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Full text of "Uber die Ursachen und die Entstehung der Kurzsichtigkeit"

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ÜBER DIE 



URSACHEN UND DIE ENTSTEHUNG 



DER 



KÜRZ SICHTIGKEIT 



VON 



PROFESSOR D^ FERDINAND ARLT. 



MIT ZWEI TAFELN. 



WIEN, 1876. 
WILHELM BRAUMÜLLER 

K. K. HOF- UNO UNIVSBSITITSBUCHHANOLBB. 



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VORWORT. 



Uas Studium der Myopie hat mich schon bald nach Beginn 
meiner wissenschaftlichen Laufbahn ganz besonders interessirt. 
Die Richtung, welche mein Streben 1840 durch Skoda und Ro- 
kitansky erhalten hatte, bestimmte mich, zunächst die anato- 
mischen Veränderungen aufzusuchen, welche diesem üebel zu 
Grunde liegen möchten. 

Zuvörderst führte mich die Beobachtung und Vergleichung 
des Spiegelbildes der Hornhaut und der verschiedenen Tieflage 
der Regenbogenhaut zu der Ueberzeugung, dass die damals herr- 
schende Ansicht, die Kurzsichtigkeit sei durch stärkere Wölbung 
der Hornhaut bedingt, auf einer irrigen Deutung beruhe (Krank- 
heiten des Auges, 2. Band, Prag 1853, p. 34). Bald führte mich 
eine Hypothese über den Accommodationsmechanismus (Locomo- 
tion der hinteren Augenwand), welche sich jedoch später als un- 
haltbar erwies, zu der Frage, ob bei Myopie der Bulbus, wie 
nach jener Hypothese zu erwarten stand, in der Richtung der 
sagittalen Achse verlängert sei, und im Verlaufe einiger Zeit ge- 
lang es, anatomisch den Nachweis zu liefern, dass die Kurzsich- 
tigkeit im Allgemeinen durch Verlängerung der sagittalen Achse, 
durch bleibende Rückdrängung der hinteren Wand bedingt sei. 
Ich konnte durch Sectionen nachweisen, dass diese Verlängerung 
dem bei Lebzeiten vorgefundenen Grade der Kurzsichtigkeit ent- 
sprach. Hiemit war eine wichtige Thatsache constatirt, die Basis 

für die weiteren Forschungen. 

1* 



IV Vorwort. 

Seit der Einführung des Augenspiegels in die augenärztliche 
Praxis (1853) und seit der Feststellung der Thatsache durch 
Gramer und Helmholz, dass die Accommodation durch Form- 
veränderung der Linse (nicht des Bulbus) vermittelt werde, sind 
über die Ursachen und das Entstehen der Kurzsichtigkeit, respec- 
tive der genannten Formabweichung des Bulbus, sehr verschiedene 
Ansichten ausgesprochen und vertheidigt worden. Gegenwärtig, 
nach der classischen Bearbeitung der Refractionsanomalien durch 
Donders, handelt es sich hauptsächlich um die Frage, ob die 
Kurzsichtigkeit durchaus nur auf Erblichkeit beruhe, oder ob sie 
sich auch bei Individuen entwickeln könne, bei denen sich keine 
besondere erbliche Disposition nachweisen lässt. Der letztere Satz 
ist es, den ich zu beweisen bemüht war. Ob es mir gelungen, 
wird das Urtheil der Leser, wird die Nachwelt entscheiden. 
Wenigstens wünsche ich, zur Lösung dieses social wichtigen Pro- 
blemes anzuregen. 

Wien, Ende Mai 1876. 



Dr. Arlt. 



§. 1. Die Myopie als bleibender Refractionszustand des Auges, 

bei welchem parallel auf die Cornea auffallende Strahlen ohne 

Intervention des Accommodationsapparates vor der Netzhaut zur 

Vereinigung gelangen, beruht im Allgemeinen auf Verlängerung 

des Bulbus von vorn nach hinten, auf Verlängerung der sagittalen 

Achse des Glaskörpers. Den Nachweis habe ich bereits 1854 *) 

publicirt und 18562) durch Sectionsbefunde weiter begründet. 

Durch die von Ed. Jäger und Stellwag citirte Bemerkung von 
Beer 3), dass man bei Kurzsichtigen entweder die Hornhaut an und 
für sich sehr gewölbt finde, oder dass der ganze Augapfel unverhält- 
nissmässig gross und lang sei (was man Glotzauge nenne), sowie durch 
den Schluss, welchen schon 1637 Descartes**) aus seinen dioptrischen 
Studien auf Formveränderung des Bulbus bei Myopie gezogen hatte, 
ist die Lehre von der anatomischen Grundlage der Myopie eben so 
wenig gefördert worden, als durch die Sectionsbefunde von Scarpa^) 
und Ritterich ^), denen die Function der zergliederten Augen unbe- 
kannt geblieben war. 

In abnormer Wölbung der Cornea oder der Linse darf die 
Ursache der Kurzsichtigkeit nur ausnahmsweise angenommen wer- 
den; jedenfalls muss dann die Verkürzung des Krümmungsradius 
dieser Medien ophthalmometrisch nachgewiesen sein. 



^) Bericht über die Sitzung des Prager DoctorencoUegiums in Dr. Altschurs 
Monatschrift, Juniheft. 

2) Krankheiten des Auges, Prag, III. B., p. 238. 

3) Lehre von den Augenkrankheiten, Wien 1817, IL B. p. 652. 

*) Oeuvres de Descartes, publikes par V. Cousin, Paris 1824, T. V,, 
p. 75: „En quelques autres, au contraire, la nature les yeux a fait tels, quHls ne 
leur servent qu'ä regarder les choses proches, ce qui est plus ordinaire aux 
jeunes gens, en sorte qu'il semble que les yeux se forment au commencement 
un peu plus longs et plus Streits, quHls ne doivent etre'^. 

») Tralt^ prat des mal. des yeux, trad. par Leveill6, Paris 1807, II. p. 190. 

«) Schmidt's Jahrb. 1842, 36. B, p. 138. 



In den seltenen Fällen, wo die Brechkraft der Linse durch 
Dichterwerden ihres Kernes gesteigert erscheint, bildet dieser Zu- 
stand wol nur das Vorstadium von Cataracta senilis. Ueber ander- 
weitige Aenderungen des Brechungsindex ist nichts Verlässliches 
bekannt. 

Wenn die Cornea in Folge pathologischer Vorgänge zu stark 
gewölbt befunden wird (Keratoconus, Keratoglobus), oder wenn 
die Linse wegen mangelhafter Verbindung mit den Ciliarfortsätzen 
abnorm gewölbt erscheint (Luxatio lentis), so rechnet man solche 
Zustände nicht zur Myopie, obgleich man weiss, dass dann 
parallel einfallende Strahlen auch vor der Netzhaut vereinigt 
werden, sondern man benennt sie gleich beim rechten Namen. 

Wenn wir also von Myopie im gebräuchlichen Sinne des 
Wortes sprechen, so denken wir jetzt selbstverständlich an Ver- 
längerung des Bulbus in sagittaler Richtung, an einen grösseren 
Abstand der Macula lutea von dem hinteren Knotenpunkte des diop- 
trischen Apparates. Da diese Verlängerung auf Veränderung der 
Lage der hinteren Wand des Bulbus (in der Gegend des hinteren 
Poles) beruht, mit anatomisch nachgewiesener, mehr weniger deut- 
lieber Verdünnung der Sclerotica und Chorioidea, so hat es keinen 
rechten Sinn, von Staphyloma posticum als etwas Besonderem 
zu sprechen; bei jeder Myopie in dem eben angedeuteten Sinne 
besteht eine bald mehr bald weniger deutlich ausgesprochene 
Ektasie in der Gegend des hinteren Poles; es gibt nur Grad- 
unterschiede. Nach Mauthner (Vorlesungen über die optischen 
Fehler, Wien 1876, p. 423) ist allerdings innerhalb gewisser Grenzen 
die Achsenlänge allein nicht maassgebend. Bei Emmetropie kann 
der Hornhautradius zwischen 8*04 Mm. bis 6*95 Mm. und die 
Achsenlänge (vom Hornhautscheitel bis zur Fovea) zwischen 
24*94 Mm. bis 20*95 Mm. variiren, demnach das Plus des einen 
Factors durch ein Minus des andern ausgeglichen sein. Bei den 
nachfolgenden Betrachtungen werden wir im Allgemeinen von 
dieser Möglichkeit absehen und als mittleres Auge jenes ansehen, 
welches bei einem Hornhautradius von 7*6 Mm. eine Achsenlänge 
von 24 Mm. darbietet. Jedenfalls müssen Bulbi mit 26 Mm. 
Achsenlänge (vom vorderen bis zum hinteren Pole) schon als 
myopische angesehen werden. 

§. 2. Bevor wir an die Lösung der Frage gehen, wie und 
wodurch diese Formveränderung des Auges entstehe, müssen wir 



uns die anatomischen Veränderungen gegenwärtig halten^ 
welche in myopischen Augen gegenüber den emmetropischen und 
hypermetropischen constatirt worden sind. 

1. Die Hornhaut zeigt im Allgemeinen keine stärkere 
Wölbung; ^) Donders^) hat dieselbe bei hochgradig Myopischen 
sogar merklich geringer gefunden. 

Die vordere Kammer ist tiefer 3)^ indem sowol die Linse 
als die Iris weiter hinter der Cornealbasis liegen. Demgemäss 
fallen auch Pupillar- und Ciliarrand der Iris ganz oder nahezu 
in eine und dieselbe Ebene; wahrscheinlich ist auch die hintere 
Kammer etwas grösser. 

Bleibende Form Veränderung der Linse (Steigerung der 
Wölbung, Ed. Jäger's Plesiopie^) ist bisher nicht nachgewiesen 
worden, weder im Cadaver, noch während des Lebens mit dem 
Ophthalmometer. 

Dagegen sind Iwanoff's^) Angaben über eine eigenthüm- 
liche Gestaltung des Corpus ciliare, speciell des Ciliarmuskels 
in hochgradig kurzsichtigen Augen als constantes Vorkommen 
vollkommen richtig. Ein Geübter kann aus verschiedenen meri- 
dionalen Durchschnitten des Ciliarkörpers bestimmen, welche 
davon einem hochgradig myopischen, welche einem emmetropi- 
schen, welche einem entschieden hypermetropischen Auge ent- 
nommen sind. Iwan off bestätigte zunächst meine Angabe^), dass 
der Ciliarmuskel bei Myopischen relativ mächtiger gefunden wird. 
Aber er fand an meridionalen Durchschnitten weiters die Form 
des Ciliarmuskels verändert. Betrachtet man die dem Kammer- 
wasser zugekehrte Seite des dreieckigen meridionalen Durch- 
schnittes als geradlinig, so bildet sie mit der an die Sclera an- 
gelehnten Seite im emmetropischen Auge einen rechten, im myo- 
pischen einen spitzen, im hypermetropischen einen etwas stumpfen 
Winkel. Dies hängt zusammen mit der Mächtigkeit der von 
H. Müller''), mir 8) und Rouget^) nachgewiesenen circulären 

») Arlt, Krankh. des Auges, Prag 1851, B. I. p. 175 und II. B. p. 104. 

2) Anomalien der Refraction, deutsch von O. Becker, Wien 1866 p. 309. 

3) Arlt, 1. c. II. p. 34 und m. p. 212—215. 

^) Einstellung des dioptr. Apparates, Wien 1861, p. 195. 

6) A. f. O. XV. c. 284. 

6) Krankh. in. 215 und 238. 

^ A. f. O. in. a. 1. 

8) A. f. O. m. b. 103. 

9) Compte-rendu du 30. Mai 1856. 



Fasern des Ciliarmuskels. Diese nehmen bekanntlich vorzugsweise 
den Winkel ein, welchen die gegen das Kammer wasser gerichtete 
mit der von den Ciliar fortsätzen überkleideten Fläche bilden. Je 
stärker nun diese circulären Fasern entwickelt sind, desto mehr 
springt der letztgenannte Winkel vor, und das ist vorzugsweise 
im hyperme tropischen Auge der Fall; in hochgradig myopischen 
Augen dagegen findet man wenig oder gar nichts von circulären 
Fasern^ und deshalb bildet die dem Kammerwasser zugewendete 
Fläche mit der von den Ciliarfortsätzen bedeckten einen stumpfen 
Winkel und kommen sowol diese Fortsätze als die Ursprungsstelle 
der Iris etwas weiter hinten zu liegen. Gegenüber dieser Ver- 
kümmerung der circulären Fasern sind die meridionalen bei 
Myopie stärker entwickelt. Bei Hypermetropie finden wir das 
Gegentheil , die circulären Fasern stärker , die meridionalen 
schwächer entwickelt. 

An der Sclera finden wir eine auffallende Veränderung 
nur bei mittleren und höheren Graden von Myopie. Diese besteht 
in Verdünnung, bedingt durch Ausdehnung, partiell oder total. 
Die dünnste Partie fällt in der Regel in die Gegend der Macula 
lutea. Ist die Ektasie vorzugsweise eine partielle, so liegt der 
Scheitelpunkt der kuppeiförmigen (halbkugelähnlichen) Ektasie 
nur selten einmal nicht genau im hinteren Pole, und die Basis, 
welche dann durch mehr weniger steiles Ansteigen und Durch- 
scheinen der verdünnten Partie deutlich angedeutet ist, reicht im 
Allgemeinen bis zu einem Parallelkreise, den man sich, relativ 
zum hinteren Pole, durch die Mittelpunkte der Insertionslinien der 
beiden M. obliqui gezogen denken kann. Ist die Ektasie, wie bei 
sehr hohen Graden von Myopie, schon mehr eine allgemeine, so 
zeigt der Bulbus in toto mehr die Form eines Vogeleies; doch 
kommt diese Form wol auch bei mittleren Graden von Myopie 
vor. Dann findet man bei auffallend grossem Durchmesser der 
Cornea (wol auch nachweisbar geringerer Wölbung) auch die Aequa- 
torialdurchmesser des Bulbus grösser und die Sclera bis zur Cornea 
etwas mehr durchscheinend (bläulich); die Verdünnung ist aber 
auch in diesen Fällen dort, wo sonst die kuppeiförmige Ektasie 
vorkommt, am stärksten, nur nicht so deutlich markirt. ^) Bei 
niederen Graden der Myopie kann eine Ausdehnung der Sclerotica 
(im Cadaver) nur aus der Verlängerung der sagittalen Achse 



1) Vergl. §. 16 zu Ende. 



erschlossen werden, weil sich eine circum Scripte Ektasie nicht 
auffinden lässt. In den Augen des Kreisarztes Seh. ^) mit 26 Mm. 
Achsenlänge (er hatte concav 14 getragen) konnte ich weder 
partielle Ausbuchtung, noch deutlich bläuliches Durchscheinen der 
hinteren Scleralpartie wahrnehmen. 

An den zwei Augen, welche Scarpa im 2. Bande seiner Ab- 
handlung 2) abgebildet hat, waren auch die Aequatorialdurchmesser etwas 
grösser, aber nebstdem ragte hinten eine kuppeiförmige Ektasie hervor, 
welche Scarpa vermöge der Formähnlichkeit mit einem kugelförmigen 
Hornhautstaphylom als Staphyloma posticum bezeichnete. Diese Bezeich- 
nung passt also nur für die Fälle von Kurzsichtigkeit mit partieller 
Ektasie oder, falls allgemeine Vergrösserung des Bulbus eingetreten ist, 
für solche mit partiell stärkerer Ektasie. 

Wenn sich die Ektasie vorzugsweise auf die hinter der Insertion 
der M. obliqui gelegene Eegion erstreckt, so kann es vorkommen, dass 
man rücksichtlich der weiter vorn gelegenen Partien des Augengrundes 
mit dem Ophthalmoskop das gleiche Verhalten vorfindet, wie bei Em- 
oder bei Hypermetropie ; nur die verdrängte (die ektatische) Partie des 
Augengrundes liegt jenseits der hinteren Brennweite des Auges. 

Die Chorioidea wird gleich der Sclerotica zuvörderst in 
der Gegend des hinteren Poles zurückgedrängt und somit ausge- 
dehnt gefunden. Bei geringen Graden von Myopie kann es vor- 
kommen, dass sich diese Ausdehnung durch keine Art von oph- 
thalmoskopisch wahrnehmbarer Veränderung kundgibt; auch bei 
höheren Graden (selbst bis zu M. ^) findet man mitunter, dass 
sich an der Chorioidea keine weitere Veränderung wahrnehmen 
lässt, als eine mehr weniger hochgradige Rareficirung; indem das 
Pigmentepithel und die Choriocapillaris auf eine grössere Fläche 
ausgedehnt sind, als sie vermöge des natürlichen Wachsthums 
(Bildungstriebes) einnehmen können, wird der Augengrund lichter 
und werden die Gefässmaschen der Chorioidea bis an die Papilla 
ringsum mehr weniger deutlich sichtbar (leidet das feingetüpfelte 
Aussehen des Augengrundes). Aber in der grössten Zahl der 
Fälle, man kann beinahe sagen in der Regel, zeigt uns das 
Ophthalmoskop eine eigenthümliche Veränderung der Chorioidea, 
zunächst an der Schläfenseite der Papilla, selten darunter oder 
darüber, bei hohen Graden wol auch ringsherum. Diese eigen- 
thümliche Veränderung zeigt sich anfangs, d. h. so lange die 
Myopie keinen hohen Grad erreicht hat, mitunter jedoch auch noch 
bei hohen Graden, in einer regelmässig begrenzten Figur, in der 

>) Arlt, Krankh. III. 238. 

2) L. c. Taf. II. Fig. 9 und 10. 



6 

Form eines Meniscus, dessen Concavität sich unmittelbar an 
die Papilla anschliesst, während der convexe Rand bald weniger 
bald mehr gekrümmt verläuft, so dass die Figur in letzterem 
Falle die Form eines Kegeldurchschnittes zeigt und deshalb von 
Ed. Jäger*) Conus genannt wurde. An der veränderten Partie 
ist das Pigmentepithel verschwunden oder nur stellenweise vor- 
handen (oft am convexen Rande angehäuft), fehlt die Chorio- 
capillaris, sind wol auch die Gefassmaschen mehr weniger zu 
Grunde gegangen und restirt dann vom Stroma chorioideae nur 
eine dünne, durchsichtige Faserlage (Membran). Sehr getreue und 
instructive Abbildungen haben Ed. Jäger 2)^ Donders ^), Liebreich 
u. A. publicirt. Aus diesen ist auch ersichtlich, dass diese Ver- 
änderung später (bei höheren Graden von Myopie) nicht selten 
einerseits die ganze Pupille umkreist, andererseits durch stumpfe 
oder zackige Ausbuchtungen am convexen Rande, namentlich 
gegen die Macula lutea hin, sich ausbreitet, und dass schliesslich 
mitunter auch isolirte ähnliche Flecke in der Umgebung der 
Mac. lutea auftreten. Diese Veränderung muss vom anatomischen 
Standpunkte als Atrophie der Chorioidea bezeichnet werden; als 
ihre entferntere Ursache ist Dehnung der Chorioidea zu bezeich- 
nen; entzündliche Veränderungen an der Chorioidea sind, mit 
seltenen Ausnahmen, die Folge, nicht die Ursache der Ektasirung 
(Arlt, Krankh. III. p. 216 und 239). 

Ein analoges Resultat sehen wir in der Iris nach Dehnung auf- 
treten; auch in der Iris schwindet, wenn sie dadurch dünner und 
atrophisch geworden ist, zunächst die Pigmentlage an ihrer hinteren 
Fläche. Atrophie einer Irispartie sehen wir besonders, wenn nach Ein- 
heilung des Pupillarrandes in eine Hornhautnarbe (meistens nach Blenn, 
neonat.) die Iris gegen diese gezogen wird; sie wird dann blässer, 
durchscheinend und es kann eine Lücke durch Dehiscenz im Irisgewebe 
selbst entstehen, durch welche man rothes Licht aus dem Augengrunde 
bekommt; viel öfter jedoch hat solche Dehnung Iridodialysis zur 
Folge (Arlt).-*) 

Welche Veränderungen die Netzhaut bei der successiven 
Ausdehnung erleide, ist noch nicht anatomisch klargestellt wor- 
den. Zur Anfertigung hinreichend verlässlicher Netzhautpräparate 



*) Einstellung des dioptr. Appar. Wien 1861. 

2) Beiträge zur Pathologie des Auges, Wien 1865, Einstellung des dioptr. 
Apparates, Handatlas. 

3) Anomalien der Refraction p. 299, 300. 
*) Krankh. II. 106. 



sind eben frische Bulbi erforderlich. Bis jetzt ist die von mir*) 
aufgestellte, von Donders ^), Ed. Jäger ^) u. A. acceptirte Annahme, 
dass die Netzhaut ausgedehnt, dass daher ihre radiären Elemente 
auseinandergerückt seien, noch nicht widerlegt worden. Jedenfalls 
muss auch die Lage dieser Elemente, wenn auch nicht am Scheitel, 
so doch am Mantel der Ektasie eine Veränderung erleiden, und 
in der That haben Hör ner und Iwanoff ^) eine schiefe Richtung 
der Stäbchen und Zapfen anatomisch beobachtet. Schnabel^) 
meint, dass die Vergrösserung des blinden Fleckes im myopischen 
Auge durch eine mit der Verschiebung der Epithelschichte gleich- 
sinnige Verschiebung der musivischen Netzhautschichten, respec- 
tive der Stäbchen- und Zapfen schichte, allein zu Stande komme, 
und dass sich durch diese Annahme auch die Unversehrtheit der 
Netzhaut an der Macula lutea oder der Normalität der centralen 
Sehschärfe trotz der Ausdehnung in vielen selbst hochgradig 
myopischen Augen erklären lasse, da durch die Abrückung der 
Stäbchen- und Zapfenschichte von der Sehnervengrenze während 
der staphylomatösen Dehnung der Noth wendigkeit vorgebeugt 
werde, dass eine unveränderte Zapfenzahl sich über eine stets 
gi'össer werdende Fläche vertheile. Diese Hypothese, welche auch 
Mauthner^) annehmbar zu finden scheint, könnte jedenfalls nur 
für die Nasenseite, nicht auch auswärts von der Macula lutea 
gelten, und sie ist, abgesehen von anderen Bedenken, mindestens 
nicht brauchbar für jene Fälle, wo bei hochgradiger Myopie weder 
ein sogenannter Conus, noch eine Vergrösserung des blinden 
Fleckes, sondern nur gleichmässige Rareficirung der Chorioidea, 
also wol auch Vertheilung der Netzhautelemente auf einen grösseren 
Raum und dennoch normale Sehschärfe vorgefunden wird, wie ich 
es neulich noch bei M. inr beobachtet habe. SchnabeTs An- 
nähme bezieht sich nur auf die meniscoide atrophische Stelle, die 
sich an die Papilla anschliesst, gibt aber keinen Aufschluss über 
das Sehvermögen an jenen pigmentlosen atrophischen Stellen, 
welche bei hochgradiger Myopie in der Umgebung der Mac. lutea 
vorgefunden werden. So viel ich bis jetzt erfahren konnte, treten 



>) Krankh. III. 214. 

2) Anomalien p. 321, 328. 

3) Einstellungen p. 69. 70. 
<) A. f. O. XV. c. 296. 

5) A. f. O. XX. a. 55. 

6) Vorlesungen über die opt. Fehler, 2. Abthlg. p. 740. (Wien 1876.) 



fixe Scotome bei Myopie erst dann auf, wenn es zu partieller 
Chorioretinitis, Apoplexie oder Netzhautabhebung gekommen ist. 
Der Glaskörper lässt bei geringen Graden von Myopie 
(bis circa M. ^) keine Abnormität wahrnehmen, oft auch nicht 
bei viel höheren Graden; er erscheint, da er einen grösseren 
Raum auszufüllen hat, der Masse nach vermehrt. Da er aber 
bei höheren Graden (über M. -^-) im hinteren Abschnitte sehr oft 
verflüssigt gefunden wurde *), so müssen wir annehmen, dass sein 
Stroma durch vermehrte Serumaufnahme gedehnt und zerklüftet 
werde. Man muss auch annehmen, dass diese Flüssigkeitsaufnahme 
in der Gegend des hinteren Poles (vielleicht von der Papilla her?) 
beginnt und nicht vom Corpus ciliare aus erfolgt, denn die Ver- 
flüssigung wird zunächst hinten vorgefunden und wenn sie sich 
weiter nach vorn erstreckt, so findet man in der Zone des Ciliar- 
körpers (also auch nächst der Linse) noch normal consistenten 
Glaskörper. Totale Verflüssigung habe ich bei meinen Sectionen 
bisher nicht vorgefunden. Sowol in künstlich gehärteten, als in 
frisch durchschnittenen hochgradig myopischen Augen sah ich die 
restirende Glaskörperpartie hinten in Flocken oder Fransen aus- 
laufen, welche in seröser Flüssigkeit flottirten. Diese Veränderung 
ist wesentlich verschieden von der, welche Iwan off ''^) als Ab- 
lösung des Glaskörpers von der Netzhaut beschrieben hat. Dass 
die bei Myopie so häufige Myodesopsie mit dieser Glaskörperver- 
änderung in ursächlichem Zusammenhange stehe, ist nicht unwahr- 
scheinlich; dass aber das Wahrnehmen beweglicher Scotome in 
vielen Fällen hochgradiger Myopie von Flocken und Fäden im 
hinteren Theile des Glaskörpers herrührt, wobei das Stroma cor- 
poris vitrei mit betheiligt ist, darauf deuten nicht nur die Sections- 
befunde, sondern auch die Beobachtung mit dem Augenspiegel. 
Ich habe mehrere Male bei Sectionen und noch öfter mit dem 
Augenspiegel an der Eintrittstelle der Centralgefässe eine Art 
Flocke oder Büschel gesehen, welche wie ein Fliegenwedel in 
der Flüssigkeit flottirte. Auch Donders^) hat solche Flocken 
ophthalmoskopisch gesehen. 

2. In dem Maasse, als der Bulbus in sagittaler Richtung 
grösser wird, ändert sich auch seine Lage relativ zur Orbita. 



») Arlt, Krankh. lU. 216, 240, 244. 
>) A. f. O. XV. b. 1. 
3) Anomalien p. 302. 



Der Bulbus und sein Drehpunkt rückt etwas weiter nach vorne ^) 
(Donders). Die Muse, recti müssen also länger werden und sich 
mehr an die Sclera anschmiegen, weil ihre Insertionslinien weiter 
nach vorn rücken. In den zwei Fällen hochgradiger Myopie, wo 
mir die Section der ganzen Leiche und der Vergleich mit der 
übrigen Musculatur zu Gebote stand, ist mir die Mächtigkeit der 
äusserlichen Augenmuskeln sowol als des Ciliarmuskels aufge- 
fallen (Krankh. III. 238). Durch die Vergrösserung und durch 
die oblonge Form des Bulbus, sowie durch die Abrückung des 
Drehpunktes von der Spitze der Orbita leidet die Beweglichkeit 
des Bulbus (Donders 1. c. 338). Je weiter die Mac. lutea von der 
Hornhautbasis abgerückt ist, desto kleiner wird der Winkel a, 
d. i. der Winkel, welchen die Hornhautachse mit der Sehlinie 
bildet (Donders 339). Der Sehnerv muss in dem Maasse einen 
mehr geschlängelten Verlauf annehmen, als die Scleralpartie, in 
welche er sich inserirt, weiter nach hinten gedrängt wird; die 
Stellung seines vorderen Stückes relativ zum Bulbus muss ge- 
ändert, in eine mehr schräge verwandelt werden. Dies kann bei 
erheblichem Grade von Rückwärtsdrängung der hinteren Bulbus- 
wand kaum geschehen, ohne dass seine äussere Scheide ge- 
zerrt und ausgedehnt und dass somit auch die äussere Faser- 
lage der Sclerotica als unmittelbare Fortsetzung jener Scheide 
mehr weniger von der tieferen abgehoben wird. (Diese Auffassung 
der theilweisen oder totalen Erweiterung der äusseren Sehnerven- 
scheide und der mehr weniger deutlichen Trennung der angrenzen- 
den Scleralportion in eine oberflächliche und tiefe Schichte, welche 
Ed. Jäger 2) zuerst beschrieben und Donders (316) constatirt 
hat, muss so lange als die richtige angenommen werden, als es 
nicht gelungen ist, diese Veränderungen, wenigstens angedeutet, 
bei niederen Graden von Myopie anatomisch nachzuweisen.) 

§. 3. Kommt Myopie angeboren vor? Wurde sie, wenn 
auch nur in niederem Grade, bei Neugeborenen nachgewiesen? 

Unter den Beobachtern aus neuerer Zeit ist keiner so ent- 
schieden für das Vorkommen angeborner Kurzsichtigkeit einge- 
treten, als Ed. Jäger 3), indem er dem erworbenen kurzsichtigen 

1) Anom. 339. 

2) EinBteUiingen p. 60—63 und Taf. H. III. und T. HI. Fig. 11, 21, 23, 
26, 27, 29 u. 37. 

') Einstellungen etc. p. 26 und 72. 



10 

Baue den angebornen gegenüberstellte. Aber in seiner Beweis- 
führung vermissen wir die Hauptsache, Sectionsbefunde von myo- 
pisch gebauten Augen aus den ersten Tagen oder Wochen, selbst 
aus den ersten Jahren des Lebens. Wenn Ed. Jäger seinen „Lang- 
bau" wirklich bei Neugebornen gefunden hätte, so würde er wol 
wenigstens die Maasse der Durchmesser solcher Augen angegeben 
haben. Seine Annahme stützt sich theils auf die Bestimmung des 
Refractionszustandes mittelst des Augenspiegels, theils auf das 
hiebei constatirte Vorkommen des sogenannten Conus bei Neuge- 
bornen (p. 32), und schliesslich (p. 69) weist er auf die anatomisch 
erwiesene Formabweichung hin, welche Ammon unter dem Kamen 
Scleralprotuberanz als angeborne Anomalie beschrieben hat. 

Bevor ich in die Kritik der Jäger' sehen Ansichten eingehe, 
muss ich hervorheben, dass ich trotz zahlreicher Untersuchung 
von Kindesleichen und trotz emsiger Nachfrage bei CoUegen, 
welche vielfach Grelegenheit hatten, Bulbi von Neugebornen zu 
zergliedern, bisher nicht in den Besitz von Kinderaugen gelangen 
könnte, welche den sogenannten Langbau zeigten, mit Ausnahme 
eines einzigen Falles. — Prof. O. Becker zeigte mir, als er noch 
Privatassistent bei mir war, die Bulbi von einem 1 72 jährigen 
Kinde, welche ihm Prof. Rokitansky in der Leichenkammer über- 
geben hatte. Diese Bulbi waren eiförmig, am hinteren Pole nach 
einem kürzeren, am vorderen nach einem längeren Radius ge- 
krümmt und boten, so viel ich am horizontal geführten Durch- 
schnitte sehen konnte, keine jener Anomalien dar, welche uns 
sonst als angeboren bekannt sind. Auch entzündliche Veränderun- 
gen an der Sclerotica oder Chorioidea waren (makroskopisch) 
daran nicht sichtbar. Der Opticus inserirte sich genau im Scheitel- 
punkte der von allen Seiten her gleichmässig ansteigenden Ektasie. 
Gewiss wird Becker diesen Fall seinerzeit beschreiben und ver- 
öffentlichen, da auch er weiter keinen ähnlichen Bulbus zur ana- 
tomischen Untersuchung bekommen hat. 

Ed. Jäger gibt p. 12 die Maasse der Cadaveraugen von 
zwanzig Kindern im Alter von 4 bis 40 Tagen. Die längste Achse 
fand er mit 19*1 Mm. bei zwei Kindern von 10 Tagen; da aber 
der horizontale Durchmesser in dem einen Falle 18-9 Mm., in 
dem andern 18*8 Mm. maass, der verticale in dem einen 18*8 Mm., 
in dem andern 17*9 Mm., so war auch in diesen ungewöhnlich 
grossen Augen die Proportion der Durchmesser nicht gestört, 
sicherlich kein Langbau vorhanden. Nach der Tabelle 3 auf 



11 

p. 20 fand Jäger unter hundert Neug«bornen im Alter von 9 bis 
16 Tagen mittelst des Augenspiegels bei 17 Hypermetropie, bei 
5 Emmetropie, bei 78 Myopie. Er schreibt diesen Befund nicht 
auf Rechnung einer Achsenverlängerung, sondern auf die notorisch 
erwiesene stärkere Wölbung der Linse im Säuglingsalter. Wenn 
ich Jäger recht verstehe, so gipfelt seine Anschauung über die 
Entstehung der Kurzsichtigkeit in folgenden, auf p. 17 nieder- 
geschriebenen Sätzen: „Sowol übersichtige als kurzsichtige Augen 
gestalten sich während der Entwicklungsperiode zum normal ge- 
bauten, und solche, die ursprünglich für parallele Strahlen ein- 
gestellt waren, sind nach dieser Periode wol selten für conver- 
girend, dagegen häufig für divergirend einfallende Strahlen adaptirt. 
Es tritt in dieser Beziehung oft ein vollkommener Umschwung ein, 
und nur bei einem kleinen Theile der Kinderaugen lässt sich aus 
gewissen Bildungsanomalien im Augengrunde am Seh- 
nervenumfange (dem Conus) mit einiger Wahrscheinlichkeit auf 
eine späterhin hervortretende Kurzsichtigkeit durch Achsen- 
verlängerung hinweisen". 

Jäger erklärt somit nicht die Achsenverlängerung, sondern 
nur den Conus für angeboren, freilich mit dem Nebengedanken, 
dass der Conus die Disposition zur Achsenverlängerung biete. 
Wir lesen nun aber weiter p. 22: „Rücksichtlich des Verhältnisses 
der Einstellung beider Augen zueinander in demselben Indi- 
viduum ergab sich, dass bei Neugeborenen, bei Kindern in den 
ersten Lebensjahren, so wie überhaupt bei solchen Individuen, 
welche ihre Augen nicht vorwaltend für geringe Object- 
abstände benützen, überwiegend eine ähnliche Einstellung 
beider Augen bestehe, dass dagegen vom 5. bis 6. Lebensjahre 
an, vorzüglich aber bei solchen Individuen, welche sich viel 
mit kleinen Gegenständen und bei geringer Object- 
entfernung beschäftigen, nicht nur häufiger Verschiedenheiten 
in der Einstellung beider Augen, sondern auch bei weitem grössere 
Unterschiede auftreten". P. 23: ^Nur zu häufig wird dieses 
Organ durch die Fesseln socialer Verhältnisse und herrschender 
Moden gezwungen, sich einem beschränkten Gesichtskreise zu 
adaptiren". „Meinen bisherigen Untersuchungen zufolge kommt 
im Allgemeinen die Kurzsichtigkeit durch angeborene Achsen- 
verlängerung (Staphyloma posticum) häufiger bei Städtebewohnern 
imd in wohlhabenden Kreisen vor, als unter der Landbevölkerung". 
Diese Sätze sprechen gerade für das Gegentheil von dem, was 



12 

der Name „angebome Kurzsichtigkeit durch Achsenverlangerung'' 
anzeigen soll; und wenn p. 28 besagt wird, ^auch eine oberfläch- 
liche Beobachtung zeige, dass die Kurzsichtigkeit durch Achsen- 
Verlängerung nach rückwärts nicht ein Prärogativ des Meisses 
sei", und dass „in jenen Schichten der Bevölkerung, welche im 
Durchschnitte nicht gewöhnt ist, ihre Augen durch Accommoda- 
tionsanstrengung zu ermüden, mindestens eben so viele, ja noch 
mehr Individuen vorkommen, welche in Folge von Achsenver- 
längerung der Bulbi (Staph. post.) kurzsichtig sind, als in den 
übrigen Schichten der Bevölkerung", so widersprechen diese Sätze 
geradezu dem, was kurz vorher gleichfalls als Ergebniss der Beob- 
achtung hingestellt wurde. 

Angenommen (nicht zugegeben), der angeborne Conus sei 
maassgebend für die Entwicklung des Staphyloma posticum, so 
dass dieses schon eintrete, bevor noch Arbeit vom Auge gefordert 
wird, und dass diese rücksichtlich der Herbeiführung der Ektasie 
ganz ohne Einfluss sei : wie kommt es, dass nach p. 41 ein deut- 
lich ausgeprägter Conus nicht immer mit einer Ektasie der Form- 
häute am hinteren Pole verbunden ist? „Ich sah ihn wiederholt 
bei übrigens normalem Bau des Auges, daher bei normaler 
Achsenlänge desselben, sowie bei stark übersichtigen Augen, 
selbst bei schon während des Lebens nachweisbarer kürzerer 
Augenachse in derselben Form und gleicher Grösse ausgebildet, 
wie in den stärksten Graden von angebomem Staphyloma posti- 
cum." Und p. 42 heisst es: „Es gibt dagegen auch nicht selten 
Fälle von Kurzsichtigkeit, in welchen trotz einer grösseren Achsen- 
länge des Bulbus durch angeborne Ektasie der Formhäute am 
hinteren Augapfelabschnitte kein Conus, oder nicht in entspre- 
chendem Grade entwickelt, wahrgenommen wird". ^) 

Ist nun der sogenannte Conus die einzige bei Neugebornen 
constatirte Veränderung, welche mit der in späterer Zeit vorge- 
fundenen hinteren Ektasie des Bulbus in Zusammenhang gebracht 
werden kann, kommt derselbe im weiter entwickelten Auge nicht 
blos bei Myopie, sondern auch, wenngleich seltener, bei Emme- 

*) Nach Sc hnabel (A. f. O. XX. b. 39) waren von 210 Augen 136 mit Conus 
behaftet, Ton welchen 99 (73-33 %) mit Myopie, 18 (13*33 %) mit Emmetropie 
und ebensoviele mit Hypermetropie verbunden waren. In demselben Zeitabschnitte, 
wo Schnabel 36 Coni in nicht myopischen Augen traf, fand er „nur 21 kurzsich- 
tige ohne Coni, von denen 17 jungen Leuten angehörten, denen ihr Beruf an- 
haltende Beschäftigung mit feinen Objecten auferlegte". 



13 

tropie und Hypermetropie vor, und kann endlich Myopie (hintere 
Scleralektasie) in verschieden hohen Graden auch ohne Conus 
vorkommen, so kann der Zusammenhang" zwischen Conus und 
Myopie nur so aufgefasst werden, dass der Conus etwas Acces- 
sorisches ist, nicht aber etwas die Myopie Bedingendes, Einleiten- 
des oder nothwendiger Weise Begleitendes. Das Vorkommen eines 
Conus bei einem Neugebornen oder in späterer Zeit berechtigt 
also an und für sich noch nicht, auf schon bestehende Achsen- 
verlängerung zu schliessen. 

Was endlich die Beziehung der vermeintlichen angebornen 
Myopie zur Entwicklungsgeschichte des Auges betrifft, auf welche 
Jäger p. 69 hindeutet, so muss dieselbe ganz entschieden zurück- 
gewiesen werden. Was Am mon *) als hi n t er e Sei er alpro tuberanz 
beschrieben, mit der fötalen Entwicklung des Auges in Verbindung 
gebracht und demgemäss als angeboren bezeichnet hat, ist himmel- 
weit verschieden von dem, was Jäger u. A. als Staphylo ma posti- 
cum geschildert haben. Die hintere Scleralprotuberanz, welche 
bisher immer nur im Vereine mit Coloboma chorioidese beobachtet 
worden ist, liegt stets unterhalb des Sehnerveneintrittes und ist 
an ihrem hinteren Ende am höchsten; ihre Basis ist nie kreis- 
förmig, immer oblong; nach vorn wird diese Ektasie durchaus 
schmäler und niedriger, während sie gegen den Opticus hin und 
zu beiden Seiten (namentlich in der hinteren Partie) steil abfällt. 
Ammon hat einen Bulbus mit solchör Protuberanz auf T. III. 
Fig. 15 abgebildet. Viel instructiver finde ich die Abbildung, 
welche Hannover 2) zu der genauen Beschreibung eines anato- 
mischen Befundes geliefert hat, an welche sich dann die Beob- 
achtungen von mir^) anschliessen. Später hat Liebreich^) nicht 
nur den anatomischen, sondern auch den ophthalmoskopischen 
Befund bei Coloboma und der damit vereint vorkommenden Scle- 
ralprotuberanz beschrieben , dann in seinem Atlas abgebildet. 
Sehr getreu hat auch Nagel ^) das ophthalmoskopische Bild eines 
solchen Auges dargestellt und ebenso H offmann ^). Wer auch 
nur einen einzigen Fall von angeborner Scleralprotuberanz mit 



>) Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges, A. f. O. IV. a. 1. 

2) J. MüUer's Archiv für Anatomie, Physiologie etc. 1845. 

3) Arlt Krankh. II. p. 127. 
*) A. f. O. V. b. 241. 

6) A. f. O. VI. a. 170. 

®) lieber ein Colobom der inneren Augenhäute, Frankfurt a. M. 1871. 
Arlt. Ursachen der Karssichtigkeit. ^ 



14 

dem Augenspiegel oder eine der ophthalmoskopischen Abbildungen 
aufmerksam betrachtet hat, dem wird die scharf markirte Begrenzung 
derselben und die eigenthümliche Anordnung der Netzhautgefässe (oft 
schon im Bereiche der Papilla) aufgefallen sein, im Gegensatze zur 
Ektasie bei Myopie. Die fötale Augenspalte und ihre Spur 
im reifen Auge (Colobom und Scleralektasie) verläuft stets meri- 
dional (von hinten nach vorne) und liegt an der unteren Seite; 
der Meniscus oder Conus, den man damit in Zusammenhang 
bringen will, schliesst sich concentrisch und unmittelbar an die 
Papilla an und liegt an der Schläfen seite. Da genügt auch die 
supponirte (keineswegs erwiesene) Drehung des Bulbus in der 
Fötalperiode nicht, einen solchen Ursprung des Conus wahrschein- 
lich zu machen. Wenn die in Becker's Falle beobachtete bilaterale 
Anomalie wirklich von Geburt an bestand, so kann sie gleich 
dem Buphthalmus congenitus mit einer Hemmung in der Entwick- 
lung des Auges nicht in Zusammenhang gebracht werden. 

§. 4. Ist Myopie erblich? Erblich nennen wir eine Ano- 
malie oder Krankheit, wenn sie bei mehreren Mitgliedern einer 
Familie neben oder nach einander (unmittelbar oder mit Ueber- 
springung eines, einiger Mitglieder) beobachtet wird, ohne dass 
man einen Grund dafür irgendwo anders als in der Abstammung 
selbst finden kann. Die mit der Zeugung selbst übernommene 
Anomalie kann gleich nach der Geburt vorhanden sein, z. B. ein 
Iris-Colobom, sechs Finger an einer Extremität u. s. w. und wird 
dann zunächst als angeborne bezeichnet, oder sie tritt erst im 
Verlaufe der weiteren Entwicklung des Individuums, und dann 
gewöhnlich in einem bestimmten Lebensalter auf. So kenne ich 
eine Familie aus Brandeis bei Prag, in welcher von fünf Kindern 
einer im 45. Jahre an Cataracta operirten Mutter drei um das 
20. Jahr herum, eines aber erst im 40. Jahre Cataracta bekam, 
und eine Familie in Carlsbad, von welcher, nachdem ich vier 
Geschwister zwischen dem 50. und 60. Jahre an Cataracta operirt 
hatte, die Tochter der einen Operirten im 45. Jahre und die 
Enkelin eines nicht Operirten bereits im 8. Jahre derselben Ope- 
ration unterworfen werden mussten. Von Glaukom ist die Erb- 
lichkeit in gewissen Familien bekannt. In solchen Fällen spricht 
man eben von ererbter Anlage, welche sich indess vor erfolgter 
Entwicklung der Krankheit nicht durch bestimmte Merkmale kund- 
zugeben pflegt. Ganz in derselben Lage sind wir bei der Kurz- 



15 

sichtigkeit. Vor ihrer Entwicklung, welche am häufigsten zwischen 
das 10. und 16. Jahr fällt und selten schon mit dem 6. oder 5. 
Lebensjahre bemerkbar wird, können wir wol aus einer gewissen 
Aehnlichkeit des Individuums im ganzen Habitus mit kurzsichtigen 
Geschwistern, Eltern, Grosseltern oder deren Geschwistern Ver- 
dacht auf das Vorhandensein der Anlage schöpfen, aber mit Be- 
stimmtheit können wir die Entwicklung nicht voraussagen, so 
lange speciell darauf hindeutende Anzeichen fehlen. 

Wie bei vielen anderen erblichen Zuständen und Krank- 
heiten, müssen wir auch bei Myopie die Disposition in dem Sinne 
auffassen, dass sie sich unter gewissen äusseren Einflüssen leichter 
und stärker, aber auch trotz des Abganges solcher Einflüsse früher 
oder später zu wirklicher Myopie entwickeln könne, und gerade 
jene Fälle, in welchen wir solche Entwicklung ohne nachweisbare 
äussere Veranlassung beobachten, sind es, welche zur Annahme 
einer erblichen Disposition einladen. Ich sage einladen, nicht 
berechtigen, weil es immer noch vorkommen kann, dass sich ein 
solcher fehlerhafter oder krankhafter Zustand auch aus einem 
anderen, unserer Wahrnehmung entzogenen Grunde entwickelte. 
Wenn uns z. B. ein Bauernbursche mit hochgradiger Kurzsichtig- 
keit eines oder beider Augen vorgeführt wird, welcher vielleicht 
die Schule kaum dem Namen nach kennt, so dürfen wir wol an 
Erblichkeit seiner Myopie denken, falls sich unter den Verwandten 
Kurzsichtige ausfindig machen lassen, aber wir müssen auch die 
Möglichkeit im Auge behalten, dass sich vermöge allgemeiner 
körperlicher Beschaffenheit verminderte Scleral- und Chorioideal- 
Resistenz und somit Ektasie entwickelt habe, in analoger Weise, 
wie wir Keratoconus auf einem, auf beiden Augen entstehen sehen, 
ohne dass wir Erblichkeit anzunehmen berechtigt sind und ohne 
dass wir die disponirende (zu Grunde liegende) Körperbeschaffen- 
heit näher definiren können. Ich nehme keinen Anstand, es 
geradezu auszusprechen, dass ich die Entstehung hochgradiger 
Myopie in manchen Fällen auf eine analoge Veränderung der 
Sclera beziehe, wie wir sie bei Keratoconus in der Cornea voraus- 
setzen müssen. Auch dieses Uebel ist weder angeboren, noch als 
erblich erwiesen. Auch der Keratoconus entwickelt sich, nach den 
Fällen (10 — 12), welche ich mit eigenen Augen gesehen, um die Zeit 
der Pubertät, und heute bin ich von der Ansicht, welche ich 1851 *) 



1) Krankh. I. 282. 



16 

ausgesprochen, dass dieses Leiden mit Zeichen allgemeiner Gesund- 
heitsstörung coincidirt, noch mehr überzeugt. Auch den Kerato- 
conus sah ich in einem Falle durch circa 15 Jahre auf das linke 
Auge, wo ich ihn sozusagen im Beginnen beobachtet hatte, be- 
schränkt bleiben, nachdem der junge Mann (Studiosus juris, später 
Advocat) durch ein Jahr auf Reisen gegangen war und sich kör- 
perlich gekräftigt hatte. Den Schichtstaar finden wir nicht selten 
bei mehreren Geschwistern, aber wir erklären ihn weder für an- 
geboren noch für erblich; wir wissen, dass er mit Rhachitismus 
in Verbindung zu bringen ist. 

Wir sind durch die Thatsachen der Erfahrung gezwungen , für 
eine gewisse Zahl von Fällen eine erbliche Disposition als Ursache 
von Myopie anzunehmen, und wir thun dies mit derselben Berechtigung, 
wie das bei anderen erblichen Zuständen und Krankheiten geschieht. 
Es hiesse aber der strengen Beobachtung Zwang anthun, wenn wir 
jeden Fall von Myopie auf Erblichkeit zurückführen wollten, gerade 
so, wie wenn Jemand behaupten möchte, alle Geisteskrankheiten 
gehen aus ererbten abnormen Verhältnissen hervor. Die Myopie kann 
sich vererben, aber sie muss es nicht. Die Kinder und die Enkel 
myopischer Eltern können wahrscheinlich auch von Myopie frei 
bleiben. Genauere Angaben hierüber sind für jetzt noch ein Desiderat. 

Wenn wir sagen: Myopie komme erblich, Hypermetropie 
angeboren vor, so bedienen wir uns ganz correcter Ausdrücke 
für den wirklichen Sachverhalt. In ersterem Falle wird der Bulbus 
während seines allmäligen Wachs thums in sagittaler Richtung 
unverhältnissmässig grösser, weil die hintere Wandung relativ zu 
wenig resistent ist, in letzterem Falle bleibt das Auge im Wachs- 
thum nach der sagittalen Achse hinter der Norm zurück. Die 
Form des hypermetropischen Auges besteht also schon von der 
frühesten Jugend an. Man kann dieses Verhalten in manchen 
Familien, wo von den Eltern der eine Theil myopische, der andere 
hypermetropische Augen hat, manchmal sehr deutlich an den 
Kindern beobachten. Die einen, welche mehr den Habitus, nament- 
lich die Schädelbildung des myopischen Theiles der Erzeuger zur 
Schau tragen, werden myopisch, in der Regel schon frühzeitig 
(beim Beginne des Schulunterrichtes), die anderen zeigen hyper- 
metropischen Bau und behalten ihn durchschnittlich für immer. 
Das Geschlecht scheint keinen Einfluss zu haben, wenigstens war 
dies so in einigen Familien, welche ich durch viele Jahre zu 
beobachten Gelegenheit hatte. Die von Kindheit an hypermetro- 



17 

pischen Augen zeigen ungleich häufiger als myopische unregel- 
mässige Wölbung der brechenden Medien (Astigmatismus). ^) 
Wenn hypermetropische Augen ihre Mangelhaftigkeit nicht schon 
um das 5. oder 6. Jahr verrathen, so ist das nur dem geringeren 
Grade der Hypermetropie und dem noch relativ hohen Grade 
von Accommodationskraft zuzuschreiben. Der so häufig mit hyper- 
metropischem Baue in ursächlichem Zusammenhange stehende 
Strabismus convergens zeigt sich häufig schon lange vor dem 5., 
mitunter schon zu Ende des 1. Lebensjahres; Strabismus 
divergens bei myopischen Augen vor dem 10. Lebensjahre ist 
eine grosse Seltenheit. Geringe und selbst massige Grade von 
Myopie (etwa bis zu -^) lassen beim Betrachten des Bulbus kaum 
eine Abweichung vom Baue des emmetropischen Auges erkennen, 
während mittlere, selbst geringe Grade von Hypermetropie, wie 
man sie bei Asthenopia accommodativa zu sehen bekommt, sofort 
durch die geringen Dimensionen (der Cornea, der Kammer, des 
ganzen Bulbus) auffallen. Die hypermetropischen Augen jugend- 
licher Individuen zeigen also relativ oft zugleich Anomalien, welche 
auf angeborne Bildung (oder doch auf geringe Entwicklung) be- 
zogen werden müssen, während das bei Myopen mit Ausnahme 
des Jäger'schen Conus nicht vorkommt. Ich habe bei Kindern 
unter 5 Jahren noch keine Gelegenheit gehabt, äusserlich wahr- 
nehmbare, auf myopischen Bau deutende Form ab weichung zu sehen. 
Mannhardt's^) Angabe, dass bei Kindern, deren beide Eltern 
myopisch waren, in der Regel nicht Myopie, sondern myopischer 
Astigmatismus vorkomme, bedarf wol noch weiterer Bestätigung 
durch zahlreichere Fälle, als M. beibringen konnte. 

Der BegriflF „erbliche Myopie" darf nicht in dem Sinne 
genommen werden, als ob das Auge vermöge eines mit der Zeugung 
überkommenen Bildungstriebes in die eigen thüm liehe Form, in 
den „Langbau" hineinwachse, hineinwachsen müsse, sondern es 
kann die Erblichkeit nur auf geringere Widerstandsfähigkeit der 
Sclerotica oder der Chorioidea (oder beider zugleich) in der Gegend 
des hinteren Poles bezogen werden. Denn wenn ein Individuum 
schon bei seinem Entstehen die Anlage erhielt, eine ungewöhnliche 

1) „Es zeigte sich, dass fast alle Hjpermetropen, deren Sehschfirfe sich 
als unvollkommen erwiesen hatte, mit Astigmatismus behaftet waren. ^ (Erismann 
A. f. O. XVII. a. 8.) „Bei hochgradiger Hypermetropie ist das Auge immer ein 
lUiTollkommen entwickeltes.^ (Mauthner, Vorlesungen etc. p. 438.) 

2) A. f. O. XVII. b. 72. 



18 

Körpergrösse zu erlangen, so erreicht es diese ohne krankhafte 
Veränderung einzelner Organe und auch ohne besondere Dispo- 
sition hiezu. Die Knochen werden länger, aber nicht unproportionirt 
dünner. Sind in einer Familie stark gebogene Nasen erblich, so 
tritt diese Form allmälig in die Erscheinung, ohne deshalb eine 
krankhafte Disposition zu erlangen. Wenn aber ein myopisches 
Auge, bei welchem wir Erblichkeit zu supponiren Grund haben, 
einen gewissen Grrad von Achsenlänge erreicht hat, so finden wir 
nicht nur die Proportion zu den Querdurchmessern gestört, sondern 
auch die Sclerotica und die Chorioidea im hinteren Abschnitte 
verdünnt, den Ciliarkörper in der oben erörterten Weise verändert 
und den Glaskörper hinten mit mehr Flüssigkeit erfüllt oder 
selbst im Stroma zerfallen. Wenn man auch Augen mit geringerem 
oder mittlerem Grade von nicht progressiver Myopie noch zu den 
gesunden zählen kann, sofern ihre Function stüchtigkeit, wenigstens 
ihre Arbeitskraft noch eine normale ist, so muss man doch die 
höheren Grade von Myopie und das Fortschreiten zu höherem 
Grade sicherlich als etwas Krankhaftes bezeichnen. Gerade jene 
Fälle, welche man für Angeboren- oder Erblichsein ins Feld zu 
führen pflegt, nämlich hoch- und höchstgradige Myopie bei jungen 
Leuten, die ihre Augen niemals sehr angestrengt haben sollen, sind 
entschieden als Producte eines krankhaften Vorganges in der Gegend 
des hinteren Poles, welcher eben noch nicht Sclerotico-Chorioideitis 
(in Gräfe's Sinne) zu sein braucht, nicht als Folge eines ange- 
bornen oder ererbten abnormen Bildungstriebes zu betrachten. 

Wenn wir also von erblicher Myopie sprechen, so können 
wir dabei nur an erbliche Disposition denken und diese nur als 
abnorm geringe Widerstandsfähigkeit der Sclerotica in der Gegend 
des hinteren Poles bezeichnen, vermöge welcher die Ausbuchtung 
dieser Gegend schon bei relativ geringer Verwendung der Augen 
zum Arbeiten, mitunter vielleicht auch ohne solche (wenigstens 
ohne nachgewiesene Arbeit) zu Stande kommt. Im §. 15 werde 
ich noch ein Moment zur Sprache bringen, welches bei der Frage 
der Erblichkeit nicht übergangen werden darf, nämlich die ver- 
schiedene Schädelbildung und die damit zusammenhängende Ver- 
schiedenheit in der Einwirkung der äusserlichen Augenmuskeln 
auf den im Wachsen begriffenen Bulbus. 

§. 5. Gibt es Fälle erworbener Kurzsichtigkeit? 
Sind Fälle bekannt, wo Augen, welche sicherlich bis zum 10., 



19 

12., 16. Jahre sich emmetropisch verhielten, nachher myopisch 
befunden wurden, und wo man Gelegenheit hatte, zu constatiren, 
dass weder bei den Eltern noch bei den Grosseltern oder deren 
Geschwistern Zeichen von Myopie vorhanden waren? 

Ich könnte den Beweis für das Vorkommen erworbener Myopie 
ohne Erkrankung am Auge oder im Gesammtorganismus, welche 
sich mit der Myopie in Zusammenhang bringen Hesse, damit 
antreten, dass ich mich auf das häufigere Vorkommen der Myopie 
bei Culturvölkern beriefe und sofort fragte, wie man sich diese 
Thatsache zu erklären gedenke. Haben etwa diese Völker mit 
dem Keime der Culturfähigkeit auch den Keim der Kurzsichtig- 
keit bei ihrer Abstammung übernommen? Und wenn nicht, ist 
der Keim zur Myopie in diese Völker durch zufällige Erkrankung 
Einzelner oder durch Uebelstände, welche der Cultur anhaften, 
und durch welche, gelegt worden? Nach Andreae i) ist Aristoteles 
der erste, welcher der Myopie gedenkt (in seinen Problemen), und 
Mauthner^) citirt: „Aia t{ ol [xOwTusi; (Jiwcpa '^pdiLiLOLiiot, ^pdi(fo\j(jv^.^ 
Ganz verlässliche statistische Angaben über die relative Häufig- 
keit der Myopie liegen indess nicht vor. Nachdem Donders 
(Anomalien p. 287) angegeben, die Zahl der Myopen sei ihm 
in Deutschland am meisten aufgefallen, behauptete Mann- 
hardt 3), „eine nationale Anlage zur Myopie lasse sich in Italien 
nicht verkennen". „Obgleich in diesem Lande circa 80 Procent 
der Bevölkerung nicht lesen und schreiben können, ist doch die 
Zahl derer, die an den hochgradigsten Formen progressiver Myopie 
leiden, ganz auffallend gross, aber freilich nur in der Classe der- 
jenigen, welche lesen können". „Sicher ist, dass in Deutschland 
durchschnittlich Hypermetropie und Strabismus convergens häu- 
figer, progressive Myopie und Strabismus divergens dagegen seltener 
sind, als in Italien." — Fournari^) dagegen fand bei den Kabylen 
fast durchaus grosse, hervorragende Augen, doch keine Kurz- 
sichtigen. Er fand die Pupille bei diesen Völkerschaften relativ 
enge und die Iris vorwärts gewölbt, daher die vordere Kammer 
kleiner, Iris und Cornea haben einen kleineren Umfang als bei 
den Europäern (Arlt, Krankh. III. 240). Burnett ^) erinnert sich 



1) Grundriss der Augenheilkunde, 3. Auflage, 1846, II. Bd. p. 431. 

2) Vorlesungen über die optischen Fehler. 2 Abth. p. 344 (Wien, 1876). 

3) A. f. O. XVII. b. 74. 

*) Ann. d'ocul. T. X, p. 145. 

5) Ophth. Hosp. Eep. VUI. P. 2, p. 391. 



20 

nicht, jemals bei Negern (in Amerika) Myopie gesehen zu haben, 
obwol bei einigen von ihnen nach der Schädelbildung entschieden 
prominente Augen vorkommen. Sattler *) fand an einem Neger- 
auge den sagittalen Durchmesser von der vorderen Fläche der 
Cornea bis zur Chorioidea bloss 22, 25 Mm. lang. Nach Woinovr^^ 
ist der Procentsatz der Myopen (in Russland) bei den Georgiern 
und Armeniern (im Kaukasus) am kleinsten. 

In den mühevollen statistischen Arbeiten von H. Cohn, 
Erismann, Reuss u. A. sind allerdings viele wichtige Daten 
niedergelegt, welche für das Erworbenwerden der Myopie durch 
fehlerhafte Verwendung der Augen in den Schuljahren sprechen; 
der Skeptiker kann indess noch immer einwenden, es könne 
trotzdem noch immer Erblichkeit mit im Spiele gewesen sein, 
und die beschuldigten Fehler in der Verwendung haben nur den 
früheren Ausbruch und die stärkere Entwicklung der (erblichen) 
Myopie bewirkt. Durch H. von Hofmann's^) Untersuchungen 
wurden die Resultate von Cohn und Erismann im Ganzen ge- 
nommen bestätigt. 

Wenn uns die Vertheidiger der Erblichkeitstheorie die Frage 
entgegen halten, wie es komme, dass von einer Anzahl von 
Individuen, welche den gleichen Schädlichkeiten unterworfen 
sind (z. B. während der Studienzeit), nur einige, nicht alle kurz- 
sichtig werden, so will ich zunächst bemerken, dass sie etwas 
Unerwiesenes und auch schwer Nachweisbares voraussetzen: die 
gleichen Schädlichkeiten. Abgesehen davon, dass der eine 
schwerer, der andere leichter den Anforderungen entspricht, wird 
wol auch die Verwendung der Augen ausser der Zeit der Arbeit 
zu berücksichtigen sein. Und dann könnte man wol auch die 
Gegenfrage stellen : wie kommt es , dass von mehreren Ge- 
schwistern, in deren Familie keine Kurzsichtigen sich auffinden 
lassen, nur diejenigen kurzsichtig wurden, welche ihre Augen in 
der Jugend mehr anstrengen mussten. 

Ich gedenke den Beweis für das Vorkommen erworbener 
Myopie durch einige Beobachtungen aus meiner Erfahrung 
liefern zu können. 

Ich selbst bin Myops (-^) seit meinem 16. oder 17. Jahre. 
Ich stamme von Eltern, welche keine Spur von Myopie zeigten 

1) A. f. O. XXII. b. p. 20. 

2; Nagels Jahresbericht. 1873. p. 419. 

3} Klan. Monatsbl. 1878. p. 269. 



21 

und um's 50. Jahr schon Convexgläser zu Hilfe nehmen mussten. 
Gleich ihnen waren auch die Grosseltern (väterlicher und mütter- 
licherseits) nicht kurzsichtig gewesen. Auch von den alt ge- 
wordenen Geschwistern meines Vaters (3) und meiner Mutter (6), 
zeigte keines irgendwelche Zeichen von Kurzsichtigkeit; dasselbe 
gilt von deren zahlreichen Kindern, die ich kenne, so wie ich 
jene kannte. Alle wohnen am südlichen Abhänge des Erzgebirges 
und waren, bis auf einen Schullehrer und einen Geistlichen, die 
gleichfalls von Myopie frei blieben, nicht auf besondere An- 
strengung der Augen angewiesen. Von meinen sechs Geschwistern 
ist nur ein Bruder kurzsichtig geworden ; in welcher Weise, werde 
ich später angeben. — Bis in mein 13. Jahr, wo ich von einer 
Dorfschule aufs Gymnasium kam, erfreute ich mich vortrefflicher 
Augen für die Nähe wie für die Ferne. Nachdem ich durch vier 
Jahre tüchtig gearbeitet hatte — ich musste viel nachholen und 
mir durch Unterrichtgeben forthelfen — bemerkte ich in der 
Ferienzeit, dass ich Gegenstände in meiner Heimat, die ich früher 
auf eine Stunde weit (Luftlinie) gut gesehen hatte, nicht mehr 
oder nicht so deutlich erkannte. Damals meinte ich, meine 
Augen seien geschwächt, ich müsse vorsichtig sein; erst nach 
mehreren Jahren erfuhr ich durch zufällig vorgehaltene schwache 
Concavgläser , dass ich so gut wie vorher dieselben Gegenstände 
in der früheren Entfernung deutlich sehen konnte. Das Ophthal- 
moskop erweist beiderseits einen schmalen Meniscus, R. von 
circa y, L. von ^ Papillen-Durchmesser. Ich sehe binoculär, 
mit dem r. A. etwas schärfer. 

Mein Bruder hat in Folge von Blattern (im 2. Lebensjahre) 
eine kleine Narbe (macula) oberhalb des Centrums der rechten 
Hornhaut. Das linke Auge ist rein. Auf dem rechten Auge be- 
steht leichte Hypermetropie (er ist 66 Jahre alt) mit S. -~, auf 
dem linken Myopie -^ mit normaler Sehschärfe. Die Unter- 
suchung mit dem Spiegel zeigt hier nächst der Papilla den be- 
kannten Meniscus, jedoch mehr oberhalb der Papilla fast noch 
einmal so breit, als an der Schläfenseite, und unregelmässig be- 
grenzt, auch nicht von starker Pigmentanhäufung umsäumt. — 
Im Umgänge mit ihm bemerkt man nichts von einem Augen- 
fehler, ausser wenn er ferne Aufschriften (Firmatafeln) lesen soll, 
oder beim Lesen und Schreiben. Er meint, er habe während des 
Besuches der Normalschule keinen Unterschied zwischen seinen 
und anderen Augen bemerkt, nur als er im 13. Jahre Violin 



22 

spielen lernte, musste er die Noten etwas näher stellen, als seine 
Mitschüler. Am Gymnasium (vom 15. Jahre an), wo er gleichfalls 
auf Lectionen angewiesen war, merkte er nichts von der Mangel- 
haftigkeit seiner Augen, aber an der Universität (im 21. Jahre) 
fiel ihm auf, dass er die geometrischen Figuren an der Tafel 
(mit Kreide gezeichnet) nicht gleich seinen Nachbarn ausnehmen 
konnte. Er hat sich später eines Concavglases (Monocle -^) be- 
dient, wenn er entfernte Objecto sehen wollte. 

Dies sind nun zwei Fälle von Myopie, bei welchen ich 
nicht wüsste, mit welchem Rechte man auf Erblichkeit recurriren 
könnte, welche wir dagegen völlig verstehen, sobald man zugibt, 
dass auch Augen myopisch werden können, welche ohne über- 
mässige Anstrengung im jugendlichen Alter emmetropisch ge- 
blieben sein würden. Bei mir ist die Myopie stationär geblieben, 
wahrscheinlich weil ich, um meine Sehkraft besorgt, bei Zeiten 
auf Vermeidung schädlicher Momente bedacht und übrigens gesund 
war; bei meinem Bruder lag höchst wahrscheinlich in der Macula 
corneae die Veranlassung, dass er unter Beibehaltung des binocu- 
lären Sehactes (wenigstens ohne Einleitung von Strabismus) die 
Gegenstände über die Gebühr nahe hielt, also stärker accommo- 
dirte und convergirte, als er bei reiner Hornhaut nöthig gehabt 
haben würde; es zeigte sich demnach Kurzsichtigkeit massigen 
Grades schon ungefähr im 13. Jahre; es stieg dieselbe während 
des Besuches des Gymnasiums und noch mehr während des 
Universitätsstudiums und während der darauffolgenden Beamten- 
carriere; seit seinem 46. Jahre, wo ich ihn täglich sehe, ist das 
Uebel stationär geblieben. Ich werde die Beziehung dioptrischer 
Hindernisse zur Myopie im §. 6 besprechen und führe hier noch 
eine Beobachtung an, welche mir von Männern mitgetheilt wurde, 
deren Scharfsinn und Gedächtnisstreue mir hinreichende Bürg- 
schaft für ihre Angaben bietet. 

Sie betrifft zwei hier lebende Brüder, Aerzte bekannten Namens, 
Der ältere ist 76, der jüngere 70 Jahre alt. In einer Landstadt 
Böhmens geboren und bis zum Beziehen der- Universität auf- 
gewachsen, stammen sie väterlicher- und mütterlicherseits aus 
Familien, welche durchschnittlich ein hohes Alter erreichten und 
von deren Mitgliedern keines kurzsichtig war, wie mir versichert 
wurde. Bei den drei Brüdern derselben, welche Handwerker 
wurden, zeigte sich nie eine Spur von Kurzsichtigkeit; sie selbst 
bemerkten ihr Uebel erst an der Universität (in Wien). Nachdem 



23 

sich der eine wie der andere am Gymnasium durch Unterrichtgeben 
(bis zu fünf Stunden täglich) mühsam durchgebracht und im Winter 
die Schulaufgaben bei der elendesten Beleuchtung (oft beim Scheine 
eines Ofenfeuers) zu lernen genöthigt gewesen waren, bemerkten sie 
allmälig Abnahme der Sehkraft für die Ferne. Als der jüngere, der 
den älteren durch fünf Jahre nicht gesehen, nach Wien kam, um 
gleichfalls Medicin zu studieren, war er ganz erstaunt, den Bruder 
mit Brillen zu sehen, und meinte, dieser trage sie nur aus Eitelkeit; 
er ahnte nicht, dass er bald selbst in dieselbe Lage kommen 
werde. Der ältere widmete sich bald nach seiner Promotion der 
praktischen Laufbahn, war dann nebenbei mit Hilfe seiner Brille 
ein guter Schütze, aber auch ein eifriger Sanitätsbeamter, der 
noch vor wenigen Jahren oft halbe Nächte hindurch (ohne Brille) 
arbeitete. Er liest den feinsten Druck in 8 Zoll Abstand und 
benützt für die Ferne concav 10. Der jüngere, welcher ohngefähr 
im 20. Jahre zu Brillen greifen musste, wenn er hinreichend in 
die Ferne sehen wollte, widmete sich als Doctor ganz der Wissen- 
schaft, in welcher er Weltruf errang. Leider steigerte sich dabei 
seine Kurzsichtigkeit beträchtlich, und bald nach seinem 60. Jahre 
machte ihm anhaltendes Lesen solche Beschwerden, dass er des- 
halb seine Stelle als Professor niederlegte. Die ungewöhnliche 
Engheit seiner Pupillen und die grosse Empfindlichkeit gegen das 
Lampenlicht gestatteten mir nicht, mit dem Augenspiegel die ge- 
wünschten Aufschlüsse über den Grad der Kurzsichtigkeit (rechts 
circa ^, links circa -^) und über die anatomischen Veränderungen 
des Augengrundes zu erlangen. 

§. 6. Als allgemeine Bedingung zur Entwicklung der Kurz- 
ßichtigkeit müssen jugendliches Alter und ein gewisser Grad 
von Functionstüchtigkeit des Auges bezeichnet werden. Es 
ist bekannt, dass sich Kurzsichtigkeit nach dem 16. Jahre (beiläufig) 
nicht mehr entwickelt; wenn das 20. oder noch ein späteres Jahr 
als Zeit des Beginnens bezeichnet wird, so dürfen wir wol 
meistens annehmen, dass der eigentliche Anfang nicht bemerkt 
wurde. Wenn Cataracta bilateralis von Geburt an oder aus den 
ersten Jahren bestanden hatte, in solchem Grade, dass der Schul- 
besuch oder doch das Lesen- und Schreibenlernen unmöglich oder 
sehr erschwert war, so konnte ich in keinem der Fälle nach 
gelungener Staaroperation den Schluss ziehen, das Auge müsse 
früher myopisch gewesen sein. Liter essant ist das Verhältniss 



24 

der Refraction bei Schichtstaar, welcher sehr häufig noch ein relativ 
gutes Sehen für die Nähe gestattet und ebenso wie Hornhautflecke 
die Kranken zwingt, feine Objecte ungebührlich nahe zu halten. 

Unter 117 seit dem Jahre 1864 auf meiner Klinik operirten 
bilateralen Staaren, welche von Geburt oder von den ersten Lebens- 
jahren an bestanden, sind 60 als Schicht-, Ö7 als weiche, flüssige oder 
geschrumpfte Totalstaare bezeichnet. Von letzteren wurden vier im 1., 
zehn zwischen dem 1. und ö., fünfzehn vom G. bis 12., zwölf vom 
13. bis 20. und sechzehn zwischen dem 20. und 30. Jahre operirt. 
Unter den 21 Individuen davon, bei welchen Sehproben notirt wurden, 
fand sich nur eine 17jährige Gutsbesitzerstochter aus Ungarn, welche 
nach Beseitigung der Cataracta durch Disscission mit convex 10 am 
besten in die Ferne sah (R. j^^, L. -^); sie hatte von früher Jugend 
an, auffallend aber erst seit einem Jahre, schlecht gesehen und war 
mit der Diagnosis Catar. mollis oc. utr. aufgenommen worden. Nebst- 
dem konnte nur noch ein 21 jähriger Bauerssohn, der im 17. Jahre 
rechts, im 19. links Cataracta bekommen hatte, mit Convex 5 am besten 
in die Ferne sehen (S. jr^) ; alle übrigen brauchten für die Ferne 
mindestens convex 4, die meisten S^/^» 

Die Aufzeichnungen über den Refraotionszustand der Augen mit 
Schichtstaar sind leider nicht vollständig, indem wir unser Augenmerk 
mehr auf das ätiologische Moment (Convulsionen, Ehachitis, Zahnbildung) 
und auf die "Wahl der Operationsmethode (Iridektomie, Iridesis, Disscission, 
Extraction ?) richteten ; dennoch geht aus denselben mit Bestimmtheit 
hervor, dass Myopie, abgesehen von geringen Graden (unter ~) bei 
solchen Individuen, welche wenigstens lesen gelernt hatten, relativ 
häufig vorkommt. 

Unter fünfzehn Kindern bis zum 11. Jahre kamen bloss zwei vor, 
welche nach Beseitigung der Cataracta (Disscission) mit + ö am besten in 
die Ferne sahen. 

Unter vierundzwanzig zwischen dem 11. und 21. Jahre Operirten 
befanden sich neun, bei denen Myopie constatirt wurde. 

1. G. W., 19 Jahr, Abnahme der Sehkraft angeblich seit dem 
10. Jahre. S. -^, deutlicher Meniscus, nach bilateraler Iridektomie R. mit 
— 24 S. i^, L. mit— 24 S. ^. 

2. U. Cl., 14 Jahr, Sehstörung beim Schulbesuche bemerkt, 
M. y , mit — 1 Sn. XX in 7 Fuss ; nach Iridektomie R. u. L. 
Sn. LXX in 10 Fuss. 

3. K. Fr., 18 Jahr, während des Schulbesuches Schlechtsehen 
auf die Tafel. M. ^ (L. Sn. CC, mit — 5 Sn. C, Jaeg. N. 3 in 4 Zoll; 
R. Sn. CC, mit 5 — Sn. C, Jag. 3 in 4 Zoll ; nach Atropin : L. A : Sn. 
CC weder mit noch ohne Glas und Jag. 13 in 3 Zoll mühsam; R. A: 
mit — 5 Sn. CC, ohne Glas nicht, und Jag. 7 in 3 Zoll); nach 
Iridektomie L. u. R. mit — 5 S. ^, ohne Glas nicht, in der Nähe 
mit jedem Auge allein Jag. 3^in 4 Zoll und Worte von Jag. 2, 



25 

4. P. L., 14 Jahr, gibt an, von Jugend auf nicht besser gesehen 
zu haben als jetzt. R. Finger in 14 Fuss, Gläser bessern nicht, Jäger 7 
in 5 Zoll; L. Finger in 14 Fuss, Jäger 3 in 4 Zoll. Mit — 10 S. -^. 
Nach Atropin R, M ~, S. ^-, Jäger 3 in 472 Zoll. Nach beiderseitiger 
Iridektomie: R. M jq-j S. ^ und Jäger 3, L. ebenso. 

5. P. J., 18 Jahr, die Trübung war schon im 5. Jahre bemerkt 
worden. R. S. -ß-, Jäger 14 in 4 bis 10 Zoll, L. S. -^ Jäger 15 in 4 bis 
10 Zoll. Nach Atropin S. 4r ^°^ °^^^ "f" ^^ Jäger 8. Nach beiderseitiger 
Iridektomie R. -^ mit — 12 S. j^^ und Jäger 3 von 6 bis 9^/2 Zoll; 
L. mit — 16 S Ljj und Jäger 3 von 5 bis 8 Zoll. 

6. G. K., 20 Jahr, sah während des Schulbesuches nicht so gut 
wie Andere. R. Finger in 15 Fuss, S. ^- Jäger 17 in 8 Zoll. L.Finger 
in 13 Fuss, S. ^, Jäger 7 in 6 Zoll. Nach wiederholter Disscission 



schliesslich: R. mit + 8 S. ^xx ^^^ ™^^ "f" ^ Jäger 1 in 8 Zoll, 
L. mit + 8 S. -1^. 

7. T. AI., 17 Jahr alt, hat lesen gelernt, obwol man den Staar 
schon vom 6. Jahre an bemerkt hatte. L. mit — 3^2 S- -^3^"» ^^^'^^^^ 
-jj-, R. mit — S^/2 S. -^ . Nach Disscission und dann linearer Ex- 
traction L. mit + 1^/2 S. j;^, mit + 6V2 Jäger 8 in 7 Zoll. R. (un- 
voUständ. Operationserfolg) Bewegungen der Hand in 1 Fuss. 

8. W. C, 12 Jahr. Anamnesis und Voruntersuchung sind nicht 
notirt. L. nach Disscission mit + 5^2 S. j;^^, später -^ und mit ^- 2^^ 
Jäger 3 in 6 Zoll; R. erst Iridektomie, dann Disscission, schliess- 
lich S. Yh- 

9. H. M., 18 Jahr, wurde im 4. Jahre rechts, im 6. Jahre links 
an Cataracta operirt, welche schon im 5. Monate ihres Lebens bemerkt 
worden war. Obwol in diesem Falle kein Schichtstaar vorlag, so waren 
doch die Verhältnisse rücksichtlich der Functionsfähigkeit wegen der 
Catar. secundaria denen bei Schichtstaar analog. Nach Beseitigung des 
Nachstaares sah sie R. mit + 7, links mit 4- 5 relativ am besten in 
die Ferne. 

Dieses relativ häufige Vorkommen von Myopie bei Schicht- 
staar gewinnt an Bedeutung durch das Coincidiren von Myopie 
mit leichten Hornhauttrübungen, welche seit den Kinderjahren 
im Pupillarbereiche bestehen. Die Analogie mit leichten, stationären 
oder sehr langsam zunehmenden Linsentrübungen liegt auf der 
Hand. In beiden Fällen ist das Sehen in die Ferne erschwert 
und müssen kleine Objecto dem Auge näher gebracht werden, 
als bei normaler Durchsichtigkeit der Medien nöthig sein würde. 
Ich habe auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Kurzsich- 
tigkeit und Hornhautflecken bei jugendlichen Individuen bereits 
1851 ^) aufmerksam gemacht und bin auf denselben im 3. Bande 

1) Krankh. I. B. 260. 



26 

p. 217, 240 und 242 näher eingegangen. Spätere Autoren scheinen 
diesem Gegenstand wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben •). 
Da mich schon damals das relativ häufige Vorkommen von wirk- 
licher (nicht scheinbarer) Kurzsichtigkeit von dem ursächlichen 
Zusammenhange beider überzeugt hatte, so habe ich später keine 
weiteren Aufzeichnungen solcher Fälle vorgenommen, kann daher 
auch keine ziflfermässigen Belege dafür anführen; hervorheben 
muss ich indess, dass mir in jüngster Zeit aufgefallen ist, dass 
in Fällen von Hornhauttrübungen aus früher Jugend mit Kurz- 
sichtigkeit der Meniscus, wenn ein solcher vorhanden ist, sehr oft 
nicht an der Schläfenseite des Sehnerven gefunden wird, sondern 
mehr nach aussen-oben, nach aussen-unten , gerade nach oben, 
gerade nach unten, ja (in einem Falle jüngster Zeit) an der Nasen- 
seite. Das Vorkommen von Hypermetropie bei Individuen, welche 
von früher Jugend her diffuse Hornhauttrübungen (uni- oder 
bilateral) haben, kann uns so wenig befremden, als das Coinci- 
diren von Hypermetropie und Schichtstaar. Die partiellen Trübun- 
gen der Hornhaut oder der Linse bieten eben nur eines der 
Momente dar, welche zur Myopie Anstoss geben. 

Einige sehr genaue Untersuchungen von Leuten, welche auf 
dem einen Auge, eine centrale Hornhauttrübung, auf dem anderen 
Myopie darboten, finden sich in der unter Völker*s Aegide er- 
schienenen Inauguraldissertation von R. Werth, Kiel 1874 auf 
p. 14 bis 17. Wir finden daselbst nicht nur die Sehschärfe und 
den Refractionszustand jedes Auges genau bestimmt, sondern auch 
verlässliche Angaben über das Accommodationsvermögen des nicht 
myopisch gewordenen Auges. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch gewisse Grade von 
Astigmatismus in ähnlicher Weise wie leichte Trübung der 
Linse oder der Hornhaut Veranlassung zu Myopie geben, indem 
sie zu stärkerer Annäherung feiner Sehobjecte einladen oder 
zwingen. 

Da bei Individuen mit Nystagmus beinahe ausnahmslos 
seit den Kinderjahren beträchtliche Herabsetzung der Sehschärfe 
und somit Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Augen be- 



^) A. V. Gräfe (A. f. O. I. a. 298) bezieht das Auftreten von Myopie bei 
diffusen Hornhauttrübungen — ohne Abnormität der Wölbung — gleichfalls auf 
die erhöhte Wirksamkeit der accommodativen ThStigkeit, weil die Objecte der 
Beleuchtung wegen näher ans Auge gebracht werden müssen. 



27 

steht, so finden wir bei ihnen auch nur ausnahmsweise Augen, 
denen Concavgläser einigen Dienst zum Fernsehen leisten. Wer 
die Monographie von Böhm ') aufmerksam gelesen hat, dem ist 
gewiss nicht entgangen, dass Böhm das causale Verhältniss gerade 
umgekehrt hat, dass er die unstäte Muskelaction als das Primäre 
aufgefasst hat. So lässt er, wenn nach Blennorrhoea neonatorum 
Nystagmus beobachtet wird, die Entzündung der Bindehaut auf 
einen oder den andern der Augenmuskeln übergreifen (p. 25). 
Indem er sich auf das Vorkommen von Nystagmus in myopischen 
Familien beruft, stützt er sich, um den ursächlichen Zusammen- 
hang zwischen Myopie und Nystagmus zu erweisen, auf eben so 
unhaltbare Deductionen (p. 44). Ganz gewiss gehört Myopie bei 
Nystagmus zu den Seltenheiten. Nach KugeP) kommt Nystagmus 
in seltenen Fällen als Folge hochgradiger Myopie (schon im Kindes- 
alter) vor; auch Erismann^) gedenkt eines solchen Falles. Die 
Myopie mit mehr weniger hochgradiger Herabsetzung der Seh- 
schärfe , eigentlich die Herabsetzung der Sehschärfe vermöge 
hochgradiger Myopie im Kindesalter, ist die Ursache des Nystagmus. 

§. 7. Für die Fälle erworbener Myopie entsteht nun die 
Frage, wodurch und in welcher Weise ein von Haus aus ge- 
sundes und nicht durch Erblichkeit besonders disponirtes Auge 
in den myopischen Zustand (Bau) übergeführt werden könne. 

Sehen wir vorerst ab von den Fällen, in welchen ein patho- 
logischer Process im hinteren Umfange des Bulbus (pathologisch 
verminderte Widerstandsfähigkeit der Sclera, Entzündung der 
Chorioidea) den Anstoss zur Ektasirung gegeben haben können, 
und betrachten wir nur jene Fälle, wo uns nichts zur Annahme 
einer erblichen Disposition am Auge oder einer pathologischen 
Veränderung im Augengrunde zur Zeit der Entstehung der Myopie 
berechtigt, so finden wir, dass bei jugendlichem Alter und bei 
einem gewissen Grade von Arbeitsfähigkeit des Auges (nach §. 6) 
nur solche Augen myopisch werden, welche emmetropisch, 
mindestens nicht stark hypermetropisch gebaut sind. Es 
lässt sich die Möglichkeit nicht bestreiten, dass jugendliche Augen, 
welche in geringem Grade hypermetropisch sind (etwa bis 

*) Der Nystagmus, Berlin 1857. 

2) A. f. O. Xm. b. 415. 

3) A. f. O. XVII. a. 21. 



28 

H. t. Y^), während des natürlichen Wachsthums in emmetropische 
und somit weiterhin noch in myopische verwandelt werden können. 
Ed. Jäger hat auf solche Wandhmgen hingedeutet und Eris- 
mann ') schliesst nach seinen Beobachtungen an 4358 Schul- 
besuch ern und dem relativ häufigen Vorkommen von Hjpermetropie 
bei jüngeren Schülern, dass Hypermetropie um die Zeit, wo der 
Schulbesuch beginnt, der gewöhnliche (weil am häufigsten beob- 
achtete) Refractionszustand des noch stark im Wachsen begriflFenen 
Auges sei, dass nur ein kleiner Theil hypermetropisch bleibe, 
während der grössere zunächst emmetropisch werde, und dass 
hievon wieder ein gewisser Percentsatz der Myopie verfallen 
könne und beim Schulbesuche wirklich verfalle. „Viele, die als 
Hypermetropen in die Schule eingetreten waren, verlassen dieselbe 
als Myopen stärkeren oder schwächeren Grades." Die Angabe 
specieller Fälle, in denen ein solcher Uebergang constatirt wurde, 
finden wir bei Erismann nicht. Er führt indessen an, p. 65, 
schon Junge habe Schwankungen in der Refraction von H. -^^ 
bis M. -^ gefunden, und fügt hinzu, jetzt habe er selbst Hunderte 
von hypermetropischen Augen im Laufe weniger Schuljahre nach 
und nach emmetropisch und schliesslich myopisch werden gesehen. 
NageP) versichert gleichfalls den Uebergang von Hypermetropie 
in schliessliche Myopie zu wiederholten Malen beobachtet zu haben. 
Nach SchnabeP) hat Ed. Jäger „bei einem jetzt 18jährigen, 
hochaufgeschossenen Jünglinge vor beiläufig 5 Jahren H. -- mit 
aller Bestimmtheit constatirt, und jetzt ist der junge Mann em- 
metropisch; von einem Conus besteht keine Spur. Der Umschlag 
der Refraction ist in diesem Falle offenbar nicht durch Ent- 
wicklung eines Staphyloma posticum, sondern durch ein ver- 
mehrtes Wachsthum des Bulbus in der Richtung der Augenachse 
erfolgt, und es ist sehr wohl möglich, dass eine Fortdauer dieser 
Wachsthumstendenz sogar noch zum Entstehen einer Myopie 
massigen Grades führen wertle". Dass man die Myopie auch bei 
erblicher Disposition nicht einfach als das Ergebniss „vermehrten 
Wachsthums in der Richtung der Augenachse" auffassen könne, 
darüber habe ich mich schon im §. 4 ausgesprochen. Wie es sich 
erklären lasse, dass Myopie nicht auftritt, wo früher ein hoher 
Grad von Hypermetropie bestand, soll im §. 16 erörtert werden. 

1) A. f. O. XVII. a. 14, 15. 

2) Jahresbericht, 1873, p. 419. 

3) A. f. O. XX. b. 69. 



29 

§. 8. Das Wachsen des Auges ist mit der Entwicklung der 
Pubertät ganz oder nahezu beendet (mindestens bis zum 20. Jahre). 
Die Form des um diese Zeit emmetropischen oder hypermetro- 
pischen Auges bleibt von da bis zum Greisenalter ganz oder 
nahebei unverändert. Nur die myopischen Augen machen hievon 
gewöhnlich eine Ausnahme, wenigstens bei den höheren Graden 
der Myopie; mittlere und geringe Grade bleiben stationär, wenn 
nicht besondere Umstände einwirken. 

Einen auffallenden Unterschied in den verschiedenen Lebens- 
epochen zeigt die Sclerotica; ihre relativ dünne Beschaffenheit 
bis zum Mannesalter ist bekannt durch die bläuliche Färbung 
(Durchscheinen). Bei allgemeiner oder partieller Ektasirung 
derselben können wir aus dieser Farbe auf den Grad der Ver- 
dünnung schliessen. An den Austrittsstellen der vorderen Ciliar- 
venen sieht man nicht selten dunkelblaue oder dunkelbraune 
Punkte, bisweilen auch mohn- bis hirsekorngrosse Erhöhungen 
(kleine Scleralektasien) als Folgen von Ueberfüllung dieser vor- 
deren Emissarien des Bulbus. 

Wir können an der Sclerotica zwei Schichten oder Lagen 
unterscheiden, eine äussere und eine innere. Im Fötalleben ist 
anfangs nur die innere vorhanden; die äussere entwickelt sich 
erst später. „Die Sclera, bis Ende des 3. Monates sehr dünn, 
wird durch Auflagerung von Bildungsstoffen fester und undurch- 
sichtiger. Man sieht deutlich, dass sich auf die äussere Fläche 
der Sclera eine neue Membranschicht auflagert; dieselbe bildet 
eine feste fibröse Schicht der Sclera, umgibt die Gefässe und 
Nerven auf der äusseren Seite und bildet so die schräg ver- 
laufenden Foramina perforantia sclerae." ^) Nach der Geburt (und 
später) lassen sich in der Umgebung der Cornea, besonders aber 
in der Umgebung des Sehnerven diese zwei Schichten noch unter- 
scheiden, hinten durch grössere Lücken, vorne durch verschie- 
denes (entgegengesetztes) Streichen der tieferen und oberfläch- 
lichen Faserlagen. 

Im hinteren Bulbusumfange hängt nicht nur die innere 
Scleralschichte continuirlich mit der inneren Sehnervenscheide 
zusammen, sondern es biegen auch die Faserzüge der äusseren 
Sehnervenscheide ununterbrochen in die äussere Scleralschichte 
um, obgleich hier, namentlich an der Umbeugungsstelle, zwischen 



*) Ammon, Entwicklungsgeschichte. A. f. O. IV. a. 16 und 17. 
▲ rlt. UrsAchen der KnrzBichtigkeit. 3 



30 

den Fasern grössere Lücken oder Zwischenräume bestehen. Auf 
letzteren Zusammenhang hat Ed. Jäger') zuerst aufmerksam ge- 
macht; nach ihm haben auch Donders,^) Giraud Teulon^) u. A. 
darin einen causalen Nexus zur Ektasirung des Bulbus angenommen. 
Ich habe mich bereits in §. 2 dahin ausgesprochen, dass man 
die Zerklüftung in der Sehnervenscheide und in der Sclerotica, 
welche Jäger's Zeichnungen sowol als die Präparate, die ich 
gesehen, darbieten, vielmehr als die Folge der Vergrösserung des 
Bulbus und der Verdrängung des Sehnerven nach der Seite und 
nach hinten anzusehen habe. Die grösste Erweiterung des Intra- 
Vaginalraumes in hochgradig myopischen Augen findet man, wie 
mir scheint, öfter an der Nasen- als an der Schläfenseite des 
Opticus, und die Auflockerung der Sclera in ihren Schichten, 
namentlich zwischen den oberflächlichen und tieferen Lagen, lässt 
sich oft noch eine grosse Strecke weit sowol nasen- als schläfen- 
wärts vom Opticuseintritte verfolgen. 

Sehen wir uns nach anatomischen Eigenthümlichkeiten jener 
Scleralpartie um, welche bei Myopie zunächst ektatisch angetroffen 
wird, so finden wir (im normalen Auge) daselbst im Gefüge der 
Sclerotica nichts Besonderes, weder im Faserverlaufe, noch in 
der Anordnung der Gewebsspalten (Michel). Nach der Mächtig- 
keit der Sclera in dieser Gegend möchte man sogar grössere 
Widerstandsfähigkeit erwarten. Die Sclera wird jedoch gerade in 
der Gegend des hinteren Poles von den zahlreichen Ciliarnerven 
und hinteren Ciliararterien durchbohrt; dies könnte unter Um- 
ständen (bei Hyperämie) ihre Widerstandsfähigkeit vermindern. 
Auch Hasner **) hat auf die Ein- und Austrittsstellen der Ciliar- 
gefässe an der Sclera als disponirendes Moment zur Ektasie hin- 
gedeutet. 

Heben wir noch hervor, dass die Sclera in dieser Gegend 
eben durch die Gefässe und Nerven fester als weiter vorne an 
die Chorioidea angeheftet erscheint und dass sie anderseits an der 
Aussenfläche daselbst nur durch ein ganz besonders lockeres Binde- 
und Fettgewebe gedeckt (gestützt) wird, so haben wir wol auf 
alles dieser Partie Eigenthümliche aufmerksam gemacht. 

• 

*) EinstellnngeD des dioptr. Apparates, Wien 1861. 

2) Anomalien der Refraction, Wien 1866. 

3) Du m^canisme et du d^veloppement du staph. post. Ann. d'ocul. 1866, 
20. Nov. 

*) KUniflche Vorträge, Prag 1861, p. 15. 



31 

§. 9. Die Verlängerung des Bulbus bei Myopie ist nicht die 
Folge physiologischen Wachsthumes vermöge eines ihm ab ovo 
innewohnenden eigen thümlichen Bildungstriebes; sie muss als Folge 
von Dehnung, von Verdrängung der hinteren Wand aufge- 
fasst werden^ und sie ist unter allen Umständen das Product von 
zwei Factoren, welche bald früher, bald später und in verschie- 
denem Grade zur Geltung kommen. Der eine dieser Factoren ist 
die relativ ungenügende Widerstandsfähigkeit der hinteren 
Wand, namentlich der Sclerotica. In einem gewissen Grade darf 
sie in jedem jugendlichen Auge als vorhanden vorausgesetzt wer- 
den; ein höherer Grad wird bei erblicher Myopie als besondere 
Disposition supponirt; hohe Grade können wol auch durch Er- 
krankungen der hinteren Wand (Erweichung, Entzündung, nach 
§. 4) gesetzt werden. 

Der andere Factor ist fehlerhafte Muskelaction. Dieser 
Fehler kann darin liegen, dass die Augen in ungebührlicher Weise 
zum Betrachten naher Gegenstände verwendet werden, aber auch 
darin, dass bei nicht übermässiger Augenarbeit das Sehen in die 
Feme vernachlässigt wird. Vergl. §. 20. Wir sprechen hier natür- 
lich nur von jener Muskelaction, welche im Dienste des Deutlich- 
sehens erfolgt, also von der accommodativen Thätigkeit und von 
der Convergenz der Sehlinien. Wo die Functionstüchtigkeit des 
Auges unter einem gewissen Niveau steht, fehlt demnach der 
zweite der eben genannten Factoren. 

Ich pflege Kurzsichtigen, welche um die Zukunft ihrer Augen 
ängstlich besorgt sind, den Vergleich kurzsichtiger Augen mit buckligen 
Menschen vorzuführen. Ich sage ihnen, das Buckligsein involvire nicht 
vorzeitigen Tod, aber der Bucklige müsse auf Manches verzichten, was 
Andere mitmachen dürfen. Diese Parallele lässt sich wol auch rück- 
sichtlich der Entstehung beider Uebel durchführen. Gewiss gibt es 
Leute, welche im jugendlichen Alter blos durch schlechte Körperhaltung 
(einseitige Muskelverwendung) vermöge der natürlichen Biegsamkeit des 
Skelettes skoliotisch geworden sind, bei welchen man keine specielle 
angeborne oder erbliche Disposition im Knochensystem, keine ander- 
weitige Erkrankung nachweisen kann. Gewiss gibt es aber auch Viele, 
welche unter denselben Einflüssen, soweit man diese erfahren kann, 
nicht bucklig wurden. Wenn man eine grosse Zahl von Männern aus 
dem Gelehrtenstande oder auch von gewissen Handwerken durchmustert, 
welche schon vor der Pubertät zu einseitiger Körperhaltung veranlasst 
waren, so wird man im Vergleiche mit einer gleichen Zahl von Männern, 
die nicht zu solcher fehlerhafter Körperhaltung gezwungen waren, oder 
welche allgemeine Muskelübung daneben nicht ausser Acht Hessen, 
sicherlich den Unterschied im Verlaufe der Wirbelsäule und somit die 

8* 



32 

Abhängigkeit der Verkrümmung von der einseitigen Muskelaotion bald 
herausfinden. Diese Betrachtung legt es uns nahe, zu untersuchen, ob 
nicht einseitige Muskelaotion am Auge auch zu Formveränderung seines 
Skelettes führen könne. ^) Sind die Maassregeln, die man bei der Schul- 
jugend gegen das Buckligwerden anwendet, theoretisch und praktisch 
gerechtfertigt, und lässt sich ein nachtheiliger Einfluss der Augenmuskeln 
in dem genannten Sinne nachweisen, so muss man wol auch auf ent- 
sprechende Gymnastik der Augen, namentlich auch auf üebung im 
Fernsehen schon in den Kinderjahren bedacht sein. Wenn die zunehmende 
Cultur uns Mittel bietet, der Ueberhandnahme von Verkrümmungen der 
Wirbelsäule entgegen zu wirken, so wird es wol auch möglich sein, 
dem Umsichgreifen der Kurzsichtigkeit zu steuern. Sehen wir aber 
überall, wo Kurzsichtigkeit auftritt, nur den Ausdruck der Erblichkeit, 
so lassen wir die Sache gehen, wie sie geht. Der ab ovo zur Kurz- 
sichtigkeit Bestimmte wird schliesslich doch kurzsichtig. 

§. 10. Fragen wir uns nun, in welcher Weise kann über- 
mässige und einseitige Verwendung der Augen zum Nahesehen 
eine Verdrängung der hinteren Wand bei relativ geringer Wider- 
standskraft derselben und weiterhin die übrigen dem myopischen 
Auge eigenthümlichen Veränderungen bewirken, und untersuchen 
wir zunächst, welchen Einfluss die Binnenmuskeln, respec- 
tive der Accommodationsact, auf die Ueberführung des 
emmetropischen Baues in den myopischen nehmen können 
und wirklich nehmen. 

Da die Iris in den Accommodationsact nur insofern mit ein- 
tritt, als sie die Quantität des zur Netzhaut gelangenden Lichtes 
regulirt und Zerstreuungskreise bei ungenauer Einstellung bis auf 
einen gewissen Grad verkleinert, so sind wir auf die Veränderungen 
angewiesen, welche der Ciliarmuskel beim Accommodationsacte 
bewirkt. Wir wissen seit Helm holz 2), dass die Accommodation 
durch die Formveränderung der Linse vermittelt wird, und Knappt) 
hat gezeigt, dass diese Formveränderung den optischen Anforderun- 
gen genügt. Aber wir sind noch im Unklaren über den Vorgang, 
durch welchen die Formveränderung der Linse zu Stande kommt. 
Die Hypothese von Helmholz, dass die Linse vermöge ihrer 
Elasticität convexer werde, sobald der Druck nachlässt, welchen 
die Kapsel vermöge einer gewissen Spannung der Zonula auf die 
Linse übt, beruht, was die Elasticität der Linse betrifft, auf 



^) Einseitig als Gegensatz zn allseitig oder ebenmässig. 

2) A. f. O. I. b. 1. 

3) A. f. O. VI. b. 1. 



33 

sicheren Stützen. Wir finden die Linse im Auge convexer, wenn 
die Zonula an Widerstandsfähigkeit verloren hat, bei Luxatio, 
bei Ektopia lentis. 

Einem Gärtner, welcher von Jugend auf angeblich an Kurzsichtig- 
keit, eigentlich aber an Luxatio lentis utriusque gelitten hatte, glitt 
eines Morgens beim Graben die in der Kapsel eingeschlossene, voll- 
kommen klare Linse in die Vorderkammer. Am 4. Tage fand ich, dass 
es am besten sein werde, dieselbe durch einen Hornhautschnitt zu ent- 
fernen. Der seichte Bogenschnitt liess sich ohne Verletzung der Kapsel 
ausführen, weil die Linse im Aequatorialdurchmesser bedeutend kleiner 
war. Die Messung ausserhalb des Auges ergab im Aequatorialdurch- 
messer 6*5 Mm., im Achsen durchmesser circa 5 Mm. 

Sehr instructiv finde ich auch eine Beobachtung von Aub*), wo 
eine partielle Trennung der Zonula (traumatischen Ursprunges) eine 
partielle Vorwölbung der Linse und Metamorphopsie — transitorisch — 
zur Folge hatte. 

Wir finden die Aecommodationsbreite eingeschränkt bei 
Schichtstaar jugendlicher Individuen 2)^ und wir finden sie, wie 
Donders^) gezeigt hat, in dem Maasse abnehmen, als die Linse 
mit zunehmenden Jahren mehr und mehr an Consistenz zunimmt, 
also an Wassergehalt der Fasern und somit auch an Elasticität 
verliert. 

Der zweite Factor der Helmholz' sehen Hypothese, die 
Entspannung der Zonula durch die Action des Ciliarmuskels , ist 
dagegen bei weitem noch nicht befriedigend erklärt. Man kann den 
bisher bekannt gewordenen Erklärungsversuchen durchschnittlich 
vorwerfen, dass dabei immer eines oder das andere Moment hervor- 
gehoben, andere dagegen ignorirt wurden. Dies gilt theils von 
den Erscheinungen im Leben, theils von den anatomischen Ver- 
hältnissen im Cadaver. — Durch Beobachtung an Lebenden ist 
Folgendes sicher gestellt : 

1. Bei der Accommo da tion weicht die Iris an der Peripherie 
etwas nach hinten, während der Rand der sich verengernden 
Pupille vorwärts rückt (Helmholz). 

2. Die Linse wird convexer, mehr an der Vorder-, als an 
der Hinterfläche (Gramer, ^) Helmholz, Adamükund Woinow^), 



*) Archiv für Augen- und Ohrenheilkunde. II. a. 259. 

2) O. Becker in GrSfe u. Sämisch Handbach der Augenheilkunde, V. a. 241. 

3) A. f. O. VI. b. 210. 

*) Ueber das Accommodationsvermögen. Deutsch von Doden, Leer 1856, 
*) A. f. O. XVI. a. 144. 



34 

Reich,) ^) ohue ihren Standort in toto merklich zu ändern; ihr 
Aequatorialdurchmesser wird kleiner (Coccius)^). 

3. Die Ciliarfortsätze rücken etwas ein- und vorwärts und 
werden zugleich breiter (Coccius). Sattler sah unter Ein- 
haltung der nöthigen Vorsichtsmassregeln bei einem Albino, den 
ich ihm zur Prüfung dieses Phänomens zugewiesen, dass die 
Zwischenräume der beim Fixiren eines nahen Objectes deutlicher 
sichtbar werdenden Ciliarfortsätze schmäler wurden. Sie erreichen 
jedoch den Rand der Linse nicht, ihr Abstand von diesen^ wird 
vielmehr grösser (O. Becker), 3) indem sich der Aequatorial- 
durchmesser der Linse verkürzt (Coccius). 

4. Die meridional streichenden Fasern des Ciliarmuskels 
(Brücke's tensor chorioideae) bewirken eine Verschiebung der 
Chorioidea an der Sclerotica, welche bis in die Aequatorialgegend 
des Bulbus nachgewiesen werden konnte, in der Gegend des 
hinteren Poles jedoch gewiss nicht mehr zum Ausdruck gelangt 
(Hensen und Völkers).*) 

5. Von der Venenpulszunahme in der Retina bei steigender 
Accommodation , welche Gräfe ^) beobachtet zu haben angibt, 
konnte sich Donders^) wegen Enge der Pupille nicht überzeugen; 
dieses Phänomen würde direct für Drucksteigerung im hinteren 
Augenraume sprechen; dass eine solche stattfindet, wird sich 
aus den späteren Betrachtungen ergeben. 

6. Gleichzeitig mit dem Steigen der Accommodation erfolgt 
Steigen der Convergenzstellung, wenigstens unter den gewöhnlichen 
Verhältnissen (D o n d e r s). 

7. Sehr merklich tritt bei der Accommodation für die Nähe 
der Bulbus jedesmal nach vorn, wobei sich das obere Lid hebt 
(Donders)'). Coccius s) hatte die Ortsveränderung des Bulbus 
beim Nahe- und Fernsehen schon früher beobachtet. 

8. Wer einen nahen Gegenstand deutlich sehen will, senkt 
die Blickebene (hält den Gegenstand unter der Horizontalen) ; 

1) A. f. O. XX. a. 207. 

2) Mechanismus der Accommodation^ Leipzig 1868. 

3) Wiener medicin. Jahrb. 1863. 

*) Experimentaluntersuchung über den Mechanismus der Accommodation, 
Kiel 1868 und A. f. O. XIX. a. 166. 

6) A. f. O. I. a. 36. 
•) Anomalien p. 104. 

7) A. f. O. XVII. a. 100. 
^) (Mechanismus pag. 63). 



35 

um besser in die Ferne zu sehen^ blicken wir gradaus oder mit 
etwas vornüber geneigtem Kopfe (bei gehobener Blickebene, Arlt).^) 

9. Nach stundenlanger forcirter Accommodation können ent- 
fernte Objecto eine Zeitlang nicht wie vorher erkannt werden 
(Arlt, ibidem, Coccius Mechanismus p. 59). 

Der anatomische Befund des Ciliarmuskels bei den 
drei verschiedenen ßefractionszuständen zwingt uns, den Ring- 
fasern eine andere Rolle zuzuweisen, als den Längsfasern. 
In jenen Augen ^ welche seit einer mehr weniger langen Reihe 
von Jahren die Accommodation wenig oder gar nicht in Anspruch 
genommen haben, weil sie schon vermöge des anatomischen Baues 
nicht dazu genöthigt waren, finden wir die Ringfasern gar nicht 
oder nur spärlich vorhanden; das Gegentheil zeigt sich in den 
schon beim Fernsehen auf Accommodation angewiesenen (hyper- 
metropischen) Augen. Dagegen sind die Längsfasern in myopischen 
Augen relativ stärker entwickelt, in hypermetropischen schwächer. 
Dieses Verhältniss gewinnt an Bedeutung noch dadurch, dass wir 
es bei verschiedenen Graden von Myopie und Hypermetropie 
ziemlich proportionirt ausgesprochen finden. Die hier beigefügten 
Abbildungen meridionaler Durchschnitte des Ciliarmuskels, welche 
mir Dr. Sattler angefertigt hat, zeigen dieses Verhältniss sehr 
deutlich. Fig. 4. zeigt den meridionalen Ciliarmuskeldurchschnitt 
eines myopischen Auges von 25 Mm. Achsenlänge (von der vor- 
deren Fläche der Hornhaut bis zur hinteren der Netzhaut ge- 
messen). Fig. 5. Ciliarmuskel eines myopischen Auges von 31 Mm. 
Achsenlänge. Fig. 6. Ciliarmuskel eines hypermetropischen Auges 
von 20 Mm. Achsenlänge. Fig. 7. Ciliarmuskel eines hypermetro- 
pischen Auges (eines Negers) von 22*25 Mm. Achsenlänge. Aus 
solchen Befunden darf man wol folgern, dass die Accommodation 
für die Nähe vorzugsweise durch die Activität der Ringfasern zu 
Stande komme. 

§. IL Wahrscheinlich findet also beim Einstellen 
des dioptrischen Apparates für die Nähe folgender Vor- 
gang statt. Die mit der Innenfläche der Sclerotica mehr weniger 
parallel (concentrisch) streichende Längs faserschicht, vorn mit 
der Corneoscleralgrenze, hinten (in der Gegend der Ora serrata) 
mit der Chorioidea und (mittelbar) mit der Retina fest verbunden, 
bewirkt eine Vor- und Einwärtsbewegung des vorderen Theiles 



Krankh. des Auges, III. 196. 



36 

(Gürtels) der Netz- und Aderhaut. Dieser Zug dürfte sieh nicht 
weit hinter den Aequator bulbi rückwärts erstrecken, weil an den 
Austrittsstellen der Wirbelvenen die Verbindung zwischen Chorioidea 
und Sclera eine so feste ist, dass eine erhebliche Verschiebung 
beider an einander unwahrscheinlich wird. Mit der Chorioidea 
muss nicht nur der vordere Theil der Netzhaut, sondern auch die 
damit fest verbundene periphere Lage des Glaskörpers etwas ver- 
schoben werden. Daraus würde sich Czermak's Accommodations- 
phosphen ^) bei schneller Entspannung der Netzhaut erklären lassen. 
Nach Berlin's 2) Angaben über den Ort und die Form des 
Accommodationsphosphens würde sich jedoch die Zugwirkung des 
Ciliarmuskels bis ungefähr in die Mitte zwischen Bulbusäquator 
einer-, und Opticusinsertion und Macula lutea andrerseits er- 
strecken. — Wäre der Glaskörper eine einfache wässerige Flüssig- 
keit, so könnte er wol verdrängt, nicht aber verschoben werden. 
Die Verschiebung der Nadeln beim Versuche von Hensen und 
Völkers würde schwerlich erfolgen, wenn blos die knapp an 
der (in der Aequatorialgegend fast papierdünnen) Sclera liegende 
Chorioidea eine Locomotion erlitte. Die Richtung, in welcher die 
von Coccius^) betonte Verschiebung der mit der Netzhaut und 
mit dem Ciliarkörper bis zum Petit'schen Canale fest verbundenen 
peripheren Schichten des Glaskörpers erfolgt, geht mehr ein- als 
vorwärts, also gegen den Linsenrand. Diese Verschiebung könnte 
möglicherweise einen Druck gegen die Peripherie der Linse aus- 
üben (Coccius). Wahrscheinlich jedoch wird ein solcher Druck 
nicht ausgeübt, wie aus den späteren Betrachtungen erhellt. 

Die mit der Innenfläche der Sclera concentrisch verlaufen- 
den Längsfasern beschreiben, worauf auch Henke ^) Gewicht 
gelegt hat, in ihrem Verlaufe vom Schlemm'schen Canale bis zur 
Ora serrata einen seichten Bogen, und stehen mittelst ihrer tieferen 
Schichten vorn mit dem Ligamentum pectinatum iridis und mit 
dem Irisursprunge selbst in Verbindung. Während die oberfläch- 
liche (längste) Faserlage fest mit der Corneoscleralgrenze ver- 
bunden ist, steht die tiefere mittelst kleiner Köpfchen mit dem 
Ligamentum pectinatum in Verbindung. Indem sich diese Schichten 
zusammenziehen und an ihrer gegen den Glaskörper gerichteten 

1) A. f. O. VII. a. 147. 

2) A. f. O. XX. a. 89. 

3) Mechanismus der Accomm. p. 41. 
*) A. f. O. VI. b. 53. 



37 

concaven Seite auf Widerstand stossen, vermögen sie, da ihr 
hinteres Ende eine grosse Last zu bewegen hat, auch die mit 
ibux-em vorderen Ende verbundenen Gebilde, speciell das von der 
Cornea zur Iris streichende elastische Fasernetz und die Peripherie 
d^x Iris etwas rück-, respective auswärts zu ziehen, also die 
EI stmmer an der Peripherie zu erweitern. ^) Bei dieser Action 
nix:i88 oflfenbar ihre mittlere etwas anschwellende Partie unverrückt 
blähen, d. h. ungefähr jene Partie, welche man treffen würde, 
w^^nn man einen Schnitt durch den Bulbus in der Ebene des 
L«i Ksenäquators fuhren möchte. Diese Partie wird demnach weder 
eixi- noch auswärts verschoben (ein- und auswärts ist richtiger 
gesagt, als vor- und rückwärts, wie ein Blick auf eine gute 
E> i:irchschnittszeichnung zeigt). Für diese Annahme spricht, dass 
H ensen und Völkers an den Nadeln, welche in den Ciliarmuskel 
Sollst (also wol in der Mitte) eingestochen wurden, keine Ver- 
sen luebung bemerkten. Dem Abweichen der sich contrahirenden 
LS.ngsfaserschicht von der Sclerotica dürfte theils ihr Dicker- 
w^^rden, theils der Gegendruck des Glaskörpers steuern. 

An die bisher betrachtete eigentliche Längsfaserschicht schliesst 

si^cili nach hinten — innen (gegen den Glaskörper hin) eine mehr 

w'^niger mächtige Lage von Fasern an, welche sich von jenen 

zo^nächst durch andern Verlauf und durch zahlreiche Lücken 

z'vvischen ihren Bündeln unterscheiden. Sie fahren, an meridionalen 

l^virchschnitten betrachtet, von der Gegend des Ligamentum 

P^ctinatum strahlenförmig gegen die Ciliarfortsätze bis zu deren 

"ixiteren Anfängen aus und verflechten sich im weitern Verlaufe in 

i^^nnigfacher Richtung. Die mehr oberflächlichen davon schliessen 

^*^oh unmittelbar an die Längsfaserschicht an und weichen von deren 

Dichtung nur wenig ab; die tieferen, immer kürzer und kürzer 

^^rdend, nehmen mehr einen nach hinten (nicht hinten — aussen) 

Sehenden Verlauf an, und die nächst der Iris streichenden zeigen 

^*ti einzelne Bündel, welche in ihrem Verlaufe gegen die innere 

'^a.nte (des ganzen Muskels) sogar ein wenig einwärts abbiegen. 

^«ich Durchschnitten in verschiedenen Richtungen ist es wahr- 

^heinlich, dass viele dieser Fasern aus der radiären Richtung in 

^irculären Verlauf umbiegen. Wenn es überhaupt selbständige 

Circulärfasern gibt, d. h. solche, welche nicht direct mit radiären 



1) Heiberg^ Kjalmar in Zehender's klin. Monatsbl. 1870 p. 80 be- 
tnchtet die glänze vordere Insertion des Ciliarmuskels als beweglich. 



38 

in Verbindung stehen, und das ist ziemlich sicher nachgewiesen, 
so vermitteln diese circulären Ausläufer der radiären jedenfalls 
eine innige Verbindung mit den selbständigen circulären Muskel- 
fasern. Die Analogie mit den radiären und circulären Fasern in 
der Iris macht diese Anschauung plausibel. „In hypermetropischen 
Augen kann man bei äquatorial geführten Schnitten oft sehr lange 
Schichten oder Züge von Ringfasern zu sehen bekommen; auch 
bekommt man in hochgradig hypermetropischen Augen in der 
Gegend der inneren Kante bei solchen Durchschnitten nichts von 
(quer oder schräg durchschnittenen) meridionalen Fasern zu sehen." 
(Nach Präparaten von Sattler.) 

Wenn nun diese radiären Fasern gleichzeitig mit den longi- 
tudinalen in Action treten, und das ist mindestens höchst wahr- 
scheinlich, so müssen sie die mit den Ciliarfortsätzen fest ver- 
bundene Zonula (zwischen Ora serrata und Canalis Petiti) oflFen- 
bar gegen die sich spannende Längsfaserschicht hinziehen und 
dem an der concaven Fläche des Ciliarkörpers haftenden Glas- 
körper etwas Raum schaffen, somit das Zurückweichen des Glas- 
körpers in der Mitte der tellerförmigen Grube erleichtern. Im 
Vereine mit den oberflächlichen, rein longitudinalen Faserlagen 
bilden sie gewissermassen einen festen Ring oder Reifen, welcher 
Stand hält, wenn die Ringfaserschicht durch erhöhte Contraction 
gegen die sagittale Augenachse hin wirkt und die Wölbung der 
Cornea zu steigern droht. 

Nach diesen Erwägungen können wir die Entspannung der 
Zonula (des freien Theiles derselben) wol nur der gleichzeitig 
erfolgenden Action der Ring fasern zuschreiben, welche am 
mächtigsten in der gegen den Linsenäquator vorspringenden 
(inneren) Kante des Ciliarmuskels auftreten. Da eine Ebene, durch 
diese Kante gelegt (also senkrecht auf die Linsenachse), vor dem 
Linsenäquator durch den Bulbus streicht (Arlt), ^) so lässt sich 
nicht annehmen, dass beim Engerwerden des von dieser Kante 
beschriebenen Kreises die Ciliarfortsätze gegen den Linsenrand 
drücken, weder unmittelbar, wogegen die Beobachtung (Breiter- 
werden des Abstandes zwischen Ciliarfortsätzen und Linsenäquator) 
spricht, noch mittelbar durch Druck auf die im Petit'schen Canale 
enthaltene Flüssigkeit (H. Müller); wol aber kann die Contraction 
der Ringfasern bei gleichzeitig eintretender Schwellung der Ciliar- 



1) A. f. O. III. b. 113. 



39 

ibrtsätze bewirken, dass der periphere Fixpunkt der Zonula (vor 
<iein Petit' sehen Canale) dem am Kapselrande gelegenen Fixpunkte 
derselben genähert werde. Die Entspannung des freien Theiles 
4er Zonula wird also durch Einwärtsschiebung ihrer peripheren 
IBefestigung gegen den Linsenrand, nicht durch Vorwärtsziehung 
<[erselben gegen den Schlemm'schen Canal hin (Brücke) bewirkt. 
Zm Glaskörper findet jedenfalls eine Verschiebung statt, in der 
Weise, dass die hinter der Mitte der tellerförmigen Grube liegen- 
<ien Schichten leicht zurückweichen können (beim Andringen der 
«ich wölbenden Linse), während gegen die Peripherie theils durch 
^e Contraction der radiären Ciliarmuskelfasern, theils durch das 
JKleinerwerden der Linse im Aequatorialdurchmesser Platz ge- 
3nacht wird. 

Bei dieser Vorstellung von dem Accommodationsmechanismus 
^rd es begreiflich, wie die Linse vor Compression und vor er- 
leblichem Widerstände an ihrer Hinterfläche geschützt, somit das 
-freie Spiel ihrer Elasticität gewahrt wird, und wie Linsenäquator 
Tind Zonula (Aufhängeband der Linse) ihre relative Lage zum 
vorderen und hinteren Pole des Auges unter normalen Verhält- 
xiissen beibehalten können. 

Bei der Einstellung für die Ferne lässt die Contraction 

Glicht nur der Ring-, sondern auch der Längs- und Radiärfasern 

:iiach und treten die früher verschobenen Theile in jene Lage 

zurück, welche ihnen vermöge des anatomischen Baues zukommt. 

alsdann ist die Zonula auch in ihrem freien Theile gespannt und 

^irkt mittelst der gespannten Kapsel abplattend auf die Linse. 

A\x{ das Nachlassen der erhöhten Spannung der Längsfasern beim 

Blick in mittlere und grössere Entfernung deutet die Wiederkehr 

der gewöhnlichen Lage des peripheren Theiles der Iris. 

Gänzlicher Ruhezustand des Accommodationsapparates 
darf wol nur während des Schlafes angenommen werden. Nach der 
Analogie mit dem Sphinkter iridis und mit anderen Sphinkteren darf 
man annehmen, dass während des Schlafes die Längs- und Radiärfaser- 
schicht gänzlich entspannt, dagegen die Eingfaserschicht ad summum 
contrahirt sei. Die Linse kann dann in ihren Ruhezustand zurückkehren. 
Nach der bisher gangbaren Anschauung über den sogenannten Ruhe- 
znstand des Accommodationsapparates, wobei die Linse nicht nur beim 
Wachen, sondern auch während des Schlafes abgeplattet erhalten wer- 
den müsste und nur beim Nahesehen, also durchschnittlich relativ sehr 
wenig ihrer Tendenz zum Convexerwerden folgen könnte, ist nicht ein- 
zusehen, wie dieses so zu sagen beständig unter Druck stehende Organ 
seine Expansionstendenz bewahren könnte. 



40 

Gleichwie beim Fernblick die Pupille einen gewissen Grad von 
Erweiterung zeigt, wobei gewiss nicht blos ein Nachlassen der Ringfaser- 
action, sondern auch eine gewisse Thätigkeit der radiären Irisfasern 
obwaltet, dürfen wir wol auch im Accommodationsmuskel rücksichtlich 
der circulären und radiären (Längs-) Fasern sowol eine antagonistische, 
als eine sich zu gleichem Zwecke untertützende Action annehmen, und 
so wie dort bei Lähmung des Sphinkters (bei Oculimotoriuslähmung) 
die Erweiterung der Pupille, durch Nichtaction des Sphinkters gesetzt, 
durch Atropin (Reizung sympathischer Fasern) noch bedeutend ge- 
steigert werden kann, dürfen wir an ein analoges Verhalten zwischen 
Ring- und Radiärfaserschicht des Ciliarkörpers denken und die Möglich- 
keit einer negativen Einstellung (übergewöhnliche Abplattung der 
Linse) vorläufig nicht absolut negiren. So lange indess der Nachweis 
einer verschiedenen Innervation der Ring- und der Radiärfasern nicht 
geliefert ist, kann eine solche negative Accommodation auch nicht 
positiv behauptet werden. Trautvetter*) schliesst aus der Analogie 
mit dem Vogelauge, dass auch beim Menschen der N. oculomotorius 
der Accommodationsnerv sei ; er nimmt aber auch an, dass bei der 
Helmholz 'sehen Auffassung des Mechanismus der Accommodation nur 
eine einzige active Thätigkeit stattfinde, daher auch nur für diese ein 
einziger Nei^" vorauszusetzen sei. Hätte er das verschiedene Verhalten 
des Ciliarmuskels in myopischen und hypermetropischen Augen gekannt, 
so würde er sich wahrscheinlich nicht für eine gemeinschaftliche Inner- 
vation der Ring- und Radiärfasern ausgesprochen haben. Mir scheint 
im Ciliarkörper eine doppelte Innervation so gut angenommen werden 
zu müssen, wie in der Iris. Rücksichtlich dieser verweise ich auf die 
in jeder Beziehung ausgezeichnete Arbeit von Stellwag (intraocularer 
Druck, p. 74—100). 

Es ist auffallend, dass eine Beobachtung von Forst er, 2) welche 
auch Coccius^) bestätigte, späterhin so wenig Beachtung gefunden hat. 
Sie hat meines Erachtens den Werth eines wohlangelegten Experimentes 
über die Wirkung des Atropins auf den Ciliarmuskel. Die Individuen 
waren alle jung, also wol auch noch mit guter Accommodationskraft 
versehen. „Die Vertiefung des mittleren Theiles der Cornea verschwand, 
wenn die Kranke in die Ferne sah und trat wieder auf, sobald sie 
(mit dem anderen Auge) den nahestehenden Finger fixirte." „Nach der 
Function einer conischen Cornea (Keratoconus) , welche indess keine 
vollständige Entleerung des Kammerwassors bewirkt hatte, coUabirte 
dieselbe za einer Grube beim Blick in die Nähe und wurde oonvex 
beim Blick in die Ferne." „Bei einer 35 Jahre alten Frau mit einem 
stecknadelkopfgrossen, perforirenden Hornhautgeschwür erschien nach 
Abkappung des kleinen Irisvorfalles das Hornhautreflexbild mit Deut- 
lichkeit grösser beim Blick in die Nähe und kleiner beim Fixiren eines 
fernen Gegenstandes. Dies wurde beobachtet, bevor das Auge einer 



1) A. f. O. Xn. a. 95. 

2) Heidelb. Sitzung 1864 in klin. Monatsblättern 1864, p. 368. 

3) Mechanismus der Accommodation, p. 50. 



41 

Atropin Wirkung ausgesetzt war. Eine halbe Stunde nach zweimaliger 
Atropineinträufelung trat bei accommodativen Anstrengungen dieselbe 
Veränderung an der Hornhaut ein." „Nach abermaliger Abkappung des 
wiederentstandenen Prolapsus und vollständiger Entleerung des Kammer- 
wassers sank der Flüssigkeitsspiegel in der Hornhautöffnung bei Accom- 
modation für die Nähe in die Tiefe und das Geschwür war nicht mehr 
mit Kammerwasser gefüllt, sondern erschien mit stark kesselig vertiefter 
Oberfläche.'* „Es wurden nun bei nach hinten geneigtem Kopfe 
drei Tropfen Atropinlösung auf das geöffn ete Auge gebracht 
und mehrmals mit Energie für die Nähe accommodirt. Binnen 
einer Viertelminute war die Pupille 2 Linien weit, ohne dass 
sich jedoch eine merkbare Quantität Flüssigkeit in der vor- 
deren Kammer angesammelt hatte. Es war also wol Atropin durch 
die Oeffnung in die vordere Kammer eingedrungen." „Diese Erscheinun- 
gen können nur dadurch zu Stande kommen, dass der nach Abfluss 
des Kammerwassers sehr bedeutend verkleinerte Kammerraum sich beim 
Accommodationsact etwas vergrössert. Da der so entstandene Eaum auf 
andere Weise nicht ausgefüllt wird, so sinkt die Cornea durch den 
Luftdruck ein." 

„Wenn die Kammer sich bei unseren Accommodationsversuchen 
etwas vergrössert" — Förster setzt voraus, dass der Accommo- 
dationsimpuls immer auf beiden Augen zugleich erfolge — „so kann 
dies füglich nur in der Weise geschehen, dass die peripheren Linsen- 
kapselpartien mit Zonula und Processus ciliares etwas zurückweichen. 
Dass ein solches Zurückweichen der Peripherie der vorderen Kammer 
stattfindet, bei Accommodation für die Nähe, wissen wir seit Helmholz 
bestimmt." „Betrachten wir die Anheftung des Ciliarmuskels in der 
Gegend des Schlemm'schen Canales nur als ein Schutzband oder als 
eine antagonistisch wirkende Vorrichtung, die eine zu starke Contrac- 
tionswirkung des Muskels hindert, und setzen wir das Punctum fixum 
des Ciliarmuskels vielmehr an seine Endigung in der Chorioidea, so 
heben wir die Schwierigkeiten der Erklärung von selbst." Substituiren 
wir dieser Förster'schen Ansicht über die Wirkung des Ciliarmuskels 
die von mir aufgestellte, wonach die Peripherie der Iris durch die 
meridionalen Fasern rück- und auswärts gezogen, gleichzeitig aber auch 
die Ora serrata nach vorn bewegt wird, so steht meine Ansicht voll- 
kommen im Einklänge mit dem Förster'schen Postulate. Was aber die 
Hauptsache ist, das ist der durch diese Beobachtungen gelieferte Nach- 
weis, dass trotz voller Atropinwirkung dennotjh die meridio- 
nalen Fasern thätig bleiben. Wenn so energisch atropinisirt wurde 
und in dem einen Falle sogar Pupillenerweiterung auf 2 Linien eintrat, 
was bei so enger (aufgehobener) Kammer viel sagen will, so war gewiss 
auch die Accommodation, so weit sie durch die Kingfasern bewirkt 
wird, gelähmt, konnte also auch die Linse nicht convexer werden, und 
musste deshalb auf den Zug der Meridionalfasern beim Impulse zur 
Accommodation Erweiterung des Kammerraumes an der Peripherie, mit- 
hin Einsinken der Cornea (des Geschwürsgrundes) in der Mitte erfolgen. 



42 

Ueb erblicken wir nun die Veränderungen, welche im Auge 
bei der Einstellung für die Nähe auftreten, so finden wir mit 
Ausnahme des Umstandes, dass dabei der Glaskörper in toto unter 
etwas erhöhten Druck gesetzt wird, welcher allenfalls bei unge- 
bührlich stark und lange in Anspruch genommener Accommodations- 
thätigkeit nicht genügend ausgeglichen werden könnte, kein Moment, 
von welchem sich eine Formveränderung des Bulbus direct ab- 
leiten Hesse. Nur die Form- und Lageveränderung in den Binnen- 
muskeln darf und muss als Ergebniss der accommodativen Thätig- 
keit betrachtet werden. 

§. 12. Mit der Einstellung für grössere Nähe erfolgt unter 
den gewöhnlichen Verhältnissen steigende Convergenz der 
Sehlinien; die Hornhautcentra werden stärker und stärker nasen- 
wärts gewendet. Auf diese Function hat besonders Donders *) 
rücksichtlich der Entstehung und Steigerung der Myopie grosses 
Gewicht gelegt. Diese Anschauung hat jedoch nur für jene Fälle 
Berechtigung, wo binoculäres Sehen (zur Zeit der Entwicklung der 
Myopie) stattfindet; für die übrigen Fälle kann nur die später, in 
§. 18 nach E. Hering gegebene Darstellung der Muskelaction gelten. 
(Ich muss diese Bemerkung hier einschalten, weil sonst Jemand 
gegen die nächstfolgenden Erörterungen einwenden könnte, dass 
sich Myopie [eines Auges] auch entwickeln könne, wenn das andere, 
nicht zum Fixiren verwendete [verwendbare] zur Zeit der Ent- 
wicklung der Myopie bereits nach aussen abgelenkt war. Vgl. die 
Inauguraldiss. von R. Werth, ein Beitrag zur Lehre von der 
Myopie, Kiel 1874). 

Der Abstand des Drehpunktes der Augen (die Grund- 
linie) beträgt beim Erwachsenen im Mittel 6 Cm. Der Bogen, 
welchen die Hornhautmittelpunkte beim Steigen der Convergenz 
beschreiben, fällt demnach grösser aus, wenn die Grundlinie länger 
ist. Da ferner die Sehlinie in der Regel nicht mit der Hornhaut- 
achse zusammenfällt, sondern mit dieser den sogenannten Winkel a 
bildet, welcher bei Emmetropen durchschnittlich 5, bei Hyperme- 
tropen 7*5 Grad misst, so muss der Bogen, den das Hornhaut- 
centrum bei gleicher Annäherung des Objectes, z. B. auf 16 Cm., 
beschreibt, an emmetropischen Auge länger sein, als an hyper- 



1) Congress der Augenärzte zu Brüssel 1857, A. f. O. IV. a. 314 und 
Anomalien 1866. 



43 

metropischen (Donders)^). Wenn demnach, gleiche Grundlinie 
vorausgesetzt, das Sehobject in der Medianebene aus der Ferne 
näher und näher heranrückt, so wird auch der hintere Pol des 
Auges und mit ihm der Sehnervenkopf mehr und mehr auswärts 
gerollt, und zwar, gleiche Annäherung des Objectes vorausgesetzt, 
bei emmetropischen Augen mehr als hei hypermetropischen. Ueber- 
dies würde, da nach Donders in hypermetropischen Augen das 
Bewegungscentrum dem hinteren Pole relativ näher liegt, als im 
emmetropischen, die Excursion des hinteren Poles bei steigender 
Convergenz relativ geringer ausfallen, wenn am vorderen Pole die 
gleiche Verschiebung stattfände. Hieraus ergibt sich, dass, wenn 
ein emmeti'opisches und ein hypermetropisches Auge, gleiche 
Grundlinie und gleiche Objectdistanz vorausgesetzt, je ein nahes 
Object fixiren, auch die relative Lage der äusserlichen Augen- 
muskeln zum Bulbus bei beiden eine verschiedene sein muss. Es 
ergibt sich hieraus aber auch eine relativ andere Stellung des Seh- 
nerven. Bei starker AuswärtsroUung des hinteren Poles wird das 
vordere Stück des ein wenig geschlängelt verlaufenden Sehnerven 
aus der senkrechten Stellung (relativ zur Eintrittsstelle) in eine 
schräge verwandelt, so dass an der Nasenseite zwischen ihm und 
der Sclera ein spitziger, an der Schläfenseite ein stumpfer Winkel 
entsteht. Nach einer beiläufigen Schätzung an Durchschnitten ge- 
frorner Köpfe wird der hintere Pol des emmetropischen Auges 
beim Uebergange von der Parallelstellung der Sehlinien zu einer 
Convergenz für 10 Cm. Objectdistanz um beinahe 2 Mm. schlafen- 
wärts gerückt. Die bei starker Convergenz an der Schläfenseite 
erfolgende Dehnung der äussern, mit der Sclera continuirlich zu- 
sammenhängenden Sehnervenscheide dürfte bei starker Ablenkung 
des hinteren Poles nicht unbedeutend sein. Bei extremer Ein- 
oder AuswärtsroUung der Augen im Pinstern bemerkt man ein 
halbmondförmiges Phosphen, welches füglich nur auf Zerrung am 
Sehnervenkopfe zurückgeführt werden kann. 2) Trotzdem kann ich 
Hasner 3) nicht beistimmen, wenn er die Entstehung der Mond- 
sichel und der Verlängerung des Bulbus von Zerrung am Seh- 
nei'venkopfe ableiten will. Die Sichel ist eben nicht blos lateral. 



^) Anomalien p. 154. 

2) Nach Mauthner (Vorlesungen p. 646) liegt auch im myopischen Auge 
der Drehpunkt immer hinter der Mitte der Augenachse und bei stärkerer Myopie 
relativ weiter hinten. 

^) Prager Vierteljahresschr. 1874, I, B. p. 60. 



44 

sie ist auch unter- oder oberhalb der Papilla beobachtet worden. 
Der Bogen, den der Sehnervenkopf beim Uebergang vom Fern- 
blick bis zu einer Convergenz selbst bis zu 16 Cm. beschreibt, 
ist nach meiner Schätzung viel zu klein und zu flach, als dass 
bei solcher Convergenzstellung schon eine erhebliche Zerrung am 
Bulbus eintreten könnte. Zudem würden wir dann bei hoch- 
gradigem inveterirtem Strabismus convergens auch eine solche 
Sichel erwarten dürfen. 

Die äusserlichen Augenmuskeln gerathen in eine 
erhöhte Spannung. ^Bei den accommodativen Bewegungen 
treten alle Augenmuskeln mehr in Wirksamkeit, und wenn der 
eine oder der andere für die Stellung der Hornhaut den Aus- 
schlag gibt, so ist dieses die Folge der überwundenen, aber den- 
noch fortexistirenden Resistenz seitens der anderen Muskeln. 
Hiefür geben namentlich Fälle von Muskellähmungen schöne Be- 
lege. Während in solchen Fällen die Einrichtung des Auges bei 
der associirten Bewegung nach einer gewissen Richtung vollkommen 
normal sein kann, weicht nicht selten das Auge ab, wenn wir 
ganz dieselbe Richtung behufs der Accommodation für einen nahe 
liegenden Gegenstand in Anspruch nehmen, weil sich bei höherer 
Spannung sämmtlicher Augenmuskeln der ausbleibende Zug des 
gelähmten Muskels störend für die Stellung des Auges herausstellt, 
während derselbe Muskel bei den seitlichen Bewegungen im Zu- 
stande physiologischer Erschlaffung ist und deshalb die aufgehobene 
Innervation desselben keine Störung macht" (Gräfe).*) „Handelt 
es sich einfach um die Richtung der Sehachse, so ist hiezu keine 
besondere Energie seitens der Augenmuskeln nöthig; handelt es 
sich dagegen um die Accommodation für die Nähe, so gerathen 
alle Muskeln, wenn auch in verschiedenem Grade, in Spannung 
und üben einen seitlichen Druck auf den Bulbus aus. Hiebei zeigt 
sich nicht selten die Insufficienz des paretischen Muskels; so 
kommt es zuweilen bei pathologischer Schwäche des Abducens 
vor, dass bei gleichzeitigem Gebrauche beider Augen ein geradeaus 
vor dem Kranken liegender entfernter Gegenstand richtig fixirt 
wird, während bei Annäherung desselben auf dem erkrankten 
Auge pathologische Convergenz sich einstellt. Noch beweisender 
sind Experimente mit Brillengläsern, weil hiebei auch die Sehachse 
des gesunden Auges nicht verrückt, demnach auch jede synergische 



1) A. f. O. I. a. 36. 



Muskelcontraction an dem erkrankten Auge vermieden wird; setzt 
man z. B. dem erwähnten Kranken eine Concavbrille auf und 
zwingt hiedurch die Augen, bei gleichbleibender Stellung des 
Objectes einen höheren Brechzustand anzunehmen, so sieht man 
die pathologische Ablenkung eintreten oder eine vorhandene sich 
vermehren. Dasselbe sah ich einige Male bei Lähmung des 
JEL superior oder inferior, wo für ein entferntes, geradeaus liegen- 
des Object ebenfalls die Sehachse eingerichtet werden konnte, 
^während sie bei Annäherung desselben an das kranke Auge dem 
jaralysirten Muskel entgegengesetzt abwich" (Gräfe, ibid. p. 53). 

Die Convergenzstellung der Augen beim Arbeiten (Lesen, 
Schreiben, Nähen u. dgl.) wird vorzugsweise durch verstärkte 
^Action der M. recti interni, nebenbei aber auch, wegen der 
Senkung der Blickebene, durch die M. recti inferiores bewirkt 
^«md unterhalten. Dabei müssen offenbar nicht nur die M. recti 
^xterni, sondern auch die beiden M. obliqui, besonders 
^ie unteren, in einen entsprechenden Grad erhöhter Spannung 
"versetzt werden, um nicht nur das Gleichgewicht, sondern auch 
die richtige Meridianstellung aufrecht zu erhalten. 

Denken wir uns nun die Insertionslinien der vier M. recti 
«m Bulbus verlängert, so erhalten wir eine Kreislinie, welche 
ungefähr mitten zwischen Cornealbasis und Bulbus-aequator ver- 
läuft, von jener indess wie von diesem an der Schläfenseite weiter 
absteht, als an der Nasenseite. Der Durchmesser dieser Kreislinie 
ist in allen Fällen mindestens um 4 Mm. kürzer, als der Durch- 
messer des Aequators, welcher im ausgewachsenen, ganz oder 
nahezu emmetropischen Auge zwischen 23 und 25 Mm. variirt. 
Die fixen Punkte der M. recti vor dem Foramen opticum stehen, 
auf je zwei Antagonisten bezogen, 8 — 10 Mm. von einander ab 
und liegen beim Erwachsenen höchstens 3*5 Cm., im Knaben- 
alter circa 3 Cm. oder noch weniger hinter der Aequatorialebene 
des Bulbus. (Vergl. Fig. 1.) 

Die vier M. recti verlaufen also nach vorn bis zum 
Aequator divergirend, dann aber (in ihrem vordersten, platten, 
zuletzt sehnigen Theile) convergirend zu einander. Am Aequator 
sind die vier platten Muskelbäuche noch so breit, dass sie min- 
destens zwei Fünftel dieser Linie bedecken. Obwol nun in der 
Aequatorialgegend schon etwas lockeres Bindegewebe und Fett 
zwischen Sclera und Muskeln liegt, so lässt sich doch die Mög- 
lichkeit nicht abstreiten, dass diese Muskeln bei erhöhter Action 

▲xlt. ürsaclien der Eurssiclitiglceit. 4 



46 

einen gewissen Druck auf den Bulbus ausüben können. BeiiO 
Blicke mit parallelen Sehachsen ist der Bogen, den die M. reeti- 
interni vor dem Aequator beschreiben, sehr kurz und flach, den 
diese Muskeln entfernen sich in ihrem Verlaufe nach vorn relati 
wenig von der verticalen Medianebene des Kopfes. Dieser Böge 
wird beim Convergiren der Sehlinien noch flacher und kürzer 
Das Gegentheil zeigt sich bei den äussern geraden Augenmuskeln 
welche von ihrem Fixpunkte an stark divergiren und desshal 
nur nach Beschreibung eines langen und stark convexen Bogen 
zu ihrer Insertionslinie gelangen können. Dieser Bogen beginn 
selbst bei gradaus gerichtetem Blicke schon 4— -5 Mm. hinter de 
Aequator und endet erst circa 8 Mm. vor diesem. 

Die beiden M. obliqui haben ihre Fixpunkte an der Basi 
der Orbita. Die fächerartig ausstrahlende Sehne des M. obl. 
superior tritt in der Aequatorialgegend zwischen den R. superior 
und die Sclerotica und inserirt sich in diese bogenförmig mit 
rück- und schläfenwärts gerichteter Convexität, deren Mitte circa 
8 Mm. vom hinteren Pole entfernt liegt. Der Obl. inferior tritt, 
nachdem er den R. inferior schräge gekreuzt hat, sehr bald 
direct an die Sclera und bedeckt diese mit seiner breiten fleischigen 
Masse bis zu seiner kurzen aber breiten Sehne, welche sich nächst 
dem obern Rande des R. externus in die Sclera inserirt; seine 
mindesten 10 Mm. lange Insertionslinie ist bogenförmig, mit rück- 
und aufwärts gerichteter Convexität; ihre Mitte bleibt circa 7 Mm. 
vom hintern Pole entfernt. 

Auch bei den schiefen Augenmuskeln darf man vermöge 
ihres Verlaufes an die Möglichkeit denken, dass sie bei erhöhter 
Action einen Grad von Druck gegen den Bulbus ausüben, zumal 
wenn man bedenkt, dass sie wol zugleich dem rückwärts ge- 
richteten Zuge der gesammten Recti einigermassen entgegen 
wirken könnten. Der Obliquus inferior beschreibt am Bulbus den 
längsten Bogen und liegt in der längsten Strecke unmittelbar an 
der Sclera an. Coccius^) schreibt das Vortreten der Bulbi beim 
Nahesehen der vereinten Wirkung der Obliqui als Antagonisten 
der Recti zu. Er hat diese Vorrückung auch mit dem Mikroskop 
gemessen. Nach Hippel und Grünhagen 2) wird der intraocu- 
läre Druck durch die Thätigkeit der äusserlichen Augenmuskeln 




^) Mechanismus der Accommod. p. 85. 
2) A. f. O. XIV. c. 232. 



47 

^ erheblich gesteigert, und nach Dobrowolsky^) hängt das unregel- 

^ massig periodische Erblassen der Netzhautvene weder mit der 

^ Herzaction, noch mit der Athmung, noch mit der Accommodation 

^ zusammen, sondern ist von der Contraction der Augenmuskeln 

^ und des Lidmuskels abhängig. 

i 

- §. 13. Sowol der Ort als die Form der Ektasie, welche der 

t Myopie zu Grunde liegt (§. 2), bestimmen uns, den Einfluss der 
Muskeln auf das Zustandekommen derselben nicht als einen 
directen anzunehmen. An eine Zerrung oder Dehnung der hinteren 
Scleralportion durch die Sehnen der beiden M. obliqui (Giraud- 
Teulon)2) ist nicht zu denken, weil nicht einzusehen ist, wie ein 
solcher Zug gerade eine sphärische Ausbuchtung zu Stande 
bringen könnte. 

Eben so wenig sind wir berechtigt, der erhöhten Action 
einiger oder sämmtlicher Augenmuskeln eine solche Kraft bei- 
zulegen, dass sie den normal gefüllten und mit normaler Um- 
hüllung versehenen Bulbus im Aequatorialdurchmesser com- 
primiren, somit in sagittaler Richtung direct verlängern könnten. 
Selbst bei Aphakie konnte eine solche Verlängerung nicht nach- 
gewiesen werden. 

Betrachten wir Augen, in denen Kurzsichtigkeit im Entstehen 
oder im Steigen begriffen ist, so finden wir die Venen, welche 
den vordem Ciliararterien entsprechen, mehr weniger auffallend 
überfüllt und meistens auch die Pupille etwas grösser, als 
wir sie sonst unter gleichen Verhältnissen (Alter, Beleuchtung, 
Convergenzstellung) zu sehen gewöhnt sind; nicht selten fühlen 
sich solche Bulbi auch etwas mehr gespannt an. „Solche 
Bulbi fühlen sich härter an, zeigen besonders zur Zeit, wo das 
Uebel noch im Entstehen oder Zunehmen begriffen ist, stärkere 
Injection der Ciliargefasse und relativ (zum Lichteinflusse und 
zur Distanz der fixirten Objecto) grössere Pupillen; ihre Ver- 
längerung in der Sehachse, welche sich oft schon aus dem Hervor- 
ragen aus der Orbita vermuthen lässt, kann bei den höheren und 
höchsten Graden auf die eben angegebene Weise bestimmt nach- 



^) Zur Lehre von der Blutcirculation im Centralbl. für die med. Wissen- 
schaft 1870, VIII. (Nagels Jahresber. 1872, p. 68). 

^) Du m^canisme et du d^veloppement du staphyl. post. Ann. d*04 

T. LVI, Nvbr. 1866. 

4* 



48 

gewiesen werden" (Arlt.) ^) Auch Makenzie, Donders, Hasner 
und Junge 2) haben bei Kurzsichtigen erhöhte Spannung des 
Bulbus ohne anderweitige Erkrankung beobachtet. Hippel und 
Grünhagen^) fanden nur dann, wenn die Myopie stärker als y war, 
die Spannung etwas höher, als im normalen Zustande. 

Dass diese Erscheinungen im Allgemeinen weder auf erhöhte 
Action des Ciliarmuskels , die auch in hypermetropischen Augen 
stattfinden kann, noch auf einen entzündlichen Vorgang im Auge 
(in der Chorioidea) bezogen werden können, braucht hier wol 
nicht weiter erörtert zu werden. Sie können aber auch nicht auf 
active, sie müssen vielmehr auf passive Hyperämie, und zwar 
im Uvealtractus bezogen werden. Diese passive Hyperämie 
im Uvealtractus wird eingeleitet und unterhalten durch die oft 
wiederkehrende anhaltende Convergenzstellung beim 
Fixiren naher Objecte. Warum derselbe Eflfect nicht auch bei 
hypermetropischem Baue vorkommt, soll später erörtert werden. 

Diese Hyperämie wird zunächst bewirkt durch 
Druck auf die Wirbelvenen im Bereiche des M. rectus 
externus und M. obliquus inferior. 

Bei gradaus und bei wenig convergent gerichtetem Blicke 
kann das aus der Sclerotica durch die Wirbelvenen ausgetretene 
Blut ungehindert weiter fliessen ; bei starker Convergenz muss 
der M. rectus externus einen stärkeren Bogen beschreiben, nicht 
nur vor, sondern auch hinter dem Aequator. Bei gesenkter Blick- 
ebene tritt auch der M. obliquus inferior in verstärkte Action 
und wird mehr an die Sclerotica angedrängt. 

Die Möglichkeit der Compression der einen oder der andern 
von den 5 — 6 Wirbelvenen, welche nahe hinter dem Aequator 
die Sclera verlassen, nachdem sie wol 2 Mm. lang in dieser ver- 
liefen, kann vom anatomischen Standpunkte aus dem M. rectus 
externus nicht abgesprochen werden, wenigstens nicht bei emme* 
tropisch gebauten Augen. Dazu kommt nun, dass der mächtige 
und breite M. obliquus inferior in der Aequatorialgegend zwischen 
den R. externus und die Sclerotica tritt und bei etwas abwärts 
gerichteter Convergenzstellung der Bulbi in erhöhte Action versetzt 
werden muss. Nur dann, wenn die Wölbung der Sclerotica vom 



\ 



1) Krankh. III. p. 236. 

2) Nach Dobrowolskj in Z. klin. Monatsbl. Beilageheft 1868. 
8) A. f. O. XVI. p. 78. 



49 

Aequator aus nach hinten stark abfällt, wie man bei deutlich 
ausgesprochenem hypermetropischem Baue des Bulbus leicht sehen 
kann, dürfte der R. externus jenseits des Aequators sich weder 
so nahe noch in so grosser Ausdehnung an die Sclerotica anlegen 
(bei der Convergenzstellung) , als dass er eine Beeinträchtigung 
des Blutabflusses bewirken könnte. 

Dass bei anhaltender Vorwärtsneigung des Kopfes, 
welche zum Betrachten naher Objecto eingenommen zu werden 
pflegt, der Rückfluss des Venenblutes vom Kopfe überhaupt, also 
auch von den Augen mehr weniger erschwert wird, darauf hat 
Benders schon beim Ophthalmologencongress zu Brüssel (1857) 
und dann in seinen späteren Publicationen rücksichtlich der Myopie 
grosses Gewicht gelegt. Wir müssen aber neben diesem bilateralen 
noch ein unilaterales Circulationshemmniss annehmen, weil Myopie 
nicht selten nur an einem Auge vorkommt, und weil sie bei bila- 
teralem Vorkommen sehr oft auf dem einen Auge, und zwar auf 
dem wenigstens anfangs mit besserer Sehschärfe versehenen (allein 
oder vorzugsweise zur Arbeit verwendeten) Auge in höherem 
Grade bemerkt wird. Doch kann das einseitige Auftreten oder 
üeberwiegen der Myopie auch in Abnormitäten am Bulbus selbst, 
vielleicht auch in Erblichkeit begründet sein. (Vgl. §. 4.) 

§. 14. Wird nun Venenblutstauung im Uvealtractus , aus 
dieser Ursache hervorgehend, zugestanden, so haben wir bei der 
Erklärung des Zustandekommens der Ausbuchtung des hintern 
Poles offenbar Drucksteigerung im Bulbus mit in Anschlag 
zu bringen. Wir haben dann nur zu erörtern, warum diese Druck- 
steigerung zur Verdrängung der hinteren Wand, nicht aber, wie 
bei Glaukom, zur Excavation der Papilla führe. 

Das Circulationshinderniss kann, wie aus der Zahl und Lage 
der Wirbelvenen erhellt, immer nur ein oder zwei dieser Emmis- 
sarien treffen; die Drucksteigerung kann also nie einen hohen 
Qrad erreichen. *) 

Dieses Hinderniss wirkt ferner nicht continuirlich, sondern, 
"Wenn es hoch kommt, immer nur durch einige Stunden; es ent- 
ftlllt während der Pausen in der Arbeit, es entfallt während des 



1) Stellwag, der intraocul. Druck, Wien 1868, p. 31: „Beschränkt sich 
die Stauung auf einzelne Theile des Yenengebietes , während in anderen die 
Circulation ganz ungehindert von statten geht, so kann der Binnendruck nur in 
einem geringeren Verhältnisse wachsen. 






50 

Schlafes. In dieser uogleich läogeren Zwischenzeit können Störun- 
gen, die beim Arbeiten durch die Stauung eingeleitet wurden 
(Serumerguss), leicht ausgeglichen werden ; das Organ ist jugend- 
lich und gesund; zwei wichtige Factoren zur Herstellung des 
Gleichgewichtes sind vorhanden: ein gewisser Grad von Elasti- 
cität der Sclera und normale Beschaffenheit der Gefasse. 

Dass momentane Blutstauung in den HoMvenen Stauung in 
den Binnengefassen und somit Drucksteigerung bewirken könne, 
folgern wir aus Beobachtungen an Augen nach perforirenden 
Hornhautgeschwüren und nach Staaroperationen (besonders mit 
Lappenbildung). Die momentane Ausdehnung oder Sprengung 
von unzureichend festen Narben kann oft nur auf erhöhten Druck 
vom Innern des Auges aus, also auf UeberfüUung des Auges mit 
Blut bezogen werden. Coccius ^) hat nachgewiesen, dass bei 
protrahirter Exspiration Pulsation der Netzhautvenen auftritt, und 
Adamük,2) Leber 3) u. A. haben sich durch Unterbindung der 
Wirbelvenen bei Thieren überzeugt, dass Hemmung des Blut- 
abflusses zu anhaltender (eine Zeit lang) Drucksteigerung im 
Bulbus führt. Wir dürfen also annehmen, dass Druck auf die 
eine oder die andere Wirbelvene zu Drucksteigerung durch Blut- 
überfüllung im Auge fuhren könne. Bei dieser Annahme wird 
auch die oben erwähnte UeberfüUung der Ciliarvenen im vordem 
Umfange des Bulbus, und die Vermehrung der Spannung beim 
Entstehen und Steigen der Myopie leicht erklärlich. 

Coccius (1. c. p. 74) Hess junge Kurzsichtige für einen nahen 
Gegenstand accommodiren, durch 5 — 15 Minuten, während er mit 
dem entsprechenden Hohlglase untersuchte, welches für den Nahe- 
zustand vorher ausgesucht worden war. Alsdann wurde das Caliber 
der stärkeren Venenzweige in's Auge gefasst und die Accommodation 
plötzlich losgelassen, indem der Kranke in die grösste Ferne sah. 
Hiebei zeigte sich sehr deutlich, dass die Venenzweige, nachdem 
das Auge bereits die Ferneinstellung erreicht hatte, anschwollen, 
ihr Querdurchmesser dicker wurde. „Da hiebei dasselbe Hohl- 
glas beibehalten wurde, mithin das Venencaliber eher hätte kleiner 
erscheinen können, so geht hieraus sicher hervor, dass die Venen 
vorher unter einem grösseren Drucke standen, als beim Femsehen." 



') Anwendung des Augenspiegels, Leipzig 1853. 

2) Ann. d'ocul. T. LVIII. p. 8. 

3) A. f. O. XIX. b. p. 140. 



Dass nun der Druck, welcher die Wandungen des hinteren 
Augenraumes triiBft, ein Ausweichen nicht der Lamina eribrosa 
sondern der Sclerotica am hinteren Pole und dessen Umgebung 
bewirkt, das hat wol seinen Grund darin, dass die juvenile Sclera 
noch weich und dehnbar ist, demnach sammt der sie am Opticus- 
eintritte ersetzenden Lamina eribrosa gleichmässig in grösserer 
Fläche nachgibt, und dass dieselbe gerade am hinteren Pole und 
in dessen Umgebung blos durch äusserst lockeres Binde- und 
weiches Fettgewebe, nirgends durch Anliegen von Sehnen oder 
Muskeln gedeckt und gestützt wird. Wenn sich bestätigt, was 
Leber*) aus dem eigenthümlichen Verlaufe der Arterien und 
Venen im hinteren Chorioidealabschnitte folgert, dass bei Stauung 
in den Wirbelvenen dem Einströmen arteriellen Blutes ein gewisser 
^Widerstand entgegengesetzt werde, so könnte man wol auch an« 
nehmen, dass die Widerstandsfähigkeit der in Rede stehenden 
Scleralpartie auch durch Erweiterung der zahlreichen schrägen 
Arterienein tri ttscanäle vermindert werde, und dass überdies s durch 
Hyperämie in den daselbst für das Scleralgewebe ab- 
gehenden Ernährungsgefässchen das letztere serös durch- 
tränkt und weicher gemacht werde. O. Becker (mündL Mit- 
theilung) hat bei Bewegungen hochgradig myopischer Augen mit 
clem Ophthalmoskop intermittirendes Bluteinströmen in den hinteren 
Ciliararterien beobachtet. Gegen die Wahrscheinlichkeit eines 
solchen congestiven Vorganges in der äusseren, von Natur aus 
mehr lockeren Lage oder Schichte der Sclera lässt sich kaum 
etwas einwenden. 

Der wichtigste Einwurf, den man gegen obige Deduction 

erheben kann, liegt in der Thatsache, dass, wenn in Folge von 

ektatischen Hornhautnarben, von Linsenquellung u. dgl. Steigerung 

des intraocularen Druckes entsteht, auch bei jugendlichen Indi- 

"viduen zunächst nicht Ektasie der Sclerotica, sondern Excavation 

der Papilla beobachtet wird (Schnabel). 2) Aber in all den Fällen 

die man unter dem Namen Secundärglaukom zusammenfassen 

tann, wird die Drucksteigerung nicht durch ein Circulationshin- 

derniss, sondern durch Nervenreizung, durch Zerrung oder Com- 

pression von Ciliarnerven eingeleitet; in allen diesen Fällen wirkt 

die Ursache continuirlich, nicht in so grossen Intervallen, wie 



1) A. f. O. XI. a. 24. 
») A. f. O. XX. b. 63. 



52 

beim Zustandekommen der Myopie; bei dem Secundärglaukom 

sehen wir den deletären Einfluss der Drucksteigerung oft binnen 

wenig Tagen oder Wochen, also in relativ sehr kurzer Zeit zu 

Stande kommen; es wird der Sclerotica so zu sagen gar nicht 

Zeit gelasseo, nachzugeben, denn dazu ist offenbar eine allmälig 

entwickelte seröse Durchtränkung ihres Gewebes nothwendig. 

Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendo. Bei Entstehung 

des Secundärglaukoms fehlt auch die Mitwirkung des Ciliarmuskels, 

die Accommodation, welche das Ausweichen des Glaskörpers nach 

vorn verhindert, und es fehlt der mit der anhaltenden Convergenz- 

stellung gepaarte seitliche Druck durch die M. recti und obliqui. 

Glaukom, Secundärglaukom und Myopie stehen rücksichtlich ihrer 
Entstehung mit Drucksteigerung im Auge in Verbindung. Beim Glaukom 
liegt der Drucksteigerung eine gewisse (senile) Kigidität der Sclera, 
wol auch der Gefässwandungen, zu Grunde, und deshalb tritt es stets 
(früher oder später) bilateral auf. Bei den Secundärglaukomen geht der 
Anstoss zur Drucksteigerung von Eeizung der Ciliamerven aus, daher 
bleibt die Krankheit auf das betroffene Auge beschränkt. Die in Rede 
stehende Myopie wird durch einseitige Muskelaction (Accommodation 
und Convergenz) bei jugendlichen Individuen eingeleitet, tritt daher 
in der Eegel bilateral auf, selten unilateral, häufig bilateral in un- 
gleichem Grade. 

§. 15. Betrachten wir nun, welche Folgen zu erwarten sind, 
wenn durch anhaltendes Arbeiten (Accommodiren und Convergiren) 
Stauung, Drucksteigerung und Dehnung der hinteren Wand be- 
wirkt wurde. Sobald mit dem Aufgeben der Arbeit das Circulations- 
hinderniss entfallen ist, kann die Sclera sich wieder zusammen- 
ziehen. Wenn jedoch anhaltende Ausdehnung wiederkehrt, bevor 
die ausgedehnten Membranen zum früheren Stande zurückgekehrt 
sind, oder wenn die Ausdehnung eine gewisse Grenze überschritten 
hat, so wird die Sclera sammt der Chorioidea und Retina nicht 
vollständig an ihren früheren Ort zurückkehren, wird mithin auch 
der auf den Binnengefässen lastende Druck momentan vermindert 
und die Gefässe werden eine Zeit lang überfüllt sein. Wenn nun 
dieser Zustand sich täglich stundenlang wiederholt, so kann es 
auch zur serösen Ausscheidung aus den Binnengefässen, zur üeber- 
füllung im Glaskörper kommen. Es entsteht hier seröser Erguss 
ex vacuo, ungefähr wie bei Hydrocephalus senilis, successiv, all- 
mälig progressiv. 

Für diesen Vorgang spricht ganz besonders das Verhalten 
des Glaskörpers in myopischen Augen. Dieses ist bisher zu wenig 



"^ «rücksichtigt worden. Während man für die Netz- und Aderhaut, 

"^^^r eiche später offenbar einen grösseren Flächengehalt haben, als 

^^orher, auf Dehnung oder Rareficirung der Gewebe recurrirte, 

l^iess man die Frage ausser Acht, was denn mit dem Glaskörper 

^mit der Hyaloidea, dem Stroma, der Vitrina) geschehe, welcher 

3a dann einen grösseren Raum als früher auszufüllen hat. 

„Wenn die Sclera noch weich und nachgiebig ist, wie vor der 
l "völligen Entwicklung der Bulbi (zur Zeit der Pubertät), so kann die 
Hiäufige Wiederkehr und stundenlange Andauer höherer Spannung leicht 
<ine Ausdehnung der hinteren Wand zur Folge haben, welche nach 
dem Aufhören des erhöhten Druckes nicht mehr zurückgeht. Da aber 
«lie Gefasse im Inneren des Auges unter einem permanenten Drucke 
fitehen, entsprechend der Spannung der Wandungen des Bulbus, so ist 
Tüit dem obigen Momente der Anstoss zum Ausscheiden von Serum aus 
den Gefässen gegeben, und es wird einerseits in den Glaskörper, ander- 
Beits in die Augenkammer so viel Flüssigkeit mehr ausgeschieden, als 
die Raumerweiterung eben gestattet. So entsteht Vermehrung der Glas- 
feuchtigkeit und bei höheren Graden von Ektasie der hinteren Bulbus- 
wand auch Verflüssigung des Glaskörpers, zunächst in der Gegend des 
hinteren Poles, allmälig weiter und weiter nach vorn vorschreitend, 
endlich wol auch den ganzen Glaskörper bis auf eine wenig mächtige 
Lage an der vorderen Peripherie nächst dem Corpus ciliare betreffend" 
(Arlt). ^) Ich hatte, als ich dies schrieb, nicht etwa blos vier, sondern 
sehr viele myopische Augen, darunter auch solche mit centralen Horn- 
hauttrübungen (1. 0. p. 217) untersucht; zur Publication wählte ich 
nur jene Fälle, von denen ich über den Grad der Myopie nach den 
benützten Concavgläsem wenigstens annähernd verlässlichen Aufschluss 
erhalten hatte. 

Iwanoff 2) hat das Verhalten des Glaskörpers bei Myopie als 
Ablösung, nicht als Verflüssigung in der von mir 1. c. p. 17 ange- 
deuteten Weise aufgefasst. Er war der Meinung, dass der Glaskörper keine 
besondere Hülle besitze. Diese Ansicht ist wol irrig (vgl. Schwalbe).^) 

Denken wir uns nun in Folge des eben geschilderten Vor- 
ganges die Membranen an der hinteren Wand etwas ausgedehnt 
und die Füllung des Bulbus durch Vermehrung des Glaskörper- 
volumens wieder hergestellt, so wird bei Wiederholung desselben 
Vorganges eine weitere Ausdehnung, ein Steigen der Ektasie ein- 
treten können, so lange, bis derselben Schranken entgegengesetzt 
werden. Die wichtigste Schranke bildet wol, Herabsetzung des 
einen Factors, nämlich der Muskelaction vorausgesetzt, die beim 
Eintreten des Mannesalters zunehmende Dichtigkeit der Sclerotica 



1) Krankh. IH. p. 17 mid 215. 

2) A. f. O. XV. b. 66. 

^ Gräfe und Sfimisch Handbuch LB. 1. Th. p. 457. 



54 

selbst. Wahrscheinlich ist aber hier auch der Widerstand in An- 
schlag zu bringen, welcher der hinteren Wand entgegengesetzt 
wird, wenn der Bulbus nicht leicht nach vorn treten kann, bei 
tieferer Lage der Bulbi, bei enggeschlitzter Lidspalte, bei ener- 
gischem Gegendruck von Seite des Schliessmuskels der Lider. 

In analoger Weise kommen Ektasien an der Cornea zu Stande. 
Beim Keratoconus ist es zunächst das Centrum, welches an Widerstands- 
fähigkeit einbüsst. Bei der Keratektasia ex panno und bei Eeratektasia 
ex ulcere ist das Primäre gleichfalls die verminderte Widerstandsfähig- 
keit der Cornea. Der Ektasirungsprocess wird hier wie bei den Hom- 
hautstaphylomen nicht durch vermehrte Ausscheidung von Kammer- 
wasser eingeleitet; die Wandung weicht nicht, weil mehr Humor aqueus 
ausgeschieden und hiemit der Druck auf die Wandung erhöht wird, 
sondern es wird mehr Kammerwasser ausgeschieden, weil die Wandung, 
nachdem sie momentan erhöhtem Drucke ausgesetzt war (von aussen 
oder durch Blutstauung im Inneren), sich nicht auf das frühere Volumen 
zusammenzieht, demnach die Gefässe, welche der Ausscheidung des 
Kammerwassers vorstehen, so lange unter geringerem Drucke stehen, 
bis durch Ausscheidung von Kammerwasser der frühere Grad von 
Spannung hergestellt ist. *) Daher können Augen mit weinbeergrossen 
Hornhautstaphylomen, mit hochgradiger kegel- oder kugelförmiger Ektasie 
nach jahrelangem Bestände dieser Deformität noch den normalen Grad 
von Spannung des Bulbus und ebenso Intactheit der Lichtperception 
im ganzen Umfange der Netzhaut darbieten; erst dann, wenn es in 
Folge von Zerrung an den Ciliamerven (an Cornea, Iris, Ciliarkörper) 
zu entzündlicher Ausscheidung seröser Flüssigkeit gekommen ist, ent- 
steht Drucksteigerung (Secundärglaukom) mit den bekannten Folgen. 

§. 16. Fragen wir uns nun, ob die theils während des 
Lebens, theils im Cadaver constatirten eigenthümlichen Ver- 
änderungen myopischer Augen (§. 2) mit dieser Theorie 
in Einklang gebracht werden können, so erhalten wir fast 
durchaus eine zustimmende und genügende Antwort und nur 
wenige Punkte bedürfen noch einer weiteren Aufklärung. 

Betrachten wir zunächst die Veränderungen an der Cho- 
rioidea. Wenn der Meniscus (Conus) an der Schläfenseite der 
Papilla wirklich angeboren sein kann, und nach Ed. Jäger's An- 
gaben dürfen wir das gar nicht bezweifeln, so steht anderseits 
fest^ dass er auch in Augen auftritt, welche früher keine Spur 
davon zeigten. Ich habe ihn im zweiten Auge gefunden, nachdem 



1) Als Secretionsorgan des Kammerwassers können nur die Ciliarfortsätze, 
so weit sie die hintere Augenkammer begrenzen, betrachtet werden. Bei trauma- 
tischer Irideremie besteht diese Secretion unverändert fort. 



55 

ich ein oder zwei Jahre vorher beide Augen wegen beginnender 
Kurzsichtigkeit genau untersucht und im Protokolle notirt hatte: 
„Auf dem linken Auge schmaler Meniscus, auf dem rechten keine 
Andeutung". H. Cohn:*) „Unter den 14 E., die in den letzten 
iy2 Jahren M. geworden, habe ich nicht einen Fall von Sta- 
phylom (soll heissen: Meniscus) gesehen. Unter den 26 stationären 
M. hatten vor I72 Jahren 7 ein Staphylom gezeigt; dagegen war 
bei 7 anderen von jenen 26 inzwischen ein neues Staphylom ein- 
getreten in Form von Sicheln von -^ bis -^ Papillenbreite; diese 
Augen hatten bei der ersten Untersuchung nicht eine Spur einer 
Aderhautsichel gezeigt. Bei 12 stationären M, war der Augen- 
hintergrund normal geblieben." Seine Entstehung wie seine Ver- 
grösserung wird begreiflich, wenn man sich denkt, dass die Gegend 
des hinteren Poles zurückgedrängt wurde. Indem die Chorioidea 
in der Gegend der Macula lutea unverschiebbar mit der Sclerotica 
verbunden ist, muss sie ringsherum gedehnt werden, also schläfen- 
wärts so gut wie nasenwärts. Aber nasenwärts kann ihre Dehn- 
barkeit bald erschöpft sein, weil die Strecke bis zur Papilla, an 
deren Rande sie mehr weniger fest haftet, eine sehr kurze ist. 
Gleichwie die Verfettung in der Cornea, welche die Trübung 
beim Arcus senilis bewirkt, immer in einer bestimmten Form 
auftritt, weil sie von einem mechanischen Momente, von der Com- 
pression der Cornealperipherie durch den senil schrumpfenden 
Scleralfalz eingeleitet wird, muss sich auch die unter dem Namen 
Meniscus oder Conus bekannte Chorioidealveränderung, welche 
sich bald nur auf das Pigmentepithel und die Choriocapillaris, 
bald auf alle Schichten der Chorioidea erstreckt, so lange im 
Rahmen einer bestimmten Form erhalten, als nicht anderweitig 
bedingte Veränderungen dazugetreten sind. Das causale Moment 
des Meniscus, die Dehnung, liegt in der Rückwärtsdrängung des 
binteren Poles, nicht in der Zugwirkung des Ciliarmuskels welche, 
wenn sie überhaupt so weit rückwärts reichte, sich zunächst an 
der Nasenseite der Papilla geltend machen müsste. Der Meniscus 
ist auch in hyper- und in emmetropischen Augen beobachtet wor- 
den (Ed. Jäger, Erismann, Schnabel u. A.), doch fehlt die 
Angabe, ob von Geburt aus oder später entstanden. Nachdem der 
Uebergang von Hypermetropie in Emmetropie (§. 7) constatirt 



1) Die Augen der Schüler des königl. Friedrichsgymnasiiims und ihre 
Veränderungen im Laufe von l/<2 Jahren. Breslau 1872. 



56 

ist, und zwar durch Länger werden der Glaskörperachse, wird das 
Auftreten eines Meniscus in einem solchen transmutirten Auge so 
gut wie in einem myopisch gewordenen erklärt werden können^). 
Sitzt der Scheitelpunkt der Scleralektasie einmal nicht in der 
Gegend der Macula lutea, sondern höher oder tiefer, dann ist der 
Meniscus auch nicht in horizontaler, sondern in diagonaler (schräg 
auf- oder abwärts gehender) Richtung am breitesten, und wenn 
der Meniscus gerade nach oben oder gerade nach unten von der 
Papilla sitzt, dann hat man auch die tiefste Stelle der Ausbuchtung 
nach oben oder nach unten zu suchen, dann erscheint auch die 
Papilla, wenn überhaupt, in dieser Richtung schief gestellt (in, der 
Projection von oben nach unten verjüngt). Zerklüftungen (sinuöse 
oder zackige Ausbuchtungen) am convexen Rande des Meniscus, 
sowie inselförmige lichte Stellen in der Umgebung der Macula 
lutea, beide nur bei hoch- und höchstgradiger Myopie vorkommend, 
können in gleicher Weise auf Dehnung und Dehiscenz zurück- 
zuführen sein. 

Diese Veränderungen können weiterhin durch das Hinzu- 
treten von kleinen Extravasaten, besonders häufig in der Gegend 
der Macula lutea^ und durch reactive Entzündung ein mannig- 
faltig modificirtes Aussehen erhalten. Entzündliche Verän- 
derungen in der Gegend des hinteren Poles kommen in 
hochgradig myopischen Augen so häufig vor, dass A. von Gräfe 2) 
sich dadurch verleiten Hess, dieselben als das Ursächliche der 
Achsenverlängerung anzusehen. Ich habe mich gegen diese Auf- 
fassung sofort entschieden ausgesprochen. „Es kann mit Bestimmt- 
heit behauptet werden, dass die entzündlichen Erscheinungen im 

1) Schnabel (A. f. O. XX. b. 47) unterscheidet zwischen angebornem 
und erworbenem Conus. „Der angeborne liegt gewöhnlich der äusseren, zuweilen 
der unteren Papillenperipherie an; niemals habe ich ihn die ganze Papille um- 
fassen gesehen. Seine Fläche ist zuweilen mattgelblich, meistens aber hellglän- 
zend, grünlich; sie entbehrt der Chorioidealgefässe, wie der mannigfaltigen grau- 
schwärzlichen Flecken meist vollständig. Ein einziges Mal sah ich denselben 
papillengross, gewöhnlich stellt er nur eine schmale Sichel von der Breite einer 
starken Vene, von J bis } Papillenbreite dar. Er kommt in Augen jeder Refrac- 
tion vor, und zwar, wie mir scheint, so ziemlich in gleicher Häufigkeit.** Hiezu 
will ich nur bemerken, dass ich einen Conus genau mit diesen Merkmalen an 
dem rechten Auge eines 13jährigen Knaben gesehen habe, wo ein Jahr vorher 
keine Spur davon zu sehen gewesen war. Bei der ersten, auf beide Augen ge- 
richteten Untersuchung hatte nur das linke einen solchen Meniscus gezeigt und 
dieser hatte seitdem ein wenig an Breite zugenommen. 

2) A. f. O. I. a. 390 und b. 307. 



57 

Grunde des Auges, welche in manchem solcher Fälle mit dem 
Augenspiegel oder am Leichentische nachgewiesen werden können, 
etwas Accessorisches oder Consecutives sind." „Ich habe an zahl- 
reichen Individuen mit Kurzsichtigkeit höheren Grrades die Ver- 
läDgerung des Bulbus in der Richtung der Sehachse auf die oben 
aDgegebene Weise constatirt, darunter aber viele gefunden, bei 
denen die optische Sensibilität vollkommen intact war, und 
das bei Individuen, die seit Jahren ungefähr in gleichem Grrade 
kurz- und dabei scharfsichtig geblieben waren." „Die Disposition 
zur Entzündung liegt" . . . „auch in der Verödung zahlreicher 
Stämmchen von den hinteren Ciliargefässen, welche bei hoch- 
gradiger Rareficirung der Retina, Chorioidea und Sclera (Aus- 
dehnung auf einen grösseren Raum) namentlich unter Mithilfe der 
Senescenz des Individuums dazu treten."^) Trotzdem muss zuge- 
geben werden, dass in einem und dem anderen Falle Entzündung 
der Chorioidea in der Gegend des hinteren Poles durch consecu- 
tive Erweichung der anliegenden Scleralpartie den Anstoss zur 
Ektasirung geben mag, wofür namentlich eine Beobachtung von 
Gräfe 2) sprechen würde, wo sich Myopie in einem früher wahr- 
scheinlich presbyopischen Auge erst in ungewöhnlich spätem Alter 
auf dem rechten Auge entwickelte (vgl. §. 19). Gräfe knüpft 
an diesen Fall die gewiss sehr beachtenswerthe Bemerkung: „So 
viel steht bereits fest, dass der Augenmuskeldruck einen wesent- 
lichen Factor bei der Entwicklung der Myopie bildet, und dass 
die hiedurch bedingte Ausbuchtung mit den chronisch entzünd- 
lichen Veränderungen dermaassen Hand in Hand geht, dass eine 
Trennung beider Zustände überhaupt sehr schwierig sein wird". 

Die Veränderung des Ciliarmuskels (§. 2, §. 11) bezieht 
sich zunächst auf seine Lage und Form. Während die mittlere 
Region der Längsfaserschicht unter den gewöhnlichen Verhältnissen 
unven'ückt bleibt, einerseits das Ligamentum pectinatum sammt Iris- 
peripherie, andererseits die Ora serrata gegen dieselbe hingezogen 
werden, dürfte die durch die Bulbusausbuchtung gegebene stärkere 
Belastung der hinteren Angriflfslinie allmälig eine Verschiebung dieser 
mittleren Region nach hinten (hinten — aussen) herbeiführen, 
zugleich aber auch eine Ausdehnung der mit der Corneoscleral- 
grenze unzertrennlich verbundenen (vorderen — äusseren) Kante 



1) Arlt, Krankh. III. p. 216. 

2) A. f. O. I. b. 310. 



58 

des Muskels. Auf diese Weise müssen auch die Firsten der Ciliar- 
fortsätze allmälig weiter nach hinten zu stehen kommen. Als 
Resultat ergibt sich: bleibend tiefere Lage der Linse, bleibende 
Vergrösserung der Augenkammer. Der Ciliarmuskel wird 
allmälig breiter, in der Richtung vom Schlemm'schen Canale bis 
zur Ora serrata, und die innere Kante muss schon aus diesem 
Grunde etwas stumpfer werden. ^) 

Ueber das Verhältniss der meridionalen zu den cir- 
culären Fasern äusserte sich Iwanoff: '^) „Während bei Myopen 
der Ciliarmuskel unthätig bleibt, so lange Gesichtsobjecte von 
unendlichem Abstände bis zum Abstände des Fernpunktes be- 
trachtet werden, wird er bei Hypermetropie jedesmal angestrengt, 
wenn von einem Gegenstande ein scharfes Bild entstehen soll, 
mag dieser nun nahe oder in grösserer Ferne liegen. Wir müssen 
a priori erwarten, dass eine so ungleiche Verwendung der Kraft 
des Ciliarmuskels bei Hypermetropen und Myopen eine ent- 
sprechende Ungleichmässigkeit in seiner Entwicklung hervorruft: 
die beständige Uebung des Muskels bei Hypermetropen müsste 
Hypertrophie desselben hervorrufen, und umgekehrt: die gering- 
fügige Action bei Myopen müsste Atrophie zur Folge haben". 
Obwol nun Iwan off durch seine anatomische Entdeckung, die 
eben so werthvoll als richtig ist, zu der Annahme gedrängt wurde, 
dass die Ringfasern in erster Linie bei der Accommodation be- 
theiligt sein müssen, und obwol ihm durch das gleichfalls ent- 
gegengesetzte Verhalten der Meridionalfaserschicht in myopischen 
und hypermetropischen Augen der Gedanke an eine negative 
Accommodation (wenigstens im myopischen Auge) nahe gelegt 
war (p. 293), so setzte er den Werth seiner Entdeckung schliess- 
lich gleichsam selbst herab, indem er es als selbstverständlich 
erklärt (p. 296), dass sich die drei Typen des Ciliarmuskels (bei 
Emmetropie, Myopie und Hypermetropie) nur unter dem Einflüsse 



1) Zur Vergrösserung der Kammer (der vorderen und hinteren, oder 
mit Förster [Zur Kenntniss des Accommodationsmechanismus, Klin. Monatsbl. 
1864. p. 368] zu sprechen: der Kammer des Humor aqueus) könnte auch bei- 
tragen, dass bei anhaltender Contraction des Ciliarmuskels der Binnendruck in 
der Kammer etwas abnimmt (Helmholz), demnach von den Ciliarfortsätzen da, 
wo sie die Kammer begrenzen, beim Nachlassen der langfortgesetzten Accom- 
modation etwas Kammerwasser zur Herstellung der normalen Spannung ausge- 
schieden wird. (Vgl. Hippel und Grünhagen, A. f. O. XIV. c. 232.) 

2) A. f. O. XV. c. 286. 



59 

der Erblichkeit, im Verlaufe des Lebens mehrerer Geschlechter 
entwickeln können". Gleich wie es in der Iris nur spät ge- 
lungen ist, die Existenz radiärer Fasern neben den circulären 
und weiterhin auch einer doppelten Innervation (N. oculomotorius 
und sympathicus) nachzuweisen (vgl. St eil wag vonCarion: der 
intraoculäre Druck und die Innervationsverhältnisse der Iris, 
Wien 1866, und Seh öl er Experimentalbeiträge zur Kenntniss der 
Irisbewegung, Dorpat 18692), fehlt uns zur Zeit noch der strenge 
Nachweis einer verschiedenen Innervation der circulären und der 
meridionalen (longitudinalen und radiären) Fasern. Anticipiren wir 
(nach den Erörterungen auf p. 40 und 41) eine solche, und zwar 
für die ersteren den N. oculomotorius, für den letzteren den 
N. sympathicus, so sind wir im Stande, die verschiedene Ent- 
wicklung und Gestaltung des Ciliarmuskels bei den drei ver- 
schiedenen Refractionszuständen zu begreifen, i) — Je weiter die 
Myopie vorgeschritten ist, desto geringer werden die Anfor- 
derungen an die Thätigkeit der Ringfasem, des vorzugsweise 
zur Entspannung der Zonula thätigen Muskels, desto stärker 
tritt dagegen das Bedürfniss auf, die Zonula zu spannen und 
hiedurch die Linse abzuplatten. Letztere Function kann von den 
meridionalen Fasern um so eher geleistet werden, je weiter ihre 
Anheftung an die Chorioidea imd Retina nach hinten gerückt und 
je grösser die Last ist, welche den Tensor chorioidea zu bewältigen 
hat. Während also die Ringfasern durch Unthätigkeit mehr und 
mehr der Atrophie verfallen, können sich die meridionalen wegen 
der häufigeren und grösseren Anforderung an ihre Thätigkeit 
mehr und mehr entwickeln. 

Auf diese Weise erklärt sich nicht nur die auffallende 
Mächtigkeit des Ciliarmuskels (eigentlich der meridional ver- 



*) Warlomont (le muscle ciliaire, Ann. d'ocul. Mai 1875) spricht sich 
entschieden für eine antagonistische Wirkung und somit auch für eine verschiedene 
Innervation der radiären und der circulären Ciliarmuskelfasern aus. 

2) Schöler schliesst seine Arbeit mit folgenden Worten: „In Hinblick 
auf meine Versuche an exstirpirten Augen und bei der Wahrscheinlichkeit, dass 
zwei durchaus verschiedene Nervengruppen auch in entgegengesetzter Weise von 
den Mjdriaticis und Mjoticis beeiuflusst werden, kann ich die Annahme nicht 
abweisen, dass mittelst gangliöser Knoten im Auge selbst die durch die 
Fasern des Trigeminus geleitete Erregung auf Fasern übertragen wird, welche 
die Irisbewegungen reguliren. Für diese Anschauung dürfte der Umstand sprechen, 
dass gangliöse Anschwellungen der Ciliarnerven , die plexusähnliche Verschlin- 
gungen bilden, in allen Organen des Bulbus nachgewiesen worden sind*. 



60 

laufenden Fasern) in hochgradig myopischen Augen, sondern auch 
ein bisher mehrfach beobachtetes, aber rücksichtlich seiner Ent- 
stehung und Deutung nicht beachtetes Ergebniss ophthalmo- 
metrischer Untersuchungen, ein gewisser Grad von Abflachung 
der Linse in myopischen Augen. Nachdem schon Helm- 
holz i) den Radius bei der „etwas kurzsichtigen O. H." mit 
11*9 Mm., bei den andern beiden, nicht kurzsichtigen, mit 8*8 Mm. 
und mit 10*4 Mm. notirt hatte, fand Knappt) unter vier Indi- 
viduen folgende Maasse: J. Sommer, 14 Jahr, emmetropisch, 
R. der Vorderkapsel beim Fernblick 8*297 Mm., bei Einstellung 
für den Nahepunkt 5'921 Mm., H. Sommer, 15 Jahr, E. beim 
Fernblick 7-945 Mm., bei N. 4-886 Mm., Schmidt 24 Jahr, E. 
bei F. 7-860 Mm., bei N. 4-806 Mm., dagegen Schiller, 22 Jahr, 
kurzsichtig, bei F. 9-064 Mm. und N. 5-029. Reichs) fand bei 
M. ~ den Radius der Vorderkapsel bei F. 10-488 Mm., bei N. 
5-935, bei M.^ für F. 10-565 Mm. und N. 7-382 Mm., bei 
M. ^ für F. 11-197 Mm. für N. 8-204 Mm. Coccius (Mechanismus 
p. 143) fand bei seinen Messungen, dass die Kurzsichtigen fast 
immer die grössten vorderen Linsenbilder im Zustande der Ruhe 
haben. Diese Messungen sprechen deutlich für stärkere Abplattung 
der Ijinse während der Einstellung für den Fernpunkt. Man darf 
diese wol als ein Correctiv gegen die durch die Achsenverlängerung 
gesetzte Functionsstörung auffassen. 

Mit diesen Messungsresultaten stimmt sehr wol die Angabe 
von mir, dass bei Myopie die Iris nicht nur an der Peripherie, 
sondern auch mit dem Pupillarrande , also in toto tiefer liege. 
Ist die Linse im myopischen Auge bei Nichtaccommodation über- 
haupt etwas flacher, so können auch Ciliar- und Pupillarrand ganz 
oder nahezu in einer und derselben Ebene liegen. 

Jakobson^) folgerte aus Beobachtungen von Accommo- 
dationslähmung nach Diphtheritis , dass die Verschiebung des 
Fernpunktes wol kaum auf etwas anderes, als auf Abflachung der 
Linse bezogen werden könne. Er fand, um nur den einen Fall 
hervorzuheben, während der Lähmung rechts und links H. -^, nach 
starker Atropinisirung rechts H. ^, links H. ^, nach Heilung der 



1) A. f O. I. b. 49. 

2) A. f. O. VI. b. 33. 
8) A. f. O. XX. a. 216. 
*) A. f. O. X. b. 60. 



61 

Accommodationslähmung jedoch nach gleichfalls starker Atropini- 
sirung sowol links als rechts nur H. -^, 

Wenn man Myopen aufmerksam betrachtet, während sie sich an- 
strengen, entfernte Gegenstände zu erkennen, so bemerkt man, dass sie 
nicht einfach die Lidspalte verengern , wie es zur Verkleinerung der 
Zerstreuungskreise hinreichen würde, sondern dass sie, den Kopf etwas 
vornüber neigend, das untere Lid emporschieben und fest an den 
Bulbus andrücken. Man sieht dabei eine Furche zwischen dem Tarsus 
und dem Marge orbitalis entstehen, offenbar weil nicht nur die Tarsal- 
sondern auch die Lidbandportion des M. orbicularis fest an den Bulbus 
angedrückt wird. — Bei Andern geht die instinctmässige Abhilfe noch 
etwas weiter; es werden die Lider bei nur massig geöffneter Lidspalte 
mittelst eines vor der äussern Lidcommissur angelegten Fingers etwas 
schläfenwärts angespannt, demnach offenbar die Formhäute des Bulbus 
von vorn nach hinten etwas abgeplattet. (Vgl. auch Laqueur, ann. 
d'oc. 1869, Mai — Juni; „L'amelioration de la vue de bon nombre de 
myopes est moins grande lorsqu'ils se servent d'un appareil stenopeique 
que quand ils rapprochent les paupieres«. „Un de mes amis est arrive 
ä corriger entierement, soit a Taide de la compression digitale, seit a 

l'aide de la pression palpebrale, une myopie de son oeil droit de ^. Lors- 

qu'il se sert des paupieres, sa fente palpebrale conserve encore une 
lateur de 2 ^/2 Mm.) 

Bei Myopen tritt also, wenn sich's um besseres Femsehen handelt, 
wahrscheinlich auch im Ciliarmuskel , in der Meridionalschicht eine 
Action auf, welche sonst weder im emmetropischen noch im hyper- 
metropischen Auge vorkommt , eine Action , welche Spannung der 
Zonula, also Abplattung der Linse bewirkt, und durch häufige Wieder- 
kehr zu stärkerer Entwicklung dieser Muskelfasern führt. Für gewöhn- 
lich können wir die Hornhaut nur unter das obere Lid schieben , und 
doch sind Fälle (von mir, von A. v. Gräfe) bekannt, wo das Indi- 
viduum instinctiv dahin gelangte, die Cornea hinter dem untern Lide 
zu bergen und zu schützen. 

Wenn bei Myopie auch die Aequatorialdurchmesser 
des Bulbus grösser geworden sind, so ist auch die Richtung 
(das Streichen) der Längsfaserschicht des Ciliarmuskels relativ 
zur Linse eine andere geworden. Da bei so hohen Graden von 
Myopie von den Ringfasern kaum noch einige existiren, so fehlt 
deren Gegenwirkung gegen den Drang des Bulbusinhaltes , die 
zwischen Cornea und Sclera bestehende Einschnürung auszu- 
gleicheu; die Cornea büsst an Wölbung ein, wird flacher. Bei 
inveterirten hohen Graden von Myopie kann endlich auch die 
Kammer wieder kleiner geworden sein, indem der Zug der Längs- 
faserschicht dann vielmehr aus- als rückwärts wirkt. Schliesslich 
sei noch bemerkt, dass bei hochgradiger Myopie nicht selten eine 

▲ rlt. Ursachen der Eurzsichtigkeit. ° 



62 

habituelle Verengerung der Pupille bemerkt wird, welche, wie 
mir scheint, stärker ist, als sie sonst mit dem Greisenalter ein- 
zutreten pflegt. 

§. 17. Wir kommen nun zur Erörterung der Frage, warum 
jugendliche Individuen mit hypermetropisch gebauten 
Augen trotz derselben Anstrengung, welche bei emme- 
tropischem Baue zu Myopie führen kann, nicht myopisch 
werden. Vor Allem müssen wir von unserer Betrachtung jene 
Fälle ausschliessen , wo ein krankhafter Erweichungsprocess der 
Sclera, sei es mit, sei es ohne Entzündungszufölle in der Gegend 
des hintern Poles, die Ursache der Myopie wird in solchem Grade, 
dasB die Ektasie selbst ohne sonderliche Verwendung des Auges 
zum Nahesehen eintritt. Weiters dürfen wir nicht ausser Acht 
lassen, dass sonst gesunde Augen nicht unmittelbar aus dem Zu- 
stande der Hypermetropie in den der Myopie übergeführt werden 
können, sondern dass sie jedenfalls erst emmetropisch geworden 
sein müssen. Dass viele zur Zeit des ersten Unterrichtes hyper- 
metr epische Augen mit der Zeit emmetropisch werden, ist nach 
den statistischen Angaben von H. Cohn^), Erismann u. A. 
sehr wahrscheinlich; durch eine Beobachtung von Ed. Jäger ist 
ein solcher Uebergang direct nachgewiesen (vgl. §. 7). Mauthner 
(Vorlesungen pag. 475) sah in einem Falle, „wie bei scheinbarer 
Myopie und geringer wirklicher Hypermetropie nach Jahresfrist 
das eine Auge mit dem Spiegel nicht mehr Hypermetropie, sondern 
geringe Myopie zeigte, während das andere Auge noch immer 
etwas hypermetropisch war". Wenn hypermetropische Augen erst 
zur Zeit der Pubertät die zur Emmetropie erforderliche Grösse 
(vermöge des natürlichen Wachsthumes) erlangen, so ist wahr- 
scheinlich auch die Widerstandsföhigkeit der Sclerotica bereits so 
gross geworden, dass sich Myopie nicht mehr entwickeln kann 
(trotz Anstrengung der Augen). 

Wenn man Bulbi von Kindern ungefähr gleichen Alters, 
z. B. von 2 — 3 Jahren oder von 6 — 7 Jahren secirt, so findet 
man oft eine Differenz von einigen Millimetern Achsenlänge bei 
Individuen desselben Alters. Was aber hier betont werden muss, 
ist, dass dann an den Augen mit kürzerer sagittaler Achse die 
Sclerotica im hinteren Umfange entschieden dicker ist, als an 



1) Untersuchungen der Augen von 10.000 Schulkindern, Leipzig 1867. 



63 

denen mit längerer Achse, und dass bei ersteren die Wölbung der 
Sclera vom Aequator gegen die hintere (entschieden flachere) 
Polargegend steiler abfällt. Da nun aus den Angaben von 
Ed. Jäger, Cohn, Erismann, Hofmann etc. hervorgeht, dass 
eine grosse Zahl von Augen, welche später emmetropisch be- 
funden werden, früher hypermetropisch (gebaut) waren, dass 
sogar die Minderzahl derselben hypermetropisch bleibt, so ergibt 
sich, dass die Augen, welche zur Zeit der höheren Anforderung 
an ihre Leistung (Accommodation und Convergenz) noch nicht 
eine gewisse Grösse, resp. Achsenlänge erlangt haben, theils 
durch die grössere Dicke der Sclerotica, theils durch die ge- 
nannte Abplattung nach hinten gegen die nachtheilige Neben- 
wirkung der Accommodation, vorzüglich aber der Convergenz 
geschützt sind. — Wahrscheinlich kommt aber hiebe! noch die 
Lage der Bulbi zu einander und der Einfluss, der dem M. rectus 
externus vermöge derselben zukommt, mit in Betracht. 

Mannhardt *), indem er sich auf die Arbeiten A. v. Gräfe's^) 
bezieht, legt rücksichtlich der Entstehung und Steigerung der 
Myopie grosses Gewicht auf das dynamische Uebergewicht der 
M. recti externi; er hat gefunden, dass letzteres durchschnittlich 
bei Individuen mit hypermetropischem Baue, entsprechend dem 
geringeren Abstände der Drehpunkte und der stärkeren Ab- 
weichung der Sehlinien von der Homhautachse, relativ kleiner 
ist (vgl. §. 12). „Es ist bekannt, dass die meisten Menschen im 
Stande sind, schwache mit der Basis nach innen stehende Prismen 
beim Blick auf entfernte Gegenstände zu überwinden, d. h. ihren 
Augen eine gewisse Divergenzstellung zu geben. Die facultative 
Divergenz beträgt im Mittel einen Winkel von 2 72 Grad." „Es 
ist wahrscheinlich, dass die facultative Divergenzstellung dem 
Zustande des dynamischen Gleichgewichtes zwischen M. rectus 
externus und internus entspricht. Es würde demnach im Zustande 
des Wachens beständig eine geringe Contraction der M. recti 
intemi im Interesse des Einfachsehens ausgeführt (während des 
Schlafes besteht in der That ein geringer Grad von Divergenz 
bei den meisten Menschen)" (p. 70). Ich kann hinzufügen, dass 
ich bei allen horizontalen Durchschnitten gefromer Köpfe, so wie 
in dem von Sattler naturgetreu in Fig. 1 abgezeichneten, nicht 



A. f. O. XVII. b. 69. 

2) A. f. O. VUI. b. 314 und klin. Monatsblätter 1869 p. 226. 

6* 



64 

nur die Hornhautachsen, sondern in einem leichten Grade auch 
die Sehlinien divergent gefunden habe. Die betreffenden Bulbi 
zeigten, nach beiläufiger Schätzung, erametropischen , sicherlich 
nicht entschieden myopischen Bau. „A. v. Gräfe gebührt das 
Verdienst, zuerst nachgewiesen zu haben, dass das Fortschreiten 
einer progressiven Myopie durch Beseitigung der vorhandenen 
dynamischen Divergenz gehemmt wird. Nachdem diess festgestellt 
ist, liegt es nahe, das Bestehen der Myopie als eine Folge der 
durch mechanische Divergenz erforderten grösseren Convergenz- 
anstrengung anzusehen. Es bleibt eben zu beweisen, dass bei 
Myopie stets ein mechanisches Missverhältniss zu Gunsten der 
Divergenz ursprünglich vorhanden ist" (p. 72). „Bei dem Zu- 
sammenhange zwischen Convergenz und Accommodation ist es 
einleuchtend, dass, wenn die Augen im Zustande der Ruhe diver- 
giren und es, um das Einfachsehen auch in Distanz zu ermöglichen, 
schon einer Convergenzan strengung bedarf, die Accommodation 
gleichzeitig zur Contraction angeregt wird.^) Ist die geforderte 
beständige Convergenzanstrengung eine einigermaassen beträcht- 
liche oder wird gar eine noch grössere Anstrengung derselben 
zum Sehen in der Nähe auf die Dauer verlangt, welche wiederum 
eine stärkere Accommodationsanstrengung bedingt, so wird factisch 
auch die Accommodation in einen Zustand beständiger Anspannung 
gerathen und wird sich nie mehr völlig entspannen, es wird eine 
Art von Accommodationskrampf eintreten, welche eine scheinbare 
Myopie darstellt. Ich habe in der That oft bei jungen Leuten, 
welche angaben, seit Kurzem kurzsichtig geworden zu sein, und 
bei denen ich dann eine Myopie von circa -~ vorfand, diese 
Myopie bei strenger Augendiät etc. völlig wieder verschwinden 
gesehen. Man findet aber in diesen Fällen immer gleichzeitig 
einen gewissen Grad von Blutüberfiillung des Augenhintergrundes, 
besonders um die Papilla. Offenbar veranlasst die beständige An- 
spannung der Convergenz einen congestiven Zustand, welcher bei 
anhaltender Beschäftigung mit accommodativen Arbeiten oft rasch 
unter den bekannten Erscheinungen der Sclerotico-chorioiditis 
posterior, zu Dehnung der inneren Membranen, atrophischen Vor- 
gängen und Sclerektasien führt. Die anfangs scheinbare Myopie 
wird auf diese Weise bald eine wirkliche." „Dass es wirklich 



1) Während Donders beim Fernblick Accommodationsruhe annimmt, findet 
nach Mannhardt eine solche nur während des Schlafes statt. 



65 

die Anspannung der Convergenz, nicht die der Aecommodation ist, 
welche diesen Congestivzustand bedingt, beweist das Fehlen der- 
selben bei Hypermetropie, wo in der Regel eine beständige und 
starke Accommodationsanspannung besteht, während die Conver- 
genzanstrengung, wie wir sehen werden, eine geringe ist." (p. 77.) 
Ich möchte hinzufugen : die methodische Anwendung des Atropins, 
welche ich schon im 3. Bande vorgeschlagen, wirkt nicht durch 
Aufhebung der Aecommodation wohlthätig gegen progressive 
Myopie jugendlicher Individuen, sondern dadurch, dass sie den 
Nahepunkt hinausrückt und hiedurch dem gewohnten Annähern 
der Objecto, also auch der gewohnten starkem Convergenz ent- 
gegen wirkt. Zudem wird durch anhaltenden Gebrauch von Atropin 
auch der intraoculäre Druck etwas vermindert (Coccius, Mecha- 
nismus p. 109; vgl. auch Stellwag intraoc. Druck p. 57 mit 
Angabe der Literatur über Mydriatica und Myotica). ^Der Zeit- 
punkt, in welchem die Erscheinungen der musculären Asthenopie 
und in der Folge Myopie sich manifestiren , ist durchschnittlich 
ein späterer. Es liegt diess daran, dass die Verhältnisse bei 
Kindern der Convergenz günstiger sind, als später, dass ein ge* 
wisser Grad körperlicher Ausbildung dazu gehört, um die Prävalenz 
der Divergenzstellung zu entwickeln. Das grösste Contingent für 
musculäre Asthenopie und progressive Myopie stellt die Zeit vom 
14. bis 20. Lebensjahre, die Zeit, wo der Schädel mehr weniger 
ausgebildet ist und die Augen für die Convergenzstellung durch- 
schnittlich am meisten in Anspruch genommen werden." (p. 80.) 
„Die Entfernung der Drehpunkte von einander variirt bei ver- 
schiedenen erwachsenen Personen zwischen 56 und 72 Mm. Ein 
Individuum mit einer Entfernung der Drehpunkte von 72 Mm. 
würde vor jedem Auge ein Prisma von 10^ mit der Basis nach 
innen bedürfen, um mit eben so geringer Anstrengung als ein 
anderes, dessen Drehpunkte nur 56 Mm. Entfernung haben, bis 
auf 8 Cm. Distanz zu convergiren." (p. 81.) „Die individuelle 
(und folglich auch nationale) Schädelformation, welche einer 
stärkeren Wirkung der R. externi günstig ist, fällt stets mit einer 
grösseren Entfernung der Drehpunkte beider Augen zusammen, 
ja es coincidirt sogar die Schädelform, welche hypermetropischen 
Bau des Auges bedingt, mit der geringsten Entfernung der Dreh- 
punkte beidör Augen imd mit einer der vorwiegenden Wirkung 
der Recti interni günstigen Richtung der Orbita." „Bei der 
entgegengesetzten Kopfformation (ovalem Schädel, gewölbter Stirn, 



66 

vorspringender Nase) liegen die Orbitae mehr seitlich, ihre Achsen 
bilden einen grösseren Winkel, die Entfernung zwischen beiden 
Augen ist eine beträchtlichere, die Augenhöhlen sind tiefer und 
die Augen mehr zum Langbau disponirt (der Winkel a relativ 
kleiner)." „Im kindlichen Alter nähert sich der Schädelbau mehr 
der ersten Form, und da zugleich bei Kindern die Augen ein- 
ander absolut näher gerückt sind, die Convergenz also entschieden 
erleichtert ist, so findet sich in diesem Alter stets ein relatives 
Ueberwiegen der Convergenz, und erst wenn der Schädel eine 
gewisse Ausbildung gewonnen hat, kann sich ein Missverhältniss 
zu Ungunsten derselben manifestiren" (p. 83). „So allgemein, dass 
ich es als Regel aufstellen kann, habe ich gefunden, dass mit der 
Zunahme der Entfernung der Drehpunkte die facultative Diver- 
genz und die Distanz des Convergenznahepunktes wächst, mit 
Abnahme der Entfernung der Drehpunkte aber die facultative 
Divergenz und die Distanz des Convergenznahepunktes abnimmt, 
ferner, dass bei Hypermetropie die Entfernung der Drehpunkte 
gewöhnlich unter dem Durchschnitte bleibt, bei Myopie aber 
darüber hinausgeht, endlich dass bei Strab. convergens die kleinsten, 
bei Strab. divergens die grössten Entfernungen der Drehpunkte 
angetroffen werden" (p. 92). „Die richtige Erkenntniss dieses 
Umstandes und eine vermehrte Aufmerksamkeit auf die be- 
treffenden Verhältnisse während der Jahre, in welchen sie Be- 
deutung zu gewinnen anfangen, werden uns in Stand setzen, einem 
der verbreitetsten und folgenschweren Uebel schon vor seiner 
Entstehung entgegen zu treten und dasselbe unmöglich zu machen 
oder doch sein Fortschreiten zu hemmen" (p. 98). Mannhardt 
weist schliesslich auf den Nutzen prismatischer Brillen bei muscu- 
lärer Asthenopie, besonders aber auf die glänzenden Erfolge hin, 
welche A. v. Gräfe bei progressiver Myopie durch die Rück- 
lagerung eines oder beider Recti externi erlangt hat. 

A. V. Gräfe 1) hebt als Resultat seiner Aufzeichnungen über 
die Erfolge der Durchschneidung des M. rectus externus bei re- 
lativer Insufficienz der Recti interni hervor, ,,dass sich der 
günstige Einfluss der Operati on gegen Myopiaprogredi ens 
aufs Glänzendste bewährt hat". Von 80 Fällen progressiver 
Myopie blieben nach dieser Operation nur 6 in stärkerem, 4 in 
schwächerem Grade progressiv, während in allen übrigen der 



1) Klin. Monatsbl. 1869. 



67 

stationäre Charakter, respective scheinbare Verringerung der 
Myopie sich herausstellte. Gräfe betont, dass alle Fälle in den 
letzten zwei Jahren vor der Operation sich auffallend verschlech- 
tert hatten, z. B. von M. -i- auf M. ^, von M. ~- auf M. -jj, 
von M. Yg- auf M. -|-, und dass in allen Fällen prismatische, respec- 
tive concav-prismatische Gläser vor der Operation mit unzureichen- 
dem Erfolge gebraucht waren; er betrachtet die Störung des 
lateralen Gleichgewichtes als ein überaus wichtiges 
Moment für das Fortschreiten der Myopie. „Ob es der die 
Adductionsanstrengung begleitende Muskeldruck an sich ist, der 
die Ektasia posterior fördert, oder ob es mehr die Congestiv- 
zustände sind, welche sich an die unzweckmässige und unbehag- 
liche Functionirung knüpfen, lasse ich dahingestellt sein" (p. 234). 
Mannhardt's Angaben haben Pflüger ^) veranlasst, bei 
1846 Schulkindern in Luzern die Pupillendistanz mit Rücksicht 
auf den Refractionszustand zu messen. Obwol er auch fand, dass 
Hypermetropie durchschnittlich mit schmalem, Myopie mit breiterem 
Schädel zusammen vorkommt, so musste er doch zugestehen, nach 
den Tabellen über Maxima und Minima der Pupillendistanzen, 
„dass bei jedem einzelnen Refractionszustande die extremsten 
Pupillendistanzen beobachtet Werdern". Ich kann dieses auch für 
Erwachsene bestätigen. Von zweien meiner Assistenten mit hoch- 
gradiger Myopie und normaler Sehschärfe hatte der Eine eine 
Grundlinie von 55 Mm., der Andere von mindestens 70 Mm. 
Länge. Es würde also in den Fällen, wo keine pathologische Ver- 
änderung an der Sclera oder Chorioidea als vorhergehendes Moment 
angenommen werden kann, nicht blos auf die relative Länge 
der Grundlinie, sondern auch auf die relative Tiefe der Orbita, 
d. h. die Entfernung der Fixpunkte von den Insertionslinien der 
Augenmuskeln und überdies die relative Grösse der Bulbi in 
Computation gezogen werden müssen, wenn wir die Disposition 
zur Myopie seitens der Augenmuskeln vom anatomischen Stand- 
punkte aus beurtheilen wollten. Da aber alle diese Grössen bis 
zum Mannesalter sich verändern und das möglicher, ja wahrschein- 
licher Weise nicht immer in gleicher Proportion, so halte ich es 
zur Zeit für unmöglich, aus dem einen oder dem anderen dieser 
Momente allein einen Schluss auf die Disposition zur Kurzsich- 
tigkeit zu ziehen. 



^) Heidelb. Vers. 1875, klin. Monatsblätter, Schlussheft. 



68 

Nur auf dem von A. v. Gräfe ^) eiogeschlagenen Wege^ 
zur Zeit des Entstehens und Zunehmens der Myopie das dyna- 
mische Gleichgewicht der M. interni und externi zu prüfen, lassen 
sich verwerthbare Resultate für die Nosogenie sowol als für die 
Therapie der Myopie erwarten. So lange ein im Wachsen be- 
griffenes Auge hypermetropischen Bau besitzt, findet eben ein 
dynamisches Uebergewicht der M. externi nicht leicht statt und 
ist auch ein Druck auf die Wirbelvenen durch den R. externus 
und Obl. inferior nicht leicht möglich. Dass nach Entwicklung 
der Myopie unter Umständen ein dynamisches Uebergewicht der 
R. interni eintreten kann, und dass bei der Untersuchung hyper- 
metropischer Familien auch an Mitgliedern, welche nicht schielten, 
dennoch ein Uebergewicht der R. interni nachgewiesen werden 
konnte, hat Gräfe aus zahlreichen Prüfungen erschlossen. 

Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn im jugendlichen 
Alter bei emme tropischem (oder leicht hypermetropischem) Baue 
beider Augen, oder wenn bei emmetropischem Baue des einen 
und hypermetropischem des anderen Auges während der Arbeit 
nur das eine Auge verwendet, oder wenn das Object beim Arbeiten 
seitlich, also dem einen Auge näher gehalten wird. Die Frage, 
warum Myopie nicht selten unilateral und, wenn bilateral, sehr oft 
in ungleichem Grade beobachtet wird, ist bisher wenig in Angriff 
genommen worden. Das Bequemste ist, ihr aus dem Wege zu 
gehen, indem man die Myopie als ein angebornes oder als ein 
ererbtes Uebel betrachtet. Ich bilde mir nicht ein, sie für alle 
Fälle der erworbenen Myopie befriedigend beantworten zu können; 
ich beabsichtige vielmehr, eine weitere Discussion dieses schwierigen 
Problemes anzuregen. 

§. 18. Bei binoculärem Fixiren wird im Allgemeinen 
das Object gerade mitten vor beide Augen gehalten. Dabei be- 
finden sich nicht nur die correspondirenden äusserlichen, sondern 
auch der Accommodationsmuskel auf beiden Augen in correspon- 
dirender Spannung. 

Nach E. Hering 2) muss sich bei Fixation eines nahen 
seitlich gelegenen Objectes das Auge der entsprechenden 
Seite im Zustande erhöhter Spannung (gesteigerten intraoculären 



1) A. f. O. VIII. b. 314, X. a. 161 und klin. Monatsbl. 1869. 

2) Lehre vom binoculären Sehen, Leipzig 1868. 



69 

Druckes) befinden, weil es dann unter dem Einflüsse einer anta- 
gonistischen Innervation steht; es wird dann nämlich erstens der 
Adductor dieses Auges innervirt, entsprechend der Nähe des 
Blickpunktes, und zweitens der Abductor, entsprechend der seit- 
lichen Abweichung des Blickpunktes von der Medianebene. „Daher 
ist auch das Excursionsvermögen des linken Auges nach links^ 
des rechten nach rechts beim Nahesehen kleiner, als beim Fern- 
sehen" (pag. 10 und 11). Wenn nun überhaupt erwiesen ist, dass 
bei stärkerer Spannung der äusserlichen und des Ciliarmuskels 
die hintere Wand des Bulbus endlich bleibend verdrängt werden 
kann, so begreifen wir wol, wie anhaltende und oft wiederkehrende 
Betrachtung seitlich gehaltener feiner Objecto (fehlerhafte Kopf- 
haltung beim Arbeiten) zu einer Differenz im Refractionszustande, 
zu Myopie des näher gehaltenen Auges (allein oder doch in 
töherem Grade) führen kann. 

Bei ungleicher Sehschärfe beider Augen, z.B. wegen 
Astigmatismus, wegen Hornhauttrübungen, findet sehr oft, wenn 
überhaupt, binoculäres Sehen nur beim Blick auf grössere und 
nicht sehr nahe gehaltene Objecto statt; beim Fixiren feiner und 
deshalb näher gehaltener Objecto wird nur das bessere mit der 
Macula lutea dem Objecto gegenübergestellt, selbst in Fällen, wo 
die Nichteinsteilung des schlechteren nicht sogleich vom Beob- 
achter bemerkt werden kann. Wenn ich richtig beobachtet habe, 
so scheint in solchen Fällen dasselbe stattzufinden, wie bei den 
im vorhergehenden Absätze besprochenen, nämlich dass solche 
Individuen mit ungleicher Sehschärfe die Gewohnheit annehmen, 
feine Objecto mehr auf Seite des besseren Auges vorzuhalten und 
aus diesem Giomde auf dem besseren Auge leicht in Myopie zu 
verfallen; ich kann mich indess der Vermuthung nicht entschlagen, 
dass dann auf dem schwächeren, zum Nahesehen nicht verwen- 
deten Auge auch die Accommodationskraft allmälig sinke. Sehr 
oft wenn ich Leute mit Strabismus convergens continuus unter- 
suchte, wo jedoch die Sehschärfe des abgelenkten Auges noch 
das Erkennen kleiner Objecto gestattete, habe ich gefunden, dass 
das betreffende Auge nur eine oder einige Zeilen lesen konnte, 
dass ihm dann die Buchstaben sich verwischten, dass mit Hilfe 
eines entsprechenden Convexglases viel länger gelesen werden 
konnte und dass methodische Uebung mit nach und nach schwä- 
cheren Convexgläsern solche Augen allmälig in Stand setzte, 
längere Zeit zu lesen. Dies scheint mir dafür zu sprechen, dass 



70 

bei längerer Nicht Verwendung eines Auges zum Nahesehen all- 
mälig die Energie des Accommodationsmuskels (der Ringfaser- 
schicht) sinke. Ich fahnde deshalb seit längerer Zeit nach der 
Section strabotischer Augen; die anatomische Untersuchung und 
Vergleichung des Ciliarmuskels beider Augen dürfte uns wol Auf- 
schluss geben. R. Werth^) spricht sich ganz entschieden für das 
Sinken der Accommodationskraft auf dem Auge aus^ welches 
längere Zeit beim Fixiren naher Objecte nicht mitthätig ist; die 
Beobachtung, welche er an Dr. Bremer, Assistenten von Völkers 
machte, spricht ganz entschieden zu Gunsten seiner Anschauung. 

Gegenüber der Ansicht von Hering schliesst Schneller^) aus 
seinen Experimenten, „dass die Fähigkeit, mit beiden Augen verschieden 
zu accommodiren, Gemeingut aller mit Accommodation begabter Menschen 
sei". „Aus den obigen Experimenten wird man den Schluss ziehen dürfen, 

dass Anisometropen,^) deren Eefractionsdifferenz circa ^ nicht übersteigt, 

sicher (wenn nicht andere Hindernisse dafür existiren) mit beiden Augen 
gemeinsam scharf sehen können, wenn sonst die Refraction dem günstig 
ist. Man wird vielleicht sogar behaupten dürfen, dass grössere Unter- 
schiede bei dauernder Uebung ausgeglichen werden können und man 
wird ausserdem einsehen, dass, wenn man unter diesen Umständen 
durch Brillen die RefractionsdiJÖFerenz ausgleichen will, die Schwierig- 
keit nicht nur in der dann entstehenden verschiedenen Bildgrösse des 
Objectes liegt, sondern wesentlich auch darin, dass, sobald die Brille 
abgelegt wird, für jede beliebige Entfernung, für die jedes einzelne 
Auge accommodirt werden kann, für die angegebene Differenz auch 
beide eingerichtet werden, und also beim Aufsetzen und Abnehmen 
der Brille immer eine neue Veränderung, ein neuer Zwang in den 
Augen entsteht, die ja E. Kaiser als Unbehaglichkeit auch wirklich 
empfunden hat". „Wenn es richtig ist, dass bei der gebräuchlichen 
Art, mit kleinen Gegenständen zu arbeiten, mit dem rechten Auge 
mehr und häufiger für die Nähe accommodirt wird , als mit dem 
linken, so wird man erwarten dürfen, dass Myopie auf dem rechten 
Auge häufiger und stärker sich zeigt". Schneller fand nun bei 
33*8 Procent der untersuchten Individuen die Myopie gleich , bei 
39*6 Procent rechts, bei 26 '6 Procent links stärker. 

Keuss zählte unter 420 Myopen (in Mittelschulen) 363 mit bi- 
lateraler Myopie. Die Myopie war auf beiden Augen gleich bei 151, 
verschieden bei 212. Das rechte Auge war stärker myopisch bei 103, 
schwächer bei 109. 57 Individuen waren nur auf einem Auge myopisch, 
davon bei 32 das rechte, bei 25 das linke allein. Das nicht myopische 
Auge war in 48 Fällen emmetropisch, in 9 hypermetropisch. Unter 
den 48 mit einem emmetropischen Auge war das myopische in 26 Fällen 

1) Inauguraldissertation, Kiel 1874. 

«) A. f. O. XVI. p. 176. 

3) Kaiser in A. f. O. XHI. b. 363. 



71 

das rechte, in 22 das linke. Unter den 9 mit einem hypermetropischen 
Auge war in 6 Fällen das rechte, in 3 das linke myopisch. (Schrift- 
liche Mittheilung.) 

Arlt jun. hat in den letzten drei Jahren 282 Fälle (der Privat- 
ordination) genauer untersucht und notirt. Darunter waren 267 mit 
bilateraler Myopie, 111 in gleichem Grade, 86 mit rechts-, 70 mit 
linksseitig stärkerer Myopie. Bei 6 war das eine Auge emmetropisch, 
das andere myopisch (bei 3 das linke, bei 3 das rechte); bei 9 war 
das eine Auge hypermetropisch, das andere myopisch (bei 4 das linke, 
bei 5 das rechte). 

Obwol diese Zahlen von Eeuss und Arlt jun. im Sinne Schnelleres 
gedeutet werden könnten, möchte ich sie doch nicht zu weiteren Schlüssen 
benützen; man müsste gleichzeitig nicht nur die Sehschärfe und deren 
Abhängigkeit von Astigmatismus, Hornhautflecken, Chorioidealverän- 
derungen, sondern auch das Alter zur Zeit der Entstehung, Erblich- 
keitsmomente und Beschäftigungsweise in Combination bringen. 

Das Gesagte dürfte genügen, den Weg anzuzeigen, auf 
welchem einseitige oder einseitig prävalirende Myopie hervor- 
gerufen und gesteigert werden kann in Augen, in welchen ausser 
geringerer Widerstandsfähigkeit der Sclera (zufällig oder erblich) 
keine pathologische Veränderung oder nur ein dioptrisches Hin- 
derniss zur Zeit der Entstehung vorhanden war. Ueber das erb- 
liche Vorkommen unilateraler oder unilateral prävalirender Myopie 
fehlen mir genauere Beobachtungen. A priori lässt sich das Vor- 
kommen unilateraler erblicher Disposition eben so wenig negiren, 
wie das Vorkommen bilateraler erblicher Anlage überhaupt. 

§. 19. Wenn wir uns nun nach §. 3 sagen müssen, für das 
Vorkommen angeborner Myopie liegen bis jetzt keine unzweifel- 
haften Beobachtungen vor, und wenn aus den späteren Paragraphen 
erhellt, dass die der Myopie zu Grunde liegende Formabweichung 
des Bulbus auf Ausdehnung der hinteren Wand desselben durch 
Druck von innen bewirkt werde, diese aber das Product theils 
ungenügender Widerstandsfähigkeit der Sclerotica, theils einseitiger 
(fehlerhafter) Muskelaction sei, so werden wir rücksichtlich des 
ersteren Factors nicht blos auf die allgemeine, im jugendlichen 
Alter selbst gegebene, sondern auch auf eine besondere, durch 
Erblichkeit gesetzte Disposition hingewiesen, und wir müssen 
überdies nach §. 4 auch zugeben, dass diese abnorme Nach- 
giebigkeit der hinteren Wandung auch durch krankhafte 
Vorgänge herbeigeführt werden könne. 

Ich will auf den oben angedeuteten analogen Vorgang 
in der Sclera, wie wir ihn bei Keratoconus in der Cornea 



72 

beobachten, als Ursache von Myopie hier nicht weiter eingehen, 
da mir zur Nachweisung noch nicht hinlängliches Materiale zu 
Gebote steht, sondern hier nur noch einmal auf die entzünd- 
lichen Vorgänge im hintern Abschnitte des Bulbus zurück- 
kommen. Obwol das, was A. v. Gräfe als Sclerotico-chorioiditis 
beschrieben hat, im Allgemeinen als das Consecutive der Ektasie 
betrachtet werden muss, lässt sich doch a priori nicht negiren, 
dass ein entzündlicher Process, der zunächst in der Chorioidea 
auftritt, auch zu entzündlicher Erweichung der Sclerotica und 
mittelst dieser zur Ektasirung den Anstoss geben könne. Eine 
Beobachtung von Gräfe, welche in diesem Sinne aufzufassen 
sein dürfte, ist leider nicht ausfuhrlich genug mitgetheilt. „Gegen- 
wärtig besucht eine Frau meine Poliklinik, deren beide Augen 
äusserlich denselben presbyopischen Bau zeigen, auch will sie 
noch vor wenigen Jahren zwischen beiden keinen Unterschied 
der Sehkraft bemerkt haben. Seit einiger Zeit fing sie an, einen 
störenden Einfluss des rechten Auges zu bemerken. Die Unter- 
suchung zeigt das letztere, ausser einer etwas geringeren Seh- 
schärfe, stark myopisch, so dass sie kleinere Druckschrift nur bis 
auf 5", durch concav 10 auf 10", durch concav 8 auf 13" lesen 
kann, während das linke, massig presbyopisch, eines Convexglases 
20 bis 16 bedarf, um in der Nähe scharf zu sehen. Als Grund 
der noch in so spätem Alter acquirirten rechtseitigen 
Myopie erweist das Ophthalmoskop die für die hintere Aus- 
buchtung charakteristische Sclerotical-Sichel um die innere Peri- 
pherie des Opticus-Eintrittes." — Auch die Beobachtungen von 
KugeP) (über acute Entwicklung der Myopie) lassen manches 
zu wünschen übrig. „Ich habe in den letzten Jahren Fälle zu 
beobachten Gelegenheit gehabt, wo sich in Folge von Entzündungen 
im Augenhintergrunde Verlängerungen der Augenachse in acuter 
Weise herausbildeten, ohne dass wir den mindesten Anhaltspunkt 
haben, in diesen Fällen irgend eine Prädisposition anzunehmen." 
„Meine Aufmerksamkeit wurde durch einen Kranken angeregt, 
bei welchem sich während der Behandlung einer Chorioiditis 
syphilitica M. -^ entwickelte. Seitdem habe ich mich gewohnt, 
bei allen derartigen Kranken die Refraction mittelst Ophthalmoskop 
genau zu bestimmen, und ich konnte die Entwicklung der Myopie 



») A. f. O. I. b. 810. 
2) A. f. O. XVT. p. 323. 



73 

ohne das Vorhandensein irgend eines andern prädisponirenden 
Momentes ziemlich oft constatiren." (p. 326.) „Es kam mir 
ziemlich häufig vor, dass bei Kindern, welche wegen Schwach- 
sichtigkeit in Folge vorangegangener acuter und chronischer 
Meningitis mir vorgestellt wurden, neben vorhandener Atrophie 
der Choriocapillaris und atrophischen Veränderungen der Seh- 
nerven sich Myopie mehr weniger hohen Grades vorfand." (p. 327.) 
Erismann^) führt zwei Fälle als angeboren« Myopie vor, ein 
9jähriges Mädchen mit M. y und S. ^, dabei Nystagmus, und 
einen 10jährigen Knaben mit M. y und S. ^; ihn bestimmte je- 
doch zur Annahme des Angeborenseins bloss der Umstand, dass 
er erfuhr, der Zustand der Augen bestehe von frühester Jugend 
an ; diese Annahme ist wenigstens in so ferne nicht gerechtfertigt, 
als nicht eruirt wurde (werden konnte), ob diese Kinder von 
frühester Jugend auf auch sonst gesund waren. Mauthner^) sah 
^ganz unzweifelhaft Myopie durch Achsenverlängerung bisweilen 
sich bei älteren Leuten entwickeln, welche jedoch nie einen hohen 
Grad erreichte". Als eine besondere Art der durch schwere 
Chorioiditis eingeleiteten Myopie bezeichnet er jene, welche nach 
heftiger Einwirkung stumpfer Gewalten auf das Auge mit nach- 
folgender heftiger Entzündung entsteht. Endlich beruft sich auch 
Laqueur^) auf Fälle von Myopie, welche er nach schweren 
Krankheiten (Brustfellentzündung, Typhus, Masern) in kurzer 
Zeit entstehen sah. „Nous avons vu une myopie de degr6 moyen 
86 manifester tout d'un coup k la suite d'une forte öpistaxis et 
une fois apr^s une n^vralgie sus-orbitaire intermittente. Ce dernier 
cas avait encore ceci de particulier que la myopie n*existait que 
du c6t6 de la növralgie, tandis que Fautre ceil ^tait rest6 emme- 
tropique. Dans les autres cas la myopie etait toujours bilaterale 
et avait k peu prfes le m^me degri aux deux yeux. Jamals eile 
n.'6tait supörieure k -^, La myopie de ces personnes 6tait reelle 
öt non apparente." 

§. 20. Zum Schlüsse scheint es mir nicht überflüssig zu 
sein, dass ich einen im §. 9 angedeuteten Punkt noch besonders 
hervorhebe. Wenn wir dem Entstehen und dem Fort- 



1) A. f. O. XVII. a. 21. 

2) Optische Fehler des Auges. Wien 1876 p. 262. 

3) Ann. d^ocul. 1869, Mai-Jnni. 



74 

schreiten der Kurzsichtigkeit vorbeugen und entgegen 
wirken wollen, so dürfen wir nicht blos darauf bedacht sein, 
dass das jugendliche Auge nicht mit Arbeit überbürdet werde, 
wir müssen auch darauf sehen, dass es in der arbeitsfreien Zeit 
Gelegenheit finde, sich im Fernblick zu erholen und zu 
üben. Die zahlreichen Rathschläge zur Verhütung der Kurz- 
sichtigkeit, welche wir in älteren und neueren Schriften finden, 
sind fast durchgehends nur gegen die Ueberbürdung , gegen 
schlechte Beleuchtung, zu feine Schrift- und Druckzeichen, fehler- 
hafte (gezwungene oder freiwillige) Körperhaltung u. s. w. ge- 
richtet und meistens für die Zeit des Schidbesuches berechnet; 
hie und da wurde indess auch auf die häusliche Beschäftigung, 
selbst auf die ersten Kinderjahre (vor dem Schulbesuche) hin- 
gewiesen. Wenn man sieht, wie häufig Kinder von fünf, selbst 
von nicht vollen vier Jahren veranlasst werden, besonders in der 
Reconvalescenz nach Masern, Scharlach u. dgl. sich die Zeit 
stundenlang mit Gegenständen zu vertreiben, welche schon ver- 
möge ihrer Kleinheit sehr nahe gehalten werden müssen, z. B. mit 
Zusammensetzen zerschnittener, auf Holz oder Pappendeckel auf- 
geklebter Bilder oder Landkarten, Bleistiftzeichnen (wobei man 
sich über ihr Talent dazu freut) u. s. w., und das in Stuben, 
welche durchschnittlich zu den am wenigsten lichten der ganzen 
Wohnung gehören, so kann man sich des Verdachtes kaum er- 
wehren, dass schon um diese Zeit der Keim zur Kurzsichtigkeit 
gelegt werden möge. Dazu kommt nun noch, dass man genug 
gethan zu haben meint, wenn man die Kleinen täglich auf eine 
halbe oder ganze Stunde auf die Strasse führt. Auf entferntere 
Gegenstände werden sie auch da relativ selten aufmerksam, noch 
seltener absichtlich aufmerksam gemacht. In grösseren Städten 
kommt es selbst in der günstigen Jahreszeit kaum zu Unter- 
haltungen im Freien, zu Spielen, welche das Fixiren entfernter 
Objecto, das Abschätzen der Distanzen mit dem Augenmaasse 
erheischen. So sind denn die Augen der Kleinen beständig auf 
einen engen Gesichtskreis beschränkt, im Fernsehen werden sie 
nicht geübt. Kaum sind die Händchen so weit gewachsen, dass 
die Tasten des Pianos zur Noth überspannt werden können, so 
kommt noch dazu das Notenlesen. Dass dieses die Augen weit mehr 
in Anspruch nimmt, als Lesen und Schreiben, wissen die wenigsten, 
und wenn sie es wüssten: das Kind muss doch Musik lernen. 
Ich will indess das schon von J. G. Beer in seiner Pflege der 



75 

Augen angestimmte Klagelied über die Fehler in der Kinderstube 
und in der Schule (niederen und höheren) nicht weiter fortfuhren 
und nur, entsprechend meiner Anschauung über die entfernteren 
Ursachen der Kurzsichtigkeit, wiederholen, dass ich die Uebung 
im Fernsehen, die Veranlassung dazu schon in den Kinder- 
jahren, für nicht minder wichtig halte, als ein vernünftiges Maass 
in der Beschäftigung mit Lesen, Schreiben u. dgL, öfteres Unter- 
brechen der Arbeit oder doch wenigstens planmässiges Ab- 
wechseln in der Art der Beschäftigung. Gleich wie man in der 
Stadt den Mangel an Gelegenheit zu freier und allseitiger Muskel- 
tibung durch's Turnen ersetzen soll, muss auch den Augen nicht 
nur freie Zeit gegönnt werden, sondern auch Veranlassung, sich 
im Nahe- wie im Fernsehen zu üben und ebenmässig zu entwickeln. 



Uebersicht des Inhaltes. 

1. Die gewöhnUche nächste Ursache der Eurzsichtigkeit ist Verlängerung 
cler sagittalen Achse des Bulbus; stärkere Wölbung der Cornea so wie abnorme 
Wölbung, Lage oder Dichtigkeit der Linse kommen nur ausnahmsweise vor 
<pag. 1, 2). 

2. Bei dieser Formabweichung des Bulbus finden wir die Sclerotica 
sunächst in der Gegend des hintern Poles zurückgedrängt und verdünnt, mit 
5hr auch die Chorioidea und Retina auf eine grössere Fläche ausgedehnt, den 
<j^laskörper durch Serumaufnahme vergrössert, im hintern Abschnitte selbst ver- 
iflüssigt, am Ciliarmuskel die meridionalen Fasern stärker, die circulären schwächer 
entwickelt, die Ciliarfortsätze, die Iris und die Linse relativ zur Cornealbasis 
iiefer liegeod (pag. 3 — 8 und Ö4— 61). 

Aus dieser Formänderung ergeben sich Abweichungen in Bezug auf die 
Lage des Bulbus und des Drehpunktes, auf das Streichen der Sehlinie relativ 
zur Hornhautachse, auf die Beweglichkeit des Bulbus, endlich auf die relative 
Lage des Sehnerven zur Sclerotica mit Veränderungen der Sehnervenscheide 
und der Scleralschichten (pag. 9, 29, 30). 

3. Angeborensein des sogenannten Langbaues ist bisher nicht er- 
wiesen. Die bei Neugeborenen vorgefundene Myopie ist Folge der relativ zu 
starken Wölbung der Linse. Das Vorkommen des sogenannten Conus bei Neu- 
geborenen kann an und für sich nicht auf Verlängerung des Bulbus in sagittaler 
Richtung bezogen werden. Der Ausdruck Staphjloma posticum hat keinen Sinn, 
sobald er blos auf das Sichtbarsein des Meniscus (Conus) bezogen wird. Der 
Meniscus kann mit dem fötalen Augenspalt nicht in Zusammenhang gebracht 
werden (pag. 9—13). Myopie kann schon in den Einderjahren entstehen (pag. 73, 74). 

4. Als erblich kann nur die Disposition zur Myopie, nicht diese selbst 
angesehen werden. Es ist nicht erwiesen, dass das Auge vermöge eines ihm ab 
ovo innewohnenden abnormen Bildungstriebes in den sogenannten Langbau hinein 



76 

wachse, die anatomischen Veränderungen, welche in myopischen Augen mit noch 
normaler Sehschärfe gefunden werden, sprechen gegen eine solche Annahme 
(pag. U-18). 

5. Für das Vorkommen erworbener Myopie (ohne erbliche Anlage) 
sprechen bestimmte Thatsachen (pag. 19—23). 

6. Unter den disponirenden Momenten steht in erster Linie eine gewisse 
Weichheit und Nachgiebigkeit der Sclerotica (pftg. 29, 30). 

Diese ist durchschnittlich im j ug endlichen Alter selbst gegeben, wenn 
das Auge nicht von Haus aus oder vermöge ungenügenden Wachsthumes unter 
der Norm (Emmetropie) zurücksteht (pag. 16, 17, 23 und 28). 

Entwicklung des Auges bis zur emmetropischen Form und abnorme Nach- 
giebigkeit der Sclerotica sind als wesentliche Factoren der erblichen Dispo- 
sition anzusehen (pag. 16, 17, 18, 28). 

An die Stelle der physiologischen (allgemeinen oder erblichen) Disposition 
seitens der Sclerotica kann pathologische Erweichung der Sclerotica 
treten als Folge entzündlicher Vorgänge in der Gegend des hintern Poles 
(Sclerotico-chorioiditis), wahrscheinlich auch als Folge eines primär in der Scle- 
rotica auftretenden Vorganges, welcher dem bei Keratoconus analog ist. Dann 
ist weder Emmetropie noch jugendliches Alter als disponirendes Moment noth- 
wendig (pag. 15, 31, 66, 62, 71—73). 

In zweiter Linie kommt in Betracht die Disposition seitens der 
Muskelthätigkeit, theils behufs der Accommodation, theils behufs der 
Convergenz der Sehlinien. (Accommodation p. 37 — 42, Convergenz 42— 47). 

Mangelhafte Muskelaction wegen ungenügender Functionstüch- 
tigkeit der Augen seitens der Netzhaut oder des dioptrischen Apparates ist 
der Entwicklung der Miopie nicht günstig (pag. 23, 26, 27). 

Grössere Länge der Grundlinie (vermöge erblicher oder pathologischer 
Schädelbildung), besonders aber dynamisches Uebergewicht der M. recti 
externi scheint dagegen die Entwicklung der Myopie zu begünstigen (pag. 42, 
63—68). 

Abnormitäten im dioptrischen Apparate sind nur in so ferne zu 
den disponirenden Momenten zu zählen, als sie erhöhter Action der Accommodation 
und der Convergenz einleiten. Man könnte sie deshalb auch zu den entfernten 
Ursachen der Myopie zählen (pag. 23 — 27). 

7. Zu den entfernten Ursachen der erworbenen Eurzsichtigkeit (zu den ver- 
anlassenden oder erregenden Momenten) gehört Alles, was zu einseitigerVer- 
wendung der Muskelthätigkeit des Auges führt, sei es zu ungebührlicher 
Verwendung zum Nahesehen (Accommodation und Convergenz), sei es zu Ver- 
nachlässigung des Fernsehens (pag. 47, 73, 74). 

Bei erblicher so wie bei krankhafter Disposition reicht wahrscheinlich 
schon die gewöhnliche Verwendung der Augen zum Sehen hin, um Ektasirung 
der Sclerotica einzuleiten. Ist blos die allgemeine Disposition vorhanden (ge- 
hörige Entwicklung des Auges und jugendliches Alter), so kommt Myopie nur 
unter übermässiger Augenarbeit und unter Mangel der nöthigen 
Erholung zu Stande. 

8. Die Formveränderung des Auges wird bewirkt durch allmälige Ver- 
drängung der hintern Wand (Gegend des hintern Poles). Sie wird weder durch 



77 

Muskelzug (Ciliarmuskel, Muse, obliqui) noch durch Auseinanderzerrung der 
Scleralschichten und der Sehnervenscheiden eingeleitet oder bewerkstelligt; sie 
kann nur von wiederholter temporärer Steigerung des Druckes im 
hintern Augenraume abgeleitet werden (pag. 47, 48, 49). 

Diese wiederholte temporäre Drucksteigerung im hintern Augenraume ist 
zunächst durch Blutüberfüllung im Uvealtractus, weiterhin durch Aus- 
scheidung von Serum im hintern Glaskörperabschnitte bedingt 
(pag. 48--54). 

9. Die Blutüberfüllung geht aus Behinderung des Blutabflusses 
durch dieWirbelvenen hervor. Dass der Accommodationsact an und für sich 
dazu beitrage, ist nicht sehr wahrscheinlich; dagegen ist es beinahe unzweifel- 
haft, dass bei steigender Convergenz der Sehlinien der M. rectus 
externus und der M. obliquus inferior auf eine und die andere der 
Wirbelvenen einen nachtheiligen, den Blutabfluss behindernden 
Druck ausüben (pag. 47 — 53). 

10. Wahrscheinlich wird dann auch dem Einströmen des Blutes durch die 
hinteren Ciliararterien in die Choroidea etwas mehr Widerstand entgegengesetzt 
und dürfte die dadurch in der Episclera gesetzte Hyperämie zur Vermin- 
derung der Widerstandsfähigkeit der Sclera in jener Gegend beitragen (pag. 51). 



Erklärung der Tafeln. 

Fig. I. Horizontaler Durchschnitt der Augen und der Augenhöhlen von einem 
hart gefrornen Kopfe. Präparat von Prof. Arlt. Abbildung der un- 
teren Schnittfläche mit möglichst genauer Wiedergabe der Maasse, 
gez. von Dr. Sattler. Die Gesichtslinie ist mit G, die Homhautachse mit 
H bezeichnet. 

„ II. Ciliarmuskel von einem 272jährigen Eande. (Hartnack Obj. 3, Oc. 4.) 

„ III. Ciliarmuskel eines emmetropischen Auges, in derselben Vergrösserung. 

„ IV. Ciliarmuskel eines myopischen Auges von 25 Mm. Achsenlänge (von 
der vorderen Fläche der Hornhaut bis zur hintern der Netzhaut ge- 
messen). 

„ V. Ciliarmuskel eines myopischen Auges von 31 Mm. Achsenlänge. 

„ VI. Ciliarmuskel eines hypermetropischen Auges von 20 Mm. Achsenlänge. 

„ VII. Ciliarmuskel eines hypermetropischen Auges (eines Negers) von 
22*25 Mm. Achsenlänge. 

Sämmtliche Zeichnungen (H — VII) hat Sattler nach eigenen Präparaten 
angefertigt. 



Druck von Adolf Holzhansen in Wien 
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