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Full text of "Troia und Neu-Ilion"

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VERLAG VON GEBR. HENNINGER. 

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HEILBBONN. 

VERLAG VON GEBE. HENHINGBE. 
1882. 



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TROIA 



NEU-ILION. 



De. E. BRENTANO: 



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HEILBBONN 

VERLAG VON GEBE. HENNINGEE. 



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Vorwort. 



Hundertmal werd' loh'i eneh sagen und tausendmal: Irrtum ist Intnm 
Ob ihn der grösste Mann, ob ihn der kleinste beging. — 

Newton hat sich geirrt? Ja doppelt und dreifach I Und wie denn? 
Lange steht es gedruckt, aber es liest es kein Mensch. — 

Drucken f&rdert euch nicht, es unterdrftokt euch die Schule I 

Aber nieht immer, und dann geben de schweigend doh didn. -^ 

Goethe (Xenien). 

Die vorliegende Schrift enthält in etwas Tertoderter Form 
zwei Vorträge, die der Verfasser zu Beginn des rergangenen 
Winters im hiesigen „Akademischen Lehrerverein" gehalten hat 

Sie bezweckt durch Zusammenstellung der wichtigsten, aus 
dem Altertum tiberlieferten litterarisehen Zeugnisse und histori- 
schen Nachrichten tlber Troia und Neu-Ilion eine Ergänzung zu 
den Akten jenes langwierigen Prozesses zu liefern, der noch 
immer um die Lage Troias Tor dem Forum der Wissenschaft 
geführt wird. 

Noch steht die Entscheidung der Sache aus; aber die Ver- 
hältnisse sigd bereits bedeutend geklärt Nicht mehr drei Oert- 
lichkeiten können als gleichberechtigte Bewerber auftreten. Bunar- 
baschi darf bei der grossen Dürftigkeit seiner Legitimation kaum 
noch auf Erfolg rechnen. Nur zwischen Hissarlik und dem 
Hierdorf des Demetrios schwebt jetzt der Streit ; der grössere 
Rechtsanspruch aber liegt offenbar bei letzterem. 

Die kurze, vorläufige Kritik, die der Unterzeichnete im vorigen 
Jahre*) an den Schliemannschen Berichten über die homerische 
nios übte, hat mehrseitige Zustimmung gefunden. Aehnliche Ein- 
wendungen waren von anderer Seite schon früher gemacht worden. 



*) Znr Lösung der troianischen Frage. Heilbronn, Gebrüder Hen- 
ninger. 1881. 



IV 

Herr Schliemann selber vermochte nicht die angegriffenen Positioneii 
zu verteidigen. Immer mehr dtlrfte sich daher schon jetzt in 
massgebenden Kreisen die Ansicht Bahn gebrochen haben, dass 
diese „Hissarlikfimde" (denn von „trojanischen Altertümern" zu 
reden, wäre nunmehr wenig zutreffend) nicht als Producte einer 
nebelhaften, phantastisch ausgemalten Urzeit („fünf übereinander 
liegende praehistorische Städte!") gelten können, sondern dass 
vor allen Dingen an der Hand der tiberlieferten historischen Nach- 
richten eine Beurteilung derselben versucht werden muss. 

Bisher haben die Anhänger Schliejnanns eine gründliche Be- 
sprechung der Funde in wissenschaftlichen Fachblättem mit be- 
greiflicher Vorsicht vermieden. Dagegen haben sie in den Feuille- 
tons der Tagesblätter und in belletristischen Wochenschriften einen 
wahrhaft grossartigen Eeklamefeldzug organisiert und auf diesem 
Wege zunächst dem grossen Publikum die üeberzeugung beizu- 
bringen versucht, dass das homerische Troia auf Hissarlik wirk- 
lich zu Tage gefördert sei. 

Ein derartiges Vorgehen war ehedem bei der Behandlung 
bedeutenderer wissenschaftlicher Streitfragen durchaus nicht ge- 
bräuchlich. 

Unter diesen Umständen dürfen wir es nicht unterlassen, auf 
zwei Meinungsäusserungen aus der englischen G^lehrtenwelt hin- 
zuweisen, die leider in Deutschland wenig Beachtung gefunden 
zu haben scheinen, obwohl sie — ganz verschieden von jenen 
Feuilletonstimmen — auf Sachkenntnis und gutem Urteil beruhen. 
Sie sind dem Unterzeichneten erst zugekommen, als er die oben- 
erwähnten Vorträge bereits gehalten hatte, konnten jedoch bei der 
Ausarbeitung dieser Schrift noch benutzt werden. 

Bereits in Nr, 314 der Edinburgh Review 1881 S* 514 ff, er- 
schien eine Beurteilung von Schliemanns Ilios, die in der Grund- 
anschauung und in manchen Einzelheiten mehrfach zusammentrifft 
mit den Einwendungen, die seinerzeit von dem Unterzeichneten 
erhoben wurden. Eine scharfe Kritik erfährt namentlich die 
Schliemannsche Theorie der „sieben Schichten" mit den Trümmern 
der „sieben Städte" im Hügel von Hissarlik (S. 529 ff.). Seine 
durchaus mangelhafte und widerspruchsvolle Begründung der sub- 
tilen Unterscheidung zwischen der „lydischen" Stadt und der 
„fünften vorhistorischen", zwischen dieser und der „vierten" 
Stadt u. s. w. wird treffend charakterisiert und das Phantastische 
und Trügerische dieser mit dem Anspruch historisch beglaubigter 



Wahrheit vorgetragenen Theorie oonstatiert*). Nach einer kurzen 
Darlegung der Bedeutung und der wechselnden Schicksale des 
historischen Neu-Hion wird sodann die extravagante Behauptung 
Schliemanns, dass die Trümmer dieser mehrmals aufgebauten Stadt 
im Boden des Hügels eine Schicht von nur sechs Fuss Tiefe 
ausfüllten [also noch etwas weniger als die durchschnittliche Tiefe 
jeder der unbekannten 5 „vorhistorischen Städte"], mit aller Ent- 
schiedenheit zurückgewiesen. Ebenso auch die weitere Behaup- 
tung, dass Troia von den Achaiem nicht vollständig zerstört 
worden sei, weil sich im südöstlichen Teil der 3. Stadt keine 
Brandspuren finden, und dass das ganze Altertum die historische 
Stadt als identisch mit der homerischen angesehen habe. Mit 
Recht wird hiergegen der einmütige Glaube des Altertums an die 
gänzliche Zerstörung der Stadt hervorgehoben **). Das endgiltige 



*) S. 537: The first, second, third, fourth, fifth, sixth prehistoric 
settlement is habitnally treated as if it had been a fact of the same kind 
as the Thames Embankment or the Hanssmann Bonlevard. — 

S. 533: The foregoing snmmary will show the method by 

wich Dr. Schliemann*s theory.has been fonnd. Taking the objeets fonnd 
at a certain depth — say, at from 6*/» to 13 feet below the snrface — he 
constrncts from them a definite conception of the whole life lived by the 
people to whom these objeets belonged. If a little higher np ur lower 
down — at a depth, snppose, of 13 to 23 feet — precisely similar objeets 
are not fonnd, or are fonnd in a much smaller or mnch larger qnantity, 
he infers that here we have the remains of a distinct city, or even of a 
distinct race. The fallacy of this procednre is twofold. First, the remains 
actnally fonnd are not in any of his strata snfficient to Warrant snch com- 
prehensive and rigidly precise inferences as he draws from them. Secondly, 
the negative argnment from the absence or rarity of certain objeets is 
applied in a manner which the conditions of the case totally fall to 

jnstify. Sober criticism tnrns from the long series of ,prehi8toric 

cities' to the historical city which, at any rate, oecnpied the site of 
Hissarlik. 

**) S. 539: Almost nnanimonsly the old Greeks believed that the 
Homeric Troy had been ntterly destroyed by the Achaeans, and that the 
Greek Ilinm did not stand on the site of the Homeric Troy, — the latter 
having, from the time of siege, remained desolate. The references to 
the Greek tradition are among the weakest parts of ,Ilio8^ 
The Greek belief that Homeric Troy had been ntterly destroyed is an in- 

separable part of the Trojan legend. S. 541: The tmth is that 

the Identification of Homeric Troy etc. vgl. nnten S. 30. — ■ S. 544 : In the 
general belief of the old Greek world, the Homeric Troy had been ntterly 
destroyed, its side had remained desolate, and the Greek Ilium stood npon 
different gronnd. 



VI 

Urteil des Verfassers über die wahre Bedeutung der Funde Ton 
Hissarlik geht dahin, dass zunächst die Tiefe der Trflmmersehicht 
von Neu-Ilion jedenfalls viel bedeutender angenommen werden 
müsse als 6 Fuss, und dass zwischen dieser und der untersten, 
einem verhältnismässig civilisierten Volke angehörigen Schicht 
unverkennbare Spuren auf die Anwesenheit halbbarbarischer thra- 
cischer oder gallischer Stämme hinwiesen, wobei aber nicht aus- 
geschlossen sei, dass gleichzeitig mit diesen Niederlassungen die 
fernere, ja auch die nähere Umgebung von cultivierten Bewohnern 
z. B. Aioliern besetzt gewesen wäre^). Es werden also nur drei 
Schichten unterschieden. Lydische Einflüsse müssten sich selbst- 
verständlich schon gleich von Anfang an auf das aiolische Neu- 
Ilion geltend gemacht haben. — Für den historischen Charakter 
der Ilias oder der mit ihr zusammenhängenden Persönlichkeiten 
bewiesen die Schliemannschen Funde nichts. 

Eine Ergänzung zu diesem Aufsatz bildet die Untersuchung 
von E. C. Jebb**) Homeric and Hellenic Hium (in: The Journal 
of Hellenic studies 1881 vol. 11 1. S. 7 ff.). Hier wird die Be- 
hauptung Schliemanns, dass das homerische Troia nicht vollstän- 
dig zerstört und nach der Eroberung noch femer bewohnt worden 
sei, ebenfalls als eine Paradoxie und als unvereinbar mit dem 
G^ist und dem Wortlaut der griechischen Tradition und den Zeug- 

*) S. 545 : The objeets fonnd at Hissarlik indicate what the traditions 
of the Troad wonld have led us to expect, viz., that at a remote period 
this Site was occapied by a comparatively civilised people (with high 
skill, for instance, in the ceramic art), who were succeeded by a people or 
by peoples whose level of civilisation was presumably not higher than 
that of the nidest' Thracian or Gallic tribes. Bnt the lower civilisation 
thns fonnd during one period at Hissarlik may have been contemporary 
with a far higher civilisation in adjacents lands or even in the immediate 
neighboorhood. There is no reason why Thracians, for example, shoold 
not have held Hissarlik while Aeolic Greeks were already settled on the 
shores of the Troad. The objeets fonnd in the lower part of the exca- 
vations at Hissarlik are non -Hellenic. The same may be said of remains 
at Mycenae and Tiryns. Bnt, because remains are non-Hellenic, 
it by no means follows that they are pre-Hellenic. On the 
contrary, it is highly probable that, in the early days of the Greek Ilinm 

most of the articles of luxury, or even of daily nse, wonld have 

been prodncts of oriental art or industry. 

**) Derselbe scheint auch der Verfasser des vorher erwähnten Auf- 
satzes zu sein, worauf die mir nachträglich zugegangene Nr. 499 der 
„Akademy" Nov. 1881 hinweist. Die vorhergehende Nr. konnte ich bis 
jetzt noch nicht bekommen. 



vn 

nissen des Altertumes naobgewiesen. Ein kurzer Ueberblick Über 
die Geschichte des aiolischen Ilion zeigt, dass neben der anti- 
quarischen auch die politische Seite der Legende der Ilienser 
(besonders seit der Ankunft Alexanders und dem Eingreifen der 
Sömer) in Betracht kommt (S. 30 f.). Aber das Gesamturteil 
competenter Eichter, durch welches jene Legende rerworfen wurde, 
stand ein fttr allemal fest Besonders erfreulich ist die gerechte 
Würdigung, die Demetrios Ton Skepsis Ton Seiten Jebbs erfährt. 
Das Werk desselben {Tqtoixdg itaxotSfiog) wird für eines der 
herrlichsten Denkmäler gelehrter Thätigkeit im 
alexandrinischen Zeitalter erklärt *) ; seine Bedeutung erhelle noch 
jetzt aus zahlreichen Gitaten, die wir bei den verschiedensten 
Autoren finden. Demetrios mache den Eindruck eines denkenden, 
wahrhaft kritischen Geistes, mit ausserordentlichem Scharfsinn 
begabt, der zugleich die KrafI; besass, sein reiches Wissen auf 
einen gegebenen Punkt zu concentrieren **). Die Schliemannsche 
Behauptung, dass Demetrius nur aus Neid und Hass gegen die 
Ansprüche der Ilienser aufgetreten sei, wird als eine kaum 
ernsthaft zu nehmende Hypothese zurückgewiesen***). 



*) S. 34 : This work appears to have been one of the most wonderfnl 
monnments of scholarly labour which even the indefatigable emdition of 
the Alexandrian age produced. The most complete examination of every 
point which the snbject raised or suggested was snpported by Btones of 
learning drawn £rom every proyiace of ancient literatare, from every source 
of oral or local tradition. Mythology, history, geography, the monographs 
of topographers, the observations of travellers, poetry of every age and kind, 
science in all its ancient branches, appear to have been laid under contri- 
bution by this encyclopaedic commentator, who mnst have deserved the 
epithet of /aAx^Kr^^o^ almost as well as Didymns. The great repntation 
of his Diacosmas in antiquity is attested by the freqnency with which it is 
qnoted, often at length, in the most varions contexts. It was, in fact, a 
repertory of archaeological lore, and was osed mach as a modern stadent 
ases a dictionary of antiqnities. 

**) The general Impression left by these and similar notices of Deme- 
trius is that of a thoughtfal mlnd, essen tially critical, with considerable 
ingenaity, and with the power of concentrating varied knowledge on a 
given point. 

***) S. 37: I mnst oonfess that this hypothesis appears to me 

one of the most extraordinary that could be serioasly advanced. There 
is an English saying which contemplates the possibility of a person catting 
off his nose in order to spite his face ; and if Demetrias indeed marred the 
central feature of his work for the sole purpose of exciting these pangs 



vm 

Diese vorurteÜBfreie Auffassung der Sache von Seiten eines 
hervorragenden Kenners des griechischen Altertums seheint auf 
die Freunde Schliemanns in England doch einigermassen ernüch- 
ternd gewirkt zu haben. Professor Sayoe, der thätigste Mitarbeiter 
Schliemanns, vermochte ihr wenigstens, wenn wir recht unter- 
richtet sind, bis jetzt noch: keine nachhaltige Widerlegung zu teil 
werden zu lassen. 

Wir sind genötigt, das alles vorzubringen, weil wir es für 
eine wissenschaftliche Pflicht erachten, die Verkehrtheit der Schlie- 
mannschen Behauptungen allseitig nachzuweisen und der viel- 
verlästerten Ansicht des Demetrios die gebührende Anerkennung 
zu verschaffen*). Wir sind aber weit entfernt, damit den wirklichen 
Verdiensten Schliemanns, namentlich seinem thatkräftigen Vor- 
gehen, sowie der richtigen Wertschätzung seiner Funde irgendwie 
Abbruch thun zu wollen. Lob und Tadel müssen eben bei der 
Beurteilung seiner ganz eigenartigen Leistungen naturgemäss oft 
scharf und unvermittelt neben einander hervortreten. Wir haben 
uns hierüber schon früher ausgesprochen; es mag aber hier, um 
Missverständnissen oder böswilligen Verdächtigungen entgegenzu- 
treten, dasselbe noch einmal hervorgehoben sein. Leben wir doch 
in einer so überaus empfindlichen Zeit, dass ein Widerspruch auf 
wissenschaftlichem Gebiet gar leicht als persönliche Kränkung 
und ein Ankämpfen gegen Einzelnes als Verwerfung des Ganzen 
aufgefasst wird. Uebrigens ist sich der Unterzeichnete bewusst, 
auch in seinen früheren, auf diese Frage bezüglichen Schriften 
nirgends die Grenzen einer erlaubten litterarischen Polemik über- 
schritten zu haben. Die an Schliemanns Berichten geübte Kritik 
war mitunter etwas scharf, aber man darf auch nicht vergessen, 
in welchem Masse der Entdecker die Aufmerksamkeit und das 
Interesse der „ganzen gebildeten Welt" in Anspruch nahm, um 
ihr seine unhaltbaren Vermutungen als reale Wahrheit anzupreisen. 
Ausserdem glaubt der Verfasser aber auch in seinen Erörterungen 



in his neigbbonrs, then the town of Scepsis xnay claim to have prodnced 
the person who, in recorded history, has perhaps approaehed most nearly 
to that ideal of self-sacrificing malice. 

♦) 0. Retzlaff Vorschule zu Homer. 2. Auflage. Berlin 1881 hat 
die Ansicht des Demetrios in der von uns versuchten Beconstmction voll- 
ständig acceptiert. Damit war also jenes prophetische Wort (Schliemann 
IlioB S. 215), dass diese „unmögliche. Theorie niemals einen Gläubigen 
finden^^ werde, bereits zu nichte geworden. 



IX 

niemals diejenigen Kücksichten verletzt zu haben, die man Männern 
von hervorragender wissenschaftlicher Bedeutung, auch wenn sie 
irren, schuldig ist, selbstverständlich soweit solche Eücksichten 
nicht geradezu zur Verleugnung der Wahrheit führen. 

Ganz ohne Kampf geht es aber bei der Behandlung solcher 
veralteter Fragen überhaupt niemals ab. Die Wahrheit will er- 
stritten sein. Im Kampfe wird herüber- und hinübergeschossen. 
„Die Wissenschaft^, sagt unser Altmeister Gottfried Hermann, 
„ist ein Kai)ipfplatz, von dem niemand ohne Wunden kommt ^ 

Die Harmlosigkeit loyaler litterarischer Fehden wird frei- 
lich dann vernichtet, wenn Elemente des Luges und der Verläum- 
dung sich einschleichen, um Einfluss auf die Sache zu gewinnen, 
und mit fremdartigen Bestrebungen die klaren Gewässer zu trüben 
und die Dinge vorsätzlich in falsche Geleise zu leiten suchen. Wenn 
das schliesslich zu Unzuträglichkeiten führt und der ganzen Sache 
zum Nachteil gerät, darf man sich nicht darüber wundem. 



In den letzten Tagen hat es plötzlich den Anschein gewonnen, 
als ob der moderne Kampf um Troia unerwartet rasch zur Ent- 
scheidung gelangen sollte. 

Bekanntlich hat Herr Schliemann, um bessere Beweismittel 
für seine Theorie herbeizuschaflFen, in diesem Frühjahr die Aus- 
grabungen auf Hissarlik wieder aufgenommen. Anfangs verlautete 
nichts bestimmtes über das Ergebnis. Dann flog die dunkle Kunde 
von einem Misserfolg durchs Land. Dann wieder heller Sonnen- 
schein. Zwar das bisher so unendlich viel verherrlichte Troia 
„der dritten Schicht" war preisgegeben; aber unterhalb desselben 
sollte die heilige Hios jetzt wirklich gefunden sein. Das hörten 
die Leute und glaubten es. Auch der feuilletonistische Apparat 
arbeitete wieder mit Nachdruck. Scheuete man sich doch nicht, 
in einem grösseren süddeutschen Blatte selbst dann noch ein Lob- 
lied auf die „dritte verbrannte Stadt" anzustimmen, als die Nach- 
richt von ihrer Beseitigung seit nahezu 14 Tagen be- 
kannt war. Das alles machte gerade nicht den Eindruck, als ob 
damit ausschliesslich dem rein wissenschaftlichen Interesse gedient 
werden sollte. 

Unter diesen Umständen hielt es der Unterzeichnete für an- 
gemessen, öffentlich und rechtzeitig auf die ganz unzureichende 
Begründung dieser neuesten Behauptungen hinzuweisen und das 



Pabliknm ror übereilten Hofliiimgen und nnansbleiblieher Ent- 
täusch ang zu warnen. („Die heilige Ilios^. Grenzboten 1882 Nr. 24). 

Zwei Umstände waren zu constatieren. Erstens, dass dureh 
die vollständige Wegräumung der „dritten Stadt", deren Grössen- 
yerhältnisse Herr Schliemann jetzt selber f&r „liliputanisehe'' zu 
erklären genötigt war, alle früher von dem Unterzeich- 
neten erhobenen Einwendungen gerechtfertigt sind. 
Zweitens, dass die neueste Behauptung von der Auffindung der 
heiligen Ilios in der zweituntersten Schicht weder mit der Be- 
schaffenheit der Trümmer selber, noch mit dem Charakter der 
übrigen Fundstücke und mit den historischen Nachrichten über 
die Schicksale Neu-Ilions in Einklang steht; kurz, dass auch 
diesmal wieder zweifellos ein Irrtum yorliegt — 

Jetzt geht die Nachricht durch die Tagesblätter, dass Herr 
Schliemann sich wirklich yon der relativen Erfolglosigkeit seiner 
neueren Versuche überzeugt habe. Die Bestätigung dieser Nach- 
richt muss indessen abgewartet werden. 

Mag das Endergebnis aber wie immer gestaltet sein, ein 
Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis wird durch diesen 
Streit jedenfalls erzielt werden. Und wenn auch Herr Schliemann 
das, was er auf Hissarlik suchte, und was ihm als die Erfüllung 
eines frühgehegten Jugendtraumes erschienen wäre, nicht gefunden 
hat, so ist ihm doch dafür in dem thatsächlichen Ergebnis seiner 
Grabungen, in den zahlreichen Fundstücken von zweifellosem an- 
tiquarischen Werte, ein reicher Ersatz zu teil geworden, ein Er- 
satz, zu dem ihm jeder billigdenkende Beurteiler der Sache auf- 
richtig beglückwünschen wird. 



Frankfurt a. M. im Jnni 1882. 



Der Verfasser. 



INHALT. 



8«it» 
I. 

Das homerische Ilion 1 

Die »Zerstörang Troias" bei den Dachhomerischen Autoren .... 5 

Aischylos* Agamemnon 6 

Enripides* Troerinnen 6 

Der Bedner Lyknrgos 8 

Hellanikos 9 

Demetrios von Skepsis 10 

Die Baustelle des homerischen Troia 14 

Simoeis und äkamandros 15 

Strabon. Diodoros 18 

Pausanias 19 

Lukianos. Euenos. Dion Chrysosthomos 20 

Philostratos . 21 

Aristeid^s Khetor 22 

Vergilius 23 

Ovidius 24 

Lucilius. Lucanus 26 

Horatius 28 

n. 

Das griechische Ilion 31 

Die Ansiedlungen der Aioler 32 

Die Lyder in der Troade 35 

Die Gründung von Neu-Ilion 37 

Neu-Ilion als Cultstätte. Das Palladion 40 

Die Opfersendung der Lokrer 42 

Die Translation der Gebeine Hektors nach Theben 44 

Die Opfersendung der Thessaler nach Achilleion 44 

Das Opfer des Xerxes in Neu-Ilion 46 

Das Opfer des Mindaros .47 

Die Einnahme der Stadt durch Derkyllidas 48 

Die Eroberung durch Charidemos 48 

Der Besuch Alexanders des Grossen .49 

Lysimachos. Antiochos Soter 51. 52 

Galaterheimsuchungen 53 



xn 

Seite 

AegjptiBche Hemchaffc 55 

Antiochos der Grosse. Attalos II 56 

Die Ankunft der Römer. G. Livins. L. Scipio 57. 58 

Die Niederbrennung Uions durch Fimbria 59 

Sulla. Caesar. Augustus. Julia 62. 63 

C. Caesar. Germanicus. Tiberius. Nero. Claudius. Hadrianus. An- 

toninuB Pius. Caracalla« Julianus 64—66 

Das iSitog Tgmxoy und der Athenetempel 67 

Bttckblick. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Fundstficke . . 68. 69 

Charakter der Thongefässe und anderer Fundstücke 71 

Der Miniaturglobus. Schluss 73 



Unter den vielen seltsamen Behauptungen, welche an die 
in dem Hügel von Hissarlik ausgegrabenen Fundstücke geknüpft 
wurden, ist eine der seltsamsten wohl die, dass das ganze 
Altertum (mit Ausnahme von ?wei oder drei verstockten Zweif- 
lern) den Glauben gehegt habe: Troia sei von Agamemnon nicht 
vollständig zerstört worden, es habe vielmehr auf derselben Stelle 
fortbestanden und müsse daher identisch sein mit der historischen 
Stadt Ilion. Aus dieser Behauptung wird das Recht hergeleitet, 
von „trojanischen** Funden, von dem „Hause des Priamos", dem 
„Schatze des Priamos" u. dgl. m» zu reden. Diese Behauptung 
bildet also das Fundament jenes wunderlichen Schliemann'schen 
Hypothesenbaues, der so viel Aufsehen erregt hat Prüfen wir 
indessen die Haltbarkeit des Fundamentes etwas genauer. 

I. 

Das homerische Ilion war nicht die ursprüngliche Haupt- 
stadt des alten troischen Beiches. Der Sage nach hatte Dardanos, 
der Stammvater des troischen Königsgeschlechtes, auf den Vor- 
bergen des quellenreichen Ida zuerst die Stadt Dardania ge- 
gründet*). Ihre Lage hat sich bis jetzt nicht feststellen lassen; 
schon zur Zeit Strabons war von ihr keine Spur mehr vor- 
handen**). Die historische Stadt Dardanos, eine alte Colonie der 
Aioler, lag zwischen Abydos und Ophrynion dicht am Hellespont 

Erst mehrere Generationen später gründete Hos, der Sohn 
des Tros, die Stadt Ilion oder Troia und zwar, wie Homer 
ausdrücklich hervorhebt, in der Ebene***). Von der Baustelle 
wissen die Späteren anzugeben, dass sie bis dahin der „Hügel 



*) Hom. II. XX 215 ff. ApoUod. III 12, 1. Dionys. I 69. 
**) Strab. XIII p. 592. 596. Die Stätte hatte nach Schol Lycophr. 
Alex. 29 früher S^afxttvä^ov X6(pos geheissen. Sie dürfte in der Umgebnng 
des Uia-dagh zu suchen sein. 

***) Hom. IL XX 215 ff. Strab. p. 593. Plat. leg. p. 681. 682. 

Brentano Troia und Nea>Ilion. 1 



der phrygiBchen Ate^ geheissen habe"^). Dardanos 80II nach ihnen 
bereits durch das Orakel vor dieser Stelle als einer unheil- 
bringenden gewarnt worden sein und darum die Stadt Dardania 
weiter oben zwischen den Idabergen auf dem ^^Skamandroshügel^ 
angelegt haben. 

llos dagegen wurde durch das Orakel nicht gewarnt, sondern 
geradezu nach der yerhängnisvoUen Stelle hingewiesen. Die Kuh, 
die ihm vom Orakel als Leiterin mitgegeben worden war, liess 
sich auf dem Atehttgel nieder. Und als nun Hos sich im Gebete 
an Zeus wandte, fiel als ein aufmunterndes Wahrzeichen yor 
seinem Zelte das Palladion nieder. Nun wurde Ilion erbaut 

Dieses Pallasbild, drei Ellen hoch, mit aneinandergefügten 
Füssen, in der erhobenen Kochten eine Lanze, in der Linken 
Eocken und Spindel haltend, war fortan das höchste nationale 
Heiligtum der Troer. Das homerische Ilion galt für uneinnehm- 
bar, solange es im Besitz des Palladion war**). 

Laomedon, der Sohn des llos, baute, so berichtete die alte 
Sage weiter***), mit Hilfe des Poseidon und ApoUon eine ge- 
waltige Mauer um die Stadt. Trotzdem eroberte sie Herakles, 
als er von Laomedon hintergangen worden war; aber er zer- 
störte sie nicht, sondern gab sie nur der Plünderung preiss. 

lieber die Beschaffenheit und die Lage Troias finden wir bei 
Homer manche wichtige Andeutungen. Wenn er freilich von der 
„schöngebauten", „breitstrassigen", „wohlummauerten", „anmuti- 
gen" Stadt mit ihren hohen Türmen, geräumigen Palästen und 
prächtigen Tempeln spricht, so sind daß dichterische Ausschmück- 
ungen, die für uns nur den einzigen reellen Wert haben, dass 
sie von der dem Dichter vorschwebenden Idee einer grossen, 
bedeutenden Stadt Zeugnis ablegen. Die Stadt selber war ja 
zu seiner Zeit nicht mehr vorhanden; ob er noch Trümmer der- 
selben gesehen hat, lässt sich nicht feststellen. Die Tradition 
aber, dass Troia gross und stark befestigt gewesen war, lag dem 
Dichter bestimmt vor. Er dachte sie sich nicht geringer -als 
Mykenae, dem er gleichfalls die Beiwörter „wohlgebaut" und 
„breitstrassig" gegeben hat, und als Tirjns, das „mit starken 
Mauern versehene" (t^^x^o^cc«) , dessen Mauerreste in der That 

*) Lycophr. Alex. 29 u. Schol. z. d. St. — 0. Keller Die Entdeckung 
Ilions. Freiburg 1875 S. 19 ff. 
♦*) Dionys. I 68. 69. 
***) Hom. 11. VU 452 f. XXI 446 ff. 



noch zur Zeit des PauBanias (2. Jahrh. n. Chr.) bo gewaltig 
waren, dass selbst der kleinste Stein derselben von einem Joch 
Maulesel nicht von der Stelle bewegt werden konnte*). Be- 
deutsamer sind sodann bei dem homerischen Troia die Beiwörter 
„hoch" ('Ikiov alnvy ^'Iliog alneivff) und „mit Augenbrauen 
versehen" (o^p^i/o^cro'a) , ein Beiwort, das man gewöhnlich als 
„hügelig" erklärt und das eine bestimmte Bodenformation**) vor- 
aussetzt Die Erwähnung der Burg, der ^Pergamos'', des (westlichen) 
„Skaeischen Thores", in dessen Nähe der „Feigenhtigel" das Er- 
steigen der Mauer erleichterte, und des (östlichen) „Dardanisohen 
Thores", ferner der „Buche", des „Fahrweges", der beiden schön 
gefassten „Quellen", der warmen und kalten, des Hügels „Ba- 
tieia" deutet ebenfalls auf eine ganz klare und feste Local- 
anschauung des Dichters. Dass er alle diese Oertlichkeiten er- 
funden und gleichsam wie bewegliche Goulissen in seine Schilderung 
je nach Bedürfnis eingeschoben habe, ist eine ganz willkürliche 
Annahme. Die Entfernung zwischen dem mutmasslichen Heimat- 
lande der homerischen Dichtung und der Troade ist so un- 
bedeutend, dass wir, auch wenn der Besuch der letzteren durch 
Homer uns aus dem Altertum nicht ausdrücklich berichtet würde, 
denselben getrost voraussetzen dürften. Ausserdem weisen sehr 
viele characteristische Züge in den homerischen Dichtungen, wie 
neuerdings auch von Prof. Virchow hervorgehoben wurde, auf 
die Wahrscheinlichkeit einer Autopsie des Dichters hin. 

Weitere topographische- Anhaltspunkte in der homerischen 
Schilderung bieten der Hügel „Kallikolone" im Rücken der Stadt 
und des Schlachtfeldes, femer das quellenreiche Idagebirg, von 
dessen Gipfel, dem „Gargaron", aus die Stadt und das Schlachtfeld 
sichtbar war und das bei Gelegenheit feierlicher Opfer zu Ehren 
des Zeus von den Trojanern bequem erreicht werden konnte, auf 
der andern Seite der Ebene der „Throsmos" in der Nähe des 
an einer langen, schmalen Bucht (pTOfia fiax^ov) errichteten Schiffs- 
lagers und endlich die beiden Flüsse „Simoeis" und „Skaman- 
dros", von denen der erstere so ^unbedeutend war, dass er nur 
selten erwähnt wird und überhaupt nicht als Terrainhindernis bei 

,,,,,, , , • 

*) Pausan. II 25, 8. 

*♦) Herod. V 92: 6q)Qv6£yTa KoQiu^oy, — Es weist wohl auf die im 
Hintergrund der Landschaift vorhandenen Höhenzüge hin , die sich Augen- 
brauen gleich, in sanften Bogen über der Stadt hinziehen (II. XX 151 
in otpQvai KaXhxohouriff), 

1* 



den Bewegungen der Heere in Betracht kommen konnte, während 
der Skamandros, der in der Nähe der Stadt yorüberfloss, weiter- 
hin die Eampfesebene auf der linken Seite (von Troia auB) be- 
grenzte und endlich nach seiner Vereinigung mit dem Simoeis 
sich in einen grossen Meerbusen (ev^ifg TcoXnog) ergoss, ohne das 
griechische Schiffslager zu berühren oder gar yon der Eampfes- 
ebene abzuschneiden, weit ansehnlicher war und auch von dem 
Dichter an einigen Stellen mit besonderer Vorliebe geschildert 
wird. Dies sind die wichßgsten örtlichen Anhaltspunkte für den, 
der in der Landschaft heutzutage die Stelle der homerischen Stadt 
aufsuchen will. 

Das Beich von Troia ward nach Homer begrenzt vom Helles- 
pont, vom Phrygerland und ron der Insel Lesbos*) und zerfiel, 
wie Spätere aus den Angaben der Ilias herausrechneten ^*), zur 
Zeit des Krieges in neun Bezirke oder Gebiete, nämlich das des 
Pandaros mit der Stadt Zeleia am (nördlichsten) Fusse des Ida, 
vom Aisepos durchströmt, das des Adrestos und Amphios mit den 
Orten Adresteia, Apaisos oder Paisos und Pityeia, das des Asios 
mit Perkote, Sestos, Abydos und Arisbe, das Gebiet des Aineias 
(Dardanien), die Gebirgsgegend um den Ida umfassend, das Gebiet 
des Hektor, zugleich der Stadtbezirk von Troia, dann im Süden 
das Gebiet des Altes, des Beherrschers der Leleger, mit Pedasos 
am Satnioeis und endlich das Gebiet der Eiliker, das wieder in 
drei Herrschaften zerfiel, die des Eetion mit den Städten Thebe, 
Chryse und Kille, die des Mjnes mit Lymessos und die des 
Eurypylos. 

Dieses Beich stand unter Laomedons Sohn Priamos auf dem 
Gipfel seiner Macht; aber unter ihm brach auch das Verhängnis 
herein. Geführt von Agamemnon, dem mächtigen Herrscher von 
Argos und Mykenae, landeten die achaeischen Schaaren an der 
troischen Küste und nach langer Belagerung wurde die auf der 
Unglücksstätte errichtete Stadt, nachdem Diomedes und Odysseus 
das Palladion entwendet hatten, von Grund aus zerstört. Das an- 
gesehene Beich der Dardaniden ward vernichtet, die Bevölkerung 
zum grössten Teil ausgetilgt 

• Homer selber deutet nur gelegentlich auf die Zerstörung der 
Stadt hin, so z. B. in den Eingangsversen der Odyssee, in der 



♦) U. XXIV 544. 
**) Strab. p. 584f. Buchholz Homer. Realien I S. 306. 311 ff. 



Nekyia, in der ergreifenden AbschiedsBcene zwischen Hektbr und 
Andromache (VI 448), wo der unbeugsame Vaterlandsverteidiger 
mit tiefem Sehmerz das künftige Sklarenlos der Seinen vor- 
aussieht : 

„Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt, 
Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs." 
Aber es ist kein Zweifel, dass Homer die Zerstörung der 
Stadt als eine vollständige und fundamentale ansah. Die Zer- 
störung ist der ausgesprochene Zweck des Feldzugs der Aohaeer. 
Der Grundgedanke der Ilias, der allenthalben hindurchleuchtet, 
besagt: Es ist Götterwille, dass die Stadt vollständig vernichtet 
werde ; es gibt wohl noch einen Aufschub, aber keine Abwendung 
des schweren Verhängnisses. 

Andere Dichter schilderten alsdann die Zerstörungsarbeit 
(iXiov nsQCig) ausführlich, nicht bloss die späteren Epiker, son- 
dern auch die Tragiker (Aischylos, Sophokles, Euripides, lophon, 
Agathen, Kleophon, Nikomaehos) in besonderen Stücken. Ebenso 
die Lyriker, von denen Pindar z. B. mehrfach die vollständige 
Zerstörung erwähnt Ueberhaupt waren alle nachhomerischen 
Autoren: Dichter, Geschiehtschreiber, Geographen, ausgenommen 
den Hellanikos, einmütig in dem Glauben, dass die Stadt des 
Priamos vollständig vernichtet worden sei*). Dies ist schon von 
einem wissenschaftlichen Beurteiler der Frage im Altertum ge- 
nügend hervorgehoben worden. Wie Hekabe und Priamos in 
der Anschauung der Alten stets als die bedauernswertesten Be- 
präsentanten gefallener Herrschergrösse auftreten, so erscheint T^oia 
als das erschütterndste Beispiel einer von Feindeshand erstürmten. 



*) Wenn Schliemann (Ilios 8. 191) seine Behauptung, dass Troia 
nach der Zerstörung wieder aufgebaut sei, auf eine Stelle Strabons (p. 608 

"OfXfiQos IfAfpaivH — f^efÄSvtjxora xov Aivdav Iv x^ TQoiif xai Sia- 

6B6iyfAivov t^y ctqxh^ *«* na^aSeSioxota naial naidtay rrju ffiado/j}^ avTrj^) 
zu stützen versucht, so hat er übersehen, dass in diesen aus Demetrios 
entlehnten Worten „Troia" nicht die Stadt, sondern das Land bedeutet 
(vgl. p. 584). Auch in der homerischen Stelle (11. XX 306), wo die Herr- 
schaft der Aineiaden „über die Troer** prophezeit wird, ist selbstverständ- 
lich nicht die Stadt Ilion gemeint, sondern Volk und Land. Dionys. Hai. 
I 53 gebraucht zwar den Ausdruck ßaaiXevaai tris Tqoias, erläutert aber 
gleich darauf die Worte Homers durch die Wendung; kv ^gvyiijt Svvaa- 
tivovtag. Noch nie ist Jemand darauf verfallen, aus diesen Stellen den 
Wiederaufbau Troias herauszulesen. Vergl. auch Schwegler Rom. 
Gesch. I S. 294 ff. 



Ton allen Gräueln der Eroberung heimgesuchten und endlich dem 
Erdboden gleichgemachten Stadt 

Es ist eigentlich beschämend, dass man gewissen Zweiflern 
gegenüber diese einfache Thatsache immer wieder constatieren und 
immer von neuem hinweisen muss auf Stellen wie Aisehylos' 
Agamemnon (524) 'f'), wo der Herold die Ankunft des sieg- 
reichen Heerführers verkündet: 

„Begrüsst ihn also freundlich ; denn so ziemt es ihm, 
der Ilion zerstörte mit des Kächers Zeus 
gewalt'gem Karst, dass umgewühlt da liegt das Land. 
Altar' und Göttersitze sind dahingestürzt, 
des ganzen Landes Same rings hinweggetilgt 

Ja, der des Truges schuldig und des Weiberraubs, 
ging seines Fangs verlustig und, in Staub zerschellt 
sammt seinem Lande, tilgt' er aus den Yatersitz. 
So büssten die Priamiden zwiefach ihre Schuld." 
Oder jene Stelle (818), wo Agamemnon selber, der gefeierte Zer- 
störer der Stadt, berichtet: 

„Am Bauch erkennt man Trojas Trümmerreste noch; 
die Todesstürme wehen; und mitsterbend haucht 
des alten Reichtums fetten Qualm die Asch' empor". 
Oder, wo Kassandra sagt (1167): 

„0 Noth, Noth der Stadt, welche so ganz zu grund 
gegangen." 
Oder endlich, wo in den Eumeniden (455) Orestes sagt: 
„Ich bin von Argos; meinen Vater kennst du wohl, 
Agamemnon, jener Flottenmacht Befehliger, 
mit dem du Trojas hohe Burg in Schutt und Staub 

hinabgestürzt hast". 
Und nun erst die anschauliche Schilderung, die Euripides 
in den Troer innen entwirft! 

Im Prolog erscheinen Poseidon und Athene; jener ist von 
tiefem Bedauern über das Geschick der ihm so lieben Stadt erfüllt : 
„So lebe wohl, du einstens hochbeglückte Stadt 
und glattbehauene Türme; hätt' euch Pallas nicht, 
Zeus Kind, vertilgt, ihr stündet fest und sicher noch". 



*) Dieses und die folgenden Gitate nach Poet scen. graec. ed. Dind. 
Lips. 1869. 



/ 



(Zu Athene gewandt:) 

Ist endlich wohl dein alter Hass erloschen jetzt, 
und fühlst du Mitleid, da die Stadt in Asche liegt?" 
Das ganze Stück ist ein einziges grauses Bild voll Gewalt- 
thätigkeit und Vernichtung, toU Mord und Brand; es schliesst 
effectvoll mit der Ellage um die in Rauch und Flammen zusam- 
menbrechenden Mauern (1316): 
Hekabe. 
Weh, Prachthäuser der Götter, traute Stadt! 

Chor. 
Weh\ Weh\ 

Hekabe. 
Verwttstungsflamm' und Feindesschwert verheert -euch! 

Chor. 
Ihr stürzt sogleich namenlos zum Boden hin. 

Hekabe. 
In Wirbeln fliegt zum Himmel auf der Staub wie Eauch- 

Säulen, 
vom Mauemsturze quellend. 

Chor. 
Zu nichte ward unser Land, vertilgt wird 
alles irgendwie und nicht mehr 
ist das arme Troja. 

Hekabe. 
hört, vernahmt ihr? 

Chor. 
Pergam stürzt mit Krachen ein. 

Hekabe. 
Der Erde Schüttern überwogt die ganze Stadt. 
Weh! 

Tragt mich, zitternde Gelenke, 
Hebet den Schritt zum Elend im Sklavenleben hin! 
Chor. 

Weh, du arme Stadt! . 

So erscheint der Untergang des homerischen Troia in Dich- 
tung und Sage der Griechen stets als ein vollständiger. Von 
einer Fortdauer der Stadt nach jener Katastrophe, von einer 
Wiederauferstehung derselben aus Schutt und As che 
findet sich nirgends eine Andeutung, weder in den uns erhaltenen 
Dichtungen noch in den Fragmenten der Epiker, der Tragiker 



8 

und Lyriker, obwohl sonst Anspielungen auf Zeitgenössiges diesen 
Dichtern durchaus nicht fernliegen. Mit Recht konnte daher der 
gelehrte D e m e t r i o s , als er auf diese einmütige Auffassung der 
Sache seitens der nachhomerischen Autoren hinwies, sich mit der 
Anführung eines einzigen Citates begnügen. 

Dasselbe ist einer Rede des Lykurg os (f um 329 v.Chr.} 
entnommen. Wir besitzen diese glücklicherweise noch in ihrem 
Wortlaut, so dass also der auf gewisser Seite so beliebte Ausweg-, 
den Demetrios für einen „Lügner" zu erklären, diesmal roll- 
ständig abgeschnitten ist 

Lykurgos weist in seiner Rede gegen Leokrates (c. 60) dar- 
auf hin, dass eine Stadt, wenn sie auch noch so sehr im Unglück 
sich befinde, immer noch die Aussicht auf eine günstige Wendung 
ihres Schicksals habe, wenn sie aber vollständig vernichtet sei 
{navzccTvatfi ysviad'at ävdtfTarov)^ habe sie auch diese Aus- 
sicht verloren. Wie ein Mensch, so lange noch Leben in ihm 
vorhanden, hoflFen dürfe, aus dem Unglück herauszukommen, wäh- 
rend mit dem Eintritt des Todes alles für ihn verloren sei, so 
verhalte es sich auch mit den Städten. Es sei aus mit ihnen, 
sobald sie zerstört wären (orav avadiavoi, yivoavxai). Die Zer- 
störung sei recht eigentlich der Tod einer Stadt. Zum Beweis 
diene zunächst Athen, das die Knechtung durch die Tyrannen, 
die Herrschaft der Dreissig, die Zerstörung seiner Mauern durch 
die Spartaner durchgemacht, und sich dennoch wieder empor- 
gearbeitet habe. Nicht so diejenigen Städte, die einmal der 
völligen Zerstörung anheimgefallen seien (oca^ nmnovs 
ävad^atoi ysyovadi). 

Dann fährt Lykurgos fort: 

„Wer hat nicht gehört, dass Troia , nachdem es 

von den Hellenen zerstört worden, jetzt für immer unbe- 
wohnt ist?"*) 

Dies Zeugnis ist ebenso durchschlagend wie unanfechtbar. 
Es ist dies übrigens derselbe Lykurgos, der durch den bekannten 
Gesetzesvorschlag betr. die Anfertigung eines athenischen Staats- 
exemplares der drei grossen Tragiker seinen Sinn für litterarische 
Akribie so glänzend bekundet hat**). 

*) Tovro fiiv yaQ, d xai naXaioreQoy slntiy lari, ttjy T^oiav xig ovx 
axi^xoey, ort fÄSyiatrj yeyeytj/xiytj xtay rote noXscjy xal naarig knaq^aca xtig 
A<fiag, (bg äna^ vno ttay'JSkXijycjy xarsaxaqjtj, ro y ccldSya ccoixrjrog iaziy; 
**) Vit. X orat. p. 341. 



9 

Auch noch andere Zeugnisse hätte, soweit wir jetzt urteilen 
können, der gelehrte Kritiker des 2. Jahrhunderts v. Chr, anführen 
können, z. B. das des Pia ton, der in den Gesetzen (p. 682) daron 
spricht, dass die Ächaeer nach zehnjähriger Belagerung Troia 
vollständig vernichteten {ävdararov inolri<fav) oder des 
Eedners Isokrates, der denselben Ausdruck gebraucht hat*), 
oder endlich des Timaios (s. unten S. 14) ganz abgesehen von 
dem negativen Zeugnis der angesehensten Autoren, wie Hero- 
dotos und Thukydides, die im Eingang ihrer Werke die Zer- 
störung Troias erwähnen, ohne irgendwie auf eine spätere Wieder- 
herstellung der Stadt hinzuweisen**). 

Wenn nun Demetrios behauptet, es gebe nur einen einzigen 
Autor, der dem Glauben der Ilienser an die Identität beider Städte 
beipflichte, nämlich den Hellanikos, so ist kein Grund vorhanden, 
die Richtigkeit dieser Angabe zu bezweifeln und etwa vorauszu- 
setzen, dass auch noch andre, uns nicht mehr erhaltene Autoren 
jenen Glauben geteilt hätten. 

Mit dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit des Hellanikos 
aber steht es bekanntermassen sehr bedenklich. Demetrios selber 
deutet bei dieser Gelegenheit an, dass, wenn hier den Iliensern 
zu Gefallen die Identität anerkannt werde, solche unwissenschaft- 
liche Liebedienerei ganz der Gewohnheit des Hellanikos ent- 
spreche***). Auch von Anderen wird ihm Leichtfertigkeit und 
Vorliebe für Fabeleien und Erdichtungen zum Vorwurf gemacht t). 
Er ist in dieser Hinsicht der richtige Repräsentant der kritiklosen, 
nach Popularität haschenden Logographen. Seine Neigung, Local- 
sagen (za inixdqia) in kritikloser Weise anzunehmen und vor 



*) Isocrat. paneg. p. 181. xal xovg fjily negl ta T^wtx« y^vofxivovs fjiias 
yvvciMog ctqnaad-Bicris ovt(os anavtag avyoQyia-9'tjucci, rolg d&ixrj&eicip äore fAti 

TtQoTSQov navaaad-ui noXifjiovvrast nqlv rriv noXiv ayaeraroy inoifjöay . 

**) Mahaffy bei Schliemann Ilios S. 764 fragt: „Aber warum konnte 
er [Demetrios] nicht für die entgegengesetzte Meinung eine ebenso alte und 
ansehnliche Autorität [wie Hellanikos] anführen ?" Die Nichtigkeit dieses 
Einwandes liegt doch auf der Hand. 

*♦♦) Strahl p. 602. "EXXayixog «ff /«^eCo/w«"®^ ^ötf 'iXuvaty , olog 
^xeiyov d-vfjLog, avyfjyoQtl t6 rrjy avrrjy elycci noXiy T^y yvy t^ rote» 

t) Strab. X p 451. 'EXXdyixog nXeiatijy Evxiqeiav imSeatyv- 

fiiyog ky ndarj a/edoy ri rj yQa(py. — XI p, 508. Thuc. I 97. Sopat bei 
Phot. cod. 161. 72. Hellan. fr. ed. Sturz p. 16. 9. — Thuc. I 21. Dionys. 
iud, de Thuc. c. 5. 11. Das Lob des Dionys. I 48, die Aineiassage betr. 
ist hier ohne Bedeutung. 



10 

der anderweitigen üeberliefenmg zu bevorzugen, ist genügend be- 
kannt. Eb wird sieh aber im weiteren Verlauf dieser Darstellmig 
zeigen, dass im vorliegenden Fall aueh die politischen Verhält- 
nisse die Parteinahme des Helianikos fftr die üienser von vorn- 
herein erklärUch erscheinen lassen. 

In welcher Form Helianikos in seinen TQooixd für die nienser 
Zeugnis ablegte, ist nicht genau zu ermitteln; wir besitzen nur 
die kurze Andeutung Strabons. Keinesfalls kann dieses Zeugnis 
so gelautet haben, wie Herr Schliemann (Hios S. 191. 193) seine 
Leser glauben machen möchte. Denn dass Helianikos nicht dafKr 
eingetreten ist, dass Aineias in dem nicht völlig zerstörten, resp. 
„wiederaufgebauten Troia" geherrscht habe, lehrt der einfache 
Umstand'''), dass Helianikos in seiner „Chronik der argivischen 
Herapriesterinnen'' als unser ältester Gewährsmann der römi- 
schen Aineiassage auftritt Er lässt den Aineias zusammen 
mit Odysseus aus dem Lande derMolosser nach Italien wan- 
dern und die Stadt — „Rom" gründen! Freilich kann Helia- 
nikos, genau genommen, überhaupt nur als Berichterstatter über 
die bei den Hiensem gangbare Legende gelten (Dion. de Thuc. 5, 3), 
nicht als denkender, kritisch abwägender Gewährsmann, wie es 
nach dem Zeugnis des Strabon z. B. Demetrios war. 

Demetrios, aus Skepsis, einem Nachbarorte Ilions, ge- 
bürtig, schrieb in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr. ein Werk 
von 30 Büchern, den TqoDixdg Siaxocffiog, in dem er mit einem 
ungewöhnlichen Aufwand von Gelehrsamkeit und Scharfsinn unter 
anderm die ethnographischen und topographischen Verhältnisse 
der Ilias, insbesondere auch die Frage nach der Lage Troias, 
eingehend behandelte. Die Glaubwürdigkeit dieses Forsehers, der 
den besten wissenschaftlichen Autoren der späteren* Zeit als Quelle 
diente, anzuzweifeln, ist gänzlich unberechtigt **). Greradezu frivol 



*) Dionys. Hai. I 72 (vgl. 22). Schwegler Rom. Gesch. I S. 303 f. 
**) Einen fast unbegreiflichen Angriff hat neuerdings B. Hercher 
(,,Vier homerische Flüsse") gegen Demetrios ausgeführt. Mit der ihm eigen- 
tümlichen Phraseologie wirft er dem hochachtbaren Gelehrten ungefähr 
sieben Seiten hindurch .^willkürliche Erfindungen", ,,Lttgen", „Phantaste- 
reien" und „Schwindeleien" vor und meint, dass es ihm ,,auf eine Hand 
voll Lügen nicht ankam'S während er drei Seiten weiter ganz unbefangen 
erkl&rt: „Man darf voraussetzen, dass Demetrios, ein Mann, der in 
der Gegend von Troas Bescheid wusste, auch die Küste des Hellespontes 
zwischen Dardanos und Abydos begangen und besichtigt haben wird u. s. w." 
— und: „Ich kann nicht glauben, dass Demetrios aus purer Lust am 



11 

aber erseheint der Versuch seinen Charakter zu verdächtigen*). 
Die Befähigung des Demetrios zu einem endgültigen Urteil über 

AnderswiBsen oder weil er zur höheren Ehre seiner Vaterstadt Skepsis die 
Quellen der vier Flüsse in der Umgegend derselben vereinigen wollte, sich 
habe verführen lassen, der Wahrheit ins Gesicht zn schla- 
gen u, s. w." Das Sprüchwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" 
hat auch auf dem Gebiete einer gesunden wissenschaftlichen Kritik seine 
Geltung* Indessen hat der Vorwurf der Lüge in Herchers Munde jede Gel- 
tung verloren, seitdem in den letzten Schriften dieses verdienstvollen Ge- 
lehrten leider eine wahre Manie zu Tage getreten ist, überall „Lügen*' und 
^»Entstellungen'' zu wittern. Wir würden die ganze Sache schon darum 

(Forteetsnng b. nächBte Seite.) 

*) Nachdem bereits Grote Gesch. Griechenlands I S. 227 d. üeb. die 
Andeutung gemacht, dass nach dem Emporblühen Neu-Ilions },von den die 
Stadt umgebenden Nachbarn in Skepsis und Alexandreia Troas — teils, 
wie man annehmen kann, aus Eifersucht, teils aus der zeitgemässen 

Neigung zur Kritik und Erläuterung der alten Dichter ein Schlag 

auf die mythische Legitimität der Stadt Ilion versucht" worden und Deme- 
trios „einer der fleissigsten Kritiker des Homer*' und Hestiaia ihre „er- 
schreckende Theorie" aufgestellt hätten, — war es Herrn Schliemann vor- 
behalten, diese mass volle Andeutung des englischen Historikers in folgende 
energische Anklageformel zu bringen (Ilios S. 193): „Auch scheint dies 
[d. i. die Leugnung der Beweise für die Identität] in der That niemand 
gethan zu haben mit Ausnahme des Demetrios von Skepsis und der Hestiaia 
von Alexandreia Troas, die aus blosser Eifersucht und Missgunst 
die allgemein anerkannte Identität bestritten". (Vergl. S. 237 u. Ö.). 

Noch intensiver tritt die Feindseligkeit gegen den alten Kritiker bei 
dem Mitarbeiter Schliemanns, Professor J. P. Mahaffy, zu Tage. Er 
spricht nicht nur mit Geringschätzung von einem „gewissen" Demetrios und 
von der „gelehrten Dame" Hestiaia, sondern fasst auch sein Urteil folgen- 
dermassen zusammen: „Die Beweisführung des Demetrios ist rein die 
eines missgünstigen Pedanten, der die Hier um ihres jungen 
Glückes willen hasste, und der mit antiquarischen Gründen das An- 
sehen, dessen sie sich erfreuten, herabzusetzen bemüht war!" (Ilios 
S. 765). Wie alsdann diese Verdächtigungen durch den bekannten Apparat 
der Publicistik unter die grosse Menge gebracht wurden, ist wohl noch 
frisch in Jedermanns Erinnerung. Besondere Verdienste hat sich in dieser 
Bichtung Herr A. Milohhöfer erworben. Sein Urteil über Demetrios und 
Hestiaia (Nord und Süd von P. Lindau XXL B. 1882 S. 71) bildet ein 
passendes Seitenstück zu der Auffassung Mahaffys. Zur richtigen Würdi- 
gung des Demetrios hat ausser den schon früher („Alt-Ilion" S. 26 f. 95 f. 
„Zur Lösung etc." S. 32) Angeführten sowie Th. Bergk Griech. Literatur- 
gesch. I S. 784 neuerdings beigetragen: Gaede Demetrii Scepsii quae sup. 
disB. Greifswald 1880. Sodann ein Aufsatz in der Edinburg. Bev. 1881 n. 
314 S. 542 f. (hebt besonders die „Absurdität" jener Anklage hervor). 
Ebenso Jebb Homeric and Hellenic Ilium. Hellenic studies 1881 vol. II 
p. 36, vergl. das oben im Vorwort Angeführte. 



12 



die schwierigen Fragen der troieehen Topographie muss am bo 
grösser gewesen sein, da er ein Landeskind war und in der Um- 



unerwähnt gelassen haben, wenn nicht erst kürzlich diese „Homerischen 
AnfsStze'* (Berlin 1881) der Beachtung des Publicums wieder besonders 
empfohlen worden wären. Der willkürliche Versuch Herchers, den Simoeis 
aus der homerischen Landschaft zu „eliminieren'% weil er angeblich erst 
von einem (vorhesiodischen) Nachdichter in dieselbe y,hineingelogen'' sei, 
hat natürlich wenig Anklang gefunden und ist von zuständiger Seite mit 
Recht als ein „Akt baarster Willkür'* bezeichnet worden. Nicht minder 
ungerechtfertigt ist sein Angriff gegen die ,|Vier homerischen Flüsse'* (BhetfoB, 
Heptaporos, Karesos und Bhodios IL XII 20), die ebenfalls „eliminiert*' 
werden sollen, weil Hercher zuerst ganz willkürlich voraussetzt, alle acht 
an jener Stelle genannten Flüsse müssten dein Wortlaut nach als gleich- 
gross und gleich mächtig angesehen werden (was natürlich ein Un- 
ding ist) und weil er dann in der Landschaft keine solche acht gleichgrosse 
Flüsse vorfindet. Hercher entnimmt eine Hauptwaffe dem Abschnitt des 
Strabon (p. 602 f.) , der von den homerischen Flüssen der Troas handelt 
und grösstenteils Angaben des Demetrios enthält. Da hier nun manche 
wirkliche oder scheinbare Widersprüche und Unklarheiten vorliegen, so 
muss Demetrios — ein „Lügner^' sein. Auch Strabon freilich ist einmal 
ähnlich gegen den Mann losgefahren, dem er sonst so unbedingtes Ver- 
trauen schenkt. Aber er fügte sofort an seinen Tadel ein schwerwiegendes 
Vertrauensvotum an (raXXa de vnoXa/idßäyofiey, $ ra ye nXtlara, öbIv nqos- 
iX^iy fof dp^Qi ifjmsigq} tcal iyTonl^ q>Qoyri(tayri re roaovroy ne^l rovroir 
xrX.), was Hercher unerwähnt lässt. Und doch ist Demetrios ganz 
unschuldig an der Gereiztheit sowohl seines antiken wie seines modernen 
Tadlers. Dass des Demetrios* Angaben nur teilweise wörtlich und authen- 
tisch bei Strabon vorliegen, hat Hercher selber betont. Dass aber ausser- 
dem Strabon auch nur Excerpte aus Demetrios, die er bei Apollodoros 
oder sonstwo vorfand, und nicht den TQmxos^ diaxotffAog selber vor Augen 
gehabt habe, ist ziemlich wahrscheinlich (B. Niese im Rh. Mus. XXII 
S. 279 ff. 297)« Miss Verständnisse sind daher von vornherein sehr erklärlich. 
Ich habe in einer früheren Schrift (Alt-Ilion S. 47. 135 ff. 84 f. 144) auf 
die hauptsächlichsten Gründe der Verwirrung und Unklarheiten in jenem 
Abschnitt Strabons hingewiesen, namentlich auch darauf, dass Strabon die 
Angaben des Demetrios über die homerische Troas mit den Nachrichten 
über Aiolis zusammenwirft. Schon bei den ältesten Autoren herrschte diese 
Confusion; Strabon klagt ausdrücklich über die häufige Verwechslung der 
Grenzen beider Landschaften. Viele homerische Ortsnamen der Troas waren 
nämlich von den aiolischen Ansiedlem (wie wir weiter unten noch aus- 
führen werden) auf die umfassendere Landschaft Aiolis übertragen worden, 
so z. B. der Name Aisepos. Der nicht unbedeutende historische Fluss 
Aisepos kann aber schlechterdings nicht identisch sein mit dem homeri- 
schen Aisepos, den Demetrios in der Nähe von Alt -Skepsis nachwies, 
das wiederum seitwärts von dem oberen Menderes lag. Der historische 
Aisepos und Granikos können gewiss nicht als Wassergräben (px^toi) be- 



13 

gebung Ilions sozusagen jeden Weg und Steg von Jugend auf 
kannte {äviiQ ivvomog). Hätten wir die einschlägige Partie seines 
Werkes unversehrt erhalten, so wäre die ganze Frage sofort ent- 
schieden. Die UnyoUständigkeit und Lückenhaftigkeit der von 
Strabon überlieferten Excerpte aus jenem Werk rerm-sacht jedoch 
manche Schwierigkeiten. Indessen ist man in neuerer Zeit von 
verschiedenen Seiten her bemüht gewesen, den hohen Wert dieses 
vortrefflichen Gewährsmannes zu der verdienten Anerkennung zu 
bringen. 

Schon vor Demetrios hatte die gelehrte Hestiaia von Ale- 
xandreia Troas darauf hingewiesen, dass die Ebene vor Neu - Ilion 
zwischen ßhoiteion und Sigeion nicht der homerische Kampfjplatz 
gewesen sein könne, da in früherer Zeit das Meer noch tief in 
dieselbe eingeschnitten habe und also jener Stadt ziemlich nahe 
gekommen sei. 

Demetrios, der sich ihren Ausführungen anschloss, kam nun 
auf Grund seiner Studien und Localforschungen zu folgender Auf- 
fassung : 

Neu - Ilion ist nicht identisch mit dem homerischen Troia. Die 
gegenteilige Behauptung der Ilienser ist eine eitle Anmassung*), 
die mit den Localschilderungen Homers, mit der Ansicht aller 
nachhomerischen Autoren (Hellanikos ausgenommen), ja mit den 
noch gebräuchlichen Ortsbezeichnungen in der Umgebung Ilions 
in völligem Widerspruch steht. Auch die damit zusammenhängende 
Behauptung der Ilienser, dass Troia von den Hellenen nicht voll- 

zeichnet werden, wie Demetrios die homerischen Flüsschen nennt Bei 
Plinins (V 124) hat sich ja auch deutlich die Scheidung zwischen dem 
historischen Skamander und dem homerischen Xanthns Simoenti innctus 
erhalten. Bei Strabon lässt sie sich andeutungsweise erkennen. Wie bei 
den Flüssen war es anch bei mehreren Städtenamen: Polichne, Neakome, 
Argyria, Alype sind nicht am historischen Aisepos, sondern zwischen dem 
oberen Menderes und dem Dardanellenbach (homerischer Aisepos) zn suchen. 
Demetrios versteht nnter „Troas** ein viel engeres Grebiet als Strabon. 
Seine Localforschnng erstreckte sich anf den kleinen Baum, anf die Miniatnr- 
verhältnisse der eigentlichen Troas nordöstlich bis Abydos, Strabon 
aber las die Angaben seiner Excerpte stets durch das YergrOssemngs- 
glas der willkürlichen Ortsbenennungen der Aioler. Daher seine Unklar- 
heit und seine plötzliche Glereiztheit gegen Demetrios (p. 603). 

*) Strab. p. 593. ot &e vvv 'IXuh (piXodo^ovvreg xal &iXovTig elvai javjtiv 
Tfiv TtaXaidr 7ra^c<r;|f^xa(rt Xoyoy rolf ix r^g 'OfAriqov Tfoirjaetog rex/jtcuQOfiiyoig. 
— p. 600. Uyovai <f* ot vvv 'IXuli; xai rovro fog ovdk reXioi^ ^g>ayia&ai avr- 
ißaty£y jriv noXiv xrA. 



14 

ständig zerstört und yon seinen Bewohnern zu keiner Zeit gänz- 
lich verlassen worden wäre, ist unrichtige Die Berufung auf die 
jährliche Opfersendung der Lokrer nach dem Athenetempel von 
Neu-Ilion [auf die wir weiter unten zurückkommen] ist durchaus 
nicht beweiskräftig. 

Die wirkliche Baustelle Troias {r^g aq%aiag noksiog) 
befindet sich yielmehr östlich von Neu-Ilion in einer 
Entfernung von 30 Stadien (= IV2 Stunden), da wo das 
Dorf der Hier liegt [bei dem heutigen Dttmbrek-kjöi]*). 
Allerdings sind hier keine Trümmer mehr vorhanden; denn die 
Zerstörung der Stadt war eine gründliche gewesen (zo^vriig ix 
ßd&Qiov ävaTstQafifiivfjg) und die Bausteine wurden später zum 
Aufbau der Nachbarstädte weggeschleppt Von Archaianax yon 
Mitylene wird z. B. ausdrücklich berichtet, daes er Steine des 
alten Troia bei dem Bau der Stadt Sigeion verwandt habe. Wenn 
aber Timaios berichtete, dass auch Periandros bei der Gründung 
des Ortes Achilleion solche Steine verwendet habe, so zeigte sieh, 
wie Demetrios hervorhebt, bei genauerer Untersuchung diese An- 
gabe nicht begründet ^'^). [Jedenfalls geht doch aus dieser Stelle 
deutlich hervor, dass auch Timaios an die völlige Zerstörung 
Troias glaubte.] 

Nachgrabungen in modernem Stil hat Demetrios auf der 
Stätte Troias beim Dorfe der Hier natürlich nicht angestellt***). 



*) Strab. p, 597 ^ rdiy 'IXiitoy xoifiij, Ip ^ po fiiC^tai ro nnXtaov^Tkuiv 
IdQia&ai n^oTSQoy. Dass es sich hierbei nicht nm eine subjective Ver- 
mutung des Demetrios handelt, lehrt der Ausdruck yofxiCetai, Dies eine 
wortchen widerlegt, wie jeder philologisch geschalte Leser bemerken wird, 
alle Anschuldigungen, die man gegen Demetrios erhoben hat. 

**) Strab. p. 597— -604 gibt im wesentlichen Fragmente aus dem Werk 
des Demetrios, die sich auf die Lage des homerischen Troia beziehen. In- 
dessen sind diese Notizen weder erschöpfend noch auch unversehrt über- 
liefert. 

***) Hinsichtlich des Yerschwindens der Banreste Troias macht lELert 
Schliemann (Uios S. 202) folgende höchst seltsame Einwendung gegen De- 
metrins: „Unbegründet ist die Angabe des Demetrios, Troia sei spurlos 
verschwunden, da man seine Steine zum Wiederaufbau anderer Städte, be- 
sonders für die Mauern von Sigeion, verwendet habe. Wenn, wie ich zu 
beweisen ho£fe, Hissarlik die Lage Troias bezeichnet, so lagen, 
als Sigeion im 7. Jahrh. v. Chr. erbaut wurde, die trojanischen Mauern 
bereits über 20 Fuss tief unter der Oberfläche des Bodens begraben, und 
da man über dem Boden keine Spuren der alten Stadt mehr sah, so glaubten 
natürlich die Leute, dass selbst die Ruinen gänzlich verschwunden wären; 



15 

Dagegen hat er, unter Bezugnahme auf die noch damals ge- 
bräuchlichen Namen der Landmarken, gezeigt, dass der ErineoB, 
die Batieia, die Buche, das Grabmal des Ilos, die Kallikolone sich 
in der Nähe dieser Stätte, also ziemlich weit von Neu-Ilion, 
befänden, während andrerseits die Lage des Aisyetesgrabes und 
des Schiffslagers wegen allzugrosser Nähe belNeu-Ilion deutlich 
gegen dieses, aber fELr die Gregend beim Dorfe der liier spreche. 

Von besonderer Wichtigkeit aber war es, dass er bei diesem 
Dorfe die Stelle der von Homer geschilderten, schdngefassten 
beiden Quellen nachweisen konnte, in deren Nähe Hektor von 
Achilleus erlegt wurde (IL XXII 147 ff.). Die eine von ihnen, 
die heisse, war freilich mittlerweile in Folge von Erdbeben ver- 
siegt; die andre aber, die eiskalte, war damals noch vorhanden^). 
Auch heutzutage findet sich bei Dümbrek-kjöi nahe am Flusse, 
vde zuverlässige Messungen ergeben haben, die kälteste Quelle 
der ganzen Troade (12o C), und da hier zugleich die einzige Spur 
von vulkanischem Boden innerhalb der Ebene zu Tage tritt, so 
ist die Möglichkeit eines Ausbleibens der heissen Quelle in Folge 
von Erdbeben, von denen das Land auch jetzt noch sehr oft 
heimgesucht wird, von vornherein zulässig. 

Da aber Demetrios auch die Formation der die Eampfesebene 
umschliessenden und ihren oberen Teil in zwei Thäler scheidenden 
Höhenzüge sehr anschaulich geschildert hat, so kann kaum noch 
ein Zweifel darüber aufkommen, dass er das Dümbrekthal für 
den eigentlichen Schauplatz, für das idiov Tqanxov^ den DUmbrek 
also und den Erenkjöibach , die sich vor Neu-Hion vereinigten, 
für die homerischen Flüsse Skamandros und Simoeis an- 
gesehen hat**). 



etiam pariere rninae." — Demetrios berichtet beiläufig, dass auf der (30 
Stadien von Nea-llion [Hissarlik] entfernten) Baufitätte Troias keine 
Trümmer übrig wären, Schliemann bezeichnet dies als „unbegründet'', weil 
er selber im Hügel von Hissarlik, den er für die Stätte Troias hält, Ban- 
reste ausgegraben hat Der Zweck dieses Einwandes ist nns durchaus un- 
verständlich geblieben. 

*) Strab. p. 602 ; vgl p. 58. — Zur Lösung der troj. Fr. S. 95 f. 
*'*') Dass der Erenkjöibach ganz gut dem unbedeutenden Gewässer ent- 
spricht, welches Homer mit dem Namen Simoeis bezeichnet, ist eine That- 
sache, gegen die sich absolut nichts Stichhaltiges einwenden lässt. Den 
Dttmbrek als Skamander hat man nun für unmöglich erklärt, hauptsächlich 
weil er zu klein sei. Um dies plausibler zu machen, hat man ihm 
seinen unteren Lauf, von Hissarlik an, abschneiden und ihn so zu einem 



16 

Auf diesen Schauplatz passen aber auch yersohiedene An- 
gaben anderer Autoren, so z. B. die Unterscheidung; die Plinius 



Nebenfltisschen des Ealifatli-asmak degradieren wollen. Ich habe indessen 
diesen Versuch mit bis jetzt unwiderlegten Gründen entschieden zarilck- 
gewiesen (Zar Lösung der tr. Fr. S* 65 ff.). Der Kalifatli-asmak existiert 
gar nicht als wirklicher Fluss ; am allerwenigsten kann er, im Hinblick auf 
Homers Angaben, den Skamander repräsentieren. Da aber auch der heutige 
Menderes eingestandenermassen nicht in die homerische Landschaft passt, 
so bleibt doch nur der Dttmbrek als der eigentliche homerische Flnss tibrig. 

Der Dttmbrek aber ist in seinem oberen Lauf allerdings nnr ein starker 
Oebirgsbach und erscheint in Folge der Anschwemmungen und der Ver- 
snmpfang des Bodens sowie der Ableitung einiger Mühlgräben auch im 
mittleren Teil des Thaies jetzt nicht sehr bedeutend. Ja, er teilt sich schon 
vor jenem Sumpfe in mehrere Arme. Am Ende desselben aber, dicht vor 
Hissarlik, steht er — zur Ueberraschung seiner Verächter — plötzlich als 
„grosser, breiter, vielfach gewundener Stromlauf mit steilen, 6—8 Fuss 
hohen Ufern da, dessen Bett freilich durch viele Inseln unterbrochen, aber 
stellenweise doch recht tief ist/* Und von da bis zur EUste ist seine 
relative Stattlichkeit noch von Niemand angefochten worden. Nichts hindert 
uns aber anzunehmen, dass er ehedem, bevor in Folge der ausserordent- 
lichen Vernachlässigung des Bodens die Sumpfbildung eingetreten ist, auch 
im mittleren Teil des Thaies von > ähnlicher Beschaffenheit gewesen sei. 
Nach jener Wiederauferstehung und nachdem er seitlich die trägen Ge- 
wässer des Kalifatli-asmak aufgenommen hat, wendet sich dann der „Berg- 
strom^* dem Hellespont zu und mündet in einiger Entfernung vom Menderes 
in die Lagunen. Bezeichnend für den Dttmbrek sind aber die schnelle 
Strömung und das kleine und grosse Geröll auf seinem Boden (daher denn 
auch (fcvffcts*), und sodann die hohen, steilen, vielfach unterwaschenen Ufer 
mit ihrer auffallend reichen Vegetation von Tamariskenstrauchwerk und 
Vitex Agnus castus, von Weiden, Ulmen und Platanen, durchzogen von 
Brombeeren, Weinreben und anderen Schlinggewächsen, was alles vortreff- 
lich zur homerischen Schilderung passt. Als echtes Bergwasser, reissend 
und geröllführend, ist er von den meisten Besuchern charakterisiert 
worden, und mit alledem stimmen fast sämmtliche Beiwörter bei Homer, 
welche ihn durchaus nicht als ein „ungeheures Gewässer^^ erscheinen lassen, 
wie kürzlich ganz willkürlich behauptet wurde. 

Die relative Kleinheit des Dttmbrek ist aber auch in der vorliegenden 
Frage von keiner Bedeutung. Schon im Altertum hatte man von dem 
homerischen Skamander eine geringe Vorstellung. Der „kleine Skamander", 
der „im Sande dahinschleichende Bach^' oder der ,>vertrocknende Xanthus", 
ein Fluss „nicht viel grösser als ein Wassergraben'^ das sind die charak- 
teristischen Bezeichnungen, die ihm die alten Autoren beilegen (s. Zur Lö- 
sung d. tr. Fr. S. 71). Man wusste also recht wohl, dass er stellenweise 
ein „Bach** war, „durch den man, ohne sich die Stiefel ausziehen zu müssen, 
durchgehen kann'S wie es neuerdings bezeichnet wurde. Dass erst Homer 
mit dichterischer Freiheit ihn zu etwas Besonderem gemacht habe, nament- 



17 

(n. h. y 124) zwischen dem bei Sigeion mündenden Sc am an der 
amnis navigabilis [Menderes] und dem Xanthus Simoenti 
iunctus oder Palaescamander [Dümbrek] macht Femer die Lage 
des Hektorgrabes und des Hektorhaines bei Ophrynion am N o r d - 
ostende des Dümbrekthales ^). Ebenso die Lage des Hos- 
grabes im Thale des historischen Simoeis [Dttmbrek] **). 

Dass jenes Kampfterrain im Dtlmbrekthal verhältnismässig 
klein ist, thut wenig zur Sache. Immerhin ist es noch unendlich 
viel grösser als das zwischen Hissarlik, Kalifatli - asmak und dem 
Dümbrek -SU gelegene Stückchen Land, das nach Schliemanns 
Theorie den Kampfplatz bildete. Ueberhaupt ist es seltsam, wenn 
dieselben Leute, die an dem minutiösen Umfang des Schliemann- 



lich in der Scene des Kampfes gegen Achillens, wo er plötzlich als ge- 
waltiges Element anftritt, nahm man schon im Altertum an (Philostr. her. 
ed. K. p. 201 sq. Propert. IV 1, 23 sq.). Euer vor allem ist dem Dichter 
Rechnung zu tragen und darf nicht mit Messstange nnd Senkblei ihm 
nachgerechnet werden. Die Alten fanden durchaus nichts Auffallendes in 
solchen unerwarteten Metamorphosen. 

Philostratos (heroic. p. 152) erzählt die Geschichte von einem jungen 
Eeisenden aus Assyrien, der bei der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten 
in Neu-Ilion sich verschiedene unmotivierte Aeusserungen über Hektor er- 
laubt hatte, und der darauf dicht vor der Stadt von einem kleinen namen- 
losen Gewässer, das plötzlich anschwoll {nojafxog ovtta ß^a^vg, tag fjtriS' 
ovofAa avxov kv 7]9oe^ iivai, fiiyag Ix fxixgov ai^€rai) , auf Befehl des ge- 
wappnet erscheinenden Heroen erfasst und sammt seinem Gespann zer- 
malmt wurde, so dass man nicht einmal mehr seinen Leichnam fand. Ein 
vortreffliches Seitenstück zu der homerischen Scene (II. XXIj und zugleich 
ein Beweis, wie die wundergläubige, dichtende Phantasie aus kleinen Ur- 
sachen grosse Wirkungen hervorgehen lässt. 

Von besonderer Bedeutung ist es übrigens, dass der Dümbrek -Ska- 
mandros, den Voraussetzungen Homers entsprechend, den Kampfplatz 
zwischen der Stadt und dem am Rhoiteion (genauer an dem crofxa fxaxQor 
des Jntepe) befindlichen Schiffslager nirgends durchschneidet, sondern nur 
auf der linken Seite begrenzt. Homer erwähnt dreimal eine Furt, aber 
nirgends ein Ueberschreiten des Flusses (s. „Zur Lösung^^ S. 55). Und 
doch war vielfach Gelegenheit, ja Nötigung, dies zu erwähnen. (So im 
III. Ges., wo der Herold und Phamos zum Heere gehen ; im VU. Rückmarsch 
der Achaier, Idaeos geht hin und her; im YIU. Hektor nahe dem Lager, 
Lagerfeuerscene ; im IX. Flucht der Troer, später der Achaeer, dann wieder 
der Troer u. so öfter). Der Fluss bildete offenbar kein Verkehrshindernis 
zwischen Stadt und Lager. (Anders Christ Die sachlichen Widersprüche 
der Uias S. 144 ff., dessen Darlegung uns nicht überzeugend erscheint). 

*) Strab. p. 595. Lycophr. Alex. 1208. 

**) Theoer. id. 16, 73. 

Brentano Troia und Neu-IUon. 2 



18 

sehen Troia keinen Anstoss nehmen, weil eben Homer dichteriseli 
übertrieben habe, in der Frage des Eampfterrains sich auf die 
aagenscheinlich übertriebenen Zahlenangaben nnseres jetzigen Ho- 
mertextes betreffs der kämpfenden Trappen bemfen, um ein sehr 
grosses Terrain postulieren zu können. Der Kern der Ilias, der 
ursprüngliche Homer, hatte auch hier ohne Zweifel weit massigere 
Angaben. Und selbst dieser Homer konnte an der ihm vorlie- 
genden Tradition bereits das Privilegium der dichterischen Aus- 
schmückung in Anwendung gebracht haben. 

Der Ansicht des Demetrios schloss sich namentlich S traben 
(geb. 66 oder 58 y. Chr.) an. Ihm verdanken wir, wie bereits 
erwähnt, die wichtigen Mitteilungen aus dem Wei^e des Demetrios 
(Tqtoixdg d&dxo<ffiqg). Leider sind dieselben in dem uns über- 
lieferten Text des Strabon nicht allein sehr fragmentarisch und 
im einzelnen vielfach entstellt, sondern es kommt auch noch dazu, 
dass Strabon die Angaben des Demetrios teilweise missverstanden 
hat Daher die vielen Schwierigkeiten für die modernen Beurteiler. 

Nun entsteht noch die Frage: Hat sich nach der Zeit des 
Demetrios, als Neu-Ilion durch den Schutz der Bömer zu Macht 
und Ansehen gelangt war, nicht doch eine Auffassung unter den 
Autoren geltend gemacht, die mit der des Demetrios im Wider- 
spruch stand? 

Auf der einen Seite erscheint allerdings die Verehrung der 
Bömer für das Atheneheiligtum mit seinem Palladion und son- 
stigen Heiligtümern aus uralter Zeit sowie mit seinen an Troia 
anknüpfenden Traditionen fast als eine unbegrenzte, und diese Ver- 
ehrung liess sich durch kritische Betrachtungen nicht irre machen. 
Andrerseits finden sich aber bis in die späteren Perioden des Alter- 
tums sehr bedeutsame Stimmen, die von der Verödung der ur- 
sprünglichen Baustelle reden, und ebenso Stellen, aus denen die 
Nichtidentität von Troia und Neu-Ilion deutlich hervorgeht 

Zu den letzteren gehört, um mit den griechischen Autoren zu 
beginnen, zunächst die Erzählung des D i o d o r o s (IV 32) von der 
Eroberung Troias durch Herakles. Sie enthält freilich nur einen 
indirecten Hinweis, darf aber deshalb nicht ganz übergangen werden. 

Nachdem Herakles ah der troischen Küste gelandet war, 
rückte er selber mit den Tapfersten seiner Leute gegen die Stadt, 
während er den Oikles, den Sohn des Amphiaraos, als Befehlshaber 
bei den Schiffen zurückliess. Der König Laomedon, durch die uner- 
wartete Ankunft der Feinde überrascht, raffte schleunigst zusammen, 



19 

was im Augenblick an Truppen yorhanden war, und zog hinab 
an den Strand, um die Flotte anzuzünden. Er besiegte auch den 
Oikles und tötete ihn, die Schiffe aber entkamen auf das hohe 
Meer. Mittlerweile war Herakles unbemerkt vor Troia gerückt. 
Erst auf der BQckkehr traf der König mit der von Herakles 
befehligten Abteilung dicht yor der Stadt zusammen und fand 
dort im Kampfe den Tod. 

Die Localanschauung, die diesem Bericht zu gründe liegt, ist 
nicht wohl vereinbar mit der Lage Ilions auf Hissarlik dicht an 
der Küste; sie weist vielmehr darauf hin, dass die homerische 
Stadt in einem Seitenthal zu suchen ist 

Ungleich wichtiger ist die Erwähnung Alt -Ilions bei Pau- 
sanias (X 33). 

Derselbe berichtet, dass zu seiner Zeit (Mitte des 2. Jahrh. 
n. Chr.) am Kephissos eine kleine Ansiedlung, Ledon genannt, 
existiere, deren Bewohner gleich denen von Panopeis am Pho- 
kischen Bunde teilnähmen. Die Ledontier hätten in Folge des 
Frevels eines ihrer Mitbürger, des Philomelos, ihren ursprüng- 
lichen Wohnsitz eingebüsst Die Trümmer der alten Stadt 
{Aäiovi;og vi^g aq%aiag) seien 40 Stadien weiter oben [im Ge- 
birge] noch vorhanden. 

Dann fährt er fort: 

„ Unersetzlichen Schaden haben aber auch andere Städte durch 
Vergehen von Eingeborenen erlitten; namentlich sind in voll- 
ständige Vernichtung {ig TsXiav ändkeiav) gestürzt worden: 
Ilion durch den von Paris an Menelaos verübten Frevel und 
Miletos in Folge seiner Nachgiebigkeit gegen die Bestrebungen 
des Histiaios u. s. w.^ 

Milet hat bekanntlich durch Xerxes eine ähnliche Zerstörung 
erfahren wie Troia durch Agamemnon. Nach Strabon ist aber 
die Baustelle des alten Milet (r ndlai MilfjTog) nicht identisch 
mit der späteren Stadt (r vijv noXig). 

Aus der Art nun, wie Pausanias neben Ledon und Milet auch 
Ilion anführt, ergiebt sich deutlich, dass er eine vollständige Ver- 
ödung der alten Baustelle voraussetzte^), mit anderen Worten, 



*) Hiermit stehen auch nicht im Widersprach die Stellen VIII 12^ 9 
und I 35, 4, die sich ans der herkömmlichen Art der officiellen Bezeich- 
nung der Sieger in Olympia (V 8, 11: AioUvs ix noUms Tq(^d6os) leicht 
erklären. 

2* 



20 

dass er ganz auf dem wissenschaftlichen Standpunkt des Deme- 
trios and Strabon stand*). 

Dasselbe gilt yon Lukianos, der in seinem Gharon (c. 23) 
den Hermes folgende Auskunft über die berühmtesten Städte der 
Vorzeit erteilen lässt: 

Ninive ist spurlos verschwunden. Babylon, mit Thürmen und 
Bingmauem wohl yerseheU; ist zwar noch vorhanden, bald aber 
wird man auch nach ihm erst suchen müssen. „Mjkenae aber 
und Eleonae schäme ich mich fast dir zu zeigen, ganz besonders 

aber Ilion. Ehedem waren es blühende Städte, jetzt 

sind sie tot; denn wie die Menschen so sterben auch die 
Städte u. s. w." 

Wer damals (d. i. im 2. Jahrh. n. Chr.), als Neu -Ilion mit 
seinem grossen Athenetempel, seinen sonstigen Heiligtümern und 
öffentlichen Gebäuden (Bathhaus, Theater u. s. w.) und seiner 
grossen Stadtmauer noch in voller Blüthe stand und alle erdenk- 
baren Auszeichnungen seitens der römischen Kaiser genoss, in 
dieser Weise über das homerische Ilion urteilte, der kann un- 
möglich beide für identisch gehalten haben. 

Dies gilt endlich auch noch von Euenos, der in einem 
Epigramm**) berichtet: 

„Die heilige Hios hat Feuersglut für immer zerstört'' 

Wie man überhaupt in wissenschaftlich gebildeten Kreisen 
über die Legende der Ilienser dachte, dafür besitzen wir noch ein 
lehrreiches Zeugnis. 

Der Bhetor Dion Ghrjsosthomos (Ende des 1. und Anf. 
des 2. Jahrh. n. Chr.) hat in seiner elften Bede, die an die Ilienser 
gerichtet ist und das Thema behandelt, „dass Troia gar nicht 
eingenommen worden sei,^ die einfältigen Prahlereien der 
Ilienser mit dem feinsten Spott gegeisselt. Indem er eine ernste 
Miene annimmt, sucht er den „Nachkommen der alten Trojaner^ 



*) Dabei ist zu beachten, dass Paosanias, indem er sich gegen den 
Ansprach der Argeier, dass sie das Palladion besässen (ayaXfda xelad-ai 
naqa afpiaiy ^Ad-riyas x6 ixxofiiad-ey l| 'IXiov %al aXtapai noi^aav *IXmv) wendet, 
ausdrücklich das in Rom befindliche Palladion, das die Einnahme Troias 
verursacht habe, für das ächte erklärt (II 23, 5): to fihy dij JTaXXd&ioy 

d^Xoy kcTiy ig 'ItaXlay xo/Äiad-ky vno Äiyelov. — Aehnlich schon 

früher Ovid. fast. VI 424: Pallada Borna tenet. 
**) Jacobs delectus epigr. graec. JX 7: 

^IXioy t^^y auayos ri(pQtj xarsS^^doxsy, 



21 

(vnhg yaq x&v vfierkqmv nqoyovfav ItsnovSaTca) klar zumachen, 
dass bei Anwendung einer methodischen, rein sachlichen Kritik 
allerdings aus den Gredichten des Homer deutlich hervorgehe, wie 
schwer dieser Dichter zum Nachteil der Ilienser gegen die Wahr- 
heit gesündigt und wie der Krieg in Wirklichkeit einen ganz 
andern Verlauf genommen habe, indem nicht die Griechen, son- 
dern die Troianer Sieger geblieben seien ! Nicht aus Gefälligkeit 
gegen die Ilienser {ov^ vfilv xagi^ofisvog — cf. Strab. p. 602) 
und auch nicht aus Aerger oder Neid gegen den ßuhm Homers 
wolle er die „Lügen^ desselben aufdecken, sondern „um der 
Wahrheit willen^ und besonders der Göttin Athene zulieb, damit 
sie nicht femer dafür angesehen werde, als habe sie ihre eigne 
Stadt ungerechterweise vernichtet Derartige Sarkasmen verwendet 
Dion in jener Sede vielfach. Kein Autor hat überhaupt die An- 
massungen Neu - Ilions mit einer solchen Lauge schärfsten Spottes 
Übergossen wie dieser in ganz Hellas und Kleinasien gefeierte 
Schönredner*). 

Auch Philostratos hat(zuAnfang des3. Jahrh.) in seinem um- 
fangreichen Dialog Heroikos keine Sympathien für die Ilienser ver- 
rathen. Er lässt den auf dem Chersonnes ortseingesessenen Winzer, 
der sich des stäten, intimen Verkehrs mit dem Heroen Protesilaos 
erfreut und aus dessen Munde mannichfaltige Einzelheiten aus dem 
Kampfe vor Troia und interessante Charakteristiken der alten 
Helden sowie des Homeros selber vernommen haben will, alle 
möglichen merkwürdigen Angaben über jene Ereignisse machen. 
Nur der Behauptung der Ilienser, dass sie das alte Troia bewohn- 
ten, dass die Stadt nicht vollständig zerstört sei u. s. w. u. s. w., 
hat er mit keiner Silbe gedacht, auch nicht bei dem Bericht über 
Aineias. Er erwähnt die Zerstörung Troias mehrmals in der her- 
gebrachten Weise. Ja, der Mjrthos von dem Vergehen des Aias 
gegen Kassandra, auf den die nienser ihre örtliche Legende recht 
eigentlich begründeten, wird von ihm in Uebereinstimmung mit 
Demetrios geradezu als ein Schwindel bezeichnet**). 



*) Schliemann Ilios S. 239 rechnet ihn, unter Berafang auf Grote, 
zu den Vertretern der Identitätstheorie. 

**) Philofitr. heroic, p. 175: tr^y &k KaadySgay anoanaaai fihy [flC. Toy 
Äiayta] ano xris 'A&tjyaff e^ovs ngoaxeifjiiyrjy rj ^£q> xai lx€T£vov<fay , ov firjy 
ßiacaad-ai yB ov(f' vßgicai eig avT^y, onoöa ol fjtvd-oi ks avroy x^ev^oytai, 
tctX. — Vergl. Strab. p, 600: xal xavxa d^ov^ 'Ofujqixa' ovdh yaq xrig 
KaadydQas (pd-o^dy olSey "OfAviqos ßiag dk ovdk ^ifxynxai xrA. — Eher 



22 

Allen diesen ZeugnisBen gegenüber kann aber doch die Stelle 
des Bhetor AriBtides (im 2. Jahrb. n. Chr.), auf die man mit 
Vorliebe hinweist, nicht ins Gewicht fallen*). Sie kann es um 
so weniger, wenn man sie in ihrem Zusammenhang auffasst Es 
handelt sich nämlich um eine Ermunterung der Bhodier zum 
Wiederaufbau ihrer zerstörten Stadt. Sie sollen den Muth nicht 
sinken lassen und freudig der Zukunft vertrauen, so gross auch 
ihr Verlust wäre. Wie viele Städte habe schon das Schicksal 
getroffen, nach Vernichtung ihrer Einwohner zu veröden oder zer- 
stört oder verbrannt zu werden. Um nur das Bekannteste aus- 
zuwählen, so müsse man bedenken, „dass Bios, die mächtigste 
unter den damaligen Städten Asiens, erobert worden, und doeh 
werde noch jetzt [ein] Ilios bewohnt (äXi^ ogitog olxstzai vvv 
^'iXiog) und es sei sogar, wie es heisse, zweimal eingenommen 
worden, erstlich von Herakles, sodann von den Hellenen in dem 
vielbesungenen Kriege. Einige aber behaupteten, auch zum dritten- 
mal in späteren Zeiten" [d. i. durch Gharidemos oder Fimbria] **). 

Der Zweck des Bedners erklärt zur Genüge die historische 
Ungenauigkeit Die Fortdauer des Namens, das Vor- 
handensein der Bewohner, die den ruhmvollen Namen Bions fort- 
führten, ist hier offenbar die Hauptsache, wie auch schon aus 
der Anwendung der dichterischen Form ^'iXiog hervorgeht 

Nicht viel mehr Bedeutung ist endlich gewissen Anspielungen 
später Autoren beizulegen, wie sie z.B. Polyaenos und Plut- 
archos***) bei der Erwähnung der Einnahme Neu -Bions durch 



könnten die Verteidiger der Identität sich auf die Stelle des Philostratos 
im Leben des Apollonios (IV 16, 3, vgl. dagegen V 26) berufen, wenn sie 
nicht gar zn allgemein gehalten wäre und mit der späteren Geschichte Nen- 
Ilions im Widersprach stünde. 

*) Aristid. rec. Dind. I p. 819: Ivd^^tUsd-ai x^h ^<^^ ^^ f^^ naXaitiy, 
— — — dXX* ovy noXXal d^ noXei^ at fihy avacxariav roSy ixovrtov avtag 
yepojuiytoy kqrifxi<j^ xareXvS'ijaay , at dh %axBC*aq>riaav, at de eyenQ^ad-rjüay' &y 
o<ra yy(o^if4(orttTa IxXiyoyxas iydv/isiüS'ai XQV *«* Xiysiy n^og vfiäs avxovs» 
ort l«Aai fjily ^IXiog, ^ dvyaTmraTtj rtay iy tj 'Äfflif noXis *a% exeiyovff rovs 
XQoyovg, aX^ o^tas oixeitai yvy ^Ihog, xal ravra Sig» m (paciy, aXovaa, 
ana^ fAsy vno "^ffQaxXiovg, &€vr€Qoy dk vno 'JEXX^ytoy xotyj rq> S'QvXovfAiy^ no- 
Xif4q}' (paal &i tiyeg xal rqiroy ey roXg xana xaigotg, 

**) Die letzten Worte: q>a(fl di riysg xtX. sind wohl ein späterer ge- 
lehrter Zusatz zu der Stelle des Ehetors. 

♦**) Polyaen. strateg. HI 14 , wo es am Schlüsse heisst: r^g noXsmg 
hxqaxricay, <a<tt€, ei XQ^ ^^ ^^^ naZ^ai, devtSQoy iaXo) ro ^Ihoy naXiy 
Xnn(jf xaratrtqaTrjyovfieyoy, Der Wortlant zeigt, wie wenig ernst der Autor 



•^' 



29 

Charidemos, femer A p p i a n oder Augustinus gelegentlich der 
Grewaltthat des Fimbria machen*). Der Name der Stadt ist hier 
stets der harmlose Anknüpfungspunkt Oder will man etwa auch das 
sarkastische Wort des Stratonikos**) über die Anwesenheit des 
Sophisten Satyros in Neu-Hion; „Immer hat doch Ilion Pech" 
(äel'lXiio %a'Kov\ zu einem gewichtigen Zeugnis für die Identität***) 
aufbauschen ? 

Bei den römischen Dichtern ist^ obwohl die Ilienser als 
angebliche Stammesgenossen und directe Abkömmlinge der alten 
Troer in Bom stets der herzlichsten Sympathie begegneten, durch- 
weg die Voraussetzung einer vollständigen Zerstörung der 
Priamosstadt vorherrschend; nirgends erscheint (abgesehen von 
einem Fragment des Ennius) eine Andeutung, dass Troia längere 
oder kürzere Zeit nach dem Kriege wieder auferstanden sei. 

Es ist kaum nötig, an so allgemein bekannte Schilderungen 
wie die des sagen- und antiquitätenkundigen Yergilius zu er- 
innern, der das dritte Buch der Aeneis mit den Worten einleitet : 
Postquam res Asiae Priamique evertere gentem 
Immeritam visum Superis ceciditque superbum 
nium et omnis humo fumat Neptunia Troia, 

Litora cum patriae lacrimans portusque relinquo 
Et campos, ubi Troia fuit. 
Nur auf eine Stelle f) mag wegen ihrer Aehnlichkeit mit der 

selber den Vergleich nahm. Der Nachdrnck liegt anf der komischen Pferde- 
geschichte. Vgl. Plüt. Sertor. I. Schon A. Boeckh C. I. Gr. I 3595 
bemerkt zu diesen Berichten: tertia Ilii expngnatio per iocum appellata. 
— Demosthenes erwähnt ganz kurz die Einnahme Ilions dnrch Ghari- 
demoB (in Aristocr. c. 154 p. 671): 'kapuiv 6\ nUnug *aX 6ovg okiyrnQ^aag 
Ttoy oQXtoy 9cal naqaßag avTovg dtpv^MXZfOP ovriov, (üff otv n^og tpiXov rtay iy 
T^ X*^Qff> xara^afißayei I^xtjijjiy xal Kiß^tjycc xal "iXioy, 

*) S. unten S. 59. — Ebenso Ennius (ann. XI 359 f. ed. V.) s. unten 
S, 57. _- *♦) Athen. VIÜ 350. 

**♦) Mit welchem Recht auch Stephanos Byz. und Suidas von 
Schliemann (Ilios S. 205) unter den Zeugen für die Identitätstheorie auf- 
gezählt werden, ist uns unverständlich geblieben, 
t) Verg. Aen. I 601 ff.: 

Non tibi T3mdaridis facies invisa Lacaenae, 
Culpatusve Paris, divom inclementia, divom 
Has evertit opes stemitque a culmine Troiam. 



Hie ubi disiectas moles avolsaque saxis 



24 

obenerwähnten Daratellung des Euripides noch besonders hin- 
gewiesen sein. Während des furchtbaren Zerstörungswerkes er- 
scheint dem noch unschlüssigen Aineias seine göttliche Mutter und 
bedeutet ihm, dass nicht Menschenwille, sondern der Zorn der 
Götter die Ursache der Vernichtung Troias ist (I 601 flf.). Sie 
lichtet das Dunkel, das den Blick des Sterblichen umfängt, und 
lässt ihn erkennen, wieNeptunus mitten unter gewaltigen Trümmer- 
haufen, in Staub- und Bauch wölken gehüllt, mit dem Dreizack 
die Fundamente der Mauern zertrüpimert und die ganze Stadt 
von Grund aus umstürzt, und wie Juno, Athene und Zeus 
selber die Feinde anspornen. Dann erscheint vor seinen Blicken 
ganz Troia als ein einziges Flammenmeer, und der stolze Bau 
Neptuns kracht zusammen gleich der mächtigen, alten Gebirgs- 
esche, die von den Aexten der Landleute gefällt wird. 

Auch in Ovidius' Dichtungen, die doch von den mannich- 
faltigsten Versionen der alten griechischen Mythen durchflochten 
sind, tritt nirgends eine andre Anschauung hervor als die: Troia 
ist zerstört, in den Staub gesunken — für immer. 
So z. B. metam. XV 420: 

— — — — — — Sic omnia verti 

Gemimus atque illas assumere robora gentes, 
Concidere has. Sic magna fuit censuque virisque 
Perque decem potuit tantum dare sanguinis annos^ 



Saxa videfi mixtoque nndantem pulvere famom, 
Neptunus mnros magnoque emota tridenti 
Fundamenta qnatit totamqae a sedibns nrbem 
Emit. Hie Juno Scaeas Baevissima portas 
Prima tenet, socinmqae fnrens a navibos agmen 
Ferro accincta vocat. 

Jam snmmas arces Tritonia, respice, Pallas 
Insedit, limbo effalgens et Gorgone saeva. 
Ipse Pater Danais animos viresqae secandas 
Snffieit, ipse deos in Dardana sascitat arma. 

Tom vero omne mihi visum considere in ignis 
Iliam et ex imo verti Neptunia Troia ; 
Ac veluti sommis antiqnam in montibus ornnm 
Cam ferro accisam crebrisqae bipennibns instant 
Eruere agricolae certatim; illa usque minator 
Et tremefacta comam concnsso vertice nntat, 
Volneribns donec panllatim evicta sapremnm 
Congemuit traxitqae iugis avolsa roinam. 



I 



25 

Nunc humilis reteres tantummodo Troia ruinas 
Et pro divitiis tumulos ostendit ayorum. 

Als Nachfolgerin TroiaB, als das echte Neu- Ilion kennt Ovid, 
gleich anderen römischen Dichtem, nur Rom; so in der Weis- 
sagung der Garmenta (fast I 523): 

Victa tamen vinces eversaque Troia resurges; 

Obruit hostiles ista ruina domos. 
Urite victrices Neptunia Pergama flammae! 

Num minus hie toto est altior orbe cinis? 
Jam pius Aeneas sacra et, sacra altera, patrem 

Adferet: Eiacos accipe, Vest^ deos*), 

Orid hatte Neu-Hion mit seinem Athenetempel besucht**) 
und auch die Stätte gesehen, auf die das Palladion vom Himmel 
herabgefallen sein sollte. Aus seinen Worten geht aber nicht mit 
Bestimmtheit hervor, dass diese Stelle, die „auf den zu Troia ge- 
hörenden Höhenzügen" lag, in Neu -Ilion selber gezeigt wurde. 
Der heiligen Legende der Dienser widerspricht er geradezu mit den 
entschiedenen Worten: „Pallada Roma tenet." Mag nun das 
Pallasbild von Diomedes und Ulysses geraubt oder von Aineias 
aus den Flammen gerettet worden sein, — was immer darüber 



*) [üeber Ennius (ann. I 93): in Roma Troia revixstil 8. Vahlen 
Enn. poes. p. 184], — Propert. V 1, 87 : Troia cades et Troica Roma reBurges. 
■— Martial. XI 4, 1: Sacra laresque Phrygnm, quoß Troiae maluit heres 

Quam rapere arsnras Laomedontis opes. 

**) Ovid. fast. VI 421 : 

Greditar armiferae signnm caeleste Minervae 

ürbis in Qiacae desüuiBse inga. 
Onra videre fait; vidi templumqae locnmqne 

Hoc Buperest illi: Pallada Roma tenet. 
Consulitiir Smintheus, Incoqae obscornB opaco 

Hob non mentito reddidit ore sonos: 
„Aetheream Bervate deam, servabitis Urbem: 

Imperium secom transferet iUa loci/' 
Servat et inclnsam summa tenet Hub in arce, 

Curaque ad heredem Laomedonta redit. 
Sub Priamo' Bervata pamm ; sie ipsa volebat, 

Ex quo iudicio forma revicta Bua CBt. 
Seu genuB AdraBti, seu furtis aptuB Ulixes 

Seu piuB Aeneas eripulBse datur. 
Auetor in incerto; res est Romana, Tuetur 

Vesta, quod aBsiduo Inmine cuncta videt. 



^6 

gefabelt wird: Born ist im Besitz des eohtn PaDadinm — „res 
est Romana!^ 

Aach Lucilius hat dem Reiselnstigeii die Worte in den 
Mond gelegt (Aetn. 588): 

Hiramnr Troiae cineres et flebile bnstis 
Pergamon extmetosque suo Phrygas Hectore. 

Wichtiger aber als dies alles sind zwei Dichterstellen, aus 
denen sich unzweifelhaft ergibt, dass man in Born nicht allein 
von der Verödung der Baustelle Alt-Ilions die bestimmteste Kennt- 
nis hatte, sondern dass man auch mehrmals mit der Absicht um- 
ging, die homerische Stadt auf dieser ursprünglichen Bau- 
stelle in voller Herrlichkeit wieder aufzurichten. 

Lucanus schildert den Besuch Caesars in der Troas, wenn 
nicht geradezu auf Grund eigner Ortskenntnis, so doch jedenfalls 
nach guten Berichten und Informationen. 

Caesar, der bereits in früher Jugend für die hohe Abkunft 
seines Geschlechtes ron Aphrodite und Aineias schwärmte, nimmt, 
als er nach der Schlacht bei Pharsalus im J. 48 v. Chr. dorthin 
kommt, von den Ansprüchen Neu-Ilions wenig Notiz. Er steht 
ganz auf dem Standpunkt des gelehrten Griechentums. 

Die denkwürdige Priamosstadt ist vollständig verschwunden, 
nur der Name haftet noch an der Stätte. Bäume wachsen aus 
den Fundamenten der ehemaligen Paläste und Tempel Troias em- 
por, die ganze Pergamos ist mit Strauchwerk und Gehölz 
bedeckt; auch die Trümmer sind verschwunden*). 



*) Lncan. Phars. IX 961 : 

Sigeasqne petit famae mirator arenas 
Et Simoentis aqnas et Graio nobile bnsto 
Bhoetion et maltnm debentis vatiboB umbras. 
Circuit exustae nomen memorabile Troiae 
Magnaqne Phoebei qnaerit vestigia muri. 
Jam silvae steriles et putres robore trunci 
Assaraoi pressere domus et templa deornm 
Jam lassa radice tenent, ac tota tegnntur 
Pergama dumetis: etiam periere rninae. 
970. Adspicit Hesiones scopnlos, silvaque latentis 
Anchisae thalamos; quo index sederit antro; 
Unde pner raptna coelo; qno vertice Nais 
Lnserit Oenone: nnllnm sine nomine saxnm. 
Inscins in sicco serpentem pulvere rivnm 



27 

So war oder sa dachte man sich wenigstens damals die wahre 
Stätte des homerisohen Ilion. 

Und welche Gedanken erfüllten Caesar beim Anblick dieser 
ruhmvollen Einöde^ der Stätte des ehemaligen Aufblühens und des 
Niederganges seiner Ahnen? 

Von überwallenden Gefühlen hingerissen, errichtet er aus rasch 
zusammengesuchten fiasenstficken einen Altar und ruft die Gott- 
heiten des verbrannten Troia, die noch jetzt die verödete Stätte be- 
wohnen, und sodann die Gottheiten, die durch Aineias nach Lavinium, 
Alba longa und Rom gelangt sind, und endlich auch die jungfräu- 
liche Pallas, die als denkwürdiges Pfand in einem abge- 
legenen Tempel (in abstruso templo) verehrt wird, feierlich 
zu Zeugen seines Gelöbnisses auf: Er werde, falls sie ihm eine 
glückliche Laufbahn gewährten, das alte Keich wiederherstellen, 
die Phrygerstadt wiederaufbauen und eine römische Pergamos 
an dieser Stelle neu erstehen lassen*). 

Caesar bringt also ein Opfer an einem auf jener Stätte im- 
provisierten Altar, nicht bei dem berühmten Atheneheiligtum 
oder dem Tempel des Zeus in Neu-Ilion, und er fleht die Schutz- 



Transierat, qui Xanthus erat; Becums in alto 
Gramine ponebat gressns: Fhryx incola manes 
HectoreoB calcare vetat; discnssa iacebant 
Saxa nee nllius faciem servantia sacri: 
Herceas, monstrator alt, non respicis aras? 

♦) Phars. IX 987: 

Ut dncis implevit visas veneranda vetnstas, 
Erexit subitas congestn cespitiB aras 
Votaque toricremos non irrita fndit in ignes: 
Di cineram, Phrygias Colitis qnicnmqne minas, 
Aeneaeqne mei, qnos nunc Layinia sedes 
Servat et Alba lares et qaonun lucet in aris 
Ignis adhne Phrygias, nnllique adspecta viroram 
Pallas, in abstruso pignns memorabile templo, 
Gentis loleae vestris clariBsimas aris 
Dat pia tora nepos, et vos in sede priore 
Rite Yocat: date felices in cetera cursus! 
Bestitnam popnlos; grata vice moenia reddent 
Ansonidae Phrygibns, Bomanaqne Pergama surgent. 
Sic fatns repetit classes et tota secundis 
Yela dedit lorls avidnsqne nrgnente procella 
Iliacas pensare moras Asiamqne potentem 
Praevehitnr etc. 



28 

götter seiner Ahnen auf ihrem ächten Stammsitz (in sede 
priore) um glücklichen Erfolg fttr seine Unternehmungen an. 

Kann man sich eine schärfere Verurteilung der Ansprüche 
der nienser denken, als sie hier in der Gregenüberstellung des 
„abgelegenen Athenetempels ^ und des wahren Sitzes der alttroi- 
sehen Gottheiten vorliegt? Besonders bezeichnend ist auch die 
Erwähnung des „Altares des Zeus Herkeios^ als eines an öder 
Stelle liegenden, ungeordneten Steinhaufens. 

lieber die Stadt Ilion mit dem „wieder aufgebauten Palast 
des Priamos^ und den andern „ehrwürdigen Denkmälern^ aus der 
Heroenzeit schweigt Lucanus; er schweigt auch über die her- 
kömmlichen hochtrabenden Begrüssungsreden der Ilienser, die sie 
bei Caesars Ankunft sicherlich nicht unterlassen haben werden. 
(Näheres hierüber siehe weiter unten). Ja, aus der Art wie der 
Dichter seinem Helden auf jenem klassischen Boden sozusagen 
auf Schritt und Tritt neue üeber raschungen bereiten lässt (974 flF.), 
leuchtet eine unverkennbare Ironie in Bezug auf den antiquari- 
schen Eifer der Ilienser hervor. 

Uebrigens muss es dem Caesar Ernst gewesen sein mit seinem 
Gtelöbnis; denn Sueton*) berichtet in der Lebensbeschreibung des- 
selben, es habe sich die nicht unbegründete Meinung verbreitet, 
Caesar wolle Italien verlassen und den Sitz des Reiches nach 
Alexandreia oder Hion verlegen. 

Denselben Gedanken hat aber auch Augustus, der ihn 
vielleicht als politisches Vermächtnis Caesars ansah, in Erwägung 
gezogen. Was ihn wieder davon zurückbrachte, wissen wir nicht 
Nur die warnende Stimme des Horaz, der seinen Widerspruch in die 
poetische Form einer Götterdrohung einkleidete, ist auf uns ge- 
kommen. Juno selber, die Götterkönigin, die unversöhnliche Fein- 
din des troischen Königsgeschlechtes, erhebt den Einspruch: 
Od. ni 3,37: Dum longus inter saeviat Hion 

Romamque pontus, qualibet exules 
In parte regnanto beati; 
Dum Priami Paridisque busto 

Insultet armentum et catulos ferae 
Celent inultae, stet Capitolium 



*) Sueton. Caes. 79: Quin etiam varia fama percrebruit, migratomm 
Alexandream vel Ilinm, translatiB simul opibns imperii exhanstaqne Italia 
dilectibns et procuratione orbis amicis permissa. 



29 

Fulgens triumphatisqae possit 
Roma ferox dare iura Medis. — 

57. Sed bellicosis fata Quiritibus 
Hac lege dico, ne nimium pii 
Kebusque fidentes ayitae • 
Tecta velint reparare Troiae. 

Die Kömer mögen sich die glänzendsten Triumphe erkämpfen 
und ihre Herrschaft ausdehnen, soweit und wohin auoh immer 
sie wollen, falls nurTroia nicht wieder aufgebaut wird. 
Auch durch Rücksichten der Pietät dtlrfen sie sich nicht dazu 
verleiten lassen. In diesem Punkte gilt nur ein Gesetz fUr sie: 
hands offi 

Der klar und unwiderleglich heryortretende Grundgedanke 
auch dieser Auslassung ist der: Die wahre Stätte des homerischen 
llion ist verödet; sie war es seit dem grossen göttlichen Straf- 
gericht und sie soll es bleiben für und ftlr. £s ist dies aber 
genau die Anschauung des gelehrten Demetrios. 

Wie bei den römischen Dichtem, so tritt auch bei den Ge- 
schichtschreibern allenthalben nur die eine Voraussetzung 
zu Tage : Das homerische Troia war zerstört, als Aineias sich zur 
Auswanderung anschickte. Die Einstimmigkeit der Autoren in 
dieser Beziehung ist so zweifellos, dass man sich nicht länger 
dabei aufzuhalten braucht''^). Nirgends finden wir eine klare, 
sichere Andeutung, dass dieses homerische Troia nicht gänzlich 
zerstört oder nach dem Wegzug der Griechen wieder aufgebaut 
worden sei, wie die Ilienser später behaupteten. Lässt sich doch 
auch etwas dem ähnliches nicht einmal in denjenigen griechischen 
Autoren nachweisen, die, an die bekannte Weissagung bei Homer 
(IL XX 306) anknüpfend, von einer Fortdauer der Herrschaft des 
Aineiadenstammes im troischen Lande berichten ''^''^). 

Das homerische Troia war von den Griechen 
vollständig zerstört worden; es ist nicht identisch 
mit dem historischen llion. 



*) Schwegler Böm. Gesch. I S. 283 ff. — Man erinnere sich nur 
an die einleitenden Worte des Livios (I 1): lam primum omninm satis con- 

stat Troia capta in oaeteros saevitam esse Troianos; Aeneam 

ab simili clade domo profugum; oremata patria domo profngoB 

sedem condendaeque nrbis locum quaerere. 

♦♦) Vergl oben S. 5 und Schwegler a» a, 0. S. 293 ff. 



30 

Dies war — nach der yorgeftlhrten Beihe litterarhistoriselier 
Zeugnisse ist ein Zweifel nieht mehr möglich — die Torherrschende 
Ansicht des litterarisoh gebildeten Altertums. Man hat diese An- 
sicht nicht mit Unrecht als die „wissenschaftliche^ bezeichnet 
gegenüber der „populären^ Meinung der Ilienser. Dass auch 
letztere vielfachen Glauben gefunden habe, ist natürlich nicht 
ausgeschlossen. Und in der That muss ja damals wie jetzt im 
gewöhnlichen Gedankenaustausch der Name Ilion stets mit 
der Erinnerung an die homerische Stadt eng verknüpft gewesen 
sein, und er mag auch vielfach politischen Bestrebungen oder geist- 
reichen Anspielungen als Anhaltspunkt gedient haben, ohne dass 
kritische Bedenken geltend gemacht wurden. Allein fast überall, 
wo litterarische Zeugen mit ruhiger Ueberlegung von der Sache 
gesprochen haben, sind sie sich augenscheinlich des Unterschiedes 
zwischen Alt-Troia und Neu -Ilion wohl bewusst gewesen*). 

Dem gegenüber bleibt es freilich unerklärlich, wie Herr 
Schliemann behaupten konnte : die von den Iliensem vorgebrachten 
Zeugnisse für die Identität scheine „in der That nie- 
mand in Frage gestellt zu haben mit Ausnahme des Demetrios 
von Skepsis und der Hestiaia von Alexandria, die aus blosser 
Eifersucht und Missgunst die allgemein anerkannte Iden- 
tität bestritten" (Ilios S. 193). Und femer: „Es scheint indess 
sicher, dass der Theorie der Hestiaia und des Demetrios kein 
anderer alter Schriftsteller ausser Strabon beigetreten 
ist" (Ilios S. 202). Ja, selbst in der XI. allgemeinen Versamm- 



*) YergL £diiib. Bev. n. 314: The trath is that the Identification of 
Homeric Troy with the Greek Uiam was, in the old Greek view, a para- 
dox, which had no vitality, except at Ilitim itself. The in- 
habitants of that place were very naturally anxiouB to keep up so glorions 
and lucrative a belief. — Jebb Homeric and Hellenic Ilinm p. 31 : It 
became the Homeric Troy — if we may be aUowed the phrase — of offi- 
oial langnage and ceremonial. To deny this claim on a public occasion, 
— as when Angnstns was decreeing favoars to it, Nero speaking of it in 
the fomm, or Garacalla hononring it with bis presence, — wonld have 
been an nnconrtly and unpopulär heresy. It might have been expected 
that the set of the volgar tide wonld have had its nsnai inflnence on the 
private jndgment of ,independent' and ^original' critics. Bat when we 
inqnire what appears to have been the general verdict of presnmably com- 

petent jndges, the resnlt is very remarkable. p. 42: On the 

other band, the general verdict of competent anoient oritios 
was deoisively against this claim. 



31 

long der Gesellschaft für Anthropologie (in Berlin am 5. August 
1880) hat er ohne Bedenken erklärt: „Die Tradition des ganzen 
Alterthumes wies auf das aeolische Ilion als auf die Bau- 
stelle des homerischen Troia hin. Nur zwei Stimmen erhoben 
sich dagegen, nämlich die der H. v. A. und des D. y. Sk." 

Wir brauchen über diese Entstellung der Thatsachen wohl 
kein Wort mehr zu rerlieren. Der wahre Sachverhalt wird noch 
deutlicher, wenn man der Frage näher tritt : Worin bestand denn 
die eigentliche Bedeutung Ton Neu -Ilion? 

IL 

Die sicheren historischen Nachrichten über das griechische 
Ilion, das man nach dem Vorgang Sti*abons (^iXiov %6 vvv) ohne 
jedes Bedenken als Neu-Ilion bezeichnen darf, beginnen mit 
der Zeit des Xerxeszuges. 

In den Jahrhunderten, die zwischen diesem Ereignis und der 
Zerstörung der alten Stadt liegen, erscheint die Stätte Troias in 
ein Dunkel gehüllt, yon dem die spätere Forschung der Alten nur 
wenig zu lichten yermochte. 

Dass ein Best der alten troischen oder teukrischen Bevöl- 
kerung nach dem Erlege im Lande zurückgeblieben sei, galt in 
historischer Zeit als feststehende Thatsache^). Auf solche Ab- 
stammung erhoben nameixtlich die Bewohner von (xergis und 
Skepsis**) einen Anspruch, der ihnen, wie es scheint, von Nie- 
mand bestritten wurde. Die einheimische Tradition knüpfte an 
die homerische Weissagung (II. XX 306) an, dass Aineias und 
seine Nachkommen dereinst über die Troer herrschen würden, 
und behauptete, dass Askanios, der Sohn des Aineias, und Ska- 
mandrios, der Sohn des Hektor, in Skepsis ein Fürstengeschlecht 
gegründet hätten, das bis in die historische Zeit herabreichte. Die 



*) Herod. V 122: ^Tfiirig utaraUnmv r^y n^onivu&a inl roy 

'EXkr^anovroy ljy€ roy arqatoy, xal ecAc fihy AioXiag navtas^ oaoi j^y ^Ihada 
yifxoyjai, clAc &€ n^id'ag tovg vnoleifpd'iyfag rioy a^jaioiy TivXQfHy, (VII 
43). Vergl. Xen. heU. m 1, 10 ff. Pausan. VUI 12, 9. Athen. VI 256. 
Welcker Ep. Cycl. II S. 225 f. 

**) lieber die Lage von Gergis östlich von Neu -Ilion ia der Um- 
gebung des Ulu-dagh s. Alt-Ilion im Dttmbrekthal S. 117. 142. Zar Lö- 
sung der tr. Fr. S. 3. Dass es nicht bei Bunarbasehi su suchen sei, ergibt 
sieh ganz deutlich aus Herod. VII 43. — lieber die Lage von Skepsis im 
oberen Menderesthal s. Alt-Ilioa s. 141 ff. 



32 

Nachkommen derselben behielten selbst dann noch ihren Königs- 
titel nebst anderen Ehrenvorrechten, als die Verfassung der Stadt 
in eine demokratische umgewandelt wurde ^). 

Diese von Niemand angezweifelten lokalen Traditionen in 
Skepsis und Gtergis sind sehr beachtenswerte Zeugnisse für die 
Berechtigung des Glaubens an den historischen Kern der troia- 
nischen Sage, — eines Glaubens, den nicht nur die ältesten Geo- 
graphen und Logographen, sondern selbst die besten Historiker, 
wie Thükydides, teilten. 

Grosse Unsicherheit herrschte aber bezüglich der Grenzen des 
homerischen Troerreiches. Die Forschung nach denselben wurde 
den Späteren besonders dadurch erschwert, dass bald nach der 
Zerstörung der Stadt ein mehrfacher Wechsel der Bevölkerung 
stattgefunden hatte. Benachbarte Phryger und andere thrakische 
Stämme, die in Kleinasien eingebrochen waren, rückten gegen die 
Nordwestküste vor und überfluteten die Troade. Dazu kamen noch 
die verheerenden Einfälle der Kimmerier und Trerer, die Nieder- 
lassungen der Äioler und lonier sowie die Ausbreitung der ly- 
dischen und der persischen Herrschaft nach der Küste hin"^*). 

Am meisten jedoch trugen, wie Strabon behauptet***), zu der 
Verwirrung der Landschaftsgrenzen und der ethnologischen Ver- 
hältnisse die Ansiedlungen der Aioler bei. 

Nachdem aiolische Colonisten, der alten Tradition zufolge, 
unter der Führung der Nachkommen des Orestes, die durch den 
Einbruch der Derer in den Peloponnes aus ihrer Heimat verdrängt 



♦) Strab. Xm p, 607. Vergl Schwegler Rom. Gesclu I S. 293 ff., 
wo auch die yerschiedenen Oestaltungen der Aineiassage besprochen werden. 

♦♦) Strab. p. 473 (nach Demetrios): ^Qvyiay r^v T^<^&a xa- 

XovytBff &w t6 xovs ^qvyag kniXQariaai nX^doxtii^ovs owas r^ff TQoia^ ixne' 
noQd-tifxiyriff, — p. 565 : ^ f^hy ovy naXaia fiy^iJi^ [bei Homer] xowvtriv riya 
vnayoQBvei xriy jtay id-ytoy d-iaiy, at de yvy fÄefaßoXal ra noXld i^iqkXa^ay, 
äXXoT äXXüty knixqarovyjfay xal xa (xly <fvyxsoyT(oy xä &e &iairn(6yx(ay. xai 
yaq ^qvyeg knexQaxijifay xal Mvaol fi^xcc xijy TQoia^ äha<ny' ild^ vaxeqoy 
Äv&oi xal fABX kxBiymy AioX^Xs xal ^liaytg, anuxa Iliqaai xal Maxi&oyest xe- 
XevxoIoi &£ '^PiofÄatoi xxX, — p. 572. 573: Mexd dk xa T^unxa a% xe xeiv 
'^EXkfiyoiy anoixiai xal at TQtjQoiy xal al Kif4fji€Ql(oy l^ocfoe xal Av&diy xal 
fjisxa xavxa Ueqffoiy xal Maxe&oytay x6 xe xeXevxaloy FaXaxfay exd^a^ay 
ndyxa xal cvyix^^xy» yiyoye de ^ dadg>eia ov &id xdg fiexaßoXdg fjtoyoy 
aXka xal &w xdg xmy avyyqatpiiay dyofxoXoyiag neql xioy avxoiy ov xd avxd 
Xeyoyxüty xxX, — p. 586» 
♦**) Strab, p. 582. 



83 

waren, zuerst die Umgegend von Eyzikos sowie die Insel Lesbos 
besetzt hatten, fand von diesen beiden äussersten Punkten aus 
im Laufe der Zeit schrittweise die Besiedelung des troisehen 
Ktlstenlandes statt*). Lesbos galt als Mutterland der meisten 
Städte der historischen Troas. Während nun in Lesbos und an- 
deren frühen Niederlassungen der Aioler die Erinnerung an die 
von den Vorfahren im Kampfe gegen Troia ToUftohrten Helden- 
thaten sich lebendig erhielt, während der unzweifelhaft histo- 
rische Kern dieser Sage in den idealen (Gestaltungen der Dichter 
seine Verherrlichung fand**), wussten die Ansiedler dem allem 
auch eine praktische Seite abzugewiimen. Die Aioler behaupteten 
nämlich gerade als Abkömmlinge des Agamemnon und der übrigen 
Besieger des Priamos an dieses Land, das mittlerweile von bar- 
barischen Stämmen besetzt war, ein gutes Anrecht zu haben. In 
späterer Zeit bildeten die homerischen Gredichte für sie geradezu 
die Besitzurkunde ihrer Ansprüche-, noch in dem Kampfe, den 
die Athener und Mitylenaeer im 6. Jahrhundert um das Sigeion 
führten***), berief man sich auf die Teilnahme der Vorfahren an 
dem Zuge gegen Troia. Und noch um die Mitte des 5. Jahrh. 
macht der Dichter Aischylos eine Anspielung auf das aus jenen 
Vorgängen hergeleitete Anrecht der Athener an das Sigeion f). 

Ein Umstand ist bei der Besitzergreifung des troisehen Landes 
durch die Aioler von besonderer Wichtigkeit : Die Aioler dehnten 



*) Strab. p. 582. 599: Aecßmy Ini&ixaCofÄiyay c^^doy ti jfis aviAnaarig 
Tqma^og, aty &^ xal xtiafxara eiaiy al nXslfnai rcoK xaroucuiy, at fily cvfi' 
fjiiyotxsai, xal yvy, al (f ^(payuxfÄiyat, — p. 600 : ro ifk naXaioy vno Tolg Alo- 
Xivifiy ^y ja nUlaxa [bo. r^g naqaXiag]^ Scyl. peripL 95. Herod. V 122. 
26. 94. 1 149 ff. VU 42. — Köhler Att. Tributlißten S. 166. 

**) So Bergk Griech. Literaturgesch. I S. 416 f. — Nach der be- 
kannten Völcker-Bückert^schen Theorie, der auch £. CnrtiuB Griech. 
Gesch. I S. 119 f. beistimmt, wäre dagegen die Sage vom troianischen Krieg 
erst damals entstanden, die homerische Dichtung nur ein ,;Spiegelbild der 
aeolischen Goionisation.** Hiergegen hat bereits Welcker £p. Cycl. U 
S. 21— 51 eine Belhe treffender, zum Teil schwer widerlegbarer Bemerkungen 
gemacht (S. 42. 44. 46). 

***) Herod. V 94: knoUfjiioy yaq ix re 'ÄxMtfiov noXiog oQfieofAeyoi xal 
JSiyeiov ^qoyoy ini cvxvoy Mvu^t^yaloi re xal ^Äd-t^yaloi, ot fily dnaiTioyreg 
Tjjf x^Q'i^» 'Ad-riyaloi &k ovtb avyyiyatcxofjisyoij dno&BixyvyT€g re Xoyt^ ov&ky 
(Ao^y ÄioXevai fxsTBoy r^g ^IXui^og X^QVS^ ? ö^ *«* üg>ici xal jola aXXoMi, 
ocou "EXX^yoty avyenqrj^ayro Mayikst^ rag "EUyns dqnaydg, — Grote Gesch. 

Griech. übers. I S. 234. 
t) S. unten S. 41. 

Brentano TroU xuad Keu-Illoa. 3 



34 

die Grenzen der ehemaligen homerischen Troas ganz erheblieh 
aus"*) und legten ganz willkürlich beliebigen Oertlichkeiten 
(neugegründeten Städten, Bergen, Flüssen) homerische Namen bei 
Solche willkürliche Namengebung ist zu allen Zeiten mit der 
Golonisation fremder Länder yerbunden gewesen. Man überblicke 
nur die verschiedenen Phasen der Aineiassage. Auch jetzt noch 
bietet Amerika Hunderte von Beispielen dafür, dass irgend eine 
Beminiscenz aus der Vergangenheit der Colonisten den Anlass zu 
Benennungen gab, die spätere Forscher leicht zu weilgehenden, 
irrigen Combinationen verleiten könnten. Bedenkt man noch, dass 
durch die von Strabon erwähnten nachtroianischen Völkerver- 
schiebungen die ursprünglichen Ortsnamen bereits vielfach ver- 
wischt sein mussten, so kann das Verfahren der Aioler um so 
weniger auffallen. So gründeten sie beispielsweise die Stadt Dar- 
danos dicht am Hellespont, während das homerische Dardania 
landeinwärts auf den Vorbergen des Ida gelegen hatte. Ihre 
Niederlassungen, wie auch die der lonier und anderer Stämme, 
bewirkten, dass man später bei den Orten Grargara, Thebe, Chryse, 
Larissa, Zeleia, die sänmitlich mehr als einmal in jenen Gregenden 
vorhanden waren ^^), nicht sicher entscheiden konnte, welche unter 
ihnen als die „homerischen^ anzusehen seien. Auch die Namen 
Harpagia, Perkote, Parion, Astyra, Andeira, Assos kamen doppelt 
vor; ebenso ein Berg Tereie. Am Flusse Bhyndakos fand sich 
sogar noch eine Stadt „Ilion.'' Die Aioler waren es, die vermut- 
lich zuerst dem über 5000^ hohen Eaz-dagh, der Lesbos gegenüber 
steil und imposant aus dem Meere emporsteigt, die Namen Ida 
und Gargaron gaben, während in der Sage von Troia, die bei 
Homer vorliegt, augenscheinlich die dem Hellespont benachbarten 
nördlicheren Höhenzüge diese Namen führten***). Die Aioler waren, 



♦) Strab. p. 582, 
**) Vergl. Alt-lliott S. 86. 

***) Alt-Ilion S. 128 f. — Zur Lösung d. tr. Fr. S. 41 f. — Die Iso- 
liertheit des Kaz-dagli, der, wie früher hervorgehoben wurde, haupt- 
sächlich für die Landschaft am adramyttenischen Meere von besonderer 
Bedeutung ist, wird neuerdings deutlich vor Augen geführt durch die 
Kartenskizze zu Schliemanns Beise in der Troas. Leipzig 1881. Die 
Höhenzüge nördlich vom Menderes erscheinen hier, wie auch auf anderen 
Karten, selbst auf denen des vorigen Jahrhunderts (d'Anville), nicht als 
die Ausläufer des Kaz-dagh, sondern eines näher nach dem Hellespont zu 
gelegenen Centralpunktes. Freilich ist dieser Centralpunkt, den man viel- 
fach als homerischen Ida bezeichnet hat, bei Schliemann seltsamerweise ganz 



35 

wie es scheint, auch die Veranlassimg, dass die spätere Forschung 
ausser dem Skamandros (Menderes) noch einen mit dem Simoeis 
yerbundenen Xanthos - Skamandros vorfand. 

Ganz besonders ist aber die von Strabon beklagte Verwirrung 
der troischen Topographie dadurch befördert worden, dass die 
Aioler den Namen Aisepos willkürlich einem Flusse beilegten, der 
schlechterdings nicht der homerische Aisepos gewesen sein 
kann'''). Er liegt nämlich völlig ausserhalb der eigentlichen 
Troas. Sein unterer Lauf bildet die Grenze der Landschaft Aiolis, 
und in Folge der Vermengung beider Landschaften war, wie 
Strabon bemerkt, schon frühe eine grosse Unsicherheit unter den 
Geographen entstanden. Der gelehrte Demetrios hatte wohl alle 
diese Verhältnisse genügend aufgeklärt, aber da sein Werk ver- 
loren ist, sind wir lediglich auf die dürftigen Excerpte Strabons 
angewiesen, und dieser hat ihn leider vielfach falsch verstanden. 

In engem Zusammenhang mit dem aiolischen Einfluss auf 
die örtlichen Verhältnisse der Troas stand aber der lydische. 
Aioler und Lyder gingen in der Besiedelung der Troas eine Zeit 
lang Hand in Hand {Aväol xal fisz ixsivfov AioXsig xal ^'Icaveg 
Strab. p. 565). Gyges, der Gründer der Dynastie der Mermnaden, 
der um 715 v. Chr. zur Herrschaft gelangte, dehnte das lydische 
Reich bis zum Hellespont und zur Propontis aus, gründete mit 
Hilfe der Milesier die Stadt Abydos (deren Stelle mit der des ho- 
merischen Abydos schwerlich identisch war), gab dem Vorgebirg 
bei Dardanos den Namen Gygas und einem Orte am Flusse Rhyn- 
dakos zu Ehren seines Vaters den Namen Daskylion. Dies alles 
bezeugt die grosse Aufmerksamkeit, die Gyges jenen Küsten- 
strichen zuwandte, und den hohen Wert, den er auf ihren Besitz 
legte**). Auch Kroisos dehnte die inzwischen etwas geschwächte 
lydische Herrschaft wieder über die Aioler aus (Herod, I 6). 



beseitigt; ja nicht einmal von dem Uln-dagh, dessen Bedeutung für die 
Landschaft Prof. Yirchow so schlagend nachgewiesen hat, ist auf der Schlie- 
mannschen „Karte der Troas^* eine Andeutung gegeben. 
*) S. oben S. 12 f. — Alt-Ilion S. 119. 138 f. 141 ff. 
**) Die historische Thatsache, dass die Herrschaft der Lyder bis un- 
mittelbar an den Hellespont ausgedehnt war, könnte wohl einen genügenden 
Anhaltspunkt zur Erklärung der auf Hissarlik gemachten Funde von ,,17- 
dischem*' Charakter liefern. Aber gerade hierbei macht sich der Mangel 
bestimmter Angaben über die horizontale Entfernung der 
einzelnen Fundstellen vom Rande des Hügels bemerkbar, Dass 

3* 



36 

Zu den aiolischen Gründungen an der Küste Yon Troas ge- 
hört aber auch Neu-Ilion. Nicht nur bei Herodotos, sondern 
auch bei Xenophon, Strabon, Pausanias sowie auf Inschriften 



diese Funde eine nur 6 Fobb unter der Oberfläche gelegene, yorhistorische 
„lydische*^ Trümmerstätte voraossetzen, — dies anzunehmen verbieten, wie 
neuerdings J e b b hervorgehoben hat, schon die bekannten Schicksale 
des historischen liion. Nur auf eines sei hierbei kurz liingewiesen. 
Nach Sohliemanns Angabe, Ilios 8. 149, muss man annehmen, diese Masse 
„lydischer" G^fasse, die sich „in einer durchschnittlichen Tiefe von 6 — 7 
Fuss unter der Oberfläche des Bodens und genau zwischen den Buinen 
von Ilium novum und den Schuttmassen der letzten [5.] vorhistorischen 
Stadf* fanden, hätten sich gleichmässig in horizontaler Bichtung durch den 
ganzen Hügel hindurch gefunden. Indessen heisst es S. 655: „Sie ist be- 
sonders zahlreich an den Abhängen des Hügels, und da aus Gründen, 
die ich schon oben anführte, die Schicht der griechischen Stadt an diesen 
Stellen in eine mehr als gewöhnliche Tiefe hinabreicht, so findet man sie 
dort sogar 10 und 20 Fuss unter der Oberfläche. Die gewöhnliche Tiefe 
aber beträgt durchschnittlich 6 Fuss; manchmal jedoch kommt sie in einer 
Tiefe von nur 3 oder 4 Fuss unter der Oberfläche vor." — 

Für die Unbestimmtheit und Unzuverlässigkeit der Angaben über diese 
wichtigen Funde der 6. Stadt noch ein Beispiel I Von dem grossen £jiig 
(m&og) Nr. 1362 (S. 657) heisst es: „Tiefe 6 Fuss." Also: „6. lydisohe Stadt!" 
Nun .ergibt sich aber aus S. 656, dass „die Mündung 6 Fuss unter der 
Oberfläche eingelagert" war. Nach der Abbildung S. 657 zu urteilen, muss 
der PithoB selber etwa 7 — 8 Fuss hoch gewesen sein (eine genaue Angabe 
hierüber bringt unser sorgsamer Berichterstatter nicht). £s musste also 
mindestens gesagt werden: „Tiefe etwa 15 Fass". Und da bei der Be- 
stimmung der Schichten auch ein paar Fuss für die Kellerfandamente hin- 
zukommen, sind wir der Tiefe von 20 Fuss d. h. der 3. verbrannten 
Stadt schon ziemlich nahe. Nun fanden sich die riesigen Pithoi nach 
S. 317 wirklich iu den Vorratskammern im £rdgeschoss der Häuser in den 
4 vorgeschichtlichen Städten: in der 2. Stadt s. S. 316 f. (doch scheint das 
Bruchstück Nr. 156 in Folge der Planierungen aus einer oberen Schicht 
in die Tiefe von 42 Fuss geraten zu sein) ; in der 3. Stadt (S. 424 f.) fanden 
sie sich in grosser Zahl, 5—8 Fuss hoch, ja ihre Zahl soll sogar 600 über- 
steigen (S. 425). Nach S. 39 fanden sich unmittelbar unter dem Athene- 
tempel [aus der Zeit des Sulla und Caesar] in einem Zimmer der 3. Stadt 
9 solcher Krüge; Herr Schliemann hält daher das betreffende (jremach für 
das „Magazin eines Weinhändlers I" Wer sich diese zerstreuten Notizen 
zusammengesucht hat, wird nicht zweifeln, dass es sich in allen diesen 
Fällen um Krüge in den Vorratskammern der Tempelgebäude handelt, und 
dass zu ihnen auch der obenerwähnte angeblich „lydische Krug" gehört. 
In solcher Weise den mannigfachen Verschleierungen des Sachverhaltes 
nachspüren zu müssen, kann aber jedem an wahrheitsgetreue Fundberichte 
gewohnten Forscher die Beschäftigung mit Schi. Ilios nur verleiden. 



37 

wird der aiolisehe Ursprung der Bewohner Dions zweifellos be- 
kundet*). 

Die Zelt der Gründung ist ungewiss. Strabon (p. 601) sagt, 
unter der Herrschaft der lydisohen Könige (gemeint sind 
offenbar die obenerwähnten Mermnaden 715 — 546 v. Chr.) sei 
der anfangs unbedeutende Ort nebst, dem Heiligtum angelegt 
worden ; schon vorher hätten die [lesbischen] Astypalaeer von dem 
ihnen angehörigen Bhoiteion aus den Ort Polion am Simoeis ge- 
gründet, ihn aber seiner ungeschützten Lage wegen nicht lange 
behaupten können**). Die gewöhnliche Annahme war bisher^ 
dass die Gründung um 700 v. Chr. anzusetzen sei; andere ver- 
legten sie, auf eine Stelle Strabons gestützt, unter die Regierung 
des Kroisos (560 — 546 v. Chr.). Beide Annahmen lassen sich viel- 
leicht vereinigen, wenn man erwägt, dass die Spuren einer Ver- 
wüstung des Heiligtums in den untersten Schichten des Hügels von 
Hissarlik ihre Erklärung finden können in den Nachrichten von 
der Verwüstung der Nordküste Kleinasiens ***) durch die Kimmerier 
und Trerer im 7. Jahrh. Damach würde unter Kroisos eine Neu- 
gründung des früher schon vorhandenen Heiligtums stattgefunden 
haben. 

lieber den Platz, auf dem das aiolisehe Ilion angelegt wurde, 
kann wohl kein Zweifel aufkommen; es ist der Hügel von His- 
sarlik, auf und neben welchem noch in später Zeit die Stadt sich 
ausdehnte. 



*) Herod. V 122. Xen. hell. HI 1, 16. Strab. p. 583. 599. 600. Pausan. 
I 35, 4. Vni 12, 9. V 8, 11. C, I. Gr. n. 1583. 

**) Strab. p. 601 : nqiaxoi fxey ovv ^Ä<nvnaXai€lg ol ro 'PoitHoy xata- 
axovxsg avr^xufay nqog j^ Siiaobvx^ noXior, o vvy xaXHtai noXiafjia, ovx Iv 
tviqxfX TOTH^, &i6 xateanaad-ti ta^itag. inl ifi rmy Äv&tay ^ yvy ixtiad-rj xat- 
oixia xal to hQoy. Diese Stelle, die nnter Strabons historischen Notizen 
über nion steht, ist wohl entscheidend. Eine andere, mehr gelegentliche 
Angabe (in einem Excurs über das homerische Troia) p. 593 lautet : ov ydq 
€oiX€y avrri äyai ri xa^ "OfXfjQoy, xal äXXoi (ff Imogovat nXeiovg fjieraßeßXtj- 
xiyai ronovs Tfjy noXiy, vcxaja di kvxavd'a avfAfJLeXyai xata XQV^f^^^ fiaXiata. 
Statt XQ'i^f^^^ bat Krämer allerdings ans besseren Handschriften die Lesart 
KQoXifoy aufgenommen, wodurch die Gründung in sehr späte Zeit herab- 
gedrückt wird. Von allem anderen abgesehen wäre diese Auffassnng nicht 
wohl vereinbar mit der Nachricht des Polybios (XII 5, 7) von dem hohen 
Alter der lokrischen Opfersendung , die freilich nach Strabon p. 601 erst 
zur Zeit der Perserherrschaft begonnen haben soll. 

***) Strab. p. 149: ttjy toiy KlfÄfÄB^itoy etpodoy yeyi<rd-ai r^y 

/^iXQ^ ^"iSÄioXiSog xalrns'Itayiag, Vgl. p. 61, 494. 552. 573. 586.627.647. 



38 

Dass aber diese Oertlichkeit auch mit der Baustelle des ho* 
merischen Troia identisch sei, dafür lässt sich in den Nachrichten 
über die Gründung durchaus kein Anhaltspunkt finden. Troia 
war ToUständig vom Erdboden vertilgt und nach dem bereits ge- 
kennzeichneten Verfahren der Aioler wäre von vornherein unwahr- 
scheinlich, dass sie etwa planmässig und mit besonderer Sorgfalt 
die alte Baustelle aufgesucht hätten. Nun berichtet aber auch 
Strabon^) ausdrücklich, dass man die alte Baustelle ge- 
mieden habe und zwar aus religiöser Scheu vor einem Platze, 
über den nicht nur der siegreiche Agamemnon nach altem Her- 
kommen eine feierliche Verwünschung ausgesprochen, damit Nie- 
mand jet wage, die Stadt wiederaufzubauen, sondern über dem 
auch ganz sichtbarlich ein schweres Verhängnis gewaltet hatte. 
Mit letzterem Umstand hängt vielleicht die obenerwähnte Nach- 
richt zusammen, dass schon Dardanos durch Götterspruch vor dem 
„Hügel der Ate" gewarnt worden sei. Der Hinweis auf den 
Fluch des Agamemnon ist ganz im Einklang mit den sonstigen 
Voraussetzungen der aiolischen Gründungssage, und die religiösen 
Bedenken der Colonisten sind um so wahrscheinlicher, da es sich 
in erster Linie um eine Tempelgründung handelte. Der Untergang 
Ilions war das Werk der erzürnten Grötter gewesen ; ausser Po- 
seidon und Here hatte der Sage nach gerade Athene an der Zer- 
störung einen hervorragenden Anteil gehabt. Auch ihr Tempel 
war freilich in Flammen aufgegangen, aber, was die Hauptsache 
schien, das Bild der Göttin, das uralte, vom Himmel gefallene 
Palladion, war angeblich gerettet worden. Schon der epische 
Dichter Arktinos von Milet (Mitte des 8. Jahrb.) berichtete, es 
sei in einem Abgrunde verborgen gewesen zur Zeit der Belagerung 
der Stadt, während ein unechtes, das im Tempel der Athene auf- 
gestellt gewesen, von Diomedes geraubt worden sei**). Hieran 
anknüpfend behauptete die römische Legende, Aineias habe das 



*) Strab. p. 601: eixaCowfi, &£ jovg varsqoy avantxUsai SiavoovgAiyovs 
oiiavUsaad'ai tov tonoy kxelyov, eire 6w tag <svfAq>oqag eirs xai xata^acafÄiyov 
Tov 'Ayafxifxyorog xatd nakaiov Id'og, . kxdvov fAkv oiv dnom^yai 

**) Dionys. I 68. 69. — Die verschiedenen Sagen über das Palladium 
bei Schwegler I 332 £f. Heyne Exe. IX ad Yirg. Aen. IL Schon im 
Athenetempel in Troia sollen verschiedene Pallasbilder gewesen sein« 
Conen. 34: ro dionBteg 'Äd-i^yclg UaXkci&ioy noXXtoy oyx(oy jo afjuxQoratoy, 
— Hertzberg de diis Born, patrüs p. 90 sq. 



39 

echte mit nacb Italien gebracht Andrerseits aber scheint später 
in Aeolien die Lebende aufgetaucht su sein, das echte Palladion 
sei aus seinem Versteck wieder herrorgezogen. Ihm galt es nun 
fem von der fluchbeladenen Stätte ein neues Haus zu gründen. 

Ohne Zweifel ging die Anregung zu der Neu -Gründung des 
Athenetempels von irgend einem angesehenen Heiligtum, ron einer 
Orakelstätte aus, vielleicht von Delphi selber ; doch sind für diese 
Annahme nur unsichere Anhaltspunkte vorhanden. Abgesehen 
von dem Einfluss, den Delphi überhaupt auf die hellenische Co- 
lonisation von Elein-Asien ausübte, und abgesehen von den nahen 
Beziehungen, in denen die Mermnaden, insbesondere schon König 
Gyges, zu dem delphischen Heiligtum standen, kommt hier in Be- 
tracht jene Verfügung des Orakels, wonach die Lokrer bereits im 
7. Jahrhundert, also bald nach der Gründung Ilions, jährlich zwei 
Jungfrauen als Sühnopfer nach dem Athenetempel senden mussten. 

Wer immer aber auch die Veranlassung zu der Gründung 
gegeben haben mag, so viel steht fest : man wählte als Baustelle 
den Hügel von Hissarlik. Die Ergebnisse der neueren dortigen 
Ausgrabungen legen die Annahme nahe, dass bereits in früher 
Zeit das Heiligtum irgend einer vorderasiatischen (jottheit daselbst 
gestanden und eine einmalige oder auch mehrmalige Zerstörung 
erfahren hatte. Dass diese Gottheit die phrygische „Ate^ gewesen, 
die bei der Neugründung des Tempels von den hellenischen 
Priestern mit ihrer Athene identificiert und nunmehr als Athene 
Hias verehrt worden sei, ist von Neueren vermuthet, aber durch- 
aus nicht zweifellos nachgewiesen worden*). Ueb^rhaupt ist die 
genaue Prüfung der in den unteren Schichten gemachten Funde 
von Seiten der Archaeologen abzuwarten, bevor irgend eine über 
die historischen Angaben hinausgreifende Ansicht über die Bedeu- 
tung des Ortes ausgesprochen werden kann. Die aiolische Nieder- 
lassung, die sich an dieses Heiligtum anlehnte, erhielt den Namen 
Ilion. Das beweist nun aber nicht das geringste für die Identität 
des Ortes mit dem homerischen Troia. Wenn man, um von der posi- 
tiven Angabe Strabons ganz abzusehen, bedenkt, wie rücksichtslos 
die Aioler sonst bei solchen Namengebungen **) verfuhren, so nötigt, 
wie bereits oben betont wurde, nichts zu der Voraussetzung, dass sie 



*) 0. Keller DieEntdecknng Ilions zuHissarlik* Freibnrg 1875. S.21f. 
**) Stephan. Byz. : ''Ihoy noUs T^t^dog ano ''ikov . devriqa iy 



40 

in diesem Falle besonders gewissenhaft zu Werke gegangen wär^ 
und sich etwa zuvor genau über die wirkliche Lage des alten Dion 
orientiert hätten. Aehnlich wie bei der Gründung von Dardanos 
dürfte es auch hier ftir die Aioler genügt haben, dass man wusste, 
dass ehedem Troia in dieser Gegend gestanden hatte. In 
erster Linie entscheidend für die Wahl des Ortes war jedenfalls 
die günstige Lage desselben*). Aus dem Namen aber er- 
wuchsen naturgemäss nach und nach die Ansprüche 
der Golonisten an das glorreiche Vermächtnis des- 
selben. So ging es ja auch bei Dardanos, dessen Bewohner 
sich auf den Namen ihrer Stadt offenbar viel zu gute thaten und 
in einer späteren, wissenschaftlich erleuchteten Zeit von den Rö- 
mern Auszeichnungen lediglich dieses Namens wegen erhielten*^). 

Das neue Ilion war, wie ausdrücklich berichtet wird***), 
lange Zeit nur ein grosses Dorf. Auch das Heiligtum der Athene 
nias war anfangs von geringem Umfaüg. 

Verächtlich schien es, arm und klein. 
Doch ein Mirakel schloss es ein. 

Seine Bedeutung beruhte hauptsächlich auf dem 
Pallas bilde, von dem die Priester behaupteten, es sei das 
ächte troianische Palladion. Obwol später mehrere andere Orte 
denselben Anspruch erhoben und obwol in unmittelbarer Nabe 
nions, in Sigeion, Skepsis und Kebrene ebenfalls Athenetempel 
existierten, fand jene Legende von dem ächten Pallasbild der 
Ilienser doch zu allen Zeiten Glauben. Ja, das Heiligtum dehnte 
seine Machtsphäre sehr bald bis in das Mutterland aus. Welche 
einzelnen Umstände demselben dabei von besonderem Nutzen 
waren, ist nicht mehr festzustellen. Eine gewisse Begünstigung 
von Seiten Delphis ist auch hier wohl vorauszusetzen. 



*) Auch ans diesem Umstand lässt sich kein Argument für die An- 
sprüche der Ilienser herleiten. Andre Zeiten, andre Ansichten und Be- 
dürfnisse. Wenn in historischer Zeit den seefahrenden Aiolern der Hügel 
Hissarlik mit seinem Ausblick auf den Hellespont für eine Anlage geeignet 
schien, so schliesst das nicht aus, dass man so viele Jahrhunderte früher, 
im Heroenzeitalter, die geschütztere Lage in einem Seitenthal (beim Dorfe 
der Hier) vorziehen konnte. 

**) Liv. XXXVm 39 : [a. Chr. 188] et Iliensibus Ehoeteum et Gergi- 
thum addiderunt, non tam ob recentia nlla merita, quam originum memoria \ 
eadem et Dardanum liberandi causa fuit. 

***) Strab. p. 593: r^y de rtoy 'IXUa^y nohy rioy yvy zitos f^ey Xiof^tjy 
elyai <paffi to leqoy i^ovcay t^^ 'A^riyä^ /iix^oy xal eiieXi^, 



41 

Auf einen mächtigen Bückhalt, der den AtheneprieBtem zu 
Statten kam, weist die Nachricht hin, dass sie von den Nachbar- 
orten, darunter Sigeion und Bhoiteion, einen Teil ihres (Gebietes 
als ehemaliges Eigentum des alten Troia in Anspruch nahmen^). 
Daraus erklärt es sich auch wohl, dass die aiolischen Athene- 
priester von nion sehr bald in bewussten Gegensatz zu dem wich- 
tigen Nachbarort Sigeion traten, der nach längeren Kämpfen 
(um Ol. 42 und 55) zwischen den Lesbiem und Athenern*^) 
in dem Besitz der Athener blieb. Sigeion hatte übrigens gleich- 
falls ein angesehenes Atheneheiligtum aufzuweisen. Als Alkaios, 
der gefeierte Dichter aus Mitylene, in einem jener Kämpfe seinen 
Schild verlor, hängten die Athener das wertvolle Beutestück in 
dem Tempel zu Sigeion auf***). 

Dass in den Kämpfen um das Sigeion die Lesbier und die 
Athener sich auf ihre durch Agamemnons Sieg erworbenen Bechte 
an das Troerland beriefen, und dass letztere den Lesbiem vor- 
hielten, wie überhaupt alle Hellenen, deren Vorfahren an dem 
Zuge gegen Troia teilgenommen hätten, das gleiche Anrecht an 
jene G^enden besässen, ist bereits früher angedeutet worden f). 

Von demselben Standpunkt aus beurteilte sogar noch Aischylos 
die Sache, als er (im J. 458 v. Chr.) in den Eumeniden (V. 397 flF.) 
der Göttin Athene die Wort'', in den Mund legte: 

Femher vernahm ich eines Hilfemfes Laut 
Am Strom Skamandros, wo das Land ich mir besah. 
Das der Achaier Fürsten und Heerführer einst. 
Von speeremmgnen Sehätzen einen reichen Teil, 
Mit Baum und Grashalm mir geweiht auf immerdar. 
Dem Stamm des Theseus ein erlesnes Eigentum. 

Nicht aus dem Athenetempel von Ilion, sondern aus dem 
sigeischen Heiligtum lässt hier Aischylos die Göttin herbeieilen, 
lieber den nächsten Anlass zu dieser politischen Anspielung ist 
nichts bekannt; doch hängt sie ohne Zweifel damit zusammen. 



*) Strab. p. 602: rrjy df x^qav «g)ayi<f&d<fris r^g noXeotg oi ro Ziyuov 
xai t6 'Poitiioy tx^ytts ^uyüfAayto xal xtay äXXtoy (ag tvtacroi rtay nXfiffioxw' 
Qioy, anidotray cf' dyoixiffd'dfftjg. Die Glaubwürdigkeit dieser Angabe ist 
indesB zweifelhaft, da aie dem Anschein nach von Hellanikos herrührt. 
**) Schoene in den Symb. phil. Bonn. II p. 750. 
***) Herod. V 95: avrog (Jiky (fBvytoy ix(p€vy€i, rä di ol onXa Xts^ovat 
^A'^tjyaloi, xai ixg)ea «PBX^ifAaaav n^os xo 'Ad-i^yaioy to ky Siydf^. 
t) S. oben S. 33. — Edinburgh Rev. 1881 nr. 314. p. 519. 



42 

dass die Ausbreitung der athenischen Machtstellung am Hellespont, 
eine Folge der letzten Siege über die Perser, auf erheblichen 
Widerspruch seitens der Lesbier und der aiolischen Küsten- 
bewohner stiess. Ilion mit seiner troianischen Legende und seinen 
Ansprüchen auf das alte Stadtgebiet von Troia dürfte dabei den 
Athenern ziemlich unbequem gewesen sein. 

Ob aus dem Gesichtspunkt dieser Bivalität auch das oben- 
erwähnte Eintreten des lesbischen Geschichtschreibers Hellanikos 
(f 410 y. Chr.) für die Ansprüche der aiolischen Ilienser zu er- 
klären ist, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre unter diesen 
Umständen weit eher ein begründeter Aiüass vorhanden, bei 
dem einzigen Anwalt der Ilienser auf tendenziöses Verhalten zu 
schliessen, als bei Demetrios und Hestiaia^. 

Eifersüchtige Bivalität scheint auch in der Folgezeit zwischen 
Sigeion und Ilion geherrscht zu haben, bis zuletzt die Ilienser, 
durch den mächtigen Arm der Bömer geschützt, die verhasste 
Nebenbuhlerin beseitigten und sich des Gebietes der zerstörten 
Stadt bemächtigten**). 

Ein hervorragendes Zeugnis tOr die einflussreiche Stellung des 
Athenetempels in Neu-Hion im 6. und 7. Jahrh. v. Chr. bildet 
aber die bereits erwähnte Nachricht, dass die Lokrer jährlich zwei 
vornehme Jungfrauen, die aus den sogenannten „hundert Häusern^ 
ausgewählt wurden, in jenen Tempel entsenden mussten und zwar 
als Sühne für den von Aias an E^assandra verübten Frevel Ver- 
anlassung zu dieser Sendung war eine schwere Heimsuchung des 
lokrischen Landes durch Hungersnot***). Die Verpflichtung war 
vom delphischen Orakel auferlegt worden und sollte tausend Jahre 
dauern. 



*) Vergl. Jebb Homeric andHellenic Ilinm p. 41: At the time when 
Hellanicus wrote, then, the Aeolic Greeks of Ilinm and the Troad wäre 
still, as they had been from the first, in the dosest relation with Mitylene. 
The Mitylenean Hellanicus had more, therefore, than the common motive 
of a logographer for adopting those local legends which were flattering 
to the Hians. 

**) Strab. p. 600: juxtiaxctTttM cfe xal t6 Siysioy vno rtoy ^IXUay 
dneUhvy. 

***) Polyb. Xn 5, 7 : svyeystg naq« CffUfi yofJiiCscdixi vovs dno %^v ixa- 
top oiKimy Xeyoftivovs' tavtas 4^ tlyai ras kicatoy oixla^ xds n^XQi&eiffag 
vno Ttay ÄoxQmy nqly ^ r^y anoindav i^skd-sXy If my sfjieXXoy ol äoxqoI TUtcrd 
roy XQ^^f^^^ xXtiQovy tng dnotnnXmüo^iyag naqd-iyovg €is ^Ihoy, — 



43 

Die Späteren'^) wisBen, wohl auf Grund der alten Tempel- 
legende, mancherlei Sonderbares über diese Opfersendung zu be- 
richten. Die Ilienser hätten diese Jungfrauen, sobald sie gelandet 
waren, mit Steinwürfen oder mit den Waffen in der Hand ver- 
folgt, um sie zu töten, die Getöteten verbrannt und ihre Asche 
ins Meer gestreut, worauf die Lokrer wieder andere nachgesendet 
hätten. Diejenigen Jungfrauen, denen es gelungen, lebend den 
Tempel zu erreichen, wären zu den niedrigsten Diensten ge- 
zwungen worden und barfuss, mit geschorenem Haupte und in dürf- 
tiger Kleidung einhergegangen. Sie durften auch nicht der Göttin 
nahen und den Tempel bei Tage nicht verlassen. Wenn es einem 
Ilienser gelang, eine von den Jungfrauen zu töten, lud er dadurch 
keinerlei Schuld auf sich ; ja er wurde vom Volke gepriesen und 
seine That galt als verdienstliches Werk. Als einst eine der 
Jungfrauen auf dem troischen Berg Traron getötet worden war, 
beklagten sich die Lokrenser zwar nicht darüber, stellten aber 
nunmehr die Opfersendung ein, indem sie vorschützten, dass die 
Zeit der Verpflichtung abgelaufen sei. Als darnach ihr Land 
wiederum von einer Dürre heimgesucht wurde, nahmen sie die 
Sendung wieder auf, jedoch nur mit einer Jungfrau, und als 
ihnen dies endlich doch zu lästig wurde, schickten sie statt der 
Jungfrauen neugeborene Kinder mit ihren Ammen. Nach dem 
phokischen Ejiege aber benutzten sie den günstigen Moment, um 
die drückende Verpflichtung gänzlich abzuschütteln. 

Wann diese Opfersendung, die nach Einigen auf 1000 Jahre, 
nach Andern auf unbestimmte Zeit vom Orakel angeordnet war, 
ihren Anfang genommen hatte, ist unsicher. Doch scheint der 
Zeitpunkt dem der Gründung der Stadt sehr nahe gelegen zu 
haben. Die Ilienser behaupteten später zwar, sie habe unmittelbar 
nach der Eroberung Troias begonnen, und sahen in ihr einen 
hauptsächlichen Beweis für ihre Meinung, dass Agamemnon die 
alte Stadt nicht vollständig zerstört habe. Allein schon Demetrios 
und Strabon**) widersprachen dem ganz entschieden und wiesen 

*) Plut. de swa num. vind. c. 12. — Tzetz. ad Lycophr. AI. IUI 
bis 73. — Schol. Hom. II, XTTT 66: 'A&tiva dl ow(f ovta>g xng o^ijs inav- 
aaxo, a^a %ai xovs Aonqovs ^yäyxcctfsv ml x^Xia etij sig ^IXioy ix xXi^qov 
Tttt^ivovs ni[A7iEiy, ri laxoqia naqä Kakkif^a^f^ Iv Ahlay %x%, 

**) Strab. p. 600. 601: «1 yovv Äoxqi&es naqHvoi fxixqov vtfteQoy «^|a- 
fA^yai InifjmovTo xux ttog' xal xavxa ov^ ^OfjifiQixti, ovdh yäq xris KafSaydqas 

ipd'oqay ol^Ey 'OfAri^og Tttf 61 Äoxql&ag TKfjifpd'ijycci llsqüwy fjdtj 

xqaxovyxtay üvyißrj. 



44 

darauf hin, dasB jener Frevel des Aias überhaupt ein naoh- 
homeriBcher Mythos sei*); bei Homer habe der Zorn der 
Athene einen andern Grund. Die Opfersendung habe erst zu der 
Zeit begonnen, als die persischen Könige ttber Troas herrschten 
(also nach 560 t. Chr.). Nach der von Polybios erwähnten Tra- 
dition der Lokrer waren dagegen die hundert Häuser, die das 
jährliche Opfer absenden mussten, bereits vor der Absendung der 
Colonie nach Unteritalien (Ol. 24 = 680 t. Chr.) ausgewählt 
worden. 

Es ist klar, dass das Opfer der lokrischen Jungfrauen ur- 
sprünglich nur einen Tribut an das ehrwürdige Palladion 
bedeutete; für die später behauptete Identität von Troia und Neu- 
nion ist es durchaus nicht beweiskräftig. Dieser Tribut würde 
ohne Zweifel auch dann entrichtet worden sein, wenn das Palla- 
dion in Dardanos oder in-Sigeion aufbewahrt worden wäre. Es 
kann lediglich als ein Zeugnis für das Ansehen des Atheneheilig- 
tums und für die Beziehungen zwischen diesem und dem allge- 
waltigen Orakel ron Delphi gelten. Welchen Einfluss aber Delphi 
bei der Golonisation Eleinasiens ausübte, ist bekannt Die Ij- 
dischen Könige, unter ihnen in erster Linie Gyges, wussten recht 
gut, weshalb sie sich um die Gunst des Orakels bewarben. Und 
dass dasselbe auch sonst Beziehungen zwischen der aiolischen 
Troas und dem hellenischen Mutterland geknüpft hat, lehrt ein 
andres Beispiel. 

Durch einen delphischen Orakelspruch waren die Thebaner, 
um eine schwere Pest abzuwenden, reranlasst worden, die Grebeine 
des Hektor von der bei Ophrynion in der Nähe Ilions gelegenen 
Grabstätte des Helden nach Theben zu schaffen. Diese Trans- 
lation fällt wahrscheinlich ^in die Zeit eifriger Beliquienyerehrung 
und gesteigerter Frömmigkeit kurz vor den Perserkriegen** **). 
Die Boeotier gehören aber zum Stamm der Aioler. 

Auch fand schon in alten Zeiten eine andere jährliche Opfer- 
sendung nach der troischen Küste, über die Philostratos ausführ- 
lich berichtet (Heroic. p. 208), Ton Seiten der aiolischen Thessalier 
statt. Diesen hatte das Orakel von Dodona befohlen, jährlich 



*) Auch FhiloBtrat. heroic. p. 175 erklärt, wie schon oben erwähnt, 
den Mythos von dem Frevel des Aias für erlogen. 

**) Stark in der Jen. Litteraturzeit. 1877. S. 670. Fans. IX 18, 5. 
Schol. II. Xm init. Lykophr. Alex. 1205 u. Schol. — Arist. Pepl. — 
Anthol. Pol IX App. 



45 

ein Schiff abzusenden, um dem Aehilleus an seiner Grabstätte 
[bei dem Orte Achilleion nahe bei Sigeion] ein Totenopfer darzu- 
bringen. Dies Opfer fand des Nachts statt, und die Opfernden 
yerliessen vor Tagesanbruch die Küste, die ihnen als Feindesland 
galt Als Xerxes nach Hellas kam, wurde das Opfer eingestellt, 
später aber, zur Zeit Alexanders des Grossen, ndeder aufgenommen. 
Aus dem bisher Angeführten erhellt bereits die wahre und 
ursprüngliche Bedeutung Neu-Ilions. Es war in erster Linie 
eine angesehene aiolische Gultstätte*), in gewissem Sinne 
vergleichbar dem ionischen Artemistempel in Ephesos. Wie hier 
das aus dem Holz des Weinstoeks gefertigte „uralte Gnadenbild " 
der Eybele-Ai*temis den Mittelpunkt eines weit ausgedehnten 
hierarchischen Machtbereiches bildete, so ähnlich in dem Athene% 
tempel in Ilion das vom Himmel gefallene Palladion. Verstärkt 
wurde der Einfluss desselben durch die schon frühe an den Namen 
der Niederlassung geknüpfte Tempellegende von der Identität der 
aiolischen Colonie Ilion mit dem homerischen Troia. In Wirk- 
lichkeit ist diese Identität durch keine zuverlässige Nachricht 
irgend eines alten Autors verbürgt. Auch hatten die Ilienser nicht 



*) Darauf weiBen — abgesehen von vielen anderen Umständen — 
unter den gemachten Fanden auch die kleinen formlosen Idole aas Marmor, 
Elfenbein oder Terracotta mit dem Ealentypas hin. Sie wurden bereits in 
der untersten Schicht, besonders zahlreich aber von der Brandschichte an 
aufwärts gefunden, und sind ohne Zweifel rohe Nachbildungen eines uralten 
Götterbildes, lieber die geringe Formvollendung auch der in den oberen 
Schichten gefundenen Stücke darf man sich nicht wandern, wenn man be- 
denkt, dass gerade in diesem hieratischen Beiwerk die uralte Tradition 
stets mit grosser Zähigkeit festgehalten wird, wie man noch heutzutage bei 
den an Wallfahrtsorten aasgebotenen Figuren, Wachsamaletten u. s. w. be- 
obachten kann. Auch die zahllosen Wirtel , die in allen Schichten von 
Hissarlik vorkommen , und die man entweder fUr Spinnwirtel oder für 
Netzgewichte erklärt hat, tragen wohl einen hieratischen Charakter. Sie 
dürften aber nicht sowohl, wie Schliemann (Ilios S. 470) vermutet, als 
9 Weihgeschenke für die Schatzgottheit der Stadt *" anzusehen sein, sondern 
vielmehr als JBrinnerangsstücke , die dem frommen Besucher des Tempels 
als Geschenk verabreicht oder auch verkauft wurden, ähnlich den Amu- 
letten zn Ephesos und anderwärts, und die wohl in dem Tempelbezirk 
fabrikmässig in verschiedenen Sorten und in grossen Quantitäten, ebenfalls 
mit Beibehaltung der altertümlichen Form und Schrift, angefertigt warden. 

Bei den frühesten Versuchen, die Schrift zu denten (Hang u« Gom- 
perz), war es „verblüffend, auf Gegenständen von trojanischer Arbeit gutes 
Griechisch za finden** (Ilios S. 767). Später stockten diese Versuche. Nach 
prof. Sayce ward in Lydien und Troas dasselbe Schriftsystem gebraucht. 



46 

das geringste Becht, sich die Nachkommen der alten Troianer zu 
nennen. Diese letzteren waren vielmehr in das gebirgige Innere 
des Landes (Gergis, Skepsis und Ärisbe) zurückgedrängt, und die 
aiolischen Ansiedler waren, als sie den Eüstensaum besiedelten, 
ohne Zweifel als Feinde derselben aufgetreten. Ja, es wird ge- 
radezu berichtet, dass von den Eindringlingen die Nachkommen 
des Aineias aus ihren Wohnsitzen gewaltsam rertrieben wurden *). 
Trotzdem durften die Ilienser ungescheut ihre Bolle als Neu- 
Troianer Jahrhunderte lang spielen. So gross war die Macht reli- 
giöser Vorstellungen und üeberlieferungen **). 

Hält man aber diesen religiösen Gesichtspunkt fest, so erklärt 
sich auf die einfachste Weise, wie der Tempel der Athene Ilias 
mit seinem angesehenen Palladion von der Gründung der Stadt 
bis tief in die Zeit der römischen Kaiser stets im Vordergrund 
der den Iliensem gewidmeten Aufmerksamkeit steht Die Priester- 
schaft verstand sich, gleich der ephesischen, vortrefflich darauf, 
in guten und schlimmen Zeiten die troianische Sage im Interesse 
ihres Tempels zu verwerten f). Das religiöse Moment war ohne 
Frage der wichtigste Factor in dem künstlichen Gewebe dieser 
Legende. 

Ein weiteres Zeugnis für das Ansehen des Heiligtums ist das 
feierliche Opfer, das Xerxes der Athene Ilias darbrachte. 
Herodot***) berichtet sehr kurz über dasselbe: „Als Xerxes an 
den Skamandros gekommen war, stieg er auf die Pergamos des 
Priamos hinauf, denn er fühlte das Verlangen sie zu schauen, 
und nachdem er sie geschaut und alle Einzelheiten jener Vor- 
gänge erfragt hatte, opferte er der Athene Ilias tausend Binder, 
die Magier aber brachten den Heroen Trankopfer dar. Als dies 
geschehen war, brach nächtlicherweile in seinem Heere eine Panik 
aus. Mit Tagesanbruch marschierte er weiter. '^ 



*) Schol. IL XX 307: ol di g)aifty, oxi AloXiig i^ißaXov rovg nnoyovovs 
Äiyiiov, 

**) Schüchterner Versuch einer Kritik in dem Hinweis auf die In- 
conseqnenz der Ilienser, die nicht nur dem Achilleas, Patroklos und Anti- 
lochos, sondern sogar dem Frevler Aias Opfer darbrachten, bei Strab. p. 596. 
t) E. Curtius Ephesos. Berlin 1874. S. 6 f. 
***) Herod. VII 43: im xovxov d^ xoy noxctfjioy [sc. Sxd/^iaydQoy] cop 
dnixtro SiQ^ijg, h x6 Uqidfjiov ni^ya/ioy dyißij Xfjt^qov l/cov ^vivicacd'ai, S'ti- 
ricafxivos 6h xai nvd^fx^yos Ixüyuiy exttaxa xj 'AS^iyttir^ x^ ^Ihd&i edv<re fiovs^ 
Xt^<xg» X^ds 61 ol fjidyoi xoUs% ri^taci l/^avr». 



47 

In diesem Bericht ist die Stadt Ilion gar nicht erwähnt. 
Dennoch ist er ein wichtiges Zeugnis für das frühe Vorhanden- 
sein der lokalen Legende. 

Dass die Priester des hellenischen Athenetempels in einer 
aiolischen Stadt ihrem damaligen Gebieter ^)y dem Erzfeind der 
Hellenen, der kurz zuvor das berühmte Branchidenheiligtum bei 
Milet zerstört hatte und der auch späterhin mit den Tempeln in 
Hellas nicht sehr glimpflich rerfuhr, solchen Bespect einzuflössen 
wussten, bekundet ihre Gewandtheit; auf welche Weise sie es 
fertig brachten, ist aus Herodot, obwohl er seine Angaben (be- 
sonders das To IlQidfAov näqyafiov d-ffyöaö'd'a^ %[A€qov ixonv) wahr- 
scheinlich aus dem Munde der Priester selber hatte, nicht zu er- 
sehen. Es geschah indessen wohl hauptsächlich durch den Hin- 
weis auf das uralte Nationalheiligtum, das Palladion der alten 
Troerkönige **). 

Uebrigens ergibt sich aus seinem Bericht durchaus nicht, dass 
damals die Stätte des Athenetempels geradezu als homerische 
Fergamos galt ***) ; diese konnte dem Xerxes auch in der Nach- 
barschaft, bei dem Dorfe der Hier, gezeigt worden sein, in dessen 
Nähe ja auch das Hektorgrab und andre denkwürdige Landmarken 
der alten Stadt lagen. 

Die nächsten Zeugnisse für die Bedeutung Uions sind sehr 
dürftig. 

Gelegentlich der Kämpfe der Athener gegen Mitylene und 
die lesbischen Flüchtlinge (im J. 427—424) berichtet Thuky- 
didesf) zwar von einer Besetzung Bhoiteions, Hion aber wird 
yon ihm in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. 

Im Jahre 411 y. Chr. brachte der spartanische Feldherr 
Mindaros, wieXenophon erzählt, der Athene in Ilion (also 
in dem Tempel auf Hissarlik) ein feierliches Opfer dar, und 



*) JAq Städte der Troaa hatten übrigens auch Schiffe für die Perser- 
flotte geliefert, vgl Diod. XI 2, 1. 

**) Vergl. Herod, I 5: Ovraj fjilv ol niqcai, Xiyovat yevic&ai x«l <f»« 
tfiv 'IXlov akütaiy tv^iaxavai a<pi<n kovaav j^y ^QX^^ ^^^ ix^9^^ ^^^ ^^ 
Tovg "EXkiivag, 

***) So schon Boeckh C. I. Gr. II 3595. Stark Jen. Litteraturzeit. 
1877. S. 668. Auch Bröndsted Beise i Gräkenland II S. 321 meint, 
Xerxes habe die Stätte Troias bei dem Dorfe der liier, nahe bei Kalliko- 
lone, besncht, vgl. Welcker Ep. Cycl. II S. 25. 

t) Thuc. m 50. IV 52. 



48 

während er damit beschäftigt war, bemerkte er, dass seine Flotte 
(bei Shoiteion) in ein Gefecht verwickelt wurde, worauf er sogleich 
ans Meer hinabeilte und sich in seine Schiffe warf ^). 

Man hat auch in dem Opfer des Mindaros verkehrterweise 
ein wichtiges Zeugnis für die Identität des alten und des neuen 
Ilion finden wollen. Eine weitere Stelle Xenophons**), die von 
der Eroberung der aiolischen Binnenstädte der Troas durch Der- 
kyllidas (im J. 399 t. Chr.) berichtet, zeigt sogleich die Nichtig- 
keit solcher Beweisführung. Derkjllidas bringt nämlich, während 
er in einem kurzen Feldzug von neun Tagen die troische Land- 
schaft von der Phrygischen Sati*apie des Phamabazos losreisst, 
der Athene nicht bloss in der Stadt Skepsis ein feierliches Opfer 
dar, sondern bald darauf auch ein solches in Gergis. Daraus 
ergibt sich, dass auch in diesen Orten ansehnliche und ohne Zweifel 
alte Athenetempel vorhanden waren. Es ergibt sich aber auch, 
dass es sich in allen diesen Fällen, wie bei den noch zu er- 
wähnenden Opfern Späterer, z. B. Alexanders des Grossen, zunächst 
bloss um die Erf&llung religiöser Pflichten handelte, die kein 
Feldherr versäumen durfte, wenn er sich nicht der Gefahr aus- 
setzen wollte, bei etwaigen Misserfolgen wegen Impietät zur Ver- 
antwortung gezogen zu werden. 

Die Orte Skepsis, Gergis und Kehren werden in dieser Er- 
zählung Xenophons als befestigte Städte erwähnt Von Ilion, das 
sich auf die erste Aufforderung hin dem Spartaner ergab, wird 
dasselbe zwar nicht ausdrücklich berichtet, doch darf man es 
immerhin voraussetzen, da von der Besatzung der Stadt die Bede 
ist So ausführlich aber die Schilderung Xenophons hier auch 
ist, die „ruhmreiche Vergangenheit" Ilions wird mit keinem Worte 
erwähnt ; merkwürdigerweise ist auch nicht von einem Opfer des 
Derkjllidas in Ilion die Bede. 

Wann diese Städte wieder unter die persische Herrschaft 
kamen, lässt sich nicht sicher ermitteln. Weiterhin erfahren wir 
aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts nur noch das eine, 
dass der athenische Söldnerführer Gharidemos im Dienste des 
aufständigen Satrapen Artabazos ausser Skepsis und Kehren auch 
die Stadt Ilion belagerte und durch eine Täuschung der Thor- 
wächter einnahm. Hierbei spielte auch ein Pferd eine seltsame 



♦) Xen. Hellen. I 1, 4. 
*♦) Hellen. IH 1, 10 ff., vgl. Diodor, XIV 38, 3, 



49 

Bolle, indem er die rechtzeitige Schliessung des Thores verhinderte 
und das Eindringen der Belagerer ermöglichte*). Ob diese Ein* 
nähme mit wesentlichen Zerstörungen an Mauern und Wohnstätten 
verbunden war, darüber wird nichts berichtet. 

Ein Ereignis von ausserordentlicher Bedeutung für Neu-Ilion 
war die Ankunft Alexanders des Grossen an der klein- 
asiatischen Küste. In ihm fand die priesterliche Ortslegende einen 
Anhänger, bei dem der Enthusiasmus alle kritischen Bedenken 
weit zurücktreten liess und dessen gewaltige Machtmittel der Sache 
eine ungeahnte Förderung gewährten. 

Während das Heer Alexanders bei Sestos den Hellespont 
überschritt, fuhr er selber von Elaius, einer Stadt auf dem Gher- 
sones, hinüber nach der troischen Küste und landete „im Hafen 
der Achaier.'' Da wo er sich auf dem Ghersones eingeschifft 
hatte und da wo er in Asien zuerst von allen in voller Büstung 
ans Land gesprungen war, liess er Altäre der Athene und des 
Herakles errichten. In Ilion angekommen brachte er der Athene 
Ilias ein Opfer dar, hängte in dem Tempel derselben seine Büstung 
als Weihgeschenk auf und entnahm dafür einige der dort auf- 
bewahrten heiligen Waffenstücke (insbesondere einen Schild), die 
angeblich aus dem troischen Kriege stammten und die er später 
in den Schlachten vor sich hertragen liess. Ausserdem opferte 
er dem Priamos auf dem Altar des Zeus Herkeios, um 
den Zorn desselben gegen das Geschlecht des Neoptolemos, von 
dem er selber abstanmite, zu versöhnen. Nachdem er, wie zuvor 
von seinem Steuermann Menoitios, nun auch von dem aus Sigeion 
herbeigeeilten Athener Ghares mit einem goldenen Kranz bekränzt 
worden war, schmückte er selber das Grab des Achilleus, sein 
Freund Hephaistion das des Patroklos. Dabei pries er den 
Achilleus glücklich, dass ein Dichter wie Homer der Herold seines 
Buhmes bei der Nachwelt geworden sei. Soweit der Bericht des 
Arrianos**). 

Dass jenes Opfer für Priamos in Ilion selber bei dem Tempel 
des Zeus stattgefunden habe, ist aus dem Bericht nicht mit Not- 
wendigkeit zu sohliessen. 

Ist es, wie oben angedeutet***), wahrscheinlich, dass der Altar- 

♦) S. oben S. 22 f. 

**) Aman. An, I 11, 5 ff. VI 9, 3. Vgl. Diodor. XVII 17, 2. 6 flf. 
♦**) Herr Schliemann Ilios (S. 240 vgl. 193. 202) behauptet freilich: 
Die Ilienser „zeigten mit Stolz auf ihrem Pergamon [sie] das flaus des 

Brentano Troi« und Neu-Ilion. 4 



50 

stein des Zeus Herkeios ausserhalb der Stadt gezeigt wurde, so 
liegt nichts der Annahme im Wege, dass Alexander auch an 
diese Stelle geführt wurde. Auch Plutarch^) berichtet, dass 
der König den Heroen Trankopfer dargebracht und insbesondere 
den Grabstein des Achilleus gesalbt und um denselben mit seinen 
Gefährten die üblichen Leichenspiele aufgeführt habe. Dies aber 
weist doch deutlich auf Feierlichkeiten hin, die ausserhalb der 
Stadt abgehalten wurden. Ausdrücklich erwähnt dann Plutarch 
noch, dass Alexander einen Umgang gehalten habe, um die zur 
Stadt gehörigen Sehenswürdigkeiten zu schauen {d'eäad-ai %ä 

Was ihm dabei alles von den Uiensem ror Augen gefdhrt 
wurde, darüber schweigen leider unsere Berichte. Doch scheint 
man seiner Gläubigkeit sehr viel zugemutet zu haben. Als er 
nämlich bei diesem Umgang auch von Jemand gefragt wurde, ob 
er nicht die Leyer des Paris zu sehen wünschte, lehnte er das 
Anerbieten unter dem höflichen Verwand ab, er interessiere sich 
mehr für die des Achilleus, mit welcher derselbe die Lieder von 
den ruhmvollen Thaten der alten Helden begleitet habe. An die 
rechtzeitige Herbeischaffung dieses Seliquienstückes hatten frei- 
lich die guten Ilienser nicht gedacht. 

Die Feierlichkeiten, die der König bei seinem damaligen 
Aufenthalt in Ilion veranstaltete, und die man als „eine Art Vor- 
weihe zu dem Peldzug gegen Persien" bezeichnet hat**), waren 



Priamos sowohl als den Altar des Zeus Herkeios, wo der un- 
glückliche Greis erschlagen worden war, und den identischen 
Stein, auf welchem Palamedes die Griechen im Würfelspiel unterrichtet 
hatte.^* Drei recht charakteristische Behauptungen. Die beiden ersteren 
sind reine Fictionen; in der gesammten antiken Litteratur existiert 
keine einzige Stelle, auf die sich jene Behauptungen gründen Hessen. Die 
dritte aber ist insofern uncorrect, als es in dem Fragment des Polemon 
(bei Müller frgm. hist. gr. lU p. 125 fr. 32 nach Eustath. ad. U. II p. 22S) 
einfach heisst: Xid-o^, ktp ov Inicavoy oi "JEXXrjyeg. Inwiefern übrigens ein 
solcher Stein, und wäre er selbst für den „identischen Stein'* des Palamedes 
angesehen worden, ein Beweisstück für die Identität der beiden Städte sein 
könnte, ist nicht leicht abzusehen. Dass in Wirklichkeit als Altar des Zeus 
Herkeios ein unscheinbarer Steinhaufe ausserhalb Ilions gezeigt wurde, 
scheint, wie oben S. 28 erwähnt, aus der Schilderung Lucans hervorzu- 
gehen. Als Thatsache kann nur gelten, dass in Ilion ein Tempel des Zeus 
Polieus vorhanden war, s. C. L Gr. n 3599. 

*) Plut. Alex. 15. — Cic. pr. Arch. X 24. Philostr. heroic. p. 209 sq. 
**) Droysen Gesch. des Hellenismus. II 2 S. 386. 



51 

übrigens bo grossartig, dass Dikaiarohos sich veranlasst sah, eine 
besondere Schrift über dieselben zu verfassen. 

Alexander, von Jugend auf ein schwärmerischer Verehrer 
Homers und jetzt von dem Anblick der altehrwürdigen Oertlich- 
keiten und Seliquien begeistert und auch wohl von dem Zauber, 
der über der ganzen Gegend ruhete, hingerissen, beschloss dem 
bis dahin unbedeutenden Städtchen besondere Zeichen seines Wohl- 
wollens zu geben und es zu einem grossen Gemeinwesen zu 
erheben. Er liess den Tempel mit Weihgeschenken schmücken, 
erklärte den Ort, indem er ihm den Namen Stadt erteilte, für 
unabhängig und steuerfrei und befahl den Behörden, grosse Bauten 
aufzuführen *). 

Später, nach der vollständigen Niederwerfung der persischen 
Herrschaft, versprach er brieflich, dass er die Stadt noch erweitem, 
den Tempel prächtig herstellen**) und heilige Kampfspiele ein- 
richten wolle. 

Der Tod hinderte zwar den Eroberer Asiens an der Aus- 
führung dieser grossartigen Versprechungen, aber einer seiner Erben, 
Ljsimachos, nahm sich Ilions eifrig an***). Er soll (falls näm- 
lich eine Notiz Strabons mit Becht auf Ilion bezogen wird) einen 
Tempel und eine Stadtmauer von fast 40 Stadien (eine deutsche 
Meile) im Umfang erbaut und die Bewohner einiger alten, teil- 



*) Nach Strabons Angabe (p. 593), die übrigens wie manches andere 
in diesem Abschnitt wohl ungenau ist, wäre dies erst nach der Schlacht 
am GranikoB geschehen: 'ÄU^ardQoy dh ävaßdvxa fiara r^y ini Fqayixi^ 
vixriy ayad-rifjLaai re xotffÄ^aai t6 U^oy xai ngoaayoQEvaai noXiy xal oixoSo^ 
fAiaig äyaXapuy nQoarä^ai xoXg inif^aXtjtaig iXevd-iQay t€ XQiyai xal atpoQoy' 
vaj£Qoy de fjierä Trjy xaxdXvaiy rtay ÜEQamy iniaroX^y xaTonifAif^cci (piXayd'Qü}- 
noy, vmcxvov fABVoy noXiy xb noi^ffai /ÄsydXrjy xal isQoy kntcrifjioTaxoy xal 
dymya dnodd^eiy Ugoy, 

**) Diodor. XVIII 4 (Erwähnung der von Alexander erbauten Tempel) : 
iy KvQQffi ök xrig 'Ad-ijyäg' ofxoms da xal ky ^IXii^ xavxtjg x^g d'tdg xaxa- 
iXX€va<rd^yai yaoy vntqßoXiiy ixiqtp fxri xocjaXainoyxa. 

***) Strab. p. 593: /i€t« de x^y kxdyov xtXavxriy AvaifJLaxos fJidXusxa 
xr^g noXatog intfxtXrid'fi xal yetay xaxeaxsvaae xal xei^og TiequßdXsxo 6<roy 
xexxaqdxoyxa axaditoyj cvyt^xtai xe aig ai/xtjy xdg xvxXt^ noXsig dqx^^^s n^rj 
xexaxiofjiiyag, 6x€ xal 'AXe^aydqsiag ^drj knafJLiXrid-ri , avyt^Xia/jiiyrjg fily rjdri vn 
'Ayxiyoyov xal nqocriyoqavfAiyrig Avxiyoytiag , ftexaßaXovtjtjg de xovyofxa* edo^s 
yaQ evceßkg slyai xovg AXi^aydqoy diade^afxiyovg ixeiyov nqoxeqoy xxi^eiy 
ImayvfAovg noXeig, eld^ kavxdiy. xal drj xal <fvyi[Aeiye xal av^rjaiy fffjf«, yvy dk 
xal ^PtofAaUoy dnoixlav didexxai xal saxi xtay llXoylfxiay noXeoty, 

4* 



52 

weise yerfallenen Nachbarstädte genötigt haben, sich in Ilion an- 
zusiedeln. 

Auch der Plan Alexanders, Festspiele zu Ehren der Ilisohen 
Athene einzurichten, fand seine Verwirklichung. Denn, wie aus 
einigen Inschriften"^) zweifellos hervorgeht, war in der nächsten 
Zeit der Athenetempel in Ilion der Mittelpunkt einer ausgebreite- 
ten Festgenossenschaft benachbarter Orte. Man verwandte grosse 
Sorgfalt auf die Feier dieser Spiele (Panathenaien oder Ilieen 
genannt) und denjenigen, die sich um dieselben verdient machten, 
wurden in pomphaften Erlassen Danksprttche erteilt. Zur Zeit 
des Antigenes (um 306) war Ilion zugleich das Haupt einer um 
den Athenetempel gruppierten Gonfoederation (xoivov) autonomer 
hellenischer Städte der Troas mit einem selbständigen Bundesrat 
{iSvv^dqiov) an der Spitze. Auch Lampsakos am Hellespont und 
Gargara am adramyttenischen Meere gehörten derselben an^*). 

Wie aus den neugefundenen Inschriften hervorgeht, sind diese 
staatsrechtlichen Verhältnisse so, wie sie Alexander begründet 
hatte, auch in der seleukidischen Periode geblieben***). Ftlr die 
Feier der Feste und Wettkämpfe der ilischen Athene dauerte die 
Gemeinschaft jener Städte jedenfalls auch noch in römischer 
Zeit fortf). 

Zu denen, die sich durch besondere Fürsorge für den Tempel 
hervorthaten , hat, nach den Angaben der sogen, sigeischen In- 
schrift zu urteilen, Antiochos Soter (281 — 264) gehört, denn 
die Volksgemeinde der Ilienser liess um 278 v. Chr. seine Statue 
an einer hervorragenden Stelle des Tempels aufstellen „zum Dank 
für seine dem Heiligtum bewiesene Pietät^ und nannte ihn den 
Wohlthäter und Eetter (crwir^^a) des Volkes ff). 

Diese Bezeichnung des Königs hat zunächst nichts zu thun 
mit dem stehenden Titel ;, Soter ^, der ihm nach seinem grossen 
Sieg über die Galater erteilt wurde ; denn die Abfassung jener 
Inschrift fand vor dem Siege statt. 



*) C. L Gr. II 3595. 3601. 3602. 

**) Hirschfeld in d. Archaeol Zeit. 1875 (VII B.) S. 153. — Droy sen 
Hellen. II 2 S. 382. — Schliemann Ilios S. 706. 
*♦*) Droysen a. a. 0. n 2 S. 380. 
t) C. I, Gr. n 3604. — Droysen a. a. 0. II 2 S. 387. — Schliö- 
mann Ilios S. 705. 

tt) C. I. Gr. II 3595. — Droysen a. a. 0. lU S. 261. 



'53 

Bei der Unsieherheit der Naehrichten über jenen ZeitabBchnitt 
ist indessen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass das helles- 
pontische Heer des Antiochos speciell zur Befreiung Ilions ron 
der Eeltengefahr beigetragen habe. 

Nach einer Angabe des Hegesianax hätten sich nämlich die 
Galater, damals die Gtoissel Eleinasiens, nachdem sie von 
Thracien aus (L J. 278 y. Chr.) ttber den Hellespont gesetzt waren, 
um einen festen Stützpunkt zu gewinnen, auch in Ilion festge- 
setzt, es aber bald wieder verlassen, weil es nicht befestigt ge- 
wesen wäre*). 

Der letzte Teil dieses Berichtes steht in offenem Widerspruch 
mit der obenerwähnten Notiz bei Strabon, wonach bereits Lysi- 
machos die Stadt mit einer 40 Stadien langen Mauer umgeben 
hatte. Man hat daher verschiedene Vermutungen aufgestellt 
Die gewöhnliche Annahme, dass jene Mauer des Lysimachos be- 
reits 4 Jahre nach dessen Tode so vollständig in Verfall ge- 
raten sei, dass sie ihren Zweck nicht mehr erfüllt habe, klingt 
durchaus unglaublich. 

Entweder ist die Angabe des Hegesianax ungenau, so zwar, 
dass die Galater Hion aus einem anderen Grunde wieder räumten, 
etwa in Folge einer Bedrohung durch die Truppen des Antiochos, 
oder die Stadt war damals wirklich noch ohne genügende Be- 



*) Strab. p. 594: ^Hyricwpa^ rff rovg FaXatag ns^aiay&iyrag Ix r^g 
Evqwfrig ayaßijvM iaIv sig xnv nohv diofjiivovg i^f^arog, na^a XQ^f^^ ^ 
kxXiTisZy dia t6 dtsixtüToy' vaxeqov (T* knavoQd^iaciy Ic/e noXXiqy. (Vgl. Liv. 
XXX Vm 16). Ganz unverständlich bleibt die Notia, die bei Strabon der 
Angabe des Hegesianax vorausgeht: K«l t6 ''IXioy &* o yvy tcji xohiao- 
nokig Tig Ijy, ore nQwtoy '^Ptofjiaioi J^g 'Aoiag Inißncay xai kUß«Xoy 'Ayrioxoy 
Toy fjiiyay Ix j^g iytog xov TavQov. (pticl yovy ^rifjirixQiog o Sxii\l?tog, f^qa- 
Xioy lnt^rifAri<sag dg Trjy noXiy %ar Ixslvovg jovg xaiQovg, ovrmg toXiyaiQtjjuiyijy 
id€iy TTJy xaroiTclay c5<yre /Ärjdh xe^ctfiiordg tx^iy rag aiiyag. Auch dieser 
Abschnitt zeigt, dass unser Strabontext leider mitunter nur ungenaue und 
flüchtig zusammengereihte Excerpte bietet. Die Ankunft der Kömer findet 
fast 100 Jahre nach der Besetzung durch die Galater statt. Möglicherweise 
hat Strabon, wie wir schon früher (Zur Lösung S. 122*) vermuteten, den 
Demetrios, was bei ihm nicht selten vorkommt, falsch verstanden und die 
Stadt Hion mit dem Dorf der Hier (xai^ui? rtSy 'nUtay p. 597) verwechselt. 
Möglich auch, dass Demetrios lediglich die Thatsache berichtet hatte: die 
Häuser in Hion hätten keine Dachziegel — was nach Schliemann Hios 
S. 243 noch jetzt in der Troas der Fall ist — und dass die daran ge- 
knüpfte Folgerung von Anderen herrührt. 



54 

festigimg, Bo dass die fragliche Stelle Strabons einer anderen 
Auslegung bedürfte*). 

An der Thatsache aber, das8 Hion, gleich anderen Orten am 
Hellespont und der Küste von Aeolien und lonien**), von den 
Galatem vorübergehend besetzt wurde, ist wohl nicht zu zweifeln, 
und es dürften sich unter den auf Hissarlik ausgegrabenen Gregen- 
ständen wohl auch Zeugnisse dafür finden, dass die Galater hier 



*) Grote Gesch, Griechenlands übers. I S. 226 Anm. 130 meint, sie 
beziehe sich anf Alexandreia Troas, und will die Verwirmng im Texte 
Strabons dnrch folgende Fassung beseitigen: Merd de triv Ixtivov xtXivjriv 
AvaifAaj^os fidXiaxa zfjs^ lAXe^ayd^eiag insfjieXrjd'rj, 0vv(^xiCfAiyris fjisy ijdfj vn 
'Ayxiyovov, mal nqoatiyoqivfjiivris ^Avriyovias, fjisrccßaXovffijg TovyofJta' (e&o^E 
yccQ ev<fs߀s^ elvai xovg ^AXi^avdgov diada^afiiyovff ixsiyov TtQotsQoy xti^eiy 
Intayvfiovs noXeis, tW avxtay) %a\ ystoy xar€<fX£va0€ xai rsl^off neQußdXero 
000V rsaffaQaxoyra aradlioy' avytpxias dh eig avr^y xäg xvxXtp noXeig d^j^aiag 
^drj X€xax(ofjiiyag. Kai d^ xal avyifAUvs — — — n6X£0}y, — 

Uebrigens ist zu constatieren , dass durch die Ausgrabungen bei His- 
sarlik bis jetzt noch keine Stadtmauern im Umfang von 40 Stadien nach- 
gewiesen sind. Herr Schliemann redet zwar häufig von den „Mauern des 
Lysimachos". Nach der Hauptstelle (Ilios S. 681) nennt er so eine um den 
Hügel Hissarlik (nicht um den Baum der ganzen Stadt) herumlaufende 
„meist 12' hohe und 10' dicke Mauer aus grossen, wohlbehauenen Ealk- 
steinblöcken^ Dieselbe ist aber nicht die Stadtmauer, nicht 40, son- 
dern höchstens 10 Stadien lang, mithin nicht die des Lysimachos (vgl. Ilios 
Plan I). S. 682 (vgl. Plan II): „Von den Mauern rund um Hion herum, 
die von Lysimachos erbaut und von Sulla wahrscheinlich nur ausgebessert 
wurden, sind hier und da [wo denn??] nur noch Theile erhalten.*' Auch 
diese Schliemannsche Mauer des Lysimachos, über die sonst nirgends ge- 
nauer von ihm berichtet wird, ist ein wahres Vexierstück. Die Angaben 
über die Trümmer Neu-Ilions (sie füllen 5 Seiten in dem über 800 Seiten 
starken Band) sind überhaupt unsäglich dürftig. — 

Aus neueren Berichten Schliemanns (Reise in der Troas S. 64) erhellt, 
dass die Mauern von Alexandreia Troas in der That 6 engl. Meilen im 
Umfang haben. Leider ist auch die Schilderung dieser wichtigen Ruinen- 
stätte sehr dürftig ausgefallen. Es scheint fast, als ob er den Vergleich 
mit Neu -Hion scheute. Zum Schlüsse heisst es: „An vorhistorische 
Ruinen ist hier natürlich gar nicht zu denken 1^^ Das ist aber gewiss kein 
Grund, diese Stätte zu vernachlässigen. Denn sicherlich haben die Trümmer 
dieser ansehnlichen Stadt aus der ersten Diadochenzeit zum mindesten nicht 
geringeren wissenschaftlichen Wert als die vielen dubiösen Lehmsteinmauem 
und die kunstlosen Thongefässe im Hügel von Hissarlik. Durch die un- 
glückselige Idee, allenthalben „Vorhistorisches" aufdecken zu müssen, be- 
einträchtigt Herr Schliemann thörichterweise selber die Anerkennung seiner 
Leistungen. 

**) Liv. XXXVin 16. 



55 



ebenso gehaust haben, wie in anderen eroberten Städten Elein- 
asiens. 

Als sechzig Jahre nach jener Besetzung der Stadt durch die 
Galater (i. J, 218 v. Chr.) wiederum eine gallische Söldnerschaar, 
die ihrem Soldherrn Attalos den Gehorsam gekündigt hatte und 
plündernd und brandschatzend am Hellespont umherzog, auch 
nion belagerte, sandte das benachbarte Alexandreia Hilfstruppen, 
die die Gefahr abwandten*). 

Es müsste mithin, wenn die Angabe des Hegesianax genau 
wäre, zwischen den beiden Angriffen der Galater etwas geschehen 
sein, um Ilion verteidigungsfähiger zu machen**). 

Möglich, dass dies schon durch denselben Antiochos Soter 
geschehen ist, der ja nach Kräften bemüht war, durch Anlegung 
fester Bollwerke der schweren Gefahr der Galaterheimsuchungen 
zu begegnen. 

Als im dritten syrischen Kriege das Beich der Seleukiden 
durch Rolemaeos in. Euergetes zerstört wurde, kamen um 246 
V, Chr. die wichtigsten Städte und Häfen von Pamphylien bis zum 
Hellespont unter aegyptische Herrschaft***), mithin auch 
die griechischen Städte der Troas. Diese Herrschaft dauerte im 
Allgemeinen wohl bis zu den Siegen des Antiochos m. Megas 
(197 V. Chr.), doch war üion schon früher wieder zur Selbstän- 
digkeit gelangt. 

Bereits im J. 218 v. Chr. belobt nämlich König Attalos L, 
nachdem er die obenerwähnten gallischen Söldnerschaaren gezüch- 
tigt hatte, die Bewohner von Ilion, ebenso wie die von Lampsakos 
und Alexandreia Troas, wegen der ihm bewiesenen Treue f). 

So wenig Sicheres nun auch über die Periode der aegyp- 
tischen Herrschaft berichtet wird, so ist doch schon die 



*) Polyb. V 111: raiy yaq FaXcerioy noqd'ovvtaiy fXBta noXkris 

aasXytias mal ßlag rag £(p '^E^hidnovxtff tioXhs, ro d€ rtXEvraiov nal noXioQXily 

xovg 'IXutg inißccXXo/Äiyoty — — 0ifAi<sxriy k^anoaxEiXayxEg fA^x aydqtay 

xixqaTiiax^Xiiay aXvday [xly xr^y 'IXiiiay noXioQxlay, i^ißaXoy ^ Ix ndcrig x/jg 
TQ(pddog xovg FaXdxag, 

**) Unmittelbar an die Nachricht von der ersten Besetzung durch die 
Galater fügt Strabon die Bemerkung: vaxeqoy (T Inayoq&iaaiy %ax^ noXXi^y. 
S. oben S. 53 Anm. — C. L Gr. II 3595. 

*♦*) Polyb. V34. — Droysen Hellenismus HI S. 382. 387. 

t) Polyb. V 78 : /^»/^«i'/cyaj' g)iXayd'Q(on(ag Aafjt%paxriyoig, 'AXe^ayd^svaiy, 
'IXuvtn dw x6 xexijQrixiyai xovxovg xrjy TiQog avxov nlcrriy* 



56 

Thatsache an sich von grosser Bedeutung ftir die richtige Be- 
urteilung der Ausgrabungen auf Hissarlik. Man braucht durchaus 
nicht auf weit entlegene vorhistorische Perioden zurückzu- 
greifen, um die — übrigens gar nicht erheblichen — Fundstücke 
von aegyptischem Charakter zu erklären.*) 

Von Antiochos dem Grossen berichtet Livius, dass er 
im J. 192 V. Chr. der Athene Dias ein feierliches Opfer dar- 
brachte **). 

Attalos n. (157 — 138 v. Chr.) weihete der ilischen Athene 
eine Statue seines Bruders Eumenes (197 — 157 v. Chr.); von der 
zu dieser Statue gehörigen Inschrift sind Fragmente bei Tschiblak 
gefunden worden***). 

Eine grössere Bedeutung aber erlangte die Stadt erst, als 
die Bömer in Asien festen Fuss fassten. Es waren wohl nicht 
ausschliesslich politische Rücksichten, welche die Bömer bewogen, 



*) Aegyptischen Charakter vindiciert Herr Schliemann einigen kleineren 
Fandstücken (Ilios S. 477 ff.) ans Erystall oder Porzellan, namentlich einem 
,,löwenköpfigen Sceptergriff," einem „Stabgriff** (beide ans der Tiefe von 
etwa 28 Fnss), einigen ,, Glasknöpfen" (Tiefe teils 6 Fnss, teils 26 Foss!). 
Er hält es für wahrscheinlich, dass diese Gegenstände und noch einige 
kleine Glaskugeln und Perlen ,, durch die Phoenizier nach Troia gebracht 
worden sind", wonach dieselben also doch in ein sehr hohes Alter zurück- 
zusetzen wären. Femer (S. 479) : „Alles aegyptische Porzellan und ebenso 
das Elfenbein weist auf Beziehungen zwischen Troia und Aegjrpten hin." 
Kleine Gegenstände von Elfenbein (mit sehr bemerkenswerten, stets wieder- 
kehrenden kreisförmigen Verzierungen) fanden sich aber in sämmtlichen 
sechs „Städten" mit Ausnahme der zweiten. Hieraus sowie aus dem Um- 
stand, dass der oben erwähnte Stabgriff aus aegyptischem Porzellan (Nr. 54S) 
zusammen mit einer eulenköpfigen Vase und einem grossen schwarzen Thon- 
gefäss mit allerlei Besten verkohlter Vegetabilien und Zeugstoffe (Nr. 266) 
auf der sogenannten „Mauer" selbst, unmittelbar westlich vom königlichen 
Hause, gefunden wurde, erhellt wohl zur Genüge, dass wir es in allen diesen 
Fällen mit Fundstücken aus historischer Zeit zu thun haben. 

Bei Schliemanns Besprechung des „löwenköpfigen Sceptergriffes", der 
auf dem bekannten „Turm" gefunden wurde, fällt übrigens auch wieder für 
die Homererklärer etwas ab (S. 478): „Nicht nur dieser Löwenkopf, 
sondern auch die in der Ilias häufig wiederkehrenden, vom Löwen genom- 
menen Gleichnisse machen es äusserst wahrscheinlich, dass es im 
fernen Alterthum Löwen in dieser Gegend gab. Homer hätte unmög- 
lich die Eigenschaften dieses Thieres so vortrefflich schildern können, wenn 
er nicht häufig Gelegenheit gehabt hätte, sie zu beobachten u. s. w." 

**) Liv. XXXV 43: priusquam solveret naves, Hium a mari escendit, 
nt Minervae sacrificaret* 

♦**) Lebas-Waddington Inscr* Asie mineure 1743b. 



57 

in diesem so gfinstig gelegenen Ort einen Sttttzpnnct ihrer Maeht 
inmitten der kleinasiatischen Staatengruppienmg zu suchen. Eine 
wahre, tiefe Pietät, wie sie dem altrömischen Charakter eigen 
war, mag immerhin ftlr sie ein Anlass gewesen sein, die Stätte 
zu bevorzugen, wo nach der frommen Legende die mächtigste 
Gottheit des alten Troia noch jetzt thronte, wo uralte Heiligttlmer 
aus dem Stammsitz Troia aufbewahrt wurden und wo directe 
Nachkommen ihrer eignen Ahnen noch jetzt im Lichte wandelten. 

In den feierlichen Begrüssungsreden und dem häufigen Aus- 
tausch officieller Höflichkeitsbeweise tritt nicht sowol der Gre- 
danke an eine Identität der vorhandenen Stadt und des alten 
Troia, als vielmehr der der Stammesverwandtschaft zwischen 
Kömem und Iliensem und das Vorhandensein gemeinsamer National- 
heiligtümer in den Vordergrund*). 

Bereits in den Frieden, den die Römer mit dem König Se- 
leukos (247 — 225 v. Chr.) abgeschlossen hatten, war Ilion aufge- 
nommen worden**), desgleichen in den Frieden mit Philipp von 
Makedonien im J. 205***). 

Als nun aber auch römische Heere den sigeischen Grestaden 
naheten, da brach zum ersten Mal auf beiden Seiten eine ganz 
überschwängliche Rührung und Begeisterung hervor. 

Freilich wäre recht viel poetische Ausschmückung dabei, wenn 
Ennius die römischen Krieger wirklich hätte ausrufen lassen: 

patria, o divom domus Ilium et incluta hello Pergama! 
wie Schliemann Ilios S. 199 angibt; allein hier ist ein Vers des 
Vergil irrtümlich dem Ennius zugeschrieben f). 



*) Liv. XXXVII 37. Justin. XXXI 8. Tac. an. IV 55. XII 58. n. a. m. 

**) Sneton. Cland. 25: Iliensibns, quasi Romanae gentis anctoribns, 

tribnta in perpetanm remisit, recitata vetere epistnla Graeca senatas popn- 

liqne Bomani regi amicitiam et societatem ita demnm pollicentis, si con- 

sangnineos snos Ilienses ab omni onere immunes praestitisset. 

***) Liv. XXIX 12: in eas condiciones cum pax conveniret, ab rege 

foederi adscripti Prnsias , ab Romanis Ilienses, Attalns rex, 

Fleoratus, Nabis, Lacedaemoniomm tyrannns, Elei, Messenii, Athenienses. 

t) Verg. Aen. n 241 : patria, o divom domns Ilinm et inclnta bello 
Moenia Dardanidnm! Hieran fügte Memla willkürlich das Fragment 
bei Macrob. Sat. VI 1, 60: Ennins in nndecimo, cum de Pergamis lo- 
qneretnr: „Qnae neqne Dardaniis campis potnere perire, Nee cum capta 
capi, nee cnm combnsta cremari.*' Diese stark rhetorisch gefärbte Stelle 
gehörte wohl in die Schilderang des Friedenschiasses mit Philippos im 
XL B. des Ennins (vgl. Yahlen Enn. poes. rell. p. LXXI). Sie hat ohne 
Zweifel eine politische Tendenz. 



68 

Und ebenso dürfte die Schilderimg Jnstins (XXXI 8) von 
dem ersten Zusammentreffen zur Zeit des Antiochos auf rhetori- 
scher Uebertreibung beruhen: Igitur cum ab utrisque bellum 
pararetur ingressique Asiam Bomani Ilium renissent, mutua gra- 
tulatio Iliensium ac Romanorum fuit : üiensibus Aenean ceterosque 
cum eo duces a se profectos, Komanis se ab his procreatos re- 
ferentibus ; tantaque laetitia omnium fuit, quanta esse post longum 
tempus inter parentes et liberos solet Juvabat üienses nepotes 
suos occidente et Africa domita Asiam ut aritum regnum yindi- 
care, optabilem Troiae ruinam fuisse dicentes, ut 
tam feliciter renasceretur. Contra Romanos ayitos lares 
et incunabula maiorum templaque ac deorum simulacra inexplebile 
desiderium yidendi tenebat. 

Weiter wird berichtet, dass der Consul C. Livius im J. 
190 mit seiner Flotte in dem sogenannten „Hafen der Achaeer" 
landete, darauf Dien besuchte und der Athene ein Opfer brachte*). 

Sein College L. Scipio rückte vom Hellespont her über 
Dardanos und Rhoiteion in die Ebene vor der Stadt, schlug da- 
selbst ein Lager und opferte, nachdem er zu der Stadt und der 
Burg hinaufgestiegen war, ebenfalls der Schutzgöttin der Burg, 
wobei die Ilienser unter ausserordentlichen Ehrenbezeugungen und 
mit überschwenglichen Reden hervorhoben, dass die Römer von 
ihnen ausgegangen seien, und diese hinwiederum ihrer Freude 
über diese Abstammung Ausdruck gaben**). 

Bei dem ein Jahr später erfolgten Abschluss des Friedens ***) 
wurden den Iliensem ausdrücklich die Orte Rhoiteion und Grergis 
zugesprochen, „nicht etwa weil sie sich in der jüngsten Zeit be- 
sondere Verdienste erworben, sondern aus Rücksicht auf ihre 
ruhmvolle Herkunft." Aus demselben Grunde iatber er- 
hielt auch die Stadt Dardanos ihre Freiheit, — ein 



'") Liv. XXXVII 9: in portnm, quem vocant Achaeomm, classem 
primam advertit; inde Uinm escendit sacrificioque Minervae facto lega- 
tiones finitimas ab Elaeunte et Dardano et Ehoeteo , tradentis in fidem 
civitates snas, benigne andivit. 

""") Liv. XXXVII 37: inde Ilium processit castrisqne in campo, qni 
est snbiectns moenibns, positis in nrbem arcemque com escendisset, sacri- 
ficavit Minervae praesidi arcis, et Iliensibns in omni rernm verbommqne 
honore ab se orinndos Romanos praeferentibas, et Bomanis laetis origine sna. 

*♦*) Liv. XXXVm 39 : et Iliensibns Rhoeteum et Gergithum 

addiderunt, non tam ob recentia nlla merita quam originam memoria, eadem 
et Dardanom liberandi causa fnit. 



59 

deuflicher Beweis, dass die Bömer es mit der topographischen 
Wahrhaftigkeit nicht allzugenau nahmen, denn Dardanos, eine 
aioÜBche Colonie, lag anerkanntermassen ziemlich fem von der 
Stätte des homerischen Ortes Dardania, dem Stammsitz des Aineias. 
Die pietätvolle Gesinnung der Römer bekundet sich weiter- 
hin noch in einer Keihe von Auszeichnungen und Zuwendungen 
bis herab auf die Regierungszeit des Kaisers Julian. 

- Nur einmal erlitt die Stadt durch römische Waffen einen 
schweren Schlag'''). Es war ungefähr ein Jahrhundert nach der 



'*') Liv. epit. LXXXIII : Flavins Fimbria [,,n]timae aadaciae homo'' 

epit. TiXXXn] urbem Ilium, quae se potestati Snllae reservabat, 

expngnavit et delevit, et magnam partem Asiae recepit. — Oros. hist. 
VI 2 [nach Livins] inde Fimbria Iliensibns iratas, a qnibns pro Snllanae 
partis studio obiecta portarnm repnlans videbatar, ipsam urbem Iliam, an- 
tiquam illam Bomae parentem, fnnditiis caede incendioqne dele- 
vit; sed eam Sulla continno reformavit. — Augnfitiii. de civ. Del III 7. 

Porro antem Fimbria prius edictnm proposnit, ne cui parceretnr, 

atqne urbem totam cnnctosque in ea homines incendio con- 
cremavit — — — Eversis quippe et incensis omnibus cum oppido 
Bimulacris, solum Minervae sub tanta ruina templi illius, ut scribit Li- 
viuB^ integrum stetisse perhibetur. 

Strab. p. 594 .* sIt ixdxcnaay avr^y ndUv ol fjisrd ^ifxßqiov !Pai- 
fjtaXoi Xaßoyreg Ix noXiOQxlag Iv T(p MiO-Qi^arix^ no%ifX(^. avyenifjufd-rj 
de ^ifxßqiag vndxt^ OvaXeQi^ <^Xdxx<p rafjiias 7iQoxetQt><f^iyTi inl ror Mi- 
d'qiddxriy' xaxa<naaiciaa$ 61 xal dvBXoiv xov vnaxov xaxd Bid-vviay avxog 
xaxBtSxdd'ri xvQiog x^g cxqaxiäg, xal TTQOsXd'tav üg^IXiov, ov ^exofxivbiv avxoy 
Xfüy 'iXiicjy (og X^axi^y, ßiccy re nqogqtiQei xal dsxuExaiovg aiQEi, 
xavxoi/^i^ov &* oxi rjy ^Ayafxifxyoiy noXiy dsxdxt^ ixei jnoXig slXe xoy x*>Xi6y(xvy 
axoXov exfity *tu x^v cvfjinacav 'UXXd&cc av<sxqax€vov<say, xavxrjy avxog dsxdxfi 
riijiiq<} x^^9^^^^^^> **^^ ^*i" "^^^ 'iXiitay* „ov ydq ijy "ExxtoQ o vTisQ/xa^oHy x^g 
TToXetog". — Appian. Mitbrid. c. 53 (I p. 364 f.): 'Ihsig de noXioQxovfxsyoi ngog 
avxov xaxiifvyoy fjiey Inl SvXXay, SvXXa dl tpi^aayxog avxoZg ^^eiy , xal xs- 
Xtvcayxog iy xoa^&e ^i/Äßglt;^ tfQa^siy oxt, cqtäg iniXBxqotpaai x^ SvXkif, nvd-o- 
fxsyog 6 ^ifxßqiag in^yeas. fÄsy tag ijdti 'Pio/uialtoy <piXovg, ixiXevae de xal avxoy 
ovxa '^Ptafjiatoy Itfoi dix^ff^ai, xaxBiQioysvadfÄeyog xi xal x^g avyyeyeiag 
x^g ovarig ig ^Pia/xaiovg, sasXd'ioy de xovg iy noal ndyxag exxeiye xal 
ndyxa iyeni(Anqri, xal xovg nqeaßevaayxag ig xoy SvXkay iXvfxaivexo 
noixiXoig, ovxe xSy leqtay (peido fxeyog ovxe xtay ig xoy yetay xrjg 
'Ad'rjydg xaxatpvyo yxoty , ovg avx^ x^ ye^ xax inqriaey, xaxi- 
axanxe de xal xd ret/iy, xal x^g imovatjg rjQevya neqiuoy fjii^ xt, avyiaxrjxe 
Xfjg noXeiog ext. i fxey dri /ce^o^^a xiüy inl 'Ayaixifxyoyi nad-ovda vno avyye- 
yovg [s. oben S. 23] dioX(üXei xal oixonedoy ovdky avxrjg ovd* tegoy 
ovd" dyaXfjia exi ijy' x6 de x^g ^AS-riydg edog,, o üaXXddtoy xaXovffi xal dio- 
nexeg ^yovyxai, yofxi^ovai xiyeg evQed'^yai, xoxe dd-qavcxoy, xtov imnecoyxiay 
xeix^aty avxo neQtxaXmjfdyxtoy , ei fjt^ ^lofiridrig avro xal 'Odwfcevg iy x^ 



60 

oben erwähnten Ankunft Scipios, als der Quaestor C. Flayins 
Fimbria, der Gegner Sullas, im mithridatischen Krieg (i. J. 
85 y. Chr.) die suUanisch gesinnte Stadt einnahm und mit Mord 
und Brand rerwtlstete. 

„Als derselbe vor Ilion rückte," berichtet Strabon, „die 
üienser aber ihn nicht aufnehmen wollten, da er ein Räuber wäre, 
brauchte er Gewalt und nahm die Stadt in zehn Tagen ein.'' 

Und ausführlicher heisst es bei Appian: „Als die üienser 
von Fimbria belagert wurden, suchten sie Schutz gegen ihn bei 
Sulla, worauf Sulla erklärte, er werde herbeikommen, und ihnen 
auftrug, dem Fimbria einstweilen mitzuteilen, dass sie sieh dem 
Sulla ergeben hätten. Fimbria, hiervon benachrichtigt, lobte sie, 
dass sie bereits Freunde der Römer wären, verlangte aber, dass 
sie auch ihn, der gleichfalls ein Römer wäre, in die Stadt ein- 
liessen, wobei er auch einige ironische Bemerkungen über die 
Thatsache der Verwandtschaft zwischen den Römern und Iliensem 
einfloeht. Sobald er aber in die Stadt eingedrungen war, liess er 
Alle, die ihm in den Weg kamen, niedermachen, steckte Alles in 
Brand, beschimpfte diejenigen, welche die Gesandtschaft an Sulla 
übernommen hatten, auf verschiedene Weise und verschonte weder 
die Heiligtümer noch die, welche zum Athenetempel geflüchtet 
waren ; er verbrannte sie zugleich mit dem Tempel. Er zerstörte 
auch die Mauern und als er am folgenden Tag seinen Umgang 
hielt, sah er nach, ob auch ja nichts mehr von der Stadt stehen 
geblieben sei. Und in der That war diese, indem es ihr noch 
schlimmer erging als zur Zeit Agamemnons, durch einen Stammes- 
angehörigen vollständig vernichtet worden, und es war von ihr 
weder ein Haus noch ein Tempel noch ein Götterbild übrig ge- 
blieben. Das Athenebild aber, das sogenannte Palladion, das vom 
Himmel gefallen sein soll, wurde damals, wie Einige glauben, 
unversehrt wieder aufgefunden, da die einstürzenden Mauern es 
bedeckt hatten, — falls nicht Diomedes und Odysseus es bereits 
im troisohen Kriege aus der Stadt entführt haben.'' 

Aus jenen Berichten ergeben sich zwei bemerkenswerte 
Umstände. 



Tqohx^ l^y /jtetiiysyxay k^ '/Uov. — Dio GasB. fragm. Peiresc. 131. — 
Vgl. Anrel. Victor de vir. iUnstr. 70: Iliom, ubi tardios portae pataerant, 
incendi inssit; ubi Minervae templnm [sinmlaomm?] inviolatum stetit, qnod 
divina maiestate servatom nemo dubitavit. 



61 

Einmal, dass der Qlaube an die Echtheit der Stammesver- 
wandtschaft durchaus kein so ganz eingewurzelter gewesen sein 
konnte, sonst hätte selbst dieser durch seine Bücksiohtslosigkeit 
bekannte demokratische Bebellenführer kaum gewagt, seinem Hohn 
und seiner Verachtung der ganzen iliensischen Tradition so un- 
verhohlen Ausdruck zu geben*). 

Sodann aber die Thatsache, dass der Tempel und seine Um- 
gebung zu einer Zeit, die historisch feststeht, durch Feuers- 
brunst und gewaltthätige Zerstörung schwer ge- 
litten hat. Diese Thatsache ist durch Livius, Strabon und 
Appian sicher bezeugt; sie erregte, wie aus anderweitigen Nach- 
richten hervorgeht, noch in späteren Zeiten ein gewisses Aufsehen. 
Dass Appian, im Hinblick auf den Untergang des homerischen 
Troia, vielleicht die Farben in seinem Bericht etwas zu lebhaft 
aufgetragen habe, kann man zwar vermuten, doch ist dies ohne 
Belang. Auf alle Fälle wurde damals der Tempel und seine 
nächste Umgebung niedergebrannt 

Diese Thatsache liefert also den Schlüssel zur Erklärung der 
in dem Hügel von Hissarlik aufgedeckten grossen Brand- und 
Trümmer Schicht, der angeblichen „dritten oder homerischen Stadt "". 
Diese Schicht reicht in der Mitte des Hügels, nach oben hin, un- 
mittelbar an die Fundamente eines dem ersten Jahrh. v. Chr. 
entstammenden Tempels und beginnt bereits in einer Tiefe von 
12' unter der jetzigen Oberfläche. Auf der Westseite des Hügels 
dagegen finden sich die bedeutenden Brandspuren erst in grösserer 
Tiefe, 23 — 33', was sich aus einer ursprünglich vorhandenen 
massigen Abdachung des Hügels nach dieser Seite hin erklärt 

Es ist aber höchst bezeichnend für die utopistischen Be- 
strebungen des neuesten Troiaentdeckers , dass er bei der über- 
eifrigen Suche nach praehistorischen Denkmälern die historisch 
verbürgte Nachricht von der Niederbrennung des Tempels selbst 
dann gänzlich ignorierte'^'''), als ihm unmittelbar unter der 

*) Auch die Bemerkung bei Strabon: xav^a/Ai^ov de xrX, weist auf 
das ironische Verhalten des Fimbria hin, während der Ilienser mit seiner 
Antwort es offenbar ernst meint. 

**) Herr Schliemann (Ilios S. 202 ff.) druckt den Bericht des Strabon 
nnd Appianos ab und fügt folgende Bemerkung bei: „Dieser Bericht von 
Ilions vollständiger Zerstörung, wie ihn Appian, der zur Zeit des Antoninns 
Pius blühte, gibt, scheint kaum glaublich, um so weniger, als Strabo, der 
zur Zeit des Julius Caesar und Octavianns Augustus, nahezu 200 Jahre 
früher, lebte und fast ein Zeitgenosse des Ereignisses war, nur wusste, dass 



62 

obersten Schicht (Bestaurationen des Sulla und Augustus) eine 
ausgedehnte Brandschioht Tor Augen trat. Für jeden nüchternen 
Beurteiler liegt es auf der Hand, dass die sogenannte dritte oder 
„verbrannte^, auch „homerische Stadt ^ nichts anderes ist als die 
Brandstätte des aus der Diadochenzeit stammenden, von Fimbria 
zerstörten Athenetempels, der „Schatz des Priamos" aber nichts 
anderes als ein Teil des bei der damaligen Eroberung abhanden 
gekommenen Tempelschatzes. 

So hart jener Schlag auch fUr die Ilienser gewesen war, so 
rasch wurden seine Folgen beseitigt War es doch wieder eine 
besondere Gunst des Schicksals, dass bald darauf das römische 
Geschlecht der Julier zur höchsten Macht gelangte; denn dieses 
Greschlecht führte, wie Julius Caesar in einer Leichenrede auf 
die Schwester seines Vaters sich rühmte, seinen Ursprung auf 
den Sohn der Aphrodite, Aineias, zurück*). 

Bereits Sulla war, nachdem er den Fimbria angegriffen und 
vernichtet hatte, bemüht gewesen den Iliensem Trost zu gewähren, 
indem er Vieles von dem Zerstörten restaurieren liess, vor allem 
wohl den Tempel. 

Noch weit mehr aber that, wie Strabon angibt, Caesar zu 
Gunsten der Ilienser, indem er sich als Verehrer Alexanders des 
Grossen und namentlich als Spross des julischen Geschlechtes in 
jugendlicher Begeisterung (vsavixag) dazu angeregt ftthlte. 
Unter anderm verschaffte er auch den Iliensem Vergrösserung ihres 
Gebietes und schützte ihre Autonomie und Steuerfreiheit**). 

Ilion geschädigt, nicht aber, dass es mit Stumpf nnd Stil aasgerottet 
wnrde." Das ist aUes. In dem ganzen umfangreichen Werke kommt — 
unglaublich, aber wahr ! — Herr Schliemann mit keiner Silbe auf den Brand 
des Fimbria zurück; selbst nicht in der ausführlichen Beschreibung der 
„dritten", „homerischen'* Stadt, wo so oft von grossen Brandspuren, Aschen- 
massen, verbrannten Leichnamen u. dgl. die Rede ist. Und dann verkündet 
er der Welt, er habe dort das „verbrannte Troia" aufgedeckt, und findet 
Gläubige. 

"') Sueton. Caes. 6. Quaestor Juliam amitam uxoremque Corneliam 
defunctas laudavit e more pro rostris. Et in amitae quidem laudatione de 
eins ac patris sui utraque origine sie refert : Amitae meae Juliae maternum 
genus ab regibus ortum, patemum cum diis immortalibus coniunctum est. 
Kam ab Anco Martio sunt Marcii Beges, quo nomine fait mater ; a Venere 
Julii, cuins gentis familia est nostra. — Dio Cass. 41, 34. Appian. b. c. II 68. 
**) Strab. p. 594 : [SvXXag] rovg (f' 'IXiiag naqifjLvd-riaaxo noXkois Inavoq- 
■d-tafAaci, xad"^ hfJicis fxivxoi KaXaaq o d-tos noXv nXiov avjfav nqovyofjife 
(tlXtaacc^ afxa xal 'AXi^av^qov' ixBivog yaq xaj« avyyivsias avaviiaaiv 



63 

Aach soll er kurz vor seinem Tode beabsiehtigt haben, naoh 
Ilion oder Alexandreia die Beichsregierong zu verlegen^). 

In Uebereinstimmong hiermit lässt Lucanus in der früher er- 
wähnten Schilderung seines Besuches in Ilium ihn auf der Stätte 
des homerischen Troia das Gelübde ablegen, dass er die spurlos 
untei^egangene Stadt des Priamos in grosser Pracht vneder auf- 
bauen wolle. Augustus, der pietätvolle Vollstrecker yon Cae- 
sars Testament, scheint eine Zeitlang den Plan dieses Wieder- 
aufbaues ernstlich erwogen zu haben, wie aus der oben S. 28 
erwähnten Ode des Horaz herrorgeht 

Dass übrigens in jener Schilderung Lucans das historische 
Ilion Yon Seiten Caesars bei einem Besuche i. J. 48 y. Chr. gar 
keine Beachtung findet, ist bereits hervorgehoben worden ^^). 

Eine weitere Nachricht berichtet wieder etwas ungünstiges» 

Als Julia, die Tochter des Augustus, die Troade besuchte, 
hätte sie in Folge einer durch den Skamander bewirkten lieber- 
schwemmung beinahe das Leben verloren. Den Iliensem, die 
übrigens von ihrer Ankunft nicht in Kenntnis gesetzt waren. 



mQgATiae nqovoBiv avtcSy, äfjia x«l g)il6 fjtfjQog toy' — — — 6 Se Kalaaq %al 
q>tXaXiSay&Qog coy xal r^g tiqos^ ^IXUas avyyivüas yytaQifjuaTSQa i^toy rex/AiiQuc, 
ineQ^ioad^ij nQog t^y €V£Qy£aiay y€ ayiXfUg' yytoQifAiaTe^ de, nqiaxoy fiky on 
^Potf^alog, ot de 'Pcnfzaiot roy Äiyeiay d^tjyizijy iyovyjai, eneiTa oji 'lovXios 
ajio 'lovXov xi,yQs rtay nQoyoytoy' axaiyog d' ano ^lovXov r^y nqoatoyvfAiuy l<T/c 
ravTr^y, T(Sy anoyoyoiy iig c3y rwy ano Äiysiov, [*♦*?] ^(OQay t£ d^ tiqo- 
aiyeifABy , nvrols xctl r^y iXev-d-eQiay xal rrjy dXeirovQyijaiay 
avrots avy£q>vXa^€ xal fJiixQf' yvy avfAfAiyovmy ey rovroig, — Der Aus- 
druck ytayw^g scheint darauf hinzudeuten, dass diese Begünstigungen in 
die Jugendzeit Caesars fielen (vgl Sueton c« 6 in der vor. Anm.). Andrer- 
seits wird der zeitliche Gregensatz zu Sullas Eingreifen stark hervorgehoben, 
(xa*' i/i«ff fxiytoi xxX, Strabon, geboren 66 oder 58 v. Chr., schrieb den 
grössten Teil seines Werkes unter Tiberius, vgl. p. 206. 156. 288. 579. 
627 etc.). Die ganze Stelle scheint nicht authentisch tiberliefert zu sein. 
Bei Schliemann Uios S. 719 wird eine Mtinze ans Neu -Ilion mit dem Kopf 
des Augustus und der Inschrift SEBA2:T02 KTISTHS erwähnt. Darnach 
wäre Augustus der eigentliche Wiederhersteller des Athenetempels, vgl. 
p. 595. Möglicherweise liegt daher in dem Text des Strabon eine Ver- 
mengung der Vergünstigungen des Caesar und des Augustus {KaXaaq 6 
S-eog und Kalaaq 6 Saßacxog) vor. Vgl. auch Casaub. z. Strab. p. 595: 
dnidtaxs toig 'Poireuvai ndXiy xa-S-dneq xal äXXoig 6 Haßadtog Kalaaq, 
*) Sueton. Caes. 79. S. oben S. 28 Anm. 

**) Bedeutsam ist, dass Strabon (p. 595) unmittelbar an den Bericht 
über die Vergtinstigungen Caesars die Worte anreiht: oxi d" ovx iyxav&a 
idqvxai x6 naXaioy xxX, Eine sehr scharfe Hervorhebung der Nichtidentität. 



64 

wurde daraufhin der Vorwurf der Nachlässigkeit gemacht und 
ihnen von Agrippa, dem Gremahl der Julia, eine Geldbusse von 
100,000 Denaren zndictiert. Erst nach langen Bemühungen wurde 
der Erlass dieser schweren Strafe erreicht*). 

In einer neu^efundenen Inschrift**) wird C. Caesar, der 
Sohn Julias und Statthalter von Asien (f i. J. 4 n. Chr.), der 
„Verwandte, Schutzherr und Wohlthäter der Stadt'' genannt 

Unter Tiberius „machte Ger man icus einen Besuch in Ilion 
und sah sich an, was daselbst durch die wechselvoUe Fügung des 
Schicksals und den Ursprung des römischen Volkes yerehrungs- 
würdig war"***). 

Tiberius selber verhielt sich, wie es scheint f), der Troia- 
legende gegenüber ziemlich skeptisch. Einer Deputation der 
Ilienser, die gelegentlich des Todes seines Sohnes erschien und 
sich in den hergebrachten hochtrabenden Phrasen bewegte, ant- 
wortete er nicht ohne einen ironischen Seitenblick auf ihren „Tor- 
treflflichen Mitbürger" Hektor. 

Nero, der Despot mit litterarisch - aesthetischem Ehrgeiz, 
hatte sich in seiner Jugend (53 n. Chr.), als dem Anschein nach 
die Privilegien der Ilienser bedroht waren, der Sache derselben 
angenommen. Um mit seiner litterarischen Bildung und seiner 
Beredsamkeit prunken zu können, legte er, wie Tacitus berichte!^ 
in einer Bede gewandt dar, dass die Bömer ihren Ursprung von 
Troia herleiteten, dass Aineias der Stammvater des Julischen Ge- 
sohlechtes sei und noch manches andere aus den in das Beich 
des Fabelhaften sich verlierenden alten Ueberlieferungen. Er er- 
reichte damit, dass die Ilienser von allen öffentlichen Leistungen 
befreit wurden" ff). 



*) Nicol. Damasc. de vita sua fr. 3. — **) Schliemann Ilios S. 705. 

***) Tac. an. U 54: Atqne illum in regressu sacra Samothracam yisere 
nitentem obvii aqailones depiliere. Igitor adito Ilio qnaeqne ibi varietate 

fortunae et nostri origine veneranda, relegit Asiam . 

t) Snet. Tib. 52 : Qnin et Iliensinm legatis panlo serins consolantibns, 
quasi obliterata iam doloris memoria, irridens se quoqne respondit vicem 
eornm dolere, qnod egregiam civem Hectorem amisissent. — Hektor erscheint 
sehr häufig auf den Münzen von Neu-Ilion, s. Schliemann Ilios S. 714 ff. 

ft) Tac. an. XU 5S: Utqae stndiis honestis et eloqnentiae gloria eni- 
tesceret, causa Iliensium snscepta Bomannm Troia demissom et Juliae 
stirpis aactorem Aeneam aliaqae haud procul fabulis vetera fa- 
cnnde executos perpetrat, at Ilienses omni pablico munere solverentnr. — 
Säet. Nero 7: pro Bhodiis atque lliensibus Graece verba fecit. 



65 

Damit stimmt eine Angabe Suetons*), wonach Kaiser 
Claudias den Hiensem, den Stammvätern des römischen Volkes, 
die Abgaben ftlr ewige Zeiten erliess , nachdem ein altes , in 
griechischer Sprache abgefasstes Sehreiben des Senates und römi- 
schen Volkes Terlesen worden, in welchem dem König Seleukos 
Freundschaft und Bundesgenossenschaft zugesichert war unter der 
Bedingung, dass er ihren Verwandten, den Iliensem, Freiheit yon 
jeglichen Abgaben gewährleistete. 

Unter diesen Umständen ist es auch ganz erklärlich, wenn 
z. B. der Geograph Mela**), ein Zeitgenosse des Claudius, bei 
der Erwähnung Neu-Ilions hinzufügt: „die durch den Krieg 
und die Zerstörung berühmte Stadt", oder wenn um dieselbe Zeit 
der ältere Plinius***) von dem „steuerfreien Hion" spricht, 
„von dem unsere ganze ruhmvolle Geschichte ihren Ausgang ge- 
nommen hat." 

Als „Beweise" für die Identität des homerischen Troia und 
des griechischen Ilion lassen diese Aeusserungen sich mit eben- 
sowenig Recht verwenden wie die übrigen in späterer Zeit noch 
auftauchenden Spuren römischer Sympathien. 

So die Fürsorge Hadrians, der bei seinem Besuche in Ilion, 
als gerade der sogenannte Aiastumulus vom Meere teilweise weg- 
gespült worden, die dabei zu Tage gekommenen riesigen Gebeine 
in einem weiter landeinwärts gelegenen Hügel bergen und ein 
Heiligtum darüber errichten liessf). 

Oder die inschriftlich erwähnten ff) Vergünstigungen des 
Kaisers Antoninus Pius oder endliph die Vorgänge beim Be- 
suche Caracallas, der seinen Truppen nach einem glänzenden 
Manöver in der Skamanderebene Belohnungen erteilte, „nachdem 
sie Ilion, gleich als ob es in Wahrheit die alte Stadt wäre, 
eingenommen" (xal t6 "iXiov mg äXfid'mg avTO to äqxalov ^qii' 
x6(fi)j und der nach einem Besuch aller zur Stadt gehörigen 



*) Snet. Glaud. 25. s. oben S. 57. 

**) Mola I 93 ed. Parth. [urbs] hello excidioqne clarissima. 

***) Plin. n. b. V 124: Iliam immune, unde omnis reram claritas. 

t) Paus. I 35. PbiloBtr. her. p. 137. K. — Schliemann Ilios S. 726. 

tt) Schliemann Ilios S. 716, vgl. Dig. XXVII 1, 17, 1: niensibus 

et propter inclytam nobilitatem civitatis et propter coniimctionem originis 

Romanae iam antiqnitos et senatos consoltis et constitntionibns principnm 

plenisBima immunitas tribata est, nt etiam tatelae ezcasationem habeant, 

soilicet eorom pupilloram, qui Uienses non sint; idque divas Pins rescripsit, 

Brentano Trol» and Neu-nion, 5 



66 

Beliquienstätten am Grabe des Achilleus in wahnsinniger Nach- 
ahmung des homerischen Heroen auch Leichenspiele haben wollte, 
zu welchem Zwecke er seinen Liebling Festus vergiftete^). 

Den Schluss aller dieser Begünstigungen bildet der Besuch 
Julians (um 354 oder 355 n. Chr.), yon dem er selber etwa 
7 Jahre später als Kaiser in einem kürzlich entdeckten **) Briefe 
einem Freunde ausführlich Nachricht gegeben hat Neue anti- 
quarische Angaben yon Belang enthält derselbe nicht. Von 
Pegasios geführt, besuchte der Kaiser alle Sehenswürdigkeiten 
und konnte unter diesem Verwand auch den damals bereits ge- 
schlossenen Athenetempel betreten. Er überzeugte sich, dass in 
seinem Führer, einem Scheinchristen, noch fromme Begeisterung 
und Anhänglichkeit an die heidnischen Glötter glühete, er fand 
auch noch vielfach frische Spuren von heimlich dargebrachten 
Opfern. Es ist gewiss von grossem culturhistorischem Literesse, 
wenn dieser Bericht uns zeigt, wie schwer dem neuen Glauben 
die Unterdrückung des poetisch verklärten Heroencultus wurde, 
und wenn gewissermassen die Flamme der durch die hieratische 
Legende Jahrhunderte hindurch genährten Begeisterung für die 
homerischen Heroen vor unseren Augen noch einmal aufflackert 
Nicht sehr wichtig aber ist der sachliche Gewinn, der sich für 
die topographische Streitfrage ergibt 

Julian besucht zuerst das Hektorgrab, woselbst sich eine 
kleine Kapelle mit einer Statue Hektors befand. Es war dies, 
da von der Priamosstadt keine Trümmer übrig geblieben waren, 
offenbar das vornehmste unter den alttroischen Denkmälern, lieber 
die Lage desselben besteht kein Zweifel, da es nach Strabon und 
Lykophron in der Nähe von Ophrynion im nordöstlichen Teile 
des Dümbrekthales gezeigt wurde. Dann erst lässt Julian sich 
zu dem geweihten Bezirk des Athenetempels, den er fast unver- 
sehrt vorfand, führen. Ai» drittes hebt er hervor, dass Pegasios 
ihn zu dem Achilleion geführt habe. Auch diese altberühmte 
Grabstätte war noch unversehrt. Was ihm sonst noch gezeigt 
wurde, erwähnt er nicht Aber jene drei Stätten sind zugleich 
wichtige Grenzpunkte des altehrwüi'digen Bezirkes „Troia^. 

Von dem Athenetempel auf HissarUk sah man, gegen Norden 



*) Dio CasB. 77, 16. Herodian. IV 8, 4. Münzen aus der Kaiserseit 
bei Sohliemann Iüob S. 713 ff. 
♦♦) Hermw IX 257 ff. 



67 

gewendet, linkerliaiid an der Ettste des aegaei8ehen Heeres das 
Achilleion, geradeaus am Rhoiteion das Aiasgrab mit seiner 
Kapelle, und rechtshin am Nordrand des Dümbrekthales das 
Hektorgrab. Dazwischen, also im Dümbrekthal und unteren Men- 
deresthal, lagen die zahlreichen altbertthmten Oertlichkeiten. Wo 
immer auf diesem Terrain der andächtige Besucher, von den 
kundigen Periegeten geleitet, den Fuss hinsetzte, da konnten ihm 
poetisch-mythologische Erinnerungen wachgerufen werden. Jedes 
Gewässer, jede Höhe hatte ihre antiquarische Bedeutung: nuUum 
sine nomine saxum, wie Lucan sagt. 

So waren auf einem halbkreisförmigen, von massigen Höhen- 
zügen eingeschlossenen Baume von 2 — 3 Stunden Länge alle 
Sehenswürdigkeiten zerstreut*). Dieser ganze Baum war „Troia" 
oder, wie Strabon (p. 597) sagt, das ,yl6l(og Tqüdixov^^. Ein hei- 
liger Bezirk, dessen ehrwürdigste Stätte der Athenetempel bildete. 

Dieser Athenetempel mit seinem altehrwürdigen Palladion 
war es aber fast ausschliesslich, was seit den ältesten Zeiten 
zahlreiche Besucher nach Hion zog. Die wahre Bedeutung Ilions 
ist, wie bereits oben erörtert worden, unzweifelhaft die einer an- 
gesehenen Gultstätte. Griechen und Bömer fühlten sich gleich- 
massig zu ihr hingezogen. Wie im 5. Jahrhundert y. Chr. die 
griechischen Feldherm, welche die G^end passierten, der Athene 
nias durch Opfer ihre Ehrfurcht erwiesen, so später auch die 
römischen. Für letztere war Ilion der Sitz eines Teiles jener 
gemeinsamen Stammgötter (divom domus), deren anderer Teil dem 
Aineias bei der Gründung der Mutterstadt Boms Schutz und Bei- 
stand gewährt hatte. — Was die heilige Tempellegende in Hion 
sonst noch etwa von dem „Fortbestehen des alten Troia", von 
der „troianischen Abkunft der Ilienser" u. s. w. fabelte, das 
nahmen die Besucher mit frommem Glauben hin, ohne sich zu 
kritischen Bedenken angeregt zu fühlen, so wenig wie man die 
Tempelsagen anderer Gultstätten, z. B. bei dem Besuche von 
Delphi oder Ephesos, einer scharfen, wissenschaftlichen Kritik 
unterzog. Das mysteriöse Halbdunkel religiöser Weihe, das über 



*) Dass man für die Besichtignng aller dortigen Sehenswürdigkeiten 
immerhin einige Tage aufwenden konnte, ergibt sich ans Aeschin. ep. X: 
xara Mav eU ^Jhor dg}ix6fjitjv rris t€ yrjg xal d-aXatTtis. — — — ^iccjQißov' 
raty yccq fifjifav noXXag rifxiqas er 'IXl<p xccl jn^ nXriQovfxivfav xrig ^itxf rmy 
Tag}(oy (Jiv &i fjioi yyoifxri /niyeiy Iwf anayxa du^iXS-to ra iy rfj *IXid^i hrtj 
n^os" avxoXg fxdaroig, vnsQ tay xd tntj eaxl ysysytjfjiiyct) kfxninxu rjfjiiQa xxX, 

5* 



68 

einer solchen Wohnstätte der Gottheit und den ihr zugehörigen 
Cultgegenständen sich lagerte, musste auf die grosse Menge der 
Andächtigen mit unwiderstehlicher Macht einwirken. Einen un- 
gefähren Begriff von der frommen Scheu, mit der man die ur- 
alten Götterbilder in Ilion verehrte, kann uns der Umstand bieten, 
dass man in Kom die troischen Penaten Jahrhunderte lang mit 
ängstlicher Sorgfalt vor den Augen der Menschen hütete; Nie- 
mand hatte vor der Zeit des Kaisers Commodus das dortige 
Palladion gesehen. Metellus, der bei einem Brande des Vesta- 
tempels hilfreiche Hand anlegte, soll durch den Anblick jenes 
Götterbildes das Augenlicht verloren haben. Der Gesehichtschreiber 
Dionysios von Halicamass enthält sich, wo er auf die Heiligtümer 
im Vestatempel zu reden kommt, mit grosser Vorsicht einer jeden 
kritischen Aeusserung*). 

Unter dem Banne solcher Gefühle und Stimmungen standen 
aber, in älterer Zeit wenigstens, wohl alle Besucher Neu-Ilions, 
Scipio so gut wie Alexander oder Xerxes. Für den Augenblick 
glaubten sie, was ihnen die Priester von den Oertlichkeiten be- 
richteten. 

Prüfen wir aber die gelegentlichen Aeusserungen der alten 
Autoren, so zeigt sich, dass in Hellas und Bom die Tempellegende 
von der Identität Troias und Neu-Ilions keineswegs entscheidenden 
Einfluss ausübte, wenigstens nicht auf die Ansicht der litterarisch 
gebildeten Kreise. 

Es ergibt sich, dass Demetrios vollkommen im Bechte war, 
wenn er behauptete, ausser Hellanikos habe kein nach- 
homerischer Autor jener Legende zugestimmt Es 
ergibt sich aber auch, dass nach der Zeit des Demetrios nirgends 
ein klares, gewichtiges, mit bewusster Absicht zu Gunsten der 
Identitätstheorie abgegebnes Zeugnis aufzufinden ist. Geistreiche 
Wortspiele oder scherzhafte Wendungen, die hie und da an den 
Namen der Stadt geknüpft wurden, können nicht schwer ins 
Gewicht fallen. Wohl aber liegen ganz bestimmt lautende Zeug- 
nisse vor, die mit jener Theorie im Widerspruch stehen, so bei 
Pausanias, Lukian, Euenos, Yergil, Ovid, Lucan, Horaz. Und 
das genügt. Vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, dürfte 
es wohl, so lange nicht triftige Gegenbeweise beigebracht sind. 



*) DionyB. II 66 : tiya dh tavr taxiv oit» a|iiu noXvnqayf^oyHv ovt 
IfiavxQy ovx SXXoy ov&iya toSy ßovXofiiywy ta TtQOff ^cov; oaw tfiQiZy, 



69 

vorläufig bei der Behauptung des Demetrios, dass Neu-Ilion 
nicht mit dem homerischen Troia identisch sei, sein 
Bewenden haben. 

Das Fundament des Schliemannschen Hypothesenbaues ist 
somit vollständig zerbröckelt, und es hat sich zugleich recht deut- 
lich gezeigt, dass eben doch nur bei der alten Methode der 
„Stockphilologen" das Heil zu finden ist, d. h. dass man sich 
hinsichtlich einer Oertlichkeit zuvor genau aus den alten Be- 
richten über die daselbst zu erwartenden Funde orientiert haben 
muss, ehe man mit Hacke und Spaten ernstlich vorgeht 

Hätte Herr Schliemann das gethan, so wäre ihm viel unnütze 
Arbeit, Grübelei und Enttäuschung erspart geblieben. 

Denn in der That gewähren die vorhandenen historischen 
Notizen ganz gute Anhaltspunkte zur richtigen Beurteilung der 
im Hügel von Hissarlik gemachten Funde*). 

Halten wir nur Folgendes im Auge: 

Zunächst überschwemmten in nachtroianischer Zeit phrygische 
und thrakische Völkerschaften und später die Eimmerier und 
Trerer die alte Troas. Weiterhin setzten sich Lyder und Aioler, 
darnach vorübergehend auch Perser, Makedonier, Galater und 
Aegypter dort fest**). Die historische Stadt Hion — ursprüng- 



*) Auf einzelnes hierhergehörige ist bereits früher knrz aufmerksam 
gemacht worden, vgl. S. 35. 45. 54. 56. 64. 

**) Auf welches unter den in historischer Zeit das Land über- 
schwemmenden Völkern die Steinwaffen, die besonders in der 4. Schicht 
(also oberhalb des angeblichen „Troia^') zahlreich gefanden wurden, znrück- 
znftihren seien, ist vorerst noch schwer zn entscheiden. In Frage kämen 
zunächst wohl die Eimmerier nnd Galater. Dass diese Steinwaffen keine 
Zeugnisse nnd Ueberreste ans der sogenannten „Steinperiode*' sind, ist 
bereits festgestellt. (Man vergl. auch Virchows Vorrede zn „Ilios"). Aehn- 
liche Stücke von feinerer Arbeit sind übrigens anch anderwärts in Elein- 
asien, namentlich bei Satdes gefunden worden, unter Umständen, die eben- 
falls die „Steinperiode*' ausschliessen. Um ein richtiges Urteil über dieselben 
zu bekommen, muss man ausser den zerstreuten Notizen in Schliemanns 
„nios" auch seine früheren Fundberichte in den „Trojanischen Alterthümem*' 
Leipzig 1874. S. 21 ff. 28 ff. 31. 42 u. ö. nachlesen. Damals war der Ent- 
decker bereits auf den richtigen Gredanken gekommen: „die steinernen 
Werkzeuge rührten von der Invasion eines Barbarenvolkes her, 
dessen Herrschaft nur von kurzer Dauer gewesen.*' Sie wurden 
in grossen Massen besonders bei der ersten Grabung (1871) „auf der höchsten 
Stelle des Hügels in einer Tiefe von 4*/« Meter gefunden". Aus Bios Plan I 
ist die eigentliche Fundstelle an der Nordwestecke des Hügels ersicht- 
lich. Es scheint darnach, dass die Barbaren die kleine Anhöhe nord- 



70 

lieh nur eine angeBehene Tempelansiedlung — wnrde mehrmals 
von Feinden eingenommen (Derkyllidas , Charidemos, Galater), 
einmal anch ganz nachweislich dnrch Brand und Zerstö- 
rung sehr schwer heimgesucht (Fimbria 85 v. Chr.). Andrerseits 
hören wir von bauliehen Erweiterungen, Verschönerungen und 
Eestaurierungen durch Alexander und einige Diadochen sowie 
durch Sulla, Caesar und Augustus. Endlich haben die Ausgra- 
bungen selber die Thatsache dargethan, dass diese jüngsten Bau- 
anlagen, also die obersten unter der heutigen Htigeldecke, mit 
verschiedenen Planierungen und Nivellierungen der ehemaligen 
Oberfläche des Hügels verbunden waren, wodurch manche Gegen- 
stände aus spätester Zeit natürlich in eine grosse Tiefe hinab- 
gerollt wurden*). 



westlich von der TempelBtrasse gegenüber dem „Hans des Königs'* be- 
setzt hatten, und dass von dieser Centralablagemngsstelle ans viele dieser 
Steingeräthe bei den Snllanischen Planiemngen, dnrch welche anch die 
frühere Tempelstrasse zngeschüttet wnrde, noch weiterhin zerstrent worden 
sind. Nach Bios S. 32 fanden sich Steinwerkzenge in dem anf der Tempel- 
strasse liegenden Schntt — Zn den wunderlichsten Partien der Schliemann- 
schen Fnnde gehören übrigens die 13 Streitäxte ans Nephrit nnd Jadeit 
Ihrer Erörterung sind viele Seiten des Werkes ,Jlios*' gewidmet, während 
bekanntlich die Angaben über die Trümmer des historischen Ilion anf ein 
paar Seiten abgethan werden. 

Sieht man sich nun die Abbildungen dieser vielgerühmten „Aexte*' 
näher an (S. 271. 496. 639; — S. 311 fehlen die Abbildungen), so mnss 
jeder nicht vollständig gedankenlose Leser staunen über das, was ihm hier 
als Aexte vorgezeigt wird: kleine Steinpartikelchen von bestimmter Fagon, 
aber von nur einigen Centimeter Länge oder Breite, die offenbar niemals 
als Aexte gedient haben können. So klein sie sind, so hat doch Herr 
Schliemann stets nur die „halbe Grösse'' abgebildet. 

Wenn derartige Amulette nun gar für „Streitäxte" ausgegeben werden 
sollen, so schlägt auch dieser Versuch bereits in das Gebiet des Komi- 
schen ein. 

*) Schliemann Ilios S. 28: „Der südliche Theil von Hissarlik ist 
hauptsächlich aus dem Schutt des späteren Ilion entstanden, und aus diesem 
Grunde finden sich hier griechische Alterthümer bis zu einer viel grösseren 
Tiefe unter der Oberfläche als auf dem Gipfel des Hügels.'' Dieser Um- 
stand ist von der grössten Wichtigkeit. Gerade auf der südlichen Seite 
fanden sich die hauptsächlich in Frage gestellten Dinge: der „Turm", das 
Thor, der Schatz nnd das Haus des Königs (südwestlich), die zwei Skelette 
der „Trojaner". Hier soll die Siebenstädtetheorie namentlich zur Anwen- 
dung kommen , während im nördlichen Teil die Spuren der verbrannten 
Stadt unmittelbar unter den Fundamenten des jüngsten Tempels lagen. 
(Man sehe sich auch Ilios Plan III einmal recht genau an). . 



71 

Dies alles sollte es unseres Erachtens einer nüchternen Kritik 
doch geradezu unmöglich machen, dem offenbaren Phantasma yon 
den Trümmern von „sieben Städten'^ (darunter fünf prae- 
historischen!) die, in einem Baume von nicht einmal 100 
Meter Breite und von 16 Meter Tiefe im Hügel von Hissarlik 
über einandergeschachtet, deutlich erkennbar sein sollen, auch 
nur einen Augenblick lang zuzustimmen. 

Die Berufung auf den „praehistorischen'^ Charakter gewisser 
Thongefässe — das einzige, noch übrig bleibende Beweismittel 
Schliemanns — ist natürlich auch nicht stichhaltig. Von kundiger 
Seite ^) ist längst darauf hingewiesen, dass die Gefässe yon nicht- 
hellenischem Charakter, und anderes lässt sich von den hier 
in Frage kommenden nicht aussagen, durchaus nicht ohne weiteres 
als Yor-hellenisch oder vorhistorisch gelten können, sie sind 
besten Falles nur Zeugnisse für das Vorhandensein gesonderter 
einheimischer oder barbarischer Bewohner neben und gleichzeitig 
mit acht hellenischen Bevölkerungselementen. Denn so dürftig 
die Schliemannschen Angaben über die eigentlich hellenischen 
Thongefässe auch sind, so ist doch constatiert, dass in den 
untersten Schichten Scherben und Gefässtrümmer, die Ton „Yoll- 
kommenster Kunstfertigkeit" zeugen, gefunden werden**). Von 



*) Edinburgh Beview 1881 Nr. 314. S. 545, vgl. das oben im Vorwort 
Gesagte. 

**) Auffallend ist der Versuch Schliemanns, ein solches Fundstück, 
Nr. 247 (llios S. 393), das der ersten Stadt angehört, seiner höheren tech- 
nischen Vollkommenheit wegen der dritten Stadt zuzuweisen. Charakteris- 
tisch erscheint auch die Stelle „Uios'' S. 243: „Wenn es, ähnlich [?} 
wie wir heute den Grad der Givilisation eines Landes nach seiner Litteratur 
und besonders seinen Zeitungen beurteilen, möglich wäre, aus der grossem 
oder geringern Vollkommenheit der Thongefässe eines vorgeschichtlichen 
Volkes auf den Grad seiner Givilisation einen Schluss zu machen, dann 
könnten wir folgern, dass von allen Völkern, die hier auf einander gefolgt 
sind, das der ersten [d. i. untersten] Stadt bei weitem das civilisirteste war, 
denn seine Thongefässe weisen in Form und Technik bei weitem die vor- 
geschrittenste Kunstfertigkeit auf. Ich bin indessen weit davon 
entfernt, diese Theorie aufzustellen ; ich werde nur [?] Thatsachen anfflhren. 
Diesem frühen Volke war die Töpferscheibe bereits bekannt, aber sie war 
nicht allgemein im Gjebrauch, denn alle Schüsseln und Teller wie 
auch alle grössern Geschirre sind insgesammt mit der Hand 
verfertigt. Dasselbe kann von fast allen kleineren Geräthen gelten, 
unter denen wir indessen dann und wann eins finden, das ganz unzweifel- 
haft auf der Scheibe gedreht ist." 



72 

Seiten der Anhänger der Schliemannschen Theorie wird jetzt auch 
ohne weiteres eingeräumt, dass die obersten Schichten keinen Fort- 
schritt in der Keramik den unteren gegenüber aufweisen^ und 
dass alle derartigen Funde aus einem Gesichtspunkt zu betrachten 
seien : Neben Thongefässen von bekanntem hellenischem Charakter 
erscheinen durch rerschiedene Schichten hindurch solche Ton pri- 
mitiverem, roherem Charakter, neben den mit der Töpferscheibe 
gefertigten und im Ofen gebrannten andere , aus der Hand ge- 
arbeitete. Das ist aber ganz natürlich, namentlich bei einer 
hellenischen Colonie im Barbarenland, und findet sich noch heut- 
zutage selbst auf jedem Dorfe ebenso, indem neben dem einfachen 
Geschirr der gewöhnlichen Leute die Porzellanschränke der Guts- 
herren und Pfarrer eine ganz andere Stufe der Kunstentwioklung 
vertreten. Man hat eben einfach zu unterscheiden zwischen der 
importierten und der einheimischen Waare. Die einheimische 
Fabrikation konnte jahrhundertelang sich gleichbleiben — und 
die nichtkünstlerische Keramik gehört bekanntlich zu den con- 
servativsten Gewerben — während daneben die verschiedenartig- 
sten Kunstproducte von auswärts — aus bestimmten Fabrikations- 
orten — hereinkamen. Beides ist bei einer Tempelansiedlung 
sehr natürlich. Eine solche kann sich nicht abschliessen; ver- 
schiedenartige Einflüsse, man kann sagen: müssen hier zu Tage 
treten. Aber auch noch etwas ängstlicher als anderwärts mochte 
hier die einheimische Technik unter dem Einfluss des Cultus 
der Athene an gewissen altherkömmlichen Formen festhalten. Das 
beweisen nicht nur die Gesiohtsumen (besonders Vasen mit dem 
Eulentypus), die in fast allen Tiefen gefunden wurden, sondern 
auch die zahlreichen urwüchsigen und unförmlichen, kleinen Mar- 
mor-Idole*) neben den fast ebenso geformten, goldenen Klapper- 
blechen an den kunstreicheren Diademen, welch letztere sicherlich 
nichts anderes waren als priesterliche Schmuckgegenstände. An- 
dere Goldfunde hinwieder — z. B. einige goldene Spangen mit 
reicherer Ornamentik und Armringe mit aufgelöteten Mustern — 
weisen wegen ihrer Aehnlichkeit mit anderwärts gemachten Funden 
auf fremden Import hin. Doch das alles geht bereits über die 
Grenzen, die wir unserer Untersuchung gesteckt haben, weit hin- 
aus und greift in ein Gebiet der Altertumsforschung ein, auf dem 



*) Gerade die Gleichmässigkeit der Form der Idole in allen Schichten 
ist ein starkes Argument gegen die Siebenstädtetheorie, 



73 

eine Entscheidiuig nur denen zusteht, die eine Tollfitändige Ueber- 
sicht Aber das aus den yerschiedensten Ländern rorliegende Funde- 
materifti besitzen, obwohl nieht zu leugnen ist, dass auch der- 
jenige, der auf diesem Gebiete nur ganz bescheidene Kenntnisse 
besitzt, in der Hauptsache sich nicht lange in Zweifebi bewegen 
kann. Für uns wenigstens war die Frage nach dem Alter der 
Funde entschieden Ton dem Augenblick an, wo wir das Fundstflck 
Nr. 245 (Bios S. 393) genauer beachteten. In ihm hat Schlie- 
mann trotz der sorgfältigen Auswahl, die er bei der Veröffent- 
lichung der Hissarlikfunde augenscheinlich getroffen, mitten in 
seine uralten, „praehistorischen"' und „vorphönizischen^ Städte 
selber ein schwerwiegendes Grcgenargument hineingelegt Es ist 
dies nämlich eine Thonkugel (Durchmesser: 4 Centim.), durch 
14 eingeschnittene Kreislinien in 15 Zonen geteilt, wodurch 
„scheinbar die Klimate des Erdballs dargestellt sind'' (Fund- 
stelle : Tiefe von 26 Fuss). Niemand wird, wenn er diese Kugel 
sieht, daran zweifeln, dass hier nicht scheinbar, sondern in Wirk- 
lichkeit die Zonen des Erdballs dargestellt sind*). (Man ver- 
gleiche hiermit auch den Terracottawirtel Nr. 1986). 

Die Thatsache, dass in der Stadt des Priamos die Kugel- 
gestalt der Erde bereits bekannt, ja von der hieratischen Keramik 
schon bei der Anfertigung von Kleinigkeiten als Motiv benutzt 
wurde, wäre von unendlich grösserer Bedeutung als alle übrigen 
angeblichen Entdeckungen, über die in dem Schliemannschen 
Werke „Ilios'' lange und tiefsinnige Erörterungen angestellt wer- 
den. Warum hat Schliemann diesen eminent wichtigen Umstand 
so wenig hervorgehoben und zur Verhandlung gebracht? — 

Nicht nur die Fundamente des Schliemannschen Hypothesen- 
baues sind, wie man sieht, ohne festen Halt, auch die äusseren 



*) Das Fandfltück befindet sich in Schliemanns Ilios an sehr ver- 
steckter Stelle (S. 393) und wird mit wenigen Worten abgethan. Anf 
der Mittelzone ist eine Inschrift vorhanden. Eines der Zeichen erkannte 
Prof. Sayce als ein cyprisches. Merkwürdigerweise aber wird diese In- 
schrift in Anhang III zu Ilios (Die Inschriften von Hissarlik) gar nicht 
erwähnt! — Für die Kugelgestalt der Erde, die zuerst von Pythagoras 
gelehrt wurde , lieferte bekanntlich Eadoxos von Knidos (um 370 — 360 
V. Chr.) die mathematischen Beweise, und von ihm rtthrt auch die Ein- 
teilung in Zonen her. Krates von Mallos verfertigte (um 160—150 v, Chr.) 
in Pergamum einen Kolossalglobus, zu dem die obenerwähnte Miniatur- 
kugel gewissermassen ein Gegenstück bildet. 



74 

Pfeiler und Stützen erweisen sich als morsch, wo immer man sie 
anrührt 

Vor dem Tageslicht der historischen Nachrichten schwinden 
die Traumgestalten der Phantasie. Das Haus des Königs, der 
grosse Turm yon Troia, die Agora und das skaeische Thor, der 
Schatz des Priamos und endlich die beiden edlen helmbusch- 
umflatterten Troianer mit Lanzen an der Seite — keine von allen 
diesen aufsehenmachenden Baritäten vermag die Probe zu bestehen. 

Und so viel ist auf alle Fälle klar : bei einigem guten Willen 
und bei ruhiger, objectirer Betrachtung werden sich die Wunder 
des geheimnisvollen Berges von Hissarlik nach und nach in ganz 
natürlicher Weise erklären lassen. 



Aus dem Verlag von Gebr. Henninger in Heilbronn: 

Andresen, K. G., lieber deutsche Volksetymologie von Karl Gustaf 
Ändresen. Dritte stark vermehrte Auflage. geh. M. 5.—. 

jünbrefeit) ji. $• — Spratd^rbratiiii nnb Sprad|rid)tidheit im lliütrdieti t)on ^arl 
©itflaf ^Inbrefcn. Siocite öermel^rtc STuflage. gc]§. 2R 5.—. 

9e<ft. — IBttd) deriirnsl|eitatts«ririlirnlanbsPid)tuna. %on 6:ar( 93ed. geig. SR. 3.60. 
^n e(eg. fieintoanbbanb mit @dgtoar5« unb ^olbpreffung ä)^. 4.80. 

Briefwechsel zwischen Jakob Qrimm und Friedrich David Qraeter. 
Aus den Jahren 1810—1813, Herausg. von Herrn, Fischer, geh. M. 1.60. 

Briefwechsel des Freiherrn Karl Hartwig Qregor von Meusebach mit 
Jakob und Wilhelm Grimm. Nebst einleitenden Bemerkungen über den 
Verkehr des Sammlers mit gelehrten Freunden und einem Anhang von der 
Berufung der Brüder Grimm nach Berlin. Herausgegeben von Dr. Camillus 
Wendeler, Mit einem Bildniss (Meusebach's) in Lichtdruck, geh. M. 1 1 .50. 

Vitfnrth, — Fünfsig ungedruckte Balladen und Idebeslieder des 
XYI. Jahrh. mit den alten Singweisen. Gesammelt und herausgeg. von 
Franz Wilhelm Freiherrn von Diifurih, geh. M. 2.80. 

9iifitti9. — llie fitßorif^eii iTolfesüeber k)om (Snbe beiS btetgigiälgrigen ^tegeiS, 
1648, Bi« jum ^Beginne be« ftcBeni&lgrtacn, 1756. %xA fltegcnben »lättern, 
Iganbfdgriftlicigen OueHen unb bem SSoIfiSmunbe gefammelt t)on Si^<^n) 
SBir^elm grctlgerrn öon SJitfurtlg. gclg. 9K. 7.50. 

Dowden« — Shakespeare, sein Entwickelungsgang in seinen Werken. Von 
Edward Daroden, Mit Bewilligung des Verfassers tibersetzt von 
Wilhelm Wagner, geh. 7.50. 

Egelhaaf. — Grundzüge der deutschen Litteraturgeschichte. Ein Hilfs- 
buch für Schulen und zum Privatgebrauch. Von Prof. Dr. G, Egelhaaf, 
Zweite Auflage. geh. M. 2.—. 

Ifreunbisliriefe oon nrUfielm uiOi daltob 9rimm. ^\i $(nmerfungen l^erauiSgegeben 
öon Dr. STIcyanbcr 9lcifferfd^etb, o. ^rofeffor b. b. $§tIoIogte in 
©reifgtoalb. SÄit e. »ilbniß in ßtd^tbrud ö. SBil^. u. 3of. OJrimm. ge^. SW. 4.—. 

Genthe. — Heber den etruskischen Tauschhandel nach dem Norden. 
Von Hermann GerUhe, Neue, erweiterte Bearbeitung. Mit einer archaeo- 
logischen Fundkarte. geh. M. 6.—-. 

Geographi latini minores. Collegit, recensuit, prolegomensis instruxit 
Alexander Riese, geh. M. 5.60. 

$0d9e. — iQttß öon OJoetl^c. SDWt (Einleitung unb f ortlauf enbcr @rfrärung. 
^eranSö^gebcn öon ß. 3. ©d^röer. @rfter 2:§ctl. ge]§. ajl. 3.75. 

Sn e(eg. £eintoanbBanb mit @d^n)ar5« unb ^olbpreffung äJl. 5.—. 

gtoeiter X^eil. ge]§. 2».5.25. 

Sin e(eg. Seintoanbbanb mit ©d^toara« unb ^olbpreffung 9Jl. 6.50. 

Herders Cid. die französische und die spanische Quelle. Zusammengestellt 
von A. S, Voegelin, geh. M. 8.—. 

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heutigen Forschung. Von R. Mahrenholtz, geh. M. 12—. 

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SBiUrer. — 9$ttf^t*§ dyliigtiiie. 3]§r ä^erl^ftltnig ^ur gnei^ifd^en Srogdbie unb 
pm 6:]§rtftent]^um. IBon Dr. ^. gf- äJ^üKer. gel^. SQl. 1.20 

#fterbittger. — dfiriß^fili Partin IHieland's feben «Hb ülirkeit in S^ntben un^ 
in brr »ifmii Son $rof. Dr. £. gf. Oftetbinger. SQlit einem Portrait 
SBielanb'iS unb 8 in ben %eii gebrühten SEuftt. ». ^. gel^. m. 2.25. 

dortig. — )lid)arb Va%\itx*i ,Jling bes üibelungen*' unb ^$arfifaV\ fßtn Lic. 
Dr. ®nftaö $ortig. gcl^. SR. 1.—. 

3Uiffetf4eib. — IDePffilifibe üolksiieber in Sßott nnb Sßeife, mit tladerbegleitung 
nnb Iteberk^ergleid^enben ^nmerfungen l^etauiSgegeben t>on Dr. 9[Ie^. 
?Rcifferfd^cib, o. $rof. b. b. «ßl^irologic in (Urcifginalb. gel^. SW. 8.—. 

Boohholz, — Teil und Oessler in Sage und GeBchiohte. Nach urkund- 
lichen Quellen von E, Z. Rochhoh, Professor in Aarau. geh. M. 10. — . 

Boohholz. — Die aargauer Gessler in Urkunden von 1250—1613 von 
£, L, Rochhoh, geh. M. 6. — . 

^abeJL — 3u «letbe's 130. «ebnrtstage. ^eftfd^tift t)on Dr. (Sbuarb aSill^elnt 
@aBeII. gel^. 9^ 2.40. 

$a0eir« — Jlie f iteratur ber fo%. StftnWfiitn IHeiffaguttg, f(^ematif(3^ unb (^rono« 
logifd^ bargefteEt t>on Dr. (Sbuarb Sßill^erm SaBetL gel^. Wt 3.50. 

Sammlung franBosisoher Neudrucke herausgegeben von Earl Voümöllcr. 
Erschienen sind: 

1. De VOliers Le Festin de Pierre ou le fils criminel. Neue Ausgabe 
von W, Knörich, geh. M. 1,20, 

2. Armand de Bourbon Prince de Conti. Tratte de la comedie et der 
spectaoles. Neue Ausgabe von E, VollmöUer. geh. M. 1.60. 

3. Robert Garnier, Les tragedies. Treuer Abdruck der ersten Ge- 
sammtausgabe (JParis 1 585) mit den Varianten aller vorhergehenden 
Ausgaben und einem Glossar herausgegeben von Wendelin Förster. 
I. Band. geh. 3.60. 

I^fnifodl. — •setbe'c mtfilfiW^tt IKvan mit ben ^uSjügen aü8 bem ^VLä^t be9 
ÄaBu3, l^erauSgegeben öon Ä. 6 im r od. »♦ ^. ge^. 9Jl. 2.—. 

^fnirodi. — ller arme Deinrid) bes ^ttttmann «in Une, überfe|t t)dn ^. Simrocf. 
mx beriDanbtcn Oefd^id^ten unb Sagen. 2. «ufl. ». «. ge^. 9R. 2.~. 

l^fnirodL — S^ittMif unb (Srnfl nai^ Jtolfannes yauü. SSii gugaBe jn ben Solfd« 
Bü^em erneut nnb auiilgetoftlilt t)on ^. @imrod. S3. ^. gel^. SR. 2.40. 

j^imrofft. — ?rirbri4 Spees Smti üaf^igatt^ t>eri. b. t. 6 i m r o cf . ». $(. gel^. 9)^. 2. — . 
Witte. — Dante Forschungen. Altes und Neues von Karl Witte, 

I. Band. Hit Dantes Bildniss nach Giotto» geh. M. 12. — . 

n. Band. Hit Dantes Bildniss nach einer alten Handzeichnung und 

dem Plan von Florenz zu Ende des Xm. Jahrhunderts. geh.M. 15. — « 

ä^ftfier* — Serkttles am Sibeibemeg. (Srjiel^erruf ber neuen Surufd^ute für ©tel^« 
arBcit unb ©angerl^olnng im ^am|)fe toiber ben S^^^Ö^'P- ^«>w ?ßrof. 
Dr. ^einri(^ Otto Säger. gel^. SW. 2.70. 

äiftger. ~ Jie Äteborbeit. ^Rationalerjiel^ungSfrage in 70 ©ft^en au3 \itm Sithtn, 
»on Dr. ^einrtd^ Otto 3&ger. ge^. 3». 1.50. 

Der Sprachunterricht muss umkehren I Ein Beitrag zur Ueberbürdungs- 
frage von Quousque Tandem, geh. M. — .60. 



^<»» 



Druck von Fischer A Wittig in Lelpaig. 



J 



Verlag Yon Gebr. Henniiiger in Heilbronn. 



Tom gleiehen Verfasser sind erschienen: 

ALT-ILION 

im 

DUMBBEKTHAL 



Ein Versnch, 

die Lage des Homerischen Troia nach den Angaben des Plinius und 

Demetrias von Skepsis zu bestimmen. 

Mit einer Karte der troischen Ebene. 

1877. Geh. M. i.20. 



-^ 



ZUR LÖSUNG 

dtr 

TROIANISCHEN FRAGE. 



Nebst einem Nachtrag: 

Einige Bemerkungen über Schliemanns Uios. 
Mit eloer Karte der troischen Ebene und zwei Plänen. 

1881. Geh. M. 8.50. 



^-^ 



Druck Yon Fischer & WitUg in Leipalg. 






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