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LIBRARY
OF THE
UNIVERSITY OF CALIFORNIA.
Oass
B
f.
•
M HVncben tt. L. Vrattiftf in CTöttlBgeii.
C. Molekiilarpliytik.
t6. Chemische Atomiftft : F.W. IIiBri«hteii
in Aachen und L« lliiinlock In Dresden.
7. Kristallographie.
7a) Kristall-Berechnung u. Zeichnung:
Th. Liebiack in Gdttingen..
7b) Symmetrie- und Strukturtheorien:
A. Schoenflie« und 0. Hilgge in
Königsberg i. Pr.
8. Kinetische Theorie d. Materie : L. Boltz-
inaMii in Wien.
i). Kapillaritttt u. Kohftsion : H. MlHkowski
in Gdttingen.
10. Nähere, insbesondere graph. Theorie
der Zustandsgieichung f .si>ezielle Stoffe :
H. KammerllHglKOiiiies in Leiden.
11. Physikalische und Elektrochemie : J. H.
raA*t Hoff in Berlin.
IL Teil.
Inhaltsverzeichnis von Band V, Teil II.
D. Eiektrizitit und Optik.
Physikalische Grundlegung der
Elektrizitftttlehre.
*ii. Standpunkt der Femwirkung, die Ele-
mentargesetze: B. Beiff in Stuttgart
und A. Somnerfeld in Aachen.
§tf^ Bisher
Teill Heftl (1— S). [160 S.] 1903. a..^4.80. |
Mathemat. Spezialausftthrungen
zur Elektrizitätslehre.
18. Elektrostatik und Magnetostatik: B.
Gans in Tübingen.
19. Beziehungen zwischen Elektrizität und
elastischer Deformation: F. Pocke!» in
Heidelberg.
20. Stationäre und langsam v^erftnderliche
Felder: Tk. Detcoadr«« in Leipzig.
21. Beziehungen der elektrischen Strömung
zuWärme u. Magnetismus : H. BietBel-
koriit in Berlin.
t2i. Basch veränderL Felder: M. Abraham
in Göttingen.
2S. Elektrotechnik : K. N.
Mathemat. Spezialausftlhrungen
zur Optik.
24. Strahlenoptik u. optische Instrumente :
8. FiHBtterwalder in München.
25. WeUenoptik (Interferenz u. Beugung) :
H. N.
26. Kristalloptik: F. Pockels L Heidelberg.
E. SobluBwort.
27. Allgemeine physikalische Anschau-
ungen und Methoden: A. Sommerlelil
. in Aachen und G. Mie in Graifswald.
erschien:
TeUII Heftl (12—14). [200 S.] 1908. n.JiS.—
Mechanik. Herausgegeben von F. Klein und C. H. Müller in Göttingen.
A. u. d. T.: Encyklopädie der Mathematischen Wissenschafben mit
Einschluß ihrer Anwendungen. IV. Band. gr. 8. geli.
I. Teil.
Vorwort zu Bd. IV von F. Klein in Göttingen.
Inhaltsverzeichnis von Bd. IV, Teil I.
A. 0riin4iegiinfl 4er Meobanfk.
*1. Die Prinzipien der rationellen Mechanik :
A. Yoß in München. ~
B. ■eoluuiik der Punkte und starren Systeme.
I. Behandlung elementarer Fragen
in geometrischer Form.
*i. Geometrische Grundlegung der Mechanik
eines starren Körpers : E. Timerdlng in
Strasburg.
* erschienen, f unter der Presse.
*3. Kinematik: i. Schoenflies in Königs-
berg, mit einem Zusätze von M. Grfibfer
in Dresden.
*4 Die Geometrie der Massen: G. Jung in
Mailand.
*5. Graphische Statik: L. Henneberg in
Darmstadt.
6. Die elementare Kinetik : J. Petersen in
Kopenhagen u. F. StSckel in Hannover.
II. An Wendung en,mitBe'rüc ks ich ti-
gung der störenden Einflüsse.
*7. Die Mechanik der einfachsten physikal.
Apparate und Versuchsanordnungen:
Pta. Furtnangler in Bonn.
-«♦■ *
1
*8. PhysiologlBche Mechanik: 0. FUcher in
Leipsig.
•». Spiel und Sport: 0. T. Walker in Siml»
(Indien).
10. Dynamische -Probleme der Masohinen-
technik: K. HeHB i;^ Karlsruhe.
m. Behandlung beliebiger Sjflteme
von endlichem Freiheitsgrad in
analytischer Allgemeinheit.
11. JSntvrickelung allgemeiner MeÜioden:
P. 8tiekel in Hannover.
12. Si>exialdiakns6ion dynaraisoherProbleme:
P. Sticket in Hannover.
19. Botation starrer Körper und Verwandtes :
P. Stackel in Hannover.
II. Teil.
Inhaltsverzeichnis von Band lY, Teil IL
&• ftMlMlk 4er defonniMrbareB Körper.
I. Analyiis^h-geometrisohe
Hilfsonittel.
*14.' Geometr. Grundbegriffe: M. Abrakem
in Göttingen.
II. Hydrodynamik.
*15. .Physikalische Grundlegung: A« B» K*
Lore in Oxford.
*16. Theoretische Ausführungen: A. E. U.
Love in Oxford.
ÜV" Bish
TeÜ I Heft 1 (1). [121 S.] 1901. n. ^3.40.
- I — 2 (2). [156 S.] 1902. n. Jl 4 60.
— I — 8(3). [156 S.] 1908. n. »^4.60.
TeÜ ri Heft 2 (17. 18.).
*Vl. Aerodynamik' $. Ftaeterwalder in
München.
*18. Ballistik:' C. Cranii in Berlin.
19. Unstetige Bewegungen in kontinuier-
lichen Indien : 6. Zemplen in Budapest.
80. Hydraulik (Strömen von Wasser in
Bohren u. Kanttlen): Ph. Forchheimer
In Graz.
81. Theorie der hydraulischen Motoren n.
Pumpen :*H. Grfibler in "Dresden-
in. Bla'stizitftt und Festigkeits-
lehre.
22. Theoretische Behandlung der statischen
Probleme : O. Tedoae in Genua.
28. Schwingungen, insbesondere Akustik:
H. LanJk in Manchester.
24. Die Statik der technischen Konstruk-
tionen: L. Praadtl in Göttingen und
N. IT.
25. Theorie der auf elastischer Wirkung
beruhenden MeBapparate: Ph. Fart-
wangler in Bonn.
26. Physikal. Grandlagen der Elastizit&ts-
und Festigkeitslehre: A. Sommerfeld
in Aachen.
D. Meohanik 4er aus sehr zahlrelehen
diskreten Teilen bestellenden Systeme.
27. Das Bingreifen der Wahrscheinlich-
keitsrechnung: fi. BoJtamaiiB in Wien.
2& Schiffsbewegung: A. Krlleff in Peters-
burg.
er erschien;
TeUI 2. Hälfte Hefi 1 (7—9). [152 S ] tuOl.
n. M 4.40
— II Heft 1 (14—16) [147 S.] 1901. n JL 3 So.
[129 S.] 1908. n. U£ 3.80.
WüHner, Geheimer Regierungsrat Dr. Adolph, Professor der Experi-
mentalphysik iin der Königl. Technischen Hochschule zu Aachen,
Lehrbuch der Experimentalphysik. In 4 Bänden, ö. ver-
besserte Aufl. Mit 1092 in den Text gedr. Abb. u. Fig. u. 4 litho-
graphierten Tafeln, gr. 8. 189Ö/99.
Einzeln: ^
I. Band. Allgemeine Physik und Aku&tik. Mit 331 1. d. Text gedr. Abb.
u. Fig. [X u. 1000 S.j 1895. n. «^ 12.— , in Hfabd. «^ U.—
n. — Die. Lehre von der Wärme. Mit 181 i. d. Text gedr. Abb. u. Fig.
[XI u.eSü S.j 1896. n. JL 12.—, in Hfzbd. ^14.—
ITJ. — Die Lehre vom Magnetiemus und von der Elektrizität mit
einer Einleitung: Grundzttge d ey L ehre vom Potential. Mit
841 i. d. Text gedr. Abb. u. Fig. [XV u. 1415 8.] 1897. n. JC 18.—,
in Hfisbd. JC 20.—
lY. — Die Lehre von der Strahlung. Mit 299 i. d. Text gedr. Abb. u. Fig.
u. 4 litliogr. Taf. [XII u. 1042 S.] 1890. u. JL 14. -, ib Itfzbd. ^16.—
Bei gleichzeitigem Bemg aller 4 Bande liefert die Yerlagahandlaiig das
Wrrk m dl>m erifeiSBIgteii' Preise TOif ^ 28 — für das geheftete, Jl^i.- fSr
das gebvndeiie Exemplar. — Im UmtsHKch gegen frihere Aaflagen l>ei direkter
Eluseudung der Baude geheftet für JC2Xi. —
Abraliam, Dr. M., PriYatdozent in Göttingen und Dr. A. Föppl, Professor
in München, Theorie der Elektrizität. I. Band: Einführung
in die Maxwellsche Theorie der Elektrizität. Mit einem
einleitenden Abschnitte über das Rechnen mit Yektorgrößen in der
Physik. VonDr. A. Föppl. 2., umgearb. Aufl. von Dr. M. Abraham.
Mit 11 Figuren im Text. [XVIII u. 443 S.] gr. 8. 1904. geb. n.JCl^.—
■ n. Band: Elektromagnetische Theorie der Strahlung. Von
Dr. M. Abraham. Mit 5 Figuren im Text. [X u. 405 S.] gr. 8.
1905. geb. n. JKIO.—
Auerbach. Dr. JE^elix^^ Professor an der UniTeisität Jena, die Grund-
begriffe der modernen Naturlehre. Mit 79 Figuren im Text,
pi u. 166 S.] 8. 1902. geb. n. JC 1. 25.
BÖrnstein. Dr. R.^ und Dr. W. Marckwald, Professoren in Berlin,
Sichtbare und unsichtbare Strahlen. Mit 82 Abbildangen im
Text. [VI u. 142 ß.] 8. geh. ^1.—, geb. JC 1.26.
Brüschy Dr. Wilhelm, Oberlehrer in Lübeck, Leitfaden der Elek-
trizität im Bergbau. Mit 411 Abbildungen im Text. [VIII u.
298 S.] gr. 8. 1901. geb. n. UK 6.—
Bryan^ Q-, H., Professor in Bangor (Wales), Lehrbuch der Thermo-
dynamik, gr. 8. [Erscheint Im Frühjahr 1906.]
Bucherer^ Dr. A. H.^ Privatdozent an der Universität Bonn, Elemente
derVektoranalysis. Mit Beispielen aus der theoretischen Physik.
2. Auflage. [VIII u. 103 S.] gr. 8. 1905. geb. n. .fC 2.40.
Mathematische Einführung in die Elektronen-
theorie. Mit 14 Figuren im Text. [H u. 148 S.] gr. 8. 1904.
geb. n. JC 3.20.
Burkhardt^ H.. Professor aa der Universität Zürich, Entwicklungen
nach oszillierenden Funktionen. l.Lfg. [176 S.] gr. 8. 1901.
geh. n. .^6.60. 2. Lfg. [S. 177—400.] gr. 8. 1902. geh. n. JCT.ßO.
3.Lfg. [S. 401—768.] gr. 8. 1903. geh. n. .fC 12.40. 4. Lfg. [S. 769
bis 1072]. gr. 8. 1904. geh. n, JC 10.—
[Die 5. (Schla£r)Liefenmg erscheint im Herbst 1905.]
Darwixi. George Howard, Prof. an der Universität Cambridge, Ebbe
und Flut, sowie verwandte Erscheinungen im Sonnen-
system. Autorisierte deutsche Ausgabe nach der zweiten englischen
Auflage von A. Pockels in Braunschweig. Mit einem Einführunjzs-
wort von Professor Dr. Georg von Neumayer, Wirklichem Ge-
heimen Admiralitätsrat und Direktor der deutschen Seewarte zu
Hamburg, und 43 Illustrationen im Text. [XXII u. 344 S.] gr. 8.
1902. geb. n. JC 6.80.
FestBCltrift Adolph Wüllner gewidmet zum siebzigsten Geburts-
tage 18. Juni 1905 von der Königl. Technischen Hochschule zu
Aachen, ihren früheren und jetzigen Mitgb'edem. Mit dem JBildnis
A. Wüllners in Heliogravüre, 8 Tafeln und 91 Figuren im Text.
[Vin u. 264 S.] gr. 8. 1905. geh. n. JC 8.—, geb. n. ^ 9.—
•
Fischer I Dr. Earl T., Privatdozent an der Königl. Technischen .Hoch-
schule zu Münch^, Neuere Versuche zur. Mechanik der festen
und flüssigen Körper (mit einem kurzen Anhange über das sog.
„absolute Maßsystem^^), ein Beitrag zur Methodik des physikalischen
Unterrichts. [68 S.] gr. 8. 1902. kart. n. JC 2."—
Der naturwissenschaftliche Unterricht in England,
insbesondere in Physik und Chemie. Mit einer Übersicht der eng-
lischen Unterrichtsliteratur zur Physik und Chemie und 18 Ab-
bildungen im Text und auf 3 Tafeln. [VIE u. 94 S.] gr. 8. 1902.
In Leinw. geb. n. JC 3.60.
Fleming, J. A., Professor der Elektrotechnik am University College
zu London, Elektrische Wellen-Telegraphie. 4 Vorlesungen.
Autorisierte deutsche Ausgabe- von Dr. E. Aschkinaß,
Privatdozent an der Universität Berlin. Mit 53 Abbildungen, gr. 8.
1905. [Unter der Presse.]
[FortsetKung am £nde des Buches.]
vT S RAffy
OF THE
THEORIE DER ELEKTRIZITÄT.
ZWEITER BAND:
ELEKTROMAGNETISCHE THEORIE
DER STRAHLUNG.
VON
Db. M. ABRAHAM.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1905.
ELEKTROMAGNETISCHE THEORIE
DER STRAHLUNG.
VON
Db. M. ABRAHAM.
MIT 5 FIGUREN IM TEXT.
Or THE '^
VNIVERSfTY
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEXJBNER.
1905.
i
h 3
v,'
AIiLE BEOHTB, EdSCHLIBSZLIOH DES ÜBBBSEIZÜHOSBXOHTS, YOBBXHALTBN.
Vorwort zum zweiten Band.
Die Mazwellsche Theorie des elektromagnetischen Feldes, in
welche der erste Band dieses Werkes einfiihrt, bildet gewisser-
maßen das erste Stockwerk der modernen Theorie der Elektrizität.
Kaum hatten die Physiker sich hier eingerichtet, als eine Fülle
neuer Erscheinungen auf sie einstürmte und eine Weiterführung
des Baues erheischte. Das zweite Stockwerk des Gebäudes der
Elektrizitätslehre, die Elektronentheorie, nimmt diese meist als
elektromagnetische Strahlung sich kundgebenden Erscheinungen auf.
Auf Maxwellschen Vorstellungen bauend, betrachtet die Elektronen-
theorie den Baum als ein physikalisches Kontinuum, welches
die elektromagnetischen Wirkungen überträgt. Ausgangsstellen und
Angriffsstellen dieser Wirkungen liegen in der Elektrizität. Diese
soll aus unteilbaren Elementarquanten, „Elektronen'^ genannt,
zusammengesetzt sein. Jeder elektrische Strom wird als Konvektions-
strom bewegter Elektronen aufgefaßt. Die Kathodenstrahlen werden
gedeutet als ein solcher Konyektionsstrom negativer Elektronen, die
mit großer Geschwindigkeit einander parallel sich bewegen; dieser
„Konvektionsstrahlung^^ tritt die „Wellenstrahlung'' gegen-
über, die durch Schwingungen eben dieser Teilchen erregt sein soll.
Der Theorie beider Arten elektromagnetischer Strahlung ist der
vorliegende zweite Band der „Theorie der Elektrizität" gewidmet.
Der erste Abschnitt beginnt mit der Darlegung der physi-
kalischen und mathematischen Grundlagen der Elektronentheorie.
Es werden die Tatsachen aufgeführt, welche die Annahme einer
atomistischen Struktur der Elektrizität nahe legen. Aus den Grund-
gleichungen der Elektronentheorie wird der Begriff der „elektro-
magnetischen Bewegungsgröße'' abgeleitet, welcher für die elektro-
VI Vorwort.
magnetische Mechanik überhaupt, sowohl für die Mechanik der Elek-
tronen, wie auch fOr die Theorie des Strahlungsdruckes, von
fundamentaler Bedeutung ist. Es werden femer allgemeine Lösungen
der Grundgleichungen gegeben, mit Hilfe der „elektromagnetischen
Potentiale ^^, die als Verallgemeinerungen des skalaren Potentiales
elektrostatischer Felder, bzw. des Vektorpotentiales stationärer magne-
tischer Felder anzusehen sind; jene Lösungen, auf welche wir
weiterhin oft zurückgreifen, können auch durch einen einzigen Vektor
zusammengefaßt werden, der von uns als „Hertzscher Vektor" be-
zeichnet wird.
Sodann folgt im zweiten Kapitel die Theorie einer beliebig
bewegten Pimktladung. Das schwingende negative Elektron bildet
das einfachste, durch das Zeemansche Phänomen in vielen Fällen
als naturgetreu bestätigte Modell einer Lichtquelle; was die ent-
sandte Wellenstrahlung anbelangt, kann das Elektron in den
meisten Fällen durch eine Punktladung ersetzt werden. So sind
denn die Entwickelungen dieses Kapitels auch fOr die Dynamik
des Elektrons von Literesse, um so mehr, als sie unabhängig von
jeder Hypothese über die Gestalt des Elektrons sind.
Um die Mechanik des Elektrons vollständig zu entwickeln, be-
darf es allerdings einer besonderen Annahme über dessen Form.
Ich habe an der Annahme eines starren kugelförmigen Elektrons
festgehalten, die ich der rein elektromagnetischen Theorie der
Kathoden- und Eadiumstrahlen zugrunde gelegt hatte. Mir scheint
nichts vorzuliegen, was dazu nötigen könnte, diese Grundhypothese
fallen zu lassen. Immerhin habe ich auch den abweichenden Auf-
fassungen von H. A. Lorentz in diesem Buche Rechnung getragen.
Die wertvollen aus dem Bereiche der beobachtbaren quasistatio-
nären Bewegung herausf£Lhrenden Untersuchungen von P. Hertz
und A. Sommerfeld, welche gleichfalls auf der Voraussetzung des
starren kugelförmigen Elektrons fuBen^ sind in die hier gegebene
Darstellung der Dynamik des Elektrons eingearbeitet worden.
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit den elektromagne-
tischen Vorgängen in wägbaren Körpern. Die Hauptgleichungen
der Elektrodynamik, welche die beobachtbaren elektromagnetischen
Vektoren miteinander verknüpfen, ergeben sich nach H. A. Lorentz
Vorwort. VII
durch Mittelwertsbildung ans den fOr die Felder der einzelnen
Elektronen geltenden Oleichongen. Für ruhende Körper erhält
man auf diese Weise die Hauptgleichungen der Maxwellschen
Theorie; für bewegte Körper aber folgen die Lorentzschen Glei-
chungen, welche von denen der Hertzschen Elektrodynamik bewegter
Körper verschieden sind, und mit der Erfahrung in besserer Über-
einstimmung sich befinden. Daß die elektromagnetischen und die
optischen Eigenschaften dielektrischer Körper durch die Anwesenheit
von „Polarisationselektronen'' befriedigend erklärt werden,
wird insbesondere für die magnetische Drehung der Polarisations-
ebene und die Dispersion der Körper gezeigt Die metallische
Leitung wird mit P. Drude auf frei bewegliche „Leitungs-
elektronen" zurückgeführt, die in regelloser Wärmebewegung be-
griffen sind.
Ln zweiten Abschnitt sind auch einige Probleme behandelt
worden, welche mit der atomistischen Hypothese nur lose zusammen-
hängen. Man findet hier Sätze abgeleitet, welche die Strahlung
bestimmen, die von hochfrequenten Strömen in linearen Leitern
entsandt wird; insbesondere die Anwendung dieser Sätze auf Sende-
antennen ist für die drahtlose Telegraphie von Literesse. Ich
bin allerdings auf diese Probleme nicht so ausführlich eingegangen,
wie ich ursprünglich beabsichtigte, sondern habe mich mit der
Darlegung desjenigen begnügt, was zur Beurteilung der bei der
drahtlosen Telegraphie stattfindenden Vorgänge unentbehrlich ist.
Auf den Gesetzen der Lichtfortpflanzung im Baume und auf den
fundamentalen Sätzen der elektromagnetischen Mechanik beruht die
gegebene Lösung des Problems der Eefiexion des Lichtes durch
einen bewegten Spiegel. Diese Lösung ist aufs engste verknüpft
mit dem thermodynamischen Gesetze der strahlenden
Wärme, das von so hervorragender praktischer und theoretischer
Bedeutung geworden ist. Aus der experimentellen Bestätigung
dieses Gesetzes dürfen wir schließen, daß die Prinzipien der elektro-
magnetischen Mechanik, auf welche unser Beweis sich stützt, der
Wirklichkeit entsprechen.
Schwierigkeiten erwachsen der Elektronentheorie durch das
negative Ergebnis aller bisherigen Versuche, die auf eine Ent-
i
Vm Vorwort.
deckang des Einflusses der Erdbewegung auf das liclit irdischer
Lichtquellen hinzielen. Zu diesen Fragen nehmen wir in den
letzten Paragraphen Stellung.
Herrn Dr. P. Hertz bin ich fGlr seine Mitarbeit an dem Re-
gister, welches beide Bände der „Theorie der Elektrizität'^ umfaßt,
zu Dank verpflichtet, und nicht minder Herrn Dr. 6. Bümelin
für seine Hilfe beim Lesen der Korrekturen des zweiten Bandes.
Die Theorie der Elektrizität scheint jetzt in das Stadium
einer ruhigeren Entwickelung eingetreten zu sein. Es scheint der
Zeitpunkt gekommen, wo man Halt machen und auf das Erreichte
zurückschauen darf. Einem solchen Bückblick ist das vorliegende
Werk gewidmet. Es will über die Grundlagen der Theorie Klar-
heit verbreiten und so den weiteren Fortschritt vorbereiten. Mag
es dies Ziel nicht verfehlen!
Wiesbaden, im März 1905.
M. Abraham,
Inlialtsverzeiclmis.
Erster Abschnitt.
Das Feld xmcL die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Erstes Kapitel.
Die physikalisehen nnd mathemaüsehen Onmdlagen
der Elektronentheorie. g^^^e
§ 1. Das elektrische Elementarqnantnni 1
2. Die Kathodenstrahleu 6
3. Klassifikation der Strahlungen 12
§ 4. Die Grundgleichnngen der Elektronentheorie 17
§ 5. Die elektromagnetische Bewegongsgröße 23
6. Die elektromagnetischen Potentiale 37
7. Integration einer Hilfsgleichnng 42
§ 8. Die Fortpflanzung elektromagnetischer Störungen .... 47
Zweites Kapitel.
Die Wellenstrahliiiig einer bewegten Pnnküadnng*
§ 9. Elektromagnetisches Modell einer Lichtquelle 69
§ 10. Der Zeeman-Effekt 73
§ 11. Die elektromagnetischen Potentiale einer bewegten Punkt-
ladung 80
§ 12. Das Feld einer gleichförmig bewegten Punktladung .... 87
§ 13. Das Feld einer ungleichförmig bewegten Punktladung ... 92
§ 14. Theorie des bewegten leuchtenden Punktes 102
§ 16. Die Bückwirkung der Strahlung auf ein bewegtes Elektron . 121
Drittes Kapitel.
Die Mechanik der Elektronen.
§ 16. Die Grundhypothesen der Dynamik des Elektrons und das
elektromagnetische Weltbild 136
§17. Die Bewegungsgleichungen des Elektrons 147
§ 18. Gleichförmige Translation elektrischer Ladungen 158
§19. Bewegungsgröße und Energie des gleichförmig bewegten
Elektrons 170
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. a'*'
X Inhaltsverzeiclmis.
Seite
§ 20. Die elektromagnetische Masse 181
§ 21. Die Ablenkbarkeit der Eathodenstrahlen und der |3- Strahlen 194
§ 22. Das Lorentzsche Elektron 201
§ 23. Der Bereich der quasistationären Bewegung 208
§ 24. Das Feld eines beliebig bewegten Elektrons 216
§ 26. Unstetige Bewegung des Elektrons 222
§ 26. Die innere Kraft eines beliebig bewegten Elektrons .... 236
§ 27. Gleichförmige Bewegung mit Überlichtgeschwindigkeit . . 246
Zweiter Abschnitt.
Elektromagnetisclie Vorgänge in -^gbaren Körpern.
Erstes Kapitel.
Bnhende Körper.
§ 28. Ableitung der Hauptgleichungen aus der Elektronentheorie . 260
§ 29. Dispersion der elektromagnetischen Wellen 267
§ 30. Magnetische Drehung der Polarisationsebene 276
§ 31. Magnetisierung 282
§ 32. Elektrische Leitung 283
§ 33. Das elektromagnetische Feld hochfrequenter Ströme in line-
aren Leitern 286
§ 34. Die Strahlung von Sendedrähten 297
Zweites Kapitel.
Bewegte Körper.
§ 36. Die erste Hauptgleichung 310
§ 36. Die zweite Hauptgleichung 317
§ 37. Der Versuch von Fizeau 326
§ 38. Der Druck der Strahlung auf bewegte Flächen 329
§ 39. Der relative Strahl 336
§ 40. Die Reflexion des Lichtes durch einen bewegten Spiegel . . 843
§ 41. Die Temperatur 'der Strahlung 861
§ 42. Die Lichtzeit in einem gleichförmig bewegten System . . . 366
§ 43. Der Versuch von Michelson 373
§ 44. Die Lorentzsche und die Cohnsche Optik bewegter Körper . 379
Formelzusammenstellung 392
Register ... 396
Berichtigungen 406
Erster Abschnitt.
Das Feld und die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Erstes KapiteL
Die physikalischen nnd mathematischen Grundlagen
der Elektronentheorie.
§ 1. Das elektrisohe Elementarquantum.
Wir erwähnten bereits im ersten Bande dieses Werkes
(S. 191); daß die bei der Elektrolyse stattfindenden Vorgänge
die Einführung atonxistischer Yorstellungen in die Elektrizitats*
lehre nahelegen. Den von Faraday entdeckten Gesetzen ge-
mäß scheidet ein gegebener Strom in yerschiedenen Elektro-
lyten chemisch äquivalente und der Stromstärke proportionale
Mengen wägbarer Materie an den Elektroden ab. Schreibt man
der Materie eine atomistische Konstitution zu^ so kann man
nicht umhin; auch die Elektrizität aus unteilbaren positiven
und negativen Elementarquanten zusammengesetzt zu denken.
An jeder Valenz eines elektrolytischen Ions würde ein solches
Elementarquantum haffcen. Die sogenannte Faradaysche Kon-
stante — die von einem Gramm Wasserstoff transportierte
Elektrizitätsmenge — gibt nach dieser Auffassung den Quoti-
enten aus Ladung e und Masse ms eines Wasserstoffions an.
Messen wir e in absoluten elektrostatischen Einheiten ; so er-
halten wir
(1) 1 9660 . 3 . 10^« = 2,90 • 10^*.
Diese auf unmittelbarer Messung beruhende Beziehung ver-
knüpft das elektrische Elementarquantum e mit dem Atom-
gewichte niE des Wasserstoffes.
Abraham, Theorie der Elektrizität, ü. 1
2 Erster Absclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Die Annahme Ton Atomen der Elektrizität wird notwendige
sobald man die wägbare Materie aLs atomistisch konstituiert
betrachtet. Wenn nun auch die Atomistik in der Physik der
Materie als wertvolle Arbeitshypothese sich erwiesen hat, so
steht doch mancher Forscher auch heute noch auf dem Stand-
punkte , daß für die Materie die Atom- und Molekularhypothese
nicht sicher genug begründet sei, um das Lehrgebäude der
Chemie und Physik auf ihr au&ubauen. Ein solcher Forscher
wird sich durch die Tatsachen der Elektrizitätsleitung in Elektro-
lyten nicht gezwungen finden, die reale Existenz eines elek-
trischen Elementarquantums zuzugeben.
Nun hat aber im letzten Jahrzehnt die atomistische Hypo-
these uf dem Gebiete der Elektrizitätslehre eine neue Stütze
erhalten durch die Forschungen, die über die Elektrizitäts-
leitung der Gase angestellt worden sind. Während die Qsse,
im Gegensatz zu den Metallen und den Elektrolyten, in ihrem
normalen Zustande Nichtleiter oder wenigstens sehr schlechte
Leiter sind, kann ihnen durch äußere Einwirkungen — z. B.
durch Eathodenstrahlen, durch Röntgenstrahlen oder durch
die Strahlung der radioaktiven Körper — eine abnorme Leit-
föhigkeit gegeben werden. Diese abnorme Leitfähigkeit führt
man darauf zurück, daß durch Einwirkung jener Strahlungen
im Gase elektrisch geladene Teilchen entstehen, welche nun
im elektrischen Felde wandern. Diese positiven und negativen
Teilchen bezeichnet man, unter Beibehaltung des in der Elektro-
lyse gebräuchlichen Wortes, als Ionen. Lidessen hat man es
bei diesen Gasionen nicht, wie etwa bei einwertigen elektro-
lytischen Ionen, mit Verbindungen des elektrischen Elementar-
quantums mit Bestandteilen nur eines Moleküles zu tun; es
scheinen sich vielmehr in einem Gase dem elektrischen Kerne
neutrale Moleküle in wechselnder, von Temperatur und Druck
des Gases abhängiger Anzahl anzulagern.
Der Mechanismus dieser Anlagerung wird verständlich,
wenn man auf Grund der Vorstellungen der kinetischen Gas-
theorie die Wechselwirkungen der elektrischen Kerne mit den
neutralen Gasmolekülen betrachtet und das unter dem Ein-
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 3
floß dieser Wechselwirknngen sich herstellende kmetische Gleich-
gewicht untersucht. Da ein ausführliches Eingehen auf diese
Dinge uns Ton dem eigentlichen Gegenstande dieses Werkes
zu weit abführen würde ^ so sei der Leser auf die sehr lehr-
reiche Abhandlung von P. Langevin^) hingewiesen; dieselbe
enthält auch eine Übersicht über die Eigenschaften ionisierter
Gase, deren Kenntnis man hauptsächlich den Forschungen der
Cambridger Schule verdankt.
Die Existenz diskreter elektischer Teilchen in einem
Gase, welches der Durchstrahlung mit Röntgenstrahlen, mit
Eathodenstrahlen oder Badiumstrahlen ausgesetzt war, wird
nun durch eine bemerkenswerte Eigenschaft eines solchen
Gases bewiesen: Wird ein solches Qss mit Wasserdampf ge-
mischt und der letztere, etwa durch plötzliche Expansion,
in den Zustand der Übersättigung gebracht, so findet eine
Kondensation des Wasserdampfes statt, es bildet sich eine aus
kleinen Tröpfchen bestehende Wolke; und zwar findet dieses
bei einem Grade der Übersättigung statt, bei dem ohne vor-
herige Durchstrahlung des Gases eine Kondensation des Wasser-
dampfes nicht erfolgt wäre. Da die Eigenschaft, den Wasser-
dampf zu kondensieren, der durch die Durchstrahlung erteilten
abnormen Leitfähigkeit parallel geht, so liegt es nahe, den Gbus-
ionen die Bolle von Kondensationskemen zuzuschreiben. Trifft
das zu, so macht die Bildung yon Wassertröpfchen um die
Gasionen als Kerne die Gttsionen der unmittelbaren Beobach-
tung und der Abzahlung zu^uiglich.
Auf der Beobachtung derartiger Wolken von Wasser-
tröpfchen fußen die Bestimmungen der Ladung eines Gasions,
die von J. S. Townsend*), J. J. Thomson^) und H. A. Wilson*)
ausgeführt worden sind. Die Masse des einzelnen Tröpfchens
1) P. Langevin. Annales de Chimie et Physique (7). 28. S. 289
bis 884, 483—630. 1908.
2) J. S. Townsend. Phil. Mag. 46, S. 126. 1898.
3) J.J.Thomson. Phü. Mag. 46, S. 628, 1898; 48, S.647, 1899;
6, S. 346, 1908.
4) H. A. Wilson. Phil. Mag. 6, S. 429, 1903.
1*
4 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
kann ans der Fallgeschwindigkeit der Wolke berechnet werden.
Nach G. 6. Stokes ist die Geschwindigkeit^ mit der eine kleine
Engel Yom Radius a unter dem Einfluß der Schwerkraft fallt,
durch die Formel gegeben
2 a*
WO ff die Beschleunigung der Schwere, g den Reibungs-
koeffizienten des Gases yorsteUt. Aus dieser Gleichung ist der
Radius und somit die Masse m der Tröpfchen zu bestimmen.
Die Geschwindigkeit eines jeden Tröpfchens ist proportional
der auf dasselbe wirkenden Kraft; wirkt nur die Schwere, so
beträgt die Kraft mg. Wird aber ein elektrisches Feld (B erregt,
so ist der Schwerkraft mg die Kraft ed hinzuzufügen, die das
Feld auf das geladene Tröpfchen ausübt. Diese Kraft wirkt,
wenn (B Tertikai nach unten gerichtet ist, im Sinne der Schwer-
kraft oder im entgegengesetzten, je nachdem es sich um die
positiven oder um die negativen Tröpfchen handelt. Die Fall-
geschwindigkeit wird dadurch verändert, im Verhältnis
V* mg±e\9
V mg
Durch Beobachtung der Fallgeschwindigkeit, zuerst unter dem
Einfluß der Schwerkraft allein, dann unter Mitwirkung eines
vertikalen elektrischen Feldes, kann somit die Ladung e des
einzelnen Tröpfchens ermittelt werden. Auf diesem Wege fand
H. A. Wilson für e als mittleren Wert 3,1 • lO-^» elektro-
statische Einheiten. Dieses Ergebnis ist in guter Überein-
stimmung mit den letzten Resultaten J. J. Thomsons.
Enthalt nun ein Tröpfchen nur ein einziges Ion, so ist
durch diese Zahl die Ladung eines Gasions gegeben. A priori
wäre es allerdings denkbar, daß einzelne Tröpfchen mehrere
Ionen enthielten, doch ist dieses angesichts der gleichen Be-
schaffenheit aller Tröpfchen höchst unwahrscheinlich. Es be-
trägt hiemach die Ladung eines Gasions rund
(2) c = S • lO-iö
elektrostatische Einheiten.
Erstes EapiteL Die phys. ul math. Grandlagen d. Elektronentheörie. 5
Durch sinnreiche Versuche, die J. S. Townsend*) über die
Wanderungsgeschwindigkeit und die Diffusion der Gftsionen
angestellt hat, ist femer bewiesen ^ daB die Ladung der Gasionen
in allen Fällen gleich der Ladung eines einwertigen elektro-
lytischen Ions ist. Dieses Ergebnis macht es höchst wahr-
scheinlich; daß die elektrische Ladung der Teilchen, deren
Existenz jene Kondensationsphänomene enthüUen, mit dem
elektrischen Elementarquantum identisch ist.
Setzen wir den Zahlwert (2), der nach Townsend gleich-
zeitig die Ladung eines Wasserstofiions angibt; in (1) ein, so
erhalten wir als Masse eines Wasserstoffatoms:
(2a) m^= 10-»* Gramm.
Ist N die sogenannte Loschmidtsche Zahl, d. h. die Zahl
der Moleküle; die sich bei normaler Temperatur und normalem
Druck in dem Kubikzentimeter eines Gases befinden; so ist
2ms 'N gleich der Dichte des Wasserstoffes (0,8961 • 10-*).
Man erhält demnach für die Loschmidtsche Zahl
(2b) JV=4,5.10i^
einen Zahlwert; der mit den besten Bestimmungen aus gas-
theoretischen Daten gut übereinstimmt und wohl als die ge-
naueste vorliegende Bestimmung dieser fiir die Molekulartheorie
fundamentalen Zahl anzusehen ist.
Wir finden also, daß die verschiedensten Eigenschaften
der Materie und der Elektrizität zu denselben Werten der
fundamentalen Konstanten der Atomistik führen. Es bestätigen
sich in erfreulicher Weise die Grundvorstellungen der atomistischen
Hypothese. Wir werden daher in dem vorliegenden zweiten
Bande der ;;Theorie der Elektrizität^' die Elektrizität als aus
kleinsten elektrischen Elementarquanten bestehend annehmen.
§ 2. Die Eathodenstrahlen.
Schickt man den elektrischen Strom durch eine stark
evakuierte Glasröhre; so zeigen die Wände der Röhre eine
1) J. S. Townsend. Phil. Trans. 193, S. 129. 1899.
6 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
eigentümliche grüne Fluoreszenz. Die experimentelle Unter-
suchung dieser Erscheinung, die zuerst von J. Plücker, W. Hittorf
und E. Goldstein unternommen wurde, hat zu der Erkenntnis
geführt, daß man es hier mit einer Art von Strahlen zu tun
hat, die Yon der Kathode ausgehen; sie wurden demgemäß von
dem letztgenannten Forscher als „Eathodenstrahlen^' be-
zeichnet. Über die Natur dieser Strahlen wurden zwei yer-
schiedene Hypothesen aufgestellt, die man als „Emissions-
hypothese^^ und „Undulationshypothese^^ unterscheiden
kann. Die Emissionshypothese, die hauptsächlich in England,
durch W. Grookes und A. Schuster, entwickelt wurde, be-
trachtete die Eathodenstrahlen als negativ geladene Ghusmole-
küle, die yon der Kathode abgestoßen und in die Röhre hinein
geschleudert werden. Manche Tatsachen, insbesondere die
magnetische Ablenkbarkeit der Strahlen, fügten sich un-
gezwungen dieser Erklärung. In Deutschland verhielt man
sich dieser Erklärung gegenüber dennoch ablehnend; man hielt
die Kathodenstrahlen für eine viel feinere, dem Lichte ähnliche
Erscheinung. Diesen Standpunkt yertrat auch Heinrich Hertz,
der zuerst fand, daß die Kathodenstrahlen durch dünne Metall-
blättchen hindurchdrmgen. Er sah die magnetische Ablenkung
der Kathodenstrahlen als einen der mi^etischen Drehung der
Polarisationsebene des Lichtes analogen Vorgang an und hatte
wohl ursprünglich eine Undulationstheorie im Sinne, welche
die Kathodenstrahlen als longitudinale elektromagnetische
Wellen deutete; zeigten doch die theoretischen Untersuchungen
Ton Helmholtz, daß die Femwirkungstheorie der Elektro-
dynamik solche longitudinalen Wellen zuließ. Nachdem aber
durch Hertz selbst die Maxwellschen Vorstellungen zum Siege
geführt waren, blieb für longitudinale Wellen kein Platz mehr.
So hat denn die Undulationstheorie der Kathodenstrahlen nie-
mals eine greifbare Gestalt angenommen. .
Jene Entdeckung von Heinrich Hertz wurde der Aus-
gangspunkt für die rasche Entwickelung, welche die Theorie
der Kathodenstrahlen in neuerer Zeit erfahren hat. Auf ihr
fußten die Arbeiten von Ph. Lenard, welcher die Fortpflanzung
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie» 7
der EathodenBtrahlen außerhalb der Entladungsrohre verfolgte
und höchst bemerkenswerte Beziehungen der Absorption der
Strahlen zur Dichte der durchstrahlten Substanz feststellte. Die
Untersuchungen Lenards wiederum gaben den Anstoß zur Ent-
deckung W. G. BöntgenS; daß die Glaswand beim Aufia-effen der
Eathodenstrahlen eine neue^ yon ihm als X-Stl'ahlen be-
zeichnete Strahlenart aussendet.
Durch die Böntgensche Entdeckxmg wurde eine Beihe yon
Physikern zur quantitativen Untersuchung der Eathodenstrahlen
angeregt. Insbesondere sind die Arbeiten yon E. Wiechert^);
W. Kaufmann ^)^ W. Tra.TiffTni.TiTi und E.Aschkinass®)^ sowie die-
jenigen yon J. J. Thomson*) und Ph. Lenard^) bemerkenswert.
Diese bestätigten die Emissionshypothese insofern, als sie
übereinstimmend ergaben, daß die Erscheinungen sich wider-
spruchsfrei erklaren lassen, wenn man negatiy geladene, trage
Teilchen in dem Eathodenstrahle bewegt annimmt. Sie recht-
fertigten anderseits die yon den Gegnern der Emissionstheorie
geltend gemachten Bedenken insofern, als sie für den Quotienten
aus Ladung und trager Masse der Teilchen Zahlwerte ergaben,
die den Quotienten eim^ aus Ladung und Masse eines elektro-
lytischen Wasserstoffions um das Zweitausendfache übertreffen.
Auch ergab sich, daß die Eigenschaften der Eathodenstrahlen
yon der chemischen Natur des Gases und dem Elektroden-
material unabhängig sind und nur yon der Potentialdifferenz
abhängen, durch die sie auf ihre Geschwindigkeit gebracht
sind. Li Anbetracht dieser Tatsache wäre die Annahme, daß
die Trager der Strahlen Atome der wägbaren Materie sind,
etwa Wasserstoffatome, geladen mit 2000 negatiyen Elementar-
quanten, höchst unwahrscheinlich. Vom atomistischen Stand-
1) E. Wiechert. Sitzimgsber. d. phys. -Ökonom. Ges. zu Königs-
berg i. Pr. Jan. 1897, S. 1. Nachrichten der Göttinger Ges. der Wissensch.
1898, S. 87 u. S. 260.
2) W. Kaufmann. Ann. d. Phys. 61, S. 644. 1897.
8) W. Kaufmann u. £. Aschkinass. Ann. d. Phys. 62, S. 588. 1897.
4) J. J. Thomson. Phil. Mag. 44, S. 298. 1897.
5) Ph. Lenard. Ann. d. Phys. 64, S. 279; 66, S. 604. 1898.
g Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegnng der einzelnen Elektronen.
punkte aas ist es eher plausibel^ daß die Ladung jedes Strahl^
teilchens ein elektrisches Elementarquantnm; daß aber die trage
Masse nur ein Zweitansendstel der Masse des Wasserstoffions ist.
Die weitere Entwickelnng hat diese letztere^ insbesondere Yon
E. Wiechert und J. J. Thomson ausgesprochene Vermutung
mehr und mehr besiStigt: Es sind die Ton wägbarer
Materie freien Atome der negativen Elektrizität^ die
sich im Eathodenstrahle bewegen.
Wir wollen mit J. Stoney diese Atome negativer Elektri-
zität als ;;Elektronen^^ bezeichnen. Wir schreiben ihnen die
Ladung (— e) und die trage Masse m zu und leiten^ allein auf
Ghnnd dieser Eigenschaften^ die an Eathodenstrahlen fest-
gestellten Gesetze ab. Die Erörterung der Frage^ wieso die
Elektronen^ wenn sie unbelastet mit wägbarer Materie sich
bewegen, überhaupt Trägheit besitzen, weisen wir einem
späteren Abschnitte zu.
Da die Bewegung des Elektrons im leeren Baume statt-
findet, so brauchen wir zwischen magnetischer Induktion 8
und magnetischer Feldstärke $ nicht zu unterscheiden. Auf das
bewegte Elektron, von der Ladung (— c), wirkt somit im
elektromagnetischen Felde nach Bd. I, Gleichung 246 a, S. 412,
die Kraft
(3) « = - cg,
wo
(3a) S?-« + 7H«#] ^ . . '
die auf die Einheit der Ladung berechnete elektromagnetische
Kraft darstellt.
Die Bewegungsgleichung des Elektrons lautet daher
(4) ^.^=»eg.
Wir führen zur Abkürzung für den Quotienten
(4a) 12«
cm
aus dem elektromagnetisch gemessenen Betrage der Ladung (—j
Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 9
und der Masse (m) des Elektrons die Bezeichnung ^^spezi-
fische Ladung^^ ein; es wird die Bewegungsgleichung
(4b) |5=-ci?5 = -ci?«-i,[li#].
Das zweite Glied der rechten Seite der Bewegungsgleichung^
die Tom magnetischen Felde herrührende Kraft bzw. Be-
schlemügung, steht stets senkrecht auf dem Geschwindigkeits-
Tektor b; das Vorhandensein eines äußeren magnetischen Feldes
bedingt also niemals eine Arbeitsle^g.
Ist insbesondere das äußere elektrische Feld ein elektro-
statisches tmd tp sein Potential, so ist
(5) *** ■ dt" °°° * ■ ^9' ■ ^ ''
I
Die skalare Multiplikation mit kl ergibt
und die Integration nach der Zeit fQr das Interrall von i(q bis t
(5a) -^m-t^^-^mt^Q^^e^g)- (p^).
Hier steht links der Zuwachs der lebendigen Exaft des
Elektrons ; rechts die Arbeit; die das elektrostatische Feld in
dem betreffenden Zeitinteryalle an dem Elektron geleistet hat;
letztere ist proportional dem Anstiege des elektrostatischen
Potentiales.
Bewegt sich etwa das Elektron Yon der auf dem Potential (pQ
gehaltenen Kathode bis zu einem Punkte^ dessen Potential be-
kannt ist; so bestimmt (5a) die Geschwindigkeit |ki|; wenn die
Geschwindigkeit |kio| gegeben ist; mit der das Elektron die
Kathode verlaßt. Diese Anfangsgeschwindigkeit ist freilich
unbekannt. Man nimmt indessen mit gutem Grunde aU; daß
diese Anfangsgeschwindigkeit klein ist gegen die Geschwindig-
keiten^ die es beim Durchlaufen des starken in der Entladungs-
röhre herrschenden elektrischen Feldes erhält. Man setzt daher
Üq = und findet
(6) i»i =ys (9 - <po) =y^on (9 - ^o).
10 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Wir wollen nun den Fall behandeln^ wo das Elektron mit
der so erhaltenen Geschwindigkeit (6) in einen Banm eintritt^
in welchem ein konstantes elektrostatisches Potential herrscht.
Ist kein magnetisches Feld yorhanden, so wird es sich gerad-
linig mit konstanter Geschwindigkeit weiter bewegen. Treten
indessen magnetische Kräfte hinzu, so wird die Bahn sich
krümmen. Wir wollen annehmen, daß das magnetische Feld
homogen ist, und daß das Elektron in dieses Feld mit einer
zu den Eraftlinien senkrechten Geschwindigkeit hineinfliegt.
Der Beschleunigungsvektor ist daim nach (4 b)
(6a) ^ fjim-
Das Elektron bewegt sich, wie die Zerlegung des Be-
schleunigungsTcktors in eine zu kl parallele und eine zu kl
senkrechte Komponente (I, Gl. 8, S. 9) ergibt, in einer zu $
senkrechten Ebene mit konstanter Geschwindigkeit. Es be-
schreibt eine Kreisbahn, deren Badius B durch die Gleichung
bestimmt ist
H* I I lÄi
— = ri'\^\ .|§|.
Die Bahnkrümmung
ist demnach um so größer, «je starker das magnetische Feld
und je kleiner die Geschwindigkeit des Elektrons ist.
Ist das homogene magnetische Feld nicht senkrecht zu der
ursprünglichen Bewegung des Elektrons gerichtet, so zerlegen
wir zweckmäßigerweise den Geschwindigkeitsvektor kl in zwei
Vektoren, ki^ und klg, Yon denen der erste zu $ parallel, der
zweite zu $ senkrecht ist. Der erste liefert keinen Beitrag
zu dem yektorprodukte aus kl und §. Projizieren wir die
Bewegung einerseits auf eine zu $ parallele Gerade, anderseits
auf eine zu $ senkrechte Ebene, so zerfallt (6a) in die beiden
Gleichungen
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. H
Die zu $ parallele Eomponenie der Geschwindigkeit bleibt
konstaut. Auf eine zu $ senkrechte Ebene projiziert^ stellt
sich die Bewegung als Kreisbahn dar^ mit dem reziproken
Radius
m 4--, I»
22, •' in.
In einem homogenen magnetischen Felde beschreibt
das Elektron demnach eine Schraubenlinie. In dem
speziellen Falle^ wo die Bewegung anfangs senkrecht
zu den magnetischen Kraftlinien erfolgte^ artet die
Bahn in eine Kreisbahn aus.
Wir betrachten wieder den letztgenannten Spezialfall und
drücken die Geschwindigkeit |li{ auf Grund von (6) durch die
durchlaufene Spannungsdifferenz (jp — (p^) aus. Alsdann ergibt
Gleichung (7):
Die Krümmung des Kathodenstrahles im senkrechten
Magnetfelde ist der Wurzel aus der durchlaufenen
Spannungsdifferenz umgekehrt proportional. Die Ver-
suche Ton W. Kaufinann^) haben dieses Gesetz ergeben und
so das Zutreffen der zugrunde gelegten Bewegungsgleichung
bestätigt.
Diese Messungen konnten gleichzeitig dazu dienen, die
spezifische Ladung der Kathodenstrahlträger zu ermitteln. So
erhielten W. Kaufmann*) und S. Simon®) den Wert
(9) ,=^ = 1,865. 10^
für die spezifische Ladung des negativen Elektrons.
Eine jede der Gleichungen (6) oder (7) kann verwandt
werden^ um die Geschwindigkeit zu berechnen^ die den
Elektronen in der Entladungsröhre erteilt wird. Dieselbe liegt
bei den üblichen Spannungsdifferenzen von Anode und Kathode
1) W. Kaufmann. Ann. d. Phys. 61, S. 644. 1897.
2) W. Eanfinann Ann. d. Phys. 65, S. 481. 1898.
8) 8. Simon. Ann. d. Phys. 69, S. 689. 1899.
12 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
zwischen Y^q und Yj der Lichtgeschwindigkeit. Werte von der-
selben Grroßenordnung sind Yon E. Wiechert^) durch direkte
Messung der Geschwindigkeit gefanden worden.
Da nach (9)
(9a) ^ = 5,60.10"
ist^ so folgt durch Yergleichung mit (1)
(9 b) ^ = 1930
als Quotient der trägen Massen von Wasserstoffatom
und Elektron.
§ 3. Klassifikation der Strahlungen.
Die Maxwellsche Theorie versteht unter „Strahlung^^
einen elektromagnetischen Energiestrom; diesen bestimmt
sie durch den Poyntingschen Vektor (vgl. I § 77, S. 356). Sie
lehrt; daß die Lichtwellen elektromagnetische Energie mit-
führen, mithin als Strahlungsvorgänge anzusprechen sind. Die
LichtweUen, wie überhaupt alle elektromagnetischen WeUen,
pflanzen sich in dem leeren Baume mit einer ganz bestimmten
Geschwindigkeit
c=3.10^«55
sec
fort (vgl I § 69, S. 303). Die verschiedenen Arten elektro-
magnetischer Wellen, welche wir kennen, sind nur der Wellen-
länge, aber nicht der Fortpflanzungsgeschwindigkeit nach ver-
schieden. Ordnen wir nach der Wellenlänge, so haben wir
zuerst die ultravioletten Strahlen, dann das eigentliche sichtbare
Licht; dann folgen die ultraroten, nur durch ihre thermische
Wirkung sich kundgebenden Strahlen, deren langwelligste die
', Bubensschen Beststrahlen sind. Zwischen den längsten be-
kannten Wärmestrahlen (>l = 6 • 10~"^ cm) und den kürzesten
Wellenlängen der vom elektrischen Funken ausgelösten Schwin-
1) E. Wiechert. Nachr. der Göttinger Ges. der Wissensch. 1898,
S. 260. Ann. d. Phys. 69, S. 789. 1899.
Erstes EapiteL Die phys, n. math. Grandlagen d. ElelEtronentheorie. 13
gimgeii (X «» 0;6 cm) klafft noch eine beträchtliche Lücke.
Dann folgt eine kontinnierliche Reihe Ton Wellen, die wir
auf rein elektrischem Wege herzustellen yermögen; sie er-
streckt sich Yon den raschesten Hertzschen Schwingongen bis
zn den langsamsten Wechselströmen der Technik.
Alle diese Strahlungen können wir durch die Benemiung
^^Wellenstrahlung^^ kennzeichnen. Darunter yerstehen wir
nicht nur rein periodische Wellen, sondern auch Wellen be-
liebiger Wellenform. Das far die Wellenstrahlung Charak-
teristische ist die unabänderliche Fortpflauzungsgeschwindigkeit
im leeren Baume.
Zu der so definierten Wellenstrahlung gehören nun die
Kathodenstrahlen, yon denen wir im vorigen Paragraphen be-
richteten, nicht. Diesen Strahlen kommt hingegen eine Eigen-
schaft zu, die den obengenannten Wellenstrahlungen fehlt:
sie fähren nicht nur Energie, sondern auch Elektrizitöt mit
Wir wollen eine jede Strahlung, die Elektrizität mitführt, als
„Eonyektionsstrahlung^^ bezeichnen. Die Kathodenstrahlen
insbesondere stellen einen Strom negativer Elektronen dar.
Da wir die Eigenschaften dieser Atome der negativen Elek-
trizität als unabänderliche ansehen, so bleibt als unterschei-
dendes Merkmal, verschiedener Kathodenstrahlen nur die Ge-
schwindigkeit der Elektronen übrig.
Die Geschwindigkeit der in einer Entladungsröhre zu
erzeugenden Kathodenstrahlen hängt, wie wir sahen, von der
Spannungsdifferenz der Elektroden ab. Man kann jedoch diese
Spannungsdifferenz nicht beliebig wählen, da bei geringen
Spannungen die Entladung nicht stattfindet, und da beliebig
hohe Spannungen nicht zur Verfügung stehen. Hierdurch ist
das „ Spektrum ^^ der nach der Geschwindigkeit geordneten
Kathodenstrahlen begrenzt. Doch hat Ph. Lenard gezeigt,
daß bei Betrachtung eines Metalles mit ultraviolettem Lichte
Strahlen ausgesandt werden, welche ähnliche Eigenschaften,
nur geringere Geschwindigkeit der Strahlteilchen aufweisen,
wie die eigentlichen Kathodenstrahlen. Anderseits hat sich
ergeben, daß die Strahlung radioaktiver Körper, und zwar der
14 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Beständteil der Strahlung^ den Batherford als /^-Strahlung
bezeichnet hat^ magnetisch in demselben Sinne ^ nur etwas
schwächer, ablenkbar ist, w:ie die Eathodenstrahlen. Es lag
nahe, hier negative Elektronen yon größerer Geschwindigkeit
zu vermuten. In der Tat haben die Untersuchungen von
'W. Eaufinann, auf die wir später ausführlicher zurückkommen,
gezeigt, daß die Geschwindigkeiten der in den /}* Strahlen an-
zunehmenden Elektronen ein kontinuierliches Spektrum dar-
stellen, das sich von ^s ^^^ Lichtgeschwindigkeit bis nahe an
die Lichtgeschwindigkeit selbst heran erstreckt Noch klafft
eine Lücke zwischen den raschesten der messend zu yerfol-
genden Kathodenstrahlen und den langsamsten /}- Strahlen.
Wenn diese ausgefüllt sein wird, so wird man eine kontinuier-
liche Reihe von negativen Eonvektionsstrahlungen haben, die
von beliebig kleinen Geschwindigkeiten bis nahe an die Licht-
geschwindigkeit heranreicht.
Von positiver KonTektionsstrahlung haben wir bisher
nicht gesprochen. Man hat gefunden, daß die leicht absorbier-
bare Strahlung radioaktiver Körper, die sogenannte g(- Strah-
lung, aus positiv geladenen Teilchen besteht. Auch gewisse,
die elektrische Entladung in verdünnten Gasen begleitende
Erscheinungen, die Kanalstrahlen E. Goldsteins, hat man
auf bewegte positive Teilchen zurückführen zu können geglaubt.
Es haben sich für den Quotienten aus Ladung und Masse in
beiden Fallen Zahlwerte ergeben, die von der Größenordnung
des bei Wasserstoflfionen vorliegenden Wertes waren. Doch
sind diese positiven Konvektionsstrahlungen noch nicht ge-
nügend erforscht, um Schlüsse auf die Natur der positiven
Elektrizität zu gestatten. Hat man es hier mit den freien
positiven Elektronen zu tun, und ist diesen eine so viel größere
Trägheit zuzuschreiben, als den negativen? Oder sind diese
Strahlteilchen, wie die Gasionen (§ 1), durch Anlagerung
wägbarer Materie an die Elektronen entstanden? Oder ist
etwa die positive Elektrizität überhaupt von der Materie nicht
zu trennen? Das sind Fragen, deren Erledigung der Zukunft
vorbehalten bleiben muß.
Erstes EapiteL Die phys. u. maih. Grandlagen d. Elektronentheorie. 15
In diesem zweiten Bande der ^^Theorie der Elektrizität^'
soll nun die elektromagnetische Strahlung in umfassender
Weise behandelt werden^ sowohl die Wellenstrahlung; wie die
Eonyektionsstrahlung. Die Grundlage für die Theorie
der Strahlung gewinnen wir, indem wir die atomisti-
schen Vorstellungen über die Konstitution der Elek-
trizität mit den Faraday-Maxwellschen Ideen über
das elektromagnetische Feld vereinigen. Die Ver-
einigung dieser beiden Vorstellungskreise ist es^ die zur
modernen Elektronentheorie führt. Man trifiPt bei manchen
Autoren die Auffassung an, daB die atomistischen Ideen in
einem gewissen Gegensatze zur Maxwellschen Theorie stünden,
und daß die Elektronentheorie eigentlich zu den alten Vor-
stellungen der Femwirkungshypothese zurückkehre. Diese
Auffassung ist indessen durchaus unzutreffend. Allerdings ist
die Hypothese einer atomistischen Struktur der Elektrizität
wohl zuerst, insbesondere durch Wilhelm Weber, in einer
Weise eingeführt worden, welche den Vorstellungen der Fem-
wirkungstheorie entsprach. Dieser Forscher stellte ein Ele-
mentargesetz für die Wechselwirkung zweier elektrischer Atome
an die Spitze und suchte auf dieses die gesamte Elektro-
dynamik zu b^ründen. Daß diese Bemühungen Webers und
anderer Physiker scheiterten, lag gerade an der Verkoppelung
der atomistischen Vorstellung mit der Femwirkungshypothese,
welche die der Atomistik innewohnende Entwickelungsfahigkeit
erstickte. Erst die Abwendung Ton der Fernwirkungstheorie
und die Verschmelzung mit der Faraday- Maxwellschen Lehre
konnte die atomistischen Keime zur Blüte bringen und für
die Elektrizitätslehre fruchtbare Ergebnisse zeitigen.
Die Maxwellsche Theorie, weit entfernt, die Frage nach
der Struktur der Elektriziiät als unberechtigt zurückzuweisen,
ermöglicht vielmehr erst eine allseitige Untersuchung der für
diese Frage bedeutungsvollen Erscheinungen. Indem sie das
Licht als elektromagnetischen Vorgang betrachtet, lehrt sie,
aus der Strahlung einer Lichtquelle Schlüsse auf die Eigen-
schaften der elektrischen Teilchen zu ziehen, die in den licht-
16 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
anssendenden Molekülen schwingen. So bat das Zeemansche
Phänomen im Jalire 1896 gezeigt^ daß eine große Zahl von
Spektrallinien in der Bewegung der negativen Elektronen ihren
Ursprung hat. Eine magnetische Zerlegung der Spektrallinien;
die auf die Schwingungen positiver Elektronen in der Licht-
quelle zurückzuführen wäre^ hat sich nicht feststellen lassen;
infolge der größeren, diesen Teilchen anhaftenden tragen Masse
würde eine solche Zerlegung auch theoretisch unterhalb der
Grrenze der Beobachtbarkeit liegen. Hier tritt die enge^ Ton
der elektromagnetischen Lichttheorie behauptete Beziehung
zwischen dem Konvektionsstrome und der Lichtstrahlung deut-
lich hervor. Li der Sprache der Elektronentheorie laßt sich
diese Beziehung so formulieren: Die Konvektionsstrah-
lung ist ein Strom freier Elektronen, die Wellen-
strahlung nimmt ihren Ausgang von Geschwindig-
keits^nderungen der Elektronen.
Wo die Kathodenstrahlen auf die Böhrenwand treffen^
nehmen die Böntgenstrahlen ihren Ursprung. Wir werden,
mit 6. 6. Stokes und E. Wiechert, in diesen magnetisch nicht
ablenkbaren Strahlen die elektromagnetischen Wellen sehen,
welche von den gehemmten Elektronen ausgehen. Dabei scheint
es sich nicht um periodische Wellenzüge, sondern um Einzel-
impulse zu handeln, deren Impulsbreite weit kleiner ist als die
Wellenlänge der kurzwelligsten ultravioletten Strahlen. Aus
den Beugungsversuchen von Haga imd Wind hat sich ergeben,
daß die Lnpulsbreite 10"^ cm beträgt, falls es sich überhaupt
um Wellenimpulse handelt. Doch ist es, da die Röntgen-
strahlen sich weder brechen noch spiegeln lassen, schwierig^
ihre Wellennatur experimentell festzustellen.
Die dritte; nicht ablenkbare Klasse der Badiumstrahlen,
die sogenannten ^/-Strahlen, weist Eigenschaften auf, welche
denen besonders durchdringender Röntgenstrahlen gleichen.
Es liegt nahe, sie als die WeUenimpulse anzusprechen, welche
beim Fortschleudern der Elektronen durch die radioaktiven
Atome erregt werden.
Erstes Kapitel. Die phys. a. math. Grundlagen d, Elektronentheorie. X7
§ 4. Die Gnmdgleiehxmgen der Blelctronentheorie.
XTm zn den Grnmdgleichongen der ElektronenÜieorie zn
gelangeil; gehen wir von den Hanptgleiclmngen der Maxwell-
schen Theorie ans (I; § 59^ S. 235 ff.). Die erste Sanptgleichnng
lantet (I, Gl, 177)
cnrl 1^ = -^ . f ,
wobei r die Dichte des Gesamtstromes ist.
Die Elektronentheorie kennt nnr zwei Bestandteile des
GesamtstromeS; den Yerschiebnngsstrom im Äther nnd den
Konvektionsstrom bewegter Elektronen; die Dichte des Yer-
schiebnngsstromes im Äther ist gleich
1 a»
4« ar
die Dichte des elektrostatisch gemessenen Eonvektionsstromes
ist gegeben durch
I « 9 . 1, (vgl. I, Gl. 159, S. 190),
wo Q die räumliche Dichte, ü die Geschwindigkeit der kon-
yektiv bewegten Elektrizität bezeichnet. Wir wollen der ein-*
flacheren Schreibweise wegen es vorziehen, den Konvektions*
ström elektromagnetisch zu messen. AlaHaTiTi wird
(10) f - ?^,
und es ist die erste Grundgleichung zu schreiben
(I) cnrl§-i^-4«l.
In der zweiten Hauptgleichung (I, Gl. 178, S. 238) streichen
wir die eingeprägte elektrische Kraft. Im leeren Baume, wo
8 = f^ ist, nimmt die zweite Hauptgleichung die Form an:
(H) curl« + i^ = 0.
Diese beiden Grandgleichiuigen nehmen wir anch im
Innern der Elektronen als gültig an.
Abrabam, Theorie der Blektriiltt«. n. 2
X8 Erster Absclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Die allgemeine Beziehung zwischen der Dichte der Elek-
triziiÄt und der Divergenz der elektrischen Verschiebung (vgl. I,
GL 137; S. 145) behalt die Elektronentheorie bei; da sie all-
gemein S = 7— (8 setzt, so wird
(EI) div«-4Ä9.
Anch die allgemeine Bedingung der Quellenfreiheit des
Vektors © (I, GL 178 a, S. 239) wird aus der MarweUschen
Theorie herübergenommen; da 8 mit § identifiziert wird, so wird
(IV) div ^ = 0.
Für den von Materie und von Elektronen leeren Raum,
wo Q und I verschwinden^ stimmen diese Grrundgleichungen
mit den Hertz -Heavisideschen Feldgleichungen ' überein; sie
führen^ wie jene, zu dem Ergebnisse, daß hier ebene elektro-
magnetische Wellen nach allen Richtungen mit der gleichen
Geschwindigkeit c forteilen. Auf dasjenige Bezugssystem, in
dem diese Isotropie der Wellenfortpflanzung wirklich statthat,
sind die Bewegungen der Elektronen zu beziehen. Es wird
gestattet sein, die so bestimmt gedachten Bewegungen der Elek-
tronen und der wägbaren Körper als „absolute Bewegungen"
zu bezeichnen (vgl. I, S. 430 flF.). Die auf jenes Bezugssystem
bezogene absolute Geschwindigkeit ti der Elektronen ist es,
welche in den Ausdruck (10) für die Dichte des Konvektions-
stromes eingeht. Neben dem kinematischen Vektor ti enthält
das System der Feldgleichungen (I) bis (IV) nur zwei Vektoren,
den elektrischen Vektor Q und den magnetischen Vektor ^, Es
ist anzusehen als die einfachste Erweiterung des für den Äther
geltenden Systemes von Feldgleichungen, welche die ein-
gelagerten Elektronen und ihre Bewegung berücksichtigt.
Zu diesen Feldgleichungen tritt endlich eine Aussage über
die an den Volumelementen der Elektronen angreifende Eraft.
Es wird, in Übereinstimmung mit Bd. I, GL 246 a, S. 412,
für die auf die Einheit der Ladung wirkende Kraft der Ansatz
gemacht
(V) 5 = « + i[ll$]-
Erstes Kapitel. Die phys. ^. math. Grundlagen d. Elektronentheorie, X9
Wir können diesen Ansatz tun so eher akzeptieren^ als
wir ja im § 2 dieses Bandes uns davon überzeugt haben ^ ilaß
er die Kraft, die in einem gegebenen äußeren Felde auf die
Kathodenstrahlteilchen wirkt, in befriedigender Weise darstellt
Der Vektor ff, die „elektromagnetische Kraft pro Ein-
heit der Ladung^ ist durch die Gmndgleichung (Y) auf
die drei in den Feldgleichungen auftretenden Vektoren zurück-
ge£Öhrt.
Wir wollen uns davon überzeugen, daß der zugrunde
gelegte Ansatz für die elektromagnetische Kraft mit dem
Energieprinzipe übereinstimmt. Wir denken uns zu diesem
Zwecke einen Bereich v, der von der ruhenden Flache f be-
grenzt ist. Auf die im Yolumelemente dv enthaltene Elek-
trizität übt das elektromagnetische Feld die Kraft ^qdv aus.
Diese leistet pro Sekunde die Arbeit
Der vom magnetischen Felde herrührende Anteil der Kraft,
der stets senkrecht zur Bewegungsrichtung der Elektrizität
weist, trägt zur Arbeit nichts bei. Durch Integration über
den Bereich v erhalten wir mithin für die Arbeitsleistung der
elektromagnetischen Kräfbe
dA
dt
=-J(Q^,Qt)dv.
Da nun, nach (10), der Vektor Qt^ die Dichte des Kon-
vektionsstromes bestimmt, so. folgt aus der ersten Grund-
gleichung '
dÄ
dt
= c/(l,«)dt; = ^/d.(«,carl#-i^^).
Femer ist, nach einer allgemeinen Regel der Vektor-
rechnung (I, Gl. 102 a, S. 93),
fdf[(S§]v ^fdv § curi <fi --fdv e curi §,
oder, mit Bücksicht auf die zweite Grundgleichung,
2*
20 Erster Abschnitt. Das Feld a. die Bewegung der einzelnen IBlektronen.
fdvdcxirl^ ^fdv ^ ^ -Jdf\ß^1r;
dabei stellt v die äußere Normale der Begrenznngsfläclie f vor.
Es folgt also schließlich
Dieses ist nichts anderes als die Energiegleichnng.
Setzen wir^ in Übereinstimmnng mit der Maxwellschen Theorie,
(12) ^=/£{«* + ^*l
für die elektromagnetische Energie des Raumes und
(13) « = ^M
V
für den elektromagnetischen Energiestrom, so können
wir (11) schreiben
Die Arbeit der elektromagnetischen Eräfte, die in dem
Bereiche v wirken, vermehrt um den' elektromagnetischen
Energiestrom, der durch die Begrenzungsfläche f hinausströmt,
ist der Abnahme der elektromagnetischen Energie des Bereiches
gleich; Arbeitsleistung der elektromagnetischen Kräfte und
Strahlung erfolgen beide auf Kosten der elektromagnetischen
Energie W] dabei sind für Energiedichte und Energiestrom
die aus der Maxwellschen Theorie bekannten Ausdrücke bei-
zubehalten. Gleichung (11) spricht das Energieprinzip für das
elektromagnetische Feld bewegter Elektronen aus. Wie unser
Beweis zeigt, folgt dasselbe aus den Grrundgleichungen (I)
bis (V); es stellt keineswegs eine neue, von den Grundglei-
chungen unabhängige Aussage dar.
In den allgemeinen Grundgleichungen (I) bis (V) der
Elektronentheorie ist die Idee der atomistischen Konstitution
der Elektrizitöt noch nicht zur Formulierung gelangt; diese
Grundgleichungen würden es noch zulassen, daß die Elektrizität
Erstes Eapit&L. Die plijs. u. math. Gnmdlagen d. Elektronentlieorie. 21
kontinnierlich den Banm erfüllte. Die atomistische Hypothese
nimmt indessen an^ daß die Elektriziföt, die positive und die
negative, aus Elelnentarquanten + e besteht, die durch den
Äther voneinander getrennt sind. Dabei genügt es bisweilen;
die Ladungen als Punktladungen aufzufassen, insbesondere,
wenn es sich um die vom Elektron entsandte Wellenstrahlung
handelt. Doch bringt die Annahme punktförmiger Elektronen
gewisse Schwierigkeiten mit sich. Es besitzt nämlich das
Feld, welches eine ruhende Ladung von endlichem Betrage
umgibt; eine elektrostatische Energie, die unendlich wird, wenn
die Ladung sich auf einen Punkt zusammendrangt. Schon
diese Erwägung deutet an^ und die eingehende Untersuchung
besfötigt es, daß die Elektronen, streng genommen, nicht als
elektrische Punkte zu betrachten sind, da ja ihre Ladung und
ihre Energie endlich sein sollen. Wir können nicht umhin,
der Dynamik der Elektronen neben den allgemeinen Grund-
gleichungen (I) bis (Y) noch besondere Voraussetzungen über
die Form und Bewegungsfreiheit dieser Teilchen zugrunde zu
legen. Doch werden wir hierauf erst im dritten Kapitel dieses
Abschnittes eingehen.
Wir haben die Qrundgleichungen (I) bis (Y) erhalten,
indem wir von den allgemeinen Gleichungen der Marwellschen
Theorie ausgii^en und diese in gewisser Weise vereinfachten.
Es braucht kaum ausdrücklich bemerkt zu werden, daß dieses
Verfahren nur ein heuristisches ist und keine Beweiskraft
besitzt. Müssen wir doch jedesmal, wenn wir eine auf einem
gewissen Gebiete als richtig erkannte Theorie auf ein neues
Erscheinungsgebiet anwenden wollen, mit der Möglichkeit
rechnen, daß sie diesen neuen Tatsachen gegenüber versagt.
Für eine Theorie ist die Eroberung einer neuen Provinz stets
ein Unternehmen, das nur der Erfolg rechtfertigen kann.
Die vorgenommene Übertragung der Maxwellschen Glei-
chungen auf die Felder der Elektronen ist insbesondere auch
aus <lem Grrunde hypothetisch, weil diese Felder niemals einer
direkten experimentellen Prüfang zugänglich werden können.
Denn die Methode der XTntersuchui^ des Feldes durch einen
22 Enter AbBchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektaronen.
Probekörper ist wobl auf die Felder anzaweDden^ von denen
der erste Band dieses Werkes handelte^ aber nicht auf die
Felder der Elektronen selbst. Der kleinste denkbare Probe-
korper ist namlichy wenn anders die atomistische Yorstellong
zutrifft; das Elektron selbst. Das Feld nun^ welches das ein-
zelne Elektron umgibt, wechselt natürlich nach Richtung und
Starke beträchtlich in Bereichen von der Ghroßenordnung des
Elektrons. Zu seiner Ausmessung würde ein Probekörper not-
wendig sein, dessen Dimensionen klein gegen diejenigen des
Elektrons sind. Es ist also aus prinzipiellen Gründen, von
experimentellen Schwierigkeiten ganz abgesehen, das Feld,
auf das unsere Grundgleichungen sich beziehen, der direkten
Messung unzu^Lnglich. Die Bestätigung der Grrundgleichungen
muß in dem Zutreffen ziemlich entfernter Folgerungen gesucht
werden. Zunächst ist die Übertragong der Gnmdgleiehtingen
von den der Beobachtung zu^Lnglichen Feldern auf die Felder
der Elektrizifötsatome eine durchaus hypothetische.
Eine jede atomistische Theorie muß indessen in ent-
sprechender Weise verfahren. So kann die kinetische Gas-
theorie nicht umhin, die Bewegung und den Stoß der Gas^
moleküle nach Gesetzen zu behandeln, welche der Mechanik
der greifbaren Körper entnommen sind. Es kann niemals
direkt experimentell nachgewiesen werden, daß die Bewegungen
der Moleküle wirklich diesen Gesetzen gehorchen. Die Be-
rechtigung der gemachten Voraussetzungen kann erst nach-
träglich dadurch geführt werden, daß man ihre Konsequenzen
verfolgt und als zutreffend nachweist. Dabei liegt die Sache
sogar in der Elektronentheorie insofern günstiger, wie in der
Molekulartheorie der Materie, als die Eigenschaften der freien
Elektronen selbst in den Kathodenstrahlen und verwandten
Strahlungen dem Experimente zugänglich werden, während die
regellosen Bewegungen der unelektrischen Atome und Moleküle
der direkten Beobachtung unzugänglich und nur in ihren über
meßbare Bereiche erstreckten Mittelwerten zu den mechanischen
und thermischen Eigenschaften der Materie in Beziehung zu
setzen sind.
Erstes Kapitel. Die pliys. n. math. Grondlagen d. Elektronentheörie. 23
Die Elektronentheorie beanspracht^ die elektrischen, mi^e-
tischen nnd optischen Eigenschaften der Materie in ihrer Ge-
samtheit darzustellen. Sie geht dabei von gewissen Yorans-^
Setzungen über die Eigenschaften der Elekiironen in leitenden,
dielektrischen und magnetisierbaren Körpern aus und gelangt
durch Mittelwertsbildung über Bereiche, die eine sehr große
Zahl Ton Elektronen enthalten, zu den Hauptgleichungen der
Maxwellschen Theorie für ruhende Körper; dabei werden die
Beziehungen der elektrischen Verschiebung und der Leitungs-
stromdichte zur elektrischen Feldstärke, sowie die Beziehung
der magnetischen Feldstarke zur magnetischen Induktion an-
schauUcher gedeutet und in mancher Hinsicht der Erfahrung
besser angepaßt als in. der rein phänomenologischen MaxweU-
Hertzschen Darstellungsweise.
Der erste, der die Grundgedanken der Elektrönentheorie
klar formuliert und in umfassender und folgerichtiger Weise
insbesondere auf optische Fragen angewandt hat, ist H. A.
Lorentz gewes^i. Er hat die elektromagnetische Theorie der
Farbenzerstreuung ^) und die Optik bewegter Körper*) von
diesem Standpunkte aus entwickelt. Auch die Entdeckung
Zeemans ist auf seine Anregung zurückzuführen. Wenn über-
haupt die Elektronentheorie, an - deren Erfolgen so viele
experimentelle und theoretische Physiker Anteil haben, mit
dem Namen eines einzelnen Forschers in Yerbindui^ gebracht
werden soll, so kann wohl nur der Name von H. A. Lorentz
in Frage kommen.
§ 5. Die elelctromagnetisohe Bewegnngsgröße.
Wie wir bereits im ersten Bande dieses Werkes (§ 89) j^.^^^
erwähnten, besteht hinsichtlich der . Beziehung zum dritten
Axiome der Newtonschen Mechanik ein gewisser Gegensatz
1) H. 4. Lorentz, Ant. d, Phys. 9, S.641, 1880.
2) H.A. Lorentz, La thdorie älectromagnätiqne de Maxwell et son
application anx corps monvants. Leide, E.J. Brill, 1892.
H.A. Lorentz, Yersuch einer Theorie der elektrischen und optischen
Erscheinungen in bewegten Körpern. Leiden, E.J. Brill, 1896.
24 Erster Absclinitt. Bas Feld n. die Bewegung der einzelnen Elekironen.
zwischen der Maxwell-Hertzschen Theorie einerseits und der
Lorentzschen Theorie anderseits. Jene nimmt an^ daß die anf
einen Körper wirkenden elektromagnetischen Kräfte stets ans
gewissen; über seine Oberfläche verteilten Drack- nnd Zug-
kräften resultieren, wobei zwar das Gesetz von Wirkung und
Gegenwirkung erf&llt ist/ aber zuweilen Kräfte auf die Yolum-
elemente des Äthers auftreten. Der Lorentzschen Theorie sind
solche Kntfte auf die von Elektrizität leeren Yolumelemente
des Baumes fremd. Sie läßt elektromi^etische Kräfte nur
auf die Elektrizii»t wirken; die auf die Yolumeinheit berech-
nete, elektromagnetische Kraft (Y) der Lorentzschen Theorie
(14) «»»»pjft + IM)
verschwindet mit der elektrischen Dichte q.
Wir wollen nunmehr die Konsequenzen verfolgen, die
sich aus dieser Auffassung hinsichtlich der Stellung der Elek-
tronentheorie zum dritten Axiome Newtons ergeben.
^ Wir ziehen, ebenso wie in Bd. I, S. 414, die Identitäten
heran
(14.) «.ai,.-t«c„.e].-^i(«..-<^.-«..)
(14b) ««diT#-[#cTirl§].= ^l($,«-§/-#,«)
Mit ßücksicM auf die Qnuidgleichimgen (I) und (III) geht
Über in
(14c) 9fJ = 2.{«div«-[ftcurl^-i^]).
Anderseits folgt durch Addition von (14 a) und (14b), auf
Grund von (II) nnd (IV)
(15)
Erstes Eapitel. Die phjTB. u. matli. Grundlagen d. Elektronentheorie. 25
(14d) «, div « + i [«-|f ] - [$ curl $]^
(dX dX dX 1
wobei in einer in der Elastizifötstheorie gebniuchlichen Schreib-
weise
14äZ, -«««,+ #«§,
gesetzt ist. Dnrcb Kombination von (14c) und (14d) er-
halten wir
oder nach Einfiihnmg des Poyntingschen Strahlvektors
dX^ dX dX 1 a®
(16) ^»«-Tf + V + T7-c-.Tr-
Entsprechende Gleichungen:
ST ar ar. i a«
Q^y^ "Tzr + "^TT + "^
dx dy dz c* a*
gelten für die beiden anderen Komponenten der elektromagne-
tischen Kraft.
Wir überzeugen uns unschwer davon^ daß die drei ersten
Glieder der rechten Seiten die von den Maxwellschen Span-
nungen auf die Yolumeinheit des Baumes ausgeübte Kraft
darstellen. In der Tat^ setzen wir in den Gleichungen (248)
und (249) in § 89 des ersten Bandes, welche bzw. die elek-
trische und magnetis(die Mächenkrafb darstellen, a » ft » 1,
so wird
(17) at = r + at"*«^|2«.«..f 2^.^.-ii(«H$0);
26 Snter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der eüizelnen Elektronen.
dabei stellt tt einen Einheitsvektor vor^ der in Richtung der
äußeren Normalen v der Fläche weist; über welche die ilächen-
krafb Z verteilt ist. Die parallel der o^-Achse genommene
Komponente dieser von den Maxwellschen Spannungen auf die
Flächeneinheit einer beliebig gestellten Fläche ausgeübten
Kraft ist demnach
(17a) at. ^ ^ {2«,«. + 2^.#. - cos (vx) (V + §')[
Legt man nun die Normale v des betrachteten Flächen-
elementes der Reihe nach parallel der a;-Achse; der y- Achse
und der ^s^-Achse, so erhält man für Z« die durch (15) ein-
geführten Ausdrücke Xx, Xy, X,. Diese stellen demnach die
parallel der o;- Achse genommenen Komponenten der Flächen-
kraft % vor/ die auf die Flächeneinheit dreier den Koordinaten-
ebenen paralleler Flächenelemente wirkt; diese drei Ghrößen
und die durch zyklische Yertauschung der Koordinaten ent-
stehenden Größen sind mit dem Spannungssysteme identisch,
welches MaxweU im elektromagnetischen Felde wirkend an-
nahm; dasselbe ist durch 6 ^^ Stresskomponenten ^^
charakterisiert. Den Lehren der Elastizitätstheorie gemäß
besitzt die von diesen Spannungen auf die Yolumeinheit aus-
geübte Kraft die Komponenten
dX^ dX dX
"ä^ + "ä/ + -ä7 ParaUel der a:- Achse,
ar_. ar, ar
T^+rd^ + TI V^^^^^ ^«^ y-Achse,
dZ dz dZ^
•g — I" a^ + y^ parallel der ;8f-Achse.
Nach Maxwell und Hertz sind dieses die auf die
Volumeinheit berechneten Komponenten der elektro-
magnetischen Kraft. Nach Lorentz^) ist noch die Kraft
1) H. A. Lorentz, Die elektrischen nnd optischen Erscheinungen in
bewegten Körpern. 1895. S. 24ff.
Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Qnmdlagen d. Elektronentheörie. 27
c« ^*
pro Yolnmeinheit hinzuzufügen, nm die gesamte
elektromagnetische Kraft (»»f^ der Elektronentheorie
zu erhalten. Diese ZusatzkrafI; hebt für die Yolumelemente
des von Elektrizität leeren Baumes gerade die von den Max-
weUschen Spannungen ausgeübte Kraft auf. Wir können dieses
ZusatzgUed der ÄUBchauung naher bringen, indem wir eine
^^elektromagnetische Bewegungsgröße'' über das Feld
mit der Dichte
(18) g»l,.€ = ji-[(g|^]
verteilt denken.^) Dieselbe ist durch die Vektoren d, § be-
stimmt; für einen jeden Punkt des Feldes. Einer zeitlichen
Änderung des Poyntingschen Vektors ® entspricht eine Ände-
rung der elektromagnetischen Bewegungsgröße, die eine Tnlg-
heitskraft
_ 1 a®
c« dt
hervorruft. Durch diese TnLgheitskraft, im Verein mit der
über die Oberfläche des betreffenden Bereiches verteilten
Flächenkraft % (61. 17) ist die durch die Gh*undgleichung (V)
definierte elektromagnetische Kraft vollständig zu ersetzen.
In der Tat, integrieren wir die Gleichung (16) über einen
Bereich v, der von der ruhenden Fläche f umschlossen ist; so
erhalten wir als o;- Komponente der resultierenden Krafb
= / df{Xa. cos (vx) + Xy cos (vy) + X, cos {vii)} — ^ / 8« dv.
Nach (15) und (17 a) ist
Xx cos (vx) + Xy cos (vy) + X, cos (vss)
= ^ • J2«,«.-f 2#^|^,~cos(i.a;)(«H&*)) = at:.
1) M. Abraham, Prinzipien der Dynamik des Elektrons. Ann. d.
Phys. 10 (1908). S. 106.
28 Irrster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen.
die a;-Komponente der Flachenkrafb Z. Gehen wir sogleich
zur Yektorgleichung über^ so erhalten wir
(19) ft=fdVQ%^fdft-^,
wobei
(20) O -^fdv 8 ^fdv • *
die gesamte, in dem Bereiche v enthaltene elektromagnetische
Bewegungsgroße ist.
Die Erafty welche das elektromagnetische Feld anf einen
beliebigen Korper ausübt; ist nach der Lorentzschen Theorie
gleich der resultierenden Eraft St auf die im Innern des
Körpers befindlichen Elektronen. Es besagt daher Glei-
cbong (19): Die resultierende elektromagnetische Kraft
auf einen beliebigen Körper ist gleich dem über
seine Oberfläche erstreckten Integral der Flächen-
kraft %, vermindert um die zeitliche Zunahme der
gesamten im Innern des Körpers befindlichen elektro-
magnetischen Bewegungsgröße.
Wir können die Gleichung (19) auch auf ein System von
Körpern anwenden, welche in den Äther eingelagert sind.
Wir haben dann im Äther eine Fläche zu konstruieren, welche
das ganze System einschließt. Auf dieser Fläche haben wir
uns die fingierte Flachenkrafb Z angebracht zu denken; auch
haben wir die elektromagnetische Bewegungsgröße sowohl im
Innern der Körper, als auch in dem Räume zwischen den
Körpern in Rechnung zu ziehen.
Eine besonders einfache Form nimmt der Ausdruck (19)
der elektromagnetischen Gesamtkraft an, fallfi wir die Fläche f,
die das Körpersystem umschließt, uns so weit entfernt denken,
daß sie in dem ganzen Zeitintervalle, in dem der zu betrach-
tende Vorgang sich abspielt, nicht von dem elektromagne-
tischen Felde erreicht wird. Dann verschwindet nämlich auf
der Fläche f der Vektor 3t, der ja durch die daselbst herr-
schenden Feldstärken bestimmt ist. Es fällt das erste Glied
Erstes Kapitel« Die phys. n. math. Grnndlagen d. Elektronentheorie. 29
im Ausdruck (19) fort; und die elektromagnetische Gesamt^
kraft wird
(21) « = -W-
Die Oesamtkraft; welche das elektromagnetische
Feld auf ein Eörpersystem ausübt; ist gleich der
zeitlichen Abnahme der elektromagnetischen Be-
wegungsgröße des gesamten Feldes.
Das System^ welches aus den Körpern und dem gesamten
elektromagnetischen Felde gebildet ist, können wir als ein in
elektromagnetischer Hinsicht abgeschlossenes System bezeichnen.
Für ein solches nimmt auch die Energiegleichung (11) eine
vereinfachte Form an, da eine Ausstrahlung durch die Be-
grenzungsfläche / hindurch nicht in Betracht zu ziehen ist,
Es wird die gesamte Arbeit der elektromagnetischen Eiafte
/99X dÄ dW
Diese Relation ist es^ welche die Bezeichnui^ des durch (12)
definierten Skalars W als „elektromagnetische Energie"
rechtfertigt. In entsprechender Weise rechtfertigt die Relation
(21) die Bezeichnung des durch (20) definierten Vektors ® als
„elektromagnetische Bewegungsgröße" oder „elektro-
magnetischer Impuls" des Feldes.
Ist E die gesamte Energie der wägbaren Körper des ab-
geschlossenen Systemes, so ist der Zuwachs von E der Arbeit
der elektromagnetischen Kräfte gleich; es folgt demnach aus (22)
(22 a) E + W^ Constans.
Die Summe aus der Energie der wägbaren Körper
und der elektromagnetischen Energie des Feldes ist
für ein abgeschlossenes System konstant.
Dieser allgemeinen Fassung des Energieprinzipes können
wir eine allgemeine Fassung des Impulssatzes gegenüberstellen.
Nach den Lehren der Mechanik ist die zeitliche Zunahme des
Gesamtimpulses ß der wägbaren Massen der Resultierenden der
äußeren Kräfte gleich. Da die meclumischen WechselwirkungiBn
30 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
dem Prinzipe von Wirkung und Gegenwirkung Genüge leisten^
80 liefern sie zu der resultierenden Kraft keinen Beitrag. Es
besagt daher der Impulssatz: Die zeiÜiche Anderui^ des mecha-
nischen Impulses 6 ist gleich der resultierenden elektro-
magnetischen Kraft St:
dt ^^'
Setzen wir hier für St den in (21) erhaltenen Ausdruck
ein und bringen ® auf die andere Seite^ so erhalten wir
(23) 6 + O » Gonstans.
Die Summe aus dem mechanischen Impulse der
wägbaren Körper und dem elektromagnetischen Im-
pulse des Feldes ist für ein abgeschlossenes System
konstant.
Der so verallgemeinerte Impulssatz ist für das Folgende
von fundamentaler Bedeutung. Der gegebene Beweis zeigte
daß die Einführung des elektromagnetischen Impulses ebenso-
wenig eine neue Hypothese darstellt; wie die Einführung einer
elektrojnagnetischen Energie. Es handelt sich hier wie dort
nur um einen zweckmäßigen Ausdruck gewisser Folgerungen,
die aus dem Ausdrucke der elektromagnetischen Kraft (V) im
Verein mit den Feldgleichungen (I) bis (IV) der Elektronen-
theorie fließen. Wenn nun auch diese Ausdmcksweise der in
der Mechanik gebräuchlichen nachgebildet ist, so führt doch,
wie schon am Schlüsse des ersten Bandes herrorgehoben
wurde, die Elektronentheorie zu Folgerungen, welche den
Axiomen der Newtonschen Mechanik widersprechen.
Die an den wägbaren Körpern angreifenden
elektromagnetischen Kräfte der Lorentzschen Theorie
befolgen nicht das dritte Axiom der Newtonschen
Mechanik.
Wenn z. B. ein Körper Licht in einer bestimmten Rich-
tung, etwa vermittelst eines Hohlspiegels, auszusenden beginnt,
so erfährt die elektromagnetische Bewegungsgröße des Baumes
einen Zuwachs. Der Gleichung (21) gemäß wird das Licht
Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 31
auf den emittierenden Körper eine Erafb ausüben. Diese
Wirknng wird erst dann dnrch eine Gegenwirkung kompensiert
werden, wenn das entsandte Licht Ton anderen Körpern ab-
sorbiert wird; und das findet wegen der endlichen Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes erst nach einer end-
lichen Zeit statt. Bis dahin bleibt die Bewegongsgröße der
Körper ebenso wie die Energie gewissermaßen latent, sie ist
in elektromi^etische Bewegungsgröße verwandelt worden.
Daß der Satz von actio und reactio, in dem Sinne der
Newtonschen Mechanik gefaßt, von den elektromagnetischen
Kräften der Lorentzschen Theorie verletzt wird, ist von
H. Poincar^ als Einwand gegen diese Theorie geltend gemacht
worden.^) Lidessen wird man diesen Einwand nur dann als
stichhaltig ansehen, wenn man die Axiome der alten Mechanik
als a priori gültig betrachtet. Sieht man hingegen die Physik
als eine Wissenschaft an, deren Prinzipien der fortschreitenden
Erfehnmg anzupasBen sind, so wird man sich durch jenen
Einwand nicht beirren lassen. Man wird vielmehr die Mechanik
des elektromagnetischen Feldes auf den erweiterten Impuls-
satz (23) begründen und wird untersuchen, ob dieser Satz
Folgerungen ergibt, die mit der Erfahrung übereinstimmen;
ist dies der Fall, so sind nicht die Grundlagen der Elektronen-
theorie, sondern die Axiome der alten Mechanik zu revidieren.
Das ist der Weg, der in den folgenden Abschnitten be-
schritten werden soll; wir werden zeigen, daß sowohl für die
Theorie der Konvektionsstrahlui^, wie für diejenige der
Wellenstrahlung die Einführung der durch den Strahlvektor
bestimmten elektromagnetischen Bewegungsgröße fruchtbar ist,
und werden in der Bestätigung der so gewonnenen Ergebnisse
durch das Experiment eine Rechtfertigung der Ghrundhypothesen
der Elektronentheorie erblicken dürfen.
Nach (18) ist die Dichte g der elektromagnetischen
Bewegungsgröße dem durch das Quadrat der Lichtgeschwin-
digkeit dividierten Strahlvektor @ gleich zu setzen. Für eine
1) H. Poincar^, Arch. Nöerland. (2) 6, S. 262. 1900.
32 Erster Abschnitt, Das Feld a. die Bewegimg der einzelnen Elektronen.
ebene Lichtwelle weist abo der Vektor g in Richtung der
Wellennormalen*, da der Betrag S des Strahlvektors der Energie
gleich ist; die in der Sekunde auf die Flächeneinheit einer
senkrecht zum Strahle gestellten Flache fallt (vgl. I^ S. 311),
und da diese Energie einen Zylinder von der Höhe c erfüllt,
so ist
- . flf.c = -
c" c
der Betrag der in der Sekunde auf eine ruhende F^*che
fallenden Bewegungsgröße. Die pro Sekunde auffallende
Bewegungsgröße einer ebenen Lichtwelle ist also
gleich der pro Sekunde auffallenden Energie, divi*
diert durch die Lichtgeschwindigkeit, oder gleich der
Energiedichte.
Fällt nun die Welle auf eine ruhende schwarze Fläche,
welche die elektromagnetische Energie der Welle in Wärme
verwandelt, so wird auch die elektromagnetische Bewegungs-
größe vernichtet und in mechanische Bewegungsgröße ver*
wandelt. Mit anderen Worten, das Licht übt auf die absor-
bierende Fläche einen Druck aus. Der Lichtdruck beträgt
für eine senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung ge*
er
stellte schwarze Fläche — ; er ist der Enprgiediehte
der Welle gleich. Er wirkt auf die absorbierende schwarze
Fläche in Richtung des auffallenden Strahles.
Eine entsprechende, der Strahlrichtung entgegenweisende
Druckkraft muß wirksam werden, wenn das Licht von der
Lichtquelle in den Baum hinausgesandt und dadurch elektro-
magnetische Bewegungsgröße erzeugt wird.
Wir haben hier die Ableitung des Lichtdruckes an den
zweiten Term im Ausdrucke (19) der resultierenden elektro-
magnetischen Kraft angeknüpft, welcher die Bewegungsgröße
enthält. Den ersten Term beseitigten wir, indem wir die
Begrenzungsfläch^ f des Feldes beliebig weit fortrücken ließen.
Wir können nun auch anders verfahren. Wir können die
Fläche so legen, daß sie sich unmittelbar an den Körper an-
schmiegt, auf den die gesuchte elektromagnetische Kraft wirkt.
Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 33
Dann sind im allgemeinen beide Glieder zu berücksichtigen,
sowohl die von den Maxwellschen Spannungen ausgeübte
Kraft, als auch die Rückwirkung der elektromagnetischen
Bewegungsgröße, die ins Innere des Korpers tritt. In manchen
Fällen indessen fällt das zweite Glied fort. Haben wir es
beispielsweise mit einem Körper zu tun, der mit einer
schwarzen, das Licht vollkommen absorbierenden Hülle bedeckt
ist, so tritt von außen her kein Licht und keine elektro-
magnetische Bewegungsgröße in den Körper. Es wird die
Energie des Lichtes bereits an der Oberfläche in Wärme ver-
wandelt. Hier erhält man den vollständigen Wert der vom
Lichte ausgeübten Kraft, indem man ausschließlich die Ober-
flächenkraft % der Maxwellschen Spannungen in Rechnung
zieht.
In einer ebenen Lichtwelle steht der elektrische Vektor
senkrecht auf «dem magnetischen; die elektrische Energiedichte
ist der magnetischen gleich. Der Faraday-Maxwellsche Längs*
zug der elektrischen Ejraftlinien hebt den ihm parallelen
magnetischen Querdruck, der Längszug der magnetischen
Kraftlinien den entsprechenden elektrischen Querdruck auf;
denn diese Druck- bzw. Zugspannungen sind (vgl. I, S. 416)
der elektrischen bzw. der magnetischen Energiedichte gleich.
Parallel der StrahLrichtung hingegen, die sowohl auf @ wie
auf ^ senkrecht steht, verstärken sich die beiden Querdrucke
und ergeben einen Druck auf eine senkrecht gestellte schwarze
Fläche, der gleich der elektromagnetischen Energiedichte ist.
Das Resultat dieser Betrachtung führt zu demselben Werte
des Lichtdruckes, wie die obige Ableitung aus der elektro-
magnetischen Bewegungsgröße.
Maxwell selbst war es, der aus seinem Spannungssysteme
zuerst den Lichtdruck ableitete. In den letzten Jahren, ist
es den Bemühungen geschickter Experimentatoren, nämlich
P. Lebedew*), sowie E. P. Nichols und G. F. Hüll*) gelungen,
1) P. Lebedew, Ann. d. Phys. 6, S. 433. 1901.
2) E. F. Nichols und G. F. Hnll, Ann. d. Phys. 12, S. 226. 1903.
Abraham, Theorie der Elektrizitftt. II. 3
34 Erster AbschmU. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
experimentell den Lichtdruck als Yorhanden nachzuweisen.
Auf die Beziehungen des Strahlungsdruckes zur Theorie der
Wärmestrahlung kommen wir weiter unten zurück.
Wir wollen schließlich noch zeigen^ daB der zweite
Impulssatz (vgl. I, § 12) sich in entsprechender Weise verall-
gemeinem laßt; wie der erste. Wir berechnen das resul-
tierende Moment der elektromagnetischen Kräfte, die
auf einen gegebenen Bereich t; wirken:
(24) 9t-fdv[t,Q%].
Wir verstehen unter t den Badiusvektor, der von einem
im Baume festen Punkte aus zu konstruieren ist. Auf diesen
festen Momentenpunkt ist das Moment der elektromagnetischen
Kräfte bezogen.
Durch Einführung der Ausdrücke (16) ergibt sich bei-
spielsweise für die o?- Komponente des Vektors 9t
Das erste, von den Maxwellschen Spannungen herrührende
Volumintegral formen wir auf Grund des Gktußschen Satzes
um, wobei wir die aus (15) folgende Beziehung beachten
Alsdann ergibt sich das über die Begrenzungsfläche f er-
streckte Integral
I df\ylZjeC08(vx) + Zp cos (vy) + Z, cos (y^) j
— ^IYx cos (yx) + Yy cos (vy) + Y, cos (yz)) \ •
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 35
Die Ausdrücke^ mit denen hier ;e^ und y multipliziert er-
scheinen^ sind^ wie aus (15) folgt^ nichts anderes als die y-
bzw. ;s?-Komponente des durch (17) bestimmten Vektors Z:
ly « ^ (2«^«, + 2§y^, - cos(i;y) («* + §*)).
2, = i{2«.«. + 2§,§. - cos(i;;^) («^ + #*)}-
Der erste Term im Ausdruck Ton 9lx ist daher
/
d. h. er stellt die o;- Komponente des statischen Momentes der
an der Begrenzungsfläche angreifenden Flächenkraft % dar.
Das zweite Integral im Ausdruck von jR^; hingegen hängt mit
der a;-Komponente des statischen Momentes der über das Feld
mit der Dichte g verteilten elektromagnetischen Bewegungs-
größe zusammen. Dieses Moment ist
(25) «=/dt;[tB].
Wir können es, nach Analogie des Impulsmomentes tt
wägbarer Massen (vgl. I; S. 32) als 9;elektromagnetisches
Impulsmoment" bezeichnen; wir beziehen es, ebenso wie
das Eraftmoment jR, auf einen absolut festen Bewegungspunkt,
so daß X Yon der Zeit unabhängig wird. Alsdann gilt
Wir erhalten daher schließlich
(26) ^^Jdfit%-\-^.
Diese Relation entspricht vollkommen der Rela-
tion (19). Sie stellt das resultierende Eraftmoment 9t
dar als Yektorsumme zweier Glieder: des resultie-
renden Momentes der an der Oberfläche des Bereiches
angreifenden Flächenkraft % der Maxwellschen Span-
nungen und der zeitlichen Abnahme de« elektro-
magnetischen Impulsmomentes.
3*
36 Ei'ster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Rücken wir wieder die Begrenzungsfläche f des Feldes so
weit ab; daß auf ihr die Feldstarken gleich Null sind, so wird
(26a) « = -f-
Das resultierende Kräftepaar^ welches das elektro-
magnetische Feld auf ein Körpersystem ausübt^ ist
gleich der zeitlichen Abnahme des elektromagneti-
schen Impulsmomentes des gesamten Feldes.
Da die Ejräftepaare, welche die Körper infolge ihrer
mechanischen Wechselwirkung aufeinander ausüben^ dem
Prinzipe von Wirkung und Gegenwirkimg allgemein Genüge
leisten^ so ist die zeitliche Änderung des gesamten Impuls-
momentes tt der wägbaren Massen dem resultierenden Momente
der elektromagnetischen Kräfte gleich zu setzen. Aus
dt
folgt aber nach (26 a) sofort
(27) U + © = Constans.
Die Summe aus dem mechanischen Impuls-
momente der wägbaren Körper und dem elektro-
magnetischen Impulsmomente des Feldes ist für ein
abgeschlossenes System konstant.
Damit haben wir auch den verallgemeinerten zweiten
Impulssatz aus den Grundgleichungen der Elektronentheorie
hergeleitet. Aus ihm* folgt für die Ej^ftepaare dasselbe^ was
aus (23) far die elektromagnetischen Wechselwirkungen der
Körper bezüglich der Kräfte folgte: Die Kräftepaare,
welche die Körper infolge ihrer elektromagnetischen
Wechselwirkung aufeinander ausüben, widersprechen
im allgemeinen dem Prinzipe von Wirkung und Gegen-
wirkung.
Die verallgemeinerten Impulssätze (23) und (27) und die
verallgemeinerte Energiegleichung (22 a) sind die Grundlagen,
auf denen die Mechanik des elektromagnetischen Feldes sich
aufbaut.
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 37
§ 6. Die elektromagnetisolien Potentiale.
Das Gh-undproblem der Elektronentheorie können wir
folgendermaßen formulieren: Gegeben sei der Anfangs-
znstand des Feldes zur Zeit ^ = 0; und außerdem, für
^ > 0^ die Lage und die Bewegung der Elektrizität.
Welches ist das elektromagnetische Feld? Es handelt
sich also um die Integration der Feldgleichungen (I) bis (IV),
bei gegebener anfönglicher Verteilung der Felder (S und §,
wenn q und I für ^ > als Funktionen von Ort xmd Zeit
gegeben sind. Ist das elektromagnetische Feld bekannt, so ist
durch (V) die elektromagnetische Kraft bestimmt, welche das
Feld auf die Elektronen ausübt; durch (12) und (X3) be-
stimmen sich femer Energie und Energiestrom; der für den
letzteren maßgebende Poyntingsche Vektor ist durch (20) mit
der elektromagnetischen Bewegungsgröße verknüpft.
Für stationäre Zustände, wo die Differentialquotienten
von S und § nach der Zeit in (I) und (II) fortfallen, verein-
facht sich die Bestimmung des Feldes. Es wird das elektrische
Feld von dem magnetischen unabhängig; das wirbelfreie elek-
trische Feld ist durch die Quellenverteilung q^ das quellenfreie
magnetische Feld durch die Wirbelverteilung I bestimmt. Die
Integration der Gleichungen, die einerseits @ mit q, anderseits
$ mit f verknüpfen, läßt sich in diesem Falle auf Grrund der
allgemeinen Theorie der Vektorfelder lösen, die im ersten Ab-
schnitte des ersten Bandes dargelegt wurde. Das konstante
elektrische Feld wird aus dem elektrostatischen Potentiale, das
magnetische Feld des stationären elektrischen Stromes aus
dem Vektorpotentiale abgeleitet. Durch Einführung dieser
Hilfsgrößen läßt sich die Integration der Feldgleichungen in
übersichtlicher Weise durchführen, wie wir im ersten Bande
gesehen haben.
Es liegt der Versuch nahe, das allgemeine Integrations-
problem, das jetzt vorliegt, durch Einführung ähnlicher Hilfs-
größen zu vereinfachen. Die vierte Grundgleichung lehrt, daß
§ stets quellenfrei ist; wir genügen ihr, indem wir allgemein
38 Erster AbBchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
(28) § = curl «
setzen. Von dieBem allgemeineren Yektorpotential dürfen wir
freilich nicht verlangen^ daß seine Divergenz^ wie diejenige
des Yektorpotentiales des stationären Feldes (I^ § 26); allgemein
gleich Nnll ist
Die EinfOhrung von (28) in die zweite Grundgleichnng
ergibt
Es muß demnach S H ^ als negativer Gradient eines
Skalars 9 sich darstellen lassen; daraus folgt für @ der Ausdruck
(29) e = _r$_i^.
Für konstante Felder fällt der Differentialquotient von K
nach der Zeit fort und $ reduziert sich auf das elektrostatische
Potential.
Den Grundgleichungen (II) und (IV) haben wir genügt,
indem wir ^ und 9 durch (28) und (29) darstellten. Es
handelt sich nun darum ^ den Skalar und den Vektor K so
zu bestimmen ; daß auch die Grundgleichungen (I) und (III)
erfällt sind. Wir erhalten als allgemeinste Bedingung hierfür
die beiden Differentialgleichungen
curlcurl« + ^-^ + F-^ = 4^l,
— div F0 TT- div K = 4jr p.
c et ^
Ziehen wir die Rechnungsregeln (|) und (q) unserer
Formelzusammenstellung am Ende von Band I (S. 438) heran,
so können wir die zweite dieser Gleichungen schreiben
— F^ fl> -KT div Ä = 4jr p,
und die erste
i.^_r.« + r|i|f + div«)-4,..
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 39
Wir erfüllen beide Gleichungen, indem wir für fl> und K
die partiellen Differentialgleichungen vorschreiben:
(30) i|f+div« = 0,
(30a) ^^^_r»«=4«9,
(30b) i^gf_r««=4«f.
Für ein stationäres Feld werden und K unabhängig
Toneinander; $ geht in das skalare Potential des elektro-
statischen Feldes, K in das Yektorpotential des magnetischen
Feldes über. Die allgemeinen, durch die Differentialgleichungen
(30/ 30a, 30b) definierten Potentiale bezeichnen wir als
„elektromagnetische Potentiale^', und zwar nennen wir $
das „skalare elektromagnetische Potential'^, K das
„elektromagnetische Vektorpotential" Durch diese Be-
nennung bringen wir zum Ausdruck, daß die allgemeineren
Potentiale zur Verwendung gelangen, wenn es sich um einen
zeitlich veränderlichen elektromagnetischen Vorgang handelt,
bei welchem elektrisches und magnetisches Feld durch die
Örundgleichungen miteinander verkettet sind.
Wir werden uns zunächst mit der Integration der Diffe-
rentialgleichungen (30a, b) beschäftigen, in denen und 91
getrennt auftreten. Wir werden uns dann davon überzeugen,
daß die erhaltene Lösung von (30 a, b) auch (30) befriedigt.
Wir sehen jetzt schon ohne weiteres ein, daß die rechten
Seiten von (30a, b) nicht «unabhängig voneinander sind; in der
Tat, aus (I) und (III) folgt
(30c) i||-f divido.
Diese Gleichung sagt aus, daß die pro Zeiteinheit in ein
Volumelement eintretende Menge von Elektrizität dem Zuwachs
der elektrischen Dichte entspricht, d. h. daß Elektrizität nicht
neugeschaffen oder vernichtet werden kann. Diese „Kon-
tinuitätsbedingung der Elektrizität^' ist es, die q und t
miteinander verknüpft. Die Abhängigkeit der rechten Seiten
40 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen«
von (30a) und (30b) bringt es, wie wir weiter unten sehen
werden^ mit sich, daß die elektromagnetischen Potentiale der
einschränkenden Bedingung (30) allgemein Genüge leisten.
Wir gehen jetzt dazu über, die Differentialgleichung des
skalaren elektromagnetischen Potentiales zu integrieren. Es
ist zweckmäßig, eine neue Variable
einzuführen; diese ist nichts anderes, als der in der Zeit t von
einer Licht welle zurückgelegte Weg. Dann schreibt sich (30 a)
(31) ^;*-r»* = 4:r9.
Wir denken uns, zur Zeit < « 0, * und -kt als Funktionen
des Ortes gegeben, also etwa
(31a) « = f{x,yyZ) für l == 0,
(31b) ^^^g{x,y,z)mrl^O,
Außerdem ist natürlich, für Z > 0, q als Funktion von
Zeit und Ort gegeben.
Es ist unser Ziel, für positive Zeiten $ als Funktion von
Ort und Zeit zu ermitteln; dieses Ziel haben wir erreicht,
wenn es uns gelingt, für einen beliebigen Aufpunkt ^ als
Funktion von l zu berechnen. Wir greifen einen Au^unkt P
heraus und konstruieren um P als Mittelpunkt eine Schar von
Kugeln mit dem veränderlichen Radius r. Wir verstehen unter
do den körperlichen Winkel, unter dem das Flachenelement
r^dm einer solchen Kugel vom Mittelpunkte P aus gesehen wird.
Die Funktion 9y welche der partiellen Differentialgleichung (31)
genügen soll, ist eine Funktion von vier Yariabeln: r, l und
zwei Winkeln; die letzteren beiden Yariabeln gehen in den Aus-
druck von den ein. Die nunmehr einzuführende Hilfsfanktion
(32) Ä = ^J^
do
hängt mithin nur von den Yariabeln r und l ab; sie ergibt,
durch r dividiert, den für eine Kugel vom Radius r berech-
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 41
neten Mittelwert von *. Wir wollen die Gleichung (31) in
eine partielle Differentialgleichung für Sl umformen.
Wir wenden zu diesem Zwecke den Graußschen Satz auf
eine jener Kugeln an. Das über ihr Inneres erstreckte Inte-
gral von r^9 == div F9 ist diesem Satze zufolge gleich dem
über die Oberfläche erstreckten Integral der Normalkom-
ponente -^ des Yektors F$; demnach gilt
r
Durch Differentiation nach r folgt
y.« 1 p«$ (io = g-r*_ j 9d(o^2r^ 1 dcu + r^ ^-^ j 0d(o,
oder
Wir erhalten also
(32a) i^/
r^0d(o =
dt'
Dividieren wir nun (31) durch Anr und integrieren Über
eine Eugelfläche vom Radius Ty so folgt
(33) -^-j^ = %{r,V),
wo abkürzungsweise
(33a) %{ryl)^rj Qdio
gesetzt ist. Da q als Funktion von Zeit und Ort gegeben ist,
so ist % für Z ^ und r ^ als bekannt anzusehen. Femer
sind auf Orund von (31a; b)
(33b) Ä - {^Jf {X, y, z) da, =^F(r)
gegeben.
für
1=0
r>0
42 f^rster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Ist es gelungen; die Hilfsgleichnng (33) zu lösen, so ist
der gesuchte Wert von 9 im Mittelpunkte P der Kagelschar
unschwer zu ermitteln. Er ist nach (32)
(34) *(0,Z) = Um(^.
Das Problem ; $ für einen beliebigen Au^unkt zu be-
rechnen, ist somit auf die Aufgabe zurückgeführt, die Hilfs-
gleichung (33) unter den angegebenen Bedingungen zu inte-
grieren.
§ 7. Integration einer Hilfsgleichung.
Die Funktionen % (^; 0^ -^(0 ^^^ ^W ^^^ durch (33a, b, c)
zwar für positive Werte von r definiert, aber nicht für nega-
tive; für r = verschwinden sie. Es steht xms somit frei,
die Definition dieser Funktionen folgendermaßen auf negative
Werte von r auszudehnen:.
(35) ^(.^r,l)^^x{+rj),
(35a) F{--r) =-JF(+r),
(35 b) G(-r) =-6?(+r).
Auf Ghrund dieser Daten soll nun die Aufgabe behandelt
werden, die Differentialgleichung
(36) Jp-J^^^i^'^
zu integrieren, d. h. Sl (r, l) für Z > und für beliebige posi-
tive und negative Werte von r zu berechnen, wenn
(36a) ß = JP(r)|
(36b) S=^W
für Z =
dl
gegeben sind.
Wir erledigen die gestellte Aufgabe, indem wir das
Biemannsche Integrationsverfahren auf die nichthomogene
partielle Differentialgleichung (36) anwenden.^)
1) Vgl. hierzu Riemann -Weber, Die partiellen Differentialgleichungen
der mathematischen Physik. Braunschweig 1901. Bd. II, §90, S. 224 ff.
A. Sommerfeld, Enzyklopädie der mathem.Wissensch. Art. IIA. 7c. Nr. 13.
Erstes Kapitel. Die phys. a. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 43
Wir denken uns die unabhängigen Veränderlichen r und l
als Abszisse und Ordinate aufgetragen. Die Anwendung des
Stokesschen Satzes auf ein beliebiges Flächenstück der (r, X)-
Ebene ergibt
Dabei stellt 3 einen zunächst beliebigen Vektor dar. Das
Integral zur Linken ist über das betreffende Flächenstück, das
Integral zur Rechten über die Begrenzungskurve zu erstrecken;
derart; daß der Umlaufssinn einer positiven Drehung um die
dritte; der r- und !- Achse sich zuordnende Achse eines rechts-
händigen Koordinatensystemes entsprechen würde. Wir setzen
nun
st
dr , dSldl
1
Formel auf ein gleichschenkliges
und erhalten
(37) ffdrdl[^.
Wir wenden diese
Dreieck ABC an,
dessen Ghrundlinie
AB auf der r-
Achse liegt; wäh-
rend die Spitze C
auf der Seite der
positiven l gelegen
ist (vgl. Abb. 1).
Es seien a, b die
Abszissen der
Punkte A, B. Die
Winkel der Schen-
kel AC, BC mit
der Grundlinie seien gleich einem halben Rechten; so daß
r — l^a die Gleichung der Geraden AC,
r + Z = 6 „ „ „ „ BC
(37 a)
f)
44 Barster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
ist. Alsdann ist längs AC
dr^ dl
ds ds
hingegen längs BC
ds ds
Auf AB aber ist
Es ist daher
B b
A a
C C
B B
A A
/
' \dadr , dadi\ , T . aa „ „
c
Folglich wird die rechte Seite von (37)
b
JG-ir) dr + iß^ + Äs - SÄ^.
Verstehen wir jetzt unter r, l die Koordinaten des Punktes (7,
so ist
Slc=-Sl{r,l)
die gesuchte Funktion.
Der Punkt A hat nach (37 a) die Koordinaten
der Punkt B hingegen die Koordinaten
6 = r + ?, 0.
Aus (36 a) folgt daher
iß^ = a(r-Z, 0) « i^(r -Z),
SIb=^ Sl{r + 1,0) ^ F(r + T),
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 45
und es ist die rechte Seite von (37) zu schreiben
Ja{r)dr + Fir^l) + F{r + T) ~ 2Ä(r, T),
r—l
Die linke Seite aber wandelt sich, durch Einföhrung der
partiellen Differentialgleichung (36)^ in das über das Dreieck
ABC erstreckte Flächenintegral der Funktion — jj(r, ?) um.
Es wird also schließlich
(38) 2Sl(r,l)=>F(r-r) + I{r+T)+j0(r)dr+JJx(r,l)drdl
r— I ABC
Damit ist die Integration der Hilfsgleichung (36) in all-
gemeinster Weise durchgeführt.
Die Funktionen F(r)y G(r), xi''^} waren zunächst nur
für positive Werte von r gegeben« Für negative Werte dieser
Yariabeln wurde ihre Definition durch die Gleichungen (35,
35 a, b) gegeben. Wir können daher schreiben
Fir-^^-^FQ-r),
r+l r+l l—r l^r
JO(r)dr ^fo(r)dr -fa(r)dr =^jG(r)dr.
r—l l—r
Was aber das über das Dreieck ABC der Abb. 1 erstreckte
Fmchenintegral anbelangt, so ist dasselbe nach (35 b)
ffx (r, l) dr dl =JJx (r, V)drdl -ffx (r,l)drdl.
ABC OBCD OED
Dabei ist OED das Dreieck, welches dem auf der Seite
der negativen r gelegenen Teile OAD des Dreieckes ABC
spiegelbildlich (in bezug auf die Z-Achse) entspricht. Es bleibt
also schließlich nur das über den Streifen BCDE erstreckte
Integral von % (r, V) übrig:
JJt{r,V)drdl^JJt(r,T)drdl.
ABC BCDE
46 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Demnach erhalten wir
(88.) Jfe.a, gW-)-/C-n f,/g(r)^r
I— r
+ rrff^ir,T)drdl.
BCDE
Der Limes, dem dieser Ausdrack mit verschwindendem r
zustrebt, bestimmt nach (34) den gesuchten Wert des skalaren
Potentiales im Au^unkte.
Der Grenzwert der beiden ersten Glieder laßt sich sofort
angeben; es ist
(38b) ^^[EMll^Jli:^] = F'il),
(38c) lim ^- . fG(r) dr = G(l).
l—r
Was aber das dritte Glied anbelangt, so ist zu beachten,
daß r die Abszisse des Punktes C in Abb. 1 ist. Dem Grrenz-
übergang zu verschwindendem r entspricht ein Hereinrücken
des Punktes in die {-Achse, wobei OB = l wird. Ist X die
Abszisse eines Punktes der Geraden CB, so ist in der Grenz-
lage seine Ordinate gleich (l — X), Polglich gilt in der Grenz-
lage des Dreieckes für die Punkte der Geraden CB
l{ryl)^l{X,l-X\ wo O^X^l.
Auf einen dieser Geraden anliegenden schmalen Streifen
von der Breite CD = r • |/2 geht mit verschwindendem r das
Gebiet BCDE über, über welches das Plächenintegral in (38 a)
zu erstrecken war. Wir erhalten demnach
B
lim hfß (*■' ^ '**' ^^ = ^ ß (*' ^ - ^) <««;
BCDE C
dabei stellt ds ein Element der Geraden CB vor, die unter
45^ gegen die Abszissenachse geneigt ist; die Variable X aber
war die Abszisse der Punkte von CB. Demnach ist
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 47
und es wird
i
(38d) hm ^ /Vi (r, l) dr dl = fdXi (X, l - X).
BCDE
Die Ghrenzwerte (38 b, c, d) der drei Glieder in (38 a) za-
sammenfassend, erhalten wir
lim {-^) = i^' (i) + (?(Z) +JdXt {X, l - X).
Der Wert der gesachten Funktion O in dem Aufpunkte P
wird daher, mit Eücksicht auf (33 a) und (34),
i
(39) ® (0, l) ^F'(]) + G(l) + fxdxfd(o q{X,1- X).
Nunmehr haben wir die Integration der für das skalare
elektromagnetische Potential geltenden partiellen Differential-
gleichung (31) durchgeführt.*) Die Funktionen F und G be-
stimmen sich, gemäß (33b, c), aus den gegebenen Anfangs-
werten (31a, b) von O und -gy- Die beiden ersten Glieder
von (39) formulieren demnach den Einfluß des Anfangszustandes,
während das dritte Glied ausgewertet werden kann, wenn die
Elektrizitätsverteilung in ihrer Abhängigkeit von Zeit und Ort
gegeben ist.
§ 8. Die Fortpflanzung elektromagnetisoher Störungen.
Die Formel (39) löst die partielle Differentialgleichung
(30 a); sie bestimmt das skalare elektromagnetische Potential $,
wenn die Anfangswerte von und -^ bekannt sind, und
wenn weiterhin die Elektrizitätsverteilung q als Funktion der
1) Die gegebene Ableitung schließt sich an die von H. Weber für
den Fall q^O angewandte Methode an. Vgl. Riemann -Weber 1. c.
Bd. II, § 120, S. 802 ff. und M. Abraham. Acc. dei Lincei (5) U\ S. 7. 1905.
or /
48 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegnng der einzelnen Elektronen.
Zeit gegeben ist. Die DifiPerentialgleichimg (30b) fOr das
elektromagnetische Vektorpotential II stimmt mit (30a) formal
überein. Wir konnten sie mithin in ganz entsprechender Weise
lösen; wenn die Anfangswerte von K und -^ bekannt wären^
nnd wenn weiterhin die Verteilung des Eonvektionsstromes t
als Funktion der Zeit gegeben wäre. Es bliebe, um die so
erhaltene Lösung ftlr das im Eingange des § 6 aufgestellte
Problem nutzbar zu machen , nur noch übrig , anzugeben, wie
der Anfangszustand des Feldes mit den Anfangswerten der
elektromagnetischen Potentiale und ihrer zeitlichen Änderungen
yerknüpft ist.
Wir wollen indessen, um uns nicht in Allgemeinheiten
zu verlieren, über den Anfangszustand des Feldes eine ganz
bestimmte Voraussetzung machen. Wir wollen annehmen , daß
zur Zeit ^ = im ganzen Baume das Feld ein elektrostatisches
ist. Das elektrostatische Feld ist durch die Verteilung der
ruhenden Elektrizität bestimmt. Es kann daher die zu lösende
Aufgabe jetzt folgendermaßen ausgesprochen werden: Gegeben
sei die anfängliche' Verteilung dex ruhenden Elek-
trizität, und weiterhin die Verteilung der Elektrizität
und des Eonvektionsstromes. Welches ist der Verlauf
der elektromagnetischen Störung?
Für das anfangs herrschende elektrostatische Feld geht
das skalare elektromagnetische Potential in das elektro-
statische Potential q> über. Wir wollen sehen, was die Formel (39)
für den FaU ergibt, daß das zur Zeit ^ = bestehende elektro-
statische Feld auch weiterhin bestehen bleibt. Alsdann ist
und es ist, nach (31b) und (33c), die Funktion G(r) identisch
gleich Null Die Funktion F(r) aber wird, nach (31a) und
(33 b), in diesem Falle gleich dem über die Eugel mit dem
Radius r erstreckten Integrale
-^W==Äj^9'^°''
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 49
demnach wird
•«-Ä/
j?'w— ^ ( ?|3e>i».
Endlich ist die elektrische Dichte q von der Zeit un-
abhängig; und daher ist q{X,1 — X)==q {X, 0) zu setzen.
Die Formel (39) zeigt nun, wie man den Wert des skalaren
PotentialeS; zur Zeit t, in irgendeinem Aufpunkte P zu be-
rechnen hat: man konstruiere um P eine Eugel mit dem
Radius l = ct. Man setze in F (r) und G-(r) an Stelle von r
jetzt l, d. h. man berechne den Wert dieser Integrale für die
Kugel vom Radius L Endlich füge man das über das Innere
der Eugel zu erstreckende Integral hinzu , zu dem die mit
Elektrizität erfüllten Volumelemente Beiträge liefern. Für das
elektrostatische Potential ergibt sich auf diese Weise
i
(40) viO,l)^:^fdm^-^)^^+ßdxfdmQ(X,0).
Da das elektrostatische Potential von der Zeit unabhängig ist,
so muß die rechte Seite der Gleichung denselben Wert ergeben,
welches auch der Radius l der Eugel sein mag. Wir können
die Gleichung (40), nach Einführung des Flächenelementes
df=r^d(o und des Volumelementes dv = X^dkäa) = r^drd(o,
schreiben
Q
(40.) ,(o,,,_i/ir{^+i|£j+/^
Sie drückt den Wert des elektrostatischen Potentiales im Mittel-
punkte einer beliebigen Eugel aus als Summe eines über ihre
Oberfläche und eines über ihr Inneres erstreckten Integrales.
Wir wollen noch zeigen, daß diese Formel mit den auf
ganz anderem Wege in der allgemeinen Theorie des wirbel-
freien Vektorfeldes erhaltenen Beziehungen übereinstimmt. Wir
knüpfen dabei an die in Bd. I, S. 66 ff. angewandte Methode an,
welche sich auf den Greenschen Satz (I., Gl. 76) stützt. Es
wurde daselbst ^ = — gesetzt, und der Greensche Satz alsdann
auf ein Gebiet angewandt, das einerseits von einer kleinen,
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 4
50 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
den Ao^nnkt P einschließenden Kugel /q, anderseits von einer
beliebigen Fläche / begrenzt war. Es folgte für dieses Gebiet:
Als Ghrenzwert des ersten Gliedes bei verschwindendem Radius
der Kugel f^ ergab sich — ^7Cq>^j wahrend das Volumintegral
gleich
- *« /t^
war. Wir erhalten mithin
Indem die Begrenzungsfläche /ins ünendUche gerückt wurde,
folgte die Formel I, Gl. 83, S. 68. Lassen wir sie indessen
mit einer Kugel um P zusammenfallen, so ist DifiPerentiation
nach V äquivalent mit DifiPerentiation nach r; es geht daher
(40 b) in (40 ä) über. Damit haben wir die Formel (40 a), die
sich hier durch Spezialisierung der allgemeinen, für das elektro-
magnetische Potential $ geltenden Formel (39) ergab, auf
einem unabhängigen Wege hergeleitet.
Die Formel (40) stellt nun diEts elektrostatische Feld dar,
welches zur Zeit ^ = herrscht. Ein magnetisches Feld soll
zur Zeit ^ » nicht vorhanden sein. Es ist demnach zur
Zeit ^ = 0:
® = g>, « = 0.
Was aber die Anfangswerte der Ableitungen von $ und K
nach der Zeit anbelangt, so folgt aus (29), da ja zur Zeit ^ =
a — Ftp
sein soll, daß für
ist.
Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 51
Der Anfangswert you ^ aber ist so zu wählen^ daß zur
Zeit ^ = die Relation (30) erfüUt ist. Dies ergibt
d0
dt
-0.
/
Auf Grund der Anfangsbedingungen
(41) $ - 9>, |y « für ? = c< =
ergibt die Grundformel (39):
(42) 0(0,1) =^ ±f(^) ^da>+fxdxfd<OQiX,l-X)
als Wert des skalaren elektromagnetischen Potentiales.
Das erste^ vom Anfangszustand allein abhängige Glied ist
identisch mit dem im Ausdrucke (40) des elektrostatischen
Potentiales auftretenden; das erklärt sich daraus^ daß die
Anfangsbedingungen (41) . mit denen des elektrostatischen
Feldes übereinstimmen. Der Unterschied gegen (40) liegt in
dem von der Elektrizitätsverteilung abhängigen Yolumintegral.
Dort war auf der Oberfläche der Kugel vom Radius X die
durch Q {X, 0) gekennzeichnete anfängliche Dichte der Elek-
trizitätsverteilung in Rechnung zu ziehen^ die ja weiterhin
nicht abgeändert wurde. Wir könnten dort, in (40), mit dem-
selben Rechte an Stelle von q(X, 0) die gleichzeitige, zur Zeit t
im Abstände X vom Aui^unkt herrschende räumliche Dichte
Q (>l, l) verstehen, oder auch die räumliche Dichte in irgend-
einem, dem Zeitintervalle von ^ = bis < = — angehörenden
Zeitpunkte; denn in diesem Zeitintervalle soUte die anfängliche
Dichte Q (>l, 0) bestehen bleiben. Hier, in (42), hingegen
hcmdelt es sich um eine zeitlich veränderliche Elektrizitäts-
verteilung; es ist, auf der Oberfläche der Kugel vom Radius X,
die durch Q{Xfl — X) gekennzeichnete Dichte in Rechnung zu
ziehen, d. h. diejenige, welche zur Zeit = ^ — — auf jener
Kugelfläche herrschte. Es kommt für das Feld, welches im
Aui^unkte P zur Zeit t erregt wird, nicht die gleichzeitige
Elektrizitätsverteilung im ganzen Räume in Betracht, sondern
4*
52 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen»
für jede der Kugeln die elektrische Dichte^ die daselbst zu
einer um
(42a) r - \
zurückliegenden Zeit bestanden hat. Der zur Zeit t — x ent-
sandte Beitrag triflFt zur Zeit t im Au^unkte ein. Wir können
r als ;;Latenszeit^^; X als ^^Latensweg^^ bezeichnen. Es folgt
das wichtige Ergebnis: Die durch Abänderung der elek-
trischen Dichte erregte elektromagnetische Störung
pflanzt sich nach allen Seiten mit der Geschwindig-
keit c im Räume fort.
Wir erhalten das skalare elektromagnetische Potential des
durch Abänderung der Elektrizitätsverteilung erregten Feldes,
indem wir das elektrostatische Potential (40) des anfänglichen
Feldes von dem skalaren Potentiale (42) des abgeänderten
Feldes subtrahieren:
(43) 0(0,1) '-(p{0,l)=Jxdxfd(o{Q(l,l-^X)-Q{X,0)}'
Was aber das elektromagnetische Vektorpotential anbelangt,
so entsprechen, wie wir oben gesehen haben, dem angenommenen
Anfangszustande die Anfangsbedingungen
« = 0, |y-0 für Z = c««0.
Da nun die Differentialgleichung (30 b) formal der Gleichung
(30 a) durchaus entspricht, so erhält man die Komponenten des
Vektorpotentiales Ä, indem man in (39) q durch die Kom-
ponenten des Konvektionsstromes f ersetzt und, bei der Aus-
wertung von F und G gemäß (33b, c), f{xysi) und g{xyz)
Q Oft
durch die Anfangswerte der Komponenten von II und ^ ersetzt.
Unter den obigen speziellen Anfangsbedingungen nun ver-
schwinden die so berechneten Funktionen F und 6r identisch,
und es wird
i
(44) IC (0, ^jXdxJd(al{X, l - X).
Erstes Kapitel. Die pliys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 53
Aus den elektromagnetischen Potentialen (43) und
(44) ist^ gemäß (28) und (29); das elektromagnetische
Feld zu berechnen, welches durch die Abänderung der
Elektrizitätsverteilung und durch den diese Abände-
rung begleitenden Konyektionsstrom erregt wird.
Um den Beweis , daß die erhaltenen Losungen der par-
tiellen DifiPerentialgleichungen (30a; b) Integrale der Feld-
gleichungen I bis lY ergeben; zu Ende zu führen; bedarf es
nur noch des Nachweises ; daß die Gleichung (30); die
und K miteinander verknüpft; wirklich besteht. Das ist in
der Tat der Fall; falls stets und überall die Eontinuitäts-
bedingung der Elektrizität (30 c):
(45) ff + div f =.
erfüllt ist.
Wir differenzieren zunächst (43) nach Z; da (p(0,T) das
elektrostatische Potential ist; so ist
~~m ^•
Die rechte Seite von (43) hängt in zwiefacher Weise von l
ab; erstens insofern; als l die obere Grenze des nach l ge-
nommenen Integrales ist; zweitens dadurch; daß; für einen
bestimmten Punkt des RaumeS; q von l abhängt. Die Differen-
tiation nach der oberen Grenze ergibt:
lfd(o{Q(l,0)-^Q(l,0)]^0.
Es bleibt also nur der durch Differentiation des q entstehende
Ausdruck übrig
(46a) 'I-MIMt,]...,-
'
Bei der Differentiation nach l war der Au^unkt P fest-
zuhalten. Bei der Differentiation nach den Koordinaten ist
der Aufpunkt; und mit ihm das ganze Eugelsystem; zu ver-
schieben. Bei Berechnung des Beitrages, den ein in dem
Kugelsystem fest zu denkendes Volumelement zum Werte von
54 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
9lx im Aufpunkte liefert, ist der Wert von Ix in Beclmimg zu
ziehen, der in dem Mittelpunkte des jeweils gedeckten Volum-
elementes des Raumes zur Zeit -^- herrschte. Wird nun P
c
um dx parallel der ^ -Achse yerschoben, so ist das ganze Eugel-
system mit zu yerschieben. Das im Eugelsystem feste Yolum-
element deckt jetzt ein anderes Yolumelement des Raumes,
und es ist der Wert von I« in dessen Mittelpunkte zur Zeit
7 — 1 ^f
in Rechnung zu ziehen, d. h. ein um -^*dx größerer
Wert ab Torhin. So ergibt sich
l
(45b) div % =Jxdxfde>[dxM l)x, ,-i •
Addieren. wir die durch (45a, b) gegebenen Werte von
-^ und div II im Aufpunkte P, so erhalten wir
i
(45c) If + div n=ßdxfdo{pj + diTl)^,_^.
Die Relation
(46) ||+div« =
erweist sich demnach zur Zeit t als erfüllt, falls die
bewegte Elektrizität bis zur Zeit t überall der Kon-
tinuitätsbedingung (45) Genüge geleistet hat.
Aus den Entwickelungen des § 6 folgt nun ohne weiteres,
daß die aus den elektromagnetischen Potentialen $, V gemäß
(28) und (29) abzuleitenden Vektoren 8, § wirklich den Feld-
gleichungen I bis IV Genüge leisten. Die Gleichungen (43)
und (44) lösen das Problem, welches uns jetzt beschäftigt.
Sie bestimmen die Störung des ursprünglichen elektrostatischen
Feldes, wenn die anfangliche Verteilung der ruhenden Elek-
trizität, und weiterhin ihre Bewegung gegeben ist.
Wir können die Lösung noch auf eine andere Form bringen,
indem wir den Hilfsvektor einführen
I t
(47) ^^fui^cjtdt.
Erstes Kapitel. Die pfays. n. math.'Gnmdlagen d. Elektronentheorie. 55
Wir tragen der Eontinuitatsbedingnng (45) Bechnimg;
indem wir schreiben:
div i| = /divld? = -y||d? = -{9,--9o}-
Es gibt also der Vektor q durch seine negativ genommene
Divergenz
(47a) -div q^p^-p^
den Überschuß der jeweiligen elektrischen Dichte über die
anfangliche Dichte an, während seine Ableitung nach l
die Dichte des Konvektionsstromes darstellt. Diese beiden
Größen waren es, welche in (43) und (44) aufbraten.
Bestimmen wir jetzt einen neuen Vektor 3 folgendermaßen:
i
(48) 8 (0, l) ^Cldlfd(oi\ (X, l - X),
so gelangen wir durch Bildung der negativen Divergenz bzw.
der zeitlichen Ableitung zu (43) und (44) zurück. In der
Tat, diflferenzieren wir nach ?, so erhalten wir zwei Glieder
^8
dl-^
ifdo^ (Z, 0) + rxdxjda)l^\ ;
das erste Glied ist gleich Null, weil, nach (47), q für 1 =
verschwindet. Nach (44) und (47 b) folgt demnach
(48a) « = ^.
Bildet man anderseits die Divergenz von 3 gemäß den
bei der Ableitung an (45b) angegebenen Regeln, so folgt, mit
Rücksicht auf (43) und (47 a),
(48 b) ® - 9> div g.
Der Vektor 3 stellt ein den elektromagnetischen Potentialen
$, K übergeordnetes Potential dar. Die Beziehungen (48 a,, b)
56 Si*8ter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
lassen sofort erkennen^ daß die Relation (46) allgemein erfüllt
ist. Wir wollen 8 den „Hertzschen Vektor'' nennen; wie
wir im nächsten Paragraphen sehen werden, erhalten wir näm-
lich durch Spezialisierung des durch (48) definierten Vektors
die sogenannte ,;Hertzsche Funktion^ durch deren Ableitungen
zweiter Ordnung nach der Zeit und nach den Koordinaten das
elektromagnetische Feld eines Dipols sich darstellen läßt. Wir
werden diese Darstellung ableiten aus den Vektorgleichungen,
die aus (48a, b) in Verbindung mit (28) und (29) resultieren:
(48c) § = c«ri^,
(48d) e_@^=/7div8-^.
Hier stellt 6q das ursprüngliche elektrostatische Feld vor.
Die Formeln (48c, d) stellen den Verlauf einer be-
liebigen elektromagnetischen Störung mit Hilfe eines
einzigen Vektors dar.
Wir haben bisher immer die anfängliche Verteilung der
ruhenden Elektrizität als gegeben angenommen. Man wird,
um sicher zu sein, daß die Energie und der Impuls des elektro-
magnetischen Feldes endlich sind, meist von einem elektro-
statischen Anfangszustande ausgehen. Unter Umständen kann es
indessen vorkommen, daß dieser Anfangszustand bereits sehr
weit zurückliegt und daß seine Kenntnis daher für das Feld
in endlichen Entfernungen von dem Elektronensystem nicht
von Belang ist. In diesem Falle wird man wünschen, die
Formeln von dem elektrostatischen Potentiale (p zu befreien.
Liegt der Anfangszustand so weit zurück, daß die Kugel,
die um den Aufpunkt P mit dem Radius l^^ et geschlagen
ist, die gesamte Elektrizität des ursprünglichen elektro-
statischen Feldes einschließt, so ist das elektrostatische Potential
im Au^unkte
i
(49) <p (0, l) :=ixdird(OQ (A, 0) .
Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 57
In der Tat^ da außerhalb der Engel l in dem elektro-
statischen Felde sich keine Elektrizität befindet, so ist diese
Formel dem Sinne nach YöUig identisch mit
00 •
(49a) (p(p, l) ^fxdXjd(D(f{X, 0),
was wieder nur eine andere Form des in Bd. I (GL 83, S. 68)
für das elektrostatische Potential erhaltenen Ausdrucks
(49b) ^ =y^
ist.
Soll das Feld zur Zeit ^ = wirklich durchweg ein elektro-
statisches seiQ; so darf vor diesem Zeitpunkte die Elektrizität
sich nicht bewegt haben. Es ist dann zu setzen
p(r,Q = ^(r,0) fttr l<0
und daher
q{X,1-X) = q(X,0) für X>1.
Es kann demnach in (43) ohne weiteres als obere Grenze
X == cx) statt l gesetzt werden, ohne den Wert der rechten
Seite zu ändern.
Mit Rücksicht auf (49 a) folgt
OD
(50) 0=JldXJdaQ(X,l~l).
Anderseits ist, da zu uegatireu Zeiten die Elektrizität
sich nicht bewegt hat,
I(r,0 = O für l<0
nnd daher
t(l,l-Ji) = für X>1.
Es kann somit anch in (44) die Integration ohne weiteres
bis zur oberen Grenze i = oo ausgedehnt werden, so daß man
erMlt
(51) « =J'xdxfda t(k,l- X).
58 Erster Abscbnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Diese Formeln für die elektromagnetischen Potentiale ent-
halten keine Beziehung zur anfängUchen VerteUung der Elek-
trizität. Sie gestatten folgende anschauliche Deutung.
Man denke sich um den Au^unkt eine Kugel mit dem
veränderlichen Radius X geschli^n. Diese Eugel soll sich
mit Lichtgeschwindigkeit kontrahieren; derart^ daß sie zur
Zeit t im Aufpunkte eintrifft. Zur Zeit t — t ist ihr Radius
CT = X. Diese Kugel fegt nun gewissermaßen das Feld ab.
Wo sie Elektrizität und Konvektionsstrom antrifft^ da fangt
sie die Beiträge ab
(50a) d^ ^ IdX fd(OQ{Xyl-X),
(51a) dn^XdxfdfDliXJ-X),
welche nach Durchlaufung des Latensweges X im Au^unkte
eintreffen. Es ist demnach für jedes Volumelement des Raumes
die Elektrizität und der Konvektionsstrom in Rechnung zu
setzen, welche die Kugel auf ihrem Wege antrifft; die Division
durch den Kugelradius ergibt den Beitrag zum skalaren und
zum Yektorpotentiale. Diese Beiträge eilen mit Lichtgeschwin-
digkeit fort. Die Zusammensetzung aller Beiträge, d. h. die
Litegration nach X, ergibt gemäß (50, 51) die Werte der Poten-
tiale im Au^unkte.
Wir können diese Formeln auch schreiben
(50b) =f%\
(51b) «=/?W
r
c
Dabei siud die Integrationen über den gesamten Raum
auszudehnen, ebenso wie in der Formel (49 b) für das elektro-
statische Potential. Der Unterschied liegt nur darin, daß nicht
die jeweilige Dichte der Elektrizität und des Konvektions-
stromes in Rechnung zu setzen ist, sondern, wie der Index
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Panktladting. 59
t anzeigt; diejenige Dichte^ welche za einem nm die
c
T
Latenszeit t =» — früheren Zeitpunkte in dem betreffenden
Yolumelemente herrschte.
Die Potentiale (50 b) und (51 b) sind yon H. Poincar^,
E. Beltrami; V. Volterra, H. A. Lorentz, T. Levi-Civita und
anderen Forschem angewandt worden. Meist werden sie dem
elektrostatischen Potentiale (49b) als ^^retardierte Poten-
tiale^^; d. h. verspätete oder verzögerte Potentiale gegenüber-
gestellt.
Die in (50; 51) gegebene Darstellung der elektro-
magnetischen Potentiale durch einfache Integrale
über den Latensweg, auf die wir hier unmittelbar
geführt wurden; wird sich für die Ermittelung des
Feldes bewegter Elektronen als besonders geeignet
erweisen.
Die Formel (48) für den Hertzschen Vektor können wir
gleichfEdls unschwer auf die Form bringen
00
(51 c) 8 ^Jxdxjdm i| (X; ? - X)
und können siC; ähnlich wie (50) und (51), durch Betrachtung
der auf den Aufpunkt hin mit Lichtgeschwindigkeit sich kon-
trahierenden Eugel anschaulich deuten.
Zweites Kapitel.
Die Wellenstrahlung einer bewegten Pnnktladung.
§ 9. Elektromagnetiaohes Modell einer Lichtquelle.
Die Entwickelungen des letzten Paragraphen haben uns
gezeigt; daß der Baum die elektromagnetischen Wellen zwar
fortpflanzt; daß aber in dem leeren Baume elektrische Störungen
nicht entstehen können. Die Quellen der elektromagnetischen
Störungen liegen in der Elektrizität. Da wir nun das Licht
-«. _. _ _
60 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
als elektromagnetische Wellenstrahlung zn betrachten gelernt
haben; so werden wir zu dem Schlüsse geführt, daß im Innern
der lichtemittierenden Moleküle die Elektrizität in Bewegung
begriffen ist. Das einfachste denkbare elektromagnetische
Modell einer Lichtquelle erhalten wir, wenn wir ein einziges
Elektron um seine Gleichgewichtslage schwingend annehmen.
Auf Grund der allgemeinen Ansätze des vorigen Parar
graphen können wir das elektromagnetische Feld eines beliebig
bewegten Elektrons bestimmen. Wir wollen indessen das vor-
liegende Problem zunächst unter gewissen Einschränkungen
behandeln; Einschränkungen^ die wir dann in den folgenden
Paragraphen wieder beseitigen werden. Wir wollen in Betracht
ziehen, daß die Bewegung des lichtaussendenden Elektrons nur
auf molekxdare Bereiche sich erstreckt, daß also seine Ent-
fernung aus der Gleichgewichtslage klein ist gegen diejenigen
Entfernungen, in denen man das entsandte Licht wahrnimmt.
Ferner soll die Geschwindigkeit des Elektrons als klein gegen
die Lichtgeschwindigkeit angenommen werden. Die Glei-
chung (48) des vorigen Abschnittes führt uns in diesem Falle
ohne weiteres zum Ausdrucke des Hertzschen Vektors. Die
sich kontrahierende Kugel föngt beim Hinwegstreichen über
das Elektron einen Beitrag ab. Da die Geschwindigkeit des
.Elektrons klein gegen die Geschwindigkeit c angenommen wird,
mit welcher die Kugel sich kontrahiert, so kann man die
Integration über das Elektron so ausführen, als wenn es in
seiner augenblicklichen Lage ruhte. Nach (10) und (47) ist mithin
I i t
I XdX I d(on{X,l—X)= I XdX I d(OQ It^dt
U-x
e
t
ß
t^dt
U—i
dabei stellt e die gesamte Ladung des Elektrons vor, X seine
Entfernung vom Aufpunkte, die infolge der gemachten An-
nahmen durch die Entfernung r des Aufpunktes von der
Gleichgewichtslage des Elektrons zu ersetzen ist. Endlich ist
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Punktladung, gl
t
die jeweilige Entfernung des Elektrons aus seiner Gleichgewichts-
lage; für den Wert des Hertzschen Vektors im Auf punkte
kommt die Elongation des Elektrons zur Zeit
c c
in Betracht. Setzen wir abktirzungsweise
t
(52) e^Jt^dt^pQ),
indem wir uns den Vektor If, statt von der Zeit t, von dem
Lichtwege et abhängig denken, so wird der Hertzsche Vektor (48)
(52a) 8 = '^-
Wir wollen voraussetzen, daß zur Zeit t ^ das Elektron
in seiner Gleichgewichtslage sich befindet, und daß dann das
Molekül kein elektrostatisches Feld erregt. Alsdann ist in (48 b)
das anfangliche elektrostatische Potential q) gleich Null zu
setzen, und es wird das skalare elektromagnetische Potential
(52 b) ®=^divj^^ö}.
Bei der Berechnung der Divergenz des Produktes aus dem
Skalar — und dem Vektor p ist die Formel (l) der Zusammen-
stellung in Bd. I, S. 437 heranzuziehen, und es ist zu beachten,
daß das Argument von p die Entfernung r enthält; es wird
(52c) = -(p(l-r), F,^) + i(^ {l-r), F,r),
WO
die elektromi^etisch gemessene Stromstärke des Strom-
elementes ist, welches das bewegte Elektron darstellt. Dieselbe
62 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
geht auch in den aus (48 a) folgenden Ansdrnck des elektro-
magnetischen Yektorpotentiales ein:
(52d) « = S^).
Das erste Glied in (52 c) ist ganz analog gebaut, wie der
Ansdmck für das Potential einer Doppelquelle (Bd. I, 61. 81,
S. 63), vom Momente pQ.— r), Dieses Glied kommt in der
Nähe des Erregungszentrums ausschließlich in Betracht; das
sieht man sofort ein, wenn man
(52e) ^r = n, P^^ = -i..r,
setzt und unter r^ einen Einheitsvektor versteht, welcher der
Richtung nach mit dem vom Erregungszentrum nach dem
Aufpunkte hin gezogenen Radiusvektor t übereinstimmt; dann
wird
(52f) $ = i,(r,, Ki-r)) + f (n, K«-''))-
Es entsteht nun weiter die Aufgabe, aus den elektro-
magnetischen Potentialen die Vektoren d, ^ abzuleiten. Wir
ziehen es vor, statt diese durch Vektorkalkül zu berechnen,
eine Eomponentenzerlegung vorzunehmen, erstens, weil so die
Größenordnung der verschiedenen Glieder sich besser über-
sehen läßt, und zweitens, weil dabei die Beziehung unserer
Entwickelungen zu der grundlegenden Arbeit von Heinrich
Hertz ^) deutlicher hervortritt. Wir berechnen d^n Beitrag,
den die ;sf- Komponente des Vektors p zum Felde liefert; führt
das Elektron Schwingungen parallel der ;ef- Achse aus, so stellen
die betreffenden Anteile der Feldstärken bereits vollsl^dig
das Feld dar. Der Hertzsche Vektor geht in die Funktion
(53) . 8. = ^^
über, die Hertz mit II bezeichnet hat und die von manchen
Autoren die „Hertzsche Funktion^' genannt wird. Aus ihr
1) H. tfertz, Die Kjräffce elektrischer Schwingungen, behandelt nach
der Maxwellschen Theorie. Ann. d.Phys. 36, S. 1, 1888. Ges. Werke II,
S. 147.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlmig einer bewegten Punktladiing. 63
sind die Komponenten der Feldstärken gemäß (48 c^ d) ab-
zuleiten. Es ist
(o3a) Vx==jzj-i' ^y = "-ä^i'
dydl
(53b) «;
a*8.
a'8.
f «?« —
dxSz' ^y^dydz' ^' dz^ dl*
Die Ausführung der Differentiationen ergibt
(53c)
P»' -IT + h
Sxz , ••
-^4- + h
xe
«y=»<l.
3i/5
3yaf
+ P»' -ZT + ¥»' IT '
•
.8 7
(53 d)
Dabei sind es selbstverständlich die Werte von p,y
dp,
dl
d*p
und -^ für den Argumentwert (Z ~ r), die für das Feld im
Au^unkte in Betracht kommen. Dieses Argument braucht
jetzt, als selbstverständlich; nicht mehr in den Formeln zum
Ausdruck gebracht zu werden.
Führt das Elektron in der Lichtquelle einfach harmonische
Schwingungen auS; so daß etwa in (53 c^ d)
|l, = 6sin-^ü — rj
zu setzen ist. so verhalten sich die Amplituden der drei Glieder
z. B. im Ausdrucke der Komponenten von (& wie
1:
2nX
. (JL\\
Es ist demnach; wenn die Entfernung vom lichtaussendenden
Molekül klein gegen die Wellenlänge des entsandten Lichtes
(54)
64 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
ist^ nur das erste Glied zu berücksiclitigen. Dort^ wo man
die Lichtstrahlung beobachtet^ ist im Gegenteil r groß gegen
27t X] hier hängt C — und dasselbe gilt Ton dem magnetischen
Vektor § — nur von p ab; die Feldstarken nehmen hier,
wenn die Welle sich immer weiter ausbreitet, umgekehrt pro-
portional der Entfernung vom Wellenzentrum ab. Das Gebiet,
in dem dieses stattfindet, wird die „Wellenzone^^ genannt.
Wir wollen die Ausdrücke der Feldstärken in der Wellen-
zone sogleich in vektorieller Schreibweise angeben. Wir über-
sehen leicht, daß wir die zu ji proportionalen Glieder in (53c,d)
und die aus ihnen durch zyklische Yertauschung von x, y, z
entstehenden, welche Schwingungen parallel der x- bzw. der
j^- Achse entsprechen, folgendermaßen in Yektorgleichungen
zusammenfassen können:
Dabei ist nach (52)
(64.) ü-SI-^§
der Beschleunigung des Elektrons proportional.
Denken wir uns nun die vom schwingenden Elektron
entsandten Wellen von einem beliebigen Aufpunkte aus be-
obachtet, so hängen die Feldstärken nur von dem Vektor
ab. Es kommt für den Beobachter allein die Pro-
jektion der Schwingung auf eine zur Blickrichtung
senkrechte Ebene in Betracht. Das -äußere Produkt aus
dem Einheitsvektor r^ und p liegt in dieser Ebene; es ist dem
Betrage nach gleich, der Richtung nach senkrecht zu der
Projektion von ji; ihm parallel ist nach (54) der magnetische
Vektor der entsandten Wellen, der die Polarisationsebene des
Lichtes bestimmt. Der Beobachter wird demnach geradlinig
polarisiertes Licht wahrnehmen, wenn die Projektion der Elek-
tronenbewegung auf die zur Blickrichtung senkrechte Ebene eine
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Funktladnng. 65
geradlinige Schwingung ist; nnd zwar wird die Schwingungs-
richtung in jener Ebene senkrecht auf der Polarisationsebene
des entsandten Lichtes sein. Ist hingegen die Projektion der
Bewegung des Elektrons auf jene Ebene eine Ejreisschwingung;
so wird der Beobachter zirkulär polarisiertes Licht wahr*
nehmen^ und zwar rechts- oder linkszirkulares^ je nachdem die
Kreisschwingung rechts herum oder links herum (im Sinne des
Uhrzeigers oder im entgegengesetzten) um die Blickrichtung statt-
findet; denn bei einer Kreisbewegung rotieren Fahrstrahl, Ge-
schwindigkeits- undBeschleunigungsyektor in dem gleichen Sinne.
Nach (54) bilden (&, § und tj ein System von drei auf-
einander senkrechten Vektoren, und zwar folgen x^ — ^ und ®,
oder @, ^, r^ aufeinander, wie die Achsen eines rechtshändigen
Koordinatensystemes. Es liegt mithin @ in der Wellenebene
senkrecht zu ^, also parallel der Projektion des Vektors p
(oder des Beschleunigungsvektors) auf die zur Blickrichtung
senkrechte Ebene. Der Betrag von @ ist demjenigen von ^
gleich. Es liegen demnach hier in der Wellenzone dieselben Ver-
hältnisse vor, wie bei ebenen elektromagnetischen Wellen (vgl.
Bd. I, § 69). Nur ändern sich bei ebenen Wellen die Ampli-
tuden während der Fortpflanzung nicht, während hier, bei den
Kugelwellen, die Amplituden der Feldstärken mit wachsender
Entfernung r vom Zentrum wie 1 : r abnehmen.
Der Strahlvektor <S ist nach Gleichung (13) durch das
äußere Produkt von (& und ^ gegeben. Er weist also parallel
dem Radiusvektor, was der Beobachtung entspricht. Da (§, ^, <S
ein System wecheelseitig aufeinander senkrechter Richtungen
bilden und die Beträge von (S und ^ einander gleich sind, so
ist der Betrag von <S:
(54b) S = A.|«|.|^| = _£..^»=_^.[,,^]
Bezeichnen wir mit d' den Winkel der Vektoren tj und p,
so wird
(54c) ^ = 4^«*'«i^'*
die Strahlung, die in der Sekunde durch die Flächeneinheit
einer Kugel vom Radius r hindurchtritt; sie hängt gemäß (54a)
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 5
12
2
Qß Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Ton der Ladung e und von der Beschleunigung des Elektrons
ab, und zwar selbstverständlich von derjenigen Beschlennigong^
die stattfand; als die Welle entsandt wurde. Die Strahlung
verschwindet für -Ö* = und ^ö* «= ä, d. h. für die Richtung
des Beschleunigungsvektors und für die entgegengesetzte Rich-
tung; sie ist am größten für d- = —7 d. h. senkrecht zur
Beschleunigungsrichtüng. Die Integration über die ganze
Kugel ergibt als Gesamtstrahlung
fsdf= ^jf^^27cfdd' sin»^ = I )f^-Jdu(l - u") = \cp
—1
Der Radius der Eugel ist herausgefallen; es tritt also
durch alle von der Welle durchsetzten konzentrischen Kugeln
der Wellenzone die gleiche Energiemenge hindurch. Diese
Energie hat sich von dem schwingenden Elektron losgelöst
und durcheilt in Form von Wellenstrahlung den Raum, wo
sie je nach der Frequenz der Schwingungen als ultraviolettes,
sichtbares oder ultrarotes Licht wahrgenommen wird. Diese in
Wellenstrahlung verwandelte Energiemenge wird der Lichtquelle
entzogen; die pro Sekunde entzogene Energie ist nach (54a)
Ist die Schwingung eine einfach harmonische und ist l
ihre WellenBnge im Räume, so ist
daher wird der Energieverlust durch Strahlung
/RR \ dW 32flr*c ^8
(55a) ___ = __. ^,*.
Die pro Zeiteinheit durch Strahlung verlorene
Energie ist um so größer, je kleiner bei gegebener
Schwingungsamplitude die Wellenlänge ist. Sie steigt
bei abnehmender Wellenlänge umgekehrt proportional
der vierten Potenz der Wellenlänge an. Die Schwin-
gungen erfahren mithin eine Dämpfung durch Strahlung.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Panktladang. 67
Eine solche Dämpfung ist zuerst Yon H. Hertz in der oben
zitierten Arbeit theoretisdi abgeleitet worden.
Wir wollen jetzt die Frage erörtern, inwieweit dieses ein-
fachste elektromagnetische Modell einer Lichtquelle geeignet
ist, von dem Vorgange der Lichtemission ein naturgetreues
Bild zu geben. Wir wollen zunächst, das Resultat der Unter-
suchungen Zeemans (vgl § 10) yorwegnehmend, yoraussetzen,
daß das negative Elektron es ist, welches in der Lichtquelle
schwingt, und wollen dem negativen Elektron diejenigen
Eigenschafben zuschreiben, die wir in § 2 bei Besprechung der
Eathodenstrahlen kennen gelernt haben. Wir haben der mathe-
matischen Behandlung den Fall zugrunde gelegt^ daß vor Beginn
des Schwingungsvorganges das Molekül nach außen hin un-
elektrisch ist. Die einfachste dementsprechende Hypothese
würde die sein, daß das Molekül aus einem positiven und
einem negativen Elektron besteht, deren Mittelpunkte anfangs
zusammenfallen. Wird nun das negative Elektron verschoben,
während das positive in Buhe bleibt, so entsteht ein elek-
trischer Dipol, unter dem Momente eines solchen Dipols
wird man entsprechend dem Momente einer Doppelquelle
(Bd. I, S. 63) einen Vektor zu verstehen haben, der von der
negativen Ladung zur positiven weist und dessen Betrag gleich
dem Produkte aus dem Abstand der Mittelpunkte beider Elek-
tronen und der Ladung des positiven ist. Das ist aber nichts
anderes, als der durch (52) definierte Vektor p] denn es ist zwar
d,r ,0, d„ „ü>«,d» p»i«;» ^ bewegt» n,g.tt™ L.d^
weisende Fahrstrahl, aber derselbe ist mit der negativen Ladung des
bewegten Elektrons zu multiplizieren. Das Feld eines der ^- Achse
parallelen Dipols bringen die Formebi (53 c, d) zur Darstellung.
Wollen wir nun erklären, wieso etwa das Licht des
Quecksilberdampfes aus einzebien feinen Spektrallinien besteht,
so müssen wir den in den Molekülen bewegten Elektronen
gewisse Eigenschwingungen zuschreiben, um die Existenz
5*
68 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
dieser Eigenschwingungen zu verstehen^ nimmt die Elektronen-
theorie an^ daß auf die Elektronen gewisse quasielastische
Kräfte wirken, d. h. Kräfte^ welche der jeweiligen Entfernung
aus der Gleichgewichtslage proportional sind. Da die Elektronen
Trägheit besitzen, so würde hierdurch die Möglichkeit von
Eigenschwingungen bestimmter Frequenz gegeben sein. Freilich
ist so nur ein Ratsei auf ein anderes zurückgeführt. Denn es
entsteht nun die Frage, welcher Art jene quasielastische Kraft
ist, ob sie ihrerseits elektrischen Ursprunges ist, etwa von der
positiven Elektrizität herrührend, oder ob sie von der wägbaren
Materie auf die Elektronen ausgeübt wird. Auch die große
Zahl der Spektrallinien jedes einzelnen chemischen Elemei^tes
bereitet der Erklärung Schwierigkeiten. Soll man annehmen,
daß jedes Molekül des Quecksilberdampfes alle die Spektral-
linien aussendet, oder strahlt das eine Molekül diese, das andere
jene Linie aus? Im ersteren Falle wäre dem Molekül eine
große Zahl elektrischer Eigenschwingungen zuzuschreiben, und
das einfache Modell des elektrischen Dipols würde dann nicht
zur Darstellung des Feldes ausreichen. Im zweiten Fall jedoch
würde die Existenz der merkwürdigen Gesetzmäßigkeiten,
welche die Spektrallinien mancher Körper aufweisen, schwer
verständlich sein. Die Fragen der molekularen Struktur, die
mit dem Probleme der Spektrallinien zusammenhängen, sind
leider noch wenig aufgeklärt. Wir müssen uns damit begnügen,
an unserem einfachsten elektromagnetischen Modell festhaltend,
jede .Spektrallinie einem anderen Dipol zuzuschreiben und die
Eigenschwingungen formal durch Einführung quasielastischer
Kräfte zur Darstellung zu bringen. Wir gelangen so zu einem
Ansatz, der als Arbeitshypothese gute Dienste leistet.
Wir setzen die Schwingungsgleichung des elektrischen
Dipols in der Form an:
(66) ^'+k'p^O; ,
nach (52) können wir schreiben
(56a) m'J^^-^k^p^-^k'p.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Punktladong. 69
Hier steht rechts die quasielastische Kraft, welche das mit
der trägen Masse m behaftete Elektron in die Gleichgewichts-
lage zurückzieht. Der Schwingungsvorgang wird von den
Anfangsbedingungen abhangen; wir können uns etwa vorsteUen,
daß durch den Zusammenstoß mit einem anderen Molekül die
Schwingungen des Elektrons angeregt werden. Wie dem auch
sei, jedenfalls wird während der Schwingung das Zeitmittel
der kinetischen Energie dem Zeitmittel der potentiellen gleich
sein. Die gesamte Energie des schwingenden Dipols ist kon-
stant; sie beträgt
(56b) W=m^=^,{^)\
wobei die horizontalen Striche die Bildung des zeitlichen
Mittelwertes andeuten.
Wir haben oben gesehen, daß der schwingende Dipol fort-
gesetzt Energie ausstrahlt. Diese Ausstrahlung wird nun zu
einer Dämpfung der Schwingungen Veranlassung geben müssen.
Wir wollen den Betrag dieser Dämpfung berechnen. Aus (55)
folgt _
(56c) --l'-ir
für die Abnahme der Schwingungsenergie, berechnet auf den
Lichtweg Z = 1 cm, d. h. die Abnahme während der Zeit
c 3
Während dieser Zeit hat das Elektron eine große Zahl
von Schwingungen ausgeführt — 2-10* für >L==5-10"~^cm — ,
so daß die Mittelwertsbildung über sehr viele Schwingungen
gerechtfertigt ist. Anderseits können wir (56 b) nach Ein-
führung der spezifischen Ladung des Elektrons (Gleichung 9)
schreiben:
(56d) ^-iif'-
Da die Punkte in ji, jf DifiPerentiation nach l andeuten,
so gilt
70 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Wir erhalten daher
dlnW 2 7]«/2«\«
_ 2 7]«/2«Y
"" ¥ T vT/
(2{
Es nimmt die SchTfingungsenei^e nach dem Gesetze ab:
(56e) W^W^e-r',
wo der Abklingungskoeffizient
(56f) r-^l^
ZU setzen ist. Dasselbe Exponentialgesetz gilt für die Abnahme
der Intensität der entsandten Strahlung; dem Lichtwege 1 cm
entspricht ein Herabsinken der Lichtintensitat auf den Bruch-
teil 6""y.
Nun laßt sich aber aus Interferenzversuchen eine obere
Grenze für die Abnahme der Strahlungsintensität gewinnen.
Für manche Spektrallinien, z. B. für die grüne Quecksilberlinie,
haben sich nämlich Interferenzen bei sehr hohen Gangunter-
schieden herstellen lassen. Die Verfeinerung der Technik solcher
Interferenzversuche, um die sich A. Michelson, 0. Lummer und
andere Experimentatoren yerdient gemacht haben, hat zu sicht-
baren Interferenzen noch bei Gangunterschieden von 50 cm
geführt. Wäre nun die Abklingungkonstante y so groß, daß
sich auf einem Lichtwege von 40 cm ein Herabsinken der
Intensität des Lichtes auf ein Hundertstel ihres Wertes
oder einen noch geringeren Bruchteil ergäbe, so könnte
die Theorie Yon diesen Interferenzversuchen nicht Rechen-
schaft geben. Wir wollen sehen, welcher Wert Ton y sich
aus (56 f) ergibt.
Wir setzen für e und 17 die in (2) und (9) angegebenen
Werte ein, nehmen A = 5 • 10""^ an und finden
_8g^' 1,866.10^3.10-^0 3
'^ 3 8.10".25.10-" •
Daraus ergibt sich für einen Lichtweg yon 50 cm ein
Herabsinken der Lichtintensität auf den Bruchteil
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten PankÜadtuig. 71
es würde hiemacli bei einem Grangnnterschied tou 50 cm noch
sehr wohl eine Interferenz bemerkbar sein. Man könnte sich
eher darüber wundem; daß nicht bei noch höheren Gtmgunter-
schieden Interferenzen sich herstellen lassen. Allein außer der
Dämpfong durch Strahlung dürften noch andere Ursachen mit-
spielen^ die den regelmäßigen Verlauf des Schwingungsvorganges
beeinträchtigen. So dürfte z. B. beim Stoße zweier Moleküle des
Dampfes der ursprüngHche Schwingungsvorgang gestört und
eine neue, mit einer anderen Phase einsetzende Schwingung
eingeleitet werden.
In der Schwingungsgleichung (56) bzw. (56 a) ist der
Dämpfung durch Strahlung nicht Rechnung getragen worden.
Wir wollen jetzt nachträglich die Schwingungsgleichung so
modifizieren, daß der durch (55) in allgemeinster Weise an-
gegebene Energieverlust zum Ausdrucke gelangt. Wir fuhren in
(56a) eine „dissipative Kraft Ä*" ein, indem wir schreiben
Diese dissipative Ejraft St^ stellt die Bückwirkung der
Strahlung auf das bewegte Elektron dar. Ihre Arbeits-
leistung muß mit dem Energieverluste (55) durch die Relation
verknüpft sein:
(57a) /(«',«•) '^^ = -. I S/(S)>
dabei bezeichnen t^y t^ zwei, etwa durch eine ganze Schwingung
getrennte Zeitpunkte, zu denen die Beschleunigung des Elek-
trons gleich Null ist. Während des Zeitintervalles von t^ bis ^
wird eine bestimmte Energiemenge entsandt; dieser muß die
gesamte, in der gleichen Zeit von der rückwirkenden Ejraft Ä*
geleistete Arbeit entgegengesetzt gleich sein. Würde etwa zur
Zeit t^ die ungleichförmige Bewegung des Elektrons beginnen
und zur Zeit t^ endigen, so würde die gesamte Arbeit von ft'
und die gesamte Energie der entsandten Wellenstrahlung in
den Ausdrücken (57 a) enthalten sein.
72 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Wir können nun die rechte Seite von (57 a) durch partielle
Integration uniformen; da die Beschleunigung an den Gfrenzen
des Integrationsintervalles yerschwindet^ so wird
Wir erfüllen also die Energiegleichung, indem
wir setzen
d.h. indem wir die Reaktionskraft der Strahlung dem
zweiten Differentialquotienten des Geschwindigkeits-
vektors nach der Zeit proportional annehmen. Diese
dissipatiTe Krafb wirkt mithin nach einem anderen Gesetze ^ als
die Reibungskraft der gewöhnlichen Mechanik, welche man
der Geschwindigkeit proportional zu setzen pflegt. Man sieht
sofort; daß man^ durch Annahme einer Proportionalität mit
p, -jry oder auch mit ^t, oder irgendeinem höheren DiflPeren-
tialquotienten, oder auch einem Aggregate derartiger Glieder
nicht den richtigen Wert (57 a) der Arbeitsleistung erhalten
könnte. Wir wollen an dieser Stelle auf etwaige Bedenken^ die
der obigen Ableitung von ft' entgegengestellt werden könnten^
nicht eingehen^ da wir weiter unten (in § 15) Ton einem all-
gemeineren Standpunkte aus die Behandlung der Frage wieder
aufnehmen werden.^)
Durch Einführung des Ausdruckes (58) Ton ft* in (57)
erhalten wir
(88.) „||__=j.,+|!;^;,.
diese allgemeine Schwingungsgleichung tritt nunmehr an Stelle
von (56 a). Gemäß (52) kann hierfür geschrieben werden
1) H. A. Lorentz (Enzykl. d. mathem. Wissensch. V. Art. 14 Nr. 20)
gibt eine direktere Ableitung von (58).
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlimg einer bewegten Ponktladnng. 73
Die SchwingungBgleichung des elektrischen Di-
poles wird also bei Berücksichtigung der Strahlungs-
dämpfung eine Differentialgleichung dritter Ord-
nung.^)
§ 10. . Der Zeeman-Effekt.
Daß das elektromagnetische Modell eines lichtemittierenden
Moleküles^ welches wir soeben kennen lernten, in manchen Fällen
der Wirklichkeit entspricht, dafür ist der experimentelle Be-
weis durch die Entdeckung P. Zeemans*) erbracht worden.
Dieser Forscher hat gezeigt, daß die Spektrallinien in starken
magnetischen Feldern gewisse Veränderungen erfahren; diese
Veränderungen haben sich in den meisten Fallen ohne weiteres
auf Gb-und der Lorentzschen Theorie deuten lassen. Wir dürfen
nicht versäumen, den Zeeman-EfiPekt aus der im Torigen Para-
graphen entwickelten Theorie abzuleiten.
Führen wir, der Grundgleichung V gemäß, die von dem
äußeren Magnetfelde auf das Elektron ausgeübte Erafb in die
Bewegungsgleichung (56a) ein, so lautet diese
dt tn-,9. . e
""dt
= -7*^* + 7M'
oder, wenn wir überall, nach (52), die Geschwindigkeit li des
Elektrons durch das elektrische Moment p des Dipols ersetzen
und die spezifische Ladung rj =-^—^= — des nemtiven Elektrons
^ ^ ' cm cm °
einfahren:
(59) g + ,.^, = _4Jj§].
Dabei haben wir das Dämpfungsglied wiederum fort-
gelassen, weil der äußerst geringe Betrag der Dämpfung für
die Frequenzen der Eigenschwingungen nicht wesentlich in
Betracht kommt.
Wir legen der Integration der Schwingungsgleichung (59)
sofort ein geeignetes Koordinatensystem zugrunde. Die ;8^ -Achse
1) M. Planck, Ann. d. Phys. 60, S. 577. 1897.
2) P. Zeeman. Phil. Mag. 48, S. 226 u. 44, S. 265. 1897.
74 IBrater Abschnitt. Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen.
mag in Richtung der magnetischen Kraftlinien weisen^ während
die (a;j^) -Ebene auf diesen senkrecht steht; dann ergibt die
Eomponentenzerlegung
(59a) '-^+^'Pr=-vm^>
(59b) ^ + ^«^,,- + ,1^1^,
(59c) ^ + ^^,, = 0.
Die Schwingungskomponente parallel den magnetischen
Kraftlinien wird demnach von dem magnetischen Felde nicht
beeinflußt. Setzen wir
so ist die Frequenz v ^Jc die gleiche, welche allen drei
Schwingungskomponenten außerhalb des magnetischen Feldes
zukommt.
4
Was aber die Schwingungen in der (^y) -Ebene anbelangt,
so sind die Komponenten pxy py durch das magnetische Feld
miteinander yerkoppelt, wie die Gleichungen (59 a^ b) anzeigen.
Da« läßt vermuten, daß wir hier zwei voneinander und von
der ursprünglichen Frequenz k abweichende Frequenzen v* und
v" erhalten werden. Wir versuchen die Differentialgleichungen
(59 a, b) durch den Ansatz
(60) liaj^ae»''^ ^ly^fte'"'
zu befriedigen, wo a und b zwei komplexe, für Amplitude und
Phase der beiden Komponenten maßgebende Konstanten sind.
Wir finden
a (Ä* — v^) = — 1] \§\ bi Vy
Durch Elimination von a und b wird für v^ die quadra-
tische Gleichung erhalten
Bezeichnen wir mit v' die kleinere, mit v" die größere
der beiden Frequenzen, so erhalten wir
Zweites Kapitel. Die Wellenstraliliing einer bewegten Fnnktladmig. 75
t/>-h*=-ri\§\i/,
oder, weil nur positive Werte Ton i/, v" zulassig sind:
(60c)
Es werden also von den zu den Magnetkraftlinien
senkrechten Schwingungskomponenten des Dipols zwei
Spektrallinien entsandt, derenFrequenzen voneinander
und von der ursprünglichen Frequenz h abweichen.
Der Abstand der beiden Spektrallinien, in der Skala
der Frequenzen gemessen, beträgt
(60d) ^/'-^/« 12 1^1,
er ist gleich dem Produkte aus der spezifischen Ladung
der schwingenden Elektronen und der magnetischen
Feldstärke.
Die ursprüngliche Frequenz Tc entspricht nach (60 c) nicht
genau der Mitte der beiden abgeänderten Frequenzen v', v^\
Doch ergibt sich das Produkt iy |^| für alle herstellbaren
Felder so gering — nur mit intensiven Feldern gelingt über-
haupt die Trennung der Linien — , daß das Quadrat dieses
Produktes in (60c) zu vernachlässigen ist, und daß mit ge-
nügender Annäherung gesetzt werden darf:
(60 e) — I K
Um nun den Charakter der stattfindenden Schwingungen
zu erkennen, müssen wir das Verhältnis der 'Konstanten a, 6
aus einer der Gleichungen (60 ä) ermitteln. Für die langsamere
der beiden Schwingungen, von der Frequenz v\ folgt aus (60 a, b)
(60f) ^ = VA = + i,
iv'ri |§|
für die schnellere der beiden Schwingungen, von der Frequenz v",
76 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Es sind also^ sowohl f&r die langsamere^ wie f&r die
schnellere Schwingung; die Amplituden der beiden Kompo-
nenten }fx} Pp die gleichen; die Phasen jedoch weichen um
— voneinander ab. Beides sind demnach zirkuläre Schwin-
^n. Bei der langsamen Schwingung^ ist, nach (60f),
die y-Eomponente der n^-Komponente um ^ an Phase Toran^
d. h. die Kreisbewegung führte nach einer Yiertelschwingung^
von der ^-Achse zur rr-Achse^ sie stellt also eine negative
Drehung um die mit der js -Achse zusammenfallende Richtung
des magnetischen Feldes dar. Einem auf der Seite der posi-
tiven isr -Achse befindlichen Beobachter erscheint die Ereis-
Schwingung als Drehung im Sinne des Uhrzeigers, oder als
rechts -zirkuläre Schwingung. Bei der schnelleren Schwingung
hingegen ist nach (60 g) die a; -Komponente der j/-Eomponente
um — an Phase voran, diese Bewegung entspricht einer posi-
tiven Umkreisung der js^-Achse und ' erscheint einem auf der
Seite der positiven ;gr -Achse befindlichen Beobachter als links-
zirkulare, dem Uhrzeigersinne entgegengesetzte Schwingung.
Wir denken uns jetzt die Flamme zwischen den Polen
des Magneten; auf derjenigen Seite, nach der das magnetische
Feld gerichtet ist, mag der Magnet durchbohrt sein. Was
wird ein durch das Loch hindurchblickender Beobachter wahr-
nehmen?
Für diesen Beobachter kommen nur die Schwingungen in
der (a;y)-Ebene in Betracht; denn wir haben im vorigen Para-
graphen gesehen, daß nur die zur Blickrichtung senkrechten
Komponenten der Elektronenbewegung für die ausgestrahlten
Wellen maßgebend sind. Die der -Achse parallele Kom-
ponente sendet daher den Magnetkraftlinien parallel kein Licht
aus. Der Beobachter wird also bei spektraler Zerlegung
des Lichtes die ursprünglich einfache Spektrallinie verdoppelt
finden. Dieses Duplet von Linien ist zirkularpolari-
siert, und zwar erscheint dem Beobachter, welcher
den Kraftlinien des magnetischen Feldes entgegen-
blickt, die im Spektrum auf der roten Seite liegende
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Panktladnng. 77
Linie rechtszirkular, *die auf der violetten Seite
liegende linkszirkular polarisiert Die Beobachtung des
^^longitudinalen Zeeman-Effektes'^ hat in der Tat ein
derartiges Duplet ergeben^ wenigstens für die Mehrzahl der
untersuchten Spektrallinien. Hieraus ist zu schließen,
daß das negative Elektron es ist, welches die Spek-
trallinien ausstrahlt. In der Tat haben wir, bei der Auf-
stellung der Grundgleichung (69), die negative Ladung des
Elektrons bereits berücksichtigend
, , —e
' cm cm
gesetzt. Für die positiven Elektronen wäre in (59) das Vor-
zeichen von t] umzukehren, mithin auch in (60a); so würde
sich für die beiden Ejreisschwingungen das entgegengesetzte
Verhalten ergeben, indem die rechts -zirkuläre die schnellere,
die links -zirkuläre die langsamere sein müßte. Der Zeeman-
Effekt zeigt also, daß die im vorigen Paragraphen gegebene
Spezialisierung des elektromagnetischen Modelies einer Licht-
quelle, welche den periodischen Wechsel des Dipoles auf die
Schwingungen des negativen Elektrons zurückführt, für die
betrefiPenden Spektrallinien zutreffende Folgerungen ergibt. Die
Messung des Abstandes der beiden Linien des Duplets ge-
stattet es, wenn die magnetische Feldstärke bekannt ist, auf
Grund von (60d) die spezifische Ladung 1^ zu bestimmen.
Der von C. Bunge und F. Paschen gefundene Wert
(61) ^ = 1,68 • 10^
stimmt mit dem bei Eathodenstrahlen erhaltenen (vgl. § 2,
Gl. 9) so gut überein, als es bei der Schwierigkeit dieser
Messungen zu erwarten ist.
Übrigens hat sich auch die Forderung der Theorie, daß
der Abstand der Komponenten des Duplets, in der Skala der
Frequenzen gemessen, für alle Linien bei gegebenem magne-
tischen Felde der gleiche, und der magnetischen Feldstärke
proportional ist, in den Fällen bestätigt, wo überhaupt die
einfache Zerlegung in ein Duplet gefunden wurde.
78 -Bnter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Was wird uim ein Beobachter wahrnehmen; der das senk-
recht zn den Magnetkraftlinien ausgestrahlte Licht spektral
zerlegt? Er wird nach § 9 die Projektion der Schwingung
auf eine zur Blickrichtung senkrechte^ also den magnetischen
Kraftlinien des Feldes parallele Ebene beobachten. In der
Projektion ergeben aber die beiden zirkulären Schwingungen
geradlinige Schwingungen von den Frequenzen i/' und if\
senkrecht zu den Ejraftlinien. Hierzu tritt nun noch die
Schwingung ^« parallel ^den Kraftlinien, deren Frequenz die-
jenige der ursprünglichen Spektrallinie ist. Der Beobachter
wird also ein Triplet von Linien wahrnehmen; in den beiden
äußeren Linien finden die elektrischen Schwingungen
senkrecht zu den magnetischen Kraftlinien des äußeren
Feldes statt; diese sind also geradlinig parallel den Kraftlinien
polarisiert. Die innere Linie hingegen ist senkrecht zu den
magnetischen Kraftlinien polarisiert; in ihr finden die Schwin-
gungen des elektrischen Vektors parallel den Kraft-
linien des Magnetfeldes statt, in dem sich die Flamme
befindet. Auch diese Beschreibung des ^^transversalen
Zeeman-Effektes^^ entspricht, bei den meisten Spektral-
linien, der Beobachtung.
Diese einfache Form weist die Veränderung der Spektral-
linien im magnetischen Felde jedoch keineswegs in allen Fällen
auf Manche SpektralUnien, z. B. die gelben Natriumlinien D^
und Dg; teilen sich, anstatt in drei, in vier oder in sechs
Linien; gewisse Linien des Quecksilberspektrums weisen, bei
Beobachtung senkrecht zu den magnetischen Kraftlinien, sogar
eine Teilung in neun Linien auf. Wie die sorgfältigen Unter-
suchungen von C. Bunge und F. Paschen^) ergeben haben, sind es
gerade die Serienlinien, die solche anomalen Zeeman-Effekte
zeigen. Diese Untersuchungen haben sehr bemerkenswerte Gesetz-
mäßigkeiten festgestellt. Alle Linien einer und derselben Serie
weisen die gleiche Zerlegung im magnetischen Felde auf, sowohl
1) C. Runge u. F. Paschen. Sitzungsber. d. Berl. Ges. d. Wissensch.
1902, S. 380 Tl. 720. Vgl. den Artikel von C. Runge in H. Kaysers Hand-
buch der Spektroskopie Bd. IL
Zweites Kapitel. Die Wellenstralilniig einer bewegten Pnnktladimg. 79
was die Zahl, als auch was den in der Skala der Frequenzen
gemessenen Abstand der getrennten Linien anbelangt. Ja sogar
die Linien yerschiedener Elemente, die einer und derselben
Gruppe des Mendelejeffschen Systemes angehören, besitzen meist
den gleichen Zeeman-Effekt, wenn sie entsprechenden Serien
angehören. Der Zeeman- Effekt ist ein charakteristisches Merk-
mal für die betreffende Serie; er hat es in einigen Fallen er-
möglicht, bis dahin noch nicht in Serien eingeordneten Linien
ihren richtigen Platz anzuweisen.
Das in den beiden letzten Paragraphen entwickelte ein-
fache Modell eines leuchtenden Moleküles erweist sich, wie wir
sehen^ gerade für die Serienlinien als unzulänglich, da diese
Linien anomale Zeeman -Effekte zeigen. In der Tat konnten
wir das Bild eines einzelnen, unter dem Einflüsse einer quasi-
elastischen Eraft um eine stabile Gleichgewichtslage schwingen-
den Elektrons nur als eine provisorische Arbeitshypothese be-
trachten. Es ist merkwürdig genug, daß dieses Bild wenigstens
für die isolierten Linien von der Beobachtung bestätigt wird.
Es ist bisher noch nicht gelungen, die anomalen Zeeman-Effekte
vom Standpunkte der Elektronentheorie aus in befriedigender
Weise zu deuten. Die von C. Bunge und F. Paschen entdeckten
Gesetzmäßigkeiten lassen vermuten, daß eine befriedigende Er-
klärung nur in Verbindung mit der Theorie der Spektralserien
möglich sein wird. Jenes einfache elektrische Modell eines
Moleküles oder Atomes wird dabei zweifellos durch ein kompli-
zierteres zu ersetzen sein. Da unsere Kenntnisse der elektrischen
Struktur der Atome und Moleküle der Materie nur gering sind,
80 ist dabei der Hypothesenbildung ziemlich freies Spiel gelassen.
Anderseits sind die von-Balmer, Elayser und Bunge, Bydberg
und Bitz für die Wellenlängen der Spektralserien aufgestellten
Formeln so genau gültig, daß sie ein recht scharfes Kriterium
für die Zulässigkeit einer derartigen Hypothese bilden. Die
Deutung jener Spektralformeln, welche gleichzeitig die Theorie
der anomalen Zeeman-Effekte der Serienlinien ergeben müßte,
ist wohl die wichtigste und die schwierigste Aufgabe der elektro-
magnetischen Lichttheorie. Daß die Elektronentheorie nicht ganz
80 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
auf der falschen Fährte ist^ zeigt der Umstand^ daß hinsichtlich
der Polarisation die anomalen Zeeman- Effekte den normalen
ähnlich sind. So weisen z. B. von den neun Linien, in welche
gewisse Linien des Quecksilbers im magnetischen Felde sich
spalten y die drei inneren dieselbe Polarisation auf, wie die innere
Linie des einfachen Triplets, während die äußeren Linien eben*
so polarisiert sind, wie die äußeren Linien des Triplets bzw.
Duplets, nämlich bei Strahlung senkrecht zum ma^etischen
Felde geradlinig parallel den EJraftlinien, bei Strahlung parallel
dem magnetischen Felde zirkulär. Auch ist die Ghrößenordnung
der Linienabsiände, und der Sinn der Zirkularpolarisation,
derselbe, wie bei dem einfachen Duplet und Triplet. Das
läßt vermuten, daß auch hier die negativen Elektronen in
Bewegung begriffen sind, freilich unter weniger einfachen Be-
dingungen.
Bei der Strahlung der Bandenspektren ist es bisher nicht
gelungen, einen Zeeman- Effekt des magnetischen Feldes nach-
zuweisen. Man kann im Zweifel sein, ob dieses Licht von
Elektronen ausgesandt wird, die. mit Atomen der wägbaren
Materie verkoppelt sind, oder ob es den Schwingungen der
positiven Elektronen seinen Ursprung verdankt. Es ist viel-
leicht nicht ganz ausgeschlossen, daß es mit Hilfe einer ver<
feinerten optischen Technik einst gelingen wird, über diese
Frage Auskunft zu erhalten.
§ 11. Die elektromagnetischen Potentiale einer bewegten
Punktladung.
In § 9 haben wir bei der Berechnung des Hertzschen
Vektors für eine schwingende Punktladung uns gewisse Ver-
nachlässigungen gestattet. Wir haben angenommen, daß die
Bewegung der Ladung auf einen Bereich sich erstreckt, dessen
Abmessungen klein gegen die Entfernung der Punküadung
vom Aufpunkte sind. Sodann haben wir die Geschwindigkeit
der bewegten Ladung als klein gegen die Lichtgeschwindigkeit
angesehen. Diese Voraussetzungen wollen wir jetzt fallen
lassen. Wir betrachten ein Elektron^ welches sich
Zweites EapiteL Die Wellenstrahlung einer bewegten Punktladung. gl
beliebig im Banme bewegen kann; seine Geschwin-
digkeit soll zunächst beliebig groß angenommen
werden. Wir lassen indessen auch jetzt noch die Größe und
Gestalt des Elektrons unberücksichtigt, indem wir dasselbe
wie eine Punktladung behandeln. Wie wir bereits früher er-
wähnten, ist es vom Standpunkte der Nahewirkungstheorie
aus undenkbar, daß eine endliche ElektriziiStsmenge auf einen
mathematischen Punkt zusammengedrängt wird, da dieses einen
unendlichen Wert der Feldenergie ergeben würde. Wir werden
diese Bemerkung später bestätigt finden und werden der
Dynamik des Elektrons bestimmte Annahmen über seine Form
und Bewegungsfreiheit zugrunde legen. Immerhin werden sich
die Abmessungen des Elektrons so gering — von der Ord-
nung 10~^' cm — ergeben, daß es f&r manche Zwecke aus
reichend ist, das Elektron als Punktladung zu betrachten. Das
wird selbstrerständlich nur für solche Aufyunkte erlaubt sein,
deren Abstand vom Elektron groß gegen dessen Abmessungen
ist. Dieser Bedingung genügen jedenfalls die in der Wellenzone
gelegenen Au^unkte. Daher werden wir die Formeln dieses
Paragraphen insbesondere zur Ermittelung der von einem
rasch bewegten Elektron entsandten Wellenstrahlung yerwerten
können. Wir werden so der in § 9 entwickelten Theorie der
ruhenden Lichtquelle eine Theorie der bewegten Licht-
quelle an die Seite stellen und werden anderseits gewisse
Eonsequenzen der Stokes-Wiechertschen Hypothese entwickeln,
welche die Böntgenstrahlen als die beim Aufprall der
Eathodenstrahlen auf die Antikathode entsandte Wellenstrahlung
anspricht. Diese Folgerungen sind gerade dadurch bemerkens-
wert, daß sie sich auf den Grenzfall eines Elektrons von ver-
schwindenden Abmessungen beziehen. Welche Voraussetzungen
man auch über die Gestalt des Elektrons machen möge, beim
Gh'enzübergang zu yerschwindend kleinen Abmessungen muß
sich stets dasselbe Resultat ergeben. Freilich ist dieser Gh'enz-
übergang, wie wir sehen werden, nicht immer erlaubt. In
allen Fällen jedoch, in denen er erlaubt ist, sind die Ergebnisse
als Folgerungen der Grundhypothesen der Elektronentheorie
Ab r ab am, Theorie der Elektrizität, n. $
82 Erster Absclinitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
aUein anzusehen, die in den Grundgleichungen (I) bis (V)
formuliert sind.
Wir bestimmen die elektromagnetischen Potentiale der
Punktladung auf Ghrund der allgemeinen Formeln (50, 51).
Wir denken uns. eine Elektrizitatsmenge e, die einen ge-
wissen endlichen Bereich erfüllt. Die Entfernung des Auf-
punktes P soll groß sein gegen die Abmessungen jenes
Bereiches. Wir erinnern uns der Deutung mit Hilfe der auf
den Auf punkt hin sich mit Lichtgeschwindigkeit kontrahierenden
Kugel, durch die wir die Formeln (50 a) und (51a) erläuterten.
Für unseren Aufpunkt P ist der Radius X der Kugel grofi
gegen die Abmessungen der Flachenstücke f, in denen sie das
bewegte Elektron schneidet; es sind mithin diese Flächenstücke
mit genügender Annäherung als eben zu betrachten; durch
diese Ebenen wird das Elektron in dünne Scheiben von der
Höhe dh zerschnitten; die einzelne Scheibe enthält die Elek-
trizitätsmenge fgdh = de.
Nun bezieht sich die Integration in (50) nicht auf die
Volumelemente des bewegten Elektrons, sondern auf die jeweils
von Elektrizität erfüllten Volumelemente des Baumes. Will
man den Beitrag
XdkdcoQ === dfQ-j-
berechnen, den die Elektrizitätsmenge de der einzelnen Scheibe
zu dem Werte von im Aufpunkte beisteuert, so muß man
den Abstand dX der beiden Lagen der sich kontrahierenden
Kugel berechnen, wo diese in die elektrizitätserfüUte Scheibe
eintritt bzw. aus dieser austritt; dieser Abstand ist im Baume,
nicht im bewegten Elektron gemessen zu denken. Es ist aber
nicht schwer, dX zu berechnen. Setzen wir
dX = cdt,
so ist är die Zeit, während deren die mit der Geschwindig-
keit c durch den Baum eilende Fläche über die Scheibe von
der Höhe dh hinwegstreicht. Diese Zeit berechnet sich als
Quotient aus der Höhe dh und der dieser Höhe parallelen
Komponente der Belativgeschwindigkeit der bewegten Fläche
Zweites Kapitel. Die Wellenstralilniig einer bewegten Punktladnng. 83
und der bewegten Scheibe. Die Engel bewegt sich mit Licht-
geschwindigkeit (c) senkrecht zu der Grundfläche der Scheibe^
während die Geschwindigkeit der Scheibe durch die Geschwin-
digkeit ti des Elektrons sich bestimmt; und zwar ist die
Komponente von ti in Richtung nach dem Mittelpunkte der
Eugel^ d. h. in Richtung des Yom Elektron nach dem Auf-
punkte hin gezogenen Radiusvektor t zu nehmen. Folglich
ist die entsprechende Komponente der Relativgeschwindigkeit
von Kugel und Scheibe gleich c — Hr. Es ist also die Zeit dt,
während deren die Kugel die Scheibe überstreicht:
, dh
dx = 7-;
c — H^
r
und daner
(62) dX = cdx = -^^
1-^
Wir haben soeben stillschweigend angenommen^ daß c > br
ist; d. h. daß das Elektron von der sich kontrahierenden Kugel
überholt wird. Bewegt sich hingegen das Elektron mit Über-
lichtgeschwindigkeit^ so kann der Fall eintreten^ daß es^ die
kontrahierende Kugel überholend^ von außen nach innen durch
dieselbe hindurchtritt. In diesem Falle ist die Relativ-
geschwindigkeit dr — Cy und es ist
(62a) dX = -^
^-1
c
zu setzen. Allgemein ist zu schreiben
(62b) dX
dh
c
Doch wollen wir zunächst 1 1' | < c annehmen und an (62)
die weitere Betrachtung anknüpfen.
Wir erhalten als Beitrag unserer Scheibe zum skalaren
elektromagnetischen Potential im Aufpunkte
/ftcä \ nj* dX dfgdh 1 de
(62c) dfQ ^ '-\-
04) '('-"^)
6
84 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen,
Es bleibt nur die Integration über die einzelnen Scheiben
übrig. Da der Abstand r des Axd^nnktes als groß gegen die
Abmessungen des Elektrons angesehen wnrde^ so ist er bei
der Integration konstant zn halten. Die Integration ist daher
ohne weiteres anszofuhren^ falls es anch erlaubt ist, ti als
konstant anzusehen für diejenige Zeit, während deren die Kugel
über das Elektron hinwegstreicht. Sie ergibt in diesem Falle
(63) * =
(■4)
als Wert des skalaren elektromagnetischen Potentiales
fär Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit.
In dem Gh'enzfalle einer Punktladung ist es natürlich
ohne weiteres gestattet, (l -\i ebenso wier, bei der Inte-
gration über das Elektron als konstant anzusehen. Da wir
indessen diesen Grenzfall nicht als streng yerwirklicht be-
trachten, so bedeutet die Eonstantsetzung dieser Größen eine
gewisse Einschränkung des Gültigkeitsbereiches der Formel (63).
Erstens ist diese Formel, wie schon erwähnt, nur auf solche
Aui^unkte anzuwenden, deren Abstand Yom Elektron groß
gegen die Abmessungen des Elektrons ist Schließen wir das
Elektron in eine Kugel vom Radius a ein, so muß
(63 a) T groß gegen a
sein. Zweitens aber muß, damit die Veränderung von — in
der Zeit _ > während deren die Kugel über das Elektron
hinwegstreicht, für keinen der Au^unkte in Betracht kommt,
(63b) c {^''1^1^ I) tlein gegen 1
sein (d stellt den Beschleunigungsyektor dar).
Nur dann, wenn die Abmessungen des Elektrons
80 klein, die Beschleunigung so gering und die
Geschwindigkeit von der Lichtgeschwindigkeit so
entfernt ist, daß die Bedingungen (63a) und (63b)
Zweites Kapitel. Die Welleostrahlung einer bewegten PnnktladTing. 85
erfüllt sind, ist es gestattet^ das Elektron durch eine
Punktladung zn ersetzen.
Sind diese Bedingungen erfüllt^ so laßt sich die Berech-
nung des Yektorpotentiales nach der Formel (51) in ent-
sprechender Weise durchfahren. Es iaitt nur an die Stelle
des Skalars q der durch (10) bestimmte Vektor q — Schließen
wir Rotationen des Elektrons aus, so ist der Beitrag jeder
einzelnen Scheibe zum Yektorpotential
de —
c
i-'i)
Ist nun die Bedingung (63 b) erfüllt, so ist auch die
Änderung, welche — beim Hinwegstreichen der mit Licht-
geschwindigkeit bewegten Kugel über das Elektron erfahrt,
zu \|taiaeblassigen, und es führt die Integration über die
einzemen Scheiben ohne weiteres zu dem Ausdruck
(64) « = - '^
(■4)
rc
des elektromagnetischen Yektorpotentiales.
Die Formeln (63) und (64) für die elektromi^etischen
Potentiale einer bewegten Punktladung sind von A. Lienard^)
und E. Wiechert*) abgeleitet worden. Infolge der geringen
Abmessungen des Elektrons erweisen sie sich auch für ziemlich
betrachtliche Beschleunigungen und bis unmittelbar an die
Lichtgeschwindigkeit heran als gültig. Der Fall unstetiger
Bewegung des Elektrons hingegen sowie der Fall einer be*
schleunigten Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit liegen nicht
in ihrem Gültigkeitsbereiche, weil hier die Bedingung (63 b) nicht
mehr erfCÜlt ist. Auch ungleichförmige Bewegungen mit Über-
lichtgeschwindigkeit dürfen nicht auf Grund dieser Formeln be-
handelt werden, weil es bei solchen Bewegungen immer Auf-
1) A. Liänard, L'^clairage ^ectrique 16. 1898. S. 6, 63, 106.
2) E. Wiechert, Arch. nöerland. (2) 6. S. 649. 1900. Ann. d. Phys. 4.
8.667. 1901.
86 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
punkte gibt, wo c — tir = c — |d|cos(ti,t) gleich Null wird;
auf solche Aufpunkte hin eilt die kontrahierende Eugel mit
derselben Geschwindigkeit wie das Elektron, so daß ti bei der
Integration über das Elektron nicht als konstant angesehen
werden darf. Auch die Aiiwendung auf gleichförmige Be-
wegung mit Überlichtgeschwindigkeit gibt sich dadurch als
unzulässig kund, daß es Au^unkte gibt, für welche der Nenner
in (63) bzw. (64) verschwindet; diese Punkte liegen auf einem
Kegel, der mit der Bewegungsrichtung den Winkel arc sin \t^)
einschließt. In solchen Aufyunkten dräogen sich, da die
kontrahierende Kugel stets die mit Überlichtgeschwindigkeit
bewegte Pimktladung durchschneidet, die zu allen voran-
gegangenen Zeiten entsandten Beiträge zusammen; daher rührt
das Unendlichwerden der Ausdrücke (63) und (64). Dasselbe
mit fort, wenn man die Elektrizität des Elektrons ^f ein
Volum von endlichen, wenn auch geringen, Abmessung^ ver-
teilt annimmt. Es ist demnach für den Fall der Licht-
geschwindigkeit und der Überlichtgeschwindigkeit
der Grenzübergang zur Punktladung unzulässig. Die
Anwendung der Formeln (63) imd (64) zur Ermittelung des
Feldes eines bewegten Elektrons ist auf Bewegungen mit
Unterlichtgeschwindigkeit einzuschränken.
Aus der Ableitung dieser Formeln geht hervor, daß t
bzw. ti Radiusvektor vom Elektron nach dem Aufpunkt und
Geschwindigkeit des Elektrons zu der Zeit t' bedeuten, als
die mit Lichtgeschwindigkeit c sich kontrahierende Kugel über
das Elektron fortstrich. Diese Zeit
(64a) f = t
r
c
bestimmt sich für einen jeden Au^unkt, wenn die Bewegung
des Elektrons gegeben ist; denn r ist dadurch als Funktion
von f gegeben. Falls, wie weiterhin angenommen wird, die
Geschwindigkeit des Elektrons kleiner als c ist, so kann- die
Kugel das Elektron immer nur ein einziges Mal schneiden.
Es ordnet sich mithin für einen gegebenen Aufpunkt P der
Zweites KapiteL Die Wellenstrahlung einer bewegten PankÜadimg. 87
Zeit t des Eintreffens der Störung die Zeit t^ des Entsendens
in eindeutiger Weise zu. Da offenbar
dr
ist, so folgt aus (64 a)
> - - Üi
oder
(64c)
dl
dt'
d
('■+^L,_.,
dt'
1-
dt'
dt
Man kann daher die Formeln (63) und (64) auch fol-
gendermaßen schreiben:
6 dt'
(65)
r dt
cb dt^
rc dt
Aus den elektromagnetischen Potentialen folgt nach (28)
und (29) das elektromagnetische Feld der bewegten Punktladung.
§ 12. Das Feld einer gleichförmig bewegten Ponktladung.
Wir betrachten eine Punktladung; die sich gleichförmig
mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Es mag JE?' (Abb. 2)
Abb. 2.
ihre Jiage zur Zeit f gewesen sein, als sie die Beiträge (63)
und (64) zu den elektromagnetischen Potentialen entsandte, die
zur Zeit t im Aufpunkte P eintreffen ; E hingegen sei der Punkt,
in dem die Ladung sich zu der Zeit t befindet. Es ist daher
88 Bnter Abachnitt. Daa Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
und die Projektion von E'E axd E'P:
Folglich ist
Wir können anderseits FP durch den von der gleich-
zeitigen Lage E des Elektrons nach dem Anrankte P hin
gezogenen Radiusvektor H ausdrücken. Es ist
FP-^BcoBx = Ryi-Bin^X'
Da nun aus elementargeometrischen Gb*ünden gilt
sin;C • sinV' =^ ^'^ ' -E'P = |
so folgt
(66) ril-^)^ JByi-/J»sin«V',
wobei abkürzungsweise gesetzt ist
— : r ==
c
eti
(66a) /5 = ^ < 1-
Da die Geschwindigkeit der Punktladung kleiner ist^ als
die Lichtgeschwindigkeit^ so ist ß ein echter Bruch.
Die Formeln (63) und (64) ergeben jetzt
(66 b) * =
(66 c) «= ,
als die elektromagnetischen Potentiale der gleich-
förmig bewegten Punktladung. Wie man sieht^ hängt
ihr Wert zur Zeit t nur ab von der Lage des Aufpunktes,
bezogen auf die gleichzeitige Lage des Elektrons und auf die
Bewegungsrichtung. Führen wir Koordinaten X, T, Z ein,
mit F als Eoordinatenursprung und der Bewegungsrichtung
als X-Achse, so gilt
Zweites Eapitel. Die Wellenstrahlimg einer bewegten PnnkÜadTing. 89
(67) «-f «.-^. «,-«.-0,
wenn
(67a) 5 - JByi - /}«sin*^ = yx* + (1 - ß^) (F» + Z^)
gesetzt wird.
Bezogen auf ein mit dem Elektron mitbewegtes Bezugs-
system, sind die elektromagnetischen Potentiale, nnd mithin
die Felder des elektrischen und des magnetischen Vektors,
von der Zeit unabhängig.
Indem wir das mit dem Elektron translatorisch bewegte
Bezugssystem zugrunde legen, können wir das elektromagnetische
Feld aus (28), (29) ohne weiteres ableiten. Wir haben nur
zu beachten, daß die vom bewegten Bezugssystem aus beurteilte
zeitiiche Änderung des Vektors ll (vgl. Bd. I, Gl. 116, S. 113)
^ = ^ + (>F)« =
ist. Daraus {olgii
1 a«^ a«^
Es ergibt daher (29)
i f^ a* a«^ a$
(67b) { =-^ + ^^='-(^-^')^'
nach Ausführung der Differentiationen folgt
(67c) ««-(l-ZJ*)^' «,-(l-|3«)^, «.= (l-/{«)if;
oder, in vektorieller Schreibweise
(67 d) « = (i_^«)^.
Der elektrische Vektor weist parallel dem von
der jeweiligen Lage des Elektrons aus konstruierten
Radiusvektor H.
Anderseits ergibt sich aus (28) für die Komponenten des
magnetischen Vektors:
90 Si^ster Abschnitt. Dae Feld ü. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
(67e)
^''°° 'dz~ Pdz — P*"
oder Tektoriell geschrieben
Der magnetische Vektor steht senkrecht auf der
Bewegungsrichtung des Elektrons und 9.uf dem Radius-
vektor Ä. Das durch (67d, f) bestimmte Feld führt die
Pnnktladung bei ihrer Bewegung mit.
Das elektromagnetische Feld einer gleichförmig bewegten
Punktladung ist zuerst von 0. Heaviside^) angegeben worden.
Es entspricht dem Felde eines gleichförmig bewegten Elektrons
in Entfernungen ; die groß gegen die Abmessungen des Elek-
trons sind.
Wir berechnen noch den durch die Grundgleichung (V)
bestimmten Vektor
g = « + i[ö^];
derselbe gibt die elektromagnetische EJraft an^ welche auf die
Einheit der mitbewegten Ladung wirkt. Es ist nach (67 b, e)
»«-«. =-(i_/}B)|*,
gf, = «, + /s§. = -(i-/s')U»
oder vektoriell geschrieben
(68) % FW, !P'=(1-|3»)-1.
Die elektromagnetische Kraft auf die mitbewegte
Einheit der Ladung stellt sich als negativer Gradient
1) 0. Heaviside, Electrical papers. II. S. 495.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Punktladnng. 91
eines Skalars W dar. Dieser wird das ^^Konvektions-
potentiaP^ genannt.
Wir wollen die Flachen konstanten Konvektionspotentiales
konstroieren. Diese Flachen
(68a) s.« = X» + (1 - /S«) (r* + Z^) = Constans
sind abgeplattete Rotationsellipsoide; ihr Mittelpunkt fällt in
die Pnnktladung, ihre Rotationsachse in die Bewegongsrichtnng;
ihr Achsenverhältnis ist
(68 b) yi~/J«:l.
Diese Ellipsoide werden Heayiside-Ellipsoide genannt;
ihre Abplattung wächst mit wachsender Geschwindigkeit der
Ladung.
Setzt man /3 = 0, so .geht das Feld des Vektors f^ in das
elektrostatische Feld^ das Eonvektionspotential W in das elektro-
statische Potential über; die Schar der einander ähnlichen
Heayiside-Ellipsoide geht in eine Schar konzentrischer Kugeln
über. In der Theorie der Konvektionsstrahlung spielt das
Eonvektionspotential eine ähnliche Rolle, wie das elektro-
statische Potential in der Elektrostatik. Die Äquipotential-
flächen eines ruhenden, geladenen Körpers sind, in großer
Entfernung Yon dem Körper, stets konzentrische Kugeln. Dem-
entsprechend nehmen die Flächen konstanten Konvektions-
potentiales in dem von einem gleichförmig bewegten Elektron
erregten Felde, in großen Entfernungen vom Elektron stets
die Form von Heaviside-Ellipsoiden an; senkrecht zu diesen
Flächen ist die Kraft gerichtet, welche das Elektron auf eine
mit gleicher Geschwindigkeit ihm parallel bewegte Ladung
ausübt.
Die Feldstärken (67 d, f) nehmen, mit wachsender Ent-
fernung von der erregenden Ladung, umgekehrt proportional
dem Quadrat der Entfernung ab. Bei gleichförmiger Bewegung
des Elektrons bildet sich demnach keine Wellenzone aus, es
findet keine Energieabgabe durch Strahlung statt, sondern es
wird die Energie vom Elektron konvektiv mitgeführt. Das
92 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
gleichförmig bewegte Elektron stellt eine reine Eon-
vektionsstrahlung dar. Eine Wellenstrahlnng wird nur
dann entsandt, wenn die Geschwindigkeit der bewegten Ladung
sich dem Betrage oder der Bichtong nach ändert.
§ 13. Das Feld einer ungleichförmig bewegten Ponktladnng.
Die allgemeinen Formeln, welche wir in § 11 für die
elektromagnetischen Potentiale einer Punktladimg gewonnen
haben, gestatten es, das Feld einer beliebig bewegten Punkt-
ladimg zu ermitteln. Beschränken wir uns auf den Fall der
Unterlichtgeschwindigkeit, auf Beschleunigungen, welche der
Bedingung (63b), und auf Entfernungen, welche der Be-
dingung (63a) genügen, so stellen die so zu erhaltenden
Formeln das Feld eines ungleichförmig bewegten Elektrons
dar. Sie sind insbesondere darum von Interesse, weil sie die
Wellenstrahlung eines beschleunigten Elektrons enthalten.
Wir schreiben die Ausdrücke (63, 64) der elektro-
magnetischen Potentiale folgendermaßen:
(69) * = -, « = -,
^ ^ S 8C
wobei wir abkürzungsweise
(69a) s = r(l-^) = r-i(tir)
setzen.
Dabei bedeutet t den Radiusvektor, der von der bewegten
Punktladung nach dem festen Aufpunkte P gezogen ist. Wir
nehmen die Bewegung der Punktladung als gegeben an, und
betrachten demnach t als bekannte Funktion von t'. Die Ge-
schwindigkeit des Elektrons zur Zeit t^ ist
(69b) t. = - |i,
deren Komponente parallel dem nach dem Aufpunkte hin-
gezogenen Radiusvektor:
(69c) ^r = -%-
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Pnnktladung. 93
Femer ist die Beschleunigung, die das Elektron zur Zeit t'
erfahrt:
(69d) « - ^ .
Der zur Zeit t' von der Ponktladnng entsandte Beitrag
trifFt nun nach Durchlaufdng des Latensweges r im Aufpunkte P
ein, also zur Zeit
(70) t-i' + j-
Ist anderseits der Aufpunkt P gegeben, und die Zeit t des
Eintreffens der Störung in P, so ist, durch Gleichung (70), die
Zeit t' des Entsendens in eindeutiger Weise bestimmt. Es ist
diejenige Zeit, zu der die auf den Au^unkt hin sich mit Licht-
geschwindigkeit kontrahierende Engel die Punktladung trifft.
Für den hier behandelten Fall der Unterlichtgeschwindigkeit
ist Zeit und Ort des Treffens eindeutig bestimmt, wenn die
Bewegung der Ladung gegeben ist.
Bei gegebenem Aufpunkt ordnet sich, gemäß (70), einer
jeden Zeit t des Eintreffens eine Zeit-^' des Entsendens zu.
Dem Übergang zur Zeit t + dt des Eintreffens entspricht, bei
festgehaltenem Au^unkt, ein Übergang zur Zeit f+dt' des
Entsendens; dabei ist, nach (70),
^'^ dt'^ c df dt^
oder, nach (69 c und a),
c
Diese Relation ist dem Sinne nach durchaus mit der
Gleichung (64 c) identisch. Sie unterscheidet sich von ihr nur
der Form nach, indem wir dort totale, hier partielle Diffe-
rentiationszeichen gebrauchen. Das geschieht darum, weil wir
den Aufpunkt P nicht ein für allemal festhalten, sondern es
uns vorbehalten, bei festgehaltener Zeit, den Au^unkt P zu
verrücken. Einer solchen Yerrückung des Aufpunktes würde
eine Änderung der Zeit f des Entsendens entsprechen, die
wir in kartesischer Schreibweise durch die partiellen Differential-
94 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen»
quotienten nach den Koordinaten des Anfpnnktes auszudrücken
hätten. In vektorieller Schreibweise wird die Veränderung
Ton t^ bei Verschiebung des Au^unktes durch den Gradienten
Ff sich ausdrücken. Nach (70) ist
c
Bei der Berechnung des Grradienten von r ist nun mit
Vorsicht zu verfahren. Würde nur der Au^unkt verschoben
und der Ort der Punktladung festgehalten^ so würde der
Gradient des Abstandes r mit dem vom Elektron zum Auf-
punkte hinweisenden Einheitsvektor t^ identisch sein. Nun
entspricht aber der abgeänderten Zeit t' des Entsendens eine
Verrückung der Punktladung^ die zu einer Abstandsänderung
dr
di
Veranlassung gibt.
Es wird demnach
Ft'^-trP't'
o = (i-^)r^'+it,.
Hieraus folgt , mit Bücksicht auf (70 a)
(70b) Ff ^%.
Daneben ergibt sich
(70c) ^»-"tilT-
Würde man anderseits^ bei festgehaltenem Aufpunkte,
r partiell nach der Zeit t differentiieren, so würde nur der
Zuwachs des Abstandes infolge der Abänderung der Zeit t^ des
Entsendens und der hierdurch bedingten Verrückung der Punkt-
ladung in Frage kommen; es wird
(70d) __==^_ _=._|,^_.
Durch partielle Differentiation nach der Zeit und nach
dem Orte des Aufyunktes sind aus den elektromagnetischen
Potentialen (69) die Feldstärken, gemäß (28) und (29), ab-
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Punktladnng. 95
zuleiten. Um diese Differentiationen durchführen zu können^
müssen wir noch angeben ^ wie s und li nach Zeit und Ort zu
differentiieren sind. Was zunächst s anbelangt, so ist dasselbe,
nach (69a), bei gegebenem Aufpunkte nur von t' abhangig.
Man hat daher
ds ds dt*
~dt~'dt' dl^
und, nach (69 a bis d):
Der Gradient von ^ hingegen ist
c ^ ^
Wie bei der Berechnung des Grradienten von r, so ist auch
bei der Berechnung des Grradienten des skalaren Produktes
zu beachten, daß nicht nur der Aufpunkt verschoben wird,
sondern daß dem verschobenen Au^unkte sich, gemäß (70),
ein anderer Qrt der Punktladung zuordnet. Die a;-Komponente
des bei festgehaltener Punktladung genommenen Gradienten
von (II t) ist
acut)
Es ist demnach der erste Bestandteil des Gradienten gleich ti.
Der zweite, infolge der Verrückung der Punktladung hinzu-
tretende Bestandteil ist
d{1»x)
!)rr = {(iit)-ii«
Fi\
dt'
Es wird demnach, gemäß (70b)
r(tit) = li-^j(iit)-li^
Mit Bücksicht auf (70c) folgt endlich als Gradient von s:
(71a) rs=.r,{l+i(i.r)-";)^'-^
dt^
dt
96 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegnug der einzelnen Elektronen.
Was die partiellen Differentialqnotienten von i nach t, x, y, z
anbelangt y so gilt^ da ti nar von V abhängt^ nach (69 d)
In entsprechender Weise gilt z. B.
dy ""■•'ay' de '^^^dz'
Daher ist die a?-Eomponente von curl i
an, ^^if^rr^f Hl
Entsprechende Ausdrücke gelten für die übrigen Kompo-
nenten; wir &S8en sie, Gleichung '(70b) berücksichtigend, zu
der Yektorgleichui^ zusammen:
(71c) curlti=i[j.t,]|^.
Wir haben jetzt die Mittel gewonnen, am auf Grand der
Formeln (28, 29):
§ = curl Ä
aus (69) das elektromagnetische Feld abzuleiten. Wir erhalten
Nach (71a) ist hier zu setzen
Femer folgt aus (71) und (70a)
mithin
Mit Bücksicht auf (71b) und (70 a) wird demnach der
folgende Ausdruck des elektrischen Vektors erhalten:
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlimg einer bewegten Pnnktladnng. 97
dabei ist^ abkürzimgsweise^
(72a) ^«»^
gesetzt worden. *
Der magnetische Vektor hingegen wird, nach B«gel (x)
in I, S. 438
§„lcurl{|]-;^cnrH,+^^[tl,F4
Hierin sind die Ausdrücke (71c) und (71a) einzniaugen,
und es ist wieder^ nach (70a); s durch r und (-^j auszudrücken.
Dann folgt^ als Ausdruck des magnetischen Vektors^
■ ('8)»-,^.[»,.](^)'+.-i,[..j|l-^+J,(».))(^)'
Die Formeln (72) und (73) stellen das elektro-
magnetische Feld einer beliebig bewegten Punkt-
ladung dar.^) Die elektrische Feldstärke setzt sich aus zwei
Vektoren zusammen. Der erste Vektor ist der Beschleunigung
der Punktladung zur Zeit t^ entgegengerichtet. Der zweite
Vektor ist parallel zu
(73a) « = r{t,^|}=«t-lif
um diesen Vektor geometrisch zu interpretieren, gehen
wir auf die Abbildung (2) des vorletzten Pan^aphen zurück.
Wir haben es hier allerdings nicht, wie dort, mit gleich-
förmiger, sondern mit ungleichförmiger Bewegung zu tun.
Betrachten wir indessen, statt der wirklichen Bewegung, eine
solche, die gleichförmig mit der Geschwindigkeit ti erfolgt,
welche die Punktladung gerade zur Zeit t' des Entsendens
f
1) Ich habe diese Formeln ohne Angabe des Beweises in den Vor-
lesnngen vorgetragen, die ich im Wintersemester 1901/02 an der üni-
versitöt Göttingen über die Theorie der elektromagnetischen Strahlung
gehalten habe. Einen Beweis veröffentlichte E. Schwarzschild, Göttinger
Nachrichten 1908, S.132.
Abraham, Theorie der Elektrisit&t. IL 7
98 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
(im Punkte E*) besafi; so wird sie während der Latenszeit —
die Strecke ^'jE= Ii • — beschreiben. W wird dann derVektor^P
c
der Figur 2, der von dem gleichzeitigen Orte des Elektrons
nach dem Aufpunkte hin gezogen ist. Diesem Radiusvektor
parallel weist der zweite Bestandteil des elektrischen Vektors.
Bei einer wirklich gleichförmigen Bewegung geht er in (67d)
über.
Den magnetischen Vektor können wir in der Form schreiben:
(73b) § = [tx«];
derselbe steht mithin senkrecht auf dem vom Orte des Ent-
sendens E^ nach dem Aufpunkte hin gezogenen Radiusvektor^
und auf dem elektrischen Vektor.
Wir sind nunmehr in der Lage^ den allgemeinen Aus-
druck der elektromagnetischen Ejraft anzugeben^ welche die
Punktladung e auf eine zweite, zur Zeit t den Aufpunkt P
mit der Geschwindigkeit ti' passierende Punktladung e' ausübt.
Diese Kraft ist, der Ghrundgleichung V gemäß,
i'5 = .'{« + i[ti'§])
Durch Einführung von (73b) erhalten wir
>'SJ = e'{« + i[tt'[t,«]])
und erkennen; dafi die Ej^ in der Ebene der Vektoren t^
und e liegt. Nach Regel (Ö) in Bd. I, S. 437 können wir
auch schreiben
(73c) e'ff = c'{«(l-'!^) + A(ö'g)}.
Wir können diese Kraft mit K. Schwarzschild^) als „ele-
mentare elektrodynamische Kraft^^ bezeichnen. Dieselbe
hängt ab von Geschwindigkeit und Beschleunigung der Ladung e
zur Zeit des Entsendens, und von der Geschwindigkeit der
1) K. SchwarzBchild, Gott. Nachr. 1903, S.182.
Zweites EapiteL Die Wellenstrahlung einer bewegten Punktladung. 99
Ladung e'^ auf welche die Kraft wirkt; zur Zeit des Ein-
treffens der Erregung.
In der Femwirkungstheorie der Elektrodynamik stellte
man ein Elementargesetz f&r die Wechselwirkung zweier elek-
trischer Ladungen an die Spitze und suchte auf dieses die ganze
Theorie zu begründen. Wir haben , den Vorstellungen der
Maxwellschen Theorie gemäß ^ die einfache und exakte Grund-
lage der Elektrodynamik in den Differentialgleichungen des
elektromagnetischen Feldes gesehen. Als entfernte Folgerung
jener Grundgleichungen hat sich nunmehr ein Elementargesetz
f&r die Wechselwirkung zweier Elektronen ergeben; dasselbe
ist indessen weder einfach, noch in Strenge gültig. Wissen
wir doch; daß das wirkende Elektron nur dann als Punkt-
ladung betrachtet werden darf, wenn die Bedingungen (63 a)
und (63 b) erfüllt sind. Nur in dem durch diese Bedingungen
eingeschränkten Gültigkeitsbereiche wird man mit dem Ele-
mentargesetze (73 c) operieren dürfen. Innerhalb dieses Be-
reiches kann man, wenn die Bewegung des ersten Elektrons
vorgegeben ist, aus Gleichung (70) für jeden Ort des zweiten
Elektrons die zugehörige Zeit t* des Entsendens, und aus (73 c)
die zur Zeit t auf das zweite Elektron ausgeübte Ej^ft er-
mittehi. Um aber die Rückwirkung auf daß erste Elektron
berechnen zu können, muß man die Beschleunigung kennen,
welche diese Kraft dem zweiten Elektron erteilt; hierfür reichen
jedoch die bisherigen Entwickelungen keineswegs aus. Viel-
mehr werden wir zur Berechnung der Bewegung eines Elek-
trons bei gegebener Erafi; erst im nächsten Kapitel die Hilfs-
mittel gewinnen. Dort werden wir auf die Grundgleichungen
I bis y zurückgehen, und in einfachen Fällen näherungsweise
gültige Lösungen derselben ermitteln. Solange uns die Lösung
des „Einelektronproblemes^^ noch unbekannt ist, kann uns das
Gesetz der elementaren elektrodynamischen Kraft nur von ge-
ringem Nutzen sein. Es bestimmt zwar die Kraft, aber nicht
die Bewegung, welche sich die beiden Elektronen gegenseitig
mitteilen; es führt nicht einmal zur Aufstellung der Differential-
gleichungen des ;,Zweielektronenproblemes^^
7*
100 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Wir kehren zurück zu den Formeln für das elektro-
magnetische Feld. Nach (73 b) ist
[§t,] = - [t, [ti«]] = « - 1, (t,9).
Da nuU; nach (72)^ sich ergibt
80 folgte mit Bücksicht auf (70 a):
C«) - ^ (1 - « Q'. ,
und somit
(73d)
dt'\*
« = L§tj + y(i-/8«)(^)
eine Formel; die der Formel (73b) als Gegenstück gegenübertritt.
In der Wellenzone, wo die Feldstärken umgekehrt pro-
portional der Entfernung r abnehmen, vereinfachen sich die
Ausdrücke (72, 73) der Vektoren 9, §. Es wird
Berücksichtigen wir, dafi nach (70a)
dt' ^ 1 1
dt ^ ür'"^ (ürQ^
und daß daher
(..,..-!)-l-<-^-l:f^)
ist, so erhalten wir
•-^(w)lK-il(".)-»(n,..-|)
f;
oder, nach Regel d in Bd. I, S. 437
(74)
^ e (dt\^ r II .1
Dabei ist
(74a)
\=.
ft
wo W den durch (73 a) definierten und oben geometrisch ge-
deuteten Vektor vorstellt. In der Wellenzone steht, nach
Zweites EapiteL Die WeUenfltrahlting einer bewegten Ponktladnng. 101
(74)^ der elektrische Vektor senkrecht auf dem Badius-
yektor t^ der von dem Orte des Entsendens aus kon-
struiert ist. Er liegt in der Ebene der Vektoren tt
und i. Die Formel (73 d) geht in der Wellenzone über in
(74b) <S = [§tj;
da anderseits allgemein (73b) gilt, so folgt: in der Wellen-
zone stellen (t, ^ und r^ ein System dreier wechsel-
seitig aufeinander senkrechter Richtungen dar; der
elektrische Vektor ist dem Betrage nach dem magne-
tischen gleich. Der Strahlvektor
(74c) «=^[«§] = ^[«[t,«]] = ,,^e«
weist parallel dem von der Punktladung aus ge-
zogenen Badiusvektor.
Es liegen demnach hier durchaus dieselben Verhaltnisse
Tor; wie in der Wellenzone eines ruhenden Dipoles (ygL § 9).
Die jetzt erhaltenen Formebi müssen natürlich, wenn man zu
langsamer Bewegung des Elektrons übergeht, in die damals
aufgestellten Formeln (54) übergehen. Das trifiPt in der Tat
zu; denn nehmen wir |ti{ klein gegen c an, und setzen dem-
gemäfi -^ » 1^ so ergibt (74) denselben Ausdruck von 4E,
welcher dort aus (54) und (54 a) folgte. Die nunmehr ge-
wonnenen allgemeinen Formeln für die Feldstarken der ent-
sandten Wellen unterliegen nicht den Einschränkungen, unter
denen wir dort das Problem der Lichtstrahlung behandelten.
Die hier abgeleiteten Relationen bestimmen die
Wellenstrahlung, die von einem beschleunigten Elek-
tron ausgesandt wird, auch dann, wenn die Ge-
schwindigkeit des Elektrons von der Ordnung der
Lichtgeschwindigkeit wird. Nur die Überlichtgeschwindig-
keit, die unmittelbare Nachbarschaft der Lichtgeschwindigkeit,
sowie der Fall einer außerordentlich raschen, stoßartigen Ge-
schwindigkeitsänderung sind durch die Bedingung (63b), die
allen unseren Entwickelungen zugrunde liegt, ausgeschlossen.
Li den beiden nächsten Paragraphen werden wir weitere Folge-
102 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
rungen aus unseren Resultaten ableiten. Wir werden die ge-^
samte Energie und Bewegungsgröße berechnen^ die von einer
rasch bewegten Punktladung ausgestrahlt wird; und werden
alsdann die Bückwirkung der Strahlung auf die bewegte Ladung;
in allgemeinerer Weise als im § 9; bestimmen.
§ 14. Theorie des bewegten lenohtenden Punktes.
Die Kenntnis der Energie und der Bewegungsgröße; die
ein beliebig rasch bewegtes Elektron bei einer Geschwindigkeits-
änderung ausstrahlt; ist; entsprechend der Mannigfaltigkeit der
von der Elektronentheorie umfaßten Vorgänge; in mehrfacher
Hinsicht von Wichtigkeit. Erstens kann man auf Grrund dieser
Kenntnis sich ein urteil darüber bilden; inwieweit es gestattet
ist; bei einer ungleichförmigen Elektronenbewegung die Energie
und die Bewegungsgröße als vom bewegten Elektron mit-
geführt anzusehen. Bei einer stationären geradlinigen Be-
wegung ist das stets gestattet; diese stellt eine reine Konvek-
tionsstrahlung dar. Die ungleichförmige Bewegung ist keine
reine Konvektionsstrahlung; ein Teil der Energie und Be-
wegungsgröße wird dabei in Wellenstrahlung verwandelt. Bei
wenig beschleunigten ;;quasistationären'' Bewegungen kommt
jedoch die ausgestrahlte Energie und Bewegungsgröße gegen-
über der mitgeführten kaum in Betracht; sie kann bei manchen
Aufgaben; z. B. bei der Ermittelung der Beschleunigung und
Ablenkung der Elektronen durch äußere Felder; ganz vernach-
lässigt werden. Wann diese Vernachlässigung gestattet ist;
und wann nicht; ds^ kann man dann beurteilen; wenn man
die ausgestrahlten Anteile der Energie und der Bewegungs-
größe kennt.
Treffen die im Kathodenstrahle bewegten Elektronen auf
die Antikathode; so werden sie vermutlich; in das Innere
eindringend; von den Molekülen der wägbaren Materie wieder-
holt aus ihrer Bahn abgelenkt. Hier wird die entsandte
Wellenstrahlung von Bedeutung; nach der Stokes-Wiechertschen
Hypothese ist sie mit der von der Antikathode ausgehenden
Röntgenstrahlung identisch (vgl. § 3). Die Beziehung zur
Zweites Kapitel. Die WelleiiBtrahliiiig einer bewegten Punktladnng. 103
Theorie der Bontgenstrahlen verleiht den Entwickelnngen
dieses Paragraphen ebenfalls ein gewisses Interesse.
Drittens aber ist die Kenntnis der allgemeinen Gesetze
der WeUenstrahlung einer beschleunigten Punktiadnng für
die Optik bewegter Körper von Bedeutung. Wir haben in
§ 9 ein elektromagnetisches Modell des ruhenden licht-
entsendenden Moleküles kennen gelernt; wir nahmen an^ daß
es aus einem ruhenden positiven und einem schwingenden
negativen Elektron besteht^ und zeigten (§ 10); daß die normale
Form des Zeeman- Effektes durch dieses denkbar einfachste
elektromagnetische Modell erklärt wird. Hat man es nun mit
einem bewegten Molekül zu tim, so wird man in konsequenter
Verfolgung jener Vorstellung ein positives und ein negatives
Elektron sich denken müssen; die Bewegung des positiven ist
durch die Bewegung des Moleküles bestimmt^ während das
negative Elektron um das bewegte positive sdiwingt. Ein
solcher bewegter und gleichzeitig schwingender elek-
trischer Dipol stellt das einfachste Modell des be-
wegten leuchtenden Punktes dar. Vorzugsweise mit
Bücksicht auf das Problem des bewegten leuchtenden Punktes
werden wir in diesem Paragraphen unsere Ansätze verfolgen.
Bevor wir dazu übergehen^ wollen wir unsere Theorie zu
einigen allgemeineren Prinzipien in Beziehung setzen^ die für
die Optik bewegter Körper von fundamentaler Wichtigkeit
sind. Wir denken uns wieder den ruhenden Aufpunkt P und
den bewegten Dipol^ der jetzt mit dem bewegten leuchtenden
Punkte identifiziert wird; wir verstehen unter t^ die Zeit,
zu der das Licht von dem bewegten Punkte ausgesandt wird,
unter t die Zeit, zu der es den ruhenden Punkt P erreicht.
Diese beiden Zeitpunkte sind durch die Relation (64 a) ver-
knüpft; aus ihr leiteten wir die Beziehung (64c) ab; wir
wollen dieselbe schreiben
^^^^ dt l-ßcostp'
indem wir mit ß das Verhältnis der Geschwindigkeit {li| des
leuchtenden Punktes zur Lichtgeschwindigkeit bezeichnen, und
104 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
mit (p den Winkel^ den zur Zeit {f) des Entsendens der 6e-
schwindigkeitsvektor d mit dem nach dem Aui^unkte hin
gezogenen Radiusvektor t einschloß. Das in dem Zeit-
elemente df von dem bewegten leuchtenden Punkte
entsandte Licht passiert den ruhenden Punkt P in
dem durch (75) bestimmten Zeitelement dt.
Die Gleichung (75) stellt die allgemeine Fassung des so-
genannten ^^Dopplerschen Prinzipes^' fÖr eine bewegte
Lichtquelle dar. Wir gelangen zu der gewohnlichen Fassung
dieses Prinzipes, indem wir die Gleichung auf den Fall perio-
discher Schwingungen des lichtentsendenden Dipols anwenden;
wir bezeichnen mit r', v^ Schwingungsdauer und Frequenz der
Schwingungen des Dipols^ mit r, v hingegen diejenige Schwin-
gungsdauer und Frequenz^ welche der ruhende Beobachter
in P wahrnimmt. Erfolgt die translatorische Bewegung des
leuchtenden Punktes während einer Schwingung merklich
gleichförmig und geradlinig, so gilt die Beziehung (75), welche
die Zeitelemente des Entsendens mit denen des Auffangens
verknüpft, auch für die gesamte Dauer der in der Lichtquelle
bzw. in dem ruhenden Aufpunkte P stattfindenden Schwin-
gungen; es wird
(75 a)
t' V
v' 1 — /? cos 9
und das ist eben die gewöhnliche Fassung des Dopplerschen
Prinzipes: Die Schwingungsdauer x der wahrgenom-
menen Schwingungen wird verkleinert, wenn der
leuchtende Punkt dem Beobachter sich nähert (9) ein
spitzer Winkel), sie wird vergrößert, wenn der leuch-
tende Punkt sich vom Beobachter entfernt (9) ein
stumpfer Winkel). Bei Annäherung der bewegten Lichtquelle
werden demnach alle Spektrallinien nach der violetten, bei
Entfernung nach der roten Seite des Spektrums verschoben.
Das gilt, wenn der Beobachter ruht. Bewegt er sich
dagegen mit der Geschwindigkeit d*, so braucht die Welle,
die in der Zeit dt den ruhenden Punkt P passiert, die Zeit
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Panktladang. 105
(75b) dt* = ^ = i-pfcosy*
um über den bewegten Punkt hinwegzustreichen. Es gilt
folglich
/fyp' \ d** __ 1 — p cos qp
^ ^^ dt' "" l-/J*COBq)**
Dieses ist die allgemeinste Fassung des Doppler-
schen Prinzipes. Sie fußt im Grunde nur auf der Rela-
tion (64a); diese aber sagt nichts anderes auS; als daß die
Lichtfortpflanzung im Baume nach allen Seiten hin mit der
gleichen Geschwindigkeit (c) erfolgt und daß das Licht seine
Geschwindigkeit weder infolge der Bewegung der Lichtquelle^
noch infolge der Bewegung des Beobachters ändert. Nur diese
Grundvoraussetzung der elektromagnetischen Lichttheorie kommt
bei der Ableitung des Dopfilerschen Prinzipes ins Spiel. Es
sind demnach nur die Feldgleichungen für den Äther^ nicht
die sonstigen Voraussetzungen der Elektronentheorie^ die dem
Dopplerschen Prinzipe zugrunde liegen.
Für periodische Lichtschwingnngen bestimmen sich die
Schwingungsdauer t* und die Frequenz t;*, welche der be-
wegte Beobachter wahrnimmt^ folgendermaßen:
(75d) ^ = ^ = /-;^^^ -
Bewegen sich Lichtquelle und Beobachter einander parallel
mit einer nach Richtung und Betrag konstanten Geschwin-
digkeit; so ist
ß* = ß, (!p* = y;
es folgt demnach aus (75 C; d)
(75e) g* = l, T*-r', v* = v'.
Bei gemeinsamer Translationsbewegung der Licht-
quelle und des Beobachters fallt die Dopplersche
Korrektion fort. Der bewegte Punkt P wird in der gleichen
106 Srster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Zeit dt^ von der Welle überstriclien; in der die Welle von der
bewegten Lichtquelle entsandt wurde; eine Farbenandening
infolge der Bewegung findet nicht statt. Wie wir wissen
(I^ S. 433); befindet sich die Erde in einer ^^absoluten^' Be-
wegung; irdische LichtqueUen und irdische Beobachter führen
im Räume eine gemeinsame Translationsbewegung aus. Der
obige Satz lehrt nun^ daß die Periode des wahrgenommenen
Lichtes mit der Periode der in der irdischen Lichtquelle statt-
findenden Schwingungen identisch ist.
Die zur Zeit t' vom leuchtenden Punkte ausgehende
Störung wird, zur Zeit t, eine Kugelfiache vom Badius
r =^ c(t — t') einnehmen. Wir wählen die Zeit t so groß, daß
die Kugel sich bereits bis zur Wellenzone ausgedehnt hat.
Hier sind die Feldstarken diejenigen, die wir am Schlüsse des
vorigen Paragraphen kennen lernten. Da die Beträge der
Feldstärken einander gleich sind, so ist die elektrische Energie-
dichte der magnetischen gleich; die gesamte Energiedichte ist
^(«^+«1=Ä«*-
8
Wir bezeichnen mit do den körperlichen Winkel, unter
dem ein Flächenelement der Eugel vom Mittelpunkte aus ge-
sehen wird. Die Breite der in der Zeit dt^ entsandten Welle
beträgt cdt, da die mit Lichtgeschwindigkeit forteilende Welle
in der Zeit dt über den ruhenden Aufpunkt forteilt; dabei
ist dt durch df gemäß dem Dopplerschen Prinzip zu be-
stimmen (Gleichung 75). Die Energie der im Zeitelemente dt^
entsandten Welle betnLgt demnach
'^fd(ofS'dt = dt''^fd(o(B
g dt
dt'
Dieselbe ist zwischen zwei exzentrischen Eugelfiächen ent-
halten; die Kugelflächen expandieren sich mit Lichtgeschwin-
digkeit; dabei nimmt (B* umgekehrt proportional zu r^ sh, so
daß die gesamte Energie des Wellenimpulses bei der Aus-
breitung im Räume sich nicht ändert. Diese Energie ist in
der Zeit dt^ von der bewegten Lichtquelle in den Raum ent-
Zweites KapiteL Die Wellenstrahlnng einer bewegten FnnktladTing. 107
sandt worden. Die pro Zeiteinheit ausgestrahlte Energie
beträgt
doe«^*
dt'
Wir können die Strahlung des leuchtenden Punktes auch
auf einem anderen Wege berechnen^ nämlich auf Grund des
Poyntingschen Satzes. Der Poyntingsche Vektor weist, nach
Gleichung (74 c), parallel dem Eugelradius, es wird mithin
seine in Richtung des Radius genommene Komponente mit
seinem Betrage identisch:
(76a) @, = 5=^«l
Der Poyntingsche Satz bestimmt nun (vgl. § 4) den Energie-
strom, der in der Zeiteinheit durch die Flächeneinheit einer
ruhenden Fläche hindurchtritt. Dieser „absolute Energie-
strom'' ist gleich der Normalkomponente des Vektors ®.
um mit Hilfe des Poyntingschen Satzes die ausgestrahlte
Energie zu bestimmen, müssen wir den leuchtenden Punkt
durch eine ruhende Fläche einschließen; wir wählen zweck-
mäßigerweise eine Kugel, welche zur Zeit t gerade mit. der
zur Zeit f entsandten Kugel koinzidiert. Dabei dürfen wir
aber nicht übersehen, daß die Zeit, während deren die in der
Zeit df Yon dem bewegten leuchtenden Punkte entsandte
Welle durch die Kugel tritt, nicht an allen Punkten der Kugel
die gleiche ist. Sie bestimmt sich, gemäß dem Dopplerschen
Prinzip, für die verschiedenen Punkte der Kugel in verschie-
dener Weise; es ist eben die Zeit, die wir oben (in Glei-
chung 75) mit dt bezeichnetenT Will man mit Hilfe des
Poyntingschen Satzes die Energie bestimmen, die
von einem bewegten leuchtenden Punkte entsandt
wird, so hat man die Zeit, während deren die Welle
durch die Elemente der ruhenden Fläche tritt, dem
Dopplerschen Prinzipe gemäß zu berechnen. Die in
der Zeit dt* entsandte Strahlung wird dann, nach (76a),
dt
'fda}8dt^dt''^fd(o(&'
108 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Man sieht sofort, daß für die sekundliche Strahlung der
bewegten Lichtquelle ein Ausdruck folgt^ der mit (76) genau
übereinstimmt.
Man kann nun aber auch statt der ruhenden Fläche eine
dem leuchtenden Punkte parallel mitbewegte Fläche zugrunde
legen. Für eine solche fallt , wie wir oben zeigten, die
Dopplersche Korrektion fort. Die in der Zeit dt' entsandte
Welle tritt in dem gleichen ZeitintervaU df durch die gleich-
formig mitbewegte Fläche. Auf eine bewegte Fläche ist
aber der Poyntingsche Satz nicht ohne weiteres an-
zuwenden. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß zu dem
absoluten elektromagnetischen Jhiergiestrom, der nach der
Poyntingschen Theorie im Baume stattfindet, derjenige Energie-
strom tritt, der allein eine Folge der JBewegung der Fläche
ist. Der letztere beträgt pro Flächeneinheit
wenn ü^ die parallel der äußeren Normalen genommene Kom-
ponente der Geschwindigkeit der bewegten Fläche ist; denn
die Energie, die infolge der Bewegung der Fläche in der Zeit-
einheit durch die Flächeneinheit tritt, ist gleich ü^, multi-
pliziert mit der Energiedichte; sie tritt bei der Bewegung von
außen nach innen; ®y, die Normalkomponente des Poynting-
schen Vektors, gibt dagegen den durch die Veränderung des
Feldes allein bedii^en, von innen nach außen tretenden
Energiestrom an. Die Differenz
(76b) «,_^ [«.+ §.}
stellt den Energiestrom durch die bewegte Fläche, oder, wie
wir sagen wollen, den „relativen Energiestrom" dar.
Die Anwendung auf unsere, den gleichförmig bewegten
leuchtenden Punkt einschließende mitbewegte Kugel ergibt,
da die Geschwindigkeit der Kugel mit ihrer Normalen den
Winkel 9? einschließt, und da in der Wellenzone 6^ = §^ ist,
gemäß (76 a)
Zweites Kapitel. Die WellenstraMnng einer bewegten Panktladnng. 109
ir(c-n.|co8 9,) = -i^e«(i-^co8y)
4« ^ ' ' ^^ 4L7e
als Wert des relativen Energiestromes. Die in der Zeit-
einheit durch die ganze Kugel hindurchtretende Energie wird
demnach
r*e r
dieser Ausdruck stimmt^ nach (75); wiederum genau mit dem
in (76) erhaltenen Werte für die in der Sekunde ausgestrahlte
Energie überein.
Die sinngemäße Anwendung des Poyntingschen Satzes
ergibt demnach in jedem Falle den richtigen Wert für die
Strahlung, die Yon der bewegten Lichtquelle entsandt wird.
Dabei kann man eine ruhende oder eine mitbewegte Fläche
der Anwendung des Poyntingschen Satzes zugrunde legen.
Im ersteren Falle ist die Dopplersche Korrektion zu berück-
sichtigen; im letzteren Falle fallt zwar die Dopplersche
Korrektion fort, es ist jedoch der Poyntingsche Satz mit
Bücksicht auf die Bewegung der. Fläche zu korrigieren.
Das Dopplersche Prinzip und der Poyntingsche Satz sind
die Grundpfeiler der Strahlungstheorie. Derjenige, der sich
mit ihnen nicht gründlich vertraut gemacht hat, ist den Pro-
blemen der Optik bewegter Körper nicht gewachsen. Denn
es wird ihm nicht gelingen, zwischen der Skylla des Doppler-
sehen Prinzipes und der Gharybdis des Poyntingschen Satzes
unversehrt hindurchzusteuem.
Neben der ausgesandten Energie ist für die Mechanik des
bewegten leuchtenden Punktes die ausgesandte Bewegungs-
größe von Wichtigkeit. Wie wir in § 5 allgemein gezeigt
haben, ist die Dichte der elektromagnetischen Bewegungsgröße
dem durch c^ dividierten Strahlvektor gleich. In der Wellen-
zone des leuchtenden Punktes ist mithin, nach (74c), die
Dichte der Bewegungsgröße
8 = ti "^^
1 10 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Dieser Vektor ist an Stelle der Energiedichte —& in
die Formel (76) einzusetzen^ um die in der Zeiteinheit
Ton dem bewegten leuchtenden Punkte entsandte
Bewegungsgröße zu erhalten:
In (76) und (77) ist unter % die Feldstärke der vom
bewegten leuchtenden Punkte entsandten Wellen zu verstehen.
Handelt es sich um eine gleichförmige geradlinige Bewegung
des leuchtenden Punktes^ so ist nach der Vorstellung^ die wir
uns von dem Vorgange in der Lichtquelle machten^ das posi-
tive Elektron in gleichförmiger^ geradliniger Bewegung be-
griffen, während das negative Elektron kleine Schwingungen
um das positive ausfOhrt. Wir wollen voraussetzen, daß die
Geschwindigkeit der Schwingungsbewegung klein ist gegen
diejenige der gemeinsamen Translation. Alsdann ist unter ü
in (74) der konstante Geschwindigkeitsvektor der bewegten Licht-
quelle zu verstehen. Der daselbst auftretende Vektor (vgl. 73 a)
(77a) « = r(t,-'|)=tr-lij
gewinnt in diesem FaUe eine vereinfachte Bedeutung. Es ist
(vgl. Abb. 2 in § 12) der Radiusvektor, der nach dem Auf-
punkte von dem gleichzeitigen Orte des Elektrons aus ge-
zogen ist.
Das gleichförmig bewegte positive Elektron trägt nichts
zur Strahlung bei; denn die Feldstärken des von ihm erregten
Feldes nehmen mit dem Quadrate des Abstandes ab und ver-
schwinden in der Wellenzone gegen diejenigen des schwin-
genden negativen Elektrons. Wir können mithin für (S den
dt'
Ausdruck (74) einführen. Dabei ist ^ dasselbe (vgl. 70 a),
was wir jetzt als Dopplersche Korrektion bezeichnet und, auf
einen festgehaltenen Aufpunkt uns beziehend, -tt geschrieben
haben. Nach (75) wird daher
(^^^) «=° .c'(X-;cos.)» ['^^-7>']]-
Zweites Kapitel. Die WellenBtrahlung einer bewegten Ponktladong. m
Unter H ist dabei die konstante Geschwindigkeit des
leuchtenden Punktes zu yerstehen, unter i die Beschleunigung
des schwingenden negativen Elektrons. Es ist zu betonen^
daß die obigen Einschränkungen sich nnr auf die Anwendung
beziehen^ die wir Yon unseren Formeln machen. Bändelt es
sich um die Energie und Bewegungsgroße , die yon einem
einzehien beschleunigten Elektron ausgesandt werden^ so sind
unsere Formeln in dem Bereiche gültig, den wir bereits in
§11 umgrenzten; ü und li stellen dann die Geschwindigkeit
und die Beschleunigung dar, welche dem Elektron zur Zeit t'
des Entsendens erteilt wurden. Nur die Anwendung auf die
Theorie des bewegten schwingenden Dipols gründet sich auf
die erwähnte yereinf achende Annahme, daß der periodische
Teil yon ü klein ist gegen den konstanten, die Translations-
geschwindigkeit des Dipols darstellenden TeiL
Nach Regel d in Bd. I, S. 437 ist
[ti[ti-^i]]={ti--J|(in)-6(l-^cos()p).
Berücksichtigt man nun, daß
(77c) (n - ") = ^^l + ß'-2ß cos g>,
SO erhält man
+ |(i»«)(««ti)(l-/»cos9)),
wobei übrigens, nach (74c), durch CS^ zugleich der Strahl-
Tektor bestimmt ist:
(77e) ® = 'iii
2
Wir ziehen zunächst zwei spezielle Fälle in Betracht,
nämlich erstens den Fall, daß die Schwingungen des negatiyen
Elektrons parallel, und zweitens den, daß sie senkrecht zur
Bewegnngsrichtung der Lichtquelle erfolgen.
112 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegimg der einzelnen Elektronen.
I. Longitndinal schwingender Dipol.
Hier gilt
(i ti)* = b^ cos* q),
- (i n) (i ti) «» i^ß cos 9?.
Es wird daher aus (77 d) nach einigen Umformimgen
/«QN ^t _ e'i'sin'y
Die Einführung in (76) und (77) ergibt, bei Berück-
sichtigung von (75),
y„Q >. dWi e^i* I doi sin* tp
für die ausgestrahlte Energie, und
/7ftM — ^^1 _ ^*^* / * dco t^ sin* y
für die ausgestrahlte Bewegungsgröße.
n. Transversal schwingender Dipol.
Hier gilt
(H Ö) = und (ö t^y = 6* sin* 9? cos* g,
wenn g den Winkel der Ebenen der Vektoren (H, i) und (H, r^)
anzeigt, 9), g demnach Polarkoordinaten der Einheitskugel sind.
Es wird
Die Einfalming in (76) mid (77) ergibt
(79b) -^•-^/^°>'^4 (i-/co,.p)'
für die bei transversalen Schwingungen stattfindende
Strahlung von Energie und von Bewegungsgröße.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlxmg einer bewegten Ponktladnng. 113
Was die ausgestrahlte Bewegongsgröße anbelangt, so er-
kennt man ohne weiteres, daß nur die der Bewegungsrichtung
parallele Komponente Ton Null yerschieden sein kann. In der
Tat, betrachten wir zwei Punkte der Einheitskugel, die sich
in bezug auf die Bewegungsrichtung spiegelbildlich entsprechen,
d. h. dasselbe g) und ein um 180^ yerschiedenes g besitzen, so
sind die den beiden Punkten zugehörigen Einheitsvektoren t^
in (78 b) mit demselben Ausdruck multipliziert, und ebenso
in (79 b). Es zerstören sich also die Beiträge der betreffenden
Elemente der Einheitskugel hinsichtlich der zu ü senkrechten
Komponenten, und es bleibt nur die zu ü parallele Komponente
übrig. Führen wir die neue Integrationsyariable
w = — cos tp
ein, wodurch
da) = öfwdg
wird, so ergibt die Integration nach g:
4-1
^*^^J dt' 2c^J (X + ßuy'
— 1
+ 1
^^^^) " "5F ^U^ßJ (x + ßu)^-'
— 1
1+1 +11
r du _ !-/?« rdujX^u*) I
J {1 + ßuy 2 J (1+ßuy y
1+1 +1 I
J (i+ßuy 2 J (i + ßur
— 1 — 1
Zur Auswertung der Integrale schreitend, setzen wir ab-
kürzungsweise
(80) x«=l-/5«.
Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 3
114 Enter Abscbnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Es gilt
A
+ 1
du
(1 + /?W)» X»
— 1
daher
(9K(\^\ Ä^(-^) _l d r du 2ß
i.ö^a; J (1 + ßu)' "" 2 d/?y (1 + /?u)« "= X*"
— 1 —1
Femer findet man leicht
(«0») /<i|fe--i
und folglich
+ 1 +1
/* duu* ^ l d* r du ^ 2(1 + 5/?») ^
— 1 — 1
da außerdem
-hl
<lu 2(1 + /?*)
Jll + ßu)
-1
ist; so wird schließlich
3x<
1
Anderseits ergibt sich ans (80a):
-i-l 4-1
/ * duu * _t d fdu{-u) _ 2(1+8/?')
(1 + ^t*)*- ^^dßj (l + ßuy^ 3x« '
— 1 —1
nnd mit Bücksicht auf die leicht abzuleitende Beziehung:
+ 1
du 2(3 + /?«)
J {i+ßuy 3x^
-1
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten FnnktladTing. 115
— 1
woraus endlich folgt:
A
+ 1 +1
^ ^ 7 (1 + ^t*)^ ~4d/?^ (l+^u)* -Sic«"
-1 —1
Nach (79c, d) und (80c, d) wird die von longitudi-
nalen Schwingungen des Dipoles ausgestrahlte Energie
und Bewegungsgröße:
dW^ 2c*i*
(81)
(81a)
dt' 3c»x«'
dV •^Sc^x«
Aus (79e, f) hingegen, in Verbindung mit (80a bis d),
folgt die von transversalen Schwingungen des Dipoles
ausgestrahlte Energie und Bewegungsgröße:
(81b) ^dTr,__2e|i«,
(81c)
dt' 3c»x*'
dt' "^ Z c'^x''
Es ergibt sich also, bemerkenswerterweise, die
Strahlung bei transversalen Schwingungen im Ver-
hältnis X* = 1 — /J* kleiner, als bei longitudinalen
Schwingungen. Bei langsamer Bewegung, wenn ß^ gegen 1
zu vemach^ssigen ist, kommt natürlich dieser Unterschied
nicht in Betracht. Alsdann gehen die Formeln (81) und (81b)
in die Hertzsche Formel (55) für die Strahlung eines ruhenden
Dipoles über.
Die Formeln (81a, c) zeigen an, daß der bewegte leuchtende
Punkt fortgesetzt elektromagnetische Bewegungsgröße in den
Baum hinaussendet, und zwar überwiegt die der Bewegungs-
richtung parallele Komponente. Da nun die Summe der im
ganzen Baume enthaltenen Bewegungsgröße, elektromagnetische
8*
116 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
nnd mechanisclie zusammen^ den Ergebnissen des § 5 zufolge
konstant sein muß, falls eine äußere Kraft an der Lichtquelle
nicht angreift; so nimmt die Bewegungsgröße der Lichtquelle
selbst pro Sekunde um den entsprechenden Betrag ab, d. h.
es übt die ausgesandte Strahlung eine Beaktionskraft
auf den leuchtenden Punkt aus^ welche der Bewegung
entgegenwirkt. Dieselbe beträgt:
(81d) Ä* = — 11-0-6-6 för longitudinale Schwingungen,
& c n
2 e^h^
(81e) Äg = — H^-ß— 4 für transversale Schwingungen.
Dabei sind natürlich Mittelwerte über eine Schwingung zu
nehmen. Um die Geschwindigkeit konstant zu halten , muß
jene EJraft durch eine andere^ äußere Kraft äquilibriert werden.
Wir gehen jetzt zu dem allgemeinen Falle über, wo das
negative Elektron in der Lichtquelle ganz beliebige Schwin-
gungen ausführt, so daß 6 mit ü einen ganz beliebigen, und
auch im Verlaufe der Schwingungen periodisch wechselnden
Winkel einschließt. Wir können dann setzen
wo bi zu ü parallel, b^ zu ü senkrecht ist. Führt man dieses
in (77 d) ein, so treten erstens Glieder auf, die zu b^* bzw.
zu b^^ proportional sind; diese führen zu den soeben berechneten
Werten der von der longitudinalen Komponente bzw. von der
transversalen Komponente ausgesandten Strahlung. Zweitens
aber treten noch Glieder auf, die dem Produkte | fii | • | dg | pro-
portional sind, nämlich
-2{b^t,) {b,t,) (1 -/J«) 2 cos 9) sin <jp cosg |6J.|ög| (1-/J«),
und
- (6i H) (igti) (1 — /5 cos <p) = 2ß sin 9? cos g (1 — /5 cos (p) |dJ • {i^
{ t ist der Winkel, den die Ebenen der Vektoren (i, H) und
(t, d) einschließen, so daß 9, g Polarkoordinaten der Einheits-
kugel sind}.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Ponktladnng. 117
Diese beiden Glieder ergeben zu d* den Beitrag
ij.|i,|.6'Binyco8g . _ ,
Hc*(l-pco8 9))« ^P cosy>
Die entsprechenden Anteile der Ausdrücke (76) und (77)^
d. h. der Strahlung Yon Energie und Bewegungsgröße, sind
und
''l^ill^^tl / <i» sin qp cos f .^ v
^^ J (l-pcosy)' <fi - "^ y)
^>,|_^/ d»t,nnyco«g ^_ ^ ^
4«c* ^ (1 — /Jcosqp)* ^ ^^
2e
Setzt man hier wieder w «= — cos 9, d(o = du dt, so ver-
schwindet der erste Ausdruck ohne weiteres bei der Integration
nach g.
Die Komponenten des im zweiten Gliede angegebenen
Vektors sind gesondert zu behandeln. Es sind die Kompo-
nenten von ti'.
parallel zu ü gleich cos q>,
parallel zu b^ gleich sin (p cos g,
senkrecht zu H und ii^ gleich sin 9 • sin g.
Die erste und dritte Komponente der ausgestrahlten Be-
wegungsgröße verschwindet ohne weiteres, wie die Integration
nach t ergibt. Die zweite Komponente wird nach Ausfahrung
dieser Integration zunächst:
+1
Gemäß (80 c, d) hat auch dieses Integral den Wert Null.
Wir haben also bewiesen: Es superponieren sich die
Energie- und Impulsstrahlungen der longitudinalen
und der transversalen Schwingungskomponenten des
bewegten Dipples, was die Gesamtstrahlung an-
belangt. Ist 7} der Winkel der Vektoren ü und b, so wird,
nach (81) und (81b), die pro Sekunde ausgestrahlte
Energie:
118 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
(82)
dW
dt'
2 ß
3 c
' . « f cos' ri , sin* ri \
wofür man^ mit Rücksicht auf die Bedeutung (80) Yon x^,
auch schreiben kann:
oder auch
(82b) -
dW 2 e
Ebenso kann nach (81ay c) für die ausgestrahlte Be-
wegungsgröße geschrieben werden:
(83)
dt^
2 e*
¥c^
ji« (lri)M
Bezüglich ihrer mechanischen Bückwirkung auf die be-
wegte Lichtquelle kann die Strahlung durch die Kraft ersetzt
werden
(83a)
•* 8 c»"
?;
welche im Mittel dieselbe Abnahme der Bewegungsgröße der
Lichtquelle bedingt. Dieser Kraft muß durch eine in die Be-
wegungsrichtung der Lichtquelle fallende äußere Kraft — St*
das Gleichgewicht gehalten werden, wenn anders die Ge-
schwindigkeit konstant bleiben soll. Die Arbeit der äußeren
Kraft wird in elektromagnetische Energie der entsandten
Wellenstrahlung verwandelt; sie beträgt pro Sekunde
(83b)
-(P»')-+V;ß'^
c*x« J
Dieser Anteil der ausgestrahlten Energie ent-
stammt also nicht der thermischen und chemischen
Energie der Lichtquelle, sondern eben der mecha-
nischen Arbeit der Kraft — St', welche der Rück-
wirkung der Strahlung das Gleichgewicht hält. Der
Rest der pro Sekunde in Wellenstrahlung ver-
wandelten Energie:
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Punktladung. 119
muß durch den Wärmeinhalt oder die chemische
Energie der Lichtquelle gedeckt werden.
Die Formel (82) bestimmt die Energie der von einem be-
schleunigten Elektron ausgesandten Wellenstrahlung in allen
den Fällen^ in welchen dasselbe als Punktladung betrachtet werden
darf. Ich habe dieselbe zuerst in einer Vorlesung im Winter-
semester 1901/02 vorgetragen. Im Druck veröffentlicht wurde
sie, und ebenso die Formel (83), in meiner Arbeit über die
Prinzipien der Dynamik des Elektrons^), und unabhängig
davon, von 0. Heaviside, in der Nature.*) Später habe ich
die Bedeutung dieser Entwickelungen für die Theorie des
leuchtenden Punktes erörtert, und den Beweis der Formeln,
im wesentlichen in der hier wiedergegebenen Fassung, geführt.^)
An dem letztgenannten Orte habe ich auch den allgemeinen
Ausdruck für die Rückwirkung der Strahlung auf den be-
wegten schwingenden Dipol abgeleitet. Setzt man die Gesamt-
strahlung der LichtqueUe gleich E, so folgt aus (82b) und (83a)
(83d) «• ^,'E,
Dieser Ausdruck für die Reaktionskraft wurde unabhängig
von H. A. Lorentz^) angegeben; es bezieht sich die Lorentzsche
Ableitung auf einen allgemeineren Fall, insofern als über die
Vorgänge in der Lichtquelle keine besondere Annahme gemacht
wird, und doch wieder auf einen spezielleren Fall, da die Ge-
schwindigkeit der Lichtquelle als klein gegen die Licht-
geschwindigkeit betrachtet wird. Wenngleich die Reaktions-
kraft der Strahlung meist außerordentlich gering ist, so ist
1) M. Abraham. Ann. d. Phys. 10 S. 105, 1903. (Eingesandt am
23. Oktober 1902.)
2) 0. Heaviside. Natura 67, p. 6. Vom 6. November 1902.
3) M. Abraham. Ann. d. Phys. 14, S. 273 — 287, 1904. ,
4) H. A. Lorentz. Enzykl. der mathem. Wissensch. Bd.Y, Art. 14
S. 270.
120 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
ihre Existenz doch Yon prinzipieller Bedeutung. Diese Kraft^
welche der schwingende Dipol auf sich selbst ausübt, ist ein
typisches Beispiel für den Gegensatz zum dritten Axiome der
Newtonschen Mechanik^ auf den wir in § 5 hinwiesen, und
der so eng mit den örundannahmen der Elektroneniheorie
verknüpft ist.
Nach der in § 3 erwähnten Hypothese sind die Röntgen-
strahlen nichts anderes, als die Wellenstrahlung, welche beim
Auftreffen der Eathodenstrahlen auf die Antikathode entsteht.
Ist das Elektron bei seiner Hemmung oder Reflexion an der
Antikathode immerhin so wenig beschleunigt, daß die Be-
dingung (63 b) erfüllt ist, so kann die Energie der entsandten
Röntgenstrahlen aus unserer Formel (82) berechnet werden.
Über den Betrag der Beschleunigung geben die in § 3 er-
wähnten Beugungsversuche von Haga und Wind Auskunft,
welche eine Breite des Wellenimpulses von 10 ~"® cm ergeben
haben.^) Hiemach würde der Bereich, in welchem das Elektron
eine Geschwindigkeitsänderung erföhrt, von der Größenordnung
des Radius der molekularen Wirkungssphäre sein. Nehmen
wir nun an, das Elektron habe die Geschwindigkeit lül = -^c,
und es werde auf einem Wege von 10 ~ * cm, d. h. in der Zeit
- • 10-8 Sekunde, seine Bewegnngsriclitung umgekehrt, so ist
die mittlere Beschleunigung gleich j c* • 10*. Der Nenner
in (63b) ist c (c — | H |) = -^c^, und a, der Radius des Elektrons,
wird sich unten von der Größenordnung 10 ~** ergeben. Der
Bruch, der klein gegen 1 sein soll, ist hiemach auf 2 -lO"**
zu schätzen. Hieraus folgt, daß bei der Emission von Röntgen-
strahlen der Impulsbreite 10 ~~* cm das Elektron noch als
Punktladung betrachtet werden darf, und daß (82) die Energie
1) H. Haga u. C. H. Wind. Akad. v, Wetenschapen te Amsterdam 7,
1899, S. S87 u. 500 u. 11, 1902, S. 850. Ami. d. Phys. 68, S. 884, 1899. —
Vergleiche auch die von A. Sommerfeld auf Grund einer strengeren Theorie
der Beugung von Wellenimpulsen gegebene Bestimmung der Impulsbreite.
Phys. Zeitschr. 1, S. 106; 2, S. 65, 1900. Zeitschr. f. Mathem. u. Phys. 46,
S. 11, 1901.
Zweites EapiteL Die Wellenstralilnng einer bewegten Pnnkiladting. 121
der Yom einzelnen Elektron entsandten Böntgenstrahlnng be-
stimmt, wofern die BöntgenstraMen wirklich nichts anderes
sind, als elektromagnetische Wellen.
Leider läßt die aUzu geringe Kenntnis der Röntgenstrahlen
eine weitere Yerfolgong unserer Ansätze nicht zu. Würden
uns experimentelle Bestimmungen der Energie der Böntgen-
strahlen zur Verfügung stehen, die Yon Kaihodenstrahlen be-
kannter Geschwindigkeit und Energie erzeugt werden, so
könnten wir daran denken, die Zahl der Zusammenstöße der
Elektronen mit den Molekülen der Antikathode auf Ghnind der
obigen Formeln abzuschätzen, und unsere Yorstellungen über
die Ejäfte, welche Ton der wägbaren Materie auf die Elektronen
ausgeübt werden, an der Hand derartiger Abschätzungen zu
prüfen. Bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung indessen
müssen wir uns mit den obigen Andeutungen begnügen.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß Fälle vorkommen,
wo das Elektron, entsprechend einer Annahme von J. J. Thomson^),
plötzlich gehemmt wird. Alsdann ist die Impulsbreite von
der Ordnung des Elektronendurchmessers, also kleiner als
10 "" ^^ cm. Die dabei entsandte Wellenstrahlung ist natürlich
einer Beugung nicht ßhig. Wir kommen auf die Theorie
dieses Falles, die aus dem Bahmen der auf der Annahme
einer Punktladung beruhenden Entwickelungen dieses Kapitels
herausßllt, weiter unten zurück (vgl. § 25).
Bei den 7^- Strahlen des Badiums, deren Eigenschaften
diejenigen besonders stark durchdringender Böntgenstrahlen
sind, ist die Impulsbreite wohl geringer als 10""® cm; die Ge-
schwindigkeitsänderungen der Elektronen, denen die 7^- Strahlen
ihren Ursprung verdanken, erfolgen dann noch plötzlicher, als
diejenigen, die bei der Emission der Böntgenstrahlen stattfinden.
§ 15. Die Büokwirkung der Strahlung auf ein bewegtes
Elektron.
Wir steUen uns in diesem Paragraphen die Aufgabe, die
Bückwirkung, welche die entsandte Wellenstrahlung auf das
1) J. J. Thomflon. Phil. Mag. 45, S. 172, 1898,
122 Si^ster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
entsendende Elektron ausübt ^ in allgemeiner Weise zn er-
mitteln. Wir betrachten dabei eine Bewegung des Elektrons,
deren Geschwindigkeit bis zur Zeit t-l gleichförmig und gerad-
linig war, sodann im Zeitintervalle von t^ bis t^ nach Betrag
und Bichtong in beliebiger, aber stets in den Gültigkeits-
bereich der Bedingung (63b) fallender Weise abgeändert
wurde, und sodann, von t^ an, wieder gleichförmig und gerad-
linig ist. In dem Zeitintervalle t^ <f < t^ wird das Elektron
eine gewisse Energie und Bewegungsgröße in den Baum
hinausgesandt haben. Die entsandte Energie ist, nach (82b)
1 1
in die entsandte Bewegungsgröße nach (83)
2 8
12
=-/^'"'=l^/-"'«ll''+^'l
Dies ist die zeitUche Abnahme der Energie und Be-
wegungsgröße, welche das Elektron selbst, bzw. das von ihm
mitgeführte elektromagnetische Feld, infolge der Strahlung,
erfahren hat; die verlorene Energie und Bewegungsgröße findet
sich in den entsandten Wellen wieder.
Will man nun die Rückwirkung der Strahlung auf das
Elektron durch eine Kraft Ä* zum Ausdruck bringen, so muß
man diese Kraft so bestimmen, daß
2
«*(?r=-®i2 und
(84)
/'
i
{tiSt') dt' =- -W^
1
ist, d. h. daß ihr Zeitintegral der ausgestrahlten Bewegungs-
größe, ihr Wegintegral der ausgestrahlten Energie entgegen-
gesetzt gleich ist. Die Beaktionskraft der Strahlung
hat demnach die Gleichungen zu erfüllen
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Ponktladnng. 123
(84.) f»'if — Yifäi;\^,+^^\,
1
8
(84b) /(..«v*'--i:-;/^^'{!-;+i^l
1 1
Das muß selbstversiändlich auch dann gelten^ wenn irgend-
welche äußeren Kräfte die Bewegung des Elektrons beeinflussen;
auch dann muß der Impuls der Kraft St* der gesamten Be-
wegungsgroße, die Arbeit dieser Kraft der gesamten Energie
der entsandten Wellen entgegengesetzt gleich sein. Es wird
dann die Änderung der Bewegungsgroße und Enei^e des
Elektrons durch die Reaktionskraft der Strahlung, im Verein
mit den sonst noch vorhandenen Kräften, bestimmt. In welcher
Weise, das wird das mlchste Kapitel lehren (vgl. § 23).
Es kann auf den ersten Blick zweifelhaft erscheinen, ob
es überhaupt möglich ist, beiden Gleichungen (84a, b) durch
einen und denselben Ausdruck der Beaktionskraft St* zu ge-
nügen. Um diesen Zweifel zu beseitigen, geben wir sofort
einen Ausdruck an, von dem wir zeigen, daß er, unter den
zugrunde gelegten Annahmen, den Gleichungen (84a, b) Genüge
leistet. Wir setzen
Berücksichtigen wir, daß, nach (80), gilt
(86.) |j;_i(|=ö__j(.,),
SO ergibt die partielle Integration der beiden ersten Glieder:
2 2
/"'^-{ii:-/"'^'
2
Cdt' ü (üb) _ f ti(iii) l^ A , f üii« i(iii) 4ti(titiV l
124 Berater Absclinitt. Das Feld n. die Beweg^ang der einzelnen Elektronen.
Berücksichtigen wir^ daß^ bis zur Zeit t^y nnd yon der
Zeit ^2' ^^9 d^^ Beschleunigangsyektor 6 gleich Null sein soU^
so erhalten wir
(86b) /<■ ji+ ^ 1 - -/«■ {ii; + y^ + Hl|j>|
1 1
Integriert man ntin den Ausdruck (85) von A' nach der
Zeit, wie es (84a) verlangt, und formt die ersten beiden
Glieder in dieser Weise um, so ergibt die Vereinigung mit
den letzten beiden Gliedern nichts anderes, als die rechte Seite
von (84 a). Es ist also diese Gleichung in der Tat erf&llt.
Für die sekundliche Arbeit der Kraft A' folgt aus (86)
(85c) (HU-) «3-3 1-^+ -^i^|-
Da nun die partieUe Integration Uefert
1 1
und da 6 an den Grenzen des Integrationsintervalles ver-
schwindet, so ergibt das Zeitintegral der Arbeit in der Tat
den in (84b) rechts stehenden Ausdruck. Die in (85) an-
gegebene Kraft St* erfüllt alle Bedingungen, welche
der Beaktionskraft der Strahlung vorgeschrieben
sind.
Es fragt sich indessen, ob durch die angegebenen Be-
dingungen (84a, b) die Beaktionskraft der Strahlung überhaupt
eindeutig bestimmt ist. Das ist sie in der Tat. Um dies ein-
zusehen, muß man sich die physikalische Bedeutung dieser
Ejraft klar machen. Es ist eine Kraft, welche das vom be-
wegten Elektron erregte elektromagnetische Feld auf das
Elektron selbst ausübt. Diese Kraft ist durch die Grund-
gleichung (V) bestimmt, wobei die Vektoren (E und § sich
aus den Beitragen zusammensetzen, welche die Volumelemente
des Elektrons vorher ausgesandt haben. Diese Beiträge werden
Zweites KaptteL Die WeUenBtralifaiiig eiiier bewegteo Pnnktladimg. 125
Ton der mit LiehigeBchwmdigkeit aich kontrahierendeii Engel
dem Anfyraikte «ugcflüirt Bewegt fdch mm das Elektron mit
einer Geschwindi^eity die kleiner ist, als die LichtgeBchwin-
digkeit Cj so kommen, welches anch die Form des Elektrons
sei, nnr Beitrage in Betnujit, welche in einem endlichen Zeit-
intervalle ani^esandt worden sind nnd welche dnrch die Gh)-
schwindigkeit nnd Beschlennigong bestimmt sind, die in diesem
Zeitintervalle geherrscht hat. Ist die Bew^nng überhaupt stetig,
so muß diese Kraft sich dnrch die jeweils herrschende Gh)-
schwindigkeit i nnd deren Ableitungen nach der Zeit fl, 1, i nsf.
ausdrücken lassen. Da es sich hier nnr nm Bew^nngen
handeln kann, welche der Bedingung (63b) genügen, so sind
die Voraussetzungen der Stetigkeit und Unterlichtgeschwindig-
keit stets erfüllt. Da die gesuchte Kraft femer bei gleich-
formiger Bew^ung verschwindet, so ist der allgemeinste
Ansatz für die Tom Elektron auf sich selbst ausgeübte Kraft
folgender: Ein Aggregat von polaren Vektoren, deren
jeder eine ganze rationale Vektorfunktion von i, i,
S, i nsf. ist, wobei jeder Vektor noch mit einem von
I ii i
ß » -!— ^ abhängigen Skalar multipliziert sein kann.
Die Beaktionskraft der Strahlung insbesondere, welche
den oben entwickelten Bedingungen zu genügen hat, ist da-
durch noch weiter in ihrer Form beschränkt, daß sie bei den
betrachteten, der Bedingung (63b) gehorchenden Bew^ungen
von der Form des Elektrons unabhängig ist. Wurde doch
bei der Berechnung der ausgestrahlten Energie und Bewegungs-
größe das Elektron als Punktladung betrachtet; in Ausdruck
der gesuchten Kraft können daher ii^endwelche von den Ab-
messungen des Elektrons abhängige Gh-ößen nicht eingehen,
sondern ausschließlich die Vektoren H, D, 6 usf., ferner c und
die Ladung e des Elektrons; und zwar muß die gesuchte Kraft,
als Bückwirkung der Punktladung auf sich selbst, zu 6^ pro-
portional sein. Nehmen wir nun —^ als Faktor vorweg, so
muß der gesuchte Ausdruck die Dimension einer Kraft divi-
e'
diert durch die Dimension von -«; besitzen. Entnimmt man
c»
126 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
der Dimensionstabelle in Bd. I, S. 252 die Dimension von e'^
so findet man als Dimension des gesuchten Ausdruckes
Wir haben also Ausdrucke dieser Dimension zu suchen^
welche ganze rationale Funktionen von d; b, Ö usf. sind, wobei
eventuell noch die Lichtgeschwindigkeit c eingehen kann.
Nennen wir nun i/^, i/g, v^ die ganzen, aber nicht nega-
tiven Zahlen^ welche die eingehende Potenz von H, b, ö usf.
anzeigen, und Vq die (positive oder negative) Zahl, welche die
eingehende Potenz von c angibt, so soll die eingehende Potenz
der Längendimension sein
^0 + ^1 + ^2 + ^8 H =1^
dagegen die eingehende Zeitdimension
— Vo — ^1 — 21/3 — Si/g H = — 3.
Hieraus folgt
(86) ^2 + 21/3 + 3i/^ + • • • = 2.
Da negative Werte von V2,Vq, v^ ausgeschlossen sind, so ist
Es können ö und noch höhere Ableitungen der Geschwin-
digkeit nicht auftreten. Die höchste eingehende Ableitung
ist ü, und zwar folgt aus (86), daß, wenn Ö überhaupt eingeht,
(I) v^ = \j Vg =
die einzigen möglichen Potenzen von S und sind; in diesem
Falle ergeben die Ausgangsgleichungen
Vo + ^1 = 0,
d. h. es tritt c so oft in den Nenner, wie H im Zähler steht.
Neben diesem Lösungssystem läßt nun (86) noch ein von
ii freies zu:
(E) 1/3 = 0, v,^2, v^ + v^^-^l.
Hier geht 6 quadratisch ein, und c steht einmal öfter im
Nenner, als d im Zähler.
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Punktladnng. 127
Jeder Lösung dieser Dimensionsgleichnngen kann selbst-
verständlich eine beliebige Funktion der dimensionslosen
Größe ß als Faktor zugesellt werden.
Es fragt sich nun^ welche ganze rationale Funktionen der
Vektoren t, b, i unter das Schema (I) bzw. (II) fallen. Um
die hier möglichen Verbindungen dieser Vektoren zu neuen
polaren Vektoren in allgemeinster Weise zu ermitteln^ gehen
wir aus Ton einem Satze Ton H. Burkhardt.^) Diesem Satze
zufolge wird die allgemeinste ganze rationale Vektorfunktion
erhalten^ indem man die ursprünglichen Vektoren zu Vektor-
produkten vereinigt und indem man die ursprüngHchen und
die so gebildeten Vektoren mit den skalaren Produkten aus je
zweien der ursprünglichen Vektoren multipliziert. Nun müssen
wir die Vektorprodukte von je zweien der Vektoren t^, i, i
von vornherein ausschließen^ da diese Vektorprodukte axiale
Vektoren sind (vgl. I, S. 23). Es bleiben also nur die Ursprung-
liehen drei Vektoren übrig, die mit den inneren Produkten
aus je zweien und selbstverständlich mit irgendeiner Funktion
der dimensionslosen Größe ß multipHziert sein können.
Wir haben als Lösungen, die unter das Schema (I) fallen:
(86a) i.f,(ß) und ö-^j^-^C^).
während in das Schema (11) folgende Vektoren sich einordnen:
(86b) b-^J-'Uß), ti-f,-f,{ß), i-^^-f,(ß).
Andere Ausdrücke der richtigen Dimension, welche polare
Vektoren darstellen, gibt es nach dem Satze von Burkhardt
überhaupt nicht. Der allgemeinste Ausdruck von ft' muß sich
2 e*
also aus solchen Gliedern, multipliziert mit ^ -, ? zusammen-
setzen lassen. Der Ausdruck (85) stellt sich in der Tat in
dieser Form dar.
Es handelt sich nunmehr um den Nachweis, daß der all-
gemeinste Ausdruck von St\ d. h. das allgemeinste Aggregat von
1) H. Bnrkhardt, Math. Ann. 43 (1893), S. 197. Vgl. anch Enzykl. d.
math. Wissensch. Bd. IV. Art. 14. Nr. 11.
128 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
fünf Gliedern der Form (86 a, b) Medes multipliziert mit j -j j ,
sich anf (85) reduziert, wenn gefordert wird, daß sein Zeit-
integral für eine beliebige Bewegung mit der rechten Seite
von (84a); sein Wegintegral mit der rechten Seite von (84b)
identisch ist Das wird bewiesen sein, wenn wir gezeigt haben,
daß jedes Aggregat der Form
(87) iS,=--ifM+^-^^f,iß)
identisch verschwindet, wenn für eine beliebige, im Zeit-
intervall i^ <t^ <. t^ beschleunigte Bewegung das Zeitintegral
und das Wegintegral von 6 verschwinden. Wir schreiten jetzt
zum Beweise dieses Satzes. Wir formen die beiden ersten
Glieder von ft durch partielle Integration um, wobei wir be-
achten, daß 6 an den Integrationsgrenzen verschwindet und daß
Wir erhalten
1 1
Demgemäß wird das Zeitintegral des Vektors d:
2 9 ^
(87a) fdt' e ^fdt' ^ {f,iß) - f,(ß) - ^f,'(ß)}
1
2
+
1
fdt' '-^ {fdß)-fM}
1
2
fdt''-^[m)-^f,'(ß)]
2
/
1
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Fiinktladung. 129
Dieses Zeitintegral soll nun yerschwinden; welches auch
immer die Geschwindigkeit und Beschleunigung des Elektrons
in dem betrachteten Zeitintervalle sein mag.
Wir betrachten zuerst eine nur transversal beschleunigte
Bewegung; die mit konstanter Geschwindigkeit vor sich geht.
Hier ist (d i) = 0, es verschwindet das erste und dritte der
Integrale. Das zweite hingegen ist von Null verschieden, es
sei denn, daß
(87 b) fM-'f2{ß)-0
ist. Wäre diese Größe von Null verschieden, so konnte man
die Bewegung im Zeitintervalle von t^^ bis t^* so wählen, daß
das zweite Integral einen von Null verschiedenen Wert besitzt.
Man könnte z. B. das Elektron einen Kreisbogen von einem
Winkel kleiner als 27C beschreiben lassen, wobei das Integral
einen nicht verschwindenden Vektor bestimmen würde. Es
muß mithin (87 b) für beliebige Werte von ß erfüllt sein.
Wir betrachten zweitens eine nur longitudinal beschleunigte
Bewegung, deren Geschwindigkeit also in dem Zeitintervalle
von tj^ bis tg' dauernd wächst. Hier sind ii(tl6) and -^fiiäV
beides der Bewegungsrichtnng parallele Vektoren vom Betrage
. H»16» bzw. /3«H»|6«.
Da nun (87 b) allgemein gilt, so kann das Zeitintegral
von @ für eine solche Bewegung nur dann aUgemein ver-
schwinden, wenn
(87c) {f,(ß)-fM - ^A'iß)} + ß'[Uß)-jf,'{ß)} =
für jeden Wert von ß erfüllt ist.
Bei der zuletzt betrachteten Bewegung war i parallel
zu d; wir können nun diese Bewegung etwas abändern, indem
wir eine transversale Beschleunigung hinzufügen. Dann besitzt
im ersten Integral in (87 a) der Integrand eine Komponente
senkrecht zur Bewegungsrichtung, die nach dem Erümmungs-
mittelpunkte der Bahn weist. Ist die Änderung der Bewegungs-
richtung nur gering, so können sich die Beiträge der einzelnen
Abraham, Theorie der Elektrizität, n. 9
130 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Beweg^ang der einzelnen Elektronen.
Elemente der Bahn nicht zerstören, sie können sich auch nicht
gegen die Bestandteile des dritten Integrales aufheben , da
letztere parallel der Bewegungsrichtong weisen. Wir erhalten
also als Bedingung daffir^ daß die zu d senkrechte Komponente
des Zeitintegrales von d fOr eine solche Bewegung stets Ter-
schwindet:
was weiter im Verein mit (87 c) ergibt:
(87 e) Uß)-jfAß)-0.
Nun sollte aber nicht nur das Zeitintegral, sondern auch
das Wegintegral von C^:
s s
t 1 1
allgemein verschwinden. Formt man die beiden ersten Glieder
dieses Integrales durch partielle Integration um und berück-
sichtigt das Bestehen der Gleichungen (87 b^ c), so erhalt man
8 8
(87f) Jdt'ifit) — Jdt'[i?hi,ß)+^^m)\
Für eine nur transversal beschleunigte Bewegung ist das
Integral nur dann stets gleich Null, wenn allgemein
(87 g) fi(^) =
erfüllt ist; für eine longitudinal beschleunigte Bewegung tritt
die Bedingung
(87h) ^(/S) ^
hinzu. Aus (87 b, d, e) folgt nunmehr
(87i) f^(ß) = f^(ß) = f^(^ß) ^ 0.
Wir haben also bewiesen: Der allgemeinste zulässige
Ausdruck für die Beaktionskraft der Strahlung ver-
schwindet identisch; wenn sowohl sein Zeitintegral;
Zweites Kapitel. Die WellenstralÜTing einer bewegten Pnnktladnng. 131
wie sein Wegintegral für eine beliebige, in einem
gewissen Zeitinteryalle beschleunigte Bewegung
gleich Null sind. Es ist also nicht möglich, den Ausdruck
(85) der Reaktionskraft so abzuändern, daß die Gleichungen
(84a, b) fär eine jede Bewegung erfallt bleiben. Der ge-
fundene Ausdruck (85) für die Bückwirkung der
Strahlung auf die bewegte Punktladung ist demnach
der einzige, welcher den oben angegebenen Voraus-
setzungen entspricht.^)
Wir betrachten einige spezielle Fälle.
a) Gleichförmige Bewegung längs eines Kreises.
Es ist (llli)'=»0; der Beschleunigungsvektor hat den Betrag
n
wenn B der Radius des Ejreises ist. Seine Richtung dreht
sich, wie diejenige des Geschwindigkeitsvektors, mit der Winkel-
I h I
geschwindigkeit -^- Man sieht ohne weiteres ein, daß b' ein
zu 6 senkrechter Vektor Tom Betrage
ist; er weist in die entgegengesetzte Richtung, wie H, so daß
man hat:
Demnach ergibt (85)
(88) «•--«••fpxS' »«'»l-^*-
Die Reaktionskraft ist der Bewegung entgegen-
gerichtet; sie ist dem Quadrate des Kreisradius um-
gekehrt proportional und steigt mit wachsender Ge-
schwindigkeit an, wie
1) Diesen Aasdmck hat der Yerfasser anf der Tagnng der British
Association in Cambridge (1904) angegeben. Der obige Eindentigkeits-
beweis wurde dort nnr skizziert.
9*
132 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Für die Arbeit der Beaktionskraft erhält man
/«' c «0 = - 1 ^ ■/«■ .-5. — I :-: A'^'
111
was selbstverständlich mit (84b) übereinstimmt. Die Überein-
stimmung mit (84 a) ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Sie
wurde ja auch nur postuliert für eine Bewegung, die mit dem
Werte Null von b beginnt und endigt, während dazwischen
sich b stetig ändert. Es ist also, bevor das Elektron die Kreis-
bewegung beginnt und nachdem es dieselbe beendigt hat, je
ein Intervall anzunehmen, in welchem ti von Null in stetiger
Weise zu seinem, der Kreisbewegung entsprechenden Werte
übergeht und wieder zum Werte Null zurückkehrt. Für den
Kreisbogen, zusammen mit diesen beiden Intervallen, ist, wie
aus dem gegebenen Beweise folgt, das Zeitintegral der Reak-
tionskraft durch (84 a) bestimmt.
Betrachten wir übrigens zwei Bewegungen, die um einen
ganzen Umlauf voneinander verschieden sind, bei denen aber die
Überführung in die Kreisbahn und die Zurückführung in die
gleichförmige Bewegung längs genau derselben Bahn geschah,
so folgt aus der Gültigkeit von (84 a, b) für die beiden be-
trachteten Bahnen: Für einen ganzen Umlauf müssen
die Relationen (84a) und (84b) erfüllt sein. Das gilt
übrigens ganz allgemein für periodische Bewegungen. Denkt
man den oben gegebenen Beweis noch einmal durch, so sieht
man ein, daß die von den Integrationsgrenzen herrührenden
Tenne sich auch dann fortheben, wenn zu den Zeiten ^' und t^'
die Vektoren d und b die gleichen sind. Ist der Bewegungs-
zustand an den Grenzen des Integrationsintervalles
derselbe, wie z. B. bei einer periodischen Bewegung
zu zwei durch eine Periode getrennten Zeiten, so
gelten die Relationen (84a, b) ohne weiteres für die
durch (85) gegebene Kraft. Bei der soeben behandelten
Kreisbewegung z. B. ergibt das Zeitintegral von (88) für einen
ganzen Umlauf den Wert Null, was mit (84 a) übereinstimmt.
\l
\
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Ponktladnng. 133
%) Gleichförmige Bewegung längs einer Kreisschraube.
Wir setzen
^ = ^i + K
indem wir unter d^ den konstanten Vektor yerstehen, welcher
die Projektion von H auf die Achse der Schraube darstellt^
unter H, hingegen die Projektion von d auf eine zur Schrauben-
achse senkrechte Ebene. Der Beschleunigungsvektor b liegt
in dieser Ebene; er ist senkrecht zu d^ und d,, mithin auch
zu d gerichtet; so daß (d d) auch hier gleich Null ist. Femer gilt
WO B^ der Radius der durch dg dargestellten Kreisbewegung
ist. Wir erhalten also aus (85)
oder, indem wir d = dj + d2 einfuhren und
ßi =^' ft =-?'
daher
ßi' + A* - ß'
setzen:
Die Beaktionskraft der Strahlung ist die Resul-
tante zweier Kräfte, von denen die erste der Be-
wegung längs der Schraubenachse, die zweite der
Kreisbewegung in der zur Achse senkrechten Ebene
entgegen wirkt. Sind die Abmessungen der Schraube solche,
daß dl und dg von derselben Qrößenordnung werden, so über-
wiegt bei langsamer Bewegung die zweite, der Kreisbewegung
entgegen wirkende Komponente. Bei raschen Bewegungen von
der Ordnung der Lichtgeschwindigkeit jedoch kommt auch die
erste Komponente in Betracht; es wird daher ein im homogenen
magnetischen Felde sich sehr rasch bewegendes Elektron nicht
nur in der Kreisbewegung um die magnetischen Kraftlinien,
l34 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
sondern auch in der translatorisehen Bewegung längs deß
Eraftlinien gehemmt werden^ falls die Bückwirkung der Strah-
lung in Betracht kommt.
Nach der Formel (7 b) des § 2 ist bei der Schrauben-
bewegung im homogenen magnetischen Felde
wo rj die spezifische Ladung des Elektrons ist (rj nimmt^ wie
wir im nächsten Kapitel sehen werden^ mit wachsendem ß ab).
Es wird demnach (89)
(89a) ft' = -|,-!^*JM,' + l>,(l-A*)l'
was bei Kreisbewegung senkrecht zu den magnetischen Kraft-
linien übergeht in
(891.) «■— .|^:^"-
Übrigens ist anzumerken, daß bei der Anwendung dieser
Formeln auf die Kathodenstrahlen Vorsicht geboten ist. Es
handelt sich bei den Kathodenstrahlen nicht um ein einzelnes
Elektron, sondern um eine ganze Schar von Elektronen, die
parallele Bahnen beschreiben. Da die ausgestrahlte Energie
und Bewegungsgröße durch den Poyntingschen Vektor bestimmt
wird und dieser das äußere Produkt der beiden Feldstärken ist,
so superponieren sich im allgemeinen zwar die Felder der
einzelnen Elektronen, aber nicht die ausgestrahlten Beträge
der Energie und der Bewegungsgröße. Denkt man sich z. B.
eine Anzahl von Elektronen auf einem Kreise in gleichen
Abständen angeordnet und mit der gleichen Geschwindigkeit
längs des Ej*eises bewegt, so wird die Ausstrahlung um so
geringer, je größer die Zahl der Elektronen ist. Im Grenz-
falle sehr vieler Elektronen strahlt diese Elektrizitätsbewegung
wie ein stationärer Strom, d. h. sie strahlt überhaupt nicht.
Hieraus folgt, daß auch die Rückwirkung der Strahlung auf
das einzelne Elektron eine andere ist, wenn noch andere in.
der gleichen Weise bewegte Ele*ktronen zugegen sind. Man
Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Ponktladnng. 135
muß dann bei der Behandlung der Strahlung und der Strah-
lungskräfte den Elektronenschwarm als Ganzes behandeln.
Anders liegen die Verhältnisse bei der Lichtemission.
Nehmen wir an^ daß in jedem lichtentsendenden Molekül nur
ein einziges Elektron schwingt, so sind die Schwingungen der
einzelnen Elektronen unabhängig voneinander. Die Phasen-
differenz zweier Elektronenschwingungen ist eine ganz beliebige,
und daher tritt bei der Superposition der entsandten Wellen
ebensooft eine Schwächung wie eine Verstärkung der Strah-
lung durch Interferenz ein. Bei der Mittelwertsbildung über
eine große Zahl von Molekülen und über eine große Zahl von
Schwingungen ergibt sich eine Strahlung, die gleich der
Summe der Strahlungen der einzelnen Moleküle ist. Hier ist
also das Ergebnis dasselbe, als wenn jedes Molekül für sich
allein die Schwingungen ausgeführt und die Strahlung ent-
sandt hätte; man kann in diesem Falle auch die Bückwirkung
der Strahlung auf die Schwingungen angeben, ohne auf die
Wechselwirkungen der Moleküle Bücksicht zu nehmen. Hat
man es mit kleinen Schwingungen zu tun, deren Geschwin-
digkeit klein ist gegen die Lichtgeschwindigkeit, so ergibt (85)
als Beaktionskraft der Strahlung. Das war der Ansatz, den
wir in § 9 (Gleichung 58) gemacht hatten. Dort konnten
wir die Annahme dieses Wertes nur dadurch rechtfertigen, *
daß wir daraus den richtigen Wert für die ausgestrahlte
Energie erhielten; das dort entwickelte elektromagnetische
Bild des leuchtenden Punktes ergab keine Ausstrahlung von
Bewegungsgröße, wie ja auch ö, über eine Schwingung inte-
griert, den Wert NuU liefert. Wir haben nunmehr von einem
allgemeineren Standpunkte aus, unter Berücksichtigung der
bei strenger Durchführung der Bechnung sich ergebenden
Ausstrahlung von Bewegungsgröße, diesen Ausdruck für die
Bückwirkung der Strahlung auf die Schwingungen eines
ruhenden Dipols als richtig dargetan und damit auch die
136 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Differentialgleichimg (58b) für die kleinen Schwingungen
eines Dipols begründet.
Für den bewegten leuchtenden Punkt führt die Integration
über eine Schwingung von (86) zu (84a, b) zurück, und es
ergibt sich die der Bewegung entgegen wirkende Eraft, welche
wir im vorigen Paragraphen kennen gelernt haben (Glei-
chung 83a^ d).
Übrigens liegt den Entwickelungen dieses Paragraphen^
wie denen der vorangehenden, die Annahme einer Punktladung
zugrunde. Dadurch ist die Lichtgeschwindigkeit und deren
Nachbarschaft sowie selbstverständlich die Überlichtgeschwin-
digkeit ausgeschlossen. Es wäre durchaus unzulässig, wenn
wir etwa aus dem XJnendlichwerden der Beaktionskraft für
j3 » 1 schließen würden, daß ein Strahlung aussendendes
Elektron nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegt werden kann.
Auf eine beschleunigte Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit
sind unsere Formeln nicht mehr anzuwenden; denn das Elektron
ist nicht als Punktladung anzusehen, sondern es besitzt, wie
wir im nächsten Kapitel zeigen werden, endliche Abmessungen.
In der unmittelbaren Nähe der Lichtgeschwindigkeit versagen
demnach unsere durch die Bedingung (63 b) in ihrer Gültigkeit
eingeschränkten Formeln. Die Frage nach der Erreichung und
Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit kann nur auf Grund
bestimmter Voraussetzungen über die Form und die Ladungs-
verteilung des Elektrons 'in Angriff genommen werden.
Drittes Kapitel.
Die Mechanik der Elektronen.
§ 16. Die Grundhypothesen der Dynamik des Elektrons
und das elektromagnetisohe Weltbild.
Im vorigen Kapitel, wo wir die von einem beschleunigten
Elektron entsandte Wellenstrahlung behandelten, kam nur das
Feld in großen Entfernungen vom Elektron in Betracht. Nun
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 137
ist aber fär die Bückwirkang auf das bewegte Elektron haupt-
sachüch die Energie und die Bewegungsgröße des Feldes,
welches das Elektron unmittelbar umgibt^ von Bedeutung.
Man. gewinnt eine Vorstellung von der Art des Einflusses^
welchen das mitgeführte Feld auf die Bewegung des Elektrons
ausübt^ indem man an die Analogie des elektrischen Leitungs-
gtromes anknüpft (vgl. Bd. I, § 63).
Ein Leitungsstrom ist von einem magnetischen Felde
umgeben^ dessen Energie dem Quadrate der Stromstarke pro-
portional ist. So erklart es sich^ daß d^m Anwachsen der
Stromslärke eine ^^elektromotorische Kraft der Selbstinduktion^^
entgegen wirkt, welche der zeitlichen Änderung der Strom-
starke proportional ist. Der Eonvektionsstrom, den das be-
wegte Elektron darstellt, wird gleichfalls von magnetischen
Kraftlinien umschlungen; die magnetische Energie ist, bei
langsamer Bewegung wenigstens, auch hier dem Quadrate der
Stromstarke proportional. Da nun die Stromstarke in diesem
Falle der Geschwindigkeit des Elektrons proportional ist, so wird
der elektromotorischen Kraft der Selbstinduktion hier eine
Kraft entsprechen, welche der Beschleunigung des Elektrons
proportional und ihr entgegen gerichtet ist. Der Gedanke
Maxwells, welcher die „elektrokinetische^^ Energie des elek-
trischen Stromes mit der kinetischen Enei^e bewegter tnlger
Massen verglich (Bd. I, § 64), nimmt hier eine noch greif-
barere Form an, als beim Leitungsstrome. Jene vom magne-
tischen Felde herrührende, einer Beschleunigung des Elektrons
entgegen wirkende Kraft entspricht in der Tat durchaus der
Trägheitskraft der gewöhnlichen Mechanik; es wird mithin ein
bewegtes elektrisches Teilchen infolge des mitgeführten elektro-
magnetischen Feldes eine tnlge Masse besitzen, welche man,
zum Unterschiede von der trägen Masse wägbarer Teilchen,
als „scheinbare'^ oder besser als „elektromagnetische^^
Masse bezeichnen kann. Bei den unmittelbar an Maxwell
anknüpfenden englischen Forschem J. J. Thomson^) und
1) J. J. Thomson, Phil. Mag. (6) 11, S. 229. 1881.
138 Si^ster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
0. Heayiside^) findet sich zuerst die Vorstellung einer solchen
^^scheinbaren Masse ^ der konvektiv bewegten Elektrizität.
Der Begriff der elektromagnetischen Trägheit gewann
eine aktueUe Bedeutung, als man in den Kathodenstrahlen
(vgl. § 2) rasch bewegte elektrische Teilchen kennen lernte«
Wenn anders der Eonvektionsstrom überhaupt ein magne-
tisches Feld erregt — und die Versuche von H. A. Bowland
(vgl. Bd. I, S. 425) konnten hieran kaum zweifeln lassen — ,
so mußten die im E^thodenstrahle bewegten Elektronen eine
elektromagnetische Masse besitzen. Die allgemeinste zulässige
Annahme war die, daß diese negativen Elektronen sowohl
elektromagnetische Masse, als auch „materieUe" Masse besitzen.
Dabei ist unter „materieller Masse ^^ diejenige zu verstehen,
welche der wägbaren Materie zukommt und welche z. B. den
elektrochemischen Ionen anhaftet. Wir haben indessen bereits
in § 2 auf die Schwierigkeiten hingewiesen, welche vom
atomistischen Standpunkte aus der Auffassung der Masse des
negativen Elektrons als einer materiellen Masse entgegenstehen.
Man wäre vor die Alternative gestellt, entweder den Kathoden-
Strahlteilchen an Stelle eines einzigen 2000 elektrische Elementar-
quanten zuzuschreiben, oder aber die Atome der wägbaren
Materie nicht als unteilbar zu betrachten Diese Schwierig-
keiten werden keineswegs gehoben, wenn man die Trägheit
der Elektronen zum Teil als materielle, zum Teil als elektro-
magnetische betrachtet. Sie verschwinden jedoch sofort, wenn
man die Masse des negativen Elektrons als rein elektro-
magnetische Masse betrachtet. Auf die Möglichkeit einer
solchen, alle überlieferten Anschauungen umwälzenden Lösung
wurde von verschiedenen Seiten hingewiesen, und es wurde
bemerkt, daß die Entscheidung der Frage von den Trägheits-
erscheinungen abhäz^, welche die Elektronen zeigen, wenn
sie mit noch größeren Geschwindigkeiten, als in den Kathoden-
strahlen, sich bewegen. In der Tat, die materielle Masse wäg-
barer Teilchen muß, wenn anders die Axiome der gewöhn-
1) 0. Heaviside, Phil. Mag. (6) 27, S. 324. 1889.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 139
liehen Mechanik richtig sind^ eine Konstante sein; sie muß
unabhängig von der Geschwindigkeit sein^ mit der die Bewegung
erfolgt. Die elektromagnetische Masse hingegen, die von dem
elektromagnetischen Felde herrührt, wird, wie das Feld selbst,
von der Geschwindigkeit abhängen, mit welcher das Elektron
den Äther durchfliegt.
Gerade als die Erörterung der Frage bis zu diesem Punkte
gelangt war, lernte man in den /3- Strahlen des Radiums
negative Elektronen kennen, die noch rascher als die Kathoden-
Strahlteilchen sich bewegen. Es zeigte nämlich W. Kaufmann^),
daß die Geschwindigkeit für verschiedene Teilchen eine ver-
schiedene ist und daß das „Spektrum'^ von Vs ^^^ Licht-
geschwindigkeit bis dicht an die Lichtgeschwindigkeit heran
sich erstreckt. Auch stellten bereits die ersten Versuche
Kaufmanns es außer Zweifel, daß die Trägheit dieser Teüchen
mit wachsender Geschwindigkeit ansteigt. Hieran anknüpfend
hat der Verfasser dieses Werkes es unternommen^), eine Dynamik
des Elektrons auszuarbeiten, welche geeignet war, die Ver-
suche Kaufmanns auf rein elektromagnetischer Grundlage zu
deuten. Die erhaltenen Ergebnisse wurden durch W. Kaufmanns
weitere Untersuchungen besi^tigt^), so daß bereits auf der Karls-
bader Naturforscherversammlung (1902) ausgesprochen werden
konnte^): Die Masse des Elektrons ist rein elektro-
magnetischer Art.
In diesem Paragraphen sollen die Grundhypothesen dar-
gelegt werden, auf denen die Dynamik des Elektrons beruht.
Zu diesen Grundhypothesen gehören selbstverständlich die
in § 4 entwickelten allgemeinen Feldgleichungen der Elektronen-
theorie (I bis IV), sowie der Lorentzsche Ansatz (V) für die
elektromagnetische Kraft. Zu ihnen tritt die für die atomi-
stische Theorie der Elektrizität fundamentale Vorstellung, daß
die Gesamtladung e, die wir als elektrisches Elementarquantum
1) W. Kaufmann, Gott. Nachr. 1901, S. 143.
2) M. Abraham, Gott. Nachr. 1902, S. 20. Ann.d.Phys. 10, S.105. 1903.
3) W. Kaufmann, Gott. Nachr. 1902, S. 291; 1903, S. 90.
4) W. Kaufmann u. M. Abraham, Phys. Zeitschr. 4, S. 54 u. 57. 1902.
1 40 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
bezeiclmet haben (§ 1), über einen gewissen Bereich verteilt
ist. Diesen Bereich nebst seiner Ladung nennen wir das
^^Elektron'^ Er kann als Ganzes im Baume bewegt^ aber
nicht geteilt werden. An der Elektrizität^ die mit der Dichte q
über das Volum des Elektrons verteüt ist, greift nun die
durch die Ghrundgleichung (V) definierte elektromagnetische
Exaft an. Dieselbe setzt sich aus zwei Teilen zusammen,
erstens der elektromagnetischen Kraft des äußeren Feldes, die
wir 5** schreiben, und zweitens der vom Elektron auf sich
selbst ausgeübten „inneren elektromagnetischen Kraft^^ Es
ist für das Folgende bequem, diese letztere einfach % zu
schreiben. Daß man die „innere^' und die „äußere" Kraft
trennen kann, rührt von dem in der linearen Form der Feld-
gleichungen analytisch zum Ausdruck gebrachten Super-
positionsprinzipe her; diesem Prinzipe zufolge überlagern sich
die Felder ß, § und ®^, §**, welche einerseits von dem be-
trachteten Elektron selbst, anderseits von den übrigen Elek-
tronen erregt werden. Durch diese Felder aber bestimmen
sich die auf (Jie Einheit der Ladung berechneten inneren und
äußeren elektromagnetischen Kräfte folgendermaßen:
Da wir nun die Dynamik des Elektrons rein elektro-
magnetisch zu begründen beabsichtigen, so dürfen wir andere,
als elektromagnetische Ejräfte, überhaupt nicht einführen. Wir
postulieren vielmehr: Es soll die resultierende Kraft und
das resultierende Kraftmoment der an den Yolum-
elementen des Elektrons angreifenden elektromagne-
tischen Kräfte verschwinden:
(VI) /d«(.{ff+r}=o,
(Via) /<?f 9 [r, fj + r ] = 0.
Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 141
Diese zu den allgemeinen Grundgleichnngen (I bis Y) der
Elektronentheorie tretenden besonderen Grundgleichungen der
Dynamik des Elektrons habe ich als die ^^djnami sehen
Grundfi^leichuniren^' bezeichnet. Sie sasen ans, daß die
inneren nnd die äußeren elektromagnetischeu Krä^ sich an
dem Elektron im Sinne der Mechanik starrer Körper das
Gleichgewicht halten. Auf ihnen muß eine jede elektro-
magnetische Begründung der Djmamik des Elektrons fußen.
Sobald man zulaßt^ daß neben den elektromagnetischen Kräften
noch andere vorhanden sind^ die eine Translation oder Rota-
tion hervorzurufen streben, kann von einer elektromagnetischen
Begründung überhaupt keine Bede mehr sein.
Wir müssen dem Elektron eine endliche Ausdehnung
deshalb zuschreiben, weil fftr eine Punktladung die Feldstörken
des von der Ladung selbst erregten Feldes und daher auch
die innere elektromagnetische Kraft am Orte der Punktladung
selbst dem Betrage nach unendlich und der Richtung nach
unbestimmt wird. Dieser Umstand verbietet uns, in den
dynamischen Grundgleichungen zur Grenze der PunkÜadung
überzugehen. In der Tat wird, wie wir sehen werden, bei
diesem Grenzübergang die elektromagnetische Energie sowohl
wie die elektromagnetische Bewegungsgröße unendlich. Schreiben
wir nun dem Elektron eine zwar kleine, aber doch endliche
Ausdehnung zu, so können wir nicht umhin, das Elektron als
einer Rotation fähig zu betrachten. Ein Gegenstück des aus-
dehnungslosen „materiellen Punktes'^ der analytischen Mechanik
existiert in der elektromagnetischen Mechanik nicht. Die ein-
fachste Annahme, die man über die Bewegungsfreiheit des
Elektrons machen kann, ist die folgende: Das Elektron ist
nur einer Translation und einer Rotation fähig. Die
allgemeinste Bewegung des Elektrons wird dieser Annahme
gemäß durch die „kinematische Grundgleichung'^
(VII) ü == üo + [ttt]
dargestellt, welche der in der Kinematik des starren Körpers
(Bd. 1, § 9) gültigen Gleichung (Gl. 35, S. 25) vollkommen
142 Si^ster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
entspricht. Diese unsere kinematische Grundgleichnng
sagt ans^ daß die Elektrizität an den Yolumelementen
des Elektrons haftet^ wie die wägbare Materie an den
Volumelementen des starren Körpers. Es stellt in (VII)
Ho die Geschwindigkeit eines im Innern des Elektrons ge-
wählten Bezugspunktes dar^ r den von ihm aus konstruierten
Radiusvektor und tt die Drehgeschwindigkeit des Elektrons
um den Bezugspunkt. Den sechs durch die kinematische Ghnmd-
gleichung zugelassenen Freiheitsgraden stehen sechs aus den
dynamischen Ghnmdgleichnngen fließende Beziehungen gegen-
über^ ganz wie in der Mechanik starrer Körper.
Wenn wir die Kinematik des Elektrons der Kinematik
des starren Körpers nachbüden, erreichen wir fttr die Dynamik
des Elektrons ähnhche Vorteile^ wie sie die analytische
Mechanik durch Annahme starrer Verbindungen erzielt. Indem
nämlich die analytische Mechanik der Kinematik der Massen-
systeme solche Bedingungsgleichungen zugrunde legt^ zu deren
Aufrechterhaltung keine Arbeitsleistung (weder eine positive^
noch eine negative) erforderlich ist^ braucht sie Kräfte, welche
die verkoppelten Massen aufeinander ausüben, nicht einzuführen.
Sie kann diese Kräfte auffassen als Folge der angenommenen
Bedingungsgleichungen; es ist aber überflüssig, von diesen
Kj*äften zu reden, da dieselben niemals Arbeit leisten, weder
bei der wirklichen Bewegung, noch bei virtuellen Bewegungen.
Daher kann die analytische Mechanik bei der Behandlung starrer
Massensysteme davon absehen, eine innere „potentielle Energie ^^
der Körper heranzuziehen. Aus den Bedingungsgleichungen
der bewegten Massen und ihrer kinetischen Energie ergeben
sich ohne weiteres die Bewegungsgleichungen des Systemes.
Dieser Grundgedanke der analytischen Mechanik Lagranges
ist bekanntlich von Heinrich Hertz in seiner Darstellung der
Prinzipien der Mechanik am konsequentesten durchgeführt
worden. H. Hertz wünscht den Begriff der potentiellen Energie
aus den Grundlagen der Mechanik zu verbannen. Er postuliert
die Zurückfuhrung der potentiellen Energie auf die lebendige
Kraft verborgener Systeme träger Massen; diese Massen sollen
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 143
durch ^^ starre '^ Yerbindnngen miteinander verkoppelt sein; alle
Erafte^ auch anscheinende ^^Femkrafte'^^ sollen in Wirklich-
keit durch Mechanismen verborgener Massen übertragen sein^
welche auch die anscheinend getrennten materiellen Körper
miteinander verkoppeln. Nun sind jedoch die Verbindungen,
welchen wir in der wirkUchen Eorperwelt begegnen, keines-
wegs „ starr ^^ Auch die festen Körper besitzen die Eigenschaft
der Elastizität, Reibung usf. Daher reichen fElr eine er-
schöpfende Darstellung der Bewegungsvorgange die Ansätze
der analytischen Mechanik nicht aus, man muß vielmehr die
thermischen Verenge berücksichtigen, welche die Bewegungen
begleiten.
Dieser Einsicht verschließt sich Hertz keineswegs. Da
er aber alle physikalischen Vorgänge, auch die thermischen,
als BewegungsYor^ge aufzufassen wOnscht, so kann er nicht
umhin, anzunehmen, daß in der Welt der Atome die starren
Verbindungen seiner Mechanik verwirklicht sind. In der Tat,
wäre die Bewegung der Atome mit Beibungs- und Form-
änderungsarbeit verbundeu, so wäre es logisch unmöglich, die
Wärme der Körper als eine Art von Bewegung aufzufassen.
Will man das mechanische Weltbild in folgerichtiger Weise
zeichnen und dabei die potentielle Energie aus den Ghnmdlagen
der Mechanik verbannen, so muß man fordern, daß die kine-
matischen Zusammenhänge der kleinsten Teilchen „ starr ^^ im
Sinne der Hertzschen Mechanik sind.
Wir haben die Bedeutung dieses mechanischen Weltbildes
für die Elektrodynamik im ersten Bande dieses Werkes (§ 64)
erörtert, als wir die Maxwellsche Ableitung der Induktions-
gesetze aus den Lagrangeschen Gleichungen vortrugen. Wir
erwähnten dort bereits, daß diese Maxwellsche Analogie der
Selbstinduktion zur Massenträgheit nicht unbedingt zugunsten
des mechanischen Weltbildes gedeutet zu werden braucht,
sondern daß man mit demselben Rechte umgekehrt versuchen
kann, die Massenträgheit aus den Gesetzen der Elektrodynamik
abzuleiten und so die Mechanik elektromagnetisch zu begreifen.
Wir sind jetzt zu dem Punkte gekommen, wo das „elektro-
144 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
magnetisclie Weltbild '^ auf seine Richtigkeit zu prüfen ist.
Die elektromagnetische Masse des Elektrons ist nichts anderes^
als die Selbstinduktion des Konvektionsstromes. Ist die
Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch begründet und
die Trägheit der Elektronen auf ihre Selbs);induktiony d. h. auf
die Rückwirkung ihres Feldes, zurückgeführt, so haben wir
den Stützpunkt gewonnen, von dem aus wir die mechanische
Naturanschauung in ihren Grundlagen erschüttern können.
Wir können dann wagen, die kinetische und die potentielle
Energie der Mechanik, und alle Energieformen überhaupt, als
magnetische und elektrische Energie zu deuten und so ein
elektromagnetisches Weltbild an die Stelle des mechanischen
zu setzen.
Obwohl wir eine Tendenz verfolgen, welche derjenigen der
Hertzschen Mechanik diametral entgegengesetzt ist, soll uns
doch hinsichtlich der Folgerichtigkeit der Durchführung dieser
Tendenz die Hertzsche Mechanik vorbildlich sein. Wollen wir
an Stelle der kinetischen und der potentiellen Energie der
Mechanik die elektromagnetische Energie setzen, so müssen
wir der Dynamik der elektrischen Atome kinematische Ver-
bindungen zugrunde legen, deren Aufrechterhaltung weder
einen Energieverlust, noch einen Energiegewinn mit sich
bringt; sonst ist die gesamte elektromagnetische Energie des
Feldes nicht konstant, und es wird die Einführung einer nicht
elektromagnetischen Energieform doch wieder notwendig. Das
elektromagnetische Weltbild kann nicht umhin, der
Kinematik der Elektronen Bedingungsgleichungen
zugrunde zu legen, welche den „starren" Verbin-
dungen der Hertzschen Mechanik entsprechen. Nur
auf solchen kinematischen Grundgleichungen faßend, ist die
Dynamik des Elektrons ohne logische Widersprüche elektro-
magnetisch zu begründen. Nur die Übereinstimmung der
Ergebnisse einer so begründeten Dynamik des Elektrons mit
dem Experimente kann zur weiteren Verfolgung des elektro-
magnetischen Weltbildes ermutigen. Die einfachste aller in
den Rahmen der analytischen Mechanik fallenden Bedingungs-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 145
gleichangen war es^ die wir als kinematische Ghnmdhypothese
wählten. Auch über die Form des Elektrons werden wir
meist die einfachste denkbare Annahme machen. Wir werden
das Elektron als Engel betrachten^ mit einer in kon-
zentrischen Schichten homogenen Verteilung der Ladung; ins-
besondere werden wir zwei Grenzfälle, nämlich die homogene
Volumladung und die homogene Flächenladung^ bevor-
zugen. Beide fähren hinsichtlich der elektromagnetischen
Masse zu demselben, mit den Versuchen Kaufmanns überein-
stimmenden Ergebnisse. Erst dann, wenn künftige Experimente
mit diesen spezieUen Annahmen sich als unverträglich erweisen
sollten, würde man zu komplizierteren Annahmen über die
Form und die Ladungsverteilung des Elektrons überzugehen
geneigt sein. Man würde auch daran denken, dem Elektron
mehr als sechs Grade der Freiheit zu geben; aber stets wären
die kinematischen Verbindungen so zu wählen, daß sie als „starre ^^
Verbindungen im Sinne der Hertzschen Mechauik zu bezeichnen
wären. Vor^.ufig allerdings erscheint der Übergang zu kompli-
zierteren kinematischen Grundgleichungen unzweckmäßig.
Halten wir an der kinematischen Grundgleichung (VH)
fest, so brauchen wir von „Kraften", welche die Volumelemente
des Elektrons aufeinander ausüben, überhaupt nicht zu reden.
Die einzigen „Kräfte^ die in Frage kommen, sind die elektro-
magnetischen E[räfte, welche durch die Vektoren % und %^
bestimmt sind; diese Vektoren sind nur Hilfsgrößen, die defi-
niert siud durch die elektromagnetischen Grundvektoren tt, $
und durch den Geschwindigkeitsvektor ü. Die resultierenden
Kräfte und Kraftmomente des äußeren und inneren Feldes
allein sind es, die in die dynamischen Grundgleichungen (VI
und Via) eii^ehen. Von „Kräften'^ aber, welche das Elektron zu
deformieren bestrebt sind, spricht unsere Dynamik des Elektrons
überhaupt nicht. Die kinematische Grundgleichnng bedingt es,
daß solche Kräfte niemals Arbeit leisten können; von unserem
Standpunkte aus ist die Einführung solcher Krafte überflüssig.
Anders liegt hingegen die Sache, wenn man die kine-
matische Grundgleichung (VH) fallen läßt und eine Form-
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 10
146 f^rster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
änderung des Elektrons als möglich ansieht. Dann müssen
nicht nur die resultierenden Kräfte und £j-aftmomente am
Elektron im ganzen sich das Gleichgewicht halten^ sondern
es muß an jedem Yolumelemente des Elektrons Gleichgewicht
bestehen^ da ja eine am Yolumelemente haftende ^^ materielle^'
Masse nicht angenommen werden soll. Dann muß man schon
für das ruhende Elektron annehmen^ daß neben den elek-
trischen noch innere elastische Eüräfte wirken, welche es ver-
hindern, daß die Yolumelemente ihrer gegenseitigen Abstoßung
Folge leisten. Diese Kräfte müssen ganz enorme sein; denn
die elektrischen Kräfte, welche an der Oberfläche des Elektrons
angreifen, übertreffen, weil die Abmessungen des Elektrons so
außerordentlich klein sind, die experimentell herstellbaren
elektrischen Kräfte um das billionenfache. Bewegt sich
nun das Elektron als Ganzes translatorisch oder rotatorisch,
so werden die elektromagnetischen Kräfte abgeändert werden,
und mit ihnen die elastischen, derart, daß an jedem
Yolumelemente die elektrischen und die elastischen Kmfte
sich das Gleichgewicht halten. Die Abänderung der elasti-
schen Kräfte wird von einer Formänderung begleitet sein.
Der Translationsbewegung und der Rotationsbewegung wird
sich demnach eine innere Formänderungsbewegung überlagern,
die ihrerseits das innere Feld beeinflußt. Man hat, präzis
gesprochen, neben den Gleichgewichtsbedingungen für die
Yolumelemente noch die Feldgleichungen (I bis lY) zu erfüllen
und hat zu zeigen, daß die hinsichtlich der elastischen Kräfte
gemachten Annahmen zu keinen Widersprüchen führen. Eine
solche, nachgewiesenermaßen widerspruchsfreie Theorie eines
deformierbaren Elektrons existiert bisher nicht. Sollte sie
sich durchführen lassen und dem Experimente gegenüber sich
gleichfalls bewähren, so wäre sie unserer Theorie gegenüber
noch insofern im Nachteile, als sie gezwungen wäre, außer
der elektromagnetischen Energie noch eine innere potentielle
Energie von der Art der inneren Energie elastischer Körper
einzuführen, deren Abnahme die von den elastischen Kräften
geleistete Arbeit kompensiert. Man würde dann die Trägheits-
Drittes Kapitel. Die Mechanik alAN3IU|BSftv^ 147
kräfte verbannt^ aber dafor die weniger gut yerstaudenen
elastischen Kräfte aus der Mechanik übernommen haben. Man
würde die kinetische Energie der Elektronen auf die elektro-
magnetische Feldenergie und eine innere potentielle Energie
zurückgeführt haben. Die Übereinstimmung einer solchen
Dynamik des Elektrons mit dem Experimente wäre gewiß
nicht als eine Bestätigung des elektromagnetischen Weltbildes
aufzufassen.
Wir werden in diesem Werke an der Hypothese des
;, starren'^ Elektrons festhalten; auf Grrund dieser Hypothese
werden wir die Frage zur Entscheidung zu bringen suchen^
ob die Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch be-
gründet und so die Konvektionsstrahlung freier Elektronen als
rein elektrischer Vorgang aufgefaßt werden kann. Ein weiterer
Schritt auf dem Wege der elektromagnetischen Weltanschauung
wäre die Deutung der Eüräfte^ welche die Materie auf die
Elektronen ausübt, z. B. der quasielastischen Kräfte (vgl. § 9),
auf rein elektromagnetischer Basis. Der letzte Schritt endlich
wäre die Auffassung der wägbaren Atome und Moleküle als
Aggregate von Elektronen, eine Auffassung, welche die Träg-
heit der Materie ohne weiteres erklären würde, von der man
aber auch fordern müßte, daß sie von den Molekularkräften
und von den Ghravitationskräften in befriedigender Weise
Rechenschaft gäbe« Die Welt würde dann allein aus den
positiven und negativen Elektronen, und aus dem von ihnen
im Baume erzeugten elektromagnetischen Felde bestehen, und
alle Naturvor^mge wären als Konvektionsstrahlung der Elektronen
oder als von ihnen entsandte Wellenstrahlung zu betrachten.
Dieses elektromagnetische Weltbild ist bisher nur ein Programm;
hoffen wir, daß die Arbeit der im Dienste dieses Programmes
tätigen Forscher von weiteren Erfolgen gekrönt werden möge.
§ 17. Die Bewegungsgleiohungen des Elektrons.
Ist das „äußere Feld" gegeben, und die jeweilige Lage,
Geschwindigkeit und Drehgeschwindigkeit des Elektrons, so
sind die resultierende äußere Kraft
10»
148 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegnng der einzelnen Elektronen.
(90) r ==fdv Q r =fdvQ { r + i [ör] )'
tind die resultierende änßere Drehkraft
(90a) fH'^fdv Q [t ri -fdv Q [t, r + 1 [tir]]
gleichfalls bestimmt. Für das kugelförmige Elektron wird man
als Momentenpunkt den Mittelpunkt desselben wählen^ und
von diesem aus den Radiusvektor r konstruieren. In der kine-
matischen Grrundgleichung gibt dann tl^ die Geschwindigkeit
dieses Mittelpunktes^ tt die Drehgeschwindigkeit des Elektrons
um seinen Mittelpunkt an.
Nimmt man die Ladungsverteilung im Elektron nicht ab
allseitig symmetrisch an^ so wird man als Momentenpunkt
den durch die Gleichung
(90b) fdvQt^O
definierten Punkt wählen, der dem „Massenmittelpunkte^^ der
Mechanik entspricht, und der in diesem Falle schlechtweg als
„Mittelpunkt des Elektrons^^ bezeichnet werden mag.
Bei reiner Translationsbewegung (tt =» 0) ist die [äußere
Kraft
(91) «; ^JdvQ r + ^ [iio,/dt;9 §"] •
Ist das äußere Feld innerhalb des vom Elektron ein-
genommenen Bereiches merklich homogen, so reduziert sich
der Translationsbestandteil der äußeren Kraft auf
(91a) «?-e{r+^[ti„§T)-
Die experimentell herstellbaren konstanten elektrischen
und magnetischen Felder sind stets als homogen anzusehen auf
Strecken von der Größenordnung eines Elektrondurchmessers;
die von ihnen ausgeübte Kraft wird daher stets mit genügender
Annäherung durch (91a) angegeben.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 149
Die äußere Drehkraft ist bei reiner Translation
(91 b) m ^Jdv Q [t r] + \Jdv Q [t [üo r]] •
Dieser Ausdrack verschwindet für ein homogenes äußeres
Feld, da hier sowohl ©'*, wie [ilo§^] vor das Integralzeichen
zu ziehen sind, gemäß (90b)« Im homogenen Felde ist
der Translationsbestandteil der äußeren Drehkraft
gleich Null.
Dreht sich indessen das Elektron um seinen Mittelpunkt,
so kommt im magnetischen Felde der Rotationsbestandteil der
äußeren Kraft hinzu:
^2
^^fdvg[[ntirl
welcher gemäß den Regeln (/?) und (d) in Bd. I, S. 437 zu
schreiben ist ^
(91c) Stt = jJdvQ{-n{t^'^ + t(n^'')}'
Der Rotationsbestandteil der äußeren Kraft ver-
schwindet gleichfalls im homogenen magnetischen
Felde.
Der Rotationsbestandteil der äußeren Drehkraft
jedoch
(9id) m--^fdvQ [ttt] (t^) --^[uJdvQt (tr)]
ist auch im homogenen magnetischen Felde im all-
gemeinen von Null verschieden.
Bei um den Mittelpunkt symmetrischer Verteilung der
Elektrizität ist er dem äußeren Produkte aus der Dreh-
geschwindigkeit tt und der Feldstärke ^^ proportional.
(91 e) «?=l[tt§^.
Der Koeffizient | findet sich nach einer einfachen Rechnung
I = -g— för Yolumladung;
I = -r— für Flächenladung;
wenn a der Radius des kugelförmigen Elektrons ist.
(91 f)
150 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Führen wir die nunmehr als bekannt anzusehenden Vektoren
Ä* und jl* in die dynamischen Grundgleichungen (VI, Via) ein,
so lauten diese:
(92) Se+JdvQ% = 0,
(92 a) fe+fdvQlx^l^Q,
Es handelt sich nun darum, den Vektor %j d. h. die
elektromagnetische Kraft des vom Elektron selbst erregten
Feldes, zu ermitteln.
Wir haben bereits im ersten Kapitel (§ 8) in fdlgemeinster
Weise die Fortpflanzung einer elektromagnetischen Störung be-
handelt. Wir haben gesehen, daß das Feld, welches zur Zeit t
in irgendeinem Aufpunkte herrscht, sich zusammensetzt aus
Beiträgen, welche eine mit Lichtgeschwindigkeit sich kontra-
hierende Kugel dem Aufpunkte zuführt. Und zwar hängen
die elektromagnetischen Potentiale von der elektrischen Dichte
und von der Dichte des Konvektionsstromes ab, welche die
Kugel antrififit; die Feldstärken werden mithin von der Dichte,
Geschwindigkeit und Beschleunigung der Elektrizität abhängen,
über welche die Kugel hinweggestrichen ist. Das vom Elektron
erregte Feld wird sich demnach durch ein Zeitintegral über
die Latenszeit r oder den Latensweg X darstellen lassen. Auf
diese allgemeine Darstellung des Feldes kommen wir weiter
unten (§ 24) zurück.
In die Ausdrücke der inneren Kraft und Drehkraft gehen
nun die Feldstärken ein, welche in dem gerade vom Elektron
eingenommenen Bereiche herrschen, und die vom Elektron
selbst erregt sind. Um sie direkt zu bestimmen, müßte man
für jeden Punkt des Elektrons das Feld ermitteln, und sodann
die elektromagnetischen Kräfte, welche auf die einzelnen Volum-
elemente wirken, nach den Regeln der Mechanik starrer Körper
zusammensetzen. Hat sich nun das Elektron vorher mit Unter-
lichtgeschwindigkeit bewegt, so wird für jeden zur Zeit t in
sein Inneres fallenden Aufpunkt das Feld abhängen von der
Bewegung, welche das Elektron in einem endlichen, der Zeit t
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 151
Yorangegangenen Zeitintervalle ansgefährt hat, namlicli in dem
ZeitinteryaUe, während dessen die mit Lichtgeschwindigkeit
sich kontrahierende Engel über das Elektron hinweggestrichen
ist. Anch bei Bewegong mit Überlichtgeschwindigkeit wird
das gleiche gelten; die Abweichung liegt darin, daß hier das
Elektron von außen in die sich kontrahierende Kugel hinein-
tritt. Nur wenn die Geschwindigkeit des Elektrons der Licht-
geschwindigkeit gleich ist, oder um diese oszilliert, liegt ein
Ausnahmefall vor. Im allgemeinen wird die elektromagnetische
Kraft im Innem des Elektrons abhängen von der Geschwindig-
keit und Beschleunigung, die das Elektron in einem endlichen,
vorangegangenen ZeitintervaUe erfahren hat. J)9S gleiche wird
von der resultierenden inneren Kraft und Drehkraft gelten.
Wir kommen hierauf weiter unten (§ 26) zurück.
Aus diesen allgemeinen Überlegungen gewinnen wir eine
Einsicht in den Sinn unserer dynamischen Qmndgleichnngen.
Wir erkennen, daß diese Gleichungen im Grunde etwas ganz
anderes aussagen, als die Prinzipien der gewöhnlichen Mechanik.
Während die Mechanik starrer materieller Körper die zeitliche
Änderung der jeweiligen Geschwindigkeit und Drehgeschwindig-
keit durch die äußere Kraft und Drehkraft bestimmt, wenn
die Gestalt und die Massenverteüung des Körpers gegeben ist,
ist die Aussage der Ghnindgleichungen der Dynamik des
Elektrons eine weit verwickeitere. Dieselbes sind^ streng
genommen, Funktionalgleichungen, welche die Lage, sowie die
Geschwindigkeit und Beschleunigung der Translation und Ro-
tation, die in einem ganzen Zeitintervalle herrschen, zueinander
in eine äußerst verwickelte Beziehung setzen. Man darf daher
nicht hoffen, Bewegungsgleichungen zu erhalten, welche gleich-
zeitig in Strenge gültig sind, und, ähnlich wie die Bewegungs-
gleichungen des starren Körpers, die Beschleunigung der Trans-
lation und Rotation allein durch die jeweils herrschenden
äußeren Kräfte bestimmen. Nur indem man spezielle Fälle
herausgreift, und sie passend idealisiert, kann man erwarten,
zu übersichtlichen, für die Darstellung der beobachtbaren Be-
wegungen geeigneten Ergebnissen zu gelangen.
152 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Dieses war das Ziel; welches ich bei meinen ünter-
snchnngen über die Dynamik des Elektrons verfolgt habe. Ich
habe nachgewiesen^ daß die in den Eaihodenstrahlen und den
Becquerelstrahlen stattfindenden Elektronenbewegnngen so wenig
beschleunigt sind^ daß sie als ^^qnasistationär^ gelten können^
d. h. daß das Feld des Elektrons merklich dem bei gleich-
formiger Bewegung mitgeführten Feld entspricht (vgl. § 23).
Für solche qoasistationäre Translationsbewegongen bin ich zu
Bewegnngsgleichnngen gelangt^ welche Yon den in der Mechanik
geltenden nicht so sehr verschieden sind. Hier läßt sich das
Verhalten des Elektrons auch bei Geschwindigkeiten^ die von
der Ordnung der Lichtgeschwindigkeit^ aber immerhin kleiner
als diese selbst sind^ durch eine von der jeweiligen Ge-
schwindigkeit abhängige ^^elektromagnetische Masse^^
charakterisieren. Dabei ist jedoch eine andere träge Masse in
Rechnung zu setzen^ wenn es sich um Beschleunigung parallel
der Bewegungsrichtung; oder senkrecht zu ihr handelt. Beide
Massen^ die ^^longitudinale^' sowohl^ als auch die ^^trans-
Yersale'', lassen sich mit HUfe des elektromagnetischen Im-
pulses (§ 5) in übersichtlicher Weise darstellen. In ent-
sprechender Weise läßt sich aus dem elektromagnetischen
Impulsmomente für quasistationäre Drehbewegungen ein
^^elektromagnetisches Trägheitsmoment^^ ableiten.
Wir gewinnen die Grundlage für die Theorie der quasi-
stationären Bewegungen des Elektrons ^ indem wir die elektro-
magnetische Bewegungsgröße des yom Elektron erregten Feldes
einführen. Deren Dichte ist nach Gleichung (18):
(93) g_i,S=^^[Ǥ].
Der gesamte Impuls des Feldes beträgt
(93a) e^Jdv%,
und der Drehimpuls
(93b) 9-=fdv[t.i].
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 153
Die Umformungen^ die zu den Ausdrücken (21) und (26 a)
für die resultierende Elraft und die resultierende Drehkraft
eines beliebigen elektromagnetischen Feldes führten ^ gelten
natürlich auch für das Feld eines einzelnen Elektrons; deim
dieses Feld erfüllt eben die Grundgleichungen (I bis lY)^ auf
denen jene Umformungen beruhten. Wir erhalten demnach
als resultierende innere Kraft
dt
(93c) ft^jdvQ%
Bei der Berechnung des resultierenden Momentes des Yom
Elektron erregten Feldes ist zu beachten ^ daß als Momenten-
punkt nicht ^ wie in § 5^ ein im Räume fester Punkt ^ sondern
der mit der Geschwindigkeit Hq bewegte Mittelpunkt des Elek-
trons gewählt wurde. Auf diesen Momentenpunkt soll auch
das elektromagnetische Impulsmoment ^ bezogen werden. Wir
können; da das Integral in (93b) über den ganzen Raum
zu erstrecken ist, unter r den Radiusvektor verstehen, der vom
Mittelpunkt des Elektrons aus nach einem im Räume festen
Punkte gezogen ist; dann gilt:
Hieraus folgt als zeitliche Änderung des Impulsmomentes
Das zweite Glied der rechten Seite war es, auf welches
sich die Umformungen des § 5 bezogen, die zu den Gleichungen
(26) und (26 a) führten; denn dieses Glied stellt die zeitliche
Änderung des auf einen im Räume festen Momentenpunkt be-
zogenen Impulsmomentes dar.
Wir haben daher hier zu schreiben
«-/<"' [-'!?]■
Zwischen dem auf den bewegten Mittelpunkt des
Elektrons bezogenen elektromagnetischen Impuls-
]^54 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
momente ^ und dem resultierenden Momente der
inneren elektromagnetischen Kräfte besteht demnach
die Beziehung
(93 d) » ='fdvQ [t ?f] = [»„©] + ^ .
Fuhren wir die Ausdrücke (93 C; d) in die dynamischen
Grundgleichungen (92^ 92a) ein^ so nehmen diese die Form an
(94) ,, - ^ ,
(94a) ^ + [öo®] = r.
Diese Foim der dynamischen Grundgleichungen entspricht
durchaus den Bewegungsgleichungen eines starren Körpers,
wenn Kraft und Impulsmoment auf einen mit der Geschwindig-
keit Hq bewegten Momentenpunkt bezogen sind. Sie sind in
der Tat formal identisch mit den Bewegungsgleichungen (46)
und (48) des starren Körpers, die wir im ersten Bande (§ 12)
kennen lernten. Sie beruhen ja auf den Impulssätzen^ die für
die Bewegungsgröße des elektromagnetischen Feldes ebenso
gelten, wie für die an den wägbaren Körpern haftende Be-
wegungsgröße. Freilich läßt sich für die wägbaren Körper
ohne weiteres der Impuls als Funktion der Geschwindig-
keit, und der Drehimpuls als Funktion der Drehgeschwindig-
keit angeben. In der Dynamik des Elektrons hingegen gewinnt
man die Beziehungen, welche den Impuls und das Impuls-
moment mit der Geschwindigkeit und der Drehgeschwindigkeit
verknüpfen, erst durch Integration der Feldgleichungen; erst
nachdem das Feld der betreffenden Bewegung ermittelt ist,
lassen sich die durch (93, 93a, b) definierten Integrale über
den ganzen Raum auswerten, wodurch dann die Bewegungs-
gleichungen eine explizite, zur Bestimmung des ^rlaufes der
Bewegung geeignete Form annehmen.
Neben den Impulsgleichungen ist die Energiegleichung
für die Dynamik des Elektrons von Bedeutung. Wir hatten
dieselbe bereits in § 4 in allgemeiner Weise aus den Grund-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 155
gleichungen der Elektroneniheorie hergeleitet. W, die ge-
samte Energie des yom Elektron erregten Feldes, ist stets
eine endliche, wenn wir bei der Verfolgung der Bewegung
Yon einem anfangs ruhenden Elektron ausgehen, und immer
nur endliche äußere Kräfte auf das Elektron wirken lassen.
Sie berechnet sich in diesem Falle aus den Feldstärken des
Yom Elektron erregten Feldes durch die Integration über den
unendlichen Baum:
(95) w^fll{e^+§^}'
Infolge der über den Anfangszustand gemachten Annahme
können wir in der Energiegleichung, ebenso wie wir es bereits
in § 5 in den Impulsgleichungen taten, die Oberflächen-
integrale streichen. Rücken wir nämlich die Begrenzungs-
fläche so weit fort, daß sie während des ganzen betrachteten
Vorganges nicht yon dem Felde erreicht wird, so findet eine
Strahlung durch die Begrenzungsfläche hindurch nicht statt,
und es wird (vgl. § 4)
(95a) -W--^'
Hier bezeichnet -jr die Arbeitsleistung der „inneren"
elektromagnetischen Kräfte 9, die vom Felde des Elektrons
selbst herrühren; es gut
dA
dt
^fdvQ (ti^) = (%JdvQ%) + (nJdvQ [r^]).
wie aus der kinematischen Grundgleichung (VII) im Verein mit
der Begel (y) der Formelzusammenstellung in Bd. I, S. 437,
folgt. Mit Rücksicht auf die dynamischen Grundgleichungen
(92 a, b) ergibt dieses
(95b) ^=_(ö^«-) _(««»).
Es ist demnach die Arbeit der inneren elektro-
magnetischen Kräfte entgegengesetzt gleich der Arbeit
156 Erster Abscbnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elekiaronen«
der äußeren elektromagnetischen Kräfte. Diese ans den
Ghnuidgleichnngen unserer Dynamik des Elektrons folgende Be-
ziehung würde nicht mehr erfüllt sein^ wenn noch andere
innere Kräfte^ außer den elektromagnetischen^ mitwirkten.
Durch die Wahl der Grundhypothesen haben wir eben aus-
geschlossen, daß solche Kräfte jemals Arbeit leisten. Die
Relation (95 b) und die aus ihr und (95 a) sofort sich er-
gebende Energiegleichung
(96) ^=(ö^Ä<^ + (ttr),
sind für unsere rein elektromagnetisch begründete Dynamik
des Elektrons wesentlich.
Kombinieren wir nun die Energiegleichung (96) mit den
Impulsgleichungen (94) und (94 a), indem wir die aus den
letzteren sich ergebenden Werte der äußeren Kraft und Dreh-
kraft in die letztere einführen, so erhalten wir
Diese aus der Energiegleichung und den Impuls-
gleichungen abgeleitete Beziehung ist Yon großer
Wichtigkeit für die Dynamik des starren Elektrons;
denn sie verknüpft in einer allgemeinen, yon den
Werten der äußeren Kräfte unabhängigen Weise den
Impuls, den Drehimpuls und die Energie des Elek-
trons.
Wir wollen, ehe wir zur Behandlung spezieller Bewegungen
übergehen, noch eine andere, allgemeine Beziehung ableiten,
welche sich gleichfalls weiterhin als wertvoll erweisen wird.
Dieselbe bezieht sich auf die Differenz der magnetischen
Energie T und der elektrischen Energie U des Feldes. Diese
Differenz soll die „Lagrangesche Funktion*' genannt werden.
(98) L==^T-Ü.
Wir wollen bei der Berechnung der beiden Energiearten
die Relationen (28) und (29) heranziehen, welche die elektro-
Dritte« Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 157
mf^etischen Yektoreu durcli die elektromagaetisclien Potentiale
aasdrücken. Dann wird
(98a) r-y%#»=y|j(§,c«rl«),
(98b) 17=/%««- -ߣ («, r<, + i^J^).
Die erhaltenen Ausdrücke sollen durch partielle Integration
umgeformt werden, wobei die über die Begrenzungsfläche er-
streckten Integrale ein für allemal gestrichen werden sollen.
Es liegt diesem Verfahren immer die stillschweigende Voraus-
setzung zugrunde, daß die Grenzflache nicht Ton der Störung
erreicht worden ist; auf dieser Fläche herrscht dann noch der
elektrostatisdie Anfangszustand, der zu einer früheren Zeit
einmal im ganzen Baume geherrscht hat; dieses elektrostatisdie
Feld üefert keine Beiti»ge zu den Oberflächenintegralen.
Aus Regel (v) der Formelzusammenstellung in I, S. 438
folgt
und, nach Einßihrang der Feldgleichnng (11)^
(98c) ^rlß^^^+f^ci*'-^}
Anderseits ergibt die Regel (t) auf S. 437
div Oe - « div e + «F«,
woraus auf Ghnuid des Oaußschen Satzes (Regel ö) folgt
f dvür^ -=— /dt?* div <S = — 4ä I dvQ^.
Demgemäß wird die elektrische Energie
(98d) ^=i/^«(»*Vfe(«W>
158 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Wir wollen, zur Abkürzung, den Skalar
(99) W=0-^i»%)
einfuliren und das über das Volum der Elektronen erstreckte
Integral
(99a) V==\ j dvQW
die „Kräftefunktion'' nennen. Nach Gleichung (10) können
wir auch schreiben:
(99b) V=\ CdvQ9-\fdv (!«).
Es folgt daher durch Subtraktion von (98 c, d)
(100) L = -r+-f^ßi-^i(&V).
Diese wichtige Beziehung zwischen der Lagrange-
schen Funktion und der Kräftefunktion gilt für ein
beliebiges elektromagnetisches Feld.
§ 18. Glelohförmige Translation elektrisober Ladungen.
Wir wollen die Entwickelungen dieses Paragraphen etwas
allgemeiner halten, als es für die Theorie des translatorisch
bewegten Elektrons unbedingt erforderlich wäre. Wir wollen
uns ein beliebiges System elektrischer Ladungen in gleich-
förmiger translatorischer Bewegung begriffen denken. Das
System soll bereits seit so langer Zeit in dieser Bewegung
begriffen sein, daß in allen betrachteten Aufpunkten die frühere,
der gleichförmigen Bewegung vorangegangene Bewegung ohne
Einfluß geworden ist; die Bedingungen, unter denen dieses
der Fall ist, lassen sich auf Orund der allgemeinen Sätze über
die Fortpflanzung der elektromagnetischen Störungen (§ 8)
ohne Schwierigkeit angeben. Diese Sätze führen ebenso, wie
in dem speziellen Falle der Punktladung (§ 12), auch in dem
jetzt Yorliegenden allgemeinen Falle zur Lösung der gestellten
Aufgabe; es wäre nicht schwer, die Bestimmung der elektromagne-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 159
tischen Potentiale anf Grund der Formeln (50) und (51) durch-
zuführen. Man sieht ohne weiteres ein, daß das gleichförmig
bewegte System elektrischer Ladungen sein Feld einfach mit-
führt. In der Tat^ denken wir uns ein mit den Ladungen
gleichförmig mitbewegtes Bezugssystem und in diesem einen
festen Punkt P, so werden die Werte der elektromagnetischen
Potentiale * und V in einem solchen Punkte von der Zeit
unabhängig sein; denn welche Zeit t man auch wählt; die
Bewegung, nach rückwärts verfolgt, ist stets die gleiche, und
die auf den betreffenden, zur Zeit t mit P koinzidierenden
Aufpunkt hin sich kontrahierende Kugel führt stets die gleichen
Beiträge mit. Es ist demnach das elektromagnetische
Feld des gleichförmig bewegten Systemes elektrischer
Ladungen stationär, wenn es von einem mitbewegten
Bezugssysteme aus beurteilt wird. Freilich gilt das nur
für solche Aufpunkte, welche nicht von denjenigen elektro-
magnetischen Wellen erreicht werden, die vor Eintritt des
stationären Bewegungszustandes entsandt wurden. Je größer
die Zeit ist, welche seit dem Beginn der gleichförmigen Be-
wegung verstrichen ist, desto weiter wird die Wellenzone sich
von den bewegten Ladungen entfernt haben, wofern nicht
deren Geschwindigkeit gerade der Lichtgeschwindigkeit gleich
ist. Diesen Fall schließen wir aus; wir betrachten hier aus-
schließlich Bewegungen mit Unterlichtgeschwindigkeit. Hier
wird die mit Lichtgeschwindigkeit forteilende Wellenzone das
stationäre Feld einschließen; lassen wir die Zeit, die seit
Beginn der gleichförmigen Bewegung verflossen ist, beliebig
wachsen, so dehnt sich das stationäre Feld mehr und mehr
aus; seine Feldstärken nehmen mit dem Quadrate der Ent-
fernung von den bewegten Ladungen ab. Seine Energie und
Bewegungsgröße können daher von einer gewissen Zeit an den
(im Falle der Unterlichtgeschwindigkeit endlichen) Werten der
Energie und Bewegungsgröße gleichgesetzt werden, welche
sich ergeben, wenn mab das stationäre Feld als im ganzen
Räume herrschend annimmt. Die so berechneten Werte sind
allerdings nicht mit der gesamten Energie und Bewegungs-
X60 S^ter Abschnitt. Das Feld ti. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
große des Feldes identisch; nm diese zu erhalten^ müßten wir
noch die Energie nnd Bewegongsgröße der Wellenzone hinzu«
fügen.
Bei der Berechnung der elektromagnetischen Potentiale
des stationären Feldes werden wir nicht die Formeln (50) und
(51) als Ausgangspunkt wählen; es ist hier bequemer^ auf die
Differentialgleichungen (30 a^ b) zurückzugehen^ die sich hier
erheblich vereinfachen. Da nämlich die elektromagnetischen
Potentiale stationär sind in bezug auf ein mit der Geschwin*
digkeit H bewegtes System^ so ist nach Gleichung (116) des
ersten Bandes (S. 113)
Legen wir die :r-Achse der Bewegungsrichtung parallel
und setzen
'^ C C
SO wird
und es nehmen die Differentialgleichungen (30 a^ b) der elektro-
magnetischen Potentiale die Form an:
(101) (1 _ |S«)^ + ^ + -^ 4«p,
d'K d'H d*fL
(101a) (1 -^.)^ + ^ + ^ = - 4«9^.
Die zur Bewegungsrichtung senkrechten Komponenten des
elektromagnetischen Yektorpotentiales sind nach (51) gleich
Null, weil
war: da aber
H
ist, so wird
(101b) «X-/S*, «y==«,«0.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 161
Hierans ergeben sich für die Eomponenten der Feldstärken
Beziehungen; die den in § 12 (Gleichung 67 b, e) für eine
gleichförmig bewegte Punktladung abgeleiteten Yollkommen
entsprechen. Es wird
(lOlc) «.^^|| + ^^^^-(l-^^)||,
(loid) %---%> «.--|f>
(101 e) #.= 0,
(101 f)
Ä ^** Ä^^ Äff
Auch folgt für den Vektor ff, welcher die elektromagne-
tische Kraft auf die mitbewegte Einheit der Ladung bestimmt,
die der Gleichung (68) entsprechende Beziehung
(102) 5 — r^, w^(i-'ß*)0.
Dabei ist W, das „EonvektionspotentiaP^; identisch
mit dem allgemein in Gleichung (99) des vorigen Paragraphen
definierten Skalar. In dem vorliegenden Falle der gleich-
formigen Bewegung hat er der partiellen Differentialgleichung
zu genügen:
(102a) x'j^ + -^ + .^-^ =, ^ 4nQx%
wobei abkürzungsweise gesetzt ist
(102b) X « yr^K
*
Da /3 < 1 angenommen wird, so ist x eine reelle positive
Zahlgröße.
Die einfachste, einer gleichförmig bewegten Punktladung
entsprechende Lösung der Differentialgleichung (102 a) haben
wir bereits in § 12 kennen gelernt.
Für die der Bewegungsrichtung parallele Komponente des
Vektors
Abraham, Theorie der Elektrizitftt. II. H
(ls2 RMl^r Absohniit. Das Feld a. die Bewegung der einzelnen Elekiaronen.
welcher nftoh Qleiohung (18) die Dichte der elektromagnetischen
B0V«gung8gr56e bestimmt^ erhalten wir ans (101 f)
Dabei ist nach (101 e) die magnetische Energiedichte gleich
Integrieren wir über das ganze Feld; so erhalten wir
(108) 2T=|li|C = (li®).
Die doppelte magnetische Energie des gleich-
förmig bewegten Systemes elektrischer Ladungen ist
gleich dem skalaren Produkte aus der Geschwindig-
keit und der elektromagnetischen Bewegungsgröße.
Die durch Gleichung (99a) definierte „Kräftefunktion"
der bewegten Ladungen
(104) V^^JdvQW •
ist von großer Wichtigkeit für die Theorie der konvektiv be-
wegten Elektrizität. Es spielt ja das Eonvektionspotential V
hier dieselbe Rolle^ welche d^ elektrostatische Potential tp in
der Theorie der ruhenden Elektrizität spielt. Wie der negative
Gradient von 9) die Erafb angibt, die auf die ruhende Einheit
der Ladung wirkt; so wird in unserem gleichförmig bewegten
Systeme die ErafI; auf die mitbewegte Einheit der Ladung
durch den negativen Gradienten von W angezeigt (Gleichung 102).
Wie die Abnahme der elektrostatischen Energie
(104a) TJ^^JdvQq>
die Arbeit angibt, die bei einer Eonfigurationsänderung ruhender
Ladungen gewonnen wird, so wird die Abnahme der Erafbe-
funktion V die Arbeit angeben, die bei einer Änderung der
Konfiguration in unserem gleichförmig bewegten Systeme elek-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 163
irischer Ladungen zu gewinnen ist. Diese Eonfigorations-
änderung ist selbstverstandlicli nnendlicli langsam Yorgenommen
zu denken, so daß unser System in jedem Momente als ein
mit der Oeschwindigkeit H gleichförmig bewegtes gelten kann.
Die für unser stationäres Feld aus (100) und (98) folgende
Beziehung
(104b) r L^ü-T
gestattet folgende Deutung: Zu der elektrischen Energie U
des Ladungssystemes tritt das elektrodynamische
Potential — Tder Konvektionsströme, welches, ebenso
wie bei geschlossenen Leitungsströmen (Bd. I, § 64),
der negativen magnetischen Energie gleich ist. Die
so erhaltene Eräftefunktion gibt die Arbeit an,
welche bei einer Eonfigurationsänderung der be-
wegten Ladungen gewonnen wird.
Es folgt übrigens aus (101 e^f)
Hieraus ergibt sich für die Eräftefunktion der Ausdruck
(104c) F- - L -/|^{«.*+ x»(V + «,»))•
Für die wirkliche Berechnung eignet sich allerdings besser
die Formel (104), welche die Eräftefunktion durch ein über
die elektrischen Ladungen erstrecktes Integral darstellt; dieses
Litegral läßt sich auswerten, sobald das Eonvektionspotential W
bekannt ist. Wir gehen jetzt dazu über, durch Integration
der partiellen Differentialgleichung (102 a) das Eonvektions-
Potential zu bestimmen.
Man sieht sofort ein, daß diese Differentialgleichung in
die Poissonsche Oleichung übergeht, wenn man durch die
Substitution
(105) X'^XqX, v^Vqj z^Zq
neue unabhängige Variable einführt. Wir wollen gleichzeitig
setzen
(105a) 9 - f.
11*
164 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Dann ist die Differentialgleichung des Eonyektionspoten-
tiales ZQ schreiben
(105 b) r^^W 4:XQqX.
Wir wollen unser gleichförmig bewegtes System 2J yer-
gleichen mit einem ruhenden Systeme U^ von elektrischen
Ladungen. Es sollen Xq, y^, Zq^ q^ Raumkoordinaten und elek-
trische Dichte in Sq sein^ d. h. es soll Sq aus S durch eine
Dilatation parallel der Bewegungsrichtung hervorgehen^ durch
welche alle der a;-Achse parallelen Strecken im Verhältnis
x-i = (l-^*)"^
verlängert werden; die Dichte der Elektrizität soll gemäß (105a)
im Verhältnis x bei dieser Dehnung verkleinert werden, so
daß entsprechende Volumelemente in J? und S^ dieselbe Ladung
enthalten. Das elektrostatische Potential (p^ in Sq wird der
Poissonschen Oleichung zu genügen haben
(105c) ^Vo 4äPo,
welche durch
(105d) y„=/^=J^ '
allgemein integriert wird. Vergleichen wir nun (105b) und
(105 c) und bemerken, daß die Ladungen entsprechender Volum-
elemente in 2^0 und S die gleichen sind, so erhalten wir
(106) w^.9o = -fT^-*ß-^'
WO
(106a) ro = ]/(*o-y' + (yo-%)* + K-U*
=l/^ + (y-i?)*+(^-Ö*
die Entfernung , der Punkte {x^y^z^ und (lo%5o) i^^*^ welche
in dem ruhenden Systeme S^ dem Aufpunkte {xyz) un^ dem
Quellpunkte (SijS) des bewegten Systemes S entsprechen.
Hierdurch ist allgemein die Bestimmung des Eon-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 165
vektionspotentiales in 2 zarückgeführt auf die Be-
stimmung des elektrostatischen Potentiales in 2^*
Das Konvektionspoiential einer im Koordinatenanfange
befindlichen Pnnktladnng e wird hiemach
(106 b) ?P =
x*e
Vx^ + x^y^+z*)
was Yollkommen mit den Gleichungen (68) und (68 a) des § 12
übereinstimmt. In Entfernungen Yon dem bewegten Ladungs-
systeme^ in welchen dasselbe wie eine Punktladung wirkte ist
die Formel (106b) für das Eonvektionspotential zu verwenden;
hier sind die Flächen konstanten Konvektionspotentiales in 2
Hcayiside-Ellipsoide^ welche aus den kugelförmigen Äqui-
potentialflächen einer ruhenden Punktladung in 2Jq durch die
Transformation (105) entstehen.
Vergleichen wir die Komponenten der elektrostatischen
Kraft
mit denen der elektromagnetischen Kraft
^ = ^rv in 2,
so erhalten wir gemäß (105) und (106)
(106 c)
Es greifen demnach in zwei einander ent-
sprechenden Ladungen des bewegten Systemes 2 und
des ruhenden Systemes S^ Kräfte an^ die bezüglich
der Komponenten parallel der Bewegungsrichtung
einander gleich sind^ während die zur Bewegungs-
richtung senkrechten Komponenten in 2 im Ver-
hältnis X :^ yi — /S* kleiner sind, als in S^,
166 ßrster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Hat man far ein ruhendes System ^ das elektrostatische
Problem gelöst; d. h. die Gleichgewichtsverteilimg der Elek-
trizität auf einem Leitersystem ermittelt^ so kann sofort aus
dieser Lösung die Gleichgewichtsverteilung der Elektrizi1£t
in dem gleichförmig bewegten Systeme 2 angegeben werden^
welches aus 2^ durch eine Kontraktion paraUel der Bewegungs-
richtung im Verhältnis x entsteht. Ln Innern der Leiter in 2^
ist das elektrostatische Potential konstant^ die Feldstärke ^q
gleich Null; dementsprechend ist in 2 das Konvektionspotential
konstant und die elektromagnetische Kraft % gleich Null.
Wie die Gleichgewichtsverteilung in 2^, dem Satze von
W. Thomson gemäß (vgl. I, § 44), durch ein Minimum der
elektrostatischen Energie Uq ausgezeichnet ist, so
besitzt die Verteilung der Elektrizität auf den Leitern
des bewegten Sytemes S die Eigenschaft, die Kräfte-
funktion
(106d) r=^fdvQW^^Jdv,Q,xip,^xU,
zu einem Minimum zu machen.
Wir denken uns in 2^ die Ladung e mit gleichförmiger
räumlicher Dichte verteilt über eine von zwei konzentrischen,
ähnlichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden begrenzte Schicht.
Das elektrostatische Potential nimmt in dem Grenzfalle einer
sehr dünnen Schicht im Innern des Ellipsoides den konstanten
Wert an^):
OD
(107) 90 = 1 efi>
wo abkürzungsweise
(107 a) JD = y(a,' + s) (V + s) (c,' + s)
gesetzt ist. Die entsprechende, im Grenzfalle flächenhafte Ver-
teilung der Elektrizität ist, eben weil sie im Innern des
Ellipsoides ein konstantes elektrostatisches Potential ergibt.
1) Vgl. Riemann -Weber, Die partiellen Differentialgleichungen der
math. Physik. I, § 108, S. 2Ö9.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. X67
diejenige, welche sich auf einem leitenden ruhenden Ellipsoide
von 4en Halbachsen a^, b^^, Cq wirklich herstellt.
Durch gleichförmige Eontraktion im Verhältnis x parallel
irgendeiner Geraden entsteht nun aus diesem Ellipsoide wiederum
ein Ellipsoid von den Halbachsen a, b, c. Wird dieses parallel
jener Geraden gleichförmig bewegt mit einer dem Werte yon x
entsprechenden Geschwindigkeit, so ordnet es sich eben dem
ruhenden Ellipsoide IJ^^a^^yb^yC^) als bewegtes 2](a,b,e) zu;
auf ihm ist das Eonvektionspotential W^'xg)^ konstant. Da
nun die Gleichgewichtsverteilung der Elektrizität auf einem
bewegten Leiter dadurch gekennzeichnet ist, daß im Innern
des Leiters der Vektor ^ verschwindet, d. h. das Eonvektions-
potential konstant ist, so erhalten wir durch Eontraktion des
ruhenden leitenden EUipsoides 2?^ ein bewegtes leitendes
Ellipsoid 2Jy auf dem das konvektive Gleichgewicht der Elek-
trizität sich hergestellt hat. Beachten wir nun, daß die Elek-
trizitatsverteUung in ^ sich als GrenzfaU einer räumlichen
gleichförmigen VerteUung zwischen zwei konzentrischen, ähn-
lichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden auffassen läßt und
daß durch die vorgenommene Eontraktion diese Ellipsoide
wieder in ähnliche, konzentrische und ähnlich liegende Ellipsoide
übergehen, so erkennen wir folgendes: Die erhaltene Elek-
trizitätsverteilung auf dem Ellipsoide 2](a,b,c) wäre auch
dann im Gleichgewichte, wenn das Ellipsoid ruhte. Die
Elektrizitätsverteilung auf einem leitenden Ellipsoide
wird durch gleichförmige Bewegung desselben nicht
beeinflußt^)
Auf unserem kugelförmigen Elektron wurde die Flächen-
ladung als gleichförmige angesehen, nnd es wurde angenommen,
daß die Ladung fest an der Fläche haftet. Obgleich dieser
Fall physikalisch wesentlich verschieden ist von demjenigen &es
geladenen Eonduktors, so zeigt doch der obige Satz, daß beide Fälle
in ihren Eonsequenzen übereinstimmen, wenigstens für statiomlre
und quasistationäre Bewegungen; denn es bleibt ja auch auf
1) W.B.Morton, Phil. Mag. 41, S.488. 1896.
168 Erster Absclmitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
dem bewegten leitenden Ellipsoide die Elektrizitätsyerteilmig,
obwohl sie einer Änderung föhig wäre, im Falle des koi^vek-
tiven Gleichgewichtes die gleiche^ wie auf dem rahenden. So
erklärt es sich, daß die Untersuchungen von W. B. Morton
und 6. F. C. Searle^) über das Feld und die Feldenergie gleich-
formig bewegter ellipsoidischer Leiter fiir die Dynamik des
Elektrons sich haben yerwerten lassen, obwohl sie yon wesent-
lich anderen Ghimdhypothesen ausgehen.
Durch (107) und (106) ist das Eonvektionspotential einer
bewegten ellipsoidischen Flächenladung bestimmt. Wie die
Bewegungsrichtung auch gegen die Hauptachsen (2a, 2b, 2c)
orientiert sein mag, die Streckung (105) ergibt stets wiederum
ein Ellipsoid, durch dessen Hauptachsen (2»^, 26^, 2c^ sich
das elektrostatische Potential g)^ gemäß (107) berechnet. Die
elektrostatische Energie dieses flächenhaft geladenen
Ellipsoides ist «
(107b) ^o^Y'Po'^ifi-^
aus ihr bestimmt sich nach (106 d) die Kräftefunktion des
bewegten Ellipsoides.
Wir wollen dem Falle der Flächenladung den Fall gleich-
formiger Yolumladung eines bewegten Ellipsoides gegenüber-
stellen. Sind die Halbachsen a, h, c dieses Ellipsoides die-
selben, wie die des soeben betrachteten, und ist die Orien-
tierung der Achsen gegen die Bewegungsrichtung dieselbe, so
sind auch die Halbachsen a^, &q, Cq des beim Übergang zum
gestreckten Systeme Uq entstehenden Ellipsoides die gleichen
wie dort. Es wird hier das elektrostatische Potential in 2]q
für das Innere des Ellipsoides')
oo
(1070 ^.= i./^(x-^-j4V,-Ä)'
1) G. F. C. Searle, Phil. Trans. A. 187 (1896), S. 676. Phü. Mag.
44, S. 329. 1897.
2) Riemann-Weber, Die partiellen Differentialgleichungen d. math.
Physik. I, § 107, S. 266.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 169
und somit die elektrostatische Energie der Yolumladung
QO
/ff/x-.'.O-Ä-Ä-Ä)-
I
Die Integrationen über das Volumen des EUipsoides lassen
sich leicht ausfahren. Man findet
(107d) p..-|../g{l-i-(^. + ^ + ^)).
Wir wollen die elektrostatische Energie (107 d) des gleich-
formig über sein Volumen geladenen EUipsoides vergleichen
mit derjenigen des flächenhafb geladenen (107 b). Wir können
die letztere auffassen als Funktion der Großen öq*, 6^*, Cq^, und
^war als homogene Funktion vom Orade (•— ö^)* In der Tat,
erinnern wir uns der Bedeutung der Größe D, die in (107 a)
angegeben war, und setzen statt a^*, h^^, c^ die ^-fachen Werte,
so geht durch die Substitution s = äa die rechte Seite von
(107 b) über in ein ganz gleiches, nach ^ genommenes Integral
zwischen denselben Grenzen, multipliziert mit a ^. Nach
einem bekannten Satze von Euler ist demnach
(107e) V@H-V^ + ^0^^ = -{0,.
Was nun die elektrostatische Energie der Volumladung
(107 d) betrifft, so können wir schreiben
was nach (107 e) ergibt
(107 f) J7o* = |Do-
Von der elektrostatischen Energie in 2^ auf Grund von (106 d)
sogleich zur EnLfkeftmktion in 2 übergehend, erhalten wir
(108) F* = I F.
170 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Es verhalten sich die Eräftefunktionen zweier
Ellipsoide derselben Form^ Ladung^ Bewegnngs-
richtung und Geschwindigkeit, von denen das erste
über sein Volumen gleichförmig geladen ist, während
im zweiten die Ladungsyerteilung der Flächenladung
des leitenden Ellipsoides entspricht (d. h. als Gfrenzfall
einer gleichförmigen räumlichen Verteilung in einer, von zwei
ähnlichen und ähnlich liegenden EUipsoiden begrenzten Schicht
anzusehen ist), wie 6:5. Dieser Satz führt den Fall der
Volumladung auf denjenigen der Flächenladung zurück, so
daß wir uns weiterhin nur mit dem letzteren zu beschäftigen
brauchen.
§ 19. Bewegungsgröße und Energie des gleichförmig
bewegten Elektrons.
Wir betrachten ein ellipsoidisches Elektron in gleich-
formiger geradliniger Bewegung; ist genügend lange Zeit seit
dem Eintritt dieser Bewegung verflossen, und ist die 6e-
schwindigkeit der Translation kleiner als die Lichtgeschwindig-
keit, so wird die gesamte Energie und Bewegungsgroße des
Feldes konstant sein. Sie wird sich zusammensetzen aus der
Energie und Bewegungsgröße der vor Eintritt der gleich-
formigen Bewegung entsandten Wellen und der vom Elektron
mitgeführten Energie und Bewegungsgröße. Die weitere Be-
wegung des Elektrons ist ausschließlich durch die mitgeführte
Bewegungsgröße und Energie bestimmt.
Da der gesamte elektromagnetische Impuls und der auf
den Mittelpunkt des Elektrons bezogene Drehimpuls des mit-
geführten Feldes konstant sind, so ergeben die Impulssätze
(94, 94a):
(109) r - 0,
(109a) r-[lio®].
Es bedarf demnach keiner äußeren Kraft, um die
gleichförmige Bewegung des ellipsoidischen Elektrons
aufrechtzuerhalten, wohl aber im allgemeinen einer
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 171
äußeren Drehkraft. Eine äußere Drehkraft ist stets
erforderlich, wenn der Impulsvektor ® nicht der Be-
wegungsrichtung parallel weist. Man überzeugt sich
leicht dayon, daß dieses eine Eonsequenz der allgemeinen Im-
pulssätze des § 5 ist. Es war ja die elektromagnetische Be-
wegungsgröße über den Äther verteilt zu denken und dem-
entsprechend das Impulsmoment auf einen im Baume festen
Punkt zu beziehen. Eine äußere Drehkraft ist dann erforder-
lich, wenn das auf den absolut ruhenden Momentenpunkt be-
zogene Moment der elektromagnetischen Bewegungsgroße sich
ändert; das ist aber hier der Fall; denn es führt das gleich-
formig bewegte Elektron sein Feld und die über dieses Feld
verteilte Bewegungsgroße einfach mit sich, es ändert sich also
der von dem ruhenden Bezugspunkte aus gezogene Hebelarm,
an dem das betreffende Quantum von Bewegungsgröße an-
zubringen ist, und zwar für das ganze Feld mit derselben Ge-
schwindigkeit H "= Hq. Die zeitliche Änderung des gesamten
auf den ruhenden Momentenpunkt bezogenen Impulsmomentes
ist demnach gleich dem äußeren Produkte aus k) und dem ge-
samten Impulse des mitgeführten Feldes, wie Gleichung (109 a)
behauptet. Was aber die Bewegungsgroße der entsandten
Wellen anbelangt, so ist diese, wie wir gezeigt haben, der
Strahlrichtung, d. h. dem vom Orte des Entsendens aus ge-
zogenen Radiusvektor parallel. Ihr Moment in bezug auf diesen
im Baume festen Punkt ist dauernd gleich Null, so daß die
Bewegungsgröße der Wellen in (109 a) nicht eingeht.
Es ist aus Symmetriegründen ersichtlich und wird durch
genauere Überlegung bestätigt, daß der Impuls ® des mit-
geführten Feldes parallel der Bewegungsrichtung weist, wenn
ein ellipsoidisches Elektron einer der drei Hauptachsen parallel
bewegt wird. Geschieht hingegen die Bewegung des EUipsoides
in einer anderen Bichtung, so bedarf es einer äußeren Dreh-
krafb, upi die gleichförmige, rotationslose Bewegung aufrecht-
zuerhalten. Eine Translation des ellipsoidischen Elek-
trons in einer zu den Hauptachsen schiefen Bichtung
erfüllt also nicht das erste Axiom der Newtonschen
172 Barster Abschnitt* Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Mechanik; sie kann nicht ohne Einwirkung äußerer
Kräfte vor sich gehen. Was aber die Bewegung parallel
den Hauptachsen anbelangt^ so sind stabile und labile Be-
wegungen zu unterscheiden. Eine translatorische Bewegung
wird als stabil zu bezeichnen sein^ wenn beim Herausdrehen
der Hauptachse aus der Bewegungsrichtung eine innere Dreh-
kraft erweckt wird^ welche die Hauptachse wieder in die Be-
wegungsrichtung einzustellen strebt^ d. h. wenn die durch
(109 a) angegebene äußere Drehkraffc 91^, welche jener inneren
Drehkraft das Gleichgewicht hält^ das Ellipsoid aus der Be-
wegungsrichtung herauszudrehen sucht. Ist hingegen eine
äußere Drehkraffc erforderlich, welche die betreffende Haupt-
achse in die Bewegungsrichtung einzustellen sucht, d. h. streben
die durch eine kleine Drehung erweckten inneren Drehkrafte
den Winkel zwischen der Achse und der Bewegungsrichtung
zu vergrößern, so wird die betreffende Bewegung eine labile
zu nennen sein. Wie wir im vorigen Paragraphen gesehen
haben, gibt die Eräftefunktion V des Elektrons durch ihre
Abnahme die bei konstant gehaltener Geschwindigkeit bei
einer Konfigurationsänderung zu gewinnende Arbeit an. Dem-
entsprechend werden sich die stabilen und labilen Translations-
bewegungen dadurch unterscheiden lassen, daß erstere einem
Minimum, letztere einem Maximum der KnLffcefunktion V bei
gegebener Geschwindigkeit entsprechen, gerade so, wie in der
Mechanik die stabilen und labilen Gleichgewichte durch ein
Minimum bzw. ein Maximum der potentiellen Energie sich
auszeichnen (vgl. I § 11). Die genauere Untersuchung hat
dieses bestätigt^; sie hat femer ergeben, daß die Bewegung
des Ellipsoides parallel der größten der drei Achsen
einem Minimum der Kräffcefunktion V (oder nach (104 b) einem
Maximum der Lagrangeschen Funktion) entspricht und dem-
nach stabil ist. Die Bewegung parallel der kleinsten
der drei Achsen hingegen, welche einem Maximum von V
entspricht, ist instabil. Wir können also nicht annehmen.
1) M. Abraham 1. c. Ann. d. Phys. 10. S. 174. 1903.
Drittes KapiteL Die Mechanik der Elektronen. 173
daß die in den Eatiiodenstrahlen und in den Badiumstrahlen
bewegten Elektronen etwa abgeplattete Botationsellipsoide sind,
welche sich parallel der Rotationsachse bewegen, wenigstens
dann nicht, wenn wir die Ladung starr an dem Yolnmen oder
an der Oberfläche des EUipsoides haften lassen; der kleinste
Anstoß würde genügen, nm ein solches Ellipsoid zum um-
schlagen zu bringen. Was schließlich die Bewegung parallel
der mittleren Achse des dreiachsigen EUipsoides anbelangt,
so ist dieselbe offenbar stabil gegenüber solchen Drehungen,
welche die kleinste Hauptachse, aber labil gegenüber solchen,
welche die größte Hauptachse der Bewegungsrichtung parallel
zu stellen suchen. Auch eine Bewegung parallel dieser mitt-
leren Achse wird labil zu nennen sein. Wenn man unsere
einfachste Voraussetzung, nämlich die eines kugelförmigen
Elektrons, aufzugeben und zu der komplizierteren Annahme
einer ellipsoidischen Form überzugehen wünscht, so wird man
in den Eathodenstrahlen und in den Badiumstrahlen diese
ellipsoidischen Elektronen nur ihrer größten Achse parallel
bewegt annehmen dürfen, wofern man an den Grundhypothesen
(VI, Via und Yll) festhält.
unser kugelförmiges Elektron ist offenbar bezüglich einer
Drehung in indifferentem Gleichgewicht. Der Impuls weist stets
parallel der Bewegungsrichtung und es ist keine äußere Dreh-
kraft erforderlich, um die gleichförmige Translation aufrecht-
zuerhalten. Die gleichförmige Translationsbewegung
unseres kugelförmigen Elektrons mit Unterlicht-
geschwindigkeit ist demnach eine kräftefreie Be-
wegung. Es gilt für ein solches Elektron, sei es, daß
die Ladung gleichförmig über die Oberfläche oder
gleichförmig über das Volumen verteilt ist, das erste
Axiom der Newtonschen Mechanik.
Wir gehen nunmehr zur Berechnung der elektromagne-
tischen Bewegungsgröße und Energie über, welche das Elek-
tron bei seiner gleichförmigen Translation mit sich führt.
Die Bestimmung der Eiufbefnnktion V bzw. der Lagrangeschen
Funktion L ist ja durch (106 d) zurückgeführt auf die Be-
1 74 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Stimmung der elektrostatischen Energie U^ des im Verhältnis
x~^ seiner Bewegungsrichtong parallel gestreckten Elektrons:
(110) F=-Z = xt/o.
Ans der Lagrangeschen Funktion leiten wir nun sowohl
die Bewegungsgroße wie die Energie unseres kugelförmigen
Elektrons ab. Wir gehen dabei aus von der Formel (104 c):
(110a) L - - J^ {e.> + (1 - ß^) {%^ + ß,^) ) •
Dieselbe nach ß differenzierend; erhalten wir
(UOb) |5_^J|j {«,.+ «,.)
-/£{«.^+«'(«-^+«.^')l-
Wir betrachten zuerst das zweite der hier auftretenden
Integrale; die partielle Differentiation nach ß bezieht sich auf
das Feld; welches in einem gegebenen Punkte des statioimren
Yom Elektron mitgefuhrten Feldes herrscht; d. h. es sind die
Koordinaten {x, y, d) im bewegten Systeme bei der Differen-
tiation nach ß konstant zu halten. Nach (10 IC; d) und (102)
können wir dasselbe schreiben
Nach der Regel (i) der Formelzasammenstellmig in Bd. I,
S. 437 ist
-(^,F^) = ^di.f-div^^.
Der Satz von 6auß ergibt demgemäß
wenn man beachtet; daß das Oberflächenintegral von ^^
über die Begrenzungsfläche des stationären Feldes zu yemach-
lässigen ist, da W mit der (— 1)*«^; « mit der (~ 2)*^ Potenz
der Entfernung vom Elektron abnehmen; hat; wie wir voraus-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 175
setzen^ das stationäre Feld sich bis zu Entfemmigen aus-
gedehnt , die groß sind gegen den Radius des Elektrons ^ so
ist dieses' Oberflachenintegral in der Tat zu streichen; das
geschieht mit demselben Rechte^ mit dem wir die Energie und
die Bewegnngsgroße des mitgefOhrten Feldes so berechnen,
als ob im ganzen Baume das stationäre Feld herrschte.
Die partielle Differentiation nach ß bezieht sich auf einen
Punkte der eine feste Lage in einem mit dem Elektron be-
wegten Bezugssysteme hat. Hafbet nun^ wie angenommen
wurdC; die Elektrizität starr an den Yolumelementen des
Elektrons^ so ist die Ladungsverteilung von der G^schwindig-
keit unabhängig, und es wird
nnd daher auch
("»«) /n(»lf)-/'''"'l|-«-
Wir erhalten demnach aus (llÖb) mit Bücksicht auf (101 f)
Es wird die der Bewegungsrichtung parallele
Impulskomponente erhalten^ indem man die La-
grangesche Funktion nach dem Betrage |k){»cj3 der
Geschwindigkeit differenziert. Speziell für unser kugel-
förmiges Elektron^ dessen Impuls stets seiner Bewegungs-
richtung parallel ist^ wird
(111) \9\-ä-
0,
Die Gültigkeit dieser bedeutungsvollen Beziehung
fußt wesentlich auf der kinematischen Grundhypo-
these (VU); welche aussagt^ daß die Elektrizität an
den Yolumelementen des starren Elektrons haftet.
Würden wir hingegen eine Formänderung des Elektrons zu-
lassen und annehmen^ daß mit wachsender Geschwindigkeit
die Form des Elektrons, d. h. die Ladungsverteilung im be-
176 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
wagten Systeme sich änderte^ so wäre q als Fanktion yon ß
anzusehen; alsdann würde die Relation (110c) nicht mehr
gelten^ es würde das zweite Glied auf der rechten* Seite von
(110b) nicht mehr fortfallen. Es beruht mithin die Gleichung
(llOd) auf unserer kinematischen Grundhypothese (VII); diese
Gleichung geht in (111) über, wenn der Impuls der Bewegungsr
richtung parallel weist, d. h. wenn keine äußere Drehkraft zur
Aufrechterhaltung der gleichförmigen Translation erforderlich
ist. Für unser kugelförmiges Elektron ist diese Bedingung,
wie wir gesehen haben, erfüllt.
Die Lagrangesche Funktion ist definiert als Differenz der
magnetischen Energie T und der elektrischen Energie ü. Es
ist mithin die gesamte elektromagnetische Energie des Elektrons
W^2T-L.
Führen wir hier füt 2T den allgemeinen, im vorigen
Paragraphen erhaltenen Ausdruck (103) ein, so erhalten wir
oder, mit Rücksicht auf (llOd)
(lila) w^\t,\^^.-L.
Es drückt sich demnach auch die Energie eines
der kinematischen Grundgleichung (VII) gehorchenden
Elektrons allgemein durch die Lagrangesche Funk-
tion aus. Wir merken noch die aus (111) und (lila) fol-
gende Beziehung an
deren Bedeutung wir im nächsten Paragraphen erläutern werden.
Die Entwickelungen des vorigen Paragraphen gestatten
es nun ohne weiteres, das Feld und die Lagrangesche Funktion
eines kugelförmigen Elektrons zu ermitteln, sowohl für den
Fall der gleichförmigen Flächenladung, als auch für den Fall
der gleichförmigen Yolumladung.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 177
Durcli die Transformation (105) wird die bewegte Engel
Yom Badins a abgebildet anf ein mbendes EUipsoid von den
Halbachsen
(112) ao «= ^> 60 = ^0== «;
das ist ein gestrecktes Rotationsellipsoid^ dessen Rotationsachse
der Bewegungsrichtnng des Elektrons entspricht. Das elektro-
statische Potential dieses Ellipsoides würde sich fcir den Fall
der Flächenladnng ans (107)^ fdr den Fall der Yolnmladnng
aus (107 c) durch Einführung der Halbachsen (112) auswerten
lassen. Durch (106) wäre dann das Konvektionspotential
des bewegten Elektrons bestimmt als
(112a) ^-x(po,
und durch (102) bzw. (101b) die elektromagnetischen
Potentiale
(112b) * = x-»^- x-i^o
imd
(112c) «=i*=i.y„.
Anstatt (f^ aus (107) bzw. (107 c) zu berechnen, ziehen
wir es vor, zuiuichst den Fall der Flachenladung zu er-
ledigen, indem wir uns auf die im ersten Bande dieses
Werkes (§ 36) gegebene Ableitung des elektrostatischen Poten-
tiales eines gestrecken Rotationsellipsoides beziehen. Die Ver-
teilung der Ladung auf dem leitenden EUipsoide ist ja als
Grenzfall einer gleichförmigen räumlichen Verteilung zwischen
zwei ähnlichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden anzusehen,
wie wir im vorigen Paragraphen bemerkten. Diese Verteilung
ist gerade die hier in Betracht kommende, nämlich diejenige,
die durch Streckung des mit einer gleichförmigen Flächen-
belegung versehenen Elektrons entsteht. Das elektrostatische
Potential des leitenden Ellipsoides ist in Bd. I Gleichung (132)
auf S. 136 angegeben; dort war die Rotationsachse der ;sr-Achse
parallel; es bezeichnete c den halben Abstand der Brennpunkte,
der hier gleich
Abraham, Theorie der Elektrisit&t. n. 12
178 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegxuig der einzelnen Elektronen.
]/v- V = ^^—^ = ^1
zu setzen ist; es stellten femer r^ und r, die Abstände eines
Aufpunktes von den Brennpunkten dar^ die in der jetzigen
Schreibweise sind
r% = l/(a'o -«!)*+ y«* + «0*-
Demgemäß wird
(112d) ^-o-^ln
im äußeren Felde da49 elektrostatisclie Potential des gestreckten
Rotationsellipsoides. Zum bewegten Elektron zurückkehrend,
erhalten wir aus (112b, c) die elektromagnetischen Poten-
tiale des mitgeführten äußeren Feldes
(112e) $= « inl^+^toj,
(112f) «^^ln P+«;+»'-' },
^ ^ 2/Jac la?--a/3 + «r, J
wobei nach (105)
(112g) ' , T p; -r yy y
zu setzen ist. Aus diesen Werten der elektromagnetischen
Potentiale ist das äußere Feld des Elektrons nach den Formeln
(101c, d, e,f) abzuleiten. Das Eonvektionspotential, dessen
negativer Gradient die auf die Einheit der mitbewegten Ladung
ausgeübte Kraft bestimmt, ist außerhalb des Elektrons,
nach (112 a, d)
(112h) 5r=i^ln|^+^^|.
Die Äquipotentialflächen des ruhenden, gestreckten Rota-
tionsellipsoides sind konfokale Ellipsoide, die sich mit wachsen-
der Entfernung mehr und mehr der Kugelgestalt imhem. Im
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 179
äußeren Felde des bewegten Elektrons sind die Flachen kon-
stanten Eonyektionspotentiales eine Schar yon Ellipsoiden^
welche aus jenen durch eine Eontraktion parallel der o;- Achse
entstehen; mit wachsender Entfernung vom Elektron nahem
sie sich asymptotisch Heayiside-EUipsoiden.
Wie die Oberfläche des leitenden Rotationsellipsoides eine
Äquipotentialfläche ist^ so ist die Oberfläche des Elektrons
eine Fläche konstanten Eonyektionspotentiales. Nach Formel
(132b) in Bd. I (S. 137) ist das elektrostatische Potential des
leitenden EUipsoides
(112i) . (Po -= ^-^— ln ^+>^;o'-V ),
Nach (112, 112a) wird demnach der an der Oberfläche
des Elektrons herrschende Wert des Eonyektions-
potentiales
Im Innern des flächenhaft geladenen Elektrons sind sowohl
das Eonyektionspotential wie die elektromagnetischen Potentiale
konstant; demgemäß besteht im Innern des gleichförmig be-
wegten Elektrons, in dem hier behandelten Falle der Flächen-
ladung, überhaupt kein elektromagnetisches Feld.
Aus (104) bzw. (104 b) folgt jetzt ohne weiteres der Wert
der Eräft'efunktion bzw. der Lagrangeschen Funktion
des Elektrons
(US) r— z-ie^-|lii£ta(l±D
far den PaU der Plächenladung.
Ans (111) folgt als Betrag des Impalses
und aus (lila) die Energie des Elektrons
(U3b) ,r=|.|«-£-ii|ib(l±D-i].
12*
180 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Da die Kräftefunktion gleich der Differenz der elektrischen
Energie U und der magnetischen T ist^ so erhalten wir durch
Addition und Subtraktion von (113 b) und (113)
(1180) p-i(,^+7)-^l((t±')i,(i±D_ij.
(ii8d) r-l(Tr-r)-il(CJJ).n(li^-i).
Die letztere Formel hätte natürlich auch aus (113 a) ab-
geleitet werden können^ da ja nach (103) die doppelte magne-
tische Energie dem Produkte aus Geschwindigkeit und Impuls
gleich ist. Entwickelt man die beiden letzten Ausdrücke in
Reihen^ die nach Potenzen von j8* fortschreiten, und vernach-
lässigt Größen der Ordnung ß\ so wird
(113e) ^=^0 = ^'
«• 1«
(113f) T^^-ß^
Für Bewegungen des Elektrons^ deren Geschwindigkeit
klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ist, ist die elektrische
Energie von der Geschwindigkeit unabhängig, während die
magnetische Energie dem Quadrate der Geschwindigkeit pro-
portional ist. Erstere ist mithin der potentiellen, letztere der
kinetischen Energie der gewöhnlichen Mechanik zu vergleichen.
Diese Analogie ist nicht auf geringe Geschwindigkeiten beschränkt ;
die Ableitung der Gesamtenergie und des Impulses aus der als
Differenz der beiden Energiearten definierten Lagrangeschen
Funktion, die für beliebige Geschwindigkeit galt, erinnert an
Beziehungen, die aus der analytischen Mechanik bekannt sind;
wir kommen hierauf im nächsten Paragraphen zurück.
Haben wir es nicht mit dem Falle der Flächenladung,
sondern mit dem Falle der Yolumladung des kugelförmigen
Elektrons zu tun, so können wir die Lagrangesche Funktion,
die Energie und den Impuls sofort angeben, auf Grund des
Satzes, den wir am Schlüsse des vorigen Paragraphen bewiesen
haben (Gleichung 108). Im Falle der Volumladung
werden die Werte der Eräftefunktion, und demnach
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 131
auch diejenigen der Energie und des Impulses^ aus
den im Falle der Flächenladung geltenden einfach
durch Multiplikation mit dem Zahlenfaktor 6:5 ab^
geleitet. Mit diesem Faktor sind also die rechten Seiten
der Gleichungen (113) bis (113f) beim Übergange zur Volum-
ladung zu multiplizieren.
Aus dem am Eingange dieses Paragraphen und in dem
des Yorigen Gesagten geht ohne weiteres heryor, daß diese
Formeln nur für den Fall der Unterlichtgeschwindigkeit
die Energie und die Bewegungsgröße des mitgeführten Feldes
bestimmen.
Die magnetische Energie einer langsam bewegten^ flächen-
haft geladenen Kugel wurde zuerst yon 0. Heayiside richtig
angegeben (1889). Die Gesamtenergie der leitenden Eugel
wurde von G. F. C. Searle ermittelt (1897)» Die Bewegungs-
größe des kugelförmigen Elektrons und die Beziehungen
zwischen Lagrangescher Funktion, Energie und Bewegungs-
größe wurden vom Verfasser dieses Werkes gefunden (1902),
der auch den Fall der Volumladung in der hier wiedergegebenen
Weise erledigte.
§ 20. Die elektromagnetisohe Masse.
Wir haben im letzten Paragraphen bewiesen, daß das
Elektron, wenn äußere Kräfte nicht wirken, in seiner gleich-
formigen rein translatorischen Bewegung verharrt, wofern
seine Geschwindigkeit kleiner ist, als die Lichtgeschwindigkeit.
Diese Folgerung aus den angenommenen Ghnmdhypothesen
ist in Übereinstimmung mit den bei Ejithodenstrahlen und
Radiumstrahlen gewonnenen experimentellen Ergebnissen;
werden die Strahlen durch kein äußeres Feld beeinflußt, so
erfolgt ihre Fortpflanzung geradlinig mit konstanter Ge-
schwindigkeit.
Wie das erste, so hat auch das zweite Axiom der Mechanik
Newtons sich experimentell in gewissem Sinne bestätigt. Die
träge Masse der Strahlteilchen ist zwar nicht eine unabänder-
liche^ wie die Masse der gewöhnlichen Mechanik. Sie ist nur
182 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
bei langsamer Bewegung konstant; bei den /3- Strahlen des
Badiums hängt sie von der Geschwindigkeit der Elektronen
sb. Immerhin hat sich in dem Bereiche^ auf welches sich die
Experimente beziehen^ die Masse insofern als konstant erwiesen,
als sich der Betrag der transversalen Beschleunigung bei ge-
gebener Geschwindigkeit dem Betrage der transversalen äußeren
Kraft proportional ergab. Der Dynamik des Elektrons erwächst
die Aufgabe, von diesem Verhalten Rechenschaft zu geben,
und, der experimentellen Forschung voranleuchtend, den Be-
griff der elektromagnetischen Masse *präzise zu formulieren.
Um das in dem angegebenen Sinne erweiterte zweite
Axiom Newtons aus den Grundgleichungen unserer Theorie
zu deduzieren, müssen wir offenbar ausgehen von solchen Be-
wegungen, welche dem ersten Axiome Genüge leisten; diese
Bedingung erfüllen die soeben behandelten rotationslosen Be-
wegungen des allseitig symmetrischen Elektrons. Nur dann,
wenn die kräfkefreie Bewegung geradlinig und gleichförmig ist,
l:onnen wir erwarten, die erteilte Beschleunigung der äußeren
Eraft proportional zu finden. Auch für ein kugelförmiges
Elektron ist dieses Verhalten nur unter gewissen einschränkenden
Voraussetzungen über den Betrag der Beschleunigung und der
Geschwindigkeit möglich.
Wie nämlich in § 17 dargelegt wurde, ist die Aussage der
dynamischen Grundgleichungen eine äußerst verwickelte. Auch
bei rein translatorischen Bewegungen hängt die innere Eraft,
welche das Elektron auf sich selbst ausübt, von der Ge-
schwindigkeit und von der Beschleunigung ab, welche das
Elektron während eines gewissen, dem betreffenden Zeitpunkte
vorangegangenen Zeitintervalles erfahren hat. Eine Proportio-
nalität der Eraft zur jeweiligen Beschleunigung, und eine Ab-
hängigkeit der Masse von der jeweiligen Geschwindigkeit allein,
kann daher in Strenge nicht stattfiinden. Nur wenn die Be-
schleunigung hinreichend gering ist, wenn also die Geschwindig-
keit nach Bichtui^ und Betrag sich nur langsam ändert, wird
das Verhalten des Elektrons durch eine „elektromagnetische
Masse^^ zu charakterisieren sein.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 183
Wir deuteten bereits im Eingange dieses Kapitels die
Analogie an^ die zwischen der elektromagnetischen Masse der
konrektiv bewegten Elektrizität und der Selbstinduktion eines
Leitnngsstromes besteht. . Wie die Selbstinduktion mit der
magnetischen Energie des Leitungsstromes zusammenhängt
(vgl. I^ § 64)^ so ist die elektromagnetische Masse mit der
Bewegungsgröße und der Energie des mitgeführten Feldes ver-
knüpft. Nun war aber der Gültigkeitsbereich des Begriffes
der Selbstinduktion auf langsam veränderliche, oder^ wie wir
sagten, ,, quasistationäre'' Ströme beschränkt. Ein Strom wurde
quasistationär genannt (vgl. I, S. 257) , wenn seine Stromstärke
sich nur relativ wenig änderte in der Zeit, welche die elektro-
magnetischen Störungen gebrauchen, um den Abstand zwischen
den beiden entferntesten Punkten des Stromsystemes zu durch-
messen. Nur unter dieser Bedingung konnte die mi^etische
Energie so berechnet werden, als ob das Feld, wie beim
stationären Strome, der jeweiligen Stromstärke augenblicklich
folgte. Auf solche quasistationäre Ströme allein ist die ge-
bräuchliche Theorie des Wechselstromes anzuwenden,' die im
ersten Bande dieses Werkes (Abschnitt III, Eap. 2) vorgetragen
wurde. Dementsprechend wird der Begriff der elektromagne-
tischen Masse nur auf „quasistationäre Bewegungen'' des
Elektrons angewendet werden dürfen; es wird eine Bewegung
dann quasistationär zu nennen sein, wenn ihre Geschwindigkeit
sich nur wenig ändert in der Zeit, welche das Licht gebraucht,
um über das Elektron hinwegzustreichen. Für quasistationäre
Bewegungen werden wir die Bewegungsgröße und die Energie
so berechnen, als ob das mitgeführte Feld der jeweiligen Ge-
schwindigkeit entspräche, d. h. wir werden diejenigen . Werte
des Impulses und der Energie verwenden, die wir im vorigen
Paragraphen für gleichförmige Bewegungen abgeleitet haben.
Die Gültigkeitsgrenzen der Theorie der quasistationären Be-
wegnng werden wir in einem späteren Paragraphen abstecken;
wir werden sehen, daß diese Theorie alle beobachtbaren Ab-
lenkungen und Beschleunigungen mit Unterlichtgeschwindigkeit
bewegter Elektronen umfaßt.
184 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Dem Impulssatze (94) zufolge ist die zeitHche Änderung
des Impulsvektors (B des Elektrons der äußeren elektromagne-
tischen Kraft ft^ gleich:
(114) ^=r.
Bei quasistationarer Bewegung wird, wie bei gleichförmiger
Bewegung; der Betrag des Impulses als Funktion des Betrages
der Greschwindigkeit allein betrachtet ^ imd die Bichtui^ des
Impulses, wie bei einer jeden dem ersten Axiome gehorchenden
Bewegung, der Bewegungsrichtung parallel vorausgesetzi Es
liegt mithin der Vektor, welcher die zeitliche Änderung des
Impulses angibt, stets in der Oskulationsebene der Bahn. Es
ist zweckmäßig, ihn in zwei Vektoren zu zerlegen, von denen
der erste der Bewegungsrichtung parallel ist, während der
zweite nach dem Krümmungsmittelpunkte der Bahn weist; die
Bichtungen, nach denen zerlegt wird, sollen durch zwei
Einheitsvektoren t^ und ft^ gekennzeichnet werden, welche der
Tangente bzw. der Hauptnormale der Bahn parallel sind. Nach
diesen Bichtungen hatten wir in Bd. I, S. 9 den Beschleunigungs-
vektor zerlegt. Wir können die Gleichung (8) daselbst schreiben
(114a) i = tx^+«i "
dt ' ^ B
Femer lautet Gleichung (6) daselbst
(ii^b) ^ - §,
wobei ds das Wegelement der Bahnkurve vorstellt.
In ganz entsprechender Weise, wie wir dort den Ge-
schwindigkeitsvektor differenzierten, können wir jetzt den
Vektor
(114c) ® = ti|®|
nach der Zeit differenzieren.
Es wird, mit Bücksicht auf (114b):
dt ""^""^1 dt '^ B dt
und da man hat:
Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 185
ds , d\^\ _ d\9\ d\t
dt >^ dt d|d| dt
so wird
(ii4d) ^=t,4!Si^+^i®in.
d\1^\ dt ' B
Diese Formel gilt för jeden Yektor, dessen Richtung zu li
parallel, und dessen Betrag durch den Betrag von tl bestimmt
ist. Speziell für die zeitliche Änderung von li selbst geht sie
über in die Gleichung (114a).
Anderseits lautet die Bewegungsgleichung (114)
(114e) Ä-ti «:+»!«?,
hier sind unter ft« und Ar die Komponenten der äußeren Ejraft
zu verstehen^ welche parallel bzw. senkrecht zur Bewegungs-
richtung wirken; die Ebene der Geschwindigkeit ü und der äußeren
Kraft ft^ bestimmt die Oskulationsebene der Bahn, wie in der
Mechanik des materiellen Punktes.
Wir schreiben jetzt (114d) und (114a)
i == tl ö«+ Ri ir,
und erhalten
(114g)
*.
d 9
».
«•,
d tt
K
K
9
K
K
H
(114h)
Die Quotienten aus longitudinaler Kraftkompo-
nente und longitudinaler Beschleunigungskompo-
nentC; sowie aus transversaler Kraftkomponente und
Beschleunigungskomponente; sind für quasistationäre
Bewegungen beide nur Funktionen der Greschwindig-
keit.
In diesem Sinne erweist sich das zweite Axiom Newtons
in der Dynamik des Elektrons als gültig. Wir erhalten jetzt
für die ^^longitudinale elektromagnetische Masse^^ d. h.
186 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
für den Quotienten der parallel der Bewegangsrichtüng ge-
nommenen Komponenten von äußerer Kraft und Beschleuni-
gung:
d\t
(115) m.
Für die ^^transversale elektromagnetische Masse^^
hingegen, d. h. für den Quotienten der zur Bewegungsrichtung
senkrechten Komponenten von äußerer Kraft und Beschleuni-
gung folgt
(115a) • m.= ^
Im allgemeinen ist die longitudinale Masse von
der transversalen verschieden. Nur im Grenzfalle lang-
samer Bewegung, wo der Impuls des Elektrons seiner Ge-
schwindigkeit proportional ist, stimmen die rechten Seiten
von (115) und (115a) überein; wir wollen diesen gemeinsamen
Grenzwert der longitudinalen und der transversalen Masse mit
m^ bezeichnen; für langsame Kathodenstrahlen ist es erlaubt,
mit ihm so zu rechnen, wie es in § 2 geschah.
Diese Formeln, welche die Masse des Elektrons mit seiner
Bewegungsgroße verknüpfen, und die vom Verfasser dieses
Werkes zuerst angegeben wurden, sind unabhängig von jeder
Annahme über die Form und die Ladungsverteilung des Elek-
trons. Sie gelten immer dann, wenn der Impulsvektor der
Bewegungsrichtung parallel weist, und sein Betrag eine beliebige
Funktion des Betrages der Geschwindigkeit ist. Wünscht man
die Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch zu begründen,
so hat man für |®| den Betrag der elektromagnetischen Be-
wegungsgröße einzusetzen.
Man kann die elektromagnetische Masse auch mit der
elektromagnetischen Energie des Elektrons in Verbindung
bringen; die Energiegleichung (96) ergibt für rein trans-
latorische Bewegungen
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 187
Für quasistationäre Bewegangen wird die Energie des
Elektrons als Funktion des Betrages der Geschwindigkeit be-
trachtet; es wird daher
äW diu
didl dt
Hieraus ergibt sich die ^^longitudinale Masse ^^^ die als
Quotient der longitudinalen Beschleunigung und Eraft definiert
wurde,
Diese Formel verknüpft die longitudinale Masse
des Elektrons mit seiner Energie. Die transversale Masse
wird selbstverständlich durch die Energiegleichung nicht be-
stimmt; da ja eine transversale Kraft keine Arbeit leistet.
Die aus der Energiegleichung abgeleitete Formel (115b)
ist; ebenso wie die aus dem Impulssatze gewonnenen Formeln
(115) und (115a); unabhängig von jeder Annahme über die
Form und die Ladungsverteilung des Elektrons. Sie fußt
ebenso, wie jene allein auf den Grrundgleichungen (I bisY) der
Elektronentheorie; aus denen ja die Energiegleichung und die
Impulsgleichung als Folgerungen sich ergaben. Man könnte
diese Formel; ebenso wie jenC; auch dann verwenden; wenn
man annähme; daß wc^bare Materie mit dem Elektron ver-
koppelt sei; alsdann wäre in TFdie Energie; in ® die Bewegungs-
größe der wägbaren Materie mit in Rechnung zu ziehen.
Dem von uns vertretenen Standpunkte getreu ; werden wir
indessen unter % stets den elektromagnetischen Impuls ; unter
W die elektromagnetische Energie verstehen. Yon einer rein
elektromagnetisch begründeten Dynamik des Elek-
trons werden wir unter allen Umständen verlangen
müssen; daß die beiden Formeln (115) und (115b) für
die longitudinale Masse des Elektrons zu demselben
Ergebnisse führen. Würde die Formel (115b) unter An-
nähme rein elektromagnetischer Energie, zu einem anderen
Wert von w, ergeben; als die Formel (115) unter Annahme
einer rein elektromagnetischen Bewegungsgröße; so würde ein
188 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
innerer Widerspruch nnseres Hypoiihesensystemes zutage treten.
Man könnte diesen Widersprudi durch Einfuhrung einer inneren^
nicht elektromagnetischen Energie des Elektrons heben; dann
würde man aber das Ziel einer rein elektromagnetischen Be-
gründung der Mechanik der Elektronen nicht erreichen.
In unserer, auf den Ghrundgleichungen (VI) und (VII)
fußenden Dynamik des Elektrons entsteht nun der besagte
Widerspruch nicht. In der Tat, wir hatten im vorigen Para*
graphen bewiesen, daß unter Voraussetzung einer unveränder-
lichen Verteilung der Ladung im Elektron, Impuls und Energie
durch die Formeln (111) und (lila) mit der Lagrangeschen
Funktion verknüpft sind. Hieraus hatten wir die Beziehung
(111b) abgeleitet; diese Beziehung
d\9\ 1 dW d^L
d\l^\ \t\d\l^\ d|li|'
besagt nichts anderes, als daß die Ausdrücke (115) und (115b)
beide den gleichen Wert der longitudinalen Masse ergeben.
Wir sehen also: Unter Annahme einer von der Ge-
schwindigkeit unabhängigen Gestalt und Ladungs-
verteilung des Elektrons ergeben Impulssatz und
Energiesatz den gleichen Wert der longitudinalen
elektromagnetischen Masse. Hier tritt der Zusammen-
haug zwischen unserer kinematischen Grundhypothese (VE)
und dem Gedanken einer rein elektromagnetischen Begründung
der Dynamik des Elektrons, der bereits in § 16 erörtert wurde,
deutlich hervor. Lassen wir diese Grundhypothese fallen
und nehmen an, daß die Form des Elektrons sich mit der
Geschwindigkeit ändert, so ergibt die Energiegleichung einen
anderen Wert der longitudinalen elektromagnetischen Masse,
als die Impulsgleichung; in diesem Falle — ein Beispiel
werden wir im § 22 kennen lernen — kann von einer elektro-
magnetischen Begründung keine Rede mehr sein.
Jene kinematische Grundhypothese war den kinematischen
Bediugungsgleichungen der analytischen Mechanik nachgebildet.
Wir sind jetzt in der Lage, zu zeigen, daß unsere Ghimd-
gleichungen für die Dynamik quasistationärer Bewegungen zu
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen« lg9
Ergebnissen fähren^ welche formal mit denen der Mechanik
Lagranges übereinstimmen. Führen wir in die Gleichung
die Belation (111) ein^ so erhalten wir
dtd\n
{Wir schreiben hier partielle Differentiationszeichen; weil wir
weiter unten L noch von anderen GröfieU; als nur von |li|;
abhängen lassen.}
Diese Bewegungsgleichung entspricht den Lagrangeschen
Gleichungen eines Systemes bewegter Massen. Wir hatten
diese Gleichungen in § 15 des ersten Bandes entwickelt. Wir
hatten für die Kraft; die infolge der Trägheit des verkoppelten
Massensystemes an irgendeinem Antriebspunkte angreift, den
Ausdruck gefunden:
Dabei wurde T, die kinetische Energie der bewegten
Massen, als homogene Funktion zweiten Grades der Ge-
schwindigkeiten qx der Antriebspunkte betrachtet; die Koeffi-
zienten dieser Funktion konnten von den Parametern px ab-
hängen, welche die Lage der Antriebspunkte bestimmen, und
deren Differentialquotienten nach der Zeit die qx sind. Nehmen
wir außer der kinetischen Energie noch eine potentielle
Energie U an, so ist eine innere, an dem Antriebspunkte an-
greifende Krafb
du
hinzuzufügen, so daß das Gleichgewicht der inneren Kräfte
und der äußeren Kräfte Px in der Gleichung
seinen Ausdruck findet. Setzen wir jetzt
190 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen.
und berücksichtigen, daß die potentielle Energie U von den
Geschwindigkeiten px unabhängig ist, so finden wir
Aus einer solchen Lagrangeschen Gleichung läßt sich nun
formal unsere Bewegungsgleichung (116) ableiten. Wahlen
wir als ^^Antriebspunkt'^ etwa den Mittelpunkt des Elektrons^
so ist Px mit dem durchlaufenen Wege s zu identifizieren^
qx mit ^-^ d. h. mit {li{, während Px die äußere , der Bewegungs-
richtung parallele Ejraf&omponente ft^ ist. Da nun in dem
vorliegenden Falle die Lagrangesche Funktion von dem durch-
laufenen Wege s unabhängig ist^ so geht in der Tat die
Lagrangesche Gleichung (116 a) in (116) über.
Wählen wir anderseits für px einen Parameter, welcher
die Konfiguration eines gleichförmig bewegten Systemes elek-
trischer Ladungen bestimmt, so ergibt (116 a)
(116b) || + p, = 0.
Auch diese Beziehung stimmt mit unserer Theorie überein.
Denn wir hatten in § 18 gezeigt, daß die inneren Kräfte, die
in einem gleichförmig bewegten Systeme von Ladungen wirken,
sich aus einer Kräftefunktion V ableiten lassen; diese Kiräfte-
fimktion, deren Abnahme der Arbeit der inneren Kräfte gleich
ist, war, nach (104b), entgegengesetzt gleich der Lagrangeschen
Funktion L. Es stellt also auch in unserer Theorie (116b)
die Bedingung des Gleichgewichtes der inneren und der äußeren
Kräfte in einem gleichförmig bewegten Systeme elektrischer
Ladungen dar.
Sucht man, mit Maxwell und Hertz, die Gesetze der
Elektrodynamik aus den Prinzipien der Mechanik abzuleiten,
so muß man im elektromagnetischen Felde verborgene Be-
wegungen träger Massen annehmen. Identifiziert man die
magnetische Energie mit der kinetischen^ die elektrische mit
der potentiellen Energie dieser Massen, so gelangt man auf
Grund der Lagrangeschen Gleichungen in der Tat zu Ergeb-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 191
nisseii; welche der Form nach mit denen unserer Theorie
durchaus übereinstimmen. Es ist indessen zu bemerken^ daß
in der analytischen Mechanik die kinetische Energie T als
Funktion zweiten Grrades der Geschwindigkeiten der Antriebs-
punkte angenommen^ die potentielle Energie V als unabhängig
von der Geschwindigkeit betrachtet wird. In dem vorliegenden
Falle hingegen sind T und U Funktionen der Geschwindigkeit
des Elektrons^ T aber keineswegs eine Funktion zweiten
Grades. Wir befinden uns demnach keineswegs auf dem Boden
der Annahmen; von denen die analytische Mechanik ausgeht.
Dennoch haben wir, von den Grundgleichungen (I bis VII)
der Mechanik der Elektronen ausgehend, wenigstens für
stationäre und quasistationäre Bewegungen, die Lagrangeschen
Gleichungen als gültig erwiesen. Wir haben gezeigt, daß
in unserer rein elektromagnetischen Dynamik des
Elektrons die Lagrangeschen Gleichungen gelten.
Dadurch haben wir den Gültigkeitsbereich der Lagrangeschen
Mechanik wesentlich erweitert, indem wir ihn von langsamen
Bewegungen, bei denen T eine quadratische Funktion der Ge-
schwindigkeit ist, auf beliebig rasche Bewegungen (mit Unterlicht-
geschwindigkeit) ausgedehnt haben. Wir haben femer in der
Dynamik des einzelnen Elektrons den Grundgedanken des
elektromagnetischen Weltbildes (§ 16) zur Durchführung ge-
bracht, welcher fordert, nicht die elektrische und magnetische
Energie auf die potentielle und kinetische Energie der Mechanik,
sondern umgekehrt die kinetiBche nnd die potentieUe Energie
auf die magnetische und elektrische Energie zurückzuführen.
Wir kehren nunmehr zum speziellen Falle des kugel-
förmigen Elektrons zurück. Wir setzen für den Betrag des
Impulses den in (113 a) erhaltenen Wert ein und berechnen
auf Grund der Formeln (115) und (115 a) die longitudinale
und die transversale Masse. Wir finden
("') •»•-i^.-?|-?i»G^?)+d?-.l'
(117.) ^_^,',j(Ui)ta(l±D_l).
192 Erster Abaclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Für Geschwindigkeiten; die so klein sind gegen die Licht-
geschwindigkeit; daB ß^ gegen 1 zu yemach^rssigen ist; ergibt
sich als gemeinsamer Grenzwert der longitadinalan und der
transversalen Masse
(117b) ^o-j^.'
Die Formeln (117, 117a, b) gelten im Falle der
Fläcbenladung.
Im Falle der Yolumladung; wo die Bewegnngsgröße im
Verhältnis 6 : 5 vermehrt ist, sind alle drei Ausdrücke mit
diesem Faktor zu multiplizieren. Es wird z. B.
(117c) «o-l^.-
Wir fassen beide Fälle, den der Flächenladung
und den der Yolumladung des kugelförmigen Elek-
trons, zusammen, indem wir schreiben
(117d)
(117e)
Für Wo ist hier im Falle der Flächenladimg der Wert
(117 b), im Falle der Volumladung der Wert (117 c) zu setzen.
Für die spezifische Ladung langsamer Eathodenstrahlen folgt
im ersteren Falle
e 3 ac
woraus sich für den Badius des Elektrons ergibt
2 e
Wir führen hier den in Gleichung (2) angegebenen Wert
des elektrischen Elementarquantums und den unten in Glei-
chnis (12S) angegebenen Wert der spezifischen Ladung ein:
{ = 10-^ %= 1,75. 10'.
Drittes Kapitel. Die Mechaxiik der Elektronen. 193
Wir erhalten dann
(118) a = 1,2 . 10""" cm (Mächenladung).
Im Falle der Yolnmladimg ist dieser Wert mit 6 : 5 zu
multiplizieren; es wird
(118 a) a = 1,4 • 10 cm (Volumladnng).
Diese Zahlen sind natürlich mit denselben Fehlem be-
haftet, wie die Bestimmungen Ton e nnd i^o- Immerhin kann
man wohl behaupten: Der Radius des Elektrons ist,
wenn man die Masse als rein elektromagnetisch an-
nimmt, in die Grenzen
10"" < a < 2 . 10~"
einzuschließen. An Stelle der Formeln (117d, e) kann man
auch die Beihenentwickelungen setzen
(118b) m. = mo(l+ |^«+ y|S*+ y^« + •••)»
(118c) «,,= mo|l + 3^^* + ^^* + ^^« + --)-
Für Unterlichtgeschwindigkeit — und nur hier gelten
die Formeln (117d, e) überhaupt — sind diese Reihen kon-
vergent. Man sieht, daß bei rascher Bewegung die longitudinale
Masse stets größer ist, als die transversale. Wirkt eine
Eraft schief zur Bewegungsrichtung, so ist die Be-
schleunigung keineswegs der Eraft parallel; der
Beschleunigungsvektor schließt vielmehr, da die longitudinale
Trägheit die transversale überwiegt, mit der Bahntangente im
allgemeinen einen größeren Winkel ein, als der Eraftvektor.
Nur wenn die Eraft parallel oder senkrecht zur Bewegungs-
richtung wirkt, stimmen Eraft und Beschleunigung der Rich-
tung nach überein. Die Masse ist eben in der Dynamik des
Elektrons kein Skalar, wie in der gewöhnlichen Mechanik.
Die Eraft ist hier eine lineare Vektorfanktion (vgl. I, § 14)
der Beschleunigung von allgemeinerer Art. Die „elektro-
Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 13
194 Sinter Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
magnetische Masse ^^ ist das Koeffizientensystem der Gleichungen,
welche die Kraftkomponenten durch die Beschlennigungs-
komponenten ausdrücken. Das System der elektromagne-
tischen Massen ist ein Tensortripel Ton rotatorischer
Symmetrie um die Bewegungsrichtung des Elektrons;
es ist etwa zu vergleichen dem Systeme der Trägheitsmomente
eines Biotationskörpers, welches gleichfalls durch zwei Großen,
das Moment um die Rotationsachse und um eine zu ihr senk-
rechte Achse, erst bestimmt wird; es ist in entsprechender
Weise geometrisch darzustellen.
§ 21. Die Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen
und der /3-Strahlen«
Bei schnellen Eathodenstrahlen und bei der sogenannten
/}- Strahlung radioaktiver Eorper hat man es mit negativen
Elektronen zu tun, deren Geschwindigkeit keineswegs klein
gegen die Lichtgeschwindigkeit ist; hier kommt die Unter-
scheidung der longitudinalen und der transversalen Masse in
Betracht. Für die Ablenkbarkeit der Strahlen ist selbst-
verständlich die transversale Masse mr und die entsprechende
^,transver8ale spezifische Ladung^^
(119) . Vr- '
cm
r
maßgebend. Dabei ist e der elektrostatisch gemessene Betrag
der Ladung.
Werden die /3- Strahlen durch ein zur ursprünglichen
Strahlrichtung senkrechtes magnetisches Feld abgelenkt, so ist
die Bahnkrümmung gemäß Gleichung (7)
(119a) k-Vr-^
Die Geschwindigkeit bleibt bei der Bewegung im magne-
tischen Felde konstant, da die im magnetischen Felde auf die
Elektronen wirkende Kraft stets senkrecht zur Bewegungs-
richtung gerichtet ist; der einzige Unterschied gegenüber
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elelrtronen. 195
langsamen Eathodenstrahlen liegt hier darin^ daß i}r eine
Funktion der Geschwindigkeit ist Es ist nach (117 e)
Bei der Bewegung im elektrischen Felde liegt die Sache
komplizierter. Zunächst ist der Zuwachs der Energie auf
einem gewissen Wege der Arbeit der elektrischen Eraft gleich.
Die Geschwindigkeitsändemng des negativen Elektrons auf einem
gewissen Wege ist demgemäß im elektrostatischen Felde be-
stimmt durch
(120) Tr-Tro = e(9-9o),
WO gemäß (113b) und (117b) zu setzen ist
(120a) Tr-Tr„ = |mo.«{iln(i±D-^ln(i±|)}.
Ist die ursprüngliche Geschwindigkeit cßQ bekannt und
die durchlaufene Spannungsdifierenz, so ist die Endgeschwin-
digkeit cß aus der transzendenten Gleichung zu berechnen
(mb) >,„(i±D-^h(i±i)+i|(,-,.).
Für kleine Werte von ß^ und ß gilt naherungsweise
(120e) ^« + i/}*... = /J,« + A/J/ + ... + ?^(y_y.);
yemachlässigt man hier ß^ gegen ß^, ß^^ gegen ß^^, so gelangt
man zur Gleichung (5 a) zurück. Aber auch bei Kathoden-
strahlen wird man, wenn es sich um genaue Messungen handelt,
gut tun, die Gleichung (120 c) an Stelle von (5 a) zu setzen.
Liegt etwa der in § 2 erörterte Fall vor, daß den Eathoden-
«trahlen durch ein elektrostatisches Feld ihre ganze Geschwin-
digkeit erteilt worden ist, so ist in (120 c) ß^ gleich Null zu
setzen. Tritt der Eaihodenstrahl nun in ein magnetisches
Feld ein, so bestimmt sich die Bahnkrümmung aus (119 a),
wobei derjenige Wert Ton tjr in Rechnung zu ziehen ist,
18*
196 Erster Abeelmitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
welcher dem ans (120 c) zn ermittelnden Werte yon ß nach
(119b) entspricht.
Bei geradliniger Bewegung im longitudinalen elektro-
statischen Felde reicht die ans der Energiegleichnng abgeleitete
Relation (120b) ans. Besitzt indessen das elektrische Feld
anch eine transversale Komponente; so bestimmt die Energie-
gleichnng nicht Tollstandig die Bewegung; es ist die Impuls-
gleichung heranzuziehen. Diese ergibt, für die Ladung — e:
(121) © _ ®^ = _ cTl
Itdi.
Handelt es sich um ein homogenes äußeres elektaisches
Feld, wie es sich zwischen zwei Eondensatorplatten herstelliy
so ist
(121 a) « - «0 =--««"(<- <o)
die Änderung des Impulses des negativen Elektrons. Die Be-
wegungsrichtung des Elektrons ist stets seinem Impulse parallel;
daher folgt aus (115a) und (117 e)
SO daß (121a) zu schreiben ist
(121 b) tt(ß) - Ho Hßo) --jcvo r (t - Q.
Kennt man die anfangliche Geschwindigkeit IIq und die
Zeit; während deren das negative Elektron das homogene Feld
durcheilt, so ist aus dieser Beziehung die Endgeschwindigkeit li
der Größe und der Richtung nach bestimmt.
Auch ein zur ursprünglichen Bewegungsrichtung senk-
rechtes elektrisches Feld ändert; im Gegensatz zu dem magne-
tischen FeldC; den Betrag der Geschwindigkeit, weil im Verlaufe
der Bewegung li eine zu (t^ parallele Komponente erhält. Ist in-
dessen die Ablenkung des Strahles durch das transversale elek-
trische Feld nur gering, so kann man die Änderung des
Betrages der Geschwindigkeit vernachlässigen und an Stelle
von (121b) die vereinfachte Beziehung setzen
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 197
(121c) (i-K)fiß) = - |ci,,r (<-o,
indem man ß als konstant ansieht. Ist etwa die o;- Achse der
ursprünglichen Bewegnngsrichtnng parallel^ so gilt in diesem
Grrenzfalle unendlich geringer Ablenkung femer
nnd^ wenn d^ parallel der negativen t/- Achse weist;
§^/J)= + |ci,oiri(<-g.
Es folgt daher als gesamte , beim Durchlaufen des elek-
trischen Feldes stattfindende Ablenkung parallel der t/- Achse
(i2id) j, = ci,,|ri^^ = ci,.iri^^=i^.
Die unendlich kleine elektrische Ablenkung ist
bei langsamen Eathodenstrahlen dem Quadrate der
Geschwindigkeit umgekehrt proportional^ die magne-
tische der Geschwindigkeit. Letzteres folgt aus (119a);
da eine unendlich kleine Ablenkung im magnetischen Felde
dem Krümmungsradius B umgekehrt proportional ist. Bei
den Badiumstrahlen hingegen nehmen beide Ablen-
kungen stärker mit wachsender Geschwindigkeit der
Strahlen ab; denn es nimmt die transversale spezi-
fische Ladung rjr, nach (119b); mit wachsender Ge-
schwindigkeit ab.
Durch Kombination von (119a) und (121 d) folgt
(122) l!Ü = ^=l«'l (^-^o)V 1
n 2 yB'
Es kann also durch Kombination der magne-
tischen und der elektrischen Ablenkung sowohl die
Geschwindigkeit; als auch die transversale spezifische
Ladung ermittelt und so die von der Theorie gefor-
derte Beziehung zwischen diesen beiden Größen
experimentell geprüft werden.
198 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Dieses Ziel war es^ welches W. Eaufmann bei seinen
üntersuchnngen^) verfolgte. Läßt man die von einem Kömchen
Badiumbromid ausgehende Strahlung durch eine kleine Öffiiung
treten, so bildet sich die Öffiiung auf einer senkrecht zur
Strahlrichtung gestellten photographischen Platte als Punkt
ab. Bei elektrischer Ablenkung wird, infolge der yerschiedenen
Geschwindigkeiten der Elektronen; das von den /3- Strahlen
herrührende Bild in einen der Richtung des elektrischen
Feldes parallelen geraden Strich ausgezogen; bei magnetischer
Ablenkung ergibt sich ein zur magnetischen Feldrichtung
senkrechter Strich. Die ^^Inhomogenitat^^ der Strahlung macht
es unmöglich; auf diese Weise die Ablenkung der einzelnen
Strahlteilchen zu bestimmen. Es gelang indessen Kaufmann;
gerade die Inhomogenität der Strahlung zur Lösung der
Aufgabe zu benutzen; indem er gleichzeitig elektrisch und
senkrecht dazu magnetisch ablenkte. Bei dieser; der Kundt-
schen Methode der Dispersionsmessung durch gekreuzte
Spektren entsprechenden Anordnung wurde auf der photo-
graphischen Platte eine Kurve erhalten; die Koordinaten
eines jeden Punktes der Kurve zeigten direkt die elektrische
bzw. die magnetische Ablenkung des betreffenden Strahl-
teilchens an. Indem Kaufmann die Strahlen zwischen den
Platten eines Kondensators hindurchtreten ließ; welche nur
um l;6mm voneinander entfernt und auf einer Potentialdifferenz
von 7000 Volt gehalten waren, indem er femer parallel dem elek-
trischen Felde gleichzeitig ein magnetisches Feld erregte, er-
hielt er photographische Kurven; welche direkt die elektrische
Ablenkung eines homogenen /)- Strahles als Funktion der
magnetischen Ablenkung darstellten. Dabei ist zwar, da es
sich nicht um unendlich kleine Ablenkungen handelt; die
elektrische Ablenkung nicht genau proportional dem in (121 d)
berechneten y zu setzen, und die magnetische Ablenkung nicht
genau umgekehrt proportional dem in (119a) angegebenen
Krümmungsradius H, Immerhin lassen sich den auf der photo-
1) W. Kaufmann, Gott. Nachr. 1901, S. 143; 1902, S. 291; 1908, S. 90.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 199
graphischen Platte direkt beobachteten Ablenkungen zwei niir
wenig von ihnen verschiedene Qrößen y' nnd ß', die „redu-
zierte elektrische Ablenkung^' und die ^reduzierte magnetische
Ablenkung^^ zuordnen, welche den in (122) und (122a) ein-
gehenden Qrößen y und p- proportional sind; jene beiden von
der Theorie geforderten Beziehungen lassen sich schreiben
(122b) ß-'h'Y'
(122c) i,(ß) = h, . f,.
Die Eonstanten hi,1c^ hängen noch von den Abmessungen
der Apparate, den Feldstarken, femer von rj^ und c ab.
Die Prüfung der Theorie an der Hand der Beöbachtungs-
ergebnisse wurde schließlich so durchgefOhrt, daß zunächst
versucht wurde, durch passende Wahl der Eonstanten ^ und Jc^
die gemessenen reduzierten Ablenkungen durch die Formel
(117 e) darzustellen. Dieses erwies sich nun in der Tat für
jede einzelne der photographischen Eurven als möglich; die
maximale Abweichung (1,7 7o) ^^S uuierhalb der Fehlergrenze
der Versuche. Aus den Werten von Je^, Jc^ und der magne-
tischen Feldstarke konnte sodann die spezifische Ladung rjQ
langsam bewegter Elektronen extrapoliert werden. Die im
folgenden gegebene Tabelle bezieht sich auf die Platte Nr. 19,
welche das klarste und fehlerfreieste Bild lieferte.
Die ersten beiden Zeilen enthalten die gemessenen redu-
zierten Ablenkungen z' und y'. Die dritte und vierte Zeile
geben die auf Ghnmd der Formeln (122 b, c) von C. Bunge ^) nach
der Methode der kleinsten Quadrate berechneten Werte von y
und ß an. Die Abweichung der beobachteten Werte von j/
von den auf Grund der Formeln (122b, c) ausgeglichenen
Werten, welche in der fünften Zeile aufgeführt sind, gestatten
ein urteil über die Genauigkeit, mit welcher die theoretische
Formel (117e) für die transversale Masse gültig ist. Diese
Übereinstunmung ist in Anbetracht des großen Bereiches von
1) C. Bnnge, Gott. Nachr. 1908, S. S26.
/
200 Snter Absclinitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Geschwindigkeiten — ^(ß) wächst in diesem Bereiche von 1^75
bis 4,3 — eine befriedigende zu nennen.
z'
•
y' beob.
y' ber.
ß
0,1495
0,04045
0,0388
0,990
+ 0,0016
0,199
0,0529
0,0527
0,969
+
2
0,247
0,0678
0,0675
0,939
+
3
0,296
0,0834
0,0842
0,902
—
8
0,3435
0,1019
0,1022
0,862
3
0,391
0,1219
0,1222
0,822
—
3
0,437
0,1429
0,1434
0,782
5
0,4825
0,1660
0,1665
0,744
5
0,5265
0,1916
0,1906
0,709
+
10
Der auf Gfrund dieser Tabelle extrapolierte Wert der
spezifischen Ladung langsam bewegter Elektronen ist
(123) ijo = 1,755 . 101
Diese Zahl liegt zwischen der direkt durch Beobach-
tungen an Kathodenstrahlen erhaltenen (Gleichung 9) und der
aus der elementaren Theorie des Zeeman-Effektes abgeleiteten
(Gleichung 61). Man darf daher annehmen, daß dieselben
Teilchen bei diesen drei Vorgängen in Bewegung begriffen sind.
Es wäre von großem Interesse, die Elufb, welche noch
die raschesten Kathodenstrahlen von den langsamsten /3- Strahlen
trennt; zu überbrücken. Einen Versuch in dieser Richtung
hat H. Starke unternommen.^) Er wandte größere Entladungs-
potentiale als üblich zur Erzeugung der Kathodenstrahlen an;
er gelangte indessen nur bis zu einem Entladungspotentiale
Yon 36 000 Volt, d. h. bis zu einer Geschwindigkeit von wenig
mehr als einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Es ergab
sich ein merkliches Ansteigen der transversalen Masse mit
wachsender Geschwindigkeit; entsprechend der Forderung der
Theorie. Da indessen die Funktion if(ß\ welche nach unserer
1) H. Starke, Yerh. d. deutsch, physikal. Ges. 1908, S. 241.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 201
Theorie dieses Anwachsen der Masse darstellt, in dem Inter-
valle von /J = bis /J = y ^^^ ^^"^ ^ Vo ^^^^ ändert und die
Messungen mit einem Fehler von 2% behaftet sind, so ist
diese Übereinstimmung kaum als beweisend anzusehen.
Immerhin ermutigen diese Versuche dazu, durch künstliche
Beschleunigung der Eaihodenstrahlen oder Yerlangsamung der
1 2
/}- Strahlen das Intervall von /J = y bis /? = y auszufüllen
und so den Anschluß an die Messungen Eaufinanns zu er-
reichen.
§ 22. Das LorentBSdhe Elektronu
Gewisse Schwierigkeiten, welche in der Optik bewegter
Körper auftreten (vgl. § 44), haben H. A. Lorentz veranlaßt^),
unserer* auf der kinematischen Grundhypothese (VII) fußenden
Dynamik des Elektrons eine andere gegenüber zu stellen, welche
diese Grundhypothese aufgibt. H. A. Lorentz behalt nicht nur
die allgemeinen Ghrundgleichungen (I bis Y) bei, sondern auch
die dynamische Ghrundgleichung (VT), welche verlangt, daß die
resultierenden elektromagnetischen Kräfte des äußeren und des
vom Elektron selbst erregten Feldes einander im Sinne der
Mechanik starrer Körper das Gleichgewicht halten. Er nimmt
indessen das Elektron nicht als „ starr'' an, sondern läßt eine
Formänderung desselben zu. Im Ruhezustände soll das Elek-
tron eine Kugel vom Badius a sein; bei der Bewegung aber
soll es sich parallel der Bewegungsrichtung im Verhältnis
kontrahieren. Das gleichförmig translatorisch bewegte
Elektron soll demnach ein Heaviside-Ellipsoid sein.
Wir wollen die Lagrangesche Funktion, sowie die elektro-
magnetische Energie und Bewegungsgröße eines solchen
Lorentzschen Elektrons berechnen. Das elektromagnetische
Feld bestimmt sich aus den Ansätzen des § 18; die Anwendung
1) H. A. Lorentz. E. Akad. van Wetensch. te Amsterdam, 12,
S. 986, 1904; vgl. auch M. Abraham. Physik. Zeitschr. (6), S. 676, 1904.
202 £^ter Abschnitt. Bas Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen«
der dort gegebenen Transformation (105) gestaltet sich hier
besonders einfach. Das bewegte System 2? ist ein Heaviside-
Ellipsoid; geht man dnrch Streckung parallel der Bewegongs-
richtung im Verhältnis x~~^ zum mhenden System 2]q über,
so erhalt man eine Kugel yom Badius a. Die Energie dieser
Kugel ist, im FaUe der Flachenladung,
(124) ?7o-/^«;=|^.
Die Lagrangesche Funktion, welche nach (104b) im Falle
gleichförmiger Bewegung der Knlftefunktion entgegengesetzt
gleich ist, wird, gemäß (106 d),
(124a) L^-xU, x^-
Femer folgt aas (102) and (106)
(124b) « = ^9o,
und daher aus (101 d) und (105)
(124c)
d^
_l^«i«,^
"^ de X dz^^^ % ^"
Hieraus und aus (101 f) bestimmt sich die ^-Komponente
des Vektors g, welcher die Dichte der elektromagnetischen
Bewegungsgröße anzeigt:
Durch Integration über das Feld des Systemes 27, dessen
Yolumelemente denen des ruhenden Systemes 2^ durch (105)
zugeordnet, und daher im Verhältnis
verkleinert sind, folgt
(124d) «.=-/dt>B.-j^-/d«o {«?,+ «?,}•
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 203
Beachtet man ferner^ daß in 2^ das Feld dasjenige einer
ruhenden Engel ist^ daß npthin ans Symmetriegründen
gut, so erhalt man
/feK+*.-)-l/fe«
03 *^o.
Der Betrag des der Bewegangsrichtnng des Heaviside-
EUipsoides parallelen Vektors wird demnach
(124e) l®l=-|ÄOi = |^H {x-yr^M-
Aus der so bestimmten elektromagnetischen Bewegungs-
größe folgt, auf Ghrund der allgemeinen Beziehung (103), die
doppelte magnetische Energie
(124f) 2T-|^^
Hieraus und aus (124a) erhalt man, ffir die gesamte
elektromagnetische Energie des Heayiside-Ellipsoides,
den Ausdruck
(124g) Tr-22'-i = ^^(l + f).
H. A. Lorentz nimmt nun an, daß die trage Masse des
Elektrons rein elektromagnetischer Art ist; demgemäß zieht
er, neben der elektromagnetischen Bewegungsgroße (124 e),
eine materielle Bewegungsgröße nicht in Rechnung. Er erhält
auf Ghnmd der Formebi (115) und (115a), für die longi-
tudinale und transversale Masse
(125) m, « Wo- X-« « i»o- (1 - ß^)
1
(126a) mr -> m^- x-^ = m^- (1 - ß^ *;
«Hq stellt dabei den gemeinsamen Grenzwert beider Massen bei
langsamer Bewegung vor, der im Falle der Flächenladung
durch (117b), im Falle der Volumladung durch (117c) ge-
204 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegnng der einzelnen Elektronen.
geben wird. Nach dem in § 18 bewiesenen Satze geht der
Wert von C/^ im Falle der Yolamladimg ans dem im Falle
der Flachenladung gültigen Werte durch Multiplikation mit
% hervor; mit demselben Faktor sind demnach die Ausdrücke
der Lagrangeschen Funktion (124a)^ der Bewegungsgröße (124e)
und der elektromagnetischen Energie (124g) beim Übergang
zur Volumladung zu multiplizieren.
Versucht man, die longitudinale elektromagnetische Masse
des Lorentzschen Elektrons auf Ghrund der Formeln (115 b)
und (124g) zu berechnen, indem man annimmt, daß die Energie
des Elektrons rein elektromagnetischer Natur ist, so gelangt
man zu einem Ergebnis, welches zu (125) in Widerspruch
steht. Das kann nicht wundernehmen; haben wir doch in.
§ 19 gesehen, daß die Belation (111b), welche die Identität
der aus der elektromagnetischen Energie und aus der elektro-
magnetischen Bewegungsgröße abgeleiteten Werte der Masse
ausspricht, auf der Annahme einer unveränderlichen Ladungs-
verteilung beruht. Für das Lorentzsche Elektron, welches der
Grundhypothese (VII) nicht gehorcht, gilt diese Belation ebenso-
wenig, wie die Gleichungen (111) und (lila), welche Impuls
und Energie mit der Lagrangeschen Funktion verknüpfen. In
der Tat, nach (124a) ist
während nach (124e) und (125a)
ist.
Während für das „starre^' Elektron die Differenz dieser
beiden Größen verschwindet, hat sie für das deformierbare
Elektron den von Null verschiedenen Wert
Da nun allgemein gilt:
TF=«2T-i = Hi|-l«|-i,
1 dW_d\9\ 1 f,^. dL]
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 205
so folgt
\i»\d\n\~ d\n
Hieraus ersieht man, daß (115) und (115 b) nicht zu dem-
selben Werte der longitudinalen Masse führen können. Be-
stimmt man die Masse durch die elektromagnetische Bewegungs-
größe , so ist; für das Lorentzsche Elektron ^ (115 b) zu ersetzen
durch
(^2^^) iiTJiTi='»*+i*"-
Da die longitudinale Masse des Lorentzschen
Elektrons sich nicht aus der elektromagnetischen
Energie allein ableiten läßt; so müssen wir, um das
Energieprinzip aufrechtzuerhalten, diesem Elektron
eine innere Energie E nicht elektromagnetischer Art
zuschreiben. In der Tat, es soll sich ja das Elektron bei
einer Zunahme der Geschwindigkeit abplatten; dabei wird
gegen die elektrodynamischen EnlftC; mit denen sich dieVolum-
elemente abstoßen, Arbeit geleistet. Während für das starre
Elektron die Zunahme der elektromagnetischen Energie gleich
der Yon der äußeren Kraft St* geleisteten Arbeit ist; findet das
hier nicht mehr statt. Die Zunahme der elektromagnetischen
Energie bei einer Beschleunigung ist, für das Lorentzsche
Elektron ; größer , als die Arbeit der äußeren Kräfte.
Die innere Energie Ey durch deren Annahme man das
Energieprinzip aufrechterhalten kann, darf nicht als kinetische
Energie im Sinne der gewöhnlichen Mechanik betrachtet
werden; denn in diesem Falle würde jede Berechtigung dafür
wegfallen^ daß Bewegungsgröße im Sinne der gewöhnlichen
Mechanik nicht angenommen wird. Immerhin kann S von der
Geschwindigkeit abhängen, da ja diese die Form des Elektrons
bestimmt. Die Energiegleichung verlangt
(127) ^^^^=(»«0,
und der Impulssatz
(127a) ^ = «-
206 flrster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Durch Eombination dieser beiden Sätze erhält man
d[W+JE] f.d^
dt -^Ti)'
oder
(127b) (®|J) = ^{(,«)^Tr-JE).
Für gleichförmige Bewegung ist nun
Für quasistationäre Bewegungen wird diese Beziehung als
gültig angesehen; und es wird L^ wie Ey als Funktion der
jeweiligen Geschwindigkeit betrachtet. Es wird mithin
Da ferner^ bei stationärer und quasistationärer Bewegung,
für das Lorentzsche Elektron aus Symmetriegründen der Impuls
parallel der Bewegungsrichtung ist, so gilt
(127d) (®S) = I®
dt
Nach (127b) sollen nun die Ausdrücke (127c) und (127d)
einander gleich sein, und zwar für beliebige Werte der Be-
schleunigung; hieraus folgt die Relation
(128) |®i-^(-^~-^
d\t
Dieselbe ist als Verallgemeinerung der Relation (111) an-
zusehen; sie geht in jene über, wenn man eine Energie E
nicht elektromagnetischer Art ausschließt.
Hier tritt der bereits in § 16 erörterte Zusammenhang
der kinematischen Ghnmdgleichung (VII) mit dem Qrund-
gedanken des elektromagnietischen Weltbildes deutlich hervor.
Für das starre Elektron gilt (111) allgemein, es folgt daher
aus (128)
dE
d\\^\^^f
d. h. eine etwa angenommene Energie nicht elektromagnetischer
Art würde bei einer Änderung der Geschwindigkeit sich nicht
Drittes Kapitel^ Die Mechanik der Elektronen. 207
andern. Etwa angenommene innere Erafte nicht elektro-
magnetischer Natur würden dabei keine Arbeit leisten, unsere
auf der Grundgleichung (YII) fußende Dynamik des Elek-
trons braucht daher solche Kräfte und eine solche Energie
nicht einzuführen^ eine ^^potentielle'' Energie ebensowenig, wie
eine kinetische. Die Lorentzsche Dynamik des Elektrons sieht
gleichfalls die träge Masse als rein elektromagnetische an, und
schließt daher eine kinetische Energie im Sinne der gewöhn-
lichen Mechanik aus. Sie muß indessen eine ^^potentielle''
innere Energie des Elektrons einführen. Aus (128); im Verein
mit (126a) und (126), folgt:
/10Q N dJE 1 [Hl 1 dL
und, durch Integration,
(128b) E^E,-UL-L,y,
hier sind Eq, Lq die Werte, welche E und L ftir das ruhende
Elektron besitzen. Aus (124 a) folgt
e*
e*
(128c) E==J5;o-^(l~x).
Diese Formel gibt an, wie die „potentielle" Energie des
Lorentzschen Elektrons mit wachsender Geschwindigkeit ab-
nimmt. Für Lichtgeschwindigkeit, wo dasselbe in eine Kreis-
scheibe übergeht, wird x gleich Null, mithin die potentielle
Energie
(128d) ■Ei--E'o-e«
Wir können daher auch schreiben
(129) -S-^i + T^'
Diese potentielle Energie nicht elektromagne-
tischer Art muß man dem Lorentzschen Elektron zu-
schreiben, wenn man das Energieprinzip aufrecht-
zuerhalten wünscht.
Bei diesem Ergebnis wird man sich kaum beruhigen;
man wird vielmehr weiter fragen, nach welchem Gesetz die
208 -Brflter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
inneren Kräfte wirken sollen^ die sich ans einer solchen
potentiellen Energie herleiten. Nur indem man hierüber be-
stimmte Annahmen macht, wird man über das Verhalten des
Lorentzschen Elektrons bei allgemeineren Bewegungen (nicht
quasistationären oder nicht rein translatorischen) etwas Be-
stimmtes aussagen können. Man kann daran denken, elastische
Kräfte zwischen den benachbarten Yolumelementen des Elek-
trons anzunehmen, und eine Theorie des deformierbaren
Elektrons von der in § 16 angedeuteten Art zu entwickeln.
Eine solche Theorie würde die Trägheit des Elektrons
erk&en, aber nicht rein elektromagnetisch; sie würde die
kinetische Energie zurückführen auf die weniger gut yer-
standene potentielle Energie und auf die elektromagnetische
Energie. Auf einer solchen Dynamik des Elektrons läßt
sich kein elektromagnetisches System der Physik aufbauen.
Wenn man in die Dynamik des Elektrons elastische Kj^fte ein-
fahrt, so ist es logisch unmöglich, die Elastizität der Materie
durch Zurückführung auf die Mechanik der Elektronen rein
elektromagnetisch zu deuten.
H. A. Lorentz hat gezeigt, daß die Formel (126 a) für
die transversale Masse die Versuche Kaufinanns nicht wesent>
lieh schlechter darstellt, als unsere Formel (117 a). Es ist zu
hoffen, daß weitere experimentelle Untersuchungen darüber
entscheiden, welche von den beiden Theorien in dieser Hinsicht
den Vorzug verdient. Sollte die Entscheidung zugunsten des
Lorentzschen Elektrons fallen, so würde dieses Ergebnis gegen
die Möglichkeit eines rein elektromagnetischen Weltbildes Zeug-
nis ablegen. Die Hofihung, in den Elektronen die kleinsten
Bausteine des Weltgebäudes gefunden zu haben, würde dann
als fehlgeschlagen zu betrachten sein.
§ 23. Der Bereich der quasistationären Bewegung.
Im ersten Bande dieses Werkes wurde gegen die Theorie
des quasistatiomiren Stromes ein Einwand gemacht; es wurde
mehrfach betont, daß diese Theorie von dem Energieverlust
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 209
durch Strahlung keine Bechenschaft gibt. Derselbe Einwand
ist gegen die in den vorangegangenen Paragraphen dargelegte
Theorie der quasistationaren Elektronenbewegnng zu erheben.
Diese Theorie bestimmt die Energie und den Impuls des vom
Elektron erregten Feldes so, als ob sie der jeweiligen
Geschwindigkeit des Elektrons entsprachen. Bei periodischen
Bewegungen führt diese Behandlungsweise zu der Konsequenz,
daß nach dem Ablauf einer Periode die Energie und die Be-
wegungsgroße des Feldes zu den Anfangswerten zurückgekehrt
seien, daß also das Wegintegral und das Zeitintegral der
äußeren Kraft für eine ganze Schwingung gleich NuU sei.
Das ist nun, wie im zweiten Kapitel dieses Bandes dargelegt wurde,
keineswegs der Fall; auch bei periodischen Bewegungen ist das
Wegintegral und im aUgemeinen auch das Zeitintegral der äußeren
Kraft Yon Null verschieden. Die Arbeitsleistung und der Impuls
der äußeren Kraft findet sich in der Energie und der Be-
wegungsgröße der entsandten Wellen wieder.. Die entsandte
Wellenstrahlung ist es eben, die man yernachlässigt,
wenn man die beschleunigte Bewegung des Elektrons
als quasistationär betrachtet.
Die Entwickelungen des vorigen Kapitels gestatten es uns,
diese Lücke unserer Theorie sogleich auszufüllen. Haben wir
doch in Gleichung (85) des § 15 den allgemeinen Ausdruck
für die Rückwirkung der Strahlung angegeben. Wir setzen
jetzt für die gesamte, vom Elektron auf sich selbst ausgeübte
Kraft
(130) St = «+»\
indem wir unter
(130a) «-»-^
die nach den Ansätzen der vorigen Paragraphen berechnete
Kraft verstehen, unter
(130b) ' «"=«'
aber die in (85) angegebene Beaktionskraft der Strahlung.
Dabei ist zu bemerken^ daß ($, der Impuls des vom Elektron
mitgeführten Feldes, von den über die Fotm des Elektrons
AbZ ah am, Theorie der Elektrisität. IL 14
21 ISi^ter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
gemachten Annahmen abhängt, während die Rückwirkung der
Strahlung sich ohne solche Annahmen angeben ließ, wenigstens
dann, wenn es gestattet war, das Elektron hinsichtlich der
entsandten WeUenstrahlung als einer PonkÜadong äquivalent
zu betrachten. Alsdann erfüllt der Ansatz (130) für die
innere Kraft allgemein die Energiegleichung und die
Impulsgleichung; denn die Arbeitsleistung der Zusatzkraft
St* ist, wie aus den Entwickelungen des § 15 hervorgeht, für
ein Intervall beschleunigter Bewegung entgegengesetzt gleich
der in diesem Intervalle ausgestrahlten Energie, das Zeit-
integral von A' entgegengesetzt gleich der ausgestrahlten Be-
wegungsgröße. Bestimmen wir die Bewegung des Elektrons
aus der korrigierten Bewegungsgleichung
(130c) ar^-st^^-v,
so sind wir von vornherein sicher, in keinen Widerspruch mit
dem Energieprinzip oder dem Impulssatze zu geraten. Wir
fassen eine Bewegung ins Auge, die zuerst gleichförmig mit
der Geschwindigkeit li| verläuft, dann in beliebiger Weise be-
schleunigt wird, und weiterhin wieder stationär mit der Ge-
schwindigkeit ^2 ^^^ s^^^ geht. Wir warten so lange, bis die
entsandten Wellen sich hinreichend weit von dem (mit Unter-
lichtgeschwindigkeit bewegten) Elektron entfernt haben. Inner-
halb des von der Wellenzone eingerahmten Raumes besteht
dann das Feld, welches der Geschwindigkeit kig entspricht und
dessen Energie und Impuls W^ ^^^- ®s ^^^* ^^^ Energie
und die Bewegungsgroße des außerhalb der Wellenzone
liegenden Feldes kommen nicht in Betracht. Werden für die
Energie TF^g und der Impuls ®^2 der Wellenzone die im
vorigen Kapitel gefundenen Werte eingesetzt, so gilt allgemein
(130d) Jafdt -«,-©,+ «„,
1
2
(130e) fOiSt'')dt='Wt-W,+ W^,
Drittes Kapitel. Die Mechanik der ElektroneiL 211
wenigstens für unser starres Elektron. Beim Lorentzschen
Elektron ist^ wie wir soeben gesehen haben^ noch die Ände-
rung der ^^ inneren potentiellen Energie'^ in Rechnung zu setzen.
Wir sind jetzt in der Lage, den Gültigkeitsbereich der
quasistationaren Bewegung anzugeben: Wir dürfen die Be-
wegung als quasistationäre behandeln, wenn gegen
die so berechnete innere Kraft A' die Beaktions-
kraft ft" der Strahlung verschwindet.
Betrachten wir etwa eine Kreisbewegung, wie sie die
Elektronen der Radium -Strahlung in einem zur ursprünglichen
Strahlrichtung senkrechten magnetischen Felde ausführen. Hier
ist der Betrag der Trägheitskraft der quasistationaren Bewegung
für das starre kugelförmige Elektron nach (117e)
(131) |Ä'| = ^^±^1 = ^^|M.^(^).
Die Reaktionskraft der Strahlung aber ist nach Glei«
chung (88)
so daß man erhalt
(131a) |Ä"| = Ji;i^., x*=l-/S*. .
Setzt man fQr m^ den im Falle der Flächenladnng gültigen
Wert (117b), so folgt
(131b) lÄ-M«-!»!!--^-
Für Bewegungen, die der Lichtgeschwindigkeit nicht gar
zu nahe kommen, ist die eingehende Funktion von ß keine
große Zahl. Hier verschwindet der Betrag von ft" gegen den
von ft', falls der Krümmungsradius B der Bahn groß gegen
den Radius des Elektrons ist. Wir sehen also: Die Ab-
lenkbarkeit der in den Kathodenstrahlen und in den
/3-Strahlen des Radiums bewegten Elektronen darf in
allen praktischen Fällen auf Grund der Ansätze der
Theorie der quasistationären Bewegung berechnet
werden.
14*
212 Erster Abschnitt. Das Feld a. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Um zu zeigen, daß dieses auch für die raschesten der
Elektronen gilt, deren Ablenkung man hat beoi)achten können,
ziehen wir die Tabelle des § 21 heran. Für die raschesten
der Ton Kanfinann untersuchten Strahlteilchen war
^ = 0,990; 1-^^ = 0,01;
wir erhalten daher
Man siehty daß die Funktion Ton ß, welche das Ansteigen
des Quotienten | ft'' | *• | ^' I ^^^ Annäherung an die Licht-
geschwindigkeit bedingt, hier bereits von Bedeutung wird; ihr
Wert ist hier
Dafür ist aber der Radius des Elektrons sehr klein gegen
den Krümmungsradius der Bahn. Letzterer berechnet sich aus
der reduzierten magnetischen Ablenkung
z' - 0,1495
und der von Kaufmann angegebenen Beziehung^)
gf^^ zu J2=-28cm.
Setzt man endlich für a den unter Annahme von Flachen*
ladung berechneten Wert (Gleichung 118) ein, so findet sich
g"|:|g'H '''-'°'y'"~" -3.10-".
Die magnetische Feldstärke war hier gleich 200 absoluten
Einheiten. Nimmt man nun auch ein SOOmal stärkeres magne-
tisches Feld an, so beträgt der bei Annahme quasistationärer
Bewegung begangene relative Fehler immer noch weniger
als %0^ . Auch die Bewegung der raschesten beobachtbaren
/}- Strahlteilchen in experimentell herstellbaren magnetischen
Feldern ist demnach als quasistationär zu betrachten.
1) W. Kaufmann, 1. c. Gott. Nachr. 1903, Gl. 6. S. 96.
Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 213
Übrigens ist der Ausdruck für die Beaktiouskraft der
Strahlung; welcher in § 15 angegeben wurde ^ nicht streng
gültig; er gilt nur angenähert, und zwar dann, wenn es ge-
stattet ist, das Elektron bei der Berechnung der entsandten
Wellen einer PunkÜadung äquivalent zu setzen. Die Bedingung
(63 b), unter der dieses gestattet war, lautet
c\i^^P) tlein gegen 1.
Für rein transyersale Beschleunigung ergibt dies
(132) 'Wi^ ^^^ g®g®D^ 1-
Unter Berücksichtigung der obigen Zahlwerte* erhalten
wir für diesen Bruch den Wert
2.1,210"" -^-12
— - — =:^ == 10 ca.
2810 "•
Einen so geringen Fehler begeht man, wenn man für die
raschesten der Yon Kaufmann beobachteten Elektronen die
infolge der transversalen Beschleunigung stattfindende Strahlung
und deren Bückwirkung aus den Ansätzen des yorigen Kapitels
berechnet; diese Bückwirkung yerschwindet wiederum gegen
die Tragheitskraft des mitgeführten Feldes.
Je mehr man sich indessen der Lichtgeschwindigkeit
imhert, desto großer werden die Zahlwerte der Brüche (131b)
und (132); denn dieselben enthalten im Nenner (1 — /3)* bzw.
(1-^). AUerdings wird, wenn man durch eine gegebene
äußere Kraft ablenkt, die Bahnkrümmung 1 : R umgekehrt
proportional zu ^(/}) bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit
abnehmen; aber ^(j8) wird für j8 = 1 nur logarithmisch un-
endlich, so daß dieser Umstand nicht so wesentlich ist. Man
wird also bei weiterer Annäherung an die Lichtgeschwindig-
keit zu einem Punkte kommen, wo die Beaktionskrafb der
Strahlung nicht mehr gegen die Trägheitskraft des mitgeführten
Feldes yerschwindet und wo es auch nicht mehr gestattet ist,
die Beaktionskraft so zu berechnen, als ob das Elektron
ausdehnungslos wäre.
214 Erster Absclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Jene beiden Kräfte sind im Grande nichts anderes, als
die beiden ersten Terme einer Beihenentwickelung
(133) «==«' + «" + «'" + • • •>
die nach aufsteigenden Potenzen des Badins a des Elektrons
fortschreitet. Der erste Term, die elektromagnetische Trägheits-
kraft, enthalt a im Nenner; der zweite enthält a überhaupt
nicht, wie er ja von den speziellen, über Form und Ladungs-
Verteilung gemachten Annahmen nnabhängig ist. Der dritte
Term wird wieder von der Form und Ladungsverteilung ab-
hängen und für unser kugelförmiges Elektron a im Zähler
enthalten. Da die innere Kraft ft durch die Geschwindigkeit
und durch die Beschleunigung bestimmt ist, welche in einem
endlichen, dem betreffenden Zeitpunkte vorangegangenen Inter-
valle geherrscht haben (vgl. § 17), so ist eine solche Beihenentwicke-
lung immer dann möglich, wenn die Bewegung stetig ist und ihre
Geschwindigkeit kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. Je
weiter man die Reihenentwickelung führt, desto höhere Diffe-
rentialquotienten von ü und desto höhere Potenzen dieser
Differentialquotienten werden zu berücksichtigen sein.^) Die
Reihe wird um so schlechter konvergieren, je mehr sich die
Bewegung einer unstetigen und die Geschwindigkeit der Licht-
geschwindigkeit nähert. Im Falle des oben durchgerechneten
Beispieles konvergiert die Reihe noch außerordentlich gut.
Für unstetige Bewegungen und für Bewegungen mit Licht-
geschwindigkeit oder gar Überlichtgeschwindigkeit versagt sie
völlig. Hier müssen zur Berechnung der inneren Kraft andere
Methoden herangezogen werden.
1) Die in den Differentialquotienten von tl linearen Glieder sind
für den Fall der Volumladung von G. Herglotz (Gott. Nachr. 1903, S. 367)
allgemein berechnet worden. Es ergibt sich die Möglichkeit kleiner, ge-
dämpfter Eigenschwingungen des Elektrons auch bei Abwesenheit quasi-
elastischer Kräffce. Doch ist die Wellenlänge der langsamsten Eigen-
schwingung von der Größenordnung des Radius des Elektrons, so daß
eine elektromagnetische Erklärung der Spektrallinien hieraus nicht zu
gewinnen ist.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 215
§ 24. Das Feld eines beliebig bewegten Elektrons.
Während wir bisher bei der Integration derFeldgleichnngen
uns auf gewisse Spezialfälle beschnlnkt hatten^ nämlich auf
den Fall der gleichförmigen Bewegung beliebiger Ladungen
und auf den Fall beliebiger Bewegung einer Punktladung,
wollen wir jetzt dazu übergehen^ das Feld eines beUebig be-
wegten Elektrons unter Berücksichtigung der räumlichen Aus-
dehnung des Elektrons zu bestimmen. Die allgemeinen Formeln,
durch die wir in § 8 die elektromagnetischen Potentiale dar-
stellten, werden uns zur Lösung dieser Aufgabe fähren. Die
Formeln (50a) und (51a) daselbst lauten
(134) d0=^XdXJd(OQ{X,l'-X),
(134a) d« ^Xdxfd(ot{X, l-^X).
Diese Formeln sind noch von jeder Voraussetzung über
die Form und die Ladungsverteilung des Elektrons unabhängig.
Wir wenden sie an auf unser kugelförmiges Elektron vom
Badius a mit gleichförmig verteilter Flächenladung oder Yolum-
ladung.
A. Flächenladung.
Wir verstehen unter B die Entfernung des betreflFenden
Au^unktes P von dem Mittelpunkte M des Elektrons in
ii^endeiner früheren Lage des letzteren; ^ = — ist die Zeit, zu
c
X
der das Feld im Aufpunkte bestimmt werden soll, r = — die
Latenszeit. Ist die translatorische Bewegung des Elektrons
gegeben, so ist R als Funktion von X = er bekannt. Das
Elektron wird nun jin seiner zur Zeit < — r == eingenom-
menen Lage zum Felde im Au^unkte nur dann etwas bei-
steuern können, wenn die um den Au^unkt mit dem Badius X
geschlagene Eugel es schneidet. Das ist dann und nur dann
der Fall, wenn aus den drei Strecken R, X und a ein Dreieck
gebildet werden kann. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so
gibt es keinen Punkt des Elektrons, von dem aus ein Beitrag,
216 Erster AbBclmitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
zur Zeit t — -j entsandt^ nach Durchlaufiing des Latensweges X
im Anfpnnkte zur Zeit t eintrifft. Diese Bedingung
(135) Ans B, X, a ist Dreiecksbildnng möglich
ergibt für einen äußeren Punkt die Ungleichung
<135a) R-a£X£B + a,
filr einen inneren Punkt hingegen
(135b) a-R^X£a + B.
Dabei ist im Auge zu behalten, daß es sich um einen im
Baume festen Aufpunkt handelt, dagegen um ein bewegtes
Elektron; es kann daher für die Bestimmung des Feldes zur
Zeit t ein und derselbe Au^unkt bald als äußerer, bald als
innerer Punkt gelten, je nach der früheren Lage des Elektrons,
welche der betreffenden Latenszeit zuzuordnen ist.
Wir betrachten jetzt das Dreieck aus den Strecken B, X, a
(Abb. 3). Es gut
(135c) 2aBG08»^B^ + a^-X\
Schreitet man längs der Oberfläche
des Elektrons fort, so ändern sich 9'
und X, während a und B konstant
bleiben. Man hat demnach
aBsind'dd' == XdX,
Zwei mit den Radien X und X + dX
um P geschlagene Engeln schneiden
aus der Oberfläche des Elektrons einen
Streifen aus Yon dem Flächeninhalte
Abb. 8.
a
2^a^sind'dd' =^ 2%^ • XdX,
Da die Elektrizität mit der Dichte
e
4:jca^
über die Ober-
fläche verteilt ist, so befindet sich auf jenem Streifen die
Elektrizitätsmenge
e
• XdX.
Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 217
Diese Elektrizitätsmenge^ die von den beiden benachbarten
Kugeln Xf X + dX eingeschlossen wird, drückt sich in der
Schreibweise der Formel (134) aus durch
X^dX I da)Q{X,l'-Xy
Jene Formel besagt^ daß der Beitrag zum skalaren Poten-
tiale erhalten wird^ indem man durch X dividiert. Der Beitrag
wird daher
(136) ä^^^W
Um für eine gegebene Bewegung des Elektrons
das skalare Potential im Aufpunkte zu bestimmen^
ist nur eine einmalige Integration nach dem Latens-
wege X auszuführen; dabei ist für jeden Au^unkt R als
Funktion Ton X zu. betrachten^ und es ist die Integration
zwischen den durch (135 a^ b) bestimmten Grenzen zu nehmen.
Wie die jeweilige Ladungsyerteilung^ so ist auch der
Beitrag zum skalaren Potential für das allseitig symmetrische
Elektron von der Botationsbewegung unabhängig. Was jedoch
das elektromagnetische Yektorpotential anbelangt; so sind die
Beiträge der elektrizitätserfüllten Yolumelemente hier/ statt
durch Qf durch
bestimmt; gemäß unserer kinematischen Grundgleichung (VII).
Dementsprechend geht der Translationsbestandteil K^ des
Yektorpotentiales aus dem skalaren Potentiale hervor; indem
ii
die Beiträge aller Volumelemente mit dem gleichen Faktor -^
multipliziert werden; dabei ist natürlich unter Üq die Geschwin-
digkeit zur Zeit t zu verstehen. Wir erhalten demnach
als Beitrag des von den Kugeln X, X + dX aus dem Elektron
herausgeschnittenen Streifens zum Translationsbestandteil
des Yektorpotentiales
(136a) «^«x = ä^-^-
218 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Die Bestimmong des Rotationsbestandteiles des Vektor-
potentiales ist nicht ganz so einfach. Man hat zu berück-
sichtigen, daß der Vektor \ut], der hier an die Stelle von Öq
tritt, fiir die yerschiedenen Punkte des Streifens ein verschie-
dener ist; denn es ist zwar il, der Vektor der jeweiligen Dreh-
geschwindigkeit, bei der Integration über den Streifen als
fester Vektor zu betrachten, nicht aber t, der vom Mittel-
punkte nach dem betreffenden Punkte der Oberfläche gezogene
Radiusvektor. Letzterer kann geschrieben werden
_ «» Ä cos ^ , j . ft^
t = Ä- — g h ti-asm-d-,
wobei unter ft der vom Mittelpunkte M des Elektrons nach
dem Au^unkte P gezogene Fahrstrahl, unter i^ aber ein zu ft
senkrechter Einheitsvektor zu verstehen ist. Es folgt
[iit] ^ [uK] . ^^ + [iiti] . asin^.
Bei der Integration über den Streifen ist nun der erste
Term als konstant zu betrachten; der zweite Term aber fallt
bei der Integration heraus, denn es hat für je zwei Punkte Q
und Q' des Streifens, die in derselben durch ft gelegten Ebene
sich befinden (vgl. Abb. 3), tj und daher auch [tttj] die ent-
gegengesetzte Richtung. Es geht demnach der Rotations-
bestandteil des Vektorpotentiales aus dem Translationsbestand-
teil (136a) dadurch hervor, daß
acos^
[««]
B
an Stelle von Üq tritt. Es wird mit Rücksicht auf (135 c)
(136b) d«,-2^-f[««](
2B'
der Beitrag zum Roiationsbestandteile des Vektor-
potentiales. Um die Integration nach dem Latenswege X aus-
zuführen, müssen natürlich die Vektoren ft und it in ihrer Ab-
hängigkeit von X gegeben sein. Bei der Integration sind nur
solche Werte von A in Betracht zu ziehen, welche der Be-
dingung (135) genügen.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 219
B. Yolumladang.
Hier sind drei Fälle zu unterscheiden, a) Punkt im
Innern. Dreiecksbildungen aus B, X, a unmöglich.
O^X£a-R.
Die Eugel X liegt in diesem Falle ganz im Innern des
Elektrons. Yon zwei benachbarten Kugeln X und X + dX um P
wird die Ladung eingeschlossen
AxQX^dX^^X^dX.
Die Division durch X ergibt als Beitrag zum skalaren
Potentiale
(137) d^^^XdX.
Durch Multiplikation mit -^ entsteht der Beitrag zum
Translationsbestandteile des Yektorpotentiales
(137a) dH, = ^Xdit,,.
Der Beitrag zum Botationsbestandteile des Yektorpoten-
tiales ist
dfi^ = -^ -Q I doD [nt]'
tf der Tom Mittelpunkte M des Elektrons nach der Ober-
fläche der Eugel X gezogene Fahrstrahl^ kann in zwei Yektoren
zerlegt werden, wo ft^ der Yektor MP, vom Mittelpunkte des
Elektrons nach dem Mittelpunkte der Eugel X weist, a aber
Tom Mittelpunkte der Eugel X nach dem betreffenden Punkte
der Oberfläche. Bei der Integration über die Oberfläche fallt
der von a herrührende Anteil von [iit] fort, weil für zwei
einander diametral gegenüberliegende Punkte der Eugel a und
mithin auch [ua] den entgegengesetzten Wert hat. ft aber
ist, ebeiiso wie it, bei der Integration über die Eugel konstant
zu halten. Es folgt
220 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegimg der einzelnen Elektronen.
(137b) dn,^^ldl-[uK\
als Beitrag zum Botationsbestandteil des Vektor-
potentiales.
b) Punkt außerhalb oder innerhalb des Elektrons.
Dreiecksbildnng ans B, X^ a möglich. Alsdann gilt
B-a\<X<B + a.
Das ist der Fall^ der bei Flachenladung ausschließlich in
Betracht kam und auf den Abb. 3 sich bezieht. Es gilt
d^ '=^ XdXQG}.
Dabei ist
© = 23r(l — cosi^)
der körperliche Winkel; unter dem das im Innern des Elektrons
gelegene Segment (QQ*) der Kugel X Tom Mittelpunkte P
derselben gesehen wird. Es folgt aus dem Dreieck der Abb. 3
2JBA cos 1^ « JB« + A« - «*,
daher
und
(138) «^* = ä'^^-(^^^f=^>
Dementsprechend wird
(188.) „.__?4_ii. (21^^=2!]..,,
Was den Botationsbestandteil yon tl anbelangt; der durch
den Vektor \ut] bestimmt ist; so ist es hier notwendig, den
von M nach einem Punkte des Segmentes QQ^ gezogenen
Radiusvektor t in einen zum Fahrstrahl 8t parallelen und einen
zu ihm senkrechten Vektor zu zerlegen. Der yon dem letzteren
herrührende Anteil des Vektorpotentiales fällt bei der Inte-
gration über das Segment heraus; man erhält demnach
d«3 ^ XdX^ 'fd(o^^ . [tt«]-
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronezu 221
Ist g der Winkel; den der nach dem betreffenden Pnnkte
des Segmentes Ton P ans gezogene Fahrstrahl mit PM ein-
schließt; so ist
(t«)=»-B(li-Acosg),
daher
= 2äBJB(1-cosi?)~|(1~cos«i^))-
Mit Rücksicht anf den oben gegebenen Wert Ton costj:
wird ,
Nach ernigen Vmformnngea drgibt dies
ßa,(x9)^'^.Q,
wobei abkürzungsweise gesetzt ist
Q
4JB« 4a»Ä»
Nunmehr ist der Beitrag zum Botationsbestandteil des
Yektorpotentiales zu schreiben
(138b) d«.-^f «.[««].
c) Punkt außerhalb des Elektrons. Dreiecks-
bildung aus B, Xy a unmöglich.
B -^ a ^ Xi
In diesem Falle schneidet die um den Aufpunkt mit dem
Radius X geschlagene Engel das Elektron nicht; sondern sie
222 Erster Abschnitt Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen.
schließt es ein. Ein Beitrag zu den Potentialen im Aufpunkt
wird nicht beigesteuert.
Es sind demnach bei der Berechnung der elektromagne-
tischen Potentiale nur die I^lle (a) und (b) heranzuziehen.
Die Integration nach X ist auszuführen , wenn die Bewegung
des Elektrons bekannt ist; somit ft und t^^y und — was aller-
dings nur für den Rotationsbestandteil des Yektorpotentiales
in Betracht kommt — tt als Funktion yon X gegeben sind.
Die in diesem Paragraphen abgeleiteten Formeln f&r das
Feld eines beliebig bewegten Elektrons sind in allgemeiner
Weise zuerst von A. Sommerfeld^) aufgestellt worden. Die
auf die Translationsbewegung bezüglichen Formeln sind un-
abhängig von P. Hertz*) gefunden worden, auf einem Wege,
der im wesentlicheii dem hier eingeschlagenen entspricht.
§ 25. Unstetige Bewegang des Elektrons.
Wir gehen jetzt zur Behandlung des Problemes über,
welches den Gegenstand der Dissertation von P. Hertz bildete:
Ein Elektron bewege sich bis zur Zeit t=^0 gleichförmig mit
der Geschwindigkeit li^; zu dieser Zeit soll seine Geschwindig-
keit plötzlich auf ü] springen und weiterhin wieder nach Rich-
tung und Betrag konstant bleiben. Welches ist das Feld des
Elektrons und insbesondere die entsandte Wellenstrahlung?
Diese Frage läßt sich vollständig beantworten, wenn man li^
parallel ü^ und beide Geschwindigkeiten kleiner als c annimmt.
Wir legen den Anfangspunkt des Eoordinatensystemes in
den Punkt des Baumes, der sich zur Zeit ^ => mit dem
Mittelpunkte des Elektrons deckt; die Geschwindigkeiten li^
und t^2 sollen beide der x-Achse parallel sein. Die im vorigen
Paragraphen eingeführte Größe
(139) R = Yix - D« + y* + ;?»
1) A. Sommerfeld. Gott. Nachr. 1904. S. 99. Siehe auch Eon.
Akad. y. Wetensch. te Amsterdam. 1904. S. 346.
2) P. Hertz. InangoraldisBertation: Untersuchungen über unstetige
Bewegungen eines Elektrons. Göttingen 1904.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elekfaronen. 223
ist die Entfemimg eines beliebigen Anfpnnktes von demjenigen
Punkte y der zur Zeit t den Mittelpunkt des Elektrons
bildete. Es ist
(139a) 1 = „ l=^X,
Dabei stellen cßj^ und cß^ die ^^alte^^ und die ^^neue^^ Ge-
schwindigkeit Tor; ihr Vorzeichen gibt an, ob die Bewegung
parallel der positiven oder der negativen a; -Achse erfolgt.
Durch (139, 139a) wird R als Funktion von Xyy,0, ct=^l
und dem Latenswege X dargestellt.
Wir fassen einen Au^unkt ins Auge, der zur Zeit t außer-
halb des Elektrons liegt. Dieser Punkt liegt dann auch zur
Zeit t außerhalb des Elektrons, wo X* den kleinsten in
c ^
Betracht kommenden Latensweg bezeichnet; in der Tat, ver-
folgen wir die Bewegung des Elektrons rückwärts, indem wir
gleichzeitig die Eugel vom Aufpunkt aus mit Lichtgeschwin-
digkeit sich dilatieren lassen, so findet zwischen Elektron und
Eugel zuerst äußere Berührung statt. Die Eugel überstreicht
nun das Elektron, welches sich mit Unterlichtgeschwindigkeit
bewegt, nur einmal; zur Zeit t tritt sie aus dem Elektron
c
aus; X" ist dabei der größte in Betracht kommende Latensweg.
Das skalare Potential im Aufpunkt ist nach (136)
(140) * ^ Ä rS ^^^ Flächenladung.
Die Integrationsgrenzen sind nach (135 a, b)
(140a) A' = li'-a, X"^R"+a.
V
Denn zur Zeit t — — lag, wie wir sahen, der Aufyunkt
außerhalb des Elektrons; für die Bestimmung der oberen
Litegrationsgrenze X" ist es gleichgültig, ob er außerhalb oder
innerhalb des Elektrons liegt. Die Litegrationsgrenzen sind
die gleichen, wenn ^s sich um Yolumladung handelt; es liegt
224 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
dann der Fall (b) des yorigen Paragraphen vor. Nach Glei-
chung (138) ist
(140b) * =- f^ f^ { a« - (B - xy j bei Volumladung.
Es sind nun drei Fälle zu unterscheiden.
(A) z < A' < r,
EQer ist im ganzen Integrationsbereiche X größer als I;
es ist in (139) für | der erste der Werte (139a) zu setzen^ mithin
(141) Ji = JB, = y(x-ßJ + ß^XY+y^+z\
Das skalare Potential und das Yektorpotential berechnen
sich in diesem Falle so, als ob das Elektron seine alte Ge-
schwindigkeit li^ dauernd behielte.
(B) 1>}!'>X\
Hier ist im ganzen IntegrationsintervaUe X kleiner als Z;
f&r I ist der letzte der Werte (139a) zu setzen, und daher ftLr R
(141a) B^R,^y{x^ß^l + ß^xy+y^+z\
Die elektromagnetischen Potentiale entsprechen in diesem
Falle der neuen Geschwindigkeit üj.
(C) i! <l< A".
Hier hat man das Integrationsintervall in zwei Teil-
intervaUe zu zerlegen; im ersten, wo X^ <X <l ist, Uegt der
dritte, im zweiten, wo l <X <X^ ist, der erste der in (139 a)
zusammengesteUten Falle vor. Demnach ist
i r
(141 b) t,.J-ß. + J.f^
das skalare Potential bei Flächenladung, und das Yektorpotential
r
(141c) n.^^fß,'^ + ^fß,
X' i
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 225
Bei Yolamladmig ist entsprechend zu yerfahren.
Es liegt nahe^ eine neue Variable
(142) h^X-B
einzufQhren. Es ist gemäß (140 a)
Ä=«~a für A = A', Ä = + a für A = r.
Für A = Z, wo I - 0, und nach (139)
wird, ist Ä r= Z — r. Setzen wir noch
so wird demgemäß
(142a) «-^y^ imFaUe(A),
— a
(142b) * == ^y^ irn PaUe (B),
— a
l — r +a
(i42c) * = Ay| + _iy| i„.PaUe(C).
Das gilt für Flächenladung. Bei Yolumladung folgt aus (140 b)
(142d) 0^^Ja(Blz]^ + l±J'J^(^
— a l — r
Es ist noch S zu bestimmen. Aus (139, 139 a) und (142)
erhalten wir
B dX "" ^ dX '" B
Es ist demnach
(143) 8 ^ B - ß(x- ßl + ßX) ^ B ^ ^(t^Vt)
eine Größe, welche der in Gleichung (69 a) eingeführten Größe s
entspricht. Je nachdem man ü gleich üi oder li^ setzt und ft
gleich Äi oder Wg, geht 8 in S^ oder 8^ über.
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 15
226 Barster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegxmg der einzelnen Elektronen.
Aus (142) und (143) folgt
(143a) 8^Xx^-h -ß{x-ßV), x« = 1 - ß\
Zur Auswertung der obigen Integrale ist es erforderlich^
8 durch X, y, z, l und h auszudrücken; wir haben zu diesem
Zwecke noch X als Funktion jener fünf Grroßen zu berechnen.
Dies geschieht mit Hilfe der aus (142) sich ergebenden
quadratischen Gleichung
(A-Ä)« =- JB^ = (x-ßl + ßxy + y^ + z\
aus der man für den Ausdruck (143 a) erhält
(143b) Ä = i/(a; - iSZ + ßlif + x^ (yH ^*);
wir haben die positive Wurzel genommen^ weil aus (143) folgt,
daß bei Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit 8 stets eine
positive Große ist.
Die Integrale (142 a, b) lassen sich nunmehr auswerten.
Wir erhalten im Falle (A) für Fla^^henladung
(144) *=_?-in(^::AH:ft^
+y(^-ft«-fta)H(i-ft*)(y*+^*)J
Man überzeugt sich leicht davon, daß dieser Ausdruck
für das skalare Potential eines gleichförmig bewegten Elektrons
mit dem auf ganz anderem Wege in (112e, g) erhaltenen
übereinstimmt; es steht hier x — ß^l, statt wie dort a?, weil
hier ein im Räume festes, dort ein mit dem Elektron mit-
bewegtes Bezugssystem zugrunde gelegt wird. Seiner Ab-
leitung gemäß gilt der Ausdruck (144) für das skalare
Potential im Falle (A) außerhalb des flächenhaft geladenen
Elektrons. Im Falle (B) tritt nur ß^ an die Stelle von ß^.
Herrscht im Falle (A) das „alte", der Geschwindigkeit t^^ ent-
sprechende Feld, so herrscht im Falle (B) das „neue" Feld,
welches einer gleichförmigen Bewegung mit der Geschwindig-
keit II2 entspricht.
Die beiden Gebiete, in denen das Feld sich durch die
stationäre Bewegui^ des Elektrons vor oder nach der un-
stetigen Änderung seiner Geschwindigkeit bestimmt, werden
Drittes Kapitel. Die Mecliaiiik der Elektronen. 227
offenbar durch eine Wellenzone voneinander getrennt sein^
welche durch den Geschwindigkeitssprung hervorgerufen worden
ist. Das Gebiet der Welle ist eben dasjenige^ in dem der
FaU (C) statthat. Es ist hier
X' <l< X",
daher
— a<Z — r< + a;
denn es waren — a, ? — >*; + d die Werte von Ä, welche sich
den Werten X\ l, A" von X zuordneten, und es ändern sich,
da ja S und B stets positiv sind, X und h stets in demselben
Sinne. Bei l — r = + a, wo (142 c) in (142b) übergeht, liegt
die Grenze der Wellenzone gegen das neue Feld; bei Z — r = — a,
wo (142c) in (142a) übergeht, geht die Wellenzone in das
alte Feld über. Man hat demnach
•
für r>l + a das alte Feld,
für l + a> r>l — a die Wellenzone,
für r <l — a das neue Feld.
Die beim Geschwindigkeitssprunge erregte Welle
besitzt eine Breite, welche dem Durchmesser 2a des
Elektrons gleich ist. Sie pflanzt sich von der Sprung-
stelle des Elektrons aus mit Lichtgeschwindigkeit
fort; außerhalb des äußeren Bandes der Wellenzone
herrscht das alte, innerhalb des inneren Bandes das
neue Feld.
Unsere Entwickelungen beziehen sich auf einen Aufpunkt,
ivelcher außerhalb des Elektrons liegt. Wenn wir zur Be-
:stimmung des in der Wellenzone herrschenden Feldes die
Ausdrücke (142 c, d) heranziehen, so setzen wir dabei still-
schweigend voraus, daß die Wellenzone über das Elektron
bereits hinweggestrichen ist. Da die größte Entfernung eines
dem Elektron angehörenden Punktes vom Koordinatenursprung
gleich
ist, so muß
15*
228 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegimg der einzelnen Elektronen.
sein, damit das Elektron sich ganz im neuen Felde befinde.
Es muß also sein:
(145) Z>Z* l*- ^"^
i-lft
Dann hat die Wellenzone sich vom Elektron losgelost
und das elektromagnetische Feld der Welle wird durch (142 c)
im Falle der Flachenladung, durch (142 d) im Falle der Volum-
ladung gegeben.
Wir wollen die Feldstarken der Wellenzone unter der
Annahme bestimmen, daß die Entfernung derselben von der
Sprungstelle des Elektrons bereits groß gegen den Radius des
Elektrons geworden isi Alsdann braucht man bei der Diffe-
rentiation der Potentialausdrücke (142 c, d) nach der Zeit und
nach den Koordinaten nur diejenigen Terme zu berücksichtigen^
welche durch die Differentiation der Integralgrenze (l — r)
entstehen; die übrigen Terme verschwinden gegen diese in
dem Maße, wie die Entfernung vom Eoordinatenursprung zu-
nimmt. Es wird
(146)
(146 a)
d^ d^
dl dr 2as, 2a«, I bei Flächen-
^ltg_ dfLx_ efe eßi 1 ladung.
dl dr 2a Sj 2a 8^ )
Hier sind unter s^, s^ die Werte zu verstehen, welche die
Größen 8^ xmi 8^ annehmen, wenn Ä = Z — r gesetzt wird;
wir wissen nun, daß diesem Werte von h der Wert l von X.
und der Wert r von JB sich zuordnet; es ist nach (143)
(146b) Si=r(l—ßi cos 9), % = ^ (1 — A cos 9),
wo 9 den Winkel anzeigt, den der vom Eoordinatenursprung^
aus gezogene Fahrstrahl t mit der ^-Achse einschließt. Wir
erhalten demnach
{\Aao>i ^ a^ _ e(fe-ft)cosy ^ , .
K^^^^J dl ^ dr 2a r (1 - ft cos <3p) . (1 - ft cos q?) I .
{^A(KÄ\ ^**— ^*' g (fe- ft) I T j
(^i4oa; -^ "ä7""2ar(l-ftcos9)-(i-ft cos9)i ladnng.
Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 229
Die beiden anderen Komponenten des Yektorpotentiales^
sowie die Differentialquotienten von 9 und K« nach Bichtangen^
welche zum Radiusvektor t senkrecht sind, verschwinden.
Man überzeugt sich demgemäß leicht davon, daß die durch
(28) und (29) bestimmten Vektoren
g==-.F$-.^, ^-curl«
beide senkrecht zum Radiusvektor t gerichtet sind; der elek-
trische Vektor liegt in der durch die a;-Achse gelegten Ebene,
der magnetische weist senkrecht zu dieser Ebene. Die Beträge
der beiden Vektoren sind, bei FUlchenladung,
r-iARc^ 1151= Ißl e|ft-pjBiny
Das flächenhaft geladene Elektron erzeugt bei
dem Geschwindigkeitssprunge eine Welle, längs deren
Breite (2a) die Feldstärken konstant sind; an den
Bändern sind die Feldstärken unstetig.
Im Falle der Volumladung ist die Betrachtung in ganz
entsprechender Weise durchzuführen. Aus (142 d) folgt
und es werden die Beträge der Feldstärken
rUTfl^ lßl~IÄl= ^^ lft~ft|8iny{a«-(?-r)«}
Das gleichförmig über sein Volum geladene Elek-
tron erzeugt bei seinem Geschwindigkeitssprunge
eine Welle, in der von der Mitte (l = r) die Feld-
stärken stetig gegen die Bänder (Z — r = ± a) hin ab-
nehmen. An den Bändern sind die Feldstärken null, sie
gehen demnach stetig in die Feldstärken der stationären Felder
über, die in den betrachteten Entfernungen vom Elektron
gleichfalls verschwinden.
Vertauscht man die Beihenfolge der beiden Geschwindig-
keiten ü^ und üj, indem man jetzt annimmt, daß die Ge-
schwindigkeit, statt von iij auf ü^, von t^ auf ü^ springt, so
kehren die Differentialquotienten (146, 146a, 147) der elektro-
230 £>rster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
magnetischen Potentiale das Zeichen um. Es wechseln mithin
die Feldstarken die Richtung; ohne jedoch ihren Betrag zu
ändern. Die Dichten der Energie und der Bewegungsgröße
in der Wellenzone bleiben bei dieser Vertauschung der Ge-
schwindigkeiten ii^ und ü^ ungeandert. Hieraus folgt das von
P. Hertz aufgestellte ,,Vertauschungsgesetz'': Vertauscht
man die Reihenfolge der bei dem Geschwindigkeits-
sprunge in Betracht kommenden Geschwindigkeiten
H^ und t^y so bleibt die ausgestrahlte Energie und der
ausgestrahlt« Impuls ungeandert.
Wir könnten die Energie Wi^ und den Impuls iSi^f dör
bei dem Geschwindigkeitssprunge ausgestrahlt wird^ durch
Integration über die ganze Wellenzone auf Grund der Formeln
(146 e) und (147 a) berechnen. Indessen läßt sich gerade auf
das Vertauschungsgesetz eine einfachere Methode der Be-
rechnung gründen.^)
Wir denken uns zunächst ein Elektron^ das vorher mit
der Geschwindigkeit H^ gleichförmig bewegt war, plötzlich
gehemmt. Es wird dann eine Welle von der Breite 2a in
den Raum hinaussenden; nach der Auffassung J. J. Thomsons
(vgl. § 14 Schluß) würde dieses die Art sein, wie beim Auf-
prall der Eathodenstrahlen auf die Antikathode die Röntgen-
strahlen entstehen. Es sei nun TT^ die Energie des gleich-
formig bewegten Elektrons. Nach der plötzlichen Hemmung
kann sich die gesamte Energie des Feldes nicht ändern, da ja
die elektromagnetische Kraft an dem ruhenden Elektron keine
Arbeit leistet. Wartet man so lange, bis die Entfernung der
Wellenzone vom Elektron groß gegen den Radius des Elektrons
geworden ist, so ist die Feldenergie gleich der Summe aus der
elektrostatischen Energie Wq des Elektrons und der in der
Wellenzone enthaltenen Energie TTiq. Es ist
(148) W,o=W,-W„
d. h. die ausgestrahlte Energie ist gleich dem Über-
schusse der Energie des bewegten Elektrons über
1) P. Hertz. Physik. Zeitschr. 4, S. 848, 1903. Dissertation S. 58, 1904.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 231
diejenige des ruhenden. Im Falle der Flächenladnng folgt
ans (113 b)
(148a) l^.o = ^{^?^(^)-2J,
ein Ausdruck, der im FaUe der Volumladung mit Vg zu multi-
plizieren ist.
Betrachten wir jetzt den umgekehrten Fall, daß das Elek-
tron plötzlich in Bewegung gesetzt wird. Es ist das ein Vor-
gang, der möglicherweise bei der Emission der Radiumstrahlen
angenähert realisiert ist. Dieser Fall geht durch Vertauschung
der Geschwindigkeiten und ü^ aus dem soeben erledigten
hervor. Es folgt demnach aus dem Vertauschungsgesetz
(148b) Fo,= TF,-Fo= ^ [}jn (^) - 2]
für die Energie der ausgesandten Wellenstrahlung. Wir sehen
also: Wird ein Elektron plötzlich in Bewegung ge-
setzt, so ist die Energie der entsandten Wellen-
strahlung gleich dem Überschusse der vom Elektron
mitgeführten Energie über seihe elektrostatische
Energie.
Wir wenden uns jetzt dem allgemeinen Falle zu, indem
wir von der für unser starres Elektron allgemein gültigen
Relation (97) ausgehen. Da Rotationen hier nicht angenommen
werden, so ist
dW _ / d®\
dt "" V dt)
die Aussage jener aus dem Energiesatz und dem Impulssatz
abgeleiteten Beziehung. Wir integrieren von der Zeit t =
des Sprunges bis zu einer Zeit t, zu der die Welle sich bereits
weit von dem Elektron entfernt hat. Es wird, da ja in diesem
Zeitintervall die Geschwindigkeit konstant gleich ii^ sein soll.
/'
dt -TT- = tlo 1 d<
/"
dt ^If dt
^S2 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Zur Zeit waren W^, (S^ Energie and Impuls des Feldes^
zur Zeit t sind die Gesamtwerte von Energie und Impuls
F3+F1J und ®8+®ij.
Es ist somit
(149) W,,+ W,^W,^ ü,- {®i2+ ®2- ®i}-
Nach dem Yertauschungsgesetz ist nun für den um-
gekehrten Fall eines Sprunges von li^ auf ü^
Es folgt also durch Yertauschung von ü^ und t^ aus (149)
(149a) TF13+ ^1- W^- t»i- {®u+ ®i~ ®2}-
In dem Falle^ wo t^ und üg parallel sind^ kann man aus
(149) und (149 a) die ausgestrahlte Energie und die ausgestrahlte
Bewegungsgroße berechnen. Nach Symmetrie sind hier die
Vektoren ®i2, ®i; ®2 den genannten Vektoren parallel; wir
verstehen unter G^^, G^^ G^ ihre Beträge^ mit positivem oder
negativem Vorzeichen versehen, je nachdem die Vektoren
in Richtung der ^-Achse oder in die entgegengesetzte Richtung
weisen.
Aus den Gleichungen
W^^+W^-W^^cß^{G^^+ G,- G,}
folgt durch Ehmination von TFjg oder G^^
(i49o) jr„-&M(,r,-Tr.)_2c/!,&^^.
Es bestimmen sich also die Energie und Be-
wegungsgröße, welche bei einem ohne Bichtungs-
änderung stattfindenden Geschwindigkeitssprunge
ausgestrahlt werden, aus den in (113a, b) angegebenen
Werten für die Energie und die Bewegungsgröße
eines gleichförmig bewegten Elektrons.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 233
Durch Einfähniiig dieser Werte folgt fQr die aus-
gestrahlte Energie der allgemein gültige Ausdruck:
(i«i) '^..-f:{(W)'»(^-^)-^)-
Derselbe geht, für ft= 0, in (148b) über. Aus (149b)
folgt als Wert der ausgestrahlten Bewegungsgröße bei
plötzlicher Hemmung oder plötzlicher Fortschleude-
rung:
Da nun, nach (103),
ist, und
Wi-Fo=üi+Ti~üo,
so wird (vgL 113 c)
(149.) e„.e„.l<S^-^4{!r^,.([±||)-3).
Im Falle der Yolumladung sind die Ausdrücke (149 d, e),
wie die für TFi, TTg» ^i> ^2 geltenden, mit dem Faktor 6/5
zu multiplizieren.
Bei instantaner Reflexion, wo
zu setzen ist, erMlt man aas (149 c)
(i49f ) TT« = 2c /3i 6?i = 4 T^
und aus (149 b)
(149g) G^= 0.
Im Falle instantaner Reflexion ist der aus-
gestrahlte Impuls gleich Null. Die ausgestrahlte
Energie ist gleich der vierfachen magnetischen
Energie des gleichförmig bewegten Elektrons.
Man kann von vornherein zweifeln, ob ein plötzlicher
Geschwindigkeitssprung überhaupt durch endliche Kräfte zu
verwirklichen ist. Auch diese Frage ist von P. Hertz in Unter-
234 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Buchung^) gezogen worden; es hat sich ergeben, daß die
resultierende äußere Kraft St^, welche erforderlich ist, um das
Elektron, von der Ruhe aus, plötzlich auf die Geschwindig-
keit Hj zu bringen und in dieser zu halten, für |tli| <,c in
jedem Momente eine endliche ist. Diese Kraft ist nicht, wie
die Stoßkraft der gewohnlichen Mechanik, eine unendliche
Kraft, welche nur im Augenblick des Stoßes wirkt, sondern
sie verteilt sich über das Zeitintervall 0^^^^*, wo t* der
Zeitpunkt ist, wo das Elektron gerade aus der Wellenzone
heraustritt. Diesen Zeitpunkt haben wir in (145) berechnet;
er ist
(150) ^*= ^"^
wenn
ti = lli für t>0.
Daß die über jenes Intervall erstreckten Zeitintegrale der
Kraft ft"* und der Arbeitsleistung tiÄ** endlich sind, folgt ohne
weiteres aus den obigen Resultaten. Von der Zeit <* an ist
das Elektron von dem stationären, der gleichförmigen Bewegung
entsprechenden Felde umgeben, so daß zur Aufrechterhaltung
der Bewegung keine Kraft mehr erforderlich ist. Von jetzt
an sind Energie und Bewegungsgröße des Feldes konstant; sie
haben die Werte
Fi + TToi bzw. ®i + ®oi;
welche sich nach einiger Zeit in dem Felde des gleichförmig
bewegten Elektrons und in der entsandten Welle vorfinden.
Es folgt demnach, mit Rücksicht auf (148b),
(150a) ^(11 r) dt = Foi+ Fl- W^
.Hw,-w.)-';Uinm-2]
Die gesamte Arbeit bei plötzlicher Fortschleu-
derung ist doppelt so groß, als wenn die Geschwindig-
keit Hl auf quasistationäre Weise erreicht worden wäre.
Da in dem Zeitintervalle < ^ < ^* die Geschwindigkeit tl
konstant gleich H^ ist, so ist das Zeitintegral der äußeren Kraft
1) P. Hertz. Physik. Zeitschrift (6), 1904, S. 109. Diss. S. 60.
Drittes Kapitel Die Mechanik der Elektronen. 235
dem Betrage nach gleich dem durch die Geschwindigkeit ge-
teilten Zeitintegral der Arbeit:
faf'dt=^j^,-2iw,-w,),
mithin
(150b) f«'ät^,,.-^,{l.ln(^)-2}-
Der Impuls und die Arbeit der äußeren Kraft haben beide
einen endlichen Wert, wofern die Geschwindigkeit^ die hervor-
gerufen wird, kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist.
Geht man nun zur Ghrenze der Lichtgeschwindigkeit über,
so werden allerdings, den Gleichungen (150a, b) zufolge, die
Zeitintegrale der Kraft und der Arbeit beide unendlich. Es
ist aber zu beachten, daß dabei nach (150) die obere Grenze
der Litegrale, d. h. die Zeit, zu der die Welle das Elek-
tron überstrichen hat, ins Unendliche wächst. Und hierdurch
allein wird das Unendlichwerden der Zeitintegrale bedingt,
wie P. Hertz gezeigt hat. Zu jeder endlichen Zeit nach
den} Stoße bleiben auch bei Erreichung der Licht-
geschwindigkeit die Kraft, der Impuls und die
Energie endlich.
Unsere Dynamik des Elektrons schließt also keineswegs
die Möglichkeit aus, daß in der Natur mit Lichtgeschwindig-
keit bewegte Elektronen vorkommen, sei es, daß wir die An-
nahme der Flächenladung, oder diejenige der Volumladung be-
vorzugen. Freilich hegen in diesem singulären Falle sehr ver-
wickelte Verhältnisse vor. Da das Elektron sich mit derselben
Geschwindigkeit bewegt, wie die Wellen, die es bei Erreichung
seiner Geschwindigkeit entsandt hat, so kann man hier die
Wellenstrahlung von der Konvektionsstrahlung nicht sondern.
Man muß beide gemeinsam betrachten, und die Energie und
die Bewegungsgröße des gesamten Feldes in Rechnung ziehen. —
Auf den Fall der Überlichlgeschwindigkeit kommen wir weiter
unten in § 27 zurück.
236 Erster Absclmitt. Das Feld u, die Bewegung der einzelnen Elektronen.
§ 26. Die innere Kraft eines beliebig bewegten Elektrons.
Wir haben in § 24 die elektromagnetischen Potentiale
eines beliebig bewegten kuge^ormigen Elektrons durch Integrale
nach dem Latenswege dargestellt. Der direkteste Weg zur
Berechnung der inneren Kräfte wäre der^ aus jenen Formeln
das Feld und den Vektor f^ zu bestimmen ^ und durch Inte-
gration über das Volumen des Elektrons die innere Kraft und
Drehkraft zu ermitteln. Es ist A. Sommerfeld^) gelungen^ die
Schwierigkeiten, die sich der Beschreitung dieses Weges ent-
gegenstellen, zu überwinden.
Die Verknüpfung des durch die Grundgleichung V ge-
gebenen Vektors f^, der elektromagnetischen Kraft pro Einheit
der Ladung, mit den elektromagnetischen Potentialen ist leicht
zu finden. Nach (28) und (29) ist
fJ««+l[ll§] = -F*-i^ + i[llcurl«].
Führen wir ein Bezugssystem ein, welches die trans-
latorische Bewegung des Elektrons mitmacht, so ist nach Bd. I,
Gleichung 116
die von diesem Bezugssystem aus beurteilte zeitliche Änderung
des Vektors 9L, Da %, die Geschwindigkeit des Mittelpimktes
des Elektrons, vom Orte überhaupt nicht abhängt, so folgt
aus Regel (v) der Formelzusammenstellung in Bd. I, S. 438
^(»o«) = (»o^)« + [»ocurlll].
Es ist demnach
dt dt
^(tJo«) + [t»oCuriaj.
Führen wir dieses in den Ausdruck des Vektors 5 ^^
und setzen an Stelle von t wieder die Variable Z == c^, so er-
1) A. Sommerfeld, aött. Nachr. 1904, S. 863—489. Akad. van
Wetensch. te Amsterdam, 1904. S. 846 der englischen Ausgabe.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 2S7
halten wir unter Beachtung der kinematischen Grund-
gleichung (VII): -
(151) 5 F3r_^ + |[[tt,]curl«].
Der hier auftretende Skalar
(151a) 3r=*-|(llo«)
geht bei gleichförmiger Translationsbewegung in das Eon-
vektionspotential über^ als dessen negativer Gradient sich bei
einer solchen Bewegung der Vektor ^ darstellt.
Wir wollen uns mit einer beliebigen rotationslosen Be-
wegung des Elektrons beschäftigen. Hier ergibt (151)
(151b) 5=,-F^_^.
Im Falle gleichförmiger Volumladung bestimmt sich hieraus
die innere Erafb
folgendermaßen :
(152a) -St=^Jdv[rw + '-^}.
Im Falle der Flächenladung muß man bei der Berechnung
der inneren Kraft vorsichtiger zu Werke gehen; es sind nämlich
die räumUchen und zeitlichen Differentialquotienten der Poten-
tiale an der geladenen Fläche nicht stetig. Man berechnet
daher zunächst die Kraft; welche das Elektron auf eine ge-
ladene Eugel vom Badius b^a ausübt^ und geht erst nach
Auswertung dieser Kraft zur Größe b = a über. Diese Ab-
leitung der inneren Kraft eines flächenhaft geladenen Elektrons
(152 b) Ä = Lim^./idf
führt zu dem Ausdrucke
(152c) -«^Lun^yd/^JF^ + ^j.
238 ^rster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegimg der einzelnen Elektronen.
Wie wir wissen (vgL § 24), lassen sich die elektro-
magnetischen Potentiale des Elektrons durch einfache, nach dem
Latenswege genommene Integrale darstellen. Wir wollen schreiben
QO
(153) O^^efidL
Dann wird, bei reiner Translationsbewegung,
QO
(153a) %=^Jx\^t-xäk,
und, gemäß (151a),
(153b) ^=efx[\-''-^]dX.
Diese Ausdrücke sollen nun in (152a, c) eingeführt werden,
und es soll die Integration über das Volumen t;, bzw. die
Flache f vorgenommen werden. Es seien %^ bzw. %^ die Werte,
welche der in (153) auftretenden Größe % im Falle der Flächen-
ladung bzw. der Y olumladung zuzuschreiben sind. Wir setzen dann
(153c) i^^-^jj^^df
(153 d) ^2=_i_y^^dt;.
Diese Mittelwerte von % in (152 a c) einführend, erhalten
wir im Falle der Flächenladung
OO QO
(154) -1 . « ^l^fdX { 1 -%^)ryZi+ Um^l^fdkt,_,x„
hingegen im FaUe der Volumladung
00 CO
(154a) -J.«_y*dx{l-^)rrit, + i^ydXli,_,^,.
Hierbei verstehen wir unter % den Fahrstrahl, der von
irgendeinem im Räume festen Punkte nach dem Mittelpunkte
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 239
des Elektrons in seiner zur Zeit ^ = ^ eingenommenen Lage
gezogen ist. Den in (154) und (154a) eingehenden Gradienten
von X erhält man^ indem man die durch Ft angedeutete Ver-
rückung des Mittelpunktes yomimmt und dabei l und X kon-
stant hält.
um diese Ausdrücke der resultierenden inneren Kraft aus-
zuwerten, ist die in (153) eingehende Funktion x ^on X nach
den Angaben des § 24 zu berechnen, und es sind die durch
(153 c, d) angedeuteten Integrationen über die Ausdehnung des
Elektrons auszuführen. Es kommen dabei nur solche Werte
von X in Betracht, für welche die um den betreffenden Auf-
punkt gelegte Kugel vom Radius X das Elektron in seiner zur
Zeit eingenommenen Lage schneidet. Ln Falle der Flächen-
ladung ist die Bedingung hierfür die in (135) angegebene: Es
muß eine Dreiecksbildung aus den drei Strecken jß, X, a möglich
sein. Nach (136) ist dann die in (153) eingeführte Größe x
gleich ö~^; ^^^ ^s^ gleich Null, wenn keine Dreiecksbildung
aus jenen drei Strecken möglich ist. Nun kann ein und derselbe
Aufpunkt für die vorgegangenen Lagen des Elektrons bald ein
innerer und bald ein äußerer sein, so daß die Grenzen, inner-
halb deren x ^^^ Null verschieden ist, durch (135b) bzw.
durch (135 a) gegeben werden. Auch sind alle zur Zeit t vom
Elektron bedeckten Aufpunkte in Betracht zu ziehen. Hiemach
wären zur Bestimmung von x bereits bei Flächenladung sehr
umständliche Fallunterscheidungen notwendig; unter Annahme
^on Yolumladung wären dieselben noch zahlreicher.
Diese Fallunterscheidungen vermeidet nun Sommerfeld
durch einen Kunstgriff; er stellt die verschiedenen Werte-
möglichkeiten von X <lu^ch einen einheitlichen analytischen
Ausdruck dar, nach Art des Dirichletschen diskontinuierlichen
Faktors. Bekanntlich^) ist
oo
sinsa;-/=±^ für x^O.
1) Vgl. Riemann -Weber. Die part. Diffgl. d. math. Phys. I, § 13, S. 29.
240 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
Betrachten wir jetzt das Produkt
4 sinsa • sin sB • sinsA = sins (a + JB — A) + sin (a — JB + A)
— sin s (a + JB + A) — sin 5 (a — JB — A).
Von den vier Größen
a + B — ly a—R-hl, ■— a— JB — A, — a+JB + JL
sind drei positiv und nur eine ist negativ^ falls Dreiecks-
bildung aus den drei Strecken a^ B, X möglich ist; ist hin-
gegen die Dreiecksbildung nicht möglich^ weil eine der drei
Strecken größer ist als die Summe der beiden anderen; so
sind von den vier Größen zwei positiv und zwei negativ. Das
Integral
I sin sa • sin 5 JB • sin s A • —
ist mithin gleich -r- oder gleich Null, je nachdem eine Dreiecks-
bildung möglich ist oder nicht. Wir können daher im Falle
der Flächenladung die Größe % durch dieses Integral aus-
drücken :
(155) %^= — / sin sa • sin sX • -
sin 8jR ds
B 8
80 daß das skalare Potential (153) wird
CO OD
/iRR \ >Fk ^^ l ;ii i ' ^ • -sinsJBe?«
(155a) ® — — I aX I 8m sa smsX — ^
Was den FaU der Yolumladung anbelangt; so können wir
ihn leicht auf denjenigen der Flachenladung zurückführen^
indem wir die Eugel vom Radius a in Kugelschichten zer-
legen, vom Radius r, von der Dicke dr und der Ladung
4:XQr^dr^ -^r^dr. Schreiben wir in (155 a) statt a jetzt >,
3e .2
statt e jetzt -^ r^ dr^ so entsteht durch Integration nach r das
Drittes Kapitel. Die Meclianik der Elektronen. 241
8ka«lare Potential des gleichförmig über sein Volumen ge-
ladenen Elektrons:
00 Qo a
v»k 6e /*,^ /*. ^ BiasRds C • j
$=^ — 8 I aX\ smsA — ^ IrBmsrar.
Da nun gilt
a
ßinsa — sa cos sa
/•
r sin $r dr =
s«
so wird im Falle der Volumladong
00 QO
/^ec^_^ ^ 6« i j i /* • - sinsÄ ( sin sa -- sa COS ««1 d«
(155b) <i>=-j^xjsmsA^-[ ^^^, )-•
In diesem Falle ist der Oröße % der Wert zuzuschreiben
00
/^cK \ 6 i • ^ sin «ij (sin «a — sa COS 5a Ids
(155c) ar,= ^j Bin sX^-[ ^-^, )-•
In den drei in § 24 unterschiedenen Lagen des Auf-
punktes muß ex^äl die Werte (137), (138) und Null an-
nehmen. Die gefandenen einheitlichen analytischen Ausdrücke
gestatten es, ohne weiteres die zur Berechnung der Mittel-
werte j^i, ^3 erforderlichen Integrationen über die Oberfläche
bzw. über das Volumen des Elektrons auszuführen.
Wir verstehen unter N (Abb. 4) den Ort des Mittel-
punktes des Elektrons zur Zeit t, unter M seinen Ort zur Zeit
t Um N schlagen wir eine Eugel mit dem Radius 6.
über diese Kugel ist x^ zu integrieren, um den durch (153 c)
definierten Mittelwert zu berechnen. Es sollte X der von
einem beliebig gewählten, aber dann festgehaltenen Raum-
punkte aus nach N gezogene Fahrstrahl sein. Wir wählen M
als diesen festen Punkt, so daß T, der Betrag von Z, durch
die Strecke MN vorgestellt wird. B bezeichnet nach wie vor
den Badiusvektor, der von M aus nach dem Punkte gezogen
ist, für welchen bzw. % berechnet werden soll; das ist hier
AI) r ah am, Theorie der Elektrizität, ü. 16
242 Erster Abflchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elekironen.
ein Punkt P auf der Oberfläche der Engel vom Radius b. Ist
endlich ^ der Winkel^ welcher in
dem Dreieck aus den Strecken
B, T, h, der Seite R gegenüber-
liegt; so gilt
Schreitet man längs der
Eugelfläche fort, so sind T und b
Abb. 4.
konstant zu halten; es folgt
bTBmtdt=BdR
Demnach ist der Flächeninhalt eines von zwei Breiten-
kreisen ^ und t + ät begrenzten Streifens
2nbBdB
d/'=2Ä6«sinfdg =
T
Da nun längs eines solchen Streifen nach (155) die Große Xi
konstant ist; so können wir f&r den Mittelwert (153c) schreiben:
(156) Xt-i^'fxiRdB,
Diese Grenzbestimmung gilt sowohl dann, wenn M inner-
halb; wie auch danu; wenn M außerhalb der Engel Tom
Radius b liegt. Aus (155) und (156) folgt jetzt
00
^1^ i^T -J f* siii «ö 8111 sX
dl
s
wenn abkürzungsweise gesetzt wird
II ^jdRBia sB =*{{cos s (T- 6) - cos s {T+ 6)1;
\r—b
es findet sich
2
ft = — • sin 5 T • sin s6,
Drittefl Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 243
so daß man schließlich erhalt
00
— 2 / sin sT ds
(156a) ^^^—^ I Bmsasiasb — =r-siiisil-5-
Für nnser kugelförmiges Elektron läßt sich auch im Falle
der Yolumladung die durch (153 d) postulierte Mittelwerts-
büdung ohne Schwierigkeit durchfahren. ^^In dem AuBdruck
(155 c) von X2 ist es nur der Faktor — = — des Integranden^
der f&r die verschiedenen Punkte des Elektrons einen ver-
schiedenen Wert hat. Der Mittelwert dieses Faktors berechnet
sich nun für das Volumen der Eugel in ganz ähnlicher Weise,
wie oben für die Eugelfläche. Es ist
_L,y«^ dv = ^Jrdr Jsm sB dB
IT— r|
a
3 sinsT / . ■, 3 sinsT ( Bin sa — sa coa 8a\
*= -s ' — m- • / sin sr • rar « wr- • 1 jm 1 *
Demnach erhalten wir
00
/ic/»T.\ — 18 / . . sin 8T (sin «a — «a COS «aPcIs
<156b) ^ = _,^BmsA-^^( j^, j -,■
Indem wir die so erhaltenen Mittelwerte (156 a^b) von x in
die allgemeinen Ansätze (154) und (154a) fbr die innere Kraft
einführen, gelangen wir zu den Sommerfeldschen Formeln
9ra
<157) -^..«
2e'
-Luniy*dA{l-^}|y^sinsaBin.68insA^(5^
00 00
IT* 1 ^ /^j -1 *. / ^« • • r • - sin «T
+ Lim ^ x| I dX^i^i I -j- sm $a sm so sm sX —ji —
244 Si^Bter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
/ ji fi tliUj — jilX / ds fein 5a--«a cos «al* . , ^ /sin sTv
00 «
. 1 ^ /j-i^ / d« f sin «a—sa COS «al* . *8in«T
Diese Formeln stellen die vom kugelförmigen; rein
translatorisch bewegten Elektron auf sich selbst aus-
geübte Kraft im Falle homogener Flächenladung und
homogener Yolumladung in allgemeinster Weise dar.
In seiner Mitteilung in den Göttinger Nachrichten hat
Sommerfeld die Integrationen nach s ausgeführt; dabei gelangt
der in § 17 erwähnte umstand zur analytischen Formulierung^
daß die innere Kraft durch die Bewegung des Elektrons in
einem endlichen , dem betrachteten Zeitpunkte unmittelbar
vorangegangenen InterraUe bestimmt ist, wenigstens dann,
wenn die Bewegung dauernd mit Unterlichtgeschwindigkeit
oder mit Überlichtgeschwindigkeit erfolgt ist. Ausnahmefälle
treten dann ein, wenn das Elektron sich zuerst mit Überlicht-
geschwindigkeit und dann mit Unterlichtgeschwindigkeit be-
wegt; oder gar die Richtung umkehrt; dann können offenbar
Wellen, die Tom Elektron selbst in einer längst yergangenen
Epoche entsandt worden sind^ eine Eraft auf dasselbe aus-
üben. Alle denkbaren Fälle werden durch die obigen Formeln
in einen einheitlichen analytischen Ausdruck zusammengefaßt,
so daß die Ermittelung der inneren Kraft fQr eine gegebene
Bewegung nur noch eine Sache der Rechnung ist.
Sommerfeld hat auch die Drehkraft und die Rotations-
bewegung in entsprechender Weise behandelt. Von größerem
Interesse ist jedoch die Anwendung auf translatorische Be-
wegung mit Überlichtgeschwindigkeit^), der wir uns jetzt zu-
wenden wollen.
1) A. Sommerfeld. Akad. v. Wetensch. te Amsterdam. 13. S. 481.
Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 245
§ 27. G-lelohförmige Bewegung mit Überlichtgesoliwindigkeit.
Bei gleichförmiger geradliniger Bewegung wird
In dän Ausdrücken (157) und (157 a) für die innere Kraft
fallen die Differentialquotienten nach l fort. Die Differentiationen
nach T können durch solche nach X ersetzt werden^ so daß
nach Umkehr der Integrationsordnung für die der Bewegung
parallel gerechnete innere Kraft bei F^,chenladung folgt
(158) -fj«
00 00
= — gf- • Lim-T- 1 -Y^msa smso I aAsmSA-^( — ^ — j?
und bei Volumladung
(158a) -^«
00 00
1 — ß* / (2« [sin sa — sa cos sa\^ / ,^ . ^ d /sin /Ssl\
— ß^J-^\ — 5^^ — \J^^^'^'^H(—r-r
Das nach X ccenommene Inte&cral läßt sich auswerten; es
ergibt die partieUe Integration
I dX siasX-^y ^^^ j ^ — sjdX cossX^^^ —
Da nun
00 00
ß^ Bi.(ß+l)sl ^^^ J^^ sin(p-l).X ^^. ^ ^^^^
246 Erster AbBchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
so erhält man
^ ^ I far ß<l
(158b) jdXsm8k§^^(^^)^\sn
2
fÖr ß>l.
Für jS < 1 ist die innere Kraft Noll^ sowohl im Falle der
Flachenladnng; wie im FaUe der Yolumladnng. Es fo^ das
uns bereits bekannte Resultat: Die gleichförmige gerad-
linige Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit ist
eine kräftefreie Bewegung des Elektrons.
Für /5>1 hingegen folgt aus (158) und (158 b) far den
Fall der Flächenladung
00
(158c) — ~ ft = ä¥" • I^™ T I -^sinsa sin sb.
Um das Integral nach s auszuwerten^ teilen wir das
Integrationsinteryall in zwei Teile, 0<s<6 und a<5<(X).
Es wird
00 e
/ds , . , fds .
— Sin sa sm s6 = I — sl
00
sin sa sin s& » / — sin $a sin sb
CO CO
e «
Für die Differenz der beiden letzten Integrale folgt, nach
Einführung der Variabein j) = |6 — a| s bzw. j) « (6 + a) s,
« flo « (6 -+"<*)
1 /* dp 1 r äp \ c ^V
TT 1 cos 1)-^ — TT 1 C0S1)^^ = — 1 COS«--
«|ft — a| «(ft + a) e j6 — a]
«(6 + a) e(ö + a) «(ft + a)
e |6 — a\ e|& — a| « |6 — a\
Drittes Kapitel Die Mechanik der Elektronen. 247
Durch Summation folgt
00
— Sin sa sm so = — In ( ,,_ , j +1 — sin sa sin so
« (6 + a)
-ß
^sin^l
J} 2
«|6 — a|
Diesem Ausdrucke proportional ist die Eraffc^ welche das
flächenhaft geladene Elektron auf eine mitbewegte konzentrische^
mit derselben Ladung versehene Kugelfläche vom Radius b
ausübt. Indem wir die ganz beliebig zu wählende Große s
gegen Null konvergieren lassen, erhalten wir als Wert dieser
Kraft
(i58d) «=-Ä-^-i^^(rS]) f^ *^«-
Die Kraft, welche die Kugel a auf die konzentrische Kugel b
und umgekehrt auch die Kugel b auf die Kugel a bei gemeinsamer
gleichförmiger Translation mit Überlichtgeschwindigkeit ausübt,
wirkt stets der Bewegung entgegen. Ihr Betrag ist ein end-
licher, falls die Radien der beiden Kugeln verschieden sind.
Führt man indessen den Grenzübergang zum Falle zweier
Kugeln von gleichem Radius aus, um die innere Kraft des
flächenhaft geladenen Elektrons zu berechnen, so findet man,
daß die Kraft logarithmisch unendlich wird. Man schließt
hieraus: Die gleichförmige Bewegung eines flächen-
haft geladenen kugelförmigen Elektrons mit Über-
lichtgeschwindigkeit erfordert eine unendliche Kraft;
sie ist somit physikalisch unmöglich.
Zum Falle der Yolumladung übergehend, erhalten wir
aus (158 a, b)
00
2
a* ß^ — 1 /d 8 j aia. sa — sa cos sa)
Für das hier auftretende Integral nach s erhält man, nach
Einführung der Variabehi p = as, durch einige Umformungen
OF THC '^
. ^NIVERS/TY I
248 Erster Absclmitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen.
/dp { , \3 ((sin p— ü cosp)']*
, 1 /*dü . / . \ f sin ü (sin p — « cos p) \ *
+ 2j p-smj?(smj>~j?cosj?)=^-| ^^ ^^,^ ^j^
OD
+ — / ^ (cos ^ sin 2? — J) cos* 2> + J> sin* pu
00
_1 /\ /l sin 2p cos 2j? \ _ 1 f sin 2p \ °°_ 1
Daher wird schließlich
(158e) « = _||l.(i_J,)
die der Bewegung entgegenwirkende innere Kraft im FaUe
der Volumladung. Wir sehen also:
Die gleichförmige Bewegung des mit gleich-
förmiger Volumladung erfüllten Elektrons mit Über-
lichtgeschwindigkeit ist zwar keine kräftefreie Be-
wegung^ aber die erforderliche äußere Kraft hat einen
endlichen Betrag, so daß Bewegung mit Überlicht-
geschwindigkeit bei Yolumladung physikalisch denk-
bar ist. Der Betrag der Kraft steigt mit wachsender Ge-
schwindigkeit an und konvergiert gegen den Grenzwert
«, 9 c*
I 4 a*'
derselbe ist gleich der Kraft, welche zwei ruhende Punkt-
.^»g,. .iM Absind I« a„f.b»nd» .»aben.
Die hier zutage tretende prinzipielle Verschiedenheit von
Flächenladung und Yolumladung des allseitig symmetrischen
Elektrons ist um so bemerkenswerter, als bei Unterlicht-
geschwindigkeit das Verhalten des Elektrons in beiden Fällen
Drities Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 249
das nämHche iat Bei quasistationärer Bewegung unter-
scheiden sich die Massen in beiden Fallen nur durch einen
Zahlönfaktor; und derselbe Zahlenfaktor tritt bei der Strahlung
des unstetig bewegten Elektrons auf. Auch die Eraft^ welche
erforderlich ist^ um das Elektron plötzlich auf Lichtgeschwindig-
keit zu bringen und auf dieser zu halten, ist im Falle der
Volumladung von derselben Größenordnung, wie im Falle der
Flächenladung. Aus dem Verhalten der Elektronen bei Unter-
lichtgeschwindigkeit und bei Lichtgeschwindigkeit wird daher
kaum ein Kriterium herzuleiten sein, welche zwischen diesen
beiden Möglichkeiten entscheidet. Die Entscheidung wäre aber
sofort gegeben, und zwar zugunsten der Volumkdung, sobald
man Elektronen beobachtet hätte, die sich mit Überlicht-
geschwindigkeit bewegen.
Es ist allerdings kaum zu hoffen, daß es gelingen wird,
die Elektronen, selbst wenn ihnen im Innern des Badiumatomes
solche Geschwindigkeiten erteilt wären, auf Überlicht-
geschwindigkeit zu halten; denn die hierzu erforderliche Kraft
ist eine so enorme, daß sie die Kräfte der experimentell
herstellbaren Felder um das Billionenfache übersteigt. Was
geschieht aber, wenn keine äußere Kraft wirkt? Wie bewegt
sich das einmal auf Überlichtgeschwindigkeit gebrachte Elek-
tron kräftefrei weiter? Darüber sagt die Theorie bisher
nichts aus.
250 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Zweiter Abschnitt.
Elektromagnetisclie Vorgänge in wägbaren Körpern.
Erstes Kapitel.
Ruhende Körper.
§ 28. Ableitnng der Hauptgleiohnngen ans der Slektronen-
theorie.
Im ersten Bande dieses Werkes (§ 59) haben wir die
Hauptgleichungen der Maxwellschen Theorie f£Lr ruhende
Körper entwickelt. Der dort eingenommene Standpunkt war
derjenige der Phänomenologie, welche sich mit der DarsteUung
der beobachteten Erscheinungen begnügt und ein Eingehen
auf atomistische Vorstellungen ablehnt. Bei den meisten
elektromagnetischen Vorgängen im engeren Sinne ^ insbesondere
bei denjenigen^ die in ruhenden Körpern stattfinden ; erweist
sich die phänomenologische Behandlungsweise als ausreichend^
uud sogar durch ihre größere Einfachheit als der atomistischen
Auffassung überlegen.
Nun haben wir aber gewisse Erscheinungen der Kon-
vektionsstrahlung kennen gelernt; welche sich nur Tom ato-
mistischen Standpunkte aus befriedigend haben deuten lassen.
Wir haben gesehen^ daß die negativen Elektronen^ die wir in
den Kathoden- und Badiumstrahlen als bewegt annehmen^
auch bei der Lichtstrahlung der Körper eine BoUe spielen.
Wir wollen uns indessen hiermit nicht begnügen; wir wollen
versuchen, die elektromagnetischen und optischen Erscheinungen
in ihrer Gesamtheit auf Grund der Elektronentheorie zu be-
greifen. Wir müssen zu diesem Zwecke zunächst den Nach-
weis führen, daß die Hauptgleichungen der Elektrodynamik
sich aus den Grundgleichungen der Elektronentheorie ableiten
lassen.
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 251
Die Elektronentheorie kennt nur das elektromagnetische
Feld im Äther, welches durch ruhende oder konvektiv bewegte
Elektronen erregt wird. Sie nimmt an, daß dieses elektro-
magnetische Feld auch im Innern der ponderablen Körper
besteht, oder, wie man zu sagen pflegt, daß der Äther
die ponderablen Körper durchdringt. Daß die elektrischen
und magnetischen Eigenschaften der Körper von denjenigen
des leeren Baumes abweichen, wird darauf zurückgeführt, daß
Elektronen sich im Innern des Körpers befinden. Die Leit-
fähigkeit der Körper wird durch „Leitungselektronen^^
erklärt, welche entweder, wie in den Metallen, frei beweglich,
oder, wie in den Elektrolyten, an neutrale Atom- oder Molekül-
gruppen gebunden sein können; diese wandern im Körper unter
der Einwirkung elektrischer Kräfte über größere Strecken hin
und bilden so einen elektrischen Leitungsstrom. Die elektrische
Polarisation der Dielektrika wird auf negative Elektronen
zurückgeführt, welche an die positiven gebunden sind und mit
ihnen zusammen elektrische Dipole bilden. Die Bewegung
dieser „Polarisationselektronen" in veränderlichen elek-
trischen Feldern wird einen elektrischen Strom ergeben, welcher
den auf die Materie entfallenden Anteil des Yerschiebungs-
Stromes bildet. Führen die gebundenen negativen Elektronen
ferner umlaufende Bewegungen um die positiven aus, so geben
sie zu einer Magaetisienmg des Körpers Veranlassung und
werden dann als „Magnetisierungselektronen" zu be-
zeichnen sein. Es werden allerdings auch die freien Elek-
tronen im magnetischen Felde sich in gekrümmten Bahnen
bewegen und so die Bolle von Magnetisierungselektronen
spielen können.
Die von den einzelnen Elektronen erregten Felder, auf
welche sich die Grundgleichungen des § 4 (I bis IV) beziehen, weisen
außerordentlich große räumliche Unregelmäßigkeiten auf. Hat
doch das Feld des ruhenden Elektrons in den beiden End-
punkten eines Elektronendurchmessers die entgegengesetzte
Richtung. Entsprechende starke zeitliche Schwankungen der
Feldstärken werden den Qrundgleichungen zufolge an einem
252 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
im Baume festen Punkte auftreten, wenn ein Elektron sich
über ihn hinweg bewegt. Wir erwühnten bereits in § 4, daß
die Felder y deren Existenz die Grundgleichungen postulieren,
der direkten Beobachtung unzugänglich sind. Es sind immer
nur die Mittelwerte, auf welche die Beobachtungen sich be-
ziehen. Die Mittelwertsbildung über die Felder der einzelnen
Elektronen wird uns zu den Hauptgleichungen der Maxwellschen
Theorie fähren und wird uns zeigen, wie die dort auftretenden
Vektoren mit den in den Feldgleichungen der Elektronen-
theorie auftretenden beiden Vektoren zusammenhängen.
Wir wollen die Bezeichnungen 6, § für die in den Haupt-
gleichungen auftretenden Feldstärken der beobachtbaren Felder
reservieren, und daher, um Verwechselungen vorzubeugen, für
die elektromagnetischen Vektoren, welche durch die Qrund-
gleichungen (I bis IV) der Elektronentheorie miteinander ver-
knüpft sind, jetzt die Bezeichnungen r, 1^ einführen. Jene Glei-
chungen sind dann zu schreiben:
(I) curllj= ^|^, + ^9tl,
(H) curle = -i||,
(HI) div e = 43rp,
(IV) div 1| « 0.
Aus diesen Feldgleichungen hat H. A. Lorentz für den
allgemeinen Fall eines bewegten Körpers die Hauptgleichungen
der Elektrodynamik durch Mittelwertsbildung abgeleitet.^)
Wir werden in diesem Paragraphen die entsprechenden Ent-
wickelungen für ruhende Körper durchführen. Hier ergeben
alle auf dem Boden der Nahewirkung stehenden Theorien
dasselbe, während in der Elektrodynamik bewegter Körper,
wie wir später sehen werden, zwischen den verschiedenen
Theorien gewisse Abweichungen vorhanden sind.
1) H. A. Lorentz. Akad. van Wetenschapen te Amsterdam 11, 1902,
S. 305. Enzykl. d. mathem. Wissensch. Bd.V, Art. 14, Nr. 26—34.
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 253
Wir bezeichnen mit H. A. Lorentz eine Strecke als
^^physikaliscli nnendlich klein^^, wenn sie klein ist gegen
diejenigen Strecken, innerhalb deren eine merkliche Inho-
mogenität des Feldes besteht, aber groß gegen den Abstand
zweier benachbarter Elektronen oder Moleküle. Es hängt
dieser Definition gemäß wesentlich yon der Inhomogenität des
betreffenden Feldes ab, ob eine Strecke als physikalisch
unendlich klein zu bezeichnen ist oder nicht; in der Elektro-
statik z. B. wird eine Strecke, die gleich einer Wellenlänge
des roten Lichtes ist, noch physikalisch unendlich klein zu
nennen sein; denn die Probekörper, die zur Untersuchung des
elektrostatischen Feldes verwandt werden, sind viel zu grob,
um eine etwaige Inhomogenität des Feldes auf dieser Strecke
überhaupt zu bemerken. In der Optik hingegen, wo es sich
nach den Vorstellungen der elektromagnetischen Lichttheorie
um Felder handelt, die auf einer Strecke von einer halben
Wellenlänge die Richtung umkehren, wird jene Strecke keines-
wegs als physikalisch unendlich klein betrachtet werden dürfen.
Anderseits legt die obige Definition eine gewisse, von der Zahl
der Elektronen bzw. Moleküle abhängige untere Grenze für
die physikalisch unendlich kleine Strecke fest. Sollen die
beiden Bedingungen einander nicht widersprechen, so muß der
mittlere Abstand zweier Moleküle verschwindend klein gegen
die Wellenlänge sein, derart, daß in einem Würfel, dessen
Kanten etwa einem Hundertstel der Wellenlänge der be-
treffenden elektromagnetischen Welle gleich ist, noch viele
Millionen von Elektronen enthalten sind. Yon physikalisch
unendlich kleinen Gebietsteilen kann nur dann die Bede sein,
wenn die Materie entsprechend dicht gelagert ist.
Um den Mittelwert irgendeiner skalaren oder Vektor-
größe q in einem Punkte P des Baumes zu bestimmen, kon-
struieren wir um P eine Kugel, deren Radius phyaikaUsch
unendlich klein ist, und dividieren das über die Kugel er-
streckte Yolumintegral von q durch das Volumen v der Kugel:
(159) ä=^-
254 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Bei der YergleichTing der Mittelwerte^ welche zu zwei
yerschiedeneii Zeiten in einem und demselben Ponkte herrschen^
ist selbstverständlich der Badius der Engel konstant zu halten^
80 daß man hat
Es sind demnach Mittelwertsbildung und Diffe-
rentiation nach der Zeit miteinander yertauschbare
Operationen. Das gleiche gilt von den Operationen der
Mittelwertsbildung und der Differentiation nach den Koordi-
naten. Hierbei handelt es sich um die Yergleichung der Werte
von 'Qy welche in zwei benachbarten Punkten P und P' des
Baumes zu derselben Zeit bestehen. Es sind dabei die Mittel-
werte q durch zwei um P und P' geschlagene physikalisch
unendlich kleine Kugeln von dem gleichen Badius definiert.
Demgemäß ist z. B.
dq d /qdv
dx dx V
nichts anderes; als die durch Yerrückung der Kugel parallel
der a;-Ach8e bedingte Veränderung des Yolumintegrales von q,
dividiert durch das Volumen der Kugel. Diese Veränderung
laßt sich darstellen als herrührend von den (positiven oder
negativen) Beiträgen derjenigen Volumelemente ^ welche die
Oberfläche f der Kugel bei der Verrückung bestreicht. Es folgt
If = ^ •/« ^^« (^^) ^f'
Anderseits ist der Mittelwert der Differentialquotienten
von q nach x
dq
dx
= i/ li '^^ = ly 2 *^« (^*) ^f'
80 daß man erhält
Es sind also, wie behauptet; auch die räumliche
Differentiation und die Mittelwertsbildung mit-
einander vertauschbare Operationen.
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 255
Anf Gfmnd der Regeln (159a; b) ergeben sich durch
Mii^lwertsbildimg aus I bis lY die Differentialgleichungen
(la) curll» i|«+^p,
(Ha) curle=-if,
(Ula) diT e = 4«9^,
(IV a) diT f = 0.
Indem die Mittelwerte für physikalisch imeudlich kleine
Bereiche gebUdet wurden, sind die raschen und regeUosen
räumlichen Änderungen des Feldes^ welche durch die ato-
mistische Struktur der Elektrizität und der Materie bedingt
sind; herausgefallen« Man kann daher bei der Berechnung
des curl und der Divergenz der Vektoren e und l| unter dx
dy de, statt mathematisch unendlich kleiner Strecken^ auch
physikalisch unendlich kleine Strecken verstehen. Femer kann
man die Mittelwertsbildungen; wie über den Baum, so auch
über die Zeit erstrecken; und unter dt ein ;;ph7sikalisch
unendlich kleines Zeitintervall^^ yersteheU; das heißt ein
solches; in welchem die Vektoren i, l| verschwindend geringe
zeitliche Änderungen erfsdiren.
Wir betrachten zunächst den idealen Fall; daß der Körper
nur Leitungselektronen enthalt. Dann gilt
(160) {p}. = P, {P}. = 1.
Die beobachtbaren Dichten der Elektrizität und des
Leitungsstromes q, i sind dann einfach gleichzusetzen den
Mittelwerten der Dichten der Elektrizität und des Eonvektions-
stromeS; berechnet für physikalisch unendlich kleine Volum-
elemente. Nehmen wir eine Reihe verschiedener Elektronen-
arten aU; von den Ladungen e^, e^, e^ . . .; den auf die Volum-
einheit berechneten Zahlen JV^; J^^; ^3 . . .; und den mittleren
Geschwindigkeiten li^; li^; II3; so hat man
(160a) p — JVi e^ + J^2 c^ + JVg 63 . . .
(160b) i - JV^eiHi + 2^262 Hj + iVjCs H,. . .
256 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Für einen idealen Leiter, der weder elektrisch polarisierbar
noch magnetisierbar ist, nehmen die Hauptgleichongen der Max-
wellschen Theorie eine sehr einfache Form an; es wird nämlich @
mii4» 9, ^ mit 8 identisch. Im aUgeüieuien Falle aber sind zwei
Paare elektrischer and magnetischer Vektoren (außer {) in den
Hauptgleichungen zu unterscheiden (vgl. I, § 59). Es kommt jetzt
gerade darauf an, den Zusammenhang dieser Vektoren mit e und 1^
richtig zu erfassen und den Unterschied zwischen wahrer und
freier Elektrizität, sowie wahrem und freiem Strome, vom
Standpunkte der Elektronentheorie aus zu yerstehen. Im Hin-
blick hierauf woUen wir die Anteile Ton ^ und Qi in Betracht
ziehen, welche von den aneinander gebundenen positiven und
negativen Elektronen herrühren.
Für ein elektrisch neutrales Molekül ist die Gesamtladung
Null. Auch bildet die fortschreitende Bewegung eines solchen
Moleküles keinen Leitungsstrom. Dennoch kann die gegen-
seitige Verschiebung der Elektronen im Molekül zu einer Ab-
änderung des Mittelwertes p der nLumlichen Dichte Ver-
anlassung geben, der ja durch eine im Räume feste, physi-
kalisch unendlich kleine Kugel definiert war. Auch können
die inneren Bewegungen der Elektronen sich durch eine
Änderung des Mittelwertes q^ der Stromdichte bemerkbar
machen.
Wir nennen das über das Volumen eines Moleküles er-
streckte Integral
(161) p ^jQtdv
das elektrische Moment des Moleküles, indem wir unter t
den von einem festen Punkte des Moleküles aus gezogenen
Fahrstrahl verstehen. Hat man es mit einem aus zwei Punkt-
ladungen bestehenden Dipole zu tun, so ist p das Moment
des Dipoles.
Wir wollen indessen die allgemeinere Annahme machen,
daß sich in jedem Moleküle n Elektronen, von den Ladungen
6i, ^2 . . . ßny befinden. Das elektrische Moment des Moleküles
ist dann
(161a)
P~<kti + e,h +
wobei
(161b)
«!+%+
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 267
+ Cn =
ist. Es mag N die auf die Yolnmeinheit berechnete Zahl der
Moleküle sein.
Wir betrachten ein im Räume festes , physikalisch un-
endlich kleines Flächenelement df. Welches wird die Elek-
trizitatsmenge sein^ die bei der Herstellung der Momente der
Moleküle durch das Flächenelement df tritt? Wir wollen
zunächst voraussetzen, daß alle in einem physikalisch unendlich
kleinen Bereiche gelegenen Moleküle das gleiche Moment p
besitzen; sollte diese Voraussetzung nicht erfüllt sein, so
können wir doch verschiedene Molekülgruppen von den Mo-
menten ||', |l". . . und den Molekülzahlen N\ N" . . . unter-
scheiden und die Moleküle jeder Gruppe gesondert betrachten.
Auf die betreffende Molekülgruppe bezieht sich dann das-
jenige, was hier von der ganzen Schar der Moleküle aus-
gesagt wird.
Wir wollen den Punkt des Moleküles, von dem aus
die Badienvektoren t^, t^ » - » tn gezogen sind, den Mittelpunkt
des Moleküles nennen. Die Herstellung des Momentes p er-
folgt, indem die Ladung e^ von nach dem Endpunkte A^
des Fahrstrahles t^, die Ladung e^ von nach dem End-
punkte Ä^ des Fahrstrahles t2 bewegt wird, usf. Soll nun
die Ladung e^ bei der Verschiebung von nach Ä^ durch das
im Baume feste, physikalisch unendlich kleine Flächenelement
df hindurchtreten, so muß sich der Mittelpunkt des Mole-
küles offenbar in dem schiefen Zylinder befinden, den man
erhält, indem man von den Punkten des Flächenelementes df
aus die Fahrstrahlen — t^ konstruiert. Die Zahl der Moleküle,
deren Mittelpunkte innerhalb dieses Zylinders liegen, ist gleich
der Zahl N der in der Volumeinheit enthaltenen Moleküle,
multipliziert mit dem Rauminhalt des Zylinders, also gleich:
Nx^^df
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 17
258 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Diese Moleküle sind es^ welche bei der Herstellung der
Momente (161a) Elektronen erster Art durch df senden, und
zwar im Siime derjenigen Normalen, welche mit t^ einen
spitzen Winkel einschließt. Die gesamte, bei der Herstellung
des Momentes mit den Elektronen erster Art durch df im
Sinne der Normalen v tretende Elektrizitatsmenge wird durch
Ne^tivdf
auch dem Vorzeichen nach richtig angegeben. Die Anteile
der verschiedenen Elektronen summierend, erhalten wir
Nprdf^^^rdf
för die gesamte, bei der Herstellung der Momente durch df
tretende Elektrizität. Dabei stellt fß = Nif die Vektorsumme der
Momente aller in der Yolumeinheit enthaltenen Moleküle dar.
Das erhaltene Resultat gilt auch dann, wenn die in einem
physikalisch unendlich kleinen Volumelement liegenden Mole-
küle nicht aUe das gleiche elektrische Moment besitzen. Man
hat die Betrachtung dann auf jede Gruppe gleichartiger Mole-
küle anzuwenden und die Anteile aller Gruppen zu summieren.
In diesem allgemeineren Falle ist dann
(161c) ip = JV'|i'-f JV'>" + ...
zu setzen.
Dieser Vektor stellt die auf die Volumeinheit berechnete
„elektrische Polarisation" dar. Indem die Elektronen-
theorie die Polarisation eines Dielektrikums auf die
Verschiebung der gebundenen Elektronen zurück-
führt, verleiht sie dem Vektor ^, der im ersten Bande
(§ 41) eingeführt wurde, eine konkrete physikalische
Bedeutung.
Die bei der Polarisation des Dielektrikums durch ein im
Räume festes Flächenelement df hindurchtretende Elektrizität
wird durch fßy df angegeben. Demnach ist
(162) {P}i. = W
der von den Polarisationselektronen herrührende An-
teil der Stromdichte. Er stellt, den Vorstellungen der
V
Erstes Kapitel, Ruhende Körper. 259
Elektronentheorie nach, den an der Materie haftenden Bestand-
teil des Yerschiebungsstromes dar (vgl, I; S. 193).
Bei der Herstellung der elektrischen Momente der Moleküle
ist die Elektrizitatsmenge
J^, df ^f dir fßdv
durch eine geschlossene Fläche herausgetreten. Yor Her-
stellung des Momentes; wo die Ladungen e^, 62 ... e» aUe in
dem Mittelpunkte des Moleküles lagen, gu^gen nach (161b)
von dem einzelnen Moleküle überhaupt keine Eraftlinien aus,
die mittlere Dichte der Elektrizität in jedem physikalisch
unendlich kleinen Bereiche war gleich Null. Da nun bei
Herstellung der Momente die soeben berechnete Elektrizitöts-
menge aus dem Räume v herausgetreten ist, so erhalten wir
für den von den Polarisationselektronen herrührenden
Anteil der elektrischen Dichte:
(162a) {p}^=--divip.
Die Ausdrücke (162) und (162 a) der von den Polarisations-
elektronen herrührenden Dichten des Stromes und der Elek-
trizität erfüllen, wie es sein muß, die Kontinuitätsbedingung
(162 b) div{p}^ + ^ = 0.
Man denke sich von dem Mittelpunkte eines Moleküles
aus zwei entgegengesetzt gleiche Radienvektoren t^ und t^
konstruiert und an ihren Endpunkten gleiche Ladungen e^ e^
angebracht, femer im Mittelpunkte selbst die Ladung
befindlich. Das elektrische Moment dieses Systemes wird
gleich Null sein, so daß solche Moleküle zur Polarisation des
Dielektrikums keinen Anteil liefern. Lassen wir nun die
Ladungen c^, e^ um den Mittelpunkt umlaufen, so wird ein
Polarisationsstrom diese ümlaufsbewegung nicht begleiten.
Doch wird die ümlaufsbewegung, wenn sie genügend schnell
erfolgt, sich als eine Magnetisierung des Körpers kundgeben.
17*
260 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wftgbaren Körpern.
Die Elektronentlieorie verfolgt das Ziel^ durch solche umlaufende
Bewegungen der Elektronen die Magnetisierung der Körper
zu erklären, indem sie die Bestrebungen yon Ampöre und
W. Weber wieder aufnimmt.
Wir definieren allgemein das magnetische Moment
eines elektrisch neutralen Moleküles durch
(163) ttt - i-,fdvQ [tu] = ^fdv [tq.
Haben wir n als Punktladungen zu betrachtende Elek-
tronen im Moleküle^ so ist
(163a) a = Vi[r,»j + ^.i[r,m] + ...+^.i[t„l.4
1 -fc x*«^ *• y «**
j 2 L^i ^1 J ' c 2 "-'3 -8 J • i c
Ist nicht
nur
(163 b)
^i+ß^H +e„-0,
sondern auch
(163 c)
|l _ e^ tj + ^2 tj + VenXn- 0,
und daher
(163 d)
so daß das Elektronensystem weder zum Leitungsstrome^ noch
auch zur Polarisation und zum Polarisationsstrome Beiträge
liefert, so wird es als „Magnetisierungselektron" schlecht-
weg bezeichnet. Ist ttt von Null verschieden und (163 b) nicht
erf&Ut; so wird das Molekül nicht elektrisch neutral sein, es
wird sowohl zum Leitungsstrome wie zur Magnetisierung bei-
tragen, während in dem Falle, wo ttt und p für ein elektrisch
neutrales Molekül von KuU verschieden sind, man das Molekül
sowohl als Polarisationselektron, wie auch als Magnetisierungs-
elektron in Betracht zu ziehen hat.
Der Beitrag jeder einzelnen Elektronenart zum magne-
tischen Momente bestimmt sich als Produkt aus seiner elektro-
magnetisch gemessenen Ladung und dem axialen Vektor
•^[tH], der im Sinne der Punktmechanik als Flächengesch windig-
Erstem Kapitel. Bxüiende Körper. 261
keit bezogen auf den Mittelpmikt des Moleküles bezeichnet
werden kann. Das magnetische Moment stellt sich auch hier
als ein axialer Vektor dar^ wenn anders die Elektrizität ein
wirklicher Skalar ist.
Wir werden annehmen dürfen, daß die ümlanfsbewegongen
der Elektronen, die zur Bildung magnetischer Momente Ver-
anlassung geben, periodischer Art sind, und daß in einem
physikalisch unendlich kleinen Zeitintervall eine große Zahl
von Umläufen stattfinden. Rechnet man mit den über ein
physikalisch unendlich kleines Zeitinterrall erstreckten Mittel-
werten, so wird (163 c) unter diesen umständen auch dann
erfüllt sein, wenn z. B. ein negatives Elektron um das ruhende
positive Elektron Umlaufsböwegungen ausführt; die periodische
Schwankung des elektrischen Momentes erfolgt dann so rasch, daß
sie sich der Beobachtung entzieht, und es wird das Elektronen-
paar dann nicht mehr als „Polarisationselektron^ sondern aus-
schließlich als Magnetisierungselektron in Betracht kommen.
Die Magnetisierungselektronen steuern nun ihrerseits einen
Anteil zum Mittelwerte des Eonvektionsstromes gi bei. Die
Berechnung dieses Anteiles können wir zurückführen auf die-
jenigen Regeln, welche wir soeben zum Zwecke der Berech-
nung der mittleren, vo^ den Polarisationselektronen herrührenden
elektrischen Dichte entwickelt haben. Wir verstehen unter t
einen durchweg konstanten Hilfsvektor und bilden das Vektor-
produkt aus ihm und dem magnetischen Momente in ent-
sprechend der Rechnungsregel d (Bd. I, S. 437):
Sind nmi, wie angenommen wurde, die Perioden der
Umlan&bewegongen der Elektronen so gering, daß in einem
physikalisch nnendUch kleinen Zeitinterralle eine große Zahl
262 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vor^jsge in wägbaren Körpern.
von Umläufen stattfindet^ so fallt bei der Mittelwertsbildung
über ein solches Interyall das zweite Glied fort; denn die
Konfiguration der Ladungen im Moleküle bleibt im Mittel un-
geändert. Die entstehende Gleichung
(164) [tw] = t,(t,^)+t,(t,^) + .. + t„(t,^)
ist der Gleichung (161a) für das elektrische Moment des Mole-
küles an die Seite zu stellen. Dem Skalar e dort entspricht
hier der Skalar (t;— ). Derselbe genügt infolge von (163 d)
der Bedingung
(164a) (t,^) + (t,^^) + ... + (t,^) = 0,
welche (161b) entspricht.
Führen wir nun den Vektor ein:
(164b) a» - JV^'tii'+ -r'tii''+ . . •,
welcher die von den verschiedenen Molekülgattungen her-
rührende^ auf die Yolumeinheit berechnete Magnetisierung
darstellt, so entspricht der Vektor [tSB] vollkommen dem
Vektor ^ (vgl. 161c), Wie wir in (162 a) aus ^ den Mittel-
wert ~Q der elektrischen Dichte ableiteten, so können wir nun-
mehr aus dem Vektor [tSR] auf Grund der analogen Beziehung
(i,^) = -div[i»I]
den Mittelwert des von den Magnetisierungselektronen her-
rührenden Konvektionsstromes ermitteln. Da t ein vom Orte
unabhängiger Vektor ist, so ergibt die Regel X (Bd. I, S. 438)
-.div[ta»] = t curia«.
Da dieses für jede beliebige Richtung des Hilfsvektors t
gelten muß, so folgt
(164c) {p}^-c. curia»
als Mittelwert des von den Magnetisierungselektronen
herrührenden elektrischen Stromes. Die Mittelwerts-
Erstes Kapitel. Bnliende Körper. 263
bildung bezieht sich dabei^ wie ans den obigen Überlegungen
folgt; auf physikalisch unendlich kleine Zeiten und physi-
kalisch unendlich kleine Gebietsteile des Baumes. Der Strom
(164 c) genügt der Kontinuitätsbedingung; ohne daß eine
parallel gehende zeitliche ioiderung der Dichte der Elektrizität
zu berücksichtigen wäre.
Wir schreiten nunmehr zur Summierung der Anteile , die
von den yerschiedenen Elektronenarten zur mittleren Dichte
der Elektrizität und des elektrischen Stromes beigesteuert
werden. Aus (160) und (162a) folgt
(166) ^ = { p}, + {^}, = 9 - div ip - (,'.
Der erste Bestandteil; die von den Leitungs-
elektronen herrührende Dichte^ ist identisch mit der
Dichte der wahren Elektrizität in der Maxwell-
Hertzschen Theorie. In der Tat; die wahre Ladung eines
Leiters ist diejenige; die nur durch einen Leitui^sstrom ab-
geändert werden kanU; und die; wenn ein solcher fehlt; auch
dann konstant bleibt; wenn der Leiter in ein anderes Dielek-
trikum eingebettet wird. Die durch die Polarisation des
Dielektrikums abgeänderte mittlere Dichte ^ hin-
gegen ist identisch mit der Dichte 9' der freien Elek-
trizität in der Maxwell-Hertzschen Theorie. Da qf
durch die Divergenz von —(ByQ aber durch die Divergenz
von ® gegeben wurde (vgl. I; § 39); so muß zwischen diesen
beiden Vektoren iie Beziehung bestehen:
(165a) div^« = div {» - fß),
wenn anders die Mittelwertsbildung uns wirklich zu den ELaupt-
gleichungen der Maxwellschen Theorie führen soll.
Als resultierender Mittelwert des elektrischen Stromes
folgt aus (160; 162 und 164c)
(165b) p = {p}, + {öi)p + {PU ==» i + ^ + c curl a».
Der erste Bestandteil; der von den Leitungs-
elektronen herrührt; ist auch für magnetisierte Leiter
264 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Yor^nge in wägbaren Körpern.
mit der Dichte des wahren Leitungsstromes in der
Maxwell-Hertzschen Theorie identisch. Derselbe be-
stimmt die Änderung der wahren Ladung der Leiter. Die
durch die Mitwirkung der Magnetisierungselektronen
abgeänderte mittlere Dichte hingegen
(165c) V^i + c curl m
(ygL Bd. I S. 233 Gleichung 176) ist nichts anderes, als
die Dichte des freien Stromes in der Maxwell-Hertz-
sehen Theorie. Da fQr statioDÄre Ströme durch curl 8,
-— hingegen durch curl § bestimmt wird, so ist zu postulieren:
(165d) curl » = curl {# + 4ä«}.
Wie ordnen sich nun die Vektoren Qt und ®, 8 und §
den Mittelwerten e und | zu, die in den Grundgleichungen
(la bis IVa) der Elektronentheorie auftreten? Wir sehen
sofort, daß wir der quellenfreien Verteilung des Vektors 8 der
magnetischen Induktion gerecht werden, wenn wir setzen
(166) » = f.
Alsdann führt (IIa) auf die zweite Hauptgleichung (Bd. I
S.238 Gleichung 178), bei Ausschluß eingeprägter Kräfte, wenn
e mit m identifiziert wird:
(166a) « = e.
Die Elektronentheorie identifiziert die Vektoren
8 und C der Maxwellschen Theorie mit den Mittel-
werten der elektromagnetischen Vektoren' | und e,
welche die Felder der einzelnen Elektronen kenn-
zeichnen. Hier wird Ton vornherein ein Standpunkt ein-
genommen, welcher nicht die Hertz - Heavisidesche Analogie
der Vektoren Qt und § einerseits, 4ä® und 8 anderseits zu-
grunde legt. Die Symmetrie der elektrischen und magne-
tischen Größen wird von der Elektronentheorie aufgegeben;
in ihren Grundgleichungen spielt bereits | eine andere BoUe
wie e, was daher rührt, daß zwar Elektrizität und elektrischer
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 26Ö
Eonvektionsstrom, aber keineswegs Magnetismus und magna*
tischer Konvektionsstrom angenommen wird.
Die Einführnng der Definitionen (166) und (166a); sowie
des für die Stromdichte erhaltenen Mittelwertes (16öb), in
die erste Grondgleichnng (la) ergibt
curl 8 = -^-H ^H \- 4:7c curl SR.
e ot c et e
Die beiden ersten Glieder, der Verschiebnngs-
strom im Äther und der Polarisationsstrom im
Körper^ ergeben zusammen den Yerschiebungsstrom
der Maxwellschen Theorie. Setzen wir
(166b) 4xS>^(St + 4:xfß,
so erfaUen wir gleichzeitig die Forderung (165a). Alsdann
folgt durch Yei^leichung mit der ersten Hauptgleichung (177 a)
in Bd. I, S. 237; daß wir § folgendermaßen zu definieren
haben
(166c) #«»-4«a».
Dann wird die erste Hauptgleichung der Maxwellschen
Theorie und gleichzeitig die Forderung (165 d) erfallt.
Die Lorentzsche Theorie definiert die beobacht-
baren elektromagnetischen Vektoren durch (166) und
(166a, b, c) und gelangt so zu den Hauptgleichungen
der Maxwellschen Theorie für ruhende Korper:
(Ib) curl#- _^ + _,
(Hb) curl« = -i^,
(Hlb) div » = Q,
(IVb) div » = 0.
Dabei identifiziert sie — das muß besonders betont
werden — die Mittelwerte der Dichten der Elektrizität
und des elektrischen Stromes, welche von den freien
und von den gebundenen Elektronen herrühren, keines-
wegs mit q und l Vielmehr wird der Mittelwert der
266 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
elektrischen Dichte mit der freien Dichte der
Maxwell-Hertzschen Theorie identifiziert, der Mittel-
wert des Konvektionsstromes der Elektronen mit dem
freien Strome, vermehrt um den an der Materie
haftenden Anteil des Yerschiebungsstromes (ygL 165
und 165b, c).
Das Schema der Hauptgleichungen wird in der Maxwell-
Hertzschen Theorie (vgl. I, § 60) ausgefüllt durch HinzufCLgung
der Beziehungen, welche Qi mit i und S, $ mit 8 verknüpfen.
Die Elektroneniheorie gelangt zu diesen Beziehungen, indem
sie die Veränderungen betrachtet, welche die Lage und der
Bewegungszustand der Elektronen infolge der Einwirkung
äußerer Felder erfährt. Wir werden insbesondere für die
Polarisationselektronen diese Betrachtungen in den beiden
imchsten Paragraphen durchführen und werden zeigen, daß
die Berücksichtigung der Trägheit der Elektronen zum Ver-
ständnis der Farbenzerstreuung und der magnetischen Drehung
der Polarisationsebene führt.
Von eingeprägten Kräften haben wir abgesehen. Die
MaxweUsche Theorie versteht unter eingeprägten elektrischen
Kräften solche, welche unabhängig von wahrnehmbaren elektro-
magnetischen Ursachen sind, und mit irgendwelchen sonstigen
physikalischen oder chemischen Zuständen des Körpers ver-
knüpft sind (vgl. I, § 50). Nach der Elektronentheorie ist die
eingeprägte Kiraft eine äußere, an den Elektronen angreifende
Kraft. Da aber nach den Gh*undhypothesen unserer Theorie
nur elektromagnetische Kräfte es sind, welche an den Elek-
tronen angreifen, so müssen wir postulieren, daß die ein-
geprägten Kräfte erklärt, das heißt auf die elektromagnetischen
Kräfte verborgener Felder zurückgeführt werden. Der Stand-
punkt der Elektronentheorie ist dabei zu vergleichen dem-
jenigen, welchen die Hertzsche Mechanik den mechanischen
Kräften gegenüber einnimmt. Ist der Mechanismus der Kraft-
übertragung nicht wahrnehmbar, so fordert die Hertzsche
Mechanik, daß die E^raft auf die Wirkung verborgener Massen
zurückgeführt werde. Wie die Hertzsche Mechanik fingierte
Erstes Kapitel. Bnliende Körper. 267
träge Massen zuhilfe nimmt^ so zieht die Elektronentheorie
zur Erklärunir der einfi^epräs^en Erafte finsierte elektrische
Felder heran, welche a^ die freien oder auf die gebundenen
Elektronen wirken. In der Dnrchfcihmng dieses Gbnndgedankens
bleibt der Hypothese ein weiter Spielraum.
§ 29. Dispersion der elektromagnetisohen Wellen.
Wir betrachten einen unmagnetisierbaren homogenen Iso-
lator. Die für einen solchen geltenden Feldgleichungen werden
in der Maxwellschen Theorie erhalten^ indem J9R und { gleich
Kully und
(167) 4«» «6«, 4Äjp = (i?~l)e
gesetzt wird. Die Dielektiizitatskonstante s wird dabei als
eine für den betreffenden Isolator charakteristische Eonstante
betrachtet; und die erhaltenen Feldgleichungen werden auch
auf die Felder der Lichtwellen angewandt (vgl. I, § 69).
Die Elektronentheorie führt die elektrische Polarisation
auf eine Verschiebung der gebundenen Elektronen zurück.
Die Proportionalitat der Momente der Polarisationselektronen
zur elektrischen Feldstärke erklärt sie durch Annahme quasi-
elastischer Eräfte^ welche dieselben in ihre Gleichgewichts-
lagen zurückziehen. Solche quasielastischen Eräffce mußten
wir schon früher annehmen (§ 9)^ um von der Existenz der
in der Lichtemission sich kundgebenden Eigenschwingungen
Rechenschaft zu geben. Die Eigenschwingungen ergaben sich
ohne weiteres aus der Annahme quasielastischer Eräfte und
aus der trägen Masse der Elektronen.
Nun waren bekanntlich durch Annahme Yon Eigen-
schwingungen in den Molekülen der lichtbrechenden Eörper
von Sellmeier; Eetteler und Helmholtz die Erscheinungen der
Dispersion erklärt worden. Man gelangt zu einer elektro-
magnetischen Theorie der Dispersion^ indem man der trägen
Masse der von den Lichtwellen in Schwingungen versetzten
elektrischen Teilchen Rechnung trägt Wir werden bei der
Darstellung der Elektronentheorie der Dispersion uns ins-
268 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
besondere an H. A. Lorentz^), P. Drude*) und M. Planck') an-
schließen.
Wir betrachten eine ebene homogene elektromagnetische
Welle, welche in dem homogenen isotropen Dielektrikum parallel
der :r 'Achse fortschreitet; die Welle sei geradlinige parallel der
jer-Achse, polarisiert, d. h. die magnetischen Vektoren ^ = 8
fallen in die jgr-Achse, und die elektrischen, S und C, in die
y-Achse. Die Hauptgleichungen (Ib, IIb) ergeben
dx c dt dx c dt
mithin nach Elimination von $«
(167.) y^-fe
Für monochromatische Wellen von der Frequenz v wird
nun die Abhängigkeit der Komponenten ^y und Sy von x
und t durch den komplexen Faktor
gekennzeichnet sein, wo — die Geschwindigkeit der WeUen,
n demnach den Brechungsindex des Körpers angibt.
Aus (167a) folgt fOr diese Wellen:
Akzeptiert man die von der Maxwellschen Theorie be-
hauptete Proportionalität von S und (S (Gl. 167), so gelangt man
zur Maxwellschen Relation n^=^s zurück (vgl. I, S. 308, Gl. 205 d).
Wenn wir auch diese Beziehung nicht als allgemein gültig
annehmen, so müssen wir doch fordern, daß bei gegebener
Frequenz v
(167b) 4^2) = n*«, 4ä1P = (w2~1)«
1) H. A. Lorentz. Ann. d. Phys. 9 (1880), S. 641. La thöorie
^lectromagn^tiqne de Maxwell Leide 1892. E. J. Brill. (Arch. Näerl. 25,
S. 363 — 661.)
2) P. Drude. Ann. d. Phys. 48, S. 536, 1893. Ann. d. Phys. 14,
S. 677, 1904.
3) M. Planck. Berliner Sitznngsber. 1902, S. 470.
\
Erstes Kapitel. Bähende Körper. 269
gelte. Denn nur dann folgt ans den Hanptgleichnngen auf
Grund von (167 a) das von der Erfahrung bestätigte Ergebnis,
daß in einem homogenen isotropen durchsichtigen Körper
monochromatische Lichtwellen von gegebener Frequenz nach
allen Richtungen mit der gleichen, von der Lichtstärke un-
abhängigen Geschwindigkeit sich fortpflanzen. Der Brechungs-
index n^ der in (167 b) eingeht, kann allerdings von der Fre-
quenz der Schwingungen, d. h. von der Wellenlänge des
Lichtes abhängen; diese Abhängigkeit bedingt eben Farben-
zerstreuung.
Die Elektronentheorie bringt den Brechungsindex in Zu-
sammenhang mit der Zahl und den Eigenschaften der Polari-
sationselektronen, indem sie die elektrischen Momente der-
selben mit der Feldstärke verknüpft. Sie geht dabei aus von
der Schwingungsgleichung (56, 56 a) der freien Eigen-
schwingungen eines Dipoles, in deren rechte Seite die äußere
elektromagnetische Ejraft einzuführen ist. Es wird
(168) g+Ä«<,=^r.
Wir nehmen nur eine einzige Elektronenart als mit-
schwingend an, und zwar sei 2> die Zahl der Elektronen im
Molekül, ^ die Zahl der Moleküle im cw?. Die Polarisation
der Volumeinheit wird dann gemäß (161c)
(168a) ^«JViJ.f
Auf den Fall verschiedener Elektronenarten kann man
die Entwickelungen ohne Schwierigkeit ausdehnen.
Die auf die Einheit der Ladung berechnete äußere Kraft ist
(168b) r=e'' + 7[t»n,
wobei unter e^ und |^ der elektrische und der magnetische
Vektor des äußeren Feldes im Äther zu verstehen sind. Den
zweiten Term in (168b) pflegt man, wenn kein konstantes
äußeres magnetisches Feld mitwirkt und nur das magnetische
Feld der Lichtwellen selbst in Frage kommt, gegen den ersten
270 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
zu yemachlässigen^ indem man die Geschwindigkeit der schwin-
genden Elektronen als klein gegen die Lichtgeschwindigkeit
betrachtet.
Es folgt aus (168) und (168 a, b):
(169) S?+***=^i>-£-r^
Dabei ist unter e** ein Mittelwert des Vektors e** zu ver-
stehen; derselbe ist jedoch keineswegs mit dem Mittelwert e=ß
des vorigen Paragraphen zu verwechseln. Der Mittelwert e bezog
sich nämlich auf ein physikalisch imendlich kleines Volum-
element des Baumes; der Mittelwert 7 ist nur für diejenigen
Baumpunkte zu bilden, in welchen sich mitschwingende Elek-
tronen befinden. Auch handelt es sich nicht um den totalen
Wert des Vektors e, vielmehr ist in e" das vom Elektron
selbst e^egte Feld fortgefaUen. Die Berechnung des Mittel-
wertes e** erfordert einige Überlegung.
Wir legen um den Punkt, für welchen e** berechnet
werden soll, eine Kugel mit dem physikalisch unendlich
kleinen Badius iZ; es heißt das, es soll B klein gegen die
Wellenlänge sein und doch die Kugel eine große Zahl von
Elektronen einschließen. Da R klein gegen die Wellenlänge
ist, so werden innerhab der Kugel, und auch auf ihrer Ober-
fläche, die Vektoren Qi und fß konstant sein. Zu dem Vektor e'^
werden nun erstens diejenigen Elektronen einen Beitrag
liefern, die innerhalb der Kugel sich befinden, und zweitens
diejenigen außerhalb der Kugel. Den letztgenannten Bestand-
teil der elektrischen Kraft bestimmen wir, indem wir aus dem
Innern der Kugel die Elektronen fortgeschafft denken; nach
Fortschaffung aller Elektronen aus dem Innern der Kugel
weicht das Feld im Innern von dem Felde Qi der Lichtwellen
im Körper nur aus dem Grunde ab, weil sich jetzt auf ihrer
Oberfiäche eine Schicht freier Ladungen befindet. Die Ein-
wirkung dieser Schicht können wir, da der Badius der Kugel
klein gegen die Wellenlänge ist, auf Grund elektrostatischer
Betrachtungen ermitteln. Wir hatten in Bd. I, § 42 eine ahn-
Erstes Kapitel. Bähende Körper. 271
liehe Aufgabe gelöst; wir hatten das yon einer homogen
polarisierten Kugel erregte Feld bestimmt und es im Innern
gleich — ö" • V gefunden (Gleichung 144b, S. 161). Nun ist
die Feldstärke durch die freien Ladungen bestimmt; in dem
vorliegenden Falle ^ wo außerhalb der Kugel die konstante
Polarisation ^ herrscht und das Innere der Kugel nicht polari-
siert ist^ ist die Dichte der freien Elektrizii»t auf der Kugel-
fläche offenbar die entgegengesetzte, wie in dem damals be-
handelten Falle, wo das Kugelinnere homogen polarisiert, das
Äußere aber nicht polarisiert war. Es gibt demnach
den Wert von e an, den man erhalt, wenn man diejenigen
Kräfte nicht berücksichtigt, die von den Elektronen innerhalb
der Kugel herrühren. Für den Mittelwert der Summe dieser
von den Polarisationselektronen der benachbarten Moleküle
ausgeübten KJrä.fte setzt nun H. A. Lorentz 4:7t sfß, wo s eine
Konstante bedeutet, und erhält so
(169a) p=g + 4;r(| + 5)ip.
Für feste Körper, bei denen man eine geordnete Lagerung der
Moleküle imd Elektronen anzunehmen hat, wird im allgemeinen
eine Ton den Momenten der benachbarten Moleküle und
Elektronen herrührende Ej-afb zu berücksichtigen sein. Bei
Flüssigkeiten und Gasen hingegen, wo regellose Änderungen
in der Gruppierung der Moleküle stattfinden, wird es gestattet
sein, mit M. Planck anzunehmen, daß die Einwirkungen der
innerhalb der Kugel befindlichen Elektronen sich im Mittel auf-
heben und s demnach gleich KuU zu setzen. Wir ziehen es indessen
vor, die Konstante s beizubehalten. W^r umfassen dann auch
die Theorie von P. Drude, in welcher e** einfach mit der Feld-
stärke m der Lichtwellen identifiziert wird; der Drudesche An-
satz geht aus dem Lorentzschen hervor, indem
gesetzt wird.
1
272 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Unter Annahiue rein periodischer Schwingungen von der
Frequenz v folgt aus (169) und (169 a)
(169b) (Ä«- i/«)5P = Np . ^' j« + 4:r (i + s)^^^
Hieraus, in Verbindung mit (167b), erhalten wir
Die Konstante Je der Schwingungsgleichung (168) ist nichts
anderes, als die Frequenz der Eigenschwingungen der Polari-
sationselektronen. Führen wir statt der Frequenzen Je, v der
Eigenschwingungen und der erzwungenen Schwingungen deren
im leeren Baume gemessenen Wellenlängen ein:
, 25rc ^ ^nc
so wird
wo
(170a) y=^'
gesetzt ist.
Die Dispersionsformel (170) drückt die Änderung
des Brechungsindex n mit der Wellenlänge r aus. Setzt
man 5 = 0, so wird
Da y der Zahl N der Moleküle proportional ist, so muß
bei einer Dichteänderung des Körpers für Licht bestimmter
Farbe die Funktion w^ — l/w^+2 des Brechungsexponenten
der Dichte proportional variieren, wenn anders die Zahl der
mitschwingenden Elektronen im Molekül und die Wellenlänge
ihrer Eigenschwingung bei der Dichteänderung sich nicht
ändern. Dieses Lorentz-Lorenzsche Gesetz hat sich
vielfach bestätigt gefunden. Es hat sich auch ergeben, daß
für Mischungen die Größe w*— l/w^+2 sich aus den Bei-
trägen der Komponenten nach der Mischungsregel berechnen
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 273
laßt. Anch auf chemische Yerbmdnngen hat man diese Begel
angewandt und in vielen Fällen bestätigt gefunden. Man darf
in solchen Fällen annehmen, daß die Polarisationselektronen
am Atome haften und daß ihre Zahl und ihre Eigenschwingung
bei der chemischen Bindung der Atome erhalten bleibt.
Wir schreiten zur Diskussion der Dispersionsformel (170).
Wir unterscheiden dabei verschiedene Fäle.
A) Xq klein gegen X. Hier kommt auf der rechten Seite
von (170) das mit X veränderliche Glied nicht in Betracht
und es ergibt sich fär die linke Seite ein positiver, konstanter
Wert. Eigenschwingungen^ die sehr weit nach der ultra-
violetten Seite hin von dem betrachteten Spektralbereich ent-
fernt liegen y ergeben demnach zwar eine Brechung^ aber keine
Dispersion; das hängt damit zusammen^ daß die Trägheit der
mitschwingenden Teilchen nicht in Betracht kommt^ wenn die
Frequenz klein gegen die Frequenz der Eigenschwingungen ist.
B) Xq<X. Die rechte Seite von (170) ist positiv und
nimmt mit abnehmendem X ab. Es nimmt daher^ wenn
man sich von der roten Seite her der Wellenlänge Xq der
Eigenschwingung nähert^ der Brechungsindex zu^ d. h. es
liegt der Fall der normalen Dispersion vor.
C) Xq > X, Beim Durchgang durch den Wert X^ X^
wechselt die rechte Seite von (170) das Vorzeichen, sie wird
negativ und nimmt, bei weiterem Fortschreiten zu kleineren
Wellenlängen, dem Betrage nach zu. Es muß demnach, nach
Drude (»--!) genau, nach Lorente und Planck ungefähr
bei der Wellenlänge der Eigenschwingung, n* — 1 von beträcht-
lichen positiven zu negativen Werten übergehen. Die Wellen-
längen, die auf der violetten Seite der Eigenschwingung Uegen,
werden also schwächer gebrochen, als die auf der roten Seite
liegenden. So erklärt man die anomale Dispersion. Beim
weiteren Fortschreiten nach der violetten Seite des Spektrums
nimmt der Brechungsindex wieder zu, indem er dem Werte 1
zustrebt.
D) Xq groß gegen X. Der Wert 1 des Brechungsindex
ist nahezu erreicht. Die Eigenschwingung beeinflußt den
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 18
274 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Breclmiigsindex überhaupt nicht mehr; es schwingen die Elek-
tronen nicht mehr mit.
Man wird hiemach ans der Gleichheit der Brechnngs-
indizes eines Körpers fOr zwei verschiedene Wellenlangen
schließen dürfen^ daß zwischen diesen beiden Wellenlängen
keine Eigenschwingung der Elektronen liegt. Insbesondere
wird aus der Übereinstimmung des Quadrates des Brechungs-
exponenten für sichtbares Licht mit der Dielektrizitöts-
konstante, die beispielsweise bei Lufb und Wasserstoff fest-
gestellt ist, zu schließen sein, daß im ultraroten Spektral-
gebiete keine Eigenschwingungen liegen. P. Drude^ der in
der zweiten der oben zitierten Arbeiten das Beobachtungs-
material in umfEUssender Weise vom Standpunkte der Elektronen-
iheorie aus diskutiert, kommt zu dem Schlüsse, daß die ultra-
roten Eigenschwingungen den trägeren positiven Elektronen,
die ultravioletten den mit weit geringerer Trägheit behafteten
negativen Elektronen zuzuschreiben sind. Die Dispersion des
Wasserstoffes wird man hiemach auf die Anwesenheit negativer
Elektronen zurückzuführen suchen, deren Eigenschwingungen
im ultravioletten liegen, und wird mit Bücksicht auf die ein-
fache Bauart der ^g"^^^®^^^ ^^ Annahme einer einzigen
schwingungsfähigen Elektronenart hier als berechtigt ansehen
dürfen.
Nun hat H. A. Lorentz^) die Eettelerschen Messungen an
Wasserstoff von 0^ Celsius und Atmosphärendruck, wo n nur
wenig größer ist als 1, durch die Formel dargestellt:
?^ = _j_ = 10707 - ?^^!?y^.
W*— 1 2(W — 1) V
Die Vergleichung mit (170b) ergibt für Wasserstoff
-=0,0739.10-6.
Hieraus und aus (170a) läßt sich die Zahl p der Polari-
sationselektronen im ^2*^^^^^^^^ berechnen.
1) H. A. Lorentz. Akad. van Wetensch. te Amsterdam. Bd. 6. 1897/98,
S. 613.
Erstes Kapitel. RtQiende Körper. 275
Es ist die Dichte eines Körpers
wo M sein Molekulargewicht, ?% aber die Masse des Wasser-
stoffatomes ist.
Es folgt demnach, mit Bücksicht auf Gleichung (1),
= • -=r=. = 9600 • -T-z}
c cm^ M M
imd daher aus (170a)
/ITA \ 9660 d
(170c) Y-p^n-^rm
Es läßt sich auf Grund dieser Gleichung das Pro-
dukt Yon Zahl p und spezifischer Ladung ri der nega-
tiven Elektronen aus der Eonstante y der Dispersions-
formel berechnen, falls nur eine einzige Elektronen-
art ins Spiel kommt. Für ideale Grase speziell ist allgemein
J==2,24.10S
so daß
(170d) p-ri^ 7,285 • y
wird.
Für Wasserstoff folgt aus dem angegebenen Werte von y
^ . 1? « 2,96 . 10^
Da p eine ganze Zahl sein muß, so kommt man dem aus
der Ablenkung der Kaihodenstrahlen berechneten Werte von iy
am nächsten, wenn man mit P. Drude setzt:
(170e) p = 2, 1?= 1,48. 101
Es sind also im H^-yLoXe^^X^ zwei Polarisations-
Elektronen anzunehmen.
Wir haben der Absorption des Lichtes bei WellenMngen,
welche den Eigenschwingungen der Polarisationselektronen
entsprechen, nicht Rechnung getragen. Zur Darstellung der
Absorption, und auch zur genaueren Verfolgung der Dispersion
durch den Absorptionsstreifen hindurch, wäre die Einführung
von Dämpfangsgliedem in die Schwingungsgleichung (168)
18*
276 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
notwendig. Man kann diese Einf&hmng in yerschiedener Weise
Yomelimeny entweder^ indem man mit P. Drude eine der Ge-
schwindigkeit proportionale Reibung ähnlich wie in der gewohn-
lichen Mechanik annimmt^ oder indem man mit M. Planck
auch hier die DämpfungsgUeder als Rüdcwirkung der Strahlung
auffaßt; wobei diese der zweiten Ableitung der Geschwindig-
keit nach der Zeit proportional werden (vgl. § 9 Gleichung 58 b).
In beiden Fallen erklärt sich das Auftreten derselben Linien
im Emissionsspektrum und im Absorptionsspektrum auf Ghrund
der allgemeinen Schwingungslehre; die Polarisationselektronen
sprechen auf diejenigen Wellen an^ welche mit ihren Eigen-
schwingungen in Resonanz sind.
Wir haben hier nur eine einzige Elektronenart und eine
einzige Eigenschwingung angenommen. Man kann die mathe-
matischen Entwickelungen ohne weiteres auf den Fall beliebig
vieler Eigenschwingangen ausdehnen, indem man jede Eigen-
Schwingung einer anderen Elektronenart zuschreibt. Es ist
aber die Frage ; ob diese Darstellung der Wirklichkeit ent-
spricht. Dieselben ungelösten Probleme^ welche uns die
Emissionsspektra darboten (vgl. § 9); treten uns auch in der
Theorie der Absorptionsspektren entgegen.
§ 30. Magnetisohe Drehxmg der Folarisationsebene.
In einem früheren Abschnitte (§ 10) hatten^ wir von den
Veränderungen gesprochen, welche die Spektrallinien im mag-
netischen Felde erfahren. Im einfachsten Falle des normalen
Zeeman- Effektes werden parallel den magnetischen Kraft-
linien zwei zirkularpolarisierte Wellen ausgesandt; der Unter-
schied ihrer Frequenzen ist gleich der spezifischen Ladung der
Elektronen, multipliziert mit der magnetischen Feldstarke
(Tgl. 60 d). Diese Veränderung der Eigenschwingungen der
Elektronen, die sich in den Emissionsspektren zeigt, kommt
nun auch in den Absorptionsspektren zur Geltung. An Stelle
einer einzigen Linie des Absorptionsspektrums treten bei
Einwirkung eines der Fortpflanzungsrichtung des Lichtes
parallelen magnetischen Feldes deren zwei, in denen die rechts*
Erstes Eapitel. Bnhende Körper. 277
bzw. linkszirknlare Welle absorbiert wird. Dem direkten Zeeman-
Eiffekt der Emission tritt der inverse Zeeman-Effekt der
Absorption gegenüber. Die Theorie dieser Erseheinnng ist von
W. Voigt ^) im Anschlnsse an die Drudesche Theorie der Dis-
persion entwickelt worden. Die dabei sich ergebenden Einzel-
heiten des Phänomens hat die Beobachtong vielfach bestätigt
Im vorigen Paragraphen haben wir gesehen^ daß die Eigen-
schwingungen der Elektronen auch außerhalb des Besonanz-
bereiches von Einfluß sind; daß sie nämlich zu einer Dispersion
des Lichtes VenmlaBSung geben. Beim Hinzutreten eines mag-
netischen Feldes werden nun die Frequenzen der rechts- und
linkszirkularen Eigenschwingungen der Elektronen in ver-
schiedener Weise abgeändert. Damit hängt es zusammen ^ daß
parallel den magnetischen Kraftlinien die rechts- und links-
zirkularen Komponenten des einfallenden Lichtes mit ver-
schiedenen Geschwindigkeiten fortgepflanzt werden^ und daß
so eine Drehung der Polarisationsebene zustande kommt.
Die Theorie der magnetischen Drehung der Polarisationsebene
wollen wir in diesem Paragraphen behandeln.
Wir schließen Leitungselektronen und Magnetisierungs-
elektronen aus. Die beiden Hauptgleichungen (Ib^ IIb) des
§ 28 ergeben dann
(Hl) c»l«- ^^,
(m.) -I« — i^.
dabei ist (ygl. 166b) zu setzen
(171b) 4«S) = « + 4«Jp.
Dieses Gleichnngssystem ist zu erganzen durch Einführung
der Beziehung; welche den Vektor ^, die auf die Volum-
einheit bezogene elektrische Polarisation; mit der elektrischen
Feldstärke Qt verknüpft. Wir haben im vorigen Paragraphen,
von der Schwingungsgleichung (168) ausgehend; diese Be-
ziehung abgeleitet; wobei wir indessen von einer Einwirkimg
1) W. Voigt, Ann. d. Phys. 67. S. 346. 1899. Vgl. auch H. A. Lorentz,
Congräs international de Physique, UI S. 1. Paris 1900.
278 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
magnetischer EriLffce anf die Elektronen abgesehen haben.
Wir haben jetzt den Einfloß eines konstanten magnetischen
Feldes auf die Elektronenschwingungen in Betracht zu ziehen;
wir wollen dasselbe der ;er- Achse parallel annehmen und den
Betrag der Feldstärke mit H bezeichnen ^ zum Unterschiede
von der periodisch yeränderlichen Feldstärke ^ der Lichtwellen.
Die Differentialgleichungen^ welche für die Komponenten
von || gelten^ gehen aus den Gleichungen (59 a; b^ c) der
Eigenschwingungen herror; indem die äußeren elektrischen
Kräfte in der im Torigen Pan^raphen dargelegten Weise ein-
geführt werden. An Stelle der Gleichungen (169, 169a) treten
dann die folgenden:
(171c)
+ ,5^^ + .^*.= ^{«.+ 4.(i + .)*4
dt
^-,5^^' + Ä»*,= ^{«,+ 4«(i + s)fp4
dt
Faktor e V ^ f zum Ausdruck gebracht wird. Die longitu-
(171d) l^ + .«,p.= ^'{«.+ 4.(i + s)*,}.
Wir wollen monochromatische transversale Lichtwellen be-
trachten, welche sich parallel den Magnetkraftlinien fortpflanzen.
Wir suchen demgemäß die Gleichungen durch Annahme homo-
gener ebener Wellen zu erfüllen, in denen die Feldstärken von t
und z in der Weise abhängen, wie es durch den komplexen
dinalen Komponenten $«, Hg und $ß« sind dabei gleich Null zu
setzen, und es wird, gemäß (171, 171b)
während aus (171a) folgt
Durch Elimination von ^xf ^y folgt
(172) 4;r5p^=(n«-l)«^, 4;rfPy=- (w^~ 1)«^,
welches auch immer der Polarisationszustand der Welle sein mag.
Erstes Kapitel. Bähende Körper. 279
Wir wollen nun unter w' bzw. n" die BrechungsindizeB
der rechts- bzw. linkszirkularpolarisierten Wellen verstehen,
welche sich im magnetischen Felde fortpflanzen.
Bei Fortpflanzung parallel der ;s; -Achse gilt
(172a) §y=±i§.
und daher
(172b) (Sty^±i(S^, %=='±i%,
wobei das obere Vorzeichen sich auf die rechtszirkularC; das
untere auf die linkszirkulare Schwingung bezieht; erstere ent-
spricht einer negativen, letztere einer positiven Drehung um
die £f-Achse. Die Einführung von (172) und (172b) in
(171c) ergibt
oder
(173) ^ + i + s- 4^{^*- -'^ -ns}-
Diese erweiterte Dispersionsgleichung bestimmt
die Brechungsindizes und somit die Geschwindig-
keiten der beiden den Magnetkraftlinien pai'allel
fortgepflanzten zirkularpolarisierten Wellen. Der
Elammerausdruck auf der rechten Seite verschwindet fiir die-
jenigen Frequenzen v der Lichtschwingungen, welche den durch
das magnetische Feld abgeänderten Frequenzen der Eigen-
schwingungen der Elektronen entsprechen (vgL 60b). Da wir
indessen die Absorptionsglieder der Schwingungsgleichungen
gestrichen haben, so müssen wir uns ein Eingehen auf die inner-
halb des Absorptionsstreifens zu beobachtenden Fortpflanzungs-
geschwindigkeiten versagen und uns auf solche Schwingungs-
zahlen beschränken, welche von denjenigen der Eigenschwingungen
einigermaßen entfernt sind. ELier bedingt der Einfluß des
magnetischen Feldes nur eine geringe Abänderung des Brechungs-
index.
Verstehen wir unter n die gemeinsame Geschwindigkeit
der beiden Wellen vor Erregung des magnetischen Feldes,
welche bestimmt ist durch
280 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern,
so darf gesetzt werden
Npe*
Da anderseits aus (173a) folgt:
dv dn\n' — l) 4:7tNpe'
dn d / 1 \ r. m
so erhalten wir
(173b)
( f I 1 T7^»*
Durch die Differenz der Brechungsindizes der rechts- und
linkszirkularpolarisierten Welle bestimmt sich jetzt die Drehung
der Polarisationsebene. Diese Ebene ist durch den mag-
netischen Vektor ^ der Lichtwelle gegeben^ welche durch
Superposition zweier rechts- bzw. linkszirkularer Wellen gleicher
Amplitude entsteht.
Wir können mit Bücksicht auf (172a) und (173b) schreiben:
Wir können demgemäß den Vorgang, der durch Super-
position der beiden zirkularpolarisierten Wellen entsteht, auf-
fassen als eine Fortpflanzung einer geradlinig polarisierten
Welle mit der ursprünglichen, durch den Brechimgsindex n
gekennzeichneten Geschwindigkeit, verbunden mit einer Drehimg
der Polarisationsebene. Die Polarisationsebene, die für z ^0
in die (iCiS?)- Ebene fiel, ist nach Durchlaufung der Strecke z
um den Winkel
(173c) o = g^
Erstes EapiieL Rahende Körper. 281
in positivem Sinne nm die ^r- Achse gedreht. Die sogenannte
„Botationskonstante^^ By welche durch
(174) (D = BzH
definiert ist^ folgt ans (173 b):
(174a) ii = f^^".
Da sich im vorigen Paragraphen der DifiPerentialquotient
des Brechungsindex n nach der Frequenz v außerhalb des
Absorptionsstreifens stets positiv ergeben hat^ xmd da r^ eine posi-
tive den Betrag der spezifischen Ladung der negativen Elektronen
anzeigende Konstante ist; so findet die Drehung der Polarisations-
ebene in positivem Sinne um die mit der magnetischen Feldrichtung
zusammenfallende Fortpflanzungsrichtung des Lichtes statt. Es
erfolgt also die Drehung der Polarisationsebene im
Sinne der elektrischen Ströme; welche den Elektro-
magneten erregen. Wird der Strom kommutiert; so daß die
Richtung des magnetischen Feldes sich umkehrt; und nun der Fort-
pflanzungsrichtung entgegen gerichtet ist; so kehrt sich auch
der Drehsinn der Polarisationsebene um. Behält hingegen das
magnetische Feld seine Richtung im Räume bei; während die
Strahlrichtung durch Reflexion umgekehrt wird, so geht die
Drehung im Räume in demselben Sinne weiter.
Die obige Regel über den Drehsinn der Polarisationsebene
gilt natürlich nur dann, wenn die Voraussetzungen zutreffen;
aus der wir sie abgeleitet habeU; d. h. wenn die magnetische
Drehung wirklich auf die Schwingungen der negativen Elek-
tronen allein zurückzuführen ist; und wenn Magnetisierungs-
elektronen ausgeschlossen sind. Bei ferromagnetischen Körpern;
z. B. bei Lösungen von EisensalzeU; gilt sie nicht immer.
Ebensowenig dürfte sie zutreffen; wenn die ultraroten Eigen-
schwingungen der positiven Elektronen für die Drehung
wesentlich in Betracht kämen ; was allerdings infolge ihrer
geringen spezifischen Ladung kaum anzunehmen ist.
Wir können (174 a) auch schreiben
(174b) ^ — ^^ll-
282 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Ist die Dispersionskurve gegeben^ so kann kierans die
magnetische Drehung und ihre Abhängigkeit von der Wellen-
länge ermittelt werden. Daß die Formel in manchen Fallen
zutrifft, hat H. BecquereP) gezeigt; auch aus der Theorie
von W. Voigt*) ergibt sich die gleiche Formel, allerdings wird
dort die multiplikative Konstante nicht in Verbindung mit der
spezifischen Ladung der Elektronen gebracht. Dieses hat
L. H. Siertsema') nachgetragen und für yerschiedene Körper
den Wert der spezifischen Ladung der Elektronen aus der
beobachteten magnetischen Drehung mit Hilfe jener Formel
berechnet. Er findet z. B. ftir Wasserstoff den Wert
(174c) 1^ = 1,77.107,
welcher mit den aus der Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen und
Becquerelstrahlen ermittelten Werten der spezifischen Ladung
noch besser stimmt, als der im vorigen Paragraphen aus der
Dispersion des Wasserstoffes abgeleitete Wert. Für die anderen
untersuchten Körper erhält allerdings Siertsema durchweg
kleinere Werte von rj.
§ 31. Magnetisierung.
Wie die Elektronentheorie die Beziehungen, welche zwischen
der elektrischen Polarisation Iß und der elektrischen Feld-
stärke (§ bestehen, durch geeignete Annahmen über die Eigen-
schaften der Polarisationselektronen zu veranschaulichen sucht,
so muß sie bestrebt sein, die zwischen der Magnetisierung SR
und der magnetischen Feldstärke ^ obwaltenden Beziehungen
auf die Mitwirkimg der Magnetisierungselektronen zurück-
zuführen. Diese Magnetisierungselektronen sind nahe verwandt
den Molekularströmen, durch welche Ampfere und Weber die
magnetischen Eigenschaften der Körper zu erklären suchten.
Ob wirklich der Paramagnetismus und der Diamagnetismus
1) H. Becqnerel, C. R. 126, S. 679. 1897.
2) W. Voigt, Ann. d. Phys. 67, S. 351. 1899.
3) L. H. Siertsema, Akad. v. Wetensch. te Amsterdam 1902, S. 499.
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 283
sicli auf umlanfende oder rotierende Elektronen znrückführen
läßt, ist von W. Voigt ^) und P. Langevin^) untersucht worden.
Weber hat den DiamagnetiBmus auf die Molekularströme
zurückgeführt, welche beim Entstehen eines magnetischen
Feldes in widerstandslosen Bahnen induziert werden sollen.
Dem entsprechen nach P. Langevin die Umlaufsbewegungen der
Elektronen, welche im Innern der Moleküle beim Entstehen
magnetischer Felder erregt werden; dieselben ergeben stets
eine diamagnetische Erregung. Größere Schwierigkeiten bietet
die Erklärung des Paramagnetismus; hier sind die Stöße und
die sonstigen Wechselwirkungen der Moleküle heranzuziehen,
und es ist die mittlere Orientierung der Magnetisierungselek-
tronen in einem gegebenen Felde nach den Methoden der Ejne-
tik zu behandeln; für diese Auffassxmg spricht der Umstand,
daß, speziell für Gase, der Paramagnetismus von der Tempe-
ratur abhängt, im Gegensatz zu dem von der Temperatur nicht
beeinflußten Diamagnetismus.
Zur Deutung mancher magnetooptischer Erscheinungen
reicht die Einfahrung der Polarisationselektronen aus, wie
wir im vorigen Paragraphen dargelegt haben. Gewisse magneto-
optische Eigenschaften der ferromagnetischen Körper indessen,
insbesondere diejenigen, welche der Magnetisierung parallel
gehn, erfordern die Heranziehung der Magnetisierungselektronen.^)
Was das Verständnis des Ferromagnetismus überhaupt anbelangt,
so hat die Elektronenhypothese bisher leider keine Erfolge
zu verzeichnen. Wir sind noch weit davon entfernt, die
Anomalien der ferromagnetischen Körper vom Standpunkte
der Elektronentheorie aus deuten zu können.
§ 32. Elektrische Leituing.
Nach der Elektronentheorie beruht die Eigenschaft ge-
wisser Körper, den elektrischen Strom zu leiten, auf der An-
1) W.Voigt, Götting. Nachr. 1901 S. 169. Ann. d. Phys. 9, S. 115. 1902
2) P. Langevin, C. R. 139, S. 1204. 1904. Ann. de chim. et phys.
1906. S. 70.
3) Vgl. P. Drude, Lehrbuch d. Optik. Leipzig 1900. Kapitel VIT.
284 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Wesenheit von y^Leitnngselektronen^^y d. k. von elekiarischen
Teilchen^ welche unter der Einwirkung elektrischer Felder
über größere Strecken hin wandern. Diese Elektronen können
mit der Masse materieller Atome beladen sein; wie bei Elektro-
lyten, oder sie können frei, d. h. nur mit der ihnen eigenen,
elektrom^netischen Masse behaftet sein. Gerade in den besten
Leitern, den Metallen, wird man freie Elektronen als Strom-
träger anzunehmen haben. Wie wir bereits mehrfach erwähnt
haben (I, S. 192 n. 206)^ sind von E. Biecke^) und insbesondere
von P. Drude*) Vorstellungen über die Bewegung der Elektronen
im Metalle entwickelt worden, welche der kinetischen Theorie
der 6ase nachgebildet sind. Fehlen äußere elektrische Kräfte^
so sollen die Elektronen sich regellos bewegen, ähnlich wie
die Moleküle eines Gases; die mittlere lebendige Erafk eines
Elektrons soll gleich derjenigen sein, welche einem Gasmole-
küle bei der gleichen Temperatur zukommt. Wir bezeichnen
mit a die mittlere lebendige Kraft eines Moleküles oder Elek-
trons bei der absoluten Temperatur ^^l (Boltzmann-
Drudesche Eonstante) und setzen
Die Elektronen sollen Zickzackbahnen beschreiben; der
Stoß, durch den die Bewegungsrichtung geändert wird, kann
entweder zwischen den Elektronen selbst erfolgen, oder an
den neutralen Molekülen, welche gewissermaßen das feste Ge-
rüst des Metalles bilden.
Welches wird nun der Einfluß eines elektrischen Feldes
sein? Es wird die imregelmäßige Wärmebewegung der Elek-
tronen ein wenig abgeändert werden, so daß im Mittel die-
jenige Bewegungsrichtung überwiegt, nach der die Elektronen
durch das Feld getrieben werden. Es sei H^ die mittlere Ge-
schwindigkeit der betreffenden Elektronengruppe, \ die mittlere
freie Weglänge; beim Durchlaufen der freien Weglänge \ wird
1) E. Eiecke, Ann. d. Phys. 66, S. 363, 546 u. 1199. 1898.
2) P. Drude, Ann. d. Phys. 1, S. 666. 3, S. 369. 1900.
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 285
das elektrische Feld @ einem Elektron von der Geschwindig-
keit Hj die zusätzliche Geschwindigkeit erteilen
Der Mittelwert dieser Geschwindigkeit ist
Die Multiplikation mit der Ladung e^ und der auf die
Yolumeinheit bezogenen Zahl N^ ergibt als Anteil der Elektronen
der betreffenden Gruppe zur Stromdichte:
wenn man von den strengen, das Maxwellsche Geschwindigkeits-*
Terteilungsgesetz berücksichtigenden Methoden der Mittelwerts-
bildung absieht. Durch Summierung der Anteile der ver-
schiedenen Gruppen folgt die Stromdichte
^-'^•i^l^i'Nih\^\+^'N^h\^\+ ■■■]■
Dieselbe ist der Feldstärke proportional, d. h. es gilt
das Ohmsche Gesetz, so lange als die zusätzliche, durch das
elektrische Feld erteilte Geschwindigkeit der Elektronen klein
gegen die mittlere Geschwindigkeit der Wärmebewegung ist;
unter dieser der obigen Ableitung zugrunde liegenden Voraus-
setzung erhält Drude für die Leitfähigkeit den konstanten Wert
Die einfachste Annahme wäre die, daß in den Metallen nur
eine Sorte freier, und zwar negativer Elektronen den Strom
transportiert. Doch fragt es sich, ob auf Gb*und dieser An-
nähme die thermoelektrischen mid sonstigen Eigenschaf ken der
Metalle sich befriedigend erklären lassen.
' Für die Elektronentheorie der metallischen Leitung spricht
es, daß H. A. Lorentz imstande war (vgl. § 41), aus den so-
eben dargelegten Vorstellungen über die Bewegung der Elek-
286 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
tronen das Emissionsyermogen der Metalle für Wärmestrahlen
großer Wellenlänge herzuleiten.
In Gasen sind die Vorgänge, welche die elektrische Leitung
begleiten, weit verwickelter, als in Metallen. Die freie Weg-
länge der Elektronen ist hier großer, so daß die durch das
elektrische Feld erteilte Geschwindigkeit keineswegs immer
klein gegen diejenige der regellosen Wärmebewegung ist. So
erklären sich die Abweichungen vom Ohmschen Gesetze, welche
bei Gasen oft in recht augenfälliger Weise hervortreten. Auch
lagern sich den freien Elektronen neutrale Moleküle in wech-
selnder Anzahl an, wie in § 1 erwähnt wurde. Dort haben
wir die für die allgemeine Theorie der Elektrizität bedeutungs-
vollen Ergebnisse der neueren Untersuchungen über GBsionen
bereits kennen gelernt.
§ 33. Das elektromagnetisohe Feld hoohfrequenter Ströme
in linearen Leitern.
Wir hatten bereits in dem einleitenden Kapitel dieses
Bandes (§ 8) allgemeine Sätze über die Fortpflanzung elektro-
magnetischer Störungen kennen gelernt. Wir waren dabei aus-
gegangen von den Feldgleichungen (I bis TV) der Elektronen-
theorie, und hatten diese mit Hilfe der elektromagnetischen
Potentiale, und noch übersichtlicher mit Hilfe des Hertzschen
Vektors 8, gelöst. War die Dichte | = — des Eonvektions-
Stromes der Elektronen gegeben, so ließ sich auf Grund von
(47, 48, 48 c, d) das elektromagnetische Feld der bewegten
Elektronen ermitteln.
In der Bezeichnungsweise, deren wir uns jetzt bedienen,
werden die elektromagnetischen Vektoren der von den einzelnen
Elektronen erregten Felder durch e, 1^ vorgestellt. Aus den Feld-
gleichungen (I bis IV) der Elektronentheorie haben wir in § 28
durch Mittelwertsbildung die DifiPerentialgleichungen (Ja bis IVa)
abgeleitet; dieselben verknüpfen die Mittelwerte e, 1^ mit den
Mittelwerten der Dichten der Elektrizität und des Konvektions-
«tromes genau so, wie durch die ursprünglichen Gleichungen
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 287
(I bis IV) die Vektoren e und | mit den Dichten selbst ver-
knüpft waren. Wir können also dasjenige ^ was wir aus diesen
Feldgleichnngen ableiteten^ ohne weiteres auf die durch Mittel-
wertsbildung entstandenen Gleichungen (la bis IVa) über-
tragen. Erinnern wir uns femer, daß wir durch (166) und
(166a) e mit (&, ^ mit 8 identifiziert haben, so erhalten wir
(180) » = curl^, l^ct
(180a) «-«^ = Fdiv8--p.
Dabei ist (Bq die beobachtbare Feldstärke des anfanglichen
elektrostatischen Feldes. Es bestimmen sich die elektrische
Feldstärke (B und die magnetische Induktion 8 zu einer be-
liebigen Zeit, wenn der Hertzsche Vektor bekannt ist. Dieser
aber berechnet sich aus den (47) und (48) bzw. (51c) ent-
sprechenden Beziehungen
i t
(180b) (j =^Jidl ^Jo^dt,
(180c) 8 (o, l) ^jXdxfdo) ^ (A, ? - X),
Als Mittelwert der elektrischen Stromdichte in ruhenden
Körpern ist dabei der in (165b) angegebene Ausdruck ein-
zutragen:
(180d) p = i -f ^ + c • curl 8»,
der zusammengesetzt ist aus den von den Leitungselektronen,
den Polarisationselektronen und den Magnetisierungselektronen
herrührenden Stromanteilen. Von jedem Volumelemente des
Baumes, in welchem das Zeitintegral (180b) dieses Vektors von
NuU verschieden ist, wird ein Beitrag zum Hertzschen Vektor
beigesteuert; derselbe eilt mit Lichtgeschwindigkeit nach dem
Au^unkte hin, wobei sein Betrag sich in einem, dem zurück-
gelegten Latenswege umgekehrt proportionalen Maße verringert.
288 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Es ist zweckmäßig; den Hertzschen Vektor in derselben
Weise zu schreiben^ in welcher durch (50b, 51b) die elektro-
magnetischen Potentiale ausgedrückt wurden, nämlich:
(180e) S-J^t^h
r •
Die Integration ist hier über die von Elektrizität durch-
strömten Yolumelemente des ganzen Baumes auszudehnen.
Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß die Beziehungen
(180) bis (180 e) sich auch aus den Hauptgleichungen (Ib bis IVb)
der Maxwellschen Theorie hätten herleiten lassen, von deren
Identität mit den Gleichungen (la bis IVa) wir uns ja in § 28
überzeugt haben. In der Tat sind die physikalischen Voraus-
setzungen, auf denen die Entwickelungen dieses Paragraphen
und des nächstfolgenden beruhen, diejenigen der Maxwellschen
Theorie. Die Hypothesen der Elektronentheorie kommen dabei
nicht ins Spiel. Wir waren bei der Darlegung der Theorie
der elektrischen Schwingungen im ersten Bande dieses Werkes
auf die Strahlung eines Stromsystemes nicht eingegangen; wir
hatten versprochen, im zweiten Bande diese Lücke auszufüllen.
Die allgemeinen Sätze über die Ausbreitung elektromagnetischer
Störungen, die uns in der Mechanik der Elektronen von so
großem Nutzen waren, gestatten es uns, jenes Versprechen zu
erfüllen und nunmehr jene für die drahtlose Telegraphie
fundamentalen Fragen zu erledigen.
Wir denken uns ein System elektrischer Schwingungs-
kreise; dasselbe sei von beliebigen, polarisierbaren und mi^eti-
sierbaren Körpern umgeben. Es werde, etwa durch den elek-
trischen Funken, plötzlich ein Schwingungsvorgang ausgelöst.
Welches elektromagnetische Feld wird erregt?
Die Gleichungen (180). bis (180e) bestimmen die Vektoren
@ und 8 des gesuchten Feldes. Freilich bedürfen wir zur
Berechnung von ^ der Kenntnis nicht nur des Leitungs-
stromes, sondern auch der Magnetisierung und des an der
Materie haftenden Anteiles des Verschiebungsstromes. Meist
werden wir die Stromverteilung in den Leiterkreisen und die
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 289
elektrische Polarisation und die Magnetisierung der umgebenden
Isolatoren nicht von vornherein kennen; wir werden vielmehr
meist diese selbst als unbekannte anzusehen haben, die sich
erst nachträglich aus der Kenntnis des Feldes ergeben, unter
diesen umständen reichen jene Gleichungen zur Lösung der
gestellten Aufgabe nicht aus.
Wir können indessen die Gleichungen (180) bis (180e)
verwerten, wenn wir die Problemstellung passend spezialisieren.
Wir wollen annehmen, daß die Schwingungskreise sich im
leeren Baume befinden, oder, was praktisch auf dasselbe
herauskommt, im Lufträume; alsdann fallen die von der Polari-
sation und der Magnetisierung der Körper herrührenden Strom-
anteile fort, es bleibt nur der Leitungsstrom übrig. Dieser
soll nun in linearen Leitern fließen, d. h. in Drähten, deren
Querschnittsabmessungen klein sind, sowohl gegen die' Länge
der Drähte, als auch gegen die Wellenlänge der in den Baum
entsandten elektromagnetischen Wellen. Handelt es sich dann
um die Bestimmung des elektromagnetischen Feldes in Auf-
punkten, deren Entfernung von den Leitern groß gegen deren
Querschnittsabmessungen ist, so kommt es auf die Yerteilui^
des Stromes J über den Querschnitt des Leiters nicht an. Es
kann, wenn dv das Volumen eines zylindrischen Leiterstückes
und d% ein Element seiner Leitlinie bezeichnet, gemäß (180b, d)
gesetzt werden
oder
dabei ist
t t
^dv ^jidvdt '^ d§l Jdt
t^dv == qd§]
(181) q =JJdt
die seit Besinn des SchwiuininirsToriranires durch den be-
Reffenden Q^chnitt hindur^geströmte Elektmifätsmenge.
Es folgt aus (180 e)
Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 19
290 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
(181a) 8=/^{q},_^=/d»^
als Wert des Hertzschen Vektors in einem Aufpnnkte, dessen
Entfernung r von den stromdurchflossenen Drähten groß
gegen die Querschnittsabmessungen ist; dieser Wert stellt sich
dar als ein längs der Leitlinien aller stromdurchflossenen
linearen Leiter erstrecktes Integral^ und zwar hängt der von
den Stromelementen beigesteuerte Beitrag von dem Werte von c[
ab, welcher in einem um die Latenszeit — zurückliegenden Mo-
mente die bis dahin durchgeströmte Elektrizitätsmenge angab.
Wir erhalten übrigens aus (48 a) und (181, 181a) für das.
elektromagnetische Vektorpotential den Ausdruck
(181b) « = t = 7/T{'^}.-f
Diese Formel können wir der Formel (168 a) in Bd. I^.
S. 220 an die Seite stellen, welche das Vektorpotential eines
stationären Stromes in einem linearen Leiter bestimmt. Wir
haben hier ft gleich 1 gesetzt, weil wir von dem Felde im
leeren Räume reden, wo curl X sowohl 8 wie $ gleich ist.
Der wesentliche Unterschied der beiden Formeln jedoch liegt
darin, daß dort die jeweilige Stromstärke in Rechnung gezogen
wurde, während hier die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit,
der von den Stromelementen ausgehenden Wirkungen berück-
sichtigt ist. Auch durfbe dort, weil ein stationärer Strom stets^
ein geschlossener Strom ist, welcher durch alle Querschnitte die-
selbe Elektrizitätsmenge führt, J vor das Integralzeichen gesetzt
werden. Das ist hier nicht ohne weiteres erlaubt; ein nicht
stationärer Strom kann durch verschiedene Querschnitte eines.
Leiters verschiedene Elektrizitätsmengen transportieren, wobei
eine Anhäufung von Elektrizität an der Oberfläche des Drahtes
stattfindet. Der nicht stationäre Strom braucht auch keines-
wegs ein geschlossener zu sein. Wir können uns etwa die Enden
des Leitungsdrahtes in die einander gegenüberliegenden Platten
eines Kondensators mündend vorstellen, oder auch frei endigend.
In jedem Falle kann das magnetische Feld aus (181b) er-
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 291
mittelt werden. Wir erhalten aus dieser Formel ein Urteil über
den Gültigkeitsbereich der Theorie des quasistationären Stromes
(vgl. Bd. I, Abschn. III, Kap. 2), welche auf der Formel (I, 168 a)
beruht, und werden befähigt, die Theorie auf hochfrequente
Strome in linearen Leitern anzuwenden, die weder als quasi-
stationär, noch als geschlossen gelten können. Bei schnellen
Schwingungen ist das magnetische Feld unzertrennlich mit
dem elektrischen verknüpft, wie ja auch an Stelle des ska-
laren elektrostatischen Potentiales bzw. des magnetischen Vektor-
potentiales die beiden elektromagnetischen Potentiale treten,
die sich dem Hertzschen Vektor unterordnen (vgl. 48 a, b).
Auf Grund von (181a) bestimmen wir durch die
Gleichungen
(181c) § = curl^,
(181 d) «~eo=^di^8-^
das Feld der elektromagnetischen Störung im Luft-
räume, welche von schnellen elektrischen Schwin-
gungen in linearen Leitern erregt wird. Insbesondere
beherrschen wir so die Theorie der entsandten Wellen,
die in der drahtlosen Telegraphie zur Übertragung
der telegraphischen Zeichen verwandt werden.
Wir wenden die allgemeinen Ansätze auf einen Schwingungs-
kreis an, dessen Abmessungen klein gegen die Wellenlänge der
entsandten Wellen sind. Dieser Bedingung genügt die in Bd. I,
§ 66 behandelte Anordnung: Ein Kondensator, dessen Platten
durch einen Leitungsdraht verbunden sind. Hier kann der
Strom als quasistationär betrachtet werden, falls die Kapazität
der Leitung gegen diejenige des Kondensators verschwindet,
und es hat die Stromstärke J und deren Zeitintegral q für
alle Querschnitte der Leitung den gleichen Betrag. Verstehen
wir unter e die jeweilige Ladung derjenigen Kondensatorplatte,
in welcher die Leitung endigt, so gilt nach (181)
t
(182) q ^Jjdt = e - Cq.
19*
292 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Dabei ist e^ die anföngliche Ladung jeuer Koudeusator-
platte; die jeweilige uud die aufaugliche Ladung der ihr
gegenüberstehenden Platte ^ in welcher die Leitung beginnt^
sind — e bzw. — Cq,
Wir denken uns einen Aufpunkt; dessen Entfernung von
dem Schwingungskreise groß ist gegen die Abmessungen des
Kreises. Die Entfernung braucht darum noch nicht groß
gegen die Wellenlange zu sein. Die Entfernung r dieses
Auf punktes von den einzelnen Punkten der Drahtleitung ist
merklich die gleiche; es kann daher in (181a) diese Ent-
fernung Tor das Integralzeichen gesetzt werden. Dasselbe gilt
Yon q(1 — t)] denn es sollen die Abmessungen des Kreises^
und demnach die Differenzen der Latenswege^ klein gegen die
Wellenlange sein, die Schwingungsphasen sind mithin ßir alle
Punkte der Leitung zur Zeit des Entsendens merkUch die
gleichen. Wir erhalten
(182a) 8 = ^^ fdi.
Die hier eingehende Yektorsumme aller Elemente des
linearen Leiters kann, gemäß den allgemeihen Regeln der
Vektoraddition, durch einen einzigen Vektor ersetzt werden,
welcher direkt Ton dem Anfangspunkt der Leitung zu ihrem
Endpunkte führt.
Verstehen wir unter p das Moment des Dipoles, welcher
durch zwei in diesen Punkten befindliche Ladungen ± e ge-
bildet wird, so können wir schreiben
(182 b) 3==iiLi!l_^.
Das ursprüngliche elektrostatische Feld der Ladungen ± Cq
wird gemäß Bd. I S. 63 GL (81) gegeben durch
%~-Ftp, ip (<,„,F4)--div(^).
Es fol^ demnacli aas (181 c, d) fOr das elektromagnetische
Feld des Schwmgnngskreises
Erstes Kapitel Enhende Körper. 293
(1820) J_o.,l^(i<t^},
(182a) e=Fdi.{it:a)-^{i<tüj.
Lassen wir endlich die 0-Achse mit der Achse des Dipoles
zusammenfallen^ so erkennen wir, daß die erhaltenen Formeln
durchaus identisch sind mit den Formeln (53, 53ä, b) des § 9.
Dort wird der periodische Wechsel des elektrischen Momentes
des Dipoles durch die Schwingungen eines Elektrons yeranlaßt,
hier durch den quasistationaren Leitungsstrom in dem Drahte,
welcher die Kondensatorplatten verbindet. In Entfernungen,
die groß sind gegen die Abmessungen des Systemes, kommt
es, wie wir sehen, nicht auf die Konfiguration des Systemes
im einzekien, sondern nur auf das resultierende Moment an.
Wir können die Formeln (53 c, d), durch welche wir dort das
Feld darstellten, ohne weiteres auf den vorliegenden Fall über-
tragen. Zusammenfassend können wir sagen: Das elektro-
magnetische Feld des quasistationären Stromes in
einem linearen Leiter, welcher die Platten eines Luft-
kondensators verbindet, läßt sich in Entfernungen,
die groß gegen die Abmessungen des Leiters sind, er-
setzen durch das Feld eines Dipoles, dessen Achse
der vom Anfangspunkt der Leitung direkt zum End-
punkt gezogene Fahrstrahl, und dessen Ladungen die
Ladungen ± e der Kondensatorplatten sind.
Wir durften unsere Formeln nur auf einen Luftkondensator
anwenden, weil wir bei der Berechnung des Hertzschen Vektors
in (180 d) nur den Leitungsstrom berücksichtigt hatten, aber
nicht die von der Polarisation und der Magnetisierung der
umgebenden Körper herrührenden Stromanteile. Wie ändern
sich die Ergebnisse unserer Betrachtungen, wenn man an
Stelle des Luftkondensators einen Kondensator setzt, der mit
einem dielektrischen Körper gefüllt ist? Dann ist der an der
Materie haftende Bruchteil — ^^ des Verschiebungsstromes dem
Leitungsstrome hinzuzufügen. Die elektrische Verschiebung
294 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
ist nnn Ton der mit der Ladung + ^ versehenen Platte durch
das Dielektrikum nach der mit der Ladung — e Tersehenen
gerichtet. Der Yerschiebungsstrom er^nzt den Leitungsstrom
im Drahte zu einer geschlossenen Strömung^ er ist dem Strom-
elemente ^ das Ton der Ladung — e nach -f e geht und welches
den Leitungsstrom hinsichtlich der Femwirkung ersetzt^ ent-
gegen gericl)jbet. Würde der gesamte Yerschiebungsstrom in
Bechnung zu setzen sein^ so würde seine Femwirkung die-
jenige des Leitungsstromes gerade aufheben. Da aber nur der
Bruchteil 1 in B.echnung zu ziehen ist, so wird die Fem-
Wirkung nicht 'aufgehoben, sondern nur im Verhältnis Us ver-
ringeri Wir können das Ergebnis auch so ausdrücken: Ist
der Baum zwischen den Kondensatorplatten mit einer
dielektrischen Substanz erfüllt, so ist für die Fern-
wirkung das Moment der freien Ladungen der Konden-
satorbelegungen maßgebend.
Für die drahtlose Telegraphie ist die Kenntnis der Feld-
starken in der Wellenzone Ton Wichtigkeit; diese bildet sich
in Entfernungen vom Schwingungskreis, die groß gegen die
Wellenlänge sind. Die Feldstarken des Dipoles werden hier
durch (54) gegeben; sie sind am größten in Bichtungen senk-
recht zur Achse des Dipoles. Hier wird
«l-l8l-f|^L
Die elektrische Feldstarke ist dabei parallel, die magne-
tische senkrecht zur Achse des Dipoles gerichtet. Ist d der
Abstand der Kondensatorplatten, d. h. der Abstand der einander
gegenüberliegenden Enden der Leitung, so wird speziell für
einfach harmonische Schwingungen von der Schwingungszahl v
(in 2ä Sekunden)
(182e) |«| = |§|-i^.:^;.
Die Wellenamplitude ist proportional der Ladungs-
amplitude und dem Abstand der Kondensatorplatten,
Bowie dem Quadrate der Schwingungszahl, umgekehrt
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 295
proportional der Dielektrizitätskonstanten und der
Entfernung.
Man könnte nun daran denken, die Tragweite der funken-
telegraphischen Signale dadurch zu vergrößern, daß man die
ßipmtät des Kondensators steigerte; denn die LadnngsampUtude
e ist ja gleich dem Produkte aus der Spannungsamplitude, welche
durch die Schlagweite der Fuiikenstrecke bestimmt ist, und
aus der Kapazität. Nun ist aber, wie aus Formel (I, S. 282,
GL 192 c) hervorgeht, bei gegebener Selbstinduktion der Lei-
tung v^ umgekehrt proportional der Kapazität £ des Kondensators.
Vergrößert man die Kapazität, indem man d und « konstant halt,
d. h. indem man die Fläche der Kondensatorpktten vergrößert,
so bleibt trotz der Vergrößerung der Ladungsamplitude die
WeUenamplitude die gleiche. Erreicht man jedoch die Stei-
gerung der Kapazität durch Verringerung des Platten-
abstandes d oder durch Wahl eines Isolators von größerer
Dielektrizitätskonstante £, so verkleinert man sogar die Ampli-
tude der entsandten Wellen. Der Vergrößerung der im Schwin-
gungskreise aufgespeicherten Energie entspricht mithin keines-
wegs eine Steigerung der ausgestrahlten Energie.
überhaupt ist die Verwendung nahezu geschlossener Kreise
und quasistatioimrer Ströme für die Zwecke der drahtlosen
Telegraphie nicht günstig. Bei einer solchen Anordnung zer-
störerLh, wie w^gesien haben, die Beiträge der einzelnen
Stromelemente fest vollständig, während im GegenteU eine
Verstärkung der von den einzelnen Stromelementen herrührenden
Wellen anzustreben ist. Das Zusammenwirken der Wellen
aller Stromelemente wird am vollständigsten erreicht bei den
geradlinigen Sendeantennen, die man in der drahtlosen Tele-
graphie verwendet. Mit ihrer Theorie wird sich der nächste
Paragraph beschäftigen.
Wir wollen, um Mißverständnisse auszuschließen, nochmals
betonen, daß die in den Gleichungen (182, 182a) vor-
genommene Spezialisierung nur dann erlaubt ist, wenn die
Abmessungen des nahezu geschlossenen Kreises klein gegen
die Wellenläuge sind; nur in diesem FaUe setzen sich die von
296 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
den einzelnen Stromelementen erregten Wellen zu einer einzigen
Welle zusammen, welche von der Lücke der Leitung auszugehen
scheint. Hat man es hingegen mit einem nahezu geschlossenen
Kreise zu tun, dessen Abmessungen nicht klein gegen die
Wellenlange sind (z. B. einem Hertzschen Resonator ohne ein-
geschaltete Kapazität); so hat man den Hertzschen Vektor aus
den allgemeineren Gleichungen (181 , 181a) zu berechnen. Die
Stromstärke J und ihr Zeitintegral q haben hier keineswegs
für alle Querschnitte den gleichen Wert, da die Kapazität der
Leitung nicht zu vemachlässigen ist. Auch haben die Bei-
träge, die, Ton verschiedenen Stromelementen des Kreises ent-
sandt, gleichzeitig in einem entfernten Au^unkte eintreffen,
in diesem Falle Latenswege zurückgelegt, deren Differenzen von
der Ordnung der Wellenlänge sind; es sind denmach für die ein-
zelnen Stromelemente verschiedene Schwingungsphasen in Be-
tracht zu ziehen. Aus diesen Gründen ist es nicht gestattet, die
Femwirkung eines geschlossenen Schwingungskreises allgemein
gleich Null zu setzen, und die Femwirkung einer ungeschlossenen
Leitung stets von den Enden ausgehen zu lassen.^) Im all-
gemeinen geht die Strahlung keineswegs von den
Enden der Leitung, sondern von allen Stromelementen
der Leitung aus. Auch ein geschlossener Kreis ent-
sendet daher im allgemeinen, wenn er von schnell
wechselndem Strome durchflössen ist, elektromagne-
tische Wellen. Nur dann, wenn seine Abmessungen klein
gegen die Wellenlänge sind, wird die Vektorsumme aller Strom-
elemente gleich Null; aus diesem Grunde, und weil dieselbe
Schwingungsphase für alle Stromelemente in Betracht kommt,
verschwindet das Feld in entfernten Aufpunkten, und somit
die Strahlung des geschlossenen Kreises.
1) H. M. Macdonald stellt in seiner Preisschrift „Electric waves",
Cambridge 1902, die irrige Behauptung anf, daß die Strahlung einer
jeden geschlossenen Leitung verschwinde und die Strahlung einer un-
geschlossenen Leitung stets von den Enden ausgehe. Die auf dieser
Behauptung basierten Entwickelungen der genannten Schrift sind
fehlerhaft.
Erstes Kapitel. BnlpLende Körper. 297
§ 34 Die Strahlnng von Sendedrähten.
Wir denken uns einen geradlinigen Draht, von der
Länge 2h, frei im Ranme befindlich. Es mögen, etwa durch
den elektrischen Funken, die elektrischen Eigenschwingungen
dieses Drahtes erregt sein. Wir nehmen an, daß f&r die Fort-
pflanzung von Drahtwellen längs eines Einzeldrahtes, wenigstens
angenähert, dieselben Gesetze gelten, die wir für zwei Parallel-
drohte bewiesen haben (I, § 73 u. 75), d. h. daß die Geschwindig-
keit der Fortpflanzung längs der Leitung der Geschwindig-
keit c gleich ist, mit welcher die Wellen sich im Baume aus-
breiten, und daß am freien Ende eine einfache Reflexion der
Stromwelle stattfindet Treffen diese Voraussetzungen zu, so
werden sich stehende Wellen längs des Drahtes ausbilden, die
an den freien Enden Stromknoten besitzen, während die etwa
sonst noch vorhandenen Stromknoten in Abständen von je
einer halben Wellenlänge aufeinander folgen. Dem entspricht
der Ansatz
(183) /= a • sin(i;0 • cos (^>
falls n eine ungerade ganze Zahl und
(183a) '^-«1
ist. Die hierdurch dargestellten ungeradlinigen Eigenschwin-
gungen besitzen in der Mitte des Drahtes, bei ^ » 0, ein
Maximum des Stromes; die Eonstante a gibt die Stromampli-
tude daselbst an. Stromknoten liegen bei
tu
(183b) S = ±--Ä, wom^n
eine ungerade ganze Zahl ist. Die durch n»l gegebene
Grundschwingung hat nur zwei Stromknoten, und zwar an den
Drahtenden; ihre Wellenlänge ist
(183c) Xi - — = 4Ä,
298 Zweiter Abaclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
d. h. sie ist gleich der doppelten ^rahtlänge, während für die
Oberschwingnngen die DrahÜänge 2h ein ganzzahliges Viel-
faches der halben Wellenlänge ist, wie die Gleichung
. 27CC 4/»
(183d) ^. = — = -
n
besagt. Die durch (183 b) bestimmten n + l Stromknoten
teilen den Draht in n Strecken, deren jede einer halben Wellen-
länge gleich ist. Von den geradzahligen Eigenschwingungen, welche
in der Mitte einen Stromknoten besitzen, sehen wir hier ab.
Inwiefern die theoretischen Voraussetzungen des Ansatzes
(183) zutreffen, mag zunächst unerörtert bleiben. Wir denken
uns diese Stromverteilung experimentell festgestellt. Die Grund-
formel (181a) bestimmt dann den Hertzschen Vektor und
somit die Pemwirkung des Drahtes. Aus der durch (181)
bestimmten Ghroße
ö = J cos (^ (l - cos (W))
folgt nach (181a) als ^-Komponente des Hertzschen Vektors
(184) 8,=^/^fcosfJ).(l-co8^G-0).
— h
Die beiden anderen Komponenten von 3 verschwinden.
Auf Grund von (181c, d) bestimmt sich hieraus das elektro-
magnetische Feld in Entfernungen, die groß gegen die Ab-
messungen des Drahtquerschnittes sind. Der von l '^^ et un-
abhängige Teil des Ausdruckes (184) rührt von der anfänglichen
Ladungsverteilung her und ergibt deren elektrostatisches Feld 6q.
Uns interessiert nur das periodisch wechselnde Feld der Schwin-
gung; wir setzen daher für die Hertzsche Funktion
(184a) 8. = _j/|cos('L^cos(^),
und erhalten aus (181c, d) die Komponenten der Feldstärken:
(184b) ^« = j^j' §. = - 07-
(184c)
Erstes Kapitel Buhende Körper. 299
__ a»8, _ a»8i
"■ dz* dV '
Wir woUen diese Ausdrücke zur Ermittelung der vom
Drahte ausgesandten elektromagnetischen Wellen verwerten.
Wir wählen einen Au^unkt, dessen Entfernung Tq vom Mittel-
punkt des Drahtes groß sowohl gegen die Wellenlänge^ als
auch gegen die Drahtlänge ist. Im Nenner des Integranden
in (184a) kann dann r durch r^ ersetzt werden, hingegen im
Argumente des im Zähler auftretenden Kosinus ist zu setzen
r = ro - g cos d'^,
oder
(185) ^ = ^0 "" Sw, w = cos ^'^
07
wobei ^Q den Winkel anzeigt, welchen der vom Drahtmittel-
punkte nach dem Aufpunkt hin gezogene Fahrstrahl Xq mit
der Drahtachse einschließt. Die Unterschiede der Latenswege
der von verschiedenen Punkten des Sendedrahtes entsandten
und gleichzeitig im Au^unkte eintreffenden Wellen kommen
hier wesentlich in Betracht.
Wir erhalten
(185a) 8, = -^y'dgcos(V^cos{^(^-r„) + ^^).
— A
Nun ist offenbar
/decos(V0sin(^)»O,
infolge von (183 a) ergibt ferner eine einfache Rechnung
decos(-)cos(— )==-sm(-).-^-^.
— A
300 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Demnacli erhalten wir als Wert der Hertzschen Funk-
tion des Sendedrahtes in der Wellenzone:
(vi vrA /w« \
) , V cos ( -— • w I
,..ooj ö.= -a.-. i_-?.sin(f).-Ai_J.
Dieser Ausdruck entspricht der Hertzschen Funktion eines
der i8r- Achse parallelen Dipoles (vgl. 53), doch ist für die ver-
schiedenen, durch u bestimmten Richtungen ein verschiedenes
Moment des Dipoles in Rechnung zu setzen. Das ist das
Ergebnis der Superposition der von den Stromelementen des
Drahtes herrührenden Wirkungen, welche in verschiedenen
Phasen im Aui^unkte eintreffen.
Bei der Berechnung der Feldstarken aus (184b, c) braucht
nur das Argument des von l und r, abhängigen Kosinus
differenziert zu werden, da in großen Entfernungen die übrigen
durch Differentiation nach den Koordinaten entstehenden Terme
fortfallen. Man erhalt eine Orientierung der Vektoren (St und
§ in der Wellenzone, welche ganz derjenigen des Dipoles
entspricht. Konstruiert man auf der Kugelfläche, welche die
Lage der WeUe angibt, das System der Längen- und Breiten-
kreise, indem man die Schnittpunkte der verlängerten Draht-
achse mit der Kugel als Pole wählt, so findet man den elek-
trischen Vektor überall den Meridianen, den magnetischen den
Breitenkreisen parallel weisend. Die Beträge der beiden Vek-
toren sind
cosivt ] cos 1 — - • t* 1
(185c) i«| = |§H!^.-^ ----vfW-
^ r^ yi — w'
Über die Verteilung der Feldstärken längs der Meridiane
ist folgendes auszusagen: Ihren maximalen Betrag haben
die Feldstärken am Äquator der Kugel (wo, gemäß 185,
w = 0, 'ö'o = -g ist). Für die Grundschwingung (» = 1)
nehmen sie allmählich nach den Polen hin ab, um
dort zu verschwinden. Die Oberschwingungen hin-
gegen haben die durch
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 301
m
(185 d) M == ± — (m^n eine ungerade ganze Zahl)
gegebenen Breitenkreise als Enotenlinien. Hier zer-
stören sich durch Interferenz die von den einzelnen Strom-
elementen des Sendedrahtes ausgehenden Wellen.
Es fallt auf; daß die Amplitude (185 c) der von den Eigen-
schwingungen des Sendedrahtes erregten Wellen die Länge des
Drahtes nicht enthält. Man könnte zunächst versucht sein,
dieses Ergebnis für irrig zu halten ^ da ja die Amplitude der
entsandten Wellen der Länge des stromführenden Drahtes pro-
portional sein muß; dabei würde man aber übersehen, daß mit
der Länge des Drahtes auch die Wellenlänge gesteigert wird. Da
die Amplitude der entsandten Wellen nicht der Stromstärke selbst,
sondern deren zeitUcher Änderung proportional ist, so kompensiert
die Abnahme der Femwirkung infolge der Verringerung der
Frequenz die Zunahme infolge der Vergrößerung der wirk-
samen Drahtlänge. Von der Antennenlänge ist die Fern-
wirkung unabhängig. Es ist, wenn man möglichst
intensive Wellen zu erregen wünscht, die maximale
Stromamplitude a im Sendedrahte möglichst zu
steigern. Für eine gegebene Antenne geht nun zwar die
Stromamplitude der SpannungsampUtude paralleL Doch kann
man, wenn die Spannungsamplitude vorgeschrieben ist, die
Stromamplitude steigern, indem man Antennen von möglichst
großer Kapazität pro Längeneinheit (d. h. möglichst dicke
Drähte) wählt; auf demselben Prinzip beruht die Steigerung
der Femwirkung, die man in der drahtlosen Telegraphie durch
EMgantennen erzielt* Durch Vergrößerung der Antennenlänge
aber werden die Wellenamplituden nicht vergrößert.
Wir schreiten zur Berechnung der pro Sekunde entsandten
Gesamtstrahlung. Aus dem Poyntingschen Satze folgt
S. = ^-|«M§I = ^C0S«(W-^)W(^).(1-««)-
Die Mittelwertsbildung über eine Beihe von Schwingungen
und die Litegration über die ganze Kugel vom Radius r^ er-
gibt als Energieverlust durch Strahlung
302 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
+ 1
dW
^/d«cos»(^)(l-«V
dt
— 1
+ 1
= TcjHih + i4li)(l + ^^« ^^^)
— 1
a* / du /^ \
— 1
Da n eine ungerade ganze Zahl ist^ können wir schreiben
WO abkürznngsweise gesetzt ist
+ 1 STTn
(186a) C« = / T-q^ (l — cos 3rw(l + w)) = / —(1 — cos a;).
— 1
Es handelt sich noch um die Berechnung dieses trans-
zendenten Integrales. Wir zerlegen dasselbe in vier Integrale:
^ f dx I dx . ( ■. I 1 cosa!i , / dx cob x
^''~J T+i J x(l-\-x)'^J ^'^\x(,l + x) S~/ "^J S~~
2Ttn 2Ttn
und berechnen jedes derselben. Die Summe der beiden ersten
ist
2fin 00
27tn
Für das dritte Integral schreiben wir
00 OD
(186c) J^^[^-coBx]=J^(e-'-ooBx)
.0
00
J xV ' 1+ «)'
Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 30$
Nun folgt aus
oo oo oo
/ — (e " * — cos icj = / rfa; / rfj/ { e "" *(^ + «'^ — cos xc^y]
durch Vertauschung der Integrationsfolge
00 oo
ß-^{e-'- cos x) =fdy{^^ - jf^}
wenn die bekannte FormeP) berücksichtigt wird.
00
y
ß ^...
dxe "~ *y cos X ==
Es ergibt sich demnach
00
= 0.
» = o
(186d) ß-l(e-'-oonx)^l\ln^
Der zweite Bestandteil von (186 c) aber läßt sich auf
Grund einer von Dirichlet herrührenden Formel^)
OD
(186e) -ßi{e-'- T^h - ^ - 0^71216 . . .
mit der F- Funktion und mit der sogenannten Eulerschen Kon-
stanten in Verbindung bringen.
Der vierte Term im Ausdruck von Cn endlich läßt sich
durch partielle Integration auf die Form einer halbkonvergenten
Beihe bringen
00
(186f) JdX-^^ j^;;^, - ^^, + j^^, ~...
• " •• r •
1) Vgl. z. B. Riemann -Weber, Partielle Differentialgleichungen.
I § 19. Gl. 2. S. 43.
2) G.L. Dirichlet, Journal f. reinen. angew.Mathem. 16, S. 260. 1836.
304 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
In dieser Reihe ist der Best stets kleiner als das letzte
beibehaltene Glieds sie ist demnach, wenn man möglichst genau
zn rechnen wünscht, mit dem kleinsten Gliede abzubrechen.
Aus (186b, c, d, e, f) folgt jetzt
(187) C„=K2««)+0,577 + ^,-^+...
Durch (186) und (187) bestimmt sich die mittlere
sekundliche Gesamtstrahlung der Eigenschwingungen
des Drahtes. Dieselbe wächst bei gegebener maximaler
Stromamplitude mit der Ordnungszahl der Schwingung; je
größer die Ordnungszahl, desto rascher konvergiert die Reihe
(187). Für die Grundschwingung findet man den
numerischen Wert
a* ^ ^ r^rx a'
(187 a) 1-^.(7,» 1,22.^
der mittleren sekundlichen Gesamtstrahlung. Die
maximale Stromamplitude a ist dabei elektrostatisch zu messen.
Die hier gegebene Berechnung der Strahlung eines Wellen-
erregers beruht auf der Annahme, daß die aus der Theorie
der stehenden Drahtwellen geläufigen Vorstellungen sich ohne
weiteres auf den Erreger übertragen lassen. Es kann be-
zweifelt werden, ob diese Übertragung von vornherein be-
rechtigt ist. In der Tat, die Frage nach dem zeitlichen Ver-
laufe der Eigenschwingungen eines Hertzschen Erregers war
viele Jahre hindurch eine strittige. Während H. Hertz und
V. Bjerknes die Vorstellung vertraten, daß der Erreger nur
eine einzige hauptsaclilich durch Strahlung gedampfte Schwingung
aussende, schlössen sich andere Forscher einer von Sarasin
und de la Bive aufgestellten Hypothese an, indem sie die
Strahlung des Hertzschen Erregers als ein kontinuierUches
Spektrum ungedämpfter Schwingungen ansahen. In Anbetracht
dieser Sachlage meinte ich, als ich die Behandlung des
Problemes in Angriff nahm^), auf die Analogie der Drahtwellen
1) M. Abraham, Die elektrischen Schwingungen um einen stab-
förmigen Leiter. Ann. d. Phys. (3) 66, S. 435. 1898.
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 305
nicht bauen zn dürfen. Ich zog es Yor^ auf die Maxwellschen
Gleichungen zurückzugehen^ und durch Integration derselben
gleichzeitig das Feld und die Perioden und Dämpfungs-
dekremente der Eigenschwingungen zu ermitteln. Das gelang
für einen stabfSrmigen Leiter^ d. h. für ein sehr gestrecktes
Rotationsellipsoid. Es ergab sich die theoretische Möglichkeit
einer unendlichen Reihe gedämpfter Eigenschwingungen; ihre
Wellenlängen fanden sich in erster Annäherung in Überein*
Stimmung mit der oben dargelegten elementaren Theorie (Glei-
chung 183 d)^ während die durch Strahlung bedingten logarith-
mischen Dekremente der Amplituden durch die Formel dargestellt
wurden
(187b) ^"^ ^ /2Ä\5
n-ln
m
dabei ist b der Radius des äquatorialen Leiterquerschnittes^
Cn die durch (186a) definierte und in (187) ausgewertete Kon-
stante; man bemerkt^ daß mit wachsender Ordnungszahl die
Amplitudenabnahme während einer Schwingung geringer wird.
Jede einzelne der Eigenschwingungen ist gekennzeichnet
durch die Knotenflächen des magnetischen Feldes. Dieses sind
konfokale Rotationshyperboloide, deren Brennpunkte in den
Enden des Leiters liegen; dieselben schneiden den Leiter in
den Sixomknoten (für ungerades n werden diese durch [183b]
bestimmt); während ihre Asymptotenkegel die Richtungen an-
geben , in denen die Strahlung verschwindet (185 d für un-
gerades n). Für alle geradzahligen Eigenschwingungen ist die
Äquatorebene eine Knotenebene des magnetischen Feldes; für
sie ist die Mitte des Leiters ein Stromknoten und Spannungs-
bauch; hingegen ist für die oben behandelten ungeradzahligen
Eigenschwingungen der äquatoriale Querschnitt ein Strombauch
und ein Spannungsknoten.
Die theoretischen Gesetze der Knotenflächen undBauchflächen
des magnetischen Feldes wurden durch die sorgfältigen experi-
mentellen Untersuchungen von F. Kiebitz*) bestätigt (fürw = 3).
1) F. Kiebitz, Ann. d. Phys. (4) 6, S. 872. 1901.
Abraham, Theorie der Elektruität. IL 20
306 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Derselbe stellte das Yorhandensein der rmgeradzahligen Ober-
Schwingungen bis n => 17 fest^ es fehlten hingegen die gerad-
zahligen Eigenschwingungen des Sendedrahtes; entsprechend
der angewandten Erregungsweise (Funkenstrecke in der Mitte)^
bei welcher im Anfange die Spannung in zwei symmetrisch
liegenden Punkten des Erregers entgegengesetzt gleich ist,
bildeten sich nur diejenigen Eigenschwingungen aus, welche
in der Mitte des Drahtes einen Spannungsknoten besitzen.
Wir müssen uns hier ein genaueres Eingehen auf die
strenge Theorie des stabformigen Senders versagen, und uns
mit einem Hinweise auf die Originalarbeit und auf die von
F. Hack^) gegebene zeichnerische Darstellung der elektrischen
Kraftlinien derEigenschwingungen und ihrerBewegung begnügen.
Die obige mehr elementare Abteilung der Strahlung eines Sende-
drahtes habe ich später^) yeröffenÜicht, als diese Dinge für
die drahtlose Telegraphie von aktueller Bedeutung wurden.
Bei der ursprüngUchen Marconischen Senderanordnung wird
der eine Pol einer Funkenstrecke mit der Antenne, der andere
mit der Erde verbunden. Man hat es also hier nicht mit
einem frei im Räume schwingenden Draht zu tun, es ist viel-
mehr die Erde in Betracht zu ziehen. Das kann aber in sehr
einfacher Weise geschehen, wenn man mit Rücksicht auf die
Wahrnehmung, daß die Wellen nicht merklich in die Erde
eindringen, die Erde als gut leitend betrachtet, oder optisch
gesprochen, als spiegelnd Die an der Oberfläche eines voll-
kommenen Leiters geltende Grenzbedingung, daß die elek-
trischen Ejraftlinien senkrecht stehen, wird, wie die Theorie
ergibt, von allen ungeradzahligen Eigenschwingungen des freien
Sendedrahtes an der Äquatorebene erfüllt. Spiegelt man die
von der Erde senkrecht bis zur Höhe h aufsteigende Sende-
antenne an der ebenen Erdoberfläche und zieht die ungerad-
zahligen Eigenschwingungen des entstandenen geraden Drahtes
von der Länge 2% in Betracht, so erhält man ein elektro-
1) F. Hack, Ann. d. Phys. (4) 14, S. 639. 1904.
2) M. Abraham, Physik. Zeitschrift 2, S. 329. 1901.
Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 307
magnetisches Feld, welches an der Erdoberfläche der gestellten
Grenzbedingung Genüge leistet; dasselbe ist oberhalb der Erd-
oberfläche mit demjenigen der wirklichen Sendeantenne identisch.
Für die drahtlose Telegraphie kommt nun hauptsächlich die
Grundschwingung in Betracht. Aus unserem Spiegelungs-
verfahren und aus Gleichung (183c) können wir schließen:
Die Wellenlänge der Grundschwingung einer Sende-
antenne ist gleich ihrer vierfachen Höhe. Die Höhe
ist dabei von der Erde an zu rechnen, entsprechend dem Um-
stände, daß die Spannung des untersten, der Erdoberfläche
zugehörigen Punktes der Leitung gleich Null ist. Das
Dämpfungsdekrement der Grundschwingung ist nach
(187 a, b)
(187c) ^— ^_-i^.
O '<t)
Diese Formel bezieht sich allerdings zunächst auf eine
Antenne, deren Querschnitt nach der Spitze hin allmählich
abnimmt. Immerhin wird man sie auch auf zylindrische
Drähte anwenden köimen, wie es ja überhaupt auf den genauen
Zahlwert des als Argument des Logarithmus auftretenden
Quotienten kaum ankommt.
Man erhält z. B. für b =» 0,1 cm, und
für Ä « 25 Meter, X^ = 100 Meter : 6^ = 0,23,
für h = 250 Meter, A^ = 1000 Meter : 6^ = 0,19.
Meist wird man, bei der Verwendung eines ein-
zelnen Sendedrahtes, mit dem Werte ^^ = 0,2 des
Strahlungsdekrementes rechnen können. Ihm entspricht
ein Herabsinken der Wellenamplituden auf den e*®*^ Teil nach
fünf ganzen Schwingungen. Dieser immerhin beträchtliche
Wert der Dämpfung stimmt mit der allgemeinen Erfahrung
überein, wonach die Resonanzkurve (vgl. I, § 67) einer solchen
einfachen Anteime eine ziemlich flache, der Bereich des An-
sprechens mithin ein ziemlich weiter ist. Die Bedingungen
für eine abgestimmte Telegraphie sind bei dieser einfachsten
20*
308 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Anordnung recht ungünstige. Übrigens kommt neben der
Dämpfung durch Strahlung diejenige durch Joulesche Wärme
in Frage; ihr Betrag ist allerdings verhältnismäßig gering; die
Wärmeentwickelung in der metallischen Leitung ist gegen die
Ausstrahlung ganz zu vernachlässigen; höchstens könnte die
in der Funkenstrecke entwickelte Wärme in Eechnung zu
ziehen sein.
Bei den neueren Braun -Slabyschen Senderanordnungen hat
man es meistens mit zwei Leitungen zu tun. In der ersten nahezu
geschlossenen Leitung befinden sich Kondensatoren^ in denen die
Energie aufgespeichert ist. Mit ihm induktiv verkoppelt, oder
an ihn direkt angeschlossen ist die Sendeantenne, welche die
Wellen in den Baum hinaus sendet. Die Literatur über diese
Anordnungen ist eine sehr umfangreiche. Viele der Autoren
jedoch begnügen sich entweder damit, den Strom in der Antenne
als quasistationär zu behandeln, indem sie die in Bd. I, § 68
dargelegten, zunächst auf den Tesla- Transformator bezüglichen
Entwickelungen ohne weiteres auf den vorliegenden Fall über-
tragen, andere wiederum beschränken sich darauf, die Verteilung
von Strom und Spannung längs der Anteime zu bestimmen, ohne
von den entsandten Wellen zu reden. Gerade auf die ent-
sandten Wellen aber kommt es bei der drahtlosen Tele&nraphie
an, nnd auch ihre Rückwirkung auf die Senderschwin^ngen
darf nicht außer acht gelassen werden. Daß man unter Berück-
sichtigung dieser umstände das direkt gekoppelte Gebersystem
approximativ behandeln kann, habe ich kürzlich gezeigt.^) Es
ergeben sich, auch weim die beiden Leitungen vor der Koppe-
lung in Besonajiz waren, zwei verschiedene Grundschwingungen
des gekoppelten Systemes; diese geben zu Schwebungen Anlaß
(vgl. I, § 68), in deren Verlaufe die Energie vom Primärkreis
der Antenne zugeführt und so zur Ausstrahlung gebracht wird.
Auch wenn man es mit mehreren parallelen Sendedrähten
zu tun hat, kann man aus der StromverteUung auf Grund der
Entwickelungen der beiden letzten Paragraphen unschwer die
1) M. Abraham, Phys. Zeitschrift (6), S. 174. 1904.
Erstes Kapitel. Buhende Körper. 309
entBandten Wellen ermitteln. Sind die Abstände der Drähte
Ton der Ordnung der Wellenlänge, so werden sich Interferenzen
der entsandten Wellen ergeben. Sind hingegen die Abst^de
der Diuhte klein gegen die Wellenlänge, so werden sich die
entsandten Wellen in allen Aufpunkten verstärken, wenn die
Ströme in den Drähten alle in der gleichen Phase schwingen,
z. B. bei den Eäfigantennen der drahtlosen Telegraphie; sie
werden sich durch Interferenz aufheben, wenn sie in entgegen-
gesetzten Phasen schwingen. Ein Beispiel der letzteren Art
haben wir in Bd. I, § 76 kennen gelernt: eine Leitung Ton
endlicher Länge, die aus zwei parallelen, jeweils in gegenüber-
liegenden Querschnitten Ton entgegengesetzt gleichen Strömen
durchflossenen Drähten besteht; man sieht jetzt ohne weiteres
die Richtigkeit der dort aufgestellten Behauptung ein, daß ein
solches System nicht strahlt. Man verwendet bei Laboratoriums-
versuchen mit elektrischen Wellen gerade darum parallele
Dnlhte zur Fortleitung, weil diese die Energie in ihrer un-
mittelbaren Umgebung halten, und sie nicht zur Ausstrahlung
gelangen lassen.
Wir haben im ersten Bande dieses Werkes (§ 73) die
Fortpflanzung elektrischer Wellen längs einer unendlichen Lei-
tung unter gewissen vereinfachenden Voraussetzungen behandelt.
Wir haben die Leiter als vollkommene angesehen und gefunden,
daß in diesem Falle die Geschwindigkeit, mit welcher die
Wellen längs der Leitung forteilen, der Geschwindigkeit der
elektromagnetischen Störungen in dem betreffenden Isolator
gleich ist. Wir haben betont, daß Wellen, die längs eines
Einzeldrahtes sich fortpflanzen, nicht in den Gültigkeitsbereich
der dort angewandten Methode fallen. Diese Lücke füllt die
Arbeit von A. Sommerfeld^) in willkommener Weise aus; die-
selbe behandelt die Fortpflanzung längs eines Einzeldrahtes
vom Standpunkte der Maxwellschen Theorie aus; sie zeigt, daß
bei Berücksichtigung der endlichen Leitfähigkeit des Drahtes
die erwähnten Schwierigkeiten fortfallen, ohne daß in prak-
1) A. Sommerfeld, Ann. d. Phys. (8) 67, S. 288. 1899.
310 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
tischen Fällen der Wert der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der
Wellen sich merklich änderte. An diese Untersuchung schließt
sich diejenige von 6. Mie^) an^ welche Wellen behandelt, die
an zwei parallelen Drähten von endlicher LeitßQiigkeit fort-
schreiten. Wie Kapazität und Selbstinduktion der Leitung in
diesen Fallen zu definieren sind, hat der Verfasser dieses Werkes
dargelegt.') Leider müssen wir uns hier mit einem kurzen
Hinweis auf diese Probleme begnügen, der den Leser zum
Studium der Originalabhandlungen anregen mag.
Zweites Kapitel.
Bewegte Korper.
§ 35. Die erste Hanptgleiohung.
Wir haben im vorigen E^apitel (§ 28) die Hauptgleichungen
der Elektrodynamik ruhender Körper aus der Elektronentheorie
abgeleitet; wir sind dabei ausgegangen von den Gleichungen (la
bis IVa), welche sich durch Mittelwertsbildung über die Felder
der einzelnen Elektronen ergeben hatten. Die auftretenden
Mittelwerte ^, t haben wir mit der magnetischen Liduktion 8
und der elektrischen Feldstärke @ identifiziert (Gl. 166, 166 a)
und die Vektoren S und § durch (166b, c) definiert. Für
ruhende Körper ergaben sich die Gleichungen (Ib bis IVb) der
Maxwellschen Theorie. Dabei ist der ersten Hauptgleichung (Ib)
die dritte (Hlb) zuzuordnen, die aufs engste mit ihr verknüpft
ist; bildet man nämlich die Divergenz von Ib, und differenziert
inb nach der Zeit, so gelangt man zur Kontinuitätsbedingung
der wahren (an den Leitungselektronen haftenden) Elektrizität.
Anderseits ist die zweite Hauptgleichung (Hb) mit der vierten
(IVb) verknüpft; IVb spricht das Verschwinden der Dichte des
wahren Magnetismus aus, deren zeitliche Änderung nach Hb
ohnedies verschwinden muß.
1) G. Mie, Ann. d. Phys. (4) 2, S. 201. 1900.
2) M. Abraham, Ann. d. Phys, (4) 6, S. 217. 1901.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 311
Wir wollen nun für den allgemeinen Fall eines be-
wegten Körpers in diesem Paragraphen die erste Haupt-
gleichung und im nächsten Paragraphen die zweite aus den
Grundhypothesen der Elektronentheorie ableiten. Dabei bilden
wiederum die Differentialgleichungen (la bis IVa) den Ausgangs-
punkt. Unter H ist aber jetzt nicht die Geschwindigkeit der
Elektronen relativ zur Materie zu verstehen, sondern die abso-
lute Geschwindigkeit der Elektronen im Baume, d. h. die Ge-
schwindigkeit in dem universellen Bezugssystem (§ 4), in
welchem die Isotropie der Lichtfortpflanzung statthat. Ob und
wie dieses Bezugssystem empirisch festzulegen ist, mag hier
nicht erörtert werden. Seine Existenz wird schon durch die
Maxwellschen Gleichungen gefordert, welche in dem von Materie
und Elektrizität leeren Räume (im Äther) gelten. Nach den
Grundvorstellungen der Lorentzschen Theorie sind es Zustände
des Raumes, welche durch die elektromagnetischen Vektoren @
und 9 beschrieben werden. In der Hertzschen Elektrodynamik
bewegter Körper dagegen sind es stets die elektromagnetischen
Zustände der Materie, welche durch die elektromagnetischen
Vektoren gekennzeichnet werden. Hierin liegt der prinzipielle
Gegensatz der Hertzschen und der Lorentzschen Theorie; wie
wir bereits im ersten Bande dieses Werkes andeuteten, befindet
sich gerade in der Elektrodynamik bewegter Körper die
Lorentzsche Theorie in besserer Übereinstimmung mit der Er-
fahrung, als die Hertzsche. Im folgenden wird das ausführ-
licher zu zeigen sein.
Wir bezeichnen mit m die Geschwindigkeit der Materie,
mit H' die Belativgeschwindigkeit der Elektronen gegen die
Materie. Es wird dann die absolute Geschwindigkeit der
Elektronen
Diese ist es, welche in der ersten Hauptgleichung auftritt.
Die Form (la) der ersten Hauptgleichung enthalt Größen, die
durch Mittelwertsbildung über einen physikalisch unendlich
kleinen Bereich entstanden sind. Die Moleküle, welche in
diesem Bereiche enthalten sind, können ganz verschiedene Ge-
312 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
schwindigkeiten besitzen; unter m jedoch ist die sichtbare Ge-
schwindigkeit der Materie^ d. h. der Mittelwert der Molekular-
geschwindigkeiten ftir einen physikalisch unendlich kleinen Be-
reich; zu verstehen. Es wird demnach der Mittelwert des
Konvektionsstromes der Elektronen
(188) Ql^=^Qt0 + Qt\
Der erste Bestandteil enthält den Mittelwert der Dichte
der Elektrizität, der nach (165) nichts anderes ist; als die
Dichte Q* der freien Elektrizität. Es ist also
(188a) Qt0 - Q't0
der Konyektionsstrom der freien Elektrizität.
Falls die Elektronen relativ zur Materie ruheu; kommt
nur dieser erste Bestandteil des gesamten Stromes (188) in
Betracht. Bewegen sie sich dagegen relativ zur MateriC; so
ist der zweite Bestandteil in Rechnung zu ziehen. Das kann
nun in ähnlicher Weise für bewegte Korper geschehen; wie es
in § 28 für ruhende Körper geschah. Man hat wiederum die
Anteile zu sondern; welche von den Leitungselektronen; Polari-
sationselektronen und Magnetisierungselektronen herrühren.
Die relative Bewegung der Leitungselektronen gegen den
Körper macht sich als ein Leitungsstrom bemerkbar; dessen
Dichte ist
(188b) {^}, = i.
Bei der Herstellung des durch iß gekennzeichneten elek-
trischen Momentes der Yolumeinheit ist durch ein Flächen-
element df die Elektrizitätsmenge ^vdf in dem durch die Nor-
male f/ angegebenen Sinne hindurchgetreten; das wurde in § 28
nachgewiesen und gilt für einen bewegten Körper genau so,
wie für einen ruhenden. Es soll nun der Strom bestimmt
werden; der von den Polarisationselektronen durch eine un-
geschlossene Fläche f des Körpers transportiert wird. War
zur Zeit t die mit den Polarisationselektronen durch f geschobene
Elektrizität gleich
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 313
/
so ist sie zur Zeit t + dt gleich
J%df-^dt'^J%df.
Es ist also der Polaxisationsstrom durch die Fläche f
des Körpers
f^f[Q^'\p = Ttf^rdf-fdf
wo nach der Formel I, 122 (S. 121) gilt
(188c) ^ = ^ + curl[jpni] + m div jp.
Der Polarisationsstrom durch die Flächeneinheit
des bewegten Körpers ist folglich gegeben dnrch den Vektor
(188d) {^U='-^-
Hierdurch bestimmt sich auch der zweite, Ton der relativen
Bewegung H' der Polarisationselektronen gegen den Körper her-
rührende Anteil des Stromes (188), welcher durch eine im
Baume feste Fläche fließt; der erste, von der Bewegung to der
Polarisationselektronen mit der Materie herrührende Strom*
anteil dagegen ist bereits in (188 a) berücksichtigt worden,
indem ja, gemäß (165), zur Dichte q' der freien Elektrizität
auch die Polarisationselektronen einen Beitrag liefern.
Für die Magnetisierung des bewegten Körpers ist selbst-
verständlich die relative Bewegung der umlaufenden Magneti-
sierungselektronen gegen den Körper maßgebend, so daß an
Stelle von (164:c) jetzt
(188e) {7i?}^=c curia
den von der Magnetisierung herrührenden Strom-
anteil bestimmt.
Aus (188 b, d, e) folgt
314 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern
(i88f) ^' - i + ^ + c curi an
ftlr den gesamten von der relativen Bewegung der Elektronen
gegen die Materie herrührenden Strom. Aus (188) und (188 a, f)
erhalt man schließlich als gesamten Mittelwert des Kon-
yektionsstromes der Elektronen:
(188g) Qi^Q'to + i + ^ + CQml9t.
Dieser Ausdruck, der als Erweiterung des auf ruhende
Körper bezüglichen Ausdruckes (165b) sich ergibt, ist nun in
die erste Hauptgleichung (la) einzuführen. An Stelle von e, ^
ist, wie in § 28 (Gleichungen 166, 166a) (B bzw. 8 zu setzen;
auch sind die Definitionen (166b, c) von S und ^ zu be*
rücksichtigen. Dann folgt als erste Hauptgleichung für
bewegte Körper
(189) curl# = i^^ + ^^{i + .'m + ^).
Zum Wirbel des Vektors § liefern hiemach Beiträge:
Der Verschiebungsstrom im Äther, der Leitungs-
strom, der Konvektionsstrom der freien Elektrizität
und der Polarisationsstrom im bewegten Körper.
Man kann an Stelle der Dichte 9' der freien Elektrizität
auch durch (165) die Dichte q der wahren Elektrizität ein-
führen. Auf Grund von (166 b) und (188 c) wird dann
(189a) curl § = ^[i + ^ + pm + curl [ipm] j.
Diese Form der ersten Hauptgleichung wollen wir der
ersten Hauptgleichung der Theorie von H. Hertz (I, Gleichung
252, S. 425) gegenüberstellen:
curl § = ^{i + ^ + pto + curl[»tti]]-
Wie nach der Hertzschen Theorie, so werden auch nach
der Lorentzschen durch den Leitungsstrom, den Verschiebungs-
strom und den Konvektionsstrom der wahren Elektrizität
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 315
magnetische Wirkungen erregt; nur hinsichtlicli des vierten
Termes der rechten Seite der ersten Hauptgleichung, welcher
(vgl. I, § 90) den sogenannten „Röntgenstrom*^ bestimmt,
weicht die Lorentzsche Theorie von der Hertzschen ab. Nach
der Lorentzschen Theorie bestimmt
curl [ip tu]
die Dichte des Böntgenstromes. Gerade diese Forderung
war es, welche durch die Versuche von A. Eichenwald ihre
experimentelle Bestätigung gefunden hat.
Die Diskussion dieser Experimente ist am besten an die
Form (189) der ersten Hauptgleichung anzuknüpfen. Es waren
(I, S. 427) die geladenen Kondensatorplatten zusammen mit
dem zwischen ihnen befindlichen Dielektrikum in gleich-
formiger Rotation begriffen. Hier ist der Zustand ein statio-
närer auch dann, wenn man ein mitrotierendes Bezugssystem
zugrunde legt; die von einem solchen Bezugssystem aus be-
urteilte zeitliche Änderung -^ ist folglich Null.
Da ein Leitungsstrom nicht fließt und da -^ gleichfalls
NuU ist, so folgt aus (189)
curl§ «— o'tn.
Für das bei Eichenwalds Versuchen erregte mag-
netische Feld ist also nach der Elektronentheorie die
Bewegung der freien Elektrizität maßgebend. Dieses
war eben die Feststellung Eichenwalds. Nach der Hertzschen
Theorie dagegen wäre der allgemeine Ausdruck der ersten
Hauptgleichung
da nun in dem vorliegenden Falle die von dem bewegten
Körper aus beurteilte zeitliche Änderung von S ebenso wie {
verschwindet, so würde sich nach H. Hertz überhaupt keine
magnetische Wirkung ergeben. Die Versuche von Eichen-
wald zeigen demnach, daß nicht die Hertzsche, wohl
316 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
aber die Lorentzsche Elektrodynamik bewegter
Körper die erste Hauptgleichuiig für die hier in
Frage kommenden langsamen Bewegungen richtig
formuliert.
Wir erhalten eine dritte, mit (189) und (189a) gleich-
wertige Form der ersten Hauptgleichung, wenn wir den neuen
Vektor einfahren:
(189 b) §'-§-i[to(S].
Setzen wir dann noch
^-^ + cnrl[a)to] + ttldiT2),
und berücksichtigen, daß nach (166 b) gilt
curl [atn] = — curl [tu 6] + 4ä curl [fßtsi],
und daß man allgemein hat
dir S « 9,
so können wir (189 a) schreiben
(190) cnrl§'=^{|+^).
Der Unterschied der Lorentzschen Theorie von
der Hertzschen gibt sich hier dadurch kund, daß der
„wahre'', aus Leitungsstrom und Yerschiebungsstrom
im bewegten Körper zusammengesetzte Strom bei
Hertz curl ^, bei Lorentz dagegen curl $' bestimmt.
Was die aus der ersten Hauptgleichung fließende Grenz-
bedingung an der Trennungsfläche zweier bewegter Körper
anbelangt, so ergibt sich diese in sehr einfacher Weise.
Schreibt man den Körpern eine endliche Leitßihigkeit und
eine endUche Pokrisationsfähigkeit zu, so muß nach (190) an der
Trennungsfläche der Flächenwirbel von §' verschwinden, d. h.
die tangentiellen Komponenten von $' durchsetzen stetig die
Trennungsfläche. Für den idealen Grenzfall des vollkommenen
Leiters (I, § 72) hingegen, wo ein endlicher Flächenstrom j
als zulässig betrachtet wird, ist dieser Flächenstrom mit dem
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 317
Flächenwirbel von $' Yerknüpft. Da nun ins Innere des voll-
kommenen Leiters das elektromagnetische Feld nicht eindringt^
so bestimmt sich die Dichte des Flächenstromes durch den an
der Oberfläche herrschenden Wert von §' folgendermaßen
(190a) vi-t^'»]-
Dabei ist n ein Einheitsvektor^ welcher die nach dem
Inneren des Leiters weisende Normalenrichtung anzeigt.
Zu der ersten Hauptgleichung steht die dritte
(191) div 3) ^ 9
in enger Beziehung. Schließt man eine endliche Flächendichte
aus, so muß die Flächendivergenz von S verschwinden, d. h,
die Normalkomponente von S muß stetig die betreffende
Trennungsfläche durchsetzen. Läßt man hingegen eine end-
liche Flächendichte (o zu, nämlich bei Körpern, welche das
Feld nicht in ihr Inneres eindringen lassen, so wird
(191a) (o = -(»tt).
Es ist o durch die an der Oberfläche herrschende Normal-
komponente von S bestimmt. An der Oberfläche geladener
bewegter Leiter kommt die Gleichung (191a) und an der
Oberfläche bewegter idealer Spiegel außerdem die Gleichung
(190a) in Betracht. Die tangentiellen Komponenten
von $' sind hier mit der Flächendichte des Leitungs-
stromes, die Normalkomponente von S ist mit der
Flächendichte der wahren Elektrizität verknüpft.
§ 36. Die Eweite Hauptgleieliung.
Die zweite Hauptgleichung der Elektronentheorie (IIa)
enthält überhaupt kein von der Bewegung der Materie oder
der Elektrizität direkt abhängiges Glied. Es gilt demnach im
Falle der Bewegung ebenso wie im Falle der Ruhe die Glei*
chung nb
(192) cnrl« -1^.
318 Zweite! Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Diese Form der zweiten Hauptgleicliung ist nichts anderes
als das Induktionsgesetz, ausgesproclien ftlr ein im Baume
festes Flachenelement; denn es stellt (& die Eraft auf einen
ruhenden, mit der Einheit der Ladung versehenen Probekörper
dar, während die auf der rechten Seite von (192) auftretende
zeitliche Änderung von 8 auf einen festen Baumpunkt sich
bezieht.
Es entsteht nun aber die Frage, ob auch für bewegte
Korper das Faradaysche Induktionsgesetz (ygl. I, S. 390),
welches ja Ton der Erfahrung durchweg bestätigt wird, aus
den Grundvorstellungen der Elektronentheorie sich ableiten
läßt, um dies zu zeigen, müssen wir auf die Grund-
gleichung (V) des § 4 zurückgehen, welche die elektromagne-
tische Kraft f^ bestimmt; es ist in der jetzt angewandten Be-
zeichnungsweise die auf die Eioheit der Ladung wirkende Kraft
Wir betrachten eine Gruppe von Elektronen, welche sich
mit der gemeinsamen Geschwindigkeit H bewegen. Die Mittel-
wertsbildung über ein physikalisch unendlich kleines Gebiet
ergibt dann für diese Elektronengruppe die elektromagnetische
Kraft
(193) ^^i + y M] = « + y [ö«].
Wir setzen wieder wie im vorigen Paragraphen
indem wir unter m die Geschwindigkeit der Materie, unter H'
die Geschwindigkeit der Elektronen relativ zur Materie ver-
stehen. Dann wird
(193a) § = «' + -^[0'»],
wo
(193b) e' = «-fy[lll«]
die Kraft auf eine relativ zur Materie ruhende Einheits-
ladung ist.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 319
Der zweite Term in (193 a) ergibt als Kraft anf die in
der Yolumeinlieit enthaltenen Elektronen der betreffenden
Gruppe:
t[^,»].
Hierdurcb bestimmt sich^ falls nur Leitongselektronen in
Betracht kommen^ anf Grund yon (188 f) die am Leiter an-
greifende ponderomotorische Kraft des magnetischen
Feldes in Übereinstimmung mit I, Gleichung 245c^ S. 411.
Auch kann man^ durch Unterscheidung verschiedener Arten
von Elektronen^ die in starken magnetischen Feldern auf-
tretende^ zur Stromrichtung senkrechte elektromotorische Kraft
des Hall-Effektes (I, S. 242) ableiten. Das geschieht in den
von E. Riecke und P. Drude entwickelten Elektronentheorien
der Metalle (vgl. ü, § 32). Für magnetisierte Körper tritt
im Ausdrucke der ponderomotorischen Kraft curl SR an Stelle
von — f wodurch sich die Äquivalenz von Magneten und elek-
trischen Strömen kundgibt, die in I^ § 81 unter besonderer
Berücksichtigung der ponderomotorischen Kräfte abgeleitet
wurde. Für einen ruhenden Körper von wechselnder elek-
trischer Polarisation endlich ergibt (188f) die ponderomotorische
Kraft pro Volumeinheit
H^'»]
Der Vergleich mit der entsprechenden ponderomotorischen
Kraft der Hertzschen Theorie (I, Gleichung 250a, S. 421)
zeigte daß bei Hertz der gesamte Verschiebungsstrom ^ bei
Lorentz nur der an der Materie haftende Bestandteil desselben
von einer ponderomotorischen Kraft angegriffen wird. Das
hangt damit zusammen^ daß nach Lorentz elektromagnetische
Kräfte überhaupt nur an den Elektronen und nicht an den
von Elektronen leeren Gebieten des Baumes angreifen (vgl. 11^ § 5).
Uns interessiert hier vorzugsweise der erste Bestandteil
des Vektors %, den wir mit d' bezeichneten; die Gleichung
(193 b)^ die ihn bestimmt^ berücksichtigt die Bewegung der
Materie und formuliert das Gesetz der durch Bewegung
320 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
induzierten elektromotorischen Kraft. In der Tat, nach
den Yorstellongen der Elektronentheorie ist ®' die Kraft^
welche an der Einheit der mit dem Körper bewegten Elek-
trizität angreift, nnd durch diesen Vektor bestimmt sich der
Bewegungsantrieb auf die Elektronen, wie er sich für ruhende
Körper durch (& bestimmt. An Stelle der für ruhende isotrope
Leiter geltenden Beziehung i== öü wird demnach für bewegte
Leiter
(193c) i-<y«'
zu setzen sein; es ist eine plausible Annahme, daß die Leit-
föhigkeit ö, wenigstens was Größen erster Ordnung (in dem
Quotienten - — 'j anbelangt, durch die Bewegung des Leiters
nicht geändert wird.
Aus (192) und (193b) folgt
(194) curie'=«-l{^ + curl[»lll]}=-f^.
Die rechte Seite bestimmt die zeitliche Änderung des
Liduktionsflusses durch eine bewegte Fläche; aus der all-
gemeinen Vektorformel (I, Gleichung 122, S. 121) folgt
nänüich mit Rücksicht auf die Grundgleichung (IVb), welche
das Verschwinden des wahren Magnetismus fordert:
Dem Differentialgesetze (194) entspricht demnach das
Integralgesetz der induzierten elektromotorischen Kraft
(194a) fd' dJ = - i- -fdfe,.
Das Linienintegral der im bewegten Leiter wirk*
samen elektrischen Kraft d^ ist gleich der durch c
geteilten zeitlichen Abnahme des umschlungenen
Induktionsflusses.
Die Hertzsche Theorie drückt die zweite Hauptgleichung
etwas anders aus. Sie setzt (I, § 86) bei fehlenden ein-
geprägten Kräften:
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 321
IIB 1 ^'»
cur! S = .-^^7
c dt
oder
ß^'--Trtßf^-
In der Hertzschen Theorie stellt indessen der Vektor d
nicht den elektrischen Zustand des Raumes^ sondern denjenigen
der Materie dar; es wird, auch für einen bewegten Leiter,
der Leitungsstrom dem Vektor Qt proportional gesetzt, also
geschrieben. Wie wir sehen, weicht die zweite Haupt-
gleichung der Lorentzschen Theorie Ton derjenigen
der Hertzschen in ähnlicher Weise ab, wie die erste.
Wie dort §' an Stelle Ton §, so tritt hier ®' an die
Stelle von d. Während aber bei Hertz 6 den Leitungs-
strom im bewegten Körper bestimmt, bestimmt bei
Lorentz ®' den Leitungsstrom. Hinsichtlich der in
bewegten Leitern induzierten Ströme stimmt also die
Lorentzsche Theorie mit der Hertzschen überein. Die
im ersten Bande (§ 84 bis 87) dargelegten Gesetze der Induktion
in Leitern, welche durch Messung der induzierten Ströme ihre
experimentelle Prüfung und Bestätigung gefunden haben, er-
geben sich auch aus den Grundhypothesen der Elektronen-
theorie.
Wie liegt nun die Sache, wenn nicht ein Leiter, sondern
ein Isolator es ist, der sich im magnetischen Felde bewegt?
Kach Hertz ist auch für den bewegten Isolator
ZU setzen, wobei das Hertzsche (S mit dem Lorentzschen V
identisch ist. Die Lorentzsche Theorie würde mit der Hertzschen
hinsichtlich der erregten elektrischen Verschiebung überein-
stimmen, wenn sie dieselbe proportional zu @' setzen würde.
Das tut sie indessen keineswegs. Sie unterscheidet yielmehr
den vom Baume und den yon der Materie beigesteuerten
Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 21
322 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Anteil der elektrischen Versohiebung, entsprechend der Glei-
chung
Nur der an der Materie haftende Teil der elektrischen
Verschiebung, d. h. die Verschiebung der Polarisationselektronen
des Körpers wird durch den Vektor C bestimmt. An Stelle
der für ruhende isotrope Körper geltenden Beziehung
tritt für bewegte Isolatoren
4Äip = (£-l)e',
so daß gemäß (193b) die gesamte elektrischeVerschiebung
in einem bewegten Dielektrikum gegeben wird durch
(194b) 4^» = £« +^^^^ [m»]-
Die experimentelle Prüfung dieser von der Elektronen-
theorie geforderten Beziehung bildete den Gegenstand einer
Arbeit von H. A. Wilson.^) Dieser Forscher ließ einen dielek-
trischen hohlen Zylinder in einem der Achse parallelen magne-
tischen Felde rotieren. Die metallischen Belegungen der inneren
und äußeren Begrenzungsflächen waren durch Gleitkontakte
mit den Quadranten eines Elektrometers verbunden; die innere
Belegung war gleichzeitig geerdet. Die infolge der Rotation
sich herstellende radiale elektrische Verschiebung gibt zu einer
wahren Ladung der Zylinderbelegungen Veranlassung; dieselbe
bestimmt sich auf Grrund von (194b) folgendermaßen: 6, die
Kraft auf die ruhende Einheit der Ladung^ leitet sich aus dem
elektrostatischen Potentiale der freien Elektriziiät ab. An Stelle
von SB kann, da man es bei den Versuchen mit Körpern zu
tun hatte ^ deren magnetische Permeabilität nicht merklich
von 1 verschieden war, § gesetzt werden. Femer ist m senk-
recht zu § gerichtet; sein Betrag ist gleich u- r, wo te die
Winkelgeschwindigkeit, r der Abstand von der Achse ist.
1) H.A.Wilson. London Royal Soc. Trans. Vol. 204 A, S. 121, 1904.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 323
Mithin ist
(194c) 4«», .^±(._l).!^.|^|.
Das zweite Glied wechselt bei ümkehrung des magnetischen
Feldes das Vorzeichen. Ist h die Höhe des Zylinders und e die
Ladung seiner inneren Belegung, a und & die Querschnitts-
radien der äußeren und inneren Belegung, so ist
r hr
Da nun konzentrische Zylinder des Dielektrikums von
derselben Verschiebung e durchsetzt werden, so ergibt die
Integration Ton (194c) zwischen den Grenzen h und a:
oder
(194d) ^^(p,^(p,±E%
wo K die Kapazität des dielektrischen Zylinders ist und
(194e) E' = (l-j-).l^m(a'-n
Die Ladung der Innenseite des äußeren Zylinders ist — 6;
folglich ist + ß die Ladung seiner Außenseite, des mit ihr ver-
bundenen Quadranten des Elektrometers und des Leitungs-
drahtes zusammen; der andere Quadrant ist zur Erde ab-
geleitet. Ist K* die Kapazität dieses ganzen Systems, so hat
man
Hieraus und aus (194d) folgt
(194f) ±jB' = (y,-y0.^i^,
so daß aus der gemessenen Potentialdiflferenz der Quadranten und
den Konstanten des Apparates die Größe E* sich ermittebi und
so die experimentelle Prüfang der von der Elektronentheorie ge-
forderten Beziehung (194 e) sich durchfOhren läßt.
21*
324 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Yorg^ge in wägbaren Körpern.
Die messenden Yersache H. A. Wilsons besiätigen nun
durchaus die Gültigkeit dieser Beziehung; mit der Hertzschen
Theorie hingegen sind sie nicht zu vereinbaren (diese setzt in
(194b) s an Stelle von « -- 1, mithin in (194e) 1 an Stelle
von 1 ]• Wir können also aus den Versuchen von
H. A. Wilson schließen^ daß zwar die Lorentzsche^
nicht aber die Hertzsche Elektrodynamik bewegter
Korper die Beziehung zwischen den Feldstärken und
der elektrischen Verschiebung für die hier in Frage
kommenden langsamen Bewegungen richtig wiedergibt.
Ob eine der Gleichung (194b) entsprechende Beziehung
die magnetische Induktion bewegter, magnetisch weicher Körper
bestimmt; darüber scheint weder theoretisch noch experimentell
etwas bekannt zu sein. Beschränken wir uns auf nicht mag-
netisierbare Körper ^ wo 8 mit ^ identisch ist, so lauten die
in den beiden letzten Paragraphen aus der Elektronen-
theorie abgeleiteten Grundgleichungen der Elektro-
dynamik:
(Ic) curir= Th'-^}'
(Hc) carie' = -i^,
(mc) div » = p,
(IVc) div § - 0.
Dabei sind fQr beliebige Geschwindigkeit In die Vektoren
(&' und $' definiert durch
(195) «'=-« + |[»§J,
(195a) §' = §_i[toe],
C
Ferner sollen i und S> sich folgendermaßen bestimmen:
(195b) i = tf «',
(195c) 4ff3) = « + (6-l)e'=.e«'-i[to#].
Zweites Kapitel. Bewegte Körper; 325
Dabei werden 6 und b als Materialkonstanten betrachtet^
welche, soweit nur Größen erster Ordnung in ^ — 'in Frage
kommen, yon der Geschwindigkeit unabhängig sind. Auf solche
,; langsame Bewegungen '^ allein beziehen sich die Beobachtungen^
von denen bisher die Bede war. Sie haben das soeben zu-
sammengestellte System der Feldgleichungen durchaus be-
stätigt.
Die Hauptgleichungen (Ic) bis (IVc) und die Definitionen
(195, 195 a) sollen den Vorstellungen der Elektronentheorie
gemäß für eine beliebige Geschwindigkeit m der Materie zutreffen.
Aus (IIc) und (IVc) ergibt sich als Grenzbedingung an der
Trennungsfläche zweier bewegter Körper: Der Flächen-
wirbel Ton V und die Flächendivergenz von % sind
gleich Null; d. h. die tangentiellen Komponenten Ton C
und die Normalkomponente von ^ durchsetzen stetig die
Trennungsfläche der beiden Körper.
Diese Ghrenzbedingungen sind, ebenso wie die entsprechenden
für ruhende Körper geltenden, auch dann noch aufrechtzuerhalten^
wenn der eine der beiden Körper ein yollkommener Leiter ist.
Denn auch an der Oberfläche eines solchen ist eine endliche Dichte
des „magnetischen Stromes^^ und des Magnetismus nicht an-
zunehmen (vgl. I, S. 329, 330). Da nun in das Innere eines
idealen Leiters das elektromagnetische Feld nicht eindringt, so
gelten an seiner Oberfläche die Grenzbedingungen: Es y er-
schwindet der Flächenwirbel von @' und die Flächen-
dirergenz von $:
(196) [«'tt]-0,
(196a) (§tt) = 0.
Das sind die an der Oberfläche eines bewegten
vollkommenen Spiegels vorzuschreibenden Grenz-
bedingungen. Es bilden sich an dieser Oberfläche die durch
(190a) und (191a) gegebenen Belegungen von elektrischem
Leitungsstrome und von elektrischer Ladung. Sie sind es,
welche das elektromagnetische Feld abschirmen.
326 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
§ 37. Der Versuch von Fiseau.
Über die Fortpflanzung des Lichtes in strömendem Wasser
ist von Fizean ein Versuch angestellt worden; von Michelson
und Morley wiederholt, stellt dieser Versuch ein Experimentum
crucis dar, welches für die Lorentzsche und gegen die Hertzsche
Optik bewegter Körper entscheidet. Wir wollen nicht ver-
säumen, die Theorie dieses Versuches von dem Standpunkte
der Elektronentheorie aus darzulegen.
Bei den Versuchen gelangten zwei Lichtbündel zur Inter-
ferenz, welche zwei parallele Röhren durchsetzt hatten. Wurde
das in den beiden Röhren enthaltene Wasser in entgegen-
gesetzten Richtimgen in Strömung versetzt, so erfolgte eine
Verschiebung der Literferenzstreifen; aus dem Betrage der Ver-
schiebung konnte die Veränderung der Fortpflanzungs-
geschwindigkeit des Lichtes infolge der Bewegung des Wassers
ermittelt und mit der Theorie verglichen werden.
Es handelt sich also hier um Lichtwellen, welche parallel
der Geschwindigkeitsrichtung, oder in dem entgegengesetzten
Sinne sich fortpflanzen. Wir legen die ;? -Achse in die Be-
In
Wegungsrichtung des Wassers, setzen - — ^ = j3 und betrachten
zunächst einen geradlinig polarisierten Lichtstrahl, in dem die
elektrischen Schwingungen der ^ -Achse, die magnetischen der
^- Achse parallel erfolgen, dessen Strahlrichtung mithin in die
;2?- Achse fällt. Man hat nach (195) und (195a)
(197) e;=«.-^§y, §;=§y-^«..
Handelt es sich um ein dispersionsfreies Medium, dessen
Brechungsindex sich aus der Maxwellschen Relation bestimmt,
so kann die elektrische Verschiebung ® auf Grund von (195 c)
berechnet werden. Zieht man aber die Dispersion des Wassers
in Betracht, so hat man die Polarisation ^ auf Grund der Ansätze
des § 29 zu berechnen. Die Verschiebung der Polarisations-
elektronen bestimmt sich natürlich hier mit Rücksicht auf die
Bewegung nicht durch (&, sondern durch @'; dementsprechend gilt
(197a) 4ä» - e = ix^ - (w'2 - 1) «'.
Zweites Kapitel. Bewegt Körper. 327
Dabei ist vi der Brechungsindex in dem mhenden Körper^
genommen für die SchwingungszaU v\ \xi welcher die Elek-
tronen des bewegten Mediums wirklich schwingen; aus der
Ton einem ruhenden Beobachter wahi^enommenen Schwingungs-
zahl V bestimmt sich diese auf Grund des Dopplerschen Frin-
zipes^ bei Yernachlässigung Ton Ghrößen der Ordnung j3'; zu:
(197b) ^' = ^(l_^).
Dabei ist w^ die Geschwindigkeit der Wellen in dem be-
wegten Wasser, welche wir suchen.
Die beiden Hauptgleichungen (Ic) und (IIc) des vorigen
Paragraphen ergeben
^ ^ dz c dt ^ dz c dt
Die hier auftretenden Differentialquotienten nach der Zeit
sind die von einem mitbewegten Punkte aus beurteilten. Die Fort-
pflanzung der Wellen, relativ zum bewegten Wasser, mag nun
durch den komplexen Faktor zur Darstellung gebracht werden:
Wird dann noch die mit Bücksicht auf die Dispersion
verallgemeinerte Beziehimg für die elektrische Verschiebung
eingeführt; welche aus (197a) folgt:
(198a) 4^3) = « + (w'«- 1) e\
so erhalten wir aus (198) und (197)
oder
(199) { ,
328 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Die Elimination von S« ^uid $y ergibt für w' die quadra-
tische Gleichung
(•««•) ("T+|4(t)-15P-o,
ans der sich die gesuchte Relativgeschwindigkeit der Licht-
wellen gegen das strömende Wasser folgendermaßen bestimmt:
Da es sich um Strömungsgeschwindigkeiten des Wassers
handelt^ die klein gegen die Lichtgeschwindigkeit sind, so
kann man zweite und höhere Potenzen von ß streichen.
Alsdann wird
(200) '"'-^ ^
c n' n"
die Relativgeschwindigkeit der Lichtwellen gegen das
strömende Wasser. Die Geschwindigkeit der Lichtwellen,
welche ein ruhender Beobachter wahrnimmt, ist demnach w'\ wo
(200.) <_S.' + /!-i+/l(l-i).
Nach der Hertzschen Theorie würde die Relativgeschwindig-
keit der Wellen gegen das strömende Wasser dieselbe sein,
wie gegen ruhendes Wasser. Die Wellen würden bei der Be-
wegung einfach mitgeführt werden. Nach der Lorentzschen
Theorie ist das nicht der Fall; infolge der Bewegung des
Wassers wird die Geschwindigkeit des parallel sich fort-
pflanzenden Lichtes nicht um |||||, sondern nur um einen
Bruchteil von {ml vermehrt. Der Paktor fl r») ^ Glei-
chung (200a), der dieses anzeigt, wird der „Presnelsche
Fortführungskoeffizient*^ genannt. Fresnel war es, der
zuerst die Annahme ruhenden Äthers vertrat, welche dann
von H. A. Lorentz der elektromagnetischen Optik bewegter
Körper zugrunde gelegt wurde. Nach Lorentz entspricht der
Fortführungskoeffizient durchaus dem Faktor (l J in der
Formel (194 e), welche der Theorie der Versuche von H. A. Wil-
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 329
son zugrunde liegt; er rührt^ wie wir gesehen haben^ daher^
daß nur der an der Materie haftende Bruchteil der elektrischen
Verschiebung durch die Bewegung der Materie im magnetischen
Felde beeinflußt wird. Die Versuche von Fizeau^ Michelson
und Morley, welche die Gültigkeit jenes Ausdruckes für den
FortfÜhrungskoefflzienten bewiesen haben^ zeigen, Tom elektro*
magnetischen Standpunkte aus gedeutet^ daß auch in den rasch
wechselnden Feldern der Lichtwellen jene durch (198 a) formu-
lierte Beziehung für die elektrische Verschiebung zutrifft. Sie
legen dafür Zeugnis ab, daß die Gbimdgleichungen der Elektro-
dynamik, zu denen die Elektronentheorie führt, auch die Optik
bewegter Körper umfassen.
unter n' ist, wie erwähnt, für ein dispergierendes Medium
der Brechungsindex zu yerstehen, welcher der Frequenz v'
entspricht. Aus (197 b) erhalten wir daher
JL^_J^ J_dn vßc
v3 n n* dv w' '
wo n der Brechungsindex des Wassers ist, welcher der von einem
ruhenden Beobachter wahrgenommenen Farbe zukommt. Da es
bei der gewählten Näherung erlaubt ist, in den mit dem Faktor ß
behafteten Gliedern w' und -7 durch n zu ersetzen, so wird
Gleichung (200 a)
(200b) ,."-i,+^(l-i + ^§|).
Diese Formel rührt von H. A. Lorentz her.^) Bewegt
sich das Medium den Lichtwellen entgegen, so ist selbst-
verständlich hier — ß statt ß zu setzen.
§ 38. Der Druck der Strahlung auf bewegte Fl&ohen.
Wir haben bereits in § 5 dieses Bandes von dem elektro-
magnetischen Lichtdruck gesprochen. Die Gesetze des Licht-
druckes sind von grundlegender Bedeutung fär die thermo-
dynamische Theorie der Wellenstrahlung. Wir dürfen daher
1) H. A. Lorentz. Theorie d. elektr. n. opt. ErBch. in bewegten
Körpern. Leiden 1895, S. 102.
330 Zweiter AbBchnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
nicht Tersänmeii; diese Gesetze hier zu entwickehi; auch dürfen
wir uns nicht auf rahende Flachen beschranken^ sondern wir
müssen die Betrachtangen aaf bewegte Flächen ausdehnen.
Zwei Arten von Flächen sind es, die in der Strahlungs-
theorie eine Bolle spielen: Die Tollkommen schwarzen
und die Yollkommen spiegelnden Flächen. Beide Arten
von Flächen lassen die Lichtwellen nicht in ihr
Inneres eindringen. Die schwarze Fläche gibt nicht
zur Bildung reflektierter Wellen Veranlassung; sie ver-
wandelt die Energie der auffallenden Strahlung vollständig in
Wärme oder in Arbeit des StrahlungsdruckeS; die Bewegungsgröße
der auffallenden Strahlung in mechanische BewegungsgroBe
des eingeschlossenen Körpers. Die vollkommen spiegelnde
oder vollkommen ^^blanke'^ Fläche hingegen verwandelt
nicht den geringsten Bruchteil der auffallenden Strah-
lung in Wärme. Die Energie des einfallenden Lichtes findet
sich; soweit sie nicht in Arbeit des Strahlungsdruckes an der spie-
gelnden Fläche verwandelt ist, in dem reflektierten Lichte wieder;
die Bewegungsgrößen des einfallenden und des reflektierten Lich-
tes bestimmen den Betrag des Strahlungsdruckes. Flächen von
solchen Eigenschaften finden sich als Oberfiächen wirklicher
Körper in der Natur nur angenähert realisiert. Auch die besten
Spiegel sind nicht voUkommen blank, und die im auffaUenden
Lichte schwärzesten Flächen sind nicht absolut schwarz. Lnmer-
hin ist die Idealisierung, welche sich die Theorie erlaubt, in-
dem sie von vollkommen blanken oder vollkommen schwarzen
Flächen spricht, nicht bedenklicher, als die Annahme starrer
Körper in der Mechanik, idealer Gase oder idealer verdünnter
Lösungen in der Thermodynamik. Diese Idealisierung ermög-
licht es, sich bei der Ableitung der Strahlungsgesetze von den
individuellen Eigenschaften der Körper unabhängig zu machen.
In der Tat sind die Entwickelungen der folgenden Paragraphen
unabhängig von jeder besonderen Hypothese über die Zahl
und die Eigenschaften der Moleküle und der Elektronen. Sie
beruhen allein auf den Gh*undhypothesen der Elektronentheorie,
welche in den Grundgleichungen (I bis Y) ihre mathematische
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 331
Formulierung gewonnen haben. Die Grenzbedingungen an
der Oberfläche des vollkommenen Spiegels ^ welche wir am
Schlüsse des § 36 aufgestellt hatten, gelten für beliebige
Geschwindigkeiten des Spiegels, wenn anders jene Grund-
gleichungen die Einwirkung der Leitungdelektronen des Spiegels
auf die elektromagnetischen Vorgänge im Baume richtig for-
mulieren.
Wie bereits in § 5 erwähnt wurde, bestimmt sich gerade
für Yollkommen schwarze und Tollkommen spiegelnde Flächen
die ponderomotorische Kraft des Feldes vollständig durch den
in Gleichung (17) angegebenen Vektor
{ n ist ein der äußeren Normalen v paralleler Einheitsvektor } .
Diese Flächenkraft ist nichts anderes, als die auf die
Flächeneinheit bezogene Besultierende der Maxwellschen Span-
nungen. Würde es sich um einen Körper handeln, in dessen
Inneres das elektromagnetische Feld eindringt, so würde, wie
in § 5 dargelegt wurde, bei der Berechnung der resultierenden
elektromagnetischen Kraft noch die zeitliche Änderung der im
Körper enthaltenen elektromagnetischen Bewegungsgröße in
Bechnung zu setzen sein. Für solche Körper jedoch, die von
absolut schwarzen oder blanken Flächen umschlossen sind, fällt
dieses Glied der resultierenden Kraft fort. Die resultierende
Ejraft des elektromagnetischen Feldes ergibt sich durch Inte-
gration der Flächenkraft 2 über die Oberfläche des ruhenden
Körpers.
Wie ändert sich nun der Wert der Flächenkraft, wenn
der Körper in Bewegung begriffen ist? Dann erhalt die Flächen-
kraft einen Zuwachs, da Bewegungsgröße infolge der Bewegung
aufgefangen wird. Ist m die Geschwindigkeit des betreffenden
Punktes der schwarzen oder blanken Fläche, so ist die von
dem Flächenelemente df bei seiner Bewemmsc in der Sekunde
aufgefangene elektroma^etische Bewegun^größe
Uly • g • df.
332 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Diesen Zuwachs erfahrt die an df angreifende elektro-
magnetische Kraft durch die Bewegung des Flächenelementes.
Es folgt für die auf die bewegte Flächeneinheit be-
zogene Kraft des Strahlungsdruckes
(201)
2'= 2 + ».8.
Aus (17) und (18) erhalten wir den Ausdruck des Vek-
tors S' durch die elektromagnetischen Vektoren
(201a) %%%! - 2« . «, + 2# . ^, - n(«« + ^2) + i^ [«^].
Für einen bewegten Körper, der von einer absolut schwarzen
oder blanken Fläche begrenzt ist^ ergibt sich die resultierende
Kraft der Strahlung durch Integration von S' über die Ober-
fläche.
Wir wollen den erhaltenen Ausdruck noch etwas um-
formen. Wir gehen dabei aus von der Identität
(202) m, • [«^].+ «.[^m] + ^.[md] = n(tti[«§]).
Diese beweist man^ indem man die Komponente nach
irgendeiner Richtung nimmt^ die man mit der a;-Achse zu-
sammenfallen lassen kann. Es ist
^v\_^^'\x + «.[§ttijx + §v[tti«];. ==
Diese Determinante jedoch ist gleich
lOy lOy K«
^v %y ^»
cos {yx)
V^x )9y ttl«
'X
§x %y %,
nx(m[Ǥ]),
d. h. gleich der o?- Komponente der rechten Seite von (202).
Drückt man nun den letzten Term in (201a) in der durch
(202) angezeigten Weise aus, so erhält man
(202a) 8;rr- 2«'«, + 2#'§. - n{«^ + #* -| (»[«§]));
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 333
wo <S' und $' die in den Hauptgleichungen (Ic und II c) des
§ 36 für bewegte Körper auftretenden Vektoren sind:
(203) «'-« + f[m§], ^'»^-^[tti«].
Da nun gilt
(203a) «C =. e« - I (»[«#]),
(203b) ^§' = r-|(tt[«^]),
80 erhalten wir
(204) 8?rr- 2«'«. + 2§'#, - n{««'+ #§'}
als allgemeinen Ausdruck der elektromagnetischen
Flächenkraft durch die elektromagnetischen Vek-
toren.
Handelt es sich um eine bewegte schwarze Fläche ^ so sind
für a und § die Feldstärken der einfallenden Wellen zu setzen;
denn reflektierte Wellen sind hier definitionsgemäß ausgeschlossen.
Anders bei dem bewegten Spiegel. Hier erfolgt die Reflexion
SO; daß an allen Punkten der spiegelnden FUiche die Gbenz-
bedingungen (196) und (196a) erfüllt sind, welche das Ver-
schwinden der tangentiellen Komponenten von & und der
Normalkomponente von § verlangen. Aus $y = und (vgl.
Formel tf in Bd. I, S. 437)
= [«[«'n]] = «'«. - n(ß(Sf)
folgt nun
(204a) 8jrX'-n {««'-§§'}
oder auch, mit Rücksicht auf (203 a; b)
(204b) 8jrr = n{«*-#M-
Diese beiden letzten Formeln bestimmen die
Flächenkraft des elektromagnetischen Feldes auf
einen beliebig bewegten Spiegel. Da n ein der äußeren
Normalen paralleler Einheitsvektor ist, so ist die Flächenkraft
%' stets senkrecht zur spiegelnden Fläche gerichtet. Es übt
334 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
der Strahlungsdruck keine tangentiellen Kräfte auf
die Yollkommen spiegelnde Fläche aus.
Die Formel (204b) ist insofern bemerkenswert, als in
derselben die Bewegung des Spiegels explizite nicht auftritt;
Für einen ruhenden Spiegel erhält man jene Formel, indem
man den Faradayschen Längszug der zur leitenden Fläche
normalen elektrischen Kraftlinien und den Querdruck der tan-
gentiellen magnetischen Kraftlinien (I, § 89) zusammenfügt. Für
einen bewegten Spiegel ist diese Deutung nicht zulässig; hier
tritt S' an Stelle von %, auch ist nicht (&, sondern @' der
Vektor, welcher die Kraft auf die Einheit der am Leiter
haftenden Elektrizität anzeigt, und der daher senkrecht zur
yollkommen leitenden Fföche gerichtet sein muß. Dennoch
ist der formale Zusammenhang des Lichtdruckes mit den Feld-
stärken nach (204b) für den bewegten Spiegel der gleiche, wie
für den ruhenden. Natürlich sind die Werte der Feldstärken
an der Spiegeloberfläche ihrerseits von der Bewegung des
Spiegels abhängig.
Wir betrachten zunächst ebene Wellen, die senkrecht
auf einen ruhenden ebenen Spiegel fallen. Die Spiegelebene
werde als (y;8f)-Ebene gewählt. Die Feldstärken ^, ^^ der
einfallenden Welle seien parallel der (—y) -Achse bzw. der
;sr-Achse, diejenigen der reflektierten Welle (B^, §^ parallel
der y -Achse bzw. der ;8f -Achse. Da für diese ebenen Wellen
(205) -«ly=§l., «2y=#2.
ist, und da an der spiegelnden Fläche die Grenzbedingung
vorgeschrieben ist
6y = 6ly + ©ay = 0,
SO folgt
^*= §lz+ ^2z= 2§i^,
und daher
Es findet sich demnach der normale Lichtdruck
auf den ruhenden Spiegel bei senkrechter Inzidenz
des Lichtes
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 335
(206) P-t^l-W^l+^l]
gleich der doppelten Energiedichte der einfallenden
Welle.
Wir gehen jetzt zum bewegten Spiegel über; die Be-
wegung erfolgt parallel der äußeren Normalen n, die jetzt
mit der a;-Achse zusammenfallt; d. h. entgegen den einfiedlenden
Wellen. Die Beziehungen (205) gelten auch jetzt noch, aber
die Gbenzbedingung ist eine andere; es soll die tangentieUe
Komponente des durch (203) definierten Vektors <S' ver-
schwinden. Setzen wir — = /J, so folgt aus
= «;= «t,- ß^,= (Bi,- ß^i.+ «2,- ߧi.
mit Btlcksicht auf (205)
(207) ^,,= §,,.1±|.
ferner wird (204b)
(207a) 8ä2' ^ - n§J{l - ß^).
Da nun, gemäß (207), gut
SO folgt *^
(207b) S7tZ'^-n'4^l^^'
Der Druck des senkrecht einfallenden Lichtes
auf den ihm entgegen bewegten Spiegel wird hiernach
(208) y=l..^J,.l±|=^.^J.
Er wird durch die Bewegung des Spiegels im Verhältnis
1 + /} : 1 — /J gesteigert und wird unendlich, wenn der Spiegel
sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Eine Bewegung
des Spiegels mit Lichtgeschwindigkeit der auf-
fallenden Strahlung entgegen erfordert unendliche
Arbeitsleistung und ist daher physikalisch nicht
realisierbar*
Die Arbeitsleistung gegen den Druck der Strahlung
bringt eine Steigerung der Amplituden des reflektierten Lichtes
336 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
mit sich; welche durch (207) gegeben ist. Man überzeugt
sich unschwer davon; daß die erhaltenen Ergebnisse mit dem
Energiesatze und dem Impulssatze in Übereinstimmung sind.
Wir woUen indessen hierauf an dieser SteUe nicht eingehen.
Weiter unten (§ 40) werden wir das Problem der Licht-
reflexion durch einen bewegten Spiegel für den allgemeineren
Fall schiefer Inzidenz behandeln; und gerade die Impuls-
gleichungen und die Energiegleichung werden dort an die
Spitze gestellt werden.
Abb. 5.
§ 39. Der relative Strahl,
In der elementaren Theorie der Aberration bestimmt man
die Richtung des relativen Strahles bekanntlich folgender-
maßen. Man denkt sich den Strahl durch eine Öfihung
tretend; und; nach Durch-
laufung der Strecke OP, im
Aufpunkte P eintreffend. Der
in P befindliche Beobachter
und der Schirm; dessen Öff-
nung ist; mögen die ge-
meinsame konstante Trans-
lationsgeschwindigkeit 10 be-
sitzen. Dann ist die Öfihung
zu der Zeit; wo das Licht in P eintrifft; bereits nach 0' ge-
langt (vgl. Abb. 5); und der Beobachter; der von der Bewegung
keine Kenntnis besitzt; wird O^P als Strahlrichtung bezeichnen.
Die Richtung des relativen Strahles ist hiernach die-
jenige des Vektors
(209) c' - c - tti;
der die Relativgeschwindigkeit von Licht und Be-
obachter darstellt. Schon Bradley erklarte durch diese
vom Standpunkt der Emissionstheorie des Lichtes ohne
weiteres einleuchtende Konstruktion die Aberration des Fix-
stemlichtes infolge der ümlaufsbewegung der Erde; der diese
ümlaufsbewegung darstellende periodische Teil der Erd-
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 337
• ^^^^
geschwindigkeit 10 gibt zu einem periodischen Wechsel der
Richtung des relativen Strahles^ und damit zu einer jährlichen
Periode der scheinbaren Örter der Fixsterne Veranlassung.
Zunächst wollen wir einige Beziehungen ableiten^ die sich
aus dem Dreieck der Vektoren t, tn, (' ohne weiteres ergeben.
Der Betrag von c' ist
(209a) c'^cyi + ß^-2ßcoa(p, /J = L!«Ü.
Auch hat man
(209 b) - = cos X - /J cos i;,
(209c) ^^-l-/Jcosg).
Ist o der räumliche Öffiiungswinkel eines in P sich ver-
einigenden Strahlenbündels, so entspricht ihm im relativen Strahlen-
gange der Ofi&iungswinkel (o^, der sich folgendermaßen bestimmt
^OICW ® dcosq> sing) dq>
^ ^ ©'"^dcosip sinip dip
Das leuchtet sofort ein, wenn man P als Anfangspunkt
eines Systemes von Polarkoordinaten betrachtet, dessen Achse
durch die Richtung von 10 gegeben ist. Der Strahlenkegel der
relativen Strahlen liegt dann zwischen denselben Meridian-
ebenen, wie derjenige der absoluten Strahlen, er erscheint nur
zwischen zwei andere Breitenkreise verlegt.
Aus dem Dreieck der Abb. 5 folgt nun
folglich
Da femer
sin op c'
Sin ap c ^
sinaj ^ |to| ^ o
sinip c
hier als Eonstante zu betrachten ist, so gilt nach (209 b)
1 ^t 1 /» cosip c'
dip ^ COS% CC08 %
und folghch
(210a)
(D c"
©' c* cos %
Abraham, Theorie der Elektrizität, ü. 22
838 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Eöipem.
•
Der Begriff ^^ Strahl '^ ist nicht nur ein geometrischer,
sondern auch ein physikalischer; der Betrag des Strahlyektors
oder die ^^Strahlung^ wird gemessen durch die auf Zeiteinheit
und Flacheneinheit bezogene Wärmeentwickelung in einer
senkrecht zur Strahlrichtung gestellten schwarzen Flache.
Wir haben in diesem Werke bisher nur von der ^^absoluten
Strahlung^' 8 gesprochen^ die durch eine ruhende, senk-
recht zu S (oder () gestellte sdlwarze Flache definiert ist.
Es bestimmt (vgL § 5) — gleichzeitig die in der Sekunde auf
den Quadratzentimeter fallende Bewegungsgröße des Lichtes
oder die Kraft des Lichtdruckes auf die schwarze Flache. Der
absoluten Strahlung stellen wir jetzt die ^^relatiye Strah-
lung'' 5' gegenüber; diese wird gemessen durch die Wärme-
entwickelung, welche in der Sekunde im Quadratzentimeter
einer zur relativen Strahlrichtung (d. h. zu (') senkrechten
bewegten schwarzen Fläche stattfindet. Sie berechnet sich
folgendermaßen:
Die Energiemenge, die in der Sekunde durch die
Flächeneinheit einer im Baume zu (' senkrechten, bewegten
c
(gedachten) Fläche hindurchtritt, ist 5-—; wir können diese
c
auch als „relativen Energiestrom'' bezeichnen, um die
Wärmeentwickelung in der schwarzen Fläche zu bestimmen,
haben wir noch die Arbeitsleistung des Lichtdruckes zu sub-
trahieren. Die in der Sekunde auf die Flächeneinheit auffallende
Bewegungsgröße ist ^ ihre Richtung ist diejenige des ab-
soluten Strahles; sie gibt die Druckkraft der Strahlung auf
die schwarze Fläche an. Folglich ist die Arbeitsleistung
des Strahlungsdruckes ^(loS), und daher die relative
Strahlung
(211) s'=^fif-i;(ip®)-
Da es sich hier um ebene Wellen handelt, bei denen S
parallel zu t ist, so wird mit Rücksicht auf (209)
(211a) S'=^;(c'@) = S^'cosz.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 339
Auf Grund von (210a) können wir auch schreiben
(211b) 7^ = Ä-
Verstehen wir jetzt unter dem „relativen Strahle" einen
Vektor <S', dessen Richtung diejenige von (' und dessen Betrag
die relative Strahlung S' ist; so erhalten wir aus (211a) ohne
weiteres den für ebene Wellen gültigen Ausdruck von €'
(211c) ®' = ^(c'@).
Wir Collen dieser synthetischen Ableitung des relativen
Strahles eine analytische gegenüberstellen^ indem wir von dem
allgemeingültigen Ausdruck von <S' durch die elektromagne-
tischen Vektoren ausgehen. Für ebene Wellen gelangen wir
auf diesem Wege zur elektromagnetischen Begründung der
obigen Konstruktion der relativen Strahlrichtung.
Der absolute Strahl wird bestimmt durch den Poyntingschen
Vektor
(212) . «=^[«^];
derselbe gibt den Energiestrom durch eine ruhende Fläche an.
Der relative Energiestrom nach einer durch v gekenn-
zeichneten Richtung ist
(212a) @^_tt^2.{««+^.},
er stellt die Energiemenge dar, welche in der Sekunde durch
den Quadratzentimeter einer bewegten, senkrecht zu v gestellten
(gedachten) Fläche im Räume hindurchtritt (vgl. § 14, Glei-
chung 76 b).
Die auf die Flächeneinheit berechnete Kraft des Strahlungs-
druckes ist durch (201a) gegeben. Handelt es sich um die
relative Strahlung auf bewegte materielle Flächen, so ist
die Arbeitsleistung der Flächenkraft %' von (212a) zu sub- *
trahieren. Da n jetzt nicht, wie im vorigen Paragraphen, der
von der Fläche fortweisenden, sondern der nach ihr hin-
weisenden Normale v parallel ist, so ist die Arbeitsleistung
22*
340 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
des Strahlungsdruckes an der bewegten Fläche zu
schreiben
(212 b) (tt 10 = - ^ {2«, (tt «) + 2§, (IP §) - IP, («» + §«)
Die Differenz von (212a) und (212b) ist es, die sich als
Wärmeentwickelung in einer senkrecht zu v gestellten, be-
wegten schwarzen Fläche kundgibt. Wir verstehen unter der
„relativen Strahlung^' parallel der durch v gekenizeichneten
Richtung eben diese Differenz:
®»+ Ä{®» (*®) + ^r(p^) - »,(«*+ ^*)+ V (»[®^]))-
Wir können hiernach die relative Strahlung nach
irgendeiner Richtung auffassen als Komponente des
Vektors
(213) S'= @ + ^[« (HP«) + ^ (tti§) _ K (r + §«)
Dieser Vektor ist der relative Strähl.
Wir wollen an Stelle der Vektoren 6, ^ die durch (203)
definierten Vektoren 6' und $' einführen; wir berechnen deren
äußeres Produkt
(213a) [«'§'] = [«^] -|[«[H.«]]-|[#[tti^]]
+ |r[[tte],[tt^]]-
Nach Begel (d) und (y) der Formelzasammenstelluiig in
Bd. I, S. 437 ist:
[§[»§]] = »§*-^(tt§)
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 341
Demnach ergibt sich, wenn man (213a) mit — multi-
pliziert^ ein Vektor, der mit (213) identisch ist. Es ist also
der allgemeine Ausdruck des relativen Strahles durch
die elektromagnetischen Vektoren
(213b) «' = ^ [«'§']•
Die Komponente dieses Vektors nach irgendeiner
Richtung zeigt die Wärmeentwickelung in einer senk-
recht zu dieser Richtung gestellten, mit beliebiger
Geschwindigkeit bewegten schwarzen Fläche an. Die
Kormale derjenigen Stellung .der schwarzen Fläche, welche
maximaler Wärmeentwickelung entspricht, ist der physikalischen
Definition des Strahles gemäß die relative Strahlrichtung.
Wir haben den Nachweis zu erbringen, daß f&r ebene
Wellen die zu Beginn dieses Paragraphen gegebene elementare
Ableitung des relativen Strahles aus (213b) hervorgeht.
Für eine ebene, geradlinig polarisierte Welle bilden Ge-
schwindigkeit (, elektrische und magnetische Feldstärke eia
Tripel aufeinander senkrechter Richtungen. Man hat; da die
Betrage der beiden Feldstärken einander gleich sind,
Aus (203) und (209) folgt
Demnach wird der relative Strahl
was nach Regel (d) und (y) in Bd. I, S. 437 übergeht in
oder
(213e) €'-^;(t'®).
342 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Damit sind wir^ Ton der elektromagnetischen Definition
(213b) des relativen Strahles ausgehend, für ebene Wellen zu
(211c) zurückgelangt. Wir sehen, daß S' parallel der Relativ-
geschwindigkeit (' des Lichtes gegen die auffangende Flache
ist, daß mithin die elementare Konstruktion der rela-
tiven Strahlrichtung auch vom Standpunkte der Lo-
rentzschen Theorie die richtige ist. Gleichzeitig erhalten
wir den Ausdruck (211a) bzw. (211) für die relative Strahlung
ebener Wellen wieder.
Die Konstruktion des relativen Strahlenganges beruht
wesentlich auf der Voraussetzung, daß die Lichtfortpflanzung
im BAume durch die Bewegung der Körper nicht beeinflußt
wird. Die von dieser Konstruktion ausgehende Aberrations-
theorie fußt demnach auf der Annahme „ruhenden Äthers '^
Die Annahme, daß der Äther sich nicht mit der Erde
bei ihrem Umlauf um die Sonne mitbewegt, war es, die
Fresnel der Aberrationstheorie zugrunde legte. Im Gegensatze
hierzu nahm Stokes an, daß der Äther von der Erde mit-
geführt wird; hier werden die Gesetze der Aberration des
Fizstemlichtes nur durch äußerst komplizierte und willkürliche
Hypothesen über die Bewegung des Äthers in der Umgebung
der Erde gewonnen. Von den elektromagnetischen Theorien
entspricht die Hertzsche der Stokesschen, die Lorentzsche der
Fresnelschen. Die Erklärung der Aberration vom Standpunkte
der Hertzschen Elektrodynamik bewegter Korper aus begegnet
ähnlichen Schwierigkeiten, wie die Stokessche auf der elastischen
Lichttheorie fußende Erk^rung. Vom Lorentzschen Stand-
punkte aus erklärt sich die Aberration ganz ungezwungen; es
ist eben die Bewegung der Erde gegen das universelle, durch
die Gesetze der Lichtfortpflanzung definierte Bezugssystem,
welche die jährliche Periode der relativen Strahlrichtungen
bedingt. Anderseits gibt die Hertzsche Theorie ohne weiteres
von der Tatsache Rechenschaft, daß die elektromagnetischen
und optischen Vorgänge, welche «sich ausschließlich an der
Erdoberfläche abspielen, genau so verlaufen, wie in einem
ruhenden Systeme. Die Ghnindvorstellungen der Elektronen-
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 343
theorie hingegen legen die Vermutung nahe^ daß die ümlaufs-
bewegung der Erde auch diese Erscheinungen beeinflußt und
daß es möglich sein sollte, durch elektrodynamische oder
optische Versuche im Laboratorium die jeweilige Richtung der
Erdbewegung festzustellen. Daß dies nicht der Fall ist, beruht
nach H. A. Lorentz auf einer merkwürdigen Kompensation der
Wirkungen; wir kommen später hierauf zurück (§ 42 bis 44).
§ 40. Die Beflezion des Lichtes durch einen bewegten
Spiegel*
Wir behandeln in diesem Paragraphen das Problem der
Reflexion des Lichtes durch einen in gleichförmiger Trans-
lationsbewegung begriffenen, vollkommen blauken Spiegel. Wir
gehen dabei aus von der Lorentzschen Theorie, der einzigen,
auf die eine präzise Lösung des Problems^ sich hat begründen
lassen.^) Wir könnten dabei in ähnlicher Weise vorgehen, wie
es im § 3.8 für den Fall senkrechter Lizidenz geschah, wo
neben den Gesetzen der Lichtfortpflanzung im Baume die an
der spiegelnden Fläche vorgeschriebene Grenzbedingung heran-
gezogen wurde. Wir ziehen es indessen vor, die allgemeinen
Impulssätze und den Energiesatz zugrunde zu legen. Auf
diese Weise treten die Voraussetzxmgen, auf denen die gegebene
Lösung beruht, deutlicher hervor: Es ist erstens die Gbund-
hypothese der Elektronentheorie, daß die Lichtfortpflanzung
im Baume durch die Bewegung der Körper (hier des
Spiegels) nicht beeinflußt wird. Zweitens die Annahme
einer Bewegungsgröße der Lichtwellen, welche der Bich-
tung nach durch den absoluten Strahl ))estimmt, dem Betrage
nach dem Quotienten aus der Energie und der Geschwindig-
keiten des Lichtes gleich ist; diese Annahme kommt schon
bei der Ableitung des Lichtdruckes auf ruhende Fachen ins
Spiel. Drittens endlich die Eigenschaft des idealen Spiegels,
die in § 38 abgeleitet wurde, keiner scherenden Druckkraft
M. Abraham, Boltzmann- Festschrift, S. 86. 1904. Ann, d. Phys.
(4) 14. S. 236. 1904.
344 Zweiter Abschnitt« Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Eörpem.
des Lichtes ausgesetzt zu sein. Diese dritte Voraussetzung
kanu; wie sich zeigen wird^ auch durch das Huyghenssche
Prinzip ersetzt werden.
Wir legen die (y^) -Ebene in die Spiegelebene^ die a: -Achse
weise nach außen« Es bezeichnen /)ar> ßyy ß» die durch c geteil-
ten Komponenten der Translationsgeschwindigkeit des Spiegels.
Es seien — c^ und + «^ die Cosinus der Winkel, welche die
absoluten Strahlrichtungen der einfallenden und der reflektierten
Welle mit der o;- Achse einschließen. Das Licht sei mono-
chromatisch^ und es seien v^ bzw« v^ die Schwingungszahlen
der einfallenden und reflektierten Wellen an einem im Baume
festen Punkte; 1/ hingegen sei die Schwingungszahl an einem
Punkte des bewegten Spiegels. Dem Dopplerschen Prinzip
(§ 14) zufolge sind die Schwingungszahlen v und 1/ der an
einem festen und einem bewegten Punkte gezählten Lichtwellen
durch die allgemeine Beziehung verknüpft
(214) ~^l-ßcoa(p.
Dabei ist q> der Winkel des absoluten Strahls gegen die
Bewegungsrichtung. Diese Formulierung des Dopplerschen
Prinzips gut sowohl daon, wenn der Beobachter sich bewegt,
als auch wenn die Lichtquelle sich bewegt, falls unter v jedes-
mal die Schwingungszahl an einem absolut ruhenden Punkte
yerstanden wird. Aus (214) folgt nun ohne weiteres
(214a) ^ == 1 - /J cos g?i, ^ = 1 - /} cos g?j
und daher bestimmt sich die Schwingungszahl des reflektierten
Lichtes folgendermaßen:
(214b)
v^ 1 — • ^ cos qpj
Vi 1 — ^ cos qpj
Es sind S^ und ^2 die absoluten Strahlungen des ein-
fallenden und des reflektierten Lichtes, d. h. die Energiemengen,
die in der Sekunde durch die Flächeneinheit ruhender, zur ab-
soluten Strahlrichtung senkrechter Flächen treten. Für schief
gestellte und bewegte Flächen ist die durch die Flächeneinheit
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 345
tretende Energiemenge der zur Fläche normalen Komponente
der Relatiygeschwindigkeit proportional. Die Normalkom-
ponenten der Belatiygeschwindigkeit sind für die einfallenden
bzw. reflektierten Wellen in der gewäMten Bezeichnung
c(«i + ßx) bzw. c(a^ — ß^).
Demnach sind die auf den Spiegel fallenden bzw. von ihm
ausgesandten Energiemengen, berechnet auf Flacheneinheit
und Zeiteinheit
Äi(^ + /Jx) bzw. fii(a2-/J^)
und die Vektoren der auffallenden bzw. entsandten Bewegungs-
große
^ («X + ß.) bzw. ^ («, - /}.).
Die am Spiegel angreifende Flächenkraft des Strah-
lungsdruckes ist gleich der vektoriellen Differenz der in der
Sekunde einfallenden und reflektierten Bewegungsgröße
(215) r-^K+^«)-^(«,-/}.).
Da eine Wärmeentwickelung nach der Deflnition des voll-
kommenen Spiegels ausgeschlossen ist, so kann Energie an
den Spiegel nur in Form von Arbeitsleistung des Strah-
lungsdruckes abgegeben werden. Man erhält demnach
(215a) (HP X') = 8,(0,+ ß.,) -S,{a,- /},).
Nach (215) ist aber
(in!') = Si/J cos g), (a, + ß^,) - S^ß cos (p^ (oj- ß^).
Man erhält also
(215b) 8,{a, + ß,) (l-ß cos (p,) - S^ (cc^-ßx) (1-/3 cos g>;).
Es treten hier wieder die auch in den Ausdruck des
Dopplerschen Prinzipes (214 b) eingehenden Gbößen auf^ deren
Bedeutung uns bekannt ist. Es sind
c (1 — /} cos g>,) bzw. c (1 — /S cos y^)
die Geschwindigkeiten^ mit denen ein Punkt des bewegten
Spiegels sich senkrecht gegen die LichtweUen bewegt, oder,
346 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
anders ausgedrückt, die Geschwindigkeiten, mit denen die
Lichtwellen über einen im Spiegel festen Punkt fortstreichen.
Es sind femer
)/i— «1* bzw. yi— «2*
die Sinus der Winkel, welche die absoluten Strahlrichtungen
mit der Spiegelnormalen einschließen. Demnach sind die Ge-
schwindigkeiten, mit denen die Schnittgeraden der
Wellenebenen längs der spiegelnden Ebene forteilen:
c(l — /JcosyJ c (1 — ^ cos y,)
Das Huyghenssche Prinzip^) verlangt nun, daß diese
beiden Geschwindigkeiten, mit denen die Spuren der ein-
fallenden und der gespiegelten Wellen längs der Spiegelebene
forteilen, einander gleich seien. Es bestimmt die Richtung
des reflektierten Strahles aus dieser Forderung
(2iQ\ l-ßcoatp^ 1-/3 cos 9, ^
es verlangt femer, daß der reflektierte absolute Strahl in der
Einfallsebene liegt.
Aus der Beziehung (216) und der aus der Energie-
gleichung und der Impulsgleichung gewonnenen (215b) folgt
nun:
(216a) O^S,(a,+ ß,)YT^^---S,(a,^ß,)yr=^.
Hier steht rechts nichts anderes, als die mit c multi-
plizierte, in die Spiegelebene fallende Komponente der Flächen-
kraft 2' des Strahlungsdmckes (vgl. 215). Wir haben damit
aus dem Huyghensschen Prinzip abgeleitet, daß der Strahlungs-
druck senkrecht zur Ebene des idealen Spiegels wirkt.
Wir hätten umgekehrt auch von der Forderung ausgehen
können, daß der Strahlungsdruck keine scherende Komponente
besitzt; wir hatten dies ja im § 38 aus der Elektronentheorie
abgeleitet. Da alsdann die tangentiellen Komponenten der
1) Vgl. hierzu: F. Hasenöhrl. Wien. Ber. 113, S. 488, 1904; Ann.
d. Phys. (4) 16, S. 344, 1904.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 347
auffallenden und reflektierten Bewegungsgroße einander gleich
sein müssen^ so folgt ohne weiteres ^ daß der gespiegelte
absolute Strahl in einer Ebene mit dem einfallenden Strahl
und der Spiegelnormale liegt und daß die Differenz (216 a)
der in die Spiegelebene fallenden Komponenten der auffallenden
bzw. entsandten Bewegungsgröße gleich Null ist; hieraus und
aus (215b) folgt alsdann die Beziehung (216), welche das
Huyghenssche Prinzip formuliert. Wir sehen also: Das
Huyghenssche Prinzip und die Forderung, daß die
Kraft des Strahlungsdruckes auf die Spiegelebene keine
tangentielle Komponente besitzt, sind einander voll-
kommen äquivalent.
Es ist
1 - jj cos 9i = 1 + jj;, «1 ± yi - «1« . yW+ß?7
1 - jj cos g?g = 1 - jJ;,«^ ± yi-«8* • Vß7+W'
Hieraus und aus (216) folgt
1 4- ß^ a, 1 — /5^ a,
(216b) 7*^" ' J^'
Man sieht, daß die Richtung des reflektierten Strahles
nur von der normalen Komponente der Spiegel-
geschwindigkeit abhängt. Bewegt sich der Spiegel in
seiner Ebene, so erfolgt die Reflexion des Lichtes genau so,
wie am ruhenden Spiegel.
Mit Bücksicht auf (216) und (216b) können wir jetzt die
Formel (214b), welche das Dopplersche Prinzip enthält,
folgendermaßen schreiben:
(217) ^=1^-
Auch die Schwingungszahl des reflektierten
Lichtes hängt nur von der normalen Komponente der
Spiegelgeschwindigkeit ab.
Was den normalen Lichtdruck anbelangt, so folgt
aus (215)
(218) i)'=-2'. = y(Ä,ai(a,-t-/l.)-f;S,«, («,-/}.)).
348 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Er ist bestimmt; wema man die Richtung und den Betrag
der reflektierten Strahlung kennt. Letzterer aber bestimmt
sich aus dem Dopplerschen Prinzip (214 b) und der durch
Vereinigung der Energiegleichung und Impulflgleichung ge-
wonnenen Beziehung (215b) folgendermaßen:
Die in der Sekunde auf den Spiegel fallenden und
die von ihm im reflektierten Lichte entsandten
Energiemengen verhalten sich wie die entsprechenden
Schwingungszahlen.
Wie aus (216b) folgt ^ liegen die Kosinus cc^, cc^ der
Wellennormalen gegen die Spiegelnormale in den einander
zugeordneten Intervallen
Die Grenzen entsprechen dem im relativen Strahlengange
streifenden^ bzw. dem senkrecht einfallenden und reflektierten
Strahle. Sieht man von dem ersteren Grenzfalle ^ wo nach
(218) der Strahlungsdruck Null ist, ab, so gilt
«1+ «2 > 0.
Infolgedessen gestattet es die Identität
(i+/j««x»)»(i-o-(i- /».««)* (i-«i')
= («1 -H «,) {2/3x- 2/3, «1«,+ (1 + /3.») («1- «,)},
aus (216 b) die Gleichung abzuleiten
(220) 2/3. -2ß^tt^a,+ (l + ßj) («^ - «^) = 0.
Aus dieser Beziehung ergeben sich zwei neue Formehi,
die beide zur Bestimmung des Reflexionswinkels dienen können:
(220a) IZ^ = ^ + ^'
(220b)
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 34g
Aus der letzten Gleichung^ im Verein mit (216b), folgt:
(220c) ^+£^^Z£.
Diese Beziehung fuhrt zu einer sehr einfachen Kon-
struktion der Bichtung des reflektierten Strahles, falls der
Spiegel sich senkrecht zu seiner Ebene bewegt. Alsdann sind
Zähler und Nenner in (220 c) nichts anderes, als die durch c
geteilten Komponenten der Belativgeschwindigkeit des ein-
fallenden bzw. des reflektierten .Lichtes gegen den Spiegel.
Bewegt sich der Spiegel senkrecht zu seiner Ebene,
so gilt das Beflexionsgesetz: Im relativen Strahlen-
gange ist der Beflexionswinkel dem Einfallswinkel
gleich. Im allgemeinen Falle gilt dieses Gesetz für
den relativen Strahlengang, den ein nur an der Be-
wegung des Spiegels senkrecht zu seiner Ebene teil-
nehmender Beobachter wahrnimmt.
Aus der absoluten Geschwindigkeit q des einfallenden
Lichtes bestimmt sich die Belatiygeschwindigkeit r^' gegen den
bewegten Spiegel nach der Konstruktion des vorigen Para-
graphen. Aus derselben Konstruktion (Abb. 5) kann man, wenn die
Bichtung der Belativgeschwindigkeit t^^ des reflektierten Strahles
gegen den Spiegel bekannt ist, die absolute Geschwindigkeit r^
desselben finden, deren Betrag c ja ein^ftlr allemal gegeben ist.
Bewegt sich der Spiegel senkrecht zu seiner Ebene,
so schließen, wie wir fanden^ die Vektoren — r^' und r^' den
gleichen Winkel mit dem Vektor tu ein, man hat demnach
Da femer der Vektor tu beiden Dreiecken gemeinsam und
die Längen der den Winkeln f^ bzw. ^^ gegenüberliegenden
Seiten gleich c sind, so findet sich Xi^ Xif ^- ^ der Winkel,
den der relative und absolute Strahl miteinander ein-
schließen, ist der gleiche für das einfallende und das
reflektierte Licht. Dabei ist, wenn die Bewegung des
Spiegels in Bichtung der äußeren Normalen erfolgt, der
1
350 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Einfallswiiikel im relativen Strahlengange um x^ kleiner als
im absoluten^ und der Reflexionswinkel im absoluten Strahlen-
gange um X2 kleiner als im relativen^ so daß der Reflexions-
winkel im absoluten Strahlengange um
Zi + Za =" 2%,
kleiner ist^ als der Einfallswinkel. Erfolgt dagegen die Be-
wegung des Spiegels in entgegengesetztem Sinne^ so ist im
absoluten Strahlengange der Reflexionswinkel um 2%^ großer
als der Einfallswinkel. Bewegt sich der Spiegel schief zu
seiner Ebene^ so kann man den reflektierten absoluten Strahl
in derselben Weise bestimmen^ indem man nur den zur Spiegel-
ebene senkrechten Bestandteil von tu berücksichtigt. Dagegen
der unter Berücksichtigung des gesamten tu bestimmte relative
Strahlengang befolgt in diesem allgemeinen Falle keine einfach
auszusprechende Regel; der Reflexionswinkel ist hier im all-
gemeinen nicht gleich dem Einfallswinkel. Nur im Falle
einer Bewegung parallel der Spiegelebene liegt die
Sache wieder sehr einfach; wie im absoluten^ so ist auch im
relativen Strahlengange in diesem Falle der Reflexionswinkel
dem EinfaUswinkel gleich.
Handelt es sich um ein einfallendes Lichtbündel^ dessen
Strahlenkegel im absoluten Strahlengange den körperlichen
Winkel cd^ einschließt^ so bestimmt sich der Öfi&iungswinkel g»^
des gespiegelten Strahlbündels am einfachsten aus (220 a).
Man findet
©2 dcc^ /o^-ft*^
was nach (220b) und (217) ergibt
(221) ? = ©"•
Die von einem absolut ruhenden Beobachter wahr-
genommenen Öffnungswinkel des einfallenden und
des gespiegelten Strahlbündels verhalten sich wie die
reziproken Quadrate der beobachteten Schwingungs-
zahlen.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 351
Aus (219) folgt übrigens durch Einführung von (217)
und (220b)
(222) I - (^)^
Die absoluten Strahlungen verhalten sich wie die
Quadrate der Schwingungszahlen.
Infolge der genannten Relationen geht (218) über in
oder, gemäß (220 a); in
(223) p =. ,(i_^^.,
Das ist der Betrag des normalen Strahlungs-
druckeS; bei schiefer Inzidenz des Lichtes. Bei senk-
rechter Inzidenz wird die Gleichung (208) des § 38 wieder
erhalten. Auch bei schiefer Inzidenz wird der Strah-
lungsdruck unendlich für ßx= 1, d. h. wenn der Spiegel
sich senkrecht zu seiner Ebene mit Lichtgeschwindig-
keit bewegt. Fällt auf die Vorderseite des Spiegels eine
noch so geringe Strahlung, so kann sich der Spiegel senkrecht
zu seiner Ebene nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Be-
merkenswert ist der Gegensatz zum Falle des bewegten Elek-
trons , wo Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit keineswegs aus-
zuschließen war.
§ 41. Die Temperatur der Strahlung.
Die strahlende Wärme ist far die Ökonomie des Weltalls
von der größten Bedeutung; sind es doch die Sonnenstrahlen^
die alle Bewegung und alles Leben auf der Erde unterhalten.
Wenn anders die Hauptsätze der mechanischen Wärmetheorie
überhaupt eine allgemeine Gültigkeit besitzen^ so müssen sie
nicht nur auf die in dem materiellen Körper enthaltene^ sondern
auch auf die strahlende Wärme Anwendung finden. Daher
hat schon B. Clausius bei der Begründung der Thermodynamik
die thermischen Wirkungen der Strahlung in Betracht ge-
352 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
zogen^ und 6. Eirchlioff ist bei seinen für die StraMungs-
theorie grandlegenden Untersuchungen von der Gültigkeit des
Gamot-Clausiusschen Prinzipes für die Licht- und Wärme^
Strahlung ausgegangen. Wir wollen in diesem Paragraphen
die Folgeinmgen entwickeln, welche sich aus der Anwendung
der Thermodynamik auf die WeUenstrahlung ergeben.
Wir denken uns ein Bündel unpolarisierten Lichtes von
dem kleinen Öfl&iungswinkel cj. Durch eine senkrecht zur
Achse des Bündels gestellte Fläche messen wir die Strahlungs-
intensität S] bei Lichtstrahlen im engeren Sinne könnten wir
die Lichtstärke photometrisch messen, wir denken uns hier
jedoch stets die Strahlungsintensität bolometrisch, d. h. durch
ihre thermische Wirkung gemessen. 8 ist bereits auf die Ein-
heit der auiS'angenden Fläche berechnet; es erweist sich femer
als zweckmäßig, sie auf die Einheit des körperlichen Winkels
zu beziehen und die Strahlung spektral zu zerlegen. Wir
nennen oo
(224) I ^jHdv
die „gesamte Helligkeit'^ des Strahlbündels und H die
Helligkeit der spektral zerlegten Strahlung oder die „Hellig-
keit^' schlechtweg. Beobachtet man ein monochromatisches
Lichtbündel, oder auch ein aus verschiedenfarbigem Lichte
zusammengesetztes, in verschiedenen Entfernungen von der ent-
sendenden Fläche, so nimmt die Strahlungsintensität S um-
gekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung von der
leuchtenden Fläche ab; in demselben Maße aber nimmt der
körperliche Winkel cd ab, unter welchem die leuchtende Fläche
gesehen wird. Die Helligkeit jeder Farbe und auch ihr über
das ganze Spektrum erstrecktes Integral ändert sich bei der
freien Fortpflanzung des Lichtes im Baume nicht.
Mit M. Planck^) werden wir den Vorgang der ungestörten
Lichtfortpflanzung im Räume, da er sich durch passend ge-
wählte Hohlspiegel oder Linsen rück^gig machen läßt, als
1) M. Planck. Ann. d. Phyß. (4) 1, S. 719, 1900; 3, S. 764, 1900.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 353
umkehrbaren Vorgang im Sinne der Thermodynamik betrachten.
Da bei einem omkelurbaren^ ohne Arbeitsleistung verlaufenden
Vorgänge die Temperatur sich nicht ändert^ so erscheint es
sachgemäß^ einer bestimmten Helligkeit monochromatischer
Strahlung in eindeutiger Weise eine bestimmte Temperatur
zuzuordnen. Es können hiemach zwei Lichtquellen^ z. B. die
Sonne und eine ÖllampC; dieselbe Lichtstärke ergeben^ während
die „ Helligkeiten *', entsprechend den verschiedenen Öffiiungs-
winkeln der Lichtbündel, ganz verschiedene sind. Der weit
größeren Helligkeit des Sonnenlichtes entspricht eine weit
höhere Temperatur. Dabei brauchen die Temperaturen der
einzelnen im Lichtbündel vertretenen Farben im allgemeinen
nicht die gleichen zu sein. Die Temperatur jeder einzelnen
Farbe aber bleibt bei der freien Fortpflanzung des Lichtes
konstant.
Es erscheint hiemach unzulässig, thermodynamische Be^
trachtungen auf streng ebene Wellen anzuwenden; denn für
verschwindenden Öfl&iungswinkel o wird bei endlicher Strah-
lungsintensität die Helligkeit nach (224) unendlich. Li der
Tat würde ja eine endliche Strahlung pro Flächeneinheit eine
unendliche Gesamtemission der unendlich entfernten Licht*
quelle voraussetzen, was wir ausschließen müssen. Es kann
zwar der Öfihungswinkel co sehr klein, aber niemals gleich
Null angenommen werden. Ebensowenig ist es vom Stand-
punkte der Thermodynamik aus gestattet, von streng mono-
chromatischem Lichte zu reden; denn eine endliche Strahlungs-
intensität in einem verschwindenden IntervaUe von Schwingung«-
zahlen würde unendliche Helligkeit H, d. h. unendliche Tempe-
ratur ergeben; unendliche Temperatur bedeutet aber in der
Thermodynamik freie Verwandelbarkeit in Arbeit. Auf die
Energie streng periodischer elektrischer Wellen ist demnach
der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, welcher die Ver-
wandelbarkeit in Arbeit einschränkt, überhaupt nicht an-
zuwenden. Von den rein periodischen langen Wellen sind die
kurzen, durch ihre leuchtende und wärmende Wirkung sich
kundgebenden Wellen gerade dadurch unterschieden, daß sie
Abraham, Theorie der Elektrizität, n. 23
354 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
nicht streng monochromatiscli sind. Jede ^^natürliche'^ Strah-
lung^ z. B. diejenige einer Spektrallinie^ erfüllt ein zwar kleines^
aber doch von Null verschiedenes spektrales Intervall von
Schwingongszahlen. Gerade die Anwesenheit einer großen
Zahl von Partialwellen, welche in regelloser Weise miteinander
interferieren^ ist nach M. Planck diejenige Eigenschaft der
^^natürlichen Strahlung", welche die Anwendung der Thermo-
dynamik ermöglicht. Wenn wir im folgenden von „mono-
chromatischem Lichte" reden, so verstehen wir darunter stets
solches, dessen Schwingungszahlen ein kleines, aber doch von
Null verschiedenes Intervall dv erfüllen.
Es entspricht der von uns durchweg zugrunde gelegten
Auffassung, daß wir die Strahlung S durch eine absolut
ruhende Fläche gemessen denken, und ebenso unter co den
Öfi&Lungswinkel des Kegels der absoluten Strahlrichtungen
verstehen. Dementsprechend bezieht Gleichung (224) auch die
Helligkeit auf das universelle Bezugssystem, welches unsere
Grrundgleichungen postulieren. Wie die Energie und die Be-
wegungsgroße der Lichtwellen, so ist auch ihre Helligkeit und
ihre Temperatur durch die Eigenschaften des ,y absoluten
Strahles^' bestimmt.
Um nun den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik für
die Ermittelung der Beziehung zwischen Helligkeit und Tempe-
ratur fruchtbar zu machen, müssen wir einen reversibeln, mit
Arbeitsleistung verbundenen Vorgang angeben, bei welchem
die Helligkeit der Strahlung verändert wird. Ein solcher Vor-
gang ist der im vorigen Paragraphen behandelte, nämlich die
Beflexion eines Lichtbündels durch einen bewegten voll-
kommenen Spiegel; wir überzeugen uns unschwer davon, daß
derselbe umkehrbar im Sinne der Thermodynamik ist.
Wir stellen zu diesem Zwecke zwei Vorgänge einander
gegenüber. Bei dem ersten sei S^ die absolute Strahlung,
(Dl der kleine Öfi&iungswinkel des einfallenden monochromap
tischen Lichtbündels, dv^ sei die Breite des Intervalles der
Schwingungszahlen; a^ sei der Kosinus des Winkels, welchen
die Achse des Bündels mit der Spiegelnormale einschließt. Durch
Zweites Kapitel, Bewegte Körper. 355
(224a) S^^S^o^dvj^
ist sodann die Helligkeit j^^ des einfallenden Bündels definiert.
Bei dem ersten der betrachteten Yor^nge soll nun ßx positiv
sein^ d. h. der Spiegel soll sicli dem einfallenden Lichte ent-
gegen bewegen. Dabei wird von äußeren Kräften gegen den
Strahlungsdruck eine gewisse Arbeit geleistet. Aus (216 b)
bestimmt sich der Kosinus a^ des Reflexionswinkels; der Re-
flexionswinkel ist kleiner als der Einfallswinkel. Nach (217)
wird die Schwingungszahl des Lichtes bei der Reflexion ver-
größert und gemäß (222) die absolute Strahlung im Verhältnis
des Quadrates der Schwingungszahlen verstärkt. Da nach (221)
der Ofl&iungswinkel des Bündels im umgekehrten Verhältnis
des Quadrates der Schwingungszahlen verringert wird^ so ist
(225) §p^^.^^(^)\
Dabei ist, wie aus (217) hervorgeht, das VerMltnis v^iv^
bei gegebener Bewegung des Spiegels ein konstantes, so daß
man hat
dp^ y,
dPi v^
Demgemäß wird
(226) I - @'.
Die Helligkeiten der beiden Bündel verhalten
sich wie die dritten Potenzen der Schwingungszahlen.
Dem soeben betrachteten Vorgange, bei dem a^ der Ko-
sinus des Reflexionswinkels war, stellen wir jetzt einen zweiten
Vorgang gegenüber; hier soll der Einfallswinkel denjenigen
Wert besitzen, den vorher der Reflexionswinkel besaß. Wie
der Wert von ccg, so soUen jetzt auch die Werte von Vj, S^^
E^ und (Dg, die bei dem ersten Vorgange dem reflektierten
Bündel zukamen, jetzt dem einfallenden Bündel zugeschrieben
werden. Gleichzeitig soll die Bewegung des Spiegels in ent-
gegengesetzter Richtung vor sich gehen, derart, daß ßx einen
dem Betrage nach gleichen, dem Vorzeichen nach aber entgegen
28*
356 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
gesetzten Wert annimmt. Setzen wir dementsprechend — ßx
an Stelle von ßx and den Index 2 an Stelle des Index 1, so
bleibt (216 b) erfüllt, wenn a^ jetzt der Kosinus des Reflexions-
winkels ist Wie der Reflexionswinkel des zweiten Vorganges
gleich dem Einfallswinkel des ersten ist^ so ist nach (217) die
kleinere Schwingnngszahl v^ jetzt diejenige des reflektierten
Bündels. Folglich sind nach (219) die in der Sekunde um-
gewandelten Mengen strahlender Wärme die gleichen wie
vorher; die Umwandlung geschieht indessen in entgegen-
gesetztem Sinne. Die gleiche Arbeit ^ die vorher gegen den
Strahlungsdruck geleistet wurde, wird nunmehr von ihm ge-
leistet. Im thermodynamischen Sinne gesprochen macht also
der zweite Vorgang den ersten rück^ügig. Die Reflexion
eines Lichtbündels durch einen bewegten voll-
kommenen Spiegel ist ein reversibler Prozeß.
Den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf die in der
Sekunde umgewandelten Wärmemengen anwendend, erhalten wir
(227) ^i(^i+Px) _ S,{a,^ß^ ^
Dabei sind «d*^ und ^^ die Temperaturen der beiden
monochromatischen Lichtbündel, gemäß der thermo-
dynamischen Definition der absoluten Temperatur.
Aus (227) in Verbindung mit der aus dem Dopplerschen
Prinzip und der Energie- und Impulsgleichung abgeleiteten
Relation (219) folgt
(227a) d^iid^^^v^iv^.
Die Temperaturen der beiden Lichtbündel ver-
halten sich wie ihre Schwingungszahlen.
Hieraus und aus (226) ergibt sich
(227 b) fli:fi2--'^i':V-
Die Helligkeiten der beiden monochromatischen
Bündel verhalten sich wie die dritten Potenzen der
absoluten Temperaturen. An Stelle von (225) aber können
wir schreiben
(227 c) H^dv^iE^dv^:^ -Ö-i* : d'^\
Zweites Kapitel. Bewegte Körper« 357
Wir postulierten nnn^ daß einem jeden monocliromatisclien
Lichtbündel eine Temperatur zugeordnet werde, welche ein-
deutig durch seine Farbe und Helligkeit bestimmt ist. Die
geforderte universelle Beziehung muß, wie fOr jedes Licht-
bündel, so auch für die beiden oben betrachteten gelten. Die
Relationen (227 a, b) schränken die Form dieser universellen
Beziehung ein; die allgemeinste, ihnen genügende Bestimmung
der Temperatur ist:
(228) » = vf{§^>
WO f eine willkürliche Funktion ist. Wir können dafür auch
schreiben
(228a) H^&''g(^y
Damit haben wir das thermodynamische Gesetz
der Wellenstrahlung erhalten.
Die beiden Relationen (227 a) und (227 b), aus denen das
Gesetz sich ergibt, mögen als Yerschiebungsgesetz und
Yerstärkungsgesetz bezeichnet werden. Das Yerschiebungs-
gesetz (227 a) ordnet bei der Yergleichung der Helligkeiten,
die zwei verschiedenen Temperaturen entsprechen, zwei ver-
schiedene Farben einander zu, deren Schwingungszahlen im
Yerhaltnis der Temperaturen stehen. Das Yerstärkungsgesetz
(227 b) besagt sodann, daß die Helligkeiten der einander so
zugeordneten Farben sich verhalten, wie die dritten Potenzen
der absoluten Temperaturen. Ist für eine gegebene Temperatur
empirisch die Helligkeit in ihrer Abhängigkeit von der
Schwingungszahl gegeben, so ist diese Abhängigkeit durch
das thermodynamische Strahlungsgesetz (228 a) für jede andere
Temperatur bestimmt.
Das Yerstärkungsgesetz hat zuerst L. Boltzmann^) ab-
geleitet, indem er einen von Bartoli angegebenen Ejreisprozeß
verwandte und den Marwellschen Lichtdruck einführte. Er
erhielt es nicht in der Form (227 b), sondern in derjenigen
Form, die aus (227c) hervorgeht, wenn man zwei Lichtbündel
1) L. Boltzmann. Ann. d. Fhys. 22, S. 291, 1884.
358 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
betraclitet^ in denen alle Farben die gleiche Temperatur d-^
bzw. '9*2 besitzen. Es wird gestattet sein^ solches Licht^ in
welchem alle Farben vertreten sind; und zwar mit der gleichen
Temperatur y als ,, weißes Licht'^ zu bezeichnen. Vergleicht
man die Gesamthelligkeiten zweier weißer Lichtbündel, so wird
00 00
(228 b) rffi di/j : rffj dv^ = ^^^ : d'^K
Die gesamten Helligkeiten zweier Bündel weißen
Lichtes verhalten sich wie die vierten Potenzen ihrer
absoluten Temperaturen. Das ist das Gesetz^ welches
zuerst von Stefan als empirisches Gesetz aufgestellt und danU;
wie erwähnt, von Boltzmann theoretisch begründet wurde.
Die Gleichung (227 c) übertragt das Stefan -Boltzmaunsche
Gesetz auf zwei monochromatische Lichtbündel.
Das Yerschiebungsgesetz wurde zuerst von W.Wien
angegeben.^) Doch vermochte dieser Autor es nicht, den Zu-
sammenhang desselben mit dem Dopplerschen Prinzip und dem
Strahlungsdrucke in einwandsfreier Weise zu formulieren. Das
gelingt in der Tat nur dann, wenn man von einer präzisen
Losung des Problemes der Lichtreflexion durch einen bewegten
Spiegel ausgeht. Auf dem hier verfolgten, zuerst vom Ver-
fasser dieses Werkes eingeschlagenen Wege erhält man das
Verschiebungsgesetz und das Verstärkungsgesetz mit einem
Schlage; ihr Zusammenhang mit den Prinzipien der elektro-
magnetischen Mechanik tritt bei dem gegebenen Beweise
deutlich hervor. Wir durften uns nicht mit der Lösung des
Beflexionsproblemes für den Fall senkrechter Inzidenz ebener
Wellen begnügen, weil die Kenntnis des Verhältnisses der
Offhungswinkel der beiden Lichtbündel zur Ermittelung des
Verhältnisses der Helligkeiten erforderlich war und das Ver-
hältnis der Öfi&Lungswinkel (221) durch Differentiation von a^
nach Ui erhalten wird. XTm diese Differentiation ausführen zu
1) W. Wien. Berliner Sitzungsber. 1893, S. 66. Ann. d. Phys. 52,
S. 132, 1894.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 359
können, muß das Beflexionsproblem für den Fall schiefer
Inzidenz gelöst sein.
Wie man sieht, ergibt sich das thermodynamische Gesetz
der natürlichen Strahlung aus den allgemeinen Eigenschaften
der elektromagnetischen Strahlung auf Grund des thermo-
dynamischen Temperaturbegriffes. Das Gesetz ist auf jede be-
liebige natürliche Licht- und Wärmestrahlung anzuwenden, wie
sie auch immer entstanden sein mag. Die so bestimmte
Temperatur der Strahlung ist aber im allgemeinen durchaus
nicht mit der Temperatur des strahlenden Körpers identisch.
Wir müssen die Beziehungen, die zwischen der Temperatur
des emittierenden Körpers und der Temperatur der entsandten
Strahlung bestehen, hier kurz erläutern, da auf ihnen die Yer-
gleichung der strahlungstheoretischen und der gewöhnlichen
gastheoretischen Temperaturskala beruht.
Natürliches Licht kann auf zwei wesentlich yerschiedene
Weisen entstehen: Durch reine Temperaturstrahlung und
durch Luminiszenz. Die reine Temperaturstrahlung ist ein
rein thermischer Vorgang. Die Energie der Wellen entstammt
dem Wärmevorrat des emittierenden Körpers und ist durch
seine Temperatur bestimmt; chemische und elektrische Yor-
^Lnge spielen bei dieser Art der Emission nicht mit. Bei der
Luminiszenz hingegen spielen Vorgänge nicht thermischer Natur
mit, und demgemäß ist die entsandte Strahlung nicht aus-
schließlich durch die Temperatur der Lichtquelle bedingt.
Daher kann bei den Vorgängen der Luminiszenz von einer
aUgemeingültigen Beziehung zwischen den Temperaturen der
Lichtquelle und der Strahlung keine Bede sein. Man hat ire-
fanden, daß zu den auf Luminiszenz beruhenden Vorgarn
die Emission der Linienspektra gehört. Die Temperatur des
Lichtes der Spektrallinien gestattet daher durchaus keinen
Bückschluß auf die Temperatur des entsendenden Körpers.
Für die reine Temperaturstrahlung lassen sich Be-
ziehungen zur Temperatur des leuchtenden Körpers aus der
Thermodynamik ableiten. Man denke sich einen Hohlraum,
dessen Wände reine Temperaturstrahler sind; diese Wände
360 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
seien auf einer gegebenen Temperatur d gehalten. Nach dem
Clausiusschen Axiome müssen sich in diesem Systeme ^ da
andere als rein thermische Vorgänge ausgeschlossen sind; die
Temperaturen ausgleichen; es muß sich schließlich ein ther^
mischer Gleichgewichtszustand herstellen ^ bei welchem alle
Teile des Systemes die gleiche Temperatur %• besitzen. Das
gilt nicht nur von der Temperatur der materiellen Körper, die
man etwa in den Hohlraum bringen mag, sondern auch von
der Temperatur der den Hohlraum erfüllenden Strahlung selbst.
Die Temperatur der Hohlraumstrahlung ist gleich der
Temperatur der Wände. Ein im Innern des Hohlraumes
befindlicher Beobachter würde von allen Seiten Licht der
gleichen Helligkeit und der gleichen spektralen Zusammen-
setzung empfangen. Die Helligkeit muß sich der Temperatur
des Hohlraumes so zuordnen, wie es das thermodynamische
Strahlungsgesetz (228 a) fordert. Die Temperatur aller Farben
muß die gleiche sein, so daß das Licht als ;,weiß^^ in dem
oben angegebenen Sinne zu bezeichnen ist. Könnte man sich
in das Innere eines Hohlraumes begeben, dessen Wände so
stark erhitzt sind, daß sie infolge ihrer Temperatur leuchten,
so könnte man das thermodynamische Strahltingsgesetz experi-
mentell prüfen, wenigstens in demjenigen Temperaturbereiche,
in welchem eine auf der gastheoretischen Skala beruhende
Temperaturmessung möglich ist.
Da es nun aus naheUegenden Gründen unmögUch ist,
sich in einen derartig erhitzten Hohlraum hineinzubegeben, so
hat man einen Kunstgriff angewandt; derselbe war nicht so
selbstverständlich, wie er uns jetzt erscheinen mag; er besteht
darin, daß man in die Wand des Hohlraumes ein kleines Loch
bohrt und durch dieses hineinblickt. Dieser Gedanke ist
zuerst von L. Boltzmann^) ausgesprochen und später von
0. Lummer und W.Wien^) durchgeführt worden. Ist die Öff-
nung des Hohlraumes hinreichend klein, so stört sie die Her-
1) L. Boltzmann. Ann. d. Phys. 22, S. 36, 1884.
2) 0. Lummer nnd -W.Wien. Ann. d. Phys. 56, S. 451, 1895.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 361
Stellung des thermischen Gleichgewichtes im Hohlräume nicht;
die entsandte Strahlung ist dann diejenige ^^ weiße Strahlung'^;
welche der Temperatur des Hohlraumes entspricht. Die
experimentelle Untersuchung der Hohlraumstrahlung
durch 0. Lummer und E. Pringsheim^) hat sowohl das
auf die GcEiamtstrahlung bezügliche Stefan-Boltz-
mannsche Yerstärkungsgesetz, als auch das Yer-
Schiebungsgesetz durchaus bestätigt Von einer Be-
stätigung kann natürlich nur so weit die Bede sein^ als die
auf den Gasgesetzen beruhende Temperaturskala sich realisieren
läßt. Bei Temperaturen oberhalb 1150 ^<]! stoßt die Anwendung
der gastheoretischen Skala auf Schwierigkeiten. Hier ist diese
Skala durch die strahlungstheoretische Temperatur-
skala zu ersetzen^ welche sich auf das thermodynamische
Strahlungsgesetz gründet.
Die experimentelle Untersuchung der aus dem Hohlräume
heraustretenden Strahlung hat nicht nur zur Bestätigung des
thermodjnamischen Strablungsgesetzes (228 a) geführt; sondern
auch zur Bestimmung der dort noch willkürlich gelassenen
Funktion der Yariabeln ( — j • Die Messungen^ an denen haupt-
sächlich 0. Lummer und E. Pringsheim; H. Rubens und F. Eurl-
baum^ sowie F. Paschen Anteil haben, sind von M. Planck^)
durch die Formel zur Darstellung gebracht worden:
(229) H^^' ^
mit den Werten der Konstanten Je und h:
(229 a) Ä = 1,346. 10-'*-^
(229 b) Ä = 6,55 • 10 - *' erg • sec.
Die theoretische Begründung, welche Planck seiner Formel
gegeben hat, stützt sich auf diejenigen Hypothesen über die
1) 0. Lummer und E, Pringsheim. Ann. d. Phys. 68, S. 896, 1897.
8, S. 169. 1900. Vgl. auch 0. Lummer, Congrös international de physique.
IL S. 41. Paris 1900. .
2) M. Planck. Ann. d. Phya. 4, S. 658, 1901.
362 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vor^^nge in wägbaren Körpern.
Wärmebewegung der Moleküle^ die in der kinetischen Oas-
theorie ihren Ausdruck finden; sie verknüpft die universeUe
Konstante Tc aufs engste mit der sogenannten Boltzmann-
Drudeschen Konstanten a^ d h. der mittleren lebendigen
Kraft eines Moleküles bei der absoluten Temperatur 1. Planck
findet^)
(229c) «=»!* = 2,02. 10-^«^.
Für sehr hohe Temperaturen und sehr lange Wellen,
d. h. für kleine v und große -O", geht (229) über in
(229 d) H^21c^~
Diese Formel hat H. A. Lorentz^) gewonnen, indem er
Yon der Elektronentheorie der Metalle (§ 32) ausging und fUr
eine dünne Schicht eines Metalles die Emission langwelliger
Wärmesteahlen durch die in Zickzackbahnen sich bewegenden
Elektronen bestimmte; indem er anderseits die Absorption langer
Wellen in der Metallschicht aus der elektrischen Leitfähigkeit
berechnete, was nach den Ergebnissen von E. Hagen und H. Ru-
bens (ygL I, § 71) gestattet ist, konnte er den Quotienten aus
Emissionsyermögen und Absorptionsyermögen ermitteln, der nach
dem Kirchhoffschen Gesetze für alle reinen Temperaturstrahler
den gleichen Wert besitzt und eben durch die Helligkeit H be-
stimmt ist (ygl. unten). Bei der Lorentzschen Ableitung hat also a
direkt die Bedeutung der mittleren lebendigen Kraft eines freien
Elektrons im Metalle. Mit der Boltzmann-Drudeschen Konstanten
ist der Wert der Masse eines Wasserstoffatomes eng yerknüpft,
und dieser wieder hängt mit dem elektrischen Elementar-
quantum zusammen (ygL § 1). So kann denn aus der Kon-
stante lo der Strahlungsformel der Wert des elektrischen
Elementarquantums ermittelt werden. Es ergibt sich nach
Planck
1) M. Planck. Ann. d. Phys. 4, 664, 1901.
2) H.A.Lorentz. Akad. yanWetenscb. de Amsterdam 11. 1903, S. 787.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 363
(230) 6 = 4,69. 10"''
elektrostatische Einheiten, was nicht so sehr von dem in § 1
angegebenen, auf ganz TerschiedenemWege gefnndenen Werte (2)
abweicht.
Wie TCy so muß aach die Eonstante h der Strahlnngsformel
eine universelle Bedeutung haben; da die einzige elektro-
magnetische Eonstante des Äthers die Lichtgeschwindigkeit e
ist, so muß es sich um eine Eonstante handeln, welche von
den Eigenschaften der ponderablen Materie oder der Elektronen
abhängt; es muß aber eine von den individuellen Eigenschaften
des Eörpers unabhängige Gh*dße sein.
Wie man sieht, dringt das vollständige Strahlungsgesetz
(229) tief in die molekidaren Eigenschaften der Materie ein.
Sein Beweis beruht auf Voraussetzungen, deren Darlegung
uns hier zu weit ftihren würde. Wir wollen nur noch in
Eürze das Eirchhoffsche Oesetz formulieren, welches für die
Emission und Absorption der reinen Temperaturstrahler gilt
Bildet der Eorper, um den es sich handelt, einen Teil
der Wand eines Hohlraumes, so sendet er einer im Innern be-
findlichen Fläche diejenige Strahlung zu, die sich aus seiner
Temperatur gemäß dem Strahlungsgesetze (229) berechnet.
Diese Strahlung dringt aber nur zum Teil aus dem Innern
des Eörpers hervor, zum anderen Teil ist es reflektierte Strah-
lung. Leuchtet der Eorper nur mit eigenem Lichte, ohne daß
Licht aus anderen Lichtquellen auf ihn fällt, so ist seine
Emission eine geringere. Auf diese Eigenstrahlung bezieht
sich nun das Eirchhoffsche Oesetz. Ein kleines ebenes Flächen-
stück fy der Oberfläche des Eörpers sendet einem Punkte P des
Raumes Eigenstrahlung der Schwingungszahl v in der Hellig-
keit W zu. Anderseits wird von der Energie einer Lichtwelle der
gleichen Schwingungszahl, die von P aus nach f^ geht, durch
den Eorper bei der betreffenden Temperatur der Bruchteil A
absorbiert. Wir können dann das Eirchhoffsche Oesetz
folgendermaßen aussprechen: Der Quotient aus Hellig-
keit W und Absorptionsvermögen A für Strahlen be-
364 Zweiter AbschniU. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
stimmter Farbe and Richtung hat für alle Temperatur-
strahler bei gegebener Temperatur den gleichen Wert
(231) H'iÄ^H.
Er ist gleich der Helligkeit weißer Strahlung von der
betreffenden Temperatur.
0« Kirchhoff hat sein Gesetz etwas anders formuliert^
indem er unter ,^ Emissionsvermögen^ diejenige Strahlung ver-
steht^ welche die Fläche f^ einer anderen ^2 zusendet^ und die
Strahlung nicht nach der Skala der Schwingungszahlen^ sondern
nach derjenigen der Wellenlangen zerlegt denkt. Auch unter-
scheidet er neben der Farbe und Richtung die Polarisations-
richtung; wovon wir hier abgesehen haben. Der E[irchhoffsche
Beweis ist ein recht umständlicher. Einen übersichtlichen
Beweis des Gesetzes findet man bei E. Pringsheim.^) Dieser
Forscher faßt das Kirchhoffsche Gesetz als Bedingung dafür
auf; daß jeder nur infolge seiner Temperatur leuchtende Körper^
in die Wand eines Hohlraumes eingefügt; in der Helligkeit
des weißen Lichtes leuchtet; indem zu der Eigenstrahlung
gerade so viel reflektierte (oder geborgte) Strahlung kommt;
daß H' zu H ergänzt wird. Hier wird also der Satz von der
Hohlraumstrahlung zum Fundament der Strahlungstheorie ge-
macht; während Kirchhoff diesen Satz aus seinem auf anderem
Wege bewiesenen Gesetze herleitet.
Die Gültigkeit des Kirchhoffschen Gesetzes ist; wie hervor-
gehoben wurde, auf die Vorgänge der reinen Temperatur-
strahlung beschränkt. LuminiszenzerscheinungeU; wie Fluores-
zenz und Phosphoreszenz fallen nicht in seinen Gültigkeits-
bereich. Würde man luminiszierende Körper in den Hohlraum
bringen; so würden die chemischen oder elektrischen Prozesse;
welche die Emission begleiten; imstande seiu; die Herstellung
des Temperaturgleichgewichtes zu verhindern. Daher ist auch
die Anwendung auf die Spektrallinien ; in der man früher die
wesentliche Bedeutung des Kirchhoffschen Gesetzes meinte er-
1) E. Pringsheim. Verh. der deutschen phyeik. Gesellschaft 8,
S. 81, 1901.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 365
blicken zu sollen^ nicht berechtigt. Die dort festgestellten
Beziehungen zwischen Emission und Absorption beruhen, wie
wir erwähnten^ nicht auf den Gesetzen der Thermodynamik^
sondern auf den allgemeinen Prinzipien der Schwingungslehre.
Die festen Körper sind meist reine Temperaturstrahler.
Da die neuere Forschung das vollständige Strahlungsgesetz
kennen gelehrt hat^ so kennen wir H, Wir sind also imstande,
aus der beobachteten Helligkeit der Eigenstrahlung das Ab-
sorptionsvermögen; und umgekehrt aus dem bekannten Ab-
sorptionsvermögen die Helligkeit der Eigenstrahlung auf Ghnind
des Eirchhoffschen Gesetzes zu berechnen.
Da, allgemein zu reden, das Absorptionsvermögen eines
Körpers ein echter Bruch ist, so ist
Es ist die Helligkeit des Lichtes, welches ein Körper ge-
gebener Temperatur %' entsendet, kleiner als die Helligkeit
weißen Lichtes der gleichen Temperatur %', Ordnen wir der
Helligkeit W des vom Körper entsandten Lichtes die Tempe-
ratur -d*' durch die Strahlungsformel (229) zu, so ergibt sich
Die Temperatur der entsandten Strahlung ist ge-
ringer als die Temperatur des entsendenden Körpers.
Das gilt im allgemeinen, wenn es sich um reine Temperatur-
strahlung handelt. Da nun der Vorgang der Emission durch
einen ruhenden Körper ohne Arbeitsleistung verlauft, so folgt
aus der Thermodynamik: Die Emission des Lichtes ist
ein irreversibler Prozeß,
Eine Ausnahme findet nur statt, wenn A^\ ist. Das
würde bedeuten, daß der Körper im auffallenden Lichte schwarz
erscheint, indem er alles Licht verschluckt. Aus (231) folgt:
Ein im auffallenden Lichte schwarzer Körper sendet
weißes Eigenlicht aus, dessen Helligkeit der Temperatur
des Körpers entspricht. Man hat daher diejenige Strahlung,
die wir „weiße" genannt haben, auch als „Strahlung des voll-
kommen schwarzen Körpers" bezeichnet, und hat die universelle
366 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Strahlnngsformel durch Beobachtung der Eigenstrahlung
möglichst ;y schwarzer ^^ Körper zu bestimmen gesucht. Doch
ist die Idealisierung des schwarzen Körpers auf diese Weise
nicht möglich gewesen. Die „schwarze^^ oder „weiße" Strah-
lui^ ist erst durch Konstruktion des Hohlraumes verwirklicht
worden. Die Emission des Lichtes durch einen Hohl-
räum; die ja als besonderer Fall der Lichtfortpflanzung im
Räume aufgefaßt werden kann^ ist ein reversibler Prozeß.
Denn die strahlende Wärme behält hier ihre Temperatur hei»
§ 42. Die Lichtzeit in einem gleichfönnig bewegten System.
Wir hatten in § 39 die Aberration des Fixstemlichtes
erklärt; indem wir zeigten, daß nach der Lorentzschen Theorie
die Richtung des von einem mit der Geschwindigkeit Hl be-
wegten Beobachter wahrgenommenen relativen Strahles durch
den Vektor bestimmt ist (Gleichung 209)
(232) c'=C~H>/
d. h. durch den Vektor der Relativgeschwindigkeit von Licht
und Beobachter, unter Hl war dabei die Geschwindigkeit der
Erde zu verstehen. Berücksichtigt man nur die IJmlaufs-
bewegung um die Sonne, indem man eine gemeinsame Be-
wegung des gesamten Sonnensystemes zunächst außer acht
läßt, so ist Iml nahezu konstant; es ist
(232a) ^ = 1^ = 10 *.
Welchen Einfluß hat nun die Erdbewegung auf dasjenige
Licht, welches von irdischen Lichtquellen entsandt wird? Läßt
sich nicht durch Beobachtung dieses Lichtes, also durch
optische Versuche im Laboratorium, die Bewegung der Erde
feststellen? Diese Frage fährt uns dazu, die Lichtfortpflanzung
in einem gleichförmig bewegten Systeme zu behandeln.
Die Richtung des absoluten, zur Zeit t in einem Auf-
punkte P eintreffenden Strahles ist durch den Radiusvektor t
bestimmt (Abb. 2 S. 87), der vom Orte E^ des Entsendens aus nach
dem Au^unkte hin gezogen ist. In E' befand sich die Licht-
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 367
quelle zu einer um die Latenszeit r»— zurückliegenden Zeit
t — X, Zur Zeit ty wo das Licht in P anlangt; befindet sich
die Lichtquelle im Punkte JE?; sie hat die Strecke Hl • — zurück-
gelegt. Der nach dem Aufyunkte P hin von dem gleich-
zeitigen Orte der Lichtquelle aus gezogene Fahrstrahl EP
mag jetzt mit t' (statt mit W) bezeichnet werden. Es ist
(232 b) t' = t-H>-^.
Da r die absolute Strahlrichtung anzeigt^ so ist
r c
es folgt mithin aus (232) und (232 b)
(232c) ^^Lz}!L^!:.,
^ ^ r c c
Es wird demnach die Richtung des relativen Strahle»
durch den von der gleichzeitigen Lage der Lichtquelle aus
gezogenen Fahrstrahl angezeigt, d. h. in einem gleichförmig
bewegten Systeme sieht man die Lichtquelle dort, wo
sie sich gerade befindet. Die gemeinsame Bewegung von
Lichtquelle und Beobachter ist demnach durch Beobachtung
der Strahlrichtung durchaus nicht festzustellen.
Ahnlich wie mit der Sichtung verhalt es sich mit der
Farbe des Lichtes. Hatten wir doch bereits in § 14 gezeigt^
daß bei einer gemeinsamen gleichförmigen Translation der
Lichtquelle und des Beobachters die Dopplersche Korrektion
fortfällt. Die Schwingungen irdischer Lichtquellen
werden von einem mit der Erde bewegten Beobachter
richtig gezählt. Auf die wahrgenommene Farbe ist demnach
die Erdbewegung gleichfalls ohne Einfluß.
Dagegen sollte man vermuten ^ daß die Erdbewegung durch
Messung der Lichtzeit sich feststellen ließe. Denn die seit
dem Augenblicke des Entsendens verstrichene Zeit ist konstant
auf Kugeln, die um den Ort E' des Entsenders (Abb. 2) ge-
zogen sind. Der gleichzeitige Ort E der Lichtquelle liegt
368 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
exzentrisch zu diesen Wellenflächen. Es maß demnach die
Latenszeit eine andere in dem bewegten Systeme sein als in
dem ruhenden, und es fragt sich^ ob nicht hier die Beobachtung
einsetzen und einen wahrnehmbaren Einfluß der Erdbewegung
feststellen könnte. Diese Frage bedarf der genaueren Unter-
suchung.
Aus dem Dreieck der Vektoren t, r' und In • — folgt
r^=:.r'^+ r^ß^+ 2r'r/J cos ^,
oder
r^ 7c* — 2r r'ß cos ^ « r'^, x* =- 1 — ß\
Die Auflösung dieser quadratischen Gleichung ergibt als
Wert des (stets positiven) r
(233) r = x^^r'ß cos t + l/r'*x*+ r'*/J* cos»^}-
Wir führen an Stelle des Fahrstrahles t' mit den Kom-
ponenten
0:;' = r' cos 1/;, y\ 0'
den Vektor Xq ein, mit den Komponenten
(233a) ^o=J' yo = y'? ^0=^'-
Diesen Zusammenhang zwischen dem Fahrstrahl t' im
bewegten Systeme 2' und dem eingeführten Hilfsvektor Xq
wollen wir symbolisch darstellen durch
(234) t'=(x,l,l)to.
Deutet man Xq y^ z^ als Koordinaten eines Systemes Sq, so
entsteht dieses System aus dem betrachteten bewegten Systeme 2?'
durch eine Streckung parallel der Bewegungsrichtung im Ver-
hältnis x""^. Die Einführung eines solchen ruhenden Hilfs-
systemes hat uns schon früher (§ 18 S. 163, Gleichung 105),
bei der Behandlung der gleichförmigen Translation elektrischer
Ladungen, gute Dienste geleistet.
Jetzt können wir (233) schreiben
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 369
Division durch c ergibt für die Lichtzeit r die Gleichung
(235) 3eT = ro+^.
Dabei ist Ta = — die Lichtzeit in dem ruhenden Hilfs-
*' c
Systeme 2Jq, aus welchem das bewegte System durch eine
Kontraktion parallel der Bewegungsrichtung^ im Verhältnis x,
hervorgeht.
Wir wollen zunächst nur Größen erster Ordnung in ß
berücksichtigen, Größen der Ordnung ß^ jedoch streichen. Be-
gnügen wir uns mit dieser Annäherung, so haben wir x durch 1
zu ersetzen. Es wird dann das System 2Jq identisch mit 2J\
Wir können daher (235) schreiben
(235a) t = t'+^.
Dabei ist x' die Lichtzeit, die in dem ruhenden Systeme
zur Durchlaufung einer gewissen Strecke erforderlich ist. Wird
nun das System in Bewegung gesetzt und die gleiche Strecke
im relativen Strahlengang im System durchlaufen, so entspricht
dem zugehörigen absoluten Strahlengang im Baume die Licht-
zeit r. Wie wir sehen, ist t größer oder kleiner als t', je
nachdem der relative Strahl einen spitzen oder stumpfen Winkel
mit der Bewegungsrichtung einschließt. Die Differenz der Licht-
zeiten im bewegten und im ruhenden Systeme ist von der
ersten Ordnung in ß] man sollte meinen, daß sie der Messung
zugänglich wäre. Sie wäre es auch, wenn es möglich wäre,
die an zwei verschiedenen Punkten des bewegten Systemes ge-
messenen Zeiten mit beliebiger Genauigkeit aufeinander zu be-
ziehen; das ist indessen nicht möglich.
Am genauesten ist die Zeit durch optische oder elektrische
Signale festzulegen. Wir denken uns ein ruhendes System;
einen Punkt desselben wählen wir als Bezugspunkt. Li dem
Momente, den wir als Anfang der Zeitrechnung festlegen, geben
wir von aus ein Lichtzeichen. Ein in P befindlicher Be-
obachter wird zur Zeit des Eintreffens des Signales die Zeit t
notieren, die sich als Quotient aus dem Lichtwege OP und
Abraham, Theorie der Elektrizität IL 24
370 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
der universellen Eonstanten c der Gh-ondgleichungen berechnet.
Zwei in und P befindliche Beobachter können so durch
Lichtzeichen ; oder allgemeiner durch elektrische Zeichen^ ihre
Chronometer vergleichen. Diese Vergleichung beruht auf der
Isotropie der Lichtfortpflanzung, welche ftir ein ruhendes
System von unseren Grundgleichungen gefordert wird. Die
Zeit t, die an so verglichenen und gleichlaufenden Uhren ab-
gelesen wird^ ist es, die in den Grundgleichungen auftritt.
Ihre Definition setzt die Existenz eines absolut ruhenden
Bezugssystemes voraus.
Nun beziehen sich aber unsere Zeitmessungen in Wirklich-
keit auf ein bewegtes System, in welchem die Lichtfortpflanzung
nicht mehr nach allen Richtungen mit derselben Geschwindig-
keit vor sich geht. Dennoch wollen wir uns die Vergleichung
der in und P befindlichen Chronometer in der oben an-
gegebenen Weise ausgeführt denken, indem wir die Bewegung
des Systemes unberücksichtigt lassen und so verfahren, als ob
die relative Geschwindigkeit des Lichtes auch jetzt noch un-
abhängig von der Richtung^ und zwar gleich c, wäre. Die so
für die Punkte des gleichförmig bewegten Systemes festgelegte
Zeit t' wollen wir mit H. A. Lorentz die „Ortszeit^' des be-
treffenden Punktes nennen. Offenbar besteht zwischen der Orts-
zeit f und der allgemeinen Zeit t eben diejenige Beziehung,
die oben für r' und t abgeleitet wurde,
(236) t = f + ^'
Kontrollieren wir die Chronometer, indem wir ein Licht-
zeichen umgekehrt von P nach übermitteln und den im
relativen Strahlengange zurückgelegten Lichtweg in Rechnung
ziehen, so finden wir ihre Angaben bestätigt. Die Gang-
differenz (- — j zweier die allgemeine Zeit t und die Ortszeit t'
anzeigender Uhren, die in P stattfindet, verschwindet nämlich
wieder, wenn man zu zurückkehrt. Die Differenz zwischen Orts-
zeit und allgemeiner Zeit ist eben nur eine Funktion des Ortes im
gleichförmig bewegten Systeme; sie verschwindet daher beim
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 371
Durchlaufen eines im bewegten System gescMossenen Weges.
Gibt man die Lichtzeichen nicht direkt von nach P, sondern
schaltet eine Beihe von Zwischenstationen ein^ so gelangt man
zu demselben Werte der Ortszeit; es kommt nur die Differenz
der parallel der Bewegungsrichtung des Systemes gemessenen
Koordinaten von Endpunkt und Anfangspunkt des im relativen
Strahlengang durchlaufenen Lichtweges in Frage; diese gibt;
mit (— j multipliziert, die Abweichung der Ortszeit von der
allgemeinen Zeit an.
Aus der Definition der Ortszeit fließt nun die selbst-
verständliche Folgerung: Die zur Durchlaufung einer ge-
gebenen Strecke t' im bewegten System erforderliche
Lichtzeit ist von der Geschwindigkeit des Systemes
unabhängig (was Größen erster Ordnung in ß anbelangt);
wenn sie durch die Differenz der Ortszeiten gemessen
wird; die dem Entsenden und dem Eintreffen des
Lichtes entsprechen. Die so gemessene Lichtzeit ist eben
nicht T; sondern t'; r' jedoch ist der durch c geteilte im
relativen Strahlengange durchlaufene Lichtweg. Dieser Licht-
weg ist für eine Strecke von gegebener Länge von deren
Orientierung gegen die Bewegungsrichtung des Systemes un-
abhängig.
Wir sind jetzt in der Lage, zu beurteilen; inwieweit die
Beobachtung den Einfluß der Erdbewegung auf die Lichtzeit
feststellen könnte. Wird die Lichtzeit mit HiKe von rotierenden
Spiegeln; Zahnrädern oder dergleichen gemessen; so kommt
es darauf aU; durch welche Mittel die Stellung derselben regu-
liert wird. Wird sie durch optische oder elektromagnetische
Mittel reguliert; so kommt das auf dasselbe herauS; als wenn
die Zeitmessung nach Ortszeit geschieht. Alsdann fSUt jeder
Einfluß der Erdbewegung fort, es ergibt sich dieselbe Licht-
zeit; ob nun der Strahl parallel oder entgegen der Bewegungs-
richtung der Erde sich fortpflanzt. Um den Einfluß der Erd-
bewegung festzustellen; bedarf es einer nicht elektromagne-
tischen Kontrolle der Apparate. Dabei müßte die Stellung der
24*
372 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
rotierenden Spiegel oder Zahnräder so genau reguliert sein,
daß Abweichungen in ihrer Stellung^ wie sie in der Zeit —
Yorkommen^ mit Sicherheit vermieden sind; diese Zeit ist aber
höchstens gleich dem Bruchteil 10" der Lichtzeit. Eine so
genaue mechanische Eontrolle des Ganges der Apparate dürfte
kaum durchfiihrbar sein. Steht man auf dem Standpunkte der
elektromagnetischen Weltanschauung, welche die mechanischen
Kräfte auf elektromagnetische zurückzufuhren strebt, so würde
man auch eine solche mechanische Regulierung als eine Begulie-
rung nach Ortszeit anzusehen haben; man müßte dann erwarten,
daß der Versuch, den Einfluß der Erdbewegung auf die Lichte
zeit zu entdecken, unter allen Umstanden ein negatives Er-
gebnis hätte.
Wir haben uns hier darauf beschränkt, die Fortpflanzung
des Lichtes im leeren Baume zu behandeln, von der Mit-
wirkung dielektrischer Körper haben wir abgeseben. Das er-
haltene Ergebnis jedoch gilt auch in allgemeineren Fällen, wie
von H. A. Lorentz auf Gh:iind der Feldgleichungen des § 36
bewiesen worden ist^); beschränkt man sich auf Größen erster
Ordnung in ß und auf unmagnetisierbare Nichtleiter, so gilt
folgender Satz: DieVektoren C und^' hängen im gleich-
förmig bewegten Systeme in derselben Weise von der
Ortszeit t' und den relativen Koordinaten (x* y' e') ab,
wie im ruhenden Systeme (B und^ von der allgemeinen
Zeit t und den Koordinaten (xyz) abhängen. In der-
selben Weise entsprechen einander die von der Verschiebung
der Folarisationselektronen herrührenden elektrischen Momente ^
im bewegten und im ruhenden System. Dabei ist angenommen,
daß die quasielastischen Kräfte, welche die Elektronen in die
Gleichgewichtslage ziehen, keine Änderung erster Ordnung
durch die Bewegung erfahren; von der elektromagnetischen
Masse, die bei dispergierenden Körpern ins Spiel kommt, folgt
dies aus unseren früheren Entwickelungen. Das Fehlen eines
1) H. A. Lorentz. Versncli einer Theorie der elektrischen nnd optischen
Erscheinnngen in bewegten Körpern. Leiden 1896.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 373
bemerkbaren Eiuflasses erster Ordnung der Erdbewegung auf
das Yon irdischen Lichtquellen herrührende Licht ist auch bei
Mitwirkung wägbarer durchsichtiger Körper mit der Elektronen-
theorie sehr wohl vereinbar. Es erklärt sich ebenso wie das
negative Ergebnis zahlreicher auf die Entdeckung eines Ein-
flusses der Erdbewegung hinzielender rein elektromagnetischer
Versuche auf Ghrund dieser Theorie, ohne daß es notwendig
wäre, zu neuen Hypothesen seine Zuflucht zu nehmen.
§ 43. Der Versucli von Miohelson.
Wir wollen uns jetzt nicht mehr auf Größen erster Ordnung
in ß beschränken ; sondern den exakten Ausdruck (235) der
Lichtzeit t zugrunde legen. Es stellt dabei Tq die Lichtzeit
in dem ruhenden Hilfssystem 2q vor, das aus dem bewegten
System 27' durch eine Streckung parallel der Bewegungs-
richtung, im Verhältnis x""\ entstanden ist. Zwei Fahr-
strahlen t' in 27' bzw. to in 2q sind durch (234) aufeinander
bezogen.
Es werde nun der Fahrstrahl t' des bewegten Systemes
im relativen Strahlengange zweimal durchlaufen, einmal in
hinläuflgem, das andere Mal in rückläufigem Sinne. Es seien
T_^ und T__ die entsprechenden Lichtzeiten. Nach (235) ist
dann
(237) T^+T_= 2x-i.ro
die gesamte, für den Hinweg und Rückweg erforder-
liche Lichtzeit.
Der gesamte, im absoluten Strahlengang zurückgelegte
Lichtweg ist
(237a) Z = 2x""'.ro=3c"'Zo-
Wir denken uns nun in 2' diejenigen Punkte P, die auf einer
um als Mittelpunkt geschlagenen Kugel vom Radius r' liegen.
Würde das System ruhen, so wäre der gesamte Lichtweg OP für
alle diese Punkte P der gleiche, nämlich 2r'. Die Bewegung
des Systemes bringt es nun, wie Gleichung (237 a) besagt, mit
374 Zweiter AbBclinitt. Elektromagnet. Vorzüge in wägbaren Körpern.
sich^ daß der Lichtweg l ein anderer ist, je nach dem Winkel,
den der relative Strahl OP mit der Richtung der Bewegung
einschließt. Denn einer Engel in 27' entspricht in Uq ein
parallel der rr -Achse im Verhältnis se" gestrecktes Rotations-
ellipsoid; derjenige Radiusvektor Tq dieses Rotationsellipsoides^
welcher dem betreffenden Fahrstrahl OP entspricht^ ist nach
(237 a) für die Länge des absoluten Lichtweges maßgebend.
Vergleicht man insbesondere zwei Fahrstrahlen gleicher Länge
in U^y von denen der erste parallel, der zweite senkrecht zur
Bewegungsrichtung weist, so verhalten sich die entsprechenden
Radienvektoren in 21 q nach (234) wie x"" :1; in demselben
Verhältnis müssen nach (237 a) die Längen der beiden, im
absoluten Strahlengange durchlaufenen Lichtwege stehen. Die
Differenz z/Z derselben ist demnach
(237b) z/Z - (x"'- 1) Z - 1(1 - ß^r^- l) Z ^^ß%
wenn Größen vierter und höherer Ordnung in ß gestrichen
werden.
Auf die Entdeckung dieser zuerst von Maxwell aus der
Annahme ruhenden Äthers abgeleiteten Differenz der Lichte
wege, welche zwei parallel bzw. senkrecht zur Erdbewegung
gerichteten relativen Strahlen entsprechen, zielte der Versuch
von A. Michelson^) hin. Es wurden zwei Lichtstrahlen zur
Interferenz gebracht, welche, von derselben Lichtquelle aus-
gehend, längs zweier zueinander senkrechter Arme OP und Q
sich fortgepflanzt hatten und dort durch Spiegel zurück-
reflektiert waren. Indem jedes Lichtbündel mehrmals hin und
her reflektiert wurde, konnte die Länge Z des Lichtweges auf
22 m gebracht werden. Es wurde nun zuerst der Arm OP
in Richtung der Erdbewegung gestellt und dann durch Drehung
des Apparates um einen rechten Winkel der Arm Q in diese
Lage gebracht. Dabei wäre eine Verschiebung der Interferenz-
1) A. Michelson. American Journal of Science (3) 22, S. 120, 1881.
Micbelson nnd Morley. American Journal of Science (3) 34, S. 333, 1887.
Phil. Mag. (6) 24, S. 449, 1887.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 375
streifen zu erwarten gewesen. In Bruchteilen der Wellen-
länge des verwandten Natriumlichtes gemessen^ betragt die
für die Verscliiebung maßgebende doppelte Differenz der beiden
Lichtwege
(237c) l^^ßJl^ iJZl:^^^ = 0,37.
Die erhaltenen Verschiebungen der Interferenzstreifen aber
waren kleiner als 0^02 des Streifenabstandes.
Das negative Ergebnis des Michelsonschen Interferenz-
yersuches spricht gegen die Annahme ruhenden Äthers , mithin
auch gegen die Lorentzsche Theorie; falls die bei der Ab-
leitung von (237 b) stillschweigend gemachte Voraussetzung
zutrifft; daß die Abmessungen der festen Körper auf der be-
wegten Erde die gleichen sind; die sie auf der ruhenden Erde
wären. Läßt man die Möglichkeit einer Dimensionsänderung
infolge der Erdbewegung zU; so sind die Betrachtungen ent-
sprechend abzuändern. In der Tat haben Fitzgerald und
H. A. Lorentz das negative Ergebnis des Michelsonschen Ver-
suches erklärt; indem sie zur Hypothese der Kontraktion
der Materie infolge der Erdbewegung ihre Zuflucht
nahmen: Es sollen die Körper infolge der Erdbewegung eine
Kontraktion im Verhältnis x parallel der Bewegungsrichtung
erfahren; derart; daß die Punkte; die auf der ruhenden Erde
auf einer Kugel liegen würden; auf der bewegten Erde auf
einem Heaviside-EUipsoid liegen.
Betrachtet man in dem gleichförmig bewegten Systeme 2/'
die Punkte P, die auf einem Heaviside-Ellipsoide um liegen;
und vergleicht die Lichtwege ; welche nach (237 a) dem rela-
tiven Strahlengang OPO entsprechen; so findet maU; daß sie
alle den gleichen Wert haben. Denn geht man hier in der
durch (234) angezeigten Weise zu dem ruhenden Hilfssysteme 270
über, so stellt sich herauS; daß dem Heaviside-Ellipsoide in
2?' eine Kugel in II ^ entspricht; daß demnach allen Radien-
vektoren OP des Heaviside-Ellipsoides derselbe Wert von Tq
und folglich; nach (237 a); derselbe absolute Lichtweg zukommt.
376 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Nach der Fitzgerald -Lorentzscheu Hypothese ist demnach ein
positives Ergebnis des Interferenzversuches ausgeschlossen; nicht
nur, was Größen zweiter Ordnung, sondern auch, was Gh*ößen
beliebiger Ordnung anbelangt. Wird der Arm OQ statt OP
beim Michelsonschen Versuch der Richtung der Erdbewegung
parallel gestellt, so wird OQ im Verhältnis x verkürzt, OP
im Verhältnis x~^ verlängert und die hierdurch bedingte Ver-
änderung der Lichtwege kompensiert gerade die infolge der
Bewegung der Erde stattfindende, so daß keine Verschiebung
der Interferenzstreifen zu erwarten ist.
Man könnte nun einwenden, daß die Dimensionsänderungen
fester Körper, wenn sie auch sehr klein sind, der Messung
zuzüglich sein müßten. Das wäre aber nur dann möglich,
wenn man die Abmessungen der Körper durch „absolut
ruhende ^^ Maßstäbe messen könnte. Wir sind aber auf solche
Maßstäbe angewiesen, die sich mit der Erde bewegen; diese
erfahren nach der Kontraktionshypothese bei der Bewegung
der Erde dieselbe Längenänderung, wie die zu messenden
Körper; eine Kugel des irdischen Maßstabes ist der Kon-
traktionshypothese zufolge ein Heaviside-Ellipsoid des „absolut
ruhenden ^^ Maßstabes. Mit irdischen Maßstäben kann man
diese Behauptung weder bestätigen noch widerlegen. Auch
wenn man zur Längenmessung optische Methoden verwendet,
ist es selbstverständlich unmöglich, die behauptete Kontraktion
der Materie festzustellen. Man würde dann die Länge eines
Stabes durch den Lichtweg messen, während beim Michelson-
schen Versuch der Lichtweg durch die Länge eines festen
Stabes gemessen wird. Der Einfluß der Erdbewegung auf
Lichtweg einerseits und Länge des Stabes anderseits kompen-
siert sich aber gerade so, daß sie auf der bewegten Erde gleich
erscheinen, wenn sie auf der ruhenden gleich wären; eine
optische oder elektrische Messung kann also niemals die be-
hauptete Anisotropie der Körper auf der bewegten Erde fest-
stellen.
Ein Einfluß der Erdbewegung bleibt jedoch nach (237 a)
bestehen. Während in dem ruhenden Systeme 2Jq, in welches
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 377
die Erde^ zur Ruhe gebracht^ übergehen würde^ der Lichtweg
OPO gleich Iq wäre, ist der wahre Lichtweg auf der be-
wegten Erde im VerMltnis x~"^ vergrößert. Da nun unsere
Zeiteinheit unabhängig von optischen Messungen festgelegt ist,
60 muß die Lichtgeschwindigkeit, gemessen auf der bewegten
Erde, im Verhältnis x^^ größer sein als die Lichtgeschwindig-
keit, gemessen in einem absolut ruhenden Systeme; letztere
ist identisch mit der Eonstante e der Grrundgleichungen. Es
müßte demnach die universelle Eonstante c im Verhältnis x
kleiner sein als die durch irdische Messungen bestimmte Licht-
geschwindigkeit. Die Abweichung beträgt allerdings nur
c • -r- /ä* =* 1;5 Dl pro Sekunde, sie liegt also durchaus innerhalb
der Ghrenzen der Beobachtungsfehler.
Der soeben erörterte Umstaad Kßt es als zweckmäßig er-
scheinen, bei der Abbildung des bewegten Systemes 27' auf
das ruhende Hilfssystem Uq gleichzeitig eine neue Zeiteinheit
zugrunde zu legen. In der Tat ist die „Ortszeit^^ ^0 bei
Berücksichtigung von Größen zweiter und höherer Ordnung
in /3 zu definieren durch
(238) ^t = t,+ ^-^-
Wird ß* gestrichen, so geht die so definierte Ortszeit t^
in die im vorigen Paragraphen eingeführte f über (Gleichung
236). Wie die in Strenge gültige Gleichung (235) lehrt, ist
die durch die Differenz der Ortszeiten t^ gemessene Lichtzeit
im bewegten System 2' für jeden, im relativen Strahlengang
durchlaufenen Weg t' die gleiche wie für den entsprechenden
Lichtweg Xq des ruhenden Hilfssystemes 2^. Trifft die Be-
hauptung der Eontraktionshypothese zu, daß ein ruhendes
System 2^, in Bewegung gesetzt, in das durch
(239) r'-(x,l,l)ro
dargestellte System -S' übergeht, so ist jeder Einfluß der Erd-
bewegung auf die Lichtzeit ausgeschlossen (auch ein Einfluß
zweiter und höherer Ordnung), falls die zur Messung ver-
wandten Apparate optisch oder elektrisch reguliert werden.
378 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Die zur Erklarnng des Michelsonschen Versuches ein-
geführte Kontraktionshypothese erscheint zunächst bedenklich.
H. A. Lorentz hat indessen versucht^ sie plausibel zu machen^
indem er von der Vorstellung ausging, daß die Molekular-
krafte^ welche die Form fester Körper bestimmen^ elektrischer
Natur sind. An jedem Moleküle des ruhenden Korpers halten
sich^ dieser Vorstellung zufolge^ die von den übrigen Molekülen
herrührenden elektrostatischen Kräfte das Gleichgewicht. Wird
nun der Körper in eine gleichförmige Transktionsbewegung
versetzt^ so werden die Molekularkräffce abgeändert, indem zu
dem elektrischen Felde ein magnetisches tritt. Wie in § 18
dargelegt wurde, entspricht dem Gleichgewichte der elektro-
statischen EJräfte (Sq im ruhenden Systeme 2^ ein Gleich-
gewicht der elektromagnetischen Kräfte ^ (hierfür ist jetzt iS'
zu schreiben) in einem bewegten Systeme, welches aus 2,
durch eine Kontraktion im Verhältnis x parallel der Be-
wegungsrichtung hervorgeht. Dieses bewegte System ist nach
(239) kein anderes^ als das von der Kontraktionshypothese
angenommene System 2]\ In 2' würde also an jedem Mole-
küle Gleichgewicht der Molekularkräfte bestehen^ wenn es
in dem ruhenden Systeme 27q bestand; allgemein stehen die
elektrostatische Kraft (Sq auf die ruhende und die elektro-
magnetische Eraft @' auf die mitbewegte Einheit der Ladung^
die in zwei einander entsprechenden Punkten von Uq bzw. 27'
herrschen^ in dem durch (106 c^ S. 165) ausgedrückten Zu-
sammenhange; wir woUen diese Beziehungen symboUsch dar-
stellen durch
(240) e'-(i,x,x)eo-
Betrachtet man die Molekularkräfte in ruhenden Körpern
als elektrostatische EJräfte und läßt man die Wirkungen der
regellosen Molekularbewegungen außer acht^ so erscheint es
hiemach plausibel^ daß ein fester Körper, in Bewegung ge-
setzt; sich der Bewegungsrichtung parallel im Verhältnis x
kontrahiert. Allerdings dürfen wir uns nicht verhehlen, daß
wir noch weit davon entfernt sind, die Molekularkräfte in
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 379
«
rahenden Körpern auf Grund der elektrischen Auffassung in
befriedigender Weise deuten zu können.
Akzeptiert man jene elektrische Deutung der Molekular-
kräfte, 80 ist eine mechanische Eegnliertmg der SteUung Ton
Zahnrädern oder rotierenden Spiegehi zum Zwecke der Messung
der Lichtzeit (§ 42) als elektromagnetische Regulierung an-
zusehen; es erscheint alsdann ausgeschlossen^ daß die Trans-
lationsbewegung der Erde auf die Lichtzeit^ die Abmessungen
fester Körper oder auf Interferenzversuche nach Art des
Michelsonschen irgendwelchen Einfluß beliebiger Ordnung
besitzt^ der sich einem irdischen Beobachter kundgeben könnte.
Dieses folgt aus den bisherigen Erörterungen ^ soweit nur die
Lichtfortpflanzung im leeren Baume in Betracht kommt.
§ 44. Die Lorentzsohe und die Cohnsohe Optik
bewegter Körper.
Läßt die Elektronentheorie ein negatives Ergebnis des
Michelsonschen Interferenzversuches auch dann erwarten^ wenn
die Lichtfortpflanzung nicht im leeren Räume, sondern in
einem beliebigen dielektrischen Körper geschieht? Von dieser
Frage ausgehend^ hat H. A. Lorentz in zwei neueren Arbeiten^)
seine Untersuchungen auf gleichförmig bewegte Systeme aus-
gedehnt, deren Geschwindigkeit zwar kleiner als die Licht-
geschwindigkeit^ aber nicht klein gegen die Lichtgeschwindig-
keit ist. Er hat Hypothesen über die Eigenschaften der Elek-
tronen und Moleküle aufgestellt, welche, kombiniert mit der
Kontraktionshypothese, geeignet sind; von allen negativen
Versuchsergebnissen über den Einfluß der Erdbewegung auf
die elektrischen und optischen Erscheinungen Rechenschaft zu
geben.
Er nimmt an, daß die Verschiebungen der Polarisations-
elektronen aus ihrer Gleichgewichtslage, welche die Licht-
fortpflanzung in durchsichtigen Körpern begleiten, infolge der
1) H. A. Lorentz. Acad. van Wetensch. de Amsterdam 7, S. 507,
1899, und 12, S. 986, 1904.
380 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Bewegung der Körper in derselben Weise abgeändert werden^
wie die nach entsprechenden materiellen Punkten gezogenen
Fahrstrahlen (vgl. 239) der Kontraktionshypothese gemäß sich
ändern. Da die elektrische Polarisation fß auf die Yolum*
einheit berechnet ist, so würde
(241) jp-(l,x-Sx-i)JPo
den Zusammenhang angeben, in welchem die Polarisationen
an entsprechenden Punkten des ruhenden Systemes U^ und
des bewegten Systemes 2' stehen. Dabei sind die relativen
Geschwindigkeiten der Elektronen gegen die Materie,
die in 2' bzw. in 2q stattfinden, auszudrücken durch
dieselben sind demnach, mit Bücksicht auf (238) und (239),
verknüpft durch
(241a) li'-(x«,x,x)lio.
Die Beschleunigungen der Elektronen in ent-
sprechenden Punkten von 27' und Uq sind mithin aufeinander
bezogen durch
(241b) 6«(x^x»,xO V
Die Grundgleichungen (Ic bis IVc, S. 324) gelten nach der
Elektronentheorie für beliebig rasch bewegte unmagnetisierbare
Körper. Nimmt man die Definitionsgleichungen (195) und
(195 a) von @' und $' hinzu und setzt:
43r2)=-e + 43tiP; i = 0,
so gelangt man zu einem für durchsichtige, unmagnetisierbare
Körper gültigen Gleichungssysteme, in welchem die wahren
Koordinaten und die allgemeine Zeit t die unabhängigen Ver-
änderlichen sind. Führt man nun statt dieser die Koordinaten
Xq y^ Zq des Hilfssystemes 2^ ein und gleichzeitig die Ortszeit t^
die durch (238) definiert ist, so gelangt man für gleichförmig
bewegte Systeme zu einer neuen Form der Grundgleichungen.
H. A. Lorentz hat nun gezeigt, daß man dieselbe auf die Form
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 381
der Ghnmdgleichungen für rahende Körper reduzieren kann^
wenn man statt iß den durch (241) definierten Vektor fß^ und
gleichzeitig durch
(242) «'-(l,x,x)«o,
(243) r==(l,x,x)§o
zwei neue Vektoren (Bq und $0 einfährt. Kennt man für das
ruhende Hilfssystem 2^ den Verlauf eines elektromagnetischen
Vorganges und der mit ihm verbundenen Elektronenbewegung,
so geben (242) und (243) die Werte der elektromagnetischen
Vektoren 6' und §' in dem bewegten Systeme 2?' an, welche
sich der durch (241a, b) dargestellten Elektronenbewegung
zuordnen. Durch
(244) ®'=(x«,x,x)®o
ist dann der relative Strahl in 2' (vgl. 213b, S. 341) dem
absoluten Strahle des ruhenden Hilfssystemes 2^ zugeordnet.
Dieser Satz von H. A. Lorentz, auf dessen Beweis wir
hier verzichten, beruht allein auf den allgemeinen Ghrund-
hypothesen der Elektronentheorie, welche in den Grund-*
gleichungen (I bis V) ihren Ausdruck finden. Er gestattet es^
die Lösung eines Problemes der Optik des gleichförmig be>
wegten Systemes 2^ zurückzufQhren auf die Lösung des ent~
sprechenden Problemes ftir das ruhende System 2q. Diese
ZurückfÜhrung ist auch dann möglich, wenn man die be-
sonderen Hypothesen von H. A. Lorentz fallen läBt. Gibt man
die Kontraktionshypothese auf, so ist das ruhende Hilfs-
system 2q eben nicht mehr dasjenige, in welches der bewegte
Körper, zur Buhe gebracht, übergehen würde. Gibt man die
Lorentzsche Hypothese betreffs der Bewegung der Elektronen
auf, so sind li^ und i^ nicht mehr die Geschwindigkeiten und
Beschleunigungen, welche die Elektronen in dem bewegten
Körper, wenn er zur Ruhe gebracht wäre, bei dem betreffenden
Strahlungsvorgange wirklich annehmen würden. Alsdann wird
eben ein Einfluß der Bewegung auf die Erscheinungen im
Prinzip nicht ausgeschlossen sein. Die Kontraktionshypothese
besagt nun gerade, daß da» bewegte System, zur Buhe ge-
382 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
bracht^ yon selbst in Uq übergeht. Die Lorentzsche Hypothese
über die Bewegung der Elektronen besagt ferner^ daß li^ und Oq
gerade diejenigen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sind^
welche die Elektronen bei. dem betreffenden Strahlungs vorgange
in dem zur ßuhe gebrachten Körper besitzen würden. Für
die relative Strahlung durch entsprechende Flächenelemente in
Zo und 2;' folgt aus (239) und (244) alsdann
(244a) «;(?/•= x^So^^/o-
Nach H. A. Lorentz ist die relative Strahlung^
welche zur Ortszeit t^ auf ein gegebenes Flächenelement
von2J' fällt^ nur durch den Faktor x* von der absoluten
Strahlung verschieden^ welche zur allgemeinen Zeit ^^
auf das entsprechende Flächenelement in I]q fällt. Hier-
durch ist ausgesprochen^ daß nach den Lorentzschen Hypothesen
ein Einfluß der Erdbewegung auf die Bichtung des relativen
Strahles, sowie auf Interferenzerscheinungen auch bei Verwen-
dung lichtbrechender Körper ausgeschlossen ist. Auch eine
Doppelbrechung der Körper infolge der Erdbewegung kann dann
nicht stattfinden, so daß das negative Ergebnis der auf die Ent-
deckung einer Doppelbrechung der Ordnung ß^ hinzielenden
Versuche von Rayleigh^) und Brace*) mit dem Lorentzschen
Hypothesensystem vereinbar ist. Die Verringerung der Intensität
der relativen Strahlung, welche durch (244a) angezeigt wird,
würde sich völlig der Beobachtung entziehen.
Wir wollen die Lorentzschen Sätze zu einem Probleme
der Optik bewegter Körper in Beziehung bringen, welches wir
gelöst haben (§ 14), nämlich dem Probleme des bewegten
leuchtenden Punktes. Wir haben dort hauptsächlich die ab-
solute Strahlung zum Gegenstand der Betrachtungen gemacht,
welche sowohl für die ausgestrahlte Energie, wie für die aus-
gestrahlte Bewegungsgröße maßgebend ist. Wir wollen jetzt
einige Bemerkungen über die relative Strahlung und über den
1) Rayleigh. Phil. Mag. 4, S. 678, 1902.
2) D. B. Brace. Phil. Mag. 7, S. 317, 1904.
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 383
Lichtdruck anknüpfen^ welche ein mit der Lichtquelle mit-
bewegter Beobachter wahrnehmen würde.
Wir betrachten die Strahlung^ welche der mit der Erde
bewegte leuchtende Punkt seiner Bewegungsrichtung parallel
entsendet; für diese kommen nur die transversalen Schwin-
gungen des emittierenden Elektrons in Betracht^ so daß die
Strahlung proportional dem Ausdruck (79) auf S. 112 ist; setzen
wir q)y den Winkel zwischen Strahlrichtung und Bewegungs-
richtung des Dipols, gleich null, und beachten, daß r der Ab-
stand des Aui^unktes von der Lage des leuchtenden Punktes
zur Zeit des Entsendens ist, während der Abstand von der
gleichzeitigen Lage des leuchtenden Punktes nach (233) ist
r' = r(l-^),
SO finden wir als Verhältnis der absoluten Strahlungen im
bewegten und im ruhenden Systeme
Nach (239) und (241b) ist die parallel der rr-Achse ge-
messene Entfernung r' in U' im Verhältnis x kleiner als die-
jenige in dem ruhenden Hilfssysteme 2q, während die trans-
versale Beschleunigung des schwingenden Elektrons im Ver-
hältnis X* größer ist. Demnach wird
(245) ®-=®o.-^-
Die absolute Strahlung der Lichtquelle erfährt
durch die Bewegung der Lichtquelle Änderungen
erster Ordnung in ß.
Durch den absoluten Strahl S ist die Dichte der elektro-
magnetischen Bewegungsgröße bestimmt und somit der Licht-
druck auf eine ruhende schwarze Fläche. Der Druck auf eine
mitbewegte, senkrecht zur Bewegungsrichtung gestellte schwarze
Fläche ist
384 Zweiter Abachnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
Aas (245) folgt daher
(245a) i)'=i)o-(l + i8).
Der Strahlungsdruck auf mitbewegte schwarze
. Flächen erfährt Änderungen erster Ordnung infolge
der Erdbewegung; der Druck muß großer sein^ wenn die
Strahlung parallel^ als wenn sie entgegen der Bewegungs-
richtung der Erde sich fortpflanzt. Bei der Schwierigkeit^
welche die Beobachtung des Lichtdruckes bietet^ dürfte es
indessen kaum möglich sein^ diese geringfügige Änderung
festzustellen.
Ist es dagegen eine spiegelnde Fläche^ welche vor dem
auffallenden Lichte zurückweicht^ so ist nach (GL 208, S. 335),
nach ümkehrung des Vorzeichens von ß, zu setzen
r
p =
2«, 1-ß
c 1 + ß
Aus (245) folgt mithin
(245 b) p' = p,.
Der Strahlungsdruck auf mitbewegte Spiegel
erfährt keine Änderung infolge der Erdbewegung.
Die relative Strahlung irdischer Lichtquellen, welche bolo-
metrisch durch schwarze Flächen zu messen ist, ergibt sich
aus (211a, S. 338)
^;;«®,.(i-^)«.
Aus (245) folgt somit
(245c) @;-X*^Oa;.
Diese mit (244) übereinstimmende Beziehung besagt:
Die von der Strahlung irdischer Lichtquellen her-
rührende Wärmeentwickelung in zwei senkrecht zur
Bichtung der Erdbewegung gestellten schwärzen
Flächen ist die gleiche, sei es, daß die Strahlung
parallel oder entgegen der Bewegungsrichtung der
Erde sich fortgepflanzt hat.
Zweites Kapitel. Bewegte EGiper. 3g5
Wir wollen endlich die relatiYe Gtesamtstrafaliing des be-
wegten leuchtenden Punktes ermitteln, d, L die gesamte Warme-
entwickelung in einer mitbewegten, den leuchtenden Punkt
einhüllenden schwarzen Flache. Nimmt man das Mittel über
eine Schwingung, so muß im stationären Schwingungszustande
die von der Lichtquelle entsandte elektromagnetische Energie
der auf die mitbewegte Flache fallenden gleich sein und die
entsandte Bewegungsgröße der auffallenden. Es gibt also der
Ausdruck (82) auf S. 118 den relativen Energiestrom durch die
bewegte F^he an. Der im Verhältnis — kleinere Ausdruck (83)
stellt die resultierende Kraft dar, welche die Strahlung auf
die auffangende Fläche ausübt; dies ist die Gegenkraft, welche
der Beaktionskraft (83 a) der Strahlung auf die Lichtquelle im
Sinne des dritten Newtonschen Axiomes entspricht. Im stationären
Zustande gilt dieses Axiom, da die elektromagnetische Bewegungs-
größe des von der schwarzen Fläche umschlossenen Feldes im
Mittel konstant ist; es wird mithin derjenige Teil der aus-
gestrahlten Energie, welcher mechanischer Arbeit entstammt,
wieder in mechanische Arbeit zurückverwandelt. Zieht man
diesen Bruchteil ß^ vom relativen Energiestrom ab, so erhält
man die relative Gesamtstrahlung, welche die Wärmeentwicke-
lung in der schwarzen Fläche angibt. Es wird also derjenige
Teil der emittierten Energie, welcher der thermischen und
chemischen Energie der Lichtquelle entstammt, an der auf-
fangenden schwarzen Fläche in Wärme verwandelt. Dies ist
der Bruchteil x* der entsandten Energie (vgl. 83c). Wir er-
halten schließlich für die relative Gesamtstrahlung
Nach (241b) wird dies
(246) J^ldf = 1 1;*« »» = «»/@o,(?/ö,
was vollkommen mit (244 a) übereinstimmt.
Treffen die Lorentzschen Annahmen über die Eontraktion
der Korper und über die Bewegung der Elektronen zu, so
Abraham, Theorie der Elektrizit&t. II. 26
386 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
sind @0 und p^ die wirklichen Werte des Strahlvektors und
des Lichtdruckes auf der zur Buhe gebrachten Erde. Es ist
dabei zu betonen^ daß die Lorentzschen Annahmen nur insofern
hypothetisch sind^ als sie Größen zweiter und höherer Ordnung
in ß betreffen. Bis auf Größen erster Ordnung folgen sie aus
den allgemeinen Grundgleichungen der Elektronentheorie^ Mls
Änderungen erster Ordnung infolge der Erdbewegung in den
Abmessungen der Körper^ den Massen der Elektronen und den
quasielastischen Kräften^ welche sie in die Gleichgewichtslage
ziehen; ausgeschlossen sind.
Sollen die Lorentzschen Hypothesen über die Bewegung
der Elektronen auch in betreff der Größen zweiter und höherer
Ordnung der Wirklichkeit entsprechen, so müssen die quasi-
elastischen Kräfte und die Trägheitskräfte der Elektronen ge-
wissen Bedingungen genügen. Um diese Bedingungen ab-
zuleiten, denken wir uns zunächst einen Körper, welcher keine
erhebliche Dispersion zeigt. Hier ist die Lichtfortpflanzung
durch die quasielastischen Kräfte allein bestimmt, indem die
Verschiebung der Elektronen dem Gleichgewichte der quasi-
elastischen Kraft und der äußeren elektrischen Kraft entspricht.
Die Verschiebung der Elektronen aus der Gleichgewichtslage
wird für den bewegten Körper gerade dann die von Lorentz
angenommene sein, wenn die quasielastischen Kräfte
infolge der Erdbewegung die gleiche Änderung erfahren wie
die elektrischen Kitifte gemäß Gl. 242. Man kann diese Hypo-
these in derselben Weise plausibel machen wie die entsprechende
Hypothese über die Änderung der Molekularkrafte^ indem man
nämlich die quasielastischen Kräfte in ruhenden Körpern als
elektrostatische Kräfte deutet.
Diese Annahme über die quasielastischen E^nifte reicht
indessen nur dann aus, wenn bei der Lichtbrechung die Träg-
heit der Elektronen nicht ins Spiel kommt Nach der Elek-
tronentheorie ist gerade die Trägheit der Elektronen für die
Dispersion maßgebend (vgl. § 29). Handelt es sich um die
Lichtfortpflanzung in einem dispergierenden Körper, so hat
die Lorentzsche Annahme über die Bewegung der Elektronen
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 387
gewisse Konsequenzen hinsichtlich der longitudinalen und der
transversalen Masse im Gefolge. Es müssen nämlich^ wenn
anders die Schwingungsgleichung der Elektronen erfüllt sein
soll, die Tnlgheitskräfte in derselben Weise durch die Erd-
bewegung beeinflußt werden wie die äußeren elektrischen
Kräfte und die quasielastischen EJräfte, d. h. in der durch (242)
angegebenen Weise. SoUen gleichzeitig die Beschleunigungen
der Elektronen in dem bewegten Systeme 2?' und in dem
ruhenden Uq in dem durch (241b) angegebenen Zusammen-
hange stehen, so muß für die Masse als Quotient von Kraft
und Beschleunigung die Beziehung gelten
(247) w = (x-», 7c-\ x-i) ^0.
Diese Beziehung drückt in der hier benutzten Symbolik
dasselbe aus wie die Gleichungen (125) und (125 a) auf S. 203, die
für die elektromagnetische Masse des Lorentzschen Elektrons
gelten. In der Tat hat H. A. Lorentz jene Annahme über die Form
des Elektrons gerade im Hinblick auf die Optik bewegter
Körper gemadit. Infolge der Erdbewegung sollen die Elek-
•tronen, deren Schwingungen die Geschwindigkeit der Licht-
fortpflanzung in den Körpern bestimmen, sich in der gleichen
Weise kontrahieren wie die materiellen Körper. Im Ruhe-
zustande Kugeln, sollen sie infolge der Bewegung Heaviside-
Ellipsoide werden. Diese Hypothese über die Gestaltsänderung
der Elektronen, im Verein mit den übrigen Lorentzschen
Hypothesen, verbürgt das Fehlen eines bemerkbaren Ein-
flusses der Erdbewegung auf die Lichtfortpflanzung in festen
Körpern. Für flüssige und gasförmige Körper fügt Lorentz
noch die Hypothese hinzu, daß die Massen der Moleküle in
derselben Weise durch die Erdbewegung abgeändert werden,
wie die elektromagnetischen Massen der Elektronen. Alle
diese Hypothesen setzen die Durchführbarkeit der elektro^
magnetischen Weltanschauung voraus.
Wir haben in § 22 auf die Bedenken aufmerksam gemacht^
welche der Lorentzschen Hypothese des deformierbaren Elek-
trons gerade vom Standpunkte des elektromagnetischen Welt-
25*
388 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
bildes auB erwacheen. Yon diesem Standpunkte aus mußten
wir dem starren Elektron den Vorzug geben. Die Formeln^
die wir für dessen elektromagnetische Massen aufgestellt haben
(S. 193, Gl. 118b, c), weichen, was GhröBen der Ordnung ß^ an-
belangt, von den Lorentzschen durch die Faktoren (l ~" tä i'*) ^^^*
f 1 — j^ ßA ab. Demnach würden sich für die Eigenschwingungen
der Elektronen auf der bewegten Erde andere "Werte ergeben,
wenn man unsere Formeln an Stelle der Lorentzschen setzte
und die Hypothese über die quasielastischen Kräfte beibehielte;
die Quadrate der Wellenlängen der Eigenschwingungen würden
dann in demselben Verhältnisse sich ändern, wie die Werte der
Massen. Es würde also die Dauer der longitudinalen und der
transversalen Eigenschwingungen der Elektronen infolge der Erd-
bewegung um Ghrößen der Ordnung — /S^ = 10~^ voneinander ab-
weichen. Diese Abweichung sollte sich fOr dispergierende Körper
durch eine Doppelbrechung kundgeben; senkrecht zur Richtung
der Erdbewegung sollte sich monochromatischen Licht mit ver-
schiedener Geschwindigkeit fortpflanzen, je nachdem es parallel
oder senkrecht zur Bewegungsrichtung der Erde polarisiert
ist. Eine Doppelbrechung der Körper von dieser Ordnung
haben Bayleigh und Brace bei den oben erwähnten Ver-
suchen nicht entdecken können, obgleich die Genauigkeit
nach den Angaben der Experimentatoren eine hinreichende
gewesen wäre.
Das Lorentzsche Hypothesensystem ist, wenn auch viel-
leicht nicht das einzige, so doch wohl das einfachste, welches
jeden bemerkbaren Einfluß der Erdbewegung auf die elek-
trischen und optischen Eigenschaften der Körper ausschließt.
Die Möglichkeit eines solchen auf der Elektronentheorie
fußenden Hypothesensystemes zeigt, daß aus dem Fehlen eines
solchen Einflusses kein prinzipieUer Einwand gegen die Grund-
hypothesen der Elektronentheorie hergeleitet werden kann.
Diese allgemeinen Grundhypoihesen lassen sich vielmehr mit
speziellen Annahmen über die Elektronen und Moleküle derart
vereinigen, daß die elektromagnetischen Vorginge auf der be-
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 389
wagten Erde merklich mit denjenigen identiscli sind; die auf
der ruhenden Erde beobachtet werden würden.
Auch wenn man sich auf den Standpunkt der allgemeinen
Elektronentheorie stellt^ so braucht man doch keineswegs
jede einzelne der speziellen Hypothesen von H. A. Lorentz zu
akzeptieren. Durfte doch das elektromagnetische Weltbild,
dem diese Hypothesen angepaßt sind, nur als ein Programm
bezeichnet werden, und gerade die Lorentzsche Annahme
über die Form des Elektrons ist keineswegs mit diesem Pro-
gramm in Einklang zu bringen. Was femer die ^^ quasi-
elastischen Kräfte'^ anbelangt , welche im Verein mit der Träg-
heit die Eigenschwingungen der Elektronen bestimmen sollen,
so ist deren Natur uns ^inzlich unbekannt. Erst wenn wir
die Linienspektra eines ruhenden Körpers auf Grund der Elek-
tronentheorie befriedigend werden deuten können, wird es
möglich sein, die Optik bewegter Körper sicher zu begründen.
Bis dahin sind alle theoretischen Ansätze, welche man der
Diskussion des Einflusses der Erdbewegung zugrunde legt,
nur von provisorischer Bedeutung und der Abänderung sehr
wohl fähig.
In Anbetracht der zahlreichen und vielfach bedenklichen
Hypothesen, zu welchen die Lorentzsche Elektrodynamik be-
wegter Körper ihre Zuflucht nimmt, verdient die von E. Cohn*)
aufgestellte Elektrodynamik bewegter Körper Literesse. Diese
Theorie sieht von atomistischen Vorstellungen ab. Sie stellt,
der rein phänomenologischen Methode getreu, ein System von
Feldgleichungen an die Spitze:
(248) cnrl§'=^{i + ^),
(248 a) curie'=-|^>
(248b) 4«J) = e«'- -[»§'],
1) E. Cohn. Göttinger Nachrichten 1901, Heft 1. Ann. d. Phys. 7,
S. 29, 1902. Berliner Sitzungsber. 1904, S. 1294 nnd 1404.
390 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern.
(248c) i==ö(&^ {bei fehlenden eingeprägten Krafben}^
(248d) » = ft§'+-^ [»«'].
Wie man sieht^ ist liier die Hertz-Heavididesche Analogie
der elektrischen imd magnetischen Größen gewahrt^ welche
die Elektronentheorie aufgibt. Für unmagnetisierbare Körper
lehrt der Vergleich mit den Grrondgleichnngen der Lorentzschen
Elektrodynamik (S. 324) folgendes: die Abweichung besteht nur
darin ^ daß nicht wie dort die Vektoren (S und ^, sondern 1B'
und §' zu Vektorprodukten mit Ol vereinigt sind. Diese Ab-
weichung ist von der zweiten Ordnung; hinsichtlich der Größen
erster Ordnung in ß sind die Cohnschen Grundgleichungen
den Lorentzschen völlig äquivalent.
Was die Anwendung auf ein gleichförmig bewegtes
System 2' anbelangt^ so ergibt sich^ daß ähnlich wie bei
Lorentz die Zurückführung der Grundgleichungen auf die-
jenigen eines ruhenden Systemes 1]^ möglich ist; wenn die
allgemeine Zeit durch eine Ortszeit ersetzt wird. Dabei ist
es aber^ um das Fehlen eines Einflusses der Erdbewegung zu
erklären^ nicht notwendige eine Kontraktion der Körper an-
zunehmen; es sind vielmehr die Abmessungen des ruhenden
Systemes Uq mit denen des bewegten Systemes 27' identisch.
Die im bewegten Systeme gemessenen Längen sind hier die
wahren Längen; auch ist die Zeiteinheit beim Übergang zum
ruhenden System nicht abzuändern. Es wird also hier ohne
hypothetische Annahmen über den Einfluß der Erdbewegung
auf die Körper dasselbe erzielt^ was Lorentz durch sein Hypo-
thesensystem erreicht.
Die in § 43 gegebene Theorie des Michelsonschen Ver-
suches war von den Feldgleichungen insofern unabhängige als
ihr Gegenstand nur die Lichtfortpflanzung im luftleeren Baume
war. Hier würde die Cohnsche Theorie, welche die Kon-
traktionshypothese fallen läßt, ein positives Ergebnis des Ver-
suches erwarten lassen. Nach Cohn soll das negative Ergebnis
daher rühren, daß die Fortpflanzung bei den wirklichen Ver-
suchen in Luft geschah; man dürfte also nach dieser Auf-
Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 391
fassnng die Gleichnngen für den leeren Baum hier nicht an-
wenden^ sondern eben die Feldgleichungen^ welche für die
mit der Erde bewegte Lnft gelten sollen.
Handelt es sich nur um den Einfluß sichtbarer Be>
wegungen auf die elektromagnetischen Vorgänge in wägbaren
Körpern, so kann man im Zweifel sein, ob die Lorentzsche
oder die Gobnsche Theorie den Vorzug verdient. Eine um-
fassende Behandlung der Konvektions- und Wellenstrahlung ist
indessen auf Grrund der Cohnschen Gleichungen bisher nicht durch-
geführt worden. Die Theorie von Gohn sieht ab von atomistischen
Vorstellungen; für die Ausbildung einer atomistischen Theorie
der Elektrizität gibt sie nur die Anweisung: dieselbe so aus-
zubilden, daß für die meßbaren Mittelwerte jene Gleichungen
gelten. Sie bleibt den Nachweis schuldig, daß eine solche
elektrische Atomistik mögUch ist und daß sie die Erfahrungen
über Kathodenstrahlen und Badiumstrahlen richtig wiedergibt.
Daß die Elektronentheorie dieses leistet, haben wir in dem
vorliegenden Bande gezeigt. Wir haben femer gesehen, daß
die Elektronentheorie diese rein elektrischen Strahlungs-
erscheinungen in die engste Verbindung bringt mit gewissen
optischen Eigenschaften der Korper, welche in dem Zeemanschen
Phänomen, der Dispersion und der magnetischen Drehung der
Polarisationsebene sich kundgeben.. Eine umfcMSsende elektro-
magnetische Theorie der Strahlung ist heute nur auf Grund
der Elektronentheorie möglich. Jene Verknüpfung der an-
scheinend verschiedenartigsten Verenge ist eine der wichtigsten
Errungenschaften der Elektronentheorie. Diese Errungenschaft
wird festzuhalten sein, auch dann, wenn etwa der Fortschritt
der Wissenschaft die Grundlagen der Elektrizitätstheorie aufs
neue erschüttern sollte.
g92 FormelzoBammenBtellimg.
(?)
Formelznsammenstellnng.
I. Feld und Bewegancr einselner ElektroiieiL«
Grundgleichungen der Elektronentheorie: (§ 4 S. 17)
I) curl # - - -^ - 4«! - 4«(> • -,
(«) im) diT«-4«(.,
IV) div # - 0,
(elektromagnetisclie Kraft pro Einheit der Ladung).
Dichte der elektromagnetischen Bewegungsgroße:
(ß) «-r«®-4^M (GH.18S.27)
Lösung der Ghumdgleichiingeiii
|^=:curl« (öl. 28 S. 38)
«-.r*-i^ (öl. 29 S. 38)
c dt •
Es sind die elektromagnetischen Potentiale:
00
9=^ rXdXrdiDQ{X,l-X) .... (öl. 50 S. 57)
00
%^ jXdXJdfol{X,l-X) (Ö1.51S.57)
Dabei ist l^ct^ X ist der Latensweg, X^d(o das Flachen-
element einer mit dem Radius X um den Auipunkt ge-
schlagenen Kugel.
w
(*)
a)
(>?)
(«•)
L Feld und Bewegung einzelner Elektronen.
Lösung mit Hilfe des Hertzschen Vektors:
39d
8« Ixdxfdaq^l, l - X)
H = I Id?
. (Gl. 48 S. 55)
. (GL 47 S. 54)
(Gl. 48 c, d S.56)
^-cnrl^
Qq ist das anfangliclie elektrostatische Feld.
I ii
Bewegte Punktladung e: ü Geschwindigkeit^ /) » —
X » ]/l — /}*, ^' Zeit des EntsendenS; t Zeit des Eintreffens
im Aa^nnkte, t, t^ Fahrstrahl vom Orte des Entsendens
zum Aufpnnkte bzw. entsprechender Einheitsvektor
e _e a*^
'^ r dt
i'-'i)
«
eil
('-^)
endt^
rc dt
rc
. . . (öl. 63, 64, 65, § 11)
§=[ti«]
(Gl. 72, 73, S. 97)
Ausgestralilte Energie and Bewegnngsgroße:
8
'^»-i:-:->li;+^)
2
•..-i:-/Hi^+^'l
. (Gl. 82, 83,8.118)
Beaktionskraft der Strahlung:
394 Formelzosammenstellimg.
Elektromagnetische Massen des Elektrons. All-
gemeine Formeln:
m, = -^Li longitudinale Masse
(0 { 1^1 \ (öl. 115, 115a, S. 186)
wir = irr transversale Masse
(*)
(/»)
Starres kugelförmiges Elektron (mg Masse bei lang-
samer Bewegung):
z(^) = ^{-j^«([^) + r^.) • (öl.ll7d,S.192)
Lorentzsches Elektron:
— 8^
(GL 125, 125 a, S. 203)
n. Elektromagnettsehe Torgr&nge In wigrbaren Kdrpern.
Grandgleichungen der Lorentzschen Elektro-
dynamik für bewegte nnmagnetisierbare Körper
(§§ 35 und 36):
(Ic) curl§'= t(» + ^) • • (01.190,8.316)
(Hc) curl e' y^ .... (Gl. 194, S 320)
(nie) div 2) = Q,
(IVc) div § = 0.
i = tf«'= tf {« + |-[lo^]} (GL 195 u.l95b, S.324)
4«» = 6e'--rio§] (GL 195c, S. 324)
C
^ = ^'+l.[Ug] (GL 195a, s.324)
n. ElektromagnetiBclie Vorgänge in wägbaren Körpern. 395
d'
{tu ist die Geschwindigkeit der Materie^ -^ ^^zieht sich
auf einen mitbewegten Punkt; @, $ sind die Mittelwerte
der elektromagnetischen Vektoren ^ welche die im Baume
Yon den Elektronen erregten Felder kennzeichnen; S' ist
die elektromagnetische Kraft auf die Einheit der mit-
bewegten Ladung; s und 6 sind Materialkonstanten^ die
Yon der Bewegung imabhangig sind, wenn Grrößen zweiter
Ordnung in ■ — ^ nicht in Frage kommen}.
Relativer Strahl:
(v) S' = :i^ [«'§'] (Gl. 213b, S. 341)
Flächenkraft far die Flacheneinheit einer im Baume
bewegten F^.che:
(I) r=^(2re.+ 2§'^.^ 11 {««' + §§'}}
(Gl. 204, S. 333)
Thermodynamisches Gesetz der Wellenstrah-
lung:
(o) H=d'^g(^) (Gl. 228a, S. 357)
bestimmt die Helligkeit H der Strahlung von der Tempe-
ratur d' und der Schwingungszahl v.
Plancksche Formel:
(«) fl = ^.-^ . (Gl. 229, S. 361)
[Je und h sind omTerselle Konstanten}.
Register.
Die Beifagong der Pftragraphenftiigabe besagt , dafi der ganze Paragraph den betreffenden
Gegenstand behandelt.
cc-Strablnng U 14.
Abbildung, hydrodynamisclie I 48
(§ 16).
Aberration des Fixstemlichtes 11
886, 842.
Abklingongskoeffizient 11 70.
Ablenkbarkeit der j?> Strahlen 11 194
(§ 21), 211.
Abraham, M., n 26, 119, 189, 172,
201, 304, 806, 808, 810, 848.
absolute Bewegung I 480 (§ 91);
n 18.
absolute Energieströmung oder
Strahlung 11 107, 888.
absolutes Maßsystem I 4, 207 (§ (8),
249 (§ 61).
Absorption elektrischerWellen 1816;
II 276.
Absorptionsvermögen I 828; II 868.
Achsensysteme I 10 (§ 4).
actio und reactio I 886, 898, 417,
421, 428; 11 81.
Addition von Vektoren I 6 (§ 2).
Äquipotentialflächen I 180.
Äquivalenz von Doppelschicht und
Wirbellinie I 108 (§ 29).
— von Magneten und elektrischen
Strömen I 878 (§ 81).
Äther I 142, 218, 856, 422, 430, 486.
Ampere I 879"; 11 260, 282.
Amp^resche Schwimmregel I 106,
240.
Analogie der elektrischen und mag-
netischen Größen I 211 (§ 64),
217, 480; II 264, 890.
anomale Dispersion 11 278.
anomaler Zeemaneflekt n 78.
Antenne vgl. Sendedraht.
Aschkinaß, E., 11 7.
associatives Gesetz der Yektor-
addition I 7.
atomistische Konstitution der Elek-
trizität n 1 (§ 1), 16, 21, 189.
ausgestrahlte Energie und Be-
wegungsgröße n 128, 282.
äußeres Produkt I 16 (§ 6).
axialer Vektor I 22 (§ 8), 248.
Axiom, erstes Newtons II 171, 178.
— zweites Newtons 11 181, 182.
— drittes Newtons II 28 (§ 6).
/}- Strahlung 11 14, 194 (§ 21).
Bahner II 79.
Bartoli 11 867.
Becquerel, H., n 282.
Becquerelstrahlen vgl. /?- Strahlen.
Beltrami, E., n 59.
Beschleunigungsvektor I 9.
Betrag eines Vektors I 6.
Bewegung, absolute und relative
I 480 (§ 91), n 18.
Bewegungsgleichungen des starren
Körpers I 89.
— einer Flüssigkeit I 118 (§ 81).
— des Elektrons n 147 (§ 17), 210.
Bewegungsgröße I 82.
— elektromagnetische 11 27.
— des Elektrons II 170 (§ 19), 208.
Bezugssysteme, bewegte I 84 (§ 18),
112 (§ 81).
Begister.
397
Bilder, elektrische I 139, liO, 160.
Biot-Savartsches Gesetz I 106, 220.
Bizjkel I 268.
Bjerknes, Y., I 289; 11 804.
blanke Fläche n 880. Vgl auch
Spiegel.
Boltzmann, L., 1 809 ; 11 867, 868, 860.
Boltzmann-Dradesche Eonstante 11
284, 862.
Brace, D. B., 11 882, 388.
Bradley 11 836.
Braun - Slabysche Senderanordnnng
I 295; II 808.
Brechung der Erafklinien 1 145 (§ 89),
225.
Brechimgsindex I 808, 314; 11 272,
279.
Burckhardt, H., 11 127.
y- Strahlung II 16.
Clausius, B., II 851, 360.
Cohn, E., I 211, 317; II 889.
Cohnsche Elektrodynamik bewegter
Körper II 389.
Coulombsches Gesetz I 173 (§ 45),
377.
Crookes, W., II 6.
curl I 78 (§ 24), 87, 95.
D'Alemberts Prinzip I 31 (§12).
Dämpfung durch Strahlung I 288,
293; II 66, 305.
De la Bive vgl. Sarasin.
Diamagnetismus I 218; U 283.
Dichte der wahren und freien Elek-
trizität I 145 (§ 39) ; II 268.
— des wahren und freien Magne-
tismus I 211 (§ 64).
— des wahren Stromes I 184, 188,
190, II 264.
— des freien Stromes I 231, 878
(§ 81); n 264.
Dielektrika I Abschnitt 2 Eap. 2:
141 — 168.
Dielektrizitätskonstante 1 141 (§ 38),
203, 308.
Differentiation nach einer skalaren
Yariabelen I 8 (§ 3), 15, 18.
Dimensionen 1 4, 207 (§ 63), 249 (§ 61).
Dimensionstafel I 262.
Dipol, elektrischer 11 67, 108.
Dirichlet, G.L., 11 239, 308.
Dispersion 11 267 (§ 29).
Dispersionsformel 11 272, 279.
dissipative Erafb 11 71, 123.
distributives Gesetz der Multipli^
kation I 14, 17.
Divergenz, div., I 51 (§ 19), 56, 74.
Doppelquelle I 69 (§ 21).
Doppelschicht I 70 (§ 28), 97, 103
(§ 29).
— elektrische I 199.
drahtlose Telegraphie I 292, 295,
308; n 286 (§ 33), 297 (§ 34).
Drahtwellen I 331 (§ 73), 847 (§ 75),
360 (§ 76).
Drehimpuls s. Impulsmoment.
Drude, P., I 206, 808; 11 268, 271,
274, 276, 276, 288, 284, 819.
Duplet, Zeemansches, 11 76.
Dynamik des Elektrons, Grund-
hypothesen n 136 (§ 16).
Eichenwald, A., I 425, 427, 429;
n 316.
Eigenschwingungen, elektrische,
I 279 (§ 66), 294 (§ 68), 354;
n 306.
— des Elektrons n 67, 214, 274.
eingeprägte elektrische Kräfte
I 194 (§ 60); n 266.
— magnetische Kräfte 1 888 (§ 88).
Einheitsvektor I 7.
elektrische Energie I 163 (§ 48).
elektrisches Feld I Abschnitt 2:
123—210.
elektrische Feldstärke oder Kr&ft
I 123 (§ 33), 141, 182; II 264.
elektrische Yerschiebungl 141 (§ 88);
n 265.
Elektrizität I 124, 128.
Elektrodynamik bewegter Körper I
Abschnitt 4, Kap. 2: 390 — 436;
n Abschnitt 2, Kap. 2: 310—391.
elektrodynamisches Potential I 272.
Elektrolyte I 190, 203, 316; II 1.
j
398
Begister.
elektromagnetische Bewegnngs-
große n 27.
— Energie I 246; 11 20.
elektromagnetischer Energiestrom
I 311, 844, 856 (§ 77), 868 (§ 78).
elektromagnetisches Feld I Ab-
schnitt 8: 211 — 867.
elektromagnetische Lichttheorie
I 808.
— Kraft n 19.
— Masse II 137, 152, 181 (§ 20), 208.
elektromagnetisches Maßsystem
I 261.
elektromagnetische Potentiale 11 89.
— Wellen I Abschnitt 3, Kap. 3:
808 — 856.
elektromagnetisches Weltbild 1273,
858; n 136 (§ 16), 208, 881.
elektromotorische KrSfto 1 194 (§ 50),
198 (§ 51), 208 (§ 62).
Elektron 11 8, 140.
Elektronen, ihr Feld und ihre Be-
wegung n Abschnitt 1 : 1 — 249.
Elektronenladnng, spezifische II 9,
11, 77, 200, 276, 282.
Elektronentheorie, Grandgleichun-
gen der n 17 (§ 4).
elektrostatisches Feld I Abschnitt 2 :
123 — 182.
— Maßsystem I 209, 261.
elementare elektrodynamische Kraft
n 98.
Elementarquantum, elektrisches
II 1 (§ 1), 868.
Emission des Lichtes n 67, 865, 866.
Emissionshypothese der Kathoden-
strahlen n 6.
Emissionsvermögen I 828; IE 864.
Energie eines Strömungsfeldes 1 101.
— elektrische I 168 (§ 48).
— magnetische 1212,223,875,884.
— elektromagnetische 1 246; 11 20.
— des Elektrons II 170 (§ 19), 208.
Energieprinzip I 246; 11 20, 29.
Energiestrom I 311, 344, 366 (§ 77),
363 (§ 78); 11 12, 20.
— absoluter n 107.
— relativer 11 108, 389.
Erdbewegung 1 404, 483 ; II 336, 842^
866 (§ 42), 878 (§ 43), 879 (§ 44).
Eulersche Bewegungsgleichungen
des starren Körpers I 89.
— in der Hydrodynamik I 113.
ExtinktionskoefEzient I 814.
Faraday I 1, 141, 287, 890^ 11 1.
Farbenzerstreuung s. Dispersion.
Feld eines Vektors I Abschnitt 1,
Kap. 2: 43—122.
Feldgleichungen I 248 (§ 60).
Feldstärke, elektrische I 128 (§ 88),
141, 182; II 264.
— magnetische I 211, 217 (§ 56);
n 266.
Femwirkungstheorie I 1, 167, 228,
272, 343, 868, 878; 11 15, 99.
Ferromagnetismus I 218, 868—890;
n 288.
Fitzgerald 11 876.
Fizeaus Versuch I 485; 11 326 (§ 87).
Flächendichte, elektrische 1 182,145.
Flächendivergenz I 74.
Flächenkraft, elektromagnetische
I 415, 418; n 25, 831, 338.
Flächenwirbel I 95.
Fortpflanzungsgeschwindigkeit
elektromagnetischer Störungen
und Wellen I 807, 322; II 62.
freie Elektrizität 1 146 (§ 89), 11 263,
812, 816.
freier Magnetismus I 212, 224 (§ 57),
873 (§ 80).
— Strom I 229 (§ 68), 378 (§ 81);
II 264.
Frequenz I 276.
Fresnel, A.,.n 828, 842.
Fresnelscher Fortfährungskoeffizient
n 828.
y- Strahlen 11 16.
Qaußisches Maßsystem I 254.
Graußischer Satz I 64, 66.
Greometrie, nichteuklidische, I 485.
Geschwindigkeitsvektor I 9.
gleichförmige Bewegung elek-
trischer Ladungen II 168 (§ 18).
Itegistei.
399
Gleichgewicht, stabiles, labiles, in-
— differentes I 80 (§ 11).
Gleitfläche I 402.
Goldstein, E., E 6, 14.
Graßmann I 8, 14, 16.
Greenscher Satz I 68.
Grenzbedingnngen I 146, 225, 319,
880; n 816, 826.
Grandgleichongen s. auch Hauptgl.
und Feldgl.
Grandgleichongen der Elektronen-
theorie n 17 (§ 4), 252, 824.
— dynamische 11 140
— kinematische 11 141.
Hack, F., n 806.
Haga, H., n 16, 120.
Hagen, E. s. Bnbens.
Halbleiter, Wellen in I 812 (§ 70).
Halbranm, dielektrischer I 150
(§ 40).
HaU-Effekt I 242, II 319.
Hamiltonscher Operator V I 49, 58,
62, 81.
Härte, magnetische 1 872, 878 (§ 80).
Hasenöhrl, F. 11 846.
Hauptgleichnng, erste I 221, 285,
(§ 69), 424 (§ 90); H 17, 265,
310 (§ 85).
— zweite I 238, 898 (§ 86); 1117,
265, 317 (§ 86).
Heaviside, 0., I 8, 200, 211, 244;
n 90, 119, 188, 181.
Heaviside -EllipsoXd H 91, 165, 201
(§ 22), 875.
Helligkeit E 852.
Helmholtz, H., 1 47, 119, 199; E 267.
Herglotz, G., E 214.
Hertz, H., I 1, 211, 254, 286, 288,
400, 436; E 6, 62, 142, 304.
Hertz -Heayisidesche Analogie 1 211,
226, 289, 430; E 264, 890.
Hertzsche Elektrodynamik bewegter
Körper I 398 (§ 86), 421, 424
(§90), 430 (§91); E 810 (§86),
817 (§ 86), 326 (§ 37), 342.
Hertzscher Erreger I 287; E 804.
Hertzsche Funktion E 56, 62, 298.
Hertzsche Mechanik I 212; E 142.
Hertzscher Resonator E 296.
Hertzsche Schwingungen I 286.
Hertzscher Vektor E 66, 59, 287, 288.
Hertz, R, E 222, 280, 234.
Hittorf, W., E 6.
Hohlraum, Hohlraumstrahlung
E 369.
HuU, G.P., E 83
Huyghenssches Prinzip E 844, 846.
hydrodynamische Grundgleichun-
gen I 112 (§ 81).
Hysteresis, magnetische 1 868 (§ 79).
Impedanz I 276.
Impuls I 82.
— elektromagnetischer E 29.
Impulsmoment I 82.
— elektromagnetisches E 85.
Impulssätze I 32; E 30, 86.
Induktion, magnetische, als Vektor
I 211, 214 (§ 55), 277; E 264.
' — in Stromkreisen I 258 (§ 68)^
890 (§ 84), 394 (§ 86).
— unipolare I 405 (§ 87).
Induktionsgesetz I 237, 390; E 320.
Induktionsfluß I 266, 259.
Induktionskoeffizient I 259.
Induktionslinien I 216, 407.
induktive Kuppelung I 294 (§ 68).
Influenz, elektrische I 140.
innere Kraft eines Elektrons E 140,.
209, 214, 286 (§ 26).
inneres Produkt I 13 (§ 6).
Ionen I 191; E 1, 2, 4.
Joulesche Wärme I 186.
Isolatoren I 180, 316.
Kabelwellen I 345 (§ 74).
Kanalstrahlen E 14.
Kapazität des Kugelkondensatora
I 184, 141.
— des gestreckten BotationseUip-
soides I 138.
— der Längeneinheit einer Leitung
I 836, 846, 849.
Kathodenstrahlen I 191; E 5 (§ 2),.
194 (§ 21).
400
Register.
Kaufmann, W., I 192; II 7, 11, 139,
198, 213.
Kayser, H., n 79.
Ketteier II 267, 274.
Kiebitz, F., 11 806.
Kirchlioff, G., I 866; 11 862, 364.
Kirchhoffsches Qesetz I 828; 11 863.
kommentatives Gesetz I 6, 14, 17.
Komponenten einesYektors 1 10 (§4).
Kondensator I 184, 141.
— am Ende einer Leitung I 860
(§ 76).
Kondensatorentladong I 279 (§66);
n 291.
Kontaktkraft, elektrische, I 198
(§ 61).
Kontinnitätsbedingong der Elektri-
zität n 89.
Kontraktionshypothese 11 876.
Konvektionspotential n 91, 161.
Konvektionsstrahlnng U 18.
Konyektionsstrom 1 189 (§49), 426;
n 814.
Koppelung I 294 (§ 68); 11 808.
Kraft, elektrische, magnetische s.
Feldstärke.
— vgl. dissipatiye, eingeprägte,
elektromagnetische , elemen-
tare, ponderomotorische, quasi-
elastische.
Kraftfiuß I 126 (§ 84).
Kräftefunktion 11 168, 162, 179.
Kraftlinien I 128.
Kreisel I 88.
Kugel, gleichförmig mit Quellen
erfüllte I 69.
— homogen polarisierte I 169
(§ 42).
Kurlbaum, F., n 861.
Ladung eines Ions n 1, 4.
— spezifische, des Elektrons n 9,
11, 77, 200, 276, 282.
Lagrangesche Funktion n 166, 174,
176, 179, 202.
— Gleichungen I 40 (§ 16), 266
(§ 64); n 189.
Langevin, R, n 8, 288.
Laplacesche Gleichung I 68.
Laplacescher Operator I 68, 89. --
Latensweg, Latenszeit n 62.
Lebedew, P., 11 88.
Leiter der Elektrizität I 180 (§ 36),
816.
— vollkommene oder ideale, 1 829,
vgl. auch Spiegel.
Leitfähigkeit I 186; n 286.
Leitungselektronen n 261, 288 (§ 82).
Leitungsstrom I 182 (§ 47), 186;
n 266, 283 (§ 82).
— in Gasen n 2, 286.
~ in Elektrolyten I 190; 11 1.
— in Metallen I 192; II 284.
Lenard, Ph., n 6, 7, 13.
Lenzsches Gesetz I 240.
leuchtender Punkt 11 69 (§ 9), 102
(§ 14), 888.
Levi-Civitä n 69.
Lichtdruck n 82, 829 (§ 88), 861,
884.
Lichtgeschwindigkeit I 807.
— Bewegung mit II 286, 886, 861.
Lichtzeit in gleichförmig bewegtem
Systeme II 366 (§ 42).
Li^nard, A., 11 86.
lineare Yektorfunktion I 87.
Linienintegral eines Vektors I 49,
86, 116.
longitudinale Masse n 162, 181
(§ 20), 203.
Lorentz, H. A., I 198, 428, 428, 434;
n 23, 26, 69, 72, 119, 262, 268,
271, 274, 277, 286, 828, 829, 842,
862, 872, 876, 879.
Lorentzsches Elektron n 201 (§ 22).
Lorentz -Lorenzsches Gesetz n 272.
Loschmidtsche Zahl n 6.
Luminiszenz 11 869, 864.
Lummer, 0., II 7, 360, 861.
Macdonald, H. M., 11 296.
magnetische Drehung der Polari-
sationsebene n 276 (§ 80).
— Energie I 212, 223, 376, 884.
— Feldstärke I 211, 217 (§ 66);
n 266.
Eegister.
401
magnetische Härte oder Remanenz
I 213, 372.
— Hysteresis I 368 (§ 79).
— Induktion (als Vektor) I 211,
214 (§ Ö5), 277; 11 264.
magnetischer Strom I 240.
Magnetisierung I 227; 11 262, 282
(§ 31).
Magnetisienmgselektronen IT 251,
260, 282.
Magnetismus, wahrer nnd freier
I 212, 216, 243, 373 (§ 80).
Marconi- Sender I 294; II 806.
Masse , elektromagnetische oder
scheinbare n 137, 162, 181
(§ 20), 203.
Maßeinheiten, Maßsysteme I 207
(§ 53), 249 (§ 61).
Materie, Materialismus I 357.
Maxwell, J. CL, I 1, 48, 44, 267,
308, 416; n 33, 374.
Maxwellsche Relation I 308; 11 268.
— Spannungen I 413 (§ 89); II 25.
Metalle 1 130, 189, 208, 318, 323, 326.
— Elektronentheorie der I 192,
206; II 284, 319, 362.
Michelson, A., 11 70, 326, 374.
Michelsonscher Versuch 11 378 (§ 43),
390.
Mie, G., n 310.
Minimalprinzip in der Elektrostatik
I 168 (§ 44).
Mittelwertsbildnng II 258.
Moment einer Doppelquelle I 63.
— einer Doppelschicht I 75.
— eines Wirbelfadens I 89.
— elektrisches 11 67, 256.
— magnetisches 11 260.
Monozykel I 268.
Morley 11 326, 874.
Morton, W., II 167, 168.
Multiplikation I 13 (§ 5), 16 (§ 6).
Nahewirkungstheorie I 1, 164, 228,
358, 366, 378.
Nemst, W., Nemstlampe 1 130, 204.
Neumann, F. E., I 272.
Nichols, E. F., II 33.
Abraham, Theorie der Elektrizität. IL
Ohmsches Gesetz I 183, 186; 11 286,
286.
Optik bewegter Körper n 879 (§44).
Ortszeit II 370, 377.
Paralleldrähte I 347 (§ 76).
Paramagnetismus I 213; 11 283.
Paschen, F., n 77, 78, 361.
physikalisch unendlich kleine
Strecken und Zeiten 11 253, 255.
Peltiersches Phänomen I 205.
permanente Magnete I 213, 378
(§ 80), 378 (§ 81).
Permeabilität, magnetische I 212.
Piezoelektrizität I 207.
Planck, M., II 73, 268, 271, 276,
352, 354, 361, 362.
Plücker, J., H 6.
Poincar^, H., II 31, 59.
polare Vektoren I 22 (§ 8).
Polarisation, elektrische 1 154 (§ 41) ;
n 268.
Polarisationselektronen 11 251, 269,
275.
Polarisationsstrom 1 193 ; 11 258, 312.
ponderomotorische Earäfte im elek-
trischen Felde I, Abschnitt 2,
Kap. 8: 163—182.
— zwischen Magneten I 377, 384.
— an Stromelementen 1 409 (§ 88).
— zwischen Stromleitern I 271.
— zwischen Magneten u. Strömen
I 386 (§ 82).
— im elektromagnetischen Felde
I 421, 422; II 23 (§ 5), 319, 829
(§ 38).
Potential (skalares) I 50, 61, 63, 68.
— eines Dielektrikums I 156.
— elektrodynamisches I 272, 885.
— elektromagnetisches 11 39.
— elektrostatisches I 130 (§ 35).
— eines magnetisierten Körpers
I 224 (§ 57).
— retardiertes 11 59. Vgl. auch
elektromagnetisches.
— vektorielles,vgl. Vektorpotential,
potentielle Energie I 80, 172, 376;
n 142, 207.
26
402
Begister.
Poyntingscher Satz 1361; 11107,108.
Pringsheim, E., H 861, 364.
Probekörper, elektriBclier I 123,
146, 177, 182; 11 22.
Probespule I 214, 276.
Produkt, skalares (inneres) 1 18 (§ 6).
— vektorielles (äußeres) 1 16 (§ 6),
— dreier Vektoren I 19 (§ 7).
Pseudoskalar I 22.
Punktladung, Wellenstrahlung einer
n Abschnitt 1, Kap. 2: 69—186.
— Feld einer gleichförmig beweg-
ten n 87 (§ 12).
— Feld einer ungleichförmig be-
wegten, n 92 (§ 18).
Pyroelektrizität I 207.
quasielastische Kraft 11 68, 267, 886.
quasistationäre Bewegung des Elek-
trons II 188, 208 (§ 28).
quasistationärer Strom I Abschnitt 8,
Kap. 2: 254—303; 11 291.
Quelle I 61.
Quellenfeld I 61 (§ 19), 64 (§ 22).
quellenfreies Feld 1 89 (§ 26), 94 (§ 27).
Quellpunkt I 69 (§ 21).
Badium- Strahlen ygl, a-, /?-, 7-
Strahlen.
Badius des Elektrons n 193.
Rayleigh II 882.
Baum, leerer I 142, 218, 867, 423,
486; n 18.
BeaktionskrafI; s. Bückwirkung.
Beflexion des Lichtes durch beweg-
ten Spiegel n 343 (§ 40), 364.
Beflexionsyermögen der Metalle
I 318 (§ 71).
Belativbewegung I 898, 404, 480,
(§ 91).
relativer Energiestrom 11 108, 889.
relativer Strahl n 886 (§ 39).
Belaxationszeit I 189, 812.
Besonanz, Besonanzkurve I 288
(§ 67).
Biecke, E., I 206; n 284, 819.
Bitz, W., II 79.
Böntgen, W. C, I 426; H 7.
Böntgenstrahlen n 7, 16, 81, 102,
120, 280.
Böntgenstrom I 426, 428; 11 816.
Botation eines Vektors, rot I 81
8. curl.
Botationsellipsoid, leitendes I 186.
Botationsgeschwindigkeit I 24, 47,
81.
Botationskonstante 11 281.
rotierendes Bezugssystem 1 84 (§ 13).
Bowland, H.A., I 426; n 188.
Bubens, H., I 318, 821; 11 861.
Bückwirkung der Strahlung 11 71,
72, 121 (§ 16), 211, 218, 276.
Bunge, C, II 77, 78, 79, 199.
Butherford, E., 11 14.
Bydberg 11 79.
Sarasin, E., und De la Bive 11 804.
Schirmwirkung der Metalle I 131,
827.
Schraubenlinie als Elektronenbahn
n 11, 118.
Schuster, A., II 6.
schwarze Fläche n 82, 830.
schwarzer Körper 11 866.
schwarze Strahlung s. weißes Licht.
Schwarzschild, K., 11 97, 98.
Schwebungen I 800, 11 808.
Schwingungen, elektrische, in Leiter-
kreisen I 279 (§ 66), 288 (§ 67),
294 (§ 68); II 286 (§ 88), 297
(§ 84).
Schwingungsgleichung eines Dipols
II 68, 72, 269.
Searle , G. F. C, H 168, 181.
Selbstinduktion I 260, 268.
— der Längeneinheit einer Leitung
I 338, 346, 349.
Seilmeier n 267.
Sender, Sendedraht I 298, 296, 803;
n 296, 297 (§ 34).
Siertsema, L.H., n 282.
Simon, S., II 11.
Skalar I 4, 28.
skalares Potential, Produkt s. Poten-
tial, Produkt.
Slaby s. Braun.
Begister.
403
Sommerfeld, A., 11 120, 222, 286.
248, 244, 309.
Spannung bei Drahtwellen I 836.
Spannungen, MazweUsche I 418
(§ 89); n 26.
Spektrallinien 11 67, 70, 77, 79, 214,
369, 364.
Spiegel, Tollkommener oder idealer
I 828, 880; II 380.
— bewegter, 11 383, 386, 848 (§ 40).
Stabilii&t des Grleichgewichts I 30
(§ 11).
— der Bewegung des Elektrons
n 172.
Starke, H., 11 200.
starrer Körper I 28 (§ 9).
Stefan-Boltzmannsches GresetzII 868.
Stokes, G. G., E 16, 102, 842.
Stokesscher Satz I 82 (§ 26).
Stoney II 8.
Strahl, absoluter I 811, 361, 867;
n 864.
— relativer 11 336 (§ 89).
Strahlung, absolute, I 311; 11 338.
— relative 11 838.
— linearer Leiter n 286 (§ 83).
— natürliche II 864.
— einer Punktladung n 66, 111.
— eines Sendedrahtes 11 297 (§ 34).
Strahlungen, Klassifikation der 11 12
(§8).
Strahlungsdruck s. Lichtdruck.
Strahlungsformel, Plancksche II 361.
Strahlungsgesetz, thermodynami-
sches n 367.
Strom, elektrischer I Abschnitt 2,
Kap. 4: 182—210.
— magnetischer I 240.
Subtraktion von Vektoren I 6 (§2).
Susceptibilität, magnetische I 227.
Telegraphengleichung I 318.
Telegraphie, drahtlose I 293, 296,
303; n286 (§38), 297 (§34).
Temperatur der Strahlung 11 361
(§ 41).
Temperaturstrahlung, reine 11 869,
868.
Tensor, Tensortripel I 39.
Teslatransformator I 294 (§ 68).
therm odynamisches Strahlungs-
gesetz n 867.
Thermoelektrizität I 204.
Thomson, J. J., I 208; 11 87, 121,
187, 230.
Thomson, W., I 140," 168, 206.
Thomsonsche Formel I 288, 864.
Townsend, J. S., n 8, 6.
Trägheitsmomente I 86 (§ 14).
transversale Masse n 162, 181 (§ 20),
208.
— Wellen I 808, 882.
Triplet, Zeemansches n 78.
Überlichtgeschwindigkeit 11 246
(§ 27).
ündulationshypothese d. Kathoden-
strahlen n 6.
unipolare Induktion I 406 (§ 87).
unstetige Bewegung des Elektrons
n 222 (§ 26).
ünstetigkeitsflächen in Vektor-
feldern I 70 (§ 28), 94 (§ 27).
Vektoren I Abschnitt 1, Kap. 1: 4—48.
Vektorfelder I Abschnitt 1, Kap. 2 :
43—122.
Vektorfunktion, lineare I 87, 46
(§ 17).
Vektorpotential I 90, 96.
— elektromagnetisches 11 89, 290.
— magnetisches I 217, 220, 222,
264 (§ 62).
— magnetisierter Körper I 229
(§ 68).
Vektorprodukt, vektorielles Produkt
I 16 (§ 6).
Verschiebung, elektrischel 141 (§ 38).
Verschiebungsgesetz n 367, 368.
Verschiebungsstrom I 186 (§ 48);
n266.
Verstärkungsgesetz n 367.
Vertauschungsgesetz n 280.
virtuelle Arbeit I 27 (§ 10).
Voigt, W., n 277, 282, 283.
Volterra, V., 11 69.
404
Register.
Wahre ElektrizitätI146(§39); 11263.
wahrer Magnetismns I 212, 216.
— Strom I 188.
Warburg, E., I 371.
weißes Licht n 358, 360, 364, 365.
Wellen, elektromagnetiBche I Ab-
schnitt 3, Kap. 3: 303--356.
Wellenstrahlung 11 13.
Wellenzone n 64, 101, 227, 300.
Weltbild, elektromagnetisches 1 273,
358; n 136 (§ 16), 208, 387.
Widerstand I 183, 185, 276.
Wiechert, E., H 7, 12, 16, 85, 102.
Wien, M., I 295.
— W., n 358, 360.
Wilson, H. A., II 3, 322.
Wind, C. H., II 16, 120.
Wirbel, Wirbelstärke 1 80, 88. Vgl.
auch curl.
Wirbelfaden, Wirbellinie I 89, 103
(§ 29), 201.
Wirbelfeld I 79, 89 (§ 26).
wirbelfreies Feld 1 48 (§ 18), 64 (§ 22),
70 (§ 23).
Wirbelsatz I 115 (§ 32).
X- Strählen s. Röntgenstrahlen.
Zeeman-Effekt 11 16, 73 (§ 10).
— anomaler 11 78.
— inverser II 277.
Zeitkonstante I 275.
Zerlegung der Flüssigkeitsbewegung
147.
— eines Vektorfeldes I 98 (§ 28).
Zyklische Bewegung, Systeme 1 266
(§ 64).
Berichtigungen zu Band I.
S. 9, Z. 18 V. n. Kes:
dt,
da
(;
At) ds dt
S. 19, Z. 10 V. 0. lies; «ji + Oji + aj! statt «li + fti + ri^-
S. 72, Z. 16 V. 0. und S. 73, Z. 6 v. o. lies:
t/ y r ov ov f
statt
df\ ldq> , r
\ r dv dv
S. 111, Z. 2 V. 0. lies: Arbeit statt Kraft.
S. 154, Z. 9 V. u. lies: — ^(qp — 9o) ^**** —^^ — ^q-
8. 178, Z. 2 y. u. lies: den statt der.
S. 229, Z. 12 y. 0. lies: magnetisierten statt magnetischen.
S. 259, Gl. (188a) lies: -Xj,j; statt -Ai«^-
c c
S. 259, Gl. (188 d) lies: -Xj^J", statt -L^^J.
c c
S. 261, Z. 4 V. u. lies: J^ statt J".
S. 261, Z. 1 y. u. lies: /, statt /.
S. 277, Z. 2 y. o. lies: dt statt d/l
S. 288, Z. 7 y. 0. lies: der Energieinhalt statt die Energieeinheit.
S. 297, Z. 14 V. 0. lies: (tr^'-rj«)* statt (tr^'-T,)*.
S. 321, Gl. (209 f) lies: ^a statt a.
S. 342, Gl. (217a) lies: -^^-^ statt
X
dz dx
S. 363, Gl. (225) lies: ^^J-y = ^+w7r.
S. 403, Z. 4 y. o. lies: (242 e) statt (242c).
S. 438, Z. 10 y. o., Formel q lies : curl cnrl 11 statt curl 11.
Berichtigungen zu Band II.
S. 117, Z. 2 y. 0. ist 2 als Faktor beizufügen.
S. 163, Z. 3 y. u. Hes: 9l = - Cdv\l0^, -|fil.
S. 164, Z. 40 y. o. lies: -[n^©]-^ statt [Jio®] + ^
S. 157, Z. 8 y. u. lies : (I) statt (II).
S. 272, Z. 13 y. n. lies: X statt r.
or
'^'^A
Abraham, Theorie der Elektrizität. II.
26*
Druck Ton B. G. Teubner in Dresden.
I
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__ . Die Geometrie der Wirbelfelder. In Anlehnung an das
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Weinstein, Geheimer Begiernngsrat Dr, B., Professor in Charlottenburg,
Philosophische Grundlagen der Naturwissenschaften.
. gr. 8. 1906. [In Vorbereitung]
Wien, Dr. W., Professor in Würzburg, über Elektronen. Vortrag.
gr. 8, [Erscheint Im September 1905.] ^
GENERAL LIBRARY • U.C. BERKELEY
6000352117