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THEOSOPHIE
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GEHALTEN
VOR DER UNIVERSITÄT GLASGOW IM JAHRE 1892
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F. MAX MÜLLER.
AUS DEM ENGLISCHEN ÜBEKSETZT
vox
DR. MORIZ WINTERNin.
AnORISIERTE, VOM VERFASSER DURCHGESEHENE AFSOABE.
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Hcto Öori
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
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Alle Rechte vorbehalten.
Vorrede.
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Die Entdeckung Gottes, die Entdeckung der Seele
und die Entdeckung der Einheit Gk)ttes und der Seele —
dies waren die drei Hauptgegenstande meiner Gifford-
Vorlesungen, und ich habe wenigstens den Versuch ge-
macht, jeden derselben nicht bloß als Philosoph, sondern
als Historiker zu behandeln. Während die Religions-
philosophie den Glauben an eine erste Ursache des Welt-
alls, an ein Ich oder Selbst und an das wahre Verhältnis
zwischen den Beiden als eine Sache psychologischer Ent^
Wicklung oder logischer Folgerung behandelt, war es meine
Absicht zu zeigen, nicht wie jede dieser drei Entdeckungen
vor sich gegangen sein kann oder sein muss, sondern wie
sie in der Geschichte der Welt, so weit wir sie gegen-
wärtig kennen, vor sich gegangen ist. Ich weiß recht
gut, dass diese historische Methode mit ernstlichen Schwie-
rigkeiten behaftet ist und infolgedessen vor den Augen
der spekulativen Philosophen nur selten Gnade gefunden
hat So lange wir die Geschichte des Menschengeschlechts
als etwas ansehen, was sein konnte oder auch hätte nicht
sein können, dürfen wir uns nicht wundem, dass der
Religionsforscher sich seine Ansichten über das Wesen
der Religion und die Gesetze ihrer Entwicklung lieber
aus dem Meisterwerke des Thomas von Aquino, der
Summa Sacra Tlieohytac, als aus den heiligen Büchern
Vortode.
'/(■ä Osteim bildet. Wenn wir aber gelernt habeu, in der
Geschiebte die Verwirtüchung eines vemtinftigen Zweckes
zu sehen, wenn wir gelernt haben, sie als ein göttliches
Drama im wahrsten Sinne des Wortes zu betrachten, sollte
der in diesem Drama entbüllte Knoten auch in den Äugen
des Philosophen eine weit tiefere Bedeutung und einen
viel höheren Wert erhalten, als die Spekulationen selbst
diir erleuchtetsten und logischesten Theologen.
Ich kenne die G-efahren eines solchen Unternehmens
nur zu gut und bin mir der bei einem ersten Versuch
imTermeidlichen UnvoUkommenheiten schmerzlich bewusst.
Die Hauptgefahr liegt darin, dass wir so sehr geneigt sind,
in den Tliataacben der Geschichte die Lehre zu finden, die
wir darin zu finden wünschen. Es ist bekannt, als wie irre-
führend sich in dieser Beziehung die Hegeische Methode er-
wiesen hat, weil Hegel so sehr dazu geneigt war, in der Ge-
schicbte der Religion das zu sehen, was nach seiner Ansicht
von der logischen ^Notwendigkeit in der Entwicklung der
Idee, oder gar von dem psychologischen Wachstum des
menschlichen Geistes, darinnen sein sollte. Die Folge war,
dass die historische Seite in Hegels Keligionsphilosophie
fast ganz unzuverlässig ist. Dagegen ist es mein Bemühen
gewesen, mich keinerlei Mutmaßungen hinzugeben, son-
dern mich nur den Thatsachen allein zu unterwerfen, den
Thateachen, wie wir sie in den heiligen Bi\chem des Ostens
finden, zu versuchen, sie zu entziffern und zu verstehen, wie
wir die geologischen Ännalen der Erde zu entziffern und
zu verstehen suchen, und in ihnen Vernunft, Ursache und
Wirkung, «od womöglich jenen engen genealogischen
Zusammenhang zu entdecken, der allein empirisches
Wissen tu wissenschaftlicher Erkenntnis erhebt. Diese
f/cjicaloffiscke Methode ist ohne Zweifel die vollkommenste,
wenn wir die Entwicklung religiöser Ideen gleichsam vom
Sohn auf den Vater, vom Schüler auf den Lehrer, von
dem negativen zu dem positiven Stadium verfolgen kön-
Dcu. Wo dies aber unmöglicb ist, hut auch die auHloiji-
Vorrede. vn
sehe Methode ihre Vorteile, indem sie uns in stand
setzt zn beobachten, wie dieselben Glaubenssätze an ver-
schiedenen Orten unabhängig voneinander entstehen, und
aus ihren Ähnlichkeiten und Unahnlichkeiten herauszufin-
den, was von unserer gemeinsamen Menschennatur her-
rOhrt, imd was dem Einfluss individueller Denker zuge-
schrieben werden muss. Qiu)d semper, quod ul/ique, quod
ab Omnibus ist nicht unbedingt das, was wahr ist, aber
es ist das, was natürlich ist, es macht das aus, was wir
natürliche Religion zu nennen pflegen, obzwar we-
nige Geschichtsforscher heutzutage behaupten würden,
dass die übernatürliche Religion kein Anrecht auf
den Titel natürliche Religion habe, oder dass sie
nicht auch einen Teil des göttlichen Dramas des Men-
schen bilde, wie es von Zeitalter zu Zeitalter auf der
historischen Bühne der Welt gespielt worden ist.
Mein Zweck in diesen drei aufeinanderfolgenden Kur-
sen von Vorlesungen über physische, anthropologische
und psychologische Religion war es, auf Grund histori-
scher Zeugnisse den Nachweis zu liefern, dass das, was
ich in meinem ersten Bande als eine vorläufige Definition
der Religion im weitesten Sinne des Wortes aufstellte,
nämlich die Wahrnehmung des Unendlichen, das Eine
Element gewesen ist, welches alle Religionen der Welt
miteinander gemein hatten. Nur dürfen wir nicht ver-
gessen, dass wie jeder andere Begriff auch der des Un-
endlichen in seiner historischen Entwicklung durch viele
Phasen hindurchgehen musste, von der einfachen Negie-
rung dessen, was endlich ist, und der Behauptung eines
unsichtbaren Jenseits angefangen, bis hinauf zu dem be-
wussten Glauben an jenes höchste wirkliche Unendliche,
in dem wir leben, weben und sind. Diese historische
Entwicklung des Begriffes des objektiven Unendlichen
suchte ich in meinen Vorlesungen über physische Religion
zu verfolgen, die des Begriffes des subjektiven Unendli-
chen in meinen Vorlesungen über anthropologische Religion,
während dieser letzte Hand dem Studium der Entdeckung
der Einheit des objektiven Gottes imd der subjektiTen
Seele , welche den endgültigen Abschluss aller Religion
und aller l'hilosophie bildet, vorbehalten blieb.
Die Un vollkommen he ite n , denen ein erster Versuch
aof dem Gebiete der vergleichenden Religionswissenschaft
auBgeeetzt ist, rühren von der ungeheueren Masse des Ma-
terials her, das man zu Rate zu ziehen bat, und von der
immer zunehmenden Zahl von Biichem, die der Aus-
legung desselben gewidmet sind. Die Zahl der Bücher,
die man lesen mUsste, um diesen Gegenstand zu behaa-
deln, wie er behandelt werden sollte, ist zu groß, als
dass sie irgend ein einzelner Gelehrter in der kurzen
Spanne seines Lebens je bewältigen könnte. Es ist leicht
zu tadeln und zu sagen: f^ti Irop embrasse.. mal eireint,
aber bei vergleichenden Studien ist es unmöglich zn viel
zu umfassen, und Kritiker mUssen lernen, vemUnftig zu
sein und von einem Gelehrten, der sich mit dem ver-
gleichenden Studium vieler Religionen beschäftigt, nicht
dieselbe gründliche Vertrautheit mit jeder einzelnen der-
selben zn erwarten, die sie von einem Specialisten vor-
aussetzen dürfen. Niemand hat es bitterer empfunden
als ich, wie unangenehm es ist, sich mit einem bloßen
reUUa refern begnügen und die Urteile Anderer annehmen
zu müssen, selbst wenn man weiß, daas jene besser be-
fähigt sind zu urteilen, als man es selbst ist.
Dies gilt namentlich von meinen abschließenden Vor-
teanngen, der zwölften bis fünfzehnten Vorlesung in die-
sem Bande. Diese Vorlesungen enthalten den Schlüssel
zu der ganzen Serie, und sie bildeten von allem Anfang
an das Endziel, das ich vor Augen hatte. Sie sollten
der Deckstein des Bogens sein, der auf den zwei Pfeilern
der physischen und der anthropologischen Religion ruht
und die beiden zu dem wahren Thore des Tempels der
Zukunftisreligion vereinigt Sie sollen zeigen, dass vom
rein Itistorischcn Standpunkt das Christentum nicht eine
Vorrede. IX
bloBe Fortsetzung, ja nicht einmal eine Reform des Jaden-
tams ist, sondern dass es namentlich in seiner Theologie
oder Theosophie eine Zosammensetznng semitischen und
arischen Denkens darstellt, welche dessen wirkliche Starke
bildet und demselben die Macht verleiht, nicht nor die
Erfordernisse des Herzens, sondern auch die Anforderun-
gen der Vernunft zu befriedigen.
Mein Zweck war es, zu zeigen, dass in der Entwick-
lung religiöser Ideen eine fortwährende Aktion und Reak-
tion herrscht und dass auf die erste Aktion, durch welche
das Grottliche von dem menschlichen Verstände getrennt
und beinahe aus seinem Gesichtskreis entfernt wurde,
eine Reaktion folgte, welche die Beiden wieder zu Ter-
einigen suchte. Dieser Prozess. obzwar er in vielen Re-
ligionen, namentlich in der des Vedanta, bemerkbar ist^
war doch am au^esprochensten im Judentum in dessen
Übergang zum Christentum. Nirgends war der unsichi^
bare Grott weiter von der sichtbaren Welt entfernt ge-
wesen, ab in der altjüdischen Religion, und nirgends sind
die Beiden wieder so nahe aneinander gerückt und Eins
gemacht worden, als durch jene Grundlehre des Christen-
toms« die göttliche Sohnschaft des Menschen. Es ist
mein Hauptzweck gewesen, zu zeigen, dass diese Reaktion
durch die historische Berührung zwischen semitischem
und arischem Denken, hauptsächlich zu Alexandria. her-
vorgerufen oder doch beschleunigt wurde, und in diesem
Punkte habe ich mir. wie ich gestehen muss. erlaubt
weit über Hamack. Drununond, Westcott und Andere
hinauszugehen. Sie scheinen mir dem Einfluss der grie-
chischen Philosophie in der Bildung der ältesten christ-
lichen Theologie zu wenig Wichtigkeit beizumessen, wäh-
rend ich überzeugt bin. dass ohne diesen Einfluss die
Theologie von Alexandria schlechterdings unmöglich ge-
wesen oder doch vermutlich nie über die des Talmud
hinansgerückt wäre. Was bei mir. indem ich mir diese
Meinung gebildet habe, mehr als irgend etwas anderes in
die Wagschale ffiUt, sind die Thatsaclion der Sprache,
tlie philoBophiache Terminologie, welche sowohl Juden wie
Philo, als aach Christen wie St, Clemens anwenden, nnd
welche offenbar aus der griechischen Philosophie herllber-
genommen ist. Wer immer Ausdrücke wie Logos, 'das
Wort', Mtmogen&i, 'der Eingeborene', rrolotokos, 'der
Erstgeborene', Uifws ton Iheou. 'der Sohn Gottes', gebraucht,
hat die eigentlichen Keime seiner religiösen Gedanken
von der griechischen Philosophie entlehnt Anzunehmen,
dass die Kirchenväter diese Ausdrücke herü hergenommen
hätten, ohne auch die Ideen zu entlehnen, wäre dasselbe,
als wollte man amiehmen, daas Wilde Feuerwaffen weg-
tragen würden, ohne sich zu gleicher Zeit SchieBpulver und
Kugeln zum Schießen zu yerschafl'en, Wörter können
entlehnt und die Ideen , welche sie ausdrücken, können
von den Entlehnem umgestaltet, gereinigt und vergrößert
werden; die Substanz ist aber immer dieselbe, imd das
Gold, das in einer Goldmünze ist, wird immer dasselbe
Gold bleiben, wenn es auch in ein Götterbild verwandelt
worden ist. Ich habe zu zeigen gesucht, dass die Lehre
von dem Logos, das eigentliche Herzblut des Christen-
tums, ausschließlich arisch, und dass sie eine der einfach-
sten und richtigsten Schluasf olger ungen ist, zu denen der
menschliche Geist gelangen kann, wenn das Vorhan-
densein von Vernunft — sei es in der Einzahl oder
in der Mehrzalü — in der Welt einmal anerkannt wor-
den ist.
Wir kennen Alle die Worte des Lukrez:
'Pmctcre» caoli rationes ordine certo
Et varU nunoTum ceraebant tompora vorti'.
iV, 1182.)
Wenn die menschliche Vernunft einmal erkannt hat,
dass es Vernunft — in der Einzahl oder in der HehmJil
ili^i) — im Weltall gibt, so kann es Lukrez wohl alk
einen verhängnisvollen Irrtum bezeichnen, wenn man A
YoiTede. xi
den Göttern zuschreibt — aber soll man sie Niemand
zoschreiben? Ist die Vemonft, der Logos, in der Welt
nichts als ein Name, eine bloße Yerallgemeinenmg oder
Abstraktion, oder ist sie eine wirkliche Macht, und wenn
es eine ist, wessen Macht ist sie? Wenn die Klamaihs,
ein Indianerstamm, erklarten, dass die Welt Ton dem
'Alten oben' gedacht und gewollt worden sei. so gingen
die Griechen nur noch Einen Schritt weiter, indem sie
behaupteten, dass dieser Gedanke des höchsten Wesens.
dieser Logos, wie sie ihn nannten, der Ausfluss. die Nach-
konmienschaft, der Sohn Gottes sei. und dass er aus den
Logoi oder den Ideen oder, wie wir jetzt sagen, den Typen
aller geschaffenen Dinge bestehe. Da der höchste Ton diesen
IVpen der Typus der Menschheit war. so legten die alexandri-
nischen EirchenTäter, indem sie Christum als den Logos
oder das Wort oder den Sohn Gottes bezeichneten, das
höchste Prädikat das sie in ihrem Wortschatze besaßen.
Christus bei, in dem. wie sie glaubten, die gottliche Idee
der Menschheit in ihrer ganzen Vollständigkeit verwirk-
licht worden war. Dieses Prädikat stanmite jedoch nicht
aas ihrer eigenen Werkstatte, auch war es nicht eine bloße
Modifikation der semitischen 11 m/re/Y, welche im Anfange
bei Gott war. Diese Weisheit — ein Femininum —
kann man in der Epistrmt oder der Erkenntnis, mit wel-
cher der Vater den Sohn erzeugt, wiederfinden, aber es
geht nicht an, sie zu gleicher Zeit als das Vorbild des
männlichen Logos oder des gesprochenen Wortes oder des
Sohnes Gottes aufzufassen.
Dieser philosophische Begrifl* Ton dem Solme Gottes
kann nicht aus dem alttestamentlichen Begriff Israels als
des Sohnes Gottes, und ebensowenig aus den gelegent-
lichen Ausdrucken personlicher Frömmigkeit, welche an
Tahre als den Vater aller Menschensölme gerichtet sind,
hergeleitet werden. Der Ausdruck >Sohn GU>ttes«, auf
Jesus angewandt, verliert seine wahre Bedeutung, wenn
ihn nicht in seinem idiomatischen griechischen Sinne
Xn Vorrede.
als den Logos') auffassen, und wenn wir nicht Terstehen
lernen, was die Kirchenväter völlig verstanden hatten,
dofis der Logos oder das Wort Gottes nur in Einer
Form, nämlich in der des Menschen, des idealen oder
vollkommenen Menschen, offenbar werden konnte 1 Ich
gebe andererseits gerne zu, dass ein Ausdruck wie 'des
Mensclien Sohn' semitischer Herkunft ist. Es ist ein ub-
griechischer Ausdruck, selbst wenn er ins Griechische
tibersetzt wird. Kein Grieche würde je 'des Menschen
Sohn' in dem Sinne von 'Mensch' gebraucht haben, ebenso-
wenig als irgend ein K5mer je von A^iivs Det gesprochen
haben würde, außer unter dem Einfliiss jüdischen Denkens.
'Des Menschen Sohn' bedeutete einfach 'Mensch', bevor es auf
den Messias angewandt wurde. Nur so können wir die
Antithese verstehen, die uns schon im ersten Jahrhundert
begegnet: »Der Sohn Gottes, nicht des Menschen Sohn, ■^}
Wenn wir uns einmal in die Gedanken des Philo und
de» St. Glemena als der Vertreter jüdischer imd christ-
licher Theologie zu Alesandria hineingeiebt haben, werden
wir bemerken, wie enge die Lehre von der Inkarnation
mit der von dem Logos zusammenhängt und ihre wahre
historisclie Erklärung von dieser und nur von dieser allein
ompföngt. Nur auf Grund ihres alten Glaubens an den
Logos konnten es die ersten griechischen Konvertiten mit
vollkommener Ehrlichkeit und den Sticheleien des Celsua
imd anderer griechischen Philosophen zum Trotz Ober
sich bringen , Jeaum von Nazareth als den Fleisch ge-
wordenen Logos, als das Wort oder den Sohn Gottes,
anzunehmen. Wenn sie irgend eine niedrigere Anschau-
ung von Christus gehabt, wenn sie sich mit einem my-
tholo^schen Sohne Gottes oder mit einem Christus ans
11 In Stellen wie Mattb. VIII. 2!t: Mure. XIV, (11; XV, 3«
wird 'Sohn äottes', im Volks tllmliclioo Sinne gebraucht, wm dea
Juden als Biaiiplieniie eracbieu.
21 Bamabas XII, 10: «n^i viot u^^qw^'n: iAlh ,■•!,,■ ...C
Voirede xm
Nazareth begnOgt, und wenn sie glaubt bitten, wie
manche Theologen späterhin glaubten, ja wie Manche
noch jetzt glauben, dass es zwischen Christas und seinen
Brüdern einen Unterschied der Art — wie sie es nennen
— und nicht einen sei es auch noch so weiten Unter-
schied des Grades gebe, — so hatten sie auf die Sticheleien
ihrer froheren Mitforscher nichts erwidern können, so
hatten sie sich nicht der katechetischen Schule zu Alexan-
dria, oder Lehrern wie Athenagoras, Pantaenus, St. Cle-
mens und Origenes anschliefien können.
Was Athenagoras, Einer der frühesten Apologeten
des Christentums, über den Sohn Grottes dachte, können
wir aus seiner an Marc Aurel gerichteten Verteidi-
gung ersehen, wo er sagt (cap. X.: >Niemand halte es
fiir lacherlich, dass Grott einen Sohn habe. Denn wenn-
^eich die Dichter in ihren Dichtungen die Götter als
nicht besser denn Menschen (d. h. als Söhne erzeugend:
darstellen, so ist doch unsere Denkweise, was €h>tt den
Vater oder den Sohn anbelangt, nicht dieselbe wie ihre.
Sondern der Sohn Gottes ist der Logos des Vaters, der
Idee nach und der Thatigkeit nach: denn nach seinem
Muster und Ton ihm wurden alle Dinge gemacht, da ja
der Vater und der Sohn Eins sind.c
Dies alles bezieht sich bloB auf die christliche Theologie
oder Theosophie, und nicht auf das, was wir unter christlicher
Religion Terstehen. Diese schöpfte ihre Lebenskraft aus einer
anderen QueUe, aus der historischen Persönlichkeit Ton Jesus«
and nicht aus dem alexandrimschen Logos. Diese Unter-
scheidung ist für die älteste Geschichte des Christentums
sehr wichtig, und wir dürfen nie yergessen. dass die grie-
chischen Philosophen, die sich der christlichen Gemeinde
anschlössen, nachdem sie einmal ihr philosophisches Ge-
wissen beruhigt hatten, wahre Schüler Christi wurden
und das sittliche Gesetz, welches er gepredigt hatte, das
Gesetz der Liebe, an dem aUe seine Gebote hangen, von
ganzem Herzen annahmen. Welcher Art diese Persönlich-
keif, war, masBCQ sie viel besser gewusst haben, als wir
es wissen k&anen, denn Clemens, der in der Mitte dea
zweiten Jahrhunderts geboren war, hat möglicherweise
den I'apias odor manche Ton seinen Freunden gekannt,
welche die Apostel kannten, und er kannte gewisa viele
christliche Schriften, welche für uns jetzt verloren sind.')
Es muss jedem Christusgläiibigen fiberlassen bleiben, sich
ein Bild dieser Persönlichkeit zu machen, je nach den
Idealen, deren sein Geist fähig ist, und je nach seiner
Fähigkeit, die tiefe Bedeutung der wenigen Worte Christi,
die uns von den Aposteln und ihren Schülern aufbewahrt
worden sind, zu erfassen. Fllr den Geschichtsforscher
aber ist es von Interesse, zu verstehen, wie der Glaube
einer kleinen Gemeinde galiläischer t^scher und ihre Er-
gebenheit gegen ihren Meister die religiösen Meinungen
und die [ihilosophiachen Überzeugungen der ganzen alten
Welt in dem Maße, als es wirklich der Fall war, be-
einflussen konnten. Uer Schlüssel zu diesem Rätsel moss
meiner Ansicht nach eher in Alexandria als in Jeru-
salem gesucht werden. Wenn aber dieses Uatsel je zu
lösen ist, so ist es die Pflicht dea Geschichtsforschers,
die Thatsachen und nur die Thatsachen zu prüfen, ohne
ji;de Voreingenommenheit sei es zu Gunsten der Or-
thodoxie, des Hationalismus oder des Agnosticismua.
Für den Geschichtsforscher existiert die Orthodoxie nicht.
Er hat es nur mit Thatsachen zu thun und mit Schlnss-
fojgerungen, die sich durch Thatsachen rechtfertigen
lassen.
Ich kann hier nicht die Titel aller Bücher anführen,
welche mir bei der Zusammenstellung dieser Vorlesungen
von Nutzen gewesen sind. Viele derselben habe ich in
den Anmerkungen citiert. Meine früheste Bekanntschaft
mit dem in diesem Bande behandelten Gegenstande geht
auf die Vorlesungen von Weisse, Lotze und Niedner in
1 1 Bigg', Chriüia,, VlatimisU, p. iü.
Vorrede. XV
Leipzig, und Yon Schelling und Neander in Berlin zurück,
die ich vor mehr als fünfidg Jahren gehört habe. Seit
dftinalfi ist unsere Kenntnis der alten Religionen und des
Christentums in seiner ältesten Form in so außerordent-
lichem MaBe bereichert worden, dass schon ein bibliogra-
phischer Index einen Band föllen würde. Ich kann jedoch
diese Vorrede nicht schließen, ohne meine Verpflichtungen
gegen die Verfasser einiger neueren Werke, die mir von
dem größten Nutzen gewesen sind, anzuerkennen. Zu
tiefstem Danke verpflichtet bin ich Herrn Professor Har-
nack, dessen Dogmengesckiehte^ 1888, die wunderbarste
Schatzkammer gutbeglaubigter Thatsachen in der 6e*
schichte der christlichen Kirche ist, Herrn Dr. Charles
Bigg, dessen gelehrte Bampton Lectures ort the Christian
Plaionists, 1888, uns nur bedauern lassen, dass sie nie
fortgesetzt wurden, und Herrn Dr. James Drunmiond,
dessen Werk über Philo Judaeus, 1888, mir nicht nur
höchst wertvolle Zeugnisse geliefert hat, sondern auch
die sorgfaltigste Analyse aller Zeugnisse, welche zur Auf-
klärung der Epoche von Philo dem Juden dienen können.
Diese Epoche war eine Epoche im wahren Sinne des
Wortes, denn sie veranlasste, dass sowohl Griechen als
Juden eine Zeit lang stiUe hielten, bevor sie jeder seinen
eigenen Weg weiter gingen. Es war eine wirkliche
Epoche in der Geschichte des Christentums, denn Philo's
Werke wurden von St. Clemens und anderen alexandnni-
sehen Kirchenvätern studiert, denen sie die Augen öffne-
ten, so dass sie die Wahrheit in den inspirierten Schriften
des Moses und der Propheten, sowie auch in den inspi-
rierten Schriften des Plato und Aristoteles sahen. Es
war eine wirkliche Epoche in der Weltgeschichte, wenn
wir mit Recht annehmen dürfen, dass wir den philosophi-
schen Verteidigern des christlichen Glaubens zu Alexan-
dria den schließlichen Sieg der christlichen Philosophie
und der christlichen Religion über die Religion und Phi-
losophie des ganzen römischen Reiches verdanken.
XVI Vorrede.
Ich sollte vielleicht erklären, warum ich zu dem
ursprünglich fUr diesen letzten Kursus von Gifford- Vor-
lesungen gewählten Titel 'Psychologische Reh'giofi' noch
den Titel 'Theosophie' hinzugefügt habe. Es schien mir,
dass dieser ehrwürdige Name, der bei den frühesten
christlichen Denkern so bekannt war und von ihnen ge-
braucht wurde, um die höchste im Bereiche des mensch-
lichen Geistes liegende Erkenntnis Gottes auszudrücken,
in jüngster Zeit so sehr missbraucht worden ist, dass es
hoch an der Zeit war, ihm wieder seine gebührende Stelle
anzuweisen. Man sollte sich ein für alle mal darüber
klar sein, dass man sich als einen Theosophisten bezeich-
nen kann, ohne sich dem Verdachte auszusetzen, dass man
an Geisterklopfen, Tischrücken oder irgend welche andere
Geheimwissenschafben und schwarze Künste glaube.
Ich bin mir schmerzlich bewusst, dass meine Äugen
mit Siebzig nicht mehr so scharf sind, als mit Siebzehn,
und ich darf diese Vorrede nicht schließen, ohne meine
Leser wegen etwaiger Druckfehler oder falscher Citate,
die ich übersehen haben mag, um Entschuldigung zu
bitten.
Oxford, Februar 1893.
V. Max Müllen
Vorwort des Übersetzers.
fast gleichzeitig mit dieser Übersetzung erscheint
die zweite Auflage des englischen Originals. Dieselbe
enthalt jedoch keine wesentlichen Änderungen. Einzelne
Verbesserungen, die stattgefunden haben, sind auch schon
der Torliegenden Übersetzung zu gute gekommen.
Ehe ich dieses Vorwort schließe, erftüle ich eine an-
genehme Pflicht, indem ich dem geehrten Verfasser für
die große MOhe danke, die er sich mit der Durchsicht
der Druckbogen gegeben.
Oxford, den 5. September 1895.
II. Winternitz.
Max M&Iler, Tkeosopkie.
InhaltsYerzeichnis.
Seit«
Vorrede V
Vorwort des Obersetzers XVII
Einleitende Yorlesong.
Das historische Stadium der Religion.
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht — Das Grundprinzip
der historischen Schule. — Beligionsgeschichte ist die wahre
Beligionsphilosophie. — Natürliche Religion die Grundlage
unseres Glaubens an Grott — Der eigentliche Zweck der
Biographie Agnis. — Natürliche Offenbarung. — Der wahre
Zweck der Vergleichung der christlichen mit anderen Re-
ligionen. — Alte Gebete: Ein ägyptisches, ein accadisches,
ein babylonisches, ein vedisches, ein anderes vedisches, ein
ayeatisches Gebet; Verse aus den Gäthas 2^roa8ter8; chine-
sisches Gebet, Gebet des Kaisers; mohammedanisches Glau-
bensbekenntnis; neu-indisches Gebet. — Moses und der Schäfer.
— Vorteile der vergleichenden Religionswissenschaft . . . 1—26
Zweite Vorlesung.
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht
Historische Dokumente für das Studium des Ursprungs der Re-
ligion. — Religiöse Sprache. — Litterarische Dokumente. —
Modernes Datum der heiligen Bücher. — Fragmentarischer
Charakter der heiligen Bücher Indiens. — Verlust der heili-
gen Litteratur Persiens. — Das Verhältnis zwischen dem Avesta
and dem Alten Testament — Ich werde sein, der ich sein
werde 27— 5r»
b*
XE Inhal taverzei eil uls.
Dritte Vorleeuo^.
Uio biBtorischc Vorwnndtachnft
ReligioDeD und riiiiosopbiun.
Wir man hUc Religionen und nito Philoaopljien Tergteicben
soll — Gemeinsames Menscbentum. — Gemeinaame Sjtr&che.
— UemeiDsame Goachicbte. — Gomeinsame Haclibarechsft. —
Vcrbültnis inischeD den ReligioneD Indiene und Persions. —
Unabhängiger Charakter der todischen Pblloaopbie. — Die in-
dische Lebens anscb an iing. — Die Sprache, der gemelDaame
ItiDtergriind der Philosophie. — Qemeinsame arische Religion
UDiI Mythologie. — Charites =^ Haritas. — Das spätere Wachs-
tum der PhiloBophie. — Bilfe, uelche die Spranbe der Philo-
sophie leiBlet. — Unabhängiger Charakter der indischen Philo-
Bophie, — War die griechische PhiloBophie ana dem Orient
OQtlehnl? — We indische Philosophie autochthonisch , - . 57—^
Tlerte Vorlesnng.
Das VerhältnlB der psycbutugischen znr phyat-J
scheu und antbropologiscben Reltgic
Die wesenClicbea Elemente der Religion. — Meine eigene Ein-
teilung. — Die Bedeutung des Namens 'Psychologische Reli-
gion'. — L Rückkehr der Seele zu Gott nach dem Tode. —
II. Kenntnis vou der Einheit des OüttUcben nnd des Mensofa-.j
liehen. — Veda und Vedünta. — Die Upanisbaden. — Vedänta-
Sfltras. — Kommentar von SuukaniiüryB. — Kommentar von
Rämänn^. — Drei Perioden der Vedänta-Littoratur. — Eigen-
tümlicher Charakter der indischen Philosophie. — Die Philo-
sophie beginnt mit Zweifeln an dem Zengnisse der Sinne, —
Sruti oder Inspiration. — Tat tvam asi. — Zwei Vedänta-
bchulen. — Die Upanishadcn schwer su Übersetzen . . . SG— Itl
Fünfte VorlcBnng.
Die Wanderung der Seele nach dem Tode.
Verschiedene Angaben aus den Upauishaden, — Stellen aus
den Upanisbaden, — Sobwicrigkoiteu der Auslegung. — Uisto-
riscbcr Fortschritt in doo Upanisbaden. ~ Veraucho, die ver-. <
schiedenen Angaben der Upauishaden In Einklang zu bringen, j
— Vedäata-Siltraa, viertes Buch, drittes Kapitel. — UnabhäikS
Inhaltaverzeichnifl. XXI
8«iie
g!ge Angmben in den Mantru. — Missverstandene mythologi-
sche Sprache. — Der Devayäna oder Götterpfad. — Metern-
psychose. — Wirklichkeit unsichtbarer Dinge. — Das Fehlen
von Hollen. — Die Seelenwandemng nach der Auffassung des
Gesetsbnches Mann's. — Die drei Qualitäten: Finsternis, Thä-
tigkeit nnd Güte. — Die nenn Klassen. — Die Strafen der
Bösen. — Brficken 112—173
Sechste Torlesiing.
Die Esohatologie des Avesta.
Allgemeine Ähnlichkeiten in eschatologischen Legenden. —
Eigentümliches Verhältnis zwischen den Religionen Indiens
nnd Persiens. — Zoroaster lehrt weder Feueranbetung noch
Dualismus. — Das Problem vom Ursprung des Bösen. — Die
Engel ursprünglich Eigenschaften des Ormazd. — Asuras und
Suras. — Abschwörung des Dadva-Knltes. — Unsterblichkeit
der Seele im Avesta. — Die Pitrw oder Väter nach der Auf-
fassung der vedischen Hymnen. — Das Schicksal der indivi-
duellen Seele bei der allgemeinen Auferstehung. — Belohnun-
gen und Strafen nach dem Tode. — Gute Werke in der Gestalt
einer schönen Jungfrau. — Einfluss auf den Mohammedanismus.
— Auszug aus dem Minokhired über das Wägen der Toten.
— Ankunft der Seele vor dem Throne des Bahman und
Ahuramazda. — Gremeinsamer Hintergrund des Avesta und
des Veda. — PitrtiB, die Väter im Veda, die Fravashis im
Avesta. — Weitere Bedeutung von Fravashi 174 — 204
Siebente Yorlesung.
Die Eschatologie Plato's.
Plato*8 Autorität — Plato^s mythologische Sprache. — Die
Geschichte von der Seele. — Der Wagenlenker und die Pferde.
— Die Prozession der Götter. — Der Glaube an Metempsy-
chose bei Plato und in den Upanishaden. — Die neun Klassen
Plato^s und Manuls. — Wanderung menschlicher Seelen in
tierische Körper. — Die Greschichte von Er. — Obereinstim-
mnngen und Verschiedenheiten. — Der Mythe zu Grunde lie-
gende Wahrheit. — Die Haidas über die Unsterblichkeit der
Seele. — Die Polynesier über die Unsterblichkeit der Seele.
— Dm letzte Resultat der physischen Religion 205—229
Inhaltsvoi'Eoichtiis.
Wahre Um
erblichkeit.
Judentum und Buddhismus. — Dio VedünU- Lehre über die
wahre Unsterbliolikeit. — Persüoltchkeit eine Buscbräukung
dor Gottheit. — Das Ringen nach einer höheren Auffaseung
der Gottheit. — Nume für dio büchste Gottheit, Bruhman. —
Purushu. — Priina, Geist. — Andere Namen des höchsten
WesonB, Skambbs. — Namen für die Seele. — Ahiim, Ego. —
Ätman. — Dialog a.ng der A'^ändogya-Upanishad. — Deduk-
tionen von dem Dialog. — Sankata'B Bemerkungen. — Die
wahre Natur der individuellen Seele. — Das Phänomenale nnd ^
das Reale. — Der Atman iioTeriindert mitten unter den VeM
änderungen der Welt. — Nichtwiasen oder Avidyä die Ur^
Bache phUnomenalen Scheinee. — Satyabbedaväda und BhodS
bhedaväda. -* Dia Annäherung dor Seele an Brahman. -
Spätere Spekulationen. — IdentitUt der Seele mit Brahrnftu 230—
Nennte TorleBmig;,
Die Vedänta-FhiloBojjhie.
Dur Vi'däiita als ein philosophischee System, — tdentiUit der
Seele oml des Brahman. — Dialog aus der KMndogya-Upa-
nishad. — Einheit mit, nicht Aufgehen in dem Brahman. —
Kenntnis Gottes, nicht Liebe zu Gott. — Avidyä oder das
Nichtwissen. — Brahman als fiat.als kit und als änanda. —
Philosophie und Eeliglon. — Der höchste Herr oder Isvara. —
Upfidhis, SftkshmMarirn und SthUlairsrira. — Schöpfung oder
Snanation. — Brahman und Avidyä die Ursache der phäno-
menalen Welt- — Das wahre Wesen des Mengchen, — Karmu I
oder Apilrva. — Verschiedene Zustände der Seele. — Kramir J
miikti- — trlvanmukti. — Persünliclikcit der Seele , .
Zehnte Vorlesung.
Dio zwei Schulen dos Vedftnta.
D'ippelHinnige Stollen in den Upanishaden. — Slaakara u
lUmÄDUj/a. — Rämänupa. — ^aükara. — Moralischer Charakter "
des VedAnta. — Ascetlscho Übungen. — Esoterische Lehren,
— VerKhiedouhoit zwischen Indien und Griechenland, . 307—330
InbftltoverzeicbniB. xxm
Elfte Yorlesnngr«
Sufiismus.
Seite
Die Religion ein System der Beziebangen zwiflcben Mensch
nnd Gott — SafiiBmoB, der Ursprung desselben. — Karzer
Abr^ss der Lebren des Bnfiismns. — Babia, die älteste Snfi.
— Zasammephang des Safiismns mit dem Urchristentnm« —
Aba Said Abpl Cbeir, Stifter des Safiismos. — Abu Yastd
und Dscbnnaid. — Sufl, Faktr, Dar\FtBch. — Ascetismus. —
Die Me^nevi. — Mohammeds Anschauung. — Die vier Stadien.
— Die poetische Sprache ies Sufiismus. — Moralität des Su-
fiismus. — Auszüge aus sufiistischen Dichtem. — Saläman
nnd Absab, yon Dscbämi 331—354
ZwSlfte Yorlesung«
Der Logos.
Die Religion eine Brücke zwischen dem Sichtbaren und dem
Unsichtbaren. — Die orientalischen Einflüsse im Urchristen-
tum. — Entlehnung religiöser Gedanken. — Philo und seine
allegorische Interpretation. — Synesius. — Logos. — Der
Logos bei den Klamaths. — Die historischen Antecedentien
des Logos. — Der Ursprung der Arten. — Heraklit — Ana-
xagoras. — Sokrates nnd Plato. — Aristoteles. — Die Stoiker.
— Philo's Erbschaft — Philo's Philosophie. — Der Logos als
eine Brücke zwischen Gott und der Welt — Logos als der
Sohn Gottes. — Weisheit oder Sophia. — Monogenes, der Ein-
geborene. — Jnpiter als der Sohn Gottes 355—417
Drelzehiite Yorlesung«
Alexandrinisches Christentum.
Stoiker nnd Neuplatoniker. — Plotinus. — Brief von Plotinus
an Flaccns. — Verzückte geistige Anschauung. — Alexan-
drinisches Christentum; St Clemens. — Die Dreieinigkeit bei
St Clemens. — Origenes. — Die Alogoi 418—451
XXIV Inhaltsverzeichnis.
Ylerzehiite Yorlesiuigr«
• DionysiuB der Areopagite.
Seite
Der Logos in der lateinischen Kirche. — Tertullian. — Dio-
nysius der Areopagite. — Schriften des Dionjrsios. — Über-
setzung durch Scotus Erigena. — Der Einfluss der Schriften
des Dionysius. — Quellen des Dionysius. — Die Daimones.
— Einfluss des Dionysius während des Mittelalters. — Das
System des Dionysius. — Milman über Dionysius. — Der
wahre Zauber des Dionysius. — Das fünfte Jahrhundert. —
Fünf Stadien der mystischen Vereinigung. — Mysterien. —
Mystische und scholastische Theologie. — Mysticismus und
christlicher Mystioismns. — Einwendungen gegen die mystische
Religion erwogen. — St% Bernard. — Liebe zu Gott — Ver-
zückung nach St. Bemard. — St. Bemards Stellung in der
Kirche und im Staate. — Hugo von St. Victor, Wissen zuver-
lässiger als Glaube. — Thomas von Aquino 452—491
Fünfzehnte Yorlesnng«
Christliche Theosophie.
Mystisches Christentum. — Die deutschen Mystiker. — Das
vierzehnte Jahrhundert in Deutschland. — Das Interdikt —
Das Volk und die Priester. — Dominikaner und Franziskaner.
— Eckhart und Tauler. — Eckharts Mysticismus. — Eckharts
Definition der Gottheit — Schöpfung ist Emanation. — Die
menschliche Seele. — Der Messias und der Logos. — Die An-
näherung an Gott — Geburt des Sohnes. — Stellen ans dem
vierten Evangelium. — Einwendungen gegen die mystische Be-
ligion. — Übermäßiger Ascetismus. — Sündlosigkeit — Man-
gel an Ehrfurcht vor Gott — Die Beligion, die Brücke zwi-
schen dem Endlichen und dem Unendlichen 492—537
Anhang zur fünften Vorlesung 538 — 539
Corrigenda 540
Index •. 641—580
Einleitende Vorlesung.
Das historische Stadium der fieligion.
Die Weltgf sehiclite ist das Weltgericht.
Die Weltgeschichte ist das Weitgericht — dies ist
einer von jenen Tielsagenden Aussprüchen Schillers, welche
eine Fiel umfassendere Anwendung haheu. als wir zunächst
rennuten möchten. Im Deutschen bedeutet nämlich das Welt-
gericht zn gleicher Zeit auch *das jüngste Gericht*. Was
also Schiller meinte, war dies: Jeder Tag ist ein jüDg>tes
Gericht: die Geschichte der Welt, wenn sie als ein Ganzes
anfgefasst wird, ist das wahre Gericht über die Welt: und
wir müssen dieses Gericht verstehen lernen, wir müssen
lernen, es als gerecht hinzunehmen. Wenn wir uns dieser
Anflkäsnng Schillers anschließen und lernen, die Geschichte
der Welt als eine nnnnterbrochene Rechtfertigung der höch-
sten Weisheit nnd der vollkommensten Gerechtigkeit an-
XBselien. welche trotz Allem, was für das Gegenteil zu
sprechen acheint die Welt regieren, so würde daraus folgen,
das« das. was von der Weltgeschichte im Allgemeinen gilt.
auch von Allem, was diese Geschichte ausmacht, gelten
Busse. Schillers Ausspruch würde in der That in allgemeinen
Ausdrücken das besagen, was ich Ihnen in meinen früheren
Vorksangen als das Grundprinzip der historischen Schule zu
erkliren suchte.
2 Einleitende Vorlesung.
Das GrondprlDzip der historischen Schule.
Dio Anbänger dieser Schule glauben mit Schüler, dass
zum Beispiel die Geschiebte der Religion die wahrste Recht-
fertigung der Religion, die Geschichte der Philosophie die
beste Kritik der Philosophie, die Geschichte der Kunst die
höchste und endgflltige Beurteilung der Kunst ist. Wenn wir
dio Weltgeschichte oder irgend einen Theil derselben in diesem
Sinne studieren, so werden wir lernen, dass viele Dinge zur
Zeit falsch scheinen mögen, die doch für kommende Zeiten,
für alle Zeit oder in alle Ewigkeit richtig sein mögen, ja richtig
sein müssen. Viele Dinge, die unvollkommen scheinen, stellen
sich als höchst vollkommen heraus, wenn sie nur als eine
Vorbereitung auf höhere Zwecke verstanden werden. Haben
wir es einmal über uns gebracht, einzusehen, dass es in der
Geschichte der Weit eine ununterbrochene Kontinuität, ein
fortwährendes Aufsteigen, oder einen ewigen Zweck, nicht
bloß eine mechanische Entwicklung gibt, so werden wir auf-
hören, an dem, was erst ein unvollkommener Keim und noch
nicht die vollkommene Blüte oder die reife Frucht ist, Aus-
stellungen zu machen; wir werden nicht die Kindheit der
Welt, noch die Kindheit der Religionen der Welt verachten,
wenn wir gleich in derselben nicht jenes reife und vollendete
Mannesalter entdecken können, das wir in späteren Perioden
der Geschichte bewundern. Wir werden das Unvollkommene
oder minder Vollkommene als eine notwendige Vorbereitung
auf das Vollkommenere verstehen lernen. Allerdings erfordert
eine solche Auffassung der Weltgeschichte Glauben; einfach
auf Grund der festen Überzeugung, dass es nicht anders sein
kann, müssen wir oft glauben, wenn wir es auch nicht be-
weisen können, dass es Gesetz, Ordnung und Zweck in der
Welt, dass es Güte und Gerechtigkeit in der Gottheit geben
müsse. Diesem Glauben hat Friedrich Logau in dem bekannten
Verse Ausdruck gegeben: »Gottes Mühlen mahlen langsam,
mahlen aber trefflich klein, c Und denselben Glauben hat auch
schon lauge vorher Euripides ausgesprochen, wenn er sagte:
Dm historische Studium der Religion. 3
»Allerdings ist das Wirken der Götter langsam, aber es ist
sicher and stark.« >)
Wie dem anch sein mag, jene Philosophen zum minde-
sten. welche sich mit der Idee von dem Überleben des Taug-
lichsten Yertrant gemacht haben, können schwerlich gegen
das Prinzip etwas einwenden, dass das. was ist. tauglich ist
und sich am Ende als richtig erweisen wird, oder — um mit
Schiller zn sprechen — dass 'die Weltgeschichte das Welt-
gericht i8t\
Rellgionsgeschlclite Ist die wahre Religionsphllosophle.
Knn erst werden Sie verstehen, warum ich so fest über-
zengt war, dass die befriedigendste Art und Weise, die Ab-
sichten des Begründers dieser Vorlesungen zu verwirklichen,
and die einzig wirksame Art and Weise, das zu studieren.
was man Religionsphilosophie, die philosophische Kritik der
Religion, nennt, die sei, die Geschichte der Religion zu stu-
dieren. Die Geschichte sichtet und prüft alle Formen und
Abarten der Religion weit wirksamer, als es irgend ein einzelner
Philosoph je zu thun hoffen könnte. Ich will damit nicht
gesagt haben, dass eine rein theoretische, zum Unterschiede
von einer historischen Behandlung der Religion, gclnzlicli
natzlos sei. Dnrchaus nicht. Ich weiß, dass Kant die Idee
mit Verachtung zurückweist, dass die Geschichte der Philo-
sophie selbst Philosophie sei. Aber ist nicht Kants eigene Philo-
sophie nanmehr ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte
der Philosophie ? Es ist ganz richtig, dass wir uns mit einer
WisseBsehaft beschäftigen können ohne Rücksieht auf dereu
Geschichte. Wir können zum Beispiel Nationalökonomie stu-
dieren, getrennt von aller Geschichte. Wir können lernen.
was nach den allgemeinen Prinzipien dieser Wissenschaft sein
sollte and was nicht sein sollte. Alles, was ich behaupte.
1 Baochae, 882: 'Oftuüttct u6/.ty, ti).y üuiüs ntaiby t6 ys 9thn'
\*
4 Einleitende Vorlesung.
ist, dass 63 besser sei, die Wahrheit dieser allgemeinen
Prinzipien durch die Geschichte zu erproben, und nicht durch
Theorie allein. Gewisse Theorien der Nationalökonomie, die
in abstrarfo ganz vollkommen schienen, sind versucht und
zu leicht befunden worden. Wir hören selbst jetzt noch,
dass die Prinzipien der Handelsfreiheit und des Schutzzoll-
systems probeweise versucht werden. Was heißt das anders,
als dass sie durch das Urteil der Geschichte, durch die
Resultate, durch die Thatsachen, durch die Statistik erprobt
werden — Dinge, gegen die es keine Berufung auf eine
höhere Instanz gibt, es sei denn, dass wir mit manchen
Philosophen sagen : 'iant pis pour les faits\ oder Hant pis
pour Vhuitoire\
Ein Strategiker in seinem Studierzimmer mag mit allen
Kegeln der Eriegswissenschaft bekannt sein, aber der große
Feldherr muss wissen, wie diese Regeln die Probe der Ge-
schichte bestanden haben ; er muss die wirklichen Schlachten
studieren, die geschlagen worden sind, und muss so lernen,
die Siege und die Niederlagen der größten Heerführer zn
erklären. In derselben Weise also, wie die wahre Eriegs-
wissenschaft die Geschichte des Erieges, ist, glaube ich, die
wahre Religionswissenschaft die Geschichte der Religion.
Natürliche Religion die Grundlage unseres Glaubens an Gott«
Zu beweisen, dass unter der Voraussetzung des mensch-
lichen Geistes, so wie er eben ist, und seiner Umgebungen,
so wie sie eben sind, der Begriff Gottes und der Glaube an
Gott unvermeidlich sein würden, ist immerhin etwas. Doch,
Sie wissen, wie alle Beweise für das Dasein Gottes, welche
von den hervorragendsten Philosophen und Theologen auf-
gestellt worden sind, von ebenso hervorragenden Philosophen
und Theologen bestritten wurden. Sie wissen, dass selbst
jetzt noch einige halb versteinerte Philosophen und Theologen
übrig sind, die es Eetzerei nennen, zu glauben, dass die
ununterstützto menschliche Vernunft je zu dem Begriff Gottes
Das historische Stadiam der Religion. 5
oder zo dem Glanben an Gott gelangen könnte, die behaupten.
da» zu diesem Zweck eine spezielle Offenbamng nnamgäng-
lieh nötig seL dass aber eine solche Oflenbarnng dem Meoschen-
goschlechte nnr zweimal — einmal im Alten und einmal im
Kesen TestJiment — gewährt worden. Triumphierend weisen
sie anf Kants 'Kritik der reinen Vernunft' hin, welche, wie
sie sagen, solch armselige Spinnengewebe wie den kosmolo-
gisehen. den teleologischen und den ontologischen Beweis für
das Dasein eines göttlichen Wesens ein für alle Mal zerstört
■ad so — Ton dner Seite, ron der man es gar nicht erwartet
kitte — bewiesen habe, dass die nnnnterstützte menschliche
Temnnfl nnmöglich zu einer sicheren Kenntnis selbst nnr von
den bloßen Dasein Gottes gelangen könne.
Man kann ja sagen, dass solche Anschauungen bloße
Überlebsel seien, nnd nicht gerade Beispiele des Überlebens
des Tai^lichsten. Diejenigen, welche dieselben behaupten.
wissen jedenfalls nicht, was sie thun. Allein solche An-
sekaanngen. so sehr sie auch in Wirklichkeit alle wahre
Religion umstoßen, werden oft als fDr den christlichen Glanben
wcieattich gepredigt, und viele, die nicht die Geschichte der
Retigion kennen, lassen sich durch die wiederholte Behauptung
derselben irre fdhren.
Sic wissen, dass in einem Gerichtshof ein geschickter
Adrokat fast Alles yerteidigen kann: nnd auch in dem
Gerichtshof der Philosophie lassen sich, glaube ich, stets
Adrokaten finden, die bereit sind, in der beredtesten Weise
catweder fftr den KUger oder für den Angeklagten zn
tprcchen. Das einzige Beweismaterial jedoch, welches am
Eade Bit Sicherheit den Ausschlag gibt, besteht in Thatsachen.
Der eigeatliche Zweck der Biographie Agnis.
Da s'ch denn dies so verhält, so widmete ich den Haupt-
tkefl meines zweiten Kursus Ton Vorlesungen dem Sammeln
Tom Tkatsacken, die ich Ihnen vorlegte. — Tliatsacben. die
■icht bestreiten lassen, oder die doch jedenfalls nicht
Ö Einleitende Vorlesung.
bestritten worden sind, und die xeigen, daas der mensHilidie
Geist ohne Hilfe deBaen, was man eine apeeielle Offonbarun^
nennt, Scliritt für Schritt Beinen Weg fand von der niedrig-
sten Walirnehmung des Materiellen nod tiichtbaren zn dem
erhabensten BegriiT einen höchsten und unsichtbaren Qottes.
7m diesem Behufe wfthlte icb mir, was ich die Biographie
Agii's oder des li'eners nannte, d. b. die Anfeinanderfolgc
der mannigfachen Ideen, welche dnrch die verschiedenen Er-
echeinnogsformon des Fencrs im menschlichen Geiste hervor-
gerufen wurden, — Ideen, welche mit der einfachsten Wahr-
nehmung des Feuers auf dem Herde, das Jung und Alt Wärme,
Licht und Leben gibt, begannen und in dem Begriffe Agni
nia des Gottes des Liclits, des Schöpfers and Boherrschera
der gunien Welt, ihren Höhepunkt erreichten.
Es war dies eine schwierige Aufgabe, und sie mag wohl
meinen Zuhörern ebenso langweilig vorgekommen sein, ab sie
fOr mich mühsam gewesen ist. Doch gab es kein anderes
Mittel, alle Gegner ein fllr alle Mal zum Schweigen zu bringen.
Sollte irgend ein sogenannter cbristlicber Oottesgelehrler die
Thatsache bezweifeln, dass in vergangenen Zeiten >Gott sich
selbst nicht nubczougt gelassen hat, nns viel Gutes gethan.
und vom Himmel Regen, und auch Feuer, das da Lieht u
Wärme ist, vom Himmel, und fruchtbare Zeiten gcgebi
unsere Herzen erfüllet mit Speise und Freude» 'Apostelgo-
Bchirbte XIV, 17), so wird das, was ich die niographie Agnh
nenne, in Zuknnft Beweismaterinl liefern, das sowohl dio-
janigen, welche an die Worte von Paulus nnd Barnabas
glauben, als auch diejenigen, welche nicht an sie glauben,
überzeugen sollte; nnd dieses Beweismaterial znm mindoateo
kann nicht weggeleugnet werden. Ich kann den Arger, den
die Vorbringnng dieses Beweismalerials verursacht bat, gan<
gnf verstehen, wenn ich auch die Anstrengungen niobt be-
wundern kann, die man gemacht bat, dessen Zuverlllssigkelt
in Zweifel zn ;eiehon. Es ist ja ganz gut mijglicb, dasa icli
bei der Zusammenslellnng dieser Biographie Agnis manche
Stellen de» Veda, die für meinen Zweck von Nutzen gewesen
Das historlBche Stncüam der Religion. 7
wiren, fibergaDgen habe. Man weise sie nach, und ich werde
höchst dankbar sein. Es ist auch ganz gut möglich, dass
ich hier nnd da die genaue Bedentang eines Verses ans dem
Teda missrerstanden habe. Wiederum sage ich : Man beweise
es, nnd ich werde höchst dankbar sein. Es ist mir nie ein-
gefallen, anf Unfehlbarkeit Ansprach za erheben, nicht einmal
in Bezog anf die Interpretation des Veda. Wenn aber Lente
irgend welche Yon meinen Behauptungen, die sie missbilligen,
bestreiten wollen, so sollten sie wissen, dass es nur zwei
Wege gibt, dies zu thun. Sie müssen entweder zeigen, dass
meine Thatsachen falsch, oder dass meine Schlussfolgernngen
ans diesen Thatsachen fehlerhaft sind. In dem einen oder
dem andern Falle wird ihnen Niemand dankbarer sein, als
ich selbst. Denn wenn sie zeigen können, dass meine That-
sachen falsch waren, so werden sie uns natürlich zu gleicher
Zeit die wahren Thatsachen an die Hand geben, und wenn
meine Schlussfolgerungen fehlerhaft waren, so kann dies
durch die Regeln der Logik ein für alle Mal entschieden
werden. Wurden sich die Kritiker auf diese zwei Aufgaben
beschrtnken, so würden sie uns eine Wohlthat erweisen, f&r
die ihnen jeder wahre Gelehrte aufrichtig, dankbar sein
würde. Wenn sie sich aber, wie es nur zu oft vorkommt, in
bloßen Redekünsten und Schmähungen gefallen, so dürfen
sie sich nicht beleidigt ftlhlen, wenn man ihrer blinden Wut
und ihren leeren Einbildungen weiter keine Aufmerksamkeit
schenkt. Diese Dinge sind viel zu ernst, ja in meinen Augen
fiel zu heilig ftir bloßes Gez&nke. Mögen auch manche aus-
gezeichnete Theologen anderer Meinung sein als ich. so sollten
sie doch wissen, dass der Sache der Wahrheit durch bloße
Behanptnngen nie gedient ist, noch weniger durch Ver-
dlchtigungen, nnd dass solche Verdächtigungen jenen, weklic
sie Yorbringen, weit mehr zur Unehre gereichen müssen, als
jenen, gegen die sie vorgebracht werden.
8 Einleitende Vorlesung.
Natürliche Offenbamngr.
Ich behaupte also, so lange man nicht irgend welche von
meinen Angaben durch Thatsachen widerlegt bat, dass wir in
der Geschichte der vedischen Religion sehen können, wie der
menschliche Geist durch eine natürliche Offenbarung, die weit
überzeugender ist, als irgend eine sogenannte übernatürliche
Offenbarung, von der Wahrnehmung der großen Naturerschei-
nungen zu dem Begriff von Agentien hinter diesen Erschei-
nungen geführt wurde. Das Beispiel von Agni oder dem
Feuer wurde von mir als ein typisches Beispiel gewählt, und
zwar nur als eines von vielen, welche alle zeigen, wie die
Erscheinungen der Natur den menschlichen Geist mit einer
für die menschliche Vernunft unwiderstehlichen Gewalt zu
dem Begriffe von und zu dem Glauben an Agentien hinter
der Natur, und am Ende zu dem Glauben an Ein Agens
hinter oder über allen diesen Agentien zwangen; wie sie ihn
zwangen zu dem Glauben an Einen Gott der Natur, zu dem
Glauben an eine kosmische oder objektive Gottheit Dies
war meine Antwort auf die immer und immer wieder wieder-
holte Behauptung, dass der menschliche Geist ohne den Bei-
stand einer speziellen Offenbarung unfähig sei, ein höchstes
Wesen zu begreifen. Meine Antwort war nicht ein Argument,
noch eine bloße Behauptung. Meine Antwort bestand in
historischen Thatsachen, in genauen Citaten aus dem Yeda;
und diese Thatsachen sind widerspenstige Dinge, die man
durch bloßes Gezeter und Gescheite nicht aus der Welt
schaffen kann.
Dor wahre Zweck der Vergleichnng der christlichen mit
anderen Religionen.
Ich muss jedoch gestehen, dass ich nicht erwartet h&tte,
dass die Angriffe auf das, was ich den historischen Beweis
fiir das Pasein eines höchsten Wesens nannte, von der Seite
kommen würden, von der sie gekommen sind, ich hätte ge-
Das historisclie Stadium der Beligion. 9
dacht, das3 diejenigen, welche sich als Christen ausgeben
und «eh Christen nennen, die Thatsachen, welche die Lehre
des Panlns bestätigen, mit Frenden begrüßen wfirden. Ich
hatte gehofft, sie wfirden einsehen, dass die Thatsachen, die
ich von den alten Religionen der Welt zusammengetragen.
iB Wirklichkeit die einzig sichere Grundlage der natürlichen
Religion nnd mittelbar die stärkste Bekräftigung der Wahrheit
der christliehen Religion seien. Ich wiederhole: Die christliche
Religion sollte rielmehr zur Vergleichung herausfordern, als sie
ablehnen. Wenn wir gewisse Lehren, die wir ftlr das ausschließ-
liche Eigentum des Christentums hielten, auch in anderen
Religionen finden — verliert das Christentum dadurch? Oder
wird die Wahrheit dieser Lehren dadurch beeinträchtigt, dass
sie anch von anderen Lehrern anerkannt werden ? Man hat
wie Sie wissen, oft behauptet, dass sich fast jede christliche
Lehre auf den Talmud znrfickfähren lasse. Ich kann fiber
diesen Punkt kein Urteil abgeben; aber wenn dem so wäre,
was wflrden wir dabei verlieren? Ich kann nur sagen, dass
mir in den Auszügen aus dem Talmud nie die bezeichnend-
ste, ja die Grundlehre des Christentums, die Anerkennung
des göttlichen Elements im Menschen, oder der göttlichen
Sohnschafl des Menschen begegnet ist. Vieles, was das Chri-
^tentnm mit dem Talmud gemein hat. hat es. wie wir jetzt
wissen, auch mit anderen Religionen gemein. Es ist wahr,
dass Eillei, als man ihn bat. die Religion der Juden in ein
paar Worten zu beschreiben, antwortete: >Thue anderen
nicht, was du nicht willst, dass man dir thue. Dies ist das
ganze Gesetz ; alles Übrige ist nur Interpretation. Gehe denn
hin und lerne, was es bedeutet. <^ Es ist aber nunmehr
wohlbekannt, dass dieselbe Lehre fast in jeder Religion vor-
kommt. Confucius sagte: »Was ich nicht wünsche, dass die
Menschen mir thuen, das will ich auch nicht den Menschen
tban.< Wir lesen im Mahahhilrata : >Uöre die Summe aller
I) Talmnd babli, Sabbath. fol. 31 a. Kuenen. Hihhert Lec-
tm-tt, p. 211.
10 Einleitende Vorlesung.
Pflichten, nnd, wenn dn sie gehört hast, beherzige sie: Thoe
Anderen nicht, was dir selbst unangenehm wäre« (Pancßt,
1871, p. 238). ^Wamm sollten also die Christen ein ans-
scbließliches Eigentumsrecht auf diese Wahrheit für sich in
Anspruch nehmen wollen?
Der Talmud — das dürfen wir nicht yergessen — ent-
sprang demselben historischen Boden wie das Christentum;
die Verfasser desselben atmeten dieselbe Luft wie die Schüler
Christi. Übereinstimmungen zwischen den Beiden sind daher
sehr natürlich, und es folgt keineswegs, dass der Talmud
immer Priorität in Bezug auf die Zeit beanspruchen kann.
Wem immer aber die Priorität zukommen mag, wer immer
geborgt oder entlehnt haben mag, ich gestehe, mich freut es
jedesmal, wenn ich auf Stellen aus dem Talmud oder irgend
einem anderen heiligen Buche stoße, die mich an das A)jte
oder das Neue Testament erinnern. So lesen wir zum Bei-
spiel im Talmud: »Seid nicht wie Knechte, die dem Herrn
um des Lohnes willen dienen; sondern seid wie Knechte, die
dem Herrn ohne Kacksiebt auf Belohnung dienen; und Got-
tesfurcht soll euch stets beseelen« (Antigonus aus Sochow in
den Pirk<5 Aboth, I, 3; Kuenen, a. a. 0. p. 212). Und wie-
derum: >Thue seinen Gottes) Willen, als ob es dein Wille
wäre, damit er deinen Willen thue, als ob es sein Wille wäre«
(Gamliel, a. a. 0. II, 4).
Dies sind christliche Gedanken, seien sie nun aus dem Tal-
mud entlehnt oder nicht. Es sind Strahlen Ton einer Sonne,
welche die ganze Welt erleuchtet, Marc Aurel sagte: »Liebe die
Menschheit, folge Gott- (VII, 31); Epiktet sagte : »Wage es zu
Gott aufzublicken und zu sagen : Thue mit mir hinfort, wie es
dein Wille ist. Ich bin Eines Sinnes mit dir. Ich bin dein. Ich
verweigere nichts, was dir gut scheint. Führe mich, wohin
du willst. Kleide mich, wie du willst. Willst du, dass ich ein
öffentliches Amt übernehme oder ein Privatleben führe, zu Hause
bleibe oder in die Verbannung gehe, arm oder reich sei, ich
will deine Absichten mit mir in Bezug auf alle diese Dinge ver-
teidigen« (Gespräche, II, lü. Dies sind wahrhaft christliche
Dm historiflcbe Stadium der Religion. 1 1
Gfefflhlslaßernngen , christliche, weil sie ewig und universal
sind; es wllrde aber sehr schwer fallen, zu beweisen, dass sie
entweder Yom Christentum entlehnt seien, oder dass das Chri-
stentum sie entlehnt habe. Und warum sollte jede Wahrheit
Tom Christentum entlehnt sein? Warum sollte nicht auch
das Christentum entlehnt haben? und warum sollten nicht
gewisse Wahrheiten über die ganze Welt verbreitet und uni-
versal sein? Mir scheinen diese Wahrheiten eher an Macht
zu gewinnen als zu verlieren, wenn wir annehmen, dass sie
in verschiedenen Köpfen von selbst entspringen, statt zu
behaupten, dass sie nur Einmal ausgedacht und dann von
Anderen entlehnt worden seien.
Der Grund, weshalb die Leute die Identität einer Wahr-
heit, wie sie in verschiedenen Religionen verkündet wird,
nicht einsehen wollen, ist gewöhnlich die Sonderbarkeit der
ioßeren Hülle, in die sie gekleidet ist. Allerdings sind ja
die alten heidnischen Namen der Götter, selbst des höchsten
Gottes, für unsere Begriffe oft sehr anstößig durch das. was
sie in sich schließen. Ist es aber nicht um so interessanter,
zu sehen, wie zum Beispiel Aristides der Sophist (176 n.
Chr.!, obwohl er den Namen Jupiter beibehält, mit aller
Macht nach einem höheren und reineren Begriff der Gottheit
strebt, reiner sogar, als der ist, den wir in vielen Teilen
des Alten Testaments finden. In folgender Weise spricht
Aristides von Jnpiter:
> Jupiter hat alle Ding:e geschaffen: alle Dinge, so viele
es gibt, sind das Werk Jupiters: die Flüsse, die Erde, das Meer,
der Himmel und was immer zwischen oder über oder unter die-
sen ist. so auch Götter und Menschen, alles Lebendig^e und
alle sichtbaren und verständlichen Dinge. Vor Allem hat er
sieh selbst geschaffen; auch ist er nie in den (trotten von
Kreta aufgezogen worden; und Satarn wollte ihn nie ver-
schlingen, noch verschlang er einen Stein an Jupiters Stelle;
überhaupt war Jupiter nie und wird nie in irgend einer Ge-
fahr sein. . . . Sondern er ist der Erste und der Älteste und
der Fürst aller Dinge, und er selbst aus sieb selbst.«
12
Etnlcitendo Voflesnng.
Vr'Hi'um sollten wh' wuniger im Stande und geneigt seil
durch den Nebel der Mytliologie hindarch zn sehen, als di«
jenigen, welche rait dem Glauben an ihre eigenen mytholo-
gischen Götter aufgewachsen waren ? Warum sollten wir
uns weigern, den höheren Zweck anzuerkennen, der in dieseD _
göttlichen Namen von Anfang an log, nnd den die Best«
nnter den Heiden nie anzuerkennen verfehlten.
tlte (jobvti'.
Man hat oft behauptet, daaa das, was wir unter 'debetf^l
veratehen, in keiner der heidnischen lleligionen vorhanden sei
oder auch nur vorhanden sein kOnne. Es mag ja richtig sein,
das» daa Verhältnis gegenseitiger Liebe zwischen Mensch and
Qott, das rar al cor, in den Gebeten der heidnischen Welt fehlt.
Ea ist gewiss richtig, dass es manche Religionen gibt, die sich
gegen daa Gehet ablehnend verhallen, namentlich wc
nnter 'Gebet' das Beten nnd Bitten um weltliche Güter verstel
Die Buddhisten kennen im Allgemeinen keine Gebete an (
allbeherrsohende Gottheit, da sie das Dasein einer solchen *
Gottheit leugnen; aber selbst Gehet« an die Buddbas oder die
buddhistischen Heiligen dürfen nie den Charakter von Ge-
suchen annehmen. Es sind vielmehr Lobpreisungen nnd
Meditationen, als Änflehungeu. Gebete in dem Sinne von
Gesuchen gelten bei der Sin-shin-Sekte der Buddhisten in
Japan für geradezu sündhaft. Anders verhält es sieh mit
den Anhlingern des Confucius. Sie glauben an einen Gott,
nn den man wohl Gebete richten darf. Doch sagt nns Pro-
fessur Legge, lUsa wir in ihrer alten Litteratur vergebens nach
wirklichen Gebeten suchen, und dies dürfte wohl jenem
Gefühl der Scheu nnd Ehrfurcht zuzuschreiben sein, dem
Cenfiicina selbst Ausdruck gab, wenn er sagte, dass wir gei-
stige Wesen hochachten, ober in ehrerbietiger Entfernung
von denselben bleiben sollten.')
1 AnaltcU. VI. 20.
Das historiBche Stadiam der Religion. 13
Es ist aaeh richtig, dass die Gebete des Menschen, wenn
er einmal za einem philosophischen Begrifif der Gottheit ge-
langt ist, ganz anderer Art sind, als die Gebete, die ein Kind
an seinen Vater im Himmel richtet. Doch sind auch solche
Gebete von dem gi'ößten Interesse. Fast das letzte Wort,
das die griechische Philosophie der Welt hinterlassen hat, ist
ein Gebet, das wir am Ende des Kommentars des Simplicins
znm Epiktet finden, ein Gebet voll der ehrlichsten Absicht:
»Ich flehe dich an, o Herr, Vater, Lenker unserer Ver-
nunft, mache nns eingedenk des edlen Ursprungs, dessen du
uns wert erachtet hast; stehe nns bei, anf dass wir handeln,
wie es mit freiem Willen begabten Wesen geziemt; auf dass
wir gereinigt werden von den unvernünftigen Leidenschaften
des Körpers und dieselben unterwerfen und beherrschen, in-
dem wir sie auf geeignete Weise als Werkzeuge gebrauchen;
nnd stehe ans bei, dass wir die Vernunft, die in uns ist. ge-
hörig leiten, nnd dass sie teilhabe an dem. was wirklich
ist im Lichte der Wahrheit. Und zum Dritten flehe ich dich
an, mein Erlöser, entferne gänzlich das Dunkel von den
Augen unserer Seele, auf dass wir, wie Homer sagt, sowohl
Gott als die Menschen richtig erkennen mögen.« (Siehe
J. A. Farrer, Paganism and Chrisiianify, p. 41.)
Ich will den Rest dieser einleitenden Vorlesung dazu
verwenden. Ihnen einige Auszüge vorzulesen, die Ihnen, hofi'e
ich. zeigen werden, dass auch der Heide Gebete sprechen
konnte, und zwar manche Gebete, die nur geringer Um-
änderung bedürfen, ehe wir selbst in sie einstimmen köuueu.
Igyptisches Gebet«
>Heil dir, Macher aller Wesen, Herr des Gesetzes, Vater der
Götter; Macher der Menschen, Schöpfer der Tiere: Herr des
Getreides, der du den Tieren des Feldes die Nahrung bereitest . . .
— DUf der Eine allein ohne einen Zweiten . . . König allein,
einzig unter den Göttern; von vielen Namen, unbekannt ist
ihre ZahL
Ich komme zu dir, o Herr der Götter, der du vom Anbeginn
14 Einleitende Vorlesung.
existiert hast, ewiger Gott, der du Alles, was da ist, gemacht
hast. Dein Name sei mein Schutz; verlängere meine Lebensfrist
zu gutem hohem Alter; möge mein Sohn (nach mir) an meiner
Stelle sein; möge meine Würde bei ihm (und den Seinen] immer-
dar bleiben, wie es dem Frommen geschieht, der herrlich ist im
Hause seines Herrn.
Wer bist du denn, o mein Vater Amon? Vergisst ein Vater
seines Sohnes? Wahrlich ein elendes Los erwartet den, der sich
deinem Willen entgegensetzt; gesegnet aber ist derjenige, der dich
kennet, denn deine Thaten gehen hervor aus einem Herzen voll
Liebe. Ich rufe dich an, o mein Vater Amon! Sieh mich in der
Mitte vieler Völker, die mir unbekannt sind; alle Nationen sind
gegen mich vereinigt, und ich bin allein; kein Anderer ist mit mir.
Meine vielen Krieger haben mich verlassen. Keiner meiner Beiter
hat sich nach mir umgesehen; und als ich sie rief, hat Keiner auf
meine Stimme gehört. Aber ich glaube, dass Amon mir mehr
wert ist, als eine Million von Kriegern, als hunderttausend Beiter
und zehntausend Brüder und Söhne, wären sie auch Alle versam-
melt. Das Werk vieler Menschen ist nichts; Amon wird mächti-
ger sein denn sie.«
(Aus Le Page Eenouf, Ilihbert Lecturea, p. 227.)
Ein accadisches Gebet.
»0 mein Gott, Herr des Gebetes, möge mein Gebet dich anreden!
0 meine Göttin, Herrin der flehentlichen Bitte, möge meine
flehentliche Bitte dich anreden!
0 Mato (Matu), Herr des Gebirges, möge mein Gebet dich an-
reden!
0 Gubarra, Herrin von Eden (sie), möge mein Gebet dich anreden!
0 Herr des Himmels und der Erde, Herr von Eridu, möge meine
flehentliche Bitte dich anreden!
0 Merodach ( Asar-raula-dag), Herr von Tin-tir (Babylon), möge
mein Gebet dich anreden!
0 Gattin von ihm (dem fürstlichen Sprössling (?) des Himmels und
der Erde), möge meine flehentliche Bitte dich anreden!
0 (Bote des Geistes) des Gottes, der (den guten Namen) verkündet,
möge mein Gebet dich anreden!
0 (Braut, Erstgeborne von) üras (?], möge meine flehentliche Bitte
dich anreden!
0 (Herrin, die den feindlichen (?) Mund bindet), möge mein Gebet
dich anreden!
Das historische Studium der Religion. 15
0 (Erhmbene, große Göttio, meine Herrin Nana), möge meine flehent-
liche ßitte dich anreden!
Möge sie zn dir sagen: »(Richte dein Auge freundlich auf mich;.<
Möge sie zu dir sagen: »(Wende dein Angesicht mir freundlich zu).«
(Möge sie zu dir sagen: »Es ruhe dein Uerz.<)
:Möge sie zu dir sagen: »Deine Leber sei beruhigt.«)
(Möge sie zn dir sagen: »Dein Herz sei erfreut, wie das Herz einer
Mutter, die Kinder geboren hat.«)
v»Wie eine Mutter, die Kinder geboren hat, wie ein Vater, der ein
Kind erzeugt hat, sei es erfreut. <)<
(Sayce, Hihbert Lectures, p. 336.)
Ein babylonisches Gebet
»0 mein Gott, der du heftig (gegen mich) bist, empfange (meine
flehentliche Bitte'.
0 meine Gröttin, du. die du (über mich) aufgebracht bist, nimm
(mein Gebet) an.
Nimm an mein Gebet, (möge deine Leber beruhigt sein).
0 mein Herr, langmütig und] erbarmungsvoll , (möge dein Herz
TCraOhnt sein).
Bei Tage, das, was mich zerstört, dem Tode zuweisend, o mein
Gott, deute (das Traumgesiebt .
0 meine Göttin, sieh auf mich und nimm mein Gebet an.
Möge meine Sünde yergeben sein, möge mein Vergehen wegge-
waschen sein.
Das Joch werde abgenommen, die Kette losgemacht.
Mögen die sieben Winde mein Stöhnen hinwegtragen.
Möge ich mein Übel abstreifen, so dass der Vogel (es, zum Himmel
hinauftrage.
Möge der Fisch mein Unglück hinwegtragen, möge der Fluss es)
dahintragen.
Möge das Reptil des Feldes (es] von mir empfangen; mögen
die Wasser des Flusses mich reinigen, wie sie dahin-
fließen.
Lasse mich glänzen, wie eine Maske von Gold.
Möge ich kostbar sein in deinen Augen wie ein Becher ;V von
Glas.
Verbrenne (?) mein Obel, knüpfe mein Leben zusammen ; binde zu-
sammen deinen Altar, damit ich dein Bildnis auf-
stelle.
Lass mich von meinem Übel hinweggehen, nud lass mich bei dir
bleiben.
16 Einleitende Yorleanng.
Erleuchte mich und lass mich einen günstigen Traum träumen.
Möge der Traum, den ich träume, günstig sein; möge der Traum,
den ich träume, bestätigt werden.
Verwandle den Traum, den ich träume, in einen Segen.
Möge Makhir, der Gott der Träume, auf meinem Haupte rahen.
Ja, lass mich eintreten in E-Sagil, den Palast der Götter, den Tem-
pel des Lebens.
Merodach, dem erbarmungsvollen , der Glückseligkeit, den gedei-
henden Häuden, vertraue mich an.
Lass mich deine Größe erheben, lass mich deine Göttlichkeit
preisen.
Lass die Männer meiner Stadt deine mächtigen Thaten ehren.«
(Sayce, Hibhert LecUtres^ p. 355.)
Ein Tedisches Gebet.
Rig-veda, VIL 89:
1. Lass mich noch nicht, o Vani;ia, in das tönerne Haus ein-
gehen; hab' Erbarmen, Allmächtiger, hab' Erbarmen!
2. Wenn ich zitternd dahingehe, wie eine vom Winde getrie-
bene Wolke; hab' Erbarmen, Allmächtiger, hab' Erbarmen!
3. Aus Mangel an Stärke, du starker und glänzender Grott
bin ich ans unrechte Gestade gegangen; hab' Erbarmen, Allmäch-
tiger, hab' Erbarmen!
4. Durst befiel den Verehrer, wenn er gleich in der Mitte der
Wasser stand; hab' Erbarmen, Allmächtiger, hab' Erbarmen!
5. Wenn immer wir Menschen, o Varuwa, einen Verstoß gegen
die himmlische Schar begehen; wenn immer wir aus Gedanken-
losigkeit das Gesetz verletzen; füg' uns, o Gott, infolge dieser
Sünde kein Unheil zu!
(M. M., Hiatory of Ancient Sanskrit Literaturen p. 5-10.)
Ein anderes vedisches Gebet.
Kig-vcda, II. 28:
Lass uns in deinem Dienst gesegnet sein, o Varnna; denn
wir denken allzeit an dich und preisen dich, Tag für Tag dich
grüßend, gleich den Feuern, die auf dem Altar angezündet werden
beim Nahen der reichen Morgenröten. 2.
Lass uns in deiner Hut stehen, o Varu^2a, unser Führer, der
du heldenreich bist und weit gepriesen! Und ihr, unbesiegte Söhne
der Aditi, nehmet uns gnädig als eure Freunde an, ihr Götter! 3.
Aditya, der Herrscher, hat diese Flüsse ausgesandt, sie folgen
Das historische Stadium der Religion. 17
dem Gesetze Varnnas. Sie ermüden nicht , sie rasten nicht; gleich
VOgeln fliegen sie schnell nach allen Seiten. 4.
Nimm von mir meine Sünde, gleich einer Fessel, und wir wer-
den, o Varuna, die Quelle deines Gesetzes fordern. Möge nicht
der Faden (des Lebens) abreißen, während ich meinen Gesang
webe! Möge nicht die Form des Arbeiters vor der Zeit zer-
brechen! 5.
Kimm weit Ton mir hinweg diesen Schrecken, o Varu/ta!
Habe £rbarmen mit mir, o gerechter König! Wie den Strick von
einem Kalbe, löse von mir meine Sünde; fern von dir bin ich nicht
einmal Herr über das Zwinkern meines Auges. 6.
Triff uns nicht, o Varuita, mit Waffen, die auf dein Gebeiß
den Missethiter verletzen. Lass uns nicht dahin gehen, wo das
Licht verschwunden ist! Zerstreue unsere Feinde, auf dass wir
leben! 7.
Wir sangen dir früher, o Varuna, und singen dir jetzt, und
werden dir in Zukunft auch Lob singen, o Mächtiger. Denn auf
dir, unbesiegbarer Held, ruhen alle Satzungen, unerschütterlich wie
auf einem Felsen gegründet. 8.
Entferne von mir alle selbstbegangene Sünde, und lass mich.
o König, nicht leiden für das, was andere begangen haben ! Noch
sind viele Morgenröten nicht aufgegangen; verleihe uns, in ihnen
zu leben, o Vamna! 9.
(M. M., Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung.
p. 16S fg.)
Ein avestiflehes Gebet«
1. »Gresegnet ist der, gesegnet ist Jedermann, dem Ahura-
maxda, der durch seinen eigenen Willen herrschende, die beiden
ewigwihrenden Kräfte Gesundheit und Unsterblichkeit verleihet
Um eben dieses Gut flehe ich dich an. Mögest du durch deinen
Engel der Frömmigkeit mir Glück gewähren, die guten wahren
Dinge und den Besitz des guten Geistes.
2. Ich glaube, dass du das beste aller Wesen bist, die Quelle
des Lichts für die Welt. Jedermann soll an dich als die Quelle
des Lichts glauben; an dich, o Mazda, höchst gütiger Geist! Du
•chnfest alle guten wahren Dinge vermittelst der Kraft deines ^u-
ttü Creistes su jeder Zeit und du versprachst uns langes Leben.
4. Ich will glauben, dass du der mächtige Wohlthäter bist.
o Mazda! Denn du gibst mit deiner Hand, die mit Hilfen gefüllt
ist die für den Bechtschaffenen sowohl als für den Schlechten gut
Bind, Termittelst der Wärme des die guten Dinge stärkenden
X»z Maller, Theosophi«. 2
IS
Eialuittind« Vorlesuiit''
Feuors. Au» diesem Grunde ist mir die Knifi iKu giilcu Üfislun
luger&lliin.
5. Also glsubto ich an dicb, t> Ahuramazda, sie den FUrdorcr
»lleB Gaton; n-eil Ich in dir die uranfäDj^liche llrenclie des l.ebeOB
in der ScbSpfung erblickte; ilenn du, der da Beluhnungcin Dir
Tlinten und Wi>rte lia^t, hast den Btlscn Übles und den Gut«n
Gutes gegeben. Icli will nn dich, o Ahura, glauben in der letxten
Periode der Welt.
ü. 1d welcher Periode nteines Lobeus auch iniuior ich au dich
gluulite, o Mazda, freigebiger Geiat! in der kämest du mit Keich-
tiira und mit dem guten Geiet, durch desaen Thäligkeit unsere
Anaiedeluugcn gedeihen >
:M. Haug. Efsaifi on the Pariit, p. 155 seq., aus Vaann
XLIH, 1~U; siehe auch L. B. Hills, Sarred Booia of
ihe EaxI, Vol. XXXI, p. 9B,) ■)
Vergf^ AUS den (ÜkthttB Zoroasters.
•Dies fiHgc ich dich, u AliumI Sage es intr der Wahrheil
gemüß: Wenn Lobpreisung dargebrncht werden soll, wie (soll ich
vollenden) die Lobpreisung von Einem gleich dir, o MBEdaV Müge
lÜiDeT gleich dir es dem Ftenode. der so wie ich ist. ernsUicb er-
klUrea, daas er also durch dciuo Frlimmlgkeit uns froundliche
Hilfe gewähre, to dass Einer gleich dir sich uns nSbere durch
ddinen guten Geiat. I.
Dies frnge ich dich, o .\hura! Sage es mir der Wahrheit
geaiäO: Wer war duruh Zi:uguug der erste Vater des Ordens der
Fnmiuieni' Wer gab der (»ioderkehrendeuj Soune and den Sternen
ihren (unwandelbaren) Weg? Wer anders als du bat das fest-
geeetst, wodurch der Mond zunimmt, nnd wodarch er abnimiDtv
Diese Dinge, o großer Scbüpfcr, inüchte ich wiesen, nnd noch an-
dere obenfAlls. 3.
Dies frage ich dli'.h, u Ahurn! Sage ca mir der Wahrheit
guniül3: Wer bat die Erde von unten nnd die Wolken oben ge>
halten, doas aiu uicbl falb^nV Wer ni:ichte die Wasser und die
Pfiannen'i' Wer hat dem Winde die Sturmwolkon, die achoellon
und flüchtigsten. Eugosellt? Wer, o großer SchQpfer, ist der Kr-
weoker der gnten Gedanken (In unseren Seelen)'!* 4.
Dies frage Ich dich, o Ahiira! Sage rs mir der Wahrheil
gumäC: Wer bitt als ein geschickter Handwerker die Lichter unJ
I) Sehr abweichend in Spiegel. .
U, 143 fg.
Das historische Stndium der Religion. 19
die Finsternis gemacht? Wer hat, als ein so geschickter, den
Schlaf und das Wohlbehagen (der Standen des Wachens) gemacht?
Wer hat die Dämmerungen, die Mittagszaiten and die Mittemacht
aaagebreitet, als Mahner fdr den verständigen (Menschen), als der
Pflicht wahre (Führer)? 5.
Dies frage ich dich, o Ahura! Sage mir der Wahrheit ge-
mäß: ob sich diese Dinge, die ich aussprechen werde, wirklich so
verhalten. Vermehrt die Frömmigkeit (die wir hegen) wirklich die
heilige Ordnung in unseren Handlungen? Diesen deinen wahren
Heiligen hat sie das Reich gegeben durch den guten Geist. Ffir
wen hast da die Mutterkuh gemacht, die Uervorbringerin der
Freude? 6.
Dies frage ich dich, o Ahura! Sage es mir der Wahrheit
gemäß, auf dass ich über diese deine Offenbarungen, o Mazda,
nachdenke und über die Worte, welche dein guter Geist (in uns)
von dir) erfragte, and über das, wodurch wir auf deinen Befehl
zur Vollendung dieses Lebens gelangen mögen. Ja, wie kann
meine Seele mit Freudigkeit an Güte zunehmen? So sei es. 8.
Dies frage ich dich, o Ahura! Sage es uns der Wahrheit
gemäß: Wie soll ich diesen Dämon der Lüge verbannen von uns
hier zu denen unten, welche mit aufrührerischem Geiste erfüllt
sind? Die Freunde der Frömmigkeit (wie sie in deinen Heiligen
lebt) gewinnen kein Licht (von ihren Lehren), auch haben sie nicht
die Fragen geliebt, welche dein guter Geist (in der Seele fragt .< 13.
(Yasna XLIV. L. H. Mills, Sacred Booka of the Easf,
vol. XXXI, pp. 111 seq. ')
Chinesisches Gebet. Gebet des Kaisers.
>Zu dir, o geheimnisvoll wirkender Schöpfer, blicke ich auf
in Gedanken. Wie stattlich ist die sich ausdehnende Wölbung,
wo da wohnst . . . Dein Diener, bin ich nur ein Schilfrohr oder
eine Weide; mein Herz ist nur wie das einer Ameise; und doch
habe ich deinen huldvollen Beschluss erhalten, der mich zur Herr-
schaft über dieses Reich einsetzt. Tief emp6nde ich das Bewusst-
sein meiner Unwissenheit und Blindheit, und ich fürchte, dass ich
mich unwürdig erweise deiner großen Gunstbezeigungen. Darum
will ich alle Regeln und Satzungen beobachten, bestrebt, unbedeu-
tend wie ich bin, meine gesetzliche Pflicht zu erfüllen. Weit ent-
fernt hier, blicke ich auf zu deinem himmlischen Palaste. Komme
1] Vgl. Spiegel, AceHa, ins Deutsche übersetzt, II, 140 ff.
- Aum. des Vbei's.
•)*
20
KinleitODdu Vork-sun^*.
in ilcinoiTi kostbaren Wugen itun Altäre. Dein DiL^nür. nelgfl
nieiti nnupt nur Erde, die Fiillo deiner Gnade ehrfurcUtavoli^
wartend. Alle meine Beamton einri hier ao raeieer Si^ite auf
stellt, indem sie dir freudig Verehrung dnrbriugen. Alle Oeister
begleiten dich hIb llUter, von Osten nach Westen (die Luft crfUUetidj.
Dein Diener, werfe ich mich vor dieh hin, dir xu begegnen, und
ehrfurchtsvoll sehe ich deinem Kommen entgegen, i> üott. 0 dasa
du dich borahließest unsere Spenden auzunelimen und unser au
achten, während wir dich so verehren, dich, dessen GUte nuer-
schUpflich ist!-
•Du hast dich heriibgelaasen, o Gott, nna zu hliren, denn du
siehst uns an wie eiu Vuter Ich. dein Kind, einfältig und uner-
leuchtet, hin nicht im sUnde. meine Gefühle der Pflichtergebeolielt
an den THg zu legen. Ich danke dir, dass du die Kundgebung
angenommen hast Ehrenvoll ist dein gruGer Name. Hit Ehrfurcht
bretlen wir diese Edelsteine und Setdenetoffu aus, und wie Soliwal-
ben, die sich des FrUhlinga freuen, preisen wir die Fülle deiner
(Ans dem kaiserlichen Gebetbuch xur Zeit dea Kaj-
sera Keatstng. Stehe James Legge. On the Notim
of Ihe (JhiniaB noHrerning God and Spiriln. Houg-kn
ISä!, p. 24. Dieses Gebet ist modernen Dalut
HHlummeduilsctieB Olaobeuabebenntola.
Koran, II. 255—256:
>0 ihr Gläubigen! gebt von demjenigen, was wir euoii]
eurem L'utL'vhalle verlieben haben, ehe der JUngate Tag e
An diesem Tage wird kein Handel, keine Freundschaft, keino |
littto alattünden. Die Ungläubigen sind boshafte Leute.
Gott ist Gott! Es ist sonst kein Gott, wie er! 1
lebende, der AllselbatSndige ist er! Kein Schlaf Uberfilllt 1
kein Schlummer nimmt ihn ein. Sein ist, was in dem Bimmel t
auf der Krde ist. Wer kann bei ihm eine Fürbitte einlegen, obilt
dnss er es erlaubt? Daa Vergaugene nnd diis Zukünftige weiß er.
Die Henscben können von ihm nichts wissen, als was er will, dssa
s\ii von ihm wissen solleu. Sein Tliron ist Uhor die Himmel nnd Erde
»uagedohnl, und die Erhaltung beider vollzieht er ohne Beschwerde.
Der Höchste ist er. Der MMciitigste ist er.«
(Nach der deutschen Cberseitnng des Koran von
F. E. Boysun und S. F. G. Wahl, Halle ISlh, p.3».)i)
1) Der Verfasser citlert dieses Gebet nach Falmera Übersetzung
Das historische Stadiam der Religion. 21
Nen-iiidiBeheg Gebet.
1. >Wa8 immer gemacht worden ist. hat Grott gemacht. Was
immer gemacht werden soll, wird Gott machen. Was immer ist,
macht Gott, — warum also bekümmert sich irgend Einer von euch?
2. Dada sagt : Da, o Gott, bist der Urheber aller Dinge, welche
gemacht worden sind, nnd von dir werden alle Dinge entstehen,
die SU machen sind. Du bist der Macher und die Ursache aller
gemachten Dinge. Es gibt keinen Anderen außer dir.
3. Er ist mein Gott, der alle Dinge vollkommen macht. Sinne
nach über ihn. in dessen Händen Leben und Tod sind.
4. Er ist mein Gott, der Himmel, Erde, Hölle und den Mittel-
räum geschaffen; der der Anfang und das Ende aller Schöpfung
ist: und der für Alle sorgt.
5. Ich glaube, dass Gott den Menschen geschaffen, und dass
er Alles macht Er ist mein Freund.
6. Möge Glaube an Gott alle eure Gedanken, Worte und
Thaten charakterisieren. Wer Gott dienet, setzt auf nichts An-
deres Vertrauen.
7. Wenn die Erinnerung an Gott in euren Herzen ist, so
werdet ihr im stände sein Dinge zu vollführen, die undurchführ-
bar sind. Doch deren , die Gottes Wege suchen, gibt es Wenige !
S. Wer es versteht, seinen Beruf sündlos zu machen, wird in
diesem Berufe glücklich sein, vorausgesetzt, dass er mit Gott ist.
9. OThörichter! Gott ist nicht fern von dir. Er ist dir nahe.
Du bist unwissend, aber er weiß Alles und ist vorsichtig im Ge-
währen.
10. Was immer der Wille Gottes ist, wird sicherlich gesche-
hen. Darum zerstöre dich nicht selbst durch Sorge und Kummer.
sondern höre.
11. Missgeschick ist gut, wenn es um Gottes willen sich ereig-
net: aber es ist zwecklos, den Körper zu quälen. Ohne Gott sind
die Annehmlichkeiten des Reichtums nutzlos.
12. Wer nicht an den Einen Gott glaubt, hat einen unsteten
in den Sacred Books of the Ecmt. vol. VI, p. 39 seq. >In dem Ori-
ginale lautet diese fast unübersetzbare Stelle, die den Muham-
medanem besonders heilig ist. ungemein prächtig. < bemerkt
Boysen; und Wahl fügt hinzu, dass diese Stulle Gutt ist Gott'
0. 8. w. der Vers des Thrones genannt wird, »weil Mubammed, als
er denselben empfing, den Himmel geöffnet und den Thron Gottes
vor demselben schwebend gesehen haben soll.«
Aum. des Uhercs.
22
Einlei tendo Vurlosiing.
iletst; er wird in Sorgen soiQi wono er ^Ipich im Bosilze von
KeichtUiuerD ist: aber Gott ist iioscbäialiiir.
13. Gott ist meine Gleidung und meine Wo1in>iDg, Er ist
mein Bensohcr, mein Kitrpor und meine Seele.
U Gott hegt nud väeft seine GescliUpfe imtuenlur: bu wie
eine Mutter ilir Kind pflegt und es vor Leid bevithrt
|.>. 0 Ciott, du, der du dio Wabrbeit bist, verleibt- mir Zu-
friedenheit, Liebe, Ergebung und Glaiilien. Dein Kneulil Dadn
betet um wulirc Geduld, und durum, dnss er dir ergeben iei,<
.Vcrae von Lludu. dem Gründer der Dadupanthi-
Sekte. uo^-efäbr lÜUU u. Cbr)
loli gestehe, ilass mir das UerE vor Freude höher schlägt,
wenn ich auf BOtche Aaßerangen in den heiligen BOohäin
des Oatoas stoße. Eiue ptfttEliche Helle scheint sich Olter
die dunkelsten Thüler der Erde zu verbreiten. Wir erfahren,
dnsa keine mensclilluhe Seele je ^anz vergessen ward, nnd
daäs es keine Wolken dos Aberglanbena gibt, durch welche
die Strahlen ewiger Wahrlioit Dicht hindurchdringen kdnneti.
Solche Augenblicke sind der beste Lohn für den Reli^ont-
forscher — es sind Augenblicke wahrer Offenbarung, indem
sie die Thatsacho offenbaren, dass Oott keines aeioer Kindw
vorUesen hat, wenn sie ihn nur suchen, ob sie doch Um
fllhleu nud linden mochten. Ich weiß recht gut, wie leicht «t
ist, diese kindischen Versuche, iui Unnkeln den Weg in findm,
zu bekritteln, und wie gerne die Leute in ein Gelächter ein-
stimmen, wenn man sie anf irgend eine sonderbare und ftf
uusere Begriffe groteske Ausdrucksweise in den Gebeten der
alten Welt aufmerksam macht. Wir wissen, dass vom Er-
hahouen zum Lächerlichen nur Ein Schntt ist. and nirgends
ist die» ao «ehr der Fall, als in der ICeligion. JelAleddtn*
Lelire in seinen Uesnevi dflrfte vielleicht auch bei modernoii
Spöttern nicht weggeworfen sein.
HoHea and der Scliüfer.
•Muses hOrte einst einen Scbllfcr folgcndcraiaßon beten:
'0 Ooll, xeige mir, wo du bist, damit ich dein Diener werde.
Das historische Stadium der Religion. 23
Ich will deine Schuhe patzen, dir das Haar kammeD. deine
Kleider niüien und dir Milch holen/ Als Moses ihn anf diese
sinnlose Weise beten hörte, tadelto er ihn. indem er sagte:
'0 Thdrichter. obgleich dein Vater ein Mnselmann war. bist
da ein CngUabiger geworden. Gott ist ein Geist and bedarf
so grober Dienstleistangen nicht, wie da sie in deiner Un-
wissenheit voranssetzest.* Der Schäfer war beschämt Aber
diesen Vorwarf, zerriss seine Kleider and floh in die Wfiste.
Da ward eine Stimme vom Himmel vemommen, die rief: '0
Moses, weshalb hast da meinen Diener hinweggejagt? Dein
Amt ist es. meine Lente mit mir zu yersöhnen, nicht sie von
mir hinwegzatreiben. Ich iiabe jedem Volke verschiedene
Gebrlocbe und Formen gegeben, mich zu preisen und anzu-
beten. Ich bedarf ihrer Lobpreisungen nicht, da ich fiber
alle solche Bedflrfnisse erhaben bin. Ich sehe nicht auf die
Worte, die gesprochen werden, sondern auf das Herz, das
sie darbringt. Ich brauche nicht schöne Worte, sondern ein
glQhend Herz. Mannigfach sind die Wege der Menschen, mir
Andacht zu beweisen, so lange aber die Andacht:*bczeiguD<ren
echt sind, werden sie angenommen.' c
Vorteile der vergleichenden Beliglonswissensehaft«
Ich habe nie ein Hehl aus meiner Überzeugung gemacht.
dass ein vergleichendes Studium der Religionen der Welt den
Glauben an unsere eigene Religion nicht nur nicht untergräbt.
sondern vielmehr nur dazu dient, uns deutlicher sehen zu
lassen, worin der unterscheidende und wesentliche Charakter
der Lehren Christi besteht, und uns hilft den starken Felsen
n entdecken, auf den die christliche sowohl als jede andere
Reügion gegründet sein muss.
Wie aber ein guter Feldherr, wenn er eine Festung ver-
teidigen will, oft darauf bestehen muss. dass die Landhäuser
ud Lustgärten der Umgegend dem Erdboden gleichgemacht
Verden, damit sie nicht dem Feinde zum Schutze dienen.
so mflssen auch diejenigen, welche die feste Burg ihrer
2^1
Efnleitemle Vorlee iinp.
lügenen Religion verteidigen wollen, oft darauf bestehen.
die sußenliegcnden VerBchanznngen and nntzlosen W&Ue en
xerstOrcn, welche zwar Vielen durch langt) Gowohnheil lieb
und leni^r gevordcD sind, aber keine wirkliche Biehcrlieit
bieten, ja EOgar gef&hrlicli werden kOuiien, insofern sie dem
Feinde Hilfe gewähren, d. h. denjenigen, welche deu Felsen
KU untergraben suchen, auf den alle wahre — man nenne
sie natürliche oder Ubernalürliche — Religion gegröndet Bein
muss.
Es ht zum Beispiel ganz richtig, dass die Thataache,
(lass wir fast in jeder Religion aaf sogenannte Wunder stoßen,
nicht ohne Einflusj auf nns bleiben kann und selbst unseren
licgriiT des Wunders verändern mnss. Weun die vevgleiehende
Theologie uns irgend etwas gelehrt hat, so Ist es dies, dass
der Ulaube au Wunder, weit entfernt nnmSglich zu sein, fast
na verm eidlich ist, und dass derselbe überall aus derselben
Quelle entspringt, aus einem tiefen Gefühl der Ehrfurcht, das
Mftnuer, Frauen und Kinder für die Stifter und Lehrer
ihrer Religion hegen. Dies verleiht allen Wundern eine neue,
möglich erweise eine tiefere Bedeutung. Es befreit uns sofort
von all den endlosen KrSrterungen darüber, was möglieb,
wahracbeiulich oder wirklich, und was vernünftig oder unver-
nünftig, natürlich oder Übernatürlich sei. Es gibt nns wahre
mim statt kleiuor miracula, es macht uns ehrlich gegen uns
selbat und ehrlich gegen den Stifter unserer eigenen Religion.
Es versetiit uns iu eine neue und wirkliche Welt, wo Alles
wunderbar, Alles hewuuderungswfirdig ist, wo kein Platz fUr
kleine Uberrasobungou bleibt, eiue Welt, in der kein Sperling
auf die Erde fiillet ohne den Vater, eine Weit des Glaubens
und nicht des äcbaueus. >) Wenu wir die Bebandluug, welche
die Wunder von seilen Humes erfuhren, mit der vergleichen,
welche ibneu jetzt von aeiten der vergleichenden Relifciuna-
forscher zu teil werden, so sehon wir, daas die Welt, Ja
1 ! Siehe eioiKe auBgezeichnelo ll«nierkun)^en Über dioM-n Punkt
U dOB Kev. Charles Quro Uamptan LeHurei, p. 13U,
Das historische Stadium der Religion. 25
s<^ar die theologische Welt, deDn doch vorwärts rückt. Nur
Wenige werden heutzutage leugnen ^ dass Christen ohne
das. was man den Glauben an Wunder nannte. Christen sein
können; ja Wenige werden leugnen, dass sie ohne diesen
Glanben bessere Christen sind, als mit demselben. Was der
Tergleichende fieligionsforscher mit der Einen Hand weg-
nimmt, das gibt er mit der andern hundertfältig wieder
znrtlck. Dass in unseren Tagen ein Mann wie Professor Hux-
lej seine Zeit damit yerschwenden musste, die Unmöglichkeit
des Wunders von den Gergesenem durch wissenschaftliche
Argumente zu beweisen, wird in kommenden Zeiten als Eines
der sonderbarsten Überlebsel in der Geschichte der Theologie
anfgefUrt werden.
Was ich f&rchtete. als ich diese Vorlesungen hielt,
waren, ich muss gestehen, nicht so sehr die Schmähungen
derjenigen, welche sich wie Heinrich VIIL die Verteidiger
des Glaubens nennen, als die Verdächtigungen derjenigen.
welche meine YÖliige Ehrlichkeit und Unparteilichkeit an-
zweifeln könnten, wenn ich das Christentum yerteidigte. indem
ich zeigte, dass es, wenn es nur gehörig verstanden wird.
•her alle anderen Religionen unendlich erhaben sei. Eine
gute Sache und eine heilige Sache gewinnt nichts durch eine
nnehiüche Verteidigung, sie wird durch eine solche nur ge-
ächidigt. und ich mache denen keinen Vorwurf, welche von
einem ^chrisÜichen Advokaten' (eine Stelle, die bis vor kurzem
in Cambridge unterhalten wurde, der die Sache des Christen-
tuns gegen alle anderen Religionen zu fuhren hat. nichts
wissen wollen. Aus diesem Grunde waren mir die Angriffe
gewisser christlicher Theologen eigentlich höchst willkommen.
denn sie haben jedenfalls gezeigt, dass ich nicht ihr Ver-
treter bin, und dass ich und diejenigen, welche meine Über-
zengongen ehrlich teilen, wenn wir ein vollkommcDcs Recht
aif den Namen von Christen für uns in Anspruch nehmen.
dies mit gutem Gewissen thun können. Wir haben das
Christentnm der strengsten Kritik unterworfen und haben es
■iekt zn leicht befunden. Wir haben getLan. wozu Paulus jeden
26
Einleitende Vorlesung.
Christen aufifordert, wir haben Alles geprüft, wir haben uns
nicht gescheut, das Christentum mit jeder beliebigen anderen
Religion zu vergleichen, und wenn wir es beibehalten, so
thaten wir es aus keinem anderen Grunde , als weil wir
es für das Beste befunden haben. Alle Religionen, das
Christentum nicht ausgenommen, scheinen in der That weit
mehr von ihren Verteidigern als von ihren Angreifern ge-
litten zu haben, und ich kenne sicherlich keine größere Gefahr
für das Christentum, als jene Verachtung der Natürlichen
Religion, welcher in jüngster Zeit mit solcher Heftigkeit Aus-
druck gegeben worden ist von denen, welche sowohl den
Gründer dieser Lektorstelle über Natürliche Religion, als auch
die Lektoren, ja selbst diejenigen, welche es gewagt haben,
deren Vorlesungen zu besuchen, so hartnäckig angegriffen
haben.
Zweite Vorlesonsr
o
Der wahre Wert der heiligen Bächer ontersocht.
HM^risehe Doknente fir das SUdiam des rrspniB^s
der Reli^on«
Man hat die Orientalisten oft beschuldigt, dass sie den
Wert, den die heiligen Bflcher des Ostens für das Stndinm des
Ursprungs und Wachstums der Religion haben, fibertreiben.
Es Itsst sich wohl nicht leugnen, dass diese Bücher yiel
weniger vollkommen sind, als man wünschen könnte. Es sind
■ur armselige Fragmente, und die Zeit, wo sie gesammelt
■nd niedergeschrieben worden sind, ist in den meisten Fällen
weit entfernt Ton dem Datum ihrer ursprünglichen Abfassung,
geschweige denn von den Zeiten, die sie zu schildern vor-
geben. Das ist Alles ganz richtig: aber meine Kritiker hatten
wissen sollen, dass ich. weit entfernt, diese Thatsachen ver-
bergen zu wollen, selbst der Erste gewesen bin. der immer
wieder auf dieselben aufmerksam gemacht hat. Wo immer
wir eine Religion finden, ist sie stets längst über die Jahre
der Kindheit hinaus: sie ist zumeist völlig ausgewachsen und
letzt eine Vergangenheit voraus, die kein historisches Blei-
lot ergrflnden kann. Selbst was moderne Religionen, wie das
Ckristentum und den Islam anbelangt, so wissen wir gar
wenig über ihre eigentlichen historischen Anfänge oder An-
tecedentien. Wenn wir auch deren W^iege und diejenigen.
velche dieselbe umstanden, kennen, so scheint doch die ge-
waltige Persönlichkeit der Stifter in jedem solchen Falle Alles.
28 Zweite Vorlesung.
was um sie herum vorging und was vor ihnen lag, über-
schattet zu haben; ja es mag zuweilen die Absicht ihrer
Schüler und unmittelbaren Anhänger gewesen sein, die neue
Religion als ganz neu, als recht eigentlich die Schöpfung
Eines Geistes, darzustellen, was ja doch eine historische
Religion nie sein kann. ^) Was nun ältere Religionen anbelangt,
so können wir schwerlich jemals hoffen, bis zu ihren tiefsten
Quellen zu gelangen, so wenig als wir hoffen können, je die
tiefsten Schichten alter Sprachen zu erreichen. Und doch zeigt
die Religion, ebenso wie die Sprache, überall die deutlichsten
Spuren historischer Antecedentien und einer ununterbrochenen
Entwicklung.
Religiöse Sprache.
In meinen früheren Vorlesungen habe ich es mir ange-
legen sein lassen, zu zeigen, dass es nur Einen Weg gibt,
auf dem wir, so zu sagen, hinter jene Phase einer Religion,
welche uns in ihren heiligen oder kanonischen Büchern vor-
liegt, zurückgehen können. In der Sprache der Religion, in
den Namen der verschiedenen Gottheiten und in dem Namen,
welcher am Ende als der des Einen wahren Gottes übrig
bleibt, liegen thatsächlich manche der wertvollsten Dokumente
für die Geschichte der Religion eingebettet. Auch gewisse
Ausdrücke für *Opfer , für 'Sünde', für *Atem' und 'Seele
und so fort, erschließen uns gelegentlich manche von den
religiösen Ideen der Menschen, unter denen diese heiligen
Bücher entstanden. Ich habe auch zu zeigen gesucht, wie viel
sich aus einer Vergleichung dieser alten religiösen Terminolo-
gien entnehmen lässt, und wie insbesondere die religiöse
Terminologie des alten Indien auf viele der religiösen Aus-
drücke, welche selbst im Griechischen und Lateinischen
dunkel und ganz und gar bedeutungslos geworden sind, ein
höchst erwünschtes Licht wirft.
1; Siebe Kuenen, Uihhert Lectun-a, p. Ib9 seq.
Der wahre Wert der heiligen BQcher untersacht 29
Beslßen wir nicht die im Veda enthaltenen Zengniase.
wie bitten wir gewnsst. da^ Zeos nrsprfinglieh das helle
Lieht des Firmaments bedeutete, nnd dass dens zuerst ein
AdjektiT war nnd 'gUlnzend* hieß? Den Unglünbigen, oder
rielmebr den Unwissenden, welche nicht einsehen wollen,
dass das Pantheon des Zens nicht Ton Zens selbst losgetrennt
werden kann, nnd dass die anderen olympischen Götter dieselben
phjaischen Anfänge gehabt haben mfissen. wie Zens, der Vater
der Gotter nnd Mensehen, kann diese Lehre von Zens oder
Japüer nicht oft genng in die Ohren gemfen werden. Es
gibt noch immer ein paar Ungläubige, die ihr weises Hanpt
ichfitteln, wenn man ihnen sagt, dass Erinys die Dämme-
rung. Agni das Feuer, und Marut oder Mars den Sturm-
wind bedeutete, ganz eben so sicher als dass Eos die Morgen-
röte. Helios die Sonne und Selene den Mond bedeutete.
Wenn nicht dies, was denn bedeuteten diese Namen, es wäre
denn, dass sie gar keine Bedeutung hätten!
Haben wir einmal in dieser, der frühesten Keimstufe
religidsen Denkens und Sprechens einen wirklichen historischen
Hintergnini für die Religionen Indiens. Griechenlands und
Rons gewonnen, so haben wir uns eine Lehre zu eigen ge-
■aebt. die wir — obgleich allerdings mit gewissen Modifi-
kationen — mhig auch auf andere Religionen anwenden
k^sen. die Lehre nämlich, dass in jedem göttlichen Namen
eine Bedeutung liegt, und dass zwischen einer Religion und
der Sprache, in der sie geboren ward und in die Welt hioaus-
gcüchickt wurde, eine innige Wechselbeziehung herrscht.
Dau erst können wir zu den heiligen Bflchem fibergehen
lad aas ihnen so viel Belehrung als nur möglich sammeln
ii Bezng auf die großen Religionen der Welt in ihrer späteren
kiMrischen Entwicklung.
Litterarisehe Dokumente.
Und hier — was man auch sagen mag. uro das Gegen-
teil xa beweisen — haben wir nichts Wichtigeres, nichts.
30 Zweiie VurieBüiig.
worauf wir uns mit giCtCerer Siclierlieit verlassen köuaen, als
die litterariscben OoknineDle, welche cinigo der alten Keli-
gionen der Welt una liinlerlasaen haben, und welche von den
Allen selbst als höchste Anturitlit unerkannt wurden. Diese
Materialien sind erat in den leinten Jnhreu zugünglioli ge-
worden, und ich habe es mir ungelegen sein lassen, unter
der Mitwirkung einiger meiner Freunde, eine große Samm-
lung von Cberselxungen dieser heiligen Bücher des Oslens
herauBEUgeben. Diese Sammlung belauft sich jetzt auf
49 Bände, und sie wird in itukunft jeden vergleichenden
RoligioDsforscber in den Stand setzen, sieb über den wahren
Charakter der religiösen Meinungen der Ilauplvölker des
Altertums eine eigene Meinung zu bilden.
Modernes Datum der h«IU^& BUcher.
Wenn man diesi; BUcher modern nennen will, so habe
ich nichts dagegen, nur vergesse man nicht, dass es jeden-
falls nichts Älteres in irgend einer Litteratnr gibt. Man
kann sagen, dass fast in jedem Lande die Qoachichte der
Litlerutur mit heiligen BOcbern beginn). Ja daaa die Idee
einer Litteratnr selbst von diesen heiligen BOcbern herstammt
Die Litteratnr. zum mindesten eine geschriebene Litleratur,
und gar eine Litteratnr in alphabetischer Schrift ist schon
ihrer Natur Dach eine sehr moderne Erfindung. Es kann
keinem Zweifel nnterliegen, dass der Ursprung aller alten
Ueligionen der Welt auf eine Zeit zurückgeht, wo das Schreiben
ftlr lilterarische Zwecke noch ganz unbekannt war. Ich bin
nucb immer der Meinung, dass das BOchersch reiben oder
das SobreibcD fUr litterarischo Zwecke nirgends in der
(Jescbichle der Welt lange vor dem siebenten Jahrhundert
V. Chr. aultrilt. Ich weiß, dass ich fast allein damit stehe,
dass ich das Vorhandensein einer geschriebenen Litteratur,
wirklicher BQcher, die von der grollen Masse des Volkes
gelesen werden sollten, üo spxt datiere. Mir sind aber keio«
Thaisacheu bekannt, die uns in den Stand setzen wurden, res
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht. 31
einer Littentar im wahren Sinne des Wortes vor diesem
Datnm mit ZuTersicht zn sprechen. Man hat mir eingewendet
daas das allerspiteste Datum, welches nach der einstimmigen
Meimuig alier kompetenten Semitologen für die E^Doknmente
des A. T. fiuert worden, das Jahr 750 v. Chr. ist. Allein
Niemand hat gezeigt, in was f&r einem Alphabet, ja anch
nur in was für einem Dialekt dieselben damals geschrieben
worden wiren. Man hat mich auch an das viel frühere Datnm
einer igyptischen and einer babylonischen Litteratnr erinnert,
aber ich dachte, ich hätte mich sorgfältig dagegen verwahrt,
einer solchen Mahnung zu bedflrfen. indem ich nur von
Bftchem in alphabetischer Schrift sprach. Bficher setzen
nicht nur das Vorhandensein von Leuten voraus, welche
sehreiben, sondern auch von Leuten, welche lesen können,
ad deren Zahl muss im Jahre 750 gar sehr gering ge-
wesen sein.
Lenten. welche mit all der Kraft des menschlichen 6e-
diehtnisses, wenn es gut gedrillt, oder vielmehr wenn es
lieht, wie das unsrige, systematisch zu Grunde gerichtet wor-
den ist, nicht bekannt sind, mag es fast unglaublich vorkommen.
dass Ton der alten traditionellen Litteratur so viel verfasst
worden ist und sich Jahrhunderte lang erhalten hat. ehe es
eidgftltig der Schrift anvertraut ward. Immerhin haben wir
et so weit gebracht, dass Jedermann jetzt zugibt, dass die
Dichter des Yeda ihre Hymnen nicht geschrieben, und dass
Zoroaster keine schriftlichen Dokumente hinterlassen hat. Es
^bt im Veda kein Wort fflr 'Schreiben., und. wie Haug
\Euay9 on the Parsis, p. 136 n. gezeigt bat. auch nicht im
Aveita. Ich selbst habe darauf hingewiesen, wie vertraut die
Verfasser gewisser Bficher des Alten Testaments mit der
Idee des Schreibens gewesen zu sein scheinen, und wie eben
dies die Datierung dieser Bücher gar sehr beeinflnsst.
Wir lesen im ersten Buch der Könige IV. 3 von
Treibern nnd Chronisten am Hofe des Köi igs Salomo. und
fiMelben Beamten werden im zweiten Buch der Könige XVIII.
\S am Hofe des Hiskia wieder erwähnt, während wir nnter
32
Zw,
) VoriesiiHg.
der Ko^iernng des Königs Josla tliataüchlich von der Anf-
(indiiDg des < iesetzbnches leaeu. Doch finden wir dieBolben
ADachronismea t)ber&U. Throne and Soepter werden Eönigon
zugeaohrieben, welche dieaelbon nie hatten, und im ShähnAmeh
(910, 5) lesen wir von Feridfin, daea er nicht nur einen
Fener-Tempel in Baikend gebaut, sondern dads er aach ein
in goldenen (keiUSrmigen ?) Buchataben gefichriebenca Biemptar
des Avcsta daselbst deponiert habe. Kirjatb-Bepher, die im
Itncb Josaa XV, \b erwähnte Stadt der Buchstaben, bezieht
äich wobi auf irgend eine Inschrift in jener Gegend, nicht
auf Bacher.
Auch von Buddha kaun man jetzt ohne Fnrcht. xuf
Widerspruch zu stoßen, behaupten, dass er nie irgend welche
M88. seiner Predigten hinterließ. ')
W&re dem anders gewesen, so würde es sicherlich erwilhnt
worden sein, wie so viele minder wichtige Dingo, das tägliche
Loben und die tätlichen Beschäftigungen Buddhas betreffend,
selbst sein Lernen des Abc, in spfitoren buddhistischen Schriften
erwähnt worden sind. Uns mag es freilich fast unmöglich
seheinen, das« liinge poetische, ja selbst prosaische Werke bloß
mOndlicli ausgearbeitet und llberliefert worden seien, aber es
ist wichtig zu bemerken, dass die Allen selbst nie irgend das
geringste Erstaunen über die anßerordentlichen Leistungen doa
menschlichen Gedächtnisses ausdrucken , während die bloße
Idee eines Alphabets, einer Alphabetischen Scbrifl. oder von
Papier und Tinte, ihnen gar nicht in den Sinn kommr.
Ich gebe also gerne zo, dass Alles, was wir von einer
heiligen Litteratur Schriftliches besitzen, verhßltnismflßig mo-
dern ist: auch dasa es nur einen sehr kleinen Bruchteil
dessen darstellt, was nr^prllnglich vorbanden war. Wir wissen,
dass selbst, nachdem ein Buch niedergeschrii^ben worden,
die Gefahr eines Verlostes keineswegs vorüber war. Wir
wiason, wie viel von der griechischen und lateinischen Litt»-
ratnr, uachdcm es Ihatsächlich der Schrift anvertraut wor
, Der Baddllismus, p. 247,
Der wmhre Wert der heiligen Bücher nntersacht 33
verloren gegangen ist. Äschylos soll neunzig Schanspiele
yer&sst haben. Wir besitzen nur von sieben Mannskripte.
Und was ist ans den Werken von Berosns, Manetho nnd
Sanehoniatlion geworden? Was ans den yollstllndigen MS8.
des Polybins, des Diodorns Sicnlus, des Dionjsins von Hali-
eamass, des Dio Cassins? Was aus denen des Livios nnd
des Taeitus?
Wenn also die Leute durchaus behaupten wollen, dass
das, was wir von heiligen Bfichem besitzen, modern ist, so
habe icb nichts dagegen, wenn sie nur definieren wollten,
was sie unter 'modern^ verstehen. Und wenn sie durchaus
daranf bestehen, das, was aus dem allgemeinen Schiffbruch
gerettet worden, als bloßes Strandgut und Wrackgut zu be-
zeiehnen, so brauchen wir um solcher Namen willen nicbt
zu streiten. Von den alten Litteraturdenkmälern fast jeder
Religion ist Vieles verloren gegangen; das macht aber das-
jenige, was uns geblieben ist, nur um so wertvoller.
Fragmentariseher Charakter der heiligen BOcher Indiens.
In der Sanskrit-Litteratur begegnen wir häufig Verwei*
sangen auf verloren gegangene Bflcher. In theologischen
IHsputationen in Indien ist es eine nicht ungewöhnliche Sitte,
dass man sich auf verloren gegangene iSäkhäs des Veda be-
ruft, namentlich wenn es sich darum handelt, Gebräuche, fflr
die es in den vorhandenen Vedas keine Autorität gibt, zu
verteidigen. Wenn z. B. europäische Gelehrte bewiesen
hatten, dass es in dem uns bekannten Veda keine Autorität
filr die Witwenverbrennung gebe, so beriefen sich eingeborene
Gelehrte auf verloren gegangene iSäkbäs des Veda, um diese
gransame Sitte zu rechtfertigen. Doch haben uns eingeborene
Kasuisten selbst die richtige Antwort auf derlei Argumente
aa die Hand gegeben. Sie nennen es das 'Totenschädel-
Argument' und bemerken mit gi'oßem ScharfsiDD. man könnte
eben so gut einen Totenscbädel als Zeugeu vor Gericht
fthren, als sich auf ein verloren gegangenes Kapitel des
Xftx Mftller, Theosophie. 3
34
Zweite Vorlesung.
Veda zur Stütze iv^nd einer herrschenden Sitte odet Lehm
berufen. iSUkhä bedeutet 'Zweig', und da der Veda oft al*
ttin Baum dargestellt wird, so ist eine i^ftkhä des Veda das-
selbe, was wir auch einen Zweig des Veda nennen könnten.
Wir dürfen jedoch nicht denken , dsss das, was wir
jetzt von der vediscben Lilteratnr besitzen, Alles sei. was ja
vorbanden gewesen, oder dasä ea uns anch nnr ein balbwega
vollständiges Bild der vedischen Religion geben könne.
Die Buddhisten pflegen gleiolifails von manchen der
Beden oder Aussprüche Buddha's zn sagen . sie seien ver-
loren gegangen, oder nicht verzeichnet.
Im Allen Testament haben wir die bekannten Aospie-
Inngen nnf das Buch Jascher 'ßuch der Redlichen'. II. Sam.
I, Ih] and daä 'Buch von den Streiten des Herrn' (IV. Uoss
XXI. 14), auf die Chronika des Kitnigs David und di«
Chronika von Salomo, die das ehemalige Vorhandensein ^
wenn nicht von Büchem, so doch von voiksiDmlicben LiadenK
und Legenden unter diesen Titeln beweisen.
Und itncb in Bezug auf das Neue Testament sagt uns
nicht nnr St. Lukas, dass 'sichs viel unterwnnden habei
stellen die Rede von den Geschichten, so unter uns ergangen
sind, wie uns das gegeben haben, die es von Anfang selbst
gesehen nnd Diener des Worts gewesen sind, < sondern wir.'
wissen auch, dass es in den ersten Jahrhunderten ander»
Evangelien und andere l<)pisteln gab. die entweder verlores'
gegangen oder von späteren Antoritälcn für apokrvpb erklKrt'
worden sind, wie die Evangelien der Hebräer nnd der
Äg>-pter. die Chronika des Andreas. Johannes und Tlloi
die Episteln von Barnabas und von St. Elemens. n. a. >}
Wir lesen außerdem am Ende des vierten Evangeliums: >Ga
sind auch viel andere Dinge, die Jesus gcthan hat. welche,
so sie sollten eines nach dem andern geschrieben werden,^
achte ich, die Welt würde die DDehcr nicht begreifen, dJi
zn beschreiben w&ren. > Das mag fibertrietien sein, aber ei
1) Sitho J. E. Cnrpenter. T/,r Fi<->t Thm Goi-ptl; p. 3.
Der wahre Wert der heiligen Bücher antersacht. 35
9<^te immerhin zor Warnong dienen gegen die Annahme,
dass das Nene Testament ans jemals eine yoUstindige Sehil-
dening der Beligionslehren Christi geben könne.
Terlnst der heiligen Litteratnr Persiens.
Es gibt jedoch keine Heligion, in der wir den Verlost
eines großen Teils ihrer heiligen Litteratnr so genan ver-
folgen können, wie in der Religion Zoroasters nnd seiner
Schaler, und wir than got daran, eine Lehre daraus zu
entnehmen. Was wir mit einem ganz falschen Namen als
'Zend Avesta' bezeichnen, ist ein Buch von sehr mäßigem
Uni£uig. Ich erklärte Ihnen, glanbe ich, in einer früheren
Vorlesung, warum ^Zend Avesta' ein falscher Name ist. Die
Perser nennen ihre heiligen Schriften nicht Zend Avesta.
sondern Avesta Zend, oder im Pehlevi Avistdk va Zand.
■nd dies bedeutet einfach ^ext und Kommentar. Avesta ist
wahrscheinlich von vid, 'wissen', abgeleitet, wovon wir, wie
Sie ach vielleicht erinnern, auch den Namen ^Veda haben. ^)
Aber avesta ist ein Participium perfecti passivi. ursprüng-
lich i + vista für vid-ta'. und bedeutete daher ^das 6e-
wusste' oder 'das Bekanntgemachte', während Zend von der
ansehen Wurzel *zeno, bissen'. Sanskrit ^/7ä, Griech.
yi-yvvj-cyM, abgeleitet ist und daher ursprünglich ebenfalls
'Wissen oder 'Verständnis des Avesta bedeutete. Während
der Name 'avista* zur Bezeichnung der alten Lehren und
Vonehriflen Zarathushtras gebraucht ward, wurde der Ans-
drack *Zend' auf alle späteren Erklärungen jener heiligen
Texte, nnd namentlich auf die Übersetzungen und Erklärungen
des alten Textes im Pehlevi oderPahlavi. der persischen
Sprache, wie sie im Sassaniden-Reiche gesprochen wurde, an-
gewandt Trotzdem ist es Sitte geworden, die alte Sprache
Zaradinshtra's 'Zend', wörtlich 'Kommentar, zu nennen und
1) Oppert 'Journal Asiatique, 1S72. März vergleicht das alt-
perrische abasta. Gesetz.
3*
36
Zweite Vorlesung'.
vria dem, was ana von dem heiligen Gesetzbuch der Zoro-
astrier flbri^ ist, als dem Zend Avesta zu sprechen. Es ist
dies einer von jenen Irrtttmem, die man schwer los werdoo
wird; die Gelehrten scheinen sich darüber geeinigt zn haben,
denselben als unvermeidlich hinzanebmen, und sie werden
wähl fortfahren, vom Zend Aresta und von der Zend-Sprache
zn reden. Manche Schriftsteller, die offenbar wähnen, dass
Zoroaster das Feuer und nicht Ormszd als höchste Gottheit
verehrt habe, nnd die annehmen, dsss Vesta ursprünglich
eine Gottheit des Feuers gewesen sei, sind thatsitcblich so
weit gegangen, 'Zenda Vesta zn schreiben, als ob 'Vesta' der
Name des heiligen Feuers bei den Parsen wäre. Wenn wir
nns richtig ausdrucken wollen, so sollten wir vom Avestn
als den alten Texten des Zarathushtra sprechen, nnd wir
sollten als Zend Alles bezeichnen, was in späterer Zeit von
Cberseizungen und Erläuterungen des Ävesfa, sei es in der
alten avestiscben Sprache oder im Puhlevi, geschrieben worden
ist. Dieses 'Pehlevl' ist einfach der alte Name für die per-
sische Sprache, und es kann kxnm einem Zweifel nnterli^en.
dass Pehlevi, das persische Wort tttr 'das Alte', von pahlav ab-
geleitet ist. Dieses pahl av, welches 'kriegerischer Held' heißt,
ist selbst wieder eine regelmäßige Modtfikaliou von parth»v,
dem Namen der Parther. welche fast fünfhundert Jahre lang
(2[.fi V. Chr. bis 220 n. Chr.) die Beherrscher Persiens waren.
So mochte es zwar scheinen, als ob Pehlevi die Sprache der
Partber bedeutete; dennoch ist es in Wirklichkeit der Name
der persischen Sprache, wie sie in Persien unter der Herrschaft
der Parfher gesprochen ward. Es ist ein» arische Sprache,
die in einem e ige nttlmli eben semitischen Alphabet geschrieben
und mit vielen iiemitischen Wörtern gemischt ist. Die erstem
Spuren des Pehleri sind auf Münzen entdeckt worden, welche
Jem dritten oder vierten Jalirhundcrt v. Cbr. zugeschrieben
werden, möglicherweise sogar auf gewissen in Niniveh ge-
fundenen Täfelcben, die dem siebenten .lahrhnndcrt v. Chr.
angeboren sollen. 'J Wir ßndeu Pehlevi in zwei Alphabeten
I) Haug. Eiiiiyt, p. SI.
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht. 37
geschrieben, wie in den berflhmten bei den Rninen von
Persepolis gefundenen Inschriften von Häjfäbäd (3. Jahrb.
n. Ohr.), ^j Außer der Sprache des Avesta, die wir Zend
nennen, und der Sprache der Glossen und Übersetzungen, die
wir Peblevi nennen, gibt es noch das Pazend, welches nr-
sprflnglich ebensowenig wie Zend der Name einer Sprache,
sondern der Name eines Kommentars zu einem Kommentar
war. Es gibt solche im Avestischen ^) oder im Pehlevi ge-
schriebene Pazends. Wenn aber Pazend als Name einer
Sprache gebraucht wird, so bedeutet es das Iranische des
Mittelalters, das hauptsächlich in den Transskriptionen von
Pehleyi- Texten, die entweder in avestischen oder persischen
Buchstaben geschrieben sind, gebraucht wird und von allen
semitischen Bestandteilen frei ist. In der That ist die
Sprache des großen epischen Dichters Firdusi (1000 n. Chr.)
nicht sehr verschieden von der Pazend-Sprache ; und beide
stammen in gerader Linie vom Pehlevi und Altpersischen ab.
Eines jedoch ist ganz sicher, nämlich dass die heilige
litteratur, welche einst in diesen drei aufeinanderfolgenden
Sprachen, dem Avestischen, dem Pehlevi und dem Pazend,
existierte, unendlich größer gewesen sein muss, als das, was
wir jetzt besitzen.
Es ist wichtig zu bemerken, dass das Vorhandensein
dieser viel größeren alten heiligen Litteratur in Persien selbst
den Griechen und Römern bekannt war, wie z. B. dem Her-
mippos, ^) der sein Buch *Über die Magi' schrieb, während
er sich in Smyrna aufhielt. Er lebte in der Mitte des dritten
Jahrhunderts v. Chr. Dieses Buch ist zwar verloren, es
wird aber von Plutarch, Diogenes Laertius und Plinius ci-
tiert Plinius (H. N. XXX, 2] -sagt uns, Herrn ippos habe
die Bflcher Zoroasters studiert, welche damals zwei Millionen
1; Siehe Haug a. a. 0. p. 87, und Friedrich Müller, Die Pdh-
lawi Inschriften von HadziäMd.
2) Haug a. a. 0. p. 122.
3) Diogenes Laertius, Prooem. 6.
38 Zweite Vorleaung.
Zeilen lunfaast haben soUen. Selbst ein so später GewährB-
mann wie Abu Jafir Attarari (ein arabischer Gescbicbte-
sohreiber) vereichert nne. dass Zoroasters Sobriftea zw&U-
bnndert Kuhliäute (Pergamente] bedeckt battea.
ßioso Angaben klasaiscber tjchrißateller werden in hohem
Maße durch die Traditionen bestätigt, weiche bei den An-
hängern Zoroaaters in Persien im Umlaufe sind, die iLber-
einstimmend Alexander den Großen beschnldigen, ihre heiligen
Mannskripte vernichtet oder weggeschleppt zu haben. Wir
lesen im Dinkarf/ [West, p. 412), dasa die erste SAmmlnng
der bdiigen Texte Zoroaaters zur Zeit des Viatasp, des rajthi-
schen Herrschers, der die Religion Zoroaaters annahm, stattge-
funden habe. Später, heißt es, habe DärAi befohlen, dass zwei
vollstEndige Exemplare des ganzen Avesta und Zend anfbewahrt
werden sollten, das eine in der Schatzkammer von Shapigiln,
das andere in der Festung, wo die geschriebenen Dokumente
anfbewahrt wurden. Dieser IJäräi ist gleichfalls mehr oder
minder mythisch, er wird aber von den peraisohen Dichtern
allgemein als der Vorläufer Alexanders angesehen. Wir befin-
den uns anf mehr historischem Boden, wenn wir im Djnkart/
(West, p. XXXI: lesen, dass das MS., welches in der Festang
der Dokumente war, durch einen Zufall verbr.innt ward, wäh-
rend das in der Schatzkammer von Shäpigän den Griechen in
die Hände fiel nnd, als 'Belebrang Ober alte Zeiten' enthaltend,
von oder für Alexander in die griechische Sprache Ilhersetxl
wurde. Die Thalsache uan, dass der königliche Palast lu
Persopolis von .A-lesander in einem Augenblick trnukeaen
Übermuts verbrannt wurde, wird von griechischen Gescbichte-
schreibern bestätigt, obzwar sie von einer giieohiscben (Iber-
setznng der aveatischen Schriften nichts erwähnen. Bs ist
jedoch ganit gnt mfiglich, dass Hermippos eben jenes HS.
vor sich hatte, welches von Alexanders Soldaten aus der
Schatzkammer von ShapIgAn weggeschleppt worden war.
Wir hören nichts mehr ober den Avesta. bis wir zur Zeit
des Valkhas, offenbar eines Vologeses. möglicherweise Volo-
geses 1-, des Zeitgenossen Nero's, kommen. Obgleich er ein
Der wahre Wert der heiligen B&cher antersncht. 39
Parther war, heißt es doch im Dinkarc/, dass er befahl >die
sofgftltige Anfbewahnmg und das Maehen von Memoranda
fitr die königliehe Stadt yom Avesta nnd Zend, wie er rein
auf sie gekommen, nnd gleichfalls yon jeglicher davon herrüh-
renden Notix, die sieh — indem darüber geschrieben worden,
oder anch, indem sie yon einem Hohepriester mfindlich vor-
zitragen war — im Lande Iran erhalten hat, nnd zwar in
zentrentem Znstande, infolge der Plünderongen nnd Yer-
heemngen Alexanders und der Reiterei nnd des FnßTolks
der Arümans (Griechen). <
Was anch die genane Bedeutung dieser Worte sein mag,
so liegt doch so viel deutlich in ihnen ausgesprochen, dass
schon Tor dem Auftreten der Sassaniden ein Versuch ge-
Backt worden war, sei es aus zerstreuten Fragmenten von
MSä. oder aus mflndlicher Tradition von den alten heiligen
Schriften zu sammeln, was noch gesammelt werden konnte.
Es yeiiantet nicht, dass vor dieser Zeit nnd nach den dem
Alexander zugeschriebenen Verheerungen irgend ein Versuch
derselben Art gemacht worden seL Daraus scheint mir jedoch
nickt an folgen, dass die Partherherrscher, wie M. Darmesteter
aemt {& B. E, lY Einleitung), thatsächlich den Zoroastrianismus
als Staatsreligion in ihrem Reiche angenommen bitten. Dies
blieb den Sassaniden vorbehalten. Aber es zeigt immerhin, dass
sie den alten Glauben ihrer ünterthanen zu schätzen wussten.
Thaisache ist dass manche von den philhellenischen Parther-
testen denselben wirklich angenommen hatten.
Die eigentliche Wiederherstellung des Zoroastrianismus
als der Nationalreligion Persiens nnd die schliefiliche An-
ordnung des avestischen Kanons rOhrt ohne Zweifel von
den Sassaniden her. Wir lesen im Dinkarc/, dass Artakshatar
Ardeakir), der Sohn Pipaks. König der Könige (226 — 240
n. Chr.), Tösar und andere Priester in die Hauptstadt berief,
um die wahre Lehre der alten Religion festzustellen. Sein
Sdin, Skahpnhar (240—271 n. Chr. . folgte seinem Beispiel
■nd brachte anch eine Ann^hl weltlicher Schriften zusammen,
die, wie wir erfahren, im Lande, in Indien. Griechenland
40
Zweite Vorlesung.
f
und anderswo zerstreot waren, und befahl deren Anordnn
neben dem Äveata. Hierauf nurde noch einmal ein fetiM
freiea Exemplar in der Schatzltammer von SbaptgUo deponiert.
Sliahpuhar U. (Saporesl, der Sohn des Adliarmazd (30H
— 379 □, Clir.j, scheint für die avestiacbe lieligion so ziemiicli
dasselbe gethan zu haben, was Konstantin unfefäUr nm die-
selbe 'l,e\t für das Christentam that. Er berief, beißt es. > einen
Gerichtshof für den Streit der Einwohner aller Gegenden,
und brachte alle Aassagen zu gehöriger Erwägung and Unter-
snchnng'. Die ReUerei. mit der sich Shahpohar IL und
Atürp&d zu beschäftigen hatten, war wahrscheinlich die des
Uanichaismus. Die Lehren ile^ Mäni hatten sich während
Jos dritten Jahrhunderts so weit verbreitet, dass selbst ein
König. Shahpnhar L, sie angenommen haben soll. Wahrend
alao Konstantin und Athanaslas im .Tnhre 32 ä n. Chr. ku
Nic&a die orthodoxen Lehren des Cliristenlnms festsetzten,
waren Shabpuhar H. und Atürpäd, der Sohn des Müraspand.
in Persien damit beschäftigt, die Ketzerei des Mäni ansEnrotten
und den Hazüaismiis in seiner nrsprflnglichen ßeinheit wieder
herzustellen. Die Sammlaug der Nasks und die Zähloug
derselben als einundzwanzig wird dem .Viiirp.^d zugeschrieben.
Darmesteter (Einleitung, p. XXXIX) nimmt an, dass es zur
Zeit desselben noch mSgliub gewi-sen sei, Znsätze zu den
avestischeo Texten zu machen, und er verweist auf Stellen
im VendidfXd, die auf das t^ehiamn des Müui. wenn nicht gar
auf das Christentnm, wie es im Orient bekannt war. Bezug
haben können.
Zu einer noch späteren Zeit, unter KbOsrdi (Rhosroos*,
Anösharnvän genannt, dem Sohne des KavÄd (5J1 — 579 n.
Chr.), lesen wir, dass neue Ketzereien unterdrückt werden
muasten, nnd dass ein neuer Befehl gegeben ward fdr >dic
gehörige Erwägung des Avesta nnd Zend der nrsprnnglichcD
Aussagen der Magien.
Bald nachher folgte die Crobernug Peraiens durch die
Araber, and wir hören, dass damals die Archive nnd Schatz-
kammern des Reiohea noch einmal der PlOndening anbeim-
Dor wahre Wert der heiligen Bücher antersncht 4]
fielen« Doch scheinen die mohammedanischen Eroberer viel
weniger barbarisch gewesen zn sein, als Alexander nnd seine
griechischen Soldaten, denn als nach dem Verlanfe Ton drei
Jahrhunderten ein neuer -Versuch unternommen wurde, die
ayestischen Schriften zu sammeln, war Atür-fambagl Faru-
khoHK&dän im stände, eine sehr Tollstftndige Sammlung der
alten Kasks zu machen. Ja selbst am Ende des neunten
Jahrhunderts, als ein anderer Hohepriester, Ätürpäd, der
Sohn des Himid, der Verüasser oder doch der Beender des
Dinkar«/, eine endgültige Sammlung des Avesta nnd Zend
dnrehfUirte, scheinen sich MSS. sftmmtlicher Kasks mit sehr
wenigen Ansnahmen yorgefnnden zu haben, sei es in der
alten arestischen Sprache oder im Pehlevi. so dass Atür-
pid in seinem Dink^rd eine fast TolUt&ndige Darstellung der
Zoroastrischen Religion und ihrer heiligen Litteratur geben
konnte. Nach manchen Autoritäten war es Atür-fambagi
Farakho-zWän, der den Dink^rd begann, während Atürpad,
der Sohn des Himid, ihn beendigte. Danach hätten wir das
Werk zwischen 820 und 890 n. Chr. anzusetzen. Atürpäd,
oder wer immer es war, spricht von den einundzwanzig Nasks
oder Bflchom des Avesta, als ob er sie entweder in der
Ur^nche oder in der Pchlevi-übersetzung gelesen hätte.
Der einzige Nask, den er nicht bekommen konnte, war der
Vaitag Nask, und die Pehlevi-übersetzung von dem Kädar
Xaak. Wir yerdanken alle diese Aufschlösse teils Dr. Haug.
teüs Dr. West, der große Teile des MS. des Dinkzrd aufge-
ftadtm und im XXXYIL Bande der Sacred Books of the East
tbenetzt hat
Von diesen einundzwanzig Nasks, welche seit den Tagen
dee Atfirpäd, des Sohnes des Märaspand, den avestischeD
KaMm ansmachten, und welche, wie ausgerechnet worden
ist, ant 345,700 Wörtern im Zend, und aus 2,094,200 Wör-
tern im Pehleri bestanden (West, a. a. 0. p. XLV), sind nur
drei, der 14., 19. und 21., vollständig erhalten. Es heißt in
der persischen Riväyats (*S'. B. E, XXX\TU, p. 437 ,
•dlbst znr 2«eit, wo der erste Versnch gemacht wurde.
42
Zweite Vorlesung.
die heilige Litteratnr zu sammeln, soweit sie den Sold&ten
.Uexanders entronnen war, nur Teile von jedem Nask sich
vorfanden, und keiner in seiner uraprOnglichen VoIUtindig-
keit, außer der VindAd, d. h. der Vendfd&d. Wenn wir
dieser Angabe trauen könuten, so wQrde sie beweisen, dass
die Einteilung in die Naska gar achou vor der Zeit dM
AtürpAd. des Sohnes des Mitraapand [^25 n. Ohr,), existierte
und möglicherweise achftmenidigchen Ursprungs war.
Es gibt noch Fragmente von einigen anderen Kagka,
wie dem Virtflsp sästö, HWfiklitii und Baku; was aber die
Paräeu jetzt als ihren heiligen Kanon ansehen, besieht außer
ilem Vendidäd aus nicht mehr als dem Yasua, dem Vispered,
den Yashts u. s. w., welche die Hauptmasse der beiden
anderen vorhandenen Nasks, des StOd Yasht uud BakiSn Yaaht.
enthalten.
Der Vendidäd enth< reli^ase VorsohrlfteD und alt«
Legenden. Der Vigpered enthält Litaneien , hanptsAehlieh
ritr die Feier der sechs Jahreszeitfoate , der sogenannten
Gahäubnrä. Anch der Yasna entfaillt Litaneien, aber den
wichtigsten Bestandteil deasolben bilden die borUhmten Güthas
(Stamm: grithä,Nom.8tng.:gätha), metrische, in einem älteren Dia-
lekt geschriebene Bestandteile, wahrscheinlich der Älteste Kern,
um den sich die ganze fibrige Avcsta-Litteratur gruppiert«. Die
Gäthas finden sich im Yasna XXVllI— XXXIV, SLIU— XLVI,
XLVII^L, LI und Llil. Jede dieser drei Sammlungen, der
VendidAd, der Vispered und der Yasna, wenn sie einsein
kopiert sind, ist gewöhnlich von einer Pehlevi-übersetznng
und von Glossen, dem sogenannten Zcnd. begleitet. Wenn
sie aber alle zusammen in der Reihenfolge, in der sie flir
liturgische Zwecke gebraucht werden, kopiert sind, so er-
scheinen sie ohne die Pehlevi-l'bersetzung, und die ganze
Sammlung heißt dann Vendiddd Sädah, d. h. der Vendid&'l
schlechthin, d. h. ohne Kommentar.
Die abrigun Fragmeute werden unter dem Namen Kfaorda
Avcsta oder 'Kleiner Avesta' znsammengefassl. Sie bestehen
hauptsächlich aus Gebeten, wie den fänf GAh, dem Ströteh,
* Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht 43
den drei Afringftn, den ffinf Nyäyish, den Yashts [wOrtlich:
'Akte der Verehmng^), den Hymnen an die dreißig Izads,
von denen nnr zwanzig erhalten sind, und einigen anderen
Bnichatacken, z. B. dem HOdhökht Nask (S. B. E. IV,
p. XXX : XXin, p. 2).
Die Parsen teilen zuweilen die einundzwanzig Nasks in
drei Klassen: (1) die Gäthisehen, (2) die Hadha-mäthrischen,
(3) das Oesetz. Der Gäthische Bestandteil stellt die höhere
geistige Erkenntnis und geistige Pflicht dar, das Gesetz die
niedrigeren weltlichen Pflichten, und der Hadha-mathrische Teil
das, was zwischen den beiden ist (Dinkarc/ VIII, 1, 5). In
vielen F&Uen jedoch sind diese Gegenstände gemischt.
Die Gäthas sind offenbar die ältesten Fragmente der
aTestisehen Religion, als dieselbe noch in einem einfachen
älanben an Ahuramazda als den höchsten Geist, und in einer
Verlengnnng der Da^ras (von denen uns die meisten als von den
Dtehtem des Veda verehrt bekannt sind) bestanden. Wenn
Zarathnshtra der Name des Stifters oder Reformators dieser alten
Religion war, so dfirfen jene Gäthas ihm zugeschrieben werden.
Da die Sprache derselben von der der Achämenidischen In-
sehiiften dialektisch abweicht, und da die Pehlevi-Erklärer,
obgleich sie mit der gewöhnlichen avestischen Sprache ver-
tmt sind, es sehr schwer fanden, diese Gäthas zu erklären, so
ist die Vermutung gerechtfertigt, dass der Gätha-Dialekt ur-
sprflnglieh der Dialekt von Medien gewesen sei, denn Medien
war das Land, von dem die Magi^) oder die Lehrer und
Prediger der Religion Ahuramazda s gekommen sein sollen.^)
Haa hat darauf aufmerksam gemacht, dass gewisse im Veda
■ad in späteren Avestischen Texten wohlbekannte Gottheiten
den Gäthas fehlen; zum Beispiel Mithra und Homa. auch
1} Xagi, die Magavas der Gäthas, die Magush in den Keil-
iisehriften, die llog späterer 2^iten, Hang. p. 1()9 d.. mügllcher-
weise die rab mag von Jerem. XXXIX, 3.
2; Darmesteter, S. B, £., IV, p. XLVI gibt alle Zeugnisse,
welche dafür sprechen, den Ursprung der Religion Zoroasters nach
Medien zu versetzen.
44
Zwoitii Vorlesung.
Anähita und der Titel Ameabaspenta (Haug 8. a. 0., p. 259'.
Viulti abstrakte Begriffti, wie A^ha, Gurechtigkeit, VohilmanO.
gutes Deukeu, Laben in den im Gütha-Dialekt vei-fosaten Ka-
pitelD noch Dicht eioe bestimmte mythologische VerkOrpernng
aageDommen (Uaug, |>. IT 1), L'nd was noch wichtiger ist,
der Angro Muinyu oder AUrimaii der epftteren Aveati&chbii
ächriflen hat in den Gäthaa uooh uicht den Charakter des
bösen Geistes, des Teufels, des beständigen Geguera Afaur»-
mazda's, ') erhalten (Uaug a. a. 0., p. 3u3 — 4<. Ich nenne
diea wichtig, weil auch in den Keilin Schriften dieser Cbai-akter
niclit — und wir werden wohl berechtigt sein zu sagen: aoeb
nicht — vorkommt. Auch die frnhesten griechiscbeD Schrift-
steller, wie Uerodot, Theopomp und Uermippos. obgleich sie
mit der Lehre der Magier von einem Dualismus in der Katar
und selbst iu der Gottheit vortraut »ind, scheinou den Namen
Ahriman nicht gekannt zn haben. Plato kannte den Namen
Ahuramaüda, denn er nennt Zoroaster den i^obn des Oro-
masos, was l'llr 'Ahuramazda gemeint äein rnnss, aber auch
er erwfthnt nie den Nameu Angrö Mainyu oder Areimanios.
Aristoteles liat möglicherweise den Namen Areimanios eben
so gut ala den Namen Oromasdes gekannt, obgleich wir nur
die Autoritftt des Diogenes Laertius (Proocm. c. b) dafllr
babeu. äpätere. sowohl griechische uls auch römische. Schrift-
ätelier sind mit beiden Nameu wobl vertraut.
Ich erwähne dies Allea hauptsächlich um zu zeigen, daas
es in den verschiedenen Beatandteilen dessen, was wir Avo-
stische Litteratur nennen, Zeichen historischen Wacbstnma UdiI
historischen Verfalls gibt. Wenn wir mit Haug die Älteste
Gätba- Litteratur um lUüO — I2t)Ü v. Chr. ansetzen, was natQl^
liob ein rein hypothetisches Datum ist, so können wir jedentalU
sagen, duss die Gütha» im Gedankengehalt, wenn nicht anch
in der Sprache, älter sind als die Inschriften des Dartas; data
sie Medien angehörten und dort wahrscheinlich vor Aw ZeH
des Cyrus und seiner Erohcruug des Perserreicbes exiatierten.
1) Angra kommt in den Gällin
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht. 45
Wenn wir zn der Zeit Alexanders kommen, so sehen
wir, dass damals eine so große Masse heiliger Litteratnr vor-
handen war, dass wir nicht sehr fehl gehen kOnnen, wenn
wir die ganzen einundzwanzig Nasks einer yorachftmenidi-
sehen Periode, der Zeit vor 500 v. Chr., zuschreiben. Hier
können wir wieder zwischen dem alten und dem späteren
Yasna unterscheiden. Der Yendidäd, der Vispered, die Yashts
nnd die kleineren Gebete kOnnen dem Ende der avestischen
Periode zugeschrieben werden. Hang setzt den größeren
Teil des ursprflnglichen Yendtdäd in die Periode von ungefähr
1000 — 900 V. Chr., die Abfassung des späteren Yasna in
die Zeit von ungefthr 800 — 700 v. Chr.
Die Pehlevi-Litteratur dürfte etwa bald nach Alexander
begonnen haben. Die Chronologie auf Grund sprachlicher
Thatsachen ist freilich stets von sehr unsicherer Art. Doch,
dass von den Gäthas zu dem Yasna, und vom Yasna zu den
Yashts ein historischer Fortschritt sowohl in der Sprache als
auch im Gedankengehalt zu bemerken ist, kann kaum be-
zweifelt werden. Leider fehlen wirkliebe historische Daten,
abgesehen von der Erwähnung des Gaotama im Fravardin
Yasht (16). Wenn dies für Gautama, den Stifter des Buddhis-
mus, gemeint ist, so können wir kaum fehl gehen, wenn wir
annehmen, dass dieser Name Buddha's während des ersten
Jahrhunderts nach Buddha's Tode, etwa zwischen 477 und
377 V. Chr., nach Baktrien gelangt sei. In späteren Zeiten
kann an dem Vorhandensein von Buddhisten in Baktrien
nicht gezweifelt werden, i) Um dieselbe Zeit waren Münzen
1) Das Vorhandensein von Buddhisten in Baktrien im ersten
Jahrhundert v. Chr. ist durch mehrere Gewährsmänner beghiubiprt.
Alexander Polyhistor, der zwischen 80—60 v. Chr. schrieb, erwähnt
in einem Citate bei Cyrillus contra Julian.) unter den Philosophen
die Samanyioi bei den persischen Baktrern, die Magoi bei den Per-
lem ond die Gymnosopbisten bei den Indem. Mit den S.imanyioi
waren die Buddhisten gemeint. Noch später spricht Clemens von
Alexandria, Strom. I, p. 359, von Samanaioi bei den Kaktrern nnd
von Gymnosophifiten bei den Indern, während Eusebins 'Praep.
Ev. VII, 10) von Tausenden von Brahmnnen bei Indem und Bak-
46 Zweite Vorlesung.
•feprägt worden mit iDRcbriften im Pehlevi. welclioB am di4
Zeit der KrobemDgeii Alexauders die Sprache des Vollci
gewesen sein mnss. Die Aveatiache SpracLe jedoch wonh
noch lauge nachher weiter verstanden, so d&»s unter dei
Hegiening der Purther und der Sass&niden Übersetzer ge-
funden werden konnten, die ici stände waren, die alt«i
heiligen Texte zu llberaetzen und zu erklltren. Ja, wem
M. Darmesteter Recht hat , wurden selbat im viert«!
Jahrhundert n. Cbr. noch weitere HinzufDgangi
stischer Sprache gemacht, vorausgesetzt nämlich, dass die voi
ihm hervorgehobenen Stellen im Vendidäd sich wirklich aal
die Unterdnickung der Ketzerei des Mäui durch König
Sbalipbr 11. Iieziehen.
Das VerbUtnis Kwlsohon dem ATeatn und dem Alten Testament
lob hielt ea fflr nCttg. auf die Geschichte des Entst«faeiii
and des Verfalls der heiligen Litteratnr Peisiens so ansfOhp
lieh einsugehen, weil ich Ihnen zeigen wollte, wie unmi
es ist, eine befriedigende Vergleichung zwiachon der persische
und irgend einer anderen Keligion anzustellen, wenn wir ni
uicbt Ober das historische Wachstum ihres heiligen Kanoi
völlig klar sind. Obgleich schon U.nug auf diesen Oegei
stand viel Licht geworfen hat. sind wir doch erat jtlngi
durch die schätzbare Cbevsetzung des DfnkurJ, welche Wa
zu meinen Sacred Boo/ts of tlie lütiit beigetragen hat, i
den Stand gesetzt worden, uns ein unabhitngiges Urteil tlb<
diesen Punkt zu bilden. Die persische Religion ist oft ej
Oegenstand der Vergleichung sowohl mit der Religion Indiei
aIb mit der der Juden, namentlich nach deren Rückkehr at
dorn £ul, gewesen. Die Haupttehren, von denen man ai
nimmt, dass die Juden sie von den Anhängern Zoroasteii
entlehnt hätten, aind der Glaube an die Auferstehung dt
trem spricht. Siehe Lassen, JudUehc Allri-tuiuskni.
Spiegel, Erauüch» Altertunuhmdt. 1, ti71.
Der wahre Wert der heiligen BQcher untersocht. 47
Leibes, der Glaube an die ÜDsterblichkeit der 8eele und
der Glanb« an Bdohnungen und Strafen im Jenseits.
Bekanntlieh fehlten diese Lehren der ältesten Phase der
Religion bei den Juden ganz oder fast ganz, so dass deren
Vorhandensein in einigen der Psalmen und der Propheten oft
ab Argoment gebraucht wird, um das spätere Datum, das
jetzt für diese Werke angenommen wird, zu beweisen. Es
stehen hier keine ehronoli^schen Schwierigkeiten im Wege.
Diese Lehren sind, wie wir sehen werden, mindestens in ihrer
Keimstufe, in den Gäthas vorhanden, während von den ge-
ringfügigeren Einzelheiten, welche in den späteren Teilen des
Avesta oder in den noch späteren Pehlevi-Schriften zu diesen
alten Lehren hinzugefügt worden sind, selbst in den nach-
exiliseben Bflchem des Alten Testaments keine Spur zu
finden ist. Dieser Punkt ist von Cheyne in den Erpository
Times (Juni -Juli -August 1891) sehr gut auseinandergesetzt
worden. ^)
¥a gibt aber einen anderen Punkt, in Bezug auf den
wir eine' noch auffallendere Ähnlichkeit zwischen dem Alten
Testament und dem Avesta beobachten können, nämlich die
stsrice Betonung der Einzigkeit Gottes. Hier jedoch scheint
es Mir, dass es, wenn irgend ein Gedankenaustausch zwischen
den Anhängern Moses' und Zoroasters stattgefunden hat, die
Letxteren gewesen sein dflrften, welche beeinflusst wurden.
Der plötzliche Übergang vom Henotheismus des Yeda zum
Mcmoilieismus des Avesta ist nie erklärt worden, und ich er-
lanbe mir, wenn auch nicht ohne einige Bedenken, darauf
hinznweisen, dass derselbe in Medien, der ursprünglichen
HeimiU der Zoroastrischen Religion, stattgefunden haben
kdonte. Die Städte Mediens waren es. wo eine starke jüdische
Bevölkerung angesiedelt war, nachdem der König von Assy-
rien Israel weggefahrt und sie gesetzt hatte zu Halah und
Habor, am Wasser Gosan und in die Städte der Meder
1) Oh possible Zcroastrtan Inßuences on ihe Beliijion of Israel
Siehe aach Spiegel, Eranisehe Altertumskunde, Bd. I. pp. 446 fg.
4S
Zweite Vorlesung.
(II. Könige XVIII. 11). So scliver non aurb ein AnüUngcl
religiöser Ideen xwiacben Leuten, welche verschiedene Sprachi
reden, sein ma^, so honnte doch die Thataache. daas sie enb
weder Einen Gott oder viele GOtter verobrlen. schwerliol
verfehlen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lonken. Wem
also die Jnden ihren Nacbbitm die Überzeugung beibrachten
dass es nur Einen (iott geben könne, eine überzengung',
welche trotz wiederholter Abtrünnigkeit nie aufgehört
habfln scheint, einen Bestandteil des Nation alglanbena Isra^
zn bilden, so wUrde alles Andere von selbst genan so gefolg
sein, wie wir es im Avesta finden, wenn wir dfinselbeo
dem Veda vergleichen. Einer der alten Oötter, der Asaxi
Vsrnna, wurde nnter dem Nameu Abura Mazda als der I
und höchste (Iott, der Gott Ober alle Götter, aufgestellt;
anderen Dcvaa, wenn sie darauf Anspruch erhoben Göllw
ZD sein, wurden verleugnet, und nur diejenigen, welche
untergeordnete Ooister behandelt werden konnten, darftol
bleiben, ja ihre Zahl wurde noch dnrch Geister oder Eng«
wie Ameretät, Iluurvalilt, Vohumunö, nnd wie sie alle heiilC'll
verstarkl.
Ich will durchaus nicht behauptet haben, dass sich dii
streng beweisen Usst. Ebensowenig IlLsat es sich beweism
dass die Juden den Glauben an eine Auferstehung und
Unsterblichkeit notwendigerweise von den Zoroastriern esl
lehnt haben müssen. Schlieiilieh können ja doch di^enigei
welche dio Unsterblichkeit der Seele lengnen, sie snoh U
hanpten. Alles, was ich sage, ist, duss eine solche AnnshtM
da sie historisch möglich iät, uns helfen worde, viele Dtng
im Avesta und in der Entwickelung desselben ans vedisdii
oder vor-vodischen Elecaenteu za crhi&ren, die bisher bm
keine befriedigende ErklJmng gefunden bähen.
leb werde seint der Icli sein nerde.
Es gibt aber ein noch UberraicUendorcs Ztisammoi
treffen. Sic erinnern sich vielleicht, dass der orfai
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht. 49
Anadmck fflr dieses höchste Wesen, den man in Indien er-
reicht hatte, einer war, der sich in den vedischen Hymnen
findet, in den Worten: 'Er, der Aber allen Göttern der ein-
zige Gott ist'. Ich zweifle, ob die Physische Religion ein
höheres Kiveau erreichen kann. Wir müssen uns daran er-
innern, dass jeder individuelle Gott von Anfang an mit einem
Aber jeden menschlichen hoch erhabenen Charakter ausge-
stattet worden war. Indra, Soma, Agni und alle die anderen
Devas, die es im vedischen Pantheon gab, waren als die
Schöpfer der Welt, als die Beschützer des Guten und Rechten,
als allmftchtig, allweise und siegreich über alle ihre Feinde
besehrieben worden. Was konnte also menschliche Sprache
und religiöse Andacht Größeres leisten, als von Einem höchsten
Wesen zu sprechen, hoch erhaben über alle diese Götter,
und allein des Namens Gottes wert.
Wir sahen, dass auch in Griechenland eine ähnliche
erhabene Auffassung des wahren Gottes schon sehr früh
Ausdruck gefunden hat in einem Verse des Xenophanes,
der trotz Zeus, Apollo und Athene zu sagen wagte: ^Es
gibt nur Einen Gott, der der Größte ist unter Göttern
und Menschen und weder an Gestalt noch an Detiken den
Sterblichen gleicht. ^ Dies scheint mir wiederum die er-
habenste Höhe zu bezeichnen, welche die menschliche Sprache
erreichen kann in ihrem Bestreben, von dem Einen wahren
Gott eine angemessene Beschreibung zu geben. Denn obzwar
das Dasein anderer Unsterblichen zugegeben wird, so wird
doch angenommen, dass er seine besondere hervorragende
Stellung unter oder über ihnen einnehme, und selbst eine
Ähnlichkeit mit irgend etwas Menschlichem, sei es an Gestalt
oder an Denken, wird ausdrücklich geleugnet, wodurch denn
alle jene anthropomorphischen Auffassungen, von denen selbst
in den besten Religionen die Gottheit sich, wie es scheint,
nie ganz losmachen kann, ausgeschlossen sind. Der hebräische
Paalmiat gebraucht dieselbe erhabene Sprache in Bezug auf
Jehovah. »Es ist dir keiner gleich unter den Göttern, <
sagt er, als ob er die Möglichkeit anderer Götter zugäbe.
Xaz MftlUr, Theotophie. 4
50
Zweite Vorlesnng.
Und wiederum nennt er Jehovah >einojt großen König über
alFe GöttcT', indem er fast dieaelbeu Worte gebmncM, wie
iler vediache RUti and der ulte griecliische Pliilosoph, Die
Auffassung des höcbslon Wesens, wie wir sie im Aresta fin-
den, gibt der von Johovab im Allen Testament doruliaDS
nicbts nach. Hang [Essays, p. :iU2) geht se weit, zn be-
haupten, sie sei volIliommeD identisch mit ihr. Ahnra Mazda ist
nach Zarathashtra >der Schupfet dea irdischen und geistigen
Lebens, der Herr des ganzen Weltalls, in dessen HAnden
alle Geschöpfe sind. Er ist das Licht und die Quelle des
Lichts; er ist die Welshoit und die Einsiebt. Er ist im Be-
sitze aller guten Dinge, der geistigen und der weltlicheii,
wie des guten Oeistes (vohn-manij), der Unsterblichkeit
(ameretä'V), der tiesnudhult ;hanrvattl(/), der besten Wahrheit
Hsha viihishta], der Andacht und Frömmigkeit [Jlrmaiti) und
des übertlnsaes an irdischen Gütern (khshatbra vairyaj, d. h.
er gewährt alle diese Gaben dem Gerechten, der da aufriobtig
ist in Gedanken, Worten und Thaten. Als Beherrscher des
ganzen Weltalls belohnt er nicht nur die Guten, sondern er
ist zn gleicher Zeit ein Bestrufer der DCisen. Alles Geschaffene,
Gutes oder Böses, Glftck oder CnglOck, ist sein Werk. Ein
besonderer böser Geist von gleicher Macht wie Abura Mazda,
aber diesem immer feindlieh gegen üb erstehend, ist den Ältesten
Bestandteilen des Avesta fremd, wenn man auch aus einigen
der späteren Schriften, wie dem Vendidäd, das Vorhandensein
eines solchen Glaubens bei den Zoroastricm erschließen kann.-
Übereinstimmungen dieser Art sind gewiss überraschend,
für den vergleichenden Iteligiimsforachcr beweisen sie aber
nur die Uni versa lit&t der Wahrheit; sie zwingen durchaus
nicht zur Annahme eines gemeinsamen historischen Ursprungs
oder eines Borgens auf der einen oder der anderen Seite.
Wir sollten uns in der That freuen, dass in Bezug auf diese
Grundwahrheiten die sogenannten heidnischen Keligioneo
der Jadischen und der christlichen Beligion völlig gleich-
stehen.
Aber gesetzt, wir fJudeu denselben Namen, denselben
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht. 51
Eigennamen der Gottheit, etwa Jehovah im Avesta, oder
Ahnra Mazda im Alten Testament, was wttrden wir dann
sagen? Wir wflrden sofort eine Entlehnung auf der einen
oder der anderen Seite zngeben müssen. Nun finden wir
allerdings nicht den Namen Ahura Mazda im Alten Testament,
aber wir finden etwas nicht minder Überraschendes. Sie er-
innern sich wohl, wie wir uns freuten, als wir mitten unter
vielen unvollkommenen und mehr oder minder anthropomor-
phischen Namen, welche der Gottheit im Alten Testament
gegeben werden, plötzlich auf jenen überaus erhabenen Namen
Jehovahs stießen: Ich werde sein, der ich sein werde.
Dies schien so verschieden von den gewöhnlichen Begriffen
der Gottheit bei den alten Juden. Was würden wir nun
sagen, wenn wir genau dieselbe höchst abstrakte Benennung
der Gottheit im Avesta träfen ? Und doch gibt es auch im
Avesta unter den zwanzig heiligen Namen Gottes den Namen
*Ahmi ya/ ahmi', Ich bin, der ich bin\ Sollen wir auch
in diesem Zusammentreffen die alte Lehre lesen, dass Gott
sich Allen offenbart hat, die ihn suchen, ob sie doch ihn
fUilen und finden möchten, oder ist das Zusammentreffen ein
so genaues, dass wir eine thatsächliche Entlehnung zuzugeben
haben? Und wenn so, auf welcher Seite dürfte die Ent-
lehnung stattgefonden haben? Im Avesta begegnet uns
dieser Name in den Yashts. Im Alten Testament kommt er
Exodus III, 13 vor. Chronologisch geht also der hebräische
Text dem avestischen voraus. Im Exodus lesen wir:
»Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Kindern
Israel komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter
bat mich zu euch gesandt; und sie mir sagen werden: Wie
heißet sein Name ? Was soll ich ihnen sagen ? Gott sprach
m Mose: Ich teer de sein, der ich sein werde. Und sprach:
Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: Ich werds sein,
der hat mich zu euch gesandt.«
Wie ich von den besten Autoritäten erfahre, wird diese
Stelle jetzt einstimmig der Elohistischen Partie des A. T.
zugerechnet. Dillmann, Driver, Kuenen, Wellhausen, Cornill.
4*
52 Zneitfl VorlcBDng.
Kittet D. s. Btimmen Alle in diesem Ptuilcl flberein. Aber
sielit es nicht wie ein fremder Gedanke aus? Waa wir alt
Antwort auf die Frage doa Moses erwarlen, ist in Wirklich-
keit das, was Vers 15 folgt: -Und fielt sprach ;weiter) xa
Mose: Also sollst du zu den Kindern Israel SHgen: Der
Herr, ouror Väter Gotr. ist mir erschienen, der Gott Abrahams,
der Gott Isnnks, der Gott Jakobs, hat mich zn euch gesandt:
das ist mein Name ewiglich. . . .' Das ist es, was wir er-
warten. denn es war thatsachltoh im Namen Johovahe, dea
Gottes Abrahams, Isaaks nnd Jakobs, dass Moses das Volfc
aus Äfcypten fflhrte; anch ist keine Spnr davon da, dass
Moses einem göttlichen Befehle gehorcht nnd sich auf 'Ich
werde sein, der ich sein werde' bemfen habe als den Gott,
der ihn gesandt. Ja, es findet sich nie wieder irgend eine
Anspielung anf einen solchen Namen im Alten Testament,
nicht einmal wo wir mit vollem Recht erwarten würden,
demselben zu begegnen.
Wenn wir Vers 14 als eine spätere UinznfOgnng ant-
fassen — und der Rev. J. Estlin Carpenter teilt mir mit,
daas dies in der Elobiätischcn Erzählung ganz gnt mOglieh
ist — , so wird Alles klar und natürlich, nnd wir kfinneS'
daher kaum daran zweifeln, dass diese Hinznfagnng von:
einer auswärtigen, und buchst wahrscheinlich einer Zore-
astrischen Qnelle stammt. Im Zond mochte der Zusammenhan|f
zwischen A/iura, dem lebendigen Gotte, nnd dem Verbnoi'
a/i. 'sein', gefählt worden sein. Anch im Sanskrit könnt«
der Zusammenhang zwischen asura und as, 'sein', kaum der
Iteacbtnng entgangen sein, namentlich da es anch das Wort
iis-u, 'Atem', gab. Nun ist es gewiss sehr sonderbar, daat
anch im Hebräischen e/iyr-h auf dieselbe Wurzel wie Jthoeatk
hiniuweisen scheint, aber selbst wenn diese Ktymologla
historisch baltbar wäre, so scheint sie doch den Juden nickt
aufgefallen zu sein, außer in dieser Stelle.
Doch sehen wir nns nnn unsere Anloritäten im ZeoA
genauer an. Dto fragliche Btelle kommt im Ormasd Tasht
vor. und die Taahts waren, wie wir sahen, einige der spftteateB
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht 53
Erzeagnisse der ayestischen Litteratnr, in manchen Fällen so
spdU als das vierte Jalirhandert y. Chr. Der Verfasser der
Elohistischen Partie also, der nach der gewöhnlichen An-
nahme nicht später als 750 y. Chr. anzusetzen ist, konnte
nicht von diesem Tasht entlehnt haben. Wohl aber könnte
der Interpolator die Stelle entlehnt haben. Aoßerdem dürfen
wir nicht vergessen, dass dieser Onnazd Yasht einfach eine
An&Lhlnng der Kamen Ahura's ist. Die zwanzig Namen
Ahnras sind gegeben, am ihre Wirksamkeit znm Schutze
gegen alle Gefahren darznthun. Es kann daher keinem
Zweifel unterliegen, dass diese Kamen als heilige Kamen an-
erkannt wurden, und dass sie lange vor der Zeit ihrer Zu-
sammenstellung existiert hatten. Ich lasse hier die Übersetzung
der einleitenden Paragraphen nach den S. B. E.. Bd. XXIII,
p. 23 folgen:
Zarathushtra fragte Ahura Mazda: >0 Ahura Mazda,
höchst wohlthätiger Geist, Schöpfer der körperlichen Welt,
du Heiüger, welches heilige Wort ist am stärksten ? Welches
ist am siegreichsten? Welches ist am glorreichsten? Wel-
ches ist am wirksamsten? Welches trifft die Feinde am
tödlichsten? Welches heilt am besten? Welches zerstört
am besten die Bosheit der Da^Tas und Menschen ? Welches
lässt die körperliche Welt am besten zur Erfüllung ihrer
Wftnsche gelangen? Welches befreit die körperliche W^elt
am besten von den Sorgen des Herzens?« Ahura Mazda
aatwortete: »unser Käme, o Spitama Zarathushtra, welches
die Ameahaspentas sind, das ist der stärkste Teil des heiligen
Wortes, das ist am siegreichsten, das ist am glorreichsten« u. s. vr.
Dann sagte Zarathushtra: > Offenbare mir jenen von
deinen Namen, o Ahura Mazda, welcher am größten ist. am
besten, am schönsten, am wirksamsten u. s. w.c
Ahura Mazda antwortete ihm: >Mein Käme ist Der. an
den Fragen gestellt werden', o heiliger Zarathushtra!
Nnn finden wir sonderbarer Weise, dass Haug dieselbe
dtelle fr^, aber nicht genau, folgendermaßen fibersetzt:
»Der erste Name ist Ahmi, 'ich bin'.-
5-1
Zweite Vorlesung,
Der Text lautet: Frakhsbtya näma ahmi, and dies
bedeutet: »'Ein zu Fragender' mit NaniBn bin ich.« FrageD'
ist der «nerkaunle Ansdrnck fUr das Fragen um offenbarte
Wahrheit, so daaa spento Trasna. die heilige Frage mit
Einscbluas der Antwort, bei den Pai'sen schließlich fast das-
selbe bedeutete wie 'OlTenbaraug'. Haag scheint dieses Wort
nbersehen za haben, und aeiae Überselzung ist daher (älach-
licher Weise angeführt worden, nra darzuthuQ, dass 'Ich bin
ein Name Ähnra Mnzda's sei.
Wenn wir aber zu dem zwanzigsten Namen kommen, so
linden wir, dass Haugs f'bersotzung genauer i^t als die
Darmesteters. Der Text lautet: visastomO ahmi yaf
ahmi Mnüilau nüma. Dies bedeutet: »Der zwanzigste,
ich hin, was icU bin, Mazda mit Namen. < IJier tibersutzt
Darmesteter: >Meiu zwanzigster Nume ist Mazda (der AU-
wisseudej,< Hang genauer: 'Der zwanzigste (Name ist) 'Ich
bin, der ich bin, Mazda'.« ')
Hier also, in diesem zwanzigsteu Namen Ahura Mazda's,
'leb bin, der ich bin', haben wir wahrscheinlich die Quelle
des Verses im Exodus UI, 14 zu suchen, wir müsslen denn
geneigt sein, ein ganz außerordentliches Zusammentreffen U-
zunebmeu. und zwar unter Umstanden, wo eine gegenseitige
Beeinflussung, Ja Ihats&cblichc Entlehnuug, nichts weniger
als schwer war. und wo der Charakter der Stelle im Exodas
dentliohe Anzeichen zu enthalten scheint, :iuf welcher $üt«
die Entlehnung stattgefunden haben mnss.
So hoffe ich denn klar gemacht zu haben, worin der
wahre Wert der heiligen Bücher des Ostens für die ver-
1) Eine andere CbersetsiuiiK der Worte visäBtemö nbmi yat
uliai Haxdsu nüma ist von West vorgeschlagen wurden. Abmi
im Zeud, scbrdbt er. ist nicht nur dasselbe, ^^ie Sk. usmt, 'ich
bin', sooderu es wird auch als Lokativ des Person.iIproDomens der
ersten Person, dem 8k. mayi ent«precheail , gebrancht. Es Ist
deoisaob möglich tu übersetzen: >ber zwunzlgste Name fUr niieh
isi, dass ich Mazda bin;' die meisten Oolebricn werden Judoob
vüTziebeD, die beiden ahmi's tllr dasselbe zu halten iind zu Über-
seUen: >Der zwanzigste ist leb bin, was ich biu. Mazda' mit
Namen.*
Der wahre Wert der heiligen Bücher untersucht. 55
gleichende Religionswissenschaft besteht. Wir müssen unum-
wunden ^gestehen, dass yiele litterarische Dokumente, in
denen wir Spuren des frühesten Wachstums einer Religion
zu finden hätten hoffen können, uns auf immer verloren sind.
Ich habe Ihnen zu zeigen gesucht, wie namentlich bei der
Zoroastrischen Religion unser Verlust sehr groß gewesen ist,
und die vor kurzem erfolgte Veröffentlichung des Dlnkar^/
durch E. W. West [S, B, E,, Bd. XXXVU) hat es uns erst
recht znm vollen Bewusstsein gebracht, wie viel höchst wert-
volle Belehrung uns auf immer verloren ist. Wir lesen zum
Beispiel (Buch IX, Kap. 31, 13), dass es im Varstmänsar
Nask ein Kapitel gegeben habe über »das Entstehen der
geistigen Schöpfung, als den ersten Gedanken des Aüharmazef ;
und betreffs der Geschöpfe Aüharma;?^s, erst die geistige Er-
rungenschaft, und dann die materielle Gestaltung und das
Mischen von Geist und Materie [das Emporkommen der
Geschöpfe vermittelst dessen, dadurch dass seine Weisheit
und die Gerechtigkeit Vohümans in den Geschöpfen wohnt],
und dass alle guten Geschöpfe vermittelst dessen zur Reinheit
und Freudigkeit angestachelt werden. Auch dies, dass ein
völliges Verständnis der Dinge dadurch entsteht, dass Vohüman
in eines Menschen Vernunft (väröm) sein Heim aufge-
schlagen hat.«
Die eingehende Behandlung dieser Fragen im Avesta
sehen zu können, würde für alle Forscher auf dem Gebiete
der Religionsgeschichte von dem größten Werte gewesen sein,
ob sie nun einen unmittelbaren Einflnss des persischen
Denkens auf jüdisches und christliches Denken zugeben, oder
ob sie die Zoroastrische Idee von einer geistigen Schöpfung,
auf welche eine materielle folgte, einfach als eine lehrreiche
Parallele zu dem Philonischen Begriff des Logos und seiner
Verwirklichung in der materiellen Welt als aaQ^, und Vohüman
bloß als eine Parallele zu dem heiligen Geist ansehen. Es ist
tber jetzt keine Hoffnung mehr vorhanden, dass wir je wieder-
fioden werden, was schon so lange Zeit verloren gewesen ist.
Wir müssen also zugeben, dass trotz aller heiligen Bücher des
hl>
Zweite Vorlcsang.
Ostens iiiiaere Kenntnis alter ßeli^onen stets sehr nnvoU-
kommen bleiben wird, und dass wir oft gezwungen sind, nns
auf Schriften zn vorlassen , deren Datum aU Schriften, im
Vergleich zu der Zeit, die sie zn achilderii vorgeben, sehr
spät iat. Es folgt daraus Dicht, dass nicht t'borreste aller
Zeit in modernen BQcbern verborgen sein können, aber so
viel folgt daraus, dass diese modernen Bdcher mit großer
Vorsicht gebraucht werden müssen, auch dass deren Cber-
setzung nicht wörtlich genug sein kann. Es herrscht eine
gefährliche Tendenz unter den Orientalisten, nitmlich eine
fast nnbewusste Neigung, gewisse Stellen im Veda, im 2end
Avesta oder im buddhistischen Kanon in biblische, vom Alton
oder Neuen Testament hergenommene Sprache zn Ubersetzen-
In msnchen Beziehnngen mag ja dies nützlich sein, da es
uns die Bedentung solcher Stellen nithor bringt. Aber ea
liegt auch eine Gefahr darin, denn solche Übersetzungen
geben leicht zu der Meinung Anlass, dass die Ähnlichkeil
großer sei, als sie es in Wirklichkeit ist, ao groß in der
That, dass sie nur durch wirkliebe Entlehnnng erklärt werden
könnte. Wir thun recht daran , zu versuchen , orientali-
sches Denken und Sprechen unserem eigenen Denken und
Sprechen so nahe als möglich zu bringen, aber wir mflssen
tins auch davor in Acht nehmen, dass wir nicht die feinen
ZQge, welche jedem von beiden eigen sind, verwischen,
sollte auch die Cborsetzung in unsere eigene Sprache darum
zuweilen fremdartig und nnidiomatisch klingen.
Dritte Vorlesung.
Die historische Verwandtschaft alter Beligionen nnd
Philosophien.
Wie auui alte Bellirionen und «Ite Philosophien Tergleiehen soll.
Wir sahen bei dem Avesta, wie unumgäDglich nötig es ist.
da» wir nns von dem Verhältnis, in welchem die Religionen
und Philosophien der alten Welt zn einander stehen, einen
klaren Begriff machen, ehe wir es unternehmen, sie zu ver-
^eiehen.
In früheren Zeiten, als man von den entfernteren Ver-
wandtsehaftsgraden, durch welche die historischen Nationen
der Weit yerbnnden sind, wenig wusste, war die Yersnchnng
grofi, so oft irgend eine Ähnlichkeit zwischen den Glaubens-
ndnnngen yerschiedener Nationen hervorgehoben wurde.
aizunehmen, die eine habe von der anderen entlehnt. Die
Grieehen redeten sich, wie wir sahen, thatsächlich ein, dass
se die Namen einiger ihrer Götter von Ägypten entlehnt
bitten, weil sie eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihren
ei^en Gottheiten und denen jenes alten Landes entdeckten.
Wir wissen aber jetzt, dass eine derartige Meinung ganz und
gar onbegrflndet war. Christliche Theologen, von den Tagen
te Clemens von Aiexandria bis auf unsere eigene Zeit, waren
tbenengt, dass jede aufHÜlige Übereinstimmung zwischen der
Bibel und den heiligen Btlchem anderer Religionen nur Einen
Onad haben könne, nämlich Entlehnung seitens der Heiden:
andererseits fehlte es nicht an griechischen Philosophen.
Dritte Vorlesung.
welche christliche Lehrer beschuldigten, ihre besten Lehren
von PUto nnd Aristoteles hergenommen zu haben.
(•eineiDSameg Menschentnui.
Wir mttasen dalier zu allererst versuchen,
diesen Punkt klar zn werden. Wir kOnnen, glaube ich. vier
verschiedene Arten von Verwandtschaft unterscheiden,
entfernteste Verwundtachnft ist die, welche einfach auf unserem
gemeinäamen Menschentum beruht. Homüies snnius,
humani <i nolii« aUenum putnmus. Vieles von dem, was in
den Gegenden des Nordpols möglich ist, ist es auch in den
Gegenden des Sfldpols: und es kann nichts Interessanteres
geben, als wenn es uns gelingt. Cbereinstimmungen £u ent-
decken zwischen Glanbenameinungen , abergläubischen Vor-
stellungen und Gebräncheu bei Völkern , die voneinander
ganz getrennt sind und nichts miteinander gemein haben,
als ihr gemeinsnraea Menachentnm. Solche Glauben am oinungen,
aberglflnbiache Voralellnngen und Gebräuche haben eine be-
sondere Wichtigkeit in den Augen ilea Psychologen, weil si«,
wenn wir nicht daa Kapitel des Zufalls gar zu weit aus-
dehnen wollen, kaum des Anaprncbea beraubt werden kOnne»,
als in der menschlichen Natur begründet zn gelten nnd in
diesem Falle, wenn nicht wabr, so doch immerbin, menseli-
licb geaprochen, berechtigt zu sein. Es ist wahr, man hat
es sehr schwer gefunden, irgend einen Glauben oder irgend
eine Sitte ala ganz allgemein zn beweisen. Die Spraobo
allerdings und in Einem Sinne auch gewisse grammaüsohe
Prozesse, der Begrifl' der Zahl und die Annahme gewisser
Zahlw(irter können ala allgemein bezeichnet werden; der
Glaube an Götter oder Hbernatürliche Mächte ist fast altge-
mein, so auch ein Schamgefühl in geschlechtlichen Dingeo,
und eine mehr oder minder genaue Beobachtung der Ver-
änderungen des Mondca und der Jahreszeiten.
Einen Punkt aber sollten wir als Anthropologen nie
au&er Acht lassen. Wir gewinnen nichts oder aehr wenig
Die bistor. Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 59
djtdnrch, dass wir einfach ähnliche Formen des Aberglaubens
oder ähnliche Oebränche bei verschiedenen und weit entfernten
Völkern sammeln. Dabei kommt nicht viel mehr heraus, als
wenn wir als vergleichende Sprachforscher entdecken, dass
*yeriiebf im Französischen amoureux und im Mandschn in
Nord-Cliina amourou heißt. Das ist seltsam, aber nichts mehr.
Oder, wenn wir Gebräuche vergleichen, so ist bekanntlich eine
sehr sonderbare Sitte, die sogenannte Couvade^ bei verschie-
denen Völkern sowohl in alten wie in modernen Zeiten ent-
deckt worden. Sie besteht, wie Sie wissen, darin, dass der
Vater zu Bett gebracht wird, wenn die Mutter einem Kinde
das Leben geschenkt hat. Aber außer der allgemeinen Ähn-
lichkeit der Sitte, die ja gewiss sehr außergewöhnlich ist,
hätten die örtlichen Verschiedenheiten derselben viel sorg-
filtiger studiert werden sollen, als es bisher geschehen ist.
In manchen Fällen scheint der Gatte höchst rflcksichtsvoll
gepfl^ und bedient zu werden, in anderen Fällen wird er
einfach zur Ruhe ermahnt und davon abgehalten, im Hanse
Lärm zu machen. In anderen Ländern hinwiederum tritt ein
ganz nenes Element dazu. Der arme Vater erfährt eine
höchst feindselige Behandlung — er wird von den weiblichen
Mitgliedem seines Haushalts thatsächlich gepeitscht und als
ein großer Verbrecher behandelt Solange wir nicht das
wirkliche Motiv jener sonderbaren Abarten derselben Sitte
entdecken können, ist die bloße Thatsache, dass man sie in
vielen Gregenden angetroffen hat, nicht mehr als seltsam.
Sie hat nicht mehr wissenschaftlichen Wert, als die Über-
dsstimmnng zwischen dem französischen amoureux und dem
üandschn amourou, Oder, um ein anderes Beispiel zu
nehmen, die bloße Thatsache, dass das Sanskrit Haritas
Baehstabe ftlr Buchstabe dasselbe Wort ist, wie das griechi-
aehe ChariteSj lehrt uns nichts. Erst wenn wir im stände
liad zn zeigen, warum die Haritas in Indien und die Charites
ii Griechenland denselben Namen erhielten, gewinnen diese
Ußerlichen Ähnlichkeiten einen wahrhaft wissenschaftlichen
Werl Zu behaupten, dass etwas Ähnliches wie die Couvade
ÖO
i Vorlesung.
Iiis gKoz vor kurzem in Spanien nnd auch in China eiistiert«,
erklärt nichts, oder erklart ignotum per ignotius. Erat wenn
wir das gemeinsame Motiv eines in unserem gemeinsamen
Menschentum bogrOndeten Brauches oder Aherglanbens ent-
decken künnen, dürfen wir für diese Studien den Titel Anthropo-
logie beanspruchen, dürfen wir von einer wirklichen Wissen-
schaft vom Menschen sprechen. ',1
ßemelDsame Sprache.
Die zweite Art von Verwandtschaft ist die einer ge-
meinsamen Sprache. Die meisten Leute «flrden denken, dsss
Gemeinsamkeit des Blutes ein stärkeres Band sei. als Ge-
meinsamkeit der Sprache. Allein Niemand bat je definiert,
was man nnter 'Blut' vereteht; gewöhnlich wird es aU bloße
Metapher gebraucht; nnd es bleibt in den meisten Fällen die
{Schwierigkeit, oder ich euUte vielmehr sagen : die Uamag-
licbkoit. entweder die Reinheit oder die Mischung des Blates
in den ältesten Perioden des Daseins des Menschen auf Erden
zu beweisen. Schließlich, wenn wir mit Gl&nbensmeinunge«
und Sitten zu thun haben, ist es ja doch dor Versland, der
den Aosschlag gibt, und nicht das Blut. Nun ist aber die
äußere oder materielle Form des Verstandes die Sprache,
und wenn wir mit Völkern zu thun haben, welche zu der-
selben Sprachen familie. sei es der semitischen, der arisobeo,
oder der polyuestachen, gehören, so sollten wir stets anf Ähn-
lichkeiten in ihren Sitten , in ihren Religionen , ja anoh in
ihren philoso[ihischen Ausdrücken gefasst sein.
Drittens gibt es, was ich eine wirkliche historische Ver-
wandtschaft nennen möchte, wie wenn Völker, ob sie nun
verwandte oder nicht- verwandle Sprachen reden, eine Zeit lang
li Über dieCouvadeBiehe.^.W™..r/lfi9a, Nr 10.^0, IU72, lÖ'S.
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 61
zusammen gelebt haben, ehe sie politisch voneinander getrennt
wurden. Die Einwohner von Island znm Beispiel sprechen
nicht nnr einen mit den skandinavischen Sprachen enge zn-
sammenbAngenden Dialekt, sondern sie verlebten thatsftchlich
die frtthesten Perioden ihrer Geschichte unter derselben poli-
tisehen Herrschaft wie die Völker Norwegens. Gemeinsame
Sitten also, die wir in Island und Norwegen finden, lassen
eine historische Erklärung zu. Dasselbe gilt fflr amerikanische
Sitten der Gegenwart, wenn wir sie mit älteren englischen
oder irischen Sitten vergleichen.
Gemeinsame Nachbarschaft*
Verschieden von diesen drei Arten der Verwandtschaft
ist die der bloßen Nachbarschaft, welche zur Entlehnung ge-
wisser fertig vorliegender Dinge auf der einen oder der
anderen Seite führen mag, — eine ganz andere Art der Ver-
wandtschaft, als die Gemeinsamkeit eines von denselben Ahnen
ererbten Gutes. Wir wissen, wie viel die Finnen zum Beispiel
von ihren skandinavischen Nachbarn in Bezug auf Sitten, Legen-
den, Religion und Sprache entlehnt haben. Es kommt nicht
s^ten vor, dass zwei, wenn nicht drei von diesen Arten der
Verwandtschaft zu gleicher Zeit vorhanden sind. So, wenn
wir die semitischen und arischen Religionen in Betracht ziehen,
kann irgend eine Übereinstimmung zwischen denselben von
dem gemeinsamen Menschentum dieser Völker allein herrühren.
außer in Fällen, wo wir in späterer Zeit eine historische Be-
rflhrung zwischen einem arischen und einem semitischen Volke
nachweisen können. Niemand kann daran zweifeln, dass die
Phönizier die Lehrmeister, oder mindestens die Schreibe-
meister der Griechen gewesen; auch dass in mehreren Teilen
der Welt Griechen und Phönizier durch Handelsverkehr in
nahe Beziehungen gebracht worden seien. Wir können daher
direh bloße Entlehnung das Vorhandensein von semitischen
tarnen wie Melikertes in der griechischen Mythologie er-
l^liren; desgleichen das Aufpfropfen semitischer Ideen auf
62 Dritte Vorleaung.
griechisclie Gottbeiten. wie bei Aphrodite oder U^raklea. Kein
grieoliiacher Gelebrter jedoch würde aunebmcn, dass die
Oriccben ibreo nTsprflnglicfaeD liegriff niiit Namon run Aphro-
dite oder Herakles IhaUftclitich aus semitisuhen Quellen ent-
lehut hStlen, wenn auch die AufpfrojifuDg semitisoher Ideen
auf eiuen griechiBclien Stamm in gcwiKBeri Fallen zn einer
vollBtäniligen Cberleifung semitischen Denkens in griechische
Pormen gefllbrl haben mag. Im allgemeioen genügen die
Form eines Nnmcns nnd die LautgeseiKe, welche den allge-
meinen Charakter semitischer nnd arischer Wörter bestimmen,
lim uns in den Stand zn äetzen, zn enlscheiden, wer bei
diesen Austauschen der Enllebner und wer aar Borger ge-
nesen; doch gibt es manche Fälle, wo wir vorlSnfig im
Unklaren sind.
Obgleich man noch keine hofriBdigende arische Etymo-
logie von 'Aphrodite' gefunden hat, worde doch Niemand
einen semitischen LTrsprung ftlr ein solches Wurt behaupten
wollen, so wenig als man eine griechisohe Etvmologie für
'M'-Ukertes' verlangen würde, Ks ist bedauerlich, wenn man
sieht, wie die alte Idee, griechische mythologische Namen
geradeswegs vom Hebräischen, nicht einmal vom PhOnSii-
scben, abzuleiten, von einer so geachteten ZeilschriA wie den
Jahrbücher» für A-lansur/ie Philoloi/ie wieder anfgetVisofal
und begünstigt wird. In dem Bande fitr 18u:i, pp. 177 Tg.,
ist ein Artikel verO (Ten t lieht, in welchem Dr. Heinrich Lewy
Elyifion von 'BltshA', einem der vier Söhne des Javan (Ge-
nesis X, 4) ableitet, der ein Repräsentant Siziliens nnd
Unteritalions sein soll. ■) Gesetzt dem wäre so, sollen wir
Ij Die Sirenen aollen nach Ür. Lewy ihren Knmen von Shtr-
cfaän, 'Gesang der Gunst', erhalten haben: £>V«iUjrio von ebtiltb,
'Geburtswehen'; UpU in Artmii* Upix von chöphlth, 'GOttlo
von chAph, dem Gestade'; ChSh vom hebräischen 'Aö/An, 'Sehtr';
Selliropho» von 'El räphön, 'El der HclIuDg'; Sarprdon rtm
ZarpIidOn. 'FbIb der Rettung': Europe von 'Aröbliä, 'dia Vor-
(InakcUe'; Mino» von M6ne, 'Der ItestiuiuieiKti*, Aiordiionde'; Blw-
damanthyt von RfidiVemeth, 'der in Wuhihufllgkoit hi'rrsclieude';
Ailraiteia von Ditresbeth, 'der Gi-tiugihuuog fordernde, Racb«
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 03
glauben, dass nicht nnr die Griechen, sondern auch andere an-
sehe und nichtarische Völker ihren Glauben an den Westen als
die Wohnstätte der Seligen, an Hesperien und die MavMQtov
yf^aoL von den Juden ableiteten? Ich will nicht behaupten,
dass wir eine befriedigende Etymologie von Elysion im Grie-
chischen haben ; Alles, was ich behaupte, ist, dass Nichts da
ist, was auf ausländischen Ursprung hindeuten würde. JSlt/-
stan scheint mit dem griechischen ijkvO^ in illvO^ov, 7tQoo-
r^kvTog, und mit dem Sk. ruh, ^sich erheben*, ^sich bewegen'
zusammenzuhängen. Im Sk. haben wir sowohl ä-ruh, *auf-
steigen\ als auch ava-ruh, ^herabsteigen. Wir finden that-
sächlich Rv. I, 52, 9 röha/^am divä^, ^Aufstieg' oder
'Gipfel des Himmels', und Rv. I, 105, 11 mädhye äröd-
hane diväA, wo wir, wenn wir rudh für ruh nehmen
könnten, eine starke Analogie zu einem Elysion als einer
himmlischen Wohnstätte haben würden; während avaröd-
hanam diväA, Rv. IX, 113, 8 ein anderer Ausdruck für
die Wohnstätte der Seligen ist. Das griechische ijlvoior
würde für rjkvv^-Twy stehen. ')
Wir sahen in unserer letzten Vorlesung, dass alle Über-
einstimmungen, die es zwischen der alten Philosophie der
Griechen und der der Brahmanen etwa geben mag, durch
das gemeinsame Menschentum allein erklärt werden sollten.
In manchen Fällen können wir uns vielleicht auf die ursprüng-
liche Gemeinsamkeit der Sprache zwischen Brahmanen und
Griechen berufen, denn die Sprache bildet eine Art schiefer
Ebene, welche die allgemeine Richtung oder Neigung jedes
inf ihr errichteten intellektuellen Gebäudes bestimmt. Von
lehmende'; EndymionYon 'En dimjon, 'Nicht- Vernichtung' ; Kro-
«w von Gärön, 'Schlund'; Orion von Öräri'ön, 'der Schwinger
der Kraft', oder, Wie man uns jetzt sagt, von dem Accadischen
Ur-ana, 'Himmelslicht' (Athenaeum, Juni 25, 1892, p. 816); Niohe
▼on Nt-'ijjöbha, 'die Klage der (von den Göttern) Angefeindeten';
ApoUon, Etmskisch Aplun, von Ablu, 'Sohn'. Was würde man
zn solchen Ableitungen sagen, wenn sie vom Sanskrit und nicht
vom Hebräischen wären?
1} Siebe Fick in K. Z., XIX, Anm.
ß4 Dritte Vorlesung.
Mitteilong jedoch oder GedankenauMaUBch in hiatorischen
Zeiten sclieiDt bier, so viel wir zu sehen vermSgen, gar kdne
Ktde sein zn können.
Verbältula ztrischen den Retlgloneu Indiens nnd Perslens.
Wenn wir liingegen die alten religiösen und philosophi-
schen Ideen Indiens mit denen Fersiens vo^leicben, so mflssen
wir nicht nnr das zugeben, was man eine tiefer gelegene
Gemeinsamkeit der Sprache nennen könnte, sondern auch eine
historiäehe Gemeinaamkeit zwischen den Ahnen der Inder und
Perser, welche noch lange fortdanerte, nachdem die anderen
arischen Völker sich endgUltig voneinander getrennt hatten.
Die blofte Th.ilsache, dass gewisse KunstansdrOoke, wie xnm
Beispiel zaotar, der Titel des obersten Priesters, das vedisohe
hotar, oder ütharvan, Feaerpriester, das Sanskrit ikthar-
van, oder haoma, der Name einer für Opferzwecke ge-
branchten Pflanze, sowohl im Veda, als auch im Avesta
vnrkomajen. während in keiner der anderen ariseht^n Sprachen
auch nur eine Spur von denselben Kit finden ist, — diese
Thatsache allein genitgt, za zeigen, dass die Vedagl.anbigen und
die Avestagläubigen bis in eine apitte Zeit herein eine gesell-
schaftliche Vereinigung bildeten, wo ein umständliches Opfer-
ceremonioll völlig ans«:earheiiot worden war. FOr 8pSt«r«
Entlehnungen zwischen den Beiden, außer in ganz modernen
Zeiten, gibt es gar keine Zeugnisse.
Eine Vergleichnng der altindischen und der altperüflcken
Heügion muss daher von ganz anderer Art sein, als eine Ver-
gleichnng der frOhesten religiösen nnd philosophischen Ideen
in Indien und in Griechenland. In beiden Fillien haben wir
die gemeinsame tief gelegene sprachliche Schiebt; während aber
der griechische nnd der indische Gedanken ström vollstflodig
getrennt wurden, rbe man norh irgend einen Versuch gemacht
hatte, beäiimmte haUiphilosopfalBche, halbreli^öse Begriffe zn
bilden, flössen der indische itnd der persische Gedankenstrom
noch weiter in demselben Bette fort, lange nachdem der
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 65
Punkt erreicht war, wo der griechische Strom sich von ihnen
getrennt hatte.
Da sich dies so verhält, so folgt, dass etwaige Überein-
stimmongen, die man zwischen den späteren Phasen religiösen
oder philosophischen Denkens der Griechen nnd Inder ent-
decken mag, nicht darch irgend welche historische BerOhrang
erklärt werden sollten, während Übereinstimmungen zwischen
indischem nnd persischem — sei es religiösem oder philo-
sophischem — Denken eine derartige Erklärung gestatten.
rnmbUngiger Charakter der indischen Philosopliie«
Von Einem Gesichtspunkte ans betrachtet, mag dies be-
danerlich scheinen. Aber es verleiht dem Studium der indi-
schen Philosophie — im Vergleich mit der Philosophie Griechen-
lands — einen neuen Reiz, weil wir in derselben wirklich
das finden können, was man wohl ein gänzlich unabhängiges
Unternehmen des menschlichen Geistes nennen darf.
Die Entdeckung einer reichen philosophischen Litteratur in
Indien Iiat noch lange nicht die Aufmerksamkeit auf sich ge-
zogen, die sie verdient. Die meisten unserer Philosophen können
nicht Aber die Idee hinwegkommen, dass es nur Einen Weg
gebe, sich mit Philosophie zu besehäftigen. nämlich den.
welcher in Griechenland eingeschlagen und nachher von den
■eisten Philosophen Europas angenommen wurde. Fast
unsere ganze philosophische Terminologie ist uns aus Griechen-
land zugekommen; ohne aber gegen die Vortrefflichkeit der-
selben ein Wort sagen zu wollen, sollten wir doch nicht jede
andere Philosopliie, die nicht mit unseren eigenen Formeln
im Einklang steht, als ernster Aufmerksamkeit unwert be-
trachten.
Ich will es daher versuchen, diese indische Philosophie,
und namentlich die Vedänta- Philosophie unserem eigenen
pliüosopliischen Interessenkreise so nahe zu bringen, als ich
es rennag. Ich werde zu zeigen suchen, dass sie dieselben
Jlftz MfelUr, Tkoiwophie. 5
ÖÜ Dritte Voriesung,
Pi-ohlemo behnndolt, welche die Gedanken grioehischer PlJlo-
sophon beschäftigt haben, ja, welche unsere eigenen OedaukuD
beschüftigon, wenn sie dieselben auch in einer Weise behan-
delt, die nna auf den ersten Blick sonderbar oder gar ab-
stoßend vorkommeu mag. Gerade dieäca Sonderbare hat
jedoch einen eigenen Reiz, denn Alles, was wir von Philo-
sophie besitzen, ob es nun aus Grieehenland, Italien oder
Deutschland, oder jetzt ans Amerika und den entferntesten
Kolonien kommt, ist nnmittelbar oder mittelbar von den
Strahlen jener großen Leuchten, welche im fflnften Jahr-
hundert V. Chr. in Griechenland erstanden, berflUrt worden.
In Indien allein war. soweit wir wissen, die Philosophie
niemals durch irgend welche äußere Kintlilsse berührt worden.
8io entsprang dort apontun, wie in Griechenland, und wenn
vir vor den Denkern G riech enlands wie vor einem Wunder
dastehen, weil wir in keinem anderen Teile der Welt etwAS
ihnen Ähnliches finden, so erfüllt es uns mit demselben Er-
staunen, wenn wir auf vollständige Systeme der Philosophie
im Süden des HimMaya- Gebirges stoßen, in einem Lande,
wo Jahrhunderle lang, bis es von Völkern unterjocht wurde,
die den Einwohnern Indiens zwar an physischer Kraft und
militärischer Organisation, doch keineswegs an iutellektneller
Kraft oder Originalität flberlegen waren, Heligion nnd Philo-
sophie den einzigen alles und jedes Interesse in Anspruch
nehmenden Gegenstand des Kachdcnkona bildeten. Wenn
wir uns unsere Vorstelinng von den alten arischen Ansiedlem
iu Indien nach dem bilden, was sie uns in ihrer Litteratnr
hinterlassen haben, so dürfen wir freilich nie vergessen, dass
fast Alles, was wir haben, aus Einer Quelle stammt, oder
durch Einen Kanal hindurchgegangen ist, insofern es auf die
Brabmanen zurückgebt. Es ist daher allerdings einige Gefahr
vorhanden, daaa wir uns von diesen indischen .iryas ein
Mzn lichtes, zu ideales Dild malen, als wären sie ein Volk
gewesen, das an» lauter frommen Verehrern der G0tter mi
Alis Inatur Philosophen bcst.and, die nur darauf bedaobt warm,
die gruUen Probleme dieses Lebens und der hinter oder unter
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen u. PhilosophicD. 07
demselben verborgenen Wirklichkeiten zn lösen. Es muss
aneh in ihrem Leben Schattenseiten gegeben haben, und
selbst ihre eigene heilige Litteratur lässt uns zuweilen einen
Blick in dieselben thnn. Doch diese dunkleren Seiten des
Menschenlebens können wir fiberall studieren; was wir aber
nirgends als eben in Indien studieren können, ist der allQber-
wi^ende Einfluss. den Religion und Philosophie auf den
mensclüichen Geist ausQben können. Soweit wir die Dinge
beurteilen können, sah in Indien eine große Klasse von Leuten,
nicht nur die Priestcrk lasse, sondern auch der Adel, nicht
nur Männer, sondern auch Frauen, ihr Leben auf Erden nie
als etwas Reales an. Das Reale für sie war das Unsichtbare,
das künftige Leben. Was das Thema ihrer Unterredungen,
was den Gegenstand ihres Nachdenkens bildete, das war das
Reale, welches, wie sie dachten, allein dieser unrealen, phäno-
nenalen Welt eine Art Realität verleihe. Von wem immer
man annahm . dass ein neuer Strahl der Wahrheit auf ihn
gefallen sei, der wurde von Jung und Alt aufgesucht, von
Fürsten nnd Königen geehrt, ja der wurde als hoch über
Königen nnd Prinzen stehend angesehen. Das ist die Seite
des Lebens im alten Indien, die studiert zn werden verdient,
wdl es nichts Ähnliches in der ganzen Welt, nicht einmal
in Griechenland oder in Palästina, gegeben hat.
Die indische Lebensanschannng.
Unsere Vorstellung vom Erdenleben ist immer die eines
Kampfes ums Dasein, e^es Kampfes um Macht und Herr-
schaft, um Reichtum und Genuss gewesen. Dies sind die
Ideen, welche die Geschichte aller Völker, deren Geschichte
nns bekannt ist, beherrschen. Auch unsere eigenen Sympa-
tliien sind fast gänzlich auf dieser Seite. Ist aber der Mensch
bloß zo dem Einen Zweck auf diese Erde gesetzt worden?
Können wir uns nicht einen anderen Zweck denken, nament-
lich unter Bedingungen, wie sie Jahrhunderte lang in Indien
und sonst nirgends existierten ? In indieu gab es nur wenige
5*
m
lUitlc VorloBiitig,
Lebensbedürfnisse, und diejenigen, die 03 gab. wurden von
einer gntigen Katar ohne viele Änatrenguug; seitens des
Mcnsoben berbeigeachafTI. Die Kleidung;, spärlich wie sie
war, war leichl besorgt. Das Leben im Freien oder in den
Schatten dea Waldes war angenelimer als das Leben in
Hätten oder PaUäten. An die Gefahr feindlicher EiniUUe
dachte man nie auch nar im Tranme vor den Zeiten des
Darina ond Alexander, nnd auch dann nur auf Einer Seile, im
Norden, während das Meer mit mohr als einem Silberstreifen die
weithin sich ovstrecltenden Ufer des Landes ringsum beachntite.
Warum sollten die alten Einwohner Indiens nicht ihr Los
hittgenommoD habeu, wie es war? War es gar so unnatflr-
Itch, dass sie. die mit einem anßergewtjhnlichen Verstände
begabt Wiiren, dieses Leben nicht als einen Kampfplatz ihr
Uladialorenlcitmpfe, nicht ala einen Markt zum Detrtlgon nnd
Feilschen anaahen, aondern als eine llahest&tle. einen bloßen
Wartesaal an einer Station auf der Reiae. die sie vom Be-
kannten zum Unbekannten führte, und doch gerade ans die-
sem Grnnde ibie höchste Neugierde erregte an wiaaen, woher
sie kämen und wohin sie gingen. Ich weiß recht gut, dass
es nie eine gan/.o Nation von Philosophen oder melaphysischen
Träumern geben kann. Die Freuden des Lebens und wnn-
liebe Genüsse werden wohl in Indien wie anderswo den Geist
der Massen abgestumpft und sie veranlasst haben, sich mit
einem rein tierischen Dasein zu hegnOgen, ohne von jenen
Kämpfen des Neides nnd Hasses frei zu sein, welche dl«
Menscbun mit den wilden Tieren gemein Laben. Doch das
ideale Leben, welches wir in der alten Lltteratur Indiens
abgespiegelt finden, muss doch zum mindesten von den Wenigen
geführt worden aein, und wir dQrfen nie vergessen, dasa es
liberall in der Geschichte die Wenigen und nicht die Massen
aind, welche einem Volke ihren Charakter aufdrücken und ein
Recht haben, es als ein Ganzes zn vertreten. Was wissen wir
von Griechenland zur Zeil der joniaohen und eluatischen Philo-
sophen, außer denÄußernngon der sieben Weisen? Was wisson
wir von den Juden zur Zeit des Moses und der Propheten, anfier
Die hifltor, Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 69
den ÜberÜeferongeD, die in dem Gesetz und in den Propheten
erhalten sind? Die Propheten sind es, die Dichter, die Ge-
setzgeber und Lehrer, so klein anch ihre Zahl sein mag,
weiche im Namen des Volkes sprechen und welche allein
herForragen als Vertreter der hinter ihnen stehenden kunter-
bnnteB Menge, ihre Gedanken ansznsprechen nnd ihren Ge-
fUhlen Ansdmck zu geben.
Ich gestehe, mir hat es immer eines der traurigsten Kapitel
in der Geschichte der Welt geschienen, wenn wir sehen, wie die
frflhesten Einwohner Indiens, welche von der übrigen Welt, von
den mlchtigeB Reichen Ägypten nnd Babylon, von deren Kriegen
nnd Erobemngen nichts wnssten. die von der Welt draußen
nichts wollten nnd in ihrem eigenen irdischen Paradies glflck-
lich nnd zufrieden waren, geschlitzt, wie es schien, von den
BergwiUen im Norden, nnd von den eifersüchtigen Wogen des
indischen Ozeans auf allen Seiten bewacht, — wenn wir sehen.
wie diese glfleklichen Menschen auf einmal von fremden Kriegern,
sei es Persem. Griechen oder Macedoniern, oder in späterer
Zeit von Skythen, Mohammedanern, Mongolen und Christen
mit EinnUlen geplagt nnd unterjocht werden, um keiner anderen
Schuld willen, als dass sie es versäumt hatten, sich in der
Kunst des Mordens ihrer Nebenmenschen auszubilden. Sie
sdbat hatten keine Eroberungsgelüste, sie wünschten nichts,
als dass man sie unbehelligt lasse und ihnen gestatte.
ihre Lebensanschauung auszuarbeiten, die beschaulich und
heiter, aber freilich in Einem Punkte mangelhaft war, nämlich
in der Kunst der Selbstverteidigung und der Zerstörung. Sie
hatten keinö Ahnung, dass ein Sturm über sie hereinbrechen
k^nne. nnd als plötzlich die schwarzen Wolken über die
nördlichen und westlichen Pässe dabergezogen kamen, da
blieb ihnen keine Zuflucht, sie wurden von der überlegenen
bratalen Gewalt einfach niedergerissen. Sie erinnern uns
an Arehimedes, der den grausamen Eindringling anflehte,
nicht seine philosophischen Zirkel zu stören. — allein es gab
keine Rettung für sie. Jenes Ideal des Menschenlebens.
das sie sich ausgemalt hatten, und das sie bis zu einem
70 Dritte Vorlesung.
gowisäun Gi'nde votwirklicbl zu liabcn scliionon, olie sie von
deu 'Dncivilisierten Barbaron' entdeckt nnd gestört wurden,
DiDBste preisgegebou worden. Es sollte nicht soin, die ganze
Welt sotito eine kämpfende und feilschende Welt sein, und
selbst die Lösung der Luchsten Probleme der Religion und
Philosophie sollte in Znkunft nicht durch Milde und Vernunft,
sondern durch diu stärksten Bataillone entschieden werden.
Wir mltaaen alle diese Lehre verstehen lernen, aber es ist
eine traurige Lelire selbst für den abgehtirteten Ooschicbts-
forscher.
Doch man wird vielleicht sagen: Was sollen ans denn
diese Trftumer? Wir mtläsen zu l.lriechen und Römern in
die Schule gehen, um Lebensweisheit zu lernen. Bie sind
unser Licht und unsere Führer. Das Blut, das iu nnsei
Adern fließt, ist das Blut krilftiger Sachsen und Normal
nicht das der träumerischen OymDosophisten Indiens.
Ganz richtig; und doch sind diese träumerischen Q]
nosopfaisten uus nicht ganz und gar fremd. Was fQr Blut
es auch immer sein mag, das durch unsere Adern fließt, das
Blut, das durch unsere Gedanken fließt, ich meine nosere
äprache, ist dasselbe wie das der Äryas Indiens, und diese
Sprache hat mehr mit uns selbst zu schaffen, als das Blut,
das unseren Körper näbri und uns eine Zeit lang am Leben
erbütt.
isera^^
M
l>le Sprache, der gemeinsame Ilintergrond der Phllosoplilc.
Versuchen wir daher, ehe wir daran gehen," die Philo-
sophie der Inder mit unserer eigenen oder mit der der
tiriechon nnd KOmer z^u vergleichen, ans 'ia allererst dnrOber
gans klar zu werden, ob es etwa eine gemeinsame Grund-
lage fUr Beide gebe, oder, zweitens, ob wir zuzugeben hsb&n
werden, dass in spSterer Zeit eine historische BerUhrnng
Kwischen den Philosophen des Ostens und denen dea Westens
stat [gefunden. Ich glaube, man fUngt doch endlich an in
rerstohen, wie sehr wir in allen unseren Gedanken von
Die histor. Verwandtschaft »lt. Religionen u. Philosophien. 7 1
Qoserer Sprache abhäDgen, ja wie sehr unsere Sprache uns in
allen nnseren Gedanken und später in den Thaten, welche
auf unsere Gedanken folgen, behilflich und nattlrlich auch
hinderlich ist. Doch müssen wir uns in acht nehmen und
zwischen zwei Dingen unterscheiden: — dem gemeinsamen
Vorrat von Wörtern und Gedanken, welchen die arischen
Völker miteinander gemein hatten, ehe sie sich trennten, und
den Systemen des Denkens, welche sie in späteren Zeiten
jedes auf seinem eigenen Boden ausarbeiteten. Das gemein-
same geistige Erbe der arischen Völker ist sehr beträchtlich,
— viel größer, als maif früher einmal annahm. Es sind
genug Wörter übrig, welche, da sie im Griechischen und im
Sanskrit dieselben sind, existiert haben müssen, bevor die
arische Familie sich in zwei Zweige zerteilte, von denen der
eine nach Westen und Norden, der andere nach Süden und
Osten zog. Mit* Hilfe dieser Wörter ist es möglich, den ge-
nauen Grad der Civilisation, wie man es wohl nennen darf,
zu bestimmen, der erreicht worden war, ehe die große arische
Völkertrennung stattfand, Jahrtausende vor dem Anfang
irgend einer Geschichte. Wir wissen, dass der einzige wirk-
liche historische Hintergrund für die Religion, die Mythologie
und das Recht der Griechen und Römer in den Bruchstücken
entdeckt worden ist, die uns von dem gemeinsamen Wort-
vorrat der arischen Völker übrig geblieben sind.
Gemeinsame arische Religion und Mythologie.
Von griechischer Religion, Mythologie, ja selbst von
griecliischen Rechtsbräuchen zu handeln, ohne deren arische
Anteeedentien in Betracht zu ziehen, wäre nicht anders, als
wollte man vom Italienischen handeln, ohne eine Kenntnis
des Lateinischen. Dies ist jetzt schon eine sehr alte Wahr-
heit, obgleich es, glaube ich, immer noch ein paar klassische
Philosophen gibt, die über die Idee, dass der griechische
Zeus mit dem vedischen Dyaus irgend etwas zu thun haben
könne, ganz entsetzt sind. Sie wissen, es gibt gewisse Leute,
72
Dritte A'orlesung,
die gelegentlich eine Flugschrift verOITetitliclieii, um en zeigen,
dass dio Erde denn doch nicht rnud sei, nnd die so^ar
Preise »usschreiben und die ÄBlronomen heranafordern, zu
beweisen, dass sie rund sei. So ist ea »ncli in der rerglei-
chenden Sprach- und HeligioDawiasenachaft. Ls gibt noch
immer einige Troglodyten, welche aagen, Zena kSnne von
L'^c, leben, abgeleitet sein, Varn/ia zeige keine Ähnlichkeii
mit Ourauos, deva, 'glänzend' nnd 'Gott'. kOnne nicht das
iHtoiniache tleus sein, ifarvara sei nicht Ker&eros, und
Sarariyu könne nicht Erinnys sein. Für sie iat die grie-
chisch e"_ Mythologie einem Lotna gleich, dor ohne 8tengel. ohne
Wurzeln anf dem Wasser schwimmt Ich bin alt genug, mich
dor Zeit ZQ erinnern, wo die Welt zam ersten Mal durch
die Entdeckung in Staunen versetzt wnrde. daas die dunklen
Einwohner Indiens vor mehr als dreitausend Jahren ihre
Götter mit denselben Namen benannt haben.' mit denen die
Römer und die romanischcD Völker Oott benannten und ihn
noch bis zum heutigen Tage benennen. Die Welt ist aber
in jflngater Zeit noclj mehr in Stannen veraetzt worden
durch den Wiederausbruch jenes alten klassischen Vorartella.
welches die Annahme eines arischen Ursprungs griechiachen
Denkens und griechisclier Sprache fast als eine Beleidigung
der klassischen Philologie ansah. Eine der größten Ent-
deckungen unseres Jahrhunderts, eine Entdeckung, bei der
Männer wie Humboldt, Bepp, Grimm und Kuhn ihre
unverwelklichen Lorbeeren errangen , wurde noch einmal
behandelt, wie Schulmeister die Fehler von Schuljungen be-
handeln wltrdon, und zwar von Leuten, die mit den Anfang»-
grflndeu des Sanskrit, ja mit deu allerersten Anfangs gründen
der Sprach vergl eich nng unbekannt sind. Eine der größten
Entdeckungen unseres Zeitalters nenne ich sie, denn sie hat
auf eines der dnnkelsten Kapitel in dor Geschichte der Welt
Licht geworfen, sie hat uns einige der verblüffen dsteu Rllael
in dem Wachstum dos menschlichen Geistes verstehen gelehrt,
nnd sie hat hiatorische Tliatsacben an die Stelle geaetat, wo
wir frllher. waa dio Geschichte der ariachcn Völker vor
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 73
ihrem Erscheioeo auf der historischen Bühne Asiens und
Evropas anbelangt, nichts als Mutmaßungen hatten.
Es würde mir nicht einfallen, zu behaupten, dass nicht
manehe Fehler gemacht worden sind in der Zusammensetzung
des Bildes der arischen Civilisation vor der Völkertrennung,
oder in der Identifikation der Namen gewisser griechischer
und ve^iseher Götter; aber solche Fehler sind leicht ver-
bessert worden, sobald sie entdeckt wurden. Außerdem
wissen wir, dass das, was man fftr Fehler hielt, oft gar keine
Fehler waren. Eines der stärksten Argumente gegen die Ver-
gidchnng griechischer und Tedischer Gottheiten ist immer das
gewesen, dass die Griechen zu Homers Zeit zum Beispiel keine
Erinnemng daran hatten, dass Zeus ursprflnglich ein Name
des lichten Himmels, oder Erinnys ein Name der Dämmerung
gewesen sei. Nichts ist so leicht, als zu widerlegen, was
Niemand je zu beweisen wünschte. Kein Franzose ist sich
dessen bewnsst, dass der Name epicier irgend etwas mit
species nnd am Ende mit Plato's Ideen zu thun hat; und
doch wissen wir, dass eine ununterbrochene historische Kette
die beiden Namen verbindet. Mythologische Studien werden
nie eine sichere wissenschaftliche Basis erhalten, solange sie
nicht auf derselben gemeinsamen arischen Grundlage aufge-
bant werden, anf der alle sprachwissenschaftlichen Studien
Zugestandener Maßen ruhen. Es ist jetzt Mode, die Ähnlich-
keiten zwischen der Religion, der Mythologie und dem Folklore
der arischen Völker nicht durch ihren gemeinsamen Ursprung,
sondern durch unser gemeinsames Menschentum, nicht durch
historische Zeugnisse, sondern durch psychologische Speku-
ktion zn erklären. Es ist vollkommen richtig, dass sich
Sagen, Märehen, Gebräuche und Sprichwörter bei den Sitdsee-
InsoUnem nnd den Einwohnern der Nordpolgegenden finden.
welche eine anffallende Ähnlichkeit mit denen der arischen
Völker besitzen. Viele dergleichen waren längst von Anthro-
p<dogen wie Bastholm, Klemm, Waitz und in neuerer Zeit
von Bastian, Tylor und Anderen gesammelt worden. Ich
bin selbst einer der ersten Arbeiter auf diesem interessanten
7(
{isycholo^
Dritte Vorlesung.
. Mytlmlogio
gisclien Mytliülügio gowcscn, Ähcr dio
Frage ist: Was für Sclilüsse sind wir ans aololieu ÜUerein-
stimmuDgeti zu ziehen berechtigt? Vor Allem wissen wir
aua trauriger Erfahrung , als wie trögeriach sich solche
scheinbare ÄhnUchkeiJen oft herauagesteltt haben, aus dem
einfacbeD Gmnde, weil diejenigen, welche sie sammelten.
deren wahre Bedeutung miaaverstanden. Zweitons dürfen wir
nie die alte Regel rergeasen, daaa es, wenn zwei Leute das-
selbe sagen oder tbun, nicht immer dasselbe ist. Doch an-
genommeD, die Ähnlichkeit sei vollständig und sei genügend
erwiesen, so haben wir nur das Recht zu sagen, dass der
Mensch, wenn er denselben KiuflOssen ausgesetzt ist, znweilen
in derselben Weise reagieren wird. Wir haben noch kein
Recht, von allgemeiuen psychologischen Instiulctttn, von un-
geboreuen Ideen und dergleichen zu sprechen. Die psyolio-
logiachü Mythologie ist oin Feld, das einer viel sorgfältigeren
BoarbeitiiDg bedarf, als demselben bisher zu teil geworden.
Bisher haben sich ihre Materialien zumeist als nnzavcrlaasig,
und ihre Schldase infolgedessen als phantastisch und un-
haltbar erwiesen.
Wir bewegen uns in einer gänzlich verschiedenen Atmo-
sphäre, wenn wir die Sagen, Märchen, Gebräuche und Sprich-
wörter von Völkern untersuchen, welche verwandte Spnichtiii
reden. Wir haben hier einen historiscben Hinlergrnnd, wir
stehen auf einer fasten historischen Grundlage.
Cbarltes = llaritas.
Ich will Ihnen Ein Beispiel geben. Vor vielen JAbnn
schlug ich die mythologische Gleichung Ilaritas ^ ChariUl
vor. Alle möglichen Einwände sind dagegen erhoben worden,
nicht Einer, den ich nicht selbst erwogen hatte, ehe ieb die
Gletchnng vorschlug, nicht Einer, der auch nur einen Anges-
blick meine Üborzengung ersohQttern kounte. Wenn also
das Sanskrit Haritas Konsonant fflr Konsonant und Vokal
fUr Vokal dasselbe Wort ist, wie das grieohischo Cfiarilet
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen n. Philosophien. 75
oder die GrazieD. haben wir nicht das Recht zn sagen, dass
diese zwei Wörter denselben historischen Anfang gehabt
haben müssen, und dass, soweit anch die besondere Bedeutung
der griechischen Grazien sich von der besonderen Bedeutung
der Haritas im Sanskrit entfernt haben mag. diese zwei sich
voneinander entfernenden Linien von einem gemeinsamen
IGttelpankt ausgegangen sein mfissen ? Wie Sie wissen, sind
im Sanskrit die Haritas die glänzenden Pferde der Sonne,
während im Griechischen die Charites die reizenden Be-
gleiterinnen der Aphrodite sind. Der gemeinsame Ausgangs-
punkt dieser zwei mythologischen Begriffe musste entdeckt
werden und ist in der Thatsache entdeckt worden, dass im
Veda die Haritas ursprünglich die glänzenden Strahlen der
ansehenden Sonne bedeuteten. Diese wurden in der Sprache
der vedischen Dichter zu den Pferden des Sonnengottes,
während sie in der griechischen Mythologie als schöne Jung-
frauen im Gefolge der aufgehenden Sonne — sei es in ihrem
männliehen oder in ihrem weiblichen Charakter — aufgefasst
wurden. Wenn wir demnach die vedischen Haritas mit den
griechischen Charites vergleichen, so meinen wir damit nichts
Anderes, als dass sie beide dieselben Antecedentien haben.
Wenn aber die griechische Charis zur Gattin des Schmiedes
Hephaistos wird, so gibt es hier keinen Berührungspunkt mehr
zwischen griechischem und indischem Denken. Diese Sage
ist anf dem Boden Griechenlands entsprungen, und diejenigen,
welche sie bildeten, hatten keine auch noch so unbestimmte
Erinnerung an die vedischen Haritas, die Pferde des vedi-
schen Sonnengottes.
Das filtere Wachstum der Philosophie.
Was nun die älteste Philosophie der Griechen anbelangt.
so würde es Niemand einfallen, zu sagen, dass sie. so wie wir
ae kennen, vor der arischen Völkeitrennung entwickelt
worden seL Wenn ich sage, ^Niemand', so ist dies vielleicht
etwas zu viel gesagt, denn wie können wir uns vor gelegent-
7fi Dritte Voricamig.
liehen AuabrUohen vou HHlluciniitioD bewaliren, and was für
eine Zwanjajaoke gibt es, dio ea vorhindern könnte, öasa der
erste Beste, der eine Feder zu handhaben vermag, eine
Schrift blindlings dmcken Isase? Nur ist es nicht billig,
dass man für ein paar räudige Schafe eine ganze Schule ver-
antwortlich macht. Die griechiäcbe Philosophie und die
indische Philosophie sind Erzeugnisse des einheimiäohen Bo-
dens von Griechenland und von Indien benieliungsweise, und
anzunehmen, daas ÄhnÜehlieitcn, wie sie zwischen der Vedfinta-
Philosophie und der der Eleulischen Philosophen, zwischen
dem (ihubcu an Seelenwandcrung in den LTpanishaden und
demselben Glauben in den Schulen der Pytbagoräer entdeckt
worden sind, einer Entlehnung oder gemeinsamen arischen
Rflckerinnernngen zuzuschreiben seien, heißt nichts Anderes,
als zwei gänzlich verschiedene Sphären historischer Foiselinng
vermengen.
Hilfe, welche die Spravbe der Philosophie leistet.
Höchstens das können wir sagen, dasa es eine beide
Philosophien durchdringende arische Atmosphäre gibt, die
von jeder semitischen Atmosphäre des Denkens unterschieden
ist, dass OS gewisse, von der arischen Sprache eingegrabene,
tiefe Fngeu des Denkens gibt, in denen sich die Oedanken
sowohl der indischen als auch der griechischen PhilosopheB
notwendigerweiae bewegen massten. Ich will nar ein paar
Beispiele erwähnen. Sie wissen, welch eine wichtige Bolle
bei allen philosophischen Schluaafol gerungen die Kopula
spielt. Es gibt Sprachen, welche keine Ko[)ula habon,
während in den arischen Sprachen, ehe sie sich trenotoB,
die Kopula fertig vorlag, das Sanskrit nsti. das griechische
(an, das lateinische ett, das gormanische ist. Anch das
ficlativpronomon ist eine auBorordentliehe Hilfe fttr eine eng»
Uedankenverkettung ', desgleichen der Artikel , sowohl der
bestimmte, als der nnbestimmle. Das Relativpronomen war
ausgearbeitet worden, ehe die Arier sich trennten, der bo-
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen n. Philosophien. 77
stimmte Artikel war wenigstens in rudimentärer Gestalt vor-
handeo. Wir können nns kaum irgend eine philosophische
Belumdlang eines Gegenstandes denken ohne die Hilfe von
Indikativ und Konjunktiv, ohne die Verwendung von Prä-
pontionen mit ihren anfangs lokalen und temporalen, gar
bald aber auch kausalen und modalen Bedeutungen, ohne
Participien und Infinitive, ohne Komparative und Superlative.
Denken Sie nur, welche Schwierigkeiten die Römer fanden
und wir selbst im Englischen ^] finden . ein Participium wie
rb «iv oder gar das griechische ovaiu wiederzugeben. Im
Sanskrit gibt es keine solche Schwierigkeit. Es drückt rh ov
dareh sat und ovaia durch sat-tva aus. Dies Alles bildet
den gemeinsamen Besitz des Griechischen, des Sanskrit und
der anderen arischen Sprachen. Es gibt viele andere wesent-
liche Bestandteile der Sprache, die wir als selbstverständlich
kinnehmenf die aber, wenn wir genauer zusehen, nur das
Ergebnis einer langen geistigen Ausarbeitung gewesen sein
konnten. Hierher gehört zum Beispiel die Bildung abstrakter
Hauptwörter. Ohne abstrakte. Hauptwörter ^flrde die Philo-
sophie schwerlich den Namen Philosophie verdienen, und wir
sind berechtigt zu sagen, dass die Suffixe, durch welche ab-
strakte Hauptwörter gebildet werden, da sie im Griechischen
und im Sanskrit dieselben sind, vor der arischen Völker-
trennong existiert haben mflssen. Dasselbe gilt für die
EigeDsehaftswörter, die gleichfalls allgemeine und abstrakte
Begriffe genannt werden können; auch sie werden in vielen
Fällen im Griechischen und im Sanskrit durch dieselbeu
Suffixe gebildet. Auch der Genitiv war ursprünglich ein
aOgemeioer und abstrakter Begriff und wurde yivi/.i] genannt.
weil er das genus ausdrückte, zu welchem gewisse Dinge
gehörtes. Ein Vogel des Wassers war dasselbe wie ein
Waaservogel; 'des Wassers bezeichnet hier die Klasse, zu
der gewisse Vögel gehören. Es gibt Sprachen, die in allen
1 Im Deatschen haben wir, dem Griechischen nachgebildet, die
Ansdrfieke 'das Seiende*, 'das Sein', 'das Wesen*, die im Englischen
sehr schwer aaseinanderzuhalteD sind. Anm. ths ('btrsttzera.
78
Dritte VorlcBTing.
oder vielen von diesen Punkten, snch in Bezug aiiflnGnitiro
nnd Farticipien, muDgelliafl sind, und diese Mltn^el haben
sich deutlich als Fesseln für den Fortschritt des phltosophj-
schen Denkens erwiesen, wälirond nrische Philosophen darch
ihre gemeinsame Sprache mit Flügeln för den kühnsten Fing
der Spekul&liou ansgeataflet waren. Es gibt sogar gewisse
Wörler. welche das Ergebnis philosophischen Denkens sind.
nnd welche offenbar eiiiBticrt haben müssen, ehe die grieohi-
sche Sprache sieh vom Sanskrit trennte. Solche gemeinsame
arische Wörter sind zum Beispiel man, denken [jtifiQVV.
raemini), manas, Qeiat niimci, zum Unterschiede von cor-
pus (Zend Kehrp), Körper; miman. Name; väÄ', Red«;
veda, ich weiß, tiiöii; «raddudhau, ich glaube, credidt;
mrf'fyu, Tod; amr/la, unaterlilich.
Dies Alles ist wahr, und es berechtigt uns, von dn«r
Art gemeinsamer arischer Atmosphilre zu sprechen, «elelie
die Philosophie der Griechen und Inder durchdringt, — einer
gemeinsamen, wenngleich versunkenen Schiebt des Denkens.
ans der allein die Materialien, sei es Stein oder Tlion, KU
holen waren, mit denen die späteren Tempel der Religion
und die Paläste der Philosophie erbaut werden konnten.
Alles das seilte nicht vergessen, über es sollte anch nicht
nbertriehen werden.
L'nabhÜQglger Charokter der liidlschen rhilosophle.
Die eigentliche indische Philosophie . selbst in jener
embryonischen Form, in der wir sie in den U|iauishadeii
finden, steht völlig für sieb aliein. Wir kOnnen fttr sie keine
historische Vorwandlschaft mit der ältesten griechischen Philo-
sophie gellend machen. Die beiden sind ao unabhängig TOit-
ciuander, wie die griechischo Ghana, nachdem sie die Oattin
des Hepbaistos geworden, von den roten Pferden der vedi-
fichon Morgenröte.
Und gerade darin, gerade in dieser l'nabliitugigkclt, in
diasem au loch thoui schon Charakter, Hegt meiner Ansicht nach
Die hiBtor. Verwandtschaft alt. Keligionen u. Philosophien. 7<)
der eigentliche Reiz der indischen Philosophie. Sie entstand,
als der indische Geist keine Erinnerung mehr, nicht einmal
mehr eine nnbewnsste Ahnung von seiner ursprünglichen
Verwandtschaft mit dem griechischen Geiste hatte. Die ge-
meinsame arische Periode war dem Gedächtnis derer, die
Sanskrit nnd Griechisch sprachen, längst entschwunden, als
Thaies erklärte, dass das Wasser der Anfang aller Dinge
sei; und wenn wir in den Upanishaden Stellen finden wie ^Am
Anfange war dies alles Wasser^, so dürfen wir nicht denken,
dass hier irgend eine historische Entlehnung stattgefunden,
wir haben nicht einmal das Recht, uns auf prähistorische
arische Erinnerungen zn bemfen. Alles, was wir zu sagen
berechtigt sind, ist dies, dass der menschliche Geist, sei es
in Indien oder in Griechenland, spontan zu ähnlichen Schluss-
folgemngen gelangte, wenn er sich den alten Weltproblemen
gegenüber sah. Je weiter sich der Horizont unserer Unter-
suchungen erstreckt, desto mehr werden wir genötigt zuzu-
geben, dass das, was an Einem Orte wirklich, an einem
andern möglich war.
War die grieeliisehe Philosophie aus dem Orient entlehnt!
Indem ich diese Anschauung vertrete, weiß ich, dass
ich mich im Widerspruch befinde zu Männern von bedeutender
Autorität, welche der Ansicht sind, dass die alten griechischen
Philosophen ihre Weisheit von dem Orient geborgt hätten,
dass sie im Orient gereist, nnd dass es immer, wenn wir
irgend eine Ähnlichkeit zwischen altgriechischer und orienta-
lischer Philosophie finden, die Griechen gewesen seien, von
denen man annehmen müsse, dass sie entlehnt hätten, sei es
ans Ägypten oder ans Babylon, oder selbst ans Indien.
Diese Frage, ob es möglich sei, dass die Philosophen
Ägyptens,'^ Persiens, Babylons und Indiens irgend einen Ein-
flass auf die älteste griechische Philosophie ausgeübt, erfordert
eine sorgfiütigere Betrachtung, ehe wir weiter gehen. Sic ist
von Zeller in seinem großen Werke ''Die Philosopliic (hr
■50
IJritie Vitdesiiag.
Griechen sehr ein geh ob d besprochen worden. Ich stimme
ganü mit aeinen Schlnssfolgermigen ttberein. nnd ich werde
versachen. Ihnen so knrz aXs möglich die Resultate, zu denen
er gelangt ist. vorznfnhren. Er zeigt, dass die Griechen seit
den ältesten Zeiten geneigt waren zuzugeben, dass t& ge-
wissen Punkten ihre eigenen Philosophen von der orienta-
lisolien Philosophie beoinflnssl worden seien. Doch gaben >ie
dies nur hinsichtlich besonderer Lehren zu. Dass die gut»
griechische Philosophie ans dem Orient stamme, wurde erri
später behauptet, namentlich tob den Priestern Ägyptens
nach ihrem ersten Verkehr mit Griechenland, nnd von den
Juden Älex&ndrieua. nachdem sie angefangen hatten, sieh
eifrig mit dem Studium der griechischen Philosophie za be-
schäftigen. Es ist öbrigens sonderbai genug, dass selbst
Uerodot sich Ton den igypiiscbeii Priestern volUtfindig über-
reden ließ, zwar nicht, dass die griechische Philosophie von
den Ufern des Nils entleliDl sei. aber doch dass gewisse Gütter
nnd Kulte wie der des Dionysos, sowie auch gewisse Religions-
lehren, wie die der Seelenwandernng, thats&chlich aus Ägypten
nach Griechenland eingeführt worden seien. Er ging so weit
in behaupten, daes die Pelasger nrsprtlnglich bloß Ofitter Im
Allgemeinen verehrt, dass sie aber deren Mamen mit wenigen
Ausnahmen aus Ägypten erhalten bitten. Die ägj-ptisehea
Priester scheinen Herodot und andere griechische Beisendo
gar nicht viel anders bebandelt 'zu haben, als Indisehi
Priester Wilford nnd Jacolliut behaudelten. indem sie Uwe:
verüeherteu. dass Alles, wonach sie fragten, sei es in deV
griecbisehen Mythologie oder im Alten Testament, in ihrei
eigenen heiligen Bflcheru enthalten sei. Wenn jedoch it«.
Studium der igyptischeu AltertQmer irgend etwas bewies«!
bat, so ist ea das. dass die Namen der griechischen Gdttoi
nicht ans .Ägypten entlehnt waren. Eruilar — nach räicsi
Imitate bei Procluä lim Tim. 24 Bi — war vielleicht der
der behauptete, dass die berühmte von Plato erzlhlte MylbA
von den Aihencni und den Allantiden in Inschriften entbaltensai«
die äkK Bodi iu jj^ptsn QLndea. Ln epUen» Zeilt» il0lL0^
Die hifltor. VerwandUchaft alt. Religionen u. PhilosopbieD. S1
Chr.) berief sich Diodorns Sicnlns in reichlichem Maße anf
Angeblich im Besitze ägyptischer Priester befindliche Bflcher, um
zu beweisen, dass Orpheus, Mnsaeus, Homer, Lykurg, Selon und
Andere in Ägypten studiert hätten: ja, er flQgt hinzu, dass
Reliquien von Pythagoras, Plato, Endoxus und Demokritus
daselbst gezeigt wflrden, um deren ehemaligen Aufenthalt an
den Ufern des Nils zu bezeugen. Pythagoras soll sich seine
Kenntnis der Geometrie und Mathematik, sowie seinen Glauben
an Seelenwanderung in Ägypten angeeignet haben; so auch
Demokritos seine Astronomie, Lykurg. Selon und Plato ihre
Kenntnis der Gesetze. Was zuerst you ägyptischen Priestern
ans nationaler Eitelkeit behauptet worden war, wurde nach-
her, als man den Orient allgemein ftir die Wiege aller Weis-
hdt hielt, von den Griechen selbst gerne wiederholt. Die
Neuplatoniker namentlich waren überzeugt, dass alle Weisheit
ihre erste Heimstätte im Orient habe. Die Juden Alexan-
^ns folgten bereitwillig ihrem Beispiel, indem sie zu be-
Ydsen suchten, dass von der griechischen Religion und
Phüesophie Vieles aus ihren heiligen Schriften entlehnt sei.
Clemens spricht von Plato als dem Philosophen der Hebräer
oder dem ron den Hebräern herstammenden Philosophen
(i I? 'EßQaiüßv q>il6oo(fog. Strom. I, 274 B).
Zeller hat gezeigt, wie wenig historischer Wert diesen
Bduptungen beigemessen werden kann. Er hätte zugleich
^ttiif verweisen können, dass die mehr kritisch angelegten
Oneehen selbst in Bezug auf diese Orientreisen ihrer ersten Phi-
l*iophen und Gesetzgeber sehr zweifelhaft waren. So sagt
^^vtar^ in seinem Leben des Lykurg, es heiße ^ dass Lykurg
"i^kt lur naeh Kreta und Kleinasien gereist sei, wo er zum
^"^te Mal mit den Gedichten Homers bekannt geworden,
'^^dera dass er auch nach Ägypten gegangen sei. Doch
^ scheint Plutarch selbst skeptisch zu werden, denn er
^ Unzu, dass die Äg>^ter selbst und einige griechische
^^riftsteller dies behaupten; was hingegen seine Reisen nach
Afrika, Spanien und Indien anbelangt, so beruhen diese, fügt
>»iMtlUr, Theotophie. 6
82
Dritti! Vorloauiig.
er hinzu, auf <]er Antontilt nur £inee Scbrirtstellois, des
Arislokrates, des Sohnes von Hipparchna.
Andererseits scheint eine Art Zeugnis dafllr vorhanden
zu sein. (Insa ein indischer Philosoph einiD&l Athen besnoht
und einigen persönlichen Verkehr mit 8okrates gehabt habe.
ÜsLss Perser nach Griechenland kamen, und dass ihre heilige
Litteratur In Griechenland bekannt war. können wir ans
der Thatsacha entnehmeu , dass der Name Zoroasters all
eines Lehrers dem Flalo und dem Aristotelee ganz gut be-
kannt war, und Anas im dritten Jahrhundert v. Chr, HermippttB
eine Analyse der Bücher Zoroasters gemacht hatte. DiCB be-
ruht auf der Äntorität des Plinins {Die Wissemehaft der
Spritfhe, Bd. 1, p. 2G4), Da Nordindien unter perüscher
Herrschaft stand, ist es nicht unmöglich, daaa nicht allein
Perser, sondern anch Inder nach Griechenland kamen nnd
dort die Bekanntschaft griechischer Philosophen machten.
Es gibt jedenfalls Eine Stelle, welche mehr Beachtung ver-
dient, als ihr bisher zu teil geworden. Ensebius [Prep, er.,
XI, 3) citiert ein Werk über Platonische Philosophie TOB
Aristoklea, der in demselben auf die AutoritKt des Ariato-
senoa , eines Örhnlers des Aristoteles, hin erklärt, ein indi-
scher Philosoph sei nach Athen gekommen und habe ein«
Unterredung mit Sakrales gehabt. Es ist daran gar niclita,
was unseren Verdacht erregen kOunte; und waa die Angabe
dea Ariatoxenoa noch plansibfer erscheinen Ussl, ist die B^
merkiing selbst, welche der indische Philosoph zu Sokrates
gemacht haben soll. Als nämlich Sokrales ihm gesagt hatte,
dase aoiuo Philosophie in Nachforächnng>.'n flber das Lobes
dea Menachen bealebc, aoU der indische Philosoph lächelnd,
veraetzt haben. Niemand könne daa Menschliche rerstehoD^
der nicht zuerst das Göittiche verstehe. Das ist nnn ein«
so durch und dnroh indische Bemerkung, dass sie den Eitk-
druck auf mich macht, aie könne möglicherweise echt aeica
Wenn man aber selbst diesen vereinzelten Fall ZDgit»^
so habe ich keinen Zweifel, dasa alle klasaischen Phitolop«!
Zcllurs vernünftige Behandlung dieser Frage nach dem ITi
Die histor. Verwandtschaft alt. Religionen u. Philosophien. 83
spniDg der griechischen Philosophie gutheißen werden. Die
griechische Philosophie ist antochthonisch und bedarf keiner
orientalischen Antecedentien. Die griechischen Philosophen
selbst sagen nie, dass sie ihre Lehren aus dem Orient entlehnt
haben. Dass Pythagoras nach Ägypten ging, mag wohl wahr
sein, dass er sich dort mit den Lösungen gewisser geometri-
scher Probleme bekannt gemacht, mag auch wahr sein, aber
dass er seine ganze Philosophie aus Ägypten entlehnt habe,
ist einfach eine rhetorische Übertreibung des Isokrates. Die
Reisen des Demokritus sind besser bezeugt, es gibt aber
keine Zeugnisse dafQr, dass er von seinen barbarischen
Freunden in philosophische Lehren eingeweiht worden sei.
Dass Plato in Ägypten reiste, braucht nicht angezweifelt zu
werden, dass er aber nach Phönizien, Chaldäa und Persien
gegangen sei, um Philosophie zu studieren, ist reine Mut-
maßung. Was Plato von den Ägyptern hielt, hat er uns
selbst in der ^Republik* (436) gesagt, wenn er bemerkt, dass
das besondere Merkmal der Griechen Liebe zum Wissen, das
der Phönizier und Ägypter Liebe zum Gelde sei. Wenn er
▼on seinen ägyptischen Freunden kein Geld geborgt hat.
so hat er jedenfalls keine Philosophie von ihnen geborgt.
Als man in den letzten Jahren begann, die alten Litte-
ratnren von Ägypten, Babylon, Persien, Indien und China zu
studieren, fehlte es nicht an Orientalisten, welche dachten,
tto bitten manche von den Quellen der griechischen Philo-
sopbie in jedem von diesen Ländern entdeckt. Aber auch
^^ Periode ist Yorübergegangen. Die Ansichten von Bohlen,
^th, Qladisch, Lorinser und Anderen werden von den besten
Fatalisten nicht mehr geteilt. 8ie geben alle das Vorhanden-
^ überraschender Übereinstimmungen in Bezug auf gewisse
^^te und besondere Lehren zwischen morgenländischem und
^dlindischem Denken zu. aber sie leugnen die Notwendigkeit,
•
'^d eine thatsächliche Entlehnung anzunehmen. Ansichten
^ der des Thaies, dass das Wasser der Ursprung aller
^^^Mi, der des Heraklit, dass das Göttliche Alles durchdringe,
««r des Pythagoras und des Plato, dass die menschliche Seele
6*
H4
Dritt« N'^rluBung.
durch tioriscIiB Körper wandere, der des Aristotelfis, dass ea fllof
I'ileaiente gebe, der des ICmpedokles und der Or|iliiker, linss
FloifichnahruDg tadelliaft sei, — uUen diesen Anaicliten Ifiast sieb
leicbt etwas Ätiolicbes in der orientaüscben Philosophie an
die Seite stcllcii ; es warde aber viel stärkerer ArgameDte
bedlli'fen, aU bisher vorgebracht worden sind, nm zd be-
weisen, daas jene Philosophon sie entlehnt, oder vielmehr
daas sie sieb dietielbon iinohi'Iicberweisc angeeignet hatten.
Die indische l'hnosophle aut«chtfaontsch.
Vergessen wir also nicht, das» die Schlussfvigerung, id
der wir gekommen sind, uns in den Stand setzt, die indische
Phiiosophie als einen vKllig unabhängigen Zeugen zn
handeln. Anders verhielt es sich mit der indischen Religion
und Mytholo^e. Wenn wir die indische Religion nnd
Mythologie mit der Religion und Mythologie der Oriecbeo
nnd Römer, der Kelten nnd TeDtouen verglichen, kennten wir
noch dentlich bemerken, wie der gemeinsame arische Saner-
teig in ihnen alleo guhr. Ihre Rudimente sind dieselben.
so verschieden auch ihre individuelle Eutwickelung sein mag.
Wenn wir aber dnriin gehen, die indische Philosophie mit
den ältesten Philosophien anderer arischer Völker zu ver-
gleichen, SD steht die dache ganz anders. M. Hevillo be-
merkt in seinem gelehrten Werke über die amerik&nischuD
Religionen , dass die Religionen von Mexiko und Peru ni
wie die Religionen eines anderen Planeten anmuten, indem »
gar keinen Verdacht aufkommen lassen, dass das Denken der
alten Welt je den geringsten Einllnss auf das der uenen WelL-
BUSgeUbl. Dasselbe gilt allerdings nicht fUr die Religion, woliS
aber für die Philosophie Indiens. Abgesehen von dem Ein—
Ituss, welcher der gemeinsamen Sprache zuzuschreiben isb
nnd der nie ganz außer acht gelassen werden darf, kOnnftS
wir die älteste Philosophie Indiens wie einen gUnzlich unat»
hüugigun Zengen, wie die Philimophie eines anderen Planet^rl
behandeln; nod wenn die indische UDddlegrieuhischei'hiloBOptsIl
Die histor. Verwandtschaft alt. KeligioDcn u. Philosophien. 85
in Bezug auf gewisse Punkte zu denselben Resultaten ge-
langen, 80 können wir solche Übereinstimmungen begrfißen,
wie die Astronomen die Übereinstimmungen zwischen den
Forschungen Leverriers und Adams begrtlßten, die beide
unabhftngig voneinander in ihren Studierzimmern zu Paris
und Cambridge arbeiteten. Wir können uns in der That auf
das deutsche Sprichwort berufen:
Aus zweier Zeugen Mund
Wird alle Wahrheit kund,
und eine Wahrheit, in Bezug auf welche Badaräya/^a und
Plato fibereinstimmen, als nahezu bewiesen, nicht aber als auf
einer oder der andern Seite geborgt, ansehen.
Vierte Vorlesung.
Das Verhältnis der psychologischen zur physischen und
anthropologisohen Beligion.
Die wesentltclien Elemente der Beltgrlon.
Eine der größten Schwierigkeiten bei dem Stadium der
alten Religionen ist das gänzliche Fehlen jeder systematischen
Anordnung in ihren heiligen Bflchem. Vergeblich suchen
wir nach irgend etwas wie Olanbensbekenntnissen^ Glanbens-
artikeln oder einem wohldurchdachten Katechismus. Es bleibt
daher uns selbst fiberlassen, das Chaos von Gedanken, das
sie enthalten, in eine Art Ordnung zu bringen.
Dies ist auf verschiedene Weisen versucht worden.
Zuweilen sind die in ihnen enthaltenen Lehren in zwei
Klassen angeordnet worden, als Dogmen, an die man xn
glauben hat (Theologie), und als Lebensregeln, die zu befolgen
sind (Ethik). Andere Gelehrte haben Alles, was sich anT
äußeres Ceremoniell bezieht, gesammelt und von dem, w;
über die Götter geglaubt wurde, zu trennen gesucht. In d
meisten Religionen würde es aber geradezu unmöglich sei
Ethik und Dogma zu trennen, während das Ceremonie
wenigstens in seinem Ursprung immer mehr die äußere Fe
st, in der sich religiöser Glaube offenbart. In jüngster Z^xi
hat man diesen äußeren oder auf das Opfer bezüglioh^3X
Elementen der Religion Hehr viel Aufmerksamkeit geschenlKi:
und es ist ein langer Streit darüber geführt worden, ob &^i^
Opfer der eigentliche Ursprung aller Religion sei, oder ol
Dm Verhältnis der psychol. zur pbys. n. antbrop. Religion. S7
jedes Opfer, wenn es nur gehörig verstanden wird^ einen
GUnben an Götter voraussetzt, denen die Opfer dargebracht
wurden.
Die hauptsächlich von Gruppe vertretene Theorie, dass
das Opfer zuerst komme und dann der Glaube an Götter,
scheint mir gänzlich unhaltbar, wenn nicht ein Widerspruch
m sich selbst. Eine Darbringung kann doch nur eine Dar-
bringung an irgend Jemand sein, und selbst wenn dieser
Jemand noch keinen eigenen Namen bekommen hat, so muss
er doch unter einem allgemeinen Namen, wie ^himmlisch\
'unsterblich', 'göttlich, ^mächtig u. dergl. begriffen worden sein.
Es ist zum Beispiel keine neue Entdeckung, dass viele
der Hymnen des Rigveda das Vorhandensein eines hochent-
wickelten Geremoniells voraussetzen, aber zu sagen, dass dies
bei allen der Fall sei, oder dass kein Hymnus verfasst wor-
den sei, außer als Hilfsmittel zum Opfer, verrät eine sonderbare
Unkenntnis handgreiflicher Thatsachen. Selbst die zu Opfer-
iwecken yerfassten Hymnen setzen den Glauben an eine
Anzahl von Göttern voraus, denen Opfer dargebracht werden.
Wenn ein Hymnus beim Morgenopfer verwendet werden sollte,
ao verdankte schon dieses Morgenopfer selbst seinen Ursprung
dem Glauben an einen in der aufgehenden Sonne sich offen-
barenden Gott, oder an eine Göttin der Dämmerung. Das
Opfer war flbrigens so spontan wie ein Gebet oder ein
Hymnus, ehe es traditionell, technisch und rein ceremoniell
^'wde. über diesen Punkt kann es nur Eine Meinung geben.
*o lange wir uns mit Thatsachen und nicht mit Hirngespinn-
>ten besehäftigen.
Meine eigene Einteilung.
In meinen Vorlesungen über natürliche Keligiou habe
^A einer anderen Einteilung den Vorzug gegeben und habe
^ jeden der drei Teile, die ich als die wesentlichen Be-
•'■"»äteile aller Religionen ansehe, je einen Kursus bestimmt.
*ein erster Kursus von Vorlesungen sollte bloß als Einleitung
SS
; Vorlesung.
dien&n und hatte die DefiDition der natiirlichm HcUgion in
ihi'om weitesteu Sinne zum UegensUnd. Auch Iiicit ich es
fUt' nöti^, ehe ich an den Gegenatood selbst herantrat, eine
ScliilderuDg der Urkundeu zu geben, ans deuen wir zuver-
Ussige Auskunft Über die nutttrliche Religion, wie sie sieb
nna in der historischen Entwickelnng der haaptsäcMicheu
Keligionen der Welt darstellt, erhalten können.
Mein zweiter Kursus, der Über />Ay«i'»cAe Jteliffion
handelte, sollte zeigen, wie verschiedene Volker eu dem
Glauben an etwas Unendliches hinter dem Endlichen, an
etwas Unsichtbares hinter dem Sichtbaren, an viele ungesehene
Agenlieit oder Naturgötter gelangt waren, bis sie znletzt durch
den natürlichen Wunsch nach Einheit den Glauben an Einen
Gott llber allen diesen Göttern erreichten. Wir sahen, wie
das. was ich das Unendliche in der Natur nannte, oder das,
was allem Endlichen und Phänomenalen in unserer kosmischen
Erfahrung zu Grnnde Hegt, benannt, individuBlisiert nod
personifiziert wurde, bis es am Eude wiederum als Ober alle
Namen erhaben aufgefasst ward.
Mein dritter Kurans, der Ober anthropologische Iteliffton
handelte, sollte zeigen, wie verschiedene Völker tu dem
Glanben an eine Seele gelangten, wie sie deren mannigfaltige
Krilfte benannten, and was sie llber ihr Sobicksal nach den
Tode dachten.
Während also mein zweiter Kursus eine Geschichte dor
Entdeckung des UnendUchen in der Natur sein sollte, BoUta
mein dritter Kursus die Kntdecknng des Unendlichen in
Menschen darthun.
Es bleibt mir nur noch Dbrig, in diesem meinem lelxten
Kuraus von dem Verhitltnis zwischen diesen beiden Arten
des Unendlichen — wenn es in der That zwei Arten de»
LTnendiichen geben kann — zn handeln oder Ihnen die Vor-
stellungen zu erklären, welche einige der hauptsächlichstcta
Völker der Welt sich Ober das Verhältnis zwischen der Seele»
und Gott gebildet. Es ist von Newman mit Recht bemerkt
und aufs nachdrtlcklichste betont worden, dasa weder der
Das Verfailtnis der psyehol. znr phys. n. antbrop. Religion. S9
Gliuibe an Gott für sich allein, noch der Glanbe an die
Seele flUr sich allein eine Religion aasmachen wttrde, und
daas wirkliehe Religion anf ein wahres Verständnis des T>r-
hültnUses der Seele zn Gott nnd Gottes zur Seele gegründet
sd. Was ich beweisen will, ist eben das, dass dies Alles
wahr ist, und zwar nicht bloß als Postulat sondern als
historische Thatsache.
Aneh nnterli^ es keinem Zweifel, dass unser Begriff
Gottes in hohem Maße von unserem Begriff der Seele ab-
hingt, und es ist bemerkt worden, dass es besser gewesen
wtre, wenn ich die anthropologische Religion vor der physi-
schen behandelt hätte, denn ein Glaube an das Unendliche
in der Natur, an unsichtbare Mächte hinter den großen
Pliänomenen der physischen Welt; und schließlich an eine
Seele des Weltalls wäre unmöglich ohne einen vorherigen
Glauben an das Unendliche im Menschen, an ein unsichtbares
Agens hinter den Aktionen des Menschen, mit einem Wort,
SB eine Seele oder einen Geist. Dieselbe Idee hatte offenbar
Mdster Eekhart im Sinne, wenn er sagte: >Je näher ein
Mensch in diesem Leben mit seiner Erkenntnis dem Wissen
der Seele kommt, desto näher ist er der Erkenntnis Gottes. <*j
Vom historischen Standpunkte jedoch scheinen es die
ii der objektiven Welt bemerkten großen Phänomene ge-
veaen zn sein, welche zuerst im menschlichen Geiste die
Uee von einem Jenseits, von etwas Unsichtbarem und doch
Wirklichem, von etwas Unendlichem oder die Grenzen mensch-
licher Erfahrung Überschreitendem erweckt haben. Und
^^kseheinlich in diesem Sinne bemerkte ein alter Rabbi:
>6ott sieht nnd wird nicht gesehen; so sieht auch die Seele
■■^ wird nicht gesehen. < ^) Die beiden Prozesse, welche zn
^ Glauben an einen unsichtbaren Gott oder das Unendliche
•
^ ittBem objektiven Charakter, und zu dem Glauben an
Ij AU vil ein mensche in disem leben mit sinem bekenntnisse
^ ■*her kamt dem wisen der sele, je naher er ist dem bekennt-
^*« gotes ed. Pfeiffer, p. 617, Z. 32 .
2 Bigg, Bampion Lectures, pp. h\ 1 u. n. 3.
00
Vipvte Vorlesung.
eine nnsichtbaro Seele odet das Unendliche in seinem aub-
Jektiven Charakter fOhron, sind wirklich so enge verknOpft,
dass es schwer zu »agen ist, welcher von beiden zuerst be-
handelt werden sollte , oder welcher von beiden in der
historischen Entwtckelung; der Retigion zuerst kam. Soviel
jedoch ist ganz klar, dasa die psychologische Religion sowohl
die physische als die anthropologiBche Religion voraassetEt,
and dass sowohl der Begriff Gottes als der Begriff der Seel«
ansgearbeitet werden mnasten, ehe die Seele und Gott xn
einander iu Beziehung gebracht werden konnten. Ja Gott
musste zuerst als seelenähnlich', und die Seele des Menachen
als gotlähulich begriffen werden, denn nur das Ähnliche kann
Ähnliches erkennen, nnr das Ähnliche kann das Ähnliche lieben,
nnr das Ähnliche kann mit dem Ähnlichen vereint sein.
IHe Bedentnu^ des NamenH Ts7cholo(r!!>che Rellg^ion'.
Wenn ich den Namen "Psychologisohe Religion' gebrauch«,
uro darunter alle Yersache zusammenzufassen, die gemacht
worden sind, das wahre Verhältnis zwischen der Seele und
Gott zu entdecken, so geschieht dies, weil andere Namen wie
Theosophisch, Psijcimch oder Mystisch, so sehr missbraucht
worden sind, dass sie gewiss eine falsche Vorstellung er-
wecken würden, '■Tbeosophüch' erweckt die Vorstellung von
nusschweifonden Spekulationen llber die verborgene Katar
Gottes; 'Psychisch' erinnert uns an Verzückungen, Visloaeo
und Geister ; bei 'Mystisch' denkt man an etwas Vages, Nebel-
haftes und Geheimnisvolles, während dem Forscher, der srcli
mit der psychologischen Religion bescIiÄfligt, das wahre Vei^
haitnia der zwei Seelen, der menschlichen und der gOttliehen
Seele, so klar ist oder sein soll, wie ein streng logischer
Syllogismus. Ich werde diese Namen nicht ganz vermelden
künnen, da die horvorragendstcD Vertreter der' Theosophle
und mystischen Religion auf diese Namen stolz gewesen sind,
und sie sind ganz zutreffend, wenn sie nur klar und dentlnk
definiert werden. Es ist freilich nichts leichter nnd dumn
Dm VerhältDis der psychol. znr phys. u. anthrop. Religion. 91
für gewisse Leute verlockender, als dasselbe Wort im schlimmen
Sinne zu gebrauchen und so durch einen bloßen Namen
Lehren zu verdammen, welche von den weisesten und besten
der Menschen vertreten worden sind. Mit dieser Art von
Kritik brauchen wir uns nicht aufzuhalten, und sie soll uns
nicht hindern, den Namen 'Theosopliic' für unsere Zwecke
anzunehmen.
In den meisten Religionen der alten Welt ist das Ver-
hiltnis zwischen der Seele und Gott als eine Rückkehr der
Seele zu Gott dargestellt worden. Eine Sehnsucht nach Gott,
eine Art göttlichen Heimwehs findet in den meisten Religionen
Ausdruck. Der Weg aber, der uns heim führen soll, und
die Aufnahme, welche die Seele in des Vaters Haus erwarten
darf, sie sind in verschiedenen Ländern und in verschiedenen
Sprachen auf sehr verschiedene Arten und Weisen ausge-
drückt worden.
I« Rückkehr der Seele zu Gott nach dem Tode«
Wir können die über diesen Gegenstand gehegten An-
sichten und Hoffnungen in zwei Klassen einteilen. Nach der
Ansicht mancher Religionslehrer ist eine Rückkehr der Seele
zu Gott nur nach dem Tode möglich, und wir werden viele
und viele Versuche sehen, viele und viele Brücken, die von
Hoffnung und Glauben über den Abgrund geschlagen worden
sind, der das Menschliche von dem Göttlichen zu trennen
scheint Die meisten dieser Brücken jedoch führen nur zu
der Heimat oder zu dem Throne Gottes und lassen die Seele
dort stehen, versunken im Anschauen und in der Anbetung einer
nicht verwandten objektiven Gottheit. Alles ist noch mehr
oder minder mythologisch. Die Gottheit sitzt auf einem
goldenen Throne, und die Seelen sind zwar ihrer materiellen
Körper entkleidet, aber doch noch gleich den Schatten ihrer
irdischen Körper, sie nahen sich den Stufen des Thrones,
bleiben aber immer in gewisser Entfernung von dessen gött-
lichem Insassen.
Vierte Vorlesung.
N&ch der AnHicht anderer Iteligionslohrer kann die l
endgültige Seligkeit der Seele schon m diesem Leben
errungen werden . ja mnsH in dieBem Leben errangen
werden, wenn sie im nilcbsten Frucht tragen aoU. Diese |
Seligkeit erfordert keine Brücken, sie erfordert nnr Kenntnis, J
Konntniä von der notwendigen Einheit dessen, Vias im '
Menschen göttlich ist, mit dem, was in Gott grittlich ist. Die j
Brahmanen nennen es Selbatkennlnis. d. h, die Kenntnis, dase I
unser wahres Selbst, wenn es irgend etwas ist, nnr dasjenige '
Selbst sein kann, welches Alles in Allem ist, und neben dem
es nichts Anderes gibt, Znweileo bripht diese AafTassnng
der innigen Beziehnng zwischen der menschlichen and der
göttliuhen Natur plötzlich herein, als das Ergebnis einer !
unerklärten geistigen Anschauung oder Selb Sterin nerung. Zn- 1
weilen jedoch acheint es, als ob die Gewalt der Logik den ,
menschlichen Geist zn demselben Ergebnis gebracht hatte. ]
War Gntt einmal als das Unendliche in der Natnr erkannt |
worden und die Seele als das Unendliche im Menschen, so
suhien daraus zu folgen, dass es nicht zwei Arten des Unend-
lichen geben könne. Die Eleatiker waren offenbar in ihrer
eigenen Philoso|)hie durch eine ilbnliche l'base des Denkens
gegangen. >Wenn es ein unendliches gibt,' sagten sie, >so
ist ea Eines, denn wenn ea zwei gftbe, so konnten sie nicht
unendlich sein, sondern wQrden eines gegen das andere endlich
sein. Aber daa Seiende ist unendlich, und es kann davon
nicht mehrere [iiifra) geben. Darum ist das Seiende Eines. *'J
Nichts kann ausgesprochener sein, als dieser eleatische
Moniemna, und bei diesem wQrdo die Annahme einer Seele,
dos Unendliclien im Menschen, als verschieden von Gott, dem
I) Sl il anttiiiiv. tr ■ fi yä^ tfi'o tii;, obx Ar di'vnito ituipt
itraf ilX' (/Ol «»■ nB/poin Jtghg !iXXi;Xn • äntt^ov Ü th ibr, eH
(ipn irl^u in inrtt ■ tr Stfa ih i6i'. iMeliasus, Frafftn. 3.1
Das Verhältnis der psychol. zur pliys. u. anthrop. ReligioD. 93
UncDdlichen in der Natar, uDverständlich gewesen sein. In
Indien war der Vorgang nicht ganz derselbe, aber er führte
am Ende zu demselben Resultat. Man hatte erkannt, dass
Brahman oder das Unendliche in der Natnr von allen Prä-
dikaten frei sei, außer den drei Prädikaten: sat, Sein^
kit, Wahrnehmen, und änanda, Seligkeit. Als man
späterhin entdeckte, dass auch von dem Unendlichen im
Menschen, der Seele, oder vielmehr dem Selbst, dem
Atman, nichts ausgesagt werden könne, als dieselben drei
Eigenschaften, Sein, Wahrnehmen und Sichfreuen, war die
Sehlussfolgemng fast unabweisbar, dass diese Beiden, Brah-
man nnd Atman, ihrer Natnr nach Eins seien. Auch die
ersten Christen, wenigstens diejenigen, welche in den Schulen
der nenplatonischen Philosophie aufgewachsen waren, hatten
ebe klare Vorstellung davon, dass die Seele, wenn sie ihrer
Natnr nach unendlich und unsterblich ist, nichts neben Oott
oder an der Seite Oottes sein kann, sondern dass sie von
Gott nnd in Oott sein muss. Paulns gab demselben Glauben
oder derselben Erkenntnis nur in seiner eigenen kühnen
Weise Ausdruck, wenn er die Worte sprach, die so [viele
Theologen verblüfft haben: »In ihm leben, weben und sind
wir«. Hätte irgend jemand anders diese Worte geäußert,
M würden sie sofort als pantheistisch verdammt worden sein.
Pantheistisch sind sie ja ohne Zweifel, und doch drücken sie
den eigentlichen Grundton des Christentums aus. Die gött-
liche Sohnschaft des Menschen ist nur ein metaphorischer
Ausdruck, aber sie sollte ursprünglich dieselbe Idee versinn-
liehen. Auch war diese Sohnschaft von Anfang an nicht
bloß auf Eine Offenbarung des Göttlichen beschränkt. Zum
ödesten die Macht Söhne Gottes zu werden wurde für alle
^»chen beansprucht. Und wenn die Frage aufgeworfen
^^de, wie das Bewusstsein von dieser göttlichen Sohnschaft
J* verloren gehen konnte, so lautete die vom Christentum
S^ebene Antwort: durch die Sünde, und die von den Upa-
^ibaden gegebene Antwort : durch a v i d y A , das Nichtwissen.
^^ bezeichnet die Ähnlichkeit und zugleich den charakteri-
■)4
Viorto Vorlesung.
stisi^hen UntoracLiod zwischoii diesen beiden ICeligiünen. Di«
Kr«ge, wie das Nichlwiasen sich der tnonschlicken Seele be-
inachtigto and sie v^mnlasste za denken, sie knnne irgendvo
nndora als in Brahman leben oder weben oder wahrhaft sein,
bleibt in der indiBchen Philosophie ebenso nnbeantwoitbar,
wie im Cliristentam die Finge, wie die Suudi- zuerst in die
Welt gekommen sei. ')
Tcda und Vedänin.
Wenn wir uns ftlr das Stndium der pliysiaclien Heligion.
namentlich der Aufaugsal*dieii der physischen Religion hanpl-
sachlich, wenn nicht gilnzlich. auf den Veda verließen, so
werden Sie finden, dass auch fOr das Studium der psychologi-
schen Religion und ihrer ersten Außlnge der Veda gleichfalls,
ja noch mehr, unsere wichtigste, wenn nicht nnaere einzige
AutoritSt ist. Es sind jedocb nicht melir die Hymnen des
Veda, in denen wir die vollste Verwirklichung der psyohoiiH
gischen HcÜgion zu suchen haben werden, sondern das, was
man den Vedünta, 'das Ende des Veda*. nennt. Dies ist
der Name, der, wie Sic sich wohl erinnern werden, den Upa-
niabadcn oder dem CüAnakä/Jt/a, dem vom Wissen handeln-
den AbBobnitte des Veda gegeben wird, im Gegeosati iiun
KarmakilMi/a, dem von den Werken handelnden Abschnitt«.
Es int zweifelhaft, ob Vedänla ursprünglich das Ende, d. b.
die letzte Abteilung des Veda, oder, wie es manchmal erklirt
wird, das Ende, d. b. das bncbste Endziel des Veda bfr-
deutete. Beide Deutungen lassen sich verteidigen, Die
Upanishadeu haben wirklich ihre Stelle als die letxten AI>-
schnitte dos Vod«. sie sollen aber nach der Ansieht der Inder
auch die Mite nnd bSchste Lehre der Religion und i'hllo-
Sophie dos Veda in eich achließen.
I) Haroack, I, p. t03. Clemena Alex. (Strom. V. 14, 113^ «agt:
oitue iTüfa/iii- }.tifi»i«a ttvourKi/v i; ^vji; fiiXriii rti-ai Stof, cnior
Iha Verhältnis der psychol. znr phys. u. anthrop. Religion. 95
Die üpanlshaden.
Was diese Upanishaden sind, ist allerdings nicht leicht
ZD beschreiben. Ich habe in den Sacred Books of the East
die erste voUstlndige Übersetzung der zwölf wichtigsten
Upanishaden veröffentlicht. Der charakteristische Zag der-
selben, anf den ich Sie jetzt aufmerksam machen möchte,
ist ihr fragmentarischer Stil. Es sind nicht systematische
Abhandinngen, wie wir sie in der griechischen Philosophie
zu finden gewohnt sind, sondern es sind Fragmente, bloße
Xatmaßnngen der Wahrheit; bald werden sie gewissen
Weisen, deren Namen gegeben sind, zugeschrieben, bald sind
sie in der Form von Dialogen dargestellt. Sie sind meistens
io Prosa abgefasst, enthalten aber auch häufig Überreste
plnlosophischer Poesie. Es ist jedoch sonderbar, dass sie
rwar der Form nach unsystematisch, aber doch nicht ohne
ein ihnen allen zu Grunde liegendes System sind. Oft finden
wir. dass dieselben Gegenstände in verschiedenen Upanishaden
ii ähnlicher, ja in derselben Weise, zuweilen mit denselben
Worten behandelt werden, und sie erinnern uns in dieser
Hinsicht an die drei synoptischen Evangelien mit ihren auf-
ütUenden Ähnlichkeiten und ihren nicht minder auffallenden
ÜBäknlichkeiten. In manchen Fällen sehen wir sogar ein-
aader diametral entgegengesetzte Meinungen, die von ver-
scMedenen Antoritäten behauptet werden. Während wir an
überstelle lesen ^Am Anfange war Sat', das Seiende, xo or,
Icien wir an einer anderen Stelle ^Am Anfange war Asat\
^ Niehtseiende, rb firj ov. Andere Autoritäten sagen: >Am
^äfittge war Finsternis; am Anfange war Wasser; am An-
'**^« war Pra^äpati, der Herr alles Geschaffenen; am An-
^^e war Brahman; am Anfange war das Selbst.«
Es seheint wohl auf den ersten Blick schwierig, aus so
'^leiehartigen Materialien ein gut eingerichtetes Gebäude
**^^ibauen; nnd doch ist es gerade das. was die Begründer
****«iit was man das Vedänta-System der Philosophie nennt,
^ QUade gebracht haben.
IMI
Vierte Vorltaung.
Die Schwierigkullen , mit denen die Begründer dieses
Systems zn kämpfen hatten, waren noch dadurch hnndertfach
vermehrt, dass sie jedes Wort nnd joden Sitti: der Upani-
shadeu aU ofTenbart nnd ab unfehlbar hinnehmen mnislcD.
Alles, was in den l'panisbaden stand, ao widersprechend es
»uf den ersten Blick auch scheinen mochte, musste als wahr
ungenommen. mnsst« erkUrt und mnsste irgendwie in Einklang
gebracht werden isamanvayaj. Und es wnrde in Einklang
gebracht und zu einem System der Philosophie verschmolzen,
das in Bezug anf Festigkeit and Abgeschlossenheit mit jedem
anderen philosophischen System der Welt den Vergleich ans-
hftll. Dies geschah in einem Werke, das nuter dem Namen
'VedAnta-Sil traa' bckanni ist.
Vedünta'Sätras.
ber^fl^l
ßötra bedeutet wörtlich 'Schnur. Faden', ist aber"n
als der Name kurzer, fast rätselhafter Satze gebraucht, welche
gleichsam den Kern jedes Kapitels In der bündigsten Sprache
enthalten und so eine Art Inhaltsangabe dos ganzen Systems
der Philosophie bilden Mir ist nicbts Ahnliches wie dieser
Sfitraelil in irgend einer hitteratur bekannt. wBbrend i
Indien eine ganze Littcraturperiode gibt, in der Alles, wbb
sonst entweder in Prosa oder in Versen behandslt wird,
diese karzen Aphorismen gebracht wurde. Die ältesten dieser
Siitras sind noch bis zu einem gewissen Grad veretSndllch.
obzwar immer schwer zu verstehen. Nach einiger Zeit wurden
sie aber so kurz nnd gedrflngt, die Verfasser derselben be-
dienten sich so vieler rein algebraischer Behelfe, dsaa icli
glauben mdchle, sie mllssten an nnd fflr sich oft ganz natilot
gewesen sein. Es scheint, dass sie den Zweck hatten, znonl
auswendig gelernt zu werden, um ihnen nachher eine mQnd-
liehe Erklärung folgen zu lassen; es Ist aber schwer zn aagoD,
ob sie onabhängig verfaast worden, oder ob sie von Anfang u
ein bloßer Anszug ans einem schon vorhandenen Werke, ein»
An Inhal Isangabe eines vollständigen Werkes waren. Iela._
Das Verhäitnis der psychol. zur phys. u. anthrop. Religion. 97
mnss gestehen, die Ausarbeitung dieser Sütras — ob sie nun
zn einer Zeit verfasst wurden, wo die Schrift noch unbekannt
war, oder ob sie anfangs die Überschriften geschriebener
Abhandinngen vorstellen sollten — scheint mir Alles, was
wir heutzutage zu stände bringen konnten, weit zu flberbieten.
•
8ie mUssen eine Konzentration des Denkens erfordert haben,
die wir uns nur schwer vorstellen können. Als Kunstwerke
sind sie natürlich nichts, aber fQr den Zweck, für den sie
beabsichtigt waren, nämlich einen vollständigen und genauen
Abriss eines ganzen Systems der Philosophie zu geben, sind
sie bewunderungswürdig; denn bei gehöriger Erklärung lassen
äe nicht den geringsten Zweifel aufkommen über den ge-
iiiiien Sinn dessen, was die Verfasser philosophischer Systeme
in Bezug auf irgend einen beliebigen Punkt lehrten. Dasselbe
^t von den Handbüchern über Grammatik, Ceremoniell,
Recht u. 8. w., die gleichfalls in Form von Sütras abge-
&S3t sind«
Die Zahl dieser Sütras oder Überschriften ftlr das
System der Vedänta-Philosophie beläuft sich auf ungefähr 555.
fe bilden vier Bücher 'adhyäyas , von denen jedes in vier
b^itel (pAda) eingeteilt ist.
Außer als VedAnta-sütras ist dieses Riesenwerk auch unter
te Namen 'Mimämsä-sütras' bekannt. Andere Namen sind
Brahmarsutras, «Säriraka-MimamsA-sütras, oder Vyäsa-sütras.
Kmimsä ist eine Desiderativform der Wurzel man. denken, und
**nat ein sehr passender Name fflr Thilosophie'. Man unter-
■^«det jedoch zwischen der FürvA und der Uttara Mim:\msa, d. h.
te frttheren und späteren Mim:\msA ; die erstere ist ein Ver-
^^ das Ceremoniell und die Opferregeln des Veda in ein
'^■ttUDenhängendes System zu bringen, letztere bezweckt,
^ ^ sahen, die systematische Anordnung der in den ver-
•«üedenen Upanishaden zerstreuten Äußerungen, die sich auf
^'^kttan als das Selbst des Weltalls und zugleich das Selbst
^ 8eele beziehen. Die Sütras der früheren Mima//?sa werden
••• Gttmini, die der späteren dem Badaraya/^a zugeschrieben.
Wie gewöhnlich in der indischen Litteratur, wissen wir
*** M Aller, Theosophie. 7
9S
; Vorlesung,
nicht, w<jr Bäd&räya»a war und wanu er lebte. Nur au viel
können wir s&gen, ilass seine Siitras du Vorhandensein nicht ,
nur der hauptsächlichen Upanishaden voran sset/e u , sondern
nuch einer Anzahl von Lehrern, die mit Namen angeflüirt
werden, deren Werke aher für i
■erloreu sind.
Koiumentiir '
1 SauTtarkkärja,
Der bei'ShmtesCe, wenu auch möglicherweise nicht -der
älteste vorhaudene Kommentar zu diesen Sütraa ist der ven
A'aAkara oder .S'a<^karä/-är,va. Man uimml an. dass er im
achten odor uiebenten Jahrhundert n. Chr. gelebt habe.
äein Kommentar ist mehrmals im Sanskrit verSfl'entlicbt
worden, und ea gibt zwei Übersetzungen desselben, eine
dcutschu vou Deussen, und eine engÜBche von Thibant; die
letztere bildet den XXXIV. Band der Sacred BooAn of tke
Eiisf, ein zweiter Band soll noch folgen. Obzwar ,ä'afikara's
Kommentar die höchste AntoritJLt in ganz Indien genießt, gibt
es aber doch noch andere Kommentare, die sich neben dem-
selben ganz gut behaupten und iu manchen sehr wese
Funkicn vou demselbeu abweichen.
der,TP!P
Der bekannteste ist das sogenannte •$tt-bh&sh<
Bftmftnn^a, einem berühmten Valshnava-Tbeologen.
I] Piitliaks im Ind. Ant. XI, t74 setzt als sein Datum Kalifnga.
388tk— ay21 =187—7^9 n, Chr. an. ein Datum, das von Wober
llndiiche Liiteralurptirhickle, 3. Aafl.. p. Sßi und anderen Gelehrtan
angenommen wurde, ^ankara's Qeburt soll nach der goH ithnliolie^
Annahme zu Ealäpi in Keräla im Jabre de« Kaliyuga 3b^9,
Jäbre der Vikrfma-Ära SU. d. h. ungefähr 7SS n. Chr. statlgefan-
iten haben (Denssen, Sytlrm du IWJnfa, p. 37). TeUng jcdoekl
set/r Satifcarn's Zeit viel früher, 5i>0 n Cbr„ au, und Fleet »e
den NcpaleBiscbfln KOnlg Vrtshadeva. der •Vankaca kannte i:
seinen Solin nach ihm £aäkaradera hieß, zwischen ti3U — S5&
Chr. {Deusaeo. Sätra», p. vii). Siehe Fleet im Ind. Anl., Jan. 18
Das Verhältnis der pßychol. zur phys. u. anthrop. Religion. 99
man annimmt, im zwölften Jahrhundert n. Chr. gelebt
hat. Er bekämpft oft «S'aAkara's Theorien, nnd zwar nicht
nur in seinem eigenen Namen, sondern aneh als Vertreter
eines gänzlich nnabhängigen Stromes der Überliefemng. In
Indien, wo noch lange nach der Einfflhmng der Schrift das
geistige Leben und die litterarische Thätigkeit sich in den alten
Bahnen mündlichen Unterrichts weiter bewegte, stoßen wir fort-
während anf eine Menge von Namen, die als Autoritäten an-
geführt werden, ohne dass wir einen Grnnd zur Annahme
hätten, dass sie je irgend etwas Schriftliches hinterließen.
Rämännya tritt nicht als Anreger einer neuen Theorie des
Vedänta anf, sondern er beruffc sich auf Bodhäyana, den
Verfasser einer Vrttti oder Erklärung der Brahma-sütras, als
seine Autorität, ja er verweist auf frühere Kommentatoren
oder Vrttti-käras zu Bodhäyana, die gleichfalls seine Ansichten
unterstützen sollen. Man hat angenommen, dass Einer der-
selben, Dramie/a, der Verfasser eines Dramie/abhäshya oder
eines Kommentars zn Bodhäyana, derselbe sei, wie der
Drävicia, dessen Bhäshya zur J[%ändogya-Upanishad von
^aj&kara in seinem Kommentar zu dieser Upanishad (p. 1,
Z. 2 infra) mehrmals angeführt wird, und dessen Ansichten
tber die Vedänta-sütras zuweilen, von «S'aükara verfochten
werden (siehe Thibaut, S. B. E, XXXIV, p. xxii). B&darä-
yana selbst, der Verfasser der Vedänta-sütras, citiert eine
Anzahl älterer Autoritäten,^) es folgt aber keineswegs, dass
TOD ihnen verfasste Sütras in der Form von Büchern jemals
Torhanden waren.
Drei Perioden der Yedänta-Lltteratur.
Bei dem Studium der Vedänta-Philosophie haben wir
^ Aufeinander folgende Schichten des Denkens zu unter-
scheiden. Wir haben zunächst die üpanishaden, die eine
1) Z. B. Atreya, Ä«marathya. Auefulomi, Kfirshwäi/ini , Ka»a-
^'^'«Ä, (?aimini, Badari. Thibaut, !S. B. E. XXX IV, p. xix.
7*
34ÖOSÖ
100 Vierte VorieBung,
große Anzahl von Lehrern voraussetzen, welche Lofater ia
Bezug Hof weaentliche, und nicht minder in Bezog auf klein-
liche Pankle oft voneinander abweichen. Wir haben zweitens
die Sfttras des BftdarÄyana, welche die wahre Bedeutnng der
üpaniahaden, in eine aystema tische Form gebracht, g:eben
wollen, aber dabei das Voihiindennein verschiedener Meinnn^en
. nicht leugnen und anf gewisse Autoren, die abweichende
Anscbaunngen vertreten, Bezog nehmen. Es gab drittens
die Kommentare von ^Safikara, Bodhäj'ana, Rftmänu^a nnd
vielen Anderen. Diese Kommentare sind jedoch nicht blolle
Kommentare in unserem Sinne des Wortes, sondern sie sind
eigentlich philosophische Abhandlnngen, indem jeder einzelne
von ihnen eine unabhängige Ansicht von den Sntraa nnd
mittelbar den l'panishaden verteidigt,
Ei^eullimlicher Cliarukti-r der indlscheu Phllo»o|>biv.
Es ist nicht (IberraacbeDd, dass Philosophen, wenn sie
znm ersten Mal die üpanishaden oder die Vedänla-sfltraa
lesen, dieselben sonderbar finden nnd iu ihnen jene enge
Ideen verkettnng vermissen, an die sie in der Philosophie des
Abendlandes gewohnt sind. Es ist schwer, Aber das GefUhl
hinwegzukommen, dass der Strom philosophischen Denkens,
wie wir ibn in Enropa kennen, der sich von Griechenland
dnrch das Mittelalter hindurch bis an unsere eigenen Oe-
stade hinzieht, der einrige Strom sei, anf dem wir seibat mn
frei bewegen können. Es ist ganz besonders schwer, di«
Sprache der orientalischen Philosophie in die unserer eignen
zu Öbersetzon nnd unsere eigenen Probleme in den philo-
sophischen und religiösen Schwierigkeiteu der Philosophen
des Orients wieder zu erkennen. Dennoch werden wir findeBi
dass unter der Oberllftcbe eine Ähnlichkeit des Zweckes in
der Philosophie des Ostens nnd der des Westens vorbanden
ist, und daas wir mit dem Ringen nach Wahrheit sympathi-
sieren können, auch wenn es unter einer Sprache verborgeu
ist, die fitr Forscher, die dem Studium von Aristotelvis und
Das Verhältnis der psychol. zur phys. u. aothrop. ReligioiL 101
Plato, von Descartes und Spinoza, von Locke und Hegel ob-
liegen, zuerst recht sonderbar klingt.
Die Philosophie beginnt mit Zweifeln an dem Zeugnisse
der Sinne.
Beide Philosophien, die des Ostens und die des Westens,
gehen von einem und demselben Punkte aus, nämlich von
der Überzeugung, dass unsere gewöhnliche Erkenntnis un-
sicher, wenn nicht ganz und gar falsch ist. Diese Auflehnung
des menschlichen Geistes gegen sich selbst ist der erste
Sehritt in aller Philosophie. Die Vedänta-Philosophie zeigt
diese Auflehnung in ihrer ganzen Vollständigkeit. Nach den
indischen Philosophen hängt unsere Erkenntnis von zwei
pramänas, d. h. Maßstäben oder Autoritäten, ab, nämlich
von pratyaksha, der sinnlichen Wahrnehmung, und von
anumäna, d. h. Deduktion.
Srüti oder Inspiration.
Der orthodoxe Philosoph ffigt jedoch eine dritte Auto-
rität hipzn, nämlich Smü oder Offenbarung. Dies mag uns
vom philosophischen Gesichtspunkte aus eine Schwäche scheinen.
aber selbst als solche ist sie interessant, und wir wissen, dass
dieselbe Schwäche auch anderen Philosophen, die wir nicht
weit %u suchen haben, eigen ist. ^Sruti bedeutet das Hören
oder das Gehörte, und es wird gewöhnlich einfach als ^Veda'
erklärt Seit den ältesten Zeiten, von denen wir irgend etwas
in Bezug auf Indien wissen, wird der Veda als übermensch-
lich angesehen; nicht als erfunden und verfasst, sondern als
bloß gesehen von Menschen, d. h. von begeisterten Sehern,
als ewig, als unfehlbar, als göttlich im höchsten Sinne des
Wortes,
Wir sind geneigt zu denken, dass die Idee der Inspira-
tion nnd der Glaube an den inspirierten Charakter heiliger
Bfleher unsere eigene Erfindung und unser eigenes besonderes
H)2
Vierte Vorlesung.
Eigentum sei. Da« ist es nnn nicht, und die vergleichende
Religionswissenschaft lehrt, dasB, vie die Idee des Wunder-
baren, so auch die Idee der Inspiration in gewissen I'baaea
der hiatorischen Entwicklung; der Religion geradezu nnvermeid-
lich ist. Dadurch wird die Bedeutung der Inspiration nicht
herabgesetzt, sie erhält nnr eine nmfasaendere und tiefere Be-
dentnng.
Wenn wir 'Veda' in dem gewöhnlichen Sinne gebrauchen,
in dem das Wort von indischen Philosophen in der Regel
gebraucht wird, so mQssen wir zugestehen, dass es schwer ver-
ständlich scheint, wie man die Autorität des Veda mit dem Zeugnis
der Sinne und den Schlössen der Vernnnft auf eine Slnfe stellen
konnte. Es ist ja die Vernnnft allein, welche die Inspiration
'Inspiration' nennt; die Vernunft steht daher hoch tlber der
Inspiration. Wenn wir aber 'Veda' in dem Sinne von 'Kenol-
nis' oder, wie es znweilen erklärt wird, von Aptava^ana.
d. h. 'Sprache, wie sie uns überliefert ist' nehmen, so steht
die Sache anders. Die Hpraehe. die uns tlberliefert ixt, die
Worte, in denen das Denken verwirklicht worden ist, £e
Ideenwelt, in der wir aufgewachsen sind, sie bilden eine
AntoritUt and Uben eine Herrschaft über uns aus, dl« nnr,
wenn tlberhaupt^ der Autorität der Sinne nachsteht. Wmb
der indische Philosoph die großen Worte unserer Sprache ai»
ewig, als von oben mitgeteilt, als bloß gesehen, nicht ah
von uns gemacht, ansieht, so thut er nicht mehr, als Plata,
wenn er lehrte, dass seine sogenannten Ideen ewig und ?0U^
lieh seien.
Wenn aber anch diese tiefere Auffassung von ■ '>!^ti'
gelegentlich in der indischen Philosophie zum Vorschein
kommt, so ist doch die gewöhnliche nnd allgemein ange-
nommene Bedentung von "iSVuti' : der Veda schlechthin, so
wie wir ihn besitzen, aus Hymnen nnd Brähmarias bestehend,
allerdings zu gleicher Zeit auch uls die alte Vorratskammer
der Sprache nnd des Denkens, nicht so sehr in dem, was er
lehrt, sondern in den Mitteln, durch die er lehrt, nfimlicb in
jeden Wort, das eine Idee vermittelt.
Das VerhÜtnis der psycho!, zur phys. u. anthrop. Religion. 103
Nachdem aber der Vedänta-Philosoph diese drei Auto-
ritäten anerkannt hat, wendet er sich gegen dieselben and
erkürt, dass sie alle unsicher oder gar falsch seien. Mit
den gewöhnlichen SinnesUnschnngen ist er ebenso yertraut
wie wir. Er weiß, dass das Firmament nicht blan ist, ob-
gleich wir nicht umhin können es als blan zu fsehen ; nnd da
alle Deduktionen auf die Erfahrung der Sinne gegründet
sind, werden sie natürlich als ebenso dem Irrtum unterworfen
angesehen.
In Bezug auf den Veda jedoch macht der Vedäntist eine
wichtige Unterscheidung zwischen dem, was er den ^prakti-
schen Abschnitt, KBimikkndsL und ^den theoretischen Ab-
schnitt, GnknsikändsL nennt. Der erstere umfasst Hymnen
und Brähmaiuis, der letztere die Upanishaden. Der erstere,
der Alles das in sich schließt, was eine Priesterschaft natür-
licherweise am höchsten schätzen würde, wird ohne weiteres
aufgegeben. Es wird wohl zugestanden, dass derselbe eine
Zeitlang von Nutzen sein, dass er als eine notwendige Vor-
bereitung dienen mag, aber wir hören, dass er nie die höchste
Erkenntnis verleihen könne, die nur im zweiten Abschnitt
ZB finden sei. Selbst dieser zweite Abschnitt, selbst die
Upanishaden mögen viele unvollkommene Darstellungen der
höchsten Wahrheit zu enthalten scheinen, aber es ist der
Zweck des Vedänta-Philosophen, diese unvollkommenen Dar-
tteUimgen wegzuerklären oder sie mit dem allgemeinen Ge-
dankengang des Vedänta in Einklang zu bringen. Dies ge-
schieht mit der ganzen Geschicklichkeit des philosophischen
Sachwalters, obgleich es den vorurteilslosen Forscher oft
darflber in Zweifel lässt, ob er dem philosophischen Sach-
walter folgen solle, oder ob er in diesen unvollkommenen
Darstellungen Spuren eines historischen Wachstums und
iadividueller Bemühungen zu sehen habe, die in verschiedenen
Brahmanischen Niederlassungen nicht immer gleich erfolg-
r^ch gewesen zu sein brauchen.
Tnt f VAin nsl.
WeDH wir fragen, waa der liöoliäle Zweck der Phffi
suphie der Upanishsden war, so können wir denaelb^n in
drei Worten angebeD, wie er von den größten Vedänta-
Lebrern selbst angegeben worden tat, nämlich In den Wiirteni
Tat tvati) asi. Das beißt: Das bist du. ^Dan' steM hier
ftU' das. was ich das letzte Resultat der pbysiscben Religion
nannte, wie wir es in versciiledenen Systemen der alten und
neueren Philosophie unter verschiedenen Namen kennen ge-
lernt haben. Es ist Zeus, der EJj,' '^t''» oder <(i üv ib
Jlriecbeuland : es ist das. was Plalo unter der ewigen Idee
verstand, was die Agnostiker das Unwissbare nennen, vu
ich das Unendliche in der Natur nenue. Das ist es. was in
Indien Brahman, als Maskulin oder als Neutrum, heißt, das
Wesen hinter allen Wesen, die Macht, welche das Weltall
»US sich entlasst, es erhült und es wieder in sich ziirUckiieht.
Das Du ist äa^, was ich das Unendliche im Mensclian
nannte, das letzte Resultat der An thropo logischen Reiigion.
die Seele, das Selbst, das Wesen hinler jedem menschlichen
Ich. frei von allen körperlioben Fesseln, frei von Leidan-
schaften, frei von allen Neignngen, Der Satz 'Das bist in.
hpdeutet: Dein Atman, deine Seele, dein Selbst ist das Brilt-
niiin, oder, wie wir uns auch anadrücken können, das letit«
Resultat, das höchste Objekt, das von der physischen Religiös
entdeckt ward, ist dasselbe, wie das letzte Resultat, dw
höchste Subjekt, das von der anthropologischen Religion tat-
deckt wnrde; oder mit anderen Worten, das Snbjekt nitddw
Objekt alles Seins nnd dies Wissens sind ein nnd dasselbe.
Dies ist der Angelpunkt dessen, was ich pKychiilogUeltt
lifligioH oder Theosophie nenne, der höchste Gipfel de«
Denkens, den der menschliche (ieist erreiclit hat, der ia rar-
Bchiedenen Religionen und Philosophien auf venehiedeiie
Weise Ausdruck gefunden hat. nirgends .iber mit Bolehot
Klarheit und Kraft zum vollen Verständnis gebracht worden
ist, wie in den alten Upanishaden Indiens.
Du Verhältnis der psychol. zur pbys. u. anthrop. Religion. 105
Denn ich will es nur gleich hinzufügen, diese Aner-
kennung der Identität des Das nnd des Du begnügt sich
nicht mit einer bloßen poetischen Metapher, wie zum Beispiel,
dass die menschliche Seele ein Aosflnss oder ein Bestandteil
der göttlichen Seele sei; nein, was behauptet nnd gegen alle
Widerredner verteidigt wird, ist die wesentliche Identität
dessen, was eine Zeitlang fälschlich als Subjekt und Objekt
der Welt unterschieden worden war.
Das Selbst, sagt der Vedänta-Philosoph, kann nicht vom
Brahman verschieden sein, denn Brahman umfasst edle Wirk-
lichkeit und nichts, was in Wirklichkeit ist, kann demnach vom
Brahman verschieden sein. Zweitens kann das individuelle Selbst
nicht als eine Modifikation von Brahman aufgefasst werden, denn
Brahman an sich kann nicht verändert werden, weder durch
sich selbst, da er ja Eins und vollkommen in sich selbst ist,
noch durch irgend etwas außerhalb seiner. Hier sehen wir den
Vedäntisten sich in genau derselben Gedankenschicht bewegen,
in der die eleatischen Philosophen in Griechenland sich be-
wegten. »Wenn es Ein Unendliches gibt,« sagten sie, >so
kann es kein anderes geben, denn das andere würde das
Eine beschränken und es so endlich machen.« Oder auf
Gott angewandt lautete die Argumentation der Eleatiker:
»Wenn Gott der Mächtigste und der Beste sein soll, so muss
er Siner sein, ^) denn wenn es zwei oder mehr gäbe, so wäre
er nicht der Mächtigste und Beste.« Die Eleatiker fuhren
mit ihrem monistischen Argument fort, indem sie zeigten,
daas dieses Eine unendliche Wesen nicht geteilt sein könne.
io dass irgend etwas ein Bestandteil desselben genannt werden
könnte, denn es gebe keine Macht, die irgend etwas von dem-
selben zu trennen vermöchte.^) Ja, es kann nicht einmal
1] Zeller, p. 453.
2; Zeller, p. 472; Farm. v. TS,
oh6\ ^tatQBToy lafiy. Inet ntcr iaur ouoior
ov^i tt jfi fjtäkXoy loxey etoyoi uty ^rrt'/faiV««
oi'Si n j^ei^oTe^oy • nuy dk nXiot' lany loyjoy
106 ■
3 Vor! 0811 ng.
Teile hsbeo, äana da es keinen Anfang: nnä kein Ende hat,')
kann ea keine Teile haben, denn Jeder Teil hat einen Anfang
und ein Ende. ^)
Diese eleatiscben Ideen — nSmÜch dass es nnr Ein abao-
Intea Wesen gibt und geben kann, das unendlich, unveränderlich,
ohne ein zweitos, ohne Teile und ohne Leidenschaften ist ~
sind dieselben, welche den Upanishaden zu Grunde liegen und
in den VedAnta-aütr.i^ vollständig ausgearbeitet worden sind.
Zwei VedäDta-!<i'hiilen>
Aber niuht von allen VedAntial^n werden diese Lehren
angenommen. Obgleich alle Vedäntisten die Upanishaden al*
inspiriert und unfehlbar hinnehmen, und obgleich sie alle die
Antoritüt der Vedänfa-sVitras anerkennen, so nehmen sie doch,
gleich anderen orthodoxen Philosophen, die Freiheit der Inter-
pretation für sich in Anspruch, und vermöge dieser Freiheit
haben sie sich in zwei Schulen geteilt, welche bis tum
heutigen Tage die Vedänta- Philosophen Indiens In die An-
hSnger des Ä'aiikara und die des Rftmänn^^a teilen. Der
letztere, RämAnn^a, bekennt sich zu dem, was wir die
Evolutionstheorie nennen wllrden; er sieht Brahmau fQr die
Ursache, die Welt tüv die Wirkung an, in der Weise, dasa
die Beiden zwar in Wirklichkeit ein und dasselbe, aber ii
der Erscheinung verschieden seien. Alles, was ist, ist Brak-
man, aber Brahmau enthalt in sich selbst die eigentlicbeo
Keime jener Mannigfaltigkeit, welche den Gegenstand nnservr
sinnlichen Wahrnehmung bildet. Der Brahmau des Itämtaujra
kCnnt« fast als ein persGnUcher Gott bezeichnet werden, nnil
1 Zeller. p. 511, Fiogm. 3.
2) HeliBBUs, Fr. 16; el /tlv löf laii, Ai nvib If thar i^ Ji
Fr. 3: tl rfJ e.Tfipov, llf tl yiif ävo e'ij, eex et«- tinute
änngtt itrai- Ali' tgat «(■ .teifcia Tfoi alXrjXtt ■ iintifor ü ti
l'iti-, ofx äga iXia r« Inftn' 1f ngn lo iöf.
Das YerhSltnis der psyehol. znr phys. u. anthrop. Religion. IQ?
die Seele als ein ans dem Brahman hervorgegangenes in-
diyidnelles Wesen. Man nimmt an, dass sie stets eine Per-
sdnliehkeit ftir sieh bleibe, obgleich sie nie von ihm wirklich
getrennt seL Der erstere, iSaökara, verficht die Theorie der
Tinschnng (vivarta) oder des Nichtwissens (avidy4). Anch
er behauptet^ dass Alles, was existiert, Brahman ist, aber er
sieht die Welt mit ihrer Mannigfaltigkeit von Formen nnd
Namen Dir das Resultat einer Täuschung an. Brahman
ist bei iSaAkara unpersdnlich und ohne Attribute. Es
wird persönlich (als t^vara , der Herr) , wenn es unter
dem Einflnss der avidyft steht, gerade so wie die indi-
viduelle Seele sich persönlich dflnkt, wenn sie sich vom
höchsten Brahman abgewandt hat, in Wirklichkeit aber nie-
mals etwas Anderes ist als Brahman. Diese zwei Lehren
spalten die Vedäntisten immerfort bis zum heutigen Tage,
nnd die Schule des Rämänu^a ist die beliebtere von den
beiden. Denn Sie dürfen nicht glauben, dass diese alte
Vediinta-Philosophie ausgestorben sei oder nur von Bernfs-
philosophen getrieben werde. Sie ist selbst jetzt noch die
vorherrschende Philosophie und fast Religion Indiens, und
Niemand kann in den indischen Geist, sei es in den höchsten
oder in den niedrigsten Schichten der Gesellschaft, einen Ein-
bbek gewinnen, der nicht mit den Lehren des Vedänta ver-
traut ist.
Um zu erklären, wie dieselben Texte, die Upanishaden
und sogar die Vedänta-sütras, so verschiedenartige Auslegungen
ndanen konnten, wird es nötig sein, über die Schwierigkeit
des richtigen Verständnisses dieser alten heiligen Texte der
^nhmanen ein paar Worte zu sagen.
Die Upanishaden schwer zu fibersetzeu.
In meinen Vorlesungen über physische Religion musste
^^ wenn ich aus den Hymnendes Rigveda eitierte, Sie oft daran
^'Äneni, dass es viele Stellen in diesen alten Hymnen gibt,
^* bisher noch dunkel oder äußerst schwer zu übersetzen
lus
ViLTte VorU-auujt-
sind. Die ^roße Masse dieser Hymnen ist klar genug, aber
— ob nnn der Oriind in TeitverderbnisBen oder ia der
Kühnheit alten Denkens zn suchen ist — alle ehrlichen Ge-
lehrten mflssen bekennen, das» ihre Übersetzungen die Originilo
nii'ht ganz erreichen nnd kUnfliger Berichtigung unterworfen
ainil. Einem Nichtfachmann mag ein derartiger Zustand r«ehi
hoffnungslos vorkommen, und wenn er findet, dass zwei vedi*
sehe Gelehrte voneinander abweichen und jeder seine eigene
Auslegung mit einer Wärme verteidigt, die oft mehr j
Eiubildang als aus Überzeugung hervorzugehen scheint, so
glanbt er ein Kecht zu haben, Uott zu danken, daas er nicht
sei wie andere Menschen. Das ist natürlich einfach kindiscL
Wenn wir gewartet hätten, bis joder hieruglyphische Teil
vom Anfang bis znm Ende erkLlrt, oder bis .jede babyloniache
Inschrift vollständig entziffert sein werdn, ehe wir Irgend
etwas über die alte Keligion der Ägypter und Babylonier
sagten, so würden wir jetzt nicht die aiisgeietchueteu Werke
von LepaiuB. Brngsch, Muspero. von Schrader, Smith, Sftyc«,
Pinches und Haii)>[ besitzen. Dasselbe gilt von der vediscbes
Litteratnr. Auch hier i»t das Bessere der Feiud des Onten.
nnd so lange nur eiu Gelehrter zwischen dem, was sicher,
und dem. was vorläufig noch zweifelhaft ist, sorgfältig nnlcr-
scbeidet. braucht er sich um die Sticheleien von KritikasterB
und die Schmähungen von Foriachritlsfetnden nicht zu kflm-
mern. Der ehrliche Arbeiter darf nicht warten, bis er i
hellen Lichte der Mittagssonne schaffen kann — er an
frlDi aufstehen nud lernen, auch im trtlben Zwielicht des
Morgens seinen Weg zn finden.
Ich lialte es daher für recht und billig, 8iti daran i
erinnern, duss auch die Texte der Upanishaden, auf die wir
nns in unseren Vorlesungen hauptsächlich wurden verlui
mOssen, zuweilen sehr dnnkel sind, und dass es oft sehr
schwer iai. sie genau ins Englische oder in irgend eine uidere
moderne Sprache zu Übersetzen. Sie lassen oft veraohiedeM
Auslegungen zu, nnd selbst die alten einheimischen Koaunen-
laloren derselben, die lange Abhandlungen (Iber sie geschrieben
Das Verhältnis der psycho!, zur phys. u. anthrop. Religion. 109
haben, weichen oft voneinander ab. »Die Einen sind dieser
Ansicht, die Anderen jener,« sagen sie oft, nnd es ist nicht
immer leicht fAr nns, eine Auswahl zu treffen nnd mit Be-
stimmtheit zn sagen, welcher von den alten Erklärend Recht,
und welcher Unrecht hatte. Als ich es nntemahm, die erste
vollständige Übersetzung der zwölf wichtigsten Upanishaden
herauszugeben, war ich mir wohl bewusst, dass dies keine
leichte Aufgabe sei. Sie war in ihrem ganzen Umfang nie
vorher von ii^end einem Sanskritisten unternommen worden.
Da ich selbst darauf hingewiesen hatte, dass gewisse Stellen
verschiedene Erklärungen gestatteten, gab es nichts Leichteres
für den tadelsüchtigen Kritiker, als bei diesen Stellen zu
verweilen und darauf hinzuweisen, dass die Übersetzung der-
selben zweifelhaft, oder dass die von mir angenommene
Wiedergabe falsch, oder zum mindesten, dass irgend eine
andere Übersetzung ebenso gut möglich sei. Meine Über-
setzung ist dieser Art von Kritik nicht entgangen, aber trotz
alledem haben selbst meine strengsten Kritiker nicht leugnen
können, dass meine Übersetzung gegenttber denen, die hh
dahin versucht worden waren, einen Fortschritt bezeichne,
und dies ist wie Böhtlingk mit Recht bemerkt hat, schließ-
lich doch Alles, worum sich ein ehrlicher Forscher kflmmem
soUte. Deussen, die beste Autorität über diesen Gegenstand,
hat unsere unfreundlichen und schlecht unterrichteten Kritiker
ermahnt, dass bei der Übersetzung der Upanishaden. wi,; bei
anderen ähnlichen nur versuchsweise unternommenen Arbeiten,
le mieuz est rennemie du bien. Wir sollten Schritt für
Schritt über unsere Vorgänger hinaus fortschreiten, wohl
wissend, dass die, die nach uns kommen, über uns hinaus
fortschreiten werden. Es wundert mich auch nicht, dass
eingeborene Gelehrte über die Kühnheit staunen, mit der wir
es wagen, von Männern wie «S'aAkara, Rämatirtha u. a. ab-
zuweichen, die sie als geradezu unfehlbar ansehen. Ich
kann zu meiner Verteidigung nur soviel sagen, dass schon
die einheimischen Kommentatoren die Möglichkeit verschie-
dener Erklärungen zugeben, nnd dass wir, wenn wir fÄr uns
1 1 0 Vierte Vorlesung.
das liecht io Anspruch uehinen zwischen Uintsu zu wählen,
nichts weiter than, als was sie wohl wunauhen, daaa wir
Ihnn sollen, indem sie uns die Wahl freistellen. loh habe
die gn'ißte Äohtung vor einheimischen Kommentiitoren, aber
ii;h kann meine Achtung fitr dieae gelehrten Manner nicht so
weit treiben nie ein eingeborene]' indischer tielehrter. der auf
meine Frage, welche von zwei sich widersprechenden Er-
kUrnngen er für die richtige halte, ohne alle Bedenken ant-
wortete, d&3ä wahracheinlich beide richtig seien, sonst wären
sie von den alten Kommentatoren nicht erwähnt worden.
Man hat mir oft gesagt, es sei nicht weise, anf die Un-
gewissheiteu in der Cbersetzung orientalischer Teste, nament-
lich der Vedas, so viel Gewicht zu legen, es herrschten ja
dieselben Ungewissheiten in der Erkläning der Bibel, ja selbst
der griechischen nnd lateiuii^cheD Klassiker, um der griecbi-
.'7<'hen und lateinischen Inschriften zn gescbweigen. Das große
Publikum, sagen sie, ist ohnehin schon ungläubig genng, und
es ist weit besser, die letzten Ergebnisse unserer Forschnngen
als vorläufig gesichert zu geben und es der Zuknnft zn über-
lassen. Irrtümer, wie sie bei der Entzifferung alter Texte
unvermeidlich sind, zu berichtigen. Diesen Kat haben viele
Forscher, insbesondere die Entzifferer von Hieroglyphen- nnd
Keilinschriften, befolgt; was war aber das Resultat? Di
jedes Juhr die Kesultate des vorhergehenden Jahres beriohligl
hat, so wagt es jetzt kaum irgend Jemand von den Ergeb-
uissen dieser Forschungen (iebrauch zu mncben, so unver^
sichtlich sie ancb als endgaltig nnd als Ober jeden Zwelfal.
L-rhaben hingestellt werden. Es ist ganz richtig, dasa di«
Warnungen gewissenhafter Gelehrter in Uezug anf die nnver-
meidliche Unsicherheit bei der Übersetzung vedischer Tei%4»
dieselbe Wirkung hervorrufen mögen. Die Thatsache, d&s
ich den Veda ein Buch mit sieben Siegeln genannt habe, vst
von gewissen Schriftstellern, denen schon die hlolie Esiston
des Veda ein Dorn im Auge war. gierig aufgegriffen wordex
um die Unsicherheit aller Systeme der vergleichenden Spraoli-'
Wissenschaft. Mythologie nnd Theologie darzathun. di« a»'^
Dm VerhSItniB der psychol. zur pbys. u. antbrop. Religion. 1 1 1
irgendwelche diesem Buch mit sieben Siegeln entnommene Zeng-
nisse gegrtlndet sind. Wahre Gelehrte jedoch wissen besser Be-
scheid. Sie wissen, dass in einer langen lateinischen Inschrift
gewisse Wörter ganz unleserlicb, andere schwer zn entziffern
nnd zu übersetzen sein mögen , dass aber doch ein beträcht-
licher Teil so klar nnd so verständlich sein kann, wie irgend
eine Seite von Cicero, und mit yollkommener Sicherheit fflr
linguistische oder historische Zwecke verwertet werden kann.
Gelehrte wissen, dass dasselbe auch vom Veda gilt, dass viele
Wörter, viele Zeilen, viele Seiten so klar sind, wie irgend
eine Seite von Cicero.
Wenn man mich ^agt, was uns ein Buch mit sieben
Siegeln fflr die vergleichende Religionswissenschaft und Mytho-
logie nützen kann, so lautet meine Antwort, dass es uns
anspornt, diese Siegel zu entfernen. Was den Veda anbe-
langt, so kann ich mit Sicherheit behaupten, dass mehrere
Ton diesen Siegeln nunmehr schon gebrochen worden sind,
und wir haben allen Grund zu hoffen, dass mit Ehrlichkeit
uid Ausdauer sich auch die übrigen Siegel mit der Zeit
entfernen lassen werden.
Fünfte Vorlesung.
Die Wanderung der Seele nach dem Tode.
Verschiedene Angaben ans den Upanishaden.
Wir haben nun in Betracht zu ziehen, was die üpa-
nishaden selbst über das Verhältnis der Seele zn Gott, nnd
namentlich über die Rflckkehr der Seele zn Brahman lehren.
Hier werden wir finden, dass beide Schulen der Vedftntisten,
die des Käm/innr/a nnd die des «Sankara, sich zur Stütze ihrer
bezüglichen Meinungen auf Texte der Upanishaden berufen
können, so dass es scheint, als ob die Upanishaden beide
tonangebende Vedilnta-Theorien in sich vereinigten nnd keine
von beiden verwürfen. Es hat natürlicherweise unter den
VedAntisten in Indien, sowie auch unter den Vedänta-Forschem
in Europa lange Auseinandersetzungen darüber gegeben,
welche von den zwei Schulen den wahren Geist der Upa-
nishaden darstelle. Wenn wir die Upanishaden als ein Ganze»
nehmen, so würde ich sagen, dass «Sankara der gründlichere
und treuere Vertreter ihrer Lehre sei: wenn wir aber eine
historische Entwicklung in den Upanishaden selbst zugeben ^
so können wir von RAmAnu</a sagen, dass er in genauerer
Weise eine ältere Periode der Lehren der Upanishaden dar-
stellt, welche Lehren durch das spätere Wachstum der
vedAntischen Spekulation in den Schatten gestellt, wenn nicht
vordrängt wurden. Dieses spätere Wachstum, welches sich
in der Lengnung aller Realität außer der des höchsten Brih^
man darstellt, wird von Ramamu/a fast ganz außer acht
Die Wandening der Seele nach dem Tode. H 3
gelassen oder mit großer Freiheit aasgelegt. Wenn wir Bämä-
nu^a recht verstehen, so würde er sich wohl damit begnügen,
dass die Seele beim Tode vom samsära oder von weiteren Oebnr-
ten befreit werde, zar Welt Brahmans (masc.j hingehe und sich
dort in einer Art himmlischen Paradieses ewiger Glückselig-
keit erfrene. «S'aAkara hingegen geht weiter, er sieht in der
endgültigen Be^einng ein Wiedergewinnen des wahren Selbst-
bewnsstseins; 'Selbstbewnsstsein* aber bedeutet bei ihm das
Bewusstsein des Selbst, dass es in Wirklichkeit das ganze
und ungeteilte Brahman sei.
Wir werden am besten im stände sein, diese zweifache
Entwicklung des Yedäntischen Denkens zu verfolgen, wenn
wir zuerst die wichtigeren Stellen in den üpanishaden, welche
von der Rückkehr der Seele zu dem niederen Brahman
bandeln, untersuchen und dann sehen, wie diese Stellen in
den Vedänta-sütras miteinander in Einklang gebracht worden
sind.ij
Wir beginnen mit den Beschreibungen des Weges, den
die Seele nach dem Tode einzuschlagen hat Hier finden
wir die folgenden mehr oder minder voneinander abweichen-
den Darstellungen in verschiedenen Üpanishaden.
Stellen aus den üpanishaden.
I. BWhad-ära»yaka VI (8) 2, 13:
»Ein Mensch lebt so lange als er lebt, und dann, wenn
1) Die hier gegebenen Übersetzungen weichen an mehreren
Stellen von denen ab, die ich in meiner Übersetzung in den & B. E.
(Bd. I und Bd. XY) gegeben. In meiner Übersetzong in den S. B. K
stellte ich mich mit größerer Konsequenz auf den Standpunkt
des iSankara, außer in Fällen, wo er offenbar unrecht hatte. In
den gegenwärtigen Übersetzungen habe ich es so viel als möglich
versucht, mich nicht so sehr von «Sankara beeinflussen zu lassen, um
Bämanu^ und anderen Erklärend der Üpanishaden und der Yedänta-
sttras ganz gerecht zu werden. Ich habe auch von einigen Konjek-
turen Gebrauch gemacht, die von anderen Gelehrten vorgeschlagen
worden sind, wo immer sie mir vernünftig schienen.
Max Mikller, Theosoplüe. S
114
Fünfte Vorlesung.
er stirbt, bringen aie ihn zu dem Feaer (dem 8cheiterbtafen) ;
und dsnn ist das Feuer sein Feuer, das BrennholE iat »eia
Brennholz, der Ranch sein Hanch, das LJobt sein Lieht, die
Kohlen sind seine Kohlen und die Funken seine Funken.
In diesem Feuer bringen die Dcvae. die Götter, den Menschen
(als Opfer) dar, und aus diesem Opfer erhebt sich der Mensch
,purnaha), von glänzender Farbe,
• Diejenigen, welche dieses also wissen, und diejenigen,
welche im Walde das Wahre als Glauben verehren,'] gehen
zum Lichte, vom Lichte zum Tage, vom Tage zur Monats-
hftlfie des zunehmenden Mondes (Neumond), van der Uonata-
hftlfte des zunehmenden Mondes zu den sechs Monaten, wo
die Sonne oacli Norden geht, ^. von diesen sechs Monaten
zur Welt der Devas, von der Welt der Devas zur Sonne,
von der Sonne zur Stätte des Blitzes.^ Wenn sie die Stfttt«
des Blitzes erreicht haben, nähert sich ihnen eine Person,
nicht ein Mensch, <j und führt sie in die Welten Brahniana.
1) Yi^riavulkfa III, 192 erklürt dies durch «rsddhayä panyi
yut&A, 'mit dem bücbflten Glauben ausgestattet'. Die genaue Be-
deutung ist nicht klar. 'Das Wahre' ist fUr Brahman' gemeint.
2; Cf. Deuflsen, Sätr. p. I(J; S>/at., p. 50».
3; Über den Zusamajenbani; awiechen dem Blitz und den
Mond siehe Hiilebrandt, i'niiteha Mythohgin, Bd. I, pp. 343, 111.
4) Die richtige Lesart hier und in der fAäadogjn-L'panishad
IV, la, 3 scheint purusho »mänava/i zd sein. Wir haben Dbri>
gons für die andere Lesart mänasaA die AutoritUt von Ytii77iavalk]ra
III, 194, aber amänava/i ist durch die Vedi'iutH-sfllras und dnmh
die Rommentatoreu stark gestUlzt (siehe uuien p, 132'. BiJhilbgk
sieht müuasa^ vor und llbersetzt'. >Nnu kommt der im Denkorgati
be6ndliche Geist herbei und befördert jene in die Stätten Brah-
mans.i Das geht nicht, >^auk«ra erklärt hier purusho mlnawA
als einen von Brabman durch seinen Geist hervorsebraohien Men-
sehen. Das ist müglich und jedenfalls besser als BUhtliugk's Übor-
seiznng- Denn wenn puruiho puinaiab den im Denkorgan befiad-
licben Oeiet bedeutet wie z. B. Taitt üp. I. Hi. so kUnnte mao
von diesem nicht sagcu, ilasB er sich üen Seelen nühere, denn sie
würden Bolbst die pnruslia's sein, welche den Blitz erreicht habao.
Wenn wir mäuasa Irsen, so küunteu %ilr es nur als 'ein piirnsha,
eine Person. obEwar nicht ein materielles Wesen" auffasaen: der
piirushaA ktjnnte also mAnasaA beißen, entweder insofern er nnr
Die Wanderung der Seele nach dem Tode. 1]5
In diesen Welten Brahmans verweilen sie auf immer und
ewig [parä/i paräyata/i;,^) nnd es gibt keine Rückkehr
fklr 8ie.<
Hier sehen Sie eine ausgesprochen mythologische An-
schanong vom künftigen Leben; manches darou ist fiOr uns
kanm verständlich. Der Abgeschiedene, nimmt man an, er-
hebe sich vom Scheiterhaufen, auf dem sein Körper verbrannt
wurde, und bewege sich zum Lichte arAis, hin. ^) Das ist
verständlich, aber nach dem Lichte folgt der Tag, und nach
dem Tage die sechs Monate des Ganges der Sonne nach
f&r den Creist manas sichtbar ist, oder insofern er vom Geist ge-
schaffen ist, mit Einem Wort eine Art Geist in der Gestalt eines
Xeoichen. obzwar nicht ein wirklicher Mensch. Ich ziehe jedoch
vor. amanava zu lesen. Was mich in diesem Glauben bekräftigt,
ist der Umstand, dass es auch im Avesta, der viele Ideen fiber
die Wanderung der Seelen nach dem Tode mit den Upanishaden
gemein hat. heißt, wenn die Seele des Verstorbenen sich dem Pa-
radiese der endlosen Lichter nähere, so trete ein Geist oder — wie
ra* in einem der Yashts (6*. B. E, XXIII, p. '6\1, lesen — Einer
der Glaubigen, der vor ihm verschieden ist, auf den Ankömmling
sn und richte verschiedene Fragen an ihn, ehe Ahura Mazda ihm
das Öl und die Speise gebe, die im Himmel für den Jüngling von
guten Gedanken, Worten und Thaten bestimmt sind. Dies zeigt,
wie sehr wir uns hüten sollten, in unseren Übersetzungen schwie-
riger Stellen gar zu zuversichtlich zu sein. Wir können uns von
der Antorität iSankara's lossagen, allenfalls selbst von der des
Badaräjrana. der purusho amänavaA als 'eine Person, nicht ein
Memseli' anffasst. Aber ehe wir dies thun können, sollten wir
durch Parallelstellen zeigen, dass purusho mänasa/i, nicht mano-
■ayaA, in den Upanishaden jemals in dem Sinne von dem 'im
Denkofgan befindliehen Geist' gebraucht worden ist. So lange dies
■iebt geschehen ist, tbäte Böhtlingk vielleicht besser, die traditio-
nellen Erklürungen von Badaräja/ta und Äankara nicht mit solch
asTerbohlener Verachtung zu behandeln.
1 Dies seheint dem «UvatlA samaA V, 10, 1 zu entsprechen
md vielmebr eine zeitliche, und nicht eine lokale Bedeutung zu
haben.
2) Darunter kann nickt das Feuer des ScbeiterbHufens, mit
den er verbrannt worden ist. verstanden sein; denn man ^^aubt,
dasa der Tote in dem Feuer und von demselben verzehrt sei. Zu-
weilen nimmt man an, dass es für Agoiloka. die Welt Agni's, ge-
meint sei.
116
Fünfte Vorlesung.
Norden, Was k&nn flunit f^ememl sein? Eb kOonte be-
deuten, dass der Abgeschiedene einen Tag und dann sechs
Monate zu warten Labe, ehe ilim Zutritt verstattet werde znt
Welt der Devas, dann zur Sonne, und liernacli zur Statt«
des Blitzes. Es kann aber auch bedeuten, daäs es persönliche
Kopr&sentanten aller dieser Stationen gebe und dass der Äb-
geachieilene diese halbgöltlichen Wesen auf seiner Weiterreise
zu treffen habe. Dies ist ßädaräya/jas Ansicht. Hier sehen
Sie die eigentlichen Schwierigkeiten einer Überaetznng. Die
Worte sind klar genug, allein die Schwierigkeit ist, wie man
irgend eine bestimmte Idee mit den Worten verbinden aoll.
So viel von jenen, welche auf dem Devayäna, dem
tidtterpfade. vom Scheiterhaufen zu den Welten Brahmani
geben, nnd welche nicht der Rückkehr, d. h. neuen Geburten,
unterworfen sind. Wenn aber der Abgeschiedene noch nicht
eine vollkommene Kenntnis Brahmans erlangt hat, so zieht er
nach seinem Tode auf dem Pit/'/j-ftna. dem Vttterpfads,
dahin. Von ihnen beißt es im Briliad-AraHyaks VI, [8], 2, IS:
■ Diejenigen aber, welche durch Opfer, AUldthfttigktit and
uteiung die Welten besiegen, gehen in den Rauch ein, vom
neb in die Nacht, von der Nauht in die Monatahälfte da
iünehmeuden Mondes, von der Monatshftifte des abnehmendeil
Iffondes in die sechs Monate, wo die Bouue nach Süden geht;
von diesen Monaten in die Welt der Väter, von der Welt
der Väter in den Mond. Nachdem sie den Mond erreicht
haben, werden sie zu Speise, und die GOtter verzehren sie
daselbst, wie sie den König Soma (Mondj verzehren, indem
sie sagen; 'Nimm zu und nimm ab'. Wenn aber dies vorüber
ist, gehen sie zu demselben Äther'] zurOck, vom Äther »or
Luft, von der Luft zum Regeu, vom Regen zur Erde. Und
wenn sie die Erde erreicht haben, werden sie zn Speise, äe
werden abermals in dem Feuer geopfert, welches der Hum
ist, nnd werden von da aus im Feuer des Weibes geboreD.^
li Siebe A-Mud, Up. V. 10, i.
2i Dieser Satz wird von Bülit1iiig:k ausgelassen. Waru
Siebe A'^iind. Up. V, 7 und ä.
Die Wanderung der Seele nach dem Tode. 117
Dann erheben sie sich zn den Welten empor, nnd machen
denselben Kreislauf ¥rie vorher. Diejenigen aber, welche
keinen der zwei Pfade kennen, werden zn Würmern, Insekten
and kriechendem Gewtlrm.«
Wir haben nnn einige andere Stellen in den Upanisha-
den zn nntersnchen, wo dieselben zwei Pfade beschrieben
werden.
II. Brthad-ftrawyaka V, (7), 10, 1:
»Wenn der Pamsha (die Person] aus dieser Welt hinweg-
geht, so kommt er znm Winde. Da macht der Wind eine
Offiinng fOr ihn, so groß wie das Loch eines Rades, nnd durch
diese steigt er höher hinanf. Er kommt zur Sonne. Da
macht die Sonne eine Öffnnng für ihn, so groß wie die
Höhlung eines lambara (einer Trommel?}, und durch diese
steigt er höher hinauf. Er kommt zum Monde. Da macht
der Mond eine Öffnung fiar ihn, so groß wie die Höhlung
aber Trommel, und durch diese steigt er höher hinauf und
gelangt zur Welt, wo es keinen Kummer und keinen Schnee
gibt. Dort wohnt er ewige Jahre (stisysLith samä//).
m. ÄXftndogya-Upanishad VUI, 6, 5:
»Wenn er aus diesem Körper scheidet, so steigt er
hinanf durch eben jene Strahlen (die Strahlen der Sonne,
welche in die Arterien des Körpers eindringen), oder er wird
hinweggeschafit , während er ^Om' sagt. ^) Und so schnell
wie er seinen Geist entsendet [schnell wie der Gedanke) geht
er zur Sonne. Denn die Sonne ist die Thüre der Welt
lokadyäram), eine Eingangspforte für die Wissenden, eine
Sehranke f&r die Unwissenden.«
IV. Ä^ändogya-Upanishad V, 1 0, 1 :
»Diejenigen, welche dieses wissen, und diejenigen, welche
im Walde sich der Kasteiung als Glauben hingeben, gehen
znm Lichte (arAns), vom Lichte zum Tage, vom Tage zur
Monatshftlfte des zunehmenden Mondes, von der Monatshälfte
des zunehmenden Mondes zu den sechs Monaten, wo die
1 Böhtlingk's Emendation dieser Stelle scheint mir unnütig.
118
Fünfte Vorleanog.
Sonne nach Norden geht, von den sechs MooKten. wo die
Bonne oacli Norden gebt, zu dem Jahre, von dem Jahre zur
Sonne, von der Sonne zoin Monde, vom Honde zum Blitz.
Dort ist eine Person, nicht ein Mensch, er fOhrt sie SD
Brahman. Dies ist der Götterpfad.
»Diejenigen aber, welche in ihrem Dorfe HildtbAtigkeit
atä Opfer nnd fromme Werke tlben, gehen in den Raach ein,
vom Kanch in die Nacht, von der Nauht in die andere
Monatsbalfte des abDehroenden Mondes), von der anderen
MonatshftlflQ zu den sechs Monaten, wo die Sonne nach
Süden geht. Allein sie erreichen nicht das Jahr. Von den
Monaten gehen sie in die Welt der Väier. von der Well der
Väter zum Äther, vom Äther zum Monde. Das ist Soma.
der König. Das ist die Speise der GOtter. die Götter n&hren
sich davon. Nacbdem sie dort £0 lange verweilt als noch ein
Kest (von Werken; Übrig ist, kehren sie wieder auf dem
Wege, auf dem sie gekommen, zum Äther zurOck, vom Äther
zur Luft [väyal. Wenn er zu Luft geworden ist, wird er
zu Rauch, nachdem er zn Ranch geworden ist, wird er lu
Nebel, nachdem er zu Nebel geworden ist. wird er zn einer
Wolke, nachdem er zn einer Wolke geworden, ßlilt er als
Regen herab. Dann werden sie als Reis und Korn, KrAntor
und Bflnme, Sesam und Bohnen geboren.'] Von da ist du
Entkommen sehr schwer. Denn wer immer diejenigen, welche
diese Speise essen und Samen ausstreuen, sein mOgen. er
wird gleich ihnen. Diejenigen, deren Lebenswandel gnt ge*
Wesen ist, werden wahrscheinlich irgend eine gute Geburt
erlangen, die als Brähma'ia, oder als Kshatriya, oder als
Tai«ya. Diejenigen aber, deren Lebenswandel schleobi ge-
wesen ist, werden wahrscheinlich eine schlechte Geburt ei^
langen, die als Hund, oder als Sehwein, oder als A'&ruAla.
Auf keinem dieser zwei Wege ziehen jene kleinen, oft wieder-
kehrenden Geschöpfe fort. Flir sie gilt der dritte Znstud,
von dem es heißt: 'Lebe nnd stirb'.-
1) Mao erinnere sieb, dass eohon im Rigveda Sota* der reto-
dhU, der äpender von Samen und Fruchtbar keil ist
Die Wandemag der Seele nach dem Tode. 119
Y. JOUndogya-Upaiiishad YIH, 4, 3 :
>Niir deojenigeB. welche jene Brmhmawelt vermitteUt
BrahnuUbaryi (Stiidiiim nnd Enthaltaiig) finden, gehört jene
Brahmawelt, nnd sie bewegen sieh frei in allen Welten
imh^.c
VL iEAlnd<^3ra-üpanishad Ym, 13:
>Ich gehe von Sykmz, dem Schwarzen (dem Mond zn
Adnla, dem Scheckigen fder Sonne), nnd vom Scheckigen znm
Schwarzen. Wie ein Pferd seine Haare schüttelt, (so schflttle
ich) das Böse (ab); wie der Mond, der sich ans dem Rachen
des Bihn befreit, so gehe ich, nachdem ich den Körper abge-
sehftttelt, gereinigt im Geiste, znr ewigen Welt des Brahman.« >)
TIL MnWaka-Upanishad. I, 2, 11:
»Diejenigen aber, welche im Walde Buße nnd Glauben
ftben, mhig, weise nnd von Almosen lebend, gehen dahin,
Ton Leidenschaften (Stanb) frei, durch das Thor der Sonne,
allwo jener unsterbliche Pomsha (Person) wohnt, dessen Natur
UTerglnglich ist«
YHL KanshlUki-Upanishad L 2:
>Und jntra sagte: Alle, die ans dieser Welt (oder
^esem Körper) scheiden, gehen znm Monde. In der ersten
Hüfte (der Monatshilfte des zunehmenden Mondes) nimmt der
Mond zn und fnrd groß durch ihre Lebensgeister, in der
andern Hilfte aber (der Monatshälfte des abnehmenden
Mondes] llsst der Mond sie geboren werden. Wahrlich, der
Mond ist die Thüre der S^argawelt (der himmlischen Welt).
NuL. wenn ein Mensch dem Mond (richtig) antwortet, 2) so
lisat er ihn fr«i. Wenn aber ein Mensch dem Mond nicht
antwortet so regnet ihn der Mond, nachdem er zum Begen
geworden, auf diese Erde herab. Und je nach seinen Tbaten.
nnd je nach seiner Erkenntnis, wird er hier entweder als
1 ) Siehe Bloomfield, Journal of the Anierican Orietitni Society.
roL XV, p. 168: BühtÜDgk, AAandogra-Upanishad. p. 92.
2. V^ BöhtliDgk. titer eine bisher arg missrerstandene Steüe
im der KmuhilaJü-Brähmana - Upanishad.
120
Fünfte Vorlesung.
Wurm, oder sU Insekt, oder als Fiaob, oder als Vogel, oder
als LSwe, oder &ls Eber, oder als Schlange (?), oder als
Tiger, oder als Mensch, oder als irgend etwas Anderes an
verschiedenen Orten wiedergeboren. Wenn er aber ange-
kommen ist, fragt ihn der Mond: -Wer bist du?« Und er
soll antworten : > 0 Jahreszeiten, '} der Same ward vom hellen
Mond gebracht, der sich (im Regen] ei^osä : der ans fanfsehn
Teilen besteht, der unsere VÄler beherbergt;'! lasst mich
non in einem kräftigen Manne entstehen nnd gießet mich
dnrch einen kräftigen Mann in eine Matter,
>»Dann werde ich als der hinzukommende zwJ^lfte oder
dreizehnte Monat geboren dnrch den zwj}lf~ oder dreizebn-
facben Vater (das Jahr). Ich weiß das, ich erinnere mich
dessen. 0 Jahreszeiten, bringet mich sodann zur Unsterb-
lichkeit. Durch diese Wahrheit und dnrcb diese BußUbung
bin ich eine JahreBzeif. ' ein Eind der Jahreszeites. Ich
bin dn.. Darauf lässt ihn der Mond frei.
■ Nachdem er den Götterpfad erreicht bat, kommt er znr
Welt Agni's (des Fenersi , znr Welt VSyna (der Lufi), rnr
Welt Vamwa's, zur Welt Indra's, znr Welt Pra^äpati's, znr
Welt Brahmans. In dieser Welt ist der See Ära, die Yeslullia
genannten Augenblicke, der Fluss Vitara (Nichtaltemd), der
Baum lija, die Stadt SAlayya, der Palast Aparäyita fUa-
OberwindlichJ , die ThUrhilter Indra nnd Pra^äpati, die Vibho
genannte Halle Brahmans, der Thron Vi^akshanä (Einsicht,
das Rnhebett Amitau^as unendlicher Glanz), und die gt-
liebte Mäuaai (Geist) und ihr Bild /filkshushi lAnge), dj«,
Blumen nehmend, die Welten dechten, nud die Apsaras, die
Amhäs der Veda?) und Ambfi;avis (Verstand?) und die
1} Die Jahreszeiten werden znweilen die Brüder Soma'a, dM
Mondes, genannt.
2 Wenn nur der ninfzehnte Teil des Mondes übrig ist, be-
treten die Pitris denselben Ludwig faset auch die Jii'bhua als die
Uenien der Jahreszeiten auf.
3) Die Jahreszeiten sind Teile des Mondjahres, die wie da«
Leben sterblicher Menschen zu gehen und zu kommen scheinen.
Die Wanderung der Seele nach dem Tode. 121
Flflflse Ambayäs. Dieser Welt naht deijenige, der dies weiß.
Brahnum sagt: »Lanfet ihm entgegen mit solcher Verehrung,
wie sie mir selbst gebflhrt. Er hat den Flnss Vitara (Nicht-
alternd) erreicht, er wird nie altem.«
»Dann gehen fünfhundert Apsaras auf ihn zu, einhundert
mit Frflehten in den Händen, einhundert mit Salben in den
Händen, einhundert mit Kränzen in den Händen, einhundert
mit Kleidern in den Händen, einhundert mit Wohlgerflchen
in den Händen. Sie schmücken ihn mit einem des Brahman
würdigen Schmuck, und wenn der Kenner des Brahman also
mit dem Schmucke Brahmans geschmückt worden ist, geht er
auf Brahman zu. Er (der Abgeschiedene) nähert sich dem See
Ära und setzt mit Hilfe des Geistes über denselben hinüber,
während diejenigen, welche, ohne die Wahrheit zu wissen,
zu dem See kommen, darin ertrinken. Er kommt zu den
Teshdha genannten Augenblicken, und sie fliehen vor ihm.
Er kommt zu dem Fluss Vitara und setzt mit Hilfe des
Geistes allein über denselben hinüber; und dann schüttelt er
seine gnten und bösen Thaten ab.^} Seine geliebten Ver-
wandten bekommen die gnten, seine ungeliebten Verwandten
die bösen Thaten, die er gethan. Und wie wohl ein Mann,
der in einem Wagen fährt, auf die zwei Räder sehen mag,
so wird er auf Tag und Nacht, so auf gute und böse Thaten
und auf alle Paare (alle korrelativen Dinge) blicken. Vom
Guten und Bösen befreit, geht er, der Kenner des Brahman,
auf Brahman zu.
>Er nähert sich dem Baum Ilya, und der Geruch Brah-
mans dringt zn ihm. Er nähert sich der Stadt Säla^'a, und
der (Sesehmack Brahmans dringt zu ihm. Er nähert sich
dem Palast Aparä^ta, und der Glanz Brahmans dringt zu
ihm. Er nähert sich den Thürhütem Indra und Pra^äpati,
nnd sie laufen vor ihm davon. Er nähert sich der Halle
Vibho, und die Herrlichkeit Brahmans dringt zu ihm. Er
nähert sich dem Throne Vi^aksha/tä. Die Säman-Verse
1) Vgl JDfcand. üp. VIII, 13.
122 Füafle Vorlesung. ^^M
Brihat nnd Rathsntara sind liie Östlichen Fuße tSieses ThronM;
die SämaD-Verie 'S'yaita nud Nandhaaa die westlichen Fßfie,
die Sfunan-Vene VairApa und Vair&^a sind seine Seiten der
Lange nach ; die Säman-Verse ^'Akvara and Raivata seine
Seiten in die Qnere, Dieser Thron ist Prajfift (Kenntnis),
ilpnn dnrch Kenntnis sieht er deotlich. Er nKhert sieh
<|i;m Knhebett Amitani/aB. Dies ist Präna (Atem, Rede]. Die
Vergangenheit und die Zuicunft sind die Östlichen FüBe des-
selben: das Gedeihen und die Erde die westlichen Fa&e:
die Saman-Verse Briliat und Rathantara sind die zwei Lings-
Seiten den Ruhebettes; die 8äm&n-VerBe Bhadra nnd Ya-
fftlAynfffiiya sind die Qnarseiten xn Hflnpten und zu Fflßen
(Ostlich nnd westlich) ; die Utk und Säman sind die langes
UettOchor, die Ya^us sind die QuerbettUcher ; die Mond-
strahlen sind das Sttzkissen, der Udgttha die Bettdeck«:
Oeduihen ist das Kopfkissen. Anf diesem Rnhebetl« sitit
Brahman, und derjenige, welcher dieses weiß, besteigt es
luerst mit Einem Fuße. Dann sagt Brahman la ihm : »Wsf
bist du Vi l'ud er soil antworten: »Ich bin eine Jahresiüt
Unit das Rind der Jahresieiten, entsprungen aus dem SchoOe
des nncndlichen Raumes, der Barne der Gattin, das Uehl
des Jfthros. das Selbst von Allem, was da ist. Du bist du
Selbst von Allem, was da ist: was dn bist, das bin icb.<<
Schwierigkeiten der Anslefvtif.
Dies ist «ino so genaue Cbersetiun^. als ich sie gebm
kann. Doch muss ich gestehen, dass nir ron den NaoMi,
die hier bei der Beschreibung des Empfaag«s. d«B der 6«a
Brahman dem Abgeschiedenen bereitet, gebraacht verdco.
Tlele nnverstlndlich üsd. Sie waren ebenso anverstiodlieh
ftlr die einheimischen Kommentatoren, die jedoch in naanoban
der>elb«n ^m Bedeotm; in enideeki^a snclien. wi« wenn
ue den Namn 4«a deoa Ära. aber den der AbfeacUoden
■n Mtien hat. ab ron Ari. -Feind', abfelehet crklAren; nnd
■tiea« Feinde >(*□•■ die Leidenschaften vmi Neignngen dt*
Die Wandemng der Seele nach dem Tode. 123
Herzens sein. Später heißt es, dass diejenigen, welche zu
diesem See kommen, ohne die Wahrheit zn kennen, darin
ertrinken. Wenn der Thron, auf welchem Brahman sitzt,
Tiihüahahi genannt ¥rird, so scheint dies ^Einsicht* zu be-
deuten; und auch Mänast ist wahrscheinlich eine Personifika-
tion des Geistes, von dem die das Auge vorstellende
jrikshnsht sehr gut das Bild genannt werden kann. Es ist
aber ein solches Gemisch von symbolischer und rein maleri-
scher Sprache in all dem, nnd der Text scheint so oft ganz
verderbt, dass es hoffnungslos soheint, die nrsprflngliche Ab-
sicht des Dichters herausfinden zu wollen, wer immer es war.
der dieses Zusammentreffen des Abgeschiedenen mit dem Gott
Brahnum zuerst erdacht hat In Bezug auf manche Punkte
erhalten wir einige Aufklärung, wie wenn es zum Beispiel
heißt, dass der Abgeschiedene, nachdem er mit Hilfe seines
Geistes Aber den Fluss Yiyarä (Nichtaltemdj gesetzt, seine
guten nnd seine bösen Thaten abschüttle, und dass er das
Verdienst seiner guten Thaten denjeuigen unter seinen Ver-
wandten hinterlasse, die ihm lieb sind, während seine bösen
Thaten seinen ungeliebten Verwandten zufallen. Auch sehen
wir ziemlich deutlich, dass unter dem Thron, auf welchem
Brahman sitzt, Pra^ä oder die Weisheit zu verstehen ist,
während das Ruhebett Amitau^as mit Präna, d. h. dem Atem
und der Rede, und die Bettdecken mit den Veden identifiziert
werden.
Obgleich in diesen verschiedenen Berichten über das
Schicksal der Seele nach dem Tode eine allgemeine Ähnlich-
keit herrscht, sehen wir doch, wie jede Upanishad etwas
Besonderes über den Gegenstand zu sagen hat. In manchen
wird der Gegenstand sehr kurz behandelt, wie in der Mu/M/aka-
üpanishad I, 2, 11, wo es nur heißt, dass die Seele des
Frommen durch das Thor der Sonne hindurchgehe, wo der
unsterbliche Purusha (Geist, die Person wohne. In der
Jf%ändogya-üpanishad VIII, 6. 5 ist Ein Bericht ebenso kurz.
Hier heißt es, dass die Seele dahingeht, vermittelst der
Sonnenstrahlen emporsteigt und die Sonne erreicht, welche
124
Flinfle Vorlesung.
für den Weisen die ThUre zu den Welten (loka.i. fUr des
Thoren aber eine Schranke .ist. Aach das Brtbad-äranvaka
gibt an Einer Stelle [V, 10, I) einen kurzen Bericht von der
Wanderung der Seele von dem Körper in die Lnft, von der
LTift zor Sonne, von der Sonne zum Monde, vom Monde lu
der schmerzlosen Welt, wo die Seele ewige Jahre wohnt.
Ahnliche kurze Berichte kommen in der Taitt. Up, 1, fi nnd
der Prasua Up. I. 9 vor.
tllatorlscher Fortgehritt in den Ipaiilshadcn.
ihen. M I
Wenn wir uns die anaffihrlicheren Berichte ansehen,
können wir leicht bemerken, dass die älteste Änflaasung del
Lebens niich dem Tode die war, welche sich im PitriyiUis.
dem Väterpfade, dnrslelK, d. h. dem Pfade, welcher die
Öeele zum Monde führte, wo die Väter oder diejenigen, welohn
vor ihm dahingegangen ^lod, wohnen. Die Schilderung dieses
Pfades iat ungefähr dieselbe im Bn'had-:^rBnyaka und in der
AViändogya-üpanishad. Die Seele gelt in den Rauch (wahr-
scheinlich des Scheiterhaufens) ein, kommt dann zur Nacht
hernach zur Monatshälfte des abnehmenden Mondes, sodaiui
zn den sechs Mouateu, wo die Sonne sich nach Stldeu be-
wegt. Sie erreicht aber niclit das Jahr, sondern aieht gfr-
ladeaus zur Wohnstatte der Väter und zum Monde. All
diese Wohnstätte im Monde mit der Zeit als eine bloß Yor-
Qhergehende angesehen wurde, auf die ein neuer Cyklus »od
Existenzen folgte, so war es nnr natQrlich, dass man eisen
Devayäna erdachte, der weiterhin zu den Göltem und m
ewiger Glückseligkeit führe ohne jede Rückkehr zn nencn
Wanderungen. Aber auch diese Wohnstätte im Devaloka
befriedigte uicht alle Wtlnsche, nnd mun nahm ein weitens
Vordringen von der Sonne znm Monde an, oder direkt von
der Sonne zur Wohnstätte des Blitzes, von wo ein Geist di«
Seelen zur Welt Brahmans fahre. Diese Welt, die «war
noch immer in mythologischer Phraseologie anfgefasst wird,
war wohl auf lauge hinans di^r höchste Punkt, den die
Die Wandenmg der Seele nach dem Tode. 125
Diehter and Denker der üpanishaden erreicht haben, aber
wir werden sehen, dass nach einiger Zeit anch diese An-
nlherong an einen persönlichen nnd objektiTen Gott nicht
mehr Air endgültig angesehen wurde, und dass es eine höhere
Seligkeit gab, die nur durch Kenntnis erreicht werden konnte^
oder durch das Bewusstsein von der Untrennbarkeit der
Seele Ton Brahnum. Sparen davon sehen wir in Stellen
der Üpanishaden, wie Brth. Ar. Up. V, 4, S: »Weise Men-
schen, welche Brahman kennen, gehen auf diesem Wege
(dcTayäna) zur Himmelswelt (svarga). und von da höher
hinauf als ganz befreite.« Oder Maitr. Brähm. Up. VI, 30:
»Cber die Welt Brahmans schreitend, gehen sie vermittelst
dieser zu dem höchsten Pfade.«
Während in unseren Augen der Glaube an die Wan-
derung der Seele zur Welt der Väter, zur Welt der Götter
und zur Welt des mythologischen Brahman (masc.) eine
hiatorische Entwicklung darzubieten scheint, war dies bei
den Vedänta-Philosophen nicht der Fall. Sie betrachteten
jede Stelle in den üpanishaden als offenbart und daher als
^eich wahr, und sie suchten alle Berichte über die Wan-
dening der Seele, selbst wenn sie deutlich voneinander ab-
wichen, zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden.
Tenaehe, die Tersehiedenen Angaben der üpanishaden in
Einklang zu bringen.
Wie ihnen dies gelungen ist, werde ich am besten da-
durch zeigen können, dass ich einen Abschnitt der Vedänta-
fätras BÜt dem Kommentar des «Saäkara übersetze. Sollte
aach manches davon langweilig scheinen, so wird es doch
Blllzlicb sein, indem es Ihnen eine Idee von dem Stil und
dem Geist der späteren Vedänta-Philosophen geben kann.
Sie werden bemerken , wie die Sütras an und für sich
geradezu unverständlich sind, obgleich wir, nachdem wir
Ä'aAkara's Erklärungen gelesen, sehen, dass sie wirklich den
Kernpunkt des ganzen Arguments enthalten.
Fünfte VorlesttDg.
Vedänta-SOfras.
Viertes Bucb, drittes Kapitel.
Erstes Sdtra,
Auf dem mit Licht u. s. w. beginnenden Wege.
dieser weit und breit anerhannt ist.
^a6kara erklärt: Vom Anfang der Kdse ;des Abge-
schiedenen) ist der Vorgang, wie gesagt, derselbe. Die eigent-
liche Reise aber wird in verschiedenen Schriftstellen auf ver-
schiedene Weise offenbart. Die eine Stelle, die sich auf die
Verbindung der Arterien mit den Sonnenstrahlen stntzt, findet
sich in der KhäaA. Up' VUl, 6, 5, wo ea heißt: 'Dann steigt
er hinauf durch eben jene Strahlen, < Eine andere, die mit dem
Licht (ar^is) beginnt, findet sich in der AVi.lnd. Up, V, 10, I:
igie geben zum Lichte, vom Lichte zum Tage.' Eine andera
kommt in der Eansb. Cp. I, 'A vor: >Naohdem er den Ofitter-
pfad erreicht hat, kommt er zur Welt Agnis (des Fenon}.*
Wieder eine andere Stelle kommt im Brih. Ar. V, 10, I vor:
• Wenn der Purushn jdie Person) aus dieser Welt hinwegg^
so kommt er zum Winde L'nd noch eine andere in dv
Mnnt/. Up. I, 2, 11 sagt: >Sie gehen dahin, von Lttitah
ächaften frei, durch das Thor der Sonne.«
Hier erbebt sich nun die ('rage, ob diese Wege wirUM
voneinander verschieden sind, oder ob es ein und derselbe
Weg ist, der nur auf verschiedene Weise beschrieben wird.
Angenommen, es seien verschiedene Wege, weil sie lo den
Lpanishaden in verschiedenen Abschnitten vorkommen nnd
verschiedenen Arten religiöser Meditation (upftaanft) ange-
hören; ferner weil es mit ditr Beschränkung, dass er dorsh
eben jene Strahlen hinaufsteigt, im Widersprnoh stehen «flrde,
wenn wir das über das Licht (arAis) u. :. w. Gesagte in B<»>
tracht tOgen; und auch die Behauptung bezUgUch dar
Scbnolligkeil, wenn es heißt, »So schnell wie er seinen Oeut
entsendet,') geht er zur Sonne,* würde umgestttrit werden.
1) Die Wtir
11 jävut kBbipyen
t sind schwer tn
Die Wandemng der Seele tuush dem Tode. 127
Wenn man nnn auf Grand dessen behauptet, dass diese Wege
Toneinander Terschieden sind, so antworten wir: Nein^ ^^uf
dem mit Licht beginnenden Wege* ; d. h., wir antworten,
dass Jeder, der sich nach Brahman sehnt, auf dem Wege,
der mit dem Licht be^nnt, forteilt. Und warum? — Weil
dieser Weg so weit und breit anerkannt ist. Denn dieser
Weg ist in der That allen Weisen bekannt. So heißt es in dem
Kapitel Aber die ftlnf Feuer: >ünd auch diejenigen, welche
im Walde das Wahre (d. h. Brahman] als Glauben Ter-
ehren« u. s. w., wodurch deutlich verkündet wird, dass dieser
mit dem Lichte beginnende Weg auch für diejenigen gemeint
sei, welche andere Arten von Kenntnis flbeo. Dies mag
hingehen, sagt man uns, und in Bezug auf jene Arten der
Kenntnis, ftlr welche gar kein Weg erwähnt wird, mag man
ja diesen mit dem Licht beginnenden Weg zugeben. Wenn
aber ein anderer und wieder ein anderer Weg verkflndet
wird, warum sollte der mit dem Licht beginnende Weg
gelten ? Unsere Antwort auf all diee lautet einfach wie folgt.
Das mochte so sein, wenn diese Wege gänzlich Terschieden
wären, es ist aber in Wirklichkeit ein und derselbe Weg
mit Yerschiedenen Attributen, der zur Welt Brahmans führt und
nweilen durch das eine, zuweilen durch das andere Prädikat
beatinunt wird. Denn wenn immer Ein Teil erkannt worden ist,
sollte das Verhältnis von der Art sein, wie zwischen einer Be-
ttimoinng und dem zu Bestimmenden, ^) und die verschiedenen
fibersetzen. Sie sollen Schnelligkeit (kshipratvam von kship aus-
drficken; denn Wind, Geist und Pferd sind die gewühnlichen Bil-
der für Schnelligkeit Ich hatte früher übersetzt: ^And tchile his
it faUing (»und während sein Geist ihn im Stiche lässt«^;
Böhtlingk nicht hätte annehmen sollen, indem er Übersetzte:
»Während das Denkorgan verschwindet.« Es ist aber klar, dass
Schnelligkeit und nicht Verschwinden ausgedrückt werden sollte,
and so hat es auch der Verfasser der Vedänta-sutras verstanden.
1} Die technische Bedeutung von ekade^a ist *ein Teil', wäh-
rrnd ekade#in ^das Ganze' ist. Die Übersetzung ist aber nicht
befriedigend, und auch Deussen macht den eigentlichen Sinn des
Satzes nicht klarer. Hier ist ekade^a einfach für den Anfang und
das Ende des Weges gemeint.
12H
Fünfte Vorlesung.
Bestimmungen des Weges mnssen zussmmengefasst werden,
geradeso wie wir die verecbiedeDen Altribtite einer Wiascn-
ficbaft zusammenfassen, die eine und dieselbe ist, obschon
ihre Behandinngs weisen versoLie den artig sein mOgen. Und
selbst wenn das Sabjekt (nnter dam ein ftewisser Weg za
Braiiman gelebrt wird) vorscbieden ist, so ist doch der Weg
derselbe, weil das Ziel dasselbe ist, und weil Ein Teil des
Weges (als derselbe) erkannt worden ist Denn in allen
folgenden Stellen zeigt sich deutlich ein nnd dasselbe Objekt,
nämlich die Erlangung der Brahmawell. Wir lesen (Bnli.
Ar. VI, 2, 15); 'In diesen Welten Brahmans verweilen sie
auf immer und ewig.; — (Bnli. Ar. V, 10. 1): .Dort wohnl
er ewige Jahre-; — (KaUfli. üp. I, 7): -Welcher Sieg immer,
welche Uröße immer Brabman gehört, diesen 8ieg gewAbrl
er, diese Uröße reicht er dar- ; — (A'/änd. Up. VIII, 4, 3):
> Jene Ürahmawell gehört nur denjenigen, welche sie rer-
mittelat BratimaXarya finden.' Und wenn behauptet wird,
dass bei der Annahme der Asnäherung an das Licht die in den
Worten 'Durch eben jene Strahlen ansgodrückte Kinsohrln-
kung keinen Sinn haben würde, so antworten wir: Das ist kein
Fehler; denn der eigentliche Zweck derselben ist das Er-
reichen dieser Strahlen. Dasselbe Wort, welches die Er-
langung der Strahlen einschließt, braucht das lieht u. t. w.
nicht anszuBchließen. Darum müssen wir zugeben, dus
gerade diese Vereinigung mit den Sirahlen hier stark herTOi<-
gehoben wird. Und was über die Schnelligkeit gesagt wird,
das wird nicht umgestQizt, wenn wir uns auf den mit Lieht
beginnenden Weg besebr&nken, denn der Zweck ist Schnellig-
keit, wie wenn mau sagen wollte : Man gelangt im Ku dahiiL
Und die Stelle (A'Aänd. Up. V, 10, 8): .Anf keinem
dieser zwei Wege«, wulcho den dritten oder den bOaen Ort
bezeugt, zeigt zu gleicher Zeit, duas es außer dem PitriyA»«,
dem Weg zn den Vätern, nur Einen anderen Weg. d«D
Devayäna, den Weg zu den Göttern gebe, von dem dis Lieht
Eine Station ist. Und wenn in der Stelle Ober du Lieht
die Wegstationen zahlreicher sind, wahrend sie sn andereo
Die Wandeniiig der Seele nach dem Tode. 129
Stellen minder zahlreich sind, so leaehtet es ein, dass die
minder zahlreichen in Übereinstimmung mit den zahlreicheren
erklärt werden mfissen. Ans diesen Gründen sagt anch das
Sütra: >Anf dem mit Licht n. s. w. beginnenden Wege, weil
dieser weit nnd breit anerkannt ist.«
Zweites Sütra.
Vom Jahre zum Winde^ wegen des Vorhandenseins
und Fehlens von Bestimmungen.
^Sankara erklärt: Aber dnrch welche besondere Ver-
bindung oder Einschiebnng kann die gegenseitige Beziehung
▼on Bestimmung (Attributen) nnd Bestimmtem (Subjekt) zwi-
schen den Yerschiedenen At^buten des Weges bestehen?
Aus Wohlwollen gegen uns yerbindet sie der Lehrer wie
folgt Im Kaushitaka (1, 3) wird der Devayäna mit folgenden
Worten beschrieben: >Nachdem er den Götterpfad erreicht
hat kommt er zur Welt Agni^s (des Feuers), zur Welt Väju s
der Luft), zur Welt Varuna s, zur Welt Indra s, zur Welt des
Pra^pati Tiri^ , zur Welt des Brahman (Hira/tyagarbha). «
Hl« bedeuten nun die Ausdrucke ^Licht' und 'Welt Agni's
ein und dasselbe, da beide ein Brennen bezeichnen, und es
lieft hier keine Notwendigkeit vor, nach irgend einer Auf-
dnanderfolge zu suchen. Aber Väyu (der Wind) wird nicht
aaf dem mit Licht beginnenden Wege erwähnt, wieso ist er
also hier eingeschoben? Die Antwort lautet: In der Stelle
(Khkü^ dp. V, 10, 1) lesen wir: »Sie gehen zum Lichte, vom
Liehte zum Tage, vom Tage zur Monatshälfte des zunehmen-
dem Mondes, von der Monatshälfle des zunehmenden Mondes
zu den sechs Monaten, wo die Sonne nach Norden geht, von
den sechs Monaten, wo die Sonne nach Norden geht, zu dem
Jahre, von dem Jahre zur Sonne.« Hier erreichen sie also
Väyii, den Wind, nach dem Jahre nnd vor der Sonne; und
wamm? Weil wir in dem Falle sowohl ein Fehlen als anch
ein Vorhandensein von Bestimmungen haben. Denn in den
M»x 3f aller. Tlieosoplüe. \)
130
Fünfie Vorlesuug,
WortBQ : 'Er gelit znr Welt VSyu's (Kanah. 1, 3] wird Vlyn
ohne irgend eine Bestimmung erw&bnt. während in einer
anderen Stelle eine Bestimmung vorkommt, wo es heißt
(Bnli. V, lll, 1): >Wenn der Puruäha die Person) aus dieser
Welt hinweggehl, bo kommt er zum Winde, Da roaclil der
Wind eine Öffnung für ihu, BO groß wie das Loch eines
Rades, und durch diese steigt er höljer hinauf. Er kommt
znr Sonne. < Also infolge der Bestimmung, welche die
Priorität VÄyus vor der Sonne zeigt, musa VäjTi swUcben
das Jahr und die Sonne eingeschoben werden.
Warum ist dann, da eine Bestimmung vorhanden ist.
welclie zeigt, dass Väyu nach dem Liebte folgt, dieser nicht
nach dem Liclite eingeschoben 1-' Weil wir sehen, daas hier
keine Bestimmung vorhanden ist. Aber ist denn nicht eine
Scbriftstelle citiert worden (Kausb. I, 3): 'Nachdem er den
Götterpfad erreicht hat. kommt er zur Welt A^i's, znr Well
Vä)-n"3«? Ja, aber hier wird nnr das Früher und SpSter er-
wähnt, von einer uu mitte liiarcn Aufeinanderfolge ist kein Wort
gesagt. Eine einfache Eonstatierung von Thatsachen wird hier
gemacht, indem es heißt, daaa er zu diesem und zu jenem gebe,
aber in der anderen Schriftstelle bemerkt man eine regel-
mäßige Aufeinanderfolge, wenn es heißt, dass er. nachdem
er durch eine von Väyn besorgte Öffnung, die so groß wie
ein Wagenrad ist, emporgestiegen, die Sonne erreiche. Darum
heißt es in dem Sfilra sehr richtig: »Wegen des Vorhanden-
seins und Fehlens von Bestimmungen.'
Die Väyasaneyina (Bnb. VI, 2, lä behaupten Jedoch.
dass er von den Monaten zur Götterwelt weitergehe, nnd von
der Götterwelt zur Sonne. Um nun hier den unmittelbaren
Zusammenhang mit der Sonne zu wahren, mllsstc er von der
Götterwelt zu Väyn gehen. .Von dem Jahre zu Viyo«,
heißt es aber in dem Stitra mit RUckäicbt auf die Stelle im
A'A&ndogya. Unter den beiden, dem Vä^asaneyaka nnd dem
A7<fiudo^ya. fehlt in dem einen die Ootterwelt, in dem anderen
das Jnbr. Da beide Schriftstellen als glaubwürdig anzunehmen
sind, mOssen die beideu verbunden werden, und dann must
Die WandeniDg der Seele nach dem Tode. 131
w^en der Yerbindang mit den Monaten, die Unterscheidung
gemieht werden, daas das Jahr zuerst und die Gdtterwelt
zuletzt kommt. (1) Jahr [Khknd.), (2; Gdtterwelt Brtli.),
3) Welt Yäjus (Kaush.), 4) Sonne (J^änd.).
Drittes Sütra.
C2ßer dem Blitze Vartma^ wegen des Zusammenhanges.
^ankara erklirt: Wenn es heißt [Kh%,n^. V, 10, 2) : >Von
der Sonne zum Monde, vom Monde zum Blitze«, so wird
Varuiui damit so in Zusammenhang gebracht, dass er Aber
jenem Blitze zur Welt des Vanma geht Denn es besteht
ein Zusammenhang zwischen dem Blitz und Vanuta, da es
ein Brahmana gibt welches lautet: >Wenn die breiten Blitze
mit tiefem Donnerhall aus dem Bauche der Wolke hervor-
tanzen, so stflrzen die Wasser hernieder, es blitzt, es donnert
und es wird regnen.« Der Herr des Wassers ist aber
Yanuia nach der iSruti und der Smrtti. Und oberhalb
Tanuta folgen Indra und Pra^äpati, weil es keinen anderen
Ort fUr sie gibt und auch nach dem Sinne der Schriftstelle.
Aneh deshalb mflssen Vanuia u. s. w. am Ende einge-
sdioben werden, weil sie erst nachträglich hinzukommen und
ihnen kein besonderer Platz angewiesen ist Was den Blitz
anbelangt, so ist er der Letzte auf dem mit dem Licht be-
psnenden Wege.
Viertes Sütra.
Sie sind Wegweiser, weil dies angedeutet ist.
iSkäkara erklirt: In Bezug auf die mit dem Licht Be-
giaaenden erhebt sich ein Zweifel, ob sie Wegzeichen, Genuss-
stüten oder Fflhrer von Reisenden sind. Fürs erste mdchte
aas ansdunen, dass Licht u. s. w. Zeichen seien, weil die
Bdehrong in dieser Form gegeben ist Denn wie man in
der Welt einem Menschen, der nach einem Dorfe oder einer
9*
132
FUnfte Vorlesung.
Stadt zu gehen wllnsoht, sagt: »Gelie von hier zo jenem
HOgel, dann wirst dn zn einem Feigenbaum kommen, dann
zu einem Flusse, dann zu einem Dorre, dann zu der Stadl.>
so sagt er aacli hier: >Vom Liebte zum Tage, vom Tage zur
Mouatahllirte des zunehmcndeu Mondes.- Oder man kann
annehmen, dass GenussstStten darunter zn verstehen seien.
Denn er verbindet Agni n. s. w, mit dem Worte loka (WelH,
wie wenn er sagt: 'Er kommt zur Welt des Agni«. Und
das Wort 'Welt' wird für Oenussstatten lebender Wesen ge-
braucht, wie wenn man sagt 'Die Welt der Menschen, 'die Well
der V&ter', 'die Welt der Götter'. Und es gibt auch ein
Br&hma»a, welches lautet >yat. Br. X, 2, (i, S): 'Sie bleiben
haften in den Wellen, welche ans Tag und Nacht bestehen,'
Darum sind Licht u. s. w. nicht Wegweiser. Auch können
sie schon deshalb nicht Wegweiser sein, weil sie ohne V'er-
atand sind. Denn in dieser Welt werden verständige Men-
schen vom Könige dazu angestellt, diejenigen zn geldten,
welche sie über schwierige Wege zu führen haben.
Auf alles dies antworten wir: Es sind doch Wefpreiser
darunter zu verstehen, weil dies klar angedeutet ist. Denn
es heißt: «Vom Monde zum Blitz. Dort ist eine Person,
nicht ein Mensch, er führt sie zn Brahmnn;« und dies zeigt
dentUch ihren Charakter als Wegweiser. Wenn man ein-
wendet, dass nach der ßegel, 'Hin Satz drückt nicht mehr
aus, als was er aussagt', dieser Satz, der doch anf sein be-
sonderes Objekt (dio Person, die nicht ein Mensch ist. be-
achrSnkt ist, sein Gewicht verliert, so sage ich: Nein, denn
das Prädikat amanava/i) bat nnr den Zweck, seine etw»
angenommene Mensclilichkeit ausznschlielten. Nnr wenn in
Bezog auf Licht n. s. w. persönliche Wegweiser, nnd zwar
menschliche, zugestandeu werden, ist es in Ordnung, dass
liier, um diese (Menschlichkeit) auszuschließen, das Attribut
amänava, 'nicht ein Mensch', steht.
Wenn man einwendet, dass eine bloße Andeutung nicht
gentigend sei, da kein Beweis d» ist, so sagen wir: Darin,
liegt kein Fehler.
Wuidermg dar Seele nach dem Tode. 133
Fünftes Sütra.
Weil, da beule in Verwirrung sind, dies richtig i^t.
SMtkxnL, erkllrt: Da diejenigen, welche anf dem mit
Licht hegiBBenden Wege dahingehen, ohne einen Körper,
■ad da alle ihre Oigane zoaanmiengerollt sind, sind de nicht
■f hii«iipig und das Licht n. s. w., da sie ohne Verstand
sad, sind ebenfidls nicht anabhftngig. Daraas folgt dass die
iadiridiielleB verständigen Gottheiten, welche das Licht n. s. w.
darslellfiii« mit dem Wegweiseramte betraut sind. Denn aoch
in dieaer Welt folgen Betrunkene oder Ohnmächtige, deren
Sinnesorgane insammeDgeroUt and. dem Wege, der ihnen
Ton Asderen gewiesen wird. Femer können Licht a. s. w.
nicht filr bloße Zeichen des Weges angesehen werden, weil
fie nicht inmier da sind. Denn ein Mensch, der in der Nacht
sörbt, kann nicht zu dem eigentlichen Wesen des Tages
kommen. Es gibt ja, wie wir oben bemerkt haben, kein
Warten. Da aber die Katar der Götter ewig ist gilt dieser
Dnwand nicht Ar diese. Und es ist ganz richtig, die Götter
als Licht n. s. w. zu bezeichnen, weil sie Licht u. s. w.
dantellen. Und gegen den Ausdruck. Tom Lichte zum
Ta^ n. 8. w.' Usst sich nichts einwenden, wenn der Sinn
ciaes WegweiMramtes angenommen wird, denn der Ausdruck
bedeitet: Durch das Licht als Ursache kommen sie zum
Tage, durch den Tag als Ursache zur Monatshilfte des zu-
Ȁstenden Mondes. Und eine derartige Belehrung sehen
■ir sich bei Wegweisem, wie sie in der Welt bekannt sind.
^caa sie sagen: Gehe von hier zu Balavarman, tou da zu
^Ajasbiiha, Ton da zo Kmhitagnpta. Außerdem ist am An-
^^^ wenn es heißt: *Sie gehen zum Lichte . nur ein Ver-
^^^Sais au^edrflckt nicht ein besonderes Verhältnis : am Ende
^^"^^h. wenn es heißt: *£r fahrt sie zu Brahman', ist ein
"^^^deres Verhältnis ansgedrfickt das zwischen einem Ge-
^^^^tea and einem FUhrer. Darum wird dies auch fUr den
''^^fsag angenommen. Und da die Organe der Wanderer
134 Fünfte Vorlesiiog.
ziisamm enge rollt sind, gibt es fDr sie keine Möglichkeit etvsa
zn gonioßen; hingegen kann das Wort 'Welt' :loka< auch auf
Wanderer angewandt werden , die nichts genießen, weil die
Welten OennssstSttea für Andere , die dort wolinen , sein
können. Wir mSssen demnach verstehen, dass derjenige,
welcher die Welt Agni's erreicht hat, von Agni, und der-
jenige, welcher die dem Väyn gehörige Welt erreicht liat,
von Väyn geführt wird. Wie kann aber, wenn ^r diese
Ansicht, dass sie Wegweiser sind, annehmen, dies fflr Vamna
n. a. w. gelten? über dem Blitze wurden Ja Varnum u. s. w.
eingeschoben, nnd nach dem Blitze bis zur ErUngnng Brah-
mans ist die Fubrersohaft der Peraon, die nicht ein Mensch
ist , ofTenbart worden. Dieser Einwand wird beantwortet
durch
v^n
Das sechste Sülra.
l^on da durch den, der zum Blitz gehört, weil der Vtdß
so sagt.
■Sahkara erkiflrt: Man hat zu verstehen, dass sie von
da — d. h. nachdem sie znm Blitze gekommen sind — cnr
Welt des Brahman gehen, indem sie von der Person, welch»
nicht ein Mensch ist nnd welche unmittelbar nach dem Blitie
folgt, durch die Welten des Varu"» n. s. w. geführt worden
sind. Dass die Person sie führt, ist durch die Worte offen-
bart: >Wenn sie die Stfttte des Blitzes erreicht haben, fBbrt
sie eine Person, nicht ein Mensch, ') in die Welten Brah-
mans< [Brih. VI, 2, l.'i). Aber Varuna und die Änderen —
so hat man zu verstehen — bezeigen ihr Wohlwollen entweder
dadurch, dass sie ihn nicht hindern, oder dadurch, dass sie
ihm beistehen. Damm ist es richtig gesagt, dass Licht u, s. w.
die Götter sind, welche als Wegweiser dienen.
Diese Auszüge ans £afikara's Kommentar zu den Vedtnta — ■
sütras, so schwer sie auch zu verstehen sind, können
1) Hier amänavaA, allein im Texte mänasaA.
Die Wanderung der Seele nach dem Tode. Ig5
dienen« Ihnen doch einen Begriff davon zn geben, wie ge-
radesn nnmöglich es ist, die Bestandteile alter heiliger Litte-
ratnr in ein einheitliches System zn bringen, nnd wie die
yedisehen Apologeten sich vergebens bemtlhten, Widersprüche
zn beseitigen nnd jede einzelne Stelle mit allen tibrigen in
Einklang zn bringen. Fflr nns ist diese Schwierigkeit nicht
Torhanden. wenigstens nicht in dem Maße. Wir wissen jetzt,
dass heilige Bücher, wie alle anderen Bücher, eine Geschichte
haben, dass sie die Gedanken verschiedener Menschen nnd
rerscbiedener Zeitalter enthalten, nnd dass wir, anstatt zn
versuchen , Angaben, welche von einander abweichen, ja
sogar einander widersprechen, in Einklang zn bringen, die-
selben einfach als Thatsachen hinnehmen nnd in ihnen den
stärksten Beweis für den historischen Ursprung und den
Cliarakter der Echtheit dieser Bücher sehen sollten. Nachdem
aber die Brähmanischen Theologen sich einmal einen künst-
lichen Begriff der Offenbarung gebildet hatten, konnten sie die
Fesseln, die sie selbst geschmiedet, nicht wieder abschütteln
und mussten daher die kflnstlichsten Mittel ersinnen, um zu
beweisen, dass es keine Abweichung nnd keinen Widerspruch
zwischen irgend welchen der im Veda enthaltenen Angaben
gebe. Da sie überzeugt waren, dass jedes Wort ihrer Smü
nodttelbar von der Gottheit komme, so folgerten sie, dass
et ihre eigene Schuld sein müsse, wenn sie die überein-
itimmong widerstreitender Äußerungen nicht herausfinden
hörnten.
rnabhingige Angaben in den Mantras«
Sonderbar ist es jedoch, dass man. während so viel An-
nxQogung gemacht wird, alle in den Upanishaden vorkommenden
^Vllen in Ordnung und in Einklang zu bringen, kaum irgend
^^Ben Versuch gemacht hat, die Angaben der Upanishaden
'^^t Stellen in den Hymnen, welche sich auf das Schicksal
^^r Seele nach dem Tode beziehen, zu vereinbaren. Diese
^^Uen stehen mit denen in den Upanishaden keineswegs in
i
131
Fünfte VorlesunK'
Einklang, ebensowenig als sie mit sich salbet immer io Ein-
klang stehen. Es sind diea eben nur die veracbiedenartigen
Äußerungen der Hoffnungen und Besorgniaee individueller
Dichter, nnd sie sind noch frei von den anafabrlichen Einzel-
heiten über die Wanderung zu den Vfiteni, zu den Göttern
und zu Brahman, an denen die L'panisbaden so reich sind.
Wenn wir die Hymuen des Rigveda nntersochen, so
finden wir in denselben den schlichten Glauben, daas die-
jenigen, welche ein gnles Leben geführt haben, mit einem
neuen und vollkommenen Körper zu den Vfttem im Reiche
des Yama gelien ; und zwar ist Yama msprlln glich ein
Repräsentant der untergehendea Sonne,') der erste Unsterb-
liche, nnd Spaterhin der erste Sterbliche, der die selige Woha-
sUtte jenseits des Westens betreten. So heißt es in einem
beim LeiohenbegSngnis verwendeten Hymnus (Rv, X. 14, 7 ff.) ^):
•Geh hin, geh hin, auf jenen allen Pfuden,
Auf denen uu»re Vnter heimgegangen;
Gott Varuna und Yama sollst du schauen.
Die beiden KUuige, die SpeDdentrinkcr
>Oeh xn den Vütern, weile dort bei Yama,
Iffl liUebsten Himmel, so du'a reich veidienteal,
I.itas dort das üble, kebro dann nach Banse,
Und nimm Gestillt, umairsblt von llchtetn Glsuse.
I
Yama wird nie der Erste der SterbUoben genannt, außer
im Atharva-veda. ') Im Rigveda kennen viir seinen gOttlidieii
Charakter und dessen physisches Substrat, die untergehende
Sonne, noch deutlich erkennen. So lesen wir X. 14, 2:
• Yama war der Erste, der uns den Weg gefunden, einen
Weideplatz, der uns nicht weggenommen werden kann, w<>-
hin unsere Vater ehedem gewandert sind, die dort geboren
wurden, jeglicher nach seinem Wandel.<
1) Nach Hillebrandt ist der pliysiscbe niniergrund Vaua's der
HuDil und nicht die Abendsonne. Das ist uichi unmliglich.
2 Anthropologische Reli^ou, p. 24S.
3) Ath.-veda XVIII, 3, 13 ist eine Korruption von Bv
IHe Wiadenmg der Seele nach den Tode. 137
IMeMT P£id der AbgesehiedeiieB pnpadui) wird ab
gtAluikli ao^fjLSst^ lud Püshaa wird nin Sekatx aaf dem-
selbeB an^fleht X 17. 4 . An Einer Stelle ist tob einem
Kaeb^ nun Überftetzen eines Flosses die Rede (X. 63. lu .
nnd mnck xwd Hunde werden erwJüint. an denen der Ab^e-
BckiedeBe nerbeigehen ants. Ein anderer Vers bringt c^inen
paa neoen Gedanken herein. Da heißt eä 'Rv. X. 16. 3 :
>Znr Sonne gehe das Ange. anm Wind der Atem: geh
xnm Himmel nnd aar Erde, wie es recht ist: oder gehe an
den Gewissen, wenn es dort gnt fülr dich ist: mhe in den
Piannen.c
Man hat geglanbt dass manche vedische Dichter die
Wohnstitte der Seligen nicht in den Westen, sondern in den
Osten reriegten: es hingt dies aber bloß Ton der richtigen
Erklimig Einer Stelle. Rt. I. 115. 2. ab. Hier wird ein
Sonnenaafgang beschrieben: >Da5 strahlende Angesicht der
GOcter ist aofjgegangen. das Ange Mitras. Vam^tas. Agni s: es
fillte Hiaunel nnd Elrde nnd die Lnft. die Sonne ist das
r^bst Tcn Allem, was sieh bewegt und feststeht
>IKe Sonne folgt der günxenden. göttlichen Morgenröte
hinten nach, wie ein Mann einem Weibe nachgeht, da wo
die Fr<*mmen die Menschenalter Terlingem von Seligkeit an
Diese letzte Zeile ist auf rerschiedene Weisen tibersetzt
worden, aber die gewöhnliche Vorstellung ist immer die ge-
wesen, dass unter den Frommen hier wie sonst die Abge-
schiedenen zu Tcrstehen seien. \ Es liegt jedoch fOr diese
Eiklirang keine Notwendigkeit vor. Ich sehe in diesen
Worten eine im Veda oft ausgedrockte Idee, das^ die from-
men Verehrer ihr Leben oder ihre Naehkommenscbait rer-
liagem. dadurch dass sie den Göttern des Morgens — die
M^rgensonne ist nimlich das Symbol der Emeuenmg und
langen Lebens — Opfer darbringen. Wie dem anch sein
1 Grldner n. Kaegi. Str^tehzip Li f der cV* Eicr^da, p. 55: Zini-
mar. JÜtimd. Lelai, p. 410.
13S Fünfte Yorlesimg.
mag; die Wohnstätte Yama's und der Abgeschiedenen ist in
der Nähe des Sonnenuntergangs, nicht in der Nfthe des
Sonnenaufgangs.
Die Wohnung der Abgeschiedenen wird aber keineswegs
als dunkel oder düster beschrieben. Wenigstens wenn Borna,
der Mond, angerufen wird, Unsterblichkeit an gewfthren,
lesen wir (IX, 113, 7 flF.) :
»Wo unvergängliches Licht ist, in die Welt, in welche
die Sonne gesetzt ist, in jene unsterbliche, ewige Welt yer-
setze mich, o Soma!
»Wo Vaivasvata (Yama) König ist, wo der Abstieg (oder
das Innerste) des Himmels ist, wo die ewigfliefienden Wasser
sind, da mache mich unsterblich, o Soma!
»Wo man sich bewegt, wie es Einem gefUlt, im dritten
Licht, dem dritten Himmel des Himmels, wo jeder Ort voll
Licht ist, da mache mich unsterblich, o Soma!
»Wo alle Wünsche und Begierden zu finden sind, wo
die rote Sonne ihren Gipfelpunkt hat, wo es Spenden und
Sättigung gibt, da mache mich unsterblich, o Soma!
»Wo es Freuden und Wonnen gibt, wo Entzücken und
Genuss wohnen, wo die Wünsche des Herzens erfüllt werden,
da mache mich unsterblich, o Soma!«
Es folgt jedoch keineswegs, dass die Wohnstätte der
Abgeschiedenen, zu welcher dieselben von Soma geführt wer-
den, immer genau in derselben Weise aufgefasst wird. Die
dichterische Phantasie der vedischen Sänger ist noch sehr
frei. So lesen wir in einem anderen Hymnus (I, 24, 1 — 2 ,
dass Agni, der Erste unter den unsterblichen Göttern, den
Menschen der Aditi dem Unendlichen) wiedergeben solle,
wo der Sohn seinen Vater und seine Mutter wieder sehen
könne. In einem anderen Hymnus (X, 15) werden die Ab-
geschiedenen thatsächlich in verschiedene Klassen eingetdlt,
die entweder in der Luft oder auf der Erde und in den
Dörfern wohnen. Dirghatamas (I, 154, 5) spricht von der
geliebten Stätte Vishnn's, wo fromme Männer sich erfreuen,
als der Wohnstätte der Seligen. Diese Stätte Vish/iu*8 würde
4m Secte nck dm Tode 139
Ort icn. wo die S^nme ikrea hdcktfCB Paakt er-
racfti. ■M-kl vo ae BBtaKltt. En aadcrer Dickter X.
lii>. 1 iftkkt TOB ciMfli jch$B«B Banne, vo Yaaa ait
GiMten tinkL !■ Atittm-T«da bekoBaes vir Mck
EtmtidkeBUm, Da kaea wir tob Mlkkklkc&. saaftea
klbifdfai Regca. Toa Kackea aas Scknehkaiser.
die Hit Mllek aad Hoai^ diefica. aad Toa
«acr ^raficB Mea^ Fiaaea. laater Diagea. die zmm GeaaMe
Es sckciaf lekr «^ideikar. da« ketae Toa dieiea ia dca
B jvKB des Bi^reda eatkaheaea Aa^abea tber das Sckick-
mk <it3t Seele aaek deai Tode ia dea Vediata-<itza5 keqiroekea
räd. Es wird kda Venaek gtaiikt, se waX dea Lekrca
<i«r CpaanikadcB ia Kiakiaag za kiiagea. Daiselbe pk Toa
Y^cAea ia dea Brikaaitas rwrkoMfadea diellea. obgleick sie
3DB ifwlkfa Beekte. wie die üpaaükadea. ja tob kistm-
«km dtoadpaakse ait aock gr^fierc» Reckte als die» aaf
km CkanA^tv der ^rati oder Ofieabazaa;r Asiprack erkebea
tiliMirBL Dies M eca Paakf. dea eiakeintieke Vediatistea
ia BirtiiMki liekea soUtea. eke sie die Vcdiata-Pkflosopkie
JÄ wk£ .Skati oder OAakaraa^ im aügeaeiaea öiaae dicaei
Eia aadeiei lekwaeker Paakt bd dea Verifiuoen der
Tidiani liliH io. wie war sekeiat, ikre Ua£Üügkeit za Ter-
CS ia dea iltetfen Periodea der dpraeke aanöp-
fltf. ii^ead eiacB Gcdaakca aaders als Betapkoriick.
oder — was dasdbe m — artkok^^iiek
Die attca Weisea deakea aickt so «ekr ia
als ia KUeia. Ftr ass siad dwäc Bü^ier Ter-
io daas TOB ikaea aickts sas der itsu Kern ftÄsi^
^üeAc WcBB wir z. B. dsToa sprccbea. das§ wir aas Gott
^U&«ini oder am Gott kcfaakoaaBca. k* deakea wir ückt
MeilcB WcfCüi. die wir zarickzale^ea. oder aa
I III
Fünfte Vorli'Bung.
UrQckan, die wir la Hbersohreiten, oder an Seen, die wir ed
durchfahren haben. Und wenn wir von einem Throne Gottei
sprechen, gestatten wir una nicht, una einen königlichen
Thron mit Fdßen, Säulen und Baldachin auszumalen. Aber
bei den alten Sprechern war dies anders. Ihre Gedanken
waren noch nicht frei von dem Bilderwerk der Sprache. Ihre
Annäherung an Gott konnte nnr als eine lange Wanderanf:
über steile Wege und enge ßrUcken dargestellt werden, und
der Thron Gottes oder Brahmans wurde malerisch beschrieben
als gülden und mit kostbaren Tüchern und Kiitsen bedeckt.
Zur Ehre der Dichter der Upanishaden aei es jedoch gesagt.
dasa sie bald anlingen, sich zu berichtigen. Sie sagen uns.
dass der Thron Brahmans nicht ein goldener Thron sei,
sondern dasa man darunter die Einsicht za verstehen habe,
wälireud dessen Decken die heiligen Schriften oder die Veda*
darstellen. So wird ein Flnaa, Aber den die Seele auf ihrer
Wanderung zu Brahman zn setzen hat, Vitara, d. h. Nicht-
allernd, genannt; wer über denselben übergesetzt ist, wirft
das Alter ab und wird nie wieder alt. Man nimmt an, daas
er seine guten und seine büaen Thaten abgeachflttelt habe,
nnd dass er das Verdienst der ersteren jenen unter seinen
Verwandten anf Erden hinterlasse, die ihm lieb gewesen.
während seine bOsen Thaten seinen ungeliebten Verwandten
zufielen. Ein See wiederum, der den Weg zn Brahmu
hemmt, heißt Ära, und dieser Name soll von Art, 'Feind',
abgeleitet sein, und zwar sollen diese Feinde die Leiden-
schaften und Neigungen des Herzens sein, die alle suröek-
gt^lassen werden müssen, ehe der Eingang zur Stadt Gotiei
gefunden werden kann, während diejenigen, welche nicht dl«
Wahrheit wissen, wie man glanbt, in diesem See ertrinken.
Unter den aufgeklärtesten Forschern auf dem Gebiet«
di^r vedlachen Lttteratur in Indien gibt es selbst Iieulzutago
nur wenige — wenn es überhaupt welche gibt — , die auch
nur die Möglichkeit eines historischen Wachstums in Beaug
auf den Veda zugeben und die nicht die künstlichsten Er-
klärungen dem freinfltigeD Zugeständnis vorziehen worden.
Die WiDdemng der Seele naefa dem Tode. 1 4 1
dl« gleidi iBderen keiligen Bllehem auch der Yeda ver-
•ekiedesen ÖrtfichkeiteB, Tersehiedeneii Zeitaltern nnd ver-
»diiedenen Köpfen sdnen Ursprung verdankt.
Wenn wir nicht diese metaphorische oder hieroglyphi-
sehe Sprache der alten Welt rerstehen lernen, so werden
wir die üpanithaden nnd die meisten heiligen Bücher des
Ostens bloß als kindisches Geplapper ansehen: wenn wir
aher dnrch den Schleier hindnrchsehen können, so werden
wir hinter demselben zwar nicht wie Viele sich einbilden,
tiefe Mjsterien oder esoterische Weisheit aber immerhin Ter-
ftindige und reretindliche Bemftbnngen im ernsten Snchen
nach Wahiiieit sehen.
Wir dflrfen jedoch nicht denken, dass wir immer den
nrsprfiBglicken Sinn mytholo^scher Phraseologie ergründen
können, es folgt auch gar nicht dass die von den indischen
KcMuneatatoren angenommene Erkllrang immer die richtige
sein mflflse. Im OegentdL diese einheimischen Erklimngen
md oft gerade durch die Antoiitilt. die ihnen natürlicher-
weise xncnkommen scheint, irreftlhrend, und wir müssen
trachten, nns so viel als möglich tod ihnen nnabhinpg zu
Im den ansftUirlichen Schüdemngen znm Beispiel, die
Ihaen aas einigen der Upanish&den vorlas, die Rückkehr
der Seele zn Brahman betreffend, wonach die Seele mit dem
£aacte des Seheiterfaaafens emporsteigt nnd die Nacht er-
reicht, hierauf die llonatsh&lfte des abnehmenden Mondes,
tirdinn die leehs Monate, während welcher die Sonne nach
Stden seht nnd dann erst in der Welt der Viter anlangt
findf wir es schwer, wenn nicht unmöglich, irgend welche
beaüniBte Gedanken mit diesen Wanderungen der Seele zu
verknApfen. Was kann mit den sechs Monaten, während
weleher die Sonne nach Süden oder nach Norden zieht ge-
seins sein? Man möchte glauben, es liege darin der Ge-
danke, dass die Seele sechs Monate, während die Sonne nach
Süden zieht warten müsse, ehe sie hoffen könne, die Welt
der T&t€r und den Mond zu erreichen. Dies ist aber kones-
142 Filufte Vorlesung, ^^^^^^^
wega die Erklirung der einbeimi sehen Kommentatoren. Ihnen
liegt eine Stelle int Sinne, wo es heißt, dass die Seele mit
der Schnelligkeit des Gedankens voiwftrta wandere, nnd sie
würden daher nimmermehr zugeben, dass in dem Anschlues
der Seele an den nördlichen oder sOdlichen Lau/ der Sonne
irgend etwas wie Anfsehub zn sehen aei. Sie mOgen damit
Recht haben, allein sie lassen die Schwierigkeit von den
seebs Monaten als einer Station anf der Wanderung der
Seele unerklSrl. Ich kann nur Eine Parallele beibringen.
die vielleioht etwas Licht anf diesen Pnnkt werfen mag.
Sie kommt bei Forplijrius, De Arifro Nymphanim, vor.
Diese von Homer (Odyss, SUI, 104) erw&hnte Grotte der
Nymphen wurde von Porphyrius und anderen Philosophen.
wie Nnmenius und Cronine, als ein Symbol der Erde mit
ihren zwei ThUren aufgefasat:
äiivi äl i( oi ttiiittt flaly ■
ai /liv TtQOi Boqiao. xatatßatoi ifV^QÜinotatv,
ni (f UV nf'oe Nöiav eioi »ttäiepii ■ oiil ii «tiVi,
äfigci iaiQj/nytni, (SU' altufitjulv niföf iatir.
Diese ThUren der Grotte sind als die von nnd zu der
Erde führenden Pforten erklärt worden. So sagt Porphyrin»,
dass es zwei äußerste Enden in den Uimmeln gebe, n&mlieh
das Wintersolstitium — und es gebe keinen dem SQden nSher
gelegenen Teil, als dieses — nnd das Sommersolstitinm, welches
dem Norden am nächsten gelegen sei. Aber die Sommer-
sonnenwende, d. h. der Wendekreis, liegt im Krebse, nnd die
Wintersonnenwende im Steinbock. Und da der Krebs der
Erde am nächsten ist, wird er mit Recht dem Monde zog^
schrieben, der selbst sieh iu nnmittelbarer Nähe der Erd«
befindet. Da aber der SOdpol dnrch seine größte EntfemODg
für nns unbemerkbar ist, wird der Steinbock dem Satnin
zugeschrieben, der der höchste und entfernteste aller Planet«ii
ist. . . Theologen nahmen daher zwei Thore an, Krebs and
Steinbock, und auch Plato meinte diese mit dem, waa er die
zwei Münde nennt. Von diesen, behaupten sie. ist der Kr«ba
Die Wmiideniiig der Seele luich dem Tode. 143
du Thor, durch welches die Sedea hinabsteigeiL der Stein-
bo^ aber das|eBige. durch welches sie hinanfsteigeii [und
GBcn malerielleii Zustand des Seins gegen einen göttlichen
analaaschen'. Und in der That heißt es von den gegen
Sid^ gerichteten Thoren der Grotte mit großem Rechte,
dais sie ^ das Hinabsteigen der Menschen den Durchgang
gcstaSlem: aber die nördlichen Thore sind nicht die Zaginge
der Götter, sondern der zn den Göttern emporsteigenden
Seelen. Ans diesem Grande sagt der Dichter nicht dass es
der Duchgang der Götter, sondern der der Unsterblichen
icL eine Benennnng. die anch anseren Seelen ankommt
die an nnd fftr sich oder ihrem Wesen nach ansterblich
snd.^}
Die Vorstellong. dass der Ort nach welchem die Sonne,
iei es in ihrem nördlichen oder ihrem sfidlichen Laufe.
nrtekkehrt eine Thftre seL dnrch welche die Seelen zam Him-
mel empontdgen können, ist znm mindesten begreiflich : ebenso
begrdflick. wie die YorsteUni^. welche Macrobias im zwölf-
ten Kapitel seines Kommentars zn Scipios Traom dem
PTtkagoras znschreibt der. wie er ans sagt dachte, dass das
Seieh PInto's Yim der Milchstraße abwärts beginne, da Seelen.
wcicte ans derselben herab&llen. schon Ton den Göttern
nrtefcgewichen zn sein scheinen.
Es sollte anch nicht nnerwihnt bleiben, dass. wie Bai
THak in seinen Untersnchangen Aber das Alter
Tedas bemeikt »das Sommersolstitiam. welches den sQd-
Lanf der Sonne beginnt das ajana der Htns genannt
wird, od daas der erste Monat oder Halbmonat in diesem
der Pitr» ganz besonders der Monat oder Halbmonat
PIträ oder derFrayaahis oder der Manen ist Die Inder.«
figt er kinzn. »betrachten bis znm heutigen Tage die dunkle
Hüfte des Monats Bhidrapada als den Halbmonat der Manen.
nnd ebenso £e Parsen. deren Jahr mit dem Sommersobtitium
äidbs AMSrnm. Forfk^riug, PkOo. ed. Didot. p. »4. § 21.
144
Fünfte Vorlegung.
»nhob, 90 dass der erste Monat dee Jahres den Manen ge-
weiht war.« (W. Geiger, OaüTäntsehe Kultur im Alterttmi,
p. 324.)
Er geht noch weiter nnd mactit darauf aiiftnerksam,
(Uas. wenn die FrllhlingsDftchtgl eiche im Orion war, dieses
Gi-stirn znaammen mit der Milchstraße nnd dem Unude iozn-
sagen die Grenze zwischen Himmel und H5lle. EWisehen
Devaloka und Yamaloka bilden, die in vedischen Werken die
Hemisphären nJtrdlioh nnd aDdlich vom Äqnator bedeuten.
Dies wUrde, glaubt er. auch erklitren, warnm nach den parai-
sehen, den grieclisehon nnd den indischen Überlieferaugen
Himmel und Hölle durch einen ['Inas getrennt sind, nnd wie
US kam, dass die vieräugigen oder dreiköpiigen Hnnde an den
Thoren der HöLle den Weg zn Yama's Keich bewachten:
diese Hunde seien oftmlich die 8ternbilder des großen and
kleinen Hundes. Er uoternimmt es, noch mehrere andere
von den alten vedischen Überlieferungen durch den Hinweis
auf diese Sternbilder zu erklären, doch hat er aebweilioh
bewiesen, dasa diese Sternbilder nnd ibre Kamen als 'der
große und der kleine Hand' schon zar 2eit der Uichter dea
Kigreda bekannt waren.
Was auch in diesen Spekulationen unsicher sein mag,
so viel scheint klar, dass nrsprflDglich der Ort, wo die Sonne
sich ihrem nördlichen Laufe zuwandte, als der Ort aufgefasst
wnrde, wo die Seele sich der Welt der Väter nflhem könne.
Am schwierigsten zn verstehen ist aber das UchiekMÜ,
das der Seele harrt, während sie im Monde weilt, Hier im
Monde nämlich, heißt es, werden die Abgeschiedenen nr
Speise der Götter. Die wörtliche Bedeutung ist, 'sie werden
von den Göttern gegessen', aber die Kommentatoren warnen
nns, nicht etwa 'Essen' im wörtlichen Sinne aufzufassen, BOO'
dern in dem mehr allgemeinen Sinne von in sich aufnehmen .
'genießen' oder 'lieben'. Die Abgeschiedenen, sagen sie,
werden von den Devas nicht bissenweise gegessen, sondern
man hat darunter zn verstehen, dass sie das Entzttcken der
Götter bilden, wie Speise das Entzncken der Menschen bildet.
Die Wandennip der Seele DJch di^m Tode. 145
Ja. Hb KomsBenUior ^bt noeh weiter und sagt: >We]i]i
MMM sagt, dass Franen Ton Mlnneni geliebt werden, so lie-
\*m ae. iadein sie geliebt werden, ancb selbst 80 lieben
aacb äese Seelen, indem sie von den Gditem oder Deras
g)el5ebc werden, ihrerseits wieder die Gdtter ond sind glfiek-
Ikk. indea sie sieh mit den Devas freuen.« Dies scheint
ranifhfl eine Temftnftige Erkilmng. nnd wir wissen, dass
aneh in der Sprache des Xenen Testaments Essen nndTrin-
kiss oder Slchnähren in gewissen allbekannten Stellen in
d« Sinne ron Empfangen. Genießen oder Lieben verstanden
wefd«n BBSSu
Doch dies erklärt unsere Legende niehc ganx. nnd es
M klar, da» einige andere mythologische Vorstellnngen vom
X«»!« d5e Gedanken der Dichter der Upan;shaden beeinflnsst
iahen mt3(§en. Eis war offenbar eine gellnfige Vorstellung
Ml des gemeinen Volke im alten Indien, dass der Mond di^t
(|Küe des Lebens und der Un^erblichke'Et sei. nnd dass er
«SS etwas Ähnlichem, wie der griechische Nektar bestehe.
ia des Gittern Unsterblichkeit Tcrliek. Das Abaehoicn des
l^m*i*A wurde dieser Verzehrung Somas des Mondsafies
iaztk die Gdtter zugeschrieben, während das Zunehmen des-
KibtB durch das Eingehen der abgeschiedenen Geister in
•i» M*»d. die anerkannte Wohnstltte der Väter, erklärt
wurde- Wenn man also, nachdem der Mond wieder voll war.
fhaile. dass die Gdcter noch einmal von demselben äEen. so
31 «i bcgrüflich. da» man annahm, die Gutter nährten sich
74« de* Seelen der Abgeschiedenen, die in den Mond einge-
raren.' Ich wiU nicht behaupten, dass dieie Er-
Beher sei. auch wird sie von den Kommentatoren
•ia rpanishaden nicht einmal angedeutet, jedenfalls aber :?:
&e ausuHiBenhäBgend und verständlich: nn»i dies hz m-rhr.
a^ Bck Ton ^äükara's Auslegung sa^en läss:.
Es ist jedoch nicht unm«?gilch. dass ältere mythologische
m vom Monde die Gedanken drrr Dichter der
1 Stehe Kll^iaadl, Vidü^ie J/yf iotV^Ü. I. p. 5^4.
146
Fliafte VorleeuDK,
Upaniahaden bceint^nast haben. Nicht bloß in Indien wardc
der Mond ala ein Sinnbild des Lebens und der Unsterblich-
keit angeseben. Wenn die Meoacben nach Monden iBMten,
so wnrde der Mond naturgemäß die Q.iieÜo and der Spender
des Lebens. Sie baten um mehr Monde, sie lebten ao vide
Monde, so dasä 'Mond' und 'Leben' fast synonym wurden.
Was ferner die Idee des unsterblichen Lebens nach dem Tode
anbelangt, so sah man dieselbe versinnbildlicht in dem Ab-
nehmen oder Sterben des Mondes nnd in der Auferstohnng:
des Neumondes. Spuren davon hat man sogar bei den nie-
drigsten Völkern, wie den Hottentotten, entdeckt, die eine
bekannte Siige vom Monde haben, dass er einen Boten in
den Menschen schicke, um ihnen zu sagen: 'Wie ich sterbe
und sterbend lebe, so werdet auch ihr sterben und sterbeod
leben.« '
Indem man diese zwei AnfTassungen verband, gelangt«
man leicht za der Vorstellung, dasä ebeuso, wie die Abge-
schiedeneu znm Monde gingen, und wie der Mond zu- and
abnahm, auch jene mit dem Monde zu- und abnähmen. Dann
gab es ferner noch eine andere Cberlieferung in Indien, daas
der Mond, der Spender von Regen und Fruchtbarkeit, die
Lieblingsuiihrnng der Götter sei; es war somit nichts weiter
uStig, als eine Verbindung dieser CborlieferuDgeu , am zu
dem Ausspruche zu gelangen, dass während der Mooalshllfte
des abnehmenden Monats die Götter sich von den im Hond^
wohnenden Abgeschiedenen nfibrten. Einige von diesen Ge —
danken siud in dem Verse Kv. X, S5. 10 ausgedrtlckl:
NiVv.iA-iiava/i lihiivati jayiiuiiiiiiiA
(liTiniu ketiifi naliAiüiQ eti agram
BhfigAm devi^bhynA vi dadhiiti ä-yin
PrA landrAmä/i liriite dirghiim s'i'yuA.
•Kr (der Mond; wird immer wieder neu, wenn er
nird; das Licht der Tage, geht er un di^r Spitze der Horgenr{(i^*i>i
wenn er ankommt, verteilt er den GCtiero jedem sein Teil; <3*r
Mund verlSogert ein Unges Leben,«
I) SfltfUil Bnay», I, p. Kl».
Die Wandernn^ der Seele naeh dem Tode. 147
Hier ist es kUr. dasa der Mond alä die Qnelle und der
Spender des Lebens, namentlieh eines Ungen Lebens, ange-
sehen wird, während unter dem Teil, den er den Göttern
Terteill entweder der fÄr jeden der Götter bestimmte Opfer-
uteiL der dnreh den Mond als den Regler der Jahreszeiten
and der Opfer bestimmt wird, zn Terstehen ist oder Tiel-
leieht der Regen als Erhalter des Lebens, der. wie man
annahm, rom Monde kommt nnd mit demselben fast sjno-
aym ist.
Ich behaupte nicht, dass alle diese Ideen den Verfassern
der Upanishaden deutlieh gegenwärtig waren. Ich will nur
andeuten, dass sie die wesentlichen Elemente jener legenden-
haften Sprache bildeten, in der sie ihre Lehren ausdrückten,
seh darauf rerlaasend. dass die Leute, an welche ihre
Lehren gerichtet waren, dieselben verstehen würden.
Wir kommen nun zu einer neuen Phase halblegenden-
Iiafter. halbphilosophischer Spekulation.
Der DeTayäna oder Gotterpfad.
Die Seelen derjenigen, welche das Entzücken der Götter
bilden, oder welche sich der GeselhchafI der Götter und
Titer erfreuen, während sie im Monde wohnen, sollen diese
Seligkeit durch ihre frommen Werke, durch Opfer. Wohl-
Aitigkeit und Kasteiung. nicht dnrch wirkliche Erkenntnis
errneht haben. Darum kehren sie. wie man glaubt, wieder
zn diesem Leben zurück, nachdem sie den vollen Lohn f&r
ihre gvten Werke genossen haben : diejenigen hingegen, welche
wahre Erkenntnis oder das. was wir wahren GLiuben nennen
würden, erworben haben, kehren nicht wieder zurück, sondern
dringen Torwarts, bis sie Brahman. den höchsten «jotr. er-
rekhen. Dies gelingt ihnen mit Hilfe des Devaväna oder
des GötterpCndea. zum Unterschiede von dem Pitriy;\/4a oder
dem Väterpfade. Für diejenigen, welche diesen r;«)tterpfad.
der zu Brahman filhrl und der nur durch Erkenntnis ent-
deckt werden kann, aufgefunden haben, gibt es keine Rück-
14$ Fanfte Vorlesnng.
kehr^ d. h. sie werden nicht wiedergeboren. Wiedergeboren
und noch einmal in den Wirbel kosmischen Daseins hinein-
gezogen za werden, ist in den Angen der Verfasser der
Upanishaden das größte Unglflck, das man sich nnr denken
kann. Der Hauptzweck ihrer Philosophie ist es daher zu ent-
decken, wie man diesem kosmischen Wirbel entrinnen, wie
man es vermeiden könne, immer wieder geboren zu werden.
Wenn wir dies alles in Betracht ziehen, so können wir,
glaube ich, in den Gedanken, welche sich die Verfasser der
Upanishaden über das Schicksal der Seele nach dem Tode
bildeten, deutlich drei aufeinander folgende Stufen unter-
scheiden. In den Upanishaden selbst stehen diese verschie-
denen Theorien nebeneinander. Es wird kein Versuch ge-
macht, sie in Einklang zu bringen, bis wir zu den Vedänta-
Philosophcn kommen, die Alles, was sich im Veda findet,
als eine einzige vollständige Offenbarung ansahen. Wenn wir
aber die Freiheit historischer Kritik, oder vielmehr historischer
Auslegung, in Anspruch nehmen dürfen, so würden wir den
einfachen Glauben an den sogenannten Pitrtysl;2a, den Väter-
pfad, und an die Wanderung der Seele zum Monde als der
Heimat der Väter der ältesten Periode zuschreiben. Es ist
nichts weiter als ein volkstümlicher Glaube, den wir auch
sonst finden, dass die Seele dahin gehen werde, wohin die
Väter gegangen, und dass deren Wohnstätte nicht in der
Sonne sei, sondern in dem Monde, dem leuchtenden Gestirn
der dunklen Nacht..
Dann kam die neue Idee, dass dieses glückliche Leben
mit den Göttern und den Vätern im Monde der Lohn fGUr
gute Werke auf Erden sei, und dass der Lohn für diese
guten Werke sich nach einiger Zeit erschöpfen müsse. Was
dann? War mittlerweile der Begriff Eines höchsten Gottes,
eines objektiven Brahman, gewonnen worden, und hatte man
erkannt, dass wahre Seligkeit und Unsterblichkeit nicht in
solchen halbirdischen Genüssen bestehe, wie sie die Abge-
schiedenen im Monde zu erwarten hatten, und die nach
einiger Zeit zu Ende gehen müssen, sondern in einer An-
Die Wando^ng der Seele naeh dem Tode. 149
nihemog an das höchste Wesen und einer annähernden
Erkenntnis desselben, so ergab sich die Schlossfolgernng von
selbst, dass es außer dem lum Monde fahrenden Väterpfade
noch einen anderen Pfad geben müsse, nämlich den Götter-
pfad DeyaTäna . der dnreh verschiedene Welten der Götter
xn dem Throne Brahmans oder des höchsten Gottes f&hre.
[Heser Weg stand Allen offen, die eine wahre Erkenntnis
Brahmans erlangt hatten, nnd selbst diejenigen, welche eine
Zeitlang den Lohn ftlr ihre guten Werke im Monde genossen
kalten, konnten darauf hoffen, nachdem sie durch wiederholte
Existenzen gegangen, wieder einmal als menschliche Wesen
geboren zu werden, am Ende eine wahre Erkenntnis des
Einen höchsten Gottes zu erlangen und dann auf dem Götter-
pfade weiter zu schreiten zu dem Throne der höchsten Gott-
heit ob sie nun dieselbe Brahman. Hira/iyagarbha. oder mit
irgend einem anderen Namen benennen, tod wo es keine
Rfickkehr gibt.
Wir werden jedoch sehen, dass selbst dies noch nicht
endgültig war. sondern dass später noch eine dritte Phase
des Denkens folgte, in der selbst diese Annäherung an den
Thron Gottes als unzulänglich zurOckgewiesen wurde. Ehe
vir aber zu einer Betrachtung dieser letzten Phase weiter
gehen, müssen wir noch einige Augenblicke bei dem ver-
weüeo. was. wie man glaubte, das Schicksal der Seelen war.
wenn sie den Mond verlassen und einen neuen Kreislauf von
Gebarten und Wiedergeburten antreten mussten. bis sie zr-
letzt ToUkommene Freiheit von kosmischer Existenz durch
eine wahrere Erkenntnis Gottes erlangten.
Metempsjchose.
Dies ist ein merkwürdiges und wichtiges Kapittrl. weil
wir in demselben deutlich die ersten Anfange eines Glaubens
an Metempsjchose oder Seelenwandemng entdecken können.
Die Alten waren überzeugt, dass dieser Glaube aus dem
Orient stamme, und sie wähnten, dass Pythagoras nnd Andere
t
Flinfi« VorleBiing.
ihren Olaubcn an Metempsyohose nur aus Indien bStten 1
kommen ItOnnen. Wir sahen, wio wenig begründet
Aun&hme war. nnd ob lilBst sich kicht ztiigen. dass der Olai
an die Seelenvanderung aach in anderen Ländern entstanden
ist, die unmöglich von den Slrahlen indischer oder gricehiseher
Philosophie gotiofTen worden sein icCnnen. l-ls ist aber nichts-
destoweniger interessant, die (Mston Anfftnge dieses til&ukens
in Indien zn verfolgen; denn wir haben es hier mit Tlint-
sachen und nicht' mit bloßen Theorien zu thnn, wie sie von
I Anthropologen Dber den Ursprung der Motempsychoae
aufgebracht worden sind. Diese nehmen an, daas der Glaube
sn die Wanderung der Seelen, namentlich die Wnuderung
menschlicher Seelen in licrische KOrper mit dem, was man
'Animiamua' nennt, etwas xu thnn habe. Nun isl ja 'Aiii-
mismus' ein sehr nützliches Wort, wenn es nnr gehörig
definiert wird. Ks ist eine Chersetnung des dontschen 'Be-
si'fluni/\ und wenn es einfach als ein umfassender Ansdrnek
für alle VerBuche, unbelebte Objekte als belebte Subjekte
anfzufassen, gebraucht wird, so lüsat sieh nichts dagegen
einwenden. Vor einem sehr gewöhnlicben Irrtum jedocli
mUssen wir uns sorgfältig in acht nehmeu. Wenn Reisende
anf Volksslitmmo eloBen, die von HAumeu oder Steinen aU
ompfindeudcu Wesen sprechen und ihnen viele Dinge in-
scbreiben, die von Rechts wegen bloß belebten oder meusoh-
lichen Wesen zukommen, so sagt man uns, dies sei ein Fall
von Animismaa. Das ist es ja ohne Zweifel. Aber ist nicht
'Auimiamus' in diesem Falle einfach ein anderer Name tür
den Glauben, dass gewisse unbelebte Gegonstäude belebt
seien? Ks mag gelehrter klingen, aber der Name erklärt
»fttllrlicb nichts. Was wir wissen wollen, ist. ta> mensch-
liche Weaen, die doch selbst belebt sind, sich so irren konnten,
dass sie leblose Dinge als belebte bebandelten. Selbst Tiere J
verwechseln seiton leblose Dinge mit lebendigen Dingen,
glaube, dass diese Neigung des mooschlicheu Oeistes, lebloua J
nnd seelenlosen (jegenstftnden Loben nnd Seele zuzuschreiben, J
dnrch eine allgemeinere Neigung, ja duich eine Notwendig
Die Wandemog der Seele nach dem Tode. 151
keit — wie man es fast nennen könnte — erklirt werden
kann nnd erklärt worden ist: eine Notwendigkeit, der der
menschliche Geist dnreh die menschliche Sprache unterworfen
ist die ausschließlich nur yermittelst Wurzeln, die sämtlich
Handlungen ausdrücken, Namen von Gegenständen hilden
kann. £s war unmöglich, die Sonne oder den Mond oder
einen Baum oder selbst einen Stein zu benennen und darum
aufzufassen, außer als Thner von etwas, und dieses Etwas
ist in einer von den vier- bis fQnfhundert Wurzeln ausge-
drückt welche das Stammkapital der Sprache bildeten. Dies,
was man Energismus genannt hat ist die höchste Ver-
allgemeinerung, und es umfasst und erklärt zugleich Animis-
mus. Personifikation. Anthropomorphismus. Spiritismus und
verschiedene andere ismen.
Allein die Frage, um die es sich uns jetzt handelt, ist
die: Hatte der Glaube an Seelenwanderung irgend etwas mit
Animismus zu thnn. oder mit jenem allgemeinen Glauben,
dass nicht nur Tiere Seelen hätten wie die Menschen, sondern
dass auch leblose Gegenstände von Seelen bewohnt sein
könnten? Denn man darf nicht vergessen, dass gleich von
Anfing an Metempsychose die Wanderung der Seelen nicht
bloß in Tiere, sondern auch in Pflanzen bedeutete. In
Indien hatte dieser Glaube jedenfalls nichts mit dem ge-
wöhnlichen Animismus zu thun. Die tiefste Quelle dessel-
ben scheint hier rein ethisch gewesen zu sein. Der Grund,
weshalb die Seele, nachdem sie eine Zeitlang in der Welt
der Väter gewohnt, wiedergeboren werden musste. war —
Sie erinnern sich wohl — eben der. dass der Vorrat ihrer
guten Werke sich erschöpft hatte. Hören wir denn, was
nch die alten Inder darüber dachten, wie es der Seele
nach ihrer Herabkunft vom Monde ergehen werde. Hier
mttascD wir wiederum auf recht viel kindisches Geplapper ge-
fasst sein ; aber Sie wissen wohl, dass Philosophen — geschweige
denn zärtliche Väter und Großväter — selbst in kindischem
Geplapper recht viel Weisheit entdecken können. Die Seele, so
lesen wir In den rpjinishaden. kehrt durch den Äther oder
tfi2
Filnl'ti- VorlusunB,
durch den Hanm zurück uiid steigt sodann in der Gestalt von
Regen zur Erde hinab. Etwas, was so im Regen herab^
kommen ist, verwandelt sich auf Erden in ßpeise. Diese
Speise, heißt es, wird in einem neuen Altarfoner als Opfer
dargell rächt, nämlich im Mensehen, und von da aus von
einem Weibe geboren, d. b. der Mensch isst die Speise und
mit derselben die Keime eines nenen Leben». Diese Keime
sind unsichtbar, aber nach den Upanishaden nicht minder
wirklich.
WIrklielikoit unsichtbarer Uln^.
Dieser Glaube an uusichtbare Wirklichkeiten wird in
dun Upsnishaden vollaläudig anerkannt. Er bezog sich nicht
nur auf die unsichtbaren Agentien in der Natur, ihre Dbvu
nder Oölter, die sie sorgfültig von ihren sichtbaren Kund-
gebungen unterschieden. Sie glaubten an einen sichtbaren
Agni [P^euer), der das Opfer vollzog, aber sie unterschieden ihn
sorgfältig von dem unsichtbaren und göttlichen Agni, der in der
Dünimernng, in der Morgenröte, ja selbst in den beiden Reib-
hOlzem verborgen war, von keinem Menschenauge gesehen, aber
bereit zn erscheinen, wenn die Priester die Reibhßher gehBrig
gerieben hatten. Derselbe Glaube gab ihnen ihren klaren üe-
grilT von der Seele, die nie sichtbar oder greifbar, und doch
wirklicher filr sie war, ah irgend etwas Anderes. Ihr Glaube
eudlich an etwas Unsichtbares, was das Leben jedes Teil«*
der Natur ausmachte, begegnet uns auf jeder Seite der Upa-
nishaden. So loEen wir In der A'/jändogya-Upanishad tlttn
Dialog zwischen einem Sohn und seinem Vater, der dem Ei^
steren die Augen üffnen will in Betreff der Wirklichkeit des
Ungesehenen oder des Unendlichen in der Natur, welches «tieli
das Uugeaehene und Unendliche im Menschen ist, welches in
der That sowohl Brahmau als .Uman, das Selbst, ist.
Der Vater sagte: -Mein Sohn, hole mir eiue Fracht von
dem Feigenbaum.«
Der Sohn erwiderte: »Hier ist eine. Herr."
Die Waaderaig der Seele hjkK des Tode- 153
sie.« sjigte der Vater.
Der Solu erwiderte: »Sie ist ^broehen. Herr.«
Der Taler: >Wa3 siebst du dariB?«
Der Sobo: »Diese fast Tersebwiadend kleinen Samen-
kt^rnebeii.«
Der Vater: »Bricb eines derselben.«
Der Sobn: >Es ist gebrocben. Herr <
Der Vater: »Was siebst da darin ?<
Der Sobn: >6ar nicbts. Herr.«
Der Vater: »Mein Sobn. jene feine Essenz, die dn nicbt
darin siebst, eben ans jener Essenz bestebt dieser große
Feffenbana.«
»Glaabe es. mein Sohn. Das. was die nnsiebtbare.
feine Eaaenz ist. in dem hat Alles, was da ist sein Selbst.
Es ist das Wahre, es ist das Selbst, nnd da. o Sobn.
bist es.«
Wenn Lente einmal zn diesem Glaoben an feine, nn-
sebttaie Keime gelangt sind, so ist ihr Glaabe an die Keime
kbeWiger Seelen, die im Regen herabsteigen, in Getreide-
kürwtT rerwandelt werden, sieh, nachdem sie gegessen wor-
den, in Samen rerwandeln and «cbließlieb von einer Matter
geb#r«i werden. — was immer wir als Biologen daron hal-
te« mSgea — metaphTsiseb nicht gar so sinnlos, als es anf
4i« eisten Blick scheint. Während wir aber in diesem Falle
■■r eine Wanderang der menschlichen Seele durch Regen nnd
Spebe in einen nenen menschlichen Körper ror ans haben.
iaden wir an einer anderen Stelle (ÄX^ndogra V. Im. 3 viel
OBrtiBdlicbere Einzelheiten. Hier heißt es. dass der Regen.
welcher die Seele znr Erde zarOckbringt. in Reis. Gerste.
Krtater aller Art Biame. Sesam oder Bohnen anfgenommen
wird. Es ist sehr schwer, diesen Pdanzenwohnangen za ent-
rinsen. nnd wer immer die Personen sein mögen, die die^e
S{^nse essen and nachher Kinder erzeugen, ihnen gleich
wird der Keim der Seele. Und doch h5rea wir. dass nicht
Al&» dem Zafall flberlassen bleibt, sondern das^ diejenigen,
derea LebensfUrnng gnt gewesen, raseh eine gute Geburt in
IM
Fünfte Voi-Iesnng.
der Familie von BrAlima«;ia oder KslialriyKS oder Vwsja*
erlnDgen werden, wfthrend Einer, deaaen Lebensführung
schlecht gewesen , schoeil eine Qble Gebnrt in der Familip
eines AaWäla, eines Auswilrfliugs, erlangen oder — und liier
stoßen wir zum ersten Mal auf die Idee, dass eine inenBeh-
licbe Seole in die Körper von Tieren wandere — üu einem
Hcind oder einem Scbwein werden wird. Icli ^'lanbe , wir
kennen deutlich sehen, dass dieser Glaube an die Wieder-
geburt einer menschlichen Seele als Aoswllrfling, oder als
Iluod oder Schwein das enthalt, was ich ein ethisches Ele-
ment nannte. Dies ist sehr wichtig, zum mindesten so weit
es sich um eine Erklärung der Idee der Metempsychose in
Indien bandelt. Was auch der EinlJuss des Animismaa auf
das Entstehen des Glaubens an Metempsychose in anderen
Ländern gewesen sein mag, in Indien ging dieser Glaube
offenbar ans einem Gefühl moralischer Oerechliglieit hervor.
Wie man schon in diesem lieben einem Manne, der sich nie-
drige und viehische Handlungen hat j;u Schulden kommen
lassen, sagen konnte, er sei ein Auswftrfling, oder er sei ein
Hond oder ein Schwein, so mochte wohl das Gewissen dos
indischen Volkes, wenn es einmal die Idee der Fortdauer
dos Daseins der Seele nach dem Tode begriffen halte, allen
Ernstes behaupten, dass er im kanfUgen Lehen ein Auswurf*
ling oder ein Hund oder ein Schwein sein werde, lud nach-
dem diese Idee der Metempsychose einmal aufgebracht wot^
den war. regte sie den Geist des Volkes bald zum Nachdenken
an Über alle Wechselfälle und Zuteile, die der Seele auf ihren
seltsamen Wanderungen zustoßen kOnnton, So lesen wir, daai
die Seele großen Gefahren ausgesetzt sein kann; denn vkh-
rond der Kegeu, der aus dem Monde (retodbuA) aaf die
Erde fAllt, befruchtet und in Reis. Koni und Bohnen fiber-
geht, hernach gegessen und dann als die Nachkommenschaß
dos Essers geboren wird, kann es geschehen, da«s etwas von
dum ßogen in die Flttsse uud iu das Meer fallt und voa
Fischen und Socnngeheuern verschlungen wird. Nach einiger*
Zeit werden sie sich im Meer anflOsen, nnd nachdem d»8
Die WmndeniBg der Seele nach dem Tode. 155
Seevasser ron deo Wolken hinanfgezogeii worden ist, kmnn
et vieder mnf eine Wüste oder anf trockenes Land herabfallen.
Hier kann es von Schlangen oder wilden Heren angetrun-
ken, nnd diese können wieder von anderen Heren Ter-
•ehlnngen werden« so dass der Ereislanf Ton Existenzen und
selbst die Gefahr ginxliclier Vemichtnng endlos wird. Denn
Baaebe Begentropfen können ganz eintrocknen, oder sie
können Ton nneasbaren Körpern aufgesogen werden. Ja.
selbst wenn der Regen aufgesogen worden und zu Reis und
Kom geworden ist. kann er erst noch von Kindern oder von
Asoeten, die der Ehe entsagt haben, g^essen werden, und
dann ist wohl die Aussicht auf eine neue Geburt entfernter
4ean je. Glflcklicberweise ist die Seele, obzwar sie in ihrem
JLiistieg bewnsst ist, bei ihrem Herabsteigen durch alle diese
gdlLiüchen Stadien, wie man annimmt ohne Bewusstsein.
Ihe Brahmanen haben immer sinnige Vergleiche bei der Hand.
Die Sede, sagen sie. ist wie ein Mann. der. wenn er auf
eiiei Baom hinanffteigt ganz bei Sinnen ist. aber sein Bewusst-
Mia verliert wenn er kopfüber von einem Baume herabfallt.
^Q. trotz all dem thörichten Geschwitz oder kindischem
^>cp^»per fehlt es doch nicht an großen Gedanken, die sich
^mk das Ganze hindurchziehen. Zunichst sehen wir den
v>Meakliehen Glauben, dass die Seele nicht sterbe, wenn
^ Körper stirbt; zweitens sehen wir die feste Überzeugung,
^ CS eine moralische Regierung der Welt gibt, und dass
te Schicksal der Seele im künftigen Leben durch ihr Leben
w aaf Erden bestimmt ist wozu bald als unvermeidliche
'^ der Glanbe trat dass das Schicksal der Seele hier auf
^'^ durch ihre Handlungen in einem l^ilheren Leben be-
"'■•l sein mOase. Alle diese Gedanken — namentlich bei
^^'^ ersten spontanen Auftreten — sind bedeutungsvoll in
*• -^Hen des Religionsforschers , nnd es gibt wenige Län-
■^'^owir ihr spontanes Wachstum so gut studieren könoeo.
^* i* alten Indien.
FUnl'te Vorlesung.
Dag Fehleu toii UUlhii.
Dieser Glaube an Metern psych ose erklftrt (las Fdileii
von IlfSUeo ala Slfttlon der Beslrnfung, wenigsten» Id dea
ältesten Phasen der Upanisbaden. Hiu Unterschied wird
macht Kwisehon Seelen , welche die mannigfachen Stadien
von Tioi- und PflanEenleben bloß durchlaufen, um am Endi
als menschliche Wesen geboren zu werden , und denjeni^n,
welche diese Zwischen formen von Heis und Korn
als eine wirkliche Boatrafnng fflr böse Thalen annehmen
mtlssen. Die Letzteren bleiben in diesem Zustand, bis sie fUr
ihre bösen Thaten vollständig gebüßt haben; und sie haben
ein wirkliches fieHitssIsein von ihrem PrUfungsstadinm. Wenn
aber ihre Sohnlden bezahlt und die Kesultute ihrer bösen
Thiiten gSnzlich erschöpft sind, so haben sie eine neue Hoff-
nung. Sie können einen neuen Körper annehmen, wie Rau-
pen, wenn sie sich in Schmetterlinge verwandeln. Selb»!
dann bleiben noch die Eindrticke ihrer froheren Misseihatou
gleich Tränmen. Doch können sie am Ende dadurch, dau
sie ein tugendhaftes Leben führen, noch einmal Menseh«!
werden und zur Welt der Vftier im Monde aafsteigeii. Uiw
wird nun, obgleich nicht sehr dentlich, eine Unteracheidmg
gemacht zwischen denjenigen, welche der Mond frei UmI,
und denjenigen, welche er zu einer neuen Gebnrt als
herabfallen lässt. Diejenigen, welche dem Honde gut Red«
stehen können und ihre Identität mit dem Monde ala d«r
Quelle aller Dinge behaupten, werden frei gelassen, um auf
dem Göllerpfade in den Svarguloka einzugehen. Oiejenigeit,
welche 63 nicht können, kehren zur Erde znrllck, mSgen mit
der Zeit wahre Erkenntnis erlangen und schließlich obenraU»
den Götterpfad und die Welt der Dev&a, die Heimat der
Blitze und den Thron Brahmans erreichen. Einige der apft-
teren Upanishaden, namentlich die Kaushitaki-Upaiirshad,
gehen viel mehr ins Detail, was diese letzte Wanderung
Throne Brahmans betrifft. Wie es aber gewöhnlicli der Fall
zu sein pflegt, werden, wenn auch in dem allgcmeinon
Die WaBdenmg der Seele njKh dem Tode. 157
iipead eine remfiiiftige Absicht walten mag, die geringfögi-
geren Dettüs fast immer kfinstlieh nnd nichtssagend.
Nun aber^ wenn die Seele die Weit der Götter and die
WohnsHtte Brahmans erreieht hat, von wo es keine Rfick-
kAr zu einem neaen ELreialaof kosmischer Existenz gibt,
tritt ein nener Ideenstrom ein, der im Vergleich mit dem
Tiier|»fiid nnd dem Gdtterpfad eine höhere Phase Tom phi~
losophisehen, nnd Formntlieh eine spätere Phase rom histo-
risekeB Standpunkt bezeichnet. Wir werden in einen Dialog
eiBgeAlirt ähnliek dem zwischen der Seele nnd dem Monde,
jetzt aber zwischen dem tot dem Throne Brahmans stehenden
Abgeaeliledenen nnd Brahman selbst.
Bnüman fragt ihn: >Wer bist da?<
Und er soll mit den folgenden geheimnisrollen Worten
erwidern'
»Ich bin wie eine Jahreszeit und das Kiod der Jahres-
zeiten, ans dem Schöße des endlosen Raumes entsprongen.
ans dem Lichte. Dieses Licht, die Qaelle des
welehes die Vergangenheit ist. weiches die Gegenwart
ist. welches alles Lebendige nnd alle Elemente ist. ist das
Selbst. Da bist das Selbst ^ nnd was da bist, das bin ich.«
Der Sinn dieser Antwort ist nicht ganz klar. Doch
steint »e zn bedeuten, dass der Abgeschiedene, wenn er
BraluBan gefragt wird, was er sei, oder was er seinem
gemtß sei. sagt er sei wie eine Jahreszeit, i) d. h.
wie Etwas, das kommt und geht, zu gleicher Zeit aber auch
Kind Ton Raum und Zeit oder jenes Lichtes, von
alle Zeit und Alles, was in Zeit und Raum eiustiert.
lt. Diese uniTcrsale Quelle alles Daseins nennt er das
nnd nachdem er den Ausspruch gethan hat dass der
Brakaaa ror ihm jenes Selbst sei. beendigt er sein Glaabeos-
bekeantnia mit den Worten: >Was du bist das bin ich.«
In dieser Steile bemerken wir zwar noch einige Spuren
1 Aneh der Safi nenot sieh das Kind der Jahreszeit, siehe
XI. Torlenug.
158
Fünfte Vorlesung.
mythukigUcben Deskesä, der vorherrscheDde Geist aber ist
Oeatlicb pliUosophiscb. In der Annäherang der Seele &n den
Thron Brahmans vermögen wir die lelzlen Resultate zu er-
kennen, welche von der physischen und von der anthro-
pologiBcheii Religion, wie sie der indische Geist anagearbeitet
hat, erreicht werden können. In dem anf seinem Throne
äiteenden Brahman haben wir noch den rein objektiven oder
kosmischen Gott, den höchsten Punkt, den die physiscbi
Religion erreicht hat; in der Seelo des Abgeschiedenen, dl«
Gott von Angesicht sn Angesicht gegenübersteht, sehen
das letzte Resultat der anthropologischen Religion. Da sehen
wir die menschliche Seele als ein Subjekt, das die göttllcbe
Seele ncich immer als ein Objekt ansieht. Der n9chste Schritt
aber, der in den Worten, r Was du fiüf, dm hin ich'
Tage tritt, eröffnet eine nene Perspektive des Denkens.
menschliche Seele weiß — und zwar eben anf Gnind der
Thatsache, dass sie die wahre Erkenntnis Brabmans erlangt
hat, — dasä anch die Seele Brahman ist, sie gewinnt
eigene Brahmaachaft wieder, sie wird, mit Einem Wort, was
sie immer gewesen ist. Brahman oder das universale Selbst,
Erkenntnis, wahre Erkenntnis. Selbsterkenntnis genügt in
diesem Zweck, uod nicht mehr bedarf es beschwerlicher
Wanderungen, sei es auf dem V&lerpfadc oder anf dem
GOttcrpfade.
Khe wir jedoch zu einer Betrachtung dieses faOch«lro
FIngcs der indischen Philosophie Ohergehen und zu enld«ckon
suchen, welchen Phasen des Denkens diese Ähnlichkeit, oder
vielmehr dieses Einssein mit Gott, diese Homoiosia oder
Heuosis, in anderen Religionen entspricht. mUssen wir noeh
ein wenig bei der späteren Entwickelung der Theorie der
Seelenwandernng verweilen, wie wir sie in dem Geaetebncli
des Mann nnd an anderen Orten finden, und wie sie bii ittn
Die WandeiHDg der Seele nuch dem Tode. 159
hemtigen Tage von MillioneD von Menschen in Indien festgehal-
tcB wird. Dieses Gesetzbuch Manu's ist natOrlich viel später
als die üpanishaden. Obwohl es alte Materialien enthllt, kann
es Ib seiner gegenwftrtigen metrischen Form kanm einem ^el
iheren Datum zugeschrieben werden, als ungefähr dem vierten
Jahrhandert n. Chr. Ursprftnglich moss es in der Form Ton
Sätras existiert hjüien: in seiner jetzigen metrischen Gestalt
gehört es der iSloka-Periode der indischen Litteratnr an.
Ea gab Tiele ihnliche Sammlungen von alten Gesetzen und
Gebrinehen« sowohl solche, die in Sntras. als auch solche,
^e — später — in Versen abgefasst sind: da aber das Ge-
seUbvek des Manu oder, wie es richtiger genannt werden
sollte, das Gesetzbuch der Mänavas entschieden eine henror-
ragende Stdiung in Indien einnimmt, können wir gerade in
diesem die spätere Entwickelung des Glaubens an Metem-
psychose am besten studieren.
Wie ich Yorhin bemerkte, lag die Versuchung nahe.
nachdem einmal die Idee der Wanderung der Seele durch
rerschiedene Formen von Tier- und Pflanzenleben aufge-
bracht worden war, dieselbe mehr im Detail auszufahren.
Während es in den üpanishaden bloß heißt dass ein Mann,
der OB schlechtes Leben geführt hat, eine schlechte Geburt
erlangt und tiiatsächlich als Hund oder Schwein wieder zur
Welt kommen kann, ist Manu im stände, uns bis ins kleinste
Detail zn sagen, was ftir eine besondere Geburt für jedes
besondere Verbrechen bestimmt ist. So lesen wir V. 164.
EL 30. dass eine Gattin, die ihre Pflicht gegen ihren Gatten
Tcrletzt hat. als Schakal wiedergeboren wird. An einer
anderen Stelle VL 63 lesen wir Ton zehntausend Millionen
fiiisteazen, welche die Seele zu durchlaufen hat. nachdem
sie diesen Körper Tcriassen. Ein Brahmane. heißt es XI. 25 .
der ii^ead ein Gut für Opferzwecke erbettelt hat und es
■ickt ganz für das Opfer Terwendet, sondern etwas für sich
behält, wird anf hundert Jahre ein Geier oder eine Krähe.
Im letzten Bnehe von Manu wird dieser Gegenstand höchst
aasfikriieh behandelt. Wir lesen da. XII. 39:
\m
FUnfte Vorleeiio«.
Ich vill kurz der Reihe nach erkiBreu, was filr ^X^and&-
run^ren in der ganzen Welt einem Mensclieu durch jede der
drei Qualitäten zn teil werden. Diese QualitBien sind vor-
her (:i5 — 37) als Mmiernis, Thütigkeit nnd <Jiilt; definiert
worden,
IMe drei (|ualllütoii : FinHtoruIs, ThiUlgbt^'il niiit flUU-.
Handlungen der Fimleinis sind diejenigen, deren sieli
elu Mensch achämt.
Uandlungen der TUiUigkni oder Selbataiieht sind die-
jenigen, durch welche ein Mensch Gewinn oder Ruhm in der
Welt zu gewinnen hoFTt, deren er sieh aber nicht ku schämen
braucht. Mau mag sie ab selbatsQchlige Handlungen be-
Kcichneu, aber vom sittlichen Standpunkte sind sie gleich-
gültig.
Handlungen der Güte sind die, wenn ein Mensch von
ganzem Herzen sich nach Erkenntnis »ehnt und seine Seele
sich erfreut, und kein Gefühl der Scham vorhanden iat.
Mauu fUhi't aodann fürt: Die mit Gate Ausgestatteten
erreichen den Zustand von GSIIern, die mit ThSligkeit Ana-
geslatteten den Zustand von Menachen, und die mit FinBtonÜt
Auageatatteten sinken zn dem Zustand von Tieren herab;
dies ist der dreifache Verlauf der Scelenwandorang. Wisse
aber, dass dieser dreifache Verlauf der Seeleuwanderung, d«r
ven den drei Qualitäten abhängt, wieder dreifach ist, niedrig,
mittelmäßig und hoeh, je nach der besondereu Art der Hsnd-
Inagen und der Birkenntuis jedes Menschen.
Die unuti Klassen.
Unbewegliche Wesen, sowohl kleine als große Insekten,
Fische, Schlangen, Sohildkröten, Vieh und wilde Tier« dnd
die niedrigsten 2ustftnde, zu denen die Qualität der Finattr-
nis fahrt,
Elefanten, Pferde, ^<idras und verächtliche Barbaren.
Die Wanderung der Seele nach dem Tode. 161
Ldwen, Tiger und Eber sind die mittleren von der Qualität
der Finsternis verurssehten Zostände.
Aünuias (wahrscheinlich herumziehende Barden and
Gaukler), Suparitas (Vogel-Gottheiten und Heuchler, B^ksha-
sas und Pi«iX*as (Kobolde, nehmen unter den Ton der Fin-
sternis erzeugten Zust&nden die höchste Stufe ein.
Gr^ailas, Mallas, Na/as, Menschen, die Ton yer&chtlichen
Beschlftigangen leben, und solche, die dem Spiel und ^m
Trunk ergeben sind, bilden die niedrigste Stufe unter den
TOtt der Thitigkeit verursachten Zuständen.
Könige und Kshatrijas (Adelige], die Familienpriester
von Königen und diejenigen, die sich an dem Kampfe von
Streitrednem erfreuen, bilden die mittlere Stufe unter den
von der Thitigkeit verursachten Zuständen.
Die Gandharvas. Guhyakas und die Diener der Götter,
desgieiehen die Apsarasen nehmen unter den von der Thätig-
keit erzeugten Zuständen die höchste Stufe ein.
Einsiedler, Asceten. Brahmanen, die Scharen der Vai-
mauka-Gotlheiten (Creister, die sich auf ihren vimanas oder
Wagen im Luftraum bewegen, die Götter der Mondstationen
and die Daityas bilden die erste und niedrigste Stufe der
durch Gfite verursachten Existenzen.
Opferer, die Weisen i^tshis . die Götter, die Yedas,
die Himmelsliehter, die Jahre, die Manen und die Sadhvas
bilden die zweite Rangklasse der durch Güte verursachten
Exiateuen.
Die Weisen erklären, dass Brahman. die Schöpfer des
Weltalls, das Gesetz, der Große und der Unwahmehmbare
die höchste Rangklasse der durch Güte verursachten Dinge
aasmaehen.
So haben wir denn das Resultat der dreifachen Hand-
lung, das ganze System der Seelenwanderungen, welches aus
drei Klassen mit je drei Unterabteilungen bestellt, und wel-
ches alles Geschaffene einschließt, erklärt.
Diese systematische Darstellung der verschiedenen Sta-
dien der Seelenwanderung ist in manchen Punkten dunkel,
Saz XtlUr. TkMMpUe. H
162
Fünfte VoilesiinR.
namentlich wenn nicht nnr lebende Wesen, sondern Himmels-
licbter, die Jahre, und selbst der Veda als das Resultat der
Handlangen der Göte erwähnt worden. Wir werden spater
etwas ganz Ahnliehes in den Hierarchien dos Frocins und
Dionysius des Arcopagiton finden. Die gewissen Klassen
von Menschen. Gittlern und Uiklbgtlttem angewiesene Stelle
ist merkwürdig nnd lehrreich, da wir darans ersehen, in wel-
cher Achtong jede dieser Klassen zn der Zeit stand.
Ich f Drehte, es war etwas langweilig, Mann durch alle
neun Klassen von Wesen, dnroh welche die menschliche
Seele gehen kann, zn folgen. Doch gewinnen diese nenn
Klassen des Mann ein gewisses Interesse, wenn wir nna erinnern,
dasa nns auch Plato ein äholichee Schema von nenn Klassen
gibt, in welche die menschliche Seele wiedergeboren werden
kann.
Diose übe rein Stimmung in der Zahl neun braucht nicht
mehr als zufällig £U sein. Eine Vergleichung dieser zwei
Listen [Enneaden) kt jedoch lehrreich, da sie zeigt, wie ver-
schieden die Achtung war, in der gewisse fies chaftignn gen
in Indien und in Griechenland standen. In Indien beginnen
die nenn Stufen der Leiter der Existenzen mit den niedrig-
sten Tieren nnd steigen auf zur Welt meuachlicher Wesen
mit ihren mannigfachen BeschäRigungen, dann zu den DK-
moucn, zu den Vedaa, den Him meislich tern. den Jahren, den
Vätern nnd den Göttern mit ihren mannigfachen Wirknnge-
kreison. und schließlich zum Schöpfer der Welt und za Brah-
man selbst. Dies erinnert uns vielfach nicht nur an die neun
Klassen Ptato's, sondern auch an die neun Stufen der soge-
nannten himmlischen Hierarchie, wie wir dieselben bei Proclns
und bei Dionysius dem Areopagiten finden. Auch da ist die Zahl
nenn, ja die drei Triaden sind hier genau so wie in Indien
in je drei weitere Stufen abgeteilt, und wie in Indien ist
nicht nnr belebten Wesen, sei es Menschen uder Engeln,
sondern auch leblosen Dingen, wie Thronen, Milchten and
Herrechaften ein Platz eingeräumt. Ob diese Übereinstim-
mungen zu groß sind, nm als rein zuföUigo Übereinstimmungen
Die WaodeniDg der Seele naeh dem Tode. 163
gelten n köuen, werden wir besser zn benrteilen im stände
sein, wenn wir anf die Sehriften von Dionvsius dem Areopagiten
nnd deren anfierordentUchen Einfloss sowolü auf die sehen
Insliseke als anck anf die mystische, d. h. psychologische Theo-
k)f:ie des Mittelalters zn sprechen kommen werden.
Die Strafen der BSsen.
Ein anderer wichtiger Zog. weicher f&r das spätere
Datnsi Ton Manns Gesetzbuch bezeichnend ist ist seine Be-
kanntsfkaft nickt nnr mit der Metempsychose. sondern anch
■it Strafen, weiche den Bösen auferlegt werden an Orten,
die wir Höllen nennen müssen — denn Höllen sind eine
spite Erfindnng in den meisten Religionen. So lesen wir
."XII, 54' : > Diejenigen, welche Todsünden (mahipÄtakas be-
gangen haben, geken zuerst während einer großen Anzahl
T«n Jakren durch schreckliche Höllen nnd erlangen dann
nach Ablauf dieser Strafzeit die folgenden Geburten:
>Der Mörder eines Brähma/^a gelangt in den Schoß einer
Hftndin. eines Schweines, eines Kamels, einer Kuh, einer
Ziege, eines Schafes, eines Rehes, eines Vogels, eines Äa/i-
^äU nnd eines Pnkkasa.«
EQer haben wir deutlich die Idee einer Bestrafung in
der Hölle, abgesehen ron der Bestrafung, welche die bloße
Wiedergeburt als ein niedriges Tier im Gefolge hat. Und
das Merkwürdige ist. dass Yama. der zuerst nur als Herr-
scker mter den Abgeschiedenen, als eine freundliche Gott-
keil. Bit der die Htrts sieh erfreuten, aufgefasst wurde, jetzt
als deijenige erwihnt wird, der den Bösen Qualen auferlegt
XII. 17.. eine Bolle, die er fortan in der späteren Litteratur
Indiens iamer beibehält.
In den Hymnen des Rigveda finden wir sehr wenig, das
sick mix den späteren Vorstellungen einer Hölle Tergleichen
fieEe. Anck liegt kein Grund tof anzunehmen, wie es
iowokl Rotk ab Weber zu thun scheinen, dass die Tcdi-
Inder mit der Idee Tollständiger Vernichtung bekannt
164
Fünfte VorlestiiiR.
gewesen seien UDd dasB sie geglaubt hätten, fänzHohe Ver-
nichtuDf; sei die gehörige Strafi: der BOgen. Wie sie von
dem Aufenthaltsort der Seligen in ganz allgumeinen Aus-
drücken als dem Lichtrdche sprachen, so »agon sie von den
liftaen, dass sie in eine Grube, karta. geworfen werden
oder fallen (Itv II, 211. 6; IX. 73. S— 9), Sie sprechen
auch von einem tiefen Orte (])adani gabhiram, IV, :>, 5) und
von der unteren Finsternis [adbamm tamaA, X, tri2, 4) aU
deren AnfenthaUsort.
Es gibt noch einige Stollen im ßlgveds, wetehe sich
möglicherweise aof Strafen nach dem Tode bezieben kOn-
non. So lesen wir (II. 2SI, fi): .SohOtzet uns. o Götter, vor
dem Vorachlnngenworden duroli den Wolf, vor dem F^l
in die Grube.« Und wiederum (K, 73, 8 — li); »Der wMm
Hüter des Gesetzeit Usst sich nieht hintergehen; er hat Bei-
niger (das Gewissen) ins Herz gelegt; wissend sieht er auf
alle Dinge und sehleudeit die liOseu und Unoblosen in die
Grube. •
Im Atbarvaveda wird die Sehildemng des AofL-nthaltt-
ortes der Bösen immer detaillierter. Wir lesen (II, 14, S) rvn
einem Hause (grilial fHr böse Geister, und selbst der moileme
Name Naraka für Hölle kommt darin vor. Dies stimmt A)l«s
mit dem überein, was wir Über das chronologische Verhiltnta
der vedischen Hymnen, der Upanisbaden und des Qeseii-
buchs von Mann aus anderen Quellen wissen. Die Upanish«l«D
sprechen von einem dritten Pfade außer den zwei PfftdflB,
die za den Vätern and lu den Göttern fahren, und sie Mgea
{Ürih. Ar. VI, 2, IC): >L>iejonigen, welche diese iwei PfUe
nicht kennen, werden zu Wnrmern. VOgelo und krieebendein
Gewflrm.< Auch lesen wir in einigen Upanisbaden, dKss es nn-
aelige oder aanrya-Welten gebe, dio mit tiefer Finsternis bedeckt
sind, wohin dio Thoren nach dem Tode gehen. Die Brib-
ma/ias sind zuweilen noch ansfubrlioher in ihren Sehildcrnn-
gen der HOlle, 'J und an Einer Stelle des 'S'atapatbt-BrAbmaMi
11 Weber, ;; D M. n., IX, p. 240.
Die Wandemiif der Seele ameh dem Tode. 165
XL 7, 2, 33) wird sogar dag Wägen der Seele erwähnt,
eme Vorstellnng, die ans von ftgyptisehen Gräbern so ge-
Uiifig ist
Brieken.
Je veiter wir vorrficken. desto aasf&hrlicher werden
die Details Aber die zwei Wege, den zn den Pitr», nnd
den ra den Devas filhrenden Weg. Ich will Sie hier nnr
aaf Eine Stelle im Mahäbhirata anfmerksam machen, die
höchst wichtig ist. weil die zwei Wege hier zum ersten
Mal^] Setos oder Brflcken genannt werden (Anngita. XX.
p. 3 1 6), Brflcken der Tagend oder Frömmigkeit. Man pflegte
aaznnehmen. dass die Idee einer Brficke. welche diese Welt
mit der kflnftigen rerbinde. Persien eigentfimlich sei, wo die
berfihmte jETinva^- Brficke einen so hervorstechenden Zag in
der alten Religion bildet Aber das Verhältnis zwischen dem
Veda nnd dem Avesta ist so eigentfimlich and so innig, dass
vir kanm zweifeln können, dass entweder die Perser den
Glanben an Brflcken zwischen dieser Welt nnd der kflnftigen
■nmittdbar von den vedischen Dichtem entlehnt, oder dass
Mde denselben von ihren gemeinsamen Ahnen ererbt haben.
Es ist ganz richtig, dass dieselbe Idee von einer Brflcke
zwischen dieser Welt nnd der kflnftigen ans aach in anderen
LiBdem begegnet, wo von einem anmittelbaren Einflass in-
disekea Denkens gar keine Rede sein kann, wie zam Beispiel
bd den nordamerikanischen Indianern.'-, Dies ist aber nicht
eise Brflcke der Tagend oder des Gerichtes wie in Indien
nd Persien. Die Idee einer Brflcke oder einer bloßen Ver-
1 Wie gellnfig die Idee einer Brücke zwischen dieser Welt
der kommenden aach in vedischen Zeiten gewesen &ein mnss.
man ans den hänfigen Anspiel ungcD auf den AtaoaD als die
wahre Brficke vom Schein zum Sein. Khknd. Up. VIII, 4.
1 ete.
2. Jones, Trmditian* of ikt North- Amt rira$i ludiam, toI. i.
p. 227.
1G6
Fünfte Vorlesung.
bindnog zwischen dieaer Welt und der künftigen ist in der
That so natllrlick, dasB man sie als die leichteste and wahr-
scbeinlich die frtlheBte Lösung des Problems bezeichnen
könnte, mit dem wir uns — allerdings von einem höheren
Oesichlspmikte ans — in diesem Kursus von Vorlesungen zu
beschäftigen liabeu, der Beziehung zwischen dem Natürlichen
und dem Obernatürlichen. Hatte man einmal gelernt an ein
Jenseits zu glauben, so fohlte man eine Lücke zwischen dem
liier und dem Dort, die der menschliche Geist nicht vertra-
gen konnte, nnd die er daher — zuerst mythologisch nnd
nachher philosophisch — zu überbrücken suchte. Der frü-
heste, nocli rein mythologische Versuch, die Welt der Men-
schen nnd die Welt der Götter zu verbinden, ist der Ulanbe
an eine Briicke, lüfröst, wörtlicli 'hebende Knhe', geuanal,
wie wir sie in der nordischen Mythologie finden. Offenbar
war damit ursprünglich der Itegeubogen gemeint. Wir hören.
dass sie von den Göttern geschaffen und Äs-brH, die BrQcke
der Äsen oder der Götter, genannt war. Sie hatte drei Karben
und galt für sehr stark. So stark sie aber snch war, so
glaabt man doch, dass sie am Endo der Welt, wenn diu
Söhne Muspels darüber hinwegreiten werden, zusammenbreohtm
werde. Die Äsen oder Götter reiten jeden Tag über diou
Brücke zu ihrer Gerichts st fllte in der Nfthe des Urdsbrunnens.
Sie hat auch einen Wächter, der Eeimdall heißt.
Dies ist ein rein mythologisches Auskunftsmittel, Himmel
und Erde zu verbinden , wofür die physische Religion ganz
natürlich das Symbol des Rogenbogena w.thlte.
In Indien und Persien jedoch steht die Sache gans
anders. Vor Allem ist die Brücke nicht von irgend einem
Gegenstand in der Natur hergenommen. Sie ist vielmehr «in
ethisches Postulat. Es muas, so folgerte man, einen Weg
geben, auf welchem die Seele sich der Gottheit nfthern, oder
dnrch welchen sie von der Gottheit ferngehalten werden
kniiii, — darnm bildete man sich ein, dass es einen solebea
NN'eg gebe. Dieser Weg war in Indien der Weg der Vtter
und später der Weg der Götter. Es ist aber sehr wiohtig
Die Wandenui^ der Seele nmeh dem Tode. 167
n benerken, daas aaeh in Indien dieser Weg yüna sein.
Brieke. genannt wnrde. obwohl er noch keinen Eigennamen
bekomaen hatte. Im Yeda (Rv. L 3S. 5 wird der Pfad
Yasas erwihnt, der in Wirklichkeit derselbe ist wie der
Viierpiad. denn Tama war nrsprflnglich der Beherrscher der
Titer. Wenn daher die Dichter sagen: Mi to ^arita pathä
Yanuaya gad npa. 'Möge ener Yerehrer nicht aof dem Pfad
Yaaa's gehen*, so meinen sie einfach: *Mdge er noch nicht
iterbca*. War einmal eine Brficke da. so erdachte man wohl
aack bald einen Flnss. fiber den die Brücke gehen sollte.
Ein solcher Flnss kommt zwar nicht in den Hvmnen tot,
wohl aber in den Brahmanas nnter dem Namen Yaitarar?!.
der önCach *das. was Torwirts föhrt oder was Obersehiitten
werden mnss* bedeutet. Wahrscheinlich ist dies nur ein anderer
Käme für den Flnss Yi^ara. Xichtaltemd. den. wie wir in den
Cpanishaden sahen, der Abgeschiedene zu fiberschreiten hatte.
Sie erinnern sich Tielleicht. dass bei den Leichencere-
■onien der Tedischen Inder eine Koh Annstaraz/i) geopfert
werden mnarte. Diese Knh. glaubte man. führe den Abge-
schiedenen Aber den Flnss Yaitara/»i hin Ober, und später wurde
es in Indien Branch — und die Sitte besteht, wie ich höre, noch
jetzt — . daas man dem Sterbenden den Schwanz einer Kuh
oder, wie bei den Todaa. die Homer eines Bfiffels zu halten gab.
Obgleich aber in Indien der Glaube an einen Yiterpfad und
tmem Gdtterpfiid ans der moralischen Überzeugung herrorge-
gaagen xn aein scheint dass es einen solchen Pfad gebeo müsse.
mm den Abgeschiedenen, entweder zur Belohnung oder zur
Beatzmfing. in die Welt der Ylter und in die Welt der Götter
zn fthren. so wnrde doch auch in Indien dieser Weg nicht
■nt dem Regenbogen, sondern auch, wie Kuhn zu zeigen
hat {K. Z.. n. p. 3 IS), mit der Milchstraße ideutifi-
zicrt. Im Yisliiin-purlr*a (p. 227 wird der Devayana nörd-
Eck TOB Stier und Widder und südlich Tom großen Bären
^lailif. was die genaue Lage des Ausgangspunktes der Milch-
stnBe iat Knhn hat auf eine höchst merkwürdige Übereinstim-
kiagewiesen. Man erinnere sich, dass der Abgeschiedene.
16S
Fiinflo VorleBiinj.
I
um den vermatUoh die Miluhstrnßu vorstellenden DevayäDa
zu erreichen, von einer Knli Über den Flnsa Vaitarani ge-
soliafTt werden mnsste. lat es niclit sonderbar, Aa.B* mNord-
UeDtschlaDti bis zum heutigen Tag die Milcbälraße Kaupat.
d. h. Kubpfad, g:eaannt wird, nnd dssa die Slaven sie Mavra
oder Mavriza nennen, w&a eine scbwarzgeBprenkelte Kuh
bedeutet. Ja, iu dem Gedicht von Tnndalu» (ed. Habn.
pp. 4!) — n<J) leaen wir, dasa die Seele eine gestohlene Kub
Über diese Brücke zu treiben hat. Derartige (Übereinstim-
mungen Bind hSoiiat auffällig. Man weiß kaum, wie man sie
erklären hoH. Natflriich können sie einem Zufall zuinschrei-
ben sein, wenn aber niolit, welch eine auBerordentliobe
Zähigkeit selbst in dem Folklore der arischen Völker wtlrdeii
sie zeigen.
Wenn aber auch an manchen Stellen der Devayäna mit
der Milchslralie identifiziert worden ist, so wurde er doch
uu anderen und lltoren Stellen deutlich als der Regenbogen
aufgefasst, so wenn wir in der Bnhad-Aranyaka üpanishad
IV. I. & lesen:
«Der kleine, alte, sich weithin erstreckende (vitataA oder
vitara/i) Pfad ist von mir gefunden worden. Anf dieHn
ziehen Weise, welche lirahman kennen, fort zom Srai^loka
{Himmel), und von da höher hinauf, als ganz freie.
• Auf diesem Pfade, sagen sie, gibt es Weiß, Blau, QtHb,
Grün nnd Rot; dieser Pfad wurde von Brahman gefunda,
und auf demselben geht, wer immer Brahman kennt, nnd
wer Gutes gethan und Glanz erlangt bal. < Wir haben hier
die fünf Farben des Kegenbngens. w.llirend der Bifröst-Regen-
bogen nur drei hatte.
Die Idee, dass die Bösen nicht den Pfad der Viter oder
der tiOtter ßnden können, fehlt in den Upanishaden sieht
ganz. Üenn wir lesen (Biih. Ar. IV, 4, 1K :
> Alle, welche verehren, was nicht Erkenntnis ist, gehe» In
dichte Finsternis ein;- nnd wiederum: «Es gibt in der Thal
jene unseligen Wellen, welche in diohle Finsternis gebOUl
sind. Menschen, die unwissend, nicht erleuchtet sind, galus
Die Wanderung der Seele nach dem Tode. 169
Dich ihrem Tode zu diesen Welten.« Ja. im «Sktapatha-
BrihmmitJt L 9. 3« 2 lesen wir thatsächlich Ton Flammen
auf beiden Seiten des Weges, welche die Bösen yerbrennen.
die reine Seele aber nicht berühren.
> Derselbe Pfad föhrt entweder zu den Göttern oder zn
den Vätern. Auf beiden Seiten brennen immerdar zwei Flam-
men; sie versengen den. der verdient versengt zu werden,
und lassen den vorübergehen, der verdient vorüberzugehen.«
Es gibt auch eine im Nirukta citierte Verszeile, die sich
möglicherweise auf diesen Pfad bezieht, wo Frauen sagen:
ne^ j^bmajantyo narakam patama
> Mögen wir nicht krumme Wege gehen und in die Hölle fallen.«
Es ist jedoch die alte Religion Persiens, in der diese
Brücke am meisten hervortritt. Sie hat hier den Namen
Alnvat erhalten, was nur 'die forschende, rächende, strafende
Brücke* bedeuten kann, da kl mit dem griechischen n'oj,
livoj nnd riaiq zusammenhängt.
Von dieser Brücke heißt es im Vendidäd XIX, 29:
»Dann schleppt der Böse, Vizaresha genannt, die Seelen
der ruchlosen Da6va- Verehrer, die in Sünde leben, in Banden
hinweg. Die Seele betritt den von der Zeit gemachten Weg,
der sowohl den Bösen als den Tugendhaften offen steht. Und
am Kopf der Alnvat - Brücke , der heiligen von Mazda ge-
machten Brücke, verlangen sie für ihre Geister und Seelen
den Lohn für die weltlichen Güter, die sie hier unten ver-
schenkt haben.«
Diese Brücke, welche über die Hölle ausgespannt ist
und zam Paradiese führt, erweitert sich für die Tugendhaften
zu der Breite von neun Speeren, für die Seelen der Bösen
aber verschmälert sie sich bis zu einem Faden, und sie fallen
in die HöUe.<]
1) Arda Viraf, V, 1. Darmesteter, Vendidad. *!>. B. E., IV,
p. 212 Note.
170
KUuflB Vorlesung.
Wenn wir fast dieselbe umständliche ScIiüderuDg bei den
Mohammedanern Gnden, so werden wir. glaube icb, in die-
sem Falle eine thatsacLliehe hlsloriscbe Entlehnung, ond
nicbt, wie bei Indem und Persern, einen ontfornten ge-
meiuBamon Ursprung anzunehmen haben. Die Idee der
lirUcke wurde wahrachemlicli von den Juden in Persien
augenommen, ',. und MoliamiDoJ dürfle sie von seinen
judiächen Freunden entlehnt haben. Die UrUcke ist am
heslen nuter dem Namen Es-Sirät bekannt, Das siebeute
Kapitel des Koran. AI Aar&f genannt, gibt folgende Sehilde-
rung dersölbon:
>Und zwischen Beiden (den Seligen nämlieb und den
Verdammten] wird ein Vorhang sein, und auf der äcbeide-
wand ^zwischen dem Paradiese und der Höllc]^) werden Leute
stehen, welche jene an ihren Merkmalen kennen nnd den
Bewohnern des Paradieses zurnfou werden: Friede sei über
euch! Sie werden aber nicht hincingeben, und gleichwohl es
begierigst wünschen. Wenn sie nun Ihr Antlitz werden hin-
gerichtet haben zu den Bewohnern des Feuers, so werden
sie bitten: 0 Herr! setze uns nicht bei diesen gottlosen Leu-
ten hin. Und diese, welche auf der Scheidewand gleben,
werden zu einigen Uännem, die sie an ihren Merkmalen er-
kennen, sagen: Was hat es euch nun geholfen, dass ihr so
viel zeitliches Glück zusammengebracht habt? Und wgs
fdr einen Vorteil habt ihr von eurem Stolze? Sind d«
die Leute, von denen ihr mit einem Schwur betenertet, Au»
Oott ihnen keine Barmherzigkeit erzeigen würde? Und doch
ist diesen gesagt worden; Gehet ihr ein ins Paradies, wo
weder Furcht noch Traurigkeit euch quälen soll. Die Ver-
dammten werden die Seligen bitten: Gießet ein wenig Wauet
1; Im vierten oder ain Anfang des fünften JahrbnndertB an-
ter Sapor II- und Vuidagard waren, wie wir wissen, jüdiscfau Ärata
iiIhniLchtig aiu tlofe der Sussaniden. .irtidemy, Nov. 2S, 1681.
2' 'Scheidewand', i.e. AI Aar/if. «omu^li ila» Kapil«I benaaiil
ist. Amii. dt* t?lm.
Die WaDdernog der Seele nuch dem Tode. 171
asf uns, oder lasst uns sonst etwas von den Erfrischnngen
ib, mit denen eueh Gott erquickt.«^)
Wenn wir eine ähnliche Darstelinng bei den Todas in
Sfldindien finden, ist es schwer zn sagen, ob sie dieselbe
?on den Brahmanen hergenommen haben, oder etwa aas einer
mohammedanischen Quelle. Sie sieht der mohammedanischen
Darstellung ähnlicher als der brahmanischen, und manche
Ethnologen werden Tielleicht ein unter den Dravidischen Ein-
wohnern Indiens spontan herrorgegangenes Gewächs darin
wittern. Nach dem Verfasser eines Artikels im "Nineteenth
Century Joni 1892, p. 959) haben die Todas einen Himmel
nnd eine Hölle; die letztere ist ein schrecklicher Strom voll
Blntigel, welchen die Seelen der Abgeschiedenen auf einem
einzelnen Faden überschreiten mfissen. der nnter dem Ge-
wicht der mit Sünde Beladenen zosammenbricht, jedoch die
geringe Last der Seele des Goten zo tragen vermag.
Im Talmnd scheint, wie mir Dr. Gaster mitteilt, diese
Brücke nicht bekannt zn sein. Sie wird jedoch im 21. Ka-
pitel des Jana debe Eliahu erwähnt, eines Werkes, das dem
zehnten Jahrhundert angehört, aber Bruchstücke viel älteren
Datums enthält Hier lesen wir: >In dieser Stunde (des
jflngsten Gerichts) ruft Gott die Götzen der Völker ins Leben
zurück, und er sagt: 'Jedes Volk gehe mit seinem Gott
Ober die Brücke des Gehinom. und wenn sie über dieselbe
gehen, so wird sie ihnen wie ein Faden erscheinen, und sie
fallen in das Gehinom hinunter, sowohl die Götzen als auch
ihre Verehrer*.« Dieselbe Stelle kommt noch einmal im
Yalkut Schimeani U, § 500, ed. pr. Salonica, 152G).
f. S7 seq. vor. und nach den besten Kennern geht die
Legende selbst auf vorislamitische Zeiten zurück.
So weit befinden wir uns auf sicherem und fast histo-
rischem Boden. Allein der Glaube an eine solche Bracke
I) Nach der deutschen CbersetzuDg des Koran von F. E.
Boyten und S. F. G. Wahl Halle 1828), p. 121.
Anm, des Vbers.
172
FÜLfiu Vorlesung.
ist Dicht suf den Orient besohränkt; und doch, wenn wir
Mren, daaa die Banern in Vürkahiro vor nicht alhaluiger
Zeit von einer 'Brtloke des Schreckens, nicht breiter aU ein
faden' {'ßW^ o' Dread, Na broader than a thread)^]
spr&ehen, 30 kennen wir kaum glauben, dass diese Brftcke
des Sohreckena die moderne Oestalt der nordischen BifrOst-
BrQcke vorslelle. denn letztere war nie eine sehr enge Brflcke.
die nur von den liuten Obersobritten werden könnte. Ich
«laube. wir mtlasen nach hier eine wirkliche historische Ver-
mittlung zugeben. Es ist, glaube ich, doch wah räch ein lieber,
dass die Idee dieser Brücke irgend eiuem Kreuzfahrer bc-
aondera gefiel, dass er bei seiner Rtickkebr nach Frankreich
von dersellien sprach oder sang, und dass mit den Normannen
die Brücke des Schreckens nach Engluud wanderte. Aneh
in Frankreich wissen die Baneru von Niävre von dieser
BrIIcku KU erzählen als einer schmalen Planke, welche SjüdI
Jeaii d'Archange zwischen die Erde und das Paradies 1
imd von der sie singen :
?Hs pu longue, pas pu large
Qu'un ch'veu de In Salute Viarge
CoLix qu'savont la raiaon d'Dieii,
Pai' desHUS pnsseront
Ceiix iiu'ln sauront pas
Äu bout u
'Nicht länger, nicbl breiter aU ein Bmir der heiliguD J
fran, diejenigen, welche die Vuruunrt Gottes loder das QetM
t«B) kennen, werden darüber gehen; diejenigen, welcho aiVi'j
es, nicht kennen, werden am Ende sterben.«
Von dem Folklore der Bauern ging dieser ÜUnb« u
eine BrQoke, die aua dieser Well in eine bessere hinaber
ftkhre, in das Folklore der Theologen des Mittelalters Über,
und wir lesen von einer kleinen aas dem Fegefeuer in dai
t] J. Thoms, Atuettotn and TraiUtimu. pp. SV— 'JO; Oriom.
Dtu'ifhe Jfylholvtfit, p. Tfl<.
Die W&nderuBg der Seele nach dem Tode. 1 73
fUirenden Brflcke in der Legenda Aarea, c. 50
(De 8. Pmtricio] and an anderen Orten. ^)
Ist es nicht merkwfirdig, diese Idee entweder in ver-
aehiedenen Teilen der Welt spontan auftreten, oder durch
ane wirkliche historische Überlieferung von Indien nach Per-
sien, Ton Persien nach Palästina, von Palästina nach Frank-
rdch und von Frankreich sogar nach Yorkshire flbergehen zu
sehen? Und die Wurzel von all dem ist jener schlichte, aber
unansrottbare Glaube, dass das Menschliche und das GdtÜiche
nicht auf immer getrennt sein können, und dass es, wie der
Begenbogen Himmel und Erde durch eine Brflcke verbindet,
oder wie die Milchstraße uns eine glänzende Bahn durch My-
riaden von Sternen bis zum höchsten Feuerhimmel zeigt, eine
Brflcke geben mflsse zwischen Erde und Himmel, zwischen der
Seele und Gott; dass es einen Weg, eine Wahrheit und ein Le-
ben geben mflsse, die Seele in ihre wirkliche Heimat zu fflhren,
oder, wie eine andere Religion sich ausdrflckt, dass es einen
Glauben geben mflsse, uns heimzufahren und uns Alle Eins
in Gott zu machen. (Vgl. St. Joh. XVII, 2 1 .)
1; Vgl. Liebrecht zu Gervasius von Tilbury, Oüa imperiaiia,
Hannover 1S56, p. 90.
Sechste Vorlesniig.
Die Eschatologie des ÄTesta.
AJInremcliK! Xltiilldikclt«ii In cHthatiilo^lHi-heu l.cBredtfei
Ich erwähnte am Ende meiner letzten Vorlesung eine
Anzahl ans verschiedenen Teilen der Welt zuaammengetra-
goner rberliefernngen. welche aich alle auf eine Brücke
znischen Erde nnd Himmel beziehen. Einige von diesen
Üb erliefe Hingen waren rein mytholggisoh nnd waren, wie 0!
acUien, durch wirkliche Naturerscheinnngen, wie den Regen-
bogen und die Milchstraße, veranlasst. Ändere hingegen ent-
sprangen offenbar aus der moralischen Überzengung, daas es
einen Weg geben mllsse, anf dem die menschliche Seele n
Gott znrflckkehren könne, einer Überzeugung, die, so abstrakt
sie anch in ihrem Ursprang war, nicht ganz davor bewalut
bleiben konnte, scliließlicli ebenfalls in mehr oder minder
pbantastische und mythologiaclie Phraseologie gekleidet in
werden.
Wenn e» sich um gemeinsame Cberliefornngon in Indien,
Griechenland nnd Deutschland handelt, so müssen wir OBl
im Allgemeinen damit begnügen, wenn wir ihre einfachsten
Keime entdecken nnd zeigen können, wie diese Keime wuch-
sen nnd auf indischem, griechiächem oder deutschem Boden
eine verschiedene Färbung annahmen. Ich erklärte Ihnen
dies vorher bei den griechischen Chariten, den Banakrit
Haritas. Hier Gnden wir, dass die W^frler genan dieB«n>eB
Die EMhatolo^e des Avesta. 175
Bid. mmr Terschiedeii ausgesprochen je naeh den phoneti-
sehen Ei^ntfimiichkeiten der grieehisehen nnd der Sanskrit-
Sprache. Der gemeinsame Keim fand sich in den glinzenden
Strahlen der 8onne, die im Veda als Pferde, in Griechenland
als schöne Jungfrauen anfgefasst wurden. Dasselbe gilt wie
ich Tor Tielen Jahren zeigte. Ton der griechischen Daphne.
'Daphne' wfirde im Sanskrit in der Form tou 'Dahana
efseheinen. und dies wfbde 'die Brennende* oder 'die GUn-
sende' bexeichnen. Diese Wurzel dah hat im Deutschen
die Xamen fllr ^ag* und 'Dtmmemng* geliefert. Im Sanakrjt
ist Ah an i an dessen Stelle getreten.') £s findet sich im
Yeda eine deutliche Anspielung auf die Dimmerung, die
stirbt, so oft die Sonne dch ihr zu nlhem sucht und wir
äad daher berechtigt, die griechische Legende von der
Dapkne. die den Umarmungen des Phoebus zu entrinnen
nehl. als eine Wiederholung derselben Erzählung auszu-
legen, dass die Dimmerung, wenn sie den Annlherungen
der Sonne zu entfliehen trachtet, entweder stirbt oder sich
in einen Lorbeerbaum Tcrwandelt Diese Verwandlung in
einen Lorbeerbaum war jedoch nur in einer griechischen
Atmoa^ilre möglich, wo 'daphne' zu dem Namen des Lor-
beerbauas geworden war. der 'daphne' genannt wurde, weil
das Holz des Lorbeerbaums leicht zu entzfinden und zu Ter-
brenen war.
Die Lehren, die wir aus der Tcrgleichenden Mythologie
eBOMMuneB. gelten auch in Bezug auf die Tcrgleiehende Theo-
logie. Wenn wir Ihnliehe religiöse oder selbst philosophische
Ideen oder Überlieferungen in Griechenland und in Indien fin-
den, so missen wir sie einfach als das Resultat des gemein-
sames Mensehentums oder der gemeinsamen Sprache der
beiden Völker ansehen und uns mit ganz allgemeinen Zfigen
znfrieden geben: wenn wir aber daran gehen, die Ideen der
allen Panen mit denen der Tedischen Dichter zu Tergleichen.
I Stehe Hopkins. On English day and Sanskrit d ah an.
JViifurfiii^i mf Aaurie^H Oriemiai ifofüty, 1892.
176 SecIieCe Vorlosang.
so haben wir ein Recht, tl berein atimmangen gtuii Anderer
und viel mohr bandgruifllcLer Art za erwarten.
Das genaue historiecbe Verhiltnia jedoch swischen den
Ältesten Religionen Indiens und Persiena ist sehr eigcntUmlioh
nnd keineswegs schon völlig aufgeklärt. Es ist so oft miw-
v.erstauden und falsch dargestellt worden, dass wir dio Tbat-
sachen sehr sorgföltig zu prüfen haben werden, nm einen
klaren Begriff von dem wahren Verhältnis dieser beiden
Heligionea zu bekommen. Keine Religion der allen Well
ist so sehr missdeutet worden, wie die im Avesta enthaltene.
Wir werden daher einigermaßen ins Detail gehen und die
ipsiseima terla des Aveata untersncben müssen. Indem ich
an diese Untersuchung gehe, furchte ich, dass meine heutig«
Vorlesung Aber den Avesta und seine Lehren in Bezug auf
die Unsterbliohkeit der Seele nicht viel enthalten wird, da)
fUr irgend einen, der nicht Orientalist ist, von Interesse boIb
kann. Woran mir aber immer am meisten gelegen war, ilt
dass diejenigen, welche diesen Vorlesungen folgen, ^e
genaue und authentische KennlniB der die alten ReügiooeO
betreffenden Thatsachen gewinnen sollten. Viele Leute und
sich kanm darttber klar, wie schwer es Ist, eine wirklieh
genaue Darstellung von irgend einer der alten orientalischen
Heligionen £u geben. Aber denken Sic nur, wie schwer ea
ist, über die eigentliche Lehre Christi irgend etwas auaau-
aagen, ohne von irgend einem Doktor der Theologie, ob er
sich nun aus Rom oder ans Edinburgh berschreibi, elnei
Besseren belehrt zu werden. Lud doch liegen hier die That-
sachen innerhalb eines sehr engen Umkreises, sehr vorsnliie-
deu von der umfangreichen Litteratur der Religionen der
Itrahmanislen oder üuddhistcn. Die Sprache des Neuen
TeBtaiounts ist Kinderspiel im Vergleich nüt vcdischem San-
skrit oder aveslischem Zend. Wenn man nnn sieht, wie man
Die Eschatologie des Avcsta. 177
sieh in Kirchen und Bethäusern über die richtige Auslegung
einiger der einfachsten Stellen in den Evangelien herumzankt,
so möchte es fast hoffnungslos scheinen, irgend etwas Be-
stimmtes über den allgemeinen Charakter der vedischen oder
der avestischen Religion behaupten zu wollen. Und doch ist
es sonderbarer Weise geschehen, dass dieselben Personen,
welche zu denken scheinen, dass Niemand außer einem Doktor
der Theologie irgend ein Recht habe, die einfachsten Verse
des Neuen Testaments auszulegen, kein Bedenken tragen,
lange Aufsätze über Zoroaster, über Buddhismus und Muham-
medanismus zu schreiben, ohne ein Wort von Zend, Pali
oder Arabisch zu verstehen. Sie verbreiten nicht nur irrige
Ansichten über die alten Religionen des Orients, sondern sie
glauben auch, dass sie dieselben am besten widerlegen kön-
nen, nachdem sie sie auf solche Weise falsch dargestellt
haben. Hat man einmal die avestische Religion als Feuer-
anbetnng und Dualismus dargestellt, was kann es Leichteres
geben, als Feueranbetung und Dualismus zu widerlegen?
Wenn wir aber die Urkunden selbst zu Rate ziehen, und
wenn wir. wie wir es beim Neuen Testament thun, zwischen
Älterem und Jüngerem in dem heiligen Kanon der Zoroastrier
unterscheiden, so werden wir finden, dass Zoroaster weder
Feneranbetung noch Dualismus lehrte.
Zoroaster lehrt weder Feueranbetuug noch Dualismus.
Die höchste Gottheit Zoroasters ist Ahuramazda, nicht
Atar. Feuer, obschon Atar zuweilen der Sohn Ahuramazda s
genannt wird. *) Das Feuer ist ja ohne Zweifel ein heiliger
Gegenstand bei allen alten Opfern, aber das Feuer als solches
wird im Avesta ebensowenig als höchster Gott verehrt, als
im Veda.
1/ Physische Relujion^ p. 225.
3lfti M&ller. Th^osophie. 12
17S
Sechste Vurioannj;.
Weim wir das w«Ure Weaoo der Heligioa Zoroft%teTs
veratuhen wollen, so mllBseu wir uns vor Allem daran er-
innern, dass die Sprachen, in denen derVeda und der Avesta
abgefaBBt sind, enger miteinander verwandt sind, als mit
irgend einer anderen Sprache der arischen Familie. Sie sind
in der That vielmelir Dialekte, als zwei verschiedene Sprachen.
Wir mflsseu uns auch daran erinnere, dass die Religion 'lo-
roastors und die der vodischcn Itiähii eine gewisse Anzahl
ihrer Üottheiton miteinander gemein haben. Weil deva
im Vuda der Name fOr 'ÜOtter , und Im Avesta der Käme
für 'bOse Oeister' ist, pdegte man anzunehmen, dass die bei-
den Iteligionen einander ganz nnd gar feindlich gegenUbor-
litituden. Das ist aber nicht der Fall. Der Kume fUr 'Otitter
im Veda ist nicht nur deva, sondern auch asnra. Dieser
Name, wenn man ihn von asu, 'Atem', ableitet, bedentele
areprllnglicb : 'der Lebendige', 'der in den grollen Natnr-
crschoinnngen lebt nnd webt", oder, wie wir sagen vUrdui,
'der Ichi'ndif/e Gott'. Gewisse vediache tiotter, namentlieb
Varuna, werden auch im Veda Asura im guten Sinne dot
Wortes genannt. Aber gar bald erhielt das Sanskrit asnra
eine sohlechte Bedeutung, tum Beispiel im letzten Buche des
Rigvedn und im Atharvaveda, und namentlich iu den Brilb-
maMas. Hier finden wir fortwährend die Asuras im Kampfe
gegen die Devas. 'Deva' war, wie Sie wissen, der gemein-
same arische Käme für die OCtter als die glSnzonden Wesen
der Natur. Während aber 'Asura' im Aveala der Name IBr
die höchste Uottbeh wurde, nämlich Ahuramazda oder Or-
mazd , begegnet uns d u va im Avesta stets im schlechtes J
Sinne als der Naiue fDr die bösen Uoister. Diese OüTasj
(dafvas), die uenperslscheu div, sind die Urheber alles|
Sohleohten, jeder Unreinheit, der Sünde und des Todes, i
denken fortwährend darau, die Zerstörung der Felder i
Bäume und der Häuser der Frommen zn verursachen.
Stellen, die sie am liebsten babeu. sind nach ZoniastrisehJ
Begriffen diejenigen, welche am meisten von Scbmutx i
Unrat erfüllt »iud, und iuabesoudero Friedhöfe, Ställen, welcl
Die Eschatologie des Avesta. 179
iafblgedessen f&r den wahren Ormazd- Verehrer Gegenstände
des größten Absehens sind. <^
£3 ist schwer, diese Thatsachen zn erklären, allein wir
dürfen nie vergessen, dass zwar einige der hauptsächlichsten
Tedischen Gottheiten, wie z. B. Indra.-' im Avesta als Dä-
monen vorkommen, dass aber andere Devas oder göttliche
Wesen des Veda ihren nrsprUnglichen Charakter im Avesta
beibeh^ten haben, so z. B. Mithra. der vedische Mitra.
die Sonne. Airyaman, der vedische Aryaman. ebenfalls ein
Käme der Sonne, eine den Ehen vorstehende Gottheit.
Bhaga. eine andere Sonnengottheit im Veda. kommt im
Avesta als bagha vor und ist da zu einem allgemeinen
Namen ftlr 'Gott* geworden. Dieses Wort muss so alt wie
deva sein, denn es kommt in den slavischen Sprachen als
bog, ^Gott*. vor. Es ist auch von dem Namen Behistüu
bekannt, dem Namen des Berges, auf welchem Darius seine
großen Inschriften in Keilschrift einhauen ließ. Die Griechen
nennen ihn Bayaarura, d. h. "Ort der Götter. Andere
Göttemamen. welche der Avesta mit dem Veda gemein hat.
iind die avestische Armaiti. die vedische Aramati. die
Erde: Xaräaamsa. wörtlich 'der unter den Männern Be-
rühmte' ;ein Name Agnis. Püshans und anderer Götter im
Veda^ der avestische Nairväsa/iha. ein Bote des Ormazd.
Schließlich finden wir. dass. obwohl Indra unter dem Namen
Andra zu einem Dämon geworden ist. eines seiner bekannte-
sten vedisehen Epitheta, nämlich Vritrahan. 'der Vri'tra-
Töter*. im Avesta als Verethraghna vorkommt und hier ein-
fiich 'Sieger*, 'siegverleihender Engel bedeutet. Sein Name
wird zuletzt Behräm. und einer der Yashts. der Yasht
Behräm. ist an ihn gerichtet. Man hat daher gewöhnlich
aBgenommen. dass ein religiöses Schisma stattgefunden, und
dass Zarathoshtra sich von den Verehrern der vedisehen
1 Hang. EsMQjfs on the ParfU, p. 26S.
2 Aach ^nrva daeva. d. h. S'arva. uni Näo/ihaithva daeva.
die Nasatran.
m
VI*
180
SechBtP Vorlesung.
Devas losgesagt babe. Es ist etwas \Valir«a daran, aber
obgleich eine Schetduag stattgefuDÜen, blieb doch immer ein
gemeinsamer HiuEergrund fUr die beiden Keligionen. Viele der
vedisoben Gottheilen wurden beibehailen, nur daBs sie der
Oberhoheit des Ahuramazda unterwürfen wurden. Es ist die
Idee Eines hScbstcu Gottes, des Äbuiaarnzda , welche den
charakteristischen unterschied zwischen der avestischen und
der vediächen Religion bildet. Nur schließt Zaratbushtra'i!
Monotheismus nicht den Glanbcu au eine Anzahl von Gott-
heiten aus, solange diese nicht als dem Ahurtimuzda eben-
bürtig aufgefasst werden. In seinem moralischen Charakter
kanu m.in Abnraraazda wirklieh al^ eine Eutwickelung des
vedisclieu Varuwa ansehen, doch tritt der moralische Charak-
ter dieser Gottheit im Ävesla viel stärker hervor.
Die aveatieehe Heligiou, wie wir sie aus ihren oigenoi
heiligen BUchern kennen, ist überhaupt ein eigeottlmliohea
Gemisch von Monotheismus, Polytheismus und Dnaliamitl.
Ahuramazda ist ohne Zwoifel der höchste Gott, der SohSpfet
und Beherrscher aller Dingo, aber es gibt viele and«» gStt-
liclic Wesen, welche zwar ihm nnterworfeu sind, aber doch
als würdig angesehen werden, Anbetung und Verehrung
durch Opfer zu empfangen. Wiederum steht dem Ahura-
mazda, insofern er den guten Geist, speuta malnyn,
den Geist des Lichtes, darstellt, Angra maiuyu, in un-
serer Zeit am besten bekannt als Abriman, der hOse Geist,
der Geist der Finsternis, stets feindlich gegenflber. Aber
diese zwei Geister wurden ursprünglich nicht als iwei ge-
trennte Wesen aufgefasst. In don alten Gäthaa findet alek
noch keine Spur von einem persCnlichon Kampf xwisoken
Orma^id und Ahriman. Der Feind, gegen den Ormud
da kämpft, ist Drnkh, die vedische Ürub, 'der LUgeng^st'.
AdcU Uarius iu dou Kciiinscbrifton erwitlint AhrintiiD noch
nicht als den Üogner des Ormaitd.
Die Eschatologie des Avesta. ISl
Das Problem Tom Ursprungr des Bösen»
Haug scheint vollkommen Recht zn haben, wenn er be-
hauptet, dass Zarathnshtra. nachdem er zu der Idee von der
Einheit nnd Unteilbarkeit des höchsten Wesens gelangt war,
nachher das große Problem zu lösen hatte, welches so viele
weise Männer des Altertums nnd selbst der Neuzeit beschäf-
tigt hat, nämlich das Problem, wie sich die in der Welt
wahrnehmbaren Unvolikommenheiten, die mannigfachen Arten
des Bösen, der Schlechtigkeit und der Niedertracht mit der
Gflte und Gerechtigkeit des Einen Gottes vereinigen ließen.
Er löste diese Frage philosophisch durch das Zugeständnis
zweier Grundursachen, welche zwar verschieden, aber doch
vereinigt seien, und welche die Welt der körperlichen Dinge
sowohl als die Welt des Geistes hervorgebracht hätten. Diese
Lehre kann man am besten im dreißigsten Kapitel des Yasna
studieren. Der Eine, der alle Wirklichkeit gaya) und Gtlte
hervorgebracht, wird da *der gute Geist^ vohu mand) ge-
nannt, der Andere, durch den die Unwirklichkeit (agyaiti)
entstanden, führt den Namen ^der böse Geist' (akem mand).
Alle guten, wahren und vollkommenen Dinge, welche unt^r
die Kategorie der Wirklichkeit fallen, sind die Erzeugnisse
des 'guten Geistes', während alles Schlechte und Trtigerische
in das Gebiet der 'Nichtwirklichkeit' fällt und auf den 'bösen
Geist' zurückgeftihrt wird. Dies sind die zwei bewegenden
Ursachen im Weltall, die von Anfang an vereinigt sind und
daher 'Zwillinge' (yemä, Sk. yamau' genannt werden. Sie
sind ttberall gegenwärtig, sowohl in Ahuramazda als im
Menschen. Diese zwei Urprinzipien werden, wenn man sie
sich in Ahnramazda selbst vereinigt denkt, spenta mainyu,
sein wohlthätiger Geist, und angra mainyu, sein schädlicher
Geist, genannt. Dass Angra mainyu zu der Zeit nicht als
ein dem Ahuramazda entgegengesetztes, besonderes Wesen auf-
gefasst wurde, hat Haug aus Yasna XIX, 9 bewiesen, wo
Ahuramazda von diesen beiden Geistern als seiner eigenen
Natur inwohnend spricht, obschon er sie ausdrücklich als die
182
Sechste VoriHsung,
'beiden Meister* (pftyft) und die beiden Schöpfer" beseichnete.
Wahrend aber diese beiden schöpferischen Oeiater anrangB
nnr ala zwei Teile oder Ingredienticn des göttlichen Wesen»
anfge&sst vurdeo, WKrd diese Lehre Zarathuahtra s im Laufe
der Zeit dnrch Missverstfindnisse nnd falsche Auslegungen
verachl echter t. Spenta mainyu, der wohlthatige Geist, wstde
als ein Name dos Ähuramazda selbst anfgefaset, nnd dar
Aogra mainyu, indem er gänzlich von Ahuramazda getrennl
ward, wnrde dann als der beständige Gegner des Afantfr-
mazda angesehen. Dies ist Hangs Erklärung des OuaÜBmu
in den späteren Bestandteilen iles Avesta. nnd des fortwik-
renden Kampfes zwischen Gott und dem Teufel, wie vir !hi
zum Beispiel in dem ersten Fargard des Vendidäd sehea.
Der Ursprung von Gut und Böse würde demnach auf die
Gottheit selbst übertragen worden sein, obwohl in deradbtB
das mögliche Böse immer von dem wirklichen Guten überwlt-
tigt wurde, Zoroaster hatte offenbar erkannt, das» «s ohM
ein mögliches Böses kein wirkliches Gutes geben könne, g^
rade so wie es ohne Versuchung keine Tugend geben kam.
Derselbe Kampf, der. wie man annimmt, in der GoUheil
geföhrt wird, wird auch von jedem individuellen Gläubiges
gefUbrl. .leder Gläubige wird ermahut. an dem Kampfe gegen
den bösen Geist teilzunehmen, bis schließlich der endgflltigs
Bieg des Gnten dber das Böse gesichert sein werde.
Dies steht natürlich nicht gerade mit diesen Worten in
Avesta, aber e^ folgt aus Stellen, die verschiedenen Teilen
des Avesta entnommen sind.
Die Engel nrsprllngrllch Eigenschaften des Ormaiil.
Denselben Vorgang, dass gewisse Eigenschaften des
göttlichen Wesens in besondere Wesen verwandelt werden,
kann man sehr dentlich hei den Amcsha^pentas beobachten.
Die Amealiaspentna des Avesta sind wfirtlich 'die nnAtorb-
lichen WohllhÄter'. Diese waren anfangs offenbar niclill
Anderes als Bigenaohaften des göttlichen Wesens oder Gaben,
Die Eschatologie des Avesta. 183
die Ormazd seinen Verehrern verleihen mochte , sie wurden
aber späterhin zu Engeln oder halbgöttlichen Wesen, wie
Vohu manö (Bahman) , der gnte Geist, Asha vahishta
(Ardi bahisht), die beste Wahrheit, Armaiti (Spendarmad),
Andacht und Frömmigkeit, Ameretiic/ (Amardäd), Unsterb-
lichkeit, Hanrvatä^ (Khordäd), Gesundheit, Kshathra
vairja (Shahrivar), überfluss an Erdengtttem.
Da in späteren Zeiten diese Engel den großen Rat des
Ormazd bildeten, so dachte man sich auch Ahriman von
einem ähnlichen Rat der Sechs umgeben. Sie waren Akem
manö, der böse Geist, Indra, Ä^aurva, Näo/2haithya
und zwei Personifikationen der Finsternis und des Giftes.
Auf diese Weise wurde der ursprüngliche Monotheismus der
Zoroastrischen Religion allmählich durch jenen Dualismus
▼erdrängt, der mit Unrecht für den charakteristischen Zug
der alten persischen Religion gilt, und der viele Ähnlichkeits-
pnnkte mit dem Glauben an Gott und seine Engel und auch
an einen Teufel darbietet, wie wir denselben in den späteren
Bestandteilen des Alten Testaments finden. Von da ging die-
ser Glaube in das Neue Testament über, und Vielen gilt er
noch als ein wesentlich christliches Dogma. Ob dieser Glaube
an Gott und einen Teufel und die ihre entsprechenden Räte
bildenden Engel wirklich von den Juden aus Persien entlehnt
wurde, ist noch eine offene Frage. Wenn man irgend
welche von den persischen Namen dieser Engel oder Teufel
im Alten Testament entdeckt hätte, so wäre die Frage so-
fort erledigt gewesen ; es gibt aber nur Einen wirklich per-
sischen Namen Eines dieser dem Ahriman zugeteilten bösen
Geister, der sich thatsächlich in das Alte Testament einge-
schlichen hat; er findet sich in dem apokryphen Buche
Tobit III, 8, nämlich Asmodens^ der persische Ahhma daeva^
der Dämon des Ärgers und des Zornes. Dieser Name kann
nur aus einer persischen Quelle entlehnt worden sein und
beweist daher das Vorhandensein eines wirklichen historischen
Verkehrs zwischen Juden und Persern zur Zeit, als das Buch
Tobit geschrieben wurde. Wir suchen vergeblich nach irgend
184 Sechaie Voflosung,
einem aDdereu perHisohen Nameo eines guten oder eines bOsen
Geistes in den echten BDcbein des Alten Testaments,'! wenn-
gleich ja oline Zweifel zwischen den Engeln und Erzengeln
des Allen Testaments und den Ameshaspentas des Arcsta
eine große Ähnlichkeit besteht, wie Kohut in seinem gelehr-
ten Aufsatz über diesen Gegenstand gezeigt hat.
Von all dem, der ursprUnglichen Oberhoheit des Ahnra-
mazdu, dem späteren Dnalismus des Ahur.-iroazda nnd Angra
maioyn, und den Ruten dieser zwei feindlichen Mächte finilisl
sich im Veda lieine Spnr. Spnren jedoch einer feindseligen
Stimmnng gegen die Asmas im allgemeinen zeigen sich in
dem Wechsel der Bedentnng dieses Wortes in manchen
Teilen de» Higvoda und des Atharvaveda, und oamentlieb ia
den ÜrAhmanas.
.tsuraH nnd Suras,
Ein neuer Wechsel tritt in der späteren 8anskrit-Litti>-
ratnr ein. Hier werden die Asnraa nicht mehr als gegen
die Devns, sondern als gegen die Suras kämpfend dargestelli;
das heißt, ans reinem Versehen wnrde das 'A' van 'Asnra'
als ein negatives 'a' anfgofasst. wfthrenJ es das radikale 'a'
von asn. 'Atem', ist, nnd ea wurde ein neuer Name Snra
gebildet, der mit svar, 'Himmel', zusammenzuhfiugcn sclüen,
nnd dieser Name wurde zur Bezeichnung der Gitter im U«gett-
satx zn den Asuras, den Nichtgjfttern, '^) verwendet. Das iit di«
Weise, in der oft Mythologie gemacht wird. Alle Kftmpfa swi-
schen den Suras und Asuras, von denen wir in de>n PnrAjtss so
viel lesen, beruhen wirklieb auf einem ilissverständnis des alten
Namena des lebendigen Gotte.E, Asu-ra nllmlich. nicht A-flUra.
Wie immer wir uns die Verwandlnng der vedi«ch«n
Deras oder Gotler in die avestischen DaC'vas oder bOicn
1) Siehe Jedoch meine Beuierknugcn »af 8 51 S. über die Be-
nennung Ahmi yal >bmi.
2) Durch donselbon Prozess «ohMnt mun sita, 'glünsend*,
von asita, 'dunkel', gebildet su liaben.
Die Eschatologie des Avesta. 1S5
Geister erklären mögen^ darüber kann kein Zweifel sein, dass
wir es hier mit einer historischen Thatsache zu thnn haben.
Ans irgend einem Grande müssen sich die Verehrer der
wahren Asnras nnd des Ahnramazda zu einer gewissen Zeit
von den Verehrern der vedischen Devas getrennt haben.
Sie wichen in gewissen Punkten voneinander ab^ in anderen
aber stimmten sie überein. Ja, wir besitzen thatsächlich
in dem Yasna. einem der älteren ( berreste der Religion Zara-
thnshtras. einige Verse, die sich nur als eine offizielle For-
mel erklären lassen, in der seine Anhänger ihren Glanbcn
an die Devas abschworen. Da (Yasna XII] lesen wir:
Absehwornng des Daeva-Knltes»
»Ich höre anf ein De va (-Verehrer) zu sein. Ich erkläre,
dass ich ein Zoroastrischer Mazdayaznier ein Verehrer des
Ahnramazda) bin, ein Feind der Devas nnd ein Ergebener
Ahnras, ein Lobpreiser der nnsterblichen Wohlthäter (Amesha-
spentas). Indem ich den nnsterblichen Ameshaspentas opfere,
schreibe ich alle guten Dinge dem Ahnramazda zu. der
gut ist nnd ^alles) Gute hat , der gerecht , herrlich . ruhm-
reich, der der Urheber aller besten Dinge, des Geistes der
Natur (gäush) , der Gerechtigkeit, der Himmelslichter und
des von selbst scheinenden Glanzes ist, der in den Himmels-
Uehtern wohnt.
»Ich verlasse die Devas, die bösen, schlechten, ruchlosen
Urheber des Unheils, die heillosesten, verderblichsten und
niederträchtigsten aller Wesen. Ich verlasse die Devas und
diejenigen, welche den Devas gleichen, die Zauberer und
diejenigen, welche den Zauberern gleichen, und alle Wesen
der Art, die es gibt. Ich verlasse sie mit Gedanken. Worten
und Thaten, ich verlasse sie hiermit öffentlich und erkläre,
dass alle Lüge nnd Falschheit abgeschafft werden soll.«
Ich sehe nicht ein, wie nach diesem irgend Jemand
daran zweifeln kann, dass die Trennung der Anhänger Zara-
thnahtra'S. der an Ahnramazda Glaubenden, von den Verehrern
1 80 Sechste Vorleaiing.
der vediscbeti Devas ein wirkliohea hiatorisclies Ereignis ge-
wesen sei, obschon keineswegs folgt, dass ihre Trennung eine
vollständige war. und daes die Anhänger Zoroaeters jeden
(ilaubeusaatz, den sie frflber mit den vediscben Afshis gemein
b;itten, aufgaben,
leb glaube, wir werden vollkommen Recht haben, wenn
wir die aveatiscbe Ueligion im Vergleich mit der alten vodi-
sehen als eine sekundäre Stnfo betrachten, nur mttssen wir
uns gegen die Annahme verwahren, dass der Avesta nicht
eine Anzahl von Ideen und religitisen Pberlioferungen be-
wahrt haben könne, die sogar Alter und einfacher sind, als
das, was vir im Veda finden. Die vedischen Dichter und
namentlich die vedischen Philosophen sind sicherlich weit
Über das Niveau hinaus vorgerllokt, das erreicht worden war,
ehe die Zoroastrier sich von ihnen lossagteu, aber die Zo-
roastrior können Vieles bewahrt haben, das alt nnd einfach
ist nnd aus einer Zeit vor ihrer Trennung stammt. Vieles,
das wir im Veda vergebens suchen.
ün Sterblichkeit der Seele Im Avesta.
Das ist wohl sicherlich der Füll, wenn wir die pcrsisohen
Angaben nber die Unsterblichkeit der Seele und ihre Wut-
derungen nach dem Tode mit denen vergleichen, die wir
früher in den Upaniahaden nnterancht haben. Die Idee, dua
Erkenntnis oder Glanbe besser sei. als gate Werke, nnd dass
den Denker eine hitfaere Unsterblichkeit erwarte , all den
Thner. eine Idee, mit der die Verfasser der Upanishaden
so vertraut sind, ist dem Avesta ganz fremd. Die aveatiocho
Religion ist vor allen Dingen eino ethische I^ligion. Sie wlU
die Menschen gut machon. Sie verspricht Belofauungeu t))r
die Guten und Strafen für die BCsen in diesem Leben nnd
im ktlnttigen. Sie steht in dieser Beziehung vielmehr auf
dem alten Standpunkt der vedischen Hymnen , als auf dem
der Upanishaden. In den Hymnen wurde dem Abgeschie-
denen, wie wir sahen, einfach gesagt, er solle auf dem gnten
Die Eschatologie des Avesta. 1S7
Pfade fortlaufen, an den beiden vierängigen. grauen Hunden,
der Brut der Saramä, vorbei, und dann zu den weisen Pit;*is
oder Vätern hingehen, die sich mit Yama froh vereint er-
götzen. Oder es wird dem Abgeschiedenen gesagt, er solle
auf jenen alten Pfaden hingehen, auf denen seine Väter heim-
gegangen, und die beiden Könige. Yama und Gott Vanma.
treffen, die sich an Opferspenden Sradhä) ergötzen. Da
wird nichts erwähnt von dem Rauche, der ihn gen Himmel
trage, noch von der Sonne, die nach Süden oder nach Nor-
den ziehe, nichts davon, dass der Abgeschiedene emporsteige,
bis er den Mond oder die Stätte der Blitze erreiche. Das
Ziel der Wanderung des Abgeschiedenen ist einfach die Stätte,
wo er die Väter treffen wird, diejenigen, welche sich durch
Frömmigkeit oder Bußübungen herrorgethan. oder diejenigen,
welche in der Schlacht gefallen, oder diejenigen, welche im
Leben mit ihren Schätzen freigebig gewesen.
Die PftHs oder Titer nach der Auffassung der vedlschen
Bjmnen»
Das ist Alles viel menschlicher, als die in den Upa-
nishaden gegebene Darstellung. Und wenn wir im Rigveda
die an die Pitrts oder die drei Generationen von Ahnen ge-
lichteten Anrufungen lesen, so finden wir auch dort wieder
eine viel kindlichere Auffassung ihrer Wohnstätte, als das.
was uns in den Upanishaden geboten wird. Zuweilen denkt
man sich die Urgroßväter im Himmel, die Großväter in der Luft
and die Väter noch irgendwo auf der Erde, aber alle zusam-
men werden eingeladen, die Spenden entgegenzunehmen, die
ihnen bei den «S'räddhas dargebracht werden, ja man glaubt.
dass sie die ihnen vorgesetzten Speisen verzehrten. So heißt
es Rigveda X. 15:
1. Mögen die Soma- liebenden Väter.', die niedrigsten.
die höchsten und die mittleren, sich erheben! Mögen die
1 Die Väter, welche den Mond erreicht haben.
18S
Sechs to VurlPBUug.
milden and ^rechten Vfiter, welche wieder) zuio Loben
zurück gell ehrt sind, uns in diesen Anrufungen beschflticn!
2. Diese Be^ößnog sei hente für die Vster, fitr die-
jenigen, welche früher oder später dahingegangen sind; ob
sie nun im Luftraum aber der Erde wohnen, oder bei dem
seligen Volke!
3. Ich habe die weisen Vater eingeladen .... mögen
sie rasch hierher kommen nnd, auf dem Grase sitzend, be-
reitwillig von dem ansgegoasenen Tranke genießen!
4. Kommt hierher zu uns mit eurer Hilfe, ihr auf dem
Grase sitzenden Väter! Wir haben diese Trankopfer für unoh
bereitet, nehmt sie entgegen! Kommt hierher mit eorem
heilsamsten Schutze, nnd gebt uns unfehlbar Gesundbeit nud
Reichtum!
5. Die Soma'Iiebenden Väter sind hierher gerufen worden
zu ihren lieben Speisen, die auf das Gras gelegt wurden.
Mögen sie herannahen, mögen sie uns anhQren, nns segnen
and ons beschützen !
6. Das Knie beugend und zu meiner Bechtcn sitzend,
nehmt Alle dieses Opfer au, Verletzet nns nicht, o Vtter.
am irgend eines Unreehta willen, das wir gegen euch began-
gen haben mftgen, die wir doch nur Menschen sindl
7. Wenn ibr euch in den Schoß der roten Dämni orangen
setzet, Bo gewähret den freigebigen Sterblichen Roichtam!
O Vfiter. gebt den Söhnen dieses Mannes hier von eor«m
Schatze, und verleihet uns hier Kraft!
S, M«go Yama, als ein Freund mit Freunden, die Spen-
den verzehren nach seinem Wunsche, vereint mit ansenn
Vatem , jenen alten Boma-liobenden, den Vaaish/Äas, wcleh«
den Somatranb bereitet haben!
9. Komm hierher, o Agni, mit jenen weisen and waiir>
haftigen Vatem. welche so gerne beim Herde sitzen, welcbo
dursteten in ihrer Sehnsucht nach den Ußtlem, welch« Um
Opfer kannten, nnd welche stark waren in der Lobpr«)aang
mit ihren Liedern!
10. Komm, o Agni, mit jenen alten Vätern, welch* ao
Die Eschatologie des Avesta. 1S9
gerne beim Herde sitzen, welche immerdar die Götter prei-
sen nnd wahrhaftig sind, welche unsere Spenden essen, un-
sere Spenden trinken nnd mit Indra und den Göttern Umgang
pflegen !
ILO Väter, ihr. die ihr von Agni verzehrt worden
seid, kommt hierher, setzt euch nieder auf euren Sitzen, ihr
freundlichen Führer! Esst von den Spenden, die wir auf das
Gras gelegt haben, und dann verleihet uns Reichtum und
starke Nachkommenschaft!
12. 0 Agni. 6'ätavedas. auf unsere Bitten hast du die
Opferspenden weggeführt, nachdem du sie zuerst angenehm
gemacht. Du gabst sie den Vätern, und sie verzehrten
ihren Anteil. Iss auch du. o Gott, die dargereichten Spenden !
13. Die Väter, die hier sind, und die Väter, die nicht hier
sind, diejenigen, welche wir kennen, und diejenigen, welche wir
nicht kennen, du. o 6'ätavedas. weißt, wie viele deren sind.
nimm das wohlbereitete Opfer mit den Opferteilen entgegen!
14. Denen, welche sich, ob sie nun vom Feuer ver-
brannt oder nicht vom Feuer verbrannt sind, mitten im Him-
mel an ihrem Anteil erfreuen, gewähre du. o König, dass
ihr Körper jenes Leben annehme, welches sie sich wünschen !
Im Vergleich zu diesen Hymnen stellen die Upanishaden
eine entschieden spätere Entwickelung und Verfeinerung dar ;
sie stellen eben die gekünstelteren Anschauungen spekulativer
Theologen dar. und nicht mehr die schlichten Einbildungen
tranemder Leidtragender.
Wenn wir nun wieder zu unserer Untersuchung der
Vorstellungen zurückkehren, welche die Anhänger Zoroasters
seh über das Geschick der Seele nach dem Tode und ihre
Annäherung an Gott gebildet hatten, so werden wir finden.
dasa auch sie einen viel einfacheren Glauben darstellen, ob-
schon es einige Punkte gibt, in welchen sie offenbar vou den
Upanishaden abhängig oder mit denselben enge verwandt sind,
wir mflssten denn annehmen, dass sowohl die Zoroastrier als
aacb die Verfasser der Upanishadeu unabhängig voneinander
zu denselben Ideen gelangten.
SeuliBle Vorlesung.
Duü Si'hicksul der ludiTldnclItin Suole bei der allgemd
ADrersteliuii^.
Wir lesen im Vendidäd SIX, 27;')
idobCpfer der mit GeBcli5pfeti veraahenon Ansiedt
Uerechter! Was geschieht, wenn ein Mensch in der Welt des
Daseins seine Seele aufgibt?
'Da sagte ÄbnramaKila: Nachdem ein Mann tot ist, wenn
seine Zeit vorllber, so fallen die hQUischen nnlioilatiftenden
Daevas über ihn her, nnd venn die dritte Nacht^; vorbei-
gegangen, wenn die Morgrenrüte erscheint und anflencbtct und
Mithra, den Gott mit den schönen Waffen, die allglQck lieben
Berge erreichen lAsst, und die Sonne aufgeht —
■ Dann schleppt der ßfise, Vizaresha genannt, die See-
len der ruchlosen Daö va- Verehrer , die in Sundu leben, in
Banden hinweg. Die Seele betritt den von der Zeit gt-
machten Weg, der sowohl den BOsen als den Tugendhaften
olTon steht, l'nd um Kopf dei' /i'invat-Brflcko. der lieiligen
von Mazda gemachten BrQcke, verlangen sie fttr ihre Geiiter
nnd Seelen den Lohn fQr die weltlichen Güter, dl« aie Wer
unten vorschenkt.'
Diese /i'invat- BrQcke, von der ich in einer fVflheren
Vorlesung sprach, ist schon in den GAthas (XLVi, 12^ be-
kannt, nnd sie wird dort 'die Qrttcke des Gerichtes' (p. 133],^)
oder auch 'die Brücke der Erde' (p. 183} genannt. Ad Einer
Stelle Ip. 173) lesen wir vou den Brücken, gerade so wie
wir in den Upanishaden von zwei Wegen lesen, von dNieo
der Eine za den Vätern, der Andere zn den OOttem Rihrl.
ßs kann daher kaitm einem Zweifel unterliegen, daaa diese
Brücke des Avesla denselben Ursprung hat, wie die Brflcke
in den Upanishaden. Wir lesen in deriLVilnd. l'p. Vlll, 4, 3:
ll S. S. i'., vo!. IV, p. 212.
3) Dies zeigt, dass AnferBiehun« nncli der driltrn Nacht odot
aiu vierten Tage der anerkanute Glaube in I'ergieu war; nicht an
dritten Tage, wie bei den Jaden.
31 S. H. £., vül, XXX!.
Die Escbatologie des Avesta. 191
»Tag nnd Nacht gehen nicht über diese Brücke, noch Alter,
Tod nnd Knmmer, weder gute noch böse Thaten ; alle übelthäter
wenden sich von ihr hinweg, denn die Welt Brahmans ist frei
von allem Übel. Damm hört derjenige, welcher diese Brücke
aberschritten hat, anf blind zn sein, wenn er blind ist; wenn
er verwundet ist, hört er auf verwandet zu sein; wenn er
bekümmert ist, hört er aaf bekümmert zu sein. Darum wird
ja au( h, wenn man diese Brücke überschritten hat, die Nacht
zum Tage.« Allerdings wird hier diese Brücke schon in
einem mehr metaphysischen Sinne anfgefasst und mit dem
Atman, dem Selbst, identifiziert; was vom Standpunkt der
Vedänta-Philosophie als die einzig wahre Brücke zwischen
dem (menschlichen) Selbst und dem (höchsten; Selbst bezeich-
net wird; doch ist die ursprüngliche Idee einer Brücke,
welche diese und die andere Welt trennt (vidhn'ti] und zu
gleicher Zeit verbindet, welche Übelthäter zu überschreiten
fürchten, und auf der Alles, was vom Bösen ist, zurück-
gelassen wird, deutlich vorhanden. Da der Kommentar er-
klärt, dass diese Brücke aus Erde gemacht sei, und da sie
auch im Avesta ^die Brücke von Erde' genannt wird, so
müssen wir annehmen, dass sie ursprünglich als ein Erddamm,
ein Fußsteig [pons) über einen Fluss [Khänd. Up. VIII,
4, l Anm.), und nicht als eine Hängebrücke über einen
Abgrund anfgefasst wurde.
Belohnungen und Strafen nach dem Tode.
Ich will Ihnen nun einen anderen und ausführlicheren
Bericht vorlesen, der Ihnen zeigen soll, was die Zoroastrier
über jene Brücke und über das Schicksal der Seele nach dem
Tode, und namentlich über Belohnungen nnd Strafen zu
sagen haben. Dieser Bericht ist dem Hildhokht Nask ^) ent-
nommen:
1. Zarathushtra fragte den Ahuramazda: >0 Ahura-
I] Vgl. Hang, p. 220; Darmesteter, II, 314.
192 Seuhaii; Vnrlosiing-
rauzda, hCchst woblthätlgcr Gcisl, SchGpror der kCrpei
Welt, du Heiliger!
»Wenn Einer der Gläubigen aus diosem Lelien aebeldet,
wo weilt seine Seele in jener Nacht?«
2. Ahnramazda antwortete: >Sie nimmt ihren Sitz in
der Kithe dea Uaiiptes ein , (den Ustavaiti Gfltha) singend
und QlQck vorktlndend: 'Glücklich ist er, glücklich der Mann,
wer immer er aei, dem Aliuramnr.da die volle EifUlInng sei-
ner Wtlnscho gewährt!' In dieser Nacht verkostet seine Seele
ao viel Freude , aU die ganno lebendige Welt verkosten
kann. '
3. »In der zweiten Nacht, wo weilt seine Seele dann?'
4. Ahnramazda antwortete: >Sie nimmt ihren Sitz m
dir Nähe des Uuuptcs ein, (dun U«tavaiti Oätlia) aingend und
('liick verkOndcnd; 'GlDiiklich ist er, glücklich der Haan,
wer immer er aei, dem Ahurnmazda die volle ErfOllung sei-
ner Wünsche gewährt!' In dieser Naeht verkostet seine Seele
so viel Freude, als die ganze lebendige Welt verkosten
kann.'
5. »In der dritten Nacht, wo weilt seine Seele dann?<
li. ALaramazda antwortete: »Sic nimmt ihren Sitz in
der Nithe des Hauptes ein, (den Uslavaiti Ofttha) singeDd nad
Gluck verkündend: 'GlQcklich ist or, glücklich der Mann,
wer immer er sei, dem Ahnramazda die volle ErfQllnng a^
ner Wünsche gewährt.' In dieser Nacht verkostet süne
Seele so viel Freude, als die ganze lebendige Welt verkoiten
kann.*
7. Am Ende der dritlen Naoht, wenu die Morgenröte
erscheint, kommt es der Seele des Glauhigon vor, als ob sie
mitten unter Pllauzeu und Wohlgerüche gebracht würde; es
kommt ihr vor, als ob ein Wind ans der Gegend des Südani
wehte, aiia deu Gegenden des Südens, ein süß duftender Wind,
stLßei' duftend, als irgend ein anderer Wiud in der Well.
S. Cnd es kommt der Seele des Gläubigen vor, als alOB
er Jenen Wind mit der Nase ein, und er denkt: 'Woher
Die Eschatologie des Avesta. 193
weht dieser Wind, der süßest duftende, den ich je mit der
Nase eingeatmet?'
9. Und es kommt ihm vor, als schreite in diesem Winde
sein eigenes Gewissen anf ihn zn, in Gestalt einer schönen
Jungfrau, glänzend, weißarmig, stark, groß an Gestalt, hoch
aufgerichtet, yollhrfisüg, schön an Körper, edel, von glor-
reichem Namen, von der Größe einer Jungfrau in ihrem
fünfzehnten Jahre, so schön wie das Schönste in der Welt.
10. Und die Seele des Gläubigen redete sie an mit der
Frage: >Was für eine Jungfrau bist du, du, die du die
schönste Jungfrau bist, die ich je gesehen?«
11. Und sie, die sein eigenes Gewissen ist, antwortet
ihm: >0 du Jüngling von guten. Gedanken, gut^n Worten
und guten Thaten, von guter Religion, ich bin dein eige-
nes Gewissen!
»Jedermann liebte dich um jener Größe, Güte und Schön-
heit, um des süßen Duftes, der siegreichen Kraft und der
Kummerlosigkeit willen, in der du mir erscheinst;
12. »Und so liebtest du, o Jüngling von guten Gedanken,
guten Worten und guten Thaten, von guter Religion, mich
um jener Größe, Güte und Schönheit, um des süßen Duftes,
der siegreichen Kraft und der Kummerlosigkeit willen, in der
ich dir erscheine.
13. »Wenn du etwa einen Mann Spott und Götzendienst
treiben oder (die Armen] zurückweisen und sein Thor ver-
schließen sähest, dann pflegtest du dazusitzen, die Gathas
singend und die guten Wasser und Atar, den Sohn des
Ahuramazda, verehrend, und die Gläubigen, die von Nah
und Fem herbeizukommen pflegten, zu erfreuen.
14. »Ich war lieblich, und du machtest mich noch lieb-
licher; ich war schön, und du machtest mich noch schöner;
ich war begehrenswert, und du machtest mich noch begeh-
renswerter; ich saß an einem vorderen Platze, und du mach-
test, dass ich am vordersten Platze saß, durch diesen deinen
guten Gedanken, durch diese deine gute Rede, durch diese
deine gute That; und so verehren mich die Menschen von
Xftz M All er, Theotophie. 13
191
SerliBte Vorlesung.
nnn an darnm, weil icti lange Zeit dem AhurnrnHEda geopfert
und mich mit ihm nnterredet habe.
15. 'Der erste Schritt, deu die Seele des Glänbigen
machte, versetzte ihn in dus Gute-Omiankett-Paradies.
■ Der zweite Schritt, den die Seele des GISobigeD machte.
veräelzl« ihn in das Gut.f-tf 'orte- Paradies.
'Der dritte Schritt, deu die Seele des Olftnbi^en machte,
versetzte ihn in das Gtäe-T/ialeri-Paradies.
>Der vierte Schritt, den die Seele des Olftobi^en machte,
versetzte ihn in die endloten Ltchler.'
16. Dann fragte ihn einer der Gl&abigen, der vor ihm
dahingegangen war, indem er sprach: • IVie schiedeat du
ans diesem Leben, du heiliger Mann? Wie kämest dn, du
heiliger Mann, ans den WohnatHtten, voll -von Vieh and voll
von den Wünschen und GenüBsen der Liebe ? Von der kftr-
perliehen Welt in die Welt des Geistes? Von der vorgÄng-
liohen Welt in die unvergängliche? Wie lange danerte dein
Glftek?.
IT. Und Ahuramazda antwortete; >Frage ihn nicht, wa«
du ihn fragst, ihn, der eben den traurigen Weg voll Angst
und Knmmer gegangen, wo der KOrper und die Seele von-
einander scheiden.
1'^. >[Lasä ihn esseni von der ihm gebrachten Speise,
von dem Zaremaya-Öt: das ist die Speise ftlr den Jfingling
von guten Gedanken, von guten Worten, von guten Thaten,
von guter Religion, nachdem er aus diesem Leben geRofale-
den; das ist die Speise fQr die heilige Frau, reich au gnten
Gedanken, guten Worten und guten Thaten, wohlgesittet and
ihrem Gatten gehorsam, nachdem sie aus diesem Leben ge-
schieden. •
Das Schicksal der Seele des BSsen ist genau das Gegen-
teil von dem , was der Seele des Tugendhaften wldarfthrl-
Während dreier Kftcbte aitzl sie in der Nähe des Haup-
tes und duldet soviel Qual, als die ganze lebendige Welt
verkosten kann. Am Ende der dritten Nacht, vonn die
Moi'genrOtc erscheint, kommt es ihr vor, ala ob sie mitten
Die EBchatologie des Avesta. 195
nnter Schnee nnd Gestank gebracht würde, nnd als ob ein
Wind ans dem Norden wehte, der übelriechendste von allen
Winden in der Welt. Die böse Seele mnss diesen Wind ein-
atmen nnd dann dnrch die Böse-Gedanlen-Hölle, die Böse-
Worte-Hölle und die Böse-ThcUen-HöUe hindnrchschreiten.
Der vierte Schritt versetzt die Seele in endlose Finsternis.
Dann mnss sie Speise von Gift und giftigem Gestank essen,
ob es nun die Seele eines schlechten Mannes oder einer
schlechten Frau gewesen.
Sie werden bemerkt haben, wie viel wirkliche Wahrheit
unter all der allegorischen Sprache des Avesta verborgen
liegt. Die Sprache ist allegorisch, aber wer immer sich dieser
Sprache bediente, musste von der ihr zu Grunde liegenden
Wahrheit überzeugt sein, nämlich dass die Seele des Tugend-
haften im nächsten Leben durch seine eigenen guten Gedan-
ken, seine eigenen guten Worte und seine eigenen guten
Thaten belohnt werden werde. Die Idee, dass diese guten
Gedanken, Worte und Thaten ihm in der Gestalt einer schönen
Jungfrau entgegenkommen, die er zuerst nicht kennt, bis sie
ihm sagt, wer sie sei, ist dem Avesta eigentümlich, obschon
einige schwache Andeutungen derselben sich wiederum in
den Upanishaden nachweisen lassen.
Oote Werke in der Gestalt einer schonen Jungfrau.
Wir lesen nämlich in der Kaushitaki-Upanishad, I, 3,
dass der Abgeschiedene, wenn er sich der Halle Brahmans
nähert, von schönen Jungfrauen, Apsaras genannt, empfangen
wird. Was wir aber in den Upanishaden vergebens suchen,
das ist der ethische Charakter, der den ganzen Avesta durch-
zieht. Es sind gute Gedanken, Worte uud Thaten, die in
der nächsten Welt belohnt werden, nicht Erkenntnis, die. wie
wir sahen, nach der Lehre der Upanishaden den höchsten
Lohn davonträgt. Auch die süßen Dflfte, welche den Ab-
geschiedenen in der nächsten Welt begrüßen, sind ein Punkt,
den die Upanishaden mit dem Avesta gemein haben.
13»
SecliBt« VorloBiint.
I
ElndiiHB anf den MnhnmincilniiEsinnii.
Es wäre intereasant, anslinilig zu machen, ob diese s)l»>
gorische Anffassnng der BelotiDUDgen derMenschen im Para-
diese den Geist UoLamineda beeinfliisst habe, wenn er seinen
Kriegern vorsprach, dass sie dort von schönen Jangfranen
empfangen worden würden, Wohl wäre dies eine merkwür-
dig verkehrte Änwendnn^: einer erhabenen Idee. Richtig ist
ea ja, dass seibat im Avesta die Schönheit der Jnngfrau.
welche die Tromme Seele empfängt, in — - wio wir es nennen
wtirden — warmen, sinnlichen Karben ausgemalt wird; ob-
Kwar die Scbilderong derselben hier nichts enthält, was nach
orien tauschen Begriffen anstößig erscheinen würde. Solche
Äudernngen sind anch in der Geschichte anderer Religionen
vorgekommen. Die wahrscheinlichste historische Vprmittelang
zwischen Mohammed nnd dem Ävesla wllrde wieder dieselbe
sein, wie die, durch welche die Idee der Brticke Es Sirät sd
Mohammed gelangte, nämlich die dnroh seine jüdischen Prenndo
nnd Lehret.
Allerdings findet sich keine SpQr von einem Glauben an
llouris bei iIod Juden, aber Kohut hat vor Jahren in der
Zrilschriß der Deutschen Morge?il. (jetelUdiaß , XXI,
p. 5Gli, darauf hingewiesen, dass die Rabbint-n glanbten nnd
lehrten, dass alle Tbaten eines Menschen, wenn er sieb dem
Tode nähert, vor seiner Seele erscheinen, und dass seine
guten Werke ihn zu dem Richterstühle Gottes zu fnhrcn ver-
sprechen. Sie meinen, dass die Seelen der Frommen nicht
sofort in das Paradies Einlass finden, sondern dass sie mertl
Rechenschaft ablegen und für Mängel, die ihnen noch an-
haften, Strafen erleiden müssen. »Diese Strafe diinerl iwölf
Monate, bis zu welcher Zeit der Körper dem gänzlichen
Verwesungsprozess anheimgefalIeD ist, alsdann die Seele is
den Himmel filhrt nnd nicht mehr beraiukümmt 'Der Kör-
per', spricht Gott, 'ist aus der Erde genommen, nicht vom
Himmel, aber du. o Seele, bist Bürgerin des Himmels, lc«nDst
dessen Gesetze, du allein sollst Rechenschaft ablegen'.« Diot
Die Eflchatoli^e des Avests. 197
zeigt ohne Zweifel deutliche Sparen peraischen Einflasses. zu
gleicher Zeit aber eine unabhängige Behandlung persischer
Ideen, wie wir sie zuerst im Avesta finden. Jedenfalls wa-
ren diese Rabbinen fiber die Ideen, die sich im Alten Testa-
ment Aber das Schicksal der Seele nach dem Tode finden,
weit hinausgegangen.
Kohut citiert noch eine andere merkwürdige Stelle aus
dem Talmud (S^nhedr. 91b, Midrasch. Genes. Rabba 169},
f)lr die ich jedoch keine Parallele im Avesta kenne. Hier
heißt es. dass zur Zeit der Auferstehung die Seele sich
rechtfertigen und sagen wird: »Der Körper ist allein schuldig,
er allein hat sich vergangen. Kaum hatte ich ihn verlassen.
so flog ich. rein wie ein Vogel, durch die Luft.« Der Kör-
per aber wird sagen: >Die Seele allein war der schuldige
Teil, sie hat mich zur Sfinde getrieben. Kaum entfernte sie
sich Yon mir, lag ich unbeweglich auf dem Boden und ver-
schuldete weiter nichts.« Da legt Gott die Seele von Neuem
in den Körper und sagt: > Sehet, wie ihr gestlndigt habt,
jetzt gebet beide Rechenschaft.«
Amszig aus dem MinokUred Ober das Wägen der Toten.
In dem Minokhired finden wir einen noch ausffihrlicheren
Bericht von der Wanderung der Seele fiber die Brficke, als
im Avesta. Da lesen wir, II, 100:^}
»Du solltest nicht anmaßend werden durch das Leben,
denn schließlich ereilt dich der Tod. der Hund, der Vogel,
sie zerfleischen den Leichnam, und der vergängliche Teil (sa,^i-
nako) ftllt auf die Erde. Während dreier Tage und ^chte
sitzt die Seele am Scheitel des Hauptes des Körpers. Und
am vierten Tage, im Lichte der Morgenröte, geht sie (unter
der Mitwirkung von Srösh dem Gerechten, Vai dem Guten
nsd Vihräm dem Starken, und unter der Anfechtung des
1. Siehe auch F. Spiegel, Einleitung in die traditionellen Schrif-
ten der Tonen 'Wien-Leipzig 1860), 11, 13> ff. Anm, des Übers,
198 SechBto Vurlesang.
AstövtdiW, des Vfti des Bösen, der Dftmonen FrazIshU und
Nixi«t6 , iinil des Böses planenden Aeshm, des Obelthaters,
des angestümen Angreifers, hinauf zur sclireckllrben /ilndvai-
Bi'Dcke (Alnvat ist bier zu /Hndvar verderbt), zu der Jeder,
der Tugendhafte wie der BOse, liommt. Und <J viele Au*
fecLter haben dort gelauert, mit dem Verlangen nach dem
Cbel von Aeäbm, dem ungestttmen Angreifer, und AstövtdiU/,
der Geschöpfe jeder Art verzehrt und keine SKtligung kennt,
und mit der Vermitleluug von Mitrö nnd Srüsli und Rashofl,
und dem Wägen Rashnb's, des Gerechten, mit der Wag-
schale der Geister, die auf keiner Seite Begünstigung gewährt,
weder den Tugendhaften, noch den Bösen, weder den Her-
ren, noch auch den Uonarchen. Nicht einmal nm eine
Haarbreite wird sie abweichen, und aie kennt keine Partei-
lichkeit, und wer da ein Herr uud ein Monarch ist, den
eruchtet sie in ihrer Entacbeidung gleich dem Niedrigsien
der Menschheit. Und wenn die Seele eines Tugendhaften
llbur die Brücke geht, so wird die Breite der Brßcke gloioh-
»am eine Meile, und die tugendhafte Seele geht darüber hin-
wog unter der Mitwirkung von Sr6sb, dem Gerechten. • Dans
folgt, was wir vorhin hatten, nämlich seine Begegnang mit
einer Jangfraa, die schöner nud besser ist, als irgend etn«
Jungfrau in der Welt. Und die tugendhafte Seele spricht also:
>Wur magst, du wohl sein, dass ich eine Jangfran, die schS-
ner und besser wäre als du, nie im weltlichen Dasein ge-
aehen?' Darauf gibt die Jungfrau nur Antwort: -Ich bin
keine Jungfrau, sondern ich bin deine tugendliaflon Thaten,
du JQngling, der du gut denkend, gut sprechend, gut linndtU^l
und von guter Religion bist.«
1| Spiegel n. a. Ü. Übersetzt klurur \oh richtigur,
nioiit buurteileii) : >Uurt fiudi-t sie viele WidersnchL-r vor: KbSSI^
der Tyruniiui wUnscht uud mit schrecklicher Waffi* verselieo bt
nnd Aitu-Viihiif. der diese gunze Schüpfuug verschlingt und ioA
Dicht satt wird, Voriolttler siiiit Mihr, .SYosh und Haan- DaaO>^' |
schüft des WSgena liegt drro Rn8D-rä<;t ob, der die hlmi
Wage nach keiner Sötte hin ungleich macht« ntc.
Die Eschatologie des Aresu. 199
Der einzige oeae Zog in diesem Bericht ist das Wigen
der Seele doreh Rashnü. den Gerechten. Davon findet sich
in den Upanishaden keine Spnr. obgleich wir sahen, dass
eine Anspielung darauf in den Brahma/jas Torkommt siehe
S. 164 fg. . Es ist eine Vorstellnng. mit der wir in Ägypten
sehr rertrant sind, doch ist es wohl unmöglich anzunehmen,
dass in so firflher Zeit irgend ein Verkehr zwischen Ägypten
und Peraien stattgefunden habe. Eis ist Eine Ton jenen Über-
eiastimmungen. die sich nur erklären lassen, indem wir uns
erinnern, dass das. was in Einem Lande natfirlich war. es
aach in einem anderen Lande gewesen sein kann.
Ankwfl der Seele ror dem Throne des Bahman und
Ahnramaida*
Verfolgen wir nun das Schicksal der Seele, nachdem
sie die AlnTat-Brflcke fiberschritten hat. Wenn die A'in-
▼at-Brttcke öberschritten ist. so erhebt sich der Erzengel
boAmoM ; Vohu - manö von einem goldenen Throne und
tmft aus: >Wie bist du zu uns hierher gekommen, o Tugend-
hafter. Ton dem rerginglichen Leben zum uuTergänglichen
Leben.«
Die Seelen der Tugendhaften gehen dann freudig weiter
XQ Ahnramazda. zn den Ameshaspentas. zu dem goldenen
Throne, zum Paradiese (Garo-nemana . d. h. zu dem Wohn-
sitze Ahuramazda's , der Ameshaspentas and der anderen
Tugendhaften.
3o sehen wir denn, dass die Wanderung der Seele aus
4iesem Leben in ein besseres Leben im Avesta gar nicht
viel anders endet, als in den Upanishaden. Die Seele steht im
ATCsta Tor dem Throne Ahuramazda's. wie in den Upanishaden
Vor dem Throne Brahmans. Nur^ während die Upanishaden
^hr wenig Aber die den Bösen auferlegten Straten sagen,
«rkllrt der Aresta. dass die sündhafte Seele selbst von den
Verdammten, ihren kfinftigen Leidensg':nossen . mit Hohn
empfangen und auf Befehl des An^ra Mainyu. obschon
dieser selbst Jcr Geist des Übels ist,
Speisen gepeini^ wird.
Ueiiiplit>tRm6r Uintergrnud dr» .Ivesta ouil des »da<
Wenn wir die Theorien Ober die Seele und ihr Sclitok-
aal nacb dem Todo, wie wir dieselben in den üpaDisbndeu
und im Avesla ßnden, vergleichen, so sehen wir, doss ein
allgemeiner (ilaube an eine Seele und ihr Leben nach dem
Tode Ueideo gemeiDsam ist. nod dass ^ie aacb darin Dber-
oinstimmen , dass sie glauben, die tngendhaßo Seele werde
ZD dem Throne Ootl«s geführt, ob diuser nun Brahman oder
Ähuramazda genannt wird. In mcbieren Doaiebuugen aber
scheint der Bericht von der Wandernng der Seele im Avesta
einfacbei, aU in den Upanishaden. Wir sahi'n, dass derselbe
mehr mit den Anschauungen obereiustimmt, die wir in den
vediachen Uymnenflber die AbgOBchiedeoen ausgedrflckl fanden;
er legt mehr Gewicht auf den tugendhaften Charakter der Seele
and verteilt Belohnungen und Strafen in genauer Cbereia-
stimmnng mit den guten Gedanken, Worten und Thaten der
Abgeschiedenen. Der Avesta sagt wenig oder nicht« über
die verschiedenen Stationen auf den zwei zn den VXtem und
zn den tiötteru fahrenden Wegen, aber er ist ausführlich er in
der Schilderung der Brücke und des Wagens der Seele. Die
Idee, dass Erkenntnis oder Olanbe besser sei, als gute Ge-
danken, Worte nnd TLalen . Ist dem persischen Geiste noch
nicht aufgegangen, noch weniger findet sich eine Spur von
dem Glauben an Metempsycbose oder die Wanderung der
menschlichen Seele in die Körper niedrigerer Tiere.
Der gemeinsame Hintergrund der beiden Heligionen itf
klar genug; schwieriger ist es freilicli, lu bestimmen, »b dai,
was jeder von Beiden eigentümlich ist, ein Überrest an) J
«iiKT ülteren Periode oder das Uesultat spilerer Gcdo* I
Die Eeehatologie des Atcsu. 201
PitWs, «e Titer Im Teda, die FniTaskis ia AresU.
Wir sahen, das die Hymneii des Veda von den Abge-
selüedenen oft als den Pitrts, den Vfttem, spraehen. und
dasi diese, nachdem sie durch drei Generationen die «Sräddha-
Spenden ihrer Nachkommen empfangen, zu einem Range
erhoben wnrden. der beinahe dem der Deras gleich kommt,
ja in späterer Zeit denselben fiberragt. An Stelle dieser
finden wir im Aresta die Frarashis. oder die Fra-
wie die ältere Form laatet Dies würde einem San>
ftkritwort praTartin entsprechen, das jedoch im Sanskrit
micht Torkommt. Pravartin könnte ^vorwirts bewegend' oder
"in Bewegung setzend' bedeaten, wie pravartaka. 'ein Beför-
derer*, doch wird es im Zend als 'Beschützer erklärt Der
I^ersische Name Phraortes ist wahrscheinlich eine griechische
Verderbnis Ton Pravarti.
Merkwfirdig ist es. dass der Name Pitrts nicht im
«^resta and der Name Pravartin nicht im Veda vorkommt,
^»bgkich die Beiden offenbar anfangs ganz dasselbe bedeu-
Weitere Bedentang ron FraraskL
Jedoch sind die Fravashis nicht auf die Abgeschiedenen
Iwschrtnkt. obgleich deren Fravashis am häufigsten ange-
vnfea werden. Jedes Wesen, ob lebendig oder tot. hat seine
I^raTaski, sein unsichtbares Agens, welches zur Zeit der 6e-
iHut udt dem Körper vereinigt wird und denselben zur Zeit
fka Todes wieder verlässt Die Fravashis erinnern uns an
& griechischen Daimones und die römischen Genii. Die
Fravashis gehören zur geistigen, der Körper zur materiellen
Schöpfung. Nicht nur die Menschen, sondern auch die Götter.
Ormazd. das heilige Wort, das Firmament, das Wasser, die
Manzen, sie Alle haben ihre Fravashis. Wir können die
Fravashi als den Genius von irgend etwas bezeichnen. Hang
geht aber noch weiter und identifiziert die Fravashis mit den
202 Sechste Vorlesang.
Ideen Plato's^ was zn weit gegangen ist, denn die Fravashis
sind immer selbstbewnsste, oder gar persönliche Wesen. So
lesen wir in dem Fravardin Yasht:^)
>Ahnramazda sprach zn Spitama Zarathnshtra : Dir
allein werde ich erzählen von der Macht nnd Stärke, der Herr-
lichkeit, Nützlichkeit nnd Glückseligkeit der heiligen Schutz-
engel, der starken nnd siegreichen, o gerechter Spitama
Zarathnshtra, wie sie kommen, mir zn helfen. Vermittelst
ihres Glanzes und ihrer Herrlichkeit halte ich das Firmament
aufrecht, welches so schön scheint, nnd welches diese Erde
berührt und umgibt; es gleicht einem Vogel, dem Gott be-
fohlen hat dort stille zn stehen; es ist hoch wie ein Baum,
weit ausgebreitet, von eisernem Körper, mit seinem eigenen
Licht in den drei Welten. Ahnramazda, zusammen mit Mithra,
Kashnn und Spenta Armaiti, legt ein Gewand an, das mit
Sternen ausgeschmückt und von Gott in solcher Weise ge-
macht ist, dass Niemand die Enden seiner Teile sehen kann.
Vermittelst des Glanzes und der Herrlichkeit der Fravashis
halte ich die hohe starke Anähita (das himmlische Wasser}
mit Brücken aufrecht, die heilsame, welche die Dämonen
wegtreibt, welche den wahren Glauben hat nnd in der Welt
zu verehren ist
12. >Wenn die starken Schutzengel der Tugendhaften
mir nicht Beistand leisten würden, dann würden Vieh nnd
Menschen, die beiden letzten der hundert Klassen von Wesen,
nicht mehr für mich existieren ; dann würde des Teufels Macht,
des Teufels Ursprung beginnen, die ganze lebendige Schöpfung
würde dem Teufel gehören.
16. »Vermitteist ihres Glanzes und ihrer Herrlichkeit
hatte der geistreiche Mann Zarathnshtra, der so gute Worte
sprach, der die Quelle der Weisheit war, der vor Gotama
geboren ward, solchen Verkehr mit Gott. Vermittelst ihres
Glanzes und ihrer Herrlichkeit geht die Sonne ihren Weg;
1) Haug, p. 207.
Die Eschatologie des Avesta. 203
yermittelst ihres Glanzes nnd ihrer Herrlichkeit geht der
Mond seinen Weg; vermittelst ihres Glanzes und ihrer Herr-
lichkeit gehen die Sterne ihren Weg.«
So sehen wir denn, dass beinahe Alles, was Ahnra-
mazda thnt, von ihm unter dem Beistand der Fravashis ge-
than wird, die ursprünglich die Geistor der Abgeschiedenen,
später aber die Geister von fast Allem und Jedem in der
Natur waren. Dass sie aber ursprünglich, gleich den ve-
dischen Pitns, die Geister der Abgeschiedenen gewesen
sind, ersehen wir aus Stellen, wie die folgende:
>Ich preise, ich rufe an und erhebe die guten, star-
ken, wohlthätigen Schutzengel der Tugendhaften. Wir
preisen diejenigen, welche in den Häusern sind, diejeni-
gen, welche in den Ländern sind, diejenigen, welche in
den Zoroastri sehen Gemeinden sind, die der Gegenwart,
die der Vergangenheit , die der Zukunft , die Tugendhaften,
alle jene, die in Ländern, wo Anrufung geübt wird, ange-
rufen werden.
»Die den Himmel aufrecht halten, die das Wasser
aufrecht halfen, die die Erde aufrecht halten, die die Natur
aufrecht halten, u. s. w.
»Wir verehren die guten und wohlthätigen Schutzengel
der Abgeschiedenen, welche in der Hamaspathma^da ge-
nannten Jahreszeit in das Dorf kommen. Dann streifen sie
dort zehn Nächte herum, indem sie zu erfahren wünschen,
was für Beistand sie erlangen könnten, nnd sie sagen:
»Wer wird uns preisen? Wer wird uns verehren? Wer
wird uns anbeten? Wer wird zu uns beten? Wer wird
uns mit Milch und Kleidern in der Hand und mit einem
Gebet um tugendhaften Wandel befriedigen? Wen von
uns wird er hierher rufen? Wessen Seele soll euch ver-
ehren? Wem von uns wird er jene Spende geben, da-
mit er auf immer und ewig unvergängliche Speise ge-
nieße ? « «
Vielleicht nirgends kann man den Vorgang, durch wel-
chen die Geister der Abgeschiedenen zu dem Range von
204
Sechste Vorlesung,
Göttern erhoben wurden, deutlicher erkennen, als bei den
persischen Fravashis, nirgends aber können wir wieder
stärkere Beweise für die Ansicht ßnden, die ich gegenüber
Herbert Spencer so oft verteidigt habe, dass nämlich diese
Vergötterung der abgeschiedenen Geister den Glauben a.n
Götter voraussetzt, zu deren Rang diese Geister erhoben
werden konnten.
Siebente Vorlesung.
Die Esohatologie Flato's.
Plato's AatorltSt.
ich daran gehe, Ihnen die Ideen der späteren in-
lilosophen, das Schicksal der Seele nach dem Tode
ansffihrlicher zn erklären, dttrfte es von Nutzen
Ire es anch nur, um unser Gedächtnis aufzufri-
ir Betrachtung der besten und erhabensten Gedanken,
iselbe Problem in Griechenland hervorgerufen hat,
sung zu widmen. Sollten wir späterhin ßnden,
Ischen den Gedanken Plato's und denen der Dich-
ropheten der Upanishaden und des Avesta gewisse
ten gibt, so sind solche Ähnlichkeiten ohne Zweifel
, und vielleicht um so interessanter, weil wir, wie ich
nheren Gelegenheit gezeigt habe, dieselben weder auf
isamkeit der Sprache, noch auf historische Über-
urückführen können. Wir können sie nur durch
nsame Menschennatur erklären, welche diese Ideen
gewisse innere Notwendigkeit zu bilden scheint,
lieh auch auf keinerlei handgreifliche Beweise für
) derselben stützen kann. Sie werden nicht über-
, wenn ich mich sogleich zu Plato wende,
ich Plato nur als ein Philosoph bezeichnet wird,
doch von dem Schicksal der Seele nach dem Tode
tat, mit derselben Autorität zum mindesten, wie
3er der Upanishaden. Allein sowohl Plato als
(er der Upanishaden waren von der wirklichen
206 Siebente Vorlesung.
Wahrheit ihrer Lehren viel zn sehr erftült, als dass sie irgend
eine abenteuerliche oder wunderbare Sanktion fftr dieselbe
in Anspruch genommen hätten. Leider konnten sie ihre
weniger begeisterten und weniger flberzeugten Schfller nicht
davon abhalten, ihren Äußerungen einen gottbegeisterten,
heiligeu, ja wunderbaren Charakter zuzuschreiben.
Plato's mjthologisehe Sprache«
Es lässt sich nicht leugnen, dass die Ähnlichkeit zwi-
schen Plato's Sprache und der der Upanishaden zuweilen
sehr überraschend ist. Plato liebt es, wie Sie wissen, seine
Anschauungen über die Seele in mythologische Phraseoli^e
zu kleiden, gerade so wie die Verfasser der Upanishaden,
auch sehe ich nicht ein, was fttr eine andere Sprache ihnen
zur Verfügung stand. Es ist ein ganz unsinniger Anachro-
nismus, wenn gewisse Afterkritiker alter Religionen und alter
Philosophien mit einer Miene geistiger Überlegenheit sich in
diese mythologische Phraseologie hängen und mit Verachtnng
von den kindischen Fabeln Plato's und anderer alten Weisen
als der ernsten Betrachtuug unseres Zeitalters unwilrdig
sprechen. Wer hätte — sagen sie — je glauben können,
dass einer Seele Flügel wachsen, oder dass sie ihre Flflgel
verlieren könne. Wer hätte glauben können, dass es eine
Brücke zwischen Erde und Himmel gebe, und dass eise
schöne Jungfrau am Ende derselben stehe, um die Seele des
Abgeschiedenen zu empfangen? Sollten wir nicht vielm^r
sagen: Wer kann so stumpfsinnig sein, dass er nicht ein-
sieht, wie diejenigen, welche sieh einer solchen Sprache
bedienten, eine tiefe Wahrheit auszudrücken suchten, nämlich
dass die Seele durch edle Gedanken und edle Thaten, wie
durch Flügel, emporgehoben werde, und dass der höchste
Richter, der nach dem Tode über die Seele zn richten habe,
das eigene Gewissen eines Menschen sein werde, das in aller
Schönheit und Unschuld vor ihm stehen werde, wie die schönste
und unschuldigste Jungfrau von fünfzehn Jahren. Denken
Die Eschatologie Plato^s. 207
8ie nor. was ftir Geistesarbeit es erforderte, ehe auch nnr
solehe Parabeln ersonnen werden konnten; und statt uns
über die Sprache zu wnndem, in der sie ausgedrückt wur-
den, werden wir vielmehr darüber staunen, dass irgend Je-
mand sie missverstehen und eine Erklärung solch einfacher
und durchsichtiger Parabeln verlaugen konnte.
Die Geschichte tob der Seele.
Ohne Furcht, auf Widerspruch zu stoßen, behauptet
Plato, dass die Seele unsterblich ist. Die Upanishaden be-
haupten es kaum, weil sie sich nicht denken können, dass
ein Zweifel über diesen Punkt möglich sei. »Wer könnte
sagen, dass die Seele sterblich sei?« ^Sterblich' bedeutet
Verfall eines materiellen, organischen Körpers, es hat offen-
bar gar keinen Sinn , wenn es auf die Seele angewandt
wird.
»Von Männern und Frauen, die in göttlichen Dingen
weise sind, habe ich,« schreibt Plato, »eine Geschichte ver-
nommen, eine wahre Geschichte, wie ich glaube, und eine
edle. Meine Berichterstatter sind jene Priester und Prie-
sterinnen, deren Ziel es ist, von den Gegenständen, mit denen
sie zu thun haben, Rechenschaft geben zu können. Sie
werden auch von Pindar und vielen anderen Dichtem unter-
stützt — ich kann wohl sagen , von Allen , die wahrhaft
inspiriert sind. Sie lehren, dass die Seele des Menschen
unsterblich ist; dass sie zu dem Ende einer Daseinsform
gelangt, welche die Menschen ^Sterben nennen, und dann
wieder geboren wird, aber nie zu Grunde geht. Da also die
Seele unsterblich ^) und oft geboren worden ist , und da sie
die Dinge hier auf Erden und die Dinge im Hades gesehen hat
— kurz alle Dinge : es gibt nichts, was sie nicht gelernt hat —
so ist es kein Wunder, dass sie im stände ist, sich an das zu
erinnern, was sie über die Tugend und andere Gegenstände
1/ Westcott, Religious Thmight in the West, p. 27.
20S Siebente Vorlesang.
sicherlich vorher gewasst. Da nftmlich die ganse Natur ver-
wandt ist; und da die Seele alle Dinge gelernt hat, ist kein
Grund vorhanden, warum ein Mann, der sioh nur einer ein-
zigen Thatsache erinnert hat — was die Menschen ^Lernen'
nennen — , nicht durch eigene Kraft alles Andere ausfindig
machen sollte, falls er den Mut hat und in dem Forschen
nicht verzagt. Denn Suchen und Lernen ist Alles nur eine
Kunst der Erinnerung.«
Die nächste Stelle kommt im Phaedrus vor, wo wir die
Mythe von dem Wagen finden, der von einem Wagenlenker
gelenkt und von zwei geflflgelten Rossen, von den'en — beim
Menschen — das eine gut und das andere schlecht ist, ge-
zogen wird. Ich muss Ihnen einige von Plato's Sitzen voll-
ständig geben, damit wir sie nachher mit gewissen Stellen am
den Upanishaden vergleichen können.
Der Wagenlenker und die Pferde.
Plato (Phaedrus 246) sagt: ȟber die Unsterblichkeit
selbst ist das ausreichend. Den Begriff derselben aber mflft-
sen wir in folgender Weise darstellen; zu sagen, wie sie
beschaffen ist, bedarf jedesfalls und durchaus einer gött-
lichen und ausführlichen Darstellung, einer menschlichen und
minder umfassenden aber, womit sie zu vergleichen ist. Dem-
nach wollen wir in dieser Weise es darstellen. Sie werde
der von Natur vereinten Thätigkeit eines beschwingten Ge-
spannes und Wagenlenkers verglichen. Nun sind die Rosse
und Wagenlenker der Götter selbst wackere und wackeres
Ursprungs, bei den übrigen aber gemischt. Und erstens
lenkt das uns Beherrschende ein Zwiegespann, ferner ist das
eine seiner Rosse schön und wacker und solchen Ursprungs,
das andere aber entgegengesetztes und von jenem das Gegen-
teil. Schwierig und ungefttg ist also bei uns das Wagenlenken. «V
1] Nach Hieronymus Müllers deutscher Übersetzung. Piatons
Werke, Bd. IV, p. 117 fg. Anm. des Übers.
Die Eschatologie Piatos. 209
Wenden wir ans nan zur KaMa-Upanishad, so lesen wir
da, III, 3 ff. : »Wisse , dass die Seele in dem Waagen sitzt,
der Körper ist der Wagen, der Verstand (buddhi) der Wagen-
lenker, nnd der Geist der Zügel. Die Sinne heißt man die
Pferde, die Sinnesobjekte ihre Wege .... Wer keinen Ver-
stand hat and wessen Geist Zögel nie fest gehalten ist,
dessen Sinne Pferde) sind unlenkbar, wie bösartige Pferde
eines Wagenlenkers. Wer aber Verstand hat und wessen
Geist immer fest gehalten ist, dessen Sinne sind gezflgelt,
wie gate Pferde eines Wagenlenkers. Wer keinen Verstand
hat, wer ananfmerks^m und stets anrein ist, der erreicht nie
das Ziel, sondern tritt in den Kreislauf der Wiedergeburten
samsira,. Wer aber Verstand hat, aufmerksam ist and stets
rein, der erreicht in der That das Ziel, von wo er nicht
wiedergeboren wird« (von wo es keine Rückkehr gibt).
Manche Leute haben geglaubt, dass die genaue Cberein^
Stimmung zwischen dem von Plato und dem von der Upanishad
gebraaehten Gleichnisse — und die Ähnlichkeit ist allerdings
sehr stark — zeige, dass schon zu dieser sehr frühen Zeit
zwischen dem religiösen Denken Indiens und dem philoso-
phischen Denken Griechenlands irgend eine Art historischer
Berfihrang vorhanden gewesen sein müsse. Wir können die
Möglichkeit einer solchen Anschauung nicht bestreiten, doch
müssen wir bekennen, dass wir von irgend einem bestimmten
Wege, auf welchem schon zu jener Zeit indisches Denken
die Gestade Griechenlands hätte erreichen können, nichts
wissen.
Die Prozession der Götter.
Wir wollen nun Plato's Spekulationen über die Seele
noch ein wenig weiter verfolgen. Da haben wir seine herr-
liche Beschreibung der Prozession der Götter im Himmel,
eine Mythe, wenn Sie wollen, aber eine bedeutungsvolle Mythe,
wie ja jede M^-the ursprünglich bedeutungsvoll sein sollte.
2^08, so lesen wir, zieht voran, seinen beschwingten
Max Xftller. Tk«oiopliie. 14
210
Sie beute Vorlesung.
Wagen lenkend, Allee ordnend nnd he&nfBicb%6nd. Ihm
folgt, in elf Hänfen geordnet, ein Heer von Ojtttern nnd
Geistern ; denn HeHtin bleibt allein in der Wobnnng der Göt-
ter zurQcic. Nun gibt es gar roanchea beseligende Schanspiel,
gar manche den Ilimraol durchschneidende Itahn, anf welcher
der Götler aoligea Geschlecht oinherzieht, indem jeder von
ihnen sein Geschäft betreibt, ihnen folgt aber, wer immer
will und kann; denn Mlssgnnst weilt außerhalb des Reigens
der GOtter. Wenn sie aber nacblier zam Gelage ziehen, tio
fahren «ie auf einer jetzt steilen Buhn den inneren Umkreis
des Himmelsgewölbes entlang. Die Wagen der OOtter unn
fahren, wohlgezügelt nnd im Gleichgewicht, leicht dahin, die
andern aber mit Mühe. Denn das bösartige Pferd, wenn der
Wugenlenker ea nicht grUadlich gezAhmt bat, zieht den Wa-
gen, eine Cberwucht bewirkend, nach der Erde hin. Uier
bat nnu die Seele die gn^ßten Muhsale nnd KSmpfe zu bc-
sluhen. Denn die Seelen der UDsterblichen riehen, wenn sie
zur Höhe gelangt sind, hinans und machen auf dem Rücken
des Himmels Halt , nnd so führt sie der Umschwung der
Sphären mit hemm ; sie aber schauen das außerhalb des
Himmels Befindliche. Jenen überhimmliscben Raum aber be-
sang weder je ein Dichter anf Erden, noch wird ihn einer
würdig besingen. Er wird erfflllt von dem farblosen, gestalt-
liisen, untastbaren, absoluten Sein, welches die Vernunft allein
schauen kann , und welches der Eine Gegenstand wahrer
Erkenntnis ist. Wenn aber der göttliche Oeist nacli einem
gewissen Zeitraum das wirklich Seiende sieht, so ist er Äußerst
glflcklich und gewinnt Stärke und Genuas durch die Betraob-
lung des Wahret* (Satyam), bis der kreisende Tmachwung
vollendet ist. in dessen Verlaufe sie eine klare Anschauung
der absolnten [idealen! Gerechtigkeit, Besonnenheit nnd Er-
konntuis erlangt; und wenn die Seele sieb also an dem An-
blick der wirklichen Wahrheit aller Dinge erlabt hat, begibt
sie sieb wieder in das Himmelsgewölbe und kehrt beim.')
1) Mit Benutzung vima.Mtlllere Übersetzung ia.a.0^p. 116 ITl
Jins deui Engliaclien Ubersetlt. Anm. d«t ubart.
Die Eschatologie Plato's. 211
Hier mnss ich nan wieder einen Augenblick verweilen,
am aof eine bedeutsame Übereinstimmung zwischen Plato und
den Upanishaden aufmerksam zu machen.
Der Glaube an Metempsyehose bei Plato und in den
Upanishaden.
Sie erinnern sich wohl, dass nach der Darstellung der
Upanishaden die Seele, selbst nachdem sie die Wohnst&tte
der Väter erreicht hat, der Rückkehr zu einem neuen Kreis-
lauf von Existenzen unterworfen ist, und wie dies in Indien
zu dem Glauben an Metempsychose führte. Sehen wir nun,
wie Plato auf demselben Wege, und doch ganz unabhängig,
zu derselben Schlussfolgemng gelangt: ^)
»Und das ist das Leben der Götter. Von den übrigen
Seelen aber erhob die eine, welche der Gottheit am besten
nachfolgte und sie abspiegelte, das Haupt des Wagenlenkers
zu dem äußern Räume und wurde bei dem Umschwünge mit
hemmgeföhrt, beunruhigt jedoch von den Rossen und kaum
das Seiende (ro &y = s a t y a m . erschauend ; die andere
aber ließ ihn bald sieh erheben, bald niedertauchen, und er-
schaute beim Widerstreben der Rosse Manches, Anderes
dagegen nicht Die anderen Seelen jedoch folgen, indem sie
alle nach oben sich sehnen, werden aber, ohne, dess unver-
mögend ^ aufzutauchen, mit herumgeführt, sich stoßend und
übereinander herfallend, indem die eine der andern zuvor-
zneilen strebt So entsteht Getümmel, Wettstreit und das
größte Schweißvergießen. Hier erlahmen viele durch der
Wagenlenker Schuld, vielen wird auch manche Schwinge ge-
knickt, alle aber ziehen, ohne zum Anschauen des Seienden
jr^g Tov Örrog &iag) zu gelangen, ab, und begnügen sich
nach ihrem Abzüge mit der Nahrung des Vermeinten. Wes-
l, Phaedrus, p. 24S. H. Müllers deutsche Übersetzung, a. a.
U. p. 120 fg. Die im Original gegebene englische Übersetzung
Jowetts weicht davon oft stark ab. Anm. des Übers,
U*
212
Siebente VorleBimg.
halb aber dieser große Eifer, zn sobanen, wo das Oelilde
der Walirbcit ist, stattfindol, das ist eben diu iingetnesBoiiü
Weide, welche die dortige Wieso dem besteu Teile der Seele
beut; dadurch wird die natürliche Kraft der Schwinge, die
Seele zu erheben, genährt, und das ial das Gesetz der Ädra-
sloia, daäs die Seele, welche als Nachfolgerin der Gottheit
etwas des Wahren erschaute, bis zn einer neuen Umkreisiing
unverletzt und, wenn sie das fortwftbrend zu erlangen ver-
mag, für immer woblb(<haIlen bleibe; erschaute sie es aber,
II ni'h zu folgen nuverraOgend, nicht, und wurde sie, durub
irgend einen rnfall ven Vergessenheit uud BrhleohlJgkeil
befallen, herabgezogen nod fiel, so herabgezogen und ihrer
Kchwingen beraubt, zur tOrde, dann gilt daa Gesetz, diese bei
der ersten Geburt nicht in einen tierischen Körper zu ver-
pflanzen, sondern diejenige, die das Meiste erschaute, zur
Erzeugung eines Mannes zu bestimmen, der die Weisheit
liebgewinnen solle, oder eines fdr das Schöne Rmpfänglichen,
eines Musenliobüngs, eines von Liebe Erglühten: dii^ awüites
Kanges zu der eines gesetzmäßigen oder eines kriegs- nod
herrschkandigon Königs; die drittes zu der eines Staalsmannftt,
Hauflhalters oder Rrwerbsamcn; die viertes zu der eines kftiiii!
Anstrengung scheuenden Uingmeisters, oder eines zu neJIung
des KOrpers Bestimmten; die fünftes Itanges bestimmte du
Gesetz zur Lebensweise eines Sehers oder Eingeweihten; fOr
die sechstes wird sich ein Dichter- oder einer andern Art
der Nachbildung geweihtes Leben eignen , fflr die siebente«
das landmAnnische oder werkmeisterlicbe , für diu achtes daa
sophistische oder nach Volksgunst ringende, für die nennt«!
Ranges dns des Gewaltlierrschers. Wer in allen diesen La-
gen fortwährend seine Pflicht erfllllt, dem wird ein beaacres
Los EU Teil, wer sie aber verletz!, ein schlechteres.*
Dil' neun Klassen l'lntn's uml Hano'«.
Ich habe schon in einer früheren Vorlesung auf den
merkwQi'digen Parallelismns zwischen indischom und griechl-
Die Eschatolo^e Plato's. 213
schem Denken aufmerksam gemacht. Sie erinnern sich wohl,
dass auch Mann genau dieselbe Anzahl von Klassen, nämlich
neun, aufstellte, und dass wir ans der Stelle, die er jeder
derselben anweist, auf die Achtung, in der gewisse Beschäf-
tigungen bei seinen Zeitgenossen standen. Schlüsse ziehen
konnten. Plato stellt den Philosophen zuerst, den Tyrannen
zuletzt ; Manu stellt Könige und Krieger in die fünfte Klasse
und bestinunt die dritte Klasse für Einsiedler, Asceten und
Brahmanen, während er die erste Klasse Brahman und an-
deren Göttern einräumt. So finden Sie auch hier wie zuvor
eine allgemeine Ähnlichkeit, aber auch sehr charakteristische
Unterschiede.
Plato fährt dann fort: >Denn dahin, von wannen eine
Seele ausging, gelangt sie vor zehntausend Jahren nicht wie-
der, denn vor diesem Zeiträume erlangt sie keine Schwingen,
die (Seelen) der redlich der Weisheit Nachstrebenden oder
im Sinne der Weisheit der Knabenliebe Huldigenden aus-
genommen : diese ziehen bei der dritten, tausendjährigen Um-
kreisung, wenn sie dreimal hintereinander dieselbe Lebensweise
sieh erkoren, dadurch mit Schwingen versehen, im dreitau-
sendsten Jahre davon. Über die übrigen aber wird, nachdem
sie ihr erstes Leben vollendeten, Gericht gehalten. Von den
Gerichteten aber kommen die Einen, um Strafe zu leiden, in
die Straforte unter der Erde ; die Andern aber führen , durch
den Riehterspruch zu irgend einer Stelle des Himmels er-
hoben, ein Leben dem angemessen, welches sie in Menschen-
gestalt führten. Im tausendsten Jahre kommen beide zum
Losziehen und zur Wahl ihres zweiten Lebens, und jede
wählt das, welches ihr gefällt.«
Hier gibt es nicht viele Ähnlichkeitspunkte zwischen
Plato und Manu, außer dass wir sehen, wie auch Plato neben
der unvermeidlichen Kette von Ursache und Wirkung, welche
das Schicksal der Seele auf ihren Wanderungen nach dem
Tode bestimmt, noch überdies Orte der Bestrafung und Bes-
serung; die wir Höllen nennen mögen, annimmt. An einer
anderen Stelle [Phaedo 113 ff. gibt Plato einen ausführlicheren,
214
Siebente Vorlöäiing.
eines Philosophen niulit ganz würdigen Bericht von dieses
Hollen und den den CbdtbStern nnferloglon StraTen. liier, gUubl
man, werden die Seelen geläutert und gezüchtigt, und venn sie
ihre wohlverdienten Strafen erlitten haben, empfangen sie ji-
nach ihren Verdiensten die Belohnnngen ihrer guteu Thaten.
Diejenigen aber, welche fdr ganx und gar nnverbeaaerlicli
gehalten werden, »schlendert ihr verdientes Schickaal in dun
Tartarus, den sie nimmer wieder verlassem. Andere kfSanen,
nachdem sie ein Jahr lang im Tartarus gelitten, wieder eat-
riunen, wenn diejenigen, denen sie Unrecht gothan, ihnen
verleihen. »Diejenigen aber, deren Leben als ein ausge-
Keichnet heiliges anerkaunt wurde, siud ea. welche ätA
hiesigen Aufenthaltes in der Erde befreit und eines Korken
gewissermaßen erlediget, hinauf zur reinen WohnstAtte gelan*
gen und oben auf der Erde wolinen. Unter diesen leben
Diejenigen, welche durch das Streben nach Weisheit »nr
OenOge sich läntorlen, hinfort ^anz ohne KOrper. unil gelsD-
gen zu noch soliAoeren Wohnsitzen als diese, welche zu
schildern weder leicht, noch jetzt wegen Kürze der Zeit ge-
stattet ist«')
Wanderung menschlicher Seeleu in Hcrlüclie Ktirper.
Wir kommen jetxt zu dem, waa man immer fQr dta
auffUligate U berein stimm nag zwischen Flato und den Fhilo-
Bophen Indiens gehalten hat, nämlich dem Glauben ui die
Wanderung der Seelen ans menschlichen in tierisolie KSrper.
Obwohl irir nns an diese Idee gewühnt haben, l&ast es alch
doch nicht leugnen, dasa deren erstes Auftreten Dherruaha&d
war. Man hat anf verschiedene Weisen versucht, sie za er-
klXren. Man hat oft angenommen, dass der Olanbe an
Ahnengeister und licsponster, die ihre früheren Heimat&tlen
aufsuchen, der ganzen Sache zn Ürunde liege. Allein von
1] Plato's PImeduu lli
p. 5*0 fg.
UUIlL're übereetzting a. a. 0.
Die Escbatologle PUto's. 2 1 5
der ersten Erwähnung dieser Art von Metempsychose in den
Upanidhaden ausgehend, sahen wir, dass dieser Glaube in
Wirklichkeit auf rein moralischen Gründen fußte. Wir finden
die erste allgemeine Anspielung darauf in der Ka^/<a-Upa-
nishad.
Da lesen wir (II, 5 fg.) : >Thoren, die im Dunklen woh-
nen, weise in ihrem eigenen Dflnkel und aufgeblasen von
eitlem Wissen, gehen umher, hin und her schwankend, wie
Blinde, von Blinden geführt.
»Das Jenseits tritt dem vom Wahn des Reichtums ver-
blendeten sorglosen Kind nie vor Augen.
»Dies ist die Welt, denkt er, es gibt keine andere;
nnd so gerät er immer wieder in meine Gewalt« (die Gewalt
des Todes..
Der Sprechende ist hier Yama. der Beherrscher der
Väter, später der Todesgott und derjenige, welcher die Bösen
in der Hölle bestraft.
Auch bei Plato scheint die erste Idee der Metempsychose
oder der Wanderung menschlicher Seelen in tierische Körper
durch ethische Betrachtungen veranlasst worden zu sein.
Im tausendsten Jahre, sagt er, kommen Beide, sowohl die
guten als auch die bösen Seelen, zum Losziehen und zur
Wahl ihres zweiten Lebens, und jede wählt das, welches ihr
gefiült.^; Die Seele des Menschen kann in das Leben eines
Tieres übergehen oder von dem eines Tieres wieder zum
Menschen zurückkehren. Hier wird offenbar angenommen,
dass der Mensch je nach seinem Geschmack und Charakter
wählen würde, so dass sein nächstes Leben seinem Charak-
ter, wie er sich in einem früheren Leben gebildet hat. ent-
sprechen würde. Dies wird noch deutlicher, wenn wir die
Geschichte von £r am Ende von Plato's *Staat' lesen.
1. Phaedms, p. 249.
216
Siehente Vorlesung.
Ule (iesi-hkhU' vod ftr.
Sie orinacin aicli aUe &n ilen HHiD|)liylier l^r, >) dM
SoliD des ArmeninB. Dieser wnr in (lt:r Sotilacht gefallen.
und aU man zehn Tage nachher die bereits verwesemlen
Leichen der Oerallenen anfhob, fand man iieineu Kßrper
ganz nnbei'Qbrt von Verwesung und auliafTte ibn nsch Hau»»,
um ihn zn verbronnen. Wie er aber am zwölften Tage *a(
dem Scheiterhaufen lag, kehrte er zum Leben zarQclc nnd
berichtete Alles, waa er in der anderen Welt gesehen. Seine
Seele, sagte er, habe den Körper verlaSBcn und habe sodaua
in OesellHchaft vieler anderer eine lange Wandornng ango-
treten. loh kann Ihnen hier nicht diese ganie Episode vor-
lesen — Sie kennen sie auch wohl Alle — jedenfalls ist Bie
leicht zngUngHch, und ein knrzor Abriss wird filr unsere
Zwecke genügen. ''] £r berichtet, wie er zunächst an einen
geheimnisPoUen Ort gekommen sei; dort seien zwei OfTauDgea
in der Erde gewesen, und oben am Himmel, diesen gegen-
über, zwei andere. Und in der Hitte zwischen diesen seien
Hiehtcr gesessen, um über die Seelen Ihr Urteil zu fllllen, und
diese hfttlen die guten Seelen zum Ilimmol hinauf und die soblocb-
teu in diu Erde hinunter gesandt, l'nd während diese Snelen
durch die l^ine Uffnnng in die Krde hinab und zum Hiiurad
hinauf gestiegen seien, seien Ändere, vom Himmel herab- nU«
von der Erde hinanfateigend, aus der zweiton ÖOhuug liei^
ausgekommen; und auf einer Wiese seien sie eusaromenge-
kommen, hätten einander umarmt und einander ereftklt vom
den Freuden des Himmels und den Leiden unter der Erde
während der tausend Jahre, die sie dort verlebt. Naohdmi
die Geister sieben Tage auf der Wiese verweilt, mnaeteB afo
weiter ziehen. Diese Weiterreise durch die SpbSreo dea
I| über ühnliche Oeacbicblen vgl. Liebrcchl ]d seinen Auidm-
kungen zu des flirrasiaa can TiBiwy Otia Imprrialia (UB.Duror
2) Siehe Platous Werke,
pp. 651 tr
Die Eschatologie Plato's. 217
Himmels wird ansftihrlich beschrieben, und sie endet schließ-
lich damit, dass die Seelen vor den drei Schicksalsgöttinnen
LachesLS, Clotho und Atropos stehen. Hier aber empfangen
sie ihr Los fflr ein neues Leben nicht etwa als eine natfir-
liehe Folge ihrer früheren Thaten oder Missethaten. sondern
sie dfirfen sich ihr eigenes Los wählen , und sie wählen es
natürlicher Weise je nach ihren Erfahrungen in einem frü-
heren Leben, und je nach der Neigung ihres im früheren
Leben geformten Charakters. Manche Menschen, der Mensch-
heit überdrüssig , ziehen es vor . als Tiere . als Löwen oder
Adler, geboren za werden, manchen Tieren gefällt es, als
Menschen ihr Glück zu versuchen. Odysseus. der Weiseste
von Alien, verachtet das Los der Königsherrschaft und des
Reichtums und erwählt das ruhige Leben eines Privatmannes
als das glücklichste Los auf Erden. Nachdem sie hierauf
an dem öden Gefilde der Vergessenheit und dem Flusse
der Nichterinnerung vorbeigezogen, werden sie von einem
Erdbeben erfasst und zu ihrer neuen Geburt hinauf getrieben.
Flato schließt sodann die Vision des Pamphyliers £r mit den
folgenden Worten: »Darum ist es mein Rat, dass wir immer-
dar auf dem himmlischen Wege verharren und Gerechtigkeit
und Tugend üben sollen, stets bedenkend, dass die Seele un-
sterblich und fähig ist, alle Arten des Guten und alle Arten
des Übels zu ertragen. Dann werden wir leben, einander
liebend und von den Göttern geliebt, sowohl während wir
hier verweilen, als auch, wenn wir, gleich Siegern in den
Kampfspielen, die herumgehen Gaben einzusammeln, unseren
Lohn empfangen. Und es wird uns wohl ergehen sowohl in
diesem Leben, als auch in der tausendjährigen Wanderung,
die wir beschrieben haben.«
Übereinstimmungen und Verschiedenheiten.
Dies ist mit Recht als die herrlichste Mythe im ganzen
PUto bezeichnet worden, es ist eine Art philosophischer
Apokalypse, welche den Glauben an Unsterblichkeit bei den
218
Siebente Vork-sung.
Oneolien, und nicht nui' bei (ieo Öiiechea. soadorn bei Allen,
die ihre ScbOler wurden, lebendig erhuUen bat. In den
äußeren Umrissen dieser die Wandernng der Seele nach dem
Tode erlütitcirnden Platoniaohen Myllie zeigt sich ohne Zwrä-
fel eine gewisse Älinlicbkeit mit den Stellen, welche wir
finher iiua den Upaniahaden citiert haben. D&rin, dass £r
oin Pamphylier war. hat man aognr eine Andeutnog du
orienlalischen Ursprungs der Platonischen Mythe sehen wollen;
ich Icann es aber nicht Über mich bringen zu glanbpu. dasa
wir ein Hecht bülten, die Quelle irgend eines von PUto's
Gedanken aus Indien oder Pcrsien hcrznleiten. Die Unter-
schiede zwischen der indischen und der griocbischen Sag«
scheinen mir nicht minder bedeutend, als deren Obcreinstim-
mungen. Ee mag ja sonderbar scheinen, dnse die mensch-
liche Phantasie sowohl in Griechenland als aneh in Indien
diese Mythe von der Seele, welche den Kürpor verUsst nnd
nach den oberen oder unteren Regionen wandert, am ihren
Lohn oder ihre Strafe zu empfangen, geschaffen haben soll;
und insbesondere scheint die Vorstellung von ihrem Hineingehen
in tierische Körper sehr Überraschend, wenn wir dieselbe mm
ersten Mal in Oriechenland sowohl als in Indien finden.
Uennoch ist es viel leichter, anzanehmen, dasa dieselben IiJvm
aus denselben Quellen, den Besorgnissen und Iloffnnngen des
Menachenherzena, spontan hervorbrachen, als zuzugeben, in»»
in hiatorischen Zeiten ein Ideenaustausch zwischen indi&ohen
nnd griechischen Philosophen stattgofnnden habe. Zn den
stürksten Überelnstimmuugen gehört die zwisched den neun
oder drei mal drei Klaaaen von Beschäftigungen der Seele
bei Manu und bei Pl&to; nnd wiederum die zwischen den
KIdss Vi^arA , Nicblalternd . wo ein Mensch alle seine guten
und seine böi^on Thaten hinter sich läsat. nnd dem 'JVunli
vom Zaremaya-Ol, durch welchen nach dem Glauben des
Aveata die Seele alle weltlichen Sorgen und KOmmcmiaae
vergibst, ehe sie in das Paradies gelangt, und andereraeits
dem voD Pinto erwähnten Gefilde der Vergesacnhoit nnd
Flusse der Nicbtcrinneriing. oder noch mehr dem lietbestron
Die Esehatologie Plato's. 219
oder dem Strom der Vergessenheit in der allgemeinen grie-
chischen Mythologie. Doch kann selbst dies eine Idee sein.
die sich den griechischen nnd den indischen Denkern unab-
hängig darbot. Wer immer glaubte, dass die Seele unsterb-
lich sei. musste auch glauben, dass sie vorher existiert habe,
oder dass sie ohne einen Anfang sei: und da keine Seele
hier anf Erden irgend eine Erinnerung an ihre vorhergehen-
den Existenzen hatte, so waren ein Strom der Lethe oder
Vergessenheit, ein Fluss Viz/arä, oder das Ol der Vergessen-
heit nicht gar so unnatürliche Anskunftsmittel, dies zu er-
klären.
Der M jthe zu Grunde liegende Wahrheit.
Niemand wfirde so weit gehen zu behaupten, dass diese
Theorien, da manche derselben in Indien und in Griechen-
land dieselben sind und in beiden Ländern unabhängig von-
einander auftraten, darum unvermeidlich oder wahr seien.
Nur so viel haben wir ein Recht zu sagen, dass sie natfiriich
sind, und dass ihnen etwas zu Grunde liegt, was, wenn es
in weniger mythologischer Sprache ausgedrückt würde, die
strengste Probe philosophischer Untersuchung bestehen könnte.
Um uns dies klarer zu machen und uns darüber Gewiss-
heit zu verschaffen, was für eine Art von Wahrheit der
nnunterstützte menschliche Geist in Bezug auf diese Gegen-
stände erreichen könne, mag es von Nutzen sein, hier die
Theorien von einigen der sogenannten vrilden Völker einer
Cntersnehong zu unterziehen.
Die Haidas Ober die Unsterblichkeit der Seele.
Ich wähle zu diesem Zwecke vor Allem die Haidas.
welche die Charlotte-Inseln bewohnen und die uns kürzlich
von dem mit ihrer Sprache gründlich vertrauten Rev. C. Har-
rison geschildert worden sind.
Nach seiner Schilderung würde die Religion dieser wilden
220
- V'urlesuu(f,
Ilaidss Bohr viel Ähnlichkeit mit der Religion der alten Per-
lier aufzaweiaen soheinen. Sie glauben an zwei Hauptgott-
hoiten: der Eine ist der Gott dos2l>iohteK, der gnt ist, der
Andere der Gott der Finsternis, der bfise ist. Außer diesen
Beiden gibt i^s eine AnEahl kleinerer Oottbeiton , zu denen
diu llaidas beten, nnd denen aie kleine Opfer darbringen. Sie
filrchlen diese kleineren Gottheiten, wie den Gott der Sonne
lind des Heeri>a, mehr als die beiden großen Mllehto des Liohts
lind der Finaternis. obwolil diese beiden , wie sie annehmen,
Alles und Jedes mit EinseUlu»s selbst dieser kldnerco Gott-
heiten geschalTeii haben.
Die Ilaidas glauben an die Unsterblichkeit der Seele,
und ihre Ideen über die Wanderung der Seele nach denk
Tode sind fast so gekünstelt, wie die der Upanisliadun.
Wenu ein guter llaida im Bogriff ist. zu sterben, sieht ar-
oinen Uanmkahn, der mit einigen seiner Freunde liemaniat
ist, welche mit der Flut daherkommen, um ihn iu ihrem
Keiche willkommen zu heißen. 0er Gott dos Todes, glaubt
man, habe sie geschickt. Der Sterbende sieht sie uud fireat
sich zu wissen, dass er, nachdem er eine gewisse Periode b
der Stadt des Todes zugebracht, mit seinen Freunden im
lioiclie des Lichlgottes Aufnahme finden werde. Seine Frennde
rufen ihn uud heißen ihn kommen. Sie sagen :
uns, komm in das Land des Liohtos; komm in dan Lud
großer Dinge, wunderbarer Dinge; komm in das Land J«
Tberflusses, wo man keinen Ilungor keunt; komm mit du
und ruhe aus auf immer nnd ewig ... Komm mit uat
in unser Land des Sonnenschoiua nnd sei ein großer lIU|"t-
ling mit eiuem Gefolge von zahlreichen Sklaven. Komis Jtttl
mit uns, sageu die Geister, denn die Flut ist im Begtif^i
zurflckzu treten, uud wir müssen scheiden. < Schließlich rti
Iftsst die Seele des Verstorbenen den Körper, um sich
Gesellschaft seiner fröhureu Freunde luuu schließ cd. wlhreaj
sein KOi'|ier mit großem Pomp und Glanz bestattet
Ilaidas glauben, dass die Seele den KOrper sofort nach dj
Tode verlasse, und dass entweder Häuptling Wolke
Die Eschatologie Plato's. 221
HioptiiDg Tod TOD ihr Besitz ergreife. Von der guten Seele
nimmt Häuptling Tod Besitz, and während ihres Aufenthalte:»
im Reiche des Todes lernt sie riele wunderbare Dinge und
wird in die Mysterien des Himmels eingeweiht (genau so wie
die 8eele des NaX'iketas im Reiche des Yama . Endlich wird
er zur Essenz des reinsten Lichtes und ist im stände, seine
Freonde auf Erden wieder zu besuchen. Nach Verlauf der
einjährigen Probezeit naht der Augenblick seiner Erlösung
ans dem Reiche des Todes. Da es unmöglich ist. dass die reine
Elssenz des Lichtes mit einem verderbten materiellen Körper in
Berflhrung komme, so nimmt der gute Indianer bloß dessen
Erscheinen an. und dann werden die Thore weit aufgerissen,
nnd seine Seele, welche nunmehr die Gestalt seines irdischen
Körpers angenommen hat. jedoch in das Licht des Licht-
reiches gekleidet ist. wird von Häuptling Tod. in dessen
Beiche er in den im Himmel zu beobachtenden Gebräuchen
unterwiesen worden ist. dem Häuptling des Lichtes sichtbar
^macht.
Der schlechte Indianer wird in dem Reiche der Wolken
Bnaufhörlich gequält. Zunächst muss seine Seele mit ansehen,
wie der Häuptling dieses Reiches sich an seinem Leichnam
^tlich thut. bis derselbe ganz aufgezehrt ist. Zweitens ist
er dieser Welt so nahe, dass er ein sehnliches Verlangen
trägt, zu seinen Freunden zurückzukehren und deren Teil-
nahme zu gewinnen. Drittens schwebt ihm die Angst, in die
HöUe (HetTwanUna: abgef&hrt zu werden, stets vor der Seele.
Keine Idee von Buße für sein vergangenes böses Leben wird
je zugelassen, da seine Seele nach dem Tode der Besserung
■nd folglich auch der Erlösung unfähig ist. Das ist ganz ver-
schieden von Plato und den Upanishaden. wo es doch immer
eme Hoffnung auf schließliche Erlösung gibt.
Zuweilen wird den Seelen in den Wolken die Erlaubnis
gewährt, wieder die Erde zu besuchen. Dann können sie
nur von dem Saaga. dem großen Medizinmann, gesehen wer-
den, der sie als aller Kleidung entblößt beschreibt. Sie
werden als böse und verräterische Geister angesehen, und es
m
8I«beii(e VorkauDg,
ist Sache des Medizinamnos, sie darun tu verhindern, dkss
sie irgend eines der Häaser betreten; und nicht nur dies,
solidem sobald der Saaga an kundigst, dawi eine gewisse Sede
von den Wolken herabgestiegen sei, wird keiner sein Hans
vorlaaaen, weil der Anblick einer bütaen Seele Krankheit nnd
Kummer, und deren BerUhning den Tod berbeifOhren wßrdc.
Zuweilen kommt es vor, dxss die Seelen im Reiche des Tode»
innerbnlb eines Jahres nicht rein und heilig gemacht werden,
wjihrend sie doch, als ihre Körper alHrben, nicht Schlucht genng
waren, um von IlSuptting Wölke gefangen zu werden. Dann
wird ea notwendig, dass die minder geheiligten Seelen nur Erdu
zurtlckkehrcn und neu geboren werden. Jode Seele, die nlr.til.
würdig iet, in den Himmel einzugehen, wird EU ihren Krem —
den EurBckgesHndt und bei der ersten Gelegenheit wieder —
geboren. Der Snaga kommt in d&a Tlaiis, tun das neDgebom^
Kind zn sehen, nnd seine dienstbaren Üuister kflndigen thoa
an, dass in diesem Kinde die Seele eines wKhrend der toc—
hergehenden Jahre gestorbenen abgeschiedenen Fronnd^»«
stecke. Ihr neues Leben muas derart sein, dass sie in dom— .,
sollten der Vergeltung fllr die Misseihaten ihres vergangen oxa
Lebens unterworfen sind (dieselbe VorsteUiuig, die nns in
Indien nnd in Griechenland b(.'gegnete), nnd so wird diu L&ale—
rung der Seelen in aufeinanderfolgenden Wanderungen fort-
goftthrt, bis sie geeignet sind, in das ßeicli des ewigen Lich-
tes einzugehen.
Zuweilen geschieht es, dass nach einem ein.jAhrigffD
Aufenthalt in den Wolken manche Seelen za lasterhaft üod
schlecht sind, nm nach Flelywanlana geführt xn werden; (i«
werden ebenfalls auf diese Ktde zarUckgesuidt, ul)«r lät iW-
fen nicht wieder in einen in eiisc blieben Körper eindriDgtf'
^io dürfen nnr in die Körper von Tieren und Fi^iclien eii-
gohen und müssen große Qualen erdulden.
Wir sehen hier, wie die Haidaa xu der Idee di^r Meteii-
psj-chose so ziemlich auf demselben Wege gelangten, der 6(.
Inder zu derselben fllhrle. Zum Zweck der UübI
dachte man aiofa, mUsstcn die menschlichen Soelen
Die Eschatologie Plato's. 223
Körper gewisser Tiere eingehen. Desgleichen treffen wir bei
den Haidas die Idee, welche wir in den Upanishaden und
bei Plato fanden, dass gewisse Seelen wieder als menschliche
Wesen geboren werden, am eine neue Läuterung durchzu-
macheo, ehe es ihnen gestattet werden konnte, in das Reich
des ewigen Lichtes einzugehen. Diese Zwischenstufe — die ein-
fachste Auffassung eines Fegefeuers — für Seelen, welche
weder gut genug für den Himmel, noch schlecht genug für
die Hdlle sind, kommt auch in der späteren persischen
Ldtteratur vor. Sie wird da als der Hamistakän bezeich-
Bei, der zwischen Himmel und Erde in der Mitte gelegene
Ort, der fÄr jene Seelen reserviert ist, deren gute Werke
ibre Sünden genau aufwiegen, und wo sie bis zur schließ-
Uchen Auferstehung in einem unveränderten Zustand ver-
la^rren.^)
Die Poljnesier über die Unsterblichkeit der Seele.
Ich habe mir die Haidas, die Aboriginer der Nordwest-
kOste Amerikas, ausgewählt, als ein Volk, das unmöglich von
^iaem einzigen Strahl jener Civiiisation berührt worden sein
k%nn. die in Mesopotamien oder in Persien, in Ägypten oder
^ti Griechenland ihren Sitz hatte. Ihre Gedanken über die
Unsterblichkeit der Seele und über das Schicksal der Seele
^«ch dem Tode sind offenbar das Resultat unabhängigen
Wachstums, und wenn sie in gewissen wichtigen Punkten
ikUt den Ansehanungen der Upanishaden. des Zendavesta oder
t^lato's übereinstimmen, so beweist diese Übereinstimmung
^war nicht deren Wahrheit, jedenfalls aber das, was ich als
deren Katürlichkeit bezeichne, sie beweist, dass sie mit den
Hoflhongen und Besorgnissen des Menschenherzens in Ein-
klang stehen.
Ich werde nun ein anderes Volk vornehmen, das nicht
niader der mesopotamischen , persischen, ägyptischen und
1) Haag, a. a. 0. p. 389 n.
■224
Siclicnte VorUisnng.
grioobUclieo fledankonwolt outrflckt und von don Rinwolineni
NordwoBt-Amorikag so »eit als mdglicb entfernt ist. — ich
mein« die Volksatamme, welche die polj-neaischen Inseln be-
wohnen. Icli wttlil» sie, weil sie uns ein Haß geben, welches
zeigt, was für ein Grad von Ähnlichkeit in Bezog auf reli-
giöse oder philosophische Gegenstände möglich ist, ohne dass
wir entweder einen gemeinsamen historischen Ursprung oder
einu thatsüchliolie Enllehnong in S|)iltärcT Zeit anznnehmeu
haben. Ich wfthle sie auch ans einem anderen Grund, i
sie nämlich eines der wenigen Völker sind , von denen
gründlich gelehrte und zuverlässige Berichte ans der Feder
eines Missionars besitzen, der die Sprache nnd die Gedanken
des Volkes grOudlich beherrscht, und der sich als von allna
aas theologischer oder wiasenschaftlicher Parteinahme eDt—
springenden Vorurteilen frei erwiesen hat. Ich meine i
liev. W. Wyatt Gill. Indem er von den Inseln der Hervey—
Gruppe im Besonderen spricht, sagt er:
• Anf jeder Uiael der Hervey-Gmppi' gab es irgend eino
Verschiedenheit des Brauches in IJezng anf die Toten. Dte
Il&nptlinge von Atiu waren wohl am ungezDgeltsten in il
Trauer. Ich weiß von einem, der sieben Jatirc nm sein «I
sigcs Kind trauerte, indem er die ganze Zeit in einer FISKo
in der Nähe dos Grabes lebte, sich Haar und NHgel waebBso
und seinen Leib ungewnschen ließ. Dies macht« groß«* An^^
sehen auf der ganzen Insel. Im Allgemeinen waren all"-'
Trauere eremo nie a in einem Jahre vorüber. •
Was dachten aber dieae Inselbewohner Aber das kDoftic*
Leben'? Nnr selten gelingt es, Ilber diu Ideen der Wilde»
von dem äobicksal ihrer abgeschiedenen Frenude einen Jtr-
stündlichen Bericht zn erhalten. Viele vermeiden Jen Ucpn)*
stand ganz, und selbst diejenigen, welche bereit *ind, einen
Weißen ihre Gedanken unumwunden mitzuteilen, werden vm
denen, die sie befragen, oft nicht verstanden. GUI bildet ■■>
dieser Beziehung eino lobenswerte Ausnahme, und PolgoodH
berichtet er uns über die Vorstellung von der Ueister«*!')
wie seine polyneaisohen Freuudi' sie hegt«n.
Die Escbatologie Plato's. 225
>Das eigentliche Geisterland [ist unten, wo der Sonnen-
tt Rä sich aasroht, nachdem sein Tagesgeschift vollbracht
,c Dies erinnert nns an Yama. den Sohn des VivasTat
iT Sonne), der nach dem Glauben der Tedischen Inder in
r Welt der Väter wohnt und der Herrscher über die Gei-
r der Abgeschiedenen ist. Diese Geisterwelt »wird mit
-schiedenen Namen benannt als: Po Nacht\ Araiki. Ha-
i*i. Hawaiki oder die Heimat der Ahnen. Doch sollen alle
iegergeister, d. h. Alle, die eines gewaltsamen Todes ge-
rben sind, zu ihren glflcklichen Heimstätten in den zehn
mneln oben empor ateigen. V^olksfiimUch wird vom Tode
jeder Form als dem In-die-Nacht-gehen' gesprochen, im
gensatz zum Tage (ao). d. h. Leben. Oben und unten
d zahlreiche Länder und eine große Mannigfaltigkeit von
Bwohnem — fflr sterbliche Augen unsichtbar: diese sind
er nichts als ein Faksimile dessen, was wir um uns
nim Jüchen.
>Der samoanische Himmel wurde als Pulotu oder TV-
fu bezeichnet, und man nahm an. dass er unter dem Meere
ge. Auf Mangaia hofften die Krieger >in den Himmels-
Bm zu springen <. >den Kriegertanz in Tairi oben) zu tan-
ii<. in vollkommener Gifickseligkeit >im Fleckenlande *;
o^poe zu wohnen«. Auf Rarotonga hoffte der ELrieger
le Stätte im Hause des Tiki zu finden, in welchem die
ipferen vergangener Zeitalter versammelt sind, die mit Essen.
Inken. Tanzen oder Schlafen die Zeit verbringen. Auf der
«el Aitutaki gingen die Tapferen zu einem guten Lande
a unter dem Schutze des wohlwollenden Tukaitaua. um
riglich mit nngeschwächtem Appetit Zackerrohr zu kauen.
t Tahitianer hatten ein Elysium. *Miru' genannt. Die Be-
phner der Gesellschafts-Inseln hofften auf 'Rohuta noanoa.
1 Es heißt so. weil diese Kriegergeister im obersten Luft-
iim aus der Feme sich wie winzig kleine Flecken aufnehmen
'. W. Gill, Mytht and Sohk/m from tfte !Svuih Padjic, Londun 1^76.
]^*4- Aum. Ht4 Vhvr Beizers.
Max M filier. TkeoMpkie. ]5
il. li. nur 'd&s atlßdnftenüe Knliuta', du» voll Obst utid Itlu-
men ist.
• Auf Mangaia wnndcrteu diu Geister derjenigen, welcbc
rnhinloa 'auf einem Polster starben', ') trostlos llber die Felsen
uiD Hände des Oceans, bis (einmal des Jahres] der von iliretn
Führer bestimmte Tag kommt, wo sie dem Sonnengott Rii
Über den Ocean folgen und in seinem Gefolge znr Unterwelt
hinabsteigen. In der Kegel waren diese tieister ihren eigenen
lebenden Verwandten freundlich gesinnt, uft aber worden sie
zu Itächeru wenn ein Lieblingskind von einer Stiefmutter
oder anderen Verwandten misshandelt wurde u. dgl. Aber
die esoterische Lehre der Priester 1 autele wie folgt: UnglOok-
iiche'J) Geister wandern über die spitzigen Felsen riiiga um
die Insel, bis sie den äußersten Hand des Abhangs gerado
gegenüber der nntergehenden Sonne erreichen, worauf eine-
gewaltige Woge sich dem Fuße des Abhangs nähert and in
gleicher Zeit ein riesiger am«'- Baum {Fui/raea liftrfrriana)
mit wohlriechenden Bluten bedeckt, ans Avaiki hervorsprießt,
nm diese trostloaeu menschlichen Geister anfznnehmen. Seibat
in diesem letzten Augenblicke, wenn sein Fnß den verhilDg-
nisvolten Baum beinahe schon berührt, kann eine freaad-
liche Stimme den wandernden Geist noch zum Leben iinA
zur Gesöudheit zurückrufen. Sonst wird er dnrch eine ^e—
heimnisTolle iMaclit dazQ bewogen, den besonderen, itlr seioera
eigenen Stamm reservierten Zweig, der ihm bcqnem am nioli —
sten gebracht wird, «n besteigen. Sobald nun die mcawli—
liehe Buele nuf diesem riesigen 'i/uu' sicher nntergebraekC
ist, sinkt der trügerische Haum mit seiner lebendigen Last in
die Unterwelt hinab, Akaanga und seine Gehilfen fangen
den anglückseligen Geist in einem Netä, ertränken Ihn tor
RsXttß in einem Teiche von frischem Wasser und führen ib"
1) I te nrunga piru. d. h. eines natürlichen Todeti.
2) Weil sie das lTu;;IUck hatten, 'auf einem Polster lu iWf
beo', und well He ihre allen, lieben Scblapfwinkel und lleitnilü'
l4.'u verlassen
Die Eschatologie Plato's. 227
dann vor das Angesicht der gefQrchteten Mira, der Herrin
der Unterwelt, wo er von ihrer berauschenden Schale trinken
moss. Der betrunkene Geist wird zu dem ewigbrennenden
Ofen fortgeschleppt, gekocht und von Mira, ihrem Sohne,
nebst vier unvergleichlichen Töchtern verzehrt. Die Abfölle
werden ihren Dienern, dem Akaanga und Andern, vorge-
worfen. So das3 auf Mangaia gänzliche Vernichtung, oder
doch Verdautwerden, das Ende des Feiglings ist.
»Auf Karotonga musste der unglückselige wandernde
Geist, der kein Geschenk für Tiki hatte, außerhalb des Hau-
ses verweilen, wo die Tapferen vergangener Zeitalter ver-
sammelt sind, in Regen und Finsternis immerdar, frierend
und hungernd. Eine andere Ansicht lautet, dass die große Zu-
sammenkunft der Geister auf einem Felsenkamm gerade
gegenfiber der untergehenden Sonne stattfand. Ein Stamm
ätreifle am Rande der See hin, bis er den verhängnisvollen
Platz erreichte. Ein anderer (der Stamm von Tangiia auf der
Ost Seite von Rarotonga) durchstreifte die Gebirgskette, welche
das Rückgrat der Insel bildet, bis derselbe Ausgangspunkt
erreicht war. Angehörige des ersteren Volksstammes klet-
terten auf einen (noch stehenden) alten ^Bua-Bsinm hinauf.
Sollte der Ast zuföllig brechen, so wird der Geist sofort im
Xetz von *Murn gefangen. Zuweilen aber geschieht es, dass
ein lebhafter Geist die Maschen des Netzes zerreißt und auf
kurze Zeit entrinnt, indem er durch einen unwiderstehlichen
nneren Drang gegen den äußeren Rand des Felsenriffes hin
forteilt, in der Hoffnung, über den Ocean zu gelangen.
Allein in gerader Linie vom Ufer ist eine runde Höhlung, wo
Akaanga's Netz verborgen ist. In diesem werden die ganz
Wenigen, welche den Händen der Muru entrinnen, unfehlbar
gefangen. Die entzückten Dämonen (taae) nehmen den ge-
fangenen Geist aus dem Netze heraus, schlagen ihm an der
scharfen Koralle das Hirn ein und schleppen ihn im Triumph
zu den Schatten fort, um ihn zu essen.
»Für den Stamm von Tangiia war ein Eisenholzbaum
reserviert. Die Geister, welche auf die grünen Zweige dieses
1^»
228
Sietiente VurleBuug.
Baamea traten, kehrten wieder zum Leben znrflck, wihrend
diejenigen, welche daa Unglück hatten, auf die abgestarbenen
Zweige zu kriechen, sofort iu dem Netze von Huru oder
Akaanga gefangen, enthirnt, gekocht und aufgegessen wurden!
>Auf Aitutaki waren die Geister von Feiglingen und
Ruf^hlosen ebenfalls daEU verdammt, der nnbeachreiblicb bäsa-
lichcn Miru') und ihrem (iefolge zum Schmause eu dienen.
• Der alte tUaube der Bewohner der Hervey-Inseln war
wesentlich derselbe. In der Hauptsache wich er auch oicht
von dem Glauben der Tahitianer und der Bewohner der G6-
sellschaftaiuseln ab; die Abweichungen sind nur von der
Art, wie sie sich wohl erwarten ließen, wenn Bestandteile
derselben großen Familie durcb Menschenalter hindurch von-
einander getrennt gewesen,"
Wir sehen in diesen polynesiachen Legenden ein auf-
fallendes Gemisch von rohen und erhabenen Idven Aber dM
Schicksal der Seele nach dem Tode.
Gilt sagt. dasB im östlichen stillen Meere keine 8pnr
von Seelen Wanderung zu finden sei. Und doch sagt er uns,
dass man fabelt, die Geister der Toten halten zeitweilig und
fOr einen besonderen Zweck die Gestalt eines Insekts, räo«
Vogels, eines Fisches oder einer Wolke angenommen. Br
fDgt hinzu, das» man glanbto, dass Götter und insbesoader«
die Oeister vergötterter Menschen in Haifischen, Schwer^
fischen u. dgl., iu Aalen, Achtfflßlorn, gelben und schwin-
gefleckten Eidechsen und in verschiedenen Arten von VBgebi
und Insekten für immer wohnten oder inkamiert seien. Hau
kann daher nicht sagen, dasa die Idee von Seelen, die in
TierkOrpern wohnen, den Einwohnern der polj'nesischeD In-
seln gltnzlich unbekannt gewesen sei.
Wenn man fragt, was eine Vergleichnng der Meinonges
Über das Schicksal der Seele nach dem Tode, wie sie nicht
nur von hochciviliaierten Völkern , wie den ludern , den
1) Die J/i'ru '
Rarotooga.
tiiki \*t diu Motu vni
Die Eschatologie Plato's. 229
Persern und den Griechen, sondern auch von Völkern auf
einer sehr niedrigen Stnfe socialen Lebens, wie den Haidas
nnd Polynesien!, gehegt wurden, uns nützen könne, so lautet
meine Antwort: Wir lernen daraus, dass der Glanbe an eine
Seele und an die Unsterblichkeit der Seele nicht bloß der
Traum von ein paar philosophischen Dichtern oder dichterischen
Philosophen, sondern das spontane Erzeugnis des mensch-
lichen Geistes ist, wenn er sich dem Mysterium des Todes
von Angesicht zu Angesicht gegenüber sieht.
Das letzt« Resultat der physischen Religion.
Das letzte Resultat von dem, was ich Thysische Reli-
gion und ^Anthropologische Religion' nannte, ist eben dieser
Glanbe, dass die menschliche Seele nach dem Tode in das
Liichtreich eingehen und vor dem Throne Gottes — welchen
Kamen auch immer m&n ihm gegeben haben mag — stehen
^erde. Dies scheint in der That der höchste Punkt, den
die Natürliche Religion erreicht hat. Wir werden aber sehen,
dass wenigstens Eine Religion, die des Vediinta, einen ent-
schiedonen Schritt darüber hinaus gethan hat.
Achte Vorlesung.
Wahre Unsterbliohkeit.
Judentam und Buddhismus.
Sonderbar ist es, dass die beiden Religionen, in denen
wir nichts oder so gut wie nichts über die Unsterblichkeit
der Seele oder ihre Annäherung an den Thron Gottes oder
ihr Leben im Lichtreiche finden, gerade die jüdische und
die buddhistische Religion sind, die eine monotheistisch
im höchsten Grade, die andere in den Augen der Brahmi-
nen fast rein atheistisch. Das Alte Testament schweigt
beinahe still, und Stillschweigen in Bezug auf einen solchen
Gegenstand lässt nur Eine Auslegung zu. Die Buddhisten
gehen aber sogar noch weiter. Was auch immer die volks-
tümlicheu abergläubischen Vorstellungen der Buddhisten in
ludien und anderen Ländern gewesen sein mögen, Buddha
selbst erklärte aufs entschiedenste, dass es nutzlos, ja unrecht
sei, die Frage aufzuwerfen, was aus den Abgeschiedenen
nach dem Tode werde. Über den Gegenstand befragt, lehnte
es Buddha ab, irgend eine Antwort zu geben. Von aUem.
anderen Religionen der Welt jedoch , mit diesen zwei Aus —
nahmen, erhalten wir eine und dieselbe Autwort, nämlicti.
dass die höchste Seligkeit der Seele nach dem Tode darlii
bestehe, dass sie sich der (Jegcnwart Gottes nähere, möglicher-
woisc dass sie dem höchsten Wesen Lobeshymnen singe und
Verehrung zolle.
Wahre Unsterblichkeit. 231
Die Ted&nta-Lehre Aber die walire ünsterbliehkeit.
Es gibt nur eine Religion , welche einen entschiedenen
Fortschritt über diesen Punkt hinaus gemacht hat. Wohl
stoßen wir in anderen Religionen auf gelegentliche Ausdrücke
der Sehnsucht nach etwas Höherem als dieses bloße Sich-
versammeln um den Thron eines höchsten Wesens und Lob-
singen seines Namens; auch hat es seit den ältesten Zeiten
nie an Protesten gefehlt gegen die Idee eines Gottes, der
auf einem Throne sitzt und eine rechte und eine linke Hand
hat. Obgleich aber diese alten, durch Glaubensbekenntnisse
und Katechismen bekräftigten anthropomorphischen Ideen
immer wieder zurückgewiesen worden sind, hat man doch
nichts an deren Stelle gesetzt, und so tauchen sie natürlicher-
weise mit jeder neuen Generation wieder von neuem auf.
In Indien allein hat sich der menschliche Geist über diesen
Punkt hinaus empor geschwungen, zuerst durch Mutmaßungen
und Postulate, wie wir sie in manchen der Upanishaden finden,
später durch strenge Argumentation, wie wir sie in den Ve-
danta-sütras und noch mehr in dem Kommentar des «SaAkara
finden. Der Vedänta — ob wir nun denselben als Religion
oder als Philosophie bezeichnen — hat mit der alten abge-
nutzten anthropomorphischen Auffassung von Gott und der sich
dem Throne Gottes nähernden Seele vollständig gebrochen und
Perspektiven eröfinet, die den größten Denkern Europas un-
bekannt waren.
Dieses Ringen nach einer reinen Auffassung der Gott-
heit begann schon sehr früh. Ich habe oft die Stelle citiert,
wo ein vedischer Dichter sagt:
»Was Eines ist, die Dichter nennen es mit vielen Namen.
>Sie nennen's Agni. Yama, Mätaridvan.c
(Rv. I, 1G4, 4G.)
Sie bemerken , wie das , von dem hier als Einem ge-
>prochen wird, schon in den Hymnen des Rigveda nicht
mehr ein Maskulinum, nicht mehr persönlich im menschlichen
Sinne des Wortes ist; es hat nicht einmal einen Namen.
Perstliillchhclt eine BeschrBokiing der Oolttaelt.
Oline Zweifel wird dieser Schritt von Vieleu
ein Scliritt nach vorwärts, aondern ah ein KUckschritt an-
gesehen werden. Wir hören oft Lente sagen, ein nnperaön-
licher Gott sei gar kt'm Gott. Und doch, wenn wir unaerc
Worte vorsichtig gebrancLen, wenn wir nicht liloß Wort«
uauhsagen , sondern ihren Sinn zu erfassen snoheo , so kön-
nen wir leicht begreifen , warum jene alten Sucher nach
Wahrheit es ablehnten, der Gottheit menschliche Persönlich-
keit zuzuschreiben. Man vergisst zn leicht, dase menschliche
Persönlichkeit stets eine Beschränkung in sich schließt. Da-
rum waren alle persönlichen Götter der allen Mythologie
beschränkt. Jupiter war nicht Apollo, Indra war nicht
Agni. Wenn Leute von menschlicher Pers<lnliclikeit spre-
chen, so schließen eie dabei oft jede Art von BosohrKokang
ein, nicht nur Alter, Geschlecht, Sprache, Nationalität, er-
orbleu Charakter und Wissen, sondern auch ftuBere Enchei-
nung und Gesichtsausdruck. Alle diese näheren BeBtimmiu-
gen wurden den alten Göttern beigelegt , aber nül dnn
Aufdämmem einer höheren Auffassung der Gottheit trat eine
Ueaklion ein. Die ersten Philosophen Griecheninnds, die
mindestens ebenso sehr religiöse als philosophische Lehrer
waren, erhoben zum Beispiel durch den Mund des Xenophanet
gegen den Glauben Einspruch, daas Gott, wenn er als die
hflohste Gottheit aufgefusst wird, entweder an Körper oder
an Geist einem Menschen gleich erachtet werden könne. In
unseren Tagen hielt es noch der Bischof von London l^r
richtig und notwendig, eine christliche Gemeinde vor der
Gefahr zu warnen, die darin liege, dass man Gott eine Per-
sönlichkeit im gewöhnlichen 8inne des Wortes zuschreibe.
>Bs gibt einen Sinn,' sagt er, 'j >in dem wir dem aiitw
kiinnten absoluten Wesen nicht Persönlichkeit caschreibeti
künuen; denn unsere Persiinlichkeit ist notwendiger Vfmt
von Bescbrnnknngen umgeben, und wir linden es nnmOglieli,
1i Temple, Bamplioi Ltrtumt, p. bl.
Wahre Unsterblichkeit. 233
UDseren Begriff einer Person von diesen Beschränkungen za
befreien. Wenn wir von Gott als einer Person sprechen, so
können wir nicht umhin, anzuerkennen, dass diese Persön-
lichkeit unsere Begriffe weit übersteigt .... Wenn Gott eine
Persönlichkeit absprechen soviel heißen soll, wie ihn einem
blinden, toten Gesetz gleich machen, so können wir eine solche
Absprechung nur aufs entschiedenste zurückweisen. Wenn Gott
eine Persönlichkeit absprechen soviel heißen soll, wie seine
Unbegreiflichkeit behaupten, so sind wir sofort bereit, unsere
Schwäche und Unfähigkeit einzugestehen, c
Es ist sonderbar, dass die Leute nicht einsehen wollen,
dass wir in Bezug auf Persönlichkeit genau dieselbe Lehre
annehmen müssen, die wir in Bezug auf alle anderen mensch-
lichen Eigenschaften annehmen mussten, wenn wir es ver-
suchen, sie auf Gott zu übertragen. Wir können sagen, dass
Gott weise und gerecht, heilig und erbarmungsvol) ist, aber
er ist alles das in einem über den menschlichen Verstand
hinausgehenden Sinne. Auf dieselbe Weise müssen wir, wenn
wir von Gott als persönlich sprechen, begreifen lernen, dass
seine Persönlichkeit hoch über jeder menschlichen Persön-
lichkeit, hoch über unserem Verstand sein muss, immer vor-
ausgesetzt, dass wir verstehen , was ¥rir meinen , wenn wir
von unserer eigenen Persönlichkeit sprechen. Manche Leute
sagen, dass die Gottheit mindestetis persönlich sein muss;
ja, aber zu gleicher Zeit muss die Gottheit mindestens über
alle jene Beschränkungen erhaben sein, welche von mensch-
licher Persönlichkeit untrennbar sind.
Aber wenn wir auch völlig überzeugt sind, dass Gott
nicht persönlich im menschlichen Sinne des Wortes sein
kann, so müssen wir doch, so oft wir in irgend eine Bezieh-
ung zu Gott treten, ihn als persönlich auffassen. Wir kön-
nen uns unserer menschlichen Natur nicht entkleiden. Wir
wissen, dass die Sonne nicht aufgeht, aber wir können nicht
umhin, sie aufgehen zu sehen. Wir wissen, dass der Him-
mel nicht blau ist, und doch können wir nicht umhin, ihn
blau zu sehen. Selbst der Bischof knnn uns nur sagen,
234
Aahtu VorleHung.
wie wir nicht Aber Oott denken dürfen; aber wie wir Ober
ihn anders als pereönüch denken aollen, sagt er uns nicht
Wenn wir sehen, wie Xenophanoa daa höchste Wesen als
aipuißOBidi]g oder kugelförmig darzuatellon versucht, so
sehen wir, wohin alle Versnche dieser Art fflbren würden. Daa-
aelbe geistige Bingen, das wir in don Worten eines lobenden
Bischofs beobachten können, können v.iv auch in den spa-
teren Änßernngen der vedisehen Dichter verfolgen. Sia
fanden in ihrem alten Glauben Namen von zahllosen peraön-
licLen Göttern, aber sie begannen einzusehen, dass alle dicsa
Namen nur unvollkommene Ausdrtlcke seien fOr das. was
allein ist, das anbekannte absolute Weseu, wie Dr. Tcmplu
es nennt, daa Ekam sat der Weisen des Veda,
Uas Bingen nueh einer lißheren AufruKSunu der (iottt
Wie war also das Ekam aat, rii JV y.ui
benennen? Man versuchte es mit vielen Namen. MancliL-
vedische Weise nannten es Prä/ja, d. b. Atem, was dem
griechischen ij-'v^i), Atem oder Geiät oder Seele, am nllclulcD
kommt. Andere gestanden ihre Unf&bigkeit ein, es untor il^Bd
einem Namen zn begreifen. Dass es ist, nnd dass es l^inW
ist, wird gerne zugegeben. Was aber irgend eine beslimmtv
Kenntnis oder irgend einen bestimmten Namen desselben anbe-
langt, so erklären die vedisehen Weisen ihre Unwissenheit ebensd
bereitwillig, als irgend ein moderner Agnostiker. Dieser wahre
Agnoaticismus, diese dorta igtiorantia der Theologen des lUt-'
telalters, dieses Bewusstsein von der gitnzlichon Uilflosigkeä t
and Unfähigkeit des Menschen, zu irgend einer Erkenntnis Got-
tes zu gelangen, findet nirgends einen so nlhreudeu Anadrock,
wie in den Worten einiger dieser alten vedisehen Uichter.
Ich will einige ihrer Äußerungen eitleren.
Kv. X, S2, T. >Du wirst ihn nicht finden, der disrt
Dinge gesohaS'en hat; etwas Anderes steht Ewisdien dir nsd
ihm. In Nebel gehallt und mit stammelnder Stimme wandiln
die Dichter dahin, sich des Lebens erfrenend.«
Wahre Unsterblichkeit. 235
Rv. I, 164, 4 — 6. »Wer hat den Erstgebornen gesehen,
als er, der keine Knochen (d. h. keine Form) hatte, ihn trug,
der Knochen hatte. Das Leben, das Blut and die Seele der
Erde — wo sind sie? Wer ging zu Einem, der es wusste,
ihn darum zu fragen? Schlichten Geistes, da ich es in mei-
nem Geiste nicht begreife, frage ich nach den verborgenen
Stätten der Götter .... Unwissend, frage ich die wissenden
Weisen, damit ich, der Nichtwissende, wisse, was das Eine
in der Gestalt des Ungebornen sei, welches diese sechs Räume
festgestellt hat.c
Noch stärker ist dieses Geständnis, wie es immer wieder
in den Upanishaden wiederholt wird.
Zum Beispiel *S'vet. Up. IV, 19. »Niemand hat ihn oben,
quer über oder in der Mitte erfasst. Es gibt kein Ebenbild
von ihm, dessen Name *Große Herrlichkeit' ist.c
Oder Mund. Up. III, 1,8: »Er wird nicht mit dem
Auge, nicht mit der Sprache, nicht mit den anderen Sinnen,
auch nicht durch Bußübung oder gute Werke begriffen.«
Ken. Up. I, 3: »Dein Auge geht nicht dahin, noch
deine Sprache, noch dein Geist. Wir wissen nicht, wir ver-
stehen nicht, wie irgend Jemand es lehren kann. Es ist
verschieden von dem Bekannten, es geht auch über das Un-
bekannte hinaus, so haben wir von denen aus alter Zeit, die
uns dies gelehrt, vernommen.«
ÄÄänd. Up. IV, 3, 6: »Sterbliche sehen ihn nicht, ob-
gleich er an vielen Orten wohnt.«
In der Taitt. Up. II, 4 heißt es, dass sich Worte zugleich
mit dem Geiste davon abwenden, ohne es erreicht zu haben —
und an einer anderen Stelle, KaM. Up. III, 15, wird es aus-
drücklich als namenlos, unberührbar, formlos und unvergäng-
lich bezeichnet. Und wiederum, Mmid. Up. I, 1, 6 als un-
sichtbar und nicht zu erfassen.
Gerade diese Zweifel und ängstlichen Fragen sind höchst
rührend. Ich zweifle, ob wir irgend etwas Ähnliches anderswo
finden. Nur in Bezug auf Einen Punkt scheinen diese alten
Sucher nach Gott gar keinen Zweifel zu haben, nämlich dass
■236
Äclite 'VVrkisnng.
dieses Wesen Eines und ohne ein Zweites ist. Wir sahcD
dies, wenn der Dichter sagte: »Was Eines ist, die Dichter
nennen es mit vielen Namen«; nnd in den Upanisbaden wird
dieses 'Eine ohne ein Zweites' zu einem beatAndigen Nameo
für das höchste Wesen. &a sagt die Katfi. Up. V
gibt Einen Herrsclier, die Seele inoerlialb aller Dinge, der die
Eine Form mannigfach macht. < Und die 6'veta«vatara - Up.
VI, II fllgt hinzn: -Er ist der Eine Gott, in allen Dingen
verborgen , Alles durchdringend , die Seele innerhalb aller
Wesen, über alle Werke wachend, in Allem wohnend, der
Zeuge, der Wahmebmeude , der Einzige, von allen Eigeo-
scbaften frei, er ist der einEige Herrseber über Viele, die (zo
handeln scheinen, aber in Wirklicbkoit) nicht handeln.'
Die KHüä. Up. VI, 2, 1 sagt: -Am Anrange war nur
das Seiende, Eines nur, ohne ein Zweites.; und die Bnli.
Ar. Up. IV, 3, 32 fügt hinzu; .Dieser Eine Seher [8nli-
jekt] ist ein Oceao, nnd ohne jede Zweiheit.*
Mu'itt Up. II, 2, ü. >ln ihm sind der Ilimmel, die Erde
und der Luftraum verwoben, auch der Gotat mit allen äinoen.
Wisse, daas er allein das Selbst ist, und gib andere Naoon
auf. Er ist die BrOcke der Insterhlicbon. d. h. die UrUdu,
Tormittelst deren wir nnsere eigene Unslorblichkeit erroicben.*
Das sind freilich nichts als nnbehcdfone Versuche d»
Menschen, die Wahrheit zu finden, sich im Finittern forteatappen;
aber auch so, — wo, außer in Indien, finden wir noch der-
artige unbeholfene Versuche, Gott zu finden?
Der menschliche Geist kann jodoch nicht lange ohne
Namen auskommen, nnd manche der Namen, die dem Binen
nnkennbareu und nnhenennbaron Wesen gegeben worden sioiL
und die wir nun zd untersuchen haben wevdeu, waren nnd
sind noch die Ursache großer Schwierigkeiten.
Kamo für die hiicbste flettlielt. Itrahmau.
Einer der bekannteBten Namen ist Brahman, nrtpi
Hob ein Nenttam, oft ahor auch ohne Unt«ncliied lU ,
Wahre Unsterblichkeit. 237
Masknlinnm gebraucht. Es wäre eine außerordentliche Hilfe,
wenn wir über die Etymologie von Brahman etwas Sicheres
wüssten. Wir würden dann, was immer am wichtigsten ist,
die erste Auffassung des Wortes wissen ; denn es ist klar —
und die Philosophen sollten das jetzt endlich schon einsehen
gelernt haben — , dass jedes Wort zuerst das bedeutet haben
muss, was es etymologisch bedeutet. Viele Versuche sind
gemacht worden, die Etymologie des Wortes Brahman aufzu-
finden, aber weder diese noch die allmähliche Entwickelung
der Bedeutungen desselben lässt sich mit vollkommener
Sicherheit feststellen. Man hat gemeint, ^) dass gewisse Stel-
len in der KaMa-Upanishad (II, 13; VI, 17) eine Ableitung
des Wortes brahman von der Wurzel barh oder brth,
'abreißen', enthalten sollten, als ob Brahman zuerst 'das Ab-
gerissene', 'das Losgelöste', 'das Absolutum^ bedeutet hätte;
es gibt aber keine anderen Zeugnisse für das Vorhandensein
dieser Gedankenrichtung in Indien. Andere haben brahman
von der Wurzel barh oder br«h in dem Sinne von 'Schwel-
len' oder 'Wachsen' abgeleitet. So hat Hang in seiner 1871
erschienenen Abhandlung ^Brahma und die Brahmanen'
angenommen, dass brahman ursprünglich 'Gewächs, Spross'
bedeutet haben müsse, und er sah einen Beweis dafür in dem
entsprechenden Zendworte Baresman (Barsom), welches ein
Bündel Zweige (virgae) bezeichnet, das von den Priestern,
namentlich bei den Izeshan - Opfern , gebraucht wird. Er
Bchreiibt sodann dem Worte brahman die mehr abstrakte
Bedeutung von 'Wachstum, Gedeihen' und 'was Gedeihen und
Wachstum bewirkt', nämlich , 'heilige Lieder' zu. Auf diese
Weise, meint er, sei brahman dazu gekommen, den Veda,
das heilige Wort, zu bezeichnen. Schließlich habe Brahman
die Bedeutung von 'Triebkraft der ganzen Natur', 'höchstes
Wesen', 'das schlechthin Absolute' angenommen, von dem
«Skftkara sagt: »Das Brahma ist seiner Natur nach ewig,
i; Deussen, System des Vedänta, p. 12S.
2S8
Achte Vi-rleJäiiBir.
rein, mit Intelligeni begabt, einsncipiert (von do
xllwiasend, mit AUmacbi begiibt.<
Wenn durch einen bekannten grammatischen Vorg^
dieses Nentrom brithman (Nora, brahma; in das Maskniinum
brahmiin (Nom. brahmül verwandelt wird, so evhlüt oa die
Bedentnng von 'Einer, der mit Brabman vertraut isf. 'ein
Mitglied der Prieaterkaste ; zweitens bedeutet es einen Prie-
st*r, der die besondere Aufgabe bat. das Opfer zn b«aaf-
sichtigen, aber auch den persönlichen Schöpfer, die als
persönlichen Gott aafgefasste universale Kr^ft, dasselbe wie
Prai^Apati, und in späterer Zeit Einen %'on 'den die Tri-
rafirti — Brahmdn, Vishnu und Alva — bildenden Göttern. So
weit llsug.
Muir {Sam/ivit Texis, I, p. 240} geht von brilliman in
dorn 8inne von 'Gebet, Hymnus' xns, wAhrend er das davon
abgeleitete MaBkulinnm brahmän iu der Bedeutnng von
'Ueter, Dichter, Weiser', dann 'Priester im Allgemeinen' nnil
flchließlich 'Kin mit besonderen Pflichten betrauter Priester"
auffa^at.
Roth nimmt ebenfalls an, dass der ursprüngliche Sinn
von ßrahman 'Gebet' gewesen sei, nicht aber 'Lobpreisung'
oder 'Danksagung', sondern jene Art von Anrufung, welche,
mit der Kraft des Willens an den Oott gerichtet, ilin an dem
Verehrer hinzuziehen und von ihm Befriedigung zu erluigea
trachtet.
Ich muss gestehen, dass die Hymnen des Vcda, wie wir
sie jetzt lesen, kaum so voll inbrllnstiger Andacht sind, dut
man sie so eigentlich als Ausbrüche bezeichnen kiSnnte. E*
bleibt auch dann noch immer die Frage, warum die scbOpforuch»
Kraft des Weltalls mit demselben Namen bezeichnet wnrd«.
Mir scheint es, dass die Idee einer schöpferischen Kraft od«T
treibenden Macht zwar ganz gut durch Brithman von ünir
Wurzel barh,'} 'hervorbrechen, hervortreiben', anegvdrOckt
I) Brahman wird Euwcilen mit !>i-i'ljHt, 'wachsend. groQ' fp
'/.iiaammenhang g;ebracbt, siehe £vet. Up. II], 7.
Wahre Unsterblichkeit. 230
werden konnte; dass aber das andere brahman, ehe es die
Bedeatang Ton 'Hymnus, Gebet* erhielt, die ganz einfache
Bedeatnng von 'Rede, Wort* gehabt haben mnss. Es sind in
der That noch einige Andentangen vorhanden, welche zei-
gen, dass die Wnrzel barh die Bedeutung von *änßem' oder
'sprechen* hatte. Bn*has-pati, der auch Brahma//as-pati ge-
nannt wird, wird oft als V:Uas-pati. *Herr der Rede*, erklärt,
so dass b r * h ein Synonym von v ä Z* gewesen zu sein scheint.
Was aber noch wichtiger ist, ist die Thatsache, dass das
lateinische cerbum, wie ich vor vielen Jahren gezeigt habe.
Buchstabe für Buchstabe auf dieselbe Wurzel zurflckgefflhrt
werden kann. Ja. wenn wir v/-idh als eine Parallelform
von vrih gelten lassen, so kann auch das englische ^worcl
(das deutsche "Wort) auf dieselbe Quelle zurückgehen. Es
scheint daher doch wohl, dass brahman ursprünglich ^\uße-
rung, Wort*, und dann erst 'Hymnus, heiliges Wort, Veda* be-
deutet habe, während es, wenn es in dem Sinne von 'schöpfe-
rische Kraft* gebraucht wird, ursprünglich als 'das Äußernde.
Hervorstoßende, Offenbarende* aufgefasst worden sein würde.
So verlockend es auch ist, so können wir doch kaum an-
nehmen, dass die alten Bildner der Sanskritsprache irgend
eine Ahnung von der Identität des Logos prophorikos und
eiulidihetos der Stoiker, oder von der Welt als dem geäußerten
Wort oder dem Gedanken, dem Logos des Schöpfers, gehabt
hätten. Dass sie aber doch noch eine Erinnerung daran hatten,
dass Brahman ursprünglich 'Wort* bedeutet habe, lässt sich
durch mehrere Stellen aus dem Veda beweisen. Ich lege kein
Gewicht auf Stellen wie Br/h. Ar. Up. IV. 1. 2: vag vai
Brahma. 'Rede ist Brahman*. denn Brahman wird hier auf
dieselbe Weise mit p r a // a , ' Atem * , m a n a s . ' Geist *.
iiditya, 'Sonne, und vielen anderen Dingen identifiziert.
Wenn wir aber Rv. I, 164, 35 lesen: Brahma ay.-im vaZa//
paramam vjoma. welchen Sinn könnte es haben, dass Brah-
man 'mask.) hier 'der höchste Himmel der Rede' oder viel-
leicht 'das höchste Gewebe der Rede* genannt wird, wenn
nicht irgend ein Zusammenhang zwischen brahman und y^h
•^■lO
Achte Vorlosimg.
dagewesen wäre? Kiue andere wichtige Stelle finiiet sieb io
einem an Dnliaspati, den Herrn der Rede, gerichteten Hym-
nus, wo wir lesen, Kv. X, 71. I: »0 Bf-thaapati (Herr der
hrili oder Hede], aU die NamoD gebendiMi Menscheii den
ersten Anfang der Kede heivorbrachlen , da wurde Alles,
was in ihnen am besten und makellos, was in ihnen verbor-
gen war, durch Verlangen offenbar.' Ich glaube daher, daas
das Wort Brahmnn eine doppelte Geschichte hat; die £iDO
beginnt mit Brabman als Neutrum, rö ('Vrcj; 'V, 'die treibende
Kraft des Weltalls', und fflhrt dann über zu Brahman, mask.,
als dem Schöpfer der Welt, der alle Dinge hervorbrechen iftsst,
and der spllter zu Einem von der ans Brahman, 'Viva und Vtsbnu
bestehenden indischen Dreibeit oder Trimfirti herabsinkt; dio
andere beginnt mit brdli-man, 'Wort, Äußerung', das allmählich
auf die engere Bedeutung 'eine von OpftTspenden begleiteta
Lobeshymne' beschrlinkt wird; und daher stammt, mit Ver-
änderung des Geschlechts und Accents. brabmifn, 'der
Äußernde, der Beter und Opferer. ein Mitglied der Priestcr-
knsle'.
Selbst wenn Brähman als Neutrum gebraucht wird, fol*
gen oft männliche Formen darauf. Und es gibt viele Stellea,
wo es zweifelhaft bleiben muss, ob Brahman als eine unpenfls-
liche Kraft oder als ein persönliches Wesen oder gar li»
beides zugleich aufgefasst wurde. So lesen wir in der Taitt.
üp. III. I, 1: >Das, woraus diese Wesen geboren sind, daa,
wodurch sie, wenn sie geboren sind, leben, das, worein al«
bei ihrem Tode eingeben, versnche das zu erkennen, du
ist Brahman.'
Im Atbarvavcda X, 2, 2b lesen wir: >Von wem wnrdt
diese Erde geordnet, von wem der obere Himmel gesolitflieii?
Von wem wurde dieses emporgehoben?' u. s. w.
Die Antwort lautet: -Von Drabman wurde dteae Brie
geordnet« a, s. w.
Manolimal wird Brahman mit Präns, 'Atem', Idenllfiel«rt,
so in der Bnli. Xr. Üp. lU, », 9: .Er fragte: Wer ist
Wahre Unsterblichkeit. 241
der Eine Gott ? Yä^Aavslkya erwiderte : Atem oder Geist, und
er ist Brahman.«
Manchmal wiederum heißt es. dasa Prii/^a. 'Geist*, aas
Brahman entstanden sei. so wenn wir MnW. Up. II. 1, S
lesen: > Brahman schwillt dnrch Hitze; daraas entsteht Nah-
mng (oder Stoffe ans Nahrung Atem (prä/ja . Geiste u. s. w.
Jedoch ist dieses Brahman nur Einer von Tielen Namen.
Ton denen jeder einen Versuch darstellt, zu dem Begriff eines
höchsten Wesens zu gelangen, der so viel als möglich ron
allen mvtholo^schen Elementen, von rein menschlichen Eigen-
schaften, auch von natttrlichem oder grammatischem Geschlecht
frei sein soll.
Punsha«
Ein anderer von diesen Namen ist Purnsha, was nr-
iprUnglich 'Mann' oder * Person bedeutet. So lesen wir
Mu/i^. Up. II. 1. 1 — 3: >Wie ans einem lodernden Feuer
Funken, die dem Feuer ähnlich sind, zu Tausenden hervor-
seiließen, so werden verschiedene Wesen ans dem Unvergäng-
lichen hervorgebracht und kehren wieder dahin zurück.
Dieser himmlische Parusha ; Person, ist ohne Körper, er ist
sowohl innerhalb als außerhalb, nicht erzeugt, ohne Atem
■nd ohne Geist, höher als das Hohe, unvergänglich. Aus ihm
wird der Atem (Geist^ geboren, das Denkorgan und alle Sin-
nesorgane. Äther. Luft. Licht. Wasser und die Erde, die
Trigerin von Allem.«
Überhaupt ist meiner Ansicht nach nichts interessanten
als wenn man diese wiederholten Versuche, zu immer böbe-
ren. reineren Begriffen der Gottheit zu gelangen, beobachtet.
Diese sogenannten Heiden wussten ebenso gut als wir. dass
ihre alten Namen unvollkommen und der Gottheit nnwtlrdig
wacen. und wenngleich sich jeder neue Versuch aU ein neues
Tehlsehlagen erwies, so sind doch gerade diese Versuche
aller Ehren wert, und wenn wir die Zeit nnd die Umstände
in Betracht ziehen, unter denen diese Kämpfe stattfanden.
MsK Mill«r. Tk«M«pkie. 1(>
242 Achte Vurioanng.
so kann ea in der Jansen Geschichte des menschlicheD lici-
stea kanm einen Anblick geben, der unsere Teilnabrae in
höherem Haße erweckte nnd gierechteren Anspruch auf noser
sorgniltigstoa Stnd'mni h&tte. Manche Leate aagen, dies AUes
liege hinter uns, aber gerade deshalb, weil ea hinter uns li^t,
sollte 63 uns voraulassen, hinter uns zu sehen ; das heißt, es
sollte UDB zu wahren GeHcbtchtsforscherD machen; denn
schließlich iat ja die Geschichte doch nur ein ZorDckblicken, und
indem wir bei dem Studium derselben auf die Vergangenheit
des Menschengeschlechts zurnckblicken, lesen wir zu glei-
cher Zeit unsere eigene Oesohiohte in ihr. Jeder von nni
musate genau durch dieselbe Phase des üenkene hindurch*
gehen, durch welche die alten Rishis hindurchgehen mussten,
wenn die alten Namen und Begriffe Gottes zu enge, in
menacblich und zu mytholo^sch befanden wurden.
Praiu, Geist.
Wie wir lernen mussten und noch lernen mDssen, dass
Oott ein Geist ist, so sprachen auch die vedischen Inder von der
höchsten Gottheit als dem PrAna, indem sie das Wort nicht
mehr in dem Sinne von 'Atem , sondern von 'Geist* gebraneh-
ten. wie zum Beispiel in einem ao l*rä'ia gerichteten Hymaiu
des Atharva-veda, XI, 4, wo wir losen: • Präna ist der Herr
alles dessen, was atmet und was nicht atmet .... Wende dioh
nicht ab von mir. o FrA^ia, du bist kein Anderer als i«b.<
Überaotzen wir Präwa durch 'Geist' oder 'göttlicher Oelat',
[ind dies wltrde lauten: 'Der göttliche Geist ist der Herr
von Allem .... 0 göttlicher Oeist, wende dich oiehl ab
von mir; du bist kein Anderer als icb.<
Wiederum lesen wir in der Frasna-Up. II, 13: •Diee Allst
ist in der Macht dos PrA/ia, waa immer iu den drei "■""***■
existiert. Iteschatso uns, wie eine Mutter ihre SShiu, be-
schützt, und gib uus Glück und Weisheit.'
In der Kaush. Up. III, & dndon wir eine noch wiehtjgan
ErkUrung: >Er, der PrAna, der Geist, tat d«r Bew^inr
Wahre Unsterblichkeit. 243
der Welt, er ist der König der Welt, er ist der Herr des
Weltalls, er ist mein Selbst, dies wisse man.« In unserer
eigenen Sprache wflrde dies heißen: Der göttliche Geist be-
herrscht die Welt, und in ihm leben, weben und sind wir.
Was Pumsha anbelangt, so bedeutet dieses Wort zwar
gewöhnlich ^Mann', wenn es aber auf die höchste Gottheit ange-
wandt wird, so können wir es nur durch Terson* übersetzen,
frei von Allem, was rein menschlich ist, wenn auch gelegent-
lich mit Attributen ausgestattet, die eigentlich nur menschlichen
Wesen zukommen. In dem Geiste der Brahmanen spielt sich
derselbe unaufhörliche Kampf ab, der sich auch in unserem
Geiste abspielt. Sie wollen Alles, was beschränkt und Be-
dingungen unterworfen, Alles, was menschlich und persönlich
ist, von ihrem Begriff der Gottheit ausschließen, und doch
will ihre Sprache sich nicht fügen, und der männliche Gott
behält stets die Oberhand über den sächlichen.
Pumsha, heißt es in einem berühmten Hymnus des Rig-
veda (X, 90;, hat tausend Köpfe, tausend Augen und tausend
Füße. Das ist offenbar metaphorisch und mythologisch. Aber
gleich darauf sagt der Dichter: »Pumsha ist dies Alles, was
gewesen ist und was sein wird.«
Dann folgt eine merkwürdige Stelle, in welcher die
Schöpfung der Welt als ein Opfer dieses Pumsha dargestellt
wird, bei welchem aus seinem Geiste der Mond, aus seinem
Ange die Sonne, aus seinem Munde Indra und aus seinem
Atem Väyu, der Wind, entstanden sei. In demselben Hym-
nus kommt auch die früheste Erwähnung der vier Kasten
vor, wenn es heißt, dass der Bn\hma/^a sein Mund war, dass
seine Arme zu dem Rä^anya, der Kriegerkaste, und seine
Beine zu dem Vai^ya wurden, während der »STidra aus seinen
Füßen hervorgebracht wurde.
Andere Namen des höchsten Wesens, Skambha«
Es gibt noch viele Namen ähnlicher xVrt. Skambha,
wörtlich ^Stütze', wird zu einem Namen des höchsten Wesens.
lü*
244
Achte VorluBunt'-
80 lesen wir im Atharvgrveda X, S, 2 : 'Skambha ist alles Be-
seelte, was immer atmet nnd was immer die Ängen schließt.«
Im Kigveda bereits ist Skambba oft erwähnt aU Sttttse
des Himmels. Im Atharva-vedu ist er als der Hnchate berflhmt
I'ra^äpati, der Herr der Schöpfung, heißt ea Av. X, 7, 7),
ruhte snf Skambba, als er die Welten fest machte. Die drei
lind dreißig G()tter sollen die Glieder seines Körpers bilden
(27), die gauxe Welt ruht auf ihm, er hat Himmel und Erde
befestigt, und er durchdringt das Weltall {'Sh). Finsternis
ist gesondert von ihm, er ist von allem Übel entfernt (40).
Auf diese nnd viele andere verschiedene Weisen sncbte
der indische Geist sich mehr und mehr von der früheren
Bildersprache der physischen Religion zu befreien, and er er-
reichte in Brahman, in Pnrusba, in Prftna nnd in Skambhk
die abstrakteste Phase des Denkens, die in irgend einer mensch-
lichen Sprache Ausdruck linden kann.
Diese Ausdrucke sind in der That viel mehr abstrakt
nnd weniger persönlich, als andere Namen, die wir vielleieht
eher geneigt wären, in unserer eigenen religiösen Sprache m
dulden, wie eum Beispiel Pra^äpati, Herr der Geschöpfe,
Vi^vakiirman, der Macher aller Dinge, Svayambhü, der dorch
sich selbst Existierende, Namen, welche die vedischen Den-
ker eine Zeit lang, aber auch nur eine Zeit lang befHedi^a,
bis sie alle dnrch Brahman, dati Neutrum, als das, was die
Ursache aller Dinge ist, das Unendliche nnd Göttliche — in
weitesten und höchsten Sinne des Wortes — verdraagl
wurden.
Namen fUi- die üttele.
Wahrend aber dieser Prozesa, die Entbleidang des üött-
lichen von allen seinen unvollkommenen Attributen, tob
statten ging, gab es einen anderen noch wichtigeres PronoB,
den wir gleichfalls in der Sprache des Voda verfolgen kOa-
nen nnd der die Seele oder das Unendliche im MensehsB
zum Gegenstände hat.
Wahre Unsterblichkeit. 245
Nachdem die alten Denker die Frage aufgeworfen hat-
ten, was das wahre Wesen der Gottheit ausmache, be-
gannen sie sich zu fragen, was das wahre Wesen der
Menschheit ausmache.
Aham, Ego.
Die Sprache gab zunächst den Namen Ego^ das San-
skrit ah am, an die Hand. Dies war wohl ursprünglich
nicht mehr als ein Demonstrativpronomen und bedeutete, gleich
dem griechischen ode^ ^dieser Mann da', ohne dass der Sprecher
sich damit auf irgend eine weitere Behauptung einließ. Der
Mensch sagte: Ich bin ich, wie er die Gottheit hatte sagen
lassen: Ich bin ich. Aber bald bemerkte man, dass das,
was man unter diesem Ich verstand, vieles rein ZaHUlige in
sich schloss, dass es Oberhaupt das Resultat äußerer Umstände
war, dass es vom Körper, von Leben, von Alter, von Ge-
schlecht, von Erfahrung, von Charakter und Wissen abhing
und nicht ein einfaches, sondern ein höchst zusammengesetz-
tes Wesen bezeichnete.
A
Atman«
Zuweilen wurde das, was den Menschen ausmacht, mit
demselben Namen benannt, wie die Gottheit: präna, Geist^
oder asu, Lebensodem, auch ^iva, die lebendige Seele,
und manas, Denkorgan. Doch bezeichneten alle diese Na-
men nur verschiedene Seiten des Ichs, und keiner derselben
befriedigte die indischen Denker auf die Dauer. Sie waren auf
der Suche nach Etwas, was hinter all dem lag, und sie versuch-
ten es mit einem neuen Namen, dem Namen Atman, zu
erfassen. Dieses Atman ist wieder sehr schwer etymologisch
zu erküren. Man nimmt an, dass es ursprtinglich ^Atem'
bedeutet habe, dann ^Seele', dann ^Selbst' als Substantiv, bis
es wie ipse oder airrog zu dem anerkannten Reflexivprono-
men wurde. Viele Gelehrte identifizieren dieses ätmän
246
Acht« VorlesnDg.
»
mit dem ags. ledio, dem alid. adnm, 'Atem* oder 'Odem' im
Nenhocbdentacben. allein weder der WurEelbestaudteil Doch
die Ableitungssilbe des Wortes ist irgendwie befriedigend
erklärt.
Wenn fktman als der Name des wahren Wesens des
Mensclien gebraucht wird, Ist es scliwer zu sagen, ob es in
der Bedeutung von 'Atem* herftbergenommen wurde, oder olt
CS schon zu dem Pronomen 'selbst' geworden war und in
diesem Sinne hertlbcrgenommen ward, um nn die Stelle Ton
Aham. Ego, Ich, zu treten. Es wird gewöhnlich durch
'Seele' Übersetzt, und an vielen Stellen ist dies ohne Zweifel
die richtige Übersetzung. Nur hat 'Seele' selbst wegen ihrer
vielen Attribute so viele Bedeutungen , und mehrere der-
selben Uasen »ich auf Atman sowenig anwenden, dasa ich
es vorzielie, ätmun durch 'Selbst' — d. h. das wahre Wesen
des Menschen, das noch von allen Attributen frei ist — zn
übersetzen.
Ätman stellt eben auf Seiton der subjektiven Henseh-
lichitoit das dar, was Brahmaa auf Seiten der objekären
flattlichkeit darstellt; es war der abstrakteste Name fllr
das, was ich das Unendliche oder das Oüttlicho im Henaeben
nenne.
Es hat uatQrlich in alten Zeiten Philosophen gegeben,
wie es deren noch jetzt gibt, welche leugnen, dasa es etwas
GCttlichcs im Menschen gebe, wie sie leugnen, dass es etwas
GGttliehos in der Natnr gebe. Uoior dem OOttlichen la
Menschen verstehe ich noch nicht mehr, als das nicht-phioo-
Dienale Agens, von dem die phanomenaleu Attribute desFOhlaBS,
Denkens und Wollens abhängen. Für die indischen Philosophen
war dieses Agens von selbst einleacbtend [svayam-prakä«a), nad
dies kann noch immer als die Anscbanung des gesonden H«n-
schen verstau des hinsichtlich dieser Sache bezeichnet werdea.
Aber selbst die kritischesten Philosophen, welche die Wirklich-
keit vuu Allem, was nicht in unmittelbare Berührung mit deo
Sinnen kommt , leugnen , werden zugeben müsaen , daaa die
Phänomone des Fohlens, Denkens und Wollens vi>n Irgend
Wahre Unsterblichkeit. 247
etwas bedingt sind, nnd dass dieses Etwas znm mindesten
ebenso wirklich sein mnss, wie die Phänomene, welche von
demselben bedingt sind.
Dieses Selbst wurde jedoch nicht in Einem Tage ent-
deckt Wir sehen in den Upanishaden viele Versuche, es
zn entdecken nnd zu begreifen. Ich will Ihnen wenigstens
Eine Probe geben, eine Art Allegorie, welche das Sachen
nach dem wahren Selbst im Menschen darstellt. Es ist ein
schätzbares Bruchstflek der urältesten Psychologie und ver-
dient als solches ausführlich citiert zu werden.
Dialog ans der JKAändogya-üpanlsliad.
Es ist ein Dialog in der .A'XAndogya-Upanishad, VIII, 7 ff.,
der zwischen Pra^äpati, dem Herrn der Schöpfung, und Indra
als dem Vertreter der glänzenden Götter, und ViroÄana als
dem Vertreter der Asuras, die hier schon in ihrem späteren
Charakter, nämlich als die Gegner der Devas, aufgefasst
werden, stattgefunden haben soll.
Pra^äpati, heißt es, habe den folgenden Ausspruch ge-
than: »Das Selbst (Ätman), welches frei von Sünde, welches
von Alter, von Tod und Kummer, von Hunger und Durst
frei ist, welches nichts verlangt als das, was es verlangen
sollte, welches sich nichts vorstellt, als das, was es sich
vorstellen sollte: das müssen wir ausfindig machen, das müs-
sen wir zu verstehe^ suchen. Wer dieses Selbst erkannt
hat nnd es versteht, der erlangt alle Welten und alle Wün-
sche, € — d. h. endgültige Seligkeit.
Die Devas die Götter) und die Asuras die Dämonen)
hörten Beide diese Worte und sagten: > Wohlan, wir wollen
nach jenem Selbst suchen, durch welches man, wenn man
es ausfindig gemacht hat, alle Welten und alle Wünsche
erlangt.«
Mit diesen Worten brach Indra von den Devas und
ViroX:ana von den Asuras auf, und ohne sich miteinander ver-
abredet zn haben, näherten sich beide dem Pra^apati, Brennholz
24 S
Achlo Vorlesunf;.
in der Hand haltend, wie es bei Schülern, die sich ihfem
Lehrer nahen, Brauch ist.
Sie wohnten dort zweiunddreißig Jahre lang als SchDier.
(Dies spiegelt das Leben in Indien in alter Zeit ab, wo
Schüler oft Jahre lang ihren Lehrern fast als gemeine
Knachte dienen muBBten, am sie ssu bewegen, ihnen ihre
Kenntnis mitzuteilen..!
Nachdem Indra nnd Viro^ana zweiunddreißig Jahre bei
Fra^äpati gewohnt hatten, wandte sich Prayäpati endlieh an
Bio mit der Kroge:
>1q welcher Absicht habt ihr Beiden hier gewohnt?*
äie antworteten , sie halten Beide den Anssprnch des
Prai^flpali gehiirt nnd sie hätten bei ihm gewohnt, weil siu
das Selbst zn erkennen wünsohlen.
Wie viele der alten Weisen, zeigt sich jedoch Praylpati
nicht sehr geneigt, seine Wissenschaft ohne Weiteres weg-
zuschenken. Er gibt ihnen verschiedene Antworten, welche
zwar nicht gerade falsch, aber doppelsinnig und einer fal-
schen Deutung ausgesetzt sind.
Er sagt zunächst: >Der Parusha (die Person), der in
dem Auge gesehen wird, das ist das Selbst. Das ist es.
was ich gesagt habe. Das ist das Unsterbliche, das Kurchl-
lose, das ist Brahman.«
U&tteu seine SchQler dies in dem Sinne verstanden,
dass es sich auf die Person beziehe, welche durch das Angs
oder aus dem Auge sieht, so hätten sie eine richtige, weu-
gleich indirekte Vorstellung von dem Selbst bekommen. Wann
sie aber dachten, dass die Abspiegelung des Mensehen a
dem Auge einer andcreu Person damit gemeint sei, so hatten
sie Unrecht. Und sie fassten es offenbar in dem letstenn
Sinne anf, denn sie fragten: »Herr, wer ist derjenige, wd-
cher im Wasser bemerkt wird, und derjenige', welflher ia
einem Spiegel bemerkt wird?«
Er erwiderte: »Er — das Selbst selbst eben — iil
es, der in diesen allen gesehen wird.«
Wahre Unsterbliobkeit. 249
> Betrachtet euch selbst in einer Pfanne mit Wasser, nnd
was ihr von euch nicht versteht, das saget mir.c
Sie schauten in die Wasserpfanne. Da sagte Pra^äpati
za ihnen:
»Was sehet ihr?«
Sie sagten: »Wir sehen das Selbst ganz nnd gar so,
ein genaues Ebenbild bis zu den Haaren und Nägeln selbst. «
Pra^äpati sagte zu ihnen: »Nachdem ihr ench ge-
schmückt, eure besten Kleider angethan und euch gereinigt
habt, schaut wieder in die Wasserpfanne.«
Nachdem sie sich geschmflokt, ihre besten Kleider an-
gethan und sich gereinigt hatten, schauten sie in die Was-
serpfanne.
Pra^äpati sagte: »Was sehet ihr?«
Sie sagten: »Gerade so wie wir sind, schön geschmflckt,
mit unseren besten Kleidern und rein, so, Herr, sind wir
beide darin, schön geschmückt, mit unseren besten Kleidern
und rein.«
Pra^äpati sagte: »Das ist das Selbst, das ist das Un-
sterbliche, das Furchtlose, das ist Brahman.«
Befriedigten Herzens gingen sie beide von dannen.
Und Pra^äpati sagte, ihnen nachsehend: »Sie gehen
beide dahin, ohne das Selbst wahrgenommen, ohne es erkannt
zu haben ; und wer von diesen beiden Teilen, die Devas oder
die Asuras, dieser Lehre (upanishad) folgen wird, der wird
zu Grunde gehen.
Befriedigten Herzens ging nun ViroXrana zu den Asuras
nnd predigte ihnen diese Lehre, dass man das Selbst allein
verehren, dass man dem Selbst allein huldigen müsse, und
dass derjenige, welcher das Selbst verehre und dem Selbst
huldige, beide Welten, diese nnd die nächste, gewinne.
Darum nennt man noch jetzt einen Mann, der hier keine
Almosen gibt, der keinen Glauben hat und keine Opfer dar-
bringt, einen Äsura, denn dies ist die Lehre der Asuras.
Sie putzen den Leib der Toten mit Wohlgerüchen, Blumen
250
Achte Vorieanng,
Dud ^ohßaen UHwAnderii aU Schmuck auf, und gUnben, di
sie auf dieaa Weise die Welt erringen weiden.
Indra aber sali, ebe er nuch zn den Devaa znrQckge-
kehrt war. ilte folgende Schwierigkeit: >Wie dieses Selbst
(der Schatten im Wasserj scLöd geschmückt eraobeiDt, wenn
der Körper schön geachmOckt ist, schOn gekleidet, wenn
der Körper schön gttkleidet, gut gereinigt, wenn der Kör-
per gut gereinigt ist, so wird dieses Selbst auch blind
erscheinen, wenn der Körper blind ist. lahm, wenn der Kör-
per lahm, verkrüppelt, wenn der Körper verkrüppelt ist, and
Uberhaupt zu Grande gehen, sobald der Körper zn Gründe
geht. Daram sehe ich tu dieser Lehre nichts Gates.!
Mit Brennholz in der Hand kam er wieder als Schitier
an Pra^äpsli. Pra^iÄputi sagte zu ihm: iMaghavat, da da
doch befriedigten Ilerzens mit ViroZana von dannen gil^B^
zo welchem Zweck bist dn wieder zurflckgekehrt?«
Er sagte: >lieiT, wie dieses Selbst schön geschmfiiM
erscheint, wenu der Körper schön geschmdckt ist, adiOi
gekleidet, wenn der Körper schön gekleidet, gut gereinigt,
wenn der Körper gut gereinigt ist, so wird dieses Seibit
auch bliud erscheinen, wenn der Körper blind ist. lahn,
wenn der Körper lahm, verkroppelt, wenn der Körper ver-
krOppelt ist, und tlberhanpt zu tirunde gehen, sobald der
Körper zn Grunde geht. Darnm sehe ich in dieser Ldm
nichts Gntos.«
•So ist CS in der That, Haghavat,' roraettte PrajApaÜ,
■ aber ich werde ihn (das wahre Selbst) dir noch w^ter er-
kUren. Wohne noch einmal zweinnddreißig Jahre hei mir.«
Er wohnte noch einmal zweinnddreiBig Jahre bri ibm, md
dann sagte Prai7äpati:
• Der inTrünmen selig umherwandert, er Ist das SelbU,
dies ist das Un.iterbliche. das Furchtlose, dies ist firabnu.*
Da ging ludra befriedigten Herzens von dannen. Eh«
er aber noch zn den Devas znrflckgekchrt war, sah er üt
folgende Schwierigkeit: >Wohl ist es wahr, dass dieses Selbst
uioht blind erscheint, wenn der Körper blind ist, nnd niekt
Wahre Unsterblichkeit. 251
lahm. weoD der Körper lahm ist. wohl ist es wahr, dass die-
ses Selbst dnrch seine .des KOrpers Gebrechen nicht ge-
brechlich wird, dass es nicht geschlagen nnd nicht gelähmt
wird, wenn (der Körper) geschlagen oder gelähmt wird, aber
es ist doch, als ob sie ihn (das Selbst in Träumen schlfi-
gen. ah ob sie ihn verfolgten. Er hat sogar gleichsam ein
Bewnsstsein von Schmerz and vergießt in seinen Träumen
Thränen. Darum sehe ich nichts Gutes darin.«
Mit Brennholz in der Hand ging er wieder als SchQler
zu Pra<74pati. Pra^äpati sagte zu ihm: >Maghavat. da du
doch befriedigten Herzens von dannen gingst, zu welchem
Zweck bist du wieder zurückgekehrt?«
Er sagte: >Herr. wohl ist es wahr, dass dieses Selbst
nicht blind erscheint, auch wenn der Körper blind ist. und
nicht lahm, wenn der Körper lahm ist. wohl ist es wahr,
dass dieses Selbst durch seine ;des Körpers > Gebrechen nicht
gebrechlich wird, dass es nicht geschlagen und nicht gelähmt
wird, wenn er der Körper', geschlagen oder gelähmt wird,
aber es ist doch, ah ob sie ihn ^das Selbst) in Träumen
schlagen, ah ob sie ihn verfolgten. Er wird sich sogar eines
Schmerzes gleichsam bewusst und vergießt (in seinen Träu-
men^ Thränen. Darum sehe ich nichts Gutes darin.«
>So ist es in der That Maghavat.« versetzte Pra^äpati.
>aber ich werde ihn das wahre Selbst) dir noch weiter er-
klären. Wohne noch einmal zweinnddreißig Jahre bei mir.«
Er wohnte noch einmal zweiunddreißig Jahre bei ihm. Dann
sagte Pra^ipati: »Wenn ein Mensch schläft und. ruhig da-
liegend, in vollkommener Gemütsruhe, keine Träume ^ieht.
so ist dies das Selbst, so ist dies das Unsterbliche, das Furcht-
lose, so ist dies Brahman.«
Da ging Indra befriedigten Herzens von dannen. Ehe
er aber noch zu den Devas zurückgekehrt war. sah er die
folgende Schwierigkeit: >Auf diese Weise kennt er ja doch
sich selbst sein Selbst nicht, er weiß nicht, dass er Ich ist.
nnd er kennt auch nichts, was existiert. Er ist in gänzliche
Vemichtong fibergegangen. Ich sehe darin nichts Gutes.«
252
Aehte Voi-leBonp.
Hit Bronnliok in dei' Hitnd giug er Doch einmal als
Schmer zu Prat/äpati. Piayftpati sagte zu ihm: >Maghavat.
da du doch befriedigten Herzens von dannen gingst, za wel-
chem Zweck bist da wieder zurückgekehrt?«
Er sagte: 'Herr, auf diese Weise kennt er ja doch sieb
selbst nicht, er weiß nicht, dass er Ich ist, und er kennt
auch nichts, was existiert. Er ist in gSnzliohe Vernichtnng
0 berge gangen. Ich sehe darin nichts Gates,*
>So ist es in der That, Magharat,* versetzte Pra^Apati.
.aber ich werde ihn {das wahre Selbst) dir noch weiter er-
klflren, und nichts mehr als dies. Wohne noch fonf Jahre
hier. <
Ei wohnte noch fOnf Jahre dort. Das macht im Oaoten
hundertnndein Jahre, und darum heißt es, dass [ndra Hag-
liavat hunilertundeiu Jahre als Schüler bei Pra^&pati wohnt«.
Praj^Apati sngte zu ihm: >Maghavat, dieser KOrper ist
sterblich und stets vom Tode in Besitz genommen. Er ist die
WohnstAtte des Selbst, welches nnatetblich und ohne KSrper
ist. Wenn das gelbst in dem Körper ist (dadurch, dass ea denkt:
Dieser Körper ist Ich, und ich bin dieser Kflrper), wird es von
Lnat und Schmerz in Besitz genommen, tio lange es'] in dem
Körper ist, kann es nicht von Lnst und 8chmerz frei werden.
Wenn es aber von dem Körper frei ist (wenn es sich selbst
als von dem Körper verschieden kennt , dann haften weder
Lust noch Schmerz an ihm. Der Wind ist ohne Körper, die
Wolke, der Blitz und der Donner sind ohne Körper {ohne
Hände, Fuße u. s. w. . Wie nun diese, nachdem sie an)
diesem Himmelsäther (dem Ranme) sich erhoben, in ihrer
eigenen Form erscheinen, sobald sie sich d^m höchsten Licht
genähert haben, so erscheint dieses ruhig heitere Wesen,
nachdem ea sich aus diesem KSrper erhaben, in seiner ei$t-
nen Form, sobald es sich dem bOcbston Licht (der Kenntnil
l) Im Sanskrit iät 'daa Selbst' (Auumi; uiiiskiilin, daher i»
Englischen 'he'. Im Dentacben können wir nicht gut 'er' afn,
weil 'der Körper' luask, ist. Anm. ärt Vieri
Wahre Unsterblichkeit. 253
des Selbst) genähert hat. Das Selbst (in diesem Zustande)
ist die höchste Person (uttama pürusha). Es wandert dort
hemm, lachend (oder: essend), spielend nnd sich (im Geiste)
erfreuend, sei es mit Frauen oder Wagen oder Verwandten,
ohne sich je um den Körper zu kümmern, in welchen es
geboren ward.
»Wie ein Pferd an einen Wagen gespannt ist, so ist
der Geist (prä/ta, pray/iätman) an diesen Körper gespannt.
»Wo nun das Gesicht in die Leere (den offenen Raum,
die schwarze Pupille des Auges) eingegangen ist, dort ist
die Person des Auges, das Auge selbst ist nur das Mittel
zum Sehen. Derjenige, welcher weiß, 4ch will dies riechen',
der ist das Selbst, die Nase ist nur das Mittel zum Riechen.
Derjenige, welcher weiß, ich will dies reden', der ist das
Selbst, die Zunge ist nur das Mittel zum Reden. Derjenige,
welcher weiß, ich will dies hören*, der ist das Selbst, das
Ohr ist nur das Mittel zum Hören.
»Derjenige, welcher weiß, ich will dies denken', der ist
das Selbst, das Denkorgan ist nur das göttliche Auge. Er,
das Selbst, freut sich, indem er durch sein göttliches Auge,
d. b. durch das Denkorgan, diese Genfisse (welche Anderen
▼erborgen sind, wie ein vergrabener Schatz von Gold)
sieht
»Die Devas, welche in der Welt Brahmans sind, den-
ken über dieses Selbst nach (wie es Pra^äpati den Indra und
Indra die Devas gelehrt hat). Darum gehören ihnen alle
Welten an, sowie auch alle Wünsche. Derjenige, welcher dieses
Selbst kennt und es versteht, erlangt alle Welten und alle
Wünsche, c So sprach Pra^pati, ja, so sprach Pra^äpati.
Dies ist eine Art psychologischer Legende, die trotz
gewisser Ausdrücke, die uns sonderbar, vielleicht Unverstand-
lieh vorkommen, schwerlich in irgend einer alten Litteratur
ihres Gleichen hat. Gibt es selbst heutzutage, nachdem
mehr als zweitausend Jahre verstrichen sind, viele Leute,
die sich um diese Fragen kümmern ? Wenn Jemand so weit
geht, über sein Ich zu sprechen, so beginnt er schon, sich
tlA
Achte VorleaunR,
einigermaßen Dir einen Philosopheu zn halten. Allein nur
»br wenigen Denkern und seibat Pbilosophen von Beruf ßlllt
ee ein, zn fragen, was dieses Ic/i sei. was es aetn kOnne
nnd W&9 ea nicht sein k<)nne, was dahinter liege, und wu
dessen wahres Wesen sei. Die Sprache gibt ihnen den Namen
•ßeele' fix und fertig an dio Hand. -Ich Labe eine 8eele,<
sagen sie, aber wer oder was das ist, was eine Seele hat, nnd
wober diese Seele kommt, kümmert sie wenig. 8ie sprechen
wohl von 'v-h' und von Hfh selfisf, aber wer nnd was jentn
Selbst iet, das sie als ihr Selbst bezeichnen, und wer dai ItA
tat, zu dem jenes Solbat geh5rl. wird nnr selten gefragt. Kein
indischer Philosoph witrdo sagen: >Ich habe einen Atmasodar
eine Seele. < Und hier finden wir diese alten Denker in lodien,
welche die zn atellende Frage deutlich erkennen nnd ais
anch besser beantworten, als sie je beantwortet worden ist.
Man mag sagen, wir wissen Alle, dass unsere Kleider nichts
mit nnserem Selbst zu tbnn haben, nnd dass nicht nnr PU-
loBophen, sondern die Leute im Allgemeinen schon In der
Kinderstnbe gelernt haben, dass ihr Körper nur ein Kind
ist und mit ihrer Seele nichts zu schaffen hat. AUein «s
gibt Kleider nml Kleider. Ein Mann mag sagen, er sd all
Hchtngjttbriger Greis derselbe, wie als er acht Woebea alt
war, sein Kfirper habe sich voränderl, aber nicht »ein Selbtt
Auch das Geschlecht ist nur eines von vielen Kleidern, die wir
In diesem Leben tragen. Bin Vedäntist konnte utm fTagn:
Wenn ein Manu als Weib wiedergeboren wDrdo . würde seiD
Selbst noch dasselbe sein, wilvde er eine and dieselbe Persm
sein? Andere Kleider der Art ^nd Sprache, NationaUU^
Religion. Bin VedAntisl; knnnte fragen: Gesettt ein UeaKh
wäre in dem n&chslcn Lebeu von allen diesen knßeren Hül-
len entblößt, würde er noch eine und dieselbe Person adn?
Wir bilden nna vielleicht ein, dass wir für alle dies« Frafen
eine Antwort bereit haben, oder dass sie von »o weisen Leo-
tan, wie wir sind, gar keine Aulwort verdienen, nnd doeb,
wenn wir un« die einfache Pr^e stellen, wie «ir die SeelSB
derjenigen , welche uns in diesem Loben lieb gtwesen riid,
Wahre Unsterblichkeit. 255
aDintreffen hoffen, so werden wir finden, dass unsere Ideen
Ton der Seele vieler HfiUen entkleidet werden, dass sie ebenso
sehr gereinigt werden mflssen. wie die Ideen der Fragesteller
•
in der alten Upanishad. So alt auch diese Fragesteller sind.
so fem sie uns auch stehen, so sonderbar uns anch ihre Sprache
klingen mag, so können sie nns doch mindestens Freunde
nnd Helfer im Rate werden.
Dass die Legende, welche ich Ihnen aus den Upanisha-
den übersetzte, eine alte Legende ist, oder dass etwas Ähn-
liches vorhanden war, bevor das Kapitel in unserer Upani-
shad verfasst wurde, können wir aus der Stelle schließen, wo
wir lesen: »Damm heißt es« — oder wörtlicher: *Das ist
es, was sie sagen' — »dass Indra Maghavat hundertundein
Jahre als Schfiler bei Pra^äpati wohnte. « Andererseits kann
die Legende nicht der ältesten vedischen Litteratur zuge-
sehrieben werden, denn in den Hymnen ist Indra ein höch-
ster Gotty der die Idee, ein Schfiler des Pra^&pati zu werden,
mit Verachtung von sich weisen würde. Dieser Pra^äpati,
d. b. Herr der Schöpfung oder alles Geschaffenen, ist, wie
wir sahen, selbst eine spätere Gottheit, eine Personifikation
der schöpferischen Gewalt, ein Name der höchsten und doch
eiaer persönlichen, mehr oder minder mythologischen Gottheit.
Was aber auch der ürsprang dieser Legende gewesen
sein mag. wir finden sie hier in einer der alten und aner-
kannten Upanishaden und können sie schwerlich später an-
setzen, als die Zeit Plato's und seiner Schüler. Ich nenne
sie eine psychologische Legende, weil sie uns einige der frü-
heiten Versuche indischen Denkens aufbewahrt zu haben
seheint, das zu begreifen und zu benennen, was wir ohne
viele Überlegung mit dem ererbten Namen *Seele bezeichnen.
Sie erinnem sich vielleicht, dass gewisse Anthropologen die
Ansicht verteidigen, dass der erste Begriff der Seele überall,
Bad namentlich bei wilden Völkem, der eines Schattens ge-
wesen sei, ja dass manche Wilde selbst jetzt glaubten, der
Schatten sei die Seele eines lebendigen Menschen, und daram
werfe eine Leiche keinen Schatten. Es wundert mich, dass
256
Achlp Vürk'fiung.
Anthropologen nio unBeren Dialog zur SlStze ihrer Ansicbl
angeffllirt haben; freilicL wird äie in unserem Fall niclit von
cineiD nilcivilisierten , sondern einem hoch civilisierten Volke
aufgestellt, nnd zwar nnr um widerlegt zu werden.
Anoh die zweite Ansicht, dass die Seele das sei, was im
Schlafe und gleichaam ohne den Körper in Träumen Visioneii
sehe, könnte zur Stütze einer anderen von Anthropologeii
oft vorgebrachten Meinung angeführt werden, dass nämlich
die erste Idee einer körperlosen Seele aus Träumen hervor^
gegangen sei, uud dass selbst jetzt gewisse wilde Völker glau-
ben, die Seele verlasse im Traume den Körper und wuden
fUr Bich herum. Dies mag in vereinzelten Fällen so sein; «k
sahen aber, dasa der wirkliche Ursprung des NameoB i
Begriffes der Seele viel vernunftgemäßer war, dasa die Ifw-
Hchen den Atem, das greifbare Zeichen des Agens in d
als Namen der Seele gebrauchten, indem sie ihn im La
der Zeit aller mit einem unsichtbaren Agens nnverträgtiebn
Attribute entkleideten. Wie dem aber auch sein mag, fi
Anthropologen werden vielleicht einzusehen beginnen, du
auch der Veda Überreste alten Denkens enthält, obaehoa e
gleichfalls zur Warnung dienen kann gegen allsn ruehs To"
allgemeinerung und namentlich dagegen, im Veda ein TOlltMi-
digesBild des Wilden oder dessen, was sie den Urmenachev
nennen, sehen zn wollen.
Uedokttonen von dem Dtaloir.
Doch nun wollen wir sehen, was die spätere Vedänl«-
PhiloBophie ans dieser Legende macht. Die Legende aelbsl,
wie wir sie in der Upanishad finden, zeigt schon, dus
sie einen höheren Zweck verfolgte, als einfach darzathnn.
dass die Seele nicht eine bloße Erscheinung, nicht du
Spiegelbild im Ange, nicht der Schatten im Wasser, nicht
die Person sei, die einen Traum hat oder im traumlosen .Schlaf
alles Bewnsstsein verliert. Einer der Schüler des I>ra<7äpiti,
ViroX-ana, ist allerdings von der Idee befriedigt, dass d«r
Wahre Unsterblichkeit. 257
Körper, wie er sich im Auge oder im Wasser abspiegreit,
das Selbst sei, das sei, was ein Mensch wirklich ist. Aber
nicht so Indra. £r begntlgt sich nicht einmal damit, dass die
Seele die Person in einem Tranme sei, denn, sagt er. selbst
im Tranme hat der Mensch ein Bewasstsein Ton Schmerz
und vergießt thatsächlich Thränen. and darom wOrde die
Seele, wenn sie ein Tranm wäre, nicht vollkommen, nicht
frei von Leiden sein. Ja. wenn gesagt wird, dass die Seele
die Person im tiefen nnd tranmlosen Schlafe sei. so kann
sogar dies den Indra nicht befriedigen, denn in dem Falle,
sagt er. wOrde alles Bewnsstsein geschwanden sein, er wQrde,
wie er sieh aasdrückt, nicht wissen, dass er, das Selbst. *Ich'
isU oder dass es ein Ich selbst' gibt.
Pra^äpati gibt ihm sodann die höchste Unterweisung, die
er mitzateilen vermag, indem er sagt, dass die Seele durch
Erkenntnis allein frei werden kann, dass sie durch Erkenntnis
«
allein existiert, dadurch dass sie erkennt, dass sie vom Kör-
per und von allen anderen Beschränkungen frei ist. Dann
kann sie. ein ruhig heiteres Wesen in ihrer eigenen Form,
üeh aus dem Körper erheben nnd sich dem höchsten
Lichte, der höchsten Erkenntnis nähern, der Erkenntnis,
dass ihr eigenes Selbst das höchste, in der That das göttliche
Selbst ist.
So weit wäre Alles verständlich. Es wfirde nicht erst
des Todes bedfirfen, die Seele vom Körper zu befreien, Er-
kenntnis allein würde diese Befreiung viel besser zu Stande
bringen, nnd die Seele wfirde schon in diesem Leben ihrer
körperlichen Wohnung, ihren körperlichen Freuden und ihren
körpeiüchen Leiden gegenfiber nichts als eine Zuschauerin
idn, eine stumme Zuschauerin selbst bei dem Verfall und
Tode des Körpers.
Doch der Vedänta-Philosoph ist nicht so leicht zu be-
friedigen: nnd ich denke, es wird interessant sein und Ihnen
eine bessere Idee von der philosophischen Schärfe des
Vedantisten geben, wenn ich Ihnen «S'ankara's Behandlung
Mkx utile r, TkMMfkie. 17
258 Aciite VorleBiiDg,
unaerer paycbolo^sohen Legeude vorlese. Dies ist natarÜch
tiiue viel spätere Phase des Denkens, mindesteos so spU alt
das siebeDte Jahrlinndert n. Chr. Dooli was in Indien neu
und modern ist, ist es für ans nicht gar so Hehr.
Nanknra'fl Bern erb ungen.
ä'aAkara, der Kommentator der Vedänta-Sütras. quält sich
nicht wenig ab, wenn er diesen Dialog Ewischeu Pra^Bpati,
ludra und ViioX:anH über die wahre Natur des Selbst oder
der Seele des Menschen za erOrtern bat. Es liegt, wie er
glaubt, ein scheinbarer Mangel an Wahrhaftigkeit anf Seitea
des Prai/äpati darin, duss er in seinen Schfllern eine fkls^
Vorstellung vi>n der wirklichen Natur des Atman oder dar
menschlichen Seele und ihrer Beziehung zu Brahman, det
höchsten Gottheit, erweckt. Ba ist gauii richtig, dass stiac
Worte eine zweifache Auslegung, eine falsche und eine lioh-
li^e, gestatten; doch weiß Pia^äpati. dass mindestens Einer
von seinen Schülern, Viro^aua. wenn er zu den Asuni
zurückkehrt, sie nicht in ihrem wahren Sinne verstanden
hat; nnd doch lüaat er ihn von dannen ziehen.
Daiu kommt aber noch eine wichtigere Schwierigkeit.
I'ra^äpatl hatte versprochen, zu lehren, was der wtibre Atman
sei. d&s Unsterbliche, das Furchtlose, daa Selbst, welch«
frei von Sünde, welches von Alter, von Tod nnd Knnunw,
von Hunger und Durst frei iat; seine Antworten &ber schei-
nen sieb nur anf das individuelle Selbst zn beziehen. WoWl
IT zum Beispiel zuerst sagt, dass die Fersen, wie n« in
Auge gesehen wird, diia Selbst ist (ya esho kshini dmykte),
so ist es ganz klar, dass ViroXana darunter d&s BildDlUB
oder das Spiegelbild versteht, welches ein Mensch von ^cb
selbst in der Pupille des Auges eines Freundes sieht. Und
darum fragt er, ob das Selbst, das als ein Spiegelbild !■
Auge gesehen wird, dasselbe sei, wie das, was als väa BfAf^"
gelbild im Wasser oder in einem Spiegel gesehen wird. P»>
yftpati bejaht dies, fVeilich — ohne Zweifel — mit einen
Wahre Unsterblichkeit. 259
^heimen Vorbehalt. Er hatte von Anfang an nicht die kleine
Fignr gemeint, die sich im Auge abspiegelt, sondern den
Seher in dem Auge, der aus dem Ange heraussieht, den
Seher als das Subjekt alles Sehens, der sieht, und tou dem
man sagen kann, dass er im Auge gesehen wird. Da jedoch
selbst das Spiegelbild im Auge mittelbar als das Spiegelbild
des wahren Atman bezeichnet werden kann, fordert er den
Viro^ana auf, seine Behauptung durch eine Art Experiment
zu prüfen, ein Experiment, das ihm die Augen hätte Offnen
sollen, es aber nicht that. Er fordert seine beiden Schfller
auf, ihr Bild im Wasser oder in einem Spiegel zu betrach-
ten, zuerst wie sie sind, und wieder, nachdem sie sich ge-
schmfickt haben. Er dachte, sie wfirden bemerkt haben, dass
diese äußeren Zieraten unmöglich ihr eigenes Selbst aus-
machen könnten, eben so wenig als der Körper, aber das
Experiment ist an ihnen verloren. Während Pra^äpati meint,
dass sie, in welchem Spiegelbilde immer sie sich sähen, wenn-
gleich verborgen, ihr wahres Selbst schauten, denken sie,
daas das, was sie sehen, nämlich der Körper, wie er sich im
Wasser abspiegelt, sogar der Körper mit Schmuck und EJei-
dem, ihr wahres Selbst sei. Es thut dem Pra^äpati leid um
sie, und dass er nicht ganz ffir ihren Irrtum verantwortlich
war, zeigen bald darauf die Zweifel, die sich wenigstens in
der Brust Eines seiner Schfiler erheben. Während nämlich
Yiro>tana zu den Asuras zurtlckkehrt, um sie zu lehren, dass
der Körper so, wie er sich im Wasser abspiegelt, sogar der
Körper mit Schmuck und Kleidern das Selbst sei, wird Indra
bedenklich und kehrt zu Pra^äpati zurück. Wie, fragt er,
kann der im Wasser sich abspiegelnde Körper das von Pra-
^pati verkfindete Selbst sein, von dem er gesagt, dass es
vollkommen und von allen Mängeln frei sei, ist ja doch, wenn
der Körper verkrfippelt ist, auch sein Bild im W^asser ver-
krflppelt, so dass das Selbst, wenn dies das Selbst wäre,
nicht das sein wflrde, was es sein muss, nämlich vollkommen
und unsterblich, sondern zu Grunde gehen würde, wenn der
Körper zu Grunde geht.
17*
260 Achte Vorlesung.
Dans dasselbe gcscliieht wie^ieriim bei der zweiten Lek-
tion. Allerdings ist die Person im Traume von geviasen
Mängeln des Körpers frei — eine blinde Person sieht, eine
taube Person hört im Traume, Aber aelbBt dann acheint er
auch dem Leiden nuterworlen. denn er kann im TfMune
tliats&chlich weinen. Damm iiann auch die trSnmeade äeele
nicht das vullicommene, von allem Leiden freie, wahre Selbe!
sein.
Wenn Pra^äpati in der dritten Lektion die Seele iu
tiersten Schlafe als das Selbst bezeichnet, weil sie dann niebt
mehr in irgend einer Weise leidet, entgegnet Indra, dass in
dleaem Falle ' die Seele gar nichts weiß und in gSnilicbe
Vernichtung übergegangen ist [vinä^am ova lipeti).
Erst in diesem letzten Augenblicke oETeubart Prsj^pati,
gleich anderen Weisen des Altertnms, aelneni SchOler tein
vollBt&ndiges Wissen. Das wahre Seihst, sagt er. hat mit
dem Körper nichts zu schaffen. Denn der Kflrper ist sterb-
lich, aber das Seihst ist nicht sterblich Da« Selbst wohnl
in dem Körper, und so lange er denkt, 'der Körper ist Ich
ond ich bin dieser Körper', wird das Selbst von Last nnd
Schmerz in Fesseln geschlagen, es ist nicht das toIUcoid-
mene, es ist nicht das unsterbliche Selbst. Sobald aber
das Selbst weiß, dass es'! vom Körper anabh&ngig ist nnä
— nicht durch den Tod, sondern durch Erkenntnis — vOD
demselben frei wird, leidet es nicht mehr; weder Schmeii
noch Lust berühren es. Wenn es sich diesem hflchsteo
Licht der Erkenntnis genähert hat, dann herrscht vottkom-
mene Ruhe und Heiterkeit. Es weiß, dass es das hOehite
Selbst ist, nnd darum ist es das höchste Selbst, und ob-
gleich es, so lange dus Leben wahrt, sich unter all den
Schönen und Angenehmen, was in der Welt zu sehen ist,
umherbewegt, ktlmmert es sich nicht darum, dies Allei g«fat
nnr seinen Körper, spin körperliches Selbst, sein Ich an. ninl
1) Siehe Adui. ntil' Si:ire 'i
Wahre Unsterblichkeit 261
es hat gelernt, dass dies Alles nicht es selbst, nicht sein
Selbst, nicht sein absolutes Selbst ist.
Es bleibt aber eine noch viel größere Schwierigkeit,
welche die Kommentatoren zu lösen haben, und die sie jeder
in seiner Weise lösen. Ffir uns ist die Geschichte Ton
Pra^pati einfach eine alte Legende, die, wie es scheint,
orsprUngllch nicht mehr lehren sollte, als dass eine Seele
im Menschen wohne, und dass diese Seele vom Körper unab-
hängig sei. Das wäre ffir eine so alte Zeit Weisheit genug
gewesen, insbesondere wenn unsere Annahme richtig ist, dass
der Glaube an die Seele als einen Schatten oder einen Traum
ein damals gäng und gäber Volksglaube war, der wirklich
eine Widerlegung heischte. Als aber in späterer Zeit diese
Legende ffir höhere Zwecke benfitzt werden musste, als man
Aber die Seele nicht nur lehrte, dass sie nicht der Körper,
nicht dessen Erscheinung, nicht dessen Schatten, nicht ein
Traumgesicht, sondern dass sie etwas Höheres sei, dass sie
zur Welt Brahmans emporsteigen und vor seinem Throne
vollkommene Gifickseligkeit genießen könne, ja als man noch
später entdeckte, dass die Seele fiber den Thron Brahmans
hinausgehen und noch einmal an dem eigentlichen Wesen
Brahmans teilhaben könne, — da erhoben sich neue Schwie-
rigkeiten. Diese Schwierigkeiten wurden von iSaäkara und
anderen Vedänta-Philosophen sorgfältig erwogen, und sie bil-
den noch immer einen Punkt, in Bezug auf den verschie-
dene Abteilungen der VedAnta-Schule abweichende Ansichten
verteidigen.
Die Hauptschwierigkeit war die, zu bestimmen, was das
wahre Verhältnis der individuellen Seele zu Brahman sei,
ob es eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den beiden
gebe, und ob der Ausspruch, dass die Seele vollkommen,
furchtlos und unsterblich sei, auch fQr die individuelle Seele
gelten könne. Diese Anschauung, dass die individuelle Seele
gemeint sei, wird in der Vedänta-Philosopliie von dem soge-
nannten Pürvapakshin verteidigt. Dieser Pürvapakshin —
eine ansgezeichnete Einrichtung in der indischen Philosophie
262
Acbio VorleBiinif.
— ist eino finsierte Person, welcher in joder Streitfrage
das Vorrecht zukommt, Alles zu eagen, was nur gegen die
sohließlich aufrecht gehaltene Meinung vorgebracht werden
kann. Alle möglichen Freiheiten im Erheben von Einw&nden
sind ihm gestattet, so lange er nur nicht ganz absnrd ist;
er ist etwaa Ähnliches wie der Strohmann, den moderne
Schiiftsteller in ihren Beweisführungen so gerne aufstellen, am
sich dann dessen Vernichtang ais ein großes Verdienst an-
rechnen zu k<1nnen. Vom indischen Standpunkt jedoch sind
diese Einwendungen gleich Pfählen, die mit jedem nach
ihnen gezielten Schlage tiefer eingerammt werden, und achlieO-
lieh den Zweck haben, die wahre Schlussfolgerung zu stutzen,
die auf ihnen anfgebant werden soll. Häufig sind die im
Pürvapaksha enthaltenen ElnwAnde ehrlich gemeinte Einwen-
dungen, die von Terschiodencn Autoritäten verteidigt woiioi
sein mögen, obzwar sie am Ende alle beseitigt werden nl^
aen , wobei denn ihre Beseitigung dem ntttzliohen Zwecke
dient, die featziistellende Lehre gegen jeden denkbaren Ein-
wurf geschützt zu haben.
In unserem Falle behauptet der Gegenredner, dau M
die individuelle Seele sei. die als der Gegenstand von Pra^
patis Lehre gemeint sein mQsse. Von dem Seher in den
Auge, sagt er, oder der Person, welche in dem Ange gb-
dehen wird, wird in den folgenden Sätzen, wenn es hiitii
'Ich werde i/in dir noch weiter orkUren', immer wieder all
derselben Wesenheit gesprochen , und in den folgendes Br-
klärnngen ist es die individuelle Seele in ihren versehiedenan
Zustanden [im Traume oder im tiefen Schlafe), von der ge-
sprochen wird, so dass die zu diesen beiden Erklirungen geliA-
rigen Satze, nämlich : 'ans ist das Vollkommene, das Unstet^
liehe, das Makellose, tlas ist Brahman', sich nur auf dk
individuelle Seele beziehen können, von der es heißt, dMt
sie frei von SQnde n. dgl. ist. Hernacb. wenn Pn^lpati
auuh in dem Zustand der Seele im tiefen Schlafe einen Hugd
entdeckt hat, llsst er sich auf eine weitere ErkUmng eb-
Er tadelt die Verbindung der Seele mit dem Kftrper und
Wahre UDBterbliehkeit. 263
erkürt achiießlich, dass es die individuelle Seele ist, aber
nur, oachdem sie sich ans dem Körper heraus erhoben hat.
Darans folgert der Gegner, dass die Schriftstelle die Mög-
lichkeit zulasse, dass die Eigenschaften des höchsten Selbst
dem individuellen Selbst zukämen.
«Sknkara macht sich jedoch sofort daran, diese Ansicht
zu widerlegen, obgleich die eigentlichen Worte des Pra^Apati,
wie wir sehen werden, allerdings die Erklärung des Gegners
zulassen. Wir geben nicht zu, sagt «S'aiikara, dass die indi-
viduelle Seele in ihrer phänomenalen Realität das höchste
Selbst sei, sondern nur die individuelle Seele, insofern ihre
wahre Natur in ihr offenbar geworden \U 'ävirbhütasva-
rApa), d. h. nachdem sie vermittelst wahrer Erkenntnis auf-
gehört hat, eine individuelle Seele zu sein, oder nachdem sie
ihre absolute Realität wiedergewonnen hat. Diese Zweideu-
tigkeit zieht sich durch das ganze System der Vedänta-Phi-
losophie, wie sie von «S^afikara aufgefasst wird. Pra^äpati
konnte scheinbar eine Menge Dinge von der individuellen
Seele behaupten, die eigentlich nur fflr das höchste Selbst
gelten, weil das individuelle Selbst seiner wahren Natur nach,
d. h. nachdem es die Erkenntnis seiner wahren Natur wie-
dergewonnen hat, in Wirklichkeit das höchste Selbst ist und
thatsächlich nie etwas Anderes gewesen ist. «Skökara sagt,
sehon dieser Ausdruck (*deren wahre Natur offenbar gewor-
den ist) qualifiziere die individuelle Seele in Bezug auf ihren
vorherigen Zustand. Darum hat man zu verstehen, dass
Pra^äpati zuerst von dem durch das Auge charakterisierten
Seher spreche, und dass er dann in der von dem Spiegel-
bild im Wasser oder im Spiegel handelnden Stelle zeige, dass
er, der Seher, sein wahres Selbst nicht in dem Körper oder
io dem Spiegelbild des Körpers habe. Pra^äpati verweist
dann wieder auf diesen Seher als das zu erklärende Subjekt,
indem er sagt: »Ich werde ihn noch weiter erklären;« und
nachdem er hierauf von ihm als den Zuständen des Träumens
und des tiefen Schlafes unterworfen gesprochen hat, erklärt
er schließlich die individuelle Seele ihrem wahren Wesen
264
Ariit'- Vorlosiinp-
Dsoli, d. b. insofern sie das liScbsto Briihmnn lat, nicht ioao-
fern sie eise individDelle Seele za sein scheint. Du hßchato
Licht, welches in der zuletzt ungeftlhrten Stelle als diisjenigr,
dem man sich za nähern hat, erwähnt vird , ist nichts An-
deres, als das h^^chsto Biahman, welches durch Ättributo
wie Vollkommenheit, Freiheit von SQnde, Freiheit von Alter,
von Tod nnd von allen UnvoUkommenheiten nnd Begierden
nasgeteichnet ist. Dies sind sämtlich Eigenschaften, welche
nicht der individoellen Seele oder dem Ich in dem Körper
zDgeschriehen werden können. Sie gehOren bloß dem höch-
sten Wesen an. Es ist dieses höchste Wesen, dieses Brah-
man allein, welches die Essenz der individnellen Seele .aos-
macht, während ihre phäeomennle Seite, welche auf nur
scheinbaren ReschriLnknngieu nnd Bedin^angen (upildhia) oder
auf dem Nichtwissen beruht, nicht ihre wahre Natnr sein
kann. Denn so lange die individuelle Seele sich nicht too
dem Nichtwissen oder dem Glauben an eine Zweiheit frei
macht, halt sie etwas Anderes filr sich selbst.
Wahre Erkenntnis des Selbst oder wahre Selbsterkennt-
nis drftckt sich in den Worten ans: >Da bist das« oder
• loh bin Brahmant, denn die Natnr des Brahman ist nnver>
ftnderliches, ewiges Erkennen. So lange die individnello
Seele nicht diese Stufe erreicht hat, bleibt sie die von den
Körper, von den Sinnesorganen, ja selbst von dem Denk-
urgan und dessen mannigfachen Funktionen gefesselte indi-
viduelle Seele. Vermittelet der ^'ruti oder Offenbarung alloB,
durch die von derselben abgeleitete Erkenntnis nimmt äi»
Seele wahr, diiss sie nicht der Körper, dass sie nicht die
Sinne, dass sie nicht das Denkorgan ist. dass sie keinm
Teil des Seelenwaoderungsprozesses bildet, sondern dua eie
das Wahre, das Wirkliebe, iii ''>>, das Selbst, dessen Natnr
in reiner Intelligenz besteht, ist nnd immer gewesen ist Wenn
sie sich einmal über die thörichl« Einbildung erhoben hat.
daaa sie mit dem Kürper. mit den Sinnesorganen nnd
mit dem Denkorgan Eins sei, wird sie tu dem Selbst, oder
sie weiß, dass sie das Selbst ist ond immer gewexen ist, du
Wahre ÜDsterblichkcit. 265
Selbsfy dessen Natur oiiTeränderliche, ewige Intelligenz ist.
Dies wird erklärt in Stellen wie die folgende: >Wer das
höchste Brahman kennt, wird zn dem Brahnian selbst. Und
dies ist die wahre Natnr der individuellen Seele, vermittelst
deren sie sich ans dem Körper erhebt und in ihrer eigenen
Form erscheint, c
Die wahre Natur der indlvldnellen Seele.
Hier wird ein neuer Einwand erhoben. Wie, wird ge-
fragt, können wir von der Offenbarung der wahren Natur
fsvarupa) dessen sprechen, was unveränderlich und ewig
ist? Wie können wir überhaupt von demselben als eine
Zeit lang verborgen und dann erst in seiner eigenen Form
oder in seiner wahren Natur wieder erscheinend sprechen?
Von Gold und ähnlichen Substanzen, deren wahre Natur
verborgen bleibt, indem ihre specifischen Qualitäten durch
ihre Berührung mit irgend einer anderen Substanz nicht zur
Erscheinung kommen, kann man allerdings sagen, ihre wahre
Natur sei verborgen gewesen und werde offenbar, wenn sie
durch Anwendung irgend einer Säure gereinigt werden. So
kann man auch sagen, dass die Sterne, deren Licht tagüber
von dem höheren Glanz der Sonne verdunkelt wird, des
Nachts, wenn die überwältigende Sonne verschwunden ist, in
ihrer wahren Natur offenbar werden. Es ist aber unmöglich.
von einem analogen Überwältigen des ewigen Lichtes der
Intelligenz durch irgend eine Kraft in der Welt zu spre-
chen, da es ja von aller Berührung frei ist. Wie hat also
doch diese bedeutsame Veränderung stattgefunden?
Das Phänomenale und das Reale.
it unserer eigenen philosophischen Sprache könnten wir
dieselbe Frage so ausdrücken: Wie wurde das Reale phä-
nomenal, und wie kann das Phänomenale wieder real werden ?
Oder mit anderen Worten : Wie wurde das Unendliche in das
■i66
AchtL- Vorleeuog,
Endliche, wie das lilwige iu das Zeitlicho omgo wandelt, und
wie kann das Zeitliche seine ewige Natnr wiedergowinnen ?
Oder — um es in geläufigerer Sprache aaszudrncken — wie
wnrde diese Welt geschliffen, und wie kann sie wieder unge-
»chaffeD gemacht worden?
Wir dürfen nicht vergessen, dass gleich den eleatisehen
Philosophen anch die alten Vedäntisten von der nnerschfltter-
licheu Überzengnng aasgingen, dass Gott, das höchste Wesen,
oder Brabman, wie es in Indien genannt wird, Eines und
Alles ist, und dass es außer ihm nichts geben kann. Uea
iat der vollkommenste Monismus. Wenn man es Pantheigmai
ncnul, so lässt sich nichts dagegen einwenden, und wir wer-
den denselben Pantheismna in einigen der vollkommensten
KoLigionen der Welt wieder finden, in allen, welche glauben,
dasa Gott Alles in Allem ist oder sein wird, und dasa er, weu
wirklich irgend etwas außer ihm existierte, nicht mehr Vit-
endlich, allgegenwärtig nud allmächtig, dass er nicht nMb
Gott im höchsten Sinne des Wortes sein würde, Eb ilt
natOrlich ein großer Unterschied , ob wir sagen , dass ifi*
Dinge ihr wahres Sein in nnd von Gott haben, oder ob vir
sagen, dass alle Dingo, so wie wir sie sehen . Gott ^ai.
Oder nm es anders aaszndrtlcken : sobald wir sagen, dua M
eine ph&uomenate Welt gibt, so sxgen wir damit notwwdiga
Weise, dass es auch eine nicht-phSnomenale, eine oonmeBda
oder eine absolut reale Welt gebe, gerade so wie wir, wtat
wir 'Dunkelheit' sagen, anch 'Licht' einsclüießen. Wer immer
von irgend etwas Relativem, Bedingtem oder ZnOUUgsm
spricht, gibt zu gleicher Zelt zu, dass es etwas Nichtrelativei^
Nichtbedingtes, Nlchtzuralliges gehe, etwas, was wir rul,
absolut, ewig. gOttlich oder mit irgend einem andern Kamen
nennen. Es iat ftlr den menschlichen Versland leicht gtmg,
eine nonmenale oder nicht-phänomenale Welt zu sohaSbs;
wir thun damit eigentlich nicht mehr, als dies wir dai
Gesetz der Kausalität auf unsere Erfahrung anwendeii und
sagen: Es musa fQr Alles eine Ursache geben, und dltte
Ursache oder dieser Schopfer ist das Eine absolute Weses.
Wahre Untterbllchkeit 267
Wenn wir aber dies gethan haben, dann kommt das wirk-
liehe Problem, nämlich: W^ie ward die Ursache je in eine
Wirkung verwandelt, wie wurde das Absolute relativ, wie
wurde das Noumenale ph&nomenal? Oder, um es in mehr
theologischer Sprache auszudrucken, wie wurde diese Welt
ersehaffen? Es brauchte lange, ehe der menschliche Geist
es über sich bringen konnte, seine gänzliche Unfähigkeit und
Unwissenheit in Bezug auf diesen Punkt, seinen Agnosticis-
mus, seine Docta ignorantia^ wie Kardinal Cusanus sich
ausdrückte, einzugestehen. Und es scheint mir äußerst
interessant, die verschiedenen Anstrengungen zu verfolgeui
die der menschliche Geist in jedem Teile der Welt gemacht
hat, dieses größte und älteste Rätsel zu lösen, ehe es end-
gttltig aufg^eben wurde.
Der indische Vedäntist behandelt diese Frage haupt-
sächlich vom subjektiven Gesichtspunkt. Er fragt nicht anl
einmal, wie die Welt geschaffen wurde, sondern zunächst,
wie die individuelle Seele dazu kam, das zu sein, was sie
ist, und wie ihr Glaube an eine objektive, geschaffene Welt
entstand. Ehe, sagt er, die Erkenntnis des Getrenntseins
oder des Sichfernhaltens der Seele von dem Körper entsteht,
ist die Natur der individuellen Seele, welche in dem Licht
des Gesichtes u. s. w. besteht, von den sogenannten Upä-
dhis oder beschränkenden Bedingungen, wie dem Körper,
den Sinnen, dem Denkorgan, den Sinnesobjekten und der
Wahrnehmung, gleichsam nicht getrennt. Wie in einem reinen
Bergkry stall, wenn er in die Nähe einer roten Rose gebracht
wird, dessen wahre Natur (welche in Durchsichtigkeit und
vollkommener Weiße besteht von den beschränkenden Bedin-
gungen den Upädhis), d. h. der roten Rose, gleichsam nicht
getrennt ist, solange man sein Getrenntsein nicht erkannt hat.
wohingegen dieser Bergkrystall, wenn man einmal sein Ge-
trenntsein auf Grund glaubwürdiger Autorität erkannt hat.
sofort seine wahre Natur (Durchsichtigkeit und Weiße) wieder
annimmt, obgleich er doch in W'irkiichkeit immer durchsich-
tig und weiß gewesen ist, — in derselben Weise entsteht in
Aar iDÜividuellenSbelc, welche vob den bescUrADkendeD Itedin*
gnngen (den Upädhis] des Körpers ii. a. w. noch nicht getrennl
ist, die durch die .S'ruti erzengte Erkenntnis dea (jetrenntS(>inB
und des t^ichfernhaltens ; nnd es fo^t die Auferstehung des
Atman aus dem Eürper, die Verwirklichung der wahren Natur
des Ätman vermittelst wahrer Erkenntnis, und Am Be^^ifeii
des Einen und einzigen Atman. So sind denn der verkörperte
und der nicht verkörperte Znstand des Selbst gänr. nnd gar dm
Ergebnis von Unterscheidung nnd Nicht-Duterscheidnng, wie
es heißt [Ka/Aa-Up. I, 2, 22); ■Körperlos innerhalb der K6r-
per.i Diese Niehtverschiedenheit des verkörperten von dem
nicht verkörperten S^ustand wird auch in der SmWli (Bhig.
Gitä XUl, 3!) in Erinnerung gebracht, weun es heißt: >Mein
Freund, obgk-ich es (der Atmau, daa Selbst oder die Seele)
in dem Körper wohnt, handelt es doch nicht und wird sncli
nicht verunreinigt.'
Der AtmuH uu verändert mitten nnler den Verrniili'ruUfrD
der Welt,
Sie sehen nun, was •Ü'aAkara heransfaringen will, unil
was aotucr Ansicht nach in der Sprache der Upauishadea
stillschweigend ausgesprochen ist. ist dies, dasa der Atman
stets derselbe ist. und dass die scheinbare Verschiedenheit
zwischen der individuellen Seele und der höchsten Seele ein-
fach das Ergebnis falscher Erkenntnis, dea Kichlwinsem uL
nicht aber von irgend einem nirkUcheu Verhältnis herrtlbrL
Es ist ihm sehr viel daran gelegen, darznthun, dasd aoeli
Pra^Apati in den Lohren, die er dem Indra nnd dem Viro-
^ana mitgeteilt, nichts Anderes gemeint haben kiiuno. Kaeh-
dem Frayilpati, sagt er, auf die individuelle oder lehstidige
Seele i^!va<, welche im Äuge gesehen wird odttr vielurahr
sieht u. s. w., hingewiesen hat, f^lirt er fort: >r>iea bt
(wenn ihr es nur wQsstet) das Unsterbliche, das Farehtlo».
dies ist Brahmao.« Wenn, folgert er, der Seher !u doM
Ange, der tudividuelle Seher, in Wirklichkeit von Brafamaji,
Wahre Unsterblichkeit. 269
dem Unsterblichen und Furchtlosen, verschieden wflre, so
▼ttrde er nicht (wie es von Pra^äpati geschieht) mit dem
unsterblichen, dem furchtlosen Brahman in eine Hangordnung
gebracht werden. Von dem abgespiegelten Selbst hingegen
wird nicht als dem durch das Auge Charakterisierten 'dem
Seher in dem Auge) gesprochen, denn dadurch würde sich
Pra^pati dem Vorwurfe aussetzen, dass er trflgerische Dinge
Mge,
•S'a&kara ist fibrigens ehrlich genug, uns zu sagen, dass
seine EiUärung nicht die einzige ist, die man vorgeschlagen
hat. Andere, sagt er uns. glauben, dass Pra^äpati durchaus
von dem freien und makellosen Selbst (Atman) und gar nicht
von der individuellen Seele spreche. Aber er macht darauf
aufmerksam, dass die in dem Texte gebrauchten Pronomina
deutlich auf zwei Subjekte, die individuelle Seele auf der
einen, und die höchste Seele auf der anderen Seite, hinwei-
sen : und Alles, was wir zu lernen haben, ist. dass die indi-
viduelle Seele nicht das ist. was sie zu sein scheint; gerade
80 wie wir um unserer Gemütsruhe willen ausfindig machen
müssen, dass etwas, was uns eine Schlange schien und uns
dann erschreckte, keine Schlange, sondern ein Strick ist und
uns nicht mehr zu erschrecken braucht.
XiehtwisscH oder Äridjk die Ursache phlHomenaien Scheines«
Wieder Andere gibt es, fihrt «Sankara fort, einige von
unseren Freunden (möglicherweise die Anhänger des RämA-
nu^ . welche der Meinung sind, dass die individuelle Seele
als solche absolut real sei: aber dagegen wendet er ein. dass
die ganzen Vedänta-sütras den Zweck hätten, zu zeigen.
dass nur das Eine höchste Wesen die höchste und ewige
intelligente Realität ist, und dass es nur das Ergebnis des
Nichtwissens ist, wenn wir denken, die vielen individuellen
Seelen könnten auf irgend eine unabhängige Realität An-
spruch erheben. Es läuft darauf hinaus, dass nach 6'ankara
das höchste Selbst eine Zeit lang als von der individuellen
270
Achte VurleBung.
Seale verschiedea bezeichnet werden kann, aUeb die indi-
viduelle Seele ist ihrem Wesen nach nie irgend etwas
Anderes ab (las bSohate Selbst, xnßer durch ihr eigene«
zeitweiliges Nichtwissen, Dieses kleine Zugeständnis einer
zeitweiligen Realität der individaellen Seele hielt .S'aAkan.
der doch schließlich nicht nur Philosoph, sondern auch
Tbeolog war, fUr notwendig, weil der in seinen Angen un-
fehlbare Veda alle seine Opfer- nnd Moral Vorschriften fit
individnelle Seelen gibt, deren Existenz somit als feststehend
HDgenommen wird, wenngleich solche Vorschriften ohne Zwei-
fel hauptsächlich fdr Personen bestimmt sind, die noch nicbl
die volle Erkenntnis des Selbst besitzen.
Es gibt noch viele andere auf das Verhältnis des indi-
viduellen Selbst zn dem höchsten Selbst bezUgliche Punkte,
welche von iS'afikara höchst ausführlich erörtert werden; allein
wir branchen hier nicht langer bei denselben zu verweilen,
da wir anf diesen Öegenstand wieder zurückkommen mDsaei,
wenn wir von der systematischen Philosophie ^'aAkara'a han-
deln werden. Was ^'aftkara's Anschauung von der Einbnl
der individuellen Seele mit der höchsten Seele besonders ut-
zeichnet, ist die vollständige Henoais oder Einerldheit, welob*
nach ibra stets eiistierl, in der individuellen Seele aber eiM
Zeit lang durch das Nichtwissen verdunkelt werden kuB-
Es gibt noch andere Arten der Einheit, welche er ausflüii-
lich erörtert, am Eude aber verwirft. So argumentiert et
z. B. in Beeng auf die Lebre des Asmarathya (I, 4, 20):
'Wenn die individuelle Seele von dem höchsten Selbst W-
schiedon w&re, so wQrde die Kenntnis der böohsteo 8eel(
nicht die Eenutnia der individuellen Seele einschließen, und
so würde das in einer der Upanisbadeu gegebene Verspn-
ohen, dass durch die Kenntnis des Einen (der hAcbsles
Seelei Altes zu erkennen sei, nicht in ErfUllDog geb«i.<
Er will nicht zugeben, dass die individuelle Seele in irgend
(.nnem Sinne die Schöpfung der höchsten Seele genannt wer-
den könne; freilich ist der von ihm angegebene Grund wivdM
mehr theologisch, als philusophisch. Wenn der Veda, sigl
Wahre Unsterblicbkeit. 271
er, die Schöpfung des Feuers und der anderen Elemente
beriehtet, so berichtet er niemals zu gleicher Zeit irgend eine
besondere Schöpfung der individuellen Seele. Darum hat der
Vedintist — so folgert «SaAkara — kein Recht, die Seele
als ein geschaffenes Ding, als ein Erzeugnis des höchsten
Selbst, das von demselben verschieden ist, zu betrachten.
Sie sehen, wie sich diese Frage ins Unendliche diskutieren
lisst, und sie ist von verschiedenen Schulen der VedÄnta-
Philosophie ins Unendliche diskutiert worden.
SatjabhedaT&da und Bhed&bhedaT&da.
Diese verschiedenen Ansichten werden durch zwei Namen
bezeichnet, und zwar die eine als Satyabhedavida, die
Lehre von der wirklichen Trennung oder Verschiedenheit
des individuellen Selbst von dem höchsten Selbst, die andere
als Bhedäbhedaväda, die Lehre von gleichzeitiger Tren-
nung und Nichttrennung. Sie geben beide zu, dass die in-
dividuelle Seele und die Weltseele wesentlich Eins sind. Die
Verschiedenheit zwischen den beiden dreht sich um die Frage,
ob die individuelle Seele, ehe sie zur Erkenntnis ihrer Wahren
Xator geUngt, jus unabhängig, als ein Ding für sich, bezeichnet
werden kann oder nicht. Ein sehr beliebtes Gleichnis, dessen
mjm sich bedient, ist das von dem Fener und den Funken.
Wie die von einem Feuer ansgehenden Funken, heißt es,*)
von dem Fener nicht schlechterdings verschieden sind, weil
sie an der Natur des Feuers teilnehmen, und andererseits
nicht schlechterdings nichtverschieden sein können, weil sie
in dem Falle von dem Feuer und voneinander nicht zu
unterscheiden sein wfirden, — so sind auch die individuellen
Seelen, wenn sie als Wirkungen Brahmans anfgefasst werden.
weder schlechterdings verschieden von Brahman, denn dies
würde bedeuten, dass sie nicht von der Natur der Intelligenz
l; Siehe BhAmat! zu Ved. Sütra I. 4. 21: Thibuut, part T.
p. 2<«.
272
Ai^lit« ViirleRunir.
{d. h. Brahmnns) sind, nooli ücfalechterdings niohtverschiedeii
von Brshm&n , denn in letzterem Falle würen sia vooein-
ander nicht unterschieden; nuch vQrde es, wenn sie mit
BrahniHn identisch und daher allwissend wären, nntilos sein,
den Leuten irgend eine Unterweisung von der Art in geben.
wie sie in den üpaniahaden gegeben wird. Sie sehen, dus
die indischen Pliiiosophen sich in ihren GleichniBaen und
Bildern besonilera hervorthun, und diese Idee, dasa die Seelen
von Gott aussprdhende Funken seien, wird nna anch in an-
deren Ländern immer wieder begegnen.
In der That konnten wir diese Gedanken der Upani—
shaden in unserer eigenen Sprache nicht zutreffender aos-
drDcken, als mit den Worten des berlthmten Cambridgor
Theolügen Henry More, wenn er sagt: —
»A spark or ray of the Diviuitj-
Clonded ia earthy fogs, yclad in clay,
A preclous drop, sunk from Eternity,
Spilt on ibe gronnd, or rathor eluak away;
For theo we feil when we 'gan first lo a^say
By BCealth of oar own aelvca something to boen,J
üncentring ourselvea frum our great Stay,
Which fondly we new liberty did ween.
And from thut prank right jolly wights nurselvea dId d«i
Diejenigen, welche die andere Theorie, den 8alytbh*4^ ■
vilda, verteidigen, argumentieren wie folgt: Die individusüe
8eele ist eine Zeit lang von dem hOehsten Selbst abulBt
verschieden. In den Upanishadeu wird über von dorselben
als nichtverschieden gesprocheu, weil sie, nachdem sie ati
vermittelst Erkenntnis und Nachdenken gereinigt hat, uu
1) >EIn Funke oder Strahl der GtltUichkoiC, in irdlKsb« H*-
bei gebullt, in Tbon gekleidet, ein kUstlicIier Tropfen, »at d«
Ewigkeit herabgefallen, auf dem Buden verschüttet, oder vidaelit
entecbltipft ; denn damals fielen wir, als wir zuerst begannen, hiiit-
lieh zu VLTBiiüheD, selbst etWH» zu aeio , uns von unserem Hlttel-
punkte, unserem gro&en Ualt, enlfemenU. wrs wir in tbilriclii**
Wahn rUr neue Freiheit lifllcn: und gnr prKehtige Kerlp dOst
ten «ir uns seit jener Tolllieit.. Awn. äu tim.
Wahre UnBterblichkeit. 273
dem Körper entweichen und noch einmal mit dem höchsten
Selbst Eins werden kann. Der Text der Upanishaden Aber-
trägt also einen künftigen Zustand der Nichtverschiedenheit
auf die Zeit, wo thatsächlich noch eine Verschiedenheit vor-
handen ist. So sagen die Pa/lXarntrikas : Bis zu dem
Augenblick, wo die Emancipation erreicht ist, swd die Seele
and das höchste Selbst verschieden. Die emancipierte oder
anfgekl&rte Seele aber ist von dem höchsten Selbst nicht
mehr verschieden, da keine weitere Ursache der Verschieden-
heit vorhanden ist.
Die Annäherung der Soelo an Brahnian.
Wenn wir uns diese Idee deutlich vor Augen halten, so
können wir jetzt zu der aus der B/zTiadäramaka-Upanishad
entnommenen Legende, welche wir zuerst untersucht haben,
zurfickkehren. Sie erinnern sich wohl, dass wir auch dort
|»hilosophische Ideen fanden, die auf alte Legenden auf-
gepfropft waren. Die Wanderung der Seele auf dem Väter-
pfade zu dem Monde war oflenbar eine alte Legende. Man
glaubte, wie Sie sich wohl erinnern, dass die Seele aus dem
Monde zu einem neuen Leben zurückkehre, nachdem ihre
Verdienste sich erschöpft hätten. Der Väterpfad führte eben
nicht vollkommen aus dem sogenannten Sa/;^sära, dem Welten-
Unf, dem Kreislauf kosmischen Daseins, der Folge von Geburt
DodTod, heraus. Wir lesen hier nicht am Knde des Kapitels:
»Es gibt keine Rückkehr. «
Der nächste Schritt war der Glaube an einen Devavana.
den Götterpfad, der wirklich zu ewiger Glückseligkeit ohne
alle Rückkehr zu erneuertem kosmischem Dasein führte. Wir
verließen die Seele, wie sie vor dem Throne Brahmans stand
and in jenem göttlichen Anblick voUkomment; (tlückscligkeit
genoss. Mehr wird in den alten Upanishaden nicht gesagt.
Es wird jedoch allgemein zugegeben, dass selbst diejenigen,
welche zuerst auf dem Väterpfad dahinziehen und aus dem
Mmz X Aller, Theofophie. 1^
274 Aclito Vorlesung'.
Monde zu rllck kehren , nm einen nenen Kreislauf dea ]
anzutreten, am Etiile höhere Erkenntoia erlangen nstf^
auf dem Gittterpfaile weiter ziehen können, bis sie den t
hitck BralimaDS erreichen. Die Upaaiahad achließt mit aocli
oinem andern kurzen Absatz, in dero erklärt wird, dass die*
jenigen, welche keinen dieser zwei Wege kennen, zu Warmem,
VSgeln und kriechendem GewDrm werden. Das ist Alles, wu
die alten Upanishaden zu sagen hatten. Nachdem aber di<
psychologische Spekulation den indischen Geist zu einem
neuen Begriff von der Seele als etwas nicht mehr durch
die Fesseln irdischer Individualität ÜeschrAnktem gefohrl
hatte, verlor selbst die bloße Idee einer Annäherung die-
ser Seele an den Thron, auf welchem Draliman sitze, aUn
Bedeutung. \
Spütere Spckuintinneu. ■
Brahman war nicht mehr ein objektives Wesen, dem i
sich nähern konnte, wie ein Unterthan sich einem Koni?
nähert, nnd so finden wir in einer andern Upanisbad, der
Kanshitaki , wo dieselbe Legende von der Seele, welche aif
dem Gdtterwege fortzieht, bis sie den Thron Brahmans i^
reicht, erzählt wird, auf einmal eine ganz nene Idee, &
Idee, um die sieh der ganze Veditntismus ä'aäkva's dreU.
Das legendenhafte RaUmenwerk ist allerdings vollständig ber-
behalten, aber wenn diu Seele einmal Einen Pnll auf den Thns
ßrahmans gesetzt hat. so werden, wie Sie sich wohl erinoeni,
dem Brahman die Worte in den Mund gelegt: -Wer ^
du?« Uann kommt nach einigen mehr oder minder unver-
ständlichen Aussprachen die kUhne und überraschende Anl'
wort der Seele: >Ich bin, was du bist. Du bist daa Selbst
ich bin das Selbst. Dn bist das Wahre (eatjamj, ieh hi>
das Wahre.«
Und wenn Brahman noch einmal frlgt: >Was iit dWM
das Wahre, das Seiende?^ so erwidert die Seele: '\
von den OAUern verschieden ist« (Sie sehen, dus Brahnu
Wahre Unsterblichkeit 275
hier nicht mehr als ein bloßer Gott angesehen wird), »nnd
was von den Sinnen verschieden ist (nämlich die phänome-
nale Welt), das ist Sat, das Seiende, aber die Götter nnd
die Sinne sind tyam, d. h. es.«
Dies ist ein bloßes Wortspiel .^wie solche bei den alten
Philosophen in Indien sowohl als in Griechenland sehr be-
liebt sindj. Sattyam (fKr satyam) ist ein regelmäßiges Deri-
vativum, das ^Wahrheit* bedeutet, der Verfasser der Upanisbad
aber wollte, indem er das Wort in Sat, das Seiende, nnd
tya, es, abteilte, darthnn, dass Brahman das sei, was wir
als das sowohl absolut als anch relativ Reale, als das zu-
gleich phänomenale und noumenale Weltall bezeichnen wür-
den. Und so schließt die Upanishad mit den Worten:
'Darum wird mit diesem Namen Sat tya dies Alles, was
immer es gibt, bezeichnet. Dies Alles bist du.«
Identität der Seele mit Brahman.
Sie sehen in dieser Tpanishad einen entschiedenen Fort-
schritt über die alten Upanishaden hinaus. Brahman ist
nicht mehr ein Gott, nicht einmal der höchste Gott; an
seine Stelle tritt das Brahman (neutrum) , die Essenz aller
Dinge; und die Seele, die weiß, dass sie nicht mehr von
dieser Essenz getrennt ist, lernt die höchste Lehre der
ganzen Vedänta - Philosophie : Tat tvam asi, >Du bist
das,« d. h., >Du, der du eine Zeit lang etwas für dich
selbst zu sein schienst, bist das, bist in Wirklichkeit nichts
von der göttlichen Essenz Getrenntes.« Brahman kennen
heißt Brahman sein, oder wie wir sagen würden: »In
der Erkenntnis Gottes besteht unser ewiges Leben.« Da-
rum muss selbst die bloße Idee einer Annäherung der
individuellen Seele an die Weltseele aufgegeben werden.
Sobald man die wahre Erkenntnis gewonnen hat, weiß man,
wie durch einen Blitz, dass sie Eins sind; und darum sind
sie Eins; eine Annäherung der Einen an die Andere ist dann
nicht mehr denkbar. Der VedAntist behauptet aber dieses
IS*
276
AuUto Vorlesilng.
Alles nicht nnr, Bondern er hat immer nene Argumente vor-
rätig, um mit scIioUstiachem and in&nchmat Bophistischem
äcbarfsinn zu beweisen, dass die intÜTidneUe Seele in Wirlc-
lichkeit nie etwas von dem höchsten Wesen Getrenntes soin
kSnno, dass die Unterscheidung zwischen einem höheren nnd
einem niedrigeren Brahman nur zeitweilig nnd von unserem
Wissen oder Nichtwissen abhängig sei, und dass das httchstu
Wesen oder Brahman nur li^ines und nicht zwei sein kOnnc.
wie es scheinen möchte, wenn eine llntersoboidung zwischen
dem niedrigeren and höheren Brahman gemacht werde.
Fast mit denselben Worten, wie die eleatischen Philosophen')
und die deutschen Mysliker des vierzehnten Jahrhunderts,
argumentiert der Vcdäntist, dass es ein Widerspruch in sich
selbst wSrc, ansunehmen, dass es irgend etwas anßer den
Unendlichen oder Brahman, welches Alles in Allem sei,
gehen könne , und dasa daher auch die äoele nicht ii^enil
etwas von demselben Versehiedenes sein nnd nie auf ein
getrenntes und nnabhilngiges Dasein Anspruch machen
könne.
Zweitens, da Brahman als vollkommen und daher ■!•
unveränderlich aufgefasst werden muss, kann die Seele nioM
als eine wirkliche Modifikation oder Verschlechterung Bnh-
mans aufgefasst werden.
Drittens, da Brahman weder Anfang noch Ende, noeh
irgend welche Teile haben kann,') darum kann die Seel«
nicht ein Teil des Brahman sein, sondern das gante Bni-
man muss in Jeder individuellen Seele vollständig gogenwlrtJK
sein. Dies ist dasselbe, wie die Lehre des Plotinus, wolohei
ebenso folgerichtig glaubte, daaa das 'wahre Wesen' In jed»»
Teile des Weltalls als Ganzes gegenwärtig sein mDsse. Er
soll ein ganzes Buch über diesen Gegenstand gcsohrieben
haben. Henry More nennt diese Theorie die liohnmerürkt.
I) Zoller. p. .172.
■i\ Zeller, p, SM, l'rH
Wabre Unsterblichkeit
277
von dem griechischen ovaia oleyueQr^^j 'eine Essenz, die in
jedem Teile Alles ist'.
So viel von dem, was die üpanishaden andeuten nnd
was Vedänta-Philosophen wie «Saokara durch logische Argu-
mentation festzustellen suchen in Bezug auf die wahre Katar
der Seele und ihre Beziehung zu dem göttlichen und absolu-
ten Wesen. Vom rein logischen Standpunkt scheint mir Ssit-
kara's Stellung unanfechtbar, und wenn ein so strenger
Logiker wie Schopenhauer erklärt, dass er sich den Argu-
menten 6'ankara's vollständig unterwerfe, so steht nicht zu
fiärchten. dass sie von anderen Logikern umgestürzt werden
könnten.
Neunte Vorlesung.
Die Vedänta-Fhilosophie.
Der Yedänta als ein philosophisohes System.
Obwohl es hauptsächlich das Verhältnis zwischen der
menschlichen Seele und Oott ist^ das uns in der Lehre der
Upanishaden und der Vedänta-Sütras interessiert, so gibt es
doch in dieser alten Philosophie einige andere Punkte, die
unsere Aufmerksamkeit verdienen und dazu beitragen können,
auf den Gegenstand, mit dem wir uns eigentlich beschäftigen,
Licht zu werfen. Ich weiß, es ist keine leichte Aufgabe,
die indische Philosophie für europäische Forscher verständ-
lich und anziehend zu machen. Es verhält sich mit der
indischen Philosophie wie mit der indischen Musik.
Wir sind au unsere eigene Musik so sehr gewöhnt, dass
uns die indische zuerst wie ein bloßes Geräusch klingt, ohne
Rhythmus, ohne Melodie, ohne Harmonie. Und doch ist die
indische Musik durchaus wissenschaftlich, und wenn wir nnr
geduldige Zuhörer sind, so beginnt sie ihren besonderen Ztn-
ber auf uns auszuüben. Dasselbe wird auch bei der indi-
schen Philosophie der Fall sein, wenn wir uns nur bemflhen,
ihre Sprache zu reden und ihre Gedanken zu denken.
Identität der Seele und des Brahman.
Erinnern wir uns also daran, dass die Vedänta-Phiio-
sophie auf der Grundtiberzeugung des Ved&ntisten ruht
Die Vedanta-Philosophie. 279
dass die 8eele nnd das absolute Wesen oder Brabman ibrem
innersten Wesen nacb Eins seien. Wir saben in den alten
Upanisbaden, wie diese Überzeugung langsam und allmäblicb,
wie die Morgenröte, auf dem geistigen Horizont Indiens auf-
stieg, wie sie aber am Ende mit ibrem strabienden Liebt
alles pbilosopbiscbe sowobl als religiöse Denken in sieb auf-
nabm. Hatte man einmal erkannt, dass die Seele und Brab-
man ibrem tiefinnersten Wesen nacb Eins seien, so war
damit die alte mytbologiscbe Spraebe der Upanishaden,
welcbe die Seele auf dem Väterpfade oder auf dem Götter-
pfade zu dem Tbrone Brabmans zieben ließ, aufgegeben.
Wir lesen in den Vedänta-Sütras (im 2 Osten Absebnitt des
dritten Kapitels des dritten Buchs;, dass diese Annäherung
an den Thron Brabmans nur so lange ihre eigentliche Be-
deutung bat, als Brabman noch für persönlich und mit
mannigfachen Eigenschaften begabt (sagu//a) angesehen wird,
dass aber diese mythologischen Begriffe verschwinden müssen,
sobald einmal die Erkenntnis des wahren, des absoluten und
unqualifizierten Brabman, des absoluten Wesens, in unserem
Geiste aufgegangen ist. Wie wäre es möglich, sagt «Sankara
p. 593-, dass derjenige, welcher von allen Banden frei, un-
veränderlich und unbewegt ist, sich einer anderen Person
nähern, sich an einen anderen Ort hinbewegen oder irgend-
wobin gehen könnte. Die höchste Einheit, wenn sie einmal
richtig verstanden wird, schließt Alles aus. was einer An-
näherung an ein verschiedenes Objekt, oder an einen ent-
fernten Ort gleichkäme. '
Die Sanskritsprache hat den großen Vorteil, dass sie
lüt' Verschiedenheit zwischen dem qualifizierten und dem un-
qualifizierten Brabman durch einen bloßen Wechsel des
Geschlechts ausdrücken kann: Brabman Nom. BrahmA)
wird nämlich als Maskulinum gebraucht, wenn es für den
qualifizierten Brabman. und als Neutrum (Nom. Brahma),
wenn es für das unqualifizierte Brabman. das absolute Wesen.
1 Ved. Sütras HI, 3, 29.
■2 so
NRuntB VurlBftüiijf.
steht. Dies Ut em groBur Vorteil, und es gibt im Englisoheo
nichts dem EntfiprechendeB.
Wir mtlBäen ans auch daran erinnern, dsss das Omnil-
prinzip der VedAnta-PliiloBophie nicht lautete: 'Du bist er',
sondern 'Du bist das, und dass eä nicht lautete 'Da icirtl
Spin, sondern 'Du biil', Dieses 'Du bist' drOckt etwas ua,
waa ist, was geweseu ist und immer sein wird, nicht etwas,
was erst errungen werden mnsa, oder was zum Beispiel enl
nach dem Tode folgen soll (p. h'.l'J).
So sagt ^afikara ; > Wenn es heißt, dass die Seele zu BraJi-
man gehen wird, so bedeutet dies, dass sie in der Zukunft du
erreichen, oder vielmehr, dass sie in der Zukunft das sein wird,
was sie, wenngleich itnbewusst, immer gewesen ist, nILmlich Brah>
man. Denn wenn wir von irgend Einem sagen, dass er lu
irgend einem andern gehe, so kann es nicht einer und derselbe
sein, der als Subjekt und als Objekt unterschieden wird. Aucb
wenn wir von Vorehrung spreclien, kann dies nur geschehen,
wenn der Verehrer von dem Verehrten verschieden ist. Dareli
wahre Erkenntnis wird dio individuelle Seele nicht Brahman,
sondern sie üt Brahnian, sobald sie weiß, was sie wirklich itl
und immer gewosen ist. Sein und Wissen sind hier gleichtütig.-
Hierin liegt der charakteristische Unterschied 2wisditi
dem, was man gewöhnlich als mystische Philosophie boiMolh
net, und der VedAntischen Theusophic Indiens. Andon
mystische Philosophen stellen dio monsehlicho Seele gm*
dar als in Liebe zv Gott entbrannt, als orftaUt von den
VVunscIie nach Einheit mit tiott oder nach Aufgeben iiiUfltL
Davon finden wir wenig in den Upanishaden, und «ean
.solche Ideen vorkommen, so werden sie von den Vedinta-
Philosophen weg argumentiert. Sie halten stets an der Übw
Zeugung fest, dass das Höttliche in Wirklichkeit nie von der
monschlichon Seele entfernt war, dass es, wenn auch VOtl
Finsternis oder Nichtwissen verhüllt, immer da ist, und dM
die Seele, sobald diese Finsternis oder dieses Nlohtwüsn
entfernt worden, noch einmal nnd rechtmäßig das ist, was
sie immer gewesen ist; sie wird nicht, sie üt Br^maa.
Die Vedänu-Philofiophie. 2S1
DUlo^ aos der fAando^a-Upaiiiflhjid.
In der A7«nDdog}'a -Upaniäbad findet sich ein berQhmter
Dialog zwischen einem jungen Studenten iSvetaketn und seinem
Vater Uddälaka Ani/n, in welchem der Vater seinen Sohn za
flberzengen sucht, das3 er bei all seiner theologischen Ge-
lehrsamkeit nichts wisse, und ihn dann zur höchsten Er-
kenntnis, dem Tat tvam asi. dem >Das bist du< hinzu-
fahren trachtet M. 1 ff. : Es lebte einmal «SVetaketn
Aru/jeya. Und sein Vater sagte zu ihm: >6Vetaketn. gehe
in die Schule, denn es gibt keinen von unserem Geschlechte,
mein Lieber, der. indem er nicht studiert hat gleichsam nur
ein Brahmane von Geburt wäre.«
Nachdem 6'vetaketu. zwölf Jahre alt. in die Lehre ge-
gangen war. kehrte er mit vierundzwanzig Jahren, als er
alle Vedas studiert hatte, zu seinem Vater zurfick, — einge-
bildet, sich sehr gelehrt dünkend und starrköpfig.
Sein Vater sagte zu ihm: >*SVetaketn. da du so ein-
gebildet, dich so gelehrt dünkend und so starrköpfig bist,
mein Lieber, hast du je nach der Belehrung gefragt, ver-
möge deren wir hören, was nicht hörbar, wahrnehmen, was
nicht wahrnehmbar, wissen, was nicht wissbar ist?«
>Was ist das für eine Belehrung, Herr?^ fragte er.
Der Vater erwiderte: »Mein Lieber, wie durch Einen
Thonkloß Alles, was aus Thon gemacht ist, erkannt wird.
— der Unterschied ist ja nur ein von der Sprache herrüh-
render Name, in Wahrheit ist aber Alles Thon — :
>Und wie. mein Lieber, durch Einen Goldklumpen
Alles, was aus Gold gemacht ist. erkannt wird. — der Un-
terschied ist ja nur ein von der Sprache herrührender Name,
in Wahrheit ist aber Alles Gold — :
>Und wie. mein Lieber, durch Eine Nagelschere Alles.
was aus Eisen gemacht ist KArsh/#ayasam . erkannt wird. —
der Unterschied ist ja nur ein von der Sprache herrührender
Name, in Wahrheit ist aber Alles Eisen — so, mein Lieber,
ist diese Belehrung.«
282 Neunte Vorlesnog.
Der Sohn sagte: »Gewiss haben jene verebrungswürdigen
Männer ^meine Lehrer) dies nicht gewusst. Denn wenn sie
es gewusst hätten, waram sollten sie es mir nicht gesagt
haben? Sage du es mir also, Herr.«
Sie sehen, worauf der Vater hinaus will. Was er meint,
ist dies: Wenn man eine Anzahl Töpfe, Pfannen, Flaschen
und Gefäße aller Art und mit verschiedenen Namen sieht,
so mögen sie verschieden scheinen und verschiedene Namen
haben, am Ende aber sind sie Alle nur Thon, die nur der
Form und dem Namen nach voneinander abweichen. In
derselben Weise — das ist, was er sagen will — ist die
ganze Welt, Alles, was wir sehen und benennen, so ver-
schieden es auch der Form und dem Namen nach scheinen
mag, am Ende nichts als Brahman. Die Form und der
Name, in der philosophischen Sprache Indiens nämarüpa
d. h. ^Name und Form' genannt — der Name kommt vor
der Form, oder, wie wir sagen würden, die Idee kommt vor
dem eidos, der Art — kommen und gehen, sie sind dem
Wechsel, wenn nicht dem Untergang, unterworfen, und es
bleibt nur das, was den Namen und Formen wirkliche Ket-
lität gibt, das ewige Brahman, übrig.
Der Vater fährt dann fort: »Am Anfange, mein Lieber,
war nur das Seiende (rb 8r), nur Eines, ohne ein Zweites.
Andere sagen: Am Anfange war nur das Nichtseiende (r»
uij oV), nur Eines, ohne ein Zweites; und aus dem Nicht-
seienden ward das Seiende geboren.
»Aber wie hätte* dies so sein können, mein Lieber?«
fuhr der Vater fort. »Wie hätte das Seiende aus dem Nicbt-
seiendcn geboren werden können? Nein, mein Lieber, nnr
das Seiende war am Anfang, Eines nur, ohne ein Zweites.
»Es dachte: möge ich Viele sein, möge ich mich fort-
püanzen. Es ließ das Feuer von sich ausgehen.
»Dieses Feuer dachte: möge ich Viele sein, möge ich
mich fortpflanzen. Es ließ das Wasser von sich ausgehen.
»Das Wasser dachte: möge ich Viele sein, möge icb
Die VedänU-Philosophie. 283
mich fortpflanzen. Es ließ die Erde Nahrang] von sich
ausgehen. V
»Damm wird, wenn immer es irgendwo regnet, am mei-
sten Nahrung hervorgebracht. Ans dem Wasser allein wird
genießbare Nahrung hervorgebracht.«
VI, 9. >Wie die Bienen, mein Sohn, Honig machen,
indem sie die Säfte verschiedener Bäume sammeln und den
Saft in Eine Form bringen,
»Und wie diese Säfte keine Unterscheidung machen und
etwa sagen können, 'ich bin der Saft dieses oder jenes Bau-
mes', ebenso, mein Sohn, wissen alle die Geschöpfe, wenn sie
in dem Wahren entweder im tiefen Schlaf oder im Tode)
aufgegangen sind, nicht, dass sie in dem Wahren aufgegan-
gen sind.
»Was immer diese Geschöpfe hier sind, sei es ein Löwe,
ein Wolf, ein Eber, ein Wurm, eine Fliege, eine Stech-
mOcke oder eine Mosquite, das werden sie immer wieder.
»Was nun jene feine Essenz ist, darin hat Alles, was
existiert, sein Selbst. Es ist das Wahre. Es ist das Selbst,
und du, o «Svetaketn. bist es.«
»Bitte, Herr, belehre mich noch weiter,« sagte der
Sohn.
»So sei es, mein Eand,« erwiderte der Vater.
»VI, 10. »Diese Flüsse, mein Sohn, strömen, die öst^
liehen (wie die Gahgä nach Osten, die westlichen (wie der
Sindhu) nach Westen. Sie gehen vom Meere zum Meere
;d. h. die Wolken heben das Wasser von dem Meere in den
Himmel empor und senden es als Regen wieder zum Meere
zurück}. Ja sie werden sogar zum Meere. Und wie jene
Flfisse, wenn sie im Meere sind, nicht wissen, *ich bin dieser
oder jener Fluss',
»Ebenso, mein Sohn, wissen alle diese Geschöpfe, wenn
sie von dem Wahren zurückgekommen sind, nicht, dass sie
1 Fast dieselbe Reihenfolge, Feuer. Luft, Wasser, Erde, fin-
det sich bei Plato. Timaeus, 56.
284 Nüiiute Vorlesung.
von dem Wahren EiirUckgekoromeD sind. Was immer die Ge-
achftpfe hier sind, sei es ein LOwe, ein Wolf, eiu Kber, ein
Wurm, eine Fliege, eine Sieclimacke oder eine Mosijnite, iln»
«■erden sie immer wieder.
>Was nnn jene feine Essenz ist, darin hat Ailes, was
existiert, sein Selbst. Es ist das Wahre. Es ist das Seibat.
nnd dn, o lyTetaketn, bist es.<
'Bitte, Herr, belehre mich noch weiter,* sagte der Sobn.
»80 sei es, mein Kind, • erwiderte der Vati-r.
VI, II. 'Wenn irgend Jemand auf die Wurzel dieses
großen Baumes hier schlQge, bo wttrde derselbe Saft auaatrOmen,
aber leben. Wenn er auf dessen Stamm achlflge, so «rUrdii
er Saft ausströmen, aber leben. Wenn er auf dessen Knm
BchlDge, so würde er Saft ausströmen, aber leben. Von den
lebendigen Selbst durchdrungen, steht dieser Baum feit, Beü»
Nahrung einsangcnd und sich freuend;
iWenn aber das Leben (das lebendige Selbst) BiiuB
seiner Zweige vorläast, so verdorrt dieser Zweig; wenn M
einen zweiton verlüsat, so verdorrt dieser; wenn ca eJntD
dritten verlasst, so verdorrt dieser Zweig. Wenn es don
ganzen Baum verlasst, so verdorrt der ganze Banm. Üenan
in derselben Weise, mein Sohn, wisse dies.« Also spraclier:
>Die3er (Körper) fürwahr welkt dahin nnd stirbt, wenn
das lebendige Selbst ihn vorlassen hat; das lebendige Selbtt
stirbt nie,
• Was jene feine Gsscuk ist, darin hat Allee, was loi-
stiert, sein Selbst, Es ist das Wahre. Es ist das Selbil,
und du, 0 .i>etaketu, bist es.«
• Bitte, Uerr, belehro mich noch weiter,« sagt* 4«
Sobn.
»So sei es, mein Kind,« erwiderte der Vater.
VI, 13. »Logo dies Sala ins Wasser, und erschoiw
morgen frflli vor mir.«
Der Sohn that, wie er geheißen.
Der Vater sagte za ihm: »Bringe mir das Salz, weichet
dn gestern abend ins Wasser gelegt hast,-
Die Vedänta-Philosophie. 285
Der Sohn suchte es, fand es aber nicht, denn es war
natürlich aufgelöst.
Der Vater sagte: »Koste von der Oberfläche des Was-
sers. Wie ist es?«
Der Sohn erwiderte: »Es ist salzig.«
»Koste es von der Mitte. Wie ist es?«
Der Sohn erwiderte: »Es ist salzig.«
»Koste es von unten. Wie ist es?«
Der Sohn erwiderte: »Es ist salzig.«
Der Vater sagte: »Wirf es weg und erscheine dann
vor mir.«
Er that also; aber Salz existiert immerdar.
Dann sagte der Vater: »Auch hier in diesem Körper
ffirwahr bemerkst du nicht das Wahre (Sat}, mein Sohn; es
ist aber doch da.
»Was die feine Essenz ist, darin hat Alles, was exi-
stiert, sein Selbst. Es ist das Wahre. Es ist das Selbst,
und du, 0 ÄSVetaketu, bist es.«
»Bitte, Herr, belehre mich noch weiter,« sagte der
Sohn.
»So sei es, mein Kind,« erwiderte der Vater.
VI, 15. »Wenn ein Mensch krank ist, so versammeln
sich seine Freunde um ihn und fragen : »Kennst du mich ?
Kennst du mich?« Solange nun nicht seine Sprache in sei-
nem Geiste, sein Geist im Atem, sein Atem in der Glut (im
Feuer) und die Glut in der höchsten Gottheit (devatä) auf-
gegangen ist, keqnt er sie.
»Wenn aber seine Sprache in seinem Geiste, sein Geist
im Atem, sein Atem in der Glut (im Feuer) und die Glut in
der höchsten Gottheit aufgegangen ist, so kennt er sie nicht.
»Was die feine Essenz ist, darin hat Alles, was exi-
stiert, sein Selbst. Es ist das Wahre. Es ist das Selbst,
und da, o «Svetaketn, bist es.«
Einheit mit. nicht Aufsehen in dem Itrahmau.
In diesem Dialog, wie er in der Upanishad gege'
haben wir eine populärere und Doch niclit in ain System
gebrnohte ADsehaunng des Vedäuta vor uns. Ks faommen
allerdings mehrere Stellen vor, welche vielmehr von der Ein-
lieit and dem Aafgelien der Seele zu sprechen scheinen, xU da-
von, dass sie ihre wahre Natur wiBdorgowinne. tSolohc Stellen
werden jedoch von den atrengeren Vedäntfl' Philosophen immer
wegcrkUrl, und sie haben damit keine große Öchvier^keit.
Denn es bleibt ihnen immer die Erklärung, dass der qnili-
ßzierte pers5nliche Brahman und noch nicht das von allon
Qnnlit&ten freie höchste Itrabman gemeint aei. Dieser modi-
liüerte persönliche Brahman ist fUr praktische Zwecke immer
da, bis dessen NichtwirkUchkeit sich durch die Hntdecknng
des höchsten Brahman herausgestellt hat; und da in ßioem
Sinne der moilißsierte (männliche) Brahman das höchste Brah-
man ist, wenn wir es nnr wissen, und da er mit dem hOth-
sten Brahman seine wahre Realität ganz teilt, sobald wir ca
wissen, so können viele üinge in einem minder genauen Sinne
von t/tin, dem modilizierten Brahman, ausgesagt werden, dio
in Wahrheit nnr fllr es, das höchste Brahman, gelten. DiesO
Doppelsinnigkeit zieht sich darch die gauzen Vedänta-sütru
hinduTcb, und ein nicht nnb e t rächt liehe r Teil der SAku
beschäftigt sich ausscbließlich mit der Aufgabe za Beigen,
dass es, wenn der quaÜfizierte Brahman gemeint ed uib
scheine, in Wirklichkeit das nni)nali£zierte Brahman sei, dtt
vorstanden werden müsse. Wiedemni gibt es in den Vptr
ntabaden \iele nnd viele Stellen, welche sich auf die indivi-
duelle Seele xu beziehen scheinen, die al-er, wenn sie gehö-
rig erklärt werden, als auf das der individuellen Seele Halt
und WirkUcbkelt gebende höchste Atman beaflglich an^fast
werden niQasen. Dies ist wenigstens die von ^Sar'ikara ver-
tretene Anacbauung, während es, wie ich schon frOfaer ange-
deutet habe, vom histonBcben (lesichtsp unkte scheinen mSchle,
als oh fs in der Entwicklung des Glaubens an das bCchale
Die Vedanta-Philosophie. 287
Brahman und an das höchste Atman verschiedene Stafen
gegeben hätte^ und dass manche Stellen in den Upanishaden
ilteren Phasen indischen Denkens angehörten, als Brahman
noch einfach als die höchste Gottheit aufgefasst wurde, und
als man noch glaubte, dass wahre Glückseligkeit in der
allmählichen Annäherung der Seele an den Thron Gottes
bestehe.
Kenntnis Gottes^ nicht Liebe zu Gott.
Irgend etwas wie eine leidenschaftliche Sehnsucht der
Seele nach Gott, wie sie den Grundton fast aller Religionen
bildet, fehlt daher in den Vedänta-sfitras ganz und gar. Die
Thatsache der Einheit der Seele mit Gott gilt von Anfang
an als ausgemacht, oder doch als durch die offenbarten
Äußerungen der Cpanishaden hinlänglich bewiesen.
Das Tat tvam asi, *Das bist du', wird von den Ve-
däntisten als eine trockene Thatsache hingenommen. Es
bildet die Grundlage eines wohldurchdachten Systems der
Philosophie, von dem ich Ihnen nun eine freilich, wie es
nicht anders möglich ist, nur ganz allgemeine Vorstellung zu
geben suchen will.
Aridyä oder das Nichtwissen.
Das Grundprincip der Vedänta - Philosophie , dass in
Wirklichkeit nichts als Brahman existiert und existieren kann,
dass Brahman Alles ist, sowohl die materielle als die wir-
kende Ursache des Weltalls, steht natürlich mit unserer
gewöhnlichen Erfahrung in Widerspruch. In Indien, wie
anderswo, denkt der Mensch zunächst, dass er in seinem
individuellen, körperlichen und geistigen Charakter etwas ist,
was existiert, und dass alle Objekte der Außenwelt als Ob-
jekte ebenfalls existieren. Die idealistische Philosophie hat
mit diesem Vorurteil, welches so alt ist wie die Welt, in
Indien gründlicher aufgeräumt, als irgendwo anders. Der
2S8
Nntinte Vorlnaiinp.
Vcdä Dt »-Philosoph hat jedoeli uioht bloß mit dieser ßcliwie-
rigkeit zu kiLmpfen, die jede PhilOBophio bernhrt, sondern er
niuas noch mit e'iuer anderen Schwierigkeit, die Uim ^ant
besonders zukommt, feitig Verden. Der ganze Veda Ist in
seinen Augen nnfehlbar, und doch schreibt dieser Veda dte
Verehrnng vieler Giitter vor, und selbst wenn er die Ver-
ehrung (upisanä) Brahmans, der höchsten Gottheit, in seinem
thätigen, männlichen und perstlnlichen Charakter vorschreibt,
erkennt er eine objektive Gottheit an, die von dem Subjekt, das
ihm Verehrung und Opfer darbringen soll, verschieden ist.
Üamm muaa der VedAuta - Philosoph Vieles hingeben
lassen. Kr duldet die Vevelirung eines objektiven Brahman
als eine Vorbereitung für die Kenntnis des subjektiven und
objektiven, oder des absoluten Brahman, welches der hfichste
Endzweck seiner Philosophie iai. Er gibt Einen mit Qoalitit
ausgestatteten, aber hoch über den gewöhnlichen tiOttern dea
Vuda stehenden Brahman zu. Dieser Brahman wird von den
Frommen auf dem GOtterpfade erreicht : er kann verehrt
werden, und er ist es, der die Frommen für ihre guten
Werke belohnt. Doch selbst er ist in diesem Charakter daa
Ergebnis des Nichtwissens (Avidyä), desselben Nichtwissen«,
welches verhindert, dass die Seele des Menschen, das .^tnuu,
sich selbst von ihren Behinderungen i den sogenannten
UpAdhis, wie dem KOrper, den Sinnesorganen und deren
Thätigkeit, nnterscteido.
Dieses Nichtwissen kann nur durch Wissen oder Kennt-
iiis entfernt werden, und diese Kenntnis oder »id.vft verleiht
der VedAnt», welcher zeigt, dass unsere ganze gowi^hnlieba
Erkenntnis einfach da» Resultat der Unwissenheit oder iu
Nichtwissens, dass sie ungewiss, trügerisch und vargtn^leb,
oder, wie wir sagen wtlrdcn, phAuomenal. relativ und bedingt bt
Die wahre Erkenntnis, samvagdar^ana oder 'v(dlsUln<ltge W^t-
sieht' genannt, kann weder durch sinnliche Wahrnehmung (pn^
tyaksba;, noch durch Schlussfol^rernug [unumAnn] gewomMB
worden, auch kann die Befolgung der Vorschriften dos Voda
nicht mehr als eine zeitweilige Erleuchtung oder GlOckseUgkril
Die Vedanta-Philosophie. 289
hervorbringen. Nach dem orthodoxen Vedäntisten kann iS'ruti
allein oder das, was man Offenbarung nennt, jene Erkenntnis
verleihen und jenes der menschlichen Natur angeborene
Nichtwissen entfernen.
Von dem höheren Brahman kann nichts ausgesagt werden,
als dass es ist, und dass es durch unser Nichtwissen dies
oder jenes zu sein scheint.
Als ein großer indischer Weiser aufgefordert wurde,
Brahman zu beschreiben, schwieg er einfach still — das war
seine Antwort. Wenn man aber sagt, dass Brahman ist, so
bedeutet dies zu gleicher Zeit, dass Brahman nicht ist; das
heißt, dass Brahman nichts von dem ist, was angenommener-
maßen in unseren sinnlichen Wahrnehmungen existiert.
Brahman als sat, als kii und als (inanda*
Es gibt jedoch zwei andere Eigenschaften, die man dem
Brahman unbedenklich zuschreiben darf, nämlich dass es
intelligent, und dass es selig ist; oder vielmehr, dass es In-
telligenz und Seligkeit ist. ^Intelligent' scheint dem Sk. Xit
und Äaitanya am nächsten zu kommen. ^Geistig' würde nicht
genflgen, denn es würde nicht mehr ausdrücken, als dass es
nicht materiell ist. Aber Ä;it bedeutet, dass es ist, dass es wahr-
nimmt und weiß, obzwar wir, da es nur sich selbst wahr-
nehmen kann, sagen können, dass es durch sein eigenes
Lieht oder Erkennen erleuchtet ist, oder dass es, wie es zu-
weilen ausgedrückt wird, reine Erkenntnis und reines Licht
ist. Vielleicht werden wir am besten verstehen, was kii be-
deutet, wenn wir in Betracht ziehen, was dadurch verneint
wird, nämlich Stumpfheit, Taubheit. Finsternis und alles Ma-
terielle. An mehreren Stellen wird eine dritte Eigenschaft
angedeutet, nämlich Glückseligkeit; aber auch dies scheint
wieder nur ein anderer Name für Vollkommenheit zu sein
and hauptsächlich den Zweck zu haben, die Idee auszu-
schließen, dass irgend ein Leiden in dem Brahman mög-
lich sei.
Max MfklUr. Theosophie. 19
290
Neunte Vorlesung,
Es liegt iu der Natur dieses Brnliman , dass es immer
subjektiv ist, und duinim heißt es, duss es niclit in dciielben
Weise gewusat weiden kann, wie alle anderen Objekte ge-
wusät werden, sundorn nur wie ein Wieaeuder weiß, dass er
weiß und duas er iat.
Plilluao)ilile uud Eetlgloii.
Doch Ällos, was iai, nnd Alles, waa erkannt iat, — zwei
Dinge, die im VedAnta, wie in allen anderen idealiatischen
Syatemcu der Philosophie, identisch sind. — AUea iat am
lindo Urahman. Obgkiich wir ts nicht wissen, iat oa doch eben
Drafanian, waa iina bekannt ist, wenn es als Urheber oder
Schöpfer dor Welt aufgefasst wird, ein Amt, daa nach indi-
schen Begriffen der Gottheit in ihrem wahren Charakter ganx
unwürdig ist. Es ii^t dasselbe Brahman, daa uns in unserem
eigenen Selbstbewasstaein bekannt iat. Was wir &acb tu sein
acheinen oder uns eine Zeit laug lu seiu einbilden mögen, in
Wahrheit sind wir das ewige Brahman, das ewige Seibat
Ult bik'liste llt'rr iiilor isvarn.
HintergrnQd behält der Tv^
as er Gott den nerrn, Htm
Mit dieser Überzeugung
iläntiat seinen Glauben an da
Schöpfer nnd Beherrscher der Welt nennt, aber nur aUpblov*
menal, oder als dem menschlichen Vorstände angepaast, bol.
Uie Menschen aollen au einen peisönüchen Gott mit dwMt
bon Zuversicht glauben, mit der sie an ihr eigenes petsSn-
liches Selbst glauben ; und kann oa eine höhere Znrersifllil
geben? Sie sollen an ihn als den ächöpfor nnd Behemoh«
dor Welt (samaära) und ala den Beatinimer der Wirkungu
oder Belohnungen guter und böser Tbaten ikarronn) glanEMB.
Man liaun ihn sogar verehren, wir dOrfen aber nie vergMHiv
dasB das. was verehrt wird, nur eine Person, oder, wie die
Brahmanen es nennen, ein pratika ist, eine Seite der wah-
ren ewigen Wesenheit, wie sie von uns in unserer naret-
Die VedanU-Philosophie. 291
meidlich menschlichen und beschränkten Erkenntnis aufge-
fksst wird. So wird denn die strengste Beobachtung der
Religion, solange wir sind, was wir sind, eingeschärft.
Es wird uns gesagt, dass in dem gewöhnlichen Glauben an
Gott als den Schöpfer oder die Ursache der Welt Wahrheit
liege, aber nur eine relative Wahrheit, relativ für den mensch-
liehen Verstand, gerade so wie in der Wahrnehmung unserer
Sinne und in dem Glauben an unsere Persönlichkeit Wahrheit,
aber nur eine relative Wahrheit li^. Diese relative Wahr-
heit muss von Falschheit sorgfiütig unterschieden werden.
Sein Glaube an den Veda würde genfigen, den Vedäntisten
von der licugnung der Götter oder von dem, was wir Atheis-
mus, oder vielmehr — wie ich erklärte — Adevismus, nennen
wfirden. abzuhalten.
Aus Ehrerbietung gegen den Veda gibt der Vedäntist
sogar, wenn nicht gerade eine Schöpfung, so doch eine pe-
riodisch von Kalpa zu Kaipa] wiederholte Emanation der
Welt aus Brahman und Reabsorption derselben in Brah-
man zu.
Upädhis, SAkshma^arira ud SthAbwarinu
Wenn wir fragen, was zu dem Glauben an individuelle
Seelen fahrte, so finden wir die Antwort in den üpädhis,
den Umgebungen oder Behinderungen, d. h. dem Körper mit
dem ihm innewohnenden Atem oder Leben, den Sinnesorganen
und dem Denkorgan. Diese bilden zusammen den feinen
Körper (das sükshma^arfra), und dieses sükshma^arira lebt,
wie angenommen wird, weiter, während der Tod nur den
groben Körper (das sthüla^arfra) zerstören kann. Jener feine
Körper ist der Träger der individuellen Seele, und ihr Ge-
schick wird durch Handlungen bestimmt, welche in ihren
Folgen fortdauern und in ihren Wirkungen auf immer be-
harren, oder mindestens so lange, bis wahre Erkenntnis
entstanden ist und selbst dem feinen Körper und allen Trug-
bildern des Nichtwissens ein Ende gemacht hat
19*
$f!ili[)tau^ Oller Riiiaiintjon.
Wie die Emanalion der Welt aus lirabman io der V»'
ilänta-Philosophie anfgefaaat wird, ist vou geriogem Interesse.
Sie ist fast rein mythologiacli nnd zeigt unä eine sehr nie-
drige Stafe der Natu rwisaen schaff. Braliman vird allerdings
nicht mehr als ein Verftirtiger, ein SchOpfur, ein Baumeister
oder ein Töpfer dargestellt. Wus wir diireh 'Schdpfiing
sWshä) übersetzen, bedeutet in Wirklichkeit nicht mehr, »\*
ein Entsenden , und entspricht genau der Theorie der Ena-
uation, wie sie von einigen der hervorragendsten christlickeu
Philosophen vertreten wird. Wenige Ansichten gibt ua, die
nicht Tou irgend einem Konzil oder Papat hJs kelzeriaeh ver-
dämmt worden sind; aber ich weiß von keinem Künzil, du
di« Theurie der Emanution statt einer Schöpfung oder Fa-
brikation verdammt hätte. Wenn aber der titaube an Ema-
nation statt Schöpfung von der Kirche verdammt worden ist,
so hat die Kirche einige ihrer stärksten Verteidiger mls
Ketzer verdammt. Es wäre leicht, Männer wie Dionysina
und ScolDs Erigena oder selbst 8t. Clemens ah nicht kom-
petent zn erklären, insofern sie auf den Charakter orthodoxer
Theologen Anspruch erheben. Was sollen wir aber von
Thomas vou Aquino sagen, dem wahren Bollwerk katholi-
scher Rechlgläubigkeit? Und doch erklärt auch er g«rsdexu
(Suroma p. I. 9 — U'a 4J, dass crcalio eniaiiutia lotitu tntu
uli wo ist. Eckhart und die dentüobeu Mystiker sind «Ue
derselben Meinung, einer Meinung, die zwar der QenMb
xawider laufen mag . aber mit dem Oeiat des Kenen Taot»-
ments keineswegs in Widerspruch steht.
Die Upanishaclen bringen immer wieder none GleiobtUue
in Vorschlag, durch die sie den Bogriff der Schöpfung oder
Emanation verständlicher in machen suchen. Einfi» der lU»-
ilf.a lileiehnisse, das auf die Uervorbringuug der Weil an
Brahman angewandt wird, iat das von der Spinne, wnldw
das üewebe der Well ans sich hcrausKieht d. h. hervorbringt
Wenn wir si^en worden: 'Nein, die Welt wurde aus dev
Die Vedänta-Philosophie. 293
Nichts erschaffen', so würde der Vedäntist sagen: ^Ganz
«nit*. aber er würde uns daran erinnern, dass, wenn Gott
Alles in Allem ist. selbst das Nichts nicht irgend etwas
Anderes sein könnte, irgend etwas außerhalb des absoluten
Wesens, denn dieses Wesen kann nicht als durch irgend
etwas oder durch nichts eingeschränkt oder begrenzt anfge-
fasst werden.
Ein anderes Gleichnis, welches beseitigen soll, was in
dem Gleichnis von der Spinne, die doch schlipßlieh das Ans-
werfen and Zurückziehen der Fäden der Welt tcill^ noch
Ton wirkender und nicht nur materieller Kausalität enthalten
ist. ist das Ton dem Haar, das aus dem Schädel herauswächst.
Auch die Theorie von dem. was wir als die neueste
Erfindung Evolution oder Entwicklung nennen, fehlt in den
L'panishaden nicht. Eines der Gleichnisse, das hierfür am
häufigsten gebraucht wird, ist das von der Milch, die sich
in Quark verwandelt, sofern nämlich der Quark nichts als
Milch, nar in einer anderen Form, ist. Man fand aber bald,
dass dieses Gleichnis gegen die Forderung verstieß, dass das
Eine Wesen nicht nur Eins, sondern auch, wenn es voll-
kommen in sich selbst sein solle, an veränderlich sein müsse.
Dann kam eine neue Theorie auf, und dies ist die von «S'an-
kara angenommene. Sie wird durch den Namen Vivarta
von dem Pari/iäma oder der Evolutionstheorie, die von Ramä-
nu^a vertreten wird, unterschieden. Vivarta bedeutet das
Sich-von-dem- Wahren- Abwenden. Nach dieser Lehre bleibt
das höchste Wesen stets unverändert, und entspringt unser
Glaube, dass irgend etwas neben demselben existieren könne,
aus Avidvä d. h. dem Nichtwissen. Höchst wahrscheinlich
wurde diese Avidyä oder Unkenntnis zuerst als rein subjektiv
aofgeiasst ; denn sie ^ird durch die Unkenntnis eines Mannes,
der irrtümlicher Weise einen Strick für eine Schlange an-
sieht, erläutert. In diesem Falle bleibt der Strick die ganze
Zeit über, was er ist; es ist nur unsere eigene Unkenntnis,
welche uns erschreckt und unsere Handlungen bestimmt. In
derselben Weise bleibt Brahman stets derselbe ; es ist nur unsere
■294
Neunte Vorle»mig,
eigene Unkenntnis, welche uns ein« pb&nomenale Welt und
einen phänomenalen Oott sehen laaat. Ein anderes beliebtes
Gleichnia ist anaer Irrtum, wenn wir Perlmutter für BUber
halten. Der Vedäntist sagt: Wir mögen es ftlr Silber hal-
ten, BB bleibt aber immer Perlmutter. So künnen wir von
iler Schlange nnd dem Strick oder von dem Silber nnd der
I'erlmntter sagen, dass sie Kines seien. Und doch meinen
wir damit nicht, d»SB der Strick sich thatsaohlich verfinderl
oder sich in eipe Schlange verwandelt habe, oder dass Perl-
mutter zu Silber geworden sei. Danach argumentieren die
Vedäntisten, dass das hdohste Wesen sich lur Welt verhalte,
wie der Strick sich zur Schlaugie verbfilt NÜakanMa Oorc,
a. a. 0. p. nil). Sie fahren fort und erklären: Wenn wir glau-
ben, dass die Welt Brahman sei, so meinen wir nicht, das«
Brahman sich tbatsllchlich in die Welt umwandle — dies wire
ParinAma oder Evolution — . denn Brahman kann sich nicht ver-
ändern und kann sich nicht nmwandeln. Wir meinen nur, dast
Brahman sich als die Welt darstellt oder die Welt zn sein acbeinl.
Die Wirklichkeit der Welt ist nicht ihre eigene, sondern die
Brahmans ; und doch ist Brahman nicht die materielle Ursache
der Welt, wie die Spinne von dem Gewebe, oder wie die Hilch
von dem Quark, oder wie das Meer von dem Schaum, (Hier
wie der Tbon von dem Topf, den der Töpfer gemacht, die
materielle Ursache ist, sondern Brahman ist nur das Substrat.
diu illusorische materielle Ursache. Es wäre keine Schlange da
ohne den Strick, es gäbe keine Welt ohne Brahman, nml
doch wird der Strick nicht zur Schlange, and Brahman wird
nicht Eur Welt. Für den Vedäntiaten sind das PhAnomeoale
und das Nonmenale wesentlich dasselbe. Das Silber, wio
wir es wahrnehmen nnd benennen, ist dasselbe wie Potimatter;
ohne die Perlmutter würde es kein Silber für uns geben.
Wir geben der Perlmutter den Namen and die Form des
Silbers: nnd durch denselben Prozeas, durch welchen wir anf
diese Weise Silber crHchaffen. wurde die ganze Welt dnrch
Namen nnd Formen erschaffen. Ein moderner Vedintist,
Pramadadftsa Mitra, bedient sich eines anderen Gloiofanias«»,
Die VedäDta-PhiloBophie. 295
nm earopftischen Gelehrten die wahre Bedeutung des Ve-
dänta zu erklären. »Ein Mann,« sagt er, »wird zum Pair
geschaffen, dadurch dass er ein Pair genannt und mit dem
Pairsmantel bekleidet wird. In Wirklichkeit aber ist er nicht
ein Pair — er ist, was er immer gewesen ist, ein Mensch —
er ist, wie wir sagen würden, ein Mensch trotz alledem. < Pra-
madadäsa Mitra schließt: »In derselben Weise, wie wir sehen,
dass ein Pair geschaffen werden kann, ward die ganze Welt
geschaffen, bloß dadurch dass sie Kamen und Form empfing.«
Hätte er Plato gekannt, so würde er nicht von Namen und Form,
sondern von Ideen gesprochen haben, welche dem, was zuerst
formlos und namenlos war. Form und Namen verleihen.
Fem sei es von mir, behaupten zu wollen, dass diese
Gleichnisse oder die Theorien, von denen sie ein Bild geben sol-
len, als eine wirkliche Ldsung des alten Problems der Schöpfung
oder der Beziehung zwischen dem Absoluten und dem Relativen
angesehen werden können; aber schließlich denken Ynr doch
sehr viel in Gleichnissen, und diese Vedäntischen Gleichnisse
sind zum mindesten originell und verdienen einen Platz neben
vielen anderen, übrigens begnügt sich der Yedilntist keines-
wegs mit diesen Gleichnissen. Er hat sich einen eigenen
Plan der Schöpfung ausgearbeitet. Er unterscheidet in der
Emanation der Welt eine Anzahl von Stadien, die jedoch für
uns von weit geringerem Interesse sind, als die alten Gleich-
nisse. Das erste Stadium heißt äkü^a, was man durch 'Äther
übersetzen kann, obgleich es beinahe dem entspricht, was
wir unter ''Ausdehnung^ verstehen. Es ist, wie man uns sagt,
alldurchdringend vibhu und erhält oft eine Stelle als das
fünfte Element und daher als et^^-as Materielles. Von diesem
Äther geht die Luft (vAyu) aus, von der Luft das Feuer
agni, te^as), von dem Feuer das Wasser (Apas , von dem
Wasser die Erde prithivi oder annam. wörtlich * Nah-
rung). Diesen fünf Elementen als Objekten entsprechend,
gehen ebenfalls von Brahman die fünf Sinne aus. und zwar
entspricht der Gehörsinn dem Äther, der Tast- und Gehör-
sinn der Luff^ der Gesichts-, Tast- und Gehörsinn dem
•im
ifc Vorlesung.
Feuer, der Ge ach muck-, GeBichla-, Tasi- nnd QehOrainn dem
iVasaer, und schließlich der Geruch-, Geschmack-, üesichts-.
Tast- und Gehörsinn der Erde.
Nachden] diese Emanation der Elcmonto und der ihnen
cntaprochendon Sinne stattgefundon hat, geht Brahman, wie
man annimmt, in dieselben ein. Auch die individncllen See-
len, welche nach jeder RQckkehr der Welt zu Urshman noch
weiter in Brahman existieren, erwachen, glaubt man, ans
ihrem tiefen Schlaf (mäyilmayi mahfisnshnpti^ und erhalten
je nach ihren früheren Werken einen göttlichen oder monsch-
lichen, tierischen oder pflanzlichen Körper. Ihre feinen Kör-
pi.^r nehmen dann wieder einige der gröberen Elemente an,
und die Sinne werden entwickelt und differenziert, während
das Selbst oder Atman sich fern hält oder als ein bloEIor
Zeuge aller Ursachen nnd Wirkongen, welche den neuen Körper
und dessen Umgebungen bilden, da bleibt. Jeder Körper
wjiohst, dadurch dass er Bestandteile der gröberen elomcn-
taron Sabstanzen in sich anfnimmt, Alles wSchst, vergebt
und verSndert sich, aber der Erwachsene ist dennoch der-
selbe wie das kleine Kind oder der Embryo, denn das Selbst,
der Zeuge in seiner ganzen Isolirtholt, bleibt dnrcbans d«-
selbo. Wie wir in einer früheren Vorlesung gesehen babon.
nahm man an, dass der Embryo oder der Keim dos Embryos
in der Gestalt himmlischer Nahrung, die dnrcb den Herren
aus dem Firmament oder dem Monde herab befördert wird,
in den Vater eingegangen sei. Nachdem es vom Manne ab-
sorbiert worden, nimmt es die Natur dos Samens an, nnd
während es in dem Schöße einer Mutter weilt, verwandelt
es Beinen feinen Körper in einen materiellen Körper. Wenn
diesei materielle Körper wieder vergeht und stirbt, ao ver-
Ijlast ihn die Seele mit ihrem feinen Körper, behAlt aber,
obachon sie von dem materiellen Körper frei ist, ihre mora-
lische Verantwortlichkeit nnd bleibt den Folgen der Hand-
langen, die sie während ihres Änfenthaltes in dem groben
materiellen Körper volhogen, immer unterworfen. DioM
Folgen sind gdt oder böse; wenn sie gut sind, kann Ave
Die Vedanta-Philosophie. 297
Seele in einem vollkommeneren Znstande, ja sogar als ein
göttliches Wesen geboren werden und göttliche Unsterblich-
keit genießen, sie kann thatsächlich ein Gott wie Indra und
alle die anderen werden; aber selbst diese göttliche Unsterb-
lichkeit wird ein Ende haben, wenn die nniversale Emanation
zu Brahman zurückkehrt.
Wenn wir, wie es viele Philosophen gethan haben, zwi-
schen Dasein und Sein unterscheiden, so ist alles Sein Brah-
man und außer Brahman kann nichts sein^ während Alles,
was da ist, bloß eine illusorische, nicht eine wirkliche Mo-
difikation Brahmans und durch Namen und Form (näma-rüpa
verursacht ist. Von der ganzen Welt heißt es daher, dass
sie vaAärambha/^a, mit dem Worte beginnend, sei, und zwar
wird das *Wort' hier in dem Sinne von 'Idee', 'Begriff' oder
•Logos' gebraucht. Wir dürfen nie vergessen, dass die Welt
nur das ist, als was sie aufgefasst wird, oder wozu sie durch
Namen und Form gemacht worden ist; wohingegen vom
höchsten Gesichtspunkte aus alle diese Namen und Formen
verschwinden, wenn das Samyagdar^ana, die wahre Erkennt-
nis, entsteht und es bekannt wird, dass Alles nur Brahman
ist. Wir würden wahrscheinlich einen Schritt weiter gehen
und fragen: woher die Namen und Formen, und woher all
das Blendwerk der Un Wirklichkeit? Der Ved4ntist hat nur
Eine Antwort: Es ist eben die Folge der Avidyä, des
Nichtwissens; und auch dieses Nichtwissen ist nicht wirklich
oder ewig, es währt nur eine Zeit lang und verschwindet
durch Erkenntnis. Wir können die Thatsache nicht leugnen,
obscbon wir die Ursache nicht erklären können. Wieder
gibt es eine Menge Gleichnisse, welche der Vedäntist vor-
bringt; aber Gleichnisse erklären nicht Thatsachen. Wir sehen
zum Beispiel Namen und Formen im Traume, und doch sind
sie nicht wirklich. Sobald wir erwachen, verschwinden sie,
und wir wissen, dass sie nur Träume waren. Wiederum,
wir bilden uns im Finstern ein, dass wir eine Schlange sehen,
und wollen davonlaufen, sobald aber ein Licht da ist, fürch-
ten wir uns nicht mehr, wir wissen, das es nur ein Strick
2ftS Neunte Vorleanng.
ist. Wiederum, es gibt gewiaao Ängenieiden, wo das Ange
zwei Monde sieht. Wir wissen, d&ss es nur Feinen Mond
geben liann, wie wir wissen, dass es nur Ein Br&bman geben
liann ; so lange aber unsere Augen nicbt wirklich geheilt
sind. küDnen wir nicht umhin, zwei Monde ta sehen.
Wiederum, indische Oaukier scheinen es verstanden tu
haben, die Leute glauben zu machen, dasa sie zwei odor drei
Gaukler nHhen, während nur Einer da war. Dor Ganklor
selbst blieb Einer, er wusste. dass er nur Einer sei, wie
Brahman, aber den Zuschauern erschien er als Viele.
Ea gibt noch ein anderes Gleichnis, auf das ich schon
hingewiesen habe, Wenn blaue oder rote Farbe einem reinen
Krystall nahe kommt, so können wir, so sehr wir anch über-
zeugt sein mSgeo, daas der Erystall rein und dnrohsiobtig
ist, die blaue oder rote Farbe nicht von demselben tren-
nen, bis wir alle nmgebonden Objekte — wie die np&dhis
oder Umgebungen der Seele — entfernt haben- Doch dJo»
sind Alles nur Gleichnisse, und für uns wUrde immer nuoti
die Frage bleiben: Woher dieses Nichtwissen?
Brabman und AvidjA die Ursache der pb&unmeualen Well.
Der Vedäntist begnügt sich mit dor Überzeugung, d«u
wir eine Zeit lang thatsftchlich niehtwissend sinri, und woran
ihm hauptsächlich gelegen ist, ist ausfindig zu machen, nicht
wie dieses Nichtwisaeu entstanden ist. sondern wie es ent-
fernt werden kann. Nach einiger Zeit wurde dann die*e
Avidyä (das Nichtwissen' als eine Art unabhängiger Maclil,
Mftj.ä oder Illusion genannt, aufgefasst, und sie wurde sogar
zn einer Frau. Am Anfange aber bedeutete HüyA nichts alt
das Fehlen der wahren Erkenntnis, d. h. das Fehlen der
Erkenntnis Brahmaus.
Vom Standpunkt des Ved.intisten gibt ea aber ketaH
wirklichen Unterschied zwischen Ursache und Wirknog. Zwar
dürfte er vielleicht zngeben. dass Brahmau die Ursache nad
die phSnomenaie Welt die Wirkung ist, aber er wßrde die*»
Die Vediiuta-Pbilosophie. 299
ZogesULndnis sofort qualifizieren nnd sageD. daas Ursache
and Wirkung nie als der Snbstanz nach verschieden ange-
sehen werden dürfen, dass das Brahman immer dasselbe
bleibt, ob es nun als Ursache oder als Wirknng angesehen
wird, gerade so wie in Milch nnd Qaark die Substanz die-
selbe ist. obgleich wir infolge unseres Nichtwissens die Milch
als Ursache nnd den Qnark als Wirkung bezeichnen können.
Sie sehen, wenn wir dem Vedäntisten einmal zugeben,
dass es nur Ein unendliches Wesen gibt, so folgt, dass neben
demselben kein Ranm fflr irgend etwas Anderes sein kann,
und dass auf die eine oder andere Weise das Unendliche
oder Brahman fiberall und Alles sein muss.
Das wahre Wesen des Xenschen.
Nur Eines gibt es, das seine Unabhängigkeit zu behaup-
ten scheint, und das ist das subjektive Selbst, das Selbst in
uns, nicht das Ich oder die Person, sondern das, was hinter
dem Ich und hinter der Person liegt. Jede mögliche An-
schauung in Bezug auf das, was der Mensch wirklich ist, die
von anderen Philosophen vorgebracht worden, wird von dem
Vedäntisten sorgfältig geprfift und schließlich verworfen. Man
hatte geglaubt, dass das, was das wahre Wesen des Menschen
ausmache, ein mit Intelligenz begabter Körper, oder die in-
tellektuellen Sinnesorgane, oder das Denkorgan (manas), oder
bloße Erkenntnis, oder gar absolute Leere, oder wiederum die
in ihren verschiedenen Zuständen aktive und passive, Aber den
Körper hinaus reichende individuelle Seele, oder das leidende
und genießende Selbst sei. Aber keine von diesen Anschau-
ungen wird von dem Vedäntisten gebilligt. Es ist unmöglich,
sagt er. die Existenz eines Selbst im Menschen zu leugnen,
denn wer es leugnet, würde selbst jenes Selbst sein, welches
er leugnet. Kein Selbst kann sich selbst leugnen. Da es
aber in der Welt keinen Platz ftlr irgend etwas außer Brah-
man, dem unendlichen Wesen, geben kann, so folgt, dass das
Selbst des Menschen nichts Anderes sein kann, als eben
30(1 Xeunte VorlKsnng,
Jones Brahman in seiner tianzheit, and nicht nor dn BeaUtndleil
oder eine Modifikation desselben ; ao dass Alles, wits fQr Brah'
man ^Ir, auch für das Selbst im Menschen gilt. Wie Bnh-
maii ganz und gar Erkenntnis ist. so auch das Seihst; wie
llraliman ull gegenwärtig oder alldiirchdringend (vibhu) ist,
so auch das Selbst. Wie Brahman allwissend und allmflcb-
tig ist, so auch das Seihst. Wie Brahman weder aktiv noch
passiv, weder genieliend, noch leidend ist, so ist es auch das
Selbst, oder vielmehr, so mnss es auch das Selbst sein, wenn
OS ist. was es ist, das Einzige, was es sein kann, n&mlich
Brahman. Wenn das Selbst vorUutig verschieden ku sein
scheint, wenn es leidend und genießend, aktiv und passiv, in
Wissen und Macht beschränkt zn sein scheint, so kann dies
nur das Resultat des Kichtwissens oder des Ulanbens an die
UpAdhis oder Behinderungen wahrer Erkenntnis sein. Diesen
lip.^dhia ist es zuzuschreiben, dass das allgegenw&rtige Selbst
in dem Individuum nicht allgegenwärtig, aandem anf das Hen
beachrltnkt tat; dass es nicht allwissend, nicht allmftelilig,
sondern unwissend und achwacb ist; dasa ea nicht ein gleieb-
gültiger Zeuge, sondern aktiv nnd pasaiv, ein Thner nnd eia
Ijeniefier, nnd dass es durch seine Mheren Werke gefessell
oder bestimmt ist. Zuweilen acheint es, als ob die Upädhii
die Ursache dea Nichtwissena wären, in Wirklichkeit aber
ist es das Niclitwiasen, dos die UpftdLis veruraaclit. <) Diese
ITpAdhis oder Behinderungen sind außer der Änßenwelt tmd
dem groben Körper das makhya prü»a, der Lehensgöst,
das Manas, das Denkorgan, die Indriyaa, die Sinne.
Diese drei zusammen bilden das BefOrderungamlttel der Seele
nach dem Tode und schafTen den Keim £n einem neiieQ
Leben. Das sUkshma.''Hrtra, der Teine Körper, in welchem
sie wohnen, Ist unsichtbar, doch materiell, anagedehnt nnd
durchsichtig ;p. 50ti]. Es ist, glaube ich, dieser feine Kfir-
pcr (das sükabmaffftrlr«), den die modernen Theosophislea la
i UI, 2, l,i: iipädbin.iin A'Avidyi'iprHtj upnstlii-
Die Vedänta-PhiloBophie. 30 1
ihren Astralkörper verwandelt haben, indem sie die Theorien
der alten ^ishis für Thatsachen hielten. £r wird ibraya
oder die Wohnstätte der Seele genannt und besteht ans den
feinsten Teilen der Elemente, welche den Keim des Körpers
bilden (dehavi^äni bhütasükshmä/<i), oder — nach einigen Stel-
len— aus Wasser (p. 401) oder etwas Ähnlichem wie Wasser.
Dieser feine Körper verlässt die Seele niemals, und so lange
die Welt sawsära dauert, nimmt die in diesen feinen Kör-
per gekleidete Seele immer wieder neue und gröbere Körper
an. Selbst wenn die Seele den Götterpfad und den Thron
Brahmans erreicht hat, ist sie, so glaubt man, noch immer
in ihren feinen Körper gekleidet. Dieser feine Körper be-
steht aber nicht nur aus den Kräften der sinnlichen Wahr-
nehmung (indriyam), dem Denkorgan manas) und dem
Lebensodem (mukhyapnl^/a), sondern sein Wesen wird auch
durch frfihere Handlungen, durch karman, bestimmt.
Karman oder Apfirra.
In der Pürvamimä//23ä heißt diese Kontinuität zwischen
Handlungen und ihren Folgen Apürva, wörtlich: Vas nicht
vorher existiert hat, sondern in diesem oder in einem früheren
Leben zu stände gebracht worden ist'. Wenn ein Werk ge-
than und vergangen, die Wirkung desselben aber noch nicht
eingetreten ist, so bleibt et^'as flbrig, was unbedingt nach
einiger Zeit ein Resultat — eine Bestrafung für böse, eine
Belohnung für gute Thaten — hervorbringen mnss. Diese
Idee des G*aimini wird jedoch von Bädarilya/^a nicht ohne
eine Modifikation angenommen. Ein anderer Lehrer schreibt
Belohnungen und Strafen für frühere Handlungen dem Ein-
flüsse Uvara's, des Herrn, zu, obwohl er zu gleicher Zeit
zugibt, dass der Herr oder Schöpfer der Welt nichts weiter
thut, als dass er die allumfassende Thätigkeit von Ursache
und Wirkung beaufsichtigt. Dies wird durch folgendes Bei-
spiel erläutert. W^ir sehen eine Pflanze aus ihrem Samen
hervorgehen, wachsen, blühen und zuletzt dahinsterben. Sie
:io2
Neun tu ^'o^le8llQg.
stirbt aber nicht ganz dahin. Etwas bleibt übrig, der Same.
uDd damit dieser Same lebe nnd gedeihe, ist Regen nötig.
Was aaf diese Weise in der Pflanzemtelt dorcli den Regen
bewerkstelligt wird, das wird nach dieser Annahme durch
den Herrn in der moraliscbeD Welt und thatsachlich in der
ganzen SchOpfang bewerkstelligt. Ohne Gott oder ehne den
Regen würde der Same überhaupt nicht wachsen, daM er
ahor 30 oder so wächst, ist nicht dem Regen, sondern dem
i^amen selbst zuzuschreiben.
Und dies dient in der Vodanta-Philosophie als eine Art
Lüsnng für das Problem der l'^xistenz des Übels in der Welt
üott ist nicht der Urheber des Übels, er hat nicht das BOae
erschaffen, sondern er hat einfach den gulen oder bCsen
Thaten fVllherer Welten goststtet oder die Fähigkeit gegeben,
in dieser Welt Frucht zu fragen. Der Schöpfer bandelt
demnach bei seiner Schöpfung nicht snfs Geratewohl, sondern
wird bei seinen Handlungen durch den bestimmenden Hinflass
des kannan oder der geschehenen That geleitet.
Terschledene Zntttiiude der Seele.
Wir haben noch einige ziemlich phautastisohe Theorien io
Bezug anf die verschiedenen Zaslände der individuellen So^e
in Betracht zu ziehen. Die Seele, hoilit es, existiert in vier
ZnstKnden, in einem Zustande des Wachens oder Oewahrsoins,
des Traumes, des liefen Schlafes und schlielllich des Tode».
Im Zustande des Wachens durchdringt die im üerzen weh-
nendo Seele den ganzen Körper, indem sie vermittelst de*
Denkorgans (manas) und der Sinne (indriyas] weiß und han-
delt. Im Zustande des Träumeus bedient sich die Seele nnr
des Denkorgans, in welchem die Sinne absorbiert sind, nnd
sieht, indem sie sich durch die Adern dos Körpers bewegt,
die Eindrucke (vHaanAs), welche die Sinne wahrend des Zu-
Standes des Wachens zurUckgetaeaen haben. In dem drilleii
Stadium ist die Seele auch von dem Denkorgan ganz befreit,
sowohl das Denkorgan als die Sinne sind in dem Lebensoden
Die Vedsrnta-Philosophie. 303
absorbiert, welcher allein noch weiter in dem Körper thätig
bleibt, während die jetzt alier npädhis oder Fesseln ledige
Seele anf kurze Zeit zu dem im Herzen wohnenden Brahman
zurückkehrt. Beim Erwachen verliert aber die Seele wieder
ihre vorttbergehende Identität mit Brahman, sie wird wie-
der, was sie vorher gewesen, die individuelle Seele.
In dem vierten Znstand, dem des Todes, sind die Sinne
in dem Denkorgan, das Denkorgan in dem Lebensodem, der
Lebensodem in dem moralischen Beförderungsmittel der Seele,
und die Seele in dem feinen Körper (sdkshma^arira) absor-
biert. Wenn diese Absorption oder Vereinigung stattgefunden
hat; so wird, wie die alten Vedäntisten glauben, die Spitze
des Herzens leuchtend, wodurch der Weg, auf welchem die
»Seele mit ihrer Umgebung upadhis) aus dem Körper aus-
zieht, erhellt wird. Die Seele oder das Selbst, welches die
wahre Erkenntnis des höchsten Selbst erlangt, gewinnt ihre
Identität mit dem höchsten Selbst wieder und genießt sodann,
was schon in den Upanishaden und vor dem Auftreten des
Buddhismus als Nirvä;}a oder ewiger Friede bezeichnet
wird.
Kramamokti.
Gewöhnlich glaubt man, dass diese Idee des Nirvä;<a
dem Buddhismus eigentümlich sei, aber wie von vielen bud-
dhistischen Ideen, lässt sich auch von dieser nachweisen,
dass sie ihre Wurzeln in der vedischen Welt hat. Wenn
dieses Nirvä/ia Schritt für Schritt, mit dem Väterpfade oder
dem Götterpfade beginnend, dann zu einem seligen Leben in
der Welt Brahmans und hierauf zur wahren Erkenntnis der
Identität des Atman. der Seele, mit Brahman weiter führend,
erlangt wird, so heißt es Kramamukti, d. h. allmähliche
Erlösung.
friTaninaktl.
Dieselbe Eikenntiiis kann Hbüi- aucti in diesem Lebpn
in einem oiiizigeu Augenblick erlangt werden . ohne auf deu
Tod oder die Auferstehung und daa Hinanfsteigcn zor Welt
der Vfttor, der OCtter und des Uottea ItralimHii eu warten;
und dieser Jiiisland der Erkenutnis und ErlSsung, wenn ein
Mensch ilin erlangt, solange er noch im Körper weilt, wird
von Hjiilteren IMiilosophen Givsnmultti { Erlüg ung bei Leb-
zeiten) genannt.
Diese Erlösung kann in diesem Leben stattlindeii, obiie
die Hilfe des Todois und ohne das, was man Utkränti, den
Auszug der Seele, nennt.
Die Erklärung, welche von diesem Zustand v(illsUUidi|er
geistiger Freiheit, während die Seele noch in dem KOrpi^r
weilt, gegeben wird, ist die durch das Gleichnis von der Töpfer-
scheibe, die sich noch eine Weile fortbewe^, solbat ven
schon der sie in Bewegung setzende Antrieb aufgehört bat
Die Seele ist frei, aber die Werke eines frllherea Daaeini.
wenn sie einmal angefangen babou Frucht zu tragen, müs-
sen nocb weiter Frnehl tragen, bis sie ganz erschöpft sinil,
während andere Werke, die nocb niebt begonnen habet
Fracht zn tragen, von der Erkenntnis ganz verbrannt «erdei
künnen.
Wenn wir fragen, ob dieses NirvA;ia dos Brahmantn
Absorption oder gänzliche Vernichtung bedeute, so vrtuit
der Vediintist — anders als der Uuddhist — keines vsi
beiden zugeben. Die Seele wird nicht in Brafaman abwt-
biert, denn sie hat Brahman nie verlassen; es kann nieUi
von Brahman Verschiedenes geben; anch kann sie nicbt rt>
niobtet werden, weil Brahman nicht vernichtet werden Icui
und die Seele nie et^vas Anderes als das Brahman in seiner
ganzen VidUtflndigkeit gewesen ist; die neue Erkenntnis fH^t
in dem, was die Seele immer war, nichts hinzu, ond li«
nimmt auch nichts hinweg, außer jenes Nichtwissen, wrieb«!
Die VedäDüi-Philosophie. ^05
eine Zeit lang die Selbsterkenntnis der Seele verdunkelt
hatte.
Diese lebendig erlösten Seelen genießen vollständige
Glückseligkeit und Freiheit, obgleich sie noch in dem Körper
gefangen sind. Sie haben wahres Nirvä/^a. d. h. Freiheit von
I^idenschaft und Befreiung von Wiedergeburt, erlangt. So
sagt die BnhadÄra;?yaka-Upanishad IV, 4, 6: »Wer ohne
Wunsch, wer von Wünschen frei ist, dessen Wünsche erfttllt
worden sind, dessen W^unsch das Selbst ist, ans dem ziehen
die Lebensgeister nicht aus; er, der Brahman ist. wird zu
Brahman. <
JVir würden sofort fragen: Behält denn die Seele,
nachdem sie die Erkenntnis ihres wahren Wesens erlangt
hat. ihre Persönlichkeit bei?
Persönlichkeit der Seele.
Allein solch eine Frage ist für den wahren Vedantisten
unmöglich. Denn irdische Persönlichkeit ist für ihn eine
Fessel und ein Hindernis, und Freiheit von dieser Fessel ist
das höchste Ziel seiner Philosophie, ist der höchste Segen,
nach dem der Vedantist strebt. Diese Freiheit und dieser
höchste Segen sind einfach das Resultat' wahrer Erkenntnis,
einer Art göttlichen Selbsterinnerns. Alles andere bleibt, wie
es ist. Allerdings spricht der Vedantist davon, dass die indivi-
duelle Seele sich in die Weltseele ergieße, ^ie reines Wasser
in reines Wasser gegossen wird. Die beiden können nicht mehr
durch Namen und Form unterschieden werden ; doch legt der
Vedantist großes Gewicht auf die Thatsache. dass das reine
Wasser in dem reinen Wasser nicht verloren geht, ebenso-
wenig wie das Atman in dem Brahman verloren geht. Wie
Brahman^ reine Erkenntnis und reines Bewusstsein ist. so
ist auch der Atman. wenn er befreit ist. reine Erkenntnis
1 Nitya-upalabdhi-svarüpa. Dcusscd. St/stcm den Veddnta,
p. ^6.
Ifax Müller, TheobOphie. 20
306 Neunte Vorlesung.
und reines Bewusstsein, während er in dem Körper be-
schränkte Erkenntnis und beschränktes Bewusstsein, und nur
eine beschränkte Persönlichkeit ist. Irgend etwas wie Ge-
trenntsein vom Brahman ist unmöglich, denn Brahman ist
Alles in Allem.
Was wir auch von dieser Philosophie halten mögen,
ihre metaphysische Kühnheit und ihre logische Folgerichtig-
keit werden wir nicht leugnen können. Wenn Brahman
Alles in Allem, das Eine ohne ein Zweites ist, so kann man
von Nichts sagen, dass es existiere, was nicht Brahman ist
Außerhalb des Unendlichen und des Universalen ist kein
Raum für irgend etwas, auch ist kein Raum für zwei Arten
des Unendlichen, für das Unendliche in der Natur und das
Unendliche im Menschen. Es gibt und es kann nur Ein Un-
endliches, Ein Brahman geben; dies ist der Anfang und das
Ende des Vedäntä, und ich zweifle, ob die natürliche Reli-
gion einen höheren Punkt erreichen kann oder je erreicht
bat, als den, welcher von /SVikara als einem Erklärer der
Upanishaden erreicht worden ist.
Zehnte Vorlesung.
Die zwei Sohnlen des Vedänta.
Doppelsinnige Stellen in den llpanishaden.
Als ich Ihnen einen knrzen Abriss der Yedänta-Philo-
•
Sophie vorlegte, musste ich mehrmals Ihre Aufmerksamkeit
anf das lenken, was ich die Doppelsinnigkeit nannte, die in
den üpanishaden und anch in den Yedänta-sfitras zn Tage
tritt. In Einem Sinne kann Alles, was existiert, als Brah-
man angesehen werden, welches nnr dnrch das Nichtwissen
verschleiert ist, während in einem anderen Sinne Nichts, was
existiert, Brahman in seinem wahren nnd wirklichen Charak-
ter sein kann. Diese Doppelsinnigkeit tritt besonders stark
hervor, wo es sich am die individuelle Seele nnd den
Schöpfer handelt. Die individuelle Seele wäre nichts, wenn
sie nicht Brahman wäre, und doch kann nichts von dem,
was von der individuellen Seele ausgesagt wird, von Brah-
man ausgesagt werden. Ein großer Teil der Vedlinta-sütras
beschäftigt sich* mit dem, was man philosophische Exegese
nennen kann, d. h. mit dem Versuche zn bestimmen, ob sich
gewisse Stellen in den Üpanishaden auf die individuelle
Seele oder auf Brahman beziehen. Da ja die individuelle
Seele Brahman gewesen ist und sein wird und in der That
stets Brahman ist, wenn sie es nur wüsste, so ist es im
Allgemeinen möglich, zu schließen, dass das, was von der
individuellen Seele gesagt wird, am Ende von Brahman
20*
308
Zehnte Vurleeung.
geaafnt ist. D&sselbo gilt vod dem persOnlicIten <
Schöpfer, oder — wie er gewöhnlich genannt wird — bw«,
dem Herrn. Aach er ist in Wiritlichkeit Brahman, so dus
nuch hier wiederum Vieles, was von ihm anagesagt wird, am
Knde auf Brahmaa, das höchste Wesen, in seinem nicht-
phänomenalen Charakter bezogen werden kann.
Diese Uoppekinnlgkeit des Denkens und der Ansdrneka-
weise hat in den beiden Sclinlen, welche Jahrbauderte lang
darauf Anspruch erhoben, die wahren Vertreter des VedAnta
zu sein — iu der Sohnle des Ä'ankara und in der des RA-
mAnn^a — ihren endgflltigen Ausdruck gefunden. Ich bin
im Allgemeinen iS'ankara als meinem Fahrer gefolgt, da
er mir die Vedintalehre auf den höchsten I'unkt zn fUh-
Tun si^heint, aber ich halte es fllr meine Pflicht zn aagen,
dass mir Thibant bewiesen zn haben acheint, dassJn vielen Puik-
ten Räm^nn^a der treuere Ausleger der Vedäuta-sütraa ist. Saä-
kara ist der philosophischere Kopf, wShrend R&mAnn^ itt
erfolgreiche fiegrflnder Einer der populärsten religiösen SektM
geworden ist, hanptsltclilich wohl deshalb, weil er nicht St
letzten Konsequenzen ans dem Vedilnta zog, und weil ar M
verstand, seine mehr metaphysischen Speknlationen mit i
religiösen Kult gewisser Volkagottbeileu in Einklang in brift*
gen, Indem er bereit war, dieselben als symboUeohe Dftrstal*
lungcn der universalen Gottheit gelten zu tattsen. Auch i
liämüDui/a nicht oinfaoli ein von .S'ankara abweichender Leb-
rei'. Er berief sich fUr seine Auslegung dos Vedänts auf
die Autorität von noch alteren Philosophen als .VaAkara, i
natQrlich auf die Autorität der Vedfliita-sntras selbat, wi
sie nur richtig verstanden wQrden. Die Anhänger RAbüI*
nof/a's besitzen, soviel ich weiß, jetzt keine Manuskripte i
irgend einem dieser älteren Kommentare, doch haben irir
keinen Grund zu bezweileln, dass Bodhäyana und andei«
Philosophen, nuf die sieh Hdmänn^a beruft, wirkliche for-
»onen und zu ihrer Zeit einfluasreiche Lehrer i
gewesen seien.
Die Bwei Schalen des VedAnta. 309
S^iikira und Bamännira.
Ramänuya nnd »^aäkara stimmen natflrlich in vielen
Punkten fiberein, doch besitzen die Pankte. in welchen sie
voneinander abweichen, ein besonderes Interesse. Es sind
dies nicht bloße Fragen der Auslegung in Bezug auf die
Sütras oder die Upanishadon. sondern sie schließen wichtige
Prinzipien in sich. Beide sind streng monistische Philoso-
phen, oder sie geben sich doch alle Mühe, es zu sein. Sie
glanben beide, dass es nur Ein absolutes Wesen gibt und
geben kann, welches Alles erhftlt. Alles in sich begreift und
Alles erklären helfen muss. Sie weichen jedoch voneinander
ab in Bezug auf die Art und Weise . in der das phänomenale
Weltall zu erklären sei. «SaAkara ist der konsequentere Mo-
nist. Nach ihm ist Brahman — oder Paramätman. das höchste
•Selbst — stets ein nnd dasselbe, es kann sich nicht verändern,
und darum ist alle Mannigfaltigkeit der phänomenalen Welt
bloß phänomenal oder — wie man auch sagen kann — illu-
sorisch, das Resultat der avidyü. des unvermeidlichen Nicht-
wissens. Sie glauben beide, dass alles Reale in dieser
unrealen Welt Brahman sei. Ohne Brahman wäre selbst
diese unreale Welt unmöglich, oder, wie wir sagen wfir-
den. es könnte nichts Phänomenales geben, wenn es nicht
etwas Noumenales gäbe. Da es aber in dem höchsten We-
sen keine Veränderung oder Verschiedenheit geben kann.
so dflrfen die verschiedenen Phänomene der Außenwelt.
so wie auch die in die Welt tretenden individuellen Seelen
nicht als Teile oder als Modifikationen Brahmans ange-
sehen werden. Sie sind Dinge, die ohne Brahman nicht
sein könnten: ihr tiefstes Selbst liegt in Brahman; was sie
aber zu sein scheinen, ist nach «S'aiikara das Resultat des
Nichtwissens, irriger Wahrnehmung und ebenso irriger Auf-
fassung. Hier weicht RAmänu^a ab. Er gibt zu. dass Alles.
was wirklich existiert. Brahman ist, und dass es nichts außer
Brahman gibt und geben kann, aber er sehreibt die Elemente
der Vielheit in der phänomenalen Welt, die individuellen
310 Zehnte Vorlesung.
Seelen mit eingesclilossuD, nii'lit dem Niclitwiaat-n. soudi?!
ßralunan selbst zu.
I
Rrimruiu^a.
Bei Rämüniii/a wird Bruhman ia der TliKt nicht nnr anr
Ursache, sondern zur eigentlichen Quelle allea i^eieudcn. und
nach ihm ist die Mannigfaltigkeit der pbäiiomenalen Wolt einr
UtTenbaruDg dessen, was in Brahmau verborgen liegt. Alles,
was denkt, und Alles, was nicht denkt, das ^it und du
a^it, sind wirkliche Arten (prakära) Brahmans. Er ist der
antaryümin, der innere Beherrscher der matenellen und
der immateriellen Welt. Alle individuellen Seelen sind wirk-
liche OITe nbarangen dea nngesehenen Brahmau nnd werden
ihren individnellen Charakter alle Zeit und in alle EwigkvU
Ijeibehalten. RilmAnu(/a gibt die großen Emeuernngen der
Welt zu. Am Knde eines jeden Kulpa geht Alles, was da
iitt, auf einige Zeit (wahreud des pralaya) in Brabmxn auf.
nm, Hubald als Qrahmao eine neue Welt [Kalpa< will, wieder
zu erscheinen, üie individuellen Seelen werden dnau noch
einmal verkörpert werden, und zwar werden sie je uaob
ihren guten uder bösen Tliatou in einem früheren Irfben
verscbiedene Körper erhalten, Ihr endgültiger Luhn bt üe-
Annäherung an Brahman, wie sie in den alten UpanlnhadoD
lieschriebeu wird . nnd das Loben iü einem bimuilischeu P»-
radiese, frei von aller Üofahr einer Rückkehr zu einer genon
Geburt, Ktwas Höberos als dies gibt es noch HamAnn^s
nicht,
.Vaükara.
ä'sßkara's Brabmau ist im Uegenleil ginnlicb frei Toti
Verachiodenbeiton und cuthillt in sieh keine Samen der pbi-
nomennlon Welt. Es ist ohne Qualitäten. Kioht einmal du
Denken kann von Brahmau ausgesagt werden, obgleich die
Intelligenz dessen wahres Wesen iiusuaeht. Allen, wu
Die zwei Schulen des Vedänta. 311
mannigfach und mit Qualitäten ausgestattet scheint, ist das
Resultat der Avidyil oder des Nichtwissens, einer Macht, die
weder als real noch als unreal bezeichnet werden kann ; einer
Macht, die ganz und gar unbegreiflich ist deren Wirksam-
keit aber in der phänomenalen Welt gesehen wird. Was
von Ram:lnu<7a l^vara oder der Herr genannt wird, ist nach
«S'atikara Brahman. wie er von der Avidyä oder Mäyä dargestellt
wird, als ein persönlicher Schöpfer und Beherrscher der W^elt.
Dies, bei RämAnu^a das höchste Wesen, ist aber in den
Augen «^aAkara's bloß das niedrigere Brahman, das qualifi-
zierte oder phänomenale Brahman. Diese Unterscheidung
zwischen dem Param und dem Aparam Brahman. dem höhe-
ren und dem niedrigeren Brahman, existiert für KAmänu^a
nicht, während sie den wesentlichsten Zug von ^S'aiikaras
Vedäntismus bildet. Nach «S'afikara sind die individuellen
iSeelen mit ihrer Erfahrung einer objektiven Welt und diese
objektive Welt selbst insgesamt falsch und das Resultat der
AvidyA ; sie besitzen, was man eine v y a v a h a r i k a oder prak-
tische Realität nennt, sobald aber die individuellen Seelen
(^va) erleuchtet werden, hören sie auf, sich mit ihren Kör-
pern, ihren Sinnen und ihrem Verstand zu identifizieren, sie
erkennen und genießen ihre reine ursprüngliche Brahmanschaft.
Nachdem sie sodann ihre Schuld für frühere Thaten und
Missethaten gezahlt, nachdem sie ihre Belohnungen in der
Nähe des qualifizierten Brahman in einem himmlischen Para-
diese genossen haben, gelangen sie zur ewigen Ruhe im
Brahman. Oder sie können schon in diesem Leben sogleich
zur Ruhe in Brahman eingehen, sofern sie nur aus dem
Vediint^i gelernt haben , dass ihr wahres Selbst dasselbe
ist und immer dasselbe gewesen ist, wie das höchste Selbst
und das höchste Brahman.
Was man oft als die kürzeste Zusammenfassung des
Vedünta in zwei Zeilen citiert hat, gilt ftlr den Vedanta des
^'ankara, nicht des Ramanu/7a:
312 Zehnte Vorle^nnß.
• In einem hniben Versa will ich crklüren, was in MilliooB»
Bünden erklürt worden ist,
Braliman ist wahr, die Well ist falsch, die Spde iat Btlll'
m»o nud nidits Anderes. •
MukAnllienB pravakshyünii yad iiktaui gianthnkotiiib
Braliina BAtyam i/agan mithyi'!, g\vo hr.ihmaiva niipnni
Dies ist wirklioh eine sehr vollsläadigc Zasammcufasanng.
Dev Sinn Ut: Was wabihaft und wirlclicb existiert, istBraii-
tnan, das Eine absolnte Wesen; die Welt ist falscli, oder
vielmehr, sie ist nicht, was sie zu sein sobeint; ä. h.. AIIm,
was uns dnrch die Sinne dargeboten wird , ist |ihänumenal
und relativ and kann nichts Anderes sein. Die Seele hin-
wiederum, oder vietmehr jedes Menschen Seele, obzwar sie
dies oder jenes zu sein scheinen ma^, ist in Wirklichkeit
nichts als Braliman.
Dies ist die Qnintessenz des VedAnta; das Einzig, -n»
wir darin vermissen, ist eine Kechenschafl darüber, wieso es
kommt, dass das Phänomenale und das Individnelle llbcrbanpl
da ist, und in welcher ßeziehnng es za dem absolat Kcalcn.
zu Ilrahman, steht.
Dies ist der Punkt, in Beeng anf welchen .Saftkara und
KAmAnuva anseinander gehen, indem RitmAnn^a die ßrohh
tionstheorie, den ParinAma-vAda . nnd .VaAkara die lUndOlU-
thcorie, den Vivarta-väda, verteidigt.
Aufs engste verknnpft mit dieser Heinnngsverschiedeo-
hcit zwischen den beiden großen Lehrern des Vedänta id
eine andere Verschiodenhoit in liozag auf das Wesen OottM
als des Schöpfers der Welt. KAmi1na//a kennt nur KIn Br^
man, nnd dies ist nach ibnj der Herr, der die Wdt ^■
schafft ond beherrscht, ^adkara gibt zwei BrahniMii n,
ein niedrigeres nnd ein hahcres, die freilich Ihrem wabm
Wesen naoli sur Eins sind.
li .1 ItMioma lU/utalio,
b>' Nehemiah NllakaoMa (^lor«
Calcutta. Ib61.
n/ th* Hindu nÜMOpXiftil ilf0ümt,
iranBlareil by Klu-Bdward flalL
Die z^ei Schulen des Vedanta. 313
So groß anoh diese MeiDnngsverschiedeuheiten zwischen
^Sankara und Rämänu^a in Bezag auf gewisse Punkte der
Yedänta-Philosophie scheinen mögen, so verschwinden sie
doch, sobald wir auf dieses alte Problem näher eingehen.
Oder vielmehr, wir können sagen, dass die Beiden im Grunde
dasselbe meinten, wenn sie sich auch auf verschiedene Weisen
ausdrückten. Wohl betrachtet «^aftkara die individuelle Seele
und den persönlichen Gott oder t^vara, wie alles Andere,
als das Resultat der Avidyä, des Nichtwissens, oder derMäyü,
der Illusion, doch dürfen wir nicht vergessen, dass das, was er
^unwirklich' nennt, nichts weiter ist, als was wir ^phänomenal'
nennen würden. Seine vyävahärika oder praktische Welt
ist nicht mehr unwirklich, als unsere phänomenale Welt, ob-
gleich wir dieselbe von der noumenalen oder dem ^Ding an
sich' unterscheiden. Sie ist so wirklich, wie etwas, was uns
von den Sinnen dargeboten wird, es nur jemals sein kann.
Auch der vyävahürika oder phänomenale Gott ist nicht mehr
unwirklich, als der Gott, dem wir unwissend Gottesdienst
thun. Avidyä, das Nichtwissen, bringt bei «S'aAkara thatsäch-
lieh dieselbe Wirkung hervor, wie pari/^ma, die Evolution,
bei RUmänu^a. Bei ihm bleibt immer die unbeantwortete
Frage, warum Brahman, das vollkommene Wesen, das ein-
zige Wesen, das sich einer Realität rühmen kann, jemals
dem pari/^lma oder Wechsel unterworfen gewesen, warum —
wie Plato im Sophisten und im Parmenides fragt — das
Eine je zu Vielen geworden sei; wohingegen «SiaAkara ehr-
licher ist, indem er, wenngleich indirekt, unsere Unwissen-
heit bekennt, wenn er Alles, was wir in der phänomenalen
Welt nicht verstehen können, jenem Princip des Nichtwissens
zuschreibt, welches unserer Natur angeboren ist, ja ohne
welches wir nicht sein würden, was wir sind. Die Erkennt-
nis dieser Avidyä ist die höchste in diesem Leben erreich-
bare Weisheit, ob wir nun der Lehre des «^aiikara oder
des Rämänu^a, des Sokrates oder des Paulus folgen. Das
alte Problem bleibt dasselbe, ob wir nun sagen, dass das
unveränderliche Brahman verändert ist, trotzdem wir nicht
314
Zehn
! Vorleannff.
wisäSD, wie, oder ob wir sagen, daas es die Folge der Unwisaen-
beit ist, wenn das nnverSnderliobc Brabinan verändert 211 sein
acheint. Wir haben zwiaclien zwei Dingen zu wählen: ent-
weder wir müssen die Avidyft als eine riuerklArliche ThalsKcIiD
binnehmen, oder wir müssen die Veränderung; in dem voll-
kommenen Wesen als eine nnerklftrlicbe Tbataacho binnebmen.
Uios wflrde uns jedocb in Gebiete der Philosophie fnbren,
die von indischen Denkern nie bearbeitet worden sind, und
wehin sie es ablehnen worden uns zn folgen.
Was wir aber auch von diesen vedäntiscben SpekiilEt-
tJonen halten mögen , so müssen wir doch immer die kolini.-
Konsequenz bewundern, mit der diese alten Philosophen, und
namentlich ■S'ankara, aus ihren Prämissen weiters chließen.
Wenn Brahmau Alles in Allem ist, sagen sie, wenn Brak-
man das einzig wirkliche Wesen iat — , dann mnsa such die
Welt Brahman sein, und die einzige Frage ist nnr: wie?
ä'aAkara ist ganz konsequent, wenn er sagt, daas ohne Brah-
man die Welt unmöglich sein würde, gerad« so, wie wir
sagen würden, dass ohne das absolut lieale das relativ Keale
uumüglich sein würde. Und es ist sehr wichtig zn bomerkra.
d.iss der VodAntist nicht so weit geht, wie gcwitise bnddhisti-
ache Philosophen, welche die phänomenale Welt ftlr sohleck-
tordings Nichts ansehen. Nein, ihre Welt ist real, nar lit
sie nicht, was sio £u sein scheint. i.S'uAkara behauptet ttr
die phänomenale Welt eine fOr alle prakliachen Zwecke gcnO-
gendc(v>-ilvabärika) Realität, eino Realität, die hinreicht, unser
praktiaohes Leben, unsere moralischen Verpflichtungen, j»
sogar unseren Glauben an einen olTonbar gewordenen oder
olTonbarten (Jott zu bestimmen.
Ein Schleier int da, aber die Vedänta-Philosophie lohn
uns, dass das ewige Iiieht hinter demselben steta mehr oder
minder dunkel, oder mehr oder minder deullioh durch phi-
losophische Erkenntnis wahrgenommen werden kann, Es kana
wahrgenommen werden, weil es in Wirklichkeit WeU da iit
Man hat gemeint, dass der persönliche oder oRenhar gewei^
dene Gott der Vedfkntislen, ob sie ihn nun Uvarn, den llorm.
Die zwei Schulen des Vedänta. 315
oder mit irgend einem anderen Namen nennen, keine abso-
lute, sondern nur eine relative Realität besitze — dass er
eben das Resultat der Avidyä oder des Nichtwissens sei.
Das ist richtig. Aber diese sogenannte relative Realität ist
wiedemm für alle praktischen nnd religiösen Zwecke hin-
reichend. Sie ist so real, wie nur irgend etwas, wenn es
von uns erkannt wird, real sein kann. Sie ist so real, wie
irgend etwas, was in der gewöhnlichen Sprache als real be-
zeichnet wird. Nnr die Wenigen, welche die Realität des
Einen absoluten Wesens begriffen haben, haben ein Recht
zn sagen, dass es nicht absolut real ist. Der Vedantist ist
sehr darauf bedacht, zwischen diesen zwei Arten von Realität
zu unterscheiden. Es gibt eine absolute Realität, welche nur
Brahman eigen ist; es gibt eine phänomenale Realität, welche
Gott oder bvara als dem Schöpfer und Allem, was er so,
wie wir es kennen, geschaffen hat, eigen ist; und es gibt
außerdem etwas, was er als gänzliche Leere oder »ünyatva
bezeichnen würde, was bei den Buddhisten das wahre Wesen
der Welt ausmacht, während der Vedantist es mit der Luft-
spiegelung der Wüste, den Hörnern eines Hasen, oder dem
Sohn einer Unfruchtbaren auf Eine Linie stellt. Wenn er
gefragt wird, ob er den Schöpfer nnd seine Werke als nicht
absolut real ansieht, hilft er sich immer mit der Erklärung,
dass der Schöpfer und die Schöpfung das Absolute selbst
sind und nur bedingt zu sein scheinen. Das Phänomenale
haftet bloß ihrer Erscheinung an, was, in unsere Sprache
Qbersetzt, heißen würde, dass wir Oott nur erkennen kön-
nen, wie er sich in seinen Werken offenbart, oder wie er
unserem menschlichen Verstände erscheint, niemals aber in
seiner absoluten Realität. Nur während für uns das Fehlen
der Erkenntnis subjektiv ist, ist es für den Inder zu einer
objektiven Macht geworden. Er würde zu dem modernen
Agnostiker sagen: Wir stimmen, was die Thatsachen anbe-
langt, ganz mit dir überein; während du dich aber mit der
bloßen Behauptung begnügst, dass wir als menschliche Wesen
nichtwissend sind, haben wir in Indien uns die weitere
316
Zehnte Vorlesung;.
Frage gestellt, woher dieses Nichtwiasen komme, «>s uns
UDwUsend gemaclit habe, oder woa die Ureache sei, denn
eine Uraacho mnss es dafür geben , dass wir das Äbsolate,
»o wie OS ist, nioht za erkennen vermögen. Damit, daa«
die Vedäutisten dieae Ursache AvidyA oder MäjA nen-
nen, — könnten die Agnostiker sagen — gewinnen sie
nicht viel; doch gewinnen sie immerliin dies, dass dieae
noiveraale Agnosia als Ursache, als von dem wissenden
Subjekt nnd von den gewussien Objekten verschieden ange-
aehen wird. Wir worden wahrscheinlich sagen, dass die
Ursache der Agnosia oder unserer beschränkten nnd beding-
ten Erkenntnis in dem Subjekt liege, oder schon in dem
Wesen desäen, was wir unter Erkenntnis vorstehen, und gc-
r.ide von diesem Qesiclitsp unkte aus hat Kant die Ürenzon
und Bedingungen der Erkenntnis, wie sie dem menschlichen
Geiste eigent&mlich sind, bestimmt.
Ohschon auf einem verschiedeneu Wege . gelangte der
Vßdäntist am Endo wirklich zu demselben Resultat, wie Kant
und neuere Philosophen, welche mit Kant glauben, dass
'Unsere Erfahrung nns nur mor/i dos Unbedingten liefert, wie
sie sich unter den Bedingungfn unseres Bewuaatseiua darbie-
ten •. Uieae Bedingungen oder Beachrilnkungen des mensch-
lichen Bewnastseins waren es eben, welche in Indien mit dem
Namen 'Avid.vfl' bezeichnet wurden. Zuweilen wird die»«'
Avidyä als eine Macht innerhalb des tiöltliclieo (derfttnm*
«akti, VedäutasAra, p. \] dargestellt ; manolimal aber ist diinli
eine Art mythologischer Metamorphoso die Avidyil oder Mlyft
pcrsoniSEiert worden, gleicbaam eine Macht, die, von uns nnali-
hüngig, nns doch bei Jedem Akt sinnlicher Anschauung und
vornllnftiger Vorstellung bestimmt. Wenn der Vedäntist sagt,
dns3 die relative Healität der Welt vyävahärika, d. h. praktiiek
oder fnr alle praktischen Zwecke genttgend ist, so wllrden wir
w ab rao heinlich sagen: >Obg]eich die Realitilt unter den Formra
unseres Bewnsstseins nor eine bedingte Wirkung der absotntoa
tiealilAI ist, so steht doch diese bedingte Wirkung in m-
ICalicher Bedehnng za ihrer nnbedingten Ursache, nnd da
Die zwei Schalen des Vedanta. 317
sie von gleichem Be&tande ist, so lange die Bedingungen
bestehen, ist sie für das diese Bedingungen liefernde Bewusst-
sein gleich real.«
Es mag sonderbar scheinen, dass wir so die Resnltatc
der Philosophie Kants und seiner Anhänger, wenn anch anf
verschiedene Weisen ausgedrückt, in den Upanishaden und in
der Vedänta-Philosophie des alten Indien anticipiert finden.
Die Behandlung dieser uralten Probleme ist ja ohne Zweifel
eine verschiedene in den Händen modemer und alter Denker,
aber der Ausgangspunkt ist in Wirklichkeit immer derselbe,
und die Endergebnisse sind im Grunde dieselben. Bei die-
sen Vergleichungen können wir nicht die Vorteile erwarten,
welche uns eine wirkliche genealogische Behandlung religiöser
und philosophischer Probleme gewährt. Wir können nicht
in gerader Linie von Kant auf iSaükara zurflckgehen, wie
wenn wir vom Schiller auf den Lehrer, oder selbst von Geg-
nern auf die von ihnen kritisierten oder bekämpften Autoritäten
zurflckgingen. Wenn aber diese Behandlung unmöglich ist, so
erweist sich doch auch das, was ich die analogische Behandlung
nenne, oft als sehr nfltzlich. Wie es nützlich ist. die Volks-
sagen und abergläubischen Gebräuche von Völkern zu ver-
gleichen, welche in Europa und in Australien lebten, und
zwischen denen keine genealogische Verwandtschaft denkhar
ist. so ist es auch lehrreich, die philosophischen Probleme
zu beobachten, wie sie zu verschiedenen Zeiten und in ver-
schiedenen Örtlichkeiten, zwischen denen unmöglich irgend
eine geistige Berührung vermutet werden kann, unabhängig
voneinander behandelt worden sind. Auf den ersten Blick
scheint ja die Sprache und die Methode der Upanishaden
so fremdartig, dass jede Vergleichnng mit der philosophischen
Sprache und Methode unserer Hemisphäre ausgeschlossen
scheint. Es klingt sonderbar ftlr uns, wenn die Upanishaden
von der Seele sagen, dass sie aus den Adern hervorkomme,
zum Monde aufsteige und nach einer langen und gefährlichen
Wanderung sich endlich dem Throne Gottes nähere; und
noch sonderbarer klingt es, wenn sie die Seele zu einem
318
Zehnte Voriemng.
porsönlicben Outt sagen Ixssen: >lcli bin, was du bist, tla
bist das Selbst, ich bin das Selbst, da bist das Wahre, icU
bin das Wahre.' Und doch ist os nur das konsequent durch-
geführte alle Argument der Eleaten , dass, wenn es our Rio
Unondlichea oder Einen Oott gibt, anch die Seele ihrem
wahren Wesen nach nichts als Gott sein kann. Religionen,
welche unf den Glauben an einen trän sscen deuten, aber doch
persönlicbea Oott gegründet sind, schrecken nattlrlicb vor
dieser Soblnssfolgernng ab unehrerbtetig und als geradezu
gottlos zarllck. Doch dies ist ihre eigene Schuld. Sie
hnben znorst eine unnahbare Gottheit geschaffen nnd rnrch-
len sich dann, sich derselben zu nähern; sie haben sieh
einen Äbgrnnd zwischen dem Menschlichen und dem Gött-
lichen gegraben, und sie dürfen denselben nicht Uberschrei'
ten. Das war in den ersten Jahrhunderten des Chriaten-
tums anders. Eingedenk der Worte Christi: 'Eyit iv avToi^,
xai üii iv fftoi, 'iva ihaiv leTelEiwjiivnt eig i'v, »loh in
ihnen nnd dn in mir, damit sie in Eins vervollkonunoel
seien«, erklärte Athanasius, De Incarn. Verbt Dei, jivfits
\fi loü Ittoß Ärf/OL.) t.f p^fJpw.-Tf^oo' 'i'va ^fitis iteniroitii^üfitv,
>Er, der Logos oder das Wort Gottes, wnrde Mensch, damit
wir Gott wurden'. Anch in neueren Zeiten haben JihnUohB
Ideen, obgleich mehr oder minder in metaphorisober Sprache
verseil leiert, in der heiligen Poesie Ausdruck gefunden. Vtir
nicht mehr als 200 Jahren gab es jene edle Schale ohriat-
licher Platoniker. welche Cambridge in der ganzen Chrittoa-
heit bertihmt machte. Sie dachten dioselbea Gedanken oad
<;cbranchtBn nahoiia dieaelbe Sprache, wie die Ver&aSAt der
llpauishaden vor 2000 Jahren, und wie die indischen Vod&nti^
Philosophen vor ungefähr lUUO Jahren, ja wie manobe re^■
oinzolte Denker, die sich noch hentigestags in BenarM
Qnden. Die folgenden Zeilen von Henry More liftUe ein
Vedäiita-Philoaopb in Indien schreiben kAnnen:
'Hi'nce thc sonl's natiire wu mny pUinlj sec:
Ä bcnm it is of thc lotetlectiixl Sun.
A ray indeed of that AetcrnJtf,
Die zwei Sehuleo des Vediiiite. 319
But sQch s nj as when it fint out shone
From a free light its shining date begun'J,
Und wiedernm:
'Bat yet, my Muse, still take an higher flight,
Sing of Platonick Faith in the first Good,
That faith that doth oor sonls to God unitc
So stronglr. tightly. that the rapid flood
Of this swift flox of things, nor with fonl mud
Can stain, nor strike us off from th'unitv
W herein we steadfast stand, unshaked, unmoved.
Engrafted by a deep Titality.
The prop and stay of things in God's benignity*. -
Die Vedinta-Philosophie ist. wie wir sahen, sehr reich
an Gleichnissen nnd Metaphern, doch hat keine Philosophie
zu gleicher Zeit so mntig alle metaphorischen Schleier ent-
fernt, wenn es galt, die ganze Wahrheit za enthfillen. ^ie
der Vedinta. namentlich im Mnnde des «Safikara. Und das
Eigentümliche bei dem Vedänta ist. dass er trotz aller Kflhn-
heit im Gebrauche nnmetaphorischer Sprache nie aufgehört
hat. eine Religion zn sein.
Der Vedinta bestätigte den Glauben an Brahman als ein
Maskulinum, als eine objektive Gottheit, oder als einen i^rvara,
den Herrn, den Schöpfer und Beherrscher der Welt. Er
1 Wörtliche Prosa -Lberseaung: >Daraus können wir die
Natur der Seele deutlich sehen: Ein Strahl ist sie von der intel-
lektuellen Sonne, ein Strahl wahrlich von jener Ewigkeit, doch
solch ein Strahl, dass der Zeitpunkt seines Leuchtens begann, so-
bald er aus einem freien Lichte hervorstrahlte.«
Anm. des t'htrn.
'1 Wörtliche Prosa-Übersetzung: >Doch nimm, meine Muse,
einen noch höheren Flug, sing von Platonischem Glauben an das
erste Gute, jenem Glauben, der unsere Seelen mit Gott vereint, so
stark, so fe^t, dass der reißende Strom dieses schnellen Flusses
der Dinge uns weder mit schmutzigem Schlamm beflecken, noch
uns von der Einheit hinwegreißen kann, in der wir fest stehen,
nnerschüttert. unbewegt, durch eine tiefe Lebenskraft eingewur-
zelt, dem Pfosten imd dem Halt der Dinge in Gottes Gnade.«
Anm.Zde$ Üben.
320 Kebiito VorliMnng.
ging aogu noch weiter und begllnatigte eine VerebriiDg dea
hCchäten BrAhmau nnter gewianeti pralikas, d. h. un-
ter gewisEen Nsmen oder Formen oder PersoiK^D, Ja selbst
unter den Namen volkstOmÜt^her Gottheiten. Er sciirieh
gewisse Gnadenmittel vor und fahrte dadurch ein Sjrstem
moralischer Disciplin ein, deren Fehlen in rein metaphy-
sischen Systemen oft als das gefährlichste Merkmal der-
selben hervorgehoben wurden ist. Der VedAnlist würde
»»gen, dass die wahrhaft erlenchtete und befreite Seele, nach-
dem sie ihr wahres Heim in Brahman gefunden, umnöglich
eine Sfinde begehen oder auch nur für ihre guten Tha-
ten ein Verdienst beanspruchen kOnne. Wir lesen 'Bnli.
Ar. IV, 4. 23): >Wer die Spur oder die Fußspur (Brahmuis)
gofunden hat, wird durch keine Libelthat befleckt.« Und
wiederum: >Wer dies weiO, sieht sein Selbst Im Selbst, siebt
Alles als Selbst, nachdem er ruhig, befriedigt, geduldig und
gesamineltoQ Geistes geworden ist. Das Bfise v erb rennt Ihn
nicht, er verbrennt alles Böse. Frei vom Bösen, frei von
Flecken , frei ven Zweifel . wird er ein wahrer BrAhmwu,
sein Seibat ruht im höchsten Selbst.«
HorallBcber Charakter drs Vedftntft.
Zum Schutze vor den Gefahren der SelbstUhiselinig
aobreibeu die Vedäntisten eine sehr strenge moratiBohe Diwn-
plin als die wesentliche Vorbedingung für die Erlangung d«r
höchsten Erkenntnis vor. In den Upanishaden (Brili. Ar
IV. -I, 22) lesen wir: >Brabmanen suchen ihn durch Veda-
stndium, durch Opfer, Spenden, Bußflbnngen und Fastea ta
erkennen, und wer ihn erkannt hat, wird ein Weiser. BioS
nach Jener Welt (dos Brahman) verlangend, vorlsMen rie
als Bettler ihr Heim. Dieses wissend, wQnschton aioh £•
Allen keine Nachkommenschaft. Was sollen wir nül Naek-
kommenschafl anfangen , sagen sie , wir , die wir divMS
Selbst haben und nicht mehr von dieser Welt aind? Uid
sie wandern als Bettler umher , nachdem de sieh Bbar
Die zwei Schalen des Vedanta. 321
das VerlaDgen nach Söhnen, Reichtfimern and nenen Welten
erhoben. <
Hier finden Sie wiedemm in der Upanishad alle Keime
des Bnddhismas. Der anerkannte Name für 'BettelmOnch*.
Bhikshu, ist der späterhin von den Anhängern Bnddha's
angenommene.
Die Gefahr, dass die Freiheit des Geistes in Zflgellosig-
keit ausarten möchte, war ohne Zweifel in Indien ebenso vor-
banden, wie anderswo. Nirgends aber worden größere Vor-
sichtsmaßregeln dagegen getroffen, als in Indien. Da war
vor Allem die Probezeit, welche jeder junge Mknn jahre-
lang im Hanse seines geistlichen Lehrers znznbringen hatte.
Darauf folgte das darch priesterliche Aufsicht streng gere-
gelte Leben des verheirateten Mannes oder Haasvaters. Und
dann erst, wenn das Alter herannahte, begann die Zeit der
Freiheit des Geistes, des Lebens im Walde, welches Befrei-
ung vom Ceremoniell and von reli^öser Beschränkung,
zugleich aber strenge Disciplin, ja mehr als Disciplin. Baß-
flbungen aller Art, Kasteiang des Körpers nnd streng ge-
regelte Meditation mit sich brachte.
Sechs Dinge galten als wesentliche Erfordernisse, ehe
ein Brahmane hoffen konnte, wahre Erkenntnis zn erlangen,
nämlich : Ruhe .$ama]. Bezähmung der Leidenschaften (dama).
Resignation (uparati), Geduld titiksbä , Sammlung (samädhi)
und Glaube («raddhä). Alle diese vorbereitenden Stadien
werden eingehend beschrieben, und ihr Zweck ist durchaus,
die Gedanken von der Außenwelt abzuziehen, ein Verlangen
nach geistiger Freiheit (mumukshatva) zu erzeugen nnd der
Seele die Augen ftlr ihre wahre Natur zu öffnen. Es muss
aber wohl verstanden werden, dass alle diese Gnadenmittel,
sowohl die äußerlichen, wie Opfer, Studium und BußQbung,
als auch die innerlichen, wie Geduld, Sammlung und Glaube.
sieht von selbst wahre Erkenntnis hervorbringen können,
sondern dass sie nur dazu dienen, den Geist fUr die Auf-
nahme dieser Erkenntnis vorzubereiten.
Max MilUr, TkM»»pkie. 21
AücctlBchc L'bnnifen.
Rs lat bekannt, daas in Indien eine Anznhl mebr odw
minder schraerzliafter Ohungen mit dem rollkoiamcnen Aufgeben
des Denkens in dem bSchsien Geist Hand in Hand oder dem-
selben voraimgeben, — Übungen, welche in den allen Kate-
cbismeD der Inder (den Yoga-aiitras n. 8. w.] ansfllbrlieli
beschrieben werden, und welche bis znm heutigen Tage in
Indien noch immer im Schwange sind. loh glanbe, dasa vom
pathologischen Standpunkte in all den sonderbaren, dnrch
daa Anhaften oder Kegulieren des Atroeiis, das Heften der
Augen auf gewisse Punkte, das Hitzen in cigeutiimtichen
Stellungen und das Sicbeuthalton von Speise borvorgebracli-
ten Wirkungen gar nichts Oebeimnisvollea steckt. Ji
diese Dinge, welche in jüngster Zeit soviel Aufmerksamkeit
auf sich gezogen bsben, sind für den Philosophen von ge-
ringem Interesse und sind geeignet, zu recht viel Selbsitta-
schnng, wenn nicht zu absicbtlicliem Betrüge zu fahren. Die
Inder selbst sind mit den au ßergewilbn liehen Leistungen
tnnncber ihrer Vogins oder sogenannten Mubiitmits wohl
vertrant, und es ist ganz recht, wenn Amte diesen Gegen-
stand in Indien sorgfältig studieren, nni ausfindig zu mucben,
was darnn wahr und was nicht wahr ist Es i^t aber «iD
großer Irrtum, diese RunststUcke als wesentliche lieatuidteile
der altindischen Philosophie darzustellen, wie es die Itewnu-
derer tibetanischer Mahatmas jüngst gethaii hüben.
Esoterisrlie Lehren.
Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, dass die alten Inder
die Upanish&den oder die Vedilnta-sAlras ala etwas (JiehaiBM
oder Beoterisches in unserem Sinne angesehen hlllten. Hsoten-
Wi« H}' steilen scheinen mir viel mehr eine moderne ICrfindong ab
eine alte rttlmli che Einrichtung. Je besser wir mit der alten Litte-
ratnr des Ostens vertraut werden, desto weniger finden wirtn
derselben von orientalischen Mysterien, von esoterischer Weishnt,
Die zwei Schalen de« Vedänta. 323
von einer verschleierten oder entschleierten Isis. Das pro-
fanum tulgus oder die Uneingeweihten, wenn es solche gab.
bestanden hauptsächlich ans jenen, welche aneingeweiht zu
bleiben wünschten, oder welche sich dnrch Unznlänglichkeiten
entweder der Erkenntnis oder des Charakters selber ans-
schlössen. Auch in Griechenland wurde Niemand zu den
Schulen der Pythagoräer zugelassen, ohne sich einer Art
Vorbereitung zu unterziehen. Das Erfordernis einer zur Auf-
nahme berechtigenden Prflfung ist aber etwas ganz Anderes,
als Ausschließlichkeit oder Verheimlichung. Die Pythagoräer
Latten verschiedene Klassen von Jflngem: selbstverständlich,
wie wir Baccalaurei und Magistri Artium haben; und wenn
von diesen die Einen taojjeQiy.oi\ die Anderen i^ioT€oty.üi
genannt wurden, so bedeutete dies anfangs nicht mehr, als dass
die Letzteren sich noch außerhalb des eigentlichen Gebietes
philosophischer Studien befanden, während die Ersteren schon
zn den vorgerflckteren Klassen zugelassen worden waren. Die
Pythagoräer hatten sogar eine besondere Tracht, sie beobach-
teten strenge Diät und sollen sich — außer bei Opfern — der
Fleischnahrung, sowie des Genusses von Fischen und Bohnen
enthalten haben. Manche beobachteten das Gelübde der Ehe-
losigkeit und hatten alle Dinge gemeinsam. Diese Regeln zeigten
zn verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern, wo die
Pythagoräischen Lehren sich ausgebreitet hatten, mannig-
fache Abweichungen. Nirgends aber hören wir etwas davon,
dass irgend welche Lehren denen vorenthalten worden wären,
die bereit waren, die Bedingungen zu erfüllen, welche Allen,
die Zulass zu der Brfldergemeinschaft begehrten, auferlegt
wurden. Wenn dies ein Mvsterinm oder eine esoterische Unter-
Weisung ausmacht, so könnten wir ebenso gut von den My-
sterien der Astronomie sprechen, weil die der Mathematik
Unkundigen davon ausgeschlossen sind, oder von der esote-
rischen Weisheit der vergleichenden Mytbologen. weil eine
Kenntnis des Sanskrit eine conditio sine qua non für dieses
Studium ist. Selbst die griechischen Mysterien — was sie
auch am Ende geworden sind — waren ursprünglich nichts
21 ♦
324
Zehnte Vorlesung.
I
welter als Riten und Lehren, wie sie bei den feierÜL-lien Zo-
sfttnmenkllDften gewisser Familien, Sippen oder GeselUchaften
hergebracht waren, wo Niemand Zutritt hatte, als diejenigen,
welclie das Recht der Mitgliedschaft erworben hatten. Kb
ist richtig, dass solche Gesellschaften leicht in geheime Oe-
sellschaflen ausarten, nnd daas eine beschränkte Zulassung
h.tld zur Ansachließlichkeit wird. Wenn aber die Uneinge-
weihten dachten, dasa diese sogenannten Mysterien irgend
eine tiefe Weisheit enthielten nnd Geheimnisse verschleiern
»ollten, deren Verbreitung geßhrlicb schien^ so tauschten sie
sich wohl ebenso sehr, wie in nu»eren Tagen Leute, wenn
sie denken, dass Lehren esoterischer Weislieit von den Frd-
maurcm aus den Tagen des Salomo Überliefert worden seien,
die jetzt dem Priu/.en von Wales zur sicheren Rewahrnns
niivertraut würden.
Es ist ganz richtig, dasa die Lehre der üpiuiishaden
.als Ilahusya, d. li. Geheimnis, liexeichnet wird; Hie tat
ahcr nur in Hiuom Sinne eine üclieimlehre, insofern niLmlich
in alten Zeiten Keiner in den Upanishaden nnterwiewa
wurde, der nicht durch die vorhergehende Disciplin der tw«
Lebensstadicn des Schülers und des Haushälters hindurtb-
geg.iugeii war, oder der sich nicht von Anfang an diftr
entschieden h.ttte, ein Leben des Studiums und der Kmub-
Leit zu führen. Diese Oeheimhattnng war leicht, als ua nedi
keine Bücher gab, als daher diejenigen, welch« die UpasW
shaden studiereu wollten, sich nach einem Lehrer umsohen
mussten. der sie nnlerweiseu sollte. Ein solcher Lehrer
pflegte natDrlich seine Kenntnis nur Männern niiteuthellea,
welche das richtige Alter erreicht oder andere notweadigr
Vorbedingungen erfüllt hatten. So lesen wir am Ende der
Samhitä-Upanishad in dem Aitareya-ilra'ij'aka: >Niomand
soll diese SamhitAa irgend Kinem mitteilen, der nicht eia
ansässiger Schßler ist. der nir.ht mindestens Kin Jalir hti
seinem Lehrer gewohnt h:il, nnd der nicht seihst ein l'utcr-
weiser werden soll. So sagen die Lehrer.*
Was das Stadium der Vedünta-sütras anbelangt, su welü
pie zwei Schuleo des Vedanüu 325
ich Yon keiner Beschränknng. namentlich zn einer Zeit, wo
MSS. immer weiteren Kreisen zugänglich geworden waren,
nnd wo zahlreiche Kommentare nnd Erläntemngen die Ler-
nenden in den Stand setzten, sich auch von selber eine
Kenntnis dieses Systems der Philosophie anzueignen. Ja, es
ist gewiss sonderbar, dass wir. während doch die gewöhn-
liehe Erziehung und das Studium des Veda auf die drei
obersten Klassen beschränkt war, gar oft yon Mitgliedern
der Yierten Klasse, bloßen ^dras, lesen, dass sie an der
Kenntnis des Vedänta teilhaben und sich den Bettelmdnchen
oder Bhikshus anschließen.
Verschiedenheit zwischen Indien ud GriechenlABd.
Was jedoch den wichtigsten Unterschied zwischen der
alten Vedanta- Philosophie in Indien und ähnlichen Philo-
sophien in Griechenland ausmacht, das ist der theologische
Charakter, den die Erstere beibehielt, während die Letzteren
die Tendenz hatten, mehr und mehr ethisch und politisch,
und nicht so sehr theologisch zu werden. In Bezug auf
metaphysische Spekulationen stehen die Eleatischen Philo-
sophen. Xenophanes, Parmenides, Zeno und Melissns, den
Vedanta-Philosophen am nächsten. Xenophanes kann noch
als fast ganz theologisch bezeichnet werden. Er spricht yon
Zeus als dem höchsten Wesen, als Allem in Allem. Er stellt
in derThat dieselbe Stufe des Denkens dar, welche im Vediinta
als die niedrigere Erkenntnis dargestellt wird, den Glauben an
Brahman als Maskulinum, der — nach den Upanishaden selbst
zu schließen — auch in Indien älter war, als der Glaube an
Brahman als Neutrum. Dieser Glaube blieb bei dem Punkte
stehen, wo die individuelle Seele der universalen, aber objek-
tiven Gottheit von Angesicht zu Angesicht gegenfiber stand,
er war noch nicht zu der Erkenntnis von der Einheit des
Atman und des Brahman gelangt. Xenophanes behält seinen
Glauben an Zeus bei, obschon sein Zeus von dem Zeus Ho-
mers sehr verschieden ist. Er ist vor Allem der einzige
326
Zehnte Vorlesung'
Ijott, weder an ßestait Douh »n Uenkeu den Sterblichen
gleich. So folgert Xenophanes:
>WeQii Gott das stärkste von »llen Dingen Ut, so muss
^r Kina sein, di>nD wenn es zwei oder mehrere gübe, so
wQide er nicht das stArksto und beste aller Dinge sein.*
[Ei if taciv b &eos änöwiov xQtiuarov, eva iprjalv
avtbv TignafiiAEiv tlvaf el yip äio tj Ttlslovs thy, odx
fiv iVt xQÜTiaTOv v.ai ßiXtiatov «iiihv tlvut ttöyttav,
Clem. Strom. V. 611I c.)
Er muaa anch nubeweglich und nnreränderlicli [n^ivijtö^
oder apamat&j sein. Und ffiedernm:
• Er erwSgt Allea in seinem Oeiate ohne Anstrengung.«
(AlX ä:[iivev9e TiAvnio vöov ipqtvl rtävtu yt^adaim.
ßimpl. Phys. 6 a, m.)
■ Er iat ganz und gar Geist und Gedanke, und ewig.*
{^vHimvra r' tlvat [zriv l^tirv) viivv xa'i i(<(>6i"i*>iv
At't miov. Diog. IX. l'J.)
>Er sieht ganz und gar, lt donkt ganz und gm-, er Ufiri
ganz und gar.<
[Otl^.oy h^f;, oiihi^ äi vofi, ril''lii^ dt i" nxrivet.)
Soweit ist Xenophanes noch theologiaob. Er ist nicU
über den BogriiT Brahuiana als dos höchsten und einsigBB
Wesens lii nausge gange n ; sein Zeus ist noch ein MuknUnnn
und eine persönliche Gottheit.
In m.inchon der Auaspriluhe JL'douh, die dum Xenopbaoc*
zugeschrieben werden, geht er darüber hinaus. Plato wenig-
stens schreibt dem Xenophanes sowohl als seinen Nachfolgern
den philosophischen Lehrsatz zu, dass alle Dingo dem Na-
men nach viele, aber ihrem Wesen nach Bins seien.'] wu
stark an daa 8at — das Seiende, li Sr — der irpanishaden
erinnert, das durch Namen und Form mannigfaltig wird
Cicero aber [Acad. II, 37, IIb) erklärt bestimmt, dasa nacb
Xenophanes' Meinung dies Eine GoU war.
1) Sophist, 242 <f.
Die zwei Schulen des Vedänta. '{27
Xenophanes anam esse omnia neque id eäse mutabile
et id esäe Deum, neque natum nuqaam et aempiternam.)
äelbst das Argument, welches wir in den Cpanishaden
fanden, daaa das Seiende nicht aus dem Nichtseienden hervor-
gegangen sein könne, wird auch dem Xenophanes zugeschrie-
ben, der dies Eine, welches Alles ist und welches wahrhaft
existiert, als ungeboren, unveränderlich, unvergänglich, ewig
bezeichnet. — lauter Attribute, für die sich leicht Ähnliches
aus den Upanishaden beibringen ließe. Wie die Upanishaden
betont Xenophanes. dass das Eine, welches Alles iat, intel-
ligent (X-aitanya, hr/vAuv) sei, wobei nur der Eine Punkt
zweifelhaft bleibt, ob Xenophanes so weit ging als seine
Nachfolger und dessen göttlichen oder Zeus-ähnlichen Cha-
rakter ganz fallen ließ. Nach Sextus (Hyp. Pyrrh. I, 225
möchte es scheinen, dacs dies nicht der Fall gewesen sei.
»Xenophanes,« schreibt er, »glaubte, das All sei Eines und
Gott sei mit allen Dingen mitgeboreu (at'/i'/rr]^ ,« oder, wie
wir sagen würden. Gott sei in der Welt immanent. Dass
Xenophanes dieses Wesen als o*faioohi6i^^ oder kugelförmig
auffasste, ist bekannt, doch können wir uns kaum etwas
Bestimmtes dabei denken; und Sie werden linden, dass sowohl
alte als neuere Autoritäten keineswegs darüber einig sind,
oh Xenophanes die Welt als beschränkt oder als unbeschränkt
augesehen habe. *
Was uns von der Naturphilosophie des Xenophanes er-
halten ist, scheint von seinen metaphysischen Grundsätzen
ganz gesondert zu sein. Während nämlich von seinem me-
taphysischen Standpunkt Alles Eines, gleichförmig und un-
veränderlich war. Soll er von deinem naturphilosophischeu
Standpunkt aus die Erde oder Erde und Wasser als den
Ursprung aller Dinge angesehen haben [h. /«/',v '/^{^ auviu^
/.'U ih yi,v ;ravru re/.svräy Fragm. S : >Alle Dinge kom-
men von der Erde, und alle Dinge enden in der Hrde;< und
iiuvit^ yuq /«/V» r£ /.«/ VdurOi; l/,yty6utüi}a^ Sext. Emp.
I. Zeller, Die Fkiltusophie der Griechin, I. pp. 457 — >.
328 Zeliute VorloBiing.
adv. Math. IX. 361, und y^ xal üÖioq ftävd-* Saaa yivov-
t<n >;dc fpiiovicti, Simpl. Phya. fol. 41 a., »Erde nnil Was-
ser sind alle Dinge, was Immer geboren wird und wächst.'
Dem Xenophanes wird aacb die Bebauptang zageschne-
ben , daaa die Erde aus Luft nnd Fener herrorgegangon sei
— - Theorien, för die sich wiederum leicht Ähnliches ans den
Upanish&den beibringen ließe. Der wesentliche Pnnkt aber,
in dem Xeno|jhanea nnd die Upaniahaden übereinstimmen, ist
die erste Äuffassnug dea Einen Weaenä als der änbstans voB
Allem, obscLoa diese Auffassung noch nicht rein metapby-
siach geworden, sondern wie der lirahman in den ältereo
Upanishaden noch von einer Art religiösem Heiligenacheio
umgeben ist.
In diesem Pnnkt bezeichnet Parmenides einen entschie-
denen Fortschritt in der Eleatiscben Sehnte, denselben Fort-
schritt, den wir in den späteren Upanishaden beubactiteten.
Bei ihm ist der Begriff des Einen Wesens ganz metaphysisch
geworden. Es iat nicht mehr Gott in dem gowöhnlioheti
Sinne des Wortes, ebensowenig als das höcbate Brahmas
Gott ist, obgleich allea Reale in Gott das höchste Brabmao
ist. In der Definition und Beschreibung dieses Einen Wesens
geht Parmeuides sogar über den Vedänta hinaus, und wir
sehen hier abermab, wie die dialektische Biegsamkeit dos grio-
chiscben Geistes der dogmatischen Zuversichtüchkeit dca in-
dischen Geistes den Bang abläuft. Parmeuides lehrt: Was
ist, ist ; was nicht ist, kann weder begrifTen, noch ausgcaa):!
werden. Was ist, kann nicht Anfang oder Ende haben.'
Es iat ganz, einzig iu seiner Art, unbewegt und ruhend
1) Cf. Simplicius, Pbyi. fol. :n a, b: Mäyof ^ iu fi6»M
nitolo .hCnczai, lue imtv. lavi^ if ini «i,ftai' iaai floXi.» ftiX, if
iytrifioy lov KKi «»'lüieffpoc lattv. olXoy ftovroyevii i« xai itfi/ih
^cf ^äiaytoi'' 06 noi' li;y oiit' fotni, itiei rSr laiir ö/tev aar,
Ev iDvext's. i!ra yip yirmr <fiC^0ea( atnoi; Bg nö9iy uit^r-,
ovt t* fi'ii töyxof läsat fPiidtfui a o6i!i yatlf od yiig ifatör oiü
rotjtöv 'Katir enoii oi* fati. ti if äy ftif irnti /e»'oi' uiganf, T«i-
iio» tj nQÖaD' i» roii fii;ierö( hiiiäatvor tfif. Oetai ^ näfinat
uili/ilv 2t'(t"i' iaur tj ovxi.
Die zwei Schulen des Vedäota. 329
Wir können nicht sagen, dass es war oder sein wird, sondern
nnr. dass es ist, denn wie hätte es irgend etwas werden können
außer es selbst ? Nicht vom Nichtsein, denn dies ist nicht und
kann nicht hervorbringen ; auch nicht vom Sein, denn dies wflrde
nie irgend etwas hervorbringen, außer sich selbst. Und dieses
liv kann keine Teile haben, denn es gibt nichts von demsel-
ben Verschiedenes, wodurch seine Teile getrennt werden
könnten. Aller Raum ist davon erfüllt, und es ist dort un-
beweglich, immer an demselben Orte, durch sich selbst und
sich selbst gleich. Auch ist das Denken nicht verschieden
von dem Sein,^) weil es nichts als Sein gibt, und Denken
eben das Denken des Seins ist. Sonderbarer Weise will
Parmenides nicht zugeben, dass dieses Wesen unendlich sei,
denn er sieht selbst die Unendlichkeit als etwas Unvollkom-
menes an, da sie ja keine Grenzen habe. In der That ist
dieses reale Wesen des Parmenides keineswegs immateriell;
wir können es am besten durch das Gleichnis erklären, das
uns in den Upanishaden begegnete, dass alles aus Thon
Gemachte Thon sei und sich nur durch Namen und Form
unterscheide. Parmenides leugnet nicht, dass diese Formen
und Namen in der phänomenalen Welt existieren, er betont
nur die Unsicherheit des Zeugnisses, welches die Sinne uns
von diesen Formen und Namen bieten. Und wie in den
Upanishaden diese falsche Erkenntnis oder dieses Nichtwissen
zuweilen im Gegensatz zum Licht (te^as) wahrer Erkenntnis
als tamas oder Finsternis bezeichnet wird, so finden vrir, dass
auch Parmenides von der Finsternis yv^ ädar^^;) als der Ur-
sache falscher und vom Licht 'aid'iqtov /cvq] als der Ursache
wahrer Erkenntnis spricht
So sehen wir denn, wie das von den älteren Floaten
erreichte Gedankenniveau im Grunde dasselbe ist, wie das
der älteren Upanishaden. Sie gehen beide von religiösen
Ideen aus und enden mit metaphysischen Begriffen; sie sind
1) Ttovjoy d* liJTi yoely le x«i o'vyexiy Icn yo/^uu, etc. 8im-
plicins, Phys. ff. 19 a, 31 a, b.
330 Sehnte Vorlesung.
beide zu der höchsten Abstraktion des Seienden — rb Hy,
Sk. Sat — als der einzigen Realität gelangt; sie haben beide
gelernt, das Mannigfaltige der Erfahrung als zweifelhaft, als
phänomenal, wenn nicht als falsch, und als das Resultat von
Namen und Form {uoQfpcxg drofiä^eiv, nämarüpa) anzusehen.
Aber auch die Verschiedenheiten zwischen den Beiden sind
beträchtlich. Die Eleatischen Philosophen sind Griechen mit
einem starken Glauben an persönliche Individualität. Sie
sagen uns wenig über die Seele und ihre Beziehung zn dem
Einen Wesen, noch weniger schlagen sie irgend welche Mittel
vor, durch welche die Seele mit demselben Eins werden und
sich ihrer ursprünglichen Identität mit demselben wieder
bewusst werden könne. Es gibt einige Stellen (Zeller, p. 488),
in denen es scheint, als hätte Parmenides an Seelenwand&-
rung geglaubt, doch gewinnt diese Idee bei ihm nicht die
Bedeutung, welche sie zum Beispiel bei den Pythagoräem
hatte. Die psychologischen Fragen werden von den meta-
physischen Problemen in den Hintergrund gedrängt, welche
die Eleatischen Philosophen zu lösen wünschten, während
in den Upanishaden die psychologische Frage immer mehr
im Vordergrunde steht.
Elfte Vorlesung.
Safiismos.
Die Religion ein Sjstem der BeiiehungeB nriselieu MeuHcli
und Gott.
Ich erwähnte in einer frflheren Vorlesang eine Definition
der Keligion, die wir Newman verdanken. »Was ist die
Religion Anderes, < schreibt er (Univ, Serm., p. 19], »als das
System der Beziehungen zwischen mir and einem höchsten
Wesen, c Ein anderer geistvoller Schriftsteller hat derselben
Idee noch kräftigeren Ausdruck gegoben, wenn er sagte:
>Hs ist ein Bedürfnis für den Menschen, dass es zwischen
dem Geschaffenen und dem Schöpfer direkte Beziehungen
gebe, und dass er in diesen Beziehungen eine Lösung der
Rätsel des Daseins finde.« ^)
Dieses Verhältnis nimmt jedoch in verschiedenen Reli-
gionen ganz verschiedene Formen an. Wir haben gesehen,
wie es in dem Vedanta auf einen höchst einfachen, aber un-
umstößlichen Syllogismus gegründet war. Wenn es — sagt
der Vedäntist — Ein Wesen gibt, das Alles in Allem ist, so
kann unsere Seele in ihrer Substanz von diesem Wesen nicht
verschieden, und unsere Trennung von demselben kann nur
das Resultat des Nichtwissens sein, und dieses Nichtwissen
muss durch Erkenntnis, d. h. durch die Vedanta-Philosophie,
beseitigt werden.
Wir sahen in der eleatischen Philosophie Griechenlands
Ij Disraeli, Lothair, p. 157.
332 Elfto VorleBTing.
dieselbe Prämisse, doch ohne die davon abgeleilete Scblnss-
folgemiig, dass die Seele keine AusDahme machen Iconne,
sondern wie alles Andere, wenn nicht mehr als alles Andere,
teilhaben milsse an dem Innersten Wesen dessen, was xUcin
unendlich ist, nnd von dem ollein man sagon kann, dass ea
wahrhaft es^istiere.
Snfiisinus, d«r UrittimnK desselben.
Wir wenden uns nun zn der Betrachtung einer Ueligion,
in der die PrÄraisse zn fehlen scheint, während die Schlnss-
folgening noch kräftigeren Ansdruck gefunden hat — ich
meine den iSußismns bei den Muhammedanern.
Da die Litteratnr des SnQismus hauptsächlich iu Persisch
iibgefasst ist, nahmen Sylvestre de Sacy nnd Andere an, dass
diese Ideen von der Kinhoil der Seele mit Gott ans Indien
nach Persien gekommen seien, und sich von da ans Ober
andere muhamme danische Länder verbreitet hätten. Es l&sst
sich zu Gunsten dieser Theorie, die auch von Goethe in
seinem WeatöstUthen Dican angenommen weiden Ist, man*
cbea sagen. Wir wissen, wie zahlreich die BerUhrno^
pnnkte zwischen Indien und Porsien zu allen Zeiten waren,
und es lässt sich nicht leugnen, dasa die Glut dieser religiö-
sen Poesie dem Temperament nnd der geistigen Bildung der
Perser Weit natSrlicher und augemoasener war, als dem ern-
sten Charakter Mnhammods und seiner unmittelbaren Nach-
folger. Dennoch können wir den Sufiismus nicht als genoi*
logisch vom Vedäntismns abstammend behandeln; denn der
Vedäntismus geht Über den vom SuBiamus erreichten Punkt
weit hinaas nnd hat eine viel breitere mctaphysiacfaa 6nmd-
lage, als die religiöse Poesie Persiens. Der Sufiisrnns bv
guOgt sich mit einer Annäherung der Seele an Gott, oder
mit eiuer liebevollen Vereinigung der Beiden, aber er bat
nicht den Punkt erreicht, von dem aus die Natnr Gottes und
der Seele als eines und dasselbe gesehen wird. In der Sprache
des Vedänta — wenigstens iu dessen endgQltlger Entwicklang
SuBisrnns. 333
— können wir kanm mehr von einer Beziehung zwischen der
Seele und dem höchsten Wesen, oder von einer Annäherung
der Seele an Gott, oder von einer Vereinigung der Seele mit
Gott sprechen. Die Beiden sind Eins, sobald ihre ursprflng-
liehe und ewige Einheit dem Wesen nach anerkannt worden ist.
Bei den Sufis hingegen bleiben das Subjekt, die menschliche
Seele, und das Objekt, der göttliche Geist, so enge auch ihre Ver-
einigung ist, immer deutlich unterschiedene, wenngleich ver-
wandte Wesen. Es finden sich gelegentliche Äußerungen, welche
den Gleichnissen des Vedänta sehr nahe kommen, wie die von
dem Wasser tropfen, der sich im Ocean verliert. Doch selbst diese
Äußerungen lassen eine Erklärung zu; denn es heißt, dass der
Wassertropfen nicht verloren oder vernichtet, sondern nur auf-
genommen ist, und wenn der persische Dichter von der in Gott
sich verlierenden Seele spricht, so braucht er damit nicht mehr
gemeint zu haben, als unser eigener Dichter, wenn er sagt,
»dass wir uns in dem Ocean der Liebe Gottes verlieren. c
Tholuck ist wohl einer der Ersten gewesen, der gezeigt
hat, dass es keine historischen Zeugnisse ftlr die Annahme
gibt, dass der Sufiismns auf eine dem Auftreten des Islam
vorausgehende alte persische Sekte zurückgehe. Der Sufiismns
ist, wie er bewiesen hat, seinem Ursprünge nach entschieden
muhammedanisch, und die ersten Spuren desselben zeigen sich
im Beginne des zweiten Jahrhunderts der Hedschra.
Wohl sagte Muhammed im Koran :i) >Im Islam gibt
es kein Mönchtum;€ doch schon G23 n. Chr. verbanden sich
ffinfundvierzig Männer aus Mekka mit ebenso vielen anderen
aus Medina, schwuren einen Eid der Treue gegen die Lehren
des Propheten und bildeten eine Brüderschaft, um Gflter-
gemeinschaft herzustellen und täglich gewisse religiöse Buß-
flbungen zu vollziehen. Sie legten sich den Namen iS'uft bei.
ein W^ort, das von ^iif, ^Wolle' (ein härenes Gewand, wie es
in den frtlhesten Zeiten des Islam von Büßern getragen wurde),
1 Siehe 'Atcärifut - Maärif ins Englische Übersetzt von
H. Wilberforce Clarke, 1891, p. \.
«cler von «Ifiy, 'weise, fromm', odei
von «aß, 'Reinheit', atigeluitot isl.
Kitrzor Ahrkü der Lehren des SnIUsinnH.
Die Hanptlobrea des äußismiis sind von Sir W. Jones
folgendermaßen ziisammoDgcfasst worden:'] >Die Sulis glan-
ben, daas die Seelen der Menschen von dem gOttUchen
Geist, von dem sie kleine Tvilehen sind, and in dem sie zn-
letzt aufgehen werden, dem Grade nach unendlich, aber der
Art nach gar nicht verschieden sind. Der Geist Gottes,
glnnben sie, darchdriiigt dns Weltall, seinem Werke stets
nnmtttelbar gcgenwUrtig nnd demnach stets in der Sabstnnz;
er allein ist vollkommen an Gftte, er ist vollkommene Wahr-
heit, vollkommene Schönheit; Liebe za Gült allein ist tctW'-
fir/ie lind echte Liebe, während die zu anderen Gegenständen
absurd und trflgeriBCh ist; die Schönheiten der Natnr siud
nur ein schw&cher Abglanz, gleichsam ISpiegelbilder, der
göttlichen Keize; von der Ewigkeit ohne Anfang bis zur
Ewigkeit ohne Ende ist die hSchste Gtlte damit beschäftigt.
GIflck oder die zur Erreiclinng desselben erforderlichen Mit-
tel zii verleihen; die Menschen können es nur erreichen,
wenn sie in dem persänfic/icn Bunde zwischen ihnen nod
dem Schöpfer ihru Pflicht tban; nichts hat ein reines. aU-
solutea Dasein als das Denf^organ oder der Geist; matfrieUt
Subutatizen, wie sie von den Unwissenden genannt werden,
sind nichts Anderes, als heitere Bilder, die der ewiglehende
Künstler nnserem Geisfe fortwährend vorfOhrt; wir mtlssoB
lins vor der Znneignng: ftlr solche P/iantaiieffebilde htHra
nnd -dQrfen ausschließlich nnr Gott zngethan sein, der In Ul
wahrhaft existiert, wie wir bloß in ihm existieren; selbst in
diesem hilflosen Zustand der Trennung von nnjerom Oeliel^
ten behalten wir die Idee hirrtmlisc/ier SrhStihett and die
Erinnerung an unsere vurseilliclien Gelübde bei; lieblich«
Ij 8ir WUIiim Jonea, Workt, Vol. IV. p- 211.
SufiiBmns. 335
Masik, SADfte Winde, wohlrieehende Blumen ernenern fort-
während die nranßlngliche Idee^ frischen unsere verbleichende
Erinnerung wieder auf und rühren uns zu weichen Gefahlen
der Liebe; wir mflssen diese Gefühle hegen nnd uns, indem
wir unsere Seelen Ton allem Etilen, d. h. von Allem, was
nicht Gott ist, abziehen, dieser Wesenheit nähern, denn in
der schließlichen Vereinigung mit dieser Wesenheit wird un-
sere höchste Glückseligkeit bestehen. €
BabU, die ilteste 8iifi.
Es ist merkwürdig, dass die erste Person, von der er-
zählt wird, dass sie sufiistische Meinungen geäußert habe,
eine Frau ist, Namens Rabia, die 135 nach der Hedschra
starb. Ihn Rhalikan berichtet viele Geschichten von ihr:
>Oft pflegte sie mitten in der Nacht auf das Dach des Hau-
ses zu gehen und in ihrer Einsamkeit auszurufen: >0 mein
Gott, der Lärm des Tages ist verstummt, der Liebhaber kost
mit der Geliebten in der heimlichen Kammer; ich aber freue
mich deiner in meiner Einsamkeit, denn ich weiß, dass du
mein wahrer Geliebter bist«« Ferid eddin Attar berichtet
uns von derselben Rabia, dass sie einst, als sie fiber die Felsen
dahin schritt, ausgerufen habe: »Verlangen nach Gott hat
mich erfasst; wohl bist du auch Stein und Erde, aber ich
sehne mich danach, dich zu sehen.« Da sprach der hohe
Gott unmittelbar in ihrem Herzen: >0 Rabia, hast du nicht
gehört, dass einst, als Moses Gott zu sehen verlangte, nur
ein Atom der göttlichen Majestät auf einen Berg fiel, und
doch ward der Berg zersplittert. Begütige dich daher mit
meinem Namen.«
Wiederum heißt es, dass Rabia. als sie einst auf einer
Pilgerschaft nach Mekka kam. ausrief: »Ich brauche den
Herrn der Kaaba, was nützet mir die Kaaba ? Ich bin Gott
so nahe gekommen, dass fßr mich das Wort gilt, das er
gesprochen: Wer immer sich mir auf eine Spanne nähert,
dem Dihere ich mich auf eine Elle.«
:i3(i Elfte VorleauQg.
Ea gibt ziihlloae Oesoliictiten über diese Kabia, die alle
ihre (iottesergebeulieit , ja ihre geistige Einheit mit Allah
(larthun sollen. Als sie aufgefordert wnrde, sich zu ver-
heiraten, sagte sie: >Meiii innerstes Wesen ist verheiratet,
darum sage ich, dass mein Wesen in mir za Grunde gegangen
und in (lOtt wieder znm Leben erweckt worden ist. Seil
damals bin ich ganz in seiner Gewalt, ja ich bin gavK er
selbst. Wer mich als seine BriLut begehrt, hat nicht mich,
sondern ihn zu fragen.' Als Hassan llasri (ein berßhmter
Theuloge) sie um die Mittel nnd Wege fragte, dnrch welche
sie sich zn sulcher Höhe erhoben, autwortete sie: »Dadorch
dasa ich Alles, was ich gefunden hatte, in ihm vertur. < Tod
hIs er sie neob einmal frag:te, dnrch welche Mittel und Wege
sie dazu gekammen sei, ihn zu keunon. rief sie ans: «O
liussau. du erkennst durch gewisse Mittel und Wege; ich
erkeuue ohne Mittel und Wege.« Als sie krank danieder
lag, besuchten sie drei große Theologen. Der Kine, HassaD
liasri, äugte: >Der ist nicht aufriolitig in seinen Gebeten,
der die ZUchtignng des Herrn nicht geduldig ortrftgt. < Der
Andere. Schakik mit Namen, sagte: »Der ist nicht aufriebtig
in seinen Gebeten, der sich nicht seiner Zllchtigong frevl«
Uabia aber, die noch immer etwas von dem Helbst in all
dem wahrnahm , erwiderte : » Der ist nicht aufrichtig b
seinen Gebeten, der, wenn er den Homi sieht, nicht vergiatt.
dass er gezUcbtigt wird.«
I'lin anderes Mal , als sie sehr krank war nud lun in
Ursache ihrer Krankheit gefragt wurde, sagte sie: >loh
habe au die Fronden des Paradieses gedacht, darum bat mich
mein Herr bestraft.« Und wieder aagto sie: 'Bine Wund«
Ju meiuuuj Heva^en verzehrt mich; sie kann nicht geheilt wer-
den , außer durch meine Vereinigung mit meinem Freunde.
Ich werde kränkeln, bis ich am letiten Tage mein Ziel fif-
rcichl habe.«
Dies ist eine Sprache, mit der Gelehrte, welche sich mit
den Lebensbeschreibungen christlicher Heiligen besclülfUgva-
vertraut sind. Sie. «ird manchmal sowohl im Orlvut ab
SafiiAmns. 337
auch im OccideDt sogar noch feuriger, aber uns klingt sie
im Orient weniger anstößig, als im Occident, da in den
orientalischen Sprachen die symbolische Darstellung der
menschlichen Liebe als ein Sinnbild göttlicher Liebe seit den
frtQiesten Zeiten angenommen und geduldet worden ist.
Obgleich es aber unmöglich ist, die ersten Anfänge des
Sufiismus unmittelbar auf eine persische Quelle zurflckzuführen,
so lässt sich doch nicht leugnen, dass in späteren Zeiten
Persien und selbst Indien — namentlich nachdem diese Län-
der unter mohammedanische Herrschaft gebracht worden
waren — zu der Entwicklung des Sufiismus und der sufiisti-
schen Poesie in hohem Maße beitrugen.
Zusammenhang des Sufiismus mit dem Urchristentum.
Die hauptsächlichste Anregung jedoch, die der Sufiismus
▼on außen erhielt, scheint vom Christentum gekommen zu
sein/ und zwar vom Christentum in der Form, in der es im
Orient am besten bekannt war. Am Ende des dritten Jahr-
hunderts waren, wie Whinfield in der Vorrede zu seiner
Übersetzung der Mesnevi bemerkt, bereits Abschnitte von
Plato, von Aristoteles, ^dem Vater der Ketzereien*, und von
den alexandrinischen Kommentatoren ins Arabische tibersetzt.
Die Theosophie der Nenplatoniker und Gnostiker war im
Orient weit verbreitet Der Sufiismus könnte fast als ein
zum Teil von Plato (*dem attischen Moses', wie er genannt
wurde), hauptsächlich aber vom Christentum, wie es in dem
spiritualistischen Evangelium St. Johannis erscheint, und wie
es von den christlichen Platonikem und Gnostikern ausgelegt
worden ist, abgeleiteter Parallelstrom mystischer Theosophie
bezeichnet werden. Spuren von dem Einfluss des Platonis-
mus hat man in den Erwähnungen entdeckt, welche die
Sufis von dem Einen und den Vielen machen, von der Er-
dichtung des Nichtseins, von der Erzeugung der Gegensätze
aus Gegensätzen, von der alexandrinischen Gnosis des Logos,
von der Verzückung und Intuition, und von der im Phaedrus
Mmx M filier. The-sopMe. 22
338
Elfte Vorlesung,
landergesetzten Lehre , daas menschliche Schönheit die
Brticke sei, welche eine Vennittelung zwischen der Sinnen-
wclt nnd der Welt der Ideen herstellt und den Uenachen
durch den Ansporn der Liehe xa dem großen Ocean dea
Sch3nen führt,
Spuren des ChriBlentums h&t Whinfield nicht nnr in der
deutlichen Erwtlhnnng der Hauptereignisse der Evangelien-
geschichte nachgewiesen, sondern anch in wirklichen Über-
setzungen ganzer Sätze und Redensarten, die den Evangelien
entnommen sind. Die hauptsächlichsten Runstansdrücke der
Snfiä, 'die Wahrheit*, 'der Weg', 'die universale Vernunft'
[Logos), ■Weltseele' (Pneuma), 'Gnade' [Faisj nnd 'Liebe'
werden von ihm sftmtlich als vom Christentum abstammend
bebandelt,
Whinfield hätte zur Stütze seiner Theorie ein Gedicht
in dem Gttlschen Ras, dem 'Geheimnis des Rosenbettes', einer
gegen Anfang des vierzehnten Jahrhunderts geschriebenen,
anonymen, aber sehr populären Dichtung Über die Principieo
des Snüismus anführen können, in welchem die myetiaebe
Vereinigung der Seele mit Gott als der wesentlichste Zng de«
Christentums besehrieben wird.
Da lesen wir: —
•Weißt dti, was das Christentnta? Ich will «
Gräbt die eigne Icbbeit ans, will ku Gott dich tragei
Deine Seel' ein Kloster ist, drin die Einheit wohnet,
Ein Jerusalem du bist, da der Ew'ge thronet.
Heil'ger Geist dies Wunder thut, denn im helfgen Gi
Wisse ! Gottes Wesen ruht als im eignen Gei
Gottes Geist gibt deinem Geist seines Geistes Fcuor,
Er in deinem Geiste kreist unter leichtem Schleier.
Wirst da von dem Menschentum dnrch den Geist enlbandeD,
Hast in Gottes Heiligtum ewig Ruh gefunden.
Wer sich so entkleidet hat, dais die Lüste scbweigon.
Wird fUrwahr wie Jesus that, «nf zum Himmel steigen.« '1
i
1) Nach F.A. O. Tholuck, BlUtensammlnnf au» der Horgen-
lündiscben Mystik. Berlin 1^26. p. 221. Anm. dt* Übtn.
SnfiiBiDiu. 339
Ab« Said Abvl Cheir, Stifter ies Svllismu.
Rabia kann als eine Sofi noch vor dem Anftreten des
Snfiismas bezeichnet werden. Ihr Snfiiämos scheint ganz ihr
selbst eigentllmlich zn sein, ohne jede Spnr eines fremden Ein-
flusses. Der eigentliche Stifter aber des Snfiismns ab einer
religiösen Sekte war Abn Said Abnl Cheir, nm 820 n. Chr.
Ahm Tasii ui Dschwuii.
Gegen Ende desselben Jahrhunderts fand ein Schisma
statt, indem Eine Partei dem Abn Yasid al-Bnschäni folgte,
dessen pantheistische Anschauungen mit dem Korin in offe-
nem Widerspruch standen, und eine andere dem Dschunaid,
der den Snfiismus mit der Orthodoxie zn Yersdhnen suchte.
Es gab damals, wie heute, Snfis und Sufis. Die Einen schrie-
ben persisch, wie Senü, Ferid eddin Attir, Dschellil eddtn
Rümi (starb 1162), DschAmi (starb 1172 ; andere arabisch,
wie Omar ihn el Faridh und las eddin Mutaddesi, andere so-
gar türkisch.
Manche ihrer Dichtungen sind prachtvoll durch ihren
Bilderreichtum und werden selbst von jenen hochgeschätzt,
die vor den Konsequenzen ihrer Lehren zurttekschrecken.
Der Snfiismus. sagte man, erzeuge eine erschreckende Ver-
traulichkeit mit der Gottheit und eine Nichtachtung mensch-
licher und göttlicher Satzungen, zum Mindesten bei jenen,
welche nicht die höchste geistige Reinheit erreicht hätten
und versucht sein könnten, ihre ftußeriiche Heili^eit als
einen Deckmantel für menschliche Schwächen zu gebrauchen.
Snfl, Fakir, Darwisclu
Die Etymologie von ^Su^j wonach es von süf 'Wolle'
abgeleitet ist, weil die Snfis in weißen Wollkleidern hemm-
gingen, ist jetzt allgemein anerkannt ^) Frflher glaubte man,
1^ Sprenger, I, p. 262.
22*
I
I
340 Elfte Vorlesuag.
dasB 'Sii6' von dem ^Jecbiachen aoipAg herkomme, wa8 nn-
mCglich ist. Gegenwärtig sind die Salia allgemein ale Fakire,
im Persischen als Dartcim/i (Derwische) d. h. 'arm', bekanut.
Frflher wurden sie ancL Ar!/, 'Theosophisten', nnd Ahl
alyakyii, 'die Leute der Gcwissheit', genannt. Darum sa^
Einer derselben, Abd al Kazzäk: >Lob und Preis sei Allah,
der durch seine Qnnst und Gnade uns von den Untersuchnn-
gen der herkömmlichen Wissenschaften erlöst hat, der uns
durch den Geist unmittelbarer Intnition aber die Langweilig-
keit der Überlieferung und Beweisfllhrnng erhoben, der uns
von dem Dreschen leeren Stroha befreit nnd uns von Rede-
kampf, Gegnerschaft nnd Widerspruch rein erhallen hat:
denu dies Alles ist der Kampfplatz der L'ngewisskeit nnd
das Gebiet des Zweifels, des Irrtums und der Ketzerei; Preis
sei ihm, der den Schleier der ÄiLBerlicfakeiten, der Form nnd
der Verwirrung von unseren Augen hin weggenommen bat.<
Agoetlsrnns.
Die Sufis vertrauen uuf das innere Auge, das in Vom
Ettcbnngen geOffuet ist, nnd dem, wenn es schwach oder blinil
ist, durch ascetische Disciplin nachgeholfen werden kann.
Diese ascetische Disciplin war ursprflngltch nichts weiter als
Enthaltung von Speise uud Trank und anderen Freuden de«
Lebens, äie artete aber bald in wilden Fanatismus an*.
Manche von den Fakiren gaben aich den gewaltsamsten
ascetiscben Übnngeu bin in der Abaicbl, Krämpfe, kataieptw
sohe Anfälle n, dgl. berTorznrnfen. Die Derwische, die man
heutzutage sehen kann, wie sie sich im Kreise Lemm-
drehen, bis sie in wahnsinniges Geschrei ausbrechen, sind die
entarteten Abkömmlinge der 8ulis. Atlär und DachelUl
eddin Rumi — sie, die Gott wahrhaft liebten — be-
durften keiner Reizmittel fär ihre Begeisterung, und ihr
dichterischer Geist äußerte sich nicht in unartikulierten
Ausbrüchen der Raserei, sondern in verzückten Lobes-
hymnen. Die wahren SuGa waren stets geehrt, nicht sor
SnfiiBoms. 341
um ihrer geistigen Begmbnng wilien, sondern mneh wegen
ihres heiligen Lehenswimdels, und sie kOnnen sich mit ihren
Zeitgenossen im Abendlimd^ selbst mit Minnem wie St. Ber-
nard, ganz gnt messen.
In Bezng anf die wahren und heiligengleiehen Sofis
sagt Dscheiläl eddin: —
»GUabensToll sind sie. aber sieht am des Paradieses willen,
Cvottes Wille ist das Einiige, was ihren Glauben krGnt; und nicht
um der siedenden Hülle willen fliehen sie Tor der Sfinde, sondern
weil ihr Wille dem göttlichen Willen dienen nuus. Es ist kein
Kampf, es ist nicht Disciplin, was ihnen einen so mheToUea und
so seligen Willen gewinnt: es ist dies, dass Gott ans seines Her-
zens tiefinnerstem Born ihre jubelnde Seele f^lt.«
Allerdings ist in ihren Änßemngen wenig Ton dem ent-
halten, was wir theosophisehe Philosophie nennen. Dies ist
fast anssehließlich nnr bei den Yediüitisten, nnd in gewissem
Maße aneh bei den Yogins in Indien zu finden. Der Snfi
Terllsst sich anf seine Gefühle . ja beinahe anf seine Sinne,
licht wie der Vedintist anf seine philosophische Einsicht.
Er hat Intuitionen oder himmlische Anschauungen Gottes,
oder er behauptet wenigstens sie zu haben. Er fthlt die
Gegenwart Gottes, und seine höchste Seligkeit auf Erden ist
die mystische Vereinigung mit Gott, Ton der er in einer
stets wechselnden und — Ar uns wenigstens — oft Terblfiffen-
den Bildersprache redet. Doch gesteht auch er zu, dass für
seine höchsten Yerzflckungen die menschliche Sprache keinen
angemessenen Ausdruck besitzt. Wie Sidj sagt: Die Blumen,
die ein Liebhaber Gottes in seinem Rosengarten gepflflckt
hatte, und die er seinen Freunden zu geben wünschte. Aber-
wiltigten seinen Geist so sehr durch ihren Wohlgemch, dass
sie aus seinem Schöße fielen und Terwelkten: das heißt: die
Herrlichkeit Tcrzflckter Visionen verbleicht nnd schwindet
dahin, wenn sie in menschliche Sprache gekleidet wer-
den soll.
342 Elfte Vorlesung,
Die HeBneTl.
Dachelläl eddin sagt in der Vorrede zd e
• Dieses Buch enthält seltsame und seltene Erzählangen,
schöne AussprtlcLe und geheimnisvoUe Ändeutnogea , es ial
ein Pfad fOr die Gottergebenen und ein Garten für die From-
men, kurz in AnsdrBcken, reich an Nutzanwendungen. Es
enlhlUt die Wurzeln der Wurzeln des Glaubens und handelt
von den Mysterien der Vereinigung und sicheren Erkenntnis.'
Dieses Buch wird von den Mohammedanern als nnr dem
Koran an Bedentnng nacbatehend angesehen, und doch kann
man sieh kaum zwei Bücher denken, die mehr voneinander
verschieden wfiren, als diese beiden.
Mohammeds AnachBDDn?.
Hohammeds Idee von Gott ist ecbließlich doch dieselbe
wie die dos Alten Testaments. Allah ist hauptsächlich der
Gott der Macht, ein abersinnliober, aber stark persönlicher
Gott. Man soll ihn fürchten, nicht aber sich ihm nähern;
und wahre Religion ist Unterwerfung unter seinen Willen
(Isläm). Seihst Manche von den Sufis scheinen vor der Behan{)-
tung der vollkommenen Einheit der menschlichen und der
göttlichen Natur zurückzuschrecken. Sie nennen die Seele gStt-
lieh, gottähnlich, aber noch nicht Gott; als ob in diesem PaUe
daa Adjektiv wirklich von dem Substantiv nnterflchieden wer-
den konnte, als oh irgend etwas göttlich sein könnte, inBer
Gott allein, und als ob es irgend ein Ebenbild Gottes od«[
irgend etwas Gotl^hutiches gebeu kOnnte, das nicht seiBCai
innersten Wesen nach Gott witre. Philosophische SpekslationoB
Aber Gott waren Mohammed zuwider. »Denke an die On*-
1 Gottes,' sagt er au Einer Stelle, >niobt an das Wenn
Er wusste, daas theologische Spekolation nnver-
Uieh znm Schisma fahren würde. 'Meine Leute, t tagt
■ werden in lireiundsiebenzig Sekten geteilt sein, ran
denen alle mit Ausnahme einer einzigen ihr gebtthrendes
Los im Fener haben werden. < Diese Eine wDrde in 4e&
Sofiismiu. 343
Asgen Mohammeds siclieiiich nicht die der Safis geve-
ien sein.
£i gibt ein interessantes Gedieht, in welchem der Die-
ner Said eines Morgens eine Venficknng. die er gehabt, be-
richtet, worauf er von Mohammed vor flbermißiger reli^öser
Sehwirmerei gewarnt wird.
Said spricht:
»Vom Fieber trocken klebte mir die Zunge am Gaumen,
mein Blnt floss wie Feuer durch die Adern, meine Nichte waren
schlaflos Tor Tenehrender Liebe, bis Tag nnd Nacht Torbeijagten.
wie ein Speer, den Band eines Schildes streifend, dahinfliegt: hm-
dentanseDd Jahre daaern nicht langer als önen Augenblick. In
dieser Stunde war alle Tcrgangene und alle kfinfdge Ewigkeit in
Einem erstaunlichen Jetzt susammeugefasst : — mag der Verstand
sich noch so sehr wnndem. wo die Menschen Wolken sehen, da
scsrre ich in den neunten Himmel nnd sehe den Thron Gottes.
Der ganze Bimmel und die ganse Bulle Hegen ofien Tor mir da.
und die Geschicke aller Menschen. Die Bimmel und die Erde,
sie Tcischwinden vor meinem Blicke; die Toten erstehen auf bei
BKinem Anblick. Ich reiße den Schleier von allen Welten, und
in der Balle des Bimmel« setze ich mich im Mittelpunkte hin.
strahlend wie die Sonne. Da sprach der Prophet Mohammed :
Freund, dein Boas ist warm; sp<»ne es nicht weiter an. Der ^liegel
in deinem Benen entschlfipfte seinem fleischlichen Futteral, stecke
ihn nur ein — Tcrbirg ihn wiederum, sonst wirst du zu Schaden
kommen.«
Es gibt lange systematisehe Abhandinngen Aber den
SnfiisBUS. sie beziehen sich aber hanptaichlich anf Infierliche
Dinge, nicht anf die großen Probleme ron der wahren Xatnr
der Seele und Gottes, nnd ron der innigen Beziehung zwi-
schen den Beiden. Wir lesen Ton rier Stadien, durch wekhe
der Snfl hindurchzugehen hat.
Die Tier Stadien.
Znerst kommt das Stadium der Demut oder einC^h des
Gehorsams gegen das Gesetz und dessen Beprflsentanten. den
SckaiUi nisnt oder schariat : dann folgt der Weg ta-
344
Elfte VorleBung.
rikat), d. b. geistige Anbetnng und Ergebuog in den gött-
lichen Willen; hieranf 'Arüf oder Marifat, Erkenntnis,
d. h. inspirierte Erkenntnis; and schließlich Kaktkat, d.t
Wahrheit oder voUst&ndiges Verscbwinden in Gott.
Die poßtisclie Sprache des Sn&lginus.
Bei der LektUre der verzflckten Poesie der HttRi dOrfen
wir nie vergessen, dass die snßiatiacheD Dichter gewisse
Ansdrtlcke gebrauchen, die in ihrer Sprache eine anerkannte
Bedeutung besitzen. 80 bedeutet Schlaf 'Meditation'; Par-
füm 'Hoffnung auf göttliche Gunst" ; Stürme bedeuten 'daa
plötzliche Hereinbrechen der Gnade'; Küsse und Vmanmm-
gen 'die Verzllckungen der Frömmigkeit'. Götzertt er ehret
sind nicht etwa Ungläubige, sondern in Wirklichkeit AnbAn-
ger des reinen Glaubens, die jedoch Allah als ein Qberani
erhabenes Wesen, als einen bloßen SchOpfer und Beherrscher
der Welt ansehen. Den Genuas des Weines hat Mohammed
verboten, aber bei dem Suü bedeutet Wein 'geistige Ei-
kenntuis', der W'cincerMufer ist ^der geistliche FBbrer', die
Selietike 'die Zelle, in der der Sucher nach Wahrheit üek
an dem Weine der göttlichen Liebe berauscht'. J'rühlichJteit,
Rausch und Ausgelassenheil stehen für 'reÜgiOse VersQek-
UDg und völlige Enthaltung von allen weltlichen Gedanken'.
Schönheit ist 'die Vollkommenheit der Gottheit'; Haar^cMea
sind 'die Ansbreitnng seiner Herrlichkeit'; die Lippen der
Geliebten bedenten 'die unerforschlichen Geheimnisse der
Wesenheit Gottes' ; der Flaum der Wangen stobt fllr die
'Geisterwelt'; ein schwarzes Mal bezeichnet den 'Pnnkt m-
teilbarer Einheit'.
Wenn wir manche dieser verzflckten Dichtungen d«r
Snfis lesen, sind wir zuerst einigermaßen in Zweifel darttber,
ob sie nicht einfach in ihrem natOrlichen Sinne als jovial
und erotisch anfgefasst werden sollten: und es gibt maoeb«
Litteraturforsoher , die keine tiefere Bedentong derselben in-
geben wollen. Bekanntlich sträubte sich Emerson gegen die
SofiiBmiiB. 345
VorstelliiDg, dass man in den Liedern des Hafiz mehr zn
sehen habe, als was anf der Oberfliehe liegt: — Frende an
Franen, an Oesang und Liebe. Er sehreibe :i) >Wir wollen
ans den Liedern Salomo*s keine mystische GöttUehkeit her-
auslesen, viel weniger ans den erotischen nnd bacehanalisehen
Liedern des Hafii. Hafiz selbst ist fest entschlossen, jeder
scheinheiligen Interpretation der Art Hohn zn sprechen, er
reißt sieh den Turban herab nnd wirft ihn dem nnbemfenen
Derwisch an den Kopf nnd schlendert sein Glas dem Tnrban
nach. Nichts ist zn hoch, nichts zn niedrig, wenn es ihm
gerade passt. Die Liebe macht Alles gleich, nnd in seinen
kecken Gesängen an seine Geliebte oder seinen Mundschen-
ken wird Allah znm Kammerdiener nnd der Himmel znr
geheimen Kammer. Dieser nnbeschrtnkte Freibrief ist das
Vorrecht des Genies, c So ist es anch, nnd es gibt ohne
Zweifel Tide Gedichte, in denen Hafiz nicht mehr meint, als
was er sagt Niemand wllrde irgend etwas Anderes als die
naheliegendste Bedeutung in Anakreontischen Versen gleich
den folgenden suchen:
»Zwei Jahre alter Wein und ein Mftdchen Ton Vierzehn
sind mir genflgende Gesellschaft, lieber als alle Gefthrten,
groß und klein.«
»Wie entzflckend ist ein Tanz zu lebhafter Musik und
die heitere Melodie der Flöten, insbesondere wenn wir die
Hand eines schOnen Midchens berfihrenic
»Laas Wein einschenken nnd streue Blumen herum;
was kannst du vom Schicksal mehr verlangen? So sprach
die Nachtigall heute morgens. Was sagst du, sflße Rose, zu
ihren Vorschriften?«
»Bringe ein Ruhebett in den Rosengarten, damit du die
Wangen nnd Lippen lieblicher Jungfrauen kflssest, starken
Wein schlurfest nnd duftende Bifiten riechest.«
Aber Keiner, der mit dem Orient vertraut ist. wflrde
bezweifeln, dass eine Art halberotischer, halbmystischer Poesie
1) Work$, 1882, Vol IV, p. 201
I
I
346 Elf'o Vorlesnng.
bei den Mobammedanern eine anerkannte Dicbtart war und
sowohl von Laien wie von GeiatUchen geduldet and bewun-
dert wurde. Auch war der mystische Sinn mcht ein bloßer
Nachgedänkc , dor auf gezwungene Weise in die Poesie der
Sufi3 hineingedeutet wurde, Bondein er war von Anfang an
beabsiohligt.
Der Dnft dieser Poesie hat zoerat etwas Bet&nbendes
fQr uns, selbst wenn wir die wahre Bedeutung derselben
kennen. Der Sufi aber glaubt, dass es in der mensohlioben
Sprache nichts gebe, was die Liebe zwischen der Beele und
Gott so gut ausdrücken könne, als die Liebe zwischen Mann
und Weib, und dass er, wenn er tiberhaupt von der Ver-
einigung zwischen den Beiden sprechen dflrfe, dies nur in
der symbolischen Sprache irdischer Liebe thun kOnne.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die irdische Liebe,
weun sie auch in gemeinen Seelen oft zn einer bloDen tieri-
schen Leidenschaft herabgesunken ist, in ihrem reioateo
Sinne doch immer das höchste Mysterium unseres Daseins
bleibt, die vollkommenste Seligkeit und Wonne auf Erden,
und zu gleicher Zelt das wahrste Unterpfand unserer mehr
als menschlichen Natur. Im stände zu sein, die n&mliolie
aelbatloae Hingebung, deren das menschliche Herz fähig ict.
wenn es von Liebe für eine andere Menschenseele erfUllt ist,
für die Gottheit zu fühlen, ist Etwas, was man gar wohl al»
die beste Religion bezeichnen kann. Es ii^t ja doch du
chrislliobe Gebot; >Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieb
haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allm
Vermögen.' Haben wir dies einmal begriffen, so kann sieb
keiner rühmen, dem hfSchsten christlichen Ideal nfthergekon-
men zu sein , als der wahre Sufi, dessen Beligion eins glfl-
hende Liebe zu Gott ist, der sein ganzes Leben in dar b^
stAndigen Gegenwart Gottes zubringt, und dessen HandlnngSD
durchaus von Liebo zu Gott eingegeben sind.
Uarrow, ein nicht unbedeutender Theolog, der keineswegs
von religiöser SentimentalilUt angesteckt ist, redet in räner
Sprache, deren sich die schwärmerischsten Dichter der Ssfis
Sufiismns. 347
bitten bedienen können. »Die Liebe,« sebreibt er, >ist die
sflßeste und erfrenlichste aller Leidenschaften ; nnd wenn sie
nnter der FOhmng der Weisbeit in vemflnftiger Weise anf
einen würdigen, angemessenen nnd erreichbaren Gegenstand
gericbtet ist, so kann sie nicbt nmbin, das Herz mit ent-
zllckender Wonne zn erftlllen: Ton der Art, in jeder Bezieb-
nng Aber alle Maßen Ton der Art, ist Gott; er, der am
vollkommensten liebenswürdig nnd begehrenswert ist, verdient
unsere Znneignng unendlich mehr als alle anderen Dinge.
Er ist der passendste Gegenstand unserer Liebe; denn wir
wurden hauptsächlich dazu gebildet, und es ist das hervor-
ragendste Gesetz unserer Natur, ihn zu lieben; aus einem
angeborenen Instinkt neigt sich uusere Seele zu ihm als
ihrem Mittelpunkte hin und kann keine Ruhe finden, bis sie
an ihm befestigt ist Er allein kann die unermessliche
Fassungskraft unseres Geistes befriedigen und unsere maß-
losen Wünsche erfüllen. Von allen lieblichen Dingen kann
er am sichersten und leichtesten erreicht werden; während
nämlich die Menschen in ihrer Zuneigung gewöhnlich auf
Hindemisse stoßen, indem ihre Liebe durch Dinge, die sie
sich in den Kopf setzen nnd die sie nicht erreichen können,
verbittert wird, oder indem sie Dinge an sich locken, von
denen sie verschmäht und zurückgewiesen werden, — ver-
hält es sich mit Gott ganz anders: Er ist höchst willig, sich
mitzuteilen ; er begehrt unsere Liebe aufs Emstlichste und wirbt
um sie ; er ist nieht nur höchst willig, Neigung zu erwidern,
sondern er kommt uns sogar darin zuvor; er begünstigt und
ermutigt unsere Liebe durch die lieblichsten Einflüsse und
die tröstlichsten Umarmungen; durch die freundlichsten Gunst-
bezeigungen, durch die wohlthuendsten Gefälligkeiten; und
während alle anderen Gegenstände beim Genüsse unserer
Erwartung niemals ganz entsprechen , übertrifft er sie immer
weitans. So kommt es, dass wir in allen Liebesregungen
unseres Herzens gegen Gott, in dem Verlangen nach ihm, in
dem Suchen seiner Gunst und Freundschaft, dass wir, in-
dem wir ihn umarmen oder unsere Achtung, unseren guten
I
348 Elfte Vorlesung.
Willen üeA unaer Vertrauen nnf ihn Hellten, indem wir ihn
durch andächtige Meditationen nnd Anmfungen genieBen, dasi
wir in dem auf Nachdenken beruhenden Bewusstsein noBeres
Interessea an ihm und unserer Zugehörigkeit zn ihm, in jener
^eheimnisTolleD Vereinigung des Geistes, vermOge deren wir
fest an ihm hängen und gleichsam in ihm eingeachleaaen
sind, in dem innigeu Wohlgefallen an seiner Güte, dem Oft-
fOh! der Dankbarkeit für sein Wohlwollen und dem eifriges
Wanache, dasselbe einigermaßen wioderEn vergelten — daaa
wir in all dem nur hüchat freudiges Entzticken finden kffn-
nen ; ja, diese von dem Geist der Liebe in nnseren Herseo
entzündete himmlische Flamme kann nie der WSrme entbehren;
wir können unser Auge nicht auf unendliche Schönheit bef*
ten, wir können nicht unendliche Stllligkeit kosten, wir kön*
nen nicht au unendlicher Gl 11 ck Seligkeit haften, ohne um
aneh fortwährend an der ersten Tochter der Liebe zu Gott, der
Nächstenliebe, zu erfreuen; und diese hat in ihrer Koßeren
t^rscheinung und ihrer sorglichen Gem&tsart große Ähnlichkeit
mit ihrer Mutter; denn sie befreit uns von all den dllst«reii,
qualvollen und aufregenden Einbildnngeu und Leiden sc lutfteii,
die unseren Geist trttben, unser Herz ((uälen und unseren
Seelenzustand zerrUtten; sie befreit uns vom verzehrendes
Arger, vom stürmenden Zank und Streit, vom nagenden Neidcy
vom wühlenden Hasse, vom folternden Argwohn, von (goi-
lender Ehrsucht und Habsucht; und darum bringt sie unaereD
Geist in einen Znstand des Gleichmuts, in eine ruhige Qe-
mOtsverfassnng, in harmonische Ordnung, in jenen angenebmea
Zustand der Ruhe, der das natOrliche Hesnllat der Vermei~
duDg zngelloBer Leidenschaften isl.<
Ich habe diese lange Stelle vollständig gegeben, weil sie
sich, wie Sir William Jones hervorgehoben hat, von der
mystischen Theologie der Suds und Yogins nicht mehr nnter-
s''heidet, als die Blumen und Frtlchte Europas sich an Duft
und Wohlgeschmack von dent:n Asiens unterscheiden, oder all
die europäische Beredsamkeit von der asiatisehen nntat-
schieden ist. >Wflrde derselbe Ton in gebundener Bede
SnfiismiiB. 349
angesehlageD, so wflrde er sich xu den Oden Spensets Aber
die göttliche Liebe nnd Schönheit^ nnd — in einem höheren
Grondton^ mit reicheren Ansschmflckangen — zn den Gesin-
gen des Hafiz nnd des Jayadevm. zn den Verzflcknngen der
MesneTi nnd den Mysterien des Bhigmvata erheben.«
MonUUt des Safiismns.
Der GUnbe des 8nfi, dass derjenige, der sich Ton der
Liebe leiten lasse, dem laßeren Gesetz nicht mehr unter-
worfen sei. ist keineswegs so abscheulich, wie man ihn dar-
gestellt hat. Denn dieser Glaube bedeutet nicht, dass der
wahre Snfi irgend eine unerlaubte Freihdt f&r sieh in An-
spruch nimmt sondern nur. dass deijenige, dessen Herz Ton
liebe zu Gott erfüllt ist. und der Gott nie aus den Augen
Terliert. nicht mehr an das ftußere Gesetz denken kann,
sondern bei allen seinen Handlungen sich nur von der Liebe
za Gott leiten lisst. indem er für seine guten Werke kein
Verdienst beansprucht und sich ganz außer stände fflhlt, irgend
eine Gott missfillige That zu begehen.
Auszlge ans smfilstlsehen Dichtem.
Ich will Ihnen nun ein paar Auszüge aus sufiistischen
Dichtem Toriesen. die Sir William Jones (ins Englische) flber-
letzt hat:
>In der aofangslosen Ewigkeit begann ein Strahl deiner
ächOnheit zu schimmern; als die Liebe ins Dasein gerufen ward
■ad Fbunmen 6ber die ganze Natur verbreitete.
»An jenem Tage strahlte deine Wange selbst unter deinem
8chleier. und all das herrliche Bilderwerk erschien in dem Spiegel
unserer Phantasien.
»Erhebe dich, meine Seele, damit ich dich ausgieße auf den
Pinsel jenes höchsten Kfinstlers. der in einer Drehang seines Zir-
kels diese ganze wunderbare Scenerie umfasste.
»Von dem Augenblicke an. wo ich den güttlichen Ausspruch
borte, 'Ich habe dem Menschen einen Teil meines Geistes einge-
350 Elfte Vorlesung.
h&ncht', war ich desBen gewiss, duss wir ibm und er uns an-
gehOte.
>Wo ist die frühe Botaebaft der Vereinigung mit dir, d
mit ich altes Verlangen nach dem Leben anfgebe? Ich bin e
Vogel der Ileiliglteit und möchte gern dem Netze dieser Welt
»Gieße, o Herr, aus der Wolke himniüecher PUfaraog ^nen
erqnickeDiIen Regengues hernieder vor dem Augenblicke, wo icb
aufstehen muas, wie ein EUmchen trockenen Stuubes.
>Die Summe nnseror Verrichtungen aof diesem Weltall i
Nichts; bringe uns den Weiu der Andacht; denn die Güter dleeec
Welt verschwinden.
»Der wahre Zweck des Herzens und der Seele ist die Herr-
lichkeit der Vereinigung mit unserem Geliebten; dieser Zweck
existiert wirklich, aber ohne denselben würde weder diis Here Dücb
die Seele ein Dasein haben.
>0 Seligkeit des Tagee, wenn icb dies Ode Wohnhaus v
lassen, wenn ich fUr meine äeele Kühe suchen und den Spuren
meines Geliebten folgen werde,
•Voll Liebe fiir seine Scblinheit wie ein StSubcheo im 8onD«S'
strahl tanzend, bis ich den Qnell und Born des Lichtes erreicbe,
von dem jene Sonue dort all ihren GUna erhält«
Den Dächsten Auszug entnebme ich den [tob E.
WbinGeld ins EngUäcbe übersetzten) Meanevi des DschelUt
eddiD Uflmi. Dschelläl eddia beschreibt die vOUige Vereiiü-
gDBg mit Gott folgenderm&Qeu : —
•Eine Geliebte sagte eines Morgens zu ihrem Liebhaber, nta
ihn auf die Probe zu stellen: >0 der und der. Sohn von dem a
dem, ich milchte gerne wissen, ob du mich lieber hast, iider dich
selbst; sag es mir der Wahrheit gemäß, mein feuriger Liebhaber''
Er antwortete: >Ich gehe so ganz nnd gar in dir auf. dais ich
vom Kopf bis auf die Füße voll von dir bin- Von meinem eife
Dasein bleibt nichts als der Name übrig, in meinem 8uin ist niebu
als du, o Gegenstand meines Verlangens. Damm bin ich so in dit
verloren, geradeso wie Essig sich im Honig auflQst; oder wie da
Stein, der in einen reinen Knbin verwandelt worden, von di
glänzenden Liebt der Sonne eTflllU ist. Dieser Stein behUt sei
ihm sngehGrigen Eigenschaften nicht bei, soudera er ist gnoi a
gar von den Eigenschaften der Sonne erfüllt; wenn er sich *l
nachher selbst lieb hat, so ist es dasselbe, als wenn er die Som*
Snfiismas. 351
lieb hat, o meine Greliebte! Und wenn er die Sonne in seinem
Herzen lieb hat, so ist es offenbar dasselbe, als wenn er sich selbst
Ueb hat Ob nun dieser reine Rubin sich selbst lieb hat oder ob
er die Sonne lieb hat, zwischen den beiden BeTorzugongen gibt
es keinen Unterschied; in dem einen wie in dem anderen Falle
existiert Nichts als das Licht der Morgenröte. Solange aber dieser
Stein noch nicht zum Rabin geworden ist, hasst er sich selbst,
denn solange er nicht zu Einem Ich geworden, ist er zwei ge-
trennte Iche; er ist nämlich so lange verdunkelt und halb blind,
und Dankelheit ist der Erzfeind des Lichtes. Wenn er sich zu der
Zeit lieb hat, ist er ein Ungläubiger, da dieses Selbst ein Gegner
der mächtigen Sonne ist Darum ist es zu der Zeit wider das Ge-
setz fdi den Stein, 'Ich' zu sagen, da er ganz und gar in der
Dunkelheit und im Nichtssein ist Pharao sagte: »Ich bin die
Wahrheit« und ward gedemütigt. Mansur Halladsch sagte: >Ich
bin die Wahrheit« und ging frei aus. Der Fluch Gottes folgte
dem 'Ich' Pharao's, die Gnade Gottes, o meine Geliebte, folgte dem
Ich' Mansurs; darum weil Pharao ein Stein war, Mansur aber ein
Rubin; Pharao ein Feind des Lichtes, Mansur ein Freund. 0 lieb-
liche Schwätzerin, Mansurs Ich bin Er' war ein tiefer mystischer
Ansspruch, der Einssein mit dem Licht ausdrückt, nicht bloße In-
karnation.«
Dieses poetische Bild von der Sonne wird von sofiisti-
sehen Dichtem oft auf die Gottheit angewandt So sagt
Dschelläl eddin:
>Nur die Sonne allein kann die Sonne entfalten, wenn du sie
entfaltet sehen willst, wende dich nicht von ihr hinweg. Schatten
können ja wohl die Gregenwart der Sonne andeuten , aber nur die
Sonne entfaltet das Licht des Lebens. Die Schatten locken den
Schlnrnmer heran, wie Abendgespräche, doch wenn die Sonne auf-
geht, 'bricht der Mond entzwei'. In der Welt gibt es nichts Wun-
derbareres als die Sonne, aber die Sonne der Seele geht nicht
nnter und hat kein Grestem. Obgleich die materielle Sonne einzig
in ihrer Art und nur Eine ist, können wir uns doch ähnliche ihr
gleiche Sonnen vorstellen. Aber von der Sonne der Seele jenseits
dieses Firmaments — von ihr gibt es kein Gleichnis, weder im
konkreten noch im abstrakten Sinne. Wo gibt es einen Platz für
seme Wesenheit im Begriffe, so dass Gleichnisse von ihm begriffen
werden könnten?«
I
352 lilfW VorleBuog.
Zuweilen wiid die Seele der Spiegel Oottes genitnnt. So
sagt DBchelUl eddin :
•Wenn eia i^piegel kein Bild zeigt, was nützet er? Weißt
(iD, nariim dein Spiegel kein Bild zeigt? Welt der Rust nicbt
von fleioer Oberfläche abgerieben worden Ut Wenn der Spiegel
von allem Roat und 8cbmutz gereinigt wäre, so würde er dasSobei-
nen der Sonne Gottes neigen-!
Oft warnt der sufiistische Dichter vor SelbattäDSchnog:
>Wer immer auf religiöse Verzückungen bescbrankt igt, ist
nur ein Menacb; maucbmal ist seine Verzückung Übertrieben, ein
anderes Mal mangelhaft Der Sufi ist gleichsam der 'Sohn der
Jahreszeit', aber der Beine [Säßi ist über Jnbreszeii und Zattand
erhaben. Religüse Verzückungen hüngcn vuq Gefülilcn und von
Willen ab, aber der Reine wird durch den Atem Jesu neugeboreii-
Du liebst deine eigenen Verzückungen', nicht mich; nur in der
HofTnuDg, Verzückungen zu haben, wendest du dich zu mir. Wer
immer bald mangelhaft, buldiollkonimea ist, wird nicbt von Abra-
ham verehrt; er ist >lMner, der untergeht'. Weil die Stern« unttl-
gchen und bald eben, bald unten sind, liebte er sie nicht; 'ich
liebe die nicbt, die untergeben-. Wer immer bald erfreuend,
bald nichtorfreneud ist, ist zu Einer Zelt Waaser, zur andenn
Feuer. Er kann das Uaua des Mondes sein, aber nicht det
wahre Mond; oder n-ie das Bild einer Geliebten, aber nicht dia
lel)endigo Geliebte. Der bloße Sufi ist das 'Kind der J^hrera^';
er hängt den Jahreszeiten sn, nie einem Vater, aber der Reiiw
geht in der überwältigenden Liebe unter. Wer ein Rind ron irgtail
Jemand ist, ist nie frei von Jahreszeit und Zustand. Der Reise gekl
iu dem Licht, 'das nicht erzeugt ist', unter; "was selbst nicht erxBOft
und was nicbt erzengt tat'. Ist Goit. Geh hin! Suche eine Uebft
wie diese, wenn du am Leben bist; thuBt du es nicht, so wirst ibi
von den wechselnden Jahreszeiten unterjocht. Blicke nicht uif
ileine eigenen Bilder, seien de schUn oder bä»slich, blicke auf deb«
Liebe nnd den Gegenstand deines Verlangens. Blicke ul^l »f
das Schauspiel deiner eigenen Schwache oder Niedertracht, hlJcke
auf den Gegenstand deines Verlangens, o Erbabener!<
Der nächstfolgende Auszug ist ans dem (von FÜtgtttiM
ins Englische Oberaetzten) Gedicht DscbAmi'a 'SidAulD md
Abs&b'. Dschämi schreibt alle irdische Schönheit nnd tDf
irdische Liebe der göttlichen Gegenwart in ihr zn. Ohno
Su6i9mQ8. 353
dieses göttliche Licht würde der Mensch keine wirkliche
Schönheit sehen, keine wirkliche Liebe kennen.
Salim&B nnd Abslb, tob DscUmi.
0 du. dessen Geist, durch dieses Weluül. in welches du dich
einhOllst. susgegosseu, den menschlichen Thon den irdischen Leib
von ungefähr so erstrahlen lässt, dass die Menschen, plötzlich ge-
blendet, sich vor einem sterblichen Schreine, dessen Licht bloß ein
Abglmnz des Göttlichen ist. in Verzückung verlieren: erst wenn
deine geheime Schönheit LsiU*s Wange durchdringt, wird sie
Madschnun entflammen: und erst wenn du Schirins Angen entzün-
det hast, schwellen die Herzen dieser zwei Nebenbuhlerinnen vom
Blnte. Denn Liebender und Greliebte sind nur dnrch dich, nnd
anch die Schönbeic ist nur durch dich: — sterbliche Schönheit ist
nnr der Schleier, hinter dem sich deine himmlische verbirgt nnd
von sich selbst zehrt, und nach der unsere Herzen sich sehnen, wie
nach einer Braut, die verschleiert an nns vorüberblickt — doch
immer so. dass Keiner den Schleier von dem, was er verhüllt, unter-
scheiden kann. Wie lange noch willst du also fortfahren, mit dem
Phantom eines Schleiers, hinter dem du nnr hervorlugst, die
Welt zn berücken? Ich möchte dein Geliebter sein, nnd nnr
der deine — ich. dessen Augen dnrch dein Licht für Alles anßer
f&r dich verschlossen sind. Ja. der ich in der Offenbarung deiner
sdbst mir selbst verloren bin. verloren für Alles, was nicht das
Selbst ist innerhalb der doppelten Welt, die doch nur Eine ist.
unter allen Formen des Denkens liegst du verborgen, unter der
Form alles Geschaffenen: wohin ich auch blicke, sehe ich doch nichts
als dich durch dieses ganze Weltall, in dem dn dich abspiegelst, nnd
dnrch jene Angen dessen, den du zum Metmchen gemacht, erforsche
ich nichts als dich . In deinen Harim findet Teilbarkeit keinen Ein-
\mm» — kein Wort von Ditsem nnd Jenem; mache dn mein getrenntes
nnd abgeleitetes Selbst Eins mit deinem Wesentlichen! Mache mir
PUtz anf dem Divan. auf dem für Zwei kein Platz ist : damit ich,
o Gott, nicht wie der schlichte Araber in der Erzählung zwischen
•mir* und 'dir verwirrt werde. Wenn ich — woher dieser Geist der
mich durchgeistet? Wenn du — woher diese Ohnmacht der Sinne?
Wir sehen hier dieselbe Stimmnng. nm die der christ-
liche Dichter betet, wenn er sagt: »Mögen Alle Alles thnn,
wie in deinem Anblick.« Der Snfiismns. von dessen Über-
tiiebenheiten abgesehen, kann fast als christlich bezeichnet
354
Elfte Vorlesung.
werden; ich zweifle auch nicht, dass er seine tiefsten Anre-
gungen dem Christentum verdankte, namentlich jenem meta-
physischen Christentum, welches auf die Platonische und
Neuplatonische Philosophie gegründet war. Wir sahen, dass
die Sufis selbst dies nicht leugnen; im Gegenteil, sie berufen
sich anf Jesus oder Isa als ihre höchste Autorität, sie be-
dienen sich fortwährend der Sprache des Neuen Testaments
und beziehen sich oft auf die Legenden des Alten. Wenn das
Christentum und der Mohammedanismus sich jemals zur £r-
iTdUung der hohen Zwecke, welche sie beide verfolgen, ver-
einigen sollten, so würde der Sufiismus der gemeinsame Bo-
den sein, auf dem sie am besten zusammentreffen, einander
verstehen und einander helfen könnten.
Zwölfte Vorlesung.
Der Logos.
Die Reli^on eine Brfieke zmUehen dem SielitbareB luid
dem ünsielitbareii.
Man kann mit Fag und Recht behaupten, dass die Stifter
der Weitreligionen Alle Brflckenbaner < pontifices' gewesen seien.
Sobald das Dasein eines Jenseits, eines Himmels Aber der Erde,
sobald das Dasein von Mächten Aber nns nnd anter nns aner-
kannt worden war. schien eine große Klnft befestiget zn sein
zwischen zwei Welten, die man mit verschiedenen Namen —
als die irdische und die himmlische, die körperliche and die
geistige, die phänomenale and die noamenale, oder am alier-
besten als die sichtbare und die unsichtbare (oQarög nod äro^
Qarog Welt — bezeichnete, and es war der Hauptzweck der
Religion, diese zwei Welten wieder zu vereinigen, sei es durch
die Brückenbogen der Hoflfhung und Furcht, oder durch die
eisernen Ketten logischer Schlussfolgerungen. ^;
1, Der Verfasser eines Artikels im Christian Register, 16. Juli
1S91, p. 461. drückt dieselben Gedanken aus, wenn er sagt: »Was
allen Religionen zu Grunde liegt, ist der natürliche Instinkt des
Menschen von seiner Verwandtschaft mit dem Unendlichen; und
dieser Instinkt wird nicht geschwicht, sondern im Cregenteil von
einem Zeitalter zum andern um so stärker und fester gemacht
werden, eine je weitere Erfahrnng der Überblick über die Lauf-
bahn des menschlichen Greschlechtes dem Menschen gewährt, und
je mehr Um denelbe in den Stand setzt, seine Geschichte immer
deutlicher su erklären, und sie als ein unter der Herrschaft anab-
23*
356
ZwQirte Vorleanng.
I
Dieses Problem, wie man die nnsichtb&re und die sicht-
bare Welt vereinigen kOnae, stellte sich nnter drei Hupt-
gesiohtspitnkten dar. Das erste war das Problem der
Schöpfung, oder die Frag*^, wie die unsichthnre erste Ur-
sache je mit der sichtbaren Materie in Berührung kommen
und ihr Geälalt und Sinn verleihen konnte. Das zweite
Problem war da* Verhältnis zwischen Gotl nnd der iodivi-
dnellen Seele. Daä dritte war die Höckkehr der Seele von
der sichtbaren zur nnsichlbaren Welt, von dem Kerker ihres
sterblichen Leibes znr Freiheit eines himmlischen Paradieses.
Dieses dritte Problem ist es, das uns in diesem Knrsos vun
Vorlesungen hauptsächlich beschäftig hat, doch Ist na schwer,
dasselbe ganz von dem ersten und zweiten zu trennen. Die
individuelle Seele, insofern sie in einem materiellen KSrppf
wohnt, bildet einen Teil der geschaffenen Welt, nnd die
Frage betreffs der Rttckkehr der Seele za Ootl b&ngt daher
mit dem Problem ihrer Schöpfung durch Gott oder ihrer
Emanation ans Gott anfs engste zusammen.
Indem wir dieses letzte Problem behandelten nnd die
verschiedenen LOanngen, die es erfahren hatte, untersnchten,
Bähen wir, dass die meisten Religionen und Philosophien der
alten Welt sich mit der Vorstellung begnügten, dass die in-
dividuelle Seele sich immer mehr und mehr Oolt nähere noit,
einer objektiven Gottheit von Angesicht zu Angesicht geg«n-
überatehend, ihre irdische Individualitilt beibehalte. Es bat nur
Eine Religion oder Eine religiöse Philosophie gegeben, die des
Vedänta, welche anf Grnnd der festen CberiengaDg, dui
die menschliche Seele niemals von der göttücben Seele ge-
tienut gewesen sein konnte, die Kilckkehr der Seele zn Gott
Snderlicher Gesetze stebendes, zuBBuimenbiingundes Uiinses sn
sehen. Die Religion ist daher etwas, was Über jede Form, is der
sie jemals aufgetreten, erhaben ist und darüber hlnauagvht, nid
das Cbristontum ist ein deutlich nnierscbi edener, ducfa nstdiUcher
Schritt in einem Eutwlcklnngsprozess. niaht eine libertiattlTUoba
Form, die von außen in das menscbliche Leben hineinragt, und
noch keine shsolnte Rcligiou.<
Der Logos. 357
oder ihre Annähe rung an Gott bloß als eine Metapher ansah,
während sie das höchste Glflck der Seele in dem Entdecken
und Wiederfinden ihrer wahren Natnr. als Ton Ewigkeit her
and iu alle Ewigkeit mit Gott Eins seiend, erblickte. Dieser
Gegensatz zeigte sich recht deutlich bei einer Yerglelchnng
des Snfiismas mit dem Yedäntismns. Der Sofi mit all seiner
heißen Liebe zu Gott stellt sich die Seele vor. wie sie zu
Gott emporschwebt, sich einem Liebenden gleich nach einer
immer größeren Annäherung an ihn sehnt und sich schließ-
lich in begeisterte Verzückungen verliert, wenn sie die be-
seligende Vision genießt. Der Vedäntist dagegen, nachdem
er sich einmal durch strenge Logik flberzengt hat dass es
nur Eine göttliche Substanz geben könne, die er das Selbst
oder den Atman nennt, und dass sein menschliches Selbst
nicht etwas von dem wahren und universalen Selbst, von dem.
was Alles in Allem war. ist und sein wird, seinem innersten
Wesen nach Verschiedenes sein könne, begnfigt sich mit der
Thatsache. dass er vermittelst strenger Vemunftschlllsse sein
wahres Selbst in dem höchsten Selbst wiedergefunden und
so Ruhe in Brahman erlangt hat. Er kennt keine Ver-
zfickungen. keine leidenschaftliche Liebe zur Gottheit auch
wartet er nicht auf den Tod. dasS er die Seele von ihrem
körperlichen Gefängnisse befreie, sondern er verlässt sich auf
Erkenntnis, auf die höchste Erkenntnis, überzeugt, dass sie
stark genug sei, seine Seele schon in diesem Leben von
aller Unwissenheit und Täuschung zu befreien. Wohl kom-
men auch Manche der Sulis diesem Punkt zuweilen sehr
nahe, so wenn Dschelläl eddin sagt: >Das *Ich bin Er* ist
ein tiefer mystischer Ausspruch, der Einssein mit dem Lichte
ausdrückt, nicht bloße Inkarnation.« Doch ist im Allgemeinen
das Einssein, welches das höchste Gut des Sufi ist. die Ver-
einigung von Zweien, nicht die Leugnung der Möglichkeit
wirklicher Trennung.
Es gibt Religionen, in denen für eine Annäherung der
Individuellen Seele an Gott oder f&r den Glauben, dass sich
die Seele in Gott wiederfinde, gar kein Platz zu sein seheint.
35S
Zwölfte Vorlesimg.
Der Buddhisrnns in seiner map rbn glichen Form weiß von
keiner objektiven Gottheit, von Nichta, dem die subjektive
Seele sich nahem odi^r womit sie vereint sein könnte. Wenn
wir im Buddhismoa überhaupt von einer Gottheit reden kön-
nen, so wärde Bie im Buddha ihren Sitz haben, d. h. in der
erwachten Seele, die sich ihrer wahren, ewigen Natnr be-
wnsiit and davch Selbsterkenntnis erleuchtet ist. Diese Selbat-
erkenntnis war aber nicht mebr die Erkenntnis des Atman
wie im VedAnta, oder wenn sie ea nrsprUnglicb war, a« war
sie ea nicht mehr in jenem Buddhismus, der nna in dsn hei-
ligen BQchcrn dieser Heligion vorgeführt wird.
Im Judentum dagegen ist der Begriff der Gottheit en
stark ausgeprägt, bo objektiv, so majestätiach und so aber-
ans erhaben, dasa eine Annäherung an oder eine Vereinl-
gang mit Jehovah geradezu als eine Beleidigimg der GotäwU
angesehen worden wäre. Es soheint im Alton TeBtoment
noch Spuren eines älteren Glaubens an eine innigere Ver-
wandtschaft swischeu Oolt und dem Menschen zn geben,
aber sie weisen nie auf einen philosophischen Glauben an
die ursprilD gliche Einheit der gjtltlichen nnd der mensch*
liehen Seele hin, auch h&tten sie unmQglich zu dem Begriff
von dem Worte als dem Sohne Gottes führen können.
Aach in den mythologischen Roligionen des klassisoheD
Altertums war wenig Kaum filr eine Vereinigung zwischen
der göttlichen nnd der menschliclien Natur. Der Charakter
der griechischen nnd rOmischen Götter ist so anageBprochea
persönlich und dramatisch, daaa die Möglichkeit, dasa das
menBchliche Seele je mit einem derselben vereinig werd«B
oder in ihm aufgehen kOnnte, ganz auageschlesaen ist. Das
höchste Vorrecht, das besonders begtlnatigte Personen h&tten
anstreben können, bestand darin, dass sie in die Gesellschaft der
Olympier aufgenommen wurden. Doch auch hier können wir
noch mancher Sporen eines Alteren Glaubens habhaft werdn.
denn bekanntlich haben einige der alten Dichter und Philo-
sophen Griechenlands erklärt, dass sie glaubten, üatUr lai
Menschen hatten denselben Urapmng, die GOtter Mien
Der Logos. 359
unsterbliche Sterbliche und die Menschen sterbliche Un-
sterbliche. ^)
Wenn aber aach der Glaube an die ewige Einheit dessen,
was wir menschlich und göttlich nennen, hier und da zum Durcb-
bruch kommt.'] so ist es doch nur die Vedänta-Religion, in
der dieselbe ihre volle Anerkennung und Entwicklung erfahren
hat Hier ist sie ohne alle jene metaphorischen Verkleidungen,
die wir in anderen Religionen finden, nur durch Vemunftgrfinde
festgestellt worden. Eine der geläufigsten Metaphern ist die.
welche die wesentliche Einheit der göttlichen und der mensch-
lichen Natur unter dem Schleier der Vaterschaft und Sohn-
schaft ausdrückt. Die menschliche Sprache hätte kaum eine
bessere Metapher an die Hand geben können, um wesentliche
Einheit und äußerliche Verschiedenheit auszudrücken, und doch
wissen wir. zu wie viel Legendenhaftem und Mythologischem
diese Metapher Anlass gegeben hat Keine Metapher kann
vollkommen sein, aber der schwache Punkt in unserer Me-
tapher ist der. dass jeder menschliche Vater selbst geschaffen
ist. während wir einen Namen ffir eine Macht brauchen,
die erzeugt, aber selbst ungezengt ist. Wir dürfen nicht
glauben, dass Jeder, der von Gott als einem Vater oder von
Menschen als den Söhnen Gottes spricht, dadurch den Glau-
ben an die Einheit der gf}ttUchen und menschlichen Natur
ansdiückt. Diese Vaterschaft Gottes kann man fast in jeder
Religion finden, und sie bedeutet nicht mehr, als den Glau-
ben an die väterliche Güte Gottes. Moses meint nicht mehr,
als dies, wenn er sagt: »Ihr seid Kinder des Herrn, eures
1 Hrracliti Keliquiae, ed. By water. No. LVIII : l-i&i'trtcioi ^yr-
tot, &vrioi a^yatoif ^Ctt'te^ ror iiuiytay &(tyaroy, rov di ixfirtjy
iioy ti&yitätf^,
2. Die berühmte chinesische Inschrift vom Jahre 133 n. Chr..
die anlängst in dem Thale des Orkhon entdeckt worden ist.
beginnt mit den folgenden Worten: >0 Himmel so blau! Es
gibt nichts, was nicht von dir beschützt wird. Der Himmel und
die Menschen sind zusammen vereint, und da^ Weltall ist Eins
gleichartig.« Siehe G. Schlegel. 2ai Sttfr Funtrairt du Teghin
fiingK 1S92.
360
Zwölfte VwrleBang.
I
Gutlea« |5. Hose. 14. 1); oder wenn er von dem 'Fels, der
dich gezeuget bat' nnd von Gott, 'der dich gem&cht bat'
spricht (5. Mose, 32. IS); oder wenn er fragt:') > Ist er
nicht dein Vater und dein Herr? Uta nicht er allein, der
dich gemacht nnd bereitet bat?' (5. Mose, 32, ü). Diese
Ideen sind nicht die hisioriachen Äntecedentien jenes Ulau-
bens an die Vaterschaft Gottes nnd die göttliche Sohnschad
Christi aU des Wortes Gottes, der das vierte Evangelinn
durchdringt. Abraham, der im Alten Testament einfach als
der Freund Gottes bezeichnet wird, wird von spateren jüdischen
Philosophen wie Philo als 'durch seine Güte ein einziger Sohn' -)
erwähnt, während an Einer Stelle des Neaeu Testaments Adam
ah der Sohn Gottes ausgesondert wird. Doch gehört dies Alles
einer ganz anderen Sphäre des Denkens an, als die. in der die
Stoiker und nach ihnen Philo, der Verfasser des vierten Evan-
geliums und Christus selbst sich bewegten. Bei ihnen war der
Sohn Gottes etwas ganz Anderes, nämlich das Worl Gottes,
und zwar das in Jesu Fleisch gewordene Wort Gottes.
Dte orfeutallschen Einflösse Im Ur Christen tarn.
Sie kennen das, was die alten VedAntaphllosophen In-
diens und die viel jüngeren Sufis Peraiens über die Gottheit
nnd ihr wahres Verhältnis zur Menschheit zu sagen hatten,
nicht angehört haben , ohne dass Ihnen zahlreiche Ähnlich-
keiten aufgefallen wären zwischen diesen orientalischen Bfr-
ligioneu nnd den (ilaubensmeinungen. die wir selbst bc^en,
oder zu denen aich manche der filtesten und hervorragenitsien
1) Ich muss ein für alle mal bemerken, dass ich. wenn ick
Hosea und andere als solche geltende Verfasser alttestitmenUieber
BUcher citiere, einfach der allRem^inon Sitte folge, ohne dtmit
irgend eine Meinung ilbcr die Besiiliaie wisseusehnftlichcr Kritik
auszudrücken. Wir dürfen doch aucli von Homer eprerhfln. obflc
nns dadurch zu der Ansieht zu verpHicliien. itasa er ulle BUcbvr
der IMas und Odyssee geschrieben habe.
2) Aj-opfflf c'-TTjüi-r",- Kit.« fiiyoi ,;<;., Pliilo. l»c Sobriet.
II il, 4UI}.
Der Logos. 361
Kirehenväter bekannten. So antCtllend sind manche dieser
Ähnlichkeiten, namentlich in Bezng ani das Verhiltnis der
ibemnnlichen Gottheit znr phänomenalen Welt nnd znr in-
diridnellen Seele, dass es eine Zeitlang geradezu als ansge-
nacht galt, dass die iltesten Kirchenväter Tom Orient beein-
flnsät worden seien. .Selbst Daehne :n seiner DaraieUung
der jndi^h-alejtandr\ui*chen IttUgiot^philo^ophie hat sich
Ton dieser Meinung nicht ganz losgesagt. Obgleich non aber
ein genaueres Studium der Vedanta- lud der Sufi-Philosophie
mm
eine noch gr<[>ßere Anzahl von Ähnlichkeiten als zuvor er-
geben hat. so ist doch gegenwirtig die Idee eines unmittel-
baren Eindu^ses in-iischen oder persischen Denkens auf die
liierte christliche Keligion und Philosophie von den meisten
Gelehrten aufgege>jen worden.
Entlehnug religiöser Gedanken.
Die Schwierigkeit, irgend eine Entlehnung seitens Einer
Beligion von einer andern zuzugeben, ist viel großer, als
man gew*3hnücb annimmt, und wenn eine solche stattgefunden
ha:, so ^!bt es meiner Ansicht nach nur Einen Weg. sie auf
Mriedigende Weise festzustellen, nimlich durch das thatsich-
liehe Vorkommen von Fremdwörtern, oder allenfalls von
Cbersetznngen fremdUndischer Ausdrucke, die in der Sprache,
in welche sie übertragen worden sind, ein gewisses nnidioma-
tiiches Aussehen behalten. Es scheint unmöglich, dass irgend
eine religiöse Gemeinde die Grundprinzipien der Religion von
einer anderen entlehnt habe, wenn nicht ein inniger und
fortwährender VerkeLr zwischen ihnen bestand, überhaupt
wenn nich: die Möglichkeit eines bequemen Gedankenans-
taosches in einer gemeinsamen Sprache vorhanden war. Und
in dem Falle hätten doch diejenigen, welche Gedanken
entlehnten, schwerlich umhin können, auch Wörter zu ent-
lehnen. Wir sehen dies in aUen Fällen, w«:» weniger civili-
sierte Völker zu einer höheren Kulturstufe erhoben und zu
einer höheren Religion bekehrt werden : und dasselbe geschieht
I
I Zwölfte Vorlesung.
wenngleicli in einem geriageren Orade — anch da, wo
gegenseitiger Austausch religiöser Ideen zwisehen cirtli-
ierten Völkern stattgefundeii hat. Die Sprache der polyne-
iachen Konvertiten iät voll von engL sehen Ausdrucken.
Selbst die äprache eines civilisierten Landes wie China ent-
bait, nacliilem eä znm Bnddliismns beliöLrt worden ist, eine
Menge korrumpierter Sanskrit Wörter. Sogar die reli^Ssc
Sprache Roms zeigt, nachdem sie einmiil griechischem Ein-
fluss ausgesetzt gewesen war, deutliciie Spuren dieses Ein-
flusses. Wir finden keine solchen Spuren in der Sprache
der ersten Christen, Bie Elomonto ihrer religiösen und phi-
losophischen Terminologie sind sämtlich entweder griecbteeb
oderjödisch. Selbst die Juden, die doch mit anderen Völkern
so häufig verkehrten und w&hrenä der alexandrinischen Pe-
riode in so ausgedehntem Malie von ihren griechischen Lehrern
entlehnten, verraten in ihrem religiösen und philosophischeD
Wortschatze kaum irgendwelche Spuren einer Einfuhr reli-
giöser Ausdrücke aus anderen orientalischen Lündem. Anob
zu einer früheren Zeit gibt es, wie wir gesehen haben, im
Hebrftisclien nur ganz wenige und schwache Sporen davon,
dass die Juden von den Babyloniern oder den Persern ent-
lehnt hätten. Benachbarte Völker können ja Vielem vonein-
ander entlehnen, für die Vorstellung aber, dass sie still-
schweigend und nnehrlicher Weise voneinander stahlen edo
entlehnen, gibt es in der Geschichte der Welt kaum irgend-
welche Anhaltspunkte. Am allerwenigsten (iült es ihnen täa,
die eigentlichen Ecksteine ihrer Religion und Philosophie nn
einem fremden Steinbruche wegzuschleppen. Es w&re na
Beispiel ftlr die ersten christlichen Vater ganz umnOgUcb
gewesen, zu verhehlen oder zu leugnen, dass sie von den
Alten Testament oder der griechischen Philosophie abhXnpg
waren. Niemand hat dies je bezweifelt. Ganz anders aber
verhalt es sich mit indischen und persischen Eint^Usson. Die
Möglichkeit, dass einige hochgebildete Perser oder sogar In-
der zur Zeit oder schon vor der Zeit des Anftrotens dM
Christentums in Alexandria gelebt haben können, IftsM sicli
Der Logos. 363
nicht bestreiten; dass aber Philo oder Clemens die undank-
baren und unehrlichen Schüler indischer Pandits, buddhisti-
scher Bhikshus oder persischer Mobeds gewesen seien, ist
mehr, als irgend ein ernster Forscher der Geschichte des
menschlichen Denkens bei dem gegenwärtigen Stande unserer
Wissenschaft möglicherweise zugeben könnte.
Auch dürfen wir nicht vergessen, dass die meisten Re-
ligionen ein Gefühl der Feindseligkeit gegen andere Religionen
hegen , und dass es nicht wahrscheiulich ist, dass sie von
anderen, deren wichtigste Grundlehren sie für falsch halten,
entlehnen sollen. Man hat oft geglaubt, dass die ersten
Christen Vieles von den Buddhisten entlehnt hätten, und es
gibt ja ohne Zweifel höchst auffällige Übereinstimmungen
zwischen den legendenhaften Lebensgeschichten Buddha s und
Christi. Wenn wir aber bedenken, dass dem Buddhismus
der Glaube an Gott fehlt, während die wesentlichste Lehre
des Christentums die Vaterschaft Gottes und die Sohnschaft
des Menschen ist, so werden wir es schwer finden, zu glau-
ben, dass die Christen ihren Stolz darein gesetzt hätten, auf
den Sohn Gottes irgend welche Details aus der Biographie
eines atheistischen Lehrers zu übertragen, oder einige seiner
Lehren anzunehmen, während sie die übrigen verabscheuten
und verwarfen.
Noch eine andere Schwierigkeit steht der Annahme, dass
gewisse Religionen voneinander entlehnt hätten, im Wege.
Ein genaueres historisches Studium der Religionen und Phi-
losophien des Altertums hat uns in den Stand gesetzt, das
natflriiche und ununterbrochene Wachstum jeder derselben
zn verfolgen. Wenn wir gelernt haben zu verstehen, wie
Religionen und Philosophien, die uns zuerst durch ihre Ähn-
lichkeit in Erstaunen setzten, jede ihre eigene unabhängige
und ununterbrochene Entwicklung gehabt haben, so werden
wir nicht mehr nach fremden Einflüssen oder Einmischungen
suchen, da wir wissen, dass in Wirklichkeit kein Platz fiQr
dieselben da ist. Nehmen wir zum Beispiel die Vedänta*
Philosophie, so können wir deren Entwicklung von den
3ti4 ZwÜIfti- VorlesuDg.
Hymnen zu den Biähm&^as, deo Upaui^budeii . den Sütna
und deren Kommentaren Schritt für Schritt verfolgen, und
Keiner, der »ich einmal Über diese nnunterbrocliene Entwick-
lung kliir geworden ist, wQrde auch nur im Tranme darui
denken, irgendwelche äuUeru EluHUsse auziinehmen.
Auffassung des Todes als eines bloßen Wechsels des Aufenl-
lialtaortes, die Anerkennung der wesentlichen IdentitSt des
menschlieheii und des göttliclion Oeistea und das Zugesiind-
nis der wahren L'nsterblichkeit. die gänzlich auf Erkeantnb
beruhe und selbst ohne das Dazviachentreten des iihysischeo
Todes mügriich sei — dies sind lauter Glaubensartikel, die,
so versehiedeu sie auch von der primitiven Religion der in-
dischen Aryas ^eiu mSgeu, dennoch das natflrlicbe l^rgebüit
des indischen Geistes sind, wie er. sich selbst übei'Iaaaen, ron
einem Menscbenaller zum andern über die Probleme
Lebens und der Ewigkeit nachsann. Wonu wir alw Sporen
derselben oder ganz übnlleher Glanbeusarllhei in der »pUe-
Hten Phase des Judentums, wie es bei Philo, nud wieder in
den frQheÄten Phasen des Christentums, wie es bei 8t. Cle-
mens und anderen zum Christentum bekehrten HeUeniiten
erachoint, flndeu, so mltssen wir uns vor Allem fragen: KSo-
nen wir uub die p h üo 3 op bischen Anschauungen Philo'», i«
ein Jude war. und die des Clemens, der ein Christ war, als
das natitrlirhe Ergebnis bekannter historischer Anlecedetilieii
erklären, und wenn so. ist irgend oine Notwendigkeit, je
irgend eine Möglichkeit varlianden , äuUere von Indien oder
von Pcrsien, vom Buddhismus oder vom ManicbSisinns kom-
mende Einflüsse zuzugeben?
Philo und seine allegorische Interpretation.
Beginnen wir mit Philo, nud fragen wir uns
nicht seine Philosophie volht&udig als das natürliche Erg«b-
nis der L'mstände seines Lebens erklitreu kdnneu. Es heilit
zu weit gegangen, wenn man Philo einen Kirchenvater nennt',
aber es ist vollkommen richtig, dasa das Christeoium d«
Der Logos. 365
Clemens, des Origenes und anderer Kirchenväter einen großen
Teil seiner metaphysischen Grundlage und seiner philosophi-
schen Phraseologie jener jüdisch-alexandrinischen Schale ver-
dankt, von der Philo nnr Ein, wenngleich der bekannteste
Vertreter ist. Manche von den ältesten Kirchenvätern stan-
den ohne Zweifel mehr anmittelbar unter dem Einfluss der
griechischen Philosophie, andere hingegen kamen erst unter
ihre Herrschaft, nachdem dieselbe durch den Geist jüdischer
Philosophen, wie Philo, und jüdischer Konvertiten in Ägypten
nnd Palästina hin durchgesickert war.
Philo war ein echtes Kind seiner Zeit, und wir müssen
versuchen, seine Religionsphilosophie als das natürliche Re-
sultat der Verhältnisse zu verstehen , in denen sich die alt-
jüdische Religion befand, als sie sich der griechischen Philo-
sophie gegenüber sah. Philo s Geist war mit griechischer
Philosophie getränkt, so dass es, wie uns Suidas berichtet,
ein fliegendes Wort wurde, dass entweder Plato philonisiere,
oder Philo platonisiere. Merkwürdig ist es, ^) dass beide
Parteien, die Griechen sowie die Juden, und später auch die
Christen, statt sich darüber zu freuen, dass ihre eigenen An-
riehten von Anderen angenommen worden seien, sich über
Ansschreiberei beklagten und es sich sehr angelegen sein
ließen, jede ihren eigenen Anspruch auf Priorität geltend zu
machen. Selbst ein so aufgeklärter und gelehrter Mann wie
81 Clemens von Alexandria schreibt: »Sie haben die Haupt-
lehren, die sie über Glauben, Erkenntnis und Wissenschaft,
über Hoffnung, Liebe nnd Reue, über Mäßigkeit und Gottes-
furcht haben, aus unseren Büchern entlehnt« (Strom. II, 1).
Diese Klagen von Seiten des Clemens können als wohl-
begründet gelten. Anders verhält es sich aber mit Männern
wie Minncins Felix auf der Einen und Celsus auf der anderen
Seite. Diese beiden «ind eifrige Parteigänger. Wenn Minu-
cius Felix sagt, dass die griechischen Philosophen den Schatten
li Siehe Hatcb, Hihht-rt Lectures, pp. 25(» seq. Tertulliani Apo-
logeticus, ed Bindley, cap. xlvii, note 9.
Iltj6 Zwülfte Vorlesungr-
lialber Wahrheiten von der göttlicheu Lehre der jüdischen
l'ropbeteo DachahcnleD , ao mOchte man gerne wissen, ob er
ilena wirklich dachte, dass Aristoteles den Jesaia studiert
liabe. L'nd wenn CeUu« sagt, dass die cbristiichen Philoso-
|ihen bloß tin Gewebe von MissTeistAndnissen der alten Lahre
webten und sie mit lauter Trompete vor den Uenschen ans-
poäuunten. wie Hierophanten um diejenigen herum, welche in
die Mysterien eingeweiht werden, wollte er uns wirklieli
glauben machen, dai^s dieÄjjoatel und namentlich der Verf&aser
des vierten t>ungeliums die hauptsächliche» Schriften von Plato
und Aristoteles studiert hatten? Eines wird jedoch durch diese
Slreitereieu ganz klar, nätnlicb dasa i&i Judentum, das Christen-
tum und die gtiechiscbc^ Philosophie in ihrem Kampfe gegen
einander auf vollkommea gleichem Fuße standen, und dsss sie
alle drei sich schließlich auf das Urteil der Welt borurfn
ranssteu, und zwar einer Welt, die fa^t ganz in den Schalen
der Stoiker und Neuplaloniker aafgewachsen war. So biefi
es von Origenes. er sei in seiner Lebeuswoise eis Chnat,
aber in seinen Ansichten aber Uoti ein Grieche (Easrik.
ä, E., V], l'J;. Justin Martyr geht so weit, in einem elwia
beleidigten and ärgerlichen Tone zu sagen: > If'tV lehren
dasselbe wie die Griechen, und doch werden wir allein um
deSäentwillen. was wir lehren, ge'basst' (Apol. 1. 2Uj. Der-
selbe Justin Martyr spricht fast wie ein griechischer Fhilo»0)ib,
wenn er gegen anthropomorphische Ausdrucke proteatierl.
'Ihr sollt nicht glauben,' schreibt er, >das3 der ung«zeagte
üott von irgendwo her komme oder irgend wohin gehe . . .
Kr. deu der Raum, den die ganze Welt nicht zu fassen ver-
mag, bewegt sich nicht, da er ja geboren ward, ehe die Walt
geboren wnr.< An einer anderen Stelle Apol. 11, H) sa^ v:
>Die Lebreu des Plato sind denen Christi nicht fremd. «MB
auch nicht in allen Stücken ähnlich . . . denn alle SohriJl-
sleller (des Altertums, waren vermittelst des ihnen inwoh-
nenden Samens des eingepHansten Wortes (des Logos) im
Stande, eine schwache Anschauung der Wirklichkeiten in
haben.-
Der Logo6. 367
Sjnesios, 379— 4SI.
Sogar noch im Tierten Jahrlinndert und nach dem Kon-
zil Ton Nicäa begegnet uns ein merkwürdiger Fall von dieser
Mischung christlichen Glaubens mit griechischer Philosophie
in einem Bischof, dessen Name Vielen unter Ihnen aus
Kingsley's herrlichem Roman ^Hypatia bekannt sein dürfte.
Bischof Synesius (um 370 n. Chr. geboren war thatsächlich
ein Zuhörer von Hypatia's Vorlesungen gewesen. Obgleich er
ein Bischof war. zeigt er sich in seinen Schriften als ein großer
Liebhaber von Jagdhunden und Pferden, von Weidwerk und
Kampf Er beschäftigte sich aber auch eifrigst mit dem Studium
der griechischen Philosophie, und es ist sehr interessant, den
Zwiespalt zwischen seiner Religion und seiner Philosophie zu
beobachten, wie derselbe in Briefen an seine Freunde zu
Tage tritt. Er wurde offenbar sehr gegen seinen Willen
zam Bischof — Bischof von Ptolemais — gemacht, und er
sieht gar nicht ein, warum er in seinem Bischofsamte seine
Pferde und Jagdhunde aufgeben sollte. Aber nicht allein
das — sondern er erklärt auch, dass er seine philosophi-
schen Überzeugungen, selbst wo sie mit dem Christentum in
Widerspruch gerieten, ebensowenig aufgeben könne. Er
bekennt, dass er durch Erziehung ein Heide, von Beruf ein
Philosoph sei, und dass er, falls seine Pflichten als Bischof
sainer Philosophie irgendwie hinderlich sein sollten, seine
OiOcese aufgeben, den geistlichen Stand abschwören und sich
nach Griechenland zurückziehen würde. Er scheint jedoch
seine Skrupel beruhigt zu haben und in seinem Amt ver-
blieben zu sein, indem er seine griechische Philosophie fUr
sieh behielt, da sie, wie er sagt, der großen Masse nichts
afttzen würde, und indem er die Leute in ihren Vorurteilen,
die sie eingesogen hatten — was immer er damit meinte
— weiter leben ließ.
Wenn dieses schwankende Christentum selbst nach dem
Konzil von Nicfta, 325, bei einem Bischof möglich war, so
können wir uns leicht vorstellen, was es im ersten und
r
I
368
ZwJilfle Vorlegung.
zweiten Jahrbundert gewesen Bein dürfte, als Leute, die bei
der griechischen PbiloBOphie anfgewachsen waren, sieb mm
ersten Mal dnza Überreden ließen, sich der Kirche der Chri-
sten anzuschließen.
luilem ich ea versnchte, Ihnen den wichtigen Proiess
vorzafHhren, welcher im Orient and namentlich in Aleiandria
die religiösen Ideen der aemitisohen Welt mit den philoaöpbj-
flchen Ideen Griechenlands in Wechselbezieh nng brachte,
habe ich mir erlaubt, manches vorwegzunehmen, was eigent-
lich zu meinen nächsten Vorteaungen gehört. Es kann jedoch
keinen Zweifel darüber geben, dass dieser l'rozeas der geisti-
gen Amalgamation zwischen dem Orient nnd dem Occident,
den wir noch im vierten Jahrhundert vor sich geben sehen,
viel früher begonnen hat, und zwar hauptsächlich in jener
Schule jüdischer Denker, deren Vertreter für uns Philo Ist.
Et muss ja für uns stets der Haupt Vertreter einer gansen
Phase jüdischen Denkens bleiben, denn obgleich er sich selbst
auf frühere .Lehrer benift, sind uns doch deren Werke itiefal
erhalten, ') Wir dürfen der Persönlichkeit Philo'« — so
gewaltig sie auch war — nicht zu viel znachreiben. Wir
sollten vielmehr die Pbiionisohe Phase des Judenluma als du
natürliche Resultat der Zerstreuung der Juden über die guae
oiviliaierte Welt — Über »Assyrien, Ägypten, Pathros, Ooth,
Elam, Schinar und die Inseln des Meeres« — nnd ihrer Be-
rührung mit den besten Gedanken dieser Länder zu ver-
stehen suchen. Wie die Meisten seiner Mitverbannten, hielt
auch Philo fest an dem Glauben an das Alte Testament.
Er ist zuerst Jude und dann Philosoph, doch muss der Jude,
indem er in der Sprache der griechischen Philosophie n
denken nnd zu sprechen lernl, viele Zages tändniase mMlMi.
Philo's Stellung, nachdem er mit der griechischen PhiloaopUs
bekannt geworden , erinnert uns oft an die des Kammofanit
Roy, der fest an den Veda glaubte, als er »ich plütalich
den Lehren des Christentums gegenüber sah. Er niQaste
1 Bigg, C1.n
1 Pliiloniilf, p. e.
Der Logos. 369
sich vieler Dinge schämen, die sich in den heiligen Bflchem
Indiens fanden, gerade so wie nach Celsus Juden nnd Chri-
sten sich thatsächlich ihrer Bibel schämten. ^) Er mnsste
daher viele der unfruchtbaren Traditionen seines alten
Glaubens aufgeben, andere hingegen suchte er in dem von
christlichen Schriften empfangenen Lichte zu erklären, bis
er sich zuletzt einen neuen Begriff der Gottheit und der
Beziehung des Menschen zur Gottheit formulierte, der sowohl
mit den Absichten der indischen Weisen als auch mit den
Zielen christlicher Lehrer in Einklang zu stehen schien. Der
Prfifstein der Wahrheit, den er annahm, war ungefähr der-
selbe, wie der, den Philo von Plato übernommen hatte, ^)
dass nämlich nichts der Gottheit Unwürdiges als wahr ange-
nommen werden dürfe, so heilig auch die Autorität, auf der
es beruht, sein mag. War dies einmal zugegeben, so folgte
alles Andere von selbst. Bei all seiner Ehrfurcht vor dem
Alten Testament, ja — wie er sagen würde — gerade um
dieser. Ehrfurcht willen, trug Philo kein Bedenken, es 'eine
große nnd unheilbare Thorheit' zu nennen, wenn man glaube,
dass Gott wirklich Fruchtbänme im Paradiese gepflanzt habe.
An einer .anderen Stelle sagt Philo, von Gott als bereuend zu
sprechen, sei eine größere Ruchlosigkeit, als irgend eine, die
in der Sündflut ersäuft wurde.') Die Auslegung, welche er
fttr diese und ähnliche Stellen gibt, ist wesentlich von der-
selben Art, wie die, welche gebildete Inder heutzutage für
den abscheulichen Kult der Göttin Durgä geben [Anthropo-
hgische lieligion, p. 156 fg. . Doch so unwahrscheinlich uns
auch derlei Auslegungen vorkommen mögen, so zeigen sie
doch immerhin eine Achtung vor der Wahrheit und einen
]} Bigg, Cliri$tian PlatoniftU, p. 147.
. 2 Bigg. Christian Platonists, p. 51. Philo. De Sacrijicio Ab.
et Caini, XX VIII, p. ISl. Wir finden dasselbe bei Clemens, Ilom.
II. 40: niey Ux^f^ ^ yoatflr xc.iit tov &fov Cetdö^ laiir.
3 Siehe Philo, Quod Dens immutahiUs, I. 275.
Hftz Mttll«r, Theusophie. 24
37ü
Zwölfte Vorlegung.
Gl&ubeo an gOttÜche Heiligkeit, Weder Pliilo, goch CleineDS,
noch Origenea konnte ea Über sich bringen, physische oder
moraliacbe ünmöglicbkeiten einfach ais wunderbar uod Dbei^
nstnrlioh hinzanehmeD. ') Du sie einmal an einen Logos oder
eine die Wolt beherrschende Vernnoft glaubten, wnrde alles
Unrernllnftige ipw fwlu unmitgliob oder mnsste als allego-
risch gedeutet werden. Wenn wir bedenken, welch ein ge-
waltiger philosophischer Denker Philo war, so soheinan
manche von seinen allegorischen Auslegungen geradeza nn-
glanblich, si> wenn er erklärt, dass Adam in Wirklichkeit
das angeborene Wahrnehmungsvermögen des Geistes bedeute,
and dass Eva dasselbe in seinem thatigen Charakter bezeichne,
wie es spSter als Helfer und Bundesgenosse des Geistes Eam
Vorschein komme. Auf dieselbe Weise steht nach Philo
Abel fUr 'Vergänglichkeit', Cain für 'Eigendünkel und An-
maßung', Seth für 'ÜewSsaerung', £«os filr 'Hoffnung', H^
norh für 'Verbi'sserung", Noah ftlr 'Gerechtigkeit', Abraham
für Belehrung', huok für 'Freude am CberainnÜchen'. Uii
all dem ist es Philo vollkommen ernat, und er ist von der
Richtigkeit seiner Auslegungen fest überzeugt. Und warum?
Weil, wie er immer und immer wieder sagt, >kein Menseh
solche Geschichten glauben kOnne, wie die, dasa ein Waib
aus eines Mannes Rippe gemacht worden sei.« >Offenbw,<
sagt er, »steht 'Rippe' für 'Macht', wie wenn wir sagen 'Ria
Mann hat Rippen' statt 'hat Starke', oder 'Bin Mann iatdiok-
rippig'. Adam muss also den Geist darstellen, Eva die be-
reits doroh die Sinne wirkende Wahrnehmung, nnd die Kippe
die noch im Geiste schlummernde bestSudigc Kraft. • Aneh
so müssen wir bei Philo den starken Willen bewundern, wenn
auch das Fleisch schwach war.
Diese allegorischen Auslegungen waren bei Philo Dnvet-
meidlicfa geworden, wie sie es zuvor bei Haneben der uat-
geklärteren griechischen Philosophen gewesen waren, wo wir
sie schon bei Demokritos und Anaiogoras und als besoadni
Bigg. Christian FlatnnisU. p 137.
Der Logos. 371
beliebt bei den Stoikern, den anmittelbaren Lebrem des
Pbilo. finden. Wenn beilige Überlieferungen oder beilige
Bficher von den Mensehen mit fibermenscblicher Autorität
ansgestattet worden sind, so dass Alles, was sie enthalten,
als die Wahrhtit nnd nichts als die Wahrheit hingenommen
werden mnss, — was bleibt fibrig, als entweder das der
Gottheit Unwürdige flDr wunderbar zu erklären oder sich mit
der Allegorie zu behelfen ? Übrigens sind Philo's Allegorien,
obgleich sie nicht am Platze sind, nicht ohne ihre eigene
tiefe Bedeutung. Ich will nur Eine anführen, welche wirklich
einen sehr guten Abriss seiner Lehren enthält Indem Philo
von den Cherubim spricht, welche 'mit einem bloßen hauen-
den Schwert' aufgestellt waren, 'zu bewahren den Weg zu
dem Baum des Lebens', fthrt er, nachdem er einige andere
Deutungsversuche angeführt hat, folgendermaßen fort : »Einst >)
hörte ich ein noch feierlicheres Wort von meiner Seele, die
gewohnt ist, oft von Gott besessen zu sein und aber Dinge,
die ich nicht wusste, zu prophezeien; Dinge, die ich mir, wenn
ich kann, ins Gedächtnis zurückrufen und hier erwähnen
wilL Sie sagte mir also, dass in dem Einen wirklich exi-
stierenden Gott die höchsten und hauptsächlichen Kräfte zwei
sind. Güte und Macht, und dass er durch Güte das Weltall
erzeugt hat und durch Macht über das Erzengte herrscht:
und dass ein Drittes in der Mitte, welches diese Beiden zu-
sammenbringt, der Logos ist; denn durch den Logos ist ja
Gott sowohl im Besitze der Herrschaft als auch gut (xai
liQXoyTu 'jLai äya&bv dvai . Von der Herrschaft also und
der Güte so sagte sie) sind diese beiden Mächte, die Cheru-
bim. Symbole, und das bloße Schwert ist ein Symbol des
Logos. Denn der Logos ist etwas, was sich rasch vorwärts
bewegt und heiß ist. namentlich der der ^'ersten Ursache n rov
uiTiov\ weil letztere allen Dingen vorausging und alle Dinge
1, Siehe Philo de Cherubim (ed. Pfeiffer Vol. II. p. 16 .
Anm. den Übers.
24*
372
Zw-ilfte VorleauDg.
I
nberholte (.T«p»j/i£/t/'örf*'i, d& sie einerseits vor Ällfiin heerif-
fen wird, andererseits Sber Allem ersoheint.« ')
So weit können wir Philo folgen. Wenn er aber weiter
geht nnd von seiner Deutung des bloßen Schwertes als eines
Symbols der Vernunft In der Geschichte von Abr.iham und
Isiukk. Gebrnnch mncht, indem er erklärt, dasa Abraham, als
er alle Dinge nach Gott zu messen und nichts fdr das Ge-
zeugte Übrig zn lassen bt^g-ann, 'das Feuer und Messer' als
eine Nachahmung des bloBen Schwertes anffasste, indem er
ernstlich wünschte, das Sterbliche ans sich hernns zu zer-
stören und za verbiennen, damit er mit dem nackten Ver-
stände zum Himmel emporschweben möge — so müssen wir
den Alem au uns balten vor grenzenlosem Erstaunen, daes in
demselben Geiste so viel Tliorheit mit so viel Weisheit gepaart
sein konnte!
Was jedoch für ons von Wichtigkeit ist, das ist, das« vir
sehen, wie Philo, der gewöhnlich als geradezu nnverstundlicb
dargestellt wird , vollkommen verständlich wird , wenn vir
einmal seine Antecedentien und seine Umgebungen kenneo
gelernt haben. Wenn Philo — wie manobe Gelehrte geglaubt
haben — wirklich dem unmittelbaren EinHnsse orientaltseW
— sei es persischer oder indischer — Lehrer aasgesetst ge-
wesen wäre, 30 wUrdeu wir im stände sein, Spuren persischen
oder indischen Denkens bei ihm zu entdecken. Tnd wenn
Philo eben größereu Überblick über die BeUgionen der Welt
gehnht h<e, so ist es sogar nicht unwahracheinlieb, das»
ihm die Angeu geöffnet worden waren, und dass er sich
dieselbe Lehre zu eigen gemacht hätte, die wir aus dem rer^
gleichenden Studium der alten Keügionea geschöpft haben,
dass nämlich in dun frühesten Stadien religiösen Denkuil
mytbologische Sprache unvermeidlich ist. und dass wir, weu
wir dieselbe verstehen wollen, versuchen mflssen, vielmehr la
Kindern als zu Philosophen zu werden. In Einem Falle er-
klärt Philo kUbn, dass die Geschichte von der Eracbaffung
1] Vgl. Ja.
mraond, i'/ii7o Jitdaewi. Vol. L p- H-
,..^v
Der Logos. 373
der Eva. wie sie im Alten TestameDt gegeben werde, einfach
mythologisch sei. *
Diese vorläofigen Bemerknngen schienen mir nothwendig.
ehe ich an das Problem herantrat, das uns hier zunächst
angeht, wie nämlich der Abgrond. der in dem jüdischen
Geiste zwischen Himmel nnd Erde bestand. Oberbrtickt werden
konnte. Wir sahen, dass bei Philo der Begriff der Gottheit,
obgleich dieselbe oft den Namen JehoTah beibehielt, ebenso
abstrakt and fibersinnlich geworden war. wie der des einzi-
gen wahren Wesens — ro ovrojg ov — der griechischen
Philosophen. Es scheint daher nicht eben wahrscheinlich,
dass die griechischen Philosophen. Ton denen Philo seine
Gedanken and seine Sprache gelernt hatte, ihn hätten mit
dem Band Tcrsehen können, das die sichtbare Welt mit der
unsichtbaren yereinigen sollte. Und doch war dies der
Fall.' Denn schließlich hatten doch anch die griechischen
Philosophen gefanden, dass sie ihr höchstes Wesen oder ihre
erste Ursache za einer solchen Höhe erhoben und so weit
über die Grenzen dieser sichtbaren Welt nnd über den Ho-
rizont des menschlichen Denkens hinaas gerückt hatten, dass
man. wenn nicht irgend ein Bindeglied gefanden werden
konnte, die Welt hätte ebenso gnt ohne irgend eine Ursache
Bad ohne irgend ein höchstes Wesen lassen können.
L*ogof*
Dieses Bindeglied, dieses Band zwischen der Welt nnd
ihrer Ursache, zwischen der Seele und ihrem Gott, war Air
Philo der Logos.
Halten wir ans gleich an dieses Wort. Logos ist ein
griechisches Wort, in dem ein griechischer Gedanke verkör-
pert ist. ein Gedanke, dessen Antecedentien wir bei Aristo-
teles and Plato Sachen mtlssen. ja dessen tiefste Worzeln
1 To ort'oy ini xoiio ut^Q^i; Init Legis allegor. I. TO .
2 Bigg a. a. 0. p. 259 Note: Dmmmond a. a. 0. IL p. 170.
374 Zwülfte Vorlesung.
bis zu den alten PhilusophieD des Anaxagoras oad Heraklit
zurückgefahrt worden aind. Dieses griechische Wort — wu
fltr eine Bedentung auch immer christliche Denker in das-
selbe hineingelegt haben — «igt ans in unvfrkeDnbarer
Sprache, dass ea ein Wort and ein Gedanke aus griechischer
Werkstatt ist. Wer immer es gebrauchte und in welchem
Sinne immer er es gebrauchte, stand unter dem Einäaaa
griechischen Denkens, war ein geistiger Abkömmling des Plato,
des Aristoteles, oder der Stoiker und NenplatonJker. ja des
Anaiagoras und Heraklit. Es zeigt eine sonderbare falsche
Auffassung von dem Wesen der Sprache, wenn man wShat.
dass entweder Juden oder Christen sich eine fremde Temüno-
logie hätten aneignen können, ohne sich auch die in derselben
eingebetteten Ideen anzueignen. Wenn gewisse wilde Volks-
stämme, wie man uns sagl, keine Zahlwörter Ober vier hinsaa
kennen und nachher die Zahlwörter ihrer Nachbarn an-
nehmen , können sie einen Namen für fttnf entlehnen, ohne
zu gleicher Zeit den Begriff ftlnf zu entlehnen? Waram
bedienen wir uns eines Fremdwortes, außer weil wir fflblcn,
dasB das Wort und der genaue Gedanke, den es ausdruckt,
DDserer eigenen geistigen Kttstkammer fehlen?
Philo hatte nicht nur die griechische Sprache, in der er
schrieb, entlehnt, sondern auch das griechische Denken, das
in der geistigen Mlknze Griechenlands geprägt worden, deasen
Metall aus griechischem Erz gewonnen worden war. Aller-
dings benutzte er das Entlehnte fUr seine eigenen Zwecke,
doch konnte er immer nur die griechischen Worte anf mehr
oder minder gleichwertige Begriffe Übertragen. Wenn wir
sehen, dass Namen wie 'Parlament' oder 'Oberhaus' und
'Unterhaus' nach Japan gewandert sind und dort — sei es
in Übersetzung oder in ihrer nrsprünglichen Form — inr
Bezeichnung der dortigen politischen Versammlungen ge-
braucht werden, so wisseu wir, dass, so voraobieden aueb
die Verhandlungen des Japanesiscben Parlaments von deneo
des englischen sein mögen, schon der bloße BegrilT ^ea
Parlaments in Japan nie verwirklicht worden wäre, hUle u
Der Logos. 375
nicht sein Vorbild in England gehabt. Überdies sehen wir
sofort, dass dieses Wort 'Parlament' nnd das, was es bezeich-
net, in Japan keine historischen Antecedentien hat , während
es in England ans einem kleinen Saatkorn zu einem herr-
liehen Banm emporgewachsen ist. Ebenso verhält es sich mit
dem Logos. Es mag ja einige vage und andeatliche Antece-
dentien des Logos im Alten Testament gegeben habenf^) der
Logos aber, welchen Philo annahm, hatte seine historischen
Antecedentien in Griechenland nnd in der griechischen Phi-
losophie allein. Es ist sehr wichtig, dies im Ange za behal-
ten, nnd wir werden darauf noch einmal znrfickkommen
mfissen.
Man meint oft, dass dieser Logos des Philo nnd das
Wort das im Anfange war, etwas sehr Dunkles sei, eine Art
Mysterium, das Wenige — wenn Oberhaupt irgend Jemand —
ergrtinden könnten, und zu dessen vollem Verständnis jeden-
falls ein hohes Maß philosophischer Vorbildung erforderlich
sei. Mir scheint es. dass dazu nichts weiter erforderlich ist,
als ein genaues Studium der Geschichte dieses Wortes in
Griechenland.
Im Griechischen bedeutete Logos, ehe es für höhere
philosophische Zwecke verwendet wurde, einfach 'Wort', aber
nicht 'Wort' als bloßen Schall, sondern als den im Schall
verkörperten Gedanken. Die Griechen scheinen nie vergessen
zu haben, dass logos. 'Wort', von zwei verschiedenen Seiten
aufgefasst werden kann, als Schall und als die Bedeutung,
and dass die Beiden, obgleich wir sie. ähnlich wie die Außen-
seite und Innenseite von vielen Dingen, zu unterscheiden ver-
mögen, nie ein getrenntes Dasein haben können. Philo war
sich dessen vollkommen bewusst, wie die folgende Stelle aus
seinem 'Leben Mosn III, 113 (II. 154) zeigt:- »Denn
doppelt igt der Logos sowohl im Weltall als auch in der
Menschennatur. Im Weltall haben wir einerseits das. was
1 Bigg a. a. U. p. IS Note.
*i Drummond a. a. 0. II. p. 172.
376
Zwölfte VorlesiiDi;.
eich auf die unkörperlicben und als Muster dienenden Ideen
bezieht, aus denen die Verstan des weit festgestellt ward, and
andererseits das, was eich auf die sichtbaren Gegenstände
bezieht [welche demnach Abbildungen und Nachahmungen
jener Ideen sind), ans denen die äinnenwelt vollendet wurde.
Lm Menseben aber ist das Eine innen und das Andere außen,
und das t^ine ist gleichsam eine Quelle, das Andere hingegen,
das sich in der Sprache äußert [yiyi-iviJi;), das aas letx1«nc
Fließende. <
Nichts konnte ein beaseres Gleichnis für den das 1
all denkenden und aassprechenden Gott abgeben, uls die
Thatigkeit dcä Menschen, wenn er seinen Gedanken denkt
und ausspricht. Nur durch unser völliges Uissversteben des
wahren Wesens der Wörter ist man dazu gekommen zu glau-
ben, dsss Philos Gleiobnis reiu phantastisch sei. Die Vor-
stellung, dass die Welt von Gott gedacht und ausgesprochen
oder gewollt sei, ist durchaus nicht ein bloßes äpinut-ugewebe
abstruser Philosophie, sondern vielmehr eine der natarljchslen
und genauesten, ja richtigsten Auffassungen der WeltaohBpfaug
und — ich will gleich hinzufügen — des wahren Ursprung«
der Arten.
Ich war, glaube ich, Einer der Ersten, der es wagt«,
die überlieferungon uucivilisierter Völker als Parallelen in
klassischen Mythen und als Hilfsmittel zum VergUndnia ihre«
Ursprungs zu gebrauchen, und ich darf wohl ein neues Expe-
riment wagen, nämlich die philosophischen Ideen eines sog«-
nannten wilden Volkes in der Erwartung zu benlltzea, da»
sie auf den Ursprang dessen, was die Griechen unter Logvi
verstanden, Licht werfen durften.
Der Lo^s bei den Slanaths.
Die Klamatbe (TIamall , ein kQrzlich von Gatchet und
Horatio Haie geschilderter Indianerstamm, glauben, wie man
uns sagt, an einen höchsten Gott, den sie den 'Ältesten', 'untsnn
Der Logos. 377
alten Vater oder ^den Alten oben nennen. Sie glauben,
dass er die Welt erschaffen, d. h. Pflanzen, Tiere nnd
Menschen gemacht habe. Aber aaf die Frage, wie der alte
Vater die Welt erschaffen, antwortete der Klamathische
Philosoph : > Durch Denken und Wollen, c In diesem Den-
ken and Wollen haben Sie in jenem fernen Erdteil die Keime
desselben Gedankens, welcher auf griechischem Boden zu dem
Logos wurde, der im vierten Evangelium als das Wort be-
zeichnet wird.
Man konnte denken, dass eine solche Idee viel zu ab-
strakt und abstrus sei, als dass sie in dem Geiste von In-
dianern heute oder vor Tausenden von Jahren h&tte ent-
stehen können. Es ist ganz richtig, dass in einer mehr
mythologischen Atmosphäre derselbe Gedanke hätte dadurch
ausgedrückt werden können, dass man sagte, der alte Vater
habe die Welt mit seinen Händen gemacht, oder durch sein
Wort und seinen Befehl ins Dasein gerufen und allen leben-
digen Wesen Leben eingehaucht. In dem Falle hätte man
auch die Welt, nachdem sie erschaffen war, als die Arbeit,
oder selbst als Abkömmling und als Sohn Gottes bezeichnen
können.
Es gehörte jedoch nicht viel Beobachtung dazu, um zu
sehen, dass Ordnung und Regelmäßigkeit oder Gedanke und
Wille, wie die Klamaths es nannten, in der Natur herrsche.
Das regelmäßige Aufgehen der Sonne und des Mondes wäre
hinreichend gewesen, diese Thatsache zq enthüllen. Wenn
die ganze Natur nichts als Gerumpel und Plunder wäre, so
hätte ihr Urheber und Beherrscher wohl eine geistige Null
oder ein Thor sein können. Es ist aber ein Gedanke in dem
Baume, und es ist ein Gedanke in dem Pferde, und dieser
Gedanke wiederholt sich fort und fort in jedem Baume und
in jedem Pferde. Ist dies Alles gleich dem Sand der Wüste,
der vom Sirocco herumgewirbelt wird, oder ist es Gedanke
UDv Wille oder — wie die Stoiker es nannten — das Resul-
tat eines köyo^ an:6QuaTix6g? Die Vernunft, welche der
Natnr zu Grunde liegt und sie durchdringt, konnte in dem
37S
Zwölfte VoriesuQg.
fräliesteii Zeitalter menschlichen Beobscbtens nnd DeDkens
ebensowenig verborgen bleiben, als in unserem wiasenscb&ft-
liclien Zeitalter. Sie stand in schönstem Einklang mit der
Vernnnft jedes aufmerksamen Beobacliters, so dasg Kepler,
nachdem er die Gesetze des Planetensystems entdeckt halte,
mit Hecht sagen konnte, dass er die Gedanken Gottes wieder
gedacht habe.
Ich kann Ihnen hier nnmOgUch die gHnze Geschichte Am
Logos geben und Ihnen alle die Phasen vorftlhren, durch
welche er in der philosophischen AtmoaphSre Griechenlands
gegangen ist, bevor er zn dem jüdischen Philosophen Philo,
oder zu christlichen Philosophen, wie dem Verfasser der
Einleitung zu dem vierten Evangelium , zu St. Clemens, n
Origenes und vielen Änderen gelangte. Um dies zu thun,
mtlsste ich äle von den spätesten Stoikern, deren Schulen
Philo in Aleiaudria besuchte, zu der Sloa lurilckftlhren, wo
Aristoteles seinen HeaÜsmns lehrte, und zu der Akademie, wa
Plato seine ideale Philosophie auseinandersetzte, ja dirtAs
hinaus zu den Schulen des Anaiagor&s und Heraklit. DfM
Alles bat J. Dnimmond in seinem 'Philo Judaetui' In UV-
gezeichneter Weise gethan. Hier muss ein knrser OberUiek
genügen.
Die hUtoFlschen Antecedentlen des Lo^o».
UcfnSP
Ehe wir darangehen, auch nur einen bloBen DborbUt
diese historischen Antecedentien des Logos oder dos Worte) u
geben, versuchen wir zun&chst durch eigene VornunftschlUsse n
denselben Ideen zu gelangen. Logos bedeutet Wort und ü^
danke. Wort und Gedanke sind, wie ich in meinem Werke ^Dm
Denken im Lichte der 9pracbe< bewiesen zu haben hoff<%
unlrennbar, sie sind nur zwei Beilen eines und desselbei
geisligeu Aktes. Wenn wir unter einem Gedanken das Te^
stehen, was er bedeutet, sobald er in einem Wort ausgedruckt
ist, nicht eine bloße Wahrnehmung, auch nicht — womit er
oft verwechselt wird — eine Vorstellung (oder was mu «M
Der Logos. 379
siDüliche Idee^ zu nenDon pflegte), sondern einen Begriff, so
ist es klar, dass ein Wort, als ein bloßer Schall ohne einen
durch denselben ansgedrflckten Begriff aufgefasst, ein Unding
wftre, gerade so wie der Begriff ohne das Wort, in welchem
er verkörpert ist, ein Unding sein wfirde. Daher kommt es,
dass das grieehische logos sowohl ^Wort* als ^Gedanke', das
eine von dem andern untrennbar, bedeutet.
Sobald die Sprache Namen wie Tferd', 'Hund', 'Mann',
'Weib* hervorgebracht hatte, war der Geist ipso facto im
Besitze dessen, was wir Begriffe oder Ideen nennen. Jedes
dieser Wörter verkörpert eine Idee, nicht nur ein allgemeines,
mehr oder minder verschwommenes Bild, das, den kombinier-
ten Photographien Herrn Galtons ähnlich, in nnserem Ge-
dichtnis haften bleibt, sondern einen Begriff, d. h. einen
echten Gedanken, unter welchem jedes individuelle Pferd
oder jeder individuelle Hund aufgefasst, begriffen, klassifiziert
und benannt werden kann. Was man unter dem Namen Tferd'
versteht, kann sich nie unseren Sinnen, sondern nur unserem
Verstände darstellen, und man hat ganz richtig bemerkt, dass kein
menschliches Auge je ein Pferd gesehen habe, sondern nur die-
ses oder jenes graue, schwarze oder braune, junge oder alte,
starke oder schwache Pferd. Ein Name und ein Begriff, wie
*Pferd\ konnte unmöglich bloß die Erinnerung an wiederholte
Sinneseindrficke darstellen. Solche Eindrücke könnten wohl in
unserer Erinnerung ein verschwommenes photographisches
Bild hinterlassen, aber niemals einen Begriff, der von allem
Individuellen y Zufälligen und Vorflbergehenden frei ist und
nur das beibehält, was wesentlich ist, oder was den Bildnern
der Sprache in allen Teilen der Welt wesentlich schien. Es
ist ganz richtig, dass jeder Einzelne seine Begriffe oder Ideen
vennittelst sinnlicher Wahrnehmung zu lernen hat, dadurch
dass er ausfindig macht, was fflr allgemeine Züge eine An-
zahl von Individuen gemein haben. Es ist ebenso richtig,
dmss wir die überlieferten Namen hinnehmen müssen, wie sie,
seit undenklichen Zeiten vom Vater auf den Sohn vererbt,
auf ans gekommen sind. Aber dies Alles zugegeben, müssen
380
ZwijlfiB Vorleannc.
vir uns doch ^a^en: Woher kam die erste Idee eines Pfer-
des, die wir während nnseres Lebens auf Erden in jedem
einzelnen Pferde verwirklicht und mit jedem neuen tiesclileolit
wiederholt sehen ? Was ist jener typische Charakter Am
Pferdes, der benannt und nachher wissen schaftlich definiert
Verden kann? Oab es keinen KOnstler. kein vemflnfEiges
Wesen, das die Idee eines Pferdes aasdenken mnsst«, ehe
es ein einzelnes Pferd gab ? Konnte irgend ein Knnstler die
Statue eine» Pferdes hervorliringen , wenn er nie ein Pferd
gesehen hatte? Wird ein materiolleB Protoplaama, wird spon-
tane Evolution, der EinflDss der Umgebungen, daa überleben
des Tauglichsten und alles dergleichen, r— wird irgend <dO
rein mechanischer Prozess je zu einem Pferde fahren, oh w
nun ein wirkliches Pferd oder nur erst ein Uippanon ist?
Jeder Name bedeutet eine Art, und man musä sich fast schämen,
wenu man sieht, wie viel tiefer die von Plato anagodachl»
Theorie von dem Ursprung der Arten ist. als die tmaem'
modernen Naturforsclior.
Der L'rsprun^ der Arten.
Ich mu^s gesteben, mich hat es immer ttbcrraBcht, da:
diese allen elementaren Lehren der Philosophie Plalo's t
ganE außer Acht gelassen worden sind, als in neuerer Z«
die Erörternng (Iber den Ursprang der Arten wieder auf-
genommen wurde, l'nd doch hatten wir ohne Plato nnd
seine Vorgänger in der griechischen Philosophie nie
dem Ursprung der Arten gesprochen. Denn Art' ist nur
eine Übersetzung von tidot:, und iiäo>J: ist fast ein Synonym
von ltii(t. Ist es nicht ganz undenkbar, daas lebendig
organische Körper, sei es Pflanzen oder Tiere , ja da»
irgend etwas in diesem Wellall durch bloße Evolution, duicb
uatürliche Zuchtwahl, durch das überleben des Tauglicbttts
u. dgl. mehr je hätte zu dem werden können, was es Id.
wenn nicht dessen Evolution die. Verwirklichung einer Idee
bedeutete ? Wir wollen ja gerne zugeben, dass das geeenwJUtife
Der Logos. 3g 1
^ Pferd' die letzte BeDennnng för eine Reihe dnrch natür-
liche Ursachen bewirkter Modifikationen ist, für einen Typtis^
der seit der mesozoischen Epoche immerdar existiert hat;
doch können wir nicht umhin zu fragen: Woher stammt
dieser Typus? Und was versteht man unter einem Typus?
War es ein bloßes undifferenziertes Protoplasma, das durch
Umgebung und andere zufällige Einflüsse entweder ein Pferd
oder ein Hund werden konnte ? Oder müssen wir nicht einen
Zweck, einen Gedanken, einen }Myog^ einen aTteQuaTr/.og
i^yog, in dem ersten protoplasmatischen Keim zugeben, der
nur mit Einer letzten Benennung, einem Pferde oder einem
Hunde, enden konnte, oder was immer sonst von einer ver-
nünftigen Macht — oder von dem, was die Alten den Logos
Gottes nannten — gedacht und gewollt wurde? Professor
Hnxley selbst spricht von dem Typus des J'ferdes. Was
kann er damit meinen, wenn nicht die Idee des Pferdes?
Es kommt nicht viel darauf an, wie ein solcher Typus oder
eine solche Idee verwirklicht wurde, ob als eine Zelle oder
als ein Keim, solange wir nur anerkennen, dass eine Idee
oder ein Zweck darin war, oder — um uns der Sprache
der Indianer zu bedienen — solange wir glauben, dass Alles,
was existiert, von dem ^Alten Einen oben gedacht und gewollt
wurde. Gibt es Vernunft in der Welt oder nicht, und wenn
es Vernunft gibt, wessen Vernunft ist es?
Dass gewisse Arten selbst während der kurzen Zeit, von
der wir irgend eine bestimmte Kenntnis besitzen, aus niedri-
geren Arten entwickelt wurden, ist ohne Zweifel eine große
Entdeckung, doch berührt sie nicht die tiefere Frage nach
dem Ursprung aller Arten. Wo immer solche Übergänge
erwiesen worden sind, würden wir einfach unsere Sprache zu
indem haben und dürften das, was erwiesenermaßen keine
Art ist, nicht mehr als eine Art bezeichnen. Wir müssen
unsere Wörter so gebrauchen, wie wir sie definiert haben,
und *Art' bedeutet eine *Idee' oder ein ^idog, d. h. einen
ewigen Gedanken eines vernünftigen Wesens. Ein solcher
Gedanke mnss wohl in jedem einzelnen Dinge, in dem er
3S2
Zwülfle Vorlesung.
I
I
sich offenbart, verschjedeo auftreten, aber er kann sieb nie
veränderD. Sofern wir nicht daa ewige Dasein dieser Ideen
in einem vernünftigen Geiste oder in der ersten Ursaclie
aller Dinge zugeben. k<)nnen wir nns nicht die Tbatsache
erklären , dasa wir sie in der Natur Terwirklicbt, durch
menschliche Vemnnft entdeckt und dnrch menschliche Sprache
benannt aehen. Dies wird noch klarer, wenn wir, statt an
natürliche Erseugniase , an geometrische Formen denken.
Können wir uns vorstellen, dass ein vollkommener Kreis, Ja
eine einzige gerade Linie, je durch wiederholte Experimente
gemacht worden sei? Oder mOssen wir nicht vielmehr in-
gebeu , dass der Begriff einer vollkommenen Kugel in einem
TemÜttfUgen d. h. göttlichen Geiste vorhanden sein mQsie,
ehe eine vollkommene Kugel wirklich wird, fulh sie je wirk-
lich wird? Die Alles in sich schließende Frage ist die, oh
die Welt, vrie wir sie kennen und benannt haben, auf Ver-
nunft oder anf Zufall beruht. Wir habeu nicht zwischen den
Glauben an Evolution auf der einen und an speciellu Schöpf ang
(was immer man damit sagen will] auf der anderen Seile IB
wählen, sondern zwischen dem Glauben an eine allen Dingn
zu Grunde liegende Vernunft and der Lea^ung einv Ma-
chen Vernunft.
Wenn wir ftlr eine vemtlnftige Welt und fOr die Beetts-
digkeit t}'pischer Umrisse in jeder Species eine Erklärung haben
wollen, so müssen wir mit unserer Vernunft vor Allem eioea
schöpferischen Gedanken oder einen Typus, wie Hnxlej- e«
nennt, zugeben. Sehen wir nicht, wie jedes Pford gleiduain
nach einem unveränderlichen Typus gemodelt isl. so sehr sich
such das sbetiftndische Pony von dem feurigen Araber note^
scheiden mag? Es nUtzt nichts, wenn die Natnrwiasenaelnft
aolclien Spekniationen ihr Ohr verschließt oder sie ala av
taphysische Träumereien bezeichnet. Die Natarwiaseosdiaft
gibt sich noch zügelloseren Träumereien hin, wenn siü tob
Protoplasma, von Samen and Keimen, von Brblichkdl nud
dgl. m. spricht Was ist Erblichkeit andere, als die Fort-
dauer jenes unsichtbaren nnd doch hitchst wirklichen Typos.
Der Logos. 3S3
welchen PUto ala die Idee bezeichnete? Die menschliche
Vernnnft hat sich immer dagegen anfgelehnt, das Daoernde
einem bloßen Zufall — sei es auch dem Einflnss der Umge-
bung^ der natflrlichen Zuchtwahl, dem überleben des Tang-
lichsten n. dgL m. — znznschreiben. Sie verlangt mit gutem
Recht eine wirkliche Ursache, die fUr wirkliche Wirkungen,
eine vemfinftige Ursache, die ftlr vemllnftige Wirkungen ge-
nfigt Diese Ursache mag unsichtbar sein, doch ist sie in
ihren Wirkungen sichtbar, auch sind unsichtbare Dinge nicht
minder wirklieh, als sichtbare. Wir mfissen unsichtbare, aber
wirkliche Typen postulieren, weil ohne sie ihre sichtbaren
Wirkungen unerklftrlieh bleiben wfirden. Es ist leicht zu
sagen: Gleiches bringt Gleiches hervor; woher kam aber der
erste Typus? Woher der Baum, ehe es einen Baum gab,
woher der Mensch selbst, ehe es einen Menschen gab, und
woher jene Form, in welche jedes Individuum gegossen scheint,
und welche kein Individuum sprengen kann? Das Vorhan-
densein dieser Typen oder specifischen Formen, das Vorhan-
densein von Gesetz und Ordnung in der Weit, scheint dem
menschlichen Geist schon zu einer viel frtlheren Periode auf-
gefallen zu sein, als man gewöhnlich annimmt. Die Klamaths
sagten, wie wir sahen, dass die Welt gedacht und gewollt
sei. Anaxagoras erkl&rte, dass es Kons oder einen denkenden
Geist in der Welt gebe.
HerakUt.
Und schon vor Anaxagoras postulierte Heraklit, nach-
dem er behauptet hatte, das Feuer in seiner abstraktesten
Form sei das Urelement aller Dinge, etwas außer dem mate-
riellen Element Befindliches, irgend eine lenkende Macht, eine
Kraft und ein Gesetz; und auch er nannte dies Logos, d. h.
Vernunft oder Wort. Vage Andeutungen derselben Idee
laäsen sich in der mythologischen Überlieferang von einer
Moira oder Heimarmen6, d. h. Be^timmung. entdecken, und
Heraklit gebrauchte thatsächlich Heimarmene — das Schicksal,
384
ZwSldo Vorloamig.
I
das AnaxHgoras fQr einen leeren Namen {xtyfiv fn-otta Al«x.
Apbroil. de Falo, 2j erklfirte — als ein Synonym setnei
Logos. Dies wird von Stobsens bestaügl. nrelcber sagt
(Ed. I, 5, p. 178), Heraklit habe gelehrt, dass das Weacn
des Schicksals der Logos sei, welcher die Snbsi&ni An
WellalU durchdringe. Hier ist der Logos das, was wir Ge-
setz oder Vernnnfl nennen wflrden, nnd wa^i die allen Dick-
ter des Veda RitA, das Recht, nannten. ') Wenn v,-ir jed(«)i
fragen — was nns eine höchst natürliche Frage sobeinl — ,
wessen Vernunfl. dies war, oder wer der Gesetzgeber war.
der in dem feurigen Prozess des Weltalls sich «tela m
bethätigte, dass bei allem Kampf und Streit der Kl«m(nCo
doch Recht nnd Vernunft herrschen, so erbalten wir van
Heraklit keine Antwort. Manche Gelehrte glanbeo, das«
nach Heraklit der Logos mit dem Fener identisch sei. donb
scheint, nach gewissen Ausdrucken sn schließen, sein L«-
goa vielmehr eine Art und Weise, nach welcher das Fenvr
bandelt [-/.ura töv löyav'. Anch scheint es mir nicht faii
klar, dass Heraklit die individnelle Seele einen Teil dvsL»-
gos genannt haben würde, statt zn sagen, dass auch di« in-
dividnelle Seele, als ein AastluBS 'äya^vui<iOig) dea mlmk
salen Feuers, nnter der Herrschaft des Logos stehd. Satt
schwieriger Ist es, zn sagen, welchen Sinn Logos beaoMBB
habe, bevor Heraklit das Wort annahm nnd daxu benfitUe,
die Ordnung des Weltalls auäindrtlcken, Cs deutet nlchti dai^
auf hin. dnss er es, wie spätere Philosophen, in dem Siue
von dem Wort als der Verkörperung des (iedankcns nnd itt
Vernunft anfgefusst habe. Wahrscheinlich bedentcte es für He-
raklit, wenn er es für einen hCberen Zweck anwandte, nickt
mehr als 'Rechnen, Regel, Proportion, Verhältnis', in wolcbMi
Sinne wir es in Wörtern wie (Ji'rf/.oyoi' — das, was ciWi '/.•'lYav
oder, wie Heraklit sagte, v.uclt Xiiyoi-, dem Gesetze gemiB.
ist — finden. Es ist ganz klar, dass der Logos des Hera-
klit noch nicht jene bestimmte Bedeutung einer IdeoakeH«.
1)H. :
. HiTiberl lietar
. p. 245.
Der Logos. 3g5
welche die erste Ursache mit der phänomenalen Welt ver-
bindet, angenommen hatte, wie wir dieselbe bei den 8toikem
und bei Philo finden. Es war noch nicht mehr, als jene
universale Vemnnft oder Vemtlnftigkeit , welche dem Men-
schen selbst auf der niedrigsten Kulturstufe in die Augen
fiel und zu denken gab.
Anaxagoras*
Wenn Anaxagoras Nov^, den denkenden Geist an die
Stelle von Logos setzte, so ging er einen Schritt weiter und
war der Erste, der eine Art persönlichen Charakter fSr das
Gesetz behauptete, welches die Welt regiert und, wie man
annahm, ihr Rohmaterial in einen Kosmos verwandelt hatte.
Wir könnten uns allenfalls ein Gesetz ohne eine Person hin-
ter demselben denken, aber Nous, ein denkender Geist, setzt
einen Denker fast als selbstverständlich voraus. Doch hat
Anaxagoraa selbst seinen Nous nie vollständig personifiziert,
ihn nie auf einen Gott oder irgend ein höheres Wesen auf-
gepfropft. Noas war bei ihm etwas Ähnliches wie alles
Andere, ein ;^^i^ficr. ein Ding, wie er es nannte, allerdings
das feinste und reinste aller körperlichen Dinge. In manchen
seiner Äußerungen wurde jedoch Nous wirklich mit der leben-
digen Seele identifiziert , ja er scheint jede individuelle Seele
als an dem universalen Nous und an diesem universalen chrema
teilnehmend angesehen zu haben.
Sokrates und Plato.
Über das Problem, das uns hier zunächst interessiert.
nämlich das Verhältnis des Logos oder Nous zum Menschen
auf der einen und Gott auf der anderen Seite , gewinnen wir
wenig Aufschluss. bis wir zu Aristoteles und den Stoikern
kommen. Sokrates — wenn wir unsere Vorstellung von ihm
aus Xenophon nehmen — behielt die mythologische Phraseo-
logie Griechenlands bei, er sprach von vielen Göttern, doch
Max MftlUr. neo6ophie. 25
386 Zwölfte Vorlesung.
glaubte er an Einen Gott,^) der die ganze Welt beherrscht,
und von dem der Mensch erschaffen ward, ^j Dieser Gott
ist allgegenwärtig, obschon unsichtbar, und wenn Sokrates von
dem in allen Dingen enthaltenen Denken {fpQÖyrjOLg Iv Tiarxi)
spricht, so scheint er denselben Gedanken anszudrtlcken, wie
Heraklit, wenn er von dem Logos spricht, der immer altl iCov
ist, oder wie Anaxi^oras, wenn er von dem Nous spricht, der
alle Dinge geordnet hat [du'A6a^iY]oe irivTa xQ^i^i^^<x, Diog.
Laert. II, 6).
Zwar können wir in all dem mehr oder minder be-
wusste Versuche erkennen, zu erklären, wieso es komme,
dass es neben der Materie noch Etwas in der Welt gebe.
Versuche, ein unsichtbares, möglicherweise ein göttliches
Agens oder ein göttliches Wirken in dem Schaffen, Lenken
und Beherrschen der Welt zu entdecken und so das Phäno-
menale mit dem Noumenalen, das Endliche mit dem Unend-
lichen, das Menschliche mit dem Göttlichen zu verbinden,
— doch wurde dieser letzte entschiedene Schritt weder von
Sokrates, noch von Plato gemacht. Die einfache Frage, was
der Logos mit Beziehung auf die Gottheit sei, erhielt von diesen
Philosophen keine bestimmte Antwort.
Bekanntlich wurde das, was wir vorhin die unveränder-
lichen Typen aller Dinge nannten, von Plato als Ideen y von
den Klamaths als die von dem Schöpfer gewollten Gedanken
bezeichnet. Diese Ideen, welche, zusammengenommen, das
bildeten, was üeraklit unter dem ewigen Logos verstand,
erscheinen in der Philosophie Plato's als ein architektonisch
aufgebautes System, als der Plan der Architektur des sicht-
baren Weltalls. Plato's Ideen, welche unseren natürlichen
species und genera entsprechen , werden immer allgemeiner
und allgemeiner, bis sie sich zu den Ideen des Guten^ des
Gerechten und des Schönen erheben. Aber anstatt von den
1 Sympos. VIII, 9: x«i yuQ Ztv; o aito^- ^oxatv tlrai noWu^
2; Xen. Me'm. I, 4, 5.
Der LogOB. 387
vielen Ideen spricht Plato anch von Einem allgemeinen und
ewigen Mnster der Welt^ welches^ wie die Idee Gottes, nicht
der Schöpfer selbst, aber doch anch nicht von ihm trennbar
ist. Dieses Master, obzwar ewig, ist doch eine Schöpfung,
allerdings eine ewige Schöpfung, eine der Sinnenwelt vor-
ausgehende Gedankenwelt. ^] Dies kommt dem stoischen Logos,
wie Philo ihn kannte, sehr nahe.
An anderen Stellen nimmt Plato eine höchste Idee an,
welche die Möglichkeit irgend einer höheren ausschließt, die
letzte, die erkannt werden kann, die Idee des Guten, nicht
bloß im moralischen, sondern auch im physischen und meta-
physischen Sinne, das summum bonum. Diese höchste Idee
des Guten ist das, was man in religiöser Sprache als das
höchste Wesen oder Gott bezeichnen wflrde. Plato spricht
sich aber, soviel ich sehen kann, nie ganz deutlich dartlber
aus, als was er sich dieses Gute eigentlich dachte. Wohl
spricht er von demselben als dem Herrn des Lichtes (Re-
publ. VI, 50S\ und er spricht von der Sonne als dem Sohne
des Guten, den das Gute in seinem Ebenbilde erzeugte, damit
er in der sichtbaren Welt in Bezug auf das Gesicht und die
Dinge des Gesichtes das sei, was das Gute in der Yerstandes-
welt in Bezug auf den Geist und die Dinge des Geistes
ist ... . Und die Seele, fährt er fort, >ist gleich dem Auge:
wenn die Seele auf dem ruht, worauf Wahrheit und Sein
scheinen, nimmt sie wahr und versteht, und strahlt vor In-
telligenz .... Und das, was dem Erkannten Wahrheit, und
dem Erkennenden die Macht zu erkennen verleiht, ist es,
was ich als die Idee des Guten bezeichnet wissen möchte. >
Hier Iftsst uns Plato im Stiche, und er spricht sich auch
nicht deutlicher darüber aus, in was ftir einem Verhältnis
diese Idee des Guten zu den anderen Ideen stehe, und wie
s'.e alles das erfüllen könne, was die alte Idee Gottes oder
der Götter erfüllen sollte. Ob es die einzige wirkende Ur-
sache der Welt war, oder ob jede der vielen Ideen ihre be-
1) Jowett. Einleitung zum Tiuiaeus. p. 50^.
36$
Zwülfte VorlesuDg.
sondere «irkende Kansalität, imabhsngiig von der Idee des
Ooteo, besaß, ist eine Frage, die sich mit Plalo's dgencD
Worten schwer beantworten läset. Plalo spricht von Gott
und den Göttern, aber er sagt niemals in klaren nnd äevt-
licbeü Worten: »Diese meine Idee des Guten ist das, «as
ihr nnter Zens veTSteht.< Aof die Frage, ob diese Idee du
Gnten persönlich sei oder nicht, wOrden wir von Plato keise
Antwort erbalten. Es ist jedoch wichtig, sich dessen eu
erinnern, dass Plalo von Einem allgemeinen und ewigen
Masler der Welt spricht, welches, ähnlich wie die Idee des
Gnten, nicht der Schöpfer selbst, aber anch noch nicht tod
ihm trennbar ist. Dieses Muster, obzwar ewig, ist doch ei^
schaffen, eine der Sinnenwelt vorausgehende Gedankenwelt')
Was in Plato's System dunkel nnd zweifelhaft bleiht,
ist das Verhältnis der sichtbaren zur unsichtbaren Wdi,
der PhSnomene au ihren Ideen. Die Redeweisen, deren er
sich bedient, dass die Ph&nomene an dem Ideal teilnihmeii,
oder dass das Sichtbare ein Abbild des Unsichtbaren sei.
sind Gleichnisse und weiter nichts. Im Timaeus spricht er sieh
etwas deutlicher ans und bringt seine Theorie vor. daaa dal
Weltall als ein lebendiges Wesen erschaffen worden sei ni,
wie jedes lebende Wesen, eine Seele besitze, die ihrenetti
wieder im Besitze eines Denkorgans sei.'^) Dieses Weltall,
der Kosmos oder Uranos, wird daselbst als AbkömmUng Got-
tes bezeichnet, nnd — was besonders wichtig in hemerica
ist — er wird Monogengs '^) genannt, d. h. der KiBgri)oraM,
der Vmgenitus , oder richtiger der Umcus, der Einng«
oder der Eine, der Einzige seiner Art. Die ünvoUkom*
menheiten , deren Dasein in der Weit nnd im HeosoluD
nicht geleugnet werden kann, worden auf das Apeiro» i. h.
die formlose Materie, welche durch die Ideen Form erhtU,
1| Siehe Jowett a. ii. 0.
2) Timaeus, HU B: louli ,
3) £h öJt uoyoyu-i;,- nvoi
Tim. 31 B.
i yeyovai! imt tt ■«! /i' tntit,
Der Logos. 389
oder beim Menschen aaf die Thatsache zurüekgef&hrt. dasa
deren Schöpfung den kleineren Gottheiten anvertraut wnrde
und nicht direkt Ton dem Schöpfer ausging. Doch die Seele
wird fiberall als göttlich dargestellt und muss in Plato's
Augen ein Bindeglied zwischen dem Göttlichen und dem
Menschlichen, zwischen dem Unsichtbaren und dem Sicht-
baren gewesen sein.
Iristotele«.
Aristoteles spricht sich iriel deutlicher aus. wenn er
definiert, was in seiner Philosophie an die Stelle des Zeus
treten soll: es ist nämlich sonderbar, wie alle diese Philoso-
phen bei all ihren erhabenen Ideen fiber das Göttliche immer
Ton ihrem alten Zeus ausgehen und von ihren neuen Ideen
immer als an die Stelle des Zeus oder der Gottheit tretend
sprechen. Es war der Zeus seiner Kindheit oder sein ^^o«:,
Ton dem Aristoteles erklärte, dass er in Wirklichkeit to
:¥gibToy y.ifovt\ das erste Bewegende, möglicherweise to
n^QUTor iido^, die erste Form oder Idee — zum Unter-
schiede von der ersten Materie, r .T^cjri; P/.r — sei. Er
lagt uns. was er Alles filr die notwendigen Eigensehaften
dieses ersten Bewegenden hält Es muss einzig, unbeweglich,
BBveränderlich . lebendig, intelligent, ja es muss handelnd,
d. b. denkende Intelligenz, sich selbst denkende Intelligenz
r rorou roraiu^ röraig, Metaphys. XI, 9, 4) sein. Die
Frage nach der Persönlichkeit schien die griechischen Denker
Bieht in dem Maße, wie uns. zu bekfimmem. Die fibersinn-
liche Gottheit des Aristoteles stellt die Einheit des Denkers
und der Gedanken, des Erkenners und des Erkannten dar.
Dir Verhältnis zur Materie vi.r ist das der Form Uido^ .
welche sich die Materie unterwirft, aber auch das des Be-
wegers, der die Materie bewegt. Bei all dem hat Aristoteles
am Ende nicht mehr ausgearbeitet als eine übersinnliche
Gottheit, ein einsames sich selbst denkendes Wesen, etwas
Ähnliches wie das. was die späteren Valentinianer hätten als
390 Zwölfte Vorlesung.
'das uDiversale Schweigen' bezeichnen können, oder was
Basilides mit dem nichtexistierenden Gott, der aus nicht-
existierenden Materialien die nicbtexistierende Welt gemacht, i)
meinte. Dies konnte dem religiösen Gefühl, welches einen
lebendigen Gott nnd irgend eine Erklärung der Abhängigkeit
der Welt von einem göttlichen Herrscher nnd des Verhält-
nisses der Seele zu einem höchsten Wesen verlangt, keinerlei
Befriedigung gewähren.
Die Stoiker.
So weit haben wir denn einige von den Materialien
untersncht, welche auf dem Strom der griechischen Philo-
sophie fortgetragen wurden, bis sie in die Hände Philo ^s nnd
anderer semitischer Denker gelangten, welche dieselben mit
ihrem alten Glauben an ihren eigenen persönlichen nnd doch
übersinnlichen Gott in Einklang zu bringen suchten. Ehe
wir jedoch weiter gehen, den Prozess zu verfolgen, durch
welchen diese beiden Ströme, der des arischen nnd der des
semitischen Denkens, vereinigt wurden, und zwar zuerst in
dem Geiste jüdischer Philosophen nnd nachher auch in dem
Geiste von christlichen Gläubigen, müssen wir noch die spätere
Entwicklung der Gedanken des Piato und des Aristoteles
in den Schulen ihrer Nachfolger, der Stoiker und der Neu-
platoniker, verfolgen. Wir brauchen nicht bei irgendwelche!
anderen, sei es logischen, oder ethischen, oder metaphysi-
schen Theorien derselben zu verweilen, außer denjenigen,
welche sich auf das Verhältnis des Endlichen zum Unend-
lichen, des Menschlichen zum Göttlichen, der (paiyouera tn
den SvTctj beziehen.
Die Stoiker brauchten einen Gott im alten Sinne des
Wortes. Sie begnügten sich nicht mit der höchsten Idee
Plato's, noch mit dem ersten Bewegenden des Aristoteles.
1, Oviiüi orx (ur &io>; Inoir^OB xoauoy ovx orr« i^ ovx orrttfi'.
(Bigg a. a. 0. p. 2S, 31.)
Der Lo^os. 391
Gleich ihren Vorgäogem hatten auch sie Gesetz. Ordnung, oder
Notwendigkeit nnd KansalitAt in der sichtbaren Welt gefun-
den, und sie postulierten eine Ursache, die genfigte, das Vorhan-
densein dieses Gesetzes und dieser Ordnung in dem phänome-
nalen Kosmos zu erklären. Diese Ursache war aber bei den
Stoikern nicht transcendent, sondern immanent. Sie entdeckten
Vernunft oder Logos als in jedem Teile des Weltalls gegenwär-
tig, als das Weltall zusammenhaltend ; ja der Logos selbst wurde
ffir körperlich angesehen, und soweit er die Gottheit darstellte,
war für die Stoiker auch die Gottheit etwas Körperliches,
wenn auch nur Ätherisches oder Feuerartiges. ^ Doch stell-
ten sie einen Unterschied auf zwischen Ilyle^ der Materie,
und dem alle Materie durchdringenden Logos, der höchsten
Vernunft oder Gott. Dieser Logos war nach ihnen nicht
allein schöpferisch {rroiovy, sondern er beaufsichtigte auch
noch weiter alle Dinge in der Welt. Manche Stoiker unter-
schieden wohl zwischen dem Logos und Zeus, dem höchsten
Gott, aber die orthodoxe Lehre der stoischen Schule ist die,
dass Gott und die göttliche Vernunft in der Welt dasselbe
seien, wenngleich sie mit verschiedenen Namen benannt wer-
den könnten. Die Stoiker waren also echte Pantheisten.
Fdr sie, wie fifir Heraklit, war Alles voll von Göttern,
nnd sie ließen es sich angelegen sein zu erklären, dass diese
göttliche Gegenwart sogar f&r die niedrigsten und gemeinsten
Dinge, für Gossen und Gewflrm, gelte.
Die Stoiker sprachen jedoch nicht nur von Einem den
ganzen Kosmos durchdringenden universalen Logos, sondern
die gaben auch — scheinbar mit einem Anklang an Plato*s
Ideen — eine Anzahl von logoi zu. obgleich sie in Über-
einstimmung mit der Lehre des Aristoteles glaubten, dass diese
logoi innerhalb aller individuellen Dinge wohnten und sie
bestimmten [hr/oi tyv'/.oi, unitersalia in re. Diese Logoi
wurden osrsouaTi/.oi, samenartig, genannt, und sie sollten,
ähnlich wie die Samen, die Fortdauer des Typus in der
i; Uftvuu i'OEooy xr.i nrgoiOey. Poseidon, in Stob. Ecl. I, 5S.
I
phnnoroeDslen Welt erklären, was wir lientzntsge mit einer
minder Tollkommenen Metapher als ererbte specifiache Quali-
täten bezeichnen.
Diese Logoi, ob nun einzeln oder als der Eine nnirei^
sale Logos ziisammengefasst, mossten Alles erklären, waa tu
der Mannigfaltigkeit der pliäuomenaleD Welt beständig war.
Sie bildeten ein vom Niedrigsten bis zum Höchsten aufstei-
gendes System, welches sich in dem, was wir die Evolaüon
der Natur nennen würden, abspiegelte. Eine besondere Stel-
lung wurde jodcch dem Menschen angewiesen. Die mensch-
liebe Seele, glaubte man, habe anmittelbar einen Teil des uni-
versalen Logos erbalten, und dieser mache die Intelligeni
oder Vernunft aus, die der Mensch mit den Göttern gemein
habe. Äußer mit dieser Gabe, nahm man an, aei die menseh-
liehe Seele auch mit der Sprache, den fünf Sinnen und der
Kraft der Fortpfl«nznng ausgestattet. Und hier stoßen wir
zum ersten Male auf die bestimmte Behauptung, daaa die
Sprache in Wirklichkeit der äußere Logos (Ä. ufiotpofiaig)
aei, ohne welchen der Innere Logos (/. (vÖiA^atwi) adn
würde, als ob er gar nicht wäre. Es wird gezeigt, daas das
Wort die änBere Kundgebung der Vernunft ist; beide slod
Logos, nur unter verschiedenen Aus chauungs weisen. Die
Tierseele fasste man als etwas Materielles, Zusammengeseotn
und darum Vergängliches auf, dem der Logos verlieben
wnrde. Wie die Vedftntisleu, lehrten auch die Stoiker, da»
die Seele nach dem Tode leben werde, doch nur bis som
Ende der Well (des Kalpa], wo sie in der Weltseelo unle^
gehen werde. Wober diese Weltseele stammte, oder was nc
war, wenn sie sowohl vom Logos als aucb von der Materie
(l'/r;) verschieden sein soll, wird uns nie deutlich gesagt
Soviel ist jedoch klar, daas die Stoiker den Logos far ewig
ansahen. In Einem Sinne war der Logos bd Uott. in einen
anderen Sinne konnte mau sagen, er sei Gott, Der Logo«,
der Gedanke Gottea, insofern er die Welt dnrehdriugl, war
e«, der die Welt zu dem machte, was sie ist. nämlicb n
einem TerunnfEgemäflen und verst Südlichen Kosmos; und
Der Logos. 393
wiederum der Logos war es, der den Menschen za dem
machte , was er ist, za einer vernünftigen und verständigen
Seele.
Phllo's Erbsehaft«
Sie sehen nun, welch eine reiche Erbschaft philosophi-
schen Denkens nnd .philosophischer Sprache Männer wie
Philo antraten, die im ersten Jahrhundert vor unserer Zeit-
rechnung, während nie selbst durch und durch von semiti-
schem Denken erfüllt waren, plötzlich von dem belebenden
Hauch des griechischen Geistes angeweht wurden. Alexandria
war der Ort, wo diese beiden alten Gedankenströme zusammen-
flössen, und in den Bibliotheken und dem Museum von Alexandria
erlebte die jüdische Religion ihre letzte philosophische Wieder-
geburt Hier war es auch, wo die christliche Religion zum
ersten Mal ihre jugendliche Kraft gegenüber den Philosophien
sowohl des Morgenlandes wie des Abendlandes bethätigte.
Sie werden nun begreifen, welche Wichtigkeit den Schriften
Philo's, als eine ganze Richtung vertretend, zukommt; sie
allein gestatten uns ja einen Einblick in den historischen
Obergang der jüdischen Religion von ihrem alten legenden-
haften Charakter zu einem neuen philosophischen nnd fast
christlichen Stadium. Ob Philo persönlich einen mächtigen
Einfluss auf die Ideen seiner Zeitgenossen ausübte, wissen
wir nicht. Offenbar aber war er der Vertreter einer mäch-
tigen religiösen und philosophischen Bewegung, einer Bewe-
gung, die sich späterhin auf viele der ersten christlichen
Konvertiten zu Alexandria, ob sie nun Juden oder Griechen von
Geburt und Erziehung waren, erstreckt haben muss. Das ein-
zige, was uns von Philo*s Privatleben näher interessiert, i^t
der Umstand, dass er ein Forscher war, der in dem Studium
seiner eigenen Religion und der philosophischen Systeme der
großen Denker Griechenlands — der alten sowohl wie der
neueren — seine höchste Glückseligkeit fand. Er ist wahr-
scheinlich gegen 20 v. Chr. geboren und starb gegen die
394 Zn-aifte Vorlesung'.
Hitte des ersten Jahrhuaderts n. Chr. Er w&r ilso eiail
genosae Christi, obgleich er ilin nie erwihnt.
Phllu'B Plillusophte.
Uns interessieren vor Allem di« hauptsächlichen Lehrea
der Philosophie Philo's, Philo hat setneo OUabeo an Jeho-
vah nio aufgegeben, obgleich sein Jehovah nicht nur TOll-
st&ndig voD seinem an thropomorph Ischen Charakter befreit,
sondern so hoch aber alle irdischen Dinge erhoben vordeo
war, daas er sich von der Platoninchen Gottheit nur wenig
unterschied. Philo glaubte jedoch nicht an eine SchSpfoDf
aus dem Nichts, sondern nahm wie die Stoiker eine Hyle
an, eine Materie oder Substanit neben Gotl. ja gleichalte-
rig mit Oott, doch nicht göttlich in ihrem Ursprung. Ähn-
lich wie das Äpeiron, diLs Unendliche, des Änaximander,
ist diese Hyle leer, passiv, formlos, ja unAhig, jemals all«
das zn empfangen, was dns göttliche Wesen ihr verleilieD
konnte, obwohl zuweilen gesagt wird, dass alle Dinge von
Oott erfBllt oder durchdrungen,') und nichts Ie«r gel«s-
Und doch kann nach Philo derselbe (lOtt in «einer eige-
nen Wesenheit niemals mit der Materie in tbatsäcbliche B«-
rUhrung kommen, sondern er bediente sich vermittelnder und
unkOrperlicher Kräfte {Övpütific) oder — wie wir sie nenn«
mögen — Ideen, damit jedea ffemts seine eigentümliche F»m
annehme, 'j
1) Wie Plat» (Gegetie 6S9) eagie: »»«•■ itvai itJ-ipr .-ikm.
3} näma yiiQ neni^^tixiy ö tteae, xni (Fi« nörttaf itrX^lvtt,
Kai Hty'oi- oidif oiJi [yijfior änoUloiTiii: Leg. allog. 1. ml i,
p. 52, iii, p. 88.
3) Ifc'f Ineii^i yäg irnvi lytryt/mr ö 9£0f, oin lifti:näfi*ro<
Jffiora Xttl ftaxaffiai', /iXiti laTc älaifiirioii Jvydfuair , ür Urfif
iroua ai litiai, <u«ygr)fl(tin npiii' to ylroi tuKinor tir li^uöna»tmr
Initlf f<oQif':y. De Sacrificanl. 13. p. 2&I.
Der Logos. 395
Der Logos als eine Brücke zwischen i^ott und der Welt.
Nichts konnte darum Philo willkommener sein, als diese
stoische Theorie des Logos oder der Logoi, nm die flbersinn-
liche Ursache der Welt mit der phänomenalen Welt in Be-
ziehung zu bringen. Sie half ihm die Schöpfung der Welt
und das Vorhandensein einer lenkenden Vernunft in dem
phänomenalen Kosmos erklären, und er brauchte nur auf
die Logoi den ihm geläufigeren Namen ^Engel' anzuwenden,
nm seinen alten jüdischen Glauben mit seinen neuen philo-
sophischen Überzeugungen in Einklang zu bringen. Wie
Milman sehr richtig bemerkt hat: »Wo immer irgend eine
Annäherung an die Wahrheit von dem Vorhandensein Einer
ersten Ursache gemacht worden war, hatte entweder scheue
religiöse Ehrfurcht (wie bei den Juden), oder philosophische
Abstraktion (wie bei den Griechen; die uranfängliche Gottheit
gänzlich über den Kreis der menschlichen Sinne hinaus-
gerückt und angenommen, dass der Verkehr der Gottheit mit
den Menschen, die moralische Regierung und sogar die ur-
sprüngliche Schöpfung durch eine vermittelnde Kraft zu
Stande gebracht worden sei, entweder — in der Sprache
des Orients — vermittelst einer Emanation, oder — in der
Sprache Plato's — vermittelst der Weisheit, der Vernunft
oder der Intelligenz Eines Höchsten.«
Philo, der die scheue Ehrfurcht des semitischen Geistes
mit der philosophischen Nüchternheit des griechischen ver-
bindet, glaubt, dass Gott im höchsten Sinne sich vor allem
andern eine ideale unsichtbare Welt {;aüouO(^ yorjTog, &6qavo^)
bildet, welche die Ideen aller Dinge enthält und zuweilen
die Welt der Ideen, AÖo^iog töetov, oder selbst die Idee der
Ideen, löia rwr idewVj genannt wird. Diese Ideen sind die
Muster, ra n:aQadii'/fiaTaj aller Dinge, und die MacLt, durch
welche Gott sie ausdachte, wird häufig als die Weisheit Got-
tes {aofpia oder iTtiarrjurj) bezeichnet. Ja, Personifikation
und Mythologie schleichen sich sogar in das Allerheiligste
der Philosophie ein, so dass von dieser abstraktesten Weisheit
39G
Zwölfte Vorlesung.
als der Gattin Gottes, ^) der Matter oder der Amme aller
Dinge [/«iJTijp xai ri.f^/jyij tüv r,}.i<iy] gesprochen wird. Den-
noch aber darf diese Mutter nnd Ammo ihre eigenen Kinder
nicht gebaren oder sAngen. ^) Die göttliche Weisheit darf mit
der groben Materie ebensowenig in Itertllirang kommen, trie
Gott selbst. Diese BerUhning kommt darcti den Logos %a
stände; er ist das Band, welches himmlische nnd irdische
Dinge vereinigen^) und die geistige Schöpfung von dem gött-
lichen Geist auf die Materie Qbertragen soll. Dieser Logos
besitzt nach Philo gewisse Prädikate, aber diese PrAdikat«.
die man als die ewigen Prädilcate der Gottheit bezeichnen
darf — - denn auch der Logos war urspranglieh nur ein I*rl-
dikat der Gottheit — , werden bald mit einer gewissen Un-
abhängigkeit und Pcraönliuhkeit aasgestattet; die wichtigsten
derselben sind aber Gate (^ äya!fiitri<;} und Macht [rj /jwc-
aia). Diese Gut« wird auch die sohflpferisohe Kraft [^
n<iirjiY.i] dvvauig) genannt, wllirend die andere die könig-
liche oder die herrschende Macht {fj ,iaaiÄty.i; ävpaiit^]
heiüt; und während an manchen Stellen von diesen KrftfteD
Gottes gesprochen wird, als ob sie Gott wsren, wird ihnen
an anderen Stellen, wenn nicht gerade eiue auflgesprocheoe
Persöiilichkeit , ao doch eine unabhängige Thutigkeit mg«-
schrieben. ■*) Obgleich nun diese Kräfte {durdiing) an vielen
Stellen als ayeouym mit dem Logos gebrancht werden, W
wurden sie doch nrsprönglich als die Macht des göttlichen
Handelns anfgefasst, wAbrend der Logos die Art nnd \Veise
dieses Handelns war.
1. Drnmmoud a. a. 0., tt, p. 300.
2) An einigen Stellen jedoch vergisat Pliile den Uberweltliokea
Cbarakter dieser SopbiH oder Episteue, nod ia Dt tbrirt. $, I,
•W\ fg. schreibt et: r; ifi ua^adtiafiii-v im tat tttov anlQua. %tU-
aipöfioi! äJiai iMf uäraf Kirt &ya!t<iXar alaSrXav nläy /iitnii'i:at tärA
i'nv xoafio",
3) Pliilo, Vita Motu 111, U; Bigg, Chrüttan PMonüU. p.l».
4) Bigg a. u. 0. p, la Note.
Der Logos. 397
LofTOS als der Solu Gottes.
Wir mtUsen stets die Thatsache im Auge behalten, dass
Philo sich in dem Gebranehe seiner philosophischen Termi-
nologie große Freiheit gestattet und sich fortwährend zu
mjtholi^ischer Redeweise hinreißen Usst, die sich späterhin
Terhärtet und fast nnverständlich wird. 80 wird Yon der
geistigen Schöpfung in dem göttlichen Geiste nicht nnr als
einem Kosmos gesprochen, sondern anch als dem Abkömm-
ling, dem Sohne Gottes, dem Erstgeborenen, dem Einge-
borenen {viog rov &eoVj ^oroyivr^^^ TrQwröyoyog] ] an
anderen Stellen hingegen wird er der ältere Sohn rvQiaßv-
riQog vVog) genannt, im Vergleich zu der sichtbaren Welt,
welche dann als der j fingere Sohn Gottes {yeibrtQog vibg
rov ^£or) oder selbst als der andere Gott [dhvrtQog ^edg]
bezeichnet wird.
Alle diese Ansdrficke, die zuerst rein poetisch sind^
werden nach einiger Zeit Kunstausdrficke, die nicht nur einmal
oder zufiUig gebraucht, sondern als die charakteristischen
Merkmale einer philosophischen Schule fiberliefert werden. Ffir
nns sind sie von der größten Wichtigkeit als Meilenzeiger, die
den Weg zeigen, auf welchem gewisse Ideen von Atiien nach
Alexandria gewandert sind, bis sie schließlich in die geistige
Atmosphäre Philo's, und nicht nur PhUo*s, sondern auch seiner
Zeitgenossen und Nachfolger — Juden, Griechen oder Chri-
sten — gelangten. Wo immer wir auf das Wort Logos stoßen,
wissen wir, dass wir es mit einem Wort griechischer Herkunft
zu thun haben. Ais Philo das Wort annahm, konnte es im
Wesentlichen ffir ihn nicht mehr und nicht weniger bedeutet
haben, als was es frfiher in den Schulen der griechischen
Philosophie bedeutet hatte. Und wenn die ideale Schöpfung
oder der Logos von Philo der Eingeborene oder der einzige
Sohn viog uoroyet'rg], der Sohn Gottes [viog ^eov), genannt
worden war, und wenn dieser Name nachher von dem Ver-
fasser des vierten Evangeliums auf Christas fibertragen wurde,
kann auch das von Christus Ausgesagte im Wesentlichen
398 Zwölfte Vorleaiing,
nnr das geweaen sein, was in diesen KunstausdrOcken. win
sie zuerst in Alhen and nachher in Alexandria gebraactit
worden waren, schon vorher enthalten war. FOr den Ver-
fasser des EvaiigeUnrns war Christus nicht der Logos, weil
er .lesua von Nazareth, der Sohn Marias, war, aoodern weil
man glaubte , er sei das Fleisch gewordene Wort Gottes im
wahreu Sinne dieses Ausdrnckeä. Dies mag zunHchst b9ch»t
sonderhar acheinen, aber es »eigt. wie erhaben die AulTafr-
snng von dem Sohne Gottes, dem Erstgeborenen, dem Ein-
zigen, in dem Geiste derer war. welche sie zuerst gebrauchten
und kein Bedenken trugen, sie auf ihn zu Übertragen, in
dem, wie sie glaubten, der Logos Fleisch geworden war
(o(i(i^ iyivtTo), ja in dem >die ganze Falle der Gottheil
leibhaftig' wohnte. ')
Es ist richtig, dasa (^hristlicbe Schriftsteller, welche ab
hohe Autoritäten gelten, die erste Idee dea Logos lieber von
Pal&stina als vom heidnischen Griechenland herleiten mScbten.
indem sie den ersten Keim desselben io der dentero-canoD^
sehen 'Weisheil' zu finden glauben. Wer mOcbte luugttoii
oder auch nur erst behaupten, dass Philo ganz und gar von
jttdischem Denken erfüllt ist? Dass die hebritischea Ptd-
pheten mit der Idee eines in Gott existierenden und ron
Gott ausgehenden 'göttlichen Wortes' und 'gSttücben üeial«s
vertraut waren, wird ebenfalls allseitig zugegeben. So l«ieB
wir im Psalter XXXIII, E>: »Der Himmel ist durchs Wort
des Herrn gemacht, und alle sein Heer durch den Geist sei-
nes Mnndosi (mi nnd -i3l]. Wiederum CVIl. 20: .Er
sandte sein Wort und machte sie gesnnd;< CIV, 3u: >Dn
lAssest aas deinen Odem, so werden sie geschaffen; oad
verneuerst die Gestalt der Erden ;< CXLVU. 1$: 'Er spricht,
Bo zerschmelzet es.' Doch bedeuten an allen diesen stellen
die AusdrOcke 'das Wort' nnd 'der Geist' nicht viel nwkr
als den Befehl oder die Kundgebung Johorahs. Und dw-
eelbe gilt far Stellen , wo die göttliche Oegonwart «der
II Ep. Col. H. 9.
Der Logos. 399
Offenbarung als sein Engel^ der Engel Jehovahs, bezeichnet
wird. Es wäre in der That schwer zn sagen, was für ein
Unterschied zwischen dem Engel Jehovahs, Jehovah selbst
und Gott zum Beispiel im dritten Kapitel des Exodus sei;
und wiederum im XXXII. Kapitel der Genesis zwischen
Gott, dem Engel und dem Manne. Und dieser Engel , mit
dem Jakob rang, wird schon von einem so alten Propheten
wie Hosea .XII, 4 erwähnt.
Dies sind alles rein jüdische Auffassungen, noch unbe-
einflusst von irgendwelchen griechischen Ideen. Was ich
bezweifle, ist, ob irgendwelche von diesen Keimen — die
Theophanie durch Engel, die Erhebung des Wortes Jehovahs
(rrrr '^2% zu einer Wesenheit, oder schließlich die Perso-
Difikation der Weisheit («TC^n] — von selbst sich hätten zu
dem entwickeln können, was die griechischen Philosophen
und Philo unter Logos verstanden. Wir dürfen nie ver-
gessen, dass Logos, als es von Philo angenommen wurde,
nicht mehr ein allgemeiner und Undefinierter Ausdruck war.
£r hatte seine bestimmte technische Bedeutung, genau so wie
ovaia, v:iiQovaia^ ii/c/^ujaig, eyioaig und x^iioaig. Alle diese
Ausdrücke sind aus griechischer, nicht aus hebräischer Werk-
etätte hervorgegangen. Die Wurzeln des Logos waren von
Anfang an intellektuell, die der Engel theologisch, und als
die Engel, sei es als Diener und Boten Gottes, oder als
zwischen Gott und den Menschen in der Mitte stehende
Wesen, durch die Gedanken der griechischen Philosophie
neu belebt wurden, da sanken die Engel und Erzengel, wie
es scheint, zu bloßen Namen und Rückerinnerungen herab,
und in Wahrheit meinte man damit nichts Anderes, als die
Ideen der Platoniker, die Logoi der Stoiker, die urbildlichen
Gedanken Gottes, die himmlischen Modelle aller Dinge, die
der Materie aufgeprägten ewigen Siegel. '; Nicht Einer von
diesen Gedanken lässt sich als semitisch nachweisen.
1 Jddai, Xöyoij li-notf atfoaytöiy. i\\u^T aiicli dvytiuei^, äyyf-
/.oi. und sogar /tunity.
400 Zwüifto Vorleeung.
Philo spricbt ganz deutlich von den «wigen tjOgoi,
fwetobe man,' nagt er, >li:ngel zu nennen pflegt. <>,
WcIxliKlt oder Sophia.
Und ebeneowenig, wie der ülanbe an Engel je 2h der
Theorie von dem Logos oder Jen Logoi, als einem Bande iwi-
scbon der siuhtbaren nnd der unaichtbaren Welt, geführt haben
wilrde, kann mao annehmen, dass solche als Keime vorhandene
Ideen, wie die von der Scbecbinah oder der Herrlichkeit Gottes
oder der Weisheit Gottes, von selbst und ohne Berllbrnng mit
grieohisehem Denken zu rein philosophischen BegriO'eii. wie vir
sie bei Philo und seinen Nachfolgern ßnden, emporgewachsen
sein worden. Die Beniitische 'Weisheit', welche sagte: »Da
er die Himmel bereitete, war ich daselbst • (dprllche 8al.
VIU, 27), hÄlte allenfalls zu Philo a Sophia oder Epiatan«,
welche vor dem Logos bei Gott ist, führen kOnnen. Abei
die 'Weisheit' der SprQche Salomonis ist gewiss nicht der Logo»,
sondern, wenn irgend etwas, weit eher die Mntter des Logos,'!
ein fast mythologisches Wesen. Wir wissen, wie der semi-
tiacbe Qeist geneigt war, die thatigen Kundgebangen der
Gottheit durch entsprechende weibliche Namen auszudrüeken.
Dies ist etwas ganz Anderes, als wenn man die mit tarn
Verstand zu begreifende Welt (den xöaiiog i-iitjni^) alt den
Logos, das Wort Gottes, das ganze Denken Gottes od«r dl*
Idee der Ideen darstellt. Dennoch worden die beiden Ideen,
die semitische und die griechische, so gut es ging, zussmnieB-
gebracht, freilich anf etwna gezwungene Art, so wenn wir
sehen, wie Philo die Weisheit, die jnngfVlnliche Tochter
1) Philo, De *om«,
f»oe äyyHovi; ibid, I, 2:
» 1. Ist: ü9iii'iiio,: loyow. oi-t taXtU
duit xttittf. Ibid. 1, 2a: &y]>tlmt Jt»}wi
3) Dr profug. 20, p. 502: _/(ön
. /ii;i\i'(ic <H online , M ^i
Der Logos. 401
Gottes (Bethael), selbst den Vater sein lässt, der die Intelli-
genz nnd die Seele erzeugt ^) Ja, er fährt fort und behaup-
tet, dass die Weisheit, obgleich ihr Name weiblich sei, ihrem
Wesen nach männlich sein müsse. Alle Tugenden haben die
Namen von Frauen, aber die Kräfte und die Thätigkeit von
llännem . . . Damm ist die Weisheit , die Tochter Gottes,
männlich und ein Vater, der in den Seelen Gelehrsamkeit
und Unterweisung, Wissenschaft und Klugheit, schöne und
lobenswerte Thaten erzeugt.^) In diesem Prozess der Mi-
schung jüdischen und griechischen Denkens behielten am
Ende die griechischen Elemente stets die Oberhand über die
jüdischen; der Logos war stärker als die Sophia, und der
Logos blieb der Erstgeborene, der eingeborene Sohn Gottes,
wenn auch noch nicht im christlichen Sinne dieses Aus-
druckes. Doch wenn wir in späterer Zeit sehen, wie Clemens
von Aiexandria von dem göttlichen und königlichen Logos
(Strom. V, 14) als dem Bilde Gottes und von der mensch-
liehen Vernunft als dem im Menschen wohnenden und den
Menschen mit Gott vereinigenden Bilde dieses Bildes spricht,
können wir zweifeln, dass dies Alles griechisches Denken ist,
daa unter jüdischer Bildersprache nur spärlich verhüllt er-
seheint? Diese jüdische Bildersprache bricht noch einmal
hervor, wenn der Logos als der Hohepriester, als ein Ver-
mittler zwischen der Menschheit und der Gottheit, dargestellt
wird. So lässt Philo den Hohepriester sagen: »Ich stehe
zwischen dem Herrn und euch, ich, der ich weder unge-
sehaffen bin, wie Gott, noch geschaffen wie ihr, sondern ein
Mittelding zwischen zwei Extremen, ein Leibbürge nach bei-
den Seiten hin.«^)
Ist es vielleicht möglich, dass die Vorschrift, der Hohe-
priester solle nicht seine Kleider zerreißen, die der sichtbare
1, Bigg a. a. 0. p. 16 Note; p. 213.
2, Philo, De Prof., 9 1, 55:i,.
3, Bigg a, a. 0. p. 20.
Max M Aller. Theosoplüe. 26
402
Zwülfte VorlesiiiiK,
EosmoH seien {De profugis, g 2Ü), tu der Uee Anlaäa gab,
dsss der Rock Christi >aiigenahet war, von obeu an gewirok«t
dorcli und durch«, daes er nicht zerrissen werden solle, ao
dftss sowohl die MessiantBche als aucii Av> Philoniscbe Weis-
sagung zu gleicher Zeit und auf dieselbe Weise erfOllt w»r-
den wären? ')
Den Oeblldeton unter den ßabbinen, welche mit Cbri-
stua oder seinen Scholern zu .Teruaalem disputierten, wu
der Lugu9 wahrscheinlich ebenso geläaBg wie dem Philo ; ja
wenn Philo in Jernsalem gelebt hätte, wäre es ihm welil
nicht schwer gefallen, in Chriatns den ittioi Xdyo-i wieder-
zuerkennen, wie er denaelben als in Abraham und In Uoaea
cerkCrpert erltannt hatte,-) Wenn es den Juden gelang, in
Jesus von Nazareth ihren Messias zu erlieunen, warum BoUte
nicht ein Grieche in ihm die Ffüle des göttlichen Logos,
d. h. die Yerwirküchang der vollkommenen Idee von dem
Sohne Gottes, entdeckt haben?
Es mag ja ganz richtig sein, daaa (Ues Allea nnr für
eine kleine Anzahl gilt, und dass derlei Argumente Aber den
Gesichtskreis der großen Masse der Juden hinansgiDgeo.
Doch wnrden aufgeklärte Juden, wie Philo, von ihren Glan-
bcRsgenusscn zu Alexandria nicht nur geduldet, sondern hoch
geehrt. Für ein Leben voll Glauben, HolTnung, Sitteustreog«
und Arbeit war anerkanntermaßen die Kenntnis Gottes oder
Jehovahs, wie er im Alten Testament dargestallt war, hin-
reichend; aber Gott in der Seele zu erkennen, wie Philo Qu
erkannte, galt fDr Weisheit, Sehergabe und Frieden.
So vag nnd unsicher auch manche von PhÜo's Oeda^
keo sind, so drückt er sich doch ganz klar und bestimmt sat.
wenn er von dem Logos als dem göttlichen Gedanken spricht.
1} Die im N- T. (Job. 16, 23; gebranchten Worte /itir w^vr-
ro,- Jf" flioy erinnern an Philo. Dt MonarA. 11. % 5ß: iX^ tf i)««
Der Logoft. 403
dtr. gleich einem Siegel, der Materie nnd auch der sterb-
liehen Seele aofgeprlgt ist. In der ganzen Weh gibt es fftr
ihn nichts Gottlhnlicheres ab den Menschen, der nach dem
Ebenbilde Gottes {xar tixorc &(oi\ Gen. L 27) gebildet
var: denn wie der Logos ein Bild Gottes ist so ist die
menschliche Vernunft ein Bild des Logos. Wir mtUsen aber
nach hier zwischen dem Menschen als einem Teile der dnrch
den Verstand zu begreifenden, nnd dem Menschen als einem
Teile der sichtbaren Welt unterscheiden. Ersterer ist das roU-
kommene Siegel, die Tollkommene Idee oder das roUkommene
Ideal der Menschheit Letzterer ist die mehr oder minder unvoll-
kommene Venrielültigung desselben in jedem einzelnen Men-
schen. Eis llsst sich demnach keine höhere Auflassung der
Menschheit denken, ab </t> des idealen Sohnes, oder der Idee
des in dem Fleisch yermirklichten Sohnes. Dies war ohne Zweifel
ein kfihner Schritt, doch war er nicht kühner bei dem Ver-
fasser des Tierten Evangeliums, als wenn Philo in Abraham
nnd Anderen adoptierte Sdhne des Vaters erkannte. > Dieser
Schritt war es in der That. welcher sowohl den Juden wie
den Heiden in einen Christen verwand eite. und eben derselbe
S<hrin war es auch, den Celsus von seinem Standpunkte ans
als i^ jeden wahren Philosophen unmöglich erkllrte. nnd der
namentlich bei jenen Anstoß erregte, welche unter dem Ein-
doss der Gnostiker dazu gekommen waren, das Fleisch od^z)
a f die Quelle alles Übels anzusehen.
Monogenes, der Eingeborene«
Wir haben vorhin versucht, das Wort "Losos* b:s auf
Anaxagoras und Heraklit zurOckzuftlbren : den Ausdruck
uo%'oy<yi^ kunnen wir fast ebenso weit zurückverfolsren. Er
kommt in dem oben S. 32S citierteo Frazmeat de* Pann«-
Bides als Epitheton des h-T>chsten Wesens, ro 'Vr, vor. wo es
2ö'
404
Zwlilfle VotleBiing.
I
sseigen sollte, dass dieses höchste Wesen nar Eines in seiner
Art sein kann, und daas es safhören würde, das zn sein,
was es sein soll, wenn es ein anderem gäbe. Hier ist die
Idee von -ysvi;^ in der Bedentang 'erzeugt' ganz ansge-
aehlossen. Dasselbe Wort wird wieder von Plato im Ti-
maens gebraocht, wo er es auf die sichtbare Welt anwendet,
die er als ~il>"y cQuiiiv lit ö^arli .iiQii'y^oy bezeichnet, »ein
sichtbwes und alles Sichtbare umfassendes lebendiges Wesen,
welches das Ebenbild seines Sciiöpfers, ein durch die Sinne
wahrnehmbarer Gott, der größte und beste, der schönste and
vollkommenste, dieser einzige Ouranos die Welt), Monogen^
einzig in seiner Art, ist.< ')
Und warum gebranchte Plato dieses Wort monogonGs?
Er sagt uns dies selbst (Timaeus ;)1), wenn er schreibt:
>Haben wir also mit Recht von Einem nirameP) gesprochen,
oder war es richtiger von vielen und unendlichen zu reden?
Von Einem, soll er nach seinem Vorbilde aiiferbanl sein;
denn was da alles als lebend Denkbare umfasst, dürfte wolil
nimmer als Zweites neben einem Andern sein, Ein andered
Lebende mllsste ja dann wohl jene beiden einschließen, wo-
von sie ein Teil w&ren , und man nilrde nicht laagen. dut
die Welt nach jener beiden, sondern richtiger, dass sie nach
dieses, des Umschließenden, Ähnlichkeit gestaltet sei. Damit
diese nun als ein Alleiniges dem dnrchaus vollkommeneo
Leben ähnlich sei, darum gestaltete ihr Ürheher weder swei,
IJ Tim. 92 C;
ffilgoi', tlmötr 10V
miXlnnö,- le tat
:eXiiaiaio( yiyor
•for OQKitor %a ^axu la-
3| H. HElllor, dessen denteche übersetznni; (ilaton» Wrrkt
VI. Band, p, 148 (g.l ich liier gebe, Ijemerki in eiuer Note a. •. 0.
p. 258]: >Der Himmol, oder die Wcitordniing, oder ilaa All -
nipav.'ic, Ö töHfiot, Vo niiv] — »IkT dieser Ausdrucke bedient »leb
TimueoB, nm denselben Begriff auBzudrtlektin — bildeu ein Oanm:
es gibt nur eine, uicht mehrere voneinander unabhÜDSig« Weltna'
Anm. Hm Ührrt.
Der Lo^os. 405
noch nnendliehe Welten, sondern dieser Himmel ward als ein
alleiniger, eingeborener, und wird es femer sein.«
Anf die erzengte oder sichtbare Welt angewandt, hätte
man monogenes wie es anch geschah; durch 'der einge-
borene, onigenitns' fibersetzen können, aber die wahre Beden-
tnng des Wortes war anch hier *der Elinzige in seiner Art*.
Hier also in diesen abstrusen Piatonischen Spekulationen
mflssen wir die ersten Keime Ton Monogenes, dem einzig
Erzengten des Vaters, suchen, was die alten lateinischen Über-
setzungen richtiger durch unirus ab durch unigenitus wieder-
geben. Hier, in dieser geistigen Münze, wurde das Metali
geschmolzen und geprigt. das sowohl Philo als auch der
VerCisser des vierten Evangeliums fUr ihre eigenen Zwecke
gebrauchten. Es ist ganz richtig, dass monogenes anch in
der griechischen Übersetzung des Alten Testaments vor-
kommt: aber was bedeutet es dort? Es wird auf Sarah als
die einzige Tochter ihres Vaters, und anf Tobit und Sarah
als die einzigen Einder ihrer Eltern angewandt. Es lag in
Flllen dieser Art keine Notwendigkeit vor. die Thatsache.
dass die Kinder erxengt waren, besonders hervorzuheben.
Das Wort bedeutet hier nichts weiter als ein einziges Kind,
oder die einzigen Kinder ihrer Eltern. An Einer Stelle jedoch
im Buch der Weisheit VII. 2 '2; hat monogenes etwas von
seiner eigentfimlichen philosophischen Bedeutung an sich, wenn
es von der Weisheit heißt: »Denn es isU in ihr der Geist
der verstindig ist. heilig, monogenes, mannigfaltig, scharf und
behend.« Auch im Neuen Testament, wenn wir fSt. Lukas
VIIL 42 lesen, dass ein Mann eine einzige Tochter hatte,
ist die Bedeutung klar und einfach und ganz verschieden von
der technischen Bedeutung des Wortes in vio^ uoyoyeyr^
als dem anerkannten Xamen des Logos. So anerkannt war
die^r Xame. dass Valenünus. wenn er von *0 Moyoyeyr^
allein spricht, damit offenbar nur den Logos meinen kann.
f»der Xons. den denkenden Geist, und mit ihm den Abkömm-
ling der nnauisprechlichen Tiefe oJer des Schweigens Bv&og .
die allein die Große des ersten Vaters umfasse, da sie ja
Znülfte Voi'ioemig.
! der Vater nnd der Aufang aller Dinge Bei. Noch snr
der Synode von ADtiochi« (2ÖD n. Chr.) können wir
noht deutlicli den Wiederhali der pliUosoplüaclien äpraclie der
jQdisch-alexu od r in Ischen Schule waiirnebmeu. Die Mitglieder
dieser Synode bekenui;!) und erkläreo in ihrem Glanben»-
beke na misse, dssa der Sohn rerzeugt sei, ein eiozigur SoLn
{yevvijTi'iP, vihv ftopaytvi, , das Ebenbild des ungeseheneD
Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung, die Weisheit
und das Wort nnd die Macht Gottes, der vor allen Zeiten
da war, nicht durch Vorherwiasen, soudem durch Sein nnd
Wesenheit, Gott, der Sohn Gottes. <
Philo gebraucht natärlich den Ausdruck 'der einge-
borene Sohn' [v'tii^ fti/Vfjytvrj^ I stets Im philosophi«heo
Sinne für den — sei es durch einen Schöpfungsakt oder
durch Emanation ^ in der Welt verwirklichten nnd sichtbar
gewordenen Gedanken Gottes. Er unterscheidet das bAobile
Weiten und den Gott, tu i/y, deutlich von dem Gedanken
oder Wort dieses Wesens, dem Xiyoi; tov iVros'- Dieser
Logos schließt eine Menge von logoi ein,*) die Philo ebenso
gut hStte als lUeert im Platonischen Sinne bezeichnen kdunen.
In der That Ihut er dies gelegentlich, so wenn er den Logos
Gottes diu Idee aller Ideen nennt [iÖiu iijc iötiör, h itioit
/.i'jyoi). Ob dieser Logos bei ihm jemals peraonifiMert wurde,
ist schwer zu sagen; ich habe keine Stelle gefunden, welcbe
dies entschieden Jjeweisen »ilrde. Doch die unwiderstehliche
mythologische Tendenz der Sprache zeigt sieh überall. Wenn
Philo von dem Logos als dem Erstgeborenen (/i^iurd/ovoi,*)
oder als dem einzigen Sohn (uiot,- /tofoytriiia) spricht, so
braucht dies noch nicht mehr als metaphorische Ansdmck»-
weise zu sein. Aber die Metapher erstarrt bald zur MyUto-
Wenn wir von unseren eigenen Gedanken sprechen, kDnncB
wir sie als Unsere Geisteskinder bezeichnen; aber gar bald
kann es sein, dass mau von ihnen sagt, daes sie binwegHie-
gen, dasa sie bei unseren Freunden weilen, dass sie.FlQg»)
1) Druuuoud A. a. 0. II, p. 2i'.
Der Logos. 407
gleich Engeln haben. Dasselbe geschah mit den Logoi nnd
dem Logos ab dem Gedanken Gottes. Seine Thltigkeiten
wurden Agentien, und diese Agentien wurden, wie wir sehen
werden« bald zu Engeln.
Schwieriger ist es zu verstehen, was Philo damit meint
wenn er den Logt»s in MAnnem wie Abraham, Melchisedech
oder Moses wiederfindet. Er kann unmöglich damit meinen,
daas sie den ganzen Logos darstellten^ denn nach Philo's
Philosophie ist der ganze Logos nur zweimal, einmal in der
Boumenalen und dann wieder — minder vollkommen — in der
phAnomenalen Welt zur Verwirklichung gelangt. Da Abraham
n der phänomenalen Welt lebte, konnte er nur Eines von
den vielen Individuen sein, welche den Logos oder die Idee
des Menschen darstellen, und wenn er als die Verkörperung
des Logos galt, so konnte das nicht mehr bedeuten« als daas
Abraham eine vollkommene Verkörperung dessen war, was
der Logos des Menschen sein sollte, oder dass das volle Maß
des Logos als der göttlichen Vernunft in ihm wohnte, als das
Licht und als das zurechtweisende Gewissen.^) Auch hier
mflssen wir lernen, was wir bei dem Studium der Geschichte
der Religion und der Philosophie oft zu lernen haben, dass
es. wenn wir mit nicht völlig ausgearbeiteten und anfgekllr-
ten Gedanken zu thnn haben, ein Irrtum isl, sie als klarer
darstellen zu wollen, als sie es ftir ihre ersten Denker selbst
waren.
Beschränken wir uns jedoch auf die von Philo und An-
deren gebrauchten Kunstausdrficke . so können wir. glaube
ich. zuversichtlich behaupten, dass JeJer. der den Ausdruck
viit^ ,ii'/j'o;'*j'i-c. 'der eingeborene Sohn', anwendet. — sei
es Philo, oder der Verfasser des vierten Evangeliums, oder St.
Clemens, oder Origenes — altgriechische Sprache und altgrie-
chische Gedanken gebraucht nnd mit denselben das meint,
was sie ursprfinglich im Griechischen bedeuteten.
Philo begnügte sich damit, in dem grit-chischen Logos
1 Drammond a. a. 0. II. pp. '2\*.*. 225 {^.
40S ZwülfCe Vorlegung.
das giefnnden zu haben, was er nnd Viele mit ihm snehten:
die BrOcke zwischen dem MenschUchen nsd dem Göttlichen,
welche in der Religion durch die Unnahbarlieit Jebovfihs und
in der Philosophie durch die Unvereinbarkeit des absoluten
Wesens und der phänomenalen Welt abgebrochen worden
war. Er verweill oiolit oft bei verzückten Visiooen, welche
die Seele in Stand setzen äollen, die Gegenwart Gottes zn
sehen nnd zu fflhien. In einer schönen Allegorie von Jakobi
Traum sagt er: >Diea ist ein Bild der Seele, die aus dem Schlafe
der Oleichgtlltigkeit plötzlich aufwacht und bemerkt, dass die
Welt voll von Gott, ein Tempel Gottes ist. Die Seele,* sagt
er, >muas sich von der Sinnenwelt zur Geisterwelt der Ideen
erheben , bis sie znr Erkenntnis Gottes gelangt, welche in
einer Vision oder der Vereinigung der Seele mit Gott be-
steht; und diese ist nur den Reinsten und anoh diesen nnr
selten — d. h, in Augenblicken der Verztlekang — er-
reichbar.*
Es ist klar^ dass diese Strömnng , welche hellenbch«
Ideen in einen jüdischen Qedankenatrom hineinführte, Üebl
auf die Jnden von Aleiandria beschränkt blieb, sondern aaefa
Jerusalem und andere von gebildeten Juden hewotinte StAdts
erreichte. Viel ist darüber geschrieben worden, ob der Vor-
fasaer des vierten Evangeliums seine Lehre von dem Fleiich
gewordenen Logos unmittelbar von Philo entlehnt habe. Mir
scheint dies eine Frage, die sich fast unmOglicb auf die eine
oder andere Weise beantworten lässt. Westcott, dessen
Autorität verdientermaßen sehr hoch ist, scheint nicht geneigt
zn sein, einen unmitlelbareu Einfluss zuzugeben. Selbst Uar-
uack [1, S. Sb) glaubt, dass der Logos des St Johauct
wenig mehr als den Namen mit dem Logos des FhUo g^
mein hat. Doch kann niemand bezweifeln, dass diMdba
allgemeine Strömung, durch welche der Name Logos Bod
Alles, was er in sich schließt, zu Philo und zu des Jnden
gelangte, auch den Verfasser des vierten Evangeliums erreicht
haben musa. Ausdrücke wie Logos und Logos Monogenes sind
historische Thatsaohen, sie eiiistieren einmal nnd nur einmal.
Der Logos. 409
Wer immer den Anfang dieses Evangeliums geschrieben hat,
muss mit der griechischen und jüdisch -aiexandrinischen Philo-
sophie Fohlung gehabt und sich seine Anschauung von Gott und
der Welt unter diesem Einflüsse gebildet haben. In den
Augen des Historikers und noch mehr des Sprachforschers
ist dies wohl Ober allen Zweifel erhaben, gerade so, wie dass
Jeder, der vom »kategorischen Imperativ« spricht, mittelbar
oder unmittelbar mit Kant in Berflhrung gestanden hat.
Die Urchristen wussten recht gut, dass ihre heidnischen
Gregner sie beschuldigten, sie hätten ihre Philosophie von
Plato und Aristoteles entlehnt.^) Es war auch gar kein
Grund vorhanden, dies zu leugnen. Die Wahrheit kann man
getrost von allen Seiten entlehnen, und sie ist darum nicht
minder wahr, weil sie entlehnt worden ist. Aber die ür-
ehristen waren tlber diesen Vorwurf sehr aufgebracht und
gaben denselben ihren griechischen Kritikern zurück. Sie
nannten Plato einen attischen Moses und beschuldigten ihn,
seine Weisheit aus der Bibel gestohlen zu haben. Wer immer
mit diesen Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen Recht
hatte y sie zeigen uns jedenfalls, welche enge Beziehungen
zwischen Griechen und Christen in den ersten Zeiten des
neuen Evangeliums bestanden — und dies ist das Einzige,
was für uns als Historiker von Wichtigkeit ist.
Wir können nicht mit gleicher Bestimmtheit von anderen
mehr oder minder technischen Ausdrücken sprechen, welche
Philo auf den Logos anwendet, von Ausdrücken wie TVQioToyo-
%'og 'der Erstgeborene', ei/My ^eou, 'das Ebenbild Gottes',
ay&QioTTOi; &eov, *der Mensch Gottes', TtaQ^öeiyuce , *da3
Muster, 0'/,id, 'der Schatten', und namentlich aqxuQiv^. 'der
Hohepriester, 7iaQcr/,hTo>;. 'der Fürsprecher* 2) u. s. w. Wich-
tig aber ist es, dass alle diese mehr oder minder technischen
Namen dem Philo bekannt waren, lange bevor sie von christ-
lichen Schriftstellern gebraucht wurden, dass die in ihnen
1) Bigg. ClirUtian riatonUU, pp. 5 fg.
2, Hatch. Essays on Biblical Grttk. p. S2.
410
Zwülfte VorleBiing.
eutbaltenen Ideen TOrch ristlichen Crsprnngs waren, und das«
BJe, wenn eie von den Jüngern Christi BDgenomiiien worden,
ziinUcfast nur in ihrer yorbergängigen Meiunng MgenDinnieii
worden sein konnten. Ja, können wir nicht jetit vielleicbl
noch einen Schritt weiter gelten und behaupten, dass wir von
diesen AuBdrUcken in der chriatlichen Lltteratnr nie gebort
haben würden, wenn sie nicht von Philo, seinen VorgAngern
und seinen Zeitgenossen in ihrer eigentflmlichen Bedentmig
gebraucht worden wSren. Ist nicht dies der sl&ricste Beweis
dafür, dass von den besten Gedanken der griechischen und
der jüdischen Welt nichts ganz verloren ging, und daHS das
Christentnni in der That kam, 'da die Zeit erfftUet ward", nm du
reine Melall, das dnrch jahrhundertelange Arbeit in Morgen-
lande und im Ahendlande zu Tage gefördert worden war, la
einem neuen und stärkeren Metall, der Religion Christi, tn
mengen? Wenn wir den Anbng des vierten Evangelinmi
lesen, so scheint fast jedes dritte Wort, jeder dritte Oedaske
griechische Arbeit zu sein. leb lasse die Worte, die hSobit
wahrscheinlich griechisclien und nicht jodischen Urspranp
sind, cursiv drucken: — * Jm Anfang war das W-'or( (Log«},
und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. ')
Alle Dinge sind darck dasselbige gemacht. In ihm war das
Leben, und das Leben war da» Licht^] der Menschen. Uai
war das wabrbaflige Licht, welches alle Menschen erieuchttt
Und das Wort ward Fleisch — uttd wir sahen aeitte Herr^
lickkeit,^) eine Herrüchkril als des eingeboretien Sahnet
vom Vater. Niemand hat Gott je gesehen, der eingebortm
Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der bat es naa rtt-
knndiget.* «]
I! Derselbe Doppelsinn herrsclit anch bei Philo, siehe oben
i. SB2.
2) Daa r<af des Platu {Sta-tt V|, 3u6l und des Phil». IH
iDinn. 1, 13, p. ü'ii: itgäior fiiy o äi'oc ipüt Vau. Siehp jcdix'h PwU-
tor LI, A: LX. IS*.
3} Die Mia des Pbilo,
4J '£y Äpjfß Ir i Xiyo(, »a'i ö Xöy«e •'*■ ipit" tof tttiii-, an-l *
Der Logos. 411
So haben wir denn gesehen, wie es den Jnden, bei denen
die Kluft zwischen der unsichtbaren und der sichtbaren Welt
wahrscheinlich weiter geworden war, als bei irgend einem
anderen Volke, nichtsdestoweniger — ja vielleicht gerade
darum — gelang, die Bande zwischen Oott und dem Men-
schen so enge zusammenzuziehen, als es nur möglich ist,
und zwar hauptsächlich mit Hilfe der aus der griechischen
Philosophie gewonnenen Eingebung. Gott vor der Schöpfung
war nach Philo sich selbst genug, und selbst nach der
Schöpfung blieb er derselbe (De muL nom. 5, p. 585).
Wenn Philo ihn den Schöpfer (xr/arij^), den Demiurgos und
den Vater nennt, so nennt er ihn so mit gewissen deutlich
verstandenen Einschränkungen. Gott erschafft nicht unmittel-
bar, sondern nur durch den Logos und die Kräfte. Der
Logos also, der Gedanke Gottes, war das Band, welches
Himmel und Erde vereinigte, und durch dasselbe konnte
Gott noch einmal in einem wahreren Sinne als je zuvor als
der Vater angesprochen werden. Die Welt und Alles, was
in ihr ist, wurde als der wiihre Sohn erkannt, der von dem
Vater entsprossen und doch von dem Vater untrennbar ist.
Die Welt war noch einmal voll von Gott, und doch stand
Gott in seinem höchsten Wesen Aber der Welt, unbefleckt
von der Welt, ewig und unveränderlich.
Der Eine Punkt, in dem mir Philo's Philosophie nicht
klar ausgedachf zu sein scheint, ist das genaue Verhältnis
der individuellen Seele zu Gott. ^) Hier scheinen die Gedan-
ken des Alten Testaments in dem Geiste Philo's mit den
heo^ r,y o Xoyof. Iluvia Ji uviov iyit'eio' Iv (tvxM ^ü)\ r;v, xr.\
T ^Wf, T;y to fpvif TW*' at'&Qiü7io)r' rv to (f(jj^ jb a).rjhy6i\ o (funi-
^ft rtayru ityd^oianoy. xfci o Xoyog aao^ iyiyeio, x«i ii^eaaduexHc i\y
do^ay uvtov , do^ccy coi* uoyoyByovg TtccQu ntcroo^. (rJeby ovdtii'
iatoisxe TtianojB' 6 /aoyoyey/^^ vlo^j o uiy th thi' xö/.rtoy lov nuio'W,
ixt iyo^ Iqr^ yr^aaxo.
1) Siehe einen vortrefflichen Autsatz von Ilatch, 'Psyrholo-
gical Terms in Philo , in seinen Essays in Bihlical Greek, pp. 100
bis 130.
412 Zwölfte Vorlesung.
Lehren seiner griechischen Ueiater in Widerspraoh zv gera-
ten und seine Psychologie (wie man es wohl nennen kann!
za verwirren. Dass Philo die menschliclie Natur als Eweifacli,
als eine Mischung von Körper nnd Seele {owun nnd tpi'Xt
ansah, ist deutlich genng, Uer ans den Elemonten bestehende
Körper iat die Wohnung, der Tempel, aber anch das Grab
der Seele. Der Körper wird itn Allgemeinen als ein Übel
anfgefasst, er wird sogar ein Leichnam genannt, den wir
nnser Leben lang mit uns hernmschleppen mnaaen. Er schliefil
die Sinne nnd die aua den SianengenQssen entspringen-
den Leidenschaften ein und gilt aus diesem Grund« alt
die Qnelle allea Übels. Man hätte erwartet, daaa der Phi-
losoph Philo den Menschen als einen Teil das vielRtltigeo
göttlichen Logos behandelt and die Unvollkommenhelt seber
Natur, wie alle ünvollkomraeDhoiten in der Natur, dnrch die
nnvollkommeue Gewalt des Logos Ober die Materie erkUrt
haben würde, Hier aber kommt die all testamentliche ijAtt
zum Vorschein, dass Gott dem Menschen den lebendigen
Odem in seine Nasen einblies, and der Mensch ein« lebeit-
dige Seele ward. Auf Grand dessen sieht Philo das twijit
Element der Seele in dem göttlichen Geiste im Menschen [lä
i/tl'iv .tmvua], wahrend -Seele' (t/ny^) gewöhnlich hei ihn
eine vid weitere Bedentnng hat nnd das ganee bewnsrte
Leben und darum auch die Wahrnehmung (a'ii.Jt'h^at'i) ein-
schließt, obgleich diese, wie man glauben möchte, dem Fleisck
{ai'ufia oder auQ$) angehört. In Übereinstimmung mit Platoi
Einteilung nnterscheidet Philo oft drei Unterahioit nagen dct
Seele, die wir annähernd durch Vernunft {yovg -/.a'i Äu/»i,l,
Geist {0-vii6^) und Begehren {t.ti^vfii(i) wiedergeben kOasto.
Manchmal heißt ea, Wahrnehmung [ai'oär^tJtg] , Sprache [k6)"K'
und Denkorgan {yii-s) seien die drei WerkKenge der Et-
kenntnis {De Congr. erud. gr. IS, p. 533). Dann wieder
wird jeder Teil in zwei geteilt, so das» wir im ganien «cb
Teile haben, wahrend der siebente Teil, oder degcnigo, wei-
cher sie einteilt, als der heilige und göttliche Logos ('' 1(£W
zcii ^tiog Ad/o,-) bezeichnet wird. An anderen Stellt»
Der Logos. 413
Dimmt Philo die stoische Einteilung der Seele in sieben Teile,
nimlich die f&nf Sinne, die Rede und die Fortpflanznngskraft,
an, doch räumt er dem oberherrlichen oder denkenden* Teile
{riß ryeuoyix6i\ d. h. ö vovgf eine besondere Stelle ein, und
es wird gesagt, dass Gott seinen Odem nnr in diesen Teil
eingeblasen habe, nicht aber in die Seele als die Vereinigang
der Sinne, der Rede nnd der Zengungskraft. Damm wird
der Eine Teil der Seele, der anintelligente [akoyov], dem Blnte
alua) zugeschrieben, der andere dem göttlichen Geiste Tivevua
^iior j ; der Eine ist vergänglich, der Andere unsterblich.
Der unsterbliche Teil war das Werk Gottes selbst, der ver-
gingliche — wie bei Plato — das Werk von untergeordne-
ten 3tfiehten. Was Philo sehr anschaulich gemacht hat, ist,
dass die Sinne, welche im Menschen stets vom Denken be-
gleitet werden, an und f&r sich passiv und unempfindlich
sind, dass sie nur Bilder von gegenwärtigen Dingen, nicht
aber von vergangenen Gedächtnis) oder kfinftigen {i'oDg, ge-
währen können. Nicht das Auge sieht, sondern das Denk-
organ (yovg) sieht durch das Auge, nnd ohne das Denk-
organ würde von den auf die Sinne gemachten Eindrflcken
aichts fibrig bleiben. Philo zeigt auch, wie die Leidenschaf-
ten nnd Begierden in Wirklichkeit das Resultat der Wahr-
oehmiing [atoO-r^aig) und der sie begleitenden Lust- und
Sehmerzempfindungen sind, welche gegen den denkenden
Geist [yovg) Krieg fähren, nnd er nennt es den Tod
der Seele, wenn sie von den Leidenschaften fiberwältigt ist.
Dies kann jedoch nur metaphorisch sein, denn der höhere
Teil der Seele oder der von Gott dem Menschen eingeblasene
göttliche Geist kann nicht zu Grunde gehen. Dieser göttliche
Geist — ein Begriff, der allem Anscheine nach nicht grie-
chischen Ursprungs ist — wird zuweilen mit dem stoischen
Ausdruck ä.roarraauu bezeichnet, doch verwahrt sich Philo
sorgftltig gegen die Annahme, dass irgend ein Teil jemals von
dem höchsten göttlichen Wesen losgelöst werden könne. Er er-
klärt diesen göttlichen Geist als eine ans Gott liervorgegangene
Erweiterung, und er nennt das Denkorgan (rofv), welches
414
Zwölfte Vorleaung.
dieser Geist der Seele des Menschen verleiht, d.is ilinlicbste
Bild DDd Gleicbnis der ewigen nnd seligen Idee.
Wir dtlrfen jedoch he! Philo keine streng konseqnenle
TermiDologie erwarten und uns nicht irre machen lassen,
wenn wir finden, dass er zuweilen Denkorgan oder tiota in
dem allgemeineren Sinne von 'Seele' {iliiy'';] gebrancfal. Ihu
Wichtige fflr una ist, dass er, trenn ea nötig ist, zwischen den
Beiden unterscheidet. Doch schwankt er selbst d.-itm noeli
Kwiachen der philosophischen Anschannng der Stoiker, da«*
der Geist am Ende doch matoriell sei, wenn er aneb nicht
ans den vier gewShnlichen Elementen, sondern ans einem
fünften, dem himmlischen Äther, beatehe, und der Lehr« ilet
i/ioäe», dass der Geist das Bild des Göttlichen nnd des ITs-
sichtbaren sei. ''
Selbst wenn aber die 8eele als materiell, oder doch iIj
Ätherisch, aufgefasst wird, wird niohtsdcsloweniger erklirl,
daas sie himmlischen Ursprungs sei, und angenommen, das*
sie zu dem reinen Äther als zu einem Vater Enrflckkelire. 'i
Wenn dagegen der Geist als der Atem {.-lycinia) Gott«
aufgefasst wird, so kehrt derselbe zn Uott znrllck. oder viel-
mehr er war nie von Gott getrennt, sondijrn wohnte nur im
Menschen. Und hier kommt wieder die blbliache Idee i
Vorschein, dass gewisse anseiwühlte Henachen wie die Pro-
pheten von dem gatilichen Geiste erfOIlt und insofern »ob
gewChnlichon Sterblichen verschieden seien.
Doch hei all seiner Bewundernng fitr den Logos, in
fem er göttlichen Ursprungs ist, geht Philo selten av i
wie die Platoniker. Er gab nie in, dass die Seele wMu
1) Dl plantat. Xof, 5 ^1 , 332): Oi fii- r.XXei t^ at$H
yoröiioy t^c XoylX'iS ^vg^t ta rlioe hfioluf ärafiamf, iiK H***
2J Quü rrr. diein. htrei, ST (1, 514j: T» fi raifir nd »i
Der Logos. 415
ihrer höchsten Verzückung thatsächlich Gott sehen könne,
>so wenig,« sagt er, »als die Seele sich selbst sehen kann«
(De mut. nom. 2, p. 579). Aber in jeder anderen Beziehung
war die Vernunft fflr ihn die höchste Macht in der Welt
und im menschlichen Geiste. Wenn also ein alexandrinischer
Philosoph, der mit Philo^s Philosophie und Terminologie ver-
traut war, ein Christ wurde, so erhob er in Wirklichkeit
Christus zu der höchsten Stellung, die er sich — abgesehen
Ton der uranfänglichen Gottheit — denken konnte. Er erklirte
ipso facto seinen neuen Glauben, dass der göttliche Logos
oder das Wort in Christus Fleisch geworden^ d. h. er er-
kannte in Christus die vollständige Verwirklichung der gött-
lichen Idee des Menschen, und er nahm zu gleicher Zeit flQr
sich und für alle wahren Christen die Macht in Anspruch,
Söhne Gottes zu werden. Dies wurde von Athanasius in
nicht misszuverstehender Sprache ausgedrückt, wenn er sagte,
der Logos, das Wort Gottes, werde zum Menschen, damit
wir znm Gott gemacht werden könnten, und wieder von
Augustinus in den Worten : Factus est Deus homo^ ut homo
fieret Dens. ^ Was wir auch von diesen Spekulationen
halten mögen, so können wir, glaube ich, doch als Hi-
storiker in ihnen eine richtige Darstellung der religiösen
und geistigen Gärung erkennen, die in dem Geiste der ersten
griechischen und jüdischen Konvertiten zum Christentum
vor bich ging, als sie, ohne mit ihren philosophischen
Überzeugungen zu brechen, sich mit vollkommener Ehrlich-
keit der Religion Christi anschlössen. Drei wichtige Punkte
wurden durch diese Verbindung ihrer alten Philosophie mit
ihrer neuen Religion gewonnen: das Gefühl der engsten Ver-
wandtschaft zwischen der menschlichen und der göttlichen
Natur, die hervorragende Stellung Christi als des Sohnes
Gottes im wahrsten Sinne, und zu gleicher Zeit die der Mög-
lichkeit nach vorhandene Brüderschaft zwischen Christus und
der ganzen Menschheit.
1 Siehe die Bemerkungen von Cusauus in Dürs Xicolaus
Cusa/ius, Bd. IL p. 347.
416 ZwJlirte VorleBun^.
Inwiefern diese Interpretation des Logos, wie wir sie
nicht nar bei Philo, sondern auch bei den frQhesten Konv«i^
titen zniu Christentum finden, orthodox genannt werden kuin,
ist eine Frage, die den Geschichtsforacher nicht kOmmert.
Das Wort 'orthodox' existiert in seinem Wörterbnch nicht.
Es gibt wahrscheinlich keinen Ausdruck, der von Seiten der
Theologen so viele Deutungen erhalten hat, wie 'Logos', und
keinen Vera im Neuen Testament . der für den modemco
Leser so wenig Sinn £U haben scheint, wie der erste im
Evangeiinm des 8t. Johannes. Dem Theologen steht es frei,
ihn nach eigenem GutdOnkeu auszulegen, der 0 esc hieb tsfor-
Bcber aber hat keine Wahl. Er mnss jedes Wort in dem
Sinne aiitTassen, in welchem es von denen, die es gebraueb-
ten, EU ihrer Zeit aufgefaast wurde.
Jnpiter alri der Sobn Gottes.
Dass der Oeistesprozesa , durch welchen die grieebisebe
Philoso|)hie sich den Lehren des Christentums anpassle, dem
Zeitgeist entsprach , wird am besten dnrch einen analog
ProKess erwiesen, der die nenplatonischen Philosophen dt»
führte, ihre philosophischen Theorien auch in ihrer eigeses
alten Mythologie wiederzufinden. So spricht Plotlnni ron
dem höchsten Gott, der einen schönen Sohn erxeugt und
ohne jede Mühe oder Plage alle Dinge in seiner WescDbeil
hervorbringt. Da nämlich diese Gottheit von ihrem Werke
entzOckt ist und ihre Nacbkommenschaft liebt, so pfluist ä»
ttUe Dinge fort und verbindet sie mit »ich selbst, erfreut Über
sich selbst, sowie auch über die von ihren Kindern eolfsl-
lete Pracht. Da aber diese alle schön, und die Qbrigblei-
benden noch schöner sind, strahlt Jupiter, Avt Sohn des
Verstandes, allein äußerUch bervor, ans den herrlichen ^VohIl-
Stätten seines Vaters hervortretend. Und an diesem lettteB
Sohne kSnnen wir wie an einem Bilde die GrOße ma»
Vaters schanen, sowie auch seiner Brllder, jener gflltlich»
Der Logos. 417
Ideen, welche in geheimnisvoller Vereinigung mit ihrem
Vater leben. ^.
Hier sehen wir, dass Jnpiter, ursprünglich der Vater der
Götter und Menschen, dem höchsten Wesen weichen und als
ein phänomenaler Gott, oder als der Logos, sich mit der
Stelle des Sohnes Gottes begnflgen muss. Das ist die grie-
chische Philosophie, wie sie versucht, die alte griechische
Religion zu durchdringen und neuzubeleben. gerade so wie wir
sahen, dass sie versuchte, sich mit den Lehren des Christen-
tums zu befreunden, indem sie anerkannte, dass das göttliche
Ideal der Vollkommenheit und Güte in Christus verwirklicht
sei und mit der Zeit in Allen, welche die Söhne Gottes wer-
den sollen, verwirklicht werden solle. Der Grundton aller
dieser Bestrebungen ist derselbe: ein immer stärker hervor-
tretender Glaube, dass die menschliche Seele von Gott komme
und zu Gott zurückkehre, ja dass sie — in streng philoso-
phischer Sprache — niemals von Gott losgerissen ic;i6orraaua)j
dass die Brücke zwischen Gott und dem Menschen nie ab-
gebrochen, sondern nur durch die vou den Sinnen und dem
Fleische erzeugte Dunkelheit der Leidenschaften und Begier-
den auf einige Zeit unsichtbar gemacht worden sei.
1; Plotinus. Emieaden, II; Taylor. Platonic Uvitgtott, p. 263.
M»z Xftll«r, Tkeotopliie.
Dreizehnte Vorlesung.
Alexandrinisches Ohristentom.
Stoiker und Neuplatoniker*
Ich suchte in meiner letzten Vorlesung zu zeigen, wie
Philo als der Vertreter einer wichtigen historischen Phase des
jüdischen Denkens sich bemtthte, mit Hilfe der griechischen
und namentlich der stoischen Philosophie eine Brücke von
der Erde zum Himmel zu schlagen, und wie es ihm gelang
zu entdecken, dass diese zwei Welten gleich zwei Ländern, die
jetzt durch einen seichten Isthmus getrennt sind, ursprünglich
nur Ein ungeteiltes Festland bildeten. Wenn die ursprüng-
liche Einheit der Erde und des Himmels, der menschlichen
und der göttlichen Natur einmal entdeckt worden ist, nimmt
die Frage betreffs der Rückkehr der Seele zu Gott einen
neuen Charakter an. Es handelt sich nicht mehr um ein
Hinaufsteigen zum Himmel, eine Anfnähernng an den Thron
Gottes, eine verzückte Vision Gottes und ein Leben in einem
himmlischen Paradies. Die Vision Gottes ist vielmehr die
Erkenntnis des göttlichen Elements in der Seele, und der
Wesenseinheit der göttlichen und der menschlichen Katar.
Unsterblichkeit braucht nicht mehr behauptet zu werden, denn
es kann keinen Tod geben für das, was im Menschen gött-
lich und darum unsterblich ist. Ewiges Leben und ewiger
Friede ist Allen beschieden, welche fühlen, dass der göttliche
Geist in ihnen wohnt, und welche so die wahren Kinder Gottes
geworden sind. Philo hat sich von der volkstümlichen escha-
Alexandrinisches ChriBtentam. 419
tologiflchen Terminologie nicht ganz frei gemacht. Er spricht
Ton der Stadt Gottes and von einem mystischen Jerusalem.
Doch brauchen diese Ausdrücke nichts weiter als poetische
Metaphern für jenen Oottesfrieden zu sein, der alle Namen
nnd alle Begriffe übersteigt.
Immerhin ist die eschatologische Sprache Philo*s weit
einfacher und nüchterner, als das, was wir selbst in christ-
lichen Schriften jener Zeit finden, in denen' der Geist der
nenplatonischen Philosophie neben den gemäßigteren Über-
lieferungen der jüdischen und der stoischen Schule des Den-
kens thfttig gewesen ist. Der Hauptunterschied zwischen
den Neuplatonikem und den Stoikern ist der, dass die Neu-
platoniker, die christlichen sowohl wie die heidnischen, mehr
auf das Gefühl als auf logische Schlussfolgerungen vertrauen.
— Damm verlassen sie sich vielmehr auf verzückte Visionen,
»
als Philo nnd seine stoischen Freunde. In vielen anderen
Punkten jedoch, namentlich in Bezug auf das ursprüngliche
Verhiltnis zwischen der Seele und Gott, ist nicht viel Unter-
schied zwischen den Beiden.
Plotinus*
Plotinus, der Hauptvertreter des Neuplatonismus zu
Alexandria, kann, obgleich er durch zwei Jahrhunderte von
Philo getrennt ist, ein indirekter Abkömmling dieses jüdischen
Philosophen genannt werden. Er soll mit Numenius verkehrt
haben, der in die Fußtapfen Philo's tratJ) Plotinus ging
aber weit über Philo hinaus. Er trieb den Idealismus auf
die Spitze. Während die Stoiker sich damit begnügten, zu
wissen^ dass Gott ist, und sein Bild in den Ideen der unsicht-
baren nnd den mannigfachen Gestalten der siehtbareu Welt
wiederzufinden, betrachteten die Neuplatoniker die unfassbare
1 Porphyrius musste ein ganzes Buch schreibeu. um zu be-
weisen, dass Plotinus nicht einfach von Numeuius entlehnt hat.
27*
420
Dreizehnte Vorlesung.
und nnoffenbarte Gottheit a!s das liCchste Ziel ihres Streben«,
ja als einen möglichen Gegenstand ihrer verzückten VTflion.
Wo der Stoiker sich in ehrerbietiger Entfernung halt, ntflrit
der Nenplatoniker mit leidenschaftlicher Liehe herein nnd
gelallt sich in Traumen nnd Phantasien, die am F.nde onr
znr SelbsttäDschung und zam Betrug fflbren konnten, lodern
die Stoikor Gott als die Ursacho alles dessen, was io diu
Bereich der sinnlichen nnd geistigen Erfahrnng des Menschm
fällt, ansahen, kamen sie za der Schlussfolgernng, daas er
nichts von dem sein k')nne. was eine Wirkung ist, und äu*
er keine Attribute haben dllrfe llnoiog: , dnrch welch» er
erkannt und benannt werden kOnnte, Gott war bei ikoen
einfach, ohne Eigensuhaften, anbegreifbar und nnbcnennhar.
Vom ethischen Standpunkte gab Philo zu, dass die menaeli-
liche Seele streben sollte, des Körpers ledig Ifi'yi l»- f"f
aü/iitTri^) und Gott gleich [f/ irfilii; tfehv t^o/joimaii] n
werden. Er spricht sogar von f t'wo/^.-, Vereinigung, aber «
spricht nie von jenen mehr oder minder sinnlichen, vrnflek-
ten und seligmacheiiden Visionen der Gottheit, welohe da
Hauplthema der Neuplatoniker bilden. Diese sogenannten Al>-
kSmmlinge Plato's hatten viel von den Stoikern entlohnt, doeh
herrschten hei all dem die retigiüsen Elemente in ihrer Phi-
losophie so vollständig vor, dass zuweilen die alte meLapbj-
&ische Grnndlage zu verschwinden drohte. Während die Vennß
nnd das Vernünftige in der phänomenalen Welt den Haopt-
gegenständ stoischen Üenkens bildet, konzentrierte sieh das
Hauptinteresse der Neuplatoniker auf das, was nber die Ver-
nunft hinausgeht. Man kann sagen, dass gewissermaßon schon
der Stoicismus des Philo in diese Richtung wies, denn uob
sein Gott war als über dem Logos stehend gedacht, Dnd MÜlt
Wesenheit blieb anbekannt; doch war Kenntnis von dtn
Dasein Gottes nnd Ähnlichkeit mit Gott dae bOohst« Ziel,
und Ziitlncht zu ihm war das ewige Lehen. '} Man hat An-
halb richtig bemerkt, dass der Kenplatoniker sich VM»
1)
Dl pro/. 15 [I, 557;
AlezjuDdiiniMheB ChristeDtmiL 421
Stoiker mehr dureh Tempermment als durch ArgamenUtion
«■tersehcidet
Der NeupUtoniker gUabt, wie der Stoiker, jui ein ur-
aafibi^ehes Wesen, sowie mn eine idejde Welt [rovg. x6auo^
vorzd^) als das Urbild der phänomenalen Welt [xoauo^
o^trr^;. Die Seele ist anch ftlr ihn göttlichen Ursprungs.
Sie ist das Bild des ewigen yous^ eine unkdrperliche Sub-
stanz, die zwischen dem Xous und der sichtbaren Welt in
der Mitte steht Je mehr die Seele sich von ihrem Urquell
eatfemt, desto mehr fiült sie in die Gewalt dessen, was wir
dBe Materie nennen würden, des Unbestimmten .a.rei^oy] und
des Unwirklichen (ro ur ov). Hier setzt nun die Philosophie
ein, nm der Seele ihren Weg zurQck nach ihrem wiiklichen Heim
za zeigen. Dies wird durch das Üben der Tugenden, von der
■iedrigiten bis zur höchsten, zuweilen durch eine sehr strenge
aaeetiseheDisciplin, ganz wie in Indien, bewerkstelligt. Am Ende
jedoch kann weder Erkenntnis noch Tugend etwas fruchten.
Tellstftndiges Selbstvergessen allein kann die Seele zur Gott-
heit flhren, in deren Umarmung unaussprechliche Seligkeit
ZB finden ist. So sagt Plotinus, wenn er von dem vollstin-
digen Aufgehen des Menschen in dem Absoluten spricht i^j
>Vielldcht kann man es gar nicht einmal ein Anschauen
; es ist eine andere Art des Sehens, eine Entzückung,
rereinfnchung. eine Erhöhiug. ein Streben nach Berflh-
eine Buhe. Es ist das höchste Streben nach Vereini-
gung, um wo möglich zu schauen, was im Heiligthume ^'j
Sdvtoy. das Innerste des Tempels ist. Doch auch wenn
warn sehen könnte, w&re nichts vorhanden. Durch solche
Gleichnisse suchen die weisen Propheten anzudeuten, wie
Gott geschaut werden könne, und der weise Priester, der die
AndeutDBg versteht, kann wirklich, wenn er bis ins Ileilig-
tarn vordringt, eine wahrhaftige Anschauang erlaogen.c Diese
AMchaaungen, in denen man nichts sehen konnre. ii^nirden na-
tftilieherweise als Geheimnisse behandelt, und die aller wahren
1 Thoinek, Morgeolindische M\ätik Berlin 1S25 p. 5.
I
422 Dreizehnte Vorlesung,
Philosophie so fenliegende Idee des MysteriamB wurde aeliT
und mehr vorherrschend. Su sagt Plolinus selbst, dies MJeo
Lehren, die als Mysterien beträchtet and nicht vor die Un-
eingeweihten gebracht werden sollten. Aach Prudus S«gt:''
>Sq wie die Mystae in den allerheiligaten Weihen (ifkitai)
znerst auf ein vielgestaltiges and mannigraches Göttergeschleebl
stoßen, ins Heiligtum aber gotreten, tinbewcgUch. umgeben
von den Weihen, die güttlich« Erleuchtung sofort in Ihrtn
Busen aufnehmeo. und leicht gerüBteten Kriegern gleich im-
verzllglich des Göttlichen sich bemächtigen, so geschieht tr
auch bei dar Anschauung des Alls. iSlickt die Seele anf
das, was ihr nachsteht, »o sieht sie die gchatten tmd Trug-
bilder des Seienden. Wenn sie aber in ihr eigentw WeWB
sieh wendet, und znerst ihre eigenen VorhUtnisse eDthDUL
erblickt sie zuerst sich selbst nur, tiefer eindringend jedeeli
in die Erkenntnis ihrer selbst, findet sie den Geist in sink
und alle Ordnungen der Dinge. Und dringt sie in ihr In-
nerstes, gleichsam in dus Adyton (urli-rci' der tleele, m kann
sie also das Gesohlecht der GOtter und die Einheiten lUtf
Dinge mit geschlossenem Au^e Bchaneti.<
Plotiniia und seine Schule scheinen fremden. namanUicb
oriontati sehen Koligionen nnd aherglftubiHohen Ueinnaj^a
große Aufmerksamkeit geschenkt und sich bemOht zu haben.
in ihnen allen Überreste göttlicher Weisheit »n enldedien
Sie wollten sogar die Religion des römischen lieiclicfi bevab-
ren und wieder auffrischen. Indem die Nunplatoniker fb
sich selbst eine Offenbarung in Anspruch nahnieu, wwn *M
um so mehr geneigt, auch göttliche Offenbarangea bei u-
deren Religioneu aniunehmon und sie alle zu einer luüm-
salen Reli^on zu vereinigen. Doch was trir unter ftnas
historisch-kritisohen Studium anderer ßeügioncn
war zu jener Zeit unmöglich. Wahrend Philo bei w:
unerschtttterlichen Festhalten an dem jüdischen tiUnbea
!) Siehe Thuluck a. «. 0. p. «.
AlexandriDi&chea Christen tum. 423
damit begnügte. Alles im Alten Testament, was mit seinen
philosophischen Überzeugungen nicht verträglich schien, alle-
gorisch auszulegen, nahmen die Neuplatoniker Alles an, was
mit ihren mystischen Träumen in Einklang zu stehen schien,
und öffneten dem Aberglauben, selbst der schlimmsten Sorte,
Thfir und Thor. Sonderbar ist es aber, dass Plotinns der
christlichen Religion, die damals in Alexandria rasch Einfluss
gewann, wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben scheint.
Seine Schüler aber, Amelius und Porphyrius, befassen sich
beide mit derselben. Amelius besprach das vierte Evange-
lium eingehend. Porphyrius schrieb sein Werk in fünfzehn
Büchern gegen die Christen, namentlich gegen ihre heiligen
Bücher, die er als das Werk von unwissenden Leuten und
Schwindlern bezeichnete. Und doch zählte keine Sekte und
keine Schule so viele decepti dereptores^ wie die der
Neuplatoniker. Magik, Thaumaturgie, Levitation, Glaubens-
kuren. Gedankenlesen. Spiritismus und alle Arten frommen
Betrugs wurden von Schwindlern ausgeübt, die — manche
derselben mit großem Gefolge — von Ort zu Ort herumzogen.
Ihr Eintluss war weit verbreitet und höchst verderblich. Doch
dürfen wir nicht vergessen, dass derselbe Neuplatonismus
unter seinen Lehrern und Ghlubigen auch Namen zählte, wie
Kaiser Julian ;331 — 363\ der den Neuplatonismus eindring-
lich genug lehrte, um das Christentum zu verdrängen und
die alte Religion Roms wiederzuerwecken ; auch — wenig-
stens auf einige Zeit — .y/. Augui^tinus '354 — 430 V Hy-
paiia. die schöne Märtyrerin der Philosophie (f 415 . und
Prochis (411 — 4S5), der gleichsam das Bindeglied zwi-
schen der griechischen und der scholastischen Philosophie
des Mittelalters und mit Dionysius Eine der Hauptauto-
ritäten der mittelalterlichen Mvstiker wurde. Durch Proclus
•
wunien die besten Gedanken der Stoiker, des Aristoteles,
Plaios. ja noch älterer Philosophen Griecheulands . wie des
Anaxagoras und des Heraklit. den größten scholastischen
und mystischen Doktoren in der Kirche des Mittelalters über-
mittelt; ja es gibt Strömungen in unserer eigenen modernen
424 Dreizehnte Vorlesatig.
Theologie, wulche sich durch einen untmlerbroobenen Strom
Auf Anregnugeii zurückführen lassen, die dem Gehirne der
ältesten Denker Kleinasiens und Griechenlands eatspraugen.
Ehe wir Plotinua und <Iie Neuplatoniker verlassen, mOchte
ich Ihnen einige Auszüge ans einem Privatbriefe vorlesen,
den dieser Philosoph an FUccns schrieb. Wie die meisten
Privatbnefe gestattet er uns einen besseren Einbliok in die
innersten Gedanken des Suhreibera und in das, was or ftr
die wiohtigaten Pankte seines philosophischen Systems hielt,
aU irgend ein selbst weit svr^ltiger durchdachtes Buch.
Brief ron H^tlngs an Haecns.
lezng anf
lAußere Gegenstände, < schreibt er, 'bieten uns i
scbeinuugen dar,< d. b. sind nur phänomenal. In Bezog i
diese also, kann man sagen, besitzen wir vielmehr HeinviiK
als Erkenntnis. Die Unterscheidungen in der thatsfleblichni
Eracbei nun gs weit sind nur fOr gewöhnliche und praktische
Menseben von Wichtigkeit. Unsere Frage dreht sich nm die
ideale Wirklichkeit, welche hinter der Erscheinnog esistint.
Wie nimmt der Geist diese Ideen wahr? Sind sie außer iinii
und beschädigt sich die Vernunft, ebenso wie die Slnii«*-
Wahrnehmung, mit Gegenständen, die außerhalb ihrer sclhu
liegen? Was filr eine Gewissheit könnten wir dann haben,
was für eine Versicherung, dass unsere Wahrnehmung nn-
trtlglich gewesen y Der wahrgenommene Gegenstand wOrd«
etwas von dem ihn wahrnehmenden Geist Verschiedenes sein.
Wir wtivden dann ein Bild anstatt «liner Wirkliohkeit haben
Es w&ru widersinnig, auch nur fOr einen Augenblick m
glauben, dass der Geist unfähig sei, die ideale Wahrheit gcnaa,
so wie sie ist, wahrzunehmen, und das$ wir keine Gewissheit,
keine wirklich« Erkenntnis hinsichtlich der Verstau de« well
hätten. Daraus folgt, dass dieses Gebiet der Wahrheit niohi
als ein außer uns liegendes und darum nur nnvoUkomnen
erkanntes erforscht werden darf. Es ist in uns selbst. Iliei
sind die Objekte, die wir betrachten, und das, was bolrachlet
v^
Aleundrinisches Christentum. 425
identisch — beide sind Gedanke. Das Subjekt kann doch
nicht ein von ihm selbst verschiedenes Objekt erkennen. ^
Die Ideenwelt liegt innerhalb unseres Verstandes. Die
Wahrheit ist daher nicht die Übereinstimmung unserer Auf-
fassung eines äußeren Gegenstandes mit dem Gegenstande
selbst Es ist die Übereinstimmung des Geistes mit sich
selbst. Das Bewusstsein also ist die einzige Basis der Gewiss-
heit. Der Geist ist sein eigener Zeuge. In sich selbst sieht
die Vernunft das. was Aber ihr ist. als ihre Quelle; und
wiederum das. was unter ihr ist, als noch einmal sie selbst
Die Erkenntnis hat drei Grade : Meinung. Wissenschaft
und Erleuchtung. Das Mittel oder Werkzeug des ersten
Grades ist Sinneswahmehmung : das des zweiten Vernunft
oder Dialektik; das des dritten geistige Anschauung. Der
Letzteren ordne ich die Vernunft unter. Sie ist absolute Er-
kenntnis, die auf die Identität des erkennenden Geistes mit
dem erkannten Objekt gegründet ist Es gibt ein Ausstrahlen
aller Klassen von Wesen, eine nach außen gerichtete Emanation
TOn dem Cnaussp rechlichen .1060604]. Und andererseits gibt
ea einen Drang inr Rückkehr, der Alles nach oben und nach
innen gegen den Mittelpunkt. Ton dem es ausging, hinzieht
i/tiOTQOffr .
Die Liebe — wie Plato im Symposion so schön sagt —
ist das Kind der Armut und der Ftüle. In der Liebeswer-
bong der Seele um Gott liegt das schmerzliche Bewusstsein
des Falls und des Verlustes. Aber diese Liebe ist ein Segen,
sie ist das Heil, sie ist unser Schutzengel; ohne sie würde
das Gesetz der Centrifngalkraft uns überwältigen und unsere
Seelen weit von ihrem Urquell weg gegen die kalten Extreme
des Materiellen ond des Mannigfaltigen hinreißen. Der Weiae
1 Plotinus. Ennoades. 1. 6. *j: 10 yno onün' to'>,- 10 ooußueyoy
ctyyiy't'i xa\ ouoior noi^cauivoy Jii irttßicAAety i[, (ti*;. 01 yao üy
nvanoit ildiy 6(f&a'/.uoi rAtoy r^/.toitöfy ur ysyayr iiiyo^, oiök 10
xckoy ay 7dot Ct// ur x(:'/.r yiyouiyr. ' eyitjitut dr mjüßioy x^ioetd'r^
rr«,-, xai xc.Xoi .^c:> . il uii.lf.ei ^ff!<r«<r.>r:( i^coy i: x«i x«).öy. Ed.
Dübner, p. 37.
426
Dreizehnte VorlcBUDfr.
erkennt die Idee (.'Ottes in sich sclbal. Er entwickelt d«.
dadurch dass er sich in das Ällerh eiligste seiner oi^oen
äeele zurückzieht. Wer nicht versteht, wie die Seele du
SchQne in sich enthält, sucht durch mOhs&mea Schaffen die
SohCaheit außer sich zn verwirklichen. Er sollte es sich vielmehr
tarn Ziele machen, sein Wesen zn konzentrieren und zn ver-
einfachen nnd es ao zn erweitern; er sollte streben, anslail
in das Mannigfaltige hinauszugehen, es für das Eine za ver-
lassen nnd ao h iu an fzusch weben zn dem göttlichen Born de*
Seins, dessen Strom in ihm selbst fließt.
Da fraget: Wie können wir das L'nendliche erkennen?
Ich antworte: Nicht durch die Vernunft. Es ist das Amt
der Vernnoft, zu nutersclieiden nnd zn definieren. Da« ün-
eodliche kann daher nicht zu ihren Objekten gezählt werden.
Du kannst das Unendliche nur durch eiue Kraft erreichen.
die hSher ist als die Vernunft, indem du in einen Zustand
eingehst , in dem da nicht mehr dein endlichns Selbst lüal,
in dem du an der göttlichen Wesenheit Auteil hast. Ota
ist der Zustand der Verzücknng. Es ist die Befreiung d(i>
ncs tieistee von all seinen endlichen Sorgen. Nur das AlllH
liehe kann Ähnliches hegreifen. Wenn du so anllidnt, m
lieb zu sein, wirst du mit dem Unendlichen Eins. In dw
ZarttckfUhrung deiner Seele auf ihr einfachstes Selbst {Sttit*-
ut^), ihre gSttliohe Wesenheit, wirst du dir dieser Einheit,
tifliii, dieser Identität i/'i'fiioic) hewusst.
Verzückte geistige Ansehanauiir,
Plotinua fügt hinzu, dass dieser Znslnnd der VenQckmff
nicht hftnBg verkomme, dass er selbitt ihn nur dreimal i>
seinem Leben (;rfahreu habe. Es gibt verschiedene W«p,
welche zu demselben führen: Die Liebe zur SchAnlieit.
welche die OrdQe des Dlckleru ausmacht; Ilingabc an ilst
Eine und das Aufsteigen der WissensoliAfl, wuldies den Ehr-
geiz des Philosophen bildet; und endlich liebe nnd Gdwie.
womit irgend eine fromme nnd he^eiatette Beets ia liim
Alexandrinisches Cbristentnm. 427
moralischen Reinheit nach Vollkommenheit strebt. Wir wflr-
den diese drei Wege das Schöne, das Wahre und das Gott-
liehe nennen, die drei großen Straßen, welche die Seele zu
»jener Höbe Aber dem Thatsftchlichen nnd dem Besonderen
fähren, wo sie in der unmittelbaren Gegenwart des Unendlichen
steht, welches gleichsam ans der Tiefe der Seele hervorstrahlt«.
Porphyrins, der Schüler nnd Biograph des Plotinns, be-
richtet nns, dass Plotinns sich dessen schftmte, dass seine
Seele je habe einen menschlichen Körper annehmen müssen,
nnd als er starb, sollen dies seine letzten Worte gewesen
^in: »Ich habe dich bereits erwartet, und jetzt willige ich
gerne ein, dass mein göttliches Teil zu jener göttlichen Natur
zurückkehre, welche das ganze Weltall mit ihrer Pracht er-
f&llt.« Er sah seine Seele so an, wie Empedokles lange
vor ihm, wenn er sich >den Verbannten des Himmels, von dem
Lichtkreis verirrt, verirrt, aber doch wieder zurückkehrend«
nannte.
Alexandrinisches Christentum. 8t* Clemens.
Es war notwendig, diese Darlegung der Elemente, welche
die geistige Atmosphäre von Alexandria bildeten, zu geben,
um den Einfluss zu verstehen, welchen diese Atmosphäre auf
das früheste Wachstum des Christentums in dieser Stadt aus-
übte. So groß auch der Fortschritt war, den das Christen-
tum zu Jerusalem unter Leuten machte, die lange Zeit mehr
Juden als Christen blieben, so begann doch dessen Einfluss
auf die große Welt erst mit der Bekehrung von Män-
nern, welche damals die Welt repräsentierten, Männern,
welche an der Spitze des philosophischen Denkens standen,
welche in den Schulen der griechischen Philosophie erzogen
worden waren, und welche, indem sie das Christentum als
ihre Religion annahmen, der Welt zeigten . dass sie im stände
waren, ehrlicher Weise ihre eigenen philosophischen Über-
zeugungen mit den religiösen und moralischen Lehren von
Jesus von Nazareth in Einklang zu bringen. Nicht die
428
DreLZL'liiite Vürli'Bung.
scblicbteu Kischer von Galiläa, aoodem USnner, welche di«
höchste Erziehung, welche damals za haben war, d. h. grie-
cliiacbo Erziehnng, genossen hatten, waren es, welche mit
Kecht als die Väter und Begründer der christlichen Kirche be-
Ketchnut werden. In Palästina hätte daa Chnstentam allenfalU
eine lokale Sekte neben vielen anderen bleiben können. In
Alexandria, welches damals geradezu der Mittelpunkt der geisti-
gen Welt war, mussto es entweder die Welt erobern oder vom
Brdboden verschwinden. Clemens von Aleiandria, Origenes,
Iren&ens, Atbsnasius, BasiUns, Gregor von Nyssa, Gregor von
Nazianz, Chrysostomos, oder unter den lateinischen Kirchen-
vätern Tertuilian, Cyprian, Ambrosius, Uilarius, Augustinus,
Hieronymns und Gregor, sie Alle waren Männer von klassi-
scher Gelehrsamkeit und philosophischer Bildung, die sich
ihren heidnischen Gegnern gegenüber recht gut zu behaaplen
wusaten. Das ÜLristeutum kam ohne Zweifel aus dorn Stäb-
chen im Hause der Maria, >da viel bei einander waren und
beteten<,'] aber schon im zweiten Jahrhundert wurde es ein
ganz anderes Christentum in der kateo heiischen Schule von
Alexandria. *^j Paulus hatte den Anfang gemacht als ein
philosophischer Apologet des Christentuns und als ein m&cb-
tiger Gegner heidnischer Glaub ensm ei nuugeu und Uebr&uche.
St. Clemens aber war ein ganz anderer Vorkämpfer des neuen
Glaubens, der ihn sowohl an Gelehrsamkeit wie au philosophi-
scher Bildung weit Sberragte. Das Bekenntnis des Christentoins
seitens eines aolchen Mannes war daher eine viel bemerkens-
wertere Thataache in dem Siegeszug der neuen Religion, als
selbst die Bekehrung des Saulus. Die Ereignisse in Jerusalem,
die in den ältesten halbjfldischen und halbcliristlioben Gfr-
meinden überlieferten Sogen und Legenden nnd sogar die
ältesten schriftlichen Dokumente beschäftigten den Qeiat de«
Ij Wenn St Clemeos von aeineu eitteuen christlichen Lohi«ni
sprioht, sii|{t er von ihnen, dass sie die wahre Überllefomng der
heiligen Lebre, wie sie direkt von Petrus und Jakobus, Johatmw
und PauluH Kekomraen, bewahrt hätten.
2) Strom. I, t, 11; Uarnack, Doifmengeiekiehl*, I, p. 901 Abb.
Aleumdrinisches Christen tnin. 429
St. ClemeDS \! nicht so sehr, als die Grnndprobleme der Religion
nnd deren Lösung, wie sie Ton dieser neuen Sekte rersacbt
worden war. Er nahm die apostolischen Überliefemngen an.
aber er wünschte zu zeigen, dass sie för ihn eine viel tiefere
Bedeutung besäßen, als sie bei manchen der unmittelbaren
Schüler Christi je gehabt haben könnten. Es gab nichts,
was einen Mann von der Stellung des St. Clemens zur An-
nahme dieses neuen Glaubens bitte verlocken können. Nichts
als der Geist der Wahrheit und aufrichtige Bewunderung Hlr
den Charakter Christi, wie er ihn auffasste. hätte einen heid-
nischen griechischen Philosophen bewegen können, dem Spott
seiner philosophischen Freunde Trotz zu bieten und sich als
einen Anhänger Christi und als ein Mitglied einer zu jener
^it noch yerachteten und mit Verfolgung bedrohten Sekte
zu erklären. Er war aber ttberzeogt, dass diese neue Reli-
gion, wenn sie nur gehörig verstanden werde, von den auf-
geklärtesten Geistern angenommen zu werden verdiene. Die-
ses geh^^inge Verständnis war das. was Clemens als ;-nOa#c
im besten Sinne des Wortes bezeichnet haben würde. Die
katechetische Schule, in der Clem»>ns lehrte, hatte unter der
Ftihrung von griechischen Philosophen, die sich zum Christen-
tnm bekehrt hatten, wie Athenagoras ? und Pantaenus.
gestanden. Pantaenus. von dem berichtet wird, dass er eine
hebräische Version des Evangeliums St. 3Aatthäi in Indien ent-
deckt habe.- war der Lehrer des Clemens gewesen. Indem
dieser sein Schfller sich offen als Christen und Apologeten des
Christentums erklärte, gab er jedoch von seinen philosophischen
Cberaeugungen nichts auf. Auf der Einen Seite stellten
christliche Lehrer die griechische Philosophie als das Werk
des Tenfels dar. während Andere, wie die Ebioniten. das
Alte Testament auf dieselbe Quelle zurflckftihrten. Inmitten
dieser sich bekämpfenden Richtungen stand St. Clemens fest.
Er erklärte oflTen seinen Glauben an das Alte Testament als
1 HamaelL Do^nunge^chiehU. L p. ■^'»"
2 Big^ a. a. 0.' p. 44.
430 Druizehiite Vorlesuug.
offenbart, und er nahm da§ apostolische Dogma an, soweit
i)ä damals festgestellt worilon war. Er nahm Jedoch die
voll komm enste Freiheit der lolerpretatioD and Spekulation
fttr aich in Ansprach. Uad indem Ciemeng dieselbe allego-
rische Interpretation, deren sich Philo bei der Anslegang
des Alten Tealaments bedient hatte, anf das Neue Testament
anwandte, üherzengt« er sich nnd Ändere, dass zwischen
Philosophie und Keligion kein Gegensatz bestehe. Kicht der
Buchstabe war es, sondern der Geist, nicht die historischen
Ereignisse, sondern ihre tiefere Bedeutung in der Welt-
geschichte, was St. Clemens am meisten am Herzen lag.
Die nreleirilgkelt bet St. Clenn
ICs ist mir ^ohr wahrächeiDÜchJi daas St Clement ffl»
uralte Taufformel >lm Namen des Vaters und des Sohnn
und des heiligen Geisles> ans dem EvangeUam St. UaltbÜ
kannte.
Ob nun aber diese Formel mit kirchlicher Auloritu n
ihm gelangte oder nicht, keinesfalls wAre sie mit aeinei
eigenen Überzeugungen in Widerspruch geraten. Er halle
die erste Person, den Vater, nicht einfach als den Jehovah
des Alten Testaments oder als den Zeas des Plalo, sondern
als den hOcbsten und abstraktesten philosopbisohen fiagrif
und doch die wirklichste aller Wirklichkeiten angenommcB.
Er wflrde Gott nicht irgend welche Eigenschaßen zagesehrie-
ben haben. Anch für ihn war Gott i'mtiini^, wie die nru-
f&ngliche Gottheit der ätoiker und Neuplatouiker. Kr war
unbegreifliar und nnbenenubar. Und doch, obgleich weder
Gedanke noch Wort ihn erreichen und Ober die Behauptung
hinausgehen konnte, daas Gott ist, konnte doch Clemena ihn
verehren nnd anbeten.
Man hätte glauben mOgen, due die zweite Person, der
Sohn, für Clemens eiu Stein des ÄnstoQes gewesen sein
1,1 Siehe jedi>ch Harnack, Vni/mrnyntl-Khtc. L p. 3Ö2 Aiim.
AlexAndrinisches Christentam. 431
würde. Wir finden aber im Gegenteil, dass Clemens, wie
alle griechischen Philosophen seiner Zeit, eine Brflcke zwischen
der Welt und der unnahbaren und unaussprechlichen Gott-
heit suchte. Diese Brücke war der Logos, das Wort.
Schon vor ihm hatte Athenagoras ' [der sein Vorgänger in
der katechetischen Schule zu Alexandria gewesen sein soll;
erklärt, dass der Logos des Vaters der Sohn Gottes sei.
Clemens fasste diesen Logos in seiner alten philosophischen
Bedeutung auf als den denkenden Geist und das Bewusstsein
des Vaters. Er spricht von demselben als »göttlich, dem
Ebenbild des Herrn aller Dinge, dem offenbarsten wahren
Gott«. 2 1
Der Logos wird zwar als die Summe aller göttlichen
Ideen bezeichnet.^) aber doch von den eigentlichen Logoi
unterschieden, obgleich er zuweilen als an deren Spitze ste-
hend dargestellt wird. Dieser Logos ist ewig, wie der Vater,
denn der Vater wäre nie der Vater gewesen ohne den Sohn,
so wenig als der Sohn der Sohn gewesen wäre ohne den
Vater. Solche Ideen hatten die Christen mit ihren heidni-
schen Gegnern gemeinsam. Selbst Celsus. der große Gegner
des Christentums, sagt durch den Mund des Juden: »Wenn
der Logos für euch der Sohn Gottes ist. so stimmen auch
wir mit euch überein. <^^
Der wirklich entscheidende Schritt, den Clemens that.
und den Philosophen wie Celsus nicht thnn wollten, war.
dass er diesen Logos in Jesus von Nazareth wiederfand. Es
war derselbe Prozess. wie der, welcher die jüdischen Kon-
vertiten dahin führte, in Jesus den Messias wiederzufinden.
Es ist nicht ganz sicher, ob der Logos von den Juden
urnnd a. a. 0. 1. ]>. 4^.
.i. Bigg a. a. 0. p. 02.
4 i-jT ityf it .löyny tai'tr vtitr i /"> t"t -f.-'i . xct fiiiii intu-
loiufi'. Haruack a. a. U. I. pp. 4J3, '.i»*<.
432
Iireizebnte Vorlesung.
Alexandriens mit dem Messias identiGEiert worden «ar. '
Als aber Eulelzt dieäer Schritt getban wurde, bedeutete er, daas
Alles, was von dem Messias geglaubt und erwartet warde.
in Jesns erfüllt worden sei. Dies war fttr einen Juden ebenav
acLwer. wie fOr einen griechischen Philosophen die Anerken-
nnng des Logos in Jesus, Wie konnte es also Clemens Ober
»ch bringen zu sagen, dass in einem jüdischen Lehrer, den
er nie gesehen halte, der Logos Fleisch geworden war? Alle
Gpitheta, wie Logos', 'Sohn Gottes', "der Erstgeborene',
'der Eingeborene, der zweite fJolt', waren den Orieohea
Alexandriens ganz gel&ufig. Wenn sie es also Ober sich
brachten tu sagen, dasa er, Jesus von Nazareth. dies AUw
sei, wenn sie alle diese wohlbekannten Prädikate anf iAti
Bbertrugeu , was meinten sie damit? Wenn wir nicht etwa
annehmen wollen, dass der Begriff eines vollkommenen Man-
schen an ^ioh unmöglich sei. scheint es mir, dass sie danil
nur gemeint haben k()nnen, duss ein vollkommener Meiueh
die Verwirklichnug des Logos gi^nannt werden könne, ob vir
ihn nun als den Logos in seiner tiesamtform , wie er Im
Anfang bei Gott w.ir, anfrassen, oder in dem mehr BpooieDen
äinne als den Logos oder die ursprUngliebu Idee oder di*
göttliche Voratelinng des Menschen. Wenn nun All«, il»
Jesus von Nazareth kannten, die seioi
mat nnd Wahrheit geschaut hatten, t(
kommeuen, von allen Mängeln dei
freien Wesen Zengnis ablegten, warn:
chischen Philosophen ihr Zeugnis angenommen nnd erkUrt
haben, dass er fOr sie das gültliche Wort, der Sohn Gotts».
der Erstgeborene, der Eingeborene sei. der in den Fltitck
offenbar geworden'-' Die menschliche Sprache hatl« dam^
nnd hat selbst jetzt keine höheren Prädikate, die Üe uf
irgend ein Wesen tibertragen könnte. Dies kommt den V;^
ter, der noch größer ist als das Wort, am nächsten, und idi
glaube, dass die ersten Kirchenväter nnd diejenigen, ^
• Herrliclikeil voll An*
ron ihm als einem Vril-
materi eilen Schopfmc
1 sollten nicht die grie-
1) Bigg a. s. 0. p. 2b, A'ole.
•l*^
AlexandriniBclies CbristeDturo. 433
ihnen folgf^-D. diese Prädikate ebrlicher Weise auf Christus
fibertnigeD. und zwar nicht in dem legendenhaften Sinne
eines Etanqelium irtfautiap, sondern in dem tiefsten Sinne
ihrer philosophischen Überzengnngen. Hier haben Sie die
wahre historische Losnng des Problems der Inkarnation, nnd
wenn die Religion der Inkarnation in hervorragendem Maße
'eine Erfahrangsreligion' ist. so haben Sie hier die Thatsachen
nnd die Erfahrung, auf der allein diese Religion fußen kann.
Wir sahen, dass Philo, dessen Sprache St. Clemens in
allen diesen Err^rternngen gebraucht, seinen Logos als in
Propheten wie Abraham nnd Moses gegenwärtig erkannt
hatte: nnd Viele haben geglanbt. dass i^t. Clemens nicht
mehr meinte, wenn er das Wort als in dem Sohne der Maria
inkamiert anffasste. Mir scheint es aber, dass der Geist des
St. Clemens einen viel höheren Fing hatte. Fflr ihn war die
ganze Geschichte der Welt ein göttliches Drama, eine lange
Vorbereitung auf die Offenbarung Gottes im Menschen. Von
allem Anfang an war der Mensch eine Offenbarung des gött-
lichen Logos und darum seiner Natur nach göttlich gewesen.
Warum sollte sich sX^) der Mensch nicht endlich zu seiner
ganzen Vollkommenheit erhoben haben, um das zu sein, was er
in dem Eatschluss des Vaters von Anfang an zu sein bestimmt
war? Wir sprechen oft von einem idealen Menschen oder
von dorn Menschheitsideal, ohne zu denken, was wir mit
dieser Platonischen Sprache meinen. Das Wort ^Ideal' hat
im Laufe der Zeit seine ursprtlngliche Bedeutung eingebüßt,
so dass es nicht viel mehr bedeutet als 'sehr vollkommen*.
Ursprünglich aber bedeutete es die Idee in dem Geiste Got-
tes, und *der ideale Menseh sein* bedeutete soviel wie ^der
Mensch Gottes sein . 'der Mensch sein, wie er von der gött-
lichen Weisheit gedacht nnd gewollt war*. l)ieser Mensch
wurde von Jenen, welche keine Veranlassung hatten, ihren
philosophischen Überzeugungen Gewalt anzuthnn, in Christus
wiedererkannt. Und wenn sie dies ehrlicher Weise thun
konnten, warum können nicht aoch wir es ehrlicher Weise
thun und so unsere philosophischen Überzeugungen mit
M»x Hill«!, Thfrotoi.L^. 26
AU
Uievivhnle Vurteiuu);.
unserem historischen GUtibeu in voll keim ine uen Kinklung
1) ringen ?
Schwieriger ist ea die ^eDaiio Slclle zu bestimmen, welch«
St. Clemens der dritlen Person, dem heiligen Geist, angewie-
sen haben. wOrde,
Der oigentUche Ursprung dieses Begriffes ist nooli sehr
in Dunkel gehUlit. Es scheint ein besonderer Üeis in Drei*
heilen zu liegen. Wir finden sie in vielen Teilen der Well,
und sie vordanken ihren Ursprung ganz verschiedenen Ur-
sachen. Die Dreieinigkeit des Plato ist bekannt, nnd in ihr find«!
sich ein Platz für die dritte Person, nämlich den Weltgeiit.
von dem die menäcbliche Seele ein Teil war. Nnnieuias.>i
vun dem, wie wir liahen, Ploiinus selue Philosophie entlelint
haben soll, schlug eiue Dreiheit oder — wie manche es nev
nun — eine Dreieinigkeit vor, die nus dem Ußehsten, den
Logos (oder Demiurgeu} und der Welt bestehen sollte. Ba
den christUcbeu Philosophen zu Alexandria war der Be-
griff der Uottheil zuerst eher zweieinig, als druioinig. Du
höchste Wesen und der Logos zusammen mauhten die gu»
Gottheit aus, und wir sahen, daas der Logos oder diu Ver-
Standeswelt nicht nur als Sohn Gottes, sondern auch als d«
;(weite Gott {dfi/rttfo^ ^i6^\ bezeichnet wnrde. Halt« asn
»ich einmal diese Unterscheidung zwischen dem Oöttlichui ii
seiner absoluten Wesenheit und dem Göttlichen, nie .es ikb
durch seine eigene Thatigkeit offenbart, klar gemacht, *»
schien für eiue dritte Ptutüe oder eine dritt<; Person ktio
Platz zu sein, Es sieht daher manebmal aus, als ob <li*
dritte Person nur eine Wiederholung der zweiten wäre. Si
identifiziert der Verfasser des Hirten^! sowohl wie der Ver-
fasser der Acta ArcheUi den heiligen Geist mit dem Huhut
Gottes. Wie schiraukend die Auffassungen der Chrislen >>
Bezug auf den heiligen Geist waren, können wir aus iIm
Thatsache ersehen, dasa in dem apokryplien ICvangotiDm d«
I Bigga. <i. Ü. iJ.25t.
:! HartJHck u. ii. Ü. I. p. b23.
AlexHndriaiBckeB Christentum. 435
Hebräer Christus von demselben als seiner Mutter spricht, ^y
Wenn man jedoch für den heiligen Geist, als der Substanz
nach neben dem Vater und dem Sohne existierend, eine
dritte Stelle verlangte, scheint es ganz gut möglich, dass dieser
Gedanke nicht aus einer griechischen, sondern aus einer
jüdischen Quelle stammte. Es scheint der Geist zu sein, der
am Anfang »auf dem Wasser schwebte« oder »der lebendige
Odem«, den Gott dem Menschen »in seine Nasen blies«.
Nach den griechischen Philosophen würden aber diese Offen-
barungen Gottes eher dem Logos zugekommen sein. Wie-
derum, wenn im Neuen Testament der Mensch als der
Tempel Gottes bezeichnet wird, so könnten vielleicht Gott
und der Geii<t als Eines aufgefasst sein, obgleich auch hier
vom griechischen Gesichtspunkte der Name 'Logos^ für irgend
eine Offenbarung der Gottheit im Menschen angemessener
gewesen wäre. In seiner letzten Rede spricht Christus von
dem heiligen Geiste, indem er sagt, dass er seine Stelle ein-
nehme und in Einem Sinne noch mächtiger sei als der Sohn.
Es heißt, dass es die besondere Aufgabe des Geistes oder
des heiligen Geistes sei, heiliges Leben im Menschen hervor-
zurufen, dass Gott Dasein, der Sohn aber Vernunft (logos;,
und der heilige Geist Heiligung verleihe.'^) Für Clemens war
der heilige Geist wahrscheinlich eine mehr unmittelbare Ema-
nation oder Ausstrahlung von dem Vater und dem Sohne in
ihrer Beziehung zur menschlichen Seele. Während nämlich
der Vater und der Sohn auf die ganze Welt wirkten, war
der Einfluss des heiligen Geistes auf die Seele des Menschen
beschränkt. In diesem Sinne eben sollen die Propheten des
Alten Testaments von dem Geist Gottes erfüllt gewesen sein;
ja nach einigen der frühesten Theologen wurde Jesus erst
nach der Taufe zum Christus, d. h. nachdem der heilige
Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herabgestiegen war.
Die Schwierigkeiten werden noch größer, wenn wir uns
1 Kenan. Le.t EcangileH, pp. lo.'i, l>ö.
2, Bigg a. a. 0. p. 174.
2b*
436
Dri^i Zell Die Vorlesunp.
ennnorn. dass St. ClemenB von dem Vater HHil dem Uifo«
als Snbstaneen Ihypoalaseis}, welche an derselben Wesenheit
([»iBiai toilhaboi), iind als persönlich spricht; nnd ewar »ei
der Logos dem Vater unterg:eordnet, insofern er mit deescn Hea-
Bchpnnalar, andererseifa aber dem Vater gleich, insofern er mit
dessen GotteBnatnr in Berührung komme. Wir dllrfen nicht
vergessen, dass weder der Logos noch der heilige üeiat von
ihm als eine bloße Kraft din-aiiiL:} Gottea, sondern als per-
stoHrh existierend aufgefasst wnrdi>.<) Nnn ist es ganz rich-
lig, dass 'ForaODlio.hkdt' bei St. Clemens nicht dieselbe Beden-
tnn^ hatte, die dieses Wort sjijtter erhielt. Bei ihm wKre eine
mythologische Individualität, wie sie spAtere Theologen dnrcb-
ane haben wollten, mit dem withren Begriff der Oottbeii
nnvortrflglich gewesen. Doeh wurde er gewiss eine selbst'
bowasste Thätigkeit für jede der drei Personen gefnrdeil
haben, nnd man möchte gerne wissen, warum er sich nieU
klarer darüber ausgesprochen hat, was für eine tieaundtre
Th&ti^keit ihm entweder mit dem Vater oder mit dem Lop»
unverträglich und darum eine besondere Person, den heülgtn
Geist, zn erfordern schien.
Späterhin sah miui die Hauptaufgabe des heiligen Gdslai
darin, dasa er die Welt und namentlich die mensehliehe Seel'
7um Bewusstsein ihres göttlichen Ursprungs snrtlokmiire, mi
ein ähnliches Ami, glanbte mau - — wenigstens glaubten dlM
einige der tonangebenden AntoritAteo des vierten und fÜDflni
Jahrhunderts, Theodonia von Mopüuestia, Neatorins und An-
dere — , habe der heilig« Geist schon bei der Taufe Cbiitt!
auBgefIbt.'i
Das Problem jedoch, das uns hier EnnRchst angeht, dk
Einheit der menschlichen und der gtittlieheo Natur, mi
durch diese Spekiilalioneu nicht bcrOhrt, Es bildet die Oras^
ttberzengnng bei St. Clemens, ebenso wie hei Philo. Branebl*
man, um dieser Walirheit inr Anerkennung su verhelfen, das
I; llarnnc
2 lUma.
. 0. I, p. ä*-!, Z. IT.
1. 0. I, PI». !H, «.19.
Alexandrinisches ChrUtentam. 437
dritte Macht, so würde St. Clemens sie in dem heiligen Geist
wiederfinden. Wenn der heilige Geist es war, der dem Men-
schen die völlige Überzengung von seiner göttlichen Sohnschaft
treibrachte, so müssen wir nns dessen erinnern« dass diese Ver-
söhnong zwischen Gott und dem Menschen in erster Linie das
Werk Christi war. und dass sie nicht bloß einen moralischen,
sondern anch einen höheren metaphysischen Zweck hatte. Wäre
6t Clemens ganz konsequent gewesen, so könnte er nor gemeint
haben, dass die menschliche Seele den heiligen Geist durch Chri-
stus erhalten habe, und dass sie erst durch den heiligen Geist
sich ihrer wahren göttUchen Natur bewusst und ihrer ewigen
Heimat eingedenk geworden seL Wir wUnschten zuweilen,
dass St Clemens sich tlber diese Gegenstände, namentlich
Hber seine Anschauung von dem Verhältnis des Mensehen
OL Gott, zu dem Logos und zu dem heiligen Geist klarer
aosges^prochen hätte.
Über seine Grund Überzeugung jedoch kann man nicht
ia Zweifel sein. Clemens war es. der schon vor St. Au^rusti-
nns kühn erklärte. Gott sei in Christus Mensch geworden,
damit der Mensch Gott werde. Clemens ist nicht etwa ein
unklarer Denker, aber er hilft dem Leser nicht so sehr nach«
als er es könnte, und in seiner Auffassung der Inkarnation
ist eine gewisse Zurückhaltung bemerkbar, die nns über
mehrere Punkte im Unklaren lässt Dr. Bigg ^j glanbt frei-
lieh . dass die Idee des St. Clemens von dem Erlöser groß-
artiger und erhabener sei, als die irgend eines anderen
Doktors der Kirche. »Der Christus von St Clemens.« sagt er.
>L»t das Licht, welches über der ganzen Geschichte brütet
und jeden Menschen erleuchtet, der auf die Welt kommt.
Sein Geschenk ist Alles, was es auf Erden an ^fchunheit,
Wahrheit und Güte gibt. Alles, was den civilisierten Men-
schen von dem Wilden und den Wilden vun dem Tiere
unterscheidet« Das ist Alles ganz richtig, und es gibt dem
Logos eine viel mehr historische und universale Bedeutung,
1, A. a. 0. p. T2.
43S
DrPiii^hrtB Vciriesnut'-
als die, welche er bei Philo hatte. Doch erklirt Bt. Clenei»
nie denllich, wie er sich dschte, daas dies Alles vor dch
gegangen, nnd namentlich wis dieser nniveraale Ln^oa in
JesQS von Nazareth Fleisch geworden wi. wahrend er in
gleicher Zeit die f^anze Welt nnd jede lebendige Seeto dareb-
drang; auch erklJlrt er nie, waa nach ihm das genaue Ver-
hältnis des Logos zu dem Pneuma war.
Noch mehrere andere Fragen gibt es, anf die ich bei
St. Clemens keine Antwort finden kann ; aber dies ist ein
Gegenstand, den ich rahig anderen nnd sachkundigeren Btsdeo
flberlaasen kann.
Man fcird vielleicht sagen, daas solche Ideen, wie vir
sie bei 8t. Clemens gefunden, für eine Volkaroligion an hoch
seien, nnd dass jede Religion, am eine Religion ko Min,
volkstnmiich sein mllsae. Clement wnsste dies recht g^
Aber die philosophischen Gedanken, in denen er lebt«, warn
offenbar in seiner Zeit weiter verbreitet, als sie es selbst M
uns sind; und waa die nnmOndigen Kinder anbelangt, n
genagt es Clemena vollkommen, d&as ihr Logos oder Chf^
stns einfach der Meister, der Hirte, der Arzt, der Sohn der
Maria sei , der für sie am Krenze gelitten. Ferner war Ji
die Kirche da, die sowohl die Rolle eines Führers ajiieltat
als anch die eines Richters über alle ihre Mitglieder, i»-
besondere Aber jene, die noch nicht die wahre Freiheit der
Kinder Gottes gefnnden hatten. Wenn Clemens dies fflr dii
'niedrigere Leben' ansieht, so fuhrt es doch immerhin zu dcB
'heileren Leben', dem Leben der Erkenntnis und Togow},
dem Leben der Liebe, dem Leben in Christus und In Oolt
Dass Reinheit des Lebens wesentlich ist, am dieses hOheM
Leben zn erreichen , darfiber ist sich Clemens Tfillig Um-
Er wuBBte, dass die Sünde ein Ding der Unmügücbkelt wirf,
wenn man einmal wahre Erkenntnis erlangt hiit. >Oiitr
Werke folgen der Erkenntnis, wie der Schatten der 8iib-
■t*na.<'} Erkenntnis oder Gnosis wird als die wahmehmesdr
1) E
, Vm. 13, «,
AlesandrinischeB Christentum. 439
Betrachtung Gottes in dem Logos definiert. Wenn Clemenä
zeigt, dass diese Erkenntnis zn gleicher Zeit Liebe zn Gott
and Leben in Gott ist, so vertritt er dieselbe Anschaanng.
die wir im Gegensatz zur Lehre der Snfis in dem Vedänta
trafen. Diese Liebe zn Gott, glaubt er, mnss von aller
Leidenschaft und allem Begehren frei [a.TceO'r^' sein; sie ist
eine genügsame Belbstzueignung, welche den Wissenden wie-
der zur Einheit mit Christas und darum mit Gott zurück-
bringt. Der Vedäntist drückte dieselbe Überzeugung ans,
wean er sagte : Wer Brahman kennt, ist Brahman (Brahma-
rid Brahma bhavati . Dies ist die wahre, heitere, verstän-
dige Verzückung, und nicht jene fieberhaften verzückten
Visionen Plotins und seiner Anhinger. Man hat Clemens oft
einen Gnostiker und einen Mystiker genannt, doch haben
diese Namen, auf ihn angewendet, eine ganz andere Bedeu-
tung, als die. welche sie haben, wenn sie auf Plotinns oder
Jamblichns angewandt werden. Bei all seiner Kühnheit des
Denkens verliert St. Clemens nie seine Ehrfurcht vor den
wirklichen Mvsterien des Lebens. Er lässt sich nie auf aus-
fbhrliche Schilderungen der Visionen einer verzückten Seele
während dieses Lebens, oder der Freuden und Leiden der
Seele nach dem Tode ein. Er behauptet nichts weiter, als
dass die Seele auf immer bei Christus wohnen nnd den Vater
schauen wird, Sie wird ihre Subjektivität nicht verlieren,
wenn sie auch von ihrer irdischen Persönlichkeit befreit ist.
Sie wird die Anschauung des Ewigen und des Göttlichen er-
reichen und selbst eine göttliche Form ayjjicc Oeioy] an-
nehmen. Sie wird durch Erkenntnis und Liebe zu Gott Ruhe
in Gott finden.
Orl genes.
Ich kann diese alexandrinische Periode des (.'hristentums
nicht verlassen, ohne ein paar Worte über Origenes zu sagen.
Ein paar Worte über einen Mann wie Origenes zu sagen,
mag freilich ein recht unnützes Unternehmen scheinen; in einem
44ü
Dceixchntu Vorlcaung.
ganzen Kursus von Vorleenngen kODute inao einem «olc^ken
GegeusUad kaum gereL-hl werden. Dennocb kdnaen wir ihn
in dem uatOrlJclieu Verlauf unserer Beweiafübrnug ulolit Ober-
geben. Was iub Ibnea ganz klar zu macben wDDBcbe, L«t
die Thatsache, dass im (i^Uriatentucn mehr Tbeosophle zo fin-
den ist, als in irgend einer anderen Keligion, wenn i
nämlich das Wort 'Theoaopbie' in seiner ricbtigou Bed«iitnng
auffassen, wonach es alle Weisheit umfasst, die dem Menirben
in Bezug auf göttliche Dinge verstattet ist. Wir aiud so
wenig daran gewöhnt, im Nenen Testament Philosophie ni
suchen, dass wir uns bei dem Gedanken jener hSchht verwerf-
lichen Scheidung zwischen Religiun und Philosophie belnabv
beruhigt babeu; ja es gibt Leate, welche es geradezu als
einen Vorzug unserer Religiou ansehen, dass sie nicht wie
andere Religionen mit metaphysischen Spekulationen aberladeo
ist. Dennoch liegt eine Masse metaphysischer äpekolatiooflii
der christlichen Religion zu Gründe, wenn wir nur, wie dia
frühesten Kirchenvater, dauach suchen. Die wahre HOho
uud Tiefe des Christentums läsbt sich nicht i^rmesscn, so lang«
wir es nicht den anderen Weltreligionen vergleichend u
die Seite stellen. Wir aiud uns kaum dessen bewusst, dM
England au herrlichen Kathedralen reicher ist, als irgend MS
anderes Land, bis wir aus dem Auslande zurtlckk ehren; BOil
so werden wir auch den theosophischen Reichtum der chntl-
licben Religion, ganz abgesehen von ihren sonstigen VorzOgtS.
nie seinem vollen Werte nach schätzen lernen, bis vir wü
gegen andere Weltrotigionen in die Wagschalo gelegt liabini.
Zu diesem Zwecke mOssen wir sie aber einfach als Eino d«r
historischen Weltreligionen behandeln. Erst wann wir sie
mit der ganzen Unparteilichkeit des GeschichtsforBoher« be-
handeln, werden wir ihre ofl ganz unerwartete SUrko be-
wundern.
Ich hoffe Ihnen klar gemacht ku haben, dass es niit
Anfang an der Hauptzweck der christlichen Religion goweM«
ist, der Welt die Einheit der objeklireD Üotthelt — mu
nenne sie Jehovah oder Zeus oder Theiis, oder dss hftclute
AlesHudrinisches CbristciitaiD. 44 1
Wesen, W> oV — mit der subjektiven Gottheit — man nenne
sie Seibat oder Geist oder Seele oder Vernunft oder Logos
— verst&ndlich zu machen. Ein anderer Punkt, dessen Fest-
stellung ich mir angelegen sein ließ, war die Thatsache. da^s
diese Keligion, wenn wir ihr zum ersten Mal als einem voll-
ständigen theologischen System zu Alexandria begegnen, eine
Verbindung griechischen, d. h. arischen Denkens mit jüdi-
schem d. h. semitischem Denken darstellt, und dass diese
zwei uralten Ströme, nachdem sie sich zu Alexandria ver-
einigt, seither mit unwiderstehlicher Gewalt durch die Welt-
geschichte dahingedossen sind.
Ohne diese arischen und semitischen Antecedentien wäre
das Christentum nie die Religion der Welt geworden. Es ist
daher nötig, dem Christentum wieder seinen historischen Cha-
rakter zurfickzugeben, indem man dessen historische Ante-
cedentien aufzufinden und genauer zu verstehen sucht. Hegel
war es, glaube ich, der zu sagen pflegte, dass es das unter-
scheidende Merkmal der christlichen Keligion sei, dass sie
nichthistorisch, womit er meinte, dass sie ohue hi^storische
Antecedentien oder — wie Andere sagen würden — durch
ein Wnnder entstanden sei. Mir scheint es im Gegenteil,
dass der wesentliche Charakter des Christentums gerade darin
bestehe, dass es so ganz und gar historisch ist, oder dass
es — wie Andere sagen würden — kam, >da die Zeit er-
füllet ward«. Es ist schwer, die oberflächliche Behandlung,
welche das Christentum so oft von Historikern und Philoso-
phen erfährt, und das Misstrauen, mit dem es von der immer
zunehmenden Zahl -der gebildeten und mehr oder minder
aufgeklärten Klassen angesehen wird, zu verstehen. Schuld
daran ist, glaube ich. hauptsächlich das Fehlen einer walir-
haft historischen Behandlung des Christentums und nament-
lich die Vernachlässigung jener höchst wichtigen Phase in
der frühesten Entwicklung desselben, mit der wir eben be-
schäftigt sind. Ich glaube noch immer, dass ich, indem ich
die wahre historische Stellung des Chriateutums verteidigte
und zeigte, was für eine Stellung es von Hechts wegen unter
442
Drei»i'.lintfl Vorli
•exwg.
den historiscbon und natürlichen Religionen der Welt einiümmt.
o/me mifh anf irgend eine angebliche sperielle, atißergtfvröhtt'
liehe oder sogenannte Übernatürliche Oß'enbarung zu bwvfen
oder SU verlassen, die eigentliche Absicht des Stifters dieser
Lelctoratelle besser erfDlit hüben dtirfte, als ich es auf ir^nd
eine andere. Weise hätte thnn kennen.
Obgleich ich Ihnen aber keinen ausführlichen Berieht
(Iber Origenes ntiil aeine zahlreichen Schriften lu geben oder
Ihnen irgend etwas Neues über diesen merkwürdigen Hub
zn sagen vermag, ao hittte man mir doch vorsätzliche Blinil-
heit Yorwerfeii kOnn<>D, wenn ich angesichts des hSduton
Zweckes dieser Vdrlesnngen den Mann Qhergangen hltt>,
dessen phllosophiache und theolngisolie Speknlationen mehr
als irgend etwaig Anderes das beweisen, worauf es mir )i
diesem meinem let/.ten Knrsns von Vorleanugen vor Allen
ankommt, nämlich dasa es der letzte Zweck der wahren Re-
ligion sei. das Band zwischen dem OOttlichen nnd dem Menadi-
lichen, das durch die falschen Reli^onen der Welt getreail
worden war, wieder zn vereinigen.
In Bezug anf mehrere Pnnkto spricht sich OrigenM b*-
atimmler ans als St. Clemens. Er gestattet aieh dJteett*
Freiheit der Interpretation , er ist aber doch vielnwhr TN
der Autorität der Glaubensregel, sowie anch von der Alt*'
rit&t der ihm bekannten heiligen Schriften dnrchdrangeik, i*
St. Clemens, 'j Ortgenes war als Christ geboren und ■
gewachsen, und er war mehr geneigt, mit den Thatud
zn rechnen, obschon er eine höhere Wahrheil hinter od
nher den bloßen Tbataachen stets anerkannte. Er G
offenbar einen großen Trost darin, dass er die l'nteracheidsat
zwischen der praktischen ReUgion, wie sie fdr die Hat
nötig ist [yiQiaituviaiuiQ aiutiHTixög) und der philosophischn
Wahrheit , wie die Wenigen sie brauchten {XQiattavuif
irrn'uatixijG), offen anerkannte.
Nachdem er zugegeben hat, das» jede Religion in i»
\ Hamack n. a. 0 I, p. 5T3.
AlexandrhiischeB ChriBtentam. 443
Köpfen der großen Masse nnr eine mehr oder minder mythologi-
sche Form annehmen kann, fthrt er fort und fragt : » Doch welch
anderer Weg ließe sich finden, der für die große Masse dien-
licher, nnd der besser wftre, als das, was dem Volke von Jesus
flberiiefert worden ist?« Immerhin, wenn er in den heiligen
Cberliefeningen anf irgend etwas stoßt, was mit der Sittlich-
keit mit den Gesetzen der Natur oder der Vernunft in Wider-
^mch steht, so protestiert er dagegen und stimmt mit seinem
griechischen Gegner fiberein. dass Gott nichts gegen seine
eigene Natur thun könne, noch der Logos g^en sein eigenes
Denken und Wollen, und dass daher alle Wunder in einem
höheren Sinne natfirlich seien. *) Ein bloßes Wunder in dem
^nne, in dem das Wort gewöhnlich gebraucht wird, wäre
▼on seinem Standpunkte eine Beleidigung des Logos und
mittelbar der Gottheit gewesen. Dass der Versucher Chri-
stum leibhaftig auf einen hohen Berg gef&hrt habe, erklärte
Origenes schlechterdings Air unmöglich. Sein Hauptzweck
war flberall derselbe : die Versöhnung der Philosophie mit der
Religion und der Religion mit der Philosophie. So sagt er.
dass ein griechischer Philosoph« wenn er sich mit der christ-
lichen Religion bekannt gemacht, vermittelst seiner wissen-
sebaftlichen Kenntnisse dieselbe gar wohl in ein vollkom-
neaeres System bringen, das mangelhaft Scheinende ergänzen
ud so die Wahrheit des Christentums feststellen könne. ') An
einer anderen Stelle lobt er diejenigen, welche Christum nicht
mehr einfach als Arzt, als Hirten, oder als Auslösung ansehen,
sondern als Weisheit. Logos und Gerechtigkeit. Wohl konnte
Porphjrius von Origenes sagen, dass er wie ein Christ und
nach dem Gesetz lebte, dass er aber in Bezug auf seine An-
schauungen Aber die Dinge und fiber das Göttliche einem
Griechen gleich war.' Doch war es die christliche Lehre.
1; Contra Celrum. V. 23: Bipgr a. a. 0. p. 2*'3: Harnack I.
p. -'«o^. Anm.: Orig. •/» Joan. II, 2S.
2 Contra Cel*um, I. 2.
:i Ensebius, B. E., VI. 19.
444
Dreizebute Virrleeung.
die fnr Uiu die Vollendung der griecbiachen Philosophie')
darstellte, d. h. die christliche Lehre im Lichte der griechi-
schen Philosophie.
Origeues wur ohne Zweifel in seiiicm voUkommenm
Honiamns mehr biblisch als Philo. Kr gibt nicht zu, das» U
eine Materie neben Gott gebe, tjondero er betrachtet GdII
ala den Urheber selbst der Materie und alles dessen, was die
materielle Welt anam&cht. Die eigentliche Natur Gottes b»-
steht eben darin, da^s er sich vermitlelat dos Logos — ob
wir nun den Gedanken , den Willen oder das Wort GottM
damit meinen -— foi'twAhiend in der Welt offenbart. Naeh
Origenes war dieser Logos in seiner ganion Vollständigb«il
in Christus als dem vollhommeoen Ebenbilde Gottes otftmharl.
Er heißt der zweite Gott (dfwHpot; tfefi),"', der Sohn, d«
von derselben Substanz ist wie der Vater [oitoovau)*; t^
itut^l). Er wird auch »Is die Weisheit Gottes bezutehad,
aber nur insofern t<ie dem Wesen such far sich selbst beatela
[aapientta dei tiubsfantialiler sabsisteits] und alle Form cd der
mannigfaltigen Schöpfung enthält, oder zwischeu dem KilieD
Unerschaffeoen einerseits und den mannigfachoD geschatTem»
Dingen andererseits in der Mitte stoht.^] Wenn also dieser ui-
nem Wesen nach göttliche \ouooi)atn^ np Soji: Logos wa
Christas ansgesagt wird, so kOnnen wir dentlich bemoiiW
dass auch bei Urigenes dies in Wirklichkeit die «iniige All
und Weise war, in der er die Göttlichkeit Christi behanpUi
konnte. Es gab nichts Höheres, das er von L'hnatu« hlttt
aussagen kOanen. Origenes gebranohte den Ausdruck LogM
in dem Sinne, in welchem das Wort von dem Verfasser iIm
vierten Evangeliums dnrch Tati:in, Atbenagoras, Pantaeau
und Clemens auf ihn gekommeu war. Jeder von diaieD
frlaabte an die ursprüngliche Einheit aller geistigen Wb«i>-
lieiten mit Gott Der Logos war die höchste derselben, tAff
auch jede menschliche Seele war urspriluglioh von Oott ud
1) Haraack, 1, p. SU2, Aoid.
2) Hamauk, I, p. 582 fg.
Alexandrinisches Cbristentnm. 445
war ewig. Nach Origenes ist der Zwischenraam zwischen
Gott nnd dem Menschen dnrch eine ununterbrochene Reihe
von vernünftigen Wesen [naturae raiionahiles). die je nach
ihrer Würde einander folgen, ansgefüllt. Sie gehören alle zu
der veränderlichen Welt und sind selbst der Veränderung,
dem Fortschritte oder der Verschlechterung, unterworfen.
Sie traten gewissermaßen an die Stelle der alten stoischen
Logoi, nehmen aber unter dem Namen Engel eine volkstüm-
lichere Gestalt an. Der Vater, der Sohn und der heilige
Gäist gehören zur ewigen und unveränderlichen Welt, dann
folgen die Engel je nach ihrem Rang, und schließlich die
menschliche Seele.
Was die dritte Person anbelangt, so hat es, wie Har-
naek bemerkt (I. p. 5S3\ Origenes, ebenso wie St. Clemens,
nie zu einem zwingenden Beweis der inneren Notwendigkeit
dieser Hypostasis gebracht: ja es war zu seiner Zeit noch
nicht fe^tgestellt. ob der heilige Geist erschaffen oder uner-
tehaffen sei. ob er für den Sohn Gottes zu gelten habe oder
nicht. Nichtsdestoweniger nahm Oricrenes die Dreieinigkeit
an, doch mit dem Vater als der ausschließlichen Quelle ihrer
Göttlichkeit (:rrjr rf^ x^forrro^^: ja er spricht von ihr als
dem Mvsterium aller Mvsterien — was immer dies beden-
m m
ten mag.
Alle menschlichen Seelen, nahm Origenes an, seien von
Gott abgefallen und seien zur Strafe während ihres Aufenthaltes
in der materiellen Welt in Fleisch gekleidet worden. Aber wenn
einmal die Herrschaft der Sünde in der materiellen Welt vor-
ftber ist, sollte der reine Logos, mit einer reinen menschlichen
Seele vereint, erscheinen , um jede menschliche Seele zu er-
lösen, so dass sie dem Fleische sterbe, im Geiste lebe und an
der endlichen Erlösung aller Dinge teilhabe. Manche von die-
sen Spekulationen mögen als phantastisch bezeichnet werden,
aber der ihnen zu Gruude liegende Gedanke stellte zn jener
Zeit das wahre Wesen des Christentums dar. Im Namen
des christlichen Logos konnte Origenes auf den Logos ale-
thes^ d. h. *die wahre Geschichte", des Celsus erwidern; in
446 Dreisehuie Vorlesung.
diesem Zeichen siegte das Christeatam und veraShnt« diel
griechische Pbiloso]ihiB im Osten und deu i-ffmiscben Dognu- J
liamns im Westen.
Ute kXogoU
Obgloich nun aber dieae Philosophie, die auf dem Logt»
fußte, desäeii Äntooodentien wir bis auf die groBoo Pliilooo-
pben Griechenlands zurückverfolgt haben, MSuner wie 8t.
Clemens und Origenea in Stand setzte, ihren guten Kampf
für den neuen Glauben auszufecbteo, so darf man doch nicht
etwa glauben, dass diese philosophische Verteidigung unf all-
gemeine Zustimmung stieß. Wie Origenes selbst sah, war lie
fQr lahlluse Leute, welche die ohriatlicbe Keligion um andetcr
Vorzüge willen, die mehr ihr Herz als ihren Verataud anspt^
chen, angenommen hatteu, zu hoch und zu tief. So hOren «ir
in der Mitte des zweiten Jahrhunderts', von einer wichtigen ml
oft zu wenig beachteten Sekte in Kleinasion, die man 'Älogw'
nannte. Dies scheint ein Spottname gewcaeu ZU sein, der 'diM
den Glauben an dun LogosV''] aber auch 'unvernOnftig' bedeutgte.
Diese Alogoi wollten von dem Logos ^} Gottes, wie JofaaaMi
ihn predigte, nichts wissen. Dies zeigt, dass ihre Otfnt"
Schaft nicht gegen St. Clemens und Origenes genchiet wir,
deren Schriften wahrscheinlich in eine spatere Zell IkUen tut
die Gründung der Sekte der Alogoi, sondern gegen die 'nuorit
das Logos, wie sie in dem dem Johannes zugeschriebcatt
Evangelium gelehrt oder doch vOUig klar angedeutet wird.
Die Alogoi waren keine Ketzer; im Gegenteil, sie warn
konservativ und hielten sich fSr durch ans ortbodex. Sit
waren Gegner der Montanisten und Chiliasten; sie lukaa
1; Haroack a. a. 0. p. 61T, Aum.
2] So hieß Johannes, der Verfusser der Apukal]rp»e, Tl«*^
i;o«', weil er diu Gctiliabkeil dos Logos behauptete. Siehe .VnKr-
lic/u IMigion, Seite \'i.
3} Kpiphanius, B], i. 38: Ti,y Xoyoi' toi »lov AnoJIdlUnta
riv rf»o 'Itaoyyi;!' xr,pijc^i'in,
Alexandrinischeä Christentam. 447
die drei synoptischen Evangelien an. vemarfen aber gerade
darum das dem Johannes zngeschriebene Evangelium, sowie
auch die Apokalypse. Sie leugneten sogar, dass dieses Evan-
gelium von Johannes geschrieben sei, weil es nicht mit den
anderen Aposteln übereinstimme, *) ja sie gingen so weit zu
sagen, dass dieses dem Jobannes zugeschriebene Evangelium
Ifigenhaft und verworren sei,'- da es nicht dieselben Dinge
sage, wie die anderen Apostel. Manche schrieben das vierte
Evangelium dem judalsirenden gnostischen Cerinthus zu und
erkürten, dass es in der Kirche nicht gebraucht werden
aoUte. '•)
Dies ist ein wichtiger Abschnitt in der Geschichte des
Urchristentums. Wir ersehen daraus, dass in der zweiten
Uftifte des zweiten Jahrhunderts die vier Evangelien, die drei
synoptischen Evangelien und das des Johannes, sämtlich in
der Kirche anerkannt waren, dass es aber zu gleicher Zeit
doch noch möglich war, ihre Autorität in Zweifel zu ziehen,
ohne sich einer Kirchenstrafe von der Art. wie sie damab
war, auszusetzen. Wir sehen femer. wie ganz und gar die
Lehre von dem Logos mit Johannes oder doch mit dem Ver-
fasser des vierten Evangeliums identifiziert wurde, und wie
es seine Anschauung von Christus, und die von Bamabas,
Juatin, den beiden Clemens, Ignatius, Polycarpus^) und Ori-
genes verteidigte Anschauung war, welche am Ende die Welt
eroberte. Immerhin, wenn es möglich war. dass ein Papst
den St. Clemens seiner rechtmäßigen Stelle unter den Heili-
gen der christlichen Kirche beraubte, wer bürgt uns dafür,
daaa nicht ein anderer Papst dem Johannes selbst seine
Heiligkeit abspreche?^
1 Epipb. •*! . -I: *I*(:Gxotat vit ov oiuifvii-tl iv. üy^ic loi
* latiyyov loi; '/.otnoti <:nrt» er '*/.<*<>.
2 Epiph. 51. IS: To fvr.yyi'jLtor to il^ ttrom-. ' Ivjrtrot t.ff-
Jliui . .. kiyoiat to Xi'.iti ' listr.rrty lir.yyi'/.ff. tT.'O', m i«: ctit:
lOiV unoül'f/.oty' t(ff,. t:f)ti'Mclor ttt'iu.
^ Oix tictc t:in: (fctjtr lirct ir l/./.'/.f ni* .
4 liarnack. I, ji. \h'l, Anm.; p. vii. Aml.
5 Vgl. Bi^r^ a. a. 0. p. -72.
448
DrBijielinte Vnrlesiing.
Obgleich die weitere Bntwiclcliing der LogoBtheorit Im
Orient und im Occidenl von dem grAßlen Interesse ist, AtOfen
wir doch nicht länger dabei verweilen. Für uns hat ue
hauptsächlich ein philosophiscLeB Inlerease, wUlirend ihre
spatere Entwicklung mehr nnd mehr theologiach und scho-
lastisch wird. Wa^ ich beweisen wollte, war, dass die cbriri-
liche Religion in ihren ersten Eümpfen mit dem nichlchrist-
lichun Denken der Welt ihren Sieg httnptjAchlicb, wnnn nicht
gftnzlich, der Anerkennnng deiiaen verdankte, was, wie wir
sahen, das wesentliche Element aller Heügionen bildet, der
Anerkennung der engsten Verknnpfnng zwischen der phio»-
menalen und der noiimenalen Welt, zwischen der niunicli-
lichen Seele nnd Gott Das Band der Vereinigung zwiacben
den Beiden, welches langsam und allmShlich von heidniMh«a
Philosophen entdockt nnd znro Angelpunkt der chrlBtlichtn
Philosophie in Alesandria gemacht worden war, war derLiogoi.
Dnrch die Anerkennung des Logos in Christna. ein Dogma,
welches bei Celsns und anderen heidnischen Philosophan
ganz schreckliches Ärgernis erregte, war die verhftngnIsTiiU«
Scheidnng zwischen Religion und Philosophie aufgehoben word^
nnd die Beiden hatten sich noch einmal die H&ude gereldit
Ea ist aber merkwürdig, wie manche der frnbesteD Apolo-
geten den Logos so anlTassten, als wäre der Zweck desselha
vielmehr, Oott von der Welt zu trennen,'! als die Beiden la
vereinigen. Philo war allerdings ganz nnd gar von der Idac
erfflllt, dnss die gjlftliche Wesenheit nie mit der getnwita
find verderbten Materie in nnmittetbare Berllbrnng gtAraekt
weiden dtlrfe. nnd er mag wohl den daz wischen tret«v4a
Logos als ein willkommenes Mittet begrflßt haben, eine d«-
srtige Berührung zu verhindern. Allein ohristliche PhilOiO-
phen betrachteten die Materie als von Gott geschaffen, nd
obgleich anch fOr sie der Logos die vermittelnde Macht ^nt,
durch welche Gott die Welt bildete nnd beherrschte, so labea
sie doch immer ihren Logos als ein Bindeglied and nicht all
1) Hamack, I. p. U3.
Alexandrinisches Ch listen tniD. 449
eine trennende Scheidewand an. Allerdings wnrde der nr-
sprflngliche Zweck nnd Charakter des Logos in späterer Zeit
voUständig vergessen nnd verändert. Er war nicht mehr ein
Band, welches das Menschliche nnd das Göttliche vereinigte,
er wnrde nicht mehr in dem Sinne aufgefasst, in dem die
alten Kirchenväter ihn verstanden hatten, nämlich als das
göttliche Gebnrtsrecht jedes Menschen, der anf die Welt
kommt, sondern er wnrde noch einmal als eine Scheidewand
zwischen dem göttlichen Logos, dem Sohne Gottes (uovoye-
yr^g vlog rov &eov), nnd der fibrigen Menschheit gebraucht;
so dass nicht nur das Zeugnis des Johannes, sondern die
angenscheinliche Bedentnng der Lehre Christi zn nichte ge-
macht wurde. Natürlich musste dann dem St. Clemens die
Heiligkeit abgesprochen werden — warum aber nicht auch
dem St. Augustinus , der selbst ein großer Bewunderer
von St. Clemens und Origenes war, und der sogar die
eigenen Worte des St. Clemens, dass Gott zum Menschen
geworden sei, damit der Mensch Gott werden könnte, ^; über-
setzt und angenommen hatte. Spätere Theolugen, da sie den
Unterschied zwischen ^fog und o ^«oc. Gott und dem Gott,
nicht kannten, argwöhnten irgend eine versteckte Ketzerei in
dieser Sprache des St. Clemens und des St. Augustinus, nnd
fährten, um sich gegen jede falsche Auffassung zu verwah-
ren, eine Terminologie ein. welche den Unterschied zwischen
Christus und denjenigen, welche er seine Brüder nannte, zu
einem Unterschied der Art nnd nicht des Grades machte, und
so der gesamten Lehre Christi den Krieg erklärte nnd Hohn
sprach. Kann es etwas Vorsichtigeres und doch Bestimm-
teres geben, als die Worte des Clemens:^) >So wird derje-
nige, welcher an den Herrn glaubt und dem von ihm ver-
kflndeten Evangelium folgt, am Ende vervollkommnet nach
dem Bilde des Lehrers, indem er sich als Gott im Fleische
1 Siehe oben S. 31b.
2 Siehe Bigg a. a. 0. p. 75.
Maji M611er. Tlieo-ophie. 29
rso
Dreiielinle Vorlesung.
hommitewegt, • ij Und nocU bestimmter drückt sich Origenea
in seiner Kntgegnnng an Celsas IIl, 28 ana: «Aaf dass die
menschliche Nator durclt ilire Gemeinschaft mit der mehr
göttlichen nicht nur in Jesu, sondern in Allen, welche durch
Glaaben das von Jesu gelehrte Leben aufnehmen, g^tttlieli
werde.«') Es ist klar, daas Origoues bpi dieser Beinet An-
soliaunng von der menBohliohen Katar kein anderes Argn-
ment znm Beweise der wahren Göttlichkeit Cliriält nötig
hatte. E,r hätte ebenau gut versuchen kennen, seine Menub-
iichkeit gegenüber den Doceten zu beweisen. Beide WAren
für ilm Eins und konnten nur Eins sein. Die GsttUchkul
Christi war für Origenea nicht mirakulüa, sie bedurfte keiau
Beweises «us moralischen oder physischen Wandern. Sie war
schon in seiner Natur selbst eiugeschlodaen, insofern er der
Logos oder der Sohn Gottes in seiner ganzen VoUständigkdt
war, während der Logos im Menschen gelitten hatte nnd doroh
die Lehre, durch das Leben und den Tod Cliristi erlöst wer-
den mnsste.^) Während sich Origenes in seiner Weiaa bemOkle,
die griechische Philosophie, d. h. aeine eigenen ehrliolieo
Cberzengungen, mit der Lehre der Kirche in Einkluis n
bringen, hielt er sich sowohl vom Gnoaticismas sie tob
Docetismus fern. Origenes war ala Christ ebenso ehriüb,
wie ala Philosoph, und diese Ehrlichkeit war ob, weicht iu
Christentuui im dritten Jahrhundert siegreich maclitfi, md
welche es immer wieder siegreich machen wird, sobald U
Verteidiger findet, welche entschlossen sind, weder Ihre |diilv-
sophischen Überzeugungen ihrem religiösen Glauben, niKb
ihren religiösen Glauben ihren philosophischen übertengnafU
zu opfern.
ii- «a^Kf ^e [11 Holt tu*' ^föf. Cleu. Strom. VIH, 16, M.
»MB o6k tu /löfip t(i 'Itjeob üyth *tt\ nhai loi,- fntä tot amtittt
iivoXafifärovci ?tor ir 'Jrjtioi-e USiaHf'
»1 HantHck I, p. h'H.
Alexandrinisches Christentimi. 451
Wohl ist auch Origenes, ebenso wie 8t. Clemens, von
sp&teren kirchlichen Antoritäten, welche die Tiefe seiner 6e-
diuiken nicht ergründen konnten, verdammt worden; doch
war er in der ganzen Geschichte des Christentums nie ohne
seine Bewunderer und Anhänger. St Angnstinns, 8t. Ber-
nard, der Verfasser von De imitatione, Meister Eckhart,
Tanler und Andere ehrten sein Andenken, und Dr. Bigg hat
gewiss Recht, wenn er sagt: ^) >Es gab keinen wahrhaft
großen Mann in der Kirche, der ihn nicht ein wenig geliebt
bat.« Und warum nnr »ein wenig«? Etwa weil er der
Wahrheit, so wie er sie in der Philosophie sowohl als in der
Reli^on gesehen, nicht tren geblieben ist? Oder etwa, weil
er sich Qaalen auferlegte, die Viele missbilligen, aber Wenige
nachahmen dörflen najuraerai Tic iiä'ßj.ov f uiuraerai)?
Wenn wir die Zeit bedenken, in der er lebte, und das Zeug-
nis erwägen , das seine Zeitgenossen seinem Charakter geben,
ao können wir wohl, wie von manchen Anderen, welche die
Nachwelt verkannt hat, auch von ihm sagen:
>Denn wer den Besten seiner Zeit genag
Gethao. der hat gelebt für alle Zeiten.«
1 A. a. 0. p. 2Ty.
29*
Vierzehnte Vorlesung.
DionyaiuB der Areopagite.
Der Lo^oe In il«r latelniiteben Klrcbn»
Nachdem ich, wie ich hoffe, gezeigt habe, dus i
ältest«!! theologiaoheD DarBtellung des Chriatentums , win wir
aie Lei den alexaDdrüu sehen Kirchenväteru fiadeu, der her-
vorstecbendsl« Gedanke derselbe ist, wie der de» TedHiiU,
n&mlich wie mun einen Weg vou der Erde znm Himmel,
oder — besser gesagt — wie mun den Himmel auf Erden
finden, wie man tiott im Menschen und den Menschen in
Gott wiederfinden kOone, haben wir nun noch zn zeigen, dasi
diese alte Form des Chvistentnms, obgleich sie in späteren
Zeitaltern entweder gar nicht verstauden oder missverstao-
den wurde, sich doch unter wechselDden Formen in eioem
nnunlerbru ebenen Strom vom zweiten bis zum neunzehnten
Jahrhundert bebanpict hat.
Wir kOnnen sehen, wie die Gedanken dea St. Clemena nnd
des Origenes in die westliche Kirche verpÜatut wurden, ob-
gleich schon die Sprache, in welcher sie auagedrOckt werden
muBsten, die feineren Schattierungen ihrer Uedeutuug ver-
dunkelte. Es gibt im LateinisohcB kein Wort, um die gaoce
Bedeutung des Logos wiederzugeben ; die wichtige Oiitn>-
scheidnog ferner zwischen Ötög nnd i'> (•ii6t: ISust sieb aobwar
in einer Sprache wiedergeben, welche keinen Artikel hat. Di«
ünleracheidnng zwischen oueis nnd hypoataaia war schwer
auszudrttcken, nnd doch konnte eine ungenaue Wiedergab«
Dionysias der Areopagite. 453
sofort als Ketzerei aasgelegt werden. St. Hieronjrmus, ^) der
sein Leben lang den Ansdmck ires personae gebraneht hatte,
klagte bitter darflber, dass er mit argwöhnischen Blicken an-
gesehen wnrde, weil er nicht den Ansdmck tres substantiae
gebranchen wollte. >Weil wir nicht die (nenen) Worte lernen,
werden wir fflr Ketzer gehalten.«
Tertnllian.
Wir brauchen nnr zn lesen, was lateinische Väter —
znm Beispiel Tertnllian — Aber Ohristns als den Logos
sagen, nm sofort zn bemerken, wie der Geist der lateinischen
Sprache den alten griechischen Gedanken modifiziert und
▼emnstaltet. Wenn Tertnllian von Christas als Gott zn
sprechen beginnt ;Apolog. cap. xxi). kann er nnr sagen: De
Christo ut Deo. Dies könnte so aasgelegt werden, als ob
er Christas fQr o Qaoq erklären and von ihm die Hypostasis
des Vaters aussagen wollte, was anmöglich ist. Was er aus-
sagen will, ist die Ousia der Gottheit. Dann fährt er fort:
>Wir haben schon bemerkt, dass Gott dieses All Verbo et
Ratione et Virtute, d. h. dnrch das Wort, dnrch Vemonft
und dnrch Macht geschaffen hat.« Er mnss zwei Wörter,
rerbum nnd ratio , gebrauchen, um * Logos' auszudrücken.
Selbst dann scheint er das Gefflhl zu haben, dass er sich
klarer ausdrficken sollte, und er fügt hinzu: > Es ist bekannt.
dass bei euch Philosophen auch der Logos, d. h. Rede [sermo]
nnd Vernunft {ratio , als der Verfertiger des Weltalls angesehen
wird. Denn Zeno definiert den Logos als den Schöpfer, der Alles
ordnungsgemäß gemacht hat. und er sagt, dass er auch
'Schicksar, 'Gott", 'der Geist Gottes' und *die Notwendigkeit
aller Dinge* genannt wird. Cleanthes fasst diese alle zusam-
men als den Geist auf, welcher, wie er behauptet, das All
durchdringe. Wir schreiben auch der Rede, der Vernunft
und der Macht (sermo, ratio, et rirtus . durch welche, wie
1 , Biographien of Words^ p. 43.
454
Vleriehnle Vorlesung.
gesagt, Gott Alles gemucht hat, eine eigene Substant kd, den
Geist,') welcher als Wort das >E3 werdet (der SchOpfangj
von sich gibt, ala Veniuoft Ordnaog in das Weltall bringt
und al9 Macht sein Werk zu vollständiger Vollkommenheil
weiterführt.-) Wir haben gelernt, d&ss er ana Gott heraibr-
gebmcht nnd durch ProlatioD erzeugt, und dass er d^iram
der Sohu Gottes und Gott genannt wurde, wegen der Einheit
der Sabatanz. Denn Gott ist Geist, nnd wenn ein Strahl von
der Sonne ansgesaniit wird, ist er ein Teil von dem Ganzen,
die Sonne aber wird in dem Strahle sein, weil ja der Strahl
der Strahl der Sonne ist, der Substanz nach nicht von ihr
getrennt, sondern nur hervorgegangen. So kommt der Geist
vom Geiste und Gott von Gott, wio ein Licht, das an eAatm
Lichte entzündet wird.<
Wir sehen durchaus, daas Tcrtullian (1I3Ü — 24lij dai
aaszudrOoken wtlnscbte, was St. Clemens und Origenea vor
ihm ansgedrflfkt hatten. Da er aber nicht die griechiHhen
Werkzeuge zur Verfügung hatte, erscheint sein Worlbild oft
verwischt. Die Eiufttbrong des Spiritus, welcher 'gAUtielie
Natur' bedeuten kann, aber von pjieuma, logos, dem gött-
lichen Worte, und von dem ipintu» sanctun, dem heiligen
Geist, nicht genOgend unterschieden ist, verwirrt die Auf-
fassung der Leser, nainentlicb wenn sie griechische Philo-
sophen und an die fein zugespitzte griechische Terminolotiti
gewöhnt waren.
DloDfslDs der Areopat'lte.
Es wäre ohne Zweifel äußerst interessant, die Obflrii^
ferung dieser alexandrini sehen Lebren zu verfolgen, wie lic
sowohl im Abendland als im Morgenland fortgvfQbri wordan,
It Kaye urklUrt, ikss 'Gdst' hier die Bedontung 'gOnllelu^
Natur' hat; dann ist aber der .iusdrui^k si-hr iinvnllkotntueu.
21 Tertulliaiii .ipohgitieu» adeertut Otiitc», od. Bindlej. p.'*
Dionysius. der Areopagite. 455
und die Veränderungen hervorzuheben, die sie bei den ton-
angebenden theologischen Autoritäten in beiden Kirchen er-
litten. Doch dies ist eine Arbeit, die meine Kräfte weit Ober-
steigt. Nur das halte ich noch ftlr meine Pflicht, zu versuchen,
Ihnen klar zu machen, wie diese Strömung des christlichen Den-
kens während der Jahrhunderte, welche uns von den ersten fünf
Jahrhunderten unserer Zeitrechnung trennen, nie ganz ver-
loren ging, sondern in den kritischesten Perioden der Ge-
schieht« des Christentums immer wieder an die Oberfläche
berauf kam. unbehindert durch das Konzil von Nicaea (325)
fließt dieser alte Strom philosophischen und religiösen Denkens
weiter, und wir können in den Schriften von St. Basilius
(320 — 379), Gregor von Nyssa (332 — 395), Gregor von
Nazianz (32S — 389), so wie auch in den Werken von
St. Augustinus (364 — 430) den fernen Widerhall der Schu-
len von Alexandria vernehmen. In seiner ursprtlnglichen
heidniBchen Form machte sich der Neuplatonismus noch ein-
mal durch die mächtige Verteidigung des Proclus (411 — 4S5;
geltend, während er in seiner christlichen Form ungefähr um
dieselbe Zeit (500 n. Chr. ?) von einem Pseudonymen Schrift-
steller, Dionysius dem Areopagiten, einen neuen, mächti-
gen Anstoß empfing. Ich muss einen Teil meiner Vorlesung
diesem Schriftsteller widmen wegen des außerordentlichen
Einflusses, den seine Werke in der Geschichte der mittel-
alterlichen Kirche gewannen. Er ist oft der Vater des
mystischen Christentums genannt worden, was nur ein neuer
Name f&r das alexandrinische Christentum in einer seiner
mannigfachen Erscheinungsformen ist, und er hat Jahrhun-
derte lang als Bindeglied zwischen der alten und der mittel-
alterlichen Kirche gedient. Niemand könnte die Systeme
von St. Bemard 1091 — 1153) und Thomas von Aquino (1224
bis 1274) verstehen, ohne mit Dionysius bekannt zu sein.
Niemand könnte die Ideen, ja auch nur die Sprache von
Meister Eckhart (1260 — 1329 erklären, ohne sich vorher mit
den Spekulationen dieses Letzten der christlichen Neuplato-
niker bekannt gemacht zu haben. Ja Gereon 1363 — 1429 ,
456 Vierzehnte Vorleaung.
8t. Theresa ft515 — 1582), Molinos (1640 — 1087). ükA. üb
Onyon (I64S — IT1T), sie Alle sind von seinem Zzniberalab
berührt worden. Wenige habeo eine so weite und so din-
ernde Berühmlheit erlangt, wie dieser anonyme Scbrirtateller,
und — wir müssen hinznfdgeu — trotzdem daea er es so wenig
verdiente. Denn obgleich Dionjsius der Areopagite oft all
der Begründer des christlichen Mysticismua dargestellt wird,
mnas ich doch gestehen, dass loh, nachdem ich Philo, St,
Clemens und Ori^enes gelesoD, in seinen Schriften
gefunden habe, das als originell bezeichnet werden kari
Scbriftcu des Dloujfilus.
Bekanntlich w;ir dieser Dionysiua der Areopagit« 1
der wirkliclie Dionysina, der mit Damaria nnd Andereufl
Paulns nach seiner Predigt auf dem Areopag aahing.
ihm wissen wir nichts weiter, als was wir in der Api
gescbicbte lesen. Es gab aber einen cbriatlichen Nei
niker, der, wie Tbolnck zuerst gezeigt hat. gegei
Chr. schrieb. Die Geschichte seines Buches ist sehr t
bar. Sie ist oft erzählt worden; znletzt von Dr. Wbi
dem gegenwärtigen Bischof von Durham, in seinen I SSfl
schienenen gehaltvollen Essays oh the Ilislorif of .
Thovght i/t Ihn West. Ich folge hauptsächlich
Thoinck, indem ich Ihnen die nachibigenden That«
gebe. Die Schriften des Dionyains wurden zum erst«
in der im Jahre 53:! n. Chr. zu Konstantinopel ab^hi
Kirchen versammlnng erwähnt, nnd schon damals ivnr(l(
von den Orthodoxen hIs von zweifelhafter Echtheit v
Ganz naturlich, denn wer hatte je zuvor von Dionysina^l
Jünger des Paulus, als einem Schrift st eller gehört?
St. Cyril und Athanaaius wusaten noch nichts
welchen Schriften des Dionysins, nnd Keiner der Allen kitte
sie Je citiert. Allein trotz alledem halten diese Sohrif)««
von Dionysiua dem Areopagiten offenbar etwas B«unbeftiidH
an sich. Im siebenten Jahrhundert wurden sie von HaxiniiM
Dionjsias der Areopagite. 457
(f 662 kommentiert; und Photius erwähnt in seiner Bibliotheca
(c. 845) eine Schrift von Theodoms, einem Kirchenältesten,
welche geschrieben war, am die E^chtheit des Werkes von St.
Dionysins zu beweisen. Wir branchen auf diese Argnmente ffir
und gegen die Echtheit dieser Bücher nicht einzugehen, wenn
man nnter Echtheit versteht, dass sie von Dionysins dem
Areopagiten im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung ge-
sehrieben worden seien. Ich zweifle sogar, ob der Verfasser
selbst je die Absicht hatte, irgend etwas wie einen Betrug
oder eine Fälschung zu begehen. ^) Er war offenbar ein
neuplatonischer Ohrist, und sein Buch war eine Fiktion von
der Art, wie solche in jenen Tagen nicht ungewöhnlich waren,
gerade so wie in gewissem Sinne die Dialoge des Plato und
die Reden des Thucydides Fiktionen sind, obgleich es nie
beabsichtigt war, dass sie irgend jemand täuschen sollten.
Ein Mann könnte heutzutage unter dem Namen Swift schrei-
ben, wenn er ausdrücken wollte, was Swift gesagt haben
wflrde, wenn er im gegenwärtigen Zeitpunkt gelebt hätte.
Warum sollte nicht ein neuplatonischer Philosoph hinter der
Maske des Dionysins des Areopagiten gesprochen haben,
wenn er zu sagen wünschte, was ein griechischer Philosoph
möglicherweise über das Christentum gedacht haben würde.
Wohl gibt es in den dem Dionysins zugeschriebenen Schrif-
ten einige wenige Züge, welche dieser philosophischen Fiktion
eine gewisse lokale Färbung und einen Anstrich historischer
Wirklichkeit geben sollten; doch dürfen selbst solche littera-
rische Kunstgriffe nicht gleich als absichtlicher Betrug aus-
gelegt werden. So gibt es zum Beispiel eine Abhandlung
De tita cotitemplatica, welche dem Philo zugeschrieben
wird. Aber in Anbetracht dessen, dass sie eine Verherr-
lichung des Ascetismus enthält, wie er von den Therapeuten
in Ägypten getrieben wurde, ist es ganz klar, dass sie nie
von Philo Jndaeus geschrieben worden sein konnte. Sie war
1; Siehe die Bemerkungen von Renan in Lfs Evangihs,
p. 159.
458
Vierzehnli! Vorlesung.
wahrscLeinlicli gegen das Endo des dritten oder den Aaftng Sit
vierten Jahrhunderts von eioem Christen verfsast. 'Weiin det
Verfasser ans irgiend einem unbekannten Urnnde nnter dem Sa-
men Philo schrieb, so hätte dieaer litterariache KiiDstgrifTdoeb
schwerlich irgend einen seiner Zeitgenossen tJLnschen kODOen.
wenn eine solche TftQscIiung überhaupt je beabBiehtigt wsr.'
Was »ber auch der Zweck des Verfassers gewesen ina
mag, ob ehrlich oder unehrlich, sicher ist, dass er ein groftci
pQblikum fand, welches bereit war, an die thntsSo bliche
Verfasserschaft des Dionysins des Äreopagiten zn glauben
Die größten Schriftsteller der griochischen Kiruhe nahmcD
diese Bücher als die wirklichen Werke des Areopagit«D «r.
Noch größeren Erfolg hatten sie im Abendland. Gregor dei
Große (ca. öuoj bezog sich auf dieselben, und sie wnrdn
von Papst Hadriftu I. in einem Brief an Karl den GnBa
eitler t.
Das erste Csiemplar der Schriften des Dionysius kam ia
Jahre S37 nach dem Abendland, als Michael der Stammler
Ludwig I., dem ^obne Karh, ein Exemplar Übersandte. Uul
nun kam eine neue Mystifikation dann. Die Scbriftsn Wai-
den in der Abtei 8t. Denis in der Nähe von Paris von de*
Abt llilduin in Empfang genommen. Sie kamen gerade n
Vorabend des Festes des St. Dionysins an, nod — so ibnnl
es auch klingen mag — Dionysins der Areopaglte Win!*
mit St. Denis, dem Apostel von Frankreich, dem Belutt-
heiligen der Abtei St. Denis identifiziert; und so TdbaBd
sich Nationalstolz mit theologischer Unwissenheit, um diesen
Schriften des Dionysius in Frankreich noch größeres Gewicht
und noch größere Heiligkeit zu verleiben.
Ihersetxnng durch ScotuB Erlfraa.
IMe eintige Schwierigkeit war, wie man sie lesen und
abersetzen sollte. Frankreich war zn jener Zeit nicht rueb
, Straßburg, l^SU. Kuuncn. Hi-
ll Lucius, Die Therayet
btrt Leelurt», p. 2(i1.
Dionysius der Areopagite. 459
an griechischen Gelehrten, nnd die Sprache des Dionysins
Ist keineswegs leicht za verstehen. Hildnin, der Abt von
St Denis, versachte eine Übersetzung, aber es wollte ihm
nicht gelingen. Dem Sohn Ludwigs, Karl dem Kahlköpfigen,
lag ebenfalls viel daran, eine lateinische Übersetzung der
Schriften des St. Denis, des Schutzheiligen Frankreichs, zu
besitzen, und er fand endlich einen sachkundigen Übersetzer
in dem berühmten Scotus £rigena, der an seinem Hofe lebte.
Seotns Engena war ein Geistesverwandter von Dionysius, und
er filhlte sich zu den mystischen Spekulationen desselben
m&chtig hingezogen. Seine Übersetzung muss vor dem
Jahre 861 gemacht sein, denn in diesem Jahre beklagte sich
Papst Nicolaus I. in einem Brief an Karl den Kahlköpfigen
darttber, dass die lateinische Übersetzung des Dionysius ihm
nie zur Begutachtung eingesandt worden sei. Wahrscheinlich
wurde sofort ein Exemplar nach Rom gesandt, und im Jahre
S65 finden wir, dass Anastasius, der Bibliothekar des päpst-
lichen Stuhls, einen Brief an Karl richtet, in welchem er
die wunderbare Übersetzung rflhmt. die von Einem gemacht
sei, den er den am Ende der Welt lebenden Barbaren
nennt, nämlich von Scotus Erigena. sei es dass er ein Ir-
länder oder ein Schotte war. Scotus selbst war vollständig
Oberzeugt, dass Dionysius ein Zeitgenosse von Paulus gewesen
sei, und er bewunderte ihn sowohl wegen seines Alters,
als auch wegen der Erhabenheit der himmlischen Gnaden,
die ihm verliehen worden.
Sobald der griechische Text und die lateinische Über-
setzung zugänglich geworden waren, wurde Dionysius der
Gegenstand zahlreicher gelehrter Abhandlungen. Albertus
Magnus und Thomas von Aqnino gaben sich beide eifrigst dem
Studium seiner Werke hin und bezweifelten nie ihren An-
spruch auf ein apostolisches Alter. Erst nach dem Wieder-
aufleben der klassischen Gelehrsamkeit ^vurden diese An-
sprüche von Neuem geprüft und verworfen , und zwar mit
so zwingenden Beweisgründen verworfen, dass man sich
wundert, wie man diese Schriften jemals hatte als apostolisch
460
Vienehiito Vorlesung.
annehmen können. Wir brauchen aaf diese BeweiagrSodn
nicht einzugehen. Ea gilt nicht mehr als Ketzerei, ihre ap»-
stolisrhe Herkunft oder ihr apostoliachea Datnni za bezweifeln.
Niemand zweifelt jetKt daran, rtaäs der Verfasser, wie Tho-
luck vor langer Zeit nngedentet bat, ein nenplatonischer Chriit
war, der gegen Ende des fOnften JahThnnderts wabnchm*
lieh 20 Edesaa tn Syrien lebte. Weun diese Schriften iber
uuch ihres erdichteten Alters und ihrer angeblich xposto-
tischen Herkunft beraobt worden sind, behalten sie doch Um
Wichtigkeit bei, insofern sie mehr als irgend ein änderet
Buch, bloß das Nene Testament selbst aasgenommen, du
ganze Christentum des Mittelalters beherrscht haben. Sir
bestehen aus Abbanillungon (1) über die himmlische Hier-
archie, (2) nber die kirchliche Hierarchie, (3) über die güt-
lichen Namen, und (4J Über mystische Theologie. Es irsrdo
noch andere BUcher erwühnt, die er geschrieben haben ndl;
»ie sind aber fQr uns verloren, 'i Seine Schriften sind jM
in der Aasgabe des Abb^ Migne [Paris IbST) leicht n*
gängliuh.
Uei- Eiiillnss der Sf^hrlften des DlonjslDs.
Wenn wir fragen, wie es kam, dass diese Bücher eilWD
so anüorordentlichen Zauber auf die Gemflter der beiTVr-
ragendsten Theologen des Aliltelaltera ausübten, so sebonl
der Hauptgrund dies gewesen zu sein, daas sie einem Ver-
langen entsprachen, das in jedem Mensche aherzeu vorhaadM
ist, dem Verlangen zu wissen, daas es ein wirkliches Ver-
hältnis zwischen der menschlichen Seele und tiott gibt Die-
ses Verlangen war durch die jfldische Religion nicht beMe^
worden. Erst jtlugst hat ein hervorragender BcholtiBch«r The^
log gezeigt, welch eine un Ab ersch reitbare Kluft du Alte Totft-
meut zwischen der Seele und Gott bestehen llsal. Und obfl«irl
es der hOcbete Zweck der Lehre Christi — wenn a« Mt
1) Siehe Uamsck a. s. 0., Bd. U, ä. 1
DionysiuB der Areopagite. 4g 1
riehtig yersUnden wird — war, diese Kluft zu überbrücken,
so wurde sie doch von den Judenchristeo, welche einige der
ersten and in manchen Beziehungen wichtigsten christlichen
Gemeinden bildeten, nicht so aufgefasst. Dionysius machte
sich kühn daran, wenn nicht eine Brücke, so doch eine
Jakobsleiter zwischen Himmel und Erde herzustellen; und
diese Leiter war es, welche, wie wir sehen werden, die 6e-
mtlter seiner zahlreichen Anhänger so sehr ansprach.
Ohne Zweifel trug die Vorstellung, dass er ein Zeit-
genosse Yon Paulus gewesen sei, zur Hebung seines Ansehens
Yiel bei. Es finden sich in seinen Werken mehrere Dinge, die
▼OD den Orthodoxen schwerlich geduldet worden wären, anßer
als Äußerungen eines apostolischen Lehrers. So behauptet Dio-
nysius, dass die Hebräer in keinem Sinne ein vor allen anderen
anserwähltes Volk seien, dass das Los aller Menschen gleich sei,
and dass Gott für die ganze Menschheit in gleicher Weise Sorge
trage. Es ist eine noch kühnere Behauptung des Dionysius, dass
Christas vor seiner Auferstehung einfach ein sterblicher Mensch
gewesen, ja sogar den Engeln gleichsam untergeordnet, und
dass er erst nach der Auferstehung auf einmal zum unsterb-
lichen Menschen und zum Gott für Alle geworden sei. Es
finden sich noch andere Anschauungen von mindestens zwei-
felhafter Orthodoxie, die man bei Dionysius geduldet zu haben
scheint, während sie, wenn sie irgend ein Anderer ausge-
sprochen hätte, zu Kirchenstrafen Anlass gegeben haben
würden.
Quellen des Dionjsias.
Man darf jedoch nicht annehmen, dass Dionysius in dem,
was er lehrte, originell gewesen, oder dass er der Erste ge-
wesen sei, der hinter dem Schleier der christlichen Lehren
griechische und namentlich neuplatonische Ideen entdeckt
habe. Dionysius geht, ähnlich ^ie die ältesten eleatischen
Philosophen, von dem Glauben an Gott als das absolute
Wiesen, ro Sp, aus, an den be wursten Gott als schlechter-
402
(i-linte Vorlesung,
I
diDgs übersinnlich, als die ürssche, welche anßerbalh itmr
Wirkiingeo ist und sich doch so vervlelftliigt, daas de iet
Kraft nach in jeder derselben gegenwärtig ist. Dieae Ver-
vielfÄltignng oder dieses Ausatrömen der Gottheit wird iet
Liehe (f(>(ri,) innerh&lh Gottes angesclirioben und wird, gluM
muD, nach gewissen Plänen oder Mustern [.iffooßiiittui, nirpo-
dEiynaTu) ausgefohrt, d. h. nicht aufs Ueratowohl. aonäeni luefa
Gesetz oder Vernunft. Hierin können wir die stoischen Logoi nnd
die Platonischen Ideen wiedererkennen^ und wir werden sehen,
dusa sie in ihrem Charakter als Vermittler in dem SysteDi
des Dionyaius noch einmal nnter dem Namen der Uicrucbieg
der Engel auftreten. Die Seele, die sich dnrch diese mu-
nigfattige Schöpfung von Gott getrennt findet, hat ddf Ein
7äel vor Augen, nämlich aus der Mannigfaltigkeit der gesohaü^
nen Dinge in einen Zustand der Oleichheit nnd Btnludt t&
Gott [dtfofioinmig, i'vvjuig, iHtoate,] zurackinkebreB. Di«
EInft zwischen der Gottheit und der sichtbaren Welt nird
durch eine Anzahl von Wesen ansgefüllt, die dem Nameg
nach wechseln , ihrem Wesen nach aber immer diescjb«
sind. Dionyains bezeichnet dieselben als eine Hierarchie. Bt.
Clemens hatte schon donseihen Aosdruck gebraucht,'] wbbb
er >die stufenweise angeordnete Hierarchie' beschreibt, idit
einer Kette von Eisenringen gleicht, von denen jeder erhiil
und erholten wird, von denen jeder reitet und grrettet wirJ.
nnd die alle von dem heiligen Geist, welcher der Glube
ist, zusammengehalten werden.« Origenes ist mit d«nelbra
Idee vertraut, und Philo sagt uns gani offen, Oass da», «u
die Leute 'Engel' nennen, in ^Vlrklichkeit die itotieheB
Logoi sind.-)
Die Ualmones.
Wir können dieselbe Idee noch weiter surQck verftilgw
Wie wir sahen, war bei Uesiod nnd in Plalo'g 'nmMU ^
eiter Sb, 4liti; 469 f^.
DiODysiuB der Areopagite. 463
Kluft zwischen den beiden Welten von den Daimones ana-
gefflllt In der späteren Platonischen Philosophie wurden
diese Daimones mehr und mehr in ein System gebracht.
Man nahm an, dass sie alle Arbeit verrichteten, die unter
der Würde der unempfindlichen Gottheit sei. Sie schaffen, sie
wollen und beherrschen Alles. Die Einen von ihnen sind
fast göttlich, die Anderen beinahe menschlich, wieder An-
dere sind Dämonen im modernen Sinne des Wortes, Geister
des Übels. Viele der alten mythologischen Götter mussten
sich schließlich mit einem Ruheplätzchen unter diesen Dai-
mones zufrieden geben. Diese Theorie von den Daimones
befriedigte in der That das alte Bedürfnis einer Brücke zwi-
schen Gott und dem Menschen, und je abstrakter die Idee
Gottes in der Philosophie der Platoniker wurde, desto stärker
wurde ihr Glaube an diese Daimones. Die Schilderung, welche
Maximns Tyrius, Plntarch und Andere von ihnen geben, ist
oft höchst rührend und zeigt tiefes religiöses Gefühl.
So schreibt Apulejus, De Deo Socratico. 674: »Kein
Tadel trifft Plato und seine Anhänger, wenn sie, begreifend,
dass die rein geistige und leidenschaftslose Natur Gottes ihn
von einer unmittelbaren Wirkung auf diese Welt der Materie
ausschließe, sich eine Hierarchie wohlthätiger Wesen, Dai-
mones genannt, dachten, welche auf Grund ihrer Unsterblich-
keit an der göttlichen Natur, und auf Grund dessen, dass sie
Leidenschaften unterworfen sind, an der menschlichen Natur
teilnehmen und darum geeignet sind, die RoUe von Vermitt-
lem zwischen der Erde und dem Himmel, zwischen Gott und
dem Menschen zu spielen.«
Maximus von Tyre (Diss. XIV, 5) beschreibt diese Dai-
mones als ein Bindeglied zwischen menschlicher Schwäche
und göttlicher Schönheit, indem sie eine Brücke zwischen
dem Sterblichen und dem Unsterblichen bildeten und zwischen
Göttern und Menschen in derselben Weise tbätig seien, wie
Dolmetscher zwischen Griechen und Barbaren. Er nennt sie
Götter zweiten Ranges (d^^ol dtvTtooi) und spricht von ibnen
als den abgeschiedenen Seelen tugendhafter Menschen, die
■164
Vierzehnto Vorlesung.
von Golt dazu angestelit seien, jeden Teil des menachlichco
Lebens zu beaufsichtigen, indem i^ie den Gntsn liAlfea, die
Beleidigten rflchten und die Ungerechten beetnFlaii. Bio
sind Itoteu der ungesehenen Dinge, iiyyti.ai tüv äffttrüiy;
und anch I'liitarch nennt sie die Boten oder Engel Ewischcii
GOltem nnd Menschen, indem er sie ala die Spione der
Ersteren heschieibt, die auf ihr ÜeheiB hcrumwandem, übd-
tbäter bestrafen und den liebenslunf der Tugendhaften be-
schirmen (Das Aufhören der Orakel, 13; Das Gesiebt in der
Scheibe des Mondes, '.tO).
Origenes bebt hervor , dass in den Psalmen von den
Engeln manchmal als G5tteru gesprochen wird ic. Cd"-
V, 4); wenn ihm aber Celans enlgegenhtllt, warnni denn dun
die Christen nicht die Duimonea nnd namentlich die Uimmel»-
lichter verehrten, so antwortet er; Die .Sonne selbst und
der Mond nnd die Sterne beten darch seinen eingelioreseii
Sohn zu dem hüchatcn Gott, und darum halten wir ea (Bt
anpassend, zu Jenen Wesen za beten, welche selbst Golt
durch Gebete verehren \viivovfi(t' ye ittiiv xui thv Mi/re-
yi^ij aÖToO. c. Ceh. V. 11 ; VIU, 67),
Celsns, der sonst Alles bezweifelt , was sich nicht philo-
sophisch rechtfertigen Usst, ist doch ron der WirkliohlMit
und der göttlichen Güte der Daimones so Oberseugt, da« et
nicht verstehen kann, wie nur die Christen so undankbar Mtn
können, sie nicht zn verehren.
Ein Ton der Ehrlichkeit klingt ans ans der oA eiüntas
Stelle entgegen, wo er die Christen ermahnt, ihre alten Dk'
monea nicht zu verachten:
»Jeder gnle Bllrgor,< sagt er, 'äollte vor dem Kall
seiner Väter Achtung h^ben. Und Gott gab dun Dmdovm
die Ehre, welche sie heiacliten. Warum weigern sieb aUo
die Christen, an der Tafel der Daimones lu apeiaoa? Sie
geben uns Korn und Wein, ja sogar die Luft, die wir slsxa;
wir müssen uns entweder ihren Wohlthaten fügen oder die
Welt gauz nnd gar verlassen. Alles, was im ChristAntaia
wirklich von Wichtigkeit ist, besobrAukt sich auf den UUnben
DioDTsius der Areopagite. 465
an die Unsterblichkeit der Seele, an die künftige Seligkeit
der Guten nnd die ewige Bestrafung der Bösen. Warum
aber sollen sie nicht auf den Kuser schwören, den Spender
aller zeitlichen Gflter, wie Gott der Spender aller geistigen
Guter ist? Wamm sollen sie nicht einen Päan anf die
glänzende Sonne oder Athene singen und jedenfalls jenen
niedrigen Gottheiten, die nns schaden können, wenn sie ver-
naehllssigt werden, die Hand kflssen? Es ist doch nicht
anzunehmen, dass das große römische Reich seinen alterprob-
ten Glauben um einer barbarischen Neuerung*) (d. h. des
Christentums! willen aufgeben werde.«
Plntarch gibt demselben starken Glauben an die Dai-
mones Ausdruck, wenn er sagt:
>Wer die Daimones leugnet, der leugnet die Vorsehung
und zerbricht die Kette, welche die Welt mit dem Throne
Gottes vereinigt.«
Wir können daher recht gut verstehen, dass diejenigen
nnter den Platonikem, welche Christen geworden waren,
etwas brauchten, um die leeren Winkel in ihren Herzen,
welche früher von den griechischen Daimones eingenommen
waren, auszufüllen. Um die höchste Gottheit mit der Welt
in Berührung zu bringen, erfanden sie ihre eigenen Daimones,
oder vielmehr, sie gaben den alten Daimones neue Namen.
St. Clemens spricht ohne Weiteres von den Göttern, aber er
erkliLrt, dass die ganze Schar der Engel und Götter dem
Sohne Gottes unterworfen ist.-;
Selbst St. Augustinus trägt kein Bedenken, von den
Göttern zu sprechen, welche in der heiligen nnd himmlischen
Stätte wohnen, aber er versteht unter ihnen^ wie er sagt,
Engel und vernünftige Geschöpfe, seien es Throne oder Herr-
schaften oder Fürstlichkeiten oder Mächte.
1 Big;? a. a. 0. p. 266.
2 Strom. VII. 2. A: Heo\ i/r nooafyooir.r xtxh rtvA ot avy^oo-
rot töiy ii'O.vjy »>£ü)J' vrto rw — oirro« .Tot'iror itiftyitirc}»' Vivrco^
ttlVOi.
4Rf)
Vieri ebnte VorlQsnng.
Wenu die Logoi als Ein Logos aufgefaest vorden vrarvs,
so wurde der LetEtere, wie wir sahen, der Sohn Oott«s, der
Eratgcboiene oder selbst der Eingeborene genannt Wür-
den aie als Viele aafgefasst, so hießen dieselben Lo^oi bei
Philo 'Engel', und bei den Gnostilieni 'Äonen'.'] Sie wni^
den nun von Dionysiua als eine Hierarchie dargestellt. Diese
Hierarchie bat Jedoch einisn von dem der Aristotelischen Lugoi
ganz verscliiedenen Charaltter angenommen. Die Sloilcer
sahen in ihren Logoi eine Erklärimg der geschaffenen Dinge,
der B&ume, Tiere and Fische, oder der universalen Elemente,
nicht nur des Wassers, der Erde, dea Feuers und der Lnft.
sondein auch der Wärme und Ksite, der Süßigkell und
Bitterkeit, des Lichts und der Finsternis u. s. w. Die Pla-
tonikor und namentlich die ueuplatonischen Christen kOni-
uorten sich nicht mehr um diese Dingo. Es war nicht dar
Ursprung und die Abstammung der Arten, sondern das Ao^
steigen der menachüchen Seele, was ihre Gedanken hupt-
nächlich beschäftigte. Die Kamen, welche diesen vermltleh>-
den Schöpfungen gegeben wurden, welche aus (Jott henror-
gegangen waren, welche ein wirkliches Dasein neben Gott
.■tngeaommen hatten, ja nach einiger Zeit gleich persAih
liehen Wesen geworden waren , diese Namen waren aut da
Bibel genommen — nach welchem Princip , wenn nberiiiii{it
nach irgend einem, lat freilich schwer zu vorstehen. Schau
Origenes halte von Engeln und Thronen, UerrBchaflen, FOrsI-
lichkeiten, Tugenden und Machten gesprochen, sowie tob timt
unenJlicheu Treppe von Welten, auf der die Seelen fcrl-
wiUirend auf- und abstiegen, bis sie endliche Vereinlgnng mit
Gott erlangten*
li Diese Äonen des ValoDtiaian nsFen, wie big}; la. ft. "
p, 27) richtig bemerkt, die Ideen Plaio's, durch den Nebol vitft
ä^yptiscben oder syrisclieu Geistes gi^suhun. Ann wardc wab^
scbeinJich ursprtiuglich in dem Siune von 'Zeitaller', '(!u»cUMbl'.
dann 'Welt' aufgefasst- Unser eigene» Won 'Welt' (enyl- »<^
bedeutet.' unprUnglkh 'Zeitalter der Uonschen', tarculmn.
Dionysios der Areopagite. 467
Einflnss des Dionjsias wihrend des Mittelalters,
Was dem Historiker rätselhaft erscheint, * ist die Frage,
wieso Dionysias, der doch nur diese alten Gedanken neu an-
ordnet, ohne viel, wenn irgend etwas, Eigenes hinznzofftgen,
die große Antoritftt f&r Theosophie oder mystisches Christen-
tnm während des ganzen Mittelalters geworden ist. Er wird
von den orthodoxesten Schalgelehrten nnd von den ganz der
Speknlation ergebenen Philosophen, die fast aufgehört haben,
Christen zu sein, gleichermaßen citiert Sein erster Über-
setzer, Scotus Erigena, bediente sich seiner als eines starken
Schildes gegen seine eigenen Widersacher. Thomas von Aquino
beruft sich bei jeder Gelegenheit auf ihn, und selbst wenn
er von ihm abweicht, behandelt er ihn als eine Autorität,
die nur den Aposteln, und vielleicht nicht einmal diesen,
etwas nachgibt.
Das System des Dionysius.
£ine Erklärung ist die, dass er sah, dass alle Religion,
und sicherlich die christliche, das Verlangen der Seele nach
Gott erfüllen, ja ihr die Rflckkehr zu Gott ermöglichen muss.
Die Schöpfung, selbst wenn sie nur als eine Emanation auf-
gefasst wird, ist eine Trennung von Gott; die Erlösung, wie
sie das Christentum zu gewähren verspricht, muss demnach
eine Bflckkehr zu Gott sein, der Alles in Allem, der die einzig
wahre Existenz in allen Dingen ist. Dionysius sucht zu er-
klären, wie ein glänzendes geistiges Licht von dem Vater
des Lichtes hervorstrahlt und sich über die ganze Schöpfung
verbreitet. Dieses Licht, sagt er, ist Eines und in allen Dingen
durchaus ganz nnd gar dasselbe, und obgleich eine Verschie-
denheit von Gegenständen da ist, bleibt doch das Licht Eins
und ungeteilt in verschiedenen Gegenständen, so dass man,
ohne irgend eine Verwirrung befürchten zu müssen, den
Gegenständen Mannigfaltigkeit und dem Lichte Identität zu-
schreiben kann»
30*
46S Vierzehnte VorloBang.
Alle vemflnftigen GeacMpfe, Wblclie eine Fähigkeit fttr
die gOttlicbe Natur besilien, werdeD durch das wunderbare
Scheinen des liiminliächen Lichts verdOnnt, erleooht«!, nahe
an dasselbe emporicehoben, ja mit demselben Ejhb ^maehL
lu dieser großen Glückseligkeit befinden sich alle jene geuti*
^n Nalnren, die wir Engel nennen, llbor welche das Liebt
in seiner ungetrübten lleinhcit sich ergießt
Was aber die Menschen anbelangt, die dnrch die schwere
Masse des Körpers gehemmt sind, so können sie nur Rino Art
gemüBigtes Licht durch Vermittlung der Engel empran^n,
bis sie zuletzt die Wahrheit finden, das Fleisch belegen,
nach dem Geiste streben und in der geislig'en Wahrheit Anlie
finden. So ruft der allgnndige Gott die gefallenen Meoacbcn
zn sieh zurflck und gibt sie der Wahrheit und dem Liebte
selbst wieder.
Dionysins aber begnttgt sich nicht mit diesen allgeniMMi
Umrissen, er geeilt sich darin, die unbedent enden und fBr
unsere BegritTe oft sehr phantaatidchen Details der Emanation
des göttlichen Lichtes umständlich darzustellen.
Er sagt nns, es gebe drei Triaden oder nenn Abteilu-
gen in der himmlischen Hierarchie. Möglicherweise wnrdn
er durch die drei Triaden des Plato, die wir in einer frl-
heren Vorlesnng erörtert haben, auf diese drei Triaden geflJiil
In der ersten Triade belinden sieh vor Allem die Serapiiü'i,
die von Gott selbst erlencbtct sind und die Eigtmschaft dtr
VoUkemmenheil besitzen. Dann fulgen die Cherubim, di>
von den Seraphim erleuchtet nnd belehrt werden md dis
Eigenschaft der Erlonclitung besitzen. Die dritto Stdte ^
der ersten Triade wird den Thronen angewieien, d. h. fttlei
Naturen , welche von der zweiten Klasse erleuchtet Wtrda
nnd sich durch Reinheit auszeichnen.
Dann folgen der Kelhe nach die [lorrscbaften, ^eTV*
den, die M&chte, nnd hierauf die Fürstlichkeiten, dJa En-
engel nnd die Engel. Diese neun Stationen werden all« an-
fahrlich hescbriebeu, aber ihr Hanpteweck ist am Ende, dM
göttliche Liebt zu UberUefern und gleichsam tu SUrina, ^
DioDysiuB der Areopagite. 469
es far menschliche Wesen geeignet gemacht werden kann.
Die Menschen stehen nnter den Engeln, wenn sie aber ge-
hörig erleachtet sind, so können sie gleich Engeln, ja
gleich Göttern werden. Partielles Licht wurde von Moses
mitgeteilt, reineres Licht von Christus, obgleich sein volles Licht
erst im Himmel heryorscheinen wird. Dort ist der wahre
Sohn bei dem Vater. Der Vater ist der Anfang, von dem
alle Dinge aasgehen. Der Sohn ist das Mittel, durch welches
alle Dinge schön geordnet sind, der heilige Geist ist das
Ende, durch welches alle Dinge vervollkommnet und vervoll-
Btftndigt werden. Der Vater hat alle Dinge erschaffen, weil er
gat ist — dies ist die alte Platonische Idee — ; und weil er
gut ist, raft er auch alle Dinge je nach ihrer Fähigkeit zu
sich selbst zurück.
So sehr wir auch mit der allgemeinen Absicht dieser
Theologie des Dionysius übereinstimmen mögen, so ist doch
nicht zu leugnen, dass manche von diesen Details höchst kindisch
sind. Und doch sind es gerade diese Details, an denen durch
€renerationen hindurch christliche Lehrer und Prediger und
deren Zuhörerschaften Geschmack gefunden zu haben schei-
nen. Bis auf den heutigen Tag schreibt sich der Glaube der
Kirche an eine Hierarchie von Engeln und an deren Verrich-
tungen hauptsftchlich von Dionysius her.
Milman Aber Dionysius.
Das Vorbandensein dieser streng geregelten himmlischen
Hierarchie wurde, wie Milman bemerkt (VI, 405), in der
höheren und mehr gelehrten Theologie eine anerkannte That-
sache. Die Schulgelehrteu gründen ihre Schlussfolgerungen
auf sie, wie auf die Gottheit selbst; in ihren deutlicher aus-
geprägten und mehr materiellen Zügen wurde sie zu dem
Glauben des gemeinen Volkes und zum Gegenstand häufiger
Darstellung seitens der bildenden Kunst. Milman schreibt:
>Das für sich bestehende und gelegentlich wahrnehmbare
Sein und Wesen der Seraphim und Cherubim, der Erzengel und
470
VierBohma VcirleBiiog-
Engel, in jenem unklaren Gewirre von dem, was man fltr in
der heiligen Schrift offenbart hiell, and was von der Kirche
sanktioniert war, in jenem Gewirre von Bild nnd Wirklichkeit,
diese orientalische, halb-magische, hatb-talrnndische, nun abet
chriatlicb gewordene Theorie erhielt — vielleicht mit einer
weniger positiven Autorität, scbwerlieh aber mit einer wemgrr
anbe stritte neu Glaub Würdigkeit — ihre Stelle mitten unter
all den übrigen Glaubensartikeln.«
Mit eiuer gewissen Ironie deutet MÜman an, dass üt
Geistlichkeit des Miltelaliers an dieser bimmliscben llienrchie
vielleicht deshalb gar so sehr Gefallen fand, weil ihr eine
lürchiiche Hierarchie entsprach. In seiner ' Kirchlieheo
Eierarchie' ging UiODpius daran za zeigen, dass es noch
eine andere Hierarchie gebe, in der sich die himmlische ab-
spiegle, eine menschliche und materielle Hierarchie, weld»
den körperlichen Wesen göttliches Licht, Reinheit und Er-
kenntnis vermittle. Die irdische ptiesterliche Kangurdonng
habe ihr Vorbild im Himmel, die himmlischen RAugDTd-
nungen ihr Gegenbild auf Erden. Wie es Licht, R«o-
heit und Erkenntnis gebe, so gebe es drei Klassen in der
irdischen Hierarchie: Bischöfe, Priester und Diaconi; drei
Sakramente: Die Taufe, das heilige Abendmahl und die
letzte Ölung; drei Klassen: die Getauften, die Kommoniku-
teu und die Mönche. Die kirchlichen Hierarohien selbst
waren nach dem Muster der großen Rangordnungen im Hirn*
mel gebildet und organisiert. Der ganze Kult des Menschso,
dem sie vorstanden, war ein WiodorhaU von dem im ffimmel;
er stellte wie in einem Spiegel den engelischfla oder tbO'
engelischen Kult im höchsten Feuerhimmel dar. All die Pr«hL
all die Lichter, all der Weihranch bei dem menachlichea Knll
waren nur die materiellen Symbole, eine Abscbattung dt*
Immateriellen, die sich zn dem menscfalicheti Denken her^
lässt und in Dingen, welche für die Sinne des Menschea
fassbar sind, die Anbetung von Wesen verkörpert, welche
dem Throne Gottes nahe stehen.
Es mag wohl etwas Wahres an der VoratellUDg HilatsM
DioDysins der Areopagite. 471
sein, dass sich die menschliche oder vielmehr priesterliche
Eitelkeit durch alle diese Dinge geschmeichelt fühlte ; ^) doch
können wir kaum anf diese Weise den ungeheueren Erfolg
der Lehren des Dionysius in der Kirche des Mittelalters er-
klären.
Der wahre Zauber des Dionysius.
Der wahre Zauber lag, glaube ich, tiefer. Er bestand
in der Befriedigung, welche Dionysius jener angeborenen
Sehnsucht der menschlichen Seele nach Vereinigung mit Gott
gewährte, einer Sehnsucht, die um so stärker war, je mehr
die bloßen Äußerlichkeiten der Religion und des Kultes zu
jener Zeit den Geist der Priester und Laien beschäftigten.
Nicht etwa weil man diese Befriedigung nicht in den Evan-
gelien hätte finden können, wenn man nur gehörig in ihnen
geforscht hätte, und wenn es den Laien gestattet gewesen
wäre, sie auch nur zu lesen; — aber Dogma und Ceremo-
niell waren es damals, welche die Kirche ausschließlich
beschäftigten.
Das fünfte Jahrhundert.
Wie Dr. Westcott bemerkt, hatten die kirchlichen und
bfirgerlichen Wirren des fünften Jahrhunderts die höchste
Herrlichkeit der Kirche und des Reiches verdunkelt. Darum
fanden die von Dionysius angeschlagenen Saiten so leicht
einen Wiederhall in allen wahrhaft religiösen Gemütern, d. h.
in Gemütern, welche sich nach der wirklichen Gegenwart
Gottes oder nach liebender Vereinigung mit Gott sehnten.
1: Selbst in diesem Punkte ist Dionysius nicht ori^nell. St.
Clemens war ihm darin vorausgegangen, wenn er schreibt Strom.
VI. 13': >Da meiner Ansicht nach die Stufenleiter hier in der
Kirche von Bischöfen, Altesten und Diaconi eine Nachahmung der
engelischen Herrlichkeit ist.«
472
Vierzehnte ■^"cr^leaung,
I
Denn dies war ea, was Dionysins ihnen versprach. Für ihn w«
alles Endliche ein Hilfsmittel zum Bogreifen des Unendlichen;
und wenngleich die luenBchliche Erkenntnia sich nie zor Erbennt-
nia des Absolnten erheben könne, so könne sie doch den Weg tu
einer Gemeinschaft mit demselben zeigen. Das höchäte Ziel wkt
beiDionysius die Assimilation oder die Vereinigung mitOott')
Um diese Vereinigang za erreichen, müssen die wahrtiolX Ein-
geweihten von den Gegenständen und den ErAfteu de» äehens
befreit werden, ehe sie in die Dnnlcelheit der Unkenntiüt
(äyvoiuia) eindringen können. Der Eingeweihte wird danD
in dem Unberflhrbaren und Unsichtbaren verschlnngen, er
gibt sich gänzlich dem, was aber alle Dinge binausroicfat.
bin, er gehurt nicht mehr sich selbst an, noch irgend einun
anderen endlichen Wesen, sondern er ist kraft einer edleres
Fshigkeit mit dem vereinigt, was infolge der günsliclien
Wirkiint;äiosigkeit aller bo schränkten Erkenntnis gans nad
gar unwissbar ist und in einer Aber den Verstand hinaos*
gehenden Weise dadurch, ilass man nichts weiU, erkannt mti
(Westcott a. a. Ü. p. isö). Dies nennt mau die mysti^ekt
Vereinig aitc/, wenn die Seele mit Gott nicht durch Erkenotnit,
sondern durch die Eingabe der Liebe vereinigt ist. Hiem
lag der wirkliche Reiz der Schriften des Dionysins, wenige
stens far viele Ckriston, welche von der Religion mehr rer-
langteu, als trockenes Dogma, und von der Kirche m«hi all
leere Symbole und Ceremouien.
Wir können uns schwer vorsteUeo, wie es um die r^
giCsen Verhältnisse der Laien zu jener Zeit ausgosefaeu babat
mus». Allerdings wurden sie getauft nnd koufinniert, ac
wurden von der Kirche verheiratet nnd begraben. Sie lern-
ten auch ihre Glaubensartikel und Gebete, und aie wardes
eingeladen, dem prunkvollen Gotlesdionst in den aKehrwQrdl-
gen Monstern beizuwohnen. Wenn sie aber fragten, wozu tH
dies solle, woher es komme, nnd was es bedeute. 80 hitten ait
nicht leicht eine Antwort gefunden. Wir mttsseu bedatkken.
1) Westcott 11. a. 0. pp. IST, 1.^9, liil
Dionysius der Areopagite. 473
dass die Bibel damals ein fast unzugängliches Buch war, und
dass die Laien nicht dazu angeeifert wurden, sie zu studieren.
Die Laien mussten sich mit dem begnügen, was durch das
Gehirn der Geistlichkeit durchgesiebt worden war, und was
von der Kirche als die beste Nahrung für Unmündige ange-
sehen wurde. Jeder Versuch, diese geistliche Unterweisung
zu prüfen und zu verifizieren, hätte als sündhaft gegolten.
Die Geistlichkeit andererseits war oft ohne litterarische Bildung
und jedenfalls ohne jene historisch-philosophische Erziehung,
die sie in Stand gesetzt haben würde, die theologische Lehre
des Johannes in ihrem wahren Sinne zu erklären, oder dar-
zuthun, in welchem Sinne Christus der Sohn Gottes genannt
wurde, und in welchem Sinne man glaubte, dass die Mensch-
heit der göttlichen Sohnschaft fähig sei. Das Christentum
wurde ganz und gar legendenhaft, und statt nach einer reinen
Conception (Auffassung) Christi als des Sohnes Gottes zu
streben, erfanden Päpste und Kardinäle unbefleckte Concep-
tionen (Empfängnisse; ganz anderer Art. Und das, was die
Quelle aller Religion im Menschenherzen ist, die Wahrneh-
mung des Unendlichen und die Sehnsucht der Seele nach
Gott, fand nirgends einen Wiederhall, nirgends eine Befriedi-
gung. Ein Wunder ist es in der That, dass das Christen-
tum die schrecklichen Jahrhunderte vom fünften bis zum
neunten überlebte. Sowohl Geistliche wie Laien scheinen ein
gottverlassenes Leben geführt zu haben, doch sind es gerade
diese Jahrhunderte, auf die sich das alte deutsche Sprich-
wort anwenden lässt:
>WeDn die Not am hüchstcu,
Ist Gottes Hilf am nächsteD.^
Nähe an Gott, Vereinigung mit Gott war es, wonach
viele Seelen damals strebten, und da die Dionysische Philo-
Sophie dieses Verlangen stillte, war sie den Geistlichen und
mittelbar den Laien willkommen.
474 Vieriolinto Vorlesung.
FDiif Stndion der niTstbchen Ver<-liil;^niis.
Die mysliscle Vereinigung, von Jer Dionyaiua
war nichts, was geheim gehalten werden sollte, soDdom es
war einfach das, was die Ncnplatoniker als den letzten nnil
höchsten Pankt ihrer Philosophie und ihrer Keligion golehtt
hatten. 8ie glaubten an eine Reihe von vorhereiteoden Sta-
dien, wio Reinigung {xiÜfagiJis), Erienchtung {iffaTiafAi.
und Einweihung {fiir^atg), welche am Ende znr Vereinigung
mit Gott [evttiais] and Vergottung') oder Verwandlung is
Gott [&fi:jut^] fahrten. Zuweilen wurde eine Unterscheidani
zwischen Einheit [i't'dtai^] und Gleichheit [htioivujt.:} geauKbt.
was aber die Gleichheit mit Gott anbelangt, so irttrde ta
schwer fallen , irgend einen Unterschied zwischen Oleichheä
nnd Einheit, zwischen dem, was gottgleich, tind dem, «u
göttlich ist, darznthun.
3lf!«t«rleD.
Wenn es eine Einweihung [ftv)]aig] gab, darf man nicU
etwa glanben, dasa an dieser Vorbereitnng auf daa bodutt
Ziel irgend etwas Geheimes oder Geheimnisvolles war. IV
Henosia oder Vereinigung mit dem Einen nnd AUon mc
ebensowenig ein Geheimnis, als die Lehre des F«üttt, d«u
wir in Gott leben und woben und sind. Was mm unter
Einweihung verstand, war nichts weiter als eine VorbereituD^
ein Beweis der Tauglichkeit, die höhere Krkenntnii n
empfangen. Dennoch sprachen viele von den Kirchenrftteni.
welche in den Schulen der nenplatonischen Philosophen anf-
gewaohsen waren, von der Vereinigung der Seele mit fief
als einer mysCischen Vereinigung nnd ala einem Mpterinm.
So sagt Origencs (c. Celaum, 1, I, c. 1:, daaa das OhiiiUif
tum, obgleich es weiter verbreitet sei, als irgend eine andc«
Philosophie, doch hinter der eioteriscluin I<ehre ge*iM*
1] Siehe An:u, auf H. 47«,
Dionysius der Areopagite. 475
Dinge besitze, die nicht gerne der großen Masse mitgeteilt
würden. St. Basilias unterscheidet im Christentum zwischen
■/.rfivyiiaxa^ ^was oflfen verktlndet wird', und öoyuaTa, die
geheim gehalten werden. Diejenigen, welche getauft worden
waren, wurden zuweilen als uiarai oder ff air 1^6 uevoij *Er-
leuchtete', bezeichnet zum Unterschiede von den Katechumenen,
gerade so wie in den griechischen Mysterien zwischen den
Eingeweihten und den Uneingeweihten (den Exoterischen) ein
unterschied gemacht wurde. Namentlich wurde auch das heilige
Abendmahl oft als ein großes Mysterium bezeichnet; obgleich
es aber ein Mysterium genannt wurde, war es doch kein
Geheimnis in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes. Clemens
leugnet ausdrticklich, dass die Kirche irgend welche Geheim-
lehren [didaxcig ti?^i>ag ä;coQQrjrovg) *) besitze, obschon auch
er ohne Zweifel geglaubt haben wtlrde, dass man das Heilige
Dicht den Hunden vorwerfen dürfe. Was man als das höchste
Mysterium bezeichnen kann, ist — sei es im Christentum
oder im Neuplatonismus — zu gleicher Zeit die höchste
Wahrheit, nämlich die i'pcoaig oder S.rhoaig, die vollkom-
mene Einheit mit Gott. So sagt Macarius ;ca. 330] in sei-
nen Homilien (XIV, 3) : »Wenn ein Mensch sein verborgenes
Sein, d. i. seinen Geist und seine Gedanken, Gott ausliefert,
mit nichts Anderem beschäftigt, und durch nichts Anderes
beeinflusst, sondern sich selbst bezähmend, so hält ihn der
Herr in großer Heiligkeit und Reinheit für der Mysterien
würdig, ja er bringt sich selbst als göttliches Brot und geist-
lichen Trank dem Menschen dar.«
Es ist dieses sogenannte Mysterium, welches das höchste
Ziel der Philosophie des Dionysius des Areopagiten bildet.
Er nimmt auch gewisse Stadien an, welche als Vorbereitung
zu dem höchsten Mysterium dienen. Es sind dieselben, wie
jene der Neuplatoniker , sie beginnen mit y.i&ciQOig, der
Reinigung , und enden mit ^icjoig und fnoou^ d. h. *Ver-
1) Bigg a. a. 0. pp. 57, 140.
470 Vienehnte VorleSQDg.
gottuDg', Einheit mit Gott odei VerwandtuDg in Ootl. >] Wir
werden nun besser verstehen, warum er diese Vermnigsif
'mystisch' und seine Theologie ■mystische Theolngie' n«nnL
Hfstlgche und ächolAstl^cbe Theologie.
Mir scheint es, dass die Refriedignn^, welche Diuojsiiu
dieser Sehnsucht des MenschenberEeos nach Vereinigung m!l
Gott gewährte, doch weit mehr als die Befriedigung, welelie
er der kirchlichen Eitelkeit gewährt haben mag, den nnOer-
ordentlichen Eiufluss erklärt, welchen er sowohl unter deo
Laien als bei der Geistlichkeit gewann. Man kann ugao.
dass nach seiner Zeit der ganze 8trDm theologischen WifSOS
in zwei Parallel-B eilen dahin flosa: das eine war die tel»-
la'<fisc/ie Theologie, welche sich mit der Definition Alilt-
licher Lehren nnd ihrer Verteidigung beschäftigte, das asdoi
die mijstisc/w Theologie, die sich der Erforsohong dfls gW'
liehen Elements im Menschen, oder dessen, was nun dfc
Oebnrt Christi innerhalb der Seele nannte, widmet«. Wis
die Grundanschaunng der christlichen Mystiker anbelangt, m
argumentierten sie nicht viel anders als die Vedäniialen rad
die eleatischen Philosophen. Wenn wir, sagten sie, an iu
Eine Wesen glauben, welches alle Dinge verur«aelit ad
bestimmt, so mnss dieses Eine Wesen anch die ürsaeke ud
die Bestimmung der menschlichen Seele sein, und c« wtre
reiner Wahn, zn denken, dass unser Sein dem Wesen bmIi
von dem Gottes verschieden sein könne. Wenn ilogegoi
der Mensch seinem Wesen nach von dem leinen fundamcB-
talen nnd hCchsten Wesen verschieden, wenn er selb«UiMti]ial
und gänzlicii frei ist, so kann es keinen □neudlidiaa ObV
gehen, sondern wir mflssten eine Anzahl von Gatten ad«
g^litUohen Weseu zugeben, die Alle von dem i^en Wetcn n-
ahhüngig, doch Einer durch den Anderen bescbrJtnkt vir«.
1) Dein Eugliscben feblt ein Wort wie das iHntacha "ftr-
gottnng', wolchci von 'Vergötterung' ebenso venchiadBa tat, rt
DionysiuB der Areopagite. 477
Die christlichen Mystiker erwählten die erste Alternative und
unterschieden sich in dieser Beziehung nnr wenig von den
NenpUtonikern, obgleich sie eine große Sttitze ftir ihre Leh-
ren im Neuen Testament, namentlich in dem dem Johannes
zageschriebenen Evangelinm und in einigen der Episteln des
Paulas y sachten and fanden. Die christlichen mystischen
Theologen ließen es sich sehr angelegen sein, ihren Ansprach,
täT orthodox za gelten, zu begrtlnden, and wir sehen, dass
Dionysins noch aaf lange Zeit von den orthodoxesten Theologen
immerfort als eine Autorität anerkannt warde. Thomas von
Aqnino, der engelgleiche Doktor, schöpfte — am die Worte
seines Heraasgebers za eitleren — fast seine ganze Theologie
mos Dionysins, so dass seine Summa ^ wie er sagt, nnr der
Bienenstock ist, in dessen mannigfachen Zellen er den Honig
aufbewahrte, den er ans den Schriften des Dionysins gesam-
melt (Westcott a. a. 0. p. 144).
Mystleismas and christlicher Mysticismas.
Ob in unseren Tagen der Mysticismus des Dionysins fUr
ganz orthodox gelten wflrde, bezweifle ich. Tholnck, ein
höchst orthodoxer Theolog und ein großer Bewunderer der
mysti^fchen Poesie des Orients und des Occidents, macht eine
durchgehende Unterscheidung zwischen einem Mystiker und
einem christlichen Mystiker. Er definiert den Mystiker als
»einen Menschen, der im Bcwusstsein seiner Verwandtschaft
mit allem Wesen von der Plejas bis zum Staubkorn, ver-
schlungen in den göttlichen Lebensstrom, der sich durch das
Univeri^um gießt, und doch auch erkennend, dass in seinem
eigenen Herzen der lauterste Lebensbom Gottes quillt, hin-
wandelt durch die dem Beschränkten und Endlichen zuge-
kehrte Welt, das Auge in das Centrum seiner Seele richtend
auf den geheimnisvollen Abgrund, wo die Unendlichkeit in
die En<ilichkeit einströmt, sich sättigend in namenlosem An-
schaun des in seinem Innersten ihm sich aufthuenden Heilig-
tums, und entzündet und umfangen von einer seligen Liebe
478
Vienebnte Voilesung.
zu dem geheimnisvollen Grunde seines Daseins.« 'j *Ia a«iMr
äittliclien Eracheinung, < fügt Tholack hioKU, »ist Aaa Lbben
eines aolcfaen Mystikers »in Wasserspiegel, der ergriffen Toa
einem inneren allgewaltigeu Liebesdrange, gleichsam wie vor
Sehnsucht beklommen, seine Wellen an sich b<, um auf
unbewegter Fläche das Angesicht der Sonne sich spi^els
zu lassen. Die unrnbigon Wellenkrümmungen der Kigenheil
ruhen von der Liebe festgehalten, damit in der bewe^Dg»-
losen Seele der Ewige sich frei bewege, und das Leben dnr
Seele in dem GeeetZQ Gottes aufgehe.* Selbst diese Sprache
klingt fQr uns etwas übertrieben und unreal. Auch wOrde
Tholuck selbst sie nicht ohne eine beträchtliche EinscbrXnkang
als auf den christlichen Mystiker anwendbar gelten lassen. »D«
evangelische Christ,« sagt er,-) ibraucht die Spekulation nicht
zu fürchten. Er weiß nicht mehr und will nicht mehr wisub,
als die Offeubaruug Gottes ihm mitteilt; alle Folgernngon,
welobe über sie hinausgehen, achneidet er ab. So erwimt
er sich au jenem Einen Strahle, der aus der Ewigkeit in ffit
Endlichkeit herabgekummen ist, unbekümmert um alle Knart-
feuer menschlicher Betriebsamkeit, auch unbekfimmert b(t
allen Versicherungen, dass der Strahl, der ihn mehr «rwftioi
als je eine irdische Flamme , von der Erde seL Da Cbriit
weiß, dass es keine Philosophie bis zum Ende der Tage geben
kann, deren tiefe Folgerichtigkeit ihm seinen Ol.iulxn wan-
kend mache. Er sucht nicht nach Folgerichtigkeit; er tt-
uartel vielmehr die Folge, nftmlicb die Folge seines Glanbeic,
ilie das Schauen ist.'
Trotz all diesem entschiedeneu Streben nach Orlboduie
gibt aber Tboluck doch zu, dass die mystische Religion te
reichste und tiefste Erzeugnis des menachlichea Geistes, fit
lebendigste und die erhabenste Offenbarung Gottes tau 4m
Bdob der Natur, ja dass sie nach dem, vrta er evi
Gnade nennt, die bSohste und edelste Stelle
I Horgeulandisühe Mystik, p. 2
1 A. a. 0. |j, 2i
DioDysins der Areopsgite. 479
Es gibt jedoch christliche Mystiker, welche die innere
Offenbarung oder die Stimme Gottes im Herzen nicht so tief
unter die äußere Offenbarung stellen würden. Für jene,
welche die Gegenwart Gottes im Herzen kennen, ist diese
Offenbarung weit mehr wirklich als irgend eine andere es
mdglicherweise sein kann. Sie glauben mit Paulus (L Kor.
3, 16}, dass der Mensch im vollen Sinne des Wortes »Gottes
Tempel« ist, und dass »der Geist Gottes in ihm wohnet«, ja
sie gehen noch weiter und halten sowohl als Christen wie
als Mystiker fest an dem Glauben, dass alle Menschen in dem
Vater und dem Sohne Eins seien, wie der Vater in dem Sohne
und der Sohn in dem Vater ist. Es ist in ihrem Geiste kein
Zwiespalt zwischen christlicher Lehre und mystischer Lehre.
Sie sind ihrem Charakter nach eines und dasselbe, indem die
Eine uns durch Christus auf Erden verliehen ward, die an-
dere aber durch den inwohnenden Geist Gottes, der wieder
nur Christus ist, wie er in uns geboren ward. Das Evange-
lium des Johannes ist voll von Stellen, an die der christliche
Mystiker sich klammert, und durch die er seinen Glauben
an den inwohnenden Geist Gottes oder, wie er es auch
nennt, die Geburt Christi in der menschlichen Seele recht-
fertigt.
Einwendungen gegen die mystische Religion erwogen.
Man hat oft auf die Gefahren aufmerksam gemacht,
welche mit diesem mystischen Glaaben, der Gott Alles in
Allem sein lässt und ihn daher aach fär das in der Welt exi-
stierende Böse verantwortlich machen, oder die Unterschei-
dung zwischen Gut und Böse ganz aufheben würde, verkntipft
seien. Doch sind diese Gefahren in jeder Religion, in jeder
Philosophie vorhanden, sie sind nicht der mystischen Religion
allein eigentümlich. Das Hauptziel des Mystikers ist nicht,
den Ursprung des Bösen zu erklären, was kein menschlicher
Verstand vermag, sondern zu lehren, wie man das Böse
durch das Gute überwinden könne. Die Gefahren für die
4S0
Vierzehme Vorlesung.
SittlicLkeit werden sehr übertrieben. Es iBt das rei
rUftertam , eii sugen . il&ss dieselben nnr in der
Religion vorbanden seien. Er beißt die Oeacbichte flüaekn.
wenn man die Mystiker bescbnldigt, daas sie die Sittüobkelb-
gesetze verletzten. Werden denn diese Uogetze von AOeo,
die nicbf Mystiker sind, beobachtet? Bestand die Helirxtkl
der Verbrecher in der Welt je aus Mystikern, aus HäsDern
wie 8t, Bernurd nnd Tauler? Hat sieb die Ortbodosie
jemals als eine Schntzwelir gegen Versncbong nnd SQade er-
wiesen? Ein Mensch kann Ober Zöllner und Stlndei milde
nrteilen, ohne dämm den Sinn für Hecht nnd ünr«ebt n
veilieren. Es mag Fälle gegeben haben, wo die FreihMt d«*
Geistes als ein Deckmantel für Ztigellosigkeit gebrattcht vor-
den iät — obzwar uns nnr wenige Falle der Art bekansl
sind — , doch ist es dann immer klar, dass die wahre mytti-
sehe Vereinigung nicht zu stände gekommen ist. Wenn dl«
Seele einmal diese wahre Vereinignng mit Ooll orreiclil
bat. ja wenn sie in der besiftndigen Gegenwart Gottes lebt,
wird das Biise geradeza nnm'.'glicb. Wir wissen, da» die
meisten Cbelthaten. zn denen die Menaobennatur binodgl,
nur im Dnnkleu möglich sind. Vor den Angen eines aaderfa
menschlichen Wesens, namentlich eines geliebten Weseiu wer-
den sie sofort unmöglich. Wie viel mehr in der wirklicltea
Gegenwart eines wirklichen nnd wirklich geliebten OoUea,
wie sie von dem wahren Mystiker nicht bloß als UedeaUrt^
sondern als Tbatsache gefühlt wird! Man sagt nnt, dau
der russische Bauer das Antlitz seines Elkon mit dem TascheD-
tnch bedeckt, dnmit es seine Schlechtigkeit nicht seho. üei
Mystiker hat dasselbe Gefnbl; solange iwiscbon ihm Bod
Gott kein Schleier ist. sind bfise Gedanken, bnso Worte mid
böse Thateu schlechterdings unmöglich für Einen, Aa die
thatsAchliche Gegenwart Gottes fühlt. Er wird aaob nieki
mehr durch Fragen beunruhigt, wie die, anf wclehe WciM
die Welt erschaffen worden, anf welche Weise diu tiött in die
Welt gekommen sei. Er begnügt sich mit der gSttUflai
Liebe, welche seine Seele umfasst; er hat Alles, wa* H
DionysiuB der Areopagite. 48 1
begehren kann, sein ganzes Leben ist durch Christas in Gott
geborgen, der Tod ist verschlangen in den Sieg, der Sterb-
liche ist ansterblich geworden, weder Tod, noch Leben, noch
£iigeK noch Fflrstlichkeiten, noch Mächte, weder gegenwärtige,
Boch kfinflige Dinge, weder Höbe, noch Tiefe, noch irgend
ein anderes Geschöpf ist im stände, seine Seele von der Liebe
Gottes za trennen. Dies ist die Sprache, deren sich Paalns
bedient: dies ist die Sprache, deren Widerhall uns ans der
Sprache der edlen Schar christlicher Mystiker nnd mehr
oder minder aller jener entgegenklingt, welche — sei es in
Indien, in Persien, oder in Arabien, ja anch in Earopa —
Bach Gott bangem nnd dürsten, ja die sich im allervollsten
«nd tiefsten Sinne des Wortes als Kinder Gottes f&hlen.
Man hat gesagt, dass die Zeiten, in denen wir leben,
dem mystischen Christentom nicht angemessen sind, dass wir
einen stärkeren und ernsteren Glauben branchen, der ans
dorch die Stflrme nnd die widerstreitenden Strömungen des
Tages hindarcbtn^en soll. Das mag ja sein, und wenn uns
die Kirche stärkere und sicherere Schiffe für unsere Überfahrt
besorgen kann, so thue sie es. Doch vergesse sie nie, dass
die mittelalterliche Kirche, obgleich sie sich ihrer scholasti-
schen Verteidiger rflhmte, obgleich sie vor den Gefahren des
Platonischen und mystischen Christentums warnte, obgleich
sie sogar dem St. Clemens die Heiligkeit absprach und den
Bicht minder heiligen Origenes rflgte, doch nie aufhörte,
MäBBcr wie St. Bemard ;i090— 1ir>2\ Hugo tt 11^1 ««^d
Richard von St. Victor ^f 1173) als ihre glänzendsten Zier-
den und ihre besten Führer anzusehen.
St. Bemard.
Während die großen scholastischen Theologen Definitio-
nen von Dogmas aufstellten, von denen die meisten weit über
den Gesichtskreis der großen Masse des Volkes hinau3;:ingen,
wurden die großen Massen der Männer. Frauen und Kinder
von den Predigten von Mönchen und Priestern angezogen,
Max MftUer, Theoiophie. 31
82
Vierzehnte Vorlesuiig.
welche, in den Lehren des mystischen Christen tum« aufgr-
waohsen und mit Hochachtung gegen Dionysiiis, den Bng«h-
liehen Begründer desselben, erfttUl, die Liebe Gott«9. ein
Lehen in nnd fflr Gott, als d&s eiuxige wahre chrigtlioh«
Leben prediglen. Christus, meinten sie, habe nnr selten gt>-
lehrt, wie man glauben, aber er habe beständig gelehrt, «it
man leben solle. Seine Griindlehre sei sein ei^nee Lebsn
gewesen, nnd die hauptsächliche Lehre dieses Lebens sti
dies gewesen, dass Christus der Sohn Gottes vrar, nicht in
einem mythologischen iSinne, sondern im tiefsten philosc-
phisohen Sinne des Änsdmeks, n&mlioh als das in einen
vollkommenen ■ Hensohen Fleisch gewordene Wesen Gottes,
als das in seiner ganzen VoUsULndigkeit verwirkliofate Ideal
der Menschheit, als der Logos, der wahre Sohn Oottcc
St. Bernard von Clairvanx predigte auch, dass ein ohritt-
liches Leben der beste Beweis des cbrisllichen QUobeaa is.
.Der Grnnd.« sagt er, >we8halb wir Gott Heben sollen, iai
Gott selbst; das Maß dieser Liebe ist, dass wir ihn Bber
alles Maß lieben sollen. <') >Schon die bloße Vemund,* tlhit
er fort, »verpflichtet aus, dies zu thun; daa nns eingepflaan«
Naturgesetz mft laut, dass wir Gott lieben aoücD. Wir ver-
danken ihm Altes, was wir sind; alle Unter des KOrpers nnd
der Seele, die wir genießen, sind sein Werk; wl« Bvllla wil
also nicht verpflichtet sein, ihn nm seinetwillen zu Beb«?
Diese i'flicbt gilt anch fQr Nichtohriston; deno «elM der
Heide, obwohl er Christum nicht kennt, kennt weaigstH*
sich selbst nnd mnss daher wissen, dasa er Alle), im '»
ihm ist, Gott verdankt. In noch höherem Grade ist dtr
Christ verpflichtet, Gott zu lieben, denn er {genießt oleht an
die guten Dinge der Schöpfung, sondern anoh äi« (]«s e"^
gen Heils.«
Ii De diliyenilo Dro. col. 1 Cmisu düigendi D«i^ J
nodns. sine modo diligere.
Dionysias der Areopagite. 483
Liebe zu Gott.
Diese Liebe zn Gott, fährt St. Bemard fort, muss von
der Art sein, dass man Gott nicht nm irgend welcher Beloh-
nungen willen, die man für sich erlangen könnte, liebt. Dies
w&re gewinnsüchtige Liebe. Wahre Liebe findet in sich
selbst ihre Befriedigung. Es ist wahr, dass unsere Liebe
juicht ohne ihren Lohn ist, wahr ist es auch, dass der Lohn
er selbst ist, der geliebt wird, nämlich Gott, der Gegenstand
unserer Liebe. Aber einen anderen Lohn außer ihm zu er-
warten, widerspricht dem eigentlichen Wesen der Liebe.
Grott gibt uns einen Lohn fflr unsere Liebe, aber wir dtlrfen
ihn nicht suchen. Auch ist diese Liebe nicht gleich voll-
kommen. Sie muss durch mehrere Stadien hindurchgehen.
Im ersten Stadium lieben wir nach St. Bernard uns selbst
um unsertwillen. Das ist noch nicht die Liebe zu Gott,
aber es ist eine Vorbereitung auf dieselbe. Im zweiten Sta-
dium lieben wir Gott um unsertwillen. Das ist das erste
Stadium zur wirklichen Liebe zu Gott. Im dritten Stadium
lieben wir Gott um seinetwillen. Dann dringen wir in das
wahre Wesen der Liebe zu Gott ein. Endlich im vierten
Stadium lieben wir nicht nur Gott um seinetwillen, sondern
wir lieben auch uns selbst und alles Andere nur um Gottes
willen. Dies ist die höchste Vollendung der Liebe zu Gott.
Dieser höchste Grad der Liebe wird jedoch in seiner
ganzen Vollständigkeit erst im nächsten Leben erreicht Nur
selten, in Augenblicken mystischer Verzückung, können wir
uns auch schon in diesem Leben za jener höchsten Stufe
emporschwingen.
Terztiekung nach 8t. Bemard.
St. Bernard geht dann in seiner eigentümlichen syste-
matischen Weise daran, zu erklären, was diese Verzückung
ist, und wie sie erreicht werden kann. Die Grundbedingung
ist Demut, der einzige Weg. auf dem wir die Wahrheit zu
31*
484
Vierzehn tu Vorloaung.
crreicheo boffon kSoiiBn. Bs gibt zwülf Grade der Demni,
welche St. Bernard beschreibt. Aber außer der Demut Isl
vollkommene Liebe notwendig, und dann erst können wir
liiiffen, in die myatiBcho Welt oinautreten. Damm ist die
erste Stofe Eneiigiing der Wahrheil, die auf Prüfung ge-
gründet ist und nuch immer durch den schließenden um!
urteilenden Oedanken weiter gefllhtt wird. Dann f<tlgt di*
Biftraihtiing der Wahrheit ohne schließende und nrttUend»
Prüfung. Anf dieae Betrachtung folgt zoletzt daa, was St.
Bernard die admiratio majeslalt'a, die Bewanderung der Ma-
jestät der Wahrheit, nennt. Dies orfordert ein goläntertM
Herz, das von Laster frei nnd der Sünden ledig ist, ein Ben.
dna sich in die Höhe emporacbwingen, ja das anf AageD'
blicke die bewundernde Seele in einer Art Erslarrnng aai
Veriöcknng halten kann (De grad. humii., c. S, 22 teq.)
In einem ähnlichen Zustand , wie dieser, wird di« i^ede
in das künftige Leben eingehen. Unser Wille wird sich er-
weichen und wird in den gCttiichen Willen zerschmelzen onil
sich in denselben ergießen. Und hier tindcn wir, wie 8L
Bernard in Bezng auf das Verhiiltnis der Seele zn OoU oft
dieselben Gleichnisse gobranchl , die wir in den UpanishadM
und bei den Ncnplatonikem fanden. Wie, sagt er, »is
Tröpfchen Wasser, wenn es in eine große Quantität Wela
iUUt, sich selbst im Stiche zu lassen scheinl, wshrcud a <iie
Farbe und den Geschmack des Weines annimmt; wie das
entzttndete, gltlhende Eisen, seiner eigenen nreprOnglirlien
Natur beraubt, dem Feuer so ähnlich als möglich wird; wie
die Luft, wenn sie vom Lichte der Bouue darchstrOmt Ut
sich in den Ulanz des Lichtes verwandelt, so dasa sie nicht
so sehr erleuchtet zu sein, als selbst zu leuclitou scheint, —
^o wird es notig sein, dass jede menschliche Neigung anf
irgend eine uuausspreohücfae Weise zerschmelze und gioz-
lich in den Willen Qottes umgewandelt werde. Denn *i«
wtlrde sonst Oott Alles in Allem sein, wenn irgend etna
vom Menschen im Menschen übrig bliebe? Ja, gaiz dmalb«
Vorsicht, welche im Vedänta gebraucht wurdo, wird <■
Dionjsius der Areopa^te. 4g5
von 8t. Bernard angewandt In diesem Znstand der Ver-
zflckung veriiert sieh zwar die Seele in Gott sie wird aber
Bicht vernichtet. Die Substanz, wie St. Bemard sagt, wird
bleiben, nnr in einer anderen Form, in einer anderen Glorie,
in einer anderen Macht In dieser Glorie sein heißt Gott wer-
den, est deificari.
St. Bemards St«lliuig in der Kirche und im Staate.
Fflr moderne Ohren klingen diese im Mittelalter so ganz
geUnfigen Ideen sonderbar, ja Manche dürften sie als ge-
radezu gotteslästerlich ansehen. St Bemard wnrde aber nie
ftlr einen Gotteslästerer angesehen, selbst seine Orthodoxie
wnrde nie in Zweifel gezogen. Er war der große Vorkämpfer
der Orthodoxie, der Einzige, der in der Kirchen Versammlung
von Sens (1140) mit Erfolg den Kampf mit Abälard auf-
nehmen konnte.
St Bemards Theologie nnd sein ganzes Leben enthalten
in der That die beste Antwort anf die oberflächlichen Ein-
wendungen, die man oft gegen das mystische Christentum
erhoben hat. Man hat oft gesagt, das wahre Christentum
lehre den Menschen nicht, sein Leben in verzückter Betrach-
tung des Göttlichen zuznbringen, sondern es erwarte, dass er
seine Liebe zu Gott durch seine thätige Nächstenliebe, dnrch
ein thääges gottesffirchtiges Leben beweise. In unseren Tagen
namentlich pflegt man religiösen Quietismas und mönchische
Zurückgezogenheit von der Welt erbarmungslos zu verdammen.
St. Bemard aber hat gezeigt, dass ein beschauliches Leben
mit Nächstenliebe, ja mit einem ganz gehörigen Hass gegen
unsere Feinde und einer kräftigen Anteilnahme an den Welt-
begebenheiten keineswegs unvereinbar ist. Man erinnere sich.
dass dieser Mönch, der im Alter von dreiundzwanzig Jahren
der Welt entsagt und sich in das Kloster von Cisteaux zurück-
gezogen hatte und drei Jahre nachher Abt von Clairvaux ge-
worden war. derselbe Bemard war. der für Papst Innocenz 11.
gegen den Gegenpapst Anaclet II. in den Kampf zog. der
4$6 Vierzebnte Vortosutig.
mit seinen eigenen W&ffen Arnold von Brnscift Obonrand,
nnd der schließlich dnrcb seine fenrigen Änspracben die
ganze Christenheit zu dem zweiten K.reDzzng im Jahre MIT
entdummte. Dies zeigt, d&ss anter der stürmischsten Ober*
fläche der tiefste tirund der Seele ruhig und ungestört blei-
ben kann. Es zeigt, wie achun die VedAntisien woasteii,
daas der Mensch nicht in den Wald zu gehen braucht, nn
ein Einsiedler zu ^ein, sondern dass es in jedes Menschün
ilrnst einen WaJd gibt , wo er allein mit dem Alleiniges
wohnen kann.
Rago von St. Vietor, TTisRcn zuverlässiger als ßl
My3HP
Ein anderer Vorwurf, der den sügenanuten
und Qnietisten oft gemacht wird, daas sie engherzig und geges
Geistes^eibeit undaldsam sden, wird am besten durch det
Hinweis anf den intimen Freund Bt. Bernards, den berftlimleii
Uugü von gl. Victor, den Stifter der Victuriner, zurDekgeirie-
seu. Wenn Hugo von St. Victor den Uhinben La Mtiea
subjektiven 8inne als die ThAtigkeit deflmert, durch welcte
wir die Wahrheit empfangen und festhalten, so anlotHliädtl
er, wie viele von den Scbulgetehrten, zwischen Mehiuf,
(ilauben und Wissenschaft, und er stellt den Olaabta Ober
die Meinung, aber unter die auf der Wissenschaft benhend«
(Erkenntnis. Meinung, sagt er, schließt dio Mßglichkrit mM
widersprechenden Gegenteils nicht ans; der Glaube uhU«Bt
wohl eine solche Möglichkeit aus, aber or weiß das Oeglufata
noch nicht als gegenwärtig, indem er nur anf der ABtotittl
eines Anderen beruht, durch dessen Unterweisung das sn (Haa-
bende vermittelst des Gehörs 'd'ruti! abertragen wird. OieWI*-
scnschaft hingegen weiß ihren Gegenstand als tbatft&cbUchgegei-
wftrtig; der Gegenstand der Erkenntnis ist dem gvistigen Ab{I
gegenwjtrtig and wird auf Grund dieser Gegenwart erkaiul. Uc
Erkenntnis dnrch Wissenschaft stellt daher einen höheren ü
der Gewissbeit dar, als der Glaube, weil es etwa« VoUkonunnir'
res ist, einen Gegenstand an und fflr sieh vermittelil teiic
Dionysins der Areopagite. 4 87
anmittelbaren Gegenwart zu keDnen, als bloß durch das
Hdren der Unterweisung eines Anderen zur Erkenntnis des-
selben zu gelangen. Der niedrigste Grad des Glaubens ist
der, wenn der Gläubige das zu Glaubende aus bloßer Fröm-
migkeit annimmt, ohne durch seine Vernunft zu verstehen,
dass er und warum er das, was er angenommen hat, glauben
mfisse. Die n&chst höhere Stufe des Glaubens ist die, wenn
der Glaube mit vernfinftiger Einsicht gepaart ist, und die
Vernunft das gutheißt, was der Glaube als wahr hinnimmt,
so dass der Glaube mit der auf der Wissenschaft beruhen-
den Erkenntnis verbunden ist. Der höchste Grad ist der,
wenn der in einem reinen Herzen und einem unbefleckten
Gewissen begründete Glaube innerlich zu empfinden beginnt,
was im Glauben erfasst und festgehalten worden ist. Hier
ist der Glaube zu höherer mystischer Anschauung vervoll-
kommnet.
Wie Viele, die jetzt vor den Bildern St. Bemards und
Hngo^s von St. Victor knieen, würden entsetzt sein über die
Lehre, dass der höhere Glaube auf Vernunft gegründet sein
müsse, und dass der Glaube weniger Sicherheit gewähre, als
die auf Wissenschaft beruhende Erkenntnis.
Thomas von Aqnino.
Thomas von Aquino hielt es für notwendig, sich gegen
diese Lehre zu verwahren, doch gibt auch or zu, dass vom
subjektiven Standpunkt der Glaube zwischen der Meinung
und der wissenschaftlichen Erkenntnis in der Mitte stehe,
d. h. unter der wissenschaftlichen Erkenntnis, obgleich über
der bloßen Meinung. Er schließt jedoch, dass der Glaube
mehr Sicherheit gewährt, als wissenschaftliche Erkenntnis,
weil der christliche Glaube die Autorität der göttlichen
Offenbarung besitzt, und wir glauben, was uns offenbart ist,
weil es von Gott als die höchste Wahrheit offenbart worden
ist. (Non enimjides, de qtui loquimur, assentit alicui, nisi
tjuia a Deo est recelatum,) Er sagt uns nicht, wie wir
4S8
ViorzeliotL' Vorlesiiiig.
wiesen kCiDnen, üaSB es von Ontt offenbart wDrde, aulter ver-
mittelst der Vernunft, Obgleich aber Tbomaa von At)UiBo
in diesem Punkte von St. Ungo abweicht, und ohgleiub er
uicht einmai in dem Sinne ein Mystiker genannt werd«
kann, in dem Bt. Bernard einer war, ist er doc.li gegeo aetne
mystischen Freunde höchst tolerant , ja in gewissen Panktea
ist der strenge Scholastiker fast selbst ein Mystiker. Er
spricht von einem durch eine Vision- des OOttlichen {rmo
divinae essentiae} hervorgebrachten Zustand der Seligkeit,
nur zweifelt er, ob 'uir in diesem Leben jemals eine Er-
kenntnis des Wesens des Göttlichen erlangen kOonou, und n
beruft sich auf Dionysius den Areopagiten. dor eben&IU
sagt, der Mensch könne mit Öott nar als mit otwaa gaoi
UnbekannteDi verbunden werden, d. h. der Mensch kiinne ii
diesem Leben keine wesenhafte quidditative ] Erkenutnif
Oiittes erlangen. Dod darum kilnue seine Seligkeit auf Krdoi
nicjjt vollkommen sein. Zum Beweise dessen clticrt Dioo;<
sius Johannes :l. Ep. Job. I, 3. 2): »Wir wissen aber, wbu
es erscheinen wird, dnss wir ihm gleich sein werden: dm
wir werden ihn sehen, wie er ist, i
Thomas vou Aqnino nnterscheidet sich auch In aodem
Punkten von den Myslikern, welche an eine verztlckte Ver-
einigung mit Gott schon in diesem Leben glauben. Naeb
ihm kann der höchste Endzweck des Menschen nur Gotttbn-
liohkeit sein {Omnia igitur uppefunf, quasi ultimum ߻tti>,
Ih-o assimilari). Nur von der Seele Christi gibt Tfa«n*
von Aqnino eu, dass sie das Wort Gottes vermOge jener VW
sion sali, vermöge deren die Verklärten es sehen, bo daaa aelH
Seele verklärt und auch sein Körper vollkommon war.*'
liottfthnlichkeit ist fflr ihn das summum lionum, und sie Ist di*
höchste Seligkeit, welche der Mensch erreichen kann. DicM
hiüchste Seligkeit ist zu gleicher Zeit, wie Thomas von AqviflB
)i Summa IIl, N, I. Anima Christ! videbat Verbum Del ea
Tisione qua Beali vident, et in nnimo Christi erat bi-atn, «vd ia
beatitudinc Dtiimnc giorificaiur corpna.
DionysiuB der Areupagite. 4g9
zu zeigen sucht, die höchste Vollendung der Menschennatnr ;
denn was den Menschen von allen anderen Geschöpfen unter-
scheidet, ist sein Verstand, und es folgt daher, dass die
höchste Vollendung seines Verstandes in dessen spekulativer
und kontemplativer Thätigkeit auch seine höchste Seligkeit
ist. (Beatitudo igitur vel felicitas in ar(u inteUectus von-
siatit suhsfantialiter et principaliter magis quam in acta
roluntatis^ C. 6. XIII, c. 26.) Das höchste Ziel dieser
spekulativen und kontemplativen Thätigkeit des Verstandes
kann nur Gott sein. Und auch hier wieder zeigt Thomas
von Aquino eine außerordentliche Freiheit von theologischen
Vorurteilen. Zagegeben, sagt er, das höchste Ziel und die
wahre Seligkeit des Menschen bestehe in der Erkenntnis
Gottes, so müssen wir doch unterscheiden zwischen 1) einer
natürlichen Erkenntnis Gottes, die alle menschlichen Wesen
gemein haben; '2) einer durch Beweise zu erlangenden Er-
kenntnis Gottes; (3) einer Erkenntnis Gottes durch Glauben;
und (4) einer Erkenntnis Gottes durch Vision ciaio I)ei per
essentiam).
Wenn die Frage aufgeworfen wird, welches von diesen
die vollkommenste Erkenntnis Gottes sei, so antwortet Tho-
mas von Aquino ohne das geringste Bedenken: die letzte.
Es kann nicht die erste sein, weil er glaubte, dass eine Er-
kenntnis Gottes, wie sie von der Natur gewährt werde,
durch das, was wir 'Natürliche Religion' nennen würden,
wegen ihrer vielen Irrtümer unvollkommen sei. Die zweite
kann es nicht sein, denn die durch Beweise zu erlangende
Erkenntnis ist unvollkommen, insofern sie nur den Wenigen
zugänglich ist, welche logischen Beweisführungen folgen
können, auch insofern sie unsicher in ihren Resultaten ist.
Es kann nicht die dritte oder die Erkenntnis Gottes durch
Glauben sein, welche die meisten Theologen für die sicherste
halten würden, denn die:<e hat keine inneren Beweisgründe
der W^ahrbeit und ist mehr eine Sache des Willens als des
Verstandes. Der Wille aber steht nach Tliomas niedriger als
der Verstand. Die einzige vollkommene Erkenntnis Gottes
490
Vierzehnte Vorlesung.
ist daher oacli dieser höchsten Antoritat der acholutischea
Theologie die anmittelbare AnBchatiang Gottes vermittalat des
Verstandes, und diese kann uns nnr als eine tlbemattlrlich«
Uabu gewahrt sein. Was also die unmittelbare Anächannng
anbelangt, »timmt Thomas mit den Mystikern überein; er ^bl
sogar , indem er in dieser Beziehung sogar Aber Diooysitui
hinausgeht, die Möglichkeit einer weaenhaften .i^niddibitireD'
ErkenutDie Gottiia zu, nur, wie es scheint^ nicht in dieaeni
Leben.
Uud wAhrend er die Möglichkeit dieser geistigen An*
schauong zugibt, ist er der Meinung, daas bloße Uebesde
Uingebung zu Ooit niemals die höchste Seligkeit sein könnte.
Seine Grflnde hierfür sind sonderbar. Wir lieben das Gott,
sagt er, nicht nur. wenn wir es haben, sondern auch wen»
wir es noch nicht haben, nnd aus dieser Liehe entslnhl Vu'
langen, und Verlungen ist offenbar mit vollkomuieuer 8eligfceil
unvereinbar.
Hugo von St. Victor hingegen nahm diese Vision »U
eine einfache Thatsache hin. Der Mensch, sagte er, ist Bit
einem dreifachen Auge ausgestattet, dem Auge des Flciich«,
dem Auge der Vernunft und dem Äuge der geistigen An-
schauung. Durch das Auge des Fleisches siebt der Menicb
die äußere Welt: darch das Ange der Vernuuft siebt er die
geistige oder ideale Welt; durch das Auge der AniebaiuiK
sieht er das Göttliche in ihm in der t^eele nnd tlber ihm in
(iott. Indem die Seele durch die Stadien des Kachd«skeiu
nnd der sinnenden Betraohtung hindurchgeht, gelan;^ <JA
zuletzt zur geistigen Selbstbeschanung und schöpft ibre
vollste OUIckseligkeit aus der unmittelbaren Anschauung dei
Unendlichen.
Hugo sah, dass das Innerste und das HOohste, die Sttk
iu uns und Gott tlber uns, identisch sind, und dnas dihv
diejenigen, die reineu Herzens sind, Gott schanen bijunen-
Iliigo ist reich an poetischen Bildern. Er vergleicU
zum Uciapiel diesen geistigen Vorgang mit dam EntiOmlen
grünen Holzes. Es fängt schwer Feuer, sagt er ; (utnl
DionysiuB der Areopagite. 491
steigen Rauchwolken auf, ab und zu sieht man eine Flamme
hier und da aufflackern; wie das Feuer inuner st&rker und
stärker wird, umgibt es und durchdringt es das Brennholz; auf
einmal lodert und sprüht es im Triumph empor — die Natur
des Holzes verwandelt sich in die Natur des Feuers. Wenn
dann der Kampf vorfiber ist,* hört das Knistern auf und der
Rauch ist verschwunden; es bleibt nur noch eine ruhige,
freundliche Helligkeit, denn das gewaltige Element hat sich
Alles unterthftnig gemacht. So, sagt Hugo, streiten SUnde
und Gnade miteinander; und der Ranch, Unruhe und Angst
sehweben über dem Kampfe. Wenn aber die Gnade st&rker
und das Auge der Seele klarer wird, wenn die Wahrheit die
lodernde aufstrebende Natur durchdringt und in sich aufnimmt,
dann kommt heilige Ruhe, und die Liebe ist Alles in Allem.
Außer Gott im Herzen ist von dem Selbst nichts übrig. ^)
1 1 Diese von Vaugban in seinen Hours tcith the Mystics vol. I,
p. 156 (3. Aufl.) citierte Stelle scheint Meister Eckhart vorgeschwebt
zu haben, in dem, was er p. 431 Z. 19 ed. Pfeiffer; schreibt.
Fünfzehnte Vorlesung.
o«
Ghristliohe Theosophie.
Mystisches Cliristeiitnin.
Der Strom des mystisohen Christentums, den wir tob
seinen fernsten Quellen her verfolgt haben, fließt in einem
immer tiefer nnd immer breiter werdenden Bett durch das
ganze Mittelalter fort. In Deutschland namentlich kam eine
Zeit, wo das, was man mystisches Christentum nennt, &8t
die einzige geistige Nahrung des Volkes bildete. Der Seho-
lasticismus behauptete sich allerdings unter den höheren
Geistlichen, die niedrigere Geistlichkeit aber und die große
Masse der Laien lebten von der Lehre, welche, wie wir sahen,
ursprünglich von Dionysius ausging und sogar den trockenen
Scholasticismus des Thomas von Aquino (1224 — 1274), des
Bonaventura (1221 — 1274) und Anderer ganz und gar durch-
drang. Sie kam dann noch einmal in den Arbeiten der
deutschen Mystiker an die Oberfläche, und sie wurde in ihren
Händen eine moralische und politische Macht von der größ-
ten Wichtigkeit.
Die deutschen Mystiker.
Vor Allem nahmen diese deutschen Mystiker kflhn die
Sprache des Volkes an, sie redeten in der Volkssprache zu dem
gemeinen Volke, ^) sie redeten in der Sprache des Herzens zn
1) Die älteste Spur von Predigten in deutscher Sprache findet
Cbristliehe Theoeophie. 493
dem Herzen des Volkes. Zweitens bequemten sie sich auch in
anderen Beziehungen den Bedürfnissen und dem Verständnis
ihrer Schutzbefohlenen an. Ihre Religion war nicht so sehr eine
Religion des Kopfes und der logischen 8chlussfolgerung, als
eine Religion des Herzens und der Liebe. Sie trat gerade
zu der Zeit auf, als das scholastische Christentum sich über-
lebt hatte, und als infolge von Unglücksfällen aller Art das
.Volk religiösen Beistandes und Trostes am dringendsten
bedurfte.
Das Tierzehnte Jahr|iiuidert in Deotscliland«
Das vierzehnte Jahrhundert, während dessen die deutschen
Mystiker am thätigsten und einflussreichsten waren, war eine
Zeit nicht nur politischer und kirchlicher Unruhen, sondern
auch eine Zeit des tiefsten Leidens. In vielen Beziehungen
erinnert es uns an das fünfte Jahrhundert, welches den mysti-
schen Neuplatonismus in der christlichen Earche ins Leben rief.
IKe ruhmreiche Periode der Hohenstaufen war zu einem
schmählichen Ende gekommen. Die dichterische Begeisterung
des Volkes war dahingeschwunden. Der Kampf zwischen dem
Kaisertum und dem Papsttum schien die eigentlichen Wur-
zeln der Religion und der Loyalität auszureißen, und das
Schanspiel eines ausschweifenden, ja sogar eines offenkundig
verworfenen Lebens, wie es viele Mitglieder der höheren
Geistlichkeit führten, hatte fast alle Ehrfurcht fflr die Kirche
zerstört Wie die Kirche, so war auch das Reich zerrissen;
Niemand wusste, wer Kaiser sei, und wer Papst sei. Das
Interdikt fiel wie ein Mehltau über die herrlichsten Gefilde
sich in einer Liste von Büchern des zehnten Jahrhunderts aus St.
Emmeram in Augsburg, Sermonen ad populum teutonice; vgl. Nau-
manns Serapeum, 1841, p. 261. Ein Edikt Karls des Großen, in
welchem er die Bischöfe beauftragt, in der von dorn Volke ver-
standenen Sprache zn predigen, geht anf das Jahr S13 zurück. Es
wurde im Jahre S47 in der KirchenversammluDg von Mainz unter
Rhabanns Manrus wiederholt
494
FUnlzehiite Vorlesung.
Deutschlands her, Seuchen alJer Art brachen aus, die schIwS- I
lieh mit der furchtbaren HeimsuchDiig des aebwanen '.
(1348—1349} endigten.
Das luterdikt.
Dieses Interdikt bedentete viel mehr, als wir
nur vorBtelleu können. Die Kirchen waren geschloaaen^
Glocken durften geläutet werden. Die Priester verließen ibrr
Gemeinden; an vielen Orten gab ea keine Geistlichen, Eiodtr
zu lattfeD, Ehen sn vollziehen, oder die Toten zn be^abro.
Nur an wenigen Orten hatten manche Priester den Hot. dem
päpstlichen Interdikt Trotz zu bieten und bei ihren Schall-
hefulilenen zu bleiben, und sie thaten dies anf die 0«fi>br
ihres Lebens nnd ihres Seelenheils. Ein Schrecken ging
durch das ganze Volk. Sie sahen Gottes Pinger b aUen
Strafen, die tlber ihr Land verhängt wurden, aber sie wiw-
len nicht, wie sie seinen Zorn abwenden könnten. Vidt
verbanden sich und zogen in Scharen von Dorf xa Dorf, in-
dem sie Psalmen sangen und sich CITenllich auf die schreck-
lichste Weise geißelten. Andere ergaben sich dem Trankt
und Auasciiweifungcn aller Art. Viele aber zogen ucb gut
von der Welt zurück nnd widmeten ihr Leben der BMcbai-
Itchkeit, indem sie dem baldigen Herannahen des WaltudM
entgegen sahen.
Das Volk und die Priester.
In jenen Zeiten auilerer Unmhe nnd innerer Verxwstf-
lang war es, wo Manche von Jenen, die man gewOhnlldi ■)•
die deatschen Mystiker bezeichnet, hau ptsltc blieb Dorainikawt
und Franciskaner. sich dem Dienste des Volkes vidoetea
Sie fohlten, dasK nicht einmal das päpstliche Interdikt iie vM
der Pflicht entbinden kOnne, die sie Gott nnd Ihren Sfkntf
befohlenen schuldig waren. Sie predigten, wo immer tie *!■*
ChriBtliche Theosophie. 495
Gemeinde finden konnten, in den Straßen, anf den Wiesen,
wo immer ein paar Lente versammelt waren, und was sie
predigten, war das schlichte Evangelium, in seinem wahren
oder, wie man es nannte, mystischen Sinne ausgelegt. Die
Mönchsorden der Franciskaner und Dominikaner waren zu
jener Zeit außerordentlich thätig und sandten Wanderprediger
im ganzen Lande herum. Ihre Predigten waren für den
Augenblick berechnet, und nur in wenigen Fällen sind sie
in lateinischer oder in deutscher Sprache aufbewahrt worden.
Von der Art waren die Predigten Davids von Augsburg
(f 127r und Berchtolds von Regensburg (f 1272 . Der
Eindruck ihrer Predigten muss ganz gewaltig gewesen sein.
Wir haben Schilderungen von großen Versammlungen, die
stattfanden, wohin immer sie kamen. Die Kirchen waren
nicht groß genug, die Menschenmengen zu fassen, und die
Predigten mussten oft außerhalb der Stadtmauern gehalten
werden. Wir hören von Versammlungen von 40,000, von
100.000, ja von 200,000 Leuten, obgleich wir allerdings nicht
vergessen dfirfen, wie leicht solche Zahlen von freundlichen
Berichterstattern übertrieben werden. Die Wirkung dieser Pre-
digten scheint eine augenblickliche gewesen zu sein. So
hören wir von einem Edelmann, der sich ein dem Kloster von
Pfaefers gehöriges Schloss nebst Landgütern angeeignet
hatte und dieselben sofort wieder zurückgab , nachdem er
Berchtolds Predigt gehört. Als Berchtold gefangen genom-
men wurde, predigte er dem Manne, der ihn gefangen ge-
nommen, und bekehrte nicht nur sein ganzes Hausgesinde,
sondern überredete ihn selbst, sich seinem Orden anzuschließen.
Man glaubte sogar, dass er die Macht besitze, Wunder zu
wirken und zu weissagen. Ein Jahr vor seinem eigenen Tode,
als er eben zu Regensburg predigte, hatte er plötzlich eine
Vision seines Freundes und Lehrers, Davids von Augsburg,
und er prophezeite seinen Tod, der. wie es heißt, gerade in
jenem Augenblicke eingetreten war. Eine Frauensperson
fiel, während sie seiner Predigt zuhörte, auf die Kniee und
bekannte vor der ganzen Gemeinde ihre Sünden. Berchtold
196
Fünfzehnte Vorlesung.
Dahm ihre Beichte an und fraj^te, wer die Frau beinten
wolle, indem er versprach, ihr eine Mitgift zu geben. Ela
Mann trat vor, und sofort Dammeite Berchtold unter den
Leuten die geoiine Summe, welche or ihr als Mitgift zn gthen
versprochen hatte. Wir wiaaen natltrliofa, wie leicht aolelu
Oerflchte anfireten nnd wie rasch sie Ubertriobon werdeD.
Doch können uns alle diese Bagen als Symptome der Beber-
hsften Erregung gelten, welche diese volkstttralichen PredJytT
damals in ganz Deutschland hervorriefen. Kein Wnader.
dasa diese deutschen Mystiker und die 'Gottesfreunde', nie
sie genannt wurden, bei der ordentlichen Qeiittlicfakeit BJcU
beliebt waren. Selbst wenn sie so orthodoxen Orden, wn
den Dominikanern und Franciskanern, angehörten, lioBra 1S«
sich gelegentlich hinreißen, Dinge zu sagen, die Ton i»
höheren Geistlichkeit nicht gebilligt wurden. Sie er^lT«
nattlrlich die Partei des Volkes in ihren Protesten gegen ili«
gesellschaftlichen Sttndeu der höheren Klassen. Das Uppip
Leben der Geistlichkeit, namentlich wenn sie einer freadw
Nation angehörte, begann eine nationale Feindseligkeit gegCB
|{om KU erregen. Und dieses feindselige GefAhl gegen Kea
war nicht die einzige Ketzerei, wegen deren man da« tleot-
sche Volk 'und die deutschen mystischen Prediger im Ver-
dacht hatte. Sie hatten sich auch der Hinneigung n dt«
Waldenserij, Älbigensern und im Allgemeinen zu den *fU-
theistischen Ketzereien' [wie man sie damals nannt«) *ordleb%
gemacht. Darüber kunn kein Zweifel sein, daas der Bialnt
der Waldenser sich anf Deutschland erstreckte, and dtfl
Manche derselben sich damit beschäftigt hatten, remltkU
ÜbersetzuDgcii in der Volkssprache die Kenntnis der BUmI
unter dem Volke in Deutachland zu verbrelt«n. In tiam
Buriuht Über die Kirchenversammlung von Trier (l331 B.
Chr.) lesen wir, dass man Viele unter dem Volk« getboden
habe, die in der heiligeu Schrift, welche sie in dcutwheB
Übersetzungen besäßen, unterrichtet gewesen seien (Mnlo
eorum instructi eraut in Scriptiiria sanctia i]um» liab«baiil io
thentonicura tranaiatas). Mau beklagte aleb, dasi ■(&»>
ChriftUiche Theosophie. 497
kleine Midchen mit den Evangelien und Episteln bekannt
gemacht worden seien, and dasa die Lente Stellen ans der
Bibel in der Volkäsprache aaswendig lernten (Pnellas panmlas
doeent evangelia et epistolas — dociles inter aliqnos complices
et £Mandos doeent verba evaagelii et dicta apostolorom et
ianetomm alionun in vulgari lingna corde firmare).') Die Albi-
geBser scheinen den Namen Katharij 'die Reinen', angenommen
m haben, m^licherweise in Erinnemng an die Kat/tarsü^
welche der Heno^U voransging. Ans diesem Namen Ka-
tiari wurde im Deutschen Kttzer in dem Sinne von 'Häre-
tiker*. Die Inquisition für Ketzerei war sehr thitig, ver-
mochte aber nicht, die religiöse Bewegung in Deutschland
an unterdrücken. Gerade die Orden, welche derselben ent-
gegenwirken sollten, die Dominikaner und Franziskaner, waren
selbst vor häretischer Ansteckung nicht ganz sicher. Unter
den ersten Dominikanern, welche als volkstfimliche Prediger
berühmt waren, d. h. weiche im stände waren auf Deutsch
m predigen, finden wir den Namen des berüchtigten Inquisi-
tors Konrad von Marburg, der im Jahre 1234 um seiner
Grausamkeiten willen vom Volke erschlagen wurde. Die
mystischen Predigten des Albertus Magnus waren lateinisch
geschrieben und wurden nachher ins Deutsche abersetzt
IHe Leute ergriffen natflrlicherweise Partei filr Jene, die
für sie Partei ergriffen. Für sie war das. was man mysti-
sches Christentum nennt, das einzige Christentum, das sie
▼erstanden und an dem ihnen etwas lag. Sie hatten zu
der Zeit sehr wenig, womit sie ihre Gedanken beschiftigen
konnten, und ihr Verlangen nach religiösem Trost wurde um
so stärker, je weniger es in den politischen Ereignissen
jener Zeit gab, das ihre Gedanken bitte fesseln oder ihren
Ehrgeiz befriedigen können.
l Wackemagel uud Weinhold. .iU'Uui-rhK rrz^ii^m. p. ;J4T,
Xax Xlki:<r. Tlie<:4^ph:«. :r2
Fünf lehnte Vorleaiins.
Domlulbaiier nnd Franzi skalier«
Man knon mit Recht behaupten, dasa die grol
des deutschen Volkes dureh diese Dominikaner- und Fnn-
Eiskanar-Mönche zum ersten Hai mit ihrer Religion in lebfn-
dige BerÜlimDg kam, 80 sehr wir auch die Gelehraamkeil
ntid den logischen Scharfsinn der Scholastiker beirunden
mögen, so ist es doch leicht einzusehen, dass die Fragen,
welche sie erörterten, keine Fragen waren , welche je das
rcligiiise Denken oder die Lebensweise der Massen beein-
flnssen konnten. Man hatte lange geftlhlt. dass man et«ai
Anderes nnd etwas mehr brauchte, und dieses Etwas Andere*
und dieses Etwas mehr schien am besten in dem geboten n
sein, was man mystisches Christentum nannte und was Dii>-
nysins die Stuha Sapientia txcedens latidantes.^) »die nbef
alles Lob erhabene schlichte Weisheit*, genannt hatte.
Diese schlichte Religion, glanbte man, entspringe aoi
der Liebe, welche Gott selbst in die menschliohe Seele ff-
gössen, während die menschliche Seele, indem sie Oott UeU.
bloß die Liebe Gottes erwidert. Diese Religion bedarf kei-
ner großen Gelehrsamkeit, sie ist fflr die Armen und B^ei
im Geiste beabsichtigt. Sie sollte den Menschen ans ■!«
stflrmischen See seiner Begierden nnd Leidenschaften In dn
sicheren Hafen des Ewigen führen, damit er dort in ■!»
Liebe Gottes festgeankert bleibe, während man EugMUnd.
duss die scholastische nder, wie man sie nannte, lilterariscii*
Religion keine Ruhe gewähren, sondern nur ein ewi|; mpr
stilltes Verlangen nach Wahrheit nnd nach Sieg enw^
kSnne.
Ea lag aber keine Notwendigkeit vor. die Oelehrsaakvil
von der mystischen Religion zu trennen , wie wir bd fit
AngnstinnB, bei Bonaventura, bei St. Bemanl nnd noch ciB-
mal bei Heister Eckhnrt nnd Vielen der denlacheB Mritäet
} Stilckl, fltsehirhtr ärr Fhilonoyhir ,1,-H MitUtdttn, Bd I,
Christliche Theosophie. 499
sehen können. Diese Männer hatten zwei Gesichter, das
Eine fiElr die Doktoren der Theologie, ihre gelehrten Neben-
buhler, and das andere fflr die Männer, Frauen und Kinder,
die kamen, nm Predigten von der Art zu hören, wie Meister
Eckhart sie — sei es in lateinischer Sprache oder in der
Mnndart des Volkes — predigen konnte. Zuerst waren diese
▼olkstümlichen Prediger keine gelehrten Theologen, sondern
einfach beredte Prediger, welche von Dorf zu Dorf zogen
und auf das Gewissen der Bauern, auf Männer und Frauen,
in ihrer Muttersprache einzuwirken suchten. Sie bahnten
aber den Weg fttr die deutschen Mystiker der nächstfolgen-
den Generation; und diese waren nicht mehr bloße gutmütige
Bettelmönche, sondern gelehrte Männer, Doktoren der Theo-
logie, und manche von ihnen sogar hohe Würdenträger der
Kirche. Die bekanntesten Namen unter diesen sind Meister
Eckhart, Tauler, Suso, Ruysbrook, Gerson und Kardinal
Cusanus.
Eckhart und Tanler.
Jeder von diesen Männern verdient ein Studium fflr sich
selbst. Der Bekannteste und Anziehendste ist ohne Zweifel
Tauler. Seine Predigten sind oft herausgegeben worden; sie
wurden ins Lateinische, ins Neuhochdeutsche, und manche
derselben auch ins Englische übersetzt. Sie werden noch
immer in Deutschland zur Belehrung und Erbauung gelesen.
und sie sind dem Verdacht der Ketzerei entronnen, der so
oft und vielleicht nicht ganz ohne Grund gegen Meister
Eckhart ausgesprochen worden ist. Dennoch ist Meister
Eckhart ein viel gewaltigerer und originellerer Denker, und
was sich bei Tauler von wirklicher Philosophie findet, scheint
von ihm entlehnt zu sein. In den deutschen Schriften
Eckharts, die zum ersten Mal von Pfeiffer ;iS57) heraus-
gegeben wurden, findet das mystische Christentum oder, wie
man es richtiger nennen könnte, das Christentum nach der
Auffassung des Johannes seinen höchsten Ausdruck. Es ist
:{2*
500
FlinfzeLnte VorlflBUng.
schwer zu sageu, ob or mehr ein bc ho last! scher l'hiloMpb
üder ein mysÜBcher Theolog ist. Die gottlnat: Scheidung zwi-
schen Religion nnd Philosophie wu fUr ihn nicht rorhanden.
Sondert Jahre ipftter musate eiu so heiliger und i>rthodoi«r
achriftstoUer wie Gerson die Geistlichen warnen, dttsi n«.
wenn sie die Religion von der Philosophie treanteo. bude
zerstören würden.'] Obgleich Meisler Eckharl fortwIÜireBd
auf die Bibel Bezng nimmt und sich anf sie stiilzt, beruft et
sich doch nie einfach »uf ihre Autorititl, um die WnhrbEtt
seiner Lehre fostzustellen. Seine Lehre stimmt mit den Lehr»
des Johannes nod des Paulus Uberein , doch suUle sie dntth
sich selbst llberfeugend sein, i^r glaubte zeigen in kännea, dau
das Christentum, weun es nur richtig verstanden werde, all«
IteilOrfnisse sowohl des menschlichen Uerzeas als der menacli-
n kOnne. Jede Lehre des Neaet
angenommen, aber sie wird vm
und erst nachdem sie dai«h da*
Feiter seines eigenen Geistes gegangen, von ilini &ls ewig«
Wahrheit gepredigt. Er citiert sowohl die heidnischen Ldn-
rer. als auch die Eirchenv&ter, nnd er bcrufl sich lOWÖIa
auf die Ersteren, indem er annimmt, dass sin einen Iwasens
Einblick in gewisse Mysterien bes&ßen, als selbst die ehiit^
liubeu Lehrer. <
Er ist immer höchst emphatisch in der Rchauptaac d*r
Wahrheit. >lßh spreche zu eucti,> siLgt er, •im !{>■«■
der ewigen Wahrheit.- »So wahr üotl lobt.« «Bi gnt«, bi
goie,< >bei Gott, bei Gott,« kommt so oft vor, das» man tut
geneigt sein kennte, die Abloitaug von >bigDtt* annanalnaen.
wonach es ursprOnglich omen Mauu bezeiobuet«, der »ich I«
jeder Gelegenheit auf Goit beruft, dann einen Scheinb^ipb
und eodlich einen l-'anatiker. Eckharta Haltung ist jedad
uiehi die vieler minder aufrichtigen christlicheii l'hiluaopheo.
welche ihre Philosophie gewaltaun mit der Bibel in Kirt'"C
liehen Vernunft befriedig
TesUments wird vun ihi
ihm selbst durchdacht,
1) Dom a religione «ec
perdunt. äerson, Serw. I.
I! Iiutnni philosophiaat.
Christliche Theoeophie. ^1
zu bringen suchen ; sondern vielmehr die eines unabhängigen
Denkers, der sich jedesmal freut, wenn er die Resultate
seiner eigenen Spekulationen in der Bibel vorweggenommen und
gleichsam verborgen findet. Auch beruft er sich, so viel ich
mich erinnere, nie auf Wunder zum Beweise der Wahrheit des
Christentums oder der wahren OOttlichkeit Christi. Wenn er auf
Wunder zu sprechen konunt, so sieht er gewöhnlich eine Alle-
gorie in denselben, und er behandelt sie nicht viel anders,
als die Stoiker den Homer oder als Philo das Alte Testament
behandelte. Sonst hatten Wunder kein Interesse fiElr ihn.
In einer Welt, in der, wie er fest glaubte, kein Sperling auf
die Erde fUlet ohne den Vater (Matth. X, 29) — wo war
da Platz f&r ein Wunder? Seine Auslegung der Bibel stand
ohne Zweifel — und er sagt es oft selbst — nicht immer
in Einklang mit der der großen Doktoren der Kirche. Manehe
von seinen Spekulationen sind so kflhn, dass man sich nicht
darüber wundem kann, dass er sich dem Verdacht der
Ketzerei ausgesetzt. Selbst in unseren mehr aufgeklärten
Zeiten würden manche von seinen Theorien über die Gott-
heit ohne Zweifel sehr verblüffend klingen. Er scheint es
manchmal darauf abgesehen zu haben, seine Gemeinde zu
verblüfften, so wenn er sagt: >Wer behauptet, dass Gott gut
ist, beleidigt ihn ebensosehr, als wenn er sagen würde, dass
Weiß schwarz istc Und doch blieb er stets ein treuer und
gehorsamer Sohn der Kirche, nur nach seiner Weise. Wie
andere unabhängige Denker jener Zeit erklärte er sich stets
bereit, alles und jedes Ketzerische in seinen Schriften sofort
zu widerrufen, nur forderte er seine Gegner auf, zuerst zu
beweisen, dass es ketzerisch sei. Die Folge war, dass man
ihm, trotzdem er von dem Erzbischof von Köln im Jahre 132()
der Ketzerei angeklagt wurde, bei Lebzeiten nichts Ernst-
liches anhaben konnte. Nach seinem Tode aber wurden von
achtundzwanzig seiner Behauptungen, welche als ketzerisch
zur päpstlichen Verurteilung ausgewählt worden waren, die
ersten fünfzehn und die beiden letzten thatsächlich verur-
teilt, während die übrigen elf als verdächtig erklärt wurdan.
502
fünfiebon? Vorlt^Buiiy-
Ea war dauu zu spät für Meister Et^kliHrl, zu beweUen, <Usa
nie nichl ketzerisch seieo,
Eckhart war offenbar ein gelehrter Theolog und aeiue
Verleumder fürchteten sich vor ihm. Er kaDote seinen PUtO
und äeioeu Ariatotelea. Wie sehr er Plalo bewunderte, zeip
:tm besten der Umstand, dass er ihn den großen Priesio
Der t/r</ze Pfaffe, p. 2C1, Z. 21) nannte. AristoteUs iil
fiir ihn einfach der Meister. Er hatte den Proclus od«r
Procnliis, wie er ihn nennt, studiert, und er bezieht sich oft
auf Cicero, auf Seueca und selbst auf den arabischen Plül»-
sophen Avicenna. Er beruft sieb häufig auf St. Ohrywülo-
mus, Dionysius, St. Augustinus und andere KirohenvAter nsd
hat offenbar den Thomas von A<[uiDo studiert, der fut kU
sein Zeitgeuoäse bezeiuhnet werden knnn. Er hatte in der
That eine gründliche scholastische Bildung genossen,') nnd
konnte es mit den beuten unter den Verteidigern der Sirctie
aufnehmen. Eckhart hatte auf der Universität Paris stoditR
und niiobher gelehrt und hatte seinen Doktorgrad der ThM-
logie von Papst Bonifacius Vlll. empfangen. Itn Jaliro I3u4
wurde er der Previnzial des Ordens der Dominikaner !■
Sachsen, obgleich sein Wohnsitz in Köln blieb. Er vurdc
aui'h zum GruUvikar von BOhmen ernannt und rciate vid il
Deutschland herum, indem er die Klöster seines Ordeu b^
suchte und sie zu reformieren trachtete. Er kehiW i^
immer wieder zum Hhein zurück und starb zu KOln vilu*
soheinlich im Jahre !H27.
Kckharl ist von verschiedeneu Leuten ttehr v«r»cUed«D
beurteilt worden. Vuii Jenen, welche ihn uiohl vendehM
konnten, wurde er als ein Träumer und beiuabe ein Vei-
rücktor bezeichnet; Andere, die ihm geistig ebenbOrti^; wsrM,
uannteu ihn den weisesten Doktor, den Ootteafreniid, dei
1] Wie viel Eokliart seiner scttolasiiaciieu Bildung vcnbakte,
hat U. DeniQe in seineoi geehrten Aufsatz, MtUUr Etktt>^i»Vt
teinuchii Sehri/tai und dir OruHdanachauunff »einer Ldkn, !■ jInAm
/flr Liüeratur und KirchntgeaehicMv. B<t II, Heft 3. 4, achr fVlVO-
üeriihrt.
Christliche Theosophie. 503
besten Ausleger der Gedanken Christi, des Johannes and des
Paulos, den VorlAufer der Reformation. Er war ein vir
siMcitut selbst nach dem Zeugnisse seiner bittersten Feinde.
Viele Leute glauben ihn abgethan zu haben, wenn sie ihn
einen Mystiker nennen. Er war ein Mystiker in dem Sinne,
in dem Johannes es war, um keinen größeren Namen zu
nennen. Luther, der deutsche Reformator, war nicht ein
Mann der Träumerei und der Sentimentalität Niemand
würde ihn einen Mystiker in dem landläufigen Sinne des
Wortes nennen. Doch war er ein großer Bewunderer Eck-
harts, wenn wir in der That Eckhart für den Verfasser
der Theologia Germanica halten dürfen. Ich muss ge-
stehen, ich bezweifle, dass er der Verfasser ist, doch ist das
Buch jedenfalls von seinem Geiste durchdrungen, namentlich
was das werkthätige Leben des wahren Christen anbelangt.^)
Folgendes schreibt Luther über dieses Buch: »Aus keinem
Buche mit Ausnahme der Bibel und der Werke des St.
Augustinus habe ich mehr gelernt, was Gott, was Christus,
was der Mensch und was andere Dinge sind, als aus diesem
Buche« (Luthers IFerAe, 1S&3, Bd. I, S. 37S). Ein Denker
ganz anderer Art, aber gleichfalls kein Träumer oder Sen-
timentalist, Schopenhauer, sagt von Eckhart, dass seine Lehre
sich zu dem Neuen Testament verhalte, wie Weinessenz zu
Wein.
Henry More, der Cambridger Platoniker, ein anderer
ei£riger ' Bewunderer der Theologia Germanica^ spricht von
derselben als »dem goldenen Büchlein«.
Eckharts Mjsticismni*«
Es ist ein großer Irrtum, zu glauben, dass Meister Eck-
harts sogenannter Mysticismus eine Sache des vagen Gefühls
1) Das Buch ist von Miss Winkworch ins Englische übersetzt
worden und wurde von meinen verstorbenen Freunden, Frederick
Maurice, Charles Kingsley und Baron Bimsen hoch geschätzt.
504
Fünfiehnie VitrleBiing
gewesen sei. Im Gegenteil, er w^r anf der fr«ten Qnindlig«
der scbol Itatischen Philosophie Aufgebaut nn^ liit^lt der Keih*
nach den Angrißen der geschieicteatpn scbolaatiaeheo Wid«r>
SBcher stand. Wie ^&nz und gar sein G«ist mit der selu»-
lastischen Philosophie getr&nkt «ar. ist UBlüngat von Deinb
in einigcD gelehrten Äaßtätzen bewiesen worden. leb gebe
m. seine Schriften sind nicht immer leicht. Vor Allem tisd
sie im MittelliochdentitdieD geschrieben, in einer Sprache, die
nur durch nngelShr biindert Jahre von dem Deatscben d«
Nibelnngenliedea getrennt ist. Und seine Sprache ttt ta
ganz and gar ihm eigentomlicb, dass es zuweilen sehr schw«
ist, den genauen Sinn »einer Worte zu erfassen, nnd noeh
schwieriger, denselben im Englischen wiederzngebon. Ea T«r-
halt sich damit ebenso wie mit den t'panishaden. DisWorta
selbst sind leicht genug, es ist aber oft sehr schwer, Atm
allgemeinen Gedankengang eo folgen.
Mir scheint es, dass das Stndiam der Upanishaden (41
die allerbeste Vorbereitung »uf ein richtiges VorstAudoi* d«
Traktate nnd Predigten Meister Eckbarts ist Die geisttp
Atmosphäre ist genan dieselbe, nnd wer gelernt hat, ii dir
einen zn atmen , wird sich bald in der anderen helnuMk
niiilen.
Leider wäre es ganz unmöglich, Ihnen auch nnr cna
noch bo kurzen Abriss des ganzen psychologischen und mntapli^
siechen Systems Meister Eckbaris zu geben. Ks verdi«»! nn
seiner selbst willen studiert tu werden, ganz ebennossJir «ie
die metaphysischeu Systeme des Aristoteles odvr dn Dt*-
carles. und es würde sich fUr irgend einen kOnfltgcn (liffiard-
Lektor gar wobl der Muhe verlohnen, den ganzen Ueet-
reichtum, der in Eckharts Schriften allerorten verstreut ist,
zusammenzostelleD. Ich kann hier nur einige wenige Poakte
berühren, die auf nnseren speciellen Gegon»luid, die Naloi
Gottes und der menschlichen Seele und das VerhJÜlnU zwi-
schen den Beiden, Bezug haben.
ChriBtliche Theofiophie. 505
Eekharts Definition der Gottheit.
Eckhart definiert die Gottheit als bloßes esse, als actu^
purtis. Dies ist rein seholastiaeh, and sogar Thomas Ton Aqnino
selbst wttrde wahrscheinlich gegen Eckharts wiederholte Be-
hauptung ^Esse est Deus' nichts eingewendet haben. Naeh
ihm gibt es nichts Höheres und kann es nichts Höheres ge-
ben, als Sein. ^) Er beruft sich nattlrlich auf das Alte Testa-
ment, um zu zeigen, dass ^Ich Un^ der einzig mögliche Name
der Gottheit ist. Darin unterscheidet er sich nicht sehr von
Thomas von Aquino und anderen scholastischen Philosophen.
St. Thomas sagt: Ipswn esse est perfeciissimum omnium,
romparatur enim ad omnia ut actus . . . unde ipsum esse
est actualitas omnium rerum et etiam ipsarum formarum.')
Da Gott ohne Eigenschaften ist, so ist er für uns unwissbar
und unbegreifbar, verborgen und dunkel, bis die Gottheit
durch ihr eigenes Licht erleuchtet wird, nftmlich das Licht
der Selbsterkenntnis, durch welches es subjektiv und objektiv,
Denker und Gedanke oder — wie die christlichen Mystiker
sich ausdrücken — Vater und Sohn wird. Das Band zwi-
schen den Beiden ist der heilige Geist. So wird die Gott-
heit, die göttliche Wesenheit oder Ousia, zu Gott in drei Per-
sonen. Indem der Vater sich selbst denkt, denkt er Alles, was
in ihm ist. d. h. die Ideen, die Logoi der ungesehenen Welt.
Hier steht Meister Eckhart völlig auf dem alten Standpunkt
der Platonischen und stoischen Philosophie. Er ist fiberzeugt,
dass Gedanke und Vernunft in der Welt herrscht, und er
schließt infolgedessen, dass die Welt des Gedankens, der
■/.öauo^ vor^vd^^ nur der Gedanke Gottes sein kann. Dies
zugegeben, folgt alles Andere von selbst. >Der ewige Ge-
danke oder das Wort des Vaters ist der eiugeborne Sohn.
und< fügt er hinzu, > unser Herr Jesus Christus. <^
1 Vgl. Denifle, MeiaUr Eckeharts lattini^cht Schriften, p. 436.
2; Siehe Denifle a. a. 0.
3 Daz sei man also verstaD. Daz ewige wort ist daz wort
506
Fünfzehnte \'o riesung.
Wir Beben hier, wie Bckliail die alte Klek»ndriiii>>cbe
Sprache gebrancht nnd die ewigen Ideen nicht Dur als vinlr,
sondern nach ä.h Eine, »la den Logos, auffaset, in welchem
alle Dinge, wie sie von dem Vater ausgedacht worden, Fins
sind, ehe sie in der phäuotneiialen Welt zu Vielen wurdea.
Allein Meiatei' Eckhart lässt ea sich sehr angelegen sein, u
zeigen, dass zwar alle Dinge der Kraft nach in Gott »tUa,
dasd aber Gott nicht thatsächlich in allen Dingen aeL Wie
der Vedäntist, spricht er von Goti als der univeruüen Tr-
saclte , behaaptet aber doch ein anDerwcltlicbes Daä«(a 19a
ihm. .Gott,' achreibt er, »ist außerbalb aller Katur,-[
nicht selbst die Natur, n iat über ihr.« ')
Und doch wird Meister Eckhart alo Pantbeist bei
und zwar vou Männern, welche kaum die Bedentni^ ttk
Pantheismus oder von Christentum zu wissen scheinen. Cnd
weun er weiterhin zu sagen wagt , dass die Welten, soirobl
die ideale als auch die phänomenale, vvu Gott gedacht and
geachalTen worden aeicn um seiner gdtllichen Liebe willen,
nnd darum aus Notwendigkeit und vou aller Ewigkeil her.
so wird auch dies wieder als Ketzerei gebrandmarkt . als ob
es in dem göttlichen Katschluea irgend einen Widerstreit, «li
oh es bei Gott irgend eine Verschiedenheit zwischen dem,
was wir Notwendigkeit und was wir Freiheit nennen, p**ii
des vater und ist sin eiubürn sun, unser herre Jeans Kriww
tvükliart, ed. Pfeiffer, p. 76, Z. 25.
I) Daz got etwaz ist, dax von not über wesen al» rauoi, Vt*
wuaen häi, zit oder stat, das hüret ae gota niht, er ist über iu
selbe; daz er ist ia allen crSatüren, dai ist crdocb dar DWr: im
ilä in vil dingen elu ist, daz uuoz von not ü\mr dia dlno *!*■
Pfeiffer, a. a, 0., p. 2U6 , Z. to. Siebe auch Eckhar» lairiniKhf
Version: Dens aic totus est in ijuolibet, quod tocus est mui
(juodlibot, et propter hoc ea quae sunt cujiietibet, ipai nun e«DVt-
niunt, putM variari, senescere uut uorrumpi. . , . Iliuc ott i|Uirf
anima nuu variatur nuc seneseit ueo desinit extrecto oruhi kti
pode, quia ipsa se tota est estra oculum et pedem, in manu tuU
üt In qualibet parte alia tota. Dooiäe, a. a- 0., p. 4^u. Pfulfrc
a. H. 0., p. 612, Z. 2S.
Christliche Theosophie. 507
könnte.*) Wenn die menschliche Sprache überhaupt diese
schwindligen Höhen der Spekulation erreichen kann, so
scheint nichts mit der christlichen Lehre besser in Einklang
zu stehen, als wenn man mit Eckhart sagt: >6ott schafft
immerfort, nnd sein Schaffen besteht darin, dass er seinen
Sohn erzeugt.«
Schöpfung ist Emanation*
Was man gewöhnlich als Schöpfung bezeichnet, wird von
Eckhart als Emanation aufgefasst. In diesem Punkt stimmt
er ganz mit Thomas von Aquino und Vielen der orthodoxe-
sten Theologen überein. Ich will nicht Dionysius oder Scotus
Erigena anführen, da deren Orthodoxie oft angezweifelt wor-
den ist Aber Thomas von Aquino erklärt in seiner Summa^
p. 2, qu. 19, a. 4 ohne jedes Bedenken die Schöpfung als
emanatio totius entia ab uno^ ^eine Emanation alles Seien-
den aus Einem'. Ja, er geht weiter und behauptet, dass
Grott der Möglichkeit nach, seinem wahren Wesen nach, und
in Wirklichkeit in allen Dingen gegenwärtig sei: per poten-
tiam, essentiain et praesentiam ; per essentiarn^ nam omne
ens est participatio dicini ease ; per potentiam , in quan-
tum omnia in vir tute ejus agunt; per praesentiam ^ in
{Quantum ipse omnia immediate ordinat et disponit.'^)
Solche Ideen würden von vielen lebenden Theologen als
pantheistisch gebrandmarkt werden, und folglich auch viele
Stellen selbst aus dem Neuen Testament, wo Gott als
Alles in Allem dargestellt wird. Aber Eckhart argumen-
tierte ganz folgerichtig, dass es keinen Rückfluss der Seele
zu Gott geben könne, wenn man nicht zugeben wolle, dass die
Seele des Menschen ein Ausfluss \ on Gott sei, und dies ist nach
1) Der verurteilte Satz lautete: Quam cito Deua fuit, tarn
cito mundum creavit Concedi ergo potest quud mundas ab aeterno
fuerit.
2) Stöckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Bd. II,
p. 519.
hm
PUnfzelraCe VoiIeBnng.
Eckhart der Kornponkt des wahren Christcatuma. Ein« Ultr
kxnn nicht zu dem Uhrmacher zurttckkehren, ab6r oin
tropfen kann zd dem Ocesn zurQckkehreii , an
emporgehoben ward, und ein Lichtstrahl ist immei
»Alle OeschSpfe.i schreibt er. >sind in Oott a)
schaffen, aber nicht an und für sich.« Die» scheint SeA
wold zu bedeuten. das3 die Ideen aller Dinge in Üott waren,
ehe die Dinge selbst geschaffen eder offenbar gemacht wor-
den. »Alle (ieachöpfe, ' ftlhrl er fürt, -aind in Gott edler-
als an nnd fUr sich. Gott wird darnm keineswegs mit der
Welt verwechselt, wie es Amalrich und alle Pantheistea gv-
than haben. Die Welt ist nicht Gott, nnd Gott ist nicht itit
Welt. Das Sein der Welt ist von Gott, aber es ist versohii^
den von dem Sein Gottes.« Eckhart nimmt in Wirklichk^
zwei Prozesäe an, einerseits die ewige Schöpfung in Gott uti
andererseits die Schöpfung in Zeit und Kanm. Dies« lelxlert
Schöpfung unterscheidet sich, wie er sagt, von der enteren,
wie ein Kunstwerk sich von der Idee desselben in dem Oeisl*
des Ktlnstlers nnterscheidet.
Die n
schllclK' Seele.
Bckhart betrachtet die menachllohe Seele wie all« Ai*
dere als durch die Schöpfung von Gott ausgesproehAoe Oft-
danken. Wenn aber auch die Seele nnd alle Kr&fi« der
Seele, wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Verstand und Willi.
geschaffen sind, so ist doch, glaubt er, etwas In der Swb
u nge schaffen , etwas Göttliches, ja die Gottheit selbdi. Diw
war wieder eine von den Thesen, welche nach sainem IW
fOr ketzerisch erklart wurden,')
In derselben Weise also, wie die Gottheit oder A«
göttliche Grund ohne alle erkennbaren Cigenschaft«n ist nod
1| Aliquid est in ai
ai io(a anima esset tallfi, <
lollfclns.
CbrUtliche Theosophie. 509
nieht erkannt werden kann, anßer als seiend, so ist anch
das göttliche Element in der Seele ohne Eigenschaften nnd
kann nicht erkannt werden anßer als seiend. Dieser gött-
liche Fonke, obgleich er eine Zeit lang dnrch Unwissenheit.
Leidenschaft oder Sflnde bedeckt und verborgen sein kann,
ist nnvergftnglich. Er gibt uns Sein, Einheit, Persönlich-
keit nnd Subjektivität, nnd da er, ebenso wie Gott, subjektiv
ist nnd also nur ein Erkennender sein kann, kann er nie
objektiv erkannt werden, in der Weise wie alles Andere
objektiv erkannt wird.
Dieses göttliche Element in der menschlichen Seele ist
es, wodurch wir mit Gott Eins sind nnd Eins werden. Der
Mensch kann Gott nicht objektiv erkennen, aber er kann in
dem, was Eckhart die mystische Selbstbeschauung nennt,
seine Einheit mit dem Göttlichen fühlen. So schreibt Eck-
hart: »Was man mit dem Auge sieht, womit ich Gott sehe,
dies ist dasselbe Auge, womit Gott mich sieht. Mein Auge und
Gottes Auge sind Ein Auge und Ein Gesicht, Ein Wissen und
Ein Lieben. Es ist dasselbe, Gott zu kennen und von Gott
gekannt zu werden, Gott zu sehen und von Gott gesehen zu
werden. Und wie die erleuchtete Luft nichts ist, als dass sie
erleuchtet, denn sie erleuchtet, weil sie erleuchtet wird, in
derselben Weise erkennen wir, weil wir erkannt werden und
weil er macht, dass wir ihn kennen.«^; Dieses Erkennen
nnd Erkanntwerden ist, was Eckhart die Geburt des Sohnes
in der Seele nennt. »Wenn sein Erkennen meines ist, und
wenn seine Substanz, seine eigentliche Natur und sein wah-
res Wesen Erkennen ist, so folgt, dass sein Wesen, seine
Substanz nnd seine Natur meine sind. Und wenn seine Na-
tur, sein Wesen, seine Substanz meine sind, so bin ich der
Sohn Gottes.« »Siehe I< ruft er aus, »welche Liebe der Va-
ter nns geschenkt hat, dass wir die Söhne Gottes genannt
werden« — nnd die Söhne Gottes sind.
Diese zweite Geburt nnd dieses Geborenwerden als
1) Pfeiffer, a. a. 0., p. 38, Z. 10.
^10 Fllafzefante Vorlesung.
Sohn Gottes Ut bei »khnrt mit dem Geborenwerden ifi
Sohnes Gottes in der Seele identisch. Er erkennt k«iaf^n
Unterschied an zwischen dem Menschen, wenn er wiederge-
boren wird, nnd dem Sohne Gottes, zqto mindesten keinen
größeren Unterschied, als zwischen Gott dem Vater nnd God
dem Sohn. Der Mensch wird durch Gnade, was l'hristnf
von Natur ist, nnd erst wenn der Mensch als Sohn Gotte«
wied ergehe ren wird, kann er den heiligen Geist empfxnf^.
Was Eckhart den göttlichen Grund in der Seele nnd lo
der Gottheit nennt, kann, glaube ich, foglich mit dem aleb-
liohon Brahman der Upanishadon . wie man es in der Weit
Lind in der Seele entdeckte, verglichen werden. Und wie in
den Upanishaden der männliche Brahman von dem aSchlichso
Brahman zwar nicht getrennt, aber nnlerschieden wird, »
können nach Eckhart die drei Personen von dem gAttjisbei
Grund nnterachieden, wenn auch nicht getrennt werden.
Dies klingt Alles sehr kohn. wenn wir es aber in die
gewöhnliche Sprache llbersetien. so soheint es nicht mehr U
hedenten. als dass die drei göttlichen Personen dieae n
Grunde liegende Gottheit als ihre Essenz oder Ousia gtnma
haben, dass sie in der That liomoousini sind, was die ortho-
doxe Lehre ist, fOr welche Kckhart. wie St. (Jlemons. «in»
ehrliche philosophische Erklärung beizubringen sucht
Wenn wir Eckhart verstehen wollen, dllrfen wir nie Tef-
gessen, dass er ebenso wie Dionysins vollsl&ndig unter dea
Banne der neu platonischen , in Einem Sinne «o^ar der Pla-
tonischen Philosophie steht. Wenn Ktr sa^im. dau G«tl
die Welt erachatfen hat, so wllrde Eckhart sagen, du* d«r
■ Valer das Wort, den Logo^, gesprochen, oder djus ar dti
Sohn erzeugt hat. Beide Ausdrfloke bedeuten bei ihm gtui
dasselbe.
Alle diese Dinge sind in Wirklichkeit nur Wwdorklliif«
uralten Donkens. Wir dürfen nflmlich nicht Terj^sen. iMU
die Ideen nach Plato die ewige oder un verlad erliehe Vtlt
ausmachten, von der die phänomenale Welt nur oin SdialUB
ist. Bei Plato kann man nur von den Ideen oder dsn ti^r.
Christliche Theosophie. 51 1
allein sagen, dass sie wirklich sind, nnd sie allein können
den Gegenstand wahrer Erkenntnis bilden. So sehr auch die
Stoiker gegen das unabhängige Dasein dieser Ideen protes-
tierten, die Nenplatoniker nahmen sie doch wieder auf, und
manche von den Kirchenvätern stellten sie als die reinen
Formen oder die vollkommenen Typen dar, nach welchen
die Welt und Alles, was in ihr ist, geschaffen ward. Hier ent-
deckten die alten Philosophen das, was wir den 'Ursprung der
Arten' nennen. Wir sahen, wie diese ganze ideale Schöpfung
oder vielmehr Offenbarung auch als der Logos oder das
offenbarte Wort Gottes bezeichnet wird, durch welches er
die Welt erschuf, und dieser Logos hinwiederum wurde, wie
wir sahen, lange vor dem Auftreten des Christentums als die
Nachkommenschaft oder als der eingeborene Sohn Gottes dar-
gestellt. Eckhart ging wie viele der ersten ELirchenväter von
dem Begriff des Logos oder des Wortes als des Sohnes Got-
tes, des zweiten Gottes [devTsgog x^eog , aus, und er machte
diesen Logos zum Prädikat Christi, der fOr ihn die mensch-
licbe Verwirklichung des idealen Sohnes Gottes, der gött-
lichen Vernunft nnd der göttlichen Liebe war.
Der Messlas und der Logos.
Was die Juden mit dem Namen Messias thaten, das mussten
die Griechen mit dem Namen Logos thun. Die Idee des
Messias war seit Menschenaltem dagewesen, und obgleich es
eine ungeheuere Überwindung erfordert haben mnss, brachten
es die Juden, welche zum Christentum übertraten, doch Aber
sieh, zu sagen, dass dieser ideale Messias, dieser Sohn Davids,
dieser König der Herrlichkeit, Jesus der Gekreuzigte sei. Auf
dieselbe Weise und mit derselben Überwindung und, wie ich
glaube, mit derselben Ehrlichkeit mussten die griechischen Phi-
losophen^ welche das Christentum annahmen, es Aber sich brin-
gen, zu sagen, dass dieser Logos, dieser Gedanke Gottes, dieser
Sohn Gottes, dieser Monogenes oder Eingebome. wie ihn Plato
sowohl als Philo kannte, in Jesus von Nazareth erschienen, nnd
512
Fiiui':celinli! Vorlesaut^
dsaa iu ihm allein die gOMliche Idee der Menackbeit je vOlBg
verwirklicht worden sei. Damm wurde Cliristos att wh i
erste Mensch beEeichnet, und nicht Adam. Die grieeUMlwii
Konvertiten, welche die wirklichen Eroberer der griechiti
Welt wnrden, erhoben ihren Logos in einer viel hOh«rta
Bedeutung, als die war, welche sie bei den Stoikern hatie,
gerade so wie die jodiscbeo Eonvertifen dem Namen Heaaia»
einen viel erhabeneren Sinn beilegten, als er bei den ächriA-
gelehrten und Pharisfiern hatte. Doch sehworca die beften
nnter den griechischen Konvertiten, indem sie sich der christ-
lichen Rirehe anachtoaaen, nie ihre philosophischen über-
Zeugungen ab, und noch viel weniger bek;itinlcn sie sieh fu
den legendenhaften Überlief eräugen , welche sich oeit im
frilhesten Zeilen um die Wiege des Sohnes von Jusoph Iin4
Maria angesammelt hatten. Für den, der wirklioh >n Chri»-
luni als das Wort und den Sohn Gottes glaubte, MhicBCD
diese Überlieferungen kanm vorhanden tu sein; sie wardoa
weder geleagnet, oüch behanptet. In demselben Geiste futt
Meister Eckhart die wahre Bedeutung- von dem Sohne G«n«
als dem Worte, nnd von Uott dem Vater als dem ttprMhtc
nnd Denker nnd Bewirker des Wortes auf, indem er di*M
galilftisohen Legenden ohne Weiteres als Allegorien gvbrsuelit,
sich aber nie auf dieselben beruft, um die Wahrbeil der I^kn
Christi za beweisen. Eckhart — um seine tpsÜAinia ttr&ü tn
eitleren — lässt den Vater sein Wort in die Bcele sprMken.
nnd wenn der Sohn geboren wird, wird jede ä«de Haria
Er drflckt denselben Oedanken ans, indem er sagt, dati ia
göttliche Ornnd, d. h. die Oottbeit, keine UoleracheidBig
oder kein Prftdikat KuUsse. Dieser gOttUche Grund Ui Ein-
heit und Dunkelheit, aber das Licht des Vaters dringt in diu«
Dunkelheit, nnd der Vater, iudein er seine eigene Wde&Uii
erkennt, erzeugt in der Erkenntnis seiner selbst deo 8«hs
Und in der Liebe, welche der Vater zu dem Sobn« btft,
atmet der Vater mit dem Sohne den Ueiu. Dsrch di«Mdi Vi^
gang wird der ewige dunkle Grund erlenohtat, die (.ToUkiil
wird Gott, und zwar Gott iu di^ Pereoneo. Wasii ia
Christliche Theosophie. 513
Vater, indem er auf solche Weise sich selbst erkennt, das
ewige Wort spricht oder, was dasselbe ist, seinen Sohn er-
zeugt, spricht er in diesem Worte alle Dinge. Sein gött-
tiebes Wort ist die Eine Idee von allen Dingen (das heißt
der Logos), nnd dieses ewige Wort des Vaters ist sein ein-
ziger Sohn nnd der Herr Jesus Christns, in welchem er alle
Geschöpfe ohne Anfang und ohne Ende gesprochen hat. Und
dieses Sprechen findet nicht bloß einmal statt. Nach Eck-
hart > schafft Gott immerfort, >) in einem Jetzt, in einer Ewig-
keit, und sein Sehaffen besteht darin, dass er seinen Sohn
erzeugt. In dieser Geburt sind alle Dinge ausgeflossen, nnd
solche Freude hat Gott an dieser (Geburt, dass er seine ganze
Kraft in ihr verzehrt. Gott erzeugt sich ganz und gar in
seinem Sohne, er spricht alle Dinge in ihm.c Obgleich uns
diese Sprache sonderbar klingen mag, und obgleich sie von
denjenigen, welche ihren wahren Sinn nicht kannten, als
phantastisch, wenn nicht gar als ketzerisch, verdammt wurde, so
sollten wir uns doch dessen erinnern, dass auch St. Augustinus
genau dieselbe Sprache gebraucht. »Das Sprechen Gottes,«
sagt er, »ist sein Erzeugen, und sein Erzeugen ist sein
Sprechen« (Pfeiffer a. a. 0. p. 100, Z. 27), und Eckhart
fllgt zu den Worten des St. Augustinus hinzu (ibid. p. 100
Z. 29): »und ließe Gott auch nur einen Augenblick von
diesem Sprechen des Wortes ab, so müsste Himmel und Erde
▼ergehen.«
Bei uns hat Wort so ganz seine vollständige Bedeutung
▼erioren, wonach es die Vereinigung von Gedanken und
Laut, die voneinander unzertrennlich sind, bedeutet, dass
wir nicht zu oft daran erinnert werden können, dass in allen
diesen philosophischen Spekulationen Logos oder Wort nicht
das Wort als bloßen Schall oder das Wort, wie wir es im
Wörterbuch finden, bezeichnet, sondern das Wort als die le-
bendige Verkörperung, als die eigentliche Inkarnation des
Gedankens.
1} Pfeiffer a. a. 0. p. 254.
Xftz K Aller, Theofopliie. 33
514
FUnfsehnte VorlcBimg.
WaB roanclien modernen PbiloHOphen so sonderbar Hehien, |
Dämlich diese üntronnbarkeit von Gedanken und Wort, iidci,
wie ich oa zuweilen ausdrückte, dio Identität von Vernntin
und Sprache, war diesen alten Denkern und Theologen ^ßat
geläufig, n.nd es freut mich zu sehen, dass meine Kritiker
endlich aufgehört habeu, mein Buch 'Das Denkv?k im Lirhte
der Sprurhe als ein linguisüachea Pai'adoxon zu beieichnen,
und Aaa» sie einzusehen beginnen, dasB das, wefür ich In
jenem llnche eintrat, längst bekannt war, nnd dasa NicmaDd
03 je bezweifelt hat, Der Logos, das Wort als der Gedankt
Gottes , als die ganze Summe göttlicher oder ewiger Ideen,
der Logos, den Plalo verkündigt, den Aristoteles Tergehess
kritisiert hatte, und den die Neuplatoniker wieder in sela
Recht einsetzten, ist eine Wahrheit, welche die Untndbi£e
aller Philosophie bildet oder bilden sollte. Und wenn irit
diese Wahrheit nicht völlig begriffen haben , wie sie voa
einigen der größten Kirchenväter begriffen wurde, werden
wir nie im stände sein, das vierte Evangelium zu verstehen,
wir werden nie im stände sein, ans wahre Christen zu nen
Denn nnr weil es aaf den Logos anfgcbant ist, behinptet
das Christentum seine ganz einzige Stellung unter alles
Religionen der Welt. Natürlich irit eine KoUgion nicht eii
Philosophie. Sie hat einen verschiedenen Zweck und nm
eine verschiedene Sprache reden. Nichts ist schwieriger, ■
die Ergebnisse des tiefsten Denkens in einer SprscllO MUS
drücken, die Allen verständlich nnd doch nicht irrefOhnDd
sein soll. Wenn eine Ueligion dies nicht kann, Ut d« keiM
Religion; jedenfalls kann sie nicht leben; denn jede seae
Generation, welche auf die Welt kommt, braucht eine rolkt-
tümliche, eine kindliche Übersetzung der erhabenston Wilif
holten . welche von den Weisen nnd Propheten der VoneH
entdeckt und anfgebäaft worden sind. Wenn kein Kind ab
Christ anfwaebsen könnte, ohne die wahre Bedeutung da
Logos zu verstehen, wie dieser Bogriff von Platoniseben.
stoischen und nenplatonischon Philosopheu ausgcarheitot ai
dann von den Kirchenvätern angenommen and ihren Zweck«
Christliche Theosophie. 5] 5
angepasst worden ist, wie viele Christen würden wir haben?
Indem die Kirchenväter die Ausdrticke 'Vater nnd 'Sohn'
gebrauchten, waren sie sich bewnsst, dass sie Ansdrücke
gebrauchten, welche nichts enthalten, was nicht wahr ist,
und welche eine befriedigende Erklärung zulassen, sobald
eine solche nötig ist. Und die befriedigendste Erklärung,
die beste Lösung aller unserer religiösen Schwierigkeiten
scheint mir hier wie anderswo die historische Schule zu
bieten. Versuchen wir nur einmal zu entdecken, wie Wör-
ter und Gedanken entstanden, wie Gedanken im Laufe der
Zeit das wurden, was sie sind, und wir werden im Allge-
meinen finden, dass irgend eine Vernunft, sei es eine mensch-
liehe oder eine göttliche, in ihnen ist.
Ich gestehe, ich kenne keine größere Freude, als ent-
decken zu können, wie unsere Gedanken und Wörter uns
durch eine ununterbrochene Kette von Jahrhundert zu Jahr-
hundert zurückfahren, wie die Wurzeln, welche unserem
Geiste Nahrung zuführen, eine Schicht nach der andern
durchdringen, und noch immer ihr Leben und ihre Nahrung
aus dem tiefsten Boden, aus den Herzen der ältesten Denker
der Menschheit, schöpfen. Das ist es, was uns Vertrauen
in uns selbst gibt und uns oft hilft, dem was in unserem
geistigen und namentlich in unserem religiösen Leben hart
und versteinert, mythologisch und bedeutungslos zu werden
droht, neues Leben einzuflößen. Ich bin überzeugt, dass ftlr
viele Leute die Anfangsworte des Evangeliums des Johannes
>Im Anfang war das Wort« und wiederum »Das Wort ward
Fleisch« nur eine Sage, eine bloße Überlieferung sein können.
Sobald wir aber das Wort, das im Anfang bei Gott war,
und durch welches (di avtov) alle Dinge gemacht sind, auf
den Monogenes zurückführen können, wie er von Plato
postuliert, von den Stoikern ausgearbeitet und von den Neu-
platonikem, ob sie nun Heiden, Juden oder Christen waren,
den ersten Kirchenvätern überliefert wurden, scheint ein Zu-
sammenhang hergestellt zu sein, und ein elektrischer Strom
scheint in einer ununterbrochenen Leitung von Plato bis zu
33*
510 Filii fzoli nie Vorloflunc-
Joliannea, timl von Johannes bis zu uns selbst Kn gehj
oinigen der schwierigaten nnd dunkelston Aoasprllol
Neuen Tostamenta Lieht und I^ebon zu verleihen. Bei Mit '
Ehrfurcht vor dem, was man kindlichen Glaobuu nennt, wol-
len wir doch nie vergesaen, dass anch Denken Gott vor-
dren heißt.
Kehren wir nun zu Meister Eckhart zurück und crinoeni
wir una, dasa nach ihm die Seele auf demselben gUtÜichen
Grund aufgebaut ial, wie Gott, dasa sie in der Tbat im der-
selbeu Natur Teil hat, dasB sie ohne denselben nichts sclo
wfirdc. Und doch ist sie in ihrer geschaffenen Form von Oott
getrennt. Sie fühlt diese Trennung oder ihre eigene ÜB-
vollständigkeit, und indem sie dieselbe fühlt, wird sie nur
giös. Wie kann diese Sehnsucht nach Vollendnng befriedigt,
wie kann dieses göttliche Heimweh geheilt werden? Die
meisten mystischen Philosophen würden sagen: dadurch dui
die Seele in Liebe ku Gott hingezogen wird, oder dnrcb
eine Annäherung an Gott, gerade so wie wir in den Cpa-
nishadeu sahen, dass die Seele sieh dem Throne BrahauM^ i
als einer mannlichen Gottheit, näherte.
Die AnnSherang an eott.
Eckhart leugnet jedoch, ähnlich wie die vorperll
VedAntisten, dass es eine solche Annäherung geben 1
oder er betrachtet dieselbe jedenfalls nur als eine nlM
Form der Religion. So sagt er (Pfeiffer a. a. 0.
'Wahrend wir uns Oott nähern, kommen wir nie in i
fast wörtlich wie der Vedänta.
Eckhart erkennt zwar dieses Verlangen nach Oot
diese Liebe zu Gott als einen vorbereitenden Schritt an, i
betrachtet er das wahre Verhältnis zwischen der Seele und
Gott aus einem viel höheren Gesichtspunkte. Dieser Strsbl
der Gottheit, den er als den Geist der Beole und mit viel«
anderen Namen, wie Filnl-hiu , Wurzel, Quelle, auch oit-
rf^qrjoig, ja als das wirkliche Selbst des Menschen bezeicboft
Christliche Theoaophie. 5 1 7
ist der gemeinsame Boden von Gott nnd der Seele. Hier
sind Gott nnd die Seele stets der Möglichkeit nach Ems,
und sie werden thatsftchlich Eins, wenn der Sohn in der
Seele des Mensehen geboren wird, d. h. wenn die Seele ihre
ewige Einheit mit Gott entdeckt hat Damit Gott in die
Seele eingehen könne, mnss znerst alles Andere aus dersel-
ben hinausgeworfen werden, alles Stindige, aber auch jede
Art von Hinneigung zu den Dingen dieser Welt. Schließlich
mllssen wir unser eigenes Selbst vollständig aufgeben. Um
in Gott zu leben, muss der Mensch sich selbst absterben, bis
sein Wille ganz in dem Willen Gottes aufgegangen ist. Es
muss vollkommene Stille in der Seele herrschen, bevor Gott
sein Wort in sie hinein hauchen, bevor das Licht Gottes
in die Seele hinein scheinen und sie in Gott verwandeln
kann.
Geburt des Sohnes.
Wenn der Mensch auf solche Weise der Sohn Gottes
geworden ist, sagt man, der Sohn Gottes werde in ihm ge-
boren, und seine Seele habe Ruhe gefunden. Sie werden in
all dem die Grundidee des Vedftnta bemerkt haben, dass
durch die Beseitigung des Nichtwissens die individuelle Seele
ihre wahre Natur, als mit der göttlichen Seele identisch,
wiedergewinne. Andererseits wird es Ihnen nicht entgangen
sein, wie viele Ausdrücke von Eckhart gebraucht werden,
die uns von den Neuplatonikem und von dem Evangelium
des Johannes ganz geläufig sind. Ausdrücke, welche ihre
wahre Bedeutung nur für diejenigen haben können, welche
ihren Ursprung und ihre Geschichte kennen.
Stellen ans dem vierten Erangelium.
Die Stellen, auf die sich Eckhart stützt, und auf die er
sich oft beruft, sind die folgenden: »Wer mich aiehet, der
siebet den Vater« (XIV, 9] ; > glaubest du nicht, dass ich im
518
Filnfaehnte VorleBung.
Vxter, nnd der Vatar In mir ist?« PCIV, 10]; >N)eiiuad
kommt zum Vator denD durch mich' <X[V, 6); >i)aa ist aber
das Qwige Leben, daaa sie dich, dass du allein wahrer Sott
bist, und, den du geanodt hast, Jesnm Chriatum erkennem
(XVII, 3). Und ferner: »Und nun verkläre mich du, Va-
ter, bei dir selbst, mit der Klarheit, die iob bei dir liatte,
ehe die Welt war .... Auf das« sie alle eines Boin, gleich
wie du, Vater, in mir, nnd ich in dir, dasB anch sie In am
eines sein« [XVII, 5; 21).
Dies Biud die tiefsten Töne, welche durch das gante
Christentum Kckhsrta hindurch klingen, und obgleich ihre
wahre Bedeutung achon lange vor Eokharts Zeit von deD
großen scholaatischeu Denkern, wie von Thomas von Aqnino
selbst, den beiden 6t. Victors, Bonaventura nnd Anderen ci-
klärt worden war, so ist doch ihr tiefster Sinn selten »
kräftig ans Licht gebracht worden, wie von Meister Hckkart
in seiner Lehre des wahren Spiritual iatia eben ChristenllBL
Donille hat ohne Zweifel ganz Rechl, wenn er zeigt, wie
man Vieles von diesem spiritnalistiGchen ChristentBin in in»
Schriften derjenigen finden kann . welche man ziemlich »ec
lichtlich als bloße Scholastiker zu bezeichnen pflegt. D«k
wird er der Persönlichkeit Eckharts schwerlich ganz gentätL
Nicht joder Scholastiker war ein ciV sanctus, nicht jedw
Dominikaner-Prediger war so frei von weltlicher OMiiranf,
so von Liebe und Mitleid gegen seine Hitmensohen «rAflt
wie Eokhart. Und wenn auch seine lateinische T^rminol^f
als genauer und kräftiger bezeichnet werden kann, als kIdi
deutschen Äußernngen, so herrscht doch in seini^n dentaekes
Predigten eine Innigkeit und Schlichtheit des Tones, welefce,
wenigstens meiner Ansicht nach, das kältere Latein zcrsUIrt
Denifle hat Ja ganz llecht, wenn er Eckharl als einen Scho-
lastiker und als einen Katholiken hinstellt, aber tu dttrAc dudi
mindestens zugeben, dass seine Ketzereien den deatscbea
Mystikern augehürten, nicht den orthodoxen Katholiken.
Christliche Theosophie. 519
Einwendungen gegen die mystische Religion.
Wir haben schon eine Reihe von anffallenden Analogien
zwischen dem Geiste des mystischen Christentums des vier-
zehnten Jahrhunderts und dem der Vedänta-Philosophie in
Indien bemerkt. Es ist merkwürdig, dass auch die Angriffe,
denen beide Systeme ausgesetzt gewesen sind, und die Ge-
fidiren, auf die man als ihnen anhaftend aufmerksam gemacht
hat, in Indien und in Deutschland fast identisch sind.
Übermlhiger Ascetismns«
Es ist wohlbekannt, dass von den Anhängern beider
Systeme ein strenger Ascetismns warm empfohlen und in
mnsgedehntem Maße geflbt wurde. Auch hier wieder kann
selbstverständlich von Entlehnung oder auch nur von indirek-
tem Einfluss keine Rede sein. Wenn wir verstehen können,
daas der Ascetismns bei den an die Upanishaden glaubenden
Indem natflrlich war, so werden wir eben so leicht im stände
sein, die Motive zu verstehen, welche Meister Eckhart und
seine Freunde bewogen, das Fleisch zu ertöten und so viel
wie möglich ein Leben der Einsamkeit und Weltabgeschie-
denheit zu fahren.
Dass der Körper und die Seele miteinander im Wider-
streite sind, lässt sich kaum bezweifeln. Plato und andere
griechische Philosophen wussten recht gut, dass der Körper
leicht die Oberhand über die Seele bekommen und die ver-
nünftigen Triebe verdunkeln, die tierischen dagegen lebhafter
machen kann. Selbst wenn die Leidenschaften des Fleisches
nicht in thatsächliches Übermaß ausarten, wirken sie doch
leicht zerstreuend und schwächend auf die Geisteskräfte.
Damm finden wir seit den frühesten Zeiten und in fast allen
Teilen der Welt die Neigung bei tiefen Denkern, das Fleisch
zu unterjochen, um den Geist frei zu machen. Auch kön-
nen wir das übereinstimmende Zeugnis so vieler Autoritäten
nicht bezweifeln, dass durch Enthaltung von Speise, Trank
520
F flu fleh Dte Voriegnug.
und sndereD Binnlichen Genflsaen dio Erfifte des Geistea ver-
stärkt werden.') Diea ist oameDllicli der Fall bei jener gei-
atigen Eraft, welche mit der BeligiOD zd thnn hat. Wiv
allüa Andere kann natfirlich aach dieser AscüÜBmus, so xn»-
gezeichnet er auch an und fltr sich ist, abei'trieben nnd
schädlich werden, wie er ja in der Tbat 2U schreckliches
Ausschreitungen geführt hat. Ich bin aber nicht geneigt.
die Aussagen zuverlässiger Zeugen zu bezweifeln, dass durch
Fasten nnd durch Doch schmerzlichere Kasteiungen des KOr-
pcra der Geist zu einer inteusiveren Thätigkeit angesponit
werden kann. Auch kann ich den Zeugnissen nickt widei-
Gtehen, welche dafür sprechen, dasa durch gewisse ascetisehe
Übungen, wie dadurch dasa man das Atmen anf beaoDder«
Weisen reguliert, deu Körper in gewissen Stellungen h^
und den Blick unverwandt auf gewisse Gegenstände richtet,
eine heftige Erregung unseres Nervensystems erzeugt werdeo
kann, welche unsere ICinbÜdungskraß achBrft und uns in sttsJ
setit, Dinge zu sehen und zu begreifoD, die über den Qo-
aichtski'eis gewöhnlicher Sterblicher hinausgehen. Ich glube,
dass die besteu Physiologen dies Alles recht gut wissen nnd
vüllig im Stande sind, es zu erklären; und es hieße den
Skepticisnius zu weit treiben, wenn wir uns weigern wolltas,
die Berichte zu glauben, welche die Personen selbst tod
ihren himmlischen Anschauungen geben, oder welche tob
glaubwürdigen Zeugen gegeben werden. Andererseita ist es
allbekannt, dass diese ascetiscben Neigungen, wenn sU df
mal ausbrechen, durch bloßen Wetteifer bald so sehr BlMf
trieben werden, dass sie einen krankhaften Ztistand bovsU
des EOrpers als des Geistes erzeugen, so dasa wir oa dan>
nicht mehr mit begeisterten oder verzückten Heiligen, ««-
dem mit hysterischen und halb-irrsinnige n Kranken au thno
haben.
Kine andere Gefuhr ist die fast nnwiderttehfislU
Christliche Theosophie. 521
YerBnchnDg zu Täaschnng und Betrag seitens religiöser As-
eetcD, so dass es oft des schftrfsten Urteils bedarf, um zwi-
schen wirklichen, wenngleich abnormalen Visionen nnd ab-
sichtlichem oder halbabsichtlichem Trag unterscheiden zu
können.
Die Bnßübungen, welche indische Asceten sich auferle-
gen, sind oft von Augenzeugen, deren Glaubwürdigkeit nicht
bezweifelt werden kann, beschrieben worden, und ich muss
sagen, dass die unbefangene und arglose Weise, in der die-
selben in manchen der alten Textbücher behandelt werden,
nns geneigt macht, £ast Alles zu glauben, was diese alten Mär-
tyrer gelitten und gethan haben sollen, ihre Fähigkeit sich in
die Luft zu erheben (Levitation) nicht ausgeschlossen. Wir sehen
aber auch sowohl in Indien als in Deutschland einen starken
Umschlag der Stimmung, und es fehlt nicht an Protesten sei-
tens hoher Autoritäten gegen eine übertriebene Ertötung des
Fleisches. Ein Fall ist sehr interessant. Wir hören, dass
Buddha, ehe er der Buddha wurde, die schrecklichsten Buß-
flbnngen mitmachte, indem er mit den brahmanischen Ein-
siedlern im Walde lebte. Nach einiger Zeit aber überzeugte
er sich von der Nutzlosigkeit, ja der Schädlichkeit die-
ses Systems, und es ist einer der charakteristischesten Züge
seiner Lehre, dass er diese übermäßigen selbstauferlegten
Qualen als zur Erreichung der wahren Erkenntnis nutzlos
erklärte und eine goldene Mittelstraße zwischen übertrie-
benem Ascetismus auf der einen und weltlicher Gesiunung
auf der anderen Seite als den wahren Weg zur Erleuchtung
und Seligkeit anriet
Fast ganz derselbe Protest wurde von E^ckhart und
Tauler erhoben, indem sie ihre begeisterten Schüler im Zaum
zn halten suchten. Sie empfahlen beide ein vollständiges Auf-
geben aller Güter dieser Welt; Armut und Leiden war in
ihren Augen das größte Hilfsmittel zu einem wahrhaft geist-
lichen Leben; nicht an dieser Welt zu hängen, war die
Grandbedingung dafür, es möglich zu machen, dass Gott wie-
der in der Seele des Menschen erscheine, oder, wie sie sich
522
Fünfzehnte Vorlesunit.
auadrflckten, die Gebart des Sohnes Gottes Im Menschen er
erleichtern. Bei all dem betonten sie aber anfs stirkste,
dtis9 sie die Liebe zu Gott in diesem Leben dnreh Umd-
lungen der Liehe und Gille gegen nnsere Mitmensehcn offen-
bart sehen wollten. Sie glaubten, dass es ganz gnt mS^eh
sei, an der praktiaclien Lebenaarbelt teilzunehmen und ducii
eine vollkommene Knbe und Stille der Seele in uns zu be-
wabren. Sowohl Bckhnrt als Tanler nnhmen in hervorragen-
der Weise an den Angelegenheiten der Kirche and den
Staates thatigen Anteil, beide suchten dringend nCtige Refor-
men in dem Leben der Gei^lichkeit und der Laien einan-
fübren. Rnhe und Stille wurden empfohlen, weil erst wenn
alle Leidenschaften bemhigt und alle weltlichen Begierden
zum Schweigen gebracht sind, das Wort Gottes in der Seele
gehört werden kann. Eine gewisse Kasteiung des Läbei
wird daher anempfohlen, doch nur als ein Mittel znm Zweck.
Von llbertriebenen Bnßttbangen, selbst wenn man glaubte.
ilasa sie zu himmlischen Viaionen der Gottheit führten, wurde
entschieden abgeraten. Die nrsprUngliche Einheit der mensch-
lichen Seele mit Gott wird von allen deutschen Mystikern «li
der Grnndartikel des christlichen Glanhens angenommen, vif
weichen aber voneinander nb in Bezng auf die Mittel, duret
welche diese Einheit wiederhergestellt werden kann. Die
spekulative Schule verlftsst sich nnr auf die Erkenntnis, tblt
Anhänger glanben. dass wir ipso facto das sind, was vif
nach unserem eigenen Wissen sind, und sie legen daher da
Hauptgewicht auf die Aneignung von Erkenntnis. Die ue^
tische Schule verlUsst sich auf BiiBflbungen und KaateiiiDg«a,
durch welche die Seele vollständige Freiheit rom Körper
erlangen soll, bis sie sich am Ende zu einer AnaehHing
Gottes, einer Rflckkebr der Seele zu Gott, duer Wlederrn*-
einigung mit Colt erbebt.
>Was ist Buße in Wirklichkeit und Wahrheit?' tTtgl
Tanler. >Nicht9,> antwortet er, >nU ein wirkliches mA
wahres Sichabwenden von Allem, was nicht Gott ist, nnd eia
wirkliches und wahres Sichzuwenden zu dem Reinou und «rmbno
^ Oiristliche Theosopbie. 523
Onten, das Gott heißt and Gott ist. Wer dies hat and dies
thnt, that mehr als Boße.« Und wiedemm: »Mögen dieje-
mgen , welche das arme Fleisch peinigen , dies lernen. Was
hat das arme Fleisch dir gethan? Töte die Sünde, nicht
aber das Fleisch!«
Taaler rät sogar von der Beichte nnd anderen rein
infierlichen Religionshandlangen ab. »Es nützt nichts,« sagt
er, >2a dem Beichtvater za laafen, nachdem man eine Sünde
begangen hat.« Bekenne vor Gott, sagt er, mit vrirklicher
Rene. Wenn da dies nicht thast and da nicht vor der
Sünde fliehst, kann selbst der Papst mit allen seinen Kar-
dinälen dich nicht lossprechen, denn der Beichtvater hat keine
Macht über die Stinde. Hier kOnnen wir dentlich das ferne
Rollen der^ Reformation hören.
Wenn aber aach diese übertriebenen Baßübangen nichts
nützen konnten, so sind sie doch f&r ans interessant, da sie
jedenfalls zeigen, welch schrecklicher Ernst anter den An-
hängern des Vedänta sowohl als anter den Schülern Eckharts
and Tanlers waltete. Wir lesen von Saso, Einem der zart-
sinnigsten anter den deatschen Mystikern, dass er während
dreißig Jahren nie ein Wort beim Mittagessen sprach. Sech-
zehn Jahre lang ging er hemm and schlief in einem mit 150
spitzen Nägeln besetzten Hemd, and trag Handschahe, in
welchen scharfe Messerklingen eingesetzt waren. Er schlief aof
dnem hölzernen Kreaze, die Arme aasgestreckt and den Rücken
mit dreißig Nägeln darchstochen. Sein Bettgestell war eine
alte Thüre, seine Bettdecke eine dtinne Matte aas Schilfrohr,
während sein Mantel die Füße dem Frost aasgesetzt ließ.
Er aß nar einmal des Tages and vermied Fische and Eier,
wenn er fastete. Er gestattete sich so wenig Getränk, dass
seine Zange trocken and hart warde, and er sie in der
Kirche mit einem Tropfen von dem heiligen Wasser weich
za machen sachte. Sein Freand Taaler missbilligte diese
gewaltsamen Maßregeln entschieden, und schließlich gab Saso
nach, aber erst, nachdem er seine Gesandheit ganz and gar
SU Grande gerichtet hatte. Dann begann er za schreiben.
524
Fünfzehnte VorlCBuiiK.
aod es kann niclits Zarteros, nichts DemOtigeres, Reineres
nnd Liebevolleres geben, als seine Sciiriften. Daoa MenaoheD
in einem aolchen Zustande Visionen seilen, ist nicht ta ni-
wnndern. Sie sprechen fortwährend von denselben &l3 von all-
bekannten Dingen. Selbst Tanler, obgleich er vor ihnen wunt,
bezweifelt nie deren Möglichkeit oder Wirklichkeit Er er-
zählt selbät einige in seinen Predigten, er ist eich aber voU-
kommen der Gefahr des Selbstbetruges bewnsst: iDi^enigeD,
welche mit Bildern und Visionen zd than haben,« sagt er,'J
• tauschen sich sehr; denn dieselben kommen ofl vom Teufel,
und in unseren Tagen mehr denn Je. Die Wahrheit ist tin>
ja iu der heiligen Schrift offenbart und enthüllt worden, und
CS ist dalier nicht notwendig, dass sie ans auf irgend «iofl
andere Weise offenbart werde; und wer die Wahrheit irgenit
wo anders her, als ans der heiligen Schrift entnimmt, irrt
von dem heiligen (ilauben ab, und sein Leben ist nicht lisl
wert. ■
Snndlosi^kelt.
1
Eine andere noch grCßere Gefahr wurde von den Q^
Dem sowohl des Ved;lnta als auch der Philosophie M^itv
Kcliharta wahrgenommen. Man kann leicht veratehea, dui
Menschen , welche ihre Leidenschaften vollatlndig bcrägl
hatten und kein anderes Verlangen tingen, ata mit dem gUt-
liehen Geist voreint zu bleiben, für der Saude nnOlbig «•
klärt wurden. In Einem Sinne waren sie es. Aber diN*
Erhabenheit Über alle Versnchung wurde bald in einem newB
Sinne ausgelegt, nämliub dahin, dass solche Wesen in Wirb
lichkeit keine Sünde berflhren könne, und dass, selbst wen
sie irgend ein menschliches Gesetz verletzen sollten, Ün
Seele dadurch nicht beeiuHasst werde. Man sieht sehr l^ohl,
was damit gemeint war, nämliob dass viele von den üatvt-
1) Vgl. Carl Schmidt,
borg 1«4tt, p. 138.
Christliche Theosophie. 525
seheidangen swischen Gut und Böse bloß Unterschoidungeu
fllr diese Welt seien, und dass in einem höheren Leben diese
Unterscheidungen verschwinden würden.
Wir lesen in der Brth. üp. IV, 4, 23 : »Diese ewige
Größe Brahmans wird durch Werke nicht größer, noch wird
sie kleiner. Der Mensch suche nur die Spur Brahmans zu
finden, denn wenn er sie gefunden hat, wird er von keiner
Übelthat befleckt.« Auch die Bhagavadgitä ist voll von dieser
Stimmung, wie zum Beispiel V, 7 : »Wer voll Ergebung, und
dessen Selbst rein ist, wer sein Selbst gezflgelt, und wer
seine Sinne bezähmt hat. und wer sein Selbst mit jedem
Wesen identifiziert (d. h. wer seinen Nächsten wie sich
selbst liebt), wird nicht befleckt, wenn er auch Handlungen
vollzieht.« Und dann wieder: »Der Mann voll Ergebung,
der die Wahrheit kennt, denkt, er thut gar nichts, wenn er
sieht, hört, berflhrt , riecht, isst, sich bewegt, schläft, atmet,
spricht, nimmt, die Augenlider öfinet oder schließt; er glaubt,
dass nur die Sinne mit den Sinnesobjekten zu thun haben.
Wer, alles Haften am Irdischen von sich werfend, Handlun-
gen vollzieht, indem er sie Brahman widmet, wird von der
Sflnde nicht befleckt, wie das Lotusbiatt nicht vom Wasser
beschmutzt wird.«
Taulers Äußerungen gehen oft ebenso weit, obgleich
er an anderen Orten dieselben zu modifizieren und un-
schädlich zu machen sucht. »Wenn,« sagt er, »der Mensch
Einheit mit Gott erlangt hat, ist er nicht nur vor der
Sünde bewahrt und außer dem Bereiche der Versuchung,
sondern alle Sünden, die er ohne seinen Willen begangen
hat, können ihn nicht beflecken; im Gegenteil, sie sind
ihm dazu behilflich, sich zu reinigen.« Nun ist es ja
ganz richtig, dass Tauler oft gegen diejenigen loszieht,
welche sich 'Brüder des freien Geistes' nannten, und welche
behaupteten, dass keine Sünde, die sie begingen, ihnen
etwas anhaben könne, doch muss man zugeben, dass seine
eigene Lehre ihren Überspanntheiten einigermaßen Vorschub
leistete.
52»
FlintEuUnte Vorleaunt,'.
Sie orionera sicli wobi, dasa sncli dio Vedilntii
Möglichkeit EUgaben, das3 oin Mensch schon in d
vollkommene Freiheit and Einheit mit Brahman [givt
erlange, gerade so wie Manche von den Mystikom sn^ben,
dass für eine wirklich arme Seele, d. h. eine von allen Nei-
gungen freie Seele, die Nichts hat, was sio ihr Eigen nen-
nen kannte, eine Mögliahkeit vorhanden sei, Kinbelt mit Gott
zu erlangen, ao lange sie noch in diesem eterbUcben Leib«
wohne. Doch wurde dieser verzfickte Zustand der Vereini-
gung mit Gott nh Ausnahme betrachtet nnd dauerte noi
wenige Äugenblicke, wahrend wahre Seligkeit erst im nich-
äten Leben und nach der vollständigen Uefreiang vom Körper
beginnen konnte. So lange also diu Seele in dem Leib«
eingekerkert ist, könnte ihre Sandlosigkeit immer nur ais
problematisch angesehen werden; nnd bowoIü in Detitschbuid
ah in Indien musste die religiöse Scheinheiligkeit in den
atÄrksten Ausdrücken getadelt werden nnd wurde in der Tlut
oft strenge i;etadelt.
Mangel an Elirforofat vor (lOtt.
Noch eine BeachnldiguDg gibt es, die gegen nllc Mjiti-
ker, viel häufiger aber gegen die mittelalterlichen nIs gegen
die indischen Mystiker vorgebracht worden iat. Sie ward«!
bescboldigt, dass sie die Ooltheit omiedrigleu, indem li*
dieselbe zn dem Niveau der Menschheit herabzOgen ud
sogar die menschliche uud die gilltlichu Natur identifi-
ziertou. Hier mttssen wir Jedoch beide Sciteu liCtren nod
müssen darauf aeheu, daas sie dieselbe Sjjraoli« gebrau-
chen uud wirklich verstehen, was sie sagen. Kein WoH
hat so viele Bedeutungen wie 'Gott'. Wenn man Uott all
eine Art Jupiter oder selbst als einen Jehovah aufCuit,
so kann die Idee eines Sohnes Gottes nur für eine Itluph»-
mic angesehen werden, wie sie von den Juden anguaclxi
wurde, oder sie kann dem mensolüichen Vorstand nr
in der Fbrm von Charakteren, wie denen dna Uenüdti
ChriBtliche Theosophie. 527
oder des Dionysos, mandgerecht gemacht werden. Solange
nuui solche Ideen von der Gottheit nnd ihrer Beziehung
zur Menschheit hatte — nnd wir wissen, dass selbst
christliche Theologen sie hatten — war es nnr natürlich, dass
ein Anspruch seitens der Menschheit, an der Natur des
Göttlichen teilzunehmen, nur Schrecken und Widerwillen er-
regen konnte. Nachdem aber die Gottheit von ihrem mytiio-
logischen Charakter befreit worden war, nachdem der mensch-
liche Geist, sei es in Indien oder anderswo, sich einmal die
Thatsache klar gemacht hatte, düss Gott Alles in Allem sei,
dass es nichts neben Gott geben kdnne, dass es nur Ein
Unendliches geben könne, nnd nicht zwei, war die Schluss-
folgerung unvermeidlich, dass auch die menschliche Seele
Gott angehöre. Es war Sache der Religion, das wahre Ver-
hältnis zwischen Gott und dem Menschen zu bestimmen, und
Sie werden sich vielleicht aus meinem ersten Kursus von Vor-
lesungen erinnern, dass einige hohe Autoritäten alle Religion
als die Erkenntnis eben dieses Verhältnisses zwischen Gott
und dem Menschen definiert haben. Es lässt sich gegen
diese Definition nichts einwenden, wenn wir nur deutlich
sehen, dass dieser Ai^erkennung einer Beziehung zwischen
dem Göttlichen und dem Menschlichen das vorausgehen muss,
was ich die Wahrnehmung des Unendlichen in der Natur
und des Unendlichen im Menschen und die schließliche An-
erkennung ihrer Einheit nannte. Ich wollte in der That,
unser etymologisches Gewissen erlaubte uns, religio mit Lac-
tantius und Anderen von religare^ 'wiederbinden' oder
'wiedervereinigen', abzuleiten, denn in diesem Falle würde
religio von Anfang an bedeutet haben, was es zuletzt bedeu-
tete, eine Wiedervereinigung der Seele mit Gott.
Diese Wiedervereinigung kann nur auf zwei Arten statt-
finden; entweder als eine Wiederherstellung jener ursprüng-
lichen Einheit, welche eine Zeit lang durch Dunkelheit oder
Nichtwissen vergessen war, oder als eine liebevolle Annähe-
rung und Übergabe der Seele an Gott, ohne irgend einen
Versuch, die Trennung der Seele von Gott, oder ihr zeit-
52S Fünfzehnte Vorlerong.
weiliges unabhängiges Bestehen, oder ihre schließlicbe An-
näherung an Gott nnd Vereinigung mit €k>tt zn erkllres.
Und hier scheint es mir, dass das Christentnm, wenn es ntr
gehörig verstanden wird, den bestmöglichen Ausdruck gefondei
hat. Jeder Ausdruck in der menschlichen Sprmche kun
natflrlich nur metaphorisch sein, und metaphorisch ist auch
der Ausdruck 'göttliche Sohnschaft', doch drUckt er deoffidi
das aus, was man brauchte, nämlich Identität der Substau
und Unterschied der Form. Die Identität der Substanz wird
von Paulus klar ausgedrückt, wenn er sagt (Apostelg.
XVII, 28), dass wir in Gott leben, weben und sind; und es
ist sehr bezeichnend, dass sich Paulus gerade für diese, ^e
Grundlehre des Christentums, auf das Zeugnis auch nichtchifat-
licher Propheten berief, denn er fügt hinzu, wie um sdae
eigene hohe Meinung von der natürlichen und nniversaloi
Religion zu betonen: »Als auch etliche Poeten bei euch ge-
saget haben.«
Der Unterschied in der Form wird durch den Nameo
'Sohn' selbst ausgedrückt. Obgleich der Begriff des Vaten
unmöglich ist ohne den des Sohnes, und der Begriff des
Sohnes unmöglich ohne den des Vaters, fügt doch Christus
selbst, nachdem er zuerst gesagt hat: »Ich und der Vater
sind Eins« (Job. X, 30), hinzu (XIV, 28): »Der Vater ist
größer denn ich.« So ist denn der Vorrang des Vaters ge-
sichert, ob wir nun die einfache Sprache des Johannes oder
die philosophische Terminologie des Dionysius und seiner
Anhänger annehmen.
Eine viel größere Schwierigkeit haben manche christUche
Theologen darin gefunden, die Einheit und doch wieder Ve^
schiedenheit zwischen dem Sohne Gottes und der Menschbot
im Allgemeinen festzustellen. Man hielt es nicht für einen
Raub, dass der Sohn dem Vater gleich sei (Ep. Phil. II, 6),
wohl aber hielt man es für einen Raub, die menschliebe
Natur der des Sohnes gleich zu machen. Viele schreckten
vor dem Gedanken zurück, dass der Sohn Gottes auf diese
Weise zu einem hlofieti Menschen erniedrigt werde. Gibt es
Christliche Theosophie. 529
aber nicht auch eine Blasphemie gegen die Menschheit, und
ist es nicht Blasphemie, von einem bloßen Menschen zn
sprechen. Welchen Sinn kann der Ausdruck ^ein blofiei*
Mensch! haben, wenn wir einmal die göttliche Wesenheit in
ihm erkannt haben, wenn wir einmal glauben, dass wir
nichts sind, wir seien denn Gott. Wenn wir uns einmal
erlauben, von einem bloßen Menschen zn sprechen, so wer-
den Andere bald von einem bloßen Gott sprechen.
Wahrlich, kein Mensch war demütiger als Meister Eck-
hart und Tauler, kein Mensch bewies dem Sohne größere
Ehrfurcht als sie, die so tief 4]a das wahre Wesen der gött-
lichen Sohnschaft geblickt hatten. Aber sie ließen nicht
an, dass die klaren und deutlichen Aussprüche des Neuen
Testaments von haarspaltenden Theologen wegargumentiert
würden. Sie waren nicht geneigt, die Worte Christi anders
als in ihrem buchstäblichen und natürlichen Sinne gelten
zn lassen. Sie citierten die Verse: »Auf dass sie alle
eines sein, gleich wie du, Vater, in mir, und ich in dir,
dass auch sie in uns eines sein« (Job. XVIl, 21). Und wie-
derum: >Und ich hab' ihnen gegeben die Herrlichkeit, die
dn mir gegeben hast, dass sie eines sein, gleichwie wir
eines sind« (Joh. XVII, 22; siehe auch Job. XIV, 2 — 3).
Diese Worte, behaupten sie, können nur Eine Bedeutung
haben. Auch wollen sie nicht zugeben, dass man sich
mit den klaren Worten des Paulus (Ep. Köm. VIII, IG;
17) irgend welche Freiheiten erlaube: »Der selbige Geist
gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
Sind wir denn Eander, so sind wir auch Erben, nämlich
Gottes Erben und Miterben Christi: so wir anders mit lei-
den, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben wer-
den.« Sie lehnen sich dagegen auf, dass man die Worte
des Johannes ihres natürlichen und offenbaren Sinnes gewaltsam
beranbe, wenn er sagt: »Meine Lieben, wir sind nun Got*
tes Kinder, and ist noch nicht erschienen, was wir sein
werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass
Max MfiUer, Theosophie. 34
r.30
Fünfzebnte Vorlesimff.
wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn seheB,
wie er ist< (I. Ep. Joh. 3, 2).
Noch viele andere Stellen deaselbt:n Inhalte lieHeo sich
oitioreu und sind citiert worden. Über jede derselben haboD
Eckh&rt und seine Freunde tief nachgedacht, und wenn i
bloß eine Pra^e der Ehrfurcht gegen Christus war, so wnrdc
ihm nirgends größere Elirfurcbt bewiesen, als in den Fredig-
len dieser Gottegfreunde. Wenn sie aber ihren Glauben ao
die walire Brüderschaft Christi und des Monschen aufgege-
ben hallen, so würden sie das aufgeopfert haben, was ihnen
der eigeDltiche Kern des Cbrislenlnnis zu sein schien.
mögen alle möglichen Ü^ntscbuldigungsgrUnde anführen für
Jene, welche ans Ehrfurcht gegen Ciott und gegen Chiiatai
und ans den reinsten Uodven dagegen Einspruch erheben,
wenn man die volle Bruderschaft Christi ffir den Measchea
behauptet, Wenn sie aber sagen, dass der Unterschied iiri>
sehen Christus und der Menscbbeit ein Unterschied der Art
und nicht des Grades ist, so wissen sie nicht, wxa ü« lli
sie machen die ganxe Lehre Christi zu Nichte, und
leugnen die Inkarnation, die sie zu lehren rorgcben. Mtg
der Unterschied des Grades so groß sein, als er a nnrnt
schon denen, welche zur selben Art geboren, «ein kau,
aber gegenüber der Dberwftlligenden Masse von Zengniassi,
die aus den eigenen Worten Christi zu uns sprechen, iit u
doch wahrlich nutzlos, ein paar 8lollen im Nonon Testasiaiil
zu suchen , die möglicherweise anf einen Unterschied dn
Art hinweisen könnten. Es ist uns zum Beispiel kScdkk
gesagt worden, dass Christus nie von unserem Vat«r iiiriek^
wenn er sich selbst oiDschließt, und dass er, als er MÜnt
Schuler lehrte zn beten: >Unser Vater in dem Illmnel',
absichtlich sich selbst ausscbloss, Dies kannte vielleicht ii
einem Gerichtshof plausibel klingen , aber was wird dnuli
wenn es den Worten Christi entgegen gehalten wird: >0«W
aber hin zu meinen BrDdern und sage ihnen: loh tä
auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, in neiBMll Qrfl
Christliche Theosophie. 531
und m eurem Gottc (Job. XX, 17). Wollte er etwa auch
damit sagen, dass sein Vater nicht derselbe sei wie ihr Va-
ter, und ihr Gott nicht derselbe, wie sein Gott?
Die Religion die BrficlKe zwischen dem Endlichen und dem
Unendlichen.
Es war der Hauptzweck dieser vier Kurse von Vor-
lesungen, zu beweisen, dass das Verlangen nach Vereinigung
oder Einheit mit Gott, das wir als das höchste Ziel in anderen
Religionen sahen, seine vollste Anerkennung im Christentum
findet, wenn es nur gehörig verstanden, d. h. wenn es nur
historisch behandelt wird, und dass es von unserem Glauben
an die volle Brflderschaft des Menschen mit Christus untrenn-
bar ist So unvollkommen auch die Formen sein mögen, in
denen dieses menschliche Sehnen nach Gott in verschiedenen
Religionen Ausdruck gefanden hat, so ist es doch immer die
tieftte Quelle aller Religion und der höchste Gipfel gewesen,
den die natflrliche Religion erreicht hat. Die verschiedenen
Brücken, welche Aber den Abgrund, welcher die Erde vom
Himmel und den Menschen von Gott zu trennen scheint,
geaeUagen worden sind — ob wir sie nun Bifröst oder
^ÜTlnvat oder Es-8irät oder mit irgend einem anderen Namen
benennen — mögen mehr oder minder roh und fehlerhaft
adn; doch können wir versichert sein, dass manche treue Seele
iber dieselben in ein besseres Heim gebracht worden ist.
Sie erinnern sich wa)|d, wie in den üpanishaden das Selbst als
die wahre Brflcke, ab das beste Bindeglied zwischen der Seele
ad Gott erkannt worden war, und dieselbe Idee begegnet
VAS immer wieder in den Religionen und Philosophien spä-
terer Zeiten. Es ist ganz richtig, dass es nur eine Metapher
Wfy' wenn man von einer Brflcke zwischen dem Menschen und
I tftitt spricht, selbst wenn diese Brflcke das Selbst genannt
■ trillL Wie können wir aber von diesen Dingen anders als
in Itetaphem sprechen? ^Zu Gott zurückkehren' ist eine
532 .Fünfzehnte Vorlesung.
Metapher^ ^vor dem Throne Gottes stehen' ist eine Metapher,
^mit Christus im Paradiese sein' ist eine Metapher.
Selbst diejenigen, welche gegen die Metapher einer
Brücke zwischen Erde und Himmel, zwischen dem Menschen
und Gott Einspruch erheben und der Ansicht sind, dass die
höchste Lehre der Theosophie die Erkenntnis der ewig^
Einheit der menschlichen und der göttlichen Natur sei, mfls-
sen zur Metapher Zuflucht nehmen, um klar zu machen, was
sie meinen.
Die Metapher, die fast allgemein verbreitet ist, die wir
im Vedänta, bei den Sufis, bei den deutschen Mystikern, ji
sogar noch bei den Cambridger Piatonikern im siebzehnten
Jahrhundert finden, ist die von der Sonne und ihren
Strahlen.
Die Sonne — so sagen sie Alle — ist nicht die Sonne^
es sei denn dass sie Licht ausstrahlt; und Gott ist nieht
Gott, es sei denn dass er Licht ausstrahlt, es sei denn dsss
er sich offenbart.
Alle Strahlen der Sonne gehören der Sonne an, w
können nie von ihr getrennt werden, obgleich ihre Einheit
mit der Quelle des Lichtes eine Zeit lang durch eine di-
zwischen tretende Finsternis verdunkelt werden kann. Alle
Strahlen Gottes, jede Seele, jeder Sohn Gottes, gehört Gott
an; sie können nicht von Gott getrennt werden, obgi^
ihre Einheit mit dem göttlichen Urquell eine Zeit httf
durch Selbstheit, Leidenschaft und Sünde verdunkelt we^
*
den kann.
Jeder Strahl ist von den andern Strahlen verschiedea;
doch kann es keine wesentliche Verschiedenheit iwischea
ihnen geben. Jede Seele ist von den anderen Seelen fe^
schieden; doch kann es keine wesentliche Yerschiedeiüieit
zwischen ihnen geben.
Sobald die dazwischen tretende Finsternis beseitigt iit
sieht man, dass jeder Strahl ein Teil der Sonne und doek
Christliche Theosophie. 533
von ihr und von den anderen Strahlen getrennt ist. Sobald
die dazwischen tretende Unwissenheit beseitigt ist, weiß jede
Seele, dass sie ein Teil Gottes und doch von Gott und von
den anderen Seelen getrennt ist.
Kein Strahl geht verloren, und obwohl er ein Strahl
f&r sich zu sein scheint, bleibt er doch stets das, was er
immer gewesen ist, nicht von dem Lichte getrennt, und nicht
in dem Lichte verloren, sondern stets in der Sonne gegen-
wärtig. Keine Seele geht verloren, nnd obwohl sie eine
Seele für sich zn sein scheint, bleibt sie doch stets das, was
sie immer gewesen ist, nicht von Gott getrennt, nicht in Gott
verloren, sondern stets gegenwärtig in Gott.
Und schließlich, wie aus der Sonne nicht nur Licht,
sondern auch Wärme hervorquillt, so geht von Gott nicht
bloß das Licht der Erkenntnis, sondern auch die Wärme
der Liebe aus, die Liebe des Vaters und die Liebe des Soh-
nes, ja die Liebe aller SOhne des ewigen Vaters.
Gibt es aber gar keinen Unterschied zwischen der
Sonne und den Strahlen? Ja, es gibt einen. Die Sonne
allein sendet ihre Strahlen aus, und Gott allein sendet seine
Seelen aus. Die Kausalität — man nenne sie Schöpfung
oder Emanation — gehört Gott allein an, nicht seinen Strah-
len oder seinen Seelen.
Dies sind Metaphern, die so alt sind wie die Welt, doch
bleiben sie ewig neu und wahr, und wir begegnen ihnen noch
einmal in den Spekulationen der Cambridger Platoniker. So
sagt Henry More:
^I came from God, am an immortal ray
Of God; 0 joy! and back to God shall go\V
1) Wörtliche Prosa-Übersetzung: Ich kam von Gott, bin ein
nnaterblicher Strahl Gottes, und werde, o Wonne ! zu Gott zurück-
kehren. Anm. des Übers.
FUnrEehnio Votleeiing.
'ilcnce the soal'B nitturo wfi lony [tlHiuly bim::
A boam it is of tii' latellectnul Sun,
A ray iudeed of tliat Aoternity;
Biit such a ray »8 when it fiTBt ouUhooe
From H free üght ite shining d»te bcgnn'.';
80 hoffe ich denu, den einfaelien PIjlu meiner Vor-
lesoDgen, wie ich ihn von Anfang an mir vorgezoichnet, aas-
gofnbrf zu haben. Mein erster Kursus sollte als EinleUaiis
dienen, den hiatorischeu Standpunkt feststellen, ron dem die
Religionen studiert werden mOssen, and gewisse DeGnitiooeD
geben, iu Bezug anf die zwischen Lehrern and ZofaCren
kein MissTerstfindnis walten sollte. Indem ich sodann eisen
Überblick über die ungehenere Hasse rellgiCaen Denken
gab, die vor den Augen des Geschichtaforschera in obM*
tischor Verwirrnng daliegt, suchte ich zn zei^n, diat M
in dieser Masse zwei Strömungen gebe, deren Eine das
Suchen nach etwas mehr als Endlichem oder Phlnomeu-
lem in der Natur darstellt — was ich physische Religio»
nannte — , während die andere das Sueben nach s(wu
mehr als Endlichem oder Phänomenalem in der Seel« dtt
Menschen darstellt — die anthropologisclte IteUgii», b
diesem meinem letzten Kursus war es mein HaoptbenlbiB,
zu zeigen, wie diese beiden 8tröme steU aich su Tecais^
gen suchen und sich am Ende thatsftchlich in dem n^
einigen, was ich Theosophie oder psycholagitch* Rel^
ijion nenne, die nns zu der Erkenntnis der «eientUelieft
Einheit der Seele mit Ciolt hilfi. Sowohl dieses Streben naeb
Vereinigung als auch die schUeßlicbe Vertun ignng haboL
glaube ich, ihren vollkommensten Ausdruck im Christentw
gefunden. Das Streben der Seele, sieh mit Oott sn tu-
einigen, findet seinen Äusdrnck in der Liebe an 0«tt, M
Christliche Theosophie. 535
der alle Gesetze und alle Propheten hangen; die schließ-
liche Vereinignng ist darin ansgedrflckt, dass wir im wahren
Sinne des Wortes die Söhne Gottes sind. Diese Sohnschaft
kann dnrch verschiedene Mittel erlangt werden, dnrch keines
so wahrhaft, als dnrch das, was Meister Eckhart das Auf-
gehen unseres Willens in dem Willen Gottes nannte. Sie
erinnern sich vielleicht, dass dies gerade die Definition ist,
die Ihr verehrter Kanzler von der wahren Bedentang der
Religion gegeben hat; und wenn die wahre Bedeutung
der Religion der h^^chste Zweck der Religion ist, so werden
Sie sehen, wie der Forscher der Religionsgeschichte nach
einer mflhsamen Reise am Ende auf demselben Gipfel
anlangt, den sich der Religionsphilosoph von Anfang an ge-
wählt hat
Zum Schlüsse muss ich noch einmal dem Kanzler und
dem Senat dieser Universität ftlr die Ehre danken, die sie
mir erwiesen haben, indem sie mich zweimal zu diesem wich-
tigen Amte eines Gifibrd -Lektors erwählten und mir so
Gelegenheit gaben, die letzten Resultate meiner lebenslangen
Stadien in den Religionen und Philosophien der Welt zu-
sammenzustellen. Ich weiß recht gut, dass manche von
diesen Resultaten einigen gelehrten Theologen Kummer be-
reitet haben. Doch wflrde es ihnen, glaube ich, noch viel
größeren Kummer bereitet haben, wenn sie mich wegen irgend
eines Mangels an Aufrichtigkeit im Verdacht gehabt hätten,
sei es, dass ich irgend welche von den Thatsachen ver-
schwiegen hätte, die das Studium der heiligen Bflcher der Welt
xn Tage gefordert, oder dass ich die Überzeugungen verhehlt
hätte, zu denen mich diese Thatsachen unwiderstehlich ge-
fährt haben.
Es gibt verschiedene Weisen, wie wir wahren Glauben
und wirkliche Ehrfurcht vor der Religion an den Tag legen
können. Was würden Sie sagen, wenn Sie eine starke und
536
Flinfxelinto Vorlesung.
mSclitigc Eiche sähen , Ton winzigen Pfählen eingesclÜDasQB,
lim sie vor dom Fallen za bewahren, durch Vogelscheuchen
entatelll:, am die Vögel wegznjitgen, oder mit dflunen Wind-
sohirmen bedeckt, am sie vor der Lnfl nnd dem Licht du
llimmcU zn beschützen? Würden Sic nicht das Gefühl haben,
dflS9 dies Alles eine schimpfliche Beleidigung für den ßiesen
des Waldes sei? Würden Sie sich nicht bewogen fUhloa.
die winzigen Pfähle ansznreißen, damit die Eiche weiter den
Stürmen trotze, nach jedem Sturme noch fester an der Erde
hafte nnd ihre Wnrzeln noch tiefer in den Felsen unten hin-
eingrabe? Würden Sie nicht die Vogelscheuchen hinw^
schlendern and die Vögel in ihren starken Ästen ihre Nester
bauen lassen? Worden Sie sich nicht veranlasHt fulileD, di«
Windächirme wegzureißen, damit der Wind des Himmels ihr«
Zweige schüttle und das Licht vom Tlimmel ihr dunklet
Laub erwarme und erlenchle? Das ist das Ooftlhl, das ich
in Bozag anf die Religion, ja in BeEUg auf die chrislliofav
BeligioD, wenn sie nur gehörig verstanden wird, hab«. i
braucht diese winzigen Pfähle, diese büsslichen Vogela^bd-
cben, die nutzlosen Apologien nicht. Wenn man rie je
brauchte, so braucht man sie _;i?/j^ nicht, mögen sie toa
physische Wunder, oder wörtliche Inspiration, oder plffl-
liche Unfehlbarkeit heißen; sie &mA jetzt eine Beleidigung.
eine Scli&ndang der Majestät der Wahrheit. Ich glaub«
nicht an menschliche Unfehlbarkeit, am allerwenigsten u
päpstliche Unfehlbarkeit, Ich glaube nicht an die Unfehl-
barkeit der Professoren, am allerwenigsten an die Ihre«
Gifford-Lektors. Wir sind alle fehlbar, nnd »war cnt««dei
in unseren Thatsachen, oder in den Schlüssen, die wir am
ihnen ziehen. Wenn daher irgend Einer von meinen gelehr^
ten Kritikern mir sagen will, welche von meinen ThalsaehsB
falsch, oder welche von meinen Schlussfolgernngen fehlethiA
seien, so kann ich ihn nur rersichem, dass ich, wenn ich
auch schon ein sehr alter Professor bin, stets diejooigcii n
meinen besten Freunden Kahlen werde, welche sich di« Msbt
ChriBtliche Theosophie.
537
nicht verdrießen lassen, mir neue Thatsachen zu liefern, oder
mich darauf aufmerksam zu machen, wenn ich Thatsachen
falsch angegeben habe, und welche meine Argumente ver-
bessern wollen, so oft sie ihnen gegen die heiligen Gesetze
der Logik zn verstoßen scheinen.
Anhang zu
Stationen anf der Wandemngr der Seel
IJr»h. Ar. Up.
A'Aünd. Up.
A'Aand. Up.
Kaaah. Up. ]
TaiU. Uf
VI. 2, 13.
V, 10, 1.
IV, 15, 5.
1,2.
1,8.
MklB
aritis
arAis
AandnmäB
M*^
uhar
abar
abar
aparapakühaA
TAyaA
:'ipür]rainä)ia/i
äpüryamÜHaA
äpüryamüfuA
rrishtik
üdityaA
pakshaA
pakshaA
pakshaA
brahai
Bhan mäsäA
sba»» mäsäA
sban mAsäA
(pratyä^iyate)
(Qdak)
(adak)
(ndak)
dOTalokaA
samyatsarali
samTatsaraA
ädityaA
»dityaA
aditjaA
kandramAs
TaidTQtam
l^andramäs
kandramäs
devayänaA
pura8ho*müna'
vidyut
▼idynt
agnilokaA
YaA
brahmalokäA
pumsbo^mäna-
TaA
pani8bo*mäna-
YaA
väynlokaA
(na panar iivtit-
hrabina
brabma (derapa-
TÜrunalokaA
i\h)
IbaA)
(11 a pnuar ürrtt-
indralokaA
dhümaA
dbflmaA
tiA)
rutriA
rätriA
pra^patilokaA
apakshiyaniänu/i
aparapakBbaA
brabmalokaA
pakshaA
shan miisiiA (dak-
sbaM imWiA (dak-
shittu)
äbinü)
pitrtlukaA
piirtlokaA
ikandraA
itkä^aA
annam
ftandramüs (So-
maA)
äkü«aA
annam
väynA
äkusaA
\riii\it\h
YJiyuA
annam
dbümaA
purnshali, jubha,
abbrara
etc.
megba/t
vrtäb^iA
vribiyavii/i
annam
etc.
I
\
fiinften Vorlesung.
maeh dem Tode nach den Upanishaden«
BW]i.Ar.
üp.
Prun* Up.
Alkand. Up.
Matid, Up.
V, 10,
1.
I, 9.
VIII, 13.
I, 2, n.
TajoA
J^ndramäs
«yämaA (moon)
süryadTäram
äditys*
(panar üvariaA)
sabalaA (snn)
purasho'mrtUA
ftBBdraA
lokaA
ädityaA
(na panar ävar-
taA)
brahnaloka/i
A'Aänd. Up. Haitr. Bräh. Up.
VIII, ß, 5. VI, 30.
rasniayaA uttaräyanaA,
üdiiyaA (lo- brahmapathaA
kadväram) sashomtiä
sanram dTäram
brahmalokaA
parä gatiA
Corrigenda.
Seite 22, Z. 6 von unten lies: Dschelläl eddins für: Jelaleddios.
- 119, - 3 lies: BrahmaA;arya für: Brabma^aryä.
- 2S6, - 5 von unten lies: gebenden höchsten für: gebende
höchste.
- 286, - G - - - den für: das.
INDEX.
ABALARD. 4^5.
Abd al Rmzzak. 340.
Abel, 370.
AbendnuJil, das heilige. 475.
Abgeschiedenen, die, werden zur
Speise derGutter. 116, 144.
— von BrmhmAn empfangen.
120 ff.
— Pfad der. 137.
— ihre Wohnstätte. 13S.
— in Klassen eingeteilt, 13S.
— und der Mond, 145. 146.
— Yor dem Throne Brahmans.
157.
— Oberschreiten einen Flosa.
167.
— von einer schonen Jnngfran
empfangen. 195.
— die Frayaahis die Geister der.
203.
— deren Vergötterung setzt den
Giaaben an Götter Torans.
204.
— Herbert Spencer hierfiber,
2U4.
Abraham. 352.
— als Sohn Gottes. 360. 403.
— Philo's allegorische Dentong
von. 370.
— und Isaak. Philo über, 37*2.
Abstrakte Haapr«'5rter in der
arischen GrandsprachCf 77.
Aba Jafir Atuvari, 3S.
AbD Said Aböl Cheir, Stifter
des Sufiismos. 339.
Abu Yasid und Dschnnaid. 339.
Accadisches Gebet. 14 fg.
Aehaemenidische Inschriften.
43.
Adam als Sohn Gottes. 360.
— nach Philo. 370.
Adevismus. 291.
Aditi. 16. 13S.
Aditva, 16.
Adrästeia. 62 Anm.. 212.
Adyton der Seele, 421. 422.
Aeshm. 19S.
AeshmadacTa, 1S3.
Afringan. drei. 43.
Agens, Glaube an Ein. S.
A.^entien, Glaube an. S.
Agni, der eigentliche Zweck der
Biographie de?. 5 fg.. ^.
— als höchster Gott. 6. 49.
— das Feuer, 29.
— Welt des. 120. 126, 129, 130,
132, 134.
— die Sonne das Ange des, 137.
— der Erste unter den Göttern.
13S.
— der sichtbare und unsicht-
bare, 152.
— Naräj^msa. 179.
— 1>H fg., 231, 232.
Agniloka. 115 Anm.
t:yraHJt(:^ Atl.
Agnosis. 316.
Agnosticismus, 234. 267.
Agnostiker. it>t. 315 fg.
Agnus Deif XII.
Agyaiti, •Unwirklichkeit'. ISl.
Ägypten. Namen griechischer
Götter ans. 57.
! — dessen Einduss auf Griechen-
• land. S" fg.. **3.
. ~ Pytbagoras und Plato in. ^3.
I — Wahren der Seele in, 199.
542
Index.
Ägypter, Plato über die^ 83.
— VVerke über die Religion der,
108.
Ägyptisches Gebet, 13.
Ägyptische Priester, Diodorus
Siculus beruft sich auf de-
ren Bücher, 81.
Ahain, Ego, 245.
Ahana, 175.
Ahl alyakyn, *Leute der Gßwiss-
heit\ 340.
Ahtni ya^ ahmi, 51.
— 4ch bin', 53, 54, 54 Anm.
Ahnengeister, Glaube an, 214.
Ahriman in den Gäthas, 44.
— bei griechischen und römi-
schen Schriftstellern, 44.
— und Ormazd, 180.
— mit dem Rat der Sechs, 183.
Ahura, 18 fg.
— *der lebendige Gott', von ah,
^sein', 52.
— zwanzig Namen des, 53.
Ahuramazda, 17 fg., 43, 48, 50,
51, 53, 54, 181, 185, 190,
191 fg., 194, 200.
— dem Plato bekannt, 44.
— der höchste Gott, 177, 178,
180, 184.
— eine Entwicklung des vedi-
schen Varuwa, 180.
— als Spenta mainyu, 182.
— die Seele vor, 115 Anm., 199.
— seinGespräch mitZarathushtra
über die Schutzengel, 202 fg.
— und die Fravashis, 203.
Airyaman, der vedische Arya-
man, 179.
Aitutaki, Himmel auf, 225.
Akaanga, 220, 227, 228.
Akademie dos Plato, 378.
Aktwa, Äther, 295.
Akem manö, *der böse Geist',
181, 183.
AÄit, 310.
AI Aaräf, 170.
Albertus Magnus, 459, 497.
Albigenser, 496, 497.
Alexander der Große und die
Texte Zoroasters, 38, 39.
Alexander Polyhistor, 45 Anm.
Alexandria, Berührung zwischen
semitischem und arischem
Denken in, IX, 393, 397 fg.
Alexandria, griechische Beligion
und die Juden von, 81.
— jüdische und christliche Theo-
logie in, XII, XIII.
— gebildete Perser oder Inder
in, 362.
— philosophische Schulen von,
ihr Einfluss anf das Christen-
tum, XIV, XV, 427, 455.
Alexandrinisches Christentum,
427 ff.
und mystisches Christen-
tum, 455.
Allah, ein Gott der Macht, 342.
Alogoi, die, 446 ff.
'Alte oben, der', 377.
Altes Testament, Erwähnung der
Schrift in demselben, 31 fg.
verloren gegangene Bü-
cher desselben, 34.
Avesta und, 46 ff.
Gott, Engel nnd Teufel
in demselben, 183, 184.
sagt nichts über Unsterb-
lichkeit, 230.
Philo's Glaube an das-
selbe, 368 fg.
Philo's auegorische Aus-
legung desselben, 370 ff.
vage Antecedentien des
Logos in demselben, 375.
dessen Lehre über die
Seele 411 f^., 414.
Kluft zwischen der Seele
und Gott in demselben,
460.
Amalrich, 508.
Amänava, nicht ein Mensch, 132.
Amardäd, 183.
Ambäs, Ambäyavis und Amba-
yäs, 120 fg.
Ambrosius, 428.
Amelius über Christentum, 423.
Ameretäi^, 'Unsterblichkeit', 50.
183.
Ameretat, 48.
Amerikanische Sitten mit eng-
lischen verglichen, 61.
Ameshaspentas , 44, 53, 182 f^-,
184, 185, 199.
Amitau^as, das Ruhebett Brah-
mans, 120, 122, 123.
Amon. 14.
Index.
543
im Fniki&iuebeo.
amotinHi im Manducha. 59.
Amrita, nnsterbliek, aiisch, 7^.
Anadec IL, Gegeapapst 4S5.
Awkhitm. 44, 202.
ÄB^ogiBche MeUiode, VI fg..
317.
AnaBda, Seligkeit, Pridikat
Brakmaas, 93, 269.
Aaaatatitti, BibÜotkekar tod
Papst Nieolaos I., 469.
ABaxagoras, 370, 376, 3S3, 403.
— ADteeedentieD dei Logoa beL
374.
— über das Sckiekial, 364.
— fiber den Nom. 3S5, 3S6.
Anaximaader, 394.
Aabetiuig, geistige, 344.
Andra = India, 179.
Angra Mainya, 44, 1^0. 161 fg..
164, 199 fg:
Animismna, 150 fg., 154.
AsoskaniTaa. 40.
AntaryaiaiD. 310.
Antkxxipologie, 60.
Antbro|>ologiache Beligioa. VII,
Vin, 68. 104, 156, 229, 534.
A atbropomorpk laJima . 151.
Antiockia. Synode toil 406.
AnnmaDa. Sckloasfi^genng. 101.
268.
Annstarani, Roh, 167.
Ao, Tag, Leben, 225.
Äonen, 466. 466 Aam.
Aparaj^ta. der Palast, 120. 121.
Aparam Brahman. 311.
Apeiron. die formlose Materie.
366. 394, 421.
Apkrodite, 62.
a;f<Htf>, 420, 430.
Apokalypse, von den Alogoi ver-
worfen, 447.
ApoUon, Aplan, 63 Anm.
a:io^na^fia^ 413, 417.
Apoatel, St Clemens, Papias
und die. XIV.
Apiaraa. 120, 121, 161, 195.
.IptaTaAana. 102.
Apolejos fiber die Daimone».
463.
Apiinra oder karman, 301 {^.
Ära. der See. 12o. 121, 14ii.
— von an. *Feind\ 122. Uo
Aramad. 179.
Aldi bahisht. 163.
Areimanios, 44.
Arif^ *Tbeosophisten\ 340.
Arische Religion nad Mytholo-
^e. gemeinsame. 71-^7s.
— VGlkertrennnng, 71, 75.
— ClTilisation. 73.
— Atmospkiie, gemeinsame die
griechiscke and indische
Philosophie darcfadringende,
76. 76.
— Wörter, gemeinsame, 76.
— und semitische Gedanken.
IX.
BeUgionen. 61.
Aristides der Sophist fiber Ju-
piter, 11.
Aristokle& 62.
Aristokrates. Sohn des Hippar-
chos, 62.
Aristotele«. XV, 44, 56. 376.
365, 369 fg., 391. 409.
— kennt Zoroasters Kamen. 62.
— fiber die fümi Elemente, 64.
— der Vater der Ketaereien.
337.
— Anteeedentien des Logos bei.
373, 514.
— das erste Bewegende des.
390.
— Ton Eckhart der 'Meister'
genannt. 502.
Aiistoxenos, 62.
Armaiti. Aiamati. 50, 179. 1>3.
Arnold von Brescia. 466.
Art «= lUo^ = iV/c, 3r!4», 361.
— Siehe auch Ursprung dt-r
ArUn.
Artakshatar Ardeshir;. 39.
Artemis Upis. 62 Anm.
Artikel in den arischen Spra-
chen. 76 fg.
'Arüf. 344.
Arümans, Griechen. 39.
Aryaman, 179.
Asar-mola-dag. 14.
Aaat, das Nichtseiende, 95.
As-brü. Bracke der Aseu. 100.
Asceten, indische, 161, 521.
— Sanskrit Name für. 520 Anm.
Ascetische Übungen. 'X22. 421.
Ascetismus. 34 u f^.
— übermäßiger, 5H» ff.
^B iaä
^ri
^^1 Aai'-etlamas, UbcriDäßiger, Pro-
Atman, die wahre BrBcIte TOä
^^H teste gegen deaselbHn, 521JF.
Schein Kum Sein, 16$Ann>.
^^H — in Indien und lu Dentsclibad.
— AtBjn', Soolo-, -SeHwf. 34S.
^H
— Etymologie von, 246 (g.
^^1 — physioloKisch betrachtet, 520.
^H - hilirt SU Betrag, 520 fg.
— alitNamo des TiibrenWceeDi
des Menschen. 34U.
^H Ascbylos, 33.
— seine Auferstehung ans dem
^H Aaen, BHlckc der, IGfi.
Körper, 2(i8.
^H Aahii. Uer»olitigkelt, 44.
— unverändert mitteu unter il«i
^H — vnhishtm ao, läU.
Veränderungen der Well.
^^H Airiaarnthya. 270.
■m fg.
^H ÄsmodeuB, IS3.
— hüobster, 2h<i.
^H Aflti, l<ni, est. ist, ^U.
— der Zeuge, 2H6.
^H ABtüvidäiJ, 19S.
^H Astralk^ruüc derTheoBophiBteo.
303, 325.
^H
— nicht in dem lirahiaui fm-
^^H Asn, Lebensodem, Hanie für die
loren, 305. ^^^
^H Seele,
— auch Stib*t. ^^^^^1
^^M Aaum V»ru»a, 4H.
^^^^1
^^1 — und as, 'sL-in'. 52.
Atiür, ^^^^^1
^^1 — 'der lebeadiee Gott', tTg.
Uli r - f arnbagt I''arulthii^^^^|
^H ÄBura. ein Unglüubiger, 24« fg.
^^H Asuraa und Dev^, Kampf der.
^^^H
VtOrpäd, Verr»8iPr odvr ^^^H
^H 178, 247, 219.
des Diukäril, 4I>, ^^^^^1
^^H — Spuren einer feindseligen
Auferstehung des Lelb^^^^H
Juden und Person, ^^|^^|
^^1
48. ■ ^
^H — uud Sums. 184.
— Scbiuksal der .Seele bei der. 1
^H Asuryn-Wolten, 104.
1»(J fg.. I»0 An». J
^H KtAt, Feuer, ITT.
- im Talmud, 197. -^^^M
^H ~ S'iba des Ahuramazdn, 1-J3.
K\i\MrmüiJ , der erita (^^^^H
^H Atem oder Geint ist Crahman,
^^^B
^H
Avaiki, 235. 22G. ^^^^M
^H Athanuaius, 318, 415, 428.
^V — Schriften des Dionysiua ihm
ävesta = ä -i- visla, 35. .„.^ ■
^M unbekannt, 450,
Aveata. ge schriebe nee Ej.bb>- T
plar deEBelbcn lu BalkOBd. 1
^H AtharvuQ, avestisch und Sausicril.
^H
32. w m
^H Ätharvaveda, Yaua im, 13tl,
— von vid, -wisseu'. 35.^^^^
^H — Wohnstätle der Abftoacbie-
^^^B
^B denen nach dem, 13'J.
- richtiger Name fiti d]^^^^^|
^K - Umie Im, 1Ü4.
Zarathushtraa. 3«. ^^^^H
^H - Asnra im, 17», 1S4.
- dessen VoihSItnis luJMP
^H — citiert, 240, 242.
4üff, W
^M — Skanibba im, 244.
- MonotbeiaiaUB des, 47.
- Ilber das höchste Wwen, 1*
^H Atheismue, 291.
^m Athenagoras, XIU, 429, 431, 144.
— Namen Qottes im. Hl, ^V.
^B Atber, Luft, Feuer, Wasser, Erde,
17Ö,
^B 2Ü5 f|^.
- und Voda, ß4, lli5. ITf), 186.
^B Atman hat dloselben Kigenschaf-
200.
^H ton wie Urabman, »3.
IHlrw und Fr«tMbU
^^K — ist GrubmaD. 1U4.
in, 2(11.
^H — das Selbst, 152, IUI. 245 fT.,
- Ilber dieWnuderun« detS«e-
^^H
Icn nach demTude, lltAn»
Index.
545
AvesU, Unsterblichkeit der Seele
im, 1S6 fg^ IS« ff.
— und UpaniBhaden, ISO, 189,
190, 191, 195, 199 ff.
— Belohnungen nnd Strafen
nach dem Tode im, 191 ff.
— and MohammedaniamuB, 190.
— Plato und, 205.
Avestagläubige und Vedagläu-
bige, 04.
ATestisch, 37.
Avestiache Religion, deren älte-
ste Form in den Gathas,
43.
ein Gemisch von Mono-
theismos, Polytheismus nnd
Dualismus. ISO.
eine ethische Religion,
ISO.
nnd vedische Religion,
179 fg., 1S5 fg.
— Schriften, griechische Über-
setzung derselben, 3S.
ihr Umfang, 41, 42.
— Sprache, 40.
Avestisches Gebet, 17 fg.
ATicenna, 502.
Avidya, das Nichtwissen, 93,
107, 2S7 ff., 293, 297, 309,
311, 313 fg., 315, 310.
— Brahman wird persönlich
durch, 107.
— nnd Brahman die Ursache
der phänomenalen Welt,
29Sfg.
— siehe auch Xiehiwissen.
va Zand, 35.
BABYLON, 14.
Babjlonier, Werke über die Re-
ligion der, 10^.
Babylonisches Gebet, 15 fg.
Badarayana. 97, 9s, 115 Anm.,
116, 301.
— seine Sütras, 97, 100.
— citiert ältere Autoritäten, 99.
Baya€tara, 179.
Bagha. 179.
Bahman, 1S3.
Bakan Yasbt, 42.
Bak6, 42.
Baktrien, Buddhisten in, 45.
BalaTarman, 133.
Mfts MtUtr, Tkeoiophie.
Baresman (Barsom). 237.
barh, 'abreißen*, 237,
— 'schwellen', 237.
— 'äußern, sprechen*, 239.
Bamabas, 447.
Barrow über die Seele, 340 ff.
BasiUdes, 390.
Basilius, 42S.
Basthüim, 73.
Bastian, 73.
Befreiung, endgültige, nach 5an-
kara, 113.
Behistun, 179.
Behram, 179.
Beichte, Tauler über, 523.
Bellerophon, 02 Anm.
Belohnungen und Strafen im
Jenseits, Glaube an, 47,
191 ff., 200, 214, 301.
Berchtold von RegenBburg.495 fg.
Beseelung, Animismus. 150.
Bhadra, Sämanvers, 122.
Bbädrapada, dunkle Hälfte des-
selben der Halbmonat der
Manen, 143.
Bhaga, 179.
Bhagavadgfta, 20s, 525.
Bhägayata, 349.
Bbedabhedaväda. 271 fg.
Bhiksbn, BettelmGnch', 321.
Bibel, Juden und Christen schäm-
ten sich ihrer, 369.
— im 5. Jahrhundert, 473.
— Verbreitung der Kenntnis der,
496 ig.
— Eckharts Stellung zur, 500 fg.
Biblische Sprache, von den Über-
setzern der heiligen Bücher
des Ostens nachgeahmt, 56.
BifrÖBt, 166, 16S, 172, 531.
Bigg. Dr. Charles, XV, i>9 Anm.,
466 Anm. u. ö.
über St Clemens, 437.
über Origenes, 451.
Bigott, Ableitung Ton. 500.
Bilder, wir denken in Bildern.
139 fg.
Bischöfe. Priester und Diaconi.
470. 471 Anm.
Blitz, Stätte desselben. 114, 116,
124. 134, 156.
- UDd Mond, 114 Anm.
— Tom Mondie zum, US, 132.
35
540
Blitz. Ubor domBolk'ii Viini
131. IW.
— der Kiini B. goliört. I'M,
Bluomfisld. ll!i Anin.
Blut lind Sprache. 60.
Bodhäyana. 99. lOU. 30S.
Bog Isiav.l, Gott, 17fl,
BoliIeD, S;i,
BUhtlingk. 109. 114 Anm..
AiiiD,, IKtAniu., tlTÄniu^
119 Anm., 127 Anm.
Bonaventura, 492. 498, 51S.
ßonifachis VIII., Papst, 502.
Böse Geister, Hans fllr. 164.
BUseo, Strafen der, 199.
BDser Geiat den ältesten BeKtand-
töilon des Aveetn fremd,
Bilees in der Welt, diw Problem
vom Crepmiig desaelhen.
181 ff., 302. 4S0.
— kein wirklicheB Gutes ohne
ein mtiirlicheB, IBIt.
Böse-Gedanken-HUIle, 19S.
BOBB-Thaten-Emie, 195.
BöBe-Worte-Hßlle, 195,
Brahmaiarya, Stodium und Ent-
haltung, 119, 12».
Brahman, 118, IZI. IUI. 132, 133,
l:i4, Itil. 166, 244, 525, 52li.
— das [JDendliche in der Natur,
y3. 104. 244.
— und Atman aind Eins. 93, UM,
152, 248 ff., 299 fg., 303, 305.
— der Anfang. 95.
— umfasstalfe Wirklichkeit, 105,
106, 107, 290, 297, 306, 314.
— kann nicht verändert werden.
105.
— die Ursnche der Welt nach
Räniünnpa. I'IH, 310.
— nach iVahkara unpersOnliclj
nud ohne Attribute, 107,310
— wird pLTsOnlich durch Avi-
dyti. 107.
— Rückkehr der Seele au, 112,
141, 280.
— Welt und Welten dofl. 113,
119, 120, 124, 125, 127, 129,
134. 191, 303.
— Weltendes, 114 fg,, llfi, IZ--,
134.
- das Wahr«, 114 Am
, 127.
Brahman. dexacn Hallo VIbho.
120, 131, 195,
— Bein Thron, 122. 123, 140,
lad. 158, 273, 279, 301. äle.
Ankunft der Seek vorilcRh-
selben, 199. 20ii.
— Untrennbarkelt derSeelevon.
125.
— Wnnderune der S«ele in, ISB,
140.
— Weg au. 147 ff.
— Dialog zwlBChen Ata Abge-
schiedenen und. lä7,
— die Seele ist, US. »I, *SI,
275 ff., 27t. ff_ S03, 307, Sil
— Name fur dto h^ohsto Gott-
heit, 236 ff.. 2«.
— E^^molo^e von. t37 ff.
— von barh odor bnli. 'abrtii-
sen', 'das AbBoIntnm', 2:17.
— von barh oder Iirih, 'schwel-
len'. 237.
-- Hang über, 237 &.
— und brilat 23S Anm.
— 'schüpferiBCbe Kraft'. USfc.
240,
— von barh, 'hervorbreob(a',SM>
— 'Kedo. Wort'. 239. 3i«.
— 'Bede Ist B.', 2.19.
— ' der hOc h ete Hlmmol der Bede*.
239,
— Veds. heiliges Wort. 237.23!».
240.
— das schlechthin
hUchstos Weaeo. 337.
— briihman (neiitrO lU hnkmla
(mask.) verwandelt. 33S.
~ (neut.l Gebet. UynniBi, SW.
— (mask.) Boter. WdiM. Pri«*
ater, 23H, 240,
~ das Wort hat eine dopptf»
Geschichte, 240.
— SchUpfer, 240, 293.
— Siva und Vishnn, die Tri-
mfirti. 33<!i, 240.
— mit Pribik ideDtiGaiert, itnil
— als Neutrum und HasknUtMUft.
240, 275. 279. 286, 3M.
— das hOcbste, 2«*.
— kennen beißt B- teia. S7i,
439.
— Annähernng der Seele u
273, 310.
Index.
547
Bimkaas. spätere SpekaUtiomeii
über. 274 f^.
— neiitr.} die Essenz ftllerDisge.
275.
— ist djs sowohl absolut als
relstiT Reale. 275.
— das Mbere und das niedri-
gere. 276. 311. 312.
es üt 2SS».
— nur Eines. 276.
— die ganae Welt wf. 2*i 2<*4.
— Einheit mit, nieht Aufgehen
in dem. 2^ fg.
— Sütras Qber das qnalifiziene
und anqualifiaiene. 266.
— Verehmni^ eines objektiven
B. als Vorbereitung for die
Kenntnis des abdoiaten.2<S.
— von dem indischen Weisen
durch Schweigen beschrie-
ben, 269.
-- als sat. Üt und inanda. 2S9.
— ist immer subjektiv, 29o.
— in unserem eigenen Selbst-
bewnsstsdn, 290.
— Emanation der Welt aus.
292 ff.
— Emanation kehrt lu ihm
lurnck. 297.
— und Avidja die Ursache der
phänomcnialen Welt. 29S ig.
— und Iivara. 50S. 319.
— Ruhe in. 357.
— Tcrglichen mit dem sütt-
liehen Grund des Eckhart
510.
Bnhmajia-Kaste, 243.
Brlhmiiiis, Stellen aus densel-
ben mit den Upanisfaaden
nicht in Einklang gebracht.
139.
— Hollen in den. 164 ig.
— Asnras in den. i7S, 1S4.
— An^ielung auf das Wägen
der Seele in den. M«9.
Bnhmiita&paä. 239.
Bimhmane. der Opfergnt venin-
tzent, 159.
Bcahmanen bei Indem und Bak-
trem. 45 Anm.
— und Griechen. 63.
— die alündisehe Litteratur
unter dem Einflüsse der.
Brahmanen unter den neun Klas-
sen von WeäeD- U*\.
Brahma-Suträ£ oder Vedanta-
Sütras. 9T.
Brahmawelt. 119. 126.
brih. siebe barh.
Birbad-äiaifvaka-Upanishad ci-
tiert, n3. llti. 117. 124—
126. 12S. 13i». 164. 16S. 236,
239, 24U fg^ 273, 305. o2<».
525.
Brihaspati. BrahmaRaspati. Vä-
itaspati, 239.
— Hymnus an, 240.
Bri'bät und Rathantara. 122.
Brücke des Gebinom bei den
Jnden. 171.
— im Folklore der Bauern Frank-
reichs und Englands. 172.
— bei den Theologen des^iitteJ-
alters. 172.
— von Erde, 190. 191.
— als Aocan anfgefasst. 191.
— Wanderung der Seele über
die, im Avesta. 197. li^S, 200.
— der Unsterblichen. 236.
Brücken vom Xensch lieben zum
GottlicbeD. 91. IM.
— ins Jenseits, 140. 16.>— 17:i.
174. VM) fg.
— in Indien und Persien.
105. 166 fg.
bei den Indianern.
lt.5.
in der nordischen My-
thologie, 166.
bei den Persem. 109 fg.
bei den Mohammeda-
nern. 171» {g.
Brig o* Dread. 172.
•Brüder des freien Geistes; 525.
Bna-Baum. 226. 227.
Buch Jascher. 34.
— von den Streiten des llem«.
34.
Bücher, verloren ^egan^ene, i>3.
— siehe ancli Uiüigt B.
BucLersch reiben. Alter dessel-
ben. 3o ff-
Bnddhs kst keine MSS. hinter-
lassen. 6'1.
— sa^ nichts über das Leben
nach dem Tode. 230.
— Gottheit im, 35S.
35*
548
Index.
Buddha gegen den Ascetismus,
521.
Buddhismus, kein Unsterblich-
keits^laube im, 230.
— und Nirvä/ia, 303.
— Keime desselben in den üpa-
nishaden, 321.
— keine objektive Gottheit im,
358.
— und Christentum, 363.
Buddhisten kennen keine Ge-
bete, 12.
•^- in Baktrien, 45.
Bunsen, 503 Anm.
Süsse, Tauler über, 522 fg.
CAIN, Philo über, 370.
Cambridge, christliche Platoni-
ker in, 318, 532, 533.
Carpenter, J. £., 34 Anm., 52.
Celsus, XII, 369, 403.
— über Entlehnungen christlicher
Lehren von den Griechen,
365, 366.
— über den Logos, 431, 448.
— Origenes ^egen, 445.
— über die Daimones, 464.
— über das Christentum, 464 fg.
Ceremoniell, Dogma und Ethik,
86.
— im Rigveda, 87.
Cerinthus, 447.
Cbaris, Gattin des Hephaistos,
75, 78.
Charites = Haritas, 59, 74 fg.,
174 fg.
Charlotte-Inseln, die Haidas auf
den, 219.
Cherubim, Philo über die, 371.
— Dionysius über die, 468.
Choyne, 47.
Chiliasten, 446.
China, Sanskritwörter in, 362.
Chinesische Inschrift citiert,
359 Anm.
Chinesisches Gebet 19 fg.
XQtjfjitty Nous ein, 385.
Christen, die ersten, über Seele
und Gott, 93.
— und Griechen, 365, 409.
— Celsus' Ermahnung an die,
464.
Christentum , eine Zusammen-
setzung semitischen und ari-
schen Denkens, YIII fg.,
441.
— Übergang des Judentums
zum, IX.
— Grundlehre desselben, IX, 9,
528, 530.
— Philo und das, XV.
— Nächstenliebe im, und in an-
deren Religionen, 9 fg.
— über andere Religionen er-
haben, 25.
— im Orient, 40.
— Grundton desselben, 93.
— und Sutiismus, 337 fg., 354.
— Gülschen Ras über das, 33$.
— und Buddhismus, 363.
— Judentum und griechische
Philosophie, 366, 410, 417.
— in Palästina und in Alexan-
dria, 428.
— Alexandrinisches, 427 flf,
— Theosophie im, 440.
— dessen historischer Charakter,
441.
— Celsus über das, 464 fg.
— Erlösung im, 467.
— im 5. Jahrhundert, 473.
— Geheimlehren im, 474 fg.
— das höchste Mysterium im,
475.
— nach Johannes, 499.
— Eckhart über das, 508, 518.
— auf den Logos aufgebaut
514.
— hat den richtigen Ausdruck
gefunden für die Wieder-
vereinigung der Seele mit
Gott, 527 fff., 531, 534 fff.
Christliche Geaanken im Tal-
mud, 10.
— Lehre die Vollendung der
griechischen Philosophie,
443 fg.
— Religion, wahrer Zweck der
Vergleichung derselben mit
anderen Religionen, 8 ff.
soll zur Vergleichung he^
ausfordem, 9.
durch die vergleichende
Religionswissenschaft be-
stätigt, 23.
ihr Hauptzweck, 4.40 fg.
Index.
549
Christliche Religion, Hegel über
die, 441.
braucht keine Apologien,
536.
— TheoBophie und christliche
Religion, XIII.
— Mystiker, siehe Mystiker,
r— Theologen über Entlehnung
seitens der Ueiden ans der
Bibel, 57.
Christlicher Advokat, 25.
Christus, der Logos, XI, XIII,
398, 415, 453, 482, 512.
— Brüderschaft zwischen ihm
und der Menschheit, XIII,
415, 449, 530, 531.
— Sohn Gottes, 360, 397, 415,
482, 512.
— sein Rock, 402.
— das göttliche Ideal der Voll-
kommenheit und Güte, 417.
— der ideale Mensch, 433.
— Logos von, 444, 511.
— seine Göttlichkeit, 450, 453,
501.
— reines Licht von, 469.
— seine Geburt innerhalb der
Seele, 476, 479.
— die christliche und die my-
stische Lehre von ihm
verliehen, 479.
— seine Grundlehre sein eigenes
Leben, 482.
— nach Eckhart, 511.
— als der erste Mensch, 512.
Chronika des Königs David, 34.
— von Salomo, 34.
Cicero über Xenophanes, 326.
— von Eckhart citiert, 502.
Cleanthes, 453.
Clemens, siehe St. Cletnens.
Clotho, 217.
Confucius über Nächstenliebe, 9.
— über geistige Wesen, 12.
— seine Anhänger kennen keine
Gebete, 12.
Comill, 51.
Couvade, 59 fg.
Cronins, 142.
Cusanns, Kardinal, 267, 499.
Cyprian, 428.
Cyms, Gfithas In Medien vor.
44.
DADU, 21, 22.
Daehne, 361.
Da6va-Kult, Abschwörung des-
selben, 185 fg.
Dalvas, 43, 53, 178, 190.
Daeva- Verehrer, 169.
Daimones, 201, 462 ff.
— Maximus von Tyre über,
463 fg.
— die abgeschiedenen Seelen
tugendhafter Menschen,
463 fg.
— Plutarch über die, 4()4, 465.
— Celans über die, 464.
Daityas, 161.
Daphne, Dahanä, 175.
Darai, 38.
Darius, Gathas älter als, 44.
— Ahriman in den Keilinschrif-
ten des, 180.
Darmesteter, 39, 40, 43 Anm., 46,
54.
Darwtach, 339 fg.
Dasein und Sein, 297.
David von Augsburg, 495.
Deduktionen falsch, 103.
De imitatione, 451.
Demokritos, 81, 8J, 370.
Demut, Stadium der (Sufi), 343.
— der Weg zur Wahrheit, 484.
— zwölf Grade der, 484.
Denifle, H., 502 Anm., 504, 518.
Denken im Lichte der Sprache,
das, 378, 514.
Derwische, 340.
Dens, 'glänzend', 29.
Deussen, 98, 98 Anm., 109, 114
Anm., 127 Anm., 237 Anm.,
305 Anm.
ÖBvuQog ^cojT, 434, 444, 511.
Deva und deus, 72.
— 'Götter' im Veda, 'böse Gei-
ster' im Avesta, 178.
Devas verleugnet, 4S.
— als Schöpfer, 49.
— brinffen den Menschen als
Opfer dar, 114.
— Welt der, 114, 116, 156.
— von den Seeion geliebt, 145.
— und Asuras, Kampf der, 178,
247, 249.
— im Veda und Avesta. 179,
184 ff.
— und Pitris, 201.
550
Index.
Devas denken über das Selbst
nach, 253.
— siehe auch JDaevas, Daeva-
Kult, Gotter.
Devaloka, 124, 144.
Devayäna, Götterpfad, 116, 124,
125, 129, 147 ff., 273.
— Regenbogen und Milchstraße,
167 fg.
— sijßhe auch Götterpfad.
Dillmann, 51.
Dinkarc?, über die heiligen Texte
Zoroasters, 38, 39, 43, 55.
— über die Feststellung der al-
ten Zoroastrischen Keligion,
^39.
— Ätürpäd der Verfasser des-
selben, 41.
— von West in den Sacred
JSooks of the Hast übersetzt,
41, 46, 55.
Diodorus Siculus, 81.
Diogenes Laertius, 37, 44.
Dionysius der Areopagite, 162,
292, 423, 454—491,492, 507,
510, 528.
Vater des mystischen
Christentums, 455, 450.
seine Schriften, 456 ff.
eine Fiktion, 457.
als echt angesehen,
458.
Übersetzung derselben
durch Scotus Erigena, 458 ff.
deren Einfluss, 460 fg.
ein christlicher Neuplato-
niker, 456, 457.
mit St. Denis identifiziert,
458.
als Zeitgenosse des Pau-
lus angesehen, 461.
unorthodoxe Äußerungen
desselben, 461.
seine Quellen, 461 fg.
seine llierarchie, 466, 468.
sein Einfluss während des
Mittelalters, 467.
sein System, 467 ff.
Milman über ihn, 469 ff.
- — dessen wahrer Zauber,
471 ff., 476.
sein höchstes Ziel die
Assimilation mit Gott, 472.
Dionysius der Areopagite über
die mystische Vereinigung,
474.
von den Orthodoxen als
Autorität anerkannt, 4T7.
von Thomas von Aquino
citiert, 488.
über die Stnlta Sapientia
excedens laudantes, 498.
von Eckhart citiert,.5ü2.
Dionysos, sein Kult aus Ägyp-
ten, 80.
Dtrghatamas, 138.
Disraeli, 331 Anm.
div, neupersisch, 178.
Doceten, 450.
Docetismus, 450.
Docta ignorantia, 234, 267.
doyfiaia und xrjQvyuata, 475.
Dominikaner und Franciskaner.
494—499.
Dramida, 99.
Dnivida, 99.
Dreieinigkeit bei St ClemeDS.
430 ff.
— des Plato, 434.
— des Numenius, 434.
— Origenes über die, 445.
Driver, 51.
Druh oder Dmkh, ISO.
Drummond, J., Thilo Judaeus*.
IX, XV, 378 u. ö.
Dschämi, 339.
— 'Saläman und Absäb', 352 fg.
Dschelläleddin Rümi, 22, 339,
340.
— über die wahren Sufis, 341.
— Auszüge aus seinen Mesnevi«
342, 350 ff.
— über völlige Vereinigung mit
Gott, 350 fg.
— über die Sonne als Bild der
Gottheit, 351.
— über das Ich bin Er', 351,
357.
Dschunaid, 339.
Dualismus in der persischen Re-
ligion, 44.
— nicht von Zoroaster gelehrt,
177.
— im Avesta, 180, 182.
— verdrängt den ursprüng-
lichen Monotheismus der
Zoroastrischen Religion,!!»^
j
Index.
551
Dualismus, im Veda keine Spur
von, 184.
Du bist das, 264, 275, 280, 281,
287.
dvvafiBig und Ideen, 394.
Logos, 396.
Durgä, 369.
EBIONITEN, 429.
Eckhart, Meister, 89, 292, 451,
455, 491 Anm., 498, 499—
513, 516—524, 529, 530,535.
— und die Bibel, 500 fg.
— über Wunder, 501.
— der Ketzerei angeklagt, 501.
— ein gelehrter Theolog, 502.
— seine scholastische Bildung,
502 Anm.
— Urteile über ihn, 502 fg.
— ein Mystiker, 503.
— sein Mysticismus, 503 fg.
- seine Definition der Gottheit,
505 flf.
— Pantheist genannt, 506.
— über Schöpfung, 507 fg.
— über die menschliche Seele,
508 flf.
— unter dem Banne der neu-
platonischen * Philosophie,
510.
— über Christus als Logos,
512 fg.
— über die Annäherung an Gott,
516.
— sein Christentum, 518.
— Denifle über, 502 Anm. , 504,
518.
— gegen übertriebenen Ascetis-
mus, 521.
Eden, Herrin von, 14.
Ego, Aham, 245.
Eidos, Art, 282, 380.
Eigenschaftswörter sind ab-
strakte Begriffe, 77.
Eileitbyia, C2 Anm.
Eines ohne ein Zweites, 236,
282.
Eingeborene, der. Monogenes, X,
388, 397, 432, 466, 505.
— siehe auch Monogenes.
Einsiedler, 161.
Ekade«a undEkade«in, 127 Anm.
Ekam sat, 234.
Eleatische Ideen dieselben wie
die der Upanishaden und
Vedanta-Sütras, 106.
— Philosophen über das Eine
Unendliche, 92, 105.
ihr Monismus, 92, 266,
461.
deutsche Mystiker und
Vedäntisten, 276, 476.
ihr Argument, 318.
ihre metaphysischen Pro-
bleme, 325, 329, 330.
und Upanishaden, 329 i^.
und Vedanta, 76, 331 fg.
Elishä, Elysion von, 62.
Elyeh, hebr., 52.
Elysion, 62 fg.
— von riXv&, Sk. ruh, 63.
Emanation, 291, 292 flf., 395, 425,
467.
— im Widerspruch mit der Ge-
nesis, aber nicht mit dem
N. T., 292.
— Stadien in der, 295.
— der Elemente und Sinne,
295 fg.
— kehrt zu Brahman zurück,
297.
— des göttlichen Lichts, 468.
— und Schöpfung, 507 fg., 533.
Embryo, dessen Entstehen, 296.
Emerson über Hafiz, 344 fg.
Empedokles, 84, 427.
Endlose Lichter, 194.
— Finsternis, 195.
Endymion, 63 Anm.
Energismus, 151.
Engel, ursprünglich Eigenschaf-
ten des Ormazd, 182 AT.
— bilden den großen Rat des
Ormazd, 183.
— im A. T., 183.
— im N. T., 183.
— und Erzengel, 184, 468.
— und Logoi, 395, 400.
— Jehovahs, 399.
— Theophaniü durch, 399.
— Origenes über, 445, 466.
— bei Dioiiysius, 462, 468.
— und Götter nach St. Clemens,
405.
— St. Augustinus über, 465.
— Philo über, 466.
552
Index.
Engel, die Menschen stehen un-
ter ihnen, 469.
Enos nach Philo, 370.
Eos, die Morgenröte, 29.
Epicier, species, 73.
Epiktet UberResigoation in Gott,
10.
Epist^me, siehe Weisheit.
intaxQOffTj^ 425.
Er, die Geschichte von, in Plato's
'Staat', 216 fg.
— ein Pamphylier, 216, 218.
Erde aus Wasser hervorgegan-
gen, 283.
Eridu, Herr von, 14.
Erinys, die Dämmerung, 29.
Erkenntnis, die Seele gewinnt
ihre Brahmaschaft durch,
158.
— bewirkt die Befreiung der
Seele, 257, 264, 357, 364.
— das Resultat der Unwissen-
heit, 288.
— wahre, nicht durch sinnliche
Wahrnehmung gewonnen,
288.
sechsVorbedingungen der-
selben, 321.
— inspirierte, 344.
— drei Grade der, 425.
— oder Gnosis, 438 fg.
— deutsche Mystiker verlassen
sich auf die, 522.
— Licht der, von Gott, 533.
Erzengel, 184, 468.
E-Sagil, 16.
Eschatologische Legenden, all-
gemeine Ähnlichkeiten in
denselben, 174 ff.
Esoterische Lehren, 322 ff.
Esse est Deus, 505.
Es-Sirät, die Brücke, 170, 196,
531.
Ethik und Dogma, 86.
Eadoxus angeblich in Ägypten,
81.
Euripides über das Wirken der
Götter, 2 fg.
Europe von 'Arftbhä, 62 Anm.
Eusebius, 45 Anm., 82.
Eva, Philo über, 370, 372 fg.
Evangelium infantiae, 433.
Evangelium, das vierte, 337, 360,
397 fg., 403, 405, 407, 408 fg.,
416, 444, 514, 515, 517.
griechische Id^en in dem-
selben, 410.
vondenAlogoi verworfeo.
447.
und die christlichen My-
stiker, 477, 479.
Stellen aus demselben,
517 fg.
Evangelien, verloren gegangene,
34.
— die vier, im 2. Jahrb. in der
Kirche anerkannt, 447.
Evolution, in den Upanishadeo,
293.
— im Vedanto, 294.
— die Verwirklichung einer Idee,
380.
— oder Schöpfung, 382.
Evolutionstheorie desRamano^
106, 312, 313,
FAIS, Gnade, 338.
Fakire, 339 fg.
Fegefeuer, 223.
Ferid eddin Attar, 335, 339.
Feridün, 32.
Festung der geschriebenen Do-
kumente, 38.
Feuer im Avesta nicht verehrt
177.
— und Funken, Gleichnis, 241,
271.
— aus dem Seienden entstanden,
282.
Feueranbetung nicht von Zoro-
aster gelehrt, 177.
Fick, 63 Anm.
Finnen haben von den Skandi-
naven entlehnt, 61.
Finsternis, am Anfange war. 95.
— eine der drei Qualitäten. lt>0,
161.
— Ursache falscher Erkenntnis.
329.
FirduBi, 37.
Fitzgerald, 352.
Flaccus, Brief von Plotinos an.
424 ff.
Flcckonland, 225.
Fleet, 98 Anm.
Index.
553
FluBS in der Unterwelt, 137, 167.
— über den die Seele setzt, 140.
— zwischen Himmel nnd Hölle,
144.
— derNichterinnerung, 217, 218.
Tragen' = Tragen um offen-
barte Wahrheit*, 54.
Frakhshtya nama ahmi, 54.
Franciskaner, 494 — 499.
Fravardin Yasht, 45, 202.
— = Fravashi, 201.
Fravashi, weitere Bedeutung von,
201 flf.
— nicht auf die Abgeschiedenen
beschränkt, 201.
— jedes Wesen hat seine, 201.
— mit den Ideen Plato's identi-
fiziert, 201 fg,
— im Avesta, Fitrtis im Veda,
201, 203.
— als Helfer Gottes, 202 fg.
— ursprünglich die Geister der
Abgeschiedenen, 203.
— kommen ins Dorf, 203.
Fraztshtö, 198.
Frühlingsnachtgleiche, 144.
Fünftes Jahrhundert, 471 ff.
Fürstlichkeiten, 465, 466, 46S.
GÄH, fünf, 42.
Gahänbärs, 42.
f?aimini, 97, 301.
Galtons kombinierte Photogra-
phien, 379.
Gandharvas, 161.
Gaotama (Gautama) im Fravar-
din Yasht, 45.
Garo-nemäna, 199.
Gaster, Dr., 171.
(?atayedas, 189.
Gatha-Dialekt der Dialekt von
Medien, 43.
Gätha-Litteratnr, Datum der,
44.
Gathas Zoroasters, Verse aus
den, 18 fg.
— die ältesten Fragmente der
avea tischen Religion , 42,
43.
— dem Zarathushtra zuzuschrei-
ben, 43.
— alte Lehren der, 47.
Gathas, keine Gegnerschaft zwi-
schen Ormazd und Ahriman
in den, 180.
— jE^invat-Brücke in den, 190.
— singend, 193.
Gäthische Nasks, 43.
Gaya, 'Wirklichkeit', 181.
^ayasimha, 133.
Gebet, griechisches, 13.
— ägyptisches, 13 fg.
— accadisches, 14 fg.
— babylonisches, 15 fg.
— vedisches, 16.
— ein anderes vedisches, 16 fg.
— avestisches, 17 fg.
aus den Gathas, 18 fg.
— chinesisches, des Kaisers,
19 fg.
— mohammedanisches, 20.
— neu-indisches, 21 fg.
Gebete, alte, 12—22.
— den Buddhisten unbekannt,
12.
— den Anhängern des Confucius
bekannt, 12.
Gedächtnis, Macht desselben, 31,
32.
Gedanke und Wort untrennbar.
378 fg., 514.
Gehinom, 171.
Geiger, 144.
Geist, nur der G. hat ein abso-
lutes Dasein, 334.
— Gott ist, 454.
— siehe Heiliger Geist
Geisterland der Polynesier, 225.
Geldner und Kaegi, 137 Anm.
Gemeinsame Menschennatur, 205.
Gemeinsamkeit des Blutes und
der Sprache, 60.
Genealogische Methode, VI.
Genii, 201.
Genitiv ein abstrakter Begriff,
1 1.
Gergesener, Wunder der, 25.
Gerson, 456, 499, 500.
Geschichte, die, ein göttliches
Drama, VI.
— der Religion die wahrste
Rechtfertigung derselben, 2.
— — die wahre Religionsphilo-
sophie, 3 fg.
— der Philosophie, Kant über
die, 3.
\
554
Index.
GeBchichte, gemeinsame, 60 fe.
Gesetz, das, dritte Klasse der
Nasks, 43.
— unter den neun Klassen von
Wesen bei Manu, 161.
Getaafte, Kommunikanten und
Mönche, 470.
Gewissen als schöne Jungfrau,
193.
6r7*allas, 161.
Gill, W. Wyatt, über die Poly-
nesier, 224 ff., 228.
Öiva, lebendige Seele, 245.
Öivanmukti, 304 fg., 526.
Gladisch, 83.
Glaube an Zweck in der Welt
und Güte in der Gottheit,
2.
an Gott, 4, 314.
— an Einen Gott der Natur, 8.
— an eine kosmische und ob-
jektive Gottheit, 8.
— an Götter fast universal, 58.
— Wissen zuverlässiger als, 486.
— Hugo von St. Victor über
denselben, 486.
— Stufen desselben, 487.
Gleichnisse, Vedäntischo, 292—
295, 297, 298.
(r/mnakäw</a, 94, 103.
Gnosis, 429, 438 fg.
Gnosticismus, 450.
Gnostiker, ihre Theosophie im
Orient, 337.
— das Fleisch die Quelle alles
Übels nach ihnen 403.
— die Logoi bei ihnen *Aonen',
466.
Goethe über Sufiismus, 332.
Gore, Rev. Charles, 24 Anm.
Gore, NtlakanMa, 294, 312 Anm.
Gotama, 202.
Gott und Seele, ihr Verhältnis,
V, VIII, 88 fg., 91, 112, 173,
332 fg., 356, 417, 419, 448,
460 fg., 484 fg., 516 fg., 522,
527, 531, 532 fg.
— Philo über, 41 1 ff.
Hugo von St. Victor
über, 490 fg.
Kluft im A. T., 460.
— Annäherung der Seele an,
279, 287, 332 f^,, 356.
— Einheit der Seele mit, 287.
Gott, Seele ist nicht, 342.
der Spiegel desselben. 352.
— Vereinigung der Seele mit
356 fg.
— die Seele kann ihn nicht se-
hen, 414 fg.
— Rückkehr der Seele zu, 418,
467, 531.
— Vereinigung der Seele mit,
471—474.
— Seele verliert sich in, 4S5.
ein Ausfluss von, 507.
— und Welt im Judentum und
Christentum, IX.
— Begriff von und Glaube an.
unvermeidlich, 4.
— Beweise für sein Dasein, 4.
— hat sich selbst nicht unbe-
zeugt gelassen, 6.
— Ein G. der Natur, 8.
— seine Einzigkeit im A.T. und
im Avesta, 47.
nach Xenophanes, 49.
in den Upanishaden, 230.
bei den Eleaten, 31b.
nach Sokrates, 386.
— Namen desselben im Avests,
51.
— Sehnsucht nach, 91, 467, 531.
— das Unendliche in der Natur.
92.
— die Eleaten über, 105, 317.
— Annäherung an, 125, 139 fg.,
149, 356 fg., 516.
und Vereinigung mit,
527.
— sein Thron, 140, 231, 532.
— Einssein mit, 158, 531.
— und Teufel im A. T. und N.
T., 183.
— des Lichtes, der Finsternis,
des Todes bei den Haidis,
220 fg.
— antbropomorphische Auf6i8-
sung von, 231.
— Persönlichkeit von 232 ff.
— männlich und sächlich, 243.
— ist Eines und Alles, 266.
— Liebe zu, 280, 334, 346, 357,
425, 439, 482, 483, 498, 516,
534 fg. Siehe auch unter
Liebe,
Kenntnis Gottes, nicht,
287.
Index.
nr^
Gott, der passendste Gegenstand
unserer Liebe, 347.
— der Herr und Schöpfer, 290 fg.
— mit dem Regen verglichen,
302.
— nicht der Urheber des Übels,
302.
— der persönliche, 30S.
— iSankara über den Glauben
an, 314.
— Xenophanes über, 326 fg.
— Parmenides über, 328 fg.
— sein Geist durchdringt das
Weltall, 334.
— mystische Vereinigung mit,
341, 350.
— Mohammeds Idee von, 342.
— was er ist, 352.
— seine Vaterschaft, 359 fg.
— die Welt von ihm gedacht
und ausgesprochen, 376.
— Verhältnis des Logos zu, 385,
392, 395 fg.
— und Logos dasselbe, 391.
— die höchste Idee des Guten,
nach Plato, 387.
— und die Götter, Plato über,
388.
— der nicht existierende, 390.
— und Hyle. 394.
— seine Weisheit, 395 fg.
— der zweite, 397, 434, 444, 511.
— Philo über, 411.
— sehen, 415.
— Stoiker über, 420.
— anoiog^ 430.
— in Christus Mensch geworden.
437, 449.
damit wir Gott wür-
den, 318, 415, 437, 449.
— kann nichts gegen seine
eigene Natur thun, 443.
— Origenes über, 444.
— und der G., 449.
— Tertnllian über, 454.
— Gleichheit und Einheit mit,
462, 474. 475, 509, 526.
— für das Böse verantwortlich,
479.
— Erkenntnis desselben, 4S9 fg.
- in drei Personen, 505, 512.
— alle Dinge in ihm, aber er
nicht in allen Dingen, 500.
— Eckhart über, 506.
Gott, alle Geschöpfe in ihm als
unerschaffen, 508.
— Welt ist nicht, 508.
— kennen und von ihm gekannt
werden ist dasselbe, 509.
— der Vater und G. der Sohn,
510.
— schafft immerfort, 507, 513.
— sein Sprechen ist sein Erzeu-
gen, 507, 513.
— Mangel an Ehrfurcht vor G.
den Mystikern vorgeworfen,
526 flf., 530.
— hat viele Bedeutungen, 526.
— Liebe und Erkenntnis von,
533.
— Kausalität gehört ihm allein,
533.
— siehe auch t«vara.
— siehe auch Sohn Gottes.
Gottähnlichkeit summum bonum,
488.
Götter, Glaube an, fast universal,
58.
vom Opfer vorausge-
setzt, 87.
Vergötterung der Ab-
geschiedenen setzt ihn vor-
aus, 204.
— ihre Speise die Abgeschiede-
nen, 116, 118, 144, 145.
— ihre Natur ewig, 133.
— Wanderung zu ihnen, 136.
— von den Seelen geliebt, 145.
— von ihren Kundgebungen un-
terschieden, 152.
— die mit der Qualität der Güte
Ausgestatteten werden, 160.
161.
— Diener der, 161.
— Weg der, 165, 166.
— Plato's Beschreibung der Pro-
zession der, 209 fg.
— und Menschen, 358 fg.
— St. Clemens und Augustinus
sprechen von ihnen, 465.
— siehe auch Devas.
Götterpfad, 116, 118, 120, 120.
129, 130, 147 ff., 156, 15S,
167, 273 fg., 279. 30l, 3o:{.
Götterwelt, 125, 130, 131.
Gottesfreunde, 496, 530.
Gottheit Güte und Gerechtigkeit
in der, 2.
556
Index.
Gottheit, Glaube an eine kos-
mische und objektive, 8.
— Persönlichkeit eine Beschrän-
kung der, 232.
— das Kingen nach einer höhe-
ren Auffassung der, 234 ff.
— Name für die höchste, Brah-
man, 236 ff.
— der Stoiker, 391.
— Einheit der objektiven und
subjektiven, 440 fg.
— Eckharts Definition der, 505.
— in der Seele, 508.
Göttliche Sohnschaft des Men-
schen, IX, 52S.
Göttlicher Grund in der Seele
und in der Gottheit, 510,
512, 510.
Göttliches und Menschliches,
Einheit derselben 92 ff.
— im Menschen, 246.
Grazien, 75.
Gregor der Große, 428, 458.
— von Nazianz, 428, 455.
— von Nyssa, 428, 455.
Griechen glaubten, .class sie Göt-
temamen aus Ägypten ent-
lehnt, 57.
— und Phönizier, 61.
— und Brahmanen, 03.
— Juden und Christen, 365.
— Unsterblichkeitsglaube der,
217 fg.
— und Christen, 409.
Griechenland, unsere philo-
sophische Terminologie aus,
65.
— unsere ganze Philosophie aus,
06.
— und Indien, Möglichkeit einer
historischen Berührung in
Plato's Zeit, 209.
ihre Verschiedenheit,
325 ff.
Griechische Philosophen über
Entlehnungen christlicher
Lehrer, 57 fg.
— mythologische Namen vom
llebräischen abgeleitet, 62.
— Philosophie, ihr Einfluss auf
die christliche Theologie,
IX (s.
war sie aus dem Orient
entlehnt? 79 ff.
Griechische Philosophie, autoch-
thonisch, 83.
Judentum und Christen-
tum, 360.
und Christentum, 417,
443 fff.
Griechisches Denken unter jüdi-
scher Bildersprache, 401.
Grimm, 172 Anm.
Große, der, 161.
Gruppe über Opfer, 87.
Gubarra, Herrin von Eden, 14.
Guhyakas, 161.
Gülschen Ras, 338.
Güte, Qualität der, 160, 161, 162.
Gute Werke in der Gestalt
einer schönen Jungfrau, 195.
Gute-Gedanken-Paradies, 194.
Gute-Thaten-Paradies, 194.
Gute-Worte-Paradies, 194.
Guyon, Mad. de, 456.
Gymnosophisten, 45 Anm.
HAAR, Gleichnis von dem aos
dem Schädel herauswacbseo-
den, 293.
Iladha-mäthrische Nasks, 43.
HadhOkht Nask, 43, 191 fg.
Hä</dkhtö, 42.
Hadrian I. citiert Dionysius.
458.
Hafiz, 345, 349.
Haidas über die Unsterblichkeit
der Seele, 219 ff.
— ihre Religion der persischen
ähnlich, 219 fg.
Hajiäbäd, Inschriften von, 37.
Uamaspathma^da, 203.
HamSstakän, 223.
Haoma im Yeda und Avesta.
64.
anXtoai^j 426, 475.
Haritas. Charites, 59, 74, 174 f(r
Hamack, IX, XV, 408, 445.
Harrison, Rev. C, 219.
Hassan Basri, 336.
Hatch, 409 Anm., 411 Anm.
Hang, 36 Anm., 37 Anm., 41.
43 Anm. , 44, 45, 46, 50, 54.
179 Anm., 181, 182.
— über die Fravashis, 201 fg.
— 'Brahma und die Brahmanen*.
237 fg.
Iudex.
557
Häuptling Wolke oder Tod,
220 IK- 222.
HaurvatiU/,'48, 50, 183.
Hawaii, 225.
Hawaiki, 225.
Hebräisch, nur wenige Spuren
von Entlehnung im, 362.
Hege1,8eineReligion8philosophie,
— über Christentum, 441.
Heilige Bücher, modernes Da-
tum derselben, 30 ff.
die Geschichte der Litte-
ratur beginnt mit denselben,
30.
Indiens, deren fragmenta-
rischer Charakter 33.
des Ostens, V fg.
deren Wert für die
Heligionsgeschichte, 27,54flf.
deren ünvoUkommen-
heit, 27.
deren Übersetzung, 30,
56.
ihr modernes Datum,
30 ff.
Fehlen systematischer An-
ordnung in denselben, 86.
haben eine Geschichte, 135.
— Litteratur Persiens, Verlust
derselben, 35 ff.
Heiliger Geist, 55, 505, 510.
die dritte Person, 434.
schwankende Auffassun-
gen desselben, 434.
Mutter Christi, 435.
aus jüdischer Quelle, 435.
Clemens* Vorstellung von
demselben, 435, 436 fg.
Spätere über denselben,
436.
Origenes über dens., 445.
nach Dionysius, 469.
Heimarmene, 383 fg.
Heimdall, 160.
£h Obos^ 104.
Helios, 29.
Henoch nach Philo, 370.
Henosis, 158, 270, 420, 426, 474.
475, 497.
Henotheismus des Veda und
Monotheismus des Avesta,
47.
Herakles, 62.
Heraklit, 83, 359 Anm., 374,
378 ff., 383 ff., 386, 391, 403.
Hermippos und der Avesta, 37,
38, 82. .
— kennt Ahriman nicht, 44.
Herodot, 44, 80.
Herrschaften, 465, 466, 468.
Hesiod, Daimones bei, 462 fg.
Hesperien, 63.
Hestia, 210.
Hetywanlana, 22 K 222.
Hierarchie der Engel, 162, 462,
466.
— drei Triaden in der himm-
lischen, 468.
— Glaube der Kirche an eine,
von Dionysius, 469.
— Milman über himmlische und
kirchliche, 470.
— Dionysius über die kirchliche,
470.
— St Clemens über die kirch-
liche, 471 Anm.
Hieronymus, 428.
Hilarius, 428.
Hilduin, Abt, 458, 459.
Hillebrandt, 114 Anm., 136 Anm.,
145 Anm.
Hillcl über die Beligion der Ju-
den, 9.
Himmel, im Veda, 138.
— und Hölle durch einen FIuss
getrennt, 144.
der Todas, 171.
Zwischenstufe zwi-
schen, 223.
— Seelen im, 213, 216.
— der Haidas, 221.
— der samoanische, 225.
— die zehn, 225.
Himmelslichter, 161, 162.
Himmelswelt, 125.
Hiranyagarbha, 129, 149.
Historische Methode, V.
— Schule, 1, 2 fg., 515.
Historischer Beweis für das Da-
sein Gottes, 8.
Höchstes Wesen, Namen dessel-
ben, 243.
Hohenstaufen, 493.
Hoh^riester soll nicht seine
Kleider zerreißen, 401 ig.
Holenmerische Theorie, 276 fg.
558
Indox.
Hölle, Flnss zwischen Himmel
und, 144.
— Brücke über die, 169.
— der Todas, 171.
— derHaidas, 221.
— Zwischenstufe zwischen Him-
mel und, 223.
Hüllen, keine in den Upanisha-
den, 156, 164.
— bei Manu, 163.
— keine im Rigveda, 163 fg.
— im Atharvayeda, 164.
— in den Brähmanas, 164 fg.
— bei Plato, 213 fg.
Homa nicht in den Gätbas, 43.
Homer, 81, 142.
Uomoiosis, 158, 474.
Homoousioi, 510.
Hopkins, 175 Anm.
Hosea, 399.
Hotar und zaotar, 64.
Hottentotten über den Mond,
146.
Houris, 196.
Hugo von St. Victor, 481, 486 fg.,
490 fg.
Humo über Wunder, 24.
Hunde in der Unterwelt, 137,
144.
Huxley, 25, 381, 382.
Hyios tou theou, X.
Hylo und Logos, 391.
Gott, 394.
Hypatia, 367, 423.
Hypostasis und Ousia, 452, 453.
IBN Khalikan, 335.
Ich werde sein, der ich sein
werde, 48 ff., 51 ff.
in der Elohistischen
Partie des A. T., 51.
kommt nie wieder
im A. T. vor, 52.
^ — stammt aus einer
zoroastrischen Quelle. 52.
— bin, der ich bin, im Avesta.
54.
nicht ein Name Ahura
Mazda's, 54.
du, 120.
Er, 351, 357.
— — Brahman, 264.
was du bist, 274, 318.
Ich bin, Name der Gottheit
505.
fefiff, 380.
Ideal, 433.
Idee, Wort, Logos, 297.
— die uranfUngliche, 335.
— oder Typus, 381, 382 fg.
— Eine höchste, 387 fg., 513.
Ideen Plato's, XI, 295, 379 fg..
386 fg., 391, 399, 406, 417,
462, 505, 506, 51ii fg.
— Verhältnis der Phänomene
zu den, 388.
— und dvvafÄBt^, 394.
— Welt der, 395.
— Idee der, 395, 400.
— die Muster aller Dinge, 395. *
-- und die Äonen der Gnostiker,
466.
— aller Dinge in Gott, 508.
— Logos die Summe göttlicher.
514.
Ignatius, 447.
Ilya, der Baum, 120, 121.
Inder in Alexandria, 362.
Indianer, ihr Glaube an eine
Brücke ins Jenseits, 165.
Indien und Persien, Verhältnis
zwischen den Beligionen
von, 64 fg., 165, 176 fg., 331
— Philosophie unabhängig In.
66.
— allüberwiegender EinfluBS von
Religion und Philosophie u,
67.
— und Griechenland, 209, 325 ff.
— Entwicklung des SufilsmuB in,
337.
Indikativ und Konjunktiv in den
arischen Sprachen, 77.
Indische Philosophie, deren un-
abhängiger Charakter, 65 ff..
78 fg., 100 fg.
autochthonisch, 84 fg.
und i. Musik, 278
— Lebensanschauung, 67 ff.
Indischer Philosoph in Athen.
82.
Indra, höchster Gott, 49, 189.
— Welt des, 120, 129.
— und Prai/äpati, 120, 121, 131.
— im Avesta ein DSmoD, 179,
183.
Index.
559
Indra, ViroAaDa und Prai/apati,
247 ff., 252, a53.
Indriyas, die Sinne, 300, 301,
302.
Infinitive in den arischen Spra-
chen, 77.
Inkarnation and Logos, XII.
— nicht bloße, 351.
— Problem der, 433, 530.
nach St. Clemens, 437.
Innocenz n.. Papst, 485.
Inspiration, iSruti, 101 ff.
— Idee derselben unvermeidlich.
102.
— wörtliche, 536.
Interdikt, 494.
Intuition, 337, 340, 341.
Irenaeus, 428.
Isaak, Philo über, 370.
Isis, verschleierte, 323.
Islam, kein Mönchtum im, 333.
— Allahs Wille, 342.
Island und Norwegen, Gl.
Isokrates, 83.
Israel als Sohn Grottes, XI.
I«vara, der höchste Herr, 290 fg.,
301 fg., 308, 311—315, 319.
— mit dem Regen verglichen.
302.
Iva, 225.
Izads, Hymnen an die dreißig,
43.
Izz eddtn Mutaddesl, 339.
JACOLLIOT, 80.
Jahr, vom J. zur Sonne, 118.
— der 12- oder 13 fache Vater,
120.
— vom J. zum Winde, 129 ff.
Jahre, 161, 162.
Jahreszeiten, 120.
— die Brüder Soma's. 120 Anm.
— i^ibhus Genien der, 120Anm.
— Kind der, 122, 157, 352.
Jakob und der Engel, 399.
— Philo über den Traum des,
408.
Jamblichus, 439.
Jayadeva, 349.
Jehovah, 49—52.
— Engel des, 399.
Jesus, der Reine durch seinen
Atem neugeboren, 352.
Jesus, Logos in, XII, 431, 511 fg.
— Messias in, 431, 511.
— erst nach der Taufe Christus.
435.
— Christus, der eingeborene
Sohn, 505.
das ewige Wort des Va-
ters, 513.
Johannes, Logos des. 4(»8, 446,
447, 515 fg.
— Theologos\ 446 Anm.
— Dionysius beruft sicn auf ihn.
488.
— Christentum nach, 499, 528,
529.
— Eckhart stimmt mit ihm übei*-
ein, 500, 503.
— siehe auch Evangelium, vier-
tes.
Jones, Sir William, über Sufiis-
mus, 334, 348, 349.
Juden und Perser, 47 fg., 183 fg.
— in Persien, 170.
— Glaube an eine Brücke bei
den, 171.
— Alexandriens, 80, 81.
— als Vermittler zwischen
Avesta und Mohammedanis-
mus, 196.
— Griechen und Christen, 365.
Judentum und Christentum, IX.
— und Buddhismus, 230.
— Begriff der Gottheit im, 358.
— Christentum und griechische
Philosophie, 366.
— Philonische Phase desselben.
368.
Jüdische Religion, deren philo-
sophische Wiedergeburt, 393.
— Bildersprache, 40l.
Julian, Kaiser, 423.
Jupiter, Aristides der Sophist
über, 11.
— Lehre von Zeus oder, 29.
— beschränkt, 232.
— als der Sohn Gottes, 416 fg.
— als der Logos, 417.
— Plotinus über, 416.
Justin Martyr, 366, 447.
KAABA, 335.
Kaegi, 137 Anm.
560
Iudex.
Kaisers Gebet (chinesischos),
19 fg.
Aaitanya, intelligent, 289, 327.
Kakökat, 344.
^äkshushf, Auge, 120, 123.
Kalpa, 31(K
Kant über die Geschichte der
Philosophie, 3.
— seine 'Kritik der reinen Ver-
nunft*, 5.
— seine Erkenntnistheorie,
316 fg.
— und die Upanishaden, 316 fg.
Kilra/ias, 161.
Karl der Große, 458.
— beauftragt die Bischöfe in der
Volkssprache zu predigen.
493 Anm.
— der Kahlköpfige, 459.
Karmakänc/a, 94, 103.
Karman oder Apürva, 296 fg.,
301 fg.
Karta, Grube, 164.
Kasten, älteste Erwähnung der
vier, 243.
Kasteiung empfohlen, 522.
Katechetische Schule zu Alcxan-
dria, XIII, 428, 429.
Katcchumenen, 475.
Kathari, 497.
Katharsis, 474, 475, 497.
Ka^Aa-Upanishad, Parabel vom
Wagenlenker und den Pfer-
den in der, 209.
— Metempsychose in der, 215.
— citiert, 235—237, 268.
Kaupat = Milchstraße, 168.
Kausalität gehört Gott allein,
533.
Kaushitaki - Upanishad citiert,
119 ff., 126, 128, 129 fg.,
156 fg., 195, 242, 274.
Kavad, 40.
Kaye, 454 Anm.
Keilinschriften, Ahriman nicht
in den, 44.
Kena-Upanishad citiert, 235.
Kenntnis von der Einheit des
Göttlichen und des Mensch-
lichen 92 ff.
— führt zur "Seligkeit, 92, 125.
— oder vidyii, 288.
— Kepler, 378.
xriQvyfxattty 475.
Ketzer von Kathari, 497.
iCÄiindogy a - Upanishad , 114
Anm., 117— 119, 123 fg., 126,
128—161, 153, 105 Anm.,
190, 235, 236.
— Dialog zwischen Vater und
Sohn in der, 152 fg.
— Dialog zwischen Indra und
Pra^äpati ans der, 247—256.
Deduktionen von dem-
selben, 256 ff.
iS^ankara*8 Bemerkun-
gen dazu, 258 ff.
über das wahre Selbst,
281—285.
Khorda Avesta, 42.
Khordad, 183.
Khshathra vairya, 50, 183.
Kbüsröi (Khosroes), 40.
A'indvar-Brücke, 198.
Kingsley, Charles, 367, 503 Anm.
Jfinvat- Brücke, 165, 169, 190,
198, 199, 531.
Kirjath-Sepher, 32.
J^it, Wahrnehmen, Prädikat
Brahmans, 93, 289.
— und aÄit, 310.
iOtra, 119.
Kittel, 52.
Klamaths, XI, 386.
— Logos bei den, 376 fg., 383.
Klemm, 73.
Kohut, 184, 196, 197.
Komparativ in den arischen
Sprachen, 77.
Konjunktiv in den arisobcn
Sprachen, 77.
Konrad von Marburg, 497.
Kopula in den arischen Spra-
chen, 76.
Koran, 20, 170 fg., 342.
Kosmologischer Beweis, 5.
Kosmos, 388, 397.
— yoijTo^j 421, 505,
Kramamukti, 303.
Krantor, SO.
KrtshMagupta, 133.
Kronos von Gäron, 63 Anm.
Kshathra vairya, 50, 183.
Kshatriyas, 161.
Kuenen, 51.
Kuh bei den LeichenceremonieD.
107, 168.
Kuhn, 167.
Index.
561
LACHESIS, 217.
LactantiuB über religio, 527.
Lassen, 46 Anm.
Lateinische Sprache nnd griechi-
sche Gedanken, 452 fg.
Lebensanschauung, die indische,
67 ff.
Legenda Aurea, 173.
Legge, 12.
Lehrer und Schüler im alten In-
dien, 248.
Leichenbe^ngnis, Hymnus beim,
136.
Lethestrom, 218 fg.
Lewy, Dr. H., 62.
Licht, das höchste, 264.
— Ursache wahrer Etkenntnis,
329, 533.
— Dionysius üb^r das glänzende
geistige, 467 fg.
Lichtgott der Uaidas, 220.
Lichtreich, 164.
Liebe zu Gott allein ist wirk-
liche L., 334.
irdische L. ein Vorbild
der, 346.
des Sufi, 346, 349.
deren Tochter die
Nächstenliebe, 348.
Erkenntnis zugleich,
439.
der Seele, 472.
und mystisches Chri-
stentum, 480 fg., 484, 498.
das einzig wahre christ-
liche Leben, 482.
St. Bernard ttber die,
4S3.
— Barrow über die, 346 ff.
— das Rind der Armut und der
Fülle, 425.
— des Vaters und des Sohnes
geht von Gott aus, 533.
Liebeswerbung der Seele um
Gott, 425.
Liebrecht, 173 Anm., 216 Anm.
Litterarische Dokumente am
wichtigsten für das Studium
der Religion, 29 fg.
Litteratur beginnt mit heiligen
Büchern, 30.
— geschriebene, 30.
Logan citiert, 2.
M»z M Aller , Theosophie.
Logoi, X, XI, 431, 445, 462, 505.
— der Stoiker, 391 fg., 399, 466.
— ansQfiatixoi, 391.
— und Engel, 400, 466.
— und Ix)gos, 466.
— und Äonen, 466.
Logos, X, XI, 55, 297, 318, 337,
338, 366, 387, 443, 506.
— arisch, X.
— der Sohn Gottes, XI fg., XIII,
358, 397 ff., 402, 431, 466,
510, 511, 513.
— und Inkarnation, XII, 513.|
— prophorikös und endiathetos,
239, 392.
— die weltbeherrschende Ver-
nunft, 370, 391.
— Philo über den, 371, 373—
376, 402 fg., 406 ff., 416.
— Band zwischen Gott und
Seele, 373, 448.
— griechisch, 374 fg.
— Antecedentien im A. T., 375.
— zwei Seiten des, Wort und
Gedanke, 375 fg., 379.
— bei den Klamaths, 376 fg.
— die historischen Anteceden-
tien des, 378 ff.
— anequauxo^, 377, 381.
— bei Heraklit, 383 ff., 386.
— Aoi^iT statt, 3S5.
— der Stoiker, 391.
— und Hyle, 391.
— und Logoi, 391 fg., 395, 406.
— ist ewig, 392.
— und Gott, 392, 444.
— eine Brücke zwischen Gott
und der Welt, 395 fg., 408,
411.
— ursprünglich nur ein Prädikat
Gottes, 396.
— und ^vväutii, 396.
— in Christus Fleisch gewor-
den, 398, 415, 431, 444, 482.
— und Weisheit, 399, 401.
— der Erstgeborene, 401.
— St. Clemens über den, 401,
431.
— bei den Rabbinen, 402.
— in Abraham und Moses ver-
körpert, 402, 407.
— des Johannes, 408, 447.
— Epitheta des, 409.
— Gott erschafft durch den, 411.
36
562
Index.
Logos, der heilige und göttliche,
412.
— Athanasius über den, 415.
— Jupiter als der, 417.
— Summe aller göttlichen Ideen,
431.
— und Messias, 431 fg., 511 ff.
— ein vollkommener Mensch die
Verwirklichung des, 432.
— der Mensch eine Offenbarung
des göttlichen, 433.
— in der Dreieinigkeit, 434.
— und der Vater, 436.
— und Pneuma, 438.
— von Christus ausgesagt, 444,
511.
— Origenes über den, 444.
— der christliche, 445, 446.
— alöth^s, 445.
— als Scheidewand zwischen
dem Sohn Gottes und der
übrigen Menschheit, 449.
— durch Christus erlöst, 450.
— in der lateinischen Kirche,
452 fg.
— wie im Lateinischen ausge-
drückt, 453.
— nach Zeno, 453.
— gesprochen oder Sohn er-
zeugt, 510, 513.
— Schöpfung als der, 511.
— der Gedanke Gottes, 513,
514.
— das Christentum auf demsel-
ben aufgebaut, 514.
Lorinser, 83.
Lotze, XIV.
Ludwig, 120.
Lukrez, X.
Luther über Eckhart, 503.
Lykurgs Reisen im Orient, 81.
MACARlüS, 475.
Mächte, 465, 466, 468.
Macrol)ius, 143.
Magi aus Medien, 43.
Magier, 40.
Magoi, 45 Anm.
Mahäbbärata über Nächsten-
Hebe, 9 fg.
— Setus oder Brücken im, 165.
Mahatmas, 322.
Mai trayantya - Brahm.-Üpanishad
citiert, 125.
Maxaqtav y^ffoi, 63.
Makhir, Gott der Tränme, 16.
Mallas, 161.
man, denken, arisch, 78.
«Manas, Geist, arisch, 78.
— Denkorgan, 245, 300—302.
Mänast, Geist, 120, 123.
Mänavas, Gesetzbuch der, 159.
Manen, 161.
— der erste Monat des Jahres
ihnen geweiht, 143 fg.
Man!, 40, 46.
ManichäismuB, 40.
Mantras, unabhängige Angaben
in ihnen über die Seele nai^h
dem Tode, 135—139.
Mann, Seelenwandemng nach,
158 ff.
— Gesetzbuch des, Alter des-
selben, 159.
— kennt Höllen, 163.
— neun Klassen bei Plato und.
212 ff., 218.
Marc Aurel, XIII, 10.
Maria, jede Seele wird, 512.
Marifat, 344.
Mars oder Marut, 29.
Marut, Sturmwind, 29.
Mätari«van, 231.
Mat6, 14.
Mavra oder Mavriza, die Milch-
straße, 168.
Maximins kommentiert Diony-
siuB, 456.
Maximus Tyrins über Daimones.
463.
Mäyä, Illusion, 298, 311, 316.
Mazda, 17 fg., 19, 54, 190.
Mazdaismus, 40.
Medien, Gatha-Dialekt der Dia-
lekt von, 43, 44.
— Ursprung der Religion Zo-
roasters in 43, 47.
Melikertes, 61, 62.
Melissus, 325.
Mensch, seine göttliche Sohn-
schaft, 9, 93, 529, 535.
— sein wahres Wesen, 299 ff.
— Sohn Gottes, 510.
Menschen Sohn, des, XII.
Menschentum, gemeinsames ,5h flf..
63, 205.
5«3
Merodach. n. 1«.
Mesteri Dsc^iläl edlxK«. tt
33T, »«, M*. »> C
xn
— in Jesui wkderselkidca. 4»>^
— Logw od. «ys. 4M %. »1 1 ff.
TOD F^Oo Bickt ides-
cijäziert. 4*^ Abb.
MeteBptfj-ekoce. I4.> W^ 2*».
— kat Bickts mit AimBiwags za
— bedcBtet BBck WaadeiBii^ in
PÜBBzen. 151.
— etkiscken Ursprangs in In-
dien. IM. IM. 21 5.
— Wandenin^ in Tiere- IM.
— erklln dns Feklen Ton Höl-
len. 1^
— bei Plnto^nndln den UpBBbka-
den. 211 fg.
— bei den HjiidB& 222 f^.
— sieke mnck Seni^wttwuUrmmf.
Micknel der StBrnmler, 4S<.
Milek nnd QoBrk. Gleicknis von.
293. 294, 29^.
MiIck5tTm0e, 16T fg.. 173.
— keißt Kaopmt, Itö.
Milmnn. 395.
— aber DtonjsiBS. 4^ ff.
Minuunsa- sötn« = Yedantt - su-
tras, 97.
Minokkired. aber das Wigen der
Toten. 197 ff.
Mino». 62 AnnL
MinncioB Felix. 365 fg.
Mira, niekt mtramla, 24.
Mira. ElTsiom der Takitianer,
225.'
— Herrin der Unterwelt 227.
22S. 22S Anm.
Mitkra. 43. 179. 190. 202.
Mitra. die Sonne. 137. 179.
Mitru. 19S.
Mokammed. 196. 332.
— über MÖnchtom, 333.
— seine Idee ron Gott 342 fg.
Mokanunedaner. kalberotiscbe.
kalbmjstiscke Poesie der.
346.
Mokammedaniffehes Glaubens-
bekenntnis. 2u.
■
I
Moka]Bmt?iiaiJ5Bi!zs. Untfussd^»
ATi?:^;a asf den. 196.
Moira. :^>:»
Xoliiioö. 4-5*).
Mond, innehmeader cnd aba^k-
Bender. 114. ll-?— II«?. 129.
— cni BLia- 114 Anm.. 132.
— Wokn«>rt der AbsweMede-
nen. 116. ir>. 124. 145. I4v
11^7 Abb.
— der Abge^ckledene srekt T^»a
d'^r STBne itb. 117. IIS
ir.\ 124. I4>. 156.
— 5vaBa. 119.
— die TkSre der STargaweh.
119.
— spritkc zu deB Atg^^^sckie-
denen. 120. 156.
— Abnekmen des M. als Ver^
zeknin^ der Ab^eäehiedenen
darek die GGner anf^fa^r.
ll'i. 144—146.
— die Qaelle d» Lebens nnd
der Unsterblickkelt. 145 —
147. 156.
— Sage der Hortentotten über
den. 146.
— Spender von Bezen nnd
Frachtbarka?. 116. 296.
— retodbiiA. IM.
Mond Stationen. GOtter der. 161.
Mondstrakien. Brakmana Sitz-
ki:»en. 122.
Monbmos der Eleaten. 92. 1*>5.
266.
— der Vedantisten. 266.
— des Origenes. 444.
Monogenes . der Eineeborene.
X. 3>H, 3i>7. 403 — ilO. 511.
515.
— Epitheton des kiicksten We-
sens. 403.
— von PUto gebranckt 404.
— *der Einzige in seiner Art'.
4u5.
— anf den Lojtds ansrewandt.
405.
— bei PWlo. 406.
MonotheisBns des Avesta. 47.
iv).
vom DiialisBns verdränirt.
1H3.
Montanisten. 44tv
36»
564
Index.
Moralische Regierung der Welt,
Glaube an die, 155.
More, Henry, 272, 276, 318 fg.,
533 fg.
über die Thtologia Oer-
fnanicOy 503.
Moses und der Schäfer, 22 fg.
— verlangt Gott zu sehen, 335.
— über Gott als Vater, 359 fg.
— wie alsAutomame gebraucht,
360 Anm.
— über den Geist als Bild des
Göttlichen, 414.
— partielles Licht von ihm mit-
geteilt, 469.
Mrityu, Tod, arisch, 78.
Muir über Brahman, 238.
Mukhya präna, Lebensgeist, 300
—303.
Müller, Friedrich, 37 Anm.
Munc&ka-Upanishad, 119, 123,
126, 235, 236, 241.
Muru, 227, 228, 228 Anm.
MusaeuB, 81.
Musik, indische, 278.
uvTjai^, 474.
M^stae, 422.
uvaiaiy 475.
Mysterien, griechische, 323 fg.
— bei den Neuplatonikern, 422.
— im Neuplatonismus und im
Christentum, 474 fif.
— von Origenes geleugnet, 474.
— von St. Clemens geleugnet,
475.
— Macarius über, 475.
— des Dionysius, 475 fg.
Mysticismus, christlicher, 456,
477 ff.
— und christlicher M., nach
Tholuck, 477 ff.
— Eckharts, 503 fg.
Mystiker, die deutschen, 276,
292, 423, 492 ff., 494 ff., 499,
518, 532.
spekulative und ascetische
Schule der, 522.
— christliche, 476 fg.
Tholuck über, 478, 479.
— von Tholuck definiert, 477 fg.
— das Böse unmöglich für den
wahren, 480.
— Tljomas von Aquino über die,
488.
Mystiker, Eckhart wie Johannes
ein, 503.
— über Einheit mit Gott in die-
sem Leben, 526.
— Mangel an Ehrfurcht vor Gott
ihnen vorgeworfen, 526.
Mystisch, 90.
Mystische Philosophie, 280.
— Theologie der Sufis und Yo-
gins, 348.
— Vereinigung, 472, 474, 476.
fünf Stadien derselben,
474.
— und scholastische Theologie,
476 fg.
— Reli^on, Tholuck über, 47S.
Einwendungen gegen,
479 ff., 519 ff.
Mystisches Christentum, 455,492.
497—499.
Einwendungengegen, 4S5,
486.
und Vedanta-Philosophie.
519.
Mythologie, psychologische, 74.
Mythologische Sprache, misaver-
standene, 139 ff.
NACHBARSCHAFT , gemein-
same, 61.
Nädar Nask, 41.
Nairyäsanha, 179.
NaAiiketas, 221.
Näman. Name, arisch, 78.
Nämarupa, Name und Form, 2S2.
294 fg., 297, 329, 330.
Namen für die höchste Gottheit.
236 ff.
Nana, 15.
Naonhaithya daeva &= Nasatyau.
179 Anm., 183.
Naraka, Hölle, 164.
Narä«amsa, 179.
Nasatyau, 179 Anm.
Nasks, Sammlung und Zählan^
der, 40, 41.
— einundzwanzig, 41, 45.
— Einteilung in die, 42.
— in drei Klassen geteilt, 43.
näsut, 343.
Na^as 161.
Natürlici-^e Religion , Vil, 9. 26.
87 fg.
Index.
565
Natürliche Religion, die Grund-
lage unseres Glaubens an
Gott, 4.
der höchste von ihr er-
reichte Punkt, 229, 531.
Paulus über, 528.
Naudhasa, Säman-Yers, 122.
Neander, XV.
Nektar, Mond besteht aus, 145.
Nestorius, 436.
Neues Testament unvollständig,
34 fg.
— christliche Mystiker und, 477,
529, 530.
Neu-indisches Gebet, 21 fg.
Nenn Klassen von Wesen bei
Manu, löOff.
Plato's und Manu's,
162, 212 ff., 218.
bei Proclus und Dio-
nysius, 162.
Neuplatoniker hielten den Orient
fiir die Heimstätte aller
Weisheit, 81.
— ihre Theosophie im Orient
weit verbreitet, 337.
— und Stoiker, 366, 418 fg.,
419 ff.
— über die Seele, 421.
— über Offenbarung, 422.
— viele decepii decepiores unter
ihnen, 423.
— ihr verderblicher Einfluss,
423.
— über mystische Vereinigung,
474.
— und christliche Mystiker, 477.
— 484, 511, 515, 517.
— ihr Lo^os, 514.
Neuplatonismus, 354, 416, 455,
493.
— das höchste Mysterium im,
475.
— Eckhart unter dem Banne
desselben, 510.
Newman über Seele und Gott,
88 fg.
— seine Definition der Religion,
331.
Nicaea, Konzil von, 367, 455.
Niehtseiende, das, 282.
Nichtwissen oder Avidya, 107,
268, 287 ff., 517, 527.
— und Sünde, 93 fg.
Nichtwissen die Ursache phäno-
menalen Scheines, 269 ff.
— von der Sruti entfernt, 289.
— siehe auch Avidt/d.
Nicolaus I., Papst, 459.
Niedner, XIV.
Niobe, 63 Anm.
Nirukta, 169.
Nirv£ma, 303, 304.
— wahres, 305,
Nizt«tö, 198.
Noah, Philo über, 370.
Norwegen und Island, 61.
Noumenale Welt, 266 fg.
— das, und das Phänomenale,
294, 309, 386, 448.
Nous oder Logos, 385.
— Anaxagoras über den, 385,
386.
— und Seele, 385, 414.
— ein Bild des Ewigen, 421.
Numenius, 142, 419.
— Dreieinigkeit des, 434.
Nyäyish, fünf, 43.
Nymphen, Grotte der, 142.
ODYSSEÜS, 217.
Offenbarung, speciellc, im A. T.
und N. T., 5.
nicht notwendig für den
Begriff Gottes, 6, 8.
— natürliche, 8.
überzeugender nls die
übematüriiche, 8, 442.
— wahre, 22.
— spento frasna. 54.
— oder Äruti, 101, 135.
— bei den Neuplatonikem, 422^
Ol der Vergessenheit, 115 Anm.'
. 194, 218 fg.
Ol^n, 62 Anm.
Om, 117.
Omar ihn el Faridh, 339.
ov, lo, 77, 104.
Ontologischer Beweis, 5.
Opfer der Ursprung aller Reli-
gion, 86 fg.
— setzen den Glauben an Göt-
ter voraus, S7.
— aus demselben erhebt sich
der Mensch, 114.
— an die Väter, 19« fg.
566
Index.
Opferceremoniell, 64.
Opferer, 161.
Origenes, XIII, 370, 407, 428,
439—451.
— und Philo, 365, 444.
— Christ und Grieche, 366.
— und St. Clemens, 442, 449.
— über menschliche und gött-
liche Natur, 450.
— über die Göttlichkeit Christi,
450.
— verdammt, 451, 481.
— über Engel, 462, 464, 466.
— über mystisches Christentum,
474 fg.
Orion, 63 Anm., 144.
Ormazd, 178.
— sein Bote Nairyasa/iha, 179.
— und Ahriman, 180.
— die Engel ursprünglich Eigen-
schaften des, 182.
bilden den Rat des, 183.
— hat seine Fravashi, 201,
— Yasht, 52, 53.
Oromasos, 44.
Orpheus, 81.
Orphiker gegen Fleischnahrung,
84.
Osten, die Wohnstätte der Seli-
gen, 137.
Ousia, 77, 452, 453, 505, 510.
PAHLAVI, siehe Pehhvi.
Pair, Pramadadasa Mitra's Gleich-
nis vom, 295.
Pa/lÄarätrikas, 273.
Pantaenus, XIII, 429, 444.
Pantheismus, 266.
Pantheisten, 508.
Pantheistisch, der Grund ton des
Christentums, 93.
Pantheistische Ketzereien des
14. Jahrhunderts, 496.
Papak, 39.
Papias, XIV.
Paradies, 199, 532.
panV» pariivataA, 115, 115 Anm.
Param Brahman, 311.
Paramiitman, das höchste Selbst,
309.
Pari/iama, Evolution, 293, 294.
Parifiäma-vada, 312, ol3.
Parlament in Japan, 374 fg.
Parmenides, 325, 328 fg., 403.
— über Soelenwanderung, 330.
Parthav, Parther, 36.
Partherherrscher nicht Zoro-
astrier, 39.
Participien in den arischen
Sprachen, 77.
Päthaka, 98 Anm.
Paulus, 25, 93, 313, 477, 470,
481, 500, 503, 528, 629.
— als philosophischer Apologet
des Christentnms, 428.
Pazend, ^Kommentar*, 37.
— Name einer Sprache, 37.
Pehlevi, persische Sprache, 35,
37, 46.
— Ableitung des Wortes, 36.
— nicht die Sprache der Par-
ther, 36.
— eine arische Sprache, 36.
— erste Spuren desselben auf
Münzen. 36.
— in zwei Alphabeten geschrie-
ben, 36 fg.
Pehlevi -Litteratur begann bald
nach Alexander, 45.
Pehlevi-Übersetzung, Avesta mit
und ohne, 42.
Pelasger entlehnten Götteraamen
aus Ägypten, 80.
Persepolis von Alexander ver-
brannt, 38.
Perser in Griechenland, 82.
— in Alexandria, 362.
Persien und Indien, 64 if^.. IGö,
176 fg., 332.
— Entwicklung des Sufiismus in,
337.
Persische Einflüsse im Juden-
tum, 183 fg.
Person oder Parusha, 117.
— nicht ein Mensch, 114, HS.
132, 134.
Personen, die drei göttlicheD.
510, 512.
Personifikation, 151.
Persönlichkeit eine Bescbrän-
kung der Gottheit, 232.
— der Seele, 305 fg.
Pfeiffer, Herausgeber £ckhart9>
499.
Phänomenale, das, und das Reale.
265 ff.
•'»^rf
PhinffHUttift. dmft. md ditf Si*c-
mcBiie. 2^4. :w^, ;^i. 44*^.
Philo, ilL XT, 36t». :iw. :;^;..
:j*^7. :iiHj. 3Hä. :j«». 4üi — »tu
41S 42ü, 44i, all.
— seine pbikMupbiscke Temii-
D(»]<>pe, X. odT.
— 0t3Be aUe^oriBcb«' Interpre*
taläoiL 344 ff.. :^ ff.. 4^ ffr.
— ein KirckesTixca' geuMami.
— Yercreter «iner Fkaae jüdi-
Khen Denkens. ^•'. 3i<:{.
— zaent Jode nsd dum Phiio-
Boph. 30h. 3V<^.
— Ober die Gotthm, 3<iH. 5T:;.
411.
— über Adam imd Eva. 37 (t.
372 ftr.
— ober die CLerubisi. 371.
— fiber AbrmhEin mtd iMiak,
372.
— sein Logos. 373 — 376.
— hat grieclÜBebe Sprache and
griechiftchei Denken ' eni-
lehnt 374.
— seine ErbschafL 3d3.
— ein Zeitgenosse Christi, 394.
— seine Philosophie. 394 ff.
— ober En^l, 400. 402, 4Ü6.
— über das Verhältnis der Seele
SU Gott, 411 ff.
— über Körper und Seele, 412.
— seine eschitoloj^he Sprache.
419.
— - und Plotinus, 419.
St Clemens, 433.
OrigeDes, 444.
— de vUa eonUmpUUica, Abi fg.
Philoniseher Begriff des Logos, I
55. i
Philosophie, das spatere Wachs-
tum der, 75 fg.
— Hilfe, welche die Sprache
derselben leistet 70 ff.
— beginnt mit Zweifeln an dem
Zeugnisse der Sinne. 10].
— und Religion, 290, 430, 44«»,
443, 448, 500, 514.
— siehe auch Indische Ph.
Philosophien, alte, wie mau »ie
vergleichen soll, 57 fg.
Phünizier und Griechen, 61.
— Plato über die, 83.
q^mnciti*^. 4T4
Pin'lius. 45T.
Phraorrcs. Sol.
Pivsisrbe KeHrion. Vll. Vlll.
* S>. li»>, Itih. 244. .V>4
Veda äie UaupT^jueile für
die. 94.
letztes Resultat derselK n.
h»4. 229.
Pindar. Ton Plato citien., 2«»T
PiÄZais. 161.
Pitrts betreten den Monii. 12n
Aiim.
— ihr ayana. 143.
— nacii der Auffasauuf: dt-r vt»-
dischen Hymnt-n. 1>T ff.
— im Veda. und Fravashis im
Avesta. 2i»l, 203.
— Siehe auch r<ÄT.
Pilrivana, VateTpfad. 116. 124,
i2S, 147, 14>. Siehe Tat-
pfad.
Plato; XV, 5S, 142, 2S3 Anm.,
313, 369, 37>, 394 Anm.,
395, 4<»9, 412, 413, Ml, 515,
519.
— die ewi^e Idee, 104.
— die höchste Idee, 39i».
— seine Idee und Huxlev's Ty-
pus, 3>2 fg.
— seine Ideen. 102, 2o2, 2:»:\
386 fg.. 391, 399. 462, 466,
510 fg. Siebe auch u. läecn,
— kennt Ahuramazda. aber nicht
Angro Mainyii, 44.
— seine Mythe von den Aüic-
nem und Atlantiden, So.
— der Philosoph der Hebräer,
M.
— in Ägypten, Sl.
— kennt Aoroaster, ^2.
— seine Reis«^n, b3.
— über die Ajrypter, >'i.
— überSeelenw'anderuug, 83 fg.,
214 fp.
— neun Klassen von Wesen bei,
162. 212 ff., 21 s.
— seine Autorität 205 fg,
— über das Schicksal der Seele
nach dein Tode, 205 ff.
— seine mythologische Sprache,
206 ff.
568
Index.
Plato behauptet die Unsterblich-
keit der Seele, 207.
— die Parabel vom Wagenlen-
ker nnd den Pferden im
PhaedruB, 208.
— und die Upanishaden, 211 fg.,
215, 217 flF.
— Höllen bei, 213 fg.
— über Xenophanes, 326.
— *der attische Moses', 337, 409.
— und Christus, 366.
— Antecedeutien des Logos bei,
373, 514.
— Ursprung der Arten nach,
380 ff.
— und Sokrates, 385 ff.
— über Gott und die Götter,
388.
— Monogenes bei, 404.
— ywf des, 410 Anm.
— von Plotin citiert, 425.
— Dreieinigkeit bei, 434, 468.
— Daimones bei, 462 fg.
— *der gröze Pfaffe', 502.
Platoniker, christliche, 318, 532,
533.
PlatoDismus, Einfluss desselben
auf den Sufiismus, 337 fg.
Plinius, 37, 82.
Plotinus, 276, 416, 419—427,
439.
— und Philo, 419.
— über das Aufgehen des Men-
schen in dem Absoluten,
421.
— über Mysterien, 422.
— über fremde Religionen, 422.
— und Christentum, 423.
— sein Brief an Flaccus, 424 ff.
— über Verzückung, 426 fg.
— Porphyrius über, 427.
Plutarch, 37.
— über die Reisen Lykurgs, 81.
— über Daimones, 463, 464, 465.
Pneuma, Weltseele, 338.
— und Logos, 438.
Po, Nacht, 225.
Poepoß, 225.
Polster, *auf dem P. sterben',
226.
Polycarpus, 447.
Polynesier über die Unsterblich-
keit der Seele, 223 ff.
Polytheismus im Avesta, 180.
Porphyrius, 142, 419 Anm.
— sein Werk gegen die Christeo,
423.
— über Plotinns, 427.
— über Origenes, 443.
Prädikate, Brahmans drei, 93.
Pra^patt, 95, 131, 244.
— und Indra, die Thürhüter,
120, 121.
-- Welt des, 120, 129.
— Indra und Viroibana, 247 ff.
— eine spätere Gottheit, 255.
Pra^na, Thron Brahmans, 122,
123.
Pralaya, 310.
Pramadadasa Mitra, 294 fg.
Pramänas, 101.
Präna, 122, 123, 244.
— Atem, Geist, 234, 242 fg.
— und Brahman, 240 fg.
— Name für die Seele, 245.
Prapatha, Pfad der Abgeschie-
denen, 137.
Präpositionen in den arischen
Sprachen, 77.
Pra^na-Upanishad, 124, 242.
Pratika, 290, 320.
Pratyaksha, sinnliche Wahrneh-
mung, 101, 288.
Pravartin, Sk., 201.
Predigten in deutscher Sprache,
493 Anm.
Priester und Volk im 14. Jabrh.
in Deutsehland, 494 ff.
Proclus, 162, 422, 455.
— Bindeglied zwischen der grie-
chischen und der scholasti-
schen Philosophie, 423.
— von Eckhart studiert, 502.
Prolation, 454.
Jlgoodof, 425.
Prototokos, X.
Psalmist über Jefaovah, 49.
xpvxv^ 234.
Psychisch, 90.
Psychologische Mythologie, 74.
— Religion, VII, XVI, 49, lü4,
534.
setzt physische und an-
thropologische Religion vor-
aus, 90.
Bedeutung desNamenB,90fg.
Vedänta die Hauptquelle
für deren Studium, 94.
Index.
569
Palota, 225.
Purä^ias, 184.
Purotu, 225.
Purushft, die Person, 117, 119,
123, 126, 130, 241 f^., 243,
244.
— Schöpfung der Welt als ein
Opfer des, 243 fg.
— im Auge ist das Selbst, 24S.
258 fg., 262.
— attama, 253.
Parusho amäoavaA oder mäoa-
saA, 114 Anm.
Pürva Mimämsa, 97.
Pürvapakshin, 261 fg.
Püshan, 137.
— Narafamsa, 179.
Pythagoräer, 32?.
Pythagoras in Ägypten, 81, 83.
— und Seelenwanderung, 83 fg.,
149 fg.
— über das Reich Plato's, 143.
QUALITÄTEN, die drei, Finster-
nis etc., 160.
Quietismas, 485.
RA, Sonnengott der Polimesier,
225, 226.
Rabia, die älteste Snfi , 335 ff.,
339.
Ra^nya, Kriegerkaste, 213.
Ranasya, Geheimlehre, 324.
Rahu. 119.
Raksnasas, 161.
Ramänu^, 113, 269.
— Kommentar von, 98 fg., lOü.
— Schule des, 106, 107, 112.
— seine Evolutionstheorie, 106,
293, 312 fg.
— sein Brahman fast ein per-
sönlicher Gott, 106, 310,
313.
— stellt eine ältere Periode der
Lehren dcrUpanishaden dar,
112, 308.
— und Äankara, 30S, 309 ff.
Rämatfrtha, 109.
Kammohun Roy, 36S fg.
Rashnü, 198, 202.
— Wä^en der Seele durch. 19S.
199.
Reformation, 523.
Regen, der Abgeschiedene fällt
als R. herab, 116, 118—120,
152—155.
— und Mond, 147, 296.
Regenbogen, Brücke Bifröst, 166.
— der Devayäna, 167, 168, 173.
Relativpronomen in den arischen
Sprachen, 76.
religio, Etymologie von, 527.
Religion, natürliche und über-
natürliche, VII.
— Definition der, VII, 535.
— historische Dokumente für
das Studium des Ursprungs
der, 27 fg.
— Sprache der, 28.
— die wesentlichen Elemente
der, 86 fg.
— meine Einteilung der, 87 ff.
— ein System der Beziehungen
zwischen Mensch und Gott,
331 527.
— Disraeli über, 331.
— eine Brücke zwischen dem
Sichtbaren und dem Unsicht-
baren, 355 ff.
dem Endlichen und
dem Unendlichen, 531 — 534.
— muss das Verlangen der Seele
nach Gott erfüllen, 467.
— ihre wahre Bedeutung ihr
höchster Zweck, 535.
— und Philosophie, siehe Phi-
losophie.
— anthropologische, natürliche,
physische , psychologische,
siehe besonders.
Religionen, der wahre Zweck
der Vergleichung der christ-
lichen mit anderen, 8 ff.
— wie man sie vergleichen soll.
57 fg.
— Indiens und Persiens, Ver-
hältnis zwischen den, 64 fg.
Religionsgeschichte die wahre
Religionspbilosophie , 3 fg.,
535.
Religiousphilosophie, V.
Religionswissenschaft , verglei-
chende, VIII, 23 ff., 55.
— die Geschichte der Religion
ist die wahre. 4.
570
Index.
Reli^öso Sprache, 28 fg.
— Gedanken, deren Entlehnung,
361 flF.
Renan, 457 Anm.
Reville über die Religionen von
Mexiko und Peru, 84.
Rhadamanthys, 62 Anm.
jßibhus, Genien der Jahreszeiten,
120 Anm.
Richard von Sti Victor, 481.
Rigveda, 16 fp., 146, 167, 178,
231, 234, 235, 239, 240.
— potzt Ceremoniell voraus, 87.
— Übersetzung unsicher, 107 fg.
— über Leben nach dem Tode,
136 ff.
— nicht mit den Lehren der
Upanisbaden in Einklang
gebracht, 139.
— keine Hölle im, 163.
— Strafen der Bösen im, 164.
— Asuras im, 184.
— Anrufungen an die Pitris im,
187 ff.
— Purusha nach dem, 243.
Rik und Säman, 122.
JRishis, 16 L
iitta, Recht, 384.
Rohutu noanoa, 225 fg.
Roth, 163, 238.
Roth, 83.
Russischer Bauer und soinEikon,
480.
Ruysbrook, 499.
SAAGA, Medizinmann der Hai-
das, 221 fg.
iSabala, 119.
Sädhyas, 161.
Sädy, 341.
Said und Mohammed, 343.
iSakhäs des Veda, 33, 34.
Säla^ya, Stadt, 12ü, 121.
Salamanund Absab, von Dscbämi,
352, 353.
Samanaioi, 45 Anm.
Samanvaya, 96.
Säman-Verse, 121 fg.
Samanyioi, 45 Anm.
Samsara, Kreislauf der Geburten,
113, 273.
Samyagdar/rana. wahre Erkennt-
nis, 2bS, 297.
St. Augustinus, 423, 428, 451,
455, 498, 503, 513.
— Factus est Ueus homo, etc.,
415, 437, 449.
— spricht von Göttern, 465.
— von Eckhart citiert, 502.
St Basilius, 455, 475.
St.Bemard,341, 451, 455, 481 fg.,
483, 498.
— Verzückung nach, 463 ff.
— seine Stellung in der Kirche
und im Staate, 485 fg.
St Chrysostomus, 428, 502.
St Clemens von Alexandria, X,
XII, I XIII, XIV, XV, 45
Anm., 57, 81, 292, 364, 370,
401, 407, 427—439, 444,
447, 510.
— und Philo, 365.
— klagt Über Ausschreiberei,
365.
— über seine christlichen Leh-
rer, 428 Anm.
— seine allegorische Auslegung
des N. T., 430.
— Dreieinigkeit bei, 430 ff.
— über Gott, 430.
— über die dritte Person, 434 ff.
— seine Grund Überzeugung, 436,
437.
— als Gnostiker und Mystiker,
439.
— und Origenes, 442.
— die Heiligkeit ihm abg^pro-
chen, 447, 449, 481.
— über die Lehre ChrisU, 449.
— über Hierarchien, 462, 465,
471.
— über Geheimlehren im Chri-
stentum, 475.
St Cyril, 456.
St. Denis und Dionysins, 45S.
St Hieronymus, 453.
St Theresa, 456.
St Victors, die beiden, 518.
iSankara, 109, 113, 114 Anm., 115
Anm., 306, 319.
— Kommentar des, 98, 100, 231.
Übersetzungen desselbeo.
98.
zu Ved.-Sütr. IV, 3 übe^
setzt, 125—135.
I — sein Datum, 98, 9S Anm.
Index.
571
iSknkara und Riunänn^ra, 99, 30S,
309 ff.. 313.
— Schule des, 106, 112.
— seine Illusionstheorie, 107,
312.
— nnd die Upanishaden, 112.
— über Brahman, 237 fg.
— zur psychologischen Legende
von Indra, ViroA^ana und
Pra^ti, 257 ff.
— sein Yedäntismus, 274, 30$,
310 ff.
— seine Stellung unanfechtbar,
277.
— seine Theorie des Vivarta,
293.
— der konsequentere Monist.
309.
— und Kant. 317.
«S!ankaraA-iirya, siehe Sankara.
Sara/tyu und Erinjs, 72.
^Ariraka-MimaiTisa-sütras. 97.
<ra^^, 55.
Sarpedon, 62 Anm.
/fi^arya, 179 Anm.
iSarvara und Kerberos, 72.
Sassaniden und der Zoroastri-
anismuB, 39.
Sat, Sein, das Seiende, 77, 93,
95, 2^5, 326, 330.
— Ait ananda, 289.
5atapatha-Brahn]afia,132, 164 fg.,
169.
Sattva. 77.
Sattya, i. e. satya, 275.
Satyabhedavada und Bhedäbhe-
daväda. 271 ff.
Satyam, das Wahre. 210, 211,
274. 275.
^urva daova. 179 Anm.. 183.
Schakik, 336.
Schamgefühl universal, 5S.
Schechinah. 400.
Schelling, XV.
Schiller, 1, 3.
Schlaf, Seele im tiefen, 302.
Schlange und Strick, Gleichnis.
293 fg., 297.
Schmidt Carl, 524 Anm.
Scholastiker, 49S.
— ihr spiritualistisches Christen-
tum, 5 IS.
Scholastische Theologie, 476 fg.,
498, 504.
- I
Schopenhauer über «Sankara, 277.
— über Eckhart. 503.
Schöpfer des Weltalls, 161.
Schöpfung, geistige und mate-
— der Gottheit unwürdig. 201.
— oder Emanation, 291, 292 ff.,
507 fg.. 533.
— Problem der, 295, 356.
— oder Evolution, 3S2.
— eine Trennung von Gott,
467.
— als Logos, 511.
Schreiben, kein Wort dafür im
Veda und Avesta, 31.
— im A. T. erwähnt. 31 fg.
Schrift, Alter der, 30 ff.
Schwarze Tod, der, 494.
Schweigen, das universale, 390.
Scotus Erigena, 292, 45S ff., 467,
507.
Seele, ihre Rückkehr zu Gott,
91, 418.
zur unsichtbaren Welt,
356.
— ihre Sehnsucht nach Gott, 91.
471.
— das Unendliche im Menschen.
92.
— ihre Seligkeit in diesem Le-
ben, 92.
— das letzte Resultat der an-
thropologischen Religion.
104.
— und Brahman, 107, 112, 113,
125, 140, 141, 158, 261, 262,
273 fg., 275 ff., 278 ff., 2S0,
2*^6, 303, :t07, 312.
— eine Persönlichkeit für sich,
107, 305 fg.
— geht zum Mond, 124, 144, 148,
273.
zur Welt der Väter. 125.
zu Brahman. 140. 141.
ihr Schicksal nach dem Tode,
14S, 192, 205 ff.
— Begriff der, 152, 255 fg., 261.
— fällt als Regen auf die Erde,
152.
— bei ihrem Herabsteigen ohne
Bewusstsein, 155.
— ihre Annäherung an den Thron
Brahmans, 158, 273.
572
Index.
Seele, ihre Annäherung an den
Thron Gottes, 279, 2S7,
332 fg., 356.
— Wägen der, 165.
— muss eine Kuh über die
Brttcke treiben, 168.
— ihr Schicksal bei der allge-
meinen Auferstehung, 1 90 fg.
— des Bösen, ihr Schicksal,
194 fg.
ihr Anblick verursacht
Krankheit, 222.
— dieRabbinen über die, 196 fg.
— ihre Wanderung über die
Brücke, 168, 197.
— ihre Ankunft vor dem Throne
des Bahman und Ahura-
mazda, 199.
— gemeinsame Vorstellungen
über sieim Avesta undVeda,
200.
— Geschichte von der, 207 fg.
— in der Prozession der Götter,
210 ff.
— ihrer Schwingen beraubt, 211,
212.
— Nachfolgerin der Gottheit,
212.
— Glaube an die, nicht auf Phi-
losophen beschränkt, 229.
— Namen für die, 244 ff.
— hat viele Bedeutungen, 246.
— und Ich, 254.
— kann durch Erkenntnis allein
frei werden, 257.
— und der Körper, 257, 519.
— als Schatten oder Traum, 261,
262.
— und das höchste Selbst, 263,
286.
— ist das Selbst, 264 fg.
- ihre wahre Natur, 265.
— ihre zeitweiligeRealität,269fg.
— nicht die Schöpfung der höch-
sten S., 270 fg.
— Upanishaden über die, 274 fg.
— ihre Einheit mit Gott, 287,
356 fg., 522.
— ihr feiner Körper, 301.
— verschiedene Zustände der-
selben, 302 ff.
— Henry More über die, 318 fg.,
533 fg.
Seele, göttlich, aber nicht Gott,
342, 389.
— ihre Liebe zu Gott, 346.
— der Spiegel Gottes, 352.
— ein Teil des Logos, 384.
— und Nous, 385, 421.
— Stoiker über die, 392.
— Plato über die, 387.
— Philo über die, 411 ff.
— drei Unterabteilungen der,
412.
— sieben Teile der, 413.
— Tod der, 413.
— materiell. 414.
— kann nicnt Gott sehen, 414 fg.
— Nenplatoniker über die, 93,
421.
— ihre Liebeswerbung am Gott,
425.
— von Gott und ewig, 444 fg.,
532, 533.
— Aufsteigen der, 466.
— Geburt Christi in der, 476,
479, 509, 510.
— verliert sich in Gott, 485.
— ein Ausfluss von Gott, 507.
— Eckhart über die, 508 ff.
— Gottheit in der, 508.
— der göttliche Gmnd in der,
510.
— der Vater spricht sein Wort
in die, 512.
— wird Maria, 512.
— arme, 526.
— und Gott, siehe auch u. OotL
— siehe auch Atman^ Selbst, Un-
sterblichkeit,
Seelen, ihr Verhältnis zu Gott
112.
— ihre Rückkehr zu Brahman,
112.
— Auf- und Absteigen der, 143,
466.
— lieben die Götter, 145.
— Wanderung der, 147.
— im Regen, 153.
— zwei Arten von, 156.
— wählen sich ihr neues Leben
durch Losziehen, 213. 217.
~ in tierische Körper, 214 fg.
— Richter urteilen über die.
216.
— der Bösen nackt, 221.
— im Reich des Todes, 222.
Index.
573
Seelen erwachen ans ihrem tie-
fen Schlaf, 290.
— von dem göttlichen Geist nnr
dem Grade nach verschiedcD,
334.
— sind Strahlen Gottes, 532 ff.
— voneinander verschieden, 532.
— Gott allein sendet sie aus,
533.
Seclenwanderung in den Upa-
nishaden und bei den Pytha-
goräern, 76.
— aus Ägypten, 80, 81.
— nach Manu's Gesetzbuch, 15S
—163.
— dreifacherVerlauf der, 160fg.
— in Polynesien, 228.
— durch Handlungen (Karman)
bestimmt, 296 fg., 310.
•- bei Parmenides, 330.
— siehe auch Metetnpsychose,
Seiende, das, 282.
Sein, Prädikat Brahmans, 93.
-- ist Brahman, 297.
— ist Gott, 505.
Selbst, das, 95, 104, 153, 236,
253, 296.
— kann nicht vom Brahman
verschieden sein, 105, 248 ff.,
299 fg.
— nicht eine Modifikation von
Brahman, 105.
— du bist das, 122, 283—285.
— Dialog über das, 247—256.
— frei von Sünde etc., 247, 258,
262.
— Äankara über das, 258 ff.
— ist unsterblich, 252, 260, 284.
— das vom Körper freie, ist die
höchste Person, 253.
— das eigene, ist das göttliche,
257.
— das höchste, und die Seele,
263, 264 fg.
— die wahre Brücke zwischen
der Seele und Gott, 531.
— siehe auch Ätman.
Selbstbewusstsein, 113.
Selbsterkenntnis, 264.
Sflene, der Mond, 29.
Seligkeit, endgültige, durch
Kenntnis zu erringen. 92.
— Prädikat Brahmans. 93.
Semitische und arische Keligio-
nen, 61.
— Namen in der griechischen
Mythologie, 61.
Semitisches und arisches Den-
ken, IX.
Senat, 339.
Seneca, 502.
Seraphim, 408.
Setus, Brücken, 165, 167.
Seth, Philo über, 370.
Sextus über Xenophancs, 327.
Shähnämeh, 32.
Shahpuhar, 39, 40.
— II. (Sapores), 40, 46.
Shahrivar, 183.
Shaptgän, Schatzkammer von.
38, 40.
Silber und Perlmutter, 294.
Sinne, die fünf, 295.
Sinnestäuschungen dem Vedanta-
Philosophen bekannt, 103.
Sirenen, 62.
Strozeh, 42.
Sita von asita, 184 Anm.
Skambha, ein Name des höch-
sten Wesens, 243 fg.
Sohn Gottes, X, XI, XIH, 360,
402, 417, 431, 454, 466, 507,
509 fg., 513, 526, 532.
der Logos, XI fg., 397 ff.
älterer und jüngerer, 397.
jeder Christ ein, 415.
der eingeborene, 511.
dessen Geburt im Men-
schen, 517, 521.
und die Menschheit, 528.
— Vater und heiliger Geist, 469.
Sokrates und der indische Philo-
soph, 82.
— und Plato, 313, 3S5 ff.
— über die Götter und Gott,
385 fg.
Solon, 81.
Soma, 49, 138.
— der Mond, 116, 118, 120 Anm.,
145.
— retodhaA, 118 Anm.
Soma-liebende Väter, 1S7, 188.
Sommersolstitium, 142, 143.
Sonne, 114, 116, 117,118. 129 ff..
143.
— die Thüre der Welt 117.
123 fg.
574
Index.
Sonne, «Sabala, 119.
— Thor der, 119, 123, 126.
— das Selbst von Allem, 137.
— Dschelhil eddfns Bild von
der, 351.
— der Sohn des Guten, 387.
— und ihre Strahlen, Gleichnis
von der, 532 ff.
Sophia, siehe Weisheit.
Species und genera, 386.
Spencer, Herbert, 204.
Spenser, 349.
Spenta Armaiti, 202.
— mainvu, 180—182.
spento frasna, *heilige Frage' =
Offenbarung, 54.
ansQfAaTixo^j 377, 381, 391.
a(pai^oei6r,ij 327.
Spiegel, 46Anm., 47 Anm., 197
Anm., 198 Anm.
Spinne, Gleichnis von der, 292
—294.
Spiritismus, 151.
Spiritus bei Tertullian, 454.
Spitama Zarathushtra, 53, 202.
Sprache universal, 58.
— gemeinsame, 60.
— die materielle Form des Ver-
standes, 60.
— eine schiefe Ebene, 63.
— und Blut, 70.
— der gemeinsame Hintergrund
der Philosophie, 70 fg.
— Hilfe, welche sie der Philo-
sophie leistet, 76.
Sprenger, 339 Anm.
«raddadhau, credidi, 78.
Ä'raddha, 187, 201.
Srtsh^i, 'Emanation', 292.
Srösh der Gerechte, 197, 198.
/Sruti oder Offenbarung, 101 ff.,
135, 139, 264, 268, 486.
— entfernt das Nichtwissen, 289.
Sthüla^artra, 291.
Stoa, 378.
Stobaeus, 3S4.
Stöd Yasht, 42.
Stoicismus des Philo, 420.
Stoiker, 360, 366, 371, 377, 378,
385, 390 ff., 414, 418 i^.,
419 ff., 511, 515.
— waren Pantheisten, 391.
— ihre Logoi, 399, 462, 466.
Stoiker, ihre Einteilung der Seele,
413.
Strafen derBOsen, 163 ff., 168 fg..
214, 222.
Straforte unter der Erde, 213.
/Südras, 160, 243.
— studieren den Vedanta, 325.
Sufi, 157, 439, 532.
— von «üf, 'Wolle', 333. 339.
— von »üfiy, 'weise', 334.
— Fakir, Darwisch, 339 fg.
— nicht von aowo^, 340.
— vertraut auf das innere Auge.
340.
— verlässt sich auf seine Gefühle.
341.
— die wahren und heiligenglei-
chen, 341.
— die vier Stadien, 343.
— seine Religion glühende Liebe
zu Gott, 346.
— der Sohn der Jahreszeit, 351
— *der Reine', 352.
SufiismuB, der Ursprnng dessel-
ben, 332 ff.
— nicht persischen Ursprungs.
332 fg.
— entschieden mohammedanisch.
333.
— kurzer Abriss der Lehren
des, 334 fg.
— in Indien und Persien, 337.
— Zusammenhang desselben mit
dem Urchristentum, 337 fg.
— Stifter des, 339.
— Ascetismus im, 340 fg.
— poetische Sprache des, 344 ff.
— Moralität des, 349.
— als christlich bezeichnet, 353.
— vom Christentum beeinflusst
354.
— mit Vedantismus verglichen.
357.
Sufiistische Dichter, Auszüge
aus denselben, 349 ff.
Suidas über Philo, 365.
Sükshma^artra, 291, 300 fg., 303.
— ä«raya oder die Wohnstätte
der Seele genannt 301.
Sünde und Nichtwissen, 93 fg.
SUndlosigkeit, 524 ff.
Suparnas, 161.
Siiras und Asuras. 184.
Suso, 499, 523 fg.
Index.
575
Sütra, *Aphorismen\ %.
Sfitras, 96, 125. 3ft4.
— Mann znerst als, 159.
SvaixA, Himmelswelt, 125.
Svargaloka. 156, 16S.
Svarjrawelt, 119.
Svavambhfi. 244.
Ävetaketu, 2S1 ff.
Ävetiwvatara-Üpanishad. 235, 236,
238 Anm.
Ävama, der Schwarze 'Mond],
119.
Sylvestre de Sacy, 332.
Synesius, 367.
örrxrqr^ai;, 516.
TAAE, Dämonen, 227.
Tag: oder ao, Leben, 225.
Tairi, 225.
Taittiriva -Upanishad, 124, 23.=>.
24o'.
Talmud, 171, 197.
— und Christentum, 9, 10.
Tamas, Finsternis, falsche Er-
kenntnis, 329.
Tartarus. 214.
Tatian 444.
Tat tvani asi, 194. 275, 2^1, 287.
Taufe . Abendmahl und letzte
Ölung. 470.
Tauler, 4.S1, 499. 521, 522, 529.
— über Buße. 522 fg.
Beichte, 523,
— — Visionen. 524.
Sonde, 525.
1 äuBchung, die Welt das Resul-
tat der, 107.
Te<7as, Licht wahrer Erkenntnis,
" 329.
Telanff, 98 Anm.
Teleologischer Beweis. 5.
Temple, Bischof, ober Persön-
lichkeit Gottes, 232 fg., 234.
Tertullian. 428, 453 fg.
Teufel. 1^.1. 202.
Thaies. 79. «^3.
Thätigkeit, eine der drei Quali-
täten, 160, 161.
Abflog Xoyog^ 402.
Theodorus von Mopsuestia, 436.
— über Dionysius, 457.
Theninfjta (termanica, 503. 503
Aiini.
Theologie und Ethik. 86.
Theophanie durch Engel, 399.
Theopomp. 44.
<^fo> und o ^fo/, 449. 452.
.>to><ri>, 474, 475.
— und &7io&iM(rts, 476 Anm.
Theosophie, der Titel, XVL
90 f^.. 104, 534.
— im Christentum, 440.
— höchste Lehre der, 532.
1 heosophisch, 90.
Theosophische Philosophie bei
den Sufis, 341.
; Theosophisten, XVI. 300 fg.,
340.
i Therapeuten, 457.
, Thibaut, 98, 99. 308.
Tholuck, 333. 33"^ Anm., 421 Anm..
477.
— über Dionysius, 456, 4r.O.
Thomas von Äquiuo, V, 292, 455,
467, 487 ff., 492, 505, 507,
518.
und Dionysius, 459, 477.
und die Mystiker, 4'^S.
und Eckhart, 502.
Thoms, J., 172 Anm.
. Throne, 465, 466. 46^.
, Tiere, Wiedergeburt in. ir»o. 163.
214 ff., 217, 222 fg.
Tiki, 225, 227.
Tilak, Bai Gangadhar, 143.
Timaeus des Plato, 388.
Tin-tir (Babylon), 14.
Tlamatl, siehe Klamaths.
Tobit Asmodeus im, 183.
Tod, Wanderungen der Seele
nach dem, 113 ff., 53'> fg.
— älteste Autfissung vom Le-
ben nach dem, 124.
— Schicksal der Seele nach dem,
148.
— Belohnungen und Strafen nach
dem. 191.
— Vorstellungen der Haidas über
den, 220 if^.
— Häuptling. 221.
— sein Reich. 221, 222.
— das •In-die-Nacht-gehen\22r».
— zerstört nur das sthülajrarini.
291.
— Seele im, 302 fg.
— zur Erlösung nicht notwendig.
304.
576
Index.
Tod, indischo AuffassQDg des-
selben, 364.
Todas, 167, 171.
Töpferscheibe, Gleichnis von der,
304.
Toten, Wägen der, 197 ff.
TotenschUdel-Argument, 33.
Trauer um Verstorbene bei Po-
lynesien), 224.
Traum, Namen und Formen im,
297.
— Seele im, 302.
Trier, Kirchenversammlung von,
496.
Trimftrti, 238, 240.
Tugenden als persönliche Wesen,
466, 46S.
Tukaitaua, 225.
Tundalus, 168.
Tylor, 73.
Typen, XI.
— aller Dinge, die unveränder-
lichen, 386.
— vollkommene, 511.
Typus und Idee, 381, 382 fg.
ÜBEL in der Welt, Problem der
Existenz dess., 302.
Überleben des Tauglichsten, 3.
Uddälaka Aruwi, 281 ff.
Unendliche, das, VII.
— in der Natur, 88, 104.
— im Menschen, 88, 104.
— Verhältnis zwischen den bei-
den, 88.
— es kann nicht zwei geben,
92, 306.
— die Eleatiker über das, 105 fg.
— Wahrnehmung desselben, 527.
— Religion eine Brücke zwischen
dem Endlichen und dem U.,
531 534.
Unfehlbarkeit, päpstliche, 536.
Unsichtbare Dinge, deren Wirk-
lichkeit, 152.
Unsterblichkeit der Seele, 155,
207, 229, 364, 392, 465.
bei den Juden von den
Persem entlehnt, 47, 48.
im Avesta, 176, 186 fg.
bei den Griechen, 217 fg.
— — bei den Haidas, 219 ff.
Unsterblichkeit bei den Polyne-
sien!, 223 ff.
der Glaube an, nicht anf
Philosophen beschränkt, 229.
im Judentum und Bud-
dhismus nichts über die,
230.
Vedänta-Lebre über wahre.
231.
braucht nicht behauptet
zu werden, 418.
Unterwelt der Polynesier, 226.
Un wahrnehmbare, der, 161.
Upadhis, 264, 267 fg., 288, 291.
298, 300, 303.
Upanishaden, 79, 93, 140, 152.
159, 231, 235 fg., 273 ff., 279,
280, 286 fg., 317, 4M, 504.
510, 516, 531.
— und Vedanta, 94, 97, 9S, 103.
— erste Periode der Vedanta-
Litteratur, 99 fg.
— was sie sind, 95.
— des Verf. Übersetzung der-
selben, 95, 109, 113 Anm.
— offenbart, 96, 106, 125.
— 6^/}änakaftdji, 103.
— Tat tvam asi, der hOcbste
Zweck ihrer Philosophie.
104.
— und Eleatiker, 106, 330.
— schwer zu Übersetzen, 107 ff.
— Über die Rückkehr der Seele
zu Brahman, 112 fg.
— Riimanu^ und ihre Lehre.
112.
— beide Schulen der Vedan-
tisten berufen sich anf de,
112.
— iSankara der treuere Vertre-
ter ihrer Lehre, 112.
— Stellen aus den, über die
Wanderung der Seele nach
dem Tode, 113—122, 538 fg.
— und Avesta, 115 Anm., iMi,
195, 199 fg.
— Schwierigkeiten der Ausle-
gung, 122 ff.
— historischer Fortschritt in den.
124 fg.
— Versuche ihre verschiedenem
Angaben in Einklang lo
bringen, 125 ff.
Index.
577
UpftniBhJuieii, Mantras nicht mit
ihnen in Einklang gebracht
135 fg., 139.
— Kommentatoren der. 141 %.
— über das Schicksal der Seele
nach dem Tode, 148.
— keine H5Uen in den, 156.
1&4.
— eine spätere Entwicklang.
1S9.
— Brücken in den. 190 fg.
— und Plato. 205, 206. 211 fg.,
215, 217 ff.
— und die Unsterblichkeit der
Seele, 207.
— ihre Yersnche, das Selbst zn
entdecken, 247.
— über Emanation, 292 fg.
— Eyolationstheoriein den,293.
— doppelsinnige Stellen in den,
307 fg.
— Keime des Buddhismus in
den. 321.
— als Rahasya bezeichnet. 324.
— und Xenophanes, 327, 32S.
Upis. 62 Anm.
üranos. 39^.
üras, 14.
Urchristen der Entlehnung be-
schuldigt. 409.
Urchristentum und Snfilsrnns,
337 fg.
— orientalische Einflfiase im,
360 fg.
ürdhTaretas. 520 Anm.
Urdsbrunneo. 166.
Ursprung der Arten, 376, 380 ff.,
466. 511.
UfUyaiti Gatha. 192.
Utkranti. Auszug der Seele. 304.
Uttara Mimä/nsa. 97.
VAHRAM der SUrke, 197.
Vai der Gute. 197.
— der Böse, 198.
Vaimänika-Gottheiten, 161.
Vai^ya-Kaste. 243.
Vaitara/ii. 167.
Vaivasvata Yama!. 13S.
Va*. Rede, arisch. 78.
vaitarambha/ia, die Welt ist. 297.
VaA-aspati. 239.
Valentinian. 466 Anm.
M»x MälUr. Tkeoiopkie.
Valentinianer, 389 fg.
Yalentinus, 405.
Valkhas, 38.
Varstmänsar Nask, 55.
Vanuia, 16 fg., 48, 134, 136, 180.
— und Ouranos. 72.
— Welt des, 120. 129. 131.
— über dem Bütte, 131.
— der Herr des Wassers, 131.
— Sonne das Auge des, 137.
— Asnra genannt 178.
VasishfAas, 188.
Vaftag Nask, 41.
Vater und Logos, 436.
Sohn, 515. 528.
und heiliger Creist, 469,
505.
Yiter. Welt der, 116, 118, 125.
— im Monde, 120, 124, 145.
— Wanderung zu ihnen, 136.
— im Reiche des Tama, 136.
— Weg der, 165, 166.
— siehe auch Piirts.
Väterpfad. 116, 124, 147, 148,
158, 167, 273, 279, 303.
Vaugban, 491 Anm.
Vayu, Welt des, 120, 129. 130, 134.
veda, ich weiß, olda^ 78.
Veda, Zeugnisse im. 29.
— nicht geschrieben, 31.
— verloren gegangene ^akhaa
des, 33.
— Ton Tid« bissen*, 35, 102.
— und AvesU, 64, 165, 178, 186.
ihr gemeinsamer Hin-
tergrund, 200.
Pitn« und FraTashis
in. 201.
Vedanta, 94.
— offenbart, 101 ff., 288. 291.
— ein Buch mit sieben Siegeln,
110 fg.
— weil der V. so sagt*, 134.
— historisches Wachstnm in dem,
140 fg.
— keine Spur Ton Dualismus
im, 184.
— gibt Vorschriften für indivi-
duelle Seelen, 270.
— schreibt die Verehrung vieler
Gölter vor. 288.
Vedaglänbige und
bi^e, 64.
578
Index.
Yedänta, IX, 94, 331, 356 fg.,
439, 517, 524, 532.
— Bedeutung des Wortes, 94.
— als ein philosophisches Sy-
stem, 278.
— verleiht Vidyä, 288.
— kürzeste Zusammenfassung
des, 311 fg.
— eine Religion, 319.
— moralischer Charakter des,
320 fg.
— /Südras beteiligen sich am
Studium des, 325.
— St Bemard verglichen mit
dem, 484.
Vedänta-Lehre über wahre Un-
sterblichkeit, 23 t.
VedäDtn-Litteratur, drei Perio-
den, der, U9 fg.
Vedanta - Philosophie behandelt
dieselben Probleme, wie un-
sere Philosophie, 06.
— und eleatische Pliil., 76, 106,
325.
— und die üpanlshaden, 95 fg.
— über das Zeugnis der Sinne,
101.
— im heutigen Indien, 107.
— Zwei-dentigkeit in der, 263.
— höchste Lehre der, 275, 278 ff.
— ihre Entwicklung, 363 ig.
— und mystisches Christentum,
519.
Vedanta - Philosophen und Dpa-
nisbadcn, 125.
— und Eleatiker, 325.
Vedanta - Religion , Vater und
Sohn in der, 359.
Vedänta-Schulen, zwei, 106 fg.
Vedanta-sütras, 96, 231.
— deren Umfang und Einteilung,
97.
— alle Vedantisten erkennen
ihre Autorität an, 106.
— IV, 3,1 ff. übersetzt, 125— 135.
— Mantras nicht mit ihnen in
Einklang gebracht, 139.
— Doppelsinnigkeit in den, 307.
— ihr Studium nicht geheimge-
halten, 324 fg.
Vedäniismus, Glaube anGott im,
290 ig.
— und Sufiismns, 332.
Vedantisten, 392, 476, 516, 525 fg.
Vedantisten und Sufis, 341.
Vedas, die, 120, 123,140,161,162.
Vedische Gebete, 16 fg.
— Litteratur und v. Religion, 34.
— and avestische Religion,
179 fg., 185 fg.
— Hymnen, Auffassung der Pi-
trts in denselben, 187 ff.
Vendidad. 40, 42, 46, 50, 169.
182, 190.
— Sädah, 42.
— am Ende der avestischen Pe-
riode, 45.
verbum von br»b, 239.
Verethraghna, 179.
Vergessenheit, Gefilde der. 217,
218.
Vergottung, 474, 475 fg., 476 Amm.
Vernichtung, gänzliche. 163 fg.
Vernunft in der Welt, X fg.
— die universale, 385.
— die höchste Macht. 415.
Verwandtschaft, vier Arten der-
selben, 58 ff.
— durch gemeinsames Menschen-
tum, 58 ff.
— der Sprache, 60.
— historische, 60 fg.
— durch bloße Nachbarschaft
61 ff.
Verzückte geistige Anschauung.
426 fg.
Verzückung, 337, 340 fg., 351
426, 439.
— nach St Bernard, 483 ff.
Vesta, 36.
Vibhu, Halle Brahmans, 120, 121.
Victoriner, 486.
Vidhriti, 191.
Vidyä oder Kenntnis, 2SS.
Vier Stadien im Sufiismns, 343 fg.
Vierzehntes Jahrhundert in
Deutschland, 493 ff.
Vitara, der Flnss Nicbtaltemd.
120, 121, 123, 140,167, 218 fg.
ViÄ;ak8hami, der Thron, 120. 12],
123.
Vlnd&d = Vendtdad, 42.
Viräi^, 129.
ViroA;ana, Indra und
247 ff.
Vishnu, 138.
Vishnu-puc&na, 167.
Index.
579
Visionen. 408. 419. 420. 439. »21.
522. 524.
— Thomas von Aquino fiber.
4SS. 4S9.
— Hugo von St. Victor fiber.
490.
Vispered, 42. 45.
Vifusp. 3S.
— sasto. 42.
Vi^rakarman. 244.
Vivarta. Taaschung. 107, 293.
Vivarta-vada. 312.
Vizaresha. K.*». 190.
Vohüman. eioe Parallele xn dem
heiligen Geist 55.
VohümaDÜ. ^tes Denken, 44.
4H. 50. ISl. 1S3. 199.
Volk und Priester. 494 ff.
Vologeses. 3S.
vndh und vrih. 239.
Vrishadeva. 9*» Anm.
Vritraban. 179.
Vyäsa-sntTM. 97.
Vyavabärika. 311. 313. 314. 316.
WAGEN der Seele. 16."». 20«».
— der Toten. 19: ff.
Wagenlenker. Parabel Tom, im
Pbaedms. 20S.
— in der Ka/Zia-Upanisbad.
Wahre, das. 210. 274 fg., 283— 2S5.
Wahrheit, der Mythe an Grunde
lieirende. 219.
— (*deT Verschwinden in Gott.
:J44.
— Pldtinus über die. 425.
Wahmebmen. Prädikat Brab-
mans. 93.
Waitz, 7o.
Waldenser. 496.
Was du bist, das bin ich. 122.
157. 158.
Wasser. Anfang aller Dinge. 63.
95.
— aus dem Feuer entstanden.
2^2.
Wt'ber, A.. 9S Anm., 163. 161 Anm.
Weg. der mit Licht n. s. w. be-
ginnende. 126—129, 131. 133.
We^eiser. 131 ff.
Weisheit Gottes. Sophia oder
Episteme. XI. 395 fg.. 400 ff.
nnd der Logos. 398. 399.
401.
Weiße. XIV.
Wellhausen. 51.
Welt, Erschaffung der. 266. 267.
— ist Brahman. 282.
— und Brahman. 294. 29S fg.
— von Gott gedacht und aus-
gesprochen, 376.
— = saecnlnm. 466 Anm.
— i$t nicht Gott aber ibr Sein
ist von Gott. SOS.
Weltall. Kosmos. Uranos. 388.
Welten, nnendliche Treppe Ton.
465.
Weltsreist. 434.
Weltgeschichte ist das Weltge-
richt 1—3.
Weltschöpfung. 376.
Weltseele. 30 ., 392.
Wenigen, die. drücken dem Volk
ihren Charakter auf. 68.
West. 41. 46. 54 Anm., 55.
Westcütt. IX. 2o7Anm.. 408.456,
471.
Westen als Wohnstütte der Se-
ligen. 63. 137.
Westöstlicber Divan. 332.
Whinneld. 337. 33S. 350.
Wilford. HO.
Wind. derPnnisba kommt zum.
117.
Wintersolstitium. 142.
Wissen zuveii&ssiger als GUnbe.
4S6.
Witwenverbrennung, 33.
Wolke. Häuptling. 220 fg.
Wolken, Reich der, 221.
Wort von vn'dh, vrih, 239.
— die Welt b^nnt mit dem.
2y7, 515.
— und Gedanke untrennbar.
378 fg., 513.
— siehe Logos.
Wunder, Glaube an. unTermeid-
licb, 24 fg.
— in einem höheren Sinne na-
türlich. 443.
— Eckhart beruft sich nie auf.
5ul.
— nicht notig. 536.
580
Index.
XENOPHANES, 49, 232, 234,
325 ff.
— Beine Naturphilosophie, 327.
— und die Upanishadeo, 327,328.
XenophoD, 385.
YÄÖ-yAVALKYA, 114 Anm.
Yahve, Vater aller Menschen-
sOhne, XI.
Yama, 215, 231.
— Reich des, 136, 144, 221.
— die untergehende Sonne, 136.
— der Mond, 136 Anm.
— der erste Sterbliche, der
erste Unsterbliche, 136 Aom.
— seine Wohnstätte in der Nähe
des Sonnenuntergangs, 138.
— trinkt mit den Göttern, 139.
— erlegt Strafen auf, 163.
— Pfad des, 167.
— und die Väter, 187, 188, 225.
Yamaloka, 144.
Yasht Bebram, 179.i
Yashts, 42, 43, 45.
— Alter der, 52 fg.
Yasna, 42, 181.
— der alte und der spätere, 45.
Yömä, *Zwillinge\ 181.
Yesh^iha, 120, 121.
Yoga-sütras, 322.
Yogins, 322, 341.
ZAHL, Begriff der, universal, 58.
Zahlwürter, 58.
zaotar, av. = hotar, ved., 64.
Zarathushtra, 43, 50, 53, 191 fg.,
202.
Zarathushtra, sein Monotheismus,
180.
— und das Problem vom Ur-
sprung.des BOsen, 181.
Zaremaya-01, 115 Anm., 194,
218 fg.
Zeller, Die Philosophie der Grie-
chen, 79 ff., 105 Anm., 106
Anm., 327 Anm., 3a0.
Zeud von *zeno, 'wissen', 35.
— die Sprache Zarathushtra^s, 35.
-— richtig Kommentare, 36.
— Avesta ein falscher Name,35fg.
Zeno, 325, 453.
Zeus, 104, 209 fg.
— das Licht des Firmaments, 29.
— von 0K, 72.
— Xenophanes über, 325 fg.
— Aristoteles über, 389.
Zimmer, 1 37 Anm.
Zoroaster, seine Gathas, IS fg.
— hat keine schriftlichen Doku-
mente hinterlassen, 31.
— seine Bücher, Hermippos über,
37 fg.
AbuJafirAttavarifiben38.
— sein Name demPlato bekannt,
44, 82.
— lehrt weder Feueranbetung,
noch Dualismus, 177 ff.
— über den Kampf des Guten
mit dem Bösen, 182.
ZoroastrianismuB als Staatsreli-
gion, 39.
Zoroastrische Idee von einer
geistigen Schöpfung, 55.
Zukunftsreligion, VIII.
Zweck in der Welt, nicht bloß
mechanische Entwicklung. 2.
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Drack tob Breitkopf nnd HIrtel in Leipzig.
Verlan von Wilhelm Engelmann in Leipzig.
droth« Hüben. Das ProLlem der Ma:erie. Ein Bcitras zur Erkenst-
isekiidk 111. d XaTun.'hiioso::Lie. Erster Biuid. srr. ?. l>Si». .« 14. — .
S9 Gf-^Tiz. ^:IlT-bi:i liehe*. Dk kr.j;tiM];c Km:?:. ein Lcues Gebiet der
J'.cbrl-tllo'jfii Sc'.ihitur. ulü ihre Sj^übole. Kihc S'udie. Mh 14 Zhiko-
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ibans The- ■': T. "NVe^eii i;L.d EutsiehiiLg des Oe'^vis^eus. Eiiie
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j ".•■.-:. .'.i-.:-::. .Stil uLd l^»«-i aia köiiiirll-ibeij iLili:-.;: z"i L"i:.d'^Li
c"'i.i-V: :.■... V rb.ifjnjet. V-.m Verfas-s^er a-r. ..r:sl'.r:e dcir^ciiC Auijabc.
C:'.:j^ i .r. li JJ, Pick u. W. Wischmaiiii. In :'^"l: BulIvI:. ^.
•*•*-—•• . Geh. ... 2:..—. L'eb. .* 29.5'.'.
V«ilng von WUhalni Eugelmiinii in Loiprij
Slllfr, Mss, N'ilfirlii'li« ItDÜRioR. Oitforil-Vorlouiu;en
ilor Unir<rritfit (Hack"«' Iii ^Aliro \'''*^, A\m dem IBa^i-lioa :l
lon Bnfirlbcrt Sthnpider Pii. I). AnlnricicTU>, Tiitti VerfAMU ili
Mdme AiMs&be. H. IH90. Oeh. J^ 14.— . ifnh ^1«_.
— PbysUclii! IlvlIgiuD. Giffotd-VurWungcn. Rohnlton ui da I
dUt GIm^ikt flu Jahre Ifi9(i. Au« ifoi V^Utthen ahomi
It. Otto Frauke. AutorisifirtA , mm VcWa«i«r dumli^uelime Ä>
f. I««2. Ofth. ^.10.^, geb. J/ 1!.^,
— Anltiriipaln)(i*chc Ueli)tiaii. GiSnrd^ottciningcii, ^«baltali >
ViüteiiDW. UlanffiTr im Juhrc tS9l. Am ilni ICtiRtUi.-)icii <lbpnN
Mtirb^'intt^ruitx. AiilurljiiuTt«, vum Vorftuu«T dunüiK«cli«a« A
8. ISM. Gfh ^ H,— ; geli. Jl Vi.—.
Xnller, W. Mnx, Aitii>n Minrt Kuropa weh idOgypiüAra Ue^
Mit frltirm Vomort Toll Oorjt KhctB. Mit uhlral<liM AU^
i(i Zinkut>-irii- imd einer Ttntlc, rt. 9. 18IM. Oeh. jr H.— . pli. 2
' JInisri, LndwiK, Logo«. UnjiranR nuU We»«u der Bcfdffc- fr- S-
Gcli. Jf 8— , geb. ^ 10 —
»Uj A., Der ttklI«a>iii1iUisli<- Kril.bUmiii tmd «aoe Bndcaqi
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