat. Was für eine ftreng theologiſch 
gehaltene Bearbeitung der Kirchengefchichte (id) eignet, wird 
durch medjanijde llebertragung auf eine zum Süeligioné: 
[ebrbud) beftimmte Kirchengefchichte unpajfenb. Wir vers 
weijen, um dieſe Bemerfung, zu rechtfertigen, auf das weit: 
verbreitete, gleichfalls für Obergymnaften berechnete efr: 
buh von Martin. Auch hier hat die Kirchengefchichte, 
wie fie εὖ [o wohl verbient, eine ziemlich umfangreiche 
Aufnahme gefunden; aber indem Martin die Perioden 
nad ben genannten gelehrten Gefidjtépunften zerlegt, wird 


Geſchichte der Kirche Chriſti. 499 


bie Darftelung vielfach zum trodenen: vürren Gerippe, das 
wegen Mangel an Anſchaulichkeit den Schüler nit an 
ſpricht. Auch H. Feßler bringt über die Härefien, über 
die Ausbildung der kirchlichen Wiſſenſchaft unb feunft, eben: 
jo über bie Hierarchie überall foviel bei, als für ben Zwed 
bes Buches nothwendig ift; reiht aber das hierüber paffenb 
Erfannte in die Gefammtdarftellung ber Zeit durch glüds 
[ie Gruppierung febr gefchidt ein, fo daß ber Leſer ein 
anſchauliches Bild des Firhlichen Wirkens in der jeweiligen 
Periode gewinnt. Wir erhalten fo nicht bloße ercerpierte 
Rotizen aus der Kirchengefchichte, fonbern eine wahre, ver 
Wirklichkeit ent[predyenbe Geſchichte ber Kirche. 

Wer ben mafjenhaften Stoff ber driftliden Jahr⸗ 
hunderte fo leicht und fider zu orbnen verftebt, von bem 
darf zum Voraus erwartet werben, daß er in bie gelungene _ 
Borm and einen gebiegenen Inhalt gießen werde H. 
Feßler bietet in der That fowohl duch die Gefammt- 
ſchilderung des Wirkens ber Fatholifhen Kirche als durch 
bie reichlich eingeftreuten inzelheiten des Lehrreichen und 
Bildenden jo viel, daß wir glauben, es fei durd fein Buch 
ber Rirchengefchichte ihre Aufnahme in den Religionsunter: 
riht an Obergymnaften für immer und überall gefichert. 
Wenigftens hat man jet, wo ein fo tüchtiges Handbuch 
vorliegt, feine Entſchuldigung mehr, ben Fatholifchen Schülern 
an höhern gelehrten Anftalten gerade den bifbenbften , ans 
regendften und anfprechenpften Unterrichtögegenftand vorzu⸗ 
enthalten und ein fo reiches Material, wie es die Kirchen⸗ 
geihichte zur Stärkung des Fatholifhen Bemußtfeind dar; 
bietet, unbenüpt liegen zu laffen. — Es zeichnet fid) aber 
bie Feßler'ſche Bearbeitung der Kirchengefchichte. für die 
Zwede ber Schule be(onberó dadurch aus, daß fie fein 





500 Vepler, 


Ercerpt από einem größern Werfe, fondern eine ganz felbfts 
ftändige, ihrer eigenthümlichen Beftimmung angepaßte Ars 
beit ift. Der Berfaffer nimmt das, was ihm geeignet 
fcheint, unmittelbar aus den Quellen, gibt feine trodenen 
Skizzen, fonbern ſchildert lebensvoll, oft mit den Worten 
ber Quellen; die in den meiften Fällen genau citiert werben. 
Dieß gibt Zuverfiht, vaß man die Wahrheit vor fid) habe. 
— Im erften Theil, bel ber Darftellung ber Kirche in 
der griechifcherömifchen Periove, hat man gar oft Gelegen- 
heit, ven belefenen Patrologen zu erfennen. Bon ben 
, widtigften und einflußreichften Kirchenvätern entwirft ber 
H. Berfaffer febr anziehende Lebensbilder und theilt aus 
ihren Werfen fowohl ganze Entwidlungen chriftliher Lehr: 
fäge, als einzelne Gofbfómer in ver Urfprache mit. Wir 
verweifen zum Belege hiefür auf bie jchönen 8. $. 24 und 
25 über Origenes gegen GEelfus, ferner vie $. 40, 41 
unb 42 über ben hl. ?luguftinuó und ben Pelagianismus. 
Auf den erften Anblick möchte e8 fcheinen, αἱ ob H. Feßler 
in diefer Beziehung zuviel aufgenommen habe, allein bei 
näherer Durchſicht der betreffenden Stüde überzeugt man 
fid) bald, daß bie genannten 8. $. wahre Perlen des Buches 
find. Solches Hinweifen auf die Kirchenväter [dafft nod 
ben weitern Nußen, daß babutd) bie auf Gymnaften hin 
und wieder verbreitete Meinung, als ob das Schöne und 
gar aud) das Wahre nur bei den alten Meiftern Roms 
und Athens zu finden fei," hingeftellt wird als das, was 
fie ift, alà eine aus bem Unglauben hervorgegangene Tleber- 
ſchätzung dee claffifhen Alterthums. — Den zweiten 
Theil des Wefler'tden Buches fann man als eine Aus: 
führung des befannten Wortes von Herder betrachten: 
„Ohne fie Cnämlih die Kirhe und ihre Hierarchie) 





Geſchichte ber Kirche Chriſti. 501 


wäre Europa warſcheinlich ein Raub der De& 
poten, ein Schauplat ewiger Swietradt oder 
gar eine mongoli[de Wüfte geworden.” Den 
beiven Säulen des mittelalterlihen Baues, bem Papftthum 
und Kaiſerthum, fdenft bie Behandlung dieſes germanijdjen 
Zeitraumes beſondere Aufmerkfamfeit, überall Unwahrheiten 
zurüchveifend, Vorurtheile zerftrenend unb ble Geſichtspunkte 
zur richtigen Beurtheilung barbietend. Gregor VIL, Innos 
cenz IH. und aud; ber jo oft verfannte Bonifaz VD. et: 
[deinen als die. Träger und Bertheidiger großer, felbft 
das bürgerliche Wohl des Abendlandes bebingenver Sybeen, 
während daneben bie gefährlihen Plane „ver Caller, bet 
Hohenftaufen und ber fchlauen franzöſtſchen Könige aus 
ben Quellen betgelegt werben. Auch die Wifjenichaft und 
Kunſt des Mittelalters, wie feine thätige Gottes und 
Nächftenliebe, die fid) namentlich in ben religiófen Orben 
entfaltete, haben eine entfpredyende Berüdfichtigung erfahren, 
wobei, um bie göttliche Kraft des Chriſtenthums Flarer 
ins Licht zu flellen, wieberbolt auf die ganz außerorbents 
liden Schwierigkeiten hingewiefen wird, welche ber lehrenben, 
bildenden und fittigenven Thätigfeit ber Kirche im Abend: 
land entgegenftanden. — Eines müjjen wir nod, um ben 
Inhalt des Buches gehörig zu charakterifieren, dem bereits 
Angeführten hinzufügen, weil e& bem funbigen Lefer feft 
merklich fid präfentiert, nemlich bie birecte und inbirecte 
Bekämpfung be8 f. 4. Joſephinismus. Die von 
Chriſtus felbft geordneten unveránberliden Grunblagen ber 
Kirchenverfaffung werden tbellá in eigenen $. $., theild in 
einleitenden Bemerfungen nadjerüdlid) hervorgehoben. Das 
zu wird nod) in $. 91 mit der Leberfchrift: „Die neuern 
bäretifhen Syfteme von ber firdengemalt 
Theol. Quartalſchrift. 1857. III. Heft. 33 


502 Seiler, 


unb die Verſuche, fieauf benfatbolifden Boden 
zn verpflanzen” bie Genefió des Webronianiómus anf 
eine ebenjo gründliche, als infructive Weile bloßgelegt. 
€o ift denn tiefe Kirchengeſchichte, durch die Erneuerung 
des Firchlichen Lebens in Deftreich hervorgerufen, auch ihrer 
feitö wieder geeignet, unter den Taufenden, denen fie als 
leitende Storm für ihre religiöfen Grundſätze in bie Hand 
gegeben wird, jene Erneuerung zu verbreiten unb zu fichern. 

Hiemit glauben wir für folde, welde das in Rebe 
fiehbenve Werk nod) nicht fennen, Hinreihendes über Be 
fimmung, Anlage, Inhalt und Werth beójelben 
gefagt zu Haben. Daß nemlih darin bie Geſchichte δεῖ 
Ausbreitung der chriftlichen Religion, der Berfolgungen 
n. b. g. nicht fehlen und eine bem Geifte des Ganzen ent 
ſprechende tüchtige Behandlung gefunden haben ‘werde, vers 
fteht fid) ohne bejonbere Hervorhebung von ſelbſt. Da 
aber bem Buch ohne Zweifel weitere Auflagen bevorftehen, 
. jo erlauben wir und, nod) einige Bemerkungen beizufügen 
über bie Answahldes Stoffes, geſchichtliche Michtigs 
feit und ftpliftife Behandlung beéfelben. Wir 
werben dabei aué[djlieglid bie Seftimmung des Buches 
für die Schule im Auge behalten. 

Der H. Verf. macht in der Vorrede mit Recht das 
rauf aufmerffam, daß es mit Schwierigkeit verbunden fei, 
für ein 2efrbud), wie das vorliegende, aus tem unge 
heuren Gebiet der kirchengeſchichtlichen Wiſſenſchaft eine 
paffenbe Auswahl des Stoffes zu treffen. Man 
wird εὖ hierin nie allen, tie ein folded Buch beim Unter 
richt gebrauchen, recht machen fónnen. So wollte ed aud 
dem Ref. fcheinen, ald ob da zu viel, dort zu wenig gegeben 
werde. Zu umfaflend für ben Zwed des Buches dauchte 


Geſchichte der Kirche Chriſti. 503 


ihn. δ. Ὁ. die Darftellung in $. 20 u. 26 über bie Gnoftifer 
unb Manichäer, während e8 ihm anbernjeitó auffiel, baf - 
über bie Glaubensentſcheidungen des erften und 
zweiten allgemeinen Gonciló, wie überhaupt über die allge 
meinen Goncilien mit Ausnahme des Tridentinums, [0 
fhnel unb kurz hinweggegangen wird. Desgleichen vere 
mögen wir ed nicht, zu billigen, daß ber Ketzertauf—⸗ 
ftreit, bei bem es fid) ja um eine bogmatijdje Frage von 
allgemeiner Bedeutung. handelte, und ebenfo tie Unions⸗ 
verhandlungen zwifchen ber lateinijden und griechifchen 
Kirche nicht beſprochen werden. Auch können wir eó und 
nicht erflären, warum Ὁ. Beßler bem Hl. Hieronymus, 
diefen „doctor maximus in exponendis scripturis sacris,“ 
nur einen halben Eat unb eine Heine Annerfung (©. 155) 
widmet, ba bod) die andern großen Kirchenlehrer eine febr 
weitläufige Berüdfichtigung erfahren. — Dod) fiber derartige 
Wünſchen wollen wir mit bem Verf. nicht weiter rechten. 
Das mündlihe Wort des Lehrers kann nachhelfen, wo εὖ 
biefem gut dünft. Aber ganz unb gar widerfprechen müſſen 
wir darin, daß die Geſchichte des Cultus von bem 
Buche ausgefchlofien wurde. So ift denn in blefer Kirchen⸗ 
geihichte nichts zu lejem über den Gottesbienft in ben 
Lagen ber Apoftel, Tiber bie Katafomben, über bae Katechus 
menat, die Stufen des Bußweſens, über bie Einführung 
neuer Feſte u. Ὁ. g. Sft dieß nicht ein wirklicher, ja weſent⸗ 
liher Mangel? Wir antworten mit einem zuverfichtlichen 
Sa, nicht überzeugt durch die in ber Vorrede deshalb ange 
führten Gründe. H. Wefler fagt nemlih S. VIL: „Die 
[o intereffante Gefhichte ber liturgifden Ent- 
widlung durfte bier feine Stelle finden, ba 
einerfeits [don να ὁ Lehrbuch berameiten Gym, 
33 * : 


504 Feßler, 


naſialklaſſe dieſen Gegenſtand behandelte 
und andernſeits bie Kirchengeſchichte für Theo— 
logen denſelben wieder behandeln muß.” Der 
letzte Grund ift offenbar unſtichhaltig, denn wollte man ba; 
mit Ernſt machen, fo τοῦτος ber Inhalt einer für Gym⸗ 
naften bearbeiteten Kirchengeſchichte ind pure Nichts ſich 
auflöſen, da ja auch die Abſchnitte über die Ausbreitung 
ber Kirche, ihre Siege, ihre Leiden, ihre hierarchiſche Ge 
ſtaltung u. ſ. w. bei der ſtreng theologiſchen Behandlung 
wiederkehren müſſen. Was bliebe alſo von der Kirchenge- 
ſchichte für bie Schüler eineó Obergymnaſiums noch übrig, 
wenn man Alles auéjdjeiben wollte, was bet Theologe 
auf der Univerfität zu hören befommt? Wenn jodann 
H. Feßler, um vie gänzliche Ausschließung der Liturgie zu 
rechtfertigen, auf den für bie öftreihifchen Gymnaſien ent- 
worfenen Religionsunterrichtd-Plan fid beruft, [o faun 
Ref. feinen Zweifel nicht zurüdhalten, ob jener Plan ba; 
tin, daß für die zweite G(affe des Untergymnaſiums ein 
ganzes Jahr lang ausfchließlih und getrennt vom Kate 
chismus die Erklärung der gotteóbienftliden Gebräuche 
angejegt wird, die Probe ber Erfahrung werde aushalten 
fónnen. Aber felbft jenen Unterricht vorauógefegt darf ein 
Buch, worin bet Religionsunterricht auf einem Gymnafium 
zum gründlichen Abfchluß gelangen fol, von ber Ge 
Tchichte des Gottesdienſtes nicht Schweigen, fo wenig, als 
bie fpätere Glaubens und Sittenlehre das auslaſſen dürfte, 
was Schon im erften Jahr der Katechismus behandelt hatte. 
In der zweiten Untergymnaftalclaffe wäre ed im Hinblid 
auf die Faflungskräfte der Echüler gar nicht möglich, ja 
geradezu gefährlich, eine eigentliche Geſchichte ber liturgifchen 
Entwidlung zu geben. In jenen erftien Jahren vermag 





Geſchichte der Kirche Gbrijtt. 505 


der Schüler die Unterſcheidung zwiſchen Wefentlichem unb 
Unmefentlihem nod) nicht zu tragen und was nur Cnt: 
faltung ift, erídeint ihm als Neuerung und Beränderung. 
Und doch müffen die Schüler, wenn fie das Gymnaſium 
verlaffen, einen Einblid haben in die großartige, reiche 
Beftaltung des Fatholifchen Eultus. Zu biefer Einführung 
bietet aber bie Kirchengefchichte bie einfachfte und mannich⸗ 
fahfte Gelegenheit. Stef. glaubt darum einen wohl bes 
gründeten Wunfch zu äußern, wenn er an den H. Verf. 
"das Anfinnen ftellt, die folgende Auflage feines Buches 
mit einigen, am gehörigen Ort eingerichteten $. $. über 
bie B. Handlungen zu bereichern und babutd) ble fonft 
gute Auswahl des Stoffes zu vervollftändigen. 

Die gefhihtlihe Richtigkeit beó aufgenommen 
und dargeftellten Stoffes anlangend verdient das Sud 
großes Lob. Die Genauigkeit, mit welcher darin fo viele 
Greignifje theils in umftánbliden Erzählungen, theild in 
überfihtlichen Reſüme's angeführt werben, beweist ben 
Gelehrten, dem die Kirchengefchichte ble tägliche Beichäftigung 
ift. Ueber Diefes unb Syene. wird man freilic, biáceptieren 
fönnen, ber Verbefjerung bebütftig erfchien aber bem Ref. _ 
nut Weniges. So 4. B. wird C. 39 das 3. 62 ald das 
Todesjahr des Evangeliften Lucas angefegt. Diefe - 
Annahme beruht auf einer Angabe des δ΄. Hieronymus; 
t6 wirb aber von ben Gregeten, fo namentlid von Reith. 
mayr in feiner Einleitung zum N. T. S. 379, gewöhnlich 
angenommen, taf Hieronymus (id) geirrt habe und ber 
hl. Lucas viel fpäter geftorben fei. Auch einige Angaben 
übet den Bf. Apoftel Paulus dürften geändert werben. 
Co fümmt es mit der nachdrücklichen unb wieberholten 
Hervorhebung des Apofteld in feinen Briefen, daß er das 


506 Feßler, 


Evangelium mit, ſeinem Lehrinhalt durch un mittelbare 
Offenbarung empfangen habe, gar nicht überein, wenn 
H. Feßler ©. 36 ſagt, taf Paulus „zum Empfang ber 
nöthigen Belehrung” an einen Jünger gewieſen worden 
fei. Wenn ferner S. 42 und 43 fo ganz zuverfichtlid 
und umftánblid vie Thätigfeit bed Apofteld nad) der Brel 
lafjung ans ber erften römischen Gefangen(djaft befchrieben 
wird, jo hat man ein 9tedjt zu fragen, woher denn ber 
H. Berf. feine Angaben gefdjópft babe. Au wirb an 
einigen Stellen des Buches Ungewiffes als ganz unzweifels 
bafte Thatfache hingeſtellt. So ©. 57, wo über Kaifer 
Nero berichtet wird, er habe Rom anzünden laflen, für - 
welde Beichuldigung unfer Verfaſſer fid) auf Taritus bes 
ruft, obwohl gerade biefer behutfame Geſchichtſchreiber aus⸗ 
druͤcklich ſagt, es [εἰ unentſchieden, ob jener Brand zufällig 
ober auf Anſtiften des Kaiſers entſtanden ſei. (Forte an 
dolo principis incertum. Annal XV., 38.) Weiiere, allzuſicher 
hingeſtellte Berichte finden ſich S. 59 über bem Tod des 
bl. Clemens und ©. 219 über das Ende Muhameds, 
wo von bem Gift, das bem Propheten gegeben worden 
fein foll, gar nod) gejagt wird, dasſelbe habe erft „nad 
einigen Jahren” (Sagen?) feine Wirkung geäußert. — 
Bon ter Bundeslade heißt es ©. 56, fie fel bei ber 
Zerftörung Jeruſalems unter Titus „in den Flammen aufs 
gegangen.” Der H. Berf. feheint, ald er biefen Sag 
niederſchrieb, überjeben zu haben, daß das Allerheiligfte 
des zweiten Tempels leer war, weil der Prophet Jeremias 
bei ver Belagerung ver Bl. Stadt unter Nabuchodonoſor 
jenes hl. Geräth in einer Höhle beó Berges Nebo verborgen 
hatte und baéfelbe fpäter nichtmehr aufgefunden wurde. — 
Einer völligen Umarbeitung halten wir bebürftig den €. 33 


Geſchichte der Kirche Chrifti. 507 


über die Entftehung des Möndhsthume Die Ent 
widlungsftufen, wie diefelben Möhler in einer befannten 
Abhandlung fo ſchön aufweist, treten in dem befannten 
8. nicht gehörig hervor unb wenn ebenbajelbft von „preis 
jähriger Probezeit” bei ben erften, ägyptiichen Mönchen 
die Rede ift, ihr „eifriged Betreiben der 9Bijjenfdjaft" ge; 
lobt und dad „Anachoretenthum“ als eine fpätere, aus bem 
bereit& georbneten „Klofterleben” fid) bildende Erſcheinung 
aufgefaßt wird, fo find das, foweit 9tef. wenigftens mit 
der Sache befannt ift, der Geſchichte widerſprechende An- 
gaben, weichen jedenfalls von der üblichen Darftellung ab. 
— Um Anderes, was rüdjihtlih der hiſtoriſchen Präcifton 
mod zu bemerfen wäre (y. 38. €. 201 über die Gothen- 
fürften), zu übergehen, madjen wir nur nod) auf ein allzu⸗ 
ſcharfes Urtheil über Albrecht, Erzbiſchof von Mainz 
unb auf eine ben bL. Ignatius betreffende Bemerkung 
aufmerffam. €. 378 nemlih wird ber aus ber Refors 
mationsgeſchichte befannte Erzbifhof Albrecht „ven un» 
thätigen, ſchwachen unb nadgiebigen Biſchöfen“ beigezählt, 
durch deren Schuld bie Glaubensnenerung fo weit fid) vers 
breitet babe. Dieß Urtheil weicht aber fo weit von bem 
gewöhnlichen ab (vgl. 3. B. Freib. Kirchenlericon s. v), — 
daß H. Feßler fein firenged Gericht, das er über viefen 
Sirdenfürften hält, burd) Berufung auf bie Quellen hätte 
begründen follen, wenn dasſelbe voirflid) begründet ift. 
Ueber ben 81, Sgnatiue, den Stifter des Iefuitenorveng, 
ift €. 372 zu lefen, daß er nad Vollendung ber philofo- 
pbijden Studien an ber Univerfität Paris zum „Doctor 
der Philofophie” promoviert worben (ei. Sonft reden bie 
Biographieen des Heiligen nur vom Magiſter⸗Grad. 
Allein. diefe Abweichung belegt H. Feßler burd) bie Ber 


508 : Fehler, 


tüfung anf Benelli, in befjen „Leben des bl. Ignatius” . 
das Doctor: Diplom wörtlich abgedrudt εἰ. Stef. hat vie 
citierte Schrift nicht bei Handen, hegt aber ftarfe Zweifel 
gegen die Richtigkeit, weil in gar allen ihm eben zu 
Gebot ſtehenden Eirchengefchichtlicden Werfen beharrlich und 
beflimmt nur ber Magifterwürde Erwähnung gefchieht. 

Bei einem für den Gdjulgebraud) beftimmten Buche 
fommt außerordentlich viel darauf an, daß ber Stoff nicht 
bloß gut gewählt und richtig gegeben, joubern aud) Teicht 
überfihtlih und ansprechend, verarbeitet [ei^ 
Die Arbeit H. Feßler's, im Ganzen beurtheilt, trägt aud) 
in diefer Beziehung das Gepráge ber Meifterhand an fid. 
Die erften $. $., namentlich die einleitenden, find allerdings 
ftyliftiich weniger gelungen. Breite und Einförmigfeit des 
Ausdruckes ftören im Leſen und mandymal zeigt fich bie 
bei hiſtoriſchen Werken fo unpafjende rhetoriihe Amplifi- 
cation. Auch [páter ließen fid) mande 8. 8. 4. Ὁ. 8. 16 
über den Untergang bes Judenthums, 5. 30 über Gon; 
ftantin den Großen, 8. 34 und 35 über Kaiſer Iulian 
u. a. ohne alle Beihädigung des Inhalte in eine kürzere, 
förnigere Form bringen. Im Allgemeinen und Ganzen jedoch 
zieht fid durch das ganze Buch eine eble, fíare und dabei 
warme unb anziehende Sprache Binburd). Weil H. Feßler 
nicht excerplert, fonbetn unmittelbar an bie Quellen fi 
wendet, fo wird aud) bie Darftellung friſch und (ebenóvoll, 
weit entfernt von der Trodenheit eines Gompenbiumé. 
Die reichlich eingeftreuten Sentenzen und eingewobenen 
Züge aus bem Leben ber Heiligen und anbrer großer 
Männer geben bem Gemüth Erhebung, wie auch bie überall 
burchftrahlende Begeifterung mit ver ber H. Verf. feiner 
Kirche zugethan ift, wobitbuenb ben Lefer ergreift. Die 


Geſchichte ber Kirche Chriſti. 509 


Lehrer, welche das Buch beim Unterricht zu Grund legen, 
werben bem Berfafjer aud) deshalb zum Dank fid ver- 
pflichtet erfennen, weil ber Innhalt meift febr geſchickt zu 
abgefchlofienen Paragraphen abgerundet, gleihfam zu hand» 
famen 2ehrpenfen hergerichtet ift. Gegen Ende werben 
freilich die S. $., deren das Buch im Ganzen 95 zählt, febr 
vol unb εὖ wäre ohne Zweifel für den Zweck des” Unter- 
richtes eine Erleichterung, wenn 4. B. die $. 6. 88, 89, 
90 und andere in mehrere zerlegt würden, jo bag einer 
Lehrftunde immer ein Paragraph ald Penfum zuflele. 

Die Lectüre des angezeigten Buches hat bem Ref. 
einen großen Genuß bereitet und er wün]dt bemjefben 
auch außerhalb Oeſtreich die weiteſte Verbreitung. Selbſt 
der kundige Theologe wird der Darſtellung da und dort 
mit Intereſſe folgen; denen aber, die ſich mit dem Studium 
der Kirchengeſchichte oder auch der ſpäteren Profangeſchichte 
beſchäftigen, kann bie Heine Feßler'ſche Arbeit gar oft bes 
hilflich fein, über bie wichtigften hiſtoriſchen Ereigniſſe zur 
rihtigen Auffafjung zu gelangen. Namentlich für bie Bes 
urtheilung des Mittelalters und der neuetn Zeit hat unſer 
H. Verf. viele Lichter aufgeſteckt. 

Die Ausſtattung des Buches iſt ſchön, der Druck ſehr 
correct. Unter den wenigen Druckfehlern ſind etwa die 
ſtoͤrendſten S. 44 Juli ft. Juni und ©. 372, wo ft. 23 
die Jahresbeſtimmung 33 zu fegen ift. Der Preis fonnte 
offenbar nur im Hinblid auf bie Verbreitung an ben 
Gymnaften fo. außerorbentlih billig geftellt werben. Die 
-— chronologiſche Tabelle ift febr braudbar. 

® 9» ev, . 


. 9tepetent im Gonvict zu Rottweil und Religionslehrer 
am bortigen Gymnaftum. 


* 


— 


510 Hofmann, 


8. 

Ueber den Berg Galiläa. (Matih. 28, 16). Gin. Beitrag 
zur Harmonie der evangelifchen Berichte von den Erſchei⸗ 
nungen des Auferflandenen. Bon Prof. Rudolph fof- 
mann, Lic. theol. u. Dr. phil, gerer der Oldigion an 
der &bnigL Sach. Landesfchule zu Meißen. Leipzig, 
Friedrich Voigt 1856. Pr. 36 Er. 

Der Berfaffer, ver fi durch ein „Leben Jeſu nad 
ben Apofryphen” forie burdj eine aud) in biejen Blättern 
befprodene „Symbolik“ in weitern Kreifen befannt gemadht, 
[ndt in der vorliegenden Heinen Schrift nachzuweiſen, daß 
der Ausdruck Γαλελαία Matth. 28, 7. 10. 16 und Marr. 
16, 6 nidt von ter Landſchaft Galiláa, fonbern von einem 
Theil des befannten Delberge, unb zwar von ber nórb. 
lihen Spige beófelben zu verfteben fei. Gr verſpricht fid) 
(S. 26) von diefem Nachweis ein Doppeltes, „nämlich 
erftlih, daß dadurch einzelne Parthien der evangelifchen 
Berichte merfwürdig an Klarheit gewinnen; und, zweitens, 
daß ed baturd) möglid wird, vie bisher ummóglide Har⸗ 
monie der ſämtlichen evangelifhen Berichte von ben 
Erſcheinungen des Auferftandenen zu bewerfftelligen.” Ein 
ſolches Refultat wäre ſicher an fid) ſchon beveutfam gering, 
Vaf man ifm, wenn ed in Ausſicht geflellt wird, eine 
forgfältige Brüfung nicht verjagen fónnte. Außerdem aber 
zeigt der Verfaſſer in feiner Abhandlung fo viel guten 
Gíauben und religiójen Ernft, daß wir aud) von biefer 
Seite ans glauben, biefelbe nicht unbeſprochen vorübergehen 
lafjen zu dürfen. 

Die Anſicht des Verfaſſers ift, wie ex felbft angibt, 
nicht nen. Er fand fie bereits bei Suarez und Qarbuin 


über ben Berg Galiláa. 511 


vor unb er glaubt, biefelbe fei von den Eregeten nur nicht 
gehörig beachtet worben und fo aus ber eregetifchen Sra» 
bition ver[dymunben. Er fest fid) bemnad) bie Aufgabe, 
biefelbe wieder auf's neue vorzulegen und was bie Haupt: 
jache ift, fie neu zu begründen. Zu legterm Behuf fchlägt 
et fofgenten Weg ein. Zuerft zeigt er, wie bie gewöhn- 
life Auffaffung des Γαλιλαία in. ven (angeführten Stellen ' 
zu unlösbaren Widerſprüchen in der Auferftehungsgefchichte 
führe; fobann weist er nadj, daß die bisherigen Verſuche 
biefe Widerſprüche zu befeitigen, nicht gelungen ſeien unb 
endlich führt ev weitläufig aus, daß bereits im chriftlichen 
Alteribum unter Galiläa bie Nordſpitze des Oelbergs vers 
ftanden worden fel, eine Auffafjung, bie man nur auf 
ven Bericht unferer Evangelien überzutragen brauche, um 
jeden Widerſpruch verfchtwinden zu machen. Bolgen wir 
dem Berfaffer auf feinem Wege und prüfen wir Schritt 
für Schritt ven Gang feiner Beweisführung. 

Was das erfte anbelangt, fo Spricht fid) ber Verfafjer 
nachdem et bie Berichte ber Evangeliften über die Vorgänge 
nad; ber Auferftehung dargelegt, fo aus: „Vergleichen wir 
nun dieſe Berichte unter einander, fo tritt uns als erfter 
Widerſpruch bie Unmöglichkeit entgegen, die Weiſung 
ber jünger nad) Galilàa bei Matthäus und Markus, und 
ihren jofortigen Aufbruch bei Matthäus mit dem ruhigen 
Berharren der Jünger in ber Nähe von Serufalem bei 
Markus, Lukas und Johannes zu vereinbaren. Am aufs 
fälligften erjcheint biejer Widerſpruch bei Markus, weil 
diefer zuvor felbft bie Weifung nad) Galiláa berichtet, unb 
dann fie ſcheinbar ganz wieder amfer Acht läßt, während 
bei €ufaó und Johannes ber SBiber[prud) fidj wenigftenó 
nicht innerhalb ber eigenen 9telation bewegt. Es muß bie 


"» 


512 Hofmann, 


Nichtbefolgung jener Weifung von Seiten ber Jünger um 


fo mehr befremven, als ein Verſchieben der Befolgung 
etwa bis nad) der Grideinung, welde bem Thomas zu 
Theil wurde, (benn hier erft würden bie zeitlichen Verhälts 
nifje εὖ geftatten, eine Reife nad) Galilän bei Markus, 
Lufas und Johannes einzufchieben), nicht wohl benfbar 


"At, nachdem bei Matthäus und Markus ver Befehl aus- 


trüdlid aló ein ſchnell zu vollziehender (ταχὺ πορευ- 
ϑεῖσαι εἴπατδ, oder ὑπάγετε, εἴπατε) Dingeftellt wird, 
vie Weiber auch ἐξελϑοῦσαι ταχὺ ven Befehl ben Süngern 
bringen, enblid) Chriſtus, was deſſen Antheil ar ber Volls 
jiehung des SSefefleó anlangt, durch das Präfens ἰδοὺ 
προάγει ὑμᾶς als [don auf bem Wege nad) Gallläa 
befindfich bezeichnet wird. Was wären das für Jünger, 
ble ihren Meifter, ben Todtgeglaubten und Wieveranfer: 
ftanberien, nicht fogleid) wieder aufgefucht hätten, nachdem 
fie eine Kunde von ihm erhalten und erfahren hatten, wo 
fie ihn jehen fónnten; ja bie ihn Sogar vergeblich auf (id) 
hätten warten lafjen, fo daß er ſich bequemen mußte, fie 
zu Haufe anfzuſuchen. Over, fatte der Herr bereits im 
Sinne, fid vor ber Erfheinung ἐν τῇ Γαλιλαίᾳ ven ver- 
jammelten Süngern am Abend zu zeigen, wie fonnte er 
bann vor und nad) feiner Auferfiehung (Matth. 26, 32; 
28, 17. 10; Marf. 14, 28; 16, 7) eine fpätere Zufams 
menfunjt als tiefe mit den Worten ankündigen, ἐκεῖ μὲ 
ὄψονται, welche die Jünger jedenfalls nicht anders als 
auf ein erftes Wiederſehen beziehen fonnten.. Und mom 
tann überhaupt [don jest tiefe Verabredung, da fid) nod) 
Zeit und Gelegenheit genug dazu fanb, wenn er daß erfte 
Mal wieder mit ihnen-zufammen fein würde? Wozu eine 


naochmalige Beftelung nad Galiläa durch den Engel und 


, Uber den Berg Galilän. 513 


e 


durch bie Weiber, wenn an bemfelben Tage mod eim Wies 
berfefen bevorſtand, wo Jeſus perjónlid) den Süngern feine 
Abficht mittheilen Fonnte. Wir müffen hier Strauß 
Recht geben, wenn er fagt: „Mit Recht beharrt ble neuere 
Kritif auf bem, was [don Leffing geltend gemad;t hat, 
daß Fein Bernünftiger feinen Wreunben durch eine britte 


Berfon eine fpätere Sufammenfunft zu freudigem Wieder . 


(eben an einem entfernten Orte anberaumen lafje, wenn 
er nod) an demfelben Tage und öfters an gegenwärtigem 
Orte fie zu fefem gewiß [ei^ Ober ift etwa Chriftus 
während bed Tages auf andere Gedanken gefommen, unb 
bat fid), al& er auf bem Wege nad? Galilàáa bie Emmaun⸗ 
tischen Jünger nod fo glaubenófo8 traf, unb fid) von bem 


Stidtfommen ber ungläubigen Jünger überzengte, nachträg⸗ 


lid entichloffen, von feiner Weifung nad) Oaliläa vors 
láufíig abzuſehen und bie Jünger in ihrer eigenen Behaufung 
anfzufuhen? Wir müßten, wäre dieß ber Sall, zu unferm 
Leidweſen abermaló Strauß beiftimmen, wenn er von 
Olshauſen, der diefe Meinung vorträgt, jagt: „wie 
fid) eine foldje irrige Berehnung von Eeiten Jeſu mit bet 
ortBoboren Anficht von feiner Perſon vertrage, möge hiebei 
Ols hauſen zuſehen.“ Wozu ferner, wie bei Markus, 
er eine foldhe Gewichtlegung auf dieſes ὄψεσθαι ἐν τῇ 
Γαλιλαίᾳ unb bann nicht einmia| bie Erwähnung einer 
Ericheinung dafelbft ? Wie endlich wird es erklärbar, baf 
eine folde Haupterfheinung, die längft verabredet war, 
von Lufas und Johannes gänzlich übergangen wird? Alles 
dieſes bleiben unbeantwortbare Fragen, ſobald unter ber 
Weifung an bie Jünger, ἕνα ἀπέλθωσιν εἰς τὴν Γαλι- 
λαίαν, eine auf bie Provinz Galiläa lautende Ordre vet» 
ftanben wird. Uber ber Widerfpruch foll fid) nod mehr 


’% 


514 Hofmann, 


haͤufen. Wie kann Jeſus die Jünger zu einer Reiſe nach 
Galilaͤa angewieſen haben und ihnen aud) daſelbſt nad 
dem Wortlaut des Matthaͤus zuerſt erſchienen ſein, da er 
nach der Relation des Lukas und Johannes an demſelben 
Abend auch in oder bei Jeruſalem bei verſchloſſenen Thüren 
mitten unter ſie getreten iſt? Denn ſelbſt wenn wir für 
. Ehrifti Perſon eine wunderbare Entrückung ftatuiren moll 
ten, woburd) ed möglich wurbe, bem zwölfmeiligen Weg 
nah Galilàa in einem Tage bin und zurüd zu machen, 
fo würbe doch jedem das Wunder zu weit extenbirt. erjcheis 
nen, wenn wir aud) für bie Jünger eine jolde wunderbare 
Entrüdung in Anſpruch nehmen wollten. Ober zugegeben, 
der Bericht bei Matthäus ließe fid) fo wenden, daß bie 
Reife der Jünger nad) Galiláa erft nad) bem erftmaligen 
Grideinen am Abend des Auferftehungstages ftattgefunben 
"habe, wie ift εὖ erflärbar, daß an bemjelben Abende Jeſus 
den JIüngern eine grade entgegengefegte S'Beijung giebt 
(uf. 24, 49), Ierufatem nicht zu verlafien, bis daß fie 
am Pfingftfeft ben heiligen Geift erhalten haben würben ὃ 
‚Hier bleibt, wenn man fid) nicht. vurd) exegeti[e Künftes 
leen. felbft täuſchend in bie Harmonie hineinreven will, 
fein anbrer Ausweg übrig, al8 mit vielen bet gebiegenften 
Eregeten fid) demuͤthig zu beugen unb zu geftehen, daß 
wenigftend für unfre Erfenntniß eine Bereinbarung ber 
verſchiedenen epangeli[den Berichte nicht möglich εἰ. Dieſer 
Ausweg wäre nad) unfrer Anficht wenigftens ber ehrlichfte 
unb gläubigite.” | 

Man fieht aus blefer Darftellung leicht, daß ber Vers 
fafler die Abweichungen der evangelifchen Berichte nicht zu 
mildern fucht, jonbern daß er fie in aller Schärfe faßt 
unb fte zu wirklichen Widerſpruͤchen ausſpitzt. Gr thut dieß 


-— 


über ben Berg Galilüa. 515 


offenbar nicht, um durch Vergrößerung ber eregetifchen 
Noth das Hülfsmittel, das er gefunden haben will, vefto 
beet zu empfehlen, fonbetn er fann auf feinem Stand» 
punkt gar nicht anderd, wenn er ehrlich verfahren will. 
Daher ift e aud) nicht zu verwundern, daß er bie bit» 
herigen Verſuche, die fraglichen SBiberjprüdje zu befeitigen, 
entjdjieben verwirft; denn vie Urheber derſelben ftanben. im 
Weſentlichen auf bemfelben Gtanbpunft, ven der Verfaſſer 
einnimmt und hätten aljo zu bemfel6en Refultate gelangen 
müffen wie er. Auch wir find weit entfernt, diefe Verſuche 
Rügen zu wollen und ftimmen daher in der Zurückweiſung 
berfelben mit bem Verfaſſer überein; Aber darum gefällt 
und fein Verſuch nod) um nichts beffer. Denn abgefehen 
von andern Schwierigkeiten, in die er verwidelt, it er 
fogax ungenügend, einen vom: Verfaſſer felbft hervorgeho⸗ 
benen Widerſpruch zu löͤſen. Wenn nämlich der Auftrag 
des Herrn an die Jünger Luc. 24, 49: καϑίσατε ἐν τῇ 
πόλει ἕως οὗ ἐνδύσησϑε δύναμιν ἐξ ὕψους fo aufzufaſſen 
ift,.wie e8 vom Verfaſſer geihieht, wie founten fie bann 
überhaupt vor ber Geiſtesſendung nad) Galilàa abgeben, 


wo fie doch nad) Sof. 21, 1 unzweifelhaft waren? Hier 


bleibt ber Wiverfpruch auch nad) des Verfaſſers Hypothefe, 
ji er wird durch viefelbe nur nod) verfchärft, inbem fte, 
fiteng durchgeführt, eine Abwefenheit ver Bünger von Je⸗ 
ufalem vor ber Geiftesfendung gar nicht julàft. Wir 
glauben, es liegt ſchon hierin Grund genug, aud) ben 
Verſuch des Verfaflers zurückzuweiſen, wie wir denn übers 
haupt glauben, daß man von bem Gtanbpunfte ans, von 
welchem er ble biblifchen Berichte betrachtet, über Wider 
forüdje in benfelben gar nicht hinauskommt. 

Diefer Standpunkt ift nämlich ber der Bibelfufficienz, 


- 


516 Hofmann, 


näherhin die Vorftellung, taf, wie ble Bibel überhaupt, 
fo das neue Teſtament insbefondere von Anfang an fo 
angelegt vootben , ausſchließlich das Lehr⸗ beziehungsweiſe 
Gefegbud) der Ehriftenheit zu bilden. Für bie Hiftorifchen 
Bücher modificirt fid) tieje Vorſtellung dahin, daß bie 
Verfaſſer derfelben, fo weit es ihnen móglid) war, ein 
vollſtaͤndiges Bild der von ihnen bargeftellten Begebenheiten 
hätten geben wollen und nichts hätten auslaflen dürfen, 
was fie gewußt und ihnen für bie Belehrung der Ehriften 
von Wichtigfeit erjchienen wäre. Nur von einer foldjen 
Anſchauung ber Cade aus erflärt fid) die Möglichkeit einer 
frage, wie fie oben der Berfafier aufiwirft: „wie endlich 
wird εὖ erflärbar, daß eine jolde Haupterfcheinung, bie 
längft verabredet war, von Lucad unb Sohannes gänz- 
lic übergangen wird 5 Daß aber biefe Anfchanungsweife 
nicht richtig ift, ſollte Schon daraus erhellen, taf biefelbe 
von Reimarus — oder vielmehr (don vom legten Drittel 
bes erften chriftlichen Jahrhunderts an benübt wurde, um 
ble Wahrhaftigkeit ber evangelifchen Berichte zu untergraben. 
Gerade auf folhen Fragen, wie ber SBerfafjer eine auf 
fiet, ruft in letzter Inſtanz das Beweisverfahren ver 
negativen Critik und bie factamentale Formel verfelben 
„Davon weiß Matthäus, Lucas u. f. f. nichts,” Bat einen 
teivlih vernünftigen Sinn nur auf Grund ber fraglichen 
Anſchaunngsweiſe. Wir meinen aber, man follte baé et 
ab hoste doceri nirgenà, auch in der Theologie nicht, ver, 
geffen. Dazu fommt aber nod) ein anderer limftanb von 
unendlich wichtigerer Beventung. Der Weg, den ber Herr 
für Verbreitung feines Evangeliums vorgeſchrieben, ift 
befanntlih ber ber mündlichen Ueberlieferung. Diefe 
Vorſchrift ift ein fogenanntes affirmatives Gebot unb fchließt 


- 


über den Berg Galllaͤa. 517 


fomit den Weg ber fchriftlichen Ueberlieferung nicht aus, 
erlaubt aber das Betreten desfelben nur aus ben gewich⸗ 
tigften Gründen und nur. inſoweit, aí8 tiefe Gründe εὖ 
erfordern. Aus biefem Grundſatz, gegen teffen Richtigkeit 
man nicht viel wird einwenden fónnen, folgt für bie hifto- 
riſchen Bücher des N. S76, baf fie aus bem Leben Ehrifti 
und feiner Apoftel nicht alles enthalten, was für Ehriften 


wiſſenswerth fein fonnte;; — denn bief mußten fie aue 


bem münbliden Unterricht der Apoftel und ihrer Stellver⸗ 
treter erfahren — fondern nur fo viel und nicht iveiter, 
als genügend erfchien, bei gegebener Beranlafjung das 
jeweilig vorliegende SBebürfnig zu befriedigen. Man muß 
fid) daher bei ben neufeft. Gefhihtsbüchern zum voraué 
darauf gefaßt machen, taf ihre Verfaffer nicht alles jagen, 
was fie willen, bag fle Umftänvde und Begebenheiten übers 
geben, vie vielleidjt an fid von ber größten Bedeutung 
find, und daß fie dagegen, namentlih wenn fie in apolos 
getiſchem Intereffe gefchrieben, andere aufnehmen, bie für ben 
eigentlich hriftlichen Unterricht nur untergeoronete Bedeu⸗ 
tung haben. Deßwegen laſſen fid) auch bie Nachrichten 
der Evangeliften nicht unmittelbar zu einander ind Verhälts 
nig feßen, wie das bisher die Harmoniftif und auch unfer 
Verfafier getfan, fondern man muß juerft bei jebem eins. 
zelnen berfefben bie Frage aufwerfen, was wollte ex ſchrift⸗ 
fid) ‚nieberlegen, unb was behielt er für den blod münds 
lichen Vortrag vor, eine Frage, deren Beantwortung in 
ber Regel die genauefte Unterfuhung über Veranlafjung 
unb Zwed eines neuteft. Geſchichtsbuches vorausfegt. In 
unjerm Fall jebod) glauben wir, ohne zuweit andholen zu 
müfen, zu derſelben fdyreiten zu fónnen. 

Su c. 28, 11—15 erwähnt Matthäus eineó nod) zur 

Theol. Duartalfegrift. 1857. III. Heft. 34 





518 Hofmann, 


Zeit der Abfaſſung ſeiner Schrift unter den Juden ver⸗ 
breiteten Geruchtes, die Jünger hätten ven Leichnam Jeſu 
bei Nacht geſtohlen. Indem er nicht nur den Inhalt des 
Gerüchtes, ſondern aud) bie Geneſis desſelben angibt und 
ed damit von ſelbſt als eine Lüge barftellt, muß man ans 
nehmen, daß er in dieſem Abſchnitt ſeiner Darſtellung 
einen polemiſchen Zweck verfolge, und das erwähnte Ge; 
rücht beftreiten wolle. Werfen wir nun einen 3Blid auf 
das, was. Matth. in v. 1—10 über die Auferftehung Jeſu 
fagt, fo ergibt fid) das Auffallende, daß er und als tfà« 
tige menjdlide Perfonen blo8 Frauen vorführt. Man 
fieht leicht, in biefem Umftanve liegt eine indirecte Wider: 
legung ber boshaften Ausftreuung, wie fie vom Synebrium 
andgegangen. „Die Jünger haben Jeſum geftoblen^ lafjen 
bie Synebriften jagen; , nein," fagt ber Goangelift, „et⸗ 
[ide frauen waren die erften, tie an das Grab famen 
unb von welchen die erfte Kunde von der Auferftehung 
Jeſu herrührt. Es ift gewiß nicht zufällig, wenn fid) 
hier die Gegenjáge fo ſcharf gegenübertreten., fonbern fidet 
fo vom Evangeliften intenbirt, unb wir haben fomit 9tedjt, 
anzunehmen, baf er fid) in feinem Bericht über die Auf 
. erftehung des Herrn von denselben polemifchen Intereſſe 
leiten ließ, in welchem er bie Entftehung be8 oben ers 
wähnten Gerüchtes referirt. In dieſer Beziehung ift es 
interefjant, ben Bericht des Matthäus mit tem be8 Paulus 
1 Gor. 15, 5 ff. über ben gleichen Gegenftand zu vergleichen. 
Paulus nennt ald Zeugen ter 2fuferftebung blos Männer, 
offenbar, weil feine Gegner das Zeugniß von Frauen nicht 
als genügend anerkannt hätten, Matthäus dagegen nennt 
blos Frauen, weil ſolchen eine That, wie bad Gteblen 
bes Leichnams Jeſu nicht zugemuthet werben fonnte. Er 








fiber bett Berg Galiláa. \ 519 


reichte aber Mattbäus feinen Zweck durch Hervorhebung 
deſſen, was die Frauen gethan und erfahren, ſo durfte er 
weiteres nicht beibringen, Ob nad) ben Frauen nod) Män- 
ner zum Grabe gekommen, wie jene ihre Aufträge aus 
gerichtet, wie ihre Nachrichten im Kreife ber Jünger auf» 
genommen wurden, ob der Herr auch πο andern erſchie⸗ 
nen ſei — bief fag aufer bem Bereiche feiner fchriftlichen - 
Darftelung in ber 9Beije, daß er barauf nidt eingehen 
durfte, jonberm es dem münbliden Unterrichte überlafjen 
mußte, bió etwa eine anbere Beranlaffung ihm oder einen 
andern aus bem Kreife ber Jünger nöthigte, auch auf 
ſolches die Schriftliche Aufzeichnung audaubebnen. Uebrigens 
if mit Anerkennung einer polemifchen Tendenz beó Abs 
ſchnittes Matth. 28, 1—10 tie Bedeutung desſelben nod) 
nicht erfchöpft. In ben Reben des Engeld v. 7, und des 
Herrn v. 10 ift ein folder 9tadbrud auf die Weifung, 
nah Galiláa fid) zu verfügen, gelegt, daß man zugeben 
muß, taf ver Evangelift, indem er gerade dieſen Punkt 
aus den unzweifelhaft ausführlichen Verhandlungen θεῖς 
vorhebt, damit einen befondern Zwed erreichen wollte, 
Welches diefer Zweck war, erhellt aus vem Gewicht, wel» 
ches er anf bie Erzählung v. 16—20 legt, mit ber er 
feinem Werfe gleichſam die Krone aufſetzt. Da der Schau⸗ 
platz ber betreffenden Begebenheit Galilag war, fo mußte 
er motiviren, wie bie Sünger in dieſe Landſchaft famen, 
unb er tfut bie, indem er ble betreffenden Aufträge des 
Engels und des Herrn referirt. 

Darnad werben fid) die vom Verfaſſer oben aufges 
ftellten SBebenfen, beziehungsweife Widerſprüche leicht löfen 
Infien. Matthäus erzählt bío8 bie Aufträge, welche vie 
rauen erhielten; wie diefe zur Ausführung famen , übers 

94 * 


520 Hofmann, 


geht er. Wenn der Berfafler fragt: „was wären das für 
Jünger, bie ihren Meifter, ben Gobtgeglaubten. und wieder 
Auferftandenen nicht ſogleich wieder aufgefucht hätten, 
nachdem fie eine Kunde von ihm erhalten und erfahren 
 Batten, wo fte ihn fehen fónnten ?" fo ift das eine bloße 
Sitabe, zu ber nichts berechtigt, und ber das pofitive 
Zeugniß entgegenftebt, daß die Frauen zuerft ihre Aufträge 
aus Furcht und Cdreden nicht ausrichteten Marc. 11, 8, 
und als fe biefelben ausrichteteten, feinen Glauben fanden 
. Mare. 11, 11. Luc. 24, 22. Leider waren bie Jünger nicht‘ 
fo, wie fie der Verfaffer fid) vorftellt, fondern mit ἀπεςία 
und σκληροχαρδία, Marc. 16, 14 behaftet. Wenn aber 
bet Herr mit dieſer Gemüthöbefchaffenheit Gebuld trug 
und fie durch viele Beweife (Apg. 1, 3) von feiner Aufer- 
ftehung überzeugte, fo mwiderfpricht das ber orthodoren Ans 
fidt von ber Perſon Sefu fo wenig als der Umftand, daß 
er vor feinem Tode als Lehrer durch brel Jahre Dinburd) 
thätig war. Es. war ein Mangel von Seite ber Jünger, 
‚wenn fie der durch ble Frauen an fie gelangten Anweifung 
feine Folge gaben, aber nicht ein Mangel von Seite Jeſu, 
wenn er fie durch wieberbolte Erjcheinungen überzeugte, 
daß jene Anweifung wirffid) von ibm, bem 9Iuferftanbenen, 
ausgegangen. Das ἰδοὺ προάγει ὑμᾶς jo zu prefjen, ale 
ob dadurch Jeſus Schon auf bem Wege nad Galilàa bes 
findlich bezeichnet werbe, ift ein Kunſtgriff, bem ber Ber: 
faffer füglih ben Wertretern der negativen Kritif hätte 
überlafjen dürfen; es hätte genügt, wenn er fid) an bie 
gewöhnliche grammatifche Regel, wornach bei Verbis bet 
Bewegung im Griedji[den. das Präfens auch Futuralbe⸗ 
deutung haben fann, erinnert hätte. Daß bie Iünger- bag 
éxet ue ὄψονέαι „jedenfalls nicht ander als auf ein erfteó 








fiber den Berg Galilda. 521 


Wiederfehen beziehen fonnten,^ ig zum minbeften zweifel- 
haft; e8 fommt aber ja gar nicht darauf an, wie fte εὖ 
auffaßten, ſondern wie ber 9tebenbe e8 meinte, unb bes 
haupten zu wollen, daß biefer ein erfte8 Wieverfehen- bate 
unter verftanden, wäre bod) etwas mehr als fonft bem 
Eregeten erlaubt if. Wil ber Verfaſſer fefthalten, daß 
Se[n8 nod) am Abend des Auferfiehungstages ven Jüngern 
ben Befehl gegeben, von Ierufalem fid) nicht zu entfernen, 
jo muß er aud die Himmelfahrt Jeſu noch auf venfelben 
Abend anfegen und damit Lucas mit fid) felbft (vgl. Apg. 
1,3) in Wiverfpruc bringen. WIN er aber dieß nicht, 
jo wird er anerfennen müfjen, bag Lucas, ber ganz andere 
Zwede verfolgt, als eine Erzählung von ber Thätigfeit 
des Auferftandenen zu geben, in bem vießfallfigen Bericht 
fummarifh und ohne Rüdfiht auf das Chronologifche 
verfährt unb daß fomit berfelbe nad) anderweitigen Sar ' 
ftelungen zu erflären ift, wornach εὖ feinem Alnftanve 
unterliegen fann, daß ber betreffende Befehl erft am vier 
zigften Tage nad) der Auferfiehung gegeben worden. - 
Nach diefen Auseinanverfegungen wird Har fein, daß bie 
Hypotheſe des Verfaſſers zu Befeitigung ber fraglichen Wis 
berfprüdje in ber Auferftehungsgeichichte auf einem richtigen 
Stanppunft der Betrachtung nicht nothwendig ift. Iſt fie 
aber bieB nicht, fo wird fid) gewiß Niemand dazu verftes 
hen, das Γαλιλαία im legten Kapitel ded Matthäusevans 
gelium in einem andern Sinn zu faffen, ald in bem, in 
welchem es wohl ein Dugendmal in berjelben Schrift fonft 
nod unb in welchem es überhaupt im N. S. vorkommt. 
Es erübrigt nur nod; unjere Meinung über die Bes 
weisführung zu fagen, durch welche ber Verfaffer feftftellen 
will, daß bereits zur Zeit Chrifti ble Nordſpitze des Del, 


"522 ] Hofmann, 


berges ven Ramen Oaliláa geführt Babe. Prüft man tie 
von ihm vorgebradjten Zeugnifie, fo lajjen ih alle auf 
eine Quelle, das apofryphifche Evangelium ded Ricodemus, 
zurudführen. Dieſes verfegt allerdings unzweifelhaft das 
Γαλελαία te8 Matthäus auf ten Oelberg. Allein dieſe 
Angabe ift mehr ald bloß verbädtig. Der Berfaffer hätte 
fh an tie für die Kritif der apokryphiſchen Evangelien 
fo widtige Stelle bei Orig. c. Celsum IL 27 erinnern follen. 
Dort fagt der von Celſus rebenb eingeführte Sube in Bezug 
auf die Ehriften, taf fie, indem fie wie Trunkene an fi 
{εἰδῇ Hand anlegen, aus ber erfien Schrift das Evanges 
[ium dreifad unb vierfach und vielfach umarbeiten unb umnge⸗ 
Ralten, um gegen vie Uleberweifungen 9augnung erheben zu 
fónnen. Indem Origene? vieje 9lengerung in Betreff tex apos 
frypbijden Evangelien zugibt, läßt er einen tiefen Blid in 
die Entſtehungsgeſchichte derſelben tbun. Es entftanten — 
wie es ſcheint, hauptſächlich von jübifder €eite — Giw 
wentungen gegen bie chriſtliche Lehre, tenen. man mit ben 
vorhandenen Evangelien nid glaubte begegnen zu fonuen, 
es wurden Angaben in biejen ſelbſt in Zweifel gezogen, εὖ 
warb tie Unvollftändigfeit der in ihnen enthaltenen Rad 
richten benügt, um fie in Widerfprüche mit einanter zu vers 
wideln, unb auf chriſtlicher Seite ſuchte verfehrter Eifer und 
Unverfland fi damit zu heifen, daß man neue Evangelien 
fhuf, vie alles enthielten, was man zur Beweisführung 
gegen die láftigen Gegner braudte. Ein genaues Studium 
der nodj vorhandenen apofrypbijden Evangelien Ichrt, daß 
dieß wirflih zum großen Theil ihre Entſtehungsgeſchichte 
war unb befonders gilt dieß von den verfchiedenen Recens 
fionen te$ Evangelium Nicodemi. Aud, tie Etelle (cap. 14 


ber zweiten Recenfion in Tiſchendorfs evangelia apocrypha) 


- 


über ben Berg Galilaͤa. 523 


auf welche fid) ber Verfafjer beruft, jcheint fo entftauben 
zu fein. Gin pfiffiger Sube, ber nur das gefchriebene - 
Mort gelten ließ, mag diefelben Wiverfprüce in der Aufs 
erftehungsgefchichte gefunden haben, auf weldje ber Vers 
faſſer bie Nothwendigkeit feiner Hypothefe ftügt, und ein 
getaufter Grieche, ber in Betreff des Γαλιλαία auf ben» 
felben Gebanfen fam, wie unfer Verfaſſer, fand ed nicht 
gegen fein Gewilfen, demſelben durch Interpolation ber 
ältern acta Pilati eine hiftorifche Grundlage zu geben, bie 
freilich nirgenb anders eriftirte als in feiner erfindungs- 
reihen Phantafie. 


Aberle. 








Literarifcher Unzeiger 
Nr. 3. : 


.—UH——————————————Ánp—— ———  } 

Die hier angezeigten Schriften findet man in der $$. Laupp'ſchen 

Buchhandlung (Say & Siebeh) in Tübingen —— wie 
alle Erſcheinungen der neueſten Litteratur. 


Im Verlage der Theifſing'ſchen Buchhandlung in Münſter ti 
erſchienen: 


Beiträge zur Neform der Grammatik. Erſtes 
Seh: Die Grundlegung ber Grammatif 
mit Rüdfiht auf bie Stellung der Gram. 
matif ín ber Volksſchule unb auf den 3 
fammenbang ber modernen Orammatifmit 
ben Principien ber Revolution. Bon Dr. 
8. —— Pfarrer zu Albachten. 8. Geheftet 

gr. 


Tübingen. Im Verlage der $$. Laupp'ſchen Buchhandlung 
en & Siebe) ijt foeben erfchienen und in allen Buchhandlungen 
zu haben: 


Chryſoſtomus Poſtille. 


Vier und fiebenzig Predigten aus den 


Werken des hl. Chryſoſtomus 


für Prebdiger und zur Privaterbauung ausgewählt 
unb aus dem Griechifchen überſetzt 
von 
Dr. G, J. Hefele, 
9. 6. Profeſſor der Theologie zu Tübingen. 
Britte vielfach verbefferte und vermehrte Auflage. 
423, Bog. gt. 8. brodj. fl. 2. 12 fr. Rthlr. 1. 12 Nor. 


G6 freut uns abermals eine neue Auflage der Chryſoſtomuspoftille 
anzeigen zu können, deren beträchtliche Vorzüge vor ben beiden frühern 
bauptfád)lid) darin befteben, daß 8 neue Predigten beigefügt, 4 weniger 
paffenbe ausgelafien und die erflen 62 nadj den Sonn unb Fef- 
tagen des Kirchenjahres geordnet worden find. Sie fchließen 
fid) den fonn« unb fefttäglichen Perikopen an unb bilden fo einen Jahre ἐσ 


2 


 eyfius. Zwölf weitere, blegu weniger PETS aber hochſt werthvolle 
Reden wurden in dem Anhange zuſammengeſtellt. Ein ziemlich ausführ⸗ 
liches Regiſter wird den Gebrauch erleichtern. Außerdem ift ble Aus: 
ftattung fchöner , bie Bogenzahl bedeutend größer unb ber Preis bennod) 
billiger. Wir zweifeln daher nicht, bag bie bisherige beifällige Aufnahme 
noch wefentlich erhöht werde. 





Bei 9. Dverwetter in Dönabrüd ift erfchienen unb vorräthig 
in. allen guten Buchhandlungen : 


Seling I. M. Vernunftwiſſenſchaft, befonders 
eine vernunftwiffenfhaftlide Menfdhen- 
und Gotteslehre, mit einem Anhange über 
die Ewigfeit der Zeit auf Seite Gottes. 
Preis 1 Thlr. 

Diefes Werk if das Refultat langjähriger, ernfler Studien und 


fann diefe Erfheinung in Anbetracht ber hohen, woifienfchaftlidyen Ins 
terefien der Gegenwart als eine febr willfommene bezeichnet werben. 


Sn ber Unterzeichneten ift fo eben erfchtenen: 


Das Bub Tobias 
iic unb erflärt 
von 


eine. Neuſch, 
E „or Theo ogie an der —— Bonn. 


Mit apis ἢ bes ln ei Gui ole von Freiburg. 
Rthlr. — cd 
' — Seiburg im Breiögan 1857. 
Herder'ſche Verlagshandlung 


Katholifche Kapitalwerke zu bedeutend 
ermäßigten Preijen: | 

Durch alle Buchhandlungen ift zu beziehen: 
at. I Stolberg, Geſchichte ber Religion Jefu 
Ehrifti. Wiener Ausgabe gr. 8. 15 Bde. unb 2 Reg. 
Bode. früherer Preis 19 Rihlr. 15 Ngr., jegt Rthlr. 4 — 
Deffelben Betrahtungen und Beherzigungen ber 
heiligen Schrift. 2 Bde. früher 2 Rtihlr. jegt — 20 gr. 
Thomas von Kempis, fämmtlidhe Werke über. 


von 3. 9. Silbert. 4 Bde. früher Rthlr. 5. 20 Nor. 
jegt Rthlr. 2 — 





4 


2. 


Auguſtinus (des heil), Stadt Gottes. Nach ver 

Mauriner Ausgabe von 3. 9. Silbert. 2 Bde. früher 
Kthlr. 6 — jest Rthir. 2 — "E 

Berlag ber Wallishaußerſchen Buchhandlung (Sof. Klemm) im Wien. 








Zübingen. Im Laupp’fhen Berlage (faupp ἃ Sieberk) {fl 
foeben erfdienen und in allen Buchhandlungen zu haben: | 


Kirchliche Benediftinnen 


- ππὸ ihre Sermaltung. 
Bon 


Dr. Ferd. Probſt, 
Priefter. 
Mit Genehmigung des Hochw. Erzbifchöflichen Ordinariats Freiburg. 


21 Bog. größtes 8. broch. fl. 1. 36 fr. Rıhle. 1. — 


Die Abficht des H. Verfaſſers bei Ausarbeitung diefes Werkes war, 
durchweg bie Lehre ber fird)e fo treu als möglich wiederzugeben und 
mit Benützung des Vorhandenen eine umfaffenbe und eingehende Löfung 
der gegebenen Aufgabe zu verfuchen. 

— Da unfere Literatur noch Fein derartiges wiflenfchaftliches und 
practifches Buch über biefe wichtige Lehre aufzuweifen Dat, bürfte 
dieß neue Werk des bekannten H. Berfaflers, das fid) an befen: 
Brevier, bie Euchariſtie xc. anfdjliegt und fo einen weiteren Bei⸗ 
trag zu einer fatb. Paſtoraltheologie bildet, wieder großen Beifall finden. 


Der firdenbann. 
Nach den Grundfühen des canonifchen Rechts 


dargeftellt von 
Dr. F. fober, 


0. Profeſſor der Fathol.stheol. Bacultät in Tübingen. 
^36 Bog. gr. 8. Brod). fl. 3. 36 fr. Nthlr. 2. 8 Ngr. 


Der Q. Verfaſſer des vorliegenden Werkes Hat fi die Aufgabe 
gefteflt, an der Hand der Geſchichte und in fireng wiffenicyaftlicher orm 
die Srundfäge ter Eicchlichen Gefeggebung über die Strafe der Grcome 
munication monographifch darzulegen und ein Hares Beritänbniß biefes 
für Handhabung der äußeren Kirchenzucht fo überaus wichtigen Punftes 
allfeitig zu ermitteln. Nicht nur der Gegen(tanb an fih, fonberm aud) 
die Art und Seife feiner Behandlung dürfte für die Wiffenfchaft wie für 
die gerichtliche Praxis gleich großes Interefie barbieten. 





2 


 eyfíus. Zwölf weitere, hiezu weniger geeignete, aber δ wertbvolle 
Reden wurden in dem Anhange zufammengeftellt. Ein ziemlich ausführt 
liches Regifter wird den Gebrauch erleichtern. Außerdem ift bie Aus 
ftattung ſchöner, bie Bogenzahl bedeutend größer und ber Preis bennod) 
billiger. Wir zweifeln daher nicht, bag bie bisherige beifällige Aufnahme 
noch wefentlich erhöht werbe. 


Bei 9. Overwetter in Dönabrüd ift erfchienen und vorrätig 
in. allen guten. Buchhandlungen: 


Seling 3. M. Vernunftwiſſenſchaft, befonders 
eine oernunftwiffenfhaftlide Menfden- 
unb Gotteslehre, mit einem Anhange über 
die Ewigfeit ber Zeit auf Seite Gottes. 
Preis 1 Thlr. 

Diefes Werk it das Refultat langjähriger, ernfler Studien unb 
fann υἱεῖς Erfcheinung in Anbetracht der hohen, vwoifienfchaftlichen In⸗ 
terefien der Gegenwart als eine febr. willfommene bezeichnet werben. 


Sn bet Unterzeichneten ift fo eben erfchienen: 


Das Bub Tobias 
überfeßt und erflärt 
von 


Lic. $t. eint. Neuſch, 
Privatdocent ber Theologie an der liniverfitát Bonn. 
Mit Approbation des hochwürdigften Herrn Erzbiſchofs von fyrelburg. 
Preis: Rthlr. — 21 gr. fl. 1. 12 fx. 
Feiburg im Breisgau 1857. 


x 


Herder’fhe Verlagshandlung 





Katholifche KRapitalwerke zu bedeutend 
ermäßigten Preijen: 
Durch alle Buchhandlungen ift zu beziehen: 

Fr. Graf Stolberg, Geídidte der Religion Jeſu 
Gbriftt. Wiener Ausgabe gr. 8. 15 Bde. und 2 Meg. 
Bde. früherer Preis 19 Nıblr. 15 Ngr., jegt Rthlr. 4 — 

Deſſelben Betrahtungen und Beherzigungen δεῖ 
heiligen Schrift. 2 Bde. früher 2 Rthlr. jegt — 20 gr. 

Thomas von Kempis, [immtlide Werke überf. 


von 3. 9. Silbert. 4 Bde. früher Rthlr. 5. 20 Ngr. 
jest Rthlr. 2 — 


. 


4 


Auguſtinus (b Heil), Stadt Gottes. Nach ber 
' SUÜtbuauriner Ausgabe von 3. 9. Silbert. 2 Bde. früher 
Re. 6 — jest Rthlr. 2 — 
Berlag ber Wallishaußerſchen Buchhandlung (Sof. Klemm) in Wien. 





Tübingen. Im Laupp'ſchen Verlage (Laupp & Siebe) if 
foeben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: i 


Kirchliche SYenebiFtionen 


amd ihre Berwallung. 


Don 
Dr. Ferd. Brobft, - 


Prieſter. 
Mit Genehmigung des Hochw. Erzbiſchoͤflichen Ordinariats Freiburg. 
21 Bog. größtes 8. broch. fl. 1. 36 fr. Rthlr. 1. — 


Die Abficht des H. Verfaſſers bei Ausarbeitung diefes Werfes war, 
durchweg die Lehre der Kirche fo treu als möglich wiederzugeben und 
mit Benügung des Borhandenen eine umfaflende und eingehende Löfung 
der gegebenen Aufgabe zu verfuchen. 

— Da unfere Literatur noch Fein derartiges wiflenfchaftliches unb 
practifches Buch über biefe wichtige Lehre aufzuweifen bat, bürfte 
bieB neue Werk des befannten H. Verfaſſers, das (id an befen: 
Brevier, bie Euchariſtie x. anfchließt und fo einen weiteren Bei⸗ 
trag zu einer Fath. Paftoraltbeologie bildet, wieder großen Beifall finden. 


Der Kirhenbann. 
9tad) den Grundfühen des canoniſchen Rechts 


dargeftellt von 
Dr. F. SKober, 


Ὁ. Profeſſor der kathol.⸗theol. Bacultät in Tübingen. 
^86 Bog. gr. 8. brodh. fl. 3. 36 fr. Rthlr. 2. 8 Ngr. 


Der H. Berfafler des vorliegenden Werkes hat fid) die Aufgabe 
geſtellt, an ber Hand der Geſchichte und in fireng wiflenfchaftlicher Form 
die Orunbfáge ter kirchlichen Gefeggebung über die Strafe der Ercom⸗ 
munication monographifch darzulegen uud ein Hares Verſtaͤndniß biefes 
für Handhabung der Äußeren Kirchenzucht fo überaus wichtigen Punktes 
allfeitig zu ermitteln. Nicht nur der Gegenftand an ὦ, fondern aud) 
bie Art und Weife feiner Behandlung bürfte für bie Wiſſenſchaft wie für 
vie gerichtliche Braris gleich großes Intereſſe darbieten. 





4 


In bem Berlage ver (5, H. Beck' ſchen Buchhandlung in Nörd: 
lingen if fo eben erfchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Chriſtliche Beligionsphilofophie 


in drei Büchern 
' von 


Xaber Schmid aus Schwarsenber erg 
Doctor und Decent der Philoſophie an der fgl. Univerfität luit: 
gr. 8. 33 Bogen. br. Preis 2 Thlr 20 Ngr. oder 4 fl. 36 Fr. 
Motto: Propria cuique genti loquela, sed loquelae 
materia communis. T ertull. 
Diefes ee Merk ift der Tendenz unb bem Inhalte nad 
feitifch-fpeculativ. Der Herr Berfaffer wollte nämlich durch Fritifche Bes 
leudtung „das Gewoͤlke zerftreuen (wie er felbft fagt), durch welches 
die Menfchen bie Wahrheit verbunfelt Haben.” Sodann fuchte er fpecus 
latio die Grundidee alle& geiftigen Lebens und ber Religion, befonvers 
der chriftlichen, zu finden, und auf eine fíare Weiſe die volffommenftt 
Harmonie biefer Grundidee nachzumweifen, woraus erft eine höhere Einheit 
der Philofophie und Theologie unt fomit eine nur höhere Form be 
Chriſtenthums erblühen kann. Da bie Darftellung fer. präcis und ein 
fach. i, fo wird das Buch nicht blos den Fachgelehrten, fondern allen 
Denfern, welche fid) für bie ernften fpeculativen — der Gegenwart 
interefftren, von großem Intereſſe fein. — 








In ber 8. Hurter’fhen Buchhandlung in Schaffgaufen e ers 
ſchien fo eben 


fianonifd)es Bed 


von 
Dr. €, F. Noßhirt. 
Thlr. 3. 22 Nor. fl. 6. 18 fr. 


Die 
Verſöhnung des Weltalls 


burd) baé 


Blut Jeſu Ehrifi 
nad) Kolofier 1. 20 


von 


J. 9€. Schneider. 
' 8. Breis fl. 2. 20 Tr. Rthlr. 1. 10 Nor. 


9 


Die neuern 


religiöſen Frauen-Genoſſenſchaften 
nad) ihren rechtlichen Berhältniffen 


dargeftellt 
j von 


Dr. B. Schels. 
8. Preis fl, 2. 20 fr. Rthlr. 1. 10 Nor. 


Bandbud) 


der 


Univerfalgefchichte 


für 
die höhere Anterrichtsflufe und zum Selbfifiudium 


bearbeitet ” 
von 


H. Nucgaber. 
IL. Band. Enthaltend die Gefchichte des Mittelalters. 
Lex. 8. Preis fl. 5. Rthlr. 3. ὅτ, 10. 60. 


„Ein ſehr gediegenes Gefchichtswerf, indem überall der gelehrte 
Apparat Elar und fcharf ausgeprägt, benügt unb der Ertrag der neneften 
Forſchungen vermertbet ift. Das Eare, ruhige, befonnene Urtheil thut 
ín diefem tüchtigen Buche feft wohl; überall fpiegelt fid) in bemfefben 
eine würbige religiöfe Auffaflung ab.“ 


Instructio practica 
in missae celebratione, officii divini recitatione 
οἱ 


sacramentorum administratione 
juxta. ritum Romanum 


usui clericorum accommodata et prolata 





a 
Josepho Schuster. 
8. Preis fl. 2. 24 fr, Rthlr. +. 12 Ngr. 


6 
Y là di 2 Y 
Die heiligen Schriften 
— EC des 
Neuen Teſtamentes, 
Tad), den 
beften katholifchen ältern und neueren Schriftauslegern 
practifch eiklaͤrt 
2T PME u.. Mn B. o4 
Dr. Jordan Bucher. 
I. Band: Das Hl. Evangelium Sefu Chrifti nad) Markus und Lukas. 
8. Preis fl. 1. 36 fr. Rthlr. — 27 Nor. 





Buchhandlung zu haben: 


Raläftina, 


oder das heilige Sand zur Brit Sefu, 
in geographifchen, religtöfen, haͤuslichen und bürgerlichen Ver⸗ 

| p bältntffen. . : 
Ein Handbuch für Lehrer beim Unterricht in der biblifchen Gefchichte 

und zugleich zum nüglichen Gebraudje für das Haus. 
Bon Th. Weſthaus, Lehrer an ber Fatholifchen Knabenfchule zu Soeſt. 

'  Mebft einer Karte von SBaláftina. zur Zeit Sefn. 
Mit Approbation der Bifchöflichen Behörde. 
148 Selten 8. Preid 12 Gar. . Die Karte allein koſtet 21/2 Ser. 
Durch Tangjähriges Studium des Gegenflandes obigen Werkes fonute 
der Berfafler εὖ ermöglichen, über ble geogt., telig. und bürgerlichen Ver⸗ 
hältniffe des alten Baläftina eine Schrift n liefern, die nicht verfeblen 
Tann den Lehrern beim Unterrichte im der bibl. Geſchichte große Dienfte 
zu leiften.- Abgefehen von unferer eigenen Weberzeugung, von ber Ge: 
biegenheit befagten Werkes, fónmen wir felbiges um fo mehr empfehlen, 
als aud) bewährte unb tüchtige NRecenfenten durchaus Feine wefentlide 
Mängel an bemfelben zu rügen vermochten. Und wenn biefes Werfchen 
fchon bei feinem erſten Erſcheinen fib der beiten Aufnahme erfreute, [9 
dürfen wir folches mit Recht auch von feiner zweiten verbefferten Auflage 
erwarten. — : 
Um auch ben Schülern bei Erlernen tet. bibl. Gefchichte eine Gv 

leichterung zu verfchaffen, fat dee Verfaſſer aus obigem größern Werke 
einen furgen. Auszug (gef. mit Karte a 11/3 Sgr.) bearbeitet der n 
feiner fünften Auflage ben Lehrern unbebingt auf's Beſte empfohlen 
werden darf. . 


Bei tine erfehlen fo eben in zweiter Auflage unb ift in jeder 











7 


Hüſer's Leſebuch 5. Auflage! 


A ——— e Ó m d 


Leſebuch 
für die Oberklaſſen 
katholiſcher Elementarſchulen. 
Von 


J. A. Hüſer, 
Paſtor in der Kirchveiſchede. 
Mit Approbation des Hochwürdigſten Biſchoͤflichen Ordinariats 
in Paderborn. 
Zwei Theile. 
Fünfte Auflage. 
30 Bogen gr. 8. Preis geb. 10 Gar. . 

Angedeutetes Werk erfreut fich einer derartig günftigen Aufnahme, 
daß ἐδ im der kurzen Zeit feines Erfcheinens fünfmal aufgelegt werden 
mußte; mehr denn als 15,000 Gremplare haben bereits Eingang in 
Schulen gefunden. 

Unfer Lehrbuch, welches einen entfchievenen Fath. Charakter trägt, 
zerfällt in zwei Theile, deren erfter nach einer Reihe von Fürzeren, (td 
an die Sittenlehre des fatf. Katechismus anlehnenden Erzählungen zur 
Nahahmung und Warnung vorführt. Auch find Hinzugefügt nod) 24 
Lehensbefchreibungen der befannteften Heiligen Gottes. -- 

Der zweite Theil enthält die fog. Steallen, bei deren Darftellung 
der Berfafler von dem Princip ausgegangen, daß εὖ beim Erlernen vers 
felben weniger auf das Auffaffen mit bem Gebádjtniffe, als auf Bildung 
bes Geiftes anfomme. — An geeigneten Stellen find Gedichte ,- Spriche 
wörter 1c. zur Belehrung beigegeben. — 

Sm Uebrigen verweilen wir auf bie vielfeitig erfolgten fehr günfligen 
Recenfionen, namentlich der „Deutfchen Bulfshalle,” Zugabe vom 8. Ian. 
1854, „Deutſchland“ 1856, No. 13, des „Trierfchen Schulblatteg 
No. 40 von 1856. — 

Dem cbigen, großen Lefehuch fchließt fi) an: 


Leſebuch für bie Mittelklaffen 


katholiſcher Elementarfchulen. 
Don Cj. U. H. Hüfer, Baftor in Kirchveifchebe. 
Mit Approbation. des Hochw. Bifchöflichen Ordinariads in Paderborn. 
Zweite Auflage. 
.8 Bogen gr. 8. Breis geh. 4 Gar. 

Diefes Hat ebenfo wie das größere bie erfreulichtte Aufnahme yes 
funben, fo daß in kurzer Zeit eine dritte Auflage nothwendig wird. 

Bei Einführung find wir gerne bereit, durch Freieremplare zu 
unterftügen. NRafferise Buchhandlung in oet. 


8 ! 


Su 9. Kellnerd Buchhandlung in Würzburg i fo eben ev 
ſchienen unb durch alle foliben Buchhandlungen zu beziehen: 


Reatholiſche 
KanzelVortraͤge 
πο. unb Feiertage 08 Τοιφοπίδει Kirchenjahres. 


Ignaz Lampert, | 
Benefiziat und Rektor der Kreis⸗Landwirthſchaft⸗ unb Gewerbſchule zu Würzburg. 


Drei Theile. 
Erſter Theil enthaltend: Gionntagspreblgten. 
Mit bifchöflicher Approbation. — 
Preis geheftet 1 fl. 30 Er. 


Eine willfommene Gabe für Prieſter und Raten wird ftd) diefes Buch 
eine große Zahl von Freunden erwerben; ba bie wifienfchaftlichen Kennt» 
niffe, fowie die vielfeitigen Lebenserfahrungen des Berfaflers, ber während 
feines Wirkens fid) guten Klang des Namens errungen hat, für bie 
Tüchtigkeit des Inhaltes bürgen. Die SBrebigten dürften bei ihrer Kürze 
eine willkommene Erbauungs⸗Lektüre für jeden Gläubigen bilden und 
empfehlen fich burd) warme und lebhafte Sprache. 





Zübingen. Sm unterzeichneten Derlage it foeben erfchienen 
unb in allen Buchhandlungen zu haben: 


Katholiſche Dogmatik. 
Dr. I Ruben, ἢ 


orb. Profeffor ber Theologie zu Tübingen. 
Bweiter Sand. 


Die Trinttätslehre. - 
Auch unter dem Titel: 


Die chriſtliche febre 


von der 


göttlichen Dreieinigfeit. 


423/, Bog. gr. 8. Velinppr. broch. fl. 4. 16 fr. Rthlr. 2. 20 Ngr. 


Der ecfte Band der Dogmatik ift ſchon längere Zeit vergriffen; 
eine zweite Auflage davon hoffen wir noch in biefem Jahre unter bit 


Preſſe zu bringen. 
9. Laupp'ſche Buchhandlung (Kaupp & Siebeck.) 


LY 


Cheologifhe 
Quartalſchrift. 


In Verbindung mit mehreren Gelehrten 





herausgegeben 


von 


D. v. Kuhn, D. v. Hefele, D. Zukrigl und D. Aberle, 


Profeſſoren ber kath. Theologie an der f. Univerfität Tübingen. 


Neununddreißigſter Jahrgang. 





Viertes Quartalheft. 


B 





Tübingen, 1857. 
Berlag der H. La upp' [den Buchhandlung. 
— faupp ἃ Giebed. — 





Trend von δ. aupy jr. 


I. 
Abhandlungen. 





1. 


Das erſte Luftrum des Bilderftreits 
in hronologifcher und fachlicher Berichtigung. 


Unter ben. Gelehrten, die ben Verlauf des Bilverftreits 
bes Genauern unter[udjten, wie Friedrich Spanheim ὃ. j., 
Chriftian Walk, Schloffer in Heidelberg, Baronius, Pagi, 
Maimbourg unb Marr hat faft jeder eine eigene Hypotheſe 
über bie Chronologie des erſten Luſtrums dieſer bittern 
Streitigkeiten aufgeftellt. Das Unfichere und Unbeftimmte 
in ben Nachrichten der Quellen gab hiezu Beranlaflung. 
Rene Prüfung ber legtern führte und zu mehreren neuen Res 
fultaten, bie wir in einer gebrängten Darftelung der Anfänge 
des SSilberfireitó um fo mehr uns darzulegen erlauben, als 
wir damit mandje andere nöthige Berichtigung in ber Ges 
ſchichte und Auffaffung tiefer Streitigkeiten zu verbinden 
Gelegenheit haben. 

Den feit Conftantin v. Gr. in der gefammten Kirche, 
bei den Griechen nod mehr als ben Lateinern üblichen 
Gebraud) der Bilder wollte im achten Jahrhundert Kaifer 

35 * 


528 Dad erfte. guftrum 


2 e 0 ber Iſaurier wieder ausrotten. Seine Jugendgeſchichte 
und Laufbahn wird von ben Alten fefr vev[djieben erzählt. 
Nach ben Einen war er ein armer Handeldmann aus Ifaus 
tien in Kleinafien, ber feine wenigen Waaren auf einem 
Efel mit fid) führte, und fpäter als gemeiner &olbat ins 
faiferlide Heer trat, worin er wegen feiner körperlichen 
Kraft und Gewandtheit von Stufe zu Stufe emporftieg. 
Nah Theophanes dagegen 1) ftammte er aus Germanicia 
an bet Grenze Iſauriens, mußte unter Kaifer Suftinian II. 
jammt feinem Vater nah Mejembria in Thrazien übers 
fieveln (warum, ift unbefannt), machte biejem Kaifer, als 
er einmal mit feinem Heere ziemlich in Noth war, ein Ges 
(dent von 500 Schafen, wurde dafür Faiferliger Spatha⸗ 
rius ?), unter Anaftafius IL. aber General des Heeres in 
Kleinaften. Als [egterer Kaifer in Folge einer Meuterel 
im Sabre 716 refignirte und in ein Klofter ging, um bem 
gutmüthigen aber ſchwachen Theodoſius, ben die Infurgenten 
zum Kaiſer ausgerufen hatten, Platz zu mahen, verfagte 
Leo diefem den Geborfam, befiegte und zwang ihn, eben; 
falls in ein Klofter zu geben, und beftieg nun felbft ben 
Thron ald Gründer einer neuen Dynaftied) Bon Haus 
aus ohne Bildung, rob an Sitten, ein militärifcher Empor; 
fómmling, fand er in fid) fein Verſtändniß ber Kunſt und 

1) Theophanis Chronographia, ed Bonn. T. I. p. 600. 

2) Spatharius von spatha = Schwert, ein Officier, 
der dem Kaifer das Schwert trägt, etwa — Adjutant. Bol. Du 
Cgnge, Glossar. mediae et inf. latinitatis s. v. Spalharius. 

3) Baronius ad ann. 716, 1—3 verfeht ben Regierungsans 
tritt Leo's in bae Jahr 716; Theophanes bagrgen, faft Zeit: 
genofje, gibt (1. c. p. 635) an: Leo habe ben Thron am 25. März 
δεῖ 15. Indiction (aljo 717) beftiegen. Lebtere lief vom 1. Sept. 716 


bis 1. &ept. 717. Ihm flimmte Bagi bei ad ann. 716, 1—3. Wir 
werben das Richtige fpäter &. 577 f. zu bemerken Gelegenheit haben. 











des Bilderftreits. 529 


fein Afthetifches Gefühl, das ihn von Vandalismus hätte 
abhalten fónnen. Ohne Zweifel war er alles Ernftes der 
Meinung, bie Bilderverehrung [εἰ ein Rüdfall ins Heiden⸗ 
thum, und das altteftamentliche Verbot berjelben noch jegt 
in voller Kraft. Wie er aber zu biefer Anficht gefommen, 
ob fie in ihm felbft entftanben ober von außen ihm einge, 
flößt worden fei, muß bei ben theild unvoliftánbigen, theile 
unwahrjcheinlihen Angaben der Duellen unentjchieden 
bleiben. Gewiß dagegen ift, daß gewaltthätige Durch— 
fegung feiner Plane aud) in Religionsſachen, ohne Rüds 
fit auf die Freiheit ber Gewiffen, ebenjo im Charafter 
Leo's, wie in ber Praris ber byzantiniſchen Kaiſer über: 
haupt lag. Dieß zeigte er Schon im fechsten Sabre feiner 
Regierung, als er bie Juden unb Montaniften zur Annahme 
ber Taufe zwang. Die erfteren unterwarfen ſich zum Scheine, 
ble Montaniften aber zündeten dad Haus, worin fte fid) 
verfammelt, jelbft an, und ftarben lieber in ben Flammen, 
als daß fie fid) bem Befehle gefügt hätten. So erzählt ver 
Chronograph Theophanes (+ 818). 

Da bem Angriffe Leo’8 auf tie Bilder ein ganz ähn- 
licher vorausging, welchen ber Ehalife Jezid IL. nur trei 
Sahre früher in ben von ihm beherrfchten chriftlichen Pros 
singen durchzuführen fudjte, fo war natürlich, daß fdjon bie 
Zeitgenofjen ben Erfteren befchuldigten, er habe ben Maho⸗ 
medaner nachgeahmt, unb ihm farazenifche Gefinnung zur 
Laft legten. So namentlid) Theophanes (1. c. p. 618. 623), 
ber ben Renegaten Befer und ben Bilhof Gonftantin 
ans Nakolia in Phrygien als bte Hauptgehülfen des Kaifers 
in biefer Sache bezeichnet!). Den Biſchof Eonftantin insbeſon⸗ 





1) Schloſſer in f. Gefhichte der Bilverflürmenden Kaifer 


530 Das erfte guftrum 


bete nennt er einen unwiflenden Dann aller Ilnreinigfeit voll, 
von Beer aber erzählt er, daß er von Haus aus ein Ehrift, 
unter den Arabern ben Glauben verläugnet habe 5, fpäter 
nad) Eonftantinopel gegangen und bei Kaifer eo in große 
Gunft gefommen ſei. Wahrfheinlih war er wieder zum 
Chriſtenthum zurüdgetreten. 

Weitere Nachrichten über Gonftantin von Nafolia ers 
falten wir aus zwei Briefen des bamaligen Patriarchen 
Germanns von Gonftantinopel ὃ. Der eine davon ift an 
Biſchof Gonftantin felbft, ber andere an feinen Metropoliten 
Sohannes von Synnada gerichtet. Aus legterem erhellt, 
daß Eonftantin perfönlih nah onftantinopel gefommen 
war, unb bieß feinen Metropoliten veranlaßte, eigené an 
den Patriarchen zu fhreiben und ihn von bejfen bilders 
feindlihen 9Infidten in Senntnig zu feßen. In Folge 
hievon unterrevete fid) Germanus mit Bifchof Gonftantin 
über diefen Gegenftand. Lebterer berief fid) auf das A. T., 
welches bie Bilder verbiete; aber der Patriarch fette ihm 
ben wahren Sachverhalt auseinander und Gonftantin ftimmte 
ibm endlich bei mit der Verfiherung, daß aud) er fortan 
bad Gleiche befennen und Riemanden Wergerniß geben 
wolle Wir erfahren bie gerade aus dem erwähnten 
Briefe des Patriarhen an ben Erzbifhof von Synnas 


©. 161 nennt ihn irrig Theophilus von 9tafolia, einen Fehler 
bes Baronius nachſchreibend. 

1) Die Barianten des griechifchen Textes faffen es unentſchieden, 
ob Beier au ὁ Syrien gebürtig gemefen, oder fpäter in Syrien in 
farazenifche Befangenfchaft gefommen ſei. Vgl. bie Noten bes P. 
G oat zu Theophanes, ed. Bonn. T. IL, p. 636. 

2) Germanus, früher Erzbifchof von Cyzikus, fatte unter Kaifer 
Philippifus Bardanes zu ben Gegnern ber fechsten allgemeinen Sy: 
node gehalten, aber in Baͤlde fid) wieder befchrt. 











des Bilderftreits. 531 


ba 1), melden er bem Bifchof Gonftantin zur Beforgung ein, 
hänbigte, als biefer in feine Heimath zurüdfehrte. Conftans 
tin täufchte jedoch dieß Vertrauen, unterfchlug ben Brief, 
und hielt fid) von feinem Metropoliten ferne, angeblich aus 
Furcht, von ihm verfolgt zu werden. Der Batriarch erließ 
barum jept ein Fräftiged Echreiben. an Eonftantin felbft 
unb belegte ihn bi8 zur llebergabe jenes Briefe mit Excom⸗ 
munication ?). 

Wir zweifeln nicht, daß die Anwesenheit Conſtantins 
in Gonftantinopel in bie Vorgefchichte des Bilderſturmes ges 
höre. Biſchof Gonftantin hatte, wie wir aud tiefen Briefen 
erfeben, zuerft in feinem 9Baterlanbe den Kampf gegen die 
Bilder begonnen, unb war babel auf Widerftand von Seite 
des Metropoliten und der Comprovinzialbifchöfe geftoßen. 
Er ging nun παῷ Gonftantinopef, und fuchte ten Schuß 
feines höheren kirchlichen Ober, des Patriarchen, indem 
er zum Scheine ber Auseinanderfegung beffelben beitrat. 
Daß εὖ ihm dabei nicht Grnft gewefen, dürfen wir aus 
- feinem nachherigen Benehmen erjchließen. Patriarch Gers 
manué aber beutet nicht im Geringften an, daß damals 
auch ſchon ber Kaiſer Schritte gegen bie Bilder getban 
habe, fei es, daß von Seite Leo's wirklich in biejer Rich⸗ 
tung noch nichts gefchehen war, ober ver Patriarch es nur 
aus Klugheit ignorirte. Ich möchte die erftere Vermuthung 
vorziehen, denn aud) das Ignoriren war nur bann möglich, 
wenn wenigftens noch nichts 3Bebeutenbeó und Aufſehen⸗ 
eregenbeó von dem Kaifer war angeorbnet worden. 


1) Aufbewahrt in ben Akten der vierten Gigung von Micha, 
bei Mansi, Coll. Concil. T. XIII, p. 99 sqq. Harduin , T. IV., 
p. 239 sqq. 

2) Mansi, 1. c. p. 106. Harduin, |. c. p. 243. 


532 Das erſte 2uftrum 


Außer Befer und Gonftantin von Nafolia gehörten aud, 
Biſchof Thomas von Claudiopolis!) und Erzbiſchof Theo: 
bofiud von Ephefus, der Sohn des früheren Kaifers Apfis 
mar ober Tiberius IL zu ben Meinungsgenofien des Kaifers. 
Den Erfteren lernen wir aus einem Briefe des Patriarchen 
Germanus fennen, der ihm die kirchliche Anſicht in Betreff 
bet Bildervetehrung weitläufig audeinanderjegt und beflagt, 
daß er fo Ungünftiges, ja faum Glaubliches über Bifchof 
Thomas habe hören müjjen ). Den genannten Erzbifchof 
von Epheſus aber bezeichnet Papft Gregor Il. als den ges 
heimen Rathgeber Leo's 9). 

Ein anderer alter Zeuge will den Biſchof Eonftantin 
‚von Nafolia in ein Berhältniß zu dem Chalifen Jezid 
bringen. Der Mönd, Johannes nàmlid), Stellvertreter ver 
orientalifhen Patriarchate, verlas in ber fünften Gigung 
des fiebenten allg. Concils einen furzen Auffag, worin er 
erzählt: „nad Omars Tode wurde Ezid das Haupt bet 
Araber , ein leichtfinniger und wirrer Mann. Damals lebte 
zu Siberiad ein Vorfteher ber Juden, ein Zauberer, Wahr⸗ 
ſager und Diener ber Dämonen, mit Namen Teſſarakon⸗ 
ἰαρεῶνό (= 40 Ellen lang; nad andern Handſchriften 
heißt er Sarantatecho8), der bie Gunft Ezid's gewann und 
zu ihm fpradj: Du wirft lange leben und nod) 30 Jahre 
regieren..., wenn bu alle Bilder, Gemälde unb Mofaifen, 
alle Bilder an Wänden, Gefäflen und Tüchern, vie fid) 


1) G6 gab mehrere Städte diefes Namens in Kleinafien, fo 3. 2. 
— ein Bistum Glaubiopofié in Ifaurien, unb eine Metropole in Pas 
phlagonien. 

2) Bei Mansi, T. XIIL, p. 107 sqq.  Herduin, T. IV., 
p. 246 sqq. 

3) Bei Mansi, T. XIL, p. 968. Harduin, T. IV., p. 10,, |. unten 
S. 909. 











des Bilderſtreits. 533 


in den chriſtlichen Kirchen deines Reiches vorfinden, ſogleich 
vernichteſt; ebenſo alle andern auch nicht religiöſen Bilder, 
bie in den Städten ba und bort zum Schmucke angebracht 
find. Letzterer erwähnte er, um den Verdacht, als fpredje 
er nur απ Haß gegen die Ehriften, fern zu halten. Und 
der Tyrann fdenfte ihm Gehör, vernichtete ble Bilder und 
beraubte bie Kirchen alles Schmudes, ſchon bevor dieß Uebel 
auch in unfere Gegend fam. Da vie Chriften flohen unb 
die heiligen Bilver nicht ſelbſt gerftóren wollten, fo benügten 
bie damit beauftragten Emird hiezu die Juden und gemeine 
Araber. Die ehrwürdigen Bilder wurden verbrannt, bie 
Wände der Kirchen überfchmiert oder abgefragt. Da der 
Pſeudobiſchof von Nafolia und feine Wreunbe bieB hörten, 
ahmten fie die Bosheit ber Juden und Araber nad) unb 
fügten den Kirchen große Unbill zu. Ezid aber farb fchon 
nad 2'/ Jahren und bie Bilder wurden in feinem Reiche 
wieder hergeftelt. Ja, fein Nachfolger Ulid (Walid) ließ 
jenen Judenvorſteher, weil er den Tod feines Vaters (als 
Strafe Gottes) veranlaßt habe, hinrichten !)." 

Hienach erfiheint ber Biſchof von Nafolia, ber übris 
gend nicht allein geftanben fel, fontern Genoſſen gehabt 
habe (vielleicht aud) unter vem Episfopate), ald das Mittels 
glied zwifchen Jezid und Leo, als derjenige, ber wohl ben 
Letzteren beftimmte, Nachfolger des Chalifen im Bilvers 
finrme zu werben. Ein anderes Mittelgliev aber fchoben 
tie fpütern griechifchen Hiftorifer ein, und zwar haben 


1) Mansi , T. XIII, p. 198. Harduin, T. IV., p. 319. — 
Schloſſer a. a. Ὁ. G. 162 f. fagt: berfelbe Chalif Jezid Habe 
feinen diriftiden Unterthanen aud) ben Wein verboten; unb legt 
hierauf ein Gewicht. Allein nicht Segib, jonbetn fein Vorfahrer Omar 
that bief, wie Theophanes 1. c. p. 614 bezeugt. 


534 Dad erſte Luftrum 


ihrer Angabe zu Folge dieſelben Juden, welche ben Iezib 
verleitet, fpáter aud) ben Kaiſer für fid) gewonnen. Nach 
des Chalifen Tod ffieenb, famen fte an ble Grenzen Ifaus 
riens und trafen ba an einer Duelle einen jungen Dann, 
Leo, von anfehnliher Geftalt, ber fid) von einem (Θε ἀπ 
(Kaufmannſchaft) nährte. Sie fegten ὦ zu ibm, prophes 
zeiten ihm ben. Kaiſerthron, nahmen ihm aber aud) einen 
Eid ab, daß er im Falle feiner Erhöhung die Bilder Chriſti 
und Mariä überall entfernen wolle!). Leo verſprach εὖ, 
trat nad) einiger Zeit in das Militär, wurde unter Juſti⸗ 
nian II. Spatharius, endlich fogar Kaiſer. Nun fagten bie 
Juden, mahnten ihn an fein Verſprechen, unb Leo griff im 
zehnten Jahre feiner Regierung die Bilder an. — So er 
zählen mit verfchiedenen Variationen im Detail, aber in 
der Hauptfache übereinftimmend, Gebrenuó, Zonaras, Mi⸗ 
djael Glykas, Gonftantin Manafjes und zwei Anonymi, 
ble Autoren der oratio adv. Constantinum Cabalinum und 
ver epistola ad Theophilum. Das Zeitalter ber beiden 
Legteren ift nicht mehr zu beftimmen, wahrſcheinlich lebten 
fie aber ein paar Jahrhunderte nad? Kaiſer Xeo dem Iſau⸗ 
tier), unb die ganze Erzählung trägt fo deutlich ven Charak⸗ 
ter einer fpätern Gage, taß εὖ überflüffig wäre mit Bower 
(Θεῷ. v. Päpfte, Bo. IV., ©. 277 ff.) und Wald) (&. 205 ff.) 
allerlei Verbachtsgründe dagegen zu fammeln. Um nur Eins 
zu fagen , fo würden fid) bie Juden von Leo wohl etwas für fie 


1) Maimbourg ſchmückt Hier und anderwärts bie Sache eigens 
mächtig weiter aus, ohne Berechtigung durch bie Duellen. 

2) Die beiden fraglichen Schriften wurben früher irrig bem f. 
Sohannes von Damaskus zugefchrieben, und finden fid) unter befjen 
Werken ed. Le Quien, T. I., p. 625 sqq. und p. 633 sqq. gl. 
Walch, Keperhifl. Bd. X. ©. 151—155, 











des Bilderſtreits. 535 


Nützlicheres, als die Vertilgung ber Bilder ausbebungen haben ; 
und wie wenig ber Kaifer den Iuden bankbar ober geneigt 
war, zeigt der Umftand, daß er fie, wie wir willen, mit 
Gewalt zur Annahme der Taufe zwang. Bielleicht aber 
haben gerade bie in legterer Beziehung gemachten Erfah⸗ 
rungen ihn auf den Gebanfen gebradjt, daß bie ihm fo 
febr erwünfchte Befehrung der Iuden durch Hinwegräumung 
ber Bilder merflid) erleichtert werben müßte. Ia Viele 
meinen fogar, er habe baburd) zugleich aud) feine ſaraze⸗ 
nijden Nachbarn günftiger zu ftimmen und felbft ihnen ben 
Meg zum Eintritt in die Kirche zu ebnen ge[udt 5. — 
Nehmen wir zu diefen politijen Gründen nod) hinzu [02 
mohl bie bereit8 angeführte eigene befchränkte Anficht Leo’s, 
baß alle Bilderverehrung abgöttifch fei, al& aud) bie Gin» 
flüfterungen Beſers, Gonftantinó von Nafolia und Anderer, 
jo werben bie eigentlichen Gründe des SBilberfturmeó ung 
vor Augen liegen. — Daß berjelbe mit den monotheletifchen 
Etreitigfeiten zufammenhänge und von bem Faktum, baf 
$aifer Philippikus Bardanes ein Bild ber fedóéten allg. 
Eynode entfernen ließ, fid) Berbatire, ift blos capriciöfe 
Behauptung einiger Altern Proteftanten, namentlih Dalläus 
und Cpanfeim ?). 

Nach Theophanes (Il. c. p. 621), weldjem Anaftafius 
(hist. eccl.) und Paulus Diafonus (hist. miscella lib. XXI) 
folgten, begann Leo im neunten Jahre feiner Regierung 
(725 m. Gpr.), von ber Wegnahme ber heiligen Bilder 
λόγον ποιεῖσϑαι Ὁ. b. nicht blos überhaupt zu Sprechen, 
fenbern. eine Berorbnung, einen Befehl zu erfajjen, 

1) Vgl. Joh. v. Müller, allg. Θεῷ. 98b. XI. f. 10. 


Marr, der Bilderſtreit ©. 15 f. Walch, a. a. O. ©. 217. 
2) 3Bgl. 59 αἰ ὦ, a. a. Ὁ, €. 211. 


536 Das erfle Luftrum 


denn wenige Zeilen weiter unten jagt Theophanes: bet 
Papft habe hierauf bem Kaifer gefchrieben, μῆ δεῖν βασιλέα 
περὶ πίστεως λόγον ποιεῖσϑαι. Papſt Gregor II. dagegen 
(epist. 1. ad Leonem), jomie Gebrenuó und Zonaras vet 
legen ben Anfang des SBilberfireitó in das zehnte Jahr 
des Kaiſers und dieß hat auf vie Autorität Gregors 
als des älteften Zeugen, bie größere Wahrſcheinlichkeit für 
fib. Dazu fommt, daß in diefem Sabre 726 jenes Ras 
turereigniß ftatthatte, welches nad) der einftimmigen Angabe 
ber Alten den Plan des Kaiferd zur Reife bradjte. Zwi— 
Then den cykladiſchen Inſeln Thera und Therafia (norte 
öftlih von Greta) erhob fid) plöglich unter bem Meere ein 
Bulfan, der mehrere Tage [ang Feuer und Steine mit 
folder Gewalt ausfpie, daß die Küften von Kleinaften, ja 
felbft die von Lesbos, Abydos unb Stacebonien vielfad 
davon befhüttet wurden. Zugleich entftanb eine neue Infel, 
bie fid) mit ber Infel Hiera vereinigte. Der Raifer unb 
fein Genofje Beer wollten hierin ein Strafgericht Gottes 
wegen der Bilververehrung erbliden und griffen nun zum 
Werke '). 

Daß ber Kaifer bei feinem Vorſchreiten gegen die 
Bilder von Anfang an ben Patriarhen Germanus von 
Eonftantinopel entweder gar nicht zu 9tatfe 30g, ober bod) 
feinem Rathe nicht folgte, erhellt aud bem erften Briefe 
Gregors an Leo, worin er ihm den Vorwurf madt: sa- 
pientes non percontatus es?). Dagegen fpridyt ber Bios 
graph des ἢ. Abtes Stephanug, der unter Gonftantin Kopros 


1) Theophanes, l. c. p. 622. Nicephorus, de rebus post Mau- 
ritium gestis, in ber Bonner Ausgabe ber Byzantiner 1837, p. 64 
und alle Spätern. 


2) Bei Mansi, T. XIL, p. 960. Harduin, T. IV., p. 5., |. u. ©. 563. 


des Bilderfireitd. 537 


nymus wegen ber Bilder gemartert wurde, von einer Vers 
fammlung, bie ber Kaifer veranftaltet und worin er erflärt 
habe: „da bie Fertigung ber Bilder eine abgöttifche Kunſt 
ift, fo dürfen die Bilder nicht verehrt werden (στροσκυνεῖσ- 
ϑαι).. Die alte lateinische Ueberſetzung dieſer Biographie 
brüdt dieß abweichend vom griechifchen Original alfo aus: 
accita el coacta senatorum classe absurdum illud et 
impium evomuit (Leo): imaginum picturas formam quam- 
dam idolorum retinere, neque iis cultum esse adhiben- 
dum!). Hienad bat Schloſſer (a. a. D. ©. 166) angenommen, 
Kaiſer eo habe je t jdjon eine Rathöverfammlung wegen bet 
Bilder veranftaltet; id) fürdjte mit Unrecht, denn mie Papft 
Gregor IL, fo wiffen aud) Theophanes und Patriarch Nice- 
phorus, überhaupt bie älteften Quellen nichts von einer bet: 
“artigen Verfammlung im Jahre 726, unb der Biograph 
bes Stephanus hatte bei feinen Worten wohl nichts anderes 
als jenes Silentium (Berfammlung der geiftlid)en und melt: 
[iden Großen) im Auge, welded im Jahre 730 in ber 
Bilderfache ftatthatte, voie Theophanes und Andere bezeugen. 

Cedrenus, Zonaras, Gonftantin Manafjes und Glykas 
erzählen, ber ftaifer babe aud) bie zwölf Profeſſoren, welche 
an der großen Bibliothef (von 36,000 Bänden) in ber 
Nähe ber Sophienfirche angeftellt waren, fammt ihrem Dis 
teftor berufen und für feine Anficht zu gewinnen geſucht. 
Da dieß nicht gelang, habe er vie Bibliothek fammt ben 
darin eingefchloffenen genannten 13 Gelehrten verbrennen 
fafjen. — Da weder Gregor IL, nod) Theophanes over 
Nicephorus ober fonft einer der Alten, die bod die Gräuel 
Leo's genau verzeichnen, hievon fpricht, [o ift jene Ans 


1) Bei Baron. ad ann. 726, 4. 


538 Das erfte Luſtrum 


Angabe wohl in bad Reich ber Fabeln zu verlegen. Schloffer 
meint (S. 163 f.), fo viel werde wohl wahr fein, ba ver 
Kaiſer mit jenen Gelehrten geſprochen, aber fie nicht ge» 
wonnen babe. Man Babe dann ben faft ſechs Sabre 
ipátern Brand ber Bibliothef hievon abgeleitet. — Allein 
das Faktum dieſes Brandes ift gar nidjt genügend verbürgt 
und beruht wohl nur auf einer Verwechslung mit bem 
unter Kaiſer Seno ums Jahr 480 erfolgten Brande jener 
Bihliothef. Namentlich { das wunderſame Eremplar bet 
Sliade und Odyſſee, auf eine Sradenfaut geſchrieben, nad, 
ber Angabe beó Suidas [don unter Seno unb nicht erft, 
wie Gonftantin Manafjes behauptet, je&t unter eo wet; 
brannt. Beranlafjung aber zu ver SSranbfabel gab vieleicht 
ber Umftand, bag Theophanes (I. c. p. 623) erzählt: Qeo 
habe be[onberó bie Gelehrten verfolgt, jo daß die Schulen 
vernichtet worden feien. 

Daß Kaifer Leo (im Jahr 726) eine Verordnung, 
ein Edikt gegen die Bilder erlaffen habe, ift aus ben oben 
©. 536 angeführten Worten des Theophanes vollfommen 
deutlich und wird von Niemand geläugnet. Aber ſchwieriger 
ift e8, au den Inhalt dieſes erften Ediktes anzugeben. 
Mir werden fpäter finden, tag mehrere Hauptfäge befjelben 
im erften Briefe Gregors IL an Leo aufbewahrt find; aber 
gerade hier fuchte man fie nicht, weil man biefen Brief 
irrig in eine zu fpäte Zeit verjegte. Man ftüpte fid) lieber 
auf bie alte lateinische lleberfegung der Biographie des D. 
Abtes Stephanus, wornach der Kaifer, um das Volk zu 
begütigen, erflärte: „er wolle ja vie Bilver nicht vernichten, 
jondern nur höher hängen laffen, damit man fte nicht mehr 
mit dem Munde berühre” 1), und ſchloß hieraus, das erfte 


1) Baron. ad ann. 726, 5. 


des Bilderſtreits. 539 


Edikt habe blos das Küſſen und Verehren der Bilder, 
unb erſt das zweite im Jahr 730 deren Vernichtung bes 
fohlen 1). Allein abgeſehen davon, daß dieſe lateiniſche 
Ueberſetzung gar wenig Autorität hat, gehört dem bereits 
S. 537 geſagten gemäß die Verſammlung, wobei der Kaiſer 
Solches geſprochen haben ſoll, wohl dem Jahre 730 an. 
Dazu kommt noch, daß eine Menge, ja die meiſten alten 
Bilder in ben Kirchen Wandgemälde ober Wandmoſaiken 
waren, die nicht beliebig verrüdt werben fonnten unb ohnes 
hin meift in beträchtlicher Höhe angebracht waren. Endlich 
wären bie gleich zu erzählenden Vorfälle gar nicht erflärlich, 
wenn ber Kaifer nur ein Höherhängen ter Bilder verlangt 
hätte. Theophanes berichtet nämlich zum Jahre 718 feiner 
Zeitrechnung, b. i. bem zehnten Jahre Qeo'8 ober 726 n.. 
Ehr.: „vie Einwohner von Gonftantinopel wurden durch bie 
neuen Lehren (das Bilvderverbot) fehr betrübt und bis zur 
Empörung gereizt. Als einige Diener des Kaifers das 
Bild des Herrn über dem großen ehernen Sore zerftörten, 
brachte fie bad Volf um, und εὖ wurden nun zur Etrafe 
Diele wegen ihrer Srómmigfeit (Anhänglichkeit an bie Bilver) 
mit Berftimmelung, Schlägen, (rif, belegt, bejonberó Ges 
lehrte, fo daß bie Schulen vernichtet wurden.“ Ueber bie» 
ſelbe Begebenheit jagt Papft Gregor I. in feinem erften 
Briefe an Leo: „ald bu den Gpatfarocanbibatuá (b. i. 
. Spatharius und Ganbibatué zugleih, f. Du Cange) Io: 
vinus nad Ehalfoprateia (ein Ctabttfeil von Conftanti- 
nopel, wo Metallmaaren verkauft wurden) fdidteft, um 
das Chriſtusbild, welches Antiphonetes heißt 3), zu zerftören, 

. 1) So Wald, a. a. D. €. 225 unb Neander, £.G. Bd. III. 


S. 287. 
2) Gin fog. wunberthätiges Bild, welches einft für einen frommen 


540 Das erſte Luflrum 


fo baten fromme Frauen, weldje tort landen, ben Beamten, 
er möge tod) das nicht thun. Er aber nicht darauf achtend 
beftieg eine Leiter und fdjfug mit einer Art dreimal auf 
das Gefiót des Ehriftusbildes. (Er wollte aljo nicht blos 
das Bild höher hängen; εὖ hing ja jdn fo Dod), taf er 
eine Leiter brauchte.) Die Frauen aufs Tieffte entrüftet, 
warfen bie Leiter um und fchlugen ibn todt; du aber fchictef 
deine Diener und ließeft id) weiß nicht wie viele von ven 
Frauen Binridjten."^ Auch Cedrenus u. A. erzählen Achn; 
liches, und Kleine Abweichungen in den einzelnen Berichten 
find dabei nicht Dod) anzufchlagen. — Der Biograph des 
b. Etephanus verfegt dieß Ereigniß in tie Zeit nad ver 
Abſetzung des Patriarhen Germanuó und fügt bei: jene 
Frauen feien, nadjbem fie bie Leiter des Bilverftürmers umge: 
ftürzt, vor bie Wohnung des neuen Patriarchen Anaftafius 
gezogen, um ihn, menn möglich, zu fteinigen und hätten ger 
rufen: ,bu fchändlicher Feind ber Wahrheit, bift du deßhalb 
SBatriard) geworden, um bie $eiligtbümer zu zerftören ?" 
Hierauf fid flügend, verſetzte Pagi biefe Begebenheit in 
das Jahr 730 und betrachtet fie al8 eine Folge des zweiten 
Eoiftes '). Faſt alle fpätern Gelehrten traten ihm bei; 
allein Theophanes und Gebrenud — des Anaftafius unb 
Paulus Diafonus gar nicht zu gebenfen — ftellen diefen 
Borfall audbrüdlid ins zehnte Jahr Leo's (— 726), und 
in ben Anfang des Bilverftreitd weifet ihn auch deutlich 
Papft Gregor I. Die erfte Nachricht, jagt er, von bem 


Schiffer Theodor, der Gelb aufnehmen mußte, wunderbar Bürgfchaft 
geleiftet haben ſoll; ἀντιφωνητῆς — Bürge. Vol. Wald, a. a. D. 
€. 178 unb 183. Pagi, ad ann. 730, 5. 

1) Pagi, ad ann. 726, 9. 730, 3. 5. 6. Bald, a. a. Ὁ, 
©. 199..201. 


bes Bilderſtreitd. 541 


Bilderfiurme des Kaifers fam nad) tem Abendlande durch 
Solche, welche Zeugen des Ereignifies in Ehalfoprateia. ges 
weſen find, und bevor nod ein kaiſerliches Edikt gegen 
bie Bilder im Abendlande Gährung veranlaßte, Dat bie 
Nachricht von jener Begebenheit Einfülle der gongobatben 
in bie Faiferlihen Provinzen Staliend verurfadht . 

Darand erhellt weiter, daß zwifchen ber Zerftörung 
jenes Chriftusbildes und der Abfaffung des päpftlichen 
Schreibens eine beträchtliche Zwifchenzeit verfloffen fein 
muß. Diefe ift aber gar nicht zu gewinnen, wenn wir 
jene in das Jahr 730 verlegen, denn Papſt Gregor H. 
ftarb Schon am 11. Februar 731 und wir dürfen feinen 
fraglichen Brief nicht feinen legten Tagen zumweifen, ba 
et daranf nod) Antwort vom Kaifer befam und fogar nod 
einen zweiten Brief an biefen richtete. 

(δ᾽ hat aber ble Annahme, die brutale Zerftörung des 
berühmten Chriſtusbildes habe [don im J. 726 im Abend» 
lanbe heftige Auftritte veranlaßt, [don barum nichts Bes 
benfíidjed, weil in bemfelben Jahre auch anberwürtó aus 
gleihem Grunde Unruhen, ja Empörungen entftanbem. 
Theophanes (p. 623) und Nicephorus (p. 65) u. A. εἰν 
zählen, tag die Bewohner von Griechenland unb den cyflas 
diſchen Snfeln tie gottlofe Lehre nicht annehmend fid) gegen 
Leo empörten, eine Flotte rüfteten und einen gewifien Kosmas 
zum Gegenfaifer audriefen. Unter Anführung zweier Offi 
ziere Agallianus und Stephanus fegelten fte nad Conſtan⸗ 
tinopel und famen am 18. April ver zehnten Indiktion 
(diefe geht vom 1. Cept. 726—1. Sept. 727) dafelbit an. 


1) Mansi, T. XIL, p. 969. Harduin, T. IV., p. 11., f. unten 
©. 567. 


S eof. Duartalfeprift. 1857. IV. Heit. 36 


542 Das erfte Luſtrum 


Aber ihre Schiffe wurden durch das fog. griechifche Weuet 
zerftört, Agallianus ftürzte ſich ſelbſt in voller Rüftung ins 
Meer, Eosmas und Stephanus wurben hingerichtet, Kaifer 
Leo aber fuhr nun um fo entichievener in feinem Bilder 
fturme fort. Bald darauf, ungefähr ums Sommerfolftis 
tium der zehnten Indiktion (21. Iuni 727), belagerten bie 
Araber die Stadt 9ticaa, welde von einem Faiferlichen 
Heere vertheidigt wurde. in Soldat des legtern, Namen 
Gonflantin, warf im diefer Zeit mit einem Steine nad 
einem Muttergottesbilve, das in ber Stabt aufgeftellt war, 
and zerichmetterte deſſen Füße; aber fdon am andern 
Zage wurde er {εἰδῇ bei einem Angriffe ber Araber 
burd einen Ctelnmurf getödtet. Uebrigens wurde Siicàa, 
wie Theophanes (p. 625) fagt, „durd die Fürbitte Mariend 
"nb anderer Heiligen, deren Bilder dort verehrt wurden, 
gerettet, dem Kaifer zur heilfamen Lehre. Allein ftatt fid 
zu befehren, verwarf Leo jept auch ble Fürbitte der ei 
ligen und die Verehrung ber Reliquien. Bon blefec Zeit an 
(b. b. feit der Bilderfturm anfing), haßte er ben Patrlars 
den Germanus und erflärte (faktiſch) alle früheren Kaifer, 
Biſchöfe und Glänbige für Götzendiener.“ 

Wir erwähnten oben bed Briefes, welchen Patriard 
Germanud von onftantinopel an den Biſchof Thomas 
von Glaudiopolis richtete, um ihn wegen feiner Angriffe 
auf die Bilder zu tabeln. Da Germanué unter Anderem 
hierin fagt:- e8 feien wegen blefer Angelegenheit ganze 
Städte und Völker in nicht geringer Aufregung , fo bürfen 


1) Νῦν δὲ πόλεις ὅλαι καὶ τὰ πλήϑη τῶν λαῶν ἐκ bv ὀλίγῳ περὶ 
τότο ϑορύβῳ τυγχάνοσιν. Mansi, T. XL, p. 124, Marduin, T. IV., 
p. 260. 














des Bilderſtreits. 543 


wir annehmen, baf ber Brief des Germanus in biefe Zeit 
falle, und bag einzelne Bifchöfe, wie Thomas, Gonftantin 
von Stafolia u. 9I. im Sinne des Kaiſers reformirten. Sie 
warfen natürlih die Bilder auch aus ihren Kirchen; 
in andern Städten dagegen, deren Bilchöfe e8 mit Ger- 
manus hielten, fdeint der vom Kaiſer verorbnete Bilder⸗ 
fturm bisher weniger das Innere der Kirchen, als vielmehr 
nur bie an óffentliden Plätzen aufgeftellten Bilder betroffen 
zu haben. Ein folded war das über der ehernen Pforte 
zu Gonftantinopel und das von bem Colbaten zu Nicäa 
jerftörte, während legtere Stadt bamaló nad) bem anges 
führten Seugniffe des Theophanes mod) reid an heiligen 
Bildern war. Sollte bec Kampf gegen die Bilder fráftigen 
Sortfchritt gewinnen und aud das Innere ber Kirchen 
gefäubert werben, fo war nöthig, endlich aud) ben Patriars 
den Germanué zu gewinnen oder ihn zu entfernen. Theo⸗ 
phanes (p. 625 sqq.) erzählt: im Jahre 721 (nad feiner 
Rechnung = bem dreizehnten Regierungsjahre Leo's, ber 
ginnend ben 25. März 729) berief der Kaifer den Batriars 
den zu fih und gab ihm zuerft febr freundlihe Worte. Der 
Biſchof entgegnete: „eine alte Prophezeiung fagt, daß allers 
dings ein Bilverfturm ftattbaben werde, aber nicht unter 
beiner Regierung.” „Unter welder Regierung bann ?^ 
fragte der feaifer. „Unter Konon.” „Ich felbft, fagte Leo, 
erhielt in bet Taufe ben Namen Konon.” Darauf bet Pas 
ttiatdj: „ferne [εἰ e8, o Herr, daß unter deiner Regierung 
bieß llebel gefchehe, denn wer Solches thut, ift ein Vor⸗ 
läufer des Antichrifts.” Der Syrann hierüber erbittert, 
jujte in den Worten des Patriarchen Stoff zu einer Klage 
wegen Mafeftätöbeleivigung, um ihn anftändiger abjegen 
ju Fönnen. Einen Gehülfen hiebei fand er in Anaftafius, 
36 * 





544 Daß ετῇε 2uftrum 


bem Schüler und Syncellus des Patriarchen, ber ihn vom 
Stuhle vervrängen wollte. Germanus dieß merfenb, mahnte 
wie εἰπῇ Chriftus milde ben neuen Iffariot, und als biejet 
nidt auf ihn hörte unb εἰπῇ, ald ter Patriarch den Kaifer 
befuchte, auf ben Schlepp des Erfteren trat, jprad) Germanus 
zu ihm: „eile nicht jo febr, bu wirft noch bald genug in 
ben Eirfus fommen.^ Er weifjagte ihn damit fein Schidfal, 
welches ihn nah 15 Jahren unter bem folgenden Kaifer 
traf (er wurde auf einen Eſel gejebt und im Eirfus um 
hergeführt). Hierauf veranftaltete ver Kaifer am Dinftage 
den 7. Januar ber 13. Indiktion (730) ein Silentjum ober 
Rathsverſammlung 1) im Saale ver 19 Accubiti oder 
Polſter 2), und verſuchte babel nochmals, den Patriarchen, 
ber dazu berufen war, für feinen Plan umzuftimmen. Als 
diefer tapfer wiberflanben unb bie Wahrheit in Fräftiger 
und [anger Rede dargethan hatte, aber feinen Erfolg fah, 
legte et feine biſchöfliche Würde nieder unb z0g das Palium 
" unter ven Worten and: „wenn id Jonas bin, fo werfet 
mid) ins Meer; ohne vie Autorität eines allgemeinen Gon 
cils darf, o Kaiſer, am Glauben nichtd verändert werben.“ 
Daranf 30g et fid) in feine PBrivntwohnung zurück, wo er feine 
übrigen Tage (er war ſchon über 90 Jahre alt) vollends 
in 9tube verlebte. Anaftafius aber wurde am 7. Januar 
(ober 22, Januar, wie andere Gopiceó und Anaftafius haben) 
zum Nachfolger geweiht. — So erzählt Theophanes a. a. 
O. 3), und Patriarch Nicephorus (p. 65) ftimmt mit ihm 

1) Das Gynobifon, und nad) ihm Spanheim u. X. machen ba: 
raus irrig eine Synode. 

2) Ueber diefes burd) Schönheit berühmte Gebäude, worin am 
Meihnachtsfefte der Raifer nicht sedendo, fondern recumbendo jpeidte 


(daher der Name), vgl. Pagi, ad ann. 730, 1. 
3) Nah Johannes Damascenus oret. II. de imag. c. 12 wurbe 





des Bilderſtreits. 545 


überein. Nur fpricht er bei der ihm gewöhnlichen Kürze 
blos von dem Silentium, welches ber Kaifer abhielt (Nice⸗ 
phorus nennt e eine Bolfsverfammlung) ohne ber voran⸗ 
gegangenen Berhandlung mit Germanus zu erwähnen; 
fügt dagegen febr gut bei, Leo habe tiefen beftimmen wollen, 
eine Schrift in Betreff ber Silbervetnidtung 
ju erlaffen. Wir fehen daraus, aud, der Patriarch hätte 
ein Edikt gegen bie Bilder, bem Faiferlichen entfprechend, 
veröffentlichen, oder etwa ein neues Faiferliched mitunter, 
fchreiben follen. 

Theophanes gibt ganz genau an, jenes Sifentium fel 
am Dinftage den 7. Januar 730 abgehalten worden. 
Allein im Jahre 730 fiel der 7. Januar auf einen Sams⸗ 
tag, und ed muß darum hier irgend ein Schreibfehler ans 
genommen werten. Petavius in feinen Noten zu Nicephos 
rud (l. c. p. 128) fchlug vor, entweder ftatt bem 7. Januar 
ven dritten, oder ftatt ἡμέρᾳ γ᾽ (Dinftag) zu fegen. £' 
(= Samstag). Allein nod) mehr empfiehlt fich vielleicht bie 
Permuthung, ftatt des 7. Januars zu lefen den 17., aljo 
i ftatt ζ΄ Y. Damit paßt dann ganz gut zufammen, baf ber 
neue Patriarch Anaſtaſtus ah 22. Januar ordinirt worden 
fei, denn ed war bieB ein Sonntag und zwar der nádjfte 
Sonntag παῷ Dinftag bem 17. Sanuar, unb an Conn: 
tagen wurben gewöhnlich die Weihen ber SBifdjófe vorges 
nommen. 


Germanus gefchlagen und des Landes verwiefen. Nach der Biographie 
des Abtes Stephanus wäre er fogar erbrofjelt worden. 

1) Ge drängt fih uns aud) der Verdacht auf, ob nicht vielleicht 
die Zahl der Snbiftion irrig angegeben, alfo flatt des Jahres 730 ein 
anderes zu feßen fei. Unter allen Jahren, bie hier in Frage kommen 
fonnten, fatte nur 727 ben 7. Januar an einem Dinflage, und e$ 
müßte bann flatt τῆς «y ἰνδικτιῶγος gelefen werben ἐ — 10. 


540 Das erfle guftrum 


Mie wir oben fahen, lag zwifchen ber von Theophanes 
teferirten Unterredung des Kaiferd mit Germanuó und ber 
Abhaltung ded Silentiums eine ziemliche Frift in Mitte. 
Sn bieje Zwifchenzeit fallen ja tie Verſuche, den Patriar⸗ 
hen in einen Prozeß wegen Majeftätöbeleivigung zu vers 
wideln, ebenfo bie Warnungen, welde Germanus bem 
treufofen Anaftafius ertheilte, und fein mit einer Prophes 
zeiung verbunbener Beſuch bei bem Kaiſer. Webervieß, fo 
vermuthen wir wenigftens, fdjrieb Germanus jebt aud) an 
SBapft Gregor IL, um ihn über das Verlangen des Kaiſers 
und feine abfchlägige Antwort in Kenntniß zu fegen. Sein 
Brief ift verloren gegangen, aber wir fennen ihn nod, aus 
ber Antwort des Papftes, die unter ben Aften des (tebenten 
allg. Goncilà aufbewahrt ift. Gregor begrüßt darin ben 
Patriarchen als feinen Bruder und Borfämpfer ber Kirche, 
deſſen Thaten er zu preiſen verpflichtet ſei. „Uebrigens 
fónnte man, führt er fort, paſſend ſagen: dieſe Daten 
fol nod mehr ausrufen jener Vorläufer der Gottlofigfeit, 
welder Dir, o glüdjeliger Mann (felicitati tuae), für Gutes 
Schlimmes erwiedert hat. Er glaubte, gegen den, ber von 
oben fam (Ehriftus), fid) anflehnen und über bie rom: 
migfeit fiegen zu fónnen; aber er ift jet von oben ge 
hindert und feiner Hoffnung beraubt, und hörte von ber 
Kirche das Gleiche, was Pharao von Mofes hören mußte, 
daß er ein Feind Gottes fei, aber er hörte aud) das Wort 
des Propheten: Gott wird bid) vernichten. So ift er in 
feinen Unternehmungen gehindert, durd die von oben ges 
fommene &tárfe Deines Widerftanded entfräftet und fein 
Stolz faft bió zur Vernichtung verwundet worden. Der 
Etarfe ift, wie die DL. Schrift fagt, durch den Schwachen 
befiegt worden. Haft du nicht mit Gott gefümp[t, und 











des Bilderſtreits. 547 


wie es Gott dir angewieſen hat, indem er verordnete, daß 
im Lager des Reiches Chriſti das Labarum des Kreuzes 
voranſtehe, und dann das h. Bild der Gottesmutter? Die 
dem Bilde erwieſene Ehre geht über auf den Prototyp (das 
im Bilde Dargeſtellte), wie ber große Baſilius ſagt, und 
ber Bildergebrauch ift voll Frommigkeit, wie fid Chryſoſto⸗ 
mus auébrüdt ... Und die Kirche irrt nicht, wenn fie 
behauptet, Gott geftatte die Bilderverehrung und biefelbe 
{εἰ nidt eine 9tadabmung des Heidenthums. Als die 
blutflüffige Frau (Matth. 9, 20) zur Erinnerung an baé 
an ihr gefdjebene Wunter eine Bilpfäule Ehrifti zu Paneas 
aufftellte, wurbe fie damit (von Gott) nicht zurüdgewiefen, 
vielmehr wuchs am Buße biefer Bilvfäule burd) bie Gnade 
Gottes ein ganz unbefanntes Heilfraut hervor '). Dieß ift für 
und ein Beweis, daß wir die menſchliche Geftalt beffen, der 
unfere Sünden binwegnahm, vor Aller Augen anfftellen 
bürfen, um daran bie Größe ber Celbfterniebrigung des 
göttlichen Logos zu erfennen und feinen Wandel auf Grben 
und fein Leiden uns ins Gedächtniß zu rufen. Die Worte 
bes 91. 3. hindern und daran nicht, denn wäre Gott nicht 
Menſch geworden, fo würden wir ihn aud) nicht in Mens 
ichengeftalt abbilden... Nur bie Bilder von Dingen, bie 
nicht eriftiren, heißen Gögenbilver, fo 4. 98. die Bilder ber 
von bet Bellenifdjen Mythologie fingirten nicht exiftirenben 
Götter. Die Kirche Chriſti hat Feine Verwandtſchaft mit 
ben polen, denn wir beten fein Kalb an ac, opferten 
unfere Rinder niemals ben Dämonen x. Oder fab Ezechiel 
(8, 14. 16), daß wir ben Adonis beweinten und ber Sonne 


- 


1) Bol. meine Abhandlung über Chriſtusbilder im Kirchen- 
ler. von Weber und Weite, Bo. IL, ©. 520. 


548 Das erfte Luſtrum 


ein Rauchopfer braten? Wenn aber Jemand nad, jüdiſcher 
Art die Worte des A. T., welche einft gegen Ipololatrie ges 
richtet wurden, mifbraudjenb unfere Kirche ber Ipololatrie 
beſchuldigt, fo fönnen wir ihn nur für einen bellenden Hund 
halten, und als ein weit hinweg (in fpáte Zeit) gefchlen- 
berter Jude foll er hören: wäre εὖ vod) geſchehen, daß 
Sérael durch bie fichtbaren Dinge, die ihm vorgefchrieben 
waren, Gott bie Verehrung bargebradjt, durch die Typen 
fid des Schöpferd erinnert hätte! Hätte εὖ doch mehr 
nad) dem heiligen Altare verlangt, als nad) ten Kälbern 
Samariens, mehr auf den Stab Aarons geachtet, ale auf 
Aftartel Ja hätte Israel mehr auf ven Stab Mofis ges 
fehen, und ben goldenen Krug, unb die Bundeslade, und 
den Gnadenthron (Dedel der Bunbeslade) und das Gpfob 
und ben Tiſch unb das Gezelt und die Ehernbim; was 
lauter Werfe von Menſchenhand find, und bod das Aller 
heiligfte genannt werben. Hätte Jerael darauf geachtet, 
fo wäre e8 nicht got Götzenbildern niebergefalfen. “Denn 
jedes Bildwerf, welches im Namen Gotteó gemacht wird, 
ift ehrwärbig und heilig... Mit vir fámpfte die Herrin 
bet Ehriftenheit, die Muttergottes, und diejenigen, die ſchon 
feit lange gegen fie rebellirten, haben einen ebenfo ftarfen 
Gegenfampf (von ihr) al Wiederfprudh (von bir) erfahren H.“ 

Der Inhalt diefes Briefe, glanben wir, weist von 
ſelbſt auf jene Zeit Din, unmittelbar nad dem, fráftigen 
Wivderftande, welden Germanué im Jahr 729 vem Kaifer 
entgegenjegte, und vor jenem Cilentium, wo er am Er 
folge feines Bemuͤhens verzweifelnd ven biſchöflichen Mans 
tel ablegte. Die Worte des Papftes, foweit fie Wieders 


1) Mansi, T. XIII, p. 91 sqq. Harduin, T. IV., p. 281 sqq. 


des Bilderſtreits. 549 


Ball derer des Patriarchen find, zeigen, bag legterer im Bes 
wußtfein eines geiftigen Sieges über den Kaifer gefchrieben 
unb damals noch nicht die Abſicht zu refigniren gehabt 
habe. Im Gegentheil hoffte er, burd) feinen Widerftand 
bem Bilderftreite ein Ende gemacht zu haben. Nach jenem 
Eilentium dagegen und παῷ der Erhebung des Anaftafius 
war εὖ natürlich, daß legterer die vom Kalfer gewünfchte 
eigene συγγραφὴ gegen die Bilder, wie Nicephorus (p. 65) 
fagt, verfaßte, ober wie Theophanes (p. 929) will, bag 
vom Kaiſer erlaffene Gbift unterfchrieb. Ob ledteres von . 
bem bes Jahres 726 verſchieden war, wie Wald (S. 225) 
u. 9l. annehmen, over ob dad Neue daran nur in ber Unter; 
fchrift des Patriarchen beftand, mag bahingeftellt bleiben. 
Die Quellen nótbigen uns meines Willens nicht, ein völlig 
neues Evift anzunehmen ; jedenfalls aber hatte ber Bilder 
fturm nun eine kirchliche Sanftion erlangt, und bei ber 
befannten Eervilität der Mehrzahl der griechifchen Bis 
fchöfe machte er, nachdem ber 9Biberftanb ber prima sedes 
des Oſtens gebrochen, gewiß von jegt an bebeutenbe fort, 
féritte. 

Anders ging εὖ im Abendland; leider find jebod) ble 
Berichte über das mas hier ge[djab, febr ſchwer unter fi 
felbft und mit fonft befannten Thatſachen in Einklang zu 
bringen. Theophanes berichtet fdjon beim neunten Jahre 
des Kaiſers: „nachdem der Bapft Gregor von Rom 
dieß (den λόγος des Kaiferd wegen Wegnahme der Bils 
ber) erfahren hatte, fdrieb er an Leo einen dogmatifchen 
Brief, daß der Kaifer in Betreff des Glaubens feine Ber 
ordnung geben unb am den alten Dogmen nichts ändern 
dürfe; hernach hinderte er, daß Italien und Nom bie Ads 
gaben (gogag) entrichteten.“ 


550 Das erſte uftrum 


Von verfelben Cade fpricht Theophanes zum zweitens 
mal (p. 628 f.) beim Sabre 729—30 mit den Worten; 
„Germanus wiberftand bem Leo zu Gonftantinopel, wie ber 
apoftoli(dje Mann Gregor zu Rom, welder Rom und Italien 
und das ganze Abendland von bem politifihen unb τῷ»: 
lihen Gehorfam gegen Leo und von feinem Reiche abtrennte... 
und in feinen allbefannten Briefen ihn tabefte." Die 
britte Stelle p. 630 lautet: , Gregor aber, ber hl. Bifchof 
von Rom, -verwarf den (neuen Patriarchen) 9Inaftaftué 
. fammt feinen Briefen (bie litterae inthronisticae, welche 
berfelbe nad) Rom gejandt), rügte ben Kaiſer Leo brieflich 
‚wegen feiner Unfrömmigfeit, und machte Rom und ganz 
Stalien von feinem Reiche abtrünnig." 

Beſſer unterrichtet αἱ Theophanes waren In biefer 
Sache „natürlich bie Lateiner. Anaftafius erzählt in 
feiner Biographie Gregors II. bei Mansi, T. XII, p. 229 sqq.: 
„(ſchon bevor das Faiferlihe Evift gegen vie Bilder in 
Italien anfam) fielen vie Songobarben in das Faiferliche 
Gebiet von Italien ein, eroberten Narnia (im Herzogthum 
Epoleto) und Ravenna und machten große Beute. Nach 
einigen Tagen verfhworen fid ber Dur Baſilius, ber 
Ehartular Sorbaneó und ber Subviafon Johannes Lurion, 
ben Papft zu tóbten, unb es ftimmte ihnen der Faiferliche 
Spatharius Marimus bei, der damals das Herzogthum 
Rom abminiftrirte; aber fie fanden feine günftige Zeit dazu. 
Später ald ber Patricier Paulus als Exarch nad) Italien 
fam, griffen fie ihren Plan wieder auf, aber die Sade 
wurde entbedt unb bie Römer ermordeten ven Lurion und 
Jordanes, während Bafilins fid) in ein Kloſter rettete. 
Dagegen ſuchte jept der Grard) Paulus auf Befehl des 
Kaiſers den Papft zu töbten, eo quod censum in provincia 


; des Bilderſtreits. . 551 


ponere praepediebat, et cogitaret suis opibus ecclesias de- 
nudare, sicul in caeteris actum est locis, atque alium in 
ejus ordinare loco, Ὁ. B. weil bec Bapft ihn Dinberte, 
bie Provinz mit einer (unbilfigen) Auflage zu bebrüden, 
unb weil ber Kaifer vie Abficht batte, die Kirchen von 
ihrem Vermögen zu entblößen, wie εὖ [don anbermüárté 
gefhehen war, — und an Gregoró Stelle einen andern 
Papft zu ſetzen. Darauf fanbte der Kaifer einen andern 
Epatharius mit dem Befehl, ben Papft von feinem Stuhle 
ju entfernen, und Paulus fchidte zur 9Boffytebung dieſes 
Frevels fo viele Lente (Militär) aus Ravenna unb ben 
Lagern, als er dazu gewinnen fonnte, gen Rom ab. Aber 
die Römer und bie Longobarden erhoben fid) zur Verthei⸗ 
bígung des Papftes, befegten die Brüde Salario, im Spo⸗ 
letinifchen, umgaben bie Grengen von Rom und hinverten 
bie Ausführung. In einem Defrete, welches nachmals 
gefandt wurde, hatte ber Kaifer verorbnet, man dürfe nire 
gente das Bild irgend eines Heiligen ober Martyrerd ober 
Engels Baben; tiefe Dinge feien alle fluhwärbig Würde 
der Papft Diemit übereinftimmen, fo folfe ihm bie Gnade 
bed Kaiſers zu Theil werden; voürbe er fid) aber wiber- 
jegen, jo verliere er fein Amt. Der fromme Dann aber 
verwarf die Härefie, waffnete fid gegen ven Kaifer wie 
gegen einen Feind und fchrieb überall bin, bie Ehriften 
folftem fid) vor ber neuen Gottlofigfeit hüten. Auf dieß 
hin leifteten alle Einwohner ber SBentapolió und das venez 
tiani[de Heer bem Faiferlihen Befehl Widerftand, erflärend, 
fie würden ber Ermordung des Papſtes nie beiftimmen, im 
Gegentheil zu feiner Vertheidigung muthig fámpfen. Sie 
belegten nun mit dem Anathem den Erarhen Paul und 
ben, ber ihm ben Auftrag gegeben, forie alle feine Ges 


552 Das erfte guftrum 


noffen; vom Gehorfam gegen ihn ſich [oófagenb wählten 
fi die Italiener überall eigene Anführer, unb auf ble 
Nachricht von des Kaiferd Bosheit beſchloß ganz Italien, 
einen neuen Kalfer zu wählen unb blefen nach Conftantis 
nopel zu führen. Aber ver Papft beruhigte und brachte fie 
von diefem Plane ab, Doffenb, ter faifer metbe fid nod) 
befferm. Unterbefien hatte der Dur (faiferl. Statthalter) 
Erhilaratus von Neapel jammt feinem Sohne Habrian die 
Bewohner von Bampanien verleitet, dem Kaiſer zu ge: 
horchen und bem Papfte nad) bem Leben zu trachten. Die 
Stómer aber verfolgten und tödteten ihn fammt feinem 
Sohne. Ebenfo verjagten fie ben Dur Petrus (von Rom), 
weil er in Verdacht fand, gegen ven SBapft an den Hof 
gefchrieben zu haben. In Ravenna aber brachen, weil es 
ein Theil mit bem Kaifer, ber andere mit dem Papft und 
den Gläubigen hielt, Ctreitigfeiten aus, und ber SBatricier 
Paul (der Exarch) fam babel ums Leben. Die Longobars 
den eroberten um biefe Zeit die Städte Caſtra Aemilia, 
Ferorianus, Montebelli, Berablum fammt Burum und 
SBerficetum , auch die Pentapolis) und Auximanum ?). 


1) Die Pentapolis befteht aus bem Gebiet der 5 Städte Mimini, 
SBefato , (ano, Umana und Ancona. 9.61. Muratori, Geld. v. 
Stal. Bd. IV., ©. 289. 

2) Etwas verfchieden gibt Paulus Diafonus hist. Longob. lib. VI. 
c. 49 tie Städtenamen an. Muratori (Θεῷ. v. Ital. 85. IV. ©. 
291) fagt hierüber: „So viel läßt fi aus biefen Worten erkennen, 
daß die Stadt Dfimo (Auximanum) von Pentapolis unterjchieden ge: 
weſen, Feronianum aber $regnano, eine Heine Provinz des Herzog: 
thums Modena auf bem Gebirge fei, wo Seftola, Fanano und andere 
Derter liegen. Mons Bellius ift Monte Beglio oder Monte Bio in 
dem Gebirge Bononiens bei bem Bluffe Gamoggia. Berablo unb 
Buffo oder Bußeta find vielleicht verfälichte Namen, denn Bußeto, 
welches zwiſchen Parına und Piacenza gegen den Bo zu liegt, kann 











des Vilderſtreits. 553 


Nach einiger Zeit fdjidte der Kaifer ben Spatricler Gutys 
bins, ben Eunuchen, ber früher Grard) gemejen, nad 
Neapel, um den bisher mißglüdten Plan gegen ten Papft 
durchzuführen; aber ed wurde bald offenbar, baf er die 
Kichen idünben, Alle verderben und berauben wolle. Als 
er einen feiner Intergebenen nad Rom janbte, mit bem 
Befehle, ben Bapft und bie Optimaten der Stadt zu töbten, 
[o wollten bie Römer dieſen Abgefandten ermorden, aber 
ver Papft Dinberte fie daran. Sie anathematifirten nun 
ben Eutychius und verpflichteten fid) eivlih zum Schutze 
bed Papſtes. Eutychius ver[prad) jebt bem Könige unb 
ben Herzogen der qongobarben große Gefdenfe, wenn fie 
von ber Vertheidigung be8 Papftes abftehen würben ; aber 
bie Longobarven verbanben (id mit den Römern unb er 
Härten fid) bereit, für ven Papft das Leben ecingufegen. 
Letzterer banfte bem Volke für [olde Anhänglichfeit, feinen 
Hauptſchutz aber juchte er bei Gott, durch häufige Gebete 
unb Faſten und reichlihe Almofen. Zugleich ermahnte er 
Alle, ne desisterent ab amore vel fide Romani imperii. 
Um biefelbe Zeit, in ber eilften Indiktion (vom 1. Sept. 
124—128) bemädtigten fid Die €ongobarben durch Lift des 
Schloſſes Sutri (in der Nähe nórblid) von Rom), und 
behielten es 140 Tage, bis ber Bapft durch Ermahnungen 
und Gejdjenfe es ald Opfer für die Apoftel 9Betruó und Baus 
Ins zurüd erhielt. Um viefelbe Zeit, im Januar der 12. 


es nicht fein, inbem nicht zu glauben, daß bie ongobatben als Herrn 
der benachbarten Städte bie Groberung diejes Ortes bis auf biefe 
Beit follten verfhoben haben. Perflcetum ift ein Strich Landes, bet 
in den alten Seiten. zu der Grafſchaft Modena gehörte. Das vor: 
trefiliche Landgut San Giovanni in PBerficeto in bem Bor 
nonifchen Gebiete hat diefen Namen nod) bis jetzt erhalten.” 


554 Das erfte Luftrum 


Indiktion (729) erfhien am Himmel ein Komet. Auch 
madten jeht Eutychius unb ber Longobarbenfönig Luitprand 
das fdjünblide Bündniß, mit einem vereinigten eere für 
Zuitprand die [ombarbifden Vafallenherzoge von Spoleto 
und Benevent (die fid) vielleicht frei zu machen judyten !) 
für den Kaifer aber die Stadt Rom anzugreifen, und mit 
bem Papfte nad Befehl zu verfahren. Luitprand zwang 
in der That bie beiden Herzoge zur Unterwerfung und 309 
bann gegen Rom. Aber ber SBapft fam ihm entgegen und 
fprad) zu ihm fo einbringlidj, daß der König fid ibm zu 
Füßen warf. Nur bat er, der Papft möge ben Eutychius 
wieder in ben Zrieven aufnehmen. Dieß geſchah, unb bie 
Berföhnung fam zu Ctanbe. Während der Grard) nun 
wieder in Rom wohnte, warf Π ein Betrüger Tiberius 
Betafius in Italien zum Gegenfaifer auf, und lief fid) 
von mehreren Etädten huldigen ?). Der Exarch murbe 
darüber febr beftürzt, aber der Papſt tröftete und unter 
ftügte ihn fo fráftig, bag ber 9lufftano in Bälde erbrüdt, 
unb ber Kopf des Tiberius nad) Gonftagtinopel geſchickt 
werben fonnte. Deßungeadhtet blieb ber Kaifer ben Römern 
ungnübig. Auch wurde feine Bosheit immer flarer, jo daß 
er alle Bewohner von Gonftantinopel zwang, die Bilder 
bes Erlöfers, feiner hl. Mutter und aller Heiligen überall 
wegzunehmen, fie in Mitte der Stadt zu verbrennen und bie 
bemalten Wände mit weißer Farbe zu beftreichen. Weil 
febr viele Einwohner fid) wiverfegten, wurben mehrere hin 
gerichtel, andere am Leibe verftümmelt. Den Batriarchen 


1) Vgl. Muratori ©. 297. 
2) Welche Städte dieß gewejen, unterſucht Muratori a. a. D. 
©. 298 f. 








des Bilderſtreito. 555 


Germanus fe&te der Kaifer ab und vergab den Stuhl an 
Anaftafius. Dieſer ſchickte eine &ynobifa nah Rom, aber 
Gregor fand, daß er ter Härefie beiftimme , und bebrobte 
ihn mit bem Banne, menn er nicht zum Fatholifchen Gíaus 
ben jurüdfebre. Auch bem Kaifer gab er heilfame Mah— 
nungen in Briefen !).” 

Aus alle dem erfahren wir, 1) daß fchon bevor baé 
foiferlihe Evift gegen die Bilder in Italien verfündet 
wurde, eine Heftige Epannung zwifchen Papſt Gregor II. 
unb bem Kaifer vorhanden war. Wie unb warum fie ente 
ftanden, gibt Anaftafius nicht an, nur fagt er: der Papft 
babe den Erarchen gehindert, bie (römifche) Provinz mit 
einem Genfus zu belegen. Wir haben und unter lehterem 
wohl eine ungewöhnlidhe und ungeredte Abgabe vors 
guftellen , vieleicht ahnlich jener Kopffteuer, welche Kaifer 
Leo etwas fpäter für Galabrien und Eicilien ausſchrieb ?). 
Anaftafius deutet an, daß e8 dabei hauptſächlich auf Ber 
raubung der Kirchen abgejeben geweſen fei, und vielleicht 
liegt gerade hierin ber Grund des päpftlichen SBiberftanbeó. 
Wie viefer letztere befchaffen geweſen fei, fein rechtlicher 
Charafter läßt fid) bei ber ganz mangelhaften Angabe des 
Anaftafius (und Theophanes) nicht mehr erfennen. "Nur 
erhellt aus dem fpätern Cbereitd aus Anaftafius angeführs 
ten) Benehmen des Papftes, daß er die Treue und Unters 
tbanenpflicht gegen den Kaifer forgfam zu bewahren fuchte. 
Es gibt ja gegen ungeredjte Zumuthungen gar wohl einen 
Wiverftand auch innerhalb ber Grenzen des Rechtes unb 


1) Bei Mansi, T. XIL, p. 229—232. 
2) Theophanes , |l. c. p. 631. Bgl. Pagi, ad ann. 726, 10, 
Walch, a. a. Ὁ. ©. 261. 


556 Das erſte Lufirum 


der lintertbanenpfli&t. Daß aber ver SBapft die Entridtung 
der redjtmáfigen Steuern und Abgaben nicht gehindert, 
oder gar nod) größere Untreue gegen ven Kaifer nicht be⸗ 
gangen haben fann, das erhellt gewiß zur Genüge a) aus 
den Orunbjágen, die er felbft über das Berhältniß vom 
SBrieftertbum und Kaiſerthum in feinen Briefen an Leo aue 
einanderjegte. Wir werten fie in Bälde (€. 567 u. 572) 
näher fennen fernen!). Zeuge für und find ferner b) bie 
eifrigen SBeftvebungen Gregor, alle Rebellion gegen ben 
Kaiſer und alle Gewaltthaten gegen beffen Beamten zu ver 
hindern. Dieß erhellt (don. aus ven Details, meldje Ana- 
flafius angibt und aud bem Briefe des SBapfteó an Herzog 
Urfus in Venedig (S. 559). Aber εὖ legt dafür c) aud 
Paulus Diafonus ein fráftigeó Zeugniß ab, indem er (de 
rebus gestis Longobard. VL 49) ſchreibt: Omnis quoque Ra- 
vennae exercitus et Veneliarum talibus jussis (der Bilderver⸗ 
uidjífuug) uno animo restiterunt, et nisi eos prohibwissel 
Ponlifez, imperatorem super se constituere fuissent agressi. 
Wenn taber bie in abenvländifhen Dingen oft fchlecht unter: 
richteten Griechen angeben, ber Bapft Babe nicht blos Italien, 
fontern das ganze Abendland (!) zum Abfall vom Kaifer 
veranlagt, [9 faun biefe Behauptung gegen bie eigenen 
Worte Giregotó unb gegen das Zeugniß von Anafafins 
und Paulus Diafonus nit in die Wagfchaale fallen. 
Wenn aber Zonaras fagt: bet SBapft und feine Synode 


1) Walch, a. a. D. €. 248 und Br. IX, €. 459 f. meist in 
Betreff der Abgabenverweigerung darauf Bin, bag fdon gegen K. Phi⸗ 
lippieus Bardanes, weil er ein Keßer getoejen, der Papft fid) ähnlid 
benommen habe. Allein es iſt wohl zu bead)ten, bap damals bad 
tbmifdje Bolf, nit der Sapft bem Kaifer ben Gchorfam auf: 
Fündete. 





des Bilderfireits, 557 


habe den Kaifer mit tem Anatheme belegt, fo ift tief, ba 
jonft feiner ber Alten hievon meltet, mobi nur ein Miß- 
verftändniß, entftanben aus einer Aeußerung im zweiten 
Briefe Gregoré an Leo (f. €. 572), wo der Papft anfchließend 
an die Worte Pauli 1 Gor. 5, 5 dem Kaifer einen Dämon 
wünfcht, der fein Fleiſch ſchlage, damit feine Seele genefe 1). 
Auf einem andern Mißverftänpniffe beruht bie Angabe 
befjelben Zonaras: Papſt Gregor II. habe fid) gegen ben 
Kaiſer mit ben Franken zu verbinden gefudj Daß ber 
Papft ein foldhes Bündniß angeftrebt habe, ift allervinge 
richtig und Anaftafius in feiner vita Stephaui II. (III.) 
ipit davon ἢ). Aber εὖ war gegen die Longobarden, 
nicht gegen ben Kaiſer gerichtet. 

2) Wir erinnern uns, daß Theophanes vie Verhindes 
tung jener Steueranflage als eine Folge be8 Bilderver- 
bot vom Jahre 726 darſtellt; Anaftafiud dagegen bringt 
tiefe beiden Ereignifje in feine Beziehung zu einander. 

3) Er fagt ausdrücklich, die Faiferlichen Beamten hätten 
mit Vorwiſſen des Kaiferd bem Papſte wiederholt nach bem 
Leben getrachtet. Dieß wollen Einige dahin auslegen, eo 
habe wohl nur befohlen, ben SBapft gefangen zu nehmen und 
nad Gonftantinopel zu liefern, wovon ja Gregor felbft in 
finem erften Briefe an Leo wirklich ſpreche (f. €. 568) ; vae 


1) Gine befondere Abhandlung De Gregorii II. erga Leonem Imp. 
moderatione fchrieb 9tatalis Alex. hist. eccl. Sec. VIII. Diss. 
L T. VL, p. 72 sqq. ed. Venet. 1778. Berner behandelten dieſen 
Gegenſtand, freilich vielfad) von einander abweichend Baron., ad ann. 
730, 5. Pagi, ad ann. 726, 10—13. 730, 8-11. Bomer, Geſch. 
b. Bäpfte, Bo. IV., €. 381 d. Bald, a. a. O. Bd. X., ©. 263—283. 

2) Bei Manei, T. XIL, p. 524. Pagi, ad ann. 726, 13. Wald, 
ἃ. a. Ὁ. ©. 255. 


Theol. Ouartal(drift. 1857. IV. Heft. 37 


558 Das erſte Luſtrum 


Geruͤcht aber habe die Sache vergrößert, aus Verhaftbefehlen 
Mordbefehle gemacht '). 

4) Anaftafius ſpricht von zwei Haupteinfaͤllen ber 
Longobarden ins kaiſerliche Gebiet. Den einen, wobei 
fie die Stadt Narni und ſogar Ravenna, ble Hauptſtadt 
des Exarchats, ſammt der Hafenſtadt Claſſis eroberten und 
viele Beute machten ?), ſtellt er vo x die Ankunft des Ediktes 
gegen bie Bilder, ben andern Einfall bagegen, wobei Castra 
Aemilia etc. erobert: vourben, jpáter. Ganz ebenfo berichtet 
Paulus Diafonus (de gestis Longobard. VL, 48 u. 49) 
bie Eroberung von Narnia und Ravenna, bevor er des 
Bilderverbots gebenft, läßt dagegen Gaftra Aemilia ac. erft 
nad bem Grjdeinen des faijerliden Ediktes den Longos 
batben in bie Hände fallen. Das volle Licht in dieſer 
Cade aber verdanfen wir dem erften Briefe Gregors IL 
an Leo, worin ed heißt, daß viele Abendlaͤnder gerabe zur 
Zeit der Zerftörung des Chriftusbildes in Chalfopratela zu 
Gonftantinopel anweſend gemefen feien und durch die Gr» 
zahlung biejeó Gräueld und ber daran gefnüpften Gram, 
famfeiten das ganze Abendland mit Zorn über den Kaifer 
erfüllt hätten, fo bag ble Longobarven in bie Dekapolis 3) 
einfielen und fogar Ravenna eroberten 3). 

Wir fehen, vie Longobarden machten fid) ble burdj 
jene Erzählungen veranlaßte große Mißſtimmung ber Itas 

1) Walch, a. a. O. 8b. X, G. 283 fi. 

2) Sn der bezüglichen Stelle bei Anaftaflus ift wohl ftatt captas 
zu leſen captos. 

3) Die Defapolis befand aus 10 zu gemeinfamem Schupe vers 
bundenen Städten des Grarchats, nämlich Ravenna, Claffis, Gáfatea, 
Gervir, Gejena, Forlimpopuli, Forli, Bologna und Faenza. 3881. Le 
Bret, Θεῷ. v. Italien, ©. 153., Bd. 40 ber allg. Welthiſt. 

4) Mansi , T. XIL, p. 970 sq. Harduin, T. IV., p. 11. €. 
unten ©. 568. 





des Bilderftreits. 559 


liener gegen den Kaiſer zu Nutzen und fielen in been 
Gebiet ein, das ſchon länaft ein Gegenftand ihrer Gelüfte 
war. Die Eroberung von Ravenna 1c. fteht fonad) aller 
dings in Beziehung zum Bilderverbot, war eine Yolge 
befjen, unb doc haben Anaftafius und Paulus Diafonus 
Recht, wenn fie dieß Ereigniß ver BPublifation des fal» 
ſerlichen Eviftes In Italien vorangehen laffen. Ohne Zweifel 
hatten jene Zengen der Serftórung des Ehriftusbildes in 
Gfalfoprateia tie erfte fichere Nachricht von bem Bilder 
ſturme nad Italien gebradjt. 

5) Unter ten Briefen Gregors IL. findet fid) einer an 
Urfus, den Dur von Venetien ). Gregor fagt darin: die 
Stadt Ravenna fel a non dicenda gente Longobardorum 
erobert worden, und wie er höre, fel der Exarch nad Bes 
nedig geflohen. Der Dur möge demfelben bod) treu bleiben 
und mit ihm dahin wirfen, daß Ravenna wieder dem Kaiſer 
nrüdgeftellt werde). Daß er tief auch wirklich erzielte, 
erfahren wir von Paulus Diafonus de gestis Longob. VL, 
94, welcher fagt: bei feinen vielen Kriegen gegen tie Fair 
jerlihen fei der Longobarvenfönig Luitprand nur zweimal 
unglücklich gewefen, das einemal zu Ariminum, das anderes 
mal als fein Reffe Hildebrand, den er über Ravenna ges 
jegt, durch einen plöglichen Angriff ver Venetianer übers 
rafcht und gefangen wurde. — Daß Papſt Gregor oben 
den Abſcheuausdruck a non dicenda gente in Betreff bet 
Longobarden gebraucht, beweist Mar, taf biefer Brief ges 





1) Venetien gehörte damals nod) den byzantinifchen Kaifern, f. 
Muratori, a. a. Ὁ. €. 289. Walch, a. a. Ὁ. ©. 245 f. 

2) Mansi, T. XII, p. 244. Baron., ad ann. 726, 27. Mus 
tatort erhebt ©. 294 f. einige Bedenken gegen bie Aechtheit biefes 
Briefes. 

37* 





560 Das efle Luſtrum 


ſchrieben wurde, ehe fid) ble Longobarven näher an ihn 
anſchloßen unb um ihn verbient machten. Ja εὖ muß bie 
MWiedereroberung Ravennas ſchon frühe eingetreten fein, 
denn ber Grard Paulus fonnte ja bald wieder von Ras 
venna aus ein Heer gegen Rom und ben Papft abjenden, 
wie Anaftafius und Paulus Diafonus gemeinfam berichten. 
Es war bief jenes Heer, bem bie Römer und Longobarben 
vereint am pons Salarius fid) entgegenftellten (©. 551). 
6) Pagi, Wald u. A. nahmen an, das Faiferliche 
Evift gegen bie Bilder, von beffen Publikation in Italien 
Anaftafius [prede, [εἰ das des Jahres 730 gewejen 5; 
allein Anaftafius gibt und einen ganz andern djronologi[djen 
Anhaltspunkt. Nachdem er bie Wirren, welde bieg Gift 
in Stalien verur[adjte, und bie uner[djütterlide Trene des 
vielmißhanvdelten Papfted gegen ben Kaifer bejchrieben, fährt 
er alfo fort: „um biefelbe Zeit (o. Bb. ziemlich lange nad 
ber Publifation des faiferfiden Edikts) bemächtigten fid) 
die Longobarden in der 11. Snbiftion (1. Sept. 727—728) 
des Schloſſes Cutri, und im Januar 729 erfchien ein 
Komet.” Hienah muß die Publifation des kaiſerlichen 
Ediktes Show geraume Zeit vor dem Jahre 728 erfolgt, 
fomit das erfte Gbift vom Jahre 726 hier gemeint fein. 
4) Deophanes (p. 621) fügt glei nad Erwähnung 
des erften Evifted gegen die Bilder bei, ber Papft habe 
dagegen einen Brief an Leo gejanbt, des Inhalts: „dem 
Kaiſer ftebe εὖ nicht zu, eine Verordnung über den Glauben 
zu erlafjen und an den alten Dogmen etwas zu ändern.” 
Auch nodj an zwei andern Orten redet Theophanes (j. 
oben ©. 550) von Briefen Gregors an den Kaifer, und 


1) Walch, a. a. O. ©. 248. Anm. 


des Bilderſtreits. - 561 


ebenfo gebenft fofdjer aud) Anaftafius. Aber erft im fed 
zehnten Jahrhundert wurden biefe Briefe von bem gelehrten 
Sefuiten Sronton fe Suc in ber Bibliothek des Garbinalé 
von Lothringen wieder aufgefunden und aus bem Gries 
chiſchen ind Lateinische überfept. Bon ihm erhielt fte Bas 
ronius und ließ fie ad ann. 726 zum erftenmale bruden. 
Papft Gregor führt in ber Meberfchrift derſelben burdj 
Verwechslung mit Gregor b. Gr. den Beinamen Dialogus, 
denn 9epterer wurde wegen feines berühmten gleichnamigen 
Werkes vielfad) mit diefem Titel bezeichnet). Diefe Briefe 
gingen fofort in bie Concilienfammlungen über und wurben 
zu den Vorakten des fiebenten allg. Gonciló φοβεῖ. Duß 
fie nicht mie andere ähnliche Urfunden, 4. 98. das Schreiben 
befielben Papftes an Patriarch Germanus, auf bem fiebenten 
allg. Goncif felbft angewendet und verlefen wurden, ift 
allerdings auffallend, wie Rösler bemerft ?); erklärt fid) 
aber vielleiht baburdj, bag Kaifer eo das nad) Eonftan- 
tinopel gefommene Exemplar wahrfcheinlich hatte vernichten 
faffen, und fo bie fragliche Synode feines zur Hand hatte. 
Mit Unrecht glaubte Labbeus bieje zwei Briefe nicht bem 
Papfte Gregor IL, fondern feinem Nachfolger Gregor III. 
zufchreiben au follen 5), und bie Zweifel, welde Semmler 
unb Nösler gegen ihre Acchtheit erhoben, find nicht von 
Belang. Ueber vie Abfafjungszeit diefer Briefe aber fónnen 
wir und erft παῷ Mittheilung ihres Inhalts ein Urtheil 
erlauben. 

Der erfte lautet: „Deinen Brief, von Gott befchügter 


1) Baron., ad ann. 626, 31. 

2) Bibliothek der Kirchenväter, Bd. X., ©. 475. 

3) Vgl. dagegen Pagi, ad ann. 726, 5. unb Walch, α. a. Ὁ. 
€. 173 f. 


562 Das efle guftrum 


Kaiſer unb Bruder, haben wir durch den Faiferlihen Spa; 
tharocandidaten empfangen, ald Du in der 14. Inpiftion 
regierteft; unb wir haben Deine Briefe von eben diefer 14, 
Indiktion, und bie ber 15. unb ber 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 
8. und 9. fiher aufbewahrt in ber Sirdje am Fuße bes 
Grades Petri, wo fid) aud) bie Deiner Vorgänger befinden. 
In zehn Briefen Daft Du, wie es fid) für einen chriftlichen 
Saifer geziemt, die Lehren ber Väter treu zu beobachten 
verfprocen. Und vor Allem das Wichtigfte ift, bag εὖ 
Deine eigenen, mit bem kaiſerlichen Cigill verfehenen Briefe 
find, feine unterfchobenen. Du fchreibft darins wer bie 
Ordnungen ber Väter aufhebt, ber [εἰ verfluht. Nach 
Empfang biefer Briefe fdjidten wir Danfeshymnen zu Gott, 
daß er Dir das Reich gegeben. Und ba Du recht Liefeft, 
wer hat Dir Falſches in die Ohren geflingelt und Dein 
Herz verdreht? Zehn Jahre Haft Du mit Gottes Gnade 
recht gemanbeft und ber heiligen Bilder nicht erwähnt; 
jegt aber behauptet Du, daß fie bie Stelle der 
Idole vertreten und daß bie, welde fie ver; 
ehren, Öögendiener feien, und wilft, daß fie ganz 
unb gar befeitigt und vernichtet werben follen. Du fürchteft 
nicht das Gericht Gottes, unb daß Aergerniß gegeben wetbe 
nicht blos den Gläubigen, fonberm audj ten Ungläubigen. 
Ehriftus verbietet, nur den Geringften zu ärgern, und Du 
haft die ganze Welt geärgert, als ob Du nicht aud) fterben 
und Rechenschaft geben müfiteft. Du [friebft: man darf 
wie Gott befiehlt (2 Mof. 20, 4), nidt vers 
ehren, was von Menſchenhand gemadt ift, 
jeglihes Abbild von dem, was im Himmel 
oder auf Erden ift; beweife mir nur, wer ung 
gelehrt bat, von Menfhenhänden Gemachtes 


des Bilderftreits. 563 


au verehrten (σέβεσθαι xol ripvoxuveiv), und id 
will bann zugeben, bag εὖ Bottes Wille fei. 
Aber warum haft Du o ftaijer und Haupt ter. Ehriften, 
bevor Du die armen Völfer beftürzt und verwirrt haft, nicht 
weile Männer hierüber gefragt; Du hätteft von Ihnen ers 
fahren, wegen welder Art von Bildwerfen (χειροποίητα) 
Gott jenes gefagt bat. Aber Du haft unjere Väter und 
Lehrer verworfen, obgleich, Du in eigenbánbiger Unterſchrift 
verfidjerteft, ihnen folgen zu wollen. Die heiligen Bäter 
und Lehrer find unfere Schrift, unfer Licht und unfer Heil, 
unb bie ſechs Eynoden haben ung (jenes) gelehrt, Du aber 
nimmft ihre Zeugniß nidt an. Ich bin genöthigt, Dir 
Unfeines und Ungelehrtes zu fchreiben, ta Du aud) uns 
gelehrt und unfein bift; aber es enthält tod) ble göttliche 
Wahrheit... Gott bat jenes Gebot gegeben, wegen ber 
Götzendiener, welde das Land ber Verheißung im Beſitz 
hatten, und golvene Thiere 2c. anbeteten, fpredjenb: das find 
unfere Götter und es gibt feinen andern Gott. Wegen biefer 
biabofifden χειροποίητα hat Gott verboten fie zu ver 
ehren. Da εὖ aber aud) χειροποίητα zum Dienft und zur 
Ehre Gottes gibt, ... fo hat Gott aus bem israelitifchen 
Bolfe zwei Männer anderwählt und gejegnet, damit fie yeupo- 
ποίητα fertigten, aber zur Ehre und zum Dienfte Gottes, naͤm⸗ 
lid) den Bezeleel und Dliab (2 Mof. 35, 30. 34). Gott felbft 
ſchrieb die zehn Gebote auf zwei fteinerne Tafeln und ſprach: 
made Gferubim und Seraphim, unb einen Tiſch und über 
ziehe ihn mit Bold innen und außen; und made eine 
Lade von nichtfaulendem Hole, unb in bie gabe lege bie 
Zengniffe zur Erinnerung eurer Geſchlechter, nämlich die 
Gefepestafeln und den Krug und ben Stab und das 
Manna (2 Mof. 25, 10. 16. 18. 23. 24). Sind das 


564 Das erfte Luſtrum 


GSeftalten und Bilpwerfe von Menfhenhand gemadt over 
nicht? Aber zur Ehre unb zum Dienfte Gottes. Moſes 
wünfchte ven Heren zu ſehen, aber er zeigte ſich ihm nur 
vom Rüden; uns dagegen zeigte fid) der Herr vollftändig, 
indem Gottes Eohn Menſch geworden ift... Bon allen 
Gegenden her famen nun Menſchen nad Serujalem, um 
ihn zu feben, und haben ihn dann Andern gefchilvert und 
abgebildet. Ebenfo haben fie ben Jakobus, den Stephanus 
unb bie Martyrer geihildert und abgebildet, und bie Mens 
fchen Haben bie Verehrung des Teufels verlaffend dieſe 
Bilder verehrt, aber nicht fatreutifch, fonbern relativ (ταύτας 
προρεκύνησαν εἰ λατρευτικῶς ἀλλὰ σχετικῶς). Was meirft 
Du nun, o Ralfer, fol man diefe Bilder ober bie des 
diabolifchen Truges verehren? Chriſtus ſelbſt ſchickte bem 
9(6gar fein Portrait, ein ἀχειροποίητον 1). Blicke auf 
dieſes hin; viele Völker des Morgenlandes verfammeln fid) 
um daſſelbe, um dort zu beten. Und aud .andere Bilder, 
von Menſchenhand gemadjt, werden von frommen Walls 
fahrern 6i8 heute verehrt. Warum aber madjen wir fein 
Bild von Gottvater? Die gótt(ide Natur kann nicht bar, 
geftelt merben ; hätten wir ibn aber gefefen, wie ben Sohn, 
fo fönnten wir audj ein Bild von ihm machen. Wir be: 
ſchwören Did, als Bruder in Ehriftus, fefre wieder zurüd 
zur Wahrheit und richte durch ein neues Gift diejenigen 
wieder auf, meldje Du geärgert haft, wenn Du bieje aud 
nad) Deiner großen Fühlloſigkeit für nichts báltft. Ehriftus 
weiß es, bag fo oft wir im die Kirche des D. Petrus gehen und 


1) Vol. meine Abhgen. über Abgar Uhomo und Chriſtus⸗ 
bilder im Kirdenler. von 58 ἐθ εὐ unb Welte, Bu, L, ©. 36 
u. Dr. IL, €, 523. 


des Bilderfireits. 565 


das Bild diefes Heiligen feben, wir evídyüttert werben und 
Thränen ung entftrömen. Chriftus hat vie Blinden jehend 
gemacht, Du haft bie €efenben geblenbet. . . Dun fagft: 
wir verehren Steine und Wände und Bretter. 
Aber es ift bem nicht fo, o ftaifer; (onbern fie dienen ung 
zur Erinnerung und Aufmunterung, um unfern trägen 
Geift nadj oben zu erheben turd) die (Perſonen), deren 
tamen die Bilder tragen und deren Darftellungen fie find. 
Und wir verefren fie nit wie Gott, wie Du behaupteft; 
ba6 [εἰ ferne. Denn wir fegen unfere Hoffnung nicht 
auf fie, und wenn ein Bild des Herrn da ift, fprechen 
wir: Herr Jeſus Ehriftus, Hilf und rette und. Bei einem 
Bilde feiner f. Mutter fpreden wir: heilige Gottesges 
bárerin, bitte für ung bei deinem Sohn; Ähnlich bei einem 
Martyrer. Und es ift nicht richtig, was Du fagft: daß 
wir bie Martyrer Götter nennen. Sd) befchmwöre 
Di, laß ab von den fchlimmen Gebanfen unb rette Deine 
Seele vor den Aergerniffen und SSermün[dungen, weldye 
bie ganze Welt Dir entgegenjenbet. Die Kinder fpotten 
über Did. Gehe nur in bie Schulen der Kinder unb 
fage: ich bin ber Bilverfeind und fie werben fogleich ihre 
Tafeln nah Dir werfen. Du [driebft: wie ber jüdts 
Ihe König Ozias (follte heißen Hisfias) nad 800 
Jahren die eherne Schlange auó dem Tempel 
warf (4 Kön. 18, 4), [0 id nad 800 Jahren bie 
Bilderanspen Kirchen. 9a, Ozias mar bein Bruber 
und that wie Du ben Prieftern Gewalt an (2 Gron. 26, 
16 ff). Sene eherne Schlange hatte David fammt ber 
Bundeslade in ben Tempel gebracht, und fie war ein Erz 
bild von Gott geheiligt zum Nugen derer, welche von den 
Schlangen gebifjen waren (5 Moſ. 21, O ff.). Wir wollten 





566 Das erfle guflrum 


gemäß der von Petrus auf und gefommenen Gewalt Di 
beftrafen; aber Du haft felbft den Wind) über bid) ausge⸗ 
fproden !) und magft ihn nun fammt Deinen Rathgebern 
haben. Welche große Erbauung der Gläubigen Daft Du 
zerftört? Chriftus weiß es, fo oft wir in die Kirche gingen 
unb bie Darftelung der Wunder Chrifti ſahen, oder das 
Bild feiner Mutter, den göttlihen Säugling in den Armen, 
und bie Engel im Kreife umberftehend und das Trifagion 
tufenb, nicht ohne Rührung find wir wieder hinausge⸗ 
gangen ... ES wäre Dir beffer gewefen, ein Häretifer 
als ein Bildervertilger zu fein. Die Dogmatifirenven vet 
fallen nämlich, wenn εὖ ihnen an Demuth fehlt, theils ans 
Unfenntniß, theild wegen ber Dunfelheit der Sache, leicht: 
lid) in Irrthum, und ihre Verfchuldung ift nicht fo groß, 
al bie beinige, denn Du haft das, was ganz offen unb 
flat ift, wie das Licht, verfolgt unb die Kirche Gottes 
entblößt. Die D. Bäter haben fte befleivet und gefchmüdt, 
Du haft fie entfíeibet und entblößt, obgleih Du einen fo 
trefflihen Oberpriefter haft (ἔχων), unferen Bruder Get 
manus. Diefen hätteft Du als Vater und Lehrer zu Rathe 
ziehen follen, denn et hat große Erfahrung, ift jest 95 
Sahre alt und hat vielen Patriarchen und Kaifern gevient. 
Aber ihn bei Seite lafjend, haft Du ben gottlofen Narren 
. von Ephefus, ben Sohn des Apfimar (den Erzb. Theo 
doſius j. €. 532) und ähnliche Leute gehört. Ganz anders 
verhielt fid) Kaifer Gonftantin (Pogonatus), ald et wegen 
Abhaltung ber fedjóten allg. Synode nad Rom fihrieb. 
Du fiehft, daß tie Dogmen der Kirche nicht Sache ded 


1) Indem der Kaifer früher ſchrieb: „verflucht fei, wer bie Orb: 
nungen ber Väter aufhebt.“ 


bed Bilderſtreits. 567 


Kaiſers find, fonbern ter S3ijdjófe. Wie diefe nicht in ble 
bürgerlichen, jo duͤrfen bie Kaiſer nicht in vie kirchlichen 
Angelegenheiten eingreifen. Du fdriebft: es folle eine 
allgemeine Synode berufen werden. Mir fcheint 
dieß überflüjfig, denn jo Du ruhig bift, ift Alles ruhig. 
Denfe Dir, ich hätte deinem Wunfche entjprodjen und e 
wären bie 3Bijdjofe der ganzen Welt verjammelt, wo ift 
dann der gottesfürdtige Kaifer, ber bem Herfommen ger 
mäß biejen Verfammlungen beimohnen foll, ba Du {εἰ 
ben Firchenfrievden ftörft und bie Barbaren (ben Jezid) 
nadabmft? ... Während die Kirchen Gottes tiefen Frieden 
hatten, haft Du Kämpfe, Streitigkeiten und Aergernifie 
veranlaßt. Höre auf und fel ruhig, bann bedarf εὖ feiner 
Synode. Schreibe in alle Länder, die Du geärgert, daß 
Germanus von Gon(tantinopel und Papſt Gregor von Rom 
in Betreff der Bilder geirrt hätten, unb wir, bie wir ble 
Binder und Löfegewalt haben, wollen Dir Deinen Fehltritt 
verzeihen !). Gott ift Zeuge, daß ἰῷ alle Deine Briefe 
den Königen des Abenplandes mitgetheilt, und lebtere Dir 
zu Sreunden gemacht habe, indem ich Dich lobte und pries. 
Dephalb haben fie aud) Deine laureata (Bilpnifje) anges 
nommen und geehrt, bevor fie von Deinem böfen Unters 
nehmen gegen die Bilder hörten. ALS fie aber erfuhren, 
daß Du den Spatharofanvidaten Jovinus nad Chalfos 
prateia [djidteft, um das wunderbare Ehriftusbild, welches 


1) Gregor meint, der Kaiſer folle, um fi ben Widerruf zu ers 
lei'htern, die Schuld auf den Papft und ben Patriarchen fchieben, als 
ob ihm dieſe in Betreff der Bilder foldjen falfehen Rath gegeben. — 
€o glaube ἰῷ diefe jchwierige Stelle, bie fid im zweiten Briefe des 
Bapfes nod) deutlicher wiederholt, verfiehen zu müflen. Anders 
QR 56let, a. a. D. ©. 485. 


508 Das erſte Luſtrum 


Antiphonetes heißt, zu zerſtören — fromme Frauen, Nach⸗ 
ahmerinnen jener, welche den Herrn geſalbt, riefen dem 
Spatharokandidaten zu: thue doch das nicht; und als er 
nicht darauf achtete, eine Leiter beftieg und dreimal mit 
ber Art auf das Geſicht des Bildes losſchlug, warfen vie 
Frauen entrüftet bie Leiter um und tödteten ihn; Du abet 
ſchickteſt Mititär und liegeft, id weiß nicht wie viele 
Grauen dort lödten in Gegenwart vielge angefehenen Männer 
aus Rom, Franfreih, von ben Vandalen, Gothen und aus 
Mauretanien, ja faft aus bem ganzen Abendland — ale 
diefe zurüdfamen und jeder in feiner Heimath Deine fin 
bifhen Thaten erzählten, da zerftörten fie Deine laureata, 
und bie Longobarden und Sarmaten u. 9L, melde im Nor 
ben wohnen, madjten Einfälle in die unglüdliche Defapolis 
und eroberten die Metropole Ravenna !), festen Deine 
Ohrigfeiten ab, ftelften eigene dafür auf und wollten εὖ 
mit den Faiferlichen Städten in unferer Nähe, ja fogar 
mit Rom jelbft ebenfo machen, ohne daß Du uns [hüten 
kannſt. Da haft Du bic Frucht Deiner Thorheit. Aber 
Du wilft mich fdreden und fagft: ih mill nad Rom 
fenben und das Bild des b. Petrus zerftören 
unddenPapft Gregorgefangen wegführen, wie 
Eonftantin (ConftansIL)esmitMartinusgemadt 
bat. Du folft wifjen, baf bie Bifhöfe von Rom um des Fries 
bené willen bafigen ald Zwifchenmauer zwiſchen bem Morgen: 
land und Abendland, und Brievensftifter find. Wenn Dn 


1) Gregor jagt nichts davon, baf Ravenna auf fein Betreiben 
dur Hülfe der Venetianer wieder erobert worben fei (f. ©. 359). 
Ebenfo ſchweigt er darüber, daß er bie Aufftändifchen in Italien be 
tubigt und von ber Beftellung eines neuen Kaifers abgehalten habe. 
Sein Brief ſcheint fonach vor diefen Begebenheiten abgefaßt zu fein. 


x 


, des Bilderftreits. 569 


mir nachftelen wilft, wie Du fagft, fo habe ἰῷ nicht 
nötig, mit Dir zu fümpfen. Der vómi[de Biſchof wird 
fi) bios 24 Stadien weit entfernen nad) Ganpanien, unt 
dann fomm und verfolge die Winde Y.  lInfern Vorfahrer 
Martin I. fat Kaiſer Eonftantin mißhandelt und verbannt. 
Aber der Kaifer wurde in feinen Sünden ermorbet, wähs 
end Martin αἱ Heiliger verehrt wird. — Gerne. möchte 
ih das gleihe Schikfal haben, wie Martin, aber zum 
Nutzen des Volkes will ih am Leben bleiben, denn ber 
ganze Occident richtet feine Augen auf mid, obgleid Un- 
würdigen, unb hofft auf mich unb ben f. Petrus, vejjen 
Bild Du zerftören zu wollen droheſt. Wirft Du ed wagen, 
jo find bie Abendländer bereit, zugleich aud) für bie von 
Dir beleidigten Orlentalen Rache zu nehmen. Aber ἰῷ 
beſchwöre Dich bel bem Herrn, laß ab von fo thörichten 
Dingen. Du weißt, daß Dein Thron Rom nicht verthei- 
digen faun ?), außer. etwa ble Stadt allein, unb wenn ber 
PBapft, wie wir fagten, 24 Stadien weit fid) entfernt, hat 
er von Dir nichts mehr zu fürdten. ... Wird das Bilo 
des b. Petrus wirklich zerftört, ich befchwöre Dich, ich bin 
unfhuldig an bem Blute, das alddann wird vergofen 
werben. Es fomme auf Dein Haupt! Ein Fürft aus 
dem innerften Abendlande, Septetus genannt 9), hat mid) 


1) 24 Stabien betragen ungefähr 1/2 geogr. Meile == 1 Stunde. 
Mehrere zweifeln, daß die 2ongobarben jdjon jo nahe bei Rom ge: 
flanben, unb vermutben in ber Zahl einen Schreibfehler. Vgl. Mus 
tatori, a. a. D. ©. 294. 

2) Bei Qatbuin unb Manſt fiet duch einen Drudfehler δύνασαι. 
Baronius dagegen hat richtig δύναται. 

3) Vielleicht ein von Bonifaz befehrter deutfcher Fürſt. Du Cange 
(s. v. Septeius) vermuthet, es ſollte vielleicht mepelus heißen, was 
identifh wäre mit Mepe — Iberorum regis dignitas ac appelatio, 


510 Das eifle Luſtrum N 


gebeten, zu ihm zu fommen unb ihm bie B. Taufe zu ets 
tbeilen, und ich werde es tfum. Der Herr aber lege in 
Dein Herz wieder Gotteófurdjt, unb bringe Dich zur Wahrs 
beit zurück! Möchte ih doch bald Briefe mit der 9tad» 
richt Deiner Beſſerung von Dir erhalten !).” 

Wir fahen, bag Papft Gregor in viefem Briefe meh- 
tere Stellen απὸ dem Edikte, welches ber Kaifer wegen 
der Bilder nad Italien gefanbt hatte, ganz ober nahezu 
wörtlih wiederholte. Wir haben tiefe Stellen oben ©. 
562 (f. durch gelperrten Drud hervorgehoben, unb ba, wie 
wir S. 560 zeigten, dieß Goift nicht erft im Jahre 730, 
ſondern jdon vor 728 in Italien publicirt wurde, fo ift 
jegt unjere Sehnſucht, den Wortlaut des erften  Goifteó 
wenigftené der Qauptjadje nad) fennen zu lernen, befriedigt. 
Zugleich zeigt fid) und aber, wie jehr Wald, und alle An- 
dern irren, die das erfte Gift für gar milde erachten, unb 
nur dad Verbot, bie Bilder zu küſſen, ihm zufchreiben 
wollten. Die aus bem Epvifte felbft mitgetheilten Stellen 
beweifen feinen fdon völlig ifonoflaftifchen Charafter. 

Daß der $aijer bem 9Bapfte antwortete, erjehen wir 
aus dem zweiten Briefe Gregors: „Ich habe, jagt hier 
bet Papſt, Dein Schreiben, von Gott bejdügter Kaifer 
und Bruder in Ehriftus, burd Deinen Geſandten Rufinus 
erhalten, und es ift mir dad Leben ganz entleivet, weil Du 
Deine Gefinnung nicht geändert haft, im Böfen verharreft 
und ben B. Vätern nicht folgen will(t. Und bod) berufe 
ih mid) nicht auf fremde, fonbetn gerade auf griechifche 
Bäter. Du ſchreibſt: Ih bin Kaiſer und Priefter 


1) Mansi , T. XII, p. 959 sqq. Harduin, T. IV., p. 1 sqq 
Baron., ad ann, 726. ; 


᾿ des Bilderſtreits. 511 


à4ugleid. Ja, Deine Vorgänger waren bief in ber That, 
Gonftantin Ὁ. Gr., Theodoſius Ὁ. Gr., Valentinian b. Gir. 
unb Gonftantin (Pogonatus); fie haben ald Kaiſer religiös 
regiert und in Verbindung mit ben Biſchöfen Synoden 
gehalten und Kirchen erbaut und geſchmückt. Sie zeigten 
in Werfen, daß fie Kaifer und Priefter zugleich felen; 
Du aber Daft ... die. Beftimmungen ver Bäter nicht 
beobachtet; fondern bie Kirchen ihres Schmudes beraubt 
und entblößt. . . . Männer und Frauen unterrichten 
ihre Kinder und die Neulinge aus bem Heidenthum, in 
bem fie mit ben Fingern hinweifen auf die Geſchichten, 
melde in ben Kirchen abgebildet ſind, fie erbauen fie 
damit und geben ihren Herzen baburd) die Richtung nad 
oben. Du aber Daft vieß bem Volke entzogen und ibm 
nichts gelafien, als thörichte Neben, Fabeln und muſika⸗ 
lifche Poſſen!)). Höre mich Nievrigen, o Kaifer, laß ab 
und folge ber B. Kirhe, wie Du es vorgefunden und 
überliefert erhalten Daft. Die Dogmen find nicht Sache 
der Raifer, ſondern ber Bifchöfe, weil mir ben Einn (và) 
Gprifti haben. ... Es ift ein Unterfchied zwifchen bem 
Palaſt unb ber Kirche, zwifchen Kaifern und Bifchöfen. 
Erfenne dieß unb rette Dich! Wenn man Dir die faifer 
[iden Gewänder, ven Purpur, das Diadem ıc. nähme, fo 
würbdeft Du vor ben Menfchen mifadtet ericheinen; in ben 
gleihen Zuftand Daft Du die Kirchen verjept, indem Du 


1) Sinn: „das was für das Volk ſchaͤdlich ift, faft Ou ihm 
gelafien, bamit jolf es fid) fortwährenn befchäftigen; aber das, was 
ihm nüglid) ift, haft Du ihm genommen." Völlig irrig fagt Rösler 
a. a. Ὁ. 6. 491: „nad diejer Stelle Bat Leo dem Bolf, und zwar 
in ber Kirche, anflatt ber Bilder eiwas Anderes zur Unterhaltung 
geben wollen.“ | 


512 Das erfte guftrum : 


fie ihres Schmudes beraubteft. Wie ber Biſchof fein Recht 
hat, (i in die Angelegenheiten ted Palafted zu mifchen 
und bie Aemter zu vergeben, fo fteht εὖ bem Kaifer nicht 
zu, fid in das Innere ber Kirche zu mifchen, Cleriker zu 
wählen, bie Caframente zu verwalten 2c. Jeder bleibe an 
der Stelle, wohin ibn Gott berufen. Weißt Du, o Kaifer, 
den Unterfchied zwifhen Kaifer und Bifhof? Wenn Se 
manb gegen Did, o Kaifer, fid) verfehlt, 1o nimmft Du 
ihm fein Haus und Vermögen, ja vielleiht aud) dad 
Leben oder erilirft ihn. Nicht fo tie Bilchöfe. Wenn 
Jemand gefündigt hat unb er befennt, fo legem fie ftatt 
des Strides ihm das Evangelium und das Kreuz auf ben 
Staden, weifen ihn ftatt in dad GefüngniB, in bie Dia- 
fonia ober Katechumena der Kirche ) und legen ibm $a 
ften 2c. auf. Hat er gebüßt, [o reichen fie ifm ven Leib 
unb das Blut bed Herrn ... Du verfolgft unb tyranni, 
firft ung mit militärifcher und pbofifder Gewalt ; mir aber 
waffenlos und ohne irbijdjeó Kriegsheer rufen ben Heer 
führer ber ganzen Echöpfung Jeſus Ehriftus au, damit er 
Dir einen Damon jenbe, gemäß dem Worte des Apoftels 
(1 Gor. 5, 5): id) willihn übergeben bem Satan 
zum Verderben des Bleifhes, bamit bie Seele 
gerettet werde Siehe o Kaifer, in foldyes Elend 
ftürzet Du Did ſelbſt. Wie unglüdlih find wir bod 
unferen Borfahrern gegenüber, weldye wegen ihres guten 
Einflufjes auf die Kaifer am Tage des Gerichtes Lob er 
werben werben, während wir erröthen müfjen, daß mir 
unferen Kaiſer nicht herrlich und reih an Ruhm Gott bar 


1) gofalitàten in der Kirche, offenbar für bie Bönitenten. Bol. 
Binterim, Denfw. Br. V., 35. 3. €. 13 f. 


des Bilderſtreits. 573 


ftellen fónnen. Siehe, aud) jegt nod) ermahnen wir Dich: 
thue Buße und febre zur Wahrheit zurüd, unb ehre die 
b. Vaͤter. Du [driebft: wie fommt es, bag in den 
ſechs Eoncilien von ben Bildern nidté gefagt 
wurde? Aber es ift bod), o Kaifer, darin aud) von τοῦ 
und Wafler nichts gejagt worden, ob man e effen und trinfen 
Tolle oder nicht, weil hier ber Gebrauch bereits feftftanb. Gbenjo 
ftand der Gebrauch der Bilder'feft, unb die Biſchöfe brachten 
ſelbſt Bilder mit auf die Goncilien, da fein frommer Mann 
ohne Bilder reiste Wir ermahnen Sid, Biſchof unb 
Kaifer zugleich zu fein, wie Du ſchriebſt. Wenn Du υἱῷ 
Ihämft ald Kaifer, die Schuld Deines Irrthums Dir jelbft 
zuzufchreiben (αἰτιολογῆσαι Eavrov), jo ſchreibe in alle Ge: 
genden, bie Du geärgert, es hätten Papſt Gregor von Rom 
und Patriarch Germanus von Gonftantinopel fid in Bes 
treff der Bilder geirrt, unb wir verzeihen Dir Deinen Fehl⸗ 
tritt fraft. unferer Gewalt zu löfen und zu binden... 
Da wir Ehriftus Rechenſchaft ablegen müfjen, haben wir 
Did ermahnt, Du aber haft weder unfere Niedrigfeit, nod) 
ben Germanué, nod die B. Väter gehört, und folgteft ben 
Verfehrten, ven Berfälfchern ber wahren Lehre. Wie wir 
gefhrieben haben, werden wir in das Innere bes Abend» 
lanbe8 reifen, um die D. Taufe zu ertheilen. Ich habe 
zwar Schon Biſchöfe und Glerifer dahin gefhidt, aber bie 
Häuptlinge diefer Länder find nod) nicht getauft, wünfchen 
es vielmehr durch mich zu werben. Gott möge Dir Ein- 
fit und Sinnesänderung verleihen H.“ 

Wenn wir ble oben &. 549 f, angeführten 9LenBerungen 


1) Mansi, T. XIL, p. 975 sqq. Harduin, T. IV., p. 13 sqq. 
Baron. δὰ ann. 726. 
Theol. Duartalfehrift. 1857. IV. Heft. 38 





514 Das -erfte Auftrum 


be6 Theophanes über bie Briefe Gregord an faijer Leo 
mit bem Inhalte ber beiden eben mitgetheilten vergleichen, 
fo fann wohl fein Zweifel fein, daß Theophanes gerade 
fie und feine andern im Auge gehabt habe. Was er ja 
ald den Hauptinhalt ber päpftlichen Briefe angibt: „ed 
ftebe den Kaifer nicht zu, in Betreff des Glaubens Vers 
orbnungen zu erlaffen unb an ben alten Dogmen etwas 
ju ändern,” das findet fid) nicht nur wörtlih aud) in uns 
jeren zwei Briefen, fondern madjt fogar ein Hauptargument 
berjelben aud. Wenn man befungeadtet legtere von denen, 
weldje Theophanes befpricht, unterfcheiden, unb fie für be: 
trächtlih Tpäter erklären wollte, fo beruht dieß nur auf 
einer falſchen Vorausfegung, welche von Pagi ausgegangen, 
die obligate Wanderung faft dur alle fpäteren Bücher 
gemadt fat, und damit fommen wir zur linterjudjung 
über die Abfaffungszeit ber beiden päpftlichen Briefe. 

Baronius hatte diefelben in ben Aufang bes Bilder, 
ftteité, alfo ind Jahr 726 verlegt und mit Theophanes 
für eine Antwort auf baé erfte Faiferliche Evifk angefchen. 
Dies beftritt Pagi (ad ann. 726, 3—6 u. 730, D. Auf 
bie Biographie bed D. Abtes Stephanus fid ghägend 
(&. 540) verlegt Pagi die Zerſchlagung des Chriſtusbrdes 
über ber χαλκὴ πύλη ober in Chalfoprateia in bie Zenit 
nad ber Abfegung des Germanud und nad) ber Orbi; * 
nation beó Anaftafius, alfo ins Jahr 730. Bon viefem 
. Ereigniffe, jo argumentirt Bagi weiter, ſpricht Papft Gre; 
gor bereitó in feinem erften Briefe, folgli muß biefer nod 
tiefer in das Jahr 730, δίεπα ber zweite an das Ende 
beó Jahres 730 oder Anfang von 731 verfegt werben, 
denn am 11. Februar 731 ftarb Gregor II. 

Wie [djon bemerkt, beftreiten wir bie Grundlage biefer 


$e8. Bilderſtreits. 515 


ganzen Argumentation, indem wir das Greignif an ber 
χαλκὴ mit Theophanes u. A. bem Jahre 726 zumeifen, 
und ber erſte Brief Giregoró ſelbſt befeftigt und hierin, 
indem er berichtet, ele erften Nachrichten über den Bilder⸗ 
ſturm des Kaiferd (alfo vor Ankunft feines Ediktes) feien 
dur Zeugen jener Gewalttbat ind Abenpland gefommen. 
Daß aber das erfte Edikt vor bem Jahre 728 in Stalien 
verkündet wurde, erfuhren wir von Anaftafius (&. 560). 

Pagi beruft fid) zweitens darauf, daß Papft Gregor 
in feinem vrften Schreiben an Leo von Germanus alé 
ebemaligem Patriarchen fprede, in den Worten: t2- 
metsi talem habebas pontificem (Pagi, ad ann. 726, 3). 
Allein bieje lateiniſche Ueberfegung ift bekanntlich nur ein 
Werk des Wronton le Duc, der griedjijdje Text aber hat 
ἔχων (Θ. 566), und in beiden Briefen Gregors iſt feine 
Andeutung, bag Germanus damals [don abgejept geweſen 
fei. Pagi weist drittens auf bie Eurzen chronologiſchen 
Andeutungen bin, ble fid) im Anfange des erften päpftlichen 
Briefes an Kaiſer Leo finden. Gregor fage darin, ex habe 
das Schreiben des Kaiferd von ber 14. Indiftion erhalten. 
Da nun Leo am 25. März der 15. Sinbiftion, wie Theo» 
phanes fage, Kaifer geworben fei, jo gehe bie 14. Invif- 
tion vom 1. Septemper 730 bis 1. September 731, und 
es müfle ſonach aud) bie Antwort des Papfteß dem Jahre 
130 zugewiefen werden (Pagi ad ann. 730, 7). Allein 
gerade dieſes Argument, welches Pagi fo fidher vorbringt, 
müfjen mir gegen ihn wenden. Wenn ber Kaiſer in bet 
14, Snbiftion, alfo nach bem 1. September 730, an ben 
Bapft ſchrieb — und daß ver Kaiſer in ber 14. Indiktion 


1) Bgl. Muratori,a. a. Ὁ. €. 293 f. 
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des Bilberftreite. 577 


*ei eine ۟de von der 9. Snbiftion bis zur 14., b. b. 
125—'130, intem ber Kaiſer in biejen fünf Jahren 
"Bapfte wahrfcheinlich gar nicht gefchrieben habe). — 
iheint natürlicher, bag Papft Gregor alle die Briefe, 
x vom Kaiſer erhielt, dronofogijd) aufführte, vom 
en beginnend und mit dem jüngften enbigenb. Diefer 
4e wäre bann ber ber 9. Indiktion oder des Jahres 
und ihn gerade halten wir für denjenigen, der das 
ide Anfinnen wegen ber Bilder enthielt. Das paßt 
„rtrefflih zum Datum ber Anfänge des Bilderftreits, 
zu ber Neußerung Gregors, Leo habe in feinem zehnten 
rungsjahre feine Thorheiten begonnen. Sein zehntes 
‚rungsjahr trägt gerade bie Indiktionszahl IX. Gre⸗ 
rügt bei: zehn Briefe des Kaifers feien ganz recht 
jm; unb diefe Zehnzahl befommen wir eben, wenn 
von der oben angegebenen Reihe ben [egten Brief ber 
diktion abziehen. Uebrigens werden wir burd) das 
'agte zu derfelben Yolgerung gebrüngt, wie Baronine. 
ἀπ nämlich ber erfte oder frühefte Brief des Kaifers 
an den Papſt Gregor nod) der 14. Inviftion angehört, 
nuf deſſen Regierungsanfang in das Jahr 716, nidi 
Theophanes auf 717 verlegt werden ?). Und bief zu 





1) Pagi, ad ann. 726, 6. Die Argumentation Pagi's wird burd) 
" Drudfehler entftellt. Es ift nämlich in bet citirten Stelle n. 6 
‚imal Indict. XIV ftatt XV gedruckt. Das oftemal in ben Worten: 
ἐδ am 25. März 717 zum Kaifer erhoben, fchrieb an Papft Gregor 
en Brief Indictione XIV, quae eo anno in cursu erat. Es muß 
" Beifen, denn bie 15. Jjnbiftion lief vom 1. September 716 
s 1. September 717, und Pagi jagt ad ann. 717, 2. u. 726, 3. 
u. 9 felbft das Richtige. Aehnlich if ber Webler gegen Ende ber 
tirten Nr. 6. 

2) Baron., ad aun. 716, 1. 


516 Das erfte Luſtrum 


gefchrieben, nicht ber Bapft in dieſer Indiktion geantwortet 
habe, jagen die Worte Gregors auóbrüdlid, — wenn ber 
Raifer fo Spät erft fdrieb, nad) bem 1. September 730, 
fo vergingen wieder mehrere Wochen bis dieß Schreiben in 
Rom ankam, und wieder Wochen, bis ber Bapft die wohl 
überlegte und ohne Zweifel mit feinem Clerus berathene 
Antwort erließ. Es mußte jet das Jahr 730 zu Ende 
gehen. Aber bie pápfifide Antwort wird nun nad) Gor: 
ftantinopel gefchidt, abermald waren Wochen dazu nöthig, 
der Kaiſer antwortet darauf, [didt die Antwort nad 
Rom, und ber Papſt fchreibt ihm zum zweitenmal, unb 
das alles foll noch im Jahre 730 ober im Januar 731 
gefchehen fein (Pagi, ad ann. 730, 10). Solche Schnellig- 
feit im amtlichen und diplomatiſchen Verfehre wäre aud) 
in den Zeiten der Gifenbabnen unb Telegraphen eine Sels 
tenbeit. Ich glaube barum behaupten zu dürfen: wenn 
Gregor II. am 11. Februar 731 ftarb, unb das bezweifelt 
aud) Pagi nicht, jo fónnen die vielen ebenbefprodyenen 
Fakta: das Schreiben des Kaiferd, beffen Transport nad 
Rom, die Antwort ded Papftes, ihr Transport nad) Gon 
ftantinopel, die Erwiederung des Kaifers, ihre Ueberbrin- 
gung nad Rom, und das darauf erfolgte zweite Schreiben 
bed Papftes — nicht in die fure Zeit zwifchen dem 1. 
Eeptember 730 und bem Tode des Papftes zufammenge- 
ſchoben werben. | " 

SBapft Gregor führt bie Schreiben, weldje er vom 
faijer erhalten, in folgender Reihe auf: ba6 ber 14, 
das ver 15., 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. und 9. Indiktion. 
Pagi meint nun, das primo loco geftellte der 14. Sif 
tion fei das fpätefte vom Jahre 730, das darauf folgende 
das ültefte vom Jahr 717 und fo gehe die Reihe weiter; 





be8 Bilberftreite. 577 


nur fel eine ۟de von ber 9. Indiktion bis zur 14., b. D. 
von 725— 730, indem ber Kaiſer in biejen fünf Sabren 
dem Papſte wahrſcheinlich gar nicht gefchrieben habe . — 
Mir fdeint natürlicher, bag Papſt Gregor alle bie Briefe, 
bie er vom Kaiſer erhielt, chronologiſch aufführte, vom 
älteften beginnend unb mit bem jüngften enbigenb. Diefer 
jüngfte wäre dann ber ber 9. Indiftion oder des Jahres 
126, und ihn gerade halten wir für denjenigen, ber das 
ärgerliche Anfinnen wegen ber Bilder enthielt. Das paßt 
ja vortrefflih zum Datum der Anfänge des Bilvderftreits, 
und zu ber Aeußerung Gregors, Leo habe in feinem zehnten 
Regierungsjahre feine Thorheiten begonnen. Cein zehntes 
Regierungsjahr trägt gerade bie Indiktionszahl IX. Gre⸗ 
gor fügt bei: zehn Briefe des Kaiferd feiem gang recht 
gemejen; unb diefe Zehnzahl befommen wir eben, wenn 
wir von ber oben angegebenen Reihe ben legten Brief ber 
9. Snbiftion abziehen. Uebrigens werden wir butd) das 
Gefagte zu derjelben Folgerung gedrängt, wie Baronine. 
Wenn nämlich der erfte oder frühefte Brief des Kaifers 
Leo an ben Papſt Gregor nod) der 14. Indiktion angehört, 
jo muß befen Regierungsanfang in das Jahr 716, nidji 
mit Theophanes auf 717 verlegt werden 2). Und dieß zu 


1) Pagi, ad ann. 726, 6. Die Argumentation Pagi's wird burd) 
zwei Drudfehler entflefft. Es ift nämlich in ber citirten Stelle n. 6 
zweimal Indict. XIV μαι XV gedruckt. Das erflemal in den Worten: 
„Leo am 25. März 717 zum Kaiſer erhoben, fchrieb an Papft Gregor 
einen Brief Indictione XIV, quae eo anno in cursu eret. Es muß 
XV heißen, denn bie 15. Indiktion lief vom 1. September 716 
bis 1. September 717, und Pagi fagt ad ann. 717, 2. u. 726, 3. 
4 u. 5 felbft das Richtige. Aehnlich ifl der Fehler gegen Ende ber 
ritirten Nr. 6. 

2) Baron., ad ann. 716, 1. 


τ 


; — 
576 | Das erfte Luftrum 


gefchrieben, nicht ver Papſt in biefer ^ αι Angabe 
habe, jagen die Worte Gregotó ^— iL 4t Regierungsfahre 
Raifer fo fpät erft ſchrieb, v Wr /(ingug8 in Gonftan 
fo vergingen wieder mehrer — 7 ,"i Leo deßhalb ein Res 
Rom ankam, und wieder — 7 jtm und 25 Tagen zu. 
überlegte und ohne Zw " finem. Ehronifon 25 Jahre, 
Antwort erließ. G6 .“, pA denn er rechnet von bem 
gehen. Aber bie p' /, 77i gegen den ſchwachen Theodoſtus 
ftantinopel Be FL aiſer ausgerufen wurde ». Das 
der Raifer anf Feine daß Leo gleich bei Beginn 
Rom, unb t 2 , aljo nod in der 14. Indiktion d. i. 
das alles T ven im Abendland fo mächtigen Papft 
ge[deben ' E E ſuchte, und ibn fchriftlich feiner Or. 
feit im Wu te, wohl wiffend, daß die italifchen Pros 
in den gie ihn viel leichter anerfennen würden, 
tenfe' — r^ rft Für ibn ſpreche. 

Gre p αἱ glauben wir bie Aufgabe, bie wir und ftellten, 
au ‚nd die Begebenheiten des erften Luftrums der 
φ £e in ihr wahres Licht und zugleich im vie 

aronologiſche Ordnung geftellt zu haben. 


f) p Schloſſer, a. a. Ὁ. €. 143 unb die Noten des Te 

jit P Nictphori Breviarlum de rebüs post Mauritium gestis, ed. 

» so. p. 127, wo nod) weitere Zeugen für das Jahr 716 ober [n- 
zero XIV αἰ Regierungsanfang Leo's beigebracht find. 


Hefele 


2, 


„ver eine Stelle im VIII. Kapitel des von dem 5. An- 
tiohenifchen Biſchofe Ignatius an die Philadelphier 
gerichteten Sendfchreibens, 


Zu ben vielbefprodenften und viefgebeutetften Stellen 
in ben Briefen des Martyr-Bifchofed von 9Intiodjien gehört 
ohne Zweifel folgende im VII. Kapitel feines Briefes an 
die Philadelphier: Πιστεύω τῇ xapırı Ἰησοῦ Χριστοῦ, 
ὃς λύσει ἀφ᾽ ὑμῶν πάντα δέσμον. παρακαλῶ δὲ ὑμᾶς 
μηδὲν κατ᾽ ἐριϑείαν πράσσειν, ἀλλὰ κατὰ χριστομαϑιαν" 1) 
ἐπεὶ ἤκουσα vuov λεγόντων, ὅτι ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχαίοις 
δὕρω, ἔν τῷ εὐαγγελίῳ οὐ πιστεύω" χὰἀὶλ λέγοντός μου 
αὐτοῖς " ὅτι γέγραπται" ἀπεκρέϑησαν μοι" ὅτι πρόκειται. 
ἐμοὶ δὲ ἀρχεῖα ἐστιν Ἰησοῦς Χριστός, τὰ ἄϑικτα ἀρχεῖα 
ὁ σταυρὸς αὐτοῦ καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ἡ ἀνάστασις αὐτοῦ 
καὶ ἡ πίστις ἡ di αὐτοῦ, ἂν οἷς ϑέλω ἐν τῇ προσευχῇ 
ὑμῶν δικαιωϑῆναι. So lautet ber Tert ber Handſchriften 3). 


1) Ginige Ausgaben haben fálfdjlid) χριστομαϑείαν anftatt χριστο-- 
μάϑειαν Wir haben ferner die verkehrte Interpunction dieſer Stelle 
in ben Ausgaben berichtigt. 

2) A (= armenifche Ueberfegung) bei Petermann s. Ign. epist. 
p. 207 ff. giebt die Stelle aljo wieder: „Credo gratiae Jesu Christi, 
quod is (hic) solvit (tempus praesens e futur. syrac. videtur expli- 
candum) a vobis omnia vincula. Peto a vobis fratres, ne facite 
quidquam resistentia (contentione), sed nomine Jesu Christi. Sed 


578 S8 erſte Luſtrum des Bilberflreite. 


thun ſcheuen wir und nicht trotz ver ausdrücklichen Angabe 
des Theophanes, denn letzterer rechnet die Regierungsjahre 
Leos von bem Tage feines feierlihen Einzugs in Gonftan; 
tinopel an, und fdreibt bem Kaifer Leo deßhalb ein Re 
giment von 24 Jahren, 2 Monaten und 25 Tagen zu. 
Nicephorus dagegen gibt in feinem Chronikon 25 Fahre, 
3 Monate und 14 Tage an, denn er rechnet von bem 
Augenblid an, wo fid) Leo gegen ten ſchwachen Theodoſtius 
erhob und im Lager αἱ Kaifer ausgerufen wurde ). Das 
bei ift gar nidt unwahrfcheinlidh, bag Leo gleich bei Beginn 
feiner Eelbfterhebung, alfo noch in ver 14. Indiktion b. i. 
im Sabre 716, aud) den im Abentland fo mächtigen Papft 
für fid zu gewinnen ſuchte, und ihn fchriftlih feiner Or 
thodorie verficherte, wohl wiſſend, daß die italifchen Pros 
vinzen des Reichs ihn viel leichter anerfennen würken, 
wenn der Papft für ihn fprece. 

Hiemit glauben wir die Aufgabe, die wir uns ftellten, 
gelöst, und bie Begebenheiten des erften Luftrums ver 
Bilverftreitigfeit in ihr wahres Licht und zugleich in bie 
richtige d)ronologijde Ordnung geftellt zu haben. 

1) Vgl. Schloffer, a. a. Ὁ. €. 143 unb die Noten des Per 
tavius zu Nicephori Breviarium de rebüs post Mauritium gestis, ed. 


Bonn. p. 127, wo nod) weitere Zeugen für das Saft 716 ober In- 
dictio XIV als Otegierungéanfang Leo's beigebracht find. 


Hefele 


2. 


Weber eine Stelle im VIII. Kapitel des von bem 5. An- 
tiochenifchen Bifchofe Ignatius an bie Philadelphier 
gerichteten Sendſchreibens. 


Zu den vielbefprocdhenften und vielgeventetften Stellen 
in ben Briefen des Martyr-Bifchofes von Antiodhien gehört 
ohne Zweifel folgende im VII. Kapitel feines Briefes an 
vie Philavelphier: Πιστεύω τῇ χάριτε Ἰησοῦ Χριστοῦ, 
ὃς λύσει ἀφ᾽ ὑμῶν πάντα δέσμον. παρακαλῶ δὲ ὑμὰς 
μηδὲν κατ᾽ ἐριϑείαν πράσσειν, ἀλλὰ κατὰ χριστομαϑιαν" 1) 
ἐπεὶ ἤκουσα τένων λεγόντων, ὅτι ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχαίοις 
εὕρω, ἔν τῷ εὐαγγελίῳ οὐ πιστεύω" κἀὶ λέγοντός μου 
αὐτοῖς " ὅτε γέγραπται" ἀπεκρέϑησαν μοι" ὅτι πρόκειται. 
ἐμοὶ δὲ ἀρχεῖα ἐφτιν Ἰησοῦς Χριστός, τὰ ἄϑιχτα ἀρχεῖα 
ὁ σταυρὸς αὐτοῦ καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ἡ ἀνάστασις αὐτοῦ 
καὶ ἡ πίστις ἡ δὲ αὐτοῦ, ἐν οἷς ϑέλω ἐν τῇ προσευχῇ 
ὑμῶν δικαιωϑῆναι. So lautet ber Tert der anpjdriften 3). 


1) Einige Ausgaben haben faälſchlich χριστομαϑείαν anftatt χριστο-- 
μάϑειαν Wir haben ferner die verkehrte Interpunction biefer Stelle 
in den Ausgaben berichtigt. 

2) A (= armenijdje Ueberfegung) bei Petermann s. Ign. epist. 
p. 207 (f. giebt die Stelle aljo wieder: „Credo gratiae Jesu Christi, 
quod is (hic) solvit (tempus praesens e futur. syrac. videtur expli- 
candum) a vobis omnia vincula. Peto a vobis fratres, ne facite 
quidquam resistentia (contentione), sed nomine Jesu Christi. Sed 


Ἐς) A m UY 


IT ve m ri Treten τὰς nee Seele alte wieder⸗ 
τσ στ ἔα icxime jem rs. «uu selvei a vobis 
use vucuhmm  Degrecur zm vor mhi secumdem con- 
wxüdmem ı sc mmt mimi 3.0 cmd Cases) Émcere, sed 
seeundum Uır:sii üseinümmm: qua zmlv: quasdam dicen- 
les: ,UOHEMB τὶ nam m vcierhes m veieries mom hat 
end Ca: aee m coamehe mas crede*; εἰ dicente 
me iS | gels 1,1 crow Cab: „us scriplum 
est^. rpespemderemi mun: „um praemeei®. — Mihi 
suem priacigumm est Jesus Chr’stes. mepproxmmabilia prin- 
cya crux Seis (9&4 cux ji: ced Cab) ei mors εἰ 
resureche yems et Ines. quee per ipsum, im quibas volo 
m erseec νεῖ msllrszü — er eee las alfo in 
teizem Sere - ἐμοὶ dé a o gr ἔσειν ὁ Xp, (ei) ἄϑικχτοι 
άφχαι w. (i ag er mühe LS, wien: Dr. an 
1, Orbexe ε 3 ἀφχνν, primcupuam. we L ? mium hut; 
c. (4 ἢ τις (ofzniz εἶσε Lo... epgr ...- doyrz, prin- 
cipium, principium, ve auf L 21): c. 19 ἀρχήν, princi- 
pem, L 2 principsium; ı τ Nagy. c. (3 ἐν apyn, in 
principio, icit in L 2: a. v. Jem. c. 1 apyr, principium, 
we ia principia L 2 Pat, a'i0 ai ἀρχαὶ vielleicht las; 


quonism a quibedam, qued dicebemi (dicere s. quosdam dicere): 
sí ja bris (scriptis) primes (prieribas, eeywia:) nen laudibus cele- 
brster evongelium (cf. G 2, L 2), nea credimus ei. Nonne (Nona 
stique) dixi vobis, qued scriptum est (scriptum esse)? quamquam 
et icti dicunt, qued abundans (superum, inutile, hand necessarium, 
addititium) est. Jam mihi liber primus Jesus Christus est, qui non 
rapitur (om. bic vocem .2prsa-), crux (eins) et mors (eius) et re- 
surrectio (eins) et fides cius; im quibas (ad verbum „m quibus in 
his“) exspecto instificari precibus vestris. 

1) G2 beizufügen, war nidjt nothwendig, wie Seber Reit. Uebri⸗ 
gené it G 2 6 1, mie L z—L 1. 


Ep. S. Ignatii ad. Philad. 581 


d, b. Smyr. c. 8 ὡς doy», ut principium, L 9 sicut prin- 
cipatum ; PBolyf. a. d. Philipp. c. 1: καὶ ὅτε ἡ βεβαία τῆς 
πίστεως ὑμῶν ῥίζα ἐξ ἀρχαίων καταγγελλομένη χρόνων 
μέχρι νῦν διαμένει; L: et quia firmitas vestrae fidei (jo 
af yd) ἃ principio usque nunc permanet; er lag alfo: 7 
βεβαιότης τῆς πίστεως ὑμῶν ἐξ ἀρχῆς μέχρι νῦν δια- 
μένει; c. 4 ἀρχή, principium; c. 7 ἐξ ἀρχῆς, a principio; 
Martyr. Ign. c. 1. p. 550 ed. Jacobs. ἀρχήν, principatum; 
Martyr. Polyc. übergeht L c. 10 ἀρχαῖς, wie c. 17 an’ 
ἀρχῆς; Martyr. Ign. c. 3. p. 372 ed. Dressel ἐν ἀρχαῖς, 
in initio. | 

Sehen wir jest, wie in bem interpolirten Briefe blefe 
Stelle lautet. Παρακαλῶ οὖν ὑμᾶς " undev κατ᾽ ἐρέϑειαν 
πράσσετε, ἀλλὰ κατὰ χριστομαϑειαν" 1) ἤκουσα γὰρ τινων 
λεγόντων" ὅτι ἐὰν μὴ ἐν τοῖς ἀρχείοις εὕρω τὸ εὐαγγέ- 
Ao» ?), οὐ πιστεύω" τοῖς δὲ τοιούτοις ἐγὼ λέγω, ὅτι 
ἐμοὶ ἀρχεῖα ἐστιν Ἰησοῦς ὃ Χριστός, οὗ παρακοῦσαι πρό- 
δηλος ὄλεϑρος. ᾿Α1ϑικτόν μοι 8) ἐστιν ἀρχεῖον ὁ σταυρὸς 
αὐτοῦ xol ó ϑάνατος καὶ ἡ ἀνάστασις αὐτοῦ καὶ ἡ πίστις 
ἡ περὶ τούτων, ἐν οἷς ϑέλω ἐν τῇ προσευχῇ ὑμῶν δικαιω- 


1) „Dedi γρηστομιάϑειαν ex marg. cod. Ottobon. (jo Bat ber 
Gert eines unfeter codd.), in cnius textu et FV (jo hat aud einer 
unferer codd.) χριστομάϑιαν, illic mutatum in vulg. yocroua9ea»* 
Dreſſel ad h. 1. Snbeffen ift zur Leſeart χριστομάϑιαν zurüdzufehren. 

2) Dr. ad h. |. τοῦ εὐαγγελίον BOV (und cod. Augustan. und 
unfere codd.). qua lectione admissa, supple τόν νόμον vel τά nag- 
eyyéluara vel simile quid.^ Dod) nicht; τοῦ εὐαγγελίου ift cottupt, 
mag man nun mit cod. Nydpr. unb L 2 τὸ εὐαγγέλιον fchreiben oder 
mit uns [ra] τοῦ εὐαγγελέον, ober nad) εὕρω interpungiren unb τῷ 
εὐαγγελίῳ lejen unb mit οὐ π. verbinden. 

3) So haben BOV, unfere codd. unb cod. Aug.; cod. Nydpr. 
fat αὐϑέντικόν μοι, was ein offenbares Gloſſem iff unb deßhalb von 
Dreffel und Anderen nicht aufgenommen werben durfte, 


— 
580 "T 
Der alte fateini ponia ὁμοῦ ἀπιστεῖ" 
. gegeben: Cred " 2^ 4,6 πνεύματος. L2 bat: 
omne vinculr — ,,, 7^5. ndum irritationem agelis, 
tentionem (ty onem; audivi enim quosdam 
A ὦ evangelium in antiquis, non 


secundum - 
gm ego dico, quia mihi antiquitas 


»qu' f, 
cod. Ca’ z rt gi non obedire, manifestus et irre- 
pl Principatus eius est crux el mors 


me ip 
»» — el fides in omnibus his, in quibus 


est“, 

aute pr " rola haben einige codd.) in orationibus 

ci » "s Qui non credit evangelio, omnibus 

γ uh et, quia non praeiudicatur (praeiudicat haben 
Er las alfo etwa: 


gl jm ) anitiquitali spirius 3). 

dn μεομαχίαν" ἤκ u... ἕν τοῖς ἀρχαίοις εὕρω 

|«& ἀρχαῖά ἐστιν .... ὄλεϑρος. (N) ἀρχὴ 

i .,. οὐ γὰρ (od. ὅτε οὐ) προχρίνεται τ ὧν aQ- 

" τὸ πνεῦμα (oder vielmehr und einzig richtig: 
, «à ἀρχαῖα τοῦ πνεύματος) u. f. f. 


Kehren wir jest wieder zu G τὰ, um näher auf 
das Einzelne einzugehen. 
ar an 

1) So bie in der verauégegangenen Note genannten codd., mo: 
gegen Dr. u. A. das Gloſſem rraoxgiverm aus cod. Nydpr. u. L 2 d 

2) Ge ift aus eutem nidt zu folgern, bag L 2 παρακ. dE lab. 

3) G6 ijt zu emendiren praeiudicatur antiquitas spiritus, die 
Leſeart der codd. ifl mibtrfinnig. Es findet fid) übrigens zooxpivev 
ep. ad Mag. c. 1... ἧς (8€. τῆς ἑνώσεως, „qua unione“ A). . meo- 
κέκριται, „cui nihil praefertur^ L; ad Smyr. c. 6 ὧν (sc. πίστεως καὶ 
ἀγάπης) οὐδὲν προκέκριται, „quibus nihjl praepositum est“ L, ber alfo 
wohl πρόκειται hier las, vgl. Martyr s. Ign. c. 4 p. 373 ed. Dr. καὶ 
T. προκειμένων κι) „de adiacentibus malis 1.“ L bei Bollandus; Ign. 
ad Eph. c. 17 (coll. ep. ad Hebr. 6, 18), wo ix προκειμένου mit 
„ex praesent^ wiedergegeben ift; in Bezug auf bie Worte αἰχμαλω- 
τίσαρ y. f. f. ibid. vgl, Justin. dial. c. Jud. Tryph. c. 39 med. 


.* 
e* 


Pr 


Ep. S. Ignatii ad Philad. 583 


1) Ueber ἐριϑεέα vol. Fritſche's Exkurs zu Paul. a. 
b. Röm. 2, 8, wo aud) bie übrigen Gommentatoren nad 
zulefen find, wie aud Winer Gr. p. 60 u. 105 ed. V. 
L 1 fat: ,secundum contentionem“; L 2: „secundum 
irritalionem*; A: ,resistentia^ — contentione; Qolftein 
bei Dr. ad h. 1. „per contentionem.^ — Grebner, Beiträge 
a. f. f. Bo. 1, ©. 15 überjegt: „.... Nichts handwerks⸗ 
mäßig zu tbun u. f. f.”, was er ibid. 9t. 1 näher erklärt; 
bod) will υἱεῖς Bedeutung Bier nicht recht paſſen. 

2) Das Wefen der χρισετομάϑια ober. χριστομάϑεια 
wird aus Matth. 11, 25 ff.; €uf. 10, 21 f.; Matth. 12, 19 
erfannt !). 

3) Zu ἐν τῷ wvayysllp πιστεύω vgl. Mark. 1, 15: 
πιστεύετε ἐν τῷ εὐαγγελίῳ A: „non credimus ei“ i. e. 
evangelio. 

4) Zu ἡ πίστις ἡ di’ αὐτοῦ vgl. Act. Apost. 3, 16; 
A: „fides eius“; Credner L c. „der dur ibn bewirfte 
Glaube (an ihn).“ Sacobfon- ad ἢ. 1. p. 419 ed. III. bes 
merft: „internum spiritus sancti teslimonium intelligit 
Duesterdieckius.^ Da, wie wir unten fefen werden, Igna⸗ 
tiuó es hier mit Juden oder Jüdiſch-⸗Geſinnten zu thun 
hat, jo ift ἡ πίστις ἡ di αὐτοῦ vielleicht von ihm mit 
wohl berechneter Adfichtlichfeit beigefügt, da bem Gegner 
0 νόμος und τὰ ἔργα τοῦ νόμου vie Hauptfache wären, 
bem der νόμος πίστεως allein nicht genügte. 

5) ἄϑηκτα codd. Med. und Casan., verfehrt genug. 
Denn ,ἄϑηκεος ὁ μὴ rxovguévog καὶ ἀϑηγὶ ἐπίῤῥημα" 
ἄϑικτος δὲ ὁ ἀπρθσέγγιστος καὶ ἀϑιγὴ (sic; lied ἀϑεγὶ) 

1) Bgl. aud) nod) Matth. 18, 8 mit der Auslegung des Hilarius. 


2) Bgl. Justin. 1.1. c. 69: ταῦτα βεβαίαν μου τὴν ἐν ταῖς γραφαῖς 
γνῶσιν xai πίσειΨ κατέστησεν, 


382 Su Cap. VII 
ϑῆναι. Ὁ ἀπιστῶν τῷ εὐαγγελίῳ πᾶσιν ὁμοῦ ἀπιστεῖ" 
οὐ γὰρ πρόκειται !) τὰ ἀρχεῖα τοῦ πνεύματος. L 2 fet: 
Rogo autem 3) vos, ut nihil secundum irritationem agalis, 
sed secundum Christi dimicationem ; audivi enim quosdam 
dicenles: „Si non invenero evangelium in antiquis, non 
credam. Talibus autem ego dico, quia mihi antiquitas 
Jesus Christus est, cui non obedire, manifestus el irre- 
missibilis interitus est. Principatus eius est crux et mors 
ipsius et resurrectio et fides in omnibus his, in quibus 
volo vos (vos volo haben einige codd.) in orationibus 
vesiris iustificari. (Qui non credit evangelio, omnibus 
Simul non credit, quia non praeiudicatur (praeiudicat haben 
einige codd.) arttiquitati spiritus 9). Er las alfo etwa: 
e. χρεστομαχίαν' Aa... ἐν volg ἀρχαίοις εὕρω 
.... ἐμοὶ τὰ ἀρχαῖα ἐστεν.... ὄλεϑρος. (ἡ) ἀρχὴ 
αὐτοῦ .... οὐ γὰρ (ob. ὅτε οὐ) προχρίνεται τὧν ἀρ- 
χαέων τὸ πνεῦμα (ober vielmehr und einzig richtig: 
προχρ. τὰ ἀρχαῖα τοῦ πνεύματος) u. f. f. 

Kehren wir jegt wieder zu G zurück, um näber auf 
das Einzelne einzugehen. 


1) So die im bet verausgegangenen Note genannten codd,, mo: 
gegen Dr. u. 3f. das Gloſſem neoxewerm: aus cod. Nydpr. u. L 2 geben. 

3) Es ift aus autem nidt zu folgern, bag L 2 παρακ. ὃ las. 

3) G6 if zu emendiren praeindicatur ontiquitae spiritus, die 
Lejeart der codd. ift widerfinnig. Es findet fid) übrigens προκρίνειν 
ep. ad Mag, c. 1... ἧς (sc. τῆς ἑνώσεως, „qua unione“ A) . . προ- 
κέκριται, „cui nihil praefertur^ L; ad Smyr. c. 6 ὧν (sc. πίστεως καὶ 
ἀγάπης) οὐδὲν προκέκχριται, „quibus nihjl preepositum est“ L, ber alfo 
wohl πρόκειται hier las, vgl. Martyr s. Ign. c. 4 p. 373 ed. Dr. καὶ 
T. προκχϑιμέγων x., „de adiacentibus malis 1.“ L bei fBolfanbue; Ign. 
οὐ Eph. c. 17 (coll. ep. ad Hebr. 6, 18), wo ?x προχειμένου mit 
„ex praesenti^ wiedergegeben ift; in Bezug auf bie Worte αἰχμαλω- 
τίσαρ u. j. f. ibid. vgl, Justin, dial. c. Jud. Tryph. c. 39 med. 





Ep. S. Ignatii ad Philad. 583 


1) Ueber δριϑεέα vgl. Fritſche's Exkurs zu Paul. a. 
b. Röm. 2, 8, wo aud die übrigen Gommentatoren nad» 
zulefen find, wie aud Winer Gr. p. 60 u. 105 ed. V. 
L 1 Bat: ,secundum contentionem“; L 2: „secundum 
irritationem*; A: ,resistentia^ — contentione; Holſtein 
bei Dr. ad ἢ. 1. „per contentionem.* — Grebner, Beiträge 
a. f. f. Bo. 1, ©. 15 überſetzt: „.... Nichts handwerks⸗ 
mäßig zu thun u. f. f.”, was er ibid. N. 1 näher erklärt; 
bod) will dieſe SSebeutung Bier nicht recht paffen. 

2) Das Wefen bet χριστομάϑια over χριστομάϑεια 
wird aus Matth. 11, 25 ff.; uf. 10, 21 ῇ.; Matth. 12, 19 
erfannt 1). 

3) Zu ἐν τῷ δυαγγελέῳ πιστεύω vgl. Mark. 1, 15: 
πιστεύετε ἐν τῷ εὐαγγελίῳ *) ; A: „non credimus ei^ i. e. 
evangelio. 

4) Zu ἡ πίστις 5) δι᾿ αὐτοῦ vgl. Act. Apost. 3, 16; 
A: „fides eius^; (Grebner L c. „der burd) ihn bewirfte 
Glaube (an ibn). Jacobſon ad h. l. p. 419 ed. IH. δὲς 
merft: „internum spiritus sancli teslimonium intelligit 
Duesterdieckius.^ Da, wie wir unten fehen werben, Ignas 
{πὸ εὖ hier mit Juden oder Jüdiſch-⸗Geſinnten zu thun 
hat, jo ift ἡ πίστις ἡ di αὐτοῦ vielleicht von ihm mit 
wohl berechneter Abfichtlichfeit beigefügt, da dem Gegner 
6 νόμος und τὰ ἔργα τοῦ νόμου vie Hauptſache waren, 
bem der νόμος πίστεως allein nicht genügte. 

5) ἄϑηκτα codd. Med. und Casan., verfehrt genug. 
Denn „aImmros ὁ μὴ raovnutvog xoi ἀϑηγὲ ἐπίῤῥημα" 
ἄϑικτος dà ὁ angeosyyıorog xal ἀϑιγὴ (sic; lied agıyl) 

.1) 33gl. aud) nod) Matth. 18, 3 mit der Auslegung des Hilarius. 


2) Bgl. Justin. 1.1. c. 69: ταῦτα βεβαίαν μου τὴν ἐν ταῖς γραφαῖς 
γνῶσιν καὶ πίστιΨ κατέστησεν, 


582 Su Cap. V" 

* € 23 m m - rd 
ϑήναι. Ο ἀπιστῶν τῷ ΄ ^ * 4| Baracc. 159 nad) 
οὐ γὰρ πρόκειται ') - „7a Steph. ed. Didot i. v. 


Rogo autem 3) vos, J "tw 7^, Herausgeber faft alle 
sed secundum Chr! — 757," ,,4 unnöthig ift bie Bere 
dicentes: „Sin ^ du gelehrten, xeformirten nieder⸗ 


a0 Mat 
credam." Tal ^ yp ber in feiner histor. eccles. 


Jesus Christv Au. ἄτηκτα — „non liquescentia, 
missibilis iv ——* haberi debent, sed semper 
ipsius et —* Hebr. c. XU. fin.“ Ebenſo unnöthig 
volo vo 2 A μακίδει, L 1 habe o£ ἀΐκτοι (= ,,d7toó- 
vestris AP ἐτρόσικτοι, vgl. Hérm. h. Homer. Merc. 
simu — pr y d»aguxros fid unferes Willens nirgends 
eini 49) i os ἀρχαὶ gelejen; A: „qui (sc. liber = ἀρ- 
pn pitur." 
Pg finnen jest in der Erklärung diefer Stelle nicht 
ereiten, ald bis wir und vergegenwärtigt haben, 
7 Beiftes Kinder bie Gegner find, die Ignatins hier 
pn Und ba finden wir, indem wir auf das VI. Ka⸗ 
itl rüdgehen, daß ber B. Vater hier vor Golden warnt, 
pit jadaifiren. Den Geift diefer aber, ſeien es nun 
Guben von Haus aus, ſeien es in jüdiſchen SSorurtbeilen 
gríangene, lernen wir am beften aus bem Dialog beó 
f Juſtinus mit bem Juden Tryphon fennen, in weldem 
und ver eifrige Apologet den wie aud immer von ihm 
felbft mobificirten Iuden jener Zeit nach beffen Denkungs— 
art und bem von diefem ben Griften gegenüber befolgten 
Vertheidigungsſyſteme ſchildert. Wir hören dort ben Juden 
äußern, daß er nur glaubt, wenn: „7 γραφὴ τοῦτο avay- 
κάζει ὁμολογεῖν“ (cap. 57) 1); c. 67 fagt Tryphon: „ei 


1) G6 heißt eigentlich ὅτι d yo... φαίνεται, was bezeichnend ift. 


Ep. S. Ignatii ad Philad. 585 


ἀναγκαζουσί us ὁμολογεῖν.“ Daher bie Bitte des 
»καὶ ἡμᾶς οὖν προβίβασον ἐκ τῶν γραφῶν, ἵνα 
υϑῶμεν καὶ ἡμεῖς“ (c. 90 coll. cc. 68, 70 u. ſ. f.). 
t betont e8 Iuftinus nachdrücklich: διὰ πάντων τῶν 
yo» ἀπὸ τῶν nag ὑμῖν — i. e. Ἰουδαίοις — ἁγίων 
xal προφητικῶν γραφῶν τὰς πάσας ἀποδείξεις ποιεῖσθαι“ 
(c. 32 coll. cc. 55, 56, 58, 59, 61, 63, 64 u. f. fJ; 
„os ὑμῖν φίλον πράξω“ fagt er c. 70. Sa Tryphon et 
innert ben Juſtinus ausdrücklich daran: καί gov λέγοντος 
οὐκ ἠνειχόμεϑα, εἰ μὴ πάντα ἐπὶ τὰς γραφὰς avınyes“ 
(c. 56). Iuftinus felbft räumt denn aud) ein: „ei τοῦτο 
ἀνϑρωπείοις διδάγμασι ἢ ἐπιχειρήμασιν ἐπεβαλόμην ἀπο- 
δειχνύναι, ἀνάσχεσϑαί μου οὐκ ἂν ἔδει ὑμᾶς" εἰ δὲ γρα- 
φὰς καὶ u. j. f." (c. 68). 

Kehren wir jept wieder zum Ignatius 3urüd, fo fragt 
es fidj zunaͤchſt: wer ober was wird in den Worten ἐν 
τοῖς ἀρχαίοις bezeichnet. Es kann eben fo gut ein Mas- 
culinum (vgl. Matth. V, 21, 27, 33), als ein Neutrum 
fein. Im erften Sale wird die Erklärung des Bullus, 
baf Bier bie „DW, veteres rabbini sive magistri 1) ac 
doctores Hebraeorum, qui aliquot annis ante domini nostri 
adventum claruerunt; quorum παραδόσεις et διδάγματα 
Judaei et qui cum ipsis insaniere, pro oraculis habue- 
runt^ *) zu verftehen feien, wohl ſchwerlich Jemand am 
nehmbar finden. (δ (inb einfach die Verfafler der παρὰ 


1) Suftinué nennt diefe dıdaoxaloı 1. 1. 4. 98. c. 38, 48, 62 (mo 
bie Note Maran’s zu vgl. ift), 71, 83, 94, 110, 112, 117, 134, 136; 
c. 36 nennt er fie οἱ παρ᾽ ὑμῖν — i. e. Ιουδαίοις — ἐξηγηταίς et cha⸗ 
tafterifitt fie näher c. 112; vgl. aud) nod) c. 82. 

2) Bgl. Bull. Jud. Eccl. Cath. VII, 9. tom. VL, p. 208 ed. 
Burton. citirt von Jacobſon ad h. 1. p. 416. 


/ 


584 : Zu Cap. VIII 


ἐπίῤῥημα ἀντὶ τοῦ ἀπροσεγγιστί““ cod. Baracc. 159 nad) 
einer Mittheilung Gramer'ó im Thes. Steph. ed. Didot i. v. 
ἄϑηχκτος. Richtig haben alfo bie Herausgeber faft alle 
ἄϑικτα geſchrieben. Mindeſtens unnöthig ift die Vers 
muthung des übrigenà fer gelebrten, rveformirten nieder 
[ánbifden Theologen Venema, der in feiner histor. eccles. 
saec. II. €. 37 vermuthet: ἄτηκτα τῷ „non liquescentia, 
non diffluentia, sicut legalia haberi debent, sed semper 
durantia, uti ep. ad Hebr. c. ΧΙ. fin.^ Ebenſo unnöthig 
würbe εὖ fein, zu vermuthen, L 1 habe o£ Gixror (= „arıoo- 
oo“ Heſych., ἀπρόσικτοι, vgl. Hérm. ἢ. Homer. Merc. 
346) oder, ba ἀνγάφικτοι fid unferes Wiſſens nirgends 
findet, ἀγέφικτοι ἀρχαὶ gelejen; A: „qui (sc. liber = ag- 
yeiae) non rapitur.“ 

Mir fónnen jest in der Erklärung diefer Stelle nicht 
eher fortjchreiten, al8 bis wir und vergegenwärtigt haben, 
weflen Gelftes Kinder die Gegner find, die Ignatius hier 
befümpft. Und ba finden wir, indem wir auf das VI. a: 
pitel zurüdgehen, daß der D. Vater hier vor Golden warnt, 
die jubalfiven. Den Geift diefer aber, feien e8 nun 
Juden von Haus aus, feien ed in jüdiſchen Vorurtheilen 
Befangene, lernen wir am beften aus bem Dialog bed 
5. Suftínud mit bem Iuden Tryphon fennen, in welchem 
uns der eifrige Apologet ben wie auch immer von ifm 
felbft mobificirten Juden jener Zeit nad) beffen Senfungés 
art unb bem von diefem ben Ehriften gegenüber befolgten 
Bertheivigungsiyfteme ſchildert. Wir hören dort den Juden 
äußern, daß er nur glaubt, wenn: „7 γραφὴ τοῦτο avay- 
καζει ὁμολογεῖν“ (cap. 57) ); c. 67 fagt Tryphon: „ad 


1) G6 Heißt eigentlich ὅτι dj yo... φαίνεται, was bezeichnend fft. 








Ep. S. Ignatii ad Philad. 585 


γραφαὶ ἀναγκαζουσί us ὁμολογεῖν“ Daher bie Bitte des 
Tryphon: ,xol ἡμᾶς οὖν προβίβασον ἐκ τῶν γραφῶν, ἵνα 
σοι πεισϑῶμεν καὶ ἡμεῖς“ (c. 90 coll. cc. 68, 70 u. . f.). 
Daher betont es Iuftinus nadjorüdlid): „due πάντων τῶν 
λόγων ἀπὸ τῶν παρ᾽ ὑμῖν — i. e. Ἰουδαίοις — ἀγέων 
καὶ προφητικῶν γραφῶν τὰς πάσας ἀποδείξεις ποιεῖσϑαι“" 
(c. 32 coll. cc. 55, 56, 58, 59, 61, 63, 64 u. ſ. f.); 
„wg ὑμῖν φίλον πράξω“ fagt er c. 70. Sa Tryphon er 
innert ben Juftinus ausdrüdlicd daran: ,xoí σου λέγοντος 
οὐκ ἠνειχόμεϑα, el um πάντα ἐπὶ τὰς γραφὰς αἀνῆγες" 
(c. 56). Iuftinus jelbft räumt denn aud) ein: „ei τοῦτο 
ἀνϑρωπείοις διδάγμασε ἢ ἐπιχειρήμασιν ἐπεβαλόμην ἀπο- 
deixvuvou, ἀνάσχεσϑαί μου οὐκ ἂν ἔδει ὑμᾶς" εἰ δὲ γρα- 
φὰς καὶ u. j. f." (c. 68). | 

Kehren wir jegt wieder zum Ignatius zurüd, fo fragt 
es fidj zunaͤchſt: wer over was wirb in ben Worten ἐν 
τοῖς ἀρχαίοις bezeichnet. Es kann eben jo gut ein Mas- 
cufinum (vgl. Matth. V, 21, 27, 33), al8 ein Neutrum 
fein. Im erften alle wird die Erklärung des Bullus, 
baf bier die „D’%P, veleres rabbini sive magistri 1) ac 
doctores Hebraeorum, qui aliquot annis ante domini nostri 
adventum claruerunt; quorum παραδόσεις et διδάγματα 
Judaei et qui cum ipsis insaniere, pro oraculis habue- 
runi *) zu verftefen feien, wohl ſchwerlich Semanb am 
nefmbar finden. Es find einfach die SRetfajfer der παρὰ 


1) Iuftinus nennt diefe διδάσκαλοι 1. 1. 4. 3B. c. 38, 48, 62 (mo 
bie Note Maran’s zu vgl. ift), 71, 83, 94, 110, 112, 117, 134, 136; 
c. 96 nennt er fie οἱ παρ᾽ ὑμῖν — i. e. Joudaloıs — ἐξηγηταί: et da: 
rakteriſirt fie näher c. 112; vgl. aud) nod) c. 82. 

2) Vgl. Bull. Jud. Eccl. Cath. VII, 9. tom. VL, p. 208 ed. 
Burton. citirt von Sacobfon ad h. 1. p. 416. 


LY 
586 Yu .Cap. VIII 


Ἰουδαίοις ἁγίων καὶ mooquro)v γραφῶν gemeint. Als 
Neutrum gefaßt, wird etwa βιβλέοις ober γράμμασι zu 
ergänzen und ed werben Darunter bie altteftamentlideu 
Schriften zu verftehen fein. 

Was erwiedert Ignatius ihnen? Ginfad: „yeyeam- 
«ae Aber wo?!) Offenbar „Dr τοῖς ἀρχαίοις“ ; denn: 
„eav μὴ ἐν τοῖς ἀρχαίοες εὕρω, ἂν τῷ εὐαγγελέῳ οὐ 
σειστεύω." 

Die Gegner geben bem in fofort zur Antwort: 
»Q0x8LT au 

Diefed „rooxezar“ ift nun aber höchſt verſchieden 
" ausgelegt. 

1) Hug in feiner &inleitung erklärt: „Diejes ver 
dient ben Vorzug” (8 Dat πρφοκεῖσθαι allerdings 
biefe Bedeutung, aber nur in Verbindung mit bem 
Genitiv des Gegenftaubeó, bet von einem au 
beren übertroffen wird. 

2) Holftein bei Drefiel p. 181 überfegt unjete 
Etelle: „nisi in archivis, hoc est, in evangelio invenero, 
non credo, et cum dioerem ipsis, quod in scripturis ha- 
betur, responderunt mihi, id omnibus patere. Indeſſen 
hat er a) bie handſchriftliche Leſeart voillfürlid) verändert; 
b) in höchſt ungeſchickter und geiftlofer Weife ἐν τῷ evoy- 
γελέῳ als Appofition zu ἐν τοῖς ἀρχεῖοις, wie er licóf, 


1) Bullus — vgl. Jacobſon ad h. l p. 418 — meint 1. 1. ἐν 
τῷ εὐαγγελίῳ; zu fpielend und gefudyt, bem Sujfammenbange aud) nit 
angemefjen. Gine joldje PBläfanterie darf man bem ἢ. Biſchofe wohl 
ſchwerlich zuf reiben. Derſelbe erklärt ferner nodzeza duch: εὖ ifl 
fo [don früher (nimlid vor dem Evangelium) feftgeftellt, be 
flimmt worden (nàmlid von ben jübijdjen Mabbinern, vgl. oben). 
Wahrlich eine zecht gefünjlelte und gefdjranbte und verſchrobene Gr 
Härung. 





Ep. S. Ignatii sd Philad. 581 


genommen; c) lag bem Juden ober Jüdiſch-Geſinnten Nichts 
an einem Beweife aus dem Evangelium, fondern er wollte 
feinem Standpunkte gemäß aus dem A. T. vie SBemeije 
geführt willen; d) wird πρόκειται wohl ſchwerlich [o ab» 
icut im Sinne von manifestum esse alà bei den Griechen 
üblich nachgewiefen werben fünnen. Eben Diefes gilt and 
von Credner's Erflärung L.1.p. 15: „Jo iit bie Sache 
ausgemacht, fo hat εὖ [εἶπε Richtigkeit.“ Wahr 
li jo leichten Kaufs werden bie Gegner ihre Sache wohl 
ſchwerlich aufgegeben haben. 

3) Routh reliq. sacr. tom. IL, p. 212 ed. I. erflärt: 
teris ac germanis scripturis adiectum est^ mit Berufung 
auf Heſychius, ber προκείμενα burdj παρακείμενα und 
πρόχειται durch παράκϑιται erklärt. Indeſſen a) hat Stout 
in ber ed. IL, tom. IL p. 327 seq. unfere Stelle wegge- 
laſſen. b) Sft dieſe Erklärung des Heſychius, wie fo viele 
andere, ein „ipse fecit*, was er ficherlich nad) irgend einer 
verberbten Stelle eines Schriftſtellers fid) felber ausgeflügelt 
fat. Denn er, wie Suidas, Möris, Thomas Magifter, 
Phrynichus u. f. f. hätten eines Lehrmeifters, der ihnen 
jeigte, was Griedjijd) fei, was nicht, höchſt dringend beburft. 

Coll diefe Erklärung, bie aud) A befolgt, angenommen 
werben, jo ift unbebenflid mit Alberti in ber Note zu 


Heſychius in v. πρόσκειται i. e. ἐκ προϑήκης nern“ 


aud hier πρόσκειται, be[jen opp. ἀφήρηται bei Plat, 
Cratyl. p. 393 D fid) findet, zu fchreiben; ba πρὸ und πρὸς 


1) In ber Stelle Epiph. de ponderib. et mens. c. 8, melde 
Routh für feine Deutung aud) nod) angerufen gat, liest 3Baloié in 
feiner ep. ad Usser. de versione LXX interpret. παράκειται für 
πρόκειται; über diefe Stelle zu einer anderen Seit und an einem ans 
deren Orte. 





4 


586 Yu ‚Cap. V" 
wem, "vgl à. Ὁ. 
Allein a) ift εὖ mif: 
, 4nberumg vorzunehmen; 
Schriften zu verſtehe „ll, au eng; man muß 
Was erwieder ggnatius habe ſich auf die 
sou" Aber wo , Jitt als interpolirt abgewieſen 
"1 μὴ ἐν t νῷ nicht von allen Stellen ders 
πιστεύω." um Gegen Voß vgl. Ittig histor. 
Die © 1,7 9- Zügen wir Diet nod) bei, taf 


Ἰουδαίοις ἁγίων καὶ πρί 
Neutrum gefaßt, wird 
ergänzen und 28 We 


sg Ox. i sd ἃ. 1. am Rande [eine Gremplaró 
Die‘ it ἴσως ὅτι pro οὔτε, was gat nicht 
ausgele d lí Angeſichts des Ov, γέγραπται; nicht 
: οὐ in die Vermuthung des Voß οὐ πρό- 

die MP. παράκειται jein [ο΄. | 
bic ": sii υἱεῖδι und, um nicht langer mit nicht minder 
e jg werfehrten Deutungen Anderer, vie man bei 


we ah L. nacdhlefen mag, und unnöthiger Weiſe 
y (oom nichts Anderes übrig, als ben Zuſammen⸗ 
* wt game Stelle zu betrachten, um δὰ fehen, ob 
ak auf dieſem, allein zuläßigen Wege ohne Aende⸗ 
gati ohne zu gezwungenen Erklaͤrungen unſere 
gioi za nehmen, οἷς finns und ſprachgemaͤße Bedeutung 
yon 9er zu finden vermögen. Ignatius hat fun 
set OU Philadelphier gebeten, μηδὲν κατ᾽ ἐρυϑείαν 
Der Sube aber, wie bie ibm Gleichgeſinnten, 

wat ιστος xol κενός (Justin. l.l. c. 64); das φιλο- 
stir (ib. c. 117), das φιλεριστεῖν (ibid. c. 118) mat 
κὰκ Handwerk, mit ibm wat nie auszukommen. Die 
δύγησις der LXX, „un εἶναι ἔν τισιν ἀληθῆ“, war eine 
finer Antworten, „un οὕτω yeygapdau“ eine andere, ein? 


peitte, die Stelle müfje in anderer Weile ἐξηγεῖσϑαι (sg! 


Ep. S. Ignatii ad Philad. 589 


u. 71); „za μὲν τοῦ ϑεοῦ ἁγιὰ ἐστιν, oi δὲ 
ἐξηγήσεις τετεχνασμέναι εἰσίν, ὡς φαίνεται καὶ 

. ἐξηγημένων ὑπὸ σοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ βλάσφημοι“, 

dert Tryphon ib. c. 79 bem Juſtinus. ine ähnliche 
.ntmott erhielt aud) Ignatius, nümlid): πρόκειταις, — 
baó ift ed eben, was dahin ftebt, warum es 
fih Banbelt, vas ift εὖ, was in Frage (tebt, 
basiftes, was bewiefen werden muß, dieſes 
eben tft ναὸ προκείμενον. Die Belege für diefe 
Bedeutung von rrgoxelodeı, weldher 9tudjat, Wocher, Arndt, 
Hefele, Jacobſon u. f. f. beiftimmen, finden fid) in ziem- 
lider Anzahl im Thes. Steph. ed. Didot. in h. v. Diefe 
Grflárung beftätigt aud) das folgenbe ἄϑικτα, das, an 
bem man Nichts drehen unb wenden fann, wie 
bie von Ignatius fogleid) angeführten Thatfachen, bei denen 
das bei Echriftftellen allenfalls mögliche Drehen unb Wen- 
ben wegfällt, bie eben als Thatjachen nicht angefochten, 
nicht in Frage geftellt werden fónnen, bie als foldje ihr 
eigener Beweis find, auf die dad οὕτω un γεγράφϑαι u. f. f. 
feine Anwendung finden fann. 

Im Folgenden haben bie codd. ἀρχδῖα .... ἀρχεῖα, 
was Sacobfon, Petermann und nad Hefele’s Note ad h. 1. 
Uhlhorn beibehalten; L las ganz anders, wie wir oben 
nadgemiefet haben; G 2 hat freilich jegt ) ἀρχεῖα .... 
ἄϑικτον .... ἀρχεῖον, aber L 2 fand ebenfalls in feinem 
Eremplare eine ganz andere Qefeatt, wie wir das aud 
oben bemerkt haben; über A vgl. Note 2 ©. 579. Wie 
aber oben Voß, Eotelier, Smith, Semler, Orelli, Giefeler, 


1) Wir glauben, daß in G 2 ἐν τοῖς ἀρχαίοις .... doyaia ἔστιν 
... ἐστὶν ἀρχαῖον zu ſchreiben ift. 
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV, Heft. 39 


588 Zu Cap. ΥΠΙ 


eben fo leicht, als oft, verwechjelt werben‘, vgl. 3. 9. 
Schwegler zu homil. Clem. 2, 41. Allein a) ift es mif» 
lich, gegen die codd. und L eine Aenverung vorzunehmen; 
b) ift diefe Erklärung zu fpeciell, zu eng; man muß 
alétann mit Voß annehmen, Ignatius habe ὦ auf bie 
LXX berufen, weld ber Sube als intetpolitt abgewiefen 
habe; das aber fonnte bod) nicht voa allen Stellen bet, 
jelben behauptet werden. Gegen Voß vgl. Ittig histor. 
eccles. capp. sel. II, p. 97. Fügen wir bier nod) bei, daß 
Pearfon nah Smith ad h. 1. am Rande feines Exemplars 
beigefchrieben hatte: ἔσως ὅτε pro οὔτι, was gar nidt 
wabr[deinlid) ift Angefihts bed Ov. γέγραπται; nicht 
minder entbehrlich ift bie SBermutfung des Voß οὐ πρό- 
κειταὶ, was — οὐ παράκειται fein fol. | | 

4) Somit bleibt und, um nicht länger mit nicht minder 
gefuchten, al& verkehrten Deutungen Anderer, ble man bei 
Sacobjon ad ἢ. 1. nadjfejen mag, uns unnöthiger 9Belje 
zu befchäftigen, nichts Anderes übrig, als den Zufammen- 
bang bet ganzen Stelle zu betrachten, um zu feben, ob 
wir nicht auf biefem, allein zuläßigen Wege ohne Aende 
rungsverfuche, ohne zu gezwungenen Erklärungen unfere 
Sufludjt zu nehmen, ble finns und fpradgemáfe SBebeutung 
von προκεῖσϑαι zu finden vermögen. Ignatius hat fur 
vorher bie Philavelphier gebeten, μηδὲν κατ᾽ ἐρεϑείαν 
πράσσειν. Der Sube aber, wie bie ihm Gleichgefinnten, 
war φιλέριστος καὶ κενός (Justin. 1. 1. c. 64); das φελο- 
verxeiv (ib. c. 117), das φιλεριστεῖν (ibid. c. 118) war 
fein Handwerk, mit ibm war nie anszufommen. Die 
ἐξήγησις der LXX, „um elvat ἔν τισιν ἀληθῆ“, war eine 
feiner Antworten, „un οὕτω γεγράφϑαι“ eine andere, eine 
ptitte, die Stelle müfje in anderer Weife ἐξηγεῖσθαι (vgl. 








Ep. S. Ignatii ad Philad. 589 


ib co. 68 u. 71); „za μὲν τοῦ ϑεοῦ ἁγιὰ ἐστιν, αἱ δὲ 
ὑμέτεραι ἐξηγήσεις τετεχνασμέναι εἰσίν, ὡς φαίνεται καὶ 
& τῶν ἐξηγημένων ὑπὸ σοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ βλάσφημοι", 
erwiedert Tryphon ib. c. 79 tem Juftinus. ine ähnliche 
Antwort erhielt auch Ignatius, nämlich: νπρόκειται“, — 
bag ift es eben, was dahin ftebt, warum es 
jii Banbelt, das ift εὖ, ταῦ in Frage ftebt, 
das ift es, was bewiefen werden muß, diefes 
eben [ft Das προκείμενον. Die Belege für biefe 
Bedeutung von προκεῖσθαι, weldyer Ruchat, Wocher, 9Itmbt, 
Hefele, Iacobfon u. ſ. f. beiftimmen, finden fid) in ziem- 
liher Anzahl im Thes. Steph. ed. Didot. in h. v. Diefe 
Grflárung beftätigt audj das folgende ἄϑεκτα, bae, an 
bem man Nichts drehen unb wenden fann, wie 
bie von Ignatius fogleich angeführten Thatfachen, bei denen 
das bei Schriftftellen allenfalls mögliche Drehen und Wen 
ben wegfällt, bie eben als Thatſachen nicht angefochten, 
nicht in Frage geftellt werden fónnen, die als folde ihr 
eigener Beweis find, auf bie das οὕτω μὴ γεγράφϑαι u. f. f. 
feine Anwendung finden fann. 

Sm Folgenden haben bie codd. ἀρχεῖα .... ἀρχεῖα, 
was Sacobfon, Petermann und nach Hefele’s Note ad ἢ. 1. 
Uhlhorn beibehalten; 1, [αὖ ganz anders, wie wir oben 
nadhgewiefen haben; G 2 hat freilich jegt ') ἀρχεῖα .... 
ἄϑικτον .... ἀρχεῖον, aber L 2 fand ebenfalls in feinem 
Eremplare eine ganz andere Qefeart, wie wir das aud) 
oben bemerkt haben; über A vgl. Note 2 ©. 579. Wie 
aber oben Voß, Gotelier, Smith, Semler, Orelli, Giefeler, 


1) Wir glauben, bag in G 2 ἐν τοῖς ἀρχαίοις .... doyaia ἐστιν 
... ἐστὶν ἀρχαῖον zu ſchreiben ift. 
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV, eit. 39 


588 Su Cap. Vli 


eben fo leicht, als oft, verwechfelt werben, vgl. 4. 98. 
Schwegler zu homil. Clem. 2, 41. Allein a) ift εὖ mif; 
lich, gegen bie codd. und L eine Aenderung vorzunehmen; 
b) ift biefe Erklärung zu fpeciell, zu eng; man muß 
alstann mit Voß annehmen, Ignatius habe fid) auf bie 
LXX berufen, welche ber Jude als interpolirt abgewiefen 
habe; das aber fonnte bod) nicht von allen Stellen ver 
felben behauptet werden. Gegen Voß vgl. Ittig ἰδίου. 
eccles. capp. sel. II, p. 97. Fügen wir hier nod) bei, taf 
SBearfon nad Smith ad h..1. am Rande feines Exemplare 
beigefchrieben hatte: ἔσως ὅτε pro οὔτε, was gar nidi 
wahrſcheinlich ift Angefihts ved Ov. γέγραπται; nidt 
minder entbehrlich ift bie Vermuthung beó Voß ov πρό- 
κεῖται, was — οὐ παράκειται fein fol. — | 

4) Somit bleibt uns, um nicht länger mit nicht minder 
gefuchten, als verkehrten Deutungen Anderer, die man bei 
Jacobſon ad ἢ. 1. nachleſen mag, uns unnöthiger Weile 
zu befhäftigen, nichts Anderes übrig, ald ben Zufammen- 
hang bet ganzen Stelle zu betrachten, um zu feben, ob 
wir nicht auf diefem, allein zuläßigen Wege ohne 9lenbe 
rungsverſuche, ohne zu geziwungenen Erklärungen unjere 
Zuflucht zu nehmen, die finn- unb fpradjgemáfe Bedeutung 
von προκεῖσϑαι zu finden vermögen. Ignatius hat fun 
vorher bie Philadelphier gebeten, μηδὲν κατ᾽ ἐρυϑείαν 
πράσσειν. Der Sube aber, wie bie ihm Gleichgefinnten, 
wat φιλέριστος καὶ κενὸς (Justin. 1.1. c. 64); das φιλο- 
verxeiv (ib. c. 117), das φιλεριστεῖν (ibid. c. 118) wat 
fein Handwerf, mit ihm war nie auszukommen. “Die 
ἐξήγησις der LXX, „un εἶναι ἔν τισιν ἀληθῆκ, war eine 
feiner Antworten, „un οὕτω yeygaq 9o eine andere, eine 
pritte, bie Stelle müfje in anderer Weiſe ἐξηγεῖσθαι (vgl. 





Ep. S. Ignatii ad Philad. 589 


ib cc. 68 u. 71); „za μὲν τοῦ ϑεοῦ ἁγιὰ ἐστιν, ai δὲ 
ὑμέτεραι ἐξηγήσεις τετεχνασμέναι δἰσίν, ὡς φαίνεται καὶ 
& τῶν ἐξηγημένων ὑπὸ σοῦ, μᾶλλον δὲ καὶ βλασφημοι, 
erwiedert Tryphon ib. c. 79 dem Juſtinus. ine ähnliche 
Antwort erhielt aud Ignatius, nämlih: „mooxeza“, = 
ba6 ift es eben, was dahin ftebt, warum ἐδ 
fid Banteít, das ift ed, was in Frage ftebt, 
basift es, was bewiefen werden muß, dieſes 
eben (ft das mooxeíusvo». Die Belege für dieſe 
Bedeutung von προκεῖσθαι, welcher 9tudjat, Woher, Arndt, 
Hefele, Jacobſon u. f. f. beiftimmen, finden ftd) in atem: 
liher Anzahl im Thes. Steph. ed. Didot. in ἢ, v. Diefe 
Grflárung beftätigt auch das folgende ἄϑεκτα, das, an 
bem man θὲ 16 drehen und wenden fann, wie 
bie von Ignatins fogleih angeführten Thatfachen, bei denen 
das bei Ehriftftellen allenfalls mögliche Drehen unb Wen, 
ben wegfällt, bie eben als Thatfachen nicht angefochten, 
nicht in Frage geftellt werben fónnen, bie als foldye ihr 
eigener Beweis find, auf ble das οὕτω un yeypapdaı u. f. f. 
feine Anwendung finden fann. 

Sm Folgenden haben die codd. doxela .... ἀρχεῖα, 
was Sacobfon, Petermann und nad) Hefele's Note ad ἢ. I. 
Uhlhorn beibehalten; L las ganz anders, wie wir oben 
nachgewieſen haben; G 2 hat freilich jet 1) ἀρχεῖα .... 
ἄϑικτον .... ἀρχεῖον, aber L 2 fand ebenfalls in feinem 
Eremplare eine ganz andere Lefeart, wie wir das aud 
oben bemerft haben; über A vgl. Note 2 ©. 579. Wie 
aber oben Voß, Eotelier, Smith, Semler, Orelli, Giejeler, 


1) Wir glauben, daß in G 2 ἐν τοῖς ἀρχαίοις .... ἀρχαϊά ἔστιν 
... ἐστὶν ἀρχαῖον zu ſchreiben ift. 
Theol. Quartalſchrift. 1857. IV, Heft. 39 


590 Zu Cep. Vill Ep. S. Ignatii ad Philad. 


Wake, Woher u. f. f. (vgl. Jacobſon ad h. 1. p. 416) in 
ben &ert gegen bie codd., gegen L unb L 2 auó bem . 
jegigen Serte von G 2 ἀρχείοις faljd genug G aufge 
brungen haben, wie bie ganze Stelle lehrt und Clericus 
ad h. 1. fattjam bargetfan hat; ebenfo verräth es wenig 
fritifhen Sinn, bie faljde Lefeart ber codd. und unferes 
jebigen G 2 gegen L 2 beibehalten zu wollen. Es muß, 
bünft und, Seber fühlen, daß ἀρχαῖα unb nichts Anderes 
von Ignatius hier gefchrieben fei. Markland's Vermuthung 
aber, daß apxalos ἐστιν zu leſen fei, ift eben fo überflüſſig 
und faljd, aló die von Junius vorgejchlagene, von Drefiel 
erwähnte Vermuthung, bag ep. Polyc. ad Philipp. c. 6 
τοὺς ἀποπεπλανημένους anftatt τὰ αἀποπεπλανημένα zu 
ſchreiben jel, die wir anderdwo ald unbegründet und faljd) 
nachgewiefen haben. 

Ignatius, des Hin: und Gerbifputirené mit foldeu ' 
Gegnern müde, beruft fid), um bie Sache fury abzumaden, 
anftatt auf Schriftftellen und Worte, auf Thatſachen ges 
treu dem Beifpiele feines Meifters im Evangel. Joh. 14, 
11; 5, 36; 10, 25. 


Paris in festo corporis Christi 1857. 
Dr. Nolte. 


3. ? 
Weber Sprüchw. 24, 16, 


Die Bulgata liefet Spr. 24, 16: Septies enim cadet 
justus οἱ resurget; impii autem corruent in malum. Es 
ift bei diefer Stelle 1) zu unterfuchen, ob fie vom Fallen 
in Unglüd over vom Fallen in Sünde verftlanben 
werben müjje, 2) was ed mit bem Zufage in die (septies 
in die cadet [-dit] justus) für eine Bewandtniß habe. 

1) Geben wir a) auf ben Sinn und bie Bedeutung 
ber an diefer Stelle gebrauchten hebräifchen Wörter, fo 
werben wir die Stelle von Unglüdsfällen zu erflären haben. 
„Hallen und nicht wieder auffteben" ift nämlidy im Hebräir 
hen eine häufig vorfommenbe Redensart von folden Men, 
ihen, bie hoffnungslos in Trübfal oder Ofnmadt und 
Sob barniebet liegen. ©. Jer. 25, 27; Jeſ. 24, 20; 
Amos 8, 14. Diefelde Bedeutung von 59) und CP geht 
aus Pi. 37, 24; 145, 14; Epr. 24, 17; Mid. 7, 8 
hervor. Dom fittlihen Falle fommt, jo viel ich weiß, p 
eben jo wenig fiher vor, ald Dip von Belehrung. 

b) Parallelftelen fordern unà auf, bie Worte von 
lingiüdéfállen zu erflären. Den Gerechten fügt unb 
fügt Gott, ver Böfe erliegt im Unglüd; das ift ein Satz, 
ben wir aud) Epr. 11, 28; Pf. 34, 19 ff.; 37, 24; 52, 
9 5.5 145, 14; Sob. 5, 19 unb a. a. Stellen lejen. c) bet 
Su[ammenfang fordert gebiertjd) jene Erklärung. Zuförverft 

39 * 


592 lieber Sprüchw. 24, 16. 


ift der in Rebe ftebenbe Vers pie Begründung des vorher: 
gehenden. Diefer aber heißt nad) bem hebr. Terte: „Stelle 
nicht nach, wie ein Frevler, ber Wohnung des Gerechten und 
nicht übe Gemalt gegen feine Rubheftätte” ; wie ſchön paßt nun: 
„denn er fallt fiebenmal und fteht wieder auf“, b. i. denn 
wie oft er aud) in Unglüd fällt, fo richtet er fi bod) durch 
Gottes Hülfe immer wieder auf, b. B. denn bu wirft bod 
auf bie Dauer nichts gegen ihn ausrichten, ba nur bie 
Böfen im Unglüd erliegen. Schlecht würde pafjen: „venn 
er fünbigt nicht mit Hartnädigfeit, er befehrt ſich glei 
nad feinem Falle.” Darf man ja aud) dem größten Sün- 
der nicht nadjftellen, nicht Gewalt gegen ihn üben, wenn 
er fih aud) gar nicht befehrt! Zudem ift ber Parallelis- 
mus unferer Auffafjung gün(ítig. Der zweite Halbvers 
heißt offenbar: „Die Bottlojen liegen im Unglüd barnieber, 
ſtürzen im Unglüd darnieder,“ denn wollte man etwa über 
tragen: „die Gottloſen flürzen ganz in Sünde,” fo wäre 
der Sinn matt, denn wer fann vom Gottlofen etwas att 
ders erwarten? Muß aber der zweite Halbverd von Uns 
glüd, nicht von Sünde gebeutet werden, fo weifet ung ber 
Parallelismus an, auch ben erften alfo aufzufafjen. d) Diefe 
Deutung trägt ſchon ber Hi. Auguftinus mit aller Ent: 
fchiedenheit vor. Gr fchreibt de civ. Dei 11, 31:. Septies 
cadet justus et resurget, i. e. quotiescumque ceciderit, 
non peribit. Quod non de iniquitatibus, sed de tribulatio- 
nibus ad humilitatem perducentibus intelligi voluit. Aehn⸗ 
lid) de trin. 2, 31, unb an einer andern Stelle (serm. 
117 in ps. 118): ,septies cadet justus et resurget, i. e. 
non peribil justus, modis omnibus humiliatus, sed fon 
praevaricatus, alioquin non erit justus.^ Calmet zählt 
eine Menge Erflärer auf, welche tiefe Auffafjung billigen 


Ueber Sprüchw. 24, 16, 593 


und Cuer (theol dogm. et mor. t. 1. p. 244) fagt, daß 
P. Smits au dj deßhalb verfelben beiftimme, weil tie Juden 
das Sprüchwort hätten: „Sieben Gruben geübt, man bem 
Sohne des Friedens, unb er entgeht ihnen; aber eine eins 
jige genügt für ben Uebelthäter.“ e) Ga(met meint zwar, 
daß auch der andere Sinn gut (n ben Zufammenhang pafle, 
aber er überfebt bann ble Worte ber Bulgata im V. 15: 
ne insidieris et quaeras iniquitatem in domo justi elc. alfo: 
„Forſche und fude nicht nad) Bosheit im Haufe des Ger 
rechten und ftöre nicht baburd) feine Ruhe, denn er wird 
zwar auch fünbigen, aber fid bald befefren." Jedoch 
müffen wir offenbar die Vulgata mit Anfchließung απὸ 
Hebraifche überfepen, ba ihr feine andere Lesart zu Grunbe 
zu liegen fheint, und bann paßt unfere Erklärung 6efjet 
jum Folgenden („vergreife bid) an dem Gerechten nicht, 
auch deinen Feinden gönne fein Unglüd und beneibe nicht 
ihr Gfüd 1^). Deßhalb überträgt audy ſchon Ulenberg (1630) 
unb ber Benediktiner Erhard richtig: „Made nicht liftige 
Anſchläge unb jude nicht Unrecht zu thun im Haufe des 
Geredjten 2c." Wer an ber SBebeutuag von SYS), mor, 
nad) ed banieberftürgen und liegen heißen fol, Anftoß nehs 
men möchte, bebenfe, daß You» Spr. 16, 18 im Parallelis, 
mus mit "2V ftebt, und taf Gjed. 33, 12 genau in 
demſelben Sinne das fragfidje Wort vorfommt. “Diejenigen, 
melde bie Stelle von einem Sündenfalle ver 
fteben, find in ihren Meinungen nidt einig. 
Manche wollen daraus beweilen, daß es läßlihe Sünden 
gebe, weil εὖ von einem Gered) ten heiße, taf er falle; 
ber Ball alfo bebe tie Gerechtigkeit nidt auf. Wie aber, 
menn Ezechiel 33, 12 ſpricht: „ven Gerechten wird feine 
Gerechtigkeit nicht retien am Tage, wo er fündigt, unb ben 


30M dee Sur. 28 14 


Borer vu «ne Pester ur Tecergncufem m 3age we 
e mmfeSr: som αι» log dí 29d wohl ox Kern 
Zünven τς ete oe xem. cec 2i acer qecedt 46 
weisu wız. Ter 5, Cıeruwmud 3uir wer xm Lafer, 
σα sem Einte ne Nede 76,2 ıfer ec meint, gemmft werte 
zr ummerün nef jetmunr, weder ce Zunge wäh 
SuGinpeÉ werner ane. — Seples cad mies. Kreide ex zu 
sex Ratifaé, e$ sesumpi Fi εἰς quamsde pulus? Ss 
jgees, quemedo cadit ^ Sed puli vocabulum non milk, 
qu per peemtemiam semper sesurp ΕΝ men solum 
sepes, sed sephampes septóes dekaquemü, si comveriaiur 
ad poenitennm, peccato denssimr. Roni uec $- Sema 
sem Elisa (opp. Ang. Vmd. 1... domm. 4 qundrages. 
p 24; E): Scripte est: Seplies ἐπ die cada pastus. Si 
justes, quemsdo isses cada? ἘΣ si kaltes cadi, quomedo 
jets? Lüge quía nen merelur semen justi muliere 
leste lberonymo , qui beet do frapihu fu ui seplies ca- 
derei, sic lamen diigeus fai, ui seplies un die resurge- 
vet. Ber allen εἰεῖεπ Fate Feu ver ἢ. σε, διδεῖ *Retra$ 
yen Altantıiı im jeinen Samewm (Hard col conci 
L 1, p. 226 sg cam. 5) tiejemigen, welde vem ante 
verraihen queri von drinlihen Glauben verlinguet , tamu 
aber unter Qualen befannt Birnen, mit teu Gerechten νεῖ, 
glichen, welche Kebenmal fallen zur weieter anrüclen.— Man 
fiebt alfo seit cin, κα ß εὖ nidt cátblid ig, fid anf 
Bie oft berührte Stelle 3m berufen, wenn man 
ba6 Vorhandenſein von láflid$en Sünden be 
weiſen mill, tennamd vie beiümtige Erflärung 
tet Kirhenlchrer fann man nidt für ih an; 
führen. Tod gebrauden Echrifificher oft tieje &telle 
u tem genannten Beweiſe. £o €denfl in feiner elhica 


Ueber Sprüchw. 24,.106. 595 


christiana t. 1 ed. 2, p. 244; Marr in f. größern katech. 
Religionslehrbuh 3B. 1, €. 349; elementa theol pract, 
(Venet. 1796) t. 1, p. 225 v. 9]. — 

llebrigenó wird unjere Stelle von ben ascetifchen 
Schriftſtellern und ben Homileten des Mittelalters und ber 
zunächft folgenden Jahrhunderte bod) nicht fo viel gebraucht 
ald man vielleicht benfen möchte Thomas von Kempen 
hat in allen feinen Werfen fie wohl nie angeführt, fo nahe 
ibm die Veranlaffung dazu lag; in ben Homilien des 
Radulphus Arvens, ber um 1100 farb, finde ich fle eben 
fo wenig, aud) nicht in denen des Kornel. Janſenius, Bis 
ſchofs von Gent. (T 1576). Indeß gebraucht ber h.Liguori 
die Worte von der läßlihen Sünde. „Man muß große 
Sorge tragen," fagt er in feinem 9Berfe: ber Priefter im 
Gebete und in ber Betrachtung, Thl. 2, Kap. 5, 13 (über!. 
von Hugued ©. 62), „jene Sünden zu vermeiden, die mit 
Ueberlegung und offenen Augen begangen werden. Man 
fati nicht läugnen, daß außer Jeſus und feiner göttlichen 
Mutter, welche durch eine befonbereó Vorrecht von Aller Sün- 
denmakel frei geblieben find, alle andere Menfchen, felbft die 
Heiligen, nicht ganz frei von menigftené läßlihen Sünden 
geblieben fein. Wir alle, fagt ber D. Jakobus (3, 2),- 
fehlen in vielen Dingen. Nothwendigerweife, fagt 
ber B. Leo, muß ein jeder Abkömmling Adams fid) mit 
vem Kothe blefer Welt befleden. In Bezug hierauf muß 
man ὦ aber wohl merfen, was der weile Mann jagt: 
Siebenmal fällt ver Geredjte unb ftebt wieder 
anf. Sprüchw. 24, 16. Wer aus menthlicher Schwad- 
heit, ohne vollfommene Erfenntniß des Uebels, das er 
begeht, und ofne veollftánbige Einwilligung fällt, der ftebt 
leicht wieder auf." — Aehnlich fejen wir bei tem 5. So» 


596 Ueber Sprüchw. 24, 16. 


hbannes vom Kreuz (+ 1591) im 1. Buche 11. Kap. 
des Auffteigens zum Berg Karmel: „Bon folden nicht 
ganz freiwilligen Sünden fteht gefchrieben: der Gerechte 
wird fiebenmal fallen und wieder aufftehen.“ Ich weiß 
nit, ob Ludwig von Granada unjere Stelle gebraucht, 
vielleicht deutet er auf diefelbe hin, wenn er in einer Pre⸗ 
vigt auf ben Ofterfonntag Chomiletifche Predigten, überf. von 
Gi(6ert B. 2, ©. 155) fagt: „Daher ermahnt einer aus 
ben B. Vätern, daß wir, wenn wir fogar taufenbmal an 
einem Tage fallen, eben fo oft aud) aufflehen und auf die 
Barmherzigkeit beójenigen vertrauen follen, der bem Petrus 
befahl, bem Menfchen, ber gegen ihn fündigte, flebenzigmal 
fiebenmal zu verzeihen.” An einer andern Stelle (Predigt 
auf den Sonntag nad Chriſti Himmelfahrt — a. a. Ὁ. 
Th. 3, €. 17) unb bei einer andern Gelegenheit findet 
et durch die Siebenzahl das ganze Leben bezeichnet. In 
ben medilationes ad usum cleri vorl Angeli a Scotli — lat. 
von Mitterrutzner t. 2, p. 135 leſen wir in Bezug auf 
läßliche Sünden : recordemur, quod septies cadet justus — 
prov. 24, 16 unb Dieringer citirt in feiner Dogmatif 
3. Auflage ©. 377 die oft genannten Worte, in vielem 
‚Einne, veßgleihen Mehler in feinem Fatehetifchen Handbuche 
Thl. 2, €. 343; Dr. Wappler in feiner fatfol. Religion» 
febre (Wien 1855) 98. 2, €. 24 und Beckedorff in feinen 
Worten ved. Friedens (3. Aufl. Ὁ. 200). — Dagegen 
finden wir aud die Beziehung auf [hwere 
Sünden. P. Cheminais de la C. D. J. predicateur 
. ordinaire du Roi jagt in feinen sermons (4 ed. t. 1, p. 
95): ,Quand un pecheur sujet à retomber se trompe 
dans la pratique de la penitence, sa faute est plus excu- 
Sable que celle d'un pecheur impenitent; il fait du nioins 








Vieber Sprüchw. 24, 16. 597 


encore quelques pas pour retourner à Dieu; il täche de 
se reconeilier avec lui; il a encore du respect pour les 
exercices de sa Religion, οἱ voilà la difference que met 
le Sage entre le juste et l'impie: Septies enim cadet 
justus et resurget, impii autem corruent in malum. Le 
juste tombe sept fois et se releve autent de fois qu'il 
tombe et c'est en cela qu'il est juste, au lieu que l'impie 
tombe si rudement, qu'il ne s'en releve jamais." 

2) Stapf citirt in feiner Moral (theol. mor. in comp. 
red. ed. 5tae t. 1, p. 253) unfere Stelle al(o: Septies in 
die cadit justus et resurget. Aug. Hölfcher fagt in feinem 
Religionshandbuche 2. 21615. 1. Ausg. Θ. 13: „Bon dieſen 
läßlihen ober Schwachheitsſünden rebet ber Heiland, wenn 
et die Cünbe mit einem Splitter vergleicht, und ber Pros 
phet im 91. B., wenn er fagt, daß „ver Gerechte fiebenmal 
in einem Tage falle und wieder aufftehe, taf aber bet 
Gottloſe im Böfen verfinfe." In einer Prebigt von dem — 
Alumnatsdirektor Pichler in Klagenfurt (Previgtmagazin 
von Heim Ὁ. 22, ©. 339 vom Jahr 1853) lefem wir: ΄ 
„Selbft der Geredite fällt fiebenmal des Tags unb ftebt 
wieder auf.” {πὸ eben baf. B. 15, ©. 189 ſagt Hoff⸗ 
mann, Oberfaplan zu Franfenftein: „Stebenmal, Spricht 
bet Meifter (!), fallt felbft ber Geredjte des Tags." — 
Sa ſelbſt in Dietenbergs deutſcher fatholifcher Bibel (Wuͤrz⸗ 
burg, gebrudt dei Sof. Mich. Kleyer — 1738) fteht ohne 
weitere Bemerkung: „dann ein Gerechter fällt im Tag 
fiebenmal und &ebt wieder auf, aber tle Gottlofen werben 
fallen in Unglück.“ Bellarmin (disp. de controv. t. 3 1. 2 
p. 82) führt bie Worte in die ebenfalls an ohne Bemers 
fung, jedoch nur, wo er bie bald näher zu bezeichnende 
Stelle ans Kaffianus citirt, In dem Werkchen des 


598 Ueber Sprüchw. 24, 16. 


Jeſuitengenerals Aquaviva: Industriae wird c. 11 citixt: 
Septies in die cadet justus, aber zur Seite ift auf S. Gregor. 
in l 1 regg. c. 15 verwiejen. 

Wir fragen nun, woher bod) diefer Sufag „in die“ 
fomme, unb wie er oerftanben werde. Daß Thomas von 
Billanova in die leje, ift fdon oben bemerkt, aber 
auch bei Gregor. M.1.6 in 1 regg. c. 2 heißt ed: „De ju- 
storum casu scriptum est: seplies iw die cadit justus et 
resurgit. Ia, Johannes Kaſſianus, Abt von Gt. 
Viktor in Marfeille, ber etwas nad) 433 ftarb, hat [don 
collat. 22 c. 13: septies in die c. j. et res. Ich habe 
mit bemerft, bag berfelbe an einer andern Stelle ben Zus 
fa auéfaffe, bin aber augenblidlih nicht Im Stande, vie 
Sache nachzuſehen. Auffallend wäre ble eben nicht, ba 
in alten gebrudten Eremplaren der Bulgata das in die 
fteht, aber mit einem + bezeichnet ift, mit der Randbemer⸗ 
fung, daß bie Worte bei Andern fehlten. Eo finde id) εὖ 
in einem alten Eremplare, das ich befige, in bem ich aber, 
weil viele Blätter fehlen, feine Jahrszahl entdecken fann. 
Auch Cornelius a Lapide bemerft, daß einige codices manu- 
scripti die beiden Worte enthielten. Der 5. Bernardus 
citirt die Stelle mehrmals mit dem Zufage, bod) gibt er 
eine eigentbümtide Erflärung. T. IIL, p. 24 in 
Cantica serm. 17 ſchreibt ev: septies cadit justus et sep- 
lies resurgit, si tamen cadit in dile, ut se cadere vi- 
deat et cecidisse sciat ei resurgere cupiat et requirat 
manum adjuvantis. Scheint er hier das in die nicht auf 
ble Erkenntniß des fünbigen Zuftandes besogen zu haben? 
T. IL, p. 167 serm. 2 in ps. 90 lefen wir: homines ali- 
quando cadere necesse est, dum in hoc seculo detinentur, 
sed alii colliduntur, alii non, quia Deus supponit manum 








Ueber Sprüchw. 24, 16. 599 


suam. Sed quomodo eos discernere poterimus, ut segrege- 
mus juxta Domini exemplum agnos ab hoedis, justos ab 
inustis? Nam et justus septies in die cadit. Verum 
hoc interest inter eorum casus, quod justus suscipitur ἃ 
Domino ideoque resurgit fortior. Injustus autem cum 
ceciderit, non adjiciet ultra, ut resurgat. Wir fónnen 
hieraus nicht erfehen, welden Sinn ber D. Kixchenlehrer 
in den beiden Worten findet, nur das jfeben wir, daß er 
fie ohne Zweifel ald zum h. Tert gehörig betrachtet. Ans 
ders wieder fdeint der gelehrte Kardinal Hugo dieſelben 
aufzufaffen. Er fagt: septies eic. i. e. in tempore prae- 
Senti, quod septem diebus agitur. Golf das heißen: „in 
unferm ganzen Leben?” Over was ift biet praesens 
lempus? Wir glauben, daß die oft genannten Worte 
aus bem Beſtreben, eine abgegrüngte Zeit zu wilfen, wos 
auf fíd das septies beziehe, ‚hervorgegangen feien, unb 
bag fie fid ein Leſer ber Bulgata ſchon in ven älteften 
Zeiten — vor Johannes Kaſſianus — an den Rand ger 
ihrieben habe, woher fie durch Abfchreiber in ben Text 
famen. Merkwürdig verfährt Tirinus. Er hat: Septies, 
it est, saepius, in die cadet justus. Darnad) jollte man 
glauben, er betrachte nur bie Worte sept. cadet justus als 
dert und füge das llebrige als Erflärung hinzu. Er fährt 
dann fort: Quid ergo reprehendis in uno, quod scis 
commune esse omnibus? Et ut reprehendas, in aliquo 
justum deliquisse, imo et in multis, scias primo, non 
persistere eum in melo, sed statim resipiscere, poenitere 
el resurgere. Ita s. Augustinus, s. Gregorius et Chryso- 
stomus, qui addit: peccatum, si quando ad animum justi 
divertit, hospes est, non incola. Scias secundo, lapsus 
illos justi non esse letales, sed leves οἱ veniales. Ita 


600 Ueber Sprüchw. 24, 16. 


Beda et alii Die Erflärung ftimmt faft mit ber von 
Gafmet. Welche Stelle des ἢ. Auguftinns er aber meine, 
ift mir unbefannt, und ich möchte glauben, baf ein Irr⸗ 
thum zu Grunbe liege, denn serm. 58 de tempore wirb 
man faum eine Anfpielung finden. Die aus Chryſoſtomus 
beigebrachte Erflärung wuͤrde fo ziemlich mit ber be6 D. 
Hieronymus flimmen, tod; weiß id fie nirgends zu finden, 
nuc unter den unechten Werfen des Chryſ. (in ps. 4, 
t. 5, p. 745 ed Montf.) ift zu leſen: ἑἕπεάκχις πεσεῖται ὁ 
δίκαιος xol ἀναστήσεται. Beda bezieht in feinem Kom⸗ 
mentar zu den Sprüchw., welcher fälfchlich bem Hieronymus 
zugefchrieben wurde, bie Etelle auf Sünde; vod) find die 
beiden verdaͤchtigen Worte dort nicht anzutreffen. Aber er 
flefet das Präfens: cadit, resurgit, welches wir aud) bei 
Andern finden, melde den Vers auf Sünde deuten. Mit 
Ausnahme des oben Thon aufgeführten Petrus von Ale 
randria, habe ἰῷ ben Vers bei feinem ver griechifchen 
Rirchenväter gefunden, und namentlich fcheinen Baftlins, 
Gregor von Nazianz, Epiphanius, Joh. Damascenus ihn 
nicht zu gebrauchen. Doc findet fif) fogar der vermorfene 
Sufag bei bem Berfaffer einer griechifchen Catena, wie ἰῷ 
bei Cornelius a Lapide fefe. Man darf aber vielleicht mit 
Grund annehmen, ba er aus bem Lateinifchen fid) dort 
eingebrängt habe, da wir ihn bei alten lateinifhen Schrift 
ftellern, wie wir faben, ziemlich oft antreffen, zu ber Ans 
nahme aber, er habe fid) ſowohl In griechifche, als in latei⸗ 
nifhe Manuferipte ber Bibel eingefchlihen, Fein Grund 
vorhanden if. Sicher ift, daß man, ba ber Zuſatz 
im Hebräifchen und Grlechifchen unb in ber von ber Kirche 
gebilligten Bulgata fehlt, denſelben zum Beweife 
irgend einer Art niht anführen darf, tmb daß 


t 





Leber Sprücm. 24, 16. 601 


e überhaupt abanratben ift, jenen Gert yum Be 
weife des «Borbanbenfeiné verläßliden Sünde 
zu gebrauden. Brentano,Derefer fagt zu Vers 16: 
„Diele verftehen diefe Worte nicht von Sünpdenfällen, fon: 
bern von Unglüdöfällen; es ift alfo (D ein Mißbrauch 
dieſes Denkfpruches, wenn man ihn von Günben, (befon- 
ders von vorfäglichen) verftebt." 


Teipel. 


II. 
Wrcen[fionen. 





1. 


Der Webertritt König Heinrichs des Wierten von $rank- 
reich sur rómifd)-hatbolifden Kirche und ter Einfluß 
diefes fürflen auf das Geſchick der franzöflichen Refor- 
mation von bem Zeitpunfte der Bartholomäusnadht an bis 
zum Crlaffe des Ediktes von Nantes. Eine reformationd- 
gefhichtliche Studie von Ernſt Stähelin. Bafel, Verlag 
ber Schweighauferjhen Sortimentsbuhhandlung 1856. 
XXX. 795 ©. gr. 8. Pr. 6 fl. 


Nicht mit Unrecht erflärt der Berfaffer vorliegender 
umfangreiher Schrift den Sampf um das religiöje Bes 
fenntniß der bourbonijden Dynaftie, die mit Heinrich IV. 
ihren Anfang nahm, für den Snotenpunft, von deſſen 
Entwidlung nadj biefer ober jener Seite hin bie ganze 
Geftaltung ber neueren Geſchichte abhing. „Man vergegens 
wärtige fid) bod), was das zu Pebeuten hatte, daß das 
bourbonifhe Frankreich eine fireng katholiſche Macht ges 
worden ift, obwohl εὖ in feiner Politif nicht durchweg ben 
Interefien des Katholicismus bienftbar blieb — man benfe 





Stähelin, der Uebertritt König Heinrichs IV. von &ranfreid) sc. 603 


fid eine Ausbildung der europäifhen Berhältniffe in ben 
zwei legten Jahrhunderten unter der Mitwirkung eines 
entidjieben von Rom Insgerifienen, wenn aud) vielleicht 
nicht geradezu proteftantifch gemworbenen Frankreichs: und 
man wird (i ber Erfenntniß nicht entziehen können, daß 
ber Entfihluß Heinrichs IV., um den unfere Darftellung 
fij bewegt, ben mafgebenben Ausgangspunft für das 
bildet, was vom Beginne des 17. Jahrhunderts an bie 
auf unjere Tage in Europa gejdeben, zu Stande ges 
fommen , feftgeftelt worden iſt.“ (S. ΧΙ) Das Werf 
beginnt mit einer ziemlich fatalifti[d) Klingenven, das 
mobern-calvinifche SBefenntnig des Verfaſſers nicht vers 
läugnenvden Geſchichtsbetrachtung, welche dem (eptern jedoch 
ugleih in biefem heiklen Gegenftanbe eher zu einer uns 
parteiifchen, wenigftens einigermaßen vorurtbeiléfrelen Aufs 
foffung und Beurtheilung verhilft. „Zwar nicht anders 
als mit tiefem Schmerze vermögen unfere Blide bem über 


die Reformation ergangenen Gefchide zu folgen; es mit 


angufeben, wie nad, furzer Zeit eine Schranke nach ber 
andern fid bem SBorbringen diefer Schöpfung Gotteó ers 
folgreich entgegenftelt und Niederlage auf Niederlage ihr 
ben fchon faft errungenen Sieg wieder entminbet. Aber 
dennoch werden wir befennen müfjen: Zu ihrem Helle ift 
(ὁ fo gefchehen. Denn verfelbe Gegner, der ihren Sieg 
verhinderte, hat aud) ihre völlige Entartung unmöglich 
gemadjt; nidt nur ihrem Bortfchreiten auf bem von 
Gott ihr vorgegeidneten Wege, fondern aud) 
ihrem Weitergehen auf den Bahnen ſündlicher Abs 
irrung, auf denen am Ende das eben gewonnene Gut 
wieber verborben und verloren worden wäre, haben fid) 
ble hemmenden Echranfen entgegengefegt. Zwar nicht fo, 


604 Stähelin, 


wie bie römischen MWortführer bie Sache bargnítellen lieben, 
aíó ob nämlih bie Kirche der Reformation der nöthigen 
Bofitivität für fid) felber entbehrt und ihre beften Kräfte 
immer wieder aus ber fatboli[fen Kirche hätte ziehen 
müjfen, um weiter befteben zu fónnen ; in dieſer Beziehung 
ift gerade das limgefebrte richtig. (9?) Nicht die evanges 
lifche Kirche lebt und befteht fort durch römifche Kräfte, 
fondern im Gegentbeile die römifche Kirche burd) ble evan- 
gelifchen Elemente, die fte nod) in fid) trägt und theilweife 
aus alten Zeiten her erexrbt, theilweife aus ber allgemeinen 
Surüdbemegung zu bem reinen Evangelium hin überfommen 
hat, welche im 16. Jahrhundert ihren Anfang nahm. 
9 ber in einer andern Beziehung ift allerdings bie Tathor 
(ijde Kirche der Arzt und Wächter der evangelifchen ge 
weſen, nämlich burdj bie Gefahr, mit ber ſie dieſe fort, 
währenn bebrobte, durch Die aggreffive Seinbfeligfeit, mit 
der fie ihr unaufhörlich begegnet ift. £ber fónnen wir εὖ 
und verhehlen, daß ohne biejen Gegenfag , der bie evans 
gelifche Kirche immer wieber zur Sammlung in fi jelbf, 
zur Geltendmachung ihrer großen Grunbprinciplen gegen 
über den Einzelnheiten der Lehrauffafiung und ber Zerſplit⸗ 
terung der Inbividnalitäten, zu einem Wetteifer in ber 
chriſtlichen Thätigfeit drängte, ber dann mehr als ein 
Mal zu einer fegensreihen Neubelebung für bie game 
Gemeinſchaft geworben ift — fónnen wir ed und verfeblen, 
frage id, daß ohne biefen Gegenfag und bie ſtets ernewerte 
Läuterung burd) bie von ibm ausgegangenen Berfolgungen 
ble Kirche der Reformation vielleicht ſchon in bem Jahr⸗ 
hunderte ihrer Geburt bie nen gewonnenen Echäge leben, 
digen hriftlihen Glaubens und Lebens wieder hätte bin 
ſchwinden fehen in bem leidenſchaftlichen Gezänfe um unter, 





der Uebertritt "König Geinrichs IV. von Frankreich sc. $63 


geordnete Punkte dogmatiſcher Erkenntniß in ϑειμη αν 
öfumenifden Sinne, in bem man beſonders von Iuthbriädjer 
Seite her die große Spaltung uod) in verfchiedene Feiner? 
zu vervielfältigen und bie trennenden Formeln 3t 06dreuil 
gen fuchte, in bem verfehlten Streben der refennirten 
Gemeinschaft, eine neue theofratiiche Gewalt „über ie 
Reihe diefer Erde aufzurihten, einem Streben 4a6 ἢ 
mande Foftbare Kräfte dem religiöjen Dienfle ‚orttzogen 
und zu bem politijden verwandt, das Die unb: ba, die Me⸗e 
wifen mit fid in Widerſpruch gebradht und Vesu.beiligen 
Bewer fo manches unreine Element beigemifcht Hat. ff. (Sy 43$ 
€. 10 f.) Nah dem. gewaltfamen Tode  Qeinvida; ML; 
been Regierung ffiggirt wird, war Heinrich IV, den fe 
gitime Erbe des franzöfifchen Thrones. Gawöhnlich wirk 
vie SBexfettung der Greignifje, voelde dieſen απὸ, bat 
Angelegenheiten herbeigeführt, als vie höchfte (umfi; 040 
Glückes, welches Heinrich IV. ſtets begleitstiihabe, Dar⸗ 
geſtellt. Der-Berfafjer ermangelt nicht, aud oie; Kehrſeite, 
die ſchwachen Hülfsmittel des neuen Sänigs wh. {εἶπε 
Etellung befonders zu den Fatholiichen Großen Frankreichs 
jn beleuchten, weldye alébalo wit ver Sayprrumg sed Wes, 
ſprechens, in den Schooß tec Fathollfhen ‚Kirche: gwelidans 
fehren, vor ihn traten unb ihm bereits am wierten, Tage, 
nad) bem Tode Heinrichs IIL eine feierliche, Erklärung; af» 
wöthigten, daß et fid) in ber katholiſchen Neligipn- ‚unter 
rihten laffen wolle. Soweit das erſte Kapitel Chi... 47 
In den beiden folgenden Kapiteln (greift. bex Verfoſſer, 
nad einer, wie und jdeint, unzweduäßigen Anlage feinen, 
Werkes, weiter zurück, indem er zuerk: vie: Gannerionds 
verjude mit Heinrich, melde. im Iahre..1h72,:pig: £589 
gemadt wurden, weitläufig erzählt: amd dann ἰ8. Das 
Theol. Ouartalfchrift. 1857. IV. Heft. 40 


606 Stähelin, 


flelung Könige Anton von Navarra und deſſen berühmter 
Gemahlin, Iohanna von Albert, der Eltern Heinrichs, 
ſowie der Perföntichfeit des letzteren ſelbſt giebt (S. 48 
bis 150), während er im dritten Kapitel die Gejchichte 
der Hugenotten von ber Bartholomäusnadyt bis zur Thron: 
befteigung Heinrichs IV., fomie des Septem Proteftorat 
über jene behandelt (&. 151—202). 

Wie fdjon in ber Vorrede furz gefchehen (©. XIV. ), 
weist der Verf. beim Beginn dieſes (dritten) Kapitels 
mit beredten Worten auf bie falſche Etellung bin, weldye 
ber Proteftantismus in Frankreich zu den ftaatlihen Vers 
hältniffen einnahm und welde [don von Anfang an ben 
Keim feines politiichen Berfalles in fid) trug Kaum 
habe irgend ein anderer Theil ber Geſchichte einen tragi» 
fheren Charafter an ſich getragen, als der ber franzöfifchen 
Reformation. Nicht nur etwa beffalb, weil ihr eben 
gleih von ihrem erften Tage an ein fortwährenver Kampf 
gewefen fel, in welchem fie — in edt tragifcher Weiſe 
— obgleich ἱππεῖ überlegen, äußerlich unterlegen [εἰ 
und doc wieder gerade im Unterliegen fid) als Sies 
gerin erwiefen Babe; fondern nod) bei weitem mehr aus 
dem Grunde, weil fie in und an fich felber unaufhörlich 
jenen eigentlich tragifchen Conflict zu erfahren gehabt habe, 
ba die verfchledenen Pflichten und Neigungen unter fid) 
in Kampf geriethen,, die göttlihen und bie menſchlichen 
Ordnungen [ὦ zu wiverfprechen fchienen, das äußere Thun 
in Bahnen hineingeriffen wurde, ble ber Innern SBeftimmung 
und llebergeugung entgegen feien. Denn ed werde Niemand 
daran zweifeln können: ole enge Verbindung mit den por 
litiſchen Parteien und ihren Abfichten, welche bie frangós 
fife Reformation gleich bei ihrem exften allgemeineren 


ber Webertritt König Heinrichs IV. von Frankreich ꝛc. 607 


Auftreten eingegangen, die Kriege, durch die fie ihre Sache, 
wenn aud nicht auszubreiten, fo bod) aufrecht zu erhalten 
geſucht, tie feindfelige Stellung, die fle in faft ununter- 
brochener Folge der obrigfeitliden Gewalt gegenüber eins 
genommen, das Alles habe fid) Übel genug mit ven rein 
teligiófen Interefien vertragen , bie ihr das Leben gegeben 
und aud) fortwährend ihre Seele und eigentliche Lebend- 
kraft ausgemacht hätten. Ja bis zum offenbaren Wider; 
ſpruch zwifchen ihrem Außern und innern Wefen babe fi) 
oft dieſes Viißverhältniß geftaltet, daS wie ein unentrinnbares 
Verhängniß ihre Geſchichte begleite und beftimme. Die 
gleihen Männer, welde nicht nur mit Worten, fondern 
απὸ wirklicher Ueberzeugung und innerftem Kerzen Alles 
was das Schickſal feiner Kirche betrifft, wnbebingt bet 
feitung Gottes anheimgeftelt hätten wiſſen wollen, hätten 
nidjtóveftomeniger alle Mittel weltlicher Klugheit und Ruͤh⸗ 
rigfeit aufgeboten, um ihrer Angelegenheit damit zu dienen, 
und während fte nicht anders ald mit ben ehrfurchtövollen Aus, 
brüden ber Schrift von bem obrigfeitlichen Amte gefprochen, 
feinen Augenblick gezögert hätten, bie unbebingte Unter 
iwerfung anzuerkennen, bie man ihm ſchuldet, hätten fie 
ein Mal über das andere feinen Trägern die Gewalt 
ber Waffen entgegengejegt unb ter beftehenven ftaatlichen 
Ordnung eine neue ſelbſtgeſchaffene gegenübergeftelt, vie 
id unmóglid auf bie "Dauer mit ifr habe vertragen 
fónnen. (©. 151 f.) Im Folgenden wird fobann aue» 
geführt, wie man deſſenungeachtet die Träger der frans 
zoͤſiſchen Reformation deßhalb nicht ber bemuften Ders 
läugnung ihrer Principien ober gar jenes Epieled mit ber 
Religion, das fid) ihrer nur als Dedmantel für irdiſche 
Swede beviene, befchuldigen dürfe. Im Gegentheil liege 
40 * 


609 Ban. —— M piro ' Stähelin, jp P RM νον. TN M 


das Sragijdjt gerade: darin, daß jene Männer durch tle 
Macht ver Umftänve in eine fo unheilvolle Stellung, ver 
Vermiſchung des Politifchen mit dem Religiöſen, hinein⸗ 
gezogen und darin feflgehalten worden ſeien. 

Das: vierte Kapitel enthält den Kern bed ganzen 
Werkes: eine Darftelung der Zeit oon ver Thronbeſteigung 
Heinrichs IV. His zw ‚feinem Vebertvitte zur katholiſchen 
Kirche (S. 203—614). Wir jehen hier den König. mitten 
in dem Getriebe ber. einander gegenüberftehenden firdyfiden 
and politiächen Parteien, im Berkäliniffe zu feinen bie; 
ferigen Berbündeten, ben Hagenotten, zu bem römifchen 
Stuhle, .zu den proteftantifchen Alliirten bed MAnsdandeg, 
zu bem Fatholiächen Fractionen des franzoſiſchen Reiches 
unb beſonders zu bem [ogenaunten tiers parü. Als ber 
ſonders .interefjant Beben wir hervor. bie Schilderung ber 
vermittelnden xeliglöfen Richtungen, welche: ftd) damals In 
Frankreich geltend machten. EB gab bamals auf Father 
üfder wie auf reformirter Seite εἶπε ziemlich große Anzahl 
folder mit ben Zuftänden Ihrer eigenen Partei Unzufriede⸗ 
net, welche beſonders auch auf Literarischem Wege durch Herr 
ausgabe einer ganzen Maffe von tbeologifdyen. unb kirchlich⸗ 
politiihen Schriften, eine Bereinigung zwiſchen den Katho⸗ 
fifen unb. Reformirten Frankreichs herguftellen ſuchten, in 
ber Weiſe, daß ble gallicanifdje. Kirche ein vorn dem Papſte 
unabhängiges Patriarchat mit Beibehaltung ter mad) ber 
Anſicht biefer Männer geelnigten Dogmen und der pet 
einfachten Liturgie und Disriplin bilden folte (S, 327 
bis 369). Der Berfaffer, welcher überhaupt ber vermit« 
telnden Geiſtesrichtung der vefoumivten ‚Theologen Hagen⸗ 
bach und. Hundeshagen anzugehören ſcheint, unterwirft die 
Frage nach der damaligen Möglichkeit einer ſelbſſtaͤndigen 

14. 











ber Uebertritt König Heinrichs IV. von Frankreich ꝛc. 609 


gallicaniſchen Kirche einer weitläufigen Erörterung. Hören 
wir einige feiner dießfälligen Aeußerungen. Allerdings 
müfle .er ber unter ben Fatholifchen und proteftanttjchen 
Geſchichtsſchreibern gang und gäben Anſicht, daß es fuͤr 
Heinrich IV. eine ſittliche Unmöglichkeit geweſen fel, als 
Anhänger ber Confessio Gallicana unb als Parteihaupt ver 
Hugenotten über bie Mehrzahl bes katholiſchen Frankreichs 
als Koͤnig das Scepter zu führen, beiſtimmen; nichtsdefſto⸗ 
weniger mäfle ét geltend machen, vag bem König nod 
εἶπ anderer Ausweg als der Rücktritt zur römischen Kirche 
offen geſtanden hätte. „Gleichſam mit ausgeſtrecktem Finger 
wieſen jene vermittelnden Richtungen darauf hin, indem 
fe ihn zugleich auf das Ungeſcheuteſte beim Namen nennen 
— und nod) lauter und eindringlicher jeigen ihn bie ganze 
Geſchichte, der Charakter, die Eigenthümtichfeiten, die Neis 
dungen ber Kirche und des Volkes, um das es fid) handelt. 
Es beftand einfah in bet Trennung ber galki— 
canifdofatb»lifden Kirche von vemrömis 
iden Stuhle, bie gjugleid ble Verföhnung 
bes religiöfen Zwiefpaltes, der feit 30 
Jahren die Nation zerriß, in fid gefhlof 
fen B & t t e Mag die Reformation immerhin an ber meiften 
Orten mit vollem Rechte das zerriffen haben, was man 
bie „„hiſtoriſche Continnitaͤt““ zu nennen pflegt: eine 
unerläßliche Conſequenz ihres Weſens war dieſe Wirkung 
nicht; und fie ſelber Hat ung ja mit zu der Erkenntniß 
verholfen, va die eine Wahrheit in fehr ver[djiebenen 
Formen Geftalt gewinnen könne und dur fefr mannig- 
faltig 'geartéte Vermittlungen hindurch ihre Wirkfamfelt 
übe. Auch in Frankreich hatte ſich die Reformation zuerſt 
In der Erſcheinung einer voͤlllgen, ſelbſtſtaͤndigen Erneue⸗ 


610 Staͤhelin, 


rung ber religiöſen Erkenntniſſe und Ordnungen verſucht, 
die ohne Weiteres auf die älteften normgebenden Quellen 
des chriſtlichen Lebens zurüdgieng und nad) biejem nun 
aud) bie Gegenwart umzubilden trachtete. Aber fie hatte 
unter diefer Geftalt im Ganzen und Großen bier feinen 
Erfolg gehabt, und zwar ganz hauptjählih and bem 
Grunde, weil fie fo mit der geſchichtlich herangebilbeten 
Einheit des nationalen Lebens — an der den Franzoſen 
jhon damals ebenfoviel lag, wie heutigen Tages — und 
mit den Orbnungen der Kirche unb bed Staates, auf 
denen bie elgentfümlide Stellung und Macht des Reiches 
berubte, in 9Biber[prud) gerietb. So wenig ed mit ber 
Vorftelung zufammenftimmt, die man fid) gewöhnlich von 
dem franzöſiſchen National-Charafter madt, fo wahr ift 
es bod, daß in Frankreich bie Reformation, wenn fie 
einen durchdringenden Erfolg haben follte, von oben 
herab, wo nicht ausgehen, fo doch in wirflihen Vollzug 
gelegt werden mußte — von dem Throne her, in dem 
fid alle Elemente des nationalen Beftehens und Lebens, 
als in ihrer Epige, zufunmenfanden, unb ber eine Bürgs 
[haft dafür gegeben hätte, bag die Neuerung nicht eine 
Störung des bisherigen Suftanbed, fonberm vielmehr eine 
Förderung bejfelben, und ein einfaches Vorwärtsichreiten 
auf bem Wege fein werde, auf dem fid) die Nation fchon 
von {εἰδῇ befand.” (€. 381 f.) „Auch hätte fid) dieſes 
Ziel leicht erreichen fafjem. Wenn dad Bedürfniß bet 
Reinigung und Erneuerung fih nur aud) ben leitenden 
Gewalten in Kirche und Etaat fühldar machte und ber 
neuere befjere Geift nach und nad die alten Formen durch⸗ 
drang und erfüllte, jo konnten fid) diefe ohne große Er 
ſchuͤtterung, wie eine reife Frucht von dem Zweige, von 


ber Uebertritt König Heinrichs IV. von Sranfrel x. 611 


ber Gewalt ablófen, die fonft aller Orten ble Arbeit ber 
fRerbefjerumg fo unenbíid erſchwerte; und amit eine 
Kirche der Reformation zu Stande fomme, in welder das 
Bisherige und das Neue fidj die Hände reichten, und in - 
der das franzöfifhe Volk nad) wie vor feine gallicani[dy 
fatholifche Kirche erfannte: nur mit dem Unterfchiede, daß 
fie jebt wirklich an bem Ziel angelangt war, bem fie [don 
feit. längerer Zeit Ihrem ganzen Weſen nad zuftrebte.” 
«S. 382 f) „Und welde glänzende Zukunft hätte fid) 
bann ber franzöfifhen Nation eröffnet! Cine gallicanifche 
Kirche, wie (jenfeit& des Canals) eine anglicanifche; eine 
völlig felbfiffánbige und bod) burd) ben reformatorifchen 
GBarafter des Volkes vor dem Mißbrauche ber Gewalt 
immer von Neuem zurüdgehaltene Monarchie (als ob 
nidt auch in England ber Mißbrauch der königlichen Ges 
walt zwei Revolutionen, darunter eine höchft blutige, ber 
erſten franzöfifchen in vielfacher Beziehung ähnliche, ber. 
vorgerufen hätte!); eine Einheit ber Nation, bie zugleich 
in der gemeinfamen Autorität und in ber gemeinfamen 
Sreiheit begründet ift: das mar bie Ausſicht, vie jept 
dur merfwürdig günftige Fügung ber Umftänve fid) πο 
einmal vor Frankreich auftbat.^ (€. 384) Wenn aud 
die 9ieformirten bei dieſer Vereinigung Hinfichtlich Ihrer 
fpecifiichen Dogmen hätten nachgeben müfjen, fo hätten 
fie nad) ber Anficht des Verfafjers dem Siege der Wahr: 
heit bod) getroft entgegenfehen fónnen. Wo einmal in 
einer Kirche die verwirrende, auffaltenbe, widerſprechende 
Menfchen-Antorität aus dem Wege geräumt und dadurch 
der heiligen Schrift mit ihrer Wahrheit von oben Dex 
wieber bie Breiheit der Bewegung und ter Wirkfaufeit 
zurüdgegeben fei: wie [σε da blefeó zweiſchneidige Schwert 


1 


gib &táfelin, 


richt jede Entwidfung und Zugabe, die von mo anteré 
herſtamme, nad und nach zu entfernen vermögen und ter 
Sauerteig den ganzen Teig mit feinem Weſen durch⸗ 
dringen? Ueberbieß fel e8 ja wirklich wahr, taf nar ter 
Papismus einen diametralen Gegenfag zu dem evan 
gelifchen Chriftenthum bilde, nicht aber ver Katholicismus, 
von bem im Gegentbeife viele Brüden ver Gemeinfdaft 
zu diefem hinüberführen. (€. 389 f) — 

Das die proteftantifchen Fürften Deutfhlands mis 
dem größten Bergnügen von dem Plane, ein unabhängiges 
franzöſiſches Patriarchat zu gründen, reden hörten, wie 
€. 397 berichtet wird, ift begreiflih; denn das ſchisma⸗ 
tifche Frankreich wäre wahrfcheintid, mitten in den Protes 
ftantismus hineingetrieben worden und hätte jedenfalls 
naturgemäß eine anti-fatbolijde Bolitif einſchlagen müſſen. 

Der 9Berfaffer it auf Heinrich IV. febr. ungehalten, 
daß er feine, wie er meint, durch die Vorſehung ihm vot 
gelegte Aufgabe nicht gelöst habe. Niemand anders als 
er fei ed geme[en, an. bem der Plan gefcheitert habe. 
Eo erhalten wir denn audj eine Cdjifoerung der Perföns 
lichfeit des Königs, welde namentlid im Unterſchiede von 
jener, welche der freilich über tem Politiſchen dag Sittliche 
und Eharaftervolle gerne hintanfegende 9tantfe in feinem 
neueften Werke über die franzöflfche Gefchichte giebt, nicht 
ungünftiger fein fbónnte. Allerdings ſei Heinrich von 
Natur aus mit glänzenden Eigenfchaften begabt gewefen, 
aber aud) nicht ohne angeborene Fehler. Und gerade das 
[εἰ das Echlimme, daß, als er einmal angefangen, den 
da® ganze Leben tragenden religiöfen Halt und die fittlide 
Zucht daran zu geben, dieſe Fehler mit unaufhaltfamer 
Gewalt emporgewachfen ſeien und als ein ververbliches, 


ber Uebertritt König Heinrichs TV. von Qranfrei ꝛc. 613 


Marf und Praft verzehrenves Unkraut feine beffern Gigen, 
ſchaften überroudyert hätten. „ES macht einen traurigen 
Ginbrud, zu bemerfen, wie {2 πεῖ und entſchleden dieſes 
Werk der Serflótung vor fid) gieng; in wie bebeutenbem 
Maße ed nur in der kurzen Zeit vorangefchritten ift, bie 
zwiſchen feiner Thronbefteigung und bem Seltpunfte fag, 
in bem die befinitive Entſcheidung — nad) reits ober 
nad) links? — nun unwiderruflich von Ihm geforbert murbe. 
Wir Haben fibon früher davon geredet, welder Art υἱέ 
fündfichen Elemente waren, ble ihn am meiften in Gefahr 
brachten und die ftürffte Herrfchaft über ihn ausübten: 
eine anßerorventlih flarf angeregte Sinnlichkeit, εἰπε 
Leichtfertigfeit der Gefinnung, bie fid nur ſchwer mit ben 
ernfteren Dingen befreunbete und nirgends eine rechte 
Trene auffommen läßt, endlich ein Zug des Egoldmns 
und bed Strebend nad eigenem MWohlfein, ber nicht nur 
das Intereſſe der Anden, jontern auch bie eigene Ehre 
und Innere Wahrhaftigkeit zu vergeffen in Gefahr ſtand, 
wenn ὦ durch ihre Verläugnung wieder ein Schritt vor 
wärts thun ließ zu dem erwünfchten Ziele hin. Und nun 
blieb ed unglüdtidyer Weiſe nicht babel, daß dieſe ſchlimmen 
natürlihen Anlagen fich einfach regten und gleichſam αἴθ 
anwiäfürliche, ihrer {εἰδῇ unbewußte Triebe geltend machten, 
fondern fle wurden burh die unermübliche Gonfequeng 
ber freigelaffenen Cünbe nad und nah Gefinnung 
and Grundfag, ja ein Syftem des Verhaltens und 
Lebens, nad) bem εὖ mit bewußter Abſichtlichkeit (id) vid) 
tete. Wenn man bie Weiſe feines Handelns und feines 
Berfchres mit den Menfchen ungefähr von feiner Thron, 
beftelgung an genau beobachtet, jo wird man faum mehr 
In Zweifel darüber fein fónnen, daß er «6 fid recht eis 


614 Gtiübelin, 


gentih zur Marime gemadt hatte, fid) an Nichte 
hinzugeben, jonbern Alles wur zu benügen unb durch Alles 
etwas zu erreichen.“ (399.) 

€o fam es denn, daß Heinrid, W., ungeachtet ber Ab- 
mahnungen feiner alten Freunde, befonberó: des Dupleſſis⸗ 
Mornay, deflen Charakter der Berfaffer im Gegenfaß 
zu Marimilian Rosni, dem fpätern Günftlinge des Königs 
und Herzog von Eully, bie größten Lobſprüche ertheilt 
(€. 440 fi), nadbem er, um ben Außen Schein zu 
wahren, in der fatfofi(djen Religion Unterrigt genommen 
(594—603), den ſchon geraume Zeit vorher befchloffenen 
Schritt that, dem Calvinismus abfhwur und in die fas 
tholiſche Kirche (wie fdon früher unmittelbar nadj bet 
Bartholomaͤusnacht) wieder zurüdtrat. Weber die Folgen 
dieſes Cdritte8 für die Neformirten und ble nunmebrige 
Etellung Heinrichs IV. zu benfelben verbreitet fid) das 
fünfte Kapitel (€. 617—761), weldhes mit einer Dar; 
legung ver Urtheile der Hugenotten, ver proteftantifchen 
Fürſten Deutfchlande und der Königin Elifabetb über 
diefe Gonverfton beginnt. Heinrich IV. wurde nad) feinem 
Üebertritte feinen früheren Gíaubenágenofjen, über bie er 
das Proteftorat geführt, nicht bloß bald entfrembet, fons 
bern fie wurden ifm aud) wegen ihres rauhen Weſens 
und ihrer unauffórfiden Forderungen läflig und wider 
wärtig, bis ihn julept eine, völlige Antipathie gegen alles 
Qugenettentbum erfaßte. Noch einmal regten fi unter 
einer Anzahl Katholiken und Reformirten Reunionsbeftre- 
bungen (&. 709 fi.) In den reformirten reifen, welde 
mit dem Hofe in die meifte Berührung famen, trat eine 
auffallenbe Erfhlaffung des confeffionellen Bewußtſeins 
ein, welde fid) immer weiter verbreitete. Inter ben res 


ber Uebertritt König Heinrichs IV. von Frankreich ıc. 615 


formirten Literaten, welche irenifchen Planen Bulbigten, ift 
bejonberó der berühmte Caſaubonus zu nennen. (S. 718 ff.) 
Sreilid) hatten biefe SBefitebungen feinen Erfolg; im Ges 
gentheil fteigerte fi) die €pannung zwifchen tem. Könige 
unb ber eigentlihen Mafje der Hugenotten, al& der plöß- 
[ide lleberfall der wichtigen Grenzfeftung Amiens burd 
die Epanier ben. König beftimmte, durch Bewilligung ber 
Forderungen der Hugenotten die wegen ter Gefahr nad) 
außen jo notfmenbige Stufe und Einigfeit im Innern 
berzuftellen.. So fam das Evict von Nantes zu Stande, 
deſſen inregiftrirung Heinrich IV. ungeadtet des Wir - 
beritanded der Parlamente und des Klerus  butd» 
ſetzte. Dem Berfaffer erfcheint dieſer von Heinrich IV. 
den Hugenotten aus wohlwollender Abfiht, und um mit 
ihnen einmal abzufommen , ertheilter Friedensvertrag für 
deren Sache als nadjtbeilig. Dur denſelben follte ble 
anormale , unheilvolle Etelung der Hugenotten freilich 
nad ihrem eigenen Berlangen verewigt werden. „Die 
Keformirten wurden nun recht eigentlih von Ctaató unb 
fjbrigfeitó wegen als ein Etaat im Staate conftituirt, 
auf die Gefchäfte ber Politif, des Krieges, der Admini⸗ 
ftration in allen ihren Zweigen angewiefen. Sie hatten 
Truppen zu unterhalten, Geftungen zu bewachen, Gerichte 
zu beftellen, Unterhandlungen zu pflegen, ble Ausführung 
^ eineó. verwidelten Vertrags zu überwachen; unb fo enge 
wurden alle viefe Thätigkeiten mit ihren geiftlichen Inte⸗ 
reffen verfnüpft, daß der ganze Beſtand der Gemeinfchaft 
von nun an an der Behanptung der zugewieſenen politi; 
Then Stellung hieng. So war ed unvermeiblih,, daß 
die Aufmerffamfeit ber Gemeinden von dem innern, gel 
ftigen Aufbau zum großen Theile abgezogen wurde und 


Φ 


610 Stähelin, brc Uebertritt König Heinrichs Iv. von Wrontreld c. 


der Berftärfung oder Aufrechthallung der dnpem C€dup 
wehren fid zuwendete, daß das Mittel zum Zwede zu 
werden drohte, die Nebenfache zur Hauptangelegenheit.“ 
(&. 759. f.) p ὁ | Mem s 

Das Gbift von Rantes [εἰ fomit ganz dazu anges 
than gewefen, ven franzöfiihen Proteftantismus um feinen 
eigentlichen Herzſchlag zu bringen, fein inneres wahres 
Leben zu etdrücken unter ver Saft der frembartigen aͤußern 
Aufgabe , und eben dadurch ben. Feinden gebunden in bie 
Hände zu Tiefen, daß es ihn bis an die Zähne bewaffnet 
' fatte, um ihnen widerſtehen zu können. Die größte 
Wohlthat, die bem evangeliſchen Sefenntnife in Sant; 
reich widerfahren, εἰ daher nicht der Grla des Eokets, 
ſondern deſſen Aufhebung (durch Ludwig XIV.) geweſen; 
ven nun felen die irdifchen Intereſſen bei Seite, vie 
sein geiftigen in ben. Vordergrund getreten und durch eine 
blutige Suͤhnung der niederdrückende Fluch von ihm wieder 
—— worden. 

Hier ſchließt das Beh, Wir Haben im Allgemeinen 
veften Anhalt mitgetheilt. "Der Standpunkt nes Verfaſſers 
iſt ἀπὸ den beigebrachten, zum Theil wörtlichen Auszügen 
zu erkennen. Leber: Einzeines mit Ihm zu: rechten, tft hier 
nit ver Ort. Ber. fir tiefen wichtigen {πε΄ nicht 
ploß ber Sranzöfifchen Geſchichte (ὦ intereſſirt, wird αὐ 
bem Buche viele Belehrung: ſchöpfen, wenn er qu ver 
Lektüre deſſelben die nöthigen Borkenntnifie und ein: ges 
wu —— MUN 

e E Beifyar. 


Abel, Kaifer Otto ΙΝ. δῦ König Friedrich I. 617 


i “Ὶ 


2. ἢ 


Raifer ©tto IV. und König Sriedrich 1I. (1208— 1212). 
Aus beni Nachlaſſe von Dr. Otto Abel, weiland Privat: 

^" tocnt ber Geſchichte in Bonn. Cine Fortſetzung von 
u „König Philipp der SGobenftaufe^ von demfelben Ber: 
Τὰ faſſer. Berlin 1856. Verlag von W. $e. VIII. 144 e | 
Gr. 85, Pr. 1 ft 21 f. 


Se Vexfaſſer —— Schrift, et ‚Sen ner 
protetantiféjen. Pfatrers zu Klofter Reichenbach auf vem 
' wöürttembergifhen Schwarzwald , ift mitten in feiner, bet 
ftoriihen Wiſſenſchaft gewidmeten Thaätigkeit im October 
4854. von. bem obe ereilt worden. Zur Hauptaufgabe 
“feines ‚Lebens hatte er. (id) gemacht, eine Geſchichte ὅδ Ὁ  ε d⸗ 
11d) 8. II. auszuarbeiten. Als Einleitung zu verfeiben ſollte 
die in J. 1852 erſchienene Schrift: „König Philipy 
vot Schwaben” dienen, welche von uns feiner Zeit ἐπ 
dieſer Zeitſchrift beſprochen worden iſt. Gin Theil: dieſes 
beabſichtigten Hauptwerkes nun, welches ſich unmittelbar 
an bie Oeſchichte Philipps anſchließt, bat ſich in dem Ras 
laſſe vos Verſtorbenen vorgefunden. Mit der Herausgabe 
vdeſſelben wurde H. Wegele von: ber Familie des Ber 
ſtorbenen betraut, und er legt: nun dieſelbe unverandert, 
ohne ale und jede Zuthat, dem Publicum vor. Der 
Herausgeber zollt in dem Vorworte dem: VWorſtorbenen 
großes Loh; er dürfe es ohne Uebertreibung behaupten, 
feit Pappenkordis allzu frühem Tode Babe bie Muſe vet 
Geſchichte keinen fo ſchweren Verkauft: an einer friſch se 
firebenten Kraft, wie in. biefem Falle erlitten. 

Auch wit geſtahen demſelben gründliche Forſchung, 


618 Abel, 


tüchtige Beherrſchung des Stoffes und lebendige, anziehende 
Darftelung zu; fünnen und aber nicht verhehlen, daß feine 
einfeitig gibellinijde Auffafjung der Berhältniffe und Ber 
fonen, welche fid) in deſſen erfter Echrift bereits entſchieden 
fund gibt, feither zu einer gerabezu feindfeligen Gefinnung 
gegen Kirche unb Papftthum fortgefchritten ift. Zeuge bie 
von ift befonders feine Echrift: „Die Legende vom Heil. 
Sobann von Nepomuk.” Eine gefhichtlihe Abhand⸗ 
lung aus beffen 9tadjía , welde an Gehäffigfeit gegen 
das Katholiſche Ihresgleihen fudjt. Auch aus vorliegen; 
bem Abſchnitte ver Geſchichte Friedrichs IL. ift abzunehmen, 
was für ein Geifle&probuct von ihm zu erwarten gewefen 
wäre, wäre ihm deſſen Vollendung vergönnt worben. Ders 
{εἴθε beginnt mit einer Darftelung der Berhältniffe in 
Deutſchland nah Philipps gewaltfamen Tode. Otto IV. 
wurde nun urplößlich durch letzteres Greignig aud tieffter 
Erniedrigung, nadjbem ihn bereitö feine treneften Anhänger, 
darunter Erzbifchof Adolph von Köln, weicher feine Gre: 
bung hauptfächlich betrieben hatte, unb fein eigener Bruder 
Pfalzgraf Heinrich, verlaffen, emporgeboben, fo taf fid) auf 
einmal die einander fo feindfellg gegenübergeftandenen 
Pateien um ihn fammelten. — Ueber den unmittelbar 
nad) feiner Saiferfrónung eingetretenen Bruch Otto'é TV. 
mit bem Bapfte urtheilt ber Berf. (S. 57 ff.) alfo: bie 
Befignahme ted Kirchenftaats und der Mathildiſchen Lande, 
die Eröffnung ber Feindſeligkeiten gegen König Friedrich 
von Cicillen, Otto’d ganzes Thun feit feiner Krönung, 
fei, das [affe ſich nicht verhehlen, ein fortlaufenber Meineiv 
gewefen. Und tod) werde man mit diefem Verdammungs⸗ 
fpruche fein Urtheil über des Kaifers Thun nod nidt abs 
ſchließen dürfen, ſondern zugeftehen müffen, taf neben bem 





Kater Dtto IV. und König Friedrich II. 619 


Moraliften and der Hiftorifer eine Stimme habe, ber die 
Cadje nicht als eine rein perfönliche vom abftracten Stand⸗ 
punct des Sittengefeges auffaſſe, fondern aus ber Fülle tec 
gegebenen Berhältniffe ihre Erklärung judje, vielleicht ihre 
Entfhuldigung finde. Die wahre Schuld Otto's liege nicht 
fowohl in bem Bruch, als in ber eiftung feines Schwurs; 
fie fei entfprungen bem erften großen Behltritt feines polis 
tiihen Lebens, als er fi dazu hergegeben, ben Gegenfonig 
jt fpielen. Was ihm damals ald einem unerfahrenen 
Reuling nodj hingehen mochte, das habe fid) zu fehwerer 
Berfündigung an feinem Fföniglichen Berufe gefteigert, als 
er nach Philipps Tode, wo er frei und feft bageftanben 
im Reich, die Krüden nicht weit von fid) geworfen, bie ihn 
bid dahin hatten ftügen und tragen müflen, als er nicht 
ben Muth gehabt, das Mißtrauen unb bie Feindſchaft des 
Papſtes πο vor ber Erlangung der faijerfrone zu weden. 
Auch wir (timmen mit bem Berf. überein, wenn er weiters 
bin bemerft, der Schlüffel für Ottos ganzes Thun liege 
barin, daß er nicht eine befiegte Partei aufgenommen, fons 
bern einer flegreichen, (der gibellinifhen) fid angeſchloſſen 
und deren politifhe Grundfäge und Abfichten fid) angeeignet 
habe. Aber mit Recht fann man fagen : hätte nicht Otto IV. 
bem Drängen der gibellinifhen Ctaatémànner in feinem 
Rathe gerade baburd) Einhalt thun und eine auf der Einig- 
feit mit bem päpftlichen Stuhle hinziehende Politik feftalten 
können, daß er fie darauf hinwies, εὖ fel ihm durch wiebers 
holte felerfide Eide verwehrt, auf ber von ben Hohenftaufen 
betretenen Bahn weiter zu wanden? — ©. 61 ff. wird 
bie Lage Unteritalieng, feit. Heinrichs VL Tode fíat und 
anſchaulich gefdjilbert, forie aud die Jugendzeit Friedrichs, 
melde er mitten im gráulid)ften Parteikampfe zubracte, 


620 Abel; Kaifer Otto IV. unb. König Friedrich IL 


„Da lernte Friedrich fdjon in jungen Jahren, daß er auf fid 
ſelbſt geftelit jet, Niemanben trauen könne. In einem Alter, 
wo der. Menfch Fonft. noch in zufriebener linbefangenfelt 
und Abhängigfeit dahin lebt, hatte er bereits Selbftändig⸗ 
féit. im Denten und Handeln, berechnende Klugheit unb 
eine feltene Menſchenkenniniß fi angeeignet. Freilich 
fonnten andj die Schattenfeiten nicht ausbleiben: dieſe 
Menſchenkenntniß wurde oft zur Menſchenverachtung, bie 
Gelbftánbigleit. zur Selbſtſucht und. Geringſchätzung befjeu, 
was für Andere ein: gebeiligted Auſehen hatte, zu ber eins 
Sachen Klugheit gefellte (id) giftigfeit und. die Kunſt ber 
Verſtellung; über bad ganze Weſen des inngen Fürften, 
bem nie ein warmes, theilnchmendes Herz entgegengeichlagen 
hatte, ‚verbreitete ſich Thon Frühe eine eifige Kälte, bie nie 
mehr von ifm. gevoidyen umd ‚nur in einzelnen. Kälfen durch 
heftige, aus ben. Tiefen der Seele fommenbe Gefühldergüfie 
vorübergehend: gebrochen worden i^ .(9..87 f) Es 
folgt ſodann eine Schlinerung des Verhaͤltniſſes des jungen 
Königs. zu Dentſchland, tem Papft und Philipp Auguf 
von Wraufreid), mit weichen fury vor Friedrichs feierlicher 
Wahl zu Wranffurt und Krönung zu Mainz ein wichtiges 
Bündniß zu Stande kam. So weit reidst vorliegende Schrift. 


Dr. Briſchar. 


Photii liber de Spir. s. mystagogie ed. Hergenr. 621 
3. 


Qoría Πατριάρχα λόγος περὶ τῆς v8 ayla πνεύματος 
μυσταγωγίας. Photii Constantinopolitani liber de Spi- 
ritus sancli mystagogia , quem notis variis illustretum ac 
theologicae crisi subjectum nunc primum edidit J. Hergen- 
röther, S. Theol. Doctor ejusdemque in Wirceburgensi lit. 
Universitate Professor P. O. Ratisbonae, MDCCCLVII. 
Sumptus fecit G. J. Manz. XXXVI et 337 pp. Oct. maj. 
Br. 4 fl. 48 fr. 


Jeder Gebanfe an bie unfelige Trennung der griechi⸗ 
iden von ber fateini[fen Kirche ruft und ben Namen 
Photius ins Gebádjtnig, denn er war οὖ ja, ber ben bisher 
nur nebelartig da und dort umherziefenven Irrthum wegen 
des hi. Geiftes zu einer ſchweren diden Wolfe verfeftigte, 
bie feitbent den Himmel der griedjijen Kirche verfinftert. 
Acht Jahrhunderte fang waren hauptfächli die griechifchen 
Stämme bie Träger des chriftlichen Lebens und bet drift; 
lichen Wiſſenſchaft; die erhabenften theologifchen Probleme, 
bie größten bogmatijden Fragen toutben unter ihnen anges ἢ 
regt und buch fie gelöst, und es glängte unter ihnen 
weitaus die Mehrzahl der frömmften und geiftreichften 
Väter. Aber feit Photius muß bie griechifche Kirche mit 
dem Pſalmiſten (43, 20) ansrufen: cooperuit nos umbra 
mortis. Die εἰπῇ fo berrlihe Blüthe i(t verſchwunden, 
das Leben erftarrt, der Born ber Wiſſenſchaft verfiegt. 
Gerade jet find εὖ taufend Jahre, bag Photius, auf bem 
bie erfte und größte Schuld von alle bem laftet, ven erzbis 
ſchöflichen Stuhl von Conſtantinopel beftieg; groß an Geiſt 
unb Gelebrjamfeit, aber noch größer an Verkehrtheit des 
Willens. Zeuge des Einen wie bes Andern find feine 

Tpeol. Ouartalſchrift. 1857. IV. Heft. 4 





622 Pheotii hber de fou. =. mpstegugin 


yabfreidhen, grefentbriló ned, verbuntenen Cjrifürm, von 
benen mande gerate tie Berfefligung ter Irtichte in Be 
treff te6 BL Geines zu ihrem Gegenſtande baben: temm jo 
lange et lebte, wurte er nidt müte, fein vermeintliches 
Dogma immer aufd Reue, wenn and mit tenjelten Eos 
phismen, jo bod in neuen Worten mnt Wendungen zu 
vertheitigen unb das Filioque ter Lateiner zu befümpfen. 
Die widtigfte unter allen Schriften, worin er tieß gethan, 
ift die vorliegende, und gerate fie hatte das Schickſal, bie 
ber faft unbefannt in Bibliothefen verborgen zu liegen. 
Der Erſte, ver tiefer Schrift bed Photins erwähnte und 
harand Manches in feine eigenen Bader aufnahm, war 
Der gelchrte Grieche Leo Allatius; neuerdings aber fand 
fie Angelo Mai in mehreren Handſchriften der vatifa 
nifdyen Bibliothef, und gab baven ziemlih ausführliche 
Beſchreibung, fam aber bod) nicht dazu, aud) ven Gert un6 
mitzutheilen, und Dezennien vergingen wieder, bis fd 
Prof. Hergenrötber in Würzburg das Berdienft erwarb, 
im Borliegenden uns die ere Ausgabe einer für bie 
Dogmatif und Kirchengeſchichte fo wichtigen Schrift bau 
bieten. 

Er benüste zu dieſer editio princeps drei Codices: 
einen Mündner and bem 15. oder 16. Jahundert, ber 
jebed) nicht das Ganze enthielt, und zwei Batifanifche aus 
bem 13. Jahrhundert. Den Münchner copirte er qſelbſt, 
wie er verfihert, aufs Gewiſſenhafteſte, die beiden andern 
aber conferirten für ihn einige gelehrte zu Rom wobnenbe 
Srennde. Die beiden vatifanifhen Handſchriften geben das 
Werk volifiánbig, and imeen unser fid) {εὖτ genau übers 
ein, während tie jüngere Muͤnchner mande Abweichungen 
darbietet. Hergenröther folgte Hauptjächlich dem einen vati⸗ 





ied. Hergenröther. 623 


laniſchen, Nr. 1923. Gines nod) ülteren Codex, ber ſich 
ebenfalld in ber Vaticana befinde (Codex Golummensis 
XXXVIII), Hatte fon Angelo Mai erwähnt, aber man 
fonnte ihn, ba Mai beffen Nummer nicht augab, nidt for 
gleich :wieber .auffinben und entdeckte ihn erſt, als her Druck 
diefer Ausgabe ſchon fehr weit vorgeſchritten war. $e 
genröther fonnte ihn barum nur mehr bei wenigen Kapiteln 
unmittelbar benügen, :verfäumte jebod) nicht, bie zahlreichen 
Barianten, bie derſelbe gab, sin einer beſondern Tadelle 
mitzuthellen, und noticte darunter jene mit einem Stern⸗ 
den, welche den Vorzug ‚vor dem aufgenommenen Texte zu 
verdienen fdjienen. Ein fünfter Gober, ebenfalls vatifanijd), 
. nd zwar ‚Oltobon. XXVII, der auch nod) aufgefunden wurde, 
ſtimmt mit dem Maänchner vollſaändig üben und gewährte 
darım für bie Tertescritik keine weitere Ausbeute. 
Photius betitelte bie vorliegende Schrift λόγος περὶ 
τῆς a8 ale πρρήμαεφς μυσεαγωγέας, Ὁ. ἢ. Abhandlung 
zur (infülfrusg:in das Dogma (Myferium, Geheimlehre) 
vom HI. Geifte. SHergenröther zerlegte dieſelbe bem Inhalte 
nach in 96 Paxagraphen, fügte aber am Rande nad, eine 
anbere in einem yatikaniſchan Bader vargefundene Abthei 
lung mit griechiſchen Zahlzeichen bei. In den vielen bem 
Terte untexftellten Noten ſammelte er tpeiló ‚vie bezüglichen 
in andern Werken des Photius vorfommenben Parallels 
ftellen, theils die von alten Autoren aus der vorliegenden 
Schrift entlehnten Gitate, und aud wo von Andern bie 
Worte und Argumente des Photius nur theilweife recipirt 
ober freier nachgebildet waren, follten and) dieſe nicht fehlen. 
Eine lateiniſche Ueberſetzung theilte er nicht mit, und ſucht 
diefe Unterlaſſung durch vie Angabe μι rechtfertigen, daß 
lateini[dje Weberfegungen griechiiher Autoren überhaupt 
41 * 


624 Photii liber de Spit. s. mystagogia 


fiberflüffig felen unb von ben Gelehrten nicht gerne gefeben 
würden. Man kann zweifeln, ob das Eine unb Andere 
wahr ift, zumal bei den vielen fchwierigen Stellen, melde 
das vorliegende Werk bietet, und wo eine gelungene Ueber⸗ 
fegung zugleih eregetifchen Werth gehabt hätte; aber 
auffallend ift εὖ, wenn ber Heraudgeber da, wo ältere 
Gelebrte bereits ble eine oder andere Stelle aus unferem 
Buche ins Lateinifche überfegt hatten, dieſe Bruchftüde 
mittheilt und nicht auch fie für überflüjfig Diet. Daß 
letztere Ueberfegungsfragmente Anderer ftets einen befon, 
deren, etwa fritifdoen Werth haben, wird Niemand be; 
haupten. | 

Mehr als bie Hälfte des Raums verwendete H. et; 
genröther zu animadversiones historicae et theologicae, 
die zur illustratio et refutetio vet Photiusfchen Lehre unb 
Argumente dienen foliten. Diefe große theologiſche Abhand⸗ 
lung zerfällt in 4 Paragraphen: 1) Photii liber univer- 
sim expenditur et illustratur p. 123—144; 2) Argumenta 
ex auctoritate utrimque (von Photius unb feinen Gegnern) 
petita, quae potiora sunt, examini subjiciuntur p. 145—216; 
3) considerantur principia theologica a Photio propugnata 
p. 216—267; 4) ad praecipua Photii sophismata variorum 
Theologorum responsa proponuntur p. 267—332. Diefe 
vier Difjertationen, wie wir fie nennen fónnen, bieten 
mandes für ble Sogmengefdjigte febr Interefjante bar, 
aber hätten wohl eher Theile einer befonderen Monographie 
über Photius, als Anhang zu tiefer einzelnen Schrift beg; 
felben fein follen. Es find darin j. 88. in langer Reihe 
ble verjehlevenen Entgegnungen gefammelt und aufgeführt, 
womit die Alten, von den Zeitgenofien des Photius an, 
defien Sophismen gegen das Filioque befämpft Baben. 


ed. Hergenröther. 625 


Dabei wollte H. Hergenröther vorherrfchend nur Fremdes 
geben, und auf eine eigene eingänglie Kritik und Unter 
fuchung ber dogmatifchen Etreitfrage um fo mehr verzichten, 
als er bereits feit Jahren an einem größeren Werfe über 
Photius arbeitet. So intereffant und übrigens ble Bier 
[don gegebenen vier Differtationen waren, fo hätten wir 
bod) eine beijere Diathefe des darin befanbelten Stoffes, 
namentlich nähere Zufammenftellung des logiſch Zufammens 
gehörigen gewünfcht, während jegt Manches gar zu febr 
auseinander geriffen, Anderes wiederholt bejproden 
ericheint. 

Nicht unverbienftlid) ift, daß Hergenröther aud) eine 
andere bem Photius zugefchriebene Heine Schrift über das⸗ 
{εἶδε Thema (Ausgang des hi. Geifle aus tem Vater 
allein) von p. 113—120 mittheilt, da fie bisher nur ein, 
mal unb zwar nur in ber Außerft feltenen, im J. 1710 
in ber Walachei gedrudten Panoplia des Euthymius Ziga- 
benus veröffentlicht wurde. Bedenken gegen vie Nechtheit 
diefes Opusculums hatte [don Leo Allatius auégefprodjen, 
und Hergenröther glaubt, Jeder werde fie theilen, ber dieß 
Büchlein mit der und vorliegenden Myftagogie des Photius 
vergleiche. Deßungeachtet will er bod) nicht entgültig ent⸗ 
heiten und die Möglichkeit offen laffen, daß wenigftens 
die erften 13 Kapitel von Photius ſelbſt herrühren mit 
Ausnahme einer einzigen interpolirten Etele in Kap. 12. 
Bei diefer Gelegenheit berichtigt er aud ten Irrthum 
mehrerer Literarhiftorifer, daß bie genannte Panoplia des 
Euthymius Zigabenus aud) von Matthäi zu Leipzig im 
Fahr 1792 edirt worden fel (p. XX), und ebenfo zeigt er 
p. XII, daß tie bisherige Annahme, als habe Photius 
ein befonvered Buch κατὰ ““ατίνων über ven bL. Geift bes 


628) Ginzel, 


ginhenis mit: ben Worten: zig ὅλως ovdSyouo cum ἐν 
Χριστιανοῖς τελάντων. ὀπὺ τῆς. ἁγίας spuddog δύο sigu- 
em οὔτια geichrieben: habe, irrig, und daß diefer angebe 
fide Traftat nur ein Bruchſtück and feiner epist. 2 οὐ 
batinos (ed. Londin. p. 51 sqq.) fei, tem einige anbexe 
Fragmente ans Photius angehängt worden. 


Hefele. 


Be rro ctc trdbs accanto 


4. 


fjanbbud) des neueflen in Orflerreid) geltenden Kirhen- 
rechtes. Für den practiihen Gebrauch bearbeitet von Dr. 
Iofeph Auguffin Ginzel, Ehrendomherrn, Confiſtorial⸗ 
und Ehegerichtsrathe, Vertheidiger der Ehe, Profeffor der 
Kirchengeſchichte und be8 Kirchenrechtes an der theologiichen 
Lehranftalt zu Leitmerig. Erfler Band. Prolegomena 
und Berfaffungsrecht der Kirche. Wien 1857. Wilhelm 
' Braumüller. VI. und 390 Ὁ. — Preis 3 fl. 30 fr. 


Der H. Berfaffer beabfichtigt bei Herausgabe bes vors 
liegenden Werfes eine Darftelung des gefammten, jest 
in Oeſterreich geltenden Kicchenreihts, Ὁ. b. ved gemeinen 
Rechts unter Beifügung bevjenigen Modifiscationen, 
bie daſſelbe in Defterreih erlitten hat. €. VI u. 3 — 

Wenn: wir εὖ [dom an. fid als ein verdienſtliches 
Unternehmen bezeichnen müffen, bei dem lebhaften Interefie, 
weiches gegenwärtig in Oeſtereich dem Studium des Kirchen⸗ 
rechtes zugewendet wird, unb bei ben mannigfaden Schwie⸗ 
vigkeiten, bie ber Ausführung des Goncorbateó fid) entgegene. 
ftehten nnb nod entgegenfiellen mögen, eine jujammem 


Handbuch des γε, Kirchenrechtes. 627 


hängenve und überfichtliche Darlegung. aller Rechtönormen 
zu geben, weld theild als Beftandtheile der allgemeinen 
Gejeggebung, theils in Folge befonbern. lebereinfommené 
und fpecieller Privilegien im Kaiferflante bereitö Geltung 
baben ober dieſe erft erlangen follen, fo gfagben. wir auch 
bie: Deberzeilgung anöfprechen zu tiefen, daß dx H: θεῖν 
faffer. diefe Aufgabe, ſoweit ber vorliegende erfte Band: 
urtheilen laßt, glüdlid) gelöst babe und daß feine. Arbeit 
ſowohl den kirchlichen Vorgeſetzten in Deflerreih, als aud) 
ihren Untergebenen für Begründung uut: Buchführung 
ber neuer Rechtsordnung ven bem mannigfaltigſten Nutzen 
fein werde. 

Was in erfter Linie die Darftellung des gemeinen. 
Rechts betrifft, fo ift diefelbe durchaus einfach, Mar und 
präcis, bei jebem einzelnen Punkte werden vie. betreffen- 
ben Beweifesftellen aus ben firhliden Gefegen aufgeführt 
und bte einfchlägige: ältere und neuere Literatur forgfältig 
namhaft gemacht. Die Grundzüge der Kirchenverfaſſung 
find überall deutlich auseinandergeſetzt und Ihe organifiher 
Zufammenhang febr gut aufgezeigt. Bel: ven Hauptmo⸗ 
menten derfelden werden die erften bevettó vom Serv ſelbſt 
gegebenen Anfänge aus ver Bl. Schrift nachgewieſen und 
ſodann unter Anfühuung weniger, aber immer treffender 
Bäterftellen dargethan, daß ble betreffende Sinftitution iut 
Bewußtſein tor. Kirche immer fortgelebt Habe in ber Komm; 
welde vie Schrift enthält unt: welde, nur ventlicher ente 
wickelt, nod heute beſteht. Wir führen: zur nähern Gus 
laͤuterung einige Beripiele an. Nachdem bet Berfafjer Ὁ. 82 
ans ber Erik dargethan, daß ber Herr das‘ Apeftefamt 
für alle Zeiten. eingefegt und gewollt habe, daß bie 
den Apofteln verliehene Gewalt durch lleberttagung auf 


628 Gin, 


Andere fortgepflangt werde, wie dieß aud) wirklich Durch tle 
Apoftel mittelft Händeauflegung gefchehen fel, führt er zum 
Beweiſe, vaß die gleihe Anihauung und Praris aud in 
ber unmittelbar nachfolgenden Zeit beftanben habe, vie Stelle 
aus bem erften Briefe des Hi. Clemens an tie Eorin- 
thier c. 44 an: „Apostoli quoque nostri per Jesum Chri- 
stum Dominum nostrum cognoverunt, contentionem de no- 
mine Episcopatus oborituram; ob eam ergo causam, per- 
fecta praescientia praediti, constituerunt praedictos ac 
deinceps ordinationem dederunt, ut, quum illi decessissent, 
ministerium eorum alii viri probati exciperent.^ — Für 
die auf Schriftftelen gegründete Behauptung, daß der gris 
mat bed Petrus den Zwed habe, die Einheit in ver Kirche 
zu wahren, unb daß ber bl. Stuhl immer unter biefem 
Gefidjtépunfte betrachtet worben fei, verweist ber Verfaſſer 
€. 96 f. auf Optatus von Mileve und auf ben bl. 
Hieronymus: „Opfatus Milevit. 1. 2. contra Parmenia- 
num: Negare non potes, scire te, in urbe Roma Petro 
primo episcopalem cathedram esse collatam, in qua sederit 
omnium apostolorum caput Petrus, unde et Cephas appel- 
latus est, in qua una cathedra unitas ab omnibus ser- 
varelur, ne ceteri apostoli singulas sibi quisque defende- 
rent: ui jam schismaticus esset el peccator, qui contra 
singularem calhedram alteram collocare. — Hieronymus 
adv. Jovinianum |. 1. c. 14: At dicis, super Petrum fun- 
datur ecclesia; licet id ipsum alio in loco super omnes 
apostolos fiat, οἱ cuncti claves regni coelorum accipiant, 
el ex aequo super eos ecclesiae fortitudo solidelur; 
iamen propterea inter duodecim unus eligitur, «f capite 
constituto schismatis tollatur occasio.^ — Ebenfo wird 
€. 145 au$ der Schrift dargethan, daß Staat und Kirche 


Handbuch be8 ac. Kirchenrechtes. 629 


ſelbſtſtaͤndig neben einander beftehen, mithin feine bet 
beiden Auctoritäten in das Rechtsgebiet der andern will- 
fürlih eingreifen bürfe; tiefe Auffaffung ve8 Berhälts 
nifjes von Kirche und Staat fel nicht nur in ber Natur 
der Sache begründet, fondern aud) fdon in ber alten 
Kirche practiſch anerkannt gewefen. 918. Zeuge wird 
Hofius genannt, welcher ad Imperatorem Constantium 
fagt: „Ne te rebus misceas ecclesiasticis, neu nobis his 
de rebus praecepta mandes, sed a nobis potius hsec edis- 
cas. Tibi Deus imperium tradidit, nobis ecclesiastica con- 
credidit. Ac quemadmodum qui tibi imperium subripit, 
Deo ordinanti repugnat, ita melue ne si ad te ecclesia- 
stica pertrahas, magni criminis reus fias: Reddite, scrip- 
tum est, quae sunt Caesaris, Caesari, et quae suni Dei, 
Deo. Neque nobis igitur terrae imperare licet, neque tu 
adolendi habes. potestatem.^ — Derartige furze, aber fig; 
nificante Ausfprüche ter erften Kirche find burdj das ganze 
Werf in großer Anzahl namhaft gemacht: wir übergehen 
bie übrigen, aber fchon aus den angeführten mag erfichtlich 
fein, in welch treffender Weile baburd) die Grunb[ápe des 
beftehenden Kirchenrechtes dem SBerftánbnifje nahe ge: 
tüdt, die Anerfennung ihrer Wahrheit und göttlichen Bes 
rechtigung direct vermittelt wird. — 

Mit der gleichen Sorgfalt hat ber H. Verfaſſer eine 
Reihe neuerer Ausſprüche des heiligen Stuhles 
über einzelne Lehren des Kirchenrechts gefammelt unb an 
den betreffenden Stellen eingefügt: andy dieß ift in hohem 
Grabe geeignet, die Grundfäge der Firdlichen Disciplin 
flar zu machen und über mandje früher weniger erörterte 
Frage das rechte Licht zu verbreiten. So wird ©. 91 ἢ 
der Gag ausgeführt, daß alle Apoftel dem Petrus ale 


020 ᾿ Ginzel, 


ihrem gemeinſamen Haupte untergeordnet geweſen und daß 
and Paulus dieſes Verhaäͤlmiß anerfannt: habe: Dabei 
flebt die erläuternde Bemerkung: „Der Say, weldher vie 
gleiche Stellung der Apoftelfürften Petrus und Paulus in 
bem Negimente ber Kirche behanptet unb die Unterordnung 
des Leptern unter Petrus laͤugnet, ift durch Papſt Innos 
cenz X.. kraft. folgenden Deereted der B. Gongregation S. 
Officii ober. Inquisitienis. vom 29. Januar 1674 ale häre- 
tifich erklärt. worden: Sanclissimus, releta unagimi theo- 
logorum: ad: hoc. speoialiter deputatorum: oensura οἱ; audilis 
votis. eminentissimorum: ei.reverendissimorum DD. Cardina- 
linm. Genenalum Inquisitorum , propositionem hane: S. 
Petrus et: S. Paulus sunt duo Eoclesiae prineipes qui uni- 
cum efficiunt, vel: sunt. duo Ecclesiae catholicae coryphaei ἢ 
ac supremi duces summa inier se unilate. conjuncli vel: 
geminus universalis Ecclesiae veriex qui in unum diwinis- 
sime Coaluerunt, vel: sunt duo Ecclesise summi pastores 
ac praesides qui. unicum eaput constituunt, ita explicatam, 
ut. ponat omnimodam aequalitatem inter S. Petrum. el 8. 
Peulum sine subordinatione et subjectione S. Pauli ad 
S. Petrum in potestate suprema ei regimine universalis 
Ecclesiae, haereticam censuit et deeleravit^ — Die 
fBebauptung, daß ber Curiébiction ver Kirche nicht nur 
ihre wirklichen Mitglieder untermorfen felen, fonberm aud) 
bie gültig getauften Häretifer, Schismatifer unb 
Apoftaten, wird ©. 103 durch einen Ausſpruch "Bes 
nedicto XIV. unterftügt, welcher fi in feinem Breve Sin- 
gulari. Ὁ. 9. Webxuac 1749, & 13. 14. vorfindet: „Com- 
pertum est, eum, qui baptisma. ab haerelico rite suscepit, 
ilius vi ecelesiae catholicae membrum effici. Exploratum 
habemus, ab haereticis baptizatos, si ad eam aetatem ve- 


Handbuch des a. Archenrechtes. 631 


nerint, in.qua. bona. a malis dispioere per se possint, atque 
erroribus baptizantis adhaereant, illos quidem ab ecclesime- 
unitate repelli, iisqne bonis. orbari omnibus, quibus fruun- 
tur in ecolesia versantes; non iamen ab ejus auciorilate: 
et legibus liberari.^ — 

Wie ber H. Verf. wiederholt bemerft, ift bad vorliegende 
Handbuch des Kirchenrechts hauptſaͤchlich für ben practi 
[den Gebrauch begimmt. In ganz richtiger Erwägung, 
dieſes Zweckes hat er. vie einzelnen Materien bis ind Speciellſte 
verarbeitet und zur Beantwortung deumannigfachen, [τ prac 
tiſche Leben oft. jo wichtigen Detailfragen eine Menge von 
Entſcheid ungen der Congregatio Concilii angeführt, bie er 
theils ummittelbar tenu Thesaurus: Resolutionum, theils ver: 
SRidyer [den Ausgabe des. Triventinumd, theild ben Werken 
von. Benebict XIV.,, Ferraris und Barbofa, theild tem von 
ibm felbft herausgegebenen. „Archiv für Kirchengeſchichte und 
Kirchenrecht“ entnommen hat. Beſonders bemerkenswerth 
in. dieſer Richtung iff die Lehre von ben Jurisdictionsrechten 
ber niebern. Praͤlaten €. 360 ff. weldje fih faf. ausſchließ⸗ 
(id) auf. Gntideibungen ber vómijd)en Congregationen grünbat, 
unb: mis einer Ausführlichkeit beBanbelt ift, wie. dieß unſeres 
Wiſſens nod, nirgends geſchehen ijt. — Außerdem hat bie 
mactiſche Brauchbavfeit. ned. Werkes auch baburd) fehr ger 
wonnen, daß ber Berfaffer zugleich bie neuern páyR. 
[iden Bullen forgfältig benüste, um: and: benjelben. 
für bie einzelnen Behauptungen die entjpred)eubeu Boweiſes⸗ 
fielen anführen zu fónnen, authentiihe Exflärungen, bie. 
jeven: weitern Zweifel unmöglich machen. Wir erlauben: 
und, aus vielen Beifpielen zur nähern Erläuterung ein 
einzige® anzuführen. S. 265 f. ift: gelegt, daß bie Biſchöfe, 
um von ihren Diöcejen länger alà drei Monate abweſend 


632 Ginzel, 


zu fein, die Gründe dafür dem Papfte vorzulegen haben, 
daß biefer fle gu prüfen unb nad Befund ber Gadje bie 
Gríanbnif zu ertheilen ober zu verweigern befugt ſei. Zur 
Begründung biefer nenern Praris ift die Bemerkung δεῖς 
gefügt: „Das Goncl von Trient hatte Sess. XXI. c. 1 
de ref. nebft bem Papfte aud; bem Metropoliten und in 
deſſen Abwefenheit tem. älteften refidirenden Suffragans 
bifchofe das Recht ber Approbation der gefeglichen Abmefen- 
heitögründe zuerkannt. Diefe Beftimmung ift burd) Papft 
Urban VIII Const. Sancta synodus vom 12. Der. 1634 
aufer Kraft gefegt worden, indem 6. 8 berfelben vie ®es 
währung dieſer Erlaubnig alein bem Papfte vorbehält: 
Ecclesiarum Praefectis (Patriarchis, Primatibus, Archiepis- 
'copis, Episcopis) injungimus ne ab eorum ecclesiis disce- 
dant, nisi prius obtenta nostra et Romani Pontificis pro 
tempore existentis per Breve seu literas missivas licentia. 
Zu einer bloß breimonatliden Abwefenheit bedarf ed aber 
feiner Erlaubniß — nad S. C. C. die 3. Febr. 1635: 
Requirentibus nonnullis Episcopis, S. C. habito prius verbo 
cum Sanctissimo Domino nostro respondit: per constitu- 
tionem super Episcoporum etiam S. R. E. Cardinalium 
residentia ab eodem S. D. N. nuper editam non fuisse 
sublatam facultatem ab eodem S. Concil. c. 1. Sess. XXIII 
de Ref. concessam, aequa ex causa abessendi aliquantisper 
ἃ residentia, dummodo absentiae spatium duos vel, ad 
summum ires menses non excedat.^ — Endlich find bei 
Fragen, über weld befonbere gefegliche  Gnt[djelbumgen 
nidjt vorliegen, für das practi[fje Verſtaͤndniß febr häufig 
ble 9leuferungen bewährter Ganoniften wörtlich angeführt, 
z. S. Benediet XIV, De synodo dioecesana, Reiffens 
fuel, Jus can. u. Andere. — j 





Handbuch be8 κς. Kirchenrechtes. 633 


Zur befondern Empfehlung gereicht dem Werke ver 
weitere Umſtand, daß aus bet neuern und neneften 
Kirchengeſchichte eine Menge von Thatſachen hervow 
gehoben werben, an melden bie allgemeinen Grunpfäge 
bes befiehenden Rechts factij zur Anwendung famen. 
Hiedurch wird nidt nur das Verftänpniß der erftern febr 
erleichtert, jondern dem Lefer auch unmittelbar nahegelegt, 
bag unb in meldet Weife tie alten Ganoneó nod) jebt 
Geltung und gefeglide Autorität haben. In dieſer Rich⸗ 
tung bemerkt der Verfaſſer S. 128 über vie National 
Goncilien : a) daß viefelben ohne befondere Bench, 
migung bes apoftolifhen Stuhles weder ausges 
fhrieben nod) abgehalten werben dürfen, unb b) daß, 
wenn bie Bifchöfe eines Reiches zu einer Primatle nicht 
vereinigt find, wie die Genehmigung, fo and) die Be 
tufung und der Vorfig auf bem Goncil bem Papfte 
zuſtehe, ein Recht, welches ter heilige Stuhl regelmäßig 
durch feinen Nuntind ober Legaten, und falls ein folder 
im Reiche nicht anweſend fei, durch einen ber betreffenden 
Biſchöfe ausüben laffe. Zum erfleren der genannten 
Punkte in als hiſtoriſche Erläuterung beigefügt: „Fran⸗ 
zoͤſiſche Bifchöfe richteten Enve Februar 1849 die Bitte 
an Se. Heiligkeit: Ad Sanctitatem Vestram concurrimus 
deprecantes ut Concilium plenarium tolius gentis galli- 
canae ordinare dignemini. Darauf antwortete Papſt 
Pius IX. unterm 17. Mai: Optime nostis Concilium ejus- 
modi absque apostolicae Sedis venia nec indici nec ha- 
beri posse. Diefelbe Antwort wurde ben zu Würzburg 
im November 1848 verfammelt gewefenen Bifchöfen, bie 
daffelbe Berlangen nad einem NationalsBoncil an €e. 
Heiligkeit ausgeſprochen hatten.“ Die zweite Behauptung 


634 Ginzel, 

wird durch die Bemerkung näher beleuchtet: „Deßhalb 
iſchrieb δὲν Exzbifihof von Paris au Ge. Heiligkeit: Bt 
nobis :quidem omnibus esset pergratissimum audire verbe 
quae procederent de labiis Vestris, et frui eloquiis quae 
procederent de ore Vestro: at si de .absentie Patris fore 
est ut filii doleant, saltem per Delegatum nobis in Con- 
cilio praesideatis. Und Pius IX. ermaͤchtigte auf bie 
von ben Biſchöfen Nordamerikas geftellte Bitte im Jahr 
1852 den Erzbiſchof von Baltimore, Dr. Kenrik, ein 
National⸗Concil nad) Baltimore zu berufen und "bemjelben 
ald Delegat:des heiligen Stuhles zu prüfibiven.^ — ©. 435 
wird erwähnt, daß swie Beſchlüſſe ber Provinzial-Synoden 
an :bie Congregatio Concilii zu dem Zwecke einer nähern 
Mrüfurfg einge(anbt werden müfjen usb daß nad geſche⸗ 
hener Revifion ber Cardinalpräfect fie zurüchihide unter 
Angabe derjenigen Munfte, Die ‚einer 9leuberung ober Ver⸗ 
befferung :bebürftig feien. Hiezu ift bemerft: „So ſchrieb 
4. 8. Garbinal Mai unterm 12. Aluguft 1850 an γε 
Metropoliten von Avignon: Caelerum si .quid minus 
accurate expressum wel aliquanlisper emendandum cen- 
seit Sacra Congregstio, id eliam SS. D. Nostro subjecit, 
proui perspieiet Ampli. Tua m folio signato A. Quae 
im :Bunodo super jejunio triduo Rogationum statela fuerunt 
de woto Bacrae .ÜCongregationis benigne confirmarit Banc- 
titus Sua, ut ex folio .B., quae iamen prorogandem «een- 
suit 'kosdemine “οἱ 'graduum conferendorum adpröbatio- 
nem, 'prout aliis Prewinsiarum  Archiepisqopis ;peseriptem 
fuit. Tandem sub folio C. reperiet Ampli. Tua nannul- 
los Sacrae .Scriptunae ac :SS. Patrum .textus suae fidei 
restitutos .utpale in capitibus Synodi non bene exscriptos 
ab Amanuensi, quorum correctionem curebis, antequam 


Handbuch des 1c. Kirchenrechtes. 639 


iypis Synodus ipsa mandelur.“ S. 139 bezeichnet ber 
(6. Berfaffer bie KRund machung und Durchführung 
bert Decrete des Provinzial-⸗Concils als tie 
Hauptaufgabe der Diöceſan⸗Synode, weßhalb es kirchliche 
Praxis ſei, daß jenes vor dieſer abgehalten werde. Um 
hiefür ein Beiſpiel aus der neueſten Geſchichte namhaft 
zu machen, wird aus dem Schreiben Pius IX. an den 
Cardinal Schwarzenberg und die Würzburger Ber 
ſammlung bie Stelle hervorgehoben: Opportunius 'et salu- 
tarius fore arbitramur, ut archiepiscopi provinciales sy- 
nodos primum habeant. Posimodum vero uliliori prorsus 
ralione dioecesanae synodi convocari poterunt, in qui- 
. bus unusquisque «episcopus ea cum suo clero ad exitum 
deducat, quae cum aliorum antistitum «consilio constituta 
el apostolicae sedis auctoritate fuerint corroborats.^ — 
Derartiger hiſtoriſcher Thatfachen enthält das Werf εἶπε 
{εὖτ große Anzahl: wir müffen die weitere Aufzählung 
berfelben hier unterlafien, :aber tad wird nicht in Abreve 
gezogen werden können, daß auf biefe Weile ble Lecture 
des Buches das mannigfaltigfte Interefje darbiete und bte 
jest lebende Kirchendisciplin dem Berftändniffe des Leſers 
viel näher gevidt werde, αἰ dieß durch bloße Zufammen- 
ftelung abftracter Rechtsögrundſätze hätte geſchehen fónnen. 

Meben dem gemeinen Rechte will ver H. Verfaſſer 
im vorliegenden Handbuche aud) bie Abweichungen und 
SX obificationen aufzeigen, welde das erftere in Defters 
reich erfahren Bat. Als Quellen biefeó ſpeciell öfters 
reihifhen Kirchenrechts werben S. 66 aufgeführt: 
1) Das Eoncordat. 2) „Iene Anordnungen bes 
apoftolifd en Stuhles, durch welche befondere Gegen; 
fände des kirchlichen Lebens in Defterreich geregelt werben, 


636 Gin, 


Eine [oíde erfloß im Jahre 1841 über bie Behandlung 
ber gemi[dten Ehen an ben Episcopat Ungarns unterm 
30. April, wie an die Erzbiſchöfe und Biſchöfe der deutſch⸗ 
öfterreichifchen Länder unterm 22. Mai.” 3) Die „Befug 
nifje ober Bacultáten, welde ver apoftoli(e Stuhl 
den Bifchöfen Oefterteid)ó herkömmlicher oder auferorbent 
lider Weife zur Führung des Kirchenregiments zu erteilen 
pflegt. Zu diefen herfömmlichen Facultäten gehören vie 
fogenannten Duinquennals und Triennals-Facul 
täten.” 4) Die „im Einklang mit ben Grundſätzen des 
Eoncorvates ſtehenden SBegimmungen des öfter 
reihifhen Episcopates zur Durdfübrung befjelben 
im Allgemeinen unb inóbefonbere des X. Artikels.“ 5) Die 
„Berordbnungen ber öfterreihifhen Staat 

tegierung zur Durdführung ver Seftimmungen des 
Goncorbatéó , foie überhaupt 9Berorbnungen berfelben zum 
Beften der Kirche, infofern (ie ben Ganonen überhaupt 
unb befonderd den Beftimmungen des Boncorbated gemäß 
find.” Die in tiejen Quellen enthaltenen Rechtsnormen 
find am geeigneten Orte den Grundſätzen bed gemeinen 
Rechts — als in Defterreih geltende Abweichungen und 
SRobificationen — vollftändig, Far und deutlich beigefügt; 
im Anhange ,Gober dee öſterreichiſchen Kirchenrechtes“ 
werben fie ihrem Wortlaute nad mitgeteilt. Wir 
zweifeln nicht, daß eine [olde Bearbeitung bed neueften 
öfterreichifchen Kirchenrechtes bem εἰ π 8 εἰ πα ἰ ᾧ ἐπ Clerus 
febr willfommen fein wird, aber and) bem Auswärtigen 
bietet fie bie mannigfaltigftien Mittel ver Belehrung dar, 
indem über eine Menge ſpeciell öfterreichifcher Verhältniſſe 
bejonbere Auffchlüffe gegeben werben, y. B. über bie Cnt; 
ſtehung und vedtlide Stellung des apoflolifhen Held 


Handbuch des o. Kirchenrechtes. 637 


vicariates und ber demſelben untergeorbneten Feldgeiſt⸗ 
lichkeit ©. 212 ff. und 343 ff., über das Hiflorifche und 
sechtliche Verhältnis des Metropolitanftuhles von Salz - 
burg zu ben Suffraganftühlen oon Gurt, Sedau unb 
avant €. 220 f., über ben Perfonalftand ber Doms 
capitel in Defterreih ©. 286, Über ven Gefchäftsfreis 
unb bie Zufammenfegung ver bifchöflichen Eonfiftorien 
und Gbegeridte ©. 309 ff. 

Wenn wir im Bisherigen viejenigen Momente bete 
vorgehoben haben, die bem Werke zur befonpern Empfeh⸗ 
lung dienen unb bajfelbe al& feft brauchbar erjdeinen 
lafjen, fo möge ed und nunmehr geftattet fein, aud) jene 
Punkte zu bezeichnen, die vielleicht einer Verbeſſerung ober 
genauen Darftelung fähig find. 

©. 110 ftelit der H.- Berfaffer die Behauptung auf, 
daß „der Ordo des Presbyters keineswegs ein unb bet» 
jelbe Ordo mit jenem des Biſchofs, [onbern biefem, αἱ 
dem höhern, untergeorpnet fel." Die berührte Frage ger 
hört zu den theologifchen Gontroverfen, und wir glauben 
nicht, bag bie gegebene Cnt[djeibung über allen Zweifel 
erhaben fel, denn aud) für bie entgegengefegte Anficht, 
wornach Presbyter und Bifhof den gleichen Ordo haben, 
Iprechen wichtige Gründe. 1) Der Presbyter ift jo gut 
als der Biſchof befähigt, das euchariſtiſche Opfer darzu⸗ 
bringen, aljo die höchſte unb heiligfte Function des Gacers 
betiumó auszuüben. 2) Das -Triventinum fennt nur 
fieben ordines, drei höhere und vier niebere — Sess, 
XXI. cap. 2. de sacram. ordinis. 3) Die alte Kirche 
verlangte für den Presbyterat daſſelbe Alter wie für 
ben Gpiécopat — dreißig Jahre. 4) Der Presbyter faun, 
ohne vorher die bifhöfliche Bonfecration empfangen zu 

Theol. Quartalſchrift. 1857. IV. Heft. 42 


638 Ginzel, 
haben, im Auftrage des Papfles das Sarrament bet Fir 
mung fpenden und wicht nur bie ordines minores, fonbern 
aud, wie bie ben Ciſterzienſer⸗Aebten ertheilten Privilegien 
beweifen, den Sabviaconat und Diaconat verldihen: εὖ 
muß alje ber Presbyter wenigftenó der innern Befä 
bigung nad bem Bifchofe gleidteben. 5) Der vom 
Berfafier für feine Meinung in Anſpruch genommene 
Ganon des Triventinumd Sess. XXIIL c. 7 de sac. or- 
dinis: „Si quis dixeril, episcopos non esse presbyleris 
superiores vel non habere prolesiatem  confirmamdi et 
ordinandi vel. eas, quam habent, illis esse cum presby- 
deris communem, ἃ. s.^ enthält feinen. birecten Beweis 
für biefelbe , denn bie Worte fünnen aud) dahin gebeutet 
werden, baf vie Presbyter mit ben Biſchöfen am fid) 
and potentialiter immerhin ben. gleidjen Ordo 
haben, daß aber bie erftern durch die Geſetzgebung ge: 
bindert feien, benjelben in feinem vollen Umfange 
auszuüben, bap mithin das Tridentinum unc in Be 
siehung auf bie pofitioe Geſezgebung und bie darauf ge 
gründete Praris ausfprechen wolle: episcopos esse pres- 
byleris superiores et poleslalem, quam habent, illis non 
esse communem cum presbyteris. — In Erwägung biefer 
Berhältnifie wäre «à vielleicht das Richtigere gemefen, die 
Stage nicht als eine willig entſchiedene Binzuftellen, fon; 
dern fie als das zu bezeichnen, was fie ift — al6 eine 
Gontroverfe, und für beide Auffaffungen bie betreffenden 
Grünbe darzulegen, um ben Lefer in ben Stand zu ſetzen, 
fd) felbRfändig für bie eine ober ambete Anſicht ju ent 
ſcheiden — 

©. 121 wird. bemerft, daß „alle Bifchöfe, Diös 
ceſan⸗Biſchofe ſowohl als Titulars ober Weih-Bifchöfe Fraft 








Handbuch des’. Kirchenrechtes. 639 


ihres Autes berechtigt feien, einem allgemeinen Concile 
mit bem Rechte entſcheibden der Stimme beizuwohnen.“ 
Auch dieſes iſt nicht ganz gewiß, denn das votum deci- 
sivum der Titular⸗Biſchöfe wird von vielen Eanoniften hi 
Zweifel gezogen, und wie uns Tcheint, dürfte tle Anficht 
der Lepteren den Vorzug verdienen. Zwar machen wie 
Vertheidiger der ent[delbenben Stimme geltend, vag bie 
episcopi titulares, tie die arbem, confeerirte Bifchöfe 
felen und eigene Didcefen haben, obwohl fid) biefelbenu 
noch In den Händen ver lÍngláubigen befinden 1): alfelii 
wenn bie Beichlüffe ber allgemeinen Concilien ihre vers 
binbenbe Kraft dadurch erlangen, daß bet eigene Biſchof 
nicht etwa feine individuelle Anficht geltend macht, ſondern 
die an feiner Kirche lebende Tradition ausſpricht und bes 
zeugt, fo ift εὖ ohne Ziveifel dem Wefen ver Kirche ent 
ſprechender, vie TitularsBifchöfe, eben weil fte eine [οἷδε 
Tradition nicht bezeugen fönnen, vom Rechte der unbe⸗ 
dingten Theilnahme andzufchließen und ihre Zulaſſung ven 
ver jeweiligen Entfcheldung des Concils abhängig zu nia⸗ 
den. Dieß ſcheint aud) vorherrfchenn bie Praxis ber 
fide zu fein, wenigftens erzählt Bettebict XIV. von 
fij felbft 5, er habe bem römifchen Goncile vom Jahr 
1725 beigewohnt als Doctor des canonifhen Rechtes, 
nicht ale Titular⸗Erzbiſchof von Theodoſia, weil den epis- 
copis titdlaribas anf det genantiten Synode ber 
Zutritt didt geflattet gewefen fei. — | 

Weiterhin i und aufgefallen, daß in tec Lehre von 
Ven Concilien bet Anweſenheit und Theilnahme der a tem gat 
feine Erwaͤhnung geſchieht. It Betreff der allgemeinen 


1) Ferráris, Probipta biblioth. k. v. Cohéiliuni, at. 1, ἃ. 28. 
2) De synodo dioeces. L. V. c. 10. n. 3. 
42 * 





640 Gingel, 


Goncilien ift befannt, daß venfelben Kaiſer unb welt 
liche Fürſten entweder in eigener Perſon oder durch ihre 
Gefandten anwohnten und vielfach bie Synobalacten 
mit unterzeihneten. Hier hätte auseinanbergejebt 
werben follen, bag fie nicht anmejenb waren, um ein 
votum decisivum zu beanjpruden ober ben Borfib zu 
führen ἢ), fondern lebiglid) um bie Synode zu ſchützen, 
ihr 9Injefen zu erhöhen, Ercefje zu verhüten oder zu unter 
brüden und eiwaige Wünfche ihrer Bölfer zur Erwägung 
unb Entfcheivung vorzulegen 9. Gbenjo war die Inter 
fdrift, die der Kaifer ven Synodalacten beifügte , Feine 
confirmatio auclorilaliva, jonbern fie enthielt bloß die Gr. 
Härung, daß er die Befchlüffe ald wirflid) von der Synode 
erlaffen anerfenne und für Bollfiredung derſelben forgen 
wolle 3. Daß ferner auf ven Brovinzial-Eonci 
[ien vielfach Laien anweſend waren, ift gleichfalls gewiß 
— und ber. Herr Berfafler hätte darlegen follen, daß fie 
aud bier fein Recht gehabt haben, zu erfcheinen ober 
gat mitzuftimmen, daß ihnen vielmehr ber Zutritt nur ges 
ftattet gemefen, wenn das Goncil fie fpeciell berief, um 
ihre Meinungen zu hören oder fie bei ben Arbeiten der Bers 


1) Ferraris, 1. c. n. 33—44. Hefele, Conciliengeſchichte, L 
€. 24 f. 

2) Benedict. XIV., De synod. dioeces. L. II c. 9. n. 1. 

3) Card. Cusanus, De Concordia cath. c. 15.: ,Summus Pon- 
tifex confirmat tanquam auctoritatem praebens Concilio, Imperator 
vero tanquam testis eorum, quae gesta sunt et decreta, οἱ tanquam 
ea approbans et recipiens eisque se subjiciens, et quia Hegis ad 
exemplum totus componitur Orbis ceteri omnes Concilio obediunt; 
nullam vero vocem Synodicam vel decisivam vel conclusivam habet: 
ideo cum deprehendimus Imperatores concilia confrmasse, id factum 
est, ut manus auxiliares praeberent Ecclesiac.* 


Handbuch des sc. Kirchenrechtes. 641 


fammlung zu benügen 1), — Was endlich die Didcefan« 
Synoden betrifft, fo hätte die in neuern Zeiten vielfach 
geftellte Forderung, den Laien Zutritt zu geftatten und 
eine entſcheidende Stimme einzuräumen, näher berührt 
und babel gezeigt werden follen, daß eine derartige Theil⸗ 
nahme ber Laien direct ber Verfaffung ber Kirche wider⸗ 
fpred)e, daß das Volk einen foldjen unmittelbaren Einfluß 
auf die Verfammlung nie geübt habe und nie üben könne, 
baf ber Biſchoſ nur befugt fei, einzelne durch Firchlichen 
Einn, Reinheit der Sitten und burdj Bildung hervor; 
ragenbe Männer aus dem Laienftande beiguziehen, um 
ihre Anfichten über bie Bedürfniffe der Gemeinden und 
deren Wüufche zu vernehmen, daß er aber auch biefes 
nur felten unb nur aus ben bringenbften Gründen thun 
folle, damit ans ber zu häufigen 9Bleberfolung Fein Ge; 
wohnheitsrecht fid) bilbe ?). 

GC. 127 bemerft ber H. Verfaffer, daß der Papft 
allein berechtigt fei, bie „dogmatiſchen Bejchlüffe der all 
gemeinen Goncllien unfehlbar zu interpretiren, fowie 
den Disciplinars®efegen derfelben zu derogiren.“ Bei 
des hat feine vollfommene 9tidtigfeit, aber das Lebtere 
[εἶπε uns zu fury und zu allgemein auégeorüdt zu fein, 
fo daß bie Worte von Denjenigen, die des Sachverhaltes 
weniger funbig find, leicht fo aufgefaft werben Fünnten, 
als ob ter Papſt ohne Weiteres unb nah Willfür bie 
Beſchluͤſſe allgemeiner Concilien abzuändern oder aufzu⸗ 
heben befugt wäre. Dieß ift aber befanntlich nicht bet 


1) „Laici et inferiores clerici conciliis aderant edocendi et ad- 
Jaboraturi, non opinandi , non suffragandi jure usuri.^ T’homassin. 
Vet. et nova Ecclesiae Disciplina. P. II. L. III. c, 57. n. 1. 

2) Benedict. XIV. 1. c. n. 8. 


642 . Gin, 


Sal, vielmehr echt ber Papft, wie jedes andere Mitglied 
ber Kirche, unter ben allgemeinen Gefegen , ex if nicht 
ber dominus, jonbern ter custos canonum — und zu alfen 
Zeiten haben bie Päpfte ihre Verpflichtung, bie Beſchlüſſe 
ber Gonciflen aufrecht zu erhalten und fidj venfelben zu 
unterwerfen, auf's Bereitwilligfte anerfannt). Als ober 
fier Grunbfag ift immer feftzuhalten, daß tie Beichlüfie 
eines allgemeinen Concils an (ij nur wieber durch ein 
' allgemeines Goncil aufgehoben werben fónnen, und daß 
das. päpftlihe Derogationsreht nur als feltene Aus⸗ 
nahme zur Anwendung fommen bürfe — dann nemlid, 
wenn eine allgemeine DisciplinarsVerorbnung auf bie vet: 
änderten Zeitverhältniffe nicht mehr paßt, unb falls fie in 
ihrer alten Form beftehen bliebe, ftatt zu nügen, für bie 
Kirche von nadtbeiligen Wolgen begleitet wäre. Nur in 
derartigen Fällen ift ber Papft befugt, in Grmangelung 
eines allgemeinen Gonciló und wenn eine unabweisbare 
Nothwendigkeit — causa justissima — vorliegt, nad) reif 
lichfter Erwägung das betreffende Geſetz abzuändern unb 
daſſelbe mit bem beſtehenden Berhältnifien in Einklang zu 
bringen. Wir find überzeugt, daß der H. Berfaffer die: 
felbe Anſicht theilt 2), aber wir hätten gewünjcht, daß er 
fie, um Mißverftändniffe zu verhüten, deutlicher unb bes 
flimmter hargelegt hätte. — 


1) Eine Reihe folder Ausſprüche ber Päpfte ift zufammengeftellt 
von Sei, Zeitfhrift für Kirchenrecht, L 2. ©. 40 ἢ. 

2) Dieß geht aus bem von ihm beigebrachten Gitate hervor, wor 
nad Pius V. in feiner Gonflitution vom 14. Oft. 1568 ausbrüdlid 
jagt: ,Bomanus Pontifex conciliorum auctor et intqrpzes, ila, quae 
in hujusmodi «onciliis sajuhriter sancita sunt, pre aui, pastoralis ol- 
ficii debito, quum, aequitas, honestas et decus suadet, sicuti decla- 
rare et moderari, ita etiam ad alios casus extendere consuavit" 


Handbuch des x. Kirchenrechtes. 643 


Endlich wird ©. 318 bemerkt, daß „ver Biſchof das 
Reit habe, απὸ hinreichenden Grünven vie Pfarrer zu 
verſetzen.“ Anch dieſes ift an fid) richtig, aber bie Auo⸗ 
drudsweife zu allgemein, denn fie läßt leicht ble uißver⸗ 
flànblide Deutung zu, afó ob bet einer Verſetzung die 
Beurtheilung der Gründe lediglich bem Bifchofe anheim⸗ 
gegeben wäre unb als ob er dabei nach feinem fubjeetiven 
Gutduͤnken vorſchreiten könnte. So ift εὖ nicht, vielmehr 
Bat bte Gefebgebung zu allen Zeiten vie Benefieiaten gegen 
die Wilffür ihrer Vorgeſetzten in Schu genommen unb 
vorgefchrieben,, daß bie unfreimillige Verſetzung nur verte 
hängt werben fónne ald Strafe für ein Bergehen, 
taf fle eine fórmlide Unterfuhung und ridter- 
liche Sentenz vorausfege und daß tem Verurtheilten, 
wenn er Unrecht erlitten 3n haben glaube, jederzeit bad Rechts⸗ 
mittel der 9fppellation zu Gebete ftehe ἢ. Demgemäaß ik 
ba, wo fein Vergeben vorliegt, die Smamovibilität ber 
Beneficiaten als oberfter Grundſatz feſtzuhalten. Wenn in 
bem vom H. 9Serfaffer angeführten c. 5 X de rerum per- 
mulat. 3. 19 ausgeſprochen ift: „Si autem episcopus cau- 
sam inspexeriä necessariam, licite poterit de uno loco ad 
alium transferre personas, ut quae uni loco minus sunt 
uliles, alibi se valeant utilius exercere,^ fo fcheint Diet 
alferbiugà bie Unterfuchung der Gründe bem Bifchofe über» 
faffen und vie Verfepung, ſelbſt wenn fein Vergehen vore 
liegt, feinem Gutbünfen anheimgeftellt zu fein: allein das 
Gefe& redet nur von einem Ausnahmefalle, bet an 
der allgemeinen Regel nichts ändert und falls er eintritt, 
ben Beneficiaten faum beeinträchtigen dürfte. Nach ber 


1) Thomassin. 1. c. P. N. L. I. c. 15. seqq. 


642 .  Bingel, 


Sal, vielmehr felt ber Papft, wie jedes andere Mitglied 
ber Kirche, unter ben allgemeinen Geſetzen, er iR nicht 
ber dominus, fondern ber custos canonum — und zu allen 
Zeiten haben bie Päpfte ihre Verpflichtung, bie Beſchlüſſe 
der Goncilien aufrecht zu erhalten und fidj benjelben zu 
unterwerfen, auf's Bereitwilligfte anerfannt). Als obers 
fter Grundſatz ift immer feftzuhalten, daß tie Beſchlüſſe 
eines. allgemeinen Concils an fid nur wieber durch ein 
' allgemeines Gonci(. aufgehoben werben fónnen, und daß 
das. päpftlihe Derogationsredht nur als feltene Aus 
nahme zur Anwendung kommen dürfe — dann nemlid, 
wenn eine allgemeing DisciplinansVerorbnung auf bie ver- 
änderten Zeitverhältniffe nicht mehr paßt, unb falls fie in 
ihrer alten Form beftehen bliebe, ftatt zu nügen, für bie 
Kirche vor nachtheiligen Wofgen begleitet wäre Nur in 
derartigen Fällen ift ber Papft befugt, in Grmangelung 
eines allgemeinen Concils und wenn eine nnabweisbare 
Nothwendigkeit — causa justissima — vorliegt, nad) reifs 
lichfter Erwägung das betreffende Gefeg abzuändern unb 
daſſelbe mit den beſtehenden Berhältnifien in Ginffang zu 
bringen. Wir find überzeugt, daß ber H. Verfaffer die: 
felbe Anſicht theilt 2), aber wir hätten gewünſcht, daß er 
fie, um Mißverſtändniſſe zu verhäten, bentlicher unb θὲ; 
flimmter dargelegt hätte — 


1) Eine Reihe folder Ausſprüche ber Päpfte ift zufammengeftellt 
von Sei, Zeitfhrift für Kirchenrecht, L 2. ©. 40 ff. 

2) Dieß geht aus bem von ihm beigebrachten Gitate hervor, mot: 
nad Pius V. in feiner Gonftitution vom 14. Oft. 1568 ausbrüdlid 
fagt: 4Homanus, Pontifex conciliorum auctor et interpses, ila, quae 
in hujusmodi «onciliis sajuhriter sapcite sunt, pro aui, pastaralia of- 
ficii debito, quum, aequitas, honestas et decus suadet, sicuti declg- 
Tare et moderari, ita etiam ad alios casus extendere consuavit," 








Handbuch des x. Kirchenrechtes. 043 


Endlich wird ©. 318 bemerkt, taf „ver Biſchof das 
Recht Habe, απὸ hinreichenden Grunden vie Pfarrer zu 
verſetzen.“ Anch dieſes ift an fid) richtig, aber bie Auo⸗ 
brudsweife zu allgemein, denn fie läßt leicht vie mißver⸗ 
fländlide Dentung zn, ald ob bei einer Verſetzung bie 
Benrtheilung der Gründe lebiglidó bem Biſchofe anheim⸗ 
gegeben wäre und als ob er dabei nach feinem fuljediven 
Gutdunken vorſchreiten könnte. So ift ed nicht, vielmehr 
bat bte Gejfepgebung zu allen Zeiten tle SSeueficiatet gegen 
ble 9Billfür ihrer Vorgeſetzten in Schub genommen und 
vorgefchrieben,, daß die unfreiwillige Berfegung nur vete 
hängt werben fónne ald Strafe für ein Bergeden, 
taf fle eine fórmlide Unterfuhung unb ridter 
(ide Sentenz vorauéfege und daß tem Berurtheilten, 
wenn er Unrecht erlitten zu haben glaube, jederzeit das Rechts⸗ 
mittel der Appellation zu Gebete ftebe ἢ. Demgemaͤß ik 
ba, wo fein Vergehen vorliegt, bie Inamovibilität ber 
Beneficiaten als oberfter Grundſatz feffyubalten. Wenn in 
bem vom H. Berfaffer angeführten c. 5 X de rerum per- 
mutat. 3. 19 ausgefprochen ift: „Si autem episcopus cau- 
sam. inspexeril necessariam, licite poterit de uno loco ad 
alium transferre personas, ut quae uni loco minus sunt 
utiles, alibi se valeant utillus exercere, ^ fo fcheint hier 
allerdings die Unterfuhung der Gründe bem Bifchofe übers 
laffen und bie Verfegung, felbft wenn fein Vergehen vor- 
liegt, feinem Guteünfen anheimgeftellt zu fein: allein tae 
Geſetz redet nur von einem Ausnahmäfalle, ber an 
ber allgemeinen Regel nichts ändert und falls er eintritt, 
ben Beneficiaten faum beeinträchtigen dürfte. Nach ber 


1) Thomassin. |. c. P. II. L. I. c. 15. seqq. 


642 . Binzel, AMlechteb. 


Tall, vielmehr ſteht der Papſt, wir zen kann nemlich bie 
ber Kirche, unter den allgemein: ,.» Anfäulvigen vom 3i. 
ber dominus, fondern ber cu ,- a) si gravis causa id 
Zeiten haben bie Päpfte + sründner aus irgend einem 
der Goncilien aufrecht , sm fo verhaßt geworten märe, 
unterwerfen, auf's et ohne allen Erfolg fein 
fer Grunbfab '_ aber der Verſetzung fein anderes 
eines. allger — 7 ⸗ za «swaltenden Mißſtanden abzuhelfen, 
allgemeir "T ame muB dem Betreffenden alsbald ein 
das uu 7 ᾿« &nlün[ten dem bisherigen gleichftehenved 
"na ,, erden ?). In tiefer Weife ift bem Wohle 
y —— Ἰκόπυνῃ getragen, augleidj aber aud), [05 
ug sem εὖ geftattet, das Recht des einzelnen Be⸗ 

- erg gewahrt. — 
zur Uk Vie wenigen Bemerkungen, bie wir beifügen 
«δα γαπδίεπ: fie betreffen nur untergeorbnete Punfte 
zur waren vom trefflihen Werfe, das wit dem theolo- 
Weblifum hiemit angelegentlih empfehlen, nicht 

» n Eintrag tfun. — 
γα einigen Drudfehlern abgefeben , ift das Werk 
ameet, bie Ausftattung fehr [djón, ber Preis mäßig. — 


-——— HÀ 


t) Bgl. Reiffenstuel, 1. C. L. III. tit. 19. n. 38. seqq. 


Prof. Dr. Kober. 


Vrobſt, Kirchliche Benedictionen und ihre Verwaltung. 645 


5. 


„ice Benedictionen und ihre Verwaltung von Dr. 
Ferdinand Probſt, Priefter. Mit Genehmigung des hochw. 
Erzbifhöfl. Ordinariats Freiburg. Tübingen, 1857. Ver⸗ 
lag der 9. Laupp'ſchen Buchhandlung. — Laupp und 
Siebed. — ©. 323. Pr. 1 fl. 36 fr. 

2) Benedictionale Constantiense, jussu et auctoritate cel- 
sissimi et reverendissimi D. D. Maximiliani Christophori 
ctc. Biberaci, sumtibus Fried. Haller, librarii 1856, 
8" ©. 314. 


1) Wir hatten ſchon öfters Gelegenheit, das große 
Verdienſt Probſt's auf dem paftoraltheologifchen Gebiete 
anzuerfennen, und wir freuen und in feiner unlängft ers 
Ihienenen Schrift über tie SBenebictionen einen neuen. Bes 
weid feines unermüblichen Fleißes und feiner bewährten 
Tüchtigfeit zu finden. Wer nur einmal etnfifid über die 
in der Kirche üblichen Benedictionen nachgedacht hat, ber 
weiß, auf welche Schwierigkeiten man floßt, wenn man 
ifnen ein feftes theologifches Fundament geben, wenn man 
bei der Verſchiedenartigkeit derfelben ihre Wirkungen unb 
die Art und Weiſe ihrer Wirffamfeit genau und -prácié 
bezeichnen, wenn man über die Zuläffigfeit einzelner Sor» 
mularien entfcheiden will u. brgl. 

Der Berf. greift diefe Schwierigkeiten mit gewohnter 
Sicherheit unb Grünblidjfeit an. Er erledigt die fchwierigeren 
Fragen in einem allgemeinen Theile, indem er hier von 
bem theologifchen Fundamente, bem Wefen, ben Wirkungen 
and der Eintheilung ber Benedictionen, ferner von ber Form, 
Materie und bem Minifter berfelben handelt. Im zweiten 


644 Sinzel, Handbuch des ꝛc Kirchenrechtes. 


übereinſtimmenden Anſicht der Canoniſten kann nemlich die 
in Rede ſtehende Verſetzung eines Unſchuldigen vom Bi⸗ 
ſchofe nut ausgeſprochen werden: a) si gravis causa id 
postulet, 3. 99. wenn ber Pfründner ἀπὸ irgend einem 
Grunde bei feiner Gemeinde fo verhaßt geworten wäre, 
daß feine fernere Wirffamfeit ohne allen Erfolg fein 
würde; b) menn εὖ aufer der Berfegung fein anderes 
Mittel mehr gibt, den obwaltenden Miffländen abzuhelfen, 
unb c) ber Biſchof muß dem Betreffenden alsbald ein 
nad Rang und Ginfünften bem bisherigen gleichſtehendes 
SSeneficium verleihen 5). In biefer Weile ifl bem Wohle 
ber Gemeinden Rechnung getragen, zugleich aber auch, fo- 
weit das erſtere εὖ geftattet, das Recht des einzelnen Bes 
neficiaten vollftändig gewahrt. — 

Dieß find die wenigen Bemerkungen, bie wir beifügen 
zu foffen glaubten: fie betreffen nur untergeorbnete Punfte 
und werden dem trefflihen Werfe, das wir bem theolos 
giſchen Publifum hiemit angelegentlih empfehlen, nicht 
den geringften Eintrag tfun. — 

Bon einigen Drudfehleen abgejeben , ift das Werf 
correct, die Sluóftattung febr [dón, ver Preis mäßig. — 


1) Bgl. Reiffenstuel, J. C. L. III. tit. 19. n. 38. seqq. 


Prof. Dr. Kober. 


Probft, Kirchliche Benedictionen und Ihre Verwaltung. 645 


5. 


1) Kirchliche ffenebictionen und ihre Verwaltung von Dr. 
Ferdinand Probfl, Priefter. Mit Genehmigung des hochw. 
Erzbifhöfl. Ordinariats Freiburg. Tübingen, 1857. Ders 
lag der 9. Laupp’fhen Buchhandlung. — Laupp und 
Sichel. — ©. 323. Pr. 1 fl. 36 fr. 

2) Benedictionale Constantiense, jussu et auctoritate cel- 
sissimi οἱ reverendissimi D. D. Maximiliani Christophori 
clc. Biberaci , sumtibus Fried. Haller, librerii. 1856. 
8" ©. 314. 


1) Wir hatten ſchon öfterd Gelegenheit, das große 
SBerbienft Probſt's auf bem paſtoraltheologiſchen Gebiete 
anzuerfennen, und wir freuen und in feiner unlängft er- 
ſchienenen Schrift über die SSenebictionen einen neuen Bes 
weis feines unermüblichen Fleißes und feiner bewährten 
Tüchtigfeit zu finden. Wer nur einmal ernftlich über ble 
in bec Kirche üblihen Benedictionen nachgedacht Bat, bet 
weiß, auf weldhe Schwierigfeiten man floßt, wenn man 
ihnen ein feftes theologifches Fundament geben, wenn man 
bei der SBerfdjlebenartigfeit derjelben ihre Wirkungen und 
bie Art und 98eife ihrer Wirffamfeit genau unb -prácié 
bezeichnen , wenn man über die Zuläffigfeit einzelner For⸗ 
mularien entfcheiden will u. brgl. 

Der Verf. greift diefe Schwierigfeiten mit gewohnter 
Sicherheit unb Grünvlichfeit an. Gr ex(ebigt die ſchwierigeren 
Fragen in einem allgemeinen Theile, indem er hier von 
bem theologischen Fundamente, bem Wefen, ben Wirkungen 
unb der Eintheilung der S8enebictionen, ferner von ber Form, 
Materie und bem Minifter derſelben handelt. Im zweiten 


646 Probſt, 


Theile verbreitet ev ſich über die Benedictionen im 
Beſondern. Unter den vielen Eintheilungen, die man 
zur. Claſſificirung derſelben aufgeſtellt, wählte er die in 
Segnungen und Welhungen over Invocativ⸗ unb 
GonftitutivsBeneblctionen. Bel jeder Gattung 
macht er wieder drei Unterabtheilungen, naͤmlich f) Seg⸗ 
nungen bei verſchiedenen Anlaͤſſen unb Weihungen für 
den Gottesdienſt im Allgemeinen, 2) Segnungen unb 
Weihungen, bie fld an das Kirchenjahr anſchließen, und 
9) Segnungen unb Weihungen, ble ſich an bie Sakramente 
anfchließen. Man fónnte gegen diefe Eintheilung das Eine 
und Andere bemerken, inbefjen ift Stef. mit dem Verf. ver 
Anficht, daß man mit dieſer Eintheilung bie verfchieden- 
artigen Benebictionen am beften rubsiciren fann. 

Bei teen einzelnen Benebictionen wird ber Ritus ges 
woͤhnlich ausführlich beichrieben, und ſoweit e$. nothwendig 
erſcheint, nad) ven im allgemeinen Theile feftgefegten Grund⸗ 
lägen erläutert. Durch die Mebevfegung langer Formula⸗ 
vien z. Ὁ. ver Benadiction her Jungfrauen ©. 218 u. — 
ifs der zweite Theil jer ausgedehnt geworden. — 

Um den Benedictionen eine richtige Stellung im theo⸗ 
logiſchen Syſteme zuweiſen unb ihre Bedeutung gehörig 
wörbigen zu kännen, geht ber Verf. mit Recht auf bie 
Folgen der Sünde zur, unb tritt babel einer befonberó 
in neuerer Zeit fid) geltend machenden Anficht, als φῇ Sen. 
3, 17 vog einem Würde die Rede fel, der eine vollſtaͤndige 
Weſensveränderung ber Ratur bezeichne, mit aller Ent 
phiedenheit entgegen. Man fana mit der Auffaflung 8). ἃ 
Binfichtlich ber Folgen ber Sünde für bie äußere Natur im 
Ganzen eingerftanden fein, unb bed) bie Ausführung ber» 
felben im. Einzelnen nicht ganz billigen. Er [deint ung 


/ 


Kirchliche Benedictionen umb ihre Verwaltung. 647 


anf der einen Seite bie befämpfte Anficht zu ſchroff aufge- 
faft, auf ber andern Eeite zu wenig eine SBermittfung 
mit feiner eigenen Anſicht verfucht au haben. Es iR wahr, 
ἐδ haben einige Theologen neuerer Zeit bie Folgen ber 
Sünde für die äußere Natur auf Grund von Gen. 3, 17 
uno Röm. 8, 19 mit etwas grellen Farben andgemalt unb 
in verfchiedenen rhetorifhen Wendungen baryugellen gefucht, 
lo daß εὖ leicht den Anfchein gewinnt, die äußere Natur 
[εἰ unmittelbar in Zolge der erfien Sünde wie der Menſch 
von einer höhern Dafeinsform in eine weit niedrigere herab⸗ 
geftürzt worden. Daran hängt fif ber 9Berf., unb übers 
fieht, baf bie Theologen, wenn fie nicht reine Pectoral⸗ 
thenfogen find, von ihren rhetorifchen Ausmalungen immer 
wieder auf den Wortlaut der angeführten Schriftftellen. 
jurüdgeben, Ignorirt man aber biefen nicht ganz, jo wird 
man zugeben müjlen, daß auch die vernunftlofe Natur wie 
ber Menſch unter bem. Drude der Sünde leivet, daß eine 
Veränderung mit ihr gegenüber von dem Suftanb, in Bes 
{τῇ deſſen Gott nadj bec Schöpfung jagte: „er faf, taf 
Alles gut fei" (Gen. 1, 31), vorgegangen fein müjje. 
Berührt diefe Veränderung aud wicht bie Innern Geſetze 
und das Weſen ter Natur, fondern nur ihr BVerbältnig 
zum Menſchen unb zu Gott, fo kann biefe Veränderung 
bod ſehr tiefgehend fein und ift εὖ auch, wie der Verf. 
zugibt, wenn ev jagt: daß bie Natur. herrenlos geworben, 
und ſich eim unrechtmäßiger Herr derfelben bemächtigt hat. 
Aber, gerade das ift ber Iluch der Notus (Gen. 3, 17), 
bafi ihr ber rechtmäßige Herr entzogen wurde, und. das ift 
ber Drud, unter bem fte ſeufzt (Röm. 8, 19), taf. fie Bott, 
zum Theil einem Herrn überlafjen hat, der fie gegen Ihren 


648 Probſt, 


rechtmäßigen Herrn mißbraucht unb von dieſem mißbrauchen 
macht. — 

In der ſtarken Polemik gegen die vermeintlich ganz 
falſche Auffaſſung des auf die Natur gelegten Fluches laßt 
fid) ver Verf. aud) hinfichtlich des Zweckes ver SBenebictionen 
zu fehr von ber hergebrachten Auffaffung abtreiben. Iſt 
aud) in den Formularien nicht ausdrücklich von einem Fluche 
bie Rede, wie der Verf. S. 18 fagt, fo läßt ſich bod) nicht 
läugnen, daß bie Benebictionen ihrer ‚größeren Zahl nad 
eine beftimmte Bebentung durch die Anfchauung erhalten, 
daß die ganze Kreatur, wie einzelne Freatürliche Dinge burd) 
daͤmoniſche Einflüffe inficirt find, oder inficirt fein fónnen, 
und wegen biefer Infection nicht unmittelbar αἰ causae 
instrumentariae einer höhern virtus bienen, dagegen dem 
Menschen, der fid) ihrer im Leben bebienen muß, leichtlich 
thädlich werden fónnen. Wie bei ber Benebictionsgewalt 
im Großen zwei Seiten bervortreten, eine negative und 
eine pofitive, eine entbinbenbe unb löſende einerfeitd unb 
eine befrudjtenbe und fpenbenbe anderfeits (dur Exorcis⸗ 
men und Benedictionen vertreten), fo findet es fid) aud 
bei der einzelnen SBenebiction, wenn dieſes aud) nicht in 
allen Benebictionsformularien fo Far unb beftimmt hervors 
gehoben ift, wie in dem Formular für die 9Baffermeibe. 
Hätte ber Verf., wie er nad) unferer Anficht hätte thun 
follen, bie Lehre von den Erorcismen in Verbindung mit 
ben Benedictionen behandelt, fo wäre er wahrſcheinlich nicht 
auf die jedenfalls etwas einfeitige Auffaffung gekommen, 
als hätte vie Benedictionsgewalt nicht befonber& viel mit 
einem auf der Natur liegenden Bluche zu thun. Wenn 
bet Verf. einigen Theologen mit Recht ben Vorwurf macht, 
daß fie ben Zweck unb bie Wirkung der Benedictionen zu 


Kirchliche Benebictionen und ihre Verwaltung. 649 


einfeitig in der Hinmwegnahme eines Fluches fuchen unb 
das pofitive Element nicht zu feiner gehörigen Geltung 
fommen laſſen, fo werben fie ihm nicht ohne Grund ben 
Vorhalt maden, bag er fid) in feiner Oppofition mehr 
ald billig auf die entgegengefehte Seite habe treiben 
lafien. — 

Mit befonderd lobenswerther Genauigkeit und Gin: 
läßlichkeit bat der Verf. die zwei fchwierigen Punkte über 
die Wirfungsweife und über bie Wirkungen ber Benedic⸗ 
tionen behandelt. In Betreff des erften Punktes fommt 
ex zu dem Refultate: daß die SBenebictionen ex opere ope- 
rato unb operantis wirfen. „Würben fie, fagt er, wie 
bie Sacramente blos eine virtus habitualis ertheilen, To 
müßte man von ihnen eine Wirffamfeit ex opere operato 
behaupten und würden fie blos eine virtus actualis vers 
mitteln, fo hätten jene Theologen Recht, weldje lehren, fie 
wirfen ex opere operantis, weil fie aber eine virtus habi- 
tualis unb actualis verleihen, mirfen fte ex opere operato 
unb operantis ©. 57. — 

Wenn gegenüber von denjenigen, woeldje in ben Bes 
nebictionen gerne nur Invocationen oder bloße kirchliche 
Gebete per modum impetrationis erbliden wollen, mit allem 
Nachdrucke darauf hingewiejen wird, daß fie eine virtus 
verleihen, bie in genauer Beziehung zur Rechtfertigung 
fee, fo ift es {εὖτ anexfennenómertb. Nur ijt e bem 
Perf. ſchwer geworben, wie e8 immer ſchwer bleiben wird, 
eine klare Vorftelung von biefer virtus zu geben. Dieſelbe 
wird fid) aud je nad bem Charakter der einzelnen Bene⸗ 
dietionen mobificiren. Wir hätten es daher für zweckdien⸗ 
licher gehalten, wenn der Verf. anftatt jene virtus nad) 
ver ihm [o beliebten trilogifchen Formel zu befchreiben, 


650 Prebf, 


biefelbe nadj vem Charakter einzelner Benebictionen ober 
vielmehr einzelner Gruppen von tenfelben concret zu bes 
ſtimmen ober zu deuten vev[ndt Halte. — 

Die Frage, ob tie Benedictionen von Chriſtus oder 
von bet fire eingeſegt felen, läßt er infoferne in vet 
Schwebe, als er (S. 43) behauptet, man fónne Beibes 
mit gleicher Betedtigung behaupten. Dem Ref. fcheint 
bie Anſicht, vie Benebictionen feien von der Kirche einge: 
ftt, der andern entfihieden vorzuziehen, wenn man atti 
fagt und wohl (agen muß, daß Chriſtus ben Auftrag unb 
bie Gewalt za benediciren verliehen Babe, denn bavon bleibt 
bie Einfegung der Benebictionen immer nod) verſchieden. — 

Wie bei vom ,Stequiem^ bat Pr. aud) bei biefet 
Arbeit nur das römiſche Rituale zu Grunde gelegt; wir 
müfjen barin Bier wie dort einen Mangel erbliden, der 
bem practifchen Werthe des Buches großen Eintrag that. 
C) erinnere nur an die Benebichon der Ställe, Aber veren 
Bulaßbarfeit gewiß mandjer Geiſtliche Auskunft wünfchte, 
an bie in Deutfchland übliche SBettevbenebictlott nach bet 
Mefie zur. Commerógeit, an die Benediction bei Waſſers⸗ 
und Yenersnoih u. a. Bel ver Anſicht, die ber Verf. von 
ber 9edjteglitigfeit der Formularien Dat, konnte er freilich 
nicht anders verfahren. Er glaubt námlid), εὖ bürften 
außer ben im römiſchen Rituale enthaltenen Sormtlarien 
nur ſolche gebraucht werden, welche von ver Eongregätid 
Ritunm  audorüdiid approbirt fein. Den Beweis für 
bieje Anfiht &. 88. Halt Ref. ni&jt für geriigend, fann 
aber hier nicht anf einen Gegenbeweis eingehen, da er zu 
viel Raum ferberte, erlaubt fid) aber ven Verf. anf einige 
Artikel von Nilles über ble Rechtskraft ber Dectete ber 
Gongregationen in Rom überhaupt und ver Gongregation 


Kirchliche Benedictionen und ihre Verwaltung. 651 


der Riten insbeſondere im erften Bande des „Archivs für 
kathol. Kicchenreht von 909" aufmerffam zu madjen. 
Auch zweifeln wir nicht, daß er bei veiffiderm Nachdenken 
bem Ausdrucke „confermis® in dem Deerete (S. 89), das 
zu feiner Entſcheidung fo vieles beiträgt, einen weltern 
Sam geben wird, ald es geſchehen ift. — 

Wenn dem Ref. die ebenberührte Anficht des Verf. zu 
rigoros erfcheint, fo weit mehr nod) die ſchnelle Abfertigung 
bed Gonflanger Benevictionale, das weitum in wohlvers 
blentem Anſehen ſteht. Fürs erfte glaubt 9tef., daß einem 
Benedictionale, an deſſen Vervollkommnung rehtmäßige 
firchliche Organe Jahrhunderte lang gearbeitet haben, das 
unter ben Aufpicien unb mit ber Auctorität eines klrchlichen 
Vorgeſetzten, bem bie bieffalfigen Firchlichen Beſtimmungen 
nicht unbekannt fein fonnten, herausgegeben und als ein: 
ziges und ausschließliches Handbuch für Benebictionen an 
befohlen wurde, eine genügenve unb unjmelfelbafte Firchliche 
Auctorität zur Seite flee. Es unterfcheivet fid) baburd) 
von den vielen Privatfammlungen von Eroreismen und 
SBenebictionen, und follte gerade blefe außer allen Gebraud 
fegen, mie der einleitenbe Hirtenidrief des Biſchofes Mari: 
milian Chriſtophorus «auébrüdlid) anbefiebtt. Wir Halten 
ſodann aud) die Bemerkung für beachtendwerth, daß dieſes 
Benedictionale juxta normam ritualis romani teformirt fei. 
Wenn man das Conſtanzer Benebictionale ohne alle Vor 
engenommenheit mit dem röm. Rituale vergleicht, und 
unter der Gonformität nicht eine Uniformität verfteht, fo 
wird man erftere von bem Gonftanger SBenebletionafe gegen- 
über dem röm. Rituale ausfagen fónnen, obgleich jene 
mande Formularien enthält, welche in dieſem midjt find, 
ba die SBilbnng der ormulatien ganz nad) bem Geifte und 


652 Maximiliani Christophori Benedictionale Constantiense. 


der Geflaltung der im rom. Rituale enthaltenen Mufter 
vollzogen worden ift. Eine rationaliftifhe Faͤrbung fonnte 
ber Verf. im Gonftanzer SBenebictionale bod) wohl im 
Ernfte nicht finden. Wir erlauben und vbenfelben baranf 
aufmerffam zu madjen, daß gerade bie in legterer Beziehung 
ihm anrüdjig ſcheinenden Formularien (cf. €. 177 u. 275) 
nidté weniger als wie er glaubt, bem fog. rationaliftifchen 
Sahrhunderte entfprungen find. Sämmtliche Orationen bet 
beiven Benedictionen finden fid) fdon in bem Eonftanzer 
Obſequiale ober Benedictionale von 1510. Die Refor: 
mation jener Zormularien juxta normam rilualis Romani 
beftebt darin, daß in ber Ausgabe von 1781 bei ber Bene- 
dictio mulieris die Antiphone mit bem Pjalm 23, und bei 
ber Benedictio super herbas bie Antiphone vidi speciosam 
elc. απὸ bem róm. Rituale herübergenommen ift. — 

Diefe Ausfiellungen follen ber Anerfennung feinen Gin; 
trag thun, welde das rühmliche Streben des Verf. unb 
die vielfach gliüdlide Behandlung fo ſchwieriger paftoral- 
theologifcher Materien in vollem Maaße verdienen, es ift 
nur zu wünfcdhen, daß er in ber Fortführung des unters 
uommenen Werkes nicht ermüde. 

2) Dieſes Senebictionale ift ein ganz genaner 
Abdruck der Ausgabe in 89 vom Jahr 1781; es ift ſelbſt 
bie gleiche Seitenzahl eingehalten. Das Papier ift febr 
weiß, der Drud jchön, und ber Preis bei diefer Ausftattung 
bilfig. Einige Verweifungen, wie aufs Brevier ©. 111, 
oder auf das novum rituale (Ὁ) hätten in viefem Abdrucke 
wegbleiben follen. Zu gleicher Zeit erſchien ein Abdruck 
defjelben S3enebictionale in Stuttgart (im Verlagsmagazin), 
ver gleichfalls ſehr ſchön in 4" ausgeftattet ift unb bie 
einfhlägigen Pfalmen überall einfügt, um das erum; 


Prebigtwerke. 653 


ſchlagen unnöthig zu madjen (Pr. 2 fl.). Beide Ausgaben 
fónnen empfohlen werden, und εὖ freut ſich gewiß Mancher, 
dieſes erprobte liturgifche Buch in einem fchönen neuen Ges 
wanbe fid) leicht verfchaffen zu fónnen. Wie in ber voraus 
gehenden Anzeige angebeutet worben ift, gehen die Anfänge 
des Conſtanzer Didcefan-Rituals und Benedictionald weit 
jurüd. Die erfte Ausgabe davon finden wir in dem typifch 
febr ſchön audgeftatteten „Obsequiale sive benedictionale 
secundum ecclesiam consliantiensem^ v. I. 1510. — 


Bendel, Gonv. Dir. 





6. 


1) Predigten auf die Sonn- und frfitage des Kirchen- 
jahres von 30b. Martin Mentges, Priefter der ©. J., 
weiland SDompreblger zu Paberborn und Paſtor zu Brakel. 
Vorzüglich zum Gebraudje für Sanbpfarter. WBenrbeitet 
unb zum erftenmale herausgegeben von einem Verehrer bel 
Verftorbenen. S. 406 u. 166. Paderborn, 1856. Drud 
und Berlag von Ferd. Schöningh. Pr. 2 fl. 40 fr. — 

2) Sredigten auf alle Sonntage des füirdjenjareo von 
Matth. Reiter, weil, erzb. geiftlichem Mathe, Dechant unb 
Pfarrer zu Ainring. Mit Approbation des hochw. fürfl- 
erzb. Ordinariats Salzburg. Salzburg, Mayer'ſche Buch⸗ 
handlung 1. 3b. G. 424. 11. 330, ©. 447. Pr 8 . 
12 tr. — 

3) fr. X. fjirhl, der Seelenwecker oder Sonn- und 
Sefltagspredigten , nebft mehreren Gelegenheitsreden. 

Weol. Quartalſqh rift. 1857. IV. Heft. 43 


654 Predigtwerke. 


Schaffhauſen, 1856. Fr. Hurter'ſche Buchhandlung. 380. 1. 
€. 392. 380. I. ©. 220. Pr. 8 ἢ, — 

4) Feſthomilien nad) ben Officien des kath. Kirchenjahres 
von ὅτ. Joh. Ant. Aöhler, Dekan unb Pfarrer in Zwie⸗ 
ſalten. Mit Approbation des biſch. Ordinariats Rotten⸗ 
burg. Lindau, Verlag von Joh. Th. Stettner. 1857. 
©. 184. Pr. 54 fr. — 

9) Homiletifcher Führer durch das ganze Kirchenjahr, 
nebft Gerte zu Gafualreben von Dr. Carl Hans. Augs- 
burg, 1857. K. Kollmann’sche Buchhandlung. S. 355. 
Pr. 1 ἢ. — 

6) Saflenpredigten des 9. Hieronymus Trento aus b. ©. 3. 
— Aus dem Staltenifdyen--tr&er(egt. Breiburg im Breis⸗ 
gau, Herder'ſche Verlagshandlung 1857. ©. 456. Br. 
2 ἢ. -- ; 

1) Sit heil. Geheimniffe Mariä, ter jungfräulichen Gottes⸗ 
mutter, in einer Reihe von Predigten bargeftelt von Dr. 
Ioh. Cheod. faurent, Biſchof von Cherfones u. f. w. 
Br. 1. ©. 874, Bd. II. ©. 410. Mainz, Kirchheim. 
1856. — Pr. 4 fl. 48 f, — 

Anhang: Fuhlrott, Venedien, A. Müller, Weſtermaier. — 


1) Se mehr man fi mit Leſen und Beurtheilen ber 
homiletiſchen Erzeugniſſe des fatfol. Deutſchlands abgibt, 
deſto mehr uͤberzeugt man ſich, daß weder die Vergangen⸗ 
heit noch die Gegenwart etwas in Allweg Vollendetes und 
für alle Zeiten Muſterhaftes hervorgebracht hat. Es iſt 
wahr, unſere Predigtliteratur hat unter der faſt erdruͤckenden 
Maſſe manches Gute und Treffliche aufzuweiſen, aber die 
meiſten deutſchen Predigten tragen doch zu ſehr einen ge— 
wiſſen von ber Individnalität und Bildung des Predigers, 


Predigtwerke. 655 


von der Zeit und ben limftánben herrührenden Stempel 
an fih, als daß fie ald Zeugniß und homiletifcher Aus- 
dru des allgemeinen kirchlichen Geiſtes angefeben und 
gejáàgt werden fónnten, was von ben alten firdjliden 
Homileten bed vierten und fünften Jahrhunderts unb in 
gewifjfer Weife aud) von den großen frangöfifchen Prebigern 
gilt. Es werden ficherlich fefbft von ben angefehenften 
Homileten der Jetztzeit Wenige oder Keine ein ganzes 
Jahrhundert hindurch ungejchmälertes Anfehen behaupten, 
fo wenig ald man Previgern, die vor hundert Jahren in 
Ruhm und Ehre ftunben, die Ehre zu erweifen geneigt ift, 
fe als vollgiltige Mufter für unfere Prediger aufjuftellen. 
Die Predigten von Hunolt, Neumayer u. 9L, die man in 
neuerer Zeit wieder zu Ehren bradjte, verdienen unſeres 
Erachtens, daß fie aus ter Vergeſſenheit hervorgegogen 
wurben; aber befbalb werben fie bod) Fein unbebingtes 
und allgemeines Anfehen, namentlich feine Muftergiltigfeit 
für unfere Zeit weber anſprechen nodj aud) erlangen; benn 
fie find nad) ihrer ganzen Geftaltung zu febr Finder ihrer 
Seit. — 

Bon den beften deutjchen Predigten fann man nur 
fagen: fie haben Vorzüge, vielleicht viele Vorzüge, aber fie 
haben nicht alle diejenigen Vorzüge, melde man von einem 
objectiven Stantpunfte aus an wahrhaft mufterhaften 
Predigten wünfhen muß. Der Fritifer muß fid daher 
zufrieden geben, wenn er an Predigten einiges Gute Bev 
vorheben und fie mit 9tüdfidgt darauf empfehlen kann. — 

In diefer Lage ift Ref. ohne Anftand den Predigten 
von Mentges gegenüber. Obgleich fie ihre Entftehung 
einer weit frühern Zeit verbanfen, als fie im Drude ers 
fhienen find, fo können fie body neben ben vielen neuen 

43 * 


656 Predigtwerke. 


und neueſten Producten mit Ehren beſtehen. Mentges im 
J. 1743 in Trier geboren, trat im J. 1762 in ben 3e 
fuitenorben. Nah Aufhebung des Ordens war er unter 
Anderem fünf Iahre Domprebiger in Paverborn, und vor 
feinem Tode (im ἃ, 1815) einundzwanzig Sabre Pfarrer . 
in Brafel. — 

An feinen Predigten loben wir einmal ben würde, 
vollen Ernft in ber einfadjften unb beídeibem 
flen Form. Obgleich bie Sprade mit Ausnahme von 
einigen Ausdrücken, die für unfere Zeit zu berb find, ebef 
und mitunter oratorifch gehoben ift, fo ift bod) nitgenbé 
ein Haſchen nad) ſchönen Nevensarten und 9tebefiguren 
wahrnehmbar, nirgends eine leere Wortmacherei. Es ift 
ibm fichtlih nur darum zu tbun, von feinen Zuhörern 
verftanden zu werben unb auf bem fürzeften und geradeften 
Wege auf ifr hriftlihes Glauben und Leben einzumwirfen. 
Jedes Predigtftüd ift ein Zeugniß dafür, daß es ibm eine 
ernfte Angelegenheit war, duch dad Previgtamt die Beſſe⸗ 
rung und Heiligung der ihm anvertrauten Gläubigen zu 
erzielen. Er Spricht daher überall ble emfte Cpradje des 
Evangeliums, und in einer Welfe, bag er von Jedermann 
leicht verftanben werden mußte. — 

An unferm Prediger rühmen wir weiter einen großen 
Gedantenreihthum Er zeigt nicht blos tüchtige 
Kenntniffe in den chriftlichen Lehren, ſondern aud) eine 
genaue Bekanntſchaft mit bem menſchliche Herzen und Leben. 
Diefe feine Senntniffe weiß er vielfach auf die unfchein, 
barfte Weife reichlih unb nugbar anzuwenden. G8. ift ibm 
eigenthümlich, wie ven Glanz der SDatftellung jo aud) ben 
Blanz der Gedanfen zu vermeiden; und bod) reihen fid) 


Predigtwerke. 657 


letztere oft in raſcher Abfolge an einander an, und ſind 
einſchlagend und treffend. — 

Wir heben ferner an den Predigten Mentges hervor 
ihren durchaus poſitiven Charakter. Es find immer 
poſitive Lehren, Forderungen u. dgl., die nicht nur an die 
Spitze einer Predigt oder eines Predigttheiles geſtellt ſind; 
man findet aud) bie Ausführungspunfte eben fo poſitiv und 
beftimmt gehalten. Die Borverungen an ein wahrhaft 
hriftliches Leben in ben verfchiedenen nicht gewöhnlichen 
Verhältniffen treten immer in ganz concreter, aus bem 
Weſen des Evangeliums hervorgehenver Form auf. Nady- 
bem 3. B. in ber Previgt I. €. 303 im 1. Theile durch 
genaue Detaillirung gezeigt wurde, wer ein Qeibeds und 
wer ein Seelenmörber fel, wird bann im IL Theile nad, 
den Regeln der pofttiven Moral auseinander gefegt, worin 
ble Verbindlichkeit zur Gutmachung des angerichteten Scha- 
dens für die Einen und Andern beftehe, und wie fte ver 
felben nadjufommen hätten. — 

Die Eintheilungen der SBrebigten find nicht gefucht 
unb fünftlih, fonvern einfach, ohne jedoch bloß an ber 
Oberfläche des Gegenſtandes hängen zu bleiben, unb bes 
halten mehr practifchen als Togifchen Gejegen folgend ven 
naͤchſten Zwed ver Predigt im Auge. In einer Predigt 
3. Ὁ. von den Mitteln, ten Schreden des jüngften Berichtes 
zu entgehen ©. 400 theilt er folgender Weife ab: „urtheilet 
jest über bie Welt und über die Wahrheiten, bie unfer 
ewiges Heil betreffen, wie ihr an jenem Tage darüber 
urtheilen werbet, und zweitens: thuet jebt, was ihr an 
jenem Tage unfehlbar wünfchen werdet, getfan zu haben.” 
Der Ausführung des erften Theiles liegt die Subdiviſion 
zu Grunde: wir werden an jenem Tage ganz andere Ges 


658 Predigtwerke. 


ſinnungen hegen als jetzt, unb zwar andere Gefinnungen 
a) von ber Welt, ihren Reichthümern, Ehren, Freuden, 
Gewohnheiten unb Grundſaͤtzen, b) von Gott, feiner Größe, 
Macht, Liebe und Geredjtigfeit, c) von der Sünde, unb 
d) von den ewigen Strafen und Belohnungen n. f. w. — 

Eine empfehlenswerthe Gigen[daft unferer Predigten 
it ferner ihre anfhaulidhe und concretegorm und 
Darftellung. Diefelbe gewinnt der Verf. befonders butd) 
Sinbipibuafifirung und Specialifirung, In deren Anwendung 
er eine Gewandtheit und Fertigkeit befigt, wie fie Ref. nod) 
felten in andern Predigten gefunden hat. Er wendet je 
bod bie genannten Veranſchaulichungsmittel in foldjer Fülle 
an, daß fie bei affer Manigfaltigfeit der Wendungen ben 
Ausführungen vielfady eine gemifje Einförmigfeit auforüden 
und ben freien Fluß von Gebanfenentiidlungen mitunter 
hemmen ober befeitigen. — 

In der Regel ftellt er einen Gag oder eine Wahrheit 
ober fittliche Vorfchrift voraus, und indem er fie in ihrer 
pofitiven Form feinen Zuhörern Far zu maden ober an’s 
Herz zu legen fucht, begibt er fid) alsbald auf ben Boden 
ber concreten. Verhältniffe und reiht Glied an Glied an, 
bis er bie verjchiebenen Seiten und Beziehungen, weldje 
feine Zuhörer nad ihren Berhältniffen zu bem beſprochenen 
Gegenftand haben fónnen, hervorgehoben hat. Man findet 
oft Predigten, deren Ausführung faft aus lauter fpezialis 
firenden und individualiſirenden Sägen befteht, 4. 8. ©. 349, 
303, 343 und IL 40. An einer Stelle beginnt 4. B. eine 
Predigt: „Wenn von ben Leibeds und Seelenmörbern bie 
Rede ift, fo hat ber größte Theil bec Menfchen davon febr 
unvollfommene Begriffe. Dan nennt diejenigen Leibesmör« 
der, welche aus Mißgunft, Rachbegierde oder einer andern 





PBrebigtiwerke. - 659 


handlichen Leivenfhaft ihre Hände mit frembem Blute 
färben, und Seelenmörver diejenigen, welde εὖ fid qum 
Geſchäfte machen, unfchuldige Seelen zu verführen und in’s 
fBerberben zu ftürzen.” Nachdem nun bie Leibes- und Sees 
lenmórber im Allgemeinen sharafterifirt find, fo fährt er 
fort: „Leibesmörver find alfo jene Söhne und Töchter, 
welche bem Gebote des Herrn zumider durch ihre Wider 
fpenftigfeit, Ausfchweifungen, Grobheiten und andere Bes 
leidigungen Urfache find, daß ihre Eltern erfranfen und vor 
bet Zeit ind Grab ftelgen 2c. — Mörver find jene Eltern, 
welde u. j. .^ Es werben fofort alle Lebensverhältniffe 
angezogen, wo bie betreffenden Fehler vorfommen fónnen. 
So fer turd) dieſes Verfahren die conereten Beziehungen 
der religiöfen Wahrheiten zu den verfchiedenen Berhältniffen 
des chriftlichen Lebens und der Individuen hervortreten, und 
dadurch die Predigten einen ganz praftifchen Charakter ge; 
voinnen, fo iff doch bei ber zu häufigen unb faft ausfchließ- 
[iden Anwendung ber Individnalifirungsmethode eine ge» 
wifje fteife Manier und die vielfache Wiederholung von 
einzelnen Rubrifen faft unvermeidbar. Man wird ber biefis 
fälligen Kunft des Verfaſſers alles Recht widerfahren lafjen 
fónnen, und bód) im Interefje einer größern Vollfommen- 
heit feiner Predigten wünjden, er möchte fid) hierin mehr 
gemäßigt und in weiterm Umfange ein logiſches und bia» 
lektiſches Verfahren bei Ausführung und Gntmidlung feiner 
Säge eingejdlagen haben. — 

Denjenigen Prebigern, weldhe noch zu [febr in ber 
Schultheologie fteden und über bie abftraften und allgemeis 
nen Faflungen ber religiöjen Wahrheiten nicht hinauszu⸗ 
fommen wifjen, empfehlen wir biefe Predigten befonberé, 
fie fónnen viel aus ihnen lernen, ohne daß ich rathen 


660 Predigtwerke. 


möchte, dieſelben in allen Stüden zum Muſter zu nehmen. 
Wenn ber Titel fie vorzüglich den Landpfarrern empfiehlt, 
fo glauben wir beifügen zu dürfen, daß aud) Prediger in 
Städten fie gewiß nicht nutzlos zur Hand nehmen werden, 
wenn fie bafelbft pofitiv und praftijd) prebigen zu müffen 
glauben. — 

2) Auch bie unter Nr. 2. aufgeführten Predigten 
haben einen Berfaffer, der ſchon vor beinahe 30 Jahren 
aus bem Leben abgeſchieden if. Man glaubte, bie von 
Reiter binterlaffenen Prebigten hätten aud) jeBt ned) 
einen hohen Werth, daher ihre wenn aud) verjpätete Ders 
öffentlihung. Wir fónnen dieſem Urtheile, ba8 die Hers 
ausgabe unferer Predigten beförderte, im Allgemeinen 
beipflihten. Wir finden an ihnen faft diefelben Vorzüge, 
die wir eben an ben Prebigten des Mentged hervorgeho- 
ben haben. — 

Große Einfachheit und Popularität tft eà vor Allem, 
was dieſelben auszeichnet, Der Verfaſſer weiß recht ver- 
ftánelid zu ven gewöhnlichen Leuten zu reden, kennt ihre 
Berhältniffe genau und beleuchtet fie im Lichte der ewigen 
Wahrheiten. Er [deut fih nicht, alle bie verfdiebenen 
Gelegenheiten und Berfuhungen zur Sünde bis ins Gin; 
zelne hinein zu verfolgen, fie aufzubeden unb vor ihnen 
ju warnen. — 

Er verfährt dabei jebod) mit aller Liebe unb Schos 
nung; es ift ihm aufridjtig barum zu thun, ble Verirrten 
zu gewinnen unb ble nod Unverborbenen zu bewahren. 
Gemüthlichfeit mit Einvringlichfeit, Einfachheit in ber Dar 
ftellung mit ziemlicher Reichhaltigkeit von Gedanken, Bers 
ftánblidfelt ohne Oberflaͤchlichkeit, vielfältiges Herabfteigen 
zu den gewöhnlichen menfchlichen Verhältnifien unb Hands 








Predigtwerke. 661 


thierungen ohne triviales Gerede machen die Predigten 
Reiter's zu braven und brauchbaren Volkspredigten. — 

Daß er εἶπε beſtimmte Gemeinde und nur bie Bes 
dürfniſſe blefer Gemeinde vor Augen hatte, merft man 
ben Pretigten leiht an. Da jedoch bie religiöfen und 
fittlichen Verhältniffe ber gemühnlichen Landgemeinden ziem⸗ 
lich gleich find, fo find fie aud) anbermürtó brauchbar. 

Indeſſen glaubt Ref. tod, daß gerade dieſer Umftand, 
weil in biefen Predigten nur bie fittlihen und religiöfen 
Zuftände einer einzelnen und, wie es fheint, etwas bes 
fdránften Gemeinde berüdfichtigt find, dem allgemeinen 
Werthe derſelben einigen Eintrag thut. Ich will nur auf. 
einen Umftand aufmerffam machen. Der Berfaffer ver 
hält fid faft turdjgdngig nur erflärend und ermahnend; 
höchft felten ift auf ein tiefered Beweisverfahren ober auf 
Wivderlegung von etwaigen falfchen Anfchauungen und 
Irrthümern SSebadjt genommen, um baburdy auf bie Ueber 
zeugung einzuwirfen. In einer vollig gläubigen und von 
aller Frivolität frei erhaltenen Gemeinde ift dieſes Ver; 
fahren ausreichend, befonderd wenn nod) ein großes pers 
fönliches Anfehen des Prediger hinzufommt , wie es bei 
SReiter ber all war. Allein in vielen Gemeinden fann 
der Prediger nicht einen zweifellojen Glauben und ein 
unbebvenflihes Hinnehmen der hohen Verpflichtungen eines 
Chriſten vorausfegen, und es fann daher feine Aufgabe 
nicht bloß fein, zu erbauen unb zu ermahnen, er muß 
auch überzeugen von der Wichtigfeit und Wahrheit ber 
Glaubenslehren und fittliden Vorfchriften. — 

In Predigten, welche einen fo unmittelbar praftifchen 
wer verfolgen wie ble unferigen, fónnen bie logifchen 
Regeln demfelben wohl einigermaßen zum Opfer gebradit 


662 Predigtwerke. 


werden. Dieſe homiletiſche Freiheit ſcheint aber doch hie 
und ba eine zu ausgedehnte Anwendung gefunden zu has 
ben. Nicht felten vermißt man in ber Ausführung bet 
einzelnen Theile eine lichte und ffare Anordnung in bet 
Abfolge der Gebanfen und eine genauere. Gedanfenvers 
bindung. Man findet mitunter gewöhnlich je im zweiten 
Theile der Predigten Sätze an Cáge oder Gedanken an 
Gedanken gereiht ohne innere orventliche Verbindung over 
höchſtens mit ganz [ofer Verbindung, fo daß man auf die 
Vermuthung fommen muß, Ref. habe nur etwas weitläus 
figer ſtizziit und die Volziehung einer genauern innern 
Verbindung der Gebanfen bem münbliden Vortrage über 
laffen. — 

Ref, glaubt aud) nod) einen weitern Punft zur Sprache 
bringen zu follen. In ben vorliegenden zwei Bänden 
„Sonntagspredigten” finden fid) zufammen 140 Pre, 
digten. Diefe find anf die Sonntage ungleich vertheilt, 
auf ben einen eine, auf den andern zwei unb fo fort bie 
zu ſechs Predigten. Diefed Verfahren des Herausgebers 
fónnen wir nicht billigen. Es ſcheint dabei nur ber Grund» 
fag obgewaltet zu haben, vruden zu lajfen, was im Mar 
nuferipte vorlag Warum nicht lieber aus dem vorliegen; 
den Material eine Auswahl treffen! Es fann bem 
Herausgeber bei einiger Aufmerffamfeit fo wenig als bem 
Lefer entgehen, daß fid) unter den Predigten, fo fdjón aud 
einzelne find und fo vieled Gute fie faft durchgaͤngig ent: 
halten, doch die eine und andere eingeſchlichen hat, welche 
in Anlage und Ausführung mangelhaft une ziemlich ges 
danfenarm if, 4. Ὁ. 1. ©. 232, IL ©. 293. — Auf 
©. 32 99». IL. finden wir gar feine Previgtausführung, 
nicht einmal eine Skizze. Der Previger hat fid) nur einen 


Prebigtwerte. 663 


Anfang und einen Schluß einer Predigt gemadt unb für 
bie Predigtausführung ſich einige Notizen nievergefchrieben. 
Die Predigt für Dienftboten nad) einem Einfall ver Frans 
ofen I. €. 240 fatte nur ganz temporären Werth. — 

Dazu fommt, daß, wenn aud) mehr als eine Previgt 
für einen Sonntag ausgewählt ift, blefelben in der Regel 
ble Pericope nicht nach ihrem mannigfaltigen Inhalte bes 
handeln, fonbern ziemlich einförmig Am vierten Sonn⸗ 
tage παῷ Epiphanie handeln alle trei Prebigten von ber 
„Furcht“, und zwar zwei davon in ziemlich gleicher Seife 
von ber Gottesfurcht; am Sonntage Septnagefimä unter 
ſechs Predigten fünf vom Worte Gotted. Nichts davon 
zu fagen, baf einige Parthieen in den Predigten ziemlich 
gleichförmig wiederkehren; fo erinnere ih mid), ungefähr 
breimal die Gefährlicfeit des gegenwärtigen Tanzens ges 
fhilvert gelefen zu haben. Im Laufe vieler Jahre mag 
Reiter wohl Grund gehabt haben, fo oft auf benjelben 
Gegenftand zurückzukommen, aber in ein und bemfelben 
Predigtwerfe follte es wohl nicht fo oft gebrudt werden. — 

Nach unferem Bedünken wäre es baber wohlgethan 
gemejen, eine genauere Auswahl nad) bem innern Werthe 
bet Predigten zu treffen und auf einen Sonntag je nur 
ein Stück zu geben. Wir machen hierauf aufmerkfam, 
weil laut ber Vorrede von demfelben Verfaſſer nod) δε: 
tags», Gelegenheitd-, Chriftenlehr- und biblifche und Relis 
gionsgeſchichts-Predigten zu erwarten find. — 

Wenn in der angebeuteten Weife eine Auswahl ges 
troffen wird, werden wir bie weitern Predigten willfommen 
heißen, vta fie fid) durch ihre pofitioe und dabei doch ges 
müthlihe Safjung, fowie burd) ihre ganz praftifhe und 
populäre Haltung unzweifelhaft empfehlen. — 


664 Sfretlgticetfe. 


3) Der erfte Band enthält Predigten für alle Sonn⸗ 
tage des Jahres, tet zweite für die Feſte des Herrn, 
Maria's und einiger andern Heiligen, aud) einige Gafual 
reden, wie Antritts- und Abſchiedsreden, Primizpredigt u. A. 

Wir haben hier einfache und ungefünftelte Previgten 
vor und. Man ficht εὖ ihnen an, taf fie gerade fo vor 
getragen vourben, wie fie jebt gebrudt vorliegen. Der 
Verfaſſer hält fid) an Themate, wie fie fid) im gemöhns 
lichen Gemeindeleben einem Seelforger ungeſucht barbieten. 
Da die Predigten in angemeffener Kürze für ben Vortrag 
abgefaßt find, fo fóunen, wie leicht begreiffid), die einzel- 
nen Themute nicht erichöpft fein. Der Verf. beabfichtigte 
ἐδ auch nicht, fondern wählte foldje Divifionsglieder, deren 
weitere Ausführung ifm von den religiöfen Zuftänden 
feiner Zuhörer am meiften gefordert erfcheinen mochte. 

Dagegen Tann man, wenn man nit einen rein Iheos 
retifchen Ctanbpunft einnehmen will, nichts einmenben; 
allein das kann man wohl an tiefen Predigten ansftellen, 
daß die Ausführungen in ihren einzelnen Glievern nicht 
. fireng auf den aufgeftellten Eat zurüdweifen, fonbern 
faft wie zufällig gerade unter biefem oder jenem Thema 
erfcheinen. 3.8. Band L S. 115 ff. ift von dem Zwede 
des Waftengeboteó die Rede. Derfelbe ἱβ ein verfihiedener, 
ich vermeife nur auf bie Präfation: Qui corporali jejunio 
vitia comprimis, mentem elevas, virtutem largiris et prae- 
mia. Von dieſen verfchiedenen Sweden des Faſtens ift 
hier wohl die Rede, 3. 98. wie durch Waften ble finnliche 
Natur darnievergehalten und eben baburd) bie Sünde zus 
rüdgedrängt, wie dad geiftige Leben durch Bändigung des 
förperlichen gefördert, wie den Waften ein Charafter bet 
Bußübung gegeben werben folle unb bergleihen, allein 


Prebigtwerke. 665 


die einzelnen Punkte find nicht auselnandergehalten. Nach⸗ 
dem biejeó und jenes ohne gehörige Sonderung gejagt ijt, 
dreht fid) bie weitere Ausführung bloß um ben allgemeinen 
Sap, taf tie gànjlide Veränderung ber Geſinnungs⸗ unb 
Handlungsweife der Zwed bed Faftengebotes ſei. Aehnlich 
bet zweite Theil diefer Predigt, ber mad) ber Partition 
von ber Verbindlichkeit des Faſtengebotes han- 
deln fol. Wir vermiffen auch hier eine ffare und genaue 
Aneinanderreihung ver SBerpflidgtungégrünbe, wodurch die 
Zuhörer über biefen fo vielfach ‚angefochtenen Punkt tid 
tig aufgeklärt und für freubige Befolgung des Gebotes 
gewonnen würden. Im zweiten Bande ©. 99 (f. will . 
nach der Ankündigung davon gehandelt werden, wie man 
Gott für die Erndte Dank fagen fol, aber im Grunde 
it nur vorzugsweife vom Halten der Gebote Gottes und 
ben erfprießlichen Folgen befjelben bie 9tebe, was bei einem 
andern Thema ebenjogut untergebracht würde. — 

Ein derartiges bei gewöhnlichen Predigern nicht felten 
vorfommendes Verfahren hat zur Folge, daß die Prebigt- 
ausführung feinen eigenthümlichen, von tem Thema be 
ftimmten Charafter gewinnt, daß man [ὦ in allgemeine 
Säge und Debuctionen, die bei ben verfchiedenartigften 
Thematen wiederfehren fünnen, verliert, und daß fo das 
thema finale verfehlt wird. — | 

Go anerfennenswerth ed. ift, daß ber Verf. meift ge 
tadenwegs auf praftifhe Zwede losgeht, jo muß tod 
mitunter als ein Kehler angefehen werben, daß er fid 
gerne mit bem Nächftliegenden begnügt und nicht gar tief 
einbringt, und in ber Predigtabhandlung nicht immer auf 
eine durchfichtige Abfolge der Gedanken und Gedanfenents 
— widlungen erwünſchlichen Bedacht nimmt, — 


666 Bredigtmerke. 


Obgleich Ref. blefe Ausftellungen unumwunden mas 
den zu müfjen glaubte, beläßt er diefe Previgten tod) 
gerne in ihrem Werthe. Sie find Zeugen warmen Giferó 
für das Heil der Seelen, fte beurfunden eine gute Beob- 
achtungsgabe unb jorgfáltige Benübung der in ber Paftos 
ration gemadten Erfahrungen; εὖ ift vem Verf. nicht um 
Schmud ber Rede und um Glanz der Gebanfen zu thun, 
fondern nur um bie Wahrheit und um das durd fie zu 
erwirfende Heil. Die Diction ift rein unb bie Farbe ber 
jelben nad der Materie gut gewechſelt. — 

4) Dem Berf. der Feſthomilien ift bei feinem 
Unternehmen ein fchöner Gedanke vorgefchwebt, nämlich 
ben Inhalt der Officien für bie Wefttage Bomileti[d) zu 
verarbeiten. (à fann Niemanden entgehen, daß bie je 
weilige Deßliturgie und das Officium des Breviers an 
den einschlägigen Weften ſchöne und treffende Gebanfen 
und tfeiló fchon tüchtig verarbeiteten Stoff zu Homilien 
an die Hand geben. 

Der Berf. konnte bei feiner Arbeit ndn doppelten 
Weg einfdjlagen. Er fonnte die in den Officien vorkom⸗ 
menden, den Seftinhalt ausdrüdenden Stüde, wie Introis 
tus, Kapitel ber Hpren, Antiphonen u. dgl. zum Aus; 
gangépunfte feiner weitern Domiletifen Entwidlungen 
madjen, ober er fonnte von bem Feftevangelium ausgehen 
unb zu beffen homiletifcher Verarbeitung vie Offtcien bes 
nügen. Er hat ben legtern Weg gewählt und mußte εὖ 
bei feinem Verfahren audj, da er vorzugsweife nur bie 
homiletiſchen Stüde des Brevierd benügt, welde fih aud) 
an das Beftevangelium anlehnen. 

Wenn man darin. feinen Mangel erbliden will, daß 
vie vielfach fo ſchönen Antiphonen, Verſikel u. dgl. nicht 


 Prebigtwerte. 667 


in ber Weife audgebentet wurten, wie ἐδ leicht hätte ges 
Ihehen fónnen, jo fann man bem Berbienfte des Verfaſſers 
alle Gerechtigkeit wiperfahren laffen. Er hat aus bem 
reihen homiletifhen Stoffe für das einzelne Feſt recht 
Schöned und Brauchbares ausgewählt und die Homilien- 
ftüde der Väter unter ὦ in Verbindung zu fegen geſucht. 
In bem einen Balle ifi tie Zuthat des Verfaſſers eine 
größere, im andern eine fíeinete. — 

Die Arbeit ift als erbauenbe und belehrende Lectüre 
für Laien zu empfehlen, und bem Homileten hat fie. einen 
guten Theil des reichen homiletifhen Stoffes im Brevier 
bequem zugänglich gemacht, jebenfalló ihm einen verftänd- 
(iden Winf gegeben, daß in ben Feftofficien eine nicht zu 
verachteide Sunbgrube zu homiletifchen Etoffen liege. — 

5) Unter dem Titel „bomiletifher Führer“ 
veröffentlichte H. eine Sammlung von Skizzen zu Domi: 
letiihen Vorträgen für alle Eonns und Pefttage des 
Jahres. Skizzen haben vor ausgearbeiteten Predigten das 
voraus, daß fie den Homileten mehr zum’ Gelbftbenfen 
und zur Gelbfitbütigfeit anregen. Die vorliegenden ems 
pfeblen fid) insbeſondere dadurch, daß fie faft durchgängig 
auf den Tertinhalt ber Pericopen fi flüpen. Es finden 
fid) dadurch biejenigen eines Andern belehrt, welche bet 
Anficht find, unfere Goangelienpericopen feien inhaltlich, zu 
unfruchtbar ober gleihfürmig, als bag man einen reichen 
unb mannigfaltigen Stoff zu Predigten aus ihnen ents 
heben unb fte deßhalb immer oder wenigftens in ben meiften 
Fällen, wie e8 viele Homiletifer mit Recht fordern, ale 
Ausgangspunft und Bafid der weitern Previgtabhandlung 
gebrauchen könnte. — 

Dr. 9. wußte aus jeber Bericope eine ziemlich große 


668 fBrebigtmerte. 


Anzahl von Gfigen (meift 16—20) zu bilden. Bei bet 
Eonftruirung der Skizzen geben ihm einzelne Momente 
des Tertinhaltes bie [eitenben Gefichtöpunfte, fo daß wir 
faft ausfchließlih Entwürfe zu Homilien vor uns haben. 
Durch eine gewanbte Deutung und Auslegung des Tertes 
nach feinem hiftorifchen, moralifchen, bogmatifchen, myſti⸗ 
Shen und figürliden Sinne ift es ihm möglid geworben, 
auf ein fo reiches Material in den Terten ver Pericopen 
hinzuweifen. Bloß Hinweifungen unb Andentungen find 
im Grunde unfere Slizzen, infofern nur bie Qauptgebanfen 
und leitenden Ideen zu einer homiletifchen Ausführung in 
aller Kürze angegeben find. Dieſes halten wir für feinen 
Mangel, ba bie Erweiterungen leicht find, wenn ber 
Grundton angegeben ift, unb ba jeder etwaige Benützer 
biefer Entwürfe lieber in ber ihm eigenthümlichen Weiſe 
an den Grunbgebanfen weitere Entwidiungen anjegt, als 
fid halbwegs babel leiten läßt, denn mehr fónnte bod 
nicht gefchehen, wenn bie Skizzen nicht zu Predigten wers 
den follen. — 

Bei der Menge der Entwürfe fann es nicht ‚fehlen, 
daß fih mande eingejhlichen haben, welde eine Kritik 
ihwer zu beftehen vermödten. Einmal feinen uns bie 
gleichen Gedanken bei benfelben Pericopen etwas zu häufig 
in ver[diebenen Wendungen wolebergufefren. Es hätte 
daher wohl etwas wählerifcher verfahren werben bürfen, 
wenn aud die Zahl ber Entwürfe geringer geworden wäre, 
Ebenfo glauben wir, daß bei Aufftelung und Anordnung 
der Dispofitionsglieder die Gefege der €ogif hie und va 
mehr außer Act geblieben find, als es fid) bel Bomileti 
(den Vorträgen aus praftijdjen und oratorifhen Gründen 
fonft wohl rechtfertigen läßt; 3. 3. ©. 113 lautet eine 


Predigtwerfe. 669 


Aufftelung für Dom. 5. Quadr.: „Der Sieg über unjete 
Seinde hängt davon ab, daß wir 1) ſchuldlos vor ihnen 
fleben (wer von eud) fann mid) ıc.), 2) mit der Wahrheit 
befteben unb 3) daß fie nicht aus Gott find (alfo Gottes 
unb Sefu Wort nicht hören).” Die erften zwei Barti- 
tionégliebet fallen zu wenig aud einander, und das legte 
bat ein ganz anbereó Subject als bie zwei voraudges 
benben. — 

Go fehr ed Ref. billigt, daß H. durch feine Arbeit 
vorzugsweife auf analytifche Predigten Hinzielt, fo hätten 
bod) unferes Erachtens aus jeder Pericope zwei oder drei 
Themate, bie fid als ihr ganz eigenthümliche ableiten 
ließen, zu jsnthetifchen Predigten vorausgeftellt werben 
follen. Ref. hätte εὖ überhaupt nicht bloß vom theoretis 
iden ſondern aud)? vom praftifhen Standpunkte aus gerne 
gefehen, wenn bie Entwürfe für fonthetifche Predigten, 
für Homilien höherer Art und für Homilien *nieberer Art 
je zufammengeftellt und förmlich clafftficirt worden wären. — 

Indeſſen halten wir bieje Entwürfe für recht geeignet, 
dem Homileten Fingerzeige zu geben, wie er zu feinen 
Sweden in ben Text einzubringen und bejfen Inhalt zu 
entheben habe. Der Verf. zeigt hiebei nicht bloß große for» 
melle Gemanbtbeit in homiletifcher Textanwendung unb Gert: 
auélegung, unb ein tiefes Verſtändniß des Tertinhalteg, 
fondern auch viel geiftige Beweglichfeit und Gedanfen- 
reichthum. 

Die letztern Eigenſchaften des Verf. zeigen ſich auch 
in einer frühern homiletiſchen Arbeit, bie er im vorigen 
Sabre unter bem Titel: „Evangelium und Leben 
in 29 antithetifgen Predigten vom erften Advent 
bis Pfingften” ꝛc. herausgab, wovon vor einiger Seit aud) 

Theol. Ouarialjrift. 1857. IV. Heft. 44 


670 Predigtwerke. 


der zweite Theil erſchienen iſt. Hier finden wir ausge⸗ 
führte Predigten mit durchaus antithetiſchen Partitionen. 
Es läßt ſich nicht läugnen, daß die Antitheſe, wie ſie als 
Redefigur ober Erklärungsmittel in der Entwicklung eines 
einzelnen Gedankens oft eine recht gute Wirkung hervor⸗ 
bringt, auch in der die ganze Ausführung beherrſchenden 
Dispoſition gut angebracht ſein kann. Ref. gehört nicht 
zu denienigen, welche, wie viele Homiletiker, neueſtens 
aud Lutz (Homiletif S. 604) jede antithetiſche Partition 
als eine fehlerhafte verwerfen. In einzelnen Fällen kann 
eine antithetiſche Eintheilung und Ausführung nicht nur 
gerechtfertigt, ſondern recht treffend und deßhalb für die 
Zuhörer eindringlich und leicht behältlich ſein, z. B. „der 
Eintritt Chriſti in die Welt iſt traurig — iſt freudig.“ 
Aber immer unb überall Antitheſen aufſtellen zu wollen, 
wäre verfehlt und müßte zu einem ganz einſeitigen, vers 
fünftelten und vielfach ganz abgefhmadten Predigtverfahren 
führen. Wir fónnen nicht glauben, bag ber Verf. das 
dur, daß er hier lauter antithetifche Predigten zufammen- 
ftellte, damit die Anficht ausfprechen wollte, daß fie aue 
Thlieglih ober auch nur vorzugsweife anzuwenden feien. 
Er beabfidjtigte wohl nur, gu zeigen, daß unb wie anti 
tbetijdje Predigten gemadjt werden können. Diefen Bers 
fud) können wir unter obiger Verwahrung als wohl ge 
lungen anjeben. Näher auf diefe Predigten hier eingehen, 
liegt nicht in unferer Abfiht, wir wollten nur anläßlich 
oben genannter Skizzen ἔπ auf biefelben aufmerkſam 
maden. — 

6) 93. Trento pflegte von 1745—1785 in den be 
rühmteften Städten Italiens Baftenpredigten zu halten. 
Die vorliegenden Predigten, neueftens ind Deutſche über 


Η Predigiwerke. 671 


ſetzt, find ein Produkt dieſer feiner Thätigkeit. Wir finden 
darin eine nicht gewöhnliche Beredfamfeit, tiefe, treffenve 
Gebanfen, überrafgende Wendungen unb überall ein Bener 
unb eine Lebhaftigfeit, melde mit fid) fortzureißen geeignet 
unb für den kältern Nordländer faft zu ftarf ift. Er 
bindet fid) nicht feft an eine Form, vie feinem ſprudelnden 
Geifte Feſſeln anlegte; daher meift ein großes Mißvers 
baltniß zwiſchen ven Ausführungen der einzelnen Theile. 
In bet Regel läßt er im erften Theil feiner Beredfamfeit 
die Zügel der Art fhießen, daß für ben zweiten ober et» 
waigen dritten Theil nur nod wenig Raum bleibt. ΘΙεἰ 
wie bel feinem ältern gantémanne, Paolo Segneri, 
mit bem er viele Vorzüge theilt, unb ben er vielleicht in 
einigen übertrifft, wird wenigftend bem Xefer (bei bem 
Zuhörern war. es wohl weniger ber Ball) eine gewilfe 
Breite etwas làftig. — 

Im Ganzen faun man bem Urtheile des 93. Marfili, 
eines Begleiterd von Trento auf feinen Miffionen , δεῖς 
pflihten, wenn er von feiner Predigtweife fagt: „Sie 
war augíeld) populär und erfaben, einfach und gejucht, 
baftig unb ruhig, hart und fanft, befeblenb und befcheiben, 
denn fie war in jedem Theile von einem Herzen geleitet, 
das voll von Liebe zu Gott, von Haß gegen die Cünbe, 
von Liebe zu den Sündern, von Achtung gegen feine 
Zuhörer unb von [febr geringer Meinung von fid) jelbft 
war" Und es ift glaubhaft, wenn berjelbe verfichert: 
„Gewiß, tie 9Birfungen der Prebigten des D. Trento 
waren fo ausgezeichnet, wie fid) ihrer nur bie wahre und 
vollfommene Beredſamkeit rühmen fann; denn man fann 
in aller Wahrheit fagen, tag er burd) feine Predigten 

44* : 


672 SPrebigiwerfe. . 


eine vollftànbige. Herrihaft über alle Herzen, aud) vie 
verfehrteften und hartnädigften, ausübte.” — 
Stef. bemerkt nodj, daß bie 38 Previgten ihrem Ins 
halte nach nicht einen in fid) gefdlojjenen Cyclus, em 
foftematifches Ganze bilden ober bilden wollen, jontern 
ohne beftimmte Ordnung von bem ernftern und wichtigern 
religiöfen und fittlichen Wahrheiten und Suftánblidfeiten 
handeln, wie es für bie Waftengeit angemefjen erfchien. 
Die Ueberſetzung ift gut, die Ausftattung febr jdjón. — 
1. Bon ben Predigten ded Biſchofs unb apoftolifchen 
Vikars von Luremburg,-Dr.3. Theod. Laurent: „Die 
heil. Scheimniffe Mariä, der jungfráulidjen 
Gotteómutter^ ift nunmehr der zweite Band erfchienen. 
Der Berf. glaubte fid in einem Vorworte deſſelben über 
bie Bebenfen auéjpreden zu follen, weldje in mehreren 
Zeitfchriften gegen ben theilweifen Inhalt des erften Bans 
des erhoben wurden. Diefelben gingen bahin, baf bet Hr. 
Verf. die gnabenvolle Stellung Mariens in etwas zu ftat: 
fen Ausbrüden dargeftellt und beſonders ihren Gnadenvor⸗ 
jug der unbefledten Empfängniß nicht ganz richtig aufge- 
faßt habe. Stef. Fann nicht leugnen, daß aud) ibm einige 
Auffaffungen und Darftelungen im erften Bande aufgefallen 
find. (δὲ ijt freilich Schwer mit bem Verf. zu rechten, da 
er, wie wir nicht zweifeln, dogmatiſch alle feine Behaup- 
tungen und Entiwidlungen zu rechtfertigen wiſſen wird. 
Allein damit ift ble Brage nicht befeitigt, ob fte nicht in 
Predigten, die in der Regel ein gemifchtes Publikum haben, 
leicht mifbeutet ober mifperftanben unb darum für Mans 
hen verfánglid) und fdjübíidy werben fónnen. — 
So haben wir im zweiten Bande wieder mehrere 
Sätze gefunden, in denen, wie nun einmal ber Wortlaut 


Predigtwerke. 673 


ift, der ſeligften Jungfrau an ber Ausführung unb Ver⸗ 
wirklichung des Heildwerfes eine SBetbeiligung zugefchrieben 
zu werben ſcheint, die ihr ficherlich nicht zugefchrieben were 
ben fann. Sie erfcheint zu febr ald miterlöfender Faktor, 
in allen Erlöfungsthaten mitwirfend neben Chriſtus geftellt. 
Säte wie: „Die hl. Mefje und die Bl. Gommunion fom: 
men und von Maria her” (p. 82), — „Auch ald Opfer 
haben wir bie hl. Gudjariftie ter Mutter Maria zu danten” — 
(p. 87), — „Der Gottmenfd) jelbft Fönnte nicht als völlig 
vom Tode erftanben und in ben Himmel aufgefahren gel» 
ten, wenn er bie, bie ihm baó Leben gab und erhielt, im 
Top unb Grab gefajjen hätte” (p. 112), — „Das Reis 
nigungsopfer Mariä Bat ihnen (sc. den jungfräulichen Zu- 
hörerinnen) Reinheit der Seele, der Mutterſchmerz Mariä 
hat ihnen Reinheit des Herzens, die Fürbitte Mariä Dat 
ihnen Reinheit des Lebend erworben (p. 147)" unb 9I. — 
find gewiß leicht mifbeutbar. Wir find weit entfernt, dem 
fo gelehrten Verf. einen fórmfidyen Verftoß zur Laft legen 
zu wollen. Er deutet folche ſchiefe Sätze im Verlaufe ber 
Entwidlung richtig, ober verwahrt fid ganz beftimmt gegen 
9Rifbeutung wie ©. 238. Obgleich er fid) aber hier ver- 
wahrt, al ob er, wie e8 allerdings die vorausgehenden 
Worte nahe legen, jagen wolle, Maria habe das weibliche 
Geſchlecht erlöst, To ſpricht er fid) tod) fury darauf &. 239 
wieder verfänglih aus: „Die perfönlide Würde Mariä 
hatte erft dad Frauengeſchlecht blefer Wievererhebung fähig 
und bebürftig gemadt .... Zum Zeichen viefer dur 
Maria bewirkten (?) Umwandlung des Eheverhältnifjes 
im Chriftentbum warb auf der Hochzeit zu Gana das Waf- 
fer in Wein verwandelt durch ein Wunder Chrifti; aber 


614 Predigtwerke. 


dieſes Wunder geſchah nicht anders als nur durch die ev 
mittlung Mariä.“ — 

Bei den myſtiſchen Beziehungen, die vielfach hervorge⸗ 
hoben werden, verliert ſich der Verf. gerne in Spielereien, 
die in einer aſcetiſchen Lektüre noch leichter als in Predig⸗ 
ten Platz finden können. So wird ©. 89 behauptet, „das 
ganze Leben Maria ſei im weitern Sinne eine Gommunion, 
ihre Empfangung des göttlichen Sohnes durch den hl. Geiſt 
war eine Gommunion ... unb ifr Magnificat eine Dank⸗ 
fagung für diefe Gommunion. Diefe Gommunion Mariä 
mit Ehrifto wiederholte fi), ald ber Herr fi ihrem Schooß 
entwand, um fid) ihr vor Augen zu ftellen, in die Arme 
zu legen, and Herz zu drüden, diefe Gommunion Mariä 
ſetzte fid) fort, als fie zwar ihr Kind nährte mit der Milch, 
ihrer Bruft, e aber feine Mutter tränfte mit dem Etrom 
ber Himmeldwonne; diefe Gommunion dauerte, [o lange 
ber göttlihe Knabe mit unb bei der Mutter wohnte unb 
weilte in der armen Hütte, durch jeden Blick, ben er auf 
fie, ven fie auf ihn warf, dur jedes Wort, das fie von 
ibm hörte und zu ihm ſprach, burd) jede Liebfofung, die fte 
von ihn empfing und ihm erwies u. f. f." — 

Doch wir wollen nicht fortfahren, unfere Ausftelungen 
zu belegen, jonbern nur noch unfer Bedauern ausfprechen, 
daß der ehrwürdige Verf. aud im zweiten Bande folde 
Säge und Ausdrüde nicht forgfam vermieden hat, welche 
von Gutgefinnten leicht mißverftanden, von Uebelgefinnten 
aber ausgebeutet werben fönnen, um bie Verehrung Mariä 
in der Fatholifhen Kirche anzugreifen und zu verhöhnen. 
Es ift diefes um fo mehr zu bebauern, als fonft die Pre- 
bigten treffliche- Gedanken, tiefgebenbe herrliche Entwicklun⸗ 
gen von €ebrpunften, geiftreiche Erörterungen über religiöfe 





Predigtwerke. 675 


und ſittliche Verhaͤltniſſe und Beziehungen des Invidnal—⸗ 
und Geſammtlebens, kurz vieles Vortreffliche enthalten. — 

Wir haben im vergangenen Jahre (f. Quartalſchr. 1856 
S. 672) Faſtenpredigten „keine Sünde mehr“ 
von Fuhlrott, Pfarrer in Kirchworbis, angezeigt. Unter 
demſelben Titel hat er eine zweite Reihe von Faſtenpredig— 
ten erfcheinen laſſen. Das Urtheil, dad wir über bie erften 
gefällt haben, findet aud) auf die zweiten Anwendung, und 
fónnen fomit blefe wie jene empfohlen werben. — 

Unter ten Previgtwerfen, die neuerdings erſchienen 
find, und in diefen Blättern noch feine Berüdfichtigung 
gefunden haben, vetbient ble von Nagelfchmitt beforgte 
Ausgabe der Pretigten des Heinrich Venedien, Pr. 
t. ©. Sy. und ehemals Domprediger in Cöln (Paderborn 
bel Schöningh 1854 — 57) alle 3Beadjtung. Eben ift ein 
dritter Jahrgang von Sonn» und Fefttagsprebigten erfchienen. 


Dieſe wie die zwei voraudgebenben Jahrgänge (einer Ans» 


gabe von 1730 entnommen) zeichnen ſich durch manche Bors 
züge aus. Die €pradje ift Iebhaft und von richtigem Maße 
oratsrifhen Schwunges begleitet, die Darftelung durch Gin; 
miſchung von vielen Vergleihungen und Gefchichten intref; 
fant, die Gedanken meift treffend, die Gchanfenentwidlung 
wenn auch nicht immer ftreng logifch, fo body woblgeorbnet. 
Die Hi. Schrift ift ſehr reichlich verwendet, nur vermißt man 
febr ungerne die Angabe des Orts, wo bie allegirten Stt 
fen zu finden find. — 

Ein A. Müller hat aud Kapuzinerprebigten für 
unfere Zeit mundgereht zu machen gefucht (Regensburg, 
Manz 1837, 1. Abthlg.) Ueber bie Quellen, aus denen 
bet Herausgeber gefchöpft, bemerft er nur im Allgemeinen, 
daß er fle als von Kapuzinern herrührende Predigten in 


676 Predigtwerke. 


einem Folio gefunden unb bag fie von anno 1600 u. 1700 (ἢ ἢ) 
herfiammen. Man merft bie umgeftaltende und mobernis 
firente Hand ziemlich ftarf, Ὁσ ift der alte Charakter unb 
Typus nicht ganz verwifht. Die Predigten find durchaus 
pofitiv und praftifch gehalten; find reih an Beziehungen - 
an den verſchiedenen Lebensverhältniffen, an biblifchen (ὅτε 
Örterungen, an Beifpielen aus ber Gefchichte der Heiligen — 
fury intreffant in Stoff und Ausführung unb darum lefend- 
wertf. Zu wünjchen wäre, ber Herausgeber hätte das Vers 
hältniß feiner Arbeit zu bem Original näher bezeichnet, unb 
[egtereó auch für bie Leſer fenntlid) gemadt. — 
Schließlich wollen wir nod) furz auf ein homiletifches. 
Werft „VBredigten für wahre Aufflärung und 
Bildung” von 9l. Weftermaier, 6. Durterin Schaff- 
haufen aufmerffam madjen, von weldem Fürzlih ver 
Schluß des erften Bandes ausgegeben wurde. Dasfelbe ift 
auf 15 Lieferungen à 30 fr. berechnet. Nach dem Vorlies 
genden zu urtheilen, zeichnen fid) dieſe Predigten wie ble 
früher von bemfelben Verf. erfchienenen durch Frifche ber 
Darftelung und Kraft und Lebhaftigfeit der Beweisführung 
and. Er fudt befonders in die Schäden des Firchlichen, fo 
cialen und familiären Lebens einzugreifen, unb Bat ein mit 
ben bießfälligen Bragen, wie fie in Zeitungen und gefelligen 
Kreifen angeregt und verhandelt werben, wohl vertrautes 
Publifum vor Augen, wie denn auch die Predigten in ber 
Michaelskirche zu München wirklich gehalten wurden. Wir 
fommen übrigens wahrfcheinlih, wenn dieſes Predigtwerk 
ganz erſchienen fein wirb, auf eine einläßlichere SBefpredyuug 
defjelben zurüd. — 
Dr. Bendel, Bonvictsbirertor, 








Dubois, der prakt. Seelforger. 677 


1. 


1, Der praktifche Seelforger, ober wie wirft man fegensreich 
in einer Gemeinde? Bon fj. Dubois, Ehrendomherrn 
von Coutances u. f. f. — Nah der dritten Aufl. des 
franzöftfchen Originals frei bearbeitet von einem Prieſter 
ber Didcefe Mainz. Mit oberhirtliher Genehmigung. 
Mainz, Berlag von Franz Kirchheim. 1856. G. 544. 
Pr.ifl. 45 fr. 


2, Erbauliche und abichreckende feifpiele aus den Se- 
genden der Heiligen, für Satedeten und Prediger ge= 
fammelt und fachmwelfe georbnet von einem emeritirten 
Priefler aus der Erz-Diöcehe Münden-Sreyfing. 
L Band. Landshut 1857. Thoman'ſche Buchhandlung. 
©. 396. Pr. 1 fl. 15 Er. 


Das Werk von Dubois führt mit Recht ten Titel 
„praftifher Seelforger”, denn εὖ befchäftigt fid) 
nur damit, zu zeigen, wie fid) ber Seelforger in den ges 
gebenen Berhältniffen zu benehmen habe, um feinen Zweck 
zu erreichen, b. B. die ibm anvertrauten Seelen zu retten. 
Gt greift dabei in das innerfte Leben des ‘Priefterd ein; 
er fudjt ihn gewiffermaßen bei jebem Schritte, ben er in 
ber feiner Sorge anvertrauten Gemeinde tbut, auf dem 
Fuße zu begleiten, um ihn beftändig am das zu erinnern, 
was er zu thun und zu laſſen habe, wenn er wirffam 
am Heil feiner Brüder arbeiten wolle. — 

Der vorwiegend praftifche Zwed machte ed nicht not» 
wendig, einen ftreng foftematifdjen Gang einzuhalten. Bon 
ben zwei Theilen, in welde dad Buch zerfällt, beipricht 
ber erfte bie Bethätigung des Serleneiferd durch dad gute 


678 Dubols, 


Beifpiel, und fomit die Tugenden, melde zu einer fegens- 
reihen Wirkſamkeit vorzugsweife noifmenbig find. Der 
zweite Theil handelt davon, wie fif ein feeleneifriger 
Priefter den ver[djiebenen Perfonen gegenüber zu benehmen 
habe, 3. 3B. ein Pfarrer gegen feinen Kaplan, biefer 
gegen feinen Pfarrer, wie ein Priefter fid) zu verhalten 
habe gegen {εἶπε geiftl. Nachbarn, gegen Frauensperſonen 
überhaupt und Dienftboten insbefonvere, wie gegenüber 
der €dule, der Ortéobrigfeit, gegen Sünder, gegen Arme, 
gegen Sranfe, gegen Betrübte, als Prediger, ald Katechet, 
als Beichtvater u. f. f. Im erften Theile fat ter Verf. 
die Tugend des Geefeneiferó , ber Sanftmuth, ver Fröm⸗ 
migfeit, ber Nächftenliebe, des Wohlanftandes, ter Uneigen- 
nuͤbigkeit und die Nothwendigkeit der Wiſſenſchaft ins 
Auge. — 

Wenn gleich der Verf. bei Aneinanderreihung der 
Materien mehr erfahrungsmäßig als ſyſtematiſch verfährt, 
ſo kommt er doch an Alles, was für das Seelſorgsleben 
irgendwie von Werth ift; aud) das Kleinſte und fd:einbar 
Geringfügigfte entgeht ifm nicht. Namentlich legt er aud) 
ein großes Gewicht auf das äußere Erfcheinen, Auftreten 
und Benehmen des Priefters unb- ſucht Alles genau zu 
regeln, wie Miene, Gang, Haarpup, Kleidung, Ausſprache 
s. dgl. Wir Dentfchen dürfen und hievon wohl Einiges 
merken. Wenn aud) ber deutfche Charafter in dieſer Ber 
ziehung flarf vom franzöfiichen abweicht und und im Bes 
nehmen des franzöfifhen Klerus Mandes als affectirt 
und geziert erjcheint, jo dürfte tod) auf tie Urbanität in 
der Erziehung bed deutſchen Klerus und in beffen. Ders 
halten ein "größeres Gewicht gelegt werden, als gewöhnlid 
geihieht. Die Korderungen des Berf. gehen in ber Regel 


ber prakt. Seelforger. 679 


nicht zu weit; er hält ih an das Ausführbare und an 
das für einen wahrhaft eifrigen Geiftlihen Nothwendige. 
Jn bem einen und andern Punkte könnte man freilich 
etwas anderer Anſicht fein. So meint à. 98. ver Verf., 
man fónnte Die und da den Beichtkindern ftatt der Vers 
richtung einiger Gebete ald Bußwerf auflegen, „zwei ober 
drei Befehrungsverfuche bei befannten Suͤndern zu machen“ 
(©. 280). Ein [ο ἐδ Satisfactionswerf als förmliche 
Bußauflage fann gewiß nur in ganz feltenen Fällen ein» 
treten. €. 321 rátf der Berf., man follte folden Ger 
meindes Angehörigen, „von denen fid) vermuthen läßt, tag 
fie in ihren legten Augenbliden die Annahme eines geift« 
[iden Beiftandes verweigern werben, ziemlich oft Höflich- 
feitö-Befuche abftatten, damit fte fpäter im Augenblid ber 
Gefahr audj ben nod) als einen ſolchen anfehen unb ans 
nehmen, ber in der Abſicht des Eeelforgers dieſesmal einen 
ganz andern Zwed hat.” Diefen Rath werben wohl 
wenige Prieſter zu befolgen fid) entichließen fónnen. — 
Auch im Verhalten gegen die Drtsobrigfeit (S. 237 ff.) 
fcheint uns etwas zu viel Konnivenz empfohlen zu fein, 
obgleich aud) wir ber Anfiht find, ein Priefter unb nas 
mentlich ein Pfarrer folle fo lange und fo weit immer 
móglid mit der Ortéobrigfeit im Frieden leben und in 
diefem Stüde lieber zu nachſichtig und nachgiebig als zu 
ftreng fein, da Uneinigfeiten aud) für bie Wirffamfeit des 
Seelſorgers immer große Nachtheile haben. 

Wenn ber Berf. S. 30 ff. die Sanftmuth als eine 
wefentlihe Tugend des Prieſters bezeichnet, [o ift Nef. 
ganz damit einverftanven, findet fie aber tod) hier zu aus—⸗ 
Tchließlich betont; daher gefällt ihm das befjer, was Gregor 
M. in feiner cura pastoralis (pars II. cp. 6.) über biefen 


680 Beifpiele aus 2egenben. 


Punkt fagt: ,Miscenda est lenitas cum severitate, facien- 
dum quoddam temperamentum ex atroque, ut neque multa 
asperitate exulcerentur subditi, neque nimia benignitate 
solvantur. Sit itaque amor, sed non emolliens, sit rigor, 
sed non exasperans, sit zelus, sed non immoderete sae- 
viens, sit pielas, sed non plus quam expediat, parcens, 
ut dum se in arce regiminis justitia clementiaque per- 
miscel, is, qui praeest, corda gubditorum et terrendo de- 
mulceat, et tamen ad terroris reverentiam demulcendo 
constringat.^ — 

Trotz ber Ausftelungen, die in einzelnen Punften 
gemacht werben fónnen, ift das Bud, burdjaud praktiſch 
und in ausgezeichneter Weife geeignet, feinen Zweck zu 
erfüllen, den deſſen Verf. mit folgenden Worten angibt: 
„Ich wollte die Gluth heiligen Seeleneifers, wovon die 
Bruſt des Priefters erfüllt fein muß, von Neuem darin 
anfadjen, wollte ihn an die Haupttugenven erinnern, ohne 
die er erichlafft, mit denen er aber Wunder wirft; wollte 
ihn endlich ble praktiſche Berhätigung dieſes Seeleneifers 
lebren, indem ich ihm zeigte, was ec in den verfchiedenen 
Begegniffen, wie fie jeder Tag mit fi bringt, unb bin. 
ſichtlich aller SBerfonen, mit denen er beftändig in Beruͤh⸗ 
rung fommt und in Berfehr fteht, zu thun habe (©. V.). 
Diefe Schrift kann daher allen Seelforgs-Geiftlihen ans 
gelegentlich empfohlen werben. 

2) Oben genannte Sammlung von Beifpielen fließt 
fid) den Vielen dieſer Art in empfehlenswerther Weife an. 
Sie unterfcheivet fih von den Sammlungen Schmid's, 
Mehler's u. A. dadurch, daß fie ihren Stoff ausſchließlich 
aus Segenbenbüdjern gefchöpft hat, unb daß die Beis 
fpiele unter in alphabetifcher Ordnung abfolgenbe religiöfe 


Birkler, missae polyphonae. 681 


Begriffe geordnet find. Diefe Orbnung ift nicht frei von 
einem medjanifden Verfahren, empfiehlt fi aber für ben 
prafti[den Gebraud. — 

Wie bei allen derartigen Sammlungen trifft man 
audj hier mandje Stüde, deren Weglafjung fein Verluſt 
für das Ganze gewefen wäre. Derfelde anonyme Verf. 
hat früher Schon eine Beifpielfammlung aus ber Bibel 
und Kirchengefchichte herausgegeben. Wäre es nicht τὰ δε 
lich geweien, das SBeffere der neuern Sammlung in jene 
anfzunehmen? Der erfte Band geht bis zu bem Worte 
„Kreuzzeichen.“ Ein zweiter mit einem breifachen Negifter 
wird dad Ganze fchließen. — 


8. 


Missae polyphonae e natura cantus choralis haustae atque re- 
vocatae ad similitudinem contrapuncti una vocibus Sopr., 
Alt., Ten., Bass., altera 1.et 2. Ten. 1. et 2. Bass con- 
cinenda. Composuit Birkler, professor regii Gymnasii Rott- 
wilensis. Tubingae sumptibus Henrici Laupp. Pr.: 1 Rthir. 


Unſre firhenmufifalifche Literatur hat durch das Gr. 
ſcheinen blefer beiden polyphonen Meſſen einen höchſt erfreu⸗ 
lichen Zuwachs erhalten. 

Hr. Profeffor Birfler, weldher das Ctublum ber alten 
klaſſiſchen Kirchenmuſik feit Jahren fich zur Aufgabe gemacht 
und die Früchte defjelben jchon in mehreren trefflichen Ab⸗ 
bandlungen über Choral nnb Gontrapunft niedergelegt hat, 
ift nun auch auf Bitten feiner Freunde mit einigen feiner 
praktiſchen Verſuche, deren er fdon mehrere ausgearbeitet 


682 Birkler, 


bat, vor bie Oeffentfidfeit getreten; und wir zweifeln fei 
nen Augenblid, bag diefelben ba überall, wo man das Wes 
fen und die Bedeutung der Kirchenmuſik vom richtigen 
Standpunkt auffaßt, eine günftige Aufnahme finden, und 
als Mufter eines Achten fivdliden Styls werden anerfannt 
werden. 

Die Grundfäge, von welchen der Hr. Verf. fi leiten 
(leg, hat er in einem Borworte des Weitern auseinander 
gefegt, und in feinen Gompofitionen getreu durchgeführt. 

Bon ber Ueberzeugung durchdrungen, daß bie moderne 
Lichenmufif vadurd, daß fie ven melodiöſen Styl zur 
Oberherrfchaft gelangen ließ, gu einer unkirchlichen gewor⸗ 
ben ift, hofft ex eine butdjgrelfenbe und dauernde Verbefjerung 
biefed Zweige ber kirchlichen funft nur von ber Ruͤckkehr 
zu den beiden bis jegt kirchlich fanftlonirten Mufifgattuns 
gen, dem Choral unb Gontrapunft. Anprerfeits weiß er 
aber aud) απὸ Erfahrung, in welch' großem Mißverhältniß 
der Erfolg zu der Anftrengung fteht, der man fid) fon an 
manden Orten unterzogen hat, um den alten Elaffifchen 
Merken Eingang zu verfhaffen; und er fieht den Grund 
biefer Erfcheinung mit Recht einmal in dem fdroffen Ges 
genfag überhaupt, welcher zwiſchen aftitalifdjer und mobers 
ner Kirchenmuſik befteht und welder eine Vermittlung uns 
umgänglich nothwendig made, ſodann in ber Unzulänglid- 
feit unfrer Sängerdöre im Befondern, von denen eben 
größtentheils die Werke alter Meifter wegen Mangel an 
Stimmittel u. f. f. enttveber gar nicht ober nicht bem Geift 
bes Gomponiften gemäß ausgeführt werben können, Diefen 
beiden Mißſtaͤnden will Hr. Birfler mit feinen Gompofitios 
nen begegnen unb läßt barum einerfeitd in benfelben zwar 
hauptſaͤchlich die Regeln des Contrapunktes ihre Anwendung 


Missae polyphonae. 683 


finden, aber ofne bie eine oder andere Conceſſion an ben 
Geſchmack ver Neuzeit auszuschließen; andrerfeits fucht er 
fie jo einzurichten, daß biefelben auch von kleinern Chören 
aufgeführt werden Fönnen. 

Es leuchtet von felbft ein, daß man auf blefem Wege 
am Schnellſten und Eicherften zur alten Erhabenheit, Ein: 
fachheit und Würde ber Kirchenmuſik gelangt und wir mid 
ten nur barauf aufmerffam machen, daß ber Ausſchuß für 
S&onfunft auf der 2. Generalverfanmlung des chriftlichen 
Kunſtvereins zu Regensburg dasjelbe Prinzip zur Anerfen- 
nung bringt, wenn er neben ber Heransgabe von Werfen 
ber Kirchenmuſik aus der Beriode im Gtyl Baläftrinas für 
unfre Zeit und unfre Berhältniffe aud die Her- 
ausgabe einer Sammlung der beften Firhlichen Tonwerfe 
aus der folgenden Periode für febr zweckmäßig und M 
wünfchenswerth hält. 

An bie Werke ber Gontrapunftiften dieſer Periode (des 
17. Jahrhdts.) laſſen fid) nun aber bie Birkler'ſchen Gom; 
pofitionen am Füglichften anfchließen und ed nag uns dieſes 
ein Fingerzeig fein, bag wir hier nicht bloß Gompofitionen 
von einem wünfchenswerthen Uebergangsſtyl — den ber 
Perf. für feine Gompofitionen in Anſpruch nimmt — zu 
begrüßen haben, fontern daß wir Hrn. SBirffer das Verbienft 
aufchreiben müjfen, daß er den Faden der Entwidlung des 
Gontrapunfté da wieder aufgenommen hat, wo er durch den 
Concertſtyl abgebrochen worden ijt, und daß er uͤberhaupt 
ben Beweis geliefert hat, wie man an ber von ber Kirche 
fanftionirten Mufifgattung fefthalten und tod) in tiefen 
Grenzen der Sunft eine freie Bewegung gönnen fann. — 

Ein weiteres Moment, das hervorgehoben werden muß, 
ift dieſes, daß eine ter beiden Mefjen für Männerftimmen 


684 Birkler, 


eingerichtet ift. Bekannt ift nemlih, welche Ausdehnung 
und Verbreitung der Männergefang iu neuerer Zeit gefun- 
ben hat unb wie Vieles bie Leiftungen der Männergefang- 
vereine zur Verherrlihung des Gottesdienſtes beitragen 
fónnten; ebenfo befannt ift aber, daß tie Kirchencompoſi⸗ 
tionen der Alten ſtets einen gemifchten Chor vorauéjegen 
und daß die Neuern nur ganz felten auf bem religiójen 
Gebiet den Männergefang berüdfichtigen und wo dieſes 
gefchieht, bald in mehr bald in weniger melobiöfem Styl 
Wir müffen daher Hrn. Birkler Dank wifjen, daß er feine 
eontrapunftifchen Verjuche vor Allem aud) auf den Männer: 
gefang ausgedehnt hat und diefes in einer Weile, daß man 
bei deren Aufführung weder Tenor nod; Baßſtimmen erfter 
Größe vonnótfen Dat. 

Die Rüdfiht auf die leichte Ausführbarfeit hat ben 
Hrn. Verf. auch veranlaft,. eine Abkürzung des Textes 
im Gloria und Credo eintreten zu laſſen; unb menn man 
weiß, wie fchwierig, ja für viele Muftfchöre geradezu 
unmóglid es ift, ein auf contrapunftifhe 9Beije voll 
ftändig turdjcomponitteó Gloria und Credo aufzuführen, 


jo wird man hierüber feinen Gabel ausfpredhen fónnen. 


WIN. man aber hierin einen Verftoß gegen die Liturgif, 
und näherhin einen Verftoß gegen bie Stellung, welde 
der Chor zum Gelebrand einzunehmen hat, erkennen, [0 
führt diefes eben auf bie einfache, aber wie allgemein 
zugegeben wird, nicht zu billigenbe Gonfequenz, bag man 
beim Amt nur Choral fingen dürfe. Allerdings muß man 
als eine Haupturſache beó SBerfalló der Kirchenmuſik bie 
Mißkennung des Verhältniffes ziwifchen Gfor unb Gelebrané 
bezeichnen ; aber biefem SBerbáltnig ift fidjerlid bann genug 
Rechnung getragen, wenn man nur. feine andere, als litur 

















Missae polyphonae. 685 


gifche Tertesworte bei ben Compofitionen zuläßt; immer 
alle Worte, die ber Priefter beim Gloria, Grebo, Offer: 
torium betet, vom Chor fingen zu laffen, wird man faum 
in Klofters und SDomfirden verlangen fónnen. — 

Hr. Birkler fdjliegt fein Vorwort mit der Bemerkung, 
daß eine wefentlide Wirfung des ältern Styls zu Grunde 
gehe, wenn der Vortrag fchleppend wird unb baf ebenjo 
die ganze Wirkung fid) verberge, wenn bie einzelnen Stim⸗ 
men nidt mit höchſter Reinheit, Klarheit und Präcifion 
zufammenwirfen. Wir fónnen nicht umbin, hierauf aud) 
ganz befonders aufmerkffam zu machen: bei der technifchen 
Leichtigkeit, die unà in tiefen Mefjen entgegentritt, darf man 
[ὦ der Mühe nicht für enthoben halten, biefelben genau 
und práció einzuüben; und nur unter dieſer Vorausfegung 
wird bie ganze Schönheit und Erhabenheit unfrer Gompo» 
fitionen zu Tag treten. 

Wir müfjen und auf bieje allgemeinen Andeutungen 
beichränfen, indem wir bie und durch ben Zweck biefer Blät« 
ter geftedten Grenzen überjchreiten würden, wollten wir 
und auf Beſprechung der einzelnen muſikaliſchen Schönheiten 
näher einfafjen; nur nod den Wunſch fónneu wir ἀπ 
fpreden, daß ber Hr. Verf. diefen 2 polyphonen Meſſen 
bald weitere Nummern anreihen möchte. 

Die Ausftattung verdient alle Anerkennung ; bet Preis 
ift billig geftellt; das beigefügte Veni creator, vie Reſpon⸗ 
[orien und ein o salutaris hostia mögen für mande Mufil- 
höre eine willfommene Zugabe fein. | 

Stepetent Beron. 


Geol. Quartalſchrift. 1857. IV. Heft. 45 


686 Saalſchũtz, Archäologie. 


Eine Erklärung des Hrn, Prof. Saalſchütz iu 
Königsberg. * 


Dem gütigen Hrn. 9tecenfenten meiner Archäologie, 
wie aud) mir felbft, bin ich es ſchuldig, hervorzuheben, daß 
fein Nachweis eines Irrthums (δῇ. 2. Sahrg. 1857. S. 320.) 
in der Angabe ver Zeltbreite zu 5—6 Ellen (auf ©. 321 
bes 2. Thls. meiner Schr.) vollfommen begründet ift. Im 
bet That ift aber hier nur ein ſehr bebauetlifer Schreibes 
fehler eingefloffen, indem id für ble ganze nur bie 
halbe Breite Hinfchrieb, welche letztere mich bel ber Bes 
rechnung ber Höhe S. 324 befchäftigte. Sonft find bie rid 
tigen Dimenfionen tes heil. Zeltes, namentlich feine wirt 
[ide Breite von 10— 12 Ehen in ber betreffenden Unter 
ſuchung überall veraudgefegt (f. δ. 8. ©.324 3. 1 v. ob.) 
aud in Th. L €. 62 bezeichnet. Dem fehr geebrten Hrn. 
Recenfenten kann ich nur ungemein dankbar fein, daß er 
mit Gelegenheit gegeben, einen mich betrübenven bei bet 
Gorrectur. überfehenen Fehler hier zu verbefiern. 


Königsberg, am 7. Sept. 1857. 
Saalſchütz. 


n. _ 
3ntelligensblatt. 


Sanctissimi Domini nostri Pii Papae IX litterae aposto- 
licae, quibus conventio cum serenissimo Virtembergae 
rege inita confirmatur. 


Pius Episcopus, Servus Servorum Dei. 


Ad perpetuam rei memoriam. 


Cum in sublimi Principis Apostolorum Cathedra nullis certe 
Nostris promeritis, sed arcano Divinae Providentiae consilio collocati 
universam catholicam Ecclesiam Nobis ab ipso Christo Domino com- 
missam regere ac tutari, ejusque utilitatem, prosperitatemque sine 
intermissione, totisque viribus tueri et amplificare debeamus, tum, 
Apostolicae Nostrae vigilantiae curas, ac sollicitudines ad eccle- 
siasticas superioris Rheni provincias omni studio convertimus, ut ibi 
sanctissima nostra Religio majora semper incrementa suscipiat, ac 
magis in dies prospere feliciterque vigeat et efflorescat. Etsi enim, 
veluti omnes norunt, recolendae memoriae Decessores Nostri Pius 
praesertim VII suis Apostolicis Litteris XVII Kalendas septembris 
anno millesimo octingentesimo vigesimo primo sub plumbo datis, et 
incipientibus „Provida solersque^ ac Leo XII per alias similes Lit- 
teras III Idus Aprilis anno millesimo octingentesimo vigesimo septimo 
editas, quarum initium ,Ad Dominici gregis custodiam" ecclesiasticis 
earumdem provinciarum negotiis, et spirituali illorum fidelium bono 
accurate consulere studuerunt, tamen apprime cognoscebamus ob 
rerum ac temporum vicissitudines Nobis alia omnino suscipienda esse 
consilia tum &d majorem illorum fidelium utilitatem procurandam, tum 


45 * 


688 Intelligenzblatt. 


ad eas removendas difficultates, quae ultimis hisce praecipue tem- 
poribus exortae fuerant. Itaque summo gaudio affecti fuimus ubi 
Serenissimus ac Potentissimus Princeps Gulielmus I Virtembergae 
Rex Illustris a Nobis efflagitavit, ut ecclesiastica in suo Regno negotia 
componere vellemus. Quocirca ejusdem Serenissimi Principis votis, 
quae et Nostra vota erant diuturna et impensissima, quam libentissime 
obsecundantes, nulla interposita mora, cum ipso Conventionem ineun- 
dam esse existimavimus. Atque huic gravissimo sane negotio manum 
illico admoventes, Dilectum Filium Nostrum Carolum Augustum 8. 
R. E. Presbyterum Cardinalem de Reisach pietate, doctrina ac pru- 
dentia spectatum, cum necessariis facultatibus et instructionibus de- 
putavimus, ut cum Dilecto Filio Nobili Viro Adolfo libero Barone 
de Ow, qui ejusdem Virtembergae Regis apud Caesaream et Aposto- 
licam Majestatem Minister Plenipotentiarius ad Nos cum liberis mandadis 
missus fuerat, rem omnem sedulo diligenterque tractandam et con-. 
ficiendam curaret. Et quoniam probe noscebamus qua egregia justitia, 
aequitate, et excelsi animi maguitudine, et qua propensa in Catholicos 
sibi subditos voluntate ipse Serenissimus ac Potentissimus Virtem- 
bergae Rex praestet, idcirco maxima, ac probe explorata spe nite- 
bamur fore, ut res ipsa, Deo bene juvante, juxta Nostra desideria 
ad felicem adduceretur exitum. Neque inanem hujusmodi spem 
Nostram fuisse vehementer laetamur. Etenim post sedulam consul- 
tationem, quam rei gravitas plane postulabat, Conventio ipsa pluribus 
articulis distincta, et a VV. FF. NN. S. R. E. Cardinalibus Congre- 
gationis negotiis ecclesiasticis extraordinariis praepositae examinata 
“cum eodem Serenissimo Rege fuit inita, atque ad optatum exitum 
perducta. Cum autem ejusdem Conventionis articuli tum a Nostro, 
tum a Regio Plenipotentiario die octavo mensis Aprilis hujus anni 
subscripti fuerint, atque a Nobis ipsis diligentissime perpensi, eandem 
Conventionem suprema Nostra auctoritate confirmandam esse censui- 
mus, eamque, benedicente Domino, in maximum animarum commodum, 
et catholicae Ecclesiae bonum cessuram esse confidimus. Hujusce 
autem conventionis tenor est qui sequitur, videlicet: 


Conventio 


Inter. Sanctitatem. Suam Pium IX Summum Pontificem οἱ Maje- 
etatem Suam Serenissimam Gulielmum I. Virtembergae Regem. 
In nomine sanctissimae et individuae Trinitatis. 

Sanctitas Sua Summus Pontifex Pius IX et Majestas Sua Sere- 
nissima Gulielmus I Virtembergae Rex, cupientes Ecclesise Catholicae 


Intelligenzblatt. 689 


Romanae negotia componere in Regno Virtembergae, Suos Pleni- 
potentiarios constituerunt , videlicet, Sanctitas Sua Eminentissimum 
Dominum Carolum Augustum S. R. E. Tituli S. Anastasiae Presby- 
terum Cardinalem de Reisach, et 

Majestas Sua Rex Virtembergae Nobilem Virum Dominum Adol- 
fum liberum Baronem de Ow Suum Ministrum Plenipotentiarium apud 
Majeststem suam Caesareo-Regiam Apostolicam Imperatorem Austriae, 
et a Consiliis Legationum Secretis. 

Qui Plenipotentiarii post sibi mutuo tradita legitima et authen- 
tica suae quisque plenipotentiae instrumenta de sequentibus articulis 
convenerunt. 


Art. I. 


Circa provisionem Sedis Episcopalis Rottemburgensis, Canonica- 
tuum et Praebendarum Cathedralis Ecclesiae ea tantum servabuntur, 
de quibus cum S. Sede jam conventum est. 


Art. IT. 


Episcopus, antequam Ecclesiae suae gubernacula suscipiat, coram 
Regia Majestate fidelitatis juramentum sequentibus verbis expressum 
emittet. 

„Ego juro, et promitto ad Sancta Dei Evangelia, sicut decet 
Episcopum, obedientiam et fidelitatem Regise Majestati, et Succes- 
soribus suis; juro item et promito, me nullam communicationem 
habiturum, nullique consilio interfuturum, quod tranquillitati publicae 
noceat, nullamque suspectam unionem, neque intra, neque exira 
Regni limites conservaturum, atque si publicum aliquod periculum 
imminere resciverim, me ad illud avertendum nihil omissurum.“ 


Art. ΠῚ. 


" Regium Gubernium non deerit obligationi, quam semper agnovit, 
dotandi in fundis stabilibus Episcopatum, ubi primum permiserit 
temporum ratio. 


Art. IV. 


Pro regimine Diócesis suae Episeopo ea jura omnia exercere 
liberum erit, quae in vim pastoralis Ejus ministerii, sive ex decla- 
retione, sive ex dispositione Sacrorum Canonum juxta praesentem, 
et a Sancta Sede adprobatam Ecclesiae disciplinam, Ipsi competunt, 
ac praesertim: 

a) Beneficia omnia, exceptis iis, quae juri patronatus legitime 
acquísito subjacent, conferre; 


690 Inlelligenzblatt. 


b) Vicarium suum generalem, atque extraordinarios Ordinariatus 
Consiliarios, seu Adsessores, nec non Decanos rurales eligere, 
nominare, vel confirmare; 

c) Examina tum pro recipiendis in Seminarium alumnis, tum pro 
iis, quibus beneficia curata conferenda sunt, praescribere, 
indicere, et dirigere; 

d) Clericis sacros Ordines conferre, non solum ad titulos a sacris 
Canonibus adprobatos, sed etiam ad titulum mensae ab ipso 
assignandum; 

e) Secundum Sacrorum Canonum praescripta ea omnia ordinare, 
quae tum ad divinum cultum, tum ad functiones ecclesiasticas, 
tum ad ea religionis exercitia pertinent, quae ad suscitandam, 
confirmandamque fidelium pietatem institauntur; 

f) Convocare et celebrare Synodum Dioecesanam, nec non adire 
Concilia Provincialia ; 

g) In propria Dioecesi utriusque sexus Ordines seu Congregationes 
Religiosas a Sancta Sede adprobatas constituere, collatis tamen 
quolibet in casu cum Regio Gubernio consiliis. 


Art. V. 


Causas omnes ecclesiasticas, quae fidem, sacramenta, sacras 
functiones, nec non officia et jura sacro ministerie adnexa, respi- 
eiunt, Episcopi tribunal ad Canonum normam et juxta Tridentina De- 
creta judicat: ac proinde de causis etiam matrimonialibus judicium 
feret, remisso tamen ad judicem saecularem de civilibus matrimonii 
effectibus judicio. R 

Episcopo liberum erit Clericorum moribus invigilare, atque in 
608, quos aut vitae ratione, aut quomodocumque reprehensione dignos 
invenerit, poenas canonicis legibus consentaneas in suo foro infligere, 
salvo tamen canonico recursu. 

Competit item Episcopo in Laicos ecclesiasticarum legum trans- 
gressores censuris animadvertere. 

Licet de jure patronatus judex ecclesiasticus cognoscat, con- 
sentit tamen Sancta Sedes, ut, [quando de patronatu laicali agatur, 
tribunalia saecularia judicare possint de juribus et oneribus civilibus, 
cum hujusmodi patronatu connexis, néc non de successione quoad 
eundem patronatum, seu controversiae ipsae inter veros, et suppo- 
sitos patronos agantur, seu inter ecclesiasticos viros, qui ab iisdem 
patronis designati fuerint. 

Temporum ratione habita, Sanctitas Sua permittit, ut Clericorum 


Intelligenzblatt. 691 


caudas meré civiles, veluti éontractuum, debitorum, haereditatum, 
judices saeculares cognoscant, et definiant. 

item Sancta Sedes annuit, ut lites de civilibus juribus vel one- 
ribus Ecclesiarum, beneficiorum, decimarum, et de onere construendi 
aedificia ecclesiastica in foro saeculari dirimentur, 

Eadem de causa S. Sedes non recusat, quominus causae Cleri- 
corum pro criminibus seu delictis, quae poenalibus Regni legibus 
animadvertuntur, ad judicem laicum deferantur, cui tamen incumbet 
Episcopum ea de re absque mora certiorem reddere. Quod si in 
virum ecclesiasticum mortis vel carceris ultra quinquennium duraturi 
sententia feratur, Episcopo nunquam non acta judicialia communi- 
cabuntur, eique condemnatum audiendi facultas fiet, in quantum ne- 
cessarium sit, ut de poena ecclesiastica eidem infligenda cognoscere 
possit, Hoc idem, si minor poena decreta fuerit, Antistite petente, 
praestabitur. 


Art. VI. 


Épiscopi, Cleri, et populi mutua cum Sancta Sede communicatio 

in rebus ecclesiasticis libera erit. Item Episcopus cum Clero et 
populo libere communicabit. 
Hinc instructiones et ordinationes Épiscopi, nec non Synodi 
Dioecesanae, Concilii Provincialis, et ipsius S. Sedis acta de rebus 
ecclesiasticis absque praevia inspectione et adprobatione Regii Gu- 
bernii publicabuntur. 


Art. VII. 


Episcopus ex proprii pastoralis officii munere religiosam catho- 
licae juventutis tum instructionem , tum educationem in omnibus 
scholis publicis et privatis diriget, et super utraque vigilabit. Pro- 
inde statuet, quinam ad religiosam instructionem libri et Catechismi 
adhibendi sint. 

In scholis elementaribus religiosa instructio a parochis tradetur; 
in reliquis scholis nonnisi ab iis, quibus ad hoc auctoritatem et mis- 
sionem Episcopus contulerit, nec postea revocaverit. 


Art. VIII. 


Liberum erit Episcopo erigere Seminarium juxta normam Con- 
eilii Tridentini, in quod adolescentes et pueros informandos admittet, 
quos pro necessitate et utilitate Dioecesis suae recipiendos judi- 


692 Intelligenzblatt. 


caverit, Hujus Seminarii ordinstio, doctrina, gubernatio et admi- 
nistratio Episcopi auctoritati pleno liberoque jure subjectae eruut. 

Rectores quoque et Professores seu magistros Episcopus nomi- 
nabit, et quotiescumque necessarium vel utile ab ipso censebitur, 
removebit. 

Quamdiu vero Seminarium ad normam Tridentini Concilii de- 
siderabitnr, et Convictus publici aerarii maxime sumptibus sustentati, 
Ehingae, Rotvilae et Tubingae existent, haec observabuntur. 


8) Quod attinet ad educationem religiosam et disciplinam domes- 
ticam, ea instituta regimini et inspectioni Episcopi subdita 
suut. 

b) Alumni horum iustitutorum quatenus erudiuntur in scholis 
publicis, aeque ac ceteri discipuli legibus, quae scholis illis 
constitutae sunt, et normis de ratione et cursu studiorum 
praescriptis subjacent. 

Si ea in re Episcopus (quoad Gymnasia) immutationem 
quamdam necessariam vel magis opportunam judicaverit, con- 
silia conferet cum Regio Gubernio, quod item pro sua parte 
nihil nisi antea collatis cum Episcopo consiliis mutabit, 


c) Episcopus institutorum eorumdem Rectores et Repetitores 
deputabit, eosque removebit; quos tamen gravibus de causis 
factoque innitentibus circa res civiles et politicas Regio Gu- 
bernio minus acceptos esse resciverit, numquam eliget. Item 
quos postea ob easdem causas ingratos "Gubernio evasisse 
compererit, dimittet. 


d) Episcopo competit eadem instituta visitare, delegatos suos ad 
examina publica, praesertim pro recipiendis alumnis, mittere, 
relationes periodicas exigere. 


e) Prospiciet Regium Gubernium, ut in Gymnasiis, quibuscum 
conjuncti sunt convictus inferiores, paulatim non alii, nisi ex 
Clericorum ordine, Professores instituantur. 


Art. IX. 


Facultas theologica catholica Universitatis Regiae quoad munus 
docendi ecclesiasticum Episcopi regimini, et inspectioni subest. Potest 
proinde Episcopus Professoribus et Magistris docendi auctoritatem 
et missionem tribuere, eamdemque, quum id opportunum censuerit, 
revocare, ab ipsis fidei professionem exigere, eorumque scripta et 
compendia suo examini subjicere, 





. — Intelligengblatt. 693 


Art. X. 

Bona temporalia, quae Ecclesia propria possidet, vel in poste- 
rum acquiret, semper et integre conservabuntur, nec sine potestatis 
ecclesiasticae venia distrahi, et alienari, aut eorum fructus in alios 
usus converti poterunt; oneribus tamen publicis et vectigalibus, nec 
non aliis legibus Regni generalibus, aeque ac ceterae proprietates, 
suberunt. 

Bona ecclesiastica nomine Ecclesiae sub Episcopi inspectione 
ab iis administrabuntur, quibus haec administratio aut canonum dis- 
positione, aut ex consuetudine, aut ex privilegio, et constitntione 
aliqua loci legitime competit; omnes vero administratores, etiamsi 
ob eosdem titulos aliis administrationis ratio reddenda sit, eam pa- 
riter Ordinario, ejusve Deputatis reddere singulis annis teneantur. 

Proinde Sancta Sedes, spectatis peculiaribus rerum circumstan- 
tiis, consentit, ut singularum Ecclesiarum fabricae, ceteraeque ec- 
clesiasticae cujusque loci fundationes nomine Ecclesiae eo modo 
qui jam in Regno receptus est, administrentur, dummodo Parochi et 
Decani rurales munus, quod hac in parte gerunt, Episcopi auctori- 
tate exerceant. De speciali hujus rei executione Regium Gubernium 
cum Episcopo conveniet. 

Insuper S. Sedes. aunuit, ut quamdiu publici aerarii sumptibus 
tum generalibus, tum localibus Ecclesiae necessitatibus subvenietur, 
beneficia vacantia, et fundus ex interealaribus eornm fructibus col- 
lectus administrentur sub Episcopi auctoritate, et Ecclesiae nomine 
per Commissionem mixtam ex viris praesertim ecclesiasticis ab Epis- 
copo deputandis, et viris catholicis pari numero a Regio Gubernio 
constituendis. Hujusmodi autem Commissioni Episcopus ipse, ejusve 
Delegatus praeerit. Qua de re specialis atque accuratior inter Re- 
gium Gubernium et Episcopum fiet conventio. 

Hujus fundi reditus prae ceteris semper erunt erogandi in augen- 
dos usque ad congruam Parochorum reditus, in assignandas Benefi- 
.ciasis senio morbove confectis congruentes pensiones, in constituen- 
dos pro Clericis ordinationis titulos, in necessaria pro deputandis 
Vicariis stipendia; quee vero supererunt, nonnisi in alios Eeclesiae 
usus impendentar. ; 

᾿ Regium Gubernium de ipsius fundi conservatione, fructuumque 
'erogatione ab administrante Commissione semper edocebitur. 

Quamdiu mixta pro administratione ejusdem fundi Commissio 
ezistet, reliqua etiam beneficia ab eorum Rectoribus sub praefatae 
Commissionis generali inspectione secundum Canones administrabuntur, 


694 Intelligenzblatt. 


Art. XI 


Episcopus cum Regiis magistratibus ommibus immediate com- 
municabit. 


Art. XII. 


Quaecumque cum praesenti Conventione noa congruunt Regis 
Decreta et Edicta abrogata sunt: quae vero legum dispositiones ei- 
dem Conventioni adversantur, mutabuntur. 


Art. XIII. 


Si quae in posterum super iis, quae conventa sunt, snperve- 
nerit difficultas, Sanctitas Sua et Regia Majestas invicem conferent 
ad rem amice componendam. 

Retificationes praesentis Conventionis mutuo tradentur Romae 
duorum mensium spatio, aut citius, si fieri poterit. 

In quorum fidem praedicti Plenipotentiarii huic Conventioni sub- 
scripserunt, illamque suo quisque sigillo obsignaverunt. 

Datum Romae die octava aprilis anno reparatae salutis mille- 
simo octingentesimo quinquagesimo septimo, 


Carolus Aug. Card. REISACH. 
Adolfus Liber Baro de OW. 


Cum igitur hujusmodi Conventionis pacia et coneordata in om- 
nibus οἱ singulis punctis, clausulis, articulis et conditionibus tum a 
Nobis, tum a Serenissimo ei Potentissimo Gulielmo I Virtembergae 
Rege Illustri fuerint adprobata, confirmeta et ratificata, et cum Ipse 
Serenissimus Princeps enixe postulaverit, ut pro firmiori eorum sub- 
sistentis, robur Apostolicae firmitatis adjiceremus, ac solemniorem 
Auctoritatem et Decretam interponeremue, Nos plane in Domino con- 
üdentes (ore, ui pro sua misericordia haec Nostra studia ad com- 
ponendas in Virtembergae Regno ecclesiasticas res intenta uberrimis 
diviane suse gratiae donis prosequi dignetur, ex certa scientia et 
mature delibaratione Nostra, deque Apostolicae potestatis plenitu- 
dine supradictas Conventiones, Capitula, Paeta, Concordata et Con- 
cessiones tenore praesentium approbamus, ratificamus et acceptamus, 
illisque Apostolici muniminis et firmitatis tobur et efficaciam adjun- 
gimus, omniaque in iis contenta et promissa sincere et inviolabiliter 
ex Nosira et ex 8. Sedis parte adimpletum et servatum ivi tem 


Nostro, quam Sucoossorum Nostrorum nomine promittimus ac spot 
domus. 


Intelligenzblatt. — 695 


"Majori autem qua possumus contentione monemus et exhorta- 
mur Venerabilem Fratrem in eodem Regno Saerorum Antistitem, 
eliosque omnes Catholicos tum ecclesiasticos, tum laicos viros in 
eodem Regno degentes, ut pro sua quisque parie omnia praemissa 
et pacta ad majorem Dei gloriam, et Christiani nominis decus se- 
dulo ac diligenter observent et summo studio eorum emnes cogita- 
tiones et cnras assidue conferant, ut catholicae doctrinae puritas, 
et divini cultus nitor, et ecclesiasticae disciplinae splendor, et Ec- 
clesiae legum observantia ac morum honestas, et christianae pietatis 
ac virtutis amor et opéra in eodem Regno quotidie magis tefulgeant. 

Decernentes easdem praesentes Litteras nullo unquam tempore 
de subreptionis et obreptionis aut nullitatis vitio vel intentionis 
Nostrae aut alio quocumque, quamvis magno, aut inexcogitato de- 
fectu notari, aut impugnari posse, sed semper firmas, validas et ef- 
ficaces existere et fore, suosque plenarios et integros effectus sortiri 
et obtinere, et inviolabiliter observari debere, quousque conditiones 
et pacta in Tractatu expressa serventur. Non obstantibus Apostolieis 
et Synodalibus, Provincialibus et Universalibus Conciliis editis gene- 
ralibus Constitutionibus et Ordinationibus, ac Nostris et Cancellariae 
Apostolicae regulis, praesertim de jure quaesito non tollendo, nec 
non quarumcumque Ecclesiarum, Capitulorum, aliorumque Piorum 
Locorum fundationibus, etiam confirmatione Apostolica, vel quavis 
firmitate alia roboratis, privilegiis quoque, Indultis et Litteris Apo- 
stolicis in contrarium quomodolibet concessis, confirmatis et innova- 
iis, ceterisque contrariis quibuscumque. . Quibus omnibus et singulis, 
illorum tenores pro expressis et ad verbum insertis habentes, illis 
alias in suo robore permansuris, ad praemissorum effectum dumtaxat, 
specialiter et expresse derogamus. 

Prseterea quia difficile foret praesentes Literas ad singula, in 
quibus de eis fides facienda fuerit, loca deferri, eadem Apostolica 
Auctoritate decernimus et mandamus, ut earum transumptis etiam 
impressis, manu tamen publici Notarii subscriptis, et sigillo alicujus 
personae in ecclesiastica dignitate constitutae munitis, plena ubique 
fides adhibeatur, perinde ac si praesentes Litterae forent exhibitae 
vel ostensae. Et insuper irritum quoque et inane decernimus si 
secus super his a quoquam quavis auctoritale scienter vel ignoranter 
contigerit attentari. 

Nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam Nostrae con- 
cessionis, adprobationis, retificationis, acceptationis, promissionis, 
spousionis, monitionis, hortationis, decreti, derogationis, statuti, man» 


696 Intelligenzblait. 


dati, voluntatis infringere, vel ei ausu temerario contraire. Si quis 
autem hoc attentare praesumpserit, indignationem Omnipotentis Dei, 
ac Beatorum Petri et Pauli Apostolorum Ejus se noverit incursurum. 
Datum Bononiae anno Incarnationis Dominicae Millesimo Octin- 

gentesimo Quinquagesimo Septimo die decimo Kalendas Julii. Pon- 
tiicatus Nostri Anno Duodecimo. 

V. P. Card. SPINOLA Pro-Datarius 

V. Card. MACCHI. 

Visa de Curía 
Pro. R. D. Dominico Bruti Abbreviatore de Curia 
FRANCISCUS VICI Sub-Datarius. 
Loco t Plumbi. 
I. Cugnonius. 


Apoſtoliſches Schreiben, 
in weldem unfer heiliger Water Pius IX: der mit dem burd. 
laudtigften König oon Württemberg geſchloſſenen Eonvention 
bie Beftätigung ertpeilt. 


Pins Sifhof, Anecht der Knechte Gottes. 
Zum ewigen Gedaͤchtniß. 

Auf den erhabenen Stuhl des Apoftelfürften, freilih ganz ohne 
Unfer Verdienſt, vielmehr nad) einem acheimen Rathſchluß der abit: 
lidjen Borfehung erhoben, ift- es Unfere Pflicht, die ganze Fatholifche 
fitde, bie Uns Chriſtus der Herr felbft anvertraut hat, zu regieren 
und zu fhügen und ihre Wohlfahrt und ihr Gebeifen ohne Unterlaß 
unb mit al Unfern Kräften zu hüten unb zu mehren. So haben Wir 
aud) insbefondere die Innigfle Sorgfalt Unſeres apoftolifchen Wächter: 
amtes ber oberrheinifhen Kirhenprovinz mit allem Gifer 
zugewandt, damit bort unjere heiligfte Religion immer größeres Wachs⸗ 
thum gewinne und von Tag zu Tag fröhlicder und herrlicher erſtarke 
und erblühe.. Denn wenn aud), wie affbefannt, Unfere Borgänger 
preiswürbigen Andenfens, befonders Pius VIL. butdj bie Bulle Provida 
solersque vom 16. Auguft 1821 und Leo XII. durch die weitere Bulle 
Ad dominici gregis custodiam- vom 11. April 1827 für bie Firchlichen 
Angelegenheiten jener Provinz und das geiftlihe Wohl ihrer Bläus 
bigen auf das Beſte zu forgen befliffen waren, fo erfannten Wir bod) 
alebald, ba bie veränderten Seitumftánbe Uns ganz andere Maßregeln 
vorzeihneten, wenn it ben dortigen Gläubigen zu vortheilhafteren 


Intelligenzblatt. 697 


Berhältniffen verhelfen unb bie Schwierigkeiten Hinwegräumen wollten, 
die befonters in der jüngften Zeit dafelbft aufgetaucht waren. Daher 
erfüllte εὖ Uns mit der größten Freude, als der erhabenjte und mäch⸗ 
tigfle Fürft, ber durhlaudtigfte König von Württemberg, Wilhelm I. 
an Uns ben dringenden Wunſch gelangen ließ, die kirchlichen Ange: 
legenheiten in feinem Königreich ordnen zu wollen. Mit der größten 
Bereitwilligfeit eingehend auf die Wünfche des erhabenen Fürſten, bie 
nicht minder Unfere eigenen lángft und innigftgehegten Wünſche waren, 
glaubten Wir, ohne irgend welchen Berzug mit ihm eine Uebereinfunft 
abjchließen zu jolfen. Und indem Wir an das hochwichtige Geſchäft 
fofort Hand anlegten, verfahen Wir Unjetn geliebten Sohn, Carl Auguft 
v. 9teijad), Garbinalpriejter der heil. römifchen Kirche, einen Mann 
burd Brömmigfeit, Gelehrſamkeit und Klugheit ausgezeichnet, mit ben 
nöthigen Vollmachten und Anmeifungen, damit er mit Unferem ge: 
liebten Sohn, bem Baron von Ow, bevollmädhtigten Minifter des Kö: 
nigé von Württemberg bei Gr. faijerliden und apoftolifchen Majeftät, 
ber mit ausgedehnten Inftruftionen an Uns abgefandt worden war, 
die ganze Augelegenheit reiflih und forgfältig verbanble und bereinige. 
Und da Wir recht wohl wußten, wie erhaben bie Gerechtigkeit, Billig: 
feit und Seelengröße ift, durch bie ber butdjlaudjtigite und mädhtigfte 
König von Württemberg fid) auszeichnet, und wie wohlwollend bie 
Gefinnungen find, bie er gegen feine Fatholifgen Unterthanen hegt, fo 
gaben Wir Uns auch der froheften und wohlbegründeten Hoffnung hin, 
die Angelegenheit werde unter dem gnábigen Schuße Gottes nad) Uns 
ferem Wunfche zu einem glüdlichen Ziele geführt werden. Und Wir 
freuen Uns innigft, biefe Unfere Hoffnung ift feine eitle gemefen. 
Denn nad) einer forgfältigen Berathung, wie fte die Wichtigkeit ber 
Sache vollfommen verlangte, wurde bie Gonvention, bie felbft aus 
mehreren Artikeln beflebt und von Unfern Brüdern, ben ehrwürdigen 
Gardinälen der Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegen- 
heiten noch geprüft worden war, mit bem genannten burdjfaudjtigften 
König abgeſchloſſen unb zum erwünfchten Ende gebracht. Nachdem 
aber bie Artikel eben diefer Convention fowohl von Unferem als bem 
föniglihem Bevollmächtigten am 8. April diefes Jahres unterzeichnet 
und von Uns ſelbſt auf das Gorgfáltigfle erwogen worden waren, 
glaubten Wir bie Konvention burdj Unfere höchfte apoftolifhe Autos 
rität beftätigen zu follen und Wir hegen bie fefte Suvetfidjt, daß die⸗ 
[εἶδε vom göttlihen Segen begleitet, das Heil der Seelen und das 
Wohl ber Fatholiihen Kirche auf das SBebeutfamfte befördern werde. 
Der Wortlaut aber blejer Convention ift folgender: 


698 Intelligenzblatt. 
Act. 1*) 


Sn Betreff der Belebung des bifgöfliden Stuhles von Rottens 
burg, der Ranonifate unb ber Bräbenden an ber Domkirche bleibt εὖ 
lediglich bei bem mit bem Heil. Stuhle früher vereinbarten Berfahren. 


Art. IL 


Der Biſchof wird, bevor er bie Leitung feiner Kirche übernimmt, 
vor €t. fónigl. Majeflät ben Qib ber Treue in folgenden — ab⸗ 
legen: 

„Ich ſchwöre unb gelobe auf Gottes heiliges — wie εὖ 
einem Biſchof geziemt, Euerer fónigI. Majeſtaͤt und Allerhoͤchſt Ihren 
SRadjfolgern Geborjam und Treue. Ingleichen ſchwöre und gelobe id, 
an feinem Berfehre oder Anfchlage, welcher die öffentlihe Ruhe ge: 
fügtbet, Theil zu nehmen, unb weder inner nod) außer den Grünen 
des Königreihs irgend eine verbäcdhtige Verbindung zu unterhalten; 
folíte ἰῷ aber in Erfahrung bringen, daß bem Staate irgend eine 
Gefahr brofe, zu Abwendung berjelben Nichts zu unterlafjen.“ 


Art. II. 


Die fonigl. Regierung wird die von ifr ſtets anerkannte Verbind⸗ 
lidjfeit zur realen Dotation des Bistums erfüllen, fobald e& bie Vers 
Hältnifje aulaffen. 


Art. IV. 


Zur Leitung feinee Diöcefe wirb ber Biſchof die Freiheit haben, 
alle jene Rechte auszuüben, welche demſelben in Kraft feines kirch⸗ 
fiden Hirtenamtes laut Grflárung ober Verfügung der heiligen Kits 
Hengefege nad) der gegenwärtigen, vom heiligen Stuhle gutgeheißenen 
Disriplin der Kirche gebühren und inébejonbere 

a) alle Pfrunden zu verleihen, mit Ausnahme von jenen, welche 
einem rechtmäßig erworbenen Patronatsredhte unterliegen ; 

b) feinen Generalvifar, bie auferotbentlidjen Mitglieder des Or: 
binariates, fowie bie Landdekane zu erwählen, zu ernennen, be: 
ziehungsweiſe zu beflätigen; 

c) die Prüfungen für bie Aufnahme in das Seminartum und für 
bie Zulaſſung zu Seelforgerftellen anzuordnen, auszufchreiben 
und zu leiten; 

d) den Klerifern die Heiligen Weihen zu ertheilen, nicht nur auf 


*) Diefe Ucberfegung ber Artikel ift bem „St.-Ang.* entuommen. 





Intelligenzblatt. 699 


bie beftehenden fanonifden, fondern aud auf den von ihm 
felbft anzumeifenden Tifchtitel Hin; 

e) nad) den fanonijdjen Borfchriften alles das anzuorbnen, was 
den Gotteóbienft, bie Firchlichen Feierlichkeiten und Diejenigen 
Religionsübungen betrifft, welche die Aufweckung und Befeftig- 
ung bes frommen Sinnes der Gläubigen zum Zweck haben; 

f) Didcefanfynoden einzuberufen und abzuhalten, fowie Provinzials 
coneilien zu befuchen; 

g) in feinem Kirdhenfprengel vom heiligen Stuhl genehmigte rez 
ligiöfe Orden ober Gongregationen beiverlei Geſchlechts einzu⸗ 
führen. Jedoch wird fid) der Bifchof, betreffend tiefen fegteren 
Punkt, in jedem einzelnen Fall mit ber fónigl. Megierung in's 
Einvernehmen feßen. 


Art. V. 


Ueber alle kirchlichen Nechtsfälle, welche den Glauben, die Sa⸗ 
framente, bie geififiden Verrichtungen und bie mit bem geiflichen 
Amte verbundenen Pflichten betreffen, hat der Gerichtshof des Bifchofs 
zu erkennen πα Vorſchrift ver firdjengefege und nach den Beſtim⸗ 
mungen des Concils von Trient. Somit wird berjebe aud) über 
Cheſachen entſcheiden; jedoch bleibt das Urtheil über die bürgerlichen 
Wirfungen ber Ehe den weltlichen Gerichten überlaffen. 

Deßgleichen wird ber Bifchof unbehindert den Wandel der Geiſt⸗ 
lichen überwachen und wo biefe burd) ihr Betragen oder in irgend 
. einer andern Weife zu Ahndungen Anlaß geben, in feinem Berichte 
bie den firdjliden Gelegen entfprechenden Strafen über die Schuldigen 
verhängen, wobei jebod) der Fanonifche Recurs gewährt bleibt. ὁ 

Gegen 2aien, welche fid) Uebertretungen kirchlicher Satzungen zu 
Schulden fommen laffen, fiet e& bem Biſchof zu, bie fitdjliden Gens 
juren in Anwendung zu bringen. 

ffüenn gleich über das Patronatreht das Kirchliche Gericht zu 
entſcheiden hat, jo gibt doch der Heilige Stuhl feine Einwilligung, daß, 
wenn es fid) um ein Laienpatronat Handelt, bie weltlichen Gerichte 
fprechen können über die damit in Verbindung flehenden civilrechtlichen 
Anfprüde und aflen, fowie über bie 9tad)fofge in bemfelben; ber 
Streit mag zwifchen den wahren und angeblidjen Patronen oder zwi⸗ 
fen ben Geiftlihen, welche von dieſen Patronen für bie Pfründe 
bezeichnet wurden, geführt werben. 

Suit Nüdfiht auf die Zeitverhältniffe gibt der Heilige Stuhl feine 
Suftimmung; daß bie rein weltlichen Rechtsſachen der Geiftlidjen, wie 





100 Iutelligenzblatt. 


Berträge, Schulden, Erbſchaften, von bem weltlichen Bericht unterſucht 
unb entídjieben werden. 

Deßgleichen hindert ber Heilige Stuhl nit, daß Streitigfeiten 
über civilrechtliche Anſprüche und Laften ber Kirche nnb fBeneficien, 
über Sefnten und über Kirchenbaulaft von bem weltlichen Gerichte 
gefchlichtet werben. Aus gleichem Grunde ijt ber Heil. Stuhl nicht 
entgegen, daß bie flerifer wegen Verbrechen ‚und SSetgeben, wider 
welche bie Strafgefege bes Königreichs gerichtet find, vor das weltliche 
Gericht geftellt werden; jedoch liegt e8 biejem ob, hievon den Biſchof 
ohne Verzug in Renntnif zu feßen. Wenn das gegen einen Geifllihen - 
gefällte Urtheil auf Tod ober Gefangenfchaft von mehr als fünf Sab: 
ten bauert, jo wird man jedesmal dem Bifchofe die Gerichtsverhand⸗ 
lungen mittheilen und ifm möglich madjen, ben Schuldigen infoweit 
zu hören, als es nothwendig ift, um über bie zu vetbángenbe Kirchen: 
firafe entfcheiden zu konnen. Dasjelbe wird auf Verlangen des Bi- 
fchofs auch dann gefchehen, wenn auf eine geringere Strafe erfannt 
worden iſt. 


Art. VI. 


Sn kirchlichen Angelegenheiten wird der wechſelſeitige Berfehr bes 
Bifchofs, des Glerus und des Volkes mit dem Heil. Stuhl völlig frei 
fein. Ebenſo wird der Biſchof mit feinem Clerus und dem Volke frei 
verfehren. 

Daher können bie Belchrungen und Erlaſſe des Biſchofs, bie 
Aktenftücde der Divcefanfynoden, des Provinzialconcild unb des Heil. 
Stuhles jelbft, die von firdjlid)en Angelegenheiten Handeln, ohne vors 
gängige Ginfídt und Genehmigung ber Fönigl. Regierung verdfients 
licht werben. 


Art. VII. 

. Die teligibfe Unterweifung und Erziehung ber-Fatholifchen Jugend 
in allen öffentlihen und Privatfchulen wird der Bifchof gemäß ber 
ihm eigenen Hirtenpflicht leiten und überwachen. Darum wirb δεῖς 
felbe aud) die Katehismen und Religionshandbücher beflimmen, nad 
denen der Unterricht zu ertheilen ift. 

3n ben Clementarſchulen erteilt der Ortsgeiftliche ben Meligionss 
unterricht ; in andern Lehranftalten nur folche, denen bet Biſchof Ers 
mädtigung und Sendung dazu verliehen und nicht wieder entzogen Bat. 


Art. VII. 
Dem Biſchof wird e& freifiehen, Seminarien nad) der Vorſchrift 


Snteltigen Blatt. 701 


bes tridentinifchen Gonciló zu errichten und in biefelben nad) Beduͤrf⸗ 
nif und Nuten ber Didzefe SYünglinge und Knaben zur Ausbildung 
aufzunehmen. Diefe Anftalten werden in Abſicht auf Ginvid)tung, 
Unterricht, Leitung und Berwaltung der völlig freien bifhöflichen Autos 
rität unterftellt fein. Auch bie Vorſteher und Lehrer derfelben wird 
der Bifchof ernennen und fo oft er εὖ nothwendig oder zweckdienlich 
findet, wieder entlaffen. 

So lange aber Seminarien in befagter Form nicht errichtet find ἢ 
unb bie wefentlih aus Staatsmitteln unterhaltenen &onvifte zu Gin: 
gen, Rottweil und Tübingen foribefleben, werben in Betreff berfelben 
folgende Beftimmungen eingehalten werben: 

a) Diefe Inftitute ſtehen bezüglich der religiöfen GraieBung und 

der Hausordnung unter bet Leitung und Aufſicht des Biſchofs. 

b) Infofern bie Zöglinge biejer Snftitute den Unterricht an felbft- 
flánbigen flaatlichen Studienanftalten erhalten, flefen fle glei 
ben andern Schülern unter den für biefe Gtubienanftalten gel; 
tenden Gefegen und bem für biefelben vorgefchriebenen Lehr: 
plan. Sollte aber der Bifchof bezüglich ber Gymnafien Hierin 
eine Aenderung für nothwendig oder zweckmäßig erachten, fo 
wird er fi ins Binvernehmen fe&en mit bet fonigl. Regierung, 
welde audj ihrerfeits nichts ändern wird, ohne vorheriges Gin: 
vernehmen mit dem Bilchof. 

, €) Borfteher und Mepetenten der genannten SInftitute wirb ber 
Biſchof ernennen und entlaffen; jebod) wird er dazu niemals 
ſolche auserſehen, von denen et weiß, daß fie der Fgl. Regierung 
aus erheblichen unb auf Thatfachen beruhenden Gründen in 
bürgerlicher oder politifcher Hinficht minder angenehm find, 
unb ebenfo’ jene entlaffen, welche aus denfelben Gründen nad 
ihrer Anftellung unangenehm geworben find. 

d) Dem Bifchof flebt es zu, dieſe Inflitute zu vifttiten, eigene 
Abgeordnete den öffentlichen Prüfungen, zumal jenen für ble 
Aufnahme neuer Zöglinge, beizugeben und fid) periodifche Bes 
richte abflattem zu laſſen. 

e) Die fónigl. Regierung wird dafür Sorge tragen, daß an den 
oberen Oymnaflen, mit welchen bie niederen Konvikte verbunden 
find, nad) und nad) nur geiftliche Profefjoren angeftellt werden. 


Art. IX. 


Die fatfolifd theologische Fakultaͤt an der Landesuniverfität ſteht 
in Bezug auf das kirchliche Lehramt unter Leitung und Aufſicht des 


Theol. Ouarialfchrift. 1857. IV. Heft. 46 


702 Sutelligengblatt. 


Biſchofs. Denmad fann berfelbe den Profefforen und Dorenten bie 
Ermachtigung und Sendung zu theologifchen Lehroorträgen erteilen 
und nad) feinem Grmefjen wieder entziehen, das Glaubensbefenntniß 
abnehmen, auch ihre Hefte und Vorleſebücher prüfen. 


Art. X. 


Das Vermögen, weldjeó die Kirche als ihr Gigenthum befigt oder 
in Zufanft erwerben wird, ift beftánbig unverlegt zu erhalten, unb 
wird dasjelbe ohne Suflimmung der Kirchengewalt niemals eine Ber: 
änderung oder Veräußerung erleiden, noch werben befjen Früchte zu 
anderen Zwecken verwendet werben; indeflen unterliegt basfelbe ben 
öffentlichen Laften und Abgaben, fo wie ben übrigen allgemeinen Ge: 
feben bes Königreichs wie alles andere Bigenihum. 

Das Kirchenvermögen wird im Namen bet Kirche unter ber Auf: 
Richt des Biſchofs von Senen verwaltet, welche nad) Vorjchrift des fa: 
nonifchen Rechts oder nad) bem Herfommen oder butd) ein Privilegium 
and eine bejonbere Beſtimmung für irgend eine milde Stiftung zu 
foldger Berwaltung berufen find. Alle Berwalter aber find gehalten, 
aud) wenn diefes auf Grund der eben angeführten Titel Andern ges 
genüber zu geſchehen hat, zugleich auch bem Biſchof oder feinen Be⸗ 
vollmächtigten jährli Mechenichaft von ihrer Verwaltung abzulegen. 

Mit Rüdfiht auf die beftehenden Verhältniffe gibt fofort ber B. 
Stuhl feine Suftimmung, daß die einzelnen Kirchenfabrifen fomie bie 
übrigen firdjlid)en Lofalftiftungen im Namen der Kirche in der Weife 
aud) ferner verwaltet werden, wie fie im Landg eingeführt ift; mur 
follen Pfarrer und anbbefane ihre bieffallfigen Verrichtungen im 
Auftrag des Biſchofs ausüben. Ueber die fperielle Ausführung biefer 
Angelegenheit wird die fónigl. Megierung mit dem Biſchof ein Ueber: 
einfommen treffen. 

Meberbieß willigt der heil, Stuyl ein, daß, fo lange bie Staats: 
kaſſe zu ben allgemeinen oder örtlichen SBebür[nifjen ber Kirche Bei⸗ 
teäge leitet, bie vafanten Pfründen und ber Interfalarfond unter der 
Tberleitung des Bifhofs und im Namen ber Kirche durch eine ge: 
mijdte Gommijflon verwaltet werden. Die eine Hälfte der Mitglieder 
biejer Commiſſion erwählt der Bifchof, hauptſaͤchlich aus Geiftlichen, 
bie andere die koͤnigl. Megierung aus Katholifen; ben 3Borfig hat ber 
SBijdjof oder bejjen Bevollmächtigter. Die genaueren Uebereinftimmuns 
gen hierüber werben in einem Uebereinfommen zwifchen der fgl. Res 
sierung und bem Biſchofe feſtgeſetzt werben. 

Die Einkünfte des Interfalarfonde werben vor Allem ſtets zur 


t 


Intelligenzblatt. 703 


Ergaänzung ber Pfarrgehalte bis zur Congrua, zur Anweiſung von ans 
gemeſſenen Penſionen für altersſchwache oder gebrechliche Pfründner, 
zu den Tiſchtiteln für neu zu weihende Geiſtliche und zu den Koſten 
bet nothwendigen außerordentlichen Vikarien, etwaige Ueberſchüfſe hbet 
nur für andere kirchliche Bedürfniſſe verwendet werden. 

Ueber die Erhaltung des Grundſtocks des Interkalarfonds, ſowie 
über Verwendung der Erträgnifſe desſelben wird bie genannte Gom: 
miffton der fgl. Regierung ftet& Gewißheit Heben. 

So lange die gemifdjte Commiſſion zur Verwaltung des Inter: 
Falarfonds befteht, übt viefelbe bie Oberauffſicht auch über ble Vers 
waltung der befegten SBfrünben, weldhe deren jeweilige Inhaber nach 
kanoniſcher Vorſchrift zu führen Haben. 


Art. XI. 
Der Biſchof wird mit allen fgl. Behörden unmittelbar verfehren. 
Art. AU. 


Die mit der vorftehenden Vereinbarung im Widerſpruch ftebenben 
fgl. Verordnungen und Berfügungen treten außer Kraft; foweit aber 
gefehliche Beflimmungen berjelben entgegenftehen, werden biefe geändert 
werden. 


Art. XIII. 


Sollte fih in Zukunft in Betreff diefer Vereinbarung irgend eine 
Schwierigkeit ergeben, fo werden Se. Heiligkeit und Se. fal. Majeftät 
fij zu freundfchaftlicher Beilegung der Sache in'8 Binvernehmen fegen. 

(Bolgen bie Unterfäpriften.) 

Nachdem nun bie Beflimmungen und Vereinbarungen dieſer Gon: 
vention in allen Punkten, Klaufeln, Artikeln und Bebingungen ins» 
gefammt und im einzelnen, fowohl von Uns, als von dem erhabenften 
und mächtigften Fürften, bem durchlauchtigſten König von Württemberg 
Wilhelm I. gebilligt, betätigt und ratifleirt worden find unb eben bies 
fer erhabenfte Souverain Uns gebeten hat, damit diefelben mehr Feſtig⸗ 
feit und Schuß hätten, ihnen nod) den befondern Schirm Unferes apos 
ftolifchen Amtes angebeihen zu laflen, und ihnen einen außerordent- 
tidjen Akt Unferer Autorität und ein feierliche Deeret zu widmen: 
fo beftätigen Wir, in Kraft des Borliegenden, in vollem Bertrauen, 
bet Herr werbe nach feiner Barmberzigkeit Unfere SBefitebungen für 
bie Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten im Koönigreich Württems 
berg mit den reichten Geſchenken feiner gottliden Gnade begleiten, 
nad zuverläßiger Kenntnißnahme und reiflicher Brwägung und aus 


46 * 


104 Intelligeuzblatt. 


ber Bollgewalt Unferes apoftolijd)en Amtes oben genannte Berein- 
barungen, Beftimmungen, Uebereinfünfte und Goncejftonen, ratificiren 
fie und nehmen fie an, flellen fie unter ben Schirm und Schuß Un: 
ferer apoftolijdjen Gewalt, unb verjprechen und geloben ſowohl iu Un- 
jerem als Unferer Nachfolger Namen, daß Alles, was in ihnen ent: 
halten und verfproden ift, von Unferer und bes heil. Stuhles Seite 
wird aufrichtig unb unverbrüdlich erfüllt und beobachtet werben. 

Nicht eifrig und inftánbig genug aber fónnen Wir Unferen ebr: 
würdigen Bruder, den Oberhirten in jenem Königreich, fowie alle an: 
dern Katholiken des Landes, Geiftliche und Laien, bitten und ermah⸗ 
nen, fie mögen Jeder für feinen Theil alle oben erwähnten Verein⸗ 
barungen zur größeren Ehre Gottes unb zum Ruhme des dhriftlichen 
Namens forgfältig und gewiffenhaft beobachten und mit vollem Eifer 
alle Gedanken und alle Sorgen unermübet darauf richten, daß bie 
9teinbeit der fatfolifdjen Lehre, der Glanz des Gottesdienſtes, bie 
Schönheit der kirchlichen Disciplin, ber Gehorfam gegen bie Gefepe 
der Kirche, daß Zucht und Sitte, daß bie Liebe zu einer in Werfen 
fid) bethätigenden chriftlichen Krömmigfeit und Tugend täglich fert: 
lider in jenem Königreich firahle und erblühe. 

Wir wollen, daß dieſes gegenwärtige Schreiben zu Feiner Zeit 
fol angetaftet und angefochten werden fónnen, weder unter dem Bor: 
wand einer geſchehenen Erſchleichung irgend welcher Art ober wegen 
rechtlicher Ungiltigkeit, nod) aud) butd) ben SBerjudj, einen Mangel an 
Unferer Intention und Willensmeinung oder einen andern wie immer 
befchaffenen, wenn aud) nod) fo großen Webler nachzumeifen; Wir bes 
fehlen vielmehr, bag diefes Schreiben ſtets rechtskräftig, giltig und 
wirkſam fei unb bleibe, feiner vollen und ungefchmälerten Wirkungen 
fid) erfreue und fie behaupte, und daß es unverleht beobad)tet werben 
folle, jo lange die in bem Bertrag ausgejprochenen Bedingungen unb 
Bereinbarungen beobachtet werden; — dieß Alles nicht angefehen etwa 
entgegenftehende SBeftimmungen, bie in apoftolifchen unb Iynobalen, 
Provinzials und allgemeinen Goncilien, in veröffentlichten allgemeinen 
Gonftitutionenen und Verordnungen, in Unferen und der apoftoli[d)en 
Kanzlei Regeln, befonders über bie Unantaftbarfeit erworbener Rechte, 
ober in den Stiftungsbriefen irgend welcher Kirchen, Kapitel oder ans 
derer frommer Snflitute, auch menn diefelben durch apoftoli(dje Be⸗ 
flätigung ober was immer für einen rechtlichen Grund gefhüst find, 
oder aud) in einzelnen nad) einer wie immer entgegengefegten Seite 
ertheilten, beftätigten, erneuerten Privilegien, , Indulten und Grlaffen 
des apoftolifchen Stuhles, umb in allen andern fiemit nicht überein: 





Intelligenzblatt. 705 


flimmenden Aftenftüden, welchen Namen fie immer tragen, enthalten 
fein mögen. Alle biefe Seftimmungen und jede einzelne beríelben fegen 
Mir, indem Wir deren Inhalt τοῦτ und budjftáblid) nehmen unb 
meinen, lebiglid) um dem Vorausgeſchickten rechtliche Bedeutung zu 
verſchaffen, beſonders und ausdrücklich außer Wirkſamkeit, wollen aber, 
daß dieſelben im Uebrigen in ihrer Giltigkeit fortbeſtehen. 

Weil es überdies ſchwer wäre, das vorliegende Schreiben überall⸗ 
bin, to von demſelben officielle Kenntniß gegeben werben fol, zu 
bringen, ſo beſchließen Wir und befehlen vermöge derſelben apoſto⸗ 
liſchen Autorität, daß den Copien, aud) ben gebrudten, wenn fte nur 
bie Unterfchrift eines öffentlichen Notare und das Siegel einer in einer 
Eirchlichen Würde ftefenben Berfon tragen, überall berjelbe volle Glaube 
beigemefjen werde, wie wenn das gegenwärtige Schreiben aufgezeigt 
unb vorgemwiejen werden würde. Außerdem aber erflären Wir für un, 
giltig und nichtig, was mit Hinwegfeßung über biefe Beflimmungen 
von irgend Jemand, meldje Würde er immer befleive, wifientli ober 
unmijfentlid unternommen werben wollte. 

Keinem unter allen Menſchen foll es demnad erlaubt fein, biejer 
Urkunde Unferer Gewährung, Beflätigung, Matififation, Annahme, 
Verſprechung, Gefobung, Mahnung, Ermunterung, Gntideibung, Der 
rogation, tyeftjegung, Verordnung und Willensmeinung Gewalt anzus 
tfun oder in frevlem Beginnen berfelben zumiberzubandeln. Wenn 
aber bod) Jemand fid) vermefjen follte, ſolches zu wagen, ber wiſſe, 
daß er dem Zorn des allmädhtigen Gottes und feiner heiligen Apoftel 
Petrus und Paulus verfallen werde. 

Gegeben zu Bologna im Jahre der Menihwerbung unſeres 
Heren 1857, den 22. Juli, im zwölften Jahre Unferes montiftfate. 


Cardinal Spinola, Prodatar. 
Garbinal Mack. 


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Inhaltsverzeichniß 


des 


neununddreißigſten Jahrgangs der theologiſchen Quartalſchrift. 


I. Abhandlungen. 


Das Anathem über Papſt Honorius. Qefele. . . . 
Die rechtlichen Wirkungen ber Greommunication. ober. . . 
Sophroniys und Marimus über bie zwei Willen in Chriſtus. 
$efele. . .. ; E E — 
lieber den Gharafter der ſlaviſchen — HE . 
Der fiebenarmige Leuchter. Krüger. "D e 
Die Aufgabe ber Fatholifhen Apologetif. Hagemann. 
Fragmente einer Versio antehieronymiana des A. T. Ruland. 
Das erfte ufirum des Bilderftreite.. Hefele . . 
Ueber eine Stelle im VIII. Kap. des von bem hl. Antiocheniſchen 
Biſchofe Ignatius an die — ias Send⸗ 
ſchreibens. Dr. Nolte . . — 
Ueber Sprüchw. 24, 19. Teipel..... 


II. Recenſionen. 


Abel, Kaiſer Otto IV. unb König — ΠΡ ἰοῦ ee 
Benedictionale Constantiense. P. Wu 


Beyr, institutiones theologiae doguatices. : . 
Birkl, ber Seelenweder, Sonn: und ϑεβιαρορεονήρινι, 
Birkler, missae polyphenae. . . ὅν uus 


G5ate«ubriaub, ber Geiſt des Ghrißentgums. sn ae ἃ 
Compendium Gradualis et en eris uoce od 
Didascalia apostolorum. . : . 

Duboisg, der prafitfife Stetforger. "M 

Grtbaulidje unb abfchredende Beifpiele aus bol erben * ad 
Fessler, institutiones Patrologiae. . . . . . : 
Feßler, Geſchichte ber Kirche Gorifli.. . . . . . nee 





708 Inhalt. 


Binzel, Qanbbud) des neueften in geltenden — 
rechts.... 

Haas, homiletiſcher Führer durch das jan Kirenjahr. . 

Hettinger, die Liturgie der Kirche und die an a 

Hofmann, über ben Berg Balilän. 

— — Symbolif. . 

Köhler, Fefthomilien. ; , 

Kramer, von ber alíeinfeligmadjenben διἰτῶε. à er 

Krull, chriſtliche X(tertbumefunbe. . -» 2 2 000. 

Laurent, die bl. Gefeimnijje Maris. 

Meignan, Prophéties messianiques. 

Mentges, Prebigten ἽΝ bie Sonn- und Log bes Binden 
jahre. . . . 

Movers, bie Bhönizier. A 

Dsmwald, bie bogmatijde Lehre von bit él. ecc oda 

Passaglia, de ecclesia Christi. . . . . . . . . 

Pestalozza, theologia naturale. 


Photii, liber de Spiritus s. mystagogia, ed. Hergenröther. ὃ 


Propft, Grequien 

— — Berwaltung der Gudjariftie als Saframennt 

— — Berwaltung der Gudjariftie ale Opfer 

— — Kirchliche SBenebiftionen und ihre Verwaltung. 

Reiter, Predigten auf alle Sonntage bes rn 

Rendu, Ludw., SBijdjof von Annıy. . . . . 

€aalídjüt, Archäologie der Hebräer. . 

Stadler und Heim, Heiligen-2ericon. . 

€tábelin, der Uebertritt König Heinrichs IV. von » δεαηπείφ 
zur römifhsfatholifchen Kiche. . . . . . 

Thalhofer, Grflátung ber SPfalmen. . à 

Trento, P. Qieconym., Faftenpredigten. . 


II. Intelligenzblatt. 
Sanctissimi Domini nostri Pii Papae IX litterae apostolicae, 
quibus conventio cum serenissimo Virtembergae rege inita 
confrmatur. . . 2 0... 4 nn ως 


IV. fiterarifder Angeiger. 
Nr. 1. 2. 3 u. 4 am Ende jedes Heftes. 





687 





giterarifcher Anzeiger 
Nr. 4. 


bier findet man in 
uchhandlung (faupp & Ziebeh) in Tübin gen vorräthig |o wie 
alle Grjdeinungen der neueften itteratur. 








Im Verlage von Franz Kirchheim in Mainz ift [oeben er: 
(dienen und dur alle Buchhandlungen des In: und Auslandes zu 
beziehen: 


Die 
Wahrheit und Bernünftigkeit 
des 


Glaubens. 
Heſpräche 


über den katholiſchen Segriff und Sewris der chriſtlichen Oſſenbaruug 
bon 


$3. Dechamps, 


aus der Gongregation bes allerbeiligfien Erloöſers. 
Deutfh bearbeitet 
von 


Dr. 3. 3. $einrid, 


Domecapitular unb Profeflor der Theologie in 3iaing. 
Mit Approbation des hochw. biſchöflichen Orbinariates zu Mainz. 


XX u. 702 SS. 8., elegant brochfchirt, Preis 2 fl. 42 fr. 
ober 1 Rthlr. 15 Ser. 


„Das Bu des Pater Dechamps, davon find wir überzeugt — 

gt Baron be Gerlache, Präfldent des Brüfjeler Caſſationshofes 

— ift Beflimmt, feinen auf durch die ganze Öhriften 
2 qu madjen und einen lag an der Geite der berühmteften 
pologien der Gegenwart einzunehmen; ja εὖ fcheint uns vor ben 

meißten einen Vorzug zu haben, nämlid den, nicht Bloß fdón unb 
treffend von ber Sabıheit u reden, fondern aud) Liebe zu ps unb 
Sehnſucht πα ihr inquil len. — Die hödiften fragen, jene Wragen, 
bie aud) thatfählih das größte Intereſſe erregen, bie täglih von ben 
Freunden und Feinden der Meligion beiprochen unb beftritten werben, 
find darin Far und fpruchreif der Faſſungskraft aller ernften Geiſter 
basgelegt.” — Dieſes begeifterte Lob eines hochgebildeten Weltmannes 


2 


wird aud) ber mit ben theologischen und philoſophiſchen Wiffenfchaften 
wohl Bertraute nach einem gruͤndlichen Studium des Buches nicht un- 
begründet finden, und ed wird darum aud) feiner Rechtfertigung bes 
bürfen, daß duch bie Hier angefündigte Bearbeitung des Herrn Dom: 
capitular Dr. Heinrich das urfprünglich unter bem Titel „le libre 
examen de la verité de la .foi“ erjdjienene Werf aud) der beut[djen 
Sprache angeeignet wurde. 





Literarifche Anzeige 


einem hochwürdigen Elerus angelegentlihft empfohlen. 


* $n der AE dein Dadientbmy in £anbébut 
unb in ber J. G. Wölfle'ſchen Buchhandlung in Freifing ift 
foeben erſchienen und burd) alle Buchhandlungen Ὁ ἐπ 7 ᾧ Tante 
unb bet Schweiz zu beziehen: 


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bifhöfliher geiſtlicher Rath ꝛc, Handbuch des gemein⸗ 
nützigen katholichen Kirchenrechts, mie ſteter 
Rückſicht auf das katholiſch⸗kirchliche Partikularrecht in Oeſter⸗ 
reich, Preußen, Baiern, Gadfen, Hannover und ben Übrigen 
deutſchen Staaten. Dritte gänzlich umgearbeitete 
Auflage gr. 8. cirea 70 Bogen. 7 ἢ. 12 fr. 


Das Werk des hochw. Herrn Verfaflers ift burd) bie beiden erften 
Auflagen hinlänglih als febr gebiegen und reidibaltig be: 
fannt, jo daß biefe Dritte Auflage feiner weitern Empfehlung bedarf. 
Mir erlauben unà nur zu bemerken, baf in diefer neuen Bearbeitung 
bie Geſetze des öfterreihifhenGonrcordats und die 
neueften Erfheinungen bet PBarticular- Gefetgge 
bungen feit 1852 überall an ben betreffenden Stellen 
berückſichtigt find, fo mie berfelben ein febr gelungener Sta m m⸗ 
baum ber Berwandtfchaft beigegeben ἢ, ber in allen neuern 
Kompendien des Kirchenrechts, welche feit dem Anfange dieſes Jahr: 
hunderts erſchienen, ver mißt wird. 88 verdient daher mit Net 
biefe 3. Auflage in Hinfiht aller diefer Sufápe und Grgángungen, 
ne in feinem andern neuern Kirchenrechte enthalten find, ben 

orzug. 





Im Berlage von Adolph Büchting in RNordhauſen erſchien 
foeben und ift in allen Buchhandlungen zu haben; 


Franz, Dr. A., das Gebet für die Todten, in seinem 
Zusammenhange mit Cultus und Lebre, nach den Schriften des 
heiligen Augustinus. Eine patristische Studie. gr. 8, 1857. 

. geb. Preis 24 Sgr. 


3 


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FR. LEOP. BR. LIBERMANN, 


SS. THEOLOGIAE DOCTORE, DIOECESIS ARGENTORATENSIS 
VICARIO GENERALI. 





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DEMONSTRATIONEM RELIGIONIS CHRISTIANAE ET DEMON- 
STRATIONEM CATHOLICAM. 


EDITIO OCTAYA EMENDATISSIMA. 
Preis für swei Bände nur 6 fl. od. 3 Rthl. 15 Sgr. 


Beim Herannahen des neuen Lehrcurses erlaube ich mir alle Herren T. T. Vorstände 
der Semenarien und Professoren der Theologie auf das Erscheinen der Achten Auf- 
lage dieses berühmten Werkes aufmerksam zu machen und bemerke nur noch, dass die- 
selbe in ihrer äusseren Ausstattung mehrere längst gewünschte und höchst zweckmässige 
Verbesserungen erfahren hat. Dem zweiten Bande, welcher in sechs Wochen die Presse 
Yeh ist ein Appendix über das Dugma der immaculata conceptio B. M. V. bei- 
gerügi. 

MAINZ, 1. Oktober 1857. 


Franz Kirchheim. 


Bei ὅτ. Puſtet ift erſchienen: 

Das Leben des beil. S9bilippus Neri, Stifters 
der Gongregation des Oratoriums in Italien. Bearbeitet 
von Dr. Sr. Yösl, Priefter ber Berfammlung des Allerhei⸗ 
ligRen Erlöſers. Zweite, verbeſſerte Auflage. Mit bem 
y be& 81. Philippus in feinem Holzſtih. Paris 1 fl. 

fr. 


Die Pſychologie des Heil. Gregor von Nyſſa, 
zen bargeftellt von Dr. Joh. Nep. Stigler. Preis 


4 


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für | : 


Seelforger nnb Lehrer. 


Bei . Schöningh in Paderborn if ſoeben erſchienen 
und in allen Buchhandlungen zu haben: 


Gründliche und leichtfaßliche Erklärung des 
katholiſchen Katechismus. Nebft einer Auswahl 
yaffenber Beifpiele, als Hülfsbuch zum katechetiſchen 
ünterridte in ter Schule und in ber Kirde. Bon 
Joseph Deharbe, Briefter aus ber Geſellſchaft Jeſu. L Bo. 
27 Bogen. Mit Approbation des hochw. erzbiſchöflichen - 
Grneralvikariats in Köln. Preis 18 Ser. 


Das Bud) dient zur Erflärung fámmtlidjet von P. Deharb 
dii oia Ratediemen [bei den wenigen Abweichungen des ut: 
fprünglidyen „Regensburger Katechismus“ von ben andern Didceſan⸗ 
Katedismen find für erflern beſondere GErflärungen gebeben;} ben 
einzeln Abſchnitten, weildye bie Reihenfolge der Abjchnitte im Kater 
chismus innehalten, find Bemerkungen eingereift und S eifpiclt 
beigefügt; zum bequemern Gebrauch ift das Wefentlihe von bem 
Minderwichtigen durch ben Drud unterfhieden unb wird jeber 
Band ein ausführlihes Inhalts-Berzeihniß erhalten. — 





Im Verlage von Fr. Mauke in Jena erscheint mit Neujar 1858. 
Zeitschrift 
für 
wissenschaftliche Theologie. 


Herausgegeben 
von 
Dr. A. Hilgenfeld, 
Professor der Theologie an der Universitát Jena. 
gr. 8. in Quertal-Heften von mindestens 8 Bogen. Preis des 
Jahrganges 2 Thaler 20 Sgr. Einzelne Hefte à 22!/, Sgr. 
Ihre Bereitwilligkeit zur Mitwirkung heben bereits erklärt: 
Prof. Dr. v. Baur in Tübingen, Prof. Dr. Grimm in Jens, 
Geh. KR. Dr. Hase in Jena, Prof. Dr. Hitzig in Zürich, Prof. 
Dr. Knobel in Giessen, Prof. Dr. K. R. Köstlin in Tübingen, 





9 


Kirchenrath Dr. Rückert in Jena, Prof. Dr. Moritz Schmidt 
in Jena, Geh. KR. Dr. Schwarz in Jena, Oberconsistorialrath 
Dr. Schwarz in Gotha, Hofrath Dr. Stickel in Jena, Capitels- 
diacon Dr. Volkmar in Zürich, Prof. Dr. Zeller in Marburg, 
Ausführliche Próspecte giebt jede Buchhandlung gratis aus. 


Wichtige theologische Werke. 


Verlag der Stahel'schen Buch- und Kunsthandlung 
in Würzburg. . 


ejusque natura, ac traduce, 
D 6 P eccalo Or iginali, et poena: deque multiplici 
statu hominis, innocentis, lapsi, reparatique ac de possibili purae 
naturae statu: Tractatus theologicus: in quo haeresum historia 
diligentius enarratur, vindicantur fidei catholicae dogmata, ac 
solidiores quae agi solent in scholis, juxta s. Thomae Aquinatis 
doctrinam dirimuntur quaestiones: auctore Fr. J. Franc. Bernardo 
M. de Rubeis, Ordinis Praedicatorum. Superioribus annuentibus. 
Recusus ad edicionem primariam Venetam MDCCLVII apud Si- 
monem Occhi. 1857. XXXII et 468 fol. gr. 8. 2 fl. 42 kr. 
— 1 Thir. 18 Sgr. 


Das vorzügliche Werk des gelehrten Dominikaners Bernhard 
de Rossi über die Erbsünde verdient unter die Zahl der klassischen 
Monographien gesetzt zu werden. Glücklicher ist wohl selten die 
katholische Lehre über diesen Gegenstand nach den grossen Kirchen- 
lebrern Augustinus, Anselmus und Thomas dargestellt und vertheidigt 
worden. Die Durchführung des Begriffs der Sünde in dem Gebiete 
der erblichen Schuld ist besonders meisterhaft. Dennoch ist dieses 
treffliche Buch selbst in Italien nicht mehr häufig, ausser Italien 
aber fast gar nicht zu haben. Daher glaubte die Verlagshandlung 
durch Besorgung eines neuen Abdruckes dem theologischen Publikum 
einen nicht unerwünschten Dienst zu leisten. 


A symbolorum et definitionum, quae de rebus 
Enchiridion fidei et morum a conciliis needs el 
summis ponlificibus emanarunt. In auditorum usum edidit Hen- 
ricus Denzinger, philosophiae et theologiae Doctor et in 
Universitate Wirceburgensi dogmatices Professor ordinarius. Editio 


tertia aucta et emendata, et ab ordinario approbata. 1856. 120. 
1 fi. 48 kr. — 1 Thir. 


Regula Fidel Catholicae & !c‘o doemeun 





6 


Nerio Chri»smann, Otdih. Minór. S. Frenc. Reéollecti Prov. 
Argentor. Seu Alemanniae SS. Theol. et Hist. Becl. Lect. Otdim. 
Denuo tevidit et edidit Phil Jaco, Spindles, eccles. cath. Aus 
gust, Vio. nec nen ordinariétus episcopl. August. Secret. Editio 
nova. Superiorum permissu et approbatione. 1855. 1 fi ΞΕ 
18 Sgr. 


Principia "Theologlae Moralis, 2": «er- 


ribus selecta exercitationibus moralibus, quibus in Seminario 
clericorum Wirceburgensi praeest, accommodavit Andreas Jo- 
sephus Haehnlein, philosophise et theologiae Doctor et in 
Universitate Wirceburgensi theologiae Professor ordinarius. 1855. 
Gr. 8. 3 ἢ. 12 kr. = 1 Thlr. 25 Sgr. 


von der religiösen Erkenntnis. Von 
Vier Bücher Heinrich Denzinger, Doctor der Philo- 
sophie und Theologie, ordentlicher Professor der Dogmatik an 
der Universität Würzburg. ὃ Bde. 1856. 7 fl. 13 kr, = 
4 Thir. 12 Sgr. 


nach katholischen Grund- 
Biblische Hermeneutlk sen in streng ayste- 
malischem Zusammenhange und unter Berücksichtigung der 
neuesten approbirten hermeneutischen Lehrbücher, ihsbesondere 
der Lib. I. I. De interpretatione scripturae sacrae des Rev. 
Franc, Xae. Pairitius (e Soc. Jesu) ed. Romae 1844. 
Bearbeitet von Dr. Chr. Gottl. Wilke. Mit Approbat. des 


Hochw, Bischöfl. Ordinariats za Würzbug. 2 fl. 24 kr. — 
1 Thir. 10 Sgr. 


Carl Rutta's Ererritienreden 485 ev 
n 


Mit Fragmenten zu feiner Biographie herausgegeben von Dr. 
Pinfon Ruland, f. Oberbibliofhefar in Würzburg fl. 8. 1857. 
2!/o Bogen. Preis 1 fl. ober 18 Gar. 


Die Verlagshandlung bietet Hiermit eine Schrift, melde — aud 
abgejehen von der Achtung und Xiebe, bie in der Diöcefe und in δε 
Stadt Mürzburg an den Namen Rutta (weiland Regens des Semi⸗ 
nars inm guten Hirten und Dompfarrers zu MWürzdurg) gefnüpft 
find, nad) bem Urtheile competenter Männer — für foldje, die Prieſter 
werden molten, eine ernfte Mahnftimme, für fo[dje, bie Priefter 
find, eine treffliche Anleitung zur prüfenden Selbflihan über ihre 
Pflichterfüllung fein wird. 


Y 


1 


Bei 6. P. Aderholi im Breslau ist soeben erschienen: 


Die Wesenheit des menschlichen Geistes. 


Rede, gehalten am 15. October 1857 in der Aula Leopoldina 
beim Antritte des Rectorats der Breslauer Universität 
von 


Dr. Pet. Jos. Elvenich. 
d. z. Rector. 


gr. 4. geh. Preis 6 Sgr. 
Bei Fr. Puftet in Negendburg if erfhienen: 


Eine Brautfahrt. 
Hiſtoxiſcher Roman ans dem XVI. Dahrhumderf 


von 
Eourad von Bolanden. 
Zweite Auflage. 8. eleg. broch. Preis 1 fl. 24 fr. 


Diefe zweite Auflage ift mit einer trefflichen Vorrede vermehrt, 
in welcher bie verfchiedenartigen Angriffe auf diefes interejjante Buch 
gefchlagen werben. 





— — — — o ————— — — — ——  .ν-ὕ.-.-.. — —— — 


Dr. 9. $. Sdubers neueſtes Werk. 


Bei Palm & Ente in Erlangen ἰ neu erfchienen und durch 
jede Buchhandlung zu erhalten. 


Schubert, Dr. ©. H. von, vermifhte Schrif— 
ten. Mit 9adtrágen zu des Verfaſſers Selbftbiograpbie. 
Erfter Band. Mit bem Bildniffe des Bev 
faſſers. gr. 8. X und 248 Seiten geh. 1 Thlr. 6 Sgr. 
ober 2 fl. rhn. | 


Dubalt, Wragen und Antworten über das Diesfeits und das 
Jenſelts in Briefen: der geiftige 9Banbertrieb. Wechfel von Licht und 
Schatten an Kranfen: und Sterbebetten. Bine Iehrreihe Schule am 
Gied)bette. Das Sterben ein Erwachen aus bem Traume des Lebene. 
Beftehen und Vergehen der Grinnerungen. Gedanfen über das Sein 
nad bem Tode. Der Vorhof der Heiden unb JIſsrals Tempel: 
Das Pfingftwunder im Vorhofe. Erinnerungen an Dr. S. ὅτ. υ. Roth, 
geweſenen Präflpenten des proteftantifhen Obereonfiftoriums unt Staats: 
rati) in München. 





8 
id LÍ 


Bet Fr. Puſtet in Regensburg ift erfchienen : 
Der Beruf. Eine Novelle aus der Neuſchweij. 18 Bogen ín 8. 

1 fl. — oder 18 Sgr. 

Diefe in 60 Briefen niebergelegte Novelle ift fein Phantaflegebilve, 
fondern ein auf Thatſachen gefüpies treue: Gemälde eines bewegten 
Menichenlebens, das erft nad) langen Stürnien und jchweren Ver⸗ 
fudungen zur Ruhe kommt. Der befcheidene Autor, welcher bae 
menſchliche Herz in allen feinen Fugen ftubiert zu haben jcheint, nennt 
fid) leider nidt. Doch bleibt das dud deßhalb nicht minder ſchaͤtzens⸗ 
werth, unb bet freunblide Lefer wird aud) bas namenloſe, aber Acht 
Eatholifche, anjiefenbe Sittenbild bald liebgeminnen. Das Ganze durch⸗ 
weht der reine Hauch eines unſchuldsvollen Gemüthes, und ift bie 
gat oft auf bie Probe geftellte Glaubensſtaͤrke des Helden dieſer (ὅτε 
zaͤhlung bejonders bet Jugend nidjt ohne Nutzen als nachahmungs⸗ 
werthes Vorbild zu empfehlen. 





— — — — — —— — —— — 


Im Verlage des uUnterzeichneten iſt ſoeben erſchienen und durch 
alle Buchhandlungen des In⸗ und Auslandes zu beziehen: 


Die Väter der MWüſte. 


Von 


Ida Gräfin Hahn⸗Hahn. 
XVI u. 512. SE. gr. 8., elegant broſchirt; Preis 2 fl. 24 fr. 
oder 1 Rthlr. 10 Sgr. j 


„Die Väter bet Wüfte“ bilden zugleich aud) ben weiten Band 
bet. „Bilder ans bet Gefchichte ber Kirche von Ida Gräfin Hahn⸗Hahn,“ 
"unb führt uns bie berühmte Frau Verfafferin in diefem Bande aus 
dem tobenden Amphitheater in die Bellen der Ginfiebler in der ſchwei⸗ 
genden Wüſte, wo wir ganz andere Bilder ecbfid'en, als im erften 

ande, den „Martyrern.“ Wir lernen hier das Chriſtenthum in feiner 
Freiheit fennen, feinen Gultue, feine Qyefte und Bußen; dann werben 
wir an ben Hof der Gäfaren, an den fadjenben Bosporus, unb von 
ba nad) Aegypten, an den Mil verfeht, wo wir uns in ber Wüſte 
wieder finden unb nun bier den heiligen Ginftebletn, den „Vätern ber 
MWüfte” begegnen. Große, heilige Geftalten, wie Baulus von Theben, 
Antonius, Hilarion, Baul der Ginfáltige, Ammon, Pachomius, Gera: 
pion, Arfenius, Bphrem der Syrer, Simeon Etylites, Nilus, Johannes 
Climacus u. X. ziehen an unferem geiftigen Auge vorüber, ebenfo, 
nadbem wir die entarteten Töchter der Giracden Fennen gelernt, eine 
ffi eife heiliger Krauen, wie Martina, Thais, Pelagia, Marcella, Fabiola, 
Paula u. A. — Der Beifall diefes Buches wird gewiß jenem gleidj: 
kommen, beffen ber erfte Band der „Bilder aus ber Geſchichte bet 
Kirche” fid) fortwährend zu erfreuen hat. Die Sammlung wird uns 
unterbrochen fortgefeßt und wie) bie (rau Verfaſſerin im dritten Bande 
den „Kirchenvätern“ ihre geiftreiche Weber wibmen. 


Mainz im November 1857. 
Franz Kirchheim. 


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