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Full text of "Theorie der Elektrizität"

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LIBRARY 



OF THE 



UNIVERSITY OF CALIFORNIA. 



Oass 




B 






f. 

• 



M HVncben tt. L. Vrattiftf in CTöttlBgeii. 

C. Molekiilarpliytik. 
t6. Chemische Atomiftft : F.W. IIiBri«hteii 
in Aachen und L« lliiinlock In Dresden. 

7. Kristallographie. 
7a) Kristall-Berechnung u. Zeichnung: 

Th. Liebiack in Gdttingen.. 
7b) Symmetrie- und Strukturtheorien: 
A. Schoenflie« und 0. Hilgge in 
Königsberg i. Pr. 

8. Kinetische Theorie d. Materie : L. Boltz- 
inaMii in Wien. 

i). Kapillaritttt u. Kohftsion : H. MlHkowski 
in Gdttingen. 

10. Nähere, insbesondere graph. Theorie 
der Zustandsgieichung f .si>ezielle Stoffe : 
H. KammerllHglKOiiiies in Leiden. 

11. Physikalische und Elektrochemie : J. H. 
raA*t Hoff in Berlin. 

IL Teil. 

Inhaltsverzeichnis von Band V, Teil II. 
D. Eiektrizitit und Optik. 
Physikalische Grundlegung der 
Elektrizitftttlehre. 
*ii. Standpunkt der Femwirkung, die Ele- 
mentargesetze: B. Beiff in Stuttgart 
und A. Somnerfeld in Aachen. 

§tf^ Bisher 
Teill Heftl (1— S). [160 S.] 1903. a..^4.80. | 



Mathemat. Spezialausftthrungen 
zur Elektrizitätslehre. 

18. Elektrostatik und Magnetostatik: B. 
Gans in Tübingen. 

19. Beziehungen zwischen Elektrizität und 
elastischer Deformation: F. Pocke!» in 
Heidelberg. 

20. Stationäre und langsam v^erftnderliche 
Felder: Tk. Detcoadr«« in Leipzig. 

21. Beziehungen der elektrischen Strömung 
zuWärme u. Magnetismus : H. BietBel- 
koriit in Berlin. 

t2i. Basch veränderL Felder: M. Abraham 
in Göttingen. 
2S. Elektrotechnik : K. N. 

Mathemat. Spezialausftlhrungen 
zur Optik. 

24. Strahlenoptik u. optische Instrumente : 
8. FiHBtterwalder in München. 

25. WeUenoptik (Interferenz u. Beugung) : 
H. N. 

26. Kristalloptik: F. Pockels L Heidelberg. 

E. SobluBwort. 

27. Allgemeine physikalische Anschau- 
ungen und Methoden: A. Sommerlelil 

. in Aachen und G. Mie in Graifswald. 

erschien: 

TeUII Heftl (12—14). [200 S.] 1908. n.JiS.— 



Mechanik. Herausgegeben von F. Klein und C. H. Müller in Göttingen. 
A. u. d. T.: Encyklopädie der Mathematischen Wissenschafben mit 
Einschluß ihrer Anwendungen. IV. Band. gr. 8. geli. 



I. Teil. 

Vorwort zu Bd. IV von F. Klein in Göttingen. 
Inhaltsverzeichnis von Bd. IV, Teil I. 

A. 0riin4iegiinfl 4er Meobanfk. 

*1. Die Prinzipien der rationellen Mechanik : 
A. Yoß in München. ~ 



B. ■eoluuiik der Punkte und starren Systeme. 

I. Behandlung elementarer Fragen 
in geometrischer Form. 

*i. Geometrische Grundlegung der Mechanik 
eines starren Körpers : E. Timerdlng in 
Strasburg. 



* erschienen, f unter der Presse. 

*3. Kinematik: i. Schoenflies in Königs- 
berg, mit einem Zusätze von M. Grfibfer 
in Dresden. 

*4 Die Geometrie der Massen: G. Jung in 
Mailand. 

*5. Graphische Statik: L. Henneberg in 
Darmstadt. 
6. Die elementare Kinetik : J. Petersen in 
Kopenhagen u. F. StSckel in Hannover. 



II. An Wendung en,mitBe'rüc ks ich ti- 
gung der störenden Einflüsse. 

*7. Die Mechanik der einfachsten physikal. 
Apparate und Versuchsanordnungen: 
Pta. Furtnangler in Bonn. 




-«♦■ * 



1 



*8. PhysiologlBche Mechanik: 0. FUcher in 

Leipsig. 
•». Spiel und Sport: 0. T. Walker in Siml» 

(Indien). 

10. Dynamische -Probleme der Masohinen- 
technik: K. HeHB i;^ Karlsruhe. 

m. Behandlung beliebiger Sjflteme 

von endlichem Freiheitsgrad in 

analytischer Allgemeinheit. 

11. JSntvrickelung allgemeiner MeÜioden: 
P. 8tiekel in Hannover. 

12. Si>exialdiakns6ion dynaraisoherProbleme: 
P. Sticket in Hannover. 

19. Botation starrer Körper und Verwandtes : 
P. Stackel in Hannover. 

II. Teil. 

Inhaltsverzeichnis von Band lY, Teil IL 

&• ftMlMlk 4er defonniMrbareB Körper. 

I. Analyiis^h-geometrisohe 
Hilfsonittel. 

*14.' Geometr. Grundbegriffe: M. Abrakem 
in Göttingen. 

II. Hydrodynamik. 

*15. .Physikalische Grundlegung: A« B» K* 

Lore in Oxford. 
*16. Theoretische Ausführungen: A. E. U. 

Love in Oxford. 

ÜV" Bish 
TeÜ I Heft 1 (1). [121 S.] 1901. n. ^3.40. 

- I — 2 (2). [156 S.] 1902. n. Jl 4 60. 

— I — 8(3). [156 S.] 1908. n. »^4.60. 

TeÜ ri Heft 2 (17. 18.). 



*Vl. Aerodynamik' $. Ftaeterwalder in 

München. 
*18. Ballistik:' C. Cranii in Berlin. 
19. Unstetige Bewegungen in kontinuier- 
lichen Indien : 6. Zemplen in Budapest. 

80. Hydraulik (Strömen von Wasser in 
Bohren u. Kanttlen): Ph. Forchheimer 
In Graz. 

81. Theorie der hydraulischen Motoren n. 
Pumpen :*H. Grfibler in "Dresden- 
in. Bla'stizitftt und Festigkeits- 
lehre. 

22. Theoretische Behandlung der statischen 
Probleme : O. Tedoae in Genua. 

28. Schwingungen, insbesondere Akustik: 
H. LanJk in Manchester. 

24. Die Statik der technischen Konstruk- 
tionen: L. Praadtl in Göttingen und 
N. IT. 

25. Theorie der auf elastischer Wirkung 
beruhenden MeBapparate: Ph. Fart- 
wangler in Bonn. 

26. Physikal. Grandlagen der Elastizit&ts- 
und Festigkeitslehre: A. Sommerfeld 
in Aachen. 

D. Meohanik 4er aus sehr zahlrelehen 
diskreten Teilen bestellenden Systeme. 

27. Das Bingreifen der Wahrscheinlich- 
keitsrechnung: fi. BoJtamaiiB in Wien. 

2& Schiffsbewegung: A. Krlleff in Peters- 
burg. 

er erschien; 

TeUI 2. Hälfte Hefi 1 (7—9). [152 S ] tuOl. 

n. M 4.40 
— II Heft 1 (14—16) [147 S.] 1901. n JL 3 So. 
[129 S.] 1908. n. U£ 3.80. 



WüHner, Geheimer Regierungsrat Dr. Adolph, Professor der Experi- 
mentalphysik iin der Königl. Technischen Hochschule zu Aachen, 
Lehrbuch der Experimentalphysik. In 4 Bänden, ö. ver- 
besserte Aufl. Mit 1092 in den Text gedr. Abb. u. Fig. u. 4 litho- 
graphierten Tafeln, gr. 8. 189Ö/99. 

Einzeln: ^ 

I. Band. Allgemeine Physik und Aku&tik. Mit 331 1. d. Text gedr. Abb. 

u. Fig. [X u. 1000 S.j 1895. n. «^ 12.— , in Hfabd. «^ U.— 
n. — Die. Lehre von der Wärme. Mit 181 i. d. Text gedr. Abb. u. Fig. 

[XI u.eSü S.j 1896. n. JL 12.—, in Hfzbd. ^14.— 
ITJ. — Die Lehre vom Magnetiemus und von der Elektrizität mit 

einer Einleitung: Grundzttge d ey L ehre vom Potential. Mit 

841 i. d. Text gedr. Abb. u. Fig. [XV u. 1415 8.] 1897. n. JC 18.—, 

in Hfisbd. JC 20.— 
lY. — Die Lehre von der Strahlung. Mit 299 i. d. Text gedr. Abb. u. Fig. 

u. 4 litliogr. Taf. [XII u. 1042 S.] 1890. u. JL 14. -, ib Itfzbd. ^16.— 



Bei gleichzeitigem Bemg aller 4 Bande liefert die Yerlagahandlaiig das 

Wrrk m dl>m erifeiSBIgteii' Preise TOif ^ 28 — für das geheftete, Jl^i.- fSr 
das gebvndeiie Exemplar. — Im UmtsHKch gegen frihere Aaflagen l>ei direkter 
Eluseudung der Baude geheftet für JC2Xi. — 



Abraliam, Dr. M., PriYatdozent in Göttingen und Dr. A. Föppl, Professor 
in München, Theorie der Elektrizität. I. Band: Einführung 
in die Maxwellsche Theorie der Elektrizität. Mit einem 
einleitenden Abschnitte über das Rechnen mit Yektorgrößen in der 
Physik. VonDr. A. Föppl. 2., umgearb. Aufl. von Dr. M. Abraham. 
Mit 11 Figuren im Text. [XVIII u. 443 S.] gr. 8. 1904. geb. n.JCl^.— 
■ n. Band: Elektromagnetische Theorie der Strahlung. Von 
Dr. M. Abraham. Mit 5 Figuren im Text. [X u. 405 S.] gr. 8. 
1905. geb. n. JKIO.— 



Auerbach. Dr. JE^elix^^ Professor an der UniTeisität Jena, die Grund- 
begriffe der modernen Naturlehre. Mit 79 Figuren im Text, 
pi u. 166 S.] 8. 1902. geb. n. JC 1. 25. 

BÖrnstein. Dr. R.^ und Dr. W. Marckwald, Professoren in Berlin, 
Sichtbare und unsichtbare Strahlen. Mit 82 Abbildangen im 
Text. [VI u. 142 ß.] 8. geh. ^1.—, geb. JC 1.26. 

Brüschy Dr. Wilhelm, Oberlehrer in Lübeck, Leitfaden der Elek- 
trizität im Bergbau. Mit 411 Abbildungen im Text. [VIII u. 
298 S.] gr. 8. 1901. geb. n. UK 6.— 

Bryan^ Q-, H., Professor in Bangor (Wales), Lehrbuch der Thermo- 
dynamik, gr. 8. [Erscheint Im Frühjahr 1906.] 

Bucherer^ Dr. A. H.^ Privatdozent an der Universität Bonn, Elemente 
derVektoranalysis. Mit Beispielen aus der theoretischen Physik. 
2. Auflage. [VIII u. 103 S.] gr. 8. 1905. geb. n. .fC 2.40. 

Mathematische Einführung in die Elektronen- 
theorie. Mit 14 Figuren im Text. [H u. 148 S.] gr. 8. 1904. 
geb. n. JC 3.20. 

Burkhardt^ H.. Professor aa der Universität Zürich, Entwicklungen 
nach oszillierenden Funktionen. l.Lfg. [176 S.] gr. 8. 1901. 
geh. n. .^6.60. 2. Lfg. [S. 177—400.] gr. 8. 1902. geh. n. JCT.ßO. 
3.Lfg. [S. 401—768.] gr. 8. 1903. geh. n. .fC 12.40. 4. Lfg. [S. 769 
bis 1072]. gr. 8. 1904. geh. n, JC 10.— 

[Die 5. (Schla£r)Liefenmg erscheint im Herbst 1905.] 

Darwixi. George Howard, Prof. an der Universität Cambridge, Ebbe 
und Flut, sowie verwandte Erscheinungen im Sonnen- 
system. Autorisierte deutsche Ausgabe nach der zweiten englischen 
Auflage von A. Pockels in Braunschweig. Mit einem Einführunjzs- 
wort von Professor Dr. Georg von Neumayer, Wirklichem Ge- 
heimen Admiralitätsrat und Direktor der deutschen Seewarte zu 
Hamburg, und 43 Illustrationen im Text. [XXII u. 344 S.] gr. 8. 
1902. geb. n. JC 6.80. 

FestBCltrift Adolph Wüllner gewidmet zum siebzigsten Geburts- 
tage 18. Juni 1905 von der Königl. Technischen Hochschule zu 
Aachen, ihren früheren und jetzigen Mitgb'edem. Mit dem JBildnis 
A. Wüllners in Heliogravüre, 8 Tafeln und 91 Figuren im Text. 
[Vin u. 264 S.] gr. 8. 1905. geh. n. JC 8.—, geb. n. ^ 9.— 

• 

Fischer I Dr. Earl T., Privatdozent an der Königl. Technischen .Hoch- 
schule zu Münch^, Neuere Versuche zur. Mechanik der festen 
und flüssigen Körper (mit einem kurzen Anhange über das sog. 
„absolute Maßsystem^^), ein Beitrag zur Methodik des physikalischen 
Unterrichts. [68 S.] gr. 8. 1902. kart. n. JC 2."— 

Der naturwissenschaftliche Unterricht in England, 

insbesondere in Physik und Chemie. Mit einer Übersicht der eng- 
lischen Unterrichtsliteratur zur Physik und Chemie und 18 Ab- 
bildungen im Text und auf 3 Tafeln. [VIE u. 94 S.] gr. 8. 1902. 
In Leinw. geb. n. JC 3.60. 

Fleming, J. A., Professor der Elektrotechnik am University College 
zu London, Elektrische Wellen-Telegraphie. 4 Vorlesungen. 
Autorisierte deutsche Ausgabe- von Dr. E. Aschkinaß, 
Privatdozent an der Universität Berlin. Mit 53 Abbildungen, gr. 8. 

1905. [Unter der Presse.] 

[FortsetKung am £nde des Buches.] 



vT S RAffy 
OF THE 



THEORIE DER ELEKTRIZITÄT. 



ZWEITER BAND: 



ELEKTROMAGNETISCHE THEORIE 

DER STRAHLUNG. 



VON 



Db. M. ABRAHAM. 




LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 

1905. 



ELEKTROMAGNETISCHE THEORIE 

DER STRAHLUNG. 



VON 



Db. M. ABRAHAM. 



MIT 5 FIGUREN IM TEXT. 




Or THE '^ 

VNIVERSfTY 

LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEXJBNER. 

1905. 



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AIiLE BEOHTB, EdSCHLIBSZLIOH DES ÜBBBSEIZÜHOSBXOHTS, YOBBXHALTBN. 



Vorwort zum zweiten Band. 



Die Mazwellsche Theorie des elektromagnetischen Feldes, in 
welche der erste Band dieses Werkes einfiihrt, bildet gewisser- 
maßen das erste Stockwerk der modernen Theorie der Elektrizität. 
Kaum hatten die Physiker sich hier eingerichtet, als eine Fülle 
neuer Erscheinungen auf sie einstürmte und eine Weiterführung 
des Baues erheischte. Das zweite Stockwerk des Gebäudes der 
Elektrizitätslehre, die Elektronentheorie, nimmt diese meist als 
elektromagnetische Strahlung sich kundgebenden Erscheinungen auf. 
Auf Maxwellschen Vorstellungen bauend, betrachtet die Elektronen- 
theorie den Baum als ein physikalisches Kontinuum, welches 
die elektromagnetischen Wirkungen überträgt. Ausgangsstellen und 
Angriffsstellen dieser Wirkungen liegen in der Elektrizität. Diese 
soll aus unteilbaren Elementarquanten, „Elektronen'^ genannt, 
zusammengesetzt sein. Jeder elektrische Strom wird als Konvektions- 
strom bewegter Elektronen aufgefaßt. Die Kathodenstrahlen werden 
gedeutet als ein solcher Konyektionsstrom negativer Elektronen, die 
mit großer Geschwindigkeit einander parallel sich bewegen; dieser 
„Konvektionsstrahlung^^ tritt die „Wellenstrahlung'' gegen- 
über, die durch Schwingungen eben dieser Teilchen erregt sein soll. 
Der Theorie beider Arten elektromagnetischer Strahlung ist der 
vorliegende zweite Band der „Theorie der Elektrizität" gewidmet. 

Der erste Abschnitt beginnt mit der Darlegung der physi- 
kalischen und mathematischen Grundlagen der Elektronentheorie. 
Es werden die Tatsachen aufgeführt, welche die Annahme einer 
atomistischen Struktur der Elektrizität nahe legen. Aus den Grund- 
gleichungen der Elektronentheorie wird der Begriff der „elektro- 
magnetischen Bewegungsgröße'' abgeleitet, welcher für die elektro- 



VI Vorwort. 

magnetische Mechanik überhaupt, sowohl für die Mechanik der Elek- 
tronen, wie auch fOr die Theorie des Strahlungsdruckes, von 
fundamentaler Bedeutung ist. Es werden femer allgemeine Lösungen 
der Grundgleichungen gegeben, mit Hilfe der „elektromagnetischen 
Potentiale ^^, die als Verallgemeinerungen des skalaren Potentiales 
elektrostatischer Felder, bzw. des Vektorpotentiales stationärer magne- 
tischer Felder anzusehen sind; jene Lösungen, auf welche wir 
weiterhin oft zurückgreifen, können auch durch einen einzigen Vektor 
zusammengefaßt werden, der von uns als „Hertzscher Vektor" be- 
zeichnet wird. 

Sodann folgt im zweiten Kapitel die Theorie einer beliebig 
bewegten Pimktladung. Das schwingende negative Elektron bildet 
das einfachste, durch das Zeemansche Phänomen in vielen Fällen 
als naturgetreu bestätigte Modell einer Lichtquelle; was die ent- 
sandte Wellenstrahlung anbelangt, kann das Elektron in den 
meisten Fällen durch eine Punktladung ersetzt werden. So sind 
denn die Entwickelungen dieses Kapitels auch fOr die Dynamik 
des Elektrons von Literesse, um so mehr, als sie unabhängig von 
jeder Hypothese über die Gestalt des Elektrons sind. 

Um die Mechanik des Elektrons vollständig zu entwickeln, be- 
darf es allerdings einer besonderen Annahme über dessen Form. 
Ich habe an der Annahme eines starren kugelförmigen Elektrons 
festgehalten, die ich der rein elektromagnetischen Theorie der 
Kathoden- und Eadiumstrahlen zugrunde gelegt hatte. Mir scheint 
nichts vorzuliegen, was dazu nötigen könnte, diese Grundhypothese 
fallen zu lassen. Immerhin habe ich auch den abweichenden Auf- 
fassungen von H. A. Lorentz in diesem Buche Rechnung getragen. 
Die wertvollen aus dem Bereiche der beobachtbaren quasistatio- 
nären Bewegung herausf£Lhrenden Untersuchungen von P. Hertz 
und A. Sommerfeld, welche gleichfalls auf der Voraussetzung des 
starren kugelförmigen Elektrons fuBen^ sind in die hier gegebene 
Darstellung der Dynamik des Elektrons eingearbeitet worden. 

Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit den elektromagne- 
tischen Vorgängen in wägbaren Körpern. Die Hauptgleichungen 
der Elektrodynamik, welche die beobachtbaren elektromagnetischen 
Vektoren miteinander verknüpfen, ergeben sich nach H. A. Lorentz 



Vorwort. VII 

durch Mittelwertsbildung ans den fOr die Felder der einzelnen 
Elektronen geltenden Oleichongen. Für ruhende Körper erhält 
man auf diese Weise die Hauptgleichungen der Maxwellschen 
Theorie; für bewegte Körper aber folgen die Lorentzschen Glei- 
chungen, welche von denen der Hertzschen Elektrodynamik bewegter 
Körper verschieden sind, und mit der Erfahrung in besserer Über- 
einstimmung sich befinden. Daß die elektromagnetischen und die 
optischen Eigenschaften dielektrischer Körper durch die Anwesenheit 
von „Polarisationselektronen'' befriedigend erklärt werden, 
wird insbesondere für die magnetische Drehung der Polarisations- 
ebene und die Dispersion der Körper gezeigt Die metallische 
Leitung wird mit P. Drude auf frei bewegliche „Leitungs- 
elektronen" zurückgeführt, die in regelloser Wärmebewegung be- 
griffen sind. 

Ln zweiten Abschnitt sind auch einige Probleme behandelt 
worden, welche mit der atomistischen Hypothese nur lose zusammen- 
hängen. Man findet hier Sätze abgeleitet, welche die Strahlung 
bestimmen, die von hochfrequenten Strömen in linearen Leitern 
entsandt wird; insbesondere die Anwendung dieser Sätze auf Sende- 
antennen ist für die drahtlose Telegraphie von Literesse. Ich 
bin allerdings auf diese Probleme nicht so ausführlich eingegangen, 
wie ich ursprünglich beabsichtigte, sondern habe mich mit der 
Darlegung desjenigen begnügt, was zur Beurteilung der bei der 
drahtlosen Telegraphie stattfindenden Vorgänge unentbehrlich ist. 

Auf den Gesetzen der Lichtfortpflanzung im Baume und auf den 
fundamentalen Sätzen der elektromagnetischen Mechanik beruht die 
gegebene Lösung des Problems der Eefiexion des Lichtes durch 
einen bewegten Spiegel. Diese Lösung ist aufs engste verknüpft 
mit dem thermodynamischen Gesetze der strahlenden 
Wärme, das von so hervorragender praktischer und theoretischer 
Bedeutung geworden ist. Aus der experimentellen Bestätigung 
dieses Gesetzes dürfen wir schließen, daß die Prinzipien der elektro- 
magnetischen Mechanik, auf welche unser Beweis sich stützt, der 
Wirklichkeit entsprechen. 

Schwierigkeiten erwachsen der Elektronentheorie durch das 
negative Ergebnis aller bisherigen Versuche, die auf eine Ent- 



i 



Vm Vorwort. 

deckang des Einflusses der Erdbewegung auf das liclit irdischer 
Lichtquellen hinzielen. Zu diesen Fragen nehmen wir in den 
letzten Paragraphen Stellung. 

Herrn Dr. P. Hertz bin ich fGlr seine Mitarbeit an dem Re- 
gister, welches beide Bände der „Theorie der Elektrizität'^ umfaßt, 
zu Dank verpflichtet, und nicht minder Herrn Dr. 6. Bümelin 
für seine Hilfe beim Lesen der Korrekturen des zweiten Bandes. 

Die Theorie der Elektrizität scheint jetzt in das Stadium 
einer ruhigeren Entwickelung eingetreten zu sein. Es scheint der 
Zeitpunkt gekommen, wo man Halt machen und auf das Erreichte 
zurückschauen darf. Einem solchen Bückblick ist das vorliegende 
Werk gewidmet. Es will über die Grundlagen der Theorie Klar- 
heit verbreiten und so den weiteren Fortschritt vorbereiten. Mag 
es dies Ziel nicht verfehlen! 

Wiesbaden, im März 1905. 

M. Abraham, 



Inlialtsverzeiclmis. 



Erster Abschnitt. 
Das Feld xmcL die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Erstes Kapitel. 

Die physikalisehen nnd mathemaüsehen Onmdlagen 

der Elektronentheorie. g^^^e 

§ 1. Das elektrische Elementarqnantnni 1 

2. Die Kathodenstrahleu 6 

3. Klassifikation der Strahlungen 12 

§ 4. Die Grundgleichnngen der Elektronentheorie 17 

§ 5. Die elektromagnetische Bewegongsgröße 23 

6. Die elektromagnetischen Potentiale 37 

7. Integration einer Hilfsgleichnng 42 

§ 8. Die Fortpflanzung elektromagnetischer Störungen .... 47 

Zweites Kapitel. 

Die Wellenstrahliiiig einer bewegten Pnnküadnng* 

§ 9. Elektromagnetisches Modell einer Lichtquelle 69 

§ 10. Der Zeeman-Effekt 73 

§ 11. Die elektromagnetischen Potentiale einer bewegten Punkt- 
ladung 80 

§ 12. Das Feld einer gleichförmig bewegten Punktladung .... 87 

§ 13. Das Feld einer ungleichförmig bewegten Punktladung ... 92 

§ 14. Theorie des bewegten leuchtenden Punktes 102 

§ 16. Die Bückwirkung der Strahlung auf ein bewegtes Elektron . 121 

Drittes Kapitel. 

Die Mechanik der Elektronen. 

§ 16. Die Grundhypothesen der Dynamik des Elektrons und das 

elektromagnetische Weltbild 136 

§17. Die Bewegungsgleichungen des Elektrons 147 

§ 18. Gleichförmige Translation elektrischer Ladungen 158 

§19. Bewegungsgröße und Energie des gleichförmig bewegten 

Elektrons 170 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. a'*' 



X Inhaltsverzeiclmis. 

Seite 

§ 20. Die elektromagnetische Masse 181 

§ 21. Die Ablenkbarkeit der Eathodenstrahlen und der |3- Strahlen 194 

§ 22. Das Lorentzsche Elektron 201 

§ 23. Der Bereich der quasistationären Bewegung 208 

§ 24. Das Feld eines beliebig bewegten Elektrons 216 

§ 26. Unstetige Bewegung des Elektrons 222 

§ 26. Die innere Kraft eines beliebig bewegten Elektrons .... 236 

§ 27. Gleichförmige Bewegung mit Überlichtgeschwindigkeit . . 246 

Zweiter Abschnitt. 

Elektromagnetisclie Vorgänge in -^gbaren Körpern. 

Erstes Kapitel. 

Bnhende Körper. 

§ 28. Ableitung der Hauptgleichungen aus der Elektronentheorie . 260 

§ 29. Dispersion der elektromagnetischen Wellen 267 

§ 30. Magnetische Drehung der Polarisationsebene 276 

§ 31. Magnetisierung 282 

§ 32. Elektrische Leitung 283 

§ 33. Das elektromagnetische Feld hochfrequenter Ströme in line- 
aren Leitern 286 

§ 34. Die Strahlung von Sendedrähten 297 

Zweites Kapitel. 

Bewegte Körper. 

§ 36. Die erste Hauptgleichung 310 

§ 36. Die zweite Hauptgleichung 317 

§ 37. Der Versuch von Fizeau 326 

§ 38. Der Druck der Strahlung auf bewegte Flächen 329 

§ 39. Der relative Strahl 336 

§ 40. Die Reflexion des Lichtes durch einen bewegten Spiegel . . 843 

§ 41. Die Temperatur 'der Strahlung 861 

§ 42. Die Lichtzeit in einem gleichförmig bewegten System . . . 366 

§ 43. Der Versuch von Michelson 373 

§ 44. Die Lorentzsche und die Cohnsche Optik bewegter Körper . 379 

Formelzusammenstellung 392 

Register ... 396 

Berichtigungen 406 




Erster Abschnitt. 

Das Feld und die Bewegung der einzelnen Elektronen. 



Erstes KapiteL 

Die physikalischen nnd mathematischen Grundlagen 

der Elektronentheorie. 

§ 1. Das elektrisohe Elementarquantum. 

Wir erwähnten bereits im ersten Bande dieses Werkes 
(S. 191); daß die bei der Elektrolyse stattfindenden Vorgänge 
die Einführung atonxistischer Yorstellungen in die Elektrizitats* 
lehre nahelegen. Den von Faraday entdeckten Gesetzen ge- 
mäß scheidet ein gegebener Strom in yerschiedenen Elektro- 
lyten chemisch äquivalente und der Stromstärke proportionale 
Mengen wägbarer Materie an den Elektroden ab. Schreibt man 
der Materie eine atomistische Konstitution zu^ so kann man 
nicht umhin; auch die Elektrizität aus unteilbaren positiven 
und negativen Elementarquanten zusammengesetzt zu denken. 
An jeder Valenz eines elektrolytischen Ions würde ein solches 
Elementarquantum haffcen. Die sogenannte Faradaysche Kon- 
stante — die von einem Gramm Wasserstoff transportierte 
Elektrizitätsmenge — gibt nach dieser Auffassung den Quoti- 
enten aus Ladung e und Masse ms eines Wasserstoffions an. 
Messen wir e in absoluten elektrostatischen Einheiten ; so er- 
halten wir 

(1) 1 9660 . 3 . 10^« = 2,90 • 10^*. 

Diese auf unmittelbarer Messung beruhende Beziehung ver- 
knüpft das elektrische Elementarquantum e mit dem Atom- 
gewichte niE des Wasserstoffes. 

Abraham, Theorie der Elektrizität, ü. 1 



2 Erster Absclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Die Annahme Ton Atomen der Elektrizität wird notwendige 
sobald man die wägbare Materie aLs atomistisch konstituiert 
betrachtet. Wenn nun auch die Atomistik in der Physik der 
Materie als wertvolle Arbeitshypothese sich erwiesen hat, so 
steht doch mancher Forscher auch heute noch auf dem Stand- 
punkte , daß für die Materie die Atom- und Molekularhypothese 
nicht sicher genug begründet sei, um das Lehrgebäude der 
Chemie und Physik auf ihr au&ubauen. Ein solcher Forscher 
wird sich durch die Tatsachen der Elektrizitätsleitung in Elektro- 
lyten nicht gezwungen finden, die reale Existenz eines elek- 
trischen Elementarquantums zuzugeben. 

Nun hat aber im letzten Jahrzehnt die atomistische Hypo- 
these uf dem Gebiete der Elektrizitätslehre eine neue Stütze 
erhalten durch die Forschungen, die über die Elektrizitäts- 
leitung der Gase angestellt worden sind. Während die Qsse, 
im Gegensatz zu den Metallen und den Elektrolyten, in ihrem 
normalen Zustande Nichtleiter oder wenigstens sehr schlechte 
Leiter sind, kann ihnen durch äußere Einwirkungen — z. B. 
durch Eathodenstrahlen, durch Röntgenstrahlen oder durch 
die Strahlung der radioaktiven Körper — eine abnorme Leit- 
föhigkeit gegeben werden. Diese abnorme Leitfähigkeit führt 
man darauf zurück, daß durch Einwirkung jener Strahlungen 
im Gase elektrisch geladene Teilchen entstehen, welche nun 
im elektrischen Felde wandern. Diese positiven und negativen 
Teilchen bezeichnet man, unter Beibehaltung des in der Elektro- 
lyse gebräuchlichen Wortes, als Ionen. Lidessen hat man es 
bei diesen Gasionen nicht, wie etwa bei einwertigen elektro- 
lytischen Ionen, mit Verbindungen des elektrischen Elementar- 
quantums mit Bestandteilen nur eines Moleküles zu tun; es 
scheinen sich vielmehr in einem Gase dem elektrischen Kerne 
neutrale Moleküle in wechselnder, von Temperatur und Druck 
des Gases abhängiger Anzahl anzulagern. 

Der Mechanismus dieser Anlagerung wird verständlich, 
wenn man auf Grund der Vorstellungen der kinetischen Gas- 
theorie die Wechselwirkungen der elektrischen Kerne mit den 
neutralen Gasmolekülen betrachtet und das unter dem Ein- 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 3 

floß dieser Wechselwirknngen sich herstellende kmetische Gleich- 
gewicht untersucht. Da ein ausführliches Eingehen auf diese 
Dinge uns Ton dem eigentlichen Gegenstande dieses Werkes 
zu weit abführen würde ^ so sei der Leser auf die sehr lehr- 
reiche Abhandlung von P. Langevin^) hingewiesen; dieselbe 
enthält auch eine Übersicht über die Eigenschaften ionisierter 
Gase, deren Kenntnis man hauptsächlich den Forschungen der 
Cambridger Schule verdankt. 

Die Existenz diskreter elektischer Teilchen in einem 
Gase, welches der Durchstrahlung mit Röntgenstrahlen, mit 
Eathodenstrahlen oder Badiumstrahlen ausgesetzt war, wird 
nun durch eine bemerkenswerte Eigenschaft eines solchen 
Gases bewiesen: Wird ein solches Qss mit Wasserdampf ge- 
mischt und der letztere, etwa durch plötzliche Expansion, 
in den Zustand der Übersättigung gebracht, so findet eine 
Kondensation des Wasserdampfes statt, es bildet sich eine aus 
kleinen Tröpfchen bestehende Wolke; und zwar findet dieses 
bei einem Grade der Übersättigung statt, bei dem ohne vor- 
herige Durchstrahlung des Gases eine Kondensation des Wasser- 
dampfes nicht erfolgt wäre. Da die Eigenschaft, den Wasser- 
dampf zu kondensieren, der durch die Durchstrahlung erteilten 
abnormen Leitfähigkeit parallel geht, so liegt es nahe, den Gbus- 
ionen die Bolle von Kondensationskemen zuzuschreiben. Trifft 
das zu, so macht die Bildung yon Wassertröpfchen um die 
Gasionen als Kerne die Gttsionen der unmittelbaren Beobach- 
tung und der Abzahlung zu^uiglich. 

Auf der Beobachtung derartiger Wolken von Wasser- 
tröpfchen fußen die Bestimmungen der Ladung eines Gasions, 
die von J. S. Townsend*), J. J. Thomson^) und H. A. Wilson*) 
ausgeführt worden sind. Die Masse des einzelnen Tröpfchens 

1) P. Langevin. Annales de Chimie et Physique (7). 28. S. 289 
bis 884, 483—630. 1908. 

2) J. S. Townsend. Phil. Mag. 46, S. 126. 1898. 

3) J.J.Thomson. Phü. Mag. 46, S. 628, 1898; 48, S.647, 1899; 
6, S. 346, 1908. 

4) H. A. Wilson. Phil. Mag. 6, S. 429, 1903. 

1* 



4 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

kann ans der Fallgeschwindigkeit der Wolke berechnet werden. 
Nach G. 6. Stokes ist die Geschwindigkeit^ mit der eine kleine 
Engel Yom Radius a unter dem Einfluß der Schwerkraft fallt, 
durch die Formel gegeben 



2 a* 

WO ff die Beschleunigung der Schwere, g den Reibungs- 
koeffizienten des Gases yorsteUt. Aus dieser Gleichung ist der 
Radius und somit die Masse m der Tröpfchen zu bestimmen. 
Die Geschwindigkeit eines jeden Tröpfchens ist proportional 
der auf dasselbe wirkenden Kraft; wirkt nur die Schwere, so 
beträgt die Kraft mg. Wird aber ein elektrisches Feld (B erregt, 
so ist der Schwerkraft mg die Kraft ed hinzuzufügen, die das 
Feld auf das geladene Tröpfchen ausübt. Diese Kraft wirkt, 
wenn (B Tertikai nach unten gerichtet ist, im Sinne der Schwer- 
kraft oder im entgegengesetzten, je nachdem es sich um die 
positiven oder um die negativen Tröpfchen handelt. Die Fall- 
geschwindigkeit wird dadurch verändert, im Verhältnis 

V* mg±e\9 



V mg 

Durch Beobachtung der Fallgeschwindigkeit, zuerst unter dem 
Einfluß der Schwerkraft allein, dann unter Mitwirkung eines 
vertikalen elektrischen Feldes, kann somit die Ladung e des 
einzelnen Tröpfchens ermittelt werden. Auf diesem Wege fand 
H. A. Wilson für e als mittleren Wert 3,1 • lO-^» elektro- 
statische Einheiten. Dieses Ergebnis ist in guter Überein- 
stimmung mit den letzten Resultaten J. J. Thomsons. 

Enthalt nun ein Tröpfchen nur ein einziges Ion, so ist 
durch diese Zahl die Ladung eines Gasions gegeben. A priori 
wäre es allerdings denkbar, daß einzelne Tröpfchen mehrere 
Ionen enthielten, doch ist dieses angesichts der gleichen Be- 
schaffenheit aller Tröpfchen höchst unwahrscheinlich. Es be- 
trägt hiemach die Ladung eines Gasions rund 

(2) c = S • lO-iö 

elektrostatische Einheiten. 



Erstes EapiteL Die phys. ul math. Grandlagen d. Elektronentheörie. 5 

Durch sinnreiche Versuche, die J. S. Townsend*) über die 
Wanderungsgeschwindigkeit und die Diffusion der Gftsionen 
angestellt hat, ist femer bewiesen ^ daB die Ladung der Gasionen 
in allen Fällen gleich der Ladung eines einwertigen elektro- 
lytischen Ions ist. Dieses Ergebnis macht es höchst wahr- 
scheinlich; daß die elektrische Ladung der Teilchen, deren 
Existenz jene Kondensationsphänomene enthüUen, mit dem 
elektrischen Elementarquantum identisch ist. 

Setzen wir den Zahlwert (2), der nach Townsend gleich- 
zeitig die Ladung eines Wasserstofiions angibt; in (1) ein, so 
erhalten wir als Masse eines Wasserstoffatoms: 

(2a) m^= 10-»* Gramm. 

Ist N die sogenannte Loschmidtsche Zahl, d. h. die Zahl 
der Moleküle; die sich bei normaler Temperatur und normalem 
Druck in dem Kubikzentimeter eines Gases befinden; so ist 
2ms 'N gleich der Dichte des Wasserstoffes (0,8961 • 10-*). 
Man erhält demnach für die Loschmidtsche Zahl 

(2b) JV=4,5.10i^ 

einen Zahlwert; der mit den besten Bestimmungen aus gas- 
theoretischen Daten gut übereinstimmt und wohl als die ge- 
naueste vorliegende Bestimmung dieser fiir die Molekulartheorie 
fundamentalen Zahl anzusehen ist. 

Wir finden also, daß die verschiedensten Eigenschaften 
der Materie und der Elektrizität zu denselben Werten der 
fundamentalen Konstanten der Atomistik führen. Es bestätigen 
sich in erfreulicher Weise die Grundvorstellungen der atomistischen 
Hypothese. Wir werden daher in dem vorliegenden zweiten 
Bande der ;;Theorie der Elektrizität^' die Elektrizität als aus 
kleinsten elektrischen Elementarquanten bestehend annehmen. 

§ 2. Die Eathodenstrahlen. 

Schickt man den elektrischen Strom durch eine stark 
evakuierte Glasröhre; so zeigen die Wände der Röhre eine 



1) J. S. Townsend. Phil. Trans. 193, S. 129. 1899. 



6 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

eigentümliche grüne Fluoreszenz. Die experimentelle Unter- 
suchung dieser Erscheinung, die zuerst von J. Plücker, W. Hittorf 
und E. Goldstein unternommen wurde, hat zu der Erkenntnis 
geführt, daß man es hier mit einer Art von Strahlen zu tun 
hat, die Yon der Kathode ausgehen; sie wurden demgemäß von 
dem letztgenannten Forscher als „Eathodenstrahlen^' be- 
zeichnet. Über die Natur dieser Strahlen wurden zwei yer- 
schiedene Hypothesen aufgestellt, die man als „Emissions- 
hypothese^^ und „Undulationshypothese^^ unterscheiden 
kann. Die Emissionshypothese, die hauptsächlich in England, 
durch W. Grookes und A. Schuster, entwickelt wurde, be- 
trachtete die Eathodenstrahlen als negativ geladene Ghusmole- 
küle, die yon der Kathode abgestoßen und in die Röhre hinein 
geschleudert werden. Manche Tatsachen, insbesondere die 
magnetische Ablenkbarkeit der Strahlen, fügten sich un- 
gezwungen dieser Erklärung. In Deutschland verhielt man 
sich dieser Erklärung gegenüber dennoch ablehnend; man hielt 
die Kathodenstrahlen für eine viel feinere, dem Lichte ähnliche 
Erscheinung. Diesen Standpunkt yertrat auch Heinrich Hertz, 
der zuerst fand, daß die Kathodenstrahlen durch dünne Metall- 
blättchen hindurchdrmgen. Er sah die magnetische Ablenkung 
der Kathodenstrahlen als einen der mi^etischen Drehung der 
Polarisationsebene des Lichtes analogen Vorgang an und hatte 
wohl ursprünglich eine Undulationstheorie im Sinne, welche 
die Kathodenstrahlen als longitudinale elektromagnetische 
Wellen deutete; zeigten doch die theoretischen Untersuchungen 
Ton Helmholtz, daß die Femwirkungstheorie der Elektro- 
dynamik solche longitudinalen Wellen zuließ. Nachdem aber 
durch Hertz selbst die Maxwellschen Vorstellungen zum Siege 
geführt waren, blieb für longitudinale Wellen kein Platz mehr. 
So hat denn die Undulationstheorie der Kathodenstrahlen nie- 
mals eine greifbare Gestalt angenommen. . 

Jene Entdeckung von Heinrich Hertz wurde der Aus- 
gangspunkt für die rasche Entwickelung, welche die Theorie 
der Kathodenstrahlen in neuerer Zeit erfahren hat. Auf ihr 
fußten die Arbeiten von Ph. Lenard, welcher die Fortpflanzung 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie» 7 

der EathodenBtrahlen außerhalb der Entladungsrohre verfolgte 
und höchst bemerkenswerte Beziehungen der Absorption der 
Strahlen zur Dichte der durchstrahlten Substanz feststellte. Die 
Untersuchungen Lenards wiederum gaben den Anstoß zur Ent- 
deckung W. G. BöntgenS; daß die Glaswand beim Aufia-effen der 
Eathodenstrahlen eine neue^ yon ihm als X-Stl'ahlen be- 
zeichnete Strahlenart aussendet. 

Durch die Böntgensche Entdeckxmg wurde eine Beihe yon 
Physikern zur quantitativen Untersuchung der Eathodenstrahlen 
angeregt. Insbesondere sind die Arbeiten yon E. Wiechert^); 
W. Kaufmann ^)^ W. Tra.TiffTni.TiTi und E.Aschkinass®)^ sowie die- 
jenigen yon J. J. Thomson*) und Ph. Lenard^) bemerkenswert. 
Diese bestätigten die Emissionshypothese insofern, als sie 
übereinstimmend ergaben, daß die Erscheinungen sich wider- 
spruchsfrei erklaren lassen, wenn man negatiy geladene, trage 
Teilchen in dem Eathodenstrahle bewegt annimmt. Sie recht- 
fertigten anderseits die yon den Gegnern der Emissionstheorie 
geltend gemachten Bedenken insofern, als sie für den Quotienten 
aus Ladung und trager Masse der Teilchen Zahlwerte ergaben, 
die den Quotienten eim^ aus Ladung und Masse eines elektro- 
lytischen Wasserstoffions um das Zweitausendfache übertreffen. 
Auch ergab sich, daß die Eigenschaften der Eathodenstrahlen 
yon der chemischen Natur des Gases und dem Elektroden- 
material unabhängig sind und nur yon der Potentialdifferenz 
abhängen, durch die sie auf ihre Geschwindigkeit gebracht 
sind. Li Anbetracht dieser Tatsache wäre die Annahme, daß 
die Trager der Strahlen Atome der wägbaren Materie sind, 
etwa Wasserstoffatome, geladen mit 2000 negatiyen Elementar- 
quanten, höchst unwahrscheinlich. Vom atomistischen Stand- 



1) E. Wiechert. Sitzimgsber. d. phys. -Ökonom. Ges. zu Königs- 
berg i. Pr. Jan. 1897, S. 1. Nachrichten der Göttinger Ges. der Wissensch. 
1898, S. 87 u. S. 260. 

2) W. Kaufmann. Ann. d. Phys. 61, S. 644. 1897. 

8) W. Kaufmann u. £. Aschkinass. Ann. d. Phys. 62, S. 588. 1897. 

4) J. J. Thomson. Phil. Mag. 44, S. 298. 1897. 

5) Ph. Lenard. Ann. d. Phys. 64, S. 279; 66, S. 604. 1898. 



g Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegnng der einzelnen Elektronen. 

punkte aas ist es eher plausibel^ daß die Ladung jedes Strahl^ 
teilchens ein elektrisches Elementarquantnm; daß aber die trage 
Masse nur ein Zweitansendstel der Masse des Wasserstoffions ist. 
Die weitere Entwickelnng hat diese letztere^ insbesondere Yon 
E. Wiechert und J. J. Thomson ausgesprochene Vermutung 
mehr und mehr besiStigt: Es sind die Ton wägbarer 
Materie freien Atome der negativen Elektrizität^ die 
sich im Eathodenstrahle bewegen. 

Wir wollen mit J. Stoney diese Atome negativer Elektri- 
zität als ;;Elektronen^^ bezeichnen. Wir schreiben ihnen die 
Ladung (— e) und die trage Masse m zu und leiten^ allein auf 
Ghnnd dieser Eigenschaften^ die an Eathodenstrahlen fest- 
gestellten Gesetze ab. Die Erörterung der Frage^ wieso die 
Elektronen^ wenn sie unbelastet mit wägbarer Materie sich 
bewegen, überhaupt Trägheit besitzen, weisen wir einem 
späteren Abschnitte zu. 

Da die Bewegung des Elektrons im leeren Baume statt- 
findet, so brauchen wir zwischen magnetischer Induktion 8 
und magnetischer Feldstärke $ nicht zu unterscheiden. Auf das 
bewegte Elektron, von der Ladung (— c), wirkt somit im 
elektromagnetischen Felde nach Bd. I, Gleichung 246 a, S. 412, 
die Kraft 

(3) « = - cg, 

wo 

(3a) S?-« + 7H«#] ^ . . ' 

die auf die Einheit der Ladung berechnete elektromagnetische 
Kraft darstellt. 

Die Bewegungsgleichung des Elektrons lautet daher 

(4) ^.^=»eg. 

Wir führen zur Abkürzung für den Quotienten 
(4a) 12« 



cm 



aus dem elektromagnetisch gemessenen Betrage der Ladung (—j 



Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 9 

und der Masse (m) des Elektrons die Bezeichnung ^^spezi- 
fische Ladung^^ ein; es wird die Bewegungsgleichung 

(4b) |5=-ci?5 = -ci?«-i,[li#]. 

Das zweite Glied der rechten Seite der Bewegungsgleichung^ 
die Tom magnetischen Felde herrührende Kraft bzw. Be- 
schlemügung, steht stets senkrecht auf dem Geschwindigkeits- 
Tektor b; das Vorhandensein eines äußeren magnetischen Feldes 
bedingt also niemals eine Arbeitsle^g. 

Ist insbesondere das äußere elektrische Feld ein elektro- 
statisches tmd tp sein Potential, so ist 

(5) *** ■ dt" °°° * ■ ^9' ■ ^ '' 

I 

Die skalare Multiplikation mit kl ergibt 

und die Integration nach der Zeit fQr das Interrall von i(q bis t 
(5a) -^m-t^^-^mt^Q^^e^g)- (p^). 

Hier steht links der Zuwachs der lebendigen Exaft des 
Elektrons ; rechts die Arbeit; die das elektrostatische Feld in 
dem betreffenden Zeitinteryalle an dem Elektron geleistet hat; 
letztere ist proportional dem Anstiege des elektrostatischen 
Potentiales. 

Bewegt sich etwa das Elektron Yon der auf dem Potential (pQ 
gehaltenen Kathode bis zu einem Punkte^ dessen Potential be- 
kannt ist; so bestimmt (5a) die Geschwindigkeit |ki|; wenn die 
Geschwindigkeit |kio| gegeben ist; mit der das Elektron die 
Kathode verlaßt. Diese Anfangsgeschwindigkeit ist freilich 
unbekannt. Man nimmt indessen mit gutem Grunde aU; daß 
diese Anfangsgeschwindigkeit klein ist gegen die Geschwindig- 
keiten^ die es beim Durchlaufen des starken in der Entladungs- 
röhre herrschenden elektrischen Feldes erhält. Man setzt daher 
Üq = und findet 



(6) i»i =ys (9 - <po) =y^on (9 - ^o). 



10 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Wir wollen nun den Fall behandeln^ wo das Elektron mit 
der so erhaltenen Geschwindigkeit (6) in einen Banm eintritt^ 
in welchem ein konstantes elektrostatisches Potential herrscht. 
Ist kein magnetisches Feld yorhanden, so wird es sich gerad- 
linig mit konstanter Geschwindigkeit weiter bewegen. Treten 
indessen magnetische Kräfte hinzu, so wird die Bahn sich 
krümmen. Wir wollen annehmen, daß das magnetische Feld 
homogen ist, und daß das Elektron in dieses Feld mit einer 
zu den Eraftlinien senkrechten Geschwindigkeit hineinfliegt. 
Der Beschleunigungsvektor ist daim nach (4 b) 

(6a) ^ fjim- 

Das Elektron bewegt sich, wie die Zerlegung des Be- 
schleunigungsTcktors in eine zu kl parallele und eine zu kl 
senkrechte Komponente (I, Gl. 8, S. 9) ergibt, in einer zu $ 
senkrechten Ebene mit konstanter Geschwindigkeit. Es be- 
schreibt eine Kreisbahn, deren Badius B durch die Gleichung 
bestimmt ist 

H* I I lÄi 

— = ri'\^\ .|§|. 

Die Bahnkrümmung 



ist demnach um so größer, «je starker das magnetische Feld 
und je kleiner die Geschwindigkeit des Elektrons ist. 

Ist das homogene magnetische Feld nicht senkrecht zu der 
ursprünglichen Bewegung des Elektrons gerichtet, so zerlegen 
wir zweckmäßigerweise den Geschwindigkeitsvektor kl in zwei 
Vektoren, ki^ und klg, Yon denen der erste zu $ parallel, der 
zweite zu $ senkrecht ist. Der erste liefert keinen Beitrag 
zu dem yektorprodukte aus kl und §. Projizieren wir die 
Bewegung einerseits auf eine zu $ parallele Gerade, anderseits 
auf eine zu $ senkrechte Ebene, so zerfallt (6a) in die beiden 
Gleichungen 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. H 

Die zu $ parallele Eomponenie der Geschwindigkeit bleibt 
konstaut. Auf eine zu $ senkrechte Ebene projiziert^ stellt 
sich die Bewegung als Kreisbahn dar^ mit dem reziproken 
Radius 

m 4--, I» 



22, •' in. 

In einem homogenen magnetischen Felde beschreibt 
das Elektron demnach eine Schraubenlinie. In dem 
speziellen Falle^ wo die Bewegung anfangs senkrecht 
zu den magnetischen Kraftlinien erfolgte^ artet die 
Bahn in eine Kreisbahn aus. 

Wir betrachten wieder den letztgenannten Spezialfall und 
drücken die Geschwindigkeit |li{ auf Grund von (6) durch die 
durchlaufene Spannungsdifferenz (jp — (p^) aus. Alsdann ergibt 
Gleichung (7): 

Die Krümmung des Kathodenstrahles im senkrechten 
Magnetfelde ist der Wurzel aus der durchlaufenen 
Spannungsdifferenz umgekehrt proportional. Die Ver- 
suche Ton W. Kaufinann^) haben dieses Gesetz ergeben und 
so das Zutreffen der zugrunde gelegten Bewegungsgleichung 
bestätigt. 

Diese Messungen konnten gleichzeitig dazu dienen, die 
spezifische Ladung der Kathodenstrahlträger zu ermitteln. So 
erhielten W. Kaufmann*) und S. Simon®) den Wert 

(9) ,=^ = 1,865. 10^ 

für die spezifische Ladung des negativen Elektrons. 

Eine jede der Gleichungen (6) oder (7) kann verwandt 
werden^ um die Geschwindigkeit zu berechnen^ die den 
Elektronen in der Entladungsröhre erteilt wird. Dieselbe liegt 
bei den üblichen Spannungsdifferenzen von Anode und Kathode 

1) W. Kaufmann. Ann. d. Phys. 61, S. 644. 1897. 

2) W. Eanfinann Ann. d. Phys. 65, S. 481. 1898. 
8) 8. Simon. Ann. d. Phys. 69, S. 689. 1899. 



12 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

zwischen Y^q und Yj der Lichtgeschwindigkeit. Werte von der- 
selben Grroßenordnung sind Yon E. Wiechert^) durch direkte 
Messung der Geschwindigkeit gefanden worden. 
Da nach (9) 

(9a) ^ = 5,60.10" 

ist^ so folgt durch Yergleichung mit (1) 

(9 b) ^ = 1930 

als Quotient der trägen Massen von Wasserstoffatom 
und Elektron. 

§ 3. Klassifikation der Strahlungen. 

Die Maxwellsche Theorie versteht unter „Strahlung^^ 
einen elektromagnetischen Energiestrom; diesen bestimmt 
sie durch den Poyntingschen Vektor (vgl. I § 77, S. 356). Sie 
lehrt; daß die Lichtwellen elektromagnetische Energie mit- 
führen, mithin als Strahlungsvorgänge anzusprechen sind. Die 
LichtweUen, wie überhaupt alle elektromagnetischen WeUen, 
pflanzen sich in dem leeren Baume mit einer ganz bestimmten 
Geschwindigkeit 

c=3.10^«55 

sec 

fort (vgl I § 69, S. 303). Die verschiedenen Arten elektro- 
magnetischer Wellen, welche wir kennen, sind nur der Wellen- 
länge, aber nicht der Fortpflanzungsgeschwindigkeit nach ver- 
schieden. Ordnen wir nach der Wellenlänge, so haben wir 
zuerst die ultravioletten Strahlen, dann das eigentliche sichtbare 
Licht; dann folgen die ultraroten, nur durch ihre thermische 
Wirkung sich kundgebenden Strahlen, deren langwelligste die 
', Bubensschen Beststrahlen sind. Zwischen den längsten be- 
kannten Wärmestrahlen (>l = 6 • 10~"^ cm) und den kürzesten 
Wellenlängen der vom elektrischen Funken ausgelösten Schwin- 

1) E. Wiechert. Nachr. der Göttinger Ges. der Wissensch. 1898, 
S. 260. Ann. d. Phys. 69, S. 789. 1899. 



Erstes EapiteL Die phys, n. math. Grandlagen d. ElelEtronentheorie. 13 

gimgeii (X «» 0;6 cm) klafft noch eine beträchtliche Lücke. 
Dann folgt eine kontinnierliche Reihe Ton Wellen, die wir 
auf rein elektrischem Wege herzustellen yermögen; sie er- 
streckt sich Yon den raschesten Hertzschen Schwingongen bis 
zn den langsamsten Wechselströmen der Technik. 

Alle diese Strahlungen können wir durch die Benemiung 
^^Wellenstrahlung^^ kennzeichnen. Darunter yerstehen wir 
nicht nur rein periodische Wellen, sondern auch Wellen be- 
liebiger Wellenform. Das far die Wellenstrahlung Charak- 
teristische ist die unabänderliche Fortpflauzungsgeschwindigkeit 
im leeren Baume. 

Zu der so definierten Wellenstrahlung gehören nun die 
Kathodenstrahlen, yon denen wir im vorigen Paragraphen be- 
richteten, nicht. Diesen Strahlen kommt hingegen eine Eigen- 
schaft zu, die den obengenannten Wellenstrahlungen fehlt: 
sie fähren nicht nur Energie, sondern auch Elektrizitöt mit 
Wir wollen eine jede Strahlung, die Elektrizität mitführt, als 
„Eonyektionsstrahlung^^ bezeichnen. Die Kathodenstrahlen 
insbesondere stellen einen Strom negativer Elektronen dar. 
Da wir die Eigenschaften dieser Atome der negativen Elek- 
trizität als unabänderliche ansehen, so bleibt als unterschei- 
dendes Merkmal, verschiedener Kathodenstrahlen nur die Ge- 
schwindigkeit der Elektronen übrig. 

Die Geschwindigkeit der in einer Entladungsröhre zu 
erzeugenden Kathodenstrahlen hängt, wie wir sahen, von der 
Spannungsdifferenz der Elektroden ab. Man kann jedoch diese 
Spannungsdifferenz nicht beliebig wählen, da bei geringen 
Spannungen die Entladung nicht stattfindet, und da beliebig 
hohe Spannungen nicht zur Verfügung stehen. Hierdurch ist 
das „ Spektrum ^^ der nach der Geschwindigkeit geordneten 
Kathodenstrahlen begrenzt. Doch hat Ph. Lenard gezeigt, 
daß bei Betrachtung eines Metalles mit ultraviolettem Lichte 
Strahlen ausgesandt werden, welche ähnliche Eigenschaften, 
nur geringere Geschwindigkeit der Strahlteilchen aufweisen, 
wie die eigentlichen Kathodenstrahlen. Anderseits hat sich 
ergeben, daß die Strahlung radioaktiver Körper, und zwar der 



14 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Beständteil der Strahlung^ den Batherford als /^-Strahlung 
bezeichnet hat^ magnetisch in demselben Sinne ^ nur etwas 
schwächer, ablenkbar ist, w:ie die Eathodenstrahlen. Es lag 
nahe, hier negative Elektronen yon größerer Geschwindigkeit 
zu vermuten. In der Tat haben die Untersuchungen von 
'W. Eaufinann, auf die wir später ausführlicher zurückkommen, 
gezeigt, daß die Geschwindigkeiten der in den /}* Strahlen an- 
zunehmenden Elektronen ein kontinuierliches Spektrum dar- 
stellen, das sich von ^s ^^^ Lichtgeschwindigkeit bis nahe an 
die Lichtgeschwindigkeit selbst heran erstreckt Noch klafft 
eine Lücke zwischen den raschesten der messend zu yerfol- 
genden Kathodenstrahlen und den langsamsten /}- Strahlen. 
Wenn diese ausgefüllt sein wird, so wird man eine kontinuier- 
liche Reihe von negativen Eonvektionsstrahlungen haben, die 
von beliebig kleinen Geschwindigkeiten bis nahe an die Licht- 
geschwindigkeit heranreicht. 

Von positiver KonTektionsstrahlung haben wir bisher 
nicht gesprochen. Man hat gefunden, daß die leicht absorbier- 
bare Strahlung radioaktiver Körper, die sogenannte g(- Strah- 
lung, aus positiv geladenen Teilchen besteht. Auch gewisse, 
die elektrische Entladung in verdünnten Gasen begleitende 
Erscheinungen, die Kanalstrahlen E. Goldsteins, hat man 
auf bewegte positive Teilchen zurückführen zu können geglaubt. 
Es haben sich für den Quotienten aus Ladung und Masse in 
beiden Fallen Zahlwerte ergeben, die von der Größenordnung 
des bei Wasserstoflfionen vorliegenden Wertes waren. Doch 
sind diese positiven Konvektionsstrahlungen noch nicht ge- 
nügend erforscht, um Schlüsse auf die Natur der positiven 
Elektrizität zu gestatten. Hat man es hier mit den freien 
positiven Elektronen zu tun, und ist diesen eine so viel größere 
Trägheit zuzuschreiben, als den negativen? Oder sind diese 
Strahlteilchen, wie die Gasionen (§ 1), durch Anlagerung 
wägbarer Materie an die Elektronen entstanden? Oder ist 
etwa die positive Elektrizität überhaupt von der Materie nicht 
zu trennen? Das sind Fragen, deren Erledigung der Zukunft 
vorbehalten bleiben muß. 



Erstes EapiteL Die phys. u. maih. Grandlagen d. Elektronentheorie. 15 

In diesem zweiten Bande der ^^Theorie der Elektrizität^' 
soll nun die elektromagnetische Strahlung in umfassender 
Weise behandelt werden^ sowohl die Wellenstrahlung; wie die 
Eonyektionsstrahlung. Die Grundlage für die Theorie 
der Strahlung gewinnen wir, indem wir die atomisti- 
schen Vorstellungen über die Konstitution der Elek- 
trizität mit den Faraday-Maxwellschen Ideen über 
das elektromagnetische Feld vereinigen. Die Ver- 
einigung dieser beiden Vorstellungskreise ist es^ die zur 
modernen Elektronentheorie führt. Man trifiPt bei manchen 
Autoren die Auffassung an, daB die atomistischen Ideen in 
einem gewissen Gegensatze zur Maxwellschen Theorie stünden, 
und daß die Elektronentheorie eigentlich zu den alten Vor- 
stellungen der Femwirkungshypothese zurückkehre. Diese 
Auffassung ist indessen durchaus unzutreffend. Allerdings ist 
die Hypothese einer atomistischen Struktur der Elektrizität 
wohl zuerst, insbesondere durch Wilhelm Weber, in einer 
Weise eingeführt worden, welche den Vorstellungen der Fem- 
wirkungstheorie entsprach. Dieser Forscher stellte ein Ele- 
mentargesetz für die Wechselwirkung zweier elektrischer Atome 
an die Spitze und suchte auf dieses die gesamte Elektro- 
dynamik zu b^ründen. Daß diese Bemühungen Webers und 
anderer Physiker scheiterten, lag gerade an der Verkoppelung 
der atomistischen Vorstellung mit der Femwirkungshypothese, 
welche die der Atomistik innewohnende Entwickelungsfahigkeit 
erstickte. Erst die Abwendung Ton der Fernwirkungstheorie 
und die Verschmelzung mit der Faraday- Maxwellschen Lehre 
konnte die atomistischen Keime zur Blüte bringen und für 
die Elektrizitätslehre fruchtbare Ergebnisse zeitigen. 

Die Maxwellsche Theorie, weit entfernt, die Frage nach 
der Struktur der Elektriziiät als unberechtigt zurückzuweisen, 
ermöglicht vielmehr erst eine allseitige Untersuchung der für 
diese Frage bedeutungsvollen Erscheinungen. Indem sie das 
Licht als elektromagnetischen Vorgang betrachtet, lehrt sie, 
aus der Strahlung einer Lichtquelle Schlüsse auf die Eigen- 
schaften der elektrischen Teilchen zu ziehen, die in den licht- 



16 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

anssendenden Molekülen schwingen. So bat das Zeemansche 
Phänomen im Jalire 1896 gezeigt^ daß eine große Zahl von 
Spektrallinien in der Bewegung der negativen Elektronen ihren 
Ursprung hat. Eine magnetische Zerlegung der Spektrallinien; 
die auf die Schwingungen positiver Elektronen in der Licht- 
quelle zurückzuführen wäre^ hat sich nicht feststellen lassen; 
infolge der größeren, diesen Teilchen anhaftenden tragen Masse 
würde eine solche Zerlegung auch theoretisch unterhalb der 
Grrenze der Beobachtbarkeit liegen. Hier tritt die enge^ Ton 
der elektromagnetischen Lichttheorie behauptete Beziehung 
zwischen dem Konvektionsstrome und der Lichtstrahlung deut- 
lich hervor. Li der Sprache der Elektronentheorie laßt sich 
diese Beziehung so formulieren: Die Konvektionsstrah- 
lung ist ein Strom freier Elektronen, die Wellen- 
strahlung nimmt ihren Ausgang von Geschwindig- 
keits^nderungen der Elektronen. 

Wo die Kathodenstrahlen auf die Böhrenwand treffen^ 
nehmen die Böntgenstrahlen ihren Ursprung. Wir werden, 
mit 6. 6. Stokes und E. Wiechert, in diesen magnetisch nicht 
ablenkbaren Strahlen die elektromagnetischen Wellen sehen, 
welche von den gehemmten Elektronen ausgehen. Dabei scheint 
es sich nicht um periodische Wellenzüge, sondern um Einzel- 
impulse zu handeln, deren Impulsbreite weit kleiner ist als die 
Wellenlänge der kurzwelligsten ultravioletten Strahlen. Aus 
den Beugungsversuchen von Haga imd Wind hat sich ergeben, 
daß die Lnpulsbreite 10"^ cm beträgt, falls es sich überhaupt 
um Wellenimpulse handelt. Doch ist es, da die Röntgen- 
strahlen sich weder brechen noch spiegeln lassen, schwierig^ 
ihre Wellennatur experimentell festzustellen. 

Die dritte; nicht ablenkbare Klasse der Badiumstrahlen, 
die sogenannten ^/-Strahlen, weist Eigenschaften auf, welche 
denen besonders durchdringender Röntgenstrahlen gleichen. 
Es liegt nahe, sie als die WeUenimpulse anzusprechen, welche 
beim Fortschleudern der Elektronen durch die radioaktiven 
Atome erregt werden. 



Erstes Kapitel. Die phys. a. math. Grundlagen d, Elektronentheorie. X7 

§ 4. Die Gnmdgleiehxmgen der Blelctronentheorie. 

XTm zn den Grnmdgleichongen der ElektronenÜieorie zn 
gelangeil; gehen wir von den Hanptgleiclmngen der Maxwell- 
schen Theorie ans (I; § 59^ S. 235 ff.). Die erste Sanptgleichnng 
lantet (I, Gl, 177) 

cnrl 1^ = -^ . f , 

wobei r die Dichte des Gesamtstromes ist. 

Die Elektronentheorie kennt nnr zwei Bestandteile des 
GesamtstromeS; den Yerschiebnngsstrom im Äther nnd den 
Konvektionsstrom bewegter Elektronen; die Dichte des Yer- 
schiebnngsstromes im Äther ist gleich 

1 a» 



4« ar 

die Dichte des elektrostatisch gemessenen Eonvektionsstromes 
ist gegeben durch 

I « 9 . 1, (vgl. I, Gl. 159, S. 190), 

wo Q die räumliche Dichte, ü die Geschwindigkeit der kon- 
yektiv bewegten Elektrizität bezeichnet. Wir wollen der ein-* 
flacheren Schreibweise wegen es vorziehen, den Konvektions* 
ström elektromagnetisch zu messen. AlaHaTiTi wird 

(10) f - ?^, 

und es ist die erste Grundgleichung zu schreiben 

(I) cnrl§-i^-4«l. 

In der zweiten Hauptgleichung (I, Gl. 178, S. 238) streichen 
wir die eingeprägte elektrische Kraft. Im leeren Baume, wo 
8 = f^ ist, nimmt die zweite Hauptgleichung die Form an: 

(H) curl« + i^ = 0. 

Diese beiden Grandgleichiuigen nehmen wir anch im 
Innern der Elektronen als gültig an. 

Abrabam, Theorie der Blektriiltt«. n. 2 



X8 Erster Absclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Die allgemeine Beziehung zwischen der Dichte der Elek- 
triziiÄt und der Divergenz der elektrischen Verschiebung (vgl. I, 
GL 137; S. 145) behalt die Elektronentheorie bei; da sie all- 
gemein S = 7— (8 setzt, so wird 

(EI) div«-4Ä9. 

Anch die allgemeine Bedingung der Quellenfreiheit des 
Vektors © (I, GL 178 a, S. 239) wird aus der MarweUschen 
Theorie herübergenommen; da 8 mit § identifiziert wird, so wird 

(IV) div ^ = 0. 

Für den von Materie und von Elektronen leeren Raum, 
wo Q und I verschwinden^ stimmen diese Grrundgleichungen 
mit den Hertz -Heavisideschen Feldgleichungen ' überein; sie 
führen^ wie jene, zu dem Ergebnisse, daß hier ebene elektro- 
magnetische Wellen nach allen Richtungen mit der gleichen 
Geschwindigkeit c forteilen. Auf dasjenige Bezugssystem, in 
dem diese Isotropie der Wellenfortpflanzung wirklich statthat, 
sind die Bewegungen der Elektronen zu beziehen. Es wird 
gestattet sein, die so bestimmt gedachten Bewegungen der Elek- 
tronen und der wägbaren Körper als „absolute Bewegungen" 
zu bezeichnen (vgl. I, S. 430 flF.). Die auf jenes Bezugssystem 
bezogene absolute Geschwindigkeit ti der Elektronen ist es, 
welche in den Ausdruck (10) für die Dichte des Konvektions- 
stromes eingeht. Neben dem kinematischen Vektor ti enthält 
das System der Feldgleichungen (I) bis (IV) nur zwei Vektoren, 
den elektrischen Vektor Q und den magnetischen Vektor ^, Es 
ist anzusehen als die einfachste Erweiterung des für den Äther 
geltenden Systemes von Feldgleichungen, welche die ein- 
gelagerten Elektronen und ihre Bewegung berücksichtigt. 

Zu diesen Feldgleichungen tritt endlich eine Aussage über 
die an den Volumelementen der Elektronen angreifende Eraft. 
Es wird, in Übereinstimmung mit Bd. I, GL 246 a, S. 412, 
für die auf die Einheit der Ladung wirkende Kraft der Ansatz 
gemacht 

(V) 5 = « + i[ll$]- 



Erstes Kapitel. Die phys. ^. math. Grundlagen d. Elektronentheorie, X9 

Wir können diesen Ansatz tun so eher akzeptieren^ als 
wir ja im § 2 dieses Bandes uns davon überzeugt haben ^ ilaß 
er die Kraft, die in einem gegebenen äußeren Felde auf die 
Kathodenstrahlteilchen wirkt, in befriedigender Weise darstellt 
Der Vektor ff, die „elektromagnetische Kraft pro Ein- 
heit der Ladung^ ist durch die Gmndgleichung (Y) auf 
die drei in den Feldgleichungen auftretenden Vektoren zurück- 
ge£Öhrt. 

Wir wollen uns davon überzeugen, daß der zugrunde 
gelegte Ansatz für die elektromagnetische Kraft mit dem 
Energieprinzipe übereinstimmt. Wir denken uns zu diesem 
Zwecke einen Bereich v, der von der ruhenden Flache f be- 
grenzt ist. Auf die im Yolumelemente dv enthaltene Elek- 
trizität übt das elektromagnetische Feld die Kraft ^qdv aus. 
Diese leistet pro Sekunde die Arbeit 

Der vom magnetischen Felde herrührende Anteil der Kraft, 
der stets senkrecht zur Bewegungsrichtung der Elektrizität 
weist, trägt zur Arbeit nichts bei. Durch Integration über 
den Bereich v erhalten wir mithin für die Arbeitsleistung der 
elektromagnetischen Kräfbe 



dA 
dt 



=-J(Q^,Qt)dv. 



Da nun, nach (10), der Vektor Qt^ die Dichte des Kon- 
vektionsstromes bestimmt, so. folgt aus der ersten Grund- 
gleichung ' 

dÄ 



dt 



= c/(l,«)dt; = ^/d.(«,carl#-i^^). 



Femer ist, nach einer allgemeinen Regel der Vektor- 
rechnung (I, Gl. 102 a, S. 93), 

fdf[(S§]v ^fdv § curi <fi --fdv e curi §, 
oder, mit Bücksicht auf die zweite Grundgleichung, 

2* 






20 Erster Abschnitt. Das Feld a. die Bewegung der einzelnen IBlektronen. 

fdvdcxirl^ ^fdv ^ ^ -Jdf\ß^1r; 

dabei stellt v die äußere Normale der Begrenznngsfläclie f vor. 
Es folgt also schließlich 

Dieses ist nichts anderes als die Energiegleichnng. 
Setzen wir^ in Übereinstimmnng mit der Maxwellschen Theorie, 

(12) ^=/£{«* + ^*l 

für die elektromagnetische Energie des Raumes und 

(13) « = ^M 

V 

für den elektromagnetischen Energiestrom, so können 
wir (11) schreiben 

Die Arbeit der elektromagnetischen Eräfte, die in dem 
Bereiche v wirken, vermehrt um den' elektromagnetischen 
Energiestrom, der durch die Begrenzungsfläche f hinausströmt, 
ist der Abnahme der elektromagnetischen Energie des Bereiches 
gleich; Arbeitsleistung der elektromagnetischen Kräfte und 
Strahlung erfolgen beide auf Kosten der elektromagnetischen 
Energie W] dabei sind für Energiedichte und Energiestrom 
die aus der Maxwellschen Theorie bekannten Ausdrücke bei- 
zubehalten. Gleichung (11) spricht das Energieprinzip für das 
elektromagnetische Feld bewegter Elektronen aus. Wie unser 
Beweis zeigt, folgt dasselbe aus den Grrundgleichungen (I) 
bis (V); es stellt keineswegs eine neue, von den Grundglei- 
chungen unabhängige Aussage dar. 

In den allgemeinen Grundgleichungen (I) bis (V) der 
Elektronentheorie ist die Idee der atomistischen Konstitution 
der Elektrizitöt noch nicht zur Formulierung gelangt; diese 
Grundgleichungen würden es noch zulassen, daß die Elektrizität 



Erstes Eapit&L. Die plijs. u. math. Gnmdlagen d. Elektronentlieorie. 21 

kontinnierlich den Banm erfüllte. Die atomistische Hypothese 
nimmt indessen an^ daß die Elektriziföt, die positive und die 
negative, aus Elelnentarquanten + e besteht, die durch den 
Äther voneinander getrennt sind. Dabei genügt es bisweilen; 
die Ladungen als Punktladungen aufzufassen, insbesondere, 
wenn es sich um die vom Elektron entsandte Wellenstrahlung 
handelt. Doch bringt die Annahme punktförmiger Elektronen 
gewisse Schwierigkeiten mit sich. Es besitzt nämlich das 
Feld, welches eine ruhende Ladung von endlichem Betrage 
umgibt; eine elektrostatische Energie, die unendlich wird, wenn 
die Ladung sich auf einen Punkt zusammendrangt. Schon 
diese Erwägung deutet an^ und die eingehende Untersuchung 
besfötigt es, daß die Elektronen, streng genommen, nicht als 
elektrische Punkte zu betrachten sind, da ja ihre Ladung und 
ihre Energie endlich sein sollen. Wir können nicht umhin, 
der Dynamik der Elektronen neben den allgemeinen Grund- 
gleichungen (I) bis (Y) noch besondere Voraussetzungen über 
die Form und Bewegungsfreiheit dieser Teilchen zugrunde zu 
legen. Doch werden wir hierauf erst im dritten Kapitel dieses 
Abschnittes eingehen. 

Wir haben die Qrundgleichungen (I) bis (Y) erhalten, 
indem wir von den allgemeinen Gleichungen der Marwellschen 
Theorie ausgii^en und diese in gewisser Weise vereinfachten. 
Es braucht kaum ausdrücklich bemerkt zu werden, daß dieses 
Verfahren nur ein heuristisches ist und keine Beweiskraft 
besitzt. Müssen wir doch jedesmal, wenn wir eine auf einem 
gewissen Gebiete als richtig erkannte Theorie auf ein neues 
Erscheinungsgebiet anwenden wollen, mit der Möglichkeit 
rechnen, daß sie diesen neuen Tatsachen gegenüber versagt. 
Für eine Theorie ist die Eroberung einer neuen Provinz stets 
ein Unternehmen, das nur der Erfolg rechtfertigen kann. 

Die vorgenommene Übertragung der Maxwellschen Glei- 
chungen auf die Felder der Elektronen ist insbesondere auch 
aus <lem Grrunde hypothetisch, weil diese Felder niemals einer 
direkten experimentellen Prüfang zugänglich werden können. 
Denn die Methode der XTntersuchui^ des Feldes durch einen 



22 Enter AbBchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektaronen. 

Probekörper ist wobl auf die Felder anzaweDden^ von denen 
der erste Band dieses Werkes handelte^ aber nicht auf die 
Felder der Elektronen selbst. Der kleinste denkbare Probe- 
korper ist namlichy wenn anders die atomistische Yorstellong 
zutrifft; das Elektron selbst. Das Feld nun^ welches das ein- 
zelne Elektron umgibt, wechselt natürlich nach Richtung und 
Starke beträchtlich in Bereichen von der Ghroßenordnung des 
Elektrons. Zu seiner Ausmessung würde ein Probekörper not- 
wendig sein, dessen Dimensionen klein gegen diejenigen des 
Elektrons sind. Es ist also aus prinzipiellen Gründen, von 
experimentellen Schwierigkeiten ganz abgesehen, das Feld, 
auf das unsere Grundgleichungen sich beziehen, der direkten 
Messung unzu^Lnglich. Die Bestätigung der Grrundgleichungen 
muß in dem Zutreffen ziemlich entfernter Folgerungen gesucht 
werden. Zunächst ist die Übertragong der Gnmdgleiehtingen 
von den der Beobachtung zu^Lnglichen Feldern auf die Felder 
der Elektrizifötsatome eine durchaus hypothetische. 

Eine jede atomistische Theorie muß indessen in ent- 
sprechender Weise verfahren. So kann die kinetische Gas- 
theorie nicht umhin, die Bewegung und den Stoß der Gas^ 
moleküle nach Gesetzen zu behandeln, welche der Mechanik 
der greifbaren Körper entnommen sind. Es kann niemals 
direkt experimentell nachgewiesen werden, daß die Bewegungen 
der Moleküle wirklich diesen Gesetzen gehorchen. Die Be- 
rechtigung der gemachten Voraussetzungen kann erst nach- 
träglich dadurch geführt werden, daß man ihre Konsequenzen 
verfolgt und als zutreffend nachweist. Dabei liegt die Sache 
sogar in der Elektronentheorie insofern günstiger, wie in der 
Molekulartheorie der Materie, als die Eigenschaften der freien 
Elektronen selbst in den Kathodenstrahlen und verwandten 
Strahlungen dem Experimente zugänglich werden, während die 
regellosen Bewegungen der unelektrischen Atome und Moleküle 
der direkten Beobachtung unzugänglich und nur in ihren über 
meßbare Bereiche erstreckten Mittelwerten zu den mechanischen 
und thermischen Eigenschaften der Materie in Beziehung zu 
setzen sind. 



Erstes Kapitel. Die pliys. n. math. Grondlagen d. Elektronentheörie. 23 

Die Elektronentheorie beanspracht^ die elektrischen, mi^e- 
tischen nnd optischen Eigenschaften der Materie in ihrer Ge- 
samtheit darzustellen. Sie geht dabei von gewissen Yorans-^ 
Setzungen über die Eigenschaften der Elekiironen in leitenden, 
dielektrischen und magnetisierbaren Körpern aus und gelangt 
durch Mittelwertsbildung über Bereiche, die eine sehr große 
Zahl Ton Elektronen enthalten, zu den Hauptgleichungen der 
Maxwellschen Theorie für ruhende Körper; dabei werden die 
Beziehungen der elektrischen Verschiebung und der Leitungs- 
stromdichte zur elektrischen Feldstärke, sowie die Beziehung 
der magnetischen Feldstarke zur magnetischen Induktion an- 
schauUcher gedeutet und in mancher Hinsicht der Erfahrung 
besser angepaßt als in. der rein phänomenologischen MaxweU- 
Hertzschen Darstellungsweise. 

Der erste, der die Grundgedanken der Elektrönentheorie 
klar formuliert und in umfassender und folgerichtiger Weise 
insbesondere auf optische Fragen angewandt hat, ist H. A. 
Lorentz gewes^i. Er hat die elektromagnetische Theorie der 
Farbenzerstreuung ^) und die Optik bewegter Körper*) von 
diesem Standpunkte aus entwickelt. Auch die Entdeckung 
Zeemans ist auf seine Anregung zurückzuführen. Wenn über- 
haupt die Elektronentheorie, an - deren Erfolgen so viele 
experimentelle und theoretische Physiker Anteil haben, mit 
dem Namen eines einzelnen Forschers in Yerbindui^ gebracht 
werden soll, so kann wohl nur der Name von H. A. Lorentz 
in Frage kommen. 

§ 5. Die elelctromagnetisohe Bewegnngsgröße. 

Wie wir bereits im ersten Bande dieses Werkes (§ 89) j^.^^^ 
erwähnten, besteht hinsichtlich der . Beziehung zum dritten 
Axiome der Newtonschen Mechanik ein gewisser Gegensatz 

1) H. 4. Lorentz, Ant. d, Phys. 9, S.641, 1880. 

2) H.A. Lorentz, La thdorie älectromagnätiqne de Maxwell et son 
application anx corps monvants. Leide, E.J. Brill, 1892. 

H.A. Lorentz, Yersuch einer Theorie der elektrischen und optischen 
Erscheinungen in bewegten Körpern. Leiden, E.J. Brill, 1896. 



24 Erster Absclinitt. Bas Feld n. die Bewegung der einzelnen Elekironen. 

zwischen der Maxwell-Hertzschen Theorie einerseits und der 
Lorentzschen Theorie anderseits. Jene nimmt an^ daß die anf 
einen Körper wirkenden elektromagnetischen Kräfte stets ans 
gewissen; über seine Oberfläche verteilten Drack- nnd Zug- 
kräften resultieren, wobei zwar das Gesetz von Wirkung und 
Gegenwirkung erf&llt ist/ aber zuweilen Kräfte auf die Yolum- 
elemente des Äthers auftreten. Der Lorentzschen Theorie sind 
solche Kntfte auf die von Elektrizität leeren Yolumelemente 
des Baumes fremd. Sie läßt elektromi^etische Kräfte nur 
auf die Elektrizii»t wirken; die auf die Yolumeinheit berech- 
nete, elektromagnetische Kraft (Y) der Lorentzschen Theorie 

(14) «»»»pjft + IM) 

verschwindet mit der elektrischen Dichte q. 

Wir wollen nunmehr die Konsequenzen verfolgen, die 
sich aus dieser Auffassung hinsichtlich der Stellung der Elek- 
tronentheorie zum dritten Axiome Newtons ergeben. 

^ Wir ziehen, ebenso wie in Bd. I, S. 414, die Identitäten 
heran 

(14.) «.ai,.-t«c„.e].-^i(«..-<^.-«..) 



(14b) ««diT#-[#cTirl§].= ^l($,«-§/-#,«) 

Mit ßücksicM auf die Qnuidgleichimgen (I) und (III) geht 



Über in 



(14c) 9fJ = 2.{«div«-[ftcurl^-i^]). 

Anderseits folgt durch Addition von (14 a) und (14b), auf 
Grund von (II) nnd (IV) 



(15) 



Erstes Eapitel. Die phjTB. u. matli. Grundlagen d. Elektronentheorie. 25 

(14d) «, div « + i [«-|f ] - [$ curl $]^ 

(dX dX dX 1 

wobei in einer in der Elastizifötstheorie gebniuchlichen Schreib- 
weise 

14äZ, -«««,+ #«§, 

gesetzt ist. Dnrcb Kombination von (14c) und (14d) er- 
halten wir 

oder nach Einfiihnmg des Poyntingschen Strahlvektors 

dX^ dX dX 1 a® 

(16) ^»«-Tf + V + T7-c-.Tr- 

Entsprechende Gleichungen: 

ST ar ar. i a« 



Q^y^ "Tzr + "^TT + "^ 



dx dy dz c* a* 

gelten für die beiden anderen Komponenten der elektromagne- 
tischen Kraft. 

Wir überzeugen uns unschwer davon^ daß die drei ersten 
Glieder der rechten Seiten die von den Maxwellschen Span- 
nungen auf die Yolumeinheit des Baumes ausgeübte Kraft 
darstellen. In der Tat^ setzen wir in den Gleichungen (248) 
und (249) in § 89 des ersten Bandes, welche bzw. die elek- 
trische und magnetis(die Mächenkrafb darstellen, a » ft » 1, 
so wird 

(17) at = r + at"*«^|2«.«..f 2^.^.-ii(«H$0); 



26 Snter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der eüizelnen Elektronen. 

dabei stellt tt einen Einheitsvektor vor^ der in Richtung der 
äußeren Normalen v der Fläche weist; über welche die ilächen- 
krafb Z verteilt ist. Die parallel der o^-Achse genommene 
Komponente dieser von den Maxwellschen Spannungen auf die 
Flächeneinheit einer beliebig gestellten Fläche ausgeübten 
Kraft ist demnach 

(17a) at. ^ ^ {2«,«. + 2^.#. - cos (vx) (V + §')[ 

Legt man nun die Normale v des betrachteten Flächen- 
elementes der Reihe nach parallel der a;-Achse; der y- Achse 
und der ^s^-Achse, so erhält man für Z« die durch (15) ein- 
geführten Ausdrücke Xx, Xy, X,. Diese stellen demnach die 
parallel der o;- Achse genommenen Komponenten der Flächen- 
kraft % vor/ die auf die Flächeneinheit dreier den Koordinaten- 
ebenen paralleler Flächenelemente wirkt; diese drei Ghrößen 
und die durch zyklische Yertauschung der Koordinaten ent- 
stehenden Größen sind mit dem Spannungssysteme identisch, 
welches MaxweU im elektromagnetischen Felde wirkend an- 
nahm; dasselbe ist durch 6 ^^ Stresskomponenten ^^ 

charakterisiert. Den Lehren der Elastizitätstheorie gemäß 
besitzt die von diesen Spannungen auf die Yolumeinheit aus- 
geübte Kraft die Komponenten 

dX^ dX dX 

"ä^ + "ä/ + -ä7 ParaUel der a:- Achse, 

ar_. ar, ar 

T^+rd^ + TI V^^^^^ ^«^ y-Achse, 

dZ dz dZ^ 

•g — I" a^ + y^ parallel der ;8f-Achse. 

Nach Maxwell und Hertz sind dieses die auf die 
Volumeinheit berechneten Komponenten der elektro- 
magnetischen Kraft. Nach Lorentz^) ist noch die Kraft 

1) H. A. Lorentz, Die elektrischen nnd optischen Erscheinungen in 
bewegten Körpern. 1895. S. 24ff. 



Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Qnmdlagen d. Elektronentheörie. 27 

c« ^* 

pro Yolnmeinheit hinzuzufügen, nm die gesamte 
elektromagnetische Kraft (»»f^ der Elektronentheorie 
zu erhalten. Diese ZusatzkrafI; hebt für die Yolumelemente 
des von Elektrizität leeren Baumes gerade die von den Max- 
weUschen Spannungen ausgeübte Kraft auf. Wir können dieses 
ZusatzgUed der ÄUBchauung naher bringen, indem wir eine 
^^elektromagnetische Bewegungsgröße'' über das Feld 
mit der Dichte 
(18) g»l,.€ = ji-[(g|^] 

verteilt denken.^) Dieselbe ist durch die Vektoren d, § be- 
stimmt; für einen jeden Punkt des Feldes. Einer zeitlichen 
Änderung des Poyntingschen Vektors ® entspricht eine Ände- 
rung der elektromagnetischen Bewegungsgröße, die eine Tnlg- 
heitskraft 

_ 1 a® 
c« dt 

hervorruft. Durch diese TnLgheitskraft, im Verein mit der 
über die Oberfläche des betreffenden Bereiches verteilten 
Flächenkraft % (61. 17) ist die durch die Gh*undgleichung (V) 
definierte elektromagnetische Kraft vollständig zu ersetzen. 

In der Tat, integrieren wir die Gleichung (16) über einen 
Bereich v, der von der ruhenden Fläche f umschlossen ist; so 
erhalten wir als o;- Komponente der resultierenden Krafb 

= / df{Xa. cos (vx) + Xy cos (vy) + X, cos {vii)} — ^ / 8« dv. 

Nach (15) und (17 a) ist 

Xx cos (vx) + Xy cos (vy) + X, cos (vss) 

= ^ • J2«,«.-f 2#^|^,~cos(i.a;)(«H&*)) = at:. 



1) M. Abraham, Prinzipien der Dynamik des Elektrons. Ann. d. 
Phys. 10 (1908). S. 106. 



28 Irrster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen. 

die a;-Komponente der Flachenkrafb Z. Gehen wir sogleich 
zur Yektorgleichung über^ so erhalten wir 

(19) ft=fdVQ%^fdft-^, 

wobei 

(20) O -^fdv 8 ^fdv • * 

die gesamte, in dem Bereiche v enthaltene elektromagnetische 
Bewegungsgroße ist. 

Die Erafty welche das elektromagnetische Feld anf einen 
beliebigen Korper ausübt; ist nach der Lorentzschen Theorie 
gleich der resultierenden Eraft St auf die im Innern des 
Körpers befindlichen Elektronen. Es besagt daher Glei- 
cbong (19): Die resultierende elektromagnetische Kraft 
auf einen beliebigen Körper ist gleich dem über 
seine Oberfläche erstreckten Integral der Flächen- 
kraft %, vermindert um die zeitliche Zunahme der 
gesamten im Innern des Körpers befindlichen elektro- 
magnetischen Bewegungsgröße. 

Wir können die Gleichung (19) auch auf ein System von 
Körpern anwenden, welche in den Äther eingelagert sind. 
Wir haben dann im Äther eine Fläche zu konstruieren, welche 
das ganze System einschließt. Auf dieser Fläche haben wir 
uns die fingierte Flachenkrafb Z angebracht zu denken; auch 
haben wir die elektromagnetische Bewegungsgröße sowohl im 
Innern der Körper, als auch in dem Räume zwischen den 
Körpern in Rechnung zu ziehen. 

Eine besonders einfache Form nimmt der Ausdruck (19) 
der elektromagnetischen Gesamtkraft an, fallfi wir die Fläche f, 
die das Körpersystem umschließt, uns so weit entfernt denken, 
daß sie in dem ganzen Zeitintervalle, in dem der zu betrach- 
tende Vorgang sich abspielt, nicht von dem elektromagne- 
tischen Felde erreicht wird. Dann verschwindet nämlich auf 
der Fläche f der Vektor 3t, der ja durch die daselbst herr- 
schenden Feldstärken bestimmt ist. Es fällt das erste Glied 



Erstes Kapitel« Die phys. n. math. Grnndlagen d. Elektronentheorie. 29 

im Ausdruck (19) fort; und die elektromagnetische Gesamt^ 
kraft wird 

(21) « = -W- 

Die Oesamtkraft; welche das elektromagnetische 
Feld auf ein Eörpersystem ausübt; ist gleich der 
zeitlichen Abnahme der elektromagnetischen Be- 
wegungsgröße des gesamten Feldes. 

Das System^ welches aus den Körpern und dem gesamten 
elektromagnetischen Felde gebildet ist, können wir als ein in 
elektromagnetischer Hinsicht abgeschlossenes System bezeichnen. 
Für ein solches nimmt auch die Energiegleichung (11) eine 
vereinfachte Form an, da eine Ausstrahlung durch die Be- 
grenzungsfläche / hindurch nicht in Betracht zu ziehen ist, 
Es wird die gesamte Arbeit der elektromagnetischen Eiafte 

/99X dÄ dW 

Diese Relation ist es^ welche die Bezeichnui^ des durch (12) 
definierten Skalars W als „elektromagnetische Energie" 
rechtfertigt. In entsprechender Weise rechtfertigt die Relation 
(21) die Bezeichnung des durch (20) definierten Vektors ® als 
„elektromagnetische Bewegungsgröße" oder „elektro- 
magnetischer Impuls" des Feldes. 

Ist E die gesamte Energie der wägbaren Körper des ab- 
geschlossenen Systemes, so ist der Zuwachs von E der Arbeit 
der elektromagnetischen Kräfte gleich; es folgt demnach aus (22) 

(22 a) E + W^ Constans. 

Die Summe aus der Energie der wägbaren Körper 
und der elektromagnetischen Energie des Feldes ist 
für ein abgeschlossenes System konstant. 

Dieser allgemeinen Fassung des Energieprinzipes können 
wir eine allgemeine Fassung des Impulssatzes gegenüberstellen. 
Nach den Lehren der Mechanik ist die zeitliche Zunahme des 
Gesamtimpulses ß der wägbaren Massen der Resultierenden der 
äußeren Kräfte gleich. Da die meclumischen WechselwirkungiBn 



30 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

dem Prinzipe von Wirkung und Gegenwirkung Genüge leisten^ 
80 liefern sie zu der resultierenden Kraft keinen Beitrag. Es 
besagt daher der Impulssatz: Die zeiÜiche Anderui^ des mecha- 
nischen Impulses 6 ist gleich der resultierenden elektro- 
magnetischen Kraft St: 

dt ^^' 

Setzen wir hier für St den in (21) erhaltenen Ausdruck 
ein und bringen ® auf die andere Seite^ so erhalten wir 

(23) 6 + O » Gonstans. 

Die Summe aus dem mechanischen Impulse der 
wägbaren Körper und dem elektromagnetischen Im- 
pulse des Feldes ist für ein abgeschlossenes System 
konstant. 

Der so verallgemeinerte Impulssatz ist für das Folgende 
von fundamentaler Bedeutung. Der gegebene Beweis zeigte 
daß die Einführung des elektromagnetischen Impulses ebenso- 
wenig eine neue Hypothese darstellt; wie die Einführung einer 
elektrojnagnetischen Energie. Es handelt sich hier wie dort 
nur um einen zweckmäßigen Ausdruck gewisser Folgerungen, 
die aus dem Ausdrucke der elektromagnetischen Kraft (V) im 
Verein mit den Feldgleichungen (I) bis (IV) der Elektronen- 
theorie fließen. Wenn nun auch diese Ausdmcksweise der in 
der Mechanik gebräuchlichen nachgebildet ist, so führt doch, 
wie schon am Schlüsse des ersten Bandes herrorgehoben 
wurde, die Elektronentheorie zu Folgerungen, welche den 
Axiomen der Newtonschen Mechanik widersprechen. 

Die an den wägbaren Körpern angreifenden 
elektromagnetischen Kräfte der Lorentzschen Theorie 
befolgen nicht das dritte Axiom der Newtonschen 
Mechanik. 

Wenn z. B. ein Körper Licht in einer bestimmten Rich- 
tung, etwa vermittelst eines Hohlspiegels, auszusenden beginnt, 
so erfährt die elektromagnetische Bewegungsgröße des Baumes 
einen Zuwachs. Der Gleichung (21) gemäß wird das Licht 



Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 31 

auf den emittierenden Körper eine Erafb ausüben. Diese 
Wirknng wird erst dann dnrch eine Gegenwirkung kompensiert 
werden, wenn das entsandte Licht Ton anderen Körpern ab- 
sorbiert wird; und das findet wegen der endlichen Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes erst nach einer end- 
lichen Zeit statt. Bis dahin bleibt die Bewegongsgröße der 
Körper ebenso wie die Energie gewissermaßen latent, sie ist 
in elektromi^etische Bewegungsgröße verwandelt worden. 

Daß der Satz von actio und reactio, in dem Sinne der 
Newtonschen Mechanik gefaßt, von den elektromagnetischen 
Kräften der Lorentzschen Theorie verletzt wird, ist von 
H. Poincar^ als Einwand gegen diese Theorie geltend gemacht 
worden.^) Lidessen wird man diesen Einwand nur dann als 
stichhaltig ansehen, wenn man die Axiome der alten Mechanik 
als a priori gültig betrachtet. Sieht man hingegen die Physik 
als eine Wissenschaft an, deren Prinzipien der fortschreitenden 
Erfehnmg anzupasBen sind, so wird man sich durch jenen 
Einwand nicht beirren lassen. Man wird vielmehr die Mechanik 
des elektromagnetischen Feldes auf den erweiterten Impuls- 
satz (23) begründen und wird untersuchen, ob dieser Satz 
Folgerungen ergibt, die mit der Erfahrung übereinstimmen; 
ist dies der Fall, so sind nicht die Grundlagen der Elektronen- 
theorie, sondern die Axiome der alten Mechanik zu revidieren. 

Das ist der Weg, der in den folgenden Abschnitten be- 
schritten werden soll; wir werden zeigen, daß sowohl für die 
Theorie der Konvektionsstrahlui^, wie für diejenige der 
Wellenstrahlung die Einführung der durch den Strahlvektor 
bestimmten elektromagnetischen Bewegungsgröße fruchtbar ist, 
und werden in der Bestätigung der so gewonnenen Ergebnisse 
durch das Experiment eine Rechtfertigung der Ghrundhypothesen 
der Elektronentheorie erblicken dürfen. 

Nach (18) ist die Dichte g der elektromagnetischen 
Bewegungsgröße dem durch das Quadrat der Lichtgeschwin- 
digkeit dividierten Strahlvektor @ gleich zu setzen. Für eine 



1) H. Poincar^, Arch. Nöerland. (2) 6, S. 262. 1900. 



32 Erster Abschnitt, Das Feld a. die Bewegimg der einzelnen Elektronen. 

ebene Lichtwelle weist abo der Vektor g in Richtung der 

Wellennormalen*, da der Betrag S des Strahlvektors der Energie 

gleich ist; die in der Sekunde auf die Flächeneinheit einer 

senkrecht zum Strahle gestellten Flache fallt (vgl. I^ S. 311), 

und da diese Energie einen Zylinder von der Höhe c erfüllt, 

so ist 

- . flf.c = - 
c" c 

der Betrag der in der Sekunde auf eine ruhende F^*che 
fallenden Bewegungsgröße. Die pro Sekunde auffallende 
Bewegungsgröße einer ebenen Lichtwelle ist also 
gleich der pro Sekunde auffallenden Energie, divi* 
diert durch die Lichtgeschwindigkeit, oder gleich der 
Energiedichte. 

Fällt nun die Welle auf eine ruhende schwarze Fläche, 
welche die elektromagnetische Energie der Welle in Wärme 
verwandelt, so wird auch die elektromagnetische Bewegungs- 
größe vernichtet und in mechanische Bewegungsgröße ver* 
wandelt. Mit anderen Worten, das Licht übt auf die absor- 
bierende Fläche einen Druck aus. Der Lichtdruck beträgt 
für eine senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung ge* 

er 

stellte schwarze Fläche — ; er ist der Enprgiediehte 

der Welle gleich. Er wirkt auf die absorbierende schwarze 
Fläche in Richtung des auffallenden Strahles. 

Eine entsprechende, der Strahlrichtung entgegenweisende 
Druckkraft muß wirksam werden, wenn das Licht von der 
Lichtquelle in den Baum hinausgesandt und dadurch elektro- 
magnetische Bewegungsgröße erzeugt wird. 

Wir haben hier die Ableitung des Lichtdruckes an den 
zweiten Term im Ausdrucke (19) der resultierenden elektro- 
magnetischen Kraft angeknüpft, welcher die Bewegungsgröße 
enthält. Den ersten Term beseitigten wir, indem wir die 
Begrenzungsfläch^ f des Feldes beliebig weit fortrücken ließen. 
Wir können nun auch anders verfahren. Wir können die 
Fläche so legen, daß sie sich unmittelbar an den Körper an- 
schmiegt, auf den die gesuchte elektromagnetische Kraft wirkt. 



Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 33 

Dann sind im allgemeinen beide Glieder zu berücksichtigen, 
sowohl die von den Maxwellschen Spannungen ausgeübte 
Kraft, als auch die Rückwirkung der elektromagnetischen 
Bewegungsgröße, die ins Innere des Korpers tritt. In manchen 
Fällen indessen fällt das zweite Glied fort. Haben wir es 
beispielsweise mit einem Körper zu tun, der mit einer 
schwarzen, das Licht vollkommen absorbierenden Hülle bedeckt 
ist, so tritt von außen her kein Licht und keine elektro- 
magnetische Bewegungsgröße in den Körper. Es wird die 
Energie des Lichtes bereits an der Oberfläche in Wärme ver- 
wandelt. Hier erhält man den vollständigen Wert der vom 
Lichte ausgeübten Kraft, indem man ausschließlich die Ober- 
flächenkraft % der Maxwellschen Spannungen in Rechnung 
zieht. 

In einer ebenen Lichtwelle steht der elektrische Vektor 
senkrecht auf «dem magnetischen; die elektrische Energiedichte 
ist der magnetischen gleich. Der Faraday-Maxwellsche Längs* 
zug der elektrischen Ejraftlinien hebt den ihm parallelen 
magnetischen Querdruck, der Längszug der magnetischen 
Kraftlinien den entsprechenden elektrischen Querdruck auf; 
denn diese Druck- bzw. Zugspannungen sind (vgl. I, S. 416) 
der elektrischen bzw. der magnetischen Energiedichte gleich. 
Parallel der StrahLrichtung hingegen, die sowohl auf @ wie 
auf ^ senkrecht steht, verstärken sich die beiden Querdrucke 
und ergeben einen Druck auf eine senkrecht gestellte schwarze 
Fläche, der gleich der elektromagnetischen Energiedichte ist. 
Das Resultat dieser Betrachtung führt zu demselben Werte 
des Lichtdruckes, wie die obige Ableitung aus der elektro- 
magnetischen Bewegungsgröße. 

Maxwell selbst war es, der aus seinem Spannungssysteme 
zuerst den Lichtdruck ableitete. In den letzten Jahren, ist 
es den Bemühungen geschickter Experimentatoren, nämlich 
P. Lebedew*), sowie E. P. Nichols und G. F. Hüll*) gelungen, 



1) P. Lebedew, Ann. d. Phys. 6, S. 433. 1901. 

2) E. F. Nichols und G. F. Hnll, Ann. d. Phys. 12, S. 226. 1903. 
Abraham, Theorie der Elektrizitftt. II. 3 



34 Erster AbschmU. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

experimentell den Lichtdruck als Yorhanden nachzuweisen. 
Auf die Beziehungen des Strahlungsdruckes zur Theorie der 
Wärmestrahlung kommen wir weiter unten zurück. 

Wir wollen schließlich noch zeigen^ daB der zweite 
Impulssatz (vgl. I, § 12) sich in entsprechender Weise verall- 
gemeinem laßt; wie der erste. Wir berechnen das resul- 
tierende Moment der elektromagnetischen Kräfte, die 
auf einen gegebenen Bereich t; wirken: 

(24) 9t-fdv[t,Q%]. 

Wir verstehen unter t den Badiusvektor, der von einem 
im Baume festen Punkte aus zu konstruieren ist. Auf diesen 
festen Momentenpunkt ist das Moment der elektromagnetischen 
Kräfte bezogen. 

Durch Einführung der Ausdrücke (16) ergibt sich bei- 
spielsweise für die o?- Komponente des Vektors 9t 

Das erste, von den Maxwellschen Spannungen herrührende 
Volumintegral formen wir auf Grund des Gktußschen Satzes 
um, wobei wir die aus (15) folgende Beziehung beachten 

Alsdann ergibt sich das über die Begrenzungsfläche f er- 
streckte Integral 

I df\ylZjeC08(vx) + Zp cos (vy) + Z, cos (y^) j 

— ^IYx cos (yx) + Yy cos (vy) + Y, cos (yz)) \ • 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 35 

Die Ausdrücke^ mit denen hier ;e^ und y multipliziert er- 
scheinen^ sind^ wie aus (15) folgt^ nichts anderes als die y- 
bzw. ;s?-Komponente des durch (17) bestimmten Vektors Z: 

ly « ^ (2«^«, + 2§y^, - cos(i;y) («* + §*)). 

2, = i{2«.«. + 2§,§. - cos(i;;^) («^ + #*)}- 
Der erste Term im Ausdruck Ton 9lx ist daher 



/ 



d. h. er stellt die o;- Komponente des statischen Momentes der 
an der Begrenzungsfläche angreifenden Flächenkraft % dar. 
Das zweite Integral im Ausdruck von jR^; hingegen hängt mit 
der a;-Komponente des statischen Momentes der über das Feld 
mit der Dichte g verteilten elektromagnetischen Bewegungs- 
größe zusammen. Dieses Moment ist 

(25) «=/dt;[tB]. 

Wir können es, nach Analogie des Impulsmomentes tt 
wägbarer Massen (vgl. I; S. 32) als 9;elektromagnetisches 
Impulsmoment" bezeichnen; wir beziehen es, ebenso wie 
das Eraftmoment jR, auf einen absolut festen Bewegungspunkt, 
so daß X Yon der Zeit unabhängig wird. Alsdann gilt 

Wir erhalten daher schließlich 

(26) ^^Jdfit%-\-^. 

Diese Relation entspricht vollkommen der Rela- 
tion (19). Sie stellt das resultierende Eraftmoment 9t 
dar als Yektorsumme zweier Glieder: des resultie- 
renden Momentes der an der Oberfläche des Bereiches 
angreifenden Flächenkraft % der Maxwellschen Span- 
nungen und der zeitlichen Abnahme de« elektro- 
magnetischen Impulsmomentes. 

3* 



36 Ei'ster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Rücken wir wieder die Begrenzungsfläche f des Feldes so 
weit ab; daß auf ihr die Feldstarken gleich Null sind, so wird 

(26a) « = -f- 

Das resultierende Kräftepaar^ welches das elektro- 
magnetische Feld auf ein Körpersystem ausübt^ ist 
gleich der zeitlichen Abnahme des elektromagneti- 
schen Impulsmomentes des gesamten Feldes. 

Da die Ejräftepaare, welche die Körper infolge ihrer 
mechanischen Wechselwirkung aufeinander ausüben^ dem 
Prinzipe von Wirkung und Gegenwirkimg allgemein Genüge 
leisten^ so ist die zeitliche Änderung des gesamten Impuls- 
momentes tt der wägbaren Massen dem resultierenden Momente 
der elektromagnetischen Kräfte gleich zu setzen. Aus 



dt 
folgt aber nach (26 a) sofort 

(27) U + © = Constans. 

Die Summe aus dem mechanischen Impuls- 
momente der wägbaren Körper und dem elektro- 
magnetischen Impulsmomente des Feldes ist für ein 
abgeschlossenes System konstant. 

Damit haben wir auch den verallgemeinerten zweiten 
Impulssatz aus den Grundgleichungen der Elektronentheorie 
hergeleitet. Aus ihm* folgt für die Ej^ftepaare dasselbe^ was 
aus (23) far die elektromagnetischen Wechselwirkungen der 
Körper bezüglich der Kräfte folgte: Die Kräftepaare, 
welche die Körper infolge ihrer elektromagnetischen 
Wechselwirkung aufeinander ausüben, widersprechen 
im allgemeinen dem Prinzipe von Wirkung und Gegen- 
wirkung. 

Die verallgemeinerten Impulssätze (23) und (27) und die 
verallgemeinerte Energiegleichung (22 a) sind die Grundlagen, 
auf denen die Mechanik des elektromagnetischen Feldes sich 
aufbaut. 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 37 

§ 6. Die elektromagnetisolien Potentiale. 

Das Gh-undproblem der Elektronentheorie können wir 
folgendermaßen formulieren: Gegeben sei der Anfangs- 
znstand des Feldes zur Zeit ^ = 0; und außerdem, für 
^ > 0^ die Lage und die Bewegung der Elektrizität. 
Welches ist das elektromagnetische Feld? Es handelt 
sich also um die Integration der Feldgleichungen (I) bis (IV), 
bei gegebener anfönglicher Verteilung der Felder (S und §, 
wenn q und I für ^ > als Funktionen von Ort xmd Zeit 
gegeben sind. Ist das elektromagnetische Feld bekannt, so ist 
durch (V) die elektromagnetische Kraft bestimmt, welche das 
Feld auf die Elektronen ausübt; durch (12) und (X3) be- 
stimmen sich femer Energie und Energiestrom; der für den 
letzteren maßgebende Poyntingsche Vektor ist durch (20) mit 
der elektromagnetischen Bewegungsgröße verknüpft. 

Für stationäre Zustände, wo die Differentialquotienten 
von S und § nach der Zeit in (I) und (II) fortfallen, verein- 
facht sich die Bestimmung des Feldes. Es wird das elektrische 
Feld von dem magnetischen unabhängig; das wirbelfreie elek- 
trische Feld ist durch die Quellenverteilung q^ das quellenfreie 
magnetische Feld durch die Wirbelverteilung I bestimmt. Die 
Integration der Gleichungen, die einerseits @ mit q, anderseits 
$ mit f verknüpfen, läßt sich in diesem Falle auf Grrund der 
allgemeinen Theorie der Vektorfelder lösen, die im ersten Ab- 
schnitte des ersten Bandes dargelegt wurde. Das konstante 
elektrische Feld wird aus dem elektrostatischen Potentiale, das 
magnetische Feld des stationären elektrischen Stromes aus 
dem Vektorpotentiale abgeleitet. Durch Einführung dieser 
Hilfsgrößen läßt sich die Integration der Feldgleichungen in 
übersichtlicher Weise durchführen, wie wir im ersten Bande 
gesehen haben. 

Es liegt der Versuch nahe, das allgemeine Integrations- 
problem, das jetzt vorliegt, durch Einführung ähnlicher Hilfs- 
größen zu vereinfachen. Die vierte Grundgleichung lehrt, daß 
§ stets quellenfrei ist; wir genügen ihr, indem wir allgemein 



38 Erster AbBchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

(28) § = curl « 

setzen. Von dieBem allgemeineren Yektorpotential dürfen wir 
freilich nicht verlangen^ daß seine Divergenz^ wie diejenige 
des Yektorpotentiales des stationären Feldes (I^ § 26); allgemein 
gleich Nnll ist 

Die EinfOhrung von (28) in die zweite Grundgleichnng 
ergibt 

Es muß demnach S H ^ als negativer Gradient eines 

Skalars 9 sich darstellen lassen; daraus folgt für @ der Ausdruck 

(29) e = _r$_i^. 

Für konstante Felder fällt der Differentialquotient von K 
nach der Zeit fort und $ reduziert sich auf das elektrostatische 
Potential. 

Den Grundgleichungen (II) und (IV) haben wir genügt, 
indem wir ^ und 9 durch (28) und (29) darstellten. Es 
handelt sich nun darum ^ den Skalar und den Vektor K so 
zu bestimmen ; daß auch die Grundgleichungen (I) und (III) 
erfällt sind. Wir erhalten als allgemeinste Bedingung hierfür 
die beiden Differentialgleichungen 

curlcurl« + ^-^ + F-^ = 4^l, 

— div F0 TT- div K = 4jr p. 

c et ^ 

Ziehen wir die Rechnungsregeln (|) und (q) unserer 
Formelzusammenstellung am Ende von Band I (S. 438) heran, 
so können wir die zweite dieser Gleichungen schreiben 

— F^ fl> -KT div Ä = 4jr p, 

und die erste 

i.^_r.« + r|i|f + div«)-4,.. 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 39 

Wir erfüllen beide Gleichungen, indem wir für fl> und K 
die partiellen Differentialgleichungen vorschreiben: 

(30) i|f+div« = 0, 

(30a) ^^^_r»«=4«9, 

(30b) i^gf_r««=4«f. 

Für ein stationäres Feld werden und K unabhängig 
Toneinander; $ geht in das skalare Potential des elektro- 
statischen Feldes, K in das Yektorpotential des magnetischen 
Feldes über. Die allgemeinen, durch die Differentialgleichungen 
(30/ 30a, 30b) definierten Potentiale bezeichnen wir als 
„elektromagnetische Potentiale^', und zwar nennen wir $ 
das „skalare elektromagnetische Potential'^, K das 
„elektromagnetische Vektorpotential" Durch diese Be- 
nennung bringen wir zum Ausdruck, daß die allgemeineren 
Potentiale zur Verwendung gelangen, wenn es sich um einen 
zeitlich veränderlichen elektromagnetischen Vorgang handelt, 
bei welchem elektrisches und magnetisches Feld durch die 
Örundgleichungen miteinander verkettet sind. 

Wir werden uns zunächst mit der Integration der Diffe- 
rentialgleichungen (30a, b) beschäftigen, in denen und 91 
getrennt auftreten. Wir werden uns dann davon überzeugen, 
daß die erhaltene Lösung von (30 a, b) auch (30) befriedigt. 
Wir sehen jetzt schon ohne weiteres ein, daß die rechten 
Seiten von (30a, b) nicht «unabhängig voneinander sind; in der 
Tat, aus (I) und (III) folgt 

(30c) i||-f divido. 

Diese Gleichung sagt aus, daß die pro Zeiteinheit in ein 
Volumelement eintretende Menge von Elektrizität dem Zuwachs 
der elektrischen Dichte entspricht, d. h. daß Elektrizität nicht 
neugeschaffen oder vernichtet werden kann. Diese „Kon- 
tinuitätsbedingung der Elektrizität^' ist es, die q und t 
miteinander verknüpft. Die Abhängigkeit der rechten Seiten 



40 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen« 

von (30a) und (30b) bringt es, wie wir weiter unten sehen 
werden^ mit sich, daß die elektromagnetischen Potentiale der 
einschränkenden Bedingung (30) allgemein Genüge leisten. 

Wir gehen jetzt dazu über, die Differentialgleichung des 
skalaren elektromagnetischen Potentiales zu integrieren. Es 
ist zweckmäßig, eine neue Variable 

einzuführen; diese ist nichts anderes, als der in der Zeit t von 
einer Licht welle zurückgelegte Weg. Dann schreibt sich (30 a) 

(31) ^;*-r»* = 4:r9. 

Wir denken uns, zur Zeit < « 0, * und -kt als Funktionen 
des Ortes gegeben, also etwa 

(31a) « = f{x,yyZ) für l == 0, 

(31b) ^^^g{x,y,z)mrl^O, 

Außerdem ist natürlich, für Z > 0, q als Funktion von 
Zeit und Ort gegeben. 

Es ist unser Ziel, für positive Zeiten $ als Funktion von 
Ort und Zeit zu ermitteln; dieses Ziel haben wir erreicht, 
wenn es uns gelingt, für einen beliebigen Aufpunkt ^ als 
Funktion von l zu berechnen. Wir greifen einen Au^unkt P 
heraus und konstruieren um P als Mittelpunkt eine Schar von 
Kugeln mit dem veränderlichen Radius r. Wir verstehen unter 
do den körperlichen Winkel, unter dem das Flachenelement 
r^dm einer solchen Kugel vom Mittelpunkte P aus gesehen wird. 
Die Funktion 9y welche der partiellen Differentialgleichung (31) 
genügen soll, ist eine Funktion von vier Yariabeln: r, l und 
zwei Winkeln; die letzteren beiden Yariabeln gehen in den Aus- 
druck von den ein. Die nunmehr einzuführende Hilfsfanktion 



(32) Ä = ^J^ 



do 



hängt mithin nur von den Yariabeln r und l ab; sie ergibt, 
durch r dividiert, den für eine Kugel vom Radius r berech- 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 41 

neten Mittelwert von *. Wir wollen die Gleichung (31) in 
eine partielle Differentialgleichung für Sl umformen. 

Wir wenden zu diesem Zwecke den Graußschen Satz auf 
eine jener Kugeln an. Das über ihr Inneres erstreckte Inte- 
gral von r^9 == div F9 ist diesem Satze zufolge gleich dem 
über die Oberfläche erstreckten Integral der Normalkom- 

ponente -^ des Yektors F$; demnach gilt 

r 


Durch Differentiation nach r folgt 

y.« 1 p«$ (io = g-r*_ j 9d(o^2r^ 1 dcu + r^ ^-^ j 0d(o, 
oder 

Wir erhalten also 



(32a) i^/ 



r^0d(o = 



dt' 



Dividieren wir nun (31) durch Anr und integrieren Über 
eine Eugelfläche vom Radius Ty so folgt 

(33) -^-j^ = %{r,V), 

wo abkürzungsweise 

(33a) %{ryl)^rj Qdio 

gesetzt ist. Da q als Funktion von Zeit und Ort gegeben ist, 
so ist % für Z ^ und r ^ als bekannt anzusehen. Femer 
sind auf Orund von (31a; b) 



(33b) Ä - {^Jf {X, y, z) da, =^F(r) 
gegeben. 



für 



1=0 



r>0 



42 f^rster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Ist es gelungen; die Hilfsgleichnng (33) zu lösen, so ist 
der gesuchte Wert von 9 im Mittelpunkte P der Kagelschar 
unschwer zu ermitteln. Er ist nach (32) 

(34) *(0,Z) = Um(^. 

Das Problem ; $ für einen beliebigen Au^unkt zu be- 
rechnen, ist somit auf die Aufgabe zurückgeführt, die Hilfs- 
gleichung (33) unter den angegebenen Bedingungen zu inte- 
grieren. 

§ 7. Integration einer Hilfsgleichung. 

Die Funktionen % (^; 0^ -^(0 ^^^ ^W ^^^ durch (33a, b, c) 
zwar für positive Werte von r definiert, aber nicht für nega- 
tive; für r = verschwinden sie. Es steht xms somit frei, 
die Definition dieser Funktionen folgendermaßen auf negative 
Werte von r auszudehnen:. 

(35) ^(.^r,l)^^x{+rj), 
(35a) F{--r) =-JF(+r), 

(35 b) G(-r) =-6?(+r). 

Auf Ghrund dieser Daten soll nun die Aufgabe behandelt 
werden, die Differentialgleichung 

(36) Jp-J^^^i^'^ 

zu integrieren, d. h. Sl (r, l) für Z > und für beliebige posi- 
tive und negative Werte von r zu berechnen, wenn 

(36a) ß = JP(r)| 



(36b) S=^W 



für Z = 



dl 
gegeben sind. 

Wir erledigen die gestellte Aufgabe, indem wir das 

Biemannsche Integrationsverfahren auf die nichthomogene 

partielle Differentialgleichung (36) anwenden.^) 

1) Vgl. hierzu Riemann -Weber, Die partiellen Differentialgleichungen 
der mathematischen Physik. Braunschweig 1901. Bd. II, §90, S. 224 ff. 
A. Sommerfeld, Enzyklopädie der mathem.Wissensch. Art. IIA. 7c. Nr. 13. 



Erstes Kapitel. Die phys. a. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 43 



Wir denken uns die unabhängigen Veränderlichen r und l 
als Abszisse und Ordinate aufgetragen. Die Anwendung des 
Stokesschen Satzes auf ein beliebiges Flächenstück der (r, X)- 
Ebene ergibt 

Dabei stellt 3 einen zunächst beliebigen Vektor dar. Das 
Integral zur Linken ist über das betreffende Flächenstück, das 
Integral zur Rechten über die Begrenzungskurve zu erstrecken; 
derart; daß der Umlaufssinn einer positiven Drehung um die 
dritte; der r- und !- Achse sich zuordnende Achse eines rechts- 
händigen Koordinatensystemes entsprechen würde. Wir setzen 
nun 






st 






dr , dSldl 



1 



Formel auf ein gleichschenkliges 



und erhalten 

(37) ffdrdl[^. 

Wir wenden diese 
Dreieck ABC an, 
dessen Ghrundlinie 
AB auf der r- 
Achse liegt; wäh- 
rend die Spitze C 
auf der Seite der 
positiven l gelegen 
ist (vgl. Abb. 1). 
Es seien a, b die 

Abszissen der 
Punkte A, B. Die 
Winkel der Schen- 
kel AC, BC mit 
der Grundlinie seien gleich einem halben Rechten; so daß 

r — l^a die Gleichung der Geraden AC, 

r + Z = 6 „ „ „ „ BC 




(37 a) 



f) 



44 Barster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

ist. Alsdann ist längs AC 

dr^ dl 
ds ds 

hingegen längs BC 

ds ds 

Auf AB aber ist 

Es ist daher 

B b 

A a 

C C 

B B 

A A 



/ 



' \dadr , dadi\ , T . aa „ „ 



c 
Folglich wird die rechte Seite von (37) 

b 



JG-ir) dr + iß^ + Äs - SÄ^. 



Verstehen wir jetzt unter r, l die Koordinaten des Punktes (7, 

so ist 

Slc=-Sl{r,l) 
die gesuchte Funktion. 

Der Punkt A hat nach (37 a) die Koordinaten 

der Punkt B hingegen die Koordinaten 

6 = r + ?, 0. 
Aus (36 a) folgt daher 

iß^ = a(r-Z, 0) « i^(r -Z), 

SIb=^ Sl{r + 1,0) ^ F(r + T), 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grandlagen d. Elektronentheorie. 45 
und es ist die rechte Seite von (37) zu schreiben 

Ja{r)dr + Fir^l) + F{r + T) ~ 2Ä(r, T), 



r—l 



Die linke Seite aber wandelt sich, durch Einföhrung der 
partiellen Differentialgleichung (36)^ in das über das Dreieck 
ABC erstreckte Flächenintegral der Funktion — jj(r, ?) um. 
Es wird also schließlich 

(38) 2Sl(r,l)=>F(r-r) + I{r+T)+j0(r)dr+JJx(r,l)drdl 



r— I ABC 



Damit ist die Integration der Hilfsgleichung (36) in all- 
gemeinster Weise durchgeführt. 

Die Funktionen F(r)y G(r), xi''^} waren zunächst nur 
für positive Werte von r gegeben« Für negative Werte dieser 
Yariabeln wurde ihre Definition durch die Gleichungen (35, 
35 a, b) gegeben. Wir können daher schreiben 

Fir-^^-^FQ-r), 

r+l r+l l—r l^r 

JO(r)dr ^fo(r)dr -fa(r)dr =^jG(r)dr. 

r—l l—r 

Was aber das über das Dreieck ABC der Abb. 1 erstreckte 
Fmchenintegral anbelangt, so ist dasselbe nach (35 b) 

ffx (r, l) dr dl =JJx (r, V)drdl -ffx (r,l)drdl. 

ABC OBCD OED 

Dabei ist OED das Dreieck, welches dem auf der Seite 
der negativen r gelegenen Teile OAD des Dreieckes ABC 
spiegelbildlich (in bezug auf die Z-Achse) entspricht. Es bleibt 
also schließlich nur das über den Streifen BCDE erstreckte 
Integral von % (r, V) übrig: 

JJt{r,V)drdl^JJt(r,T)drdl. 

ABC BCDE 



46 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 
Demnach erhalten wir 

(88.) Jfe.a, gW-)-/C-n f,/g(r)^r 

I— r 

+ rrff^ir,T)drdl. 

BCDE 

Der Limes, dem dieser Ausdrack mit verschwindendem r 
zustrebt, bestimmt nach (34) den gesuchten Wert des skalaren 
Potentiales im Au^unkte. 

Der Grenzwert der beiden ersten Glieder laßt sich sofort 
angeben; es ist 

(38b) ^^[EMll^Jli:^] = F'il), 

(38c) lim ^- . fG(r) dr = G(l). 

l—r 

Was aber das dritte Glied anbelangt, so ist zu beachten, 
daß r die Abszisse des Punktes C in Abb. 1 ist. Dem Grrenz- 
übergang zu verschwindendem r entspricht ein Hereinrücken 
des Punktes in die {-Achse, wobei OB = l wird. Ist X die 
Abszisse eines Punktes der Geraden CB, so ist in der Grenz- 
lage seine Ordinate gleich (l — X), Polglich gilt in der Grenz- 
lage des Dreieckes für die Punkte der Geraden CB 

l{ryl)^l{X,l-X\ wo O^X^l. 

Auf einen dieser Geraden anliegenden schmalen Streifen 
von der Breite CD = r • |/2 geht mit verschwindendem r das 
Gebiet BCDE über, über welches das Plächenintegral in (38 a) 
zu erstrecken war. Wir erhalten demnach 

B 

lim hfß (*■' ^ '**' ^^ = ^ ß (*' ^ - ^) <««; 

BCDE C 

dabei stellt ds ein Element der Geraden CB vor, die unter 
45^ gegen die Abszissenachse geneigt ist; die Variable X aber 
war die Abszisse der Punkte von CB. Demnach ist 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 47 

und es wird 

i 

(38d) hm ^ /Vi (r, l) dr dl = fdXi (X, l - X). 



BCDE 



Die Ghrenzwerte (38 b, c, d) der drei Glieder in (38 a) za- 
sammenfassend, erhalten wir 

lim {-^) = i^' (i) + (?(Z) +JdXt {X, l - X). 



Der Wert der gesachten Funktion O in dem Aufpunkte P 
wird daher, mit Eücksicht auf (33 a) und (34), 

i 
(39) ® (0, l) ^F'(]) + G(l) + fxdxfd(o q{X,1- X). 



Nunmehr haben wir die Integration der für das skalare 
elektromagnetische Potential geltenden partiellen Differential- 
gleichung (31) durchgeführt.*) Die Funktionen F und G be- 
stimmen sich, gemäß (33b, c), aus den gegebenen Anfangs- 

werten (31a, b) von O und -gy- Die beiden ersten Glieder 

von (39) formulieren demnach den Einfluß des Anfangszustandes, 
während das dritte Glied ausgewertet werden kann, wenn die 
Elektrizitätsverteilung in ihrer Abhängigkeit von Zeit und Ort 
gegeben ist. 

§ 8. Die Fortpflanzung elektromagnetisoher Störungen. 

Die Formel (39) löst die partielle Differentialgleichung 
(30 a); sie bestimmt das skalare elektromagnetische Potential $, 

wenn die Anfangswerte von und -^ bekannt sind, und 
wenn weiterhin die Elektrizitätsverteilung q als Funktion der 

1) Die gegebene Ableitung schließt sich an die von H. Weber für 
den Fall q^O angewandte Methode an. Vgl. Riemann -Weber 1. c. 
Bd. II, § 120, S. 802 ff. und M. Abraham. Acc. dei Lincei (5) U\ S. 7. 1905. 



or / 



48 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegnng der einzelnen Elektronen. 

Zeit gegeben ist. Die DifiPerentialgleichimg (30b) fOr das 
elektromagnetische Vektorpotential II stimmt mit (30a) formal 
überein. Wir konnten sie mithin in ganz entsprechender Weise 

lösen; wenn die Anfangswerte von K und -^ bekannt wären^ 

nnd wenn weiterhin die Verteilung des Eonvektionsstromes t 
als Funktion der Zeit gegeben wäre. Es bliebe, um die so 
erhaltene Lösung ftlr das im Eingange des § 6 aufgestellte 
Problem nutzbar zu machen , nur noch übrig , anzugeben, wie 
der Anfangszustand des Feldes mit den Anfangswerten der 
elektromagnetischen Potentiale und ihrer zeitlichen Änderungen 
yerknüpft ist. 

Wir wollen indessen, um uns nicht in Allgemeinheiten 
zu verlieren, über den Anfangszustand des Feldes eine ganz 
bestimmte Voraussetzung machen. Wir wollen annehmen , daß 
zur Zeit ^ = im ganzen Baume das Feld ein elektrostatisches 
ist. Das elektrostatische Feld ist durch die Verteilung der 
ruhenden Elektrizität bestimmt. Es kann daher die zu lösende 
Aufgabe jetzt folgendermaßen ausgesprochen werden: Gegeben 
sei die anfängliche' Verteilung dex ruhenden Elek- 
trizität, und weiterhin die Verteilung der Elektrizität 
und des Eonvektionsstromes. Welches ist der Verlauf 
der elektromagnetischen Störung? 

Für das anfangs herrschende elektrostatische Feld geht 
das skalare elektromagnetische Potential in das elektro- 
statische Potential q> über. Wir wollen sehen, was die Formel (39) 
für den FaU ergibt, daß das zur Zeit ^ = bestehende elektro- 
statische Feld auch weiterhin bestehen bleibt. Alsdann ist 

und es ist, nach (31b) und (33c), die Funktion G(r) identisch 
gleich Null Die Funktion F(r) aber wird, nach (31a) und 
(33 b), in diesem Falle gleich dem über die Eugel mit dem 
Radius r erstreckten Integrale 



-^W==Äj^9'^°'' 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 49 
demnach wird 



•«-Ä/ 



j?'w— ^ ( ?|3e>i». 



Endlich ist die elektrische Dichte q von der Zeit un- 
abhängig; und daher ist q{X,1 — X)==q {X, 0) zu setzen. 

Die Formel (39) zeigt nun, wie man den Wert des skalaren 
PotentialeS; zur Zeit t, in irgendeinem Aufpunkte P zu be- 
rechnen hat: man konstruiere um P eine Eugel mit dem 
Radius l = ct. Man setze in F (r) und G-(r) an Stelle von r 
jetzt l, d. h. man berechne den Wert dieser Integrale für die 
Kugel vom Radius L Endlich füge man das über das Innere 
der Eugel zu erstreckende Integral hinzu , zu dem die mit 
Elektrizität erfüllten Volumelemente Beiträge liefern. Für das 
elektrostatische Potential ergibt sich auf diese Weise 

i 

(40) viO,l)^:^fdm^-^)^^+ßdxfdmQ(X,0). 



Da das elektrostatische Potential von der Zeit unabhängig ist, 
so muß die rechte Seite der Gleichung denselben Wert ergeben, 
welches auch der Radius l der Eugel sein mag. Wir können 
die Gleichung (40), nach Einführung des Flächenelementes 
df=r^d(o und des Volumelementes dv = X^dkäa) = r^drd(o, 
schreiben 



Q 



(40.) ,(o,,,_i/ir{^+i|£j+/^ 

Sie drückt den Wert des elektrostatischen Potentiales im Mittel- 
punkte einer beliebigen Eugel aus als Summe eines über ihre 
Oberfläche und eines über ihr Inneres erstreckten Integrales. 
Wir wollen noch zeigen, daß diese Formel mit den auf 
ganz anderem Wege in der allgemeinen Theorie des wirbel- 
freien Vektorfeldes erhaltenen Beziehungen übereinstimmt. Wir 
knüpfen dabei an die in Bd. I, S. 66 ff. angewandte Methode an, 
welche sich auf den Greenschen Satz (I., Gl. 76) stützt. Es 

wurde daselbst ^ = — gesetzt, und der Greensche Satz alsdann 

auf ein Gebiet angewandt, das einerseits von einer kleinen, 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 4 



50 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

den Ao^nnkt P einschließenden Kugel /q, anderseits von einer 
beliebigen Fläche / begrenzt war. Es folgte für dieses Gebiet: 

Als Ghrenzwert des ersten Gliedes bei verschwindendem Radius 
der Kugel f^ ergab sich — ^7Cq>^j wahrend das Volumintegral 
gleich 

- *« /t^ 

war. Wir erhalten mithin 

Indem die Begrenzungsfläche /ins ünendUche gerückt wurde, 
folgte die Formel I, Gl. 83, S. 68. Lassen wir sie indessen 
mit einer Kugel um P zusammenfallen, so ist DifiPerentiation 
nach V äquivalent mit DifiPerentiation nach r; es geht daher 
(40 b) in (40 ä) über. Damit haben wir die Formel (40 a), die 
sich hier durch Spezialisierung der allgemeinen, für das elektro- 
magnetische Potential $ geltenden Formel (39) ergab, auf 
einem unabhängigen Wege hergeleitet. 

Die Formel (40) stellt nun diEts elektrostatische Feld dar, 

welches zur Zeit ^ = herrscht. Ein magnetisches Feld soll 

zur Zeit ^ » nicht vorhanden sein. Es ist demnach zur 

Zeit ^ = 0: 

® = g>, « = 0. 

Was aber die Anfangswerte der Ableitungen von $ und K 
nach der Zeit anbelangt, so folgt aus (29), da ja zur Zeit ^ = 

a — Ftp 

sein soll, daß für 
ist. 



Erstes Kapitel. Die phys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 51 

Der Anfangswert you ^ aber ist so zu wählen^ daß zur 
Zeit ^ = die Relation (30) erfüUt ist. Dies ergibt 

d0 



dt 



-0. 



/ 



Auf Grund der Anfangsbedingungen 

(41) $ - 9>, |y « für ? = c< = 

ergibt die Grundformel (39): 

(42) 0(0,1) =^ ±f(^) ^da>+fxdxfd<OQiX,l-X) 

als Wert des skalaren elektromagnetischen Potentiales. 
Das erste^ vom Anfangszustand allein abhängige Glied ist 
identisch mit dem im Ausdrucke (40) des elektrostatischen 
Potentiales auftretenden; das erklärt sich daraus^ daß die 
Anfangsbedingungen (41) . mit denen des elektrostatischen 
Feldes übereinstimmen. Der Unterschied gegen (40) liegt in 
dem von der Elektrizitätsverteilung abhängigen Yolumintegral. 
Dort war auf der Oberfläche der Kugel vom Radius X die 
durch Q {X, 0) gekennzeichnete anfängliche Dichte der Elek- 
trizitätsverteilung in Rechnung zu ziehen^ die ja weiterhin 
nicht abgeändert wurde. Wir könnten dort, in (40), mit dem- 
selben Rechte an Stelle von q(X, 0) die gleichzeitige, zur Zeit t 
im Abstände X vom Aui^unkt herrschende räumliche Dichte 
Q (>l, l) verstehen, oder auch die räumliche Dichte in irgend- 
einem, dem Zeitintervalle von ^ = bis < = — angehörenden 

Zeitpunkte; denn in diesem Zeitintervalle soUte die anfängliche 
Dichte Q (>l, 0) bestehen bleiben. Hier, in (42), hingegen 
hcmdelt es sich um eine zeitlich veränderliche Elektrizitäts- 
verteilung; es ist, auf der Oberfläche der Kugel vom Radius X, 
die durch Q{Xfl — X) gekennzeichnete Dichte in Rechnung zu 

ziehen, d. h. diejenige, welche zur Zeit = ^ — — auf jener 

Kugelfläche herrschte. Es kommt für das Feld, welches im 
Aui^unkte P zur Zeit t erregt wird, nicht die gleichzeitige 
Elektrizitätsverteilung im ganzen Räume in Betracht, sondern 

4* 



52 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen» 

für jede der Kugeln die elektrische Dichte^ die daselbst zu 
einer um 

(42a) r - \ 

zurückliegenden Zeit bestanden hat. Der zur Zeit t — x ent- 
sandte Beitrag triflFt zur Zeit t im Au^unkte ein. Wir können 
r als ;;Latenszeit^^; X als ^^Latensweg^^ bezeichnen. Es folgt 
das wichtige Ergebnis: Die durch Abänderung der elek- 
trischen Dichte erregte elektromagnetische Störung 
pflanzt sich nach allen Seiten mit der Geschwindig- 
keit c im Räume fort. 

Wir erhalten das skalare elektromagnetische Potential des 
durch Abänderung der Elektrizitätsverteilung erregten Feldes, 
indem wir das elektrostatische Potential (40) des anfänglichen 
Feldes von dem skalaren Potentiale (42) des abgeänderten 
Feldes subtrahieren: 

(43) 0(0,1) '-(p{0,l)=Jxdxfd(o{Q(l,l-^X)-Q{X,0)}' 

Was aber das elektromagnetische Vektorpotential anbelangt, 
so entsprechen, wie wir oben gesehen haben, dem angenommenen 
Anfangszustande die Anfangsbedingungen 

« = 0, |y-0 für Z = c««0. 

Da nun die Differentialgleichung (30 b) formal der Gleichung 
(30 a) durchaus entspricht, so erhält man die Komponenten des 
Vektorpotentiales Ä, indem man in (39) q durch die Kom- 
ponenten des Konvektionsstromes f ersetzt und, bei der Aus- 
wertung von F und G gemäß (33b, c), f{xysi) und g{xyz) 

Q Oft 

durch die Anfangswerte der Komponenten von II und ^ ersetzt. 

Unter den obigen speziellen Anfangsbedingungen nun ver- 
schwinden die so berechneten Funktionen F und 6r identisch, 

und es wird 

i 

(44) IC (0, ^jXdxJd(al{X, l - X). 



Erstes Kapitel. Die pliys. u. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 53 

Aus den elektromagnetischen Potentialen (43) und 

(44) ist^ gemäß (28) und (29); das elektromagnetische 
Feld zu berechnen, welches durch die Abänderung der 
Elektrizitätsverteilung und durch den diese Abände- 
rung begleitenden Konyektionsstrom erregt wird. 

Um den Beweis , daß die erhaltenen Losungen der par- 
tiellen DifiPerentialgleichungen (30a; b) Integrale der Feld- 
gleichungen I bis lY ergeben; zu Ende zu führen; bedarf es 
nur noch des Nachweises ; daß die Gleichung (30); die 
und K miteinander verknüpft; wirklich besteht. Das ist in 
der Tat der Fall; falls stets und überall die Eontinuitäts- 
bedingung der Elektrizität (30 c): 

(45) ff + div f =. 

erfüllt ist. 

Wir differenzieren zunächst (43) nach Z; da (p(0,T) das 
elektrostatische Potential ist; so ist 

~~m ^• 

Die rechte Seite von (43) hängt in zwiefacher Weise von l 
ab; erstens insofern; als l die obere Grenze des nach l ge- 
nommenen Integrales ist; zweitens dadurch; daß; für einen 
bestimmten Punkt des RaumeS; q von l abhängt. Die Differen- 
tiation nach der oberen Grenze ergibt: 



lfd(o{Q(l,0)-^Q(l,0)]^0. 



Es bleibt also nur der durch Differentiation des q entstehende 
Ausdruck übrig 

(46a) 'I-MIMt,]...,- 

' 

Bei der Differentiation nach l war der Au^unkt P fest- 
zuhalten. Bei der Differentiation nach den Koordinaten ist 
der Aufpunkt; und mit ihm das ganze Eugelsystem; zu ver- 
schieben. Bei Berechnung des Beitrages, den ein in dem 
Kugelsystem fest zu denkendes Volumelement zum Werte von 



54 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

9lx im Aufpunkte liefert, ist der Wert von Ix in Beclmimg zu 
ziehen, der in dem Mittelpunkte des jeweils gedeckten Volum- 

elementes des Raumes zur Zeit -^- herrschte. Wird nun P 

c 

um dx parallel der ^ -Achse yerschoben, so ist das ganze Eugel- 
system mit zu yerschieben. Das im Eugelsystem feste Yolum- 
element deckt jetzt ein anderes Yolumelement des Raumes, 
und es ist der Wert von I« in dessen Mittelpunkte zur Zeit 

7 — 1 ^f 

in Rechnung zu ziehen, d. h. ein um -^*dx größerer 

Wert ab Torhin. So ergibt sich 

l 

(45b) div % =Jxdxfde>[dxM l)x, ,-i • 



Addieren. wir die durch (45a, b) gegebenen Werte von 
-^ und div II im Aufpunkte P, so erhalten wir 

i 

(45c) If + div n=ßdxfdo{pj + diTl)^,_^. 



Die Relation 

(46) ||+div« = 

erweist sich demnach zur Zeit t als erfüllt, falls die 
bewegte Elektrizität bis zur Zeit t überall der Kon- 
tinuitätsbedingung (45) Genüge geleistet hat. 

Aus den Entwickelungen des § 6 folgt nun ohne weiteres, 
daß die aus den elektromagnetischen Potentialen $, V gemäß 
(28) und (29) abzuleitenden Vektoren 8, § wirklich den Feld- 
gleichungen I bis IV Genüge leisten. Die Gleichungen (43) 
und (44) lösen das Problem, welches uns jetzt beschäftigt. 
Sie bestimmen die Störung des ursprünglichen elektrostatischen 
Feldes, wenn die anfangliche Verteilung der ruhenden Elek- 
trizität, und weiterhin ihre Bewegung gegeben ist. 

Wir können die Lösung noch auf eine andere Form bringen, 

indem wir den Hilfsvektor einführen 

I t 

(47) ^^fui^cjtdt. 



Erstes Kapitel. Die pfays. n. math.'Gnmdlagen d. Elektronentheorie. 55 

Wir tragen der Eontinuitatsbedingnng (45) Bechnimg; 
indem wir schreiben: 

div i| = /divld? = -y||d? = -{9,--9o}- 



Es gibt also der Vektor q durch seine negativ genommene 
Divergenz 
(47a) -div q^p^-p^ 

den Überschuß der jeweiligen elektrischen Dichte über die 
anfangliche Dichte an, während seine Ableitung nach l 

die Dichte des Konvektionsstromes darstellt. Diese beiden 
Größen waren es, welche in (43) und (44) aufbraten. 

Bestimmen wir jetzt einen neuen Vektor 3 folgendermaßen: 

i 

(48) 8 (0, l) ^Cldlfd(oi\ (X, l - X), 



so gelangen wir durch Bildung der negativen Divergenz bzw. 
der zeitlichen Ableitung zu (43) und (44) zurück. In der 
Tat, diflferenzieren wir nach ?, so erhalten wir zwei Glieder 

^8 



dl-^ 



ifdo^ (Z, 0) + rxdxjda)l^\ ; 



das erste Glied ist gleich Null, weil, nach (47), q für 1 = 
verschwindet. Nach (44) und (47 b) folgt demnach 

(48a) « = ^. 

Bildet man anderseits die Divergenz von 3 gemäß den 
bei der Ableitung an (45b) angegebenen Regeln, so folgt, mit 
Rücksicht auf (43) und (47 a), 

(48 b) ® - 9> div g. 

Der Vektor 3 stellt ein den elektromagnetischen Potentialen 
$, K übergeordnetes Potential dar. Die Beziehungen (48 a,, b) 



56 Si*8ter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

lassen sofort erkennen^ daß die Relation (46) allgemein erfüllt 
ist. Wir wollen 8 den „Hertzschen Vektor'' nennen; wie 
wir im nächsten Paragraphen sehen werden, erhalten wir näm- 
lich durch Spezialisierung des durch (48) definierten Vektors 
die sogenannte ,;Hertzsche Funktion^ durch deren Ableitungen 
zweiter Ordnung nach der Zeit und nach den Koordinaten das 
elektromagnetische Feld eines Dipols sich darstellen läßt. Wir 
werden diese Darstellung ableiten aus den Vektorgleichungen, 
die aus (48a, b) in Verbindung mit (28) und (29) resultieren: 

(48c) § = c«ri^, 

(48d) e_@^=/7div8-^. 

Hier stellt 6q das ursprüngliche elektrostatische Feld vor. 
Die Formeln (48c, d) stellen den Verlauf einer be- 
liebigen elektromagnetischen Störung mit Hilfe eines 
einzigen Vektors dar. 

Wir haben bisher immer die anfängliche Verteilung der 
ruhenden Elektrizität als gegeben angenommen. Man wird, 
um sicher zu sein, daß die Energie und der Impuls des elektro- 
magnetischen Feldes endlich sind, meist von einem elektro- 
statischen Anfangszustande ausgehen. Unter Umständen kann es 
indessen vorkommen, daß dieser Anfangszustand bereits sehr 
weit zurückliegt und daß seine Kenntnis daher für das Feld 
in endlichen Entfernungen von dem Elektronensystem nicht 
von Belang ist. In diesem Falle wird man wünschen, die 
Formeln von dem elektrostatischen Potentiale (p zu befreien. 

Liegt der Anfangszustand so weit zurück, daß die Kugel, 
die um den Aufpunkt P mit dem Radius l^^ et geschlagen 
ist, die gesamte Elektrizität des ursprünglichen elektro- 
statischen Feldes einschließt, so ist das elektrostatische Potential 
im Au^unkte 

i 

(49) <p (0, l) :=ixdird(OQ (A, 0) . 



Erstes Kapitel. Die phys. n. math. Grundlagen d. Elektronentheorie. 57 

In der Tat^ da außerhalb der Engel l in dem elektro- 
statischen Felde sich keine Elektrizität befindet, so ist diese 
Formel dem Sinne nach YöUig identisch mit 



00 • 



(49a) (p(p, l) ^fxdXjd(D(f{X, 0), 



was wieder nur eine andere Form des in Bd. I (GL 83, S. 68) 
für das elektrostatische Potential erhaltenen Ausdrucks 

(49b) ^ =y^ 

ist. 

Soll das Feld zur Zeit ^ = wirklich durchweg ein elektro- 
statisches seiQ; so darf vor diesem Zeitpunkte die Elektrizität 
sich nicht bewegt haben. Es ist dann zu setzen 

p(r,Q = ^(r,0) fttr l<0 
und daher 

q{X,1-X) = q(X,0) für X>1. 

Es kann demnach in (43) ohne weiteres als obere Grenze 
X == cx) statt l gesetzt werden, ohne den Wert der rechten 
Seite zu ändern. 

Mit Rücksicht auf (49 a) folgt 

OD 

(50) 0=JldXJdaQ(X,l~l). 



Anderseits ist, da zu uegatireu Zeiten die Elektrizität 
sich nicht bewegt hat, 

I(r,0 = O für l<0 
nnd daher 

t(l,l-Ji) = für X>1. 

Es kann somit anch in (44) die Integration ohne weiteres 
bis zur oberen Grenze i = oo ausgedehnt werden, so daß man 
erMlt 

(51) « =J'xdxfda t(k,l- X). 





58 Erster Abscbnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Diese Formeln für die elektromagnetischen Potentiale ent- 
halten keine Beziehung zur anfängUchen VerteUung der Elek- 
trizität. Sie gestatten folgende anschauliche Deutung. 

Man denke sich um den Au^unkt eine Kugel mit dem 
veränderlichen Radius X geschli^n. Diese Eugel soll sich 
mit Lichtgeschwindigkeit kontrahieren; derart^ daß sie zur 
Zeit t im Aufpunkte eintrifft. Zur Zeit t — t ist ihr Radius 
CT = X. Diese Kugel fegt nun gewissermaßen das Feld ab. 
Wo sie Elektrizität und Konvektionsstrom antrifft^ da fangt 
sie die Beiträge ab 

(50a) d^ ^ IdX fd(OQ{Xyl-X), 

(51a) dn^XdxfdfDliXJ-X), 

welche nach Durchlaufung des Latensweges X im Au^unkte 
eintreffen. Es ist demnach für jedes Volumelement des Raumes 
die Elektrizität und der Konvektionsstrom in Rechnung zu 
setzen, welche die Kugel auf ihrem Wege antrifft; die Division 
durch den Kugelradius ergibt den Beitrag zum skalaren und 
zum Yektorpotentiale. Diese Beiträge eilen mit Lichtgeschwin- 
digkeit fort. Die Zusammensetzung aller Beiträge, d. h. die 
Litegration nach X, ergibt gemäß (50, 51) die Werte der Poten- 
tiale im Au^unkte. 

Wir können diese Formeln auch schreiben 



(50b) =f%\ 

(51b) «=/?W 



r 
c 



Dabei siud die Integrationen über den gesamten Raum 
auszudehnen, ebenso wie in der Formel (49 b) für das elektro- 
statische Potential. Der Unterschied liegt nur darin, daß nicht 
die jeweilige Dichte der Elektrizität und des Konvektions- 
stromes in Rechnung zu setzen ist, sondern, wie der Index 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Panktladting. 59 
t anzeigt; diejenige Dichte^ welche za einem nm die 

c 

T 

Latenszeit t =» — früheren Zeitpunkte in dem betreffenden 

Yolumelemente herrschte. 

Die Potentiale (50 b) und (51 b) sind yon H. Poincar^, 
E. Beltrami; V. Volterra, H. A. Lorentz, T. Levi-Civita und 
anderen Forschem angewandt worden. Meist werden sie dem 
elektrostatischen Potentiale (49b) als ^^retardierte Poten- 
tiale^^; d. h. verspätete oder verzögerte Potentiale gegenüber- 
gestellt. 

Die in (50; 51) gegebene Darstellung der elektro- 
magnetischen Potentiale durch einfache Integrale 
über den Latensweg, auf die wir hier unmittelbar 
geführt wurden; wird sich für die Ermittelung des 
Feldes bewegter Elektronen als besonders geeignet 
erweisen. 

Die Formel (48) für den Hertzschen Vektor können wir 
gleichfEdls unschwer auf die Form bringen 

00 

(51 c) 8 ^Jxdxjdm i| (X; ? - X) 



und können siC; ähnlich wie (50) und (51), durch Betrachtung 
der auf den Aufpunkt hin mit Lichtgeschwindigkeit sich kon- 
trahierenden Eugel anschaulich deuten. 



Zweites Kapitel. 

Die Wellenstrahlung einer bewegten Pnnktladung. 

§ 9. Elektromagnetiaohes Modell einer Lichtquelle. 

Die Entwickelungen des letzten Paragraphen haben uns 
gezeigt; daß der Baum die elektromagnetischen Wellen zwar 
fortpflanzt; daß aber in dem leeren Baume elektrische Störungen 
nicht entstehen können. Die Quellen der elektromagnetischen 
Störungen liegen in der Elektrizität. Da wir nun das Licht 



-«. _. _ _ 



60 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

als elektromagnetische Wellenstrahlung zn betrachten gelernt 
haben; so werden wir zu dem Schlüsse geführt, daß im Innern 
der lichtemittierenden Moleküle die Elektrizität in Bewegung 
begriffen ist. Das einfachste denkbare elektromagnetische 
Modell einer Lichtquelle erhalten wir, wenn wir ein einziges 
Elektron um seine Gleichgewichtslage schwingend annehmen. 
Auf Grund der allgemeinen Ansätze des vorigen Parar 
graphen können wir das elektromagnetische Feld eines beliebig 
bewegten Elektrons bestimmen. Wir wollen indessen das vor- 
liegende Problem zunächst unter gewissen Einschränkungen 
behandeln; Einschränkungen^ die wir dann in den folgenden 
Paragraphen wieder beseitigen werden. Wir wollen in Betracht 
ziehen, daß die Bewegung des lichtaussendenden Elektrons nur 
auf molekxdare Bereiche sich erstreckt, daß also seine Ent- 
fernung aus der Gleichgewichtslage klein ist gegen diejenigen 
Entfernungen, in denen man das entsandte Licht wahrnimmt. 
Ferner soll die Geschwindigkeit des Elektrons als klein gegen 
die Lichtgeschwindigkeit angenommen werden. Die Glei- 
chung (48) des vorigen Abschnittes führt uns in diesem Falle 
ohne weiteres zum Ausdrucke des Hertzschen Vektors. Die 
sich kontrahierende Kugel föngt beim Hinwegstreichen über 
das Elektron einen Beitrag ab. Da die Geschwindigkeit des 
.Elektrons klein gegen die Geschwindigkeit c angenommen wird, 
mit welcher die Kugel sich kontrahiert, so kann man die 
Integration über das Elektron so ausführen, als wenn es in 
seiner augenblicklichen Lage ruhte. Nach (10) und (47) ist mithin 
I i t 

I XdX I d(on{X,l—X)= I XdX I d(OQ It^dt 



U-x 



e 



t 

ß 



t^dt 
U—i 

dabei stellt e die gesamte Ladung des Elektrons vor, X seine 
Entfernung vom Aufpunkte, die infolge der gemachten An- 
nahmen durch die Entfernung r des Aufpunktes von der 
Gleichgewichtslage des Elektrons zu ersetzen ist. Endlich ist 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Punktladung, gl 






t 



die jeweilige Entfernung des Elektrons aus seiner Gleichgewichts- 
lage; für den Wert des Hertzschen Vektors im Auf punkte 
kommt die Elongation des Elektrons zur Zeit 

c c 

in Betracht. Setzen wir abktirzungsweise 

t 

(52) e^Jt^dt^pQ), 



indem wir uns den Vektor If, statt von der Zeit t, von dem 
Lichtwege et abhängig denken, so wird der Hertzsche Vektor (48) 

(52a) 8 = '^- 

Wir wollen voraussetzen, daß zur Zeit t ^ das Elektron 
in seiner Gleichgewichtslage sich befindet, und daß dann das 
Molekül kein elektrostatisches Feld erregt. Alsdann ist in (48 b) 
das anfangliche elektrostatische Potential q) gleich Null zu 
setzen, und es wird das skalare elektromagnetische Potential 

(52 b) ®=^divj^^ö}. 

Bei der Berechnung der Divergenz des Produktes aus dem 
Skalar — und dem Vektor p ist die Formel (l) der Zusammen- 
stellung in Bd. I, S. 437 heranzuziehen, und es ist zu beachten, 
daß das Argument von p die Entfernung r enthält; es wird 

(52c) = -(p(l-r), F,^) + i(^ {l-r), F,r), 

WO 

die elektromi^etisch gemessene Stromstärke des Strom- 
elementes ist, welches das bewegte Elektron darstellt. Dieselbe 



62 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

geht auch in den aus (48 a) folgenden Ansdrnck des elektro- 
magnetischen Yektorpotentiales ein: 

(52d) « = S^). 

Das erste Glied in (52 c) ist ganz analog gebaut, wie der 
Ansdmck für das Potential einer Doppelquelle (Bd. I, 61. 81, 
S. 63), vom Momente pQ.— r), Dieses Glied kommt in der 
Nähe des Erregungszentrums ausschließlich in Betracht; das 
sieht man sofort ein, wenn man 

(52e) ^r = n, P^^ = -i..r, 

setzt und unter r^ einen Einheitsvektor versteht, welcher der 
Richtung nach mit dem vom Erregungszentrum nach dem 
Aufpunkte hin gezogenen Radiusvektor t übereinstimmt; dann 
wird 

(52f) $ = i,(r,, Ki-r)) + f (n, K«-''))- 

Es entsteht nun weiter die Aufgabe, aus den elektro- 
magnetischen Potentialen die Vektoren d, ^ abzuleiten. Wir 
ziehen es vor, statt diese durch Vektorkalkül zu berechnen, 
eine Eomponentenzerlegung vorzunehmen, erstens, weil so die 
Größenordnung der verschiedenen Glieder sich besser über- 
sehen läßt, und zweitens, weil dabei die Beziehung unserer 
Entwickelungen zu der grundlegenden Arbeit von Heinrich 
Hertz ^) deutlicher hervortritt. Wir berechnen d^n Beitrag, 
den die ;sf- Komponente des Vektors p zum Felde liefert; führt 
das Elektron Schwingungen parallel der ;ef- Achse aus, so stellen 
die betreffenden Anteile der Feldstärken bereits vollsl^dig 
das Feld dar. Der Hertzsche Vektor geht in die Funktion 

(53) . 8. = ^^ 

über, die Hertz mit II bezeichnet hat und die von manchen 
Autoren die „Hertzsche Funktion^' genannt wird. Aus ihr 



1) H. tfertz, Die Kjräffce elektrischer Schwingungen, behandelt nach 
der Maxwellschen Theorie. Ann. d.Phys. 36, S. 1, 1888. Ges. Werke II, 
S. 147. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlmig einer bewegten Punktladiing. 63 



sind die Komponenten der Feldstärken gemäß (48 c^ d) ab- 
zuleiten. Es ist 

(o3a) Vx==jzj-i' ^y = "-ä^i' 



dydl 



(53b) «; 



a*8. 



a'8. 



f «?« — 






dxSz' ^y^dydz' ^' dz^ dl* 
Die Ausführung der Differentiationen ergibt 



(53c) 



P»' -IT + h 



Sxz , •• 

-^4- + h 



xe 



«y=»<l. 



3i/5 



3yaf 



+ P»' -ZT + ¥»' IT ' 









• 

.8 7 



(53 d) 










Dabei sind es selbstverständlich die Werte von p,y 



dp, 
dl 



d*p 
und -^ für den Argumentwert (Z ~ r), die für das Feld im 

Au^unkte in Betracht kommen. Dieses Argument braucht 
jetzt, als selbstverständlich; nicht mehr in den Formeln zum 
Ausdruck gebracht zu werden. 

Führt das Elektron in der Lichtquelle einfach harmonische 
Schwingungen auS; so daß etwa in (53 c^ d) 



|l, = 6sin-^ü — rj 



zu setzen ist. so verhalten sich die Amplituden der drei Glieder 
z. B. im Ausdrucke der Komponenten von (& wie 



1: 



2nX 



. (JL\\ 



Es ist demnach; wenn die Entfernung vom lichtaussendenden 
Molekül klein gegen die Wellenlänge des entsandten Lichtes 



(54) 



64 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

ist^ nur das erste Glied zu berücksiclitigen. Dort^ wo man 
die Lichtstrahlung beobachtet^ ist im Gegenteil r groß gegen 
27t X] hier hängt C — und dasselbe gilt Ton dem magnetischen 
Vektor § — nur von p ab; die Feldstarken nehmen hier, 
wenn die Welle sich immer weiter ausbreitet, umgekehrt pro- 
portional der Entfernung vom Wellenzentrum ab. Das Gebiet, 
in dem dieses stattfindet, wird die „Wellenzone^^ genannt. 
Wir wollen die Ausdrücke der Feldstärken in der Wellen- 
zone sogleich in vektorieller Schreibweise angeben. Wir über- 
sehen leicht, daß wir die zu ji proportionalen Glieder in (53c,d) 
und die aus ihnen durch zyklische Yertauschung von x, y, z 
entstehenden, welche Schwingungen parallel der x- bzw. der 
j^- Achse entsprechen, folgendermaßen in Yektorgleichungen 
zusammenfassen können: 

Dabei ist nach (52) 
(64.) ü-SI-^§ 

der Beschleunigung des Elektrons proportional. 

Denken wir uns nun die vom schwingenden Elektron 
entsandten Wellen von einem beliebigen Aufpunkte aus be- 
obachtet, so hängen die Feldstärken nur von dem Vektor 

ab. Es kommt für den Beobachter allein die Pro- 
jektion der Schwingung auf eine zur Blickrichtung 
senkrechte Ebene in Betracht. Das -äußere Produkt aus 
dem Einheitsvektor r^ und p liegt in dieser Ebene; es ist dem 
Betrage nach gleich, der Richtung nach senkrecht zu der 
Projektion von ji; ihm parallel ist nach (54) der magnetische 
Vektor der entsandten Wellen, der die Polarisationsebene des 
Lichtes bestimmt. Der Beobachter wird demnach geradlinig 
polarisiertes Licht wahrnehmen, wenn die Projektion der Elek- 
tronenbewegung auf die zur Blickrichtung senkrechte Ebene eine 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Funktladnng. 65 

geradlinige Schwingung ist; nnd zwar wird die Schwingungs- 
richtung in jener Ebene senkrecht auf der Polarisationsebene 
des entsandten Lichtes sein. Ist hingegen die Projektion der 
Bewegung des Elektrons auf jene Ebene eine Ejreisschwingung; 
so wird der Beobachter zirkulär polarisiertes Licht wahr* 
nehmen^ und zwar rechts- oder linkszirkulares^ je nachdem die 
Kreisschwingung rechts herum oder links herum (im Sinne des 
Uhrzeigers oder im entgegengesetzten) um die Blickrichtung statt- 
findet; denn bei einer Kreisbewegung rotieren Fahrstrahl, Ge- 
schwindigkeits- undBeschleunigungsyektor in dem gleichen Sinne. 

Nach (54) bilden (&, § und tj ein System von drei auf- 
einander senkrechten Vektoren, und zwar folgen x^ — ^ und ®, 
oder @, ^, r^ aufeinander, wie die Achsen eines rechtshändigen 
Koordinatensystemes. Es liegt mithin @ in der Wellenebene 
senkrecht zu ^, also parallel der Projektion des Vektors p 
(oder des Beschleunigungsvektors) auf die zur Blickrichtung 
senkrechte Ebene. Der Betrag von @ ist demjenigen von ^ 
gleich. Es liegen demnach hier in der Wellenzone dieselben Ver- 
hältnisse vor, wie bei ebenen elektromagnetischen Wellen (vgl. 
Bd. I, § 69). Nur ändern sich bei ebenen Wellen die Ampli- 
tuden während der Fortpflanzung nicht, während hier, bei den 
Kugelwellen, die Amplituden der Feldstärken mit wachsender 
Entfernung r vom Zentrum wie 1 : r abnehmen. 

Der Strahlvektor <S ist nach Gleichung (13) durch das 
äußere Produkt von (& und ^ gegeben. Er weist also parallel 
dem Radiusvektor, was der Beobachtung entspricht. Da (§, ^, <S 
ein System wecheelseitig aufeinander senkrechter Richtungen 
bilden und die Beträge von (S und ^ einander gleich sind, so 
ist der Betrag von <S: 

(54b) S = A.|«|.|^| = _£..^»=_^.[,,^] 

Bezeichnen wir mit d' den Winkel der Vektoren tj und p, 
so wird 
(54c) ^ = 4^«*'«i^'* 

die Strahlung, die in der Sekunde durch die Flächeneinheit 
einer Kugel vom Radius r hindurchtritt; sie hängt gemäß (54a) 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 5 



12 



2 



Qß Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Ton der Ladung e und von der Beschleunigung des Elektrons 
ab, und zwar selbstverständlich von derjenigen Beschlennigong^ 
die stattfand; als die Welle entsandt wurde. Die Strahlung 
verschwindet für -Ö* = und ^ö* «= ä, d. h. für die Richtung 
des Beschleunigungsvektors und für die entgegengesetzte Rich- 
tung; sie ist am größten für d- = —7 d. h. senkrecht zur 

Beschleunigungsrichtüng. Die Integration über die ganze 
Kugel ergibt als Gesamtstrahlung 

fsdf= ^jf^^27cfdd' sin»^ = I )f^-Jdu(l - u") = \cp 

—1 

Der Radius der Eugel ist herausgefallen; es tritt also 
durch alle von der Welle durchsetzten konzentrischen Kugeln 
der Wellenzone die gleiche Energiemenge hindurch. Diese 
Energie hat sich von dem schwingenden Elektron losgelöst 
und durcheilt in Form von Wellenstrahlung den Raum, wo 
sie je nach der Frequenz der Schwingungen als ultraviolettes, 
sichtbares oder ultrarotes Licht wahrgenommen wird. Diese in 
Wellenstrahlung verwandelte Energiemenge wird der Lichtquelle 
entzogen; die pro Sekunde entzogene Energie ist nach (54a) 

Ist die Schwingung eine einfach harmonische und ist l 
ihre WellenBnge im Räume, so ist 

daher wird der Energieverlust durch Strahlung 

/RR \ dW 32flr*c ^8 

(55a) ___ = __. ^,*. 

Die pro Zeiteinheit durch Strahlung verlorene 
Energie ist um so größer, je kleiner bei gegebener 
Schwingungsamplitude die Wellenlänge ist. Sie steigt 
bei abnehmender Wellenlänge umgekehrt proportional 
der vierten Potenz der Wellenlänge an. Die Schwin- 
gungen erfahren mithin eine Dämpfung durch Strahlung. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Panktladang. 67 

Eine solche Dämpfung ist zuerst Yon H. Hertz in der oben 
zitierten Arbeit theoretisdi abgeleitet worden. 

Wir wollen jetzt die Frage erörtern, inwieweit dieses ein- 
fachste elektromagnetische Modell einer Lichtquelle geeignet 
ist, von dem Vorgange der Lichtemission ein naturgetreues 
Bild zu geben. Wir wollen zunächst, das Resultat der Unter- 
suchungen Zeemans (vgl § 10) yorwegnehmend, yoraussetzen, 
daß das negative Elektron es ist, welches in der Lichtquelle 
schwingt, und wollen dem negativen Elektron diejenigen 
Eigenschafben zuschreiben, die wir in § 2 bei Besprechung der 
Eathodenstrahlen kennen gelernt haben. Wir haben der mathe- 
matischen Behandlung den Fall zugrunde gelegt^ daß vor Beginn 
des Schwingungsvorganges das Molekül nach außen hin un- 
elektrisch ist. Die einfachste dementsprechende Hypothese 
würde die sein, daß das Molekül aus einem positiven und 
einem negativen Elektron besteht, deren Mittelpunkte anfangs 
zusammenfallen. Wird nun das negative Elektron verschoben, 
während das positive in Buhe bleibt, so entsteht ein elek- 
trischer Dipol, unter dem Momente eines solchen Dipols 
wird man entsprechend dem Momente einer Doppelquelle 
(Bd. I, S. 63) einen Vektor zu verstehen haben, der von der 
negativen Ladung zur positiven weist und dessen Betrag gleich 
dem Produkte aus dem Abstand der Mittelpunkte beider Elek- 
tronen und der Ladung des positiven ist. Das ist aber nichts 
anderes, als der durch (52) definierte Vektor p] denn es ist zwar 






d,r ,0, d„ „ü>«,d» p»i«;» ^ bewegt» n,g.tt™ L.d^ 
weisende Fahrstrahl, aber derselbe ist mit der negativen Ladung des 
bewegten Elektrons zu multiplizieren. Das Feld eines der ^- Achse 
parallelen Dipols bringen die Formebi (53 c, d) zur Darstellung. 
Wollen wir nun erklären, wieso etwa das Licht des 
Quecksilberdampfes aus einzebien feinen Spektrallinien besteht, 
so müssen wir den in den Molekülen bewegten Elektronen 
gewisse Eigenschwingungen zuschreiben, um die Existenz 

5* 



68 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

dieser Eigenschwingungen zu verstehen^ nimmt die Elektronen- 
theorie an^ daß auf die Elektronen gewisse quasielastische 
Kräfte wirken, d. h. Kräfte^ welche der jeweiligen Entfernung 
aus der Gleichgewichtslage proportional sind. Da die Elektronen 
Trägheit besitzen, so würde hierdurch die Möglichkeit von 
Eigenschwingungen bestimmter Frequenz gegeben sein. Freilich 
ist so nur ein Ratsei auf ein anderes zurückgeführt. Denn es 
entsteht nun die Frage, welcher Art jene quasielastische Kraft 
ist, ob sie ihrerseits elektrischen Ursprunges ist, etwa von der 
positiven Elektrizität herrührend, oder ob sie von der wägbaren 
Materie auf die Elektronen ausgeübt wird. Auch die große 
Zahl der Spektrallinien jedes einzelnen chemischen Elemei^tes 
bereitet der Erklärung Schwierigkeiten. Soll man annehmen, 
daß jedes Molekül des Quecksilberdampfes alle die Spektral- 
linien aussendet, oder strahlt das eine Molekül diese, das andere 
jene Linie aus? Im ersteren Falle wäre dem Molekül eine 
große Zahl elektrischer Eigenschwingungen zuzuschreiben, und 
das einfache Modell des elektrischen Dipols würde dann nicht 
zur Darstellung des Feldes ausreichen. Im zweiten Fall jedoch 
würde die Existenz der merkwürdigen Gesetzmäßigkeiten, 
welche die Spektrallinien mancher Körper aufweisen, schwer 
verständlich sein. Die Fragen der molekularen Struktur, die 
mit dem Probleme der Spektrallinien zusammenhängen, sind 
leider noch wenig aufgeklärt. Wir müssen uns damit begnügen, 
an unserem einfachsten elektromagnetischen Modell festhaltend, 
jede .Spektrallinie einem anderen Dipol zuzuschreiben und die 
Eigenschwingungen formal durch Einführung quasielastischer 
Kräfte zur Darstellung zu bringen. Wir gelangen so zu einem 
Ansatz, der als Arbeitshypothese gute Dienste leistet. 

Wir setzen die Schwingungsgleichung des elektrischen 
Dipols in der Form an: 

(66) ^'+k'p^O; , 

nach (52) können wir schreiben 

(56a) m'J^^-^k^p^-^k'p. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Punktladong. 69 

Hier steht rechts die quasielastische Kraft, welche das mit 
der trägen Masse m behaftete Elektron in die Gleichgewichts- 
lage zurückzieht. Der Schwingungsvorgang wird von den 
Anfangsbedingungen abhangen; wir können uns etwa vorsteUen, 
daß durch den Zusammenstoß mit einem anderen Molekül die 
Schwingungen des Elektrons angeregt werden. Wie dem auch 
sei, jedenfalls wird während der Schwingung das Zeitmittel 
der kinetischen Energie dem Zeitmittel der potentiellen gleich 
sein. Die gesamte Energie des schwingenden Dipols ist kon- 
stant; sie beträgt 

(56b) W=m^=^,{^)\ 

wobei die horizontalen Striche die Bildung des zeitlichen 
Mittelwertes andeuten. 

Wir haben oben gesehen, daß der schwingende Dipol fort- 
gesetzt Energie ausstrahlt. Diese Ausstrahlung wird nun zu 
einer Dämpfung der Schwingungen Veranlassung geben müssen. 
Wir wollen den Betrag dieser Dämpfung berechnen. Aus (55) 
folgt _ 

(56c) --l'-ir 

für die Abnahme der Schwingungsenergie, berechnet auf den 
Lichtweg Z = 1 cm, d. h. die Abnahme während der Zeit 

c 3 

Während dieser Zeit hat das Elektron eine große Zahl 
von Schwingungen ausgeführt — 2-10* für >L==5-10"~^cm — , 
so daß die Mittelwertsbildung über sehr viele Schwingungen 
gerechtfertigt ist. Anderseits können wir (56 b) nach Ein- 
führung der spezifischen Ladung des Elektrons (Gleichung 9) 
schreiben: 
(56d) ^-iif'- 

Da die Punkte in ji, jf DifiPerentiation nach l andeuten, 
so gilt 



70 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Wir erhalten daher 

dlnW 2 7]«/2«\« 



_ 2 7]«/2«Y 
"" ¥ T vT/ 



(2{ 

Es nimmt die SchTfingungsenei^e nach dem Gesetze ab: 
(56e) W^W^e-r', 

wo der Abklingungskoeffizient 

(56f) r-^l^ 

ZU setzen ist. Dasselbe Exponentialgesetz gilt für die Abnahme 
der Intensität der entsandten Strahlung; dem Lichtwege 1 cm 
entspricht ein Herabsinken der Lichtintensitat auf den Bruch- 
teil 6""y. 

Nun laßt sich aber aus Interferenzversuchen eine obere 
Grenze für die Abnahme der Strahlungsintensität gewinnen. 
Für manche Spektrallinien, z. B. für die grüne Quecksilberlinie, 
haben sich nämlich Interferenzen bei sehr hohen Gangunter- 
schieden herstellen lassen. Die Verfeinerung der Technik solcher 
Interferenzversuche, um die sich A. Michelson, 0. Lummer und 
andere Experimentatoren yerdient gemacht haben, hat zu sicht- 
baren Interferenzen noch bei Gangunterschieden von 50 cm 
geführt. Wäre nun die Abklingungkonstante y so groß, daß 
sich auf einem Lichtwege von 40 cm ein Herabsinken der 
Intensität des Lichtes auf ein Hundertstel ihres Wertes 
oder einen noch geringeren Bruchteil ergäbe, so könnte 
die Theorie Yon diesen Interferenzversuchen nicht Rechen- 
schaft geben. Wir wollen sehen, welcher Wert Ton y sich 
aus (56 f) ergibt. 

Wir setzen für e und 17 die in (2) und (9) angegebenen 
Werte ein, nehmen A = 5 • 10""^ an und finden 

_8g^' 1,866.10^3.10-^0 3 

'^ 3 8.10".25.10-" • 

Daraus ergibt sich für einen Lichtweg yon 50 cm ein 
Herabsinken der Lichtintensität auf den Bruchteil 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten PankÜadtuig. 71 

es würde hiemacli bei einem Grangnnterschied tou 50 cm noch 
sehr wohl eine Interferenz bemerkbar sein. Man könnte sich 
eher darüber wundem; daß nicht bei noch höheren Gtmgunter- 
schieden Interferenzen sich herstellen lassen. Allein außer der 
Dämpfong durch Strahlung dürften noch andere Ursachen mit- 
spielen^ die den regelmäßigen Verlauf des Schwingungsvorganges 
beeinträchtigen. So dürfte z. B. beim Stoße zweier Moleküle des 
Dampfes der ursprüngHche Schwingungsvorgang gestört und 
eine neue, mit einer anderen Phase einsetzende Schwingung 
eingeleitet werden. 

In der Schwingungsgleichung (56) bzw. (56 a) ist der 
Dämpfung durch Strahlung nicht Rechnung getragen worden. 
Wir wollen jetzt nachträglich die Schwingungsgleichung so 
modifizieren, daß der durch (55) in allgemeinster Weise an- 
gegebene Energieverlust zum Ausdrucke gelangt. Wir fuhren in 
(56a) eine „dissipative Kraft Ä*" ein, indem wir schreiben 

Diese dissipative Ejraft St^ stellt die Bückwirkung der 
Strahlung auf das bewegte Elektron dar. Ihre Arbeits- 
leistung muß mit dem Energieverluste (55) durch die Relation 
verknüpft sein: 

(57a) /(«',«•) '^^ = -. I S/(S)> 

dabei bezeichnen t^y t^ zwei, etwa durch eine ganze Schwingung 
getrennte Zeitpunkte, zu denen die Beschleunigung des Elek- 
trons gleich Null ist. Während des Zeitintervalles von t^ bis ^ 
wird eine bestimmte Energiemenge entsandt; dieser muß die 
gesamte, in der gleichen Zeit von der rückwirkenden Ejraft Ä* 
geleistete Arbeit entgegengesetzt gleich sein. Würde etwa zur 
Zeit t^ die ungleichförmige Bewegung des Elektrons beginnen 
und zur Zeit t^ endigen, so würde die gesamte Arbeit von ft' 
und die gesamte Energie der entsandten Wellenstrahlung in 
den Ausdrücken (57 a) enthalten sein. 



72 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Wir können nun die rechte Seite von (57 a) durch partielle 
Integration uniformen; da die Beschleunigung an den Gfrenzen 
des Integrationsintervalles yerschwindet^ so wird 

Wir erfüllen also die Energiegleichung, indem 
wir setzen 

d.h. indem wir die Reaktionskraft der Strahlung dem 
zweiten Differentialquotienten des Geschwindigkeits- 
vektors nach der Zeit proportional annehmen. Diese 
dissipatiTe Krafb wirkt mithin nach einem anderen Gesetze ^ als 
die Reibungskraft der gewöhnlichen Mechanik, welche man 
der Geschwindigkeit proportional zu setzen pflegt. Man sieht 
sofort; daß man^ durch Annahme einer Proportionalität mit 

p, -jry oder auch mit ^t, oder irgendeinem höheren DiflPeren- 

tialquotienten, oder auch einem Aggregate derartiger Glieder 
nicht den richtigen Wert (57 a) der Arbeitsleistung erhalten 
könnte. Wir wollen an dieser Stelle auf etwaige Bedenken^ die 
der obigen Ableitung von ft' entgegengestellt werden könnten^ 
nicht eingehen^ da wir weiter unten (in § 15) Ton einem all- 
gemeineren Standpunkte aus die Behandlung der Frage wieder 
aufnehmen werden.^) 

Durch Einführung des Ausdruckes (58) Ton ft* in (57) 
erhalten wir 

(88.) „||__=j.,+|!;^;,. 

diese allgemeine Schwingungsgleichung tritt nunmehr an Stelle 
von (56 a). Gemäß (52) kann hierfür geschrieben werden 



1) H. A. Lorentz (Enzykl. d. mathem. Wissensch. V. Art. 14 Nr. 20) 
gibt eine direktere Ableitung von (58). 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlimg einer bewegten Ponktladnng. 73 

Die SchwingungBgleichung des elektrischen Di- 
poles wird also bei Berücksichtigung der Strahlungs- 
dämpfung eine Differentialgleichung dritter Ord- 
nung.^) 

§ 10. . Der Zeeman-Effekt. 

Daß das elektromagnetische Modell eines lichtemittierenden 
Moleküles^ welches wir soeben kennen lernten, in manchen Fällen 
der Wirklichkeit entspricht, dafür ist der experimentelle Be- 
weis durch die Entdeckung P. Zeemans*) erbracht worden. 
Dieser Forscher hat gezeigt, daß die Spektrallinien in starken 
magnetischen Feldern gewisse Veränderungen erfahren; diese 
Veränderungen haben sich in den meisten Fallen ohne weiteres 
auf Gb-und der Lorentzschen Theorie deuten lassen. Wir dürfen 
nicht versäumen, den Zeeman-EfiPekt aus der im Torigen Para- 
graphen entwickelten Theorie abzuleiten. 

Führen wir, der Grundgleichung V gemäß, die von dem 
äußeren Magnetfelde auf das Elektron ausgeübte Erafb in die 
Bewegungsgleichung (56a) ein, so lautet diese 

dt tn-,9. . e 



""dt 



= -7*^* + 7M' 



oder, wenn wir überall, nach (52), die Geschwindigkeit li des 
Elektrons durch das elektrische Moment p des Dipols ersetzen 



und die spezifische Ladung rj =-^—^= — des nemtiven Elektrons 
^ ^ ' cm cm ° 

einfahren: 

(59) g + ,.^, = _4Jj§]. 

Dabei haben wir das Dämpfungsglied wiederum fort- 
gelassen, weil der äußerst geringe Betrag der Dämpfung für 
die Frequenzen der Eigenschwingungen nicht wesentlich in 
Betracht kommt. 

Wir legen der Integration der Schwingungsgleichung (59) 
sofort ein geeignetes Koordinatensystem zugrunde. Die ;8^ -Achse 



1) M. Planck, Ann. d. Phys. 60, S. 577. 1897. 

2) P. Zeeman. Phil. Mag. 48, S. 226 u. 44, S. 265. 1897. 



74 IBrater Abschnitt. Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen. 

mag in Richtung der magnetischen Kraftlinien weisen^ während 
die (a;j^) -Ebene auf diesen senkrecht steht; dann ergibt die 
Eomponentenzerlegung 

(59a) '-^+^'Pr=-vm^> 

(59b) ^ + ^«^,,- + ,1^1^, 

(59c) ^ + ^^,, = 0. 

Die Schwingungskomponente parallel den magnetischen 
Kraftlinien wird demnach von dem magnetischen Felde nicht 
beeinflußt. Setzen wir 

so ist die Frequenz v ^Jc die gleiche, welche allen drei 
Schwingungskomponenten außerhalb des magnetischen Feldes 
zukommt. 

4 

Was aber die Schwingungen in der (^y) -Ebene anbelangt, 
so sind die Komponenten pxy py durch das magnetische Feld 
miteinander yerkoppelt, wie die Gleichungen (59 a^ b) anzeigen. 
Da« läßt vermuten, daß wir hier zwei voneinander und von 
der ursprünglichen Frequenz k abweichende Frequenzen v* und 
v" erhalten werden. Wir versuchen die Differentialgleichungen 
(59 a, b) durch den Ansatz 

(60) liaj^ae»''^ ^ly^fte'"' 

zu befriedigen, wo a und b zwei komplexe, für Amplitude und 
Phase der beiden Komponenten maßgebende Konstanten sind. 

Wir finden 

a (Ä* — v^) = — 1] \§\ bi Vy 

Durch Elimination von a und b wird für v^ die quadra- 
tische Gleichung erhalten 

Bezeichnen wir mit v' die kleinere, mit v" die größere 
der beiden Frequenzen, so erhalten wir 






Zweites Kapitel. Die Wellenstraliliing einer bewegten Fnnktladmig. 75 






t/>-h*=-ri\§\i/, 
oder, weil nur positive Werte Ton i/, v" zulassig sind: 



(60c) 






Es werden also von den zu den Magnetkraftlinien 
senkrechten Schwingungskomponenten des Dipols zwei 
Spektrallinien entsandt, derenFrequenzen voneinander 
und von der ursprünglichen Frequenz h abweichen. 

Der Abstand der beiden Spektrallinien, in der Skala 
der Frequenzen gemessen, beträgt 
(60d) ^/'-^/« 12 1^1, 

er ist gleich dem Produkte aus der spezifischen Ladung 
der schwingenden Elektronen und der magnetischen 
Feldstärke. 

Die ursprüngliche Frequenz Tc entspricht nach (60 c) nicht 
genau der Mitte der beiden abgeänderten Frequenzen v', v^\ 
Doch ergibt sich das Produkt iy |^| für alle herstellbaren 
Felder so gering — nur mit intensiven Feldern gelingt über- 
haupt die Trennung der Linien — , daß das Quadrat dieses 
Produktes in (60c) zu vernachlässigen ist, und daß mit ge- 
nügender Annäherung gesetzt werden darf: 

(60 e) — I K 

Um nun den Charakter der stattfindenden Schwingungen 
zu erkennen, müssen wir das Verhältnis der 'Konstanten a, 6 
aus einer der Gleichungen (60 ä) ermitteln. Für die langsamere 
der beiden Schwingungen, von der Frequenz v\ folgt aus (60 a, b) 

(60f) ^ = VA = + i, 



iv'ri |§| 
für die schnellere der beiden Schwingungen, von der Frequenz v", 



76 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Es sind also^ sowohl f&r die langsamere^ wie f&r die 
schnellere Schwingung; die Amplituden der beiden Kompo- 
nenten }fx} Pp die gleichen; die Phasen jedoch weichen um 

— voneinander ab. Beides sind demnach zirkuläre Schwin- 

^n. Bei der langsamen Schwingung^ ist, nach (60f), 

die y-Eomponente der n^-Komponente um ^ an Phase Toran^ 

d. h. die Kreisbewegung führte nach einer Yiertelschwingung^ 
von der ^-Achse zur rr-Achse^ sie stellt also eine negative 
Drehung um die mit der js -Achse zusammenfallende Richtung 
des magnetischen Feldes dar. Einem auf der Seite der posi- 
tiven isr -Achse befindlichen Beobachter erscheint die Ereis- 
Schwingung als Drehung im Sinne des Uhrzeigers, oder als 
rechts -zirkuläre Schwingung. Bei der schnelleren Schwingung 
hingegen ist nach (60 g) die a; -Komponente der j/-Eomponente 

um — an Phase voran, diese Bewegung entspricht einer posi- 
tiven Umkreisung der js^-Achse und ' erscheint einem auf der 
Seite der positiven ;gr -Achse befindlichen Beobachter als links- 
zirkulare, dem Uhrzeigersinne entgegengesetzte Schwingung. 

Wir denken uns jetzt die Flamme zwischen den Polen 
des Magneten; auf derjenigen Seite, nach der das magnetische 
Feld gerichtet ist, mag der Magnet durchbohrt sein. Was 
wird ein durch das Loch hindurchblickender Beobachter wahr- 
nehmen? 

Für diesen Beobachter kommen nur die Schwingungen in 
der (a;y)-Ebene in Betracht; denn wir haben im vorigen Para- 
graphen gesehen, daß nur die zur Blickrichtung senkrechten 
Komponenten der Elektronenbewegung für die ausgestrahlten 
Wellen maßgebend sind. Die der -Achse parallele Kom- 
ponente sendet daher den Magnetkraftlinien parallel kein Licht 
aus. Der Beobachter wird also bei spektraler Zerlegung 
des Lichtes die ursprünglich einfache Spektrallinie verdoppelt 
finden. Dieses Duplet von Linien ist zirkularpolari- 
siert, und zwar erscheint dem Beobachter, welcher 
den Kraftlinien des magnetischen Feldes entgegen- 
blickt, die im Spektrum auf der roten Seite liegende 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Panktladnng. 77 

Linie rechtszirkular, *die auf der violetten Seite 
liegende linkszirkular polarisiert Die Beobachtung des 
^^longitudinalen Zeeman-Effektes'^ hat in der Tat ein 
derartiges Duplet ergeben^ wenigstens für die Mehrzahl der 
untersuchten Spektrallinien. Hieraus ist zu schließen, 
daß das negative Elektron es ist, welches die Spek- 
trallinien ausstrahlt. In der Tat haben wir, bei der Auf- 
stellung der Grundgleichung (69), die negative Ladung des 
Elektrons bereits berücksichtigend 



, , —e 

' cm cm 

gesetzt. Für die positiven Elektronen wäre in (59) das Vor- 
zeichen von t] umzukehren, mithin auch in (60a); so würde 
sich für die beiden Ejreisschwingungen das entgegengesetzte 
Verhalten ergeben, indem die rechts -zirkuläre die schnellere, 
die links -zirkuläre die langsamere sein müßte. Der Zeeman- 
Effekt zeigt also, daß die im vorigen Paragraphen gegebene 
Spezialisierung des elektromagnetischen Modelies einer Licht- 
quelle, welche den periodischen Wechsel des Dipoles auf die 
Schwingungen des negativen Elektrons zurückführt, für die 
betrefiPenden Spektrallinien zutreffende Folgerungen ergibt. Die 
Messung des Abstandes der beiden Linien des Duplets ge- 
stattet es, wenn die magnetische Feldstärke bekannt ist, auf 
Grund von (60d) die spezifische Ladung 1^ zu bestimmen. 
Der von C. Bunge und F. Paschen gefundene Wert 

(61) ^ = 1,68 • 10^ 

stimmt mit dem bei Eathodenstrahlen erhaltenen (vgl. § 2, 
Gl. 9) so gut überein, als es bei der Schwierigkeit dieser 
Messungen zu erwarten ist. 

Übrigens hat sich auch die Forderung der Theorie, daß 
der Abstand der Komponenten des Duplets, in der Skala der 
Frequenzen gemessen, für alle Linien bei gegebenem magne- 
tischen Felde der gleiche, und der magnetischen Feldstärke 
proportional ist, in den Fällen bestätigt, wo überhaupt die 
einfache Zerlegung in ein Duplet gefunden wurde. 



78 -Bnter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Was wird uim ein Beobachter wahrnehmen; der das senk- 
recht zn den Magnetkraftlinien ausgestrahlte Licht spektral 
zerlegt? Er wird nach § 9 die Projektion der Schwingung 
auf eine zur Blickrichtung senkrechte^ also den magnetischen 
Kraftlinien des Feldes parallele Ebene beobachten. In der 
Projektion ergeben aber die beiden zirkulären Schwingungen 
geradlinige Schwingungen von den Frequenzen i/' und if\ 
senkrecht zu den Ejraftlinien. Hierzu tritt nun noch die 
Schwingung ^« parallel ^den Kraftlinien, deren Frequenz die- 
jenige der ursprünglichen Spektrallinie ist. Der Beobachter 
wird also ein Triplet von Linien wahrnehmen; in den beiden 
äußeren Linien finden die elektrischen Schwingungen 
senkrecht zu den magnetischen Kraftlinien des äußeren 
Feldes statt; diese sind also geradlinig parallel den Kraftlinien 
polarisiert. Die innere Linie hingegen ist senkrecht zu den 
magnetischen Kraftlinien polarisiert; in ihr finden die Schwin- 
gungen des elektrischen Vektors parallel den Kraft- 
linien des Magnetfeldes statt, in dem sich die Flamme 
befindet. Auch diese Beschreibung des ^^transversalen 
Zeeman-Effektes^^ entspricht, bei den meisten Spektral- 
linien, der Beobachtung. 

Diese einfache Form weist die Veränderung der Spektral- 
linien im magnetischen Felde jedoch keineswegs in allen Fällen 
auf Manche SpektralUnien, z. B. die gelben Natriumlinien D^ 
und Dg; teilen sich, anstatt in drei, in vier oder in sechs 
Linien; gewisse Linien des Quecksilberspektrums weisen, bei 
Beobachtung senkrecht zu den magnetischen Kraftlinien, sogar 
eine Teilung in neun Linien auf. Wie die sorgfältigen Unter- 
suchungen von C. Bunge und F. Paschen^) ergeben haben, sind es 
gerade die Serienlinien, die solche anomalen Zeeman-Effekte 
zeigen. Diese Untersuchungen haben sehr bemerkenswerte Gesetz- 
mäßigkeiten festgestellt. Alle Linien einer und derselben Serie 
weisen die gleiche Zerlegung im magnetischen Felde auf, sowohl 

1) C. Runge u. F. Paschen. Sitzungsber. d. Berl. Ges. d. Wissensch. 
1902, S. 380 Tl. 720. Vgl. den Artikel von C. Runge in H. Kaysers Hand- 
buch der Spektroskopie Bd. IL 



Zweites Kapitel. Die Wellenstralilniig einer bewegten Pnnktladimg. 79 

was die Zahl, als auch was den in der Skala der Frequenzen 
gemessenen Abstand der getrennten Linien anbelangt. Ja sogar 
die Linien yerschiedener Elemente, die einer und derselben 
Gruppe des Mendelejeffschen Systemes angehören, besitzen meist 
den gleichen Zeeman-Effekt, wenn sie entsprechenden Serien 
angehören. Der Zeeman- Effekt ist ein charakteristisches Merk- 
mal für die betreffende Serie; er hat es in einigen Fallen er- 
möglicht, bis dahin noch nicht in Serien eingeordneten Linien 
ihren richtigen Platz anzuweisen. 

Das in den beiden letzten Paragraphen entwickelte ein- 
fache Modell eines leuchtenden Moleküles erweist sich, wie wir 
sehen^ gerade für die Serienlinien als unzulänglich, da diese 
Linien anomale Zeeman -Effekte zeigen. In der Tat konnten 
wir das Bild eines einzelnen, unter dem Einflüsse einer quasi- 
elastischen Eraft um eine stabile Gleichgewichtslage schwingen- 
den Elektrons nur als eine provisorische Arbeitshypothese be- 
trachten. Es ist merkwürdig genug, daß dieses Bild wenigstens 
für die isolierten Linien von der Beobachtung bestätigt wird. 
Es ist bisher noch nicht gelungen, die anomalen Zeeman-Effekte 
vom Standpunkte der Elektronentheorie aus in befriedigender 
Weise zu deuten. Die von C. Bunge und F. Paschen entdeckten 
Gesetzmäßigkeiten lassen vermuten, daß eine befriedigende Er- 
klärung nur in Verbindung mit der Theorie der Spektralserien 
möglich sein wird. Jenes einfache elektrische Modell eines 
Moleküles oder Atomes wird dabei zweifellos durch ein kompli- 
zierteres zu ersetzen sein. Da unsere Kenntnisse der elektrischen 
Struktur der Atome und Moleküle der Materie nur gering sind, 
80 ist dabei der Hypothesenbildung ziemlich freies Spiel gelassen. 
Anderseits sind die von-Balmer, Elayser und Bunge, Bydberg 
und Bitz für die Wellenlängen der Spektralserien aufgestellten 
Formeln so genau gültig, daß sie ein recht scharfes Kriterium 
für die Zulässigkeit einer derartigen Hypothese bilden. Die 
Deutung jener Spektralformeln, welche gleichzeitig die Theorie 
der anomalen Zeeman-Effekte der Serienlinien ergeben müßte, 
ist wohl die wichtigste und die schwierigste Aufgabe der elektro- 
magnetischen Lichttheorie. Daß die Elektronentheorie nicht ganz 



80 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

auf der falschen Fährte ist^ zeigt der Umstand^ daß hinsichtlich 
der Polarisation die anomalen Zeeman- Effekte den normalen 
ähnlich sind. So weisen z. B. von den neun Linien, in welche 
gewisse Linien des Quecksilbers im magnetischen Felde sich 
spalten y die drei inneren dieselbe Polarisation auf, wie die innere 
Linie des einfachen Triplets, während die äußeren Linien eben* 
so polarisiert sind, wie die äußeren Linien des Triplets bzw. 
Duplets, nämlich bei Strahlung senkrecht zum ma^etischen 
Felde geradlinig parallel den EJraftlinien, bei Strahlung parallel 
dem magnetischen Felde zirkulär. Auch ist die Ghrößenordnung 
der Linienabsiände, und der Sinn der Zirkularpolarisation, 
derselbe, wie bei dem einfachen Duplet und Triplet. Das 
läßt vermuten, daß auch hier die negativen Elektronen in 
Bewegung begriffen sind, freilich unter weniger einfachen Be- 
dingungen. 

Bei der Strahlung der Bandenspektren ist es bisher nicht 
gelungen, einen Zeeman- Effekt des magnetischen Feldes nach- 
zuweisen. Man kann im Zweifel sein, ob dieses Licht von 
Elektronen ausgesandt wird, die. mit Atomen der wägbaren 
Materie verkoppelt sind, oder ob es den Schwingungen der 
positiven Elektronen seinen Ursprung verdankt. Es ist viel- 
leicht nicht ganz ausgeschlossen, daß es mit Hilfe einer ver< 
feinerten optischen Technik einst gelingen wird, über diese 
Frage Auskunft zu erhalten. 

§ 11. Die elektromagnetischen Potentiale einer bewegten 

Punktladung. 

In § 9 haben wir bei der Berechnung des Hertzschen 
Vektors für eine schwingende Punktladung uns gewisse Ver- 
nachlässigungen gestattet. Wir haben angenommen, daß die 
Bewegung der Ladung auf einen Bereich sich erstreckt, dessen 
Abmessungen klein gegen die Entfernung der Punküadung 
vom Aufpunkte sind. Sodann haben wir die Geschwindigkeit 
der bewegten Ladung als klein gegen die Lichtgeschwindigkeit 
angesehen. Diese Voraussetzungen wollen wir jetzt fallen 
lassen. Wir betrachten ein Elektron^ welches sich 



Zweites EapiteL Die Wellenstrahlung einer bewegten Punktladung. gl 

beliebig im Banme bewegen kann; seine Geschwin- 
digkeit soll zunächst beliebig groß angenommen 
werden. Wir lassen indessen auch jetzt noch die Größe und 
Gestalt des Elektrons unberücksichtigt, indem wir dasselbe 
wie eine Punktladung behandeln. Wie wir bereits früher er- 
wähnten, ist es vom Standpunkte der Nahewirkungstheorie 
aus undenkbar, daß eine endliche ElektriziiStsmenge auf einen 
mathematischen Punkt zusammengedrängt wird, da dieses einen 
unendlichen Wert der Feldenergie ergeben würde. Wir werden 
diese Bemerkung später bestätigt finden und werden der 
Dynamik des Elektrons bestimmte Annahmen über seine Form 
und Bewegungsfreiheit zugrunde legen. Immerhin werden sich 
die Abmessungen des Elektrons so gering — von der Ord- 
nung 10~^' cm — ergeben, daß es f&r manche Zwecke aus 
reichend ist, das Elektron als Punktladung zu betrachten. Das 
wird selbstrerständlich nur für solche Aufyunkte erlaubt sein, 
deren Abstand vom Elektron groß gegen dessen Abmessungen 
ist. Dieser Bedingung genügen jedenfalls die in der Wellenzone 
gelegenen Au^unkte. Daher werden wir die Formeln dieses 
Paragraphen insbesondere zur Ermittelung der von einem 
rasch bewegten Elektron entsandten Wellenstrahlung yerwerten 
können. Wir werden so der in § 9 entwickelten Theorie der 
ruhenden Lichtquelle eine Theorie der bewegten Licht- 
quelle an die Seite stellen und werden anderseits gewisse 
Eonsequenzen der Stokes-Wiechertschen Hypothese entwickeln, 
welche die Böntgenstrahlen als die beim Aufprall der 
Eathodenstrahlen auf die Antikathode entsandte Wellenstrahlung 
anspricht. Diese Folgerungen sind gerade dadurch bemerkens- 
wert, daß sie sich auf den Grenzfall eines Elektrons von ver- 
schwindenden Abmessungen beziehen. Welche Voraussetzungen 
man auch über die Gestalt des Elektrons machen möge, beim 
Gh'enzübergang zu yerschwindend kleinen Abmessungen muß 
sich stets dasselbe Resultat ergeben. Freilich ist dieser Gh'enz- 
übergang, wie wir sehen werden, nicht immer erlaubt. In 
allen Fällen jedoch, in denen er erlaubt ist, sind die Ergebnisse 
als Folgerungen der Grundhypothesen der Elektronentheorie 

Ab r ab am, Theorie der Elektrizität, n. $ 



82 Erster Absclinitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

aUein anzusehen, die in den Grundgleichungen (I) bis (V) 
formuliert sind. 

Wir bestimmen die elektromagnetischen Potentiale der 
Punktladung auf Ghrund der allgemeinen Formeln (50, 51). 
Wir denken uns. eine Elektrizitatsmenge e, die einen ge- 
wissen endlichen Bereich erfüllt. Die Entfernung des Auf- 
punktes P soll groß sein gegen die Abmessungen jenes 
Bereiches. Wir erinnern uns der Deutung mit Hilfe der auf 
den Auf punkt hin sich mit Lichtgeschwindigkeit kontrahierenden 
Kugel, durch die wir die Formeln (50 a) und (51a) erläuterten. 
Für unseren Aufpunkt P ist der Radius X der Kugel grofi 
gegen die Abmessungen der Flachenstücke f, in denen sie das 
bewegte Elektron schneidet; es sind mithin diese Flächenstücke 
mit genügender Annäherung als eben zu betrachten; durch 
diese Ebenen wird das Elektron in dünne Scheiben von der 
Höhe dh zerschnitten; die einzelne Scheibe enthält die Elek- 
trizitätsmenge fgdh = de. 

Nun bezieht sich die Integration in (50) nicht auf die 
Volumelemente des bewegten Elektrons, sondern auf die jeweils 
von Elektrizität erfüllten Volumelemente des Baumes. Will 
man den Beitrag 

XdkdcoQ === dfQ-j- 

berechnen, den die Elektrizitätsmenge de der einzelnen Scheibe 
zu dem Werte von im Aufpunkte beisteuert, so muß man 
den Abstand dX der beiden Lagen der sich kontrahierenden 
Kugel berechnen, wo diese in die elektrizitätserfüUte Scheibe 
eintritt bzw. aus dieser austritt; dieser Abstand ist im Baume, 
nicht im bewegten Elektron gemessen zu denken. Es ist aber 
nicht schwer, dX zu berechnen. Setzen wir 

dX = cdt, 

so ist är die Zeit, während deren die mit der Geschwindig- 
keit c durch den Baum eilende Fläche über die Scheibe von 
der Höhe dh hinwegstreicht. Diese Zeit berechnet sich als 
Quotient aus der Höhe dh und der dieser Höhe parallelen 
Komponente der Belativgeschwindigkeit der bewegten Fläche 



Zweites Kapitel. Die Wellenstralilniig einer bewegten Punktladnng. 83 

und der bewegten Scheibe. Die Engel bewegt sich mit Licht- 
geschwindigkeit (c) senkrecht zu der Grundfläche der Scheibe^ 
während die Geschwindigkeit der Scheibe durch die Geschwin- 
digkeit ti des Elektrons sich bestimmt; und zwar ist die 
Komponente von ti in Richtung nach dem Mittelpunkte der 
Eugel^ d. h. in Richtung des Yom Elektron nach dem Auf- 
punkte hin gezogenen Radiusvektor t zu nehmen. Folglich 
ist die entsprechende Komponente der Relativgeschwindigkeit 
von Kugel und Scheibe gleich c — Hr. Es ist also die Zeit dt, 
während deren die Kugel die Scheibe überstreicht: 

, dh 

dx = 7-; 

c — H^ 

r 

und daner 

(62) dX = cdx = -^^ 



1-^ 



Wir haben soeben stillschweigend angenommen^ daß c > br 
ist; d. h. daß das Elektron von der sich kontrahierenden Kugel 
überholt wird. Bewegt sich hingegen das Elektron mit Über- 
lichtgeschwindigkeit^ so kann der Fall eintreten^ daß es^ die 
kontrahierende Kugel überholend^ von außen nach innen durch 
dieselbe hindurchtritt. In diesem Falle ist die Relativ- 
geschwindigkeit dr — Cy und es ist 

(62a) dX = -^ 



^-1 



c 
zu setzen. Allgemein ist zu schreiben 



(62b) dX 



dh 



c 



Doch wollen wir zunächst 1 1' | < c annehmen und an (62) 
die weitere Betrachtung anknüpfen. 

Wir erhalten als Beitrag unserer Scheibe zum skalaren 
elektromagnetischen Potential im Aufpunkte 

/ftcä \ nj* dX dfgdh 1 de 

(62c) dfQ ^ '-\- 



04) '('-"^) 



6 



84 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen, 

Es bleibt nur die Integration über die einzelnen Scheiben 
übrig. Da der Abstand r des Axd^nnktes als groß gegen die 
Abmessungen des Elektrons angesehen wnrde^ so ist er bei 
der Integration konstant zn halten. Die Integration ist daher 
ohne weiteres anszofuhren^ falls es anch erlaubt ist, ti als 
konstant anzusehen für diejenige Zeit, während deren die Kugel 
über das Elektron hinwegstreicht. Sie ergibt in diesem Falle 

(63) * = 



(■4) 

als Wert des skalaren elektromagnetischen Potentiales 
fär Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit. 

In dem Gh'enzfalle einer Punktladung ist es natürlich 

ohne weiteres gestattet, (l -\i ebenso wier, bei der Inte- 
gration über das Elektron als konstant anzusehen. Da wir 
indessen diesen Grenzfall nicht als streng yerwirklicht be- 
trachten, so bedeutet die Eonstantsetzung dieser Größen eine 
gewisse Einschränkung des Gültigkeitsbereiches der Formel (63). 
Erstens ist diese Formel, wie schon erwähnt, nur auf solche 
Aui^unkte anzuwenden, deren Abstand Yom Elektron groß 
gegen die Abmessungen des Elektrons ist Schließen wir das 
Elektron in eine Kugel vom Radius a ein, so muß 

(63 a) T groß gegen a 

sein. Zweitens aber muß, damit die Veränderung von — in 

der Zeit _ > während deren die Kugel über das Elektron 
hinwegstreicht, für keinen der Au^unkte in Betracht kommt, 

(63b) c {^''1^1^ I) tlein gegen 1 

sein (d stellt den Beschleunigungsyektor dar). 

Nur dann, wenn die Abmessungen des Elektrons 
80 klein, die Beschleunigung so gering und die 
Geschwindigkeit von der Lichtgeschwindigkeit so 
entfernt ist, daß die Bedingungen (63a) und (63b) 



Zweites Kapitel. Die Welleostrahlung einer bewegten PnnktladTing. 85 

erfüllt sind, ist es gestattet^ das Elektron durch eine 
Punktladung zn ersetzen. 

Sind diese Bedingungen erfüllt^ so laßt sich die Berech- 
nung des Yektorpotentiales nach der Formel (51) in ent- 
sprechender Weise durchfahren. Es iaitt nur an die Stelle 

des Skalars q der durch (10) bestimmte Vektor q — Schließen 

wir Rotationen des Elektrons aus, so ist der Beitrag jeder 
einzelnen Scheibe zum Yektorpotential 

de — 
c 



i-'i) 



Ist nun die Bedingung (63 b) erfüllt, so ist auch die 

Änderung, welche — beim Hinwegstreichen der mit Licht- 

geschwindigkeit bewegten Kugel über das Elektron erfahrt, 
zu \|taiaeblassigen, und es führt die Integration über die 
einzemen Scheiben ohne weiteres zu dem Ausdruck 

(64) « = - '^ 



(■4) 



rc 



des elektromagnetischen Yektorpotentiales. 

Die Formeln (63) und (64) für die elektromi^etischen 
Potentiale einer bewegten Punktladung sind von A. Lienard^) 
und E. Wiechert*) abgeleitet worden. Infolge der geringen 
Abmessungen des Elektrons erweisen sie sich auch für ziemlich 
betrachtliche Beschleunigungen und bis unmittelbar an die 
Lichtgeschwindigkeit heran als gültig. Der Fall unstetiger 
Bewegung des Elektrons hingegen sowie der Fall einer be* 
schleunigten Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit liegen nicht 
in ihrem Gültigkeitsbereiche, weil hier die Bedingung (63 b) nicht 
mehr erfCÜlt ist. Auch ungleichförmige Bewegungen mit Über- 
lichtgeschwindigkeit dürfen nicht auf Grund dieser Formeln be- 
handelt werden, weil es bei solchen Bewegungen immer Auf- 

1) A. Liänard, L'^clairage ^ectrique 16. 1898. S. 6, 63, 106. 

2) E. Wiechert, Arch. nöerland. (2) 6. S. 649. 1900. Ann. d. Phys. 4. 
8.667. 1901. 



86 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

punkte gibt, wo c — tir = c — |d|cos(ti,t) gleich Null wird; 
auf solche Aufpunkte hin eilt die kontrahierende Eugel mit 
derselben Geschwindigkeit wie das Elektron, so daß ti bei der 
Integration über das Elektron nicht als konstant angesehen 
werden darf. Auch die Aiiwendung auf gleichförmige Be- 
wegung mit Überlichtgeschwindigkeit gibt sich dadurch als 
unzulässig kund, daß es Au^unkte gibt, für welche der Nenner 
in (63) bzw. (64) verschwindet; diese Punkte liegen auf einem 

Kegel, der mit der Bewegungsrichtung den Winkel arc sin \t^) 

einschließt. In solchen Aufyunkten dräogen sich, da die 
kontrahierende Kugel stets die mit Überlichtgeschwindigkeit 
bewegte Pimktladung durchschneidet, die zu allen voran- 
gegangenen Zeiten entsandten Beiträge zusammen; daher rührt 
das Unendlichwerden der Ausdrücke (63) und (64). Dasselbe 
mit fort, wenn man die Elektrizität des Elektrons ^f ein 
Volum von endlichen, wenn auch geringen, Abmessung^ ver- 
teilt annimmt. Es ist demnach für den Fall der Licht- 
geschwindigkeit und der Überlichtgeschwindigkeit 
der Grenzübergang zur Punktladung unzulässig. Die 
Anwendung der Formeln (63) imd (64) zur Ermittelung des 
Feldes eines bewegten Elektrons ist auf Bewegungen mit 
Unterlichtgeschwindigkeit einzuschränken. 

Aus der Ableitung dieser Formeln geht hervor, daß t 
bzw. ti Radiusvektor vom Elektron nach dem Aufpunkt und 
Geschwindigkeit des Elektrons zu der Zeit t' bedeuten, als 
die mit Lichtgeschwindigkeit c sich kontrahierende Kugel über 
das Elektron fortstrich. Diese Zeit 



(64a) f = t 



r 
c 



bestimmt sich für einen jeden Au^unkt, wenn die Bewegung 
des Elektrons gegeben ist; denn r ist dadurch als Funktion 
von f gegeben. Falls, wie weiterhin angenommen wird, die 
Geschwindigkeit des Elektrons kleiner als c ist, so kann- die 
Kugel das Elektron immer nur ein einziges Mal schneiden. 
Es ordnet sich mithin für einen gegebenen Aufpunkt P der 



Zweites KapiteL Die Wellenstrahlung einer bewegten PankÜadimg. 87 



Zeit t des Eintreffens der Störung die Zeit t^ des Entsendens 
in eindeutiger Weise zu. Da offenbar 



dr 



ist, so folgt aus (64 a) 



> - - Üi 



oder 
(64c) 



dl 
dt' 



d 



('■+^L,_., 



dt' 



1- 



dt' 
dt 



Man kann daher die Formeln (63) und (64) auch fol- 
gendermaßen schreiben: 

6 dt' 



(65) 






r dt 

cb dt^ 
rc dt 



Aus den elektromagnetischen Potentialen folgt nach (28) 
und (29) das elektromagnetische Feld der bewegten Punktladung. 

§ 12. Das Feld einer gleichförmig bewegten Ponktladung. 

Wir betrachten eine Punktladung; die sich gleichförmig 
mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Es mag JE?' (Abb. 2) 




Abb. 2. 



ihre Jiage zur Zeit f gewesen sein, als sie die Beiträge (63) 
und (64) zu den elektromagnetischen Potentialen entsandte, die 
zur Zeit t im Aufpunkte P eintreffen ; E hingegen sei der Punkt, 
in dem die Ladung sich zu der Zeit t befindet. Es ist daher 



88 Bnter Abachnitt. Daa Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

und die Projektion von E'E axd E'P: 
Folglich ist 

Wir können anderseits FP durch den von der gleich- 
zeitigen Lage E des Elektrons nach dem Anrankte P hin 
gezogenen Radiusvektor H ausdrücken. Es ist 

FP-^BcoBx = Ryi-Bin^X' 
Da nun aus elementargeometrischen Gb*ünden gilt 

sin;C • sinV' =^ ^'^ ' -E'P = | 
so folgt 

(66) ril-^)^ JByi-/J»sin«V', 

wobei abkürzungsweise gesetzt ist 



— : r == 

c 



eti 



(66a) /5 = ^ < 1- 

Da die Geschwindigkeit der Punktladung kleiner ist^ als 
die Lichtgeschwindigkeit^ so ist ß ein echter Bruch. 
Die Formeln (63) und (64) ergeben jetzt 

(66 b) * = 

(66 c) «= , 

als die elektromagnetischen Potentiale der gleich- 
förmig bewegten Punktladung. Wie man sieht^ hängt 
ihr Wert zur Zeit t nur ab von der Lage des Aufpunktes, 
bezogen auf die gleichzeitige Lage des Elektrons und auf die 
Bewegungsrichtung. Führen wir Koordinaten X, T, Z ein, 
mit F als Eoordinatenursprung und der Bewegungsrichtung 
als X-Achse, so gilt 



Zweites Eapitel. Die Wellenstrahlimg einer bewegten PnnkÜadTing. 89 

(67) «-f «.-^. «,-«.-0, 

wenn 



(67a) 5 - JByi - /}«sin*^ = yx* + (1 - ß^) (F» + Z^) 

gesetzt wird. 

Bezogen auf ein mit dem Elektron mitbewegtes Bezugs- 
system, sind die elektromagnetischen Potentiale, nnd mithin 
die Felder des elektrischen und des magnetischen Vektors, 
von der Zeit unabhängig. 

Indem wir das mit dem Elektron translatorisch bewegte 
Bezugssystem zugrunde legen, können wir das elektromagnetische 
Feld aus (28), (29) ohne weiteres ableiten. Wir haben nur 
zu beachten, daß die vom bewegten Bezugssystem aus beurteilte 
zeitiiche Änderung des Vektors ll (vgl. Bd. I, Gl. 116, S. 113) 

^ = ^ + (>F)« = 
ist. Daraus {olgii 

1 a«^ a«^ 

Es ergibt daher (29) 

i f^ a* a«^ a$ 

(67b) { =-^ + ^^='-(^-^')^' 



nach Ausführung der Differentiationen folgt 

(67c) ««-(l-ZJ*)^' «,-(l-|3«)^, «.= (l-/{«)if; 

oder, in vektorieller Schreibweise 

(67 d) « = (i_^«)^. 

Der elektrische Vektor weist parallel dem von 
der jeweiligen Lage des Elektrons aus konstruierten 
Radiusvektor H. 

Anderseits ergibt sich aus (28) für die Komponenten des 
magnetischen Vektors: 



90 Si^ster Abschnitt. Dae Feld ü. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 



(67e) 



^''°° 'dz~ Pdz — P*" 



oder Tektoriell geschrieben 

Der magnetische Vektor steht senkrecht auf der 
Bewegungsrichtung des Elektrons und 9.uf dem Radius- 
vektor Ä. Das durch (67d, f) bestimmte Feld führt die 
Pnnktladung bei ihrer Bewegung mit. 

Das elektromagnetische Feld einer gleichförmig bewegten 
Punktladung ist zuerst von 0. Heaviside^) angegeben worden. 
Es entspricht dem Felde eines gleichförmig bewegten Elektrons 
in Entfernungen ; die groß gegen die Abmessungen des Elek- 
trons sind. 

Wir berechnen noch den durch die Grundgleichung (V) 
bestimmten Vektor 

g = « + i[ö^]; 

derselbe gibt die elektromagnetische EJraft an^ welche auf die 
Einheit der mitbewegten Ladung wirkt. Es ist nach (67 b, e) 

»«-«. =-(i_/}B)|*, 
gf, = «, + /s§. = -(i-/s')U» 

oder vektoriell geschrieben 

(68) % FW, !P'=(1-|3»)-1. 

Die elektromagnetische Kraft auf die mitbewegte 
Einheit der Ladung stellt sich als negativer Gradient 

1) 0. Heaviside, Electrical papers. II. S. 495. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Punktladnng. 91 

eines Skalars W dar. Dieser wird das ^^Konvektions- 
potentiaP^ genannt. 

Wir wollen die Flachen konstanten Konvektionspotentiales 
konstroieren. Diese Flachen 

(68a) s.« = X» + (1 - /S«) (r* + Z^) = Constans 

sind abgeplattete Rotationsellipsoide; ihr Mittelpunkt fällt in 
die Pnnktladung, ihre Rotationsachse in die Bewegongsrichtnng; 
ihr Achsenverhältnis ist 



(68 b) yi~/J«:l. 

Diese Ellipsoide werden Heayiside-Ellipsoide genannt; 
ihre Abplattung wächst mit wachsender Geschwindigkeit der 
Ladung. 

Setzt man /3 = 0, so .geht das Feld des Vektors f^ in das 
elektrostatische Feld^ das Eonvektionspotential W in das elektro- 
statische Potential über; die Schar der einander ähnlichen 
Heayiside-Ellipsoide geht in eine Schar konzentrischer Kugeln 
über. In der Theorie der Konvektionsstrahlung spielt das 
Eonvektionspotential eine ähnliche Rolle, wie das elektro- 
statische Potential in der Elektrostatik. Die Äquipotential- 
flächen eines ruhenden, geladenen Körpers sind, in großer 
Entfernung Yon dem Körper, stets konzentrische Kugeln. Dem- 
entsprechend nehmen die Flächen konstanten Konvektions- 
potentiales in dem von einem gleichförmig bewegten Elektron 
erregten Felde, in großen Entfernungen vom Elektron stets 
die Form von Heaviside-Ellipsoiden an; senkrecht zu diesen 
Flächen ist die Kraft gerichtet, welche das Elektron auf eine 
mit gleicher Geschwindigkeit ihm parallel bewegte Ladung 
ausübt. 

Die Feldstärken (67 d, f) nehmen, mit wachsender Ent- 
fernung von der erregenden Ladung, umgekehrt proportional 
dem Quadrat der Entfernung ab. Bei gleichförmiger Bewegung 
des Elektrons bildet sich demnach keine Wellenzone aus, es 
findet keine Energieabgabe durch Strahlung statt, sondern es 
wird die Energie vom Elektron konvektiv mitgeführt. Das 



92 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

gleichförmig bewegte Elektron stellt eine reine Eon- 
vektionsstrahlung dar. Eine Wellenstrahlnng wird nur 
dann entsandt, wenn die Geschwindigkeit der bewegten Ladung 
sich dem Betrage oder der Bichtong nach ändert. 



§ 13. Das Feld einer ungleichförmig bewegten Ponktladnng. 

Die allgemeinen Formeln, welche wir in § 11 für die 
elektromagnetischen Potentiale einer Punktladimg gewonnen 
haben, gestatten es, das Feld einer beliebig bewegten Punkt- 
ladimg zu ermitteln. Beschränken wir uns auf den Fall der 
Unterlichtgeschwindigkeit, auf Beschleunigungen, welche der 
Bedingung (63b), und auf Entfernungen, welche der Be- 
dingung (63a) genügen, so stellen die so zu erhaltenden 
Formeln das Feld eines ungleichförmig bewegten Elektrons 
dar. Sie sind insbesondere darum von Interesse, weil sie die 
Wellenstrahlung eines beschleunigten Elektrons enthalten. 

Wir schreiben die Ausdrücke (63, 64) der elektro- 
magnetischen Potentiale folgendermaßen: 

(69) * = -, « = -, 

^ ^ S 8C 

wobei wir abkürzungsweise 

(69a) s = r(l-^) = r-i(tir) 

setzen. 

Dabei bedeutet t den Radiusvektor, der von der bewegten 
Punktladung nach dem festen Aufpunkte P gezogen ist. Wir 
nehmen die Bewegung der Punktladung als gegeben an, und 
betrachten demnach t als bekannte Funktion von t'. Die Ge- 
schwindigkeit des Elektrons zur Zeit t^ ist 

(69b) t. = - |i, 

deren Komponente parallel dem nach dem Aufpunkte hin- 
gezogenen Radiusvektor: 

(69c) ^r = -%- 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Pnnktladung. 93 

Femer ist die Beschleunigung, die das Elektron zur Zeit t' 
erfahrt: 
(69d) « - ^ . 

Der zur Zeit t' von der Ponktladnng entsandte Beitrag 
trifFt nun nach Durchlaufdng des Latensweges r im Aufpunkte P 
ein, also zur Zeit 

(70) t-i' + j- 

Ist anderseits der Aufpunkt P gegeben, und die Zeit t des 
Eintreffens der Störung in P, so ist, durch Gleichung (70), die 
Zeit t' des Entsendens in eindeutiger Weise bestimmt. Es ist 
diejenige Zeit, zu der die auf den Au^unkt hin sich mit Licht- 
geschwindigkeit kontrahierende Engel die Punktladung trifft. 
Für den hier behandelten Fall der Unterlichtgeschwindigkeit 
ist Zeit und Ort des Treffens eindeutig bestimmt, wenn die 
Bewegung der Ladung gegeben ist. 

Bei gegebenem Aufpunkt ordnet sich, gemäß (70), einer 
jeden Zeit t des Eintreffens eine Zeit-^' des Entsendens zu. 
Dem Übergang zur Zeit t + dt des Eintreffens entspricht, bei 
festgehaltenem Au^unkt, ein Übergang zur Zeit f+dt' des 
Entsendens; dabei ist, nach (70), 

^'^ dt'^ c df dt^ 
oder, nach (69 c und a), 

c 

Diese Relation ist dem Sinne nach durchaus mit der 
Gleichung (64 c) identisch. Sie unterscheidet sich von ihr nur 
der Form nach, indem wir dort totale, hier partielle Diffe- 
rentiationszeichen gebrauchen. Das geschieht darum, weil wir 
den Aufpunkt P nicht ein für allemal festhalten, sondern es 
uns vorbehalten, bei festgehaltener Zeit, den Au^unkt P zu 
verrücken. Einer solchen Yerrückung des Aufpunktes würde 
eine Änderung der Zeit f des Entsendens entsprechen, die 
wir in kartesischer Schreibweise durch die partiellen Differential- 



94 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen» 

quotienten nach den Koordinaten des Anfpnnktes auszudrücken 
hätten. In vektorieller Schreibweise wird die Veränderung 
Ton t^ bei Verschiebung des Au^unktes durch den Gradienten 
Ff sich ausdrücken. Nach (70) ist 

c 

Bei der Berechnung des Grradienten von r ist nun mit 
Vorsicht zu verfahren. Würde nur der Au^unkt verschoben 
und der Ort der Punktladung festgehalten^ so würde der 
Gradient des Abstandes r mit dem vom Elektron zum Auf- 
punkte hinweisenden Einheitsvektor t^ identisch sein. Nun 
entspricht aber der abgeänderten Zeit t' des Entsendens eine 
Verrückung der Punktladung^ die zu einer Abstandsänderung 

dr 
di 
Veranlassung gibt. 

Es wird demnach 



Ft'^-trP't' 



o = (i-^)r^'+it,. 



Hieraus folgt , mit Bücksicht auf (70 a) 

(70b) Ff ^%. 

Daneben ergibt sich 

(70c) ^»-"tilT- 

Würde man anderseits^ bei festgehaltenem Aufpunkte, 
r partiell nach der Zeit t differentiieren, so würde nur der 
Zuwachs des Abstandes infolge der Abänderung der Zeit t^ des 
Entsendens und der hierdurch bedingten Verrückung der Punkt- 
ladung in Frage kommen; es wird 

(70d) __==^_ _=._|,^_. 

Durch partielle Differentiation nach der Zeit und nach 
dem Orte des Aufyunktes sind aus den elektromagnetischen 
Potentialen (69) die Feldstärken, gemäß (28) und (29), ab- 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Punktladnng. 95 

zuleiten. Um diese Differentiationen durchführen zu können^ 
müssen wir noch angeben ^ wie s und li nach Zeit und Ort zu 
differentiieren sind. Was zunächst s anbelangt, so ist dasselbe, 
nach (69a), bei gegebenem Aufpunkte nur von t' abhangig. 

Man hat daher 

ds ds dt* 

~dt~'dt' dl^ 
und, nach (69 a bis d): 

Der Gradient von ^ hingegen ist 

c ^ ^ 

Wie bei der Berechnung des Grradienten von r, so ist auch 
bei der Berechnung des Grradienten des skalaren Produktes 

zu beachten, daß nicht nur der Aufpunkt verschoben wird, 
sondern daß dem verschobenen Au^unkte sich, gemäß (70), 
ein anderer Qrt der Punktladung zuordnet. Die a;-Komponente 
des bei festgehaltener Punktladung genommenen Gradienten 
von (II t) ist 

acut) 

Es ist demnach der erste Bestandteil des Gradienten gleich ti. 
Der zweite, infolge der Verrückung der Punktladung hinzu- 
tretende Bestandteil ist 



d{1»x) 



!)rr = {(iit)-ii« 



Fi\ 



dt' 
Es wird demnach, gemäß (70b) 

r(tit) = li-^j(iit)-li^ 
Mit Bücksicht auf (70c) folgt endlich als Gradient von s: 

(71a) rs=.r,{l+i(i.r)-";)^'-^ 



dt^ 

dt 



96 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegnug der einzelnen Elektronen. 

Was die partiellen Differentialqnotienten von i nach t, x, y, z 
anbelangt y so gilt^ da ti nar von V abhängt^ nach (69 d) 

In entsprechender Weise gilt z. B. 

dy ""■•'ay' de '^^^dz' 
Daher ist die a?-Eomponente von curl i 

an, ^^if^rr^f Hl 

Entsprechende Ausdrücke gelten für die übrigen Kompo- 
nenten; wir &S8en sie, Gleichung '(70b) berücksichtigend, zu 
der Yektorgleichui^ zusammen: 

(71c) curlti=i[j.t,]|^. 

Wir haben jetzt die Mittel gewonnen, am auf Grand der 
Formeln (28, 29): 

§ = curl Ä 
aus (69) das elektromagnetische Feld abzuleiten. Wir erhalten 

Nach (71a) ist hier zu setzen 
Femer folgt aus (71) und (70a) 



mithin 






Mit Bücksicht auf (71b) und (70 a) wird demnach der 
folgende Ausdruck des elektrischen Vektors erhalten: 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlimg einer bewegten Pnnktladnng. 97 

dabei ist^ abkürzimgsweise^ 

(72a) ^«»^ 

gesetzt worden. * 

Der magnetische Vektor hingegen wird, nach B«gel (x) 
in I, S. 438 

§„lcurl{|]-;^cnrH,+^^[tl,F4 

Hierin sind die Ausdrücke (71c) und (71a) einzniaugen, 

und es ist wieder^ nach (70a); s durch r und (-^j auszudrücken. 
Dann folgt^ als Ausdruck des magnetischen Vektors^ 

■ ('8)»-,^.[»,.](^)'+.-i,[..j|l-^+J,(».))(^)' 

Die Formeln (72) und (73) stellen das elektro- 
magnetische Feld einer beliebig bewegten Punkt- 
ladung dar.^) Die elektrische Feldstärke setzt sich aus zwei 
Vektoren zusammen. Der erste Vektor ist der Beschleunigung 
der Punktladung zur Zeit t^ entgegengerichtet. Der zweite 
Vektor ist parallel zu 

(73a) « = r{t,^|}=«t-lif 

um diesen Vektor geometrisch zu interpretieren, gehen 
wir auf die Abbildung (2) des vorletzten Pan^aphen zurück. 
Wir haben es hier allerdings nicht, wie dort, mit gleich- 
förmiger, sondern mit ungleichförmiger Bewegung zu tun. 
Betrachten wir indessen, statt der wirklichen Bewegung, eine 
solche, die gleichförmig mit der Geschwindigkeit ti erfolgt, 
welche die Punktladung gerade zur Zeit t' des Entsendens 

f 

1) Ich habe diese Formeln ohne Angabe des Beweises in den Vor- 
lesnngen vorgetragen, die ich im Wintersemester 1901/02 an der üni- 
versitöt Göttingen über die Theorie der elektromagnetischen Strahlung 
gehalten habe. Einen Beweis veröffentlichte E. Schwarzschild, Göttinger 
Nachrichten 1908, S.132. 

Abraham, Theorie der Elektrisit&t. IL 7 



98 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

(im Punkte E*) besafi; so wird sie während der Latenszeit — 

die Strecke ^'jE= Ii • — beschreiben. W wird dann derVektor^P 

c 

der Figur 2, der von dem gleichzeitigen Orte des Elektrons 
nach dem Aufpunkte hin gezogen ist. Diesem Radiusvektor 
parallel weist der zweite Bestandteil des elektrischen Vektors. 
Bei einer wirklich gleichförmigen Bewegung geht er in (67d) 
über. 

Den magnetischen Vektor können wir in der Form schreiben: 

(73b) § = [tx«]; 

derselbe steht mithin senkrecht auf dem vom Orte des Ent- 
sendens E^ nach dem Aufpunkte hin gezogenen Radiusvektor^ 
und auf dem elektrischen Vektor. 

Wir sind nunmehr in der Lage^ den allgemeinen Aus- 
druck der elektromagnetischen Ejraft anzugeben^ welche die 
Punktladung e auf eine zweite, zur Zeit t den Aufpunkt P 
mit der Geschwindigkeit ti' passierende Punktladung e' ausübt. 
Diese Kraft ist, der Ghrundgleichung V gemäß, 



i'5 = .'{« + i[ti'§]) 



Durch Einführung von (73b) erhalten wir 



>'SJ = e'{« + i[tt'[t,«]]) 



und erkennen; dafi die Ej^ in der Ebene der Vektoren t^ 
und e liegt. Nach Regel (Ö) in Bd. I, S. 437 können wir 
auch schreiben 

(73c) e'ff = c'{«(l-'!^) + A(ö'g)}. 

Wir können diese Kraft mit K. Schwarzschild^) als „ele- 
mentare elektrodynamische Kraft^^ bezeichnen. Dieselbe 
hängt ab von Geschwindigkeit und Beschleunigung der Ladung e 
zur Zeit des Entsendens, und von der Geschwindigkeit der 



1) K. SchwarzBchild, Gott. Nachr. 1903, S.182. 



Zweites EapiteL Die Wellenstrahlung einer bewegten Punktladung. 99 

Ladung e'^ auf welche die Kraft wirkt; zur Zeit des Ein- 
treffens der Erregung. 

In der Femwirkungstheorie der Elektrodynamik stellte 
man ein Elementargesetz f&r die Wechselwirkung zweier elek- 
trischer Ladungen an die Spitze und suchte auf dieses die ganze 
Theorie zu begründen. Wir haben , den Vorstellungen der 
Maxwellschen Theorie gemäß ^ die einfache und exakte Grund- 
lage der Elektrodynamik in den Differentialgleichungen des 
elektromagnetischen Feldes gesehen. Als entfernte Folgerung 
jener Grundgleichungen hat sich nunmehr ein Elementargesetz 
f&r die Wechselwirkung zweier Elektronen ergeben; dasselbe 
ist indessen weder einfach, noch in Strenge gültig. Wissen 
wir doch; daß das wirkende Elektron nur dann als Punkt- 
ladung betrachtet werden darf, wenn die Bedingungen (63 a) 
und (63 b) erfüllt sind. Nur in dem durch diese Bedingungen 
eingeschränkten Gültigkeitsbereiche wird man mit dem Ele- 
mentargesetze (73 c) operieren dürfen. Innerhalb dieses Be- 
reiches kann man, wenn die Bewegung des ersten Elektrons 
vorgegeben ist, aus Gleichung (70) für jeden Ort des zweiten 
Elektrons die zugehörige Zeit t* des Entsendens, und aus (73 c) 
die zur Zeit t auf das zweite Elektron ausgeübte Ej^ft er- 
mittehi. Um aber die Rückwirkung auf daß erste Elektron 
berechnen zu können, muß man die Beschleunigung kennen, 
welche diese Kraft dem zweiten Elektron erteilt; hierfür reichen 
jedoch die bisherigen Entwickelungen keineswegs aus. Viel- 
mehr werden wir zur Berechnung der Bewegung eines Elek- 
trons bei gegebener Erafi; erst im nächsten Kapitel die Hilfs- 
mittel gewinnen. Dort werden wir auf die Grundgleichungen 
I bis y zurückgehen, und in einfachen Fällen näherungsweise 
gültige Lösungen derselben ermitteln. Solange uns die Lösung 
des „Einelektronproblemes^^ noch unbekannt ist, kann uns das 
Gesetz der elementaren elektrodynamischen Kraft nur von ge- 
ringem Nutzen sein. Es bestimmt zwar die Kraft, aber nicht 
die Bewegung, welche sich die beiden Elektronen gegenseitig 
mitteilen; es führt nicht einmal zur Aufstellung der Differential- 
gleichungen des ;,Zweielektronenproblemes^^ 

7* 



100 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Wir kehren zurück zu den Formeln für das elektro- 
magnetische Feld. Nach (73 b) ist 

[§t,] = - [t, [ti«]] = « - 1, (t,9). 
Da nuU; nach (72)^ sich ergibt 

80 folgte mit Bücksicht auf (70 a): 

C«) - ^ (1 - « Q'. , 



und somit 
(73d) 



dt'\* 



« = L§tj + y(i-/8«)(^) 



eine Formel; die der Formel (73b) als Gegenstück gegenübertritt. 
In der Wellenzone, wo die Feldstärken umgekehrt pro- 
portional der Entfernung r abnehmen, vereinfachen sich die 
Ausdrücke (72, 73) der Vektoren 9, §. Es wird 

Berücksichtigen wir, dafi nach (70a) 

dt' ^ 1 1 

dt ^ ür'"^ (ürQ^ 

und daß daher 

(..,..-!)-l-<-^-l:f^) 
ist, so erhalten wir 



•-^(w)lK-il(".)-»(n,..-|) 



f; 



oder, nach Regel d in Bd. I, S. 437 



(74) 



^ e (dt\^ r II .1 



Dabei ist 



(74a) 



\=. 



ft 



wo W den durch (73 a) definierten und oben geometrisch ge- 
deuteten Vektor vorstellt. In der Wellenzone steht, nach 



Zweites EapiteL Die WeUenfltrahlting einer bewegten Ponktladnng. 101 

(74)^ der elektrische Vektor senkrecht auf dem Badius- 
yektor t^ der von dem Orte des Entsendens aus kon- 
struiert ist. Er liegt in der Ebene der Vektoren tt 
und i. Die Formel (73 d) geht in der Wellenzone über in 

(74b) <S = [§tj; 

da anderseits allgemein (73b) gilt, so folgt: in der Wellen- 
zone stellen (t, ^ und r^ ein System dreier wechsel- 
seitig aufeinander senkrechter Richtungen dar; der 
elektrische Vektor ist dem Betrage nach dem magne- 
tischen gleich. Der Strahlvektor 

(74c) «=^[«§] = ^[«[t,«]] = ,,^e« 

weist parallel dem von der Punktladung aus ge- 
zogenen Badiusvektor. 

Es liegen demnach hier durchaus dieselben Verhaltnisse 
Tor; wie in der Wellenzone eines ruhenden Dipoles (ygL § 9). 
Die jetzt erhaltenen Formebi müssen natürlich, wenn man zu 
langsamer Bewegung des Elektrons übergeht, in die damals 
aufgestellten Formeln (54) übergehen. Das trifiPt in der Tat 
zu; denn nehmen wir |ti{ klein gegen c an, und setzen dem- 

gemäfi -^ » 1^ so ergibt (74) denselben Ausdruck von 4E, 

welcher dort aus (54) und (54 a) folgte. Die nunmehr ge- 
wonnenen allgemeinen Formeln für die Feldstarken der ent- 
sandten Wellen unterliegen nicht den Einschränkungen, unter 
denen wir dort das Problem der Lichtstrahlung behandelten. 
Die hier abgeleiteten Relationen bestimmen die 
Wellenstrahlung, die von einem beschleunigten Elek- 
tron ausgesandt wird, auch dann, wenn die Ge- 
schwindigkeit des Elektrons von der Ordnung der 
Lichtgeschwindigkeit wird. Nur die Überlichtgeschwindig- 
keit, die unmittelbare Nachbarschaft der Lichtgeschwindigkeit, 
sowie der Fall einer außerordentlich raschen, stoßartigen Ge- 
schwindigkeitsänderung sind durch die Bedingung (63b), die 
allen unseren Entwickelungen zugrunde liegt, ausgeschlossen. 
Li den beiden nächsten Paragraphen werden wir weitere Folge- 



102 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

rungen aus unseren Resultaten ableiten. Wir werden die ge-^ 
samte Energie und Bewegungsgröße berechnen^ die von einer 
rasch bewegten Punktladung ausgestrahlt wird; und werden 
alsdann die Bückwirkung der Strahlung auf die bewegte Ladung; 
in allgemeinerer Weise als im § 9; bestimmen. 

§ 14. Theorie des bewegten lenohtenden Punktes. 

Die Kenntnis der Energie und der Bewegungsgröße; die 
ein beliebig rasch bewegtes Elektron bei einer Geschwindigkeits- 
änderung ausstrahlt; ist; entsprechend der Mannigfaltigkeit der 
von der Elektronentheorie umfaßten Vorgänge; in mehrfacher 
Hinsicht von Wichtigkeit. Erstens kann man auf Grrund dieser 
Kenntnis sich ein urteil darüber bilden; inwieweit es gestattet 
ist; bei einer ungleichförmigen Elektronenbewegung die Energie 
und die Bewegungsgröße als vom bewegten Elektron mit- 
geführt anzusehen. Bei einer stationären geradlinigen Be- 
wegung ist das stets gestattet; diese stellt eine reine Konvek- 
tionsstrahlung dar. Die ungleichförmige Bewegung ist keine 
reine Konvektionsstrahlung; ein Teil der Energie und Be- 
wegungsgröße wird dabei in Wellenstrahlung verwandelt. Bei 
wenig beschleunigten ;;quasistationären'' Bewegungen kommt 
jedoch die ausgestrahlte Energie und Bewegungsgröße gegen- 
über der mitgeführten kaum in Betracht; sie kann bei manchen 
Aufgaben; z. B. bei der Ermittelung der Beschleunigung und 
Ablenkung der Elektronen durch äußere Felder; ganz vernach- 
lässigt werden. Wann diese Vernachlässigung gestattet ist; 
und wann nicht; ds^ kann man dann beurteilen; wenn man 
die ausgestrahlten Anteile der Energie und der Bewegungs- 
größe kennt. 

Treffen die im Kathodenstrahle bewegten Elektronen auf 
die Antikathode; so werden sie vermutlich; in das Innere 
eindringend; von den Molekülen der wägbaren Materie wieder- 
holt aus ihrer Bahn abgelenkt. Hier wird die entsandte 
Wellenstrahlung von Bedeutung; nach der Stokes-Wiechertschen 
Hypothese ist sie mit der von der Antikathode ausgehenden 
Röntgenstrahlung identisch (vgl. § 3). Die Beziehung zur 



Zweites Kapitel. Die WelleiiBtrahliiiig einer bewegten Punktladnng. 103 

Theorie der Bontgenstrahlen verleiht den Entwickelnngen 
dieses Paragraphen ebenfalls ein gewisses Interesse. 

Drittens aber ist die Kenntnis der allgemeinen Gesetze 
der WeUenstrahlung einer beschleunigten Punktiadnng für 
die Optik bewegter Körper von Bedeutung. Wir haben in 
§ 9 ein elektromagnetisches Modell des ruhenden licht- 
entsendenden Moleküles kennen gelernt; wir nahmen an^ daß 
es aus einem ruhenden positiven und einem schwingenden 
negativen Elektron besteht^ und zeigten (§ 10); daß die normale 
Form des Zeeman- Effektes durch dieses denkbar einfachste 
elektromagnetische Modell erklärt wird. Hat man es nun mit 
einem bewegten Molekül zu tim, so wird man in konsequenter 
Verfolgung jener Vorstellung ein positives und ein negatives 
Elektron sich denken müssen; die Bewegung des positiven ist 
durch die Bewegung des Moleküles bestimmt^ während das 
negative Elektron um das bewegte positive sdiwingt. Ein 
solcher bewegter und gleichzeitig schwingender elek- 
trischer Dipol stellt das einfachste Modell des be- 
wegten leuchtenden Punktes dar. Vorzugsweise mit 
Bücksicht auf das Problem des bewegten leuchtenden Punktes 
werden wir in diesem Paragraphen unsere Ansätze verfolgen. 

Bevor wir dazu übergehen^ wollen wir unsere Theorie zu 
einigen allgemeineren Prinzipien in Beziehung setzen^ die für 
die Optik bewegter Körper von fundamentaler Wichtigkeit 
sind. Wir denken uns wieder den ruhenden Aufpunkt P und 
den bewegten Dipol^ der jetzt mit dem bewegten leuchtenden 
Punkte identifiziert wird; wir verstehen unter t^ die Zeit, 
zu der das Licht von dem bewegten Punkte ausgesandt wird, 
unter t die Zeit, zu der es den ruhenden Punkt P erreicht. 
Diese beiden Zeitpunkte sind durch die Relation (64 a) ver- 
knüpft; aus ihr leiteten wir die Beziehung (64c) ab; wir 
wollen dieselbe schreiben 

^^^^ dt l-ßcostp' 

indem wir mit ß das Verhältnis der Geschwindigkeit {li| des 
leuchtenden Punktes zur Lichtgeschwindigkeit bezeichnen, und 



104 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

mit (p den Winkel^ den zur Zeit {f) des Entsendens der 6e- 
schwindigkeitsvektor d mit dem nach dem Aui^unkte hin 
gezogenen Radiusvektor t einschloß. Das in dem Zeit- 
elemente df von dem bewegten leuchtenden Punkte 
entsandte Licht passiert den ruhenden Punkt P in 
dem durch (75) bestimmten Zeitelement dt. 

Die Gleichung (75) stellt die allgemeine Fassung des so- 
genannten ^^Dopplerschen Prinzipes^' fÖr eine bewegte 
Lichtquelle dar. Wir gelangen zu der gewohnlichen Fassung 
dieses Prinzipes, indem wir die Gleichung auf den Fall perio- 
discher Schwingungen des lichtentsendenden Dipols anwenden; 
wir bezeichnen mit r', v^ Schwingungsdauer und Frequenz der 
Schwingungen des Dipols^ mit r, v hingegen diejenige Schwin- 
gungsdauer und Frequenz^ welche der ruhende Beobachter 
in P wahrnimmt. Erfolgt die translatorische Bewegung des 
leuchtenden Punktes während einer Schwingung merklich 
gleichförmig und geradlinig, so gilt die Beziehung (75), welche 
die Zeitelemente des Entsendens mit denen des Auffangens 
verknüpft, auch für die gesamte Dauer der in der Lichtquelle 
bzw. in dem ruhenden Aufpunkte P stattfindenden Schwin- 
gungen; es wird 



(75 a) 



t' V 



v' 1 — /? cos 9 



und das ist eben die gewöhnliche Fassung des Dopplerschen 
Prinzipes: Die Schwingungsdauer x der wahrgenom- 
menen Schwingungen wird verkleinert, wenn der 
leuchtende Punkt dem Beobachter sich nähert (9) ein 
spitzer Winkel), sie wird vergrößert, wenn der leuch- 
tende Punkt sich vom Beobachter entfernt (9) ein 
stumpfer Winkel). Bei Annäherung der bewegten Lichtquelle 
werden demnach alle Spektrallinien nach der violetten, bei 
Entfernung nach der roten Seite des Spektrums verschoben. 
Das gilt, wenn der Beobachter ruht. Bewegt er sich 
dagegen mit der Geschwindigkeit d*, so braucht die Welle, 
die in der Zeit dt den ruhenden Punkt P passiert, die Zeit 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Panktladang. 105 
(75b) dt* = ^ = i-pfcosy* 

um über den bewegten Punkt hinwegzustreichen. Es gilt 

folglich 

/fyp' \ d** __ 1 — p cos qp 

^ ^^ dt' "" l-/J*COBq)** 

Dieses ist die allgemeinste Fassung des Doppler- 
schen Prinzipes. Sie fußt im Grunde nur auf der Rela- 
tion (64a); diese aber sagt nichts anderes auS; als daß die 
Lichtfortpflanzung im Baume nach allen Seiten hin mit der 
gleichen Geschwindigkeit (c) erfolgt und daß das Licht seine 
Geschwindigkeit weder infolge der Bewegung der Lichtquelle^ 
noch infolge der Bewegung des Beobachters ändert. Nur diese 
Grundvoraussetzung der elektromagnetischen Lichttheorie kommt 
bei der Ableitung des Dopfilerschen Prinzipes ins Spiel. Es 
sind demnach nur die Feldgleichungen für den Äther^ nicht 
die sonstigen Voraussetzungen der Elektronentheorie^ die dem 
Dopplerschen Prinzipe zugrunde liegen. 

Für periodische Lichtschwingnngen bestimmen sich die 
Schwingungsdauer t* und die Frequenz t;*, welche der be- 
wegte Beobachter wahrnimmt^ folgendermaßen: 

(75d) ^ = ^ = /-;^^^ - 

Bewegen sich Lichtquelle und Beobachter einander parallel 
mit einer nach Richtung und Betrag konstanten Geschwin- 
digkeit; so ist 

ß* = ß, (!p* = y; 

es folgt demnach aus (75 C; d) 

(75e) g* = l, T*-r', v* = v'. 

Bei gemeinsamer Translationsbewegung der Licht- 
quelle und des Beobachters fallt die Dopplersche 
Korrektion fort. Der bewegte Punkt P wird in der gleichen 



106 Srster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Zeit dt^ von der Welle überstriclien; in der die Welle von der 
bewegten Lichtquelle entsandt wurde; eine Farbenandening 
infolge der Bewegung findet nicht statt. Wie wir wissen 
(I^ S. 433); befindet sich die Erde in einer ^^absoluten^' Be- 
wegung; irdische LichtqueUen und irdische Beobachter führen 
im Räume eine gemeinsame Translationsbewegung aus. Der 
obige Satz lehrt nun^ daß die Periode des wahrgenommenen 
Lichtes mit der Periode der in der irdischen Lichtquelle statt- 
findenden Schwingungen identisch ist. 

Die zur Zeit t' vom leuchtenden Punkte ausgehende 
Störung wird, zur Zeit t, eine Kugelfiache vom Badius 
r =^ c(t — t') einnehmen. Wir wählen die Zeit t so groß, daß 
die Kugel sich bereits bis zur Wellenzone ausgedehnt hat. 
Hier sind die Feldstarken diejenigen, die wir am Schlüsse des 
vorigen Paragraphen kennen lernten. Da die Beträge der 
Feldstärken einander gleich sind, so ist die elektrische Energie- 
dichte der magnetischen gleich; die gesamte Energiedichte ist 



^(«^+«1=Ä«*- 



8 

Wir bezeichnen mit do den körperlichen Winkel, unter 
dem ein Flächenelement der Eugel vom Mittelpunkte aus ge- 
sehen wird. Die Breite der in der Zeit dt^ entsandten Welle 
beträgt cdt, da die mit Lichtgeschwindigkeit forteilende Welle 
in der Zeit dt über den ruhenden Aufpunkt forteilt; dabei 
ist dt durch df gemäß dem Dopplerschen Prinzip zu be- 
stimmen (Gleichung 75). Die Energie der im Zeitelemente dt^ 
entsandten Welle betnLgt demnach 



'^fd(ofS'dt = dt''^fd(o(B 



g dt 
dt' 



Dieselbe ist zwischen zwei exzentrischen Eugelfiächen ent- 
halten; die Kugelflächen expandieren sich mit Lichtgeschwin- 
digkeit; dabei nimmt (B* umgekehrt proportional zu r^ sh, so 
daß die gesamte Energie des Wellenimpulses bei der Aus- 
breitung im Räume sich nicht ändert. Diese Energie ist in 
der Zeit dt^ von der bewegten Lichtquelle in den Raum ent- 



Zweites KapiteL Die Wellenstrahlnng einer bewegten FnnktladTing. 107 

sandt worden. Die pro Zeiteinheit ausgestrahlte Energie 
beträgt 






doe«^* 



dt' 



Wir können die Strahlung des leuchtenden Punktes auch 
auf einem anderen Wege berechnen^ nämlich auf Grund des 
Poyntingschen Satzes. Der Poyntingsche Vektor weist, nach 
Gleichung (74 c), parallel dem Eugelradius, es wird mithin 
seine in Richtung des Radius genommene Komponente mit 
seinem Betrage identisch: 

(76a) @, = 5=^«l 

Der Poyntingsche Satz bestimmt nun (vgl. § 4) den Energie- 
strom, der in der Zeiteinheit durch die Flächeneinheit einer 
ruhenden Fläche hindurchtritt. Dieser „absolute Energie- 
strom'' ist gleich der Normalkomponente des Vektors ®. 
um mit Hilfe des Poyntingschen Satzes die ausgestrahlte 
Energie zu bestimmen, müssen wir den leuchtenden Punkt 
durch eine ruhende Fläche einschließen; wir wählen zweck- 
mäßigerweise eine Kugel, welche zur Zeit t gerade mit. der 
zur Zeit f entsandten Kugel koinzidiert. Dabei dürfen wir 
aber nicht übersehen, daß die Zeit, während deren die in der 
Zeit df Yon dem bewegten leuchtenden Punkte entsandte 
Welle durch die Kugel tritt, nicht an allen Punkten der Kugel 
die gleiche ist. Sie bestimmt sich, gemäß dem Dopplerschen 
Prinzip, für die verschiedenen Punkte der Kugel in verschie- 
dener Weise; es ist eben die Zeit, die wir oben (in Glei- 
chung 75) mit dt bezeichnetenT Will man mit Hilfe des 
Poyntingschen Satzes die Energie bestimmen, die 
von einem bewegten leuchtenden Punkte entsandt 
wird, so hat man die Zeit, während deren die Welle 
durch die Elemente der ruhenden Fläche tritt, dem 
Dopplerschen Prinzipe gemäß zu berechnen. Die in 
der Zeit dt* entsandte Strahlung wird dann, nach (76a), 

dt 



'fda}8dt^dt''^fd(o(&' 



108 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Man sieht sofort, daß für die sekundliche Strahlung der 
bewegten Lichtquelle ein Ausdruck folgt^ der mit (76) genau 
übereinstimmt. 

Man kann nun aber auch statt der ruhenden Fläche eine 
dem leuchtenden Punkte parallel mitbewegte Fläche zugrunde 
legen. Für eine solche fallt , wie wir oben zeigten, die 
Dopplersche Korrektion fort. Die in der Zeit dt' entsandte 
Welle tritt in dem gleichen ZeitintervaU df durch die gleich- 
formig mitbewegte Fläche. Auf eine bewegte Fläche ist 
aber der Poyntingsche Satz nicht ohne weiteres an- 
zuwenden. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß zu dem 
absoluten elektromagnetischen Jhiergiestrom, der nach der 
Poyntingschen Theorie im Baume stattfindet, derjenige Energie- 
strom tritt, der allein eine Folge der JBewegung der Fläche 
ist. Der letztere beträgt pro Flächeneinheit 

wenn ü^ die parallel der äußeren Normalen genommene Kom- 
ponente der Geschwindigkeit der bewegten Fläche ist; denn 
die Energie, die infolge der Bewegung der Fläche in der Zeit- 
einheit durch die Flächeneinheit tritt, ist gleich ü^, multi- 
pliziert mit der Energiedichte; sie tritt bei der Bewegung von 
außen nach innen; ®y, die Normalkomponente des Poynting- 
schen Vektors, gibt dagegen den durch die Veränderung des 
Feldes allein bedii^en, von innen nach außen tretenden 
Energiestrom an. Die Differenz 

(76b) «,_^ [«.+ §.} 

stellt den Energiestrom durch die bewegte Fläche, oder, wie 
wir sagen wollen, den „relativen Energiestrom" dar. 

Die Anwendung auf unsere, den gleichförmig bewegten 
leuchtenden Punkt einschließende mitbewegte Kugel ergibt, 
da die Geschwindigkeit der Kugel mit ihrer Normalen den 
Winkel 9? einschließt, und da in der Wellenzone 6^ = §^ ist, 
gemäß (76 a) 



Zweites Kapitel. Die WellenstraMnng einer bewegten Panktladnng. 109 

ir(c-n.|co8 9,) = -i^e«(i-^co8y) 



4« ^ ' ' ^^ 4L7e 



als Wert des relativen Energiestromes. Die in der Zeit- 
einheit durch die ganze Kugel hindurchtretende Energie wird 
demnach 



r*e r 



dieser Ausdruck stimmt^ nach (75); wiederum genau mit dem 
in (76) erhaltenen Werte für die in der Sekunde ausgestrahlte 
Energie überein. 

Die sinngemäße Anwendung des Poyntingschen Satzes 
ergibt demnach in jedem Falle den richtigen Wert für die 
Strahlung, die Yon der bewegten Lichtquelle entsandt wird. 
Dabei kann man eine ruhende oder eine mitbewegte Fläche 
der Anwendung des Poyntingschen Satzes zugrunde legen. 
Im ersteren Falle ist die Dopplersche Korrektion zu berück- 
sichtigen; im letzteren Falle fallt zwar die Dopplersche 
Korrektion fort, es ist jedoch der Poyntingsche Satz mit 
Bücksicht auf die Bewegung der. Fläche zu korrigieren. 

Das Dopplersche Prinzip und der Poyntingsche Satz sind 
die Grundpfeiler der Strahlungstheorie. Derjenige, der sich 
mit ihnen nicht gründlich vertraut gemacht hat, ist den Pro- 
blemen der Optik bewegter Körper nicht gewachsen. Denn 
es wird ihm nicht gelingen, zwischen der Skylla des Doppler- 
sehen Prinzipes und der Gharybdis des Poyntingschen Satzes 
unversehrt hindurchzusteuem. 

Neben der ausgesandten Energie ist für die Mechanik des 
bewegten leuchtenden Punktes die ausgesandte Bewegungs- 
größe von Wichtigkeit. Wie wir in § 5 allgemein gezeigt 
haben, ist die Dichte der elektromagnetischen Bewegungsgröße 
dem durch c^ dividierten Strahlvektor gleich. In der Wellen- 
zone des leuchtenden Punktes ist mithin, nach (74c), die 
Dichte der Bewegungsgröße 



8 = ti "^^ 



1 10 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Dieser Vektor ist an Stelle der Energiedichte —& in 

die Formel (76) einzusetzen^ um die in der Zeiteinheit 
Ton dem bewegten leuchtenden Punkte entsandte 
Bewegungsgröße zu erhalten: 

In (76) und (77) ist unter % die Feldstärke der vom 
bewegten leuchtenden Punkte entsandten Wellen zu verstehen. 
Handelt es sich um eine gleichförmige geradlinige Bewegung 
des leuchtenden Punktes^ so ist nach der Vorstellung^ die wir 
uns von dem Vorgange in der Lichtquelle machten^ das posi- 
tive Elektron in gleichförmiger^ geradliniger Bewegung be- 
griffen, während das negative Elektron kleine Schwingungen 
um das positive ausfOhrt. Wir wollen voraussetzen, daß die 
Geschwindigkeit der Schwingungsbewegung klein ist gegen 
diejenige der gemeinsamen Translation. Alsdann ist unter ü 
in (74) der konstante Geschwindigkeitsvektor der bewegten Licht- 
quelle zu verstehen. Der daselbst auftretende Vektor (vgl. 73 a) 

(77a) « = r(t,-'|)=tr-lij 

gewinnt in diesem FaUe eine vereinfachte Bedeutung. Es ist 
(vgl. Abb. 2 in § 12) der Radiusvektor, der nach dem Auf- 
punkte von dem gleichzeitigen Orte des Elektrons aus ge- 
zogen ist. 

Das gleichförmig bewegte positive Elektron trägt nichts 
zur Strahlung bei; denn die Feldstärken des von ihm erregten 
Feldes nehmen mit dem Quadrate des Abstandes ab und ver- 
schwinden in der Wellenzone gegen diejenigen des schwin- 
genden negativen Elektrons. Wir können mithin für (S den 

dt' 
Ausdruck (74) einführen. Dabei ist ^ dasselbe (vgl. 70 a), 

was wir jetzt als Dopplersche Korrektion bezeichnet und, auf 

einen festgehaltenen Aufpunkt uns beziehend, -tt geschrieben 

haben. Nach (75) wird daher 

(^^^) «=° .c'(X-;cos.)» ['^^-7>']]- 



Zweites Kapitel. Die WellenBtrahlung einer bewegten Ponktladong. m 

Unter H ist dabei die konstante Geschwindigkeit des 
leuchtenden Punktes zu yerstehen, unter i die Beschleunigung 
des schwingenden negativen Elektrons. Es ist zu betonen^ 
daß die obigen Einschränkungen sich nnr auf die Anwendung 
beziehen^ die wir Yon unseren Formeln machen. Bändelt es 
sich um die Energie und Bewegungsgroße , die yon einem 
einzehien beschleunigten Elektron ausgesandt werden^ so sind 
unsere Formeln in dem Bereiche gültig, den wir bereits in 
§11 umgrenzten; ü und li stellen dann die Geschwindigkeit 
und die Beschleunigung dar, welche dem Elektron zur Zeit t' 
des Entsendens erteilt wurden. Nur die Anwendung auf die 
Theorie des bewegten schwingenden Dipols gründet sich auf 
die erwähnte yereinf achende Annahme, daß der periodische 
Teil yon ü klein ist gegen den konstanten, die Translations- 
geschwindigkeit des Dipols darstellenden TeiL 

Nach Regel d in Bd. I, S. 437 ist 

[ti[ti-^i]]={ti--J|(in)-6(l-^cos()p). 

Berücksichtigt man nun, daß 

(77c) (n - ") = ^^l + ß'-2ß cos g>, 

SO erhält man 

+ |(i»«)(««ti)(l-/»cos9)), 

wobei übrigens, nach (74c), durch CS^ zugleich der Strahl- 
Tektor bestimmt ist: 



(77e) ® = 'iii 



2 



Wir ziehen zunächst zwei spezielle Fälle in Betracht, 
nämlich erstens den Fall, daß die Schwingungen des negatiyen 
Elektrons parallel, und zweitens den, daß sie senkrecht zur 
Bewegnngsrichtung der Lichtquelle erfolgen. 



112 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegimg der einzelnen Elektronen. 

I. Longitndinal schwingender Dipol. 

Hier gilt 

(i ti)* = b^ cos* q), 

- (i n) (i ti) «» i^ß cos 9?. 

Es wird daher aus (77 d) nach einigen Umformimgen 
/«QN ^t _ e'i'sin'y 

Die Einführung in (76) und (77) ergibt, bei Berück- 
sichtigung von (75), 

y„Q >. dWi e^i* I doi sin* tp 

für die ausgestrahlte Energie, und 

/7ftM — ^^1 _ ^*^* / * dco t^ sin* y 

für die ausgestrahlte Bewegungsgröße. 

n. Transversal schwingender Dipol. 

Hier gilt 

(H Ö) = und (ö t^y = 6* sin* 9? cos* g, 

wenn g den Winkel der Ebenen der Vektoren (H, i) und (H, r^) 
anzeigt, 9), g demnach Polarkoordinaten der Einheitskugel sind. 
Es wird 

Die Einfalming in (76) mid (77) ergibt 

(79b) -^•-^/^°>'^4 (i-/co,.p)' 

für die bei transversalen Schwingungen stattfindende 
Strahlung von Energie und von Bewegungsgröße. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlxmg einer bewegten Ponktladnng. 113 

Was die ausgestrahlte Bewegongsgröße anbelangt, so er- 
kennt man ohne weiteres, daß nur die der Bewegungsrichtung 
parallele Komponente Ton Null yerschieden sein kann. In der 
Tat, betrachten wir zwei Punkte der Einheitskugel, die sich 
in bezug auf die Bewegungsrichtung spiegelbildlich entsprechen, 
d. h. dasselbe g) und ein um 180^ yerschiedenes g besitzen, so 
sind die den beiden Punkten zugehörigen Einheitsvektoren t^ 
in (78 b) mit demselben Ausdruck multipliziert, und ebenso 
in (79 b). Es zerstören sich also die Beiträge der betreffenden 
Elemente der Einheitskugel hinsichtlich der zu ü senkrechten 
Komponenten, und es bleibt nur die zu ü parallele Komponente 
übrig. Führen wir die neue Integrationsyariable 

w = — cos tp 

ein, wodurch 

da) = öfwdg 

wird, so ergibt die Integration nach g: 

4-1 

^*^^J dt' 2c^J (X + ßuy' 

— 1 

+ 1 

^^^^) " "5F ^U^ßJ (x + ßu)^-' 

— 1 

1+1 +11 

r du _ !-/?« rdujX^u*) I 
J {1 + ßuy 2 J (1+ßuy y 

1+1 +1 I 

J (i+ßuy 2 J (i + ßur 



— 1 — 1 



Zur Auswertung der Integrale schreitend, setzen wir ab- 
kürzungsweise 

(80) x«=l-/5«. 

Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 3 



114 Enter Abscbnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 
Es gilt 



A 



+ 1 
du 



(1 + /?W)» X» 

— 1 
daher 

(9K(\^\ Ä^(-^) _l d r du 2ß 

i.ö^a; J (1 + ßu)' "" 2 d/?y (1 + /?u)« "= X*" 

— 1 —1 

Femer findet man leicht 

(«0») /<i|fe--i 



und folglich 

+ 1 +1 



/* duu* ^ l d* r du ^ 2(1 + 5/?») ^ 



— 1 — 1 

da außerdem 



-hl 

<lu 2(1 + /?*) 



Jll + ßu) 
-1 



ist; so wird schließlich 



3x< 

1 



Anderseits ergibt sich ans (80a): 

-i-l 4-1 

/ * duu * _t d fdu{-u) _ 2(1+8/?') 
(1 + ^t*)*- ^^dßj (l + ßuy^ 3x« ' 
— 1 —1 

nnd mit Bücksicht auf die leicht abzuleitende Beziehung: 

+ 1 



du 2(3 + /?«) 



J {i+ßuy 3x^ 

-1 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten FnnktladTing. 115 



— 1 

woraus endlich folgt: 



A 



+ 1 +1 

^ ^ 7 (1 + ^t*)^ ~4d/?^ (l+^u)* -Sic«" 

-1 —1 

Nach (79c, d) und (80c, d) wird die von longitudi- 
nalen Schwingungen des Dipoles ausgestrahlte Energie 
und Bewegungsgröße: 

dW^ 2c*i* 



(81) 
(81a) 



dt' 3c»x«' 



dV •^Sc^x« 

Aus (79e, f) hingegen, in Verbindung mit (80a bis d), 
folgt die von transversalen Schwingungen des Dipoles 
ausgestrahlte Energie und Bewegungsgröße: 

(81b) ^dTr,__2e|i«, 



(81c) 



dt' 3c»x*' 
dt' "^ Z c'^x'' 



Es ergibt sich also, bemerkenswerterweise, die 
Strahlung bei transversalen Schwingungen im Ver- 
hältnis X* = 1 — /J* kleiner, als bei longitudinalen 
Schwingungen. Bei langsamer Bewegung, wenn ß^ gegen 1 
zu vemach^ssigen ist, kommt natürlich dieser Unterschied 
nicht in Betracht. Alsdann gehen die Formeln (81) und (81b) 
in die Hertzsche Formel (55) für die Strahlung eines ruhenden 
Dipoles über. 

Die Formeln (81a, c) zeigen an, daß der bewegte leuchtende 
Punkt fortgesetzt elektromagnetische Bewegungsgröße in den 
Baum hinaussendet, und zwar überwiegt die der Bewegungs- 
richtung parallele Komponente. Da nun die Summe der im 
ganzen Baume enthaltenen Bewegungsgröße, elektromagnetische 

8* 



116 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

nnd mechanisclie zusammen^ den Ergebnissen des § 5 zufolge 
konstant sein muß, falls eine äußere Kraft an der Lichtquelle 
nicht angreift; so nimmt die Bewegungsgröße der Lichtquelle 
selbst pro Sekunde um den entsprechenden Betrag ab, d. h. 
es übt die ausgesandte Strahlung eine Beaktionskraft 
auf den leuchtenden Punkt aus^ welche der Bewegung 
entgegenwirkt. Dieselbe beträgt: 

(81d) Ä* = — 11-0-6-6 för longitudinale Schwingungen, 

& c n 
2 e^h^ 

(81e) Äg = — H^-ß— 4 für transversale Schwingungen. 

Dabei sind natürlich Mittelwerte über eine Schwingung zu 
nehmen. Um die Geschwindigkeit konstant zu halten , muß 
jene EJraft durch eine andere^ äußere Kraft äquilibriert werden. 

Wir gehen jetzt zu dem allgemeinen Falle über, wo das 
negative Elektron in der Lichtquelle ganz beliebige Schwin- 
gungen ausführt, so daß 6 mit ü einen ganz beliebigen, und 
auch im Verlaufe der Schwingungen periodisch wechselnden 
Winkel einschließt. Wir können dann setzen 

wo bi zu ü parallel, b^ zu ü senkrecht ist. Führt man dieses 
in (77 d) ein, so treten erstens Glieder auf, die zu b^* bzw. 
zu b^^ proportional sind; diese führen zu den soeben berechneten 
Werten der von der longitudinalen Komponente bzw. von der 
transversalen Komponente ausgesandten Strahlung. Zweitens 
aber treten noch Glieder auf, die dem Produkte | fii | • | dg | pro- 
portional sind, nämlich 

-2{b^t,) {b,t,) (1 -/J«) 2 cos 9) sin <jp cosg |6J.|ög| (1-/J«), 

und 

- (6i H) (igti) (1 — /5 cos <p) = 2ß sin 9? cos g (1 — /5 cos (p) |dJ • {i^ 

{ t ist der Winkel, den die Ebenen der Vektoren (i, H) und 
(t, d) einschließen, so daß 9, g Polarkoordinaten der Einheits- 
kugel sind}. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Ponktladnng. 117 
Diese beiden Glieder ergeben zu d* den Beitrag 

ij.|i,|.6'Binyco8g . _ , 

Hc*(l-pco8 9))« ^P cosy> 
Die entsprechenden Anteile der Ausdrücke (76) und (77)^ 



d. h. der Strahlung Yon Energie und Bewegungsgröße, sind 
und 



''l^ill^^tl / <i» sin qp cos f .^ v 

^^ J (l-pcosy)' <fi - "^ y) 

^>,|_^/ d»t,nnyco«g ^_ ^ ^ 
4«c* ^ (1 — /Jcosqp)* ^ ^^ 



2e 



Setzt man hier wieder w «= — cos 9, d(o = du dt, so ver- 
schwindet der erste Ausdruck ohne weiteres bei der Integration 
nach g. 

Die Komponenten des im zweiten Gliede angegebenen 
Vektors sind gesondert zu behandeln. Es sind die Kompo- 
nenten von ti'. 

parallel zu ü gleich cos q>, 
parallel zu b^ gleich sin (p cos g, 
senkrecht zu H und ii^ gleich sin 9 • sin g. 
Die erste und dritte Komponente der ausgestrahlten Be- 
wegungsgröße verschwindet ohne weiteres, wie die Integration 
nach t ergibt. Die zweite Komponente wird nach Ausfahrung 
dieser Integration zunächst: 

+1 

Gemäß (80 c, d) hat auch dieses Integral den Wert Null. 
Wir haben also bewiesen: Es superponieren sich die 
Energie- und Impulsstrahlungen der longitudinalen 
und der transversalen Schwingungskomponenten des 
bewegten Dipples, was die Gesamtstrahlung an- 
belangt. Ist 7} der Winkel der Vektoren ü und b, so wird, 
nach (81) und (81b), die pro Sekunde ausgestrahlte 
Energie: 



118 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 



(82) 



dW 
dt' 



2 ß 

3 c 



' . « f cos' ri , sin* ri \ 



wofür man^ mit Rücksicht auf die Bedeutung (80) Yon x^, 
auch schreiben kann: 



oder auch 



(82b) - 



dW 2 e 






Ebenso kann nach (81ay c) für die ausgestrahlte Be- 
wegungsgröße geschrieben werden: 



(83) 



dt^ 



2 e* 
¥c^ 



ji« (lri)M 



Bezüglich ihrer mechanischen Bückwirkung auf die be- 
wegte Lichtquelle kann die Strahlung durch die Kraft ersetzt 



werden 






(83a) 


•* 8 c»" 





?; 



welche im Mittel dieselbe Abnahme der Bewegungsgröße der 
Lichtquelle bedingt. Dieser Kraft muß durch eine in die Be- 
wegungsrichtung der Lichtquelle fallende äußere Kraft — St* 
das Gleichgewicht gehalten werden, wenn anders die Ge- 
schwindigkeit konstant bleiben soll. Die Arbeit der äußeren 
Kraft wird in elektromagnetische Energie der entsandten 
Wellenstrahlung verwandelt; sie beträgt pro Sekunde 



(83b) 



-(P»')-+V;ß'^ 






c*x« J 



Dieser Anteil der ausgestrahlten Energie ent- 
stammt also nicht der thermischen und chemischen 
Energie der Lichtquelle, sondern eben der mecha- 
nischen Arbeit der Kraft — St', welche der Rück- 
wirkung der Strahlung das Gleichgewicht hält. Der 
Rest der pro Sekunde in Wellenstrahlung ver- 
wandelten Energie: 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Punktladung. 119 



muß durch den Wärmeinhalt oder die chemische 
Energie der Lichtquelle gedeckt werden. 

Die Formel (82) bestimmt die Energie der von einem be- 
schleunigten Elektron ausgesandten Wellenstrahlung in allen 
den Fällen^ in welchen dasselbe als Punktladung betrachtet werden 
darf. Ich habe dieselbe zuerst in einer Vorlesung im Winter- 
semester 1901/02 vorgetragen. Im Druck veröffentlicht wurde 
sie, und ebenso die Formel (83), in meiner Arbeit über die 
Prinzipien der Dynamik des Elektrons^), und unabhängig 
davon, von 0. Heaviside, in der Nature.*) Später habe ich 
die Bedeutung dieser Entwickelungen für die Theorie des 
leuchtenden Punktes erörtert, und den Beweis der Formeln, 
im wesentlichen in der hier wiedergegebenen Fassung, geführt.^) 
An dem letztgenannten Orte habe ich auch den allgemeinen 
Ausdruck für die Rückwirkung der Strahlung auf den be- 
wegten schwingenden Dipol abgeleitet. Setzt man die Gesamt- 
strahlung der LichtqueUe gleich E, so folgt aus (82b) und (83a) 

(83d) «• ^,'E, 

Dieser Ausdruck für die Reaktionskraft wurde unabhängig 
von H. A. Lorentz^) angegeben; es bezieht sich die Lorentzsche 
Ableitung auf einen allgemeineren Fall, insofern als über die 
Vorgänge in der Lichtquelle keine besondere Annahme gemacht 
wird, und doch wieder auf einen spezielleren Fall, da die Ge- 
schwindigkeit der Lichtquelle als klein gegen die Licht- 
geschwindigkeit betrachtet wird. Wenngleich die Reaktions- 
kraft der Strahlung meist außerordentlich gering ist, so ist 

1) M. Abraham. Ann. d. Phys. 10 S. 105, 1903. (Eingesandt am 
23. Oktober 1902.) 

2) 0. Heaviside. Natura 67, p. 6. Vom 6. November 1902. 

3) M. Abraham. Ann. d. Phys. 14, S. 273 — 287, 1904. , 

4) H. A. Lorentz. Enzykl. der mathem. Wissensch. Bd.Y, Art. 14 
S. 270. 



120 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

ihre Existenz doch Yon prinzipieller Bedeutung. Diese Kraft^ 
welche der schwingende Dipol auf sich selbst ausübt, ist ein 
typisches Beispiel für den Gegensatz zum dritten Axiome der 
Newtonschen Mechanik^ auf den wir in § 5 hinwiesen, und 
der so eng mit den örundannahmen der Elektroneniheorie 
verknüpft ist. 

Nach der in § 3 erwähnten Hypothese sind die Röntgen- 
strahlen nichts anderes, als die Wellenstrahlung, welche beim 
Auftreffen der Eathodenstrahlen auf die Antikathode entsteht. 
Ist das Elektron bei seiner Hemmung oder Reflexion an der 
Antikathode immerhin so wenig beschleunigt, daß die Be- 
dingung (63 b) erfüllt ist, so kann die Energie der entsandten 
Röntgenstrahlen aus unserer Formel (82) berechnet werden. 
Über den Betrag der Beschleunigung geben die in § 3 er- 
wähnten Beugungsversuche von Haga und Wind Auskunft, 
welche eine Breite des Wellenimpulses von 10 ~"® cm ergeben 
haben.^) Hiemach würde der Bereich, in welchem das Elektron 
eine Geschwindigkeitsänderung erföhrt, von der Größenordnung 
des Radius der molekularen Wirkungssphäre sein. Nehmen 

wir nun an, das Elektron habe die Geschwindigkeit lül = -^c, 

und es werde auf einem Wege von 10 ~ * cm, d. h. in der Zeit 

- • 10-8 Sekunde, seine Bewegnngsriclitung umgekehrt, so ist 

die mittlere Beschleunigung gleich j c* • 10*. Der Nenner 

in (63b) ist c (c — | H |) = -^c^, und a, der Radius des Elektrons, 

wird sich unten von der Größenordnung 10 ~** ergeben. Der 
Bruch, der klein gegen 1 sein soll, ist hiemach auf 2 -lO"** 
zu schätzen. Hieraus folgt, daß bei der Emission von Röntgen- 
strahlen der Impulsbreite 10 ~~* cm das Elektron noch als 
Punktladung betrachtet werden darf, und daß (82) die Energie 

1) H. Haga u. C. H. Wind. Akad. v, Wetenschapen te Amsterdam 7, 
1899, S. S87 u. 500 u. 11, 1902, S. 850. Ami. d. Phys. 68, S. 884, 1899. — 
Vergleiche auch die von A. Sommerfeld auf Grund einer strengeren Theorie 
der Beugung von Wellenimpulsen gegebene Bestimmung der Impulsbreite. 
Phys. Zeitschr. 1, S. 106; 2, S. 65, 1900. Zeitschr. f. Mathem. u. Phys. 46, 
S. 11, 1901. 



Zweites EapiteL Die Wellenstralilnng einer bewegten Pnnkiladting. 121 

der Yom einzelnen Elektron entsandten Böntgenstrahlnng be- 
stimmt, wofern die BöntgenstraMen wirklich nichts anderes 
sind, als elektromagnetische Wellen. 

Leider läßt die aUzu geringe Kenntnis der Röntgenstrahlen 
eine weitere Yerfolgong unserer Ansätze nicht zu. Würden 
uns experimentelle Bestimmungen der Energie der Böntgen- 
strahlen zur Verfügung stehen, die Yon Kaihodenstrahlen be- 
kannter Geschwindigkeit und Energie erzeugt werden, so 
könnten wir daran denken, die Zahl der Zusammenstöße der 
Elektronen mit den Molekülen der Antikathode auf Ghnind der 
obigen Formeln abzuschätzen, und unsere Yorstellungen über 
die Ejäfte, welche Ton der wägbaren Materie auf die Elektronen 
ausgeübt werden, an der Hand derartiger Abschätzungen zu 
prüfen. Bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung indessen 
müssen wir uns mit den obigen Andeutungen begnügen. 

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß Fälle vorkommen, 
wo das Elektron, entsprechend einer Annahme von J. J. Thomson^), 
plötzlich gehemmt wird. Alsdann ist die Impulsbreite von 
der Ordnung des Elektronendurchmessers, also kleiner als 
10 "" ^^ cm. Die dabei entsandte Wellenstrahlung ist natürlich 
einer Beugung nicht ßhig. Wir kommen auf die Theorie 
dieses Falles, die aus dem Bahmen der auf der Annahme 
einer Punktladung beruhenden Entwickelungen dieses Kapitels 
herausßllt, weiter unten zurück (vgl. § 25). 

Bei den 7^- Strahlen des Badiums, deren Eigenschaften 
diejenigen besonders stark durchdringender Böntgenstrahlen 
sind, ist die Impulsbreite wohl geringer als 10""® cm; die Ge- 
schwindigkeitsänderungen der Elektronen, denen die 7^- Strahlen 
ihren Ursprung verdanken, erfolgen dann noch plötzlicher, als 
diejenigen, die bei der Emission der Böntgenstrahlen stattfinden. 

§ 15. Die Büokwirkung der Strahlung auf ein bewegtes 

Elektron. 
Wir steUen uns in diesem Paragraphen die Aufgabe, die 
Bückwirkung, welche die entsandte Wellenstrahlung auf das 

1) J. J. Thomflon. Phil. Mag. 45, S. 172, 1898, 



122 Si^ster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

entsendende Elektron ausübt ^ in allgemeiner Weise zn er- 
mitteln. Wir betrachten dabei eine Bewegung des Elektrons, 
deren Geschwindigkeit bis zur Zeit t-l gleichförmig und gerad- 
linig war, sodann im Zeitintervalle von t^ bis t^ nach Betrag 
und Bichtong in beliebiger, aber stets in den Gültigkeits- 
bereich der Bedingung (63b) fallender Weise abgeändert 
wurde, und sodann, von t^ an, wieder gleichförmig und gerad- 
linig ist. In dem Zeitintervalle t^ <f < t^ wird das Elektron 
eine gewisse Energie und Bewegungsgröße in den Baum 
hinausgesandt haben. Die entsandte Energie ist, nach (82b) 

1 1 

in die entsandte Bewegungsgröße nach (83) 

2 8 



12 



=-/^'"'=l^/-"'«ll''+^'l 



Dies ist die zeitUche Abnahme der Energie und Be- 
wegungsgröße, welche das Elektron selbst, bzw. das von ihm 
mitgeführte elektromagnetische Feld, infolge der Strahlung, 
erfahren hat; die verlorene Energie und Bewegungsgröße findet 
sich in den entsandten Wellen wieder. 

Will man nun die Rückwirkung der Strahlung auf das 
Elektron durch eine Kraft Ä* zum Ausdruck bringen, so muß 
man diese Kraft so bestimmen, daß 

2 

«*(?r=-®i2 und 



(84) 



/' 



i 

{tiSt') dt' =- -W^ 



1 



ist, d. h. daß ihr Zeitintegral der ausgestrahlten Bewegungs- 
größe, ihr Wegintegral der ausgestrahlten Energie entgegen- 
gesetzt gleich ist. Die Beaktionskraft der Strahlung 
hat demnach die Gleichungen zu erfüllen 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Ponktladnng. 123 

(84.) f»'if — Yifäi;\^,+^^\, 



1 

8 



(84b) /(..«v*'--i:-;/^^'{!-;+i^l 

1 1 

Das muß selbstversiändlich auch dann gelten^ wenn irgend- 
welche äußeren Kräfte die Bewegung des Elektrons beeinflussen; 
auch dann muß der Impuls der Kraft St* der gesamten Be- 
wegungsgroße, die Arbeit dieser Kraft der gesamten Energie 
der entsandten Wellen entgegengesetzt gleich sein. Es wird 
dann die Änderung der Bewegungsgroße und Enei^e des 
Elektrons durch die Reaktionskraft der Strahlung, im Verein 
mit den sonst noch vorhandenen Kräften, bestimmt. In welcher 
Weise, das wird das mlchste Kapitel lehren (vgl. § 23). 

Es kann auf den ersten Blick zweifelhaft erscheinen, ob 
es überhaupt möglich ist, beiden Gleichungen (84a, b) durch 
einen und denselben Ausdruck der Beaktionskraft St* zu ge- 
nügen. Um diesen Zweifel zu beseitigen, geben wir sofort 
einen Ausdruck an, von dem wir zeigen, daß er, unter den 
zugrunde gelegten Annahmen, den Gleichungen (84a, b) Genüge 
leistet. Wir setzen 

Berücksichtigen wir, daß, nach (80), gilt 

(86.) |j;_i(|=ö__j(.,), 

SO ergibt die partielle Integration der beiden ersten Glieder: 

2 2 



/"'^-{ii:-/"'^' 



2 



Cdt' ü (üb) _ f ti(iii) l^ A , f üii« i(iii) 4ti(titiV l 



124 Berater Absclinitt. Das Feld n. die Beweg^ang der einzelnen Elektronen. 

Berücksichtigen wir^ daß^ bis zur Zeit t^y nnd yon der 
Zeit ^2' ^^9 d^^ Beschleunigangsyektor 6 gleich Null sein soU^ 
so erhalten wir 

(86b) /<■ ji+ ^ 1 - -/«■ {ii; + y^ + Hl|j>| 

1 1 

Integriert man ntin den Ausdruck (85) von A' nach der 
Zeit, wie es (84a) verlangt, und formt die ersten beiden 
Glieder in dieser Weise um, so ergibt die Vereinigung mit 
den letzten beiden Gliedern nichts anderes, als die rechte Seite 
von (84 a). Es ist also diese Gleichung in der Tat erf&llt. 

Für die sekundliche Arbeit der Kraft A' folgt aus (86) 

(85c) (HU-) «3-3 1-^+ -^i^|- 

Da nun die partieUe Integration Uefert 

1 1 

und da 6 an den Grenzen des Integrationsintervalles ver- 
schwindet, so ergibt das Zeitintegral der Arbeit in der Tat 
den in (84b) rechts stehenden Ausdruck. Die in (85) an- 
gegebene Kraft St* erfüllt alle Bedingungen, welche 
der Beaktionskraft der Strahlung vorgeschrieben 
sind. 

Es fragt sich indessen, ob durch die angegebenen Be- 
dingungen (84a, b) die Beaktionskraft der Strahlung überhaupt 
eindeutig bestimmt ist. Das ist sie in der Tat. Um dies ein- 
zusehen, muß man sich die physikalische Bedeutung dieser 
Ejraft klar machen. Es ist eine Kraft, welche das vom be- 
wegten Elektron erregte elektromagnetische Feld auf das 
Elektron selbst ausübt. Diese Kraft ist durch die Grund- 
gleichung (V) bestimmt, wobei die Vektoren (E und § sich 
aus den Beitragen zusammensetzen, welche die Volumelemente 
des Elektrons vorher ausgesandt haben. Diese Beiträge werden 



Zweites KaptteL Die WeUenBtralifaiiig eiiier bewegteo Pnnktladimg. 125 

Ton der mit LiehigeBchwmdigkeit aich kontrahierendeii Engel 
dem Anfyraikte «ugcflüirt Bewegt fdch mm das Elektron mit 
einer Geschwindi^eity die kleiner ist, als die LichtgeBchwin- 
digkeit Cj so kommen, welches anch die Form des Elektrons 
sei, nnr Beitrage in Betnujit, welche in einem endlichen Zeit- 
intervalle ani^esandt worden sind nnd welche dnrch die Gh)- 
schwindigkeit nnd Beschlennigong bestimmt sind, die in diesem 
Zeitintervalle geherrscht hat. Ist die Bew^nng überhaupt stetig, 
so muß diese Kraft sich dnrch die jeweils herrschende Gh)- 
schwindigkeit i nnd deren Ableitungen nach der Zeit fl, 1, i nsf. 
ausdrücken lassen. Da es sich hier nnr nm Bew^nngen 
handeln kann, welche der Bedingung (63b) genügen, so sind 
die Voraussetzungen der Stetigkeit und Unterlichtgeschwindig- 
keit stets erfüllt. Da die gesuchte Kraft femer bei gleich- 
formiger Bew^ung verschwindet, so ist der allgemeinste 
Ansatz für die Tom Elektron auf sich selbst ausgeübte Kraft 
folgender: Ein Aggregat von polaren Vektoren, deren 
jeder eine ganze rationale Vektorfunktion von i, i, 

S, i nsf. ist, wobei jeder Vektor noch mit einem von 

I ii i 
ß » -!— ^ abhängigen Skalar multipliziert sein kann. 

Die Beaktionskraft der Strahlung insbesondere, welche 
den oben entwickelten Bedingungen zu genügen hat, ist da- 
durch noch weiter in ihrer Form beschränkt, daß sie bei den 
betrachteten, der Bedingung (63b) gehorchenden Bew^ungen 
von der Form des Elektrons unabhängig ist. Wurde doch 
bei der Berechnung der ausgestrahlten Energie und Bewegungs- 
größe das Elektron als Punktladung betrachtet; in Ausdruck 
der gesuchten Kraft können daher ii^endwelche von den Ab- 
messungen des Elektrons abhängige Gh-ößen nicht eingehen, 
sondern ausschließlich die Vektoren H, D, 6 usf., ferner c und 
die Ladung e des Elektrons; und zwar muß die gesuchte Kraft, 
als Bückwirkung der Punktladung auf sich selbst, zu 6^ pro- 

portional sein. Nehmen wir nun —^ als Faktor vorweg, so 

muß der gesuchte Ausdruck die Dimension einer Kraft divi- 



e' 



diert durch die Dimension von -«; besitzen. Entnimmt man 



c» 



126 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

der Dimensionstabelle in Bd. I, S. 252 die Dimension von e'^ 
so findet man als Dimension des gesuchten Ausdruckes 

Wir haben also Ausdrucke dieser Dimension zu suchen^ 
welche ganze rationale Funktionen von d; b, Ö usf. sind, wobei 
eventuell noch die Lichtgeschwindigkeit c eingehen kann. 

Nennen wir nun i/^, i/g, v^ die ganzen, aber nicht nega- 
tiven Zahlen^ welche die eingehende Potenz von H, b, ö usf. 
anzeigen, und Vq die (positive oder negative) Zahl, welche die 
eingehende Potenz von c angibt, so soll die eingehende Potenz 
der Längendimension sein 

^0 + ^1 + ^2 + ^8 H =1^ 

dagegen die eingehende Zeitdimension 

— Vo — ^1 — 21/3 — Si/g H = — 3. 

Hieraus folgt 
(86) ^2 + 21/3 + 3i/^ + • • • = 2. 

Da negative Werte von V2,Vq, v^ ausgeschlossen sind, so ist 

Es können ö und noch höhere Ableitungen der Geschwin- 
digkeit nicht auftreten. Die höchste eingehende Ableitung 
ist ü, und zwar folgt aus (86), daß, wenn Ö überhaupt eingeht, 

(I) v^ = \j Vg = 

die einzigen möglichen Potenzen von S und sind; in diesem 
Falle ergeben die Ausgangsgleichungen 

Vo + ^1 = 0, 

d. h. es tritt c so oft in den Nenner, wie H im Zähler steht. 
Neben diesem Lösungssystem läßt nun (86) noch ein von 
ii freies zu: 

(E) 1/3 = 0, v,^2, v^ + v^^-^l. 

Hier geht 6 quadratisch ein, und c steht einmal öfter im 
Nenner, als d im Zähler. 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Punktladnng. 127 

Jeder Lösung dieser Dimensionsgleichnngen kann selbst- 
verständlich eine beliebige Funktion der dimensionslosen 
Größe ß als Faktor zugesellt werden. 

Es fragt sich nun^ welche ganze rationale Funktionen der 
Vektoren t, b, i unter das Schema (I) bzw. (II) fallen. Um 
die hier möglichen Verbindungen dieser Vektoren zu neuen 
polaren Vektoren in allgemeinster Weise zu ermitteln^ gehen 
wir aus Ton einem Satze Ton H. Burkhardt.^) Diesem Satze 
zufolge wird die allgemeinste ganze rationale Vektorfunktion 
erhalten^ indem man die ursprünglichen Vektoren zu Vektor- 
produkten vereinigt und indem man die ursprüngHchen und 
die so gebildeten Vektoren mit den skalaren Produkten aus je 
zweien der ursprünglichen Vektoren multipliziert. Nun müssen 
wir die Vektorprodukte von je zweien der Vektoren t^, i, i 
von vornherein ausschließen^ da diese Vektorprodukte axiale 
Vektoren sind (vgl. I, S. 23). Es bleiben also nur die Ursprung- 
liehen drei Vektoren übrig, die mit den inneren Produkten 
aus je zweien und selbstverständlich mit irgendeiner Funktion 
der dimensionslosen Größe ß multipHziert sein können. 

Wir haben als Lösungen, die unter das Schema (I) fallen: 

(86a) i.f,(ß) und ö-^j^-^C^). 

während in das Schema (11) folgende Vektoren sich einordnen: 

(86b) b-^J-'Uß), ti-f,-f,{ß), i-^^-f,(ß). 

Andere Ausdrücke der richtigen Dimension, welche polare 
Vektoren darstellen, gibt es nach dem Satze von Burkhardt 

überhaupt nicht. Der allgemeinste Ausdruck von ft' muß sich 

2 e* 
also aus solchen Gliedern, multipliziert mit ^ -, ? zusammen- 
setzen lassen. Der Ausdruck (85) stellt sich in der Tat in 
dieser Form dar. 

Es handelt sich nunmehr um den Nachweis, daß der all- 
gemeinste Ausdruck von St\ d. h. das allgemeinste Aggregat von 

1) H. Bnrkhardt, Math. Ann. 43 (1893), S. 197. Vgl. anch Enzykl. d. 
math. Wissensch. Bd. IV. Art. 14. Nr. 11. 



128 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

fünf Gliedern der Form (86 a, b) Medes multipliziert mit j -j j , 

sich anf (85) reduziert, wenn gefordert wird, daß sein Zeit- 
integral für eine beliebige Bewegung mit der rechten Seite 
von (84a); sein Wegintegral mit der rechten Seite von (84b) 
identisch ist Das wird bewiesen sein, wenn wir gezeigt haben, 
daß jedes Aggregat der Form 

(87) iS,=--ifM+^-^^f,iß) 

identisch verschwindet, wenn für eine beliebige, im Zeit- 
intervall i^ <t^ <. t^ beschleunigte Bewegung das Zeitintegral 
und das Wegintegral von 6 verschwinden. Wir schreiten jetzt 
zum Beweise dieses Satzes. Wir formen die beiden ersten 
Glieder von ft durch partielle Integration um, wobei wir be- 
achten, daß 6 an den Integrationsgrenzen verschwindet und daß 

Wir erhalten 

1 1 

Demgemäß wird das Zeitintegral des Vektors d: 

2 9 ^ 

(87a) fdt' e ^fdt' ^ {f,iß) - f,(ß) - ^f,'(ß)} 



1 
2 



+ 
1 



fdt' '-^ {fdß)-fM} 

1 
2 

fdt''-^[m)-^f,'(ß)] 



2 

/ 

1 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlung einer bewegten Fiinktladung. 129 

Dieses Zeitintegral soll nun yerschwinden; welches auch 
immer die Geschwindigkeit und Beschleunigung des Elektrons 
in dem betrachteten Zeitintervalle sein mag. 

Wir betrachten zuerst eine nur transversal beschleunigte 
Bewegung; die mit konstanter Geschwindigkeit vor sich geht. 
Hier ist (d i) = 0, es verschwindet das erste und dritte der 
Integrale. Das zweite hingegen ist von Null verschieden, es 
sei denn, daß 

(87 b) fM-'f2{ß)-0 

ist. Wäre diese Größe von Null verschieden, so konnte man 
die Bewegung im Zeitintervalle von t^^ bis t^* so wählen, daß 
das zweite Integral einen von Null verschiedenen Wert besitzt. 
Man könnte z. B. das Elektron einen Kreisbogen von einem 
Winkel kleiner als 27C beschreiben lassen, wobei das Integral 
einen nicht verschwindenden Vektor bestimmen würde. Es 
muß mithin (87 b) für beliebige Werte von ß erfüllt sein. 

Wir betrachten zweitens eine nur longitudinal beschleunigte 
Bewegung, deren Geschwindigkeit also in dem Zeitintervalle 

von tj^ bis tg' dauernd wächst. Hier sind ii(tl6) and -^fiiäV 

beides der Bewegungsrichtnng parallele Vektoren vom Betrage 

. H»16» bzw. /3«H»|6«. 

Da nun (87 b) allgemein gilt, so kann das Zeitintegral 
von @ für eine solche Bewegung nur dann aUgemein ver- 
schwinden, wenn 

(87c) {f,(ß)-fM - ^A'iß)} + ß'[Uß)-jf,'{ß)} = 

für jeden Wert von ß erfüllt ist. 

Bei der zuletzt betrachteten Bewegung war i parallel 
zu d; wir können nun diese Bewegung etwas abändern, indem 
wir eine transversale Beschleunigung hinzufügen. Dann besitzt 
im ersten Integral in (87 a) der Integrand eine Komponente 
senkrecht zur Bewegungsrichtung, die nach dem Erümmungs- 
mittelpunkte der Bahn weist. Ist die Änderung der Bewegungs- 
richtung nur gering, so können sich die Beiträge der einzelnen 

Abraham, Theorie der Elektrizität, n. 9 



130 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Beweg^ang der einzelnen Elektronen. 

Elemente der Bahn nicht zerstören, sie können sich auch nicht 
gegen die Bestandteile des dritten Integrales aufheben , da 
letztere parallel der Bewegungsrichtong weisen. Wir erhalten 
also als Bedingung daffir^ daß die zu d senkrechte Komponente 
des Zeitintegrales von d fOr eine solche Bewegung stets Ter- 
schwindet: 

was weiter im Verein mit (87 c) ergibt: 

(87 e) Uß)-jfAß)-0. 

Nun sollte aber nicht nur das Zeitintegral, sondern auch 
das Wegintegral von C^: 

s s 

t 1 1 

allgemein verschwinden. Formt man die beiden ersten Glieder 
dieses Integrales durch partielle Integration um und berück- 
sichtigt das Bestehen der Gleichungen (87 b^ c), so erhalt man 

8 8 

(87f) Jdt'ifit) — Jdt'[i?hi,ß)+^^m)\ 

Für eine nur transversal beschleunigte Bewegung ist das 
Integral nur dann stets gleich Null, wenn allgemein 

(87 g) fi(^) = 

erfüllt ist; für eine longitudinal beschleunigte Bewegung tritt 
die Bedingung 

(87h) ^(/S) ^ 

hinzu. Aus (87 b, d, e) folgt nunmehr 

(87i) f^(ß) = f^(ß) = f^(^ß) ^ 0. 

Wir haben also bewiesen: Der allgemeinste zulässige 
Ausdruck für die Beaktionskraft der Strahlung ver- 
schwindet identisch; wenn sowohl sein Zeitintegral; 



Zweites Kapitel. Die WellenstralÜTing einer bewegten Pnnktladnng. 131 

wie sein Wegintegral für eine beliebige, in einem 
gewissen Zeitinteryalle beschleunigte Bewegung 
gleich Null sind. Es ist also nicht möglich, den Ausdruck 
(85) der Reaktionskraft so abzuändern, daß die Gleichungen 
(84a, b) fär eine jede Bewegung erfallt bleiben. Der ge- 
fundene Ausdruck (85) für die Bückwirkung der 
Strahlung auf die bewegte Punktladung ist demnach 
der einzige, welcher den oben angegebenen Voraus- 
setzungen entspricht.^) 

Wir betrachten einige spezielle Fälle. 

a) Gleichförmige Bewegung längs eines Kreises. 

Es ist (llli)'=»0; der Beschleunigungsvektor hat den Betrag 

n 



wenn B der Radius des Ejreises ist. Seine Richtung dreht 
sich, wie diejenige des Geschwindigkeitsvektors, mit der Winkel- 

I h I 

geschwindigkeit -^- Man sieht ohne weiteres ein, daß b' ein 
zu 6 senkrechter Vektor Tom Betrage 



ist; er weist in die entgegengesetzte Richtung, wie H, so daß 
man hat: 

Demnach ergibt (85) 

(88) «•--«••fpxS' »«'»l-^*- 

Die Reaktionskraft ist der Bewegung entgegen- 
gerichtet; sie ist dem Quadrate des Kreisradius um- 
gekehrt proportional und steigt mit wachsender Ge- 
schwindigkeit an, wie 



1) Diesen Aasdmck hat der Yerfasser anf der Tagnng der British 
Association in Cambridge (1904) angegeben. Der obige Eindentigkeits- 
beweis wurde dort nnr skizziert. 

9* 



132 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 
Für die Arbeit der Beaktionskraft erhält man 

/«' c «0 = - 1 ^ ■/«■ .-5. — I :-: A'^' 

111 

was selbstverständlich mit (84b) übereinstimmt. Die Überein- 
stimmung mit (84 a) ist nicht ohne weiteres ersichtlich. Sie 
wurde ja auch nur postuliert für eine Bewegung, die mit dem 
Werte Null von b beginnt und endigt, während dazwischen 
sich b stetig ändert. Es ist also, bevor das Elektron die Kreis- 
bewegung beginnt und nachdem es dieselbe beendigt hat, je 
ein Intervall anzunehmen, in welchem ti von Null in stetiger 
Weise zu seinem, der Kreisbewegung entsprechenden Werte 
übergeht und wieder zum Werte Null zurückkehrt. Für den 
Kreisbogen, zusammen mit diesen beiden Intervallen, ist, wie 
aus dem gegebenen Beweise folgt, das Zeitintegral der Reak- 
tionskraft durch (84 a) bestimmt. 

Betrachten wir übrigens zwei Bewegungen, die um einen 
ganzen Umlauf voneinander verschieden sind, bei denen aber die 
Überführung in die Kreisbahn und die Zurückführung in die 
gleichförmige Bewegung längs genau derselben Bahn geschah, 
so folgt aus der Gültigkeit von (84 a, b) für die beiden be- 
trachteten Bahnen: Für einen ganzen Umlauf müssen 
die Relationen (84a) und (84b) erfüllt sein. Das gilt 
übrigens ganz allgemein für periodische Bewegungen. Denkt 
man den oben gegebenen Beweis noch einmal durch, so sieht 
man ein, daß die von den Integrationsgrenzen herrührenden 
Tenne sich auch dann fortheben, wenn zu den Zeiten ^' und t^' 
die Vektoren d und b die gleichen sind. Ist der Bewegungs- 
zustand an den Grenzen des Integrationsintervalles 
derselbe, wie z. B. bei einer periodischen Bewegung 
zu zwei durch eine Periode getrennten Zeiten, so 
gelten die Relationen (84a, b) ohne weiteres für die 
durch (85) gegebene Kraft. Bei der soeben behandelten 
Kreisbewegung z. B. ergibt das Zeitintegral von (88) für einen 
ganzen Umlauf den Wert Null, was mit (84 a) übereinstimmt. 



\l 
\ 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlong einer bewegten Ponktladnng. 133 

%) Gleichförmige Bewegung längs einer Kreisschraube. 
Wir setzen 

^ = ^i + K 

indem wir unter d^ den konstanten Vektor yerstehen, welcher 
die Projektion von H auf die Achse der Schraube darstellt^ 
unter H, hingegen die Projektion von d auf eine zur Schrauben- 
achse senkrechte Ebene. Der Beschleunigungsvektor b liegt 
in dieser Ebene; er ist senkrecht zu d^ und d,, mithin auch 
zu d gerichtet; so daß (d d) auch hier gleich Null ist. Femer gilt 

WO B^ der Radius der durch dg dargestellten Kreisbewegung 
ist. Wir erhalten also aus (85) 

oder, indem wir d = dj + d2 einfuhren und 

ßi =^' ft =-?' 

daher 

ßi' + A* - ß' 
setzen: 

Die Beaktionskraft der Strahlung ist die Resul- 
tante zweier Kräfte, von denen die erste der Be- 
wegung längs der Schraubenachse, die zweite der 
Kreisbewegung in der zur Achse senkrechten Ebene 
entgegen wirkt. Sind die Abmessungen der Schraube solche, 
daß dl und dg von derselben Qrößenordnung werden, so über- 
wiegt bei langsamer Bewegung die zweite, der Kreisbewegung 
entgegen wirkende Komponente. Bei raschen Bewegungen von 
der Ordnung der Lichtgeschwindigkeit jedoch kommt auch die 
erste Komponente in Betracht; es wird daher ein im homogenen 
magnetischen Felde sich sehr rasch bewegendes Elektron nicht 
nur in der Kreisbewegung um die magnetischen Kraftlinien, 



l34 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

sondern auch in der translatorisehen Bewegung längs deß 
Eraftlinien gehemmt werden^ falls die Bückwirkung der Strah- 
lung in Betracht kommt. 

Nach der Formel (7 b) des § 2 ist bei der Schrauben- 
bewegung im homogenen magnetischen Felde 

wo rj die spezifische Ladung des Elektrons ist (rj nimmt^ wie 
wir im nächsten Kapitel sehen werden^ mit wachsendem ß ab). 
Es wird demnach (89) 

(89a) ft' = -|,-!^*JM,' + l>,(l-A*)l' 

was bei Kreisbewegung senkrecht zu den magnetischen Kraft- 
linien übergeht in 

(891.) «■— .|^:^"- 

Übrigens ist anzumerken, daß bei der Anwendung dieser 
Formeln auf die Kathodenstrahlen Vorsicht geboten ist. Es 
handelt sich bei den Kathodenstrahlen nicht um ein einzelnes 
Elektron, sondern um eine ganze Schar von Elektronen, die 
parallele Bahnen beschreiben. Da die ausgestrahlte Energie 
und Bewegungsgröße durch den Poyntingschen Vektor bestimmt 
wird und dieser das äußere Produkt der beiden Feldstärken ist, 
so superponieren sich im allgemeinen zwar die Felder der 
einzelnen Elektronen, aber nicht die ausgestrahlten Beträge 
der Energie und der Bewegungsgröße. Denkt man sich z. B. 
eine Anzahl von Elektronen auf einem Kreise in gleichen 
Abständen angeordnet und mit der gleichen Geschwindigkeit 
längs des Ej*eises bewegt, so wird die Ausstrahlung um so 
geringer, je größer die Zahl der Elektronen ist. Im Grenz- 
falle sehr vieler Elektronen strahlt diese Elektrizitätsbewegung 
wie ein stationärer Strom, d. h. sie strahlt überhaupt nicht. 
Hieraus folgt, daß auch die Rückwirkung der Strahlung auf 
das einzelne Elektron eine andere ist, wenn noch andere in. 
der gleichen Weise bewegte Ele*ktronen zugegen sind. Man 



Zweites Kapitel. Die Wellenstrahlnng einer bewegten Ponktladnng. 135 

muß dann bei der Behandlung der Strahlung und der Strah- 
lungskräfte den Elektronenschwarm als Ganzes behandeln. 

Anders liegen die Verhältnisse bei der Lichtemission. 
Nehmen wir an^ daß in jedem lichtentsendenden Molekül nur 
ein einziges Elektron schwingt, so sind die Schwingungen der 
einzelnen Elektronen unabhängig voneinander. Die Phasen- 
differenz zweier Elektronenschwingungen ist eine ganz beliebige, 
und daher tritt bei der Superposition der entsandten Wellen 
ebensooft eine Schwächung wie eine Verstärkung der Strah- 
lung durch Interferenz ein. Bei der Mittelwertsbildung über 
eine große Zahl von Molekülen und über eine große Zahl von 
Schwingungen ergibt sich eine Strahlung, die gleich der 
Summe der Strahlungen der einzelnen Moleküle ist. Hier ist 
also das Ergebnis dasselbe, als wenn jedes Molekül für sich 
allein die Schwingungen ausgeführt und die Strahlung ent- 
sandt hätte; man kann in diesem Falle auch die Bückwirkung 
der Strahlung auf die Schwingungen angeben, ohne auf die 
Wechselwirkungen der Moleküle Bücksicht zu nehmen. Hat 
man es mit kleinen Schwingungen zu tun, deren Geschwin- 
digkeit klein ist gegen die Lichtgeschwindigkeit, so ergibt (85) 

als Beaktionskraft der Strahlung. Das war der Ansatz, den 
wir in § 9 (Gleichung 58) gemacht hatten. Dort konnten 
wir die Annahme dieses Wertes nur dadurch rechtfertigen, * 
daß wir daraus den richtigen Wert für die ausgestrahlte 
Energie erhielten; das dort entwickelte elektromagnetische 
Bild des leuchtenden Punktes ergab keine Ausstrahlung von 
Bewegungsgröße, wie ja auch ö, über eine Schwingung inte- 
griert, den Wert NuU liefert. Wir haben nunmehr von einem 
allgemeineren Standpunkte aus, unter Berücksichtigung der 
bei strenger Durchführung der Bechnung sich ergebenden 
Ausstrahlung von Bewegungsgröße, diesen Ausdruck für die 
Bückwirkung der Strahlung auf die Schwingungen eines 
ruhenden Dipols als richtig dargetan und damit auch die 



136 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Differentialgleichimg (58b) für die kleinen Schwingungen 
eines Dipols begründet. 

Für den bewegten leuchtenden Punkt führt die Integration 
über eine Schwingung von (86) zu (84a, b) zurück, und es 
ergibt sich die der Bewegung entgegen wirkende Eraft, welche 
wir im vorigen Paragraphen kennen gelernt haben (Glei- 
chung 83a^ d). 

Übrigens liegt den Entwickelungen dieses Paragraphen^ 
wie denen der vorangehenden, die Annahme einer Punktladung 
zugrunde. Dadurch ist die Lichtgeschwindigkeit und deren 
Nachbarschaft sowie selbstverständlich die Überlichtgeschwin- 
digkeit ausgeschlossen. Es wäre durchaus unzulässig, wenn 
wir etwa aus dem XJnendlichwerden der Beaktionskraft für 
j3 » 1 schließen würden, daß ein Strahlung aussendendes 
Elektron nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegt werden kann. 
Auf eine beschleunigte Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit 
sind unsere Formeln nicht mehr anzuwenden; denn das Elektron 
ist nicht als Punktladung anzusehen, sondern es besitzt, wie 
wir im nächsten Kapitel zeigen werden, endliche Abmessungen. 
In der unmittelbaren Nähe der Lichtgeschwindigkeit versagen 
demnach unsere durch die Bedingung (63 b) in ihrer Gültigkeit 
eingeschränkten Formeln. Die Frage nach der Erreichung und 
Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit kann nur auf Grund 
bestimmter Voraussetzungen über die Form und die Ladungs- 
verteilung des Elektrons 'in Angriff genommen werden. 



Drittes Kapitel. 
Die Mechanik der Elektronen. 

§ 16. Die Grundhypothesen der Dynamik des Elektrons 
und das elektromagnetisohe Weltbild. 

Im vorigen Kapitel, wo wir die von einem beschleunigten 
Elektron entsandte Wellenstrahlung behandelten, kam nur das 
Feld in großen Entfernungen vom Elektron in Betracht. Nun 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 137 

ist aber fär die Bückwirkang auf das bewegte Elektron haupt- 
sachüch die Energie und die Bewegungsgröße des Feldes, 
welches das Elektron unmittelbar umgibt^ von Bedeutung. 
Man. gewinnt eine Vorstellung von der Art des Einflusses^ 
welchen das mitgeführte Feld auf die Bewegung des Elektrons 
ausübt^ indem man an die Analogie des elektrischen Leitungs- 
gtromes anknüpft (vgl. Bd. I, § 63). 

Ein Leitungsstrom ist von einem magnetischen Felde 
umgeben^ dessen Energie dem Quadrate der Stromstarke pro- 
portional ist. So erklart es sich^ daß d^m Anwachsen der 
Stromslärke eine ^^elektromotorische Kraft der Selbstinduktion^^ 
entgegen wirkt, welche der zeitlichen Änderung der Strom- 
starke proportional ist. Der Eonvektionsstrom, den das be- 
wegte Elektron darstellt, wird gleichfalls von magnetischen 
Kraftlinien umschlungen; die magnetische Energie ist, bei 
langsamer Bewegung wenigstens, auch hier dem Quadrate der 
Stromstarke proportional. Da nun die Stromstarke in diesem 
Falle der Geschwindigkeit des Elektrons proportional ist, so wird 
der elektromotorischen Kraft der Selbstinduktion hier eine 
Kraft entsprechen, welche der Beschleunigung des Elektrons 
proportional und ihr entgegen gerichtet ist. Der Gedanke 
Maxwells, welcher die „elektrokinetische^^ Energie des elek- 
trischen Stromes mit der kinetischen Enei^e bewegter tnlger 
Massen verglich (Bd. I, § 64), nimmt hier eine noch greif- 
barere Form an, als beim Leitungsstrome. Jene vom magne- 
tischen Felde herrührende, einer Beschleunigung des Elektrons 
entgegen wirkende Kraft entspricht in der Tat durchaus der 
Trägheitskraft der gewöhnlichen Mechanik; es wird mithin ein 
bewegtes elektrisches Teilchen infolge des mitgeführten elektro- 
magnetischen Feldes eine tnlge Masse besitzen, welche man, 
zum Unterschiede von der trägen Masse wägbarer Teilchen, 
als „scheinbare'^ oder besser als „elektromagnetische^^ 
Masse bezeichnen kann. Bei den unmittelbar an Maxwell 
anknüpfenden englischen Forschem J. J. Thomson^) und 



1) J. J. Thomson, Phil. Mag. (6) 11, S. 229. 1881. 



138 Si^ster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

0. Heayiside^) findet sich zuerst die Vorstellung einer solchen 
^^scheinbaren Masse ^ der konvektiv bewegten Elektrizität. 

Der Begriff der elektromagnetischen Trägheit gewann 
eine aktueUe Bedeutung, als man in den Kathodenstrahlen 
(vgl. § 2) rasch bewegte elektrische Teilchen kennen lernte« 
Wenn anders der Eonvektionsstrom überhaupt ein magne- 
tisches Feld erregt — und die Versuche von H. A. Bowland 
(vgl. Bd. I, S. 425) konnten hieran kaum zweifeln lassen — , 
so mußten die im E^thodenstrahle bewegten Elektronen eine 
elektromagnetische Masse besitzen. Die allgemeinste zulässige 
Annahme war die, daß diese negativen Elektronen sowohl 
elektromagnetische Masse, als auch „materieUe" Masse besitzen. 
Dabei ist unter „materieller Masse ^^ diejenige zu verstehen, 
welche der wägbaren Materie zukommt und welche z. B. den 
elektrochemischen Ionen anhaftet. Wir haben indessen bereits 
in § 2 auf die Schwierigkeiten hingewiesen, welche vom 
atomistischen Standpunkte aus der Auffassung der Masse des 
negativen Elektrons als einer materiellen Masse entgegenstehen. 
Man wäre vor die Alternative gestellt, entweder den Kathoden- 
Strahlteilchen an Stelle eines einzigen 2000 elektrische Elementar- 
quanten zuzuschreiben, oder aber die Atome der wägbaren 
Materie nicht als unteilbar zu betrachten Diese Schwierig- 
keiten werden keineswegs gehoben, wenn man die Trägheit 
der Elektronen zum Teil als materielle, zum Teil als elektro- 
magnetische betrachtet. Sie verschwinden jedoch sofort, wenn 
man die Masse des negativen Elektrons als rein elektro- 
magnetische Masse betrachtet. Auf die Möglichkeit einer 
solchen, alle überlieferten Anschauungen umwälzenden Lösung 
wurde von verschiedenen Seiten hingewiesen, und es wurde 
bemerkt, daß die Entscheidung der Frage von den Trägheits- 
erscheinungen abhäz^, welche die Elektronen zeigen, wenn 
sie mit noch größeren Geschwindigkeiten, als in den Kathoden- 
strahlen, sich bewegen. In der Tat, die materielle Masse wäg- 
barer Teilchen muß, wenn anders die Axiome der gewöhn- 



1) 0. Heaviside, Phil. Mag. (6) 27, S. 324. 1889. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 139 

liehen Mechanik richtig sind^ eine Konstante sein; sie muß 
unabhängig von der Geschwindigkeit sein^ mit der die Bewegung 
erfolgt. Die elektromagnetische Masse hingegen, die von dem 
elektromagnetischen Felde herrührt, wird, wie das Feld selbst, 
von der Geschwindigkeit abhängen, mit welcher das Elektron 
den Äther durchfliegt. 

Gerade als die Erörterung der Frage bis zu diesem Punkte 
gelangt war, lernte man in den /3- Strahlen des Radiums 
negative Elektronen kennen, die noch rascher als die Kathoden- 
Strahlteilchen sich bewegen. Es zeigte nämlich W. Kaufmann^), 
daß die Geschwindigkeit für verschiedene Teilchen eine ver- 
schiedene ist und daß das „Spektrum'^ von Vs ^^^ Licht- 
geschwindigkeit bis dicht an die Lichtgeschwindigkeit heran 
sich erstreckt. Auch stellten bereits die ersten Versuche 
Kaufmanns es außer Zweifel, daß die Trägheit dieser Teüchen 
mit wachsender Geschwindigkeit ansteigt. Hieran anknüpfend 
hat der Verfasser dieses Werkes es unternommen^), eine Dynamik 
des Elektrons auszuarbeiten, welche geeignet war, die Ver- 
suche Kaufmanns auf rein elektromagnetischer Grundlage zu 
deuten. Die erhaltenen Ergebnisse wurden durch W. Kaufmanns 
weitere Untersuchungen besi^tigt^), so daß bereits auf der Karls- 
bader Naturforscherversammlung (1902) ausgesprochen werden 
konnte^): Die Masse des Elektrons ist rein elektro- 
magnetischer Art. 

In diesem Paragraphen sollen die Grundhypothesen dar- 
gelegt werden, auf denen die Dynamik des Elektrons beruht. 

Zu diesen Grundhypothesen gehören selbstverständlich die 
in § 4 entwickelten allgemeinen Feldgleichungen der Elektronen- 
theorie (I bis IV), sowie der Lorentzsche Ansatz (V) für die 
elektromagnetische Kraft. Zu ihnen tritt die für die atomi- 
stische Theorie der Elektrizität fundamentale Vorstellung, daß 
die Gesamtladung e, die wir als elektrisches Elementarquantum 

1) W. Kaufmann, Gott. Nachr. 1901, S. 143. 

2) M. Abraham, Gott. Nachr. 1902, S. 20. Ann.d.Phys. 10, S.105. 1903. 

3) W. Kaufmann, Gott. Nachr. 1902, S. 291; 1903, S. 90. 

4) W. Kaufmann u. M. Abraham, Phys. Zeitschr. 4, S. 54 u. 57. 1902. 



1 40 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

bezeiclmet haben (§ 1), über einen gewissen Bereich verteilt 
ist. Diesen Bereich nebst seiner Ladung nennen wir das 
^^Elektron'^ Er kann als Ganzes im Baume bewegt^ aber 
nicht geteilt werden. An der Elektrizität^ die mit der Dichte q 
über das Volum des Elektrons verteüt ist, greift nun die 
durch die Ghrundgleichung (V) definierte elektromagnetische 
Exaft an. Dieselbe setzt sich aus zwei Teilen zusammen, 
erstens der elektromagnetischen Kraft des äußeren Feldes, die 
wir 5** schreiben, und zweitens der vom Elektron auf sich 
selbst ausgeübten „inneren elektromagnetischen Kraft^^ Es 
ist für das Folgende bequem, diese letztere einfach % zu 
schreiben. Daß man die „innere^' und die „äußere" Kraft 
trennen kann, rührt von dem in der linearen Form der Feld- 
gleichungen analytisch zum Ausdruck gebrachten Super- 
positionsprinzipe her; diesem Prinzipe zufolge überlagern sich 
die Felder ß, § und ®^, §**, welche einerseits von dem be- 
trachteten Elektron selbst, anderseits von den übrigen Elek- 
tronen erregt werden. Durch diese Felder aber bestimmen 
sich die auf (Jie Einheit der Ladung berechneten inneren und 
äußeren elektromagnetischen Kräfte folgendermaßen: 

Da wir nun die Dynamik des Elektrons rein elektro- 
magnetisch zu begründen beabsichtigen, so dürfen wir andere, 
als elektromagnetische Ejräfte, überhaupt nicht einführen. Wir 
postulieren vielmehr: Es soll die resultierende Kraft und 
das resultierende Kraftmoment der an den Yolum- 
elementen des Elektrons angreifenden elektromagne- 
tischen Kräfte verschwinden: 

(VI) /d«(.{ff+r}=o, 

(Via) /<?f 9 [r, fj + r ] = 0. 



Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 141 

Diese zu den allgemeinen Grundgleichnngen (I bis Y) der 
Elektronentheorie tretenden besonderen Grundgleichungen der 
Dynamik des Elektrons habe ich als die ^^djnami sehen 
Grundfi^leichuniren^' bezeichnet. Sie sasen ans, daß die 
inneren nnd die äußeren elektromagnetischeu Krä^ sich an 
dem Elektron im Sinne der Mechanik starrer Körper das 
Gleichgewicht halten. Auf ihnen muß eine jede elektro- 
magnetische Begründung der Djmamik des Elektrons fußen. 
Sobald man zulaßt^ daß neben den elektromagnetischen Kräften 
noch andere vorhanden sind^ die eine Translation oder Rota- 
tion hervorzurufen streben, kann von einer elektromagnetischen 
Begründung überhaupt keine Bede mehr sein. 

Wir müssen dem Elektron eine endliche Ausdehnung 
deshalb zuschreiben, weil fftr eine Punktladung die Feldstörken 
des von der Ladung selbst erregten Feldes und daher auch 
die innere elektromagnetische Kraft am Orte der Punktladung 
selbst dem Betrage nach unendlich und der Richtung nach 
unbestimmt wird. Dieser Umstand verbietet uns, in den 
dynamischen Grundgleichungen zur Grenze der PunkÜadung 
überzugehen. In der Tat wird, wie wir sehen werden, bei 
diesem Grenzübergang die elektromagnetische Energie sowohl 
wie die elektromagnetische Bewegungsgröße unendlich. Schreiben 
wir nun dem Elektron eine zwar kleine, aber doch endliche 
Ausdehnung zu, so können wir nicht umhin, das Elektron als 
einer Rotation fähig zu betrachten. Ein Gegenstück des aus- 
dehnungslosen „materiellen Punktes'^ der analytischen Mechanik 
existiert in der elektromagnetischen Mechanik nicht. Die ein- 
fachste Annahme, die man über die Bewegungsfreiheit des 
Elektrons machen kann, ist die folgende: Das Elektron ist 
nur einer Translation und einer Rotation fähig. Die 
allgemeinste Bewegung des Elektrons wird dieser Annahme 
gemäß durch die „kinematische Grundgleichung'^ 

(VII) ü == üo + [ttt] 

dargestellt, welche der in der Kinematik des starren Körpers 
(Bd. 1, § 9) gültigen Gleichung (Gl. 35, S. 25) vollkommen 



142 Si^ster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

entspricht. Diese unsere kinematische Grundgleichnng 
sagt ans^ daß die Elektrizität an den Yolumelementen 
des Elektrons haftet^ wie die wägbare Materie an den 
Volumelementen des starren Körpers. Es stellt in (VII) 
Ho die Geschwindigkeit eines im Innern des Elektrons ge- 
wählten Bezugspunktes dar^ r den von ihm aus konstruierten 
Radiusvektor und tt die Drehgeschwindigkeit des Elektrons 
um den Bezugspunkt. Den sechs durch die kinematische Ghnmd- 
gleichung zugelassenen Freiheitsgraden stehen sechs aus den 
dynamischen Ghnmdgleichnngen fließende Beziehungen gegen- 
über^ ganz wie in der Mechanik starrer Körper. 

Wenn wir die Kinematik des Elektrons der Kinematik 
des starren Körpers nachbüden, erreichen wir fttr die Dynamik 
des Elektrons ähnhche Vorteile^ wie sie die analytische 
Mechanik durch Annahme starrer Verbindungen erzielt. Indem 
nämlich die analytische Mechanik der Kinematik der Massen- 
systeme solche Bedingungsgleichungen zugrunde legt^ zu deren 
Aufrechterhaltung keine Arbeitsleistung (weder eine positive^ 
noch eine negative) erforderlich ist^ braucht sie Kräfte, welche 
die verkoppelten Massen aufeinander ausüben, nicht einzuführen. 
Sie kann diese Kräfte auffassen als Folge der angenommenen 
Bedingungsgleichungen; es ist aber überflüssig, von diesen 
Kj*äften zu reden, da dieselben niemals Arbeit leisten, weder 
bei der wirklichen Bewegung, noch bei virtuellen Bewegungen. 
Daher kann die analytische Mechanik bei der Behandlung starrer 
Massensysteme davon absehen, eine innere „potentielle Energie ^^ 
der Körper heranzuziehen. Aus den Bedingungsgleichungen 
der bewegten Massen und ihrer kinetischen Energie ergeben 
sich ohne weiteres die Bewegungsgleichungen des Systemes. 
Dieser Grundgedanke der analytischen Mechanik Lagranges 
ist bekanntlich von Heinrich Hertz in seiner Darstellung der 
Prinzipien der Mechanik am konsequentesten durchgeführt 
worden. H. Hertz wünscht den Begriff der potentiellen Energie 
aus den Grundlagen der Mechanik zu verbannen. Er postuliert 
die Zurückfuhrung der potentiellen Energie auf die lebendige 
Kraft verborgener Systeme träger Massen; diese Massen sollen 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 143 

durch ^^ starre '^ Yerbindnngen miteinander verkoppelt sein; alle 
Erafte^ auch anscheinende ^^Femkrafte'^^ sollen in Wirklich- 
keit durch Mechanismen verborgener Massen übertragen sein^ 
welche auch die anscheinend getrennten materiellen Körper 
miteinander verkoppeln. Nun sind jedoch die Verbindungen, 
welchen wir in der wirkUchen Eorperwelt begegnen, keines- 
wegs „ starr ^^ Auch die festen Körper besitzen die Eigenschaft 
der Elastizität, Reibung usf. Daher reichen fElr eine er- 
schöpfende Darstellung der Bewegungsvorgange die Ansätze 
der analytischen Mechanik nicht aus, man muß vielmehr die 
thermischen Verenge berücksichtigen, welche die Bewegungen 
begleiten. 

Dieser Einsicht verschließt sich Hertz keineswegs. Da 
er aber alle physikalischen Vorgänge, auch die thermischen, 
als BewegungsYor^ge aufzufassen wOnscht, so kann er nicht 
umhin, anzunehmen, daß in der Welt der Atome die starren 
Verbindungen seiner Mechanik verwirklicht sind. In der Tat, 
wäre die Bewegung der Atome mit Beibungs- und Form- 
änderungsarbeit verbundeu, so wäre es logisch unmöglich, die 
Wärme der Körper als eine Art von Bewegung aufzufassen. 
Will man das mechanische Weltbild in folgerichtiger Weise 
zeichnen und dabei die potentielle Energie aus den Ghnmdlagen 
der Mechanik verbannen, so muß man fordern, daß die kine- 
matischen Zusammenhänge der kleinsten Teilchen „ starr ^^ im 
Sinne der Hertzschen Mechanik sind. 

Wir haben die Bedeutung dieses mechanischen Weltbildes 
für die Elektrodynamik im ersten Bande dieses Werkes (§ 64) 
erörtert, als wir die Maxwellsche Ableitung der Induktions- 
gesetze aus den Lagrangeschen Gleichungen vortrugen. Wir 
erwähnten dort bereits, daß diese Maxwellsche Analogie der 
Selbstinduktion zur Massenträgheit nicht unbedingt zugunsten 
des mechanischen Weltbildes gedeutet zu werden braucht, 
sondern daß man mit demselben Rechte umgekehrt versuchen 
kann, die Massenträgheit aus den Gesetzen der Elektrodynamik 
abzuleiten und so die Mechanik elektromagnetisch zu begreifen. 
Wir sind jetzt zu dem Punkte gekommen, wo das „elektro- 



144 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

magnetisclie Weltbild '^ auf seine Richtigkeit zu prüfen ist. 
Die elektromagnetische Masse des Elektrons ist nichts anderes^ 
als die Selbstinduktion des Konvektionsstromes. Ist die 
Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch begründet und 
die Trägheit der Elektronen auf ihre Selbs);induktiony d. h. auf 
die Rückwirkung ihres Feldes, zurückgeführt, so haben wir 
den Stützpunkt gewonnen, von dem aus wir die mechanische 
Naturanschauung in ihren Grundlagen erschüttern können. 
Wir können dann wagen, die kinetische und die potentielle 
Energie der Mechanik, und alle Energieformen überhaupt, als 
magnetische und elektrische Energie zu deuten und so ein 
elektromagnetisches Weltbild an die Stelle des mechanischen 
zu setzen. 

Obwohl wir eine Tendenz verfolgen, welche derjenigen der 
Hertzschen Mechanik diametral entgegengesetzt ist, soll uns 
doch hinsichtlich der Folgerichtigkeit der Durchführung dieser 
Tendenz die Hertzsche Mechanik vorbildlich sein. Wollen wir 
an Stelle der kinetischen und der potentiellen Energie der 
Mechanik die elektromagnetische Energie setzen, so müssen 
wir der Dynamik der elektrischen Atome kinematische Ver- 
bindungen zugrunde legen, deren Aufrechterhaltung weder 
einen Energieverlust, noch einen Energiegewinn mit sich 
bringt; sonst ist die gesamte elektromagnetische Energie des 
Feldes nicht konstant, und es wird die Einführung einer nicht 
elektromagnetischen Energieform doch wieder notwendig. Das 
elektromagnetische Weltbild kann nicht umhin, der 
Kinematik der Elektronen Bedingungsgleichungen 
zugrunde zu legen, welche den „starren" Verbin- 
dungen der Hertzschen Mechanik entsprechen. Nur 
auf solchen kinematischen Grundgleichungen faßend, ist die 
Dynamik des Elektrons ohne logische Widersprüche elektro- 
magnetisch zu begründen. Nur die Übereinstimmung der 
Ergebnisse einer so begründeten Dynamik des Elektrons mit 
dem Experimente kann zur weiteren Verfolgung des elektro- 
magnetischen Weltbildes ermutigen. Die einfachste aller in 
den Rahmen der analytischen Mechanik fallenden Bedingungs- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 145 

gleichangen war es^ die wir als kinematische Ghnmdhypothese 
wählten. Auch über die Form des Elektrons werden wir 
meist die einfachste denkbare Annahme machen. Wir werden 
das Elektron als Engel betrachten^ mit einer in kon- 
zentrischen Schichten homogenen Verteilung der Ladung; ins- 
besondere werden wir zwei Grenzfälle, nämlich die homogene 
Volumladung und die homogene Flächenladung^ bevor- 
zugen. Beide fähren hinsichtlich der elektromagnetischen 
Masse zu demselben, mit den Versuchen Kaufmanns überein- 
stimmenden Ergebnisse. Erst dann, wenn künftige Experimente 
mit diesen spezieUen Annahmen sich als unverträglich erweisen 
sollten, würde man zu komplizierteren Annahmen über die 
Form und die Ladungsverteilung des Elektrons überzugehen 
geneigt sein. Man würde auch daran denken, dem Elektron 
mehr als sechs Grade der Freiheit zu geben; aber stets wären 
die kinematischen Verbindungen so zu wählen, daß sie als „starre ^^ 
Verbindungen im Sinne der Hertzschen Mechauik zu bezeichnen 
wären. Vor^.ufig allerdings erscheint der Übergang zu kompli- 
zierteren kinematischen Grundgleichungen unzweckmäßig. 

Halten wir an der kinematischen Grundgleichung (VH) 
fest, so brauchen wir von „Kraften", welche die Volumelemente 
des Elektrons aufeinander ausüben, überhaupt nicht zu reden. 
Die einzigen „Kräfte^ die in Frage kommen, sind die elektro- 
magnetischen E[räfte, welche durch die Vektoren % und %^ 
bestimmt sind; diese Vektoren sind nur Hilfsgrößen, die defi- 
niert siud durch die elektromagnetischen Grundvektoren tt, $ 
und durch den Geschwindigkeitsvektor ü. Die resultierenden 
Kräfte und Kraftmomente des äußeren und inneren Feldes 
allein sind es, die in die dynamischen Grundgleichungen (VI 
und Via) eii^ehen. Von „Kräften'^ aber, welche das Elektron zu 
deformieren bestrebt sind, spricht unsere Dynamik des Elektrons 
überhaupt nicht. Die kinematische Grundgleichnng bedingt es, 
daß solche Kräfte niemals Arbeit leisten können; von unserem 
Standpunkte aus ist die Einführung solcher Krafte überflüssig. 

Anders liegt hingegen die Sache, wenn man die kine- 
matische Grundgleichung (VH) fallen läßt und eine Form- 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 10 



146 f^rster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

änderung des Elektrons als möglich ansieht. Dann müssen 
nicht nur die resultierenden Kräfte und £j-aftmomente am 
Elektron im ganzen sich das Gleichgewicht halten^ sondern 
es muß an jedem Yolumelemente des Elektrons Gleichgewicht 
bestehen^ da ja eine am Yolumelemente haftende ^^ materielle^' 
Masse nicht angenommen werden soll. Dann muß man schon 
für das ruhende Elektron annehmen^ daß neben den elek- 
trischen noch innere elastische Eüräfte wirken, welche es ver- 
hindern, daß die Yolumelemente ihrer gegenseitigen Abstoßung 
Folge leisten. Diese Kräfte müssen ganz enorme sein; denn 
die elektrischen Kräfte, welche an der Oberfläche des Elektrons 
angreifen, übertreffen, weil die Abmessungen des Elektrons so 
außerordentlich klein sind, die experimentell herstellbaren 
elektrischen Kräfte um das billionenfache. Bewegt sich 
nun das Elektron als Ganzes translatorisch oder rotatorisch, 
so werden die elektromagnetischen Kräfte abgeändert werden, 
und mit ihnen die elastischen, derart, daß an jedem 
Yolumelemente die elektrischen und die elastischen Kmfte 
sich das Gleichgewicht halten. Die Abänderung der elasti- 
schen Kräfte wird von einer Formänderung begleitet sein. 
Der Translationsbewegung und der Rotationsbewegung wird 
sich demnach eine innere Formänderungsbewegung überlagern, 
die ihrerseits das innere Feld beeinflußt. Man hat, präzis 
gesprochen, neben den Gleichgewichtsbedingungen für die 
Yolumelemente noch die Feldgleichungen (I bis lY) zu erfüllen 
und hat zu zeigen, daß die hinsichtlich der elastischen Kräfte 
gemachten Annahmen zu keinen Widersprüchen führen. Eine 
solche, nachgewiesenermaßen widerspruchsfreie Theorie eines 
deformierbaren Elektrons existiert bisher nicht. Sollte sie 
sich durchführen lassen und dem Experimente gegenüber sich 
gleichfalls bewähren, so wäre sie unserer Theorie gegenüber 
noch insofern im Nachteile, als sie gezwungen wäre, außer 
der elektromagnetischen Energie noch eine innere potentielle 
Energie von der Art der inneren Energie elastischer Körper 
einzuführen, deren Abnahme die von den elastischen Kräften 
geleistete Arbeit kompensiert. Man würde dann die Trägheits- 




Drittes Kapitel. Die Mechanik alAN3IU|BSftv^ 147 



kräfte verbannt^ aber dafor die weniger gut yerstaudenen 
elastischen Kräfte aus der Mechanik übernommen haben. Man 
würde die kinetische Energie der Elektronen auf die elektro- 
magnetische Feldenergie und eine innere potentielle Energie 
zurückgeführt haben. Die Übereinstimmung einer solchen 
Dynamik des Elektrons mit dem Experimente wäre gewiß 
nicht als eine Bestätigung des elektromagnetischen Weltbildes 
aufzufassen. 

Wir werden in diesem Werke an der Hypothese des 
;, starren'^ Elektrons festhalten; auf Grrund dieser Hypothese 
werden wir die Frage zur Entscheidung zu bringen suchen^ 
ob die Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch be- 
gründet und so die Konvektionsstrahlung freier Elektronen als 
rein elektrischer Vorgang aufgefaßt werden kann. Ein weiterer 
Schritt auf dem Wege der elektromagnetischen Weltanschauung 
wäre die Deutung der Eüräfte^ welche die Materie auf die 
Elektronen ausübt, z. B. der quasielastischen Kräfte (vgl. § 9), 
auf rein elektromagnetischer Basis. Der letzte Schritt endlich 
wäre die Auffassung der wägbaren Atome und Moleküle als 
Aggregate von Elektronen, eine Auffassung, welche die Träg- 
heit der Materie ohne weiteres erklären würde, von der man 
aber auch fordern müßte, daß sie von den Molekularkräften 
und von den Ghravitationskräften in befriedigender Weise 
Rechenschaft gäbe« Die Welt würde dann allein aus den 
positiven und negativen Elektronen, und aus dem von ihnen 
im Baume erzeugten elektromagnetischen Felde bestehen, und 
alle Naturvor^mge wären als Konvektionsstrahlung der Elektronen 
oder als von ihnen entsandte Wellenstrahlung zu betrachten. 
Dieses elektromagnetische Weltbild ist bisher nur ein Programm; 
hoffen wir, daß die Arbeit der im Dienste dieses Programmes 
tätigen Forscher von weiteren Erfolgen gekrönt werden möge. 

§ 17. Die Bewegungsgleiohungen des Elektrons. 

Ist das „äußere Feld" gegeben, und die jeweilige Lage, 
Geschwindigkeit und Drehgeschwindigkeit des Elektrons, so 
sind die resultierende äußere Kraft 

10» 



148 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegnng der einzelnen Elektronen. 

(90) r ==fdv Q r =fdvQ { r + i [ör] )' 

tind die resultierende änßere Drehkraft 
(90a) fH'^fdv Q [t ri -fdv Q [t, r + 1 [tir]] 

gleichfalls bestimmt. Für das kugelförmige Elektron wird man 
als Momentenpunkt den Mittelpunkt desselben wählen^ und 
von diesem aus den Radiusvektor r konstruieren. In der kine- 
matischen Grrundgleichung gibt dann tl^ die Geschwindigkeit 
dieses Mittelpunktes^ tt die Drehgeschwindigkeit des Elektrons 
um seinen Mittelpunkt an. 

Nimmt man die Ladungsverteilung im Elektron nicht ab 
allseitig symmetrisch an^ so wird man als Momentenpunkt 
den durch die Gleichung 

(90b) fdvQt^O 

definierten Punkt wählen, der dem „Massenmittelpunkte^^ der 
Mechanik entspricht, und der in diesem Falle schlechtweg als 
„Mittelpunkt des Elektrons^^ bezeichnet werden mag. 

Bei reiner Translationsbewegung (tt =» 0) ist die [äußere 
Kraft 

(91) «; ^JdvQ r + ^ [iio,/dt;9 §"] • 

Ist das äußere Feld innerhalb des vom Elektron ein- 
genommenen Bereiches merklich homogen, so reduziert sich 
der Translationsbestandteil der äußeren Kraft auf 

(91a) «?-e{r+^[ti„§T)- 

Die experimentell herstellbaren konstanten elektrischen 
und magnetischen Felder sind stets als homogen anzusehen auf 
Strecken von der Größenordnung eines Elektrondurchmessers; 
die von ihnen ausgeübte Kraft wird daher stets mit genügender 
Annäherung durch (91a) angegeben. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 149 

Die äußere Drehkraft ist bei reiner Translation 

(91 b) m ^Jdv Q [t r] + \Jdv Q [t [üo r]] • 

Dieser Ausdrack verschwindet für ein homogenes äußeres 
Feld, da hier sowohl ©'*, wie [ilo§^] vor das Integralzeichen 
zu ziehen sind, gemäß (90b)« Im homogenen Felde ist 
der Translationsbestandteil der äußeren Drehkraft 
gleich Null. 

Dreht sich indessen das Elektron um seinen Mittelpunkt, 
so kommt im magnetischen Felde der Rotationsbestandteil der 
äußeren Kraft hinzu: 



^2 



^^fdvg[[ntirl 



welcher gemäß den Regeln (/?) und (d) in Bd. I, S. 437 zu 
schreiben ist ^ 

(91c) Stt = jJdvQ{-n{t^'^ + t(n^'')}' 

Der Rotationsbestandteil der äußeren Kraft ver- 
schwindet gleichfalls im homogenen magnetischen 
Felde. 

Der Rotationsbestandteil der äußeren Drehkraft 
jedoch 

(9id) m--^fdvQ [ttt] (t^) --^[uJdvQt (tr)] 

ist auch im homogenen magnetischen Felde im all- 
gemeinen von Null verschieden. 

Bei um den Mittelpunkt symmetrischer Verteilung der 
Elektrizität ist er dem äußeren Produkte aus der Dreh- 
geschwindigkeit tt und der Feldstärke ^^ proportional. 

(91 e) «?=l[tt§^. 

Der Koeffizient | findet sich nach einer einfachen Rechnung 

I = -g— för Yolumladung; 

I = -r— für Flächenladung; 
wenn a der Radius des kugelförmigen Elektrons ist. 



(91 f) 



150 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Führen wir die nunmehr als bekannt anzusehenden Vektoren 
Ä* und jl* in die dynamischen Grundgleichungen (VI, Via) ein, 
so lauten diese: 

(92) Se+JdvQ% = 0, 

(92 a) fe+fdvQlx^l^Q, 

Es handelt sich nun darum, den Vektor %j d. h. die 
elektromagnetische Kraft des vom Elektron selbst erregten 
Feldes, zu ermitteln. 

Wir haben bereits im ersten Kapitel (§ 8) in fdlgemeinster 
Weise die Fortpflanzung einer elektromagnetischen Störung be- 
handelt. Wir haben gesehen, daß das Feld, welches zur Zeit t 
in irgendeinem Aufpunkte herrscht, sich zusammensetzt aus 
Beiträgen, welche eine mit Lichtgeschwindigkeit sich kontra- 
hierende Kugel dem Aufpunkte zuführt. Und zwar hängen 
die elektromagnetischen Potentiale von der elektrischen Dichte 
und von der Dichte des Konvektionsstromes ab, welche die 
Kugel antrififit; die Feldstärken werden mithin von der Dichte, 
Geschwindigkeit und Beschleunigung der Elektrizität abhängen, 
über welche die Kugel hinweggestrichen ist. Das vom Elektron 
erregte Feld wird sich demnach durch ein Zeitintegral über 
die Latenszeit r oder den Latensweg X darstellen lassen. Auf 
diese allgemeine Darstellung des Feldes kommen wir weiter 
unten (§ 24) zurück. 

In die Ausdrücke der inneren Kraft und Drehkraft gehen 
nun die Feldstärken ein, welche in dem gerade vom Elektron 
eingenommenen Bereiche herrschen, und die vom Elektron 
selbst erregt sind. Um sie direkt zu bestimmen, müßte man 
für jeden Punkt des Elektrons das Feld ermitteln, und sodann 
die elektromagnetischen Kräfte, welche auf die einzelnen Volum- 
elemente wirken, nach den Regeln der Mechanik starrer Körper 
zusammensetzen. Hat sich nun das Elektron vorher mit Unter- 
lichtgeschwindigkeit bewegt, so wird für jeden zur Zeit t in 
sein Inneres fallenden Aufpunkt das Feld abhängen von der 
Bewegung, welche das Elektron in einem endlichen, der Zeit t 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 151 

Yorangegangenen Zeitintervalle ansgefährt hat, namlicli in dem 
ZeitinteryaUe, während dessen die mit Lichtgeschwindigkeit 
sich kontrahierende Engel über das Elektron hinweggestrichen 
ist. Anch bei Bewegong mit Überlichtgeschwindigkeit wird 
das gleiche gelten; die Abweichung liegt darin, daß hier das 
Elektron von außen in die sich kontrahierende Kugel hinein- 
tritt. Nur wenn die Geschwindigkeit des Elektrons der Licht- 
geschwindigkeit gleich ist, oder um diese oszilliert, liegt ein 
Ausnahmefall vor. Im allgemeinen wird die elektromagnetische 
Kraft im Innem des Elektrons abhängen von der Geschwindig- 
keit und Beschleunigung, die das Elektron in einem endlichen, 
vorangegangenen ZeitintervaUe erfahren hat. J)9S gleiche wird 
von der resultierenden inneren Kraft und Drehkraft gelten. 
Wir kommen hierauf weiter unten (§ 26) zurück. 

Aus diesen allgemeinen Überlegungen gewinnen wir eine 
Einsicht in den Sinn unserer dynamischen Qmndgleichnngen. 
Wir erkennen, daß diese Gleichungen im Grunde etwas ganz 
anderes aussagen, als die Prinzipien der gewöhnlichen Mechanik. 
Während die Mechanik starrer materieller Körper die zeitliche 
Änderung der jeweiligen Geschwindigkeit und Drehgeschwindig- 
keit durch die äußere Kraft und Drehkraft bestimmt, wenn 
die Gestalt und die Massenverteüung des Körpers gegeben ist, 
ist die Aussage der Ghnindgleichungen der Dynamik des 
Elektrons eine weit verwickeitere. Dieselbes sind^ streng 
genommen, Funktionalgleichungen, welche die Lage, sowie die 
Geschwindigkeit und Beschleunigung der Translation und Ro- 
tation, die in einem ganzen Zeitintervalle herrschen, zueinander 
in eine äußerst verwickelte Beziehung setzen. Man darf daher 
nicht hoffen, Bewegungsgleichungen zu erhalten, welche gleich- 
zeitig in Strenge gültig sind, und, ähnlich wie die Bewegungs- 
gleichungen des starren Körpers, die Beschleunigung der Trans- 
lation und Rotation allein durch die jeweils herrschenden 
äußeren Kräfte bestimmen. Nur indem man spezielle Fälle 
herausgreift, und sie passend idealisiert, kann man erwarten, 
zu übersichtlichen, für die Darstellung der beobachtbaren Be- 
wegungen geeigneten Ergebnissen zu gelangen. 



152 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Dieses war das Ziel; welches ich bei meinen ünter- 
snchnngen über die Dynamik des Elektrons verfolgt habe. Ich 
habe nachgewiesen^ daß die in den Eaihodenstrahlen und den 
Becquerelstrahlen stattfindenden Elektronenbewegnngen so wenig 
beschleunigt sind^ daß sie als ^^qnasistationär^ gelten können^ 
d. h. daß das Feld des Elektrons merklich dem bei gleich- 
formiger Bewegung mitgeführten Feld entspricht (vgl. § 23). 
Für solche qoasistationäre Translationsbewegongen bin ich zu 
Bewegnngsgleichnngen gelangt^ welche Yon den in der Mechanik 
geltenden nicht so sehr verschieden sind. Hier läßt sich das 
Verhalten des Elektrons auch bei Geschwindigkeiten^ die von 
der Ordnung der Lichtgeschwindigkeit^ aber immerhin kleiner 
als diese selbst sind^ durch eine von der jeweiligen Ge- 
schwindigkeit abhängige ^^elektromagnetische Masse^^ 
charakterisieren. Dabei ist jedoch eine andere träge Masse in 
Rechnung zu setzen^ wenn es sich um Beschleunigung parallel 
der Bewegungsrichtung; oder senkrecht zu ihr handelt. Beide 
Massen^ die ^^longitudinale^' sowohl^ als auch die ^^trans- 
Yersale'', lassen sich mit HUfe des elektromagnetischen Im- 
pulses (§ 5) in übersichtlicher Weise darstellen. In ent- 
sprechender Weise läßt sich aus dem elektromagnetischen 
Impulsmomente für quasistationäre Drehbewegungen ein 
^^elektromagnetisches Trägheitsmoment^^ ableiten. 

Wir gewinnen die Grundlage für die Theorie der quasi- 
stationären Bewegungen des Elektrons ^ indem wir die elektro- 
magnetische Bewegungsgröße des yom Elektron erregten Feldes 
einführen. Deren Dichte ist nach Gleichung (18): 

(93) g_i,S=^^[Ǥ]. 

Der gesamte Impuls des Feldes beträgt 

(93a) e^Jdv%, 

und der Drehimpuls 

(93b) 9-=fdv[t.i]. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 153 

Die Umformungen^ die zu den Ausdrücken (21) und (26 a) 
für die resultierende Elraft und die resultierende Drehkraft 
eines beliebigen elektromagnetischen Feldes führten ^ gelten 
natürlich auch für das Feld eines einzelnen Elektrons; deim 
dieses Feld erfüllt eben die Grundgleichungen (I bis lY)^ auf 
denen jene Umformungen beruhten. Wir erhalten demnach 
als resultierende innere Kraft 



dt 



(93c) ft^jdvQ% 

Bei der Berechnung des resultierenden Momentes des Yom 
Elektron erregten Feldes ist zu beachten ^ daß als Momenten- 
punkt nicht ^ wie in § 5^ ein im Räume fester Punkt ^ sondern 
der mit der Geschwindigkeit Hq bewegte Mittelpunkt des Elek- 
trons gewählt wurde. Auf diesen Momentenpunkt soll auch 
das elektromagnetische Impulsmoment ^ bezogen werden. Wir 
können; da das Integral in (93b) über den ganzen Raum 
zu erstrecken ist, unter r den Radiusvektor verstehen, der vom 
Mittelpunkt des Elektrons aus nach einem im Räume festen 
Punkte gezogen ist; dann gilt: 

Hieraus folgt als zeitliche Änderung des Impulsmomentes 

Das zweite Glied der rechten Seite war es, auf welches 
sich die Umformungen des § 5 bezogen, die zu den Gleichungen 
(26) und (26 a) führten; denn dieses Glied stellt die zeitliche 
Änderung des auf einen im Räume festen Momentenpunkt be- 
zogenen Impulsmomentes dar. 

Wir haben daher hier zu schreiben 



«-/<"' [-'!?]■ 



Zwischen dem auf den bewegten Mittelpunkt des 
Elektrons bezogenen elektromagnetischen Impuls- 



]^54 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

momente ^ und dem resultierenden Momente der 
inneren elektromagnetischen Kräfte besteht demnach 
die Beziehung 

(93 d) » ='fdvQ [t ?f] = [»„©] + ^ . 

Fuhren wir die Ausdrücke (93 C; d) in die dynamischen 
Grundgleichungen (92^ 92a) ein^ so nehmen diese die Form an 



(94) ,, - ^ , 

(94a) ^ + [öo®] = r. 

Diese Foim der dynamischen Grundgleichungen entspricht 
durchaus den Bewegungsgleichungen eines starren Körpers, 
wenn Kraft und Impulsmoment auf einen mit der Geschwindig- 
keit Hq bewegten Momentenpunkt bezogen sind. Sie sind in 
der Tat formal identisch mit den Bewegungsgleichungen (46) 
und (48) des starren Körpers, die wir im ersten Bande (§ 12) 
kennen lernten. Sie beruhen ja auf den Impulssätzen^ die für 
die Bewegungsgröße des elektromagnetischen Feldes ebenso 
gelten, wie für die an den wägbaren Körpern haftende Be- 
wegungsgröße. Freilich läßt sich für die wägbaren Körper 
ohne weiteres der Impuls als Funktion der Geschwindig- 
keit, und der Drehimpuls als Funktion der Drehgeschwindig- 
keit angeben. In der Dynamik des Elektrons hingegen gewinnt 
man die Beziehungen, welche den Impuls und das Impuls- 
moment mit der Geschwindigkeit und der Drehgeschwindigkeit 
verknüpfen, erst durch Integration der Feldgleichungen; erst 
nachdem das Feld der betreffenden Bewegung ermittelt ist, 
lassen sich die durch (93, 93a, b) definierten Integrale über 
den ganzen Raum auswerten, wodurch dann die Bewegungs- 
gleichungen eine explizite, zur Bestimmung des ^rlaufes der 
Bewegung geeignete Form annehmen. 

Neben den Impulsgleichungen ist die Energiegleichung 
für die Dynamik des Elektrons von Bedeutung. Wir hatten 
dieselbe bereits in § 4 in allgemeiner Weise aus den Grund- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 155 

gleichungen der Elektroneniheorie hergeleitet. W, die ge- 
samte Energie des yom Elektron erregten Feldes, ist stets 
eine endliche, wenn wir bei der Verfolgung der Bewegung 
Yon einem anfangs ruhenden Elektron ausgehen, und immer 
nur endliche äußere Kräfte auf das Elektron wirken lassen. 
Sie berechnet sich in diesem Falle aus den Feldstärken des 
Yom Elektron erregten Feldes durch die Integration über den 
unendlichen Baum: 

(95) w^fll{e^+§^}' 

Infolge der über den Anfangszustand gemachten Annahme 
können wir in der Energiegleichung, ebenso wie wir es bereits 
in § 5 in den Impulsgleichungen taten, die Oberflächen- 
integrale streichen. Rücken wir nämlich die Begrenzungs- 
fläche so weit fort, daß sie während des ganzen betrachteten 
Vorganges nicht yon dem Felde erreicht wird, so findet eine 
Strahlung durch die Begrenzungsfläche hindurch nicht statt, 
und es wird (vgl. § 4) 

(95a) -W--^' 

Hier bezeichnet -jr die Arbeitsleistung der „inneren" 

elektromagnetischen Kräfte 9, die vom Felde des Elektrons 
selbst herrühren; es gut 



dA 

dt 



^fdvQ (ti^) = (%JdvQ%) + (nJdvQ [r^]). 



wie aus der kinematischen Grundgleichung (VII) im Verein mit 
der Begel (y) der Formelzusammenstellung in Bd. I, S. 437, 
folgt. Mit Rücksicht auf die dynamischen Grundgleichungen 
(92 a, b) ergibt dieses 

(95b) ^=_(ö^«-) _(««»). 

Es ist demnach die Arbeit der inneren elektro- 
magnetischen Kräfte entgegengesetzt gleich der Arbeit 



156 Erster Abscbnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elekiaronen« 

der äußeren elektromagnetischen Kräfte. Diese ans den 
Ghnuidgleichnngen unserer Dynamik des Elektrons folgende Be- 
ziehung würde nicht mehr erfüllt sein^ wenn noch andere 
innere Kräfte^ außer den elektromagnetischen^ mitwirkten. 
Durch die Wahl der Grundhypothesen haben wir eben aus- 
geschlossen, daß solche Kräfte jemals Arbeit leisten. Die 
Relation (95 b) und die aus ihr und (95 a) sofort sich er- 
gebende Energiegleichung 

(96) ^=(ö^Ä<^ + (ttr), 

sind für unsere rein elektromagnetisch begründete Dynamik 
des Elektrons wesentlich. 

Kombinieren wir nun die Energiegleichung (96) mit den 
Impulsgleichungen (94) und (94 a), indem wir die aus den 
letzteren sich ergebenden Werte der äußeren Kraft und Dreh- 
kraft in die letztere einführen, so erhalten wir 

Diese aus der Energiegleichung und den Impuls- 
gleichungen abgeleitete Beziehung ist Yon großer 
Wichtigkeit für die Dynamik des starren Elektrons; 
denn sie verknüpft in einer allgemeinen, yon den 
Werten der äußeren Kräfte unabhängigen Weise den 
Impuls, den Drehimpuls und die Energie des Elek- 
trons. 

Wir wollen, ehe wir zur Behandlung spezieller Bewegungen 
übergehen, noch eine andere, allgemeine Beziehung ableiten, 
welche sich gleichfalls weiterhin als wertvoll erweisen wird. 
Dieselbe bezieht sich auf die Differenz der magnetischen 
Energie T und der elektrischen Energie U des Feldes. Diese 
Differenz soll die „Lagrangesche Funktion*' genannt werden. 

(98) L==^T-Ü. 

Wir wollen bei der Berechnung der beiden Energiearten 
die Relationen (28) und (29) heranziehen, welche die elektro- 



Dritte« Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 157 

mf^etischen Yektoreu durcli die elektromagaetisclien Potentiale 
aasdrücken. Dann wird 

(98a) r-y%#»=y|j(§,c«rl«), 

(98b) 17=/%««- -ߣ («, r<, + i^J^). 

Die erhaltenen Ausdrücke sollen durch partielle Integration 
umgeformt werden, wobei die über die Begrenzungsfläche er- 
streckten Integrale ein für allemal gestrichen werden sollen. 
Es liegt diesem Verfahren immer die stillschweigende Voraus- 
setzung zugrunde, daß die Grenzflache nicht Ton der Störung 
erreicht worden ist; auf dieser Fläche herrscht dann noch der 
elektrostatisdie Anfangszustand, der zu einer früheren Zeit 
einmal im ganzen Baume geherrscht hat; dieses elektrostatisdie 
Feld üefert keine Beiti»ge zu den Oberflächenintegralen. 

Aus Regel (v) der Formelzusammenstellung in I, S. 438 
folgt 

und, nach Einßihrang der Feldgleichnng (11)^ 

(98c) ^rlß^^^+f^ci*'-^} 

Anderseits ergibt die Regel (t) auf S. 437 

div Oe - « div e + «F«, 
woraus auf Ghnuid des Oaußschen Satzes (Regel ö) folgt 

f dvür^ -=— /dt?* div <S = — 4ä I dvQ^. 
Demgemäß wird die elektrische Energie 

(98d) ^=i/^«(»*Vfe(«W> 



158 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Wir wollen, zur Abkürzung, den Skalar 

(99) W=0-^i»%) 

einfuliren und das über das Volum der Elektronen erstreckte 
Integral 

(99a) V==\ j dvQW 

die „Kräftefunktion'' nennen. Nach Gleichung (10) können 
wir auch schreiben: 

(99b) V=\ CdvQ9-\fdv (!«). 

Es folgt daher durch Subtraktion von (98 c, d) 

(100) L = -r+-f^ßi-^i(&V). 

Diese wichtige Beziehung zwischen der Lagrange- 
schen Funktion und der Kräftefunktion gilt für ein 
beliebiges elektromagnetisches Feld. 

§ 18. Glelohförmige Translation elektrisober Ladungen. 

Wir wollen die Entwickelungen dieses Paragraphen etwas 
allgemeiner halten, als es für die Theorie des translatorisch 
bewegten Elektrons unbedingt erforderlich wäre. Wir wollen 
uns ein beliebiges System elektrischer Ladungen in gleich- 
förmiger translatorischer Bewegung begriffen denken. Das 
System soll bereits seit so langer Zeit in dieser Bewegung 
begriffen sein, daß in allen betrachteten Aufpunkten die frühere, 
der gleichförmigen Bewegung vorangegangene Bewegung ohne 
Einfluß geworden ist; die Bedingungen, unter denen dieses 
der Fall ist, lassen sich auf Orund der allgemeinen Sätze über 
die Fortpflanzung der elektromagnetischen Störungen (§ 8) 
ohne Schwierigkeit angeben. Diese Sätze führen ebenso, wie 
in dem speziellen Falle der Punktladung (§ 12), auch in dem 
jetzt Yorliegenden allgemeinen Falle zur Lösung der gestellten 
Aufgabe; es wäre nicht schwer, die Bestimmung der elektromagne- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 159 

tischen Potentiale anf Grund der Formeln (50) und (51) durch- 
zuführen. Man sieht ohne weiteres ein, daß das gleichförmig 
bewegte System elektrischer Ladungen sein Feld einfach mit- 
führt. In der Tat^ denken wir uns ein mit den Ladungen 
gleichförmig mitbewegtes Bezugssystem und in diesem einen 
festen Punkt P, so werden die Werte der elektromagnetischen 
Potentiale * und V in einem solchen Punkte von der Zeit 
unabhängig sein; denn welche Zeit t man auch wählt; die 
Bewegung, nach rückwärts verfolgt, ist stets die gleiche, und 
die auf den betreffenden, zur Zeit t mit P koinzidierenden 
Aufpunkt hin sich kontrahierende Kugel führt stets die gleichen 
Beiträge mit. Es ist demnach das elektromagnetische 
Feld des gleichförmig bewegten Systemes elektrischer 
Ladungen stationär, wenn es von einem mitbewegten 
Bezugssysteme aus beurteilt wird. Freilich gilt das nur 
für solche Aufpunkte, welche nicht von denjenigen elektro- 
magnetischen Wellen erreicht werden, die vor Eintritt des 
stationären Bewegungszustandes entsandt wurden. Je größer 
die Zeit ist, welche seit dem Beginn der gleichförmigen Be- 
wegung verstrichen ist, desto weiter wird die Wellenzone sich 
von den bewegten Ladungen entfernt haben, wofern nicht 
deren Geschwindigkeit gerade der Lichtgeschwindigkeit gleich 
ist. Diesen Fall schließen wir aus; wir betrachten hier aus- 
schließlich Bewegungen mit Unterlichtgeschwindigkeit. Hier 
wird die mit Lichtgeschwindigkeit forteilende Wellenzone das 
stationäre Feld einschließen; lassen wir die Zeit, die seit 
Beginn der gleichförmigen Bewegung verflossen ist, beliebig 
wachsen, so dehnt sich das stationäre Feld mehr und mehr 
aus; seine Feldstärken nehmen mit dem Quadrate der Ent- 
fernung von den bewegten Ladungen ab. Seine Energie und 
Bewegungsgröße können daher von einer gewissen Zeit an den 
(im Falle der Unterlichtgeschwindigkeit endlichen) Werten der 
Energie und Bewegungsgröße gleichgesetzt werden, welche 
sich ergeben, wenn mab das stationäre Feld als im ganzen 
Räume herrschend annimmt. Die so berechneten Werte sind 
allerdings nicht mit der gesamten Energie und Bewegungs- 



X60 S^ter Abschnitt. Das Feld ti. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

große des Feldes identisch; nm diese zu erhalten^ müßten wir 
noch die Energie nnd Bewegongsgröße der Wellenzone hinzu« 
fügen. 

Bei der Berechnung der elektromagnetischen Potentiale 
des stationären Feldes werden wir nicht die Formeln (50) und 
(51) als Ausgangspunkt wählen; es ist hier bequemer^ auf die 
Differentialgleichungen (30 a^ b) zurückzugehen^ die sich hier 
erheblich vereinfachen. Da nämlich die elektromagnetischen 
Potentiale stationär sind in bezug auf ein mit der Geschwin* 
digkeit H bewegtes System^ so ist nach Gleichung (116) des 
ersten Bandes (S. 113) 

Legen wir die :r-Achse der Bewegungsrichtung parallel 
und setzen 



'^ C C 

SO wird 

und es nehmen die Differentialgleichungen (30 a^ b) der elektro- 
magnetischen Potentiale die Form an: 

(101) (1 _ |S«)^ + ^ + -^ 4«p, 

d'K d'H d*fL 
(101a) (1 -^.)^ + ^ + ^ = - 4«9^. 

Die zur Bewegungsrichtung senkrechten Komponenten des 
elektromagnetischen Yektorpotentiales sind nach (51) gleich 
Null, weil 

war: da aber 

H 

ist, so wird 

(101b) «X-/S*, «y==«,«0. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 161 

Hierans ergeben sich für die Eomponenten der Feldstärken 
Beziehungen; die den in § 12 (Gleichung 67 b, e) für eine 
gleichförmig bewegte Punktladung abgeleiteten Yollkommen 
entsprechen. Es wird 

(lOlc) «.^^|| + ^^^^-(l-^^)||, 

(loid) %---%> «.--|f> 

(101 e) #.= 0, 



(101 f) 



Ä ^** Ä^^ Äff 



Auch folgt für den Vektor ff, welcher die elektromagne- 
tische Kraft auf die mitbewegte Einheit der Ladung bestimmt, 
die der Gleichung (68) entsprechende Beziehung 

(102) 5 — r^, w^(i-'ß*)0. 

Dabei ist W, das „EonvektionspotentiaP^; identisch 
mit dem allgemein in Gleichung (99) des vorigen Paragraphen 
definierten Skalar. In dem vorliegenden Falle der gleich- 
formigen Bewegung hat er der partiellen Differentialgleichung 
zu genügen: 

(102a) x'j^ + -^ + .^-^ =, ^ 4nQx% 

wobei abkürzungsweise gesetzt ist 

(102b) X « yr^K 

* 

Da /3 < 1 angenommen wird, so ist x eine reelle positive 
Zahlgröße. 

Die einfachste, einer gleichförmig bewegten Punktladung 
entsprechende Lösung der Differentialgleichung (102 a) haben 
wir bereits in § 12 kennen gelernt. 

Für die der Bewegungsrichtung parallele Komponente des 
Vektors 

Abraham, Theorie der Elektrizitftt. II. H 



(ls2 RMl^r Absohniit. Das Feld a. die Bewegung der einzelnen Elekiaronen. 

welcher nftoh Qleiohung (18) die Dichte der elektromagnetischen 
B0V«gung8gr56e bestimmt^ erhalten wir ans (101 f) 

Dabei ist nach (101 e) die magnetische Energiedichte gleich 

Integrieren wir über das ganze Feld; so erhalten wir 
(108) 2T=|li|C = (li®). 

Die doppelte magnetische Energie des gleich- 
förmig bewegten Systemes elektrischer Ladungen ist 
gleich dem skalaren Produkte aus der Geschwindig- 
keit und der elektromagnetischen Bewegungsgröße. 

Die durch Gleichung (99a) definierte „Kräftefunktion" 
der bewegten Ladungen 

(104) V^^JdvQW • 

ist von großer Wichtigkeit für die Theorie der konvektiv be- 
wegten Elektrizität. Es spielt ja das Eonvektionspotential V 
hier dieselbe Rolle^ welche d^ elektrostatische Potential tp in 
der Theorie der ruhenden Elektrizität spielt. Wie der negative 
Gradient von 9) die Erafb angibt, die auf die ruhende Einheit 
der Ladung wirkt; so wird in unserem gleichförmig bewegten 
Systeme die ErafI; auf die mitbewegte Einheit der Ladung 
durch den negativen Gradienten von W angezeigt (Gleichung 102). 
Wie die Abnahme der elektrostatischen Energie 

(104a) TJ^^JdvQq> 

die Arbeit angibt, die bei einer Eonfigurationsänderung ruhender 
Ladungen gewonnen wird, so wird die Abnahme der Erafbe- 
funktion V die Arbeit angeben, die bei einer Änderung der 
Konfiguration in unserem gleichförmig bewegten Systeme elek- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 163 

irischer Ladungen zu gewinnen ist. Diese Eonfigorations- 

änderung ist selbstverstandlicli nnendlicli langsam Yorgenommen 

zu denken, so daß unser System in jedem Momente als ein 

mit der Oeschwindigkeit H gleichförmig bewegtes gelten kann. 

Die für unser stationäres Feld aus (100) und (98) folgende 

Beziehung 

(104b) r L^ü-T 

gestattet folgende Deutung: Zu der elektrischen Energie U 
des Ladungssystemes tritt das elektrodynamische 
Potential — Tder Konvektionsströme, welches, ebenso 
wie bei geschlossenen Leitungsströmen (Bd. I, § 64), 
der negativen magnetischen Energie gleich ist. Die 
so erhaltene Eräftefunktion gibt die Arbeit an, 
welche bei einer Eonfigurationsänderung der be- 
wegten Ladungen gewonnen wird. 
Es folgt übrigens aus (101 e^f) 

Hieraus ergibt sich für die Eräftefunktion der Ausdruck 

(104c) F- - L -/|^{«.*+ x»(V + «,»))• 

Für die wirkliche Berechnung eignet sich allerdings besser 
die Formel (104), welche die Eräftefunktion durch ein über 
die elektrischen Ladungen erstrecktes Integral darstellt; dieses 
Litegral läßt sich auswerten, sobald das Eonvektionspotential W 
bekannt ist. Wir gehen jetzt dazu über, durch Integration 
der partiellen Differentialgleichung (102 a) das Eonvektions- 
Potential zu bestimmen. 

Man sieht sofort ein, daß diese Differentialgleichung in 
die Poissonsche Oleichung übergeht, wenn man durch die 
Substitution 
(105) X'^XqX, v^Vqj z^Zq 

neue unabhängige Variable einführt. Wir wollen gleichzeitig 

setzen 

(105a) 9 - f. 

11* 



164 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Dann ist die Differentialgleichung des Eonyektionspoten- 
tiales ZQ schreiben 

(105 b) r^^W 4:XQqX. 

Wir wollen unser gleichförmig bewegtes System 2J yer- 
gleichen mit einem ruhenden Systeme U^ von elektrischen 
Ladungen. Es sollen Xq, y^, Zq^ q^ Raumkoordinaten und elek- 
trische Dichte in Sq sein^ d. h. es soll Sq aus S durch eine 
Dilatation parallel der Bewegungsrichtung hervorgehen^ durch 
welche alle der a;-Achse parallelen Strecken im Verhältnis 

x-i = (l-^*)"^ 

verlängert werden; die Dichte der Elektrizität soll gemäß (105a) 
im Verhältnis x bei dieser Dehnung verkleinert werden, so 
daß entsprechende Volumelemente in J? und S^ dieselbe Ladung 
enthalten. Das elektrostatische Potential (p^ in Sq wird der 
Poissonschen Oleichung zu genügen haben 

(105c) ^Vo 4äPo, 

welche durch 

(105d) y„=/^=J^ ' 

allgemein integriert wird. Vergleichen wir nun (105b) und 
(105 c) und bemerken, daß die Ladungen entsprechender Volum- 
elemente in 2^0 und S die gleichen sind, so erhalten wir 

(106) w^.9o = -fT^-*ß-^' 

WO 



(106a) ro = ]/(*o-y' + (yo-%)* + K-U* 

=l/^ + (y-i?)*+(^-Ö* 

die Entfernung , der Punkte {x^y^z^ und (lo%5o) i^^*^ welche 
in dem ruhenden Systeme S^ dem Aufpunkte {xyz) un^ dem 
Quellpunkte (SijS) des bewegten Systemes S entsprechen. 
Hierdurch ist allgemein die Bestimmung des Eon- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 165 

vektionspotentiales in 2 zarückgeführt auf die Be- 
stimmung des elektrostatischen Potentiales in 2^* 

Das Konvektionspoiential einer im Koordinatenanfange 
befindlichen Pnnktladnng e wird hiemach 



(106 b) ?P = 



x*e 



Vx^ + x^y^+z*) 



was Yollkommen mit den Gleichungen (68) und (68 a) des § 12 
übereinstimmt. In Entfernungen Yon dem bewegten Ladungs- 
systeme^ in welchen dasselbe wie eine Punktladung wirkte ist 
die Formel (106b) für das Eonvektionspotential zu verwenden; 
hier sind die Flächen konstanten Konvektionspotentiales in 2 
Hcayiside-Ellipsoide^ welche aus den kugelförmigen Äqui- 
potentialflächen einer ruhenden Punktladung in 2Jq durch die 
Transformation (105) entstehen. 

Vergleichen wir die Komponenten der elektrostatischen 
Kraft 



mit denen der elektromagnetischen Kraft 

^ = ^rv in 2, 

so erhalten wir gemäß (105) und (106) 



(106 c) 






Es greifen demnach in zwei einander ent- 
sprechenden Ladungen des bewegten Systemes 2 und 
des ruhenden Systemes S^ Kräfte an^ die bezüglich 
der Komponenten parallel der Bewegungsrichtung 
einander gleich sind^ während die zur Bewegungs- 
richtung senkrechten Komponenten in 2 im Ver- 
hältnis X :^ yi — /S* kleiner sind, als in S^, 



166 ßrster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Hat man far ein ruhendes System ^ das elektrostatische 
Problem gelöst; d. h. die Gleichgewichtsverteilimg der Elek- 
trizität auf einem Leitersystem ermittelt^ so kann sofort aus 
dieser Lösung die Gleichgewichtsverteilung der Elektrizi1£t 
in dem gleichförmig bewegten Systeme 2 angegeben werden^ 
welches aus 2^ durch eine Kontraktion paraUel der Bewegungs- 
richtung im Verhältnis x entsteht. Ln Innern der Leiter in 2^ 
ist das elektrostatische Potential konstant^ die Feldstärke ^q 
gleich Null; dementsprechend ist in 2 das Konvektionspotential 
konstant und die elektromagnetische Kraft % gleich Null. 
Wie die Gleichgewichtsverteilung in 2^, dem Satze von 
W. Thomson gemäß (vgl. I, § 44), durch ein Minimum der 
elektrostatischen Energie Uq ausgezeichnet ist, so 
besitzt die Verteilung der Elektrizität auf den Leitern 
des bewegten Sytemes S die Eigenschaft, die Kräfte- 
funktion 

(106d) r=^fdvQW^^Jdv,Q,xip,^xU, 

zu einem Minimum zu machen. 

Wir denken uns in 2^ die Ladung e mit gleichförmiger 
räumlicher Dichte verteilt über eine von zwei konzentrischen, 
ähnlichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden begrenzte Schicht. 
Das elektrostatische Potential nimmt in dem Grenzfalle einer 
sehr dünnen Schicht im Innern des Ellipsoides den konstanten 
Wert an^): 

OD 

(107) 90 = 1 efi> 



wo abkürzungsweise 

(107 a) JD = y(a,' + s) (V + s) (c,' + s) 

gesetzt ist. Die entsprechende, im Grenzfalle flächenhafte Ver- 
teilung der Elektrizität ist, eben weil sie im Innern des 
Ellipsoides ein konstantes elektrostatisches Potential ergibt. 



1) Vgl. Riemann -Weber, Die partiellen Differentialgleichungen der 
math. Physik. I, § 108, S. 2Ö9. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. X67 

diejenige, welche sich auf einem leitenden ruhenden Ellipsoide 
von 4en Halbachsen a^, b^^, Cq wirklich herstellt. 

Durch gleichförmige Eontraktion im Verhältnis x parallel 
irgendeiner Geraden entsteht nun aus diesem Ellipsoide wiederum 
ein Ellipsoid von den Halbachsen a, b, c. Wird dieses parallel 
jener Geraden gleichförmig bewegt mit einer dem Werte yon x 
entsprechenden Geschwindigkeit, so ordnet es sich eben dem 
ruhenden Ellipsoide IJ^^a^^yb^yC^) als bewegtes 2](a,b,e) zu; 
auf ihm ist das Eonvektionspotential W^'xg)^ konstant. Da 
nun die Gleichgewichtsverteilung der Elektrizität auf einem 
bewegten Leiter dadurch gekennzeichnet ist, daß im Innern 
des Leiters der Vektor ^ verschwindet, d. h. das Eonvektions- 
potential konstant ist, so erhalten wir durch Eontraktion des 
ruhenden leitenden EUipsoides 2?^ ein bewegtes leitendes 
Ellipsoid 2Jy auf dem das konvektive Gleichgewicht der Elek- 
trizität sich hergestellt hat. Beachten wir nun, daß die Elek- 
trizitatsverteUung in ^ sich als GrenzfaU einer räumlichen 
gleichförmigen VerteUung zwischen zwei konzentrischen, ähn- 
lichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden auffassen läßt und 
daß durch die vorgenommene Eontraktion diese Ellipsoide 
wieder in ähnliche, konzentrische und ähnlich liegende Ellipsoide 
übergehen, so erkennen wir folgendes: Die erhaltene Elek- 
trizitätsverteilung auf dem Ellipsoide 2](a,b,c) wäre auch 
dann im Gleichgewichte, wenn das Ellipsoid ruhte. Die 
Elektrizitätsverteilung auf einem leitenden Ellipsoide 
wird durch gleichförmige Bewegung desselben nicht 
beeinflußt^) 

Auf unserem kugelförmigen Elektron wurde die Flächen- 
ladung als gleichförmige angesehen, nnd es wurde angenommen, 
daß die Ladung fest an der Fläche haftet. Obgleich dieser 
Fall physikalisch wesentlich verschieden ist von demjenigen &es 
geladenen Eonduktors, so zeigt doch der obige Satz, daß beide Fälle 
in ihren Eonsequenzen übereinstimmen, wenigstens für statiomlre 
und quasistationäre Bewegungen; denn es bleibt ja auch auf 



1) W.B.Morton, Phil. Mag. 41, S.488. 1896. 



168 Erster Absclmitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

dem bewegten leitenden Ellipsoide die Elektrizitätsyerteilmig, 
obwohl sie einer Änderung föhig wäre, im Falle des koi^vek- 
tiven Gleichgewichtes die gleiche^ wie auf dem rahenden. So 
erklärt es sich, daß die Untersuchungen von W. B. Morton 
und 6. F. C. Searle^) über das Feld und die Feldenergie gleich- 
formig bewegter ellipsoidischer Leiter fiir die Dynamik des 
Elektrons sich haben yerwerten lassen, obwohl sie yon wesent- 
lich anderen Ghimdhypothesen ausgehen. 

Durch (107) und (106) ist das Eonvektionspotential einer 
bewegten ellipsoidischen Flächenladung bestimmt. Wie die 
Bewegungsrichtung auch gegen die Hauptachsen (2a, 2b, 2c) 
orientiert sein mag, die Streckung (105) ergibt stets wiederum 
ein Ellipsoid, durch dessen Hauptachsen (2»^, 26^, 2c^ sich 
das elektrostatische Potential g)^ gemäß (107) berechnet. Die 
elektrostatische Energie dieses flächenhaft geladenen 
Ellipsoides ist « 

(107b) ^o^Y'Po'^ifi-^ 



aus ihr bestimmt sich nach (106 d) die Kräftefunktion des 
bewegten Ellipsoides. 

Wir wollen dem Falle der Flächenladung den Fall gleich- 
formiger Yolumladung eines bewegten Ellipsoides gegenüber- 
stellen. Sind die Halbachsen a, h, c dieses Ellipsoides die- 
selben, wie die des soeben betrachteten, und ist die Orien- 
tierung der Achsen gegen die Bewegungsrichtung dieselbe, so 
sind auch die Halbachsen a^, &q, Cq des beim Übergang zum 
gestreckten Systeme Uq entstehenden Ellipsoides die gleichen 
wie dort. Es wird hier das elektrostatische Potential in 2]q 
für das Innere des Ellipsoides') 



oo 



(1070 ^.= i./^(x-^-j4V,-Ä)' 



1) G. F. C. Searle, Phil. Trans. A. 187 (1896), S. 676. Phü. Mag. 
44, S. 329. 1897. 

2) Riemann-Weber, Die partiellen Differentialgleichungen d. math. 
Physik. I, § 107, S. 266. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 169 

und somit die elektrostatische Energie der Yolumladung 



QO 



/ff/x-.'.O-Ä-Ä-Ä)- 



I 

Die Integrationen über das Volumen des EUipsoides lassen 
sich leicht ausfahren. Man findet 

(107d) p..-|../g{l-i-(^. + ^ + ^)). 



Wir wollen die elektrostatische Energie (107 d) des gleich- 
formig über sein Volumen geladenen EUipsoides vergleichen 
mit derjenigen des flächenhafb geladenen (107 b). Wir können 
die letztere auffassen als Funktion der Großen öq*, 6^*, Cq^, und 

^war als homogene Funktion vom Orade (•— ö^)* In der Tat, 

erinnern wir uns der Bedeutung der Größe D, die in (107 a) 
angegeben war, und setzen statt a^*, h^^, c^ die ^-fachen Werte, 
so geht durch die Substitution s = äa die rechte Seite von 
(107 b) über in ein ganz gleiches, nach ^ genommenes Integral 

zwischen denselben Grenzen, multipliziert mit a ^. Nach 
einem bekannten Satze von Euler ist demnach 

(107e) V@H-V^ + ^0^^ = -{0,. 

Was nun die elektrostatische Energie der Volumladung 
(107 d) betrifft, so können wir schreiben 

was nach (107 e) ergibt 

(107 f) J7o* = |Do- 

Von der elektrostatischen Energie in 2^ auf Grund von (106 d) 
sogleich zur EnLfkeftmktion in 2 übergehend, erhalten wir 

(108) F* = I F. 



170 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Es verhalten sich die Eräftefunktionen zweier 
Ellipsoide derselben Form^ Ladung^ Bewegnngs- 
richtung und Geschwindigkeit, von denen das erste 
über sein Volumen gleichförmig geladen ist, während 
im zweiten die Ladungsyerteilung der Flächenladung 
des leitenden Ellipsoides entspricht (d. h. als Gfrenzfall 
einer gleichförmigen räumlichen Verteilung in einer, von zwei 
ähnlichen und ähnlich liegenden EUipsoiden begrenzten Schicht 
anzusehen ist), wie 6:5. Dieser Satz führt den Fall der 
Volumladung auf denjenigen der Flächenladung zurück, so 
daß wir uns weiterhin nur mit dem letzteren zu beschäftigen 
brauchen. 

§ 19. Bewegungsgröße und Energie des gleichförmig 

bewegten Elektrons. 

Wir betrachten ein ellipsoidisches Elektron in gleich- 
formiger geradliniger Bewegung; ist genügend lange Zeit seit 
dem Eintritt dieser Bewegung verflossen, und ist die 6e- 
schwindigkeit der Translation kleiner als die Lichtgeschwindig- 
keit, so wird die gesamte Energie und Bewegungsgroße des 
Feldes konstant sein. Sie wird sich zusammensetzen aus der 
Energie und Bewegungsgröße der vor Eintritt der gleich- 
formigen Bewegung entsandten Wellen und der vom Elektron 
mitgeführten Energie und Bewegungsgröße. Die weitere Be- 
wegung des Elektrons ist ausschließlich durch die mitgeführte 
Bewegungsgröße und Energie bestimmt. 

Da der gesamte elektromagnetische Impuls und der auf 
den Mittelpunkt des Elektrons bezogene Drehimpuls des mit- 
geführten Feldes konstant sind, so ergeben die Impulssätze 
(94, 94a): 

(109) r - 0, 

(109a) r-[lio®]. 

Es bedarf demnach keiner äußeren Kraft, um die 
gleichförmige Bewegung des ellipsoidischen Elektrons 
aufrechtzuerhalten, wohl aber im allgemeinen einer 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 171 

äußeren Drehkraft. Eine äußere Drehkraft ist stets 
erforderlich, wenn der Impulsvektor ® nicht der Be- 
wegungsrichtung parallel weist. Man überzeugt sich 
leicht dayon, daß dieses eine Eonsequenz der allgemeinen Im- 
pulssätze des § 5 ist. Es war ja die elektromagnetische Be- 
wegungsgröße über den Äther verteilt zu denken und dem- 
entsprechend das Impulsmoment auf einen im Baume festen 
Punkt zu beziehen. Eine äußere Drehkraft ist dann erforder- 
lich, wenn das auf den absolut ruhenden Momentenpunkt be- 
zogene Moment der elektromagnetischen Bewegungsgroße sich 
ändert; das ist aber hier der Fall; denn es führt das gleich- 
formig bewegte Elektron sein Feld und die über dieses Feld 
verteilte Bewegungsgroße einfach mit sich, es ändert sich also 
der von dem ruhenden Bezugspunkte aus gezogene Hebelarm, 
an dem das betreffende Quantum von Bewegungsgröße an- 
zubringen ist, und zwar für das ganze Feld mit derselben Ge- 
schwindigkeit H "= Hq. Die zeitliche Änderung des gesamten 
auf den ruhenden Momentenpunkt bezogenen Impulsmomentes 
ist demnach gleich dem äußeren Produkte aus k) und dem ge- 
samten Impulse des mitgeführten Feldes, wie Gleichung (109 a) 
behauptet. Was aber die Bewegungsgroße der entsandten 
Wellen anbelangt, so ist diese, wie wir gezeigt haben, der 
Strahlrichtung, d. h. dem vom Orte des Entsendens aus ge- 
zogenen Radiusvektor parallel. Ihr Moment in bezug auf diesen 
im Baume festen Punkt ist dauernd gleich Null, so daß die 
Bewegungsgröße der Wellen in (109 a) nicht eingeht. 

Es ist aus Symmetriegründen ersichtlich und wird durch 
genauere Überlegung bestätigt, daß der Impuls ® des mit- 
geführten Feldes parallel der Bewegungsrichtung weist, wenn 
ein ellipsoidisches Elektron einer der drei Hauptachsen parallel 
bewegt wird. Geschieht hingegen die Bewegung des EUipsoides 
in einer anderen Bichtung, so bedarf es einer äußeren Dreh- 
krafb, upi die gleichförmige, rotationslose Bewegung aufrecht- 
zuerhalten. Eine Translation des ellipsoidischen Elek- 
trons in einer zu den Hauptachsen schiefen Bichtung 
erfüllt also nicht das erste Axiom der Newtonschen 



172 Barster Abschnitt* Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Mechanik; sie kann nicht ohne Einwirkung äußerer 
Kräfte vor sich gehen. Was aber die Bewegung parallel 
den Hauptachsen anbelangt^ so sind stabile und labile Be- 
wegungen zu unterscheiden. Eine translatorische Bewegung 
wird als stabil zu bezeichnen sein^ wenn beim Herausdrehen 
der Hauptachse aus der Bewegungsrichtung eine innere Dreh- 
kraft erweckt wird^ welche die Hauptachse wieder in die Be- 
wegungsrichtung einzustellen strebt^ d. h. wenn die durch 
(109 a) angegebene äußere Drehkraffc 91^, welche jener inneren 
Drehkraft das Gleichgewicht hält^ das Ellipsoid aus der Be- 
wegungsrichtung herauszudrehen sucht. Ist hingegen eine 
äußere Drehkraffc erforderlich, welche die betreffende Haupt- 
achse in die Bewegungsrichtung einzustellen sucht, d. h. streben 
die durch eine kleine Drehung erweckten inneren Drehkrafte 
den Winkel zwischen der Achse und der Bewegungsrichtung 
zu vergrößern, so wird die betreffende Bewegung eine labile 
zu nennen sein. Wie wir im vorigen Paragraphen gesehen 
haben, gibt die Eräftefunktion V des Elektrons durch ihre 
Abnahme die bei konstant gehaltener Geschwindigkeit bei 
einer Konfigurationsänderung zu gewinnende Arbeit an. Dem- 
entsprechend werden sich die stabilen und labilen Translations- 
bewegungen dadurch unterscheiden lassen, daß erstere einem 
Minimum, letztere einem Maximum der KnLffcefunktion V bei 
gegebener Geschwindigkeit entsprechen, gerade so, wie in der 
Mechanik die stabilen und labilen Gleichgewichte durch ein 
Minimum bzw. ein Maximum der potentiellen Energie sich 
auszeichnen (vgl. I § 11). Die genauere Untersuchung hat 
dieses bestätigt^; sie hat femer ergeben, daß die Bewegung 
des Ellipsoides parallel der größten der drei Achsen 
einem Minimum der Kräffcefunktion V (oder nach (104 b) einem 
Maximum der Lagrangeschen Funktion) entspricht und dem- 
nach stabil ist. Die Bewegung parallel der kleinsten 
der drei Achsen hingegen, welche einem Maximum von V 
entspricht, ist instabil. Wir können also nicht annehmen. 



1) M. Abraham 1. c. Ann. d. Phys. 10. S. 174. 1903. 



Drittes KapiteL Die Mechanik der Elektronen. 173 

daß die in den Eatiiodenstrahlen und in den Badiumstrahlen 
bewegten Elektronen etwa abgeplattete Botationsellipsoide sind, 
welche sich parallel der Rotationsachse bewegen, wenigstens 
dann nicht, wenn wir die Ladung starr an dem Yolnmen oder 
an der Oberfläche des EUipsoides haften lassen; der kleinste 
Anstoß würde genügen, nm ein solches Ellipsoid zum um- 
schlagen zu bringen. Was schließlich die Bewegung parallel 
der mittleren Achse des dreiachsigen EUipsoides anbelangt, 
so ist dieselbe offenbar stabil gegenüber solchen Drehungen, 
welche die kleinste Hauptachse, aber labil gegenüber solchen, 
welche die größte Hauptachse der Bewegungsrichtung parallel 
zu stellen suchen. Auch eine Bewegung parallel dieser mitt- 
leren Achse wird labil zu nennen sein. Wenn man unsere 
einfachste Voraussetzung, nämlich die eines kugelförmigen 
Elektrons, aufzugeben und zu der komplizierteren Annahme 
einer ellipsoidischen Form überzugehen wünscht, so wird man 
in den Eathodenstrahlen und in den Badiumstrahlen diese 
ellipsoidischen Elektronen nur ihrer größten Achse parallel 
bewegt annehmen dürfen, wofern man an den Grundhypothesen 
(VI, Via und Yll) festhält. 

unser kugelförmiges Elektron ist offenbar bezüglich einer 
Drehung in indifferentem Gleichgewicht. Der Impuls weist stets 
parallel der Bewegungsrichtung und es ist keine äußere Dreh- 
kraft erforderlich, um die gleichförmige Translation aufrecht- 
zuerhalten. Die gleichförmige Translationsbewegung 
unseres kugelförmigen Elektrons mit Unterlicht- 
geschwindigkeit ist demnach eine kräftefreie Be- 
wegung. Es gilt für ein solches Elektron, sei es, daß 
die Ladung gleichförmig über die Oberfläche oder 
gleichförmig über das Volumen verteilt ist, das erste 
Axiom der Newtonschen Mechanik. 

Wir gehen nunmehr zur Berechnung der elektromagne- 
tischen Bewegungsgröße und Energie über, welche das Elek- 
tron bei seiner gleichförmigen Translation mit sich führt. 
Die Bestimmung der Eiufbefnnktion V bzw. der Lagrangeschen 
Funktion L ist ja durch (106 d) zurückgeführt auf die Be- 



1 74 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Stimmung der elektrostatischen Energie U^ des im Verhältnis 
x~^ seiner Bewegungsrichtong parallel gestreckten Elektrons: 

(110) F=-Z = xt/o. 

Ans der Lagrangeschen Funktion leiten wir nun sowohl 
die Bewegungsgroße wie die Energie unseres kugelförmigen 
Elektrons ab. Wir gehen dabei aus von der Formel (104 c): 

(110a) L - - J^ {e.> + (1 - ß^) {%^ + ß,^) ) • 
Dieselbe nach ß differenzierend; erhalten wir 



(UOb) |5_^J|j {«,.+ «,.) 



-/£{«.^+«'(«-^+«.^')l- 

Wir betrachten zuerst das zweite der hier auftretenden 
Integrale; die partielle Differentiation nach ß bezieht sich auf 
das Feld; welches in einem gegebenen Punkte des statioimren 
Yom Elektron mitgefuhrten Feldes herrscht; d. h. es sind die 
Koordinaten {x, y, d) im bewegten Systeme bei der Differen- 
tiation nach ß konstant zu halten. Nach (10 IC; d) und (102) 
können wir dasselbe schreiben 

Nach der Regel (i) der Formelzasammenstellmig in Bd. I, 
S. 437 ist 

-(^,F^) = ^di.f-div^^. 
Der Satz von 6auß ergibt demgemäß 

wenn man beachtet; daß das Oberflächenintegral von ^^ 

über die Begrenzungsfläche des stationären Feldes zu yemach- 
lässigen ist, da W mit der (— 1)*«^; « mit der (~ 2)*^ Potenz 
der Entfernung vom Elektron abnehmen; hat; wie wir voraus- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 175 

setzen^ das stationäre Feld sich bis zu Entfemmigen aus- 
gedehnt , die groß sind gegen den Radius des Elektrons ^ so 
ist dieses' Oberflachenintegral in der Tat zu streichen; das 
geschieht mit demselben Rechte^ mit dem wir die Energie und 
die Bewegnngsgroße des mitgefOhrten Feldes so berechnen, 
als ob im ganzen Baume das stationäre Feld herrschte. 

Die partielle Differentiation nach ß bezieht sich auf einen 
Punkte der eine feste Lage in einem mit dem Elektron be- 
wegten Bezugssysteme hat. Hafbet nun^ wie angenommen 
wurdC; die Elektrizität starr an den Yolumelementen des 
Elektrons^ so ist die Ladungsverteilung von der G^schwindig- 
keit unabhängig, und es wird 

nnd daher auch 

("»«) /n(»lf)-/'''"'l|-«- 

Wir erhalten demnach aus (llÖb) mit Bücksicht auf (101 f) 

Es wird die der Bewegungsrichtung parallele 
Impulskomponente erhalten^ indem man die La- 
grangesche Funktion nach dem Betrage |k){»cj3 der 
Geschwindigkeit differenziert. Speziell für unser kugel- 
förmiges Elektron^ dessen Impuls stets seiner Bewegungs- 
richtung parallel ist^ wird 

(111) \9\-ä- 



0, 



Die Gültigkeit dieser bedeutungsvollen Beziehung 
fußt wesentlich auf der kinematischen Grundhypo- 
these (VU); welche aussagt^ daß die Elektrizität an 
den Yolumelementen des starren Elektrons haftet. 
Würden wir hingegen eine Formänderung des Elektrons zu- 
lassen und annehmen^ daß mit wachsender Geschwindigkeit 
die Form des Elektrons, d. h. die Ladungsverteilung im be- 



176 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

wagten Systeme sich änderte^ so wäre q als Fanktion yon ß 
anzusehen; alsdann würde die Relation (110c) nicht mehr 
gelten^ es würde das zweite Glied auf der rechten* Seite von 
(110b) nicht mehr fortfallen. Es beruht mithin die Gleichung 
(llOd) auf unserer kinematischen Grundhypothese (VII); diese 
Gleichung geht in (111) über, wenn der Impuls der Bewegungsr 
richtung parallel weist, d. h. wenn keine äußere Drehkraft zur 
Aufrechterhaltung der gleichförmigen Translation erforderlich 
ist. Für unser kugelförmiges Elektron ist diese Bedingung, 
wie wir gesehen haben, erfüllt. 

Die Lagrangesche Funktion ist definiert als Differenz der 
magnetischen Energie T und der elektrischen Energie ü. Es 
ist mithin die gesamte elektromagnetische Energie des Elektrons 

W^2T-L. 

Führen wir hier füt 2T den allgemeinen, im vorigen 
Paragraphen erhaltenen Ausdruck (103) ein, so erhalten wir 



oder, mit Rücksicht auf (llOd) 
(lila) w^\t,\^^.-L. 



Es drückt sich demnach auch die Energie eines 
der kinematischen Grundgleichung (VII) gehorchenden 
Elektrons allgemein durch die Lagrangesche Funk- 
tion aus. Wir merken noch die aus (111) und (lila) fol- 
gende Beziehung an 






deren Bedeutung wir im nächsten Paragraphen erläutern werden. 
Die Entwickelungen des vorigen Paragraphen gestatten 
es nun ohne weiteres, das Feld und die Lagrangesche Funktion 
eines kugelförmigen Elektrons zu ermitteln, sowohl für den 
Fall der gleichförmigen Flächenladung, als auch für den Fall 
der gleichförmigen Yolumladung. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 177 

Durcli die Transformation (105) wird die bewegte Engel 
Yom Badins a abgebildet anf ein mbendes EUipsoid von den 
Halbachsen 

(112) ao «= ^> 60 = ^0== «; 

das ist ein gestrecktes Rotationsellipsoid^ dessen Rotationsachse 
der Bewegungsrichtnng des Elektrons entspricht. Das elektro- 
statische Potential dieses Ellipsoides würde sich fcir den Fall 
der Flächenladnng ans (107)^ fdr den Fall der Yolnmladnng 
aus (107 c) durch Einführung der Halbachsen (112) auswerten 
lassen. Durch (106) wäre dann das Konvektionspotential 
des bewegten Elektrons bestimmt als 

(112a) ^-x(po, 

und durch (102) bzw. (101b) die elektromagnetischen 
Potentiale 

(112b) * = x-»^- x-i^o 

imd 

(112c) «=i*=i.y„. 

Anstatt (f^ aus (107) bzw. (107 c) zu berechnen, ziehen 
wir es vor, zuiuichst den Fall der Flachenladung zu er- 
ledigen, indem wir uns auf die im ersten Bande dieses 
Werkes (§ 36) gegebene Ableitung des elektrostatischen Poten- 
tiales eines gestrecken Rotationsellipsoides beziehen. Die Ver- 
teilung der Ladung auf dem leitenden EUipsoide ist ja als 
Grenzfall einer gleichförmigen räumlichen Verteilung zwischen 
zwei ähnlichen und ähnlich liegenden Ellipsoiden anzusehen, 
wie wir im vorigen Paragraphen bemerkten. Diese Verteilung 
ist gerade die hier in Betracht kommende, nämlich diejenige, 
die durch Streckung des mit einer gleichförmigen Flächen- 
belegung versehenen Elektrons entsteht. Das elektrostatische 
Potential des leitenden Ellipsoides ist in Bd. I Gleichung (132) 
auf S. 136 angegeben; dort war die Rotationsachse der ;sr-Achse 
parallel; es bezeichnete c den halben Abstand der Brennpunkte, 
der hier gleich 

Abraham, Theorie der Elektrisit&t. n. 12 



178 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegxuig der einzelnen Elektronen. 



]/v- V = ^^—^ = ^1 



zu setzen ist; es stellten femer r^ und r, die Abstände eines 
Aufpunktes von den Brennpunkten dar^ die in der jetzigen 
Schreibweise sind 



r% = l/(a'o -«!)*+ y«* + «0*- 
Demgemäß wird 



(112d) ^-o-^ln 






im äußeren Felde da49 elektrostatisclie Potential des gestreckten 
Rotationsellipsoides. Zum bewegten Elektron zurückkehrend, 
erhalten wir aus (112b, c) die elektromagnetischen Poten- 
tiale des mitgeführten äußeren Feldes 

(112e) $= « inl^+^toj, 

(112f) «^^ln P+«;+»'-' }, 

^ ^ 2/Jac la?--a/3 + «r, J 

wobei nach (105) 



(112g) ' , T p; -r yy y 

zu setzen ist. Aus diesen Werten der elektromagnetischen 
Potentiale ist das äußere Feld des Elektrons nach den Formeln 
(101c, d, e,f) abzuleiten. Das Eonvektionspotential, dessen 
negativer Gradient die auf die Einheit der mitbewegten Ladung 
ausgeübte Kraft bestimmt, ist außerhalb des Elektrons, 
nach (112 a, d) 

(112h) 5r=i^ln|^+^^|. 

Die Äquipotentialflächen des ruhenden, gestreckten Rota- 
tionsellipsoides sind konfokale Ellipsoide, die sich mit wachsen- 
der Entfernung mehr und mehr der Kugelgestalt imhem. Im 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 179 

äußeren Felde des bewegten Elektrons sind die Flachen kon- 
stanten Eonyektionspotentiales eine Schar yon Ellipsoiden^ 
welche aus jenen durch eine Eontraktion parallel der o;- Achse 
entstehen; mit wachsender Entfernung vom Elektron nahem 
sie sich asymptotisch Heayiside-EUipsoiden. 

Wie die Oberfläche des leitenden Rotationsellipsoides eine 
Äquipotentialfläche ist^ so ist die Oberfläche des Elektrons 
eine Fläche konstanten Eonyektionspotentiales. Nach Formel 
(132b) in Bd. I (S. 137) ist das elektrostatische Potential des 

leitenden EUipsoides 

(112i) . (Po -= ^-^— ln ^+>^;o'-V ), 

Nach (112, 112a) wird demnach der an der Oberfläche 
des Elektrons herrschende Wert des Eonyektions- 
potentiales 

Im Innern des flächenhaft geladenen Elektrons sind sowohl 
das Eonyektionspotential wie die elektromagnetischen Potentiale 
konstant; demgemäß besteht im Innern des gleichförmig be- 
wegten Elektrons, in dem hier behandelten Falle der Flächen- 
ladung, überhaupt kein elektromagnetisches Feld. 

Aus (104) bzw. (104 b) folgt jetzt ohne weiteres der Wert 
der Eräft'efunktion bzw. der Lagrangeschen Funktion 
des Elektrons 

(US) r— z-ie^-|lii£ta(l±D 

far den PaU der Plächenladung. 

Ans (111) folgt als Betrag des Impalses 

und aus (lila) die Energie des Elektrons 

(U3b) ,r=|.|«-£-ii|ib(l±D-i]. 

12* 



180 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Da die Kräftefunktion gleich der Differenz der elektrischen 
Energie U und der magnetischen T ist^ so erhalten wir durch 
Addition und Subtraktion von (113 b) und (113) 

(1180) p-i(,^+7)-^l((t±')i,(i±D_ij. 

(ii8d) r-l(Tr-r)-il(CJJ).n(li^-i). 

Die letztere Formel hätte natürlich auch aus (113 a) ab- 
geleitet werden können^ da ja nach (103) die doppelte magne- 
tische Energie dem Produkte aus Geschwindigkeit und Impuls 
gleich ist. Entwickelt man die beiden letzten Ausdrücke in 
Reihen^ die nach Potenzen von j8* fortschreiten, und vernach- 
lässigt Größen der Ordnung ß\ so wird 

(113e) ^=^0 = ^' 



«• 1« 



(113f) T^^-ß^ 

Für Bewegungen des Elektrons^ deren Geschwindigkeit 
klein gegen die Lichtgeschwindigkeit ist, ist die elektrische 
Energie von der Geschwindigkeit unabhängig, während die 
magnetische Energie dem Quadrate der Geschwindigkeit pro- 
portional ist. Erstere ist mithin der potentiellen, letztere der 
kinetischen Energie der gewöhnlichen Mechanik zu vergleichen. 
Diese Analogie ist nicht auf geringe Geschwindigkeiten beschränkt ; 
die Ableitung der Gesamtenergie und des Impulses aus der als 
Differenz der beiden Energiearten definierten Lagrangeschen 
Funktion, die für beliebige Geschwindigkeit galt, erinnert an 
Beziehungen, die aus der analytischen Mechanik bekannt sind; 
wir kommen hierauf im nächsten Paragraphen zurück. 

Haben wir es nicht mit dem Falle der Flächenladung, 
sondern mit dem Falle der Yolumladung des kugelförmigen 
Elektrons zu tun, so können wir die Lagrangesche Funktion, 
die Energie und den Impuls sofort angeben, auf Grund des 
Satzes, den wir am Schlüsse des vorigen Paragraphen bewiesen 
haben (Gleichung 108). Im Falle der Volumladung 
werden die Werte der Eräftefunktion, und demnach 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 131 

auch diejenigen der Energie und des Impulses^ aus 
den im Falle der Flächenladung geltenden einfach 
durch Multiplikation mit dem Zahlenfaktor 6:5 ab^ 
geleitet. Mit diesem Faktor sind also die rechten Seiten 
der Gleichungen (113) bis (113f) beim Übergange zur Volum- 
ladung zu multiplizieren. 

Aus dem am Eingange dieses Paragraphen und in dem 
des Yorigen Gesagten geht ohne weiteres heryor, daß diese 
Formeln nur für den Fall der Unterlichtgeschwindigkeit 
die Energie und die Bewegungsgröße des mitgeführten Feldes 
bestimmen. 

Die magnetische Energie einer langsam bewegten^ flächen- 
haft geladenen Kugel wurde zuerst yon 0. Heayiside richtig 
angegeben (1889). Die Gesamtenergie der leitenden Eugel 
wurde von G. F. C. Searle ermittelt (1897)» Die Bewegungs- 
größe des kugelförmigen Elektrons und die Beziehungen 
zwischen Lagrangescher Funktion, Energie und Bewegungs- 
größe wurden vom Verfasser dieses Werkes gefunden (1902), 
der auch den Fall der Volumladung in der hier wiedergegebenen 
Weise erledigte. 

§ 20. Die elektromagnetisohe Masse. 

Wir haben im letzten Paragraphen bewiesen, daß das 
Elektron, wenn äußere Kräfte nicht wirken, in seiner gleich- 
formigen rein translatorischen Bewegung verharrt, wofern 
seine Geschwindigkeit kleiner ist, als die Lichtgeschwindigkeit. 
Diese Folgerung aus den angenommenen Ghnmdhypothesen 
ist in Übereinstimmung mit den bei Ejithodenstrahlen und 
Radiumstrahlen gewonnenen experimentellen Ergebnissen; 
werden die Strahlen durch kein äußeres Feld beeinflußt, so 
erfolgt ihre Fortpflanzung geradlinig mit konstanter Ge- 
schwindigkeit. 

Wie das erste, so hat auch das zweite Axiom der Mechanik 
Newtons sich experimentell in gewissem Sinne bestätigt. Die 
träge Masse der Strahlteilchen ist zwar nicht eine unabänder- 
liche^ wie die Masse der gewöhnlichen Mechanik. Sie ist nur 



182 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

bei langsamer Bewegung konstant; bei den /3- Strahlen des 
Badiums hängt sie von der Geschwindigkeit der Elektronen 
sb. Immerhin hat sich in dem Bereiche^ auf welches sich die 
Experimente beziehen^ die Masse insofern als konstant erwiesen, 
als sich der Betrag der transversalen Beschleunigung bei ge- 
gebener Geschwindigkeit dem Betrage der transversalen äußeren 
Kraft proportional ergab. Der Dynamik des Elektrons erwächst 
die Aufgabe, von diesem Verhalten Rechenschaft zu geben, 
und, der experimentellen Forschung voranleuchtend, den Be- 
griff der elektromagnetischen Masse *präzise zu formulieren. 

Um das in dem angegebenen Sinne erweiterte zweite 
Axiom Newtons aus den Grundgleichungen unserer Theorie 
zu deduzieren, müssen wir offenbar ausgehen von solchen Be- 
wegungen, welche dem ersten Axiome Genüge leisten; diese 
Bedingung erfüllen die soeben behandelten rotationslosen Be- 
wegungen des allseitig symmetrischen Elektrons. Nur dann, 
wenn die kräfkefreie Bewegung geradlinig und gleichförmig ist, 
l:onnen wir erwarten, die erteilte Beschleunigung der äußeren 
Eraft proportional zu finden. Auch für ein kugelförmiges 
Elektron ist dieses Verhalten nur unter gewissen einschränkenden 
Voraussetzungen über den Betrag der Beschleunigung und der 
Geschwindigkeit möglich. 

Wie nämlich in § 17 dargelegt wurde, ist die Aussage der 
dynamischen Grundgleichungen eine äußerst verwickelte. Auch 
bei rein translatorischen Bewegungen hängt die innere Eraft, 
welche das Elektron auf sich selbst ausübt, von der Ge- 
schwindigkeit und von der Beschleunigung ab, welche das 
Elektron während eines gewissen, dem betreffenden Zeitpunkte 
vorangegangenen Zeitintervalles erfahren hat. Eine Proportio- 
nalität der Eraft zur jeweiligen Beschleunigung, und eine Ab- 
hängigkeit der Masse von der jeweiligen Geschwindigkeit allein, 
kann daher in Strenge nicht stattfiinden. Nur wenn die Be- 
schleunigung hinreichend gering ist, wenn also die Geschwindig- 
keit nach Bichtui^ und Betrag sich nur langsam ändert, wird 
das Verhalten des Elektrons durch eine „elektromagnetische 
Masse^^ zu charakterisieren sein. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 183 

Wir deuteten bereits im Eingange dieses Kapitels die 
Analogie an^ die zwischen der elektromagnetischen Masse der 
konrektiv bewegten Elektrizität und der Selbstinduktion eines 
Leitnngsstromes besteht. . Wie die Selbstinduktion mit der 
magnetischen Energie des Leitungsstromes zusammenhängt 
(vgl. I^ § 64)^ so ist die elektromagnetische Masse mit der 
Bewegungsgröße und der Energie des mitgeführten Feldes ver- 
knüpft. Nun war aber der Gültigkeitsbereich des Begriffes 
der Selbstinduktion auf langsam veränderliche, oder^ wie wir 
sagten, ,, quasistationäre'' Ströme beschränkt. Ein Strom wurde 
quasistationär genannt (vgl. I, S. 257) , wenn seine Stromstärke 
sich nur relativ wenig änderte in der Zeit, welche die elektro- 
magnetischen Störungen gebrauchen, um den Abstand zwischen 
den beiden entferntesten Punkten des Stromsystemes zu durch- 
messen. Nur unter dieser Bedingung konnte die mi^etische 
Energie so berechnet werden, als ob das Feld, wie beim 
stationären Strome, der jeweiligen Stromstärke augenblicklich 
folgte. Auf solche quasistationäre Ströme allein ist die ge- 
bräuchliche Theorie des Wechselstromes anzuwenden,' die im 
ersten Bande dieses Werkes (Abschnitt III, Eap. 2) vorgetragen 
wurde. Dementsprechend wird der Begriff der elektromagne- 
tischen Masse nur auf „quasistationäre Bewegungen'' des 
Elektrons angewendet werden dürfen; es wird eine Bewegung 
dann quasistationär zu nennen sein, wenn ihre Geschwindigkeit 
sich nur wenig ändert in der Zeit, welche das Licht gebraucht, 
um über das Elektron hinwegzustreichen. Für quasistationäre 
Bewegungen werden wir die Bewegungsgröße und die Energie 
so berechnen, als ob das mitgeführte Feld der jeweiligen Ge- 
schwindigkeit entspräche, d. h. wir werden diejenigen . Werte 
des Impulses und der Energie verwenden, die wir im vorigen 
Paragraphen für gleichförmige Bewegungen abgeleitet haben. 
Die Gültigkeitsgrenzen der Theorie der quasistationären Be- 
wegnng werden wir in einem späteren Paragraphen abstecken; 
wir werden sehen, daß diese Theorie alle beobachtbaren Ab- 
lenkungen und Beschleunigungen mit Unterlichtgeschwindigkeit 
bewegter Elektronen umfaßt. 



184 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Dem Impulssatze (94) zufolge ist die zeitHche Änderung 
des Impulsvektors (B des Elektrons der äußeren elektromagne- 
tischen Kraft ft^ gleich: 

(114) ^=r. 

Bei quasistationarer Bewegung wird, wie bei gleichförmiger 
Bewegung; der Betrag des Impulses als Funktion des Betrages 
der Greschwindigkeit allein betrachtet ^ imd die Bichtui^ des 
Impulses, wie bei einer jeden dem ersten Axiome gehorchenden 
Bewegung, der Bewegungsrichtung parallel vorausgesetzi Es 
liegt mithin der Vektor, welcher die zeitliche Änderung des 
Impulses angibt, stets in der Oskulationsebene der Bahn. Es 
ist zweckmäßig, ihn in zwei Vektoren zu zerlegen, von denen 
der erste der Bewegungsrichtung parallel ist, während der 
zweite nach dem Krümmungsmittelpunkte der Bahn weist; die 
Bichtungen, nach denen zerlegt wird, sollen durch zwei 
Einheitsvektoren t^ und ft^ gekennzeichnet werden, welche der 
Tangente bzw. der Hauptnormale der Bahn parallel sind. Nach 
diesen Bichtungen hatten wir in Bd. I, S. 9 den Beschleunigungs- 
vektor zerlegt. Wir können die Gleichung (8) daselbst schreiben 



(114a) i = tx^+«i " 



dt ' ^ B 
Femer lautet Gleichung (6) daselbst 

(ii^b) ^ - §, 

wobei ds das Wegelement der Bahnkurve vorstellt. 

In ganz entsprechender Weise, wie wir dort den Ge- 
schwindigkeitsvektor differenzierten, können wir jetzt den 
Vektor 
(114c) ® = ti|®| 

nach der Zeit differenzieren. 

Es wird, mit Bücksicht auf (114b): 



dt ""^""^1 dt '^ B dt 



und da man hat: 



Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 185 



ds , d\^\ _ d\9\ d\t 



dt >^ dt d|d| dt 

so wird 



(ii4d) ^=t,4!Si^+^i®in. 



d\1^\ dt ' B 

Diese Formel gilt för jeden Yektor, dessen Richtung zu li 
parallel, und dessen Betrag durch den Betrag von tl bestimmt 
ist. Speziell für die zeitliche Änderung von li selbst geht sie 
über in die Gleichung (114a). 

Anderseits lautet die Bewegungsgleichung (114) 

(114e) Ä-ti «:+»!«?, 

hier sind unter ft« und Ar die Komponenten der äußeren Ejraft 
zu verstehen^ welche parallel bzw. senkrecht zur Bewegungs- 
richtung wirken; die Ebene der Geschwindigkeit ü und der äußeren 
Kraft ft^ bestimmt die Oskulationsebene der Bahn, wie in der 
Mechanik des materiellen Punktes. 

Wir schreiben jetzt (114d) und (114a) 

i == tl ö«+ Ri ir, 

und erhalten 
(114g) 





*. 


d 9 


». 


«•, 


d tt 


K 


K 


9 


K 


K 


H 



(114h) 

Die Quotienten aus longitudinaler Kraftkompo- 
nente und longitudinaler Beschleunigungskompo- 
nentC; sowie aus transversaler Kraftkomponente und 
Beschleunigungskomponente; sind für quasistationäre 
Bewegungen beide nur Funktionen der Greschwindig- 
keit. 

In diesem Sinne erweist sich das zweite Axiom Newtons 
in der Dynamik des Elektrons als gültig. Wir erhalten jetzt 
für die ^^longitudinale elektromagnetische Masse^^ d. h. 



186 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

für den Quotienten der parallel der Bewegangsrichtüng ge- 
nommenen Komponenten von äußerer Kraft und Beschleuni- 
gung: 



d\t 



(115) m. 

Für die ^^transversale elektromagnetische Masse^^ 
hingegen, d. h. für den Quotienten der zur Bewegungsrichtung 
senkrechten Komponenten von äußerer Kraft und Beschleuni- 
gung folgt 

(115a) • m.= ^ 

Im allgemeinen ist die longitudinale Masse von 
der transversalen verschieden. Nur im Grenzfalle lang- 
samer Bewegung, wo der Impuls des Elektrons seiner Ge- 
schwindigkeit proportional ist, stimmen die rechten Seiten 
von (115) und (115a) überein; wir wollen diesen gemeinsamen 
Grenzwert der longitudinalen und der transversalen Masse mit 
m^ bezeichnen; für langsame Kathodenstrahlen ist es erlaubt, 
mit ihm so zu rechnen, wie es in § 2 geschah. 

Diese Formeln, welche die Masse des Elektrons mit seiner 
Bewegungsgroße verknüpfen, und die vom Verfasser dieses 
Werkes zuerst angegeben wurden, sind unabhängig von jeder 
Annahme über die Form und die Ladungsverteilung des Elek- 
trons. Sie gelten immer dann, wenn der Impulsvektor der 
Bewegungsrichtung parallel weist, und sein Betrag eine beliebige 
Funktion des Betrages der Geschwindigkeit ist. Wünscht man 
die Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch zu begründen, 
so hat man für |®| den Betrag der elektromagnetischen Be- 
wegungsgröße einzusetzen. 

Man kann die elektromagnetische Masse auch mit der 
elektromagnetischen Energie des Elektrons in Verbindung 
bringen; die Energiegleichung (96) ergibt für rein trans- 
latorische Bewegungen 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 187 

Für quasistationäre Bewegangen wird die Energie des 
Elektrons als Funktion des Betrages der Geschwindigkeit be- 
trachtet; es wird daher 

äW diu 



didl dt 



Hieraus ergibt sich die ^^longitudinale Masse ^^^ die als 
Quotient der longitudinalen Beschleunigung und Eraft definiert 
wurde, 



Diese Formel verknüpft die longitudinale Masse 
des Elektrons mit seiner Energie. Die transversale Masse 
wird selbstverständlich durch die Energiegleichung nicht be- 
stimmt; da ja eine transversale Kraft keine Arbeit leistet. 

Die aus der Energiegleichung abgeleitete Formel (115b) 
ist; ebenso wie die aus dem Impulssatze gewonnenen Formeln 
(115) und (115a); unabhängig von jeder Annahme über die 
Form und die Ladungsverteilung des Elektrons. Sie fußt 
ebenso, wie jene allein auf den Grrundgleichungen (I bisY) der 
Elektronentheorie; aus denen ja die Energiegleichung und die 
Impulsgleichung als Folgerungen sich ergaben. Man könnte 
diese Formel; ebenso wie jenC; auch dann verwenden; wenn 
man annähme; daß wc^bare Materie mit dem Elektron ver- 
koppelt sei; alsdann wäre in TFdie Energie; in ® die Bewegungs- 
größe der wägbaren Materie mit in Rechnung zu ziehen. 

Dem von uns vertretenen Standpunkte getreu ; werden wir 
indessen unter % stets den elektromagnetischen Impuls ; unter 
W die elektromagnetische Energie verstehen. Yon einer rein 
elektromagnetisch begründeten Dynamik des Elek- 
trons werden wir unter allen Umständen verlangen 
müssen; daß die beiden Formeln (115) und (115b) für 
die longitudinale Masse des Elektrons zu demselben 
Ergebnisse führen. Würde die Formel (115b) unter An- 
nähme rein elektromagnetischer Energie, zu einem anderen 
Wert von w, ergeben; als die Formel (115) unter Annahme 
einer rein elektromagnetischen Bewegungsgröße; so würde ein 



188 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

innerer Widerspruch nnseres Hypoiihesensystemes zutage treten. 
Man könnte diesen Widersprudi durch Einfuhrung einer inneren^ 
nicht elektromagnetischen Energie des Elektrons heben; dann 
würde man aber das Ziel einer rein elektromagnetischen Be- 
gründung der Mechanik der Elektronen nicht erreichen. 

In unserer, auf den Ghrundgleichungen (VI) und (VII) 
fußenden Dynamik des Elektrons entsteht nun der besagte 
Widerspruch nicht. In der Tat, wir hatten im vorigen Para* 
graphen bewiesen, daß unter Voraussetzung einer unveränder- 
lichen Verteilung der Ladung im Elektron, Impuls und Energie 
durch die Formeln (111) und (lila) mit der Lagrangeschen 
Funktion verknüpft sind. Hieraus hatten wir die Beziehung 
(111b) abgeleitet; diese Beziehung 

d\9\ 1 dW d^L 



d\l^\ \t\d\l^\ d|li|' 

besagt nichts anderes, als daß die Ausdrücke (115) und (115b) 
beide den gleichen Wert der longitudinalen Masse ergeben. 
Wir sehen also: Unter Annahme einer von der Ge- 
schwindigkeit unabhängigen Gestalt und Ladungs- 
verteilung des Elektrons ergeben Impulssatz und 
Energiesatz den gleichen Wert der longitudinalen 
elektromagnetischen Masse. Hier tritt der Zusammen- 
haug zwischen unserer kinematischen Grundhypothese (VE) 
und dem Gedanken einer rein elektromagnetischen Begründung 
der Dynamik des Elektrons, der bereits in § 16 erörtert wurde, 
deutlich hervor. Lassen wir diese Grundhypothese fallen 
und nehmen an, daß die Form des Elektrons sich mit der 
Geschwindigkeit ändert, so ergibt die Energiegleichung einen 
anderen Wert der longitudinalen elektromagnetischen Masse, 
als die Impulsgleichung; in diesem Falle — ein Beispiel 
werden wir im § 22 kennen lernen — kann von einer elektro- 
magnetischen Begründung keine Rede mehr sein. 

Jene kinematische Grundhypothese war den kinematischen 
Bediugungsgleichungen der analytischen Mechanik nachgebildet. 
Wir sind jetzt in der Lage, zu zeigen, daß unsere Ghimd- 
gleichungen für die Dynamik quasistationärer Bewegungen zu 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen« lg9 

Ergebnissen fähren^ welche formal mit denen der Mechanik 
Lagranges übereinstimmen. Führen wir in die Gleichung 



die Belation (111) ein^ so erhalten wir 



dtd\n 

{Wir schreiben hier partielle Differentiationszeichen; weil wir 
weiter unten L noch von anderen GröfieU; als nur von |li|; 
abhängen lassen.} 

Diese Bewegungsgleichung entspricht den Lagrangeschen 
Gleichungen eines Systemes bewegter Massen. Wir hatten 
diese Gleichungen in § 15 des ersten Bandes entwickelt. Wir 
hatten für die Kraft; die infolge der Trägheit des verkoppelten 
Massensystemes an irgendeinem Antriebspunkte angreift, den 
Ausdruck gefunden: 

Dabei wurde T, die kinetische Energie der bewegten 
Massen, als homogene Funktion zweiten Grades der Ge- 
schwindigkeiten qx der Antriebspunkte betrachtet; die Koeffi- 
zienten dieser Funktion konnten von den Parametern px ab- 
hängen, welche die Lage der Antriebspunkte bestimmen, und 
deren Differentialquotienten nach der Zeit die qx sind. Nehmen 
wir außer der kinetischen Energie noch eine potentielle 
Energie U an, so ist eine innere, an dem Antriebspunkte an- 
greifende Krafb 

du 

hinzuzufügen, so daß das Gleichgewicht der inneren Kräfte 
und der äußeren Kräfte Px in der Gleichung 

seinen Ausdruck findet. Setzen wir jetzt 



190 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen. 

und berücksichtigen, daß die potentielle Energie U von den 
Geschwindigkeiten px unabhängig ist, so finden wir 

Aus einer solchen Lagrangeschen Gleichung läßt sich nun 
formal unsere Bewegungsgleichung (116) ableiten. Wahlen 
wir als ^^Antriebspunkt'^ etwa den Mittelpunkt des Elektrons^ 
so ist Px mit dem durchlaufenen Wege s zu identifizieren^ 

qx mit ^-^ d. h. mit {li{, während Px die äußere , der Bewegungs- 
richtung parallele Ejraf&omponente ft^ ist. Da nun in dem 
vorliegenden Falle die Lagrangesche Funktion von dem durch- 
laufenen Wege s unabhängig ist^ so geht in der Tat die 
Lagrangesche Gleichung (116 a) in (116) über. 

Wählen wir anderseits für px einen Parameter, welcher 
die Konfiguration eines gleichförmig bewegten Systemes elek- 
trischer Ladungen bestimmt, so ergibt (116 a) 

(116b) || + p, = 0. 

Auch diese Beziehung stimmt mit unserer Theorie überein. 
Denn wir hatten in § 18 gezeigt, daß die inneren Kräfte, die 
in einem gleichförmig bewegten Systeme von Ladungen wirken, 
sich aus einer Kräftefunktion V ableiten lassen; diese Kiräfte- 
fimktion, deren Abnahme der Arbeit der inneren Kräfte gleich 
ist, war, nach (104b), entgegengesetzt gleich der Lagrangeschen 
Funktion L. Es stellt also auch in unserer Theorie (116b) 
die Bedingung des Gleichgewichtes der inneren und der äußeren 
Kräfte in einem gleichförmig bewegten Systeme elektrischer 
Ladungen dar. 

Sucht man, mit Maxwell und Hertz, die Gesetze der 
Elektrodynamik aus den Prinzipien der Mechanik abzuleiten, 
so muß man im elektromagnetischen Felde verborgene Be- 
wegungen träger Massen annehmen. Identifiziert man die 
magnetische Energie mit der kinetischen^ die elektrische mit 
der potentiellen Energie dieser Massen, so gelangt man auf 
Grund der Lagrangeschen Gleichungen in der Tat zu Ergeb- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 191 

nisseii; welche der Form nach mit denen unserer Theorie 
durchaus übereinstimmen. Es ist indessen zu bemerken^ daß 
in der analytischen Mechanik die kinetische Energie T als 
Funktion zweiten Grrades der Geschwindigkeiten der Antriebs- 
punkte angenommen^ die potentielle Energie V als unabhängig 
von der Geschwindigkeit betrachtet wird. In dem vorliegenden 
Falle hingegen sind T und U Funktionen der Geschwindigkeit 
des Elektrons^ T aber keineswegs eine Funktion zweiten 
Grades. Wir befinden uns demnach keineswegs auf dem Boden 
der Annahmen; von denen die analytische Mechanik ausgeht. 
Dennoch haben wir, von den Grundgleichungen (I bis VII) 
der Mechanik der Elektronen ausgehend, wenigstens für 
stationäre und quasistationäre Bewegungen, die Lagrangeschen 
Gleichungen als gültig erwiesen. Wir haben gezeigt, daß 
in unserer rein elektromagnetischen Dynamik des 
Elektrons die Lagrangeschen Gleichungen gelten. 
Dadurch haben wir den Gültigkeitsbereich der Lagrangeschen 
Mechanik wesentlich erweitert, indem wir ihn von langsamen 
Bewegungen, bei denen T eine quadratische Funktion der Ge- 
schwindigkeit ist, auf beliebig rasche Bewegungen (mit Unterlicht- 
geschwindigkeit) ausgedehnt haben. Wir haben femer in der 
Dynamik des einzelnen Elektrons den Grundgedanken des 
elektromagnetischen Weltbildes (§ 16) zur Durchführung ge- 
bracht, welcher fordert, nicht die elektrische und magnetische 
Energie auf die potentielle und kinetische Energie der Mechanik, 
sondern umgekehrt die kinetiBche nnd die potentieUe Energie 
auf die magnetische und elektrische Energie zurückzuführen. 
Wir kehren nunmehr zum speziellen Falle des kugel- 
förmigen Elektrons zurück. Wir setzen für den Betrag des 
Impulses den in (113 a) erhaltenen Wert ein und berechnen 
auf Grund der Formeln (115) und (115 a) die longitudinale 
und die transversale Masse. Wir finden 

("') •»•-i^.-?|-?i»G^?)+d?-.l' 

(117.) ^_^,',j(Ui)ta(l±D_l). 



192 Erster Abaclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Für Geschwindigkeiten; die so klein sind gegen die Licht- 
geschwindigkeit; daB ß^ gegen 1 zu yemach^rssigen ist; ergibt 
sich als gemeinsamer Grenzwert der longitadinalan und der 
transversalen Masse 

(117b) ^o-j^.' 

Die Formeln (117, 117a, b) gelten im Falle der 
Fläcbenladung. 

Im Falle der Yolumladung; wo die Bewegnngsgröße im 
Verhältnis 6 : 5 vermehrt ist, sind alle drei Ausdrücke mit 
diesem Faktor zu multiplizieren. Es wird z. B. 

(117c) «o-l^.- 

Wir fassen beide Fälle, den der Flächenladung 
und den der Yolumladung des kugelförmigen Elek- 
trons, zusammen, indem wir schreiben 



(117d) 



(117e) 






Für Wo ist hier im Falle der Flächenladimg der Wert 

(117 b), im Falle der Volumladung der Wert (117 c) zu setzen. 

Für die spezifische Ladung langsamer Eathodenstrahlen folgt 

im ersteren Falle 

e 3 ac 

woraus sich für den Badius des Elektrons ergibt 

2 e 

Wir führen hier den in Gleichung (2) angegebenen Wert 
des elektrischen Elementarquantums und den unten in Glei- 
chnis (12S) angegebenen Wert der spezifischen Ladung ein: 

{ = 10-^ %= 1,75. 10'. 



Drittes Kapitel. Die Mechaxiik der Elektronen. 193 

Wir erhalten dann 
(118) a = 1,2 . 10""" cm (Mächenladung). 

Im Falle der Yolnmladimg ist dieser Wert mit 6 : 5 zu 
multiplizieren; es wird 

(118 a) a = 1,4 • 10 cm (Volumladnng). 

Diese Zahlen sind natürlich mit denselben Fehlem be- 
haftet, wie die Bestimmungen Ton e nnd i^o- Immerhin kann 
man wohl behaupten: Der Radius des Elektrons ist, 
wenn man die Masse als rein elektromagnetisch an- 
nimmt, in die Grenzen 

10"" < a < 2 . 10~" 

einzuschließen. An Stelle der Formeln (117d, e) kann man 
auch die Beihenentwickelungen setzen 

(118b) m. = mo(l+ |^«+ y|S*+ y^« + •••)» 

(118c) «,,= mo|l + 3^^* + ^^* + ^^« + --)- 

Für Unterlichtgeschwindigkeit — und nur hier gelten 
die Formeln (117d, e) überhaupt — sind diese Reihen kon- 
vergent. Man sieht, daß bei rascher Bewegung die longitudinale 
Masse stets größer ist, als die transversale. Wirkt eine 
Eraft schief zur Bewegungsrichtung, so ist die Be- 
schleunigung keineswegs der Eraft parallel; der 
Beschleunigungsvektor schließt vielmehr, da die longitudinale 
Trägheit die transversale überwiegt, mit der Bahntangente im 
allgemeinen einen größeren Winkel ein, als der Eraftvektor. 
Nur wenn die Eraft parallel oder senkrecht zur Bewegungs- 
richtung wirkt, stimmen Eraft und Beschleunigung der Rich- 
tung nach überein. Die Masse ist eben in der Dynamik des 
Elektrons kein Skalar, wie in der gewöhnlichen Mechanik. 
Die Eraft ist hier eine lineare Vektorfanktion (vgl. I, § 14) 
der Beschleunigung von allgemeinerer Art. Die „elektro- 

Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 13 



194 Sinter Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

magnetische Masse ^^ ist das Koeffizientensystem der Gleichungen, 
welche die Kraftkomponenten durch die Beschlennigungs- 
komponenten ausdrücken. Das System der elektromagne- 
tischen Massen ist ein Tensortripel Ton rotatorischer 
Symmetrie um die Bewegungsrichtung des Elektrons; 
es ist etwa zu vergleichen dem Systeme der Trägheitsmomente 
eines Biotationskörpers, welches gleichfalls durch zwei Großen, 
das Moment um die Rotationsachse und um eine zu ihr senk- 
rechte Achse, erst bestimmt wird; es ist in entsprechender 
Weise geometrisch darzustellen. 

§ 21. Die Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen 

und der /3-Strahlen« 

Bei schnellen Eathodenstrahlen und bei der sogenannten 
/}- Strahlung radioaktiver Eorper hat man es mit negativen 
Elektronen zu tun, deren Geschwindigkeit keineswegs klein 
gegen die Lichtgeschwindigkeit ist; hier kommt die Unter- 
scheidung der longitudinalen und der transversalen Masse in 
Betracht. Für die Ablenkbarkeit der Strahlen ist selbst- 
verständlich die transversale Masse mr und die entsprechende 
^,transver8ale spezifische Ladung^^ 

(119) . Vr- ' 



cm 



r 



maßgebend. Dabei ist e der elektrostatisch gemessene Betrag 
der Ladung. 

Werden die /3- Strahlen durch ein zur ursprünglichen 
Strahlrichtung senkrechtes magnetisches Feld abgelenkt, so ist 
die Bahnkrümmung gemäß Gleichung (7) 

(119a) k-Vr-^ 



Die Geschwindigkeit bleibt bei der Bewegung im magne- 
tischen Felde konstant, da die im magnetischen Felde auf die 
Elektronen wirkende Kraft stets senkrecht zur Bewegungs- 
richtung gerichtet ist; der einzige Unterschied gegenüber 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elelrtronen. 195 

langsamen Eathodenstrahlen liegt hier darin^ daß i}r eine 
Funktion der Geschwindigkeit ist Es ist nach (117 e) 

Bei der Bewegung im elektrischen Felde liegt die Sache 
komplizierter. Zunächst ist der Zuwachs der Energie auf 
einem gewissen Wege der Arbeit der elektrischen Eraft gleich. 
Die Geschwindigkeitsändemng des negativen Elektrons auf einem 
gewissen Wege ist demgemäß im elektrostatischen Felde be- 
stimmt durch 

(120) Tr-Tro = e(9-9o), 

WO gemäß (113b) und (117b) zu setzen ist 

(120a) Tr-Tr„ = |mo.«{iln(i±D-^ln(i±|)}. 

Ist die ursprüngliche Geschwindigkeit cßQ bekannt und 
die durchlaufene Spannungsdifierenz, so ist die Endgeschwin- 
digkeit cß aus der transzendenten Gleichung zu berechnen 

(mb) >,„(i±D-^h(i±i)+i|(,-,.). 

Für kleine Werte von ß^ und ß gilt naherungsweise 
(120e) ^« + i/}*... = /J,« + A/J/ + ... + ?^(y_y.); 

yemachlässigt man hier ß^ gegen ß^, ß^^ gegen ß^^, so gelangt 
man zur Gleichung (5 a) zurück. Aber auch bei Kathoden- 
strahlen wird man, wenn es sich um genaue Messungen handelt, 
gut tun, die Gleichung (120 c) an Stelle von (5 a) zu setzen. 
Liegt etwa der in § 2 erörterte Fall vor, daß den Eathoden- 
«trahlen durch ein elektrostatisches Feld ihre ganze Geschwin- 
digkeit erteilt worden ist, so ist in (120 c) ß^ gleich Null zu 
setzen. Tritt der Eaihodenstrahl nun in ein magnetisches 
Feld ein, so bestimmt sich die Bahnkrümmung aus (119 a), 
wobei derjenige Wert Ton tjr in Rechnung zu ziehen ist, 

18* 



196 Erster Abeelmitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

welcher dem ans (120 c) zn ermittelnden Werte yon ß nach 
(119b) entspricht. 

Bei geradliniger Bewegung im longitudinalen elektro- 
statischen Felde reicht die ans der Energiegleichnng abgeleitete 
Relation (120b) ans. Besitzt indessen das elektrische Feld 
anch eine transversale Komponente; so bestimmt die Energie- 
gleichnng nicht Tollstandig die Bewegung; es ist die Impuls- 
gleichung heranzuziehen. Diese ergibt, für die Ladung — e: 



(121) © _ ®^ = _ cTl 



Itdi. 



Handelt es sich um ein homogenes äußeres elektaisches 
Feld, wie es sich zwischen zwei Eondensatorplatten herstelliy 
so ist 

(121 a) « - «0 =--««"(<- <o) 

die Änderung des Impulses des negativen Elektrons. Die Be- 
wegungsrichtung des Elektrons ist stets seinem Impulse parallel; 
daher folgt aus (115a) und (117 e) 

SO daß (121a) zu schreiben ist 

(121 b) tt(ß) - Ho Hßo) --jcvo r (t - Q. 

Kennt man die anfangliche Geschwindigkeit IIq und die 
Zeit; während deren das negative Elektron das homogene Feld 
durcheilt, so ist aus dieser Beziehung die Endgeschwindigkeit li 
der Größe und der Richtung nach bestimmt. 

Auch ein zur ursprünglichen Bewegungsrichtung senk- 
rechtes elektrisches Feld ändert; im Gegensatz zu dem magne- 
tischen FeldC; den Betrag der Geschwindigkeit, weil im Verlaufe 
der Bewegung li eine zu (t^ parallele Komponente erhält. Ist in- 
dessen die Ablenkung des Strahles durch das transversale elek- 
trische Feld nur gering, so kann man die Änderung des 
Betrages der Geschwindigkeit vernachlässigen und an Stelle 
von (121b) die vereinfachte Beziehung setzen 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 197 

(121c) (i-K)fiß) = - |ci,,r (<-o, 

indem man ß als konstant ansieht. Ist etwa die o;- Achse der 
ursprünglichen Bewegnngsrichtnng parallel^ so gilt in diesem 
Grrenzfalle unendlich geringer Ablenkung femer 

nnd^ wenn d^ parallel der negativen t/- Achse weist; 

§^/J)= + |ci,oiri(<-g. 

Es folgt daher als gesamte , beim Durchlaufen des elek- 
trischen Feldes stattfindende Ablenkung parallel der t/- Achse 

(i2id) j, = ci,,|ri^^ = ci,.iri^^=i^. 



Die unendlich kleine elektrische Ablenkung ist 
bei langsamen Eathodenstrahlen dem Quadrate der 
Geschwindigkeit umgekehrt proportional^ die magne- 
tische der Geschwindigkeit. Letzteres folgt aus (119a); 
da eine unendlich kleine Ablenkung im magnetischen Felde 
dem Krümmungsradius B umgekehrt proportional ist. Bei 
den Badiumstrahlen hingegen nehmen beide Ablen- 
kungen stärker mit wachsender Geschwindigkeit der 
Strahlen ab; denn es nimmt die transversale spezi- 
fische Ladung rjr, nach (119b); mit wachsender Ge- 
schwindigkeit ab. 

Durch Kombination von (119a) und (121 d) folgt 



(122) l!Ü = ^=l«'l (^-^o)V 1 



n 2 yB' 

Es kann also durch Kombination der magne- 
tischen und der elektrischen Ablenkung sowohl die 
Geschwindigkeit; als auch die transversale spezifische 
Ladung ermittelt und so die von der Theorie gefor- 
derte Beziehung zwischen diesen beiden Größen 
experimentell geprüft werden. 



198 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Dieses Ziel war es^ welches W. Eaufmann bei seinen 
üntersuchnngen^) verfolgte. Läßt man die von einem Kömchen 
Badiumbromid ausgehende Strahlung durch eine kleine Öffiiung 
treten, so bildet sich die Öffiiung auf einer senkrecht zur 
Strahlrichtung gestellten photographischen Platte als Punkt 
ab. Bei elektrischer Ablenkung wird, infolge der yerschiedenen 
Geschwindigkeiten der Elektronen; das von den /3- Strahlen 
herrührende Bild in einen der Richtung des elektrischen 
Feldes parallelen geraden Strich ausgezogen; bei magnetischer 
Ablenkung ergibt sich ein zur magnetischen Feldrichtung 
senkrechter Strich. Die ^^Inhomogenitat^^ der Strahlung macht 
es unmöglich; auf diese Weise die Ablenkung der einzelnen 
Strahlteilchen zu bestimmen. Es gelang indessen Kaufmann; 
gerade die Inhomogenität der Strahlung zur Lösung der 
Aufgabe zu benutzen; indem er gleichzeitig elektrisch und 
senkrecht dazu magnetisch ablenkte. Bei dieser; der Kundt- 
schen Methode der Dispersionsmessung durch gekreuzte 
Spektren entsprechenden Anordnung wurde auf der photo- 
graphischen Platte eine Kurve erhalten; die Koordinaten 
eines jeden Punktes der Kurve zeigten direkt die elektrische 
bzw. die magnetische Ablenkung des betreffenden Strahl- 
teilchens an. Indem Kaufmann die Strahlen zwischen den 
Platten eines Kondensators hindurchtreten ließ; welche nur 
um l;6mm voneinander entfernt und auf einer Potentialdifferenz 
von 7000 Volt gehalten waren, indem er femer parallel dem elek- 
trischen Felde gleichzeitig ein magnetisches Feld erregte, er- 
hielt er photographische Kurven; welche direkt die elektrische 
Ablenkung eines homogenen /)- Strahles als Funktion der 
magnetischen Ablenkung darstellten. Dabei ist zwar, da es 
sich nicht um unendlich kleine Ablenkungen handelt; die 
elektrische Ablenkung nicht genau proportional dem in (121 d) 
berechneten y zu setzen, und die magnetische Ablenkung nicht 
genau umgekehrt proportional dem in (119a) angegebenen 
Krümmungsradius H, Immerhin lassen sich den auf der photo- 

1) W. Kaufmann, Gott. Nachr. 1901, S. 143; 1902, S. 291; 1908, S. 90. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 199 

graphischen Platte direkt beobachteten Ablenkungen zwei niir 
wenig von ihnen verschiedene Qrößen y' nnd ß', die „redu- 
zierte elektrische Ablenkung^' und die ^reduzierte magnetische 
Ablenkung^^ zuordnen, welche den in (122) und (122a) ein- 
gehenden Qrößen y und p- proportional sind; jene beiden von 
der Theorie geforderten Beziehungen lassen sich schreiben 

(122b) ß-'h'Y' 

(122c) i,(ß) = h, . f,. 

Die Eonstanten hi,1c^ hängen noch von den Abmessungen 
der Apparate, den Feldstarken, femer von rj^ und c ab. 

Die Prüfung der Theorie an der Hand der Beöbachtungs- 
ergebnisse wurde schließlich so durchgefOhrt, daß zunächst 
versucht wurde, durch passende Wahl der Eonstanten ^ und Jc^ 
die gemessenen reduzierten Ablenkungen durch die Formel 
(117 e) darzustellen. Dieses erwies sich nun in der Tat für 
jede einzelne der photographischen Eurven als möglich; die 
maximale Abweichung (1,7 7o) ^^S uuierhalb der Fehlergrenze 
der Versuche. Aus den Werten von Je^, Jc^ und der magne- 
tischen Feldstarke konnte sodann die spezifische Ladung rjQ 
langsam bewegter Elektronen extrapoliert werden. Die im 
folgenden gegebene Tabelle bezieht sich auf die Platte Nr. 19, 
welche das klarste und fehlerfreieste Bild lieferte. 

Die ersten beiden Zeilen enthalten die gemessenen redu- 
zierten Ablenkungen z' und y'. Die dritte und vierte Zeile 
geben die auf Ghnmd der Formeln (122 b, c) von C. Bunge ^) nach 
der Methode der kleinsten Quadrate berechneten Werte von y 
und ß an. Die Abweichung der beobachteten Werte von j/ 
von den auf Grund der Formeln (122b, c) ausgeglichenen 
Werten, welche in der fünften Zeile aufgeführt sind, gestatten 
ein urteil über die Genauigkeit, mit welcher die theoretische 
Formel (117e) für die transversale Masse gültig ist. Diese 
Übereinstunmung ist in Anbetracht des großen Bereiches von 

1) C. Bnnge, Gott. Nachr. 1908, S. S26. 



/ 



200 Snter Absclinitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Geschwindigkeiten — ^(ß) wächst in diesem Bereiche von 1^75 
bis 4,3 — eine befriedigende zu nennen. 



z' 


• 

y' beob. 


y' ber. 


ß 




0,1495 


0,04045 


0,0388 


0,990 


+ 0,0016 


0,199 


0,0529 


0,0527 


0,969 


+ 


2 


0,247 


0,0678 


0,0675 


0,939 


+ 


3 


0,296 


0,0834 


0,0842 


0,902 


— 


8 


0,3435 


0,1019 


0,1022 


0,862 




3 


0,391 


0,1219 


0,1222 


0,822 


— 


3 


0,437 


0,1429 


0,1434 


0,782 




5 


0,4825 


0,1660 


0,1665 


0,744 




5 


0,5265 


0,1916 


0,1906 


0,709 


+ 


10 



Der auf Gfrund dieser Tabelle extrapolierte Wert der 
spezifischen Ladung langsam bewegter Elektronen ist 

(123) ijo = 1,755 . 101 

Diese Zahl liegt zwischen der direkt durch Beobach- 
tungen an Kathodenstrahlen erhaltenen (Gleichung 9) und der 
aus der elementaren Theorie des Zeeman-Effektes abgeleiteten 
(Gleichung 61). Man darf daher annehmen, daß dieselben 
Teilchen bei diesen drei Vorgängen in Bewegung begriffen sind. 

Es wäre von großem Interesse, die Elufb, welche noch 
die raschesten Kathodenstrahlen von den langsamsten /3- Strahlen 
trennt; zu überbrücken. Einen Versuch in dieser Richtung 
hat H. Starke unternommen.^) Er wandte größere Entladungs- 
potentiale als üblich zur Erzeugung der Kathodenstrahlen an; 
er gelangte indessen nur bis zu einem Entladungspotentiale 
Yon 36 000 Volt, d. h. bis zu einer Geschwindigkeit von wenig 
mehr als einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Es ergab 
sich ein merkliches Ansteigen der transversalen Masse mit 
wachsender Geschwindigkeit; entsprechend der Forderung der 
Theorie. Da indessen die Funktion if(ß\ welche nach unserer 

1) H. Starke, Yerh. d. deutsch, physikal. Ges. 1908, S. 241. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 201 

Theorie dieses Anwachsen der Masse darstellt, in dem Inter- 
valle von /J = bis /J = y ^^^ ^^"^ ^ Vo ^^^^ ändert und die 
Messungen mit einem Fehler von 2% behaftet sind, so ist 
diese Übereinstimmung kaum als beweisend anzusehen. 
Immerhin ermutigen diese Versuche dazu, durch künstliche 
Beschleunigung der Eaihodenstrahlen oder Yerlangsamung der 

1 2 

/}- Strahlen das Intervall von /J = y bis /? = y auszufüllen 

und so den Anschluß an die Messungen Eaufinanns zu er- 
reichen. 

§ 22. Das LorentBSdhe Elektronu 

Gewisse Schwierigkeiten, welche in der Optik bewegter 
Körper auftreten (vgl. § 44), haben H. A. Lorentz veranlaßt^), 
unserer* auf der kinematischen Grundhypothese (VII) fußenden 
Dynamik des Elektrons eine andere gegenüber zu stellen, welche 
diese Grundhypothese aufgibt. H. A. Lorentz behalt nicht nur 
die allgemeinen Ghrundgleichungen (I bis Y) bei, sondern auch 
die dynamische Ghrundgleichung (VT), welche verlangt, daß die 
resultierenden elektromagnetischen Kräfte des äußeren und des 
vom Elektron selbst erregten Feldes einander im Sinne der 
Mechanik starrer Körper das Gleichgewicht halten. Er nimmt 
indessen das Elektron nicht als „ starr'' an, sondern läßt eine 
Formänderung desselben zu. Im Ruhezustände soll das Elek- 
tron eine Kugel vom Badius a sein; bei der Bewegung aber 
soll es sich parallel der Bewegungsrichtung im Verhältnis 



kontrahieren. Das gleichförmig translatorisch bewegte 
Elektron soll demnach ein Heaviside-Ellipsoid sein. 
Wir wollen die Lagrangesche Funktion, sowie die elektro- 
magnetische Energie und Bewegungsgröße eines solchen 
Lorentzschen Elektrons berechnen. Das elektromagnetische 
Feld bestimmt sich aus den Ansätzen des § 18; die Anwendung 

1) H. A. Lorentz. E. Akad. van Wetensch. te Amsterdam, 12, 
S. 986, 1904; vgl. auch M. Abraham. Physik. Zeitschr. (6), S. 676, 1904. 



202 £^ter Abschnitt. Bas Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen« 

der dort gegebenen Transformation (105) gestaltet sich hier 
besonders einfach. Das bewegte System 2? ist ein Heaviside- 
Ellipsoid; geht man dnrch Streckung parallel der Bewegongs- 
richtung im Verhältnis x~~^ zum mhenden System 2]q über, 
so erhalt man eine Kugel yom Badius a. Die Energie dieser 
Kugel ist, im FaUe der Flachenladung, 

(124) ?7o-/^«;=|^. 

Die Lagrangesche Funktion, welche nach (104b) im Falle 
gleichförmiger Bewegung der Knlftefunktion entgegengesetzt 
gleich ist, wird, gemäß (106 d), 

(124a) L^-xU, x^- 

Femer folgt aas (102) and (106) 

(124b) « = ^9o, 

und daher aus (101 d) und (105) 



(124c) 



d^ 



_l^«i«,^ 



"^ de X dz^^^ % ^" 



Hieraus und aus (101 f) bestimmt sich die ^-Komponente 
des Vektors g, welcher die Dichte der elektromagnetischen 
Bewegungsgröße anzeigt: 

Durch Integration über das Feld des Systemes 27, dessen 
Yolumelemente denen des ruhenden Systemes 2^ durch (105) 
zugeordnet, und daher im Verhältnis 

verkleinert sind, folgt 

(124d) «.=-/dt>B.-j^-/d«o {«?,+ «?,}• 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 203 

Beachtet man ferner^ daß in 2^ das Feld dasjenige einer 
ruhenden Engel ist^ daß npthin ans Symmetriegründen 

gut, so erhalt man 



/feK+*.-)-l/fe« 



03 *^o. 



Der Betrag des der Bewegangsrichtnng des Heaviside- 
EUipsoides parallelen Vektors wird demnach 

(124e) l®l=-|ÄOi = |^H {x-yr^M- 

Aus der so bestimmten elektromagnetischen Bewegungs- 
größe folgt, auf Ghrund der allgemeinen Beziehung (103), die 
doppelte magnetische Energie 

(124f) 2T-|^^ 

Hieraus und aus (124a) erhalt man, ffir die gesamte 
elektromagnetische Energie des Heayiside-Ellipsoides, 
den Ausdruck 

(124g) Tr-22'-i = ^^(l + f). 

H. A. Lorentz nimmt nun an, daß die trage Masse des 
Elektrons rein elektromagnetischer Art ist; demgemäß zieht 
er, neben der elektromagnetischen Bewegungsgroße (124 e), 
eine materielle Bewegungsgröße nicht in Rechnung. Er erhält 
auf Ghnmd der Formebi (115) und (115a), für die longi- 
tudinale und transversale Masse 



(125) m, « Wo- X-« « i»o- (1 - ß^) 



1 



(126a) mr -> m^- x-^ = m^- (1 - ß^ *; 

«Hq stellt dabei den gemeinsamen Grenzwert beider Massen bei 
langsamer Bewegung vor, der im Falle der Flächenladung 
durch (117b), im Falle der Volumladung durch (117c) ge- 



204 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegnng der einzelnen Elektronen. 

geben wird. Nach dem in § 18 bewiesenen Satze geht der 
Wert von C/^ im Falle der Yolamladimg ans dem im Falle 
der Flachenladung gültigen Werte durch Multiplikation mit 
% hervor; mit demselben Faktor sind demnach die Ausdrücke 
der Lagrangeschen Funktion (124a)^ der Bewegungsgröße (124e) 
und der elektromagnetischen Energie (124g) beim Übergang 
zur Volumladung zu multiplizieren. 

Versucht man, die longitudinale elektromagnetische Masse 
des Lorentzschen Elektrons auf Ghrund der Formeln (115 b) 
und (124g) zu berechnen, indem man annimmt, daß die Energie 
des Elektrons rein elektromagnetischer Natur ist, so gelangt 
man zu einem Ergebnis, welches zu (125) in Widerspruch 
steht. Das kann nicht wundernehmen; haben wir doch in. 
§ 19 gesehen, daß die Belation (111b), welche die Identität 
der aus der elektromagnetischen Energie und aus der elektro- 
magnetischen Bewegungsgröße abgeleiteten Werte der Masse 
ausspricht, auf der Annahme einer unveränderlichen Ladungs- 
verteilung beruht. Für das Lorentzsche Elektron, welches der 
Grundhypothese (VII) nicht gehorcht, gilt diese Belation ebenso- 
wenig, wie die Gleichungen (111) und (lila), welche Impuls 
und Energie mit der Lagrangeschen Funktion verknüpfen. In 
der Tat, nach (124a) ist 

während nach (124e) und (125a) 



ist. 

Während für das „starre^' Elektron die Differenz dieser 
beiden Größen verschwindet, hat sie für das deformierbare 
Elektron den von Null verschiedenen Wert 

Da nun allgemein gilt: 

TF=«2T-i = Hi|-l«|-i, 



1 dW_d\9\ 1 f,^. dL] 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 205 

so folgt 

\i»\d\n\~ d\n 

Hieraus ersieht man, daß (115) und (115 b) nicht zu dem- 
selben Werte der longitudinalen Masse führen können. Be- 
stimmt man die Masse durch die elektromagnetische Bewegungs- 
größe , so ist; für das Lorentzsche Elektron ^ (115 b) zu ersetzen 
durch 

(^2^^) iiTJiTi='»*+i*"- 



Da die longitudinale Masse des Lorentzschen 
Elektrons sich nicht aus der elektromagnetischen 
Energie allein ableiten läßt; so müssen wir, um das 
Energieprinzip aufrechtzuerhalten, diesem Elektron 
eine innere Energie E nicht elektromagnetischer Art 
zuschreiben. In der Tat, es soll sich ja das Elektron bei 
einer Zunahme der Geschwindigkeit abplatten; dabei wird 
gegen die elektrodynamischen EnlftC; mit denen sich dieVolum- 
elemente abstoßen, Arbeit geleistet. Während für das starre 
Elektron die Zunahme der elektromagnetischen Energie gleich 
der Yon der äußeren Kraft St* geleisteten Arbeit ist; findet das 
hier nicht mehr statt. Die Zunahme der elektromagnetischen 
Energie bei einer Beschleunigung ist, für das Lorentzsche 
Elektron ; größer , als die Arbeit der äußeren Kräfte. 

Die innere Energie Ey durch deren Annahme man das 
Energieprinzip aufrechterhalten kann, darf nicht als kinetische 
Energie im Sinne der gewöhnlichen Mechanik betrachtet 
werden; denn in diesem Falle würde jede Berechtigung dafür 
wegfallen^ daß Bewegungsgröße im Sinne der gewöhnlichen 
Mechanik nicht angenommen wird. Immerhin kann S von der 
Geschwindigkeit abhängen, da ja diese die Form des Elektrons 
bestimmt. Die Energiegleichung verlangt 

(127) ^^^^=(»«0, 

und der Impulssatz 

(127a) ^ = «- 



206 flrster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Durch Eombination dieser beiden Sätze erhält man 

d[W+JE] f.d^ 



dt -^Ti)' 
oder 

(127b) (®|J) = ^{(,«)^Tr-JE). 

Für gleichförmige Bewegung ist nun 

Für quasistationäre Bewegungen wird diese Beziehung als 
gültig angesehen; und es wird L^ wie Ey als Funktion der 
jeweiligen Geschwindigkeit betrachtet. Es wird mithin 

Da ferner^ bei stationärer und quasistationärer Bewegung, 
für das Lorentzsche Elektron aus Symmetriegründen der Impuls 
parallel der Bewegungsrichtung ist, so gilt 



(127d) (®S) = I® 



dt 



Nach (127b) sollen nun die Ausdrücke (127c) und (127d) 
einander gleich sein, und zwar für beliebige Werte der Be- 
schleunigung; hieraus folgt die Relation 

(128) |®i-^(-^~-^ 



d\t 



Dieselbe ist als Verallgemeinerung der Relation (111) an- 
zusehen; sie geht in jene über, wenn man eine Energie E 
nicht elektromagnetischer Art ausschließt. 

Hier tritt der bereits in § 16 erörterte Zusammenhang 

der kinematischen Ghnmdgleichung (VII) mit dem Qrund- 

gedanken des elektromagnietischen Weltbildes deutlich hervor. 

Für das starre Elektron gilt (111) allgemein, es folgt daher 

aus (128) 

dE 
d\\^\^^f 



d. h. eine etwa angenommene Energie nicht elektromagnetischer 
Art würde bei einer Änderung der Geschwindigkeit sich nicht 



Drittes Kapitel^ Die Mechanik der Elektronen. 207 

andern. Etwa angenommene innere Erafte nicht elektro- 
magnetischer Natur würden dabei keine Arbeit leisten, unsere 
auf der Grundgleichung (YII) fußende Dynamik des Elek- 
trons braucht daher solche Kräfte und eine solche Energie 
nicht einzuführen^ eine ^^potentielle'' Energie ebensowenig, wie 
eine kinetische. Die Lorentzsche Dynamik des Elektrons sieht 
gleichfalls die träge Masse als rein elektromagnetische an, und 
schließt daher eine kinetische Energie im Sinne der gewöhn- 
lichen Mechanik aus. Sie muß indessen eine ^^potentielle'' 
innere Energie des Elektrons einführen. Aus (128); im Verein 
mit (126a) und (126), folgt: 



/10Q N dJE 1 [Hl 1 dL 



und, durch Integration, 

(128b) E^E,-UL-L,y, 



hier sind Eq, Lq die Werte, welche E und L ftir das ruhende 
Elektron besitzen. Aus (124 a) folgt 



e* 



e* 



(128c) E==J5;o-^(l~x). 

Diese Formel gibt an, wie die „potentielle" Energie des 
Lorentzschen Elektrons mit wachsender Geschwindigkeit ab- 
nimmt. Für Lichtgeschwindigkeit, wo dasselbe in eine Kreis- 
scheibe übergeht, wird x gleich Null, mithin die potentielle 
Energie 

(128d) ■Ei--E'o-e« 

Wir können daher auch schreiben 

(129) -S-^i + T^' 

Diese potentielle Energie nicht elektromagne- 
tischer Art muß man dem Lorentzschen Elektron zu- 
schreiben, wenn man das Energieprinzip aufrecht- 
zuerhalten wünscht. 

Bei diesem Ergebnis wird man sich kaum beruhigen; 
man wird vielmehr weiter fragen, nach welchem Gesetz die 



208 -Brflter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

inneren Kräfte wirken sollen^ die sich ans einer solchen 
potentiellen Energie herleiten. Nur indem man hierüber be- 
stimmte Annahmen macht, wird man über das Verhalten des 
Lorentzschen Elektrons bei allgemeineren Bewegungen (nicht 
quasistationären oder nicht rein translatorischen) etwas Be- 
stimmtes aussagen können. Man kann daran denken, elastische 
Kräfte zwischen den benachbarten Yolumelementen des Elek- 
trons anzunehmen, und eine Theorie des deformierbaren 
Elektrons von der in § 16 angedeuteten Art zu entwickeln. 
Eine solche Theorie würde die Trägheit des Elektrons 
erk&en, aber nicht rein elektromagnetisch; sie würde die 
kinetische Energie zurückführen auf die weniger gut yer- 
standene potentielle Energie und auf die elektromagnetische 
Energie. Auf einer solchen Dynamik des Elektrons läßt 
sich kein elektromagnetisches System der Physik aufbauen. 
Wenn man in die Dynamik des Elektrons elastische Kj^fte ein- 
fahrt, so ist es logisch unmöglich, die Elastizität der Materie 
durch Zurückführung auf die Mechanik der Elektronen rein 
elektromagnetisch zu deuten. 

H. A. Lorentz hat gezeigt, daß die Formel (126 a) für 
die transversale Masse die Versuche Kaufinanns nicht wesent> 
lieh schlechter darstellt, als unsere Formel (117 a). Es ist zu 
hoffen, daß weitere experimentelle Untersuchungen darüber 
entscheiden, welche von den beiden Theorien in dieser Hinsicht 
den Vorzug verdient. Sollte die Entscheidung zugunsten des 
Lorentzschen Elektrons fallen, so würde dieses Ergebnis gegen 
die Möglichkeit eines rein elektromagnetischen Weltbildes Zeug- 
nis ablegen. Die Hofihung, in den Elektronen die kleinsten 
Bausteine des Weltgebäudes gefunden zu haben, würde dann 
als fehlgeschlagen zu betrachten sein. 

§ 23. Der Bereich der quasistationären Bewegung. 

Im ersten Bande dieses Werkes wurde gegen die Theorie 
des quasistatiomiren Stromes ein Einwand gemacht; es wurde 
mehrfach betont, daß diese Theorie von dem Energieverlust 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 209 

durch Strahlung keine Bechenschaft gibt. Derselbe Einwand 
ist gegen die in den vorangegangenen Paragraphen dargelegte 
Theorie der quasistationaren Elektronenbewegnng zu erheben. 
Diese Theorie bestimmt die Energie und den Impuls des vom 
Elektron erregten Feldes so, als ob sie der jeweiligen 
Geschwindigkeit des Elektrons entsprachen. Bei periodischen 
Bewegungen führt diese Behandlungsweise zu der Konsequenz, 
daß nach dem Ablauf einer Periode die Energie und die Be- 
wegungsgroße des Feldes zu den Anfangswerten zurückgekehrt 
seien, daß also das Wegintegral und das Zeitintegral der 
äußeren Kraft für eine ganze Schwingung gleich NuU sei. 
Das ist nun, wie im zweiten Kapitel dieses Bandes dargelegt wurde, 
keineswegs der Fall; auch bei periodischen Bewegungen ist das 
Wegintegral und im aUgemeinen auch das Zeitintegral der äußeren 
Kraft Yon Null verschieden. Die Arbeitsleistung und der Impuls 
der äußeren Kraft findet sich in der Energie und der Be- 
wegungsgröße der entsandten Wellen wieder.. Die entsandte 
Wellenstrahlung ist es eben, die man yernachlässigt, 
wenn man die beschleunigte Bewegung des Elektrons 
als quasistationär betrachtet. 

Die Entwickelungen des vorigen Kapitels gestatten es uns, 
diese Lücke unserer Theorie sogleich auszufüllen. Haben wir 
doch in Gleichung (85) des § 15 den allgemeinen Ausdruck 
für die Rückwirkung der Strahlung angegeben. Wir setzen 
jetzt für die gesamte, vom Elektron auf sich selbst ausgeübte 
Kraft 

(130) St = «+»\ 

indem wir unter 

(130a) «-»-^ 

die nach den Ansätzen der vorigen Paragraphen berechnete 
Kraft verstehen, unter 

(130b) ' «"=«' 

aber die in (85) angegebene Beaktionskraft der Strahlung. 
Dabei ist zu bemerken^ daß ($, der Impuls des vom Elektron 
mitgeführten Feldes, von den über die Fotm des Elektrons 

AbZ ah am, Theorie der Elektrisität. IL 14 



21 ISi^ter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

gemachten Annahmen abhängt, während die Rückwirkung der 
Strahlung sich ohne solche Annahmen angeben ließ, wenigstens 
dann, wenn es gestattet war, das Elektron hinsichtlich der 
entsandten WeUenstrahlung als einer PonkÜadong äquivalent 
zu betrachten. Alsdann erfüllt der Ansatz (130) für die 
innere Kraft allgemein die Energiegleichung und die 
Impulsgleichung; denn die Arbeitsleistung der Zusatzkraft 
St* ist, wie aus den Entwickelungen des § 15 hervorgeht, für 
ein Intervall beschleunigter Bewegung entgegengesetzt gleich 
der in diesem Intervalle ausgestrahlten Energie, das Zeit- 
integral von A' entgegengesetzt gleich der ausgestrahlten Be- 
wegungsgröße. Bestimmen wir die Bewegung des Elektrons 
aus der korrigierten Bewegungsgleichung 



(130c) ar^-st^^-v, 

so sind wir von vornherein sicher, in keinen Widerspruch mit 
dem Energieprinzip oder dem Impulssatze zu geraten. Wir 
fassen eine Bewegung ins Auge, die zuerst gleichförmig mit 
der Geschwindigkeit li| verläuft, dann in beliebiger Weise be- 
schleunigt wird, und weiterhin wieder stationär mit der Ge- 
schwindigkeit ^2 ^^^ s^^^ geht. Wir warten so lange, bis die 
entsandten Wellen sich hinreichend weit von dem (mit Unter- 
lichtgeschwindigkeit bewegten) Elektron entfernt haben. Inner- 
halb des von der Wellenzone eingerahmten Raumes besteht 
dann das Feld, welches der Geschwindigkeit kig entspricht und 
dessen Energie und Impuls W^ ^^^- ®s ^^^* ^^^ Energie 
und die Bewegungsgroße des außerhalb der Wellenzone 
liegenden Feldes kommen nicht in Betracht. Werden für die 
Energie TF^g und der Impuls ®^2 der Wellenzone die im 
vorigen Kapitel gefundenen Werte eingesetzt, so gilt allgemein 

(130d) Jafdt -«,-©,+ «„, 

1 

2 

(130e) fOiSt'')dt='Wt-W,+ W^, 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der ElektroneiL 211 

wenigstens für unser starres Elektron. Beim Lorentzschen 
Elektron ist^ wie wir soeben gesehen haben^ noch die Ände- 
rung der ^^ inneren potentiellen Energie'^ in Rechnung zu setzen. 

Wir sind jetzt in der Lage, den Gültigkeitsbereich der 
quasistationaren Bewegung anzugeben: Wir dürfen die Be- 
wegung als quasistationäre behandeln, wenn gegen 
die so berechnete innere Kraft A' die Beaktions- 
kraft ft" der Strahlung verschwindet. 

Betrachten wir etwa eine Kreisbewegung, wie sie die 
Elektronen der Radium -Strahlung in einem zur ursprünglichen 
Strahlrichtung senkrechten magnetischen Felde ausführen. Hier 
ist der Betrag der Trägheitskraft der quasistationaren Bewegung 
für das starre kugelförmige Elektron nach (117e) 



(131) |Ä'| = ^^±^1 = ^^|M.^(^). 

Die Reaktionskraft der Strahlung aber ist nach Glei« 
chung (88) 

so daß man erhalt 



(131a) |Ä"| = Ji;i^., x*=l-/S*. . 

Setzt man fQr m^ den im Falle der Flächenladnng gültigen 
Wert (117b), so folgt 

(131b) lÄ-M«-!»!!--^- 

Für Bewegungen, die der Lichtgeschwindigkeit nicht gar 
zu nahe kommen, ist die eingehende Funktion von ß keine 
große Zahl. Hier verschwindet der Betrag von ft" gegen den 
von ft', falls der Krümmungsradius B der Bahn groß gegen 
den Radius des Elektrons ist. Wir sehen also: Die Ab- 
lenkbarkeit der in den Kathodenstrahlen und in den 
/3-Strahlen des Radiums bewegten Elektronen darf in 
allen praktischen Fällen auf Grund der Ansätze der 
Theorie der quasistationären Bewegung berechnet 
werden. 

14* 



212 Erster Abschnitt. Das Feld a. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Um zu zeigen, daß dieses auch für die raschesten der 
Elektronen gilt, deren Ablenkung man hat beoi)achten können, 
ziehen wir die Tabelle des § 21 heran. Für die raschesten 
der Ton Kanfinann untersuchten Strahlteilchen war 

^ = 0,990; 1-^^ = 0,01; 
wir erhalten daher 

Man siehty daß die Funktion Ton ß, welche das Ansteigen 
des Quotienten | ft'' | *• | ^' I ^^^ Annäherung an die Licht- 
geschwindigkeit bedingt, hier bereits von Bedeutung wird; ihr 
Wert ist hier 

Dafür ist aber der Radius des Elektrons sehr klein gegen 
den Krümmungsradius der Bahn. Letzterer berechnet sich aus 
der reduzierten magnetischen Ablenkung 

z' - 0,1495 

und der von Kaufmann angegebenen Beziehung^) 

gf^^ zu J2=-28cm. 

Setzt man endlich für a den unter Annahme von Flachen* 
ladung berechneten Wert (Gleichung 118) ein, so findet sich 

g"|:|g'H '''-'°'y'"~" -3.10-". 

Die magnetische Feldstärke war hier gleich 200 absoluten 
Einheiten. Nimmt man nun auch ein SOOmal stärkeres magne- 
tisches Feld an, so beträgt der bei Annahme quasistationärer 
Bewegung begangene relative Fehler immer noch weniger 
als %0^ . Auch die Bewegung der raschesten beobachtbaren 
/}- Strahlteilchen in experimentell herstellbaren magnetischen 
Feldern ist demnach als quasistationär zu betrachten. 

1) W. Kaufmann, 1. c. Gott. Nachr. 1903, Gl. 6. S. 96. 



Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 213 

Übrigens ist der Ausdruck für die Beaktiouskraft der 
Strahlung; welcher in § 15 angegeben wurde ^ nicht streng 
gültig; er gilt nur angenähert, und zwar dann, wenn es ge- 
stattet ist, das Elektron bei der Berechnung der entsandten 
Wellen einer PunkÜadung äquivalent zu setzen. Die Bedingung 
(63 b), unter der dieses gestattet war, lautet 

c\i^^P) tlein gegen 1. 
Für rein transyersale Beschleunigung ergibt dies 

(132) 'Wi^ ^^^ g®g®D^ 1- 

Unter Berücksichtigung der obigen Zahlwerte* erhalten 
wir für diesen Bruch den Wert 

2.1,210"" -^-12 

— - — =:^ == 10 ca. 

2810 "• 

Einen so geringen Fehler begeht man, wenn man für die 
raschesten der Yon Kaufmann beobachteten Elektronen die 
infolge der transversalen Beschleunigung stattfindende Strahlung 
und deren Bückwirkung aus den Ansätzen des yorigen Kapitels 
berechnet; diese Bückwirkung yerschwindet wiederum gegen 
die Tragheitskraft des mitgeführten Feldes. 

Je mehr man sich indessen der Lichtgeschwindigkeit 
imhert, desto großer werden die Zahlwerte der Brüche (131b) 
und (132); denn dieselben enthalten im Nenner (1 — /3)* bzw. 
(1-^). AUerdings wird, wenn man durch eine gegebene 
äußere Kraft ablenkt, die Bahnkrümmung 1 : R umgekehrt 
proportional zu ^(/}) bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit 
abnehmen; aber ^(j8) wird für j8 = 1 nur logarithmisch un- 
endlich, so daß dieser Umstand nicht so wesentlich ist. Man 
wird also bei weiterer Annäherung an die Lichtgeschwindig- 
keit zu einem Punkte kommen, wo die Beaktionskrafb der 
Strahlung nicht mehr gegen die Trägheitskraft des mitgeführten 
Feldes yerschwindet und wo es auch nicht mehr gestattet ist, 
die Beaktionskraft so zu berechnen, als ob das Elektron 
ausdehnungslos wäre. 



214 Erster Absclinitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Jene beiden Kräfte sind im Grande nichts anderes, als 
die beiden ersten Terme einer Beihenentwickelung 

(133) «==«' + «" + «'" + • • •> 

die nach aufsteigenden Potenzen des Badins a des Elektrons 
fortschreitet. Der erste Term, die elektromagnetische Trägheits- 
kraft, enthalt a im Nenner; der zweite enthält a überhaupt 
nicht, wie er ja von den speziellen, über Form und Ladungs- 
Verteilung gemachten Annahmen nnabhängig ist. Der dritte 
Term wird wieder von der Form und Ladungsverteilung ab- 
hängen und für unser kugelförmiges Elektron a im Zähler 
enthalten. Da die innere Kraft ft durch die Geschwindigkeit 
und durch die Beschleunigung bestimmt ist, welche in einem 
endlichen, dem betreffenden Zeitpunkte vorangegangenen Inter- 
valle geherrscht haben (vgl. § 17), so ist eine solche Beihenentwicke- 
lung immer dann möglich, wenn die Bewegung stetig ist und ihre 
Geschwindigkeit kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. Je 
weiter man die Reihenentwickelung führt, desto höhere Diffe- 
rentialquotienten von ü und desto höhere Potenzen dieser 
Differentialquotienten werden zu berücksichtigen sein.^) Die 
Reihe wird um so schlechter konvergieren, je mehr sich die 
Bewegung einer unstetigen und die Geschwindigkeit der Licht- 
geschwindigkeit nähert. Im Falle des oben durchgerechneten 
Beispieles konvergiert die Reihe noch außerordentlich gut. 
Für unstetige Bewegungen und für Bewegungen mit Licht- 
geschwindigkeit oder gar Überlichtgeschwindigkeit versagt sie 
völlig. Hier müssen zur Berechnung der inneren Kraft andere 
Methoden herangezogen werden. 



1) Die in den Differentialquotienten von tl linearen Glieder sind 
für den Fall der Volumladung von G. Herglotz (Gott. Nachr. 1903, S. 367) 
allgemein berechnet worden. Es ergibt sich die Möglichkeit kleiner, ge- 
dämpfter Eigenschwingungen des Elektrons auch bei Abwesenheit quasi- 
elastischer Kräffce. Doch ist die Wellenlänge der langsamsten Eigen- 
schwingung von der Größenordnung des Radius des Elektrons, so daß 
eine elektromagnetische Erklärung der Spektrallinien hieraus nicht zu 
gewinnen ist. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 215 

§ 24. Das Feld eines beliebig bewegten Elektrons. 

Während wir bisher bei der Integration derFeldgleichnngen 
uns auf gewisse Spezialfälle beschnlnkt hatten^ nämlich auf 
den Fall der gleichförmigen Bewegung beliebiger Ladungen 
und auf den Fall beliebiger Bewegung einer Punktladung, 
wollen wir jetzt dazu übergehen^ das Feld eines beUebig be- 
wegten Elektrons unter Berücksichtigung der räumlichen Aus- 
dehnung des Elektrons zu bestimmen. Die allgemeinen Formeln, 
durch die wir in § 8 die elektromagnetischen Potentiale dar- 
stellten, werden uns zur Lösung dieser Aufgabe fähren. Die 
Formeln (50a) und (51a) daselbst lauten 

(134) d0=^XdXJd(OQ{X,l'-X), 

(134a) d« ^Xdxfd(ot{X, l-^X). 

Diese Formeln sind noch von jeder Voraussetzung über 

die Form und die Ladungsverteilung des Elektrons unabhängig. 

Wir wenden sie an auf unser kugelförmiges Elektron vom 

Badius a mit gleichförmig verteilter Flächenladung oder Yolum- 

ladung. 

A. Flächenladung. 

Wir verstehen unter B die Entfernung des betreflFenden 
Au^unktes P von dem Mittelpunkte M des Elektrons in 

ii^endeiner früheren Lage des letzteren; ^ = — ist die Zeit, zu 

c 

X 

der das Feld im Aufpunkte bestimmt werden soll, r = — die 

Latenszeit. Ist die translatorische Bewegung des Elektrons 
gegeben, so ist R als Funktion von X = er bekannt. Das 

Elektron wird nun jin seiner zur Zeit < — r == eingenom- 

menen Lage zum Felde im Au^unkte nur dann etwas bei- 
steuern können, wenn die um den Au^unkt mit dem Badius X 
geschlagene Eugel es schneidet. Das ist dann und nur dann 
der Fall, wenn aus den drei Strecken R, X und a ein Dreieck 
gebildet werden kann. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so 
gibt es keinen Punkt des Elektrons, von dem aus ein Beitrag, 



216 Erster AbBclmitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 



zur Zeit t — -j entsandt^ nach Durchlaufiing des Latensweges X 
im Anfpnnkte zur Zeit t eintrifft. Diese Bedingung 

(135) Ans B, X, a ist Dreiecksbildnng möglich 

ergibt für einen äußeren Punkt die Ungleichung 

<135a) R-a£X£B + a, 

filr einen inneren Punkt hingegen 

(135b) a-R^X£a + B. 

Dabei ist im Auge zu behalten, daß es sich um einen im 
Baume festen Aufpunkt handelt, dagegen um ein bewegtes 
Elektron; es kann daher für die Bestimmung des Feldes zur 
Zeit t ein und derselbe Au^unkt bald als äußerer, bald als 
innerer Punkt gelten, je nach der früheren Lage des Elektrons, 
welche der betreffenden Latenszeit zuzuordnen ist. 

Wir betrachten jetzt das Dreieck aus den Strecken B, X, a 
(Abb. 3). Es gut 

(135c) 2aBG08»^B^ + a^-X\ 

Schreitet man längs der Oberfläche 
des Elektrons fort, so ändern sich 9' 
und X, während a und B konstant 
bleiben. Man hat demnach 

aBsind'dd' == XdX, 

Zwei mit den Radien X und X + dX 
um P geschlagene Engeln schneiden 
aus der Oberfläche des Elektrons einen 
Streifen aus Yon dem Flächeninhalte 




Abb. 8. 



a 



2^a^sind'dd' =^ 2%^ • XdX, 



Da die Elektrizität mit der Dichte 



e 



4:jca^ 



über die Ober- 



fläche verteilt ist, so befindet sich auf jenem Streifen die 
Elektrizitätsmenge 



e 



• XdX. 



Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 217 

Diese Elektrizitätsmenge^ die von den beiden benachbarten 
Kugeln Xf X + dX eingeschlossen wird, drückt sich in der 
Schreibweise der Formel (134) aus durch 



X^dX I da)Q{X,l'-Xy 



Jene Formel besagt^ daß der Beitrag zum skalaren Poten- 
tiale erhalten wird^ indem man durch X dividiert. Der Beitrag 
wird daher 

(136) ä^^^W 

Um für eine gegebene Bewegung des Elektrons 
das skalare Potential im Aufpunkte zu bestimmen^ 
ist nur eine einmalige Integration nach dem Latens- 
wege X auszuführen; dabei ist für jeden Au^unkt R als 
Funktion Ton X zu. betrachten^ und es ist die Integration 
zwischen den durch (135 a^ b) bestimmten Grenzen zu nehmen. 

Wie die jeweilige Ladungsyerteilung^ so ist auch der 
Beitrag zum skalaren Potential für das allseitig symmetrische 
Elektron von der Botationsbewegung unabhängig. Was jedoch 
das elektromagnetische Yektorpotential anbelangt; so sind die 
Beiträge der elektrizitätserfüllten Yolumelemente hier/ statt 
durch Qf durch 

bestimmt; gemäß unserer kinematischen Grundgleichung (VII). 
Dementsprechend geht der Translationsbestandteil K^ des 

Yektorpotentiales aus dem skalaren Potentiale hervor; indem 

ii 

die Beiträge aller Volumelemente mit dem gleichen Faktor -^ 

multipliziert werden; dabei ist natürlich unter Üq die Geschwin- 

digkeit zur Zeit t zu verstehen. Wir erhalten demnach 

als Beitrag des von den Kugeln X, X + dX aus dem Elektron 
herausgeschnittenen Streifens zum Translationsbestandteil 
des Yektorpotentiales 

(136a) «^«x = ä^-^- 



218 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Die Bestimmong des Rotationsbestandteiles des Vektor- 
potentiales ist nicht ganz so einfach. Man hat zu berück- 
sichtigen, daß der Vektor \ut], der hier an die Stelle von Öq 
tritt, fiir die yerschiedenen Punkte des Streifens ein verschie- 
dener ist; denn es ist zwar il, der Vektor der jeweiligen Dreh- 
geschwindigkeit, bei der Integration über den Streifen als 
fester Vektor zu betrachten, nicht aber t, der vom Mittel- 
punkte nach dem betreffenden Punkte der Oberfläche gezogene 
Radiusvektor. Letzterer kann geschrieben werden 

_ «» Ä cos ^ , j . ft^ 

t = Ä- — g h ti-asm-d-, 

wobei unter ft der vom Mittelpunkte M des Elektrons nach 
dem Au^unkte P gezogene Fahrstrahl, unter i^ aber ein zu ft 
senkrechter Einheitsvektor zu verstehen ist. Es folgt 

[iit] ^ [uK] . ^^ + [iiti] . asin^. 

Bei der Integration über den Streifen ist nun der erste 
Term als konstant zu betrachten; der zweite Term aber fallt 
bei der Integration heraus, denn es hat für je zwei Punkte Q 
und Q' des Streifens, die in derselben durch ft gelegten Ebene 
sich befinden (vgl. Abb. 3), tj und daher auch [tttj] die ent- 
gegengesetzte Richtung. Es geht demnach der Rotations- 
bestandteil des Vektorpotentiales aus dem Translationsbestand- 
teil (136a) dadurch hervor, daß 

acos^ 



[««] 



B 
an Stelle von Üq tritt. Es wird mit Rücksicht auf (135 c) 



(136b) d«,-2^-f[««]( 



2B' 



der Beitrag zum Roiationsbestandteile des Vektor- 
potentiales. Um die Integration nach dem Latenswege X aus- 
zuführen, müssen natürlich die Vektoren ft und it in ihrer Ab- 
hängigkeit von X gegeben sein. Bei der Integration sind nur 
solche Werte von A in Betracht zu ziehen, welche der Be- 
dingung (135) genügen. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 219 

B. Yolumladang. 

Hier sind drei Fälle zu unterscheiden, a) Punkt im 
Innern. Dreiecksbildungen aus B, X, a unmöglich. 

O^X£a-R. 

Die Eugel X liegt in diesem Falle ganz im Innern des 
Elektrons. Yon zwei benachbarten Kugeln X und X + dX um P 
wird die Ladung eingeschlossen 

AxQX^dX^^X^dX. 

Die Division durch X ergibt als Beitrag zum skalaren 
Potentiale 

(137) d^^^XdX. 

Durch Multiplikation mit -^ entsteht der Beitrag zum 
Translationsbestandteile des Yektorpotentiales 

(137a) dH, = ^Xdit,,. 

Der Beitrag zum Botationsbestandteile des Yektorpoten- 
tiales ist 



dfi^ = -^ -Q I doD [nt]' 



tf der Tom Mittelpunkte M des Elektrons nach der Ober- 
fläche der Eugel X gezogene Fahrstrahl^ kann in zwei Yektoren 

zerlegt werden, wo ft^ der Yektor MP, vom Mittelpunkte des 
Elektrons nach dem Mittelpunkte der Eugel X weist, a aber 
Tom Mittelpunkte der Eugel X nach dem betreffenden Punkte 
der Oberfläche. Bei der Integration über die Oberfläche fallt 
der von a herrührende Anteil von [iit] fort, weil für zwei 
einander diametral gegenüberliegende Punkte der Eugel a und 
mithin auch [ua] den entgegengesetzten Wert hat. ft aber 
ist, ebeiiso wie it, bei der Integration über die Eugel konstant 
zu halten. Es folgt 



220 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegimg der einzelnen Elektronen. 

(137b) dn,^^ldl-[uK\ 

als Beitrag zum Botationsbestandteil des Vektor- 
potentiales. 

b) Punkt außerhalb oder innerhalb des Elektrons. 
Dreiecksbildnng ans B, X^ a möglich. Alsdann gilt 

B-a\<X<B + a. 



Das ist der Fall^ der bei Flachenladung ausschließlich in 
Betracht kam und auf den Abb. 3 sich bezieht. Es gilt 

d^ '=^ XdXQG}. 
Dabei ist 

© = 23r(l — cosi^) 

der körperliche Winkel; unter dem das im Innern des Elektrons 
gelegene Segment (QQ*) der Kugel X Tom Mittelpunkte P 
derselben gesehen wird. Es folgt aus dem Dreieck der Abb. 3 

2JBA cos 1^ « JB« + A« - «*, 
daher 

und 

(138) «^* = ä'^^-(^^^f=^> 

Dementsprechend wird 
(188.) „.__?4_ii. (21^^=2!]..,, 

Was den Botationsbestandteil yon tl anbelangt; der durch 
den Vektor \ut] bestimmt ist; so ist es hier notwendig, den 
von M nach einem Punkte des Segmentes QQ^ gezogenen 
Radiusvektor t in einen zum Fahrstrahl 8t parallelen und einen 
zu ihm senkrechten Vektor zu zerlegen. Der yon dem letzteren 
herrührende Anteil des Vektorpotentiales fällt bei der Inte- 
gration über das Segment heraus; man erhält demnach 



d«3 ^ XdX^ 'fd(o^^ . [tt«]- 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronezu 221 

Ist g der Winkel; den der nach dem betreffenden Pnnkte 
des Segmentes Ton P ans gezogene Fahrstrahl mit PM ein- 
schließt; so ist 

(t«)=»-B(li-Acosg), 
daher 



= 2äBJB(1-cosi?)~|(1~cos«i^))- 
Mit Rücksicht anf den oben gegebenen Wert Ton costj: 

wird , 

Nach ernigen Vmformnngea drgibt dies 



ßa,(x9)^'^.Q, 



wobei abkürzungsweise gesetzt ist 



Q 



4JB« 4a»Ä» 



Nunmehr ist der Beitrag zum Botationsbestandteil des 
Yektorpotentiales zu schreiben 

(138b) d«.-^f «.[««]. 

c) Punkt außerhalb des Elektrons. Dreiecks- 
bildung aus B, Xy a unmöglich. 

B -^ a ^ Xi 

In diesem Falle schneidet die um den Aufpunkt mit dem 
Radius X geschlagene Engel das Elektron nicht; sondern sie 



222 Erster Abschnitt Das Feld n. die Bewegang der einzelnen Elektronen. 

schließt es ein. Ein Beitrag zu den Potentialen im Aufpunkt 
wird nicht beigesteuert. 

Es sind demnach bei der Berechnung der elektromagne- 
tischen Potentiale nur die I^lle (a) und (b) heranzuziehen. 
Die Integration nach X ist auszuführen , wenn die Bewegung 
des Elektrons bekannt ist; somit ft und t^^y und — was aller- 
dings nur für den Rotationsbestandteil des Yektorpotentiales 
in Betracht kommt — tt als Funktion yon X gegeben sind. 

Die in diesem Paragraphen abgeleiteten Formeln f&r das 
Feld eines beliebig bewegten Elektrons sind in allgemeiner 
Weise zuerst von A. Sommerfeld^) aufgestellt worden. Die 
auf die Translationsbewegung bezüglichen Formeln sind un- 
abhängig von P. Hertz*) gefunden worden, auf einem Wege, 
der im wesentlicheii dem hier eingeschlagenen entspricht. 

§ 25. Unstetige Bewegang des Elektrons. 

Wir gehen jetzt zur Behandlung des Problemes über, 
welches den Gegenstand der Dissertation von P. Hertz bildete: 
Ein Elektron bewege sich bis zur Zeit t=^0 gleichförmig mit 
der Geschwindigkeit li^; zu dieser Zeit soll seine Geschwindig- 
keit plötzlich auf ü] springen und weiterhin wieder nach Rich- 
tung und Betrag konstant bleiben. Welches ist das Feld des 
Elektrons und insbesondere die entsandte Wellenstrahlung? 
Diese Frage läßt sich vollständig beantworten, wenn man li^ 
parallel ü^ und beide Geschwindigkeiten kleiner als c annimmt. 

Wir legen den Anfangspunkt des Eoordinatensystemes in 
den Punkt des Baumes, der sich zur Zeit ^ => mit dem 
Mittelpunkte des Elektrons deckt; die Geschwindigkeiten li^ 
und t^2 sollen beide der x-Achse parallel sein. Die im vorigen 
Paragraphen eingeführte Größe 

(139) R = Yix - D« + y* + ;?» 

1) A. Sommerfeld. Gott. Nachr. 1904. S. 99. Siehe auch Eon. 
Akad. y. Wetensch. te Amsterdam. 1904. S. 346. 

2) P. Hertz. InangoraldisBertation: Untersuchungen über unstetige 
Bewegungen eines Elektrons. Göttingen 1904. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elekfaronen. 223 

ist die Entfemimg eines beliebigen Anfpnnktes von demjenigen 

Punkte y der zur Zeit t den Mittelpunkt des Elektrons 

bildete. Es ist 

(139a) 1 = „ l=^X, 

Dabei stellen cßj^ und cß^ die ^^alte^^ und die ^^neue^^ Ge- 
schwindigkeit Tor; ihr Vorzeichen gibt an, ob die Bewegung 
parallel der positiven oder der negativen a; -Achse erfolgt. 
Durch (139, 139a) wird R als Funktion von Xyy,0, ct=^l 
und dem Latenswege X dargestellt. 

Wir fassen einen Au^unkt ins Auge, der zur Zeit t außer- 
halb des Elektrons liegt. Dieser Punkt liegt dann auch zur 

Zeit t außerhalb des Elektrons, wo X* den kleinsten in 

c ^ 

Betracht kommenden Latensweg bezeichnet; in der Tat, ver- 
folgen wir die Bewegung des Elektrons rückwärts, indem wir 
gleichzeitig die Eugel vom Aufpunkt aus mit Lichtgeschwin- 
digkeit sich dilatieren lassen, so findet zwischen Elektron und 
Eugel zuerst äußere Berührung statt. Die Eugel überstreicht 
nun das Elektron, welches sich mit Unterlichtgeschwindigkeit 

bewegt, nur einmal; zur Zeit t tritt sie aus dem Elektron 

c 

aus; X" ist dabei der größte in Betracht kommende Latensweg. 
Das skalare Potential im Aufpunkt ist nach (136) 

(140) * ^ Ä rS ^^^ Flächenladung. 

Die Integrationsgrenzen sind nach (135 a, b) 
(140a) A' = li'-a, X"^R"+a. 

V 

Denn zur Zeit t — — lag, wie wir sahen, der Aufyunkt 

außerhalb des Elektrons; für die Bestimmung der oberen 
Litegrationsgrenze X" ist es gleichgültig, ob er außerhalb oder 
innerhalb des Elektrons liegt. Die Litegrationsgrenzen sind 
die gleichen, wenn ^s sich um Yolumladung handelt; es liegt 



224 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

dann der Fall (b) des yorigen Paragraphen vor. Nach Glei- 
chung (138) ist 

(140b) * =- f^ f^ { a« - (B - xy j bei Volumladung. 
Es sind nun drei Fälle zu unterscheiden. 

(A) z < A' < r, 

EQer ist im ganzen Integrationsbereiche X größer als I; 
es ist in (139) für | der erste der Werte (139a) zu setzen^ mithin 

(141) Ji = JB, = y(x-ßJ + ß^XY+y^+z\ 

Das skalare Potential und das Yektorpotential berechnen 
sich in diesem Falle so, als ob das Elektron seine alte Ge- 
schwindigkeit li^ dauernd behielte. 

(B) 1>}!'>X\ 

Hier ist im ganzen IntegrationsintervaUe X kleiner als Z; 
f&r I ist der letzte der Werte (139a) zu setzen, und daher ftLr R 

(141a) B^R,^y{x^ß^l + ß^xy+y^+z\ 

Die elektromagnetischen Potentiale entsprechen in diesem 
Falle der neuen Geschwindigkeit üj. 

(C) i! <l< A". 

Hier hat man das Integrationsintervall in zwei Teil- 
intervaUe zu zerlegen; im ersten, wo X^ <X <l ist, Uegt der 
dritte, im zweiten, wo l <X <X^ ist, der erste der in (139 a) 
zusammengesteUten Falle vor. Demnach ist 

i r 

(141 b) t,.J-ß. + J.f^ 



das skalare Potential bei Flächenladung, und das Yektorpotential 

r 



(141c) n.^^fß,'^ + ^fß, 

X' i 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 225 

Bei Yolamladmig ist entsprechend zu yerfahren. 
Es liegt nahe^ eine neue Variable 

(142) h^X-B 

einzufQhren. Es ist gemäß (140 a) 

Ä=«~a für A = A', Ä = + a für A = r. 

Für A = Z, wo I - 0, und nach (139) 
wird, ist Ä r= Z — r. Setzen wir noch 

so wird demgemäß 

(142a) «-^y^ imFaUe(A), 

— a 

(142b) * == ^y^ irn PaUe (B), 

— a 

l — r +a 

(i42c) * = Ay| + _iy| i„.PaUe(C). 

Das gilt für Flächenladung. Bei Yolumladung folgt aus (140 b) 

(142d) 0^^Ja(Blz]^ + l±J'J^(^ 

— a l — r 

Es ist noch S zu bestimmen. Aus (139, 139 a) und (142) 
erhalten wir 

B dX "" ^ dX '" B 

Es ist demnach 

(143) 8 ^ B - ß(x- ßl + ßX) ^ B ^ ^(t^Vt) 

eine Größe, welche der in Gleichung (69 a) eingeführten Größe s 
entspricht. Je nachdem man ü gleich üi oder li^ setzt und ft 
gleich Äi oder Wg, geht 8 in S^ oder 8^ über. 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 15 



226 Barster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegxmg der einzelnen Elektronen. 

Aus (142) und (143) folgt 
(143a) 8^Xx^-h -ß{x-ßV), x« = 1 - ß\ 

Zur Auswertung der obigen Integrale ist es erforderlich^ 
8 durch X, y, z, l und h auszudrücken; wir haben zu diesem 
Zwecke noch X als Funktion jener fünf Grroßen zu berechnen. 

Dies geschieht mit Hilfe der aus (142) sich ergebenden 
quadratischen Gleichung 

(A-Ä)« =- JB^ = (x-ßl + ßxy + y^ + z\ 
aus der man für den Ausdruck (143 a) erhält 

(143b) Ä = i/(a; - iSZ + ßlif + x^ (yH ^*); 

wir haben die positive Wurzel genommen^ weil aus (143) folgt, 
daß bei Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit 8 stets eine 
positive Große ist. 

Die Integrale (142 a, b) lassen sich nunmehr auswerten. 
Wir erhalten im Falle (A) für Fla^^henladung 



(144) *=_?-in(^::AH:ft^ 



+y(^-ft«-fta)H(i-ft*)(y*+^*)J 

Man überzeugt sich leicht davon, daß dieser Ausdruck 
für das skalare Potential eines gleichförmig bewegten Elektrons 
mit dem auf ganz anderem Wege in (112e, g) erhaltenen 
übereinstimmt; es steht hier x — ß^l, statt wie dort a?, weil 
hier ein im Räume festes, dort ein mit dem Elektron mit- 
bewegtes Bezugssystem zugrunde gelegt wird. Seiner Ab- 
leitung gemäß gilt der Ausdruck (144) für das skalare 
Potential im Falle (A) außerhalb des flächenhaft geladenen 
Elektrons. Im Falle (B) tritt nur ß^ an die Stelle von ß^. 
Herrscht im Falle (A) das „alte", der Geschwindigkeit t^^ ent- 
sprechende Feld, so herrscht im Falle (B) das „neue" Feld, 
welches einer gleichförmigen Bewegung mit der Geschwindig- 
keit II2 entspricht. 

Die beiden Gebiete, in denen das Feld sich durch die 
stationäre Bewegui^ des Elektrons vor oder nach der un- 
stetigen Änderung seiner Geschwindigkeit bestimmt, werden 



Drittes Kapitel. Die Mecliaiiik der Elektronen. 227 

offenbar durch eine Wellenzone voneinander getrennt sein^ 
welche durch den Geschwindigkeitssprung hervorgerufen worden 
ist. Das Gebiet der Welle ist eben dasjenige^ in dem der 
FaU (C) statthat. Es ist hier 

X' <l< X", 
daher 

— a<Z — r< + a; 

denn es waren — a, ? — >*; + d die Werte von Ä, welche sich 
den Werten X\ l, A" von X zuordneten, und es ändern sich, 
da ja S und B stets positiv sind, X und h stets in demselben 
Sinne. Bei l — r = + a, wo (142 c) in (142b) übergeht, liegt 
die Grenze der Wellenzone gegen das neue Feld; bei Z — r = — a, 
wo (142c) in (142a) übergeht, geht die Wellenzone in das 
alte Feld über. Man hat demnach 

• 

für r>l + a das alte Feld, 

für l + a> r>l — a die Wellenzone, 

für r <l — a das neue Feld. 

Die beim Geschwindigkeitssprunge erregte Welle 
besitzt eine Breite, welche dem Durchmesser 2a des 
Elektrons gleich ist. Sie pflanzt sich von der Sprung- 
stelle des Elektrons aus mit Lichtgeschwindigkeit 
fort; außerhalb des äußeren Bandes der Wellenzone 
herrscht das alte, innerhalb des inneren Bandes das 
neue Feld. 

Unsere Entwickelungen beziehen sich auf einen Aufpunkt, 
ivelcher außerhalb des Elektrons liegt. Wenn wir zur Be- 
:stimmung des in der Wellenzone herrschenden Feldes die 
Ausdrücke (142 c, d) heranziehen, so setzen wir dabei still- 
schweigend voraus, daß die Wellenzone über das Elektron 
bereits hinweggestrichen ist. Da die größte Entfernung eines 
dem Elektron angehörenden Punktes vom Koordinatenursprung 
gleich 

ist, so muß 

15* 



228 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegimg der einzelnen Elektronen. 

sein, damit das Elektron sich ganz im neuen Felde befinde. 
Es muß also sein: 

(145) Z>Z* l*- ^"^ 



i-lft 



Dann hat die Wellenzone sich vom Elektron losgelost 
und das elektromagnetische Feld der Welle wird durch (142 c) 
im Falle der Flachenladung, durch (142 d) im Falle der Volum- 
ladung gegeben. 

Wir wollen die Feldstarken der Wellenzone unter der 
Annahme bestimmen, daß die Entfernung derselben von der 
Sprungstelle des Elektrons bereits groß gegen den Radius des 
Elektrons geworden isi Alsdann braucht man bei der Diffe- 
rentiation der Potentialausdrücke (142 c, d) nach der Zeit und 
nach den Koordinaten nur diejenigen Terme zu berücksichtigen^ 
welche durch die Differentiation der Integralgrenze (l — r) 
entstehen; die übrigen Terme verschwinden gegen diese in 
dem Maße, wie die Entfernung vom Eoordinatenursprung zu- 
nimmt. Es wird 



(146) 
(146 a) 



d^ d^ 



dl dr 2as, 2a«, I bei Flächen- 

^ltg_ dfLx_ efe eßi 1 ladung. 
dl dr 2a Sj 2a 8^ ) 

Hier sind unter s^, s^ die Werte zu verstehen, welche die 
Größen 8^ xmi 8^ annehmen, wenn Ä = Z — r gesetzt wird; 
wir wissen nun, daß diesem Werte von h der Wert l von X. 
und der Wert r von JB sich zuordnet; es ist nach (143) 

(146b) Si=r(l—ßi cos 9), % = ^ (1 — A cos 9), 

wo 9 den Winkel anzeigt, den der vom Eoordinatenursprung^ 
aus gezogene Fahrstrahl t mit der ^-Achse einschließt. Wir 
erhalten demnach 

{\Aao>i ^ a^ _ e(fe-ft)cosy ^ , . 

K^^^^J dl ^ dr 2a r (1 - ft cos <3p) . (1 - ft cos q?) I . 

{^A(KÄ\ ^**— ^*' g (fe- ft) I T j 

(^i4oa; -^ "ä7""2ar(l-ftcos9)-(i-ft cos9)i ladnng. 



Drittes EapiteL Die Mechanik der Elektronen. 229 

Die beiden anderen Komponenten des Yektorpotentiales^ 
sowie die Differentialquotienten von 9 und K« nach Bichtangen^ 
welche zum Radiusvektor t senkrecht sind, verschwinden. 

Man überzeugt sich demgemäß leicht davon, daß die durch 
(28) und (29) bestimmten Vektoren 

g==-.F$-.^, ^-curl« 

beide senkrecht zum Radiusvektor t gerichtet sind; der elek- 
trische Vektor liegt in der durch die a;-Achse gelegten Ebene, 
der magnetische weist senkrecht zu dieser Ebene. Die Beträge 
der beiden Vektoren sind, bei FUlchenladung, 

r-iARc^ 1151= Ißl e|ft-pjBiny 

Das flächenhaft geladene Elektron erzeugt bei 
dem Geschwindigkeitssprunge eine Welle, längs deren 
Breite (2a) die Feldstärken konstant sind; an den 
Bändern sind die Feldstärken unstetig. 

Im Falle der Volumladung ist die Betrachtung in ganz 
entsprechender Weise durchzuführen. Aus (142 d) folgt 

und es werden die Beträge der Feldstärken 

rUTfl^ lßl~IÄl= ^^ lft~ft|8iny{a«-(?-r)«} 

Das gleichförmig über sein Volum geladene Elek- 
tron erzeugt bei seinem Geschwindigkeitssprunge 
eine Welle, in der von der Mitte (l = r) die Feld- 
stärken stetig gegen die Bänder (Z — r = ± a) hin ab- 
nehmen. An den Bändern sind die Feldstärken null, sie 
gehen demnach stetig in die Feldstärken der stationären Felder 
über, die in den betrachteten Entfernungen vom Elektron 
gleichfalls verschwinden. 

Vertauscht man die Beihenfolge der beiden Geschwindig- 
keiten ü^ und üj, indem man jetzt annimmt, daß die Ge- 
schwindigkeit, statt von iij auf ü^, von t^ auf ü^ springt, so 
kehren die Differentialquotienten (146, 146a, 147) der elektro- 



230 £>rster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

magnetischen Potentiale das Zeichen um. Es wechseln mithin 
die Feldstarken die Richtung; ohne jedoch ihren Betrag zu 
ändern. Die Dichten der Energie und der Bewegungsgröße 
in der Wellenzone bleiben bei dieser Vertauschung der Ge- 
schwindigkeiten ii^ und ü^ ungeandert. Hieraus folgt das von 
P. Hertz aufgestellte ,,Vertauschungsgesetz'': Vertauscht 
man die Reihenfolge der bei dem Geschwindigkeits- 
sprunge in Betracht kommenden Geschwindigkeiten 
H^ und t^y so bleibt die ausgestrahlte Energie und der 
ausgestrahlt« Impuls ungeandert. 

Wir könnten die Energie Wi^ und den Impuls iSi^f dör 
bei dem Geschwindigkeitssprunge ausgestrahlt wird^ durch 
Integration über die ganze Wellenzone auf Grund der Formeln 
(146 e) und (147 a) berechnen. Indessen läßt sich gerade auf 
das Vertauschungsgesetz eine einfachere Methode der Be- 
rechnung gründen.^) 

Wir denken uns zunächst ein Elektron^ das vorher mit 
der Geschwindigkeit H^ gleichförmig bewegt war, plötzlich 
gehemmt. Es wird dann eine Welle von der Breite 2a in 
den Raum hinaussenden; nach der Auffassung J. J. Thomsons 
(vgl. § 14 Schluß) würde dieses die Art sein, wie beim Auf- 
prall der Eathodenstrahlen auf die Antikathode die Röntgen- 
strahlen entstehen. Es sei nun TT^ die Energie des gleich- 
formig bewegten Elektrons. Nach der plötzlichen Hemmung 
kann sich die gesamte Energie des Feldes nicht ändern, da ja 
die elektromagnetische Kraft an dem ruhenden Elektron keine 
Arbeit leistet. Wartet man so lange, bis die Entfernung der 
Wellenzone vom Elektron groß gegen den Radius des Elektrons 
geworden ist, so ist die Feldenergie gleich der Summe aus der 
elektrostatischen Energie Wq des Elektrons und der in der 
Wellenzone enthaltenen Energie TTiq. Es ist 

(148) W,o=W,-W„ 

d. h. die ausgestrahlte Energie ist gleich dem Über- 
schusse der Energie des bewegten Elektrons über 

1) P. Hertz. Physik. Zeitschr. 4, S. 848, 1903. Dissertation S. 58, 1904. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 231 

diejenige des ruhenden. Im Falle der Flächenladnng folgt 
ans (113 b) 

(148a) l^.o = ^{^?^(^)-2J, 

ein Ausdruck, der im FaUe der Volumladung mit Vg zu multi- 
plizieren ist. 

Betrachten wir jetzt den umgekehrten Fall, daß das Elek- 
tron plötzlich in Bewegung gesetzt wird. Es ist das ein Vor- 
gang, der möglicherweise bei der Emission der Radiumstrahlen 
angenähert realisiert ist. Dieser Fall geht durch Vertauschung 
der Geschwindigkeiten und ü^ aus dem soeben erledigten 
hervor. Es folgt demnach aus dem Vertauschungsgesetz 

(148b) Fo,= TF,-Fo= ^ [}jn (^) - 2] 

für die Energie der ausgesandten Wellenstrahlung. Wir sehen 
also: Wird ein Elektron plötzlich in Bewegung ge- 
setzt, so ist die Energie der entsandten Wellen- 
strahlung gleich dem Überschusse der vom Elektron 
mitgeführten Energie über seihe elektrostatische 
Energie. 

Wir wenden uns jetzt dem allgemeinen Falle zu, indem 
wir von der für unser starres Elektron allgemein gültigen 
Relation (97) ausgehen. Da Rotationen hier nicht angenommen 

werden, so ist 

dW _ / d®\ 

dt "" V dt) 

die Aussage jener aus dem Energiesatz und dem Impulssatz 
abgeleiteten Beziehung. Wir integrieren von der Zeit t = 
des Sprunges bis zu einer Zeit t, zu der die Welle sich bereits 
weit von dem Elektron entfernt hat. Es wird, da ja in diesem 
Zeitintervall die Geschwindigkeit konstant gleich ii^ sein soll. 



/' 



dt -TT- = tlo 1 d< 



/" 



dt ^If dt 



^S2 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Zur Zeit waren W^, (S^ Energie and Impuls des Feldes^ 
zur Zeit t sind die Gesamtwerte von Energie und Impuls 

F3+F1J und ®8+®ij. 

Es ist somit 

(149) W,,+ W,^W,^ ü,- {®i2+ ®2- ®i}- 

Nach dem Yertauschungsgesetz ist nun für den um- 
gekehrten Fall eines Sprunges von li^ auf ü^ 

Es folgt also durch Yertauschung von ü^ und t^ aus (149) 

(149a) TF13+ ^1- W^- t»i- {®u+ ®i~ ®2}- 

In dem Falle^ wo t^ und üg parallel sind^ kann man aus 
(149) und (149 a) die ausgestrahlte Energie und die ausgestrahlte 
Bewegungsgroße berechnen. Nach Symmetrie sind hier die 
Vektoren ®i2, ®i; ®2 den genannten Vektoren parallel; wir 
verstehen unter G^^, G^^ G^ ihre Beträge^ mit positivem oder 
negativem Vorzeichen versehen, je nachdem die Vektoren 
in Richtung der ^-Achse oder in die entgegengesetzte Richtung 
weisen. 

Aus den Gleichungen 

W^^+W^-W^^cß^{G^^+ G,- G,} 
folgt durch Ehmination von TFjg oder G^^ 

(i49o) jr„-&M(,r,-Tr.)_2c/!,&^^. 

Es bestimmen sich also die Energie und Be- 
wegungsgröße, welche bei einem ohne Bichtungs- 
änderung stattfindenden Geschwindigkeitssprunge 
ausgestrahlt werden, aus den in (113a, b) angegebenen 
Werten für die Energie und die Bewegungsgröße 
eines gleichförmig bewegten Elektrons. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 233 

Durch Einfähniiig dieser Werte folgt fQr die aus- 
gestrahlte Energie der allgemein gültige Ausdruck: 

(i«i) '^..-f:{(W)'»(^-^)-^)- 

Derselbe geht, für ft= 0, in (148b) über. Aus (149b) 
folgt als Wert der ausgestrahlten Bewegungsgröße bei 
plötzlicher Hemmung oder plötzlicher Fortschleude- 
rung: 

Da nun, nach (103), 

ist, und 

Wi-Fo=üi+Ti~üo, 

so wird (vgL 113 c) 

(149.) e„.e„.l<S^-^4{!r^,.([±||)-3). 

Im Falle der Yolumladung sind die Ausdrücke (149 d, e), 
wie die für TFi, TTg» ^i> ^2 geltenden, mit dem Faktor 6/5 
zu multiplizieren. 

Bei instantaner Reflexion, wo 

zu setzen ist, erMlt man aas (149 c) 

(i49f ) TT« = 2c /3i 6?i = 4 T^ 

und aus (149 b) 

(149g) G^= 0. 

Im Falle instantaner Reflexion ist der aus- 
gestrahlte Impuls gleich Null. Die ausgestrahlte 
Energie ist gleich der vierfachen magnetischen 
Energie des gleichförmig bewegten Elektrons. 

Man kann von vornherein zweifeln, ob ein plötzlicher 
Geschwindigkeitssprung überhaupt durch endliche Kräfte zu 
verwirklichen ist. Auch diese Frage ist von P. Hertz in Unter- 



234 Erster Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

Buchung^) gezogen worden; es hat sich ergeben, daß die 
resultierende äußere Kraft St^, welche erforderlich ist, um das 
Elektron, von der Ruhe aus, plötzlich auf die Geschwindig- 
keit Hj zu bringen und in dieser zu halten, für |tli| <,c in 
jedem Momente eine endliche ist. Diese Kraft ist nicht, wie 
die Stoßkraft der gewohnlichen Mechanik, eine unendliche 
Kraft, welche nur im Augenblick des Stoßes wirkt, sondern 
sie verteilt sich über das Zeitintervall 0^^^^*, wo t* der 
Zeitpunkt ist, wo das Elektron gerade aus der Wellenzone 
heraustritt. Diesen Zeitpunkt haben wir in (145) berechnet; 
er ist 
(150) ^*= ^"^ 



wenn 

ti = lli für t>0. 

Daß die über jenes Intervall erstreckten Zeitintegrale der 
Kraft ft"* und der Arbeitsleistung tiÄ** endlich sind, folgt ohne 
weiteres aus den obigen Resultaten. Von der Zeit <* an ist 
das Elektron von dem stationären, der gleichförmigen Bewegung 
entsprechenden Felde umgeben, so daß zur Aufrechterhaltung 
der Bewegung keine Kraft mehr erforderlich ist. Von jetzt 
an sind Energie und Bewegungsgröße des Feldes konstant; sie 
haben die Werte 

Fi + TToi bzw. ®i + ®oi; 
welche sich nach einiger Zeit in dem Felde des gleichförmig 
bewegten Elektrons und in der entsandten Welle vorfinden. 

Es folgt demnach, mit Rücksicht auf (148b), 

(150a) ^(11 r) dt = Foi+ Fl- W^ 



.Hw,-w.)-';Uinm-2] 



Die gesamte Arbeit bei plötzlicher Fortschleu- 
derung ist doppelt so groß, als wenn die Geschwindig- 
keit Hl auf quasistationäre Weise erreicht worden wäre. 

Da in dem Zeitintervalle < ^ < ^* die Geschwindigkeit tl 
konstant gleich H^ ist, so ist das Zeitintegral der äußeren Kraft 

1) P. Hertz. Physik. Zeitschrift (6), 1904, S. 109. Diss. S. 60. 



Drittes Kapitel Die Mechanik der Elektronen. 235 

dem Betrage nach gleich dem durch die Geschwindigkeit ge- 
teilten Zeitintegral der Arbeit: 



faf'dt=^j^,-2iw,-w,), 



mithin 



(150b) f«'ät^,,.-^,{l.ln(^)-2}- 



Der Impuls und die Arbeit der äußeren Kraft haben beide 
einen endlichen Wert, wofern die Geschwindigkeit^ die hervor- 
gerufen wird, kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. 

Geht man nun zur Ghrenze der Lichtgeschwindigkeit über, 
so werden allerdings, den Gleichungen (150a, b) zufolge, die 
Zeitintegrale der Kraft und der Arbeit beide unendlich. Es 
ist aber zu beachten, daß dabei nach (150) die obere Grenze 
der Litegrale, d. h. die Zeit, zu der die Welle das Elek- 
tron überstrichen hat, ins Unendliche wächst. Und hierdurch 
allein wird das Unendlichwerden der Zeitintegrale bedingt, 
wie P. Hertz gezeigt hat. Zu jeder endlichen Zeit nach 
den} Stoße bleiben auch bei Erreichung der Licht- 
geschwindigkeit die Kraft, der Impuls und die 
Energie endlich. 

Unsere Dynamik des Elektrons schließt also keineswegs 
die Möglichkeit aus, daß in der Natur mit Lichtgeschwindig- 
keit bewegte Elektronen vorkommen, sei es, daß wir die An- 
nahme der Flächenladung, oder diejenige der Volumladung be- 
vorzugen. Freilich hegen in diesem singulären Falle sehr ver- 
wickelte Verhältnisse vor. Da das Elektron sich mit derselben 
Geschwindigkeit bewegt, wie die Wellen, die es bei Erreichung 
seiner Geschwindigkeit entsandt hat, so kann man hier die 
Wellenstrahlung von der Konvektionsstrahlung nicht sondern. 
Man muß beide gemeinsam betrachten, und die Energie und 
die Bewegungsgröße des gesamten Feldes in Rechnung ziehen. — 
Auf den Fall der Überlichlgeschwindigkeit kommen wir weiter 
unten in § 27 zurück. 



236 Erster Absclmitt. Das Feld u, die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

§ 26. Die innere Kraft eines beliebig bewegten Elektrons. 

Wir haben in § 24 die elektromagnetischen Potentiale 
eines beliebig bewegten kuge^ormigen Elektrons durch Integrale 
nach dem Latenswege dargestellt. Der direkteste Weg zur 
Berechnung der inneren Kräfte wäre der^ aus jenen Formeln 
das Feld und den Vektor f^ zu bestimmen ^ und durch Inte- 
gration über das Volumen des Elektrons die innere Kraft und 
Drehkraft zu ermitteln. Es ist A. Sommerfeld^) gelungen^ die 
Schwierigkeiten, die sich der Beschreitung dieses Weges ent- 
gegenstellen, zu überwinden. 

Die Verknüpfung des durch die Grundgleichung V ge- 
gebenen Vektors f^, der elektromagnetischen Kraft pro Einheit 
der Ladung, mit den elektromagnetischen Potentialen ist leicht 
zu finden. Nach (28) und (29) ist 

fJ««+l[ll§] = -F*-i^ + i[llcurl«]. 

Führen wir ein Bezugssystem ein, welches die trans- 
latorische Bewegung des Elektrons mitmacht, so ist nach Bd. I, 
Gleichung 116 

die von diesem Bezugssystem aus beurteilte zeitliche Änderung 
des Vektors 9L, Da %, die Geschwindigkeit des Mittelpimktes 
des Elektrons, vom Orte überhaupt nicht abhängt, so folgt 
aus Regel (v) der Formelzusammenstellung in Bd. I, S. 438 

^(»o«) = (»o^)« + [»ocurlll]. 
Es ist demnach 



dt dt 



^(tJo«) + [t»oCuriaj. 



Führen wir dieses in den Ausdruck des Vektors 5 ^^ 
und setzen an Stelle von t wieder die Variable Z == c^, so er- 



1) A. Sommerfeld, aött. Nachr. 1904, S. 863—489. Akad. van 
Wetensch. te Amsterdam, 1904. S. 846 der englischen Ausgabe. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 2S7 

halten wir unter Beachtung der kinematischen Grund- 
gleichung (VII): - 

(151) 5 F3r_^ + |[[tt,]curl«]. 

Der hier auftretende Skalar 
(151a) 3r=*-|(llo«) 

geht bei gleichförmiger Translationsbewegung in das Eon- 
vektionspotential über^ als dessen negativer Gradient sich bei 
einer solchen Bewegung der Vektor ^ darstellt. 

Wir wollen uns mit einer beliebigen rotationslosen Be- 
wegung des Elektrons beschäftigen. Hier ergibt (151) 

(151b) 5=,-F^_^. 

Im Falle gleichförmiger Volumladung bestimmt sich hieraus 
die innere Erafb 

folgendermaßen : 

(152a) -St=^Jdv[rw + '-^}. 

Im Falle der Flächenladung muß man bei der Berechnung 
der inneren Kraft vorsichtiger zu Werke gehen; es sind nämlich 
die räumUchen und zeitlichen Differentialquotienten der Poten- 
tiale an der geladenen Fläche nicht stetig. Man berechnet 
daher zunächst die Kraft; welche das Elektron auf eine ge- 
ladene Eugel vom Badius b^a ausübt^ und geht erst nach 
Auswertung dieser Kraft zur Größe b = a über. Diese Ab- 
leitung der inneren Kraft eines flächenhaft geladenen Elektrons 

(152 b) Ä = Lim^./idf 

führt zu dem Ausdrucke 

(152c) -«^Lun^yd/^JF^ + ^j. 



238 ^rster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegimg der einzelnen Elektronen. 

Wie wir wissen (vgL § 24), lassen sich die elektro- 
magnetischen Potentiale des Elektrons durch einfache, nach dem 
Latenswege genommene Integrale darstellen. Wir wollen schreiben 



QO 



(153) O^^efidL 



Dann wird, bei reiner Translationsbewegung, 

QO 

(153a) %=^Jx\^t-xäk, 



und, gemäß (151a), 

(153b) ^=efx[\-''-^]dX. 



Diese Ausdrücke sollen nun in (152a, c) eingeführt werden, 
und es soll die Integration über das Volumen t;, bzw. die 
Flache f vorgenommen werden. Es seien %^ bzw. %^ die Werte, 
welche der in (153) auftretenden Größe % im Falle der Flächen- 
ladung bzw. der Y olumladung zuzuschreiben sind. Wir setzen dann 






(153c) i^^-^jj^^df 

(153 d) ^2=_i_y^^dt;. 

Diese Mittelwerte von % in (152 a c) einführend, erhalten 
wir im Falle der Flächenladung 



OO QO 



(154) -1 . « ^l^fdX { 1 -%^)ryZi+ Um^l^fdkt,_,x„ 



hingegen im FaUe der Volumladung 

00 CO 

(154a) -J.«_y*dx{l-^)rrit, + i^ydXli,_,^,. 



Hierbei verstehen wir unter % den Fahrstrahl, der von 
irgendeinem im Räume festen Punkte nach dem Mittelpunkte 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 239 

des Elektrons in seiner zur Zeit ^ = ^ eingenommenen Lage 

gezogen ist. Den in (154) und (154a) eingehenden Gradienten 
von X erhält man^ indem man die durch Ft angedeutete Ver- 
rückung des Mittelpunktes yomimmt und dabei l und X kon- 
stant hält. 

um diese Ausdrücke der resultierenden inneren Kraft aus- 
zuwerten, ist die in (153) eingehende Funktion x ^on X nach 
den Angaben des § 24 zu berechnen, und es sind die durch 
(153 c, d) angedeuteten Integrationen über die Ausdehnung des 
Elektrons auszuführen. Es kommen dabei nur solche Werte 
von X in Betracht, für welche die um den betreffenden Auf- 
punkt gelegte Kugel vom Radius X das Elektron in seiner zur 

Zeit eingenommenen Lage schneidet. Ln Falle der Flächen- 

ladung ist die Bedingung hierfür die in (135) angegebene: Es 
muß eine Dreiecksbildung aus den drei Strecken jß, X, a möglich 
sein. Nach (136) ist dann die in (153) eingeführte Größe x 

gleich ö~^; ^^^ ^s^ gleich Null, wenn keine Dreiecksbildung 
aus jenen drei Strecken möglich ist. Nun kann ein und derselbe 
Aufpunkt für die vorgegangenen Lagen des Elektrons bald ein 
innerer und bald ein äußerer sein, so daß die Grenzen, inner- 
halb deren x ^^^ Null verschieden ist, durch (135b) bzw. 
durch (135 a) gegeben werden. Auch sind alle zur Zeit t vom 
Elektron bedeckten Aufpunkte in Betracht zu ziehen. Hiemach 
wären zur Bestimmung von x bereits bei Flächenladung sehr 
umständliche Fallunterscheidungen notwendig; unter Annahme 
^on Yolumladung wären dieselben noch zahlreicher. 

Diese Fallunterscheidungen vermeidet nun Sommerfeld 
durch einen Kunstgriff; er stellt die verschiedenen Werte- 
möglichkeiten von X <lu^ch einen einheitlichen analytischen 
Ausdruck dar, nach Art des Dirichletschen diskontinuierlichen 
Faktors. Bekanntlich^) ist 



oo 







sinsa;-/=±^ für x^O. 



1) Vgl. Riemann -Weber. Die part. Diffgl. d. math. Phys. I, § 13, S. 29. 



240 Erster Abschnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 
Betrachten wir jetzt das Produkt 

4 sinsa • sin sB • sinsA = sins (a + JB — A) + sin (a — JB + A) 

— sin s (a + JB + A) — sin 5 (a — JB — A). 

Von den vier Größen 

a + B — ly a—R-hl, ■— a— JB — A, — a+JB + JL 

sind drei positiv und nur eine ist negativ^ falls Dreiecks- 
bildung aus den drei Strecken a^ B, X möglich ist; ist hin- 
gegen die Dreiecksbildung nicht möglich^ weil eine der drei 
Strecken größer ist als die Summe der beiden anderen; so 
sind von den vier Größen zwei positiv und zwei negativ. Das 
Integral 

I sin sa • sin 5 JB • sin s A • — 



ist mithin gleich -r- oder gleich Null, je nachdem eine Dreiecks- 

bildung möglich ist oder nicht. Wir können daher im Falle 
der Flächenladung die Größe % durch dieses Integral aus- 
drücken : 



(155) %^= — / sin sa • sin sX • - 



sin 8jR ds 



B 8 





80 daß das skalare Potential (153) wird 



CO OD 



/iRR \ >Fk ^^ l ;ii i ' ^ • -sinsJBe?« 

(155a) ® — — I aX I 8m sa smsX — ^ 



Was den FaU der Yolumladung anbelangt; so können wir 
ihn leicht auf denjenigen der Flachenladung zurückführen^ 
indem wir die Eugel vom Radius a in Kugelschichten zer- 
legen, vom Radius r, von der Dicke dr und der Ladung 

4:XQr^dr^ -^r^dr. Schreiben wir in (155 a) statt a jetzt >, 



3e .2 



statt e jetzt -^ r^ dr^ so entsteht durch Integration nach r das 



Drittes Kapitel. Die Meclianik der Elektronen. 241 

8ka«lare Potential des gleichförmig über sein Volumen ge- 
ladenen Elektrons: 

00 Qo a 

v»k 6e /*,^ /*. ^ BiasRds C • j 

$=^ — 8 I aX\ smsA — ^ IrBmsrar. 



Da nun gilt 

a 

ßinsa — sa cos sa 



/• 



r sin $r dr = 



s« 



so wird im Falle der Volumladong 



00 QO 



/^ec^_^ ^ 6« i j i /* • - sinsÄ ( sin sa -- sa COS ««1 d« 

(155b) <i>=-j^xjsmsA^-[ ^^^, )-• 



In diesem Falle ist der Oröße % der Wert zuzuschreiben 



00 



/^cK \ 6 i • ^ sin «ij (sin «a — sa COS 5a Ids 

(155c) ar,= ^j Bin sX^-[ ^-^, )-• 



In den drei in § 24 unterschiedenen Lagen des Auf- 
punktes muß ex^äl die Werte (137), (138) und Null an- 
nehmen. Die gefandenen einheitlichen analytischen Ausdrücke 
gestatten es, ohne weiteres die zur Berechnung der Mittel- 
werte j^i, ^3 erforderlichen Integrationen über die Oberfläche 
bzw. über das Volumen des Elektrons auszuführen. 

Wir verstehen unter N (Abb. 4) den Ort des Mittel- 
punktes des Elektrons zur Zeit t, unter M seinen Ort zur Zeit 

t Um N schlagen wir eine Eugel mit dem Radius 6. 

über diese Kugel ist x^ zu integrieren, um den durch (153 c) 
definierten Mittelwert zu berechnen. Es sollte X der von 
einem beliebig gewählten, aber dann festgehaltenen Raum- 
punkte aus nach N gezogene Fahrstrahl sein. Wir wählen M 
als diesen festen Punkt, so daß T, der Betrag von Z, durch 
die Strecke MN vorgestellt wird. B bezeichnet nach wie vor 
den Badiusvektor, der von M aus nach dem Punkte gezogen 
ist, für welchen bzw. % berechnet werden soll; das ist hier 

AI) r ah am, Theorie der Elektrizität, ü. 16 



242 Erster Abflchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elekironen. 



ein Punkt P auf der Oberfläche der Engel vom Radius b. Ist 

endlich ^ der Winkel^ welcher in 
dem Dreieck aus den Strecken 
B, T, h, der Seite R gegenüber- 
liegt; so gilt 

Schreitet man längs der 
Eugelfläche fort, so sind T und b 




Abb. 4. 



konstant zu halten; es folgt 

bTBmtdt=BdR 

Demnach ist der Flächeninhalt eines von zwei Breiten- 
kreisen ^ und t + ät begrenzten Streifens 

2nbBdB 



d/'=2Ä6«sinfdg = 



T 



Da nun längs eines solchen Streifen nach (155) die Große Xi 
konstant ist; so können wir f&r den Mittelwert (153c) schreiben: 

(156) Xt-i^'fxiRdB, 



Diese Grenzbestimmung gilt sowohl dann, wenn M inner- 
halb; wie auch danu; wenn M außerhalb der Engel Tom 
Radius b liegt. Aus (155) und (156) folgt jetzt 



00 

^1^ i^T -J f* siii «ö 8111 sX 



dl 
s 



wenn abkürzungsweise gesetzt wird 

II ^jdRBia sB =*{{cos s (T- 6) - cos s {T+ 6)1; 



\r—b 
es findet sich 



2 

ft = — • sin 5 T • sin s6, 



Drittefl Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 243 

so daß man schließlich erhalt 



00 



— 2 / sin sT ds 

(156a) ^^^—^ I Bmsasiasb — =r-siiisil-5- 



Für nnser kugelförmiges Elektron läßt sich auch im Falle 
der Yolumladung die durch (153 d) postulierte Mittelwerts- 
büdung ohne Schwierigkeit durchfahren. ^^In dem AuBdruck 

(155 c) von X2 ist es nur der Faktor — = — des Integranden^ 

der f&r die verschiedenen Punkte des Elektrons einen ver- 
schiedenen Wert hat. Der Mittelwert dieses Faktors berechnet 
sich nun für das Volumen der Eugel in ganz ähnlicher Weise, 
wie oben für die Eugelfläche. Es ist 

_L,y«^ dv = ^Jrdr Jsm sB dB 

IT— r| 

a 

3 sinsT / . ■, 3 sinsT ( Bin sa — sa coa 8a\ 

*= -s ' — m- • / sin sr • rar « wr- • 1 jm 1 * 



Demnach erhalten wir 

00 

/ic/»T.\ — 18 / . . sin 8T (sin «a — «a COS «aPcIs 

<156b) ^ = _,^BmsA-^^( j^, j -,■ 



Indem wir die so erhaltenen Mittelwerte (156 a^b) von x in 
die allgemeinen Ansätze (154) und (154a) fbr die innere Kraft 
einführen, gelangen wir zu den Sommerfeldschen Formeln 



9ra 



<157) -^..« 



2e' 



-Luniy*dA{l-^}|y^sinsaBin.68insA^(5^ 



00 00 

IT* 1 ^ /^j -1 *. / ^« • • r • - sin «T 

+ Lim ^ x| I dX^i^i I -j- sm $a sm so sm sX —ji — 





244 Si^Bter Abschnitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 
/ ji fi tliUj — jilX / ds fein 5a--«a cos «al* . , ^ /sin sTv 





00 « 



. 1 ^ /j-i^ / d« f sin «a—sa COS «al* . *8in«T 



Diese Formeln stellen die vom kugelförmigen; rein 
translatorisch bewegten Elektron auf sich selbst aus- 
geübte Kraft im Falle homogener Flächenladung und 
homogener Yolumladung in allgemeinster Weise dar. 

In seiner Mitteilung in den Göttinger Nachrichten hat 
Sommerfeld die Integrationen nach s ausgeführt; dabei gelangt 
der in § 17 erwähnte umstand zur analytischen Formulierung^ 
daß die innere Kraft durch die Bewegung des Elektrons in 
einem endlichen , dem betrachteten Zeitpunkte unmittelbar 
vorangegangenen InterraUe bestimmt ist, wenigstens dann, 
wenn die Bewegung dauernd mit Unterlichtgeschwindigkeit 
oder mit Überlichtgeschwindigkeit erfolgt ist. Ausnahmefälle 
treten dann ein, wenn das Elektron sich zuerst mit Überlicht- 
geschwindigkeit und dann mit Unterlichtgeschwindigkeit be- 
wegt; oder gar die Richtung umkehrt; dann können offenbar 
Wellen, die Tom Elektron selbst in einer längst yergangenen 
Epoche entsandt worden sind^ eine Eraft auf dasselbe aus- 
üben. Alle denkbaren Fälle werden durch die obigen Formeln 
in einen einheitlichen analytischen Ausdruck zusammengefaßt, 
so daß die Ermittelung der inneren Kraft fQr eine gegebene 
Bewegung nur noch eine Sache der Rechnung ist. 

Sommerfeld hat auch die Drehkraft und die Rotations- 
bewegung in entsprechender Weise behandelt. Von größerem 
Interesse ist jedoch die Anwendung auf translatorische Be- 
wegung mit Überlichtgeschwindigkeit^), der wir uns jetzt zu- 
wenden wollen. 

1) A. Sommerfeld. Akad. v. Wetensch. te Amsterdam. 13. S. 481. 



Drittes Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 245 

§ 27. G-lelohförmige Bewegung mit Überlichtgesoliwindigkeit. 
Bei gleichförmiger geradliniger Bewegung wird 

In dän Ausdrücken (157) und (157 a) für die innere Kraft 
fallen die Differentialquotienten nach l fort. Die Differentiationen 
nach T können durch solche nach X ersetzt werden^ so daß 
nach Umkehr der Integrationsordnung für die der Bewegung 
parallel gerechnete innere Kraft bei F^,chenladung folgt 

(158) -fj« 

00 00 

= — gf- • Lim-T- 1 -Y^msa smso I aAsmSA-^( — ^ — j? 

und bei Volumladung 

(158a) -^« 

00 00 

1 — ß* / (2« [sin sa — sa cos sa\^ / ,^ . ^ d /sin /Ssl\ 

— ß^J-^\ — 5^^ — \J^^^'^'^H(—r-r 



Das nach X ccenommene Inte&cral läßt sich auswerten; es 
ergibt die partieUe Integration 

I dX siasX-^y ^^^ j ^ — sjdX cossX^^^ — 





Da nun 



00 00 



ß^ Bi.(ß+l)sl ^^^ J^^ sin(p-l).X ^^. ^ ^^^^ 



246 Erster AbBchnitt. Das Feld n. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

so erhält man 

^ ^ I far ß<l 

(158b) jdXsm8k§^^(^^)^\sn 



2 



fÖr ß>l. 



Für jS < 1 ist die innere Kraft Noll^ sowohl im Falle der 
Flachenladnng; wie im FaUe der Yolumladnng. Es fo^ das 
uns bereits bekannte Resultat: Die gleichförmige gerad- 
linige Bewegung mit Unterlichtgeschwindigkeit ist 
eine kräftefreie Bewegung des Elektrons. 

Für /5>1 hingegen folgt aus (158) und (158 b) far den 
Fall der Flächenladung 



00 



(158c) — ~ ft = ä¥" • I^™ T I -^sinsa sin sb. 



Um das Integral nach s auszuwerten^ teilen wir das 
Integrationsinteryall in zwei Teile, 0<s<6 und a<5<(X). 
Es wird 



00 e 

/ds , . , fds . 

— Sin sa sm s6 = I — sl 



00 

sin sa sin s& » / — sin $a sin sb 



CO CO 



e « 

Für die Differenz der beiden letzten Integrale folgt, nach 
Einführung der Variabein j) = |6 — a| s bzw. j) « (6 + a) s, 

« flo « (6 -+"<*) 

1 /* dp 1 r äp \ c ^V 

TT 1 cos 1)-^ — TT 1 C0S1)^^ = — 1 COS«-- 

«|ft — a| «(ft + a) e j6 — a] 

«(6 + a) e(ö + a) «(ft + a) 

e |6 — a\ e|& — a| « |6 — a\ 



Drittes Kapitel Die Mechanik der Elektronen. 247 

Durch Summation folgt 



00 



— Sin sa sm so = — In ( ,,_ , j +1 — sin sa sin so 





« (6 + a) 



-ß 



^sin^l 

J} 2 



«|6 — a| 

Diesem Ausdrucke proportional ist die Eraffc^ welche das 
flächenhaft geladene Elektron auf eine mitbewegte konzentrische^ 
mit derselben Ladung versehene Kugelfläche vom Radius b 
ausübt. Indem wir die ganz beliebig zu wählende Große s 
gegen Null konvergieren lassen, erhalten wir als Wert dieser 
Kraft 

(i58d) «=-Ä-^-i^^(rS]) f^ *^«- 

Die Kraft, welche die Kugel a auf die konzentrische Kugel b 
und umgekehrt auch die Kugel b auf die Kugel a bei gemeinsamer 
gleichförmiger Translation mit Überlichtgeschwindigkeit ausübt, 
wirkt stets der Bewegung entgegen. Ihr Betrag ist ein end- 
licher, falls die Radien der beiden Kugeln verschieden sind. 
Führt man indessen den Grenzübergang zum Falle zweier 
Kugeln von gleichem Radius aus, um die innere Kraft des 
flächenhaft geladenen Elektrons zu berechnen, so findet man, 
daß die Kraft logarithmisch unendlich wird. Man schließt 
hieraus: Die gleichförmige Bewegung eines flächen- 
haft geladenen kugelförmigen Elektrons mit Über- 
lichtgeschwindigkeit erfordert eine unendliche Kraft; 
sie ist somit physikalisch unmöglich. 

Zum Falle der Yolumladung übergehend, erhalten wir 
aus (158 a, b) 



00 

2 



a* ß^ — 1 /d 8 j aia. sa — sa cos sa) 



Für das hier auftretende Integral nach s erhält man, nach 
Einführung der Variabehi p = as, durch einige Umformungen 



OF THC '^ 



. ^NIVERS/TY I 



248 Erster Absclmitt. Das Feld u. die Bewegung der einzelnen Elektronen. 

/dp { , \3 ((sin p— ü cosp)']* 



, 1 /*dü . / . \ f sin ü (sin p — « cos p) \ * 
+ 2j p-smj?(smj>~j?cosj?)=^-| ^^ ^^,^ ^j^ 





OD 



+ — / ^ (cos ^ sin 2? — J) cos* 2> + J> sin* pu 





00 



_1 /\ /l sin 2p cos 2j? \ _ 1 f sin 2p \ °°_ 1 



Daher wird schließlich 
(158e) « = _||l.(i_J,) 

die der Bewegung entgegenwirkende innere Kraft im FaUe 
der Volumladung. Wir sehen also: 

Die gleichförmige Bewegung des mit gleich- 
förmiger Volumladung erfüllten Elektrons mit Über- 
lichtgeschwindigkeit ist zwar keine kräftefreie Be- 
wegung^ aber die erforderliche äußere Kraft hat einen 
endlichen Betrag, so daß Bewegung mit Überlicht- 
geschwindigkeit bei Yolumladung physikalisch denk- 
bar ist. Der Betrag der Kraft steigt mit wachsender Ge- 
schwindigkeit an und konvergiert gegen den Grenzwert 

«, 9 c* 
I 4 a*' 

derselbe ist gleich der Kraft, welche zwei ruhende Punkt- 
.^»g,. .iM Absind I« a„f.b»nd» .»aben. 

Die hier zutage tretende prinzipielle Verschiedenheit von 
Flächenladung und Yolumladung des allseitig symmetrischen 
Elektrons ist um so bemerkenswerter, als bei Unterlicht- 
geschwindigkeit das Verhalten des Elektrons in beiden Fällen 



Drities Kapitel. Die Mechanik der Elektronen. 249 

das nämHche iat Bei quasistationärer Bewegung unter- 
scheiden sich die Massen in beiden Fallen nur durch einen 
Zahlönfaktor; und derselbe Zahlenfaktor tritt bei der Strahlung 
des unstetig bewegten Elektrons auf. Auch die Eraft^ welche 
erforderlich ist^ um das Elektron plötzlich auf Lichtgeschwindig- 
keit zu bringen und auf dieser zu halten, ist im Falle der 
Volumladung von derselben Größenordnung, wie im Falle der 
Flächenladung. Aus dem Verhalten der Elektronen bei Unter- 
lichtgeschwindigkeit und bei Lichtgeschwindigkeit wird daher 
kaum ein Kriterium herzuleiten sein, welche zwischen diesen 
beiden Möglichkeiten entscheidet. Die Entscheidung wäre aber 
sofort gegeben, und zwar zugunsten der Volumkdung, sobald 
man Elektronen beobachtet hätte, die sich mit Überlicht- 
geschwindigkeit bewegen. 

Es ist allerdings kaum zu hoffen, daß es gelingen wird, 
die Elektronen, selbst wenn ihnen im Innern des Badiumatomes 
solche Geschwindigkeiten erteilt wären, auf Überlicht- 
geschwindigkeit zu halten; denn die hierzu erforderliche Kraft 
ist eine so enorme, daß sie die Kräfte der experimentell 
herstellbaren Felder um das Billionenfache übersteigt. Was 
geschieht aber, wenn keine äußere Kraft wirkt? Wie bewegt 
sich das einmal auf Überlichtgeschwindigkeit gebrachte Elek- 
tron kräftefrei weiter? Darüber sagt die Theorie bisher 
nichts aus. 



250 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 



Zweiter Abschnitt. 

Elektromagnetisclie Vorgänge in wägbaren Körpern. 



Erstes Kapitel. 
Ruhende Körper. 

§ 28. Ableitnng der Hauptgleiohnngen ans der Slektronen- 

theorie. 

Im ersten Bande dieses Werkes (§ 59) haben wir die 
Hauptgleichungen der Maxwellschen Theorie f£Lr ruhende 
Körper entwickelt. Der dort eingenommene Standpunkt war 
derjenige der Phänomenologie, welche sich mit der DarsteUung 
der beobachteten Erscheinungen begnügt und ein Eingehen 
auf atomistische Vorstellungen ablehnt. Bei den meisten 
elektromagnetischen Vorgängen im engeren Sinne ^ insbesondere 
bei denjenigen^ die in ruhenden Körpern stattfinden ; erweist 
sich die phänomenologische Behandlungsweise als ausreichend^ 
uud sogar durch ihre größere Einfachheit als der atomistischen 
Auffassung überlegen. 

Nun haben wir aber gewisse Erscheinungen der Kon- 
vektionsstrahlung kennen gelernt; welche sich nur Tom ato- 
mistischen Standpunkte aus befriedigend haben deuten lassen. 
Wir haben gesehen^ daß die negativen Elektronen^ die wir in 
den Kathoden- und Badiumstrahlen als bewegt annehmen^ 
auch bei der Lichtstrahlung der Körper eine BoUe spielen. 
Wir wollen uns indessen hiermit nicht begnügen; wir wollen 
versuchen, die elektromagnetischen und optischen Erscheinungen 
in ihrer Gesamtheit auf Grund der Elektronentheorie zu be- 
greifen. Wir müssen zu diesem Zwecke zunächst den Nach- 
weis führen, daß die Hauptgleichungen der Elektrodynamik 
sich aus den Grundgleichungen der Elektronentheorie ableiten 
lassen. 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 251 

Die Elektronentheorie kennt nur das elektromagnetische 
Feld im Äther, welches durch ruhende oder konvektiv bewegte 
Elektronen erregt wird. Sie nimmt an, daß dieses elektro- 
magnetische Feld auch im Innern der ponderablen Körper 
besteht, oder, wie man zu sagen pflegt, daß der Äther 
die ponderablen Körper durchdringt. Daß die elektrischen 
und magnetischen Eigenschaften der Körper von denjenigen 
des leeren Baumes abweichen, wird darauf zurückgeführt, daß 
Elektronen sich im Innern des Körpers befinden. Die Leit- 
fähigkeit der Körper wird durch „Leitungselektronen^^ 
erklärt, welche entweder, wie in den Metallen, frei beweglich, 
oder, wie in den Elektrolyten, an neutrale Atom- oder Molekül- 
gruppen gebunden sein können; diese wandern im Körper unter 
der Einwirkung elektrischer Kräfte über größere Strecken hin 
und bilden so einen elektrischen Leitungsstrom. Die elektrische 
Polarisation der Dielektrika wird auf negative Elektronen 
zurückgeführt, welche an die positiven gebunden sind und mit 
ihnen zusammen elektrische Dipole bilden. Die Bewegung 
dieser „Polarisationselektronen" in veränderlichen elek- 
trischen Feldern wird einen elektrischen Strom ergeben, welcher 
den auf die Materie entfallenden Anteil des Yerschiebungs- 
Stromes bildet. Führen die gebundenen negativen Elektronen 
ferner umlaufende Bewegungen um die positiven aus, so geben 
sie zu einer Magaetisienmg des Körpers Veranlassung und 
werden dann als „Magnetisierungselektronen" zu be- 
zeichnen sein. Es werden allerdings auch die freien Elek- 
tronen im magnetischen Felde sich in gekrümmten Bahnen 
bewegen und so die Bolle von Magnetisierungselektronen 
spielen können. 

Die von den einzelnen Elektronen erregten Felder, auf 
welche sich die Grundgleichungen des § 4 (I bis IV) beziehen, weisen 
außerordentlich große räumliche Unregelmäßigkeiten auf. Hat 
doch das Feld des ruhenden Elektrons in den beiden End- 
punkten eines Elektronendurchmessers die entgegengesetzte 
Richtung. Entsprechende starke zeitliche Schwankungen der 
Feldstärken werden den Qrundgleichungen zufolge an einem 



252 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

im Baume festen Punkte auftreten, wenn ein Elektron sich 
über ihn hinweg bewegt. Wir erwühnten bereits in § 4, daß 
die Felder y deren Existenz die Grundgleichungen postulieren, 
der direkten Beobachtung unzugänglich sind. Es sind immer 
nur die Mittelwerte, auf welche die Beobachtungen sich be- 
ziehen. Die Mittelwertsbildung über die Felder der einzelnen 
Elektronen wird uns zu den Hauptgleichungen der Maxwellschen 
Theorie fähren und wird uns zeigen, wie die dort auftretenden 
Vektoren mit den in den Feldgleichungen der Elektronen- 
theorie auftretenden beiden Vektoren zusammenhängen. 

Wir wollen die Bezeichnungen 6, § für die in den Haupt- 
gleichungen auftretenden Feldstärken der beobachtbaren Felder 
reservieren, und daher, um Verwechselungen vorzubeugen, für 
die elektromagnetischen Vektoren, welche durch die Qrund- 
gleichungen (I bis IV) der Elektronentheorie miteinander ver- 
knüpft sind, jetzt die Bezeichnungen r, 1^ einführen. Jene Glei- 
chungen sind dann zu schreiben: 

(I) curllj= ^|^, + ^9tl, 

(H) curle = -i||, 

(HI) div e = 43rp, 
(IV) div 1| « 0. 

Aus diesen Feldgleichungen hat H. A. Lorentz für den 
allgemeinen Fall eines bewegten Körpers die Hauptgleichungen 
der Elektrodynamik durch Mittelwertsbildung abgeleitet.^) 
Wir werden in diesem Paragraphen die entsprechenden Ent- 
wickelungen für ruhende Körper durchführen. Hier ergeben 
alle auf dem Boden der Nahewirkung stehenden Theorien 
dasselbe, während in der Elektrodynamik bewegter Körper, 
wie wir später sehen werden, zwischen den verschiedenen 
Theorien gewisse Abweichungen vorhanden sind. 

1) H. A. Lorentz. Akad. van Wetenschapen te Amsterdam 11, 1902, 
S. 305. Enzykl. d. mathem. Wissensch. Bd.V, Art. 14, Nr. 26—34. 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 253 

Wir bezeichnen mit H. A. Lorentz eine Strecke als 
^^physikaliscli nnendlich klein^^, wenn sie klein ist gegen 
diejenigen Strecken, innerhalb deren eine merkliche Inho- 
mogenität des Feldes besteht, aber groß gegen den Abstand 
zweier benachbarter Elektronen oder Moleküle. Es hängt 
dieser Definition gemäß wesentlich yon der Inhomogenität des 
betreffenden Feldes ab, ob eine Strecke als physikalisch 
unendlich klein zu bezeichnen ist oder nicht; in der Elektro- 
statik z. B. wird eine Strecke, die gleich einer Wellenlänge 
des roten Lichtes ist, noch physikalisch unendlich klein zu 
nennen sein; denn die Probekörper, die zur Untersuchung des 
elektrostatischen Feldes verwandt werden, sind viel zu grob, 
um eine etwaige Inhomogenität des Feldes auf dieser Strecke 
überhaupt zu bemerken. In der Optik hingegen, wo es sich 
nach den Vorstellungen der elektromagnetischen Lichttheorie 
um Felder handelt, die auf einer Strecke von einer halben 
Wellenlänge die Richtung umkehren, wird jene Strecke keines- 
wegs als physikalisch unendlich klein betrachtet werden dürfen. 
Anderseits legt die obige Definition eine gewisse, von der Zahl 
der Elektronen bzw. Moleküle abhängige untere Grenze für 
die physikalisch unendlich kleine Strecke fest. Sollen die 
beiden Bedingungen einander nicht widersprechen, so muß der 
mittlere Abstand zweier Moleküle verschwindend klein gegen 
die Wellenlänge sein, derart, daß in einem Würfel, dessen 
Kanten etwa einem Hundertstel der Wellenlänge der be- 
treffenden elektromagnetischen Welle gleich ist, noch viele 
Millionen von Elektronen enthalten sind. Yon physikalisch 
unendlich kleinen Gebietsteilen kann nur dann die Bede sein, 
wenn die Materie entsprechend dicht gelagert ist. 

Um den Mittelwert irgendeiner skalaren oder Vektor- 
größe q in einem Punkte P des Baumes zu bestimmen, kon- 
struieren wir um P eine Kugel, deren Radius phyaikaUsch 
unendlich klein ist, und dividieren das über die Kugel er- 
streckte Yolumintegral von q durch das Volumen v der Kugel: 

(159) ä=^- 



254 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Bei der YergleichTing der Mittelwerte^ welche zu zwei 
yerschiedeneii Zeiten in einem und demselben Ponkte herrschen^ 
ist selbstverständlich der Badius der Engel konstant zu halten^ 
80 daß man hat 

Es sind demnach Mittelwertsbildung und Diffe- 
rentiation nach der Zeit miteinander yertauschbare 
Operationen. Das gleiche gilt von den Operationen der 
Mittelwertsbildung und der Differentiation nach den Koordi- 
naten. Hierbei handelt es sich um die Yergleichung der Werte 
von 'Qy welche in zwei benachbarten Punkten P und P' des 
Baumes zu derselben Zeit bestehen. Es sind dabei die Mittel- 
werte q durch zwei um P und P' geschlagene physikalisch 
unendlich kleine Kugeln von dem gleichen Badius definiert. 
Demgemäß ist z. B. 

dq d /qdv 

dx dx V 

nichts anderes; als die durch Yerrückung der Kugel parallel 
der a;-Ach8e bedingte Veränderung des Yolumintegrales von q, 
dividiert durch das Volumen der Kugel. Diese Veränderung 
laßt sich darstellen als herrührend von den (positiven oder 
negativen) Beiträgen derjenigen Volumelemente ^ welche die 
Oberfläche f der Kugel bei der Verrückung bestreicht. Es folgt 



If = ^ •/« ^^« (^^) ^f' 



Anderseits ist der Mittelwert der Differentialquotienten 
von q nach x 



dq 

dx 



= i/ li '^^ = ly 2 *^« (^*) ^f' 



80 daß man erhält 

Es sind also, wie behauptet; auch die räumliche 
Differentiation und die Mittelwertsbildung mit- 
einander vertauschbare Operationen. 



Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 255 

Anf Gfmnd der Regeln (159a; b) ergeben sich durch 
Mii^lwertsbildimg aus I bis lY die Differentialgleichungen 

(la) curll» i|«+^p, 

(Ha) curle=-if, 

(Ula) diT e = 4«9^, 
(IV a) diT f = 0. 

Indem die Mittelwerte für physikalisch imeudlich kleine 
Bereiche gebUdet wurden, sind die raschen und regeUosen 
räumlichen Änderungen des Feldes^ welche durch die ato- 
mistische Struktur der Elektrizität und der Materie bedingt 
sind; herausgefallen« Man kann daher bei der Berechnung 
des curl und der Divergenz der Vektoren e und l| unter dx 
dy de, statt mathematisch unendlich kleiner Strecken^ auch 
physikalisch unendlich kleine Strecken verstehen. Femer kann 
man die Mittelwertsbildungen; wie über den Baum, so auch 
über die Zeit erstrecken; und unter dt ein ;;ph7sikalisch 
unendlich kleines Zeitintervall^^ yersteheU; das heißt ein 
solches; in welchem die Vektoren i, l| verschwindend geringe 
zeitliche Änderungen erfsdiren. 

Wir betrachten zunächst den idealen Fall; daß der Körper 
nur Leitungselektronen enthalt. Dann gilt 

(160) {p}. = P, {P}. = 1. 

Die beobachtbaren Dichten der Elektrizität und des 
Leitungsstromes q, i sind dann einfach gleichzusetzen den 
Mittelwerten der Dichten der Elektrizität und des Eonvektions- 
stromeS; berechnet für physikalisch unendlich kleine Volum- 
elemente. Nehmen wir eine Reihe verschiedener Elektronen- 
arten aU; von den Ladungen e^, e^, e^ . . .; den auf die Volum- 
einheit berechneten Zahlen JV^; J^^; ^3 . . .; und den mittleren 
Geschwindigkeiten li^; li^; II3; so hat man 

(160a) p — JVi e^ + J^2 c^ + JVg 63 . . . 

(160b) i - JV^eiHi + 2^262 Hj + iVjCs H,. . . 



256 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Für einen idealen Leiter, der weder elektrisch polarisierbar 
noch magnetisierbar ist, nehmen die Hauptgleichongen der Max- 
wellschen Theorie eine sehr einfache Form an; es wird nämlich @ 
mii4» 9, ^ mit 8 identisch. Im aUgeüieuien Falle aber sind zwei 
Paare elektrischer and magnetischer Vektoren (außer {) in den 
Hauptgleichungen zu unterscheiden (vgl. I, § 59). Es kommt jetzt 
gerade darauf an, den Zusammenhang dieser Vektoren mit e und 1^ 
richtig zu erfassen und den Unterschied zwischen wahrer und 
freier Elektrizität, sowie wahrem und freiem Strome, vom 
Standpunkte der Elektronentheorie aus zu yerstehen. Im Hin- 
blick hierauf woUen wir die Anteile Ton ^ und Qi in Betracht 
ziehen, welche von den aneinander gebundenen positiven und 
negativen Elektronen herrühren. 

Für ein elektrisch neutrales Molekül ist die Gesamtladung 
Null. Auch bildet die fortschreitende Bewegung eines solchen 
Moleküles keinen Leitungsstrom. Dennoch kann die gegen- 
seitige Verschiebung der Elektronen im Molekül zu einer Ab- 
änderung des Mittelwertes p der nLumlichen Dichte Ver- 
anlassung geben, der ja durch eine im Räume feste, physi- 
kalisch unendlich kleine Kugel definiert war. Auch können 
die inneren Bewegungen der Elektronen sich durch eine 
Änderung des Mittelwertes q^ der Stromdichte bemerkbar 
machen. 

Wir nennen das über das Volumen eines Moleküles er- 
streckte Integral 

(161) p ^jQtdv 

das elektrische Moment des Moleküles, indem wir unter t 
den von einem festen Punkte des Moleküles aus gezogenen 
Fahrstrahl verstehen. Hat man es mit einem aus zwei Punkt- 
ladungen bestehenden Dipole zu tun, so ist p das Moment 
des Dipoles. 

Wir wollen indessen die allgemeinere Annahme machen, 
daß sich in jedem Moleküle n Elektronen, von den Ladungen 
6i, ^2 . . . ßny befinden. Das elektrische Moment des Moleküles 
ist dann 



(161a) 


P~<kti + e,h + 


wobei 




(161b) 


«!+%+ 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 267 

+ Cn = 

ist. Es mag N die auf die Yolnmeinheit berechnete Zahl der 
Moleküle sein. 

Wir betrachten ein im Räume festes , physikalisch un- 
endlich kleines Flächenelement df. Welches wird die Elek- 
trizitatsmenge sein^ die bei der Herstellung der Momente der 
Moleküle durch das Flächenelement df tritt? Wir wollen 
zunächst voraussetzen, daß alle in einem physikalisch unendlich 
kleinen Bereiche gelegenen Moleküle das gleiche Moment p 
besitzen; sollte diese Voraussetzung nicht erfüllt sein, so 
können wir doch verschiedene Molekülgruppen von den Mo- 
menten ||', |l". . . und den Molekülzahlen N\ N" . . . unter- 
scheiden und die Moleküle jeder Gruppe gesondert betrachten. 
Auf die betreffende Molekülgruppe bezieht sich dann das- 
jenige, was hier von der ganzen Schar der Moleküle aus- 
gesagt wird. 

Wir wollen den Punkt des Moleküles, von dem aus 
die Badienvektoren t^, t^ » - » tn gezogen sind, den Mittelpunkt 
des Moleküles nennen. Die Herstellung des Momentes p er- 
folgt, indem die Ladung e^ von nach dem Endpunkte A^ 
des Fahrstrahles t^, die Ladung e^ von nach dem End- 
punkte Ä^ des Fahrstrahles t2 bewegt wird, usf. Soll nun 
die Ladung e^ bei der Verschiebung von nach Ä^ durch das 
im Baume feste, physikalisch unendlich kleine Flächenelement 
df hindurchtreten, so muß sich der Mittelpunkt des Mole- 
küles offenbar in dem schiefen Zylinder befinden, den man 
erhält, indem man von den Punkten des Flächenelementes df 
aus die Fahrstrahlen — t^ konstruiert. Die Zahl der Moleküle, 
deren Mittelpunkte innerhalb dieses Zylinders liegen, ist gleich 
der Zahl N der in der Volumeinheit enthaltenen Moleküle, 
multipliziert mit dem Rauminhalt des Zylinders, also gleich: 

Nx^^df 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 17 



258 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Diese Moleküle sind es^ welche bei der Herstellung der 
Momente (161a) Elektronen erster Art durch df senden, und 
zwar im Siime derjenigen Normalen, welche mit t^ einen 
spitzen Winkel einschließt. Die gesamte, bei der Herstellung 
des Momentes mit den Elektronen erster Art durch df im 
Sinne der Normalen v tretende Elektrizitatsmenge wird durch 

Ne^tivdf 

auch dem Vorzeichen nach richtig angegeben. Die Anteile 
der verschiedenen Elektronen summierend, erhalten wir 

Nprdf^^^rdf 

för die gesamte, bei der Herstellung der Momente durch df 
tretende Elektrizität. Dabei stellt fß = Nif die Vektorsumme der 
Momente aller in der Yolumeinheit enthaltenen Moleküle dar. 
Das erhaltene Resultat gilt auch dann, wenn die in einem 
physikalisch unendlich kleinen Volumelement liegenden Mole- 
küle nicht aUe das gleiche elektrische Moment besitzen. Man 
hat die Betrachtung dann auf jede Gruppe gleichartiger Mole- 
küle anzuwenden und die Anteile aller Gruppen zu summieren. 
In diesem allgemeineren Falle ist dann 

(161c) ip = JV'|i'-f JV'>" + ... 

zu setzen. 

Dieser Vektor stellt die auf die Volumeinheit berechnete 
„elektrische Polarisation" dar. Indem die Elektronen- 
theorie die Polarisation eines Dielektrikums auf die 
Verschiebung der gebundenen Elektronen zurück- 
führt, verleiht sie dem Vektor ^, der im ersten Bande 
(§ 41) eingeführt wurde, eine konkrete physikalische 
Bedeutung. 

Die bei der Polarisation des Dielektrikums durch ein im 
Räume festes Flächenelement df hindurchtretende Elektrizität 
wird durch fßy df angegeben. Demnach ist 

(162) {P}i. = W 

der von den Polarisationselektronen herrührende An- 
teil der Stromdichte. Er stellt, den Vorstellungen der 



V 



Erstes Kapitel, Ruhende Körper. 259 

Elektronentheorie nach, den an der Materie haftenden Bestand- 
teil des Yerschiebungsstromes dar (vgl, I; S. 193). 

Bei der Herstellung der elektrischen Momente der Moleküle 
ist die Elektrizitatsmenge 



J^, df ^f dir fßdv 



durch eine geschlossene Fläche herausgetreten. Yor Her- 
stellung des Momentes; wo die Ladungen e^, 62 ... e» aUe in 
dem Mittelpunkte des Moleküles lagen, gu^gen nach (161b) 
von dem einzelnen Moleküle überhaupt keine Eraftlinien aus, 
die mittlere Dichte der Elektrizität in jedem physikalisch 
unendlich kleinen Bereiche war gleich Null. Da nun bei 
Herstellung der Momente die soeben berechnete Elektrizitöts- 
menge aus dem Räume v herausgetreten ist, so erhalten wir 
für den von den Polarisationselektronen herrührenden 
Anteil der elektrischen Dichte: 

(162a) {p}^=--divip. 

Die Ausdrücke (162) und (162 a) der von den Polarisations- 
elektronen herrührenden Dichten des Stromes und der Elek- 
trizität erfüllen, wie es sein muß, die Kontinuitätsbedingung 

(162 b) div{p}^ + ^ = 0. 

Man denke sich von dem Mittelpunkte eines Moleküles 
aus zwei entgegengesetzt gleiche Radienvektoren t^ und t^ 
konstruiert und an ihren Endpunkten gleiche Ladungen e^ e^ 
angebracht, femer im Mittelpunkte selbst die Ladung 

befindlich. Das elektrische Moment dieses Systemes wird 
gleich Null sein, so daß solche Moleküle zur Polarisation des 
Dielektrikums keinen Anteil liefern. Lassen wir nun die 
Ladungen c^, e^ um den Mittelpunkt umlaufen, so wird ein 
Polarisationsstrom diese ümlaufsbewegung nicht begleiten. 
Doch wird die ümlaufsbewegung, wenn sie genügend schnell 
erfolgt, sich als eine Magnetisierung des Körpers kundgeben. 

17* 



260 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wftgbaren Körpern. 

Die Elektronentlieorie verfolgt das Ziel^ durch solche umlaufende 
Bewegungen der Elektronen die Magnetisierung der Körper 
zu erklären, indem sie die Bestrebungen yon Ampöre und 
W. Weber wieder aufnimmt. 

Wir definieren allgemein das magnetische Moment 
eines elektrisch neutralen Moleküles durch 

(163) ttt - i-,fdvQ [tu] = ^fdv [tq. 

Haben wir n als Punktladungen zu betrachtende Elek- 
tronen im Moleküle^ so ist 

(163a) a = Vi[r,»j + ^.i[r,m] + ...+^.i[t„l.4 



1 -fc x*«^ *• y «** 


j 2 L^i ^1 J ' c 2 "-'3 -8 J • i c 


Ist nicht 


nur 


(163 b) 


^i+ß^H +e„-0, 


sondern auch 




(163 c) 


|l _ e^ tj + ^2 tj + VenXn- 0, 


und daher 




(163 d) 





so daß das Elektronensystem weder zum Leitungsstrome^ noch 
auch zur Polarisation und zum Polarisationsstrome Beiträge 
liefert, so wird es als „Magnetisierungselektron" schlecht- 
weg bezeichnet. Ist ttt von Null verschieden und (163 b) nicht 
erf&Ut; so wird das Molekül nicht elektrisch neutral sein, es 
wird sowohl zum Leitungsstrome wie zur Magnetisierung bei- 
tragen, während in dem Falle, wo ttt und p für ein elektrisch 
neutrales Molekül von KuU verschieden sind, man das Molekül 
sowohl als Polarisationselektron, wie auch als Magnetisierungs- 
elektron in Betracht zu ziehen hat. 

Der Beitrag jeder einzelnen Elektronenart zum magne- 
tischen Momente bestimmt sich als Produkt aus seiner elektro- 
magnetisch gemessenen Ladung und dem axialen Vektor 

•^[tH], der im Sinne der Punktmechanik als Flächengesch windig- 



Erstem Kapitel. Bxüiende Körper. 261 

keit bezogen auf den Mittelpmikt des Moleküles bezeichnet 
werden kann. Das magnetische Moment stellt sich auch hier 
als ein axialer Vektor dar^ wenn anders die Elektrizität ein 
wirklicher Skalar ist. 

Wir werden annehmen dürfen, daß die ümlanfsbewegongen 
der Elektronen, die zur Bildung magnetischer Momente Ver- 
anlassung geben, periodischer Art sind, und daß in einem 
physikalisch unendlich kleinen Zeitintervall eine große Zahl 
von Umläufen stattfinden. Rechnet man mit den über ein 
physikalisch unendlich kleines Zeitinterrall erstreckten Mittel- 
werten, so wird (163 c) unter diesen umständen auch dann 
erfüllt sein, wenn z. B. ein negatives Elektron um das ruhende 
positive Elektron Umlaufsböwegungen ausführt; die periodische 
Schwankung des elektrischen Momentes erfolgt dann so rasch, daß 
sie sich der Beobachtung entzieht, und es wird das Elektronen- 
paar dann nicht mehr als „Polarisationselektron^ sondern aus- 
schließlich als Magnetisierungselektron in Betracht kommen. 

Die Magnetisierungselektronen steuern nun ihrerseits einen 
Anteil zum Mittelwerte des Eonvektionsstromes gi bei. Die 
Berechnung dieses Anteiles können wir zurückführen auf die- 
jenigen Regeln, welche wir soeben zum Zwecke der Berech- 
nung der mittleren, vo^ den Polarisationselektronen herrührenden 
elektrischen Dichte entwickelt haben. Wir verstehen unter t 
einen durchweg konstanten Hilfsvektor und bilden das Vektor- 
produkt aus ihm und dem magnetischen Momente in ent- 
sprechend der Rechnungsregel d (Bd. I, S. 437): 

Sind nmi, wie angenommen wurde, die Perioden der 
Umlan&bewegongen der Elektronen so gering, daß in einem 
physikalisch nnendUch kleinen Zeitinterralle eine große Zahl 



262 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vor^jsge in wägbaren Körpern. 

von Umläufen stattfindet^ so fallt bei der Mittelwertsbildung 
über ein solches Interyall das zweite Glied fort; denn die 
Konfiguration der Ladungen im Moleküle bleibt im Mittel un- 
geändert. Die entstehende Gleichung 

(164) [tw] = t,(t,^)+t,(t,^) + .. + t„(t,^) 

ist der Gleichung (161a) für das elektrische Moment des Mole- 
küles an die Seite zu stellen. Dem Skalar e dort entspricht 

hier der Skalar (t;— ). Derselbe genügt infolge von (163 d) 

der Bedingung 

(164a) (t,^) + (t,^^) + ... + (t,^) = 0, 

welche (161b) entspricht. 

Führen wir nun den Vektor ein: 

(164b) a» - JV^'tii'+ -r'tii''+ . . •, 

welcher die von den verschiedenen Molekülgattungen her- 
rührende^ auf die Yolumeinheit berechnete Magnetisierung 
darstellt, so entspricht der Vektor [tSB] vollkommen dem 
Vektor ^ (vgl. 161c), Wie wir in (162 a) aus ^ den Mittel- 
wert ~Q der elektrischen Dichte ableiteten, so können wir nun- 
mehr aus dem Vektor [tSR] auf Grund der analogen Beziehung 

(i,^) = -div[i»I] 

den Mittelwert des von den Magnetisierungselektronen her- 
rührenden Konvektionsstromes ermitteln. Da t ein vom Orte 
unabhängiger Vektor ist, so ergibt die Regel X (Bd. I, S. 438) 

-.div[ta»] = t curia«. 

Da dieses für jede beliebige Richtung des Hilfsvektors t 
gelten muß, so folgt 

(164c) {p}^-c. curia» 

als Mittelwert des von den Magnetisierungselektronen 
herrührenden elektrischen Stromes. Die Mittelwerts- 



Erstes Kapitel. Bnliende Körper. 263 

bildung bezieht sich dabei^ wie ans den obigen Überlegungen 
folgt; auf physikalisch unendlich kleine Zeiten und physi- 
kalisch unendlich kleine Gebietsteile des Baumes. Der Strom 
(164 c) genügt der Kontinuitätsbedingung; ohne daß eine 
parallel gehende zeitliche ioiderung der Dichte der Elektrizität 
zu berücksichtigen wäre. 

Wir schreiten nunmehr zur Summierung der Anteile , die 
von den yerschiedenen Elektronenarten zur mittleren Dichte 
der Elektrizität und des elektrischen Stromes beigesteuert 
werden. Aus (160) und (162a) folgt 

(166) ^ = { p}, + {^}, = 9 - div ip - (,'. 

Der erste Bestandteil; die von den Leitungs- 
elektronen herrührende Dichte^ ist identisch mit der 
Dichte der wahren Elektrizität in der Maxwell- 
Hertzschen Theorie. In der Tat; die wahre Ladung eines 
Leiters ist diejenige; die nur durch einen Leitui^sstrom ab- 
geändert werden kanU; und die; wenn ein solcher fehlt; auch 
dann konstant bleibt; wenn der Leiter in ein anderes Dielek- 
trikum eingebettet wird. Die durch die Polarisation des 
Dielektrikums abgeänderte mittlere Dichte ^ hin- 
gegen ist identisch mit der Dichte 9' der freien Elek- 
trizität in der Maxwell-Hertzschen Theorie. Da qf 

durch die Divergenz von —(ByQ aber durch die Divergenz 

von ® gegeben wurde (vgl. I; § 39); so muß zwischen diesen 
beiden Vektoren iie Beziehung bestehen: 

(165a) div^« = div {» - fß), 

wenn anders die Mittelwertsbildung uns wirklich zu den ELaupt- 
gleichungen der Maxwellschen Theorie führen soll. 

Als resultierender Mittelwert des elektrischen Stromes 
folgt aus (160; 162 und 164c) 

(165b) p = {p}, + {öi)p + {PU ==» i + ^ + c curl a». 

Der erste Bestandteil; der von den Leitungs- 
elektronen herrührt; ist auch für magnetisierte Leiter 



264 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Yor^nge in wägbaren Körpern. 

mit der Dichte des wahren Leitungsstromes in der 
Maxwell-Hertzschen Theorie identisch. Derselbe be- 
stimmt die Änderung der wahren Ladung der Leiter. Die 
durch die Mitwirkung der Magnetisierungselektronen 
abgeänderte mittlere Dichte hingegen 

(165c) V^i + c curl m 

(ygL Bd. I S. 233 Gleichung 176) ist nichts anderes, als 
die Dichte des freien Stromes in der Maxwell-Hertz- 

sehen Theorie. Da fQr statioDÄre Ströme durch curl 8, 

-— hingegen durch curl § bestimmt wird, so ist zu postulieren: 

(165d) curl » = curl {# + 4ä«}. 

Wie ordnen sich nun die Vektoren Qt und ®, 8 und § 
den Mittelwerten e und | zu, die in den Grundgleichungen 
(la bis IVa) der Elektronentheorie auftreten? Wir sehen 
sofort, daß wir der quellenfreien Verteilung des Vektors 8 der 
magnetischen Induktion gerecht werden, wenn wir setzen 

(166) » = f. 

Alsdann führt (IIa) auf die zweite Hauptgleichung (Bd. I 
S.238 Gleichung 178), bei Ausschluß eingeprägter Kräfte, wenn 
e mit m identifiziert wird: 

(166a) « = e. 

Die Elektronentheorie identifiziert die Vektoren 
8 und C der Maxwellschen Theorie mit den Mittel- 
werten der elektromagnetischen Vektoren' | und e, 
welche die Felder der einzelnen Elektronen kenn- 
zeichnen. Hier wird Ton vornherein ein Standpunkt ein- 
genommen, welcher nicht die Hertz - Heavisidesche Analogie 
der Vektoren Qt und § einerseits, 4ä® und 8 anderseits zu- 
grunde legt. Die Symmetrie der elektrischen und magne- 
tischen Größen wird von der Elektronentheorie aufgegeben; 
in ihren Grundgleichungen spielt bereits | eine andere BoUe 
wie e, was daher rührt, daß zwar Elektrizität und elektrischer 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 26Ö 

Eonvektionsstrom, aber keineswegs Magnetismus und magna* 
tischer Konvektionsstrom angenommen wird. 

Die Einführnng der Definitionen (166) und (166a); sowie 
des für die Stromdichte erhaltenen Mittelwertes (16öb), in 
die erste Grondgleichnng (la) ergibt 

curl 8 = -^-H ^H \- 4:7c curl SR. 

e ot c et e 

Die beiden ersten Glieder, der Verschiebnngs- 
strom im Äther und der Polarisationsstrom im 
Körper^ ergeben zusammen den Yerschiebungsstrom 
der Maxwellschen Theorie. Setzen wir 

(166b) 4xS>^(St + 4:xfß, 

so erfaUen wir gleichzeitig die Forderung (165a). Alsdann 

folgt durch Yei^leichung mit der ersten Hauptgleichung (177 a) 

in Bd. I, S. 237; daß wir § folgendermaßen zu definieren 

haben 

(166c) #«»-4«a». 

Dann wird die erste Hauptgleichung der Maxwellschen 
Theorie und gleichzeitig die Forderung (165 d) erfallt. 

Die Lorentzsche Theorie definiert die beobacht- 
baren elektromagnetischen Vektoren durch (166) und 
(166a, b, c) und gelangt so zu den Hauptgleichungen 
der Maxwellschen Theorie für ruhende Korper: 

(Ib) curl#- _^ + _, 

(Hb) curl« = -i^, 

(Hlb) div » = Q, 
(IVb) div » = 0. 

Dabei identifiziert sie — das muß besonders betont 
werden — die Mittelwerte der Dichten der Elektrizität 
und des elektrischen Stromes, welche von den freien 
und von den gebundenen Elektronen herrühren, keines- 
wegs mit q und l Vielmehr wird der Mittelwert der 



266 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

elektrischen Dichte mit der freien Dichte der 
Maxwell-Hertzschen Theorie identifiziert, der Mittel- 
wert des Konvektionsstromes der Elektronen mit dem 
freien Strome, vermehrt um den an der Materie 
haftenden Anteil des Yerschiebungsstromes (ygL 165 
und 165b, c). 

Das Schema der Hauptgleichungen wird in der Maxwell- 
Hertzschen Theorie (vgl. I, § 60) ausgefüllt durch HinzufCLgung 
der Beziehungen, welche Qi mit i und S, $ mit 8 verknüpfen. 
Die Elektroneniheorie gelangt zu diesen Beziehungen, indem 
sie die Veränderungen betrachtet, welche die Lage und der 
Bewegungszustand der Elektronen infolge der Einwirkung 
äußerer Felder erfährt. Wir werden insbesondere für die 
Polarisationselektronen diese Betrachtungen in den beiden 
imchsten Paragraphen durchführen und werden zeigen, daß 
die Berücksichtigung der Trägheit der Elektronen zum Ver- 
ständnis der Farbenzerstreuung und der magnetischen Drehung 
der Polarisationsebene führt. 

Von eingeprägten Kräften haben wir abgesehen. Die 
MaxweUsche Theorie versteht unter eingeprägten elektrischen 
Kräften solche, welche unabhängig von wahrnehmbaren elektro- 
magnetischen Ursachen sind, und mit irgendwelchen sonstigen 
physikalischen oder chemischen Zuständen des Körpers ver- 
knüpft sind (vgl. I, § 50). Nach der Elektronentheorie ist die 
eingeprägte Kiraft eine äußere, an den Elektronen angreifende 
Kraft. Da aber nach den Gh*undhypothesen unserer Theorie 
nur elektromagnetische Kräfte es sind, welche an den Elek- 
tronen angreifen, so müssen wir postulieren, daß die ein- 
geprägten Kräfte erklärt, das heißt auf die elektromagnetischen 
Kräfte verborgener Felder zurückgeführt werden. Der Stand- 
punkt der Elektronentheorie ist dabei zu vergleichen dem- 
jenigen, welchen die Hertzsche Mechanik den mechanischen 
Kräften gegenüber einnimmt. Ist der Mechanismus der Kraft- 
übertragung nicht wahrnehmbar, so fordert die Hertzsche 
Mechanik, daß die E^raft auf die Wirkung verborgener Massen 
zurückgeführt werde. Wie die Hertzsche Mechanik fingierte 



Erstes Kapitel. Bnliende Körper. 267 

träge Massen zuhilfe nimmt^ so zieht die Elektronentheorie 
zur Erklärunir der einfi^epräs^en Erafte finsierte elektrische 
Felder heran, welche a^ die freien oder auf die gebundenen 
Elektronen wirken. In der Dnrchfcihmng dieses Gbnndgedankens 
bleibt der Hypothese ein weiter Spielraum. 

§ 29. Dispersion der elektromagnetisohen Wellen. 

Wir betrachten einen unmagnetisierbaren homogenen Iso- 
lator. Die für einen solchen geltenden Feldgleichungen werden 
in der Maxwellschen Theorie erhalten^ indem J9R und { gleich 
Kully und 

(167) 4«» «6«, 4Äjp = (i?~l)e 

gesetzt wird. Die Dielektiizitatskonstante s wird dabei als 
eine für den betreffenden Isolator charakteristische Eonstante 
betrachtet; und die erhaltenen Feldgleichungen werden auch 
auf die Felder der Lichtwellen angewandt (vgl. I, § 69). 

Die Elektronentheorie führt die elektrische Polarisation 
auf eine Verschiebung der gebundenen Elektronen zurück. 
Die Proportionalitat der Momente der Polarisationselektronen 
zur elektrischen Feldstärke erklärt sie durch Annahme quasi- 
elastischer Eräfte^ welche dieselben in ihre Gleichgewichts- 
lagen zurückziehen. Solche quasielastischen Eräffce mußten 
wir schon früher annehmen (§ 9)^ um von der Existenz der 
in der Lichtemission sich kundgebenden Eigenschwingungen 
Rechenschaft zu geben. Die Eigenschwingungen ergaben sich 
ohne weiteres aus der Annahme quasielastischer Eräfte und 
aus der trägen Masse der Elektronen. 

Nun waren bekanntlich durch Annahme Yon Eigen- 
schwingungen in den Molekülen der lichtbrechenden Eörper 
von Sellmeier; Eetteler und Helmholtz die Erscheinungen der 
Dispersion erklärt worden. Man gelangt zu einer elektro- 
magnetischen Theorie der Dispersion^ indem man der trägen 
Masse der von den Lichtwellen in Schwingungen versetzten 
elektrischen Teilchen Rechnung trägt Wir werden bei der 
Darstellung der Elektronentheorie der Dispersion uns ins- 



268 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

besondere an H. A. Lorentz^), P. Drude*) und M. Planck') an- 
schließen. 

Wir betrachten eine ebene homogene elektromagnetische 
Welle, welche in dem homogenen isotropen Dielektrikum parallel 
der :r 'Achse fortschreitet; die Welle sei geradlinige parallel der 
jer-Achse, polarisiert, d. h. die magnetischen Vektoren ^ = 8 
fallen in die jgr-Achse, und die elektrischen, S und C, in die 
y-Achse. Die Hauptgleichungen (Ib, IIb) ergeben 

dx c dt dx c dt 

mithin nach Elimination von $« 



(167.) y^-fe 

Für monochromatische Wellen von der Frequenz v wird 
nun die Abhängigkeit der Komponenten ^y und Sy von x 
und t durch den komplexen Faktor 

gekennzeichnet sein, wo — die Geschwindigkeit der WeUen, 

n demnach den Brechungsindex des Körpers angibt. 
Aus (167a) folgt fOr diese Wellen: 

Akzeptiert man die von der Maxwellschen Theorie be- 
hauptete Proportionalität von S und (S (Gl. 167), so gelangt man 
zur Maxwellschen Relation n^=^s zurück (vgl. I, S. 308, Gl. 205 d). 
Wenn wir auch diese Beziehung nicht als allgemein gültig 
annehmen, so müssen wir doch fordern, daß bei gegebener 
Frequenz v 
(167b) 4^2) = n*«, 4ä1P = (w2~1)« 

1) H. A. Lorentz. Ann. d. Phys. 9 (1880), S. 641. La thöorie 
^lectromagn^tiqne de Maxwell Leide 1892. E. J. Brill. (Arch. Näerl. 25, 
S. 363 — 661.) 

2) P. Drude. Ann. d. Phys. 48, S. 536, 1893. Ann. d. Phys. 14, 
S. 677, 1904. 

3) M. Planck. Berliner Sitznngsber. 1902, S. 470. 



\ 



Erstes Kapitel. Bähende Körper. 269 

gelte. Denn nur dann folgt ans den Hanptgleichnngen auf 
Grund von (167 a) das von der Erfahrung bestätigte Ergebnis, 
daß in einem homogenen isotropen durchsichtigen Körper 
monochromatische Lichtwellen von gegebener Frequenz nach 
allen Richtungen mit der gleichen, von der Lichtstärke un- 
abhängigen Geschwindigkeit sich fortpflanzen. Der Brechungs- 
index n^ der in (167 b) eingeht, kann allerdings von der Fre- 
quenz der Schwingungen, d. h. von der Wellenlänge des 
Lichtes abhängen; diese Abhängigkeit bedingt eben Farben- 
zerstreuung. 

Die Elektronentheorie bringt den Brechungsindex in Zu- 
sammenhang mit der Zahl und den Eigenschaften der Polari- 
sationselektronen, indem sie die elektrischen Momente der- 
selben mit der Feldstärke verknüpft. Sie geht dabei aus von 
der Schwingungsgleichung (56, 56 a) der freien Eigen- 
schwingungen eines Dipoles, in deren rechte Seite die äußere 
elektromagnetische Ejraft einzuführen ist. Es wird 

(168) g+Ä«<,=^r. 

Wir nehmen nur eine einzige Elektronenart als mit- 
schwingend an, und zwar sei 2> die Zahl der Elektronen im 
Molekül, ^ die Zahl der Moleküle im cw?. Die Polarisation 
der Volumeinheit wird dann gemäß (161c) 

(168a) ^«JViJ.f 

Auf den Fall verschiedener Elektronenarten kann man 
die Entwickelungen ohne Schwierigkeit ausdehnen. 

Die auf die Einheit der Ladung berechnete äußere Kraft ist 

(168b) r=e'' + 7[t»n, 

wobei unter e^ und |^ der elektrische und der magnetische 
Vektor des äußeren Feldes im Äther zu verstehen sind. Den 
zweiten Term in (168b) pflegt man, wenn kein konstantes 
äußeres magnetisches Feld mitwirkt und nur das magnetische 
Feld der Lichtwellen selbst in Frage kommt, gegen den ersten 



270 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

zu yemachlässigen^ indem man die Geschwindigkeit der schwin- 
genden Elektronen als klein gegen die Lichtgeschwindigkeit 
betrachtet. 

Es folgt aus (168) und (168 a, b): 

(169) S?+***=^i>-£-r^ 

Dabei ist unter e** ein Mittelwert des Vektors e** zu ver- 
stehen; derselbe ist jedoch keineswegs mit dem Mittelwert e=ß 
des vorigen Paragraphen zu verwechseln. Der Mittelwert e bezog 
sich nämlich auf ein physikalisch imendlich kleines Volum- 

element des Baumes; der Mittelwert 7 ist nur für diejenigen 
Baumpunkte zu bilden, in welchen sich mitschwingende Elek- 
tronen befinden. Auch handelt es sich nicht um den totalen 
Wert des Vektors e, vielmehr ist in e" das vom Elektron 
selbst e^egte Feld fortgefaUen. Die Berechnung des Mittel- 
wertes e** erfordert einige Überlegung. 

Wir legen um den Punkt, für welchen e** berechnet 
werden soll, eine Kugel mit dem physikalisch unendlich 
kleinen Badius iZ; es heißt das, es soll B klein gegen die 
Wellenlänge sein und doch die Kugel eine große Zahl von 
Elektronen einschließen. Da R klein gegen die Wellenlänge 
ist, so werden innerhab der Kugel, und auch auf ihrer Ober- 
fläche, die Vektoren Qi und fß konstant sein. Zu dem Vektor e'^ 
werden nun erstens diejenigen Elektronen einen Beitrag 
liefern, die innerhalb der Kugel sich befinden, und zweitens 
diejenigen außerhalb der Kugel. Den letztgenannten Bestand- 
teil der elektrischen Kraft bestimmen wir, indem wir aus dem 
Innern der Kugel die Elektronen fortgeschafft denken; nach 
Fortschaffung aller Elektronen aus dem Innern der Kugel 
weicht das Feld im Innern von dem Felde Qi der Lichtwellen 
im Körper nur aus dem Grunde ab, weil sich jetzt auf ihrer 
Oberfiäche eine Schicht freier Ladungen befindet. Die Ein- 
wirkung dieser Schicht können wir, da der Badius der Kugel 
klein gegen die Wellenlänge ist, auf Grund elektrostatischer 
Betrachtungen ermitteln. Wir hatten in Bd. I, § 42 eine ahn- 



Erstes Kapitel. Bähende Körper. 271 

liehe Aufgabe gelöst; wir hatten das yon einer homogen 
polarisierten Kugel erregte Feld bestimmt und es im Innern 

gleich — ö" • V gefunden (Gleichung 144b, S. 161). Nun ist 

die Feldstärke durch die freien Ladungen bestimmt; in dem 
vorliegenden Falle ^ wo außerhalb der Kugel die konstante 
Polarisation ^ herrscht und das Innere der Kugel nicht polari- 
siert ist^ ist die Dichte der freien Elektrizii»t auf der Kugel- 
fläche offenbar die entgegengesetzte, wie in dem damals be- 
handelten Falle, wo das Kugelinnere homogen polarisiert, das 
Äußere aber nicht polarisiert war. Es gibt demnach 



den Wert von e an, den man erhalt, wenn man diejenigen 
Kräfte nicht berücksichtigt, die von den Elektronen innerhalb 
der Kugel herrühren. Für den Mittelwert der Summe dieser 
von den Polarisationselektronen der benachbarten Moleküle 
ausgeübten KJrä.fte setzt nun H. A. Lorentz 4:7t sfß, wo s eine 
Konstante bedeutet, und erhält so 

(169a) p=g + 4;r(| + 5)ip. 

Für feste Körper, bei denen man eine geordnete Lagerung der 
Moleküle imd Elektronen anzunehmen hat, wird im allgemeinen 
eine Ton den Momenten der benachbarten Moleküle und 
Elektronen herrührende Ej-afb zu berücksichtigen sein. Bei 
Flüssigkeiten und Gasen hingegen, wo regellose Änderungen 
in der Gruppierung der Moleküle stattfinden, wird es gestattet 
sein, mit M. Planck anzunehmen, daß die Einwirkungen der 
innerhalb der Kugel befindlichen Elektronen sich im Mittel auf- 
heben und s demnach gleich KuU zu setzen. Wir ziehen es indessen 
vor, die Konstante s beizubehalten. W^r umfassen dann auch 

die Theorie von P. Drude, in welcher e** einfach mit der Feld- 
stärke m der Lichtwellen identifiziert wird; der Drudesche An- 
satz geht aus dem Lorentzschen hervor, indem 



gesetzt wird. 



1 



272 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Unter Annahiue rein periodischer Schwingungen von der 
Frequenz v folgt aus (169) und (169 a) 

(169b) (Ä«- i/«)5P = Np . ^' j« + 4:r (i + s)^^^ 
Hieraus, in Verbindung mit (167b), erhalten wir 

Die Konstante Je der Schwingungsgleichung (168) ist nichts 
anderes, als die Frequenz der Eigenschwingungen der Polari- 
sationselektronen. Führen wir statt der Frequenzen Je, v der 
Eigenschwingungen und der erzwungenen Schwingungen deren 
im leeren Baume gemessenen Wellenlängen ein: 

, 25rc ^ ^nc 

so wird 

wo 

(170a) y=^' 

gesetzt ist. 

Die Dispersionsformel (170) drückt die Änderung 
des Brechungsindex n mit der Wellenlänge r aus. Setzt 
man 5 = 0, so wird 

Da y der Zahl N der Moleküle proportional ist, so muß 
bei einer Dichteänderung des Körpers für Licht bestimmter 
Farbe die Funktion w^ — l/w^+2 des Brechungsexponenten 
der Dichte proportional variieren, wenn anders die Zahl der 
mitschwingenden Elektronen im Molekül und die Wellenlänge 
ihrer Eigenschwingung bei der Dichteänderung sich nicht 
ändern. Dieses Lorentz-Lorenzsche Gesetz hat sich 
vielfach bestätigt gefunden. Es hat sich auch ergeben, daß 
für Mischungen die Größe w*— l/w^+2 sich aus den Bei- 
trägen der Komponenten nach der Mischungsregel berechnen 



Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 273 

laßt. Anch auf chemische Yerbmdnngen hat man diese Begel 
angewandt und in vielen Fällen bestätigt gefunden. Man darf 
in solchen Fällen annehmen, daß die Polarisationselektronen 
am Atome haften und daß ihre Zahl und ihre Eigenschwingung 
bei der chemischen Bindung der Atome erhalten bleibt. 

Wir schreiten zur Diskussion der Dispersionsformel (170). 
Wir unterscheiden dabei verschiedene Fäle. 

A) Xq klein gegen X. Hier kommt auf der rechten Seite 
von (170) das mit X veränderliche Glied nicht in Betracht 
und es ergibt sich fär die linke Seite ein positiver, konstanter 
Wert. Eigenschwingungen^ die sehr weit nach der ultra- 
violetten Seite hin von dem betrachteten Spektralbereich ent- 
fernt liegen y ergeben demnach zwar eine Brechung^ aber keine 
Dispersion; das hängt damit zusammen^ daß die Trägheit der 
mitschwingenden Teilchen nicht in Betracht kommt^ wenn die 
Frequenz klein gegen die Frequenz der Eigenschwingungen ist. 

B) Xq<X. Die rechte Seite von (170) ist positiv und 
nimmt mit abnehmendem X ab. Es nimmt daher^ wenn 
man sich von der roten Seite her der Wellenlänge Xq der 
Eigenschwingung nähert^ der Brechungsindex zu^ d. h. es 
liegt der Fall der normalen Dispersion vor. 

C) Xq > X, Beim Durchgang durch den Wert X^ X^ 
wechselt die rechte Seite von (170) das Vorzeichen, sie wird 
negativ und nimmt, bei weiterem Fortschreiten zu kleineren 
Wellenlängen, dem Betrage nach zu. Es muß demnach, nach 

Drude (»--!) genau, nach Lorente und Planck ungefähr 

bei der Wellenlänge der Eigenschwingung, n* — 1 von beträcht- 
lichen positiven zu negativen Werten übergehen. Die Wellen- 
längen, die auf der violetten Seite der Eigenschwingung Uegen, 
werden also schwächer gebrochen, als die auf der roten Seite 
liegenden. So erklärt man die anomale Dispersion. Beim 
weiteren Fortschreiten nach der violetten Seite des Spektrums 
nimmt der Brechungsindex wieder zu, indem er dem Werte 1 
zustrebt. 

D) Xq groß gegen X. Der Wert 1 des Brechungsindex 
ist nahezu erreicht. Die Eigenschwingung beeinflußt den 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 18 



274 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Breclmiigsindex überhaupt nicht mehr; es schwingen die Elek- 
tronen nicht mehr mit. 

Man wird hiemach ans der Gleichheit der Brechnngs- 
indizes eines Körpers fOr zwei verschiedene Wellenlangen 
schließen dürfen^ daß zwischen diesen beiden Wellenlängen 
keine Eigenschwingung der Elektronen liegt. Insbesondere 
wird aus der Übereinstimmung des Quadrates des Brechungs- 
exponenten für sichtbares Licht mit der Dielektrizitöts- 
konstante, die beispielsweise bei Lufb und Wasserstoff fest- 
gestellt ist, zu schließen sein, daß im ultraroten Spektral- 
gebiete keine Eigenschwingungen liegen. P. Drude^ der in 
der zweiten der oben zitierten Arbeiten das Beobachtungs- 
material in umfEUssender Weise vom Standpunkte der Elektronen- 
iheorie aus diskutiert, kommt zu dem Schlüsse, daß die ultra- 
roten Eigenschwingungen den trägeren positiven Elektronen, 
die ultravioletten den mit weit geringerer Trägheit behafteten 
negativen Elektronen zuzuschreiben sind. Die Dispersion des 
Wasserstoffes wird man hiemach auf die Anwesenheit negativer 
Elektronen zurückzuführen suchen, deren Eigenschwingungen 
im ultravioletten liegen, und wird mit Bücksicht auf die ein- 
fache Bauart der ^g"^^^®^^^ ^^ Annahme einer einzigen 
schwingungsfähigen Elektronenart hier als berechtigt ansehen 
dürfen. 

Nun hat H. A. Lorentz^) die Eettelerschen Messungen an 
Wasserstoff von 0^ Celsius und Atmosphärendruck, wo n nur 
wenig größer ist als 1, durch die Formel dargestellt: 

?^ = _j_ = 10707 - ?^^!?y^. 

W*— 1 2(W — 1) V 

Die Vergleichung mit (170b) ergibt für Wasserstoff 

-=0,0739.10-6. 

Hieraus und aus (170a) läßt sich die Zahl p der Polari- 
sationselektronen im ^2*^^^^^^^^ berechnen. 



1) H. A. Lorentz. Akad. van Wetensch. te Amsterdam. Bd. 6. 1897/98, 
S. 613. 



Erstes Kapitel. RtQiende Körper. 275 

Es ist die Dichte eines Körpers 

wo M sein Molekulargewicht, ?% aber die Masse des Wasser- 
stoffatomes ist. 

Es folgt demnach, mit Bücksicht auf Gleichung (1), 

= • -=r=. = 9600 • -T-z} 

c cm^ M M 

imd daher aus (170a) 

/ITA \ 9660 d 

(170c) Y-p^n-^rm 

Es läßt sich auf Grund dieser Gleichung das Pro- 
dukt Yon Zahl p und spezifischer Ladung ri der nega- 
tiven Elektronen aus der Eonstante y der Dispersions- 
formel berechnen, falls nur eine einzige Elektronen- 
art ins Spiel kommt. Für ideale Grase speziell ist allgemein 

J==2,24.10S 

so daß 

(170d) p-ri^ 7,285 • y 

wird. 

Für Wasserstoff folgt aus dem angegebenen Werte von y 

^ . 1? « 2,96 . 10^ 

Da p eine ganze Zahl sein muß, so kommt man dem aus 
der Ablenkung der Kaihodenstrahlen berechneten Werte von iy 
am nächsten, wenn man mit P. Drude setzt: 

(170e) p = 2, 1?= 1,48. 101 

Es sind also im H^-yLoXe^^X^ zwei Polarisations- 
Elektronen anzunehmen. 

Wir haben der Absorption des Lichtes bei WellenMngen, 
welche den Eigenschwingungen der Polarisationselektronen 
entsprechen, nicht Rechnung getragen. Zur Darstellung der 
Absorption, und auch zur genaueren Verfolgung der Dispersion 
durch den Absorptionsstreifen hindurch, wäre die Einführung 
von Dämpfangsgliedem in die Schwingungsgleichung (168) 

18* 



276 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

notwendig. Man kann diese Einf&hmng in yerschiedener Weise 
Yomelimeny entweder^ indem man mit P. Drude eine der Ge- 
schwindigkeit proportionale Reibung ähnlich wie in der gewohn- 
lichen Mechanik annimmt^ oder indem man mit M. Planck 
auch hier die DämpfungsgUeder als Rüdcwirkung der Strahlung 
auffaßt; wobei diese der zweiten Ableitung der Geschwindig- 
keit nach der Zeit proportional werden (vgl. § 9 Gleichung 58 b). 
In beiden Fallen erklärt sich das Auftreten derselben Linien 
im Emissionsspektrum und im Absorptionsspektrum auf Ghrund 
der allgemeinen Schwingungslehre; die Polarisationselektronen 
sprechen auf diejenigen Wellen an^ welche mit ihren Eigen- 
schwingungen in Resonanz sind. 

Wir haben hier nur eine einzige Elektronenart und eine 
einzige Eigenschwingung angenommen. Man kann die mathe- 
matischen Entwickelungen ohne weiteres auf den Fall beliebig 
vieler Eigenschwingangen ausdehnen, indem man jede Eigen- 
Schwingung einer anderen Elektronenart zuschreibt. Es ist 
aber die Frage ; ob diese Darstellung der Wirklichkeit ent- 
spricht. Dieselben ungelösten Probleme^ welche uns die 
Emissionsspektra darboten (vgl. § 9); treten uns auch in der 
Theorie der Absorptionsspektren entgegen. 

§ 30. Magnetisohe Drehxmg der Folarisationsebene. 

In einem früheren Abschnitte (§ 10) hatten^ wir von den 
Veränderungen gesprochen, welche die Spektrallinien im mag- 
netischen Felde erfahren. Im einfachsten Falle des normalen 
Zeeman- Effektes werden parallel den magnetischen Kraft- 
linien zwei zirkularpolarisierte Wellen ausgesandt; der Unter- 
schied ihrer Frequenzen ist gleich der spezifischen Ladung der 
Elektronen, multipliziert mit der magnetischen Feldstarke 
(Tgl. 60 d). Diese Veränderung der Eigenschwingungen der 
Elektronen, die sich in den Emissionsspektren zeigt, kommt 
nun auch in den Absorptionsspektren zur Geltung. An Stelle 
einer einzigen Linie des Absorptionsspektrums treten bei 
Einwirkung eines der Fortpflanzungsrichtung des Lichtes 
parallelen magnetischen Feldes deren zwei, in denen die rechts* 



Erstes Eapitel. Bnhende Körper. 277 

bzw. linkszirknlare Welle absorbiert wird. Dem direkten Zeeman- 
Eiffekt der Emission tritt der inverse Zeeman-Effekt der 
Absorption gegenüber. Die Theorie dieser Erseheinnng ist von 
W. Voigt ^) im Anschlnsse an die Drudesche Theorie der Dis- 
persion entwickelt worden. Die dabei sich ergebenden Einzel- 
heiten des Phänomens hat die Beobachtong vielfach bestätigt 

Im vorigen Paragraphen haben wir gesehen^ daß die Eigen- 
schwingungen der Elektronen auch außerhalb des Besonanz- 
bereiches von Einfluß sind; daß sie nämlich zu einer Dispersion 
des Lichtes VenmlaBSung geben. Beim Hinzutreten eines mag- 
netischen Feldes werden nun die Frequenzen der rechts- und 
linkszirkularen Eigenschwingungen der Elektronen in ver- 
schiedener Weise abgeändert. Damit hängt es zusammen ^ daß 
parallel den magnetischen Kraftlinien die rechts- und links- 
zirkularen Komponenten des einfallenden Lichtes mit ver- 
schiedenen Geschwindigkeiten fortgepflanzt werden^ und daß 
so eine Drehung der Polarisationsebene zustande kommt. 
Die Theorie der magnetischen Drehung der Polarisationsebene 
wollen wir in diesem Paragraphen behandeln. 

Wir schließen Leitungselektronen und Magnetisierungs- 
elektronen aus. Die beiden Hauptgleichungen (Ib^ IIb) des 
§ 28 ergeben dann 

(Hl) c»l«- ^^, 

(m.) -I« — i^. 

dabei ist (ygl. 166b) zu setzen 

(171b) 4«S) = « + 4«Jp. 

Dieses Gleichnngssystem ist zu erganzen durch Einführung 
der Beziehung; welche den Vektor ^, die auf die Volum- 
einheit bezogene elektrische Polarisation; mit der elektrischen 
Feldstärke Qt verknüpft. Wir haben im vorigen Paragraphen, 
von der Schwingungsgleichung (168) ausgehend; diese Be- 
ziehung abgeleitet; wobei wir indessen von einer Einwirkimg 

1) W. Voigt, Ann. d. Phys. 67. S. 346. 1899. Vgl. auch H. A. Lorentz, 
Congräs international de Physique, UI S. 1. Paris 1900. 



278 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

magnetischer EriLffce anf die Elektronen abgesehen haben. 
Wir haben jetzt den Einfloß eines konstanten magnetischen 
Feldes auf die Elektronenschwingungen in Betracht zu ziehen; 
wir wollen dasselbe der ;er- Achse parallel annehmen und den 
Betrag der Feldstärke mit H bezeichnen ^ zum Unterschiede 
von der periodisch yeränderlichen Feldstärke ^ der Lichtwellen. 
Die Differentialgleichungen^ welche für die Komponenten 
von || gelten^ gehen aus den Gleichungen (59 a; b^ c) der 
Eigenschwingungen herror; indem die äußeren elektrischen 
Kräfte in der im Torigen Pan^raphen dargelegten Weise ein- 
geführt werden. An Stelle der Gleichungen (169, 169a) treten 
dann die folgenden: 



(171c) 



+ ,5^^ + .^*.= ^{«.+ 4.(i + .)*4 



dt 



^-,5^^' + Ä»*,= ^{«,+ 4«(i + s)fp4 



dt 



Faktor e V ^ f zum Ausdruck gebracht wird. Die longitu- 



(171d) l^ + .«,p.= ^'{«.+ 4.(i + s)*,}. 

Wir wollen monochromatische transversale Lichtwellen be- 
trachten, welche sich parallel den Magnetkraftlinien fortpflanzen. 
Wir suchen demgemäß die Gleichungen durch Annahme homo- 
gener ebener Wellen zu erfüllen, in denen die Feldstärken von t 
und z in der Weise abhängen, wie es durch den komplexen 

dinalen Komponenten $«, Hg und $ß« sind dabei gleich Null zu 
setzen, und es wird, gemäß (171, 171b) 

während aus (171a) folgt 

Durch Elimination von ^xf ^y folgt 
(172) 4;r5p^=(n«-l)«^, 4;rfPy=- (w^~ 1)«^, 

welches auch immer der Polarisationszustand der Welle sein mag. 



Erstes Kapitel. Bähende Körper. 279 

Wir wollen nun unter w' bzw. n" die BrechungsindizeB 
der rechts- bzw. linkszirkularpolarisierten Wellen verstehen, 
welche sich im magnetischen Felde fortpflanzen. 

Bei Fortpflanzung parallel der ;s; -Achse gilt 

(172a) §y=±i§. 

und daher 

(172b) (Sty^±i(S^, %=='±i%, 

wobei das obere Vorzeichen sich auf die rechtszirkularC; das 
untere auf die linkszirkulare Schwingung bezieht; erstere ent- 
spricht einer negativen, letztere einer positiven Drehung um 
die £f-Achse. Die Einführung von (172) und (172b) in 
(171c) ergibt 

oder 

(173) ^ + i + s- 4^{^*- -'^ -ns}- 

Diese erweiterte Dispersionsgleichung bestimmt 
die Brechungsindizes und somit die Geschwindig- 
keiten der beiden den Magnetkraftlinien pai'allel 
fortgepflanzten zirkularpolarisierten Wellen. Der 
Elammerausdruck auf der rechten Seite verschwindet fiir die- 
jenigen Frequenzen v der Lichtschwingungen, welche den durch 
das magnetische Feld abgeänderten Frequenzen der Eigen- 
schwingungen der Elektronen entsprechen (vgL 60b). Da wir 
indessen die Absorptionsglieder der Schwingungsgleichungen 
gestrichen haben, so müssen wir uns ein Eingehen auf die inner- 
halb des Absorptionsstreifens zu beobachtenden Fortpflanzungs- 
geschwindigkeiten versagen und uns auf solche Schwingungs- 
zahlen beschränken, welche von denjenigen der Eigenschwingungen 
einigermaßen entfernt sind. ELier bedingt der Einfluß des 
magnetischen Feldes nur eine geringe Abänderung des Brechungs- 
index. 

Verstehen wir unter n die gemeinsame Geschwindigkeit 
der beiden Wellen vor Erregung des magnetischen Feldes, 
welche bestimmt ist durch 



280 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern, 
so darf gesetzt werden 



Npe* 

Da anderseits aus (173a) folgt: 

dv dn\n' — l) 4:7tNpe' 



dn d / 1 \ r. m 

so erhalten wir 



(173b) 



( f I 1 T7^»* 



Durch die Differenz der Brechungsindizes der rechts- und 
linkszirkularpolarisierten Welle bestimmt sich jetzt die Drehung 
der Polarisationsebene. Diese Ebene ist durch den mag- 
netischen Vektor ^ der Lichtwelle gegeben^ welche durch 
Superposition zweier rechts- bzw. linkszirkularer Wellen gleicher 
Amplitude entsteht. 

Wir können mit Bücksicht auf (172a) und (173b) schreiben: 

Wir können demgemäß den Vorgang, der durch Super- 
position der beiden zirkularpolarisierten Wellen entsteht, auf- 
fassen als eine Fortpflanzung einer geradlinig polarisierten 
Welle mit der ursprünglichen, durch den Brechimgsindex n 
gekennzeichneten Geschwindigkeit, verbunden mit einer Drehimg 
der Polarisationsebene. Die Polarisationsebene, die für z ^0 
in die (iCiS?)- Ebene fiel, ist nach Durchlaufung der Strecke z 
um den Winkel 

(173c) o = g^ 



Erstes EapiieL Rahende Körper. 281 

in positivem Sinne nm die ^r- Achse gedreht. Die sogenannte 
„Botationskonstante^^ By welche durch 

(174) (D = BzH 

definiert ist^ folgt ans (173 b): 

(174a) ii = f^^". 

Da sich im vorigen Paragraphen der DifiPerentialquotient 
des Brechungsindex n nach der Frequenz v außerhalb des 
Absorptionsstreifens stets positiv ergeben hat^ xmd da r^ eine posi- 
tive den Betrag der spezifischen Ladung der negativen Elektronen 
anzeigende Konstante ist; so findet die Drehung der Polarisations- 
ebene in positivem Sinne um die mit der magnetischen Feldrichtung 
zusammenfallende Fortpflanzungsrichtung des Lichtes statt. Es 
erfolgt also die Drehung der Polarisationsebene im 
Sinne der elektrischen Ströme; welche den Elektro- 
magneten erregen. Wird der Strom kommutiert; so daß die 
Richtung des magnetischen Feldes sich umkehrt; und nun der Fort- 
pflanzungsrichtung entgegen gerichtet ist; so kehrt sich auch 
der Drehsinn der Polarisationsebene um. Behält hingegen das 
magnetische Feld seine Richtung im Räume bei; während die 
Strahlrichtung durch Reflexion umgekehrt wird, so geht die 
Drehung im Räume in demselben Sinne weiter. 

Die obige Regel über den Drehsinn der Polarisationsebene 
gilt natürlich nur dann, wenn die Voraussetzungen zutreffen; 
aus der wir sie abgeleitet habeU; d. h. wenn die magnetische 
Drehung wirklich auf die Schwingungen der negativen Elek- 
tronen allein zurückzuführen ist; und wenn Magnetisierungs- 
elektronen ausgeschlossen sind. Bei ferromagnetischen Körpern; 
z. B. bei Lösungen von EisensalzeU; gilt sie nicht immer. 
Ebensowenig dürfte sie zutreffen; wenn die ultraroten Eigen- 
schwingungen der positiven Elektronen für die Drehung 
wesentlich in Betracht kämen ; was allerdings infolge ihrer 
geringen spezifischen Ladung kaum anzunehmen ist. 

Wir können (174 a) auch schreiben 

(174b) ^ — ^^ll- 



282 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Ist die Dispersionskurve gegeben^ so kann kierans die 
magnetische Drehung und ihre Abhängigkeit von der Wellen- 
länge ermittelt werden. Daß die Formel in manchen Fallen 
zutrifft, hat H. BecquereP) gezeigt; auch aus der Theorie 
von W. Voigt*) ergibt sich die gleiche Formel, allerdings wird 
dort die multiplikative Konstante nicht in Verbindung mit der 
spezifischen Ladung der Elektronen gebracht. Dieses hat 
L. H. Siertsema') nachgetragen und für yerschiedene Körper 
den Wert der spezifischen Ladung der Elektronen aus der 
beobachteten magnetischen Drehung mit Hilfe jener Formel 
berechnet. Er findet z. B. ftir Wasserstoff den Wert 

(174c) 1^ = 1,77.107, 

welcher mit den aus der Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen und 
Becquerelstrahlen ermittelten Werten der spezifischen Ladung 
noch besser stimmt, als der im vorigen Paragraphen aus der 
Dispersion des Wasserstoffes abgeleitete Wert. Für die anderen 
untersuchten Körper erhält allerdings Siertsema durchweg 
kleinere Werte von rj. 

§ 31. Magnetisierung. 

Wie die Elektronentheorie die Beziehungen, welche zwischen 
der elektrischen Polarisation Iß und der elektrischen Feld- 
stärke (§ bestehen, durch geeignete Annahmen über die Eigen- 
schaften der Polarisationselektronen zu veranschaulichen sucht, 
so muß sie bestrebt sein, die zwischen der Magnetisierung SR 
und der magnetischen Feldstärke ^ obwaltenden Beziehungen 
auf die Mitwirkimg der Magnetisierungselektronen zurück- 
zuführen. Diese Magnetisierungselektronen sind nahe verwandt 
den Molekularströmen, durch welche Ampfere und Weber die 
magnetischen Eigenschaften der Körper zu erklären suchten. 
Ob wirklich der Paramagnetismus und der Diamagnetismus 



1) H. Becqnerel, C. R. 126, S. 679. 1897. 

2) W. Voigt, Ann. d. Phys. 67, S. 351. 1899. 

3) L. H. Siertsema, Akad. v. Wetensch. te Amsterdam 1902, S. 499. 



Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 283 

sicli auf umlanfende oder rotierende Elektronen znrückführen 
läßt, ist von W. Voigt ^) und P. Langevin^) untersucht worden. 

Weber hat den DiamagnetiBmus auf die Molekularströme 
zurückgeführt, welche beim Entstehen eines magnetischen 
Feldes in widerstandslosen Bahnen induziert werden sollen. 
Dem entsprechen nach P. Langevin die Umlaufsbewegungen der 
Elektronen, welche im Innern der Moleküle beim Entstehen 
magnetischer Felder erregt werden; dieselben ergeben stets 
eine diamagnetische Erregung. Größere Schwierigkeiten bietet 
die Erklärung des Paramagnetismus; hier sind die Stöße und 
die sonstigen Wechselwirkungen der Moleküle heranzuziehen, 
und es ist die mittlere Orientierung der Magnetisierungselek- 
tronen in einem gegebenen Felde nach den Methoden der Ejne- 
tik zu behandeln; für diese Auffassxmg spricht der Umstand, 
daß, speziell für Gase, der Paramagnetismus von der Tempe- 
ratur abhängt, im Gegensatz zu dem von der Temperatur nicht 
beeinflußten Diamagnetismus. 

Zur Deutung mancher magnetooptischer Erscheinungen 
reicht die Einfahrung der Polarisationselektronen aus, wie 
wir im vorigen Paragraphen dargelegt haben. Gewisse magneto- 
optische Eigenschaften der ferromagnetischen Körper indessen, 
insbesondere diejenigen, welche der Magnetisierung parallel 
gehn, erfordern die Heranziehung der Magnetisierungselektronen.^) 
Was das Verständnis des Ferromagnetismus überhaupt anbelangt, 
so hat die Elektronenhypothese bisher leider keine Erfolge 
zu verzeichnen. Wir sind noch weit davon entfernt, die 
Anomalien der ferromagnetischen Körper vom Standpunkte 
der Elektronentheorie aus deuten zu können. 

§ 32. Elektrische Leituing. 

Nach der Elektronentheorie beruht die Eigenschaft ge- 
wisser Körper, den elektrischen Strom zu leiten, auf der An- 



1) W.Voigt, Götting. Nachr. 1901 S. 169. Ann. d. Phys. 9, S. 115. 1902 

2) P. Langevin, C. R. 139, S. 1204. 1904. Ann. de chim. et phys. 
1906. S. 70. 

3) Vgl. P. Drude, Lehrbuch d. Optik. Leipzig 1900. Kapitel VIT. 



284 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Wesenheit von y^Leitnngselektronen^^y d. k. von elekiarischen 
Teilchen^ welche unter der Einwirkung elektrischer Felder 
über größere Strecken hin wandern. Diese Elektronen können 
mit der Masse materieller Atome beladen sein; wie bei Elektro- 
lyten, oder sie können frei, d. h. nur mit der ihnen eigenen, 
elektrom^netischen Masse behaftet sein. Gerade in den besten 
Leitern, den Metallen, wird man freie Elektronen als Strom- 
träger anzunehmen haben. Wie wir bereits mehrfach erwähnt 
haben (I, S. 192 n. 206)^ sind von E. Biecke^) und insbesondere 
von P. Drude*) Vorstellungen über die Bewegung der Elektronen 
im Metalle entwickelt worden, welche der kinetischen Theorie 
der 6ase nachgebildet sind. Fehlen äußere elektrische Kräfte^ 
so sollen die Elektronen sich regellos bewegen, ähnlich wie 
die Moleküle eines Gases; die mittlere lebendige Erafk eines 
Elektrons soll gleich derjenigen sein, welche einem Gasmole- 
küle bei der gleichen Temperatur zukommt. Wir bezeichnen 
mit a die mittlere lebendige Kraft eines Moleküles oder Elek- 
trons bei der absoluten Temperatur ^^l (Boltzmann- 
Drudesche Eonstante) und setzen 



Die Elektronen sollen Zickzackbahnen beschreiben; der 
Stoß, durch den die Bewegungsrichtung geändert wird, kann 
entweder zwischen den Elektronen selbst erfolgen, oder an 
den neutralen Molekülen, welche gewissermaßen das feste Ge- 
rüst des Metalles bilden. 

Welches wird nun der Einfluß eines elektrischen Feldes 
sein? Es wird die imregelmäßige Wärmebewegung der Elek- 
tronen ein wenig abgeändert werden, so daß im Mittel die- 
jenige Bewegungsrichtung überwiegt, nach der die Elektronen 
durch das Feld getrieben werden. Es sei H^ die mittlere Ge- 
schwindigkeit der betreffenden Elektronengruppe, \ die mittlere 
freie Weglänge; beim Durchlaufen der freien Weglänge \ wird 



1) E. Eiecke, Ann. d. Phys. 66, S. 363, 546 u. 1199. 1898. 

2) P. Drude, Ann. d. Phys. 1, S. 666. 3, S. 369. 1900. 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 285 

das elektrische Feld @ einem Elektron von der Geschwindig- 
keit Hj die zusätzliche Geschwindigkeit erteilen 



Der Mittelwert dieser Geschwindigkeit ist 

Die Multiplikation mit der Ladung e^ und der auf die 
Yolumeinheit bezogenen Zahl N^ ergibt als Anteil der Elektronen 
der betreffenden Gruppe zur Stromdichte: 

wenn man von den strengen, das Maxwellsche Geschwindigkeits-* 
Terteilungsgesetz berücksichtigenden Methoden der Mittelwerts- 
bildung absieht. Durch Summierung der Anteile der ver- 
schiedenen Gruppen folgt die Stromdichte 

^-'^•i^l^i'Nih\^\+^'N^h\^\+ ■■■]■ 

Dieselbe ist der Feldstärke proportional, d. h. es gilt 
das Ohmsche Gesetz, so lange als die zusätzliche, durch das 
elektrische Feld erteilte Geschwindigkeit der Elektronen klein 
gegen die mittlere Geschwindigkeit der Wärmebewegung ist; 
unter dieser der obigen Ableitung zugrunde liegenden Voraus- 
setzung erhält Drude für die Leitfähigkeit den konstanten Wert 

Die einfachste Annahme wäre die, daß in den Metallen nur 
eine Sorte freier, und zwar negativer Elektronen den Strom 
transportiert. Doch fragt es sich, ob auf Gb*und dieser An- 
nähme die thermoelektrischen mid sonstigen Eigenschaf ken der 
Metalle sich befriedigend erklären lassen. 

' Für die Elektronentheorie der metallischen Leitung spricht 
es, daß H. A. Lorentz imstande war (vgl. § 41), aus den so- 
eben dargelegten Vorstellungen über die Bewegung der Elek- 



286 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

tronen das Emissionsyermogen der Metalle für Wärmestrahlen 
großer Wellenlänge herzuleiten. 

In Gasen sind die Vorgänge, welche die elektrische Leitung 
begleiten, weit verwickelter, als in Metallen. Die freie Weg- 
länge der Elektronen ist hier großer, so daß die durch das 
elektrische Feld erteilte Geschwindigkeit keineswegs immer 
klein gegen diejenige der regellosen Wärmebewegung ist. So 
erklären sich die Abweichungen vom Ohmschen Gesetze, welche 
bei Gasen oft in recht augenfälliger Weise hervortreten. Auch 
lagern sich den freien Elektronen neutrale Moleküle in wech- 
selnder Anzahl an, wie in § 1 erwähnt wurde. Dort haben 
wir die für die allgemeine Theorie der Elektrizität bedeutungs- 
vollen Ergebnisse der neueren Untersuchungen über GBsionen 
bereits kennen gelernt. 

§ 33. Das elektromagnetisohe Feld hoohfrequenter Ströme 

in linearen Leitern. 

Wir hatten bereits in dem einleitenden Kapitel dieses 
Bandes (§ 8) allgemeine Sätze über die Fortpflanzung elektro- 
magnetischer Störungen kennen gelernt. Wir waren dabei aus- 
gegangen von den Feldgleichungen (I bis TV) der Elektronen- 
theorie, und hatten diese mit Hilfe der elektromagnetischen 
Potentiale, und noch übersichtlicher mit Hilfe des Hertzschen 

Vektors 8, gelöst. War die Dichte | = — des Eonvektions- 

Stromes der Elektronen gegeben, so ließ sich auf Grund von 
(47, 48, 48 c, d) das elektromagnetische Feld der bewegten 
Elektronen ermitteln. 

In der Bezeichnungsweise, deren wir uns jetzt bedienen, 
werden die elektromagnetischen Vektoren der von den einzelnen 
Elektronen erregten Felder durch e, 1^ vorgestellt. Aus den Feld- 
gleichungen (I bis IV) der Elektronentheorie haben wir in § 28 
durch Mittelwertsbildung die DifiPerentialgleichungen (Ja bis IVa) 
abgeleitet; dieselben verknüpfen die Mittelwerte e, 1^ mit den 
Mittelwerten der Dichten der Elektrizität und des Konvektions- 
«tromes genau so, wie durch die ursprünglichen Gleichungen 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 287 

(I bis IV) die Vektoren e und | mit den Dichten selbst ver- 
knüpft waren. Wir können also dasjenige ^ was wir aus diesen 
Feldgleichnngen ableiteten^ ohne weiteres auf die durch Mittel- 
wertsbildung entstandenen Gleichungen (la bis IVa) über- 
tragen. Erinnern wir uns femer, daß wir durch (166) und 
(166a) e mit (&, ^ mit 8 identifiziert haben, so erhalten wir 

(180) » = curl^, l^ct 

(180a) «-«^ = Fdiv8--p. 

Dabei ist (Bq die beobachtbare Feldstärke des anfanglichen 
elektrostatischen Feldes. Es bestimmen sich die elektrische 
Feldstärke (B und die magnetische Induktion 8 zu einer be- 
liebigen Zeit, wenn der Hertzsche Vektor bekannt ist. Dieser 
aber berechnet sich aus den (47) und (48) bzw. (51c) ent- 
sprechenden Beziehungen 

i t 

(180b) (j =^Jidl ^Jo^dt, 



(180c) 8 (o, l) ^jXdxfdo) ^ (A, ? - X), 



Als Mittelwert der elektrischen Stromdichte in ruhenden 
Körpern ist dabei der in (165b) angegebene Ausdruck ein- 
zutragen: 

(180d) p = i -f ^ + c • curl 8», 

der zusammengesetzt ist aus den von den Leitungselektronen, 
den Polarisationselektronen und den Magnetisierungselektronen 
herrührenden Stromanteilen. Von jedem Volumelemente des 
Baumes, in welchem das Zeitintegral (180b) dieses Vektors von 
NuU verschieden ist, wird ein Beitrag zum Hertzschen Vektor 
beigesteuert; derselbe eilt mit Lichtgeschwindigkeit nach dem 
Au^unkte hin, wobei sein Betrag sich in einem, dem zurück- 
gelegten Latenswege umgekehrt proportionalen Maße verringert. 



288 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Es ist zweckmäßig; den Hertzschen Vektor in derselben 
Weise zu schreiben^ in welcher durch (50b, 51b) die elektro- 
magnetischen Potentiale ausgedrückt wurden, nämlich: 



(180e) S-J^t^h 



r • 



Die Integration ist hier über die von Elektrizität durch- 
strömten Yolumelemente des ganzen Baumes auszudehnen. 

Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß die Beziehungen 
(180) bis (180 e) sich auch aus den Hauptgleichungen (Ib bis IVb) 
der Maxwellschen Theorie hätten herleiten lassen, von deren 
Identität mit den Gleichungen (la bis IVa) wir uns ja in § 28 
überzeugt haben. In der Tat sind die physikalischen Voraus- 
setzungen, auf denen die Entwickelungen dieses Paragraphen 
und des nächstfolgenden beruhen, diejenigen der Maxwellschen 
Theorie. Die Hypothesen der Elektronentheorie kommen dabei 
nicht ins Spiel. Wir waren bei der Darlegung der Theorie 
der elektrischen Schwingungen im ersten Bande dieses Werkes 
auf die Strahlung eines Stromsystemes nicht eingegangen; wir 
hatten versprochen, im zweiten Bande diese Lücke auszufüllen. 
Die allgemeinen Sätze über die Ausbreitung elektromagnetischer 
Störungen, die uns in der Mechanik der Elektronen von so 
großem Nutzen waren, gestatten es uns, jenes Versprechen zu 
erfüllen und nunmehr jene für die drahtlose Telegraphie 
fundamentalen Fragen zu erledigen. 

Wir denken uns ein System elektrischer Schwingungs- 
kreise; dasselbe sei von beliebigen, polarisierbaren und mi^eti- 
sierbaren Körpern umgeben. Es werde, etwa durch den elek- 
trischen Funken, plötzlich ein Schwingungsvorgang ausgelöst. 
Welches elektromagnetische Feld wird erregt? 

Die Gleichungen (180). bis (180e) bestimmen die Vektoren 
@ und 8 des gesuchten Feldes. Freilich bedürfen wir zur 
Berechnung von ^ der Kenntnis nicht nur des Leitungs- 
stromes, sondern auch der Magnetisierung und des an der 
Materie haftenden Anteiles des Verschiebungsstromes. Meist 
werden wir die Stromverteilung in den Leiterkreisen und die 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 289 

elektrische Polarisation und die Magnetisierung der umgebenden 
Isolatoren nicht von vornherein kennen; wir werden vielmehr 
meist diese selbst als unbekannte anzusehen haben, die sich 
erst nachträglich aus der Kenntnis des Feldes ergeben, unter 
diesen umständen reichen jene Gleichungen zur Lösung der 
gestellten Aufgabe nicht aus. 

Wir können indessen die Gleichungen (180) bis (180e) 
verwerten, wenn wir die Problemstellung passend spezialisieren. 
Wir wollen annehmen, daß die Schwingungskreise sich im 
leeren Baume befinden, oder, was praktisch auf dasselbe 
herauskommt, im Lufträume; alsdann fallen die von der Polari- 
sation und der Magnetisierung der Körper herrührenden Strom- 
anteile fort, es bleibt nur der Leitungsstrom übrig. Dieser 
soll nun in linearen Leitern fließen, d. h. in Drähten, deren 
Querschnittsabmessungen klein sind, sowohl gegen die' Länge 
der Drähte, als auch gegen die Wellenlänge der in den Baum 
entsandten elektromagnetischen Wellen. Handelt es sich dann 
um die Bestimmung des elektromagnetischen Feldes in Auf- 
punkten, deren Entfernung von den Leitern groß gegen deren 
Querschnittsabmessungen ist, so kommt es auf die Yerteilui^ 
des Stromes J über den Querschnitt des Leiters nicht an. Es 
kann, wenn dv das Volumen eines zylindrischen Leiterstückes 
und d% ein Element seiner Leitlinie bezeichnet, gemäß (180b, d) 
gesetzt werden 



oder 
dabei ist 



t t 

^dv ^jidvdt '^ d§l Jdt 





t^dv == qd§] 



(181) q =JJdt 



die seit Besinn des SchwiuininirsToriranires durch den be- 
Reffenden Q^chnitt hindur^geströmte Elektmifätsmenge. 
Es folgt aus (180 e) 

Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 19 



290 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

(181a) 8=/^{q},_^=/d»^ 

als Wert des Hertzschen Vektors in einem Aufpnnkte, dessen 
Entfernung r von den stromdurchflossenen Drähten groß 
gegen die Querschnittsabmessungen ist; dieser Wert stellt sich 
dar als ein längs der Leitlinien aller stromdurchflossenen 
linearen Leiter erstrecktes Integral^ und zwar hängt der von 
den Stromelementen beigesteuerte Beitrag von dem Werte von c[ 

ab, welcher in einem um die Latenszeit — zurückliegenden Mo- 

mente die bis dahin durchgeströmte Elektrizitätsmenge angab. 
Wir erhalten übrigens aus (48 a) und (181, 181a) für das. 
elektromagnetische Vektorpotential den Ausdruck 

(181b) « = t = 7/T{'^}.-f 

Diese Formel können wir der Formel (168 a) in Bd. I^. 
S. 220 an die Seite stellen, welche das Vektorpotential eines 
stationären Stromes in einem linearen Leiter bestimmt. Wir 
haben hier ft gleich 1 gesetzt, weil wir von dem Felde im 
leeren Räume reden, wo curl X sowohl 8 wie $ gleich ist. 
Der wesentliche Unterschied der beiden Formeln jedoch liegt 
darin, daß dort die jeweilige Stromstärke in Rechnung gezogen 
wurde, während hier die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit, 
der von den Stromelementen ausgehenden Wirkungen berück- 
sichtigt ist. Auch durfbe dort, weil ein stationärer Strom stets^ 
ein geschlossener Strom ist, welcher durch alle Querschnitte die- 
selbe Elektrizitätsmenge führt, J vor das Integralzeichen gesetzt 
werden. Das ist hier nicht ohne weiteres erlaubt; ein nicht 
stationärer Strom kann durch verschiedene Querschnitte eines. 
Leiters verschiedene Elektrizitätsmengen transportieren, wobei 
eine Anhäufung von Elektrizität an der Oberfläche des Drahtes 
stattfindet. Der nicht stationäre Strom braucht auch keines- 
wegs ein geschlossener zu sein. Wir können uns etwa die Enden 
des Leitungsdrahtes in die einander gegenüberliegenden Platten 
eines Kondensators mündend vorstellen, oder auch frei endigend. 
In jedem Falle kann das magnetische Feld aus (181b) er- 



Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 291 

mittelt werden. Wir erhalten aus dieser Formel ein Urteil über 
den Gültigkeitsbereich der Theorie des quasistationären Stromes 
(vgl. Bd. I, Abschn. III, Kap. 2), welche auf der Formel (I, 168 a) 
beruht, und werden befähigt, die Theorie auf hochfrequente 
Strome in linearen Leitern anzuwenden, die weder als quasi- 
stationär, noch als geschlossen gelten können. Bei schnellen 
Schwingungen ist das magnetische Feld unzertrennlich mit 
dem elektrischen verknüpft, wie ja auch an Stelle des ska- 
laren elektrostatischen Potentiales bzw. des magnetischen Vektor- 
potentiales die beiden elektromagnetischen Potentiale treten, 
die sich dem Hertzschen Vektor unterordnen (vgl. 48 a, b). 

Auf Grund von (181a) bestimmen wir durch die 
Gleichungen 

(181c) § = curl^, 

(181 d) «~eo=^di^8-^ 

das Feld der elektromagnetischen Störung im Luft- 
räume, welche von schnellen elektrischen Schwin- 
gungen in linearen Leitern erregt wird. Insbesondere 
beherrschen wir so die Theorie der entsandten Wellen, 
die in der drahtlosen Telegraphie zur Übertragung 
der telegraphischen Zeichen verwandt werden. 

Wir wenden die allgemeinen Ansätze auf einen Schwingungs- 
kreis an, dessen Abmessungen klein gegen die Wellenlänge der 
entsandten Wellen sind. Dieser Bedingung genügt die in Bd. I, 
§ 66 behandelte Anordnung: Ein Kondensator, dessen Platten 
durch einen Leitungsdraht verbunden sind. Hier kann der 
Strom als quasistationär betrachtet werden, falls die Kapazität 
der Leitung gegen diejenige des Kondensators verschwindet, 
und es hat die Stromstärke J und deren Zeitintegral q für 
alle Querschnitte der Leitung den gleichen Betrag. Verstehen 
wir unter e die jeweilige Ladung derjenigen Kondensatorplatte, 
in welcher die Leitung endigt, so gilt nach (181) 

t 

(182) q ^Jjdt = e - Cq. 



19* 



292 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Dabei ist e^ die anföngliche Ladung jeuer Koudeusator- 
platte; die jeweilige uud die aufaugliche Ladung der ihr 
gegenüberstehenden Platte ^ in welcher die Leitung beginnt^ 
sind — e bzw. — Cq, 

Wir denken uns einen Aufpunkt; dessen Entfernung von 
dem Schwingungskreise groß ist gegen die Abmessungen des 
Kreises. Die Entfernung braucht darum noch nicht groß 
gegen die Wellenlange zu sein. Die Entfernung r dieses 
Auf punktes von den einzelnen Punkten der Drahtleitung ist 
merklich die gleiche; es kann daher in (181a) diese Ent- 
fernung Tor das Integralzeichen gesetzt werden. Dasselbe gilt 
Yon q(1 — t)] denn es sollen die Abmessungen des Kreises^ 
und demnach die Differenzen der Latenswege^ klein gegen die 
Wellenlange sein, die Schwingungsphasen sind mithin ßir alle 
Punkte der Leitung zur Zeit des Entsendens merkUch die 
gleichen. Wir erhalten 

(182a) 8 = ^^ fdi. 

Die hier eingehende Yektorsumme aller Elemente des 
linearen Leiters kann, gemäß den allgemeihen Regeln der 
Vektoraddition, durch einen einzigen Vektor ersetzt werden, 
welcher direkt Ton dem Anfangspunkt der Leitung zu ihrem 
Endpunkte führt. 

Verstehen wir unter p das Moment des Dipoles, welcher 
durch zwei in diesen Punkten befindliche Ladungen ± e ge- 
bildet wird, so können wir schreiben 

(182 b) 3==iiLi!l_^. 

Das ursprüngliche elektrostatische Feld der Ladungen ± Cq 
wird gemäß Bd. I S. 63 GL (81) gegeben durch 

%~-Ftp, ip (<,„,F4)--div(^). 

Es fol^ demnacli aas (181 c, d) fOr das elektromagnetische 
Feld des Schwmgnngskreises 



Erstes Kapitel Enhende Körper. 293 

(1820) J_o.,l^(i<t^}, 

(182a) e=Fdi.{it:a)-^{i<tüj. 

Lassen wir endlich die 0-Achse mit der Achse des Dipoles 
zusammenfallen^ so erkennen wir, daß die erhaltenen Formeln 
durchaus identisch sind mit den Formeln (53, 53ä, b) des § 9. 
Dort wird der periodische Wechsel des elektrischen Momentes 
des Dipoles durch die Schwingungen eines Elektrons yeranlaßt, 
hier durch den quasistationaren Leitungsstrom in dem Drahte, 
welcher die Kondensatorplatten verbindet. In Entfernungen, 
die groß sind gegen die Abmessungen des Systemes, kommt 
es, wie wir sehen, nicht auf die Konfiguration des Systemes 
im einzekien, sondern nur auf das resultierende Moment an. 
Wir können die Formeln (53 c, d), durch welche wir dort das 
Feld darstellten, ohne weiteres auf den vorliegenden Fall über- 
tragen. Zusammenfassend können wir sagen: Das elektro- 
magnetische Feld des quasistationären Stromes in 
einem linearen Leiter, welcher die Platten eines Luft- 
kondensators verbindet, läßt sich in Entfernungen, 
die groß gegen die Abmessungen des Leiters sind, er- 
setzen durch das Feld eines Dipoles, dessen Achse 
der vom Anfangspunkt der Leitung direkt zum End- 
punkt gezogene Fahrstrahl, und dessen Ladungen die 
Ladungen ± e der Kondensatorplatten sind. 

Wir durften unsere Formeln nur auf einen Luftkondensator 
anwenden, weil wir bei der Berechnung des Hertzschen Vektors 
in (180 d) nur den Leitungsstrom berücksichtigt hatten, aber 
nicht die von der Polarisation und der Magnetisierung der 
umgebenden Körper herrührenden Stromanteile. Wie ändern 
sich die Ergebnisse unserer Betrachtungen, wenn man an 
Stelle des Luftkondensators einen Kondensator setzt, der mit 
einem dielektrischen Körper gefüllt ist? Dann ist der an der 

Materie haftende Bruchteil — ^^ des Verschiebungsstromes dem 
Leitungsstrome hinzuzufügen. Die elektrische Verschiebung 



294 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

ist nnn Ton der mit der Ladung + ^ versehenen Platte durch 
das Dielektrikum nach der mit der Ladung — e Tersehenen 
gerichtet. Der Yerschiebungsstrom er^nzt den Leitungsstrom 
im Drahte zu einer geschlossenen Strömung^ er ist dem Strom- 
elemente ^ das Ton der Ladung — e nach -f e geht und welches 
den Leitungsstrom hinsichtlich der Femwirkung ersetzt^ ent- 
gegen gericl)jbet. Würde der gesamte Yerschiebungsstrom in 
Bechnung zu setzen sein^ so würde seine Femwirkung die- 
jenige des Leitungsstromes gerade aufheben. Da aber nur der 

Bruchteil 1 in B.echnung zu ziehen ist, so wird die Fem- 

Wirkung nicht 'aufgehoben, sondern nur im Verhältnis Us ver- 
ringeri Wir können das Ergebnis auch so ausdrücken: Ist 
der Baum zwischen den Kondensatorplatten mit einer 
dielektrischen Substanz erfüllt, so ist für die Fern- 
wirkung das Moment der freien Ladungen der Konden- 
satorbelegungen maßgebend. 

Für die drahtlose Telegraphie ist die Kenntnis der Feld- 
starken in der Wellenzone Ton Wichtigkeit; diese bildet sich 
in Entfernungen vom Schwingungskreis, die groß gegen die 
Wellenlänge sind. Die Feldstarken des Dipoles werden hier 
durch (54) gegeben; sie sind am größten in Bichtungen senk- 
recht zur Achse des Dipoles. Hier wird 



«l-l8l-f|^L 



Die elektrische Feldstarke ist dabei parallel, die magne- 
tische senkrecht zur Achse des Dipoles gerichtet. Ist d der 
Abstand der Kondensatorplatten, d. h. der Abstand der einander 
gegenüberliegenden Enden der Leitung, so wird speziell für 
einfach harmonische Schwingungen von der Schwingungszahl v 
(in 2ä Sekunden) 

(182e) |«| = |§|-i^.:^;. 

Die Wellenamplitude ist proportional der Ladungs- 
amplitude und dem Abstand der Kondensatorplatten, 
Bowie dem Quadrate der Schwingungszahl, umgekehrt 



Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 295 

proportional der Dielektrizitätskonstanten und der 
Entfernung. 

Man könnte nun daran denken, die Tragweite der funken- 
telegraphischen Signale dadurch zu vergrößern, daß man die 
ßipmtät des Kondensators steigerte; denn die LadnngsampUtude 
e ist ja gleich dem Produkte aus der Spannungsamplitude, welche 
durch die Schlagweite der Fuiikenstrecke bestimmt ist, und 
aus der Kapazität. Nun ist aber, wie aus Formel (I, S. 282, 
GL 192 c) hervorgeht, bei gegebener Selbstinduktion der Lei- 
tung v^ umgekehrt proportional der Kapazität £ des Kondensators. 
Vergrößert man die Kapazität, indem man d und « konstant halt, 
d. h. indem man die Fläche der Kondensatorpktten vergrößert, 
so bleibt trotz der Vergrößerung der Ladungsamplitude die 
WeUenamplitude die gleiche. Erreicht man jedoch die Stei- 
gerung der Kapazität durch Verringerung des Platten- 
abstandes d oder durch Wahl eines Isolators von größerer 
Dielektrizitätskonstante £, so verkleinert man sogar die Ampli- 
tude der entsandten Wellen. Der Vergrößerung der im Schwin- 
gungskreise aufgespeicherten Energie entspricht mithin keines- 
wegs eine Steigerung der ausgestrahlten Energie. 

überhaupt ist die Verwendung nahezu geschlossener Kreise 
und quasistatioimrer Ströme für die Zwecke der drahtlosen 
Telegraphie nicht günstig. Bei einer solchen Anordnung zer- 
störerLh, wie w^gesien haben, die Beiträge der einzelnen 
Stromelemente fest vollständig, während im GegenteU eine 
Verstärkung der von den einzelnen Stromelementen herrührenden 
Wellen anzustreben ist. Das Zusammenwirken der Wellen 
aller Stromelemente wird am vollständigsten erreicht bei den 
geradlinigen Sendeantennen, die man in der drahtlosen Tele- 
graphie verwendet. Mit ihrer Theorie wird sich der nächste 
Paragraph beschäftigen. 

Wir wollen, um Mißverständnisse auszuschließen, nochmals 
betonen, daß die in den Gleichungen (182, 182a) vor- 
genommene Spezialisierung nur dann erlaubt ist, wenn die 
Abmessungen des nahezu geschlossenen Kreises klein gegen 
die Wellenläuge sind; nur in diesem FaUe setzen sich die von 



296 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

den einzelnen Stromelementen erregten Wellen zu einer einzigen 
Welle zusammen, welche von der Lücke der Leitung auszugehen 
scheint. Hat man es hingegen mit einem nahezu geschlossenen 
Kreise zu tun, dessen Abmessungen nicht klein gegen die 
Wellenlange sind (z. B. einem Hertzschen Resonator ohne ein- 
geschaltete Kapazität); so hat man den Hertzschen Vektor aus 
den allgemeineren Gleichungen (181 , 181a) zu berechnen. Die 
Stromstärke J und ihr Zeitintegral q haben hier keineswegs 
für alle Querschnitte den gleichen Wert, da die Kapazität der 
Leitung nicht zu vemachlässigen ist. Auch haben die Bei- 
träge, die, Ton verschiedenen Stromelementen des Kreises ent- 
sandt, gleichzeitig in einem entfernten Au^unkte eintreffen, 
in diesem Falle Latenswege zurückgelegt, deren Differenzen von 
der Ordnung der Wellenlänge sind; es sind denmach für die ein- 
zelnen Stromelemente verschiedene Schwingungsphasen in Be- 
tracht zu ziehen. Aus diesen Gründen ist es nicht gestattet, die 
Femwirkung eines geschlossenen Schwingungskreises allgemein 
gleich Null zu setzen, und die Femwirkung einer ungeschlossenen 
Leitung stets von den Enden ausgehen zu lassen.^) Im all- 
gemeinen geht die Strahlung keineswegs von den 
Enden der Leitung, sondern von allen Stromelementen 
der Leitung aus. Auch ein geschlossener Kreis ent- 
sendet daher im allgemeinen, wenn er von schnell 
wechselndem Strome durchflössen ist, elektromagne- 
tische Wellen. Nur dann, wenn seine Abmessungen klein 
gegen die Wellenlänge sind, wird die Vektorsumme aller Strom- 
elemente gleich Null; aus diesem Grunde, und weil dieselbe 
Schwingungsphase für alle Stromelemente in Betracht kommt, 
verschwindet das Feld in entfernten Aufpunkten, und somit 
die Strahlung des geschlossenen Kreises. 

1) H. M. Macdonald stellt in seiner Preisschrift „Electric waves", 
Cambridge 1902, die irrige Behauptung anf, daß die Strahlung einer 
jeden geschlossenen Leitung verschwinde und die Strahlung einer un- 
geschlossenen Leitung stets von den Enden ausgehe. Die auf dieser 
Behauptung basierten Entwickelungen der genannten Schrift sind 
fehlerhaft. 



Erstes Kapitel. BnlpLende Körper. 297 

§ 34 Die Strahlnng von Sendedrähten. 

Wir denken uns einen geradlinigen Draht, von der 
Länge 2h, frei im Ranme befindlich. Es mögen, etwa durch 
den elektrischen Funken, die elektrischen Eigenschwingungen 
dieses Drahtes erregt sein. Wir nehmen an, daß f&r die Fort- 
pflanzung von Drahtwellen längs eines Einzeldrahtes, wenigstens 
angenähert, dieselben Gesetze gelten, die wir für zwei Parallel- 
drohte bewiesen haben (I, § 73 u. 75), d. h. daß die Geschwindig- 
keit der Fortpflanzung längs der Leitung der Geschwindig- 
keit c gleich ist, mit welcher die Wellen sich im Baume aus- 
breiten, und daß am freien Ende eine einfache Reflexion der 
Stromwelle stattfindet Treffen diese Voraussetzungen zu, so 
werden sich stehende Wellen längs des Drahtes ausbilden, die 
an den freien Enden Stromknoten besitzen, während die etwa 
sonst noch vorhandenen Stromknoten in Abständen von je 
einer halben Wellenlänge aufeinander folgen. Dem entspricht 
der Ansatz 

(183) /= a • sin(i;0 • cos (^> 

falls n eine ungerade ganze Zahl und 
(183a) '^-«1 

ist. Die hierdurch dargestellten ungeradlinigen Eigenschwin- 
gungen besitzen in der Mitte des Drahtes, bei ^ » 0, ein 
Maximum des Stromes; die Eonstante a gibt die Stromampli- 
tude daselbst an. Stromknoten liegen bei 

tu 

(183b) S = ±--Ä, wom^n 

eine ungerade ganze Zahl ist. Die durch n»l gegebene 
Grundschwingung hat nur zwei Stromknoten, und zwar an den 
Drahtenden; ihre Wellenlänge ist 

(183c) Xi - — = 4Ä, 



298 Zweiter Abaclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

d. h. sie ist gleich der doppelten ^rahtlänge, während für die 
Oberschwingnngen die DrahÜänge 2h ein ganzzahliges Viel- 
faches der halben Wellenlänge ist, wie die Gleichung 

. 27CC 4/» 

(183d) ^. = — = - 

n 

besagt. Die durch (183 b) bestimmten n + l Stromknoten 
teilen den Draht in n Strecken, deren jede einer halben Wellen- 
länge gleich ist. Von den geradzahligen Eigenschwingungen, welche 
in der Mitte einen Stromknoten besitzen, sehen wir hier ab. 
Inwiefern die theoretischen Voraussetzungen des Ansatzes 

(183) zutreffen, mag zunächst unerörtert bleiben. Wir denken 
uns diese Stromverteilung experimentell festgestellt. Die Grund- 
formel (181a) bestimmt dann den Hertzschen Vektor und 
somit die Pemwirkung des Drahtes. Aus der durch (181) 
bestimmten Ghroße 

ö = J cos (^ (l - cos (W)) 
folgt nach (181a) als ^-Komponente des Hertzschen Vektors 

(184) 8,=^/^fcosfJ).(l-co8^G-0). 

— h 

Die beiden anderen Komponenten von 3 verschwinden. 
Auf Grund von (181c, d) bestimmt sich hieraus das elektro- 
magnetische Feld in Entfernungen, die groß gegen die Ab- 
messungen des Drahtquerschnittes sind. Der von l '^^ et un- 
abhängige Teil des Ausdruckes (184) rührt von der anfänglichen 
Ladungsverteilung her und ergibt deren elektrostatisches Feld 6q. 
Uns interessiert nur das periodisch wechselnde Feld der Schwin- 
gung; wir setzen daher für die Hertzsche Funktion 

(184a) 8. = _j/|cos('L^cos(^), 

und erhalten aus (181c, d) die Komponenten der Feldstärken: 
(184b) ^« = j^j' §. = - 07- 



(184c) 



Erstes Kapitel Buhende Körper. 299 

__ a»8, _ a»8i 

"■ dz* dV ' 



Wir woUen diese Ausdrücke zur Ermittelung der vom 
Drahte ausgesandten elektromagnetischen Wellen verwerten. 
Wir wählen einen Au^unkt, dessen Entfernung Tq vom Mittel- 
punkt des Drahtes groß sowohl gegen die Wellenlänge^ als 
auch gegen die Drahtlänge ist. Im Nenner des Integranden 
in (184a) kann dann r durch r^ ersetzt werden, hingegen im 
Argumente des im Zähler auftretenden Kosinus ist zu setzen 

r = ro - g cos d'^, 
oder 

(185) ^ = ^0 "" Sw, w = cos ^'^ 



07 



wobei ^Q den Winkel anzeigt, welchen der vom Drahtmittel- 
punkte nach dem Aufpunkt hin gezogene Fahrstrahl Xq mit 
der Drahtachse einschließt. Die Unterschiede der Latenswege 
der von verschiedenen Punkten des Sendedrahtes entsandten 
und gleichzeitig im Au^unkte eintreffenden Wellen kommen 
hier wesentlich in Betracht. 
Wir erhalten 

(185a) 8, = -^y'dgcos(V^cos{^(^-r„) + ^^). 

— A 

Nun ist offenbar 

/decos(V0sin(^)»O, 
infolge von (183 a) ergibt ferner eine einfache Rechnung 

decos(-)cos(— )==-sm(-).-^-^. 

— A 



300 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Demnacli erhalten wir als Wert der Hertzschen Funk- 
tion des Sendedrahtes in der Wellenzone: 

(vi vrA /w« \ 
) , V cos ( -— • w I 
,..ooj ö.= -a.-. i_-?.sin(f).-Ai_J. 

Dieser Ausdruck entspricht der Hertzschen Funktion eines 
der i8r- Achse parallelen Dipoles (vgl. 53), doch ist für die ver- 
schiedenen, durch u bestimmten Richtungen ein verschiedenes 
Moment des Dipoles in Rechnung zu setzen. Das ist das 
Ergebnis der Superposition der von den Stromelementen des 
Drahtes herrührenden Wirkungen, welche in verschiedenen 
Phasen im Aui^unkte eintreffen. 

Bei der Berechnung der Feldstarken aus (184b, c) braucht 
nur das Argument des von l und r, abhängigen Kosinus 
differenziert zu werden, da in großen Entfernungen die übrigen 
durch Differentiation nach den Koordinaten entstehenden Terme 
fortfallen. Man erhalt eine Orientierung der Vektoren (St und 
§ in der Wellenzone, welche ganz derjenigen des Dipoles 
entspricht. Konstruiert man auf der Kugelfläche, welche die 
Lage der WeUe angibt, das System der Längen- und Breiten- 
kreise, indem man die Schnittpunkte der verlängerten Draht- 
achse mit der Kugel als Pole wählt, so findet man den elek- 
trischen Vektor überall den Meridianen, den magnetischen den 
Breitenkreisen parallel weisend. Die Beträge der beiden Vek- 
toren sind 

cosivt ] cos 1 — - • t* 1 

(185c) i«| = |§H!^.-^ ----vfW- 

^ r^ yi — w' 

Über die Verteilung der Feldstärken längs der Meridiane 
ist folgendes auszusagen: Ihren maximalen Betrag haben 
die Feldstärken am Äquator der Kugel (wo, gemäß 185, 

w = 0, 'ö'o = -g ist). Für die Grundschwingung (» = 1) 

nehmen sie allmählich nach den Polen hin ab, um 
dort zu verschwinden. Die Oberschwingungen hin- 
gegen haben die durch 



Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 301 



m 



(185 d) M == ± — (m^n eine ungerade ganze Zahl) 

gegebenen Breitenkreise als Enotenlinien. Hier zer- 
stören sich durch Interferenz die von den einzelnen Strom- 
elementen des Sendedrahtes ausgehenden Wellen. 

Es fallt auf; daß die Amplitude (185 c) der von den Eigen- 
schwingungen des Sendedrahtes erregten Wellen die Länge des 
Drahtes nicht enthält. Man könnte zunächst versucht sein, 
dieses Ergebnis für irrig zu halten ^ da ja die Amplitude der 
entsandten Wellen der Länge des stromführenden Drahtes pro- 
portional sein muß; dabei würde man aber übersehen, daß mit 
der Länge des Drahtes auch die Wellenlänge gesteigert wird. Da 
die Amplitude der entsandten Wellen nicht der Stromstärke selbst, 
sondern deren zeitUcher Änderung proportional ist, so kompensiert 
die Abnahme der Femwirkung infolge der Verringerung der 
Frequenz die Zunahme infolge der Vergrößerung der wirk- 
samen Drahtlänge. Von der Antennenlänge ist die Fern- 
wirkung unabhängig. Es ist, wenn man möglichst 
intensive Wellen zu erregen wünscht, die maximale 
Stromamplitude a im Sendedrahte möglichst zu 
steigern. Für eine gegebene Antenne geht nun zwar die 
Stromamplitude der SpannungsampUtude paralleL Doch kann 
man, wenn die Spannungsamplitude vorgeschrieben ist, die 
Stromamplitude steigern, indem man Antennen von möglichst 
großer Kapazität pro Längeneinheit (d. h. möglichst dicke 
Drähte) wählt; auf demselben Prinzip beruht die Steigerung 
der Femwirkung, die man in der drahtlosen Telegraphie durch 
EMgantennen erzielt* Durch Vergrößerung der Antennenlänge 
aber werden die Wellenamplituden nicht vergrößert. 

Wir schreiten zur Berechnung der pro Sekunde entsandten 
Gesamtstrahlung. Aus dem Poyntingschen Satze folgt 

S. = ^-|«M§I = ^C0S«(W-^)W(^).(1-««)- 

Die Mittelwertsbildung über eine Beihe von Schwingungen 
und die Litegration über die ganze Kugel vom Radius r^ er- 
gibt als Energieverlust durch Strahlung 



302 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

+ 1 



dW 



^/d«cos»(^)(l-«V 



dt 

— 1 

+ 1 



= TcjHih + i4li)(l + ^^« ^^^) 



— 1 



a* / du /^ \ 



— 1 

Da n eine ungerade ganze Zahl ist^ können wir schreiben 
WO abkürznngsweise gesetzt ist 

+ 1 STTn 

(186a) C« = / T-q^ (l — cos 3rw(l + w)) = / —(1 — cos a;). 

— 1 

Es handelt sich noch um die Berechnung dieses trans- 
zendenten Integrales. Wir zerlegen dasselbe in vier Integrale: 

^ f dx I dx . ( ■. I 1 cosa!i , / dx cob x 

^''~J T+i J x(l-\-x)'^J ^'^\x(,l + x) S~/ "^J S~~ 

2Ttn 2Ttn 

und berechnen jedes derselben. Die Summe der beiden ersten 
ist 

2fin 00 

27tn 

Für das dritte Integral schreiben wir 



00 OD 



(186c) J^^[^-coBx]=J^(e-'-ooBx) 



.0 

00 



J xV ' 1+ «)' 







Erstes Kapitel. Ruhende Körper. 30$ 

Nun folgt aus 



oo oo oo 



/ — (e " * — cos icj = / rfa; / rfj/ { e "" *(^ + «'^ — cos xc^y] 





durch Vertauschung der Integrationsfolge 



00 oo 



ß-^{e-'- cos x) =fdy{^^ - jf^} 



wenn die bekannte FormeP) berücksichtigt wird. 



00 

y 



ß ^... 





dxe "~ *y cos X == 



Es ergibt sich demnach 



00 



= 0. 

» = o 



(186d) ß-l(e-'-oonx)^l\ln^ 



Der zweite Bestandteil von (186 c) aber läßt sich auf 
Grund einer von Dirichlet herrührenden Formel^) 



OD 



(186e) -ßi{e-'- T^h - ^ - 0^71216 . . . 



mit der F- Funktion und mit der sogenannten Eulerschen Kon- 
stanten in Verbindung bringen. 

Der vierte Term im Ausdruck von Cn endlich läßt sich 
durch partielle Integration auf die Form einer halbkonvergenten 
Beihe bringen 



00 



(186f) JdX-^^ j^;;^, - ^^, + j^^, ~... 
• " •• r • 

1) Vgl. z. B. Riemann -Weber, Partielle Differentialgleichungen. 
I § 19. Gl. 2. S. 43. 

2) G.L. Dirichlet, Journal f. reinen. angew.Mathem. 16, S. 260. 1836. 



304 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

In dieser Reihe ist der Best stets kleiner als das letzte 
beibehaltene Glieds sie ist demnach, wenn man möglichst genau 
zn rechnen wünscht, mit dem kleinsten Gliede abzubrechen. 

Aus (186b, c, d, e, f) folgt jetzt 

(187) C„=K2««)+0,577 + ^,-^+... 

Durch (186) und (187) bestimmt sich die mittlere 
sekundliche Gesamtstrahlung der Eigenschwingungen 
des Drahtes. Dieselbe wächst bei gegebener maximaler 
Stromamplitude mit der Ordnungszahl der Schwingung; je 
größer die Ordnungszahl, desto rascher konvergiert die Reihe 
(187). Für die Grundschwingung findet man den 
numerischen Wert 



a* ^ ^ r^rx a' 



(187 a) 1-^.(7,» 1,22.^ 

der mittleren sekundlichen Gesamtstrahlung. Die 
maximale Stromamplitude a ist dabei elektrostatisch zu messen. 
Die hier gegebene Berechnung der Strahlung eines Wellen- 
erregers beruht auf der Annahme, daß die aus der Theorie 
der stehenden Drahtwellen geläufigen Vorstellungen sich ohne 
weiteres auf den Erreger übertragen lassen. Es kann be- 
zweifelt werden, ob diese Übertragung von vornherein be- 
rechtigt ist. In der Tat, die Frage nach dem zeitlichen Ver- 
laufe der Eigenschwingungen eines Hertzschen Erregers war 
viele Jahre hindurch eine strittige. Während H. Hertz und 
V. Bjerknes die Vorstellung vertraten, daß der Erreger nur 
eine einzige hauptsaclilich durch Strahlung gedampfte Schwingung 
aussende, schlössen sich andere Forscher einer von Sarasin 
und de la Bive aufgestellten Hypothese an, indem sie die 
Strahlung des Hertzschen Erregers als ein kontinuierUches 
Spektrum ungedämpfter Schwingungen ansahen. In Anbetracht 
dieser Sachlage meinte ich, als ich die Behandlung des 
Problemes in Angriff nahm^), auf die Analogie der Drahtwellen 

1) M. Abraham, Die elektrischen Schwingungen um einen stab- 
förmigen Leiter. Ann. d. Phys. (3) 66, S. 435. 1898. 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 305 

nicht bauen zn dürfen. Ich zog es Yor^ auf die Maxwellschen 
Gleichungen zurückzugehen^ und durch Integration derselben 
gleichzeitig das Feld und die Perioden und Dämpfungs- 
dekremente der Eigenschwingungen zu ermitteln. Das gelang 
für einen stabfSrmigen Leiter^ d. h. für ein sehr gestrecktes 
Rotationsellipsoid. Es ergab sich die theoretische Möglichkeit 
einer unendlichen Reihe gedämpfter Eigenschwingungen; ihre 
Wellenlängen fanden sich in erster Annäherung in Überein* 
Stimmung mit der oben dargelegten elementaren Theorie (Glei- 
chung 183 d)^ während die durch Strahlung bedingten logarith- 
mischen Dekremente der Amplituden durch die Formel dargestellt 
wurden 

(187b) ^"^ ^ /2Ä\5 



n-ln 



m 



dabei ist b der Radius des äquatorialen Leiterquerschnittes^ 
Cn die durch (186a) definierte und in (187) ausgewertete Kon- 
stante; man bemerkt^ daß mit wachsender Ordnungszahl die 
Amplitudenabnahme während einer Schwingung geringer wird. 

Jede einzelne der Eigenschwingungen ist gekennzeichnet 
durch die Knotenflächen des magnetischen Feldes. Dieses sind 
konfokale Rotationshyperboloide, deren Brennpunkte in den 
Enden des Leiters liegen; dieselben schneiden den Leiter in 
den Sixomknoten (für ungerades n werden diese durch [183b] 
bestimmt); während ihre Asymptotenkegel die Richtungen an- 
geben , in denen die Strahlung verschwindet (185 d für un- 
gerades n). Für alle geradzahligen Eigenschwingungen ist die 
Äquatorebene eine Knotenebene des magnetischen Feldes; für 
sie ist die Mitte des Leiters ein Stromknoten und Spannungs- 
bauch; hingegen ist für die oben behandelten ungeradzahligen 
Eigenschwingungen der äquatoriale Querschnitt ein Strombauch 
und ein Spannungsknoten. 

Die theoretischen Gesetze der Knotenflächen undBauchflächen 
des magnetischen Feldes wurden durch die sorgfältigen experi- 
mentellen Untersuchungen von F. Kiebitz*) bestätigt (fürw = 3). 

1) F. Kiebitz, Ann. d. Phys. (4) 6, S. 872. 1901. 
Abraham, Theorie der Elektruität. IL 20 



306 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Derselbe stellte das Yorhandensein der rmgeradzahligen Ober- 
Schwingungen bis n => 17 fest^ es fehlten hingegen die gerad- 
zahligen Eigenschwingungen des Sendedrahtes; entsprechend 
der angewandten Erregungsweise (Funkenstrecke in der Mitte)^ 
bei welcher im Anfange die Spannung in zwei symmetrisch 
liegenden Punkten des Erregers entgegengesetzt gleich ist, 
bildeten sich nur diejenigen Eigenschwingungen aus, welche 
in der Mitte des Drahtes einen Spannungsknoten besitzen. 

Wir müssen uns hier ein genaueres Eingehen auf die 
strenge Theorie des stabformigen Senders versagen, und uns 
mit einem Hinweise auf die Originalarbeit und auf die von 
F. Hack^) gegebene zeichnerische Darstellung der elektrischen 
Kraftlinien derEigenschwingungen und ihrerBewegung begnügen. 
Die obige mehr elementare Abteilung der Strahlung eines Sende- 
drahtes habe ich später^) yeröffenÜicht, als diese Dinge für 
die drahtlose Telegraphie von aktueller Bedeutung wurden. 
Bei der ursprüngUchen Marconischen Senderanordnung wird 
der eine Pol einer Funkenstrecke mit der Antenne, der andere 
mit der Erde verbunden. Man hat es also hier nicht mit 
einem frei im Räume schwingenden Draht zu tun, es ist viel- 
mehr die Erde in Betracht zu ziehen. Das kann aber in sehr 
einfacher Weise geschehen, wenn man mit Rücksicht auf die 
Wahrnehmung, daß die Wellen nicht merklich in die Erde 
eindringen, die Erde als gut leitend betrachtet, oder optisch 
gesprochen, als spiegelnd Die an der Oberfläche eines voll- 
kommenen Leiters geltende Grenzbedingung, daß die elek- 
trischen Ejraftlinien senkrecht stehen, wird, wie die Theorie 
ergibt, von allen ungeradzahligen Eigenschwingungen des freien 
Sendedrahtes an der Äquatorebene erfüllt. Spiegelt man die 
von der Erde senkrecht bis zur Höhe h aufsteigende Sende- 
antenne an der ebenen Erdoberfläche und zieht die ungerad- 
zahligen Eigenschwingungen des entstandenen geraden Drahtes 
von der Länge 2% in Betracht, so erhält man ein elektro- 



1) F. Hack, Ann. d. Phys. (4) 14, S. 639. 1904. 

2) M. Abraham, Physik. Zeitschrift 2, S. 329. 1901. 



Erstes Kapitel. Bnhende Körper. 307 

magnetisches Feld, welches an der Erdoberfläche der gestellten 
Grenzbedingung Genüge leistet; dasselbe ist oberhalb der Erd- 
oberfläche mit demjenigen der wirklichen Sendeantenne identisch. 
Für die drahtlose Telegraphie kommt nun hauptsächlich die 
Grundschwingung in Betracht. Aus unserem Spiegelungs- 
verfahren und aus Gleichung (183c) können wir schließen: 
Die Wellenlänge der Grundschwingung einer Sende- 
antenne ist gleich ihrer vierfachen Höhe. Die Höhe 
ist dabei von der Erde an zu rechnen, entsprechend dem Um- 
stände, daß die Spannung des untersten, der Erdoberfläche 
zugehörigen Punktes der Leitung gleich Null ist. Das 
Dämpfungsdekrement der Grundschwingung ist nach 
(187 a, b) 

(187c) ^— ^_-i^. 



O '<t) 



Diese Formel bezieht sich allerdings zunächst auf eine 
Antenne, deren Querschnitt nach der Spitze hin allmählich 
abnimmt. Immerhin wird man sie auch auf zylindrische 
Drähte anwenden köimen, wie es ja überhaupt auf den genauen 
Zahlwert des als Argument des Logarithmus auftretenden 
Quotienten kaum ankommt. 

Man erhält z. B. für b =» 0,1 cm, und 

für Ä « 25 Meter, X^ = 100 Meter : 6^ = 0,23, 
für h = 250 Meter, A^ = 1000 Meter : 6^ = 0,19. 

Meist wird man, bei der Verwendung eines ein- 
zelnen Sendedrahtes, mit dem Werte ^^ = 0,2 des 
Strahlungsdekrementes rechnen können. Ihm entspricht 
ein Herabsinken der Wellenamplituden auf den e*®*^ Teil nach 
fünf ganzen Schwingungen. Dieser immerhin beträchtliche 
Wert der Dämpfung stimmt mit der allgemeinen Erfahrung 
überein, wonach die Resonanzkurve (vgl. I, § 67) einer solchen 
einfachen Anteime eine ziemlich flache, der Bereich des An- 
sprechens mithin ein ziemlich weiter ist. Die Bedingungen 
für eine abgestimmte Telegraphie sind bei dieser einfachsten 

20* 



308 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Anordnung recht ungünstige. Übrigens kommt neben der 
Dämpfung durch Strahlung diejenige durch Joulesche Wärme 
in Frage; ihr Betrag ist allerdings verhältnismäßig gering; die 
Wärmeentwickelung in der metallischen Leitung ist gegen die 
Ausstrahlung ganz zu vernachlässigen; höchstens könnte die 
in der Funkenstrecke entwickelte Wärme in Eechnung zu 
ziehen sein. 

Bei den neueren Braun -Slabyschen Senderanordnungen hat 
man es meistens mit zwei Leitungen zu tun. In der ersten nahezu 
geschlossenen Leitung befinden sich Kondensatoren^ in denen die 
Energie aufgespeichert ist. Mit ihm induktiv verkoppelt, oder 
an ihn direkt angeschlossen ist die Sendeantenne, welche die 
Wellen in den Baum hinaus sendet. Die Literatur über diese 
Anordnungen ist eine sehr umfangreiche. Viele der Autoren 
jedoch begnügen sich entweder damit, den Strom in der Antenne 
als quasistationär zu behandeln, indem sie die in Bd. I, § 68 
dargelegten, zunächst auf den Tesla- Transformator bezüglichen 
Entwickelungen ohne weiteres auf den vorliegenden Fall über- 
tragen, andere wiederum beschränken sich darauf, die Verteilung 
von Strom und Spannung längs der Anteime zu bestimmen, ohne 
von den entsandten Wellen zu reden. Gerade auf die ent- 
sandten Wellen aber kommt es bei der drahtlosen Tele&nraphie 
an, nnd auch ihre Rückwirkung auf die Senderschwin^ngen 
darf nicht außer acht gelassen werden. Daß man unter Berück- 
sichtigung dieser umstände das direkt gekoppelte Gebersystem 
approximativ behandeln kann, habe ich kürzlich gezeigt.^) Es 
ergeben sich, auch weim die beiden Leitungen vor der Koppe- 
lung in Besonajiz waren, zwei verschiedene Grundschwingungen 
des gekoppelten Systemes; diese geben zu Schwebungen Anlaß 
(vgl. I, § 68), in deren Verlaufe die Energie vom Primärkreis 
der Antenne zugeführt und so zur Ausstrahlung gebracht wird. 

Auch wenn man es mit mehreren parallelen Sendedrähten 
zu tun hat, kann man aus der StromverteUung auf Grund der 
Entwickelungen der beiden letzten Paragraphen unschwer die 

1) M. Abraham, Phys. Zeitschrift (6), S. 174. 1904. 



Erstes Kapitel. Buhende Körper. 309 

entBandten Wellen ermitteln. Sind die Abstände der Drähte 
Ton der Ordnung der Wellenlänge, so werden sich Interferenzen 
der entsandten Wellen ergeben. Sind hingegen die Abst^de 
der Diuhte klein gegen die Wellenlänge, so werden sich die 
entsandten Wellen in allen Aufpunkten verstärken, wenn die 
Ströme in den Drähten alle in der gleichen Phase schwingen, 
z. B. bei den Eäfigantennen der drahtlosen Telegraphie; sie 
werden sich durch Interferenz aufheben, wenn sie in entgegen- 
gesetzten Phasen schwingen. Ein Beispiel der letzteren Art 
haben wir in Bd. I, § 76 kennen gelernt: eine Leitung Ton 
endlicher Länge, die aus zwei parallelen, jeweils in gegenüber- 
liegenden Querschnitten Ton entgegengesetzt gleichen Strömen 
durchflossenen Drähten besteht; man sieht jetzt ohne weiteres 
die Richtigkeit der dort aufgestellten Behauptung ein, daß ein 
solches System nicht strahlt. Man verwendet bei Laboratoriums- 
versuchen mit elektrischen Wellen gerade darum parallele 
Dnlhte zur Fortleitung, weil diese die Energie in ihrer un- 
mittelbaren Umgebung halten, und sie nicht zur Ausstrahlung 
gelangen lassen. 

Wir haben im ersten Bande dieses Werkes (§ 73) die 
Fortpflanzung elektrischer Wellen längs einer unendlichen Lei- 
tung unter gewissen vereinfachenden Voraussetzungen behandelt. 
Wir haben die Leiter als vollkommene angesehen und gefunden, 
daß in diesem Falle die Geschwindigkeit, mit welcher die 
Wellen längs der Leitung forteilen, der Geschwindigkeit der 
elektromagnetischen Störungen in dem betreffenden Isolator 
gleich ist. Wir haben betont, daß Wellen, die längs eines 
Einzeldrahtes sich fortpflanzen, nicht in den Gültigkeitsbereich 
der dort angewandten Methode fallen. Diese Lücke füllt die 
Arbeit von A. Sommerfeld^) in willkommener Weise aus; die- 
selbe behandelt die Fortpflanzung längs eines Einzeldrahtes 
vom Standpunkte der Maxwellschen Theorie aus; sie zeigt, daß 
bei Berücksichtigung der endlichen Leitfähigkeit des Drahtes 
die erwähnten Schwierigkeiten fortfallen, ohne daß in prak- 



1) A. Sommerfeld, Ann. d. Phys. (8) 67, S. 288. 1899. 



310 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

tischen Fällen der Wert der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der 
Wellen sich merklich änderte. An diese Untersuchung schließt 
sich diejenige von 6. Mie^) an^ welche Wellen behandelt, die 
an zwei parallelen Drähten von endlicher LeitßQiigkeit fort- 
schreiten. Wie Kapazität und Selbstinduktion der Leitung in 
diesen Fallen zu definieren sind, hat der Verfasser dieses Werkes 
dargelegt.') Leider müssen wir uns hier mit einem kurzen 
Hinweis auf diese Probleme begnügen, der den Leser zum 
Studium der Originalabhandlungen anregen mag. 



Zweites Kapitel. 

Bewegte Korper. 

§ 35. Die erste Hanptgleiohung. 

Wir haben im vorigen E^apitel (§ 28) die Hauptgleichungen 
der Elektrodynamik ruhender Körper aus der Elektronentheorie 
abgeleitet; wir sind dabei ausgegangen von den Gleichungen (la 
bis IVa), welche sich durch Mittelwertsbildung über die Felder 
der einzelnen Elektronen ergeben hatten. Die auftretenden 
Mittelwerte ^, t haben wir mit der magnetischen Liduktion 8 
und der elektrischen Feldstärke @ identifiziert (Gl. 166, 166 a) 
und die Vektoren S und § durch (166b, c) definiert. Für 
ruhende Körper ergaben sich die Gleichungen (Ib bis IVb) der 
Maxwellschen Theorie. Dabei ist der ersten Hauptgleichung (Ib) 
die dritte (Hlb) zuzuordnen, die aufs engste mit ihr verknüpft 
ist; bildet man nämlich die Divergenz von Ib, und differenziert 
inb nach der Zeit, so gelangt man zur Kontinuitätsbedingung 
der wahren (an den Leitungselektronen haftenden) Elektrizität. 
Anderseits ist die zweite Hauptgleichung (Hb) mit der vierten 
(IVb) verknüpft; IVb spricht das Verschwinden der Dichte des 
wahren Magnetismus aus, deren zeitliche Änderung nach Hb 
ohnedies verschwinden muß. 



1) G. Mie, Ann. d. Phys. (4) 2, S. 201. 1900. 

2) M. Abraham, Ann. d. Phys, (4) 6, S. 217. 1901. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 311 

Wir wollen nun für den allgemeinen Fall eines be- 
wegten Körpers in diesem Paragraphen die erste Haupt- 
gleichung und im nächsten Paragraphen die zweite aus den 
Grundhypothesen der Elektronentheorie ableiten. Dabei bilden 
wiederum die Differentialgleichungen (la bis IVa) den Ausgangs- 
punkt. Unter H ist aber jetzt nicht die Geschwindigkeit der 
Elektronen relativ zur Materie zu verstehen, sondern die abso- 
lute Geschwindigkeit der Elektronen im Baume, d. h. die Ge- 
schwindigkeit in dem universellen Bezugssystem (§ 4), in 
welchem die Isotropie der Lichtfortpflanzung statthat. Ob und 
wie dieses Bezugssystem empirisch festzulegen ist, mag hier 
nicht erörtert werden. Seine Existenz wird schon durch die 
Maxwellschen Gleichungen gefordert, welche in dem von Materie 
und Elektrizität leeren Räume (im Äther) gelten. Nach den 
Grundvorstellungen der Lorentzschen Theorie sind es Zustände 
des Raumes, welche durch die elektromagnetischen Vektoren @ 
und 9 beschrieben werden. In der Hertzschen Elektrodynamik 
bewegter Körper dagegen sind es stets die elektromagnetischen 
Zustände der Materie, welche durch die elektromagnetischen 
Vektoren gekennzeichnet werden. Hierin liegt der prinzipielle 
Gegensatz der Hertzschen und der Lorentzschen Theorie; wie 
wir bereits im ersten Bande dieses Werkes andeuteten, befindet 
sich gerade in der Elektrodynamik bewegter Körper die 
Lorentzsche Theorie in besserer Übereinstimmung mit der Er- 
fahrung, als die Hertzsche. Im folgenden wird das ausführ- 
licher zu zeigen sein. 

Wir bezeichnen mit m die Geschwindigkeit der Materie, 
mit H' die Belativgeschwindigkeit der Elektronen gegen die 
Materie. Es wird dann die absolute Geschwindigkeit der 
Elektronen 

Diese ist es, welche in der ersten Hauptgleichung auftritt. 
Die Form (la) der ersten Hauptgleichung enthalt Größen, die 
durch Mittelwertsbildung über einen physikalisch unendlich 
kleinen Bereich entstanden sind. Die Moleküle, welche in 
diesem Bereiche enthalten sind, können ganz verschiedene Ge- 



312 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

schwindigkeiten besitzen; unter m jedoch ist die sichtbare Ge- 
schwindigkeit der Materie^ d. h. der Mittelwert der Molekular- 
geschwindigkeiten ftir einen physikalisch unendlich kleinen Be- 
reich; zu verstehen. Es wird demnach der Mittelwert des 
Konvektionsstromes der Elektronen 



(188) Ql^=^Qt0 + Qt\ 

Der erste Bestandteil enthält den Mittelwert der Dichte 
der Elektrizität, der nach (165) nichts anderes ist; als die 
Dichte Q* der freien Elektrizität. Es ist also 

(188a) Qt0 - Q't0 

der Konyektionsstrom der freien Elektrizität. 

Falls die Elektronen relativ zur Materie ruheu; kommt 
nur dieser erste Bestandteil des gesamten Stromes (188) in 
Betracht. Bewegen sie sich dagegen relativ zur MateriC; so 
ist der zweite Bestandteil in Rechnung zu ziehen. Das kann 
nun in ähnlicher Weise für bewegte Korper geschehen; wie es 
in § 28 für ruhende Körper geschah. Man hat wiederum die 
Anteile zu sondern; welche von den Leitungselektronen; Polari- 
sationselektronen und Magnetisierungselektronen herrühren. 

Die relative Bewegung der Leitungselektronen gegen den 
Körper macht sich als ein Leitungsstrom bemerkbar; dessen 
Dichte ist 

(188b) {^}, = i. 

Bei der Herstellung des durch iß gekennzeichneten elek- 
trischen Momentes der Yolumeinheit ist durch ein Flächen- 
element df die Elektrizitätsmenge ^vdf in dem durch die Nor- 
male f/ angegebenen Sinne hindurchgetreten; das wurde in § 28 
nachgewiesen und gilt für einen bewegten Körper genau so, 
wie für einen ruhenden. Es soll nun der Strom bestimmt 
werden; der von den Polarisationselektronen durch eine un- 
geschlossene Fläche f des Körpers transportiert wird. War 
zur Zeit t die mit den Polarisationselektronen durch f geschobene 
Elektrizität gleich 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 313 



/ 



so ist sie zur Zeit t + dt gleich 



J%df-^dt'^J%df. 



Es ist also der Polaxisationsstrom durch die Fläche f 
des Körpers 



f^f[Q^'\p = Ttf^rdf-fdf 



wo nach der Formel I, 122 (S. 121) gilt 

(188c) ^ = ^ + curl[jpni] + m div jp. 

Der Polarisationsstrom durch die Flächeneinheit 
des bewegten Körpers ist folglich gegeben dnrch den Vektor 

(188d) {^U='-^- 

Hierdurch bestimmt sich auch der zweite, Ton der relativen 
Bewegung H' der Polarisationselektronen gegen den Körper her- 
rührende Anteil des Stromes (188), welcher durch eine im 
Baume feste Fläche fließt; der erste, von der Bewegung to der 
Polarisationselektronen mit der Materie herrührende Strom* 
anteil dagegen ist bereits in (188 a) berücksichtigt worden, 
indem ja, gemäß (165), zur Dichte q' der freien Elektrizität 
auch die Polarisationselektronen einen Beitrag liefern. 

Für die Magnetisierung des bewegten Körpers ist selbst- 
verständlich die relative Bewegung der umlaufenden Magneti- 
sierungselektronen gegen den Körper maßgebend, so daß an 
Stelle von (164:c) jetzt 

(188e) {7i?}^=c curia 

den von der Magnetisierung herrührenden Strom- 
anteil bestimmt. 

Aus (188 b, d, e) folgt 



314 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern 

(i88f) ^' - i + ^ + c curi an 

ftlr den gesamten von der relativen Bewegung der Elektronen 
gegen die Materie herrührenden Strom. Aus (188) und (188 a, f) 
erhalt man schließlich als gesamten Mittelwert des Kon- 
yektionsstromes der Elektronen: 

(188g) Qi^Q'to + i + ^ + CQml9t. 

Dieser Ausdruck, der als Erweiterung des auf ruhende 
Körper bezüglichen Ausdruckes (165b) sich ergibt, ist nun in 
die erste Hauptgleichung (la) einzuführen. An Stelle von e, ^ 
ist, wie in § 28 (Gleichungen 166, 166a) (B bzw. 8 zu setzen; 
auch sind die Definitionen (166b, c) von S und ^ zu be* 
rücksichtigen. Dann folgt als erste Hauptgleichung für 
bewegte Körper 

(189) curl# = i^^ + ^^{i + .'m + ^). 

Zum Wirbel des Vektors § liefern hiemach Beiträge: 
Der Verschiebungsstrom im Äther, der Leitungs- 
strom, der Konvektionsstrom der freien Elektrizität 
und der Polarisationsstrom im bewegten Körper. 

Man kann an Stelle der Dichte 9' der freien Elektrizität 
auch durch (165) die Dichte q der wahren Elektrizität ein- 
führen. Auf Grund von (166 b) und (188 c) wird dann 

(189a) curl § = ^[i + ^ + pm + curl [ipm] j. 

Diese Form der ersten Hauptgleichung wollen wir der 
ersten Hauptgleichung der Theorie von H. Hertz (I, Gleichung 
252, S. 425) gegenüberstellen: 

curl § = ^{i + ^ + pto + curl[»tti]]- 

Wie nach der Hertzschen Theorie, so werden auch nach 
der Lorentzschen durch den Leitungsstrom, den Verschiebungs- 
strom und den Konvektionsstrom der wahren Elektrizität 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 315 

magnetische Wirkungen erregt; nur hinsichtlicli des vierten 
Termes der rechten Seite der ersten Hauptgleichung, welcher 
(vgl. I, § 90) den sogenannten „Röntgenstrom*^ bestimmt, 
weicht die Lorentzsche Theorie von der Hertzschen ab. Nach 
der Lorentzschen Theorie bestimmt 

curl [ip tu] 

die Dichte des Böntgenstromes. Gerade diese Forderung 
war es, welche durch die Versuche von A. Eichenwald ihre 
experimentelle Bestätigung gefunden hat. 

Die Diskussion dieser Experimente ist am besten an die 
Form (189) der ersten Hauptgleichung anzuknüpfen. Es waren 
(I, S. 427) die geladenen Kondensatorplatten zusammen mit 
dem zwischen ihnen befindlichen Dielektrikum in gleich- 
formiger Rotation begriffen. Hier ist der Zustand ein statio- 
närer auch dann, wenn man ein mitrotierendes Bezugssystem 
zugrunde legt; die von einem solchen Bezugssystem aus be- 
urteilte zeitliche Änderung -^ ist folglich Null. 

Da ein Leitungsstrom nicht fließt und da -^ gleichfalls 
NuU ist, so folgt aus (189) 

curl§ «— o'tn. 

Für das bei Eichenwalds Versuchen erregte mag- 
netische Feld ist also nach der Elektronentheorie die 
Bewegung der freien Elektrizität maßgebend. Dieses 
war eben die Feststellung Eichenwalds. Nach der Hertzschen 
Theorie dagegen wäre der allgemeine Ausdruck der ersten 
Hauptgleichung 

da nun in dem vorliegenden Falle die von dem bewegten 
Körper aus beurteilte zeitliche Änderung von S ebenso wie { 
verschwindet, so würde sich nach H. Hertz überhaupt keine 
magnetische Wirkung ergeben. Die Versuche von Eichen- 
wald zeigen demnach, daß nicht die Hertzsche, wohl 



316 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

aber die Lorentzsche Elektrodynamik bewegter 
Körper die erste Hauptgleichuiig für die hier in 
Frage kommenden langsamen Bewegungen richtig 
formuliert. 

Wir erhalten eine dritte, mit (189) und (189a) gleich- 
wertige Form der ersten Hauptgleichung, wenn wir den neuen 
Vektor einfahren: 

(189 b) §'-§-i[to(S]. 

Setzen wir dann noch 

^-^ + cnrl[a)to] + ttldiT2), 

und berücksichtigen, daß nach (166 b) gilt 

curl [atn] = — curl [tu 6] + 4ä curl [fßtsi], 
und daß man allgemein hat 

dir S « 9, 
so können wir (189 a) schreiben 

(190) cnrl§'=^{|+^). 

Der Unterschied der Lorentzschen Theorie von 
der Hertzschen gibt sich hier dadurch kund, daß der 
„wahre'', aus Leitungsstrom und Yerschiebungsstrom 
im bewegten Körper zusammengesetzte Strom bei 
Hertz curl ^, bei Lorentz dagegen curl $' bestimmt. 

Was die aus der ersten Hauptgleichung fließende Grenz- 
bedingung an der Trennungsfläche zweier bewegter Körper 
anbelangt, so ergibt sich diese in sehr einfacher Weise. 
Schreibt man den Körpern eine endliche Leitßihigkeit und 
eine endUche Pokrisationsfähigkeit zu, so muß nach (190) an der 
Trennungsfläche der Flächenwirbel von §' verschwinden, d. h. 
die tangentiellen Komponenten von $' durchsetzen stetig die 
Trennungsfläche. Für den idealen Grenzfall des vollkommenen 
Leiters (I, § 72) hingegen, wo ein endlicher Flächenstrom j 
als zulässig betrachtet wird, ist dieser Flächenstrom mit dem 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 317 

Flächenwirbel von $' Yerknüpft. Da nun ins Innere des voll- 
kommenen Leiters das elektromagnetische Feld nicht eindringt^ 
so bestimmt sich die Dichte des Flächenstromes durch den an 
der Oberfläche herrschenden Wert von §' folgendermaßen 

(190a) vi-t^'»]- 

Dabei ist n ein Einheitsvektor^ welcher die nach dem 
Inneren des Leiters weisende Normalenrichtung anzeigt. 
Zu der ersten Hauptgleichung steht die dritte 

(191) div 3) ^ 9 

in enger Beziehung. Schließt man eine endliche Flächendichte 
aus, so muß die Flächendivergenz von S verschwinden, d. h, 
die Normalkomponente von S muß stetig die betreffende 
Trennungsfläche durchsetzen. Läßt man hingegen eine end- 
liche Flächendichte (o zu, nämlich bei Körpern, welche das 
Feld nicht in ihr Inneres eindringen lassen, so wird 

(191a) (o = -(»tt). 

Es ist o durch die an der Oberfläche herrschende Normal- 
komponente von S bestimmt. An der Oberfläche geladener 
bewegter Leiter kommt die Gleichung (191a) und an der 
Oberfläche bewegter idealer Spiegel außerdem die Gleichung 
(190a) in Betracht. Die tangentiellen Komponenten 
von $' sind hier mit der Flächendichte des Leitungs- 
stromes, die Normalkomponente von S ist mit der 
Flächendichte der wahren Elektrizität verknüpft. 

§ 36. Die Eweite Hauptgleieliung. 

Die zweite Hauptgleichung der Elektronentheorie (IIa) 
enthält überhaupt kein von der Bewegung der Materie oder 
der Elektrizität direkt abhängiges Glied. Es gilt demnach im 
Falle der Bewegung ebenso wie im Falle der Ruhe die Glei* 
chung nb 

(192) cnrl« -1^. 



318 Zweite! Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Diese Form der zweiten Hauptgleicliung ist nichts anderes 
als das Induktionsgesetz, ausgesproclien ftlr ein im Baume 
festes Flachenelement; denn es stellt (& die Eraft auf einen 
ruhenden, mit der Einheit der Ladung versehenen Probekörper 
dar, während die auf der rechten Seite von (192) auftretende 
zeitliche Änderung von 8 auf einen festen Baumpunkt sich 
bezieht. 

Es entsteht nun aber die Frage, ob auch für bewegte 
Korper das Faradaysche Induktionsgesetz (ygl. I, S. 390), 
welches ja Ton der Erfahrung durchweg bestätigt wird, aus 
den Grundvorstellungen der Elektronentheorie sich ableiten 
läßt, um dies zu zeigen, müssen wir auf die Grund- 
gleichung (V) des § 4 zurückgehen, welche die elektromagne- 
tische Kraft f^ bestimmt; es ist in der jetzt angewandten Be- 
zeichnungsweise die auf die Eioheit der Ladung wirkende Kraft 

Wir betrachten eine Gruppe von Elektronen, welche sich 
mit der gemeinsamen Geschwindigkeit H bewegen. Die Mittel- 
wertsbildung über ein physikalisch unendlich kleines Gebiet 
ergibt dann für diese Elektronengruppe die elektromagnetische 
Kraft 

(193) ^^i + y M] = « + y [ö«]. 

Wir setzen wieder wie im vorigen Paragraphen 

indem wir unter m die Geschwindigkeit der Materie, unter H' 
die Geschwindigkeit der Elektronen relativ zur Materie ver- 
stehen. Dann wird 

(193a) § = «' + -^[0'»], 

wo 

(193b) e' = «-fy[lll«] 

die Kraft auf eine relativ zur Materie ruhende Einheits- 
ladung ist. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 319 

Der zweite Term in (193 a) ergibt als Kraft anf die in 
der Yolumeinlieit enthaltenen Elektronen der betreffenden 
Gruppe: 

t[^,»]. 

Hierdurcb bestimmt sich^ falls nur Leitongselektronen in 
Betracht kommen^ anf Grund yon (188 f) die am Leiter an- 
greifende ponderomotorische Kraft des magnetischen 
Feldes in Übereinstimmung mit I, Gleichung 245c^ S. 411. 
Auch kann man^ durch Unterscheidung verschiedener Arten 
von Elektronen^ die in starken magnetischen Feldern auf- 
tretende^ zur Stromrichtung senkrechte elektromotorische Kraft 
des Hall-Effektes (I, S. 242) ableiten. Das geschieht in den 
von E. Riecke und P. Drude entwickelten Elektronentheorien 
der Metalle (vgl. ü, § 32). Für magnetisierte Körper tritt 
im Ausdrucke der ponderomotorischen Kraft curl SR an Stelle 

von — f wodurch sich die Äquivalenz von Magneten und elek- 
trischen Strömen kundgibt, die in I^ § 81 unter besonderer 
Berücksichtigung der ponderomotorischen Kräfte abgeleitet 
wurde. Für einen ruhenden Körper von wechselnder elek- 
trischer Polarisation endlich ergibt (188f) die ponderomotorische 
Kraft pro Volumeinheit 



H^'»] 



Der Vergleich mit der entsprechenden ponderomotorischen 
Kraft der Hertzschen Theorie (I, Gleichung 250a, S. 421) 
zeigte daß bei Hertz der gesamte Verschiebungsstrom ^ bei 
Lorentz nur der an der Materie haftende Bestandteil desselben 
von einer ponderomotorischen Kraft angegriffen wird. Das 
hangt damit zusammen^ daß nach Lorentz elektromagnetische 
Kräfte überhaupt nur an den Elektronen und nicht an den 
von Elektronen leeren Gebieten des Baumes angreifen (vgl. 11^ § 5). 

Uns interessiert hier vorzugsweise der erste Bestandteil 
des Vektors %, den wir mit d' bezeichneten; die Gleichung 
(193 b)^ die ihn bestimmt^ berücksichtigt die Bewegung der 
Materie und formuliert das Gesetz der durch Bewegung 



320 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

induzierten elektromotorischen Kraft. In der Tat, nach 
den Yorstellongen der Elektronentheorie ist ®' die Kraft^ 
welche an der Einheit der mit dem Körper bewegten Elek- 
trizität angreift, nnd durch diesen Vektor bestimmt sich der 
Bewegungsantrieb auf die Elektronen, wie er sich für ruhende 
Körper durch (& bestimmt. An Stelle der für ruhende isotrope 
Leiter geltenden Beziehung i== öü wird demnach für bewegte 
Leiter 
(193c) i-<y«' 

zu setzen sein; es ist eine plausible Annahme, daß die Leit- 
föhigkeit ö, wenigstens was Größen erster Ordnung (in dem 

Quotienten - — 'j anbelangt, durch die Bewegung des Leiters 

nicht geändert wird. 

Aus (192) und (193b) folgt 

(194) curie'=«-l{^ + curl[»lll]}=-f^. 

Die rechte Seite bestimmt die zeitliche Änderung des 
Liduktionsflusses durch eine bewegte Fläche; aus der all- 
gemeinen Vektorformel (I, Gleichung 122, S. 121) folgt 
nänüich mit Rücksicht auf die Grundgleichung (IVb), welche 
das Verschwinden des wahren Magnetismus fordert: 

Dem Differentialgesetze (194) entspricht demnach das 
Integralgesetz der induzierten elektromotorischen Kraft 

(194a) fd' dJ = - i- -fdfe,. 

Das Linienintegral der im bewegten Leiter wirk* 
samen elektrischen Kraft d^ ist gleich der durch c 
geteilten zeitlichen Abnahme des umschlungenen 
Induktionsflusses. 

Die Hertzsche Theorie drückt die zweite Hauptgleichung 
etwas anders aus. Sie setzt (I, § 86) bei fehlenden ein- 
geprägten Kräften: 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 321 



IIB 1 ^'» 

cur! S = .-^^7 

c dt 

oder 



ß^'--Trtßf^- 



In der Hertzschen Theorie stellt indessen der Vektor d 
nicht den elektrischen Zustand des Raumes^ sondern denjenigen 
der Materie dar; es wird, auch für einen bewegten Leiter, 
der Leitungsstrom dem Vektor Qt proportional gesetzt, also 

geschrieben. Wie wir sehen, weicht die zweite Haupt- 
gleichung der Lorentzschen Theorie Ton derjenigen 
der Hertzschen in ähnlicher Weise ab, wie die erste. 
Wie dort §' an Stelle Ton §, so tritt hier ®' an die 
Stelle von d. Während aber bei Hertz 6 den Leitungs- 
strom im bewegten Körper bestimmt, bestimmt bei 
Lorentz ®' den Leitungsstrom. Hinsichtlich der in 
bewegten Leitern induzierten Ströme stimmt also die 
Lorentzsche Theorie mit der Hertzschen überein. Die 
im ersten Bande (§ 84 bis 87) dargelegten Gesetze der Induktion 
in Leitern, welche durch Messung der induzierten Ströme ihre 
experimentelle Prüfung und Bestätigung gefunden haben, er- 
geben sich auch aus den Grundhypothesen der Elektronen- 
theorie. 

Wie liegt nun die Sache, wenn nicht ein Leiter, sondern 
ein Isolator es ist, der sich im magnetischen Felde bewegt? 
Kach Hertz ist auch für den bewegten Isolator 

ZU setzen, wobei das Hertzsche (S mit dem Lorentzschen V 
identisch ist. Die Lorentzsche Theorie würde mit der Hertzschen 
hinsichtlich der erregten elektrischen Verschiebung überein- 
stimmen, wenn sie dieselbe proportional zu @' setzen würde. 
Das tut sie indessen keineswegs. Sie unterscheidet yielmehr 
den vom Baume und den yon der Materie beigesteuerten 

Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 21 



322 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Anteil der elektrischen Versohiebung, entsprechend der Glei- 
chung 

Nur der an der Materie haftende Teil der elektrischen 
Verschiebung, d. h. die Verschiebung der Polarisationselektronen 
des Körpers wird durch den Vektor C bestimmt. An Stelle 
der für ruhende isotrope Körper geltenden Beziehung 

tritt für bewegte Isolatoren 

4Äip = (£-l)e', 

so daß gemäß (193b) die gesamte elektrischeVerschiebung 
in einem bewegten Dielektrikum gegeben wird durch 

(194b) 4^» = £« +^^^^ [m»]- 

Die experimentelle Prüfung dieser von der Elektronen- 
theorie geforderten Beziehung bildete den Gegenstand einer 
Arbeit von H. A. Wilson.^) Dieser Forscher ließ einen dielek- 
trischen hohlen Zylinder in einem der Achse parallelen magne- 
tischen Felde rotieren. Die metallischen Belegungen der inneren 
und äußeren Begrenzungsflächen waren durch Gleitkontakte 
mit den Quadranten eines Elektrometers verbunden; die innere 
Belegung war gleichzeitig geerdet. Die infolge der Rotation 
sich herstellende radiale elektrische Verschiebung gibt zu einer 
wahren Ladung der Zylinderbelegungen Veranlassung; dieselbe 
bestimmt sich auf Grrund von (194b) folgendermaßen: 6, die 
Kraft auf die ruhende Einheit der Ladung^ leitet sich aus dem 
elektrostatischen Potentiale der freien Elektriziiät ab. An Stelle 
von SB kann, da man es bei den Versuchen mit Körpern zu 
tun hatte ^ deren magnetische Permeabilität nicht merklich 
von 1 verschieden war, § gesetzt werden. Femer ist m senk- 
recht zu § gerichtet; sein Betrag ist gleich u- r, wo te die 
Winkelgeschwindigkeit, r der Abstand von der Achse ist. 

1) H.A.Wilson. London Royal Soc. Trans. Vol. 204 A, S. 121, 1904. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 323 

Mithin ist 

(194c) 4«», .^±(._l).!^.|^|. 

Das zweite Glied wechselt bei ümkehrung des magnetischen 
Feldes das Vorzeichen. Ist h die Höhe des Zylinders und e die 
Ladung seiner inneren Belegung, a und & die Querschnitts- 
radien der äußeren und inneren Belegung, so ist 

r hr 

Da nun konzentrische Zylinder des Dielektrikums von 
derselben Verschiebung e durchsetzt werden, so ergibt die 
Integration Ton (194c) zwischen den Grenzen h und a: 

oder 

(194d) ^^(p,^(p,±E% 

wo K die Kapazität des dielektrischen Zylinders ist und 

(194e) E' = (l-j-).l^m(a'-n 

Die Ladung der Innenseite des äußeren Zylinders ist — 6; 
folglich ist + ß die Ladung seiner Außenseite, des mit ihr ver- 
bundenen Quadranten des Elektrometers und des Leitungs- 
drahtes zusammen; der andere Quadrant ist zur Erde ab- 
geleitet. Ist K* die Kapazität dieses ganzen Systems, so hat 
man 

Hieraus und aus (194d) folgt 

(194f) ±jB' = (y,-y0.^i^, 

so daß aus der gemessenen Potentialdiflferenz der Quadranten und 
den Konstanten des Apparates die Größe E* sich ermittebi und 
so die experimentelle Prüfang der von der Elektronentheorie ge- 
forderten Beziehung (194 e) sich durchfOhren läßt. 

21* 



324 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Yorg^ge in wägbaren Körpern. 

Die messenden Yersache H. A. Wilsons besiätigen nun 
durchaus die Gültigkeit dieser Beziehung; mit der Hertzschen 
Theorie hingegen sind sie nicht zu vereinbaren (diese setzt in 
(194b) s an Stelle von « -- 1, mithin in (194e) 1 an Stelle 

von 1 ]• Wir können also aus den Versuchen von 

H. A. Wilson schließen^ daß zwar die Lorentzsche^ 
nicht aber die Hertzsche Elektrodynamik bewegter 
Korper die Beziehung zwischen den Feldstärken und 
der elektrischen Verschiebung für die hier in Frage 
kommenden langsamen Bewegungen richtig wiedergibt. 
Ob eine der Gleichung (194b) entsprechende Beziehung 
die magnetische Induktion bewegter, magnetisch weicher Körper 
bestimmt; darüber scheint weder theoretisch noch experimentell 
etwas bekannt zu sein. Beschränken wir uns auf nicht mag- 
netisierbare Körper ^ wo 8 mit ^ identisch ist, so lauten die 
in den beiden letzten Paragraphen aus der Elektronen- 
theorie abgeleiteten Grundgleichungen der Elektro- 
dynamik: 

(Ic) curir= Th'-^}' 

(Hc) carie' = -i^, 

(mc) div » = p, 
(IVc) div § - 0. 

Dabei sind fQr beliebige Geschwindigkeit In die Vektoren 
(&' und $' definiert durch 

(195) «'=-« + |[»§J, 

(195a) §' = §_i[toe], 

C 

Ferner sollen i und S> sich folgendermaßen bestimmen: 
(195b) i = tf «', 

(195c) 4ff3) = « + (6-l)e'=.e«'-i[to#]. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper; 325 

Dabei werden 6 und b als Materialkonstanten betrachtet^ 

welche, soweit nur Größen erster Ordnung in ^ — 'in Frage 

kommen, yon der Geschwindigkeit unabhängig sind. Auf solche 
,; langsame Bewegungen '^ allein beziehen sich die Beobachtungen^ 
von denen bisher die Bede war. Sie haben das soeben zu- 
sammengestellte System der Feldgleichungen durchaus be- 
stätigt. 

Die Hauptgleichungen (Ic) bis (IVc) und die Definitionen 
(195, 195 a) sollen den Vorstellungen der Elektronentheorie 
gemäß für eine beliebige Geschwindigkeit m der Materie zutreffen. 
Aus (IIc) und (IVc) ergibt sich als Grenzbedingung an der 
Trennungsfläche zweier bewegter Körper: Der Flächen- 
wirbel Ton V und die Flächendivergenz von % sind 
gleich Null; d. h. die tangentiellen Komponenten Ton C 
und die Normalkomponente von ^ durchsetzen stetig die 
Trennungsfläche der beiden Körper. 

Diese Ghrenzbedingungen sind, ebenso wie die entsprechenden 
für ruhende Körper geltenden, auch dann noch aufrechtzuerhalten^ 
wenn der eine der beiden Körper ein yollkommener Leiter ist. 
Denn auch an der Oberfläche eines solchen ist eine endliche Dichte 
des „magnetischen Stromes^^ und des Magnetismus nicht an- 
zunehmen (vgl. I, S. 329, 330). Da nun in das Innere eines 
idealen Leiters das elektromagnetische Feld nicht eindringt, so 
gelten an seiner Oberfläche die Grenzbedingungen: Es y er- 
schwindet der Flächenwirbel von @' und die Flächen- 
dirergenz von $: 

(196) [«'tt]-0, 

(196a) (§tt) = 0. 

Das sind die an der Oberfläche eines bewegten 
vollkommenen Spiegels vorzuschreibenden Grenz- 
bedingungen. Es bilden sich an dieser Oberfläche die durch 
(190a) und (191a) gegebenen Belegungen von elektrischem 
Leitungsstrome und von elektrischer Ladung. Sie sind es, 
welche das elektromagnetische Feld abschirmen. 



326 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

§ 37. Der Versuch von Fiseau. 

Über die Fortpflanzung des Lichtes in strömendem Wasser 
ist von Fizean ein Versuch angestellt worden; von Michelson 
und Morley wiederholt, stellt dieser Versuch ein Experimentum 
crucis dar, welches für die Lorentzsche und gegen die Hertzsche 
Optik bewegter Körper entscheidet. Wir wollen nicht ver- 
säumen, die Theorie dieses Versuches von dem Standpunkte 
der Elektronentheorie aus darzulegen. 

Bei den Versuchen gelangten zwei Lichtbündel zur Inter- 
ferenz, welche zwei parallele Röhren durchsetzt hatten. Wurde 
das in den beiden Röhren enthaltene Wasser in entgegen- 
gesetzten Richtimgen in Strömung versetzt, so erfolgte eine 
Verschiebung der Literferenzstreifen; aus dem Betrage der Ver- 
schiebung konnte die Veränderung der Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit des Lichtes infolge der Bewegung des Wassers 
ermittelt und mit der Theorie verglichen werden. 

Es handelt sich also hier um Lichtwellen, welche parallel 
der Geschwindigkeitsrichtung, oder in dem entgegengesetzten 
Sinne sich fortpflanzen. Wir legen die ;? -Achse in die Be- 



In 

Wegungsrichtung des Wassers, setzen - — ^ = j3 und betrachten 

zunächst einen geradlinig polarisierten Lichtstrahl, in dem die 
elektrischen Schwingungen der ^ -Achse, die magnetischen der 
^- Achse parallel erfolgen, dessen Strahlrichtung mithin in die 
;2?- Achse fällt. Man hat nach (195) und (195a) 

(197) e;=«.-^§y, §;=§y-^«.. 

Handelt es sich um ein dispersionsfreies Medium, dessen 
Brechungsindex sich aus der Maxwellschen Relation bestimmt, 
so kann die elektrische Verschiebung ® auf Grund von (195 c) 
berechnet werden. Zieht man aber die Dispersion des Wassers 
in Betracht, so hat man die Polarisation ^ auf Grund der Ansätze 
des § 29 zu berechnen. Die Verschiebung der Polarisations- 
elektronen bestimmt sich natürlich hier mit Rücksicht auf die 
Bewegung nicht durch (&, sondern durch @'; dementsprechend gilt 

(197a) 4ä» - e = ix^ - (w'2 - 1) «'. 



Zweites Kapitel. Bewegt Körper. 327 

Dabei ist vi der Brechungsindex in dem mhenden Körper^ 
genommen für die SchwingungszaU v\ \xi welcher die Elek- 
tronen des bewegten Mediums wirklich schwingen; aus der 
Ton einem ruhenden Beobachter wahi^enommenen Schwingungs- 
zahl V bestimmt sich diese auf Grund des Dopplerschen Frin- 
zipes^ bei Yernachlässigung Ton Ghrößen der Ordnung j3'; zu: 

(197b) ^' = ^(l_^). 

Dabei ist w^ die Geschwindigkeit der Wellen in dem be- 
wegten Wasser, welche wir suchen. 

Die beiden Hauptgleichungen (Ic) und (IIc) des vorigen 
Paragraphen ergeben 

^ ^ dz c dt ^ dz c dt 

Die hier auftretenden Differentialquotienten nach der Zeit 
sind die von einem mitbewegten Punkte aus beurteilten. Die Fort- 
pflanzung der Wellen, relativ zum bewegten Wasser, mag nun 
durch den komplexen Faktor zur Darstellung gebracht werden: 

Wird dann noch die mit Bücksicht auf die Dispersion 
verallgemeinerte Beziehimg für die elektrische Verschiebung 
eingeführt; welche aus (197a) folgt: 

(198a) 4^3) = « + (w'«- 1) e\ 

so erhalten wir aus (198) und (197) 

oder 

(199) { , 



328 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Die Elimination von S« ^uid $y ergibt für w' die quadra- 
tische Gleichung 

(•««•) ("T+|4(t)-15P-o, 

ans der sich die gesuchte Relativgeschwindigkeit der Licht- 
wellen gegen das strömende Wasser folgendermaßen bestimmt: 



Da es sich um Strömungsgeschwindigkeiten des Wassers 
handelt^ die klein gegen die Lichtgeschwindigkeit sind, so 
kann man zweite und höhere Potenzen von ß streichen. 
Alsdann wird 

(200) '"'-^ ^ 



c n' n" 



die Relativgeschwindigkeit der Lichtwellen gegen das 
strömende Wasser. Die Geschwindigkeit der Lichtwellen, 
welche ein ruhender Beobachter wahrnimmt, ist demnach w'\ wo 

(200.) <_S.' + /!-i+/l(l-i). 

Nach der Hertzschen Theorie würde die Relativgeschwindig- 
keit der Wellen gegen das strömende Wasser dieselbe sein, 
wie gegen ruhendes Wasser. Die Wellen würden bei der Be- 
wegung einfach mitgeführt werden. Nach der Lorentzschen 
Theorie ist das nicht der Fall; infolge der Bewegung des 
Wassers wird die Geschwindigkeit des parallel sich fort- 
pflanzenden Lichtes nicht um |||||, sondern nur um einen 

Bruchteil von {ml vermehrt. Der Paktor fl r») ^ Glei- 
chung (200a), der dieses anzeigt, wird der „Presnelsche 
Fortführungskoeffizient*^ genannt. Fresnel war es, der 
zuerst die Annahme ruhenden Äthers vertrat, welche dann 
von H. A. Lorentz der elektromagnetischen Optik bewegter 
Körper zugrunde gelegt wurde. Nach Lorentz entspricht der 

Fortführungskoeffizient durchaus dem Faktor (l J in der 

Formel (194 e), welche der Theorie der Versuche von H. A. Wil- 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 329 

son zugrunde liegt; er rührt^ wie wir gesehen haben^ daher^ 
daß nur der an der Materie haftende Bruchteil der elektrischen 
Verschiebung durch die Bewegung der Materie im magnetischen 
Felde beeinflußt wird. Die Versuche von Fizeau^ Michelson 
und Morley, welche die Gültigkeit jenes Ausdruckes für den 
FortfÜhrungskoefflzienten bewiesen haben^ zeigen, Tom elektro* 
magnetischen Standpunkte aus gedeutet^ daß auch in den rasch 
wechselnden Feldern der Lichtwellen jene durch (198 a) formu- 
lierte Beziehung für die elektrische Verschiebung zutrifft. Sie 
legen dafür Zeugnis ab, daß die Gbimdgleichungen der Elektro- 
dynamik, zu denen die Elektronentheorie führt, auch die Optik 
bewegter Körper umfassen. 

unter n' ist, wie erwähnt, für ein dispergierendes Medium 
der Brechungsindex zu yerstehen, welcher der Frequenz v' 
entspricht. Aus (197 b) erhalten wir daher 

JL^_J^ J_dn vßc 
v3 n n* dv w' ' 

wo n der Brechungsindex des Wassers ist, welcher der von einem 
ruhenden Beobachter wahrgenommenen Farbe zukommt. Da es 
bei der gewählten Näherung erlaubt ist, in den mit dem Faktor ß 

behafteten Gliedern w' und -7 durch n zu ersetzen, so wird 

Gleichung (200 a) 

(200b) ,."-i,+^(l-i + ^§|). 

Diese Formel rührt von H. A. Lorentz her.^) Bewegt 
sich das Medium den Lichtwellen entgegen, so ist selbst- 
verständlich hier — ß statt ß zu setzen. 

§ 38. Der Druck der Strahlung auf bewegte Fl&ohen. 

Wir haben bereits in § 5 dieses Bandes von dem elektro- 
magnetischen Lichtdruck gesprochen. Die Gesetze des Licht- 
druckes sind von grundlegender Bedeutung fär die thermo- 
dynamische Theorie der Wellenstrahlung. Wir dürfen daher 

1) H. A. Lorentz. Theorie d. elektr. n. opt. ErBch. in bewegten 
Körpern. Leiden 1895, S. 102. 



330 Zweiter AbBchnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

nicht Tersänmeii; diese Gesetze hier zu entwickehi; auch dürfen 
wir uns nicht auf rahende Flachen beschranken^ sondern wir 
müssen die Betrachtangen aaf bewegte Flächen ausdehnen. 

Zwei Arten von Flächen sind es, die in der Strahlungs- 
theorie eine Bolle spielen: Die Tollkommen schwarzen 
und die Yollkommen spiegelnden Flächen. Beide Arten 
von Flächen lassen die Lichtwellen nicht in ihr 
Inneres eindringen. Die schwarze Fläche gibt nicht 
zur Bildung reflektierter Wellen Veranlassung; sie ver- 
wandelt die Energie der auffallenden Strahlung vollständig in 
Wärme oder in Arbeit des StrahlungsdruckeS; die Bewegungsgröße 
der auffallenden Strahlung in mechanische BewegungsgroBe 
des eingeschlossenen Körpers. Die vollkommen spiegelnde 
oder vollkommen ^^blanke'^ Fläche hingegen verwandelt 
nicht den geringsten Bruchteil der auffallenden Strah- 
lung in Wärme. Die Energie des einfallenden Lichtes findet 
sich; soweit sie nicht in Arbeit des Strahlungsdruckes an der spie- 
gelnden Fläche verwandelt ist, in dem reflektierten Lichte wieder; 
die Bewegungsgrößen des einfallenden und des reflektierten Lich- 
tes bestimmen den Betrag des Strahlungsdruckes. Flächen von 
solchen Eigenschaften finden sich als Oberfiächen wirklicher 
Körper in der Natur nur angenähert realisiert. Auch die besten 
Spiegel sind nicht voUkommen blank, und die im auffaUenden 
Lichte schwärzesten Flächen sind nicht absolut schwarz. Lnmer- 
hin ist die Idealisierung, welche sich die Theorie erlaubt, in- 
dem sie von vollkommen blanken oder vollkommen schwarzen 
Flächen spricht, nicht bedenklicher, als die Annahme starrer 
Körper in der Mechanik, idealer Gase oder idealer verdünnter 
Lösungen in der Thermodynamik. Diese Idealisierung ermög- 
licht es, sich bei der Ableitung der Strahlungsgesetze von den 
individuellen Eigenschaften der Körper unabhängig zu machen. 
In der Tat sind die Entwickelungen der folgenden Paragraphen 
unabhängig von jeder besonderen Hypothese über die Zahl 
und die Eigenschaften der Moleküle und der Elektronen. Sie 
beruhen allein auf den Gh*undhypothesen der Elektronentheorie, 
welche in den Grundgleichungen (I bis Y) ihre mathematische 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 331 

Formulierung gewonnen haben. Die Grenzbedingungen an 
der Oberfläche des vollkommenen Spiegels ^ welche wir am 
Schlüsse des § 36 aufgestellt hatten, gelten für beliebige 
Geschwindigkeiten des Spiegels, wenn anders jene Grund- 
gleichungen die Einwirkung der Leitungdelektronen des Spiegels 
auf die elektromagnetischen Vorgänge im Baume richtig for- 
mulieren. 

Wie bereits in § 5 erwähnt wurde, bestimmt sich gerade 
für Yollkommen schwarze und Tollkommen spiegelnde Flächen 
die ponderomotorische Kraft des Feldes vollständig durch den 
in Gleichung (17) angegebenen Vektor 

{ n ist ein der äußeren Normalen v paralleler Einheitsvektor } . 

Diese Flächenkraft ist nichts anderes, als die auf die 
Flächeneinheit bezogene Besultierende der Maxwellschen Span- 
nungen. Würde es sich um einen Körper handeln, in dessen 
Inneres das elektromagnetische Feld eindringt, so würde, wie 
in § 5 dargelegt wurde, bei der Berechnung der resultierenden 
elektromagnetischen Kraft noch die zeitliche Änderung der im 
Körper enthaltenen elektromagnetischen Bewegungsgröße in 
Bechnung zu setzen sein. Für solche Körper jedoch, die von 
absolut schwarzen oder blanken Flächen umschlossen sind, fällt 
dieses Glied der resultierenden Kraft fort. Die resultierende 
Ejraft des elektromagnetischen Feldes ergibt sich durch Inte- 
gration der Flächenkraft 2 über die Oberfläche des ruhenden 
Körpers. 

Wie ändert sich nun der Wert der Flächenkraft, wenn 
der Körper in Bewegung begriffen ist? Dann erhalt die Flächen- 
kraft einen Zuwachs, da Bewegungsgröße infolge der Bewegung 
aufgefangen wird. Ist m die Geschwindigkeit des betreffenden 
Punktes der schwarzen oder blanken Fläche, so ist die von 
dem Flächenelemente df bei seiner Bewemmsc in der Sekunde 
aufgefangene elektroma^etische Bewegun^größe 

Uly • g • df. 



332 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 



Diesen Zuwachs erfahrt die an df angreifende elektro- 
magnetische Kraft durch die Bewegung des Flächenelementes. 
Es folgt für die auf die bewegte Flächeneinheit be- 
zogene Kraft des Strahlungsdruckes 



(201) 



2'= 2 + ».8. 



Aus (17) und (18) erhalten wir den Ausdruck des Vek- 
tors S' durch die elektromagnetischen Vektoren 

(201a) %%%! - 2« . «, + 2# . ^, - n(«« + ^2) + i^ [«^]. 

Für einen bewegten Körper, der von einer absolut schwarzen 
oder blanken Fläche begrenzt ist^ ergibt sich die resultierende 
Kraft der Strahlung durch Integration von S' über die Ober- 
fläche. 

Wir wollen den erhaltenen Ausdruck noch etwas um- 
formen. Wir gehen dabei aus von der Identität 

(202) m, • [«^].+ «.[^m] + ^.[md] = n(tti[«§]). 

Diese beweist man^ indem man die Komponente nach 
irgendeiner Richtung nimmt^ die man mit der a;-Achse zu- 
sammenfallen lassen kann. Es ist 



^v\_^^'\x + «.[§ttijx + §v[tti«];. == 



Diese Determinante jedoch ist gleich 



lOy lOy K« 



^v %y ^» 



cos {yx) 



V^x )9y ttl« 



'X 



§x %y %, 



nx(m[Ǥ]), 



d. h. gleich der o?- Komponente der rechten Seite von (202). 

Drückt man nun den letzten Term in (201a) in der durch 
(202) angezeigten Weise aus, so erhält man 

(202a) 8;rr- 2«'«, + 2#'§. - n{«^ + #* -| (»[«§])); 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 333 

wo <S' und $' die in den Hauptgleichungen (Ic und II c) des 
§ 36 für bewegte Körper auftretenden Vektoren sind: 

(203) «'-« + f[m§], ^'»^-^[tti«]. 
Da nun gilt 

(203a) «C =. e« - I (»[«#]), 

(203b) ^§' = r-|(tt[«^]), 

80 erhalten wir 

(204) 8?rr- 2«'«. + 2§'#, - n{««'+ #§'} 

als allgemeinen Ausdruck der elektromagnetischen 
Flächenkraft durch die elektromagnetischen Vek- 
toren. 

Handelt es sich um eine bewegte schwarze Fläche ^ so sind 
für a und § die Feldstärken der einfallenden Wellen zu setzen; 
denn reflektierte Wellen sind hier definitionsgemäß ausgeschlossen. 
Anders bei dem bewegten Spiegel. Hier erfolgt die Reflexion 
SO; daß an allen Punkten der spiegelnden FUiche die Gbenz- 
bedingungen (196) und (196a) erfüllt sind, welche das Ver- 
schwinden der tangentiellen Komponenten von & und der 
Normalkomponente von § verlangen. Aus $y = und (vgl. 
Formel tf in Bd. I, S. 437) 

= [«[«'n]] = «'«. - n(ß(Sf) 

folgt nun 

(204a) 8jrX'-n {««'-§§'} 

oder auch, mit Rücksicht auf (203 a; b) 
(204b) 8jrr = n{«*-#M- 

Diese beiden letzten Formeln bestimmen die 
Flächenkraft des elektromagnetischen Feldes auf 
einen beliebig bewegten Spiegel. Da n ein der äußeren 
Normalen paralleler Einheitsvektor ist, so ist die Flächenkraft 
%' stets senkrecht zur spiegelnden Fläche gerichtet. Es übt 



334 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

der Strahlungsdruck keine tangentiellen Kräfte auf 
die Yollkommen spiegelnde Fläche aus. 

Die Formel (204b) ist insofern bemerkenswert, als in 
derselben die Bewegung des Spiegels explizite nicht auftritt; 
Für einen ruhenden Spiegel erhält man jene Formel, indem 
man den Faradayschen Längszug der zur leitenden Fläche 
normalen elektrischen Kraftlinien und den Querdruck der tan- 
gentiellen magnetischen Kraftlinien (I, § 89) zusammenfügt. Für 
einen bewegten Spiegel ist diese Deutung nicht zulässig; hier 
tritt S' an Stelle von %, auch ist nicht (&, sondern @' der 
Vektor, welcher die Kraft auf die Einheit der am Leiter 
haftenden Elektrizität anzeigt, und der daher senkrecht zur 
yollkommen leitenden Fföche gerichtet sein muß. Dennoch 
ist der formale Zusammenhang des Lichtdruckes mit den Feld- 
stärken nach (204b) für den bewegten Spiegel der gleiche, wie 
für den ruhenden. Natürlich sind die Werte der Feldstärken 
an der Spiegeloberfläche ihrerseits von der Bewegung des 
Spiegels abhängig. 

Wir betrachten zunächst ebene Wellen, die senkrecht 
auf einen ruhenden ebenen Spiegel fallen. Die Spiegelebene 
werde als (y;8f)-Ebene gewählt. Die Feldstärken ^, ^^ der 
einfallenden Welle seien parallel der (—y) -Achse bzw. der 
;sr-Achse, diejenigen der reflektierten Welle (B^, §^ parallel 
der y -Achse bzw. der ;8f -Achse. Da für diese ebenen Wellen 

(205) -«ly=§l., «2y=#2. 

ist, und da an der spiegelnden Fläche die Grenzbedingung 
vorgeschrieben ist 

6y = 6ly + ©ay = 0, 

SO folgt 

^*= §lz+ ^2z= 2§i^, 

und daher 

Es findet sich demnach der normale Lichtdruck 
auf den ruhenden Spiegel bei senkrechter Inzidenz 
des Lichtes 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 335 

(206) P-t^l-W^l+^l] 

gleich der doppelten Energiedichte der einfallenden 
Welle. 

Wir gehen jetzt zum bewegten Spiegel über; die Be- 
wegung erfolgt parallel der äußeren Normalen n, die jetzt 
mit der a;-Achse zusammenfallt; d. h. entgegen den einfiedlenden 
Wellen. Die Beziehungen (205) gelten auch jetzt noch, aber 
die Gbenzbedingung ist eine andere; es soll die tangentieUe 
Komponente des durch (203) definierten Vektors <S' ver- 

schwinden. Setzen wir — = /J, so folgt aus 

= «;= «t,- ß^,= (Bi,- ß^i.+ «2,- ߧi. 

mit Btlcksicht auf (205) 

(207) ^,,= §,,.1±|. 

ferner wird (204b) 

(207a) 8ä2' ^ - n§J{l - ß^). 

Da nun, gemäß (207), gut 
SO folgt *^ 

(207b) S7tZ'^-n'4^l^^' 

Der Druck des senkrecht einfallenden Lichtes 
auf den ihm entgegen bewegten Spiegel wird hiernach 

(208) y=l..^J,.l±|=^.^J. 

Er wird durch die Bewegung des Spiegels im Verhältnis 
1 + /} : 1 — /J gesteigert und wird unendlich, wenn der Spiegel 
sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Eine Bewegung 
des Spiegels mit Lichtgeschwindigkeit der auf- 
fallenden Strahlung entgegen erfordert unendliche 
Arbeitsleistung und ist daher physikalisch nicht 
realisierbar* 

Die Arbeitsleistung gegen den Druck der Strahlung 
bringt eine Steigerung der Amplituden des reflektierten Lichtes 



336 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

mit sich; welche durch (207) gegeben ist. Man überzeugt 
sich unschwer davon; daß die erhaltenen Ergebnisse mit dem 
Energiesatze und dem Impulssatze in Übereinstimmung sind. 
Wir woUen indessen hierauf an dieser SteUe nicht eingehen. 
Weiter unten (§ 40) werden wir das Problem der Licht- 
reflexion durch einen bewegten Spiegel für den allgemeineren 
Fall schiefer Inzidenz behandeln; und gerade die Impuls- 
gleichungen und die Energiegleichung werden dort an die 
Spitze gestellt werden. 




Abb. 5. 



§ 39. Der relative Strahl, 

In der elementaren Theorie der Aberration bestimmt man 
die Richtung des relativen Strahles bekanntlich folgender- 
maßen. Man denkt sich den Strahl durch eine Öfihung 

tretend; und; nach Durch- 
laufung der Strecke OP, im 
Aufpunkte P eintreffend. Der 
in P befindliche Beobachter 
und der Schirm; dessen Öff- 
nung ist; mögen die ge- 
meinsame konstante Trans- 
lationsgeschwindigkeit 10 be- 
sitzen. Dann ist die Öfihung 
zu der Zeit; wo das Licht in P eintrifft; bereits nach 0' ge- 
langt (vgl. Abb. 5); und der Beobachter; der von der Bewegung 
keine Kenntnis besitzt; wird O^P als Strahlrichtung bezeichnen. 
Die Richtung des relativen Strahles ist hiernach die- 
jenige des Vektors 

(209) c' - c - tti; 

der die Relativgeschwindigkeit von Licht und Be- 
obachter darstellt. Schon Bradley erklarte durch diese 
vom Standpunkt der Emissionstheorie des Lichtes ohne 
weiteres einleuchtende Konstruktion die Aberration des Fix- 
stemlichtes infolge der ümlaufsbewegung der Erde; der diese 
ümlaufsbewegung darstellende periodische Teil der Erd- 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 337 

• ^^^^ 

geschwindigkeit 10 gibt zu einem periodischen Wechsel der 

Richtung des relativen Strahles^ und damit zu einer jährlichen 

Periode der scheinbaren Örter der Fixsterne Veranlassung. 

Zunächst wollen wir einige Beziehungen ableiten^ die sich 

aus dem Dreieck der Vektoren t, tn, (' ohne weiteres ergeben. 

Der Betrag von c' ist 

(209a) c'^cyi + ß^-2ßcoa(p, /J = L!«Ü. 

Auch hat man 
(209 b) - = cos X - /J cos i;, 

(209c) ^^-l-/Jcosg). 

Ist o der räumliche Öffiiungswinkel eines in P sich ver- 
einigenden Strahlenbündels, so entspricht ihm im relativen Strahlen- 
gange der Ofi&iungswinkel (o^, der sich folgendermaßen bestimmt 

^OICW ® dcosq> sing) dq> 

^ ^ ©'"^dcosip sinip dip 

Das leuchtet sofort ein, wenn man P als Anfangspunkt 
eines Systemes von Polarkoordinaten betrachtet, dessen Achse 
durch die Richtung von 10 gegeben ist. Der Strahlenkegel der 
relativen Strahlen liegt dann zwischen denselben Meridian- 
ebenen, wie derjenige der absoluten Strahlen, er erscheint nur 
zwischen zwei andere Breitenkreise verlegt. 

Aus dem Dreieck der Abb. 5 folgt nun 



folglich 



Da femer 



sin op c' 

Sin ap c ^ 

sinaj ^ |to| ^ o 



sinip c 

hier als Eonstante zu betrachten ist, so gilt nach (209 b) 

1 ^t 1 /» cosip c' 



dip ^ COS% CC08 % 

und folghch 
(210a) 



(D c" 



©' c* cos % 

Abraham, Theorie der Elektrizität, ü. 22 



838 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Eöipem. 

• 

Der Begriff ^^ Strahl '^ ist nicht nur ein geometrischer, 
sondern auch ein physikalischer; der Betrag des Strahlyektors 
oder die ^^Strahlung^ wird gemessen durch die auf Zeiteinheit 
und Flacheneinheit bezogene Wärmeentwickelung in einer 
senkrecht zur Strahlrichtung gestellten schwarzen Flache. 
Wir haben in diesem Werke bisher nur von der ^^absoluten 
Strahlung^' 8 gesprochen^ die durch eine ruhende, senk- 
recht zu S (oder () gestellte sdlwarze Flache definiert ist. 

Es bestimmt (vgL § 5) — gleichzeitig die in der Sekunde auf 

den Quadratzentimeter fallende Bewegungsgröße des Lichtes 
oder die Kraft des Lichtdruckes auf die schwarze Flache. Der 
absoluten Strahlung stellen wir jetzt die ^^relatiye Strah- 
lung'' 5' gegenüber; diese wird gemessen durch die Wärme- 
entwickelung, welche in der Sekunde im Quadratzentimeter 
einer zur relativen Strahlrichtung (d. h. zu (') senkrechten 
bewegten schwarzen Fläche stattfindet. Sie berechnet sich 
folgendermaßen: 

Die Energiemenge, die in der Sekunde durch die 
Flächeneinheit einer im Baume zu (' senkrechten, bewegten 



c 



(gedachten) Fläche hindurchtritt, ist 5-—; wir können diese 



c 



auch als „relativen Energiestrom'' bezeichnen, um die 
Wärmeentwickelung in der schwarzen Fläche zu bestimmen, 
haben wir noch die Arbeitsleistung des Lichtdruckes zu sub- 
trahieren. Die in der Sekunde auf die Flächeneinheit auffallende 

Bewegungsgröße ist ^ ihre Richtung ist diejenige des ab- 

soluten Strahles; sie gibt die Druckkraft der Strahlung auf 
die schwarze Fläche an. Folglich ist die Arbeitsleistung 

des Strahlungsdruckes ^(loS), und daher die relative 
Strahlung 

(211) s'=^fif-i;(ip®)- 

Da es sich hier um ebene Wellen handelt, bei denen S 
parallel zu t ist, so wird mit Rücksicht auf (209) 

(211a) S'=^;(c'@) = S^'cosz. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 339 

Auf Grund von (210a) können wir auch schreiben 

(211b) 7^ = Ä- 

Verstehen wir jetzt unter dem „relativen Strahle" einen 
Vektor <S', dessen Richtung diejenige von (' und dessen Betrag 
die relative Strahlung S' ist; so erhalten wir aus (211a) ohne 
weiteres den für ebene Wellen gültigen Ausdruck von €' 

(211c) ®' = ^(c'@). 

Wir Collen dieser synthetischen Ableitung des relativen 
Strahles eine analytische gegenüberstellen^ indem wir von dem 
allgemeingültigen Ausdruck von <S' durch die elektromagne- 
tischen Vektoren ausgehen. Für ebene Wellen gelangen wir 
auf diesem Wege zur elektromagnetischen Begründung der 
obigen Konstruktion der relativen Strahlrichtung. 

Der absolute Strahl wird bestimmt durch den Poyntingschen 
Vektor 

(212) . «=^[«^]; 

derselbe gibt den Energiestrom durch eine ruhende Fläche an. 
Der relative Energiestrom nach einer durch v gekenn- 
zeichneten Richtung ist 

(212a) @^_tt^2.{««+^.}, 

er stellt die Energiemenge dar, welche in der Sekunde durch 
den Quadratzentimeter einer bewegten, senkrecht zu v gestellten 
(gedachten) Fläche im Räume hindurchtritt (vgl. § 14, Glei- 
chung 76 b). 

Die auf die Flächeneinheit berechnete Kraft des Strahlungs- 
druckes ist durch (201a) gegeben. Handelt es sich um die 
relative Strahlung auf bewegte materielle Flächen, so ist 
die Arbeitsleistung der Flächenkraft %' von (212a) zu sub- * 
trahieren. Da n jetzt nicht, wie im vorigen Paragraphen, der 
von der Fläche fortweisenden, sondern der nach ihr hin- 
weisenden Normale v parallel ist, so ist die Arbeitsleistung 

22* 



340 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

des Strahlungsdruckes an der bewegten Fläche zu 
schreiben 

(212 b) (tt 10 = - ^ {2«, (tt «) + 2§, (IP §) - IP, («» + §«) 

Die Differenz von (212a) und (212b) ist es, die sich als 
Wärmeentwickelung in einer senkrecht zu v gestellten, be- 
wegten schwarzen Fläche kundgibt. Wir verstehen unter der 
„relativen Strahlung^' parallel der durch v gekenizeichneten 
Richtung eben diese Differenz: 

®»+ Ä{®» (*®) + ^r(p^) - »,(«*+ ^*)+ V (»[®^]))- 

Wir können hiernach die relative Strahlung nach 
irgendeiner Richtung auffassen als Komponente des 
Vektors 

(213) S'= @ + ^[« (HP«) + ^ (tti§) _ K (r + §«) 

Dieser Vektor ist der relative Strähl. 

Wir wollen an Stelle der Vektoren 6, ^ die durch (203) 
definierten Vektoren 6' und $' einführen; wir berechnen deren 
äußeres Produkt 

(213a) [«'§'] = [«^] -|[«[H.«]]-|[#[tti^]] 

+ |r[[tte],[tt^]]- 

Nach Begel (d) und (y) der Formelzasammenstelluiig in 
Bd. I, S. 437 ist: 

[§[»§]] = »§*-^(tt§) 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 341 

Demnach ergibt sich, wenn man (213a) mit — multi- 

pliziert^ ein Vektor, der mit (213) identisch ist. Es ist also 
der allgemeine Ausdruck des relativen Strahles durch 
die elektromagnetischen Vektoren 

(213b) «' = ^ [«'§']• 

Die Komponente dieses Vektors nach irgendeiner 
Richtung zeigt die Wärmeentwickelung in einer senk- 
recht zu dieser Richtung gestellten, mit beliebiger 
Geschwindigkeit bewegten schwarzen Fläche an. Die 
Kormale derjenigen Stellung .der schwarzen Fläche, welche 
maximaler Wärmeentwickelung entspricht, ist der physikalischen 
Definition des Strahles gemäß die relative Strahlrichtung. 

Wir haben den Nachweis zu erbringen, daß f&r ebene 
Wellen die zu Beginn dieses Paragraphen gegebene elementare 
Ableitung des relativen Strahles aus (213b) hervorgeht. 

Für eine ebene, geradlinig polarisierte Welle bilden Ge- 
schwindigkeit (, elektrische und magnetische Feldstärke eia 
Tripel aufeinander senkrechter Richtungen. Man hat; da die 
Betrage der beiden Feldstärken einander gleich sind, 

Aus (203) und (209) folgt 

Demnach wird der relative Strahl 

was nach Regel (d) und (y) in Bd. I, S. 437 übergeht in 

oder 

(213e) €'-^;(t'®). 



342 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Damit sind wir^ Ton der elektromagnetischen Definition 
(213b) des relativen Strahles ausgehend, für ebene Wellen zu 
(211c) zurückgelangt. Wir sehen, daß S' parallel der Relativ- 
geschwindigkeit (' des Lichtes gegen die auffangende Flache 
ist, daß mithin die elementare Konstruktion der rela- 
tiven Strahlrichtung auch vom Standpunkte der Lo- 
rentzschen Theorie die richtige ist. Gleichzeitig erhalten 
wir den Ausdruck (211a) bzw. (211) für die relative Strahlung 
ebener Wellen wieder. 

Die Konstruktion des relativen Strahlenganges beruht 
wesentlich auf der Voraussetzung, daß die Lichtfortpflanzung 
im BAume durch die Bewegung der Körper nicht beeinflußt 
wird. Die von dieser Konstruktion ausgehende Aberrations- 
theorie fußt demnach auf der Annahme „ruhenden Äthers '^ 
Die Annahme, daß der Äther sich nicht mit der Erde 
bei ihrem Umlauf um die Sonne mitbewegt, war es, die 
Fresnel der Aberrationstheorie zugrunde legte. Im Gegensatze 
hierzu nahm Stokes an, daß der Äther von der Erde mit- 
geführt wird; hier werden die Gesetze der Aberration des 
Fizstemlichtes nur durch äußerst komplizierte und willkürliche 
Hypothesen über die Bewegung des Äthers in der Umgebung 
der Erde gewonnen. Von den elektromagnetischen Theorien 
entspricht die Hertzsche der Stokesschen, die Lorentzsche der 
Fresnelschen. Die Erklärung der Aberration vom Standpunkte 
der Hertzschen Elektrodynamik bewegter Korper aus begegnet 
ähnlichen Schwierigkeiten, wie die Stokessche auf der elastischen 
Lichttheorie fußende Erk^rung. Vom Lorentzschen Stand- 
punkte aus erklärt sich die Aberration ganz ungezwungen; es 
ist eben die Bewegung der Erde gegen das universelle, durch 
die Gesetze der Lichtfortpflanzung definierte Bezugssystem, 
welche die jährliche Periode der relativen Strahlrichtungen 
bedingt. Anderseits gibt die Hertzsche Theorie ohne weiteres 
von der Tatsache Rechenschaft, daß die elektromagnetischen 
und optischen Vorgänge, welche «sich ausschließlich an der 
Erdoberfläche abspielen, genau so verlaufen, wie in einem 
ruhenden Systeme. Die Ghnindvorstellungen der Elektronen- 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 343 

theorie hingegen legen die Vermutung nahe^ daß die ümlaufs- 
bewegung der Erde auch diese Erscheinungen beeinflußt und 
daß es möglich sein sollte, durch elektrodynamische oder 
optische Versuche im Laboratorium die jeweilige Richtung der 
Erdbewegung festzustellen. Daß dies nicht der Fall ist, beruht 
nach H. A. Lorentz auf einer merkwürdigen Kompensation der 
Wirkungen; wir kommen später hierauf zurück (§ 42 bis 44). 

§ 40. Die Beflezion des Lichtes durch einen bewegten 

Spiegel* 

Wir behandeln in diesem Paragraphen das Problem der 
Reflexion des Lichtes durch einen in gleichförmiger Trans- 
lationsbewegung begriffenen, vollkommen blauken Spiegel. Wir 
gehen dabei aus von der Lorentzschen Theorie, der einzigen, 
auf die eine präzise Lösung des Problems^ sich hat begründen 
lassen.^) Wir könnten dabei in ähnlicher Weise vorgehen, wie 
es im § 3.8 für den Fall senkrechter Lizidenz geschah, wo 
neben den Gesetzen der Lichtfortpflanzung im Baume die an 
der spiegelnden Fläche vorgeschriebene Grenzbedingung heran- 
gezogen wurde. Wir ziehen es indessen vor, die allgemeinen 
Impulssätze und den Energiesatz zugrunde zu legen. Auf 
diese Weise treten die Voraussetzxmgen, auf denen die gegebene 
Lösung beruht, deutlicher hervor: Es ist erstens die Gbund- 
hypothese der Elektronentheorie, daß die Lichtfortpflanzung 
im Baume durch die Bewegung der Körper (hier des 
Spiegels) nicht beeinflußt wird. Zweitens die Annahme 
einer Bewegungsgröße der Lichtwellen, welche der Bich- 
tung nach durch den absoluten Strahl ))estimmt, dem Betrage 
nach dem Quotienten aus der Energie und der Geschwindig- 
keiten des Lichtes gleich ist; diese Annahme kommt schon 
bei der Ableitung des Lichtdruckes auf ruhende Fachen ins 
Spiel. Drittens endlich die Eigenschaft des idealen Spiegels, 
die in § 38 abgeleitet wurde, keiner scherenden Druckkraft 



M. Abraham, Boltzmann- Festschrift, S. 86. 1904. Ann, d. Phys. 
(4) 14. S. 236. 1904. 



344 Zweiter Abschnitt« Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Eörpem. 

des Lichtes ausgesetzt zu sein. Diese dritte Voraussetzung 
kanu; wie sich zeigen wird^ auch durch das Huyghenssche 
Prinzip ersetzt werden. 

Wir legen die (y^) -Ebene in die Spiegelebene^ die a: -Achse 
weise nach außen« Es bezeichnen /)ar> ßyy ß» die durch c geteil- 
ten Komponenten der Translationsgeschwindigkeit des Spiegels. 
Es seien — c^ und + «^ die Cosinus der Winkel, welche die 
absoluten Strahlrichtungen der einfallenden und der reflektierten 
Welle mit der o;- Achse einschließen. Das Licht sei mono- 
chromatisch^ und es seien v^ bzw« v^ die Schwingungszahlen 
der einfallenden und reflektierten Wellen an einem im Baume 
festen Punkte; 1/ hingegen sei die Schwingungszahl an einem 
Punkte des bewegten Spiegels. Dem Dopplerschen Prinzip 
(§ 14) zufolge sind die Schwingungszahlen v und 1/ der an 
einem festen und einem bewegten Punkte gezählten Lichtwellen 
durch die allgemeine Beziehung verknüpft 



(214) ~^l-ßcoa(p. 



Dabei ist q> der Winkel des absoluten Strahls gegen die 
Bewegungsrichtung. Diese Formulierung des Dopplerschen 
Prinzips gut sowohl daon, wenn der Beobachter sich bewegt, 
als auch wenn die Lichtquelle sich bewegt, falls unter v jedes- 
mal die Schwingungszahl an einem absolut ruhenden Punkte 
yerstanden wird. Aus (214) folgt nun ohne weiteres 



(214a) ^ == 1 - /J cos g?i, ^ = 1 - /} cos g?j 



und daher bestimmt sich die Schwingungszahl des reflektierten 
Lichtes folgendermaßen: 



(214b) 



v^ 1 — • ^ cos qpj 



Vi 1 — ^ cos qpj 

Es sind S^ und ^2 die absoluten Strahlungen des ein- 
fallenden und des reflektierten Lichtes, d. h. die Energiemengen, 
die in der Sekunde durch die Flächeneinheit ruhender, zur ab- 
soluten Strahlrichtung senkrechter Flächen treten. Für schief 
gestellte und bewegte Flächen ist die durch die Flächeneinheit 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 345 

tretende Energiemenge der zur Fläche normalen Komponente 
der Relatiygeschwindigkeit proportional. Die Normalkom- 
ponenten der Belatiygeschwindigkeit sind für die einfallenden 
bzw. reflektierten Wellen in der gewäMten Bezeichnung 

c(«i + ßx) bzw. c(a^ — ß^). 

Demnach sind die auf den Spiegel fallenden bzw. von ihm 

ausgesandten Energiemengen, berechnet auf Flacheneinheit 

und Zeiteinheit 

Äi(^ + /Jx) bzw. fii(a2-/J^) 

und die Vektoren der auffallenden bzw. entsandten Bewegungs- 
große 

^ («X + ß.) bzw. ^ («, - /}.). 

Die am Spiegel angreifende Flächenkraft des Strah- 
lungsdruckes ist gleich der vektoriellen Differenz der in der 
Sekunde einfallenden und reflektierten Bewegungsgröße 

(215) r-^K+^«)-^(«,-/}.). 

Da eine Wärmeentwickelung nach der Deflnition des voll- 
kommenen Spiegels ausgeschlossen ist, so kann Energie an 
den Spiegel nur in Form von Arbeitsleistung des Strah- 
lungsdruckes abgegeben werden. Man erhält demnach 

(215a) (HP X') = 8,(0,+ ß.,) -S,{a,- /},). 

Nach (215) ist aber 
(in!') = Si/J cos g), (a, + ß^,) - S^ß cos (p^ (oj- ß^). 

Man erhält also 

(215b) 8,{a, + ß,) (l-ß cos (p,) - S^ (cc^-ßx) (1-/3 cos g>;). 

Es treten hier wieder die auch in den Ausdruck des 
Dopplerschen Prinzipes (214 b) eingehenden Gbößen auf^ deren 
Bedeutung uns bekannt ist. Es sind 

c (1 — /} cos g>,) bzw. c (1 — /S cos y^) 

die Geschwindigkeiten^ mit denen ein Punkt des bewegten 
Spiegels sich senkrecht gegen die LichtweUen bewegt, oder, 



346 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

anders ausgedrückt, die Geschwindigkeiten, mit denen die 
Lichtwellen über einen im Spiegel festen Punkt fortstreichen. 
Es sind femer 

)/i— «1* bzw. yi— «2* 

die Sinus der Winkel, welche die absoluten Strahlrichtungen 
mit der Spiegelnormalen einschließen. Demnach sind die Ge- 
schwindigkeiten, mit denen die Schnittgeraden der 
Wellenebenen längs der spiegelnden Ebene forteilen: 

c(l — /JcosyJ c (1 — ^ cos y,) 

Das Huyghenssche Prinzip^) verlangt nun, daß diese 
beiden Geschwindigkeiten, mit denen die Spuren der ein- 
fallenden und der gespiegelten Wellen längs der Spiegelebene 
forteilen, einander gleich seien. Es bestimmt die Richtung 
des reflektierten Strahles aus dieser Forderung 
(2iQ\ l-ßcoatp^ 1-/3 cos 9, ^ 

es verlangt femer, daß der reflektierte absolute Strahl in der 
Einfallsebene liegt. 

Aus der Beziehung (216) und der aus der Energie- 
gleichung und der Impulsgleichung gewonnenen (215b) folgt 
nun: 
(216a) O^S,(a,+ ß,)YT^^---S,(a,^ß,)yr=^. 

Hier steht rechts nichts anderes, als die mit c multi- 
plizierte, in die Spiegelebene fallende Komponente der Flächen- 
kraft 2' des Strahlungsdmckes (vgl. 215). Wir haben damit 
aus dem Huyghensschen Prinzip abgeleitet, daß der Strahlungs- 
druck senkrecht zur Ebene des idealen Spiegels wirkt. 

Wir hätten umgekehrt auch von der Forderung ausgehen 
können, daß der Strahlungsdruck keine scherende Komponente 
besitzt; wir hatten dies ja im § 38 aus der Elektronentheorie 
abgeleitet. Da alsdann die tangentiellen Komponenten der 

1) Vgl. hierzu: F. Hasenöhrl. Wien. Ber. 113, S. 488, 1904; Ann. 
d. Phys. (4) 16, S. 344, 1904. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 347 

auffallenden und reflektierten Bewegungsgroße einander gleich 
sein müssen^ so folgt ohne weiteres ^ daß der gespiegelte 
absolute Strahl in einer Ebene mit dem einfallenden Strahl 
und der Spiegelnormale liegt und daß die Differenz (216 a) 
der in die Spiegelebene fallenden Komponenten der auffallenden 
bzw. entsandten Bewegungsgröße gleich Null ist; hieraus und 
aus (215b) folgt alsdann die Beziehung (216), welche das 
Huyghenssche Prinzip formuliert. Wir sehen also: Das 
Huyghenssche Prinzip und die Forderung, daß die 
Kraft des Strahlungsdruckes auf die Spiegelebene keine 
tangentielle Komponente besitzt, sind einander voll- 
kommen äquivalent. 
Es ist 

1 - jj cos 9i = 1 + jj;, «1 ± yi - «1« . yW+ß?7 



1 - jj cos g?g = 1 - jJ;,«^ ± yi-«8* • Vß7+W' 
Hieraus und aus (216) folgt 

1 4- ß^ a, 1 — /5^ a, 

(216b) 7*^" ' J^' 

Man sieht, daß die Richtung des reflektierten Strahles 
nur von der normalen Komponente der Spiegel- 
geschwindigkeit abhängt. Bewegt sich der Spiegel in 
seiner Ebene, so erfolgt die Reflexion des Lichtes genau so, 
wie am ruhenden Spiegel. 

Mit Bücksicht auf (216) und (216b) können wir jetzt die 
Formel (214b), welche das Dopplersche Prinzip enthält, 
folgendermaßen schreiben: 

(217) ^=1^- 

Auch die Schwingungszahl des reflektierten 
Lichtes hängt nur von der normalen Komponente der 
Spiegelgeschwindigkeit ab. 

Was den normalen Lichtdruck anbelangt, so folgt 
aus (215) 

(218) i)'=-2'. = y(Ä,ai(a,-t-/l.)-f;S,«, («,-/}.)). 



348 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Er ist bestimmt; wema man die Richtung und den Betrag 
der reflektierten Strahlung kennt. Letzterer aber bestimmt 
sich aus dem Dopplerschen Prinzip (214 b) und der durch 
Vereinigung der Energiegleichung und Impulflgleichung ge- 
wonnenen Beziehung (215b) folgendermaßen: 

Die in der Sekunde auf den Spiegel fallenden und 
die von ihm im reflektierten Lichte entsandten 
Energiemengen verhalten sich wie die entsprechenden 
Schwingungszahlen. 

Wie aus (216b) folgt ^ liegen die Kosinus cc^, cc^ der 
Wellennormalen gegen die Spiegelnormale in den einander 
zugeordneten Intervallen 

Die Grenzen entsprechen dem im relativen Strahlengange 
streifenden^ bzw. dem senkrecht einfallenden und reflektierten 
Strahle. Sieht man von dem ersteren Grenzfalle ^ wo nach 
(218) der Strahlungsdruck Null ist, ab, so gilt 

«1+ «2 > 0. 
Infolgedessen gestattet es die Identität 

(i+/j««x»)»(i-o-(i- /».««)* (i-«i') 

= («1 -H «,) {2/3x- 2/3, «1«,+ (1 + /3.») («1- «,)}, 

aus (216 b) die Gleichung abzuleiten 

(220) 2/3. -2ß^tt^a,+ (l + ßj) («^ - «^) = 0. 

Aus dieser Beziehung ergeben sich zwei neue Formehi, 
die beide zur Bestimmung des Reflexionswinkels dienen können: 

(220a) IZ^ = ^ + ^' 



(220b) 






Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 34g 

Aus der letzten Gleichung^ im Verein mit (216b), folgt: 

(220c) ^+£^^Z£. 

Diese Beziehung fuhrt zu einer sehr einfachen Kon- 
struktion der Bichtung des reflektierten Strahles, falls der 
Spiegel sich senkrecht zu seiner Ebene bewegt. Alsdann sind 
Zähler und Nenner in (220 c) nichts anderes, als die durch c 
geteilten Komponenten der Belativgeschwindigkeit des ein- 
fallenden bzw. des reflektierten .Lichtes gegen den Spiegel. 
Bewegt sich der Spiegel senkrecht zu seiner Ebene, 
so gilt das Beflexionsgesetz: Im relativen Strahlen- 
gange ist der Beflexionswinkel dem Einfallswinkel 
gleich. Im allgemeinen Falle gilt dieses Gesetz für 
den relativen Strahlengang, den ein nur an der Be- 
wegung des Spiegels senkrecht zu seiner Ebene teil- 
nehmender Beobachter wahrnimmt. 

Aus der absoluten Geschwindigkeit q des einfallenden 
Lichtes bestimmt sich die Belatiygeschwindigkeit r^' gegen den 
bewegten Spiegel nach der Konstruktion des vorigen Para- 
graphen. Aus derselben Konstruktion (Abb. 5) kann man, wenn die 
Bichtung der Belativgeschwindigkeit t^^ des reflektierten Strahles 
gegen den Spiegel bekannt ist, die absolute Geschwindigkeit r^ 
desselben finden, deren Betrag c ja ein^ftlr allemal gegeben ist. 
Bewegt sich der Spiegel senkrecht zu seiner Ebene, 
so schließen, wie wir fanden^ die Vektoren — r^' und r^' den 
gleichen Winkel mit dem Vektor tu ein, man hat demnach 

Da femer der Vektor tu beiden Dreiecken gemeinsam und 
die Längen der den Winkeln f^ bzw. ^^ gegenüberliegenden 
Seiten gleich c sind, so findet sich Xi^ Xif ^- ^ der Winkel, 
den der relative und absolute Strahl miteinander ein- 
schließen, ist der gleiche für das einfallende und das 
reflektierte Licht. Dabei ist, wenn die Bewegung des 
Spiegels in Bichtung der äußeren Normalen erfolgt, der 



1 



350 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Einfallswiiikel im relativen Strahlengange um x^ kleiner als 
im absoluten^ und der Reflexionswinkel im absoluten Strahlen- 
gange um X2 kleiner als im relativen^ so daß der Reflexions- 
winkel im absoluten Strahlengange um 

Zi + Za =" 2%, 

kleiner ist^ als der Einfallswinkel. Erfolgt dagegen die Be- 
wegung des Spiegels in entgegengesetztem Sinne^ so ist im 
absoluten Strahlengange der Reflexionswinkel um 2%^ großer 
als der Einfallswinkel. Bewegt sich der Spiegel schief zu 
seiner Ebene^ so kann man den reflektierten absoluten Strahl 
in derselben Weise bestimmen^ indem man nur den zur Spiegel- 
ebene senkrechten Bestandteil von tu berücksichtigt. Dagegen 
der unter Berücksichtigung des gesamten tu bestimmte relative 
Strahlengang befolgt in diesem allgemeinen Falle keine einfach 
auszusprechende Regel; der Reflexionswinkel ist hier im all- 
gemeinen nicht gleich dem Einfallswinkel. Nur im Falle 
einer Bewegung parallel der Spiegelebene liegt die 
Sache wieder sehr einfach; wie im absoluten^ so ist auch im 
relativen Strahlengange in diesem Falle der Reflexionswinkel 
dem EinfaUswinkel gleich. 

Handelt es sich um ein einfallendes Lichtbündel^ dessen 
Strahlenkegel im absoluten Strahlengange den körperlichen 
Winkel cd^ einschließt^ so bestimmt sich der Öfi&iungswinkel g»^ 
des gespiegelten Strahlbündels am einfachsten aus (220 a). 
Man findet 

©2 dcc^ /o^-ft*^ 






was nach (220b) und (217) ergibt 

(221) ? = ©"• 

Die von einem absolut ruhenden Beobachter wahr- 
genommenen Öffnungswinkel des einfallenden und 
des gespiegelten Strahlbündels verhalten sich wie die 
reziproken Quadrate der beobachteten Schwingungs- 
zahlen. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 351 

Aus (219) folgt übrigens durch Einführung von (217) 
und (220b) 

(222) I - (^)^ 

Die absoluten Strahlungen verhalten sich wie die 
Quadrate der Schwingungszahlen. 

Infolge der genannten Relationen geht (218) über in 

oder, gemäß (220 a); in 

(223) p =. ,(i_^^., 

Das ist der Betrag des normalen Strahlungs- 
druckeS; bei schiefer Inzidenz des Lichtes. Bei senk- 
rechter Inzidenz wird die Gleichung (208) des § 38 wieder 
erhalten. Auch bei schiefer Inzidenz wird der Strah- 
lungsdruck unendlich für ßx= 1, d. h. wenn der Spiegel 
sich senkrecht zu seiner Ebene mit Lichtgeschwindig- 
keit bewegt. Fällt auf die Vorderseite des Spiegels eine 
noch so geringe Strahlung, so kann sich der Spiegel senkrecht 
zu seiner Ebene nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Be- 
merkenswert ist der Gegensatz zum Falle des bewegten Elek- 
trons , wo Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit keineswegs aus- 
zuschließen war. 

§ 41. Die Temperatur der Strahlung. 

Die strahlende Wärme ist far die Ökonomie des Weltalls 
von der größten Bedeutung; sind es doch die Sonnenstrahlen^ 
die alle Bewegung und alles Leben auf der Erde unterhalten. 
Wenn anders die Hauptsätze der mechanischen Wärmetheorie 
überhaupt eine allgemeine Gültigkeit besitzen^ so müssen sie 
nicht nur auf die in dem materiellen Körper enthaltene^ sondern 
auch auf die strahlende Wärme Anwendung finden. Daher 
hat schon B. Clausius bei der Begründung der Thermodynamik 
die thermischen Wirkungen der Strahlung in Betracht ge- 



352 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

zogen^ und 6. Eirchlioff ist bei seinen für die StraMungs- 
theorie grandlegenden Untersuchungen von der Gültigkeit des 
Gamot-Clausiusschen Prinzipes für die Licht- und Wärme^ 
Strahlung ausgegangen. Wir wollen in diesem Paragraphen 
die Folgeinmgen entwickeln, welche sich aus der Anwendung 
der Thermodynamik auf die WeUenstrahlung ergeben. 

Wir denken uns ein Bündel unpolarisierten Lichtes von 
dem kleinen Öfl&iungswinkel cj. Durch eine senkrecht zur 
Achse des Bündels gestellte Fläche messen wir die Strahlungs- 
intensität S] bei Lichtstrahlen im engeren Sinne könnten wir 
die Lichtstärke photometrisch messen, wir denken uns hier 
jedoch stets die Strahlungsintensität bolometrisch, d. h. durch 
ihre thermische Wirkung gemessen. 8 ist bereits auf die Ein- 
heit der auiS'angenden Fläche berechnet; es erweist sich femer 
als zweckmäßig, sie auf die Einheit des körperlichen Winkels 
zu beziehen und die Strahlung spektral zu zerlegen. Wir 
nennen oo 

(224) I ^jHdv 



die „gesamte Helligkeit'^ des Strahlbündels und H die 
Helligkeit der spektral zerlegten Strahlung oder die „Hellig- 
keit^' schlechtweg. Beobachtet man ein monochromatisches 
Lichtbündel, oder auch ein aus verschiedenfarbigem Lichte 
zusammengesetztes, in verschiedenen Entfernungen von der ent- 
sendenden Fläche, so nimmt die Strahlungsintensität S um- 
gekehrt proportional dem Quadrate der Entfernung von der 
leuchtenden Fläche ab; in demselben Maße aber nimmt der 
körperliche Winkel cd ab, unter welchem die leuchtende Fläche 
gesehen wird. Die Helligkeit jeder Farbe und auch ihr über 
das ganze Spektrum erstrecktes Integral ändert sich bei der 
freien Fortpflanzung des Lichtes im Baume nicht. 

Mit M. Planck^) werden wir den Vorgang der ungestörten 
Lichtfortpflanzung im Räume, da er sich durch passend ge- 
wählte Hohlspiegel oder Linsen rück^gig machen läßt, als 

1) M. Planck. Ann. d. Phyß. (4) 1, S. 719, 1900; 3, S. 764, 1900. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 353 

umkehrbaren Vorgang im Sinne der Thermodynamik betrachten. 
Da bei einem omkelurbaren^ ohne Arbeitsleistung verlaufenden 
Vorgänge die Temperatur sich nicht ändert^ so erscheint es 
sachgemäß^ einer bestimmten Helligkeit monochromatischer 
Strahlung in eindeutiger Weise eine bestimmte Temperatur 
zuzuordnen. Es können hiemach zwei Lichtquellen^ z. B. die 
Sonne und eine ÖllampC; dieselbe Lichtstärke ergeben^ während 
die „ Helligkeiten *', entsprechend den verschiedenen Öffiiungs- 
winkeln der Lichtbündel, ganz verschiedene sind. Der weit 
größeren Helligkeit des Sonnenlichtes entspricht eine weit 
höhere Temperatur. Dabei brauchen die Temperaturen der 
einzelnen im Lichtbündel vertretenen Farben im allgemeinen 
nicht die gleichen zu sein. Die Temperatur jeder einzelnen 
Farbe aber bleibt bei der freien Fortpflanzung des Lichtes 
konstant. 

Es erscheint hiemach unzulässig, thermodynamische Be^ 
trachtungen auf streng ebene Wellen anzuwenden; denn für 
verschwindenden Öfl&iungswinkel o wird bei endlicher Strah- 
lungsintensität die Helligkeit nach (224) unendlich. Li der 
Tat würde ja eine endliche Strahlung pro Flächeneinheit eine 
unendliche Gesamtemission der unendlich entfernten Licht* 
quelle voraussetzen, was wir ausschließen müssen. Es kann 
zwar der Öfihungswinkel co sehr klein, aber niemals gleich 
Null angenommen werden. Ebensowenig ist es vom Stand- 
punkte der Thermodynamik aus gestattet, von streng mono- 
chromatischem Lichte zu reden; denn eine endliche Strahlungs- 
intensität in einem verschwindenden IntervaUe von Schwingung«- 
zahlen würde unendliche Helligkeit H, d. h. unendliche Tempe- 
ratur ergeben; unendliche Temperatur bedeutet aber in der 
Thermodynamik freie Verwandelbarkeit in Arbeit. Auf die 
Energie streng periodischer elektrischer Wellen ist demnach 
der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, welcher die Ver- 
wandelbarkeit in Arbeit einschränkt, überhaupt nicht an- 
zuwenden. Von den rein periodischen langen Wellen sind die 
kurzen, durch ihre leuchtende und wärmende Wirkung sich 
kundgebenden Wellen gerade dadurch unterschieden, daß sie 

Abraham, Theorie der Elektrizität, n. 23 



354 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

nicht streng monochromatiscli sind. Jede ^^natürliche'^ Strah- 
lung^ z. B. diejenige einer Spektrallinie^ erfüllt ein zwar kleines^ 
aber doch von Null verschiedenes spektrales Intervall von 
Schwingongszahlen. Gerade die Anwesenheit einer großen 
Zahl von Partialwellen, welche in regelloser Weise miteinander 
interferieren^ ist nach M. Planck diejenige Eigenschaft der 
^^natürlichen Strahlung", welche die Anwendung der Thermo- 
dynamik ermöglicht. Wenn wir im folgenden von „mono- 
chromatischem Lichte" reden, so verstehen wir darunter stets 
solches, dessen Schwingungszahlen ein kleines, aber doch von 
Null verschiedenes Intervall dv erfüllen. 

Es entspricht der von uns durchweg zugrunde gelegten 
Auffassung, daß wir die Strahlung S durch eine absolut 
ruhende Fläche gemessen denken, und ebenso unter co den 
Öfi&Lungswinkel des Kegels der absoluten Strahlrichtungen 
verstehen. Dementsprechend bezieht Gleichung (224) auch die 
Helligkeit auf das universelle Bezugssystem, welches unsere 
Grrundgleichungen postulieren. Wie die Energie und die Be- 
wegungsgroße der Lichtwellen, so ist auch ihre Helligkeit und 
ihre Temperatur durch die Eigenschaften des ,y absoluten 
Strahles^' bestimmt. 

Um nun den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik für 
die Ermittelung der Beziehung zwischen Helligkeit und Tempe- 
ratur fruchtbar zu machen, müssen wir einen reversibeln, mit 
Arbeitsleistung verbundenen Vorgang angeben, bei welchem 
die Helligkeit der Strahlung verändert wird. Ein solcher Vor- 
gang ist der im vorigen Paragraphen behandelte, nämlich die 
Beflexion eines Lichtbündels durch einen bewegten voll- 
kommenen Spiegel; wir überzeugen uns unschwer davon, daß 
derselbe umkehrbar im Sinne der Thermodynamik ist. 

Wir stellen zu diesem Zwecke zwei Vorgänge einander 
gegenüber. Bei dem ersten sei S^ die absolute Strahlung, 
(Dl der kleine Öfi&iungswinkel des einfallenden monochromap 
tischen Lichtbündels, dv^ sei die Breite des Intervalles der 
Schwingungszahlen; a^ sei der Kosinus des Winkels, welchen 
die Achse des Bündels mit der Spiegelnormale einschließt. Durch 



Zweites Kapitel, Bewegte Körper. 355 

(224a) S^^S^o^dvj^ 

ist sodann die Helligkeit j^^ des einfallenden Bündels definiert. 
Bei dem ersten der betrachteten Yor^nge soll nun ßx positiv 
sein^ d. h. der Spiegel soll sicli dem einfallenden Lichte ent- 
gegen bewegen. Dabei wird von äußeren Kräften gegen den 
Strahlungsdruck eine gewisse Arbeit geleistet. Aus (216 b) 
bestimmt sich der Kosinus a^ des Reflexionswinkels; der Re- 
flexionswinkel ist kleiner als der Einfallswinkel. Nach (217) 
wird die Schwingungszahl des Lichtes bei der Reflexion ver- 
größert und gemäß (222) die absolute Strahlung im Verhältnis 
des Quadrates der Schwingungszahlen verstärkt. Da nach (221) 
der Ofl&iungswinkel des Bündels im umgekehrten Verhältnis 
des Quadrates der Schwingungszahlen verringert wird^ so ist 

(225) §p^^.^^(^)\ 

Dabei ist, wie aus (217) hervorgeht, das VerMltnis v^iv^ 
bei gegebener Bewegung des Spiegels ein konstantes, so daß 

man hat 

dp^ y, 

dPi v^ 
Demgemäß wird 

(226) I - @'. 

Die Helligkeiten der beiden Bündel verhalten 
sich wie die dritten Potenzen der Schwingungszahlen. 

Dem soeben betrachteten Vorgange, bei dem a^ der Ko- 
sinus des Reflexionswinkels war, stellen wir jetzt einen zweiten 
Vorgang gegenüber; hier soll der Einfallswinkel denjenigen 
Wert besitzen, den vorher der Reflexionswinkel besaß. Wie 
der Wert von ccg, so soUen jetzt auch die Werte von Vj, S^^ 
E^ und (Dg, die bei dem ersten Vorgange dem reflektierten 
Bündel zukamen, jetzt dem einfallenden Bündel zugeschrieben 
werden. Gleichzeitig soll die Bewegung des Spiegels in ent- 
gegengesetzter Richtung vor sich gehen, derart, daß ßx einen 
dem Betrage nach gleichen, dem Vorzeichen nach aber entgegen 

28* 



356 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

gesetzten Wert annimmt. Setzen wir dementsprechend — ßx 
an Stelle von ßx and den Index 2 an Stelle des Index 1, so 
bleibt (216 b) erfüllt, wenn a^ jetzt der Kosinus des Reflexions- 
winkels ist Wie der Reflexionswinkel des zweiten Vorganges 
gleich dem Einfallswinkel des ersten ist^ so ist nach (217) die 
kleinere Schwingnngszahl v^ jetzt diejenige des reflektierten 
Bündels. Folglich sind nach (219) die in der Sekunde um- 
gewandelten Mengen strahlender Wärme die gleichen wie 
vorher; die Umwandlung geschieht indessen in entgegen- 
gesetztem Sinne. Die gleiche Arbeit ^ die vorher gegen den 
Strahlungsdruck geleistet wurde, wird nunmehr von ihm ge- 
leistet. Im thermodynamischen Sinne gesprochen macht also 
der zweite Vorgang den ersten rück^ügig. Die Reflexion 
eines Lichtbündels durch einen bewegten voll- 
kommenen Spiegel ist ein reversibler Prozeß. 

Den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf die in der 
Sekunde umgewandelten Wärmemengen anwendend, erhalten wir 

(227) ^i(^i+Px) _ S,{a,^ß^ ^ 

Dabei sind «d*^ und ^^ die Temperaturen der beiden 
monochromatischen Lichtbündel, gemäß der thermo- 
dynamischen Definition der absoluten Temperatur. 

Aus (227) in Verbindung mit der aus dem Dopplerschen 
Prinzip und der Energie- und Impulsgleichung abgeleiteten 
Relation (219) folgt 
(227a) d^iid^^^v^iv^. 

Die Temperaturen der beiden Lichtbündel ver- 
halten sich wie ihre Schwingungszahlen. 
Hieraus und aus (226) ergibt sich 

(227 b) fli:fi2--'^i':V- 

Die Helligkeiten der beiden monochromatischen 
Bündel verhalten sich wie die dritten Potenzen der 
absoluten Temperaturen. An Stelle von (225) aber können 
wir schreiben 
(227 c) H^dv^iE^dv^:^ -Ö-i* : d'^\ 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper« 357 

Wir postulierten nnn^ daß einem jeden monocliromatisclien 
Lichtbündel eine Temperatur zugeordnet werde, welche ein- 
deutig durch seine Farbe und Helligkeit bestimmt ist. Die 
geforderte universelle Beziehung muß, wie fOr jedes Licht- 
bündel, so auch für die beiden oben betrachteten gelten. Die 
Relationen (227 a, b) schränken die Form dieser universellen 
Beziehung ein; die allgemeinste, ihnen genügende Bestimmung 
der Temperatur ist: 

(228) » = vf{§^> 

WO f eine willkürliche Funktion ist. Wir können dafür auch 
schreiben 

(228a) H^&''g(^y 

Damit haben wir das thermodynamische Gesetz 
der Wellenstrahlung erhalten. 

Die beiden Relationen (227 a) und (227 b), aus denen das 
Gesetz sich ergibt, mögen als Yerschiebungsgesetz und 
Yerstärkungsgesetz bezeichnet werden. Das Yerschiebungs- 
gesetz (227 a) ordnet bei der Yergleichung der Helligkeiten, 
die zwei verschiedenen Temperaturen entsprechen, zwei ver- 
schiedene Farben einander zu, deren Schwingungszahlen im 
Yerhaltnis der Temperaturen stehen. Das Yerstärkungsgesetz 
(227 b) besagt sodann, daß die Helligkeiten der einander so 
zugeordneten Farben sich verhalten, wie die dritten Potenzen 
der absoluten Temperaturen. Ist für eine gegebene Temperatur 
empirisch die Helligkeit in ihrer Abhängigkeit von der 
Schwingungszahl gegeben, so ist diese Abhängigkeit durch 
das thermodynamische Strahlungsgesetz (228 a) für jede andere 
Temperatur bestimmt. 

Das Yerstärkungsgesetz hat zuerst L. Boltzmann^) ab- 
geleitet, indem er einen von Bartoli angegebenen Ejreisprozeß 
verwandte und den Marwellschen Lichtdruck einführte. Er 
erhielt es nicht in der Form (227 b), sondern in derjenigen 
Form, die aus (227c) hervorgeht, wenn man zwei Lichtbündel 

1) L. Boltzmann. Ann. d. Fhys. 22, S. 291, 1884. 



358 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

betraclitet^ in denen alle Farben die gleiche Temperatur d-^ 
bzw. '9*2 besitzen. Es wird gestattet sein^ solches Licht^ in 
welchem alle Farben vertreten sind; und zwar mit der gleichen 
Temperatur y als ,, weißes Licht'^ zu bezeichnen. Vergleicht 
man die Gesamthelligkeiten zweier weißer Lichtbündel, so wird 



00 00 



(228 b) rffi di/j : rffj dv^ = ^^^ : d'^K 



Die gesamten Helligkeiten zweier Bündel weißen 
Lichtes verhalten sich wie die vierten Potenzen ihrer 
absoluten Temperaturen. Das ist das Gesetz^ welches 
zuerst von Stefan als empirisches Gesetz aufgestellt und danU; 
wie erwähnt, von Boltzmann theoretisch begründet wurde. 
Die Gleichung (227 c) übertragt das Stefan -Boltzmaunsche 
Gesetz auf zwei monochromatische Lichtbündel. 

Das Yerschiebungsgesetz wurde zuerst von W.Wien 
angegeben.^) Doch vermochte dieser Autor es nicht, den Zu- 
sammenhang desselben mit dem Dopplerschen Prinzip und dem 
Strahlungsdrucke in einwandsfreier Weise zu formulieren. Das 
gelingt in der Tat nur dann, wenn man von einer präzisen 
Losung des Problemes der Lichtreflexion durch einen bewegten 
Spiegel ausgeht. Auf dem hier verfolgten, zuerst vom Ver- 
fasser dieses Werkes eingeschlagenen Wege erhält man das 
Verschiebungsgesetz und das Verstärkungsgesetz mit einem 
Schlage; ihr Zusammenhang mit den Prinzipien der elektro- 
magnetischen Mechanik tritt bei dem gegebenen Beweise 
deutlich hervor. Wir durften uns nicht mit der Lösung des 
Beflexionsproblemes für den Fall senkrechter Inzidenz ebener 
Wellen begnügen, weil die Kenntnis des Verhältnisses der 
Offhungswinkel der beiden Lichtbündel zur Ermittelung des 
Verhältnisses der Helligkeiten erforderlich war und das Ver- 
hältnis der Öfi&Lungswinkel (221) durch Differentiation von a^ 
nach Ui erhalten wird. XTm diese Differentiation ausführen zu 



1) W. Wien. Berliner Sitzungsber. 1893, S. 66. Ann. d. Phys. 52, 
S. 132, 1894. 









Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 359 

können, muß das Beflexionsproblem für den Fall schiefer 
Inzidenz gelöst sein. 

Wie man sieht, ergibt sich das thermodynamische Gesetz 
der natürlichen Strahlung aus den allgemeinen Eigenschaften 
der elektromagnetischen Strahlung auf Grund des thermo- 
dynamischen Temperaturbegriffes. Das Gesetz ist auf jede be- 
liebige natürliche Licht- und Wärmestrahlung anzuwenden, wie 
sie auch immer entstanden sein mag. Die so bestimmte 
Temperatur der Strahlung ist aber im allgemeinen durchaus 
nicht mit der Temperatur des strahlenden Körpers identisch. 
Wir müssen die Beziehungen, die zwischen der Temperatur 
des emittierenden Körpers und der Temperatur der entsandten 
Strahlung bestehen, hier kurz erläutern, da auf ihnen die Yer- 
gleichung der strahlungstheoretischen und der gewöhnlichen 
gastheoretischen Temperaturskala beruht. 

Natürliches Licht kann auf zwei wesentlich yerschiedene 
Weisen entstehen: Durch reine Temperaturstrahlung und 
durch Luminiszenz. Die reine Temperaturstrahlung ist ein 
rein thermischer Vorgang. Die Energie der Wellen entstammt 
dem Wärmevorrat des emittierenden Körpers und ist durch 
seine Temperatur bestimmt; chemische und elektrische Yor- 
^Lnge spielen bei dieser Art der Emission nicht mit. Bei der 
Luminiszenz hingegen spielen Vorgänge nicht thermischer Natur 
mit, und demgemäß ist die entsandte Strahlung nicht aus- 
schließlich durch die Temperatur der Lichtquelle bedingt. 
Daher kann bei den Vorgängen der Luminiszenz von einer 
aUgemeingültigen Beziehung zwischen den Temperaturen der 
Lichtquelle und der Strahlung keine Bede sein. Man hat ire- 
fanden, daß zu den auf Luminiszenz beruhenden Vorgarn 
die Emission der Linienspektra gehört. Die Temperatur des 
Lichtes der Spektrallinien gestattet daher durchaus keinen 
Bückschluß auf die Temperatur des entsendenden Körpers. 

Für die reine Temperaturstrahlung lassen sich Be- 
ziehungen zur Temperatur des leuchtenden Körpers aus der 
Thermodynamik ableiten. Man denke sich einen Hohlraum, 
dessen Wände reine Temperaturstrahler sind; diese Wände 



360 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

seien auf einer gegebenen Temperatur d gehalten. Nach dem 
Clausiusschen Axiome müssen sich in diesem Systeme ^ da 
andere als rein thermische Vorgänge ausgeschlossen sind; die 
Temperaturen ausgleichen; es muß sich schließlich ein ther^ 
mischer Gleichgewichtszustand herstellen ^ bei welchem alle 
Teile des Systemes die gleiche Temperatur %• besitzen. Das 
gilt nicht nur von der Temperatur der materiellen Körper, die 
man etwa in den Hohlraum bringen mag, sondern auch von 
der Temperatur der den Hohlraum erfüllenden Strahlung selbst. 
Die Temperatur der Hohlraumstrahlung ist gleich der 
Temperatur der Wände. Ein im Innern des Hohlraumes 
befindlicher Beobachter würde von allen Seiten Licht der 
gleichen Helligkeit und der gleichen spektralen Zusammen- 
setzung empfangen. Die Helligkeit muß sich der Temperatur 
des Hohlraumes so zuordnen, wie es das thermodynamische 
Strahlungsgesetz (228 a) fordert. Die Temperatur aller Farben 
muß die gleiche sein, so daß das Licht als ;,weiß^^ in dem 
oben angegebenen Sinne zu bezeichnen ist. Könnte man sich 
in das Innere eines Hohlraumes begeben, dessen Wände so 
stark erhitzt sind, daß sie infolge ihrer Temperatur leuchten, 
so könnte man das thermodynamische Strahltingsgesetz experi- 
mentell prüfen, wenigstens in demjenigen Temperaturbereiche, 
in welchem eine auf der gastheoretischen Skala beruhende 
Temperaturmessung möglich ist. 

Da es nun aus naheUegenden Gründen unmögUch ist, 
sich in einen derartig erhitzten Hohlraum hineinzubegeben, so 
hat man einen Kunstgriff angewandt; derselbe war nicht so 
selbstverständlich, wie er uns jetzt erscheinen mag; er besteht 
darin, daß man in die Wand des Hohlraumes ein kleines Loch 
bohrt und durch dieses hineinblickt. Dieser Gedanke ist 
zuerst von L. Boltzmann^) ausgesprochen und später von 
0. Lummer und W.Wien^) durchgeführt worden. Ist die Öff- 
nung des Hohlraumes hinreichend klein, so stört sie die Her- 



1) L. Boltzmann. Ann. d. Phys. 22, S. 36, 1884. 

2) 0. Lummer nnd -W.Wien. Ann. d. Phys. 56, S. 451, 1895. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 361 

Stellung des thermischen Gleichgewichtes im Hohlräume nicht; 
die entsandte Strahlung ist dann diejenige ^^ weiße Strahlung'^; 
welche der Temperatur des Hohlraumes entspricht. Die 
experimentelle Untersuchung der Hohlraumstrahlung 
durch 0. Lummer und E. Pringsheim^) hat sowohl das 
auf die GcEiamtstrahlung bezügliche Stefan-Boltz- 
mannsche Yerstärkungsgesetz, als auch das Yer- 
Schiebungsgesetz durchaus bestätigt Von einer Be- 
stätigung kann natürlich nur so weit die Bede sein^ als die 
auf den Gasgesetzen beruhende Temperaturskala sich realisieren 
läßt. Bei Temperaturen oberhalb 1150 ^<]! stoßt die Anwendung 
der gastheoretischen Skala auf Schwierigkeiten. Hier ist diese 
Skala durch die strahlungstheoretische Temperatur- 
skala zu ersetzen^ welche sich auf das thermodynamische 
Strahlungsgesetz gründet. 

Die experimentelle Untersuchung der aus dem Hohlräume 
heraustretenden Strahlung hat nicht nur zur Bestätigung des 
thermodjnamischen Strablungsgesetzes (228 a) geführt; sondern 
auch zur Bestimmung der dort noch willkürlich gelassenen 

Funktion der Yariabeln ( — j • Die Messungen^ an denen haupt- 
sächlich 0. Lummer und E. Pringsheim; H. Rubens und F. Eurl- 
baum^ sowie F. Paschen Anteil haben, sind von M. Planck^) 
durch die Formel zur Darstellung gebracht worden: 

(229) H^^' ^ 



mit den Werten der Konstanten Je und h: 
(229 a) Ä = 1,346. 10-'*-^ 

(229 b) Ä = 6,55 • 10 - *' erg • sec. 

Die theoretische Begründung, welche Planck seiner Formel 
gegeben hat, stützt sich auf diejenigen Hypothesen über die 

1) 0. Lummer und E, Pringsheim. Ann. d. Phys. 68, S. 896, 1897. 
8, S. 169. 1900. Vgl. auch 0. Lummer, Congrös international de physique. 
IL S. 41. Paris 1900. . 

2) M. Planck. Ann. d. Phya. 4, S. 658, 1901. 



362 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vor^^nge in wägbaren Körpern. 

Wärmebewegung der Moleküle^ die in der kinetischen Oas- 
theorie ihren Ausdruck finden; sie verknüpft die universeUe 
Konstante Tc aufs engste mit der sogenannten Boltzmann- 
Drudeschen Konstanten a^ d h. der mittleren lebendigen 
Kraft eines Moleküles bei der absoluten Temperatur 1. Planck 
findet^) 

(229c) «=»!* = 2,02. 10-^«^. 

Für sehr hohe Temperaturen und sehr lange Wellen, 
d. h. für kleine v und große -O", geht (229) über in 

(229 d) H^21c^~ 

Diese Formel hat H. A. Lorentz^) gewonnen, indem er 
Yon der Elektronentheorie der Metalle (§ 32) ausging und fUr 
eine dünne Schicht eines Metalles die Emission langwelliger 
Wärmesteahlen durch die in Zickzackbahnen sich bewegenden 
Elektronen bestimmte; indem er anderseits die Absorption langer 
Wellen in der Metallschicht aus der elektrischen Leitfähigkeit 
berechnete, was nach den Ergebnissen von E. Hagen und H. Ru- 
bens (ygL I, § 71) gestattet ist, konnte er den Quotienten aus 
Emissionsyermögen und Absorptionsyermögen ermitteln, der nach 
dem Kirchhoffschen Gesetze für alle reinen Temperaturstrahler 
den gleichen Wert besitzt und eben durch die Helligkeit H be- 
stimmt ist (ygl. unten). Bei der Lorentzschen Ableitung hat also a 
direkt die Bedeutung der mittleren lebendigen Kraft eines freien 
Elektrons im Metalle. Mit der Boltzmann-Drudeschen Konstanten 
ist der Wert der Masse eines Wasserstoffatomes eng yerknüpft, 
und dieser wieder hängt mit dem elektrischen Elementar- 
quantum zusammen (ygL § 1). So kann denn aus der Kon- 
stante lo der Strahlungsformel der Wert des elektrischen 
Elementarquantums ermittelt werden. Es ergibt sich nach 
Planck 



1) M. Planck. Ann. d. Phys. 4, 664, 1901. 

2) H.A.Lorentz. Akad. yanWetenscb. de Amsterdam 11. 1903, S. 787. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 363 

(230) 6 = 4,69. 10"'' 

elektrostatische Einheiten, was nicht so sehr von dem in § 1 
angegebenen, auf ganz TerschiedenemWege gefnndenen Werte (2) 
abweicht. 

Wie TCy so muß aach die Eonstante h der Strahlnngsformel 
eine universelle Bedeutung haben; da die einzige elektro- 
magnetische Eonstante des Äthers die Lichtgeschwindigkeit e 
ist, so muß es sich um eine Eonstante handeln, welche von 
den Eigenschaften der ponderablen Materie oder der Elektronen 
abhängt; es muß aber eine von den individuellen Eigenschaften 
des Eörpers unabhängige Gh*dße sein. 

Wie man sieht, dringt das vollständige Strahlungsgesetz 
(229) tief in die molekidaren Eigenschaften der Materie ein. 
Sein Beweis beruht auf Voraussetzungen, deren Darlegung 
uns hier zu weit ftihren würde. Wir wollen nur noch in 
Eürze das Eirchhoffsche Oesetz formulieren, welches für die 
Emission und Absorption der reinen Temperaturstrahler gilt 

Bildet der Eorper, um den es sich handelt, einen Teil 
der Wand eines Hohlraumes, so sendet er einer im Innern be- 
findlichen Fläche diejenige Strahlung zu, die sich aus seiner 
Temperatur gemäß dem Strahlungsgesetze (229) berechnet. 
Diese Strahlung dringt aber nur zum Teil aus dem Innern 
des Eörpers hervor, zum anderen Teil ist es reflektierte Strah- 
lung. Leuchtet der Eorper nur mit eigenem Lichte, ohne daß 
Licht aus anderen Lichtquellen auf ihn fällt, so ist seine 
Emission eine geringere. Auf diese Eigenstrahlung bezieht 
sich nun das Eirchhoffsche Oesetz. Ein kleines ebenes Flächen- 
stück fy der Oberfläche des Eörpers sendet einem Punkte P des 
Raumes Eigenstrahlung der Schwingungszahl v in der Hellig- 
keit W zu. Anderseits wird von der Energie einer Lichtwelle der 
gleichen Schwingungszahl, die von P aus nach f^ geht, durch 
den Eorper bei der betreffenden Temperatur der Bruchteil A 
absorbiert. Wir können dann das Eirchhoffsche Oesetz 
folgendermaßen aussprechen: Der Quotient aus Hellig- 
keit W und Absorptionsvermögen A für Strahlen be- 



364 Zweiter AbschniU. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

stimmter Farbe and Richtung hat für alle Temperatur- 
strahler bei gegebener Temperatur den gleichen Wert 

(231) H'iÄ^H. 

Er ist gleich der Helligkeit weißer Strahlung von der 
betreffenden Temperatur. 

0« Kirchhoff hat sein Gesetz etwas anders formuliert^ 
indem er unter ,^ Emissionsvermögen^ diejenige Strahlung ver- 
steht^ welche die Fläche f^ einer anderen ^2 zusendet^ und die 
Strahlung nicht nach der Skala der Schwingungszahlen^ sondern 
nach derjenigen der Wellenlangen zerlegt denkt. Auch unter- 
scheidet er neben der Farbe und Richtung die Polarisations- 
richtung; wovon wir hier abgesehen haben. Der E[irchhoffsche 
Beweis ist ein recht umständlicher. Einen übersichtlichen 
Beweis des Gesetzes findet man bei E. Pringsheim.^) Dieser 
Forscher faßt das Kirchhoffsche Gesetz als Bedingung dafür 
auf; daß jeder nur infolge seiner Temperatur leuchtende Körper^ 
in die Wand eines Hohlraumes eingefügt; in der Helligkeit 
des weißen Lichtes leuchtet; indem zu der Eigenstrahlung 
gerade so viel reflektierte (oder geborgte) Strahlung kommt; 
daß H' zu H ergänzt wird. Hier wird also der Satz von der 
Hohlraumstrahlung zum Fundament der Strahlungstheorie ge- 
macht; während Kirchhoff diesen Satz aus seinem auf anderem 
Wege bewiesenen Gesetze herleitet. 

Die Gültigkeit des Kirchhoffschen Gesetzes ist; wie hervor- 
gehoben wurde, auf die Vorgänge der reinen Temperatur- 
strahlung beschränkt. LuminiszenzerscheinungeU; wie Fluores- 
zenz und Phosphoreszenz fallen nicht in seinen Gültigkeits- 
bereich. Würde man luminiszierende Körper in den Hohlraum 
bringen; so würden die chemischen oder elektrischen Prozesse; 
welche die Emission begleiten; imstande seiu; die Herstellung 
des Temperaturgleichgewichtes zu verhindern. Daher ist auch 
die Anwendung auf die Spektrallinien ; in der man früher die 
wesentliche Bedeutung des Kirchhoffschen Gesetzes meinte er- 

1) E. Pringsheim. Verh. der deutschen phyeik. Gesellschaft 8, 
S. 81, 1901. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 365 

blicken zu sollen^ nicht berechtigt. Die dort festgestellten 
Beziehungen zwischen Emission und Absorption beruhen, wie 
wir erwähnten^ nicht auf den Gesetzen der Thermodynamik^ 
sondern auf den allgemeinen Prinzipien der Schwingungslehre. 

Die festen Körper sind meist reine Temperaturstrahler. 
Da die neuere Forschung das vollständige Strahlungsgesetz 
kennen gelehrt hat^ so kennen wir H, Wir sind also imstande, 
aus der beobachteten Helligkeit der Eigenstrahlung das Ab- 
sorptionsvermögen; und umgekehrt aus dem bekannten Ab- 
sorptionsvermögen die Helligkeit der Eigenstrahlung auf Ghnind 
des Eirchhoffschen Gesetzes zu berechnen. 

Da, allgemein zu reden, das Absorptionsvermögen eines 
Körpers ein echter Bruch ist, so ist 

Es ist die Helligkeit des Lichtes, welches ein Körper ge- 
gebener Temperatur %' entsendet, kleiner als die Helligkeit 
weißen Lichtes der gleichen Temperatur %', Ordnen wir der 
Helligkeit W des vom Körper entsandten Lichtes die Tempe- 
ratur -d*' durch die Strahlungsformel (229) zu, so ergibt sich 

Die Temperatur der entsandten Strahlung ist ge- 
ringer als die Temperatur des entsendenden Körpers. 
Das gilt im allgemeinen, wenn es sich um reine Temperatur- 
strahlung handelt. Da nun der Vorgang der Emission durch 
einen ruhenden Körper ohne Arbeitsleistung verlauft, so folgt 
aus der Thermodynamik: Die Emission des Lichtes ist 
ein irreversibler Prozeß, 

Eine Ausnahme findet nur statt, wenn A^\ ist. Das 
würde bedeuten, daß der Körper im auffallenden Lichte schwarz 
erscheint, indem er alles Licht verschluckt. Aus (231) folgt: 
Ein im auffallenden Lichte schwarzer Körper sendet 
weißes Eigenlicht aus, dessen Helligkeit der Temperatur 
des Körpers entspricht. Man hat daher diejenige Strahlung, 
die wir „weiße" genannt haben, auch als „Strahlung des voll- 
kommen schwarzen Körpers" bezeichnet, und hat die universelle 



366 Zweiter Absclmitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Strahlnngsformel durch Beobachtung der Eigenstrahlung 
möglichst ;y schwarzer ^^ Körper zu bestimmen gesucht. Doch 
ist die Idealisierung des schwarzen Körpers auf diese Weise 
nicht möglich gewesen. Die „schwarze^^ oder „weiße" Strah- 
lui^ ist erst durch Konstruktion des Hohlraumes verwirklicht 
worden. Die Emission des Lichtes durch einen Hohl- 
räum; die ja als besonderer Fall der Lichtfortpflanzung im 
Räume aufgefaßt werden kann^ ist ein reversibler Prozeß. 
Denn die strahlende Wärme behält hier ihre Temperatur hei» 

§ 42. Die Lichtzeit in einem gleichfönnig bewegten System. 

Wir hatten in § 39 die Aberration des Fixstemlichtes 
erklärt; indem wir zeigten, daß nach der Lorentzschen Theorie 
die Richtung des von einem mit der Geschwindigkeit Hl be- 
wegten Beobachter wahrgenommenen relativen Strahles durch 
den Vektor bestimmt ist (Gleichung 209) 

(232) c'=C~H>/ 

d. h. durch den Vektor der Relativgeschwindigkeit von Licht 
und Beobachter, unter Hl war dabei die Geschwindigkeit der 
Erde zu verstehen. Berücksichtigt man nur die IJmlaufs- 
bewegung um die Sonne, indem man eine gemeinsame Be- 
wegung des gesamten Sonnensystemes zunächst außer acht 
läßt, so ist Iml nahezu konstant; es ist 



(232a) ^ = 1^ = 10 *. 

Welchen Einfluß hat nun die Erdbewegung auf dasjenige 
Licht, welches von irdischen Lichtquellen entsandt wird? Läßt 
sich nicht durch Beobachtung dieses Lichtes, also durch 
optische Versuche im Laboratorium, die Bewegung der Erde 
feststellen? Diese Frage fährt uns dazu, die Lichtfortpflanzung 
in einem gleichförmig bewegten Systeme zu behandeln. 

Die Richtung des absoluten, zur Zeit t in einem Auf- 
punkte P eintreffenden Strahles ist durch den Radiusvektor t 
bestimmt (Abb. 2 S. 87), der vom Orte E^ des Entsendens aus nach 
dem Au^unkte hin gezogen ist. In E' befand sich die Licht- 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 367 

quelle zu einer um die Latenszeit r»— zurückliegenden Zeit 
t — X, Zur Zeit ty wo das Licht in P anlangt; befindet sich 
die Lichtquelle im Punkte JE?; sie hat die Strecke Hl • — zurück- 
gelegt. Der nach dem Aufyunkte P hin von dem gleich- 
zeitigen Orte der Lichtquelle aus gezogene Fahrstrahl EP 
mag jetzt mit t' (statt mit W) bezeichnet werden. Es ist 

(232 b) t' = t-H>-^. 

Da r die absolute Strahlrichtung anzeigt^ so ist 

r c 
es folgt mithin aus (232) und (232 b) 

(232c) ^^Lz}!L^!:., 

^ ^ r c c 

Es wird demnach die Richtung des relativen Strahle» 
durch den von der gleichzeitigen Lage der Lichtquelle aus 
gezogenen Fahrstrahl angezeigt, d. h. in einem gleichförmig 
bewegten Systeme sieht man die Lichtquelle dort, wo 
sie sich gerade befindet. Die gemeinsame Bewegung von 
Lichtquelle und Beobachter ist demnach durch Beobachtung 
der Strahlrichtung durchaus nicht festzustellen. 

Ahnlich wie mit der Sichtung verhalt es sich mit der 
Farbe des Lichtes. Hatten wir doch bereits in § 14 gezeigt^ 
daß bei einer gemeinsamen gleichförmigen Translation der 
Lichtquelle und des Beobachters die Dopplersche Korrektion 
fortfällt. Die Schwingungen irdischer Lichtquellen 
werden von einem mit der Erde bewegten Beobachter 
richtig gezählt. Auf die wahrgenommene Farbe ist demnach 
die Erdbewegung gleichfalls ohne Einfluß. 

Dagegen sollte man vermuten ^ daß die Erdbewegung durch 
Messung der Lichtzeit sich feststellen ließe. Denn die seit 
dem Augenblicke des Entsendens verstrichene Zeit ist konstant 
auf Kugeln, die um den Ort E' des Entsenders (Abb. 2) ge- 
zogen sind. Der gleichzeitige Ort E der Lichtquelle liegt 



368 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

exzentrisch zu diesen Wellenflächen. Es maß demnach die 
Latenszeit eine andere in dem bewegten Systeme sein als in 
dem ruhenden, und es fragt sich^ ob nicht hier die Beobachtung 
einsetzen und einen wahrnehmbaren Einfluß der Erdbewegung 
feststellen könnte. Diese Frage bedarf der genaueren Unter- 
suchung. 

Aus dem Dreieck der Vektoren t, r' und In • — folgt 

r^=:.r'^+ r^ß^+ 2r'r/J cos ^, 
oder 

r^ 7c* — 2r r'ß cos ^ « r'^, x* =- 1 — ß\ 

Die Auflösung dieser quadratischen Gleichung ergibt als 
Wert des (stets positiven) r 

(233) r = x^^r'ß cos t + l/r'*x*+ r'*/J* cos»^}- 

Wir führen an Stelle des Fahrstrahles t' mit den Kom- 
ponenten 

0:;' = r' cos 1/;, y\ 0' 

den Vektor Xq ein, mit den Komponenten 
(233a) ^o=J' yo = y'? ^0=^'- 

Diesen Zusammenhang zwischen dem Fahrstrahl t' im 
bewegten Systeme 2' und dem eingeführten Hilfsvektor Xq 
wollen wir symbolisch darstellen durch 

(234) t'=(x,l,l)to. 

Deutet man Xq y^ z^ als Koordinaten eines Systemes Sq, so 
entsteht dieses System aus dem betrachteten bewegten Systeme 2?' 
durch eine Streckung parallel der Bewegungsrichtung im Ver- 
hältnis x""^. Die Einführung eines solchen ruhenden Hilfs- 
systemes hat uns schon früher (§ 18 S. 163, Gleichung 105), 
bei der Behandlung der gleichförmigen Translation elektrischer 
Ladungen, gute Dienste geleistet. 

Jetzt können wir (233) schreiben 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 369 

Division durch c ergibt für die Lichtzeit r die Gleichung 

(235) 3eT = ro+^. 

Dabei ist Ta = — die Lichtzeit in dem ruhenden Hilfs- 

*' c 

Systeme 2Jq, aus welchem das bewegte System durch eine 
Kontraktion parallel der Bewegungsrichtung^ im Verhältnis x, 
hervorgeht. 

Wir wollen zunächst nur Größen erster Ordnung in ß 
berücksichtigen, Größen der Ordnung ß^ jedoch streichen. Be- 
gnügen wir uns mit dieser Annäherung, so haben wir x durch 1 
zu ersetzen. Es wird dann das System 2Jq identisch mit 2J\ 
Wir können daher (235) schreiben 

(235a) t = t'+^. 

Dabei ist x' die Lichtzeit, die in dem ruhenden Systeme 
zur Durchlaufung einer gewissen Strecke erforderlich ist. Wird 
nun das System in Bewegung gesetzt und die gleiche Strecke 
im relativen Strahlengang im System durchlaufen, so entspricht 
dem zugehörigen absoluten Strahlengang im Baume die Licht- 
zeit r. Wie wir sehen, ist t größer oder kleiner als t', je 
nachdem der relative Strahl einen spitzen oder stumpfen Winkel 
mit der Bewegungsrichtung einschließt. Die Differenz der Licht- 
zeiten im bewegten und im ruhenden Systeme ist von der 
ersten Ordnung in ß] man sollte meinen, daß sie der Messung 
zugänglich wäre. Sie wäre es auch, wenn es möglich wäre, 
die an zwei verschiedenen Punkten des bewegten Systemes ge- 
messenen Zeiten mit beliebiger Genauigkeit aufeinander zu be- 
ziehen; das ist indessen nicht möglich. 

Am genauesten ist die Zeit durch optische oder elektrische 
Signale festzulegen. Wir denken uns ein ruhendes System; 
einen Punkt desselben wählen wir als Bezugspunkt. Li dem 
Momente, den wir als Anfang der Zeitrechnung festlegen, geben 
wir von aus ein Lichtzeichen. Ein in P befindlicher Be- 
obachter wird zur Zeit des Eintreffens des Signales die Zeit t 
notieren, die sich als Quotient aus dem Lichtwege OP und 

Abraham, Theorie der Elektrizität IL 24 



370 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

der universellen Eonstanten c der Gh-ondgleichungen berechnet. 
Zwei in und P befindliche Beobachter können so durch 
Lichtzeichen ; oder allgemeiner durch elektrische Zeichen^ ihre 
Chronometer vergleichen. Diese Vergleichung beruht auf der 
Isotropie der Lichtfortpflanzung, welche ftir ein ruhendes 
System von unseren Grundgleichungen gefordert wird. Die 
Zeit t, die an so verglichenen und gleichlaufenden Uhren ab- 
gelesen wird^ ist es, die in den Grundgleichungen auftritt. 
Ihre Definition setzt die Existenz eines absolut ruhenden 
Bezugssystemes voraus. 

Nun beziehen sich aber unsere Zeitmessungen in Wirklich- 
keit auf ein bewegtes System, in welchem die Lichtfortpflanzung 
nicht mehr nach allen Richtungen mit derselben Geschwindig- 
keit vor sich geht. Dennoch wollen wir uns die Vergleichung 
der in und P befindlichen Chronometer in der oben an- 
gegebenen Weise ausgeführt denken, indem wir die Bewegung 
des Systemes unberücksichtigt lassen und so verfahren, als ob 
die relative Geschwindigkeit des Lichtes auch jetzt noch un- 
abhängig von der Richtung^ und zwar gleich c, wäre. Die so 
für die Punkte des gleichförmig bewegten Systemes festgelegte 
Zeit t' wollen wir mit H. A. Lorentz die „Ortszeit^' des be- 
treffenden Punktes nennen. Offenbar besteht zwischen der Orts- 
zeit f und der allgemeinen Zeit t eben diejenige Beziehung, 
die oben für r' und t abgeleitet wurde, 

(236) t = f + ^' 

Kontrollieren wir die Chronometer, indem wir ein Licht- 
zeichen umgekehrt von P nach übermitteln und den im 
relativen Strahlengange zurückgelegten Lichtweg in Rechnung 
ziehen, so finden wir ihre Angaben bestätigt. Die Gang- 
differenz (- — j zweier die allgemeine Zeit t und die Ortszeit t' 

anzeigender Uhren, die in P stattfindet, verschwindet nämlich 
wieder, wenn man zu zurückkehrt. Die Differenz zwischen Orts- 
zeit und allgemeiner Zeit ist eben nur eine Funktion des Ortes im 
gleichförmig bewegten Systeme; sie verschwindet daher beim 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 371 

Durchlaufen eines im bewegten System gescMossenen Weges. 
Gibt man die Lichtzeichen nicht direkt von nach P, sondern 
schaltet eine Beihe von Zwischenstationen ein^ so gelangt man 
zu demselben Werte der Ortszeit; es kommt nur die Differenz 
der parallel der Bewegungsrichtung des Systemes gemessenen 
Koordinaten von Endpunkt und Anfangspunkt des im relativen 
Strahlengang durchlaufenen Lichtweges in Frage; diese gibt; 

mit (— j multipliziert, die Abweichung der Ortszeit von der 

allgemeinen Zeit an. 

Aus der Definition der Ortszeit fließt nun die selbst- 
verständliche Folgerung: Die zur Durchlaufung einer ge- 
gebenen Strecke t' im bewegten System erforderliche 
Lichtzeit ist von der Geschwindigkeit des Systemes 
unabhängig (was Größen erster Ordnung in ß anbelangt); 
wenn sie durch die Differenz der Ortszeiten gemessen 
wird; die dem Entsenden und dem Eintreffen des 
Lichtes entsprechen. Die so gemessene Lichtzeit ist eben 
nicht T; sondern t'; r' jedoch ist der durch c geteilte im 
relativen Strahlengange durchlaufene Lichtweg. Dieser Licht- 
weg ist für eine Strecke von gegebener Länge von deren 
Orientierung gegen die Bewegungsrichtung des Systemes un- 
abhängig. 

Wir sind jetzt in der Lage, zu beurteilen; inwieweit die 
Beobachtung den Einfluß der Erdbewegung auf die Lichtzeit 
feststellen könnte. Wird die Lichtzeit mit HiKe von rotierenden 
Spiegeln; Zahnrädern oder dergleichen gemessen; so kommt 
es darauf aU; durch welche Mittel die Stellung derselben regu- 
liert wird. Wird sie durch optische oder elektromagnetische 
Mittel reguliert; so kommt das auf dasselbe herauS; als wenn 
die Zeitmessung nach Ortszeit geschieht. Alsdann fSUt jeder 
Einfluß der Erdbewegung fort, es ergibt sich dieselbe Licht- 
zeit; ob nun der Strahl parallel oder entgegen der Bewegungs- 
richtung der Erde sich fortpflanzt. Um den Einfluß der Erd- 
bewegung festzustellen; bedarf es einer nicht elektromagne- 
tischen Kontrolle der Apparate. Dabei müßte die Stellung der 

24* 



372 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

rotierenden Spiegel oder Zahnräder so genau reguliert sein, 

daß Abweichungen in ihrer Stellung^ wie sie in der Zeit — 

Yorkommen^ mit Sicherheit vermieden sind; diese Zeit ist aber 
höchstens gleich dem Bruchteil 10" der Lichtzeit. Eine so 
genaue mechanische Eontrolle des Ganges der Apparate dürfte 
kaum durchfiihrbar sein. Steht man auf dem Standpunkte der 
elektromagnetischen Weltanschauung, welche die mechanischen 
Kräfte auf elektromagnetische zurückzufuhren strebt, so würde 
man auch eine solche mechanische Regulierung als eine Begulie- 
rung nach Ortszeit anzusehen haben; man müßte dann erwarten, 
daß der Versuch, den Einfluß der Erdbewegung auf die Lichte 
zeit zu entdecken, unter allen Umstanden ein negatives Er- 
gebnis hätte. 

Wir haben uns hier darauf beschränkt, die Fortpflanzung 
des Lichtes im leeren Baume zu behandeln, von der Mit- 
wirkung dielektrischer Körper haben wir abgeseben. Das er- 
haltene Ergebnis jedoch gilt auch in allgemeineren Fällen, wie 
von H. A. Lorentz auf Gh:iind der Feldgleichungen des § 36 
bewiesen worden ist^); beschränkt man sich auf Größen erster 
Ordnung in ß und auf unmagnetisierbare Nichtleiter, so gilt 
folgender Satz: DieVektoren C und^' hängen im gleich- 
förmig bewegten Systeme in derselben Weise von der 
Ortszeit t' und den relativen Koordinaten (x* y' e') ab, 
wie im ruhenden Systeme (B und^ von der allgemeinen 
Zeit t und den Koordinaten (xyz) abhängen. In der- 
selben Weise entsprechen einander die von der Verschiebung 
der Folarisationselektronen herrührenden elektrischen Momente ^ 
im bewegten und im ruhenden System. Dabei ist angenommen, 
daß die quasielastischen Kräfte, welche die Elektronen in die 
Gleichgewichtslage ziehen, keine Änderung erster Ordnung 
durch die Bewegung erfahren; von der elektromagnetischen 
Masse, die bei dispergierenden Körpern ins Spiel kommt, folgt 
dies aus unseren früheren Entwickelungen. Das Fehlen eines 

1) H. A. Lorentz. Versncli einer Theorie der elektrischen nnd optischen 
Erscheinnngen in bewegten Körpern. Leiden 1896. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 373 

bemerkbaren Eiuflasses erster Ordnung der Erdbewegung auf 
das Yon irdischen Lichtquellen herrührende Licht ist auch bei 
Mitwirkung wägbarer durchsichtiger Körper mit der Elektronen- 
theorie sehr wohl vereinbar. Es erklärt sich ebenso wie das 
negative Ergebnis zahlreicher auf die Entdeckung eines Ein- 
flusses der Erdbewegung hinzielender rein elektromagnetischer 
Versuche auf Ghrund dieser Theorie, ohne daß es notwendig 
wäre, zu neuen Hypothesen seine Zuflucht zu nehmen. 

§ 43. Der Versucli von Miohelson. 

Wir wollen uns jetzt nicht mehr auf Größen erster Ordnung 
in ß beschränken ; sondern den exakten Ausdruck (235) der 
Lichtzeit t zugrunde legen. Es stellt dabei Tq die Lichtzeit 
in dem ruhenden Hilfssystem 2q vor, das aus dem bewegten 
System 27' durch eine Streckung parallel der Bewegungs- 
richtung, im Verhältnis x""\ entstanden ist. Zwei Fahr- 
strahlen t' in 27' bzw. to in 2q sind durch (234) aufeinander 
bezogen. 

Es werde nun der Fahrstrahl t' des bewegten Systemes 
im relativen Strahlengange zweimal durchlaufen, einmal in 
hinläuflgem, das andere Mal in rückläufigem Sinne. Es seien 
T_^ und T__ die entsprechenden Lichtzeiten. Nach (235) ist 
dann 
(237) T^+T_= 2x-i.ro 

die gesamte, für den Hinweg und Rückweg erforder- 
liche Lichtzeit. 

Der gesamte, im absoluten Strahlengang zurückgelegte 
Lichtweg ist 

(237a) Z = 2x""'.ro=3c"'Zo- 

Wir denken uns nun in 2' diejenigen Punkte P, die auf einer 
um als Mittelpunkt geschlagenen Kugel vom Radius r' liegen. 
Würde das System ruhen, so wäre der gesamte Lichtweg OP für 
alle diese Punkte P der gleiche, nämlich 2r'. Die Bewegung 
des Systemes bringt es nun, wie Gleichung (237 a) besagt, mit 



374 Zweiter AbBclinitt. Elektromagnet. Vorzüge in wägbaren Körpern. 

sich^ daß der Lichtweg l ein anderer ist, je nach dem Winkel, 
den der relative Strahl OP mit der Richtung der Bewegung 
einschließt. Denn einer Engel in 27' entspricht in Uq ein 
parallel der rr -Achse im Verhältnis se" gestrecktes Rotations- 
ellipsoid; derjenige Radiusvektor Tq dieses Rotationsellipsoides^ 
welcher dem betreffenden Fahrstrahl OP entspricht^ ist nach 
(237 a) für die Länge des absoluten Lichtweges maßgebend. 
Vergleicht man insbesondere zwei Fahrstrahlen gleicher Länge 
in U^y von denen der erste parallel, der zweite senkrecht zur 
Bewegungsrichtung weist, so verhalten sich die entsprechenden 
Radienvektoren in 21 q nach (234) wie x"" :1; in demselben 
Verhältnis müssen nach (237 a) die Längen der beiden, im 
absoluten Strahlengange durchlaufenen Lichtwege stehen. Die 
Differenz z/Z derselben ist demnach 

(237b) z/Z - (x"'- 1) Z - 1(1 - ß^r^- l) Z ^^ß% 

wenn Größen vierter und höherer Ordnung in ß gestrichen 
werden. 

Auf die Entdeckung dieser zuerst von Maxwell aus der 
Annahme ruhenden Äthers abgeleiteten Differenz der Lichte 
wege, welche zwei parallel bzw. senkrecht zur Erdbewegung 
gerichteten relativen Strahlen entsprechen, zielte der Versuch 
von A. Michelson^) hin. Es wurden zwei Lichtstrahlen zur 
Interferenz gebracht, welche, von derselben Lichtquelle aus- 
gehend, längs zweier zueinander senkrechter Arme OP und Q 
sich fortgepflanzt hatten und dort durch Spiegel zurück- 
reflektiert waren. Indem jedes Lichtbündel mehrmals hin und 
her reflektiert wurde, konnte die Länge Z des Lichtweges auf 
22 m gebracht werden. Es wurde nun zuerst der Arm OP 
in Richtung der Erdbewegung gestellt und dann durch Drehung 
des Apparates um einen rechten Winkel der Arm Q in diese 
Lage gebracht. Dabei wäre eine Verschiebung der Interferenz- 

1) A. Michelson. American Journal of Science (3) 22, S. 120, 1881. 
Micbelson nnd Morley. American Journal of Science (3) 34, S. 333, 1887. 
Phil. Mag. (6) 24, S. 449, 1887. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 375 

streifen zu erwarten gewesen. In Bruchteilen der Wellen- 
länge des verwandten Natriumlichtes gemessen^ betragt die 
für die Verscliiebung maßgebende doppelte Differenz der beiden 
Lichtwege 

(237c) l^^ßJl^ iJZl:^^^ = 0,37. 

Die erhaltenen Verschiebungen der Interferenzstreifen aber 
waren kleiner als 0^02 des Streifenabstandes. 

Das negative Ergebnis des Michelsonschen Interferenz- 
yersuches spricht gegen die Annahme ruhenden Äthers , mithin 
auch gegen die Lorentzsche Theorie; falls die bei der Ab- 
leitung von (237 b) stillschweigend gemachte Voraussetzung 
zutrifft; daß die Abmessungen der festen Körper auf der be- 
wegten Erde die gleichen sind; die sie auf der ruhenden Erde 
wären. Läßt man die Möglichkeit einer Dimensionsänderung 
infolge der Erdbewegung zU; so sind die Betrachtungen ent- 
sprechend abzuändern. In der Tat haben Fitzgerald und 
H. A. Lorentz das negative Ergebnis des Michelsonschen Ver- 
suches erklärt; indem sie zur Hypothese der Kontraktion 
der Materie infolge der Erdbewegung ihre Zuflucht 
nahmen: Es sollen die Körper infolge der Erdbewegung eine 
Kontraktion im Verhältnis x parallel der Bewegungsrichtung 
erfahren; derart; daß die Punkte; die auf der ruhenden Erde 
auf einer Kugel liegen würden; auf der bewegten Erde auf 
einem Heaviside-EUipsoid liegen. 

Betrachtet man in dem gleichförmig bewegten Systeme 2/' 
die Punkte P, die auf einem Heaviside-Ellipsoide um liegen; 
und vergleicht die Lichtwege ; welche nach (237 a) dem rela- 
tiven Strahlengang OPO entsprechen; so findet maU; daß sie 
alle den gleichen Wert haben. Denn geht man hier in der 
durch (234) angezeigten Weise zu dem ruhenden Hilfssysteme 270 
über, so stellt sich herauS; daß dem Heaviside-Ellipsoide in 
2?' eine Kugel in II ^ entspricht; daß demnach allen Radien- 
vektoren OP des Heaviside-Ellipsoides derselbe Wert von Tq 
und folglich; nach (237 a); derselbe absolute Lichtweg zukommt. 



376 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Nach der Fitzgerald -Lorentzscheu Hypothese ist demnach ein 
positives Ergebnis des Interferenzversuches ausgeschlossen; nicht 
nur, was Größen zweiter Ordnung, sondern auch, was Gh*ößen 
beliebiger Ordnung anbelangt. Wird der Arm OQ statt OP 
beim Michelsonschen Versuch der Richtung der Erdbewegung 
parallel gestellt, so wird OQ im Verhältnis x verkürzt, OP 
im Verhältnis x~^ verlängert und die hierdurch bedingte Ver- 
änderung der Lichtwege kompensiert gerade die infolge der 
Bewegung der Erde stattfindende, so daß keine Verschiebung 
der Interferenzstreifen zu erwarten ist. 

Man könnte nun einwenden, daß die Dimensionsänderungen 
fester Körper, wenn sie auch sehr klein sind, der Messung 
zuzüglich sein müßten. Das wäre aber nur dann möglich, 
wenn man die Abmessungen der Körper durch „absolut 
ruhende ^^ Maßstäbe messen könnte. Wir sind aber auf solche 
Maßstäbe angewiesen, die sich mit der Erde bewegen; diese 
erfahren nach der Kontraktionshypothese bei der Bewegung 
der Erde dieselbe Längenänderung, wie die zu messenden 
Körper; eine Kugel des irdischen Maßstabes ist der Kon- 
traktionshypothese zufolge ein Heaviside-Ellipsoid des „absolut 
ruhenden ^^ Maßstabes. Mit irdischen Maßstäben kann man 
diese Behauptung weder bestätigen noch widerlegen. Auch 
wenn man zur Längenmessung optische Methoden verwendet, 
ist es selbstverständlich unmöglich, die behauptete Kontraktion 
der Materie festzustellen. Man würde dann die Länge eines 
Stabes durch den Lichtweg messen, während beim Michelson- 
schen Versuch der Lichtweg durch die Länge eines festen 
Stabes gemessen wird. Der Einfluß der Erdbewegung auf 
Lichtweg einerseits und Länge des Stabes anderseits kompen- 
siert sich aber gerade so, daß sie auf der bewegten Erde gleich 
erscheinen, wenn sie auf der ruhenden gleich wären; eine 
optische oder elektrische Messung kann also niemals die be- 
hauptete Anisotropie der Körper auf der bewegten Erde fest- 
stellen. 

Ein Einfluß der Erdbewegung bleibt jedoch nach (237 a) 
bestehen. Während in dem ruhenden Systeme 2Jq, in welches 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 377 

die Erde^ zur Ruhe gebracht^ übergehen würde^ der Lichtweg 
OPO gleich Iq wäre, ist der wahre Lichtweg auf der be- 
wegten Erde im VerMltnis x~"^ vergrößert. Da nun unsere 
Zeiteinheit unabhängig von optischen Messungen festgelegt ist, 
60 muß die Lichtgeschwindigkeit, gemessen auf der bewegten 
Erde, im Verhältnis x^^ größer sein als die Lichtgeschwindig- 
keit, gemessen in einem absolut ruhenden Systeme; letztere 
ist identisch mit der Eonstante e der Grrundgleichungen. Es 
müßte demnach die universelle Eonstante c im Verhältnis x 
kleiner sein als die durch irdische Messungen bestimmte Licht- 
geschwindigkeit. Die Abweichung beträgt allerdings nur 

c • -r- /ä* =* 1;5 Dl pro Sekunde, sie liegt also durchaus innerhalb 

der Ghrenzen der Beobachtungsfehler. 

Der soeben erörterte Umstaad Kßt es als zweckmäßig er- 
scheinen, bei der Abbildung des bewegten Systemes 27' auf 
das ruhende Hilfssystem Uq gleichzeitig eine neue Zeiteinheit 
zugrunde zu legen. In der Tat ist die „Ortszeit^^ ^0 bei 
Berücksichtigung von Größen zweiter und höherer Ordnung 
in /3 zu definieren durch 

(238) ^t = t,+ ^-^- 

Wird ß* gestrichen, so geht die so definierte Ortszeit t^ 
in die im vorigen Paragraphen eingeführte f über (Gleichung 
236). Wie die in Strenge gültige Gleichung (235) lehrt, ist 
die durch die Differenz der Ortszeiten t^ gemessene Lichtzeit 
im bewegten System 2' für jeden, im relativen Strahlengang 
durchlaufenen Weg t' die gleiche wie für den entsprechenden 
Lichtweg Xq des ruhenden Hilfssystemes 2^. Trifft die Be- 
hauptung der Eontraktionshypothese zu, daß ein ruhendes 
System 2^, in Bewegung gesetzt, in das durch 

(239) r'-(x,l,l)ro 

dargestellte System -S' übergeht, so ist jeder Einfluß der Erd- 
bewegung auf die Lichtzeit ausgeschlossen (auch ein Einfluß 
zweiter und höherer Ordnung), falls die zur Messung ver- 
wandten Apparate optisch oder elektrisch reguliert werden. 



378 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Die zur Erklarnng des Michelsonschen Versuches ein- 
geführte Kontraktionshypothese erscheint zunächst bedenklich. 
H. A. Lorentz hat indessen versucht^ sie plausibel zu machen^ 
indem er von der Vorstellung ausging, daß die Molekular- 
krafte^ welche die Form fester Körper bestimmen^ elektrischer 
Natur sind. An jedem Moleküle des ruhenden Korpers halten 
sich^ dieser Vorstellung zufolge^ die von den übrigen Molekülen 
herrührenden elektrostatischen Kräfte das Gleichgewicht. Wird 
nun der Körper in eine gleichförmige Transktionsbewegung 
versetzt^ so werden die Molekularkräffce abgeändert, indem zu 
dem elektrischen Felde ein magnetisches tritt. Wie in § 18 
dargelegt wurde, entspricht dem Gleichgewichte der elektro- 
statischen EJräfte (Sq im ruhenden Systeme 2^ ein Gleich- 
gewicht der elektromagnetischen Kräfte ^ (hierfür ist jetzt iS' 
zu schreiben) in einem bewegten Systeme, welches aus 2, 
durch eine Kontraktion im Verhältnis x parallel der Be- 
wegungsrichtung hervorgeht. Dieses bewegte System ist nach 
(239) kein anderes^ als das von der Kontraktionshypothese 
angenommene System 2]\ In 2' würde also an jedem Mole- 
küle Gleichgewicht der Molekularkräfte bestehen^ wenn es 
in dem ruhenden Systeme 27q bestand; allgemein stehen die 
elektrostatische Kraft (Sq auf die ruhende und die elektro- 
magnetische Eraft @' auf die mitbewegte Einheit der Ladung^ 
die in zwei einander entsprechenden Punkten von Uq bzw. 27' 
herrschen^ in dem durch (106 c^ S. 165) ausgedrückten Zu- 
sammenhange; wir woUen diese Beziehungen symboUsch dar- 
stellen durch 

(240) e'-(i,x,x)eo- 

Betrachtet man die Molekularkräfte in ruhenden Körpern 
als elektrostatische EJräfte und läßt man die Wirkungen der 
regellosen Molekularbewegungen außer acht^ so erscheint es 
hiemach plausibel^ daß ein fester Körper, in Bewegung ge- 
setzt; sich der Bewegungsrichtung parallel im Verhältnis x 
kontrahiert. Allerdings dürfen wir uns nicht verhehlen, daß 
wir noch weit davon entfernt sind, die Molekularkräfte in 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 379 

« 
rahenden Körpern auf Grund der elektrischen Auffassung in 

befriedigender Weise deuten zu können. 

Akzeptiert man jene elektrische Deutung der Molekular- 
kräfte, 80 ist eine mechanische Eegnliertmg der SteUung Ton 
Zahnrädern oder rotierenden Spiegehi zum Zwecke der Messung 
der Lichtzeit (§ 42) als elektromagnetische Regulierung an- 
zusehen; es erscheint alsdann ausgeschlossen^ daß die Trans- 
lationsbewegung der Erde auf die Lichtzeit^ die Abmessungen 
fester Körper oder auf Interferenzversuche nach Art des 
Michelsonschen irgendwelchen Einfluß beliebiger Ordnung 
besitzt^ der sich einem irdischen Beobachter kundgeben könnte. 
Dieses folgt aus den bisherigen Erörterungen ^ soweit nur die 
Lichtfortpflanzung im leeren Baume in Betracht kommt. 

§ 44. Die Lorentzsohe und die Cohnsohe Optik 

bewegter Körper. 

Läßt die Elektronentheorie ein negatives Ergebnis des 
Michelsonschen Interferenzversuches auch dann erwarten^ wenn 
die Lichtfortpflanzung nicht im leeren Räume, sondern in 
einem beliebigen dielektrischen Körper geschieht? Von dieser 
Frage ausgehend^ hat H. A. Lorentz in zwei neueren Arbeiten^) 
seine Untersuchungen auf gleichförmig bewegte Systeme aus- 
gedehnt, deren Geschwindigkeit zwar kleiner als die Licht- 
geschwindigkeit^ aber nicht klein gegen die Lichtgeschwindig- 
keit ist. Er hat Hypothesen über die Eigenschaften der Elek- 
tronen und Moleküle aufgestellt, welche, kombiniert mit der 
Kontraktionshypothese, geeignet sind; von allen negativen 
Versuchsergebnissen über den Einfluß der Erdbewegung auf 
die elektrischen und optischen Erscheinungen Rechenschaft zu 
geben. 

Er nimmt an, daß die Verschiebungen der Polarisations- 
elektronen aus ihrer Gleichgewichtslage, welche die Licht- 
fortpflanzung in durchsichtigen Körpern begleiten, infolge der 

1) H. A. Lorentz. Acad. van Wetensch. de Amsterdam 7, S. 507, 
1899, und 12, S. 986, 1904. 



380 Zweiter Absclinitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Bewegung der Körper in derselben Weise abgeändert werden^ 
wie die nach entsprechenden materiellen Punkten gezogenen 
Fahrstrahlen (vgl. 239) der Kontraktionshypothese gemäß sich 
ändern. Da die elektrische Polarisation fß auf die Yolum* 
einheit berechnet ist, so würde 

(241) jp-(l,x-Sx-i)JPo 

den Zusammenhang angeben, in welchem die Polarisationen 
an entsprechenden Punkten des ruhenden Systemes U^ und 
des bewegten Systemes 2' stehen. Dabei sind die relativen 
Geschwindigkeiten der Elektronen gegen die Materie, 
die in 2' bzw. in 2q stattfinden, auszudrücken durch 














dieselben sind demnach, mit Bücksicht auf (238) und (239), 

verknüpft durch 

(241a) li'-(x«,x,x)lio. 

Die Beschleunigungen der Elektronen in ent- 
sprechenden Punkten von 27' und Uq sind mithin aufeinander 
bezogen durch 
(241b) 6«(x^x»,xO V 

Die Grundgleichungen (Ic bis IVc, S. 324) gelten nach der 
Elektronentheorie für beliebig rasch bewegte unmagnetisierbare 
Körper. Nimmt man die Definitionsgleichungen (195) und 
(195 a) von @' und $' hinzu und setzt: 

43r2)=-e + 43tiP; i = 0, 

so gelangt man zu einem für durchsichtige, unmagnetisierbare 
Körper gültigen Gleichungssysteme, in welchem die wahren 
Koordinaten und die allgemeine Zeit t die unabhängigen Ver- 
änderlichen sind. Führt man nun statt dieser die Koordinaten 
Xq y^ Zq des Hilfssystemes 2^ ein und gleichzeitig die Ortszeit t^ 
die durch (238) definiert ist, so gelangt man für gleichförmig 
bewegte Systeme zu einer neuen Form der Grundgleichungen. 
H. A. Lorentz hat nun gezeigt, daß man dieselbe auf die Form 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 381 

der Ghnmdgleichungen für rahende Körper reduzieren kann^ 
wenn man statt iß den durch (241) definierten Vektor fß^ und 
gleichzeitig durch 

(242) «'-(l,x,x)«o, 

(243) r==(l,x,x)§o 

zwei neue Vektoren (Bq und $0 einfährt. Kennt man für das 
ruhende Hilfssystem 2^ den Verlauf eines elektromagnetischen 
Vorganges und der mit ihm verbundenen Elektronenbewegung, 
so geben (242) und (243) die Werte der elektromagnetischen 
Vektoren 6' und §' in dem bewegten Systeme 2?' an, welche 
sich der durch (241a, b) dargestellten Elektronenbewegung 
zuordnen. Durch 

(244) ®'=(x«,x,x)®o 

ist dann der relative Strahl in 2' (vgl. 213b, S. 341) dem 
absoluten Strahle des ruhenden Hilfssystemes 2^ zugeordnet. 
Dieser Satz von H. A. Lorentz, auf dessen Beweis wir 
hier verzichten, beruht allein auf den allgemeinen Ghrund- 
hypothesen der Elektronentheorie, welche in den Grund-* 
gleichungen (I bis V) ihren Ausdruck finden. Er gestattet es^ 
die Lösung eines Problemes der Optik des gleichförmig be> 
wegten Systemes 2^ zurückzufQhren auf die Lösung des ent~ 
sprechenden Problemes ftir das ruhende System 2q. Diese 
ZurückfÜhrung ist auch dann möglich, wenn man die be- 
sonderen Hypothesen von H. A. Lorentz fallen läBt. Gibt man 
die Kontraktionshypothese auf, so ist das ruhende Hilfs- 
system 2q eben nicht mehr dasjenige, in welches der bewegte 
Körper, zur Buhe gebracht, übergehen würde. Gibt man die 
Lorentzsche Hypothese betreffs der Bewegung der Elektronen 
auf, so sind li^ und i^ nicht mehr die Geschwindigkeiten und 
Beschleunigungen, welche die Elektronen in dem bewegten 
Körper, wenn er zur Ruhe gebracht wäre, bei dem betreffenden 
Strahlungsvorgange wirklich annehmen würden. Alsdann wird 
eben ein Einfluß der Bewegung auf die Erscheinungen im 
Prinzip nicht ausgeschlossen sein. Die Kontraktionshypothese 
besagt nun gerade, daß da» bewegte System, zur Buhe ge- 



382 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

bracht^ yon selbst in Uq übergeht. Die Lorentzsche Hypothese 
über die Bewegung der Elektronen besagt ferner^ daß li^ und Oq 
gerade diejenigen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sind^ 
welche die Elektronen bei. dem betreffenden Strahlungs vorgange 
in dem zur ßuhe gebrachten Körper besitzen würden. Für 
die relative Strahlung durch entsprechende Flächenelemente in 
Zo und 2;' folgt aus (239) und (244) alsdann 

(244a) «;(?/•= x^So^^/o- 

Nach H. A. Lorentz ist die relative Strahlung^ 
welche zur Ortszeit t^ auf ein gegebenes Flächenelement 
von2J' fällt^ nur durch den Faktor x* von der absoluten 
Strahlung verschieden^ welche zur allgemeinen Zeit ^^ 
auf das entsprechende Flächenelement in I]q fällt. Hier- 
durch ist ausgesprochen^ daß nach den Lorentzschen Hypothesen 
ein Einfluß der Erdbewegung auf die Bichtung des relativen 
Strahles, sowie auf Interferenzerscheinungen auch bei Verwen- 
dung lichtbrechender Körper ausgeschlossen ist. Auch eine 
Doppelbrechung der Körper infolge der Erdbewegung kann dann 
nicht stattfinden, so daß das negative Ergebnis der auf die Ent- 
deckung einer Doppelbrechung der Ordnung ß^ hinzielenden 
Versuche von Rayleigh^) und Brace*) mit dem Lorentzschen 
Hypothesensystem vereinbar ist. Die Verringerung der Intensität 
der relativen Strahlung, welche durch (244a) angezeigt wird, 
würde sich völlig der Beobachtung entziehen. 

Wir wollen die Lorentzschen Sätze zu einem Probleme 
der Optik bewegter Körper in Beziehung bringen, welches wir 
gelöst haben (§ 14), nämlich dem Probleme des bewegten 
leuchtenden Punktes. Wir haben dort hauptsächlich die ab- 
solute Strahlung zum Gegenstand der Betrachtungen gemacht, 
welche sowohl für die ausgestrahlte Energie, wie für die aus- 
gestrahlte Bewegungsgröße maßgebend ist. Wir wollen jetzt 
einige Bemerkungen über die relative Strahlung und über den 

1) Rayleigh. Phil. Mag. 4, S. 678, 1902. 

2) D. B. Brace. Phil. Mag. 7, S. 317, 1904. 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 383 

Lichtdruck anknüpfen^ welche ein mit der Lichtquelle mit- 
bewegter Beobachter wahrnehmen würde. 

Wir betrachten die Strahlung^ welche der mit der Erde 
bewegte leuchtende Punkt seiner Bewegungsrichtung parallel 
entsendet; für diese kommen nur die transversalen Schwin- 
gungen des emittierenden Elektrons in Betracht^ so daß die 
Strahlung proportional dem Ausdruck (79) auf S. 112 ist; setzen 
wir q)y den Winkel zwischen Strahlrichtung und Bewegungs- 
richtung des Dipols, gleich null, und beachten, daß r der Ab- 
stand des Aui^unktes von der Lage des leuchtenden Punktes 
zur Zeit des Entsendens ist, während der Abstand von der 
gleichzeitigen Lage des leuchtenden Punktes nach (233) ist 

r' = r(l-^), 

SO finden wir als Verhältnis der absoluten Strahlungen im 
bewegten und im ruhenden Systeme 

Nach (239) und (241b) ist die parallel der rr-Achse ge- 
messene Entfernung r' in U' im Verhältnis x kleiner als die- 
jenige in dem ruhenden Hilfssysteme 2q, während die trans- 
versale Beschleunigung des schwingenden Elektrons im Ver- 
hältnis X* größer ist. Demnach wird 

(245) ®-=®o.-^- 

Die absolute Strahlung der Lichtquelle erfährt 
durch die Bewegung der Lichtquelle Änderungen 
erster Ordnung in ß. 

Durch den absoluten Strahl S ist die Dichte der elektro- 
magnetischen Bewegungsgröße bestimmt und somit der Licht- 
druck auf eine ruhende schwarze Fläche. Der Druck auf eine 
mitbewegte, senkrecht zur Bewegungsrichtung gestellte schwarze 
Fläche ist 



384 Zweiter Abachnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

Aas (245) folgt daher 
(245a) i)'=i)o-(l + i8). 

Der Strahlungsdruck auf mitbewegte schwarze 
. Flächen erfährt Änderungen erster Ordnung infolge 
der Erdbewegung; der Druck muß großer sein^ wenn die 
Strahlung parallel^ als wenn sie entgegen der Bewegungs- 
richtung der Erde sich fortpflanzt. Bei der Schwierigkeit^ 
welche die Beobachtung des Lichtdruckes bietet^ dürfte es 
indessen kaum möglich sein^ diese geringfügige Änderung 
festzustellen. 

Ist es dagegen eine spiegelnde Fläche^ welche vor dem 
auffallenden Lichte zurückweicht^ so ist nach (GL 208, S. 335), 
nach ümkehrung des Vorzeichens von ß, zu setzen 



r 



p = 



2«, 1-ß 



c 1 + ß 

Aus (245) folgt mithin 
(245 b) p' = p,. 

Der Strahlungsdruck auf mitbewegte Spiegel 
erfährt keine Änderung infolge der Erdbewegung. 

Die relative Strahlung irdischer Lichtquellen, welche bolo- 
metrisch durch schwarze Flächen zu messen ist, ergibt sich 
aus (211a, S. 338) 

^;;«®,.(i-^)«. 






Aus (245) folgt somit 

(245c) @;-X*^Oa;. 

Diese mit (244) übereinstimmende Beziehung besagt: 
Die von der Strahlung irdischer Lichtquellen her- 
rührende Wärmeentwickelung in zwei senkrecht zur 
Bichtung der Erdbewegung gestellten schwärzen 
Flächen ist die gleiche, sei es, daß die Strahlung 
parallel oder entgegen der Bewegungsrichtung der 
Erde sich fortgepflanzt hat. 



Zweites Kapitel. Bewegte EGiper. 3g5 

Wir wollen endlich die relatiYe Gtesamtstrafaliing des be- 
wegten leuchtenden Punktes ermitteln, d, L die gesamte Warme- 
entwickelung in einer mitbewegten, den leuchtenden Punkt 
einhüllenden schwarzen Flache. Nimmt man das Mittel über 
eine Schwingung, so muß im stationären Schwingungszustande 
die von der Lichtquelle entsandte elektromagnetische Energie 
der auf die mitbewegte Flache fallenden gleich sein und die 
entsandte Bewegungsgröße der auffallenden. Es gibt also der 
Ausdruck (82) auf S. 118 den relativen Energiestrom durch die 

bewegte F^he an. Der im Verhältnis — kleinere Ausdruck (83) 

stellt die resultierende Kraft dar, welche die Strahlung auf 
die auffangende Fläche ausübt; dies ist die Gegenkraft, welche 
der Beaktionskraft (83 a) der Strahlung auf die Lichtquelle im 
Sinne des dritten Newtonschen Axiomes entspricht. Im stationären 
Zustande gilt dieses Axiom, da die elektromagnetische Bewegungs- 
größe des von der schwarzen Fläche umschlossenen Feldes im 
Mittel konstant ist; es wird mithin derjenige Teil der aus- 
gestrahlten Energie, welcher mechanischer Arbeit entstammt, 
wieder in mechanische Arbeit zurückverwandelt. Zieht man 
diesen Bruchteil ß^ vom relativen Energiestrom ab, so erhält 
man die relative Gesamtstrahlung, welche die Wärmeentwicke- 
lung in der schwarzen Fläche angibt. Es wird also derjenige 
Teil der emittierten Energie, welcher der thermischen und 
chemischen Energie der Lichtquelle entstammt, an der auf- 
fangenden schwarzen Fläche in Wärme verwandelt. Dies ist 
der Bruchteil x* der entsandten Energie (vgl. 83c). Wir er- 
halten schließlich für die relative Gesamtstrahlung 

Nach (241b) wird dies 

(246) J^ldf = 1 1;*« »» = «»/@o,(?/ö, 

was vollkommen mit (244 a) übereinstimmt. 

Treffen die Lorentzschen Annahmen über die Eontraktion 
der Korper und über die Bewegung der Elektronen zu, so 

Abraham, Theorie der Elektrizit&t. II. 26 



386 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

sind @0 und p^ die wirklichen Werte des Strahlvektors und 
des Lichtdruckes auf der zur Buhe gebrachten Erde. Es ist 
dabei zu betonen^ daß die Lorentzschen Annahmen nur insofern 
hypothetisch sind^ als sie Größen zweiter und höherer Ordnung 
in ß betreffen. Bis auf Größen erster Ordnung folgen sie aus 
den allgemeinen Grundgleichungen der Elektronentheorie^ Mls 
Änderungen erster Ordnung infolge der Erdbewegung in den 
Abmessungen der Körper^ den Massen der Elektronen und den 
quasielastischen Kräften^ welche sie in die Gleichgewichtslage 
ziehen; ausgeschlossen sind. 

Sollen die Lorentzschen Hypothesen über die Bewegung 
der Elektronen auch in betreff der Größen zweiter und höherer 
Ordnung der Wirklichkeit entsprechen, so müssen die quasi- 
elastischen Kräfte und die Trägheitskräfte der Elektronen ge- 
wissen Bedingungen genügen. Um diese Bedingungen ab- 
zuleiten, denken wir uns zunächst einen Körper, welcher keine 
erhebliche Dispersion zeigt. Hier ist die Lichtfortpflanzung 
durch die quasielastischen Kräfte allein bestimmt, indem die 
Verschiebung der Elektronen dem Gleichgewichte der quasi- 
elastischen Kraft und der äußeren elektrischen Kraft entspricht. 
Die Verschiebung der Elektronen aus der Gleichgewichtslage 
wird für den bewegten Körper gerade dann die von Lorentz 
angenommene sein, wenn die quasielastischen Kräfte 
infolge der Erdbewegung die gleiche Änderung erfahren wie 
die elektrischen Kitifte gemäß Gl. 242. Man kann diese Hypo- 
these in derselben Weise plausibel machen wie die entsprechende 
Hypothese über die Änderung der Molekularkrafte^ indem man 
nämlich die quasielastischen Kräfte in ruhenden Körpern als 
elektrostatische Kräfte deutet. 

Diese Annahme über die quasielastischen E^nifte reicht 
indessen nur dann aus, wenn bei der Lichtbrechung die Träg- 
heit der Elektronen nicht ins Spiel kommt Nach der Elek- 
tronentheorie ist gerade die Trägheit der Elektronen für die 
Dispersion maßgebend (vgl. § 29). Handelt es sich um die 
Lichtfortpflanzung in einem dispergierenden Körper, so hat 
die Lorentzsche Annahme über die Bewegung der Elektronen 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 387 

gewisse Konsequenzen hinsichtlich der longitudinalen und der 
transversalen Masse im Gefolge. Es müssen nämlich^ wenn 
anders die Schwingungsgleichung der Elektronen erfüllt sein 
soll, die Tnlgheitskräfte in derselben Weise durch die Erd- 
bewegung beeinflußt werden wie die äußeren elektrischen 
Kräfte und die quasielastischen EJräfte, d. h. in der durch (242) 
angegebenen Weise. SoUen gleichzeitig die Beschleunigungen 
der Elektronen in dem bewegten Systeme 2?' und in dem 
ruhenden Uq in dem durch (241b) angegebenen Zusammen- 
hange stehen, so muß für die Masse als Quotient von Kraft 
und Beschleunigung die Beziehung gelten 

(247) w = (x-», 7c-\ x-i) ^0. 

Diese Beziehung drückt in der hier benutzten Symbolik 
dasselbe aus wie die Gleichungen (125) und (125 a) auf S. 203, die 
für die elektromagnetische Masse des Lorentzschen Elektrons 
gelten. In der Tat hat H. A. Lorentz jene Annahme über die Form 
des Elektrons gerade im Hinblick auf die Optik bewegter 
Körper gemadit. Infolge der Erdbewegung sollen die Elek- 
•tronen, deren Schwingungen die Geschwindigkeit der Licht- 
fortpflanzung in den Körpern bestimmen, sich in der gleichen 
Weise kontrahieren wie die materiellen Körper. Im Ruhe- 
zustande Kugeln, sollen sie infolge der Bewegung Heaviside- 
Ellipsoide werden. Diese Hypothese über die Gestaltsänderung 
der Elektronen, im Verein mit den übrigen Lorentzschen 
Hypothesen, verbürgt das Fehlen eines bemerkbaren Ein- 
flusses der Erdbewegung auf die Lichtfortpflanzung in festen 
Körpern. Für flüssige und gasförmige Körper fügt Lorentz 
noch die Hypothese hinzu, daß die Massen der Moleküle in 
derselben Weise durch die Erdbewegung abgeändert werden, 
wie die elektromagnetischen Massen der Elektronen. Alle 
diese Hypothesen setzen die Durchführbarkeit der elektro^ 
magnetischen Weltanschauung voraus. 

Wir haben in § 22 auf die Bedenken aufmerksam gemacht^ 
welche der Lorentzschen Hypothese des deformierbaren Elek- 
trons gerade vom Standpunkte des elektromagnetischen Welt- 

25* 



388 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 

bildes auB erwacheen. Yon diesem Standpunkte aus mußten 
wir dem starren Elektron den Vorzug geben. Die Formeln^ 
die wir für dessen elektromagnetische Massen aufgestellt haben 
(S. 193, Gl. 118b, c), weichen, was GhröBen der Ordnung ß^ an- 
belangt, von den Lorentzschen durch die Faktoren (l ~" tä i'*) ^^^* 
f 1 — j^ ßA ab. Demnach würden sich für die Eigenschwingungen 

der Elektronen auf der bewegten Erde andere "Werte ergeben, 
wenn man unsere Formeln an Stelle der Lorentzschen setzte 
und die Hypothese über die quasielastischen Kräfte beibehielte; 
die Quadrate der Wellenlängen der Eigenschwingungen würden 
dann in demselben Verhältnisse sich ändern, wie die Werte der 
Massen. Es würde also die Dauer der longitudinalen und der 
transversalen Eigenschwingungen der Elektronen infolge der Erd- 
bewegung um Ghrößen der Ordnung — /S^ = 10~^ voneinander ab- 
weichen. Diese Abweichung sollte sich fOr dispergierende Körper 
durch eine Doppelbrechung kundgeben; senkrecht zur Richtung 
der Erdbewegung sollte sich monochromatischen Licht mit ver- 
schiedener Geschwindigkeit fortpflanzen, je nachdem es parallel 
oder senkrecht zur Bewegungsrichtung der Erde polarisiert 
ist. Eine Doppelbrechung der Körper von dieser Ordnung 
haben Bayleigh und Brace bei den oben erwähnten Ver- 
suchen nicht entdecken können, obgleich die Genauigkeit 
nach den Angaben der Experimentatoren eine hinreichende 
gewesen wäre. 

Das Lorentzsche Hypothesensystem ist, wenn auch viel- 
leicht nicht das einzige, so doch wohl das einfachste, welches 
jeden bemerkbaren Einfluß der Erdbewegung auf die elek- 
trischen und optischen Eigenschaften der Körper ausschließt. 
Die Möglichkeit eines solchen auf der Elektronentheorie 
fußenden Hypothesensystemes zeigt, daß aus dem Fehlen eines 
solchen Einflusses kein prinzipieUer Einwand gegen die Grund- 
hypothesen der Elektronentheorie hergeleitet werden kann. 
Diese allgemeinen Grundhypoihesen lassen sich vielmehr mit 
speziellen Annahmen über die Elektronen und Moleküle derart 
vereinigen, daß die elektromagnetischen Vorginge auf der be- 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 389 

wagten Erde merklich mit denjenigen identiscli sind; die auf 
der ruhenden Erde beobachtet werden würden. 

Auch wenn man sich auf den Standpunkt der allgemeinen 
Elektronentheorie stellt^ so braucht man doch keineswegs 
jede einzelne der speziellen Hypothesen von H. A. Lorentz zu 
akzeptieren. Durfte doch das elektromagnetische Weltbild, 
dem diese Hypothesen angepaßt sind, nur als ein Programm 
bezeichnet werden, und gerade die Lorentzsche Annahme 
über die Form des Elektrons ist keineswegs mit diesem Pro- 
gramm in Einklang zu bringen. Was femer die ^^ quasi- 
elastischen Kräfte'^ anbelangt , welche im Verein mit der Träg- 
heit die Eigenschwingungen der Elektronen bestimmen sollen, 
so ist deren Natur uns ^inzlich unbekannt. Erst wenn wir 
die Linienspektra eines ruhenden Körpers auf Grund der Elek- 
tronentheorie befriedigend werden deuten können, wird es 
möglich sein, die Optik bewegter Körper sicher zu begründen. 
Bis dahin sind alle theoretischen Ansätze, welche man der 
Diskussion des Einflusses der Erdbewegung zugrunde legt, 
nur von provisorischer Bedeutung und der Abänderung sehr 
wohl fähig. 

In Anbetracht der zahlreichen und vielfach bedenklichen 
Hypothesen, zu welchen die Lorentzsche Elektrodynamik be- 
wegter Körper ihre Zuflucht nimmt, verdient die von E. Cohn*) 
aufgestellte Elektrodynamik bewegter Körper Literesse. Diese 
Theorie sieht von atomistischen Vorstellungen ab. Sie stellt, 
der rein phänomenologischen Methode getreu, ein System von 
Feldgleichungen an die Spitze: 

(248) cnrl§'=^{i + ^), 

(248 a) curie'=-|^> 

(248b) 4«J) = e«'- -[»§'], 

1) E. Cohn. Göttinger Nachrichten 1901, Heft 1. Ann. d. Phys. 7, 
S. 29, 1902. Berliner Sitzungsber. 1904, S. 1294 nnd 1404. 



390 Zweiter Abschnitt. Elektromagnet. Vorgänge in wägbaren Körpern. 
(248c) i==ö(&^ {bei fehlenden eingeprägten Krafben}^ 

(248d) » = ft§'+-^ [»«']. 

Wie man sieht^ ist liier die Hertz-Heavididesche Analogie 
der elektrischen imd magnetischen Größen gewahrt^ welche 
die Elektronentheorie aufgibt. Für unmagnetisierbare Körper 
lehrt der Vergleich mit den Grrondgleichnngen der Lorentzschen 
Elektrodynamik (S. 324) folgendes: die Abweichung besteht nur 
darin ^ daß nicht wie dort die Vektoren (S und ^, sondern 1B' 
und §' zu Vektorprodukten mit Ol vereinigt sind. Diese Ab- 
weichung ist von der zweiten Ordnung; hinsichtlich der Größen 
erster Ordnung in ß sind die Cohnschen Grundgleichungen 
den Lorentzschen völlig äquivalent. 

Was die Anwendung auf ein gleichförmig bewegtes 
System 2' anbelangt^ so ergibt sich^ daß ähnlich wie bei 
Lorentz die Zurückführung der Grundgleichungen auf die- 
jenigen eines ruhenden Systemes 1]^ möglich ist; wenn die 
allgemeine Zeit durch eine Ortszeit ersetzt wird. Dabei ist 
es aber^ um das Fehlen eines Einflusses der Erdbewegung zu 
erklären^ nicht notwendige eine Kontraktion der Körper an- 
zunehmen; es sind vielmehr die Abmessungen des ruhenden 
Systemes Uq mit denen des bewegten Systemes 27' identisch. 
Die im bewegten Systeme gemessenen Längen sind hier die 
wahren Längen; auch ist die Zeiteinheit beim Übergang zum 
ruhenden System nicht abzuändern. Es wird also hier ohne 
hypothetische Annahmen über den Einfluß der Erdbewegung 
auf die Körper dasselbe erzielt^ was Lorentz durch sein Hypo- 
thesensystem erreicht. 

Die in § 43 gegebene Theorie des Michelsonschen Ver- 
suches war von den Feldgleichungen insofern unabhängige als 
ihr Gegenstand nur die Lichtfortpflanzung im luftleeren Baume 
war. Hier würde die Cohnsche Theorie, welche die Kon- 
traktionshypothese fallen läßt, ein positives Ergebnis des Ver- 
suches erwarten lassen. Nach Cohn soll das negative Ergebnis 
daher rühren, daß die Fortpflanzung bei den wirklichen Ver- 
suchen in Luft geschah; man dürfte also nach dieser Auf- 



Zweites Kapitel. Bewegte Körper. 391 

fassnng die Gleichnngen für den leeren Baum hier nicht an- 
wenden^ sondern eben die Feldgleichungen^ welche für die 
mit der Erde bewegte Lnft gelten sollen. 

Handelt es sich nur um den Einfluß sichtbarer Be> 
wegungen auf die elektromagnetischen Vorgänge in wägbaren 
Körpern, so kann man im Zweifel sein, ob die Lorentzsche 
oder die Gobnsche Theorie den Vorzug verdient. Eine um- 
fassende Behandlung der Konvektions- und Wellenstrahlung ist 
indessen auf Grrund der Cohnschen Gleichungen bisher nicht durch- 
geführt worden. Die Theorie von Gohn sieht ab von atomistischen 
Vorstellungen; für die Ausbildung einer atomistischen Theorie 
der Elektrizität gibt sie nur die Anweisung: dieselbe so aus- 
zubilden, daß für die meßbaren Mittelwerte jene Gleichungen 
gelten. Sie bleibt den Nachweis schuldig, daß eine solche 
elektrische Atomistik mögUch ist und daß sie die Erfahrungen 
über Kathodenstrahlen und Badiumstrahlen richtig wiedergibt. 
Daß die Elektronentheorie dieses leistet, haben wir in dem 
vorliegenden Bande gezeigt. Wir haben femer gesehen, daß 
die Elektronentheorie diese rein elektrischen Strahlungs- 
erscheinungen in die engste Verbindung bringt mit gewissen 
optischen Eigenschaften der Korper, welche in dem Zeemanschen 
Phänomen, der Dispersion und der magnetischen Drehung der 
Polarisationsebene sich kundgeben.. Eine umfcMSsende elektro- 
magnetische Theorie der Strahlung ist heute nur auf Grund 
der Elektronentheorie möglich. Jene Verknüpfung der an- 
scheinend verschiedenartigsten Verenge ist eine der wichtigsten 
Errungenschaften der Elektronentheorie. Diese Errungenschaft 
wird festzuhalten sein, auch dann, wenn etwa der Fortschritt 
der Wissenschaft die Grundlagen der Elektrizitätstheorie aufs 
neue erschüttern sollte. 



g92 FormelzoBammenBtellimg. 



(?) 



Formelznsammenstellnng. 

I. Feld und Bewegancr einselner ElektroiieiL« 

Grundgleichungen der Elektronentheorie: (§ 4 S. 17) 

I) curl # - - -^ - 4«! - 4«(> • -, 

(«) im) diT«-4«(., 
IV) div # - 0, 

(elektromagnetisclie Kraft pro Einheit der Ladung). 
Dichte der elektromagnetischen Bewegungsgroße: 
(ß) «-r«®-4^M (GH.18S.27) 

Lösung der Ghumdgleichiingeiii 
|^=:curl« (öl. 28 S. 38) 

«-.r*-i^ (öl. 29 S. 38) 



c dt • 
Es sind die elektromagnetischen Potentiale: 



00 



9=^ rXdXrdiDQ{X,l-X) .... (öl. 50 S. 57) 





00 



%^ jXdXJdfol{X,l-X) (Ö1.51S.57) 



Dabei ist l^ct^ X ist der Latensweg, X^d(o das Flachen- 
element einer mit dem Radius X um den Auipunkt ge- 
schlagenen Kugel. 



w 



(*) 



a) 



(>?) 



(«•) 



L Feld und Bewegung einzelner Elektronen. 
Lösung mit Hilfe des Hertzschen Vektors: 



39d 



8« Ixdxfdaq^l, l - X) 



H = I Id? 



. (Gl. 48 S. 55) 



. (GL 47 S. 54) 



(Gl. 48 c, d S.56) 



^-cnrl^ 

Qq ist das anfangliclie elektrostatische Feld. 

I ii 
Bewegte Punktladung e: ü Geschwindigkeit^ /) » — 

X » ]/l — /}*, ^' Zeit des EntsendenS; t Zeit des Eintreffens 

im Aa^nnkte, t, t^ Fahrstrahl vom Orte des Entsendens 

zum Aufpnnkte bzw. entsprechender Einheitsvektor 

e _e a*^ 

'^ r dt 







i'-'i) 



« 



eil 



('-^) 



endt^ 
rc dt 



rc 



. . . (öl. 63, 64, 65, § 11) 



§=[ti«] 

(Gl. 72, 73, S. 97) 
Ausgestralilte Energie and Bewegnngsgroße: 

8 



'^»-i:-:->li;+^) 



2 



•..-i:-/Hi^+^'l 



. (Gl. 82, 83,8.118) 



Beaktionskraft der Strahlung: 



394 Formelzosammenstellimg. 

Elektromagnetische Massen des Elektrons. All- 
gemeine Formeln: 

m, = -^Li longitudinale Masse 
(0 { 1^1 \ (öl. 115, 115a, S. 186) 

wir = irr transversale Masse 



(*) 



(/») 



Starres kugelförmiges Elektron (mg Masse bei lang- 
samer Bewegung): 

z(^) = ^{-j^«([^) + r^.) • (öl.ll7d,S.192) 



Lorentzsches Elektron: 

— 8^ 






(GL 125, 125 a, S. 203) 



n. Elektromagnettsehe Torgr&nge In wigrbaren Kdrpern. 

Grandgleichungen der Lorentzschen Elektro- 
dynamik für bewegte nnmagnetisierbare Körper 
(§§ 35 und 36): 

(Ic) curl§'= t(» + ^) • • (01.190,8.316) 

(Hc) curl e' y^ .... (Gl. 194, S 320) 

(nie) div 2) = Q, 
(IVc) div § = 0. 

i = tf«'= tf {« + |-[lo^]} (GL 195 u.l95b, S.324) 
4«» = 6e'--rio§] (GL 195c, S. 324) 

C 

^ = ^'+l.[Ug] (GL 195a, s.324) 



n. ElektromagnetiBclie Vorgänge in wägbaren Körpern. 395 

d' 
{tu ist die Geschwindigkeit der Materie^ -^ ^^zieht sich 

auf einen mitbewegten Punkt; @, $ sind die Mittelwerte 
der elektromagnetischen Vektoren ^ welche die im Baume 
Yon den Elektronen erregten Felder kennzeichnen; S' ist 
die elektromagnetische Kraft auf die Einheit der mit- 
bewegten Ladung; s und 6 sind Materialkonstanten^ die 
Yon der Bewegung imabhangig sind, wenn Grrößen zweiter 



Ordnung in ■ — ^ nicht in Frage kommen}. 

Relativer Strahl: 
(v) S' = :i^ [«'§'] (Gl. 213b, S. 341) 

Flächenkraft far die Flacheneinheit einer im Baume 
bewegten F^.che: 

(I) r=^(2re.+ 2§'^.^ 11 {««' + §§'}} 

(Gl. 204, S. 333) 

Thermodynamisches Gesetz der Wellenstrah- 
lung: 

(o) H=d'^g(^) (Gl. 228a, S. 357) 

bestimmt die Helligkeit H der Strahlung von der Tempe- 
ratur d' und der Schwingungszahl v. 

Plancksche Formel: 
(«) fl = ^.-^ . (Gl. 229, S. 361) 

[Je und h sind omTerselle Konstanten}. 



Register. 



Die Beifagong der Pftragraphenftiigabe besagt , dafi der ganze Paragraph den betreffenden 

Gegenstand behandelt. 



cc-Strablnng U 14. 

Abbildung, hydrodynamisclie I 48 

(§ 16). 
Aberration des Fixstemlichtes 11 

886, 842. 
Abklingongskoeffizient 11 70. 
Ablenkbarkeit der j?> Strahlen 11 194 

(§ 21), 211. 
Abraham, M., n 26, 119, 189, 172, 

201, 304, 806, 808, 810, 848. 
absolute Bewegung I 480 (§ 91); 

n 18. 
absolute Energieströmung oder 

Strahlung 11 107, 888. 
absolutes Maßsystem I 4, 207 (§ (8), 

249 (§ 61). 
Absorption elektrischerWellen 1816; 

II 276. 
Absorptionsvermögen I 828; II 868. 
Achsensysteme I 10 (§ 4). 
actio und reactio I 886, 898, 417, 

421, 428; 11 81. 
Addition von Vektoren I 6 (§ 2). 
Äquipotentialflächen I 180. 
Äquivalenz von Doppelschicht und 

Wirbellinie I 108 (§ 29). 
— von Magneten und elektrischen 

Strömen I 878 (§ 81). 
Äther I 142, 218, 856, 422, 430, 486. 
Ampere I 879"; 11 260, 282. 
Amp^resche Schwimmregel I 106, 

240. 
Analogie der elektrischen und mag- 
netischen Größen I 211 (§ 64), 

217, 480; II 264, 890. 



anomale Dispersion 11 278. 

anomaler Zeemaneflekt n 78. 

Antenne vgl. Sendedraht. 

Aschkinaß, E., 11 7. 

associatives Gesetz der Yektor- 
addition I 7. 

atomistische Konstitution der Elek- 
trizität n 1 (§ 1), 16, 21, 189. 

ausgestrahlte Energie und Be- 
wegungsgröße n 128, 282. 

äußeres Produkt I 16 (§ 6). 

axialer Vektor I 22 (§ 8), 248. 

Axiom, erstes Newtons II 171, 178. 

— zweites Newtons 11 181, 182. 

— drittes Newtons II 28 (§ 6). 

/}- Strahlung 11 14, 194 (§ 21). 
Bahner II 79. 
Bartoli 11 867. 
Becquerel, H., n 282. 
Becquerelstrahlen vgl. /?- Strahlen. 
Beltrami, E., n 59. 
Beschleunigungsvektor I 9. 
Betrag eines Vektors I 6. 
Bewegung, absolute und relative 

I 480 (§ 91), n 18. 
Bewegungsgleichungen des starren 

Körpers I 89. 

— einer Flüssigkeit I 118 (§ 81). 

— des Elektrons n 147 (§ 17), 210. 
Bewegungsgröße I 82. 

— elektromagnetische 11 27. 

— des Elektrons II 170 (§ 19), 208. 
Bezugssysteme, bewegte I 84 (§ 18), 

112 (§ 81). 



Begister. 



397 



Bilder, elektrische I 139, liO, 160. 
Biot-Savartsches Gesetz I 106, 220. 
Bizjkel I 268. 
Bjerknes, Y., I 289; 11 804. 
blanke Fläche n 880. Vgl auch 

Spiegel. 
Boltzmann, L., 1 809 ; 11 867, 868, 860. 
Boltzmann-Dradesche Eonstante 11 

284, 862. 
Brace, D. B., 11 882, 388. 
Bradley 11 836. 
Braun - Slabysche Senderanordnnng 

I 295; II 808. 
Brechung der Erafklinien 1 145 (§ 89), 

225. 
Brechimgsindex I 808, 314; 11 272, 

279. 
Burckhardt, H., 11 127. 

y- Strahlung II 16. 
Clausius, B., II 851, 360. 
Cohn, E., I 211, 317; II 889. 
Cohnsche Elektrodynamik bewegter 

Körper II 389. 
Coulombsches Gesetz I 173 (§ 45), 

377. 
Crookes, W., II 6. 
curl I 78 (§ 24), 87, 95. 

D'Alemberts Prinzip I 31 (§12). 

Dämpfung durch Strahlung I 288, 
293; II 66, 305. 

De la Bive vgl. Sarasin. 

Diamagnetismus I 218; U 283. 

Dichte der wahren und freien Elek- 
trizität I 145 (§ 39) ; II 268. 

— des wahren und freien Magne- 
tismus I 211 (§ 64). 

— des wahren Stromes I 184, 188, 
190, II 264. 

— des freien Stromes I 231, 878 
(§ 81); n 264. 

Dielektrika I Abschnitt 2 Eap. 2: 

141 — 168. 
Dielektrizitätskonstante 1 141 (§ 38), 

203, 308. 
Differentiation nach einer skalaren 

Yariabelen I 8 (§ 3), 15, 18. 



Dimensionen 1 4, 207 (§ 63), 249 (§ 61). 
Dimensionstafel I 262. 
Dipol, elektrischer 11 67, 108. 
Dirichlet, G.L., 11 239, 308. 
Dispersion 11 267 (§ 29). 
Dispersionsformel 11 272, 279. 
dissipative Erafb 11 71, 123. 
distributives Gesetz der Multipli^ 

kation I 14, 17. 
Divergenz, div., I 51 (§ 19), 56, 74. 
Doppelquelle I 69 (§ 21). 
Doppelschicht I 70 (§ 28), 97, 103 

(§ 29). 

— elektrische I 199. 
drahtlose Telegraphie I 292, 295, 

308; n 286 (§ 33), 297 (§ 34). 

Drahtwellen I 331 (§ 73), 847 (§ 75), 
360 (§ 76). 

Drehimpuls s. Impulsmoment. 

Drude, P., I 206, 808; 11 268, 271, 
274, 276, 276, 288, 284, 819. 

Duplet, Zeemansches, 11 76. 

Dynamik des Elektrons, Grund- 
hypothesen n 136 (§ 16). 

Eichenwald, A., I 425, 427, 429; 

n 316. 
Eigenschwingungen, elektrische, 

I 279 (§ 66), 294 (§ 68), 354; 

n 306. 

— des Elektrons n 67, 214, 274. 
eingeprägte elektrische Kräfte 

I 194 (§ 60); n 266. 

— magnetische Kräfte 1 888 (§ 88). 
Einheitsvektor I 7. 

elektrische Energie I 163 (§ 48). 
elektrisches Feld I Abschnitt 2: 

123—210. 
elektrische Feldstärke oder Kr&ft 

I 123 (§ 33), 141, 182; II 264. 
elektrische Yerschiebungl 141 (§ 88); 

n 265. 
Elektrizität I 124, 128. 
Elektrodynamik bewegter Körper I 

Abschnitt 4, Kap. 2: 390 — 436; 

n Abschnitt 2, Kap. 2: 310—391. 
elektrodynamisches Potential I 272. 
Elektrolyte I 190, 203, 316; II 1. 



j 



398 



Begister. 



elektromagnetische Bewegnngs- 
große n 27. 

— Energie I 246; 11 20. 
elektromagnetischer Energiestrom 

I 311, 844, 856 (§ 77), 868 (§ 78). 

elektromagnetisches Feld I Ab- 
schnitt 8: 211 — 867. 

elektromagnetische Lichttheorie 
I 808. 

— Kraft n 19. 

— Masse II 137, 152, 181 (§ 20), 208. 
elektromagnetisches Maßsystem 

I 261. 
elektromagnetische Potentiale 11 89. 

— Wellen I Abschnitt 3, Kap. 3: 
808 — 856. 

elektromagnetisches Weltbild 1273, 
858; n 136 (§ 16), 208, 881. 

elektromotorische KrSfto 1 194 (§ 50), 
198 (§ 51), 208 (§ 62). 

Elektron 11 8, 140. 

Elektronen, ihr Feld und ihre Be- 
wegung n Abschnitt 1 : 1 — 249. 

Elektronenladnng, spezifische II 9, 
11, 77, 200, 276, 282. 

Elektronentheorie, Grandgleichun- 
gen der n 17 (§ 4). 

elektrostatisches Feld I Abschnitt 2 : 
123 — 182. 

— Maßsystem I 209, 261. 
elementare elektrodynamische Kraft 

n 98. 
Elementarquantum, elektrisches 

II 1 (§ 1), 868. 

Emission des Lichtes n 67, 865, 866. 
Emissionshypothese der Kathoden- 
strahlen n 6. 
Emissionsvermögen I 828; IE 864. 
Energie eines Strömungsfeldes 1 101. 

— elektrische I 168 (§ 48). 

— magnetische 1212,223,875,884. 

— elektromagnetische 1 246; 11 20. 

— des Elektrons II 170 (§ 19), 208. 
Energieprinzip I 246; 11 20, 29. 
Energiestrom I 311, 344, 366 (§ 77), 

363 (§ 78); 11 12, 20. 

— absoluter n 107. 

— relativer 11 108, 389. 



Erdbewegung 1 404, 483 ; II 336, 842^ 
866 (§ 42), 878 (§ 43), 879 (§ 44). 

Eulersche Bewegungsgleichungen 
des starren Körpers I 89. 

— in der Hydrodynamik I 113. 
ExtinktionskoefEzient I 814. 

Faraday I 1, 141, 287, 890^ 11 1. 
Farbenzerstreuung s. Dispersion. 
Feld eines Vektors I Abschnitt 1, 

Kap. 2: 43—122. 
Feldgleichungen I 248 (§ 60). 
Feldstärke, elektrische I 128 (§ 88), 

141, 182; II 264. 

— magnetische I 211, 217 (§ 56); 
n 266. 

Femwirkungstheorie I 1, 167, 228, 
272, 343, 868, 878; 11 15, 99. 

Ferromagnetismus I 218, 868—890; 
n 288. 

Fitzgerald 11 876. 

Fizeaus Versuch I 485; 11 326 (§ 87). 

Flächendichte, elektrische 1 182,145. 

Flächendivergenz I 74. 

Flächenkraft, elektromagnetische 

I 415, 418; n 25, 831, 338. 
Flächenwirbel I 95. 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit 

elektromagnetischer Störungen 

und Wellen I 807, 322; II 62. 
freie Elektrizität 1 146 (§ 89), 11 263, 

812, 816. 
freier Magnetismus I 212, 224 (§ 57), 

873 (§ 80). 

— Strom I 229 (§ 68), 378 (§ 81); 

II 264. 
Frequenz I 276. 
Fresnel, A.,.n 828, 842. 
Fresnelscher Fortfährungskoeffizient 

n 828. 

y- Strahlen 11 16. 
Qaußisches Maßsystem I 254. 
Graußischer Satz I 64, 66. 
Greometrie, nichteuklidische, I 485. 
Geschwindigkeitsvektor I 9. 
gleichförmige Bewegung elek- 
trischer Ladungen II 168 (§ 18). 



Itegistei. 



399 



Gleichgewicht, stabiles, labiles, in- 

— differentes I 80 (§ 11). 
Gleitfläche I 402. 
Goldstein, E., E 6, 14. 
Graßmann I 8, 14, 16. 
Greenscher Satz I 68. 
Grenzbedingnngen I 146, 225, 319, 

880; n 816, 826. 

Grandgleichongen s. auch Hauptgl. 
und Feldgl. 

Grandgleichongen der Elektronen- 
theorie n 17 (§ 4), 252, 824. 

— dynamische 11 140 

— kinematische 11 141. 

Hack, F., n 806. 

Haga, H., n 16, 120. 

Hagen, E. s. Bnbens. 

Halbleiter, Wellen in I 812 (§ 70). 

Halbranm, dielektrischer I 150 

(§ 40). 
HaU-Effekt I 242, II 319. 
Hamiltonscher Operator V I 49, 58, 

62, 81. 
Härte, magnetische 1 872, 878 (§ 80). 
Hasenöhrl, F. 11 846. 
Hauptgleichnng, erste I 221, 285, 

(§ 69), 424 (§ 90); H 17, 265, 

310 (§ 85). 

— zweite I 238, 898 (§ 86); 1117, 
265, 317 (§ 86). 

Heaviside, 0., I 8, 200, 211, 244; 

n 90, 119, 188, 181. 
Heaviside -EllipsoXd H 91, 165, 201 

(§ 22), 875. 
Helligkeit E 852. 

Helmholtz, H., 1 47, 119, 199; E 267. 
Herglotz, G., E 214. 
Hertz, H., I 1, 211, 254, 286, 288, 

400, 436; E 6, 62, 142, 304. 
Hertz -Heayisidesche Analogie 1 211, 

226, 289, 430; E 264, 890. 
Hertzsche Elektrodynamik bewegter 

Körper I 398 (§ 86), 421, 424 

(§90), 430 (§91); E 810 (§86), 

817 (§ 86), 326 (§ 37), 342. 
Hertzscher Erreger I 287; E 804. 
Hertzsche Funktion E 56, 62, 298. 



Hertzsche Mechanik I 212; E 142. 

Hertzscher Resonator E 296. 

Hertzsche Schwingungen I 286. 

Hertzscher Vektor E 66, 59, 287, 288. 

Hertz, R, E 222, 280, 234. 

Hittorf, W., E 6. 

Hohlraum, Hohlraumstrahlung 
E 369. 

HuU, G.P., E 83 

Huyghenssches Prinzip E 844, 846. 

hydrodynamische Grundgleichun- 
gen I 112 (§ 81). 

Hysteresis, magnetische 1 868 (§ 79). 

Impedanz I 276. 
Impuls I 82. 

— elektromagnetischer E 29. 
Impulsmoment I 82. 

— elektromagnetisches E 85. 
Impulssätze I 32; E 30, 86. 
Induktion, magnetische, als Vektor 

I 211, 214 (§ 55), 277; E 264. 
' — in Stromkreisen I 258 (§ 68)^ 
890 (§ 84), 394 (§ 86). 

— unipolare I 405 (§ 87). 
Induktionsgesetz I 237, 390; E 320. 
Induktionsfluß I 266, 259. 
Induktionskoeffizient I 259. 
Induktionslinien I 216, 407. 
induktive Kuppelung I 294 (§ 68). 
Influenz, elektrische I 140. 
innere Kraft eines Elektrons E 140,. 

209, 214, 286 (§ 26). 
inneres Produkt I 13 (§ 6). 
Ionen I 191; E 1, 2, 4. 
Joulesche Wärme I 186. 
Isolatoren I 180, 316. 

Kabelwellen I 345 (§ 74). 
Kanalstrahlen E 14. 
Kapazität des Kugelkondensatora 
I 184, 141. 

— des gestreckten BotationseUip- 
soides I 138. 

— der Längeneinheit einer Leitung 
I 836, 846, 849. 

Kathodenstrahlen I 191; E 5 (§ 2),. 
194 (§ 21). 



400 



Register. 



Kaufmann, W., I 192; II 7, 11, 139, 

198, 213. 
Kayser, H., n 79. 
Ketteier II 267, 274. 
Kiebitz, F., 11 806. 
Kirchlioff, G., I 866; 11 862, 364. 
Kirchhoffsches Qesetz I 828; 11 863. 
kommentatives Gesetz I 6, 14, 17. 
Komponenten einesYektors 1 10 (§4). 
Kondensator I 184, 141. 

— am Ende einer Leitung I 860 
(§ 76). 

Kondensatorentladong I 279 (§66); 

n 291. 
Kontaktkraft, elektrische, I 198 

(§ 61). 

Kontinnitätsbedingong der Elektri- 
zität n 89. 

Kontraktionshypothese 11 876. 

Konvektionspotential n 91, 161. 

Konvektionsstrahlnng U 18. 

Konyektionsstrom 1 189 (§49), 426; 
n 814. 

Koppelung I 294 (§ 68); 11 808. 

Kraft, elektrische, magnetische s. 
Feldstärke. 

— vgl. dissipatiye, eingeprägte, 
elektromagnetische , elemen- 
tare, ponderomotorische, quasi- 
elastische. 

Kraftfiuß I 126 (§ 84). 
Kräftefunktion 11 168, 162, 179. 
Kraftlinien I 128. 
Kreisel I 88. 

Kugel, gleichförmig mit Quellen 
erfüllte I 69. 

— homogen polarisierte I 169 
(§ 42). 

Kurlbaum, F., n 861. 

Ladung eines Ions n 1, 4. 

— spezifische, des Elektrons n 9, 
11, 77, 200, 276, 282. 

Lagrangesche Funktion n 166, 174, 
176, 179, 202. 

— Gleichungen I 40 (§ 16), 266 
(§ 64); n 189. 

Langevin, R, n 8, 288. 



Laplacesche Gleichung I 68. 
Laplacescher Operator I 68, 89. -- 
Latensweg, Latenszeit n 62. 
Lebedew, P., 11 88. 
Leiter der Elektrizität I 180 (§ 36), 
816. 

— vollkommene oder ideale, 1 829, 
vgl. auch Spiegel. 

Leitfähigkeit I 186; n 286. 
Leitungselektronen n 261, 288 (§ 82). 
Leitungsstrom I 182 (§ 47), 186; 
n 266, 283 (§ 82). 

— in Gasen n 2, 286. 

~ in Elektrolyten I 190; 11 1. 

— in Metallen I 192; II 284. 
Lenard, Ph., n 6, 7, 13. 
Lenzsches Gesetz I 240. 
leuchtender Punkt 11 69 (§ 9), 102 

(§ 14), 888. 
Levi-Civitä n 69. 
Lichtdruck n 82, 829 (§ 88), 861, 

884. 
Lichtgeschwindigkeit I 807. 

— Bewegung mit II 286, 886, 861. 
Lichtzeit in gleichförmig bewegtem 

Systeme II 366 (§ 42). 
Li^nard, A., 11 86. 
lineare Yektorfunktion I 87. 
Linienintegral eines Vektors I 49, 

86, 116. 
longitudinale Masse n 162, 181 

(§ 20), 203. 
Lorentz, H. A., I 198, 428, 428, 434; 

n 23, 26, 69, 72, 119, 262, 268, 

271, 274, 277, 286, 828, 829, 842, 

862, 872, 876, 879. 
Lorentzsches Elektron n 201 (§ 22). 
Lorentz -Lorenzsches Gesetz n 272. 
Loschmidtsche Zahl n 6. 
Luminiszenz 11 869, 864. 
Lummer, 0., II 7, 360, 861. 

Macdonald, H. M., 11 296. 
magnetische Drehung der Polari- 
sationsebene n 276 (§ 80). 

— Energie I 212, 223, 376, 884. 

— Feldstärke I 211, 217 (§ 66); 
n 266. 



Eegister. 



401 



magnetische Härte oder Remanenz 
I 213, 372. 

— Hysteresis I 368 (§ 79). 

— Induktion (als Vektor) I 211, 
214 (§ Ö5), 277; 11 264. 

magnetischer Strom I 240. 
Magnetisierung I 227; 11 262, 282 

(§ 31). 
Magnetisienmgselektronen IT 251, 

260, 282. 
Magnetismus, wahrer nnd freier 

I 212, 216, 243, 373 (§ 80). 
Marconi- Sender I 294; II 806. 
Masse , elektromagnetische oder 

scheinbare n 137, 162, 181 

(§ 20), 203. 
Maßeinheiten, Maßsysteme I 207 

(§ 53), 249 (§ 61). 
Materie, Materialismus I 357. 
Maxwell, J. CL, I 1, 48, 44, 267, 

308, 416; n 33, 374. 
Maxwellsche Relation I 308; 11 268. 

— Spannungen I 413 (§ 89); II 25. 
Metalle 1 130, 189, 208, 318, 323, 326. 

— Elektronentheorie der I 192, 
206; II 284, 319, 362. 

Michelson, A., 11 70, 326, 374. 
Michelsonscher Versuch 11 378 (§ 43), 

390. 
Mie, G., n 310. 
Minimalprinzip in der Elektrostatik 

I 168 (§ 44). 
Mittelwertsbildnng II 258. 
Moment einer Doppelquelle I 63. 

— einer Doppelschicht I 75. 

— eines Wirbelfadens I 89. 

— elektrisches 11 67, 256. 

— magnetisches 11 260. 
Monozykel I 268. 
Morley 11 326, 874. 
Morton, W., II 167, 168. 
Multiplikation I 13 (§ 5), 16 (§ 6). 

Nahewirkungstheorie I 1, 164, 228, 

358, 366, 378. 
Nemst, W., Nemstlampe 1 130, 204. 
Neumann, F. E., I 272. 
Nichols, E. F., II 33. 

Abraham, Theorie der Elektrizität. IL 



Ohmsches Gesetz I 183, 186; 11 286, 

286. 
Optik bewegter Körper n 879 (§44). 
Ortszeit II 370, 377. 

Paralleldrähte I 347 (§ 76). 
Paramagnetismus I 213; 11 283. 
Paschen, F., n 77, 78, 361. 
physikalisch unendlich kleine 

Strecken und Zeiten 11 253, 255. 
Peltiersches Phänomen I 205. 
permanente Magnete I 213, 378 

(§ 80), 378 (§ 81). 
Permeabilität, magnetische I 212. 
Piezoelektrizität I 207. 
Planck, M., II 73, 268, 271, 276, 

352, 354, 361, 362. 
Plücker, J., H 6. 
Poincar^, H., II 31, 59. 
polare Vektoren I 22 (§ 8). 
Polarisation, elektrische 1 154 (§ 41) ; 

n 268. 
Polarisationselektronen 11 251, 269, 

275. 
Polarisationsstrom 1 193 ; 11 258, 312. 
ponderomotorische Earäfte im elek- 
trischen Felde I, Abschnitt 2, 

Kap. 8: 163—182. 

— zwischen Magneten I 377, 384. 

— an Stromelementen 1 409 (§ 88). 

— zwischen Stromleitern I 271. 

— zwischen Magneten u. Strömen 
I 386 (§ 82). 

— im elektromagnetischen Felde 
I 421, 422; II 23 (§ 5), 319, 829 
(§ 38). 

Potential (skalares) I 50, 61, 63, 68. 

— eines Dielektrikums I 156. 

— elektrodynamisches I 272, 885. 

— elektromagnetisches 11 39. 

— elektrostatisches I 130 (§ 35). 

— eines magnetisierten Körpers 
I 224 (§ 57). 

— retardiertes 11 59. Vgl. auch 
elektromagnetisches. 

— vektorielles,vgl. Vektorpotential, 
potentielle Energie I 80, 172, 376; 

n 142, 207. 

26 



402 



Begister. 



Poyntingscher Satz 1361; 11107,108. 
Pringsheim, E., H 861, 364. 
Probekörper, elektriBclier I 123, 

146, 177, 182; 11 22. 
Probespule I 214, 276. 
Produkt, skalares (inneres) 1 18 (§ 6). 

— vektorielles (äußeres) 1 16 (§ 6), 

— dreier Vektoren I 19 (§ 7). 
Pseudoskalar I 22. 
Punktladung, Wellenstrahlung einer 

n Abschnitt 1, Kap. 2: 69—186. 

— Feld einer gleichförmig beweg- 
ten n 87 (§ 12). 

— Feld einer ungleichförmig be- 
wegten, n 92 (§ 18). 

Pyroelektrizität I 207. 

quasielastische Kraft 11 68, 267, 886. 

quasistationäre Bewegung des Elek- 
trons II 188, 208 (§ 28). 

quasistationärer Strom I Abschnitt 8, 
Kap. 2: 254—303; 11 291. 

Quelle I 61. 

Quellenfeld I 61 (§ 19), 64 (§ 22). 

quellenfreies Feld 1 89 (§ 26), 94 (§ 27). 

Quellpunkt I 69 (§ 21). 

Badium- Strahlen ygl, a-, /?-, 7- 
Strahlen. 

Badius des Elektrons n 193. 

Rayleigh II 882. 

Baum, leerer I 142, 218, 867, 423, 
486; n 18. 

BeaktionskrafI; s. Bückwirkung. 

Beflexion des Lichtes durch beweg- 
ten Spiegel n 343 (§ 40), 364. 

Beflexionsyermögen der Metalle 
I 318 (§ 71). 

Belativbewegung I 898, 404, 480, 

(§ 91). 
relativer Energiestrom 11 108, 889. 

relativer Strahl n 886 (§ 39). 

Belaxationszeit I 189, 812. 

Besonanz, Besonanzkurve I 288 

(§ 67). 

Biecke, E., I 206; n 284, 819. 

Bitz, W., II 79. 

Böntgen, W. C, I 426; H 7. 



Böntgenstrahlen n 7, 16, 81, 102, 

120, 280. 
Böntgenstrom I 426, 428; 11 816. 
Botation eines Vektors, rot I 81 

8. curl. 
Botationsellipsoid, leitendes I 186. 
Botationsgeschwindigkeit I 24, 47, 

81. 
Botationskonstante 11 281. 
rotierendes Bezugssystem 1 84 (§ 13). 
Bowland, H.A., I 426; n 188. 
Bubens, H., I 318, 821; 11 861. 
Bückwirkung der Strahlung 11 71, 

72, 121 (§ 16), 211, 218, 276. 
Bunge, C, II 77, 78, 79, 199. 
Butherford, E., 11 14. 
Bydberg 11 79. 

Sarasin, E., und De la Bive 11 804. 

Schirmwirkung der Metalle I 131, 
827. 

Schraubenlinie als Elektronenbahn 
n 11, 118. 

Schuster, A., II 6. 

schwarze Fläche n 82, 830. 

schwarzer Körper 11 866. 

schwarze Strahlung s. weißes Licht. 

Schwarzschild, K., 11 97, 98. 

Schwebungen I 800, 11 808. 

Schwingungen, elektrische, in Leiter- 
kreisen I 279 (§ 66), 288 (§ 67), 
294 (§ 68); II 286 (§ 88), 297 

(§ 84). 
Schwingungsgleichung eines Dipols 

II 68, 72, 269. 

Searle , G. F. C, H 168, 181. 

Selbstinduktion I 260, 268. 
— der Längeneinheit einer Leitung 
I 338, 346, 349. 

Seilmeier n 267. 

Sender, Sendedraht I 298, 296, 803; 
n 296, 297 (§ 34). 

Siertsema, L.H., n 282. 

Simon, S., II 11. 

Skalar I 4, 28. 

skalares Potential, Produkt s. Poten- 
tial, Produkt. 

Slaby s. Braun. 



Begister. 



403 



Sommerfeld, A., 11 120, 222, 286. 

248, 244, 309. 
Spannung bei Drahtwellen I 836. 
Spannungen, MazweUsche I 418 

(§ 89); n 26. 
Spektrallinien 11 67, 70, 77, 79, 214, 

369, 364. 
Spiegel, Tollkommener oder idealer 

I 828, 880; II 380. 

— bewegter, 11 383, 386, 848 (§ 40). 
Stabilii&t des Grleichgewichts I 30 

(§ 11). 

— der Bewegung des Elektrons 
n 172. 

Starke, H., 11 200. 
starrer Körper I 28 (§ 9). 
Stefan-Boltzmannsches GresetzII 868. 
Stokes, G. G., E 16, 102, 842. 
Stokesscher Satz I 82 (§ 26). 
Stoney II 8. 

Strahl, absoluter I 811, 361, 867; 
n 864. 

— relativer 11 336 (§ 89). 
Strahlung, absolute, I 311; 11 338. 

— relative 11 838. 

— linearer Leiter n 286 (§ 83). 

— natürliche II 864. 

— einer Punktladung n 66, 111. 

— eines Sendedrahtes 11 297 (§ 34). 
Strahlungen, Klassifikation der 11 12 

(§8). 
Strahlungsdruck s. Lichtdruck. 

Strahlungsformel, Plancksche II 361. 
Strahlungsgesetz, thermodynami- 

sches n 367. 
Strom, elektrischer I Abschnitt 2, 

Kap. 4: 182—210. 

— magnetischer I 240. 
Subtraktion von Vektoren I 6 (§2). 
Susceptibilität, magnetische I 227. 

Telegraphengleichung I 318. 
Telegraphie, drahtlose I 293, 296, 
303; n286 (§38), 297 (§34). 
Temperatur der Strahlung 11 361 

(§ 41). 
Temperaturstrahlung, reine 11 869, 
868. 



Tensor, Tensortripel I 39. 

Teslatransformator I 294 (§ 68). 

therm odynamisches Strahlungs- 
gesetz n 867. 

Thermoelektrizität I 204. 

Thomson, J. J., I 208; 11 87, 121, 
187, 230. 

Thomson, W., I 140," 168, 206. 

Thomsonsche Formel I 288, 864. 

Townsend, J. S., n 8, 6. 

Trägheitsmomente I 86 (§ 14). 

transversale Masse n 162, 181 (§ 20), 
208. 

— Wellen I 808, 882. 
Triplet, Zeemansches n 78. 

Überlichtgeschwindigkeit 11 246 
(§ 27). 

ündulationshypothese d. Kathoden- 
strahlen n 6. 

unipolare Induktion I 406 (§ 87). 

unstetige Bewegung des Elektrons 
n 222 (§ 26). 

ünstetigkeitsflächen in Vektor- 
feldern I 70 (§ 28), 94 (§ 27). 

Vektoren I Abschnitt 1, Kap. 1: 4—48. 
Vektorfelder I Abschnitt 1, Kap. 2 : 

43—122. 
Vektorfunktion, lineare I 87, 46 

(§ 17). 
Vektorpotential I 90, 96. 

— elektromagnetisches 11 89, 290. 

— magnetisches I 217, 220, 222, 
264 (§ 62). 

— magnetisierter Körper I 229 
(§ 68). 

Vektorprodukt, vektorielles Produkt 

I 16 (§ 6). 
Verschiebung, elektrischel 141 (§ 38). 
Verschiebungsgesetz n 367, 368. 
Verschiebungsstrom I 186 (§ 48); 

n266. 
Verstärkungsgesetz n 367. 
Vertauschungsgesetz n 280. 
virtuelle Arbeit I 27 (§ 10). 
Voigt, W., n 277, 282, 283. 
Volterra, V., 11 69. 



404 



Register. 



Wahre ElektrizitätI146(§39); 11263. 
wahrer Magnetismns I 212, 216. 

— Strom I 188. 
Warburg, E., I 371. 

weißes Licht n 358, 360, 364, 365. 

Wellen, elektromagnetiBche I Ab- 
schnitt 3, Kap. 3: 303--356. 

Wellenstrahlung 11 13. 

Wellenzone n 64, 101, 227, 300. 

Weltbild, elektromagnetisches 1 273, 
358; n 136 (§ 16), 208, 387. 

Widerstand I 183, 185, 276. 

Wiechert, E., H 7, 12, 16, 85, 102. 

Wien, M., I 295. 

— W., n 358, 360. 
Wilson, H. A., II 3, 322. 
Wind, C. H., II 16, 120. 
Wirbel, Wirbelstärke 1 80, 88. Vgl. 

auch curl. 



Wirbelfaden, Wirbellinie I 89, 103 

(§ 29), 201. 
Wirbelfeld I 79, 89 (§ 26). 
wirbelfreies Feld 1 48 (§ 18), 64 (§ 22), 

70 (§ 23). 
Wirbelsatz I 115 (§ 32). 

X- Strählen s. Röntgenstrahlen. 

Zeeman-Effekt 11 16, 73 (§ 10). 

— anomaler 11 78. 

— inverser II 277. 
Zeitkonstante I 275. 

Zerlegung der Flüssigkeitsbewegung 
147. 

— eines Vektorfeldes I 98 (§ 28). 
Zyklische Bewegung, Systeme 1 266 

(§ 64). 



Berichtigungen zu Band I. 



S. 9, Z. 18 V. n. Kes: 



dt, 

da 



(; 



At) ds dt 



S. 19, Z. 10 V. 0. lies; «ji + Oji + aj! statt «li + fti + ri^- 
S. 72, Z. 16 V. 0. und S. 73, Z. 6 v. o. lies: 



t/ y r ov ov f 



statt 



df\ ldq> , r 
\ r dv dv 



S. 111, Z. 2 V. 0. lies: Arbeit statt Kraft. 

S. 154, Z. 9 V. u. lies: — ^(qp — 9o) ^**** —^^ — ^q- 

8. 178, Z. 2 y. u. lies: den statt der. 

S. 229, Z. 12 y. 0. lies: magnetisierten statt magnetischen. 

S. 259, Gl. (188a) lies: -Xj,j; statt -Ai«^- 

c c 

S. 259, Gl. (188 d) lies: -Xj^J", statt -L^^J. 

c c 

S. 261, Z. 4 V. u. lies: J^ statt J". 

S. 261, Z. 1 y. u. lies: /, statt /. 

S. 277, Z. 2 y. o. lies: dt statt d/l 

S. 288, Z. 7 y. 0. lies: der Energieinhalt statt die Energieeinheit. 

S. 297, Z. 14 V. 0. lies: (tr^'-rj«)* statt (tr^'-T,)*. 

S. 321, Gl. (209 f) lies: ^a statt a. 

S. 342, Gl. (217a) lies: -^^-^ statt 



X 



dz dx 



S. 363, Gl. (225) lies: ^^J-y = ^+w7r. 

S. 403, Z. 4 y. o. lies: (242 e) statt (242c). 

S. 438, Z. 10 y. o., Formel q lies : curl cnrl 11 statt curl 11. 



Berichtigungen zu Band II. 
S. 117, Z. 2 y. 0. ist 2 als Faktor beizufügen. 
S. 163, Z. 3 y. u. Hes: 9l = - Cdv\l0^, -|fil. 

S. 164, Z. 40 y. o. lies: -[n^©]-^ statt [Jio®] + ^ 

S. 157, Z. 8 y. u. lies : (I) statt (II). 
S. 272, Z. 13 y. n. lies: X statt r. 



or 



'^'^A 




Abraham, Theorie der Elektrizität. II. 



26* 



Druck Ton B. G. Teubner in Dresden. 



I 



Verlag von fi. G. Tenbnei* in Leipzig. 

Föppl^ Dr. A.y Professor in München, Vorlesungen über technidcbe 
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fXII ü. 471 S.] 1903. n,JClO.— III. Festigkeitslehre. 2. Auti. 
Mit 79 Figuren im Text [XVIII u. 612 S.] 1900. n. .iC 12.- 
IV. Dynamik. 2. Aufl. Mit «9 Figuren im Text. [XV u. 50G S.J 
1901. n. JC 12.— 

__ . Die Geometrie der Wirbelfelder. In Anlehnung an das 

Bucb des Verfassers über die MaxureÜsche Theorie der Elektrisdtät 
und zu dessen Ergänzung. [X u. 108 S.] gr. 8. 1897. geh. n. JCS.60, 
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gr. 8. 1905. geb. n. ^ 2.80. 

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UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY 

BERKELEY 

Retum to desk from which borrowed. 
This book is DUE on the last date stamped below. 



27Dec'4S JL I 
7 Mar'59FW 




MAY21 1966 66 
JMS ^76RCfl 



AUG 11 1990 



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Wien, Dr. W., Professor in Würzburg, über Elektronen. Vortrag. 

gr. 8, [Erscheint Im September 1905.] ^ 



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