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ln Österreich »Ungarn Kr. 4.SO
106. Band. Dreiundfünfzigster Jahrgang
Oktober 1910—1911
«V erscheint jeden Sonntag -M>
DeutTcbe JlluTtrierte Zeitung
Copyright, 1911, by Deutfche Verlags =Anfialt, Stuttgart
2ext umfeitig
?Pf)ot. 21). Slnberfcn, Stuttgart
Stbnig Wilhelm H. unb Königin et)artottc »on Württemberg
(3ur <3ilbert>oc^§eit am 8. ^pril 1911)
704
Über ßanb unö 9Jleer 1911. 9lr. 27
Das35orbiIb
©r 3 äf)Iurtg
001t
Slbolf SBilbranbt
(Orortfefcung)
fra fhaute ben 9lr3t, bann ben Dntel an;
mie oerfhieben beide! Der Uteffe jo
fehlend, jo groh; jd^öne bläuliche 9lugen; bas
©efidft jo farbig, jo bübfh- ©erbarb unanfebm
Iid), rüijrenb; der anbre jtanb ootnebm, tote ein
' liebensmürbiger 3*mfer ba. Unb jo jung, jo
frijd)! Sftur bie Stimmen tuareit äbnlid);
flangooll, jo^ujagen StRufif barin. HTlit 9Jlufii,
meid) unb marm, jagte ber Dottor nun and):
„9Ud)t matjr, Sie I)aben meinem Dntel oer-
3 ieben?"
,9Iuh eine gute Stimme!' bad)te jie. „9CBas
jotl id) machen?“ gab jie 3 ur 9tntmort. „3h
bin — gang oermirrt. — 3a, id) t>abe oer^ieben!"
SRah einer 933eile tarnen bie ©Item aus
bem £aus; bie größere, jtarttnod)ige ©eftalt
ber äRutter, bie gartere bes Katers. Der 9IIte
fragte halb nah ber (Beige; ©erwarb ging ins
§aus unb holte jie, beim oorlehten 93efuh batte
er jie bort gelajjen. „933enn bu bir hier gleich
einen guten Flamen machen millft," jagte er
3 um ‘»Reffen, „jo mad)jt bu mit mir 3 ufammen
ilongert! — ©r bat nämlich einen jebr erfreu*
Iid)en Sariton unb bat recht gut fingen gelernt.
Seit mir mieber in berjelben Stabt mobnen,
jingen unb geigen mir oft mitjammen. SBoIIen
mir, £jeirt 3 ?"
Der Dottor jab 9Ifra fragenb an. Sie bat
mit ben klugen. 93or ber fiaube jtehenb, be=
gannen jie 3 u muji 3 ieren, Sd)ubertjdje, Sra|ms=
jd)e, 2 BoIfjd)e £ieber; jie jagten jid) nur leife
bie Ditel ober bie erften 2 ßorte, bann fielen
jie mie 3 toei gleihgeftimmte 3 htmmente ein.
3 ebt mürben jie blutsoermanbt; es tlang mie
bie natürlihfte, angeborenfte Harmonie. 9Ifra
horchte, jebaute; ihr mar, als fei ber Frühling
im ©arten, ©s mar ihr jo munberbar, bie beiben
im Sonnenjcbein fp nebeneinanber geigen unb
jingen 3 U jeben: ben, in bejjen 9trme jie ge=
fallen mar, meil bie oerfhiebenften ©efül)le jie
linrijf en, unb ben Sd)Ianfen, 3ungen, ber um
ihr innerjtes Sdjidjal muhte, ber in ihr einen
„SIRenfhen" juchte.
Sie jangen unb geigten jie in einen ‘»Raufh;
er enbete oiel 311 früh- Die UE)r in ©erbarbs
|>anb oerlünbigte ihr, mie jo oft jd)on, bah es
©eh: 3 um Salptbof! Die 9lbfd)iebsmortc
fdjmirrten nod) bin unb her. „ 3 h bante 3 b^en,
SÖleifter," jagte 9Ifra 3 U ©erbarb, ii)nt etmas
befangen in bie 9Iugen fdjauenb, „für bas
©artenton 3 ert unb bah Sie mir 3b*en Neffen
gebrad)t haben."
„Darf -id) miebertommen?" fragte Dottor
£ein3-
„9Bemt Sie mögen. — 3<b bitte barum."
9Ifra lächelte: ,,9Iud) id) ju<d)e URenfhen."
©erbarb blidte auf ihre $anb unb an ihr
oorbei. ,,©r muh ntid) einjtmeilen gleihfam
oertreten," marf er bin, „biejer StRebitus. Unjre
Stabt mad)t neue Sahen unb mir neue 9lrbeit; .
mehr 5 ton 3 erte unb groben, meniger 3 eit, in
bie SBelt 3 U fahren, ©inftmeilen ©ebulb, es
mirb hoffentlich nid)t jo jcblimm. 9tuf 933teöer=
jeben, jobalb es gebt!"
„3a," jagte jie, „auf 933ieberfeben!" Sie
batte nid)t red)t gehört, mas er jagte. 3 b* toar,
als hätte jie es nur geträumt, bah jie ihn neulich
getüht batte. *
StRit bem oerfrübten £en 3 mar's oorbei,
ber SQßinter tarn mieber. 9lm nähften Sonntag
ging 9lfra mit bem Dottor §ein 3 auf bem be=
fhneiten Ufer bin; im $Iuh fh*oammen ©is=
fhollen, bie 2 Belt mar meih, nur bie Richten*
mälber auf ben £üg ein malten fh*oar 3 hinein.
£jein 3 batte eine ^ehpnühe aufgeje^t; auf bem
jungen .ftopf mar jie ber 9lfra fremb unb jon=
berbar; unb boeb jtanb jie ihm gut. ,, 3 d) bin
aljö mirtlid) nicht 311 üor 3 eitig miebergetommen?
fragte er unb blieb fielen. „Sie haben gan 3
gemih nicht gebaebt: aber ber bat's eilig?"
9Ifra läd)elte. „3m ©egenteil, ba Sie jo
fragen, muh *h 3 bnen . ehrlich gefteben: id)
mar jo unoerfhäntt, 3 U glauben — ober bod)
3 U hoffen — |eut tommt er mieber!"
„Ob, &as tut gut 3 m £aus, oor 3h*en
merten ©Item mochte ich nicht jagen, mas mir
beute Flügel gemacht bat; es ijt ja einjtmeilen
nur ein J 5 *age 3 ei(hen, unb oielleicht jtreicben
Sie es aus. 9tber hier — im freien — 3h
bab' 3bnen neulich oerraten, bah ich mutmilliger
Dilettant midh mit einem §eten=5!eller=9tomgn
getragen bab / ; biejer Hnjinn liegt begraben.
^Iber in biejer SBodje, menn id) an Sie bähte —
unb meil mir 3b* Onlel erzählte, es bid)tere
Sie mieber—"
„9Jiuh er 3hnen alles er 3 äblen?"
„93er3etl)en Sie — aber burh §elen ileller
gehör' ih ja nun jd)on mit ba 3 U. ©s mill etmas
aus 3bnen heraus, jagt er, 3bnen fehlt nur
bie Anregung —"
„93iellei<ht auh bas Dalent. 3 ebenfalls
bie 3 eit!"
„9lh ; bie fänbe jih- 9!Benn Sie eine SDßeile
fhrieben, jtatt 3 U lejen... Sßijjen Sie, mas
id) mir jage? 3 bnen fehlt ber ilamerab! —
Sitte, hören Sie! 933ir, Sie unb id), mir jinb
3 mei Oeute, bie neben bem Seruf eine Sebnjuht
laben — unb biejelbe Sebnjuht. Der 93eruf
ijt ein jtrenger £>err, er forbert bie bejte 5lraft
unb gibt menig Urlaub. ©iU 3 eln mürben mir
oielleiht bas 3 *el unjrer Sebnjuht nie er=
reihen. 933enn mir's einmal als üameraben
oerjuhten? SCRit oereinten Kräften unb ge=
teilter 9Jli'he? 933enn mir 3 um Seijpiel 3 u=
jammen einen Vornan fhrieben?"
9Ifra jtarrte ihn an, als oerjtünbe jie jeine
93ßorte nid)t. „©inen Vornan? 3*oei 3 m
jammen?" •
§ein 3 Iähelte: „Das ijt gan 3 gemih jhon
gefheben. Som ©nglänber ©arlple habe ich
gelejen, bah er 3 ujammen mit 3 ane 933eljh
einen jd)reiben moilte; in 93riefen; jie jollte
bie Sriefe ber £elbin fhreiben unb er bie bes
gelben, ©s tarn niht ba 3 U. ^a, unb menn es
auh t*°h nie ba 3 U gekommen märe — marum
follten mir 3 mei niht ben 9lnfang mähen?
933enn bas Sünbnis uns —"
„ 3 n Sriefen," jprah 9lfra oor jih htm
„Das tlingt jhon anbers —"
„9Ud)t mabr, bas leuchtet ein! SCRir leuchtete
es gejtem abenb ein. 93ielleiht, bäht' ih,
haben mir armen Serufsmenfhen jeber für
jih allein niht jebr oiel ©rfinbung; menn
mir aber 3 ujammenmerfen — ^bantafieren
1911. ©Ir. 27
dber £artö unb ©Heer
705
ftedt an! — 2R meinem frecfjert $elen=5leller=
Vornan batte iR mir einen Europäer gebaRt -—
eigentliR mid) felbft; jung, unterneRmenb,
fRmärmerifR, aRtunb 3 man 3 ig 3cRre mie id) —
ber fid) aus ber Entfernung in ein gang äRnliRes
©ßRänomen mie bie §elen oerliebt, über ben
©Ttlantif Ren Rinüberfährt, fie auffuRt, fie
lernten lernt, an fie fcRreiben lernt, in iRrer
Rolben (Seele bie £iebe medt — ba briRt aber
fd)on ber Hnfinn aus. Ein ©täbRen, bas nid)t
nur niRt feRen, auR niRt Rören lann, roie
foll bie fiR bas $er^ faffen, einem normalen
©tenfRen — ©or allem aber, roelcber £efer
hätte nid)t gleiR gemußt: ba ift freien Gelier
gemeint! ©ber als iR oom Dnlel EerRarb
Rörte: ba fiRt biefer ERaratteriopf, bie junge
©oftmeifterin, unb febnt fid) in basfelbe ©ara»
bies roie bn, mödjte etroas f Raffen roie bu —
ba tarn mir mein ©omantraum mieber, aber
anbers, beffer. Eine ©linbe ift fie, fie Rört aber
unb fpriRt roie mir. (Sie ift fRön, Re ift begabt
unb halb unb gut — nun, roie £jelen Heller.
X)er junge ,§elb‘ fiebt fie, id) meiR nidbt, mo.
©us feinem ©titleib mirb £iebe. Er roill ibr
inneres leimen lernen; fie leben aber meit
g etrennt. Er lernt ihre ©linb enf djrift •— bie
©raillefRrift — er meiR fie in einen ©3rief=
med)fei gu oermideln — ©Ba$ Raben (Sie?
©Bas ift 3Jp en ?“
©uf bem Hfenocg tarn ein offener ©Bagen
l)erangefal)ren, ©fra fab iRn, ihre fdjarfen
©ugen erlannten fofort, mer barin fab- hinter
bem 5tutfd>er erfRien ©leränber Aöbl, ber
bübfdje, jeRt aud) „fefd)e“, neben ibm feine
oermittembe ©raut, Fräulein £ambertine.
Den ©räutigam batte ©fra feit jener SReibe»
ftunbe nidjt gef eben, bie ©raut Ratte man iRr
einmal gezeigt. Es ging iRr ein laltes, fcRarfes
EefüRI burR bie ©ruft; ©eracRtung! baRte
fie unb trieb es Rinaus. Ein anbres, froRes ftieg
in iRr auf, als ber ©Sagen oorüberfuRr; bie
beiben f(Rauten mit unoerRoRIener © eugier auf
bert ftattlicRen, fRön 3 U nennenben jungen
©tarnt, ber neben ber ©oftmeifterin ftanb. 3 a,
ja, fcRaut iRr nur! Der oerroittert niRt, Der
lornrnt 3 u mir, meil er mid) 5 x 1 ben ©teuf(Ren
3 äRlt; ber trägt mir eben an, mit iRm ein ©uR,
einen Vornan 3 U f Rreiben. Der ©oftmeifterin
inJdäRminlel, mir! — Unb id) merb' iRn fRrei»
ben ! burRfuRr es fie in bemfelben ©tugenblid.
3a, fie mar entfRIoffen. ©BäRrenb bein ©beratt»
ber bir für beinen ©tammon £iebe ReüRelt,
biRten ber unb id)!
Sie faR bem ©Bagen noR eine ©Seile naR.
„©Sas finb bas für £eute?“ fragte irjeing.
„Sie Raben red)t: es finb £eute, leine
©tenfRen!“ gab ©fra gurüd. ,,©R, bie Iaffen
mir. Sie mollen es miriliR mit mir magen,
§err Doltor? ©Sas miffen Sie benn oon mir
unb meinem armen 5lopf?“
„3R Rabe ©riefe oon 3Rnen an ben Dnlel
gelefen. Unb bann — überhaupt. ©Ser bin
benn i R? ©Sir finb beibe boR niRts als ©Söller,
£erner. ©Sollen Sie's oerfuRen?“
„3R foll bie ©riefe ber ©linben fRreiben?“
,,3a, ber jungen Dame. Sie benlen fiR
in fo ein blinb es ©täbRen Rin ein; als Sie bas
©uR ber fielen Heller lafen, Raben Sie's ja
fRon getan. Sie geben iRr alle bie EigenfRaften,
bie — bas finbet HR; mir maRen ja 3 mtäd)ft
einen ©lan. Sie fRütten in 3Rien ©riefen alles
aus, mas in 3Rden oorgeRt, mas Sie oon ber
©Seit unb 00 m £eben mollen, mas Sie etma
bebrängt unb bebrüdt. Dasfelbe' tut er —
bas Rei^t iR. Sie antmorten auf meine Stagen
unb iR auf 3Rte. So fRieben mir uns gegen»
einanber, miteinanber fort, können mir in
eine beffere SRule geRen? 3^ber ift SRüler
unb DeRrer 3 ugleiR. ©Sir fpringen ins ©Saffer
unb fRmimmen brauflos. ©n irgenbein Ufer
merben mir fRon lommen!“
©fra laRte unb breRte fiR, auf einmal lam
iRr eine rnilbe £uft. „ 3 a, ja, ja!" rief fie in bie
£uft Rinaus mie ein feR 3 eRnjäbriges ©täbel.
„3a, bas maRen mir! 3R toill, iR mill, iR
Irieg' einen ©tut! — 3<R glaub', Sie Rat mir
ein Engel gefRidt. ©R, id) lenn' biefen Engel
1911 (23b. 106)
ja. Er ift^midliR einer, ©torgen ober Reut noR
fagen Sie iRm, mas für ein freRes ©Serl mir
, ba unterneRmen! — 3ft bie ©Belt benn miriliR
fo fRön? 31 i^ 9 on barin fo oiele Engel Rerum?
3 uerft ber Dnlel, bann ber ©effe?" — 3 R r
traten ein paar Dränen in bie ©ugen;
boR fie fagte,-.närrifR oor 3mibe: „Dan 3 en,
tan 3 en möRt' id)!—©ber auf ber fianbftrafje
tan 3 en bie 'ifSoftmeifterinnen niRt. D (Sott,
menn miR ber §err Dberpoftbireltor fo fäRe!
Es mirb bunlel, mir rrtüffen Reim 311 ben
brauen Eltern!" *
Das „freRe ©Serl" begann, naRbem bie
beiben „©tiffetäter" fiR über ben pan fo meit
mie nötig geeinigt Ratten; ben ©usgang liefen
fie noR im Duniel liegen, es mar leiRter unb
luftiger, ber Entmidlung oon ©rief 3 U ©rief
gleiRfam freie §anb 3 U Iaffen, iRr bas ©eRt
ber UberrafRung 3 U Iaffen. So ging fie auR
noR ber Xitel niRts an; als Untertitel tonnten
fie fRreiben, menn es Rnen beliebte: „©oman
3 meier Dilettanten.“ Die ©riefe flogen fyn
xmb i)tr, 3 umeilen burR bie -$oft, 3 umeilen
burR Doltor $ein 3 , menn es Rn 3 m ©tit=
oerfafferin trieb. ©tanRmal tarn moRl auR
EerRarb mit, ber EingemeRte, ber „Oxxtel bcs
©Omans“, mie §ein 3 iRn taufte; er tarn aber
immer feit euer unb nie meRr allein, ©fra Ratte
fiR munberfRnell bareingefunben; munber=
fRnell Ratte fie aud) ber ©riefronxan mit bem
„Aarneraben“ gufammengefüRrt, an iRn ge»
miRnt, 3 x 1 Rm Ringesogen. 3Rr £eben trug
eine neue 3 arbe; 3 mifRen ©rief unb ©rief
mar fie in einem füRen Srieber, fie trug fie täg»
liR im Slopf Rerum, fie nuxRte fiR ReiR be»
müRen, fie niRt auR in Rre ©mtsftube Rinein»
3 utragen. ©Bar fie aber am ©benb mit fiR
allein, am SRreibtifR ober im DenterftuRl, fö
tarn fie — ob mübe ober niRt — gefRminb
mieber in iRr smeites £eben, iRr ©linbenleben
3 urüd, bem fie fiR mit aller ©nbaRt Ringegeben
Ratte. Sie faR bann fo gern mit gefRloffenen
©ugen ba; fie RorRte ober füRlte nur, RorRte
feiner unb feiner, taftete prüfenb an allen
Dingen, genoR jebe ©lume, alles SRöne mit
immer härteren Ringern; lebte fiR tiefer unb
tiefer in bie Seele bes blinben ©täbRens Rin»
ein. Es mar nur ein Spiel, es marb Rr aber
ein füRes, märRenRaftcs £eben; unb fo fRrieb
fie bann an ben gebiRteten 3reunb — ber auR
meRr unb meRr Iebenbig unb miriliR marb:
fie tonnte ben .gelben bes ©Omans unb ben
Doltor in ber §auptftabt taum meRr oon»
einanber trennen.
DaR barin eine (ÜefaRr lag, muRte fie moRl
füRIen, fo gut mie bie blinbe !§elbin ber ©riefe,
bie allmäRliR ber £iebe entgegentrieb; benn
©fra empfanb, je fRöner nun brauRen ber
3rüRling muRs, befto inniger, mie es in iRr
felber blüRte, mie iRre Seele ünofpen trieb,
mie bas lieber bes P)antafierens unb Er»
martens ben ©aufR ber 3ugenb erRöRte. Sie
faR auR bie maRfenbe 3uneigung in bes
Dottors ©ugen, ©Borten, Stimme; ,aR, geRt's
mir niRt ebenfo?' baRte fie in rebliRer ©uf»
riRtigteit. ,©un leben mir fo im ©oman baRin;
mas mirb, menn ber aus ift? ©Serben mir bann
mieber nüRtern ober mirb es fRlimmer?
jfjaben mir uns fRon 3 U lieb, ober biRten mir
uns nur fo 3 ufammen?‘ 3 UD °eilen überfiel fie
ber ©BunfR: mären mir erft beim leRten ©rief!
Dann bangte iRr mieber 001 bem Enbe; aR,
ging's noR lange, lange fo fort! Unb menn
fie iRn mieberfaR, ben ©BirtliRen, £ebenbigen,
mar er iRr mieber fRöner unb lieber gemorben;
,mie gut,' baRte fie, ,baR iR miR nur blinb
gebiRtet Rabe, bab iR il)n boR feRen tann!'
Darüber mar ts> ©iai gemorben; bie langen
©benbe mürben marm unb monnig, bie DiRter»
tameraben fa^en fRon bis sur ©aRt im Eärt»
Ren, in ber £aube unb trieben bort ooraus»
beratenb ben Pan feinem ©usgang 3U. Es
lam ein allerfRönfter Dag; .ber ©benb braRte
ben ©ollmonb, ber burd) fRmüle, meiRe
©Bolten ;/ ging. Es mar juni» ober julimarm;
§eins, ber am fpäten ©aRmittag getommen
mar, tonnte fiR niRt losreiben. Die ©Iten,
bie 3rüRfRIäfer, gingen fRon 3 U ©ett; er blieb
in ber £aube mit ©fra fRen; „iR faRre mit bem
©aRt 3 ug,“ fagte er, „menn Sie mir's erlauben.
©Bann tommt fo ein göttliRer ©benb mieber?
Unb ber Pan muR nun enbliR fertig merben;
bäs Enbe RerangefRrieben Raben mir genug!“
©fra nidte ftumm. Sie läRelte iRn an. 3^ r
tat es moRl, baR er bleiben mollte; aber fie
moRte iRm boR niRt mit ©Borten fagen: ja,
ja, bleiben Sie!
„3ct, unb miffen Sie,“ fuRr er fort, „mas
nun bas ©llernäRfte fein muR? Daoon fpraRen
mir Reute noR lein ©Bort. 3R*e Seelen Raben
fie ausgetaufRt; fie Raben fiR fd)ön 3 ufammen=
gefRrieben; nun oerlangt er — in meinem Reu»
tigen ©rief — fie enbliR mieber 3 ufeRen. 3R^
näRfter ©rief folgt auf biefes SeRen. Darin
muR fie — müffen Sie — befRreiben, melRen
Einbrud iRr biefe Stunbe gemaRt Rat — “
,,©un ja,“ unterbraR iRn ©fra, „unb bas
mirb fie auR. Sie -Rat iRn mie £>elen Heller
gefeRen, feine §änbe, fein §aar, all feine 3üge
betaftet unb fiR eingeprägt. Sie ift nun felig,
mie fRön er mar: mie, meiR feine Saut, mie
feibig fein |>aär, mie eb el f eine Stirn unb f 0
fort, ©tit eRrliRer, aufriRtiger 3 reube — er
Rat iRr. ja über iRre Rolbe SRönReit fRoü fo
begeiftert gefRrieben — aber boR mit mäbd)en» ;
Rafter SRüRternReit fRilbert fie iRm, mas
iRre §anb gefeRen —“
„Das ift eine groRe poetifRe ©ufgabe.
DR, Sie merb en's treffen! ©Bie oft Raben Sie
miR fRon überrafRt; mie finb Sie xoäRrenb
biefes ©riefmeRfels gemäRfen, mie Raben Sie
fiR meRr unb meRr in bie junge ©Iinbe Rinein»
gelebt ! — Dies ift nun aber ber jgöRepunlt.
Sie lönnen's nur treffen, ©fra, menn Sie es
ftubieren mit bemfelbep Ernft mie all bas
©linbe bisRer. 3R^ $cmb muR miriliR fo
feRen mie bie fganb ber £»elen —“
,,3a, bas muR fie moRl.“
„Denlen Sie, iR märe ber ©tann, ber
Rerangereifte, ber neben bem blinben $räulein
fiRt unb ben iRre §anb befRaut. ©taReu Sie
bie ©ugen 3 x 1 , ftubieren Sie's an mir !“
„©11 3Rnen?“
Er läRelte: „3R bin ja boR ber näRfte
ba 3 u. ©in ber üamerab. Der ©ertreter 3R * e5
©omanRelben.“
„3a freiliR. — Es ift mir nur fo lomifR,
fo munberßd), bie $anb an Sie 3 U legen.“
Er laRte, „Das ift gut gefagt! Junior!“
„Unfreimilliger. ©us — ©angigleit, aus —“
„Sinb Sie SRriftftellerin ober niRt?
©Bollen-Sie 3Rlb SaRe gut maRen ober niRt?“
„©R, bas miffen Sie boR.“
„Dann laRen Sie über biefe ©angigleit.
Erftiden Sie fie, mie eben bie ©Bolten ben
©lonb erftiden. Sie brauRen fein £iRt ja
niRt, Sie. feRen mit ber £>anb. £iebe ©fra,
bie ©lugen 3 U! $ier flfe ;
©fra fRloR bie ©ugen; pnft oeraRtet er
miR!‘ baRte fie. Sie taftete naR feiner §anb;
fie glitt barüber Rin, nun gan 3 in iRrer ©olle;
nur ein leifes flüRtiges 3(ttern lief burd) Rre
Ringer. — „©Bieift's?“ fagte er naR einer ©Beile,
„Sie Raben fiR fo eine ©RännerRanb moRlmeiRer
unb 3 arter gebaRt? ©Bir finb rauRe £eute.“
,,©R, reben Sie niRt fo,“ entgegnete fie
unb fuRte es mit reRt fefter, faRIiRer Stimme
3 U tun. „3^ie §anb ift — ebel. So 3 art ge»
äbert. — ©Bie. feltfam bas ift: bas mertt man
erft fo reRt mit ber £anb; bie fieRt miriliR
Dinge, bie bas ©ug' niRt fieRt.“
„Darf iR's auR oerfuRen?“ Er legte feine
£>anb auf iRre taftenbe. Sie 30 g fie aber rafd)
Rinmeg. „Das gilt niRt,“ fagte fie mit leife
erbebenbem Don. „Sie finb niRt blinb. —
©itte, ftören Sie miR niRt!“
Die ©ugen immer fefter gefRloffen, Rob
fie bie foanb 3 ^ feinem üopf unb legte fie an
fein biRtes, IeiRtgelodtes §aar. „DR, meiRe
©tenge !“ murmelte fie. — „©ber nein, ni.Rt
fpreRen. ©urfüRlen. £emen!“ 3^) re $(mbirrte
iangfam Rin unb Rer, liefe auR ein menigEeloä
burR bie Ringer gleiten. (GRlufe folgt)
92
706
Über £artb urtb 9fteer
1911. 91r. 27
£>ie SBunber be$ heiligen Aomualb. Aon $joöor Sfoiogub
(T)eutf(f) rort $riebrtd) ftrantf)
QTuf bem ASege nad) Damasfus löfte ftdE) bas
\\ §eer ber Kreu3ritterin einjelne Abteilungen
auf. Sie mollten bie Stabt oon üerfdjteb'enen
Setten erreichen, um fie auf biefe Akife leister
unb ficherer 31t erobern. Au herbem 3toang fie
3unt ASeitermarfd) in getrennten Abteilungen
aud) nocf) bie ©rroägung, bah bie Lebensmittel
für bas ganse grofje $eer auf einem ASege halb
fehr fnapp mürben. Aud) errnies es fid) als not*
menbig, bie ©egenb nad) allen Atdjtungen aus*
3ufunbfd)aften, 3umal immer häufiger füfirie unb
liftige Sara3enen oor bem Heere auftaud)ten,
um ebenfo plötzlich 3U oerfchminben.
Der fromme Aomualb aus Touraine unb mit
ihm fechstaufenbfedjshunbert Aitter, 9 Aönd)e unb
tapfere ©ürger aus berfelben ©egenb unb aus
benachbarten Orten brangen am roeiteften oon
allen anbern gen ASeften oor. Lange marfchierten
fie, länger als fie ermattet hatten, unb immer
noch erbüdten fie nid)t bas 3 *rt ihres ASeges.
ASeit in ber Auribe behnte fid) bie unfrudjt=
bare, mafferlofe ASüfte. Unter ben ^üfren ber
Kr ertrag er tnirfcht'e feiner, fefter Sänb, ber mit
einer bünnen grauen Sd)id)t ben harten Kall*
hoben bebedte. Hm unb mieber firedten oerein*
gelte Kalf* unb Kreibefelfen ihre fd)arfen Aippen
aus bem Sanbmeere heroor. Kein ©rashalm
meit unb breit. ASolfenlofer Himmel, grelle
Sonne.
Alle mitgenommenen Ahmboorräte maren oer*
3ehrt. alles ASaffer ausgetrunfen, unb junger
unb Dürft plagten bie Leute.
„ASäre bod) menigftens ein Abler am Himmel
3U fehen, ben man herunterfd)iehen tonnte!“
jagte Aitter ©uibo, nach her blauenben Leere bes
Rimmels äugenb.
„©s gibt feine Abler am Himmel,“ fagte ber
fcharfäugige Lmnfer Aoberid); „f<hon lange er*
blidte ich nichts Lebenbes mehr, rneber am Himmel
nod) auf ber ©rbe.“ Unb plöhlid) rief ber junge
Aoberid): „Da fehl! ©in Sara3ene!“
ASeit in ber gerne, im grauen Dunfte ber
ASüfte taum 3U erfennen, galoppierte auf lichtem
Aoffe ein Sara3ene im grauen URantel. Unb
plötjlid) fd)rie mieber ber junge Aoberid) laut
unb fchmer3lid) auf: ein ©feil burchbohrte feinen
Hals; fid) in Tobes3udungen minbenb, ftürgte
3ung=Aoberi<h 3urtßoben.
Der Sara3ene oerfchmanb hiuter ber Aeihe
ferner Hügel.
3 ung=Aoberidb röchelte im Sterben, unb fein
©efid)t, oor menigen Augenbliden noch fchön unb
fröhlich, mürbe grau mie ber leblofe* Sanb ber
toten 2Büfte umher.
Aidht lange bem einten bie Kreu3rittet ben
Tob. bes jungen Aoberid) — 3ögern burften fie
nicht in biefer ausgeftorbenen, unheilbrohenben
ASüfte, mußten .meiter ben ASeg fudhen nad) bem
erfefmten Damasfus ober menigftens nach Qften,
mo es Aahrung unb Tranf gab, unb märe es
auch nur muffiges ASaffer aus Sümpfen, unb
märe es aud), nur mageres gleifd) im Laufe ober
im ginge erlegter Tiere ober Sögel, ober auch
nur eine Hanbooll Aeis ober Korn für jebermann.
Aign oerfd)arrte 2>ung=Aoberid) in ben un*
gaftlichen ©oben ber bürren ASüfte,. bie Atönche
fangen ihm rafdj bie lebten Trauerlieber, unb
meiter gingen ins Ungemiffe ber fromme Aomualb
aus Touraine unb bie mit ihm maren.
Lange gingen fie, pon Alübigteit, junger unb
Dürft gemartert. Unb machten fie auch irgenbmo
Aaft unter fahlen, ungaftlichen Reifen, nicht freubig
mar bas Aufjen unb ftärfte nicht bie ermatteten
©lieber. Unb bie ©efolgfdjaft bes frommen
Aomualb begann 3U murren. SOlit bitterem ©or*
murf fprad) man 3U ihm: „ASie fteht es mit
beiner grömmigfeit unb beinern friegerifchen
ASiffen? ©in Alöndhsgemanb trägft bu unb bie
2Baffen bes Krieges 3ur gleidhen 3eit, bift ©ottes*
mann unb Aitter, mit ©elahrfamfeit unb Ärieger»
hanbmerf gleich oertraut — mas nu^t uns bas
alles? Du brachteft uns in eine bürre SBüfte, mo
fi<h halb bie Deufel bes Unterganges oieler
freuen merben, bie fid) 3ur ©rlöfung bes großen
Heiligtums erhoben haben!“
Aomualb befdnpidhtigte unb tröftete fie, fo
gut er tonnte, hoch bas Aturren nahm immer
mehr 3U.
Unb als fie fdhon gan3 ermattet maren oor
Hunger unb Dürft, begann ber böfe ©eift jener
Sßüfte fie burch falfd)e ©ebilbe 3U narren unb
3u martern. SlöhUd) erftanben unmeit oon
ihnen fchattige Aalmenmälber; grünes, faftiges
©ras mar 3U fehen, luftig fpielte ein fröhlich 3
filberner ASafferquell in ber gerne, unb faft
glaubten bie ASanberer Sogelge3mitfdher unter
ben grünen ^almenfronen 3u oernel)men.
Afit Ausrufen bes ©nt3üdens, mit Lob*
preifungen auf ben Lippen ftüqten fi<h bie Leute
auf bas grünenbe ASutiber — ba mar mit einmal
alles uerfchmunben. Dort, mo eben nod) luftige
Sädjlein , ©r Spiel mit ben Sonnenftrai)len
trieben, behnte fid) mieber. bie graue Sanbmüfte
aus, ber feine, trodene unb bittere Sanbftaub
erfdjmerte bas Atmen unb hüllte alles umher in
einen bunfeln Trauermantel ein.
©in anbres Alal erftanb oor ben ent3Üdten
Süden ber ^Silger eine reiche Stabt, grell leuch¬
teten burd) ben grauen Staubbunft bie meinen
Stabtmauem, luftig flammten im Sonnenfd>ein
bie golbenen Kuppeln ber Türme, fchmer mäl3te
ber breite gluf3 feine bleigrauen ASogen unb
miegte barauf fchmerbelabene Sarfen unb lange,
fd)male, oielruberige ©aleeren. Aor ber Stabt,
außerhalb ber ftarfen Atauern, mogte bas bunte
Treiben eines 3 ahrmarfttages, unb bie ASanberer
mähnten fchön bas bumpfe, oielftimmige ©etöfe
bes gurgelnben, tnatternben ©erebes ber Sara*
jenen, Sprer unb 2>uben 31t oernehmen.
„Damasfus ! Damasfus!“ fdjrien freubig bie
Silger unb eilten oormärts, Alübigfeit,; Hanger
unb Dürft oergeffenb.
©inselne aber brachen bei biefem Anblid mit
erblaßten ©efichtern sufammen unb ftarben
monneerfüllt im grauen Sanbe, als hatten fie
fd)on bie Stabt ihrer Sehnfucht erreicht unb alle
ihre $reuben mit oollen 3ügen genoffen.
Dod) mieber entfchrbanb im grauen Staub*
nebet bas bie müben ASanberer narrenbe ©e*
bilbe, unb finftere Aersmeiflung brang mieber in
ihre Hersen.
Unb fd)on tonnten bie Scbmachen nid)t meiter
mit unb blieben am ASege liegen, unb oiele
mürben getötet fomohl oon benen, bie 3urüd=
geblieben maren, mie auch oon benen, bie noch
mit Aomualb aus Touraine meitermarfd)ierten.
Unb oiele ftarben oor ©rmättung, Hunger unb
Dürft.
An einem Aiorgen, ba bie Sonne purpurrot
hinter ben bämmernben Hügeln aufftieg unb bas
©emölbe bes Himmels noch mattblau mar, oer*
fammelten fid) um ben frommen Aomualb feine
Begleiter, unb es maren ihrer fethstaufenbbrei*
hunbert. Sie murrten unb fpradjen 3U ibm:
„ 3 n eine ASüfte haft bu uns geführt, mo mir
fterben müffen.“
„Uns hungert.“ '
„Uns bürftei.“
Unb bie Aiöndhe fprachen 3P ihm:
„Allen giltft bu für fromm — für meffen
Sünben ftraft uns benn ber Herr? ASir mollen
ja beten, hoch unfre Arme finb fchmach unb er*
heben fidh nicht mehr gen Himmel, unb unfer
©ebächtnis ift oermirrt, unb bie A 3 orte ber ®e*
bete hoüen mir in bem Sanbe ber ASüfte oer*
Ioren. 3 n eine A 3 üfte, mo Dämonen herrfchen,
haft bu uns geführt, tapferer Aomualb!“
Unb bie Aitter fprachen 3U ihm:
„Sieger oieler Turniere unb füfmer Rührer,
bu führteft uns, mol)in bu mollteft, unb millig
folgten mir bir unb oertrauten auf bid). Dod)
in eine ASüfte führteft bu uns, mo Dämonen unb
Sarajenen herrfchen, Aerborgen hält fid) bie
feinbliche Aiacht, magt nicht, uns offenen Stampf
3u bieten, unb rühmlos oernidjten uns bie liftigen
geinbe, bie Sarajenen unb bie Dämonen unb
bie ASüfte. ASo bleibt benn beine Stunft, mo
bleibt bein Atut, Aomualb?“
Unb brohenb erhoben fich bie Stimmen aller :
„@ib uns 3U trinfen !“
,,©ib uns 3U effen!“
„ASeife uns ben ASeg!“
Heifer maren bie Stimmen her Sdjreienben,
unb madhtlbfe Drohung lag in ihnen unb ein
flägüches flehen.
Sein Haupt lieh finten ber fromme Aomualb
aus Touraine, unb lange fann er nach. Still
mürbe es um ihn herum, urtb mit 3<*9en harrten
alle auf bas, mas ihnen ihr Rührer oertünben
füllte. . : .
Unb Aomualb fprad):
„ASäs mollt ihr benn, oon mir? ASas oermag
ich 3U tun? Soll ich benn aus bem Staub, ben
eure $üfce treten, Storn für euch fchdffen?“
Atit ber Spüje feines Stabes ftridh er rafcl)
über ben Sanb, unb meifegrauer Staub erhob
fidh, unb mit trodenem ©erafchel rollten bie
leichten Storner.
Da erfchallten in ber Aienge frohlodenbe
Schreie:,'
„Aus Staub erfchuf uns 5 torn Aomualb!“
„Aefiegt hät Aomualb bie Dämonen ber
ASüfte!“ ' .
Die Leute fünften fid) auf bie • Staubförner
3U ihren gü&cn unb oerfdjlangen fie als 5 torn
ber Ähren. So trog fie bie unerträgliche Aiarter
bes Hungers, unb es fehlen ihnen, bah fie ge*
fättigt mürben.
Anbre aber fahen in ber ASüfte nur Sanb
unb Steine unb fd)miegen finfter unb ©uberten
jene -nicht, bah f ie Sanb für Arot nahmen, unb
ftritten nicht mit ihnen.
Unb aufs neue umringten bie Leute Aomualb
unb fprad)en 311 ihm:-.
„Uns martert ber Dürft, mie ein milber
©eier gerfleifd)t er unfre ©ingemeibe. ©ib rafd)
uns ASaffer ober mir gehen alle 3ugrunbe bis
auf ben lebten Aiann,“
Unb Aomualb entgegnete:
„ASo finbe id) benn ASaffer für euch? Aur
tahle Reifen finb ringsumher. Soll id) benn mit
meinem Stabe einen Quell aus bem ©eftein
fchlagen? Seht, ber Stein birgt lein ASaffer
in fid).“
Urtb mit ber Spitze feines Stabes fd)Iug er
gegen ben S'Ufen. Da fd)tien bie Leute, bie
ihren Hunger burd) oorgegauteltes Äorn täufchten,
laut unb fröhlich
„Aus bem Seifen fdhuf uns burd) einen Schlag
feines Stabes frifches Quellmaffer Aomualb!“
„Aufs neue befiegte Aomualb bie liftigen
Dämonen ber ASüfte!“
Stohenb unb brängenb prehten fie fidh an
ben Seifen, troden unb grau — unb aufs neue
tropten fie ber Qual bes Durftes, unb fie mähnten
fid) am Haren ASaffer 3U laben. Anbre aber
ftanben abfeits unb muhten, bah es lein ASaffer
gab, ftritten aber nicht mit jenen, bie mit oor*
gegaufeltem Quell ihre oerborrten 5 tel)len
netten.
’ Unb bie, bie ihren Hunger unb ihren Dürft
getäufd)t hatten, umringten aufs, neue Aomualb
unb fprachen 3U ihm:
„Aun finb mir bereit, nad) Damasfus 311 .
maubern. Süf)te uns, Aomualb, meife ben
ASeg uns!“
Traurig entgegnete Aomualb:
„ 3 d) lenne ben ASeg nicht. Qber mollt ihr,
bah euch mein Stab ben ÜBeg meife, ben id)
felber nicht lenne?“
Aiit: 3itternber Houb marf er ermattet ben
Stab oon fid) unb lieh fid) felber am Aanbe bes
Seiferts nieber unb fd)Ioh bie müben Augen.
Sröhlidh Tiefen fid) feine Aegleiter 3U:
„Der Stab bes frommen Aomualb aus Tou*
raine mirb uns ben ASeg na^ Damasfus meifen!“
„Aufs neue mirb Aomualb bie liftigen Dä*
monen ber ASüfte befiegen!“
Der junge Aitter 23 ettranb, erfahren im ©r=
fpähen ber ASege, ©rlaufeher ber fernfien ©e*
räufle, ergriff ben Stab Aomualbs urtb fchritt
ooran an ber Spihe ber Pilger, jener, bie burch
ihr Verlangen nad) einem ASunber ihren Hunger
unb ihren Dürft getäufd)t hatten, ©alb leuchteten
ihnen aus ber nebelhaften Sente bie golbenen
Spieen ber Alinarettürme oon Damasfus, unb
unter ben Atauern ber prädjtigen Stabt oer*
fammelten fie fid) ,mit ben anbern Abteilungen
bes ftreujritterheeres.
Der fromme Aomualb aus Touraine aber
unb mit ihm breitaufenbbreihunbert blieben in
ber ASüfte 3urüd, mo Sara3enen unb Dämonen
herrfditen, unb ftarben oor Hunger unb Dürft.
Aachts fd)lid)en Sdjalale 311 ihren Leichen,
oon bem ©eru^ toter Körper angelodt. Die
grelle Sonne ber ASüfte bleichte bie Knochen
ber Toten. Hnb bie Dämonen bex ASüfte
fpielten fpäter nod) lange mit bem Haufen ge*
bleidjter Knochen unb 3erftreuten fie bann in alle
Aßittbe.
708
Übet ßanb unb äfteer
1911. 9lr. 27
9irtur5llf5t: 6p<$etps w bem Ihre
'TN es Dfterfeftes frohe $eierftunbe, ba eben
Strom unb Bäche oom (£tfe befreit finb unb
im Dal neues Hoffnungsglüd erblüht, locft auch
ben uon ber ©rbenfreube für gemöhnlid) ab*
gelehrten Dottor Heinrich fyauft gu einem Spagier*
gang oor bas Stabttor. SCRit feinem $amulus -
BSagner luftmanbelt er, umfchmärmt uon feiertags
lid) gepultem Bott, burd) bie buntle BSölbung ber
Pforte in ber Stabtmauer aus ber brüdenben
(Enge ber ©affen eines mittelalterlichen ©emein*
toefens hinaus ins $reie. Saum ift bas Dor burd)*
fdjritten, fo liegt fd)on frei unb offen gu ber BSan*
berer frühen ber Frühling gebreitet, ber Blid
fdjmeift über ben 3Iuft t)inmeg bis gu bes Berges
fernen ipfaben, frifch roeht bie £uft, bie Btenfchen
oor bem Dor finb mitten in ber Batur.
©oethe nennt bie «Stabt nicht, in ber er fich
gauftens BSohnfift bentt. Doch ntan tann mot)l
annehmen, bah es lein allgu Heiner Ort ge*
toefen ift, benn es befinbet fid) bort ja eine Uni*
oerfität, bie mit oerfd)iebenen mid)ttgen.3nftituten
ausgeftattet ift, unb im allgu engen Steis, rein
äufteriid) genommen, mürbe es einen foldjen
fyeuergeift mie $auft toohl auch nicht bis /gum
Beginn bes ©reifenalters gebulbet haben, toenn
auch fchon fein Bater, ber berühmte „buntle ©Ijren*
mann", bort gemirtt hat. Bßir bürfen alfo an*
nehmen, bah Sauft unb BSagner ihren Öfter*
fpagtergang in ber nächften Umgebung einer oolt*
reichen Biittelftabt machen. Unb gleich» am $uft
ber Bingmauer läuten ihnen bie Sd)neeglödd)en
entgegen, fofort feljen fie bie Blenge in ©ärten.
unb Selbem fich tummeln. 3mei Schritte oor
bem Dor ift bie Stabt mit ihren Steingebilben,
oll ihren Anlagen oerfunten. B3ie anbers märe
bas Bilb, toenn Sauft unb BSagner ihren Spagier*
gang am Ofterfonntag bes Sah^es 1911 machen
mürben! BSie üeränbert mürben fie bie nächfte
Umgebung ihrer Stabt finben! $od)ragcnbe
eiferne ©erüfte ber mannigfaltigften Brt unb bie
fd)toeren Blauem ber oerfchi.ebenartigften Anlagen
toürben ihnen ben Blid auf bie fernen Bergpfabe
abfdjneiben, fie mürben finben, bah bie Batur
fid) bis in meite ©ntfernung oon ber Stabt gurüd*
gegogen hat, bah bie gefteigerten Bebürfniffe bes
Orts unb bie groftartigen tedjnifdjen Anlagen,
bie notmenbig gemorben finb, um biefe gefteigerten
Bebürfniffe gu befriebigen, Selber, ©arten unb
freie £üfte fern hmaus getrieben haben.
Heute finb bie Stabte nicht mehr oon truhigen
Blauem umgeben, unb bas tonnte auch gar nicht
mehr fein, benn mo in unfern Dagen bte eigent*
liehe Stabt gu ©nbe ift, ba fangen bie notmenbig er*
meife gu ihr gehörenben riefigen Buftenmerte
erft an. BSir bebürfen als Sulturmenfdjen in
unfern Käufern unb auf ben Straften fo oieler
©inrichtüngen, beren Betrieb fich jebodj möglichft
im oerborgenen oollgiehen foll, bah hierfür ln ben
Buftenbegirten mächtige Bortehrungen notmenbig
finb. Bor ben Doren, mie mir in althergebrachter
BSeife heute noch fagen, treten all bie im Stabt*
ittnern im geheimen mirfenben Kräfte mit breiter,
aufbringlidjer Sörp erlief» teit gutage.
BSenn Sauft unb BSagner heute, am beften
freilich an einem BSochentag, I)iuausfd)ritten, um
bie irbifdje Bruft in grühlingsbuft gu haben,
mürben fie gunächft oermunbert bemerten, bah
ein grober, in feiner Blaffigteit an bas Soloffeum
erinrternber Bunbbau ihnen nach einer Seite hm
ben Blid oöllig abfeftneibet. ©s ift bieS ber Sammet*
behälter ber ©asanftalt, aus beffen innerem atle
£ampen unb Seuerftellen ber Stabt, bie es be*
gehren, mit Leuchtgas oerforgt merben, ©in un*
geh eures Bohr, in bem ein Blaitn aufrecht Heften
tann, geht oon bem
Behälter aus, an ber
Stabtgfenge oergmeigt
es fich in eingelne Bbern,
bie fich) bann immer
mehr oeräfteln unb un*
fid)tbar, ohne gu ftören,
ben bequemen Brenn*
ftoff bis in bie 3im*
rrter leiten. Drauften
aber fcftlieftt fich an ben
Bunbbau noch eine
fehr grofte Sabrit mit
hohen Sd)ornfteinen,
beren menig angeneft*
mer Oualm Sauft fchon
einen Borgefcftmad oon
ben Düften hätte geben tonnen, mitbenen fpäter
Blephifto hinter feinem Ofen heroortritt. Denn
toenn in ben großen Betortenofen bas ©as ber Softie
entgegen mirb, fo gibt biefe gunädjft gelbe, ftin*
tenbe BSolten oon fich, bie noch geläutert merben
müffen. Su einem langen Btogejg erft oermanbelt
fidj bas miberüche üohlengas in bas in ber Bähe
menfchlicber BSohnungen oermenbbare £eud)tgas.
Dabei gibt es mid)tige, mertoolle Stoffe ab. Sn
abenteuerlich gebilbeten chemifhen Apparaten,
bie unheimlid) lautlos, aber fehr tntenfio arbeiten,
mirb ihm erft fchöner, fhmargglängenber De er
entgegen, bann entgapft man i|m Baphthalin,
barauf 3f)an, aus bem fürchterliche ©ifte, aber
aud) bas Berlinerblau bereitet merben. Sn grofjen
Biengen läht bann bas Äohlengas nod) Bmmoniaf*
maffer gurüd, unb aud) Sdjmefel oerfteht man
ihm abgugmaden. ©reulid) mailen bie Dunft*
molten aus ben Schloten hinauf gen Fimmel, unb
bes Stül)Iings milbe Düfte tämpfen oergebens
gegen fie an.
llnmeit hteroon fpiegelt bie frühe Sonne fich
in ben blanten Scheiben bes ©lettrigitätsmerts.
Sreunblid) fd)aut bie fiichtfpenberin burd) bie
großen Senfter auf bie mit einem hellen, fingenben
Don um unb um treifenben Blafhinen, mit beren
§ilfe ber Bienfd) es oerftanben hat, eine Rimmels*
traft in feine Dienfte gu gmingen. Dide Äupfer*
barten leiten ben hochgefpannten Strom oon ben
Dpnamos gu ber großen Blarmorplatte ber Schalt*
tafel, mo oiele hunbert $ebel unb Schalter bas
Schidfal aller berer bilben, bie in ber Stabt
©lettrigitätsanfchluh haben. BSenn ber BSärter,
ber mit gefpannter Bufmertfamteit fortmäbtenb
beobachtenb nach ben gappelnbeu Sägern ber
Bolt* unb Bmperemeter blidt, jenen gemaltigen
$ebel bort herummirft, fo ift ein ganger Stabtteil
in Duntel gehüllt. Diefer BSärter oermag mehr
gu oollbringen, als Sauft jemals oon Blephifto gu
heifchm gemagt hätte, ©r ift ein großer Sauberer.
Damit bie $anb bes BSärters aber folche BSirtung
ausüben tonn, giel)t aus ber ©lettrigitätsgentrale
hinaus ein bidjtes Beh fchmarger Drähte, bie über
fchmere Blaften hmmeg ben Strom gur Stabt
leiten, mo er mieber unterirbifd) oerteilt mirb.
BSenn Sauft an ben Sluh gefomnten ift, beffen
BSelle nicht mehr filbrig fließt, fonbern burch
manches Sabrifabmaffer getrübt i[t, fo mirb fein
Blid ficher gefejfelt burd) ein riefiges ©ifengerüft
oon bigarren Sormen, bas am Üfer aufgebaut
ift, aber mit einem Iraftoollen misleger hoch
oben meit in ben Sluh hineinragt, ©s ift ein
©ntlabetran, ber bagu bient, bie für bie Stabt
beftimmten £abungen möglichft rafd) gu entlöfchen.
Befonbers häufig mirb biefe Borrichtung oon
Sahrgeugen benu|t, bie itöhte heranbringen, jenen
Stoff, ber ja bie Urquelle für jebes £id)t unb alle
straft ift, beren mir uns bebierten. Unheimlich
faft, phantaftifch unb überrafchenb gefchminb geht
bie Br beit bes £rans oor fich- 3m ©emirr ber
©erüftftangen oerftedt fleht ein Arbeiter, ber mit
ein paar eleftrifchen Rebeln ben iloloh aufs ge*
nauefte beljerrfcbt. ©in §ebelbrud, unb ein großer
eiferner Steffel fauft ins 3uuere bes unter bem
ftran liegenden Sd)iffs hiuunter. Der geöffnete
Boben bohrt fid) mit ©ebrüll in bie Sohle, ein
gmeiter §ebelbrud läfjt bie ^ebetette angiehen,
morauf ber Seffel fich fchüefet unb mit mehreren
3entnern Sohle belaben rafd) emporfteigt, felbft*
tätig auf einer fdjrägen Bahn ein Stüd über bas
£anb gleitet unb bann auf einen britten $ebel=
brud hm feinen 3uhalt in bem bereitgeftellten
BSagen fallen läftt. Der 3uf<hauer hat faft ben
©inbrud, bah biefer eiferne Soloß ein ©ehirn be*
fi^t unb burd) felbftänbige, mohlburd)bad)te ©nt*
fchlüffe feine ^anblungen einrichtet.
!3m Sreis um bie Stabt gieht fid) eim©ürtel
jener Käufer, in benen burch fleißiger §änbe Br beit
all biejenigen Dinge ergeugt merben, bie bann in
ben Scbaufenftern ber §auptoer!ehrsftrahe lodenb
prangen, iood) htuauf ragen bie Schornfteine unb
geben Sunbe baoon, bah m ben Sabriten un*
geheure Sol)Ienbränbe lohen, um bie Dampfleffel
gu heigen, bie beit Betriebsmafdeinen ben traft*
fpenbenben Stoff guführen füllen. 3eue engen
§anbmertsbanbe, in bie Sauft gu feiner 3eit bie
Brbeiter gefeffelt fah, finb freilid) längft gerriffen.
Bus ben engen buntein BSinteln, in benen ein ge*
tnechtetes ©efdjlecht mühfelig feine Brbeit oer*
richtete, finb helle, ftolge Säle gemorben. Die Sabrit*
anlagen erheben heute ihre ©ebäube in ftolgen
ord)itettonifd)en Sormen. §oI)e, meite Senfter
blinten nach braunen unb laffen bas £id)t ooll in
bie Säle fallen. Befonbers am Bbenb gemährt
folch ein mobernes Sabritenoiertel oor bem Dor
oft einen fehr t)übf*hen Bnblid, menn aus ben
Senftern nun bas £idjt ber [ehr intenfioen Be*
leuchtung in bie Duntelheit hmausftrahlt. ©ifrig
fieht man in biefer £i<htfülle ©eftalten fid) be*
megen, bas ©ebröhn unb ©eftampfe ber großen
Blafchinen bringt hiuaus, unb bas alles oereinigt
fid) gu einem ftarten, einbrudsoollen Bttorb ber
Brbeit.
Bor bem Dor jeher größeren Stabt mirb man
ftets auch ein £aus finben, burch beffen Bforten
in gal)lreid)en Beräftelungen Schienen in eine
meite $alle laufen. £>ier hat ber größte Bagabunb,
ber fid) ftänbig auf ben Straßen ber Stabt herum*
gutreiben fcheint, ber Straßenbahnmagen, fein
£>eim, bas er in ber Bacht auffud)t. Bad) Btitter*
nacht ftellt fich m langfamer Solge ein BSagen
nadj bem anbern auf bem Bahnhof ein. Doch
nicht gleich ift btefen ©efährten hier ihre Bacht*
ruhe gegönnt, ©ntgegen ben ©emohnheiten ber
Btenfdien macht ber Strahenbahnmagen oor bem
Schlaf Doilette. Saum ift bte Sontaftftange oon
ber Oberleitung gegogen unb bie £id)tftut im
3nuern bes BSagens erlofchen, fo ftehen fchon bie
Sammerbiener mit oollen ©ießfannen an bem
BSagen unb beginnen ben Staub ber Strafte oon
feinem getpaltigen Sörper gu mafchen. 3mmer
neue BSafferfluten ergieften fid) über ben £ad,
unb halb glängt er mieber, als menn er eben aus
ber BSerfftatt täme. 3u gleicher 3eit mit biefer
fosntetifchen Behanblung mirb ber Bßagen all*
nächtlich einer ftrengen ärgtlicften Sontrolle unter*
gogen. Der Oberfd)loffer unterfucht alle Schalt*
punfte, bie Bentile ber £uftbremfe unb bie ©e=
lente ber frjanbbremfe, bamit am nächften Btorgen
ber BSagen allen Bnfprüchen auf ©efchminbigteit
unb Sicherheit genügen tann. Befonbers be*
achtensmert ift ein BSagen, ber ooman in jebem
Straftenbahnhof fteht unb mit ber Dafel „Bettungs*
magen" oerfeljen ift. BSenn irgenbmo auf ber
Strede in ber Stabt ein Unfall fid) guträgt, fo er*
tönt, fobalb bas ©efd)el)ene gemelbet ift, ein
fchrilles Slingelfignal burd) alle Bäume bes Bahn*
hofs, unb fofort ftürgen aus ber BSachtftube mehrere
£eute in fd)nellem £auf gu bem BSagen. Sie be*
feften ben Borber* unb Hinterperron, bie Sontatt-
ftange fliegt an bie £eitung, bie Signatgtode
fchallt, unb nad) taum einer Biinute ift ber Hilfs*
unb Bettungsmagen fchon auf ber Strede. ©r ift
ftänbig oerfehen mit allen ©erätfd)aften, bie bagu
bienen tonnen, bei einem Ungiüd Hüfe gu bringen.
Sein 3uneres ift belaben mit Setten Unb 3Iafd)en*
gügen, er enthält BSinben unb ifolierte Sneif*
gangen gum Dupdifchneibeu oon £eitüngsbrähten,
Hebelftangen unb einen
groften Berbanbtaften.
Buch menn $auft
unb BSagner jenen um
bie Stabt fich lagernben
Buftenring, ber all biefe
©ebäubetomplere um*
fcftlieftt, bei ihrem Spa*
giergang burch[d)ritten
haben, fo tanft ihr Blid
immer nod) nicht un*
gehinbert nad) bes Ber*
ges fernen Bfaben hm
fd>meifen. Bucft meiter
brauften nod) mad)t
fich bie Bähe ber Stabt
burch bie groften Bauten
I* m w0
toogenb, ein gelber, sigarrertförmigerNiefentörper
fd)autelt. 9 ^td)t mehr braucht ba Sauft auf 9 Jtepl)ifto
unb bas „bifechen ftfeuerluft“, bie biefer bereiten
!ann, 3U märten, um leicht t)inauf3ufteigen. Gr
läfet ficf) für eine ^affagierfahrt einfd)reiben, fliegt
empor unb fiet)t nun
.tm eoo’gen ^Ibenbftraf)!
Die fttllc SBelt 311 feinen güfeen,
©nt^ünbet alle §öi)n, beruhigt jebes Dal,
Den Silberbacf) in golbne Ströme fließen.
Unb fo tann Sauft in unferm banalen
alter, bas aller Nomantit unb aud) ber Sbplle ab=
bolb ift unb beim Spa3iergang oor bem Dor ftatt
3U SBalbbäumen unb Vlümelein 3toifd)en f)ol)c
dauern unb fd)toar3e Gifengerüfte führt, bod) bie
Erfüllung feines 3bealcounfd)es erleben, für bie er
auf mancherlei anbres gern Ver3icfet geleiftet hätte.
Unb “^arfeoal ober 3 eppelin mürben gan3 gemife
nicht als ^reis für eine Luftfahrt feine Seele
forbern.
l)ufd)t unb bas Sehnfucfetsgefühl in bie Srerne
ftärter als je fein §er3 befd)leid)t, 311 2Bagner jene
Sßorte oon emiger Schönheit:
23etrad)te, toie in 2lbenbfonne*©lut
Die grünumgebnen §ütten fchimmern!
Sie riidt unb roeicht, ber Dag ift überlebt,
Dort eilt fie hm unb förbert neues Heben.
£) bafe lein Slügel mich uom 93oben hebt,
3 hr nach unb immer nach 3 U ftreben!
Hldh! 3 u bes ©eiftes gliigeln roirb fo leicht
ftein förperlidjer Slügel ficf) gefeiten!
Nun, mir befifeen heute jenen törperlid)en
Slügel, ben Sauft fidj-fo fehnfud)tsooll münfehte.
Das lenfbare fiuftfd)iff ift eine Grfcheinung, bie
mit unferm 3ettalter bereits innig oerbunben ift,
unb menn bie Stabt, oor beren Dor Sauft fpa3iert,
recht mobern ift, fo erhebt ficf) bort meit, t)od) unb
luftig eine Huftfdjiffhalle, in beren innerem, oon
hunbert Gemid)ten gehalten, leife auf unb ab
ber Gifenbahnüberführmtgen funb, über beren
Gifentonftruftion bie 3 üge bonnernb unb pol=
ternb ber Stabt 3uftreben. 3 n tunftoollen Ver=
fdjlingungen fteigen bie nach ben Gefefeen ber
Statif genau bered)neten Gurtungen aus Gifen
unb Stahl hoch empor, bamit ber Stufe unb bie
Hanbftrafee frei unter ben fcfemebenb aufgehängten
Geleifen Ipuburcblaufen tonnen. Signale mit
runben Scheiben unb magerechten Firmen finb an
ben blanfen Streifen ber Geleife aufgepflan3t,
ber fcferille Älang ber Signalglode tönt über bas
Selb, unb mie eine unabfef)bare fd)mar3e Sd)lange
trottet ein Güter3ug oon 3meil)urtbert Stdhfen, oort
einer teudfeenben 9 Nafd)ine ge3ogen, ber Stabt 3m
2 ßenn bem fpa3ierenben Sauft oon all ben
neuen Ginbrüden ber 5 \opf nid)t bereits mirbelidft
gemorben ift unb er feinen Spa3iergang nod) ein
menig meiter ausbehnt, fo tann er leicht nod) ein
fehr Grfreulid)es erleben. 3 u Goethes 2 Bert fagt
Sauft, als bie erfte Dämmerung über bie Seiber
So mar es auch in ber Dat. Der alte Sörfter,
bem er ben £junb auf bie Seele gebunben hatte,
roar tur3 oorher bei ihm gemefen unb hatte ihm
mit fXränen in ben Nugen berichtet, bafe „Seffa“
einen oergifteten Vroden aufgenommen unb trofe
aller Gegenmittel eingegangen fei.
„VSarurn foll man ficf) aber einen Naffehurtb
anfehaffen?“ höre id) manchen fragen. 2Bie häufig
tann man nid)t bie Grtlärung oernelpnen: „SRir
ift mein Vaftarb aus Derrier, Dadjshunb unb fo
meiter ebertfo lieb mie ein hochprämiierter Naffe-
hunb.“
Die Nntmort hierauf ift nid)t fo einfad). Gine
oon mir fehr oerehrte Autorität erroibert beifpiels*
toeife, bafe ein gixtöter nicht bie SOiarte unb ben
Nlaultorb mert fei, ben er trägt. Diefe ^Behauptung
rnufe eben erft bemiefen merben. 2 Beit über3eugen=
ber tlingt ber 3meite Grunb, bafe bie Ströter oiel
biffiger feien. allgemeinen trifft bas 3U, aber
es gtbt aud) eine Ntenge, benen man biefe Gigen*
fefeaft nicht nachfagen tann.
Ilm bie Vor3üge ber Naffetmnbe 311 beleud)ten,
mufe man etmas austjolen. Dabei liegt es mir
gän3lid) fern, mid) in eine miffenfd)aftlidf)e Gr=
örterung über 2 Bert ober Unrnert oon iierraffem
3ud)t 3U oerlieren, aber id) möchte bod) einen um
gefäferen begriff baoon geben, um melche Sragen
es fid) herbei hanbelt. Das bürfte am beften
burd) Vergleiche mit analogen Dingen gefdhefjen.
2 Bäl)renb ber Ntenfcfe ein Unioerfalgefchöpf ift,
mufe man bas Dier als Spe3ialiften be3eid)nen.
Der SNenfcfe tann ein ausge3eid)neter Nenner,
ftletterer, Springer, Dä^er, Scfemimmer unb fo
meiter merben, bas Dier l) Q t ftets nur ein be=
fd)ränttes Gebiet. Der §unb läuft beffer als ber
Ntenfd), aber man tann ifeu niemals 3um Gr=
tlettern oon Väumen abrid)ten, bie Jfafee ift oiel
gefd)idter als ber Ntenfd), aber man tarnt fie
niemals 3um Dauerrenner ausbilbett unb fo meiter.
5 fann man ben Ntenfchen bemnad) mit einem
Unioerfalapparat oergleid)en, fo bas Dier mit
einem beftimmten Gerät, ben £junb beifpielsmeife
mit einem SCReffer ober einer Schere. 2 Bie man
nun für beftimmte ßmede oerfd)iebene Wirten oon
SLReffern unb fo meiter anfertigt, alfo 3 agbmeffer,
Dafchenmeffer, Nafiermeffer, Vratenmeffer, fo hat
Gnglifdhe Pointer
S o manchmal höbe id) mir bie $rage oorgelegt, Gs ift bireft als ein Unglüä 3U be3eid)nen, bafe
mofeer es tommt, bafe ber Deutfche, ber bod) ber Deutfdje, ber fid) einen £unb anfd)affen mill,
fonft bas Nuslänbifcfee überfefeäfet, gerabe bei ber ifen entmeber gefefeentt hoben möd)te ober t)öd)ftens
$Bal)l eines irjunbes — oon Ausnahmen natürlid) 3toan3ig SCRart bafür anlegen mill. Dafür tann er
abgefehen — niemals einen Naffeljunb oerlangt, natürlid teinen Naffeljunb betommen. Der an=
3 n Honbon foll man nur Naffel)unbe 3U fehen fcf)eirtenb hohe Vreis für einen eblen §urtb ftel)t
betommen, unb fo füllte man bei ber Gnglänberei, in 2 Birtlid)teit fetten im rid)tigen Verhältnis 31t
bie bei uns immer noch in hohe* 93 Iüte ftel)t, als ben oerurfad)ten Ntühen unb ftoften. Von Ve=
ficher annehmen, bafe ein girtöter aud) in unfern tannten, bie fid) mit ber 3üd)tung ebler 3ogb=
klugen teine Gnabe fänbe. biefent g-alle märe hunbe befaffen, meife id) aus jahrelanger s 2 ln=
ber Deutfche mit ber Nachahmung fogar nid)t fdjauung, bafe fie tleine Vermögen ihren Veftre=
fehlest gefahren — meshalb geht er hier feine bungen 3um Dpfer gebrad)t haben, ohne irgenb=
eignen 2Bege?
Der oortreffliche Heiter bes Verliner 3 ooIogi= _^
fdien Gartens, ^rofeffor Dr. $ed, ift mohl im
Ned)t, menn er barauf bie Nntmort gibt: Vßeil jeber
Deutfd)e mit einem §unbeoerftanb geboren mirb. / Hp \
$err Sd)ul3e meife fofort, ob ein §unb „ed)t“ ober / 8B \
„unecht“ ift, unb hat bafür bie allerraffinierteften / jSs m
3enn3eichen, mie fd)mar3e 3unge, Ohrentafd)e, JHp« \
hoppelte VSolfstlaue unb fo meiter, §err Vtüller
meife es momöglid) nod) beffer. Unb babei rnaren
biefe Herren niemals SCRitglieber eines §unbe=
liebfeaberoereins, befifeen nid)t bas tleinfteVud) über ^
§unbe unb benten nicht baran, fid) eine $unbe=
3eitung 3U halten ober aud) nur im 5 touoerfations=
leritort über §unbe nad)3ulefeu. VSarurn auch?
Vtohrdhen
melche nennensmerte finan3ielle Grfolge
3U er3ielen. Dabei oerftanbenfie bie Sache
oonrGrunbe aus unb befafeen bie nötigen
äRittel unb Neoiere ba3u. Vtan tönnte faft
behaupten, bafe mer teine Sorgen hat unb
melche tennen lernen möd)te, nur £junbe=
3üd)ter 3U merben braucht, bann mirb
er fie gernife tennen lernen. Gin lieber
$reunb oon mir hatte mit unenblichen
Vtütien unb Soften enblid) eine munber=
bare 5 tuql)aarl)ünbin ge3üchtet. Gines
Dages befud)te ich ihn unb fanb gan3
gegen bie bisherige Gemohnheit ihn unb
feine Familie f^meigfam unb nieber=
gebrüdt. Gs mar tlar, bafe ifen ein grofees
9 Jtifegefd)id betroffen hatte, unb mir
fdfemante fofort, bafe mofel mit ber Hieb=
Iingsl)ünbin etmas paffiert fein möchte.
Vullbogge
710
Über £anb urtb 9Jleer
1911. $Rr. 27
briicft fid) regelmäßig in
bem^lbelunb in ber Scßön=
ßeitfeiner ©eftaltaus. üütan
foll baßer einen 9 laffeßunb
toäßlen, toeil er erftens be=
beutenb fcßöner ift, 3toei*
tens eine oiel ßößere £ei=
ftungsfäßigleit auftoeift,
brittens falls er einerburcß*
ge3ücßteten9laffe angeßört,
allein eine anbre 5 Raffe
oerbeffern ober eine neue
begrünben lann, oiertens
jebem Verlernter fofort
an^eigt, toelcße 93or3üge
unb toeldie Slacßteile er
befißt.
©ruppe ebler ^agbßunbe
©nglifdje §irfd)ßunbe (deerhounds);
bürfen beifpielstoeife in ber ©roßftabt einer be=
fonberen Haarpflege, ba fie länger ßaaren als in
natürlicßen 33erl)ältniffeu auf beut Sattbe, ganj
abgefeßen baoon, baß bas Haaren eines in ber
SBoßnung geßaltenen Hunbes fd)ort bei lur3=
ßaarigen lein Vergnügen ift. Der ^Pubel ift feßr
llug, aber, toie ber 3a9bf)unb, fd)tuer auf bert
SRann 3U breffiereu. Der ^agbßunb ift überbies
non einer folgen 3o9bleibenfcßaft befeelt, baß er
felbft mit fremben Heuten auf bie 2>09b 9*ßt-
Desßalb paßt er 3um 9 Badjßunb nid)t, and) ift er
troß feiuer guten 9 tafe ntcßt 3um $oli3eißunb 311
gebraud)en, toeil ißn bie gäßrten bes SBilbes oiel
meßr als bie bes 9 Renf d)en intcreffieren. SBittb*
ßunbe bebürfen bes Auslaufs unb finb toertig
anßänglicß, tooßl toeil iß:? 93 orfaßren getoößnlicß
allein, nid)t, toie bie anbern SBilbßuitbe, in
Rubeln jagten. Dacßsßunbe finb toenig geßorfam
unb nagen gern, ßaben aber bcn großen 23 or=
3ug, baß fie, toie unfer 23 orer, roenig Auslauf
braucßen. Spiße unb Sd)äferßunbe finb toad>
fam unb fdßarf, nur ber Sollt) fcßeint ßäufig feig
3 U fein, gür Leiter finb ^infcßer unb Terriers
bie beften Begleiter. Dod) geßen oiele Derriers
troß ißrer (Sdpteibigleit nid)t ins SBaffer.
3e burd)ge3üd)teter eine klaffe ift, befto größer
ift bie 9 lusfid)t, baß ber SRacßtoucßs alle fRaffen*
merlmale auftoeift. Um eine ©etoäßr für bie 3 U=
geßörigleit 3U bieten, füßren bi? Spe3ialllubs
3 ucßtbücßer für ißre fRaffen. ©in Hunb, ber alle
9 Rerlmale einer burd)ge3üd)teten SRaffe auftoeift,
ift um fo ebler, je älter fein Stammbaum ift.
äRandjmal finbet allerbings ber Hunb leine * 3 tuf=
naßme, toeil ißm geroiffe SJlerlmale feßleit ober
getoiffe unbebeutenbe Dinge als $reßler gelten.
Seiftet ein Hwü> troßbem H^orrageubes, fo bin
icß nid)t fo großer SRaffefanatiler, um ein foldßes
Urteil 31t unterfcßreiben, beim bie iRaffenmerlmale
füllen ja nur bie Vermutung für bie Seiftungs*
fäßigleit bilben. Der 3 nßaU, bie £eiftungsfüßig=
leit, ift bod) entfdßeibeitb, nid)t bie gorm.
Solcße Slusnaßmen lann jebocß nur ber Kenner
beurteilen. Der £aie toirb gut tun, eingetragene
ober eintragungsbered)tigte Hunbe 311 toäßlen. 3 ^n
minbeften aber foll er ben angebotenen Hunb
einem Spe3ialllub oorfüßren, too ißm bereitioillig
ein facßoerftänbiges Urteil 3iiteil toirb, aucß 311=
oerläffige 23 e 3 ugsquellett angegeben toerbeit.
2 Bie toenig icß tRaffefanatiler bin, geßt tooßl
baraus ßeroor, baß id) freimütig getoiffe 9 Rad)teile
ßod)ge3üd)teter H un be 3ugebe. So ift ein tränier
Dorfßunb eine große Seltenßeit, toas man 00m
SRaffeßunbe leiber nid)t fageu lann.
Deutfcße Dogge (Hünbin)
2 Ber einen Hunb 3U einem beftimmtert
3toede braucßt, lann laum barüber im
3 toeifel fein, toelcße tRaffe er toäßlt.
Slnbers liegt bie Sad)e für Siebßaber.
Hier lommt es 3unäd)ft barauf an, ob
man auf bem fiartbe ober in ber Stabt,
toomöglicß in ber ©roßftabt tooßnt. Denn
alle Hunbe geheißen unter natürlicßen
93erßältniffen am beften, alfo auf bem
£anbe, unb 3toar in ber Ausübung ißrer
angeborenen Dätigleit, toäßrenb fie, auf
bem Faulbett 3m Untätigleit oerbammt,
regelmäßig begenerieren. SBieoiel 3^
lann man feinem Siebling toibmen, auf
toelcße ©igenfcßaften legt man befonberen
2 Bert?: 5 llle Iangßaarigen Hunbe be=
3 unge englifd)e Pointer unb Setter
3 unge cßinefifdje^Spiße (Dfd)aus)
I
S ift leirte löftlidjere Staffage in ber ooröfter«
liehen £anbfd)aft als fo etrt — Dfterhafe.
Sflutx benn, lieber Gefer, glaube mir — bas
fabelhafte Dier, es lebt! Unb menn es auch ben
©nfchein hot, als ob es bloß in ber Literatur, ber
©Ipthologie unb ber ßegenbe lebte: — mit einem
meid) gäben, Rimberte unb Daufenbe oon iahten
mährenben £eben lebt es bod)! 3 a, es ift oon
einer foldjen Vitalität — einfach nicht umgu«
bringen, mie man 311 fagen pflegt! Du mähnft
ihn noch mit inquifitorifd) abgegogener §aut
unb an feinem gangen $Iei[d)e märtprerhaft
burchfpidt im breiten Sdhaufenfter ber Stabt«
füdje hängen — ba flitgt er bir mit eins über
beinen mit $auftens Oftermonolog fdhroung«
ooll angetretenen ©Seg!... Unb beuchte bir babei
fein $ell gleichfalls fo merfmürbtg foftbar filber«
grau?... Unb haft bu gefehen, meid) riefig auf«
gefperrte ßenbad)brille er auf ber ©afe hatte? ...
Unb mas er bloß mit biefer bollen ©tenge ©taler«
ausftattung unter ber 5Xcf)fei mollte!... Unb mogu
gar jene &iepe gut fein follte, fo er groß auf«
gehudt trug unb aus ber er (oor beinen Schuh«
fpißen juftament!) eine £janbooII hobelfpäne oer«
lor... ^jobelfpäne, oon benen man gmar getroft
behaupten bürfte, baß fie oon ben allerfeinfien
frjobelfpänen meld)e maren — nur bah man es
fid) nicht enträtfeln fonnte, marum in aller ©Seit
biefe folche §obe!fpäne lünftlid)«giftig grasgrün
gefärbt fein muhten ...!
Unb bu ftehft noch genugfam perplex, unb ber
©aud) — ein 3rüf)lingsmölf<hen! — aus feiner
ftolgbetrobbelten 3ägerpfeife — biefes letztere
3nftrument füllte natürlich eine Keine Ironie oor«
ftellen! — mabert bir in kniehohe nod) nedifch
überm ©Seg: ba ift $reunb £ampe auch fcfjon über
beinen horigont hinab oerfchrounben, fdhneller als
ein ©lihgug, unb bamit mirb es mohl aud) feine
gemiffermahen fahrplanmähige ©icfdigfeit haben
rnüffen: mär' er fonft benn oon ben altgermanifchen
©ottl)eiten als bas fdhnellfühigfte unter ben Vieren
gum ©oten auserfehen morben, ben ©tenfchen bie
©nfunft bes £enges gu oermelben?
*
Dod) bamit mären mir ja bereits glüdlid) bei
ber „©efd)iä)te" bes Ofterhafen gelanbet. Unb in
ber Datbie läht fid) furios genug an! JOber
follte man bas fchlechthin als mirafulös begeichnen
rnüffen? —
©tan fennt folche guftotums, bie unter einem
— gering gerechnet — Dreioiertelbußenb ber unter«
fchieblichften §ausgemaltigen mie ein rechtes
©Sunber immerbar bei bem einen felbigen $aufe
oerblieben finb: fo bagugehörig als mie unfid)t«
bar..... Ober — beffer nod) man erinnert fid)
aus irgenbeinem galanten Vornan irgenbeines
©Herrneltsmannes, ber — oon einem etmas oer«
fürgten Iinfen Sein abgefehen, bas er fid) aber bei
einem ftreng perfönlidjen ©hrenhanbel holte —
fonft unter fieben Staatsformen, Dpnaftien teils
unb teils republifanifchen ©erfaffungen, nicht nur
mit heilgebliebener haut, fonbern aud) noch gang
in ber Orbnung aoancierenb ein unb basfelbe
michtige 2tmt befleibete ...
Unb fiehft bu nun — an berartige „Äarnidels"
muh i<h allemal auf ein ©eues benfen, mann fo
ein Ofterhafe meine Schritte freugt!
Denn fo einem Ofterhafen — mahrhaftig! —
bem erging's guminbeft ebenfo toll als fo einem
türflinfenpußenben „fyaftotum" ober als jenem mit
Degenunb Sdhiffhut behafteten „©llermeltsmann".
Sielmehr: es „erging“ ihm eben gar nicht!
©enau mie jenen anbern beiben! Unb er rennt
heute im habit eines rabiat gemorbenen ©tündmer
©talerjünglings (mit einer „natürlichen“ ftiepe,
inbern ein ©udfad bo<h eigentlich „bie reine Un*
natur" oerfinnbilblicht!) gleich ermeife fo baf)in mie
er einftmals an ber Seite oon lichten ©öttinnen
hüpfte!
©Sir alle miffen, bah mit bem ©uffommen ber
chriftlid)eren3eitläufte ein giemlidjer $Uabberabatfd)
•—ber Sturg f amtlicher £>eibengötter — oerbunben
mar. Da gingen Ditel, ©Sürben, (Bemalten unb
©ebeutungen flöten, bah es nur fo eine ©rt hatte.
Ob fid» herr hafe babei burd) feine berühmte
Schnellfühigteit rettete, mie oon gemiffenlofen
Spöttern oielfad) behauptet mirb?
3Bir fönnen es nur oermuten.
2luf jeben $rall aber ift feine oon ben ©ott«
helfen fo gänglid) unoerfehrt baoongefommen mie
gerabe er. Unb babei mar er in ber 3JiptI)e nid)t
nur fo ein filometerfreffenber Sterfurius gemefen,
fonbern — als fruchtbarftes Sier! — fpmbolifdh! —
in nod) gang anbern Segiehungem gu Reiben«
göttinnen anbetroffen morben. Um hier nur ein
Seifpiel gu nennen, mar esbireft offigiell, bah ber
einen ©öttin ($o!ba?) gmei §afen bie Schleppe
hielten, mährenb gmei anbre ihr ßichter oorauf«
trugen... unb eine anbre Sage lieh biefelbe
©öttin nachts in ©efellfdhaft eines filbergrauen
^afen burdh bie Fluren manbeln. 3a, ein meifer
Kenner all folcher mpthif<h^Tt Dinge fagt, bah ber
^afe bamals „ein burchaus ins ©Ibenreich gehöriges
Dier“ gemefen... unb bemtod) mar ihm beim
groben ©ötterfrad) bann nichts gefdjehen!
©s fcheint gerabe, mie bah überhaupt nicht
unter bie iXonfursmaffe geraten mar unb alfo auch
nicht mie bie anbern all mehr ober meniger oer«
ramfcht merben fonnte.
©r mar fo richtig bas ^attotum, bem feine
$ausoerfteigerung mas antat.
1 ©r mar ber Xpp bes ülllermeltsmannes, ber
unter fieben SRegierungsformen ruhig meiter feine
Karriere mahlte.
©r mar nicht etma ber Soge! Phönix, ber neu
aus feiner 9tfd)e erftanb — fonbern er mar eben bas
ftarnidel, bas überhaupt mit feinem Fünfen an«
gebrannt morben mar.
SOtan meint orbentlich, man hört ihn fagen:
„Stein Same ift §afe ... id) meiß oon nichts ..."
Der heibnifche „i£>afe ber Oftara" blieb and) in
d)riftlid)er 3eit ber „Ofterhafe". Unb mürben einft
am ©ertrubistage, bem Stage ber ©öttin ber
$rud)tbarfeit, bie ©ier, bie bas frudjtbarfte Di er
— ber !?jafe — gelegt hoben follte, als Spmbole
bes £ebens rot gefärbt, fo oerftedt man heute noch
bie Oftereier gleichetmeife als Spmbole bes Debens
in fünftlid) gemachten ^afenneftern unb fagt bagu,
ber $afe höbe fie gelegt...
*
3a, mit biefer feiner ©ierobliegenheit (fein
fehr glüdlich gemählter Susbrud im ©runbe für
©ierablegen!) nimmt's ber §afe nun feit |>unberten
unb Daufenben oon 3oh^en fchon peinlich genau.
5iaum bah bas hohe 3orftgefet) Schonzeit an«
gefagt hat, hebt ba eine ‘ißrobuftion an, bie munber«
barlid) ift unb alle fiprifer gum ©eifpiel, mas 3rüh=
lingsgebichte angeht, fehr erröten macht.
Du glaubft mir nicht recht?
Dann marte ein menig — oielleicht fannft bu
ihn heimlich belaufenen! — Stellen am ©ach mie
biefe hier — ein menig oon ©almfäßd)en oerbedt —
liebt er befonbers! ^
... 2Bie fagft bu? — aber bu muht leife reben,
fonft hört er uns! — fein ©efid)t erinnere bid) gang
unb gar an einen ©efannten oon bir, einen
Direftor 2B ...?
Stein lieber ^freunb j 0o mie bir ift es einem
jeben nod) ergangen; es hat eben ein jeber oon uns
einen ©efannten, an beffen ©efid)t man beim
Snblid biefes —
Sber, 0 meh! Da hat er uns richtig gehört!
„Sber mas laufen Sie benn baoon, meine §er«
ren? kommen Sie bod), bitte, näher! SSemt id)
3fmett fage, bah Sie mich nicht im minbeften ftören!"
(Der ift ja ungeheuer glängenb aufgelegt! —
m\o machen mir einen ergebenften Diener!)
„3<h bin für heute fertig — unb id) bin über«
haupt an einer ©renge hier angelangt... ©is
hierher unb nidht meiter — hier nämlich hot meine
fonft fo meitoerbreitete 5Uinbfd)aft ein ©nbe!"
3<h erfunbige mich, nnefo bas möglich märe.
©r: „Dja, mein oerehrter §err, Sie ©egenb
hier hinüber, bie ■— glaubt nicht an mid)!"
3ch erlaube mir, bie ©ermutung ausgufpredjen,
bah bas bann ober erft feit neuefter 3eit fein
fönne unb bah es mirflid) gu bebauern fei, bah
bie fogenannte ülufflärung —
©r: ,,?lh) nein, mein £>err, bie glauben nur
nicht an mich — 3af)a, meine Herren, ich habe
ebenfalls fo meine ftonfurrentern"
Unb bas ift uns beiben in ber Dat mas Seues,
bas er uns ba ergählt: Das ©iermonopol fogufagen
habe er (ber Ofterhafe) feinesmegs, fonbern es
teilen fi<h mit ihm in bie ©hre bes ©ierlegens in
ein paar beutfehen ©auen feit je Storch, Äudud,
$ ahn- Unb bas fei — am 3pffhäufer — nun fd)on
gar eine fomifche ©egenb, mo Ser §ahn ©ier lege —
Unb unfer guter £afe mälgt fid) förmlich oor
Sachen unb fragt uns, ob bas nicht gum Schiehen
fei: ein eierlegenber £>ahn ...!
Unb er mieberholt bie Lebensart „gum
Schiehen", bei ber mir offengeftanben guerft gu«
fammengudten, fo brollig, Sah mir ebenfalls in fein
©elächter herghoft mit einftimmen rnüffen...
Unb halb fliegen bie gumeift faulen SBiße nur
fo herüber unb hinüber, oon benen ber immer nod)
Ser befte mar, mie bah *> oc h oud) ber Storch un«
möglich ©ier legen fönne, ba er bod) bie IebenSigen
5linber bringe.
Da aber mirb unfer $afe fehr oerfchmißt unb
fagt, bas mache er ebenfalls — im ©ebenberuf:
im |>afenteich bei ©Itenbraf im Oberharg fißen bie
ungeborenen ftinber, ber ©ensheimer Sinber«
brunnen liege in ber §afengaffe, unb gu idißlegg
in Schmähen hole man bie ftinSer aus bem $afert=
neft unb fo meiter. Unb mir fönnen ihm felbft
bann meiter fein ©ebauern anmerfen, ja nicht
einmal ben geringften mehmütigen Unterton her«
aushören, als er uns berichtet, bah man im ©iittel«
alter feft bar an glaubte, bah er bie ©ier felber lege,
unb bah in manchen ©iufeen bis oor furgem nod)
foldhe gelegte ©ier als rechte Sehensmürbigfeit
gur Schau ausgeftellt maren.
©Sie er aber fo fd)ön 00 m ©iittelalter ergählt,
benf' ich, nun ift bis gur heibnifd)en 3eit nur nod)
ein Schritt... inbes er merft mein Drängeln unS
biegt mir liftig aus unb oerrät oon jener gangen
3eit unb ber groben Ummälgung nicht mehr als:
„früher opferte man bie ©ier ber heibnifd)en
Dffara — fpäter brachte .man fie als Spenbe bem
©farrer."
Unb ba peinigt mich — inmitten unfrer luftigen
Unterhaltung — mieber jenes ©ätfeloolle.... unb
es oerführt mich mieber gu jener ausfid)tslofen
©hRfiognomif...
Unb ich täte unb rate: ©r macht oberflächliche
©Siße über feine eigne ©erfön. 3ft bas ein StU
chen, bah er tief an fidh felber glaubt?
„Spielt" er überhaupt nur mit uns? $hn«
lieh mie ex mit fich felber fpielt! — Unb gehört er
aber im geheimen heute noch ins „©Ibenreich"?
Dod) ba reiht man mich gum ©Iüd aus meinem
quälerifd)en Sinnen.,. er ift es, ber fid) mit
einemrnal eileitbs oon uns oerabfdhiebet... unb
nun ift es an bir, 3xeunb, mir gu ergäl)len, oon
mas ihr oorljin noch alles geplaubert habt... ich
überhörte oiel unb hätte nur noch feinen lebten
©Sunfdh: ^töhlidhe ©ftern!...
Ifo id) tarn 3U fpät, ber Heine ©reis bei
meinem Scfeulfreunb unb fleip3iger ©aftfreunb
war fcfeon bei ben Drauben unb ©firficfeen unb im
3weüen ober brüten ©emütsftabium eines ©benb»
effens mit oor^üglidjen Weinen.
Das laute ©efpräcfe tarn auf War Älingers
neues, großes ©emälbe in ber Unioerfitätsaula,
unö unter refpettoollem ©ebauern, bod) aud) mit
einigem ©eläcfeter, tourbe ber Äronprinj ©ler»
anber oon Wasebonien auf biefem ©ilbe als
„oiel 3U Hein" abgelefent unb in; bie äftfjetifdje
gölte geworfen: fo [teile fein 3 JienfdE) fid) „©ler»
anber ben ©roßen" oor, aud) wenn es burd)
3efen alte ©ücfeer[d)retber belegt wäre, bafe biefer
epodjale gelb, wie alle Waöebonier, eine nad)
griecfeifcfeem Wafeftabe fleine ©eftalt gehabt l)abe.
©ucfe ber auffällig wortfarge ©aftgeber fpradfe
feine ©nficfet baljirt aus, baff feier bem Äünftler
itlinger feine ail3U grofee ©eleferfamteit wofei einen
Streid) gefpielt l)abe. ©orftcfetig fügte er fein3U,
bafj er bas ©ilb nod) nicfet fenne.
©Is wir am näd)ften ©ormütag bie ©ula ber
Unioerfität betraten, I)atte id) augenblidlid), oor
jebem ©acfebenten, ben ©inbrud bes gan3 bebeu»
tenben, feer3aufwüfelenben Äunftwerfs: fcfewei»
genb ftanben wir, id) weife nicfet wie lange, unb —
töpfebrefeenb. Denn mit bem ©ugenbrefeen ift's
nicfet getan bei biefer lebenbig geworbenen £ängs»
wanb eines geftfaales. Unb gerabe bie gewaltige
Dimenfion biefes ftlingerbilbes batte wofe! neben
ber garbenpracfet, bem flicfetleucfeten unb ber
prad)toollen Symmetrie all biefer liegenben, fifeen»
ben unb ftefeenben ©eftalten jene erfte, fofort ein»
tretenbe Äunftfreube in mir auslöfen helfen: es
ift ein JReicfetum, ein bunter, wunberooller ©eicfe»
tum! * 3ft es ©ried)enlanb? es bie gan3e
Wenfcfefeeü? ©Is fie 3um erften 3 JfaIe blüfete?
Wan mar ge3wungen, alle ©eftalten unb
©eftaltengruppen nun erft im ein3elnen 3U be»
greifen, aus3ubeuten unb in ©e3iefeung 3U fefeen.
Das ©üb ift wie ein [cfewebenber ©bler: ein fdjmales
ajtittelftüd, bas aber bes gan3en Wertes aud) ibeelle,
wirtliche Witte ift, fein ©rüftftüd unb fein ger3,
unb recfets unb linfs bie breitfeinlangertben glügel.
3m glügel 3u unfrer ©inten fefeen wir einen
greifen Sänger begeiftert oortragen, er feebt ben
Stopf in jener ©rt, wie es bie ©linben tun, fiefet
nicfet bie fünf3efen 3ufeörer oor feinen güfeen,
wofei aber fiefet er bie fcfeaumgeborene ©pferobite,
bie feinter ben 3ufeörern aus bem laifeenben,
infelbefäten ©rieifeenmeere ifem auffteigt, nad) ber
er langt mit beiben Firmen; Dtiangel unb Siitfeara
begleiten feine gerameter. 3nt ©orbergrunbe
lagert eine ©eftaltengruppe, aucfe 3ufeörenb, ein
blonber ©urfdfee, ein Wann unb ein ©reis, wie
eingeorbnet in bas breite Dreied eines borifcfeen
©iebelfelbes, bas biofee gören unb ©ufnefemen
ift in bem ©urfcfeen geftaltet, ber Wann prüft
unwillfürlicfe bie Scfeärfe feines Scfewertes, ber
©tte aber, beffen Stopf in ben ©ipfel bes ffiiebel»
felbes gefefet ift unb eine fo broIlig=tnoIIige, rounbet»
fcfeön=feäfeticfee ©afe feat, ift offenbar ein Äunft»
tenner, wofelwollenb, aber bocfe burdfeaus tritifcfe;
alle Dfeeatertritüer in ©erlin unb £eip3ig fefeen
im fpäteren ©eben fo aus!
Wü welcfeer gan3 reifen Wenfdfeentenntnis ift
in biefer ©iebelgruppe bas breiartige äftfeetifcfee
©erfeaiten biefer brei ©Itersifepen geftaltet! Unb
welches tlaffifcfee 3ufammentlingen eines gefealt»
oollen Was mit einem reifen Wie ift feier erreicfet!
Die 3 nfeln aber braufeen im feellen, unenblidfeen
©raublau finb in ber ©benbfonne fo rofigrot wie
blüfeenbe Wanbelbäunte.
3m ©blerflügel 3U unfrer ©ecfeten fallen 3wei
Dentergeftalten 3uerft ins ©uge, bie eine 3m
©rbe weifenb, als [präcfee fie: ©s gibt teine ©r»
tenntnis, als Wafemefemen unb Scfeüefeen aus bem
Sichtbaren. Wie ber Sänger 3ur flinlen gomer
fein mufete, fo mufe biefer ©rofefcfeäbel unb Stafeb
topf ©riftoteles fein, ber ©aturforfdfeer. Die anbre
ffieftalt aber, bie mit ifem burcfe ben ibpllifdfeen,
bacfeburifefloffenen gain fpa3ieren wanbeit, feat
ifere ganb unter ber ©ruft liegen, feat wofei oorfeer,
efee ©riftoteles rebete, mit einer feeftigeren ©e=
megung auf biefe ©ruft gemiefen — es ift ofene
3weifel ©lato — bie Dfeefe oerteibigenb, bafe
unfre Seele glügel feabe, bafe fie weit göfeeres
ertennen tönne, als unfers £eibes armfelige fünf
Sinne ifer melben! Denn nur ein Deil ber Welt»
feele fei fie, bes 3eus fo3ufagen.
Unb als eine feine ©fearatteriftit unfrer gegen»
wärtigen „eralten“ ©feilofopfeie, unfrer Wunbt»
3afer3efente, will mir's erfcfeeinen, bafe es nicfet
©lato ift, ber eben rebet, fonbern ber anbre, ber
©aturforfcfeer, ober wie gedfener fagen unb loben
mürbe ber ©feilofopfe oon unten.
ginficfetlid) ber ©eftaltung, bes malerifdjen
Wie, entfpradj oon biefen 3mei Dentertöpfen nur
Slriftoteles meiner inneren gorberung, ber Weife»
hart aber unb ©lato, ben SUinger feierfeerftellte,
gibt ben ©ntbeder ber „objettioen 3bee" mir nicfet,
ber als ber erfte in ber Wenfd)feeit ben feerrlid)
warmen ©ebanten bad)te, bafe in Wenfd)en,
Dieren, ©flan3en unb allen „leblofen" Dingen
ein 3tt>ed märe, ein Sinn, ein Seelifcfees, eine
3 weigfeele ber Weltfeele! Diefer meifefeäuptige
unb meifebärtige, mürbige §err ift nid)t ©lato,
ber metapfepfifcfee gellfefeer, es ift erft reifet nicfet
©lato, ber ©erfaffer unb Dicfeter bes „Spmpofion";
ein fcfeöner Unioerfüätsreöor ift es.
Docfe biefer Spa3iergang wirb geftört, eine
g-rauenfeanb legt fid) oon feinten auf bes Statur»
forfcfeers Scfeulter, um ifen auf ein potitifcfees
©reignis aufmertfam 3U madfeen: fein längft
angemelbeter Sd)üler ift angefommen, ber ma3e=
bonifcfee ©rin3, bes mäcfetigen ©feilipp Sofen.
Unb gan3 red)ts, an ber Äuliffe bes ©ilbes, ber
Ulpferobite 3ur £in!en fpmmetrifife entfpredfeenb,
tritt Ülleranber auf. Wit ber gerfe 3uerft. Die
Äraft mag bafein, aber es fefelt an jeglidfeer
©ra3ie! Unb — meifeer wirb bas Weifee in feinen
klugen, bie 3äfene werben ficfetbar, wie er bie
beiben berüfemten ©feüofopfeen oon feinten fiefet!
9 ln meine eigne 3ucfe[enIäd)erIicfeMt mufete icfe
beuten, wie icfe oor 3mei 3afer3efenten in ©erlin
einftürmte 3U ben berüfemteften unb erfeabenften
©rofefforen. Wein Äomöbienfcfereiberfeer3 war in
feellem ©nt3üden. Unb was feat er für einen riefigen
ffiolbfeelm! Sind) ein ©rofe ift er! Unb mit einer
unerfeört grofeen ©edfeten greift er nacfe bem nocfe
än3licfe unerworbenen £orbeer3meige, ben eine
inter ifem fcfereüenbe Jungfrau ifem oorfcfeufeweife
anbietet. Sie neigt fid), ifere ©raue ift feodfe»
genommen, aber es ift bas ©eficfet einer ©ariferin,
bie ben ein3igen Sofen bes 3 aren iferer allergröfeten
©emunberung oerficfeert. — Unb fröfelid) fagte icfe
meinem Scfeulfreunbe, bem Dicfeter bes „ 3 apfen=
ftreiifes“: „©ber bas ift eine tomifcfee gigur! Das
Satprfpiel auf bem ©ilbe ift es, ein wunberoolles
Satprfpiel! 3 d) werbe eine Äomöbie fcfereiben:
,©leranber ber Äleine 1 “‘ Der greunb mad)te gel»
tenb, bafeÄlinger nocfe nie Siomöbiertfiguren ge3eicfe»
net feabe — bie Älingertenner mögen entfcfeeiben,
ob bies gans ridjtig ift —, aucfe bas geftcfeen oon
©rofeffor Dr. ©aul Schumann in Dresben (£eip=
3ig, ©. ©. Seemann), bas wir beim ©intritt er»
worben featten, nafem biefen ©rin3en burcfeaus
feeroifife, aber icfe braucfete nur wieber bies weife»
gleifeenbe ©uge unter bem ©olbfeelm an3ufefeen,
unb augenblidlid) ftellte bie tomifcfee £uft ficfe wieber
ein. Der antommenbe Stubent ift es! Wie präcfetig
paffenb für ein ©ulabilb! Die jugenblicfee Uber»
fdjäfeung bes Wenftfeenwiffens! ©öttin 3ur fiinten;
bas feinfte, tieffte Satprfpiel 3ur ©ecfeten! ©in
£ad)en ber Weifterfifeaft ift biefer ©leranber, ein
Saucen ber Weifterfcfeaft, ber enblicfe gan3 er»
rungenen, bie bas gefamte Wenfcfeentum geftaltet,
nid)t nur bas erfeabene, fonbern bas gan3e.
3d) tonnte mir einen £efer benten, ber bei
bem oorftefeenben unb nacfefolgenben Äopfser»
breifeen unb Streiten unb Deutenwollen micfe
immer wieber läcfeelnb fragt: „3ft benn Älinger
geftorben? Warum fäferft bu nicfet für 3efen ©fen»
nige nad) ©lagwitj unb fragft ifen?" Doife biefer
£äd)Ier tönnte wofei nur ein Wenfd) fein, ber in
ber Uünftlerfeele fid) wenig austennt. Wafer»
fifeeinlid) würbe mir Älinger teinen anbern ©e»
fcf>eib geben, als auf bas ©ilb 3U 3eigen unb etwa
3U fagen: Dies ba finb meine Worte.
Den ©aum, ber 3wifdfeen ben beiben ©feilo»
fopfeen unb bem nafeenben ©leranber leerblieb,
feat Älinger aufs glüdlicfefte ausgefüllt: er teilte
bie Wiefe bes redjten ©ilbflügels burife einen
fifemar3blintenben Saife in eine ©orber» unb eine
ginterbüfene, wo er nun eine fedfesföpfige ©e=
ftaltengruppe einfefete, eine feeitere ©ufeanwenbung
griecfeififeer, menfdjlicfeer Weisfeeü.
©us einem ©apprusröllcfeen wirb etwas oor»
gelefen, wofei ©erfe, oon einem jungen, feeife»
blütigen Wanne, ©r feat 3wei 3 ufeörerinnen,
oon benen bie eine, ifem etwas ferner Ääuernbe
bas ©ebotene rein als Äunftwert geniefet, wäferenb
bie anbre, an' beren nadter, fefer lieblidfeer ©eftalt
ber aufgeftüfete ©rm bes ©orlefers liegt, offenbar
Wüfee feat, über ber Dicfetung bie ©erfon bes
Dicfeters gan3 aufeer aifet 3u laffen. ©s ift teine
getäre, wofei überhaupt teine ©riedfein, es ift
ein feöcfeft Iiebfames Weib, aus eines beutfifeen
Walers ger3en geboren, ©nteü unb Dantbarteit
liegen in iferem Slid, bocfe aucfe ein ©orwurf.
©in ©riffeltünftler feat feine fjreube an biefen
Dreien gefunben unb fifet 3ur ©edfeten, 3ei<fenenb,
was eine £uftige ifem nocfe lofenenber 3u macfeen
fudfet, inbem fie bie ©erfe bes geifeblütigen mit
einem Dan3e begleitet. Den 3 «<fener aber, fealb
oon feinten, beobachtet ein Diogenestopf, ficfetlid)
nad)bentenb, ob nicfet bie Äunft, bie ofene 3weifcl
unb immer unb notwenbig finnlicfee, überhaupt
3u ben £aftern 3U reifenen fei.
War biefer Steptiter, im ©egenfafe 3U ben
heiteren Dentem bes ©orbergrunbes, oielleicfet
bas erfte, was in War Älingers £opf oon biefer
malerifd) fo trefflid)en ©ruppe feinter bem ©acfe
ba war? 3ft er nicfet unter unfern bilbenben
©ünftlern beinafee . ber ein3ige, ber eine große
3bee fpalten unb wieber fpalten tann — unb
ber bann bocf) eine Dän3erin malt ooll fo pracfet»
ooller £ebensglut? Unb fie fo burcfeaus malerifd)
in bas ©an3e feinftellt?
©or bem ©rüftftüd bes ©blers bin iife in jener
Stunbe 3u £eip3ig 3U teinem irgenb annefem»
baren ©erftänbnis gelangt; nad) einigen Dagen erft,
als id) auf einer einfamen ©afenfafert in ©elgien
bie trefflicfee ©eprobuttion (£eip3ig, ©. ©. See»
mann) mal wieber oornafem, ent3ünbete fid) oor
mir in biefem ©rudfeftüd ein rotes, leucfetenbes
ger3, unb id) glaubte 3U wiffen, bafe es nicfet
— ein ger3 wäre, fonbern — bas gerj.
©ine ©ruppe oon 3wei fyiguren ift es, ein
nadt bargefteliter Wann, es ift wofei nur bie Seele
eines Warmes, betet tnienb unb mit flammenber
3nbrunft oor einer burdjaus menfdjlicfeen, nur
ftefeenben unb ein tlein wenig erfeöfet ftefeenben
grauengeftalt. Sie trägt ein leicfetes galten»
gewanb, lefent fiel) an einen ©aumftamm, unb
einen finnenben, oerfeüllten ©Ud feat fie. So
fiefet ein Wenfd) aus, ber oon einem ©efüfel
oolltommen erfüllt ift ober oon einem grofeen,
ins genfeits reidfeenben Willen. Dod) foll wofei
biefe ©eftalt, wie mir nun !lar ift, überhaupt
teinen Wenfcfeen oorftellen, fie wunbert fiife niifet,
bafe jemanb oor ifer betet. Sie nimmt gar teine
©0Ü3 baoon.
Übrigens ift fie oon biefen fiebenunbbreifeig
©efiefetern bas einige, bas bewufet aus bem ©ilbe
feerausfifeaut.
Dafe aber bes gan3en ©ilbes rotes ger3, feine
tieffte gbee unb ©infeeit in biefer Wittelgruppe
mir plöfelid) aufglüfete, tarn fo: 3d) fagte mir,
ber Drieb 3um Sdfeönen unb ber Drieb 3ur ©r=
tenntnis finb auf ben grofeen glügeln geftaltet,
ber ©latotrieb unb ber gomertrieb; id) fragte
mid): Was ift bie tiefere, einige ©infeeit in biefen
allerfeeiligften unb allerfeeüerften Drieben alles
Wenfcfeentums? 3 <fe antwortete: Der Drieb 3ur
Weltoollenbung ift es, ber feöifefte Wenfd)enwille,
ber mit bem ©liwillen einerlei ift, ber uns 311
©öttem mad)t: ber betenbe Wille, „©ros" nannte
es ©lato, int ©euen Deftament ift's „bas ©ebot
über allen ©eboten", unb ©oetfee fagte: „Das
©wig=Weibli(fee." ©s ift bie eüt3ig ewige ©eligion.
Unb ein ©ebante ift es wie ein ©robierftein: wer
ifen nicfet benten tann, ift nodfe im ©orfeofe.
Warum finb biefes Weibes ©ugen fo mpftifefe
finnenb? Sie bebarf iferer leiblichen ©tigert nicfet,
fie ift bie Weltfeele, bas Unbegreifliche, bie ©ott»
feeit, bie bem War Älinger in biefem Weibe
erfefeienen ift. ©liefe wenn fie ber felbftficfeere
Waler mit teinem Strafelentran3e ober fonft»
welchem aÜ3u billigen geuerwert umrafemt feat.
Der ©adte aber, ber fiel) in iferem feligen ©nblid
3U neuem Schaffen ftärtt, bies ift bie Seele eines
Wenfcfeen, War Älingers Seele unb unfre Seele.
Die gntereffengemeinfefeaft ber Wenfcfefeeü mit
bem Dfeeion, bem ©liwillen, feat Älinger mit
biefem gan3en breiten ©ilbe malen wollen, ben
„©ros". Unb nicfet nur wollen!
Denn minbeftens einer feat ja bes ©blers ger3
nun glüfeen fefeen.
714
Uber fiartb unb 9Jteer
1911. 9tr. 27
Nieerbufen. Nad) einem ©emälbe oon Nidjarb 23ergt)
6d)tt>ebtfd)e &mtft 23on 2öilf)elm SNiefjner
'TNiefe Sd)toeben finb bod) ein terngefunbes
93 oIt. ©s gibt leine überhitzen ©tftafen in
ihrer Kunft. Nud) bas internationale ißariferifche
ift fo angenehm burd) bas ©egenftänblid)e eines
heimatlichen Naturalismus gebänbigt. Unb ihre
(Erfolge in ber Literatur, in ber HRufit, in ber
Ntalerei finb fdjliefjlid) nur nod)
erftaunlid), roenn man bebentt,
bah bie 23eoölterungs3iffer biefes
ßanbes etroa ber einer preufeifchen
Nrooin 3 entfprid)t. Dafür hat es
aber ftarte 23unbesgenoffen in
feinen Nachbarn, ben Dänen unb
ben Nortoegern. ©s ift nicht ein*
mal leidjt, bie ooneinanber 3 U
unterfd)eiben. Die Dänen malen
noch eine Note greller unb bunter,
fie lieben bie füblichen £id)t*
effette, bie ber Sommer biefem
meerumfpülten fianbe bereitet,
unb bas regenbogenartige ©litjern
ber Sonnenftrahlen auf ber mar*
morierten Slädje bes äReeres ober
auf ben hellere Sommertleibem
ihrer grohftäbtifchen Damen. Die
Sd)ärenlanbfchaft oor Stodholm hat
bagegen einen ausgefprodjen norbi*
fd)en ©haratter, unb bie Nlenfdjen
erinnern uns ftärter als in Däne*
mart an bie alten Neden ber
2 Bitinger 3 eiten. Das Stagnierenbe
ber Oftfee, biefes äReeres ohne
(Ebbe unb Slut, ift bas Spmbol
ihres abfeitigen ÜBefens. „Nings
um mich herum liegt bas Nteer
mit Ejunberten oon tleinen Seifern
infein, roalbberoad)fen ober taf)l,"
fo befdjreibt 3 - 33 - Senfen in einem
3ägerbudj bie Schärenlanbfdjaft.
„Nber alle haben biefelbe Sorm,
inbem fie gefcf)rägt finb unb 3 ur
SReeresfeite 3 erriffene Klippen
hüben. (Es ift eine ©letfdjerlanb*
fchaft unter SBaffer, eine alte
Selfenftrafje, beren abgefdjliffene
©ipfel aus bem Nleeresfpiegel
heroorragen. Die Schären fet)en
aus toie ein meilengrohes oer*
fprengtes §eer oon S^feln unb
$olmen, bas fid) oom ßanbe auf
äßanberung begeben hat."
Nroteft gegen alle Schablone unb Drabition finb
unb mit fliegenbem Eltern ber neuen 3 eit ooraus*
ftürmen, als beren äReffias fie fiel) betrachten.
Non biefer Negeiftermtg tonnten bie Nachfolger
nod) lange 3 et)ren. ©r gab ihrer Sache jenen
jugenblichen ©Ian, ber fid) 3 ulet)t aud) beim
Nublitum burd)feht. Nb er auch
ber N erlauf unb bas Nusftellungs*
roefen tourbe oon biefen tlaren
köpfen mit Nefomtenheü unb bem
ftarten ©ered)tigteitsgefühl ber
Sugenb reformiert. £eute 3 äl)len
fie bie Negierung, bas Königshaus
unb oor allem ben Nrin 3 en (guejen,
ber felbft äRaler ift, 3 U ihren beften
Sörberern.
Diefem Nnfd)luf 3 nach oben
tommt ein ebenfo ftarter 3 ufam=
menhang mit bem Noltsleben ent*
gegen. Nud) ber gebübete Scfpebe
hat irgenbtoie unb nicht etroa in ber
$orm einer Sonntagsjägerei nod)
eine gan 3 ftarte 23e3iet)ung 3 um
Kulturftanb bes Sägers, ©in paar
Schritte hmter ben Nflafterfteinen
feiner mobernen Stäbte unb rings
um bie Sabritfdjornfteine feiner
Niefenbergroerte breitet fid) if)m
bie Natur in ihrer jungfräulichen
Unberührtheit aus, in ber bie Diere
noch bie 9Nehr3ahl finb, in toeId)er
ber Nienfd) oon ben Nebeln bes
03 eans unb feinem Sonnenglan 3
oerfd)ludt roirb toie eine Ntüde.
So hat feine Nialerei eine Nicht*
linie ins Sportlid)e, ins ßeben*
bejahenbe. 23runo ßiljefors
hat uns längft mit biefer Sagb*
malerei betannt gemacht, bie
ebenfooiel neroöfe Senfibilität
toie urroüdjfige Kraft aufroeift.
Unb roenn man oor biefen Nil*
bern mit bem buntelbraunen Nieer
unb feinen märchenhaft bunt glihern*
ben ©nten, 2 Bafferl)ühnern ober
NSilbgänfen bisroeilen bas ©efühl
hat, bafe ber Künftler fid) oon ben
Snftintten bes Sägers überrennen
läfet, fo ift biefer Säger bod) 3 U*
gleich ein Naturfreunb mit feinen,
roetterfeften Sinnen unb einbring*
Den Konftnärs=3örbunbet tarnt man als bie
erfte ©rünbung einer Se 3 effion in ©uropa be*
3 eid)nen. ©s ift eine ©rünbung bes 1906 oer*
ftorbenen URalers ©mft Sofephfort; eine jener
leibenfchaftlid)en Naturen, bie toie ©ourbet in
ihrem gan 3 en SBefen ein ewiger triegerifcher
SRalerinnen. Nach einem ©emälbe oon ©arl 9BilheImfon
Arbeiter im 23 er gm er! bei Äürunaoaara. Bad) einem ©emälbe oon dar! 2 ßill)elmfon
1911. 9tr. 27
liehen Busbrudsmitteln. Unb man oer 3 eil)t il)m gern
bie ileinen Brutalitäten feiner Palette.
2lud) drnft 2 >ofephfon, ber geiftige Bater
ber fd)toebifchen Se 3 effion t>on 1886, ift fd)on
toieberholt bei uns getoefen. 9Jtan erinnert lief) oor
feinen fpanifdjen Straftenbilbern an bie dpds, bei
benen in ber bollänbifcfjen Tafelmalerei bes $JJtitteI=
alters guerft fübliche Btotioe, Balmenhaine unb eine
maurifd)e 2 lrd)ite!tur auftaud)ten. dine naioe
greube am Reifen unb dinfammeln erotifdjer
Farbenpracht f)ält ben Bialer, ber oon braunen ber
feine §eimat 3 U erobern !ommt, nod) länger als
anbre 9Beerfat)rer gefangen.
Das auffladernbe Bot eines Borbanges, bie
grellen Töne ber Bauernröde unb 51opftüd)er tebren
bann in feine unb feiner $*reunbe Bilber ein, bie
ben fd)tüebifd)en Bauern im Sonntagsftaat ober ben
Arbeiter ber §eimat fd)ilbern.
ds ift, als fud)e bas ed)te §eimatgefül)l einen
Bnfdjlufe an bie Sßelt braunen, als brauche bas
Buge eine Betätigung für feine gefteigerte Färbern
empfinbung.
2 Bie drnft Fofephfon ift aud) d a r l 2 B i 1 »
b e l m f o n in Baris unb Spanien getoefert, um fid)
an 3 urbaran unb ©ot)a 3 U erlennen. 2 Bie er fid)
aus biefem Spanier 3 U einem ausgefprodjenen
§eimat!ünftler enttoidelt, 3 eigen unfre Bilber. Blau
rounbert fid), oon biefem Btaler, ber beute auf ber
§öbe feines Staffens ftebt, bisher nod) fo gut toie
nichts gehört 3 U haben. 3 uerft bie oorfäbrige Bus=
ftellung bes ftünftlerbunbes in Berlin brachte uns
715
eine ftattlidje 3abl feiner Bilber unb überrafdjte uns
burd) ben fouoeränen dr 3 äl)lerton, ber in ihnen am
gefd)Iagen toirb. Sh™ gelingt es, bte engfte Be=
3 iebung 3 toifd)en feinen Blenfchen — halb finb es
Bergarbeiter, halb Bauern, Fifdjer, Btalerimten —
unb ber £anbfd)aft her 3 uftellen. Die ftompofition
hat nur fcheinbar etroas 3 ufälliges. 3 ulet|t ift bod)
jeber Ton febr fubttl in ben anbern eingeftimmt,
ber grüne §immel über roten 3 iegelbäd)ern unb
luftiggelben £äusd)en, ber 2 Biberfd)ein biefer bunten,
fröhlichen Sonntagsroelt im SBaffer. So toirb bas
roeite £anbfd)aftsbilb, ber ungeheure fphärifdje Baum
felbft 3 um Nahmen, gleich toeit unb tief unb bobem
los unb angefüllt, überquellenb oon Sonnenfeh ein
nad) allen Seiten.
Seine Brmeleutebilber finb frei oon jeber Bil=
bungsproherei ober fo 3 ialen Tenben 3 , gans malerifd)e
Überfid)tlid)!eit ber Farben unb formen, in jeber
§infid)t tünftlerifdje Sicherheit, bie immer im Seeli=
fd)en lanbet.
Selbft bie Behaglid)feit, toie er fie in feinen
Btotioen auffud)t, ift noch oon einem ftarten Tempe=
rament burd)leud)tet, toie bie fianbfehaft oon
Sonne, bas 3uterieur oon gebämpften £id)ttönen,
bie uns ben Baum fo lieb unb oertraut machen.
3n feinen ^uterieurs unb Borträten erinnert er an
unfern ftaldreuth, ohne bas Spe 3 ififd)e norbifd)er
Durd)fid)tig!eit in ben oerhaltenen Dämmerungen
ber Stubentraulid)!eit je auf 3 ugeben. 51ur3, er ift
in allem ein fixerer ftemter ber Beroegung (man
betrachte bie Arbeiter im Bergtoerf), toie ber Buhe, ber
Über £artb urtb $Jleer
3igeunerinnen in Seoilla
Bad) einem ©emälbe non darl SBilhelmfon
716
£id)t unb Schatten in gleicher
SBeife burd) fein Temperament
befeelt.
9Han muf) untoilltürüd) oor
ben Silbern äßilbelmfons 3 toeier
anbrer fd)rüebifd)er Zünftler ge»
benten, bie uns bisher bie tppi»
[dien Vertreter bes mobernen
ocbtoebens erftbienen: an Sin»
breas 3orn unb (Earl £arffon.
So feljr bort nod), roenn
aud) auf gan 3 oerfd)iebene
3Beife, eine Slrt trampfbafter
geuerroerterei mit Farben»
effetten gefudjt toirb, fo fet>r
roirb bei 2 BilI)elmfon bie
Sonnenanbetung ber mobernen
SCRalerei 3 U einem tlaren §pm=
nus, einem rooblgeglieberten
©ebid)t auf bie Statur. (Es ift
bas 2BefentIid)e, bas fid) t)ier
toieber angenehm geltenb mad)t,
eine fd)öne Sad)lid)feit, ein
mel)r 3n=ben=Dingen» als Uber»
ben»Dingen»Sein.
SBoIIte man einen erfdjöp»
fenben 23erid)t über bie fd)tüe=
bifdje S07alerei ber ©egenroart
geben, fo bürften Sltaler roie
Stils ftreuger mit feinen büfteren
Tönen unb ben ferneren, tont»
patten, aber meifterbaft be»
megten SJtaffen feiner Tier»
leiber, Hermann Storrman mit
feinen ins übertrieben $laftifd)e
ftilifierten £anbfd)aften, Slrel
Sjöberg, ber nod) empfinbfamer
als fiiljefors, faft fd)roermütig
in feinen £anbfd)aften ift, unb
mancher anbre nid)t unerroäbnt
bleiben.
(Eine ^ßerfönlid)teit oon ftart
ausgeprägter 5tünftlerfd)aft ift
Slid)arb 23ergb, ber jetgge
Sefretär bes itünftlerbunbes,
1911. 9tr. 27
ber aud) als Anreger unb fieiter
ber 3ugenb einen großen (Ein»
flufe auf feine fianbsleute t)at-
(Er ift roobl ber bebeutenbfte
^ßorträtift feines £anbes.
Sdian mufe an SJtar £ieber»
manns Hamburger Senatoren=
bilb benfen oor bem ©ruppen»
bilb bes Sorftanbes bes ftünftler»
bunbes.
Sein Porträt Strinbbergs
ift mit einem bem ©egenftanb
ebenbürtigen Temperament ge»
malt, in bem ber Serftanb fo
feltfam irrlidjteriert. feinen
£anbfd)aften 3 eigt er ben großen
biftorifd)en Stil feines £ebrers
3. £aurens in Sans. Dod)
barüber hinaus roeifj er uns
aud) Stimmungen 3 U fugge»
rieren, roie bie englifdjen $rä=
raffaeliten fie liebten — unb
fei es aud) nur mit ber SIbfid)t,
in einer alten Surg am SJteeres»
ftranb bie ©eifter Triftans unb
3 foIbes unb ©ubruns 3 U
befd)toören.
©ebantenfplitter
2 ßas bas ©enie in fid) t)at,
l)at bas Talent an fid).
*
Sd)ön fein unb fd)ön aus»
fel)en ift 3 roeierlei.
„Das bringt uns auf anbre
©ebanten“ beißt rneift: „Das
bringt uns erft auf ©ebanten.“
*
SJtan roirb fetjr gern gef eben,
roenn man gern gehört roirb.
(Ernft ftümpel
Spanifcbe Strafjenmufifanten. Stad) einem ©emälbe oon (Ernft 3ofepf)f°tt f
Uber £anb unb 50teer
Spanifd)e Scbmiebe. Stad) einem ©emälbe oon (Ernft 2>ofepI)fon f
1911. 9tr. 27
Über ßanb unb Üileer
717
©Boran man gefeite keilte
ertcnnt
93 oit
£)scar 51. §. Sd)mtß
as mosten bie bummert keute gar 311 gern
miffen, moran man bie gefreiten erfennt,
aber leiber ift es unmöglich. Denn fo rote unfer
©fuge bas kicßt nur barum feßen fann, toeil es
felber bem Jßicf)te oerroanbt ift, fo fann ber, melcßer
einen gefreiten ©Renfcßen erferlnt, felbft nicf)t
gatt3 butmn fein. Unt ettoas 3U erfaffert, muß man
etroas oon berfelben ©ffen3 in fid) haben. ©tun
gibt es freilief) keute, bie, oßne gefreit 311 fein,
feßr fd)lau finb; fie f)aben eine ©teiße oon ©Jietßoben
entbeeft, toie man gemiffermaßen oon hinten
herum bie ©efd)eitßeit erfennen fann, of)ne ißr
oerroanbt 3U fein. ©Ran nef)me 3um ©eifpiel an,
jemanb oerfteßt gan3 unb gar nichts oon ©Jtalerei,
troßbem fann er, roenn er fd)lau genug ift, baßinter-
fommett, ob ein ©ilb etroas roert ift ober nid)t. ©r
braucht fid) bloß mit bem ©tüden bagegen3uftellen
unb genau bie oerfdpebenen ©Irten keute 3U be-
obad)ten, bie bas ©ilb betrad)ten; aus ber ©Birfung
auf fie fann er bann 3U einem 3ufammenfaffen-
ben Urteil fommen. Das ift bie ©Retßobe ber
meiften kunftßänbler, ja betrübenberroeife aud)
oieler kunftgeleßrten. ©s ift bas Mittel, oon
einer Sadje, mit ber ntan innerlid) nichts 3U tun
hat, bod) etroas oerfteßen 3U lernen, ©s ift bie
©lusflucßt bes Unbegabten, um 3U einem Urteil
3U gelangen, unb jeber meiß, baß bie meiften politi=
feßen unb fünftlerifcßen ober literarifcßen Urteile,
bie man in ber ©efellfcßaft l) 5 rt, auf biefe ©Beife
entftanben finb. Die ©Retßobe hat natürlich aud)
if)r ©utes, bentt roir föntten nicht auf allen ©e=
bieten gefd)eit fein. ©Benn 3um ©eifpiel jemanb in
ber kage ift, ein ausge3eid)netes ©ueß über ©oetße
als Dichter, als ©Renfcß ober als kebenspßilofopß
3u fdjreiben, aber oon ber ©taturmiffenfd)aft nichts
oerfteb)t, fo roirb ißm nichts anbres übrigbleiben,
als ben ©ffeft ber ©oetl)efd)en naturmiffenfeßaft-
lid)en $or[cßung auf biejenigen, bie ettoas baoon
oerfteßen, 3U beobachten unb baburd) 3U einem
Urteil über ©oetße als ©taturforfeßer 3U fommen.
©ebenflicß roirb ein folcfyes ©erfahren erft, roenn
fid) ber ©rfenntnistrieb mit ©lusfcßließlicßfeit auf
biefe ©aßn begibt, unb biefer ©efahr unterliegen
bie exaften ©Biffenfdßaften mit ihren med)anifd)en
©Reffungen nur allsu leidet.
©efanntlicß oerfudht man fd)on feit längerer
3eit bie menfcßlicße ^telligens auf experimen¬
tellern ©Bege 3U meffen, unb toas ift bas ©tefultat?
©tan ift ba3u gefommen, ©Renfd)en oon fcßnetler
©luffaffungs- unb kombinationsgabe oon ben lang-
fameren 3U unterfd)eiben; aber bie fönnen getroft
3U ben Dummen ge3äf)lt roerben, bie glauben,
baburd) bie toahre ©efcheitheit eines ©Renfdßen
unterfd)ieben 3U haben. Sd)nelles ©egreifen unb
kombinieren fann fogar bie ©Renfdßen oerführen,
über bie roefentlid)en, ber ©rfenntnis roürbigen
©Romente bes kebens in Dorßeit ßinmeg3ubliden.
Da id) über3eugt bin, baß mir nur bie gefdjeiten
kefer bis hierher gefolgt finb, möchte id) auf ein
anbres Spmptom ber ©efcheitheit ßinmeifen, bas
aber nur für ben brauchbar ift, ber felber ettoas baoon
in fid) hat unb ficherere Schlußfolgerungen als bie
fogenannte pfpd)ometrifcße ©Reffung erlaubt. ©Bir
befißen ein gan3 unfehlbares 3eid)en ber mirflicßen
©efcheitheit. ©s ift ber §umor. ©tid)t als ob ber-
fenige ber gefdheitefte ift, ber ben meiften ipumor
hat; bas ift ebenforoenig ber ^all, roie berjenige am
meiften fiet)t, ber bie beften ©lugen hat. ©s muß
nod) manches anbre ßin3ufommen. ©Iber ber
£jumor ift ein fidßeres Spmptont bafür, baß jemanb
nid)t gan3 inferior fein fann, mäßrenb ber feßlenbe
§umor mit ebenfolcßer Sicherheit barauf fcßließen
läßt, baß jemanb nicht oon ©runb auf ein ge-
feßeiter ©Jtenfd) ift. ©r fann baneben flug, begabt,
fd)Iau, fix, toeiß ©ott roas alles fein, aber biefe
©runbgefcßeitßeit, bie aus einem ©Renfcßen fprid)t,
ift ohne §umor nid)t benfbar. ©Sir fennen in ber
©efeßießte eine gan3e 9 teiße oon ©Renfcßen mit
geroiß haßen ©oben, bie eine ftarfe ©Birfung auf
bie ©reigniffe gehabt haben, unb troßbem fönnen
roir ißrem (Seift nichts anbres als eine falte ©e-
rounberung 3ollen, benn roir füßlen, ißm fehlt
etroas, unb 3toar bas ©efte. ©s ift uns innerlich
nicht recht, baß biefe ©Renfdßen 3U fold)er $jöße
unb ©Birfung gefommen finb. Sie hatten feinen
§umor unb mären barum befeßränft. Dies aber
ift bas genaue ©egenteil ber maßren ©efeßeitßeit.
Der §umor fteßt 3mifcßen ber kogif bes ©er-
nunftpßilifters unb ber Unoernunft bes ©ßantaften.
©W3U ftarre ©ernünftigfeit unb all3u 3ügelIofe
©ßantafie — bas finb bie beiben klippen, 3toifd)en
benen nur ber §umor fießer ßinburcßfegelt. So-
moßl bie ©Raßftäbe ber ©ernunft, an bie ©or-
ftellungen ber ©ßantafie angelegt, als aud) bie
unbefümmerte ©ßantafie, meld)e bie ©ernunft-
berec^nungen 3erreißt, mirfen ßumorooll. Die
©ernunft ßinbert einen ÜRenfcßen, fid) in ©ßan-
taftif 3U oerlieren, bie ‘ißßantafie aber ift bas Sidjer-
ßeitsoentil für all3U große ©ernünftigfeit. 2>n ber
©Birfung beiber ©aben aufeinanber liegt bie maßre
©efdEjeitßeit. Darauf, baß ber §umor bie ©ßantafie
mit ber fiogif unb bie ßogif mit ber $ßantafie
mißt, berußt feine melterfennerifcße keiftung. So
ift er ein fidßeres 3 eid)en bafür, baß ein ©Renfd)
nid)t gan3 unbebeutenb fein fann. Denn jeber ift
in getoiffem Sinne bebeutfam, ber nießt auf einer,
fonbem auf ber Sd)nittflädße 3toeier ©benen bes
kebens fteßt. Der £umoroolle fä)aut oon einem
©ipfel in 3mei Däler, mie jemanb oon einer ©Upen-
ßöße über eine troftlofe oegetationslofe ©isfläd)e
fießt unb fid) nur um3ufeßren braud)t, um in bie
grünen Däler fonnigen kebens ßinab3ubliden. So
ßat er bem fieben gegenüber, meil er es oon beiben
Seiten fießt, immer recht, toäßrenb bie, roelcße
auf einer ber beiben Seiten tooßnen unb niemals
über ben ©ipfel gefeßaut ßaben, fo ftarf fie im
ein3elnen fein mögen, bem ßeben gegenüber immer
unred)t ßaben, ba fie 3ur ©infeitigfeit oerbammt
finb. Das ©Sefen ber ©Belt aber ift bie 3 tf>eifeitig-
feit unb ber ©Siberfprud). ©tod) beffer aber als mit
einem ©ipfel fönnen mir ben kebensftanbpunft
bes §umors mit einem auffteigenben ©rat oer-
gleid)en. Der eine fteßt niebrig, ber anbre gan3
ßodß, oielleid)t auf bem ©ipfel, aber alle, bie auf
bem ©rat fteßen, ob unten ober oben, fönnen fid)
oerfteßen, meil fie beibe Seiten ber ©Belt erfennen,
ber eine flein, ber anbre groß. Sie mögen in ißrem
©Beitblicf mtenblid) oerfd)ieben fein, aber bie §aupt=
fad)e ßaben fie beibe, ben ©lid nad) 3toei Seiten;
ißr ©Befen ift oermanbt. So mögen [id) bas ©enie
unb ber einfache, nießt intelleftualifierte ©Renfd)
im §umor begreifen, mäßrenb bie, melc^e auf
beiben Seiten bes ©rates tooßnen unb fid) gegen-
feitig nicht feßen, fo naße fie eittanber aud) in
be3ug auf bie §öße fein mögen, nie etmas oon-
einanber miffen unb oerfteßen fönnen, folange
nid)t einer ben ©lid über ben ©rat hinüber tut.
©emiß fteßen fie beibe oielßößer als berbefdjeibene
©tarnt, ber meiter unten, aber auf bem ©rat fteßt,
aber ba er in beibe Däler ßinabblidt, ßat er ein
©ted)t, fid) ben großen Herren überlegen 3U füßlen,
bie, menn aud) nod) fo ßocßgeftellt, nur oon ber
einen Seite bes ©erges miffen.
Der flaffifcße ©tusbrud für biefe 3 tt>eißeit ift
befanntlicß bas ©aar Don £luid)otte unb Sand)o
©anfa, oon benen feiner felbft §utnor ßat: beibe
fönnen fid) niemals oerfteßen, benn jeber fteßt auf
einer anbern Seite ber ©ergmanb. Sie aber 3U-
fammen ergeben barum bie ßumoriftifdßfte Situa¬
tion ber ©Belt, unb 3toar für jeben, ber auf bem
©rat felbft fteßt, mag er als einfacher Durd)fcßnitts-
menfd) unten ober als genialer ©etrad)ter oben
tooßnen. ©tur benjenigen bleibt fie unoerftänblicß,
bie ©auerntölpel ober ©ßantaften finb.
Der ifjumoroolle ßat in fid) Sancßo ©anfa unb
Don £iuid)otte 3ugleidß, unb es ift ber ©ipfel bes
§umors, baß man bas erfennt unb felbft ©egen-
ftanb feiner eignen ßumoroollen ©etrad)tung
merben fann.
©or ber klagemauer: 3 uben aus bem heutigen S^ufalem. $Racß einer fünftlerifd)en ©ßotograpßie
718
1911. $Rr. 27
renmart
wfiaft
Der S dj l a f., jener uns allen und mof)I and)
j ehern anbern Organismus geittoeilig unentbef)t?
ließe 3n)tanb eines fd)einbaren ©ufßörens vieler
£ebensfunttionen, I)at 3u allen gelten für ben
bentenben ©Menfd)engeift ein fd)mtertges unb l)od)?
intereffantes Problem gebildet. ©Sährenb in
»ergangenen Epod)en, unb and) beute rtod) bei
primitiven ©ol!erfd)aften, aller!) anb mxjftifd^e
Spetulationen unb aberglöubifd)e gbeen baßu
bienten unb bienen, biefes ©nturphänomen, bas
bem poetifdßen ©emüt als fanfter „©ruber bes
Dobes“ erf<h eint, beut menfd)iid)en ©erftehen näher
3u rüden, bemühen xbir uns in unfern Dagen,
helfen wahres ©Sefen, beffen eigentlichen ,,©Me<ha?.
nismus" auf bent SBege nüchtetn?miffenfd)aft=
lidjer Hnterfucbungen 3U ergrünben. ©ber fo fet)t
mir moderne *Kulturmenfd)en uns immer als
Kinder einer gelt fühlen mögen, deren ©atur?
ertenntnis ungeahnte $01)en erreichte, immer
wieder befd)leid)t uns etwas mie eine Ahnung oon
geheimnisvollem ©aturm alten, wenn wir all?
näd)tlid) unfer tlares © ewußtfein fchwinden füßlen
unb mir in eine ©Seit bes „©id)ts“ ober in ein
©Sirrfal von ©orftellungen unb gbeengäitgeit
vetfinten, bie oon ünferm wirtlichen Sein oft
gänsiid) losgelöft erfd)einen.
Die Dbeorien über ben Schlaf bes ©Menfd)en,
mögen fie nun mehrober minder miffenfdjafi-
lieber ©rt fein, mürben eine ftattliche gal)! üon
©änben füllen. ©euetbiitgs wirb in ber phpfio?
logif d)en £iteratur über ©erfud)e berichtet, bie
geeignet erfd) einen, einen fehr wuchtigen unb be?
beutungsvotlen ©ertrag 311 unfrer grage 3ü
liefern, wenngleich fie nad) ber pofitioen Seite
bin leine neuen Ertlärungsmomente bringen.
. gtt meid)er Dätigteit bes .Organismus haben
mir bas oerattlaffertbe ©Moment für ben Schlaf 3U
fud)en, mie haben mir uns, türs gefagt, beffert
©Meäjanismus vot3uftellen? Uber biefen ptinsi?
piell widrigen s f 3 unft fd)ienen fid) bisher faft
alle ©Siffenfd)aftter infofern einig 3U fein, als man
bas (5 e b i r n als ben eigentlichen Dräger bes
Sd)Iaf3uftanbes anfat), be3iehungsmeife als man
in gemiffen, im ©ehirn fid) abfpielenben ©er?
änberungen bie. eigentliche llrfache bes Schlaf?
Vorganges erblidte.
So follte nach einer vor etwa fünfsehn fahren
in' grantreid) mit großem Enthufiasmus auf?
genommenen Dheorie ber Schlaf dadurch 3Uftanbe
tontmen, baß bie ©angliensellen bes 05 roßl)irns,
bie allgemein als ber eigentliche Siß der;©ewußt?
feinsvorgänge gelten, ihre feinen ©eroenfortfäße,
bie fie mit ben ©ad)barganglien3ellen verbinben,
entziehen, moburd) bann bie Leitung in ber 3entral=
ftation aller nervöfen Erfcheinungen unterbrochen
ünb biefe „3m ©üße tommen“ mürbe. Diefe,
mie aud) bie fehr eigenartige Dheorie, baß in ge?
miffen $irnteilen einfd)läfernbe Stoffe (etma
©roui) er3eugt mürben, ift jeßt mol)l gän3lich
aufgegeben worben. ©m einleuchtend ften er?
fd)eint nod) bie mehr allgemein gehaltene Er?
ilärung bes berühmten ?ßht)frologen ©ermorn,
monad) bie ©anglien3ellen ber ©roßhirnrinbe
burd) ihre im ©Sad)3uftanb faft ununterbrochene
Erregung burd) bie ©ei3e ber Sinnesmahr?
ne.hmungen allmählich in einen 3uftanb ber
„©rbeitslähmung“ geraten. ©Serben nun alle
Sinnesreise tunlid)ft ausgefcßaltet, fo fann in ber
ermübeten ©roßhirnrinbe 3unäd)ft ein ©uhre?
Suftanb („Einfchlafen“) eintreten, ber aisbann In
einen 3uftanb ber ©eubelebung ober ©eftitution
übergeht unb bas ©roßhirn mieber su feinen
£eiftungen, melche bie ©ewußtfeinserfd)einungen
veranlagen ober parallel mit ihnen gehen, be=
fähig! („Erwadjen“).
Es fdjeint nun aber nad) ben ©Mitteilungen von
% Dubois, baß für bas 3 uftanbetommen bes
Sd)Iafes bas ©roßhtrn nicht ober bod) nicht aus?
fcf)Xiefelich bas verdnlcrffen.be ©toment bilbet;
baß biefes, mie Dubois meint, nicht bas „Organ
bes Schlafes“ ift, von meld)em alle jene ©er?
änberungen, bie ber gan3e Körper (befonbers
in feinen ©ffimilatibns?, ©tmungs? unb ©us?
fcheibungsvorgängen) im Schlaf3uftanbe 3eigt,
veranlaßt merben unb abhängig finb. ©ntfernt
man einem (natürlich völlig narlotifierten) Dier
bas ©roßhirn unb überfteht es bie Operation,
fo vermag es befamttlid) noch längere 3eil fort?
3ueriftieren, oorausgefeßt, baß ihm alle militür?
liehen $anblungen —^reffen, Drinten unb fo
meiter — burd) entfpredhenbe ©Manipulationen
abgenommen merben. Das äußerft ©Mertmürbige
ift nun, baß biefe hirnlofen, dlfo fietjer völlig be=
mußtlofen Diere bennod) unverfennbar bie 3u=
ftänbe bes Schlafens unb ©Sachens feigen.
So muß man moi)I annehmen, baß bas ©uf?
hören ber mit ©emußtfeinsvorgängen vertnüpften
©roßhirntätigteit eben nur eine ©egleiterfcheinung
desjenigen 3 uftanbes ift, ber beim Schlaf ben
gan3en Körper beherrfd)t ober gerabe3U befällt,
unb baß uns biefes „©btlingen bes ©emußtfeins
vom eignen 3<h“ nur besmegen als bie $aupt=
fad)e, als bas ben Sd)Iaf ©eranlaffenbe erfd)eint, ,
meil es fid) unfrer ©Sahrnehmung unb Erinnerung
(nach bem ©rmachen) gerabesu aufbrängt! ©Iler?
bings bleibt 3U bebenten, baß auch bei höheren
Normale und aditfingerige Hand des
Wassermolchs, letztere durch Ampu¬
tation und Regeneration entstanden
ri
Aditbeinige Knoblaudikrötenlarve i
künstlich erzeugt
Zweiköpfige Schlange
K normaler, K' superregenerierter Kopf, r die
ursprüngliche Bruchstelle, W normale, W‘ regene¬
rierte Wirbelsäule
(Aus Thesing, Experimentelle' Biologie.
Verlag B. G. Teubner, Leipzig)
Dieren bas' ©roßhirn nicht entfernt bie ©olle für
ben normalen ©blauf ber £ebensfunItionen fpielt
mie bei uns ©Menfdjen. ©in $unb ohne ©roßhirn
vermag nöd) 3U gehen, ein grofeh fogar nod» su
freffen; beim ©Menfchen genügt fd)on ein Heiner
©Iuterguß in bie bie ©liebmaßenbemegung regu?
iierenbe ©roßhirnregion, um völlige £ähinungen
herbei3uführen.
Der Komplex veränberter phpfiologifcher ©er?
richtungen, ben ber Stör per beim normalen Schlaf
3eigt, unb von bem bas ©ufhören ber ©emußtfeins?
erfcheinungen gemiffermaßen nur einen Deil bar?
ftellt, tritt bei gemiffen, unter befonberen £lima=
verl)ältniffen lebenben Organismen in ungemein
verftärltem ©Maße unb in bebeutenb verlängerter
3 eitbauer in ©rfcheinüng. Der „Saifonfchlaf“
(©Sinterfchlaf, bei gemiffen Dropentieren auch
ein fogenannter Sommerfdhlof) ift nad) Dubois
troß ber tief greif enben ©eränberungen im Körper?
haushalt bes „Schläfers“ — Sifüerung ber Darm?
verbauung, faft völliger ©tmungs? unb ©lut?
umlaufsftitlfianb — bodh meiter nichts als eine
„vertiefte“. 5 orm bes gemöhnlid)en Schlofes.
*
Die Experimente ber ntobernen ©nimidlungs?
mechanil ftellen bie ^ohrmarttmunber unfrer £inb?
h^itstage, bie „leiber“ ftets fchod verftorbenen
SmeiföpfigeniXälbchen unb Schroeinchen, bie über?
bies gar nicht fetten mit ©abel unb 3roirn 3urecßt?
gemacht maren, meit in Schatten. Die lünftlid)e
ErSeugung 3meüöpfiger, boppeIfdhmän3iger, mehr?
fingeriger, fed)s? ober gar addbeiniger ©Miß?
gebürten ift ein siemlid) einfaches Experiment,
fofern man fid) an niebere ©ßirbelüere, £urche
ünb ©eptilien (£nod)enfifd)e eignen fid) merl?
mürbigermeife meniger) hält unb bie entfpred)e.n=
ben Eingriffe in red)t frühen 3 üöenbftabien vor?
nimmt. Ein fehr lefensmertes ©üchlein (E. Dhe?
fing, Experimentelle ©iologie, IT, £eip3ig. 1911 )
berichtet über einige befonbers bemerlensmerte
©egenerationsexperimente.
Die gan3 monftrös erfcheinenbe achtbeinige
5 tnobIaud)frötenlarve, bie hier abgebilbet ift,
. ftellt ein ©erfud)srefultat bes ©erliner gorfchers
Dornier bar; fie mürbe burd) frühzeitige S p a l =
tu n g ber ©liebmaßen anl a g e n ersielt. 3n
ber ©atur entftehen berartige ©Mißbilbungen bei
höheren ©ßirbelüeren häufig burch 3ufällige Ein?
fd)nürungen ber ©liebmaßentnofpen burd) gäben
ber Eihaüt (©mnion); biefer ©organg läßt fid)
experimentell recht leidet burd) „Hberfchnürung“
ber teimenben Extremitäten mittels gäben nad) 1
ahmen..
Doppelfchmän3igteit unb 3 roeitöpfigleit finb
bie ©efultate von leid)ten ©erleßungen, Ein?
Inidungen, Einreißungen ber betreffenben ©Sirbel?
fäulenregion auf frühen Stabien ber Embrponal?
entmidlung. ©Sährenb meines ©Siffens bei ©ögeln
unb Säugern (auch beim ©Menfdjen) berartige
3meilöpfige ©Monftra 3mar vortommen, ihre ©e=
burt aber taum überleben, fommen bei ben recht
hochftehenben Schlangen nachDhefing Doppeltöpfe
felbft in ber freien ©atür nid)t feiten vor. Der
emsige ©erid)t, nad) melchem fid) eine foId)e $t)bra
en miniature auch in ber ©efangenfci)aft vorsüg?
lieh holten foll, flammt allerbings aus ©merita,
mo ber 3 öoiogifd)e ©arten in EinciUnafi ber glüd?
liehe ©efißer biefer ©bnormität ift. k -
Dr. ©3 i I h e l m ©ernbt
öl ^ lö
Deutscher ©M ä n n e r g e f a n g
Einen breiten ©aum in unfetm öffentlichen
©Mufifleben nehmen bereits feit gatjren bie- iton?
Serie ber ©Männergefangvereine ein; im Deutfchen
©eid), in bett beutf<h=öfterreid)ifchen £änbern, in
ber Sd)mei3 fteht ber ©Männergefang 3urseit
in hö<hfter ©lüte. ©nfangs unb fo 3iemli<h
bis 3ür ©Mitte bes vorigen gahrhunberts hielten
fich bie ©ufführungen ber ©Männerchöre noch in
befch eibener en ©ren3en. ©ur menn es galt, fi<h ■
3U größeren Sangesbrüberfeften 3U vereinigen,
mürben bie Kräfte ftraffer angefpannt, bann
trieb fd>on ber ©hrgei3 basu. ©Man mollte bod)
bei bem gemeinfamen ©Mufzieren nicht hinter
ben anbern in ber Sicherheit bes Könnens 3utüd?
ftehen. ©Soeben?, monatelang mürbe gisbann
ernfthaft geprobt, mirflich eifrig geübt, mährenb
fich für gemöhnlich bie pflege bes Ehorliebes
gemächlich in bie 3eit ber ©benbftunben mit bem
©ier? unb Dabatsgenuß teilen mußte. Seit
gahzetmten ift bas aber gans anders gemorben,
unb befonbers feitbem ber £aifer fein großes
gntereffe an bem ©Männergefange betätigt hat,
ift ein bebeutfamer Hmfchmung eingetreten,
überall in ben ©ereinen mirb auf tünftlerifd)e
Dif3iplin gehalten; man ermattet von dem Diri?
genten, baß er beim Einftubieren der Eßorftüde
feine volle Energie einfeßt, und läßt fid) millig
oon ißm drillen. Und für ben Dirigenten mie
für die ©Männer ift bas leine leichte ©rbeit, menn
man ermägt, baß bas ©Material ber Stimmen fid)
aus allen ©ollsfd)id)ten 3ufammen[eßt, baß hoch
erft nad) ermübenber Dagesarbeit bie ©benbmuße
ber greube an ber ©Mufitpflege gemibmet merben
lann. gn ben meftfälifchen, nieberrheinifchen
gnbuftriegegenben finb es lebiglid) ©rbeiter, aus
benen ber ©Männergefangverein befteht. 5 tel)rt
ber ©Mann aus ber .Kohlengrube, von bem $öd)*
ofen helnt, hat er den Körper gereinigt, mit Speife
1911. üir. 27
719
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unb Drant geftärtt, bann geht's ins Vereinsl)aus,
unb bort wird nod) ftunbenlang mufi^iert. ©e=
rabe3u erftaunlid) ift es, mit welchem tünftlerifd)en
©rfolge gerabe bie aus, Arbeitern beftehenben
Alännerd)öre aus ©ffen, £>agen, Dortmunb,
Alünd)en=©labbad) bei bem SBettfingen oor bem
idaifer in Staffel ober grantfurt a. Al. abgefd)nitten
haben. 2BöI)renb in ben romanifd)en fiänbern,
in ©nglanb ber ©horgefang nur gewerbsmähig
betrieben roirb, Aufführungen oon ©horwerten
nur mit be3al)lten Sängern 3U ermöglichen finb,
roirb ber Deutfd)e, ber ein toenig Stimme hot,
aus fiiebe 3ur Alufit 3 JtitgIieb eines ©efartg=
o er eins, 311 bem er feinen Seitrag 3ahlt. Aus ber
Vereinstaffe toirb bas Honorar für ben Dirigenten
entnommen, roirb bas notroenbige Aotenmaterial
angefd)afft, roirb bie Aliete für ben Übungsfaal
beftritten. 3u feiner eignen greube fingt ber
Deutfche in feinen Aluheftunben, nicht bes ©elb=
ertoerbs roegen.
3 elter, ber Dirigent ber Verliner Singatabemie,
roar es, ber 1809 ben erften Alännergefangoerein
grünbete, bie Verliner £iebertafel genannt, roeil
mau bie greubeit ber Dafel mit £iebergefang
erhöhte, ©r fetffe für ben ©ebraud) feiner £ieber=
tafel mand)es fd)öne ©horlieb; auf feine An=
regung fffu hat fogar ©oethe mand)es £ieb für
bie 3 elterfd)e £iebertafet gebid)tet. Die greube
am Atännergefang breitete fid) gerabe in ber
fd)toer auf bent gan3eit Solle laftenben gram
3ofen3eit in Aorbbeutfdffanb aus, nal)nt einen
nationalpolitifchen ©haratter an. 3u ben oon
glühenbem Patriotismus burd)leud)teten ©ebidffen
Dheobor Störners, Alar oon tod)entenborfs, ©ruft
Alorib Arnbts fe^te Start Alarta oon ABeber feine
träftigen, fchrourtgoollen Steifen. Von Aorb--
beutfd)tanb aus oerbreitete fid) ber Alännergefang
fchnell nach Süben unb ABeften tpu, atn Ahein
I)at er bei bent gefangsfroheit Voltsftamme eine
mit befonberer £iebe gepflegte §eimftätte ge=
futtben. 3 u ber Sd)toei3 roar es Aägeli, ber ben
ooltstümlid)en Atännergefang forgfältig förberte.
Von ihm ftammt aud) ber ©ebante l)^r, bie eim
3elnen Vereine aus beit oerfd)iebenett Stabten
unb £anbfd)aften 311 größeren Verbänben 3U=
fammen3ufd)liehen unb gemeinfam ©efangsfefte
311 feiern, in benen feber Verein 3eigte, toas er
allein leiftete, in beiten bann aber aud) gröf3ere
Siaffen 3ufammen roirften. Diefe ©efangsfefte
ber Atämterd)öre pflansten fid) ttad) Deutfdffanb
fort unb gaben bie Veranlaffung ba3u, bah aud)
bebeuteitbe Sti'mftler il)re Sd)affenstraft in ben
Dienft bes ooltstümlid)en Aiännergefanges ftellten.
So hat Aid)arb ABagner in feiner Dresbtter 3 dt
für fold) ein feftlid)es 3ufammenftrömen mehrerer
Vereine fein „£iebesmal)l ber Apoftel“ gefd)affen.
Seine Vorliebe für s Alännerd)öre bewährte ber
Donbid)ter übrigens fein gan3es £eben hinburd);
gibt es bod) taurtt ein Vühnenwert oon ihm, in
beffett Partitur nicht an irgenbeiner Stelle bem
Atännerdjor ein bebeutfamer Anteil 3ufiele.
Übrigens haben aufjer ABeber unb ABagner aud)
£ötoe, gran3 Säubert, Atenbelsfohn, Aob. Sd)u=
mann, Aob. gran3, Slonrabirt Streuner, Atarfd)ner
bie Atännerd)orliteratur mit herrlichen Stüden
bereichert, in benen bie fd)lid)te, oolfstümlid)e
Alelobie fid) mit ed)t tünftlerifd)em, reinem, töft=
Iid)en ABot)llaut ausftrömenbem Sähe paarte.
So oiel bantals barüber gefpottet toorbett ift, fo
rourbe nad)träglid) bod) oon allen Seiten 3m
geftanben, bah, als nod) ber felige Vunbestag in
grantfurt tagte, es bie groben, periobifd) toieber-
tehrettben Dum* unb Atännerd)orfefte toaren, bie
allein nod) bas ©efiiht ber 3ufammengehörigteit
ber oerfd)iebenen beutfd)en Poltsftämme mach
erhielten, ben ©ebanten ber Atöglid)teit einer
engeren politifd)en ©inigung niemals gan3 er*
fterben liehen. Visweilen flammte ein £ieb in
ben Atännerd)ören auf, toie feiner3eit bas
Vederfche „Sie füllen ihn nicht haben, ben freien
beutfehen Ahein“, ober breihig 3 ah*e fpäter bie
„ABad)t am Ah ein“ oon Slarl ABilhelm, bas toie auf
Sturmesflügeln burd) alle beutfehen £anbe flog.
Aach ben ©rfolgen ber groben Kriege l)ielt
ber moderne ©eift, ber überall in ber £iteratur,
in ben bilbenben fünften toie in ber Alufit 3m
Vorherrfchaft gelangte, aud) in ben s JSännerd)örett
feinen ©in3ug. Atit ber oirtuos ausgefeilten Ded)nit
Steigerte fid) auch bie Verfeinerung bes Aus*
brudsoermögens, unb bie fd)lid)te, ooItstümlid)e
Satpoeife, toelche bem Atännerd)orlieb bisher fein
d)aratteriftifches ©epräge aufgebrüdt hatte, fd)ien
bem können ber tonangebenden gröberen Vereine
Professor Felix Schmidt, Dirigent des
Berliner Lehrergesangvereines
nicht mehr 3U genügen. Aatürlid) fanb bas Ver*
langen nad) tompli3ierteren Sd)toierigteiten in
ber melobifdjen Stimmführung, nad) tühnerer
§armonit, nach ©rtoeiterung ber alten ftrophifd)en
£iebform aud) in ben neuen Atännerd)orwerten
U)r oolles ©enüge. Der Schwerer griebrid)
§egar mad)te mit feinen ABerten förmlid) Schule.
Seine Alufit unternimmt es mit oielent ©efd)td
unb oft in padenber ABal)rl)eit bes Ausbruds,
jebe ein3elne ABenbung in bem 3 ol)GÜ bes
Dertgebidjtes 31t Uluftrieren, unb es werben
3ur ftompofition ©ebid)te ausgewählt, bie ber
glluftrationstunft ben roeiteften Spielraum ge*
roäl)ren, hanblungsreid)e Vallaben ooll graufiger
Sd)redniffe, ooll oon ©egenfätjen in ben Dat=
fachen ober Perfonen, in benen nun bie Alufit
ben abäguaten Ausbrud geben roill. 9 Bas bem
farbenreid)en Ordjefter mit feinem faft fd)rantem
lofen Aeid)tum an itlangntaterial je na<h ber
£aune bes Donfebers leicht ntöglid) toirb, bas
foll nun aud) ber Atenfchenftimme mit ihrem eng
bebingten Umfang ebenfalls abgerungen toerben.
So ausbrudsfähig bas ntenfd)liche Organ ift,
hanbelt es fid) um ©emütsftimmung, um Seelem
regung, fo fchnell oerfagt es beim Ausmalen
äufjerer Datfad)en. 3a ber £»infid)t finb bod) ber
9 Jlufit überhaupt Schranten ge3ogen. 3 anerhalb
ihres ©ebietes ift ihr Ausbrudsoerntögen un=
erfd)öpflid) — überfd)reitet fie ihre ©ren3en, fo
oerliert fie ihre £raft unb roirtt auch nur rein
äuherlid). Atögen bie Verfuctje, bie ©ren3en bes
Darftellungsoermögens nad) biefer ober jener
Phot. Ed. Abel, Zürich
Friedrich Hegar
Aid)tung tffa 3 U ertoeitern, aud) manches inter=
effante SSert h^roorbringen, oertiefen tut fi^
bie ftunft jebenfalls nid)t bamit. Unb bem Atänner=
gefang 3umal toirb mit fold)en Problemen oieles
oon "feiner urfprünglichen 5 traft, oon feinem
Voitstum geraubt.
Aus biefer Kenntnis I)^^ au 5 » bie fid) allen
Veteiligten bei bem groben, burd) ben ftaifer
ins £eben gerufenen VSettfingen ber beutfdjen
Alännerd)öre in Gaffel unb grantfurt ergab, regte
ber ilaifer bie Schaffung eines Voltslieberbudhes
an, mit toeld)em ben roeiteften Greifen unfers
Voltsgefanges bas Vefte bargeboten toerben foilte,
toas bie beutfehen Donmeifter aller 3^Wen an
£iebern gefd)affen haben, ©s tourbe eine 5 tom=
miffion ernannt unb eine ftattliche Aeil)e tompe=
tenter 5 tenner unb Alufiter babei 3U Aate ge3ogen,
toeldje mit fad)gemäher ©infi^t bie Austoal)l 311
treffen hatten unb, too ein brauchbarer Sah für
eine fd)öne Voltsmelobie nod) fehlte, für bie $er=
ftellung einer folgen Sorge 3U tragen beauftragt
tourben. Den Vorffh ber Arbeitstommiffion führte
Profeffor Dr. Alar 3 ^eblaenber, fonft toaren 3ur
Alitarbeit oöllig oorurteilsfreie, tüchtige Atämter
jeber Aid)tung, felbft < 5 riebrid) |jegar aus 3 ürich,
aufgeforbert morben, unb nad) jahrelanger Arbeit
tourben aisbann 3toei Vänbe bes Voltslieberbuchs
für Alännerd)öre, ber erfte 309 , ber 3toeite
301 Aumntertt enthaltenb, hergeftellt, unb 3toar
nur foldje £ieber, bie jebent Deutfd)en ans $er3
getoad)fen finb, bie „in etoiger 3u9eTtbfd)önl)eit
unb 3ugenbfrifd)e prangenb, ben 3erftörenben
VSirtungen ber 3 ^ü Droh geboten haben unb
nach menfd)lid)er Vorausfid)t Droh bieten toerben,
folange bie beutfd)e 3ange tlingt“. ©eiftlid)e
£ieber, ©rnftes unb ©rbauliches, Vaterlanb unb
§eintat, Aatur, VSanbent unb Abfd)ieb, Sol=
batenlieber, £ieber ber 3 äger, Sd)iffer, Vauern
unb Vergleute, ^eftlieber, gefellige unb Drint=
lieber, £iebeslieber, Dialettlieber, Vallaben,
Sd)er3= unb .Spottlieber, unter biefe Aubriten ift
alles eingereiht, toas im £>aus, in 5 tird)e, ASalb
unb ©ebirge, auf bem Aleer, bei ber Arbeit unb
beim frohen $efte gefungen toerben tarnt — ein
treffliches Sßert; beredffigte Ausheilungen, bie
hier unb ba gemacht toerben tonnten, finb nid)t
oon Velang. Den Alännerchören ift damit ein
reiches Alaterial bargeboten, toooon fie benrt aud)
in erfreulid)er VSeife ©ebrauch 3U machen be=
gönnen haben. 3 ™ ben Programmen ber großen
&on3erte uitfrer Alännergefangoereiite, bie ftets
oor ausoertauften Sälen ftattfinben, nehmen bie
bem Voltslieberbuch entnommenen Stüde ben
weitaus gröhten Deil für fich m Artfprud) unb
erfreuen fid) ftets bes größten Veifalls oon feiten
ber lobtet. (g r nft ©buarb Daubcrt
Über Stäbtebau
©in neuer 3 to^ig fünftlerifd)er Vetätigung
toirb feit tu^em eifrig in ber Dagespreffe bis=
tutiert: ber Stäbtebau. Phagen ber Vebauuttg
gehörten nod) oor 3ehn 3 al)^ett 31t ben Dingen,
oon benen bas Publifum annahm, bah f^ allein
bie fyachtoelt intereffierten. ünb dod) hat früher
ber Stäbtebau biefelbe öffentliche Vebeutung ge=
habt toie heute. Allerbings muh gefagt toerben,
bah infolge bes immer gröberen Antoad)fens ber
Stäbte bie Vebauungsfragen oott 3 ah^ 3 U 3 ah^
bringlid)er geworben finb. Aber bas heutige all=
gemeine 3utereffe hängt trohbent in erfter £inie
mit bem tünftlerifd)en Afpett 3ufantmen, unter
bem neuerbings ber Städtebau betrad)tet wirb.
Die feit 3wan3ig 3 ah^en Deutfd)Iaitb überflutenbe
tünftlerifd)e Strömung ift eben jeht bis an bas
lehte, umfaffenbfte unb wichtigfte ©ebiet ber
Ard)itettur, bie Anlage gan3er Straffen unb Plähe,
ja gan3er Stäbte herangetreten. Dem Stäbtebau
oon früher lag nad) ber bamaligen Anfid)t nichts
anbres ob als bie Schaffung oon Vertehrswegen
unb bas Auffd)liehen oon Vaugrunbftüden. Die
Arbeit 001130g fid) auf bem Papier, fie war rein
graphifd) unb fiel meiftens dem £anbmeffer 311,
foweit nicht ber 3ugenieur, im befonberen ber
Straffenbauer, ein Aßort mitfprad). 2 Bas heute
ben bamals entftanbenen Vebauungsplänen oor=
geworfen wirb, ift, bah uor allem bas raum=
bilbende Aloment unbeachtet blieb. 3 u jenen
3 eiten würben bie groben Sternplätje, bei benen
720
1911. 9lr. 27
Plan des Kriegsministeriums für die Bebauung des Tempelhofer Feldes
Entwurf von Geh. Baurat Gerladi
fed)s bis 3ef)n Straften auf einen ©unlt 3u[ammen=
laufen, angelegt, wobei man bann noch mitten in
bie ftreu3ung ein öffentliches ©ebäube ober ein
Denlmal [teilte. X)ie S 4 ai[er*©SilI)elm=©ebäd)tnis*
tird)e in ©erlin i[t ein Sd)ulbeifpiel für biefe
Anlage, ©s entfielet lein ©laft im Sinne eines
um[d)loffenen Raumes, [onbern man fieftt nur
[piftwinllige Läufereden, bie ringsum roie ©is*
bred)er bie $reifläd)e bebroften. Das in ber ©litte
[teftenbe ©tonument lann oon niemanb betrachtet
werben, roeil ber ©etrad)ter ©efaftr läuft, oon
ber ©leltrifchen überfahren 3U toerben. Hnb felbft
für ben ©erlel)r, für ben man hoch in erfter Linie
3U [orgen oorgab, finb biefe Sternpläfte bie um
geeignetste Anlage, worüber ber ©otsbamer ©laft
in ©erlin eine unzweifelhafte ©elehrung gibt.
©ine weitere Lieblingsanlage war bie ©rad)t*
[trafte. ©tan [ud)te eine gewiffe ©roftartigleit
burd) übertriebene ©reite ber Straften gu er*
reid)en. Da biefe Straften nun ungemein oiel
©elb lofteten, muftten fie ber 3ahl nach befd)ränft,
bas fteiftt, es muftten bie ©aublöde um fo gröfter
gefd)nitten werben. Das ©rgebnis waren bie
aufterorbentlid) tiefen ©augrunbftüde, bie 3u ben
für ©erlin d)aratterifti[d)en langgeftredten äfftet*
tafernen mit Seitenflügeln unb meftrfadjen Quer*
gebäuben geführt haben.
©in grunbfäftlid)er ©Sanbel im Stäbtebau
trat ein burd) bas im 3alp* 1889 erfchienerte ©uch
oon ©amillo Sitte, „Der Stäbtebau" ( 4 . Auflage
1909 ). Das oortrefflidje © 3 erl gehört 3U jenen
©üd)errt, beren Leitüre ein ©rlebnis ift. Sitte
legt, unb barin beruht feine ©ebeutung, allen
©Übungen bes Stäbtebaus ben räumlid)en @e*
banfen unter. Der ©laft ift für ihn nicht mehr
eine Üreu3ung oon Straften, fonbent ein oon
gleichseitig mit bem raum*
geftaltenben ©ebanlen, ber eine
©ereidjerung war, ein gewiffer
Romanthftsmus in ben mobernen
Stäbtebau eingebrungen ift, ber
ein nachteiliges ©loment bilbet.
Die Irumme Richtung würbe
©lobe. ©s würben in ©liftoer*
ftehung ber Sehren Sittes auf
oollftänbig ebenem ©elänbe
©ororte angelegt, in benen bie
burd)weg Irummen Straften wie
ein ©inbfab entnäuel burd) ein*
anber laufen. 3 eöe Orientierung
ift bann 3ur Hnmöglid)leit ge*
mad)t; bie ©illenlolonie Riiolas*
fee bei ©erlin ift ein ©eifpiel
hierfür. Diefe „Irumme Rid)*
tung" muh jetft wieber über*
wunben werben. ©Sirllid) groft*
3ügige Reuanlagen haben 3u
allen 3eilen, foweit fie auf
ebenem, burd) leine Ratur*
beftinberung lompli3ierten ©e*
länbe lagen, ftets ber geraben
©Sänben umgebener Raum (äl)nlid) wie bas
3 immer, nur baft ihm bie Dede fehlt). ©Sie wir
bie ©löbel an bie 3iirmierwänbe rüden, wie wir
Sunftwerte im 3 i mm er fo [teilen, baft bie ©Sanb
als §intergrunb wirtt, fo ftehen aud) auf bem
©lafte, beffen erftes ©rforbernis eine gefd)lo[[ene
ft-olge oon ©laftwänben ift, ©lonumente am
beften 3iir Seite gerüdt; bie Straften laufen nicht
fternförmig über bie ©litte bes ©taftes hinweg,
fonbern 3iehen fid) an ben ©laftwänben entlang.
Daburd) wirb zugleich bem ©erlel)t in befter ©Seife
Red)nung getragen, ba bie Streuungen auf
mehrere ©untte oerteilt finb. Über3eugenb weift
Sitte nach, kaff unfre alten Stäbte nad) biefen
©efidjtspunlten angelegt waren, er belegt alfo
feine Dheorie mit alten ©eifpielen. ©ine
Reihe anbrer ©efidftspunlte ergibt fid) als Sieben*
probult. Die gerabe Strafte ift nicht immer ber
Iür3efte ©Seg. Da, wo örtliche ©erhältniffe, wie
unebene ©obengeftaltung ober etwa ein bie Stabt
umgebenber fyeftungsgürtel ober ein $luftlauf
oorhanben finb, werben bie Straften in gebrochenen
ober in gezwungenen Linien geführt. Dabei ent*
ftehen oft [ehr rei30olIe Straftenbilber, bie burch
gebogene Straftenwänbe, Rüdfprünge unb Rus*
bud)tung ber Läuferreihen, laufdjige ©läftd)en unb
fülle ©Sinlel gelenn3eid)net finb.
So hat Sitte ben Stäbtebau 3u einem lünft*
lerifchen ©roblem gemacht. greilid) gab gerabe
fein Linweis auf bie malerifd)en Sdhönheiten
unfrer alten beutfd)en Stäbte ©eranlaffung, baft
if if Jr ]nll-
Bebauungsplan von Fiermann Jansen
Linie gehulbigt. Red)twinllig waren bie antiten
Stäbte angelegt, bie Regelmäftigleit bilbete bas
©runbprin3ip ber Einlagen ber Renaiffance unb
©arod3eit. Dem raumgeftaltenben ©rin3ip tut
bie Regelmäftigleit felbftoerftänblid) leinen ©in*
trag, biefes ift an fid) weber an bie gerabe nod)
an bie Irumme 3 ornt gebunben.
3 m heutigen Stäbtebau finb aufter bem
raumgeftaltenben ©ebanlen noch eine “Reihe
anbrer ©runbfäfte 3ur Rnerlennung gelangt, bie
fid) I)aupt[äd)lid) aus hh0ienifd)en unb oolls*
er3iehli<hen ©efid)tspunlten ableiten unb bie bas
RIphabet bes mobernen Stäbteentwerfers bilben.
Lier finb einige biefer ©runbfäfte: bie Läufer*
blods werben burd)feftt mit möglid)ft reid)en ©rün*
fläd)en (©arls, Spielpläften, ©artenanlagen).
Diefe ©rünfläcften ftehen, wenn irgenb möglid),
untereinanber im 3 u[ammenl)ang. Rufter ben ©er*
lehtsftraften, bie natürlich i n einer bem ©erlehr
entfpred)enben ©reite unb forgfältigen ©efeftigung
angelegt werben müffen, werben engere unb nur
Ieid)t befeftigte, bal)er billig I)er3uftellenbe fo*
genannte ©Sol)nftraften angelegt, bie mit Heineren
Läufern befeftt werben. Ruf biefe ©Seife lönnen,
ohne bie Ruffd)lieftungsloften wefentlid) 3U oer*
mehten, bie all3u tiefen ©aublöde oermieben
werben, unb es fallen bann aud) bie tiefen Seiten*
flügel unb Quergebäube ber ©lietlafernen mit
ihrer ungenügenbett ©elid)tung unb ©elüfturtg
weg. Ruf foId)e ©Seife ift es möglid), einen ©Sedjfel
in ber ©ebauungsart unb bamit hpgienifd) beffere
©Sol)n3u[tänbe aud) im 3 ^Ttein ber Stäbte her*
bei3ufül)ren. (früher war bie fogenannte ge*
fd)Ioffene ©auweife, bas heiftt bie ©auweife mit
hohen Reihenhäufern, auf bas gan3e 3anere ber
Stabt ausgebehnt, währenb bie Ruftenbe3irle
burdhweg mit ein3elftehenben Läufern, alfo
Ianbl)ausmäftig, bebaut werben muftten.) 3n
ben ©ebieten ber bisherigen lanbhausmäftigen
©ebauung werben jeftt in ein3elnen Straften au<h
Reihenftäufer 3ugelaffen. l>en Äleinwoftnungs*
bau, bas fteiftt für Rrb eiterhäuf er unb Läufer für
ben Heineren ©littelftanb, werben ©rleid)terungen
in ber Äonftrultion, ber Löhe ber Räume, ber
©reite unb Steigung ber Dreppen gewährt, um
auch bas fteigenbe ©erlangen biefer ©eoöllerungs*
Haffen nad) bem ©üpjelwohnbaufe beliebigen 3U
lönnen.
©in reges Leben ben*fd)t jeftt int Stäbtebau.
Rllerorten entftel)en neue ©ebauungsplätte, unb
bie beften tünftlerifd)en Kräfte [teilen fid) in ben
Dienft ber Sache. 3 *t ©erlin hat neuerbittgs bie
©ebauung bes Dempell)ofer gelbes oiel oon fid)
reben gemacht, ©liftfallen erregte, baft ber Rn*
lauf bes gelbes auf einen ©ebauungsentwurf
hin erfolgte, ber gan3 im Sinne bes überwuttbenen
Stäbtebaues aufgeftellt war. ©Sie bie Rbbilbung
3eigt, enthält ber ©ntwurf, ber nad) ber Ruf*
fd>rift oon ©erlad) auf ©runb gemeinfamer ©or*
arbeiten mit Stübben herrührt (bem belannten
©ertreter ber älteren Rnfdjauungen), 3ahlreid)e
Sternpläfte unb faft burdjweg gans breite Straften,
wobei bie geringfügigen ©rünfläd)en in un3u*
fammenl)ängenben, 3um Deil unarchiteltonifd) ge*
bauten 3 ^l^eln auftreten. 3 « welcher ©Seife
neuere Ruffaffungen fid) mit ber Rufgabe ab*
finben, beweifen bie beiben anbern Rbbilbungen,
wel^e bie ©ntwürfe oon 3anfen unb oon ©öde
barfteilen. Lier finb bie neueren ©eftaltungs*
Bebauungsplan des Tempelhofer Feldes. Entwurf von Landesbaurat Professor Göcke
1911. SRr. 27
721
C/)ie t (/yiiftur det\
grunbfähe bes Stäbtebaus, rote fie Ijcute ©emein-
gut getoorbert firtb, in red)t erfreulicher VSeife
tlar uub prftgts gum Ausbrud gebracht.
Hermann Vt u t b e [ i u s
9 Jtan umwidelt ein Heines Stüd ©ifen mit
einem Stüd Draht, ber mit Vaumwolle, Seibe
ober bergleid)en umfponnen ift. Die ©nben bes
Drahtes roerben an eine ©Iettrfeitätsquelle, gleich*
otel weld)er Art, angefdhloffen. VBas gefd)ief)t ba?
Das ©ifen roirb magnetifd). ©s ift imftanbe,
anbres ©ifen anjusiehen. 3c nad) ber Form¬
gebung, ber V 3 inbungs 3 al)l bes Drahtes unb ber
Starte bes burdjfließenben eleftrifchen Stromes
ift bie Vßirtung mehr ober roeniger fräftig.
©s gibt roenige ©ntbedungen, bie foId)e außer-
orbentlid)e Verbreitung gefunben haben roie gerabe
biefe. VSollten toir ben ©lettromagneten mit
Stumpf unb Stil aus unfrer Tedpttt ausrotten,
roir müßten auf eine Unmaffe nüßlidjer unb an-
genehmer 9 Vafd)inen unb Apparate oer3id)ten.
Auf bem elettromagnetifdjen ißrin3ip finb
311m Veifpiel fämtlidhe ©lettromotoren aufgebaut,
bas heiföt ohne Kenntnis bes ©lettromagnetismus
befaßen roir teine elettrifd)en Vtafd)inen unb bamit
alles bas nicht, roas fi<^ roieberum auf biefent
aufbaut.
Aber aud) fonft begegnet uns bas braßt-
umroidelte Stüd ©ifen tagtägüd). ©ine feßr ein-
fad)e Anwenbung I)ot cs 3unt Veifpiel in ber
elettrifchen Klingel gefunben. VSenn roir auf ben
Knopf brüden, fo tun roir weiter nichts, als ben
Stromtreis für einen tleinen ©lettromagneten
fchliefcen, ber ben Klöppel ber Klingel hin unb her
bewegt, ©ine befonbere Art finb bie fogenannten
5 ortfd)eIlgloden. Sic finb weniger befannt,
aber für oiele betriebe fel)r wichtig. Vei biefen
©loden ift ein befonberer ^ilfsmagnet angebrad)t.
SBenn man auf einen Knopf ber Heitung brüdt,
fo wirb biefer §ilfsmagnet erregt, bas heifet ma=
gnetifd), 3ießt ein Heines Stüd ©ifen an unb fehltest
baburd) einen 3weiten Stromtreis, an bem bie
5 Hingel hängt. VSenn man ben Drudtnopf los¬
läßt, bleibt ber eigentliche Klingelftromtreis ge-
fchloffen. Die Klingel ertönt alfo fo lange, bis
burd) einen befonberen ^anbgriff bas Häuten
unterbrochen wirb. Diefe klingeln finb bort oon
Vorteil, wo burch bie Klingel jemanb herbei¬
gerufen werben foll, ber fid) nicht ftänbig in feinem
3 immer befinbet, 311m Veifpiel bie Vebienung
in einem Hotel.
Der ©lettromagnet ift ferner unentbehrlich
für unfer Telephon. VSertn man bie an ben Tele-
Phonhörern aufgefd)raubte Kappe abfdjraubt (id)
empfehle biefes ©rperiment jebod) nid)t, weil
baburd) bie genaue ©inftellung bes Apparates
geftört wirb), fo finbet man unter ber flachen
Vtembran einen tleinen Doppelmagneten, ber
oiele SBinbungen gan3 bünnen Drahtes trägt.
Die oon ber Spred)ftation ausgehenben rf)t)tbmi=
fd)en elettrifd)en Stromftöße oerurfad)en bann
ein entfpred)enbes, mehr ober weniger ftartes
Vtagnetifhwerben ber eifernen Kerne. Daburd)
wirb bie baoor befinblid)e Heine ©ifenplatte in
bie gleichen rhpthmifhen Sd)wingungen oerfeßt,
wie fie bie Vtembran an ber Sprechftation macht:
bie fiuft wirb entfpred)enb erfd)üttert unb ber
3ugehörige Haut er3eugt.
Veim Telegraphen beforgt ber ©lettromagnet
bas Vieberbrüden bes Scfjreibftiftes. VSenrt er
biefen längere 3cit auf bas oorbeirollenbe Rapier
brüdt, fo entftel)t ein Strid), brüdt er nur tur3:
ein Vuntt. Auf fold)e VSeife tommt bas Vtorfe-
alphabet 3uftanbe. Veue Telegraphenapparate
finb nad) Art ber Sd)reibmafd)ine eingerichtet,
fie bruden gleich bie gewünfd)ten Vud)ftaben.
Das ‘iprhpip ift jebod) basfelbe, nur bie ted)nifd)e
Ausführung ift etwas oerwidelter.
3 n ber transo3eanifd)en, fogenannten Kabel¬
telegraphie tann nur mit gan3 fd)wad)en elettri¬
fchen Strömen gearbeitet werben. Diefe finb
nicht mehr imftanbe, ein Stüd ©ifen fo ftart 3U
magnetifieren, baß ein anbres Stüd ©ifen an-
ge3ogen werben würbe, hier hilft man fid) ba¬
burd), bah man eine magnetifhe, frei aufgel)ängte
eifeme Vabel burch eine Vtagnetwidlung beein-
fluffen läßt. 3 hrc win3igen, für bas Auge taum
fidhtbaren Schwingungen werben bann baburch
oerbeutlicht, bah uian an bem Aufhängefaben
einen gan3 tleinen, leichten Spiegel befeftigt,
auf ben ein fiid)tftral)I gerichtet wirb. Die Vßiber-
fpiegelung bes fiid)tftral)les erfheint bann auf
einer etwas entfernt aufgeftellten VSanb. Die
geringfte Vewegung bes Fobens unb bamit bes
Spiegeldhens wirb auf biefe Vkife beutlidh wahr¬
nehmbar. Vatürlid) feljt man ben Apparat felbft
unter eine ©lasglode, bie ihn oor feber Huft-
ftrömung feßüßt, unb bas 3iutmer wirb oerbuntelt,
bamit man ben fiid)tfd)ein beffer beobad)ten tann.
Diefer fehr feine Apparat erforbert allerbings
ein bebeutenb langfameres Arbeiten als bie ge¬
wöhnlichen Telegraphenapparate, ©rft in neuefter
3cit ift es gelungen, burd) oerfd)iebene 9 Jtaß-
nahmen bie Telegrapl)iergefd)winbigteit burd) bie
teuren Kabel wenigftens etwas 311 fteigern unb
leßtere auf biefe VSeife rentabler aus3unußen.
3 m ^Srioatleben finben wir ben ©lettro-
magneten jetjt oielfad) als portier angeftellt. So
gut wie er einen Sdjreibftift ober einen Klingel-
Höppel bewegen tann, fo gut gelingt es ihm
aud), einen Viegel oor- ober beifeite3ufd)ieben. 3 u
3imntern, wo man nid)t feber3eit unangemelbeten
©intritt wünfd)t, wirb bie äuhere Türflinte be=
feitigt unb im Vfoften ber Heine Vlagnet eingebaut.
Am Sd)reibtifd) ober wo fonft wirb bann ber Heine
Drudtnopf befeftigt, oon bem bie Heilung nach
ber Tür führt. VSenn es flopft, hot man es in ber
Hanb, ol)ne 00m Stuhl auf3uftehen, 3U öffnen
ober aud) nicht 3U öffnen. 3u gröberen ©e=
f^äftshäufern werben auf biefe VSeife bie
3 immer ber Direftoren unb Vorftänbe oiel-
fach ausgerüftet. Vatürlid) muh öer 3iTn TT ter=
bewohner bann auberbem einen fogenannten
Drüderfd)Iüffel haben, um bie Tür felbft oon
auben 3U öffnen, ©r tann fid) aber bann
jeber3eit ruhig aus feinem Arbeitsraum ent¬
fernen unb alles liegen laffen, ohne bas
3 immer ab3ufd)lieben. Kein Unberufener
tann währenb feiner Abwefenheit ben Aaunt
betreten.
©ine große Volle fpielt ber Vtagnet bann
nod) bei allen möglichen Sid)erl)eitsoorrid)=
tungen. Die Vtöglichteit, burd) eine leichte
Verührung eine grobe Kraft auslöfen 31t
formen, ift eben oon unfd)äbbarem VSerte.
Auf ber ©ifenbal)n werben oiele Signale auf
biefe VSeife bebient. Die fogenannte Vüd-
ftellung ber 3-ahrtfignale burch ben fahren-
ben 3i© eleftromagnetifd) bewerf-
ftelligt. Der Apparatjnirb in biefent $alle hinter
bem Signal an ber Schiene befeftigt. Vollt ber
fdjwere 3 U 9 barüber l)Httocg, fo wirb ein §ebel
niebergebrüdt; ber Stromfreis wirb gefd)loffeit,
unb ber auf freie 3abrt ftehenbe Signalarm fällt
in bie wagerechte Üage. Daburd) werben bie
Unglüdsfälle oermieben, bie früher baburch ent-
ftanben finb, bah ber VSärter es oergeffen hot,
ein gegebenes fyreifahrtfignal red)t3eitig wieber
3uriid3uftellen, fo bah ein unmittelbar nad)-
folgenber 3ug int guten ©Iauben gleichfalls mit
burd)ful)r unb bann unter Umftänbert auf ben
oorherfahrenben auf rannte.
3n ben lebten 3ohten hot man ben ©leftro-
magrteten aud) für gröbere Arbeit abgerichtet.
So gut wie ein Heiner SRagnet eine Stahlfeber
an3iel)t unb, feftl)ält, fo gut tann ein entfpred)enb
ftärfer gebauter grobe eiferne Völ)ren, ©ubftüde
unb fo weiter heben unb fefthalten. Der technifche
Ausbrud für biefe Konftruttionen lautet „Hub¬
magnet". Selbftoerftänblid) muh fich bie Arbeit
auf eiferne Transporte befd)ränten, benn anbern
Viaterialien gegenüber ift ber Viagnetismus macht¬
los. 3 n oielen mobernen Vetrieben werben fold)e
Hubmagnete an Kräne gehangen, ©s entfällt
bann bas bisher erforberlid)e Antetten. Det
Vtagnet wirb herabgelaffen, ber Strom ein-
gefchaltet, unb fd)on hängt bie Habung wie feft-
gefaugt an feinen Klauen. Dann 3iel)t ber Kran
Vtagnet famt fiaft in bie Höhe unb beförbert fie
nad) bem Veftimmungsort.
3 n ben Vereinigten Staaten hot bie Vlarine
aud) fd)on Verfuge gemacht, mit Hilfe foldjer
Vtagnete unter bem VSaffer oerlorert gegangene
Torpebogefd)offe 3U fud)en unb 3U hebert, unb
oielleicht überlegt man an 3uftänbiger Stelle aud)
einmal ben ©ebanten, entfpred)enb grofj unb
träftig gehaltene 9 Jiagnete für ben Vettungsbienft
an Hnterfeebooten aus3uprobieren. Die Arbeit
bes Sud)ens unb Hebens würbe bann ungleid)
fd)neller oor fich gehen tönrten unb aud) auf weit
größere Tiefen erftredt werben, als es jeht möglich
ift, wo bie Vefeftigung ber 3m Hebung bienenben
Seile unb Ketten erft burch Taucher erfolgen
ntuf), bie bei ungünftiger £age bes oerfuntenen
Hnterfeebootes nur 311 häufig oor einer faft un¬
möglichen Aufgabe flehen.
Der Vtagnet hot fd)on fo oieles oollbracht,
warum follte er nicht auch biefe Aufgabe nod)
glüdlid) Iöfen tönnen? S. Hortmann
Den Amerifanern ift es oorbehalten geblieben,
auf einem ©ebiet ber Aoiatit, bem oon Anfang
an eine befonbere Vebeutung gefchentt würbe,
ber Verwenbung ber 3 'tugmafchine im Auf-
Härungsbienft ber Vtarine, erhebliche 3 ortfd)ritte
31t machen. 9 Jiac ©urbt) unternahm ben Verfud)
eines größeren Ringes über bas Vteer,
inbem er oon Kep-VSeft aufftieg, um Hooanna
3U erreid)en. ©r hatte, um einen Untergang feines
3 weibeders im fyolle eines unfreiwilligen Vieber-
gehens aufs Vieer 3U oerl)inbern, 3wei hohle
3 plinber oon genügenber Tragiraft an bie unteren
Tragbeden feines 3 u>eibeders montieren laffen,
eine Vorfid)tsmaf3regel, bie fid) benn aud) als
burd)aus nötig erwies. Vach einem 3luge oon
reichlich 180 Kilometern fentte fich fetue 3 Iug=
mafd)ine, ohne baf) fid) eine befonbere Störung
feftftellen liefe- Vur wenige Kilometer oor bem
Ufer ging er aufs VJaffer nieber, um fpäter oon
bem ihn oerfolgenben Vtotorboot aufgenommen
311 werben. Vod) intereffanter waren bie Verfud)e
©lt)s, eines jungen ameritanifd)en Aoiatiters, ber
feine Verfuge barauf erftredte, oon einem ameri-
!anifd)en Kriegsfchiff auf3ufteigen unb
wieber auf ihm 3U lanben. 3u biefem 3u>ed hatte
man bas Ad)terbed eines Kreters mit einer
Vretterlage überbaut, bie eine genügenbe Anfahrt-
flädje bot. ©r flog 3unäd)ft 00m Schiff 3um Ufer,
um nach einigen Verfuchen bann bie eigentliche
Übung aus3ufül)ren. Der glug gelang glatt,
allerbings in ruhiger ßage bes Schiffes, uub bie
weiteren Verfud)e werben barauf ©uauslaufen,
bas Schiff auch währenb ber Sahtt oerlaffen unb
wieber erreichen 3U tönnen. Aud) biefem Unter¬
nehmen flehen grunbfähliche Vebenten nidht ent¬
gegen. Die ©efd)winbigteit beim Kanben wirb
burd) an bie Seiten gelagerte Sanbfäde ge-
bremft, fo bah es teine Sd)wierigteiten macht,
bie Vtafhine burh hilfsbereite Hänbe im richtigen
Augenblid auhalten 3U tönnen. ©ine Steuerungs¬
führung ift burh 3u?ei oorftehenbe Shienen ge¬
geben, bie ein feitlidjes Abrutfdjen bes Doppel-
beders oerhinbern. ©in anbrer ^ 3 untt ift allerbings
bas ftänbige 3 ühten ber höfeernen Anfahrtsflähe
im Kriegsfälle, bas bie Venutjung ber ©efhütje
behinbert. Doh werben, wenn ber VSert bes
Aeroplans für benjlluftlärungsbienft ber Vtarine
gefihert ift, bie Sd)iffsbauted)niter fiher halb
ben VSeg finben, um ein3elne ShIod)tfhiffe für
ben Abflug unb bie Kanbung ohne befonbere
Überbauten ein3urid)ten.
V 3 ie bie Shueeglödhen im Vtär3, fo ftellt
fih pünHlih, wenn bie Vennfaifon wieber ein¬
geleitet ift, unb wenn bas Heben auf bem Turf
erwad)t, bie ©übe ber Vu<hwad)er ein, um ber
großen VBettgemeinbe bas ©elb aus ber Tafhe 3U
loden. 3 n biefem VSinter würben fie gar ge-
würbigt, im preußifhen Parlament 3U Vßort 3U
tommen, benn einige wenige Abgeorbnete — ber
Vennfport ift im Parlament fonft tein beliebtes
m
Eugene Ely nähert sich in seinem Doppeldecker
dem Kreuzer „ Pennsylvania“
gefünbigt. ©erabe red)t ift jüngft eine Vrofcßüte
gefomtnett, bie loom Wtngfatupffd)wiübel
banbeit. Me 2 BeIt weiß längft, baß bie fo=
genannten WingfampfmetSterfcßaften, bie unter
ber SWarfe bes Sports in ben lebten fahren
Dort umßerreiSenben Wtßletentrupps ausgefoCßtett
würben, gum allergrößten Detl, gelinbe gefagt,
Vorspiegelungen falfd)er Datfacßen waren. ©s
roar nichts roeiter als abgetartetes Spiel oagierem
ber Wrtiften, bas nur ben Voräug batte, einige
3 abre btnburd) bas Mgenmerf auf ben lange
eingeSd)lafenen griecf)ifch=römifd)en Wingfampffport
gu lenten. Die Starten s JWänner haben Seit einiger
3 eit abgewirtschaftet. Die ^ßoligei bat ib^en gu
Sd)arf auf bie 3 'tnger geSeben. X)ie Wingfämpfer
haben im Volfsntunbe fid) längft ben Veinamen
„Sd)ieber“ gefallen Iaffen müffen. Wad) bem
Vrofd)ürenfd)reiber bat ber größte „Oberfdßieber"
eine CSefellfcfjaft oon etwa gwangig Wiattn, mit
benen er oon Stabt gu Stabt reift. Die meisten
befommen einen feften Wionatsgehalt oon 150
bis 200 9 Warf. ber Druppe befinben fid) lauter
iieute mit falftßen Warnen unb bombaftifd)eit
Diteln. Wud) falfd)e Dürfen unb Spanier Spielen
hier eine Wolle. Der güßrer engagiert nur Heute,
bie fid) oerpflid)ten müffen, oon feiner $anb gu
fallen, ©r Soll burd) bie Scßeinringtämpfe über
eine Viertelmillion VZarf gufammengerafft haben.
Die ausgefeßten ©elbpreife waren Stets nur Scßeiw
preife, bie jebesmal gurüdgegebert würben, ober
es gab oor ben Mgen ber 3 ufd)auer leere Kuoerts,
bie ben ©elbpreis enthalten Sollten. 9 Wit bem
wahren Wingfampffport, ber in ben ernftbaften
Vtßletenflubs gepflegt wirb, unb ber fid) auch in
afabemifeben Greifen ©ingang oerfd)afft bat, wie
neuerbings bie Kunft gu boxen, bat natürlid)
biefer Huntbug nidjts gu Schaffen.
Wrno Wrubt
Vferb bepefeßiert unb preifen fid) glüdlicf). Wiit
biefem §unbert gebt bann ber Dipfter trebfen,
unb bas topiel wieberbolt fid) täglich.
Mbre Mgeßörige ber Dipftergemeinfcßaft, bie
aus guten ©riinben ihren Warnen oon 2 Bocße gu
2 Bod)e gu wecbfeln pflegen, haben irgenbwo ein
Stallgeßeimnis aufgefebnappt unb bepefeßieren
nun biefes tobfießere Ding — tobfid)er ift im
Sprad)fd)at3 bes Durfs bas beliebtefte 2 Bort — in
alle SBelt hinaus. Ob es eintrifft ober nid)t, fie
haben bie Sahne abgef©öpft unb bas Honorar
in ber Dafcße. SelbStoerftänblicß hat jeberjnefer
Herren glängenbe Vegiel)ungen gu ben Spißen
bes Wennfports, er gudt in alle Voxen, fennt jebes
Vferb oon fern, weiß, ob es gut ober fd)led)t ge=
treffen, was es in ber SWorgenarbeit getan hat,
jtel)t mit allen Drainers unb 3 odeis auf bem
Dugfuß, war getoößnlid) felbft einmal ein ^odtei
ober gar ein Herrenreiter unb berlei Scherge.
SBie fo eine Weflameofferte ausfieht, geigt folgenber
„Mfruf": „günftaufenb 9 Warf!! firtb für bem
jenigen meiner Kunben beponiert beim ©rebit
Hpottnais gn ißaris, weld)er oon mir jemals mehr
wie gwei Vferbe unb außerbern anbre 3 n f° rmo=
tionen erhielt als bie nacßfteßenb angeführten ...
ferner ftehen bie oon mir gebraßteten Vferbe
unter Kontrolle oon breißunbert Kunben, weld)es
woßl genug Veweis meiner Weellität ift. 2 Bar
felb|t bis gum leßten 3 aßre als 3 °dei tätig,
fann aber in biefem 3 aßre nur noch im Draining
tätig fein unb in ber Wrbeit ©alopps reiten,
ba mein Körpergewicht gu fd)wer geworben
ift. Durd) engfte Vegießungen gu meinen Kob
legen fowie burd) Drialgalopps bin id) täglich
in ber Hage, ein bis gwei gute Sad)en gu
bepefeßieren."
Widßt nur im ^ferbefport treibt ber Humbug
üppige Vlüten, es wirb aud) anberswo im Sport
Dßenta — flagten mit Wedßt, baß bie troß aller
Verbote gang offen betriebene Vud)macßerei,
fo wie fie jeßt bei uns befteht, unleiblid) geworben
ift, unb baß es beffer wäre, fongeffionierte Vud)=
rnaeßer neben bem Dotalifator eingufüßren. Vis
es fo weit fommen wirb, werben fießer nod) einige
Vferbegenerationen geboren werben, unb bie
Voofies unb Dipfter werben ißre feingefponnenen
Drids, mit benen fie ißre Opfer föbern, weiter
in bie VSelt feßen. Draftifcße Veifpiele Sollen hier
geigen, mit welchen Wiitteln hinter ben Kuliffen
gearbeitet wirb, um oor allen Dingen für 9 Bett=
Operationen über frangöfifd)e Wennen bie 2 ßerbe=
trommel gu rühren.
Da fißen in Varis ober aud) in irgenbeirtem
hollänbifcßen ©rengneft ©lüdsritter bes grünen
Wafens, bie oon ihrem 'ißlaß aus. gang Dentfdßlattb
mit Offerten in 3 orm oon Wunbfdjreiben ober
Spaltenlangen JMttoncen in ben Sportblättern
überfd)ütten. Sie haben es allefamt auf Sogenannte
„feriöfe 2 Bettintereffenten" abgefeßen, bas ftnb
nad) ißrem ©efeßmad Heute, beiten bas ©elb nid)t
leib tut. Unb biefe feriöfen teportleute erhalten
oon beit Dipftertt bie oerlodenbften Angebote.
3 *ür ein Humpengelb oon fünf Wtarf an wirb ißnen
ber tobfießere Sieger biefes unb jenes Wenttens
in Varis genannt. $ür gehn Wiarf fliegt er gar
gwei Sieger feßon oorßer geweisfagt. Unb fo geßt
es weiter. Watürlid) gefd)ießt bas unb bringt
alles telegrapßifd) ein loßnettbes ©efd)äft für ben
Did)ter biefer Depefd)en, beffen eingiges Spftem
oft genug barin befteht: Sollen in einem Wennen
aci)t Vferbe laufen, unb ßat er etwa acßtßunbert
Kunbeit (fo oiel Dumme unb weit meßr gibt es
leiber noch), bann bepefd)iert er an je ßunbert
ben Warnen eines ber Vfetbe, bettn ein ©aul muß
bod) bie Wafe guerft burd)s 3 iel Steden; alfo erhalten
immer ntinbeftens ßunbert Kunbeit bas richtige
Verpadt Das Boot Im Keffer «fof bem
(Sin fraTt3öfifcf)cr ©rfinber, Wicoules in ißaris, ßat ein gufammcnletibares Voot erbaut ©s befteßt im mefentlicßen aus einem red)tedigen, gufammeitlegbaren Kajten,
ber fo3ufagcn bas eigentliche Voot bilbet. 3 mei gigarrenartige Scßcoimmer aus maSScrbidjtem Segeltudß, bie mittels einer Hanbpumpe mit fiuft gefüllt toerben, werben
feitlicß an'bas Soot befeftigt. Der Antrieb gcfd)ießt bureß ein 'ßabbelruber. Diefes Heine Voot läßt fieß fcßnell unb Ieicßt 3ufammen= unb auseinanberlegcn, alle 3 ubeßör=
teile wie Wuber, Seffei, Sdjrüimmer finbcit in bem Voote ^ßlaß, bas gufammengetlappt bie g° rm *d ne5 Hanbtoffers ßat.
Dod) c§ ift gu beinern ©litrf
Hoffnung btr gegeben:
Vtomnlg ocrleißt gnri’id
$ugcnbfröft T geS geben!
V?a§ foll bir ber Sonne <
be§ ßcngeS Vlitßcn?
Sßcnn btt fitßlft gn bettter
Deine ^ngcitb fließen?
Das Trübjabr ist die geeignetste Zeit
ber formen benterlbar, oßne baß überflüfftger 3 Ut=
anfaß bie Scßönßeit ber formen beeinträchtigt.
Wian erhält Viontalg für 1 9 Rf. bie Heine, 1,90 9 Jlf.
bie große Dole in 2 tpotßef'en unb Drogenßanblungen.
— Wiancße 2 Bieberoer!äufer empfeßlen ait§ eigeio
nüßigen Wiotioen etma§ anbere§ al§ angeblid) „ebenfo
gttt". Söte feltfatn! Sßenn ein beliebiges anbere§
^ßrobutt „ebenfo gut" märe, warum neßmen bann ^Sro=
fefforen unb 2 lergte, ^öniglidje blinden, Wennfaßrer,
Hungerfünftier Viomalg unb nicßt§ anbere§? ÜWan
laffe fieß nidßt beirren unb wenbe fieß lieber, too nießt
erßältlid), an bie untergeießnete gabrif, bie bie näcßfte
VegugSquetle naeßtoeift. ^rofpeft nebft Stoftprobe
oerfenbet oöHig foftentoS:
©ßem. ^abrif ©ebr. fßatermann,
^riebenau = Verlin 109 .
für ben Veginn einer Verjüngung§= ober 2 lttffrifcßung§=
für mit Viontalg. Die gefantte 33 erbauung§tätigfeit
erßält babei eine mächtige Anregung unb ^örberung.
Vlut= unb Säfteftod'ungen werben beßoben, angefam=
weite Scßtaden ttaeß unb naeß entfernt. Der Weroew
fubftang wirb gubent burdß Viomal^ ein Ieicßt affimilier*
barer Weroen=Wäßrftoff jugefüßrt, ber bie Weroen cr^
frifeßt unb belebt unb äußeren ©inbrüefen gegenüber
weniger empfinblid) maeßt. Wacß bem Verbrauch einiger
Dofen wirb bie Söirfung be§ Viomal3=©enuffe§ aueß
äußerlid) fießtbar. ©cßlaffe, weife ober edige
3 üge oerfeßwinben, bie ©efi(ßt§farbe wirb
frifeßer unb rofiger, ber Deint retner, ba§
Haar erßält ben alten ©lang unb neue Anregung gunt
SöaCßgtum. Vei mageren, in ber ©rnäßrung ßerunter=
aefomntenen fßerfonen maeßt fieß eine Hebung be§
2 tppetit§, ße§ ©ewicßtS unb eine mäßigeWunbung
xKr. 27
3aJ>rg<mg 53
1911 (®b. 106)
724
Über £artö unb 50leer
1911. 9tr. 27
Qmtgßgaugen« Bütf|«r mtb Sdjrtffett
(Bespredmns ein;eltier (Serke Vorbehalten — Rücksendung findet nicht statt)
ISeutfdje Sänber* unb @täbfe=@efd)tcE)te mit 2 lu§fd)Iuji non «aqertt.
Katalog 144. ßubroig «ojentfjalS ßlntiquariat, Sftündjen.
©roalb, Sari, «lütter Statur er^ätitt. Staturgefd)id)tlid)e «lardjett.
ßetnenbartb. «t. 4.80. grandtjfdje ®erlag§bud)t)anb(ung,
Stuttgart.
^euditroanger, Sion, 2)er tönerne ®ott. 9toman. @el). «t. 3.—,
geb. «t. 4.-. «erlag 2B. «onfelS & ©o„ «tünchen.
Sür Sinber, bie gern lachen. ©in «ilberbud) non ©mit St eint de.
«rei§ geb. «t. 4.—. «erlag «raun & ©cljneiber, «tünchen,
©angfjofer, ßebenslonf eine§ Dptimiften. «ud) ber $ugenb.
«rei§ «t. 5.—. «erlag Slbolf «0113 & ©o., Stuttgart.
©oft, @b., ©flaue unb Königstochter. Srauerfpiel in brei Stften.
«erlag für Siteratur, Sunft unb «Mit Seipgig.
§ebtn, ©nen, Sanb nad) $nbien. «rei§ elegant gebunben
«t. 20 .—. «erlag g. 2 t. «rocfhauS.
$banes, «laSco, ®ie 2trena. Stoman. «reis geh. «t. 3.50,
geb. «t. 4.B0. «erlag ©übbeutfdje «tonatSE)efte ®. m. b.
«tünchen.
Sallnteper, .gäbe, Sunftlerifcbe ©pmnaftif. «reis geb- «t.5.80,
geb. «t. 6.80. Kulturoerlag, @d)Iacbtenfee*«erlin.
SrauSbauer, ^beobor, ®eutfd)eS «auerntum. 2tuS bem Itr*
born unfrer «olfSfraft. «erlag «ßilhelm @dt)enCe, Sörefcben.
Sr eher, «tar, «tit oerbunbenen 2titgen. «outan. SürfdjnerS
«ü(berfd)at 3 2t r. 760—761, «reis 40 «f. Hermann §itlger
«erlag, «erlimSeipatg.
«tidjaeltS, Sarin, ®aS gefährliche 2tlter. Sagebuchaufjeid)*
nungen. ®eb- «t. 2.—, geb. «t. 3,—. ©oucorbia ®eutfcl)e
«erlagS=2tnftalt ®. m. b. §., «erlin W 30.
«iiniatursSßörterbud). ®eutfc^=®rtglifdb|. §erauSgegeben non Dtto
§erbinanb ©iSfelbt. «reis 60 «f. «erlag «aul «täbler,
Stuttgart.
«imiatur*2Börterbud). Seutfcb^ransöfifd). §erauSgegeben non
«aul «la fehle. «reis 60 «f. «erlag «aul «täbler,
©tuttgart.
9teiffer, Dr. 2lrtf)ur, Sleiner Opernführer, ©ine furjgefa^te
©rläuterung ber befannteften Opern, «reis 50 «f. «erlag
Hermann £>tHger, «erlin^Seipjig.
Steumannieder, 2lnna, ®rei ©pielmannSmären unb ©elfebil.
«runo «olger «erlagSbudibanblung, Seipgig=©o£)It§.
Oberlänber, $urd) norroegifdje ifyagbgrünbe. «reis geb.SJt.9.—.
«erlag $. Steumann, «eubamm.
O biefe ®adel! 2. Seil. StUerlei SuftigeS auS bem Seben unfrer
fleinen frummbeintgen greunbe. «reis geb. «t. 2 .—. «erlag
«raun & ©djneiber, «tünchen.
Stad), $Ife non, ®ie ©enblinge non «ogbera. «ontan. «reis
geh- «t. 5 .—, geb. Sit. 6 ,—. «erlag ber $of. Söfelfd)en «ud ) 5
banblung, Sempten unb «tünchen.
3ut gefb «eacbtung!
3>as erste üttb zweite Quartal (Str. 1—26) bes laufen*
ben 53. Jahrgangs oon
„Über Eanfl und Wecr“,
ber fcfjon mit Oftober 1910 feinen Stufung nahm, fann oon jetzt
erst eingetretenen Abonnenten auf bemfelben SBege 3 um
Stbonnementspreife nad)be 3 ogert werben, auf bem fie bas
brüte Quartal (Sir. 27 unb folgenbe) erhalten. Sollte
ber 9tacf)be3ug auf irgenbroeldfe Schtoierigfeiten fto^en,
fo ift bie unter 3 eicf)nete ©rpebition gegen granfo^infen*
bung bes Stbonnementsbetrages oon SR. 8.— sur fofortigen
bireften ttberfenbung ber beiben Quartale gern bereit.
Stuttgart, SRecfarftrafee 121/^3.
€xpeflition oon „Über Eanfl und meer“.
< b -IN PEN APOTHEKEIf:
Renommierte Seht- unä irzlelmngs-Snstilute T:j
vorm. Dr. Tischer’«!»« Uorbmitungsanstalt
Leit. Dr. Schönemann, Berlin W.57, Zietenstr. 22/23. 1910best. 161 Zöglinge: 28Abit.,
darunter 8 Damen, 97 Fahnenj , 1 Marineing., 7 Prim., 15 Einj., 13 f. höh. Klassen,
MB in 22‘/4 Jahr. 3410 SGöglinge, dar. 3316 Fahnenjunk. m
Stadt* Gewerbe-Akademie
«rffli Polytechn. Friedberg (Hessen) Institut.
5 Bahn-Min. y. Bad Nauheim, ‘/ a Bahnstde.y. Frankfurt a.M.
ÄWeäl. f.Maschinenbau, Elektrot., Architekt, u. Bauingenieurwes.
Progr. d. d. Sekret. Beginn der Semester: April u. Oktober,
IUI 80 Pfbuhigb.
VnrhilHnng f.Einjähr.-, Atiit.-Prüfe.
VtJI U,IU in Dr. HarangsAnst., Halle S.
1910 bestand. 79 Schüler, dar. 33 Einj.
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Schon zu allen Zeiten hat die Frau ge¬
sucht ihre Schönheit zu vervollkommnen.
Aber von allen Schönheitsmitteln, die ihr
zu Gebote stehen, ist wohl keines höher
einzuschätzen wie dasjenige, welches wir
beschreiben werden, und mit dessen Hilfe
jede Dame und jedes junge Mädchen
einen schönen und üppigen Busen er¬
zielen kann.
Dieses Mittel ist von schneller und dabei
gänzlich gefahrloser Wirkung, und häufig
genügen 14 Tage nur, um überraschende
Erfolge zu zeitigen.
Madame L.... schreibt:
„Seit 14 Tagen befolge ich. nun Ihr Ver¬
fahren, und ich bemerke mit größter Ge¬
nugtuung bereits jetzt eine wahrhaft er¬
staunliche Wirkung . .."
Wir wollen gleich im
voraus sagen, daß dieses
Verfahren eine innere
Behandlung ist, wodurch JgBmjim
allein eine vorteilhafte
Wirkung auf den Busen Bl|pl
ausgeübt werden kann,
denn diese Organe emp- ‘
fangen ihre Nahrung aus- ■ m
schließlich aus dem \ TB'
Innern des Körpers und KgllPr
können nur durch Mittel
beeinflußt werden, die &
direkt auf ihr Nerven-
System und ihre Ernäh- H|h|
rungszufuhr wirken.
, Das ganze Verfahren
ist äußerst einfach und
besteht nur aus dem Ein-
nehmen von winzigen yäm
Pillen, die man zweimal
täglich zu sich nimmt; ***
kein Vollstopfen mit
Mehl, keinerlei Einreibungen oder kom¬
plizierte Operationen, die ebenso wir¬
kungslos wie unnütz sind, kommen hier¬
bei in Anwendung.
Diese Pillen heißen „Pilules Orientales
Ratie“ und besitzen eine genügende
Wirkungskraft, um der Ernährungszufuhr
der Frauenbrust die entsprechende Rich¬
tung zugunsten der besseren Entwick¬
lung dieses Organs anzuweisen, und es
wird so die erforderliche Anregung zur
Entwicklung und Festigung des Busen
gegeben.
Tausende von Dankschreiben, die uns
von allen Seiten zugehen, sind der beste
Beweis hierfür, und führen wir nur eines
derselben hier an:
Herrn ... Ich habe Ihre Pilules Orien¬
tales angewandt, und macht es mir Freude,
Ihnen mitteilen zu können, daß mich die
erzielte Wirkung sehr befriedigt hat.
Diese Pillen sind auch erhältlich bei:
München, Emmel, Apotheke, Sendlingerstr,
Dr. Mylius, Markt 12, Frankfurt a. M., En
im Geringsten nachteilig beeinflußt wor¬
den, im Gegenteil: ich habe niemals
besseren Appetit gehabt als während der
Dauer der Kur. Ich kann mich daher nur
dazu beglückwünschen, von Ihrem Mittel
Gebrauch gemacht zu haben. Ich danke
Ihnen aufrichtig und erkenne freimütig
die Wirkungskraft der angewandten
Pillen an. Ich mache es mir fernerhin
zur Pflicht, Ihr Medikament jeder Dame,
die dessen bedarf, zu empfehlen.
Gez.: Frl. Marie B...
Bad Landeck, Rheinland.
Wir hoffen, daß ein so offenherziges
und freiwillig geliefertes Beweisstück
unseren liebenswürdigen Leserinnen ge¬
nügt und uns davon ent¬
hebt, hier deren weitere
PI anzuführen.
Verzweifeln Sie daher
nicht mehr, wenn Ihre
Büste nicht die wün¬
schenswerte Fülle zeigt,
oder wenn durch Neben¬
umstände mannigfaltiger
Art deren frühere Festig-
keit und Ueppigkeit ver-
' ~ loren gegangen ist. Ver-
zagen Sie selbst dann
nicht, wenn Sie bereits
\ andere Mittel ähnlicher
\ Art ohne Erfolg probiert
HRf ] haben. Wie dem auch
Wy? / J sei: versuchen Sie auf
Mg * / ^ jeden Fall Pilules
O ri en t a 1 e s Ratie; Ihr
/ Busen wird sich nach
einigen Wochen ent¬
wickeln und lester wer¬
den, und die häßlichen
Knochenvorsprünge des Halses ver¬
schwinden dann gänzlich, wie durch
Zauberei.
Diese, von ärztlichen Berühmtheiten
erprobten Pillen sind der Gesundheit stets
bekömmlich und eignen sich für Danien
und junge Mädchen aller Naturen.
Nehmen Sie daher ungesäumt Ihre Zu¬
flucht zu ihnen.
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stische Schönheit des Busens“ kommen
.zu lassen, das er gratis schickt.
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Sbtit flinten ^rüfcen Ieid)t unb 3 terltcf) —
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Oas er|t in ©öljmen roarb gejdjlagen,
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Slßo's 3 uia^namen uiel getragen.
Oas (5 a n 3 e ift ein leidster, milber SBein,
Oer befte rooI)I im Streife ©abett--
9Bo er mit guten Speifen im ©ereilt,
Oort roünfdjt fid) jeber eingelaben. gr. St.
Hapselrätsel
3d) ftrenge Diele Stopfe an.
Ob mid) toobl jeber löfen faitti? —
©cl)mt ibr mir nun ein SDtafo heraus,
SRuft mancher mid) bebauemb aus. Gü O.
Auflösungen der Kätselaufgaben Seite 674:
Oes 3itatenrätfels: (Es liebt bie ©3elt bas Gtralp
Ienbe 3 U fd)toär 3 en.
Oes SRätfels: SReoeren 3 , ©eferen 3 .
Oer 3 cil^ 9 aufgabe:
9 tidh11ge Sofhttgen fanbten ein:
©• Stoppel, Hamburg (2); $hetla
2 )iller, 9 iegen§burg (2), ©ertjaufer SSTtiin*
eben (2); 9 tob. <St. ©atoroianu, 2 Bien (1);
$uliu§ ©joetfooitS. ©ubapeft ( 3 ); Stärl
Seufel, grauenauradh (1).
2 >te eingefanbte Söfung „ 9 iabe, 9 iebe"
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zugte und gründliche Behandlung aller Artikel auf dem
Gebiete der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gärtnerei, der
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liegen, wie Medizin und Rechtspflege, sind gleichfalls
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Werke gebotenen Artikeln stets die neuesten Forschungen
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Über Üanb unb ©leer
1911. 9tr. 27
OäcJYhäffluljc TOittritnmu'n
„ftrembe Sprayen unb ißre ©rlernung" Reifet eine non
ber Sangenfcfjetbtfdjen ©erlagSbucßhanblung (©rof. ©. Sangen*
fdjeibt) in ©erlin*$cßöneberg jur ©ufflärung über ba§ ©Bie ber
©pvacßenevlernung ßerauSgegebene ©rofcßüre. populär oerfaßter
2ert roedjfelt ab mit überfidjtlichen Sanbfarten in oorgügiicßem
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beS teuren gleifdjeS bie weit billigeren ©oben* unb Hülfen*
frücßte bei ber ©rnäßrung beoorgugt. ©od) bis oor furgem gab
eS nur bie enorm teuren ©iioeißpräparate, oon benen 300 ©ramm
etwa 10 ©larf foften. $et)t fräftigt man fid) mit ©iomalg, ein
©littel aus eblem ©erftenmalg, unb fießt erftaunt, baß beffen
©Birffamfeit bie mancher ©iioeißpräparate erheblich übertrifft,
trotgbem 300 ©ramm ©iomalg nur 1 ©tarf foften.
2)er epibemifcße ©ßarafter ber ^nfluenga hat bie
2lrgte in befonberem ©Jaße gu reicßlidjer ©erorbnung beS Saig*
brunner OberbrunnenS geführt. ©Ber ben tücfifcßen ©ßarafter
biefer Sranfßeit fennt unb namentlich berücffidhtigt, toie oiele
djronifd)e Seiben aus ißr entfteßen, menn fiel) ©efonoalefgenten
nidjt genügenb halten, roirb gern ben Slnorbnungen feines 2lrgteS
auch begüglicß ausgiebiger ©ntoenbung oon Saigbrunner Dber*
brunnen nach überftanbener ^nfluenga golge leiften.
Kurbab Sommer ft ein*Saa!felb in Thüringen liegt in
aHernäcßfter ©äße ber fcßönen Saaleftabt Saalfelb, gang entgüdenb
umraßmt oon herrlichen ©Baibungen, ©arf unb Dbftanlagen mit
großartigem ©anorama. ©ialerifd) heben fid) am ©SalbeSranb
bie Suftßütten genannten fleinen ©ingelmoßnungen unb bie
großen Sonnen* unb Suftbäber oon bem bunfeln ©rün ber
Sannen ab. Sommerftein ift ein ibealer ©ufentßaltSort für
ftur* unb ©rßolungSbebürftige, gumal roegen beS oorgüglicßen
ÄlimaS unb ber fräftigen ogonreidjen ©erg« unb ©ßalbluft.
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tanbS unb be§ StuStanbeS, unb ftranfreicß ftr. 2 . 26 .
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Weiße zu Schnee geschlagen, 500 g Weizenmehl, 1 Pack
chen von Dr. Oetker’s Backpulver, 100 g Korinthen
100 g Rosinen, 50 g Sukkade, das abgeriebene Gelbe einer
halben Zitrone, Vs bis X U Liter Milch.
g: Die Butter rühre schaumig, gib Zucker
Eigelb, Milch, Mehl, dieses mit dem Backpulver gemischt
hinzu und zuletzt die Korinthen und Rosinen, die Sukkade
das Zitronengelb und den Eierschnee. Fülle die Masse
die gefettete und mit Mandeln ausgestreute Form und
backe in rund IV 2 Stunden.
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so urteilt die Vossische Zeitung, Berlin, über das bei der DEUTSCHEN
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KLASSIKER DER KUNST IN GESAMTAUSGABEN
Von dieser Sammlung wurde soeben
ausgegeben der XVIII. BAND:
Früher sind erschienen
Fra Angelico steht als Künstler zwischen der Gotik
und der Renaissance. Von jener lernte er den monu¬
mentalen Stil der Wandmalerei, und mancher Moderne
mag ihm die Sicherheit, mit der er große Flächen
dekorativ bezwang, im stillen neiden. Die außer¬
ordentliche Verbreitung, die seine bekannten Engel¬
figuren in den kleinen farbigen Nachbildungen in
allen Kreisen des Volkes und in allen Ländern ge¬
funden haben, beweist, wie der Künstler nicht nur
bei den eigentlichen Kunstkennern, sondern ganz all¬
gemein geschätzt und geliebt wird.
Raffael 8 M — Rembrandts Gemälde 14 M —
Tizian 8 M — Dürer 10 M — Rubens 12 M —
Velazquez 7 M — Michelangelo 6 M — Rembrandts
Radierungen 8 M — Schwind 15 M Correggio
7 M — Donatello 8 M — Uhde 10 M — van Dyck
15 M — Memling 7 M Thoma 15 M — Mantegna
8 M — Rethel 9 M
Fra Angelico
Des Meisters Gemälde in 327 Ab¬
bildungen. Herausgegeben von
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748
Uber fiartb urtö StReer
1911. 9tr. 28
Schach (Bearbeitet von £. Scballopp)
Aufgabe n
5ßon €. Terber in @t. ©marin,
©cfjroar* (8 ©teilte)
abedefg li
Söeifi (7 ©tetne)
Söetß siebt an u.f eftt mit bem brttten 3uge matt.
Auflösung der
Aufgabe 10
SB. l. Le4-hl
@. 1. c6—cö
3B. 2. Tg6—g2
2. Kc4—d5
3B. 3. Tg2-g4 matt.
Partie Ar. 13
tturnterpartte, gefpielt ju ©an ©ebafttan am 20. Februar 1911
Spanische Partie
®etfj: Q. 9t. ©apablanca, ffteuporf.
©ebroarj: Dr. O. @. ©ernftetn, 3)to§fau.
1
e»— e4
e7—e5
19. Se2—d4 2 )
Kg8—h7
»sri—f*
Sb8—c«
20. g2—g4 2 )
Tb8—e8
ii
Iift li.»
Sgs-fo
21. f2 — f3
Sc6—e6
4
0—0
Lf8-e7
22. Sd4—e2
Da6xa2<)
6
Sbl—c3
d7—d6
23. Se-2—g3
Da2xc2?? 5 )
6
Lb6XC6+
b7xc6
24. Tdl—ct
Dc2—b2
d2—d4
e5xd4
26. Sg3-h5«)
Tf8—h8
8
Sf3xd4
Lc8-d7
26. Tel—e2
Db2—e6
Lei—gö
0—0
27. f3—f4
De5—b6
10
Tfl-el
h7—h6
28. Sf6xg7
Se6-c6 7 )
11
Lg6—h4
Sf6-ll7
29. Sg7xe8
Ld7xe8
Lh4xe7
Dd8xe7
30. De3—c3
f7—f6
13
Ddl—d3
Ta8—b8
31. Shöxf6f
Kh7-g6
b2—b3
Sh7—gö
32. Sf6—hö
Th8—g8
16
Tal—dl
De7—e6
33. f5-f6f
Kg6—gö
16
Dd3- e3
Sg6—e6
34. Dc3-e3+
Kgö-h4
17
Sc3—e2
De6—a6 l )
35. De3—g3f
©ufgegeben. 8 )
') Seibe £eUe fjaben ficb fotib entroicfelt; je&t beginnen bie Stom=
binattonen be§ 9)ütteifpiei§. SBetfi eröffnet ben Angriff gegen ben
Sönig, roätjrenb ©dbroarj auf bem ®amenflügel operiert, um ben
©egner oon feinem Angriff absulenfett.
2 ) ®roi)t 20. Sd4xc6; jugteid) broijt 20. Sf5xh6 + g7xh6 21. De3x
h6 nebft 22. Telxe3.
8 ) SBeift fel3t ben ©nfturrn in fräfttgfter SEöeife fort, offne fiel} um
ben bebrotjten Ba2 ju fümmern.
*) 2)tefe§ ©plagen ift gefährlich; ©ebroarj hofft bem bebrängten
SönigSflügei oon ba aus roieber ju öiife fontmen 511 fönnen.
®) Sen jroeiten ©auern burfte ©etnoarj gans entfdjteben niefjt
fdblagen, fonbern mußte mit ber ®ame fofort nact) a5 jurüd (eoentuell
weiter nad) b6).
6 ) 2)a§ ©ptel fdjeint für ©dpoars oerlorcn jit fein.
7 ) Stuf Seoxg7 folgt 29. Sh5—f6f Kh7-ge 30. Sf6xd7 mit ber
2>roöung 31. f4—f5f unb 32. Sd7—fe mau; aber ©djroars hatte babei
oielieicht etroaS mehr ©bancen als bei ber Sertfortfe&ung.
®) mar auch bte höchfte gelt; e§ märe nämlid) im nächften
3uge h2-h4 matt gefolgt.
Hamburg (®lfr. $f.). Sftr. 5 unb 7 löften @te richtig, bie
erftere aUerbingS nicljt ganj ootlftänbig. 9ir. 8 aber fdjeitert
Shr ®erfud) 1 . Lh3—d7 an ber einfachen Entgegnung a7—a 6 , in
9tr. 9 1 . Sf 6 —d5 an Th 6 —e 6 f.
9t i d) t i g e 2 ö f u n g e n fanbten ferner ein: 58. in £>eben)igem
foog gu 9tr. 5 (ebenfalls nidjt red)t oollftänbig), 7 urib 9; Otto
Stönigftein in SSitfoioi^ ju 9tr. 7; £>anS Sdjneiber in Stofdjmin
51 t 9fr. 9.
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^>iiten, Setten ufto. gelangen. Südjer, Tofumertte, GJBaffert,
Patronen, ©ammlungen ufto. bewahrt man ebenfalls am beften
in einer ®annemannfd)en 9Jtottenlifte auf, ba ber luftbicßte Ser»
fdjlufs bie ©acßen aud) oor SRäufen unb ben fdjäblidjen ©in»
flüffen non ßid)t, Suft, ©taub, geucßtigfeit unb geuer fc£)ü|t.
©enauere Sefdjreibung mit ©roßen» unb Preisangabe oerfenöet
gerbinanb Tannemann, Seipgig 6,
S0tigräne»£eibenbe merben mit greuben Ijöten, baß fie gu»
oerfidjtlid) auf Befreiung oon ißrem biSßer faft unheilbaren
ßeiben, baS in fdjmeren gäEen baS Seben gerabegu qualooE ge»
ftalten fann, hoffen bürfen. ©in Slrgt auS SDreSben berichtet
über baS ©rgebniS feiner beinahe gehnjährigen ^Beobachtungen
unb Semühungen. ©r fonnte baS erftmalige ßluftreten ber
iDtigräne infolge oon heftigem Strger bei einem oiergigjährigen
•£>errn beobad)ten. @ie mar reich on ©ingelerfcfjetnungen, bie fid)
fämtlid) an ©efüt)l§neroen abfpielten. Shre Sluflöfung nadß ben
©efehen ber PhDfiologie ergab, baß abnorme Peigbarfeit ber
©efittjlSgentren ber ©roßhirnrinbe bie Sftigräne heroorruft. * Tie
befannte Tatfadje, baß bie anormale ©rregbarfeit ber SeroegungS»
gentren ber ©roßhirnrinbe bei ^iftbern, gumal bei an ©nglifcher
Sfranfheit leibenben, auf PhoSphorarmut beruht, »eranlaßte ben
Slrgt, foroohl an Sftigräne leibenbe jugenblicße Perfonen als auch
ältere Ptigränepatienten mit ber »om §ammermerf in Tre§öen
begögenen, in Dt löslichen, haltbaren unb »öttig ungiftigen PhoS»
phorlecithinoerbinbung namens „Secimorol" gu heilen.
§ol!inS’ echt englifcheS Pigogne»©tritfgarn. Über
ein ^sahrhunbert lang hat fiel) biefeS ©tricfgarn, baS in jeber
©arnhanblung gu taufen ift, feinen roohloerbienten 9tuf erhalten.
3u ©ocfen unb ©trumpfen »erarbeitet, ift eS gu jeber ^ahreSgeit
höchft angenehm gu tragen, ba eS im Söinter ben §uß fdßön
wärmt, ohne ihn gu überhitjen, im ©ommer in ber gefunbheit»
lieh beften Temperatur erhält unb babei fühtenb roirft. TaS fo
läftige ©ingehen unb ßartroerben moüener gußbefleibung ift bei
©öden unb ©trumpfen auS englifdjer Pigogne gänglich auS»
gefchloffen. $ebe§ päfet unb jebe Tode biefeS echt englifchen
Sigogne»©tridgarn§ trägt eine ©tifette mit ber $irma SB in. §ol»
linS’ & ©o. unb beren roohlbefannte ©djutjmarfe.
Stufen ber Pährfalge. Tte meifien SEenfchen ahnen nicht
einmal, meid) unfeßäparer Sßert in ben fogenannten Stährfafgen
für unS liegt unb raelch großer Schaben, ^ranlßeit, Siechtum
unb oorgeitige TobeSfäEe entstehen, menn eS unferm SEörper an
mineraiifchen Stoffen mangelt. Taß unfre heutige Slährroeife
eine mineralarme ift, fam aud) feßon im Teutfcßen Peid)Stage
gur ©pradie. profeffor Dr. gaßbenber fagte in einer PeidjStagS»
rebe-- „®S unterliegt feinem 3«>eifel, baß »iele ^ranfheiten unter
anbern auf bie gu geringe 3«fahr »on nährfalgreichen Päßr»
mittefn unb gu reichliche ©iroeißnahrung gurüdguführen finb."
©r bat baS PeidhSgefunbheitSamt, auch hinauf fein Stugeninerf
gu lenfen. ©in Stährfalg, baS für ben ntenfchlidjen Körper leidjt
affimilierbar ift unb ©efunbheit unb Sßohlbefinben beföröert,
»erfenbet baS Silgfdhe Sanatorium in TreSben» s Jiabebeul.
Tie Tamenmobe 1911 bereitet mandjer Hausfrau S?opf»
feßmergen; macht fie bod) Steuanfchaffungen erforberlid), bie bie
anbauernb fteigenben SluSgaben für ben §auShalt oft nur fdjroer
gulaffen. Tie ftetig fteigenben Putterpreife greifen bie SSirtfdjaftS»
raffe gang empfinbltdh an fingen, redinenben Hausfrauen macl)t
btefer Umftanb aber febon löngft feine ©orge mehr, ba fie bie
immer mehr Slufnaßme ftnbenbe Pflangenbutter»äftargarine Plarfe
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Marljolb, »erlagSbucbbanblung, £atle a. b. ©.
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unb roie id) e§ fanb. »rei§ geb. M. 4.—, geb. M. 5.—. »er*
lag oon $. «Reumann in Sleubamm.
kleines SBörterbud) ber «Raturroiffenf^aften. JperauSgegeben oon
©. «Riemann. »rei§ geb-M. 1.25, geb. M. 1.75. 3rran<ft)fd)e
»erlagSbudbbanblung, ©tuttgart.
«Rebberg unb bie frangöfifebe IReoolution. ©in »eitrag jur ©e*
f^idjte be§ literarifcben' Kampfes gegen bie reoolutionären
Sbeen in Deutfcblanb. »on Sud Sefftng. »ielefelbS
»erlag, greiburg (»aben).
5Reid)igefei über ben »ertebr mit ftraftfabrjeugen oom 3. Mai
1909. »rei§ 75 »f, »erlag 31. Söeinfjolt, »erlin C 25.
«Hobleb er, Dr. med. fpermann, Die 3euguttg beim Menfcben.
©ine ferualpbüfiologifd)e ©tubie au§ ber »raji§. Mit Sin*
bang: Die tünftlicbe Beugung (»efrudjtung) beim Menfdben.
^SreiS M. 7.—. ©eorg Dbieme, Seipgig.
©djultje * ©mibt, »ernbarbine, .£>äu§ltcbe 8eben§£unft. ©in
fptlfS* unb ©rfabrungSbudb für §eim unb §au§bolt, befon*
ber§ für bie Sfücbe. ©eb. M. 4.—. »erlag ©arl SReifmer,
Dre§ben.
©cupin, ©rnft unb ©ertrub, »ubi im oierten bis fecbften 8eben§*
fahre, ©in Dagebud). 3«>eiter Seil. »rei§ brofd). M. 4.50,
geb. M. 5.50. 2b- ®rieben§ »erlag (8. gernau), Seipjig.
ÖnttgegangEnc Burf|cr unb Srfjriffett
fßesprechunfl «injetner GCterhe Vorbehalten. — Rüdtsendung findet nidit statt)
Slrnbt, SCßalter, Stönig ^abrp§ Dob. ©ine Dragöbie in brei
Sitten, »erlag be§ »ureau gifdjer, »erlin*griebenau.
»rennert, £>att§, 2Bo bie Stöniglid) »reuiifdben »eilten
blübn...! ©ebiebte. Dbeuteroerlag ©buarb »locb, »erlitt,
»ritting, Söalter, ©infame gefte. ©ebid^te. »erlag ©gon
^leifdjel & ©o., »erlin.
©lef elb, ©rnft, Der pbilofopbierenbe »agabunb. 8eben§gefd)tcbte
eine§ 2ßanbertomöbianten. »erlag IRobert 8ut), ©tuttgart.
Deubtter, Die Prüflinge. Suftfpiel in jmei 3ltten. »erlag für
Siteratur, Sfunft unb Mufit, Seipgig.
D und er, Dora, Da§ »erlenbudj. ©ebrüber »aetel, »erlitt,
gälte, Stonrab, ©äfar Imperator. Slragöbie in brei Sitten.
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mm)
£), mie mo© bas tut!“ flüfterte |jein3
na© einer tiefen Stille.
„Stören Sie mi© nid©. — 3© mill 3hnen
nid© raohltun, nur ftubieren roill i©.“ Sie laut
oon feinem §aar 3ur Stirn. ©in leifer, meid)er
£aut glitt über itjre £ippen; mar es Uber*
rafdjung? Bemunbermtg? Ober ein 3ung=
mäbchengefü©? ©ine SBeile rührten fid) i©e
Ringer nid©; bann manberten fie über bie
SBölbung l)in unb 3urüd, offenbar mit $reube,
. mit ungemollt tofenbem, geniehenbem, 3ärt=
lidjem (5efüb)X. Über S)eing tarn jet© ein 3tttem,
ein rafd) befämpftes; mie ein. fü|er Sd)auber
lief s ©nt über bie irfaut. Sief es fanfte ©leiten
ber jungfräulichen |»anb! So t)olb, fo traulich,
fo Ijergerregenb hatte er fidfs nid© gebad©.
Unb fo munberhaft: all bie SBo©en nur Slug'
in Slug', ©efpräd), Vernunft, Stieberfdjmeigen
ber tiefen, (Befühle, ber SBünfhe — unb nun
biefes Stechen! 31üe tpanb fo marm oon
$orm 3u $orm, in ber füllen Stad©...
„©ine liebe i$anb,“ flüfterte er enblid).
„©ine feelenoolle $anb.“
„Sie follen ja nicb)t fprehen.“
„SBarum nid)t? ©inen Stugenblid? —
£affen Sie mich biefes Sid©ermärhen ein
paar Setunben genießen, Stfra. ©s ift mie ein
Xraum! — Std), mie mir 3© e £anb auf ben
Slugen liegt! 3tehen Sie fie nicht meg. 3©
fei© Sie nun aud) ntd© mehr, ich fühle Sie nm
noch* Sas ift munberbar! Oh, tonnte man
fo leben, Slfra! Oh, mürb' aus biefer Btertel*
ftunbe eine ©migteit!“
©in Seufzer brang aus Stfras Bruft. Um
©U meggulugen, fagte fie rafdj: 1 „Oie paar
Setunben finb läng© oorbei. £affen Sie mi©
mein Stubium 3U ©nbe führen — ober fonft
laffen Sie mid) gehn!“
„Sto© brei SBorte, Slfra. Siefe fchönfte
Stad)t! Siefe fhönfte Stunbe! — Stein, get)n
Sie nicht fort.“ ©r faf©e ihre gudenben §änbe.
„3mmer mieber fhmeigen? SBenn mir hoch
miffen, mir haben uns lieb? — 3a, Sie mich
aud)! — Sie haben mir meine Stuhe genommen,
ich leb' nur in 3hften. Sich, mie 3hte offenen
Slugcn fi© feuchten! Stfra! £iebfte Slfra!“, ©r
30g fie auf feine itnie unb an feine 23ruft.
„£affen Sie nti©!“ feufgte fie. ,,©>ehn Sie!
©ehn Sie!“
,,3d) l)«b' bir mein $erg gegeben, bu mir
beiits; gib mir au© ben SRmtb! — Oh, bent
! nid©, er läfjt oon mir! 3© tann's nie mehr,
Stfra. So mal)r id) bid) in meinen Sinnen hab',
1911 (93b. 106)
bu mirft mein SBeib! SBenn bu mi© fo liebft
mie id) bi© !“
„Sich, ich lieb' bid) fo,“ haud©e fie. „SBir©
mich nie 0erlaffen?“
„Süe! SBir finb eins!“
„3© ja.“
Sie gab ihm ihren glütjenben SRunb, blieb
in feinen Slrmen.
„3hr feib fonberbare Sid©er,“ fagte ©er*
harb bei einem Sonntagnadjmittagsbefudje mit
einem nicht gang gemütlichen £ä©eln gu Stfra.
„Ser Briefroman noch nicht fertig? 3 rf t SRai
fchien er fd)on fo nah beim Schluß Unb §eing
mar feittjer nod) öfter hier als oorher; 3h* Bater
hat mir's oort)in gefagt.“ Sie Sllten maren
turg guoor nad) oben ins Sd)lafgimmer ge=
gangen, um ein Stünbchen gu fchlummem.
„SBar er öfter hier?“ entgegnete Stfra. „3ch
meifj es nicht.“
„Ser Bater fagt's. Unb babei hat biefer
$eing fo oiel meniger freie 3eit; er tommt in
bie SRobe, bie Patienten tommen gelaufen.
3n einem 3alü — ad) mas, in einem halben
3af)t ift er ein gemad)ter SRann! — Sla ja, ein
ftattlidjer £>err, ein lieber SRenfch unb ein aus-
gegeidhneter Sottor, mie bie £eute fagen.“
©erharb fchmieg einige Slugenblide, Slfra fdfarf
betrachtenb. „SBas rebet ihr benn fo oiel, bah
ihr nicht gum Sichten tommt?“
„Sie finb fonberbar, SRufitbirettor. SBir
haben uns eine SBeile feftgefahren;, bas tommt
ja mot)I auch in ben beften Sidjterfamilien oor.
Sann beffert man baran herum; töft mo© auh
ben 5tnäuei gurrt Seil mieber auf. Übrigens
finb mir auh 50t e n f h e n, niht mahr, unb
haben bas Steht, uns gu unterhalten.“
©erharb lachte auf, bamit bie Sähe nur
ja niht ungemütlich mürbe. Sie ^oftmeifterin
faf) fhon etmas triegerifh aus; ,mie anbers
mar's bamals/ bähte er, ,als mir ©er gute©
allein beieinanber fapen!‘ „Unterhaltet euch,
unterhaltet euch,“ ermiberte er heiter; „bes
freut fih ber Ontel ja; ihr. beibe blüt)t mie
Stellen unb Stofen, hat er mid) nid)t prächtig
oertreten, Slfra? 3ft ; s niht ein befonberer
SOtenfh? Ser befte oon unfrer gangen Banbe,
biefer Shmefterfoljn. 3<h bin ftolg auf ihn.
Unb — er hat Sie lieb!“
■ ,2ßie fonberbar fie lähelt!‘ bad)te ©erharb.
„SBoher miffen Sie bas?“ fragte Slfra, bie
hänbe gegen ben Xifü), mit fhrägem, gleid)=
fam mutmilligem Blid.
„Sta, er hat ja bod) 'nen SJtunb gum Sprehen
unb fpridjt Unb ih t)ab' Slugen gum Sehen
unb fehe. — 3a, nun muh ih fort! 3h l>i n
heut fo früh gefommen, meil mein übriger Stah c
mittag unb Slbenb befe© ift, muf) in einer guten
Stunbe.. gu häufe fein. Sllfo menn Sie mich
mieber brauchen, id) bin immer gu haben, 3©
erg ebenster SStufitbirettor unb ^reunb. ©eh
es 3huett meiter gut!“
^©r nahm hut, SJtantel, Schirm unb ftürmte
in ben Stegen hmaus.
„©eh es 3huen meiter gut“ — biefe te©en
SBorte hatten teine Segenslraft, fie bemährten
fih niht. Srei ober oier Sage fpäter fah ©er=
harb an feinem Shreibtifd) unb las feine
3eitung; es mar Bormittag. Sie Sienerin
melbete, eine junge Same münfhe ihu bringenb
gu fpreetjen; fie brachte auh bereu Starte mit;
„Slfra Stein“ ftanb barauf. Slfra bei ihm? Sas
mar in biefen 3ah r en nur einmal gefheh^n.
©r fprang auf unb öffnete ihr felbft bie Sür;
tiefoerfhleiert ftanb fie auf bem Borpla© Sie
grü©e unb trat ein. Slls fie fih mit hm allein
fah, entfhleierte fie fih; nun fah er bas er=
fhredenb bleihe, fih oergerrenbe, gang oer=
heerte ©efic©. \
„Slfra! SBas ift 3hucn gefd)el)n?“
, Sie arttmortete burd) ein bumpfes Stöhnen;
bann lüften fih i© bie SBorte los. „Bis heute
morgen mar id) ber glüdtid)fte SStenfd) — nun
bin id) ber Ie©e. Sa hat mir bie ^3oft einen
Brief gefd)idt — lefen Sie — lefert Sie. Sas
ift ©ift! Sas ift ber Sob! 3h üntn niht mehr
leben!“
©erharb fu© gufammcu; aber meint es ein
Unglüd gab, fa©en fih nicht oiele rafd)et als
er. Sie guten braunen Slugen feft auf fie ge=
richtet, brüdte er fie fanft auf einen Seffel
nieber, öffnete i© Sttäntelhen, legte i© eine
§anb auf bie Sd)ulter. „Sie Slrme — mie 3©e
£ippen beben! So ©erl)ergejagt, aus ber 5poft=
ftube meg —“
„Ser Siener oertritt mih- £ieber, lieber
3reunb! ©s ift aus! ©s ift aus! 3h ©b' ©n
oerloren!“
„SBen haben Sie —"
„3hi : en Steffen. £>© mie hab' ih an. ©n
geglaubt ! B3ie fühlte i© mih feft, feft als feine
Braut! — SBir maren oerlobt. ,Su mirft mein
SBeib!‘ 3h mollt's 3h^e^ neuli© niht
fagen — erft menn er fo red© — forgenfrei ba=
ftünb' unb mir oor ber $od)geit. SBir hofften
ja: halb, halb! SBir hatten uns fo lieb. Ser
Boman, fagten Sie neuli© — ja, ber blieb
mohl liegen. SBenn bie Slrme unb bie £ippen
fid) — Sh> ODie mar id) felig —-3h tarnt
nid)t me©!“
©erharb fe©e fih neben fie, er lehnte fie
mit oäterlichen §änben an feine Bruft. „ ©önnen
Sie fih etmas Sü©e, ilinb —“
„Stein, i<h tann noc© ih tann no©. ©ine
Freifrau ift fie“ — fie ©ob ben heroorgegogenen
Brief — „ba fte©'s! ©r hat fie mieber gefunb
gema©t; aufgegeben mar fie. Sie erftirbt
nun oor Santbarteit unb Bemunberung. Unb
hat fid) in ©n — unb tann nid© ohne ©n leben,
fagt fie. Unb ©ren Stei©tum, ©re 3reifrauen=
trpne, ©re Berbinbungen mit Dürften unb
Königen, all ©ren ©influfe legt fie ©m gu
3ü©n. Sie mill ©m helfen, alles gu erringen;
er foll einer ber ©ro©n merben unter feines*
95
732
Über £ctrtb unb äUeei
1911. Sr. 28
gleichen; il)mfoXIunb muh allesro erben, mas fein
©enius — So hat jie t|m gejagt, gefhrieben
— ba fleht's! Unb nun brennt fein ©hrgeig —
oh, ben Xannt' id), ben hat er. ©rohe ^ßläne
*— oieles beffer machen — roie roar ich ftolg,
mie toar ich glüctlicE), roenn er mir bas alles
jagte, mir. Unb nun mirb's mein Dob!“
*,Stinb, fpredgen Sie nicht oom Dob.— Sein
©hrgeig! Um jeine Bjebe hanbelt fidf's; um
jein Stannesmort. 3h erfhlag' ihn, menn
er 3huen jein Stert nicht halt • • •■ 3h rrtufe
ihn lejen, ben Srief!“
Sie gab ihn mit gitternben gingern hüt-
Sud) jeine Sucjen gudten, jie jähen fhled)t; er
flog, ohne jebes Stert gu ernennen, manhes
nur erratenb, über bie erften Seiten hin- ©?
roar ungefähr basjelbe, roas Sfra eben be=
rihtet hatte; mit roarmen, meidgen Sterten
burd)mirXt, mit Sitten um Vergebung, ©er*
harbs Süd mürbe ruhiger, er las ben Sd)teh
ungejtört: „3h tarnt Did) nur anflehen, gib
mich 1 Deine grohe Seele! 3h* grauen
Xönnt in ber Siebe leben, in ihr allein. Das
lönnen mir Stänner nicht; bie Satur hat uns
auch öen ©hrgeig, ben Staffens* unb Sefferns*
unb Datenbrang in bie Sruft gelegt — bie
Srüber ber Siebe — nein, mehr bie geinbe
ber Siebe. Da Xann es gu gräflichen Kämpfen
Xomnten; jo einer gerreijgt jetjt mein gefoltertes
Berg! — D hülfe mir Deine Siebe boh ! Dieje
grau ijt ebel, marm, . grohgejinnt. Unb hat.
mich unjinnig lieb. 3h Mn ihr jehr gut. Sie
hat mir ihr Berg geöffnet, ftolg, meiblid),, reb*
lih* 3h fall brei Dage mein §erg prüfen, ehe
id) mich entfheibe. Stein Schiäfal, mein Seben
liegt in Deiner Banb! Stenn Du jagjt: ich gebe
Dich üicht los, ih halte Dih fejt — bann halt'
ich Dir mein Stert, jtofee meine 3^tunft oon
mir unb bleibe Dir. • Du nun, mas Du Xannjt,
mas Du mujgt !“
©crharb jprang auf, ben Srief gerbrüdenb;
bie Heine ©eftalt lief mie oon etmas gejagt
burh bas 31 mTn er hin. „Sein Stert foll er
halten! ©r ijt ein Stamt!“ ©r fuhr fid) in bie
Baare: „Sber ihr Steiber auch, mit ben
fhmahen Bergen! Serliebt Unb oerlobt! Der
.Stamt mirb gum Halbgott, ber tann niht
manlelmütig, niht untreu merben, ben habt
ihr gemtjg. Unb in euerm blinben Sertrauen -—
Slfra! Sie haben hm boh niht alles
„Sein, nein, nein! Das ,nid)t! Das niht!“
— Sd), aber hätt ih hm boh niht geglaubt !
fuhr ihr burh bie Sruft. Sie fah jih mit Being
in ber Saube,* in ber „fhönften Sad)t“; mie jie
bie Slinbe jpielte — gleich öem hohen Sorbilb,
ber Beten Steller, feine klugen unb Stengen
mit ben Bänben x>a Xam's. Da gab jie
hm jo oertrauensooII Stunb unb Seele hm.
. „Serfludjt fei biejer Vornan!“ ftiejg jie plö^Ith
in ihrer Sergm'eiflung heraus. „Unb oerfluht
bas Sorbilb! Das hat mih in biejes ©lenb ge?
brad)t! Daran merb' ih fterben!“
.„Still; Sie merben niht jterben, Sfra.
\ Baf er 3hnen niht jelbjt gejcl)rieben: .Stein
Sd)iäfal liegt in Deiner Banb!?' galten Sie
ihn fejt! gühren Sie ihn gu feiner Sfüd)t
gurüd unb gu 3hrem Bergen!“
Stil noh milben Sugen jtierte jie il)n an;
hatte jie hn gehört ober niht? Sangjam gu
jih tommenb, gii jih jelber fprehenb, fhüttelte
jie ben Stopf: „Sein, nein, bie oerfiuhft bu
niht; bieje ©belfte, Sefte, bie hat leine Säjulb.
Unjre blinben, oerliebten Bergen! Dieje
falfhen Stämter, bie lallen Streber! Sun
Dann man jih Dobe meinen!“
Sie jhluhcSte auf, bah es bem armen Stuft*
Xanten burh Star! unb Sein ging. Um jih
bagegen gu mehren, rief er : „Being hat 3huen
fein Stert gegeben, unb er muh es halten!“
„Unb mas bin ich bann? Unb mas hab'id)
bann?“ — Sie fhüttelte mieber ben Stopf:
„Sein, jo mal)r id) lebe — lieber gleih ins
Steffer! Der ijt frei oon mir! 3hu an bie je
Srujt gmingen? Stet)renb er an bie anbre
benXt? ÜBährenb er mit Bajg an — £> mein
Berrgott im Bimmel! Das ioör' erjt bie BöHe.
Stir ijt niht gu helfen!“
©erharb griff nah feinem B^t an ber 2Banb;
er jtedte ben Srief in bie Dafhe: „Sajjen Sie
mir ben noh- 3h mill gu hm unb er foll mid)
hören! — Sleiben Siethier, jolange Sie
mollen. Dber menn Sie's heimgieht —“
„3a,“ jtöhnte jie. „3h f a h^ mit bem
nähjten 3wg- Stein Smt joll nicht leiben. So=
lange ih noh über ber ©rbe bin —“
„SSohl, Sie fahren heim. Schmoren Sie,
’ Sie SBilbe, bah Sie nichts gegen jih tun
mollen, eh' bie brei Dage oerjtrihen finb!“
Sie gögerte, bann nidte jie.
„Sein, niht jo nicXen; ein feftes 2Bort.
Sfra, jhmören Sie! Sidjts gu unternehmen
oor bem oierten Dag!“
„3a benn. 3h fhmör's.“
„3h fenbe 3h ne n Sotfhaft. Siht oer*
gagen, Sfra! ©s gibt noh einen ©ott in ber
SSelt! Unb aud) einen ©erharb!“
Sie jah hm ungläubig nah- Die Dür fiel
hinter hm laut, hart ins Sd)Ioh, Sfra fuhr gu*
jammen.
©erharb jtanb oor feines Seffen Srbeits*
gimmertür, Xlopfte unb trat ein. ©r jah Being
auf bem Sofa liegen, ein Dud) um ben 5topf
gebunben, mit gujammengebrüdtem, leibenbem
©ejiht. ©r grühte mit bem .Stopf; „ich tomme
mit einem Srief,“ jagte er bann. „Stit bem
Srief, ben bu an meine greunbin gefhrieben
hajt, an bie Sfra Sein. Sie ijt mie oon Sinnen.
Dü milljt ihr bein SSort brechen, bu milljt jie
oerlajjen!“
Being hob ben Stopf: „Sitte, niht jo tragifh ’•
Unb niht an ber SSahrheit oorbei. SBenn bu
meinen Srief an jie Xennjt, jo meiht bu, bie ©nt?
fheibung liegt in ihrer, nicht in meiner Banb.
Unb jie hat noh 3eit für hr le^tes Sßort —“
„Sber ber Dold) ji^t auf ihrer Srujt. Das
bulb' ih niht! Das bulb' ih md)t! Darum
jteh' ih Mer!“
,,©s ijt nur gmifd)en Sfra unb mir,“ ftiejg
Being gmifhen ben bläulih blajjen Bippen
heroor. „Sijt bu mein Sormunb? Ober jonjt
mein SSeifter? — 3h hab' Beib genug; am
Stopf unb auh jonjt. Sitte, Iah mih, 0 eh!“
©erharbs ©ejiht marb gornigrot. „Sprihjt
bu jo mit mir? — 3h hab' bidj gu ihr gebracht,
ih muh bid) ih r uun mieberbringen. Dhne
jeben haltbaren ©runb milljt bu jie oerlajjen?“
Being erhob jih, um oom Sofa gu jpringen;
feine Sugen büßten, ©r jah. auf bie oor Suf*
regung gitternbe, Xteine, entmaffnenbe ©ejtalt;
bie Stirn jhmerghaft rungelnb, janX er mieber
in feine ©de gurüd. „3h mill niht oergejjen,
bah bu ber DnXel bift. 3h jag' bir aljo nod)
einmal —“ -
„3Bas jagjt bu mir noh einmal?“
„2Bas in meinem Sriefe jteht. Sie Xann
mih ja fejthalten, menn jie mill!“
„Unb mas hat jie bann?“ ©erharb fhlug
auf ben Srief, ben er aus ber Dafdfe gog, gu
entXnittern juhte, auseinanberrih: „2Bas h a ft
bu ihr gefhrieben? Bier! ,Siein Shldjal,
mein Beben liegt in Deiner Banb/ £>h> bu
Xennjt jie gut! Diejes eble ©efhöpf nimmt bein
Bebensopfer niht an; bieje Sfra niht! — Du
fhreibft ihr: ,2Benn Du jagjt, id) geb' Dih niht
los, bann halt' ih Dir mein SSort, jtohe meine
3üXunft oon mir unb bleibe Dir.' Sur bie
anbre, bie Sornehme, bie Seihe, bie ijt beine
3uXunft! Sfras Biebe unb Dreue ijt bir deine
3uXunft! — Bält man jo ein 2Bort? ,3h
bleibe Dir/ SSieoiel Sd)tel oon bir bleiben
ihr? Seelenfolterer! £)h, -tnie bu jie gmifhen
gmei geuer gebraht h.ajt! So ober jo oerXohlt
ihr Berg. Du, bu mirft frei!“
„3h hab' an ihre grohe Seele appelliert,
niht an bein lieblojes £)nXelI)erg. Stad) ein
©nb' unb geh !“
„Sein, mein Sohn, noh niht- 3h u>ill
bir noh jagen —“
,,©el)!“
. ,,3h mill bir noh jagen: Dein oerfluchter
©hrgeig — ja, ja, ja, oerfluht, meil er mit
SSeiberI)ilfe gum 31el Xommen mill, meil er
jih oerlaufen mill! Srauchjt bu anbre SSeiber?
hilfe als ein braoes, liebenbes. SSeib? Stommft
bu niht fhoTt aus eigner Straft empor? ©ejtern,
heute, morgen? Bäuft bir ber ©rfolg niht
fhon mit offenen Srmen gu? Baft bu leinen
©lauben an bi<h? Draujt bu bir niht meiter,
als bah bu ein Släbel tobunglüdlid) mah^n
Xannjt?“
„Binaus! Suf ber Stelle! über ih merfe
bid) aus ber Dür!“
©erharb fdjrie auf. „Du mih aus ber Dür
merfen? Du mih aus ber Dür merfen?“ Die
Sagen traten ihm aus bem Stopf; jäher SSahn*
= jinn blidte heraus. „Du elenber Serräter bu!“
©r brüdte ben ho häuf gerichteten Being mit
einem Sud auf bas Sofa nieber, Xniete auf
ihn unb mürgte ihn.
„Du Serrüdter!“ oerjuhte Being gu jagen;
es Xam niht aus ber Stehle, ©r griff nah bes
©heims Bänben, um fid) gu befreien; in ben
Xieinen Sr men arbeitete aber unerhörte Straft.
Dod) ebenjo plöhlid) ooie bie ginger ben Bäte
umllammert hatten, liehen jie ihn mteber los,
©erharb jprang gur ©rbe. „Sitte um ©nt*
fhulbigung,“ jagte er mit gang anbrer, guerjt
atemlojer Stimme. „Shmefterföhne ermürgt
man niht. — 3h ooar einen Sloment oon
Sinnen. — 3h geh' i e Öt oon jelber aus ber
Dür, brauhft mih niht gu merfen.“
Being jah auf bem Sofa, auh nah Stern
ringenb; bas Dud) mar ihm oom Stopf ge*
glitten, fein Bentb am Balje aufgegangen, bie
Sramatte oerrutfht, geguetfht. „So ein oer*
rüdter Sterl,“ jagte er nah einer Stelle; ber
Snblid biejes alten, je^t lupf erröten, fhmihen?
ben, närrijd)=jd)nurrigen ©ejihts entmaffnete
ihn mieber. „SBärjt bu niht mein Stutter*
bruber, bu Xämjt niht gejunb hinaus! — 3h
mill niht gehört haben, mas bu jo im SBahn*
jinn — Sun mach bid) aber aus bem Staub,
eh' bu mieber lebensgefährlich mirft!“
3n ©erharb ermad)te mieber SiufiXanten*
pathos; er fehte jih ben But auf ben Stopf:
,,3h hab' bir glammenmorte in bie Srujt ge*.
gojjen, bie tun hoffentlich noh h r SSerX-
Sonjt Iah ih bir meinen glud) !“ .
„glühe finb oeraltet, jie treffen niht mehr.“
„Doch"! Sie treffen noh! Die helfenden
©ötter, bie jeht brauhen fehlen, bie finben jie
in ber Sienjhenbrujt !“
©r ging, hohen Stopf es, aufrecht; ben Srief
oergah er, ber lag am Soben.
*
©s mar Sbenb gemorben. Die junge ^ojt*
meijterin mar mit ihren ©Itern beim Sahtmahl;
jie ging ab unb gu. 3n biejer jparjamen Sßirt*
fhaft gab es leine Dienerin; bie Stutter führte
mit bes Saters Seijtanb ben Baushalt unb
lohte; menn bie Dod)ter frei mar, jo half jie,
bei ben Siahlgeiten bebiente jie. Stit geräufh=
lojem, meid)em Schritt trug Sfra auf unb ab;
jie hatte biejen fhreülid)jten Dag mit hotten!
Stut, mit all ihrem Pflicht jinn, mit milber,
oergmeifelter Straft überjtanben, untermegs,
im ^Softamt, in ihrer einjamen Stamm er, aufs
Sett.. gemorfen. 3^oter hörte jie in ihres
Bergens Sot ©erharbs Stimme mieber: ,,©s
gibt noh einen ©ott in ber Stelt!“ Sie jah jein
tapferes, treues ©ejiht, ben Süd feiner mut*
mahenben, liebeoollen Sugen. Sie bähte an
jenen fernen Sbenb gurüd, als er in ihrer
lebensmüben Serbüfterung jie angefhrien unb
bann aufgerihtet, burh Beten Stellers Seijpiel
geftärlt hatte: „Die manbelt in ihrer emigen
Saht ohne Scurren, janft unb jelig bahin!“
„2Barum? Sßeil jie oiel überminben Xann,
einen hohen Sinn hat!“ Sie hatte oor Belens
Stubentenbilb gejtanben, bas jie aus beren
„©efhihte meines Bebens“ heraüsgelöjt urtb
in fhühtem Sahnten an hier Settmanb über
©erharbs Silb auf gehängt; jie jtanb jetgt im
Sorbeigehen heimlth oor bem anbern Süb
aus bemfeiben Suh, bas im SSohngimmec
beim offenen genfter hing ; Beten Steller, an
ihre Behrerin unb Setterin SDlih Sullioan ge*
fhmiegt. -,Sein, nein, id) mill niht o erg ehrt!‘
bähte jie. ,3h mill auh eine „tapfere junge
Beibin'‘ fein, mie er bih genannt hat; mill
1911. Üftr. 28
bahingehn burd) meine ©ad)t! — Sterben
motten? Darf id) benn? Da fitzen fie — als
mär's ein ^eftmahl — ad), mie ber gute 93ater
lächelt — unb fte atmen nicht, mie mir ift. Sie
mären bes Dobes, menn it>r üinb, ihr einziges
5!inb unter bie ©rbe ging' — meil es of)ne
biefen ehrgeizigen ©tarnt nid)t mehr leben
mollte. Sie mürben es nicht faffen, nur bie
Wänbe ringen: SBas haben mir ihr zuleibe ge=
tan, bah fie uns batmnging? Waben mir fie
nicht liebgehabt? Waben mir fie nid)t gehegt
unb gepflegt? Unb fie lernen laffen, unb unfern
heimlichen Stolz gehabt, unb ©ott in ber
5tird)e unb zu Saus gebanlt, bah er uns fo ein
tapferes, gutes, treues ilinb. gegeben? ©un
f ollen mir aus Bummer unb ©lenb um bie
Selbftmörberin in bie ©rube fahren?'
„SBas treibft bu ba, ^oftmeifterin?" fragte
ber ©ater, ber gern einmal mit ber hoütt
gearteten taif er liehen Beamtin fd)erzte. „©id)t
mehr effen? SBas?"
„3h uh genug, lieber ©ater," antmortete
Slfra heiter, fanft. „Sin fo marmen Slbenben,
meiht bu —"
„3ht bu immer menig. SIber aud) nicht
mehr bei uns fitzen? -SBas?"
„Doch-,..ich tomrne fchon. 3h freute mich
nur eben an bem fd)önen, langen SIbenb, ber uns
nod) f ö golbig unb fo hell ins 3iutmer fchaut.
‘Sich, über ben 3uni geht nichts!“ — ,Sld)/
bad)te fie, ,menn man bod) oon feiber ftürbe!'
„3a, man tann bie Bampe fparen," fagte
bie ©tutter mohlgefällig.
„Unb hat bann oben im ©ett bei offenem
3enfter eine marme ©acht," fehte ber eite hinzu.
,9Bas mar eben brauhen für ein ©eräufd)?'
bad)te Slfra unb h° r hte. ,3ft iemanb im
©arten?' Das $enfter ging auf bas ©ärtchen
hinaus, mo nun jeber Saum unb 93ufd) fein
fd)önftes grünes Sommertleib trug. Slfra
trat oor unb beugte fid) hiuaus. „SBer ift ba?"
fragte fie mit halber Stimme, ©s tarn deine
Slntmort. Sie fah aud) niemanb. ,©s ift nichts!‘
bachte fie unb ging zum ©htifh zurüd.
Dod), es mar etmas; hiuter ein ©ebüfd)
Zurüdgetreten, bas an ber Wausmanb ergrünte,
ftanb ber Dottor Setnz mit heftig llopfenbem
Werzen ba. ©r lehnte fid) an bie SBanb; er
ftaunte, bah biefer Dag nun hoch fo nahe am
©nbe mar; fo hatte fid) nod) feiner gebehnt.
SBo er ging unb ftanb unb lag, rufjelofes Blopfen
in ber Sruft. ober tobähnliches Stillftehen.
SBarum hämmerte ihm bann immer mieber
©erharbs fhmetternbe Braftftimme auf bas
gemarterte Oh*? SBarum fhooebte immer
mieber Slfras grobes, btaffes ©efid)t oor ihm
her? — ©ul)e, ©ut)e, ©ul)e! Diefes gefpeuftifd)e
Sd)einbilb losmerben! Sie feiber nod) einmal
fehn! Ungefehn, oerftohten! — So trieb es ihn
am finfenben SIbenb hee- ©s gefchah hoch mas!
©in 3u)ed, ein 31^1 an biefem millenlofen, finn=
lofen Dag. ©ielleid)t erfd)öpft fid) bie Cluül!
©r hörte bie ©abein unb bie Deller brinnen
unb bie gemütlichen äItIid)emStimmen/f 9Ifra
fprad) bei ben anbern am Difd)- t£autlos trat
er näher, fpähte mit 93erbred)erüorfid)t burd)
bas offene $enfter fdjräg hinein, bis er ben
meihgebedten Difd), bie Sitten unb bie 3unge
fah- Die ftanb oor bem 93ater; mie fdjlant unb
groh ftanb fie ba neben bem zarten, fihenben
©tann! ©r mit feinem guten, ftumpfen £äd)eln
Zu thr aufblidenb; fie mütterlid), meid) auf ihn
nieberfdhauenb — ach, uun ftreichelte fie fein
ergrautes Waar unb ftrid) über feine SBange
hin. 3h^^ Singen fddoffen fich; auf einmal mar
es mie an jenem SIbenb — bem ©ollmonbs=,
bem Schidfalsabenb - mo fie als ©liftbe mit
ber Wanb taftete, ftubierte. ©ine ©rinnerung,
fo fd)ien's, ermad)te auf ihrem eignen ©efid)t;
ein furd)tbarer ©rnft oermanbette es, Sd)mer=
mut ober milber 3orn zudte brüber hin. ©s
bauerte aber nicht minutenlang; bie Singen
gingen groh mieber auf, hoben fid) zur Dede.
Slus bem furchtbaren ©rnft marb ein feierlicher;
bas junge Stntlitz füllte fich mit ©ntfd)luh,
Roheit, SBürbe; fo hatte ber erfhütterte Weinz
fie nod» nie gefehen. SBas bachte fie? SBas
Uber Barth unb 9©eer
mollte fie? SBas hatte fie benn feit biefent
©torgen erlebt?
' „Der ©ater hat's gut !" fagte .jetzt bie Sitte.
„Wat's bie ©lütter benn nicht fo gut?"
Slfra Iäd)elte alles anbre fort; fie ging um ben
Difch zur Sitten I)üt, nahm ben ergrauenben
Zlopf ztoifchen ihre §änbe unb fd)ante mit
jungen, liebfofenben Singen auf bem groben
©efid)t herum. „O bü ©iferfucht!" fagte fie unb
lühte fie auf Stirn unb Singen; nun hatte bie
SJhttter mehr, „©ift bu nun zufrieben?"
Die Sitte zog fie an fid) heran unb lühte ihr
„gutes 5tinb" auf ben SJtunb.
Slfra ging umher unb begann leife ein altes
SSoHsIieö zu fingen; 93ater ©ein horihte auf,
feine 3üge fingen an zu ftrahlen unb oer=
jüngten fich- So erging es ihm allemal; Slfra
muhte es mohl. ©inen Slugenblid erzitterte ihre
Stimme, im nächften mar's, als mollte fie bre=
dhen unb auffd)Iuchzen; bem laufdjenben $einz
oerging ber Sltem. Sie ballte aber ihre £>änbe
unb fang gefafft, etmas leifer meiter. Der Sitte
trommelte leife auf ben Difch unb fummte mit.
So fangen fie's zu ©nbe. „Oh> rote fd)Ön biefer
SIbenb ift!" fagte Slfra bann. „SBären alle fo !"
„3a, er ift mohl fd)ön," ermiberte ber 93ater
unb ftanb auf; „aber er ift nun aud) z u ©nbe,
unb alte £eute gehen zu S3ett. §ausehre,
tomm!" ©r ftellte fid) nod) oor bie grohe Dod)ter
hin: „)5uft fo fchön gefungen; mar ein red)t er=
baulicher Schluff, ©un tu noch e ^ n übriges,
SJiäbel, ba es fo ein lieber SIbenb mar, unb gib
auch bem dßupa einen 5tuh!" —-
3einz ftanb nod) immer, ©r mollte nid)t
mehr, er mollte gehn; ein unmürbig meidfes,
herzburd)bangenbes ©efühl mauerte ihn feft.
Die ©Item maren gegangen, Slfra hatte bie
£ampe angezünbet, ba nun bod) ber letzte
Dagesfd)ein oerging. Sie legte ben 51opf in
ben ©aden zurüd unb brüdte mieber bie Slugen
Zu; mit tiefen, enblofen Sltemzügen füllte fie
bie ©ruft, als erholte fie fid) oon ben ©tartern
biefer Weiterleit, biefer frommen £üge. ©in
fd)redlid)er Slusbrud ber ©erzmeiflung er=
griff fie; fie lieh ü)u gemähren, um fich 3 u be=
freien. Unter ben gefd)Ioffenen, geröteten
Bibern brachen Dränen heroor, auf benen bas
£id)t ber Bampe blihte. Dod) als biefe ©er-
räter tarnen, griff fie zu ihrem Dafd)entud) unb
fuhr bamit über bie Slugen hüt; fie fd)Iug fidh
mit ber anbern £>anb auf bie ©rnft, bah Wdnz
erbebte; „ich toill nicht! idh mill nicht! ich
mill nicht!" fprach fie oor fid) hiu. Sie ging auf
bas dufter g u • er trat erfd)roden zurüd, feit-
märts in bie ©acht. 3u ihre aufrechte ©eftalt
tarn bie Raffung, bie 3eierlid)teit, bie ©r=
gebung mieber ; fie trat oor bas ©ilb neben bem
3enfter hiu, bas WeIen^51elIer-unb=Sullioan=
©ilb; nun fah ber oerftedte Späher erft, bah
es bort hiug. Die Bampe marf ihr Bicht bis
hierher; bas ©ührenbfte, mas es' geben mag,
biefes liebeoertlärte, heilig=ernfte 3ueinanber=
fein ber Daubblinben mit ber 3mmtbin, bie
fie aus ber einfamen ©acht befreit, leuchtete
oon ber fchattenben 9©anb, ber buntein Dapete.
„D ihr beiben!" fprad) Slfra an bie ©ruppe
hin. „9©ie zroei himmlifd)e SBefen fiht ihr beü
einanber; ber ©rbe entrüdt, mo es fo oiel
3ammer gibt. SBie zmei©ngel feib ihr. ©er-
Iaht mich nicht! Ba|t mid) nicht oergehn! —
©ein, ich halt' mich aufrecht an euch, iftt beiben
Schutzengel meines armen Bebens! ©r foll
gehen, id) halt ihn nicht. 3<h geh ; meinen SBeg!"
©Sie ein zittember Seufzer Hang es jetzt
oon brauhen herein; ber Slfra fuhts burd) alle
©lieber. „Slfra!" hörte fie bann; unb bas
bisher geliebtefte ©efid)t erfdfien im fünfter,
aus bem Duntel ins Bampenlicht. Sie er=
fd)rat mohl heftig; ihre Seele mar aber fo hod)=
geftimmt, fie fahle fid), als täm's oon felbft
ober oon ben Schutzengeln her. „SBas m.illft
bu noch h^er?" fagte fie mit einer ©uhe, oor
ber fie felb'er erftaunte. „SBas mad)ft bu für
ein geifterhaftes, trauriges ©efid)t? Du' ich
* bir noch leib? Ober mas beirrt bid)? —Dein
Ontel hot mir eine telegraphifche ©otfdjaft
gefd)idt: ,©od) nidhts oerloren. ©ebulb!‘ SBas
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haft bu ihm gefagt? 3ü) toill nichts oon bir.
3<h hab ; mich gefunben. Sei glüdlich mit beinern
©hrgeiz unb ihr. ’ Unb jeht Iah uticb Jd)Iafen!"
„Slfra! Wier ift ber ©rief, ben ich in ber
lebten ©acht an bid) fdjrieb- ©r fiel bem Dftlel
bei mir aus ber Wanb, als er — Bah hu uns
miteinanber oerbrennen unb oergib mir!"
„3h oerfteh / bid) nicht. SBas haben mir
nod) miteinanber zu tun? — Dah bu hier
fenfterlft, bas fhidt fih nid)t. ©eh!"
„Slfra! ©ott unb Werr!" — ©r ftöhnte aus
tieffter ©ruft herauf. „Uns fieht h^er lein
©tenfh; id) tann aber fo nicht gehn! — Diefen
ganzen Dag hob' id) und) oerhärtet, immer,
immer mieber; aus allen fhredlihen ©efühlen
hab' ih mih emporgerungen, zu meinem Slber=
glauben hiuauf: hier minlt mir mein Stern!
Dies ift meine 3ulunft! — SBarum trieb es
mih aber boh hierher? Slh, ooas meih ber
©tenfh! Dort hob' ih geftanben bie ganze
3eit; hob' es fehen unb hören müffen, mie lieb
bu marft mit beinen Beuten, mie hiutmlifh
lieb; unb mie bu groh unb immer gröber
murbeft — himmelhoch über mir. Unb zuletzt
oor bem ©ilb ba! — Deine Shutzeugel, fagteft
bu. SBasbrauhftbu Sd)ubengel, bu? Da ftanbft
bu unb murbeft feiber einer. 3<t) hab's nur nod)
nicht gerouht, mas bu bift! SBie menn bu fo ein
©täbelmärft, hab' ih bih anbie ©ruft genommen.
Unb heut abenb erleb' id)'s: bu bift niht oon
hier, bu lommft mie aus einer anbern ©Seit!"
Slfra ftarrte ihn an, als hätte er feinen ©eift
oerloren. „SBas ift bir? SBas millft bu?" fragte
fie bann mie ein unbegreifenbes 5Unb. „Sagft
bu mir all bie unfinnigen Sahen, bamit id)
gerührt merben unb bih freigeben foll? 3<h
hab's ja fd)on getan, ©eh mit beinern ©hrgeiz,
mof)in bu millft!"
„3h tann niht! 3<h tann niht! — SBit
meinem ©hrgeiz, fagft bu; oh, mie ihr mih
bamit oerhöhnt, oerad)tet, ber Dnlel unb bu!
,Da, ba lommt mein Shtdfal!' bäht' ih; ha
bietet es mir alles auf einen Sd)lag.' Unb mie
mir ©tänner fd)au finb, griff i'h zu! — 3h
hab' mih ben ganzen Dag gemehrt, biefem
Donnerer unb SBüterid) uon Dnlel recht
ZU geben; aber ja, ja, ja, er hat recht! SBozu
hab' ih bie eigne 5traft? SBarum fleht ber ©r=
folg mir fhon in ber Dür? ©ür ausharren,
©ebulb! Das haben alle gemußt. Sollt'id)'s-
beffer haben? — ©effer? SBär's benn befjer? —-
Unb mie geht's benn bir? Du ein Kämpfer
fein unb ih niht? 3h toill mit bir lämpjen.
3h toill ber anbern melben: id) tann niht.
Slfra! Biebfte Slfra! ©ergib mir! 3h toill
mit bir ben ©oman ber ©linben ztt ©nbe
fhreiben. 3h toill mit bir ben ©oman unfers
Bebens leben. SBenn bu mih mieber an bein
Werz nehmen lannft. 9©ein Sdjulzengel, mein
©ßeib! ©Benn bu mieber an mid) glauben, mih
liebhaben, mit mir leben unb fterben lannft!"
Slfra fagte nichts. Sie fhaute ihn lange
mit ©angen, mit Staunen, mit ©ergeben,
Woffen, mit einer SBelt oon ©efühlen an. ©s
fhien ihr noh ein unbegreiflicher, ein unermefz=
liher Slbgrunb, in ben fie hittunterfah „feine
bläulichen Slbgrunbsaugen tarnen aber immer
näher, näher zu ©r. ,3htt liebhaben?' bähte fie.
Das mar heut mie geftern. ©ur bah fte heute
meinen muhte. Sie meinte, bah es ilpt fd)üt=
teile, ihm bas Werz zerbrah- ©r ertrug's niht
mehr, er fd)toang fih burh bas 3enfter hinein.
Sie mehrte ihm niht. Sie reihte ihm bie
Wänbe. ©r lühte fie. ©r tniete oor ihr nieber,
lühte ©re 3ühe. Da rih fie ihn empor, fant an
feine ©ruft.
So ftanben fie lange 3ett, teines SBortes
mähtig. Sie meinte aber nid)t mehr. „9©it
bir leben unb fterben !" hauchte fie ihm enblid)
ZU. — „Oh> mie bie beiben herüberfhauen!
©iht mit ben Slugen. Slber mie es mohl bie
Sd)ützgeifier tun. Die haben uns geholfen;
niht? ©iir unb bann bir!"
„3h mill mih oor ihnen zertnirfhen; fo!"
fagte er unb trat mit Slfra oor bas ©ilb. Sie
fhauten anbäd)tig, Slrm in Slrm; nun mürben
feine Slugen nah, bod) oon ©euetränem
unb ©nttäuf ©ungen,
bie ©m bas £eben
bereitete.
©r feinen
fiobn gefunbett in
feinem 2ßerf. Dar*
um übt auch fein
23efemttnisbud), bas
„93ermä©tnis", *)
jene tiefe SBirfung
aus. 2 Bie ruhiger,
tieftönenber DrgeU
tlang bringt es aus
biefen einfachen 23e=
fenntniffen, bie in
fid), in ihrer ft-olge
bie grobe £inie bes
ed)t 5Ötenfd)Iid)en,
(Erhabenen immer
mähren, fo bah man
bie©mpfinbungl)at:
biefes £ebert, bas
bod) fo reich an
©nttäuf©ungen unb
bitteren Kämpfen
mar, mar bennod)
gefegnet; benn es
burfte fid) reftlos
burd)feijen, burd)=
ringen.
2 raft meint man,
ein höherer ©enius
leitete biefes £eben,
fo folgerichtig ent=
micfelte es fi©.
erftunfid)eresDaften
in Düffelborf, ein
Suchen nad) einem
£ehrenben, einem
SCReifter; in Sötün=
eben ein leichtes,
forglofes ©enieben
3 af)re lang ;
3euerba©s ftunft 3 U oollfter 23Iüte heranreifte,
lebt fein Sd)affen fid) am reid)ften aus, unb $euer=
bad) meib, bah er hier fein S©idfal unb fein ©lüd
gefunben. Dann fd)millt es mieber ab. jOfterreich
unb Deutfd)Ianb, üBien unb Nürnberg unb München
— eine 5tette oon ©nttäufdjungen, oon benen nur
ein 3 eitmeiliger Aufenthalt in Aom immer mieber
rettet.
Seuerba© hat felbft biefes fein ©rieben auf
eine tnappe formet gebracht, ©r fagt: „Sd)oit in
93enebig oerfünbigte fid) bas Xagesgrauen, in
$Ioren 3 brad) bie äTiorgenröte heran, in Aom aber
001130 g fid) bas SBunber, meld)es man eine ooll=
tontmene Seelenmanblung unb ©rleud)tung nennen
fann — eine Offenbarung." Unb oon Aom I)eibt
es meiter: ,, 3 d) haffe bas äRärtprertum oon ©runb
meiner Seele; füllte es aber fein, bab i© basu oer^
urteilt bin, fo fegne id) bod) ben 23oben, ber mid)
basu geführt hat." ©s füllte il)m ni©t erfpart
merben; mit grimmigem §umor notiert er, bab
er fein ©elb habe, fid) ein Atelier 3 U halten, unb
ein anbermal, bab er heute mieber einmal feinen
lebten Daler ausgebe.
33on feiner £unft unb ©rer ©ntmidlung fagt er:
„ 2 Bas i© gemorben, habe id) 3 uvtäd)ft ben ntobernen
$ran 3 ofen oom 3 a©e ad)turtboier 3 ig, bent alten
unb jungen Italien, unb bann allerbings aud) mir
felbft 311 banfen. Den Deutfd)en bleibt bas 33er^
bienft, mid) immer fd)le©t behanbelt 3 U haben."
3n ber Dat, es treibt einem bie Sd)amröte ins ©e=
fid)t, menn man bebentt, mekbeti Peinlichen
Intrigen (als er ertblid) in Sßieit einen groben Au©
trag erhalten foll, betommt er ihn unter fo Iäd)er=
lid) geringfügigen Honorarbebivtgungen, bab er,
übernimmt er bie Arbeit, feinen Auin oorausfie©,
unb ba er ihn bod) übernimmt, mill man ihn, um
ben Auftrag 311 hintertreiben, für geiftesfranf er=
Hären, laffen) $-euerbad) ausgefe© mar, er, ber
ein fo leid)toerleblid)es Demperameut unb eine fo
fenfiblc Seele hatte unb feine fo robufte ©efunbl)eit
mie 23öcflin befab, fid) aud) nie gefellfd)aftlid) fo
3 ured)tfanb mie £enbad). ©infam ging er feinen
2Beg; oon allen 5\ränf ungen heilte ihn nur Aom.
Diefer £ebensabfd)nitt Aom ift mie ein ein 3 iger
feierlicher Hpmrtus; eine ernige ©röbe unb eine
unnahbare Sd)önl)eit erftel)t oor ben Augen, ©s
ift nid)t mehr Aom, es ift bie Se©rfu©t bes Äünft=
lers, bie ©er ©rfüllung finbet.
Unb Deutfd)lanb? ©s muh hier fd)Iimtn aus=
gefehen haben. Die politifche Befreiung ftaitb oor
ber Xür, fie mürbe ©rfüllung. Dab aber $euer=
ba©fd)e ftunft ein neues, ftarfes, grobes Deutfd)=
tum oerfünbete, bie aus bem Ärahminfeltum ber
5 funftbe 3 irfe befreien formte — niemanb fam
barauf. 3 m ©egenteil, als $euerbad) (ber troh
allem f©rieb:. ,,3d) bin ein guter Deutfd)er") nun
nad) ber politifd)en ©inigung ooller Hoffnungen
nad) Deutfd)lartb fam, fanb er bie gleid)en 33er=
hältniffe oor.
3 toei _
frud)t!ofe £eerc in
Antmerpen. So ift
überall ein Suchen
[pürbar, bis enbli© ber erfte lautere Auftaft
in <J3aris einfe©, mo bas Sehen, bas Skalen
ausgelöft mirb. Dann 23enebig mit A©tungs=
fd)auertt; $loren 3 mie ein oerftedtes 3 ubeln; unb
[©lief©© Aom, beffen Aame $euerbad) mit
heiliger ©hrfurd)t nennt, bas il)n fieb 3 ehn 3 a©e
beherbergte unb ©m bas ©Iüd ber Selbfterfennt=
^ITJenn ber ftiinftler, ber fein 2Berf reftlos 00 I© nis, bes Si©finbens fd)enfte. Hier, in Aom, mo
VV enben^barf, glüdlid) 311 nennen ift, erfauft
er au© fein Sd)affen um ben '©reis ber gemöl)n=
Ii©en, gefid)erten £ebensexiften 3 unb ber äuher=
Ii©en (Erfolge, fo ift Anfelm $euerbad) ein iöe*
gnabeter gemefen, trob aller ÜBibermärtigfeiten
Anfelm ft-euerbad)
Setbftbilbnis (1878)
Slnfelm ^euerba©
*) 3n biefem 3a©e toerben bte ÜBerfe 5euerba©s
frei. Der Aerlag ÜJleper & Soffen legt bas „ Aermä©tnis"
in einer fd)önen unb billigen Aeuausgabe oor. (Es er=
f©ien jum erftenmal im Sabre 1881.
^#**xxx»xw
aas® 35
Unb bie beutfd)e 5hmft jener Sage? ©ott ü)r
fagt ^euerbad): „Ser beutfcfye Zünftler fängt mit
bem ©erftanbe unb mit Xeiblirfjer ^hantafie an,
fid) einen ©egenftanb 311 bilben, unb benutjt bie
©atur nur, um [einen ©ebanten, ber ©m I)öf)er
bünft als alles äuberlid) ©egebene, aus 3 ubrüden.
Dafür nun räd)t fid) bie Statur, bie einig fd)öne,
unb briidt einem foI©en ©Serie ben (Stempel ber
Unmal)rl)eit auf. Der ©rieche, ber 3taliener t)at
es umgelehrt gemad)t; er me©, bah nur in ber
üolllommenen 2 Bat)r^eit bie größte ^ßoefie ift. ©r
nimmt bie Statur, fafet fie [d)arf ins Stuge, unb
inbem er an ifjr f©afft unb hübet, ooltyeht firf) bas
©Sunber, mel©es mir ftunftmerl nennen. Das
3beal rnirb 3 m ©Sirlli©leit unb bie ©Sirlli©leit
3 ur ibealen s Uoefie.“
Die S©idfale ber ©Serie $euerbad)s maren
traurige. «Sie mürben auf ©usftellungen nicf)t an=
genommen; fie mürben totgeljängt, unb niemanb
taufte fie- Unbegreiflid) ift bas für uns; t)offen
mir, bah es jet|t ben ftarten, eigenträftigen ftünft=
lern artbers ergebe, menn [ie bei uns erf©einett.
<£rft bie 3dhrhunbertaus)teüung 1905 in ©erlin
hat fyeuerbad) im ga^en Umfange feines Schaffens
unb (Strebens 3 ur ©eltung gebrad)t, unb io ift bie
^ßropt)e 3 eiung, bie $euerba© itn 3 <©re 1879
nieberfdjrieb, fo 3 iemli© richtig gemefen: „©laube
mir, nad) fünf 3 ig 3dh*ert toerben meine Silber
3 ungett belommen unb fagen, mas id) mar unb
mas id) mollte."
Srot 3 all ber trüben (Erfahrungen, bie bem
Zünftler befd)iebert maren, tritt bod) nie bei ©nt
ein tleinlid)es, gehöriges ©toment heroor. ©r lebt
feinem Sd)affen in ©ntbehrungen meiter, un=
beirrt, ©roh unb rein fittb bie ßinien feines Bebens
mie feiner Stunft. (So ftart er in feinen ©Serien
nad) Klarheit ftrebte, ebenfo fud)te er fid) über fein
£eben ©ed)en[d)aft ab 3 ulegert. Unb fo ift im Beben
mie in ber 5tun|t $euerba©s ber ©nbeinbrud jene
fd)lid)te, ed)te ©infad)t)eit f bie unmittelbar er=
greifenb mirtt.
Unb fo ift biefes ©efamtmert für jebermantt
ein ©orbilb. Den itämpfenben unb ©ingenben ein
Babfal, ben Zünftlern eine (Ermunterung unb für
bie artbern eine Bel)re, mie ilürtftler fühlen, ringen.
Diefe ©rohe ift jebermann oerftänbli©. E)ier flieht
ein reiner, unoerfiegbarer Quell.
•©erabe unfre 3eü» m ber bie <3ebnfu©t na©
einem groben Stil, nad) einer neuen ©tonumental=
ntalerei ermad)t ift, mirb fid) mit erneutem ^ntereffe
mit fjjeuerbad) befd)äftigett unb bas ©Serben unb
©Ingen eines Stünftlers tief miterleben, ber feiner
3 eit fo tragifd) unb entfd)loffen oorauseilte, fid)
3 um o©idfaI, ber beutfd)en Slunft 3 um ©t©m.
©Seiblid)es ©ilbnis
©nfelm $euerbad)
©nfeltn geuerbad)
Das ©aftmahi bes Pato
oorragenb begabt als Mathematifer, fiel ber
Demagogenoerfolgung 311 m Opfer urtb ftarb
nad) groetmaligen Selbftmorboerfud)en irt
©eiftesumuad)tung.
Oer Sater geuerbachs, bem fcfjort bie
Sef)nfud)t nad) ©ried)enlanb unb Italien im
Slut ftedte urtb oon bem ber Sohn biefe
Sehnfud)t erbte, füllte fid) frentb im Sater=
lanbe.
Hub geuerbad) felbft — es ift rül)renb 311
lefen, mie ber Sohn in 9tom bes Saters Sud),
bie „®ried)ifd)e Slaftif“, oornimmt unb fid)
nun felbft bar an rbieberertennt —, ber einer
fo feinfinnigen Familie oon t)öcf)fter Kultur
entftammte, muffte ben 2ßeg bes Märtyrers
gehen. ©r, beffen Seele nad) Schönheit
bürftete, rourbe baniebergehalten oon ben
getoöI)nIid)en Sorgen bes ^nitags, unb nie=
manb tonnte if)m. helfen.
©r I)at nie erlebt, bah feine Silber irgenb=
meld)e 9lnerfennung fanbett. Sis 3 ulet)t oer=
folgten it)n Spott unb Mihad)tung, Ser=
tennung unb 9teib.
Sebentt man, mas bas für einen ftünftler
bebeutet, nie ein ©d)o feines Strebens 311
finben, fo toirb man mit boppelter ©l)rfurd)t
bie Dreue biefes £ebens empfinben unb bie
©röhe biefer Seele betounbern.
9lur einen Menfd)en gab es, ber ihn oer=
ftanb, feine Stiefmutter, bereu feines, ebles
©efid)t uns in bem Porträt erhalten ift, bas
geuerbad) fd)tif, unb mit greuben oernel)men
mir bie.ftunbe, bah bie Sriefe biefer feltenen
grau in fünfter 3 eit 3 ur Ausgabe gelangen
m erben.
Selbes ift bei bem großen Mnftler gleicf)=
bebeutenb. Denn mas ift ©lüd für ben
Zünftler? Sein 2Berf. Da es aber $Tteues
fud)t, oerftel)t ben ftünftler feine 3 eit meift
nid)t. Unb fo ift fein ©lüd 3 ugleid) fein
Sdjidfal.
Darum follen mir biefen geheiligten Soben
mit el)rfürd)tigen Schauern betreten. geuer=
bad) hat biefes Dteulanb, bas mir je^t 3 U
ahnen beginnen, mit ber Seele gefud)t. Seine
Sd)öpfungen finb Äinber biefer Heimat, nad)
ber er fid) fehnt. Darum mußten fie einfam
bleiben. Darum haben fie jene geheimnis*
oolle Melancholie, mie fie oerirrten gremb*
lingen eigen ift, bie fid) nad) bem Unerfüllbaren
f ebnen.
3 ugleid) aber ift ein ebler 9tyi)tl)mus, eine
eigne, in fid) ruhenbe Harmonie in geuer=
bad)s 2Bert, unb eine Monumentalität, beren
Strenge burd) ben faft mufitalifd)en 2Bol)llaut
ber garbert abgebämpft erfd)eint.
Mart mag bas echt Deutfd)e in geuerbad)
in biefer abfoluten Dreue, mit ber er nid)t
oon feinem 3 *>eal lieh, erbliden: „©ine geniali*
fierenbe ©itelfeit habe id) nie gehabt, unb mas
id) nicht fühle, habe id) nicht gemalt“, ©r ftel)t
am Anfang einer ftunft, bie mir erft ermarten.
Deutfd)Ian'b hatte für ben ed)teften feiner
Söhne feinen Slatp Die anbern alle, feine
©euoffen, befameu bie Aufträge, unb bie
üBänbe, bie geuerbad) mit unfterblichen SBerfen
gefdjmüdt hätte, mürben mit gefprei 3 ten Um
3 ulänglid)feiten oerfehen.
©in tragifd)es Sd)idfal oerfolgte bie ga=
milie geuerbad). ©in Onfel geuerbadjs, her=
SInfelm geuerbach
Sleiftiftftubie 3 U bem Silbe „Mebea‘
<2ß. ©Steuer 3tttedeur
738
Hber £anb urtb SReet
1911. $Rr. 28
///<
Von
Der 51ronprtn3 unb Sir 3of) n 9?oos31eppel,
bem SBergmanöoer 3 ufd)auenb
Claris id) irrt oergangenen Sommer bie ©l)re fyatte, unferm 5 tronprin 3 en
im äKarmorpalais 3 U ^otsbam Vorträge über 3 nbten 3U galten, roar
es fel)r' bemertensroert, bajj ii)rt teiue ©egenb bes 9 tiefenreid)es lebhafter
intereffierte als ber SRorbmeften 3 nbiens, bas Sünfftromlanb ^anb[d)ab, too
ber triegerifcb)e Stamm ber Sitljs lebt, bie Umgebung ber großen 9JUljtär=
garnifonen roie ‘iRaroalpinbi urtb ‘Uefdjamar, rool)in bie neuerlid)e 9JiiIitär=
reorganifation £orb ftitdieners bie $auptftreitfräfte bes britifd)4nbifd)en
ftolonialreidjs ton 3 entriert l)at, unb oor allem bas uralte 93öltertor 3 ™biens,
bie ©egenb bes 5 U)aiberpaffes. 33olltommen begreiflid) unb fel)r be 3 eid)uenb
für einen (Seift, ben am Stubium eines £anbes bie großen l)iftorifd)en ©nt=
toidlungen feiner »eoölterung befonbers feffeln unb bem unter ben Problemen
ber ©egemoart bie militärifdjen innerlid) am nädjften liegen.
Der äuf 3 erfte Worbmeften 3nbiens ift in ber Xat eine munberbare Stelle
w tVitnUi.c; hi? non ber Watur felbft ficbtlicb ba 3 U geformt ift, in ber 3Sölter=
Strafe am 2Rol)arramfeft in < Uefd)aroar
Oben: ©in junger ^ailjan
Die ©iti) oon ‘jpefdjatoar
1911. 91t. 28
übet fianb ürtb 9Jleet
739
Kamelmarft in ipefd)amar
Strafe im Kantonnement oon ©efd)amar
Sinne 3 eigt fid) bas mie im friegerifcßen Sinne. 3*i
frieblid)em, inbem ©er nod) ßeute toie feit unge 3 ä©ten
3at)rl)unberten bie Hanbelsfaramanen aus bem 3 rinern
^Tfiens l)ereinge 3 ogen tommen; im friegerifdjen info-
fern, als ©nglattb fid) oollfommen beraubt ift, baß l)ier
ber einige fd)toad)e ©untt feiner §errfd)aft für einen
fianbangriff oon außen liegt — ein Angriff, ber
Menfd)enalter lang insbefonbere oon ©ußlanb beforgt
mürbe unb burd) bie politifcßen Konftellationen immer
mieber I)erbeigefül)rt merben fann. 9tber aud) bie
unmittelbaren ©ren 3 nad)barn, bie 9lfgl)anen, bie ©fribis
unb anbre ©ebirgsoölfer, beren iRäubernatur nod)
ungebänbigt ift, brol)en I)ier fortbauernb mit feinb-
liefen ©infällen, folange fie nid)t burd) bie (Entfaltung
einer imponierenben Mad)t gebänbigt merben.
Die äußerfte große ©arnifon ©nglanbs ift l)ier
©efeßamar, feßon jenfeits bes 3 nbus in einer ©erebnung
am guße ber meftlid)en ©ren 3 berge gelegen, mo mir
am 10 . 3 anuar oon £aßore l)er eintrafen. Hier mar
oon inbifd)er Dropennatur nid)ts mel)r 311 fpiiren; im
©egenteil, bie ©äeßte maren grimmig talt, iReif lag
morgens auf ber glur, unb frifd)gefallener Scßnee lief)
bie ©orberge, bie bie ©bene ©efd)amars umgeben, in
munberbarem ©3interrei3 erftral)len. ©erfeßiebene oon
uns, aud) ber Kronptin 3 , tauften fid) bie Ianbesüblid)en
©ufd)tinpel 3 e, mie fie bie afgt)anifd)en Kameltreiber
ber Karamanen tragen, oon biefsottiger Sd)afmolle
innen, außen tanariengelb gefärbt unb mit t)übfd)en
aufgenäl)ten Muftem oer 3 iert.
Die Stabt t>at eine uralte ©efd)id)te. Sie mar
einft bie 9 ?efiben 3 bes iReid)s ©anbara, in bem ber
©ubbßismus 3 m l)öd)ften 33lüte tarn unb fein Kult bie
fd)on ermähnten, funftßiftorifdj fo bebeutfanten Monu-
mente l)eroorgebrad)t l)at, beren greilegung unb
Deutung man erft in unfern Dagen oornimmt. Un¬
mittelbar meftlid) oon ben Doren ©efd)amars l)at man
oor ungefähr 3 mei gaßren erft m einem bisher un-
beamteten Sd)uttl)ügel un 3 meifell)aft bie Stupa Kanifd)-
fas, eine ber berüf)mteften ©agoben ©orbinbiens,
mieber aufgefunben, bie ber d)inefifd)e ©eifenbe §iuen
Dßfang im früßen Mittelalter fo bemunbernb befd)reibt.
©ine ber ad)t Stätten gubiens, an bie na© bamaligem
©lauben bie ©ebeine bes ßeiligen ©eligionsftifters
©ubbßa nad) feinem Dobe oerteilt mürben. Unb fogar
bas un 3 meifell)aft ed)te ©eliquientäfteßen mit ben oer-
el)rten ©ebeinen tonnte barin nod) gefunben merben,
bie fomit, menn fie aud) barum moßl nod) nießt als
bie mirflid)en ©ebeine ©ubbßas bemiefen finb, bod)
eine nähere ©nmartfd)aft barauf f)aben als irgenbeine
anbre ber 3 af)llofen ^Reliquien ber bubbßiftifcßen ©Seit,
©ine unfrer ©bbilbungen ftellt einen neuen, foeben
freigelegten Deü ber ©agobe bar; icß ßabe 3 ur Kenn-
3 eid)nung bes Maßftabes ber bort 3 um ©orfdjein
gefommenen fteinernen Heiligenfiguren meinen Xropen-
i)ut baneben gelegt.
Droßbem ift bie Stabt ©efd)amar gan 3 oßne
ältere ©aumerfe; bie ©rbbeben geftatten bauernbe
©auten nießt. Die Häuf er finb alle aus leid)teftem
Material gebaut, aus gaeßtaerf unb £eßm, mit eigen-
tümlid)en Hol 3 fd)nißereien. ©ßarafteriftifd) ift bei ißnen
allen ein flad)es Dacß mit einer l)ol)en Ummanbung
aus ©rettern ober glecßtmerf mit leid)tem £eßm-
bemurf. Hier ergeben fid) bie grauen ber größten¬
teils moßammebanifeßen ©eoölferung, benen bas un-
oerfcßleierte ©etreten ber Straßen oerboten ift, in
freier £uft, fpielen bie Kinber unter ißrer ©uffid)t,
unb ein großer Deil ber ßänslicßen ©efefjäfte ooll 3 ief)t
fid) bort oben, ©ort bem ßoßen, ©ßor Kßatri ge¬
nannten Dorbau einer alten Karamanferei, ben ber
©rin 3 erftieg, ßat man einen iiberrafd)enben Uberblid
über bie Stabt mit biefem eigenartigen £eben ber Däcßer.
gn ben ©afaren mögt ein £eben, fo reid) unb
bunt an ©ölfertppen, mie man es faum irgenbmo
anbers in Dtfien finbet, ba fid) ©er eben bauernb bie
gm Haufe bes Sir 3oI)n ©oos-Keppel
>ir ©oos-Keppel mit Kßaiberfcßüßen
Karamane im Kßaiberpaß
©fgßanifd)e Kameltreiber in ©efdiamar Oben: Deil ber ©agobe Kanifd)fas
740
Über £anb unb 3Jleer
1911. 3it. 28
fianbi Rotal, äuherfter ©ren 3 poften imRhaiberpah
3amrub=3ort am Ausgange bes Rhaiberpaffes
3 ugleid) ooll meitgehenber geistiger 3 ntereffen; id)
fanb in feinem Stubio bie intereffantefte nnb reid)=
h'altigfte aller ‘prioatbibliotheten, bie id) bei englifd)en
Aermaltungsbeamten gefehen habe, unb fein Haus
ift mit gefd)madoollen Sammelgegenftänben, mit
einem ebeln Ron 3 ertfIügel unb bergleid)en reid) ge*
fd)müdt. Rein ABunber, bah faum ein anbrer ber
leitenben Scanner bes britifdjen 3 nbiens, mit benen
mir 3 ufammengetroffen finb, bem Rronprin 3 en fo
nal)e getreten ift mie biefer. Auf immer neuen
• asflügen, gemeinfamen ABagenfahrten unb Bitten, in oielftünbigen intimen
©efpräd)en nahm ber Rronprin 3 bie ©elegentjeit mahr, fid) non il)m über
fianb unb Reute biefer bebeutungsoollen ABeltgegenb unterrid)ten unb in bie
©eheimniffe britifdjer Regierung unb Aölterbel)anblung einmeil)en 3 U laffen.
Der feffelnbfte Ausflug, ber oon ^3efd)amar aus gemacht mürbe, führte
3 U bem berühmten Rhaiberpaffe, bem lebten Deil ber non 3rcnerafien nad)
3nbien füljrenben ABeltoertehrsftrahe. Diefer ^ah ift nur bis 3 unt gemiffen
©rabe in ben Hänben ber ©nglänber. Sie l)aben einige 3*orts barin befetjt
unb mit ben unabhängigen Afribiftämmen ber umgebenben Serge ein Ab=
fommen getroffen, bah ber ^ah 3 meimal in ber Aßod)e, am- Dienstag unb
fyreitag, oon ben fogenannten RI)aiberfd)ühen bemad)t mirb, einer Solb=
truppe aus S 2tfribis, beren Dberft Sir 3ohn AoosdReppel felber ift. %n
Doppelpoften oerteilen fid) biefe Reute bann in finden Abftänben auf ben
Höhen neben bem S^ffe unb fd)üt)en ben Durd) 3 ug ber Raramanen, bie
nur an biefen beiben Dagen paffieren bürfen. ©benfo bürfen europäifd)e
Aeifenbe aud) nur bann ben Sah befidjtigen, gemöhnlid) nur bis 3 ur Hälfte
bes ABeges, bis 311 bem $ort oon Ali Atusjib. An ben übrigen Dagen tnallen
bie Angehörigen berfelben Afribiftämme ben Hnoorfid)tigen nieber, ber
fid) in ben Sah hiueimoagt. Aod) heute umgibt alfo rauhe Aomamtit ben
uralten S fl hu)eg, ben fo grohartige ©rinnerungen ber ©efd)id)te fd)müden.
Atit Automobilen mürbe an einem grimmig talten, nebelfd)meren Dage
bie 3af)rt unternommen. Sdjon oon meitem fiel)t man ben Spalt in beut
meftlid)en, fd)arf gegen bie ©bene abfehenben Serge, ber bie Atünbung bes
Saffes bilbet. ©in altertümlid)es fielpnfort, $ort 3antrub, behütet ben
Ausgang, auf bem malerifd)e ©ruppen oon ©ingeborenen bie ABagen be¬
grüben. ©ine gemaitige Schar oon Kamelen, beloben mit Sailen toftbarer
Deppiche unb anbrer ABaren, begleitet oon fraftoollen, gefährlid) ausfel)enben
afgl)anifd)en Dreibern, bie ben Durd)toeg burd) ben Sah fd)on oollenbet
hatten, lagerte .oor ben Doren. Anbern Raramanen begegnete man in
ber engen, oielgemunbenen, oon rauhen, malblofen Sergen umgebenen
Sd)lud)t bes Saffes. Die gahrt führte über Ali Alusjtb hinaus bis 311 m
©nbe ber oon ben ©nglänbern unterhaltenen $al)r=
jflH ftrahe, 3 U bem $ort fianbi Rotal, in einer äuherft
oben Dalfläd)e gelegen. Hier ift ber äuherfte Sor=
poften bes britifd)=inbifd)en Seiches, bie büfteren
©ebirge babinter gehören bem heute mehr als
H je oerfd)loffenen Afghaniftan.
iljjlf'j w H Der Rronprin 3 mar oon ber milben ©roh*
artigteit ber gan 3 en ©egenb unb ber eigenartigen
Stimmung biefer ©rbftelle fo ergriffen, bah er am
_ 11 )M| jjt _ M J - 1 folgenbeu Dage mit Soos=Reppel —
unter befonbers für ihn beorberter Se*
mad)ung — nod) einmal hierherfuhr.
Diesmal mar bas ABetter aud) tlarer.
Die ©efellfd)aft oerlieh in fianbi Rotal
bie ABagen, ertlomnt auf fteilem 3id*
3 adpfabe ben rauhen gegenüberliegend
ben $elsrüden, unb in munberooller
©röfje unb £»errlid)teit erhob fid) bort
oor ihnen bie fd)neefd)immernbe $aupt=
tette bes Hinbutufd), emporragettb über
bie geheimnisreichen Sorberge bes 311
ihren frühen gelegenen Afghaniftan.
Sertreter ber oerfdjiebenen ©ren 3 üölter mifchen, bie
Sitl)sbes Sanbfd)ab, bie $inbus bes ferneren3nbiens
mit ben Hänblern oon ABefttibet, aus ben Dafen
Rl)oton, 3adenb unb Rafd)gar, aus Sud)ara, §erat
ober Rabul. ©inen Hauptftod ber Seoölterung
bilben bie Sathans, fd)Iante, fräftige, tühnblidenbe
Atänner, bie bie nächften ©ren 3 gegenben beoöltern,
gefürd)tet megen ihrer ©emalttätigteit unb Sad)*
fud)t, aber bas ABohlgefallen bes Seobad)ters er=
regenb burd) ihre freie, offene Haltung unb ihr
mannhaftes ABefen. Sie haben in ber alten ©efd)id)te 3nbiens als ©roherer unb
Rulturgrünber öfters eine Solle gefpielt, unb aud) heute ftedt in ihnen nod)
eine Soltsfraft, bie bie höd)fte Sorfid)t in ihrer Sel)anblung für ben ©ng*
länber geboten mad)t. Auherorbenttid) intereffant ift bie Suntheit ber ABaren,
bie in ben Safaren feilgeboten merben. Aeben
fd)miebereien, fieberarbeiten, bunten Seibentüd)ern,
Aßaffen finbet man in groben. Stengen prad)toolle Deppiche
Afghaniftan, Sud)ara unb ©hima, Seiben oon ©l)ina,
Auf ben ABällen bes Santrubdftorts
einheimifdjen Rupfer*
>d)nihereien unb
oon Serfien,
;d)mudfad)en oon
Dibet, S^l3^ unb Seile aus 3nnerafien, Sdjals aus Rafchmir unb anbres
mehr. Allabenblid) merben bie Dore ber Stabt gefd)loffen, meil nadjts
bie ©egenb bis unmittelbar an bie Stabtmälle heran oon Aäuberbanben,
bie oon ben Sergen herabfteigen, unfid)er gemacht mirb. 3a, in ber Stabt
felbft mit ihrer fanatifch moI)ammebanifd)en Seoölterung, in ber es Setten
gibt, benen ber Atorb eines ©uropäers fo fidjer bas Sarabies öffnet, bah
ihnen bie folgen biefer Dat hier auf ©rben gan 3 gleid)gültig finb, ift es
für ben meihen AAann bes Aad)ts burd)aus gefährlich, 3 u oermeilen. Uns
felbft unb unfern Dienern mürbe ber Sefud) ber ©ingebörenenftabt nad)
Duntelheit bringenb miberraten. 3a, felbft bei Dage mäl)renb bes §öhe=
puntts bes mohammebanifd)en Stohorramfeftes, bas gerabe in bie
unfrer Anmefenl)eit fiel unb mo fid) auherorbentlid)e Stengen oon religiös
erregten Atenfd)en auf ben Strahen bemegten.
Aßir felbft mol)nten in bem meftlid) ber ©ingebörenenftabt oor beren
Doren gelegenen britifchen ©antonment, einer fiagerftabt, bie, mie üblid),
mit f)üöfd)en ©arten unb fd)attigen Alleen gefd)müdt mar, unb 3 mar in
ber Aefiben 3 bes ,,©l)efd©ommiffioners“, bes Sermaltungsoberhaupts ber
Aorth=ABeft Srontierd^rocins, bie auf erhöhtem Santte inmitten eines
groben, fd)önen, ummauerten ©artens gelegen ift, teils in ben 3 iTn iTi ern bes
geräumigen £>aufes, teils in bem gemol)nten 3eltlager. So offen biefe
ABohnftatt für ben erften Slid erfd)ien, mir lebten bod) aud) I)iß r beinahe
mie in einer Heftung, ©in breifacher Rorbon oon ABachen umgab bas ©e=
bäube unb bie 3elte, unb mir mürben inftruiert, beim paffieren ber Ror*
bons nad) Duntelheit auf ben Anruf ber poften:
,,Who goes there?“ (ABer gel)t bort?) unbebingt
' 3 U rufen: ,,Friend!“ (3reunb!), meil insbefonbere
bie ^ßathantruppen fehr oft unmittelbar nad) bem
Ausbleiben ber Antmort fd)arf fd)iehen. Aunb
um bie eigentlid)e ABohnung bes ©ouoerneurs, in
ben ©ängen unb Sor 3 immern biefer felbft unb
auf ihrem Dad)e maren ausfd)liehlid) meihe Sol*
baten als Aßad)tpoften oerteilt. rimmäw
Der ©hefd©ommiffioner felbft, Sir ____
ein oerhältnismähig
Aoos = Reppel
junger Stann, ber rafd)e Rarriere ge=
mad)t hat, mar gan 3 bie redjte ^erfönd
lid)teit für biefen romantifdjen, oerant*
mortungsfd)meren ©ren 3 erpoften. ©roh,
träftig, ein fd)öner Siann mit tül)nem
©efid)t, ein Siann bes Abenteuers unb
Aßagniffes, beffen rechtes ©lement bie
©efahr mar, bie Spannung einer erpo=
nierten ©*iften 3 , ber Aertel)r mit halbd
milben Häuptlingen, benen nur Rül)n=
heit, ©nergie unb fiift imponiert. Dabei
Oben: Slünbung bes Rtjaiberpaffes
©ebirgsbatterien am Rhaiberpah int Aianöoer
1911. 9tr. 28
Über £anb unb SIReer
741
Dem SÜtanöoer 3 ufd)auenbe s 2lfribileute
eigentümliche Sd)uher[cheinungen bei ber
51t) aib er art Werte
'Jtn einem ber folgenbett Dage führte 9toos=
fteppel bem 5 tronprin 3 en ein ungemein inter^
effantes SJtanöoer ber 51I)aiberfd)ühen oor, bas
an ber SUtünbung bes 5U)aiberpaf[es [tattfanb.
Die leitenbe beftanb barin, bah ein mar=
tierter geinb aus bem Innern ben sirfa
400 Stfteter hohen ©ipfel 3 ur £infen bes paffes
befetjt habe unb bah es nun galt, biefe Stellung
oon ber ©bene aus 3 U [türmen, ©s mar er*
ftaunlid), mit meid) einer Sd)nelligfeit unb Unermüb=
lid)teit bie fd)lanfen, fraftoollen Sergbemohner in
ihrer tleibfamen Drad)t bie [teilen ©ebänge empor=
brangen, unter fortmäbrenbent Schnellfeuer, bas man
in meinen fiinien bie Sergflanfen fid) binaufeieben
[ab- ©in [djarfes $euer ber ©ebirgsbatterien becfte
[ie babei.
gür biefe intereffierte fid) ber 51ronprin3 aufs leb=
baftefte; namentlich für bie ingeniöfe ©inrid)tung,
bie ßafetten in 3 eit oon menigen Minuten aus=
einanber 3 unel)meu unb [amt ben ©e[d)ührot)ren auf
SJtaultiere 311 oerlaben. Diefe galoppierten bann
oor, unb nad) ©rreicbung bes neuen Stanbpunftes
nahmen bie 93iannfd)aften bie ©efdjühe mit fabelhafter
Sd)nelligfeit mieber herab, montierten [ie unb feuerten
[ie oon neuem ab. ©ine meiner s Uuf=
nahmen gibt ben mertmürbigen Strem
tegel tleiner s fßuloerteild)en mieber, ber
aufcer bem Dampf ber ÜJtünbung bes
©e[d)ühes entquoll. Dtehrmals lieh ber
s 43 rin 3 fid) bas Dtanöoer mieberholen,
unb er [elbft unb mir alle, ben 9Jiaul=
tieren auf ihrem [teinigen Sfabe folgenb,
mad)ten fo trot; ber [d)arfen Dagesfjihe
einen beträchtlichen Deil bes Sergan=
[turmes mit, bis enblid) hod) auf ber
§öbe bie meihe flagge bie ©rftürmung
bes Serges an 3 eigte.
2 Bäl)renb ber gan 3 en 3 eit hatte im
9tüden unfrer Stellung auf einem Sor=
Das^lluäRufjib^ortin berSOtitte bes5U)aiberpa[fes
Der Stfribihäuptling
Der 51ronprin3 muftert bas ©efdjent bes ^Ifribihciuptlings
l)ügel eine tleine Schar ^Ifribis in eint)eimi[d)er
Stammestracht ruhig beobad)tenb gehodt, um
einen groben, langbärtigen SJtann ge[cf>art; oor
ihnen lagerte eine 9fn3al)l ber lanbesüblid)en
gett[d)mau 3 [d)afe.
Der bärtige SJtann mar ber Häuptling eines
ber [ieben 9lfribiftämme, aus benen bie 5U)aiber=
[djühen heroorgehen, bas £aupt einer 9ln3al)l
jener friegerifchen Dorf[d)aften in ben bem ^ßab benach=
barten Sergen, mo nod) bie Slutrad)e herr[d)t, mo
nid)t nur bie Dörfer [elber ummauerte Heftungen
[inb, [onbern fogar bie ein 3 elneu $öfe mehrhafte
tleine Sutgen 3 ur gelegentlichen Serteibigung gegen
bie eignen Solfsgenoffen. ©r mar mit ber 9lb[id)t
getommen,' bem beutfd)en 5 tronprin 3 en einige ©a[t*
ge[d)ente 31 t bringen, ©ine pradjtoolle itriegererfchei-
nung, mie er aud) toohl muhte, benn mit unoerfenm
barer ©enugtuung erhob er [id) unb [tanb mir 311 einem
Silbe, als id) ihn barum bat.
9 tad) Sd)luh bes äRanöoers trat aud) ber 5tron=
prin 3 3 U ber ©ruppe, begrühte mit träftigem §änbe*
brud ben Führer unb nahm mit bem lebhafteren
3 ntere[fe [eine ©efchente entgegen. "Wiher jenen 3 rett=
[d)man 3 hämmeln maren es eine fo[t=
bar eingelegte alte Flinte, ein Säbel
mit fd)öner Scheibe unb ein präd)tig oer-
3 ierter Dold).
• Htifer Silb 3 eigt, mie ber junge,
[d)lanfe ^ßrin 3 mit bem bärtigen §äupt=
ling ber afgt)ani[d)en ©ren 3 gebirge bie
5 \on[truttion ber fremblänbi[d)en Sßaffen
erörtert unb [ie mit ben europäifd)en oer=
gleid)t. Das ©egenge[d)enf einer golbe=
nenlthrmirb jebenfalls als oielbemunberte
5to[tbarfeit auf lange 3eit hinaus in ben
©ren 3 bergen^lfghani[tans bie ©rinnerung
an ben Sefud) bes 51ai[er[ohnes aus bem
fernen ÜBeften mad) erhalten.
Wahrheit, bie fid) burchfetjen mill, [ollte immer
bei ber £üge rhetori[d)en Unterricht nehmen.
*
Nichts in ber SBelt i[t unintereffant; erft bie
Setrad)tung mad)t es manchmal ba 3 U.
*
Solange bie üötenfchen oom ©lüd feine Ahnung
haben, [inb [ie meiftens am glüdlid)[ten.
*
Du bringft 3 el)n SBeife leichter 3 um 9feben
als einen X 0 r e n 3 um Schmeigen.
*
9Jtan muh auf 3 ul)ören oerftehen. 9tur mer nichts
3 u [agen hat, ber hat immer nod) mas 3 U fagen.
*
Die b u m m e n dauert haben fa[t immer
mehr Serftanb, als man glaubt; [ogar bie tlugen
[inb [eiten [0 bumm, mie [ie bem Dünfel bes
Cannes fd) einen.
2 Bas immer bu erbulbet, mas oerloren,
3u melchem Sd)mer 3 e bu aud) auserforen,
©s lebt bie be[te §eiltraft im ©ebenfen:
©rinnern nur fanu bir Sergeffen [djenfen.
*
2Ber feine $einbe 3 U erringen oermag, i[t ein
unheilbar unbebeutenber Übtenfd).
*
2 Bie menig ©egenliebe finben [ie, bie nur mit
bem §er 3 en 311 lieben oermögen!
*
3n ber Segierbe, bie Söhnfchen 3 U burd)=
[d)auen, oerfäumt man bie mertoollften ©elegem
heiten, [ie oerftehen 3 U lernen.
*
3Benn bie SÜienfchen in 2Birflid)feit je [0 oiel
gelernt hätten, als [ie [d)on oerlernt 3 U haben
behaupten!
äRoritj ©olbfchmibt
742
#ber £artb unb 9Jteer
1911. 9tt. 28
Die erfte SBunbe. 23 on ©tbmamt ©taefet
S hufter ptrit nahm bie fernen £aäfhul)e,
bie er beute morgen für ben $errn Stammer*
herrn ©ridfon fertiggemaht, oon bem 2Banbbrett,
mifhte mit feiner blauen ScE)ürge über ben
fd)toargen ©lang unb pactte fie bann in Seibern
papier ein.
©roftoater follte fie nun abtragen. Unb ber
2llte, ber an bem anbern Stellerfenfter gefeffen
unb an ein paar gang alten S(buben gebaftelt,
bie bas gliden faum noch ertrugen, rappelte ficb
mübfelig auf unb machte ficb gum Stusgeben fertig.
Oben, auf ber erften Stufe ber Kellertreppe,
batte mit feinem Spielgeug — einem 23ilberbud)
unb ein paar 23autlöften — ber ©ntelfohn gehodt,
aber als je^t ©roftoater an ibm oorbeiroollte unb
©m über ben göahstopf fuhr,; faftte ©briftian
nach ber £janb bes aiten unb moflte burhaus mit.
„Äann icb ihn friegen?“ rief ©roboater itt ben
Heller gurüd.
„3a— fonft flennt er toie ber!“
Unb fo marfcbierten fie beibe baoon unb
tarnen fhlieftlid) iu bas feine £»aus am 9Rarttplatj,
mo Stammerb err ©rictfon moljute.
Das Bübchen nahm bie Shube ab unb be*
beutete bem mitten, oor ber Stüd)entür gu märten,
©s bauerte eine gange 2Beile, et)e mieber geöffnet
mürbe — ©roboater batte ficb fd)on, mübe mie
er mar, auf bie Dreppenftufen gefeftt, unb ber
kleine batte burd) bie Dürtifte ben 23ratenbuft
aufgef<bnüffelt — aber nun ftanb aud) Stammet*
berr ©ridfon felber ba unb nicfte freunblid).
©r mar mie ein bider roter Kummer in einer
meiften 2ßapiermanfhette, unb obmobl er oiel
Heiner mar als ©roboater, Hopfte er ibm auf bie
Schulter, geigte auf bie £adfhube, bie er fhon
anbatte, unb fagte: „Bon!“
Dann — als er bem.Sitten bas ©elb in bie
rtffige £anb gegäblt, bemerfte er plöt 3 lih©bttftian.
„2Bas ift bas?“ fragte er.
Unb als ber Sitte fein ©ntelfinb oorgeftellt,
ber kleine bie £>anb gegeben, fragte Stammerberr
©ridfon — als lomme ihm plötgtid) ein ©ebante:
„Statut er fingen!“ ,
,,©r fann febr fcbon fingen!“ o er fieberte ©roft*
oater eifrig.
„Dann foll er beute nachmittag auch hierher*
tommen. ©s iftStinbergefellfhaft — mein Dleffe
Stlfons gibt feinen Stameraben ein $eft! • ©s
mirb Solbat gefpielt merben — ba gehört ©e*
fang bagu unb ein paar, bie tüchtig traben
tonnen!“
„Das fann er — fhönen Dant, £jerr Kammer*
berr — ich bring' ihn felber her!“
Unb bann trafen fie ben Küdmeg an, ©rob*
oater mar fo aufgeregt, baft er unaufhörlich
fhmaftte. Unb oon 3eit gu 3eit oerfidtjerte er
feinem ©nfel: „Sein — bas mirb fein, ©briftian,
bafür lab uiid) folgen, ©roboater oerftebt fi<h
auf fo mas!“
91a — 23ater unb Butter maren oon ber un=
ermatteten ©inlabung meniger erbaut. „2Bemt
nur alles gut gebt,“ fagte SReifter ptrit, aber
©roboater mähte ihnen Har, meldbe grobe ©bre
bas für fie alle fei unb bab man fo etmas nicht
ausfhlagen bürfe.
Unb gleich nah bem 9Rittageffen feftte er fid)
bin — obmobl er eilige Arbeit batte — um für
©briftian einen $elm, einen Säbel unb ©pauletten
angufertigen. ©r mar fo eifrig bab ei, als gälte es
eine eigne Slusrüftung unb als molle er mieber
in ben Strieg.
Den Säbel, aus gmei getreugten folgern,
batte-er halb fertig, auch ber ioeltn tarn nach
einigen Schmierigfeiten in bie richtige $affon,
aber bei ben ©pauletten mürbe er gang oerbrieft*
lieb, benn es füllten foldje merben, mie fie fein
9Rajor bamals gehabt, ein ißaar Scbmalbennefter
mit berabbaumelnben Raupen. Unb er baftette
baran noch, als ©briftian, oon ber 9Rutter enblich
freigegeben, fhon mit umgefchnalltem Säbel, ben
£elm mit bem $eberbufh auf bem Stopfe, neben
ihm ftanb unb gufab, bamit es fhneller gebe.
91a — enblich mar's fo meit, bie ©pauletten
mürben oon ber 9Rutter noch rafh auf ber 3ade
feftgenäht — bann marfhierten ©roboater unb
©briftian mieber ab, unb ber Sitte labte fid) unter*
megs an bem Slitffeben, bas biefer friegerifebe
2tufgug in ben Strafen erregte.
herrje, mas gingen ba für oiele feine £eute
gu Kammerberr ©ridfon, felbft ein paar Stutfher
hielten oor ber Dür! Unb ©roboater, ber in feinem
©ifer fo gar nicht an bas eigne Slusfeben gebäht,
brachte ©briftian besbalb hintenherum burh bas
fleine Dor unb überlieferte ihn bann ber Stöhin
gur SBeiterbeförberung.
Die Stöhin mähte ficb bie Aufgabe leiht:
„*5ier gebft bu burh“ — fagte fie — „unb ba
fommft bu in ben ©arten urib fiebft bie anbern
fhonnu lauf!“ - .
©briftian hielt fid) an bie SBeifung, tarn burh
eine 9teibe feiner 3immer urtb gelaugte in ben
©arten, hinter einer Slieberbede hörte erStinber*
ftimmen, ging ihnen nah nnb fab bann burh
eine fiüde eine 2tngal)l Stnaben fhon eifrig beim
Solbatenfpiel — Stammerberr ©ridfon aber mar
nid)t bab ei.
2tlle maren fie älter als ©briftian. Unb ihre
feinte, Säbel unb ©pauletten faben genau fo
aus mie bie oon richtigen Soibaten, manche
batten fogar Uniformen an mie mirtlihe £>ffi=
giere, unb menn fie gingen, Hinten fie mit ihren
Sporen.
Unb bann bemertten fie ©briftian — unb
hörten plöblih auf in ©rem Spiel unb faben ihn
oerbubt an. „2Ber ift bas?“ fragte einer oon ihnen,
ber eine ^ufarenuniform batte, unb ftiefj einen
anbern mit bem ©Ilbogen än.
Da trat ©briftian — fo, mie es hm ©roboater
gegeigt — oor ben $ufar ©«> falutierte unb fagte:
„3h melbe mih 3 ur Stelle!“
„Da haben mir's,“ fagte einer gang laut, als
nehme er an, bab ©bttftian taub fei, „bas ift
ber Shuftersjunge, oon bem uns bein Dntel
ergäblt bat! 91a — nun feib nur recht Hebens*
mürbig gu hm!“ >
Unb gur Sicherheit fragte einer: „3ft bein
23ater Shufter?“
„3h beibe ©bttftian 2ßetrit, bin fünf 3ab^e
unb mobne in ber iUoftergaffe bei meinem 23ater,
bem ShubTuahermeifter 3obautt ^Petrit!“
2Hle ftieben fih an unb Iahten.
„2Bollt ihr nicht mit mir fpielen?“
„Sßeibt bu, mas mein 23ater ift?“ fragte einer
unb gab gleich bie 2Intmort: „©ebeimer äRinifte»
rialrat!“
„SBollen mir jebt fpielen?“ fragte ber kleine.
„2Bo baft bu benn ben £jelm unb bie ©pau*
letten her?“
„Die bat mir ©roboater gemäht!“
„3ft ber aud) Shufter?“
©briftian nidte, aber je^t mürbe hm allmäblid)
etmas beHommen.-
Da trat einer 3 U hm tyxan unb fagte: „3h
bin 2llfons ©ridfon — mir mollen gerne mit bir
fpielen, aber fo gebt bas nicht — bat bir mein
£)ntel benn nicht gefagt, bab hu alles bei uns
befommft — Säbel unb §elm unb ©pauletten?
©ebt mal tyxl" rief er einem feiner 5iame=
raben gu.
Unb mäbrenb einer bie Saheu aus ber naben
Saube holte, trat ber §ufar an ©briftian heran,
rib hut Öelm unb ©pauletten ab, gerfnüllte fie
unb marf fie ins ©ebüfd), unb bann nahm er
hm ben §olgfäbel ab, tnidte ihn entgmei unb marf
ihn hinterher, ©leih barauf fetjte hm ein anbrer
einen §elm auf, mie hn bie anbern batten, be=
feftigte ihm auf ben Shultern ©pauletten unb
überreihte hm einen 23le<hfäbel.
„91un tannft bu hier Shübmahe fteben, bis
mir bih ablöfen!“
Dann blies einer ein Signal, unb alle ftürmten
baoon — int 21ugenblid mar ber Pab leer.
Starr unb füll ftanb ©briftian ba, als habe
er nod) niht begriffen, mas eben gefheben mar.
Unausgefebt haftete fein Süd auf bem gerfnüllten
23apierbelm, ben fhönen ©pauletten unb bem
gertnidten öolgfäbei.
Unb plöblich fab er fih fheu um, fhüh
bann nah her Stelle unb hob bie Sad)en auf.
3n ängftUher £aft fuhte er §elm unb ©pauletten
mieber gu glätten, aber es mar unmöglich, unb
ber ^olgfäbel blieb gerbrohen.
Unb ais er bas ertannte, oermod)te er bas
2Beb tu feinem bergen niht mehr 3 U halten,
fein ©efid)t oergog fih, unb er begann bitterlih
gu meinen.
Den fhönen, glängenben £elnt, bie filber*
beftidten ©pauletten unb ben Slehfäbel legte er
oorfihtig ab, bann nahm er feine Sahen unb
fhlih fheu, mie ein geprügelter §unb, burh ben
©arten, burh bie feinen 3totmer, tarn in bie
Stühe unb ging, ohne 2üitmort auf hre 3tage,
an ber Stöhtn oorbei.
2tber braunen auf ber Strafte meinte er laut
auf, tarn oöllig aufgelöft in ben Shufterteller
gurüd, hielt bie oerborbene 2lusrüftuug ©roft*
oater biu unb oermohte oor Shluh 3 en niht gu
fprehen.
Unb als bereite enblih aus bemStinbe tlug
gemorben unb begriffen, baft bas Unheil niht im
Kriege entftanben, lächelte ber 2tlte plöftlth fonber*
bar unb fagte: „2Bemt bu nur beinen ©roftoater
troftbem liebbebalten baft unb hn nur niht oer*
aeftteft, bann ift bie Sähe niht fhliutm — ben
Shaben ba mill ih bir gern reparieren!“
o o oooooo o oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo o o o
Pret <§eb\<fyte r>ort g>uflar>
2tBedruf
§erg, muftt b'ih nicht perfteden
3it Datertlofigfeit,
Dein feines ßid)t bebeden
9Rit einem DrauerHeib.
SBeiftt bu, mem bu gu geben
Unb mitguteilen baft?
3ft nid)t in beinern ßeben
Sianh ein noh ärmerer ©aft?
©mpor aus mühen Dingen!
Dann mirb ein feber Dag
2lus mirren fiebensfhlingen
3unt 2lblerflügelfd)Iag.
Die ba mit Seufgen matten,
23is Straft aus £>ö!)en rinnt,
Sinh ©ärtner, beren ©arten
9Rit 91effeln fih umfpinnt.
Der 2Inrt, ber immer raftet,
2Birb feiner ungemift,
2Ber niht in Sonne gaftet,
S3leibt ©aft ber 3'lufternis..
2Ber lämpft, ber mirb es merten,
2Bie feine Störte reift,
23is er mit feinen SBerten
Der 9Renfhbeit Stronen ftreift.
'91 ad) Sonne geben
Das ift ein töftlid) Ding: 91ah Sonne gehn
Unb bann, eb' man's geglaubt, in Sonne )tet)n.
Die 2Bege alle firtb in £id)t getan,
SBobin bu gebft, bebt neues £eud)ten an.
$örft bu's? ©artg beutüh ift's. 23on 9lieb
unb 91 am
9Raht 3'elbmufit ein ©bor oon ©ngelein.
Du muftt nur hören, unb bu muftt nur febn..
©s ift ein töftlih Ding: 9lah Sonne gehn!
213i e e in § ü rt b l e i n
9Rein §erg mie ein §ünblein
folgte bir nah,
Stünblein um Stünblein,
Dag um Dag.
Du baft es niht gerufen,
Shaltft es. aud» nit —
Ell beine ©änge unb Stufen
©ing's mit.
ÖOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOÖOOOOOOOOooo oooooooooooooooooooooo
ooo
o
o
Ö
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1911. 9tr. 28
Uber fiartb unb Sfteer
743
2 >ie gerftörung be§ §aufe§ $l)ter§’ auf
i&efetjl bet Kommuneregierung
Die
^Parifer Kommune
9tacf) 3 ettgcnöfft|'df)cn Darftellungen
£eibenfd)aft, bie I)ier in einer burd)
junger unb ftaatlidje ©erwirrung
gefd)wäd)ten ©iefenftabt tobte, ging
ntcfjt [o [el)r gegen £eib unb Keben
ber ruhig bleibenben ©ürger on,
Sarrifaben auf ber ißface Senböme unb itjre SBerteibiger
3n ben Dagen t>om 23. bis 28. s JJiai würben bie
fdjönften ©aubentntäler ber Seineftabt fhtnlos
bemoliert. Die Kommunarbs, bie bas ©ttbe ihres
©ersweiflungstampfes oor fid) fasert, »erteilten
nad) einem beftimmten s f3Iatt eine §orbe wüfter
©ranbftifter, unter benen fid) and) ©Seiber be=
fanben, über bie Stabt. ©ad) gaIUfd)er ©eiftes*
art würben biefe ©anben fofort mit einem prä=
gnanten tarnen belegt: fie biefeen bie „©etroleurs"
unb „^etroleufen“. ilrtb währenb nun bie Druppeit
langfam gegen bas Stabtl)aus oorrüdten, flammten
wanbte fid) aber mit befto gröfte*
rem Unoerftanb gegen bie Stabt
felbft unb il)re ©ebäube. ©nblofe
Strabentämpfe mad)ten einßelne
Deile non ©arts 3 U unwegfamen
©eröllftätten. Der 3crftörungs=
trieb wuchs, je fiegreid)er bie
Druppen oon ben 9 luf}enbe 3 irlen
in bie innere Stabt »orbrangen.
$ie Suilerien
2)er ©ingang 51 t ben ®emäd)ern 9tapoleon§ III., jerftört
mätjrenb ber Strajjenfämpfe
'TNie zweite Auflage einer Sd)redensf)errfd)aft,
^J weld)e bie immer aufgeregte §auptftabt
5 ran!reid)s als bitterftes ©adjfpiel bes To bitteren
großen Krieges im Frühjahr bes 3ah*es 1871
über fid) ergeben laffen mujjte, war bod) an
©raufamfeit unb ©lutrünftigteit nid)t im ent*
ferntejten mit ben grauennollen Dagen ber
3 atobinerl)errfd)aft wäbrenb ber erften ©eoo*
lution 311 Dergleichen. Der ©ufftanb ber Kom*
2)ie fiebje^n 4>aupträbel§füt)m ber Kommune oor itjrem ©erid)t§f)of
am 2 . September 1871
2 >ie Slmbulanj ber Sßreffe
mäfjtenb ber Kommune. Sie mürbe geleitet oon einem Dr. 2)emar*
quaq, ber oljne Unterfd^ieb ber Partei ben SSermunbeten feine $ilfe lieb
®ie Sarrifabe am ©arttljeon,
bie am 23.SDtai mit Sturm genommen mürbe.
Kurs barauf erfct)of? man (»er in bem Säulen*
oorbau be§ s #antI)eon§ einen Stn^änger ber Korn*
mune, SUilliere, ben man mit einem Offizier
gleiten 91amen§ oermedpelt batte
mune in ©aris, ber etwa »om 9 ©är 3 bis ©nbe ©tai
1871 fid) btTi 3 og, war boeb mehr ein ©uerillatrieg
burd) ben Krieg unb bie ©elagerung »erelenbeter
unb un 3 ufriebener ©eoölterungsteile — ber National*
garben, ber Weiter unb ber Kleinbefitjenben — mit
ben regulären Druppen ber interimiftif d)en Regierung.
Strafeentämpfe, nid)t Kerter unb ©uillotinei waren
bas Signum bes Kommuneaufftanbs. Die 3al)l berer
freilich, bie bei biefen Kämpfen auf ber fo 3 iaIiftifd)en
wie auf ber Orbnungsfeite fielen, war nicht gering,
©tan fd)äbte etwa wäbrenb ber gan 3 en 9 lufrul)r 3 eit
für bie Kommunarbs fünfunboier 3 igtaufenb, für bie
©egierungstruppen 3 wan 3 igtaufenb Dote unb ©er*
wunbete. Die ©Sut entfeffelter politifdjer unb fo 3 ialer
allenthalben bie $eroftratenfanale biefer fid) !wie
wahnfinnig gebärbenben §orben auf. Das Stabtbaus
felbft, bie Duilerien, Deile bes £ouore, bas $inan 3 =
miuifterium, Kird)en, ©alpthöfe, aber aud) einige ©rioat*
bäufer brannten nieber.
91m 28. ©tai war ber Kampf beenbet. Der ©ufftanb
ber Kommune, beffen ©ranbfadel über bas ©Seidjbilb
»on ©aris l)inaus 3 iitragen nicht; gelungen war, hatte in
ber unglüdlid)en Stabt felbft ausbrennen müffen. —
3 ‘ür bie ©arifer fährt fid) jeht bie ©rinnerung an jene
Dage, bie faum »on ber reinen flamme ber ^rci^eit,
wohl aber »on ber qualmenben ©lut fcf)änberif<i)er ©raub*
ftiftung burd)leud)tet waren, 3 um »ier 3 igftenmal. K. E. K.
®ie ©our ®amop
auf bet ©lace be la 93aftiHe nad) itjret 3etftöruug burcf) bie
Strajjenfämpfe
744 1911. 9tr. 28
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f )ie CfCuftur
der r C/eqenmavt
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(7 J
D e u t f d) e HleinpIaft 1 1
Unter junbert HRenfcjen, bie mid) um einen
Sat angejen, weil fie ein Hunftwerf erwerben
wollen, ift für mel)r als neimunbneunsig felbft-
oerftänblid), baß es ein Silb fein [oll. Sialerei
ift ijnen ibentifcj mit Hunft, wenigstens foweit
es fiel) um bas ^rioatjaus janbelt.
Das I)at t oielerlei ©rünbe. Der ftärffte ift
oielleicjt ber, beffen fid) bie HRenfd)en am tDenigften
bewußt finb: bie HBänbe unfrer HBojnungen
waren burd)weg unb finb nod) jeute 3um größten
Deil fo fd)Ied)t, baf3 man fie gern, wenigstens
3um Deil, oerbedt, ja eigentlich oerbeden, bas
jeißt 3iiftellen unb Derjenigen muß. Selbft
wenn bie Dapete gut gewäjlt ift, was boej fd)on
niejt all3u jäufig paffiert, bleibt bie mit ijr be-
flebte ungeglieberte $läd)e unerträglid) öbe. HRan
weiß bas ja, aber man nimmt es fcjon lange jin,
als müßte es fo fein, unb fd)afft eben burd) HRöbel
unb Sajnten (es fomrnt babei mejr auf bie
Hlajtuen als auf bie Silber an) eine Hirt (Erfaß
für bie ©lieberung, bie bie HBanb ojnebies jaben
müßte unb jaben tonnte. So ift bas Silb eine
Htotwenbigfeit. HRit ber Statuette bagegen ift in
biefen 3iTnntmt, bie überfüllt unb unrujig finb,
gar nid)ts 9 ?ed)tes an3ufangen: fie wirft niejt.
Der ©runb, beffen fid) bie HRenfd)en bewußt
finb, ift biefer: fie „oerftejen“ bas Silb beffer
als bie Statue. 9 Jian fann fid) ba an ben Stoff
unb bie Stimmung, an bie Htaturwajrjeit jalten.
Statt weiß wie unb wo, ift in biefer ßanbfd)aft
felbft gewefen, jat jene S3ene aud) einmal erlebt,
©s ift ein Stüdd)en HBelt, bas man befißt, ein
Stüdd)en gegemüärtiger HBelt, naje unb oertraut,
©s ift gut, wenn es bie ^Hufion ber HBirflidjfeit
erwedt. Die nadte <yigur bagegen ober bie, wenn
niejt nadte, frembartig befleibete gigur ift immer
eine Serlegenjeit. Der Sergleid) mit ber HBirf-
licjfeit, mit bem man fid) oor bem Silbe jelfen
fann, oerfagt, unb man füjlt fid) unfid)er. ^laftif,
im §aufe niejt gewöjnlid), erinnert an Stufeum
ober Hlusftellung unb ift niejt gemütlid). Sei
ben meiften Stenfd)en wirften aud) bie Sorftellung
ooit Unerfdjwinglicjfeit unb ber Stängel an Se-
fanntfd)aft mit lodenben HBerfen mit.
Hille biefe ©rünbe finb feine, bie jeute noej
ftid)jalten. Das fd)eint mir micjtig, einmal bar-
3ulegen, weil aus‘biefer ©infid)t Süßen für bie
beutfd)e Hunft unb $reube für oiele Stenfcjen
erwad)fert fann.
Die beutfd)e Hleinplaftif ift jeute reid) an
guten HBerfen, fo reicj, baß jeber ©efejmad be-
friebigt werben fann, unb biefe HBerfe finb ejer
billiger als bie lanbläufigen ©emälbe, fejr oiel
billiger aber als bie Silber oon Steiftern gleid)en
langes. $eute, fagte icj. Sie war es geftern
noej niejt. Sod) oor wenigen 3 ajren gab es aud)
auf unferm Starfte nur bie fran3öfifd)e Sron3e,
fa, weber bie beutfd)en SUbjauer nod) bie beutfd)en
©ießer wollten bamals glauben, baß es möglid)
fei, mit biefen importierten HBerfen 3u fonfurrieren.
HBie oft jabe icj in HBort unb Sejrift ben Serfuej
prebigen müffen, beoor er unternommen würbe!
3 d) jabe es burdjgefeßt, unb ber (Erfolg ift eine
ber freunblid)ften (Erinnerungen, bie id) einmal
aus meiner funftfritifd)en Dätigfeit mitnejmen
werbe, feilte benft niemanb mejr an bie fran-
3öfifd)en Sron3en, man fennt faum nod) bie
bauten ber großen Firmen, bie früjer in Deutfcj-
lanb bebeutenbe Stagasine jielten. Dagegen ift
es faft felbftoerftänblicj geworben, baß unfre Silb-
SOlit (Erlaubnis ber 9tfticngeieltfd)aft ©Iabenbecf, SBerlin
Kugelwerferin. Von Professor Walter Schott, Berlin
jauer fleine HBieberjolungen ijrer HBerfe in ben
|>anbel bringen unb — aud) oerfaufen. Diefe
mit ber Stafcjine jergeftellten, aber meift oom
Zünftler überarbeiteten Serfleinerungen ftejen
bem Original naje genug, um feine wefentlicjen
3üge 3U entjalten, iebenfalls fejr oiel näjer als
bie Hopie einem Silbe. Hieben biefer ©ruppe
ftejt eine minbeftens ebenfo große oon Hiein-
brori3en, bie als fold)e oon namjaften Silbjauern
gefdjaffen werben, alfo burejaus Originale finb.
3 d) nenne nur Hluguft ©auls faft fcjon weit-
befannte Dierfiguren, $ran3 oon Studs s 3 ltjlcten,
HBrbas Diana. Hlber es gibt oiele trefflidje Stüde
oon weniger befannten Zünftlern in Serlin unb
Stüncjen. Unb man ift niejt einmal auf Sron3e
allein angewiefen, es würben fobje Arbeiten in
Stein, in §ol3, in ©Ifenbein, in $or3ellan ( 3 ofef
HBaderle) gefejaffen. Sur eine nod) größere^ Sacj-
frage fejlt; bann würben niejt nur bie greife noej
jerabgefeßt werben fönnen, fonbern bie Hunft-
jänbler außerjalb ber großen Stabte würben
aud) mejr oon biefer fcjönen Hunft 3eigen fönnen.
Dann würbe gewiß fejr fejncll aud) bie ©in-
bilbung oon ber fd)weren Serftänblicjfeit ber
Slaftif fallen. meiner £ejrtätigfeit jabe iej
immer bie ©rfajrung gemad)t, baß fie in bem
Hlugenblide oerfd)winbet, in bem man ben Sten-
fdjen ba3U bringt, eine gigur nur einmal rid)tig
ansufejen. Dann entbedt er, baß fo ein Ding
eigentlid) oiel flarer, überfidjtliejer, einfadier ift
als ein ©emälbe, unb baß eine menfd)lid)e ©eftalt,
bie in ijrer ausbrudsoollen Sewegung oerjarrt,
ein guter 3^ mr, ' l ß r 0 cn °lf e f itr ^infame totunben
ift in feiner lebenbigen unb bod) be jarrenben $orm.
©r entbedt auej, baß man burd) ben Serfejr mit
Statuen ©efüjl für Dinge befommt, bie man bis
bajin überfejen jat, oielleiejt erft auf biefern
Umweg Sinn unb Sd)önjeit bes menfd)licjcn
Körpers überjaupt entbedt. Sd)neller als oor
bem Silbe bringt er burd) ben rojen Stoff auf
bie fünftlerifd)e gorm oor. Das HBas tritt 3urüd
jinter beut HBie. ©s fomrnt gar niejt fo fejr barauf
an, baß etwas oorgejt, eine ©efd)id)te, eine
Situation intereffiert, als baß ein lebenbiges ©r=
lebnis bes Zünftlers ficj wefentlid) ausfpriejt.
©r fiejt jier, baß ftunft niejt Htad)ajmung ber
Htatur ift, fonbern felbftf©öpferifej eine neue
Kreatur bilbet, bie man äußerlid) mit feinem
Sorbilbe oergleid)en fann; baß aud) bas HRaterial,
aus bem ber ilünftler fein 9 Berf fd)afft, ©jarafter
unb 9tei3 jat, bie 3ur ©eltung fommen wollen,
baß eine folcje 5©ur nidjt nur ein fo unb fo be¬
wegter HJtenfcj fein foll, fonbern sugleid) eine
„fdjöne Sron3e“ mit feinem Don unb noblem
mattem Scjimmer.
Sleibt bie 'ftxaQt, ob man eine fold)e 5 'tgur
im 3i mm ^ r 3 ur HBirfung bringen fann, ob fie es
ebenfo fcjmüdt wie ein Silb. Das fommt barciuf
an, wie biefes 3i mtner ausfiejt. 3© jobe im
©ingange gefagt, burd) welel)e fd)led)ten ©igen=
fd)aften ein 3 ^iTter 311 ber Sejängung ber HBänbe
3wingt. 2 Bir fönnen aber Säume jaben, bie fejr
wenig Stöbet unb Sajrnen braud)en. Das jaben
unfre neuen HBojnungsfünftler auf ijrett Hlus-
ftellungen geseigt. Unb es janbelt fid) babei gar
nid)t um einen großen Hlufwanb, fonbern nur
um ©efejmad. ©ine einfaeje ©lieberung ber HBanb,
unter Umftänben nur burej eine Sorte, eine gute
3 arbe geben einen Saum, ber mit fejr wenig
2 Banbfd)inud ausfommen fann, in bem man wojl
noej Silber aufjängen fann, aber niejt mejr
Sajmen brauejt. Unb in einem fold)en 3 immer
finbet fiej bann auej eine Stelle, an ber eine
Statuette wirfen fann, au ber ijr Umriß, oon
wojer man aud) auf fie blieft, fiej rein unb aus-
brudsooll gegen einen guten ^intergrunb ftellt.
Dann aber bebeutet fie einen wertoollen Scjmud,
fann einen gan3en Saum bejerrfejenjmb ijm
feine Sote geben. 5 1 i ß S t a j l
QTJemi man eine. Harte ber
<4) Sd)wei3 betrad)tet, in
bie ber neue Simplontunnel
einge3eid)net ift, erfennt man
fofort, baß biefer Dunnel für
einen großen Deil ber Sd)wei3
3iemli© bebeutungslos ift, weil
fein int Sjonetal liegenber ©in-
gang oon ber 3 e n tralf c jwei 3
burdj bie Serner SIpen getrennt
wirb: Die aus ber Simplon-
Öffnung aus 3 tatien fommertben
3 üge fönnen niejt gerablittig
weiterfajreu, fonbern müffen
eine fd)arfe Siegung nad) linfs,
bas jeißt HBeften, ntaejen unb
in biefer Sid)tung bis an ben
©enfer See weiterfajreu, eje
fie wieber auf ©ifenbajnen in
ber Sorbfiibriejtung ftoßen.
Scjon wäjrenb bes Saues
bes Simplon jat man bas flar
erfannt. ber Dat ift auej
ber Serfejr burd) biefen Dunnel
©efamtanficjt bes Dunneleittgangs nebft ben Srbeitsgebäuben bei
|on 31. ieinrid)
oorläufig nid)t gerabe bebeu-
tenb 3U nennen. Das hinter-
lanb, für bas gerabe ber Sim¬
plon eine große Serfür3ung
gegenüber ben früjer fcjon be-
ftejenben Serfejrslinien bot, ift
biesfeits ber Slpen oerjältnis-
mäßig flein.
HBollte man ben Simplon
rentabler mad)en, fo mußte
man alfo eine Sorb-Süb= 3 u*
gangslinie aus ber 3entral-
fd)wei3, oon Sern jer, ftjaffen,
unb ba blieb weiter nicjts übrig,
als bie Serner Slpeu 31t bur^-
bojren.
Unter ben oerfcjiebenen
9Jiöglid)feiten erwog man
fcjließlid) nur nodj bas fo-
genannte £ötfd)bergprojeft. Son
Spie3 aus, unweit 3 nterlafen
am Djuner See, gejt bas be¬
fannte Hanbertal ab. ^olgt
man biefern Dal bis ans ©nbe,
Über £anb unb 9Jleer
F in Form oon elettrifd)em Strom oort
15 000 93olt Spannung. ©n Ort unb
Stelle mürbe biefer Strom burd) eine
Xransformatorenanlage auf eine ungefähr¬
lichere ©etriebsfpannung berabgefeßt unb
bann feiner ©ermenbung als Kraft- unb
©eleud)tungsmittel 3 ugefül)rt.
► (Es batte nabegelegen, ihn birett in eiet-
trifd)en ©ol)rmafd)inen aud) für bie eigent-
s ließe ©obrarbeit 311 oertoenben. Oaoon
| bat man jebod) abgefeben. ©ielmebr mur-
I ben Orudluftbobrmafd)inen aufgeftellt, unb
| 3 toar urfpriinglicb bie betannten 3 rcQerfoll-
tnafd)itten, bie aber auf ber ©orbfeite (bie
Sunnelbobrung mürbe gleid) 3 eitig oon kor¬
ben unb Silben in Eingriff genommen)
I alsbalb burd) ©tet)ermafd)ittett erfeßt mnr-
ben, mäl)renb man auf ber Sübfeite bie
3 ngerfoll 311 m ©ergleid) ber Keiftung bei-
S bebielt.
©Belebe ted)nifd)en Fmdfcbritte gerabe
k biefe ©tafd)inen gemacht ballen, gebt bar-
f aus beroor, baß gegenüber ben ©obrungen
am ©ottl)arb mit einer ©tafd)ine bie oier-
•fad)e Arbeit in berfelben 3 eit geleiftet
I merben tonnte. Oementfpred)enb mürbe
ber monatlid)e ©usbrnd) 3 U etma 10 000
! Kubitmeter angenommen.
Oer ©etrieb mit Orudluft bietet im
Xuwtel ben großen ©orteil, baß bie aus
I ber ©tafd)ine nad) geleiteter Arbeit aus-
I tretenbe JÖuft oentilierenb mirtt. ©ine
I unfrer ©bbübungen 3 eigt bie anfänglich
1 oermenbeten ©ol)rmafd)inen auf Säulen,
eine anbre bie ©obrmafd)ine, auf einen
flehten (Eifenbabnmagen montiert.
Selbftoerftönblid) 0 erläßt man fid) be-
3 üglid) ber ©entilatton nid)t allein auf bie
Abluft ber ©obrmafd)itien. 3 mei große 3 ^ntri=
fugaloentilatoren am Xumteleingang tonnen
25 Kubitmeter frifdje fiuft in feber Setunbe in
ben Xutmel beförbern. Oie (Er 3 eugung ber
Orudluft gefd)iel)t in einer ftationären Anlage,
©ußerbem finb ©tafd)inen oorbanben, bie in
ftäl)lernen 3oImbern auf 120 ©tmofpbären 3U-
famtnengepreßte fiuft in fid) bergen unb als
ßotomotioen bienen.
©is 3 um 3uli 1908 nabmen bie Arbeiten
ihren normalen ©erlauf. s 3luf ber ©orbfeite
mar man 2670 ©teter oorgebrungen unb bamit
unterhalb bes ©afterntales angelangt, bas oon
ber Kattber burdbfloffen mirb. §ier füllte nad)
bem Urteil oon Sad)oerftäubigen eine 100 ©teter
ftarte Felsfd)id)t ben Xumtel oon bem ©ett ber
Kanber trennen.
3n ber ©ad)t oom 23. auf ben 24. %u\\
frül) brei Ul)r brach bas Unheil herein, (Einem
Sprengfcbuß folgte ber ©inbrucb ungeheurer
©Baffer- unb Scblanttttaffett. ©ur 3 toei ©tarnt
oon ber 25 ©tarnt ftarten ©elegfd)aft tonnten fid)
retten. Oie Unterfud)ung 3 eigte, baß bie Sad)-
oerftänbigen ficb geirrt ballen unb baß fid)
unter bent ©ett ber Kanber teine Felfen, fon-
bern lofes ©eröll befanb, bas oon bem ©Baffer
ber Kanber burd)feßt mar.
©Bas tun? ©on ber großen ©n 3 abl ber
©orfcßläge, bie alsbalb auftaucßten, mürben
3 toei in ernftere ©rmägung ge 3 ogen: ©nmett-
bung bes fogenannten ©efrieroerfabrens unb
unterirbifd)e Umgebung ber gefäl)rlid)en Stelle.
fo gelangt man an ben fiötfcben, über ben
ein ©aß in bas füblid) gelegene £ötfd)ental
führt. Oiefes münbet bei ©ampel etma
25 Kilometer roeftlid) oon ©rig unb runb
10 Kilometer oberhalb £eut in bas Xal ber
©hone.
©ad)bem man fid) über bie fiinienfül ) 5
rung im allgemeinen fdjlüffig gemorben
mar, galt es, bie Xunnelfübrung feft 3 u-
legen. ©Benn man auf 1000 ©teter §öbe
„am ©übl" begann, fo mußte man 21 Kilo¬
meter burd)bobren, bei 1200 ©teter §öl)e
am Kattberfteger ©oben maren es nur nod)
14 Kilometer, unb menn man bie ©aßn
nod) meiter im Xal bfriauffübrte, bis auf
1400 ©teter §öbe, fo mürbe ber Xunnel
8,5 Kilometer lang.
Oie ©ntfcbeibung fiel 3 ugunften bes
golbenen ©tittelmeges. Oabei mürbe bie
©obrungslinie fo feftgelegt, baß man oon
ber ©orbfeite l)er ht einer Steigung oon
7 ©romille ben Xunnel anfteigert ließ oon
1200 ©teter ifjöbe bis auf 1245 ©teter, oon
ber ©titte ab fentte fid) bann bie ©ol)=
rungslinie auf 1219 ©teter §öl)e am Süb-
ausgang bes Xunnels. Oas ©efäll nad)
Süben betrug bemnad) nur 3,8 ©romille.
Oas ftärtere ©efäll ber ©orbfeite mürbe
gemäblt megen ber 311 ermartenben grö¬
ßeren ©Baffermaffen, bie burd) bas natür- «
lid)e ©efäll aus bem Xunnel beraustaufen Z
füllten. 3 u biefem 3 med mürbe oott oortt-
herein ein Kanal oon 60:60 3entimeter "
Querfd)nitt oorgetrieben. (©uf bent einen h
©ilb ift biefer Kanal fid)tbar.) ©ad) bem 5
urfprünglid)ett ©Man füllte ber Xunnel aud)
bis tur 3 oor ber Sübmünbung gerablinig
geführt merben. ©ßir merben meiter unten
[eben, marutn man baoon abgeben mußte.
Oie ©ermeffungsarbeiten begannen 1906.
1907 erfolgte bann ber ©unbesbefd)luß über
eine Suboention oon 6 ©tilliotten 3 ugunften
bes 3 meigleifigett ©usbaues, an Stelle bes ur-
fpriittglid) nur eingleifig geplanten Xunnels.
Oie ©autoften mürben auf etma 3600 fjfranten
pro laufenden ©teter oeranfd)lagt, bas beißt
runb 50 ©tilliotten für ben gatt 3 ett Xunnel. Für
biefe Summe übernahm eine Unternebnterfirma
ben ©au, jebocf) mit ber (Eittfd)rätttung, baß
bei einer Xemperatur im 3rotem bes ©erges
ooit meßr als 40 ©rab (Eelfius unb bei ©e=
mölbetonftruttionen oon über 1 ©teter Störte
eine höhere ©ergütung erfolge. Oen ©ered)-
nungen unb (Erfahrungen an anbern Sd»mei 3 er
Xuttnels nad) mar bas jebod) nid)t 311 ermarten.
Oie ©au 3 eit mürbe auf runb fünf 3<*b r e be-
meffett. ©is 1. Septeutber biefes 3al)*es füllte
ber ©usbau bes Xunnels oollenbet fein, fo baß
nod) 1911 ber ©ertebr eröffnet merben tonnte.
©m 15. Ottober 1906 mürbe mit ben
eigentlichen ©obrarbeiten begonnen, mäbrenb
gleid) 3 eitig bie umfangreichen ©ebäubeanlagen,
©tafd)inenballen, ©Bol)tt- unb Hntertunftsräume
unb bie nötigen Oienftbabnen in ©ngriff ge¬
nommen mürben.
©on ber (Errichtung einer eignen Kraft-
ftation tonnte 3 um erften ©tale bei einem
größeren fcßmeiserifcben Xunnelbau abgefeben
merben. Oie Kanber^ unb §agnedmerte in Spie 3
lieferten über eine Fernleitung bie nötige Kraft
©orbeingang bei Kanberfteg; red)ts bas ©entilatorenbaus,
lints ber ©ntmäfferungstanal
(Slettrifd) angetriebener Kufttompreffor
(Orudlufter 3 euger)
746
Über ßcutb unb 9Üeet
1911. 9tr. 28
©lettrifcher ^erfonentoagen ber £ötfd)bergbahn
finb unb bie [tolße Sluffdjrift tragen: Sern—£ötfd)=
berg—Simplon.
Salb roirb ber elettrifd)e Strom oort Spie 3
burd) £ötfd)berg unb Simplon bie ©eifenben in
hellen Sd)aren ol)ne ©aud)= unb ©ufjbeläftigung
nad) bem fä)önen Staben tragen.
fahrbare ©ohrmafd)ine für ben großen Dunnel
Die f)ot)e $reube oon Dunnelerbauern über
bie ©ollenbung bes Durdjftidjs I)at ©tar ©ptl)
in feinem trefflichen ©ebid)t „Unter ber ©rbe"
gefd)ilbert, bas fid) in feinem bei ber Deutfd)en
©erlags=©nftalt in Stuttgart bereits in 61. ©uf=
läge erfd)ienenen herrlidjen ©ud)e „hinter ©flug
unb Sd)raubftod, Slpföen aus bem Dagebud) eines
Ingenieurs“ abgebrudt finbet. Die lebten
fieben Strophen baoon mögen hier folgen:
Unb unfre Stunbe war oorbei;
Dte lebten bumpfett Sd)üffe bröf)nten.
Salbtot, ohnmächtig lagen brei,
2Bir anbem toarteten unb ftöhnten.
©s herrfcf)te Sülle ringsumher,
Die Schmähen qualmten, bicf unb ferner,
311s ob fie giftig uns oerhöhnten.
So lagen toir unb fühlten fait
Den ftummen dürften aller Doteu.
Die SJtilHonenjentnerlaft
Des ©ergcs brücfte uns 311 ©oben;
Unb noch fdflug bie erfchöpfte §anb
§art an bie regungslofe ÜBartb
Der Reifen, bie Vernichtung brol)ten.
Da plötjlicl) bebte burd)s ©eftein,
gern, taum oernehmbar leis, ein Klingen.
,,©ei ©ott, estlopft!“ —„9tein!“ --„^abod»!" — „©ein!"
©tir fd)lug bas § er 3, als wollt' es fpringeu.
's ift roieberjftill. 3 e ld hört man's faurn:
3etjt roieber; roie im giebertraum
Dem Kranfen oft bie Dhren fingen.
9Bir brücfert an bie gelfenwanb
Den Kopf in atemlofem Kauften.
©s tnirfcht, es tniftert. 313o ich ftanb,
§ört' man ein fernes, fernes Vaufchen,
ÜBie bröcfelnbcr ©efteine gall.
Unb jetjt — bei ©ott, bas toar ein
Knall! —
9tun möd)t' ich nicht mit dürften
taufdjen.
.gttfd)! fettf bie ©ol)rer roieber an!
3Bas flimmert je^t uns bas ©rftiden?
Unb ftirbt beim nächften Schuh ein
©tann,
©r ftirbt in fiegenbem ©nt.uicfen.
Der Ietjte Schuft! — §ei, roie er
frad)t!
3n greubenflammen fteht ber Schacht.
3Bir muhten ja, es muhte, gliicfen.
©in f<htoar3es Koch Hafft in ber 3Banb;
Die ginfternis fdjetnt fich 3U regen.
Unb aus bem £od) fornrnt eine §aub,
©in fd)roar3cr Sdjäbel uns entgegen,
©r fdjüttelt fich, er fchnappt nad) fiuft.
3n einer fremben Sprache ruft
©r lad)enb Sergmannsgruft unb =fegen.
Unb burd) bie fchwereit Dämpfe geht
©in mächtig ungewohntes 3iehen.
©in reiner, buft'ger $aud) burd)toeht
Den Sd)ad)t, bah uns bie <rjer3cn glühen.
VoIIenbct ift bas grohe 2Bert!
©s fauft unb raufd)t jeftt burd) ben ©erg
©om fianb her, too bie ©tprten blühen.
Dah bie gortfeftung b e r ©ol)rungs=
arbeiten mit hilfe bes ©efrieroerfahrens
ted)nifd) möglich fei, tonnte nad) ben
©rfolgen, bie man anbertoärts bamit er=
3 ielt hatte, füglich nicht be 3 ioeifelt toerben.
©ur ber nötige 3ettaufroanb unb bie
Äoftenbedungsfrage ftimmten bebentlid).
©5 tarn barauf an, bas ©eröll an ber
fraglichen Stelle oon oben aus burd) ©in=
treiben einer groben 3<ü)I über hunbert
©teter tiefer ©oljrlödjer mit irjilfe oon
©efrierröhren fo roeit abßufühlen, bah
bas 30 )ifd)en bem ©eröll befinblid)e
äßaffer fich in ©is oerroanbelte, fo bah
ungefährbet ooeitergearbeitet roerben
tonnte. Die Strede mar aber 3 iemlid) lang, unb
es toären gan 3 geroaltige Kräfte notroenbig ge=
roefen, um ben ©efriersuftanb roährenb ber ganzen
Dauer ber ©ol)r= unb ©usmauerungsarbeiten
aufred)t 3 uerl)alten.
Sd)lieftlid) bered)nete man bie 3eit für ben
©au ber ©efriereinrid)tung auf
brei bis oier 3al)re unb bie
5toffen auf 15 bis 20 ©Unionen.
Das toar 3 uoiel. Unb fo ent=
fd)loft man fid) beim am 11 . 3 a*
nuar 1909, bie gefäl)rlid)e Stelle
unterirbifch in einem groben
©ogen 3 U umgehen.
©ttoa 1100 ©teter nad) 3mnnel=
anfang follte bie gerabe £inie
oerlaffen toerben unb ein im
©ogen geführter Dunnel an bie
Stelle treten. Daburd) tourbe
bie gefamte Dunnelftrede um
ettoa 800 ©teter oerlängert, bie
©autoften um ettoa 3 ©Unionen
Oranten erhöht unb bie ©au 3 eit
um 5 bis 7 ©tonate ausgebehnt.
©Utttood), ben 17. Februar 1909
tourbe bann auf ber ©orbfeite
bie ©rbeit toieber in oollem
Umfang aufgenommen unb mit
fieberhafter ©ile toeitergefül)rt.
geftt ift ber Durd)fd)lcig glüd*
lid) erfolgt.
©orb unb Süb haben fid) bie
irjanb gereicht, unb fes*ftehtl 3 U
ertoarten, bah ber oöllige ©us=
bau bes Dunnels unb feine Inbetriebnahme im
nächften 3 ahre nur einige ©tonate fpäter, als
urfprünglid) beabfid)ügt mar, erfolgen mirb.
Die 3ufüf)rungslinien finb in 3 mifchen aus*
gebaut toorben. ©uf ber £inte Spie 3 —grutigen
oertehren fogar fd)on elettrifche ©totormagen
unb £otomotioen bie für ben ©etrieb beftimmt
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2eil ber ©ahnattlage auf ber Sübfeite (£ötfd)tal)
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gefehenen Öffnung bes pI)otographifd)en ftaftens
ftetft. Aad) rirfjtiger ©inftellung non ItRifroffop unb
5 taftenaus 3 ug, eoentuell nottoenbiger Abblenbung
mit ber am Abbefdjen 23eleud)tungsapparat oor=
gefehenen ^isblenbe, erhält man auf ber 9J?att=
fcbeibe ein fd)arfes 23ilb bes oergröfterten öbjeftes,
bas man bann in üblicher ASeife burd) Aertaufdjen
ber SRattfdjeibe mit ber gelabenen ftaffette photo=
grapbieren tann. Die Apparatur muh man natürlid)
fo aufbauen, bah man bie gerabe optifcbe A d) f e
berftellt, unb bas erreid)t man in ©rmanglung oon
oerftellbaren Statinen burcb Unterlegen oon Srettern
ober 23üd)ern geeigneter Dide.
3lm ateur= SCRilrop^otograp^te
Ofmateurpbotograpben gibt es roie Sanb am
sX Sfteere unb oon ihnen gemachte 9Jtoment=
aufnahmen besgleichen; aber bie 3 U großer 33oIl=
enbung gelangte Astrophotographie mit ihren 2Bum
bern bürfte nod) einem großen Deil ber Allgemeinheit
roenig betannt unb 3 ugänglid) fein. Dies liegt oor-
nehmlid) am greife einer oollenbeten mifropf)oto=
graphif^en Apparatur, bie mit bem äRitroftop über
3000Aiart toftet. Dod) tann man in £aus unb
Familie Astrophotographie treiben ohne bie grofje
fompIi 3 ierte Apparatur, toie gro^e Sammellinfen,
£ibellenauge
Sd)metterlingsrüffel
2Bie bie hier roiebergegebenen Aufnahmen,
burd)roeg ettoa neun 3 igmal linear
oergröfoert,*) betoeifen, tann man mit meinem primi=
tioen, felbft 3 ufammengebautert Apparat fcfjon gan 3
intereffante Aaturftubien machen, abgefehen baoon,
bah [ich m geeigneten fällen auf oielen ©ebieten
ber ^ubuftrie unb, fo roeiter burd) ben untriiglidjen
Spinnenoorberfuh
elettrifche ^Bogenlampe, ABaffertül)ltaften, unb braucht
nur ettoa 200 Atart an 3 ulegen, toenn man fid) mit
fd)toäd)eren Aergröherungen, bis ettoa huubertmal
linear, begnügt. Aottoenbig ift nur als Aeleuchtungs=
quelle bei im 3 immer oorhanbener ©asleitung ©as=
glühlid)t, eingebaut ettoa in eine Laterna magica,
anbernfalls Spiritusglühlicht, ferner ein umlegbares
AStroftop mit Abbefd)em s Beleud)tungsapparat unb
ein photographifcher haften ohne Cbjettio mit bop=
peltem Aus 3 ug. Die in bie Laterna magica eim
gefdjloffene £id)tquelle beftraf)lt ben Aeleud)tungs=
apparat bes AStroftops, bas umgelegt mit bem
*) Da bie Abbilbungen mit Aüäftd)t auf ben oerfüg?
baren Aaum nur ie jtoet Drittel ber Aufnahmegröfoen
haben, erfcbeinen bie bargejtellten (Segenftänbe nur in
f e d) 3 i g fadjer Aergrößerung.
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Unterfud)ungen anftellen laffen. — l.StIb:Sor=
_ berfufo einer
Spinne. Die
N. unfre Ringer
X \ oertretenben
/ \ ©reiforgane,
/ \ benötigt, fort=
\ roäßrenb ben
/j|j Spinnfaben^m
i ■/ red>t3uorbnen (
ML' / finb oon ber fid)
\ gf j a ^ en ficbensbe*
\ 1/ / bingungen am
\ [j / paffenben 9ta=
\ u y tur fjier 311 t>erb
x \ v lr tablert-ftämmert
^-ausgebilbet. —
§aarrour 3 el 2. Silb: Das be=
Der 9tiif[el be=
finbet fid) in
auf gerolltem
ßuftanb, roie
©über Sdpueb
terling getoöl)iT=
lid) trägt, toenn
Der p^otograpt)ifd)e Apparat bes Serfaffers
Jtabelfpitjen
ist es mehr, daß man sich durch täglichen Gebrauch von
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empfohlen wird, morgens und abends angewendet, seine
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ilsitzen in der Tat die
Fähigkeit die Büste zn
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ß V Vorsprünge des Halses
\ und der Schultern zu bo-
r \ seiligen, indem sio
| der ganzen Büsle
Vorratskocher
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waJIj'vA Taille zu erweilern.
B t \ Die Pilulea Orien-
WfflW tales bestehen haupt-
MF sächlich aus orienta-
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Arsenik, der Gesundheit stets zuträglich.
Ihre Wirksamkeit darf durchaus nicht
mit der irgend eines anderen, ähnlichen
Erzeugnisses, zum inneren oder äusseren
Gebrauch, verglichen werden. — Ein über
zwanzigjähriger Erfolg hat den Ruf der
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er nid)t fangt. SCRart fiefa an ber Sptfa nod) bie allerfeirtftert §är=
cfan. — 4. 33tlb: gliegertrüffel. 9ftan fielet eine 2trt ©abel, burd)
bie bas ©etoirr oon elaftifdfan, fptralförmig gemutbenen 9?5I)ren,
bie toafafcfainlid) 3 um 3 töede. bes 'Sluffaugens' oorfanbeit finb, auf
unb nieber gebrüctt tuerben tarnt. — 5. 23tlb: 3 Bur 3 ,el eines ftopf=
i)aares. 2 ßie befannt, finb bie §aare bes 93ienfd)en 9?öfad)ert, was
and) faer 311 m S 3lusbrucf fontntt. Die 2 But 3 el ift, tnie man fiefa,
folbenförmig oerbicft. — 6 . 53ilb: 3roei fabeln, ©ine grobe, bidere
Gtednabel mit ftumpfer Spitze, oerglicfan mit einer ftcifaernen,
feineren 9iüfaiabel mit fd)arfer Gpifa. — 7. 33ilb: ©rufitfeberfpifa
eines 5tanarienoogeIs. ®iart fiefa bie Süiitteladjfe, bie baoon ab=
gefanben Seiterräftcfan, bie bann nod) toieber gart 3 feine <jafem
tragen. — 8 . 23ilb: ©in Sdjnitt burd) rofa fieber. SOian fiefa
beutlid) bereu ©eroebe.
Daufenbe unb aber Daufenbe folcfar 23ilber laffen fid) nun far=
ftellen, unb es füllte mid) freuen, eine Anregung gegeben 311 fjaben,
baff aud) anbre Slatiirliebfaber, bie biefen 5lrti!el oor klugen be=
tommen, fid) einen ebertfo!d)en Apparat bauen. Deuter als ein
guter ppotograpfafcfar Apparat oon 3 efa ober ©oer 3 ift er aud)
niffa; oielntefa, toie bereits apgefüfat, toefentlid) billiger als eine
miLropfatograpfafdfa Apparatur. Cscar Gcbeibner
23ruftfeberfpifa eines 5tanarienoogets
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Über £ctnb nrtb 9?leer
1911 . m. 28.
metarnorpbosen-Hhrostlcbonrätsel
T)urd) 33erje£ung ber TBudjWa&en hübe matt aus nad)=
Wet)enben neun SBßrterpaaren neun geograp^tfdje Flamen,
bereu Ulnfangslettern, ber Steife nad) abgelegen, einen
jüngst geworbenen berühmten ^umoriften namhaft madjen.
©s wirb aus: 1. Diitt, Scfjam: eine nieberlänbifcfje Stabt,
2. £aura, Stein: ein ©rbteil, 3. 5lrm, 3)otter: eine nieber=
Iänbifd)« Stabt, 4. £aster, UI)r: eine beutle Stabt, 5. £i)te,
Sat)ne: eine griedE)ifcf)e £anbfcf)aft, 6.23infe, SBerg: eine Stabt
in SBürttemberg, 7. Stamm, 3Iber: eine nieberlänbifdje Stabt,
8 . £tter, 5tanne: iturort in ber Scfimeig, 9. ÜBinbe, 9lbler:
SBergrüden am 5RI)ein. 9t. Sp.
Logogripb
3toei SOSörter, bie einanber ä^nlid) finb,
Hnb nur einanber Weigern in 93erbiribung;
SBo [idt) bas erWe unbel)agltd) finb't,
Sa bringt's bes 3 weiten peinliche (Empfinbung.
Stimm beiben 2Börtern ihre Häupter fort,
3toei neue SBörter W e b en Seif an Seite;
(Ein (SegenWanb, iW er bas erWe 2 Bort,
3ft öfters aud) geworben fdion bas gmeite. SB. SR.
Ausseriich
Tüllrätsel
a,. a, ba, balm, bri, bürg, bi, bor, ei, en,
en, gel, in, Ta, tlau, la, Xe, ling, na, na,
ner, neu, mi, on, po, re, ri, fdjmet, fen,
fen, We^/. tan, ter, oer, oo, ool.
Sie aus obigen Silben 3 u bilbenben,
ift fenfredjter 9tid)tung in bie gelber ber
gigur eingutragenben SBörter bebeuten:
1 . Stabt in Siebenbürgen. 2 . Sd)ieh=
roaffe. 3. SRineral. 4., gnfelgruppe im
Stillen Ogean. 5. Singopgel. 6 . (5e=
flügeltes gnfett. 7. 33erfef>rsmittel.
8 . . SRenfdjenraffe. 9. . gremblänbifd)es
(öolbftüd.
..Sie $Ittfangsbud)Wäben nennen, was
feinem behagt. ©. S.
Sftidjttge Söfungen fanbten ein: $ol).fß. Stoppel, §atw
bürg (2); Stella ®iaer, 9tegen§burg (2); ©. §aufer, $nterlafen
(1); Stonrab fßolfter, Steumarlt in ©teiermarf (3); £uliu§ ©joeb
Ioöit§, JBubapeft (2); 8. unb TBL Strun, ©mben (3).
Über bie in ber ©mbener ßufdirift enthaltene freunblicbe 3tn=
erfennung if>rer ®eftrebungen tjat ftdj bie 9teba£tion fetjr gefreut
unb banlt unter ©rroiberung be§ @rupe§ beftenS bafür.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 700*
Ses Slusfüllrätfels: Dgean, Salami, ©bene, £ewis,
gglau,: ©Iah, Sberbrud), Sanremo, ©rofion, £eoparb, 31=
lufion,; ©alilei, ©pif, grrfinn. „O felig, 0 felig, ein iltnb
nod) 311 fein!"
Ses SRätjels: Äerge.
Ses £ogogripbs: Slnfer — Stanfe.
Ser Stäb^enaüfgäbe:
ÄTftßtlTl>1T für bie füufgefpaltehe
AilH lUni 3ionparetae-3eiIe3K.i.80,
für bie Sdjroeiä, Italien
unb ffranfreich gt. 2 . 26 .
SMein. Snferaten=3Xnnabme
bet itw&tflf
9tnnoncen»@rpebttion für
fämtlicbe Seitungen 3)eutfä)=
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in Berlin, BreSIau, Gljemntö, 2>re§ben, Süffelborf, g-ranffvtrt a. 2Ji.,
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Stefe SRtno=@albe roirb mit (Srfolg
gegen Beinleiben, gleiten unb §aut=
leiben angeroanbt unb ift in Sofen
ä SEI. 1.15 unb 3E1. 2.25 in ben Ülpotljelen
oorrätig, aber nur edjt. in Original
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®rucf unb Bertag ber Seuffcben Beriagö-ianftatt in Stuttgart, etecfarftta§e 121/123. Rapier »on ber ^apierfabrif Salacf» in Satach (Württemberg).
Nr. 29
Jahrgang 53
1911 (Sb. 106)
<Hfcfd)ieb
9?ad) einer Originatrabierung in Farben ron £eia °peter$
776
Über £artb unb 9J?eer
1911. 9lr. 29
Hettenrätsel
ftn Stelle ber Sternchen firtb 23ucßftaben 311 feßen, fo
baß fünf befannte SBörtcr entfteßeu, bie alle uon ltnfs nad)
rechts 5 U lefen ftnb, wobet ftets mit bem Iinlsfetttgen, oon
einem Äteis eingefaßten Stemmen begonnen wirb; bte
SBörter bejeidinen: 1. Stabt in Serien. 2 . Sagenhafter
beutfd)cr £elb. 3. Stabt in Preußen. 4. Deutfcßer Dtcßter.
5. Äurßes ©efeßüß.
Sinb bie SBörtcr richtig gefunben, fo ergeben bie um*
raßmten »udjftaben ben «Kamen eines Donbtcßters.
Crennungsrätsel
«ßeteint legt's oft ben ©tunb 3 U neuem fiebert,
©etrennt ßat's manchmal feßort ben Dob gegeben.^
Rätsel
Sobalb bie erften ßetrfcßen,
2Bcid)t Dunfclßeit unb SRacßt.
Soll Jreub' mir fie begrüßen,
SBenn neu ber Sag erroaeßt.
Die beiben anbern ßaben
3 n längft oergangner 3 eit
«Ulit Siebern unb ©efängen
Das «Ötenfd)cnl)er 3 erfreut.
Das ©an 3 e ttaßm oorjeiten
Sls SBaffe man 3 ur §anb,
Unb maneßer tapfre Stieger
Dutd) fie ben Sob rooßl fanb. Dr. SU.
Strefcbrätsel
Defirabe, Damen, Scßacßt, ©nglanb, «ötarillen, fiorelet,
Siams, ©inroanb, §imbeere, «Dleifel, bereiten, SBacßs.
3m Ießten SUorte finb 3 mei, in ben oorangeßenben je
brei ©ueßftaben 3 U ftreießen, fo baß bie übrtgbleibenben
«Bucßftaben immer noeß betannte Sßörter ergeben.
Die geftrießenen «Bucßftaben nennen bann ein mobtft*
3 iertes Spri(ßmort.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 726s
DesSternrätfels: I—II Stern, II—III «fteiße, III—IV
©ngel, IV—V fiaiise, V—I Cbers.
ter oierfilbigen Scßarabe: Slutomaten.
Des Silbenrätfels: Slffentaler.
Des Sapfelrätfeis: Scßarabe, Sd)abe.
9fiid)tige Söfungen fanbten ein: ®life «Ricbom, geb. Srufe,
Hamburg (2); 3oß. $ß. Stoppel, ^atnburg (8); Sßetla ®tller,
utegenSburg (4), £yuliu§ SjüetfooitS, SSubapeft (3).
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SöieSbaben. 2>er ftrüljling l)at taurn begonnen, unb fdEjon
betrat tn ber BodjbrunnenljaUe unb im Butbaufe ba§ reqfte
Seben. 2>ie Rotels finb mit (Säften gefüllt, unb „ffrau Sorge",
bie oorige§ Safjr einmal einen 2lbfted)er nach 2Bie§baben gemacht
haben foH, hat längft ba§ SBeite gefugt. $eil§ finb e§ ©äfte,
bie hier eine SBinterfur burchgemadjt haben, teils foldje, bie
äBieSbaben als ÜbergangSftation oom ©üben pm Borben be=
fud)en ober hier in SBieSbabenS gefdpßtem £alteffel mit feinem
milben Blitna ben abjiehenben SBinterftürmen ihrer rauheren
Heimat au§ bem 2öege gehen wollten, teils folche, bie erft hier
angefommen finb, um eine grüljjafjrSlur bur<f)pfüljren. ®ie
grühjahrSfur erfreut fidh ganj befonberer Beliebtheit, weil p ben
oielfeitigen £>eilfaftoren ber günftige ©inftufc, ben ber hier in
herrlichfter Vegetation erblühenbe Frühling auf ba§ ©emüt au§*
übt, nodh als unterftüfcenbeS Btoment Ijinptritt.
21 nS fchroäbifche 9Ueer! ©dhon feit oielen ^aljrjefjnten
Sieht ber Bobenfee eine Unmenge Steifenbe unb ©rljoIungSbebürf*
tige an feine ©eftabe, unb mit Stecht, benn bie ftüHe lanbfdjaft»
lidjer Steije läftt feben Befucher auf feine Stedjnung fommen.
•öort man heute ben Bobenfee nennen, fo gefellen fid) unmiHfür*
lid) bie Barnen Zeppelin bap unb ftriebricfjShafen, bie ©ommer*
refibenj be§ roürttembergifchen StönigSpaareS. ®ie Baffagier*
fahrten ber 3eppelin=£uftfc^iffe werben audh biefeS 3al)r mieber
ein internationales Bublitum an biefen £>rt führen. Um bem
gewaltigen ^embenauftrom ben 2lufentf)alt recht angenehm au
machen, hat man im Borjahr ein Burgarten*§otel erridjtet, baS,
unmittelbar am ©ee gelegen, oon uralten Bäumen befdjattet, ein
überaus liebliches Bilb bietet. ©djöner Bart, auSgebehnte Bro*
menabewege, Burmufif, Bahnfahrten, ©elegenheit au ©piel unb
Sport laffen ben Befucher ©rljolung unb gerftreuung finben.
®a§ ©ebäube felbft madht ben ©tnbrucf eines fyerrfdjaftlicben
BrioatfiheS. ©eine $nnenauSftattung entfpridjt allen älnforbe*
rungen ber Bereit unb ift gana baau angetan, bem Befudjer ein
gemütliches §eim au fchaffen.
Bab SUtljeibe. 5)er gute ©rfolg ber im oorigen $al)re ein*
geführten ffrühjahrSfuren hat bie Babeoerwaltung beftimmt, ben
bieSjährigen ©aifonbeginn auf ben 10. 2lpril feftpfetjen. BurhauS,
Bäber unb Sogierhäufer finb oon biefem Sage an im Betriebe.
2llt£)eibe eignet fidh wegen feiner günftigen Höhenlage in einem
freien, unbeengten Salfeffel ooraugSweife für ffrühjahrSfuren.
®ie fohlenfäurereichen ©prubelbäber finb bei §era* unb Steroen*
leiben auherorbentlich wirffam, ©paaiergänge in ben weiten
ftorften beS BabeS bringen bem Branfen^Siuhe, ©rfjolung unb
ftreube über baS ©rwadjen ber Statur.
Büdjßr mtfr Sd|riffen
(Besprechung elnjelner CQerhe Vorbehalten. — Rüthsendung findet nicht statt)
2111gelt, Blargarete, 2luf bem SebenSwege. Unterljaltenbe unb
belehrenbe ©raählungen für junge Btäbcben. Brei§ Bt. 2.—.
2B. |>ärtel & ©o. Badjf., Seipaig.
2lnberfen*Stejö, Sobgefang aus ber Siefe. ©rjäljlungen.
©eorg Bterfeburger, Seipaig.
Bachem, Dr.Julius, Sofe Blätter auS meinem Seben. Breis
gel^Bt. 1.20, geb. Bi. 1.80. §erberfd)e BerlagShanblung,
Bauer, Subwig, 2lnbrea§ ber ©ieb. ©in ®efd)id)tenbanb. Ber*
lag ©gon ^leifdjel & ©o., Berlin.
Birt, Iheobor, 2lu§ ber B^ooence. ®eutfd)e Bücherei 9tr. 112
bis 113. Breis Bt. l.—. Berlag ®eutfct)e Bücherei, Dtto
BoobS, Berlin W 57.
eraten=«nnai>me cv * ^ 3n|'cv{iün0-<6etuÜjmt
AITlPTfTPIt für bie fünfgefpaltene
i=ffiSPebttton für ^U/LLUlII Bonparettte*3etleüR.i.80,
ettungen $euifd)= ~ o * für bie Schweis, Italien
beS atuStanbeS, unb ffranfreich ftr. 2 . 26 .
BreSlau, ©hetnniö, ®reSben, ®üffelborf, ffrantfurt a. ü».,
>., Hamburg, fföln a. Bb-, Setpaig, «onbon, Biagbeburg,
unchen, Burnberg, Brag, Stuttgart, ÜBien, 3ürid).
Es gibt Dinge, deren Erfindung eine Kultur-Notwendigkeit ist.
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©rfter Deil
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rohmutter Schmettert fdjlug mit ihrer
harten $artb auf benDifdj. Die ©olb*
taffen in ber Seroante flirrten, unb bas 93ilb
bes feligen 9tifobemus f)ing mieber einmal
fetjief am tRagel. grau 23arbara DränKe, ihre
Dodjter, f)ob erfdjroden bie §anbe, beren rechte
bie Stopfnabel f)ielt, mahrenb bie linfe in
93ater 9lugufts umfangreichem 933oIlftrumpf
ftedte. „©rohmutter, mas fjaft benn mieber?"
„gft bas nit, um ben gägersberg breimal
auf bem 53audj 'nunterprutfdje? Da liegen
bic-brei 9ftäbeis mieber im genfter unb fdjaun
fid) bie 9Iugen nad) bem hochnäfigen Steuer
aus ber SXeuftabt aus!"
. „„SRadj ment, ©ro hmutter?"
„9tber 33ärble, ber $err 9fominger junior
tutfdjiert ja mit feinem 9fffenroägte immerfort
um ben SOtarftplah 'nunt! ©s fönnf ja nod)
einen gebe, bie blinbe grau SJleifentljal oiel*
Ieid)t, bie ifjn nod) nit gefefje hat!"
Das breite ^ßarterrefenfter guut SOfarft hin¬
aus mar offen. Drei junge SOZäbd) eit, bie
Dödjter bes Kaufes Xränfte, lagen in feinem
Wähnten, fd)on länger, als bie in ihre 9täi)erei
oertiefte 9llte bemertt hatte. Der 9tprilfonnen=
fdjein bes Sdjönmettertages braunen mollte in
bie niebere, oerbunfelte Stube bringen, machte
aber gern auf ben brei SJtäbdjentöpfen, beren
53lonb* unb Sd)mar 3 haar 00 m lauen 9Binbe
beroegt mürbe, halt unb oermeilte aud) nod)
auf ben f erlaufen ©eftalten, bie bidjt anein*
anber gebrüdt, bie 9trme aufs ©efims geftiüjt,
in geliert 93Iufen unb fuhfreien ködert baftanben.
9tuf bie letzten 933ortc ber ©rohmutter hin aber
fuhr bie Mittlere, bie Schmale, bie aud) an
gahren in ber SCRitte ber ©efdjmifter ftanb, heftig
3 ur Stube herum unb rief: „9Iber ©rohmutter!
Wffenmägle?! Die praci)toolIe ©guipage f)aft
bu mof)I nod) gar nit gefef)en, menn bu bie fo
nennft! Unb ber 5larlmamt Wominger — ber
hat's bod) gemifj nit nötig, fid) oon ben Deuten
am WtarKplah begaffen 3 U taffen!"
„So? 933ie bu gefcheit fchmäht, £oni! Das
Df)eaterfrauen 3 immer, für bie er bie Dutfdje
getauft hat, bie mohnt bod) broben am gofephs*
berg! kaufen tut er l)icr aud) nix am tDiarft —
bie IRomingers, bie f auf eit bod) nur in ber
©rohher 3 og*griebrid)=Strahe ober am Weu*
turnt. Das 933olfenried)eroolf, bas aufgeblafene,
1911 (Sb. 106)
©ott oerbamm mich!..." Die lebten giftigen
©rollmorte murmelte ©rohmutter Schmettert,
als ihre ©nfelin, bie blutrot gemorben mar,
fid) ohne 9lntmort trotzig mieber 3 um genfter
hinausmanbte. $ilba, bie ältefte Sdjmefter,
fidtjerte in ihr Dafdjentud) hinein, unb Juliane,
bie jüngfte, täfelte, mas auf ihrem blaffen,
fleinen ©efidjtchen nur feiten oortam. ioni
flüfterte etmas Xtnoerftänblidjes, mäljrenb fie
ftarr hinausfah unb eine miberfpenftige fdjmar 3 e
^aarfträtjne aus ber Stirn ftrief). gn ihrem
blüljenb frifdjen, etmas breiten ©efid)t tag ein
oerhalten leibenfdjaftlidjer Wusbrud, unb ihre
buntten 9Iugen fat)en in größere gernen als
in bie girmenfd)ilber ber gegenübertiegenben
Käufer, auf benen ohne meitere hälfet 9Jieper
Söfjne unb Sdjnedenburgers SBitme ftanb.
31m ?lad)mittag mar es ftitl auf bem 9Jtartt=
pta^. ?tur menige Dbftbuben blieben bem
Raubet offen, ©in alter SJtann mit einem
großen ©ünbet 933eibenruten, beren Silber ben
grütiling melbete, mad)te fein befdt)eibenes ©e=
fd)äft, bie 93ürger gingen fpa 3 ieren, unb in ben
itellertüren fatjen ifjnen gäfjnenb Keine Deute
3 U. iUnber fonnten auf bem griebrictisburger
^Pftafter ungefät)rbet itjre Spiele treiben, unb
ber SdEju^mann, ber in ber StRitte am gotifdjen
©itter bes ^Brunnens lernte, fd)ien mit feinen
roten 93ädd)ert unb freunbticken Äuglein menig
an ben ©rnft feines Berufes 3 U benten. 9tur
ber etmas 3 U f)ot)e unb fpi^ige §etm ftimmte
3 U ben alten ©iebetn ber 9}larttf)äufer, bie
fdE)arf unb unnahbar in ben blauen Fimmel
füjnitten. 933eher oom Duft bes grüt)tings=
minbes nodt) oon ben meinen, treibenben
9BöttdE)en fjocE) über it)nen mürben fie beirrt.
„Du, id) glaub' immer, er tomrnt nodt)
einmal mieber," flüfterte £jilba, bas Dafd)en=
tud) am 9Jtunb — in ifjren fdt)arfen, ein menig
fdjietenben, blauen 9Iugen tag gutmütiger
Spott, unb fie btidte oerftot)ten 3 U Doni ©n=
über, „jtleinft nit aud)? Das oerfilberte ©e-
fdjirr unb bie gelbfeibene ^olfterung im 933agen
— mirtlid) famos!"
,,gd) finbe bas ^3ferb fo fd)ön. 9Id), Wappen
—- lot)lfcf)mar 3 e — mit Silber — bas finb bod)
bie fdt)önften," meinte gutiane mit feiner
Rinberftimme. Sie fog an einem grud)tbonbon
unb Iie^ ben roten Keinen itriftatl in ber
Sonne bli^en.
Doni ftieß fie in itjrer marmen, 3 ärtlict)=
groben 3Beife an. „^a, guli — bas ift bod)
aud) bas ein 3 igfte, mas midj freut! Der^err
9tominger — paf)! 933as fümmert midE) benn
ber..."
Sie fal) nad) biefer 93et)auptung feine ifjrer
Sdjmeftern an, mufete aber genau, bafe beibe
Iädtjetten. Die Dippen fpi^enb, mit t)od)roten
2Bangen, pfiff fie bas Diebdjen eines Straßen=
buben mit, bis bas gefpannte Sdjmeigen
ber; brei fid) in ein allgemeines ©etäcbter.
auflöfte.
StRutter unb ©rofemutter in ber Stube
nidteft fid) mit oielfagenbem Däd)ein 3 U.
„5linbsföpf," murmelte ^Barbara, ben fer*
tigen Strumpf burd) bie SBritle mufternb.
„933ei^t, mer no^ immer ber ärgfte is?"
fragte bie ttlte, it)re Jlun 3 elf)anb oorm tOlunbe.
„Die Doni! Die am attermeiften oon ber 933elt
gefefje I)at!"
„933ei^ ©ott, ©ro'ßmutter. 9.1ber fie ift mir
grab red)t fo."
„9Rir bodj aud)! 9tber fie is mir 3 U leidet*
gtäubig!"
„Deidjtgtäubig?"
„ga! Sie pur 3 elt immer in altes 'nein!"
„gef) meifj nit, mas bu bamit meinft, ©rof)=
mutter. 9lber bie Doni — bie ift fo red)t Xebig
—- ja, ja — nit leichtlebig unb aud) nit fdjmer*
lebig — lebig halt — bie §ilba, bie ift fdjon
mehr oon ber leidsten 903ar' — unb bie guli, bu
mein ©ott, bas arme Ding fann nix bafür, bah
fie ein fcfjmeres $er 3 h^t. Doni — bas ift fo
bie golbene Stftitt'. Die mirb oiel erleben —
bie foll auch clel erleben. Durchfihlagen muh
fid) ein tüdfjtiges 933eibsbilb burd) altes — nad)*
her, ba fdjaut's fdjon fo aus, mie's oom lieben
©ott gemeint mar."
„933o is benn ber 9tuguft? §at er .mieber
einen Auftrag im S<hIoh?"
„9tein, nein. Der arme 50tamt fteht fdjon
feit fieben Uh^ fiüh in ber 5lüd)' "
„gür men?"
,,gd) meih nit —"
„9ta, färbte, bas mar aber fdjled)t getoge!
Du meiht's nit?"
/;g^ glaub' — id) glaub' halt fogar, für bie
%)mingers. Die haben h^ut' abenb mieber ein
grobes geft. Der Finger foll ja in griebrid)s=
bürg fein, ga, bem 311 ©I)ren ift es. ©emiffes
meih ief) aber nit."
„Du brauch ft bi^ bod) nit 3 U geniere. 933enn
ich bas 9EBottenriedjeröoIt aus ber 9teuftabt
auch nit ausftetje mag — fürs ©efetjäft finb fie
gut. 3 um ©etboerbiene dann man fie brauche.
2Ber ift benn ber Finger?"
„©rohmutter, bas ift bodj ber berühmtefte
SJtater, ben's jeht auf ber 933elt gibt! Der
9trnolb Finger aus 9lotn! itennft benn feine
©emätbe im 93lufeum nit?"
„Knb im Sophienfehloh — jamoht! Der
fpeift aifo heat beim 5Ilabemtebireftor?"
„5Beim 9tominger ! greitid)
geht fam in bie ©efd^miftergruppe am
gcnjter t)i^tges Deben. Sie hoben fi<h auf bie
gehen, fie fpähten, bie Äöpfe aneinanber ge*
brangt, eifrig nach lints hinaus.
„Da tommt er mieber!" rief §itba.
„Still hoch!"'murmelte Doni, fie anftohenb.
„Das hört er ja!"
„9tber jeht tommt er nit allein! ©in
fd)mar 3 er geberhut? 933ahrhaftig! Die 9ku=
mann oom ^oftheater!"
£oni richtete fi<h mit einem 9tud in bie
98
756
Uber Danb unb 9©eer
1911. ©r. 29
ftöfyt. Sie trat einen Stritt 3 Utüd — man
tonnte, fie jet$t rom ©larttplab aus nicht feben.
„©t bat fie abgebott!" fuhr irjitba beluftigt
fort. ,,©r bringt fie ins Sweater! ©Sas fpiett
fie beim beut'?"
„Die ©laite im ,£üttenbefit 5 er‘," fagte
Juliane.
„ 3 ult meib bas immer gang genau ! ©ber
fd)id ift bie ^erfon — bas mub it)x ber ©eib
laffen! ©eit, Doni?"
Doni batte fiel) gmar eben noch geredt, um
Startmann ©ominger unb feine fd)öne SERätreffe
rorbeifabren 3 U feben, nun aber, als $ilba fid)
nad) il)r ummanbte, brebte fie fid) fdgtell bem
Spiegel 3 U unb fdjnitt ein gleichgültiges ©e=
fid)t bittein.
„©ine Diamantagraffe tragt fie am $eber=
but," fuhr £itba fort. „Die bat er ibr getauft!
Seim Stloftermann! Das meib id) gang getoiß!"
„ 2 Bober täm' benn ber gu folgern Dafdjem
gelb f ä fragte Doni, mit gefenttem ©lid ihre
ftarten ^Ȋrtbe betrad)tenb, bie in reigoollem
©egenfatj rooblgepflegte Damennägel batten.
,,©r foll ja in ©tonte ©arlo fo oiel getoonnen
haben mit ber ©lütter gufammen," ertlärte
Juliane unb rid)tete fid) ebenfalls oom 3 enfter
auf, aber anbers als bie Scbmeftern, mübfam
unb einen leifen, erfdjöpfenben duften be=
tämpfenb.
,,©un? Sjat's fdjon ftattgefunbe, bas grobe
©reignis?" fragte bie ©roßmutter, ihren grottem
ben §obn oergebens mit £>umor bämpfenb.
„£at er fidt) nodj einmal berounbern taffe, ber
£>err ©ominger junior, mit feinem fd) eenen
©ornamen? ©Sie beibt er bod)? Startmann!
©So. bie Deut' nur ihre ©ornamen berbabe!
Startmann! So hieben bod) bie alten Reiben!
©a, fo ein rechter ipeib' fdtjeirtt ber ja aud)
3 U fein!"
„Start bem ©roben fein trüber bteb Start=
mann, unb ber . mar ein frommer ©brift, ©rob=
mutter," ermiberte Doni ruhig- „ 2 Bas foll
man benn auch in 3 riebrid)sburg am ©ad)=
mittag anfangen, als im Sanfter liegen unb
febaun, mas brauben oorübertommt? Das tun
hier alte Deut'."
„So? ©a, i<b meib nit, es gibt aud) meiere,
bie Strumpf' ftopfe unb Sjofen ausbeffern-
©ber freilich, bas is nix für eud). 3 $ bir beine
©aterftabt 3 U tlein gemorbe, feit bu brüben in
©merita marft?“
„©in bibt febon. ©ber nix für ungut, ©rob=
mutter. Sner /ift es fo unb brüben fo. 3 d) totll
ja jebt bierbleiben."
Doni fct)Iob bas fünfter, ba 3 ütiane nid)t
.gu buften aufbörte. Dann gab fie ber Stranfen
mit unauffälliger ©ntf^Ioffenbeit ein ©erubü
gungsmittel unb fetjte fid) mit ihr auf bas Sofa,
mo bie Stleine ben Stopf an Donis ©ruft lehnte
unb bie klugen fd)tob- Die Butter marf
einen forgennollen ©lid hinüber, aber nur gang
furg unb mit einem rübrenben ©usbrud fofort
mieber ihre DXrbcit aufnebmenb, als fei ihr bie
Sorge um ihr liebes Stinb mie etmas Stöfttid)es
nicht länger erlaubt. $ilba blieb am Sanfter
ftebert. Die ©robmutter nähte fd)toeigenb mit
unbur djbringtidj er ©üene meiter.
„ 3 ft benn bie ©aumann mtrtlid) bem jungen
©ominger fein ©erbättnis?" fragte ©arbara,
um . bas leichtere Dbema micbergufinben; ihre
brottige Dlbintgslofigfeit, auf biefe ©rt bie
fd)merften ins ©ollen gu bringen, mar in ber
gantilie berüchtigt.
tpitba ladjte laut auf. „©Sas bu immer
fragft, ©lutterte, menn mir babei finb !" ,
,,©elbfd)nabet — foll man benn bie Sachen
nit beim rechten ©amen nennen? 3br
bod). gang genau, mas id) mein'! 3 b* tufdjett
bod) immerfort baoon! Dann tann man aud)
taut unb ehrlich baoon reben!"
„ 3 a, mas meinft benn bu, Doni?" fragte
< 5 tlba it)rc Scbmefter, in beren 3 ügen 3 orn unb
©rbeiterung tämpften. Juliane mar ruhiger
gemorben — fie rüdte fi<f) an Donis Störper
mie ein Stinb gure<bt unb oerfud)te gu fdjlafen.
„Dafet mid) gufrieben — ich meib nix,"
murmelte Dont.
„Das finb febon ©algenröget beutgutag, bie
Herren Söhn' aus oornebme Familien," be=
gann jet$t bie ©robmutter eine ihrer längeren
©äfonnierreben. „3u meiner 3^t mar’s
anbers — ba mürbe bas fd)eene ©etb ermorbe,
mas bie gum |5ertfter 'nausfebmeibe. 3 Tnm ^ r
elegant — boppelpopp — idt) meib febon." Sie
tümmerte fid) nid)t um bas ©etäd^ter ber
9Jtäbd)en, in bas fogar 3nliane mit gefd)lof=
fenen Slugen ein menig einftimmte. heftiger
fuhr fie fort: ,,©a, is bas etma in ber Drb'
nung, bab fo ein 9©itd)bart oon gmangig mie
ein ©ring lebt? 3a, ärger als ein ©ring! So
mie ber treibt's ja niemanb bei Sjof, ba mürb'
ihn ber ©robb<^ 30 g nit fd)Iecbit gum 3'^nfter
'nausbänge! Unb mas is er benn, mas tann
er benn, mas bot er benn?! Der Startmann
©ominger! 3n ber SdbuF, ba is er bis Setunba
gefomme, mie bie $euerfprib' 00 n SBiefenau
bis Dürtenbacb, über Stod unb Stein, brei
3abr' fpäter! Sd)eene Stleiber tann er trage,
im §otet ©opät foupiere, ein Xbeatermenfd) mit
Samt unb Seibe behänge — bas tann er!
Unb memt's noch für bas ©elb oom ©ater
mär' —ba bätt' ber Dltte bod) bie ©erantmor=
tung — aber ber gibt ja nix mehr her! 3 n 'rcer.
Spielhölle is er gemefe — ba bot fid) ber ©etb=
fdjnabet reid) gemad)t, unb bie eigene ©lütter
bot ihn bagu oerteitet! <5errgottfatrament —
menn bas mabr is! Das is ja bas ärgfte! Das
tann fdjon'nen red)tfd)offenen9Henf(ben aus'm
Dod) jage! Solche ©lütter!“
„©ber i«b bitt' bid)," fud)te ©arbara bie
auffer ©tem ©eratene gu befd>roid)tigen. „9Bas
tümmern bid) benn bie Deut', ©rofgmutter?
Das finb boeb frembe Deut'! ©Sir miffen, mie
unfer ©rot fd)medt, mir müffen arbeiten hier
unten — aber bie ba broben am ©euturm?
©ein — bie oerftebn mir gar nit."
„3<b mürb' mid) aud) ben Deimel um jie
fdjere, menn i«b nit merten tät', bab es bi^ tm
^aus febon ein 3otereffe für ben $errn ©o-
minger gibt, ©in gang gehöriges 3otereffe
gibt es 1)kx für ihn. Unb barum — besbatb
|at ein altes ©leib, mie id), 'ne ©Sarnung aus=
gufpreebe, bafe ibx's mibt." Die lebten ©Sorte
batte bie ©robmutter mit heftigem Stopfniden,
ohne aufguf«bauen, gefagt. ©in Sb^oeigen folgte
ihnen, bas eine gemiffe ©ebeutung hotte. Doni
brab es ptöbtib, ots ob fie fib oon ben anbern
beobabtet fühlte, ©lit hochroten ©Sangen
rief fie:
„3a, ©robmutter! Das gebt bob oDobt
auf einen ©eftimmten hier? ©3iIIft bid) benrt
nit beuttiber ausbrüden, auf men bas gebt?"
„©Ser oiel fragt, triegt oiet ©ntmort,"
murmelte bie ©Ite.
Doni mottte nob heftiger ermibern, aber
fie fpürte ben fanften Drud oön 3olianes
$anb unb mürgte ihre ©ntmort b^unter.
§itba baftelte unfbulbig am ^enfteroorbang.
„Slinber, es ift ja altes nit fo fbliotm,"
entfbieb jebt ©arbara. „2Bie bie ©Iten fungen,
fo gmitfbern hott bie 3 UTt 9 e n. ©in grober
©ienenftod bot oiel Drohnen — bas ift nun
einmal nit anbets. 3bo bürft nit oergeffen, ber
©ater ift ein Stünftter, ein berühmter ©later.
Übrigens ein guter, ebrmürbiger Derr — ber
3üftinus ©ominger tut feiner 3^000 ui eb-
"Unb fo beliebt beim ©röbb er 3°9 “ n o, ba
fielt er natürlib bie gange ©efibeng in feinem
|jaus. Die ©omingers gehören gu ben erften
Deuten in ber Stabt — ich bitt' euch, mit bem
Slitd)berg finb fie intim, mit bem Staatsminifter
oon Sßrebet — bas mub bod) ber 3rau gu Slopf
fteigen. Unb fie ift reid), fcbioer reid)^ 'ne
Sd)önbeit mar fie aud) — ja, ja, bas meibt bu
nod), ©robmutter — baber hoben bie Dirtber
it)re Schönheit, ©om ©ater nit — ber ift 'n
Heines 3'öble. ©in ©ugenfreffen finb fie alle
— bie beiben ©läbels, baoon reb' id) gar nit —"
,,©b mas, bie finb jebt fübe 3ooetfd)ge orit
3ted," marf ©robmutter Schmettert giftig ein.
„Da is es bödjfte 3eif, bab gmei ftarte ©länner
fomme unb fie oom ©aum fd)ütteln!"
„©emib, fie finb nit mehr bte 3üngften —"
„Die ihre erften Diebbaber ftet)n ja fd)on
an ber©lajorsed'! ©lilttärfromme ©äut' finb
bie gmei!...."
„ÜSfui, ©robmutter!" rief Doni empört.
„§e?! 2Bas meibt benn bu? ftennft bu
bas Deben oon fo ,oornebme* ©täbels?"
„3cb mein' nur — alt bas ©erebe — bas
tommt bod) fdjtiebtid) alles nur auf ©eib
'naus!"
„©eib?!"
„3a! ©Serb' nit bös,, ©robmutter! ©ber
ift's benn nit fo? Die ©lütter fagt, mir hier
unten oerftebn bie Deut' am ©euturm nit ~
bas ift recht oon ber ©lütter! Das fag' id)
aud)! SBiffen mir benn nit, mas fytx unten
am ©lartt immer getratfd)t unb geflatfd)t
mirb? 3<b mein', über uns ©ad)barn — nit
über anbre Deut'! Das ift boeb fo ein Spinnern
neft — aber nur für ben, ber mas braus hoben
rnilt! ©Sir tun nit mit! Der ©ater unb mir,
mir leben mabrbaftig für uns! Darum motten
mir auch ©erftänbnis hoben für. Deut', bie's
ebenfo hotten! Dann ift man ja faft fo mie bie!"
„©Sie bie am ©euturm?! Schaut boeb bas
©läbet an! ©leinft etma gar, id) hob' ben ©br=
geig, mie bie am ©euturm gu merbe?! Doni,
mir finb mehr als bie! 3omobI! Die ©Seim
berge, oon benen bie ihren ©eid)tum habe, bie
finb unfrer £jänbe ©rbeit! ©lein fetiger ©itobem
unb fein ©ater — bas maren ehrliche ©Singers=
teut' — beim alten ©rumbad), bei Startmann
©ominger feinem ©ro^oater, bab bu's meibt!
©Is er ein junger ©urfd) mar, mein ©itobem,
unb id) ein junges ©läbel oon gmangig, bie
©litdjmagb beim Oppenheim, nun ja, ba haben
mir uns lernte gelernt, im Öttober mar's, bei
ber ©Seintef'! ©or fiebenunbfünfgig 3ob^’!"
Die lebten ©Sorte ber ©Iten, in benen ein
tängft oerfuntenes Did)t aufftrabtte, übten eine
überrafdjenb oerföbntidje ©Sirtung auf Doni
aus. ©Is ob ihr junges ©tut fid) ptöblid) mieber
mit ber ©robmutter oermanbt fühlte, ftredte
fie ihr bie ©ed)te bto. „3o, ©robmutter! 3^
meib }o aud), in meid)ent $Untt — morin mir
bas gleiche finb mie bie am ©erg ! Unfer
©ater, bu Herrgott, unb ber ©roboater felig
— bas finb fdjon ebenfo gute ©ürger mie bie
©omingers! £ätt' id)'s nie gelernt — in
©merita, ba lernt man's! ©ber ba lernt man
aud), nit ooreitig über anbre Deut' gu urteilen."
„©oreüig? Urteil' id) ooreitig?"
„©in bibt febon! Der Startmann ift jung —
bas äubere ©e|abe fagt gar nix! ©r fühlt fid)
halt, er ift nit bäbüd), er bot ©etb, er bot einen
berühmten ©amen — Sorgen fennt ber nit—"
„Du fdjeinft ja feine ©etanntfdjaft febon
red)t grünbti<b gemacht gu höbe?"
„3a, burd) bie Sd)meftern! ©larion unb
©tfa turnen bod) bei mir!"
„Unb $ilba pubt ihnen bie $üt'! Das
nennt ihr ©etanntfdjaft!"
„©Senn's barauf antommt — ob — im
oorigen ©Sinter hob' ich über ein bubenbmat
mit ihm getangt! ©uf bem ©rmenbalt, beim
Stünftterfeft unb bei ben höhnen ©eamten!"
Doni geriet atlmäbticb in flammen — ber oer=
ftedte ©ormurf, ber in biefem ^omitienrat um
fie b^ um lauerte, rib fie nun boeb gu unbe=
tümmerter ©bmet)r t)tn. Sie richtete fid) auf.
3uliane lehnte fid) in bie anbre ©de bes Sofas,
mo fie füll unb in ernfter Diebe ein menig bang
gu ber ftart erregten Scbmefter auffab-
,,©eim Dangen fleht man nit altgu tief in
bie ©lannsleut' bütein, Doni," miberfprad) jet^t
au<b bie ©lütter fanft. ©s mar ihr ein gu
empfinbticbes Dt)ema. ©lan tonnte nid)t ahnen,
mie heftig gerabe 3tou ©arbara gu merben
oermod)te. 3h*em fic^erftotgen ©efübt aber
ftanb Startmann ©ominger gang außerhalb bes
©anntreifes ihrer Dod)ter. 3ebenfatts nur
innerhalb bes frei ©rtaubten. Der Sdjlaf einer
Dömin, bie ihr 3onges fdjübt, lag auf ihr —
fie mottte nodj nid)t ermacbeit.
„Ob, man plaubert alterbanb auf fo einem
©all," fagte Doni tief atmenb, mit boäjmütigem
©usbrud. Sie trat ans 3enfter unb brüdte
ben oerräterifeben roten Stopf an bie Scheiben.
,,3d) meib jebenfalts — fie oertennen ihn alte."'
1911. ©r. 29
ttber £anb unb ©Reer
757
„So?!“ 9JUt einem leifen ^Sfiff fab ©roh 5
mutter Schmettert il)re Dod)ter an.
Doch $rau ©arbara f©üttelte nochmals
ärgerlich ben ftopf unb nahm bie ©rille
oon ihrem noch fehr jungen unb hübf©en
©ntl©.
„9Ötir ift er eigentlich auch immer jehr an=
ftänbig oorgetommen.“
©tit biefen ©Sorten tarn §ilba jetjt un=.
gefd)idt ihrer S©mefter 3 U £ilfe.
„Das ift bod) felbftoerftänblid)!“ fuhr Doni
auf. Sie rnanbte fi© aufrecht ben Shren 3 U
— buntel unb tro^ig hob fid) ©re fräftige ©e=
ftalt am Sanfter oon ber golbenen ©a©mittags=
helle ab. „©in ©tenf© aus fo einem £aus!
©in ©ilenfd) oon foI©er ©ilbung! Solcher
£ebensauffaffung! Sein ©ruber, ber ^©liPP»
ber ift oiel mehr fo, roie ihr meint! Der h<*t
fd)on fein'tüchtiges 5tonto in ber Stabt, unb
’n anftänbiges ©läbel foll lieber nit mit ihm
ftehenbleiben! £tber ber ftarlntartn! Der
Startmann! Stennt ihr benn einen ©tenf©en,
menn ihr nur feinen faubern ©od anfd)aut unb
ein paar Dummheiten, bie er gemadjt hat?
Der mirb mal mas ©rohes, bas ift gern©! 3 n
bem ftedt alles, mas ber ©ater ift unb bie
©tutter unb überhaupt bie ©omingers oon je!
©erftanben mirb er aber oon feiner Samiüe
fo mettig mie ©er unten am ©tarft! Das hat
er mir felbft gefagt! ©ber er mirb fd)on
bur©fommen! ©r mirb ber £euten f<©on
3 eigen —“
Säljes Sdjroeigen
3 n bie farbenfatte Sülle
Diefer Stunben ohnegleichen
©Sill fid) jählings eine fülle,
©laffe, falte Dumpfheit fd)leid)en.
©Sie oon ©eifterhanb gef©lagen,
3 ft ber £autenflang 3 erfallen,
Unb bie blanfen ©Sänbe ragen
©adt unb nüchtern über allen,
Die 3 um ©reife ©res Dafeins
§o© unb hell bie Stimmen regten
Unb im reifen ©auf© bes ©ahfeins
§er 3 en aneinanber legten,
Uber allen, bie im ©Seine
3 bre fu©enben £ippen fühlten
Unb an ©ren ©liebem feine
Seffeht unb ©efd)merben fühlten-
3 mifd)en allen, bie bie Sülle
Sunfelnber Sreuben faft oerni©tet,
frjat fi© plö^Ii© eine Stille
©Seih unb brohenb oufgeri©tet.
©ri© 5t. S © m i b t
„ 3 amof)l, jamohl!" polterte jeht bie
©rohmutter ba 3 mif©en. „Du bummes,
bu lei©tgläubiges Ding, bu! Sn ber fei=
benen 5tutf©e, mo er fein Dheatermenf© fpa*
3 iere fahrt — ba ift er auf bem beften ©Seg
ba3U!“
Starr ftanb ©r Doni nad) biefem ©inrnurf
gegenüber, ©lihenbe Dränen über 3 ogen plöfc»
lid) ©re bunfeln ©lugen. Sie blieb ftumnt
— fie fanb in ©rer Überfülle feine ©ntgegrtung.
< 5 ah unb ins £er 3 getroffener ©ram 3 udten in
©ren f©önen 3ügen. Dann marf fie mit
lehtem Droh ben Stopf 3 urüd unb oerlieh ohne
©ruh bas 3 i™ mer - ®in ti e f es Sdimeigen
folgte. Die S©mar 3 mälberi©r fd)lug bröhnenb
fünf, unb ©ater ©ifobemus' ©ilb 1)^9 no©
fdjiefer am ©agel. Die ©a©mittagsfonne
braunen befam f©on etrnas ©ot in ©r ftilles
©olb. Sn ben ©larftbäumen begannen bie
©mfeln ©r ©benblieb, unb ein ©Sinbftoh
bra©te bas fehnfü©tige Srühlingsgemif© oon
§pa 3 in©enbuft unb Drangen in bie bämmerige
Stube, ©rohmutter S©meifert lieh ©re ©rbeit
finfen unb lehnte fi© in ben Seffel 3 urüd.
Shre halbgefd)loffenen ©ugen glitten oon ©ar=
bara 3 U §ilba, oon §ilba 3 U Suliane hinüber,
©inoerftänbnis fanb fie nirgenbs, unb Snüane
f©üttelte fogar, 3 U ©oben blicfenb, ein menig
bas 5töpf©en. Da fagte bie ©rohmutter 3 u
©r, mas fie eigentli© ber ©lütter fagen mollte:
,,©ef)mt bas ©läbel in a©t.“
(gortfc^ung folgt)
©ouget be l'Ssle trägt gum erftenmal bie Port ihm geblutete unb fomponierte „©Rarfetllaife“ oor
©a© einem ©emälbe oon S-
1911 (Sb. 100)
99
758
£tber ßanb unb SKReer
191]. SRr. 29
Der 3äf)it oon Sonbe
5Raturtöijfenfd)ciftIi(be Klauberei Don
2BUt)eIm 23ötfcE)e
alb gm ei 3 bh r 3 eßnte finb es jeßt her, baß eine
bet feltfamften Bunben, bie man je oer*
nommen, fid) langfam in bet miffenfhoftlihen
V3elt gu oetbteiten begann. Auf bet fernen
Dropeninfel 3°oa mären bie Bnocßenrefte eines
beute ausgeftotbenen SBefens gefunben tootben,
bas oon allen je betannt gemorbenen ©efcßöpfen
unfets Planeten bem StRenfcßen am näcßften ge*
)tauben gu haben fd)ien unb bas bocE) tein ecktet
SCRenfcE) getoefen mar. ©s toat grob toie ein Atertfcß
getoefen unb batte bie [teil aufgerißteten Seine
eines aufrecht geßenben Atenfcßen gehabt. Aber
fein Schöbet, fein ©ehirnraum fcE)ien noch genau
bie Atitte gu batten greifet)en ben Dimenfionen
eines tiefigen ©ibbonaffen unb eines roirtticben
Aienfd)en. 3u irgendeiner nicht attgu fernen
3eit muhte biefes ASefen auf 3<ma noch leibhaftig
betumgeroanb eit fein. An einet Stätte, too gu*
fällige Verßältniffe gange Raufen oon Dier*
tnodjen jener ©poche — Bnocßen oon ©Iefanten,
Aüpf erben unb anbern heute oerfcßoilenen Ve*
moßnern bet 3ufel oon bamals — bis h^wte be*
maßrt hatten, toaren auch oon einem eingigen
3nbioibuum feiner Art ein Scßäbelbah, ein £>ber=
bein unb fonft noch ein paar Fragmente erhalten
geblieben, ©in ßoeßoerbienter ßollänbifher Argt,
Dubois, hatte fie geborgen unb braßte fie jeßt
nad) ©uropa, gu jebermanns Kenntnis.
Seitdem ift biefer „pitßetanthropus", ber
„Affenrrtenfcß" oon 3<ma, in roeiteften Greifen
fattfam berühmt, ja berüchtigt getoorben. Die
©xifteng ber Bnocßen felbft tonnte nid)t mehr
fortgeleugnet roerben. Daß fie gu ein unb bem
gleichen ©remptar, minbeftens ber gleichen Art
oorroettlicher ©efßöpfe gehörten, ift auß alb
mählich nicht mehr ernftlid) beftritten toorben.
3m, übrigen aber ift eine gange fteine Vibliotßet
oolt oerfdjiebenfter Deutungen über ben ge*
heimnisoollen 3unb heraufgemaeßfen. Die einen
fat)en in bem Pitßetantßropus (ber Aarne blieb
unerfd)ütterlid), nad)bem er einmal goologifches
Aeßt erroorben hatte) bas fo lange gefügte
3o3ifd) englieb groifd)en Dier unb Atenfß. Die
anbern hielten ihn hoch aud) nur für einen oor*
oxeltlißen Affen, ber allerbings anatomifd) noch
menfd)enähnltd)er roar als alle lebenben; immer*
hin nur anatomifch, in gemuffen Bnoßenmert*
malen ohne toeitere Verbinblicßteit. ©ine britte
Partei endlich faßte ihn als bas ©rgebnis eines
alten unfruchtbaren Aebenexperiments bei ber
9Jienfd)toerbung, fogufagen eine parallele 3eßl=
bilbüng, bei ber ein Affe in ber ©ntroidlung ßod)
herauf, ja bis gu Atenfcßengang unb breioiertel
SAettfhertßirn getommen märe, ohne es boß auf
feinem SBege mirtücß gum Atenfßen gu bringen.
Siele Böpfe, oiele Meinungen., Das ift fcßon fo,
menn bei einem fßmierigen unb, mie hier, befetten
©ingelobjett bloß bie 3ad)tenner beraten. 2Bo
aber auch nod> oer fßieb enarüge 2Beltanfd)auungen
mit babei finb, ba ift Vltß unb Donner unoermeib*
lid). 3u einem puntte maren fid) aber alle einig,
benert überhaupt an Bonftatierung ber ASaßrheit
lag: es mar hoch leibig, v bah man oon biefem
unter allen Hmftänben beifpieltos intereffanten
ffiefßöpf bloß bie paar Fragmente befaß, bie uns
Dubois geliefert hatte. Auf nad) 3<ma alfo unb
fud)eu; die ^unbftätte um unb um graben, ob
fie nid)t mehr gebe, damit man menigftens bas
g ang e Stelett befiße, bas galt eine längere
3eit als Parole; nur mollte teiner prattifd) daran*
gehen. * Denn folcße Dropcnexpebition mit fo
fubülem 3med mar geitraubenb, foftfpielig unb
fdjmer über alte Aiaßen, unb bas noch mit ber
faüren 3utat, bah fie natürlich; hoch gang erfolg*
los fein tonnte, ba in deinen Sternen gefchrieben
ftanb, es müffe ber 3ufall bort, mo fid) ein Pitt)et*
anißropus befett genug tonferoiert hatte, noch
einen, gm eiten auf fo lange ßiugetegt haben,
©ine energifche ^au, SIR. Benore Selenta, als bie
SSitme, eines ber heroorragenbftert neueren beut*
f<ßen Anatomen für bas Problem begeiftert, be¬
mittelt unb unabhängig, follte enblid) bie immer
bringlicher feßmebenbe Sache aufnehmen. 3u
ber Sßerfönlicl)feit, bie ben Atut unb eine Art
glüdttcßer SAonomanie gu bem Problem hatte,
fanb fid) barm allmählich auch miffenfchafttid)=
offigielle ©elb= unb SRathÜfe oon. Serliit. unb;
SCRündjen aus, unb bie !)oIXänbifd)e ^Regierung
tat bas ihrige fehr brao, fo bah nian in bem fett*
famen SXRilien an ben 3med überhaupt heran*
tonnte. 3mei 3ah^e lang ift nun in Drinil, mie
ber felbft für 2>aoa noch etmas abgelegene oer*
munfehene 3Ied, ein angenehmes $Iedd)en ©rbe
ooll SRäffe, Dpphus unb Schlangen, amtlich heihh
ausgiebig ber alte 9lder um unb um gemälgt
morben. SCRaterial über oorgefd)id)tlid)e Diermelt
überhaupt lag am Drt nodh reichlid) genug, eine
mähre Batatombe. 9XHeiu im berliner paläonto*
togifdhen SOEufeum trafen allmählich 43 Driniler
Giften mit Bnod)en ein. Die heute längft auf 3aoa
mie anbersmo oerfihollenen Stegobonelefanten,
bie alten üRasbörner, SRilpferbe, 9Ixishirfd)e, SRil*
gauantilopen unb fo meiter ber Sßithetanthropus*
geit tauchten immer anfd)aulid)er auf. 9Iber leibig
unb mahr: bie Brönung bes ©angen blieb mirtlich
aus — es geigte fid) mährenb ber gangen Arbeit
nid)t bas leifefte neue 5inöd)eld)en eines Spithet*
anthropus, unb babei ift es geblieben bis gum
lebten Spatenftid). Das grohe Sßrad)tmert, bas
jebt über bie ©xpebition erfd)ienen ift (in ©ngel*
manns 93 erlag in Beipgig), eine ftattlid)e Beiftung
beutfehen ©elehrtenfleihes, refigniert in biefem
Spuntte mie 3'^eptags IRornan ber „Verlorenen
$anbfchrift“, oon ber man gmar bie Vuchbedel,
aber nicht ben Inhalt finbet. Der 2Bib biefer
unoergehüchen Dichtung ift freilich, bah tatfäd)lid)
bei ber Suche nah btefer §anbfd)rift gang in ber
Stille etmas anbres, aber im lebten 2Bert für bie
beteiligten meit befferes gefunben mirb. Unb
etmas oon foId)em, fei es ©ngel ober Bobolb, in
ihrem ^inbeglüd hat nun tatfäd)Iid) boh auh bie
Selentaexpebition gehabt.
StRan gräbt, mie gefagt, bei Drinit, finbet
allerlei, aber finbet boh nid)t, mas man im füllen
brennenb münfht. 3ngmifd)en gehen eingelne
SERitglieber ber ©xpebition fpagieren. So burd)*
ftreift §err StRepboom, Sergeantmajor feines
banges unb gur ©xpebition tommanbiert oon
ber ftets hilfsbereiten nieberlänbifd)*inbifd)en SCRili*
täroermaltung, eines Dages bas trodene 3'Iußbett
’ eines Keinen Seitenarmes ber gröberen 3Baffer*
aber, bie heute bie 3'imbgegenb bes ^3ithetantt)ro*
pus burhfh^eibet. Dort, im fogenannten Sonbe=
53ad); über brei Kilometer oon Drinil felbft ent*
fernt, finbet er gang offen gutage üegenb
einen 3alm- Dem bnfehen nah einen menfhüben
Vadgahn ober beffer, nur bie itrone eines folhen;
bie Vßurgel fehlt, aber bie Brone ift blant mie oon
einem frifhen 3ai)n. Der „3al)n oon Sonbe“
tommt gu ben Schößen ber ©xpebition. $rau
Selenta geigt ihn, tjeimgetehrt, £>errn Dubois
felbft. Der aber meift ihn ahfelgudenb ab. ©s fei
tein foffiler 3atm, ber mit ber alten Diermelt
bort gu tun habe, ©in moberner ÜtRenfhenbadgahn
fei es, an ben blojj tünftüh ein bihh ert oon bem
echten tritifeßen Drinilfanbe angetlebt fei. 9II)o
mit anbern SBorten rnoßl ein Stüdhen fanfter
SIRogelei irgenbeiner nicht gang lauteren jaoani*
fhen Quelle. Die 3aßntrone hätte mieber aus
ber Sammlung fliegen tönnen! 3n SBahrßeit lag
ein tppifher galt oor, mie auh ein in hohem
©rabe fharffinniger unb bemährter Sahtenner
fih bei oberflähüher Prüfung irren tann. Der
3aßn manberte nämlih glüdlihiermeife meiter gu
ben großen ÜRüncßner Autoritäten Scßloffer unb
V3althoff. 2Balthoff mähte aus ißm ein längeres
Spegialftubium. Alle Apparate oon heute mußten
arbeiten ftatt bes flühtigen Duboisfhen ©lides;
bie Durchleuchtung mit 3Röntgenftrat)ten; eine
raffinierte mitroftopifhe Unterfuhung burd) ^3ro*
feffor Died. Unb bann tarnen SBunberbinge gu*
tage, ein $unb erften Aanges in biefem oer*
fprengten 3aßnftüdhen, bas gar nid)t einmal
oom tlaffifhen .$auptort Drinil ftamtnte unb bas
gang gemiß niht ^ithetanthropus mar, aber
bafür etmas mieberum oöllig Vefonberes unb
Aeues. A3enn je bisher ein Paläontologe an einem
cingelnen tleinen Bnohenfplitterhen fein SJieifter*
ftüd bemährt hat, mas ba alles ßerausgulefen ift —
unb mas alles an 2Bertbingen —, fo ift es biesmal
oon ASalthoff gefheßen.
©rurtblage blieb, baß ber 3oßn aus einem
menfhühen ©ebiß ftämme. ©s ift ein unterer
linier Vadengaßn, moßl ber erfte. Die Bronen*
flöhe geigt bei mäßiger Abnutzung bie bem heutigen
äRetifhenbadgahn noh immer entfprehenbe ©e*
ftalt, mit einer geringen Abmeicßung ber §ödcr*
anorbnung, bie als altertümliches ilRertmal ge*
beutet merben tonnte, aber bod) nid)t gmingertb
in biefem Sinne ift. Dagegen begannen 3m
bigien über bie Altersbeftimmung fogleih,
ber erfahrene Anatom ben unteren Deil bes ge*
geßeimnisoollen Boßoes fhärfer ins Auge faßte.
Abßanben getommen mar, mie gefagt, bie gange
urfprünglihe ASurgel. An ber oorgügüd) er*
hättenen, mirtlih mie frifh ausfd)auenben Shntelg*
trone haftete inbeffen innerlich nod) eine fonber*
bare meihe Subftang, mit ber gunähft auh
ber gemiegtefte 3oßntenner nihts Siheres an*
gufangen mußte. 9Benn man oon ber böfen
Annahme abfaß, es müffe notmenbig hier im
Duboisfhen Sinne tünftüh fätfcßenb etmas oon
StRenfhenßanb in ben 3oßn ßineingetlebt fein,
fo lag immerhin am näcßften, an einen Aeft bes
urfprüngücßen 3oßnbeins gu benten. freilich
mußte biefes 3oßnbein felber bann burd) irgenb*
einen nachträglichen Progeß bie feltfamften Um*
manblungen erfahren haben. • 3^m Dell mußte
es gang gerftört morben fein, unb gmar an gemiffen
nadten Scßmelgfteilen mie fortrabiert. 3n bem
erhaltenen, auffällig ermeihten Aeft bagegen
mußte irgenbeine Art anorganifhen ©rfaßes ber
Subftang ftattgefunben haben. Shritt für
Schritt tonnte hier nun 2Battßoff mirtlich meiter*
gehen. 3wtäd)ft ODurbe feft, baß mirtlih altes
3aßnbein gugrunbe lag. An gufälügen 93rud)*
ftellen (ber 3oßu mar nah ber Auffinbung burd)*
gebrohen, boh gum ©lüd oßne prüften Shaben)
feßmiegte fih bie Aeftmaffe fo abfolut genau an
ben Shntelg, mie es eine fälfcßenbe ^nümaffe
niemals getonnt hätte. Unb bie mitroftopifhe
Unterfucßnng eines bünngefeßüffenen Subftang*
pröbeßens ergab nod) bie fießeren Aefte ber feinen
Aößrenftruttur bes 3<hnbeins felbft. 2Bas für
ein Progeß aber hatte rabiert unb umgearbeitet
bei biefem 3ößnbein? Sicßer tein äußerlich=
mehanifher, benn beffen Arbeit müßte man noh
auf ben Aabierftellen ber Shmelgfeite feßen
tönnen. Aber auh tein fdßnell löfenber (ßemifeßer
(etma burh Sßmefelfäure), benn er müßte erft
red)t bie gange Scßmelgtappe mit angegriffen
haben. 53lieb nur ein natürüher Vermitterungs*
progeß, ber gang, gang langfam gearbeitet hatte.
Aüt ißm mürbe ber gefamte Sahoerßalt maßr*
fcßeinlih, io notmenbig. Aber bamit tarn gugleicß
ein neues Atoment in bas ©ange.
Die natürliche Vorausfeßung einer folhen
natürlichen Vermitterungsmirfung mar in biefem
3aüe ein feßr hohes Alter. Der 3<hn oon Sonbe
tonnte nid)t nur niht in Dubois' Sinne „mobern"
fein: er tonnte niht einmal als pbffil, als 3^uge
geologifher Vergangenheit, relatio jung fein, ©s
ergaben fih ba beftimmte VergIeid)sobjette. Die
neuerbings fo gut ertannten Bnocßenrefte ber
fogenannten Aeanbertatmenfcßen, Aefte fhon einer
urtümliheren, heute oöllig ausgeftorbenen SCRen*
fhenform, bie in unb über bie ÜRitte ber Dituoial*
geit füßrt, geigen nirgenbmo folcße energifhe
Vermitterung bes 3<hübeüu5 ißrer 3äßne. Der
türgliß gefunbene Urmenfßentiefer oon^eibelberg,
ber oielleicßt noh ^ben gur tfytm Dertiärgeit ge*
ßört, meift ebenfalls noh leine Spur berart. Die
3aßnrefte bes Pitßetanthropus oon Drinil felber,
ber ungefähr auf ber dBeube oom Derüär gum
Diluoium gelebt haben bürfte, finb gang unb gar
niht fo altersoermittert. äRan muß auf affenßafte
©ingelgößne tief aus bem Dertiär gurüdgeßen, um
einen Vergleich mirtlih gu finben. Dann ergibt
fih aber ein munberbarer Schluß.- Der 3äßn oon
Sonbe, ein üERenfhengaßn mie er ift, muß älter
fein als alle bisher betannt gemorbenen SCRen*
fheittefte- Alter auh <ü s ber pitßetantßropus!
3rgenbein 3ufall muß in ber Aäße biefes Sonbe*
Vacßes ©efteins[hihiß n angefhnitten ßaben, bie
als folcße älter finb als bie oon Drinil, Shicßten,
bie fießer meit ins Dertiär ßineingeßören müffen,
ber 3eü ißrer Vilbung unb ißrer Bnoßeneinfhlüffe
nah- ©artßaus, einer ber geologifhen Deilneßmer
ber ©xpebition, nimmt in ber Dat an, baß es bort
herum folcße älteren ©efteine gebe, aus benen ber
3aßn eoentueti bei ftarten Aegenüberfcßmem*
mungen ausgemafeßen unb oerfhleppt fein tönnte.
3um erftenmal hätten mir hier ben StRenfcßen
burh einen mirilicßen Aeft oertreten bis in jene
gang grauen Dage hinein, mo man bisher nur
auf .©rurtb ber fogenannten „©otitßen" (artgebüd)
tünftüh fhou bearbeiteter 3euerfteine) feine ©xi=
fteng .meßr aßnte, als fih er tannte. Der 3<h n
allein fügt babei natürlich nihts bagegen aus, baß
fein tertiärer Dräger in manhen anbern 3ügen
feiner Börperbilbung niht bamals noh eine äußerft
urtümlihe StRenfcßeoform bargeftellt ßaben tönnte.
©s feßetnt, als menn gerabe bas ©ebiß bes Aten*
fhen fhon feßr friß) bis ungefähr gur mobernen
Stufe fertig gernefen fei — fd)ort gu 3eiten, mo
fonft entfhieben noh oieles anbers mar als heute.
3euer bisßer ältefte SOtenfhentiefer oon Reibet*
berg, ber in anbern Puntten fo primitio ift, baß
bie 3ugeßörigteit gum SPtenfcßen gmeifelßaft fein
tönnte, ift boh iut ©ebiß feßon burh unb burh
oollenbeter „SOtenfh“- Von einer ftärteren §in*
neigung gu ben gemaltigen ©dgähnen bes Qrang
ober ©oritta geigen auh biefe feßr alten SDtenfhen
teine Spur.
1911. 91r. 29
©emifj ijt es eine füllte Dat, auf eine io fubtile
©in 3 elfacf)e mie ben Permitterungsgrab eines
Stüdes 3al)Ttbein [o gemaltige Sd)lüffe 3 U bauen!
''Uber in ber Paläontologie mit ihrem fragmem
tarifd)en Material gibt es oielfältig fo!dt)e 3 m
bi^ienbetoeife, unb in ü)rer inneren ßogit ijt
PSalfhoffs Deutung mitreihenb. Unb jo JEjätte
uns bie Selentaerpebition and) ohne pithet-
anthropus ein unerroartet glänßenbes Pefultat
3 ur 91ienjc^I)eitsgejd)id)te geliefert: bas ältejte
3eugnis über ©riften 3 bes 9Penjd)en auf ber
(Erbe jelbjt.
PSenn es jo ijt, tonnte man jid) allerbings
berufen füllen, ben Sat$ nod) jtrenger 3 m
3 ufpitjen. 3Pan tönnte nämlid) jagen: bie treffe
Iid)e ©rpebition t>abe burd) biefes Pefultat ihren
eigentlichen, ben pithetanthropus betreffenben
3 toed jelber illujorijd) gemacht, jo bah an feinem
Ptihlingen überhaupt nid)ts mei)r liege. Das
3 nterejfe für ben Pithetanthropus ton 3 entrierte jid)
bod) um ben Puntt, ob er ber Ptenfd)enahne jein
tönnte. P3enn aber jd)on o o r ber 3eit, ba bas bis=
t)er betannte Pithetanthropuseremplar auf 3aoa
gelebt I)at, auf ber gleichen 3 nfel nahe bem gleichen
Über £artb uno 9Jtecr
gled bereits ed)te 9Penjd)en erijtiert I)abeu, fällt
bann jene Ptöglid)teit nid)t oon jelbjt bal)in? 3<h
gönnte ber ©fpebition, bah jie 3 um £ol)n für jo
oiel Arbeit mit ihrem neuen Dertiärmenfd)en oon
3aoa aud) bas alte Problem roirtlid) aus ber PSelt
gefd)afft hätte. Pber bie Sad)e liegt bod) nid)t jo
einfad). 3enes Pittjetantljropuseremplar lebte,
toie gejagt, hart auf ber ©ren 3 e oon Dertiär unb
Diluoium. ®an 3 einerlei, toie nun ber 9Penfd)
entjtanben jei: fejt jtet)t aud) für ben entfd)iebenjten
Pnhänger ber ©ntmidlungsleljre, bah er jelber
nad) biejer 3 eit nid)t erjt nod) entjtanben, nod) erjt
aus irgenbeiner Phnenform beraorgegangen jein
tann.
Ungefähr um bie gleid)e 3eittoenbe taud)t
in ©uropa jdjon jener Süienjdjentiefer oon §eibel=
berg auf, ber Pienfd) toar aljo jd)on parallel
bereits fertig. 3n biefem Sinne tonnen ber in
5tnod)ert oorliegenbe jaoanijd)e Pithetanthropus
unb feine 3 eitgenoffen überhaupt niemals bie
ed)ten „Phnen“ jein. Dentbar toäre lebiglid), bah
in ihnen bamals in jenem entlegenen ©rbenmintel
nod) letzte unoerfäljdjte 31 a d) t o m m e n ber
echten Phnenform neben bem an anberrn Ort
759
Iängjt enttoidelten Pienjdjen fort gelebt I)ätten
etroa in bem Sinne, toie heute nod) beifpielstoeije
neben ben lungenatmenben höheren PSirbeltieren
in 3 toei 3Iühd)en Puftraliens bie uralte Uber=
gangsform oont tiemenatmenben S^ifd) 31 t fold)ent
ßuftroirbeltier, ber jogenannte 9Pold)fifd) (Cera-
todus), als I)öd)jt belefjrenbes ©xempel in einigen
lebten 301ot)itanem fortlebt. Pur als fold)e jpät
überlebenbe Pejtform tönnte ber jaoanifche pitt)et=
anthropus überhaupt etroas betoeijen unb lehren
für uns. 3^ biejem Sinne l)ätte aber ber 3ufall
ebenjogut toollen tönnen, bah er in irgenbeinem
Urroalboerjted heute nod) lebte — ber allein in
Petrad)t tommenbe PSert als 3 ufällig jpät nod)
gerettetes Phnen porträt bliebe ber gleiche.
Unb jo tann an bem Streit, ob er biejes Porträt
fei ober eine Phnenfd)aft je erijtiert habe, aud)
ber neuentbedte 3 al)n eines jaoanifd)en Dertiär=
menjd)en nichts ©rnfthaftes änbern. Pad) toie oor
bleibt fein Problem bem 3t»eifler offen, toäl)renb
uns allerbings bie Selentaerpebition mit jenem
3al)n oon Sonbe nad) anbrer Pidjtung einen neuen
großen Datfad)enfortfd)ritt roirtlid^ gebrad)t l)at,
für ben mir ihr bauten müjjen.
SBalter ftiiljne. 33on Siegbert Satter
S o oft mid) ber PSeg burd) eine unjrer großen
— häufig Ieiber allsu großen — 51unjtausjtel=
hingen führte, erjtanb mir immer mieber aufs neue
bie grage: marum behanbelt man bie graphifdjen
fünfte im allgemeinen jo red)t als Stieftinber, bie
man 3 mar nid)t gan 3 beifeitefd)ieben tann, bie
man jebocf) oor bem Pefucher in bie entlegeujten
Säle ftedt unb jie hier jo 3 al)Ireid) nebem unb über=
einanber hängt, bah jie jid) gegenfeitig in ihrer
PSirtung töten unb fchliejjlid) teines 3 m red)ten
©eltung fommt. Pon meld)er Seite id) biejer
3rage — jelbjt im Sinne ber heutigen ©epflogem
heit — auch bei 3 utommen jud)te, bas Pefultat
blieb ftets ein topffd)iittelnbes Pid)toerjtet)cn.
Pehmen mir an, ber 3roed einer 5tunftaus=
jtellung jei, bas tünjtlerijd)e ilönnen einer 3 eh>
jpanne bar 3 utun, jo follte man meinen, baf 3 jid)
bies oon ben PSerten ber Sd)mar 3 meij)tunjt ebenfo=
gut, menn nid)t beffer, ablefen lieh' als aon ben
oielfarbigen ©emälben, bei beneu häufig bas
3nterejje am Stofflid)en bas rein 5tiinjtlerijd)e
iibermud)ert unb jeine Peurteilung erjd)mert. ©s
gibt manche fieute, unb mir finben jie gerabe unter
ben ftunftfinnigften unb JUmjtoerftänbigften, bie
aus ber jpielenb l)inge 3 eid)neten $anb eines Nobler,
aus ber anfpruchslos htugemorfenen Stubie eines
fiiebermann tlarer unb einbringlid)er bas geniale
Permögen 3 U erfennen behaupten als aus fertigen
unb sur l)öd)jten Pollenbung gebiehenen PSerten
biejer Pteifter.
Pehmen mir hingegen an, bas oornehmjte 3tel
einer großen 5lunjtfd)au jei, bas üunjtoerjtänbnis
ber breiten Ptajfe 3 U jtärten, jo follte man gleid)«
falls meinen, bah kies burd) bie einfacheren unb
leichter oerjtänbIid)en Darbietungen ber grapl)i s
fd)en Äünjte bejjer gefdjetjen tönnte als burd) bie
tompÜ 3 ierten ©r 3 eugnijje ber Pialerei.
ltnb mollte man jd)liehlid) annehmen, ber
3med ber Pusjtellungen jei, bie Pefud)er 3 um
©rmerb oon Äunjtmerten 3 U oeranlajfen unb ihnen
baburd) einerfeits ein intimeres Perhältnis 3 m
ftunjt 311 oermitteln, anberjeits burd) bie grejttQimg
ber materiellen fiage ber Künftler bie 51unjt 311
förbem, jo follte mau aud) oon biefem ©efid)ts=
punfte aus meinen, bah kie oerl)ältnismähig billigen
unb aud) für ben mirtfchaftlid) Sd)mäd)eren nod)
erjd)mingbaren Probutte bes 3ßiä)enjtifts unb ber
Pabiernabel geeigneter 3 ur ©rreid)ung biejes jo
erjtrebensmerten 3 ieles feien als bie nur für einen
oerfd)toinbenb tleinen 51reis Pegüterter täuflidjen
©r 3 eugnifje bes SJialerpinjels. Denn barüber mirb
mohl taum ein 3 ®eifel bejtehen, bah kie tleinjte
Driginalarbeit, beifpielsmeije eines Pabierers,
einen, fünftlerifd) genommen, mertoolleren Pefih
barjtellt als bie nod) jo oollenbete med)anij(he
Peprobuttion eines ©emälbes. Seit bie pi)oto=
graphie bieje Pufgabe übernommen hot, begann
jid) bie 3*eube an Pabierungen um ihrer
jelbjt millen in erfreulicher PSeije 311 heben, unb
menn nid)t alles trügt, fcheint bie 51uuft ber Pabier=
nabel oor einer neuen Plüteperiobe 3 U jtehen.
Ober oielmehr, bieje neue Plüte 3 eit hat bereits
begonnen. Pn allen ©den unb ©nben begann es
jid) 3 U regen. Pon bem neuerbings mieber j^affens=
freubiger beaderten Selbe biejer Äunjtgattung
marb uns bereits eine töjtliche ©rnte. 9Par
ftlinger, ben Hermann Strud mit Pedyt „ben
unbejtrittenen ©rohmeijter ber mobernen ©ra=
phit“ nennt, 3Par fiiebermann, oon bem ber=
jelbe Plaler jagt: „Puf ber Spihe feiner Pabier=
nabel 3 udt ber Pero bes lebenbigjten £ebens,"
51ätl)e üollmih, ©mil Drlit, 3o3ef 3^aels,
©bmarb 9Pund), Pnbers 3orn unb, last not least,
Selicien Pops h°keu uns prächtige Pabierungen
bejd)ert.
Pud) bei ben jüngeren ftünjtlern mächjt bie
Porliebe für Äupferplatte unb Pabiernabel, unb
unter ihnen oerbient PSalter 51ühne als ein oieb
oerjpred)enbes Dalent mohl eine befortbere PSürbi^
gung.
PSalter Äühne ijt ein Stinb bes alten Perlin,
jenes Perlin, bas oor bem unmiberftet)lid)en Pm
jturm bes mit fajt ameritanifd)er Scfjnelligteit jid)
ausbreitenben Stäbteungetüms an ber Spree mel)r
unb mehr oer jd)minbet unb nur nod) am malerifd)en
Strögel, in ber altüäterifd)en Sifä)erjtrahe unb in
ber engeren Umgebung bes Patl)aujes einige oer=
mitterte unb altersfd)mad)e 3 eugen 3 urüdgelafjen
hat. Schon auf ben Sd)ulbünten bes ©rauen
5tIojters mad^te es bem jungen $ant me ^ r <ß ers
gnügen, bie ihn umgebenbe PSelt mit flüchtigem
Stifte aufs Papier 3 U bannen, als jid) in bie Iängjt
oerfchmunbene PSelt ber ©riechen unb Pömer 311
oerjenfen, mie jie jid) in ber Darstellung gelehrter
Philologen 3 U 3 eigen pflegt. Pud) bie mit Para=
graphen unb Drodenljeit jo reichlid) oerjehene
PSalter 5tühne Sommer
Dämmerung am Sd)äferteid)
(Stimmung aus Venebig
faft japanifd) anmutenben Vertiefung in ein 3 elne
Details unb in ber fid)eren, lebenfprüfjenben
Linienführung bietet er Leitungen, bie jebem
Kunftfreunbe, ber bas rein Künftlerifd)e unb bas
Ded]nifd)e in einem VSerte 311 fcßäßen meiß, eine
ehrliche $reube bereiten muffen. Dabei ift Kühne
in ber VSahl feiner Sujets, bie er nteift birett nad)
ber Vatur auf bie glatte bannt, burd)aus nid)ts
meniger als engherzig. (Sin fcßön gefd)mungener
Vrüdenbogen; bie mud)tige VSölbung eines Xtber=
gangs über bie füllen fluten eines Kanals; bie
fcßlante Kraft eines mobernen Vautrans ober bie
zierliche Schönheit eines Vlüten 3 meiges genügen,
um ihn gur Sd)affung eines tleinen, liebeooll aus=
geführten Kunftmertes ju begeiftern. 9Jtit be=
fonberer Vorliebe entnimmt er feine Sujets ber
füllen, oerfonnenen Schönheit bes märtifd)en
Lartbes unb ber beutfd)en Kiifte, ber prangenbett
<F>eiterteit bes Sübens unb ber oerfd)toinbenben
Draulid)teit AlüVcrlins. (Sin prädptiges Vlatt ber
Ungenannten ^trt hat bas Verliner Kupferftid)=
tabinett unter anberm jüngft erroorben.
Dabei ift er gegen fid) felbft oon unerbittlicher
Strenge. V3as ihm nicht auf ben erften VSurf ge=
lingt, toirb enbgültig beifeitegelegt. Drude, bie
in irgenbeinem Detail feinen Anfprüdßen nicht
gered)t toerben, bie aber gemiß bas ßntjüden
ntand)es Sammlers bilben mürben, merben un=
barmherzig ßerriffen. Am liebftcn arbeitet er mit
ber Aabiernabel, aber aud) föftliche Sd)abe= unb
Aquatintablätter l) a t er gefchaffen. Unb neuer*
bings aud) gelungene Verfud)e mit bem <rjol 3 =
fd)nitt angeftellt.
(Sine neroenerquidenbe Aul)e liegt über alle
feine Schöpfungen ausgebreitet, eine Auße, bie
ihren ©runb hat in einer fouoeränen Veherrfd)ung
aller ted)nifd)en Vüttel unb in einem faft Lieber*
mannfchen ©efüßl abfoluter VSur[d)tigteit gegen*
über irgenbmeld)en Sd)ulen, Strömungen, Äid)=
tungen unb Urteilen.
Seit 1906 befd)idt er regelmäßig bie ©roße
Verliner Kunftausftellung. (Srft für 3 Üch mar eine
größere An 3 al)l feiner 2Berte im ißofener Kaifer*
fyriebrich=Vtufeum 3 U feßen. £>ßne $rage mirb
VSalter Kühne nod) oon fid) reben machen.
Aed)tsmiffenfd)aft, ber er fid) fpäter mibmete, oer* unb bie einfachften Vlätter mit einem töftlid)en
mochte nid)t, ihn ber ^^ube an ber Schönheit ber Stimmungs 3 auber 3 U erfüllen. Vefonbers gut
Linie abfpenftig 311 mad)en. Unb mährenb er mit liegen ihm lanbfd)aftlid)e Sujets, unb in ber
blißenbem tocßläger mand) blutigen Strich burd) lebenbigen VSiebergabe belaubter Väume, in ber
bie Vaden feiner Kommilitonen 30 g, bebedten fid) feinen Vehanblung ber Luft, in ber 3 arten An*
aud) feine Sti 33 enbüd)er mit flott' ßingemorfenen beutung ber leife oerfchmimmenben $erne, ber
Strießen, aus benen fcßon bamals eine ungemößn* plaftifcßen VSiebergabe bes mählichen 3 urü( ^
liehe ©eftaltungsfraft fprad). Aber erft, naeßbem er meid)ens bes £>intergrunbes, in ber liebeoollen,
fid) mit gutem Junior ben Dottorl)ut utriusque juris_
ermorben unb feine 3 eid)nerifcßen Verfud)e gran 3 £
Lippid) 3 m Veurteilung oorgelegt hatte, gab er
fid) gan 3 ber Kunft ber Linien unb ber Farben hin. ■
Lippid) mürbe fein Lehrer, unb menn ber junge
Künftler aud) tuqe 3<üt in ber Atabemie Julien
3 U ^Saris arbeitete, fo oerbantt er bem ©ßarlottem 4
bürget Vteifter bod) oöllig feine tünftlerifd)e Aus*
3 n ber erften 3 eit mibmete er fid) gan 3 ber
Kunft bes 3eid)enfüftes unb bes Vtalerpinfels;
Kupferplatte unb Vabiernabel blieben ihm 3 unäd)ft A f
nod) ein geßeimnisoolles Vtpfterium. Aber früh *
fd)ott regte fid) etmas in ihm, bas il)n unmiberfteß*
lief) 3 m Vabierung, biefer oornehmften Ltrt ber .
Scßmar 3 meißtunft, ßin 3 og, unb als er fid) bann i-
bei einem Aufenthalt in 3 talien in bie Ieud)tenbe
fyarbenglut bes Sübens oerfeßt fal), als biefer wk'* \
finnoermirrenbe $arbenreid)tunt 3 U immer neuen
garbenmifeßungen 3 mang, ohne baß es ihm ge= ■fWfilrWrF
lungen märe, biefen tompÜ 3 ierten Vuancenmirrmarr ^'JEM'UaL
ber Vatur fo 3 U treffen, baß es ihn befriebigt hätte, Hl
ba ertannte er, mo feine eigentlid)e Stärte lag.
(Sr oertaufd)te Farben nnb $infel mit Aßgrunb, ' ;jy
Aabiernabel unb Sdßaber. 3unäd)ft nod) ein s
menig im geheimen, benn er traute fid) nicht redyt, fl
^ran 3 Lippid), feinem geftrengen Lehrmeifter, ijL
biefes neuerlid)e Umfatteln 30 offenbaren. Dies a
gefd)ah erft, als bas VSert fo meit gebiehen mar, baß H
es ben jungen Vteifter loben tonnte unb er feinem
Lehrer faft Vollenbetes oor 3 ulegen oermod)te. W
VSer Kühnes Aquarelle unb £)Iftubien gefehen
unb feinen Aabierungen gegenübergeftellt bat, _ _ innKmi 1 - m ä
fieht fofort, baß feine Stärte in ber Äabierung •■l 1 ! f r
liegt unb biefe Ded)nit fid) am milligften feinen
tünftlerifdßen Intentionen leiht. (£r meiß mit einer "
munberbaren Si^erßeit bie Aabiernabel 3 U führen Die Virte
762
Xtber £anb unb 9Keer
1911. 9hr. 29
X)te »dk ©taitre ©otbeau
(2Iutorifierte UberfeRurtg aus bem iRoIIänbifRen oon ©. D tt en)
QlrüRer, es ift nun fRon brei ober oier 3aRre Rer,
ö batte Re fiR oor iRm gefürstet, feRr gefürstet,
bann touRte fie, toemt er tarn, nid)t, tote Re fRnell
genug ben ScRnaps oor iRm oerfteden follte, ber
bamats fRon eine groRe ©olle in iRrem ßeben
fpiette ... Cr Ratte es oon Anfang an empfunben,
baR bas ein fRlimmes ©nbe neRmen toürbe, unb
biefer ©ebanfe maRte iRn geregt, ja oft fogar
tobestraurig. Die <SRe mit ber bleiRen, begene*
rierten grau, in bie er fiR an einem tollen $aager
Kirmestage oerliebt Ratte, xoar fein Unglüd ge*
toorben. Ger, ber frifcRe, gefunbe unb oon über*
quellenber ßebenstraft ftroRenbe ©tarnt, füRIte fiR
burR bie feltfam=geReimnisoolle 2tngieRungsfraft
ber Kontrafte gu ber fcRtoäcRIi<Ren, fRleRten,
ReuRlerifRen ©rifette Ringegogen. Sie toar
anbers als bie anbern ©täbRen feiner ©etannt*
fRaft, unb bas reigte iRn. Die blonben ßödRen
ihres toelligen Haares, ber ScRleier, ben Re über
bem anämifcRen ©efiRt mit bem burRfiRtigen
Deint trug, iRre totettdrippelnben SRrittRen,
iRre bamenRaften ©tanieren, bie eigenartig beRut*
famen ©etoegungen, toomit Re bas ©läscRen
ScRnaps austran!, bas er für fie beftellt Ratte, bie
2ftt unb ©Seife, toie fie, auf ben SpiRen iRrer
lädierten SRuRe geRenb, bie ©füRen mieb .. .
bas alles imponierte bem ettoas roR oeranlagten
©tenfcRen aus bem ©tittelftanb, flöfete iRm eine
%xt eRrerbietiger ©ereRtung ein unb toirfte auf
iRn toie ein fRtoüIes, beraufRenbes Parfüm.
Unb fo Ratte er fie oon Anfang an auf ein
©iebeftal geftellt, bas fie nicRt oerbiente. £tls er
fie gu feiner ©lütter geführt, Ratte bie bide ©SafR*
frau ein ettoas fonberbares ©eRcRt gemacRt. Die
alfo füllte iRre SRtoiegertoRter toerben? ... unb .
fie beRanbelte bie „©raut" feRr füRI. 2lls 2tnt*
toort barauf benaRm biefe fiR natürliR gang be=
fonbers lorrelt unb affeltiert, unb als fie fort toar,
Ratte bie ©lütter fRnell bie Dür ber «einen Kammer
geöffnet unb mit einem feRr auffälligen ©ebaren
„©uR!“ gemaRt... ©ine ber SRtoeftern Ratte
gefagt,baR es iRr toirtliR gang fcRlecRt fei oon bem
©erucR'. „©rifette" Ratte nämlidR bie ©ngetooRn*
Reit, fiR Rar! gu parfümieren mit billigen, füRliR
tieRenben Parfümen, unb gu bem erften ©efuR,
ben fie ber Familie iRres greiers abftattete, Ratte
fie fid), in ber 2tbfiRt, bie Kluft red)t beutlicR füRI*
bar gu maeRen, hoppelt unb breifacR bamit begoffen.
2ftt jenem 2tbenb toar bie ©lütter noR auf, als
©eter Reimtam. Sie naRm iRn beifeite unb fragte
iRn, toäRrenb er feine SRale Kaffee austran!:
„Sag mal, ©eter, mein 2Rnge, Raft bu nun
toirtlicR bie 2lbfiRt, biefe ©erfongu; heiraten?
So bumnt toirft bu boR Roffentlid) rtid)t fein?"
Da Ratte ©eter feine Kaffeetaffe auf bie Unter*
taffe geftellt, baR es «irrte, unb feine ©lütter mit
buntetnben ©«den angefRaut.
„Unb toas Raft bu benn gegen fie eingutoenben?"
Da begriff bie ©lütter — mit bem feltfam
feinen 3nftin!t, ben nur ©lütter befiRen —, baR
es oergeblicR fein toürbe, bagegen oiel gu fagen.
Sie Ratte niemals ©RilofopRie ftubiert, bie gute
bide ©ßafRfrau, aber fie füRIte boR feRr tooRI,
baR jeber ©ßiberftanb Rier nur bas ©egenteil be=
toirten ntüffe. ... _ rr ,
„9lein," fagte fie, toäRrenb fte ftR gum SRlafen*
geRen anfRidte, „i(R fmbe bas ©täbRen feRr nett,
aber ob fie für bicR geeignet ift, mein 3unge, bas
ift benn boR eine anbre SaRe ..."
„Unb toarum benn niRt?" ftieR er Reroor.
„©Seil fie bie ©Sett.tennt? ©Seil fie anbers ift als
Drine unb ßene? ©ennft bu bas ettoa oer!eRrt? ...
©un, bann fage iR bir, baR Drine unb ßene fid»
ein23eifpiel an iRrneRmen follten, oerfteRft bumid) ?"
Unb er gitterte oor 2But. Damals toar ©eter
finnlos oerliebt in feine Antonie. Unb toieberum
empfanb es bie äRutter, baR fie am beften baran
täte, fid) gang einfad) gu fügen. / /
„SBenn bu nur glüdlicR totrft, metn Kmb,"
fagte fie. „Du bift alt genug, um für bid) feibft
gu forgen..."
Unb bamit enbete bas ©efpräd). Die äRutter
aber füRIte, toie iRr bie Dränen in bie klugen
traten, fobalb fie allein toar. Sie tonnte fid) eigent*
IicR gar nid)t erfiären, toarum fie fo bitterlicR be=
trübt toar. ßtber in iRr lebte bas unbeftimmte 23e=
touRtfein, baR iRr guter Sunge feinem Unglüd
entgegenginge unb baR fie bem macRtlos gegen*
überftänbe. ' ,
Unb toäRrenb ber ©erlobungsgett oon ißeter
unb 2lntonie gefcRaR no(R ettoas anbres.
©r, ©eter, Ratte einen Kameraben, mit bem
er gang befonbers befreunbet toar.
Unb ber Ratte mit nüchternen 2Iugen, mit
tüRler JDbjeitioität gefeRen, toes ©eiftes Kinb biefe
„©raut" eigentlich fei, unb eines fcRönen Dages,
als fie gufamnten aus bem ©efcRäft tarnen, Ratte
ber Kamerab — toas er fonft nie gu tun pflegte —
i^eter gebeten, er möcRte ein ©las ©ier mit iRm
trinten.
„9la ja," fügte er Ringu, als ©eter iRn mit er*
ftaunten, nicht oerfteRenben 2lugen anfaR, „id)
möcRte bir gern mal toas fagen."
Unb ffe gingen gufamirten.
Unb nun fd)üttete ber Kamerab, gang blaR oor
2tngft, baR ber anbre toütenb toerben tonne, fein
§erg aus, fragte iRn, ob er ficR aud) tooRI er*
funbigt Rabe ... ob er alles genau toiffe ... nicRt
ettoa, als ob er 2tntonie ettoas anRängen toolle ...
aber fie feien bocR nun einmal fo gute f5fteunbe...
Unb ©eter, totenblaR oor oerhaltenem 3orn,
gaRlte fein ©ier, ftieR ein paar toütenbe 2Borte Rer*
oor unb ging.
Dem Kameraben tat bas aufrichtig leib ... er
gudte bie 2ld)feln: 9ta, toenn ber 9Jienfd) nun ein*
mal ni^t Rören toill...
Kurgum, ba toar nichts gu madhen.
Der arme, groRe, ftarle, gornige ©eter faR
nicht, baR er fidj eines jener früRreifen, oerborbenen
9JtäbcRen ins §aus Rolte, für bie bas ßeben,
fcRon lange beoor fie als grau betrachtet toerben,
teinerlei ©eReimniffe meRr befiRt, bie, fobalb bie
ßidjter auf ber StraRe unb in ben ScRaüfenftern
angegünbet finb, Ströme oon ©arfüm unb trip*
pelnben Schritten augengrointernber grauen in bie
StraRen bes 3 en trums tragen unb baburd) bas
abenblidje ©roRftabtleben für bie bartlofen 3üng*
linge, bie fidh Rineintoagen, fo gefäRrlicR geftalten.
^re §od)geit toar prunfooll. einer oor*
neRmen KutfcRe, mit gefcRliffenem Doilettenfpiegel
barin, gu ber oorneRmen Stunbe bes oorneRmen
„aJtitttoocR". Sie trug fogar einen ScRleier mit
Otangenblüten, unb unter bem ScRleier gtointerte
fie ben SOlenfcRen auf bem Stanbesamt totett gu,
ob bie nicht fänben, baR fie eine reigenbe ©raut
fei. Unb in bem 2lmtsgimmer Rielt fie fid) in einer
getoiffen ©ntfernung oon ben anbern ©räuten
oRne Sd)leier, bie iRre biden £änbe in einfache
baumtoollene $anbfd)uRe gegtoängt Ratten.
Unb er, ©eter, ftanb ba in feinem nagelneuen
fcRtoargen 2lngug, ftraRlenb oor ^reube, mit
einem ftolgert ßäcReln auf ben ßippen. ©r Rielt
iRre fein beRanbfcRuRte §anb in feiner Rechten
unb tonnte fid) nicht fatt feRen an bem fd)Ianten,
gragiöfen, reigenben ©üppd)en ... Unb er emp*
fanb eine geroiffe ©RrfurcRt oor feiner eleganten
©raut, ©r tarn ficR im ©ergleid) gu iRr plump,
fteif unb bäurifcR oor. SCRit iRren gefcRidten ginger*
cRen banb fie iRm feine toeiRe Kratoatte, unb er
toagte ficR taum nod) gu rüRren aus lauter 2lngft,
baR er iRr SBert gerftöten tonne.
So heirateten fie.
Unb an bem Dage begann fein Unglüd.
■; 2lus ber feinen, gragiöfen ©rifette toürbe eine
unorbentliehe, fcRIampige ^rau. 3n bem grellen,
mitleibslofen DageslicRt faRen iRre traufen, tünft*
IicR gebrannten §aare gelblich, farblos unb RäRlicR
aus, iRre 3^9^ Iran! unb oerlebt unb iRre 2lugen
toie oerlof^en. Unb fie toar faul unb bequem,
mieb jebe RäuslicRe ßlrbeit. Des Borgens toar
fie nicht gum 2tuffteRen gu betoegen, fie oertoaRr*
Iofte alles unb toar gleidjgültig gegen alles, toas
fonft ben Stolg einer tüchtigen RolIänbifcRen £aus*
frau ausgumadhen pflegt.
©r, ber ©eter, toar feRr unglücKicR.
2lber.... fie fürchtete ficR oor iRm.
©inmal Ratte er, als er fie babei ertappte,
toie fie ScRnaps aus einer «einen SlafcRe tränt,
bie fie, als er tarn, rafcR in iRrer iRodtafcRe oer*
fdjtoinben lieR, bie breite, rote, beRaarte §anb
gegen fie erhoben. Sie oerfucRte, ficR gegen iRn
gu toeRren. 2lber ba toar feine eifenRarte gauft
auf iRren mageren, fcRmalen iRüden niebergefauft,
fo berb, baR er felber oor ber 2BucRt erfdjrat. . .
unb toeinenb unb ftöRnenb Ratte fie ficR in einen
2Bintel oertrocRen.
©on bem 2lugenblid an Ratte er fie gang in
ber ©etoalt. Der frifcRe, terngefunbe, unoerborbene
Arbeiter beRerrfcRte bas allgufrüR oertoelfte Kinb
oon ber abenblicRen StraRe oollfontmen.. .
©r Ratte jeRt begriffen.
Unb fie fünbigte im geheimen .... • Sie toanbte
taufenb Kniffe an, um iRn gu befteRIen. Sie
Ratte iRre f^lafcRe in einem SBiniel oerftedt, too
er fie niemals fucRen toürbe, fie Ratte — noch aus
früheren 3eiten — eine Heine greunbin irgenbtoo
in einem fcRtöüI parfümierten 3tTrmter, bei ber
fie iRren ScRnaps tränt, oRne baR er es touRte.
Sie Ratte nicRt ben ©lut, es mit iRm aufguneRmen,
fie fürchtete ficR oor iRm.
©is . ..
©is eines Dag es ein unbetannter Arbeiter an
iRre Dür Hopfte unb fie mit blaffem, ernftem ©e*
fidjt gu fprecRen toünfcRte.
©or iRrem ^äusdhen ftanben fRon fünf, fecRs
©acRbarinnen, alle feltfam erregt.
Der Arbeiter gitterte, touRte nicRt recRt, toie
er feinen ©ericRt eintleiben follte, unb er ergäRIte
iRr enblid) in abgeriffenen ©Sorten, toäRrenb er
an feinem laute, baR ©eter oer*
unglüdt fei... es fei nicRt gar fo fcRlimm, aber
bemtocR ...
Unb fie begann gu fcRreien, rannte treifcRenb
Rinaus unb trug eine unnatürlich toilbe ©ergtoeif*
Iung gur Schau...
©tan muRte fie in bas §aus einer ©adjbarin
tragen unb iRr bort ben Kopf unb bie ©ulfe mit
belebenben ©ffengen einreiben.
©eter lag im $ofpitaI. ©lonatelang. Sein
©rotRerr unterftüijte bie ^amilie. 2ln ben ©e*
fud)stagen ging ßlntonie gu iRrem ©lann. §in unb
toieber naRm fie iRm eine Orange ober bergleicRen
mit. ioar fie £err im ^aus.
Unb iRr ältefter, beinah breigeRnjäRriger 3unge
toar iRr ©benbilb. ©r Ratte iRre grauen, unruhigen,
lauernben ©ugert, iRre Stumpfnafe, er fei iRr
„toie aus bem ©efidjt gefcRnitten," fagte ein jeber.
Unb aucR in mancher anbern £jinfi<Rt glich er iRr;
er machte ficR, fo «ein er toar, lein ©etoiffen bar*
aus, ©tutters Schnapsglas gu „tippen", toenn fie
es Ralb ausgetrunten Ratte. Dann toürbe fie
toütenb unb oerfeRte iRm, toenn er in iRre ©äRe
tarn, eine ORrfeige, bie für geRn gelten tonnte.
2lber heimlich Ia<Rte fie bennodh über ben Dauge*
nichts, bem fie fidh inftinttio fo gang oerroanbt
füRIte ... in bem ßungen ftede toas ©raucRbares.
©r Ratte bas übrigens fRon meRr als einmal
betoiefen. ©is jeRt Ratte er alles, toas er über bie
Seite gu bringen oermoRte, feiner ©lütter ge*
geben. Sie ertannte bas bantbar an ...
*
Unb bann eines Dag es toürbe ©eter aus bem
§ofpitai nach §aufe gebraRt, naR aRt ober neun
©lonaten, ein gebroRener, oerlorener ©lann.
©laRtlos lag er ba in feinem alten ßeRnftuRl,
nur ber blaffe, abgemagerte Kopf neigte fid) er*
mattet gur Seite, toenn er lange 3eit auf einen
©untt geftarrt Ratte. Dann Ringen feine ßippen
fRlaff Rerab, unb ber SpeiRel floR iRm aus bem
©tunbe unb auf feinen toollenen SRlips . . .
„SRmuRfint," fagte ©ntonie aisbann, unb
toütenb ftieR fie ben Kopf bes armen ©atienten
auf bie anbre Seite...
Dann faR er fie mit feinen matten, tiefliegenben
2lugen fRtoeigenb an, nur Ralb oerfteRenb.
Sie, 2tntonie, feine i^rau, räRte fiR jeRt.
3n einer getoiffen ©ntfernung oon iRm ftellte
fie fiR bann auf mit einem Schnapsglas in ber
£>anb, tangte umRer, fuRtelte iRm mit bem ©Iafe
oor ber ©afe Rerum unb grinfte iRm entgegen:
„ s Jla, toillft bu auR 'neu Dropfen?" Unb bann
tränt fie iRm gu unb rief: „©rofit!"
©r fRIoR bie 2tugen, ba er troR feines faft oöllig
erlofRenen ©etouRtfeinö noR genug ^eftigteit be*
faR, um ben Untergang feiner gamilie niRt feRen
gu toollen. ^ ^
Unb bann Rabe iR tinen jungen ©artbiten,
ber bes oerruRteften ©inbruRes befd)ulbigt toar,
oor ©eriRt erfReinen feRen. ©inen groRen, mage*
ren, lang aufgefRoffenen ©engel mit grauen,
lauernben 2lugen unb einer RäRIiRen Stumpfnafe.
©inen jener gefäRrliRen StraRenräuber unfrer
Dage, bie fiR aus ben ßegionen oon Dagebieben
retrutieren.
©in junger ©inbreRer toar 2lntoniens ßtltefter.
Unb als iR iRn auf ber 2lrt«agebani ©IaR
neRmen faR, baRte iR an einen oorgeitig gealterten,
Rilflofen, gebroRenen ©lann, ber jeRt in feinem
groRen Unglüd oon ber fRon ergrauten, mittler*
toeile gang tierifR getoorbenen ©anbitenmutter
gequält toürbe, oon ber parfümierten fRaager
©rifette oon einft....
^inber in ber 0onne
einem ©ernälbe non Submig
764
Über £ctnb urtb SJleer
1911. 9tr. 29
geftplafc mit ber £alle für populäre §pgierte
Die 3nternationale $i)gtcue=
ausftelluitg in Dresden 1911
23on
^3rofeffor Dr. (Earl ßubrotg <3d)Ieicf)
f&5 roirb allzeit ein 9M)mesbIatt in ber ©e»
VL/ fd)id)te ber ©eifteswiffenfd)aften für bie
9 Jlebi 3 iner bleiben, baf 3 in if)nen oon jeHer ein
mächtiger ibealiftifd)er Drieb am SBerle roar,
gleid)fam ben ©oben ab 3 ugrafen, auf bem il)r
9 Bei 3 en blühte, nämlid) unter allen Umftänben
bie 23ebingungen 311 oertünben, unter toelcben
ürantljeiten oemteibbar toerben. 2 ßo tft biefer
fd)öne fo 3 iale 3^9 beifpielsweife bei ben freien
Herren Kollegen oon ber juriftifd)en gatultät,
ber fiel) etroa in ber ©riinbung eines Vereins
3 ur 93erl)ütung ber $ro 3 effe in analoger 2 ßeife
tunbtun müfjte, ober bei ben Herren 2 trd)itetten,
bie fid) 3 ur ©infcHräntung ber 23aufpetulation
3 ufammentun tonnten, um aus rein ibealen
©efid)tspuntten heraus, über ipr materielles
Sntereffe I)tnweg, ber ©efamtfjeit 3 U bienen? ©s
Üt wal)r, bie »leb^m l)at bie Spgiene gefd)affen,
um leiben 3 U oer!)üten, o©ie jebe s llüdfid)t auf ben
natiirlsd)en Ausfall itjrer $eiltätigteit; fie Hat
fid) bamit als bie [o 3 ial[te aller 2 Biffenfd)aften
an bie Spitje aller Humanitären 3been ber 9teu=
3 eit gel)oben, itjrer uralten Drabition gemäfe,
ben Dienft ber äRenfd)Heit über alles Sonber»
intereffe 3 U ftellen.
©erabe bie beutfd)e SP 7 ebi 3 in Hot ben Soweit»
anteil an biefem innerHalb fünf 3 ig 3at)ren 3 U
erftaunlidjer £öHe unb Diefe entwidelten liefen»
bau. Sleiblos toerben uns in biefem Streben
bie anbern SBölfer bas 9ted)t 3 ugefteHen, als
e r ft e eine internationale 2 lusftellung ber
§pgiene in größtem »taHftabe 30 inf 3 enieren
als eine fid)tbare Stätte biefes getoaltigen
internationalen StBettbewerbs um bie ©rHaltung
unb bie Hebung ber Kultur eines gefunben,
leiftungsfäHigen unb bamit lebensfroHen äTteu-
fd)engefd)Ied)ts. Das fd)öne Dres»
ben, unb nod) ba 3 u einer ber Herr*
Iid)ften fünfte biefer ©artenftabt,
bie SRitte bes toeltberüHmten
großen ©artens, bie §erfulesallee,
oom itönig oon Saufen für ben
HoHen 3 n>ed bereitwillig^ über»
Iaffen, foll ber SiH biefer gran»
biofen 23eranftaltung eines ^ 3 an=
oramasüberbiegefamteSeiftungs»
traft aller 23eftrebungen 3 m ©e=
funbHeit ber 23ölter unb bes
©iit 3 eIinbioibuums toerben. ©s
wirb, bas tarnt man oHne jebe
Hberfd)toengIid)teit oorausfagen,
ein DriumpH für bas moberne
^Srieftertum ber SRenfcHHeit, für
ben $tr 3 teftanb unb für alle bie
3nbuftrien unb 2Biffenfd)aften
toerben, bie fid) unter feiner güH»
rung ber über alles ©rroarten
probuftioen 3 been 3 ur 93erbeffe=
rung ber Sehens» unb ©rnäHrungs»
bebingungen bemäd)tigt Hoben.
Der fcl)tx)ei 3 erifcf)e Sanbespaoillon
3nnenanfid)t aus ber §alle für 2Infieblung unb 9BoHnung
Der SportpIaH ber Dresbner §pgieneausftellung
£ints bie Ejalle für Sport unb itleibung; redjts bie für SRaHrungs» unb
2Bie Herrlid) ift bie Saat ber brei großen Säe»
männer aufgegangen: $afteur,5tod), Sifter! 3ebem
ein 3 elnen gab bas ©efd)id ein gülll)orn bes Segens
in bie £anb. ^afteur, bem unoergIeid)Iid) genialen
ScHöpfer ber grmtblegenben 3beett moberner
Siologie, 5tod), bem roiffenfdjaftlidjen 2ßfab»
finber einer Herrlid)en 3Jtetf)obit 3 ur ©rfd)affung
gleid)fam einer 23otanit ber Äleinlebewefeit, unb
Sifter, bem glüdlid)ften oon allen, bem 23ollftreder
unb Hmfetjer biefer ©ebanten in bie Dat: bie
Sebensrettung oieler unge 3 äHlter Daufenber feiner
9Jtit= unb 9tad)menfd)en!
So toirb bie urtbefdjreiblid) grofj 3 ügig an»
gelegte 2tusftellung, beren ©runbibee man tooHl
ber ©nergie unb bem SBeitblid bes großen Drgani»
fators Signer oerbantt, einen 23lid auf bie granbiofe
©rnte geftatten, toeld)e füHrenbe ©eifter aller
Nationen oorbereitet Hoben, ©s muH befonbers
freubig begrübt toerben, bafc ben ©mäHrurtgsfragen
unb bem Sport, fotoie ber ftultur bes Selbes ein
breiter Spielraum gegeben 3 U fein fd)eint. 2Birb
bod) 3 um erften SOtale Hier bie oft geforberte 3&ee
eines „Sportlaboratoriums“ oenoirtlid)t 3 ur 23e»
urteilung aud) ber Sdjäbigungen, toeldje eine oer»
breitete Sportmanie nad) fid) 3 iel)t. 9Birtfd)aftIid)
oon größter Tragweite toerben bie 2 lusftellungen
ber StaHrungsmittel, ü)rer Preisbewegungen unb
ber Stala iHres toirtlid)en SBertes barftellen,
unb oiel Klärung ertoarten toir oon ber tos»
metifcHen 2Iusftellung, biefem Dummelplat) ber
91etlame roertoollfter unb — nuHIofefter SJlittel
unb 90titteld)en. §ier toäre es im 3 ntereffe ber
23elel)rung oon größter 2Bid)tigteit, toenn ein»
mal ber 21 erfud) gemad)t toiirbe, ben ©influH
einer ausgiebigen tapitaliftifd)en 9tetlame auf
ben Vertrieb tosmetifd)er Präparate feft 3 uftellen,
gan 3 gleicH, ob bas Mittel oon toiffenfd)aft!id)em
2ßert ift ober nid)t. So etwas toie eine ^3fpd)o»
logie ber 9tetlame toäre ein bantbares jtapitel
3 ur ©efd)id)te ber menfcHIid)en unb Hpgienif^en
DorHeiten.
©ins aber oermiffe id) in ben 33ortataIogen
3U biefer ^pgieneausftellung: bas ift ein ^ßa=
oillon 3 ur Demonftraüon ber internationalen
griebensbeftrebungen. Die äJtaf}»
-—| nal)men 3 ur 23erHütung oon 23er»
leHungen,Unglüdsfällen,Setriebs»
ftörungen unb fo weiter finb ba;
geHört aber nid)t bie 23erHütung
bes Krieges mit feiner berufs»
mäHigen 23ernid)tungsepibemie
oon äRenfd^enleben in bie erfte
fiinie X)t)gtertifd)cr 23orbeugungs=
maßregeln? ©erabe ber inter»
nationale ©Haratter ber 2 tus)tel=
lung unb bie Datfadje, baH ber
D eutf d) e Äaif er j e läng er b efto meHr
als ein £jüter bes griebens wirft,
gäbe biefer 23eranftaltung genü»
genb 9Jtotiüe,aud) einmal ben inter»
nationalen 3 'nebensgebanten in
feiner HiftorifcHen ©ntwidlung unb
feinen 3 uftmft< 5 cHancen ben 58e»
fud)ern einer 2 lusfteIIung 3 ur 21 n=
fd)auung 3 U bringen. 23ieIlei(Ht
ift es nod) 3 ett> biefem ©ebanten
eine tleine Stätte in ber 9teiHe
©enufpnittel ber 9tiefenpaoillons 3 U gönnen.
5001
5llbanifd)e 9 Jläbcf)ert bes fatbolifcben SDtirbitem
ftammes in Sfutari
äRobammebanifcbe fernen aus Sfutari
Dppen aus Albanien
Der albanif^e Orient. $on Dr. ©. 3äcH)=$eiIbronn*)
'TN er albanifd)e Orient? Das
Aj fdjeint ein 2 Biberfprud) in
fid) felbft gu fein: Albanien liegt
in (Europa als ber nabe ©ren 3 =
gegner oon ©riedjenlanb roie
oon äftontenegro unb als ber
weitere 9lad)bar für Ratten toie
für Ofterreid). Der Orient aber
roill unter ber afiatifd)en Sonne
leuchten. Unb bod): burd) gan 3
Xürfifd)=9lfien binburd) bdbe id)
nicht fo reiche eigne „orientaIifd)e“
grarbenbuntheit unb fo alte, ur=
fprünglidje „orientatifdje“ Sittern
art erlebt roie int albanifchen
9Hpentanb mit feinem burd) Serge
oerfchloffenen unb in Dälern ge=
lagerten Durcbeinanber unb
©egeneinanber oon mohamme=
banifchen unb d)riftlid)en 5IIba=
nefen — römifdt)atholif<f)er roie
grieebifd) = fatboüfd)er ftonfeffion
— unb mit feinen gegifd)=norbi=
feben unb tosfifcb=füblid)en Dia=
leftbifferen 3 en innerhalb ber ab
banifd)4nbogermanifd)enSprad)e.
Sehen Sie bie albanb
feben 9Jiäbd)en besfatbo= r — —^
Iifd)en-9JUrbitenftammes
in ber Stabt Sfutari
am t^briaüfeben 9Jieer: H
btefe d)riftltd)en ’ 3 ung=
frauen finb nod) mehr jlH
oermummt, als je eine
Dürfin es fein fann, unb
fie 3 U erfennen toirb als
faum geringere Sdjanbe emp=
funben roie bei ber türfifeben
Emremsoerborgenbeit. Die fatbo*
lifdjen ©befrauen & es ftäbtifeben
ittlbanefen genießen etmas mehr
£uft unb Freiheit in ihrer aber
bod) aud) alle formen oerbüllem
ben Drad)t, bie fie auch in ber
Kirche oon ber männlichen Hälfte
ber Seoölfermtg trennt.
Slud) bie mobammebanifd)e
‘illbanefin ber Stabt oerfebroinbet
in ber plumpen 9lunbung bes
oielfarbigen, roeitbofigen ©e=
xoanbes: bes SJtannes (Egoismus
3 roingt aud) fie in ben Domino,
gleid)roie feine ©iferfud)t bie
Ijaremsjaloufien burd) ficb oorbem
genbe Vorbauten nod) befonbers
bedt.
fJlber broben auf ber 5llm profb
tiert bte mobammebanifebe 9u*
banefin aud) oon ber g-reibeit
ber Serge, roenigftens in ber
masfenlofen Offenbarung bes
©efid)ts; fonft ift fie freilich in
bem roeg= unb orngem
-[ lofen Steinfarft bas nim=
mermübe Saft* unb Drag=
J tier bes ftoifoen Sfipe=
'jyj taren.
I Sfipetaren, ittbler^
föhne, fo nennen fid)
bie Sllbanefen felbft,
biefe autoebtbonen 5Rad)=
fommen ber alten 31 "
Iprier. Die febnige,
ftramme ©rf Meinung
©ine 5tula, albanifd)es Steinhaus im ©ebirge
*) Dr. 3äcfb bat ben
Äriegsjug ber brei türfb
fdjen 9lrmee!orps burd) bas
aufrübrerifd)e Albanien im
oergangenen Sommer mit=
machen fönnen, mit be=
fonberer (Erlaubnis bes
türttfdjen ftriegsminifters
9Jiabmub Scheffet ^ßafcha,
an ber Seite bes fomtnam
bierenben ©eneraliffimus
Sdjeffet £orgut ‘’ßafcha, als
ber einige $uslänber, ber
3ugelaffen toorben ift; er
fixiert hiermit für „Über
£anb unb 9Jieer" feine (Sin=
brüde oon £anb unb ßeuten
in groben 3ügen unter 33eb
gäbe einer s )tn3al)I oon Ulb=
bilbungen.
©ottesbienft bei ben fatbolifeben SOtirbiten
2) er tiefe fBaß des 2onners dringt
Und leise nur die fBäume rauschen —
20ie gerne nach des Cages fKatz,
ZN ach c Winkelkram und fBasenschwatz,
Mag ich dem lieben 'Grio lauschen!
nd brummt der fBaß fortissimo
'Und pfeift der andre ebenso:
Uch weiß, wenn Sturm und 2onner schweigen
Und leis die fBlumenglöcklein klingen,
2)ann darf beim Schall der Qrillengeigen
2ie OJLmsel noch ein Solo singen.
SKarl S&erner
Über fiartb unb SOJeer
1911. 9tr. 29
ift, oe^iert burd)
[djroarse ©anbftreifen
unb belebt burd) bunte
Taillentüd)er foroie
burct) franfige ©lam
tiUen; all bas in fo
festen Nuancen, haft
biefe ben ©inheimifdjen
in ertennbare ©enof=
fenfd)aften eingliebern,
rote bei uns bie idb=
3 eid)en eines 5torps
ober eines Regiments
bies tun.
Diefes fianb bes
©egenfaftes oereinigt
in fid) ein Spftem ber
©lutradje, bas fcfton
bis 3 U 42 ©ro 3 ent ber
männlid)en ©eoöl!e=
rung als ©lutopfer
eines buellartigen
©hrentobex geforbert
hat, unb gleichseitig
eine ©raxis ber ©aft=
freunbfdftaft, bie bis in
bie fonberbaren 3 rinef=
fen eines förmlid)en
Komments ausgebit-
bet ift. i-
Albanien ift aud)
bas £anb bes ©riini=
tioen, bes Urßuftanbes.
3nbiauerl)aft mutet gar mand)es an: ber Stalp-
fd)opf auf bem rafierten £jaupt; bie Taba!bar=
reid)ung im Sinne einer <5rtebenspfeife; bas
5tanu bes ©inbaums sur Strotnübertoinbung;
bie Spaltung ber Stämme, bie gegeneinanber auf
ben ftriegspfab fid) begeben; bas jßaffenhanbtoerl
aller ©iänner oom ftnaben im sehnten 3 >atüe an-
Die übrige Türtei enoacht aus bem ©iittelalter;
bas türtifd)e Albanien fd)Iäft nod) in ber ©ad)t bes
oord)rifttid)en Altertums. Das oerfd)üttete ©om=
peji brüben I)at fcfton Straften getannt, mie fie
©o!lstrad)ten aus ben atbanifcften ©ergen
heute nod) bas albanifdje Sfutari pflegt: mit
quabratifd)en Ouerfteinen, bie bas ttberfdjreiten
ber burd) ©egen oerfdjtammten SBege ermöglichen
follen. Das ausgegrabene ©inioe ftat g!eid)toie
Xenopftons „©nabafis" uns ein Transportmittel
geoffenbart, bas Albanien heute nod) gebraust:
bas 3 iegenfell, bas roie unfer ßufttiffen auf=
geblafen unb fo 3 um Durd)fd)toimmen bes ffjrluffes
oerroenbet toirb.
Diefer „Scfterfd)“ bes albanifd)en Drinftroms
ift heute nod) primitioer als ber bis 3 um gloft oer=
oolttommnete „ftelet“
bes afiatifcftcn ©uphrat
in ©tefopotamien.
Die ftula, bas al*
banifche Steinhaus
ohne fyenfter unb nur
mit Sdjieftfd) arten, oer-
finnbilblid)t bie jat)r=
taufenbalte Un 3 ugäng=
lidhteit Albaniens, feine
geograpl)ifd)e, poütifd)e
unb fulturelle ©er*
fd)Ioffenheit.
Das jungtürtifd)e
Regime hat im oer*
gangenen Sommer
enblid) aud) biefen
3 auberhaften ©ann
3 erbrod)en. %n bas
Duntel ber geheimnis*
oolten 5tuia bringt
burd) bie breiten gen*
ft er, bie bas türtifdfte
©ülitär in bie troftig*
ftarren ©lauern hinein^
fdjlägt, jeftt bas £id)t
eines neuen ©ed)ts,
ber Orbnung unb ber
Sidherung.
Der albanifd)e
Orient ber alten 3eit
neigt fid) 3 U ©nbe.
Der Orient Albaniens
betommt burd) bie uerjüngte Türtei neue ©e=
beutung: er foll 3 um Sonnenaufgang europäi*
fd)er Ted)nit unb 3ioilifation aud) für bas al=
banifd)e $od)lanb toerben. *)
Das bisherige türtifche Tibet foll unb lann 3 U
einem lünftigen türtifchen Tirol fid) entroideln.
*) greilid) e5 b fl 3 u u)oftl geraumer 3eit bebürfen,
tote in jüngiter 3eit erft bie ©rfdneftung bes £)beritleut=
nants ooit Sd)lid)ting burd) einen albanifcften Solbaten
in ftonftantinopel ertennen lieft.
zKonzert
C7() )ie lieblich doch die drnsel singt,
H'RtWfll»
Hber £artb unb äfteer
9tömiS©e 2Burfmaf©ine (Onager) auf bem Transport 3 ur Saalburg
Steilbal)ngef©üh für Äugeln (Saalburg)
Sl^eim 9lnblid unfrer heutigen, 3 U unheimlicher
Sollenbung gesteigerten Äriegswert 3 euge
mag uns bie 23or|tellung fchmer merben, wel©es
äJtah oon Scharfjtnn Schon bie 9tuhung ber ein*
fachften me©anif©en Äräfte erforberte, welche
3 eiträume bahinfd)wanben, bis es gelang, ben
geworfenen Stein ober Speer bur© bie Äraft ber
S©leuber unb ber Sogenfehne 3 U beflügeln. Oie
babur© erfolgte Umwertung ber natürlichenÄantpf*
bebingungen Spiegelt bie Sage oon Oaoibs Sieg
über ©olia© wiber. 5lber wenn Sid) bie feinblid)en
Streiter hinter getürmten Stauern bedten? Oann
galt es, ben Antrieb ber 9lrmmusfeln bur©
me©anif©e Hilfsmittel 3 U erfetjen; ber Se=
lagerungsfrieg erzeugte bie erften Äriegsmaf©inen.
3bre Heimat ift Sid)er ber Orient; f©on im ad)ten
3 al)rhunbert oor ©hrilto Stellte Äönig USia, wie bie
23ü©er ber dhronita beruhten, funftooll erfonnene
2 Raf©inen auf bie Oürme unb SCRauereden oon
3 erufalem, „ 3 U fliehen mit Pfeilen unb großen
Steinen".
2 Bie fo manches anbre drbe bes Orients iSt
auch bieSes erft burd) bie ©riechen 3 u tünStleriSd)er
Sollenbung gebracht worben, Sowenig es 3 unä©St
©rem friegerif©en 3 ^eal ber oollenbeten 9lus*
bilbung bes dinseltämpfers entSprad). „gahr hin,
Oapferleit!" rief ber Spartanertönig 9lr©ibamos
(geftorben 427), als er bie furchtbare Überlegen*
heit med)anifd)er Äräfte tennen lernte. 9lber in
ben Äämpfen um bie Hinterlaffenfchaft bes großen
9tlexanber fpielten bie neuen Äampfmittel bereits
eine entf©eibenbe 9lolIe, unb Sßunberbares be=
rid)ten bie 3 e ftQ eri offen oon ben fieiftungen Oe*
metrius' bes Stäbtebelagerers. 3nt 3lufStanbe ber
9Rat!abäer führte 5lntio©us mannigfaltiges SBurf*
3 eug gegen 3erufalem, bestimmt, Steine, 23ranb*
gef©offe unb Pfeile 3 U fd)Ieubern.
9ti©t mit neuen ©ebanten bur©brungen,
aber ihrem garten friegeriSd)en SpStern ooll ton*
3 entrierteSter dnergie eingereiht würben bie neuen
Äampfmittel bur© bie Körner. 3 *)*e
umfi©tige unb entS©loSfene Slnwenbung
hat nicht 3 um minbeStert ben S©reden
oor bem unerbittli©en geinbe hergetragen.
2Iber So 3 erSd)metternb uns bie drfolge
ber ÄriegsmaS©inen aus ben römif©en
Berichten entgegentreten — ihre Äon*
Struftion blieb bis auf unfre Oage ein
9lätSel, um beffen £ö[ung fid) ber Scharf*
Sinn ber ©eiehrten wie ber Oe©nifer oer* JSfljk
gebens mühte. 3 *oar befi^en wir in§eron
unb Philon grie©if©e <5ad)S<f)riftfteIIer H
aus bem britten unb 3 weiten 3 al)rbunbert
oor dhrifto, aber ©re auf bie 3 eitgcnoffen ~ %■
beredhneten Angaben Seöen 3 U oiel 9ln* ^
f©auung als felbStoerftänbli© ooraus.
Oie auf ©neu fufcenben drtlärurtgsoer* PRPI
fu©e, bie mit bem bollänbif©en Ph^o* |pjP^
logen JÖipSius (1596) einSetjen, haben bes* W 3 **!
halb nur 311 untlaren unb phantaftiS©en Sjäjjtij
Silbern geführt. Oas meiste Slnfehen gB
gewannen bie grünbli©en 3 orf©ungen äH
oon Äö©Ir) unb IRüStow, aber bie barta©
ausgeführten iRetonStruttionen bes babi*
Sd)en Houptmanns Oeimüng e^ielten bei
ber prattiS©en drprobung 1865 nur tläg*
Äatapult
Saalburg, iporta Oecumana
3 m Sorbergrunb bie 9tefte ber römif©en Silla
768
ttber £anb un s ÜUteer
1911. Utr. 29
Antifes Sfeilgef©üh, refonftruiert für ben
X>tden 3minger in ©oslar
f©aulid) als $la©bal)ngef©ühe für Pfeile unb
<3teilbal)ngefd)ü^e für Steine; ledere füllten
gegen 3iele hinter einer Deduna tüirfen gleich
unfern heutigen £jaub©en.
Die Kraft mie bie Stäzifion ber Dorfions*
gef©ütje müffen als auherorbentli© bezeichnet
toerben. Das retonftruierte rnarf eine ein*
pfünbige Sleifugel 300 SCReter roeit. Die
88 3eutimeter langen Pfeile, bie Oberft
Schramm na© einer gefunbenen e©ten
^feilfpihe fonftruiert hatte, brangen mit
halber Känge bur© einen 3 3entimeter
ftarfen eifenbefdjlagenen S©ilb. Diefe. Kei*
ftungen litten freilich unter bem Ubelftanb,
bah bie ftraffe Spannung, bie erfte 23e=
bingung bes ©rfolges, allmähli© nad)lieh unb
bas Aeueinziehen ber Sehnen I)öcbft müh*
fam roar. Daher oerfiel bereits Chiton auf
ben ©ebanfen eines bauerbafteren ©rfatjes.
Seim ©rzfpanner finb bie Sefpienbünbel
bur© elaftifdje Stahlfd)ienen erfetjt, bie, oon
ben zurüdgezogenen Rebeln nad) oom ge*
brängt, biefe beim 3urüdfd)neIIen famt ber
Sehne mieber nad) oorn ftohen.
©ine biefen funftoollen SBerj^eugen ge*
Zollte 2Inertennung bebeutet ihr 5Rame;
f/rjx^rr, bas ©runbroort oon äRaf©ine, heifjt
bas ©rbad)te überhaupt unb ingenium neben
Segabung auch ©rfinbung. Ingeniosus nennt
f©on Süuius einen ©rbauer oon Kriegs*
mafchiuen, toofür in granfreid) ingenieur
auftam. gaft ein ^ahrtaufenb hat es gemährt, bis
bie ©ntbedung neuer treibenber Kräfte höhere
©rfolge zu erzielen oermochte.
©lei© fo oielem mertoollem Kulturbef©, ber
unter bem Schutte roherer 3eiten begraben lag,
erging es aud) ber Kenntnis ber balliftifchen Kräfte.
Die Auhung ber Dorfionselaftizität ift bem Atittel*
alter oöllig unbefannt geblieben unb an ihre Stelle
bie bes ©egengemi©ts getreten. 9Ait ben übrigen
Selagerungsgeräten mirb bas 2Burfzeug unter bem
tarnen Antmerf zufammengefaht, bas h^ifet 3er*
ftörungsmertzeug (oon entmirten, oergleidje ent*
merten, eutfeelen). 2luf ben 3tf>ed alfo beutet jeht
bie Senennung, nid)t mehr mie im Altertum auf
bie ©rfinbung. 2© ber Dat lag bazu aud) fein
©runb mehr oor, benn im Sergleid) zu ben antiten
Kriegsmafd)inen müffen bie mittelalterli©en plump
erfd)einen. Die gebräuchlich^, Slibe genannt,
beftanb aus einem Salten, ber in einem ©erüft
berart fchmebenb aufgehängt mar, bah er einen
längeren unb einen fürzeren Hebelarm bilbete.
SBährenb am türzeren ein f©meres ©emid)t an*
gebra©t mar, trug ber lange mie beim antiten
Onager eine Schaufel ober Schleife zur Aufnahme
bes ©efchoffes. 2Burbe nun ber mit 2Binben herab*
gezogene lange 2trm losgelaffen, fo fd)nellte ihn
bas ©egengemicht in bie §öhe unb fe^te bas ©e*
fd)oh in S©mung. 2luher Steinen unb Sranb*
gefchoffen pflegte man aud) oermefte Körper in
belagerte ißlätje zu toerfen, um ben Aufenthalt
unerträglid) zu machen. 3© als bei ber Serennung
ber ftefte 2luberod)e 1345 bernad)§ilfe ausgefanbte
Sote ben Selagerem in bie $änbe fiel, marfen
fie ihn mittels einer Slibe in bie Stabt zurüd.
aufgelegt, erforberten fie mehrere SOtann zur Se=
bienung, unb ©re ferneren Solzen befahen eine
furd)tbare Dur©f©Iagsfraft. ©iner SerooIItomm*
nung ber Kampfmittel mar fcbon ber fir©Ii©*
tonferoatioe ©eift bes ÜDtittelalters nicht günftig;
oerbot bo© bas ztoeite Iateranifd)e Konzil oon 1139,
„bie tobbringenbe, gottoerhahte Kunft ber 2ßurf*
unb SfeiIgefd)offe gegen ©briften anzumenben".
Stanbarmbruft (toaalburg)
Droh feiner Hnoolltommenheit blieb bas 2lntmert
bis in bas fünfzehnte 3<©©unbert neben ben
23uloergefd)ühen in ©ebraud) mie bie Armbruft
neben ben §anbbü©fen.
Sieler te©nif©en gortf©ritte hat es beburft,
bis bie $euermaffen bie £errf©aft auf ben Sd)lad)t*
felberrt errangen, unb bas Atärd)en oon einer
grunbftürzenben Anberung bes Kriegsmefens bur©
fie ift cnbgültig befeitigt. Die bramatif©e Sage
oon ber ©rfinbung bes fßuloers barf uns ni©t über*
Neuartige Sombentanone (Krupp, ©ffen)
Sei biefem ffief©üh mirb ni©t bie Sombe felbft,
fonbern nur eine Stange, an ber bas ©ef©oh
befeftigt ift, in ben Kauf gef©oben
Antite S©leuber (©oslar)
fehcn laffen, bah es ft© hier um eine lange ©nt»
roidlungsreihe haubeit. Aa©bem man gelernt
hatte, ben fliegenben Sfeil 3 um Dräger brennbarer
Stoffe zu ma©en, gelangte man bal)in, fol©e
Stoffe mittels ratetenartiger hülfen fortzu*
f©leubern. Sefonberen Auf genoh bas fo*
genannte ©rie©ifd)e fyeuer. Sobalb man er*
tannt hatte, bah fol©en äRifd)ungen neben
ber zünbenben aud) eine treibenbe Kraft
innemohne, tonnte man ben entf©eibenben
S©ritt tun: oom ^euer als SBaffe zur $euer*
maffe. Dafj biefer lehte Schritt um 1300 in
Deutf©lanb getan morben ift, bafür fpri©t
bie $orm ber Drabition unb bie beherrf©enbe
Stellung ber Deutf©en in artilleriftifd)er
2Biffenf©aftunb Praxis für bienä©ften3<©r*
hunberte. 3um erftenmal genannt mirb bie
©rfinbung bes Sü©fenf©iehens 1313 in ben
2lnnalen oon ©ent als in Deutf©lanb ge*
mad)t, bie erfte friegerifdje 2Inmenbung ift ‘
1326 in Italien bezeugt. Die erften red)t
primitioen ©ef©ühe beftanben aus eifernen
Aobren, bie auf einem ^olzblod befeftigt
maren; oon biefer ©eftalt her rührt ber üb*
li©e beutfd)e Aame Sü©fen. Die italienifcfje
Sezei©nung Bombarda gemann in Deuff©*
lanb bie anmutige 5orm Bumhart. Anfäng*
li© meift furz, mürben fie feit ber Atitte bes
oierzehnten 3<©©unberts zu immer folof*
faleren SAahen gefteigert. Die nod) heute in
©ent aufgeftellte Dulle ©riete ift ein f©miebe=
eifernes Aol)r oon fünf Bietern Känge, bas
eine Steinfugei oon 680 $funb fd)oh- 2lnfangs bes
fünfzehnten 3<©©unberts ging man zum Sronze*
guh über; eine frühe ©lanzleiftung mar bie 1787
leiber eingef©molzene $aule Atette in 23raun=
f©meig, ein Aiörfer, ber Kugeln oon 900 ^funb roarf.
Diefe Aiefen maren natürli© nur als $ 0 =
fiüonsgefd)ühe zu oermenben. Son zumlf bis
zmanzig ^ferben nad) ©rem Seftimmungsort ge*
[©Ieppt, mürben fie bort auf eine Unterlage aus
Salten gelegt unb, um ben gefährlid)en Aüdftoh 3 u
milbern, bur© eingerammte $alifaben gefid)ert.
Sie befamen baber ben Aamen Kegeftüde. 3u*
bem man bazu fortfdfjritt, bas Aol)r in einem aus*
gehöhlten Slod zu befeftigen unb biefen bann auf
ein ©eftell mit Aäbern zu legen, mar ber Uber*
gang zur Kafette gegeben. Den Koften unb äRüben
entfpra©en bie Keiftungen feinesmegs. ©in
Duhenb S©üffe am Dage aus einem ©ef©üh
galt f©on als bemerfensmert; bie 3aule Atette
hat in bre©unbert fahren gegen ben geinb fünf
S©üffe getan — alle, ohne S©aben anzuri©tert.
äRit ben antifen Dorfionsmaf©inen finb bie
$uloergef©ühe ^ebenfalls für lange 3^it ni©t zu
oerglei©en. Der mä©tige ©inbrud unb zum
Deil panif©e S©reden bei ben 3^ttgenoffen
beruhte meniger auf ber me©anif©en als auf
ber pfp©if©en SBirfung, bie oornehmli© oon
bem ©etöfe ausging. $rüf) galt bas neue
2Berfzeug als ©rfinbung bes Satans, unb bie
Serufsfrieger oor allem teilten bis meit in bie
Aeuzeit herein mit Sezug auf bie Artillerie bie
äReinung Ariofts:
Dur© bt© ift Kraft unb Dapferfeit erftorben,
Du f©affft bem Ureigen oor bem Sraoen Auhm.
1911. %t. 29
Uber £anb nnb äfteer
769
Hausfrauennöte
©on Domefttea
n bcr 3attuarniimmer bcr „DoHimente bes
gortj'i^ritts“ oergleic^t ©rtd) fitlieirthal ben
betrieb Dort Hletnlaufmcmn unb Aßarenhaus unb
gelangt 3 U einer bebinqungslofen Anerlennung
bes Aitarenhauspringtps gegenüber berrt b es'Keinen
Hänblers.
©etabe ber Urrtftanb, baff tcE) biefer Anerüen*
nung nid)t bebingungslos guftirrtmen lamt, geigt
mir bas Problem ber Hausfrauennot im rechten
Hid)t, benn toas bem ©ublitum oom Klefntauf*
mann geboten toirb, überfteigt manchmal tatfäd)*
lidt) bie ©rennen bes ©rträglichen. ©in befonberes
Kapitel ift bie grleifchermifere. SOtit einem milberen
Aßort tann man biefes ©hänomen tatfäd)lid) nicfjt
be 3 eict)nen. ©efonbers in ben Sßororten, roo bie
Konturreng nod) nicht fo groff ift als oielIeid)t in
ben belebteren ©egenben bes Aßeftens, lommt es
31 t einer Haltung ber gleifdjer gegenüber bem
©ublitum, bie gerabe 3 U unglaublich ift. 23eften*
falls finb in ber ^»auptoerteljrsftrafje bes Vororts
ein bis 3 m ei ^letfcfjer, bie tabcllofe Aßare f)ab ert.
daneben nod) eine ARenge tleinerer Höben, bie
aber als Konturrenten, toas bie Qualität ber Aßare
betrifft, nicht in $rage tommen. ©ei bem einen
biefer beiben Halbgötter bedte id) meinen ©ebarf.
Der ARann fanbte gutes 3-Ieifd), unb toas bie Haupt*
fache ift, er oerroeigerte nicht ben 3 ettel, ba§ fjeißt
bie tägliche ^Rechnung, bie auf b ernährt rourbe bis
3 ur Abred)uung, bie möchentlid) ober monatlich
ftattfinbet. ©s entging mir aber nicht, baff bas ©e*
mid)t oft um ein beträd)tlid)es, sugunften bes
3Ieifd)ers natürlid), nid)t ftimmte. Als er einmal
anftatt 300 ©ramm 230 ©ramm gefanbt hatte
(nebft begleitenbem 3^ttsl über 300 ©ramm),
„toagte" id) es, biefen ARihftanb telephonifd) 3 U
monieren. Am anbern Tag noartete id) oergebens
auf bie 3 Ietfd)fenbung, tro^bem id) meinen 93e*
ftell 3 ettel für bie g 01130 . Aßod)e im ooraus aus*
gefdjriebeu ^atte. Auf telepbouifche Anfrage
mürbe mir bie fut 3 e unb bünbige Antroort, es mürbe
mir tein gleifd) mehr geliefert. ©l)aratteriftifd) für
biefen ©organg ift es, bah id) ben ARann roieber*
b>o!t auf oon itjm oergeffene ©ofteu in ber 5Red)=
nung aufmertfam gemacht Hatte. Dant ber forg*
faltig aufgehobenen 3 ettel (meid) eine fd)öne ©e=
iegenljeit, feine Hausfrauentugenben leud)ten 311
laffen) fanb id) bei ben Abrechnungen hier unb ba
©often, bie er felbft angufehen oergeffen hotte.
ARan mühte benten, bah f^on biefer Umftanb ba 3 u
führen mühte, bie Kunbfchaft rüdfichtsooller 3 U
behanbeln unb auf einen fo berechtigten ©roteft
mit einer ©ntfcbulbigung, anftatt mit bem ©optott
3 U antmorten. 3 <h beftellte nun mein 5 'Ieifd) bei
bem 3 meiten guten Hänbler, bem groben Kon*
turrenten, ber feinen Haben gerabe gegenüber
bem erften Hieferanten hatte. Auch biefer ARamt
fdpdte gutes gleifd), aber er meigerte fid) beharr*
lid), einen 3ettel bei 3 ülegen. 3ä) machte ihm Har,
bah es bod) gan 3 xinmöglid) fei, bah ich rtad)
mehreren Tagen ober Aßod)en eine oon ihm
präfenüerte “»Rechnung auf Treu unb ©lauben hin*
nehmen füllte, ohne meinerfeits bie täglichen
3 ettel 311 m ©ergleid) 3 U hoben, ©r blieb bei feiner
Aßeigerung mit ber ©egrünbung, 3 um täglichen
Ausfehreiben eines 3ettels fei teine 3<üü 3<h
mad)te bann ben 23orfd)Iag, bie “»Rechnung nicht
monatlid) ober möchentlid), fonbern täglich 3 ü
regulieren. Auch barauf ging er nicht ein, benn
bas holte bei fiieferung ins Haus nod) mehr auf.
©s mürbe mir alfo bie 3 omutung geftellt, mir
31eifd) täglich ohne ^Rechnung liefern 3 U laffen unb
bann nad) beliebig langer 3 ett eine untontrollier*
bare ©efamtred)nung 3 U begleichen!... Selbft*
rebenb mar biefer 3 uftanb unannehmbar, unb id)
munberte mid) nur, mie Heute mit folgen @e=
fd)äftsgepf!ogenheiten überhaupt noch Kunbfchaft
haben tonnen. 3d) taufte bann bei ben Heineren
Sd)Iäd)tern ber Straffe, bie aber bas 31eifd) meift
nid)t ins Haus fdqdten unb auch in begug auf bie
Qualität nicht auf ber Höhe ber (Situation maren.
Aßas blieb mir übrig, als bei bem erften Schlächter
eines Tages mieber telephonifd) ansuläuten unb
fo, als ob nichts „gef(heben" märe, Sleifd) 3 ü be=
Stellen, ©r mochte fid) ; s inbes auch überlegt haben
unb fanbte bas $kif<h oon ba an mieber 3U. ©s
mar mir alfo gnäbig oergeben morben. Diefer
§riebe bauerte aber nicht lange; benn bie Hiefe=
rungen liehen nun and) an Qualität 3 U münfeben
übrig. Als ich einmal 1V 2 ©funb Hammelteule,
bas ©funb a 1,10 ARart, alfo 3 um ©efamtpreis
oon 1,65 SCRarf, erhielt unb fo oiel $ett unb,Knod)ert
an unb fogar neben bem gleifcb (extra) tagen, bah
nid)t einmal, mie geplant, brei ©erfonen baoon
effen tonnten, fonbern mit tnapper Atühe 3 mei
©ortionen hergeftellt mürben, fah ich ein, bah
alles feine ©re^en hoben mühte. Auf bie Ae=
Hamation mürbe biesmal gleich am Telephon
grob geantmortet unb fofort bie ^leifchfenbung
eingeftellt.
■Aßenn folche 3wftänbe möglid) finb, lommt
freilich felbft. ber fo 3 ialhumanfte Atenfd) 3 U bem
ASunfch: biefe Art oon „Keinem Aiann" foll 00 m
Schauplah oerfdjminben, foll 00 m groben Unter*
nehmer meggefegt merben. 2 )ah mein f^oll mcht
oerein 3 elt bafteht, meih ich aus ben ©r 3 äl)lungen
anbrer. ©iner betannten 2 )ame, bie in f^riebenau
mohnt, ging es noch fhlimmer. Als bie X)ame
megen ähnlicher ©rünbe eine 31 eifd)fenbung
monierte, erhielt fie oon ba an nicht nur oon bem
betreffenden $leifd)er teine Hieferung mehr, fon=
bern aud) oon teinem anbern ber gan 3 en Um*
gebung! 3hr Hieferant hatte bafür geforgt, bah
fie unter grünblichen ©optott tarn. X>ie Arme.
muhte täglich nach ©erlin reifen, um oon ba bas
gleifd) 3^ holen.
Auch irt ben ©efhäften ber übrigen Hebens*
mittelbranhen ergeben fid) unleiblihe Atihftänbe,
bie ©rih Hilienthal 3 um gröhten Xeil horatterifiert
hat, mie ber oon ihm ermähnte Unfug, bie ASage*
fhalen 3 U oerfteden (!), bie fdjlehte" ©erpadung
unb bergleihen mehr. 3 h möchte nod) eins er*
mähnen: ben Kampf um bie Quittung, ©s ift
eine gerabe 3 U haarfträubenbe ©orftellung, bah
man entmeber felbft alles einholen foll ober bah
man 00 m X>ienftmäbd)en fid) eine “»Rechnung oor*
legen laffen muh, ohne bie ARöglihteit, fie 3 U
prüfen, iatfähüh oermeigern oiele ©efhäfte ben
Dienftboten bie Quittung. Aßährenb bie £>ame,
menn fie felbft eintauft, niht feiten oon bem 3 u=
fteden bes ©oupons beläftigt mirb, erhält bas
Dienftmäbchen ben geftempelten ©oupon meift
nicht mieber 3 urüd, meber im Kolonialmaren*
gefhäft, noh beim Shlöhter, mo fie Aßurft ein*
holt, noh im ©utter*, ©ier* unb Qbftgefhäft.
©ine abfheulihe Unfitte, ber bas ©ublitum mit
Qppofition begegnen füllte.
£roh biefer Ubelftänbe tann ich in ber Aßaren*
haustechnit teine allgemeine Abhilfe fehen. Die
©raxis bemeift mir ja, bah ih im Aßarenhaus 3 U*
meift niht eintaufen !ann. 3m Aßarenhaus tann
bie gröbere Familie eoentuell ihren ©ebarf beden.
Aur mer grojfe ©orräte holten tann, tann fie fid),
in bem 2 BarenI)aus beftellen unb fenben laffen.
Aßer täglich 1—l 1 /* ©funb gleifh brauht, bem
mirb's aus bem Aßarenhaus nicht gefhidt, menig*
ftens niht in ben ©orort. Aud) ift gerabe ber gan 3
Heine Kaufmann, bei bem man fhnell etmas
©utter, ein paar 3itronen, Qbft unb bergleihen
holt, überhaupt niht 3 u entbehren, ©s muh aud)
beftritten merben, bah bie Qualität bes Aßaren*
hausfleifhes immer tabellos ift. 3 h höbe mieber*
holt aus bem Aßarenhaus Senbungen betommen,
bie ih retournieren muhte unb bie mit ©ntfhulbi*
gung unb ©rfah bes ©etrages auh 3 urüdgenommen
mürben. Das Aßarenhaus tann fid) ber “»Regulation
ber Hebensmittelpretfe hurh ben . 3 entralmartt
nur baburd) ent 3 iehen, bah es gan 3 e Habungen
oftmals minbermertiger Hebensmittel auftauft,
©tan fieht ba niht feiten auf ben Difhert große
©taffen oon ©eflügel liegen, bas in allen färben
fhillert unb bas beim erften .<5d)mtt, mit bem man
es 311 Houfe anfhneibet, entfehühe ©erühe oon
fih gibt. Diefe Datfache barf burhaus'niht unter*
briidt merben, menn man bem ©ublitum bas
Aßarenhaus als alleinigen Ausmeg empfiehlt. Herr
Hilienthal fagt, bah felbft bei Heinftem ©ebarf fih
ber ©intauf im Aßarenhaus günftiger ftelle, ob*
gleich ber ©reis für Hm* unb Aüdfahrt nad) ber
Stabt als Aufid)lag hiusutommt. Aber mo bleibt
ber ©reis für bie burd) biefe '©eifert oergeubete
3eit? Aid)t einmal, menn id) bie Aßare umfonft
betäme (buhftäblih); tönnte ih mih entfhliehen,
fie burd) eine tägliche ©eife'nad) bem Aßarenhaus
perfönlih absuholen. Aud) muh man,, um fid) im
©emühte bes Aßareuhaufes burhßufhieben, oon
fehr gefunben ©Itern fein. 3 m allgemeinen gibt
es faum eine gr 0 hftäbtifhe ©ertehrsform, bie fo
geeignet ift, bie Aeroen 311 erfhöpfert, als bie
ABanberung burd)s Aßarenhaus, mo man ftunben*
lang herumgeht, um einiger ©intäufe millen, mo
bie formen oon ©tillionen Qbfetten fortmähr enb
bas ©ehirn bebrängen, mo man oft oiertetftunben*
lang unb länger an ben entehren Abteilungen
märten muh, ehe man bebient mirb, mährenb eine
unenblihe ©tenfhenmenge raftlos burheinanber
flutet. 3 h meih es aus ber ©raxis, bah es taufenb*
mal angenehmer ift, feine ©eforgungen in ber
groben Houptftrahe bes. ©orortes, in ber fih jo
Höben für alle Aßaren finben, 311 erlebigen, benn
ber ©ang 3 mifhen Haben unb Haben in freier Huft
bebeutef febesmal eine ©rquidung. ©tan tönnte
nun meinen, bah ein Ausmeg barin 3 U fliehen märe,
bah öas grohe Aßarenhaus in allen ©ororten feine
Filialen hätte. Qhne 3 meifei märe bas bie abfolute
©erbrängung bes Keinen Kaufmanns. Aber ih
3 toeifIe fehr, bah biefe Konftellation ein ©orteil
für bas ©ublitum märe. Die Aßarenhäufer, bie
fih heute an Kulan 3 überbieten, meil fie bie
Konturren 3 bes Keinen ©tanncs auspul)alten haben,
mären nun tonturren 3 los, unb mit ihrer Kulans
märe es folgerichtig 3 u ©nbe. Sehr fhuell gäbe es
einen Druft ber oorhanbenen Aßarenhäufer, bie
bem ©ublitum ihre ©ebingungen auf ©nabe unb
llngnabe bittieren mürben unb ähnlid) auftreten
mürben mie bie beiben groben f^Ieifher im ©orort,
bie fih für Holbgötter holten. Der Aßettbemerb
bes Spesialhänblers ift aus einem gefunben
fommer 3 ielIen Heben niht aus 3 ufholten.
3ur Höfung ber Schmierigteiten bes Hebens*
mitteleintaufes fei 311 m Sd)luh auf ben totalen
©iartt hiugemiefen; id) meine ben ©iartt, ber ein*
bis 3 meimal möd)entlid) in jebem ©orort unb in
febem ©iertel abgehalten mirb. Dort tauft man
bas 3 Ieifh, menn man aus 3 umäl)Ien oerfteht, in
guter Qualität unb bebeutenb billiger als beim
Shlöhter. ©in©eifpiel: Kalbfleifd) für „Schnitzel“'
tann man beim Shlöhter meift nur 00 m „rid)=
tigen" Shnihel nehmen 3 U 2,20 ©iart bas ©funb,
ba bei ben Stüden „aus ber Keule" (1,10 ©iart)
immer fo oiel Knohen babei finb, bah man noh
ungünftiger baran ift. Auf bem ©iartt tauft bie
Hausfrau tabellofe Keule 3 U 1 ©iart bas ©funb
— bie ihr Scfmihe! 311 2,20 ©iart oolltommen er*
feht. Unb fo ift bie 3 meimal möhentlihe ©iartt*
manberung tatfählih eine Art Ausmeg aus Haus*
frauennöten. — 3n einer rationellen Höfung biefer
Aötemürbe auh bie meitere©erbreitung groh 3 ügiger
Konfumoereine, bie Hebensmittel aller Art (auh
3leifh) unb oon feber Qualität führen, beitragen.
©ruft Freiherr oon ©Iener: ©rtnnerungert.
Der öfterreid)tf<he Staatsmann unb ©olttHer oerfpriht
in ber Aorrebe bes erften Sanbes feiner „©rinne*
rungen“ nid)t ju oiel, toenn er fagt, bah er fid) an
©oetpes Auffaffung oon ber Aufgabe eines Aiemoiren*
osertes hatten toerbe:, „Den Acenfchen in feinen 3eit*
oerhättniffen bargufteilen unb gu geigen, imoiefern hm
bas ©ange oiiberftrebt, imoiefern es ihn begünftigt, mie
er fid), eine Aßelt* unb Alenfchenanfid)t baraus gebilbet
unb mie er fie mieber nah aufgen abfpiegeti“ 3 n
einem triftalittaren, fnappen Stil, oon ©erföntihem nur
feiten, bann aber immer mit meItmännifh*phiIofophi=
fhem ©eift fpredjenb, ftellt ©rnft Freiherr oon ©lener,
ber in bem 3eitraum oon breifeig fahren (1865—1895)
eine ehren* unb mirtungsreidie ü auf bahn bis gum ©hef
bes öfterreihifheo ^inangminifteriums burdjlief, bie
politifdjen unb fogialen ©reigniffe, fomeit er fie als
Attache ber öfterreid)ifd) eTt ©otfdjaft in ©aris, bann in
Honbon .aus eigner Anfhauung unb Aiitmirtung tennen
lernte, bar. Der folgenbe 23anb mirb feine politifhe
unb parlamentarifhe Dätigteit in ber Heimat felbft
fhilbern. ©leners ftrertg fahlidfer, mit tühlem ©er*
ftanbe gefeilter Stil, hmt^x hem fih bod) auh ein erreg*
bares Temperament nur unoollfommen oerbirgt, Iaht
eine gemiffe Ahnlihteit mit ©ismards Sprahe in ben
„©ebanten unb ©rinnerungen" niht oertennen. Hub
ba in bie Hebensarbeit ©rnft oon ©leners biefelben
Höh^PUoKe oon grober politifher ©ebeutung unb bra*
matifher Spannung fallen — bie beiben großen Kriege
— fo läge ein ©ergleid) ber heiben ©Serie nahe genug,
©r lann hk* mir angeregt: merben, gür Hef er, bie
niht HRloriler unb ©olitiler oort gah fiub, ift befonbers
bie fülle Art ©leners angiehenb, mie er perfönIih=pfpd)o=
Iogifhe Anfihten unb (Befühle in feine Iräftig fort*
fhreitenbe Darftellung ber gefhid)tlid)en ©reigniffe fliht.
3m 3uli 1870 fah er auf einem oon ©nglanb nah
Dftenbe gehenben Schiff oiele junge Deutfhe, bie bes
Krieges megen nah D>eutfhlanb einberufen mürben.
Dagu bemerlt er: „3u ber Aad)t lamen mir bei biefer
Sgene ©ebanlen, mie bas Sd)idfal ber Staaten unb
bie mirllihe ©ntfheibung in ben mihtigften fragen
eigentlih immer in ber H an h nur meniger liegen, unb
mie oon ben ©ntfhlüffen, bem.Temperament, bem ©hr*
gefe biefer menigen bas ©efhid oon Hmtberttaufenben
abhängt, bie oon ber Sähe felbft oft laum eine Kennt*
nis hoben, niemals in bie Hage lommen, ihren ©Sillen
barüber gu äuhern, beren unbeftimmtes ©efühl für ihr
©aterlanb erft burd) ben äuhern 3mang unb bie ©nt*
fheibung oon oben Aid)tung unb 3ühoIt belommt,
beren gange ©sifteng aber oermöge ihrer ftaatlid)en 30 =
gehörigleit mit allen Konfequengen oon ber Altion er*
griffen mtrb.“ Kn.
Ells mid)tigftes ©rforbernis ber ©r3ä©ungs=-
funft tourbe el)ebem angefehen bie ©abe, gut 3U
er3ä©en. „Contez, mais contez bien!“ ©i© es
bet einem ber tünftlerifd)ften ©r3ä©ungsmeifter ber
EBeltliteratur, bei Lafontaine. 3^ ben meiften
großen Literaturlänbern gilt bies nod) t)eute als
unoerbrüd)üd), unb nirgenbs toirb ein (Sr^ät^Ier
t>on ber ftrengften Kritif geringgefd)ä©, ber bie
Vebingung erfüllt, gut 3U er3ä©en. EBas hei© gut
er3ä©en? ©in3ig in Deutfchlanb ift es nötig, biefe
Frage nod) auf3utoerfen unb 3U beantroorten.
Sei uns bat fid) nämKd) im lebten EEtenfdjenalter
in einem Xeile ber Kritit bie feltfame Etnfid)t feft=
gefe©, ein ©r3ä©er, ber gut er3äblen fann, ift
fcbon baburd) ber fünftlerifd)en Eftinbermertigteit
oerbädjtig. EEtan bebente bod) bie fdjeinbare
SelbftoerftänbIid)teit, bie aber roie fo oieles
SelbftoerftänbIid)e immer oon neuem ausge-
fprod)en unb betoiefen merben muh: ber ©r3äbler,
gleidjoiel ob Eioman- ober EtooeIIenbid)ter, mill
bem Lefer roilbfrembe, erfunbene EElenfchen fo
xoertooll erfd)einen laffen, bah man ihnen einen
gan3en ober halben Dag roibmet. Etod) ba3U
EEtenfd)en, oon benen toir bod) roiffen, bah fie nie©
bas Vlut bes toirtlid)en Lebens in ben Bibern
haben, fonbem nur ober fonbern eben bas Vlut ber
Dichtung. Elber ber Dichter toill mich an biefe
feine erfunbenen EJtenfdjen unb ihre Sdjidfale
feffeln, forbert oon mir ein großes Stiid meiner
3eit, alfo meines Lebens, für bie ©ebilbe feiner
©rfinbung; habe id) als Lefer ba nicht bas Eied)t,
oon ihm 3U forbern, bah er feine EJtenfchen unb
ihre Lmnblungen fo feffelnb geftalte, bah fie mich,
um ben fünften Elusbtud 311 gebraud)en, feffeln?
3<h f<hide biefe etroas Iänglid)e ©inleitung
ooraus, toeil es fid) hier toirflidj um eine ©runb-
frage unfrer ©egenmartsliteratur hanbelt. ©in Eiüd-
©id auf ben Vornan in ber EBeltliteratur IeX)rt
uns, bah einsig fo!d)e er3ählenben Did)tungen am
Leben geblieben finb, bie 3toei Haupteigenfdjaften
3eigett: allgemein ntertfd)ltd)en, bebeutfamen, aber
fehr einfad)en Inhalt unb tünftlerifd) geübte
Spannung. Der Vornan ber ©egenroart mag
noch fo l)od) über bem ber Vergangenheit burd)
feinen fd)einbar reid)eren ©ebantenfd)ah ftehen —
finb bie Vorgänge nid)t oon bauernbem EBert
burd) ihre Vienfd)lid©eit, fo lieft fdjon bas näd)fte
©efchled© fie nur mit Langermeile, bas übernächfte
gar nicht. So rüdftänbig es Hingen mag, ba
Spannung heute für einen ber oielen überrounbenen
Stanbpuntte gilt: ohne Spannungsrei3 teine
Dauer felbft für bie nod) fo feinfinnige ©r3äl)lung.
Die etoigen, aus ber Eiatur ber Leferfeele ab-
geleiteten ©efetje aller Iiterarifd)en EBirtung fiegett
3ule© über jeben ERobegefd)mad. ERan toill heute
burd)aus über bie ©ren3en bes Eiomans, ja ber
Kunft überhaupt hinaus; man toill gar nicht ober
bod) nicht bloh er3äl)Ien, fonbern man toill alles
mögliche anbre burd) bie äuhere Form bes Eiomans
ausfprechen: V©lofop©e, ^frjd^ologie, Voliiif,
Volfstoirtfchaft, Eiaturmiffenfd)aft, So3ialpoIitif,
Religion ober Sehnfud)t nad) Religion unb nod)
oieles mehr. Der Elusfprud), ben einft Vifd)er über
bie VrobIembid)ter getan, toirb heute faum be¬
achtet: „Noblem, fd)on bas EBort ift gefährlich
unb be3eid)net, bah hier fein Kunftmert mehr
geplant ift, fonbern eine p©)fioIogifd)-p©Iofop©fd)e
Unterfud)ung. Das ift alles bibaftifd)." — Ver¬
gänglicheres aber als bie bibattifcfje Didjtung,
toenn man hier nod) oon Dichtung fpredjen barf,
gibt es nid)t, unb es ift unbegreiflich, bah öer
jüngere Eiad)mud)s unfrer ©Wähler bies nid)t
erfennen toill. Die ©efd)i<hte aller Literaturen
burd) alle 3eitalter lehrt es fie mit 3toingenber
©etoalt.
EBie überaus feiten finb in Deutfd)Ianb bie
©r3äl)ler guter ©efchid)ten! ERan frage nur ein-
mal bie Herausgeber unfrer Hntert)altungs3eit=
fd)riften: man toirb oon ihnen allen erfahren, bah
fie an nichts fo fehr ERangel leiben roie an ber ©r-
3äf)Iung mit fünftlerifchem Spannungsrei3. Dah
in Deutfchlanb bie ©abe guten ©r3ä©ens fo reid)
ift roie in itgenbeinem Literaturlanbe, lehrt uns
ber flüchtige ttberblid über unfre ©r3ä©ungs-
bichtung. ©ine Sammlung 3um Veifpiel roie bie
48 Vänbe bes allbefannten Hepfefchen Elooellen-
fchahes, bes alten unb bes neuen, follte es jeber
anbern Literatur fd) tu erfüllen, her3uftellen. Ein
Romanen mit EBeltanfchauung, mit immer nod)
mehr EBeltanfchauung, fehlt es uns nicht; rno©
aber fehlen uns bie ©fahler fünftlerifrfjer Se¬
ichten mit unoergehlid)en ERenfd)engeftalten
unb Vegebenheiten. Elad) ©r3ählern biefer Elrt
fhaue id) aus, oon ihrem Vorhanbenfein hängt
bie Dauer unfrer ©r3äl)lungsliteratur über bas
lebenbe ©efd©ed)t hiuaus ab.
Hans oon Hoffensthal erfcheint mir
als einer biefer erfreulid)ett neueren ©r3ä©ungs-
bid)ter. Seine Vooellenfammlung „Hilbegarb
Eiuhs Haus", feine Romane „Helene Laafen" —
„Lori ©raff" (©. gleifdjel © Verlin) enthalten
Hans von Hoffensthal
reid)lid) fo oiel „EBeltanfchauung" toie bie unfrer
Vhilofophen in Eiomanfornt, 3eigen aber eine
fichere ©r3äl)Iungsfunft, eine ©abe ber ERenfd»en-
fd)öpfung, toie id) fie in ben tieffinnigen V©lo*
fophieromatten ber ©egenroart nod) nie gefunben
habe. Did)ter oon biefer feltenen ©attung follte
bie Kritit ermutigen, follte ber Lefer, ber ja in
EBaI)rl)eit toeniger nad) EBeltanfchauung als ttad)
Kunft oerlangt, unterftütjen 311 feinem eignen
Vergnügen unb 3um Heil unfrer er3äl)lenben Lite-
ratur, bercn ©eltung unter ben Völtern in erfter
Eieihe baoon abhängt, toie gut in Deutfchlanb er-
3äl)lt toirb.
3u biefen guten ©r3äl)lern ber ©egenroart
red)tte id) ben Heffen Ellfreb V 0 d , beffen Vomane
unb Eiooellen gleid)falls bei 3'Ieifd)ei in Verlin
erfchietten finb; red)ne id) ©mil © r 11, beffen Eio-
oellenfammlungen „©efprengte betten", „Opfer
ber 3eit", Feuertaufe" aller ©hren mert finb,
toenn fie aud) in ben klugen ber Ltftheten auf jener
tiefen Stufe ftehen, too fpannenb er3ählt toirb.
Von ©rtl erfcheint foeben ein neuer empfehlens-
toerter ©r3ählurtgsbanb (bei L. Staadmann in
Leip3ig): „9tachbentli(hes Vilberbud)". ©rnfte
KL*
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W" -
\t
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93fyot. 3)ü5r!oop
Hanns Heinz Ewers
unb heitere ©efd)id)ten.^Die meiften bieferimitteb
langen Stählungen toirb ber Lefer für lange ober
für immer behalten, toährenb er bie biden Vomane
mit eingebidter VSeltanfchauung gan3 fid)er fpurlos
oergiht.
Hanns Hein3 © to e r s mürbe mir als eine ber
erfreulichften ©rfd)einungen unfrer neuen ©r^
3äi)Iungsliteratur gelten, menn feine Sprache nicht
fo ungepflegt märe, ©r liebt bie Einführungen aus
gar manchen fremben Sprachen, mas id) für red)t
entbehrlich halte; marum begnügt er fid) nicht mit
ber möglichst hohen Elusbilbung feines Deutfd)?
Seine Vorbilber ©bgar Voe, Vierimee, ©onan
Dople — id) behaupte natürlich nicht, bah er il)r
Vadiahmer ift — finb ja nid)t bloh glän3enbe ©r-
3äI)Ier, fonbern 3ugleid) 9Jieifter ihrer Vtofa ge=
mefen. Vlühenbe ©rfinbungsgabe ift alles ^reifes
mert; ihren oollen ©Ian3 aber geminnt fie hoch
erft burd) bie ftunftfaffung abliger Spradje. Hanns
Hein3 ©mers meih aufregenb 3U er3ählen; feine
3toei Vänbe „Seltfame ©efd)id)ten": Die Ve=
feffenert unb Das ©rauen (©eorg Viüller in
Vtünchen) finb gute, 3um Deil fehr gute ©rufel=
gefd)id)ten, bereu meifte nicht gerabe oor bem
3ubettgel)en gelefen merben follten. 9toch größere
Straffheit, oor allem aber peinlichere Sorgfalt
in ber Sprad)form — unb aus biefem begabten ©e=
fd)id)tener3ähler lönnte ein bleibenber ©T3ählungs=
fünftler merben.
*
3<h barf bei manchen Lefern bie Kenntnis
meiner Eluffaffung oon ber Etotmenbigteit einer
möglich ft reinen Sprache für unfre Kunftprofa
oorausfehen. 3© leibe gerabe3u barunter, bah
unter je sehn nid)t bid)terifd)en beutf^en Vrofa=
büd)ern minbeftens neun, nteift alle 3el)n, in ber
traurig betannten F^enibmörtlermunbart oerfaht
finb. 9JUt um fo gröberer F^eube meife ich bie
gemib fel)t 3a©reichen Lefer, bie über bie beutfdje
Spradjfrage gleich ober äljnlid) mie i© beuten, auf
ein inhaltlich mertoolles Vud) in reiner beutfcher
Sprad)e ©u: auf bie „Deutfche ©ef<hi<hte" oon
© i n h a r t (Dietrid)fd)e Verlagshanblung in Leip-
3ig). 3© teile nid)t burd)toeg bie gefd)id)tlid)en
unb politifd)en Eluffaffungen bes Verfaffers, ber
fid) ©nter bem Eiamen ©inl)art oerbirgt; aber
barauf tommt in biefem Falle nid)t oiel an, benn
ein inhaltlich bebeutfantes, 3ugleid) fprad)reines
beutfd)es Vud) ift eine fo unerhörte Seltenheit,
bah iaj es felbft bann rühmenb anseigen mürbe,
menn es oon meinem größten fad)lid)en obe£ per=
fönlid)en ©egner herrührfe. Eluf nur 416 Seiten
mirb bie gart3e beutfd)e ©efchid)te fo bargeftellt,
bah öer Lefer einen tlaren Hberblid über ben
EBerbegattg bes beutfd)en Voltes geminnt, unb
menn bas felbftoerftänblid) nidht 3U erreichen mar
burd) eine Vollftänbigteit bes EEiittelbebeutenben,
gefd)meige Unbebeutenben, menn 3um Veifpiel
bie meiften branbenburgifdjen Kurfürften gan3
unermähnt bleiben, fo mirb hoch alles EBefentlidje
begreifbar unb behaltbar bargeftellt. Dies auf
einem fo oerhältnismäßig tleinen Eiaum fertig^
gebracht 3U haben, ift eine tünftlerifd)e Leiftung,
bie hoher Elnerfennung mert ift. Die ©efinnung
bes Verfaffers ermeift fid) aus feiner Darftellung
bes neun3ehnten 3a©'hunberts unb ber ©egen-
mart; fie ift bie ©inlöfung bes in ber Vorrebe ge¬
gebenen Verfprechens: „EBer meint, man bürfe
oon Herrfd)ern nur reben, menn man fie preifen
mill, befinbet fid) im oerhängnisoollften 3rrtum.
EBa©heit muh fein 3toifd)en Fürften unb Volt —
bas entfprid)t ber beutfdjen Eluffaffung 00m Dreu=
oerhältnis 3toifd)en beiben; bas oerlangt in gleicher
EBeife bas EBo© ber ©efamtheit mie bas bes
Herrfd)erhaufes unb bie ©inrid)tung bes Kaifer-
tums felbft."
*
3um Schluh natürlid) — ©oethe, aber 3unt
©lüd faft nichts über ihn, faft alles oon il)m. Eted)t
betannt gemorben ift bie Elusgabe bes „Fauft" oon
©eorg EB i 11 0 m s t i (EWax Heffe in Leip3ig),
ein hanblid)er, billiger Vanb, ber alles enthält —
natürlich aud) ben Hrfauft —, mas ber Lefer oer¬
langt, ber fid) eingehenber mit ©oethes Fauft
befaffen mill. Kein überflüffiges Elustramen
blohen Vüchermiffens, forgfame Elusmahl bes
Etotmenbigen unb Förberlid)en, alles beruhenb
auf einer fid)eren Veherrfd)ung bes gemaltigen
Stoffes, ©tmas Elhnlid)es liegt uns in ber „©olbe-
neu Klaffiferbibliothet'' bes Verlagshaufes Vong
in Verlin oor, einer neuen Vearbeitung ber be¬
rühmten Heiupelfd)en Klaffiterausgaben. „©oethes
Fauft in fämtlidjen Faffungen, mit ben Vruch-
ftüden unb ©ntmürfen bes Etachlaffes" gibt Karl
Eilt mit einer nid© 3U langen, gut belehrenben
©inleitung unb mit anertennensmert tur3en Ein-
mertungen heraus. Der hübfd)e Vanb oerbient
1911. 9tr. 29
771
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7 )ie .yCuftur
der r C/eqenwart
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bie freunblidffte ©mpfehlung an fiefer, bie ihren
gauft I)alb ausmenbig miffen, nun aber bas 2Bid)=
tigfte beffen erfahren rnollen, toas bte bergehohe
fiiteratur über ben gauft antoirfltd) VHffensmertem
3ufammengeftatrt hat.
©ute Nusmahlen aus ©oethes Vriefmed)feln
finb in ben lebten gahren gar ntand)e erftienen
unb t)aben ficb) raft eingebürgert. gm Verlage
oon ©eorg Vonbi in Verlin gibt Nitarb 9 N e t) e r
in brei prächtig ausgeftatteten Ouartbänben ein
Santmelmerf heraus: „©oethe unb feine greunbe
int Vriefmed)fer, bas eine roirtlidje Vereiterung
unfrer fo reichen ©oetheliteratur barftellt. Der
©ebanfe lag fo nal)e, aber bas NätftHegenbe
roirb ja oft am längften überfehen: mit3uteüen,
toas bie (Empfänger oon ©oethes Vriefen ihm
geantroortet haben. Nitarb Vtepers Nusmahl
ift bis auf eine befremblid)e fiüde oortrefflit:
bie Vriefe aus Sefenheim an Sahjmann mußten
unbebingt oollftänbig gegeben roerben. grieberile
Vrion hat in ©oethes menftlid)em unb bitte*
riftern fiebert eine Nolle gefpielt, bte in einem
VSerte roie biefent bie Vollftänbigleit ber fie be=
treffenben Vriefe unerlählid) forbert.
©infprut ift 3U ergeben gegen Nlepers ein*
leitenbe VSorte 3U ber Nusmal)l aus ©oethes
Vriefen an grau oon Stein, ©r behauptet oon
it)r, fie tnüffe getoefen fein „eine Vertörperung
oon oorneI)mer Nuhe unb fiterer Harmonie,
bemühter Selbftbet)errfd)ung unb ftiller $errft=
gemalt. Sie muß bie ©abe bes Hörens, bes Ver*
ftehens, bes ©infüt)Iens im hödjften ©rabe be*
feffen haben“. gci) behaupte, bah es hierfür teinen
roiffenftaftliten Vetoeis gibt, toenn man als
fo!d)en nid)t gelten laffen rnill bie Ieibenftaftlid)en
Vriefe eines leibenftaftlid) oerliebten Cannes.
Duhenbe oon Vriefen ber Stein bemeifen, baf3
fie .bie ©abe bes Verftel)ens unb bes ©infühlens
ber Did)tung gegenüber toertiger befeffen t)at als
bie meiftett bebeutfanten grauen in ©oethes
fieben. ©ine grau, bie 3unt Veifpiel in ©gmonts
5 Uärd)en nur bie Dirne gefehen — toas ©oethe
iljr aus Nom mit oerhaltener Vitterteit anftreid)t —,
l)at gan3 gemih oon berrt D i 11 e r ©oethe nid)t
oiel getourt. ©buarb ©ngel
Sesundfieit$pffege
gm Verfolg unfrer Nbfidft, einmal über bie
oielgefürd)tete Vlinbbarmoperation einige auf*
tlärenbe VSinte 3tt geben, müffett mir 3unäd)ft
bie grage auftoerfett, ob überhaupt bie Niöglid)*
teit befteljt, baß eine oeritable Vlinbbarment3ün=
bung aut ohne Operation unb ol)ne bleibenbett
Schaben für ben fieibenben oollftänbig unb befi=
nitio auf bem ÜBege ber Selbftilfe ber Natur
ausheilen tann? Diefe grage ift 311 befaßen, mentt
and) mit bem 3 ufah, bah eine folte rabifale Nus*
Teilung feiten ift. Sie bürfte bie 3 al)I oon 3el)n
auf f)unbert aller ©rtrantungsfälle fauttt erreid)ett.
Daran tnüpft fit bie grage: toas toirb aus ben
anberrt nid)t operierten gällen, fomeit fie nid)t
töblid) oerlaufett burt bett ©intritt ber ftroeren
golgen eines Durtbruts bes ©iterljerbes aus
bem engen Vlinbbarmfortfah in bie freie Vaut 1
I)öl)le? Darauf mu^ bie Nntmort lauten: nad)
bem glüdliten Überfielen einer erftmaligen filttacfe
bemalten etma ad)t3ig Vt03ent ber gälle eine
d)ronifd)e ©nt3ünbung bes Nppenbir (VHnbbarm*
fortfah), bie 3U mel)r ober meniger häufigen Nüd*
fällen erneuter ©nt3ünbungsattaden führt. gn
jebem foltenNüdfall beftetjt, erljeblit abgeminbert
3toar, aber bod) mit ooller Vebrol)ung bes fiebens,
oon neuem bie ©efatjr bes Durtbruts in bie
Vaud)l)öt)le mit all ihren 5Xonfequen3en. Solt
ein firanter trägt in fid) bauernb bie Niöglid)teit,
burd) irgenbeine ©rf)öf)ung bes Druds im fieibe,
bei einem Stoh ober gall, beim ftarten ^reffen
ober irjuften,. burt eine Verbauuitgsftörung, eine
©rtältung, einen ©r3eh ober eine Nnftrengung in
fiebensgefahr 311 geraten. Die übrigen 3ehn $ro*
3ent betreffen biejenigen unoperierten gälte, bei
melten in gan3 fur3er 3eit, oft ehe bas fieiben
überhaupt ertennbar ift, ber gefürttete Durd)=
brut fit plötjlit einftellt, ohne bah eine oorher*
gel)enbe Vlinbbarment3ünbung objettio ober fub*
fettio bemertbar gemefen ift. ^llfo 3ef)n ^Pro3ent
oöllige Spontanheilung, 3el)n ^ro3ent oon oorn*
herein töblit oerlaufenbe gälle unb ad)t3ig Vro*
3ent folter ©rtranfungen, bie d)ronifd) merben —
bas ift eine natürlid) 3um Verftänbnis für fiaien
ftart abgerunbete Statiftit ber nitt operierten
gälle.
SJtaten mir eine ©egenretnung ber operierten
gälle auf, fo mürbe fie lauten müffen: 3et)n V*o=
3ent gälle finb oerloren, meil eine Operation
immer 3U fpät tommt ober menigftens ein gan3
anbres fieiben 3U befämpfen t)öd: nämlid) bie
atute eitrige Vautfeltent3iinbung, bie and) aus
anbernUrfaten(Durd)bruteinesVtagengeftroürs,
eines ©iterherbes in ber ©allenblafe, in ben Viutter*
trompeten, in ben ©ierftöden unb fo meiter) ent=
flehen tann, unb eine Veurteilung für fit, als
bie Vetämpfung eines gan3 anbern fieibens, als
ein goIge3uftanb fehr oerftiebenartiger ^3ro3effe,
erforbert. Nehmen mir einmal an, alle übrigen
neun3ig Vro3ent mürben operatio behanbelt, fo
fteht heut3utage feft, bah nid)t mehr als brei bis
oier V*c>3ent aller operierten Vlinbbarmfälle ins=
gefamt troh ber Operation 3um Deil burd) fie unb
an ihren golgen 3ugrunbe gehen. Diefe Statiftit
fpritt eine berebte Sprate: fie forbert bringenb
bie Operation. Denn felbft bie 3el)n Vw3ent
einer glüdliten s Jtaturf)eilung in ben Vorbergrunb
gerüdt, fo behaltbn nod) att3tg $ro3ent nitt
Operierter, aber nitt ftnell Dal)ingeraffter 3eit
ihres fiebens eine t r °nifte, überaus 3U 9?e3ibioen
geneigte 5 trantl)eit, bie jeben Vugenblid bebrol)lit
merben tann. 2 Bo alfo mit Siterheit eine VIinb=
barmentsünbung feftgeftellt merben tann, fitert
allein bie Operation mit einer Sterblitteit oon nur
brei bis oier V*03ent (hod)gegriffen!) bas fieben.
So ftänbe bie grage tlipp unb tlar: bie VIinb=
barment3ünbung ift ein rabital unb ficfjer nur
burd) ben Operateur 3U befeitigenbes fieiben.
Vur einen ein3igen £aten hat btefe Vetnung.
3m fiaufe oon mehr als 3man3ig galten d)irurgi=
fter Dätigteit I)at fit mir bie Über3eugung auf=
gebrängt, bah ber tod)merpuntt ber gan3en grage
bie rittige Diagnofe ift. Vei ber Ungeheuern Ver=
antmortung, bie bei biefer Satlage ben be-
hanbelnben ?lr3t belaftet, bei ber epibemiftcn
gurd)t oor biefer itrantl)eit, bie bie filr^te nitt
meniger ergriffen hat als bas ^ublitum, ift beiher*
feits eine gemiffe Sfteroofität er3eugt morbert, bie,
glaube id), bie itlärung ber Satlage fel)r erfttoert
hat. gd) tenne aus meiner ‘ifSraris eine nid)t tleine
9 ?eihe oon gällen, mo it, 3ur Operation gerufen,
biefelbe ablehnen muhte, meil es fit gar nitt um
Vlinbbarment3ünbung hanbelte, fonbern um eine
anbre ©rtranfung in ber 9 Rähe bes Vlinbbarmes,
©nt3ünbungen in ber unb um bie ©ebärmutter unb
ihrer Anhänge, 5 totftauungen mit gieber, Darm*
manbent3ünbungen, ©ntsünbungen oerlagerter
©allenblafen, Vierenfteine, Drüfenent3ünbungen
im fieibe, ja einmal fogar Neuralgien in ben Vaut=
beden, ©efd)mülfte unb fo meiter haben gelegent*
lit ßux faiften Diagnofe: VIinbbarment3ünbung
geführt, unb ber Verlauf hat ben grrtum ber
Diagnofe bestätigt. Da3U ftimmt gut bie oon ©e=
beimrat Orth mitgeteilte Datfad)e, bah fieb3ehn
s firo3ent aller ihm sur Diagnofe iiberfanbten her*
ausgefd)nittenen Vlinbbärme abfolut gefunb maren.
3 t ftehe nid)t an, 3U ertlären, bah es gälle gibt,
berert rittige Diagnofe 3U ben ftmerften Aufgaben
unfers Verufes gehört, unb glaube, bah bie gel)! 5
biagnofen häufiger finb, als man im allgemeinen
annimmt. V 3 o aber bie Diagnofe feftfteht, unb
in ber Vielzahl ber gälle ift fie in ber Dat leitt
311 ftellen, ba tann, glaube ich, nitt früh genug
bie fegensreite Dätigteit bes Operateurs in Nn*
fprut genommen merben.
gm allgemeinen ift es gemih ein gröberes
5 \un[tftüd, jemanb ohne Operation 3ur ©enefung
3U führen als mit einer fold)en; ©er aber, bei ber
Vlinbbarmertt3ünbung, ift biefe ©enefung burt
Naturl)ilfe eine burd)aus problematifd)e, fie Iftfet
ein buntles grage3eiten über bem 3utünftigen ©e=
ftjd bes fteinbar ©eheilten beftehen. Der fiaie
möge fit alfo mit ber Datfad)e in etmas beruhigen:
nod) lange nitt jeber Sd)mer3 in ber red)ten
Seite ber Unterbautgegenb ift Vlinbbarmftmer3;
ift bie 51 ranfl)eit aber fiter fonftatierbar, fo ge=
mährt bie Operation bie ©hance ber ©enefung
oon fiebenunbneun3ig 3U brei.
Vrofeffor Dr. © a r l fiubmig Streit
1 -—---,
a
dKunstgewerße
u
2 Bas tönnte begehrensmerter fein als ein
©arten am ©infamilienl)aus! gnbeffen aut ber
VSert foltes Vefihes entfdjeibet fid) an ber ©r=
tenntnis feines fpe3ififten VSefens. Die hat,
mas ben ©arten betrifft, Vntmort 3U geben auf
bie grage: ift er nur bes Nnftauens megen ober
ift er 3ur Venutgmg ba? 2 Bir mollen's überlegen. —
VSenn bes ©artens Nbmeffungen nur auf einen
fd)malen Streifen an ber Vorberfront fit be=
ftränten, mirb nitts anbres übrigbleiben, als
eine optifd)e gllufion 3U3uIaffen; bot muh tnan
miffen, bah folt Vergnügen ber klugen eigentlit
nicht ©arten genannt merben barf. Der nur
Moderne Gartenbank. Entwurf von Prof. Läuger
bem Sttnud bienenbe Vorgarten ift beftenfalls
ein oegetabiles Ornament im arcf)iteftoniften
Komplex ber gaffabe, ift eine ©irlanbe in ^er*
manen3. SBo© tann man feine fiuft haben
an folt blühenber Nahmung, an folt Hebens*
mürbigem Vuftatt ber greunblid)feit unb ©aft*
freil)eit bes Kaufes; inbeffen ein ©arten ift nod)
etmas anbres. gm ©arten foll man mohnen
fönnen, man foll ihn als eine ©rmeiterung unb
räumlite Nusgeftaltung bes Kaufes empfinben
unb oermerten. VSie man heute ben öfferttlid)en
s fßart nitt mehr als eine ©Ziehung 311m Spa3ieren=
gehen angelegt fehen möd)te, oielmehr oerlangt,
auf feinen Nafenfläd)en lagern unb fpielen 311
bürfen, fo mill man, bah Her £ausgarten bie
gunftionen ber gi^naier unb 51 orribore, ber Säle
unb Kabinette auf eine befonbers angenehme SBeife
erfülle. Da3U ift notmenbig, bah er ben Vorüber*
gel)enben um ein meniges entriidt merbe; es ift
3toar fehr nett, ben ^affantert bie Strafje 3U be*
frän3en, aber mittiger bleibt, bah Her ©arten
feinem Vefitjer einen bequemen, farbenfrohen
unb büftereid)en greiluftaufenthalt gemährt.
So ift es benn geftattet, oom Vtobiliar bes
©artens 311 fpred)en; unb es ift gerett, 311 oer*
langen, bah aut biefes äRobiliar ben 3med unb
bie VSirtung bes Naumes förbere. Vor einiger
3eit, als bie ©rtenntnis ben ©arten not nitt
als VSohnung, fonbern als einen betoratioen
Ster3, als einen amüfanten ilberfluh begriff,
erlaubten fit aut Hie ©artenmöbel allerlei Nänte
unb Spähe. Dem gebred)felten Deppitbeet
unb ben fit in Nrabesten ftlängelnben, aber
taum benuhbaren iliesmegen maren bie aus
Virtenftämmen 3ufammengenagelten Difte unb
Vänfe ebenbürtige ©efellen. ©s mar fo fcf)ön
romantifd), auf rittigen, meihberinbeten Neifern
fihen 3U tönnen, man fühlte fid) fo poetifd) an*
gehaud)t. (Nud) menn einem nachher bie ftnoten
meh taten.) Unb beinahe nod) oornel)mer mar es,
eine fiaube aus tnattrigem 5UtüppeIhol3 fein
eigen unb „Villa Nübe3ahl" 3U nennen. (Der
Stimmung megert unb meil's fo füh ausfah, fe©e
man oor bie Dür ein paar 3toc^9lein mit meihem
Vart unb roter Nafe.) Solte 51 uriofa muhten
ausquartiert merben in bem Nugenblid, ba man
eben erfannte, bah Her ©arten nid)t nur ein Spah=
mad)er unb eine närrifte Dänbelei, oielmehr ein
rebliter Diener an ber ©efunbheit unb ber VSohn*
fultur 311 fein haHe. geht gab es leinen 3*öeifel
772
1911. 9ir. 29
L
C/)ie K (/(üftm' der< C/eqeiimav
meßr, baß aud) in ben ©arten, in ben grünen
©aum, nur Dinge gehörten, bie erftens rooßnlid)
unb benutzbar, toirtlid) 3toedmäßig unb äußerft
bequem, 3um anbern ard)itettonifd)t gebänbigt
toaren. ©un entpuppte fid) einem bieJDorßeit,
mit totem ©erät bem natürlid)en ©Sacßstunt
Stonfurren3 bieten 3U roollen. © 3 ie albern toar
es bod) getoefen, oon ber ©irtenbant unb ber
Slnüppelßolslaube eine fosufagen natürliche ©Sir*
fung 3U erwarten; bas ©egenteil trat ein, bie ab*
gehauene, gefcßnittene unb genagelte ©atur toar
hoppelt tot. Die ©irfenbänte ftanben toie gab
oanifierte Deid)name. Unb umgetehrt: bie bem
3toed, bem Material unb ber ftonftruttion ge*
horfame ©Übung, bas bem ©tenfcßen ergebene
©tenfd)entoerf, steigert gerabe burd) ben Slontraft
bes ©bftraften 3um Debenbigen bie ©egetabiütät,
bie tnofpenbe unb blüßenbe ©etoeglid)teit bes
©artens. ©ine aus regelmäßig abgemeffenen,
Iogifd) gefügten unb im ©hptßmus georbneten
Datten fortftruierte ©anf macht bie ©Silltür bes
©lattgeriefels, bas © 3 eßen ber 3tf>ei9C unb bas
3ittern ber ©lumen 3toiefad) finnlicß unb un*
nad)ahmlid). 3ugleid) aber betont bie ftrenge
Gartenlaube. Entwurf von J. V. Cissarz
©töbelform bes ©erätes ben ©haratter ber ©flan=
3ung als geroollte unb erfd)affenc ©Soßnftätte.
©s greifen ©er, ooie überall, 3^eale unb ©ot*
roenbigteiten ineinanber. ©Ser erft einmal ben
©arten als ©rroeiterung bes Kaufes oerfteßen
lernte, bem toirb es unmöglid) fein, einen rontanti*
fd)en Slabaoer in bas ©ereid) ber gehobenen Debens*
freube 311 feßen; ebenfotoenig toirb jemanb, ber
bas ©lenfdßlicße, bas §i)gienifd)e unb ©rcßitet*
tonifd)e einer mobernen ©artenbanf anfd)auenb
empfanb, ben ©arten 3U einem ^anoptitum,
einer blinben ©epräfentaüon ober einer ge*
tiinftelten ©Silbnis begrabieren tonnen. ©in
Anlage in einem Hamburger Privatgarten
nach Jakob Ochs
Alte Parkbank um 1830 in Frankfurt am Main
eßrlid)es, in Sad)lid)teit fd)önes ©artenmöbel
forbert ben ©aunt, bas oon §eden umgren3te
3 immer, bie grüne ©Sanb. Der ©bptßmus bes
©artenmöbels er3toingt bie rhpthmifcße Sd)ön*
heit im freien ©Sad)stum. Dabei ift teinesioegs
nottoenbig, baß bas ©artenmöbel 00m neutralen,
iüßlen ©Seiß umtleibet fei; es tann gan3 gut ein
toeniges basu helfen, ben farbigen ©inbruä aud)
pofitio 3U mehren. ©tan tarnt eine ©anf, mit
hellem, ftrahlenbem ©elb geftrid)en, feßr gut in
eine Umrahmung oon grünem ©ebüfd) ober
roten ©lüten ftellen; man tann aud) lichtes ©lau
gegen bie weiße Sjaustoanb bisponieren ober 3um
9tt3ent in einem ©eoiert oon roten ober bronsenen
Dönen machen. 3u meiben finb inbes alle fdßmußi*
gen unb erbigen färben. Denn alles, was ben
©aum bes ©artens bauen unb rßt)thmifd) gliebern
hilft, foll ber Srreube bienen.
Robert ©reu er
©utomobilßänbler, ©eparaturanftalten, ©en3in=
unb £)llieferanten, ©afttoirte mit großen ©aragen
unb ©utomobilbefißer einfd)ließlid) ber 3U Sohlen
l)erange3ogenen ©ertoanbten unb ©etannten, biefe
alle toill id) ausnehmen, oon bem übrigen Deil
ber ©tenfd)ßeit behaupte id) jebod), baß ißm ber
©eri3intoagen unfi)mpathifd) ift. 3e uad) ber
©haratteroeranlagung äußert fid) bas natürlid)
fel)r oerfd)ieben, oon ber füll im £>er3en oerborgenen
Abneigung bis 3U ben ©usbrüd)en hellet ©Sut, bie
bei fd)Ied)t%3ogenen ©tenfcßen fid) in Steinwürfen
unb anbern ©änfen gegen bas mißliebige Sraßr*
3eug Duft macht. ©Soßer all ber ©roll? Das
©uto iftjein Deil ber Stultur ber ©egentoart. Daran
tann tein §aß mehr ettoas ättbem. Die fort*
fd)reitenben tecßnifchen ©erbefferungen haben feine
©etriebsficßerßeit außerorbentlid) erhöht. Die
©Sagen finb im mafd)inellen Deil bebeutenb oer*
einfad)t toorben. 5 tlar unb überfid)tlid) liegt ein
moberner ©ier3plinbermotor oor uns. ©lies ift
Ieid)t 3ugänglid), bie ©tagnetapparate unb 3ünb*
fer3en oerfagen faft nie mehr ihren Dienft. Die
©ergafer, beren ©ufgabe es ift, bem ©totor ©en3in=
bampf im rid)tigen ©erhältnis mit Duft gemifd)t
3U3ufül)ren, arbeiten jahraus, jahrein, ohne baß
eine ©tenfcßenßanb baran 3U rühren braucht. Die
fo feßr gefürchteten ^Sneumatitbefette finb 3toar
immer nod) möglich, aber bod) wefentlicß ein*
gefchräntt burd) ©erbefferungen in ber ©ummi*
reifenfabritation. ©ußerbem toirb ihnen ber
Sd)reden unb bas Unangenehme burd) oer*
fcßiebene moberne Hilfsmittel genommen. graft
an jeber Drofcßte feßen toir neben bem grüßrerfiß
bas „Stepneqrab", ein mit einem ^neumatif fix
unb fertig be3ogenes Hilfsrab, bas in einigen
©tinuteu neben einem befetten ©ab angefd)raubt
toerben tann, fo baß es nicht mehr nötig ift, auf ber
Danbftraße 311 fliden. Die mobernen Duricum*
toagen haben ftatt beffen abnehmbare ©äber. Hier
toirb ein „fünftes ©ab am ©Sagen" ftänbig mit*
geführt, es tann jeber3eit gegen eines ber anbern
oier ausgetoechfelt toerben. Dem gleid)en 3 tD ed
bienen bie fogenannten abnehmbaren grelgen.
©ei ihnen fißt ber ©ummi nid)t unmittelbar feft
auf bem ©ab, fonbern auf einem eifernen ©eifert,
ber fogenannten grelge, bie auf bas ©ab leidjt
aufgelegt unb toieber abgenommen toerben tann.
©ird) in biefem gralle ift mit einem Defett nur ein
gan3 iur3er ©ufentßalt oerbunben. Die oielen un*
angenehmen 3 vo ißcßenfälle, bie früher burd) un*
oolltommene ftonftruttionen entftanben unb burch
un3toedmäßigen ©au fich immer nur mit fel)r
großer ©tüße unb großen Untoften beheben ließen,
fie finb 3U 90 ©ro3ent toeggefallen, unb baburd)
ift bas fahren felbft 311 90 ^ßro3ent angenehmer
getoorben.
©ud) ber Daie, bet nur ein tlein toenig tecßni*
fcßes ©erftänbnis hat, tann jeßt ohne ©ßauffeur
einen größeren Dourentoagen fahren. Seibft*
oerftänblich geht bamit eine toefentlid)c ©er*
billigung Hanb in Hanb. Die mobernen fogenannten
fleinen ©Sagen tönnen bei fparfamer ©Sirtfdjaft
mit einem jährlidjen ©uftoanb oon 1000 bis
1500 ©iart, je ttad) ©enußung, betrieben toerben,
ja, es gibt 5al)ter, bie nod) mit toefentlid) ge*
ringeren ©eträgen ausfommen, fo baß es heute
oöllig falftf) ift, bas ©utofahren fdjlechthin als
©orbeI)altsgut ber ©Ilerreichften an3ufehen. ©ine
Sonntagspartie über ettoa 200 51 ilometer mit
oier ©erfonen oerurfad)t im tleinen fed)spferbigen
©uto ettoa 20 ©iart ©etriebstoften, toobei ©ert3in,
Öloerbraud) unb ©ummioerfd)Ieiß eittgeredhuet
finb. Das mad)t pro ©erfon 5 ©lart.
©Senn man über biefe 3 a hterc na^bentt, fo
toirb man es begreifen, baß gegentoärtig alle
©utomobilfabriten außerorbentlid) befd)äftigt finb,
toirb man es oerfteßen, toenn id) behaupte, baß in
ben näcßften 3ah^e^ ^as ©uto in nod) ungleid)
ftärterem ©laße bie Danbftraße beoöltern toirb,
als es heute fd)on ber gall ift. Der toohlhabenbe
©ürger toirb nicht 3U feinem Scßaben fiel) ber
fonntäglid)en ©artie mit Hüfe ber ©ifenbaßn all*
mählid) enttoöhnen unb ftatt beffen im ©uto bie
Danbfcßaft bur^faßren. So hat man fogar in
untoegfamem ©elänbe ©affagen für ©utomobile
gebaut, une fie unfer ©ilb seigt.
©Soßer ftainmt nun aber bie eingangs ertoäßnte
©ntipatßie? 3 ^ei Dinge halte id) für oorneßmlid)
fd)ulb: J)as rüdfid)tslos fd)nelle 5'aßren auf be=
lebten Straßen unb bie Staubauftoirbelung ber
© 3 agen. Das Dentpo, in bem mancher ©ßauffeur
unb Herceufaßrer Heinere Dörfer unb Drtfd)aften
burcßraft, tann nid)t anbers als friool be3eidmet
toerben. ©s tommt gar nicht barauf an, ob bie
©aßrt frei erf^eint ober nicßt. 3 t0 if c ß^ n
rooßnten Häufern foll unb muß bas Dempo
gemäßigt toerben. gür bie 3aßlreid)en ©0*
beitstaten gegen ©utontobile finb nicßt in leßter
Dinie bie rüdficßtslofen Scßnellfaßrer oerant*
toortlid). Da3U tommt bie Staubauftoirbelung.
Sie 3U befeitigen ift toeit fd)toieriger. ©erfönlid)
habe id) erprobt, baß bis 311 einer ©efd)toinbigteit
oon ettoa 20 SUlometern bei normalen Straßen
feine beläftigenbe Staubentroidlung auftritt, bas
ift jebod) eine ©efd)toinbigteit, bie man einem
©utomobil auf offener Danbftraße nid)t sumuten
tann. Scßon bei 30 Kilometer, eine immer nod)
befcßeibene ©efcßtoirtbigfeit, tritt bie Staub*
auftoirbelung je nacß ©auart bes ©Sagens be*
Iäftigenb auf.
©ttoas tann mau nun, toie gejagt, bie Staub*
auftoirbelung burd) bie ©auart bes ©Sagens oer*
minbern. 3c tiefer er gebaut ift, je meßr ber burd)
bie fcßnelle Sdßd er3eugte Duftftrom burd) ein3elne
Deiie, Slotflügel, Scßußbled)e unb fo toeiter, auf
bie ©rbe abgelenft toirb unb je bicßter alle biefe
Deüe über bem ©rbboben liegen, befto meßr Staub,
©ine grünblid)e ©efeitigung ber Staubplage tann
ber ©utofonftrufteur jebod) nicßt er3ielen. Diefe
©ufgabe fällt oielmeßr bem Straßenbau*
ingenieur 3U.
Unb er toirb fie löfen, hat fie aud) fd)on gelöft.
Da man bas ©uftoirbeln oon totaub fd)Ied)ter*
bings nicßt oerßinbern tann, fo bleibt füglidß nid)ts
anbres übrig, als bie Staubbilbung felbft möglicßft
3U unterbinben. Das befanntefte unb feit alters
ßer angetoanbte ©tittel ift bie ©efd)toerung bes
Staubes mit Hüfe oon ©Saffer, bas Sprengen.
Diefes ©erfahren ift jebod) toenig nacßßaltenb,
namentlich auf freien Straßen, too Sonne unb
©Sinb binnen trn^em bas ©Saffer toieber oer*
bunften. ©effer finb fcßon fylüffigteiten, bie
toeniger leicßt oerbunften. Htc^u gehören bie Öle,
oon benen natürüiß) nur bie billigeren Sorten,
Deeröle unb bergleidjen, in Srage tommen.
oielen ©egenben ßat man bamit red)t 3ufrieben*
ftellenbe ©rgebniffe er3ielt. ©in anbres ©tittel be*
fteßt barin, auf bie Straße Stoffe auf3ubringen,
bie bas ©Saffer entgegen ben ©Sirfungen oon
Sonne unb ©Sinb feftßalten, ja, bie fogar imftanbe
finb, umgeteßrt ber Duft bie in ißr in D0Tt
©Safferbampf enthaltene geudßtigfeit 3U ent3ießen.
Das finb bie fogenannten ßpgroftopifcßen Sal3e,
bie in ©eftalt oon ©braumfal3en 3U erfcßtoingIid)en
IMI
ie. L A ultur der, Ueqenmar\
Stoffen. ©igentlid) muft man fagen „bas 3 ä d *
cf) e n“. Kaum baß es ber gade oon einftmals
ähnlich fiel)t, bie fteif ausgearbeitet, aus oielen
teilen beftehenb, ftraff — je ftraffer, je beffer! —
anlag. (Sine berartige gade aus goularb I)er=
3uftellen, ift allerbings ein Kunftftüd, fie in ber
heutigen gorm ausjuarbeiten, ift ein Vergnügen.
Deilweife gefallen fid) biefe leisten Seibern
jädd)en in einem ©rab oon Originalität, mit bem
fid) nid)t jeber befreunben tann. Da gibt es
tod)öf3d)en, bie mitten auf bem bilden beginnen
unb taum bis 3m £üfte Verabreichen, aud) fiften
auf bem Vüden grofte Schleifen ober Knopfreihen,
bie „bie Daille“ martieren, bie Veoers finb weid),
oft feljr groft unb ftets in einer oom ©rurtb*
material abftechenben garbe gehalten, sticht nur
fie finb ein Stüd oom gncropable grad, nein,
aud) ber Sd)walbenfd)wan3 taud)t auf, halb taum
hanbbreit, halb faft bis 3um Vodfaum hetab*
reid)enb, bas richtige ^3enbant 3um gefd)lit)ten Vod.
gm 5lusgeftalten ber Veoers oerausgabt
fid) bie Vhantafie gerabe3u. gmmer toieber neue
gormen, anbre Vefaftmittel. ©roft ift bie 3af)l
ber Variationen, bie burd) bie oerfdjieben ge*
ftellten Streifen ber petinierten Seiben er3ielt
roerben, bie Iper eine grofte Volle fpielen, unb
3toar mit gleid) gliidlichem (Erfolg auf hellen toie
buntein einfarbigen Kleibern. • 3um 5Iusfd)Iagen
bient weiter weifter Vtoire, 51tlas, Vips unb enblid)
Vatine. Unb weil feine rauhe Dertur unb ber
ftumpfe ©lan3, bie ©lätte ber 51tlas* unb Selben*
fergetoftüme in fo luftigem Kontraft 3ueinanber
ft eben, fpannt bie 9Vobe gerabe biefe beiben in
ein god). Derartige Vcalicen bilben ben ©runbsug
ihres SBefens.
5111 biefe Rädchen nun finb ein Vichts an ©e*
wid)t — abgefehen oon ber Vleieinlage, mit ber
ber untere Vanb ausgiebig befd)wert wirb —
unb fpielen hoch eine gar gewichtige Volle, benn
troft bes tompletten Kleibes, bas, aus Seibern,
2BoIl= ober Vaumwollftoffen gearbeitet, 3um
unentbehrlichen ©egenftanbe würbe, macht fiel)
noch immer eine grofte Sd)eu bemertbar, fid)
auf ber Strafte „in ber Daille“ 3U 3eigen, fo baft,
obwohl ber Sommer oor ber Dür fteht, bie gade
genannt werben muft. (Eines aber haben wir un=
bebingt gewonnen, gut gewachfene grauen brauchen
fid) nid)t mehr einer Viobe 3U unterwerfen, bie
fpe3iell in Varis 3ur Dpramtei geworben war,
ber fich alle grauen, herab bis 3ur tleinen „Viibi*
nette“ mit ihrer fabenfd)einigen ©Iegan3, untere
warfen. 9Jiit feltener Solibarität trug man felbft
in ben £unbstagen eine gade. Diefe Vtobe war
wirtlich eine Dorfteit! ©ine oiel gröftere Dorfteit
als manche anbre Vtobe, über bie — fpe3iell bei
uns — fo oerfhmenberifch 5Borte unb Dinte
flieften, währenb man fid) in Varis taum barum §ätelarbeit.
tümmert. S d) I a n t unb eitel bürfen wir alfo fich fowohl
wieber, ohne oom „nieberfchmetternben“ Ve* nieren oon
wufttfein gequält 3U werben, „unfehider“ 3U fein Vtänteln ui
als bie ärmfte „Vtibinette“, ohne 3 ade auf 3umVorbie:
bie Strafte gehen; nid)t fd)lant unb eitel, tenunbifte
werben wir unoerfeftens, gan3 3ufäIIig, Kleiber bare §anbc
mit 3 a d e n wählen ober tleine capudjon* förbernb, e
artige Umhänge ober Vtäntel. Der £a
Der Snant e 1 ift nunmehr ein unentbeftr* Sinne bes
lidjes Doilettenrequifit geworben, eine neue Steuer, wirb äugen
unter ber wir feuf3en. 5Bas follte uns aber bas mannigfad)<
tomplette Kleib, wenn wir teinen SJtantel hätten, bung 3U fn
es an tühlen Dagen 311 oeroollftänbigen ? Die bie £>anbar
f <h w a r 3 e Seibenjade, bie gebaut ift, wert. Sic
biefen 3*oed 3U erfüllen, tann ben EVantel nicht wirtlichen ^
gan3 erfeften, benn wir finb 3U tritifch geworben, burd) mafd
um biefem „Vaffepartout“, wenn es gilt, mit er* genb 3U et
habener ©elaffenheit unb Sicherheit bas ge* Koftenpuntl
wid)tige SBort „Sd)id“ aus3ufprehen, eine bomi* 9Vafd)inenf;
nierenbe Volle ein3urüumen. Die fd)war3e Seibern folge ihrer
jade nimmt fid) fehr gut aus 3u allen Doiletten, worben. Vc
beren ©runbmaterial S ch w a r 3 enthält ober Spiften fini
g a n 3 weift ift, fonft hat fie fo bas gewiffe fogar am £
„5IIte*Damen*©twas“ an fich- Kapotthutbeigabe. fid) fpe3iell
„itelp mich nicht an bie 9Vobe.“ £äteleten b<
gebenfalls brachte uns biefe fd)on lange nicht ©ürtelfcftnü
fo hübfdje gaden aus fd)war3em 9Jtoire, 51tlas, ©ine aus
Ottomanfeibe ober Du<h mit Kurbelftiderei unb antique'
ben unoermeiblichen Knopflinien, wie in biefer Vegre.n3unc
Saifon. Die Vtobe forgt aud) weiter für ältere ga3etunita c
Damen unb nid)t gute giguren burch bie gän3lid) naeftbemme
futterlos gearbeiteten ©taminemäntel, trug, tann
bie, fch«mr3 gehalten, aud) 3U bunten, einfarbigen auf bem 3Ji
Kleibern getragen, fehr elegant ausfehen, neben* mantel, auf
bei prattifd) unb nid)t toftfpielig finb. 5Iud) fhirm, ben
gaden werben gän3lid) futterlos aus ©tamine gehen 3U u
fowie Stiderei hergeftellt; in erfterem gall in
ber Vegel oon Seibenblenben, in leftterem oon
Vatiftblenben eingefaftt. ©s wirb 3U biefem
3toed Sd)wei3erftiderei oerarbeitet, angefangen
oon ber billigten Qualität bis hinauf 3ur feinften
Stiderei auf 23atift, bis 3ur banbgearbeiteten
Vtabeiraftiderei.
Vatift* unb Vtabeiraftiderei haben fd)on lange
leine fo grofte Vogue erlebt wie in biefem 3al)r,
unb 3war oor allem 3U ©arnitursweden. Qb
f<hwar3, ob weift, ob aus Seibe, ob aus Vaum*
wolle, jebes Kleib, jebe gade fefteint plöftlid) ge=
eignet, um mit Vatiftftiderei garniert 3U werben.
5luf ben gaden finben 3Vanfd)etten unb Kragen —
bie meift 3m Vtatrofenform neigen — 'sßlaft, auf
ben Daillen fichuartige 5lrrangements, auf ben
Vöden Volants — faft flad) gehalten, taum ein
Volant unb bod) ein Volant, fd)eint es, als wollte
er fich langfam, biplomatifd) einfd)Ieid)en. §öd)ft
originell ift in biefer Vid)tung bie 3ufammen)tel=
lung oon fd)war3em Vtlas unb ©hiffon mit breiten,
weiften, geftidten Vatiftoolants. Der Vtlas bilbet
bas Untertleib, ber ©hiffon bas Hbertleib, bas in
origineller VSeife mit ben breiten Volants, man
möchte faft fagen „brapiert" wirb, benn für ein
gerabliniges, ortl)obores Vuffeften ber Volants
hat bie Vtobe, ba, wo es fich bie elegante
ginrmertoilette hanbelt — unb nur um biefe
hanbelt es fid), wo oon berartig aparten Kombi*
nationen, grellen garben, erotifd)en Stoffen unb
anberm mehr bie Vebe ift —
wenig Veigung. Diefe Klei*
ber finb teilweife 3U äufterfter ■
Schienenbrücke für Automobile in Südkalifornien
greifen 3U haben finb. 51u<h bamit hat man 3um
Veifpiel in Vafel gute ©rfahrungen gemacht.
Vod) beffer ift es aber, wenn man bas Übel tiefer
an ber 2Bur3el padt unb fich nicht barauf befdjräntt,
ben oorhanbenen Staub 3U binben, fonbern bie
Staubbilbung überhaupt 3U oerringern. Die
Vutos felbft finb in ber Ve3iehung bant ihrer
©ummibereifung bie unfd)ulbigften ©efährte.
Vferbe unb fhtoere guhrwerte tragen hauptfäd)*
lieh ba3u bei, mit §ufen unb Väbern ben Stein*
belag ber Straften 3U 3ermal)len. Deshalb finb
auch fonft fehr gut unterhaltene Straften, wie
3um Veifpiel bie berühmte Vergftrafte in ber Väl)e
ber Steinbriid)e oon Doffenheim, wo ftarter
fd)werer Vertehr herrfd)t, bid mit mehligem Staub
bebedt. Diefes 3etntal)Ien ber Steine tann nun
einmal burch forgfältige 5IuswaI)l bes Sdjotter*
materials eingefd)räntt werben, ge 3äher biefes,
befto beffer. Dann tann es oerminbert werben,
wenn man bie Steine „fd)miert“. SBenn man
eine 3äl)e, weiche Viaffe ba3wif«henbringt, fo baft
fie fich nicht hart aneinanber reiben, hierfür
eignet fich nad) ben bisherigen ©rfahrungen gan3
befonbers Deer. 51m 3wedmäftigften werben bie
Sd)otterfteine, beoor man fie oerwenbet, erl)iftt
unb mit Deer übergoffen, fo baft jeber ein3elne
Stein mit einer Deerfd)idjt umhüllt ift. Vtan
fpricht bann oon Deermatabam. Vei Veubefd)otte=
rung oon Straften ift biefes Verfahren wohl bas
befte unb bauerl)aftefte. 51uf fertigen Straften
behilft man fich rool)l aud) bamit, ben Deer auf
bie Strafte auf3ugieften unb mit Vürften nad)
Vtöglid)teit ein3ureiben.
©rfreulid) ift es {ebenfalls, baft bie Straften*
baufrage jeftt in ben beteiligten gad)treifen fehr
lebhaft behanbelt wirb, baft allerorts Verfucfte
gemacht werben, baft auf internationalen Straften*
bautongreffen, wie ooriges gaftr in Vrüffel, bie
Votwenbigteit einer burd)greifenben Veformierung
bes Straftenbaues anertannt unb ginger3eige
bafür gegeben worben finb. Sehr erfreulid) unb
oieloerfpred)enb finb babei bie geftftellungen, baft
Deermatabamftraften weit länger halten unb
weniger Veparaturen erforbern wie gewöhnliche
Straften, fo baft alfo höd)ftwahrfd)einlid) aus
SP6ot. ÜJtanuef, SPartä
Modernes Jäckdienkosttim
Moderne Automobilpassage
beut oerbefferten Straftenbau mehr Koften, wenn
man ^erftellung unb Unterhaltung 3ufammen=
red)net, ben Straftenbaupflid)tigen nicht erwadhfen
03erben. S. bartmann
(J7*fb d e J
5Vas oor einigen gahren als ber ©ipfel ber Korn*
pli3iertheit erfdpen, faft eine Unmöglid)teit, ift heute
gang unb gäbe: bie gade aus goularb
ober anbern leichten, mitunter gar transparenten
3n fCßwinbelnber §öhe
(ö) pie ßtmfe ©
Über
Die Sdjreibmafdjtrte in bcr Uhr
Stmerifanifdhe Sprißenlofomotioe
Keffel mitgeführte SBaffermenge !ann io, falls bcr 3 ug in ©ranb .
gerät ober Heinere 2BaIbbränbe ben (Erprefj überragen, fofort
3 ur 23etämpfung bes geuers oerroenbet werben.
Die Schreibmaschine in der Uhr
Der tleinften Sd^reibmafcEjine ber SBelt hat ihr ftonftruf*
teur bie $orm einer Uhr gegeben. Sie fann bequem in ber
SBeftentafdje getragen werben. Die §anbl)abung gefd)iebt burd)
ben im oberen 9?inge befinblichen 5 tnopf.
Schwimmende Burgen einst und jetzt
Die Gmglänber tonnen einen fehr intereffanten Vergleich
3 iehen. 9lls einer ber mertwürbigften Überreste aus oer*
gangenen 3 e tten wirb in (Snglanb noch immer bas ruhm¬
reiche glaggfcßiff iRelfons erhalten. 23or turgem ift bas hiftorifche
Schiff fogar oon feinen Nachfahren, ben mobernen Dreab-
noughts, burd) Kanonenfchüffe falutiert worben — eine S 3 ene,
bie gewiß oon überwältigenbem (Sinbrucf gewefen ift.
Nelfons nod) heute erhaltenes
immenbe 23urgen einft unb jeßt Norberbect bes neueften englifchen Äriegsfcßiffes „Hercules“
Kraft und Schönheit
finb burcf)au§ abhängig oon reinen Säften, frifchem SSlut,
einer geregelten Verbauung unb guten Heroen. 9ßo aber bie
Säfte oerborben finb, bie Verbauung fehlest, ber SHppetit
mangelhaft ift unb neroöfe 93efcf)werben aller 2lrt jtdjein*
fteüen, ba ift e§ mit ber Slnwenbung rein äußerlicher Mittel
nicht getan. Da tann man einen burdfgreifenben ©rfolg
nur erjielen, wenn man auf ben Organismus oon innen
heraus mit einer 33erjüngungS* unb 2luffrif<hungSfur ein*
jumirfen oerfucht.
Sine folche Kur ift bie 93iomal3*Kur.
Die gefamte SSerbauungStätigfeit erhält eine mächtige 9In*
regung unb görberung, 93 lut* unb Säfteftocfungen werben be*
hoben, angefammelte Schlacfen nach unb nach entfernt. Der
Neroenfubftanj wirb jubem burch Piomalj ein leicht affimilier*
barer Neroennäßrftoff ^ugeführt, ber bie Neroen erfrtfd)t unb
belebt unb äußeren ©mbrücten gegenüber weniger empfinb*
lidh macht.
9?a«h bem Verbrauch einiger Dofen wirb bie SBirfung beS
SSiomaljgenuffeS auch äußerlich fießtbar. Schlaffe, weife ober
eefige 3üge oerJCßwinben, bie ©efichtSfarbe wirb frifcher unb
rofiger, ber Deint reiner, baS fiaar erhält ben alten ©lang
unb neue Anregung gum 2öa<h§fum. $8ei mageren, in ber ©mäßrung heruntergefom* I
menen perfonen macht fich eine Hebung beS 2lppetitS, beS ©ewichtS unb eine |
mäßige Dtunbung ber formen bemertbar, ohne baß
überflüffiger ftettanfaß bie Schönheit ber formen be*
einträchtigt.
«Ulan hat SBiomalj fon^entrierteS Sonnenlicht in Südjfen
genannt. Unb in SBahrßeit: @S wohnt biefem eblen SOlals*
probuft eine bem Sonnenlicht oergleichbare
= Heghafte perjüngende Kraft =
inne, bie nicht nur Neroöfen jugute fommt, fonbern allen,
bie burch Kranfheit, überanftrengenbeS Arbeiten ufw. herunter*
gefommen, blutarm ober bleichfucfjtig finb, unter PerbauungS«
befCßwerben, Sungenfranfheiten ufw. leiben, g-ür 2ßöd)nerinnen
unb ftiHenbe grauen ift eS ebenfo unentbehrlich wie für
altembe fßerfonen. Kinber, namentlich blaffe unb folche, bie
ben Slnftrengungen in ber Schule nicht gewadhfen finb, nehmen
aSiomalj mit oorjüglichem ©rfolg 3ur Stärfung fowie jur
SSeförberung beS KnochenwachStumS.
SSiomalj ift in Dofen ä 1 9Jtf. unb 1.90 9Nf. (in Defterreich*
Ungarn 1.30 unb 2.50 Kr.) in Slpothefen unb Drogenßanb*
lungen erhältlich- 9Jtanche Sßieberoerfäufer empfehlen auS
eigennüßigen äRotioen etwas anbereS als „angeblich ebenfo*
gut". 9Jtan weife ©rfaß* v 4
Präparate u.Na<hahmungen WJ m wn I PW
energifd) jurücf. profpeft unb Koftprobe toften* I V |l)||||||/
loS oon ©ebr. Patermann, griebenau=93erlin 109. Jll
ln schwindelnder Böhe
Selbft bie gegen jebes normale SCßwinbelgefühl gewiß längft
abgebrühten amerifanifchen Sauarbeiter, bie ba auf bem
fdhmalen ©ifengeftänge eines werbenben SBolfenfraßers ihre
grühftücfspaufe halten, wagen nicht, über biefer foloffalen
$öhe bie Seine forglos baumeln 3 U Iaffen. So forglos fie
auch bem Photographen erfeßeinen wollen — biefe „fchöne Nus*
fidht" genießen auch fie nicht ohne ^ärtlirfje Umtlammerungen
bes Nachbars ober ber fießer oernieteten eifernen halfen.
Die Spritzcniokomotioe
Die „Pennfploaitia Nail=Noab (Eompanp" hat fiotomotioen
gebaut, bie gleichseitig eine Dampffpriße barftellen. Die im
WW
wmm'
1911. 9lr. 29
Über £anb unb 00teer
779
Schach (Bearbeitet von 6. Scballopp)
Partie Hr. 14
9Iu§ uttferm Sforrefponbenjturnter
Oefpielt non Anfang 2Jlai 1908 bt§ @nbe Januar i9io.
Unregelmässige Eröffnung
Söelfi: D. SBegemunb, ©erlin.
5*roarj: ©3. ©ergmann, ®rabau bet Sülfelb (§olftetn).
2Bet&
@*roavj
ÜBetg
@*roat8
1. f2—f4
d7—d6
28. Tfl—gl
Se3—g4
2. c2—C4
e7—e6
29. Sc3—e4
Db6—C6 8 )
3. Sgl—f3
Sg8—f6
30. Sf3—d2
Sg4—e6
4. e2—e3
C7—C6
31. Del—C3
Le6—de
6. Ddl—c2>)
Sb8—C6
32. Se4—f2
a6—a5! 7)
6. a2—a3
a7—a6
33. Sf2—g4
a6xb4
7. Sbi—c3
d5xc4
34. a3xb4
Dc6—d6
8. Lf 1XC4
b7—b5
36. Tel—dl
Kgs—h8ü s )
9. Lc4—e2
Lc8—b7
36. Sg4—e3
Se6—d3
10. 0—0
Ta8—c8
37. Tgl—fl
Dd6—e6
ll. b2—b3
Lf8—e7
88. Dc3xe5
Sd3xe6
12. Lei—b2
0—0
39. Se3xd6
Td9xd6
13. Sc3—dl
Sc6-a6»)
40. Sd2—e4
Tdöxdl
14. Sdl—f2
Lb7—dö
41. Le2xdl
Le7xb4
16. Lb2xf6
g7xf6!
42. Tflxfö?
c4—c«
16. Tai —bl
f6—fö s )
43. Ldl—C2
Se6-g4
17. d2—d3
C6—c4
44 Tf6-f3
Tcs—a8
18. d3Xc4
b5xe4
46. Se4xc3 9 )
Lb4xc3
19. b3—b4
Sae—b7
46. g2-g3
Lc3—d4
20. e3—e4
f6xe4
47. L.C2—b3
Sg4—e3
21. Sf2xe4
f7—f6
48. h2—h4
Ta8-b8
22. Kgl—hl
Dd8—b6
49. Lb3—e6
Ld4—c6
23. Se4— c3
Tf8—d8
60. Khi—h2
Tb8—b6
24. f4—f6 ? *)
Sb7—d6
61. Lee—d7
Tb6—b2f
26. f6xe6
Ld5xe6
.62. Kh2—h3
h7 —h6
26. Tbl—el 5 )
Sd6—f6
63. Ld7—e8
Tb2—bl
27. Dc2—Cl
Sf5—e3
64. Tf3—fä
Tbl—hlf
SDlartitt ©reif, ber am 1. 2tpril, 72 $al)re alt,
perftorbene berühmte Sqrifer
66. Tf2—h2 Thl-gl
66. Th2—d2 Se3—fi
67. Td2—d3 Lc6—e3
68. Td3xe3 Sfixe3
69. Kh3-h2 Tgl—al
60. Le8xh5 Tal—a2f
61. Kh2—h3 Ta2—a3
62. Lh6—f3 Kh8—g7
63. Kh3—h2 Se3-f6
64. Kh2—g2 Kg7-f6
66. h4—h6 Kf6—g6
SBetb gtbt bte Partie auf.
£>ie SInmerfungen ftnb oom fjütjrer ber f*roarjen Steine.
*) $te§ erfebetnt nerfrüljt, ba es ju 6. a2—a3 jrotngt, unb <S*roat 3
»orteitbaft ju a7—a6 unb b7—b6 fommt.
2 ) SBeib rotü ben @*roerpunft na* bem Königsflügel oerlegen,
finbet aber rel*li* ©ef*äftigung auf bem $amenflügel unb in ber
anttte.
3 ) §ter fam b5—b4 17. Le2—c4 b4xa3 tn fjrage, roaS rooijl für
2Bei& beffer tft als 17. a3—a4 c5—c4.
4 ) 24. Tbl—dl oerbiente ben ©orjug, ba eS Sb7—de oerljtnberte.
s ) 9Ja*bem Söeiß feine 2lbfi*t, bte f*roarjen ©auern ju oeretn*
&eln, erfotgret* bur*gefül)rt, gebt er glet* aufs ffianje. ®er 3«S
26 . Tbl—ei tft fetjr ftarf unb führt ju groben ©erroteftungen.
6 ) $ier fürdjtet Sdnuarj Des ©egnerS SEücfe unb gebt ben ©er*
roidlungen aus bem ©3ege. 9tt*tig mar fe— fö 30. Sf3—g5ü foxe4
31. Le2xg4 Le6xg4 32. Teixe4 Le7xg6 33. Dcixg6f Db6—g6 34. Te4
xg4 Dgßxgö 35. Tg4xg5f Kgs—h8 36. Tgl—cl c4—c3 ufro., ober
33. Te4xg4 Db6-f6 34. Tg4xg6f KgS—h8 36. Tgl—fl Df6-d4 36. Tg6
—fö C4—C3 37. Del—h6 Dd4—g7 38. Dh6— f4 Td8—g8 39. Df4— f2 C3— C2
40. Tfi—ci Tg8—d8 unb gerotnnt.
7 ) ©tetet bte einjtge 3J)öglt*tett, ben ©teltungSoorteil feftjutjatten
unb auSsunufcen.
8 ) ©effer als fofort Dd6xb4. $er Sg4 muff nad) es, metf @*roarj
bte Freigabe beS ©unfieS c3 bo* ergrotngt unb ber ffretbauer nament*
It* bet 9 f tt*iabtauf* ber Figuren febr gefährd* tolrb. 3luf 36. Dde
xb4 rotrb f6 burd) Sprtngerf*a* genommen, ber König muß alfo
bo* na* h8. So aber mu& ber erjroungene Surmjug folgen, unb
muß fpäter ber £urm auf fß f*lag?n, ber bann mit Sempooerluft
jurüefgejagt rotrb. deshalb hätte SBetfi biefen Bfo tm 42. 3uge lieber
ni*t nehmen follen.
9 ) 3-tgurenoerluft tft nt*t ju oermetben. (Sntroeber geht ber Säufer
ober ber Springer Drauf.
Die Uihrationsmassage des Cromtnelfells gegen
■ Schwerhörigkeit, -
Ohrensausen und Ohrenleiden
uerfdfiebener 2lrt ift fadfmännifdfen Greifen burd) bie 3rorfd)ungen nam*
hafter ®elef)rten längft al§ ein au§gezeirf)nete§ unb wtrffame§ föeiloer*
fahren befannt geworben. SDRit ber öanb ift natürlich bem Trommelfell
nirfjt burdj Sliaffage wirffatn beijufommen. 9ftan ift be§l)alb auf bie
Tedjnif unb 9Jied)anif, auf Apparate angeroiefen. Ta§ Problem eineä ein=
facfyen, baljer nidjt ju foftfpieligen, foliben, §mecfmä^igen $Bibrator§ jur
kftaffage be§ inneren Dfjrei ift je^t gelöft burd) ben Apparat „Hudtto“
ber $irma @mil 8oeft in Tmberftabt. ©§ Eönnen bantit gleichzeitig
beibe Dl>ren ober aud) nur eine§ beffanbelt toerben, aud) Iaht er fiep
burd) einen einfachen .Spanb griff auf ba§ fleinfte geroünfdfte iTJap oon
33ibration§ftär!e einfteüen, wirft aber aud) roieberum bei ©tarfftellung
red)t fräftig. ^ebeninftrumente ober hoppelte Apparate für bie oer-
fdpebenen ©ebraud)§zwede finb unnötig.
3Bie mancher glaubt fid) h»TT n ung§lo§ leibenb, weil ihm bie mo=
bernen roiffenfähaftlidjen gortfehritte in ber Dhrenbet)anblung unbefannt
finb. Pflicht febe§ einzelnen ift beshalb, fiel) mit ben neueften (Srvungen
fdjaften unb ben roirffamften ®ehanblungen oertraut zu machen, womit
e§ gelingt, aud) noch in oeralteten unb oerzweifelten füllen ba§ Seiben
wirffant zu befämpfen. ßah^eiihe 2lnerfenuung§fdhreiben oon Patienten
beriditen über ftaunen§werte ©rfotge, weld)e burd) bie Sehanblung mit
biefem Apparat bisher erzielt worben, unb bieten neben ben ©tüpfele
lungen oon Autoritäten eine beachtenswerte ©ewähr für bie heroorragen=
ben Seiftungen be§ „Hudito^.
®ie gerichtlich eingetragene f^irrna 6 tnil CoeTt, Spejial-Jnftitut
in DuderTtadt 46 am Ffarj, oerfenbet auf Söunfch eine ausführliche
58rofchüre mit SSetehrungen u. 93ehanblung§oorfd)riften für ©ehörleibenbe.
©ie haben nur nötig, bie $8rofcf)üre über „Hudito“ (DeutTcb.Reicbs-pat.)
ZU oerlangen, fo wirb Shuen biefe oollftänbig foftenfrei zugefanbt.
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Hautausschläge aller Art,
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Ausschläge sowie gegen Kupfernase, Frostbeulen, Schweißfüße, Kopf- und Bartschuppen.
Berger’s Theerseife enthält 40 Prozent Holztheer und unterscheidet sich
wesentlich von allen übrigen Theerseifen des Handels. Bei hartnäckigen Hautleiden
verwendet man auch die sehr wirksame
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Über £artb unb 9tteer
1911. 5Rr. 29
Sladjbrud aus bem 3nl)alt bicier 3ettfd)rift tctrb ttrafrccfjtlicf) perfolgt. »erantroortIid)er «Rebatteur: Dr. «Rubolf »resber in »erltn. 3n Oe|terret*=Hngarn für bte «Rebattton unb Verausgabe oerantoorth^: «Robert: ffllofir in Wien I.
©ruc! unb »erlag ber ©euticfien »erlaqs=Anitalt in Stuttgart, «Bapicr uon bcr Vapicrfabrif Saladj in Saladj (Württemberg). »riefe unb Senbungen, bte ben rebaftwnellen Snfjalt btefer 3eitfd)nTt betreffen, nur an bte ©eutfdje »erlags=An|talt,
Siebaftton, »erlin SW, Äöniggräfcer Strafe 99 (ohne »erfonenangabe) erbeten.
Gegen
üblen
, jClilorodont“ per=
nicktet alle §äulnt§=
erreget im Wunbe unb
Stuifdien ben 3äbnen
unb bleicht mififarbene
nHniwMUHiiwiii m *>»im ßäljne blenbettb weiß,
§errlid) erfrifdjenb im ©efdimaef. Qu Tuben,
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offne bem ©cbmet* ju febaben. Verrfidb erfrtfcßenb im ©efef
Wochen auäretdjenb, Tube t Wf„ »robetube so »fg. »ei ©inlenbung 20 »fg.
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Kann dieser Mann
Ihr Lebensschichsal
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Reich und arm, hoch und niedrig, alle suchen
seinen Rat in Geschäfts- und in Heiratsangele¬
genheiten, über Freunde und Feinde, bei Ver¬
änderungen, Spekulationen, Liebesangelegen-
heiten, Reisen und allen Ereignissen im Leben.
Viele sagen, er habe ihr Leben mit
bewunderungswürdiger
Genauigkeit enthüllt.
Schrift-Beurteilungen werden für nur kurze Zeit allen
Lesern von „Über Land und Meer“ gratis zugesandt.
§at ficb bet mqfttfcße ©dfleier, welcher bte
Wiffenfdjaft ber Alten gebetmniäooll enthüllte,
enbttcb gehoben? Sonnte lotrflicb ein fo ooU=
fommenes ©pftem aufgeftellt toerben. bas mit
riemlicber ©enauigteit ben ©tjarafter unb bie
Veranlagung eines jeben Wenfcben enthüllt uttb
fein Leben fo in Umriffen frisiert, baß e§ ihm
möglich toirb, Qrrtümer su oermeiben unb auS
fid) btetenben ©eiegenbeiten Vorteil su sieben?
Sflojrot), ber fieß feit jmangtg fahren in
bie Wpfterien ber geheimen Wiffenfcßaften per*
tieft unb bie oerfd)tebenen Wetßoben, baS
LeoenSfdbicffal porberjufagen, ftubtert bat,
feßeint aUe feine Vorgänger an «Ruhm ju über*
flügeln. ©ein ©tubterrimmer ift mit Vrtefen auS
allen Weltteilen förmlich überfebüttet; fte säbfen
bte Wohltaten auf, beren man auf ©runb fetneS
«Rates teilhaftig geworben. Viele feiner Klienten
feben auf ihn als einen mit befonberen Straften
auSgeftatteten Wann; feine »efebeibenbeit aber
läßt ihn lagen, bas Vollbringen fo tnerftoürbiger
Säten fei tebiglid) auf baS ihm eigene »er=
ftänbntS ber «Raturgefe^e jurüdsufüßren.
@r ift non leutfeligen ©efüblen für bie Wenfdibett erfüllt, unb bie «Art unb Weife feines
Umganges unb Auftretens machen fogleid) ben ©tnbruef eines WanneS, berattf richtig an
feitt Wert glaubt, ©rofte ©töße ©attfeSbriefe oon Leuten, bie feinen «Rat elngebott
haben, legen neben anberen über-,eugenben »etoeifen BeugniS non fernen jJatflgteiten
ab. ©elbft Aftrologen unb Wabrfager räumen ein, bah fein ©pftem alles bislang
®° r ©1rebmürbig e e rt ®?tftUd)e ®. ©. $. ©aßfart Ph. D., »rebiger an ber e»angeUf*=
lutherifcßen ©t.=»aulS=Kirdie, fagt tn einem »riefe an »rof. «Rosron: „®te flnb ftcherltcß
ber größte ©pejialift unb Weiftet tn Sßrem »erufe. Seber ber Sie fonfultter ro rb
über bte ©enauigteit Qßrer tn ben Lebensprognofen entmicteiten Kenntnis ber Wenfdjen
unb Tinge, ioroie Qt)re§ States fiaunett. ©etbft ber ©fepnfcßfie wirb, nach bem er
einmal mit ahnen torrefponbtert bat. Sie rnieber unb toieber um «Jtat angeben.
Wenn Sie auS IRorropS freigebigem Anerbieten Vorteil jteben unb eine toften=
tofe Lefeprobe erbatten looUett, fo fenben ©ie Tag, Wonat
rin, nebft Angabe, ob öerr, ffrrau ober Qraulem, fotote auch etne Abfdjrtft beS fotgenben
VerfeS tn Qhrer eigenen $anbfd)rtft:
habe oon Qßrer ©abe gehört,
am »uct)e beS ©cbtdfalS ?u leien,
Unb möchte non Qtmen hören ben SRat,
®en ©ie mir haben ju geben.
©eben ©ie «Ramen, ©eburtSbatum unb Abreffe genau unb tn beutlidier Vanbfdjrtft an.
©enben @te abren mit 20 «Vfg. frantterten »rief an fRosrot) Dept. 578D, No. 177a.
Kensington High Street, London, W., England, ©ie mögen nach »eüeben auch f>o »fg.
in »riefmarten ab re ' 3 Sanbes mitfenben für »ortoauslagen, ©djreibgebubr uftP.
©enben ©ie jebod) im »riefe tetne ©elbmünjcn._
einer 30 jährigen ©rfal^rung
i)abe xd) für 9)Mnner, fVi'ß uen U11 b
Stüber einen Apparat erfuttben,
ruetd)er 93rud) unfehlbar heilt.
|dj fcitk iljit auf Irolic
2Benn (Sie aHe§ mögliche probiert
haben, fommen Sie ju mir. 2Ba§ anberen
mihtingt, ba habe ich ben größten (Srfolg.
Senben Sie nod) heute beiltegcnben St b*
fchnitt, fo fdjicfe td) ^h nen poftfrei mein
iltuftrierteö 33ud) über S3rud) unb feine
©enefung, au§ meldjem Sie meinen
Apparat unb tarnen oteler Ißerfonen
erfehett tonnen, roeldje benfelben oerfucht
haben unb mir unenbtich bantbar finb.
D.R.G.M.
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{ßrofp.fenb. Ferd.Dannemann, Leipzig 6.
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Tlofetftitble, Öefetifrfjc,
perfteflb. Äeitfiffeu.
Rieh. Maune,
Dresden - Löbtau.
©atalog gratis.
geßrattd)öfctftg, pikant
(L ©. Sroof§, roelcher feit mehr al§
30^ahrenl8rudb heilt. gaüSSie anförud)
leiben, fd)teiben Sie ihm noch heute.
hilft fofort, roenn alle anberen
äftittel perfagen. SBergeffen Sie nicht,
baß td) weber Salben, noch §arnifd),
noch Sügen anmenbe.
fertige e§ nad) Shrem S)taß an unb
fenbe e§ ^t)nen unter urtbebingter ®a*
rantie ju, baß e§ ah netl flcfäHt, ober gebe
Sh«en ba§ ®elb juritef, u.td) habe meinen
«4$rei§ fo niebrig gefteltt, baß jebermann,
reidb ober arm, ba§ 2RitteI taufen fann.
Söh fenbe e§ and) auf ißrobe, um ju
jeigen, baß td) bte 3Bal)rhett fpred)e. Sie
tonnen felbft urteilen, unb wenn Sie ein»
mal mein illuftrierteS »uch gefeßen unb
gelefen haben,toerbenSie ebettfo begeiftert
baoon fein wie bie Saufenbe meiner l)5a»
tienten, beren »riefe in meinem »ureau
etngefeßen werben tonnen, füllen Sie
baßer untenftehenben gretfoupon au§
unb fenben Sie ißn no^ heute ab.
©iati§=3nfonnatiimSfom)an.
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Kingsway, London, W. C., England.
Senben Sie mir bitte in unbebrueftem
Stouoert^1)^ illuftrierteS »ueß unb au§=
füßrlidje «duSfunft über $ßren Slpparat
jur Teilung beS »rud)§.
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Welthaus, gegründet 1893.
ftünftler an ber SBenbe einer
neuen 3eit. 3)as anbred)enbe ijr fclS»
Quattrocento I)at jene tinblid)e
©l)rfurd)t oor ber religiöfen Ma- '4^Ss*l
terei, oon ber bas Drecento nod)
ganj erfüllt toar, mit einem f .lnf|
immer gemalüger baberbraufen-
ben Af)i)tbmus meltlid)er ©e-
banten unb tlaffifdjer Schönheit KJ n]V|
fortgefd)memmt. Mas mir mit
Aenaiffance be3eid)nen, ift jene I^hKm|U|J
tünftlerifdje Eroberung ber fid)t=
baren Melt, bie im 3ufammen= ® s I
bang mit beut Humanismus aud) ''•■M
bem fird)lid)en fieben mit feiner ..
meltlid)en Macht eine Aid)tung
gab, abmegs oon jenem füllen
MpftHismus, ber oon ben ftircben *
unb ftlöftern bes Mittelalters -
aus bas Soltstümlid)e im ©bri-
ftentum ftärter als je betonte.
2Bie fid) nun biefe neue ßeit ber gelehrten SBelt-
mannsfud)t ber 5ürd)e, mit ber bas Mäsenaten-
tum ber ^äpfte im engften 3ufammenl)ang ftel)t,
unb ber fid) ausbreitenben ^radjt unb Ämtftliebe
ber Stäbte unb dürften leife bem meltabgemanbten
Malermönd) gra Angelico antünbigt, ift eines
ber intereffanteften Kapitel ber 5Umftgefd)id)te.
©inem Mebici oerbanft ber Krater feinen erften
großen Auftrag, Unb berfelbe ©ofimo be' Mebici
oeranlafcte ben ^apft (Eugen IV., bajj bem auf-
ftrebenben Drben ber Dominitaner, bie erft tür3-
Iid) einer grünblidjen Aeform il)ren neuen Aul)m
oerbantten, ber meitläufige Komplex oon S. Marco
in f$loren3 übergeben mürbe. Unb t)ier tonnte bei
bem Umbau, ber jet|t ausgefübrt mürbe, Sruber
Angelico feiner Malertunft ausgiebig I)ulbigen.
Die meinen Mänbe biefes freunblid)en Älofters,
beffen Dad)geftübl fo munberbar einfältig bie ftorri-
bore nad) oben abfd)Iiefjt, unb bie fd)meren romani-
fd)en Türbogen, burd) bie ooit beiben Seiten aus ben
3eIIen gelles, freunblid)es Dageslid)t Hereinflutet,
boten oollauf Aaum für bie frud)tbare Sbantafie
unb bie grofftügigen üompofitionen it)res Meifters.
3Bät)renb ber fromme Mond), oon bem 93afari
er3ät)It, baf) er jebesmal betete, el)e er an bie Arbeit
ging, nod) in S. Marco fleißig am Mert unb
bebad)t barauf ift, bie grofje 3elle, in ber ber
©önner bes Qrberts (Eofimo be' Mebici 3U rooI)nen
pflegte, befonbers 311 fd)müden, mar aud) fd)on
ber ^3apft felbft auf il)n unb feine itunft auf-
mertfam gemorben. ©r berief il)n an feinen Hof
nad) Aom, unb fein Aad)foIger Aitolaus V.
3eid)nete il)n meiter burd) Serleibung oon ^riefter-
mürben — 1447 machte er ü)n 3x1m ^ßrior oon
S. Domenico am Abhang $iefoIes — unb neue
Aufträge aus. 3mei Kapellen im Satitan mürben
if)m 3m Ausfd)ixxüdung übergeben fomie bie öftesten
ber Maboxxnenfapeile im Qroietaner Dom. Unb
Der heilige Aiccolö bi Sari oermcbrt bas ©etreibe unb fdjübt Sd)iffe im Sturm
J-* ■\| ©eift gran3istus' oon Affifi, jenes plö^lidje ©r-
greifen göttlicher £iebe in ben natürlid)en Dingen,
2 ? jenes Heitigfpred)en ber Diere unb ^fla^en, jene
Anbad)t oor ben ©ottesmunbern ber Aatur, fie
’ ift aud) bie ©runbftimmung in ben Silbern
: .- 3'iefoles, bas ©rbteil biefes großen Meifters ber
s ^ a ^ ur aus bem oier3el)nten 3<ü)ü)unbert. Als
; V :‘ ^ tB ein Aad)folger ©iottos, oon bem Soccaccio fagte,
' jMk /„V \ • l Iw >, 4 M er habe bie fRatur fo abgebilbet, ba^ fie biefe felbft
Mmm; 1 3U fein fd)ien, ftel)t er 3ugleid) in ber Serfeelung ber
' Mm V;" Saffionsgefd)id)te, in ber Seberrfd)iing bes Raumes
igs- paar dfr?; \ unb feiner s ^erfpettioe am 'Unfang ber neuen 3cit.
Unter ben Meiftern ber grüt)renaiffance ift
‘ X 1 ryra Ungelico ein Höfjepuntt mie bas Drcigeftirn
2 2 ■ j \ fieonarbo, Michelangelo unb 'Jiaffael für bie Hod)=
m M renaiffance. Unb man fann es nur bautbar be-
grüßen, bapbiefemRlaf fiter feiner 3eit oon I )r. ftriba
Sd)ottmüller in bem foebett erfd)ienenen 18. Sanbe
i " ' ber „Älaffiter ber Vunft in ©efanxtausgaben“ (in
■ j: .XA Bw >' oornehmem fieinenbanbe M.D.—, Stubienausgabe
^ r ‘ I" . 1 mit einfeiüg bebrudten Dafein in Mappe M. 16.—,
'JraHP^^Sf | " .sV V Stuttgart, Deutfd)e Serlags-Unftalt) ein fo fdjönes
fHFs. iWm f ’• y; biograpt)ifd)es Dentmat gefegt morben ift. 3« bem
. w ' V L ftattlid)en Sanbe finb bes Äünftlers ©emälbe in
? »127 Ubbilbungenmiebergegeben. 3eötoermögemoir
- ; v . 'Mi erft rid)tig 311 überfd)auen, mie mobentber fromme
f Mond) als Zünftler empfanb, ber uns bie ©öttlid)teit
1 \ unb bie Menfd)lid)teit (El)rifti auf fo munberbare 'Urt
begreifüd) 311 mad)cit ocrftanb. „©r batte,“ fagt bie
f ' & , ¥ j Herausgeberin biefes in ber Uusfül)rung ber 9iepro-
; 1 buttionen fd)merlid) 3U iibertreffenben Sud)es, „mie
St. 3ran3istus ben Sinn fürs 51omifd)e, unb bie
^ 1 ^ od)önl)eitberSlumenunbSäume,bermeiten©bene
• •' ? unb bes fd)attigen 3nnenraums maren il)m fo leben-
.^K big unb offenbar mie bas ©efüblsleben ber Menfcben
■ — - ^ •• - ?> i v unb bie geträumte Herrlid)teit bes Himmels.“
Unbetenber ©ngel; (Fragment)
als er 1455
ftarb, adjt-
unbfecb3ig
3abre alt,
batte er ein
feiten reid) es
SBert binter-
laffen, er,
beffen erjte
uns überlie¬
ferte Arbei¬
ten aus fei¬
nem ad)t=
unboier3ig-
ften £ebens=
jat)r ftam-
men. Die
5\ird)efprad)
ibn heilig unb
bamit bie
5iunft. Aud)
bas ift ein
feiner 3ug,
ber bie 3eit
ber anbre-
cbenben Ae-
naiffance
trefflidjtenn-
3eid)net. Der
:GOINFLAGEllA PAR WS SVK HXXDR-KEVS 1NC0NSPFCTV TVO 5EPFR.PS.X?
'/C AK'REHENDIT PILATV'K VHM ' F'.^EI l AMT
©ine munberbare Heilung burd) bie Heiligen ©osmas unb Damianus
Die ©eifjelung ©brifti
1911. tyt. 30
Uber £anb urtö 9fteer
799
Scbach (Bearbeitet von 6. Seballopp)
Aufgabe 12
Snbfptelftubte
oon fiettri RtncK in Barcelona.
' ©djroars (5 Steine)
J!UflÖ$Uttfl
der Jlufgabe 11
Sß. l. Lb2-h8
@. 1. Sc6—b4
S56. 2. Lc4xdöf
<S. 2. Ke4—d3, f6, Sb4
xd5, Se7xd5
3B. 3. Sh3-f4, Db7—d7,
bl, h7 matt.
@. 1. d5xc4 (—d4)
SB. 2. Db7—blf
©. 2. Ke4—d5 (d4—d3)
SB. 3. Sh3—f4 (Dblxd3)
matt.
<3. l. Ke4—fo .
SB. 2. Db7—d7f
@. 2. Kf6-e4
SB. 3. Dd7—g4 matt.
M\tU\lnn$?n aus trer
3u ©an Sebaftian in Spanien fanb in ber geit pom
20 . gebruar bi§ 11 . Atärj ein internationales lAeiftertur*
nier ftatt, an meinem fi«ä) 1B fetten beteiligten, barunter 3 au§
Sbeutfßlanb, B au§ £)fterrei<i)*Ungarn, 3 au§ Attfilcmb, 2 au§
Antenla, je einer au§ ©nglanb unb granfreiß. ®en erften ©rei§
oon 6000 granten errang ber junge Kubaner 3ft. ©apa*
blanca, ber npn 14 gefpielten Partien 9 J /2 gewann; ber streite
unb brüte ©rei§ (3000 unb 2000 'granlen) tnurbe jwifßen Aubitt*
ftein (Außlanb) unb »ibntar (Öfterreiß) geteilt, bie je 9 »ar*
tien gewonnen l)alten; ber pierte fiel an Atarfßall (Aeutjorf)
mit 8 V 2 ©ewinnpunften. ®ie übrigen Teilnehmer jä^lten pon
7 Vs abwärts bis §u 4 fünften unb erhielten für jeben ©unft
ben betrag pon 80 ftranfen al§ Troftprei§ auSgejalitt.
Am 2 B. unb 26. Alärs würbe gmijßen ber »ertiner @ßaß*
gefellfßaft unb bem Söiener ©ßaßfluö ein telegrap^i*
fcf)er ©ßettfampf au§gefoßten. ©efpielt würbe an 8 SSrettern
in ben beiberfeitigen Sßaßbeimen, am erften Sage 4, am jweiten
6 ©tunben lang; bie Selegraptienbeljörben fjatten in entgegen*
fommenbfter ©Seife jwei Seitung§bräl)te urib bie erforbertißen
Beamten jur Verfügung gefteüt, fo baß ber Kampf fiß ungeftört
oottgieben tonnte. ®a§ Ergebnis war: jwei Partien remis, eine
pon ©ßien gewonnen, bie übrigen unbeenbet. »on biefett würbe
non ben beiberfeitigen <Sßieb§rißtern eine als für »erlitt ge*
wonnen, bie übrigen als unentfßieben erflärt, fo baß ber »Bett*
fampf als folßer unentfßieben blieb, ©ine ©Sieberbolung in
etwa $yab)re§fxift würbe beiberfeitS in AuSfißt genommen.
utttr Srfittffütt
(Besprechung einjelner (Herbe Vorbehalten.— Rücksendung findet nicht statt)
»erabt, SAartin, ©ßeleute. Spontan, .»erlag giftet, »erlin.
»erg,©.»., ©ott als Inbegriff fc e § ©^önen. Autorifierte
Überlegung aus bem ©nglifßen pon @. .gorfptt). Casa
Editrice del Coenobiutn Lugano.
»lütbgen* ^iira, §eimfel)r. Sramct in gwei Aufjügen. Am
Sage ber golbenen Toßjeit, ©ine AUtagStragöbie in einem
Anfang.- »^ilipp Aeclam jun., Seipjig.
»oree. Albert, .. .weil noch ba§ Sämpßen glüht. ©rnfteS unb
Weiteres aus bem »üßnenleben. fperauSgegeben non Arthur
Sinter, »erlag AeueS Sehen bei ©Bclßelm »orngräber,
»erlin W.
»ormann, ©bwin, ^awconbribge unb Dr. & 2B. ©eetl. ©in
literarifßer Offat) über anonpme Sitelblätter. ©bwin »or*
mannS ©elbftoerlag, Seipgig.
»ötlieber, £anS, 2ßaS ein ©ßiffßmtgen*Tagebuß ergä£)lt.
©eb. Sit. 2.60, geb. Sit. 3.B0. Sie Sefe »erlag ®. m. b. §.,
©Pcüußen.
»rat) nt, Dtto, Kainj. ©efebeneS unb ©elebteS. »erlag ©gon
gteifcbel & © 0 ., »erlin. .
Seubner, ©cbloü »ifebofftein. Sie ©cbweftern. ©tbaufpiel in
Pier Slufjügen. »erlag für Siteratur, Kunft unb Sltufif,
Seipjig.
©ruft, Ott,o, »lübenber Sorbeer. »laubereien unb 2lnbachten
über beutfebe Siebter, ©eb- Sit. 3.—, geb. Sit. 4.—. »erlag
8 . ©taaefmann, Seipjig.
Seit SRen)d)engebenten — bts in bie biblifcfien 3eiten I)in=
ein — ]inb (Siebt unb. SRijeuntatismus als gefürchtete unb
bartnäefige 5 trantbeiten betannt, bie ben ©rtoerb unb bie
fieiftungsfäbigieit in bot)ent SRafee oft bauernb gefeibtben
ober betabfetjen. Diefe Quälgeifter ber 9Jien)ct)I)eit trogen
oielfacf) bartnädig jeglidben SJiitteln, ja felbft ber gefdficEtejten
cirgtlicben Kunft, unb oft genügt eine einzige ©rlältung, um
im Körper Keime ober Stauungsprobutte gur unbeiloollen
Entfaltung 3 U bringen, gumal toenn eine toibrige Kebens*
toeife ober bie »erlangfamung bes Stofftöed)feIs, toie fie bas
reifere Sllter mit fidE) bringt, ben 23oben bafür befonbers
oorbereiteten.
SBenngieid) aud) bie 2 lnfid)ten oielfact) auseinanber*
get>en, fo ift fid) bie SCßiffenfcEjaft bennodb babin einig, baff
fie bie (Sidbt als eine mit oermebrter ^arnfäurebilbung
oerbunbene Stoffooedjfeltrantbeit ertlärt. Sasfelbe gilt oon
ber 3 üdertrantbeit unb ber gettfud)t. Sb^en reiben ficb als
trantbafte Erfcbeinungen bes Stofftoedbfels bie Kontrement*
bübungen, toie Stieren*, 23Iafen= unb (Sallenfteine foroie bie
23utgefäßo ertaltung an.
23on ber ®id)t roiffen toir, bab fie auf barnfaurer Diatbefe
beruht. X>as 23Iut oon ©id)ttranten enthält bebeutenb
größere SOtengen §arnfäure als basjenige (Sefunber. Diefe
gelangt 00 m 23lut in bie Kpmpbbabnen .unb in bie ©e=
roebsflüffigfeit unb finbet bort bureb 2 lustriftalli|ierung
©elegenbeit, fei es, um bei ber afuten (Siebt bie febr fdbmerg*
haften (Sid)tfnoten ober bei ber d)rontfd)en (Siebt bauernbe
^Deformation ber ©elente unb auch äußerlich nidbt fühl*
bare SIblagerungen in faft allen Körperteilen gu bilben.
X)ie abgelagerten, nabelartig fpiijen, febr horten b a rn=
fauren Kriftalle bringen in bie (Selente unb oerurfadjen
naturgemäß böfe Entgünbungen, bie meift mit ben 3 e b en
unb ©allen beginnen unb ben Kranten maßlos peinigen.
Die Sd)ntet^en laffen nad), toenn bie bornfaurert Kriftalle
bureb teilroeife fiöfung gerftört toerben. Der ©erbauungs*
apparat unb bie SItmungsorgane toerben in SRitleibenfd)aft
gegogen, noch häufiger finb bas $er 3 , bie ©lutgefäße unb
bie Stieren burdj bie gid)tifd)en Ablagerungen trantbaft
oeränbert. Stießt feiten finb Scblaganfälle unb Stieren*
ent 3 ünbungen bie Dobesurfadje bei ©idjttranten.
Das §auptbeftreben bei ber Seßanblung jeber fy-orm
oon (SicEjt ift, barauf biippnoirten, bie fernere 3 U reich liebe
©Übung oon bornfauren Sal 3 en im ©lute 3 U oerbinbern,
ben bereits oorbanbenen Überfchuß berfelben fortgufd)affen,
b. b* fie in einen möglid)ft löslichen 3 uftanb, in toeldßem
fie aufgefogen unb ausgefdßieben toerben Jönnen, über*
3 ufiibren unb ben oerlangfamten Stofftoechfel 3 m energi*
feßen Abfonberung ber Stauungsprobufte an 3 uregen.
SJiittel, toeldße 3 unt ©ebraueße gegen (Sicht empfohlen
toerben, gibt es natürlich un 3 äl)lige, unb oft genug läßt
fidß ber mit quälenben Schmer 3 en behaftete »atient burdß
getoiffenlofe Anpreifungen ba 3 U beftimmen, büüer bem
Siüden bes Arstes bas eine ober anbre oft giftig toirfenbe
SJiittel ( 3 . ©. EoId)iein*SJtitteI) 3 U probieren, ohne aber
3 U roiffen, toie febr er feinen Organismus bamit fcßäbigt.
3eber benfertbe äUenfd) muß fieß ferner fagen, baß Einreibe*
mittel nur äußerliche ifjauireQe ausüben fönnen.
(Sicht erforbert aber Dauerbeh.anblung, bei ber nur
natürliche SJlineraltoäffer in ©eträdjt fommen, bie infolge
ißrer unnad)ahmbarert 3 üfammenfeßung ba 3 U berufen finb,
ben bei ©ießtifern unb Sil)eumatifern abnorm fauren §afn
bet Durdßfpülung bes Körpers 3 U alfalifieren unb bie faft
unlöslidßert -bornfauren Sal 3 e in einen Iöslidßen 3uftänb
über 3 itfübren. (©gl. »rofeffor Klemperer, ©erlin, „Dßerapie
ber ©egentoart“, §eft l, 1903.)
Unter ben SJlineraltoäffern ift nadß . ben Erfahrungen
in* unb auslärtbifd)er Slutoritäten bas „©Siesbabener ©ießt*
toaffer", beffen ^eiltoirluhg fie in ben toeitaus meiften fällen
am eignen Körper erprobten; oon ßeroorragenber ©ebeutung.
©efantttlid) gibt es auf ber gan 3 en ©Seit aud) nidßt eine
emsige, bureb ihre enorme ©cfucbsstffer (fyrcqueit 3 200 000
Kurfrembe) unb ihre naeß SJtillionen säßlenben Teilerfolge
fo tppifcß ausge 3 eichnete Spesialquelle gegen ©ießt toie bie
©Siesbabener: . SJlitglieber aus regierenben unb fürfHießen
Taufern 3 äßlen 3 U ben ftets toieberfeßrenben ©äften.
Das „©Siesbabener ©id)ttoaffer'‘ ift nun eine praftifcß
falffreie, im Einoerneßmen ber Stabt ©3iesbaben unb ber
ftäbtifeßen Kurbireftion oerabreidßte SJlobififation bes ©ßies*
babener Kodßbrunnens, bie fieß ßeroorragenb für ben ©id)t=
franfen, Aßeumatifer, an Tornfäure*Konfrementen Keiben*
ben (Stieren*, ©lafen*, ©allenfteinbübung, ©lutgefäß*
oerfalfung) eignet. Es muß ßier betont. toerben, baß bie
meift feßr !al!= refp. gipsßaltigen SJlineraltoäffer nach ber
Anfid)t oieler Autoren ben Stein* unb ©rießbilbungen
©orfeßub leiften unb fomit beitragen, bas Übel 3 U oer*
feßlimmern. Dagegen enthält bas talffreie „©Biesbabener
©icßttoaffer" einen ßochtDießtigen Stoff, nämlicß bas Eßlor*
natrium im fogenannten pßqfiologifcßen ©erßältniffe, b. ß.
in einem folcßen toie im ©lute. ■ Hub gerabe in biefent eigen*
artigen ©erßältnis ift bas Eßlornatrium, inbem es auf
ben oerlangfamten Stofftoedßfel toirtt, ein natürliches
rei 3 lofes Anregungsmittel aller erften Sianges, bas faum an
einer f$ümttion bes Organismus unbeteiligt ift. Der fernere
©eßalt an Slatrium*©i!arbonat toirtt ber reidßlidßen unb
fdßäblichen Säurebilbung entgegen unb trägt ßierbureß ba 3 u
bei, bie fd)toerlösIid)ett ßarnfauren Sal 3 e in einen leichter lös*
ließen 3 üfi<utf ) über 3 ufüßren. 3 n ermähnen ift noeß außer
Kitßion unb Arfen ber ©eßalt an Kiefelfäure, toeldß leßtere
bereits feit ©aracelfus ein betanntes ©ißtmittel ift, beren
©Birtung aber burß ißre ©egießung 3 U ben übrigen Kom*
ponenten nocß toefentliß erhöbt ift.
©on ben gegen bie ©ißt empfohlenen SJlineraltoäffern
ßatte bis 3 m Einführung bes „©Biesbabener ©ißttoaffers"
teines ben bei ber ©eßanblung ber ©ißt in eiltet Kinie ge*
ftellten Anforberungen genügt. Sie oermoßten toeber bie
Tarnfäure ßerabsufeßen noß 311 binben unb auf 3 ulöfen.
©eibes gefßießt burß ben ©ebrauß bes ©Biesbabener „©ißt*
toaffers" in einer bisher nißt für mögliß gehaltenen
©Beife. Die ©etmmberung ber Tarnfäure * Stusfßeibung
betrug im Durßfßnitt oon 3 toölf fyällen, in benen Urin
t ber
'-Berliner ntebisini*
fdjeit ©efellfrfjaft,
©i^ung bom Zi.Wäti 1898
unter SBorfi^ be§ §errn
©eljeinten SRateS »ro=
feffor I)r. 91. «BtrcTjott
bemonjtriert.
Sig. a geigt einen fjnrnjauren 9lieren =
ftein. ©erjelbe würbe in einen burdj
Srinten bon 23ie§6abetter ©irijtwaffer
allalifcb gemaebten §arn gelegt, b geigt
ben ©tein 1 ©tunbe fpäter, e benfetben
naäi weiteren 2 ©tunben,. d benjelben
3 ©tunben jpater nad) üBegjpüten ber
Sugelurate, e . benfeiben nacß .weiteren
8 ©tunben. ®er 9teft be§ ©teine§ ..ift
eine Weiße, burrfjfidjtiße, mit Pigment
bnrcljfe^te SOlaffe.
oor unb toäßrenb bes ©ebtaußs oon „©Biesbabener ©ißt*
toaffer“ einer genauen Unterfußung Untertoorfen tourbe,
ettoas über bie Tälfte. Die ©inbimg unb Auflöfung oon
Tarnfäure im Xlrin toirb burß ben täglißen ©ebrauß
oon ein bis 3 toei glafßen „©Biesbabener ©idjttoaffers“ gan 3
fißer erreißt. Das Slefümee einer umfangreißen ffforfßung
unb biesbe 3 üglißen Literatur*) ift folgenbes:
1. ©idjttranfe fßeiben meßr Tarnfäure aus als ©efunbe
unb Sißeumatüer.
2 . 3e faurer ber Tarn, befto größer ift bie Ausfätlbarteü
ber Tarnfäure (bei fonft gleißet ©efßaffenßeitbesfeiben).
■ NB. Saurer Tarn färbt blaues Kadmuspapiet (in
jeber Slpotßete tau fließ) rot; altalifßer Tarn färbt
rotes Kadmuspapier blau. SJlan prüfe genau ben Tarn*
3. ©ei ©ißttranten ift ber Tarn in ber Siegel abnorm
fauer, b. ß. blaues ßaümuspapier toirb rot gefärbt.
*). Über bie ßarnfäurelöfenbe SStrlung be§ „SßieSbabener
©ißtwaffer§". liegt eine ntebiäinifß wiffenfßaftliße Siteratur
folgenber ßoßangefeßener, aüererfter unb tonangebenber
»lätter oor:
»erliner Hin. ©Soß.enfßrift Ar. 33, 1896; ©r. 14/17, 1897.
ßeniralblatt für innere SHebijin Str. 17, 1898. Dßerapeutijcße
SJlonatäßefte Str. 8 , 1893. ®eutfße 2üebisiuat*3 e üung Sir. 24
unb 26, 1897. 3eitfßrift für Hirt. SHebigin, §eft 1 / 2 , 1896.
©tüttßener tneb. 2Boßenfd)rift Ar. 11 , 1896. SBiener meb.
Söoßenfßrift Ar. 27/29, 1894. The Lancet Ar. 25, 1898. 3eit*
fßrift für »eßanblung ©pileptifßer Ar. 2/3, 1897 ufw.
4. Sleutrale unb altalifße Urine enthalten nie Urate ober
freie Tarnfäure.
5. Sleutrale Urine löfen 9— 10 , „alfalifße" 16—17 mal
meßr Tarnfäure als fßtoäßfaure.
6 . Um bei ©ißt befriebigenbe Stefultate 3 U ersielen, ift
es oft nottoenbig, fo oiel eines ftarl allalifß*muriatifßen
SJlineraltoaffers 311 trinten, bis ber Urin altalifß toirb
unb längere 3 «t ßinburß ben größten Deil bes Dages
altalifß bleibt.
7. Kaltßaltige SJlineraltoäffer rufen oft ©erbauungs*
ftörungen (Appetitlofigteit unb Stußloerftopfung) ßer*
oor unb toerben auf bie Dauer fßleßt oertragen.
8 . Stile ftart taltßaltigen ©Baffer beroirten im altalifßen
Urin eine Stusfßeibung oon Kaltpßospßaten unb toßlen*
faurem Kalt, bie leißt 3 ur ©Übung unb ©ergrößeruttg
oon Steinen füßren tönnen.
9. Das „©Biesbabener ©id)ttoaffer“ entßältfooerfßtoinbenbe
Spuren oon boppelttoßlenfaurem Kalt (nur l k getoößn*
ließen Drinttoaffers), baß oon einer Ausfßeibung oon
Kaltpßospßaten unb toßlenfaurem Kalt im altalifßen
Tarn teine Siebe fein tarnt.
10. Das „©Biesbabener ©ißttoaffer" mit feiner großen ßarn*
fäurelöfenben ©Birtung toirb felbft bei jahrelangem
täglißen ©ebrauß oor 3 ügliß oertragen.
11 . Durß bas Drinten oon 1—2 glafßen „©Biesbabener
©ißtroaffer“ tägliß nimmt bie Ausfßeibung oon Tarn*
fäure um ettoa bie Tälfte ab.
12 . Die ©ilbung oon Tarngrieß unb Slierenfteinen toirb
burß Drinten oon tägliß 1 —2 fylafßen „©Biesbabener
©ißttoaffer“ abfolut fißer oerßinbert.
13. 3ar Aeutralifierung ber Säfte in ben für ©ißt bis*
ponierten ©etoeben unb 3 m Auflöfung ber abge*
lagerten ßarnfauren Sal 3 e finb 3 UtoeiIen 2 glafßen
„biesbabener ©ißttoaffer" tägliß unentbeßrliß,
14. ©ißttrante füllten felbft naß oollenbeter Kur nie auf*
ßören, bas „©Biesbabener ©ißttoaffer“ tägliß, toenn
auß nur in Meinen SJlengen, oorbeugenb 3 U trinten.
©Benn irgenb angängig, füllte ber »atient nißt oerab*
fäumen, 3 m Unterftüßung einer Drintfur eine An 3 aßl, ettpa
15—20, Koßbrunnen=©äber, toie in ©Biesbaben, in feinem
Taufe 3 U nehmen. Diefe toerben unter amtlißer Kontrolle
ber ftäbtifßen Kurbirettion in ©Biesbaben burß Slbbampfung
aus bem natürlißen Koßbrunnen ßergeftellt unb in fyorm
oon eßtem Koßbrunnenbabefal 3 in Slormalbofen für ein
©ab überallhin oerfanbt. Die Koßbrunnen=©äber, bie 3 U
jeber 3 aßres 3 eii mit etlatanteftem Erfolge gebraußt toerben,
üben eine gan 3 fpe^ififße ©Birtung auf ben Körper bes
Kranten aus. 3n gan 3 auffallenb Iur 3 er 3eü toerben bie
Slüdftänbe ßamfaurer Diatßefe befeitigt, ba bas träftig*
toarme Koßbrunnen=©ab gan 3 außerorbentliß förbernb auf
bie Ausfßeibung ber in bie Umgebung ber ©elente aus*
getretenen Tarnfäure toirtt. Slißt 3 U feiten tommt es oor,
baß »atienten, toelße mit noß bidgefßtoollenen grüßen,
3eßen ober Knien bie ©abetur in ©erbinbung mit ber Drint*
tur unternahmen unb fiß: nur mit ben größten Sßmer 3 en
oon einem Stußl 3 upt anbern ßinfßleppen tonnten ober
gefaßten toerben mußten, fßon naß toenigen ©äbern flott
gehen tonnten. Unb toelße Anneßmlißteiten es ferner mit
fiß bringt, in feiner Teimat, in feinem Tdufe, oßne oon ©eruf
unb gamüie getrennt 3 U toerben, erforberlißenfalls eine
Kur naß betoäßrter ©Biesbabener Art oorneßmen 311 tönnen,
barf tooßl nißt toeiter ßeroorgeßoben toerben. Außerbem
ift bas grüßjaßr 3 tir ©ornaßme oon Tausturen bie am
meiften geeignete 3 eii, 3 umal fiß bei feßr oielen ©atienten
mit faft überrafßenber ©eftimmtßeit bei Eintreffen ber erften
Sßtoalben auß bie alten ©efßtoerben toieber etnftellen.
Durß eine 3 eitig oorgenommene Kur, bie ftets ba am erfolg*
reißften ift, too bie fyälle möglißft. frifß in ©eßanblung
tommen, tarnt oiel Urtglüd unb Sorge oerßütet'toerben,
3 umal bas ©ißttoaffer ufto. bequem in ben größeren Apo*
tßeten unb allen SJlineraltoqfferßanblungen erßältliß ift.
Der ©erfanb erfolgt aud) bireti frifß oon ber Quelle.
ferner aber ßaben folße Kraute, bie fiß mit ber Aatur
ißres Keibens oertraut maßen, fßort einen geroiffen ©or*
fprung. Sie toerben maßnenbe Spmptome leißter erlernten
unb beffer 3 U beaßtett roiffen als oolltommen ununterrißtete
©atienten, bie faum in ber Kage finb, ißrem beratenden Ar 3 t
eine geitügenbe 'Austunft 311 erteilen.
Eine ausfüßrliße iriförmierenbe: Abßanblüng .über bas
©Befen ber ßier genannten Keiben in allgemein oerftänblißer
gorm, oompraftifßen Ar 3 tDr. ©ubbee oerfaßt, nebft genauer
JJletßobe über bie Antoenbung einer ©Biesbabener Taustur
(Dtint* unb ©abetur) toirb unfern fiefern pom ©runnen*
Kontor in ©Biesbaben U. 60 auf Anfrage bereittoilligft
toftenlos überfanbt.
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jid) oergeberts. Unb barum
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! ft)ntrajie gegen bas tiroler
Amtsblatt, ooemt man oiele
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tooljnt. 3 u oerrüdt. Das fagen
alle...
*
(Ss ift ein geller Sommertag,
unb oor bem 23 al)nl)of in 5 tlau=
fen jtel)t ein ftattlidjer 3 urfd)
mit bem $ül)rer3etd)en auf ber
23 ruft unb roartet auf ben 3 ^ 9 -
Ss fteigt nur einer aus, ein
einiger:
„äftetn 9 tame ift Dr. 21 bam
ftunoto.“ ©an3 roenig lüpft ber
junge §err fein frjüti, unb ber
grobe 23 urfd) ba oor ifym meint:
„3ft red)t, §err Doftor,“ greift
feinen 9 ?udfad, unb bann finb
bie 3toei fd)on auf bem $Beg
nad) 33 iIInös. 2Bie fie brobett
finb auf ber §öl)', ojo bie So=
bürg unb bie Summersburg mit
il)rent alten blumigen ©entäuer
I)erüberleud)ten, inerten fie mit
eins, bah ein SBetter am §im=
mel ftef)t, unb fo roollen fie int
„Saumgarten“, toie bas Heine
2 Birtst)äusI in ©ufibaun Reifet,
einfefjren. 5 taum finb bie 3toei
in ber Stub, fangt es 3U fd)ütten
an toie närrifd). Unb es bleibt
rein nir anbres übrig, toie bie
9 tad)t ba im Dorf! fdjlafen, ber
2 Beg I)at el) feinen ©nittb mehr,
mödjteft meinen, nad) fo einem
s JRegen.
3 m „Saumgarten“ treffen bie
3toei etli Sommerfrifd)Ier, unb
halb ift es gemütlid) toorbett.
§eilig gemütlid). 2ßo aus unb
tool)in toirb gefragt, bie £eut
haben es ja gleid) herauf#, bah
ber Dr. Stbam ftunoto bas erfte=
mal im Serg ift unb bie 93 erg*
feierei ftnbieren toill.
3uerft möd)t' er nur einen
leichten Serg machen, ift er bann
britt int itrareln, fo geht's auf
bie Dürme, bann in bie Srenta=
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Jede gewünschte Auskunft über den Kurort erteilt: Die Fürstlich Plesslsche Badedirektion, Bad Salzbrunn.
106. Band. Dreiundfünfzigster Jahrgang
OUtober 1910—1911
erscheint jeden Sonntag -f>
Deutfdbe JlluTtrierte Zeitung
Copyright, 1911, by Deutfche Verlags ^Anhalt, Stuttgart
Preis vierteljährlich 4 Ittark
Beim Postbezug a maru 25 Pfa. ohue Bestellgeld
ln Österreich = Ungarn Kr. 4.SO
Der Kampf ber meinen
unb ber roten 9tofe
Vornan
oon
©eorg $itfdjfelb
(gortjetjung)
II
("Vom butte im Korribor mit heftiger SBallung
Hut urtb 3 ude oout Stäuber geriffen. ©in
33 Iid in ben Spiegel genügte — fie roar fertig
unb fcl)ritt über ben Hof, um in bie fülle 3 ütna=
gaffe gu gelangen. Der oorbere 3 Iusgang gum
belebten SERartt hinaus roar it)r jet)t gumiber,
and) fürstete fie, bafj bie ©rofjrmitter, bie im
3 orn unijeimlid) jugenblib rourbe, am $enfter
fteben nnb ihr etmas Höbnifb^s nad)rufen
tonnte. Der 2 Beg über ben Hof führte an ben
nieberen ^arterrefenftern oorüber, hinter benen
33 ater 3 lugufts SBertftatt lag. «Ridjts Hbeü
rieefjenbes toie aus einem Deimtopf ober
9 HafcE)inengerudE) tarn baraus t)eroor — bie
offenen fünfter entließen oielmebr garte 33 ratem
büfte, unb gmei fertige SERajonnäfen ftanben toie
ausgestellte Kunftmerf e auf beut ©efiuts. Das
befbeibene ^irmenfcE)iIb dm Kontor trug bie
9 IuffdE)rift: „ 31 . Dränfle, Kob unb Hoflieferant
Sr. Königl. Hoheit ’ bes ©rofb^ogs." Der
tleine, f eifte iERamt hantierte, fein eigner Kübem
cE)ef unb ©ebilfe, 3 ub* für 3 ubram beiden Herb.
3 Iud) beute erblidte Doni ihren 35 ater in bufti=
gen iRaubfboouben, bo^rot bas bartlofe SERonb*
gefiebt, bie meifje 9 Rüt)e ans ber fbmibenben
Stirn gefdjoben. SERarl, ber 33 urfbe, fein
einziger ©eiftanb, rübrte unter feiner 3 Iuffid)t
eine Sbotolabenfauce. Das SRomingerfbe
Souper, gum größten Seil bei Dräntle beftellt,
ftanb faft fertig auf ben meipn Holgttfben.
3 Ils Doni ben 33 ater in feinem rübrenben
Steife unb ©ifer fab, fant bas Dbermometer
ihres 3 °rnes rafd) auf milbere ©rabe herab,
unb fie fd)ämte fib bes Streites brinnen, ber
aus ihrem ^enfterlungern entftanben roar.
„SERüfjiggang ift aller Dafter. Anfang," hing in
©olbleiften gerahmt als Deoife über 3 Iuguft
Dränfies 33 ureaupult. 3 Bie re<d)t batte ber
Spruch ! SRur bas Nichtstun butte fie oerleitet,
bas ihrer umtmrbige tinbifbe Spiel ber
Sd)töefiern mitgumaben unter bem Ded=
mantel eines Sdjerges mit ihnen ben SERann,
ber in ihrem Hergen lebte, heimlich gu beob=
achten. Dann butte fie fib ber ©rofjmutter
gegenüber oergeffen, in Heftigfeit preisgegeben.
iRein, nein — fie fanb fid) fbon roieber unb
roollte bus Huus niep oerlaffen, ohne ben ge*
liebten 33 uter mit einem ©ruhe gu erfreuen.
Sie trat an eines ber offenen fünfter, lehnte
1911 (23b. 106)
bie 3 Irme auf bas ©efims unb fpäbte in bas
rauchige 3 nnere. „Materie, 33 aterle!" rief fie,
toie fie als Kinb getan, unb baumelte roie ba*
mals mit ben 3 üf)en.
Der alte Koch blidte erft unroirfd) auf bie
Störung — als er aber bas liebe, läcbelnbe ©e=
fid)t fab, bie roten SBangen unb bie meinen
3 übtte feiner Doni, nidte er, lieb ben jungen
bei ber Sd)ofoIabenfauce, fd)ob bie SERübe in bie
Stirn unb näherte fid) bem dufter, „©rüfe
©ott," fagte er japfenb. „“ERa? Sßillft ausgebn?
Sdböns 333 etter — mie? 3 © gib mir ein Küble
— aber febmeib mir bie SCRafonnäs nit 'nunter."
„ 33 ift roieber fo fleißig, 33 aterle?— 2 Bunber=
ooll !"
©rfreut unb roie aus feinem Küd)entrannt
ertoacbenb, beutete ber 33 ater ber 9 feibe nach
auf bie appetitlicben Sd)üffeln. „Hummer —
£ad)s — Forelle — Hut)n — Hummer! 3 Bie
gefällt bir bie Drüffelgarnitur? ^ßerigorb —
eine gange 23 üd)s bub' idb braugegebe!"
„Herrgott, ift bas nobel! Hut, unb ber
Duft! 2 Beibi ba roerben fib bie Deut' beim
tRominger anfangs nur bie ©arnitnr nehmen
— bie anbern buben bann bas 9 Iad)fd)uun nnb
müffen ficb mit ber SERafonnäs begnügen!"
Das roar ein Sä)erg für ben alten Kod).
3 mmer fo ettoas fettes unb 3 fufbeiternbes
brachte ihm bie Dont. ©r ftemmte bie Hönbe
in bie Seiten unb fd)üttelte fief) oor fiatben.
Doni beugte ficb tiefer in bie Küdbe nnb
fbuüffeite hinein: „iRubeis, Materie? 5 Ruf 3 eis?“
„äRagft einen fiöffel, bü Sdjleder?“
„ 3 lcb ja! 3 b bin nit abgeneigt!"
Dabenb erfüllte ber 23 ater ihren SBunfb
unb fütterte fie im fünfter otie ein SSögelbeu.
„ 3 m 2 Binter bie Sparen, im ^nibling bie
91 täbels," fagte er, toäbrenb 5 ERarI oergnügt
gufab- „ 3 Benn bas bie Htlbu unb bie 3 uli febu,
bab' ib fie bis gur XRabt am ^oufter."
,, 3 ld) ju, ib bin bie ©enügfamfte," päppelte
Doni, eifrig tauenb. Dann mar fie fertig nnb
fragte ernfbafter: „ 2 Bie gebt's ; bir benn,
33 aterle? Hut bas $uIoer geholfen?"
„ 31 b mas," brummte 33 ater 3 Iuguft, „mir
hilft !ein ^ 3 uIoer mehr."
„ 33 aterle!“
„ 3 Iber fotang' mir nob bie 3 Irbeit oon ber
Hunb gebt — folang' ib nob jupfe tann ..."
„ 9 üt mabr?! Unb ber 3 mf)Iing ift bob
fo fd)ön!"
„Der 3mbliug? 3 a, ber ift freilib fbön..
3 IIs ob fie i§n an etmas erinnert hätte,
nahm ber alte Kob bie SERü^e ab unb ftreefte
ben Kopf gum 3 ^ufter hinaus, um in ben
Himmel aufgubliden. 3 ^ erft fab man, mie
flübtig bie beibe rote 3 nfbe tu feinem maffigen
©efibt mar — melt unb oerfbuiommen mürben
bie 3 üge, unb bie tiefliegenben tleinen 3 Iugen
fbieuen nur gum eignen meifglib tubleu
Sbäbel emporfeben gu tonnen, nid)t mehr
gum blauen ^üniament. „©uts 3 EBetter für
ben 3 Cein," meinte er ftöbnenb. „ 3 Iber bie
Sonn' bleibt nur nob e i ne Stunb' broben —
eil bib, Doni. 333 oI)in miltft benn geben?"
„ 3 b lauf' ein bifel über ben 3 ügersberg,
oielleibt bis gum ^euturm, unb bann in bie
SbloMtrufte 'nunter, um ein paar 33 eforgungen
gu maben."
,,©ut, Kinb — aber bleib' nit gu lang im
^ 3 arf — oerftebft mib? ®u ift es Je^t einfam
— es ift fbon fpät, nnb bie 3 Beg' finb nob 3 U
fenbt- ©eh halb in bie Stabt 'nunter. Sonft
triffft bu bas 331 iboolt, bie Stubente."
„ 3 lb, 33 uterle — id) fürbt' mib ^ob nit!
Die füllen fib oor mir fürbten — bu meifb
bob, tb bub' immer ein paar 3 tBatfben in ber
Hunb! 3 Iber fei nur gang ruhig — ib mab'
mir nur ein biffl 33 emegung — oor abt Uhr
bin ib fbon babeint!"
Sie tü^te bn nnb eilte baoon. 33 ater
3 luguft fab ihr nab — er butte für 3 Irbeit unb
33 efib, fo fbtoer fie ihm mürben, nur ein 33 rub=
teil oon ber 3 ärtlibteit tm 93 Iicf, oon ber
ftolgen 3 nfriebenbeit, bie er für Doni butte. —
Hinter ber 3 Innagaffe lag bie 3 ügerbrüde,
unb auf bem alten gefbmungenen Steg blieb
Demi mie immer fteben, um bie tief hängenben
SBeibengebüfbe gu bemunbern unb ben luftigen
grünen 3 EBeIIen bes 3 Inffes nadjgufbuuen.
3 Bieber fbuufelten fib bie ©nten baranf, als
mollten fie einen ungefbidten 3 Balger taugen,
nnb bie unerntübliben glngoögel fubten, bas
333 affer ftreifenb, 3 ntter für ihre 3 nngen. 3 Bie
milb unb rein mar biefe ^ribltngsabenbluft;
Der arme 33 ater in feiner bumpfen Kübe!
3 Iber feltfam, fie tonnte fib ben iRaftlofen
alltags bter nur nob als 3 noaIiben oorftellen,
traurig b^nmgefübrt. ©r muhte bei feiner
Debensfübrung bleiben.. 3 Iber 3 nliune — bas
mar eine arge Unterlaffnngsfünbe oon ihr —
bie hätte fie mitnebmen tönnen. Sbon mollte
ihre jefct oöllig oerföbnte unb glüctlib e Stirn*
mnng fie gnr iRüdtebr Überreben, als ihr bob
nob einmal bas 33 ilb ber ©ropmutter erfbi^n,
ftarr unb feinblib- Seufgenb trieb es fie ben
23 erg btnauf. Sie ©erlief) bie 33 rüde, fagte
mie feit frühen Kinbertagen: ,,©rüb ©ott,
Herr Sbillböd," gu bem einarmigen ^art*
mäbter, ber an bie 9 ERüt)e fafete, unb füeg
gmifben grünenben Hirnen einen fend)ten
3 P 3 eg btnauf. 3 b r Dempo mürbe allmäbltb
langfamer. Sie babte nab- 3 nnäbft über bie
©eforgungen in ber Stabt — lange oernab 5
läffigte Dinge, mit benen fie bie ‘SRutter beute
erfreuen mollte — bann über ben Stunbem
plan ihres neuen Kurfes für Heügpmnaftit,
unb gnle^t aub — gulep, bas befriebigte fie —
über ihn. SDSie feltfam gelang es bob ben Un=
beteiligten, fie in etmas btneingutreiben, ibt
etmas erft bernnfet gu maben, mas mirtlib nur
halb unb buntel in ihr gelebt butte! Sie funb
ja fo menig 3 eit, an anbres als bie eignen 3 tuf*
gaben gu beuten, einem fremben SERenfben
102
782
1911. Sr. 30
einmal tiefer in bie klugen feines SBefens gu
flauen.
Sdfeön mar ber Sienfdfe. Sein 33ilb erfcE)ien
ifer unb gemann eine feftere gorm in ben
burdfefonnten Ulmengmeigen, mäferenb fie rufeig
emporfafe unb langfam meiterftieg. Das blaffe
©riedfeenantlife — ia, maferfeaftig, es erinnerte
an bie munberoolle £ermesbüfte im Stufeum.
Sgier gemann es £eben, roas fie als Scfeultinb
angeftaunt featte. Hub mefer noefe — nichts
Starres unb ©rfeabenes, liebe blaue Stenfcfeen*
äugen, treue Sterne einer 3>ünglingsfeele,
fafeen fie baraus an. Sie tonnten mofel feodfe*
mutig unb feart flauen — fo fafeen ifen bie
Pürger oon gtiebridfesburg, ben ebelgeborenen,
jungen Sominger, fo featte auefe fie il)n oft ge*
fefeen, beoor fie feine Aufmertfamteit erregt.
SCTlit iinblidfeer (Empörung, fpater mit ftitlem
©ram featte fie es bemerft — er gab fidfe meniger
mit bem Polte ab als ein grofefeergöglicfeer
Pring. Unb mar bodf) fcfeliefeltcfe nur ein
Pürgersfofen, bie Butter nur oom ^primftrie*
abel. 3fer mar, feilte fie intmer im Staube
fielen, menn bie Somingerfcfee £ebensequipage
oorübertam, unb bagu t>atte fie, ber Pfätger
Pauetnfprofe, nid)t bie geringfte £uft. Seit
bem oorigenP3inter mar bas anbers gemorben.
Auf bem Ptastenball ber Zünftler, mo fie mixt*
lief) unb maferfeaftig fef)r gut ausgefefeen unb
gang offentunbig oon Kennern als bie Scfeönfte
bes Reffes gefeiert morben — ba rüfete plöfetiefe
fein oermanbelter SBlidt auf if>r, niefet mefer
Ieutfetig, fonbern begmungen. (Er tiefe fiefe ifer
oorftellen, unb ba fie feine Scfemeftern fannte,
mürbe fie au cf) mit ifem rafcf) betannt. (Er taugte
mit ifer, nadfe einer 2Beile nur noefe mit ifer. Sie
füfelte fidfe mie mit einem Orben gefdfemüdt —
bas mar fefer bumm, aber eferlidfe. Vergebens
fd^alt fie ifer Selbftgefüfel — fie feätte bie ge*
meinfamen Stunben in biefer neibifefeen $lüfter*
Umgebung nidfet für eine 2BeIt gegeben. Unb
treu mar bie Steigung bes blonben Startmann
— feltfam 3 äfe unb treu. (Er mürbe fogleidfe
eiferfücfetig unb tiefe fie niefet fort, bis fie ifent
bie $efte genannt, an benen fie noefe teilnefemen
moltte. Sein Same mürbe auf alle fünftigen
Dangtarten gefeferieben. So tarnen noefe ber
Atmenball, bas £>oftfeeaterfeft unb ber Sali
ber feöfeeren Peamten. 3 U bem festen oer*
fefjaffte er ifer eine Starte, benn in biefe ©e=
fellfdfeaft featte bie Dodfeter bes Kodfes teinen
(Einlafe. Unb als er fie oon bort nadfe £>aufe
begleitete — ba featte fie auefe ein. langes,
ernftes ©efprädfe mit ifent gefeabt. P3as ifer
bas Iiebfte gemefen, fie brauefete ifem meniger
non fid) ergäfelen, als fie non feiner Perfon er*
fufer. (Er fpraefe fo tlug über fief), fo tlar unb
fo gern, liefet unbefefeeiben — efeer grüble*
rifefe, guälenb, ooll feöcfejten Anfprucfes. Als
ob er plöfelid) non einem Starlmann So*
minger fpräcfee, ben ifere Dräume fafeen, non
einem Dritten, noefe nidfet ©ntfeüllten. (Er featte
fie gerüfert unb 3 ugleicfe mit (Eferfurcfet erfüllt.
(Ein 9Jtannesringen fafe fie gum erften URale
oor fidfe, einen non aller 2Belt Pertamtten.
P3onadfe er rang, morin er eigentlidfe nertannt
mar, bas mufete fie jefet, menn fie an feine
teifen leibenfdfeaftlicfeen Sieben gurüdbaefete,
niefet mefer. Aber bas mar ifer auefe gleichgültig.
(Ein fefeoner ©eift, ein ebles ©emüt, ein Stenfcfe,
ben fie im 3 nnerften fannte — bas mar er ...
Sie blieb am PSege ftefeen, nom Anblid
einer befonbers fdfeönen, buntfarbigen Droffei
abgelenft. Der Singnogel fafe ifer gan 3 nafee,
auf einem fnofpenben 3 meig — er fcf)ten fie
niefet 3 u fürdfeten, mippte ben fcfemar 3 unb meife
gebänberten Scfemeif, btäfete bie rote Prüft in
guellenbem Pefeagen unb gudte mit bem blauen
Köpfefeen luftig umfeer. Doni feätte ifen tüffen
mögen unb fpifete bie £tppen, meniger gum
Pfeifen, als mirfliefe gum Kufe. Da flatterte
ber Heine Kerl banon, unb oerborgene Farben*
reige fdfeimmerten nod) metallifcfe unter ben
klügeln feeroor. Diefe göttlidje £eicfetigfeit, bie
fiefe mit bem eben erblidten Silbe bes be=
munberten SKannes nerbanb, medte ein felt=
fames 2Befe in Doni. S3ie tief blieb boefe ber
XXber £artb unb SJteer
SJtenfefe aus bem Solfe unter biefen frei be=
fdfemingten SSefen! 2 Bie trug er fie in fidfe, bie
gefeeimnisoolle ^lugfraft feines iterfomntens,
ber blonbe Starlmann, unb fie mar fo plump,
fie mar fo erbfefemer mie bie fefemargen, bürf=
tigen Sauernmenfcfeen alle, gu benen fie ge=
feörte. Draurig fd)ritt fie iferen 2 Beg weiter,
©r fenfte fi(fe jefet unb gab gur Steifeten bie $lus=
fidfet frei. Da fafe fie bas meite Dal oon $rieb=
ridfesburg, bie Dürme feiner gotifefeen Stircfeen,
bie grüne Stuppel bes grofefeergoglidfeen Sdfeloffes.
©ärten, oiele grünenbe ©arten maren ber
freunblidfee Stusgleicfe gmifefeen ben grauen
bäufermaffen. 3^nfeits umgog ber Sing ber
Sßeinberge bie Stabt — fie mar oon biefen
böfeen, bie ein Stleib oon Seben unb eine
SJtüfee oon £aubmalb trugen, oollftänbig üm=
geben. ,Sdfeöne beimat'/ baefete Doni. bl e:c
oben blieb alles frei unb rein — unten feaufte
oiel bumpfes Ungegiefer. Slber gleidfeoiel —
in ben Slugen, bie aus engen Lüftern tapfer
unb fefenfüefetig ins £idfet feinausfpäfeten, lebte
mofel bas Sefte. Siefe bem Dreiben unb ber
Slrbeit bes Dals in bodfemut entgiefeen, einfam
unb nufelos auf Sergen fdfemeifen — bafür mar
fie, iferes Saters Stinb, niefet gemadfet. $>\tx
oben £uft fdfeöpfen, fogufagen ©olb oon ber
Sonne in ein feeimlidfees Portemonnaie fteden
unb felbftfidfeer in bas ©emimmel gurüdleferen
— bas mollte fie. Sie redte fidfe, ftüfterte „3uli“,
ben Samen iferer jüngften Sifemefter — ein
reiner unb feltfamer 3 ctrtlidfeleitstrieb, beffen
Urfadfee fie fidfe niefet auftlärte — bann begann
fie ben Stbftieg gur Stabt.
Sa dfe menigen Sdferitten aber, an ber fo=
genannten Saftei, mo ein Stilitärpoften ftanb
unb oerfteinert präfentierte, als ob ber liebe
berrgott felbft bafeerläme, blieb fie mit poefeem
bem bergen ftefeen. 3 *»ei mofelbetannte meifee
Derrierfeunbe fprangen ben 2Beg feinauf. Sie
bellten unb feüpften in runblidfeer ©ragie, aber
anbers, fidfeerlidfe gang anbers als alle übrigen
Derriers im £anbe. Sie füfelten fidfe göttlidfe
beoorgugt, unantaftbar — mefee bem, ber fie
anrüferen mollte ober gar iferen ber nt, ber
ifenen folgte. Sie fprangen jebem Attentäter
an bie Stefele unb biffen gu — es mar niefet aus=
gubenten. Aber in biefe Situation tarnen
unb ^or bis an ifer feliges ©nbe nidfet. 3 eber=
mann liebte fie, unb ifer berr mar ber oer=
efertefte Stann in ^lebridfesburg — ifer berr
mar ja ber £anbesoater. Kamen bie beiben
bunbe, fo fam auefe ber ©rofefeergog — bas
mufete Doni, unb als eefetes §riebri(fesburger
Kinb.midfe fie fdfeeu 3 ur Seite unb madfete fidfe
gitternb 3 um Kpids bereit. 3 efet erblidte fie
ben feofeen berrn. Da tarn, er fdfeon, meife=
bärtig unb ftramm, bie b^ennafe gerötet, mit
ber Seiten, mie immer, ben Segenfdfeirm
gleidfe einem Starfcfeallftab umfpannenb. ©r
fafe eine Dame am 2Bege ftefeen unb fafete
ritterlidfe oor iferem ©rufe an feinen 3 üdnbet.
Doni fefete fiefe faft auf bie ©rbe unb lädfeelte
iferen alten dürften tiebeooll an — fie featte ifen
fo lieb, er mar ifere früfeefte ©rinnerung. ©in
3feünber mar freilidfe aus ber Krone bes 9Sär=
dfeens gemorben, ein Segenfdfeirm aus bem
3epter — aber mas tat bas? Den dürften featte
fie erft fpät begriffen, ^or bellte fie an mie
jeben grüfeenben llntertan. „Still, $ 01 1“ rief
ber ©rofefeergog oermeifenb. Dann mar er mit
feinen turgen, fteifen Sdferitten oorüber, unb
ber präfentierenbe Solbat gemann mieber
£eben, fanb fidfe oom feödfeften Augenblid feines
Poftenbafeins in bie Sieberung manbernber
£angemetle gurüd.
Doni näfeerte fiefe bem Seuturm, ber eine
feltfam buntfdfeedige Ausgeburt moberner Ar=
dfeiteftenpfeantafie mar unb bas SBafergeidfeen bes
oornefemften Siertels oon $riebridfesburg bilbete.
©s lag auf bem ^ofepfesberge, ber fidfe an ben
nur mit Partanlagen bebedten 3ä9 ers ^ er 9 an=
fdfelofe. Doni aber betrat niefet bie fülle Serta=
ftrafee, in ber neben anbern Patrigiern auefe
Somingers mofenten, fonbern eilte Ieidfetfüfeig,
ba ifere Partmanberung 3 U ©nbe mar, bie
lange Steintreppe gur Stabt feinunter, ©in
£ift mar oorfeanben, aber an ben baefete fie
niefet. Sie mar oon iferem patriotifdfeen ®e=
füfet befeelt, fie träumte nur noefe oon bem
©rofefeergog, niefet mefer oon Karlmann. Auf
bem unterften Dreppenabfafe aber ftiefe fie
beinafee mit einem §errn gufammen, ber eben
feinauf mollte. SSie entfefete fie fidfe, als fie eine
mofelbetannte, etmas nafate Stimme feörte:
„Parbon, Fräulein Dräntle! 3^fe tttädh # fefeon
f^ront!"
Karlmann ftanb ladfeenb an bie SSanb ge=
brüdt unb feielt ben berüfemten Panamafeut
in ber $anb. ©s mar, als ob er ifer Kompliment
oor bem ©rofefeergog parobieren mollte.
Dief errötenb ftammelte fie mit einem
flüdfetigen £ädfeeln: „©rüfe ©ott, $err So-
minger!" unb mollte oorüber. Aber er fpraefe
meiter — bas Scfeidfal featte feinen £auf.
„SSie gefet es 3fe^ß^ benn? 3d) featte ja
lange niefet bie £freube, SfefteTt gu begegnen.
Seit bem SSirtter ni<fet. §aben Sie einen Heinen
Spagiergang gemaefet? Das SSetter ift ja
pradfetooll. Darf idfe fragen, mofein Sie fiefe
jefet menben?"
„3dfe mill gefefeminb in bie Stabt feinunter
unb ein paar 93eforgungen madfeen."
„Dann bürfte idfe mofel ben Sorgug feaben,
Sie gu begleiten?"
„3ntommobieren Sie fidfe bitte nit, $err
Sominger, Sie mollten bodfe maferfdfeeinliefe
eben feinauf auf ben 3 of^Pf)^ er 9 <? “
„Das eilt garnidfet! 3<fe ^ante 3fenenbie Per*
feütung meiner fdfeeufelicfeen Pergefeliefeteit. Sie
erinnern miefe baran, bafe idfe auefe einen ©in*
tauf in ber Stabt 3 U madfeen feabe. f^ür eine
Soiree, bie feeute abenb bei uns ftattfinbet.
Steine Stutter feätte mir niefet fdfelecfet ben Kopf
gemafefeen."
Sie ftanben fidfe einen Augenblid fdfemeigenb
gegenüber. Doni fafe niefet auf.
„AIfo?" fragte Karlmann rufeig unb freunb*
liefe. „SBoIIen mir feier meiter bie Paffage oer*
fperren ober in bie Stabt feinunter?"
Permirrt nidte fie nur unb feferitt bie Iefeten
Stufen feinab. ©r blieb an iferer Seite. 2Bie
ein oeriegenes Sdfeulmäbel laufdfete fie feinen
mofelgefefeten Seben. Sie featten Kraft unb
PSärme, aber auefe ftets einen Sefeimmer oon
3 ronie. ©r fpraefe eigentlidfe niefet mie ein
junger Stenfefe, jebenfalls niefet mie einer aus
iferen Kreifen. SSenn man ifen niefet anfafe,
tonnte man meinen, neben einem feinen, ält*
lidfeen Ariftotraten gu gefeen, einem Diplomaten
ober fonft etmas Pornefemem. Dagu tarn, bafe
Doni mit iferen abmärts geriefeteten Augen
immer bie munberootlen £adftiefel feiner lang*
fam fdfereitenben f^üfee fafe unb fein Parfüm
atmete, bas eine mübe Salonatmofpfeäre mit
etmas feergig Satürlidfeem oerbanb. ©inmal
blidte fie ifem fefeeu in bie Augen — ja, er trug
es mieber, bas abfcfeeulidfee Stonotel, unb fafe
fie mit bem linten, freien Auge ein bifedfeen
glofeenb an. SSie fdfeabe — feine blauen Augen
maren boefe fo fefeön. Hnb bas golbblonbe §aar,
bas rofige Antlife. Ob er jefet mirtliefe gang
natürliefe fpradfe? Sie featte nun einmal ben
trofeigen, unbeirrbaren Sicfeter über Aatur unb
Unnatur im £eibe. ©ines ftanb ifer jebenfalls
feft: fie burfte nidfets tun, mas ben Klatfdfe*
mäulern gu reben gab, fie mufete feaarfdfearf
auf ber £inie bes ©rlaubten bleiben. SUt Karl*
mann Sominger bie ©rofefeergo£*$rietoi<fe'
Strafee entlang 3 U gefeen, bie um biefe Stunbe
am belebteften mar, feielt fie für unerlaubt.
Auefe melbete fidfe eben jefet, als ifer bie erguifite
f^arbe feiner ©lacefeanbfdfeufee auffiel — fie
featte fie oft genug auf ben polftem einer ge*
miffen ©quipage gefefeen — bie tief brewtenbe
©iferfuefet oon neuem in iferem bergen, ©igent*
liefe mefer Auflefenung als ©iferfuefet. Auf eine
(Stufe mit ber Dfeeaterbame mollte fie benn
boefe niefet tommen — für eine nette Unter*
fealtung gmifefeen bem Sdfeäferftünbdfeen unb
ber eit erliefe en Soiree mar fie fidfe gu fdfeabe.
Dab Pauernmäbel, bie Dodfeter oom Kocfe am
Startt, ein bifedfeen pouffierett? Sein. Dem
mollte fie gletcfe ein ©nbe madfeen.
1911. 9lr. 30
Übet £anb unb 9Jlccr
783
21m Eingang 3 ur ©rohher3og=$rtebrtd) 5
Strafe, bort, mo ber SJtebgermeifter SBuII feinen
£aben batte, blieb fie fielen — fie roollte ihn
burrf) ben fatalen $Ieifhgerud) abfhreden.
„So!" rief fie aufatmenb. „£ier muh id)
hinein, £jerr 9tominger! 9Iuf 233ieberfel)en!
Schönen Danf für bie ^Begleitung!"
„3h roerbe mir erlauben, braunen auf Sie
3 U märten," fagte er Iächelnb unb grüfjte mieber
ehrerbietig. Diefer ©ruh, ber ihr gar nicht 3 m
fam! ©lühenb machte fie lehrt, lief in ben
£aben unb taufte bei §errn Süll smeimal
fooiel frifhe 9Burft, als fie gemollt hatte. Dann
half es nichts, bann ftanb fie mieber braufjen
ihrem hartnäckigen ^Begleiter gegenüber.
„2Bas haben Sie jebt oor?" fragte er freunb*
lid) unb, mie ihr fd)ien, im 3 nnerften amüfiert.
„ 3 ebt tauf' id) einenftäf'!" rief fie entrüftet.
„Das habe id) auch oor," mar feine höflich 6
^Intmort.
Dod) fd)on nad) menigen Stritten im ©e*
mühl, als fie auf bem anbern Sürgerfteige
Onfel SOtohr, ber feinen Sohn führte, baf)er=
fommen fat), machte fie enbgültig halt unb
flüfterte bittenb: „§err Sominger!..."
Son ihrem Don betroffen, blieb er ftehen
unb fragte ernfttjaft: „ 2 Bas ift 3 hoen beim,
liebes Fräulein?"
„©s ift — id) halt' es für gan 3 unmöglich,
bah ooir 3 mei Iper unter bie £eut' fpajperen
gehn! ©s ift $Ibenb! 3 <h mag bas oerbammte
&Iatfd)neft nit! 3 <h muh 3 huen jebt 3tbieu
fagen! Nichts für ungut, Jerr 9?ominger!"
©r fchmieg eine 9BeiIe, bann ermiberte er
ruhig: „Ser 3 eif)en Sie mir. Sie haben mot)I
red)t. 3 <h achte auf bie £eute 3 U menig. 9lber
Sie fagten bas in einem Don, als ob Sie es
befonbers bebenflid) fänben, in meiner Se=
gleitung oon ben 3 riebrid)sburgern gefehen 3 u
merben. Darüber möchte ich um gütige Dtuf*
flärung bitten."
,,9Id) nein!" ftieh fie oermirrt heroor.
©r 3 udte Iächelnb bie 51d)feln unb mollte
fid) oerabf«hieben. Da tarn if)r eine fchnelle,
mertmürbig entfd)Ioffene Überlegung. Diefer
hochmütigen Selbftficherheit mollte fie benn
bod) ein ©nbe machen — auherbem, fie mar
es nicht gemöhnt, mit ihren ©ebanten hinterm
Serge 3 U halten. Den ©inbrud, bah fie ihu
fürd)tete, follte er nicht haben, unb bah fie ihn
oerad)tete, nod) meniger. s JRit einem gefürchteten
ober oerad)teten Sdtenfhen gab fie fid) über*
haupt nid)t ab. Sie hatte ihm mancherlei 311
fagen. 3h r ©h^ichteitsbrang, ihr trotziger Stol 3
oerlangten es. Unb ba tat fie etmas, mas fie
fpäter faum nod) begriff. Sie fehrie ihren
Stanbpunft oöllig um unb fuhr ben Uber*
rafd)ten mie einen unge 3 ogenen ftameraben
faft in barfchem Don an: „kommen Sie
menigftens ba in bie Uferftrahe hinunter — in
bie Einlagen — ba haben mir fein ^3ublifum —
ba tann id) Sie auftlären!“
©s burd)fuhr ihn mie ein heiher Strahl —
fie fah es. ©r mürbe bunteirot, unb feine klugen
leuchteten fie an, nicht oerlangenb, nid)t fieges*
gemih, eher ehrfürchtig unb ooll Semunberung.
©ine Sprache mie bie ihre fd)ien am 9teuturm
nicht geführt 3 U merben. Die mutige Segung
eines reinen ?Jtäbd)enmiIIens mar ihm fremb.
Xlberlegen mar er ihr auf ber lauten Strahe,
unter ben oielen neugierigen 9Jtenfd)en —
hier, am einfamen ^lufjufer, im §albbuntel,
gan 3 mit ihr allein, fam eine bienenbe ©mp*
finbung über ihn unb bas Serantmortungs*
gefühl bes Jünglings oor ber Jungfrau.
©r folgte ihr Iangfam — fie mar mit heftigen
Schritten oorausgegangen. ^3Iöbüd) aber,
unter feinem ermartungsoollen Slid, mürbe
ihr bemüht, mas fie getan. Sie lachte Ieife unb
tonnte oor Scham nichts fagen.
„9tun, Fräulein Dom?" fragte er Ieife.
9Jüt rnilbem Häufchen 30 g ber 3 luh in
feinem fteinigen Sett bahin. ©s buftete nach
gaulbaumblüten. §ier unb ba am fd)malen
$Bege blintte fd)on ein £eud)tfäfer, bem be*
brängten < 5 er 3 en bes 9Jtäbd)ens eine beffere
£aterne als bie matten £>Ifun 3 eIn ber ein*
famen Uferftrahe. Sie antmortete nicht, fie
mar gan 3 ratlos. Dabei lag eine bunfel prächtige
Serlodung in biefer Stunbe, bie fie um feinen
^ßreis hergegeben hätte.
Äarlmann blieb einen Schritt hinter ihr
3 urüd. ©r lieh ben ernften, IiebeooIIen Süd
nicht oon ihr. Dann begann er plöhü<h : „3<h
habe ben ©inbrud, bah Sie mir irgenb etmas
übelgenommen hüben, Fräulein Doni. Dah
id) Sie in irgenb etmas gefränft habe. Sitte,
fagen Sie es mir — id) lege hohen 2Bert
barauf — morin habe id) 3hnen mihfallen?"
Sie blieb ftehen. ,,9Id) ©ott —" ftieh fie
heroor. „Das ift ja Dorheit überhaupt. . .
2ßas mill id) benn ... Se^eihen Sie .. . 3h
muh i a meine Seforgungen mähen ..."
„Das hat mohl 3eit... 3h habe Sie um
Ser 3 ehung 3 U bitten ... Das ift fiher ...
5Iber mesmegen? ... 9tun? ... 3 <h oerbiene
boh mohl, bah Sie mir ^Intmort geben?"
Sie marf ihm einen fur 3 en, eigentümlich
flammenben Slid 3 U. „9tun benn," fagte fie
Ieife mit heftig mogenber Sruft, „menn Sie
es burhaus miffen mollen — bann fag' ih es
fhon. 3<h finbe, Sie follten — Sie follten
menigftens fonfequent fein-in 3h*en $ln=
fhauungen, mein' ih ! M Sie betonte bie lebten
SBorte mit befonberem 9tad)brud unb glaubte
auherorbentü'h flar gemefen 3 U fein.
(gortfefcung folgt)
'Picture <p&otogtapI) 6t) Einritt 91eame, Sonbon
£ ili e rt
1911. Wr. 30
Über ßanb urtb 9Jieer
SDtobente 9teiterftanbbilber
Dr. Uf)be<23ernai)s
<T\ ie ©nttoidlung ber 23ilbhauertun[t bat genau [o, tote es in
ber ©e[d)id)te ber SJMerei ber galt i)t, [ich oerf)ältnis=
mcihig [pät ber Darstellung bes 9Jlen[d)en als Porträt 3 u=
getoanbt. 2Bäf)renb aber bie piaftit fid) ber heroorragenben,
toegen ihrer 93erbien[te um Stabt unb Staat ber 9tad)U)elt
als ©etfpiel hin 3 u[tellenben Perfönlid)teit toibntete, blieb btefer
offi 3 ielle ©harafter, ber lp er bis 3 um heutigen Dage bie beiben
5tun[tarten ooneinanber fdjeibet, bei ber Porträtmalerei nur
ein gelegentlid)es, ein neben[äd)Iid)es SCRoment. 23on ber ©e=
pflogenbeit, ben gelben burd) ein 91eiter[tanbbilb 3 U ehren,
roeih er[t bie 3 eit ber römi[d)en 5tai[er ©enaues 3 U berichten.
Doch mag roohl Slleranber ber ©rohe bie ©hre für fid) in
5lnfprud) nehmen, 3 um erftenmal in ber jugenblichen Sd)ön=
heit [einer ©t[d)einung oon [einem £ieblingsbilbhauer £t)[ipp
bargeftellt toorben 3 U [ein. Die [pätere römi[d)e 5tun[t, bie
[id) mit großem ©rn[t ber Porträtpiaftit 3 ugetoanbt hat, tennt
bas 9 teiter[tanbbilb als bie üblid)e $orm ber ©hrung bes
5tai[ers unb [einer $elbherren burd) Senat unb 33oIt. Der
“dugenblid, too ber §err[d)er nad) [iegreicher Sd)lad)t ©e=
fangene begnabigt, er[d)eint als ber Höhepunft [einer Dat,
ber unoergänglid) fe[tgehalten toerben [oll. 3 m ©egenfatji 3 U
biefer mehr epi[d)en unb ruhigen 5luffa[[ung [tehen bie 9lb=
fid)ten ber neueren 3eit, beren 23ilbt)auer ihre gelben im bra=
mati[d)en ÜDtoment bes [ieges 3 Uoer[id)tlid)en ftampfbeginnens
ober in ber lebhaften SBcnbung 3 um Sieg, mitten toährenb
ber Schlacht, 3 u einer! lebensoolleren unb p[pd)oIogi[d) inter*
e[[anteren Dar[tellung bringen.
Die toid)tig[te 9teiter[tatue, bie aus bem Altertum erhalten
i[t unb bie bei ihrer 5luffinbung eine [o grofee 23egei[terung
,, i> ,
Hermann Hahn: 9ieiter[tatuette
‘Mbolf oon §ilbebranb: 23ismardbentmal in ^Bremen
erregte, bah ein 3Jiei[ter toie 9 Jlid)eIangelo für [le¬
ben Sodel enttoarf, auf bem [ie jettf auf bem
ilapitolplatje in SRom aufge[tellt toorben i[t, i[t
ber 5ki[er s Dtart Slurel. Die naturali[ti[d)e Stuf*
fa[[ung biefes Stanbbilbes blieb für bie 23ilb*
hauerfun[t ber 5Renai[[ance ohne ©influh-
Die herrlichen Arbeiten bes ©attamelata oon
Donatello, bes 93artolomnteo ©olleoni oon 33erroc=
d)io toarett bereits oollenbet. Die ©inheitlid)leit
ber fün[tleri[d)en ©e[amter[d)einung bes Den!»
mals in ber Bereinigung ber men[d)lid)en $igur
mit bem Pferbe, bie Hauptaufgabe für ben 23ilb=
hauer bes 9teiter[tanbbilbes, toar [(hon oorl)er ge=
funben toorben. So ergibt [id) bas be[timmte
Sd)ema, bas 3 U tünftleri[d)er Freiheit unb ©igen*
art aus 3 uge[talten oon nun an an 3 iet)enbe Dätig=
leit ber mei[ten großen pia[titer getoorben i[t.
2Bir haben es 3 U betlagen, bah -Seonarbo ba 33inci
[ein grobes 9?eiterben!mal bes Francesco Sfor 3 a
oon SCRailanb nid)t hat oollenbett tonnen, bah
[ämtlid)e Stanbbilber ber fran 3 ö[i[d)en Könige,
SBerte ber 9ftei[ter bes [ieb 3 ehnten unb acht 3 ehnten
3at)rhunberts, ben toilbert Stürmen ber Beoo=
lution 3 um Opfer fielen, [o bah oon bie[en 5tünft=
lern nur ^alconets ptonument Meters bes ©rohen
in St. Petersburg 3 U uns [prechen tann.
Die 9 teu 3 eit hat bem Beiterftaubbilb ben re*
präfentatioen unb ben betoratioen ^toed gela[[en.
3n allen ßcinbern haben [ich bie 23ilbl)auer
bemüht, bie Helben ihrer Heimat bar 3 u[tellen.
©s Iaht [id) aber nid)t leugnen, bah tritt gan 3
toenigen Busnahmen (ettoa bem Sismardbentmal
Slbolf oonHilbebranbs in Bremen) bie 2 >nbioibuali*
tat bes ftün[tlers ber allgemein üblid)en tppi[d)en
$orm, bie lebten ©nbes auf ben 3 üm[oIbaten
hinausgeht, [ich all 3 u[el)r unterorbnete. Dies trifft
oor allen Dingen auf Italien 3 U, mo in [eher Stabt
ber üblid)e ©aribalbi in [einer 23lu[e oor einer
[pmmetrifch angeorbneten Partanlage aufgeftellt
ift. SPtit jeber rtottoenbigen 2BieberI)olung toäd)[t
bie Sd)toierigteit ber Dar[tellung, unb aud) toir
toerben einmal „neue üftöglid)teiten" für eine
5tai[er=2Bilhelm= ober 23ismard* Statue 3 u begrüben
haben.
©in glüdliches ©e[d)id hat es gefügt, bah 3 toei
ber be[ten 9teiter[tanbbilber, toeldje bie moberne
1911. 9tr. 30
Über £ctnb unb 9Jteer
785
beutfdje 5 lun[t befißt, fid) in bcr nämlid)en Stabt
befinben. Die Monumente Kaifer $riebrid)s oon
£ouis Duaillon unb ©ismards oon ©bolf oon §ilbe=
branb in ©remen ragen, bas eine burd) bte ©igett-
art ber Miffaffung, bas anbre burd) bie £ebenbig=
feit unb Mud)t ber energifcßett Darftellung, rueit
über ben Dürcßfcßnitt ber [onftigen offiziellen
Denfmale hinaus. Der „Kaifer $riebrid)“ oon
Duaülon fißt in ber Dracßt bes antifert gelbßerrn,
ben Stab in ber $anb, auf beut mäd)tigen Streit=
roß, bem ebenfalls antifes ©efd)irr unb 3<ium3eug
aufgelegt ift. Die großartige Mirfuttg bes ©außen
berußt auf ber trefflid) bestimmten Proportionalität
3toifd)en bem nur fd)einbar allsu niebrigert Sodel
unb ber oon ißm getragenen §igur. Die monu=
mentale ©usfiißrung roirb im befottberen burd)
bie mit außerorbentlid)er $ßnlid)feit toieber^
gegebenen ©eficßtssüge, bie allein „unfern $riß"
feftßalten, auf bas Porträt in entfcßeibenber Meife
eingeftellt, fo baß bie antififierenben ©inselßeiten
nur mehr als beftimmenbe Komponenten bes ßeroi=
fd)en fünftlerifd) = perfönlid)en ©efamteinbrudes
auf treten.
Dem ©ismardbenfmal 9 lbolf oon §ilbebranbs
fontrat bie blufftellung neben bem nörblid)en
Domturm oor3üglid) 3uftatten, unb ber Meifter
ßat ßier, genau oon ben flugen ©eficßtspunften
ausgeßenb, bie ibn bei ber ©usfüßrung feines
Mittelsbad)er=©runnens in Müncßett beßerrfcßten,
ben unbebingt notroenbigen ard)iteftonifd)en 3u=
fammenßang 3toifd)en bem Denfmal, ber <$wnt
bes piaßes, ben umgebenbert Käufern als ein
toid)tiges ©rforberttis für bas ßerßuftellenbe Merf
3U betrad)ten, biefen ©isrnard an bie arcßiteftonifd)
notroenbige, ja allein für eine monumentale Mir*
fung möglicße Stelle gefeßt. 9 Iud) biefer ©isrnard
trägt nicßt bie oorfd)riftsmäßige Uniform ber
<?jalberftäbter Küraffiere, ein breiter Pan3er mit
feßtoerem ©urt bedt bie geioaltige ©ruft, ßoße
Stiefel reicßen bis an ben £eib, bie ©eroegung bes
Mrmes mit ber ©olle, bie allein ben Staatsmann
cßarafterifiert, ßält fid) in einer rußig=fraftooIlen
©ren3e. §ier galt es bem Künftler toeniger, bas
ntenfd)lid) ©ergättglicße toiebersugeben, fein Stre=
ben ging oiel toeiter, er erßob ben tt)pifd)en
perfönlicßfeitsbegriff, oßne ißn irgettbtoie ab3U=
fd)roäd)en, allein burd) bie ©rt ber formalen ©e=
ßanblung 3um Monumentalen. Mir benfen an
Montanes ©erfe, bie ben ©Iten oom Sad)femoalb
int Munbe berer 3cigen, bie nad) ^aßrtaufenben
oort ißm fpred)ert. „©isrnard" ift bann ein
fagenßaft=ßeroifcßer ©ede, Sigurb ober Dbin
ji getoorben.
©uf bem ©ebiet bes repräfentatioen Denfmals
fteßen als ausge3eicßnete ©ilbßauer 3toei fran=
3öfifd)e Meifter ooran, bie (freilid) in einer gan3
attbern ©icßtung bie Aufgabe ißrer Kunft feßenb
als ©obin unb feine ©acßfolger) entfpredßenb ißren
nationalen ©igenfd)aften bas brantatifcße Dempe=
rament in ben ©orbergrunb ftellen, ©manuel
gfremiet unb Paul Dubois. ^entiet ßat fid) burd)
eine große 3<©l *>on ©eiterftanbbilbern befannt
gemacßt, bie befonbers in ©tnerifa 311 oerfd)iebenen
Aufträgen gefüßrt ßabett. Seine „Jungfrau oon
Orleans", fein „©ärertfänger" unb fein Monument
bes ©ela3que3 im Harbin bu £ouore ßaben burd)
bie Denfmale bes ©olonel $otoarb unb bes
©onnetable ©ertranb be Duguesclin eine oor3üglid)e
©rgän3ung erfaßren. ©uf biefen beiben Stanb=
bilberti ift ebenfalls bie ©inßeitlid)feit ber ©efamt=
erfcßeinung oon gigur unb Pferb oor3üglid) 3um
©usbrud gebrad)t. Der befonbere ©inbrud aber,
ber oon ißrten ausgeßt, liegt in ber bramatifcßen
Kraft ber ©ßarafterifierung. Der füßne $eer*
füßrer, bem ber eßrenoolle ©eittame „Die ©litte
ber ©itterfcßaft" toarb ob feiner Siege gegen bie
©nglänber, rid)tet mit oertrauensooller ©ebärbe
bas §aupt gen itjimmel, ber ißm ßilfreicß 3ur Seite
Dß. ©rod: Der Sd)toar3e Prin3 in £eebs
fteßen roirb. Das energifcße ©eficßt mit feinen
roulftigen fiippen unb bem oorgefcßobenen Kiefer,
bas nad) beut Sarfopßag in ber Königsgruft oon
St. Denis mobelliert toorben ift, trägt ben 3«9
ernfter ©ntfd)loffenßeit. ©ud) bas Startbbilb bes
©olonel ^jotoarb entfpridjt allen ©nforberungen
lebensooller ©uffaffuttg. Der eble 3 freißeits=
fätnpfer ift in einer nocß rußigeren Pofe, im ©ugen=
blid ber ©eobad)tung, etroa ber plößlid)en 2ßaßr=
neßmung einer aus bunfelm ©ebel ßeroortretenben
Marfd)folonne bargeftellt. Die „Jungfrau oon
Orleans" oon Dubois, mit ber ftarfen ©etonung
ber rafd)en ©etoegung, fteßt ebenbürtig neben bem
Sßerfe öas ben gleicßen ©ortourf be=
ßanbelt. §ier ift bas „©ottgefanbte" ber „ßeiligen"
Jungfrau für bie ©ßarafterifierung ausfd)laggebenb
geroorbert. ^Iber bas Männlidje ber ©rfcßeinung,
bas burd) bie ©üftung unb ben geraben Siß feft=
geßalten roirb, roenbet fid) bod) in bem oer3üdt
nad) oben fd)auetiben ©efid)t unb ber 3ierlid)en
gigur 311 ber £ieblid)feit bes jugenblicßen SBeibes
fprupatßifcß ßinüber. Diefer Kunftart ‘Jlßnßerren
finb bie großen Statuen ber Spätrenaiffance,
toie fie in Deutfd)lanb in Peter ©ifdjers ©telier
in Nürnberg 3ur §errfd)aft. fant unb bort
bie ©eftalten bes ^Pnsbruder Maximiliansgrabes,
Alfons oon Kaftilien, König Dßeoborid) ge=
fdjaffen ßat.
©ine befonbere ‘©Crt bes 9 leiterftanbbilbes ber
©egenroart ift bie allegorifd)e ^feiterfigur. 3u
ben fdjönften unb bebeutungsoollften Monumenten
geßört ber fraftooll 3urüdgebeugte ^üugling auf
mäd)tig auffteigenbem ©offe in ben Kenfington
©arberts in Konbon, bem ©eorge gebend Matts,
ber berüßntte Maler, ber and) als ©ilbßauer
Drefflid)es leiftete, ben ©amen „ßebensfraft" ge=
geben ßat.
Diefe Utrt ber allegorifdjen Darftellung ßat
fid) oor allem aueß in ber Kleinplaftif geseigt.
Da3U finb ©nta3onen, 3 entauren, Krieger ge=
fommen. ©ußer Duaillon unb ©eorg 2 Brba
ßaben fi^ ßier 8hmn3 < 3 tud unb ber in ber
leßten 3 eit oielgenannte 3ufünftige Scßöpfer bes
©ismardbenfmals am ©ßein, Hermann §aßn,
ausge3eid)net.
Daß in ©nglanb, too ©eorge Matts bas eben
erroäßnte Monument gefeßaffen ßat, aud) bas
repräfentatioe ©eiterftanbbilb 311 guter ©eltung
fommt, betoeift bas Denfmal bes Sd)roar3eit
Prin3en oon Dß. ©rod in Keebs, ein Merf, bas
fid), in ber Mitte oon oerfd)iebenen fleinen
©iiften fteßenb, ebenfalls ber 3 lrd)iteftur bes
Plaßes gut anfd)ließt. Mt ben ©ismard in
©remett barf man freiließ babei nidßt benfen,
ber bie Überlegenßeit unfrer beutfeßen Kunft auf
bem ©ebiete ber ©eiterftanbbilber in fcßlagettber
Meife oor ©ugen fiißrt.
786
Über £anb unb SJleer
1911. Wr. 30
Der fterbenbe Napoleon* ©on g^rit) ö^toalb DMlfe
»tMHttttmmH I j
fifin niebriger, oon aller Nrt Unge3iefer j
VI/ beoölterter, 3U einem ©Sohnbaufe um= X
gebauter einziger < 3 d>af)tall mit roenigen ♦
biirftig ausgeftatteten Räumen 3U ebener |
©rbe, inmitten nactter ©afaltblöde, oer* ♦
tümmerter Ntasien unb ©ummibäume, X
einer meltoerlorenen, fieberreid)en, rtn* 5
mirtlid)en Dropeninfel, eines milben unb ♦
einfamen ©teeres, bas mit brüllenber ♦
Stimme bie Ufertlippen umbranbet — J
bas roar bie S3enerie bes Sd)luhattes ber ;
Sd)idfalstragöbie, bereit £jelb als Caesar X
triumphator in fa[t alle 5 tönigsfd)löffer |
©uropas etnge3ogen, ben uon feinen x
Ubiern beherrfdjten Nationen ben Dages* X
befel)l 3U bittieren unb fronen 3U »erteilen X
gemohnt roar. £jier oollenbete er, ber ♦
„©tann ber 3ah*hunberte", fein ©rben* ♦
mallen, aus ber Unermehlid)teit feines 5
Niefenreid)es in bie ©inöbe einiger Qua* X
bratmeilen oerbannt; ftatt non ber ge* t
mohnten ©efolgfdjaft aus Königen unb ♦
©afallen mie 3um Spott oon einem aus ♦
ben paar lebten feiner ©etreuen unb X
Diener befteljenben Sd)attenl)ofe umgeben; t
ber fieggemohnte oberfte Kriegsherr ber ♦
größten Armeen, ber gefürchtete Nllmäch* ♦
tige auf Schritt unb Dritt oon einem eng* |
Iifd)en 2ßad)offi3ier estortiert, Dag unb i
Nad)t unter ben tilgen einer in Nbftänbeit ♦
oon breiig Metern aufgeftellten ©Sacht* |
poftentette; in allem unb jebem beoor* |
munbet, als „©eneral ©onaparte" gemafc* X
regelt oon bem ebenfo engher3igen mie |
tattlofen ©ouoerneur St. Helenas; oer* $
raten oon feinen ©efdjmiftern unb ©tar* |
fd)ällen, bie il)m alles oerbantten; preis* —+
gegeben oon feiner ©attin; feines Kinbes,
feiner Xitel, bes notbürftigften Komforts beraubt;
in feinem l)äuslid)en £eben ber rüdfid)tsIofeften
Neugier gemeiner Solbaten unb fenfationslüfterner
Neifenber ausgefe^t — er, ber £iebling bes Sd)id*
fals, in bie §ölle eines übermenfd)lid)en Seelen*
martpriums, ins ©lenb geftofeen, tränt, fterbenb.
gaft unbemertt batte bas töblid)e £eiben fid)
oorbereitet. ©s lag in ber gamilie ber ©ona*
partes. ©tel)rere ©ermanbte bes Kaifers ftarben
am ©tagentrebs. Dod) er felbft befanb ficb) nod) im
Unglüdsjahr 1814 im ©ollbefih feiner ©efunbheit.
Da beginnt bas mörberifd)e Klima St. Helenas
bas 3erftörungsmert an bem Körper, beffen eherne
straft einft leine Strapa3e, leine ©ntbehrung 3U
läl)men oermod)t batte. Unb bie fd)Ied)ten £ebens*
bebingungen ber ©efangenfdjaft helfen es in ber
fur3en Spanne oon tnapp fieben 3 dl)ten »oll*
enben. Nile Nahrungsmittel finb minbermertig,
bas aus Nmerita importierte gleifd) halb »er*
borben, bie Konferoen alt, bie ©utter ran3ig, bas
©rot nicht burd)gebaden. ©s fehlt an frifd)em
©emüje, an grüdjten, an Nbmechfhtng im ©tenü.
©alb mirb biefes ©inerlei unfd)madhafter Koft
bem in Sad)en ber Dafel fo eignen ©efangenen
3iimiber. ©r mag fchliefoUd) gar nid)t mehr effen
unb leibet oft junger, ©inmal muh er bie ©tann*
fdjaft bes ©Sad)tommanbos bitten, ihm als altem
Solbaten ein paar ©iffen aus ihrer Nienage ab*
3uiaffen.
3u allebem fehlt es ihm an törperlidjer ©e=
megung, meil il)m bas Spa3ierengehen burd) bie
unabläffige Kontrolle feiner uniformierten ©e*
fängnismärter oerleibet mirb. ©r reitet nicht mehr,
feht mochenlang teinen gufc oor bie Dür feines
niebrigen, engen 3i™ m e rs unb lieft mit ben
©eneralen ©tontholon ober ©ourgaub ©efd)id)te,
bittiert £as ©afes feine eigne, jenes granbiofe
„©temorial be Sainte-§elene", lernt ©nglifd),
fpielt abenbs S<had) ober harten ober entbietet
bie Damen feiner ©etreuen 3um Diner. Unb
bei allem maltet in ben Keinen, ärmlichen Näumen
bie peinliche ©titette bes KaiferI)ofes.
Nad)ts flieht ihn ber Sd)laf. ©an3e Näd)te
lieft er in ben ©üd)ern feiner fpärlid)en ©ibliott)et
ober in ben ihm oom ©ouoerneur überfanbten
3eitungen — es finb faft nur foldje, bie etmas
Kräntenbes für ihn, Karitaturen, Satire ober
©lojjen über bie Kaiferin, feine ©emahlin, ent*
halten, an bereit ehelichen ©errat Napoleon jebod)
nicht glauben mill.
©titunter hat er and) Stunben, in benen mieber
etmas mie Hoffnung über ihn tommt. Dann
Die Dotenmaste Napoleons I.
merben £uftfd)löffer gebaut, bie Nusfidjten feines
Sohnes, bes §er3ogs oon Neichftabt unb präfum=
tioen Napoleon II., erörtert, bis ber ©efangene
mieber feuf3enb fein „Nh bal), es mirb bod) nichts
mehr!" ausruft. Unb bie Sdjmermut, bie ©itter=
teit ift mieber ba.
3 n ber 3 ^it riom §erbft 1819 bis ©nbe Som=
mers 1820 fcfjeint ber Äaifer mirtlid) ein menig
aufsuleben. ©r geht mieber aus, reitet, gräbt
unb pflan3t in feinem armfeligen ©arten, pflegt
feine paar ©flauen mit rührenber Sorgfalt unb
3eigt fid) oft guter Dinge. Nber bas alles ift
nur mie ein lehter Sonnenftrahl oor bem Nbenb.
©r ift oerloren.
©nbe 1820 beginnt bie ©affion. Nüt ©rgebung,
ja mit einer Nrt ©enugtuung hat er fie tommen
fehen: ihm, ber fein ganses Ntartprium, bie gan3e
©Sucht feines Unglüds bis in bie geheimften Ne*
gungen feines ©rams unter ben Nugen bes Uni*
oerfums, gleid)fam in ber ©ofe bes Nepräfen*
tanten eines unerhört fenfationellen Ditanen*
ruhms tragen muh, toirb fie bie le^te ©lorie oer*
leihen.
Nlit allen Symptomen bes Siechtums behaftet,
finben mir ben günf3igjäl)rigen 3u ©eginn feiner
Nuflöfungsperiobe: bas ©efid)t gebunfen, mit
Öbemen bebedt, bie §aut oom beftänbigen Dem*
peraturmed)fel bes Dropentlimas 3ermürbt, bie
Ntmungsorgane oon ber Sonnenglut ausgetrodnet,
bie einft fo fd)önen 3 äl)ite oerborben, bas Neroen*
fpftem 3errüttet, bie £eber 3erfeht, bie gan3e 5 ton*
ftitution oon ber mangelhaften ©rnährung ent*
träftet. Der ©uls geht nur noch unmertlid), bie
abgemagerten ©eine finb talt unb ftarr, bie
mädjfemen §änbe 3ittern beftänbig.
Unb trohbem mill man in feiner Umgebung
fein Seiben nid)t ernft nehmen. Der Nrst Nntom*
mard)i, beffen bloher Nnblid ben 5 taifer in ©Sut
oerfeht unb bem er bei jebem ©efud) fein „Ntörber!"
entge'gentreifdit, biagnofti3iert auf bie unter biefem
©reitengrabe alltägliche £eberent3ünbung unb auf
gaftrifche Störungen — nichts meiter. Demgemäß
rid)tet er feine ©ehanblung ein. Der ©ouoer*
neur aber glaubt nid)t einmal baran: er hält
biefe gan3e ftrantheit für eine ftomöbie mit bem
©nb3toed einer ©erorbnung auf £uftoeränberung,
bie bann ihrerfeits in ein ^lud)tmanöoer aus*
laufen mirb ...
Nnfangs De3ember mirb Napoleon auf einer
Nusfahrt ohnmächtig. 3 u bisherigen Strant*
heitserfd)einungen gefellen fid) halb ein trodener
§uften unb §er3befd)toerben. Die Sd)mäche*
l 3uftänbe, £)hnmad)tsanfälle mehren fid).
X Seine ©efid)tsfarbe mirb graugrün. Nllent*
♦ halben treten £)beme auf. Die oon innerer
♦ 5 tälte erftarrten, faft gefül)llofen ©lieber
♦ müffen beftänbig mit Umf^Iägen oerfehen
| merben. Der ©tagen nimmt nid)ts mehr
X an, unb fd)liehlid) [teilt fleh ein ununter*
t brod)enes furd)tbares Stegen in beiben
| Seiten ein. Der ©atient ift fo hinfällig
♦ gemorben, bah er fid) nicht mehr rafieren,
X rneber fd)reiben nod) lefen tann. Unb ihm
X felbft ift bas untrüglichfte 3 eid)en bes nahen
$ ©nbes ber ©ntfd)Iuh feiner fd)on feit ge*
| raumer 3 ^it mit Nbreifeplänen befd)äf=
♦ tigten, ber £aunen bes Äranten über*
{ brüffigen ©etreuen: 3u bleiben ...
♦ ©r oerbietet Nntommarchi, bem ,,©tör*
t ber", ben 3utritt 3U feinem llrantenlager.
♦ ©in anbrer, oerftänbnisoollerer Nr3t tritt
X an feine Stelle. 3 ™ ©tär3 1821 mäl3t fid)
X ber Kaifer oor Sd)mer3 auf bem ©oben.
J fiangfam fd)reitet ber Nuflöfungspro3eh
♦ feinem ©nbe entgegen.
5 3 ™ Npril tritt eine Ieid)te ©efferung
X ein. Napoleon oerläht 3eitmeilig fein eifer*
♦ nes ©ett unb fd)Ieppt fid) in feinen büfteren
| Näumenumher. Sprid)t oiel oon religiöfen
♦ Dingen, ©auplänen unb einer Neuorgani*
X fation bes fran3öfifd)en feeres. Dittiert
t fein Deftament unb oerhanbelt mit einem
| Nbbe über alle Details feiner Nufbahrung,
♦ ©eerbigung... in ©aris, „inmitten bes
X ©oltes, bas ich fo liebte", münfd)te er,
l ber oon grantreich ©erflud)te, nad) feinem
| Dobe 3U ruhen.
I ©alb mirb er bafein, ber Dob. 3 n ben
♦♦♦♦ feltenen Nugenbliden ber gieberfreiheit
breitet ber Äaifer feine in brei staffelten
oermahrten §abfeligteiten auf ber ©ettbede oor
fid) aus... bie Nnbenten an fein ©mpire: bie
£)rben, gumelen, bie Dabatieren, Dofen unb Uhren
mit ben ebelfteingefahten ©üniaturporträten feiner
gamilie, nimmt fie in bie 3itternben §änbe, fpielt
mit ihnen, betrachtet fie, oermadjt fie...
Nnfang ©tai beginnt feine Ngonie. 3 n ber
Nad)t oom 4 . 3um 5 . tommt im gieberbelirium
ein „grantreit^ ... Spitze ... Nrmee ..." oon
feinen £ippen. ©leid) barauf entfeffelt fid) nod)
einmal feine gan3e bömonifche ©nergie: er fpringt
oom £ager, smhigt mit ber Straft eines Niefeit
ben groben unb ftarten ©tontholon nieber unb
mill ihn erbroffeln.
©tül)fam bringt man ben Sterbenben mieber
3U ©ett. Nuf feine oom gieber oerborrten £ippen
legt man einen mit ©ffigmaffer geträntten
Sd)mamm. So ruht er, bemuhtlos, taum atmenb,
ftarr unb eistalt am gan3en 5 törper, bis 3um Spät*
nachmittag bes folgenben Dages.
Drauhen tobt ein elementarer Ortan. 3 n
bas ©rüllen bes ©teeres mifd)t ftd) bas 5 trad)en
unb Splittern entmur3elter ©äume. Die ©Beibe,
unter meldjer ber Staifer am Iiebften gefeffen,
ftür3t, mie bte oon feinen §änben gepflügten
©äumchen 3erbred)en. Nn ben §ütten ber eng*
lifd)en 2 Bad)en 3ertrümmert ber Sturm bie Düren
unb genfter. Unb über ben £eib bes ftill oer*
fd)iebenen gelben breitet ber treue Diener ben
©tantel oon ©tarengo. —
Der ©ouoerneur mill bie Nachricht oom Dobe
feines illuftren ©efangenen nid)t glauben, ©r
eilt in bas Sterbegemach, befühlt ben Doten unb
ruft ihn an. Nber fein „©eneral ©onaparte!"
medt ben nicht mehr.
3n ber gemaltigen ©infamteit feiner geifert*
infei, unter brei büfteren Drauermeiben bereitet
man bem Ditanen fein ©rab.
§ier mirb er fdjlafen faft 3toan3ig 3Qh r ^f
bis ihn bie ©ietät feines grantreid) unter ben
©tarmor eines hen©d)en Domes bettet, bort*
hin, mo er fid) ausruhen 3U bürfen gefehnt
oom raftlofen, bie ©Seit ber ©ölter umgeftalten*
ben ©Sert feines £ebens unb oom £eib feines
oieljährigen Dobestampfes.
Unb bie granbiofe Sd)lid)theit bes ituppel»
baues über ber itaifergruft mirb ben 3<£u =
hunberten aller 3 eiten in ergreifenber Sprache
er3ählen oon bem ©tarnte, ber mehr benn ein
3rbifd)er, faft ein ©ott — unb hoch nur ein
©tenfd) mar.
9?ad) einer 9^abierung t>on ö$cav ©raf
788
Über £artö urtb Sbleer
1911. 5ftr. 30
Die Stunbe m gerrn Slr^tbalb äfterfel
5HooeIIette t>ort $aul $ermaitn $artotg
ie Sd)reibftube ber Abteilung für loufertbe
ftäbtifd^e Bngelegenheiten war fab)l urtb Ijäfh
Iid), habet oon jener Baumoer f h w enbung nad)
ber ijöhe 3U, bie für Bureauräume rnetft d)aratte*
riftifd) ift unb bte beleibigenbe Nüchternheit nod)
beuitidjer Ijeroortreten läßt. Nur auf beut genfter*
brett neben bem ißult bes jüngften Schreibers ftanb
ein Seiner Blumentopf, in bem ein paar ein*
gefentte Bohrten fdjühterne Berfuhe mailten,
kanten um bie fd)inalen Stäbe gu jd)fingen. Ser
Seine Schreiber batte golbfarbenes §aar unb toar
toenig tauglich für ben Beruf eines tünftigen
Stabtfhreibers, 3U bem ihn fein Bormurtb be*
ftimrnt batte. ?iber es tpmmt hier hid)t fo fehr auf
ben lernenben Jüngling BSilliam Banberheib an,
als auf ben Sdjretbftubenoorftanb irjerrn Nrd)tbalb
Viertel.
Bon ben pulten ber fieben Schreiber flogen
über ben weiften goliobogen bintoeg ab unb 3U
Bliäe gu bem §errn Borftanb, beffen ungugäng=
Iid)e, b^rbe Ber)önlid)teit unb tnappes, turg an*
gebunbenes BSefen genügt batten, bie Sd)reib=
ftube ber Abteilung für Iaufenbe ftäbtifhe Bn=
gelegenbeiten 3um Btufter aller Sd)reibftuben im
Batbaufe 3U ma_d)en. ©r felber roar im Sienft
torreft unb peinlidj bis gum lebten unb oerlangte
gleiche Berufsausübung oon feinen Untergebenen,
gnbioibualitäten unb Busnahmefälle tannte er
nicht — geftern, beute unb morgen faben einanber
ähnlich, unb fo roar es gut. Selbft heute, am leigten
Sage, fcbien nid)ts bas ©leihntaft feiner Natur er*
fd)üttert gu haben. Sein hageres, bartlofes ©e=
ftd)t, in bem ein ißaar mertroürbige graue, braun*
gefprentelte klugen faben, roar wohl einen Schein
grünlicher als früher—eine lebte golge ber ©etb*
fucbt, bie ihn jäh befallen batte, als ihn ber Bat
ohne fein Bnfudien bie Bütteilung feiner beoor*
ftebenben fßenfionierung machte. Anfangs batte
er es gar nicht glauben roolten, als er es aber bann
im Amtsblatt am Btorgen lefen muhte: Ser
Bureauoorftanb Brhibalb Biertel tritt nad) fünf*
unboiergigjäbriger Sätigfeit bei Bblauf bes
Quartals in ben roobioerbienten Nufteftanb, ba
trat ihm por ©enuft feiner grühftüdsfemmel ein
weniges feiner ©alle ins Blut. Bber < 5 err Brägibalb
Biertel roar es geroobnt, ficE) gu beferrfdjen, unb
tein Schreiber merSe ihm in biefen Sagen bie
geringfte Beränberung an.
tcjeutewar ber lebte Sag. Biit bem ©loden*
fd)Iage groölf roürbe er bie geber aus ber i$anb
legen, unb ber anbre roürbe fie an feiner Statt
nehmen, ber anbre, ber fdjon lange auf feinen
Boften lauerte, ©r roar bem Bürgermeifter irgenb*
roie oerfippt, ol), fytxx Brdjibalb Biertel burd)*
fdjaute bie gange feine Sad)e. 3 o ^infid)t auf
feinen ©efunbbeitsguftanb unb bie fünfunboiergig
Sienftjahre penfioniert, er roar nie gefünber ge*
roefen als eben jebt, bas fd)roere Neroenfieber, bie
eingige 5 lrantbeit feines Gebens, hotte burd) aus
teine Spuren hinterlaffen. Bber er muhte roeid)en,
ber Neffe ber ©oufiite bes Bürgermeifters, ein
gang unfähiger Bienfeh, follte aufrüden.
geftt fiel bie grühfommerfonne mit einem
fhrägen fdjmalen ' Streifen, roie ihn bie öad)=
architeftur ber gegenüberliegenben oielftödigen
Käufer gulieh, in bie Scbreibftube. £>err Biertel
tonnte bas biftdjen Sonne nicht oertragen,, mit
einem fd)arfen hörbaren Bud gog er bie grünen
Srelloorljänge oor feinem genfter gu. 3 met junge
Schreiber, bie fid) gerabe in einer leife geführten,
angeregten Unterhaltung befanben, gudten gu*
fammen, unb nun traf-fie auch noch ber fdjarfe
Blid bes Borftanbes. ©ifrig beugten fie ihre Jdöpfe
über bie weiften 51 angleiblätter, unb 1 bie gebern
flogen, fie hotten einen ^jeibenrefpett oor bem
BIten, felbft jetgt noch, wo er hoch fo gut roie er*
lebigt roar.
Nun hotte ber Borftanb ben leigten geberftrid)
getan. Sie alte Batl)aus»l)r am Surme holte gum
Schlage aus — groölf.
Sie fieben Schreiber faften nod) urtgebulbig an
ihren Balten, fie burften nicht früher auf ft eben,
bis ber Jfjerr Borftanb fertig roar. “Bun trat er
herein, gemeffen, iorretf roie immer, unb in feiner
Stimme tönte teine Bewegung mit. -
„Bieine § errett, wie Sie wiffett, fd)eibe td) mit
heute aus bem Butte,. £eben Sie alle wohl.“ ,
Bah biefen latonifd)en Bbfhißbsworten ging
er oon B^It gu Bult unb gab jebem bie ^änb. ©s
war eine horte, heiße unb trödene ^anb, in beren
Srüd feiner ©mpfinbenbe oielleiht niebergeholtene
©rregung oerfpürt hotten. Bei bem jüngften
Schreiber BSilliam Banberheib ftodte er, als wolle
er ihm noh ein befonberes BSort fagen. ©r hatte
thn oor einigen 2 Bod)en erwifht, wie er auf einem
frifhen Bogen ftäbtifd)en Bangleipapiers um ein
niebergefdgriebenes ©ebiht einen Brang oon
grauentöpfen mit flatternben paaren unb Bofen
unb Bergifjmetnnid)t geihnete. ©r hatte ihn in ber
erften BSallung hart beim QI)^ genommen unb mit
Sabel niht gefpart. Sem Jüngling war bie Böte
ber Schaut brennenb ins. ©efidjt geftiegen, aber
BSorte ber Berteibigung hotte er nicht gefunben.
§err Biertel tonnte feiner gangen Bnlage nah
wenig günftig über einen Schreiber benten, ber
ftäbtifhes ©igentum gu Bllotria- benu^te, aber er
unterbrüdte boh bie BSallung, ihm beim Bbfdpeb
ein turges freunblihes BSort gu fagen. ©s wäre
eine Busgeidgnung gewefen, bie ber Jüngling wahr*
Ith wht oerbient hatte.
Bangfam fhritt |>err Biertel bie fteinemen
Stufen hinab, über bie ihn mit Busnahme turger
Urlaubs* unb gefeiten fein gaifl lange, lange
3ahre hinburh tagaus tagein geführt hatte.
Biehonifh erwiberte er ben ©ruh bes bienft*
tuenben Shnhmannes. ©r wu^te, bah er oon
allen Unterbeamten refpetüert würbe — heute
gum lehtenmal. BSenn er jetgt auf bie Strafte trat,
war alles gu ©nbe, was ihm Bebensinhalt be*
beutet hatte. Unb nichts würbe aud) nur für eine
Setunbe unterbrodfen; bas Bäbhen, bas aus bem
groben Betriebe fiel, war fofort erfeht, bie ge*
heinten laufenben Bngelegenheiten ber Stabt
gingen ohne ihn ruhig hten ©ang.
2 Bas war feine fünfunboiergigjährige Brbeits*
geit — ein Bid)ts. Biit bem Sobe war es ja aud)
gu ©nbe, aber er lebte unb atmete noh unb fühlte
fid) genau fo frifd) toie an jebem Sage.
Sie fhtoere Bietalltüre fiel hallenb ins Sd)Iob,
fo, nun war es oorbei. Sen bumpfen Shnterg,
ben er in. biefem Bugenblid fühlte, tonnte er mit
aller Setbftbeherrfhung nicht unterbrüden. Ser
BSeg 3U bem einfachen Speifehaufe, in bem er feit
mehr als brei 3 oh^ehnten nah bem Sobe feiner
Btutter fein einfahes Btittagsmahl einnahm, war
in Sonne gebabet, bie Überfülle oon £iht unb
BSärme empfanb er als beläftigenb, unb bie Bien*
fhen erfhtenen ihm alle fo gwedlos oergnügt. ©r
begriff überhaupt ben 3^ohftun unb bas Bähen
nicht, bas .Beben wär boh wahrhaftig ernft genug.
Sas Biahh bas ihm eine alte fhweigfame
Bellnerin' feroierte, munbete ihm niht wie fonft.
BSie es wohl bie anbern in ben Buheftanb Ber*
festen trieben? ©r wufgte ja, bah es Bollegen gab,
bie bas Büsruhen für ben eingig erftrebenswerten
3 uftanb hielten, aber bie hotten Familie, BSeib,
Binber unb ©ntel ober allerlei Biebhobereien.
BSas hotte er? BSeshalb follte er fih t>on einer
beruflichen Sätigteit ausruhen, bie fein Bebens*
gwed geworben war? Bßem guliebe follte er bie
langen Stunben bes Sags hier oerbringen, er
I)atte ja niemanb, bem er fid) irgenbwie anoer*
trauen tonnte, niht Bienfd) noh ^ier. ©s war
fhredlih gu benten. ; Saftig fprang er auf, gahlte
fhnell unb ging. Sie braoe Bathinta, ber biefes
Bbweihen oon pünttlid) geübten ©ewohnheiten
gang feltfam oortam, fhaute ihm höhft oerwunbert
rtad).
.£err Brhibalb Biertel bog oon ber lärmenben
Bertehrsftrgjge in bas ©ewirr fhmaler buntler
fhattentühler ©affen ein, burd) bie er auf Um*
wegen in feine BSoIjnung gelangen tonnte. Sie
Stille, bie Sömmerung taten ihm für ben Bugen*
blid wohl. Bber bie einmal aufgefhredten ©e=
banten liehen fih burhaus niht oerjagen, ©r
war ein erlebigter Biann, es tonnte niht anbers
fein, er wäre geftorben unb läge im ©rabe. Bßenn
er fih an eine Hoffnung, eine 3bee antlammern
tönnte ober an eine Bergangen!)eit, eine ©r*
innerung. Bber nichts, gar nichts tauchte auf, ein
glattes, georbnetes, in fihererBIltagsbahn geführtes
Beben lag hinter ihm. Sie wihtigften Biomente,
ben Sob ber ©Itern,! bie auf Beranlaffung feiner
Braut gelöfte Berlobung hatte er als unabwenb*
bare Sd)idungen hingenommen, ber fhnurgerabe
Bauf feiner eignen Binie war baburd). nicht unter*
brochen worben- ..
Bun hatte er Urlaub bis gum ©nbe feines
Bebens. BSie alt mochte er werben, er ftanb im
oierunbfehgigften Bebensjahr— gehu3al)re tonnte
es gut unb gern bauern, feine .Organe waren, wie
er wuhte, alle gefunb. 3 e b n 3 ohre — ein Sag wie
ber anbre, er allein in feiner ©infamteit. ©ine
3ornwoge ftieg in ihm auf gegen bie, bie feinen
Bbfhteb oeranlaht hatten aus irgenbeiner Bered)*
nung, bie er nicht anertennen tonnte, ©r hätte
etwas tun mögen, etwas Unerhörtes, Sd)reälid)es,
oon bem er fih teine feften Borftellungen mähen
tonnte, ©r redte feinen redeten Brm gu heftigen
unb groben ©eften empor, blante Sd)weihperlen
tropften auf feiner Stirn. Oh> er würbe es ihm
3eigen, bem Bürgermeifter, bem Bat, ber gangen
Sippe, umfonft füllten bie geheimen laufenben
Bngelegenheiten ber Stabt niht burd) feine §änbe
gegangen fein, ©in 3uden ging burh bie hagere
©eftalt bes alten Biannes, fo erfhrat er bei biefem
©ebanten. 3h m roar, als hätte er fein ganges
ehrenhaftes Beben auslöfhen wollen, ©r fühlte
fih plötjlid) fehr elenb, ein Bebürfnis nah Bus*
ruhen übertam ihn. Seine BSoIjnung, bie er feit
3 al)rgehnten tm gweiten Stodwert eines alten
Kaufes innehatte, war niht fern. Sie £>aus=
meifterin, ein bejahrtes BSeiblein, eng mit bem
alten |jaufe oerwahfen, oerforgte ihn fhleht unb
recht, doerr Brhibalb Biertel entbehrte nihts.
BSenn er bas Bebürfnis nah Unterhaltung oer*
fpürte, las er; neben ftatiftifhen Sd)riften, in bte
er fih immer wieber oerfenten tonnte, beoorgugte
er feltfamerweife ®efd)id)ten romantifhen 3o=
halts, je trauriger, je beffer. Buß erb em befaß er
eine $anbfhriftenfammlung, bie ihn unterhielt,
weniger burh ben dBhalt als burh bie Ber*
fhiebenheit unb ©igenart ber Sdjriftgüge. ©r
taufte gelegentlich Biatulaturen, bie er mit ©e*
nufj fortierte. Bianher Sh ah war burh 3 ufaII
in feine $änbe geraten, ben er bem eigentlichen
BSert nad) burhaus niht gu würbigen wufjte.
Sonft hatte hm feine Sammlung ftets angenehme
3erftreuung bereitet, heute oerfagte auh biefes
Büttel, ben einen bohrenben ©ebanten gu oer*
treiben. 3.m©egenteil, bie Blenge ber befd)rtebenen
Rapiere unb Bergamentfehen flöhten hm eine
Brt ©rauen ein.
Buf feinem alten Beberfofa fant er enblidj in
einen ^albfhlaf, ber h m aber nur geringe ©r=
quidung brachte, ©r hatte wahrhaftig geträumt,
allerlei tonfufes wirres 3eug, eine ©rinnerung aus
Sdjultagen: unermüblih fah er fid) felbft einen
Ungeheuern Stein über eine ftaubige Banbftraße
wälgen.
§atte er benn anbres getan fein ganges Beben?
©r oerfiel in bumpfe ©rübeleien über feinen 3a*
ftanb, wo er auh immer feine irjanb ausftreden
würbe, fie blieb leer — leer, ©r germarterte feinen
5 topf um einen Bntnüpfungspuntt mit bem Sa*
fein, er fanb leinen, ©ine bumpfe Bhnung ber
Xorheit feiner Bebensführung ftieg in h m auf.
©roll ohne Beimifhung einer wehmütigen ©mp*
finbung erfüllte ihn oöllig. Ser ©ebante, ben er
oor ein paar Stunben erfhroden gurüdgewiefen,
taud)te wieber auf, nein, nein — aber gefhhen
muhte etwas, bte Satenlofigteit quälte ihn namen*
los. Sein Blid fiel wieber auf bie $anbfhriften,
bie peinlid) in blaue Bttenbedel georbnet in ben
Mähern eines großen Begals aufgeftapelt lagen.
3 n biefer Stimmung erfhien hm bie Sammlung
als ber ©ipfelpuntt ber £äd)erlid)teit in feinem
Beben. Sie BSoge ohnmächtigen 3 orns wallte
wieberum hod), mit ^aßempfinbung ftürgte er fih
auf bie blauen Bttenbedel, rifj bie Blätter heraus,
gerftreute fie in bem pebantifd) georbneten
3immer unb fhleppte gange jätete gum alter*
tümlihen Ofen. Sie follten brennen, bie alten
Bergamentrefte, bie weiten unb gelblichen Bogen
oergangener 3ohgehrtte mit ben oerfhnörtelten,
funftoollen Buchftaben, mit benen er jetgt nihts
mehr gu tun hoben wollte, in flammen follten fie
aufgehen, alles in glommen. Bon faft fanatifhem
©tfer gur Bernidjtung feiner Shätje erfüllt, ent*
ging hm bas Bohen an ber ©ingangstür. ©nblth
brüdte eine fhähteme B>anb bie Bünte herunter,
unb bie Süre würbe gaghaft geöffnet, ©in junger
Btenfh fhob fih langfam herein, ber junge Schreiber
mit bem golbförbenen B»aar, BSilli Banberheib.
§err Brhibalb Biertel, ber oor bem Ofen hodte
unb gufaramengeballtes Rapier in bie weite buntle
Öffnung fhob, blidte gur Sür, benn ein leifer
BBinbgug hatte ihn getroffen, unb gegen 3ug war
er.fehr empfinblih- ©mpört fprang er auf, als er
ben ©inbringling bemertte.
Ochweigettd zieht durch Bebens Strom mein Schiff,
y EäRt die starken Winde kommen, gehen,
Öffnet weihe Segel ihrem Wehen,
Gleitet dann vorbei — dem 5el$ — dem Riff.
Gebt durch seinen schlanken, stolzen Ceib
Kaum ein Zittern vor der Wucht der Wogen.
Wenn sich seine Segel einmal bogen,
Tst’s, als beugt sich lächelnd nur ein Weib.
Als ein Weib, dem Glückes Purpurpracht
Um die Glieder blühte schwer und schweigend,
Das, von sühem Segen stumm sich neigend,
Gine Seele trägt, die singt und lacht.
Als ein Weib, das stand in bärnem Remd
jFfn dem Pfahl der Wärter im Uerbluten,
Das sich taumelnd hob vom Streich der Ruten
Und dann hinging, hoch und stolz und fremd.
So beschwert mit tränen und mit Blut,
Zieht mein Schiff durch wilder Wellen Schäumen.
Schwer von überholden Weibesträumen,
Streicht es ruhig durch die dunkle Kut.
Grü^t am Ufer weinumrankte Röhn,
Blühnde Burgen und der Wälder Stille,
Grübt der Städte heiRgedrängte Kille
Und die Segel, die vonibergebn.
WeiR von Zögern nicht und nicht von Rast,
Sieht die Ufer ferner — blauer — gleiten,
Bis das IDeer sich dämmerstill wird breiten
Und empfangen süRe, schwere Cast!
1911. 9lv. 30
„Was rnollen Sie Rier, rner Rot 3 Rtten erlaubt,
eht3utreten? Sie feRen bod), baR id) aus3ieRe."
„Wein Klopfen überRörten Sie, unb bie Haus-
meifterin fagte bod), Sie toärert 3U $aufe."
„Was Raben Sie bei mir 3U tun, roie tommen
Sie ba3U, micR auf3ufud)en? ©eRen Sie!"
Der Jüngling jcRien leinen anbern ©tnpfang
enoartet 3U Raben, er blieb mutig fteRen.
„ 3 <R roollte SR^en fo gern etroas greurtblidjes
ermeifen unb rneiR bod) nid)t roie."
Herr WcRibalb derlei blicfte ben Jüngling
fcRarf an.
„Sie mir, roie tommen Sie bap, gerabe Sie?"
,, 3 d) bacRte, ba geRt einer Rin unb Rat fein
hebert oerloren, roie muR er leiben!"
Der alte Borftanb, ber oolltommen feine §al=
tung roiebergetoonnen Ratte, faR mit road)fenber
Bemunberung auf ben jungen WenfcRen.
„WoRer toiffen Sie bas?"
„Das füRlt man im 3 mtem, id) feRe es ben
Draurigen an, wenn fie traurig finb, aud) roenn fie
iRr WltagsgeficRt macRen."
„Da muR man fid) ja oor 3 Rnen in ad)t
neRmen."
©s mar 5 reunblid)teit im Don, bas ©rfd)einen
bes tleinen Sd)reibers gerabe in biefem klugem
blid mar iRm mertmürbig bemegenb.
William BanberReib trat einen ScRritt näRer.
„Darf id) 3 Rnen fagen, mas id) nod) gebaut Rabe?"
Herr Werfel nidte.
,, 3 d) Rabe gebad)t unb nicRt Reute 3unt erftem
mal, es gibt fo oiele Wettfd)en, bie bie Welt gar
nicRt tennen. Hdbett Sie moRl gefeRen, mie ber
^lieber in biefem grüRIing geblüRt Rat? ©s mar
eine s f 3 racRt, in ben Einlagen unb ©arten bie meiRen
unb oioletten Dolben an ben fd)toar3en 3ierlirf)en
©ifengittern unb über alten Wauem 3U feRen.
Wan muR einmal richtig miterleben, roie ber $rüR=
ling fommt. 3 eber Dag etmas Weites unb alles
ber Orbnung gemäR mie in einer ScRreibftube,
bloR luftiger. Wan tarnt fooiel ft-reube mit nad)
Haufe tragen, unb bie blüRt bann meiter. 3 <R
glaube, man tarnt nie gan3 allein fein, mentt man
bie 9 tatur red)t I)er3lid) liebt."
„Da muR man moRl früR anfangen, ein jebes
Ding mill gelernt fein."
„Wer Wtgen unb Hers offen Raiten mill, ber
fieRt aucR."
Der alte oerfnöcRerte Wenfd) Rörte bie junge
Weis!)eit, unb etmas Werfmürbiges regte ficR in
iRm, als ob eine Quelle aus oerfcRütteten Diefen
bas fiicRt fucRte.
„Warum mürben Sie ScRreiber, BanberReib?"
,,©s ift fein ©elb ba, anfangs mar id) moRl
traurig, baR alle Hoffnungen 3U ©nbe fein follten.
9 hm aber Rabe id) gebacRt, baR tttatt ficR ittnerlid)
bod) entmideln tarnt and) in ber ©ttge. Unb bann
Iefe id) oiel, id) Rabe £ieblinge, 3 ean ^ßaul, oR, ben
follten Sie fetttten lernen, er mürbe 3 Ruen gemiR
aud) gefallen."
„3ean ^ßaul —"
„Wenn Sie erlauben, bringe id) 3 Ruen einmal
einen Banb. Wenn id) mieberfommett barf, 311=
bringlicR ntöd)te icRjnd)t fein."
„Was mollten Sie bei mir alten, erlebigten
Wann?"
„OR, bas bürfen Sie nid)t fagen, bas Wlerbefte
fann bod) jeRt erft fomtnen. Daran tnuR man jebett
Dag benfen.“
„Das DTllerbefte fann bod) jeRt erft tommen,"
fagte ber Wte leife^nad). „©eRen Sie jeRt, id)
möcRte allein fein, Sie Raben mir moRl getan unb
menn Sie mögen, bann fomnten Sie mieber."
Ws fid) ber Jüngling 3ur Dür manbte, rief iRn
ber Wte nod) einmal an, uttb feltfam, ber Don
flattg fcRon mieber ein menig nad) Bureauoorftanb.
„BanberReib, id) Rabe Sie gefräntt oor einigen
Wod)en, als Sie bas ftan3leipapier befriRelten; es
mar nicRt fo fd)limm gemeint, aber Sie müffen
bod) einfeRen, es geRt nid)t, benfen Sie: ftäbtifcRes
©igentum!"
William läd)elte, ein fleittes gutes £äd)eht, bas
bas junge ©efid)t älter mad)te, miffenber, gereift.
„ 3 <R Rabe es 3 Ruett nid)t nacRgetragen, Sie
muRten ja [0 Ranbein."
Dann ging er. Herr W:d)ibalb Werfel aber
blieb in einer feltfamen Stimmung 3urüd. Da
er nie in feinem £eben einen WenfcRett gebraud)t
Ratte, rnirfte es nun hoppelt bemegenb, baR fid)
jeRt ein freuttblid)es ©emüt 3U iRm manbte oRtte
3 mang, aus beut Antriebe eines guten ©efüRIs.
©s gab aud) für iRn etmas anbres als bie ©e=
moRnReit feines, geliebten Wltags, etmas fernes,
Uttgefantttes. Wenn er ttocR oerfud)te, es auf feine
alten Dage tennen 3U lernen, oielleid)t mürbe
aud) er bas ©ute unb ScRötte finben, fobalb er
bie klugen mirflicR öffnete.
Die Unorbnung in feinem 3 ünnter befd)ämte
iRn, er oerfucRte, fo gut es ging, ben früRereit 3 u=
ftanb mieberRer3uftellen. Die alten HanbfcRriften
mürben iRm nid)ts meRr tun föttttett. Uttb bei
biefent ©ebattfett überfant iRn ein ©lüdsentpfittbeu,
mie er es nod) nie erlebt Ratte. Unb mit biefer
©mpfinbung ftellte fid) bas Bebürfnis ein, fid)
battfbar unb freuttblid) 3U ermeifen. Wenn er bettt
Jüngling eine URr fdjettfte — iRm felbft mar bas
einmal ein erftrebensmerter BefiR gemefett. Wter
nein, bas genügte nicRt, iRm muRte einmal ©e=
legenReit gegeben merbett, bie BaRtt frei 3U fud)en.
Unb bas füllte gefd)eRett.
Herr WxRibalb Werfel feRte fid) oRne Wtffd)ub
an feinen Sefretär unb oerfügte über fein ererbtes
unb erfpartes Vermögen 3iigunftett bes ScRreibers
William BanberReib. Das neue ftäbtifcRe Waffer=
merf, für bas er 3uerft teftiert Ratte, mürbe
aud) oRne fein ©elb geförbert uttb oollettbet
merbett. Ws erDeftament unb Begleitbrief fix uttb
fertig mit ber Wneffe feines 9 ted)tsanmaltes oor
ficR faR, Ratte er 3tint erften Wale in feinem £eben
eine W)ttung oon ber $reube, bie in ber Sorge für
einen anbern Wettfd)en liegt.
©itt leifes, fd)üd)temes Hoffen auf ein biRcRett
rote, marme Bbettbfontte in feinen alten Dagen
geleitete iRn, als er fid) 311m Sdjlutntner legte, ©r
glaubte, unb ber ©laube mar ein ©lüd, bas
iRm biefe Stunbe 3ur reichten in feinem £ebett
uralte. 3 Rm blieb bie ©nttäufcRung erfpart, mie
trügerifd) ber ©laube ift, aut Wtsgange eines
£ebens eine neue Wtffaffung ber Dinge geminnctt
3U fönnen.
©r füllte aus bem ScRlafe, ber fid) ttad) beit be=
megettben, aufrüRrettben ©rlebuiffeu bes Dags fo
erquidenb auf feine £iber fettfte, nicRt mieber er=
mad)ett. ©in ScRlagattfall Ratte feinem £eben ein
©nbe gemacRt. Still unb tampflos mar er Rinüber=
gegangen. ‘’llber auf feinen 3 ügen lag ein Wts=
brud, mie iRn ber £ebenbe nie befeffen: ein
ScRimmer oon bem ©lüd feiner Stuttbe.
mein Scbiff* üon Friede R. Kraze
mm*
Der §ir[©täfer, ein natürlicher 3n>eibecfer int glug
Die lange, f©lante gorm fliegenber Sögel begi'mftigt ihren glug
Die beften Flieger ber Diermelt, bie ftlaffe ber Segler, ift gerabe3u
oollfommen für ihren Seruf gebilbet, ihr erleichtern bie [©lante ©eftalt,
bie langen, [©malen Flügel bie 311 bemältigenbe Stiefenleiftung an ftraft
Unter ben 3 ©etten aber, beren S©mirrflug unötonomif© ift, roirb 311m
Seifpiel ber Stubenfliege 3m_
gemutet, in ber Setunbe etma
330 $lügel[©Iäge aus3ufüt)ren.
Stein äufterli© fteht bem frei= jff
Ii© ni©ts im SBege, für unfre jjl
©in= unb 3*öeibeder $hnli©es in E / ^
ber Statur 3U fu©en. SJtan tann Bl £
bie 3nfeften mit 3x0 ei, 3um Deil ff /
übereinanber Iiegenben $lügel s ff /
paaren, mie etroa ben <?jirf©= W
täfer, als lebenbe „3toeibecfer“
anfpre©en
ober bie gro- lv!
\ f©toingtgen % f
Sögel natür* /JWa*: &> $
mk li©e „SJtono* li§lf' r y
plane“ nen= WYi J
| nen. gür bie l
roeitere Slus= / J
/ bilbung, für w '
/ bie 3utunft
/ ber menf©li*
/ ©en Sloiatit
/ ift mit foI©en
Serglei©en *8ä£S
aber gern©
toenig ge= ■
toonnen. __
Die von ben ^ßapierftreifen bebeeften
Deile ber glügel fönnten entfernt
coerben, ohne bie glugfät)igteit bes
S©metterlings 311 verringern
/ 3beathatbie£e©*
nit unfrer 3nge*
nieure ni©t er=
3roingen tonnen. Utiter
allen aoiatif©en Sp=
ftemen ift bas oon £ilien=
tl)al unb feinen Jüngern
oerfolgte ^rtnsip bas
einige, bas bie Drag=
flä©en glei©3eitig als
Slntriebsmittel 3U oer=
toenben fu©t. Die ©r=
folge biefes Spftems
haben aber mit ben übrn
gen ni©t S©ritt halten
(Sine gerabe ihrer s $ u PP e ent=
f©Iüpfte Seejungfer
SJiareps ©rperiment, 3 eigt bie S©rauben=
betoegung eines ^nfettenflügels
fömten. Die brünftige Sel)nfu©t, bie
bie 3 Jtenf©l)eit feit bes Däbalus Dagen
bis auf £atf)am unb Sleriot emp=
fanb, es ben Sögeln unb ben^Netten
glei©3utun, bie f©önfte, freiefte unb
feffellofefte gortberoegung, bas glie=
gen, fi© 3U erobern, tonnte ni©t
bur© eine Sta©al)mung ber Statur
erfüllt roerben. Die fliege unb ber
Seeabler finb oerhältnismähig un=
enbli© ftärter an SJtusteltraft als
ber Stenf©.
9 Bir finb S©roä©linge gegenüber
biefen natürli©en Slthleten. 2Boll=
ten mir ein gtügelpaar bemegen,
bas uns ohne Sen3in unb SJtotor
in ben $©er höbe, fo müßten mir
Sruftmusteln haben, bie als un=
förmli©e, groteste SBülfte unfre
©eftalt oerun3ierten.
Stelett einer Drappe,
3 eigt ben verkrüppelten Daumen unb bie
verlängerten S©uoingentno©en
Die Diermelt hat ©re latente
auf ben $latterflug, ben S©mirr=
flug, ben ©leit=, 3 tuber= unb Segel=
flug feft in ben drallen.
©s f©eint menig mahrf©einli©,
bah ber SOtenf© barin einmal mit
(Erfolg tonturrieren mirb.
Unfre 3 flugma[©inen bebürfen
ber S©raube als Slntriebsmittel;
in ber Diermelt aber finbet fi©
ni©ts, mas bem irgenbmie an bie
Seite geftellt merben tönnte.
©in natürli©er ©inbeefer tut ©leitflug
rilifi]
-f • , ..
Oberes Otertal
Oberes Otertal
©inmünbung ber ftalbe in bie Oter oberhalb ber
geplanten Dalfperre
Dalfperten unb 0tainneil)er
im £at 3
(9Jiit 9 3lbbilbungen na© pl)otograpbt[©en 9tufnabmen)
3 U
)ur 3eit ber Sd)neef©mel 3 e nnb nad) heftigen
3 1 unb anbauernben iRegengüffen gefährben bie
in ©ebirgen entfpringenben Vä©e unb $Iüffe
nicht nur bie gewerblichen Einlagen im Oberlauf,
betten fie bie Vetriebstraft abgeben, fonbern weit
mehr nod) gan 3 e ausgebehnte ©ebiete bes 9JiitteI=
nnb ltnterlaufes bur© |jod)waffer. Slnberfeits
entftehen Schaben tnand)erlei 5lrt,
wenn infolge anl)altenber fommerlicher
Drodenljeit bie SBaffermengen nid)t aus*
reichen, bie ihnen 3 ugewiefenen $unt=
tionen 311 erfüllen. Seiberlei ttbel=
ftänben, bie in gan 3 befonbers hohem
s JJtahe aud) ben &ar 3 er ©ewäffern an*
baften, tann nur bur© eine Vorrid)tung
abgeholfen werben, bie be 3 wedt unb
bewirtt, ben SBafferftanb ber glufrläufe
bauernb 3 U regulieren. Oie $Röglid)teit
ba 3 u liegt in ber Anlage oonDalfperren
unb baburd) gef©affenen Staubeden.
Oie 3bee an unb für fid) ift leine
©rrungeufdjaft ber 9 teu 3 eit, bentt f©on
bas Altertum fannte Vorrichtungen,
VSaffermengen an 3 ufammeln unb je
na© Vebarf ab 3 ugeben. 3n ©uropa
fittbett wir bie älteften Oalfperren unb
Stauteid)e itn Obert)ar 3 , unb 3 war in
ber Umgebung oon St. Vnbreasberg,
ftlaustal unb 3eIIerfelb. Sie ent*
[tanben, als ber Vergbau bafelbft im
fed) 3 ebnten 3 ab©unbert aus ber gorm
bes ungeregelten Sd)ürfens ftabilen
Verf)ältniffen unb batnit feiner erften
Slüte 3 eit entgegengefübrt würbe. Ohne
biefe Dei©e wäre ber 5tlaustal=3cller*
felber Vergbau ber ©ntwidlung ni©t
fähig gewefen, bie er im Saufe ber
3 at)rhunberte aufweifen lonttte; fie
waren unb finb jo 3 itfagen feine pulfierenbe ftraft,
feine Vbern, beren ewig freifenber Stromlauf
Sebensbebingung für ihn ift. ‘Jtidjt weniger als
70 Stauweiher bienen biefem 3u>ed. Sie bebeden
eine ©efatntfläcf)e oon 250 i^ettar unb faffett gegen
10 ÜRillionen Aubitmeter ißaffer. Oer größte
baoon ift ber befannte $irf©ler Deid), ber allein
auf einer Vobenfläd)e oon 15 x | 2 $ettar über
600 000 ftubitmeter VSaffer enthält. Sein Oamnt
ift nahesu 400 Vteter lang unb 11 SReter h°©-
9Rid)t oiel Heiner finb ber $rin 3 enteid) mit 477 000
ftubitmeter, ber 3ägersbleeter mit 400 000, ber
3-ortuner mit 408 000 unb ber ipfauentei© mit
333000 ftubilmeter 3 ul)alt.
Oas gröf 3 te Staubeden bes $ar 3 es
haben wir im Obertei©, beffett 2Baffer*
mengen ben Verg*, $ütten= unb $ri=
oatwerlen St. Vnbreasbergs bie Ve*
triebsfraft liefern unb biefe Vergftabt
mit Drintwaffer oerforgen. ©in aus
mäd)tigen ©ranitblöden, bie bur© ©ifen
miteinanber oerllammert finb, beftehem
ber 9tiefenbamm oon 150 SOteter Sänge
unb 25 2Reter S>öl)e, 16 äReter Diefe
auf bem i4amm unb 48 SO^eter Diefe
an ber Vafis fperrt bas alleroberfte
Dal ber Stauer Ober ab unb fammelt
©re Ouellwaffer unb bie Vtoorwaffer
bes Vrodenfelbes unb ‘•Rebberges in
einem 27 §ettar meffenben Veden oon
1630 Vieler Sänge, 150 9Reter Vreite
unb einem 3 ut)alt oon 1668 000 itubit*
meter. Dies 9tiefenwert nahm eine
Vorzeit oon faft neun 3c© r eu in 9tn=
fpru© unb würbe 1722 fertiggeftellt.
Der SRebberger ©raben, in halber irjöbe
bes Obertales in ben Reifen gefprengt,
führt in einer Sänge oon 8 Kilometer
bie VSaffer St. Vnbreasberg unb feinen
Vßerten 31 t.
Die meiftett biefer älteren Stautei©e
gewähren, wie fd)on erwähnt, ben ge*
werbli©en Einlagen bes £>ar 3 es bie im*
menfeften Vorteile unb tonnten heute
ni©t mehr entbehrt werben. $Run ent*
792
Über £artb uttb 9fteer
1911. 9lr. 30
|jer3ogli©e Steinbrüde im Rabautal
fpringen biefem eigenartig aufgetürmten, rings
non einem inbuftriereid)en ©elänbe umgebenen
©ebirge 3al)Ireid)e ©äd)e nnb #5Iüffe, bereit 3ur3eit
itod) bracßliegenbe foloffalen ©etriebsfräfte, tnenn
ausgebeutet, nid)t ailein feinen ©emohnern, fon-
berrt meit mehr nod) bem flad)eu Kanbe 3unt
größten Segen gereid)en mürben, bas jeßt enorm
unter ben" regelmäßig mieberfel)renben Hber-
fdjmemmungen 3U leiben bat. ©s bebarf ba3u nur
ber Sd)affung neuer Dalfperren, unb 3mar in
ntoberner Form, mie fie feit einer Re©e oon
Fahren im Rheinlanbe befteben. 3m ©rrei©ung
biefes erftrebensmerten, ooIfsmirtfd)aftlid) I)od)-
bebeutfamen 3ieles fanb im Januar 1905 in
©raunfdnoeig eine ©erfammlung ftatt, ber oom
§er3ogIid) ©rauttfd)meigifd)en Staatsminifterium
Reffortminifter §artmig unb ferner Kommiffare bes
preußifcbcn Rtinifteriums ber öffentlichen Ar-
beiten, bes Kanbmir.tfd)aftsminifters, bes Dber-
präfibiums ber ©rooüt3 §annoner, ber Regierungs-
bel)örben 3U §annooer, £»ilbesbeim unb Kiineburg,
ber gürftli©en Kammer 3U SBernigerobe, bes
Königli©en Qberbergamtes Klaustal, ber $er3og=
lid) De©nifd)ett §o©f©ule unb ber §anbelsfammer
3U ©raunfd)toeig unb anbrer preußifd)en unb
braunfd)meigifd)en ©ebörben beimobnten. Die
bamals gepflogenen ©erbanblungen ließen eine
bemertensmerte ©inmiitigteit binfid)tlid) ber Dal-
fperrenprojefte erlernten, benen namentlid) auch
einer ber ©ertreter ber preußifdjen Regierung
marm bas ASort rebete.
Das S©Iußergebnis ber ©erfammlung gipfelte
in ber ©ilbung eines Ausf©uffes unter gübrung
ber ©raunfcbmeiger $anbelsfammer, bem bie ©or-
arbeiten übertragen mürben. 3 m 3 arillar .1907
tonftituierte fid) bann bie ,,©efellfd)aft 3ur Förbe-
ruttg einer georbneten 2Baffermirtfd)aft im £>ar3e“
mit bem Siße in ©raunfcbmeig, bereit Dätigfeit
bie Regierungen ©reußens unb ©rauitf©meigs bas
regfte Füttereffe unb intenfioe materielle
ltnterftüßung angebe©eit Iaffen. ©ine
anfel)nli©e 3o© ftaatlicber unb fommu-
naier ©ebörben unb Anftalten fornie
prioater Korporationen unb ©ingelmit-
glieber ift ißr beigetreten, unb bas nid)t
bem ©rrnerbe, fonbern bem ©enteinnuß
bieitenbe Unternehmen erfd)eint bereits
oollftänbig gefiebert. Der an feiner Spiße
fteßenbe erfte ©orftanb feßte fid) bamals
3ufammen aus beit Herren: ©eb- Kom-
mer3ienrat Füöel (1910 oerftorbeit), Re-
gierungsrat Dr. Stegemann - ©raum
fd)toeig, Kanbrat ©rebt-®osIar,- ©ürger-
meifter Dr. i^effel - Dfterobe, Kammer-
präfibent ©rifcbad)=ASernigerobe, Fabrif-
befißer $aade=©elle, Kreisbireftor Krügen
2Bolf enbiittel, Cfonomierat Rotßbart-
Driangel, Rtühlenbefißer Rleper-Dameln,
Kommer3ienrat Rteper - Silberbütte im
Selfetal, Kanbrat oon Ffacobi-
Queblinburg unb Ritterguts^
befißer oon Kauffmann-Kinben
bei ASolfenbüttel, ebenfalls im
3mif©en oerftorbeit. Für bie
Inangriffnahme ber Arbeiten
ift ein te©nif©er, ein mirtf©aft-
lieber unb ein lanbfd)aftlid)er
Ausfd)uß oorgefebett. Daneben
finb in3mifd)ett Unterausf©üffe
für bie ein3elnen Fluflöebiete
gebilbet. ©ei Feftfeßung ber
Reihenfolge ber 3unä©ft aus-
3ufül)renben ©rojefte mirb oon
bem ©runbfaße ausgegangen
merbett, baß bie £>öbe ber burd)
Hberfdjmemmungen angeri©te-
ten Sd)äben maßgebenb fein
foll. §iernad) tommen 3unäd)ft
in Frage Dalfperrcn im Quell-
gebiet ber Dter (nebft ©der unb
Rabau), Sobe (nebft $oltemme)
unb Söfe. Die £>ter, bis oor
einem 3<©rhunbert nod) fd)iff=
bar, leibet in beißen Sommern
berartig an SBaffermangel, baß
bie auf ©re ©etriebstraft an-
gemiefenen gemerblicbett ©ta=
bliffements leiber all3uoft ber-
felbett entbehren imiffen. Der
bierburd) angerid)tete Schaben
mirb aber nod) meit übertroffen
burd) ben, ber alljährlid), oft
mehrere Riale in einem 3.?bre,
infolge ber ausgebel)nten Uber-
fd)memmungen entftebt. Die
Staumeiberanlagen im Dale
ber Ofer, ©der unb Rabau,
für meld)e ©rojefte bereits ausgearbeitet oorliegeit,
gelten bemgemäß als bringli© unb füllen 3uerft
in Eingriff genommen merben.
Die ©efürd)tungen bes Raturfreunbes, baß
mit ber §erfiellung oon Dalfperren bie ©erni©tung
ber bem^arse eignen milbromantifd)enKanbfd)afts-
bilber befiegelt fei, biirfen glüdlicbermeife bei ben
gegenmärtigen ©rojetten als oöllig grunblos be-
3ei©net merben. Denn bie Einlagen finb in jebem
Falle fo gebucht, baß bie Sperrmauern bie aller-
oberften Deile ber Qberläufe abbämmett, alfo ba,
mo bie ©egettb, bislang an unb für fid) oßne be-
fonbere Rei3e, burd) Schaffung eines Staumeibers
nur gemimten tann, rnoßingegen bie grotesten
Raturfd)önl)eiteit ber oorbe3ei©neten Däler nad)
mie oor oöllig 3tir ©eltung tommen. ^itr bas obere
Qtertal ift ber Staubamnt oberhalb bes Romder¬
baller SBafferfalles geplant. Der Spiegel bes ent-
ftebenben Staubedens, bas 27—30 Rtillionen
Kubitmeter ©Saffermenge faffen foll unb einen
Koftenaufmaitb oon 3irfa 6 Rtillioneit Rtart oer-
urfa©t, mirb 34 Rietet über bem Dberbette liegen
unb bie tleinen SBalbloloniett ©emtental unb
Unterfd)ulenberg überfluten, fo baß biefe auf¬
gegeben merben rnüffen. 2lußerbem ift bie ©er-
legung ber bortigen ©ertebrsftraßen crforberlid).
Die ©dertalfperre ift gleich) oberhalb ber Dreiberreti-
brüde projeftiert, unb 3toar in erheblich tleinerem
Rlaßftabe. Sie mürbe, menn ein ©eden oon
7 l j, Rtillionen Kubitmeter 3mbalt gefd)affen mirb,
etma 4 3 /* Rtillionen Rtart toften, bei einem fo!d)en
oon 3 Rtillionen Kubitmeter etmas mehr als
2 Rtillionen Rtart.
Die tleinfte Sperre foll bie Rabau erhalten, unb
3toar oberhalb bes SBafferfalles unb ber ©abbro-
Steittbrüd)e. Die hierfür oorliegenben oier ©rojefte
fel)en Sperrmauern oon 20, 30, 40 unb 50 Rteter
^öl)e oor, benen entfpred)enb bie entftehenben
Seen einen RSafferinhalt oon 600 000, l s / 4 Rtillionen
Obertei© mit Damm bei St. Rnbreasberg
Dreil)errenbrüde im ©dertal
2Rtillionen unb 4 Rtillionen Kubitmeter faffen
mürben.
Da ©der unb Rabau halb nad) beut ©erlaffen
bes ©ebirges fid) in bie Qter ergießen, bilbeit bie
brei Sperren gemiffermaßen ein einl)eitlid)es
Spftem für bie Flußgebiete ber Qter, Rller, Keine
unb RSefer. 2lls im großen unb gan3en für bie int
§ar3e geplanten Einlagen oorbilblid) foll biejenige
im RSuppertale gelten, ©ine folcße moberne Dal-
fpetre befteßt in ber §auptfad)e aus brei Deilen:
1. bem burd) bie Rtaiter abgefperrten ©edeu,
2. ber 2lblaufrinne unb ben Drudrohrfträrtgen für
bie Durbinen, unb 3. ber Kraftftation mit ihren
Durbinen unb ben mit biefen oerfuppelten Dpna-
momafd)inen.
Die Staumeißer merben ber F'ifd)3ud)t unb
©isgeminnung in hohem Rtaße nußbar gemacht
merben. Umrahmt oom grünen $ar3malbe, oer-
leihen fie ©rer Umgebung neue Rei3e unb bürften
gar halb regfte ©etätigung allerlei mafferfportlid)er
©eranftaltungen heroorrufen. Die in ber Räl)e
liegenben Rotels unb Reftaurants merben natiir-
Ii© infolgebeffen einen enormen mirtf©aftli©en
2lnffd)mung nehmen. Die 3u errid)tenbert Kraft-
ftationen oerforgeit bie fämtli©en gemerbli©en
©tabliffements ber ©egenb unb 3ahlrei©e Stabte
unb £)rtfd)aften bes meiten ©orlanbes mit £id)t
unb ©nergie, unb and) bie £anbmirtfd)aft mirb fi©
beiber mit ©orteil bebienen fönnen. Der heutige
Stanb ber ©leftroted)nit ermöglid)t ja bie Über¬
tragung l)od)gefpannter totröme auf meite ©itt-
fernungett hm, fo baß ber ©egriff „§ar3er
©orlartb“ burd)aus ni©t engl)er3ig 311 nehmen ift.
©iele gemerbli©e Einlagen, bie 3ur3eit mit Rtühe
unb Rot ©r Dafein friften, merben baut ber billi¬
geren ©etriebstraft 3U neuer ©liite gelangen. Der
Qterfluß, im Kaufe ber leßteren 3oh r 3ehnte immer
me© oerfd)Iammt unb oerfanbet, mirb einen gleich¬
mäßigen JBafferftanb erhalten, mieber, mie oor
3eiten, fd)iffbar merben, unb bie burd)
feine fei©erigen Uberfd)memmungen her¬
beigeführten Sd)äbeit, bie fi© auf oiele
Daufenbe für F'isfus nnb ©eoölferung
belaufen, hören auf. Da bie Oder in
bie Rller münbet, ift bie S©iffabrt auf
leßterer mefentli© oon ber ©r burd) jene
3ugefül)rten Rßaffermenge abhängig. Rlfo
au© hier mürbe bie fo ßodpiötige Stabi¬
lität gefd)affen merben. Selbftoerftänb-
lid) mirb man nad) Ausführung ber oor-
geba©ten Einlagen auf bem einmal be¬
tretenen ©fabe fortf©reiten. 3 n ben
meiften Fällen mirb es fid) ermöglid)en
Iaffen, bie Sperrmauern ba 311 erri©ten,
mo bem natiirlid)en Reß ber Kanbfd)aft
fein Abbru© gefd)ieht, ja berfelbe oiel-
lei©t no© geförbert mirb, fo baß aud)
ber Raturfreunb 311 feinem Red)te fommt.
2lboIf ©raßßof
9 ienntier[cf)litten. Sßinter in Sporne
93on Sentto Hleranber
*'T\er 3 auber ’&lastas umfpinnt jcben Schönheit
Uebenben 9 leifenben, ber an feinen oon ©i=
lanben mie mit ^ßerlenfd)nüren umfäumten Sd)nee=
tüften oorübergleitet, an benen fid) bes Stillen
SUeeres oiolette SBogen brechen. meiter man
in ben herrlichen, rnilben ©rohen Djean t)inein=
fegelt, befto tlarer entfalten fid) eble 2Beiten unb
unertlommene £jöf)en, bie einen üor fet)nfüd)tiger
23 egeifterung erfd)auern Taffen; befto mehr oerfällt
man bem Sanne übermältigenber ©rhabenheit,
ber Sieggemalt ber SBunber, non ^lut unb glamme,
oon $els unb girn geformt.
Sermanbte ©efüt)le ummeben uns, menn mir
ben 9 üefenftrom bes £anbesinnern l)inabtreiben,
ber einfam unb gloctenftimmig ber fernen 23 erings=
fee äufiiefet. £)er Staute „“Jluton“ bröljnt mir im
Dl)re mie ber tiefe 5 Tlang eines milbberücfenben
©loctenfpieles. 2Bas brauft nid)t alles aus biefen
ehernen Stimmen miber! — £)as Saufdjen ge=
maltiger fluten, bas ©ebriill entfeffelter SBalb^
bränbe, bas brachen unterfpülter Klippen, bas
bitterlid)e SPSeinen ber tterlaf Jenen 3 ttbianerin,
bie ber lanbflüd)tigert Sleid)gefid)ter 5 Tinb unterm
§er3en trägt, ber fcf>rille Schrei bes beutegierigen
©isminbes, bas fd)mermiitig 4 anggebel)nte ©et>eul
ber Storblanbshunbe unb it)rer milben SBolfs*
brüber, bas $ld)3en ber ©letfcT>er unb ber fiaminen--
fturß, ber tiefbonnernb talab oerljallt. — Slus
buftig blauer 3*erne aber Hingt gebämpft ein
milberes ©d)o miber: bes Sommerminbes fanftes
Säufeln im buftigen STofenhcige, ber 9 Jiiffions=
gloden filberTjeller Schall, ber Slrnfel unb ber
£)roffel altoertraute SBeife, ber leid)tbefd)mingten
SBanberoögel £ocfruf, bas Summen ber Kolibris,
ber ^iötenton bes munteren SJlurmeltieres, bes
©lens bumpfer Srommetenruf, bie ritterliche
§erausforberung ber SBilbnisrecfeu 3um 3^=
fantpf ums tur^e £iebesgliict unb bes ©ebirgs=
bad)es melobifct) ^lätfd^ern, bort, mo fid) an
bemooften Steinen ©nsiau unb Slip enoetld) eit
leife it)re ©el)eimniffe 3ufliiftern.
Sßorin biefes Storblanbes urinnerfter 3ciuber
beftel)t, meih id) nicht. — Stod) ift ein §elb ber
geber nid)t erfd)ienen, ber biefer entlegenen Sor=
l)ut ber 3 iüilifation eine gebüt)renbe Stätte in
s Dtenfd)enl)er3en ertämpft hätte, aber jeber 23 af)n=
brecher muh freubig fein Sd) erfleht 311 ihrem
befferen Serftänbniffe beitragen, ie nach bem 9?ei3,
ben fie auf ihn ausübt.
Vielleicht finb es bie ungelöften Slätfeh
fragen biefer ©ren3marten, bie uns an3iet)en
23 enno Stleranber
9 Jiantmutfd)äbel ohne Stofftähne unb 3toei
93 ifonfd^äbel
lulon Serritorp (ftanaba)
SOTiles ©arion
2ßh^e=$orfe-Stromfd)nellen
©üdanfid)t eines foffilen ©ifonfd)äbels
(Bison Alleni Marsh)
3 orfd)ungsreife 3um taufenb ©teilen entfernten ©erings* J
meer begann. 3>n ben bärtigen „places“ mürben ©tam=
muH unb ©enntierfoffilien fomie ©ifonfd)äbel (Crassicornis
Richardson unb Alleni Marsh) entbedt. ©m 28. 3 uni
traten mir unfre lange ftanureife an, bei bereu ©eenbi=
gung mir nal)e3u 2000 ©teilen 3U SBaffer 3urüdgelegt batten.
SBäbrenb beim ©olbgrabert bie ©ntbedung pleift03äner
Soffitten iibermiegenb oom 3 ufall abbängt, beginnen mir
nunmehr planmäßig oor3ugel)en.
£>er ©utonlauf mirb gemöbnlid) in oier Unterabteilungen
3erlegt: bie oberen ©amparts (tanabifd)es ©ebiet),. bas gladp
lanb, bie unteren ©amparts unb ben Unterlauf. Die ntale=
rifdpgebirgigen „©amparts“ — Schaden — erinnern oiel=
fad) an Deutfd)lanbs herrlidjfte ©heingegenben, nur fehlen
ben ©ergen bie ©urgen, ben Kälbern bie ©Sohnftätten. 3 m
3 lad)Ianbe behüt fid) ber ©ufon 3toifd)en 3ahIlofen, ftill
©ingeborener oon ©lasta
mit 9Jiammut3ahn
Oberer ©tal)l3al)n eines
©ta ftobons
( 3 irfa 7 ö ber natürlichen ©röfce)
ftd) Iper 3ur ©i$3eit bereits 311m ©inhufer entroidelt batte,
ehe es über bie bainals 3meifeIIos beftef)enbe fianbbrüde
nad) Elften ausmanberte, über meld)e bereinft aud) in ent=
gegengefehter Dichtung bas aus ©uropa ftammenbe ©tarn*
mut getommen mar. Sprungbein unb Schulterblatt eines
23 ären unb ©adentnod)en eines ©ibers, bie hier oon uns
gefunben mürben, finb bie erften untrügiid)en ©erneife für
bie ©Ieid)3eiügfeit biefer beiben Zierformen unb ber ©is=
3ett bes feftlänbifd)en Bastas. ©ad)bem mir 200 ©teilen
ftromauf oorgebrungen maren, ohne bah fid) bie ^lufebreite
ober bte mahrnehmbare Soffilieusahl beträchtlich oerminbert
hatte, 3mang uns 311 unferm £eibmefen ber ©iangeli an
Sebensrmtteln 3ur Umtehr nad) ben gelegentiid)en tfraim
laben am ©uton.
, 3 n ben nächften 9 Bod)en erforfd)ten mir unter gan3 äbn=
Itd)en ©erhältniffen 3mei meitere, ebenfalls oon linfs fom=
menbe ©ebenflüffe, [ben ©uta bis nahe;ben'Quellen auf
eine ©ntfernung oon 100 ©teilen unb ben Unterlauf bes
Heineren ftlaliff). ©on Soffitten fanben mir jebod) nur
Stelettrefte bes allgegenmärtigen ©tammuts unb
Soffiles Sd)ulterblatt
eines ©ifons
©üdanfid)t eines foffilen ©ifonfdjäbels
(Bison occidentalis Lucas)
©ingeborener ©atriard)
oon ©noif
©tamntutfdhäbel 00m tanabifd)en ©uton
mit 7,5 3 uh langen Stofoähnen
1911. $Kr. 30
Hber £artb unb 9Weer
795
©stimofamilie oor bem Sd)autaften eines Photo- Auffifdjes gort in St. äRichaet ©stimohäuptling non Aorne
graphen in Aome ■
na^eju ebenfo häufigen Aifons oertreten. Um fo
3aI)Ireid)er finb in biefen minbftillen, beroalbeten
Ateberungen bie äRostitofd)märmc, bie lieben
©ngeletn bes Zeufels.
3 tm 2. Auguft liefen mir nad) glüdlid)er gahrt
oon nunmehr bereits über lOOOäReilen bas auf
ber red)ten Seite bes s I)uton unterhalb ber 9 Nün=
bung bes aus ber ©issone ftrömertben ftopufut
liegenbe gnbianerborf Aulato an, etma 600 äReilen
oom Sdieere entfernt.
Am 9 .Auguft hatten mir bie reid)lid) 200 SRetlen
3urüdgelegt, bie uns oon Auotf trennten. hin
unb mieber paffierten mir noch Stromufer mit
allen d)aratteriftifd)en ©rfd)einungen ber Pali-
faben, aber bie eingehenbfte Unterfud)ung fold)er
©egenben ergab 3ur3eit feine nennensmerte gagb-
beute. Doch mürbe eine fur3e Strede oberhalb
oon Anoit ein Pracf)tftüd entbedt: ber munberbar
erhaltene, 49 Pfunb fd)mere Hnterfiefer eines
Mammuts nebft unoerfehrten 3äl)nen. äRammut
unb ÄRaftobon befaßen in jebcm ifiefer oier 3 äl)ne,
bie fid), einer hinter bem anbern heroormachfenb,
breimal erneuerten. Die aufmerffamfte Durd)=
fotfchung bes Anoitftromes felbft blieb bagegen
oollftänbig ergebnislos, unb bamit mar unfre
Sommerbeute in ber Zeit abgefd)Ioffen.
Die gauna bes ?)ufontaIes umfaßte alfo 3ur
©S3eit, fomeit ermittelt, bas äftammut, bas
SRaftobon, oerfd)iebene Aermcmbte bes Aifon-
gefd)led)tes unb bes 9 Jiofd)usod)fen, bas Aorpferb,
bas ©ebirgsfd)af, bas Aenntier, bas ©len, ben
23 ären unb ben Aiber, bereit Aachtommen fid)
oiclfad) oeränberten tlimatifd)cn Aerhältniffen
angepafet unb in bie ©egenmart hinübergerettet
haben. Die fragmentarifd)e Aefd)affenl)eit mand)er
Uberrefte mad)t bis 311 meiterer ©rgän3ung bie
genauere ©inreil)ung einiger Zierformen noch
unmöglich-
Der äRenfd) mar 3ur ©is3eit mof)l faum in
biefen abgelegenen ©egenben erfdjienen; menig-
ftens läfet fid) hier bis jeht feine ©Ieid)3eitigfeit
nicht mit Sicherheit nad)meifen, mie es in (Europa
bereits gefd)ehen ift.
Die äRammuttiere maren bantals nad) allen
An3eid)en biefer SBtlbnis unumfd)räntte ©ebieter
unb fd)meift_en 3mcifellos in gemaltigen gerben
umher, höd)ftens bah ihnen Sie Vorfahren ber
Aifonarten an 3 ohI nahefattten.
s Um 21 . Auguft festen mir unfre ausgebehnte
5 fanufahrt, bie nun bem ©nbe nahte, talmärts
fort, um in Anbreafsfi, nahe ber 9 )ufonmünbung,
bie Anfunft bes nad) St. SRid>ael beftimrnten
Dampfers ab3umarten. St. 9 LRid)ael ift ber hafen
ber gleichnamigen, 60 SReilen oon ber SCRünbung
tu Aorton Sunb gelegenen gnfel, fc e r 3 totfd)en-
ftation auf bem Aßege nad) bem nahen Aome.
gn Anbreafsfi mar bas ©lüd uns holb, berttt fd)on
am Zage nad) unfrer Anfunft fonnten mir uns nad)
St. Aiichael einfd)iffen.
Die Aerge oort Anbreafsfi fittb bas lehte
hod)Ianb am 9 )uton. Unterhalb breitet fid) ein
uuabfel)bares, mit 3mergl)aften Aßeiben unb (Erlen
bebufd)tes glad)lanb aus, über meldjes ber Aufon
3 mifd)en taufenb gnfeln mit ftets oeränberlichem
gal)rmaffer fd)einbar 3toed- unb 3iellos baf)in=
manbert. Kapitän unb fiotfe eines Aufonbampfcrs
haben einen fd)toierigen Aeruf. Aßo bas Aiiin-
Unteranfidjt bes jüngft entbedten foffilen Sd)äbels
bes Ovibos Yukonensis
bungsbelta bereits eine Areite oon 60 Steilen
erreicht hatte, ftranbeten mir trot) unabläffigen
Motens nad)mittags auf einer ber emig neu ent-
ftehenben Sanbbänfe, oon ber uns nach Stunben
erft bie emporfd)mclIenbe glut crlöfte. Aibarfen
neugieriger ©sfimos, brauner, luftiger ©efellen in
Aenntierparfas, umfdjmärmten ben hüflofen
Dampfer. Die uralte Alutfehbe 3mifd)en bem
gnbianer unb (Esfimo, toeldje einft ben erfteren
oon ber Äüfte feml)ielt, ift längft beigelegt, je-
bod) feinesmegs oergeffen. Die ©sfimos oon
St. 9 Jiid)ael unb Aome finb burd) ihre mahrhaft
fünftlerifd)en Schnihereien aus Aiammut- unb
Aßalrofeelfenbein oorteilbaft befannt.
©in ftiirmifd)er Sonnenuntergang glühte
abenbs über bem ASirrfal ber Kanäle bes Deltas.
Aofige unb laoenbelfarbige 9 tebel treiben oom
£)3ean lanbein, mallen auf unb mallen nieber,
ummogen, oerhüllen unb entfd)Ieiern fmaragb^
f^immernbe ©ilanbe unb im 2Btberfd)eine bes
9 lbenbrotes flammenbe Öagunen. Sie türmen unb
ballen fi<h, ©ebirgen gleich, amhorhont empor unb
gleiten bann mieber mie fabelhafte Ungeheuer ober
Drad)enfd)iffe mit meitgebaufdjten Segeln auf ge=
heimnisoollen 9 Baffern ins Ungemiffe bahin.
Die ^ln3iehungsfraft ber ^ufonnieberung gleicht
ber Sdjönheit ber ÜBüfte. ©s ift ber 3 <*uber
fdjranfenlofer SBeiten unb mimberfamer 23 e=
leudjtungen, rofig glühenber Sonnenaufgänge
unb eines s Ubenbrotes, beffen 9 Rebel feurigen
Staubmolfert gleid) bal)inrolIen.
9 Beiheoolle Stille legt fid) einem leis unb linb
mie eine liebe, fühle §anb auf bie oon ber Zreib=
hausglut ber 3 ioilifation erljihte Stirn. Sfian
fühlt fi<h eins mit ber meltenfernen ©infamfeit,
mit bem hehren Sd)meigen unb mäd)ft aus bes
engen Alltagslebens Schranfen empor. — ©lüd-
lid) ber, bem in ber hehjagb bes mobernen ameri-
fanifd)en fiebens fold)e 2ßeil)eftunben no<h ge-
legentlid) befd)ieben finb.
Die mächtigen Sanbbänfe, meld)e bie meft-
liehe feidjte hälfte bes SBeringsmeeres fennjeithnen,
finb burd) bie fortgefefcten Anf^memmungen bes
‘Jfufon aufgebaut morben. Der füblichfte ber
fieben äRünbungsarme ift oom nörblichften
100 äReilen entfernt. Der nörblichfte — ber
Aphooit — führt uns nad) St. 2 Rid)ael, mo mir
am 1. September anlangen. Aon hier bampfen
mir nad) Aome unb oon bort nad) fur3er griff burch
bie ungeheure Dünung ber Aeringsfee heimmärts,
bem Süben 3U.
3u unfern Silbern
„Kirchgang" oon Oscar ©raf
Zte Dorftbplle l)öt in oeränberter ©eftall auch für
unfre Alaler ihre gatt3 befonbere An3tehungs!raft. )Rtr=
genbs fo gut tote hier fann man bie iBanblung bes
©efehmaefs oerfolgen unb bie oeränberte Stellung ber
Alenfchen 3ur Aatur. gm ©runbe ift es tool)l immer
bas SBefen ber Alenfchen felbft ober roenigftens ihrer
Sehnfucht, bas fi<h in ihrer Anfdjauung oon ber Aatur
unb bem Natürlichen funbgibt. Die höd)ften jener eim
famen ©rate, in benen bie Seele eines AJtelanb ober
©leim erfroren toäre in Schauern bes ©rauens unb
Aerlaffenfeins, finb heute bie beliebteften Spaßiergänge
unfrer ©ebirgstrarler. llnb bie gbi)llcn ber Schafer=
poeften unb börflichen gugenb finb träftigeren ©pen
geroiihen, in benen bie 23 auern roie Zhontas Anbreas
Aöft in ihrer Aierfchrötigleit fd)ier erftarren, .doticbues
llugrebertbe NSilbbiebe ben ©rbf<f)leichern unb ©iaübens-
fanatifern ber Schönherrfchcn Dramen, benen erft jebes
SBort mit Sdjrauben unb 3 an fleu ber Not aus ber
Seele gepreßt roirb. Der Aerismus ber ftunft Ijat oiele
Aorurteile hiutoeggeblafen unb bas ©ebürfnis ber Nlen=
fdhen, 3U oerehren, toas fie nicht finb, für Dinge unb
äRenfchcn freigemad)t, bie man früher ber ernfthaften
Aeadjtung nicht einmal für roert hielt. Die ftarre Art
bes Aauern, oon feinem angeftammten Aefih hochmütig
auf bie Stäbter roie auf 3 igeuner herab3UbIiden, bie
einfältige ©läubigteit ber grauen oom £anbc, ihre
fchioerfällige Art in Siebesfachen: alles bas tonnte erft
für bie ftunft in Aetradjt tommen, nachbem bas §eroifd)e
biefer oitalen Sraftoerfchojenbung entbedt toar unb man
bie Sebensinftinfte erbgebunbencr Natürlid)teit fd)ön
unb groh empfanb. So erft haüen toir auch hie ftille
©leidhförmigteit in ber ftompofition, roie fie ©raf in
feinem Ailbe 3eigt, bas ©inerlei in ben ©eficfjtern biefer
Dorfmäbchen als ettoas A 3 ahrcs unb ©ebeutfames
fehähen gelernt. m.
ie. CA äftur Her, C/eqenwavt
einer Vertiefung: ber Aßunfd) roar Vater bes
A3al)nfinnsgebanfens. Die ©ebanfenfünbe leitet
bas ©ebäd)tnis in bie 3^e. Du haft's gewollt —
fagt bie Erinnerung; bu haft's getan — fagt ber
Draum bes t)aXIu 3 inatorifcf) 3**en... 3ft ber
Aßeg fo roeit? Die Sittlid)ften haben's immer ge=
leugnet. Der Hnterfcfjieb gwifd)en Aßunfch unb
Dat, gwifd)en ©ebanfen unb Verbrechen oer^
wifd)t fid) in ben feinneroigen Xräumetn nnb in
ihren ftrengften Nid)tern. An einem jungen
Ntufifer wirb eremplifigiert. 3ung, talentooll,
nod) haltlos, früh oerwaift, wirb er in einem
bürgerlichen £aufe neben ber hübfd)en Dod)ter bes
Kaufes groh, oerliebt fid) in fie, ohne es red)t gu
merfen, unb trägt feine £iebe in feine ftunft. Ein
menfd)Iid) unbebeutenber, aber im £eben fdjon
beffer geteilter Ehambregarnift im felben £jaufe
hält um bas äRäbel an, betommt ihr unb ber
Eitern 3awort unb geht bamit unb mit einem
golbenen Ntebaillon, bas ber ©eliebten Vilb ent-
hält, noch einmal in ©efd)äften übers grohe
Aßaffer. 3n ben Dagen, ba fein Sd)iff heimfehren
foll, entbedt ber junge Zünftler ber h^mlich
©eliebten feines eiferfüchtigen §ergens Qual unb
geftel)t in einem 3uftanb roilbefter Neroenerregung,
bah er mit heilem bergen ben Dob bes oerhahten
Nebenbuhlers geroünfeht, oom §immel erfleht hat.
(Sein Aßunfch gehl in Erfüllung — burd) 3ufall.
Aber fein erfd)redtes, geängftigtes §irn glaubt ben
3ufalt nicht mehr. 3u feiner Vhantafie fieht er
ben Doten, ben er aus bem £eben gewünfd)t hat,
fo beutlid), fo förperlid) oor fid), bah er mit ihm
rebet, feine Antworten hört» non feiner wunber=
baren Nettung unb Erifteng feft übergeugt ift.
Er erfchredt bie ©eliebte mit ben fonfufen Ntit
teilungen; unb fd)liehlid), als er bei ©eroitter im
näd)tlid) bunfeln Aßalbe bie bebroblid)e Erfd)einung
toieber fieht, erwürgt er ben heimfehrenben Nebew
buhler (in feiner Vhantafie) unb (teilt fid) felber
ber ^ßoligei. 3n einem lebten Aft, ber auf ber
Voligeiwad)e fpielt, enthüllt ein tluger, nüchterner
Aßad)tmeifter bas ©eroebe oon ‘Khantafien unb
Dräumen. Der Unfelige, ber in ben graufigen
Nooellen oon Ntaupaffants lehter, fd)on oom
Aßahnfinn befd)atteter ^eriobe feine bebeutenberen
Verwanbten hat, ooanbert in bie §eilanftalt. Dem
3ufchauer bleibt ber §offnungstroft, bah bas
tapfere Ntäbel feine langfame ©enefung in
Dreuen erwarten wirb ... 3$ ftche nid)t auf
bem Stanbpunft, bah es ber Vorwurf ift, ber
biefes Stüd fd)eitern lieh- Die Ntenfdjen finb nid)t
echt — bas ift's. Hub bas ©rauen ift nicht echt.
Aßenn id) fo fagen barf: ber Autor fürd)tet fid)
nicht m i t. Er fleht neben feinen Figuren in ber
ftuliffe unb mad)t: £uf)u! Das ift nid)t bie
ftunft, bie uns ben Sd)auber nach unerforfd)ten
Seelenproblemen talt über ben Nüden jagt.
Olbeu hat fid)er gefrühftüdt, währenb er fd)rieb.
Unb bie Aßad)träume feines gelben, bie er uns
fuggerieren will, haben ihm weber ben Appetit
geftört nod) bie Körpertemperatur geminbert. So
würbe es ein talter, fpielerifdjer Sput. Unb ein
Problem oon feltener Reinheit oerpuffte wir=
fungslos. Nubolf ^ßresber
Atarmors talte Aßangen — Empfinbung glühenb
fid) ergoh ...“ Das Vtärdjen ift alt. Coib hat
il)m bie bleibenbe 3orm gegeben; hat ergäbt oon
bem fchönheitsburftigen König oon ftqpros, ber
ein leibenfd)aftlid)er Vilbner war unb aus Elfem
bein (Stillem fdjeint ber Ntarmor wiirbiger)
bie h^Uid)e Statue eines Aßeibes fd)uf, bie ihnt
Aphrooite, gnäbig feinen Vitten fid) neigenb,
belebte. Das Problem bes brünftig fchaffenben
Zünftlers, ber £eibenfd)aft, bie fid) bem 5tunft=
trieb oerfd)miIgt, ift hier gegeben. Kpfer fajjt bie
Sad)e milber an, moberner, jugenblidjer (ob=
fchon bie erfte 3ugenb hinter ©nt liegt), teder
unb brutaler. 3*genbwo, irgenbwann fpielt feine
Dragöbie „9Jt e b u f a“. Ein Dprann mit fünftle=
rifd)en Negungen, mägenatifd)en Anwanblungen;
ein Zünftler, tlobig, täppifd) als Atenfd), feim
neroig, leibenfd)aftglüt)enb als Schöpfer; ein
Aßeib mit allen fd)led)ten heifjen 3nftinften oer=
irrten Drieblebens unb eine Atutter, bie Ned)t,
Klugheit, Sitte oergeffen tann für bas ©lüd bes
eingigen, genialen Sohnes — bas finb bie Figuren,
beren £iebe, Sd)ulb, Nadje bas an Schönheiten
reiche, an ©efd)madlofigfeiten nid)t arme Drama
erfüllen. Aßie bas Dier unb ber Ubermenfd) nahe
beieinanber wohnen, in unfelig^feligen Stunben
oerfdjmolgen im ©enie; wie bem Rünftler bie
finnlid)e £iebe erft bas höd)fte Äunftobjett geigt
unb bann hinter bem ftrengen Ernft ber Schöpfung
bas eben nod) glühenb begehrte 2Beib gum Vtobell
herabfintt, bas ihm nid)t mehr bebeutet als bie
Vermittlung ber 3bee — bas ift Sinn, 3ubalt
unb £eben biefer oom garten £prismus gur
renommiftifchen Vrutalität anfd)wellenben unb in
einem §pmnus auf bie 5tunft unb ihre Etftafe
oornehw austlingenben Did)tung. Der §elb
Daibalos oerliert fich an bie getrönte Vuhlerin,
an bes Dprannen lüftermfpielerifdies VSeib. Sie
glaubt mit feiner ungefd)lad)ten SCRenfdjlichteit
ihr üppiges Spiel treiben gu tönnen, oerbirbt ihm
bie garte Schwefter, quält ihm bie liebenbe Vtutter
unb ift bereit, ihn felbft preisgugeben. Er aber
rettet fid) aus bem Sinnenraufd) auf bie reine
£)öhe ber Äunft, formt ben wunberoollen nadten
£eib biefer oeräd)tlid)en tro^t ber Dobes=
brohung bes eiferfüchtigen Dprannen unb ftirbt
für bas 9Bert, bas er nad) einer gefd)affen, bie
feinen gefühlten Sinnen nichts mehr bebeutet...
9Jtand)er (abfid)tlid)?) gehadte, geftotterte, l)ii}=
gehauene Vers in biefent Stüd, ntand)e Niibigfeit
bes 2Borts, manche Vrunftproherei ber Nebe flöht
peinlid) ab. Dann aber tommen wieber geütbeiten,
Schönheiten, Untertöne. Unb furge, ftarfe Sgenen
beuten auf ben Dramatiter, ber Vilber fieht,
VSirfungen empfinbet... Die Vül)n e n wirb biefe
„Vtebufa“ nie erobern; aber bie Vühne wirb ©utes
oon ihrem gweifellos talentoollen Schöpfer noch
erwarten bürfen.
9tn £jans O I b e n s Schaufpiel „V3iebertel)r“
(im Neuen Sd)aufpielt)aus war ihm matter Vei=
fall befchieben) feffelt nur bas Problem. Die
Nngft oor bem Unfid)tbaren gebiert im tränten
§irn bas Sid)tbare. Das follte bas Problem bes
fd)wa<hen Stüdes oon ber 2Biebertel)r fein. NUt
5täme es an biefer Stelle barauf an, bie be=
beutenbfte Dat für bas Drama (id) fage abfid)tlid)
nid^t: bramatifd)e Dat) gu preifen ober aud) blof)
fühl angugeigen, fo mühte id) erftens oon Niar
Neinharbts Aufführung bes II. Deiles bes „3auft“
hanbeln. Erftens unb gweitens unb brittens.
SNühte fagen, bah bie unbefd)reiblid)e Arbeit hier
getan ift, unb formte Vogen füllen mit bem Kob
bes Naffinements, bas oon ber tppifchen Aus=
geftaltung bes 5Iaiferhofes bis gu ben fleinften
Details ber gweihunbert Vaar Engelsflügel, bie
aus — feinftem ^utftroh täufd)enb gefertigt, ber
finnreid)en 3iifammenarbeit flügfter Künftler, Ne=
giffeure unb Deforateure entfpringt. Aber auf
biefem Vlatt gilt es nid)t bie bebeutenbfte Dat
für bas Drama einem Vublifum angugeigen, bas in
feiner Ntehrheit Stunben unb Dagereifen oon
biefer 3^if3ß n ^ rui1 0 (bie mit Ncd)t unb im ©eifte
©oetbes felbft ben Sinnen gibt, was ben Sinnen
ift) entfernt lebt, fonbern oon neuen Dramen gu
reben, bie aus irgenbeinem ©runbe bie Veachtung
ber 3*eunbe bes Dheaters oerbienen.
Die üornebmfte greube bes 5Iritifers ift nie¬
mals bas „Verreiben“; obfd)ou eine gewiffe
pathologifche Art ber itritif ihre fabiftifd)en
Übungen an ungureid) enbem unb immer wel)r=
lofem Dbjeft gern für höd)fte fritifdje fieiftungen
ausgibt. Eine 5Iritif, aus ber oft weniger ber
ehrlkhe 3° rn funfeit über ben Dalentarmen, ber,
oon ©lüd ober ©unft lanciert, im Nampenlid)t nod)
unbefannten ©enies oergebüd) in oerbredjerif^er
VSeife bie SBege fperrt, als oielmehr bie heimlid)e
Eitelfeit: „5Iinber, wie mad)’ id) bas wieber!
2Bie g e b' id)'s biefem Vanaufen! VSie fd)lad)f
ich Opfer!“ Die oornehrnfte 3 r ^ube bes
ftriüfers fd)eint mir oielmehr: el)rlid), banfbar,
hoffnungsooll ein X a l e n t gu falutieren, bas
gum erften DNale einreitet gum Durnier. 3n
falutieren, aud) wenn bi? fehler ber 3ugenbarbeit,
bie Übertreibungen bes Erftlings bem reblid)
gewollten SBerfe nod) anl)ängen. Eine Arbeit
nach bem fd)önen ASort ber Antigone: „Nid)t
mitguhaffen, mitgulieben bin id) ba.“
Sold) ein Dalent, bas ber Vühne oielleidljt
nod) ©utes unb Startes geben wirb (id) bin oor=
fid)tig, benn allgu grohe SeIbftherrlid)feit nach
erftem Erfolge ift gerabe fold)em fraftgenialifd)
Veginnenben oft gefährlid) unb läht ihn feine
3el)Icr übertreiben, ftatt feine Vorgüge gu bilben),
ift ber im Ntobernen Dbeater gu Verlin gum
erftenmal aufgeführte £>ans ftpfer. Ein ©rüpp=
d)en fannte, fd)ät|te, überf^ä^te ihn fd)on. Dem
breiteren Vublifunt war er ein Name, ber nod)
mit feiner Dat oerbunben fd)ien. Nun hat er ein
Drama gefchrieben, ein wilbes, fd)wüles, oft übel
fladernbes Drama oon bem gierigen SBetbe, ber
herglofen Verberberin. Sd)ött in ber £inie,
fchwungooll unb bod) fühl gibt ber illaffifer bas
Vilb: „9Bie einft in glühenbem Verlangen —
Vpgmalion ben Stein umfd)loh — Vis in bes
3n früheren 3eiten galt nod) ber
wi M ©H'mip oon Eacao unb Ebocolabe
^*11 ■"■■Ca f ald £uruö, ben ftch nur Ty«rfftid)=
I IM JL. Ujj Tf feiten unb mit ©lücfdgüfern reid)
^ ^ ' T r ^ * ©efegnete gu leiften im ftanbemaren.
So würbe Eacao in ben beffer-
gefüllten bürgerlichen Greifen gu nur gang aujjerorbcntlid)en ©eiegen-
feiten, alfo l)öd)ften$ einigemal im Saljve aufgetifd)t. Diefe °Pcriobe, in
ber bie Eacaobofme nod) in bem Dörfer be3 < £lpot()eferö oerarbeitet
würbe, ift glücflid)erweife entfd)wunben, beim heute ift ber fabrifmäfjig
bearbeitete Eacao eine^ ber ibealften Q3olf^nal)rungd= unb ©cnufnuittel
unb jebermann gugättglich geworben, ©ine uttferer größten ©acao- unb
©hacolabenfabrifen ift bie ber 3irma Äartwig & 93ogcl £lftien--©efeU--
fd)aft Dreöben, berühmt burd> bie in Deutfcblanb befanntefte '9Narfc
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kunft gratis durch das
lütll er nehmen. Hub feine klugen bitten jtegesfidjer.
SÖian rebet ein langes unb breites, unb ber tiroler
9lötel mad)t luftig.
„©igentlidj, §err Doftor," meint einer ber
Sommerfrifd)Ier, fo ein burd)triebener S^iündjner,
„bas oerftel) i nit red)t. SBarum toollen Sie nid)t
eine (Srftbefteigung uerfudjen?“
„©rftbefteigung!... 3 a, toenn l)ier nid)t fd)ort
jebe Spitze butjenbmal abgegraft mär'..."
„Die l)ödjften, bas ift roat)r, bie finb alle fd)on
beftiegen, oft unb oft beftiegen,“ meint ber 9Jtünd)ner.
„9lber einen galten Raufen gibt's nod) ein bifel
niebrigere unb fd)toerere, roo nod) fein SJtenfd) broben
mar. 9ftein ©ott, bie ^Bauern finb frot), menn f' nit
aufi müffen, unb Douriften, ja bu lieber ©ott, bie
gül)rer merben fid) bod) nid)t bas ©fcfjäft oerberben
mollen."
Der §err Doftor fdjaut feinen gülirer an. Der
blaft grab ben Wand) feiner ^3feif' in bie Stub. ©nb=
Ud) fann fid) ber $err nimmer länger galten. .
„Sie toiffen getoifr nod) trgenbeine Gpitje, bie
nod) feiner beftiegen I)at?"
Der güf)rerfran 3 l fd^upft bie 5tcf)feln. „2Biffen,“
meint er, „mein ©ott, bas 3 af)It fi nit aus."
„Sd)auen S ; , ^err Doftor^ mas 3f)te Öreunb
ba^u fagen mödjten, menn toie itjt 3 U allererft
auf einer Spitj oben gemefen mären,“ ftid)t ber
9CRünd)ner.
Die jungen klugen gläu 3 en unb leud)ten. ©nölid)
meint ber §err Doftor:
„ 3 a, bas muff aber unfagbar fd)mer fein..."
„Sdjmer?... Hnfinn!... ©iner mit fo einem
©ftell mie Sie, mit foId)encn StRusteln, al) mas!"
lad)t ber 9ftünd)ner.
3e^t ftanb es für ben Doftor feft, ber 2Ründ)ner
$err, ber f)at ein gutes s 2 Iuge für 9Jtenfd)en, ein fel)r
gutes. 3 a, ja, menn bie SHiöglicfjfeit gegeben...
ifBäre ja reiner Hnfinn, fie nid)t 311 benutzen, fiang
überlegte er f)in unb I)er. ©s ift für einen Neuling
fd)redbar l)art, einem fo füfeen 3 uderl aussubiegen.
©ine ©rftbefteigung! 2Bie bas fd)on Hingt... Donner,
mas mürben fie in ©utin fagen!
Der 3 üfirerfran 3 l re fc e t ö e n Leuten, als ob
il)m Die Sad) nix anging. Das allein mad)t ben
Herren nod) ©ebanfen.
„äRein ©ott,“ tut ein anbrer §etr, „ber $ül)rer
f)at fein 3 ntereffe bran. fieute, bie eine ©rftbefteigung
mollen, finbet er immer, ber mirb 3 t)nm nix auf=
brängen."
Das begreift fid). Hnb nad)benflid) überlegt unb
überlegt ber irjerr Doftor.
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>2
„2Biffert S'toas," tutber93]ünd)ncr§err, „»Jenn S'
3 I)nen etroan fürchten, allein toär's 5 bnen 3 U ^art,
t roill gern mitgeben. Der < 3 ran 3 l toeifj fd)on eine
jungfräuliche Sptb.“
„Das mürben Sie, $err...?!"
Der 9Jiünd)ner ntcft nur unb nidt toteber.
„ s .Jllfo, 5 mn 3 , mollen Sie?“ fragt ber Dr. 9lbam
.Uunoro, unb jebe 3 'iber in betn 9i?enfd)en b>upft unb
fpringt.
Der $üt)rerfran3l mag n ft. e j n Hrtftrtn ift
alles, roas er fagt.
s 2lber ba fam er oerflirt fd)led)t an. „Das ift eine
glatte Unfreunblid)feit 3b rer feU s -“
Der ^ranäl I)ört nit auf betn £>l)r, unb ba roirb
ber §err Doftor roirflid) roilb. ,,3d) habe Sie als
güljrer engagiert, unb id) »erlange ..."
„Ol) 0 , §err Dottor,“ roill fid) ber t$rüf)rer »er*
teibigen.
„Sdpoeigen Sie,“ ift ber $err fd)on in ber bellften
§ib. „2Benn Sie nid)t mollen, [0 befcbtoere id) mich
einfad). Sie toiffen, roas bas für Sie bebeutet!“
Da tönnt fd)on einem bra»eren äRenfd)ett übel
roerben, fo bat bas geflungen. Unb bumm toirb ber
5 ran 3 l fein, eine 23efd)toerbe toirb er fid) 3 U 3 ieben,
»»raus, xoo er fo tinberleid)t ausbiegen tann.
,,3a mei, £jerr Doftor,“ rebet er fo überlegenber
Sßeif', als roollt er gifolen 3 äf)len, „menn's anbers
frifd) nimmer fein fann... 00 mir aus..."
21m liebften f)ätt ber Doftor je^t einen Driumpf)*
fd)rei... aber bas gel)t ja nit, er toeife 3 U gut, roas
er fid) fdjulbig ift. Unb roas ift ba roeiter babei.
Sold)e 93ergbet»ol)ner mu| man eben nehmen fönnen,
mu|j il)nen grürtblid) imponieren, bann erreicht man
fd)liefelid) alles »ott ihnen. Das f)at er fo oft gel)ört,
baft es einfad) r»af)r fein mufe. 9tod) ba 3 u, too er's
ba betoiefen f)at.
©ut unb feft l)at ber Doftor bie 9^acf)t im „Saum*
garten“ 3 U ©ufibaun gefd)Iafen. So gut roie feiten.
Sd)ab, bafc el)»or nod) bie Sonn in ber £>öb toar, ber
$ran 3 l einen ^ßumperer an feine Dür tut, bafc bas
<5aus einfallen fönnt, roenn's ein ^Berliner 3wsl)aus
roär. 3 u gleid)en grüben fpringt er aus ben gebern,
unb fo fdjleunig, roie er in ber fur 3 en 2 ßid)s toar ...
O mei, ba gebt ja 's telegraphieren bagegen fdjneden*
langfam.
Der Doftor Slbam ftunoto roirb an bte Partie
fein £eben benfen.
(Sd)Iuß folgt)
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Sternrätsel
<r>aH>tnfeI. 6 . ©inert gried)ifd)en 23ucf)ftaben. 7. ©ine ita=
ltentfd)e ^ßromns. 8 . ©inen beutfdjen Dieter.
Die 9lnfangsbucf)ftaben nennen etwas, bas niemanb „auf=
fefcen" fall. ©. D.
Eogogriph
©s ift ein altes SBort aus frember 3unge,
Das aber au cf) bie beutfd)e Siebe lennt;
Sie braud)t's vor allem, roenn ein fd)roerer 3unge
Sid) beute fo unb morgen anbers nennt.
(Sin anbrer 5topf — unb fiel)! aus grauen Dagen
Stagt oor uns auf ein geiftgeroalt'gcr SJtann,
33on bem fo ©rofees toeife bas Sud) 3 U fagen,
Dafe man betounbern nur unb ftaunen fann.
Unb nochmals roanbeln mir bas erfte 3 etdf)en,
Hub roieber griffet bie Soweit uns baraus:
3Bas mag an ftraft unb Schönheit [ich Dergleichen
Dem Sonnenleudjten unb bem Sd)lad)tgebraus?
2B. m.
Buchstabenrätsel
2 Bol)llaut entftrömt ihm bie Sülle, es fcfetoebet 3 u bimm*
lifcfeen §öf)en;
Slber fein inneres — mel)! — fcfeeuet unb fliehet bas Sicht.
s 2l. D.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 754:
Des SÖtetamorpf)ofen = Sllrofttcf)onrätfets:
1. < 3DDaftricf)t. 2. Stuftralien. 3- 9lotterbam. 4. itarls*
ruhe. 5. Stjeffalien. 6 . < 2öetnsberg. 7. $lm|terbam.
8 . 3nterlalen. 9. 9licberroalb. — 9Jt a r! % ro a i n.
Des Sogogriphs: ftalt, froftig — alt, roftig.
Des Süllrätfeis: 1. ftlaufenburg. 2. Stcuolucr. 3. 211a*
bafter. 4. Steubritannien. 5. Äanarienooget. 6 . Schmetterling.
7. ©ifenbafen. 8 . 3nbianer. 9. Jtapolconbor. — ilraut fein.
Wichtige Söfungen fanbten ein: @life Wieboro, geb. Strufe,
Hamburg (2); J^ulie Midierer. Stuttgart (4); Dhefia Miller,
WegenSburg (4); $oh. iß. Stoppel, Hamburg (3); Dr. Salburoein,
SfyUburg (4); Stonrab ißolfter, Weumarft in Steiermart (1); 2öa»
ra§bin, 2Bien (3); Heinrich SomfchicE, 9Bien (1); $ultu§ ® 3 »et=
fooitS, SBubapeft (3).
| I 2k, 21, 3m, ln,
I !■■■ — ■ { t 2o, lp, 5r, lu.
Obige 23ud)=
1,11 "j ,,— r 1 ftaben fchreibe
man in bie Selber
8 1 . 1 4 *> er Steur, fo bah
I . I ad)t fünflautige
SBörtererfdjeinen,
l | — j | bie alle benfelben
|| l| — in bas punt=
■ | 1 f | | tierte fOUttelfelb
fallenben — ©nb=
1 1 buchftaben be=
1 I _J I I fifeen unb bebeu=
7 « 5 ten:
1. ©in SBübnenroert. 2. ©ine Stabt in ftrain. 3. ©in
großes Steict). 4. ©inen fyrauennamen. 5 ©ine afiatifcfee
Votfätig in denJipo{f)ef\en und "ufogetien,.
■ f.Einjühr.-, Atiit.-Prüfc
)r. HarangsAnst.,Halle £
Vorbild "^;
Die jetape Aufmachung entspricht der Verordnung des deutschen fiünflesrato
Warum?
ift bie befte Einmadjebüdfie
ber Söelt bie
Perfect-
Conservebiichse ?
SOBeil bei bevjelben ber
Snljolt, wie ®emüje, Cbft
u.b9l.,nur mit ®la§ in ®e«
rüljnmg tommt, fomit bie
SReiutjeit be§ ®e[d)ntad§ ber
Eonfemn erhalten bleibt.
SBeil ber $eriecbS3erid)IuB abjolut auöerläffiß
ift unb niete Saljre halten fann.
Söeil bie Eonferben niemals bem Sßerberben
au§gefe(jt iinb, beim im 3-alIe ungenügmben Ein»
fochenS hebt fid) ber ®laSbecfel Don felbft, loeldjen
SBoräug fein anbeveS @tasbecfebSt)fiem aufmeifi.
Sebev SBüdjfe ift eine genaue ®ebraud)Samuei»
fung über bas Etnmadgn beigelegt.
3u haben itt allen befielen ®laS», 'Porzellan»
unb ^auShaltungSgej^äiten, euentuell loeijen
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804
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betbgueae - haben freien VuSlauf an ber Srinfßalle. $ie 'Jfabtutm
trtnffuren erretdjten tm uorigen Sabre bie 3afjl oon 30 000'-Portionen.
Sic neue äßanbelljalle in Vab föüffingen, beren @r*
bauung infolge ber fietigen ftrequensmeßrung toäbrenb ber lebten
Sabrjebnte brmgenbfteS VebürfniS mar, ift im oerfloffenen SBinter
nad) bem ©ntmurfe be§ VrofefforS »laj: Sittmann in »iün&en
Sur Vusfußrung gelangt. 3 m ©tile einer breifdjtfftgen Vafilifa
gegolten, erbebt fie fid) in itnpofanter ©röße unb oereinigt arebi*
teftomfebe ©djönßeit mit 3roecfmäpigfeit. Ser Snnenraum, reidp
heb mit Siebt burebflutet unb mit gärtnerifd)em ©djmucE foroie
fprtngenben Vrunnen gegiert, madjt burcßauS ben ©inbruef einer
gropen ©artenballe. Sie Stnorbnung beS OrcßefterS am 9iorb=
enbe ber Habe ermöglich bap bie »tufif nad) bem ©arten *u ober
nad) Umbrebung oon 180 ©rab nad) ber gropen Halle *u fpielen
jtann. »ueß ber neu gefapte SRa^brunnen ßat ein präcßtigeS
Sempeldjen tn griedjifcbem ©til erbalten, baS fid) aioifchen bem
offenen EUteüenfcßacßte unb ber SSurßauSftraße erbebt unb atoeifeh
Io§ einen Hauptfcßmucf be§ neu umgeftalteten SturgartensS bilbet.
58ab ©Ifter. Sie Vorbereitungen *um ©tnpfang ber Kur«
gafte finb in ooltem ©ange. benn mit bem l SJtai pflegen biefe
immer gleich in gropen »taffen einsutreffen. $n weiten Streifen
ift ja betannt, bap Vab elfter jum ©aifonbeginn tatfäcßlid) aud)
fertig ift mit feinen Vorbereitungen auf bie ©aifon. VirgenbS
ift rnepr ein gefcßloffener Saben *u feßen, bie Varfanlagen finb
m Drbnung gebradjt. Sa§ prädjtige SiurßauS unb bie Vabe*
bäufer finb bereit, ©enefung fueßenbe Trante aufjuneßmen.
©Efrf|äffltcf|:e HHttetlmtgen
äöicßtige ©rleicßterungen beim Stodjen. Sn früherer
•oett erfeßroerte ba§ ftocßgefcßäft eine fReiße Ijörfjft aeitraubenber
1911. 9lr. 30
Nebenarbeiten, bie namentlicß bie Aufgabe batten, bie eimeinen
©ertdjte burd). pifante Zutaten au oerfeinern. Stil biefe ©aucen,
jJtagouts, ©arbeUenbutter, gemifd)ten SBüraen hält beute bie $n=
buftrte gebrauchsfertig am Säger, ©in fcßäßenSwerter Vatgeber
hierfür vjt baS Eieine ftoeßbueß ber ftirma SiirE & Vabft in ftranf*
furt a. »t., baS fie jeber Seferin auf äBunfcß EoftenloS aufenbet.
-jr^' n9 - en a -2tnt Vpeinifdjen SedpniEum fanben bie 2lb*
jdjlupprurungeti für Sngenieure, SedjniEer unb SBerfmeifter ftatt.
8 6 Stanbibaten ber Sngenieurprüfung beftanben 77, oon
78 Stanbibaten ber SedjniEerpriifung 71 unb oon 38 Stanbibaten
ber aSerfmeifterprüfung 32. atüe Vbfoloenten fanben bereits
oor bem 1. aipril_@tef(ung, ein ^eidjen bafür, bap man in ber
Snbujtrte bte Setzungen ber Ülnftalt befonberS fdpätat.
mm sSisi
tanbS unb bes MustanbeS, ~ unb 5Vranfrdcb ^. 2.26
tn «erttti,^ SreStau, Sbemnip, $re§ben, Süffetborf, ^ranffurt a. 3J1
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aui wanrneit beruhen.
Zwanzig Jahre lang quälte ich mich
! mit den schrecklichen Martern eines so-
ge.iannten unheilbarenRheumatismus. Alle
§ Aerzte gaben mich
sland kam schnauf
erfand ich eine Zu-
tabilischen Sub-
nände hpi stanzen welche
I Urem Rheum“ti“i“i." r " " mir bald E r 1 e i c h -
. . , , . „ terung brachten,
in setzte mit t ?roßer Ausdauer mit diesem
Mittel fort und hatte nach einiger Zeit die
glorreiche Nachricht für meine Angehörigen,
daß ich ganz und vollständig von
meinem Leiden befreit sei. Man konnte
es kaum glauben, aber es war Tatsache.
Seit dieser Zeit machte ich es mir zur Auf¬
gabe, dieses wirklich wunderbare Mittel so
viel wie nur möglich bekannt zu machen.
Es nahm nur ganz kurze Zeit um sich
überall Bahn zu brechen, wer wollte auch
nicht gerne von den schrecklichen Schmer¬
zen des Rheumatismus und der Gicht be¬
freit werden. Jetzt wird Gloria Tonic mein
hilfreiches Mittel überall mit Freude will¬
kommen geheißen wo es solche Leidende
gibt.
Ich, John A. Smith, bezeuge daß diese
Aussagen der Wahrheit entsprechen und
bin bereit Jedem der mich darum an-
sucht eine ßtägige Probe ganz frei zu
schicken. Alles was Sie in der Sache zu
| tun haben ist mir eine internationale Post¬
karte mit Ihrem Namen und voller
Adresse zu schicken. Postwendend er¬
halten Sie diese Probe mit einem hoch- !
interessanten illustrierten Büchlein diese !
Krankheiten erklärend Zögern Sie also
keinen Tag länger sondern schreiben Sie
I sogleich an:
John A. Smith 69-A. Bangor House. !
Shoe Lane, London.
N.B. Freundschaftsgruß an alle schon
; durch mein Mittel Geheilte und alte Freunde
dieser Provinz, welche obige Annonce be- !
merken.
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von Bergmann&(« Radebeu!
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Erkrankungen des Magen - Darmkanals, der Leber, der Galle und der
Nieren; des Herzens und der Gefäße (Verkalkung); bei Stoffwechsel¬
erkrankungen (Zuckerkrankheit), Fettsucht, Blutarmut, Skrophulose, Gicht und
Rheumatismus. Ferner bei Erkrankungen der Luftwege, der Nerven, des
Rückenmarks.
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1 1 durch Kurverein
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wasser, Stahlbrunnen, Molke, kohlensäurereiche, freie und abstufbare Soie-
bäder, Pandur-, Wellen-, Mineralmoor-Bäder, Fango, Wasserheilverfahren,
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Gradierbau, pneum. Kammern, M assage, Heilgymnastik, Röntgenlaboratorium.
tUebaftion unb Herausgabe SÄ?* 9to?e U SSIn'SS'l. ^rtTS '*»erta?' bc^^eiSkpe^Se^lIqfilntolt ^"shUtaart ^'BapieTuo?bS^SeÄdf^G f rf, *‘ r" 1V” in Sfuttflart 3n filterreidj-Ungarn für bie
rcbafttonellen 3„l,alt biefer 3 ei W rift betreffen, nur an'bie »^efe „nb eenbun 9 gen, bie ben
ist das beste und
billigste Gewürz für
Kuchen, Puddingsund
^alle Süßspeisen.
cwS fc>em Verlag bet* $)etttf$en 33erlag$--$lnftaft in etitttgart
„QBenn man QBo^>ltätev ber 30tenfcf)=
(>eit rüfjmertb nennt, bann barf man
jener ©tuen nicpt nergeffen, ber ffefg
bie Ralfen unferer etirne §u glätten
toufjte, ber auf bie Sippen be$ ©rnfteften
ein Säckeln 3 « §aubern perftänb, bann
muß man SBityelm 23ufc^ nennen."
O&far 'pöffel in ber Q&iener 5rauen=3eitung.
93pn SHlhelm Suffe finb in itnferem
Verlage erffeienen:
©er Äafer hacff ben S^fe, ber ffereif,
©er 9?abe ift »oll ‘Jreübigfeit.
21uö Bufcb, „£an$ Sucfebein, ber UngtücfSrabe'
Schnell fa$f er, weil ber ^obf ntdfjt gan§,
9}?it ffelauer £ift ben 5Merfchfean§.
2luö Bufd), „$>an& Jöuctebein, ber iiffiglücfSrabe''.
$>an$ SjUCfebetU, ber tlnglüdörabe
— ©aS TMiftcrobr - ©aS ‘Sab am
Samstag 216,enb.
Quart-^luggdfee. 56. Auflage. ^Ibbilbuttgen fc£>n>ar§, fort. 30?,3.—
^bbilbungen folorierf, fart. 30t 4.—
0!tat>=%ltt3gafte. .34.-43. ^aufenb. ©e^eftet 30? 2.50
kartoniert 93t 3. —
Sfefeeijer. £0hrer3eitung,3ürife: „Skr ein &nb refet herjlife lachen
(eben feilt," ber reifee fern biefeS Sufe; bie ^arifafuren werben ifjre
Sßirfung nifet »erfehten. Sitte brei ©effeifefen entbehren keineswegs
eineä ernfteren <öinfergrunbe3."
§>ie fü^ne 3 ÜtüKer 3 tod)ter
— ©er Scf>reif)al3 — ®ie ^rife*
Oitart^htggabc. 24. $lufl<ige. ^Ibbilbungen fd^toars, farf. 30? 2.—
^ibbilbungen folortert, fart. 30t 3.—
Oltabsffiuggqbe* 12.—16. 'Saufenb. ©e^eftet 30? 1.50
kartoniert 30t 2.—
9teue 3ürfeer 3eitung: „©ine Sammlung oon unoergteifelifeen
hmnoriftiffeen Silbern unb Serfen be£ ©Dieifterö ‘Suffe, wetfee fife
ffenell bie Serjen nifet bloß ber 3ugenb, fonbern aufe alter‘Jreunbe
eines gefunben, ungefünftelten £>umorS erobert hat."
| ^erien=Q 3 ilber&u$
Über Sanb unb 30 teer
30ttt 150 “itlbbilbungen oon £. 3£ßain
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>/®iefe neuefte 3bee, ben Ätnbern in ben bieten Slufjeftunben ber Serien
eine ergifelifee Unterhaltung ju bieten, hat hier eine hübffee Slusführung
gefunben. SktftenS finb es Siergeffeifeten, bie auf bie c Phantafie ber
Steinen ja ftetS • gnregenb wirken. ©ie SUuftrationen ftnb fehr amüfant."
'Berliner Tageblatt.
„©ine gro|e ^üUe oon oft refet tomiffeen unb braftiffeen ^ierhitbern,
bie ebenfo wie bie , luftigen ©effeifeten, bie fie in SerS unb ^oefie
illuftrieren, bie fleig&n^ierfreunbe in ber ^inberwett; fifeertife amüfieren
werben, obgleich manfee eine refet ernfte unb mfelifefe £ehre enthalten."
V 6f.‘Petersburger 3eitung.
Sruct unb Berlag ber ®euff<Sen BerlagS-Slnftalt in Stuttgart, Otectarftraije 121/123. - Rapier »on bet paoierfabrit Sata# in Saract), Württemberg.
9fr. 31 3af>rgang 53
§*)♦ ©ainäborougl): 9Rif$ ßinlet) unb if)r 93*uber
1911 (Sb. IOC) 107
ERH ÖLUNG.U. SPORT
WANDERN. U. REiSLN
BENEDICTINE
(Ein Xouriftenftuilein
93on
3 o!). £ctgeber
'TN er 9lnftieg roar fcfyrecflicf).
-i/ Da gab's Stellen, roenn
bas Seil reifet, $unberte t>on
5ufe fiel man hinunter. Unb
biefe ganj unb gar ungebahnten
2ßege unb Steige! Das helle
heifee SBaffer ift ihm in Strö*
nten geronnen ... Eigentlich,
rn m 1800Meter ü.M.
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Ulber bas geht ja nimmer,
ba mürbe ja ber 9Mnd)ner
ifjerr ladjen ... Seiber geht es
nimmer. 3hm founbfooielten
9JiaI hat ber Doftor biefert oer=
flud)ten (gebauten oerroünfdjt.
?lusgered)net er, ber's fo bequem
haben tönnt, ntufet fid) bie um
geheure ^lag aufhalfen. — Die
Sonne brennt ertrafreubig.
Dazu ber Dolomit, ber fid)
fiebig feeife anfafet, meil aus
bem eine £>ifetooIfe ftrömt, bie
einen nieberfd)lagen tönnt.
„3efet ift bie lefete ftaft,"
oertünbet ber granzl, „freuens
3hhen, §err Dottor..."
Ob er fid) freut! tommt
oor, bie 3^it fei eingefdjlafen,
bie JRinuten unb Stunben finb
alle fo entfefelid) lang, nehmen
gar tein Enb, benn mie er jefet
auf bie Ul)r fd)aut, ift es roat)r=
haftig erft gegen jmölfe. Seinem
SOteinen nad) müfet's fpät am
iHad) mittag fein.
Über eine halbe Stunbe fifeen
bie brei fd)on, effen unb trinfen
unb raften. SRit bem Sd)meife^
mifchen ift ber Dottor aber
immer- noch nicf)t fertig. 3mmer
nod) nit. 9ftan gibt noch eine
halbe Stunbe 3 u." Die I)at ihm
menigftens mieber 5traft unb
Eourage gebrad)t, ©ott £ob
unb Dant!
Dann hingen bie brei mieber
am Seil, unb bahin ging's. Das
heifet gehen, bas mär eine graus=
Iid)e £ug. Herrgott! mar bas
eine fd)iad)e ftrailerei!
Enblid) finb fie fo meit. 9tod)
Rheumatismus,
Hautkrankheiten, VllL II l
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in ffeigenbem Sftafje in „Über £anb unb Sfteer" oer--
öffentlid)t. <Die baburcf) zum ^luöbrucf gebraute 2öert--
fcf)ät 3 ung peranlafjt unö, aud) in biefem 3af>re unfere
meifoerbreitefe, in ben oornefimften Greifen getefene
3eitfcf)riff zur 33enüfeung bei Saifon-^nfünbigungen
alter *2lrt zu empfehlen. < 333iv bitten um rechtzeitige
Aufgabe ber Anzeigen entmeber an unö ober burd) ein
Bureau ber 3lnnoncen--Efpebition 9?ubolf Stoffe.
Stuttgart, ^önigftr. 31 B.
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3. 9Rai
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11 .
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18. „
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7. 3uni
39
2 . 3ult
14. „
40
9.
21 . „
41
16. „
28. „
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23. „
5. 3u«
43
30.
12 . „
44
6 . ‘Sluguft
19. „
45
13. „
26. „
46
20 .
2 . ^luguft
47
27. „
9.
48
3. Septbr.
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10 . „
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50
17. „
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CHDCDLADEN ALPURSA CACAO
Maschinen- u.
nampf’ Backofen
Fabrik
Über £artb unb SÜteer
^mtt Hapiti'l in Italien
D ieroeltbcrütjmte „^iajjab’Srbe"
in ©erona, bie al§ ber male*
rifdjfte fßlafc ganj Staltensi gilt,
fetjien bem Untergange gemeibt.
Senn ©obettfpefulatiten batten bie
fdjönen Käufer auf getauft, um
große moberne ®efcf)äft§ljäufer an
ihrer ©teile ju errichten. Sange
fämpften bie Stünftler Italiens
unter güßrung ®atr £)ca ©ianca§
gegen bie ©ernießtuttg biefe§
Heiligtum? ber S?unft an. ©or
furjem erftärte bie italienifdbe
Regierung bie ©iajsa b’Srbe jum
ÜJtationaleigentum unb unterfagte
jebe ©eränberung. dagegen ßat
man ben fßalasso ©tro^i in gto*
renj, einen ber fdjönften Italiens,
fürsticb geräumt, um ißn ju einem
mobernen 3Barenbau§ umjuman*
beln. 2)er Ejerrlid^e ©au liegt
in ber ©ia Sornabuoni, ift ein
5 öerf ©enebetto ba 2)tafano§ unb
entftanb in ben Safjrett 148B bi§
1533. ®er febönfte Seit be§ 9ßa*
Iafte§ ift bie prächtige ©äulett*
balle be§ $ofe§, bie unfer ©ilb
barftetlt. äßabrfdieinlid) roirb fie
ber ©ernidjtung ober ©eruneblung
an ßeitnf allen. Stm ißalafte befinbet
fidb auch ein berühmtes Äranj*
gefimS oon ©ronaca.
bot. SBliittcfyne* S|}nffe*8uteau
2 >er ifSalaaso ©trojsi in glorens,
beffen Ummanblung in ein 2Barent)au§ leiber befdjloffen unb nidjt mehr
aufhaltbar ift
ißbot. l'hiittbnec '4Jt«ile»aureau
®ie ©ia-j^a b’@rbe in ©erona,
beren ©erfdjanbelung burd) ©obenfpetulanten ba§ ©ingreifen be§ ©taateS
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Zur Erlangung
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„Ein Lebensbild von eigenartigem Reiz,
das sich durch wohltuende Sachlichkeit auszeichnet,“ rühmt Hauptmann
Deutelmoser in einer längeren Kritik im Militärwochenblatt an den bei
der DEUTSCHEN VERLAGS-ANSTALT IN STUTTGART erschienenen
1^, Lebens-
mittel
Chemie.
Patente überall.
Die Kunst eine schöne Büste zu erzielen
bildet für die Damen kein Gehcimnisa
mehr, seitdem die wunderbaren Eigen-
Bchaften der pilules Orientales bekannt
— Diese Pillen bo
in der Tat die
keit die Büste za
ekeln, zu festigen
wiederherzustellen,
0 wie die Knochen-
rünge des Halses
:er Schultern zu be¬
seitigen, indem sio
der ganzen Büste
eine graziöse Fülle
verleihen, ohne die
Taille zu erweitern.
Die Pllulea Orien¬
tales bestehen haupt¬
sächlich aus orienta¬
lischen l’flanzenex-
trakten und sind, da
gänzlich frei von
Arsenik, der Gesundheit stots zuträglich.
Ihre Wirksamkeit darf durchaus nicht
mit der irgend eines anderen, ähnlichen
Erzeugnisses, zum inneren oder äusseren
Gebrauch, verglichen werden. — Ein über
zwanzigjähriger Erfolg hat den Ruf der
Pilules Orientales bestätigt und erwiesen,
dass dieselben für die Fran sowohl wie
für das junge Mädchen das einzige,
wirklich zuverlässige Mittel bilden, einen
üppigen und festen Busen zu erzielen.
Leichte, diskrete Behandlung. — Dau¬
ernder Erfolg nach ungefähr zweiMonateu.
Ein Flakon “Pilules Orientales” ist franko
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Hauptmann Deutelmoser hebt noch weiter hervor: „Der Umstand, daß viele Männer von
grundverschiedener Geistesrichtung in ihrer eigenen Sprache zum Leser reden, bewahrt
die Darstellung vor jeder Trockenheit. Er gibt ihr einen erfrischenden persönlichen
Schwung, der noch verstärkt wird durch die bei aller Objektivität doch überall zutage
tretende Begeisterung des Herausgebers für seinen Helden. Kein unbefangener Leser
wird das vortreffliche Werk des Hauptmanns Foerster aus der Hand legen, ohne aufs
höchste befriedigt zu sein und neben dem verdienstvollen Herausgeber auch den er¬
habenen Persönlichkeiten Dank zu wissen, deren Hochherzigkeit dem Buche den Weg
in die Öffentlichkeit freigegeben hat.“
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August Sperls Bücher
Unter den Erzählern, die während der letzten Jahrzehnte bei uns aufgetreten
sind, hat August Sperl sich in raschem und kühnem Vorgehen eine Stellung
errungen, wie sie gleich angesehen nur selten einem seiner Genossen zuteil geworden
ist. Seine Romane und Erzählungen sind Kunstwerke in jedem Sinne, wie
denn ihr Urheber das freie dichterische Schaffen auch da betätigt hat, wo es
sich nicht um die Darstellung der geschichtlichen Vergangenheit, sondern um
die des frisch pulsierenden Lebens der Gegenwart handelt.
- In Unterzeichnetem Verlage.sind erschienen: -
Hans Georg Portner. Eine alte
Geschichte. Billige Ausgabe.
12. Aufl. Geh. M 4.—, geb. M 5.—
„Ich rechne dies Buch zu den besten Erzäh¬
lungen aus der Geschichte der evangelischen
Kirche, die wir haben. Warmherzig ist dies
Bild aus der Zeit der Rekatholisierung der Ober¬
pfalz im Dreißigjährigen Krieg geschrieben.
Aber nicht sentimental. Schlimm wär’s, wenn
man so etwas unbewegten Herzens
erzählen könnte! Fromm ist’s auch -—
geschrieben, aber mannhaft fromm -
und nicht erbaulich-phrasenhaft.
Vor allem aber: ich kenne sonst
kein Buch, das uns die seelischen
Leiden, mit denen die Evange¬
lischen unter solchem Glaubens-
zwang zu kämpfen hatten, so i
glaubhaft geschichtstreu zur
Wirkung brächte wie dies. Auch
unter Sperls übrigen Romanen
ragt Hans Georg Portner nicht
unbedeutend hervor. Ausge- |
zeichnete Familienlektüre für v
evangelische Häuser. Wenn auch
andere es lesen wollten, — um
so besser!“ Pastor Lic. Dr. M. Schian |_______
in der „Christlichen Welt“.
So war’s! Ernst und Scherz aus
alter Zeit. 5. Auflage.
Geheftet M 4.50, gebunden M 5.50
„Ein Werk echt Sperlscher Erzählungskunst ...
die dunkle Tragik wird ausgelöst durch fröh¬
lichen Humor.“ Evang.-Kirchl. Anzeiger, Berlin.
Herzkrank. Eine heitere Bade¬
geschichte. 5. Auflage.
Geheftet M 3. —, gebunden M 4.—
„Das prächtige Buch ist so recht auf .den be¬
haglichen Ton echter und rechter Festtagsfreude
gestimmt.“ Leipziger Tageblatt.
Richiza. Roman. 6. Auflage.
Geheftet M 4.50, gebunden M 5.50
„Man liest diesen Roman mit ungetrübter Freude.
Das Buch ist einfach und innig; es ist jedem
zu empfehlen. Das Schönste liegt nicht in
der Handlung oder in irgendeiner Einzelheit,
das liegt in dem herzlichen warmen Ton, in
dem die Geschichte erzählt wird. Ich glaube,
das Buch wird auch solchen Lesern einige
behagliche Stunden bereiten, die
- Ibsen oder Tolstoi zu ihren Lieb¬
lingen zählen.“ Die Hilfe, Berlin.
Kinder ihrer Zeit.
" Geschichten. 4.—5. Tau-
. send. Geh. M 4.-, geb. M 5.-
* „August Sperls Gestalten sind
, stark silhouettiert gegen die Zeit,
die Darstellung ist von strotzen-
der Gegenständlichkeit, die Fabel
k ist nicht wie bei Dichtern, die erst
HRP; auf einem Umweg zur Erzählungs-
BkJBRPH kunst gelangt sind, halbe Neben¬
sache, sondern das Ursprüngliche
_ - und Hauptsächliche, dem alles
andre dient. Jede Szene führt
deshalb vorwärts, und bei aller Fülle im ein¬
zelnen hat man doch den Eindruck des Knappen,
Geschlossenen, das Gefühl einer energischen,
zielbewußten Führung. Vor einem Dichter, der
so gestalten kann, muß man den Hut ziehen.“
Velhagen & Klasings Monatshefte.
Castell. Bilder aus der Vergangenheit
eines deutschen Dynastengeschlechts.
Geheftet M 8.50, gebunden M 10.—
„Ein eminent wertvoller Beitrag zur Geschichte
des unterfränkischen Landes. Nichts von Akten¬
staub und Modergeruch weht uns aus diesen
Blättern an, sondern ein frischer Hauch des
echtesten, unverfälschtesten Lebens.“
Pfarrer Bomhard in der Augsburger Abendzeitung.
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3 a, fo red)t t>on $er3en t)ätte
<rjanni) es tt)m mal bei=
bringen mögen, btefent einig
< 5 d)ulmeifternben — biefem
©eefen, baft fie fiel) jold)e 23 e=
i oormunbung ntd)t mel)r gefallen
laffe! 9 Iber jetjt, toie er fo
hilflos oor il)r ftanb, fab er gar
nid)t fo bös ans. Die im 3 orn
geballten tleinen Raufte öffneten
fid) toieber.
,,2ld), bafe es bod) halb 3rül)=
ling toürbe! Dann I)tnausetlen
in bie Statur unb all bem um
toabren, biefent oerba|ten £eben
hier entfliehen! Dag für Dag. 3 <b
bin bann eben für niemanb 311
ioaufe." Sd)on lad)te ber alte
Sd)eliit roieber um bie fd)ma=
len, feinge3eid)neten 9 J?urtb=
rointel.
Da ging ibm ein £id)t auf.
Sofort ergriff er ben 3 irtger=
3eig, unb mit gutgefpielter Dreu*
ber3igteit tuuftte er fief) eben=
falls als grober 9 tatnrfd)ioärmer
3U fd)ilbern. ©s roar bas erfte
©efpräd), bas eine 53 afis gleicher
i 9 lnfidjten berührte; er hätte eine
j fleine ßuuigieit ftehen mögen
j unb fo fortlügen Dlls fie fd)ie=
| ben, fah er nicht, meid) ein
; malisiöfes £äd)eln auf ben £ip=
pen ber tleinen §anm) i^aifer
fpielte.
$eute mar nun biefer grobe
Dag feines £ebens. Sie hatten
fid) oerabrebet, gemeinfam eine
Dour in bie junge $rül)lings*
lanbfd)aft 311 unternehmen, aber
oor Dau unb Dag unb 311 ft-ub,
mie $anm) beftimmte. Sßollte
fie il)n etwa für feine 9 tenom=
miftereien mit biefen brafoni=;
fdjen ©emaltmabregcln ftrafen?,
$anni) itaifer, bu meibt nid)t,
mie füb bie £eiben eines 3ung=
gefelleu finb, bie heimlid)e £iebc
ihm auferlegt.
„©uten borgen, §err £ang=
fd)läfer!“ ertlang es ba plötjlid)
hinter ihm. 9 ?id)tig, er mar
[d)on an ihrem £jau[e oorbei=,
getappt, fladjenb trat fie ihm 1
aus bem Sdjatten ber Diir ent*
gegen. „Stein, id) nehme alles
mieber 3iirüd. 3<i) freue mid)
fehr, bafj Sie 2 Bort gehalten
haben!"
„ 3 a, haben Sie bas bei mir
nicht oorausgefebt?" 3 >orfid)tig j
lieb er nur bie 3 urücfmeifung!
biefes 33 ormurfs burd)bliden
unb babei bebentenb, mieoiel
Dufd)en talten SBaffers es ge=
foftet hatte, lim fein org,anifd)es
3© aus äftorpheus' Firmen 3UI
befreien.
SOtit einem fategorifd)en
„papperlapapp" fd)nttt fie feine
9 ?ebe mitten burd). Der richtige
Donanfd)lag für eine fröhliche
SBanberftimmung mar gerettet.
£ad)enb unb mit $Bol)lgefaIIen
mufterten fie fid) gegenfeitig:
Seine ftarfe, träftige ©eftalt in!
bem meichen grünen £obenan3ug I
fal) entfliehen beffer aus als im
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l)üt©en mit e©tem ©emsbart ftanb ©m ni©t übel.
Da3U no© fein frif©es, bur© bie Morgenluft gerötetes
( 5 efidE)t: all bas gab ©m einen geroiffen 3ug non
©rünbli©feit, an ben fi© junge Mäb©enl)er3en jo
gern antlammern. < 3 ©on plagte fie bie Aeue über
it>re Untugenben ein roenig. tapfer < 5 ©ritt ßaltenb
unb plaubernb fdjritt fie in ©rem fußfreien Manber=
fleibe neben ©m, babei ©ren f©Ianten Körper toie
in f©önen ©ejten 3U ©ren Morten beroegenb.
Salb lag bie Stabt mit ©rem Straßengeroirr
hinter ihnen, nur roejtli© no©, über bas freie 3telb,
redte ein glügel bes §äufermeeres feine f©roar3en
Konturen in bie toei©e Dämmerung, ©r hätte gern
gefragt, roo bas 3 iel ber Manberung ßinmünben
follte, obglei© er am liebften fo an ©rer Seite brei=
mal um bie Melt geroanbert roäre, unb fie mo©te
feine ftumme 3ftage roohl ßerausfüßlen.
„3ft es nid)t ßerrli©, fo in bas ©rtoartenbe l)inein=
3uf©reiten?“ fagte fie. ,,©an3 fern bas Alltagsleben
laffenb, toie unberoußt? Mas bann tommt, roirb
toie ein Munber roirten!“
©r mußte oorerft an fein Munber benten, bas
ihn erroartenb erfüllte, bann erft folgte er ©rem
Sinn. Soll getoedtem 3 >utereffe begann er bie Ianb=
f©aftli©e Umgebung 3U betra©ten. ©an3 anbers
präfentierten fi© ©m bie Dinge heute, es mar au©
ni©ts anbres an ihnen, unb bo© f©ienen fie ©m fo
erhaben, als hätten fie ©n hier ermartet Dod) bas
ßi©t fehlte ihnen no©.
Uber bem Sößrenranbe fc e5 oor ©neu lagernben
^ügelrüdens 30g es fdjon hell herauf; 30g es mie
Iei©te grüne S©leier, bie ein bunfles altes Silb
umrahmen unb Sehen einhau©en mollen. Sis bas
©rün in ein Siolett überlief unb mieber in Mellen
bas in ein oerfd)mommenes ©elb überlaufenbe ©rün.
Starter unb beftimmter mürbe bas ©elb; es riß fid)
hinein in bie orangenfarbenen Sliße, bie mie aus
einem lobernben 3reuerf©ein in ber $erne heraus-
mu©fen. Dann 3üngelten gan3e ©arben aus bem
ma©fenben Sranbe hinter ber §öl)c ßeroor unb
trieben bie Dämmerungen oor fi© her. Das f©lafenbe
Dorf Unter £>anb oom Mege, bas fie treusten, trat
mit ben tleinen Käufern mit ©ren roten 3iegeU
bä©ern unb ben grün angeftri©enen fjenfterläben
in bas £id)t. ©in §al)nenf©rei medte
„Mm, mein greunb?" fragte £>aum) ©ren in
ftaunenbe 93 etra©tungen oerlorenen Begleiter.
©r hatte gerabe an bie Aomantiter geba©t, an
©re buftenben, naturtreuen ißoefien, ein ©ebi©t oon
Aooalis lag ©m im Sinn, unb eigne äl)nli©e 3 ugenb=
Iiebhabereien fielen ©m mieber ein. (S©luß folgt)
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7. 3uni
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2 . 3uli
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9.
21 . „
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16. „
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43
30.
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19. „
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13.
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2. Auguft
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<^m 23orgimmer traf Rarlmann ferne
O Sd)meftern. Starion unb (Eifa fasert in
ihren feibenen (Semänbern, Diamanten im
blonben §aar unb mit nadten Schultern, fehr
fd)ön aus. Sd)Iante Did)tgeftalten, graziös unb
ftolg, hantierten fie an ben großen cf)inefifct)en
23afen, bie fie mit toftbaren Blumen füllten.
„Rommft bu enblid)?“ rief Marion, bie
Heiner unb gierlid)er als (Eifa mar. „SBir
müffen bas gange $aus allein betorieren, unb
bu hatteft uns feft oerfprod)en —'"
„Sber Iah bod)," unterbrach fie (Eifa motant.
„Rarlmann tonnte nicht früher tommen. (Er
mar bod) fidler bienftlid) oerliinbert —"
„2Sas h'eifct bas?" rief Rarlmann barfd).
„,Der |>üttenbefiber‘ ift teine SBagneroper
— ber fängt erft um t)alb acht an."
Starion Iad)te.
„3d) bitte bid) bringenb, (Eifa— beine
©ifanterten finb gang überflüffig!"
„Da haft bu recht, Rarlmann — bu forgft
fd)on allein bafür."
„2Bas foll bas?"
„Sber bu bift für $riebrid)sburg oiel gu
offenpergig — follteft nad) ©aris gehen — i)ier
ift es ja fdfabe brum."
„Sd), fdjmeig bod) füll, bu (Sans!"
„Rinber, Rinber," niifd)te fid) Starion
ladjenb ein, „fangt ipr nid)t aud) nod) an gu
ganten! 3<h bin fd)on oor berStama baoom
gelaufen — bie tobt nur fo in ber Rüche tjerum,
meil>ber Dräntle falfd) geliefert hat!"
„Der Dräntle Ijat falfd) geliefert?"
„3a, eine Stapomtaife gu menig — es ift ja
tein Hnglüd. Die Stama regt fid) nur über
alles fo auf. Sun läuft ber Martin amt aud)
nod) baoon? Du mein (Sott!"
Rarlmann fdjritt burd) bie Seit)e ber fdfönen
großen 3immer auf bie Rüd)e gu. 3m 23 amt=
treife biefes reichen, immer etmas feierlichen
Sehagens oeränberte fid) fein SSefen alsbalb
— er redte fid), er eilte mit febernben «Schritten
über bie ©erferteppid)e Ims unb ein ganger
Sominger mieber, mufterte er im Sorüber-
gehen mit ergriffener 3ufriebenheit bie gläm
genbe Dafel b es Speifefaales. Schon aus ber
3erne hörte er bie jcheltenbe Stimme feiner
Stutter. (Er betrat bie Rüche mie ein Setter,
ber Unheil oerhüten mollte. Riementine So=
minger ftanb oor ihrem §ausperfonaI. 3hre
1911 (93b. 106)
fonft aujgerorbentliche Semeglichteit mürbe
burch bie fernere ©rad)trobe behinbert, bie fie
am hochgemachfenen Rörper trug. Die $rau
©rofeffommar fchon in Doilette. 3h r immer
noch jugenbfd)öner $als trug bas grobe ©erlern
tollier, ein töniglid)es (Erbftüd ber (Srumbad)=
fdfen Damen feit über hunbert 3^hren. (Es
maren gelbe, fernere, gleid)fam leibensoolle
perlen, in ihrer einfachen Raffung Don tounber=
barer S3irtung. (Eine garte gebertrone mit
Saphir* unb Diamantftielen fdjmüdte bas
braune £aar, unb bie fd)Ianten, gefdfidten
foänbe rafften fiebernb fernere Seibenröde
oom Rüchenboben auf. (Eben mar Riementine
mit einer mächtig gefteigerten Strafprebigt
fertig. ÜBährenb bie älteren Dienftboten, an
Schlimmeres gemöhnt, gleichgültig meiter*
fdfafften unb bie jüngeren oerftört ben ein*
getretenen jungen Ejerrn anftarrten, ftanb ber
unglüdliche Sünbenbod Staxl, ©ater Dräntles
Rüdjenbub, fchlud)genb inmitten biefer ©er*
fammlung.
„Sber Stama! 2Bas ift benn!" rief Rarl=
mann gebieterifch- (£r fannte bas unbänbige
unb gugleid) abhängige SBefen feiner SIRutter
unb fdjlug beshaIb,fofortbenenergifd)enDonan.
Such fühlte er fid) heute unbemufp berufen,
ben alten Roch 3 U oerteibigen. Riementine
manbte ihm ihr neroöfes Srttlih gu, bas fid) fo
fd)ön unb feltfam oon oermitterter Schmerglid) 3
teit gu berüdenber £iebensmürbigteit manbeln
tonnte.
„Rarlm'ann! 3^h Ö^h' ! 3<h Ö^h' tößg '■ 3«^
lap olles ftehn unb liegen unb geh' meg, bu
mirft es fehn!"
„2ßarte noch ein bijfchen, dRama!"
„Stit ben fieuten ift tein Sustommen!
Sein! 3<h i>m bo«h teine Stlaoin! 3<h bin
bod) teine Deibeigne! Slles foll id) allein
machen! Die Röd)in meih nit mehr, mas gum
Sbenb beftellt ift! Dent bir! 3ünf 9Jtat)onnaifen
braudjten mir oom Dräntle, felbftoerftänblid)
fünf, bas fieht ja ein (Sottesfdjaf, unb nun
bringt ber 23ub ba oier ! (Es fehlt eine £ad)s=
maponnaife!"
3e^t heulte Starl. „Sber id) tann bod) nix
bafür, $rau ^rofeffor! Hub ber frjerr Dräntle
aud) nit! 2Benn's falfd) beftellt is!"
Riementine ballte ihre oon Singen bli^enbe
Se<hte. „23ub, elenbiger — id) hab ; s nit falfd)
beftellt! 3<h nit!" Sie blidte gum |jimmel.
„Sber fütama," mifchte fid) Rarlmann nod)=
mals ein, „ich bitt ; bid), bas ift ja lädjerlid)-
Du mirft bid) bod) nid)t mit bem Rüchenbuben
ftreiten. 2Bo ber fehler liegt, ift je^t unmöglid)
feftguftellen, Sufgerbem — an oier Siaponnaifen
haben mir reichlich genug — id) oerfid)ere
bir —" (Er fprad) fepr einbrudsooll, mie ein
guter, um Sat gebetener Sed)tsbeiftanb. (Sr
fah fofort, bah er bie dRutter beruhigte.
„So?" rief fie etmas leifer unb afthmatifd)
merbenb, inbem fie fid) mit ihren tleinen 3üfeen
infbie Schleppe oermidelte unb gornig freu
gutbmmen fudjte. „Unb ber §ofmarf<haII?
Sergiht bu ben £ofmarfd)aII?! (Sraf Rild)=
berg i§t nur fiad)s! 'Der etelt fidjdoor ^upn unb
§ummer!"
„Dann Iah ^en ßachs beim Rild)berg an=
fangen. Stell ihm einen groben 23auernteIIer
hin. Dann mirb er bod) genug haben."
3et$t gudte fd^on ein £ächeln um bie Dippen
ber Stutter. Sie legte ben Srm um ihn. „$ans=
murft, bü... Sieinft? — Sa ja, bas ginge!
Sb er bu gefdjeiter Rarlmann — id) meih nod)
mas oiel ®efferes! Der Rilthberg nimmt fid)er
gmeimal! Da Iah id) ben Dachs bei ber Dante
JBunberlid) umiehren, benn hmie^ ber Dante
SCBunberlid) fi^en nur noch junge £eut ; , bie
Sialer unb bie Sntrittsbefud)e, bie tonnen fid)
ruffifd)en Salat nehmen!"
Rarlmann platgte laut heraus, unbetümmert,
ob er bie Siutter bamit oerlebte. „Stama! Du
bift ja töftüch! 2Bie bu tarierft! Sber ich glaube,
hier ift nicht ber richtige Drt für eine tulinarifdje
Sangorbnung!"
,,Sd) mas, bu Sdjlimmer! Dajf beine
ironifdjen 3axen gegen bie alte SSutter! (5eh
lieber unb mad) bid) menfchlich I 3^ 'ner halben
Stunbe tonnen fchon Deut'bafein! Du fiehft
ja aus, als ob bu oom Regelfchieben tämft!"
Rarlmann trug einen grauen ©eljrod feinfter
Stöbe, mit feibenen Suffdflägen, unb hatte
Dadfd)uhe an ben 3ühen.
„3d) geh' nur, menn bu mittommft unb bas
(Effen jebt enblich bem ^3erfonaI überläht! Du
bentft mieber abfolut nicht an beine Seroen,
liebe Stama!"
Sie gehorchte unb hängte fid) plöblid) an
feinen Srm. „fpaft red)t, Diebling. Stir ift
auch fehr elenb. Sehr elenb. Slfo tomm — id)
Iah kas Unheil fid) oollgiehen. Romnt. SSenn
mir nix gu effen ha^^m aud) recht! Romm.
Sber halt! (Eh' id)'s oergeffe —"
„2Bas benn nun fchon mieber?“
„Der 23ub oom Dräntle muh n od) mas für
ben (Sang betommen!"
Sie ftedte Staxl eine Stünge in bie §anb.
Rarlmann bemertte, mie ber Surfche gang oer=
bubt bas (5ef<hent betrachtete unb plöblid) ein
fonniges (5efid)t betam — bann führte er feine
fd)öne, heihe, nad) Sofen unb ©raten buftenbe
Stutter in bie ©orbergimmer.
„2Bas haft bu benn bem Staxl gegeben?"
fragte ,er> fie fd)althaft oon ber Seite an=
blidenb.
„Sch, nix! 2Bas ich grab' gur £anb hatte!
3mei Start!"
„3ür ben tleinen (Sang?"
„(Ein bihl Schmergensgelb."
3ebt ftanben fie im Salon. Durch bas
Speifegimmer hatte Rarlmann bie Stutter
mohlmeislid) fchnell I)inburd)geführt. 3^r=
ftreut unb in mogenber (SebantenfüIIe febte
fid) Riementine neben ihren Sohn aufs Sofa.
108
836
Sie beachtete ni©t, tote er fie anlä©elte, unb
fragte plöftü© fdfjrtell: „Sag mir nur bas eine
— mo ift ber ©pa?“
„3© hab' ihn eben auf ber Strafte getroffen,
beoor i© ins ©us tarn/'
„5llfo noci) nit angegogen? 3m grauen
Staubtu© noci), nit ma©? Die Kaffeeferoiett'
am fieib—?:"
„ s IRama —"
㣩> biefer 9Jlamt! Diefer 9Jtann bringt
mi© ins ©rab! 3 © mett ; mit bir, menn alle
hier finb, ber Finger, ber URinifter unb ber
kil©berg, bann fommt mein 3 ©tinus 'nefru
getappelt — mie ein Kan 3 leibiener f©aut er
aus unb blamiert uns alle bis auf bie Kno©en!"
„Der ©pa ift bo© tein ©efellfdjafts'
menfcl) —"
„Das meift ber liebe ©ott!"
„5Iber man tennt ihn bod) ©er 3 ur ©enüge.
3© habe ©m übrigens heute 3 ur Strafe für
feine ftorrenbe 533urftigteit einen Keinen Strei©
gefpielt."
„©inen Streid)?! 51©, er^ä© mir's!"
3n !tnötf©er Spannung rüdte bie SOlutter
©m nahe. ©r er 0 ä©te Jeftt behagli©, mie er
ben oerträumten 53ater auf ber Strafte gum
©ruft genötigt Ejatte- Die SJtutter f©rie oor
£a©en. So plaftif© mie Karlmann touftte
teiner ben alten 3 u ftinus 3 U topieren. 5IIs
SUtarion unb ©Ifa, bur© bas oergnüglic© ©e=
Iä©ter angelodf, erf©ienen, muftte er bie
©pifobe nod> einmal er 3 ä©en, unb er tat es
mit fteigenber 533irtfamteit. ©rft gegen Sdjluft
©n mürbe ©m — er muftte felbft ni©t, marum
— etmas unbehagli© bei feinem ©mor, unb
er bra© plöftli© ab, 3 U anbern D©men über*
leitenb. ©ine buntle Stimme in ©nt — mem
gehörte fie bo©? — miftbilligte bie S©er 3 e
über ben 53ater unb ärgerte fi© an ber beifalls*
luftigen 3 ©)örerf©aft. ©r fü©te fi© plöftli©
me© 3 um SSerteibiger als 3 um 53efpöttler bes
alten Künftlers berufen. SOtarion unb ©Ifa
mo©ten meiterla©en — aber bie SlRutter hörte
beffer auf. ©r er©b fi©, als fein 53ruber
©ilipp eintrat. Dem Uberraf©ten, ber fonft
ni©t an foI©e ©r 3 li©teit oon Karlmann ge=
möftnt mar, ging er entgegen unb ergriff feine
©nb. ©ilipp mar f©on in matellofer Soiree=
toilette. Sein bartlofes 5lntl© mar mei©er unb
unintereffanter als Karlmanns — rofig unb
runbli© 3 eigten fi© bie 3 lä©en barin, blaft unb
fp© bie 53orfprünge. ©r hatte fe© bünnes,
golbblonbes ©ar. Seine groften blauen Gingen
blidten meift mit runber ©rnf©aftigteit unb
gaben bem 3 ur Korpulen 3 Uteigenben etmas
Unbemegli©es. 2Benn er Ia©te, tat er es mit
tomif©er Uno ermittelt!) eit, ti©ernb ober prm
ftenb — bie oollen ©ourmanblippen 3 eigten
bann unglaubli© oiele, leu©tenb gefunbe
3ä©e. „'»Ra?" fragte er mit überlegenem 53e=
©gen. „<pier ge©'s ja luftig 3 Ü! 5Bas gibt's
benn? kann man ni©t mitla©en?"
„51© ja!" bat ©Ifa, bie 5lugen trodnenb.
„©r 3 a© ; s bem ©iltpp!"
„5Bas benn?"
„©in ©tör©en oon Sotrates!" (SoIrat.es.
mar bes 53aters geheimer Spiftname.)
„51©, Unfimt!" rief Karlmann f©nell.
„Komm, ©tli! 3© gebe bir lieber 'ne 3mport s
3 igarre — oon benen 3 U 3 mei URart fünf 3 ig."
„23effer, beffer," brummte ©üipp unb lieft
fi© fort 3 'ie©n. Karlmanns 3tormer, oben
im 3 meiten Stod, ma©ten bie Trüber es fi©
bequem, ©tüpp feftte fi© in ben roten KIub=
feffel, mäftrenb karlmann am S©reibtif©
©©nahm.
„Um mas für eine ©ef©i©te bin i© benn
gefommen?" fragte ©iüpp mit übergef©Iage=
nen 53einen. „Ula, jebenfalls tarnt i© bir eine
oiel beffere er 3 ä©en. 9Rt©ts oon Sotrates.
©ib mir 3euer, fo, unb fei ein ftarter HRann.
©s ift nämli© 3 um Dotladjen." ‘
„533as benn?" fragte karlmann ffeptif©.
„3ft bir oieIIei©t unter anberm l)eute auf=
gefallen, mie fi© unfre teuern S©meftern auf-
poliert ©ben? ©ft bu fie gar ni©t gemuftert?
UJlenf©, bie beften i^ferbe ©ben fie aus bem
Über £anb urtb 9Jleet
Stall ge 3 ogen, bie teuerften ilaroffen. 53eibe
tragen neue Äoftüme oon ber ©in© unb
©ben, mas ba bl©t, am S©äbel —"
,,^3©li, brüd bi© ein bift©en gefd)mad=
ooller aus."
„D bu empfinbli©er 5tft©te — fiel) bo©
ben riefigen ©mor oon ber ©ef©i©te! ©ute
abenb ift ja 53rautf©au — hoppelte iBraut*
f©au!"
„2ßas? 5Barum? 5Bas ©iftt bas? 533er ift
benn auf ber freite?"
„9© ber eble Seifenfabrifant aus 53erlin
natürli© —"
„53raumüller?! Unfinrt... Der ift übrigens
©l 3 ©nbler ober fo mas $©nli©es —"
„Dante fe©. Du oerteibigft i© f©on ! ©r
©t alfo ©©ncen?"
„9tarr, bu! ©ei mem benn?"
„Marion, SJiarion, liebfte 9Jlarion mein!"
„Das ift unbenfbar!"
„533erben ja fe©! Unb ©Ifa oon 53rabant?
Der S©manenritter, ber tommen foll, bient
bei ben ©iferbragonern."
„53iegenau—?"
,,‘3rei©rrli©e ©naben! Du bo© ni©t fo!
Du meiftt es ja! Die fe©s 3 adige ilrone fti©t!
Sis in ©Ifas 9Räs©en! $eute muft er reben
ober niemals! Unb rebet 53iegenau, fo rebet
au© SraumüIIer — er müftte benn ein no©
gröfteres 9tinboiel) fein, als er f©eint!"
„931)ili, mas bu. bir alles 3 ufammen=
p©ntafierft —"
,,©ott behüte! Das mär' ja f©limm für bie
armen 9JtäbeIs! 9JiaI müffen fie bo© tommen!"
„§alt jeftt bein 9flaul, 93lenf©, bu meiftt
ni©t, mas bu fagft. SUte© 9tefpett oor unfern
S©meftern, menn i© bitten barf! 5tartnft bu
bir eine StRarion neben bem berliner ©lafttopf
benfen?! ©ine ©Ifa neben bem ^ßferbebänbiger
unb S©ulbenma©er?"
„5lann i©, tann i© — benn bie 9Jiama
tut es!"
„9Jtama?!"
„Die Soiree für Finger ift bo© ©ute leb©
li© ein 93ormanb. ©ft bu bas ni©t bemertt?"
„fteine Spur!"
„Do©, bo©! 53erlaft bi© auf meinen
9iie©er, 5EarImänn©en. Sie arrangiert
bie Sa©e. Doppeloerlobung mit bengalu
f©er ©eleu©tung."
,,^3fui! Du bift ein re©t grüner 3gntter!"
„Das ,grün‘ nimm bitte 3 urüd. ©ft bu
ni©t gefe©n, in mel©er ma©miftigen 5luf=
regung fi© bie 3rau ©ute befinbet?"
„^icftt me© als fonft oor einer groften ©e=
fellf©aft."
„itarlmann, bu bift-tein 9[Renf©entenner.
Sie fte© mie Napoleon oor ber ©ntf©eibungs=
f©Ia©t.“
㤚r auf!"
„3© ©r ; f©on auf. Du mirft ja leben unb
fe©n. ©ntf©ulbige."
^3©Iipp faft meit ©ntenübergeleftnt unb
blidte ben blauen 9iau©ringen feiner 3© arre
na©, ©r f©mieg unb f©ien plöftli© oon tiefen
©ebanten befallen.
„9iun?" fragte ©rlmann na© einer 533eile.
„5ßorüber finnft bu?"
„3© mar ©ute in ber ©enoffenf©aftsbant."
„53raoo! ©ott fei Dant! SBillft bu bi©
enbli© um bie Stelle bemerben?"
„9^ein ... Das ni©t... 533as fällt bir benn
ein? Da unten ift bo© bie neue Äonbitorei oon
ßefeore — ßefeore ma©t einen türtif©en
ilaffee — i© fage bir —"
3u 3f3©Iipps Überraf©ung lieft ©rlmann
fi© ben neuentbedten£ederbiffenni©tf©ilbern,
fonbern ftanb auf unb ging aus bem 3 ™*™^
IV
Das 91omingerfd)e §aus mar ber befte
9tepräfentant ber alten $riebri©sburger ^3a=
tri 3 iert)äufer. Die feine 53ertaftrafte auf bem.
3ofep©berge belebte fi© nur, menn in einem
biefer 9teid)tums= unb]Sd)önl)eits 3 entren ©e=
fellf©aft mar. Dann 151 rollten bie ©quipagen
über bas faubere ^3flafter, bann ftrebten ele=
1911. ^r. 32
gante 3 bK ni 3 er i rö 9 er bie §ö© ©nauf, unb
über ben 23ürgerfteig oor ber meit©n Ieu©ten=
ben S3iIIa mar ein roter ßäufer gelegt. 53e=
fonbers Klementine oerftanb fi© auf
feftli©en ©efamteinbrud unb be©te i©e un=
übertroffene 91egie bis auf bie Strafte aus.
,51m ©ittertor bes 53orgartens ftanb ©rr
ßemte, ber portier, unb mar ben ©äften beim
5lusfteigen be©lfli©. §eute affiftierte ©m 533il=
©Im, fein So©, ber bes Iei©ten Segens megen
einen riefigen S©irm über bte ins $aus©üpfen=
ben Damen ©eit unb raftlos ©n unb ©r lief.
5luf ber Dreppe Iä©elte bann bie breite ^xau
ßemte mit ©Ib oer 3 üdter, . ©Ib mitleibiger
SDliene ben 3 arten S©ön©iten entgegen unb
übergab fie SCRart©, bem erften Stuben^
mäb©en, bas ©ufagen bie S©afe oon ben
53öden fonberte, Damen na© re©ts unb Herren
na© lints in i©e ©arberobe fpebierte. $ier
ftanben 3 ofen unb 3 mei ßo©biener bereit,
©s mar oon oorn©rein alles auf groften Stil
angelegt. ©ine befonbere ^eierftimmung
mürbe bei ben oermö©teften ©äften un=
ausbleibli©. StReifter 3uftinus, ber Dräumer,
brau©te oft mertmürbig treffenbe 5tusbrüde
für klementines $aus©It. Sie ©tte es
mirtli© ben dürften abgefe©n, mie man re=
präfentierte, unb ma©te es mit i©em 533irt=
f©aftsgelbe mögli©, ©nter fürftli©en ©mp=
fängen ni©t 3 urüd 3 ufte©n. 3 ^ ©egenteil,
©raf Kil©berg, ber $ofmarf©aII, be©uptete —
es, mar Klementines Droftlegenbe — man
effe bei “Dtomingers beffer als beim ©roft=
©r 3 og. StRit mel©en Dpfern freili© biefer
ßebensftil aufre©ter©Iten mürbe, bas muftte
aufter klementine nur no© §err Keffeb
ba©, i© 53aniier. Der $aus©rr, feine Sö©e
unb Dö©ter muftten es ni©t ober bo© nur
a©ungsmeife.
511s befonbers f©ön, meil prä©tig unb an=
©imelnb - 3 uglei©, galt bie ©mpfinbung, oon
ber unmirtli©en Strafte mit menigen S©ritten
in 9lomingers gaftli©es §eim 3 U tommen.
9Jtan mürbe 00 m ©ott ber ßebensfreube
glei©fam in beibe 5Irme genommen. £ier
ftanb bas gan 3 e ©us im Dienft ber Säfte,
bas fü©te man — tein 533infel blieb buntel,
lein ©emo©er ent 3 og fi© bem feftli©en 3 ^^d-
Diefe geiftoolle 533irtin in ©rer Iiebensmürbigen
53emegli©fett, 3 art unb berb 3 uglei©, bie für
jeben ©intretenben bie paffenbe S©mei©elei
©tte, biefe ©©n, Ieu©tenben Dö©ter, bie
immer mieber ben angenehmen ©inbrud oon
„S©ön©iten f©Ie©©in" ma©ten, biefe feinen,
tabellofen Sö©e, über beren ßebensaufgabe
man fi© in foI©er mo©igen Umgebung teine
©ebanten 3 U ma©en brau©te — alles mar
ein'einigerDurtlang für empfängli©e Seelen:
bei 9lomingers mirb es©übf©. Unb ber §aus=
fterr brau©te nur Original 3 U fein, im übrigen
tonnte er tun unb laffen, mas er mollte.
3 uftinus Coming er ma©te oon biefer ©rlaubnis
meitgeftenben ©ebrau©. Droftbem blieb er
bie ftille ^auptperfon auf Klementines heften.
Die 53ere©ung, bie man bem anfpru©sIofen
9Hamte entgegenbra©te, mar e©t. Bei feinen
S©ülern mie bei feinen SIRitbürgern — bei
$of mie im 53oIt. freili© barg fie für ben
Bere©ten bie. ernfte ©efa©, baft fie ©n all 3 u=
fe© 3 m £otaIberü©n©eit ma©te. Sie refub
tierte meniger aus feinem S©affen unb per=
fönli©en Sßirten als aus ber f©märmerif©en
53e©gli©teit, bie man feinem ©ufe oerbantte.
©in S©leier legte fi© bauernb über bes alten
Künftlers f elbftf ritif © en 53Iid. ©r füllte fi©
ni©t mol)l unb tonnte fi© bo© ni©t gan 3
baoon loslöfen. 3 ^genbmie verrann ©m fein
fiebert in biefer Iiebeoollen ©enuftatmofpftäre.
Das fühlte er tlar, aber um es feft 3 uhalten,
3 u heben im 5tlter no©, ba 3 u fe©te ©m bie
kraft. $alb Künftler, halb S©ulmeifter — halb
©aftgeber im eignen ©ufe, halb ©aft — bas
gab feiner ©rf©einung bas 503iberfpru©sooIIe.
©r blidte mürrif© breiit unb freute fi©
bo© oon ©r 3 en an all ber Ieu©tenben 3 ugenb,
bie feine ^äume erfüllte, ©r f©ien am liebften
oerf©minben 3 U mollen unb mar bo© ber be=
1911. 9tr. 32
liebte Vtittelpunft bes ©etrtebes, bem jeber
feine Veoeren 3 bezeigte. SPlit unfreien, etooas
liufifcßen Verbeugungen ftanb er aud) heute
roteber abfetts an ber SBanb unb überließ
feiner $rau ben ©lan 3 bes Empfanges. ©r
toar aber rechtzeitig nad) §aufe getommen.
Vißt, rote Klementine befürchtet hatte, in
„Staubtud) unb Kaffeeferoiette“ ftanb er ba,
fonbern in fd)lid)tem fcßtoarzem ©eßrod unb
altmobifcher Samtroefte. ©r hotte eine
eigentiimlid) gleichmäßige, etroas ftumpfe Vrt
ber Begrüßung für Vtinifter unb ‘•ßrofefforen,
3nbuftrielle unb Künftler. Vur bie jungen
Damen betamen ein lebhafteres Vtden non
hübfcher Väterlicßfeit. ©rft als Vrnolb Finger
ben Salon betrat, toad)te 3uftinus Vominger
auf, unb man nahm eine feltfame Veränberung
an ihm roahr.
Dem bärtigen ©rautopf, ber ihm etroas
glid) unb nid)t oiel größer roar als er, ging er
mit fu^en, eiligen Schritten entgegen. s JJtan
faß bas ©rftaunlicße, baß ^uftinus Vominger
einen anbern Vtann umarmte, ihn 3 ärtüd)
burd) bie 3 *™™« führte unb ein £äd)eln aufs
Vntliß befam, fo oertlärt, fo glüdfelig, baß
man fid) Klementines Vräutigam nid)t beffer
retonftruieren tonnte. s lBie jeßt, mußten bie
$reunbe einft burdjs fülle Vbenblanb ber
©ampagna geroanbert fein, ooll ftc^er glätte
unb Hoffnungen, bie fie einanber übermittelten.
Vrnolb Vinger hatte ein burcßfurcßtes Vntliß
oon großer Verfd)Ioffenßeit, roie Vließ elangelo
bas lächelnbe 3Beß ber ©ntfagung unb zu=
gleid) ben Droß unbänbiger Kraft in ben
3ügen. VSieoiel roeicßer, unburd)lebter, ftiller
erfcßien neben ihm bas Vntliß bes $riebrid)s=
burger Vfabemifers! Unb bod) — ein $unte
bes ©eniefeuers glimmte and) in feinen Vugen
heute, ©r führte ben berounberten ©roßen an
feinen ©äften oorüber, als roollte er fagen:
Seht mid) enblid) einmal an. Seht mid).
3d) bin mehr als ein üebenstoürbiger V3irt —
id) bin heute noch, mit fiebenunbfed) 3 ig Sohlen,
fähig, burd) 3 ugef)en, bas 3od) bes JPßilifteriums
ab 3 ufd)ütteln unb mit biefem ba ins £anb ber
großen Dorßeit 3 urüd 3 ufeßren, bem ^ßantom
meiner 3 ugenb nad).
©r ftanb jeßt mit Vinger oor Klementine.
Der roeltberühmte Vteifter tüßte ißr bie Sjjanb,
unb fie, in ihrem echt frauenhaften unb $rieb=
ricßsburger Veroußtfein oon großen £ebens=
momenten, faß fid) um, ob aud) alle roid)tigen
©äfte bemerften, toas gefcßaß. ©in ftilles
£äcßeln ßufcßte über 3 uftinus' erregte 3 ü 0 e —
es roar ein ©emifd) oon Siebe unb menfcßlicßem
Ver 3 eißen, aber aud) oon abfeitigem ©ram.
Über ßartb unb 9Weer
Vafd) 30 g er Vinger'auf ein Sofa unb treben 3 te
ißnt alten Vurgunber, roie eine Vtebi 3 in, beren
ber ©rfcßöpfte beburfte. Vucß 3 mftinus naßm
fie jeßt feßr gern . . .
3m 9 Jtufit 3 immer tßronte bie Sd)roieger=
mutter, Annette oon ©rumbaß=Delorme, bie
greife Vlterspräfibentin ber Familie. Kiemen*
tines Vtutter roar nod) oöllig bas ©efd)öpf
einer oergangenen Statuenhaft faß fie
in ißrem Seßnftußl, ein Samtfiffen unter ben
grüßen, unb ließ bie Defiliercour ber ©äfte
an ficß oorüber. Sprechen brauchte niemanb
mit ißr, nur „gemelbet“ mußte man fid) bei
ber alten Dame haben, beim ißr fiel jeber auf,
ber es unterließ, unb alle tonnte man im £>aufe
Vominger 3 U ©egnern haben, nur nid)t bie
mächtige $rau ©eßeimrätin. 3 ß* hatten bie
Veben oom Vieberrßein ben Dßron ißres
Veid)tums gegeben unb meßr nod) ben ißres
Vamens, benn ber Veid)tum berer oon ©rum=
bacß roar burd) bie böfe Konturren 3 fd)on ftart
im Viebergange. Verblichen roie bas alte ©olb
feines Scßmudes, bie ftarre Seibe feiner Kleiber
roar bas road)sfarbene, müßfam aufgerid)tete
s JRenfd)enfinb felbft, bas feine ©efellfd)aft ber
Xocßter oorüberließ, oßne ficß ben gfriebricßs»
bürgern 3 U 3 eigen. Sie toar als Verförperung
altbürgerlid)en Stores betannt, aber ßoß=
mittig fd)alt man fie troßbem nid)t, man ließ
es ißr ßingel)en, fie roar fcßoit ausgefd)altet.
Die $irma {jj res © a tten lebte aud) nur nocß
in einem altersgrünen $äusd)en 3 U Vad)en,
bie SBeinberge, bie ißr gehörten, ßatte fie ztoatu
3 ig 3aßre nid)t gefeßen. Dennod) ftanb ißr
Vante für ißre Überzeugung neben ben aller=
erften oon Vßmannsßaufen unb Vübesßeim.
Sie ßatte ein paar ^lafcßen in ißrer tleinen
VSoßnung, bie fie auserroäßlten Vefud)ern oor=
feßte. VSenn fie an biefem ßerrlidjen Veft rocß,
ftanb es für fie feft, baß aud) ber gan 3 e Verg,
bas gan 3 e £anb, bas folcße sieben 3 eugte,
toacßfen unb geheißen mußte, baß feine neue
3eit fo fred) fein tonnte, ben $aiß auf Vater
©rumbad)s eßrroürbigen Scßilb zu feßen.
Unbefümmert um bie geierlid)feit bes
s IRufif 3 immers amüfierte ficß im Villarbfalon
eine ©ruppe oon Off^ieren unb jungen
Künftlern. ©Ieicßfam zur ©efellfdjaft fom=
manbiert, erfcßienen bei jeber Vomingerfcßen
Soiree einige Vtilitärs, geroößnlicß Kaoal=
leriften, tabellofe Dän 3 er, unb mehrere
Schüler ber Vieifterftaffe bes s fßrofeffors. Vtan
fonnte beobacßten, baß bie leßteren ficß burcß
praftifdße Dienftleiftungen für bie ©inlabungen
reoand)ieren mußten. Die Hausfrau, befonbers
aber Vtarion unb ©Ifa, hatten immer „ein
837
paar Vtaler an ber £janb“, unb es gab fogar
einen fleinert biden Schwerer, ben fie alb
mäßlih als gaftotum oßne ©eßalt betrachteten.
£ans Sticßlinger mußte Stüßle fcßleppen,
Hans Sticßlinger mußte bie Dan 3 mufif mit
©ffen oerforgen, §ans Sticßlinger fannte ben
VSeinteller unb bie Kücßenoorräte beffer als
bie Sößne unb Döcßter bes Kaufes. Dabei
toar er ein roenig oerroacßfen unb ßatte ben
©lauben an fein Dalent oerloren — fo refb
gnierte er in biefem gebanfenlofen ÜBoßlleben
gern. Vber bie 3üngften unb Unerfahrenen
ber Vteifterflaffe rourben immer toieber feine
Kollegen. Anfangs füßlten fie ficß gefcßmeid)elt
unb roetteiferten barin, 3 um ©efolge ber
fcßönen 9tomingertöcßter 311 gehören — halb
aber befamen fie es fatt, unb ißr enoad)ter
Stol 3 fonnte bie oerßaften 3üße aus ben
feinen ^Reßen nid)t meßr ßerausbefommen.
Die Herren Offnere hatten es beffer als
bie Künftler. Die tanzten, unb bann hatten fie
ißre ^fließt getan. 3 m übrigen ftanben fie
toißelnb ober gelangroeilt umßer. ©in bunter
Uniformenfreis roar beftänbig um s JJtarion
unb ©Ifa. ©ine Vor 3 ugsftellung fd)ien barin
ein etroas älterer Her r ein 3 uneßmen, ein
Dragonerrittmeifter, gelb unb blau, Sports^
mann, einer oon ben arg oerlebten „Schönen“.
Sein farblofer Sd)nurrbart, feine harten
grauen klugen toaren oiel geliebt toorben, unb
baß fein £>aar feßon bünrt rourbe, gab ißtn
einen Vei 3 meßr für bie griebridjsburgerinnen.
(ftortfetjung folgt)
Splitter
9Jtenfd)en, bie nißt mit bem §er 3 en, fonbern
mit ber Vßantafie glauben, finb abergläubifd).
*
„§ofianna!“ — ber ©rlöfer toirb footmen.
„©olgatßa!“ — ber ©rlöfer ift gefommen.
*
Die fßärffte Vetonung bes eignen 3d) ift ber
getoollte pßpfifße Untergang.
*
Die getoollte 3ßufion ß e ^^ Hoffnung, bie un=
getoollte Vßontafie.
©s geßört 3 m fiogif ber ©intagsfliege, baß fie
aufbringlicß ift.
Der Stur 3 oom Stedenpferbe roirft oft oiel
fd)met 3 ßafter als ber oom Veitroß.
*
üBirfung bes Schönen: bie ©otpfängnis beim
Vnblid. Dsfar ©lafer (Sßien).
oon 91. tOIaßborff
W eckt ein klangerfülltes Schtoeigen
flicht die Sinne füf 3 und toll?
Heimlich fingen taufend Geigen,
Sommerfchtoanger, ahnungsooll.
Vom befchmerten Himmel fchmeichelt
milder Hüfte Trunkenheit.
Über meine Cider ftreichelt
€ine roeiche müdigkeit.
Daß der alte Hokuspokus
Immer acieder mich ergreift,
Wenn der fink dem erften Krokus
Seine kecken Weifen pfeift!
Blüten, Vögel, Taumeltage,
Kehrt ihr immer denn zurück?
Diesmal bin ich nicht fo zage,
Und ich pürfche auf mein Glück,
Diesmal, auf umblühtem Wege,
Klag der JTlai mir tuohl gedeihn,
fang’ ich mir im Cenzgehege
endlich meinen frühling ein!
ftünjtlerijdje 9Iufnaf)tncn natf) ber Statur
Weckfein klangerfüllfesSchroeigen...
§ans ©alufd)ef
2ßtlt)elm ajtie&ner sÄtfilbcnu
ffcrojje Aufgaben Ijinterlaffen mir bcm tommen» 'e
\ 2 J bert 3 a^)rl)unbert/' fchrieb Cornelius ©urlitt <m; ß ein
in einem Wusblid am Schüfe feiner tfunftgefd)id)te hinter biefen fic
bes neungelxnten 3 ahrl)unberts. „©s foll uns Salten unb lo<
toteber bas ©olf in ber ©emeinfamfeit ber 3 iele Wfferfoofes t
gaffen, bur$ ftarte Arbeit an uns felbft. Das fchaut einem %
$öd)fte T|t einfach, bie 2BaI)rf)eit immer fd)Iid)t. n anö ' x er <g e
©tenn es uns gelingt, in ftorm unb 3 nf)alt reid) «unftapnüffp in
unb 3 ugleid) fdjlid)t 3 U roerben, bann roerben mir w er üerfurodiet
eine äunft f «hoffen lernen, bie eine ©erföhnung ir tasfe Das^ a
bar 3 uftellen uermag, bie ein geiftiges ©ut aller treibuna ae^eid
merben fann. ©s ift in biefem erften De 3 ennium e i ner ?$+ fatale
bes neuen 3 al)rf)unberts fd)on mand)es in biefer etmas in biefem
Wtdjtung gefd)ehen. Die SBcinbe unfrer großen mittelbar annac
repräfentatioen ©ebäube finb nicht länger 3 u= ™es ©olfcs e?n
fallsfünftlern ausgefe^t, feit ftlinger in £eip 3 ig, ftebliche Wtacht
Nobler m Jena, ©rler in 2Biesbaben ©orbilber r e ft Q menfddtdie
gefdjaffen haben, bie niemanb, ber nad) ihnen oor gwiL einmal ^
ähnliche Aufgaben geftellt mirb, überfehen fann, fonbern nur ein
unb bie uns hoffentlich ebenfofehr oor einer ge= fnftbar fdmn'irft
fährlid)en äftl)etifd)en ©infeitigfeit bemahren mie unb Kl
oor einer gefd)id)tlichen ©enremalerei. S intenfbe 1
Wber bas ©ebiet jeber flunft ift fo umfaffenb r 0 mertooll mei
mte bas Sehen unb bie geiftigen 3 ntereffen einer ’
3eit. Weben ben großen Aufgaben ftehen fünftle= _
rifd) gleid)toertig bie 3 aI)Ilofen fleinen, bie Silber
ber 3 ^it, oon benen eine fpätere ©pod)e bas ©e= ■
fonbere unfers Wnfd)auens unb unfre (Stellung 3 U H&Zjfdff
ben fragen bes Sehens abfehen möchte. W3ie
ioogartl) bie Sittengefd)id)te ©nglanbs bes ad)K MQHk
3 el)nten 3 al)rl)unberts gibt, 2 Batteau, ©hobomiecfi
bie oon ©aris unb ©erlin, ©aoarni uns bas Saris
ber ©ürgerfriege unb §ofemann bas ©erlin ber
fünfziger 3 al)re bes oorigen 3 ahrl)uuberts, bas IMP f &;&
Serlin bes oormitjig nafemeifen Spreeatheners |g*L
3 eigt, fo oerlangt aud) unfre 3 eit nad) 3 eid)nern
unb Wialem, bie uns bas oielgeftaltige Durch- W?
einanber ber mobernen ©rofcftäbte fd)ilbern. Die PS
Sd)mierigfeit einer folgen Aufgabe liegt auf ber
$anb. Dem ftarf ausgeprägten ©harafter früherer 18
3 eifen fteht f)ier ein ©haos oon JBiberfprüdjen . j*
gegenüber, bas fd)einbar felbft nod) nad) einer
‘Wichtung fud)t, nad) einer ©emeinfamfeit ber 3 iele. K;
9Ber bie £>auptftabt bes Deutfd)en Weidjes ^ BSb
nur auf Dage ober 2 Bod)eu befud)t, mirb fd)ioerlid) ^B ^^B|
jene Dppen 3 U ©eficht befommen, bie ©alufdjef I S JÜ
oormiegenb intereffieren. Hub bod) finb es bie
ein 3 igen Wacf)fommen oon £jofemanns Drofddem
futfchern, 2 Beif 3 bierpI)ilifteru, Dienftboten unb IjB
od)ufterjungen, unb bod) ftellen fie allein bas Bf
ältefte ©erlin bar, jenes iKeiuftabtlcbeh, bas heute |K
in bie Sorftäbte oerbannt ift unb in bie billigen ^29
Wlietoiertel bes Worbens unb Dftens, bie in ben
93orftäbten mit ben fd)öiten Warnen, mie Wirborf,
Weinidenborf, Wummelsburg unb am Sßebbing
mohnen. Da ift ber gan 3 Keine Beamte, ber ©rief frjans ©alufchef
Der Sonntagsfänger
Sans 23alu[d)ef Der 23af)nf)of
1911 (95b. 106)
109
$infenfd)lag oon ber feinften Xfjürirtgcr Brt
flingt es burd) bas Bilb bes „Sonntagsfängers“.
Die fonnige Sorglofigfeit, bie ben Bflaftertreter
um bie grüf)Iings3eit I)inaustreibt auf ben erften
grünen 51 der, fein Dagetoerf im Bid)tsbenfen unb
Bidjtstun 3U oollbringen, bie gan3e fd)elmifcbe
Dreiftigfeit jener ©efd)öpfe, bie feine Steuern
3af)Ien, unb für bie ber liebe Herrgott auf irgend
eine ferner oorber 3U beftimmenbe SBeife bod)
nod) forgt, jenes i]ßf)iIofopI)entum, bas nid)t über
ben näd)ften ÜJteilenftein tjinausptjilofopfjiert, es
ift in biefem Eliten oerförpert, roie er ba, tnenig
bequem, aber für feine Berbältniffe f)öd)ft fplenbib
auf bem Bafen minbeftens fo gut toie in einem
englifd)en ©artenrobrftubl fitjt. Btan fann fid)
feine poetifdjere Berberrlidjung ber Batur unb
ber Sonne benfen als biefes £anbftreid)erporträt,
bas ben bebaglid)en ©enufs ber toärmenben 3af)res=
3eit 3U einem §pmnus fteigert, ben Dier unb
StRenfd) gleid)ertoeife oerfteben.
Die Sßanberung über bas DempeIf)ofer $elb,
audj fie gehört 3U ben fd)toer 3U miffenben Sonn=
tagsoergnügen bes fleinen Berliners. SBieber
ergebt fid) Bafufd)ef 3U einem gan3 großen ftenner
ber Bl)J)fiognomie unb ©efte bes ©rofcftäbters, ber,
ungeroof)nt ber $reif)eit auf bem großen freien
Blat) unb in ber unoermeiblidjen Anhäufung ber
Spa3iergänger, eine feiten brollige 5 igur mad)t.
Das Bilb ift eine ftarifatur auf bas Spa3ieren-
gel)en felbft, toie es 3um planlofen 2Birrxoarr einer
|jerbe xoirb, bie, ofjne Sd)äferl)unb unb Srnter, fid)
felbft überlaffen ift.
(Ss ift fein 3 ufall, baß Balufdjef, ber in ben
oergilbten 3 bealen ber 5 tIeinftabtxoelt in ber ©rofc
ftabt unb in ber Boheme bes oierten Stanbes
fo ftarfe, urgefunbe ^fünfte entbedte — man
muß f)ier oon einer (Sntbedung reben — unb, ben Sd)ienenftränge in it)rer fongruenten Begel*
ohne fie 3U oerfälfd)en, ber großen 5 funft ber mäfpgfeit, bie xoeiß bampfenben £ofomotioen
9 Jienfd)enbarfteIIung einreibte, fid) aud) ber Dedjnif toerben 3U einem BUbe ntenfd)lid)er 3ntelligen3.
annabm. Sinb feine Borftabtfafernen, jene im (Sr finbet f)ier eine Schönheit, bie toieber in ihrer
©elänbe liegenben Borpoften bes großftäbtifd)en großzügigen (Sinfad)beit über3eugenb roirft. (Sr
ÜBofmungselenbs, Dppen ber Droftlofigfeit unb entxoirrt bas (£I)aos ber s Jtüd)ternI)eit 3U einem
bes §äuferfd)ad)ers, — in bem Baljnne^, ber ben ©ebilbe ber 3 toedmä^igfeit unb ber Sinnfd)önf)eit,
Berfel)r oon allen ÜBeltgegenben bem 3 entrum unb er 3eigt, roie xoeit bie 5 funft in bas £eben
3ufübrt, fiebt er einen Sieg ber Dedjnif. Die bineingreifen fann, etxoas oon il)rer l)ol)en
Babnftrede, bie einem Oberen ©efetj gebordjen= Büffion aufsugeben.
Der 31 nftreicber
3 Beifebieribt)Il
fteigern. Unb xoäbrenb ber Bierbunft aus ber
abgeftanbenen Blonben mit Strippe ibr unb
ihrem Bräutigam Iieblid) in bie Bafe fteigt,
xoäbrenb „er“ bie (Sfftafe ber Stunbe um ein gut
Stüd preufjifcber, aber auch nid)t ohne poetifd)e
Hbertreibungen oerträumt, erbeilen fid) bie müben,
bes Sprechens ungerool)nten ©efid)ts3üge in ber
Scbtoeigerei biefes Sonntagsglüdes.
B 3 ie ein einziger an[d)toeIlenber Bfforb, ein
töunberfantes Dio tio tüb ber Droffel ober ein
PAR«
a
Der Bergnügungsparf
§ans Balufcbef
1911. 9lr. 32
Über £artb unb Ufteer
841
9Jleitt Kelter, ber (£f)emiter. Bon B3ifljetm Braun
flfines Dages erhielt id) einen Brief, aus beffen
VI/ <5anbfd)rift id) erfal), bah er oon meinem
Beiter, bem Doftor ber ©hemie grans Bogel,
herrührte.
BSenn id) oon £anbfd)rift fpredje, fo meine
id) bamit biejenige ber Bbreffe. Denn fonftige
fchriftlidje Buherungen toaren in bem Brief
nicht 3U finben, ebenfomenig aber etmas ©e=
brudtes ober irgenbein anbrer grtbalt. Das Sluoert
mar forgfältig gefdjoffen; als icf) es jebod) öffnete,
ermies es fid) als leer.
Da id) unmöglid) annehmen tonnte, bah mein
Better mir irgertbmelcfje trefflid)e ©igenfd)aften
bes Sluoerts l)abe oor klugen führen mollen, fo
fd)lof3 id), bah ber §itlle urfprünglich ein gnl)alt
3ugebad)t mar, unb ba id) meinen Better genüge
fam tonnte, fo gmeifelte id) feinen Bugenblid
baran, bah er es gemefen mar, ber im 3 u ftanbe
ber 3erftreutf)eit ober, mie er es 3U nennen pflegte,
ber Sammlung jenen gnl)alt im traulidjen §eim
3urüdbel)alten l)atte.
Bad)bem id) mir bas Stuoert genau angefel)en
batte, fdjrieb id) meinem Better, id) entnähme
aus bem gormat feines Briefes, bah er ficb oer*
lobt l)abe, bäte ihn, meinen t)er3lid^ften ©lüd*
munfd) b^^3 u cntgegen3unel)men, tjielte jebod)
3U meiner oollen Orientierung bie Blitteilung
nod) einiger meiterer (Einseibeiten für geboten.
Bis Bntmort empfing id) einen Brief, in bem
mein Better feine tiefe Befüllung über bas
Berfcbtoinben ber Berlobungsan3eige aus bem
ftuoert ausbriidte unb alle für bie ©rflärung
biefes munberbaren Bhänontens in Betragt fom*
menben Biöglidjfeiten erörterte, mit Busnal)me
ber ein3igen, bah er gar teine Starte in ben Hm*
fd)lag geftedt hotte.
BSeiter machte er mir einige
Eingaben über feine Braut unb
über ihre gegenfeüige £iebe,
bie nad) feiner aufrid)tigert
Hbet3eugung bie £iebe aller
bisher auf (Erben aufgetretenen
Brautpaare beträd)tlid) über*
traf, unb enbete mit einer bei
meitem meniger fd)mungoollen
Buscinanberfetjung, bes gnhalts,
bah es mit bem heiraten nod)
gute BSege fjätte. ©r müffe fid)
erft eine gefieberte ©riften3 grün*
ben, unb bas fei nid)t fo leid)t.
greilid) märe er nid)t ohne Bus*
fid)ten. (Er hätte fid) um eine
Stellung in einer Berliner djemi*
fdjen gabrif bemorben unb einen
ermutigenben Befd)eib erhalten.
Bädjte B 3 od)e folle er fid) bei
bem Direttor perfönlid) oor*
[teilen, merbe alfo einige Dage
in Berlin 3iibringen unb frage
befd)eibentlid) an, ob er mäb=
renb biefer 3eit bei mir mobnen
tönne.
Batürlid) fagte id) fofort 3U,
befam aber auf biefeit Brief
feine Bntmort.
Sechs Dage fpäter fab id)
gegen Bbenb an meinem Schreib*
tifd), als bie Storriborglode in
heftigfter ÜBeife erflang unb bis
auf meiteres nicht mehr 3^ er=
flingen aufhörte. gd) tonnte
nicht felbft I)inauseileit, roeil id)
es mir mit ber SUeibung etmas
bequem gemad)t hatte, unb meine
BSirtfd)afterin mar Ijmabgegan*
gen, ben Bapiertorb aus3uleeren,
mas megen ihrer lebhaften fite*
rarifchen gntereffen tiie meniger
als eine Biertelftunbe bauerte.
Sie hörte jebod) bas nid)t euben*
mollenbe fiäuten bis auf ben
Ejof unb fam heraufgeftür3t, um
ohne Bersug, nicht etma an bie
Düre 3U eilen, fonbern mir 3U*
nächft mehrere §ppothefen über
bie Hrfad)en bes aufregenben
Borfalls 3ur BSaI)l 3U ftellen.
3d) fdjnitt mit einiger Blühe
ihre (Erläuterungen ab unb er*
fuchte biebarob etmas ©efränfte,
enblid) ihres Bmtes 3U malten.
SBährenb biefer gan 3 en 3^it
bauerte ber fd)rille ©lodenton ^elicicn Bops
ohne bie geringfte Unterbrechung an, fo bah
bereits bie anbern §ausbemoI)ner unruhig tourben
unb an ben Ejoffenftem erfd)ienen.
Bis meine BSirtfcfjafterin bie Dür öffnete —
id) hatte mid) in3mifd)en angefleibet unb fam faft
gleichzeitig f)m3 u — ft 01155 braunen mein Better
gran3 Bogel unb betrachtete mit fad)funbigen
Bliden bie mirflich fehr fmbfd)e Busftattung bes
Dreppenflurs, über meldjer Befd)äftigung er oer*
geffen hatte, ben ginger oom Slnopf ber eleftrifchen
©lode mieber fort3unehnten. ©r mar einiger*
mähen erftaunt, als id) ihn barauf aufmerffam
machte, bah \ a nun feinem ©intritt nichts mehr
im BSege ftänbe unb er baljer ohne jeben Bad)teil
ben SUtopf loslaffen fönnte.
BSir gingen nun hinein, unb id) mad)te meinem
Better liebeoolle Bormürfe, bah er mir ben
Dermin feiner Bnfunft nid)t ange3eigt hatte.
(Er fal) mid) groh an unb fragte, ob id) benn feine
ihn anmelbenbe Boftfarte nicht _ erhalten hätte.
3d) ermiberte, bei mir märe nid)ts bergleicfjen
eingelaufen, fonft märe id) felbftoerftänblid) auf
bem Bal)nl)of erfd)ienen. hierauf erging [ich mein
Better in bitteren Buherungen über bie mangel*
hafte Organifation ber Boft unb lieh burd)bliden,
bah es bamit beffer beftellt märe, menn er biefe
Bermaltung eingerichtet hätte.
Überhaupt mar meinBetter etmas mihgeftimmt.
©s mar il)m, mie er nun er3ählte, fein Hbezieher
mährenb ber Bahnfahrt oertaufdjt morben. Dar*
über mar er in ftonflift mit feinen Bütreifenben
gefommen. Sie hatten behauptet, biefer Hber*
3ieher ba müffe ber feinige fein, tro^bem er ihnen
erflärt hatte, bah er ftets bei BSeftheim & ©o.
in B°fen arbeiten laffe, ber fragliche Baletot ba*
gegen ben Barnen einer Berliner girma auf ber
3nnenfläd)e trage. Sd)liehlid) mar in Berlin
ber Stationsoorfteher angerufen morben, unb mein
Better hatte im Berlauf bes ©efpräd)s über bie
gähigteiten biefes Beamten einige Urteile ab*
gegeben, meld)e mit beffen eigner Bnfidjt fo
menig übereinftimmten, bah er bie Blondiert
meines Betters feftftellen lieh unb ihm eine Bn*
Hage megen Beamtenbeleibigung in Busfid)t
ftellte.
3 ch fud)te meinen Better 31t tröften^unb ihn
mit bem befannten Dranf ber Bl)ren, ber fd)on
Biobe fo gut getan haben foll, ein menig auf3it=
muntern, ©r blieb jebod) oerbriehlid) unb [cfjalt
abmed)felnb über bie Boft* unb über bie Bahn*
oermaltung.
Bis id) eine BSeile fpäter über ben 51 orribor
ging unb an bem oon meinem ©afte bort ange*
hängten Ubersieher oorbeifam, fah ih aus ber
inneren Brufttafd)e eine Boftfarte h^^orragen,
unb es fiel mir auf, bah fie befd)rieben, ihre Biarfe
aber nicht abgeftempelt mar. 3<h 3°9 fte heraus
unb fanb biefe g^bistretion nachträglich baburch
gerechtfertigt, bah bie ftarte an mid) gerichtet
mar. Sie enthielt bie Bntünbigung, bah mein
Better fytvdt nad)mittag hier eintreffen merbe,
eine Borausfage, bie bnrd) bie Datfad)e in3mifd)en
glän3enb geredjtfertigt mar, bafür aber oon bem
Bei3 ber Uberrafhung oiel oerloren hatte.
3 <h 3eigte meinem Better bie ftarte, morauf
er 3uerft heftig auffuhr, bann jebod) in anertennens*
merter Selbfilritit auf ben ©ebanten fam, er
fönne am ©nbe felbft bie übertriebene Bn*
I)änglid)feit ber .Starte an feine Betfon oerfd)ulbet
haben.
Buf einmal fah id) ih^t in tiefes Bad)benfen
oerfinfen. Bad) geraumer 3 eit bemerkte er in
fid)tlid)er Bermirrung, es fei
hoch höd)ft fonberbar, bah Jeine
Starte in bem ihm burd) 9 ben
freoelhaften Umtaufch 3ugefal*
lenen Uber3iel)er eines s JBit=
reifenben ftede. Da flieg in mir
eine Bhnung auf. gä) holte ben
Uber3ieher herein, legte ihn
auf ben Difd) bes Kaufes nieber
unb ftellte mit meinem Better
ein Berhör an, aus bem fid)
fd)Iiehiid) ergab, bah er oor
mehreren 3af)ten einen Uber*
3ieher ausnahmsmeife nid)t bei
BSeftheim & ©0., fonbern in
Berlin, mo er 3unt Bergnügen
meilte, hatte anfertigen laffen.
Dennod) blieb er nad) eingeben*
ber Befid)tigung bes Storpus*
belifti babei, bah es fein ihm
gehöriges Aleibungsftüd fei.
©rft als er auf meine Bnfforbe*
rung ben übrigen 3^halt ber
Dafd)en burchfah, gab er etmas
fleinlaut bie Biöglid)feit 3U, bah
hier fein eigner Uber3ieher oor
ihm liege.
Bm nächften Bormittage ge*
nügte id) ber angenehmen
Bflid)t, gran3 mit bem belei*
bigten Stationsoorfteher aus3u*
föhnen. Den Bad)mittag hm^
gegen füllte id) nüfclid) bamit
aus, meinen Better oom Sd)Iefi-
fhen Dor 3urüd3uboIen, mo er
na^ mand)en Streu3* unb Quer*
führten mit ber E)od)* unb Unter*
grnnbbahn gelanbet mar. ©r
hatte [icf), in feine Beftiire oer*
tieft, nid)t aIl3itoiel um bie
Barnen ber burd)faf)renen Sta*
üonen gefümmert unb immer
nur 1 barauf gemartet, bie Be*
3eid)nung „Botsbamer Bläh"
311 hören ober 3U fehen. Das
mar aber nicht gut möglich, meil
biefe Station feit feiner letzten
Bnmefenheit in „fieip3iger Blatj"
umgetauft mar. gm fernen Qften
hatte er enblid) ben männlichen
©ntfd)Iuh gefaht, aus3ufteigen
unb mich ansutelephonieren,
toas ihm bie nädptliegenbe
Biöglichfeit einer ©rfunbigung
3U fein fchien. So brachte id)
ihn benn im Driumphe heim.
Die Bäherin ©s fann aber nicht oerhehlt
842
Über £artb urtb 9fteer
1911. 9tr. 32
bleiben, bah mein Leiter fid) an biefern ©benb
[eb)r abfällig über ©erlin unb über alle 5Hein*.
bahnen äußerte.
Der folgenbe Tag mar für ben ©efud) meines
Retters bet bem gabrifbirettor beftimmt. Um
Zmölf Uf)r fajfen mir nod) gemütlich beim zmeiten
grühftüa, unb granz erzählte mir, mie er ben
Direttor unb feine Familie früher einmal fennert
gelernt höbe unb erfreulich erm elf e in rec^t gute
^Beziehungen zu ihnen getreten fei. (£r zeigte mir
babei ben ©rief, ben er oon ihm erhalten hatte.
Kaum hatte id) jebocl) einen ©lid hmeingemorfen,
als ich erfd)rocfen ausrief: „ 3 a, aber hier fleht
ja, bafe ber Direttor heute um halb zmei Uhr auf
längere 3eit oerreife unb bie ©efetgmg ber Stelle
bann an feinen Kollegen abgeben müffe!“
©ad)bem mein ©etter züerft behauptet hatte,
es fei unmöglich, bah bas. barin ftänbe, er hätte
es fonft gelefen haben müffen, lieh er fid) bod)
burd) ben ©lugenfhein überführen, gürtete eilenbs
feine ßenben unb rannte baoort.
Da mir nichts öaranliegt, im ßefer ben rohen
(Effett ber Spannung heroorzurufen, merbe ich
bas golgenbe nid)t fo erzählen, mie es fich meinem
©etter mährenb bes Erlebens barfteltte, fonbern
mie ich es nachher aus ben ©erid)ten aller ©e*
teiligten: zufammenbrad)te. ©lein ©etter gelangte
nach halb ein Uhr an bas Haus bes Direttors
unb flieg in grober ©efhminbigteit bie Treppen
hinauf. Dabei mar fein $erz oon bem ©efüljl,
für feine Sadje gar nicht genug tun zu tonnen,
fo gefchmellt, bah er um ein Stodmert zu h°d)
tlomm unb an einer Tür tltngelte, bereu Sd)ilb
ben ©amen „©lbred)t ©ifher“ trug. Diefer
letztere Umftanb hätte meinem ©etter oon grobem
©üben fein tonnen, menn er bas SdEjilb angefehen
hätte. Da er bies aber nicht tat, fo betrat er bie
©Bohnung in ber feften Überzeugung, fich bei
Herrn Direttor Otto ©öride zu befinben.
Das öffnenbe ^ausmäbchen fragte er, ob bie
Herrf haften zu Haufe mären, unb gab ihr feine
Karte. ©ach einigen ©tinuten mürbe er in ein
ßimmer geführt, in bem fich eine ältere unb 300 ei
junge Damen befanben, bie fid) bei feinem ©in*
tritt erhoben unb ihn ermartungsooll anfahen.
Da mein ©etter leine ber Damen tannte, fo
nahm er an, bah es © efud) eriurten mären unb bah
Herr unb grau ©öride fie für turze 3eit oerlaffen
hätten, um einige ©norbnungen für bie ©breife
Zu treffen. ©r bat baher bie brei Damen, hoch
ruhig ©loh zu behalten, fehle fich 3 U ihnen, unb
ba er es für ein ©ebot ber §öflid)teit hielt, ein
©efpräcjj z u beginnen, fo fann er nach, meid)es
allgemein intereffierenbe unb bod) rtid)t banale
Thema er berühren folle.
©ad)bem er bies eine ©Seile ermogen hotte,
bemertte er, bah bas ©Setter hoch recht tühl märe.
hierauf fahen ihn bie Damen fehl' oermunbert
an, fo bah mein ©etter glaubte, fie halten feine
©nficht für etmas mertmürbig, unb fofort hinzu=
fehle, er tönne fih allerbings oorftellen, mie
angenehm gerabe biefe Temperatur für einiger*
mähen abgehärtete ©ienfdjen märe.
©ad) biefen ©Borten martete mein ©etter, ob
fich etma über fie eine Distuffion erheben mürbe.
©Is bas nicht ber gall mar, medjfelte er mit
tühnem ©ntfhluh bas Thema unb äußerte, ©erlin
fei eine fel)r lebhafte Stabt, unb man müffe fich
an ihr Unruhiges Treiben hoch erft recht fehr
gemöl)neit.
$rau ©ifd)er unb ihre Töchter 1 — benn bas
maren bie brei Damen — mechfelten fragenbe
©lide miteinanber, oerficherten aber aus höflich*
teil, bah bas eine auherorbentlid) ridjtige ©eob*
achtung fei, meld)e mit ber ©leinung mehrerer
anbrer burdj'aus zuoerläffiger ©emährsmämter
übereinftimme.
Offenbar hielten alle ©nmefenben ben befpro*
d) enen ©Suntt für nunmehr oöllig aufgetlärt.
Denn es trat mieber für geraume 3eit Sd)meigen
ein. ©lein ©etter munberte fich über bie zurüd*
haltenbe ©lanier ber Damen, unb grau ©ifher
unb ihre Töchter munberten fid), bah ein unbe*
tannter Herr oorfpräcbe, um fie über bas gegen*
märtige ©Setter zu belehren unb ihnen eine ©l) a -
ratteriftit ber Stabt ©erlin zu geben.
©Is jebodj mein ©etter bem anregenben ©e=
fprä© abermals eine neue ©Senbung gab unb fich
über eine Schmelzer ©eife oerbreitete, ba tarn grau
©ifher, meld)e tatfählid) öfter mit ben 3 hrigen
in ber Shtoeiz gemefen mar, zu ber Überzeugung,;
bah ber ©efud) er ihr betannt fein müffe unb fie
fich nur infolge einer unoerzeihlid)en ©ebäd)tnis*
fdjmädje feiner nicht erinnere. Da fie auf ©nftanb
unb gute Sitte b)ielt, mar fie über fich fetbft red)t
ungehalten, unb um ihr ©erfehen möglichft gut*
Zumachen, fragte fie meinen ©etter, ob es feiner
lieben grau gut gehe unb ob feine Kinber —
ober fei es nur eins gemefen? — bereits zur Schule
gingen. Unb als mein ©etter grohe ©ugen machte,
mihoerftanb fie biefes ©rftaunen unb fügte, oiel*
leicht mit ©üdficfit auf feine angegrauten Haare,
rafd) I)iuzu, bie Stinber muhten ja freilich feit ber
©etanntfd)aft mit ihr erheblich älter unb fd)on
längft fihulpflichtig gemorben fein. Sie oerfid)erte
übrigens, bah fic fid) ber Stinber noch Sonz genau
erinnere.
©lein ©etter oermod)te taum h^roorzuftottern,
bah m biefer £jinfid)t Äenntniffe oon feiner
gamüie feine eignen bebeutenb überfliegen unb
bah er fid) über bie SchuHaufbahn ber Stinber,
bie ihm feine bemnächft einzugehenbe ©he h°ffent=
lid) fchenten merbe, noch nicht fd)Iüffig gemad)t
habe, ©r mar im höd)ften ©rabe oermunbert
über bas lebhafte perfönlidje gntereffe, bas eine
ganz frembe Dame für fein gamilienleben an ben
Tag legte unb bas fich bod) teinesmegs mit einem
ganz fixeren ©ßiffen über biefes oerbanb. ©uf
ber anbem Seite mar grau ©ifch.er burd) bie
©ntmort meines ©etters in bie äuherfte ©er*
legenheit, gefegt unb murmelte etmas oon einer
©ermed)flung, bie fie felbft nicht begriffe.
©litten in. ber ©ermirrung bes ©ugenblids
tarn es aber meinem ©etter zum ©emuhtfein,
bah bie 3 eü f^h^ bränge unb michtige gutereffen
auf bem Spiele ftänben. ©r fagte baher:
„©ntfchulbigen Sie, mirb ber irjerr bes Kaufes
nicht balb erfd)einen?"
„^Sapa mirb mohl halb höimtömmen," ermiberte
bie eine ber jungen Damen.
„©Sie, er ift gar nicht zu §aufe?“ fragte mein
©etter unmillig. „5tann id) bann menigftens bte
Hausfrau gleich fprehen?“
„Das bin ich ja'felbft/' fagte bie ältere Dame.
„©Sas? Sie mären— Sie finb es felbft?“ rief
mein ©etter aus. ©r mar ganz unglüdlid) über
fid) felbft.
„Sehen Sie, bas ift nun meine imglüdfelige
3erftreutheit, mie manche es nennen. Da fitsen
Sie nun leibhaftig oor mir, unb id) ertenne Sie
nicht. 3h bitte Sie taufenbmal um ©ntfd)ulbigung,
gnäbige grau, ©ber Sie hoben fid) and) mirtlid)
fehr oeränbert, in ber Tat fehr oeränbert. Sie
finb jünger gemorben. ©ein, id) mill 3 huen niht
fhmeid)eln, aber Sie fehen bebeutenb jünger
aus. ©Sas mähen benn all 3h*e ©ngehörigen?
©ßie hoben fih 3 h r e ©ntelhen entmidelt?“
geht mürbe bie Sähe für bie anbre ©artei
etmas peinlih- Die beiben jungen Damen mürben
puterrot, toas fid) baraus begreifen läht, bah fie
bie einzigen ßinber bes ©ifherfhen ©hepaares
maren, unb grau ©ifd)er fah fih oeranlaht, bas
©efpräh mit ben ©Sorten abzufhneiben:
„©rlauben Sie mir bie grage, §err Dottor,
mas Sie zu uns führt.“
©lein ©etter ermiberte, er molle $errn Direttor
©öride in einer gefhäftlihen ©ngelegenheit fpre*
d)en.
Da fprangen bie brei Damen, auf unb riefen
mie aus einem ©tunbe bas bebeutungsfhmere
©Sort: „©Öride?“
©lein ©etter fprang zur ©efellfhoft gleihfalls
auf unb fagte oerbuht: ;
„3a, natürlich, ©öride.“
„Der mo^nt aber eine Treppe tiefer,“ erllang
es gleichzeitig unb haftig aus bem ©lunbe ber
holben Shmeftern.
©lein ©etter taumelte zurüd.
„gh bin — ih bin hier niht -— bei Direttor
©öride?“
„©lein ©ante ift ©ifher,“ erflärte bie grau
bes Kaufes mürbeoöll.
,,©r fleht aud) brauhen auf bem Sd)ilbe,“
fügte bie oorlaute jüngere Tohter hinzu.
©lein ©etter fant auf ben Stuhl zurüd unb
rang nah ©Sorten, ©üblich ermannte er fid),
ftammelte einige oermirrte ©ntfdjulbigungen, ftürzte
hinaus unb eilte bie Treppe hinunter zur ©3ol;=
nung bes ©>efud)ten, mo er ftürmifh tlingelte.
©s. erfhien bas §ausmäbd)en unb teilte meinem .
©etter auf feine grage mit, bah öer $err Direttor
oor fünf ©linuten zum ©ahnhof gefahren fei.
Der tatfte tarn ganz niebergefhmettert nah
§aufe, unb id) geftehe, bah er bei mir leinen Troft,
fonbern ©ormürfe fanb. Denn ih fürhtete,
bah feine 3 erftreutheit in biefern galle oerhängnis*
ooll für fein Debensglüd merben tönnte. gnbeffen
meine pebantifhe ©effermifferei füllte niht red)t
behalten.
Schon nah einer Stunbe langte ein ©rief
bes $errn ©öride an, ber in turzen, tühlen ©Sorten
befagte, er hätte gar teinen Drben erhalten unb
müffe baher einen biesbezügtid)en ©lüdmunfh
als minbeftens oerfrüht zurüdmeifen.
©lein ©etter tarn mit bem ©riefe zu mir
unb gab feine ©nfid)t tunb, es müffe ba etmas
niht in Drbnung fein. Sein Selbftbemuhtfein
hatte fih jebod) fh° n 1 ° meit erholt, bah ör bie
©eihspoft, ^errn ©öride unb anbre ©litmirtenbe
für ben 3 rrtum oerantmortlih zu mad)en fud)te.
©rft burh eingehenbe gragen ftellte ich f^ft, bah
mein ©etter einem hm flüchtig betannten ijetrn
ßeopolb zu einer Drbensoerleihung gratuliert
unb offenbar biefes Schreiben mit bem ©e*
merbungsbrief an §errn ©öride oertaufht hotte.
3mei Tage fpäter tarn benn aud) bie ©ntmort
bes |>errn £eopolb. ©Sir öffneten ben ©rief
gemeinfam unb zögernb. Denn mir maren auf
nichts ©ngenehmes gefaht. ©ber mas ftanb
barin? ©lein ©etter möchte fih perfönlih oor*
ftellen, irjerr ßeopotb fei niht obgeneigt, feiner
©emerbung näher zu treten. Der ©tann hotte
nämlih eine grohe gärberei.
Hm es turz zu mähen, mein ©etter erhielt
bie Stellung unb fehle alsbalb ben £jod)zeits*
termin feft.
Dann reifte er natürlich gleich ob, unb ih erhielt
auf ©runb meiner erfolgreid)en Tätigtet! in ber
Stationsoorfteherfahe bert ehrenoollen ©uftrag,
ber gamilie ©ifher einen (Srtlärungs* unb (£nt=
fhulbigungsbefuh zu mähen, ©lein ©etter, ber
burh bie lebten (Sretgniffe etmas unfiher ge*
morben mar, hielt bas mol)I für ben zimerläffigften
2Beg, feine Sturibgebung an bie richtige ©breffe
ZU bringen.
©ahöentlihes. «mt Otto ©romber
©agel unb Schraube ftritten fih, mer oon
ihnen mehr zu feffeln oermöge. 3 uleht meinte
bie Schraube: „ 3 h! Du lanuft mit beiner ©rob*
heit zmar fhueller in bte Ob* unb Subjette
hiuein, aber ih mit meiner falfdjen ßiebens*
mürbigteit hafte beffer. ©So ih mid) hiuein*
Zmänge unb *zminge, bin ih niht mehr fo leiht
herauszubringen.“ — Der ©agel fhmieg eine
©Beile. Dann meinte er: „gür fo fhleht hotte
id) bih eigentlih uod) niht gehalten.“
* ■
Der, ber oon einer erreichten |jöhe als be*
tabent nieberfteigt, mirb fid) erer tun als einer,
ber erft mühfarn Stufe um Stufe bie Treppe
ber Stultur hitmuftlimmt.
©lanher ©lenfh gleicht einer pruntoollen
Hängelampe. ©Sir fehen irnmer nur ihn, be*
munbern nur ihn, umfhmeiheln ihn — unb
benten niht an ben einfachen 5 UrI oon Hoten,
ber „bie ganze ©efhihte hält“.
*
©tbenfe, bah in biefern ©ugenblid auf unfrei*
(Erbe fih taüfenb ©c ,,hen oor greube unb
anbre taufenb oor Shtnerzen niht faffen tönnen.
„ 3 h habe mirtlidj bie ©Bahrheit gefagt!“ oer*
fiherte ©. — ,Da hätte er alfo aud) lügen
tönnen?' bähte © unb mar auh fhon mife*
trauifd).
Die ©lütter eines mihratenen Sohnes ift ftets
baoon überzeugt, bah hr Sohn in fhlehte ©e=
fellfhoft geraten ift; fie tommt aber nie auf ben
©ebanten, bah ihr Sohn anbern Söljuen eine
fhlehte ©efellfhaft abgegeben haben tönnte!
*
©Bir merben fo anfprüd)sooll mit ben 3 ahren,
bah fih aus bem Hnglüd eines (£rmad)fenen nod)
zehu „gugenbglüde“ herausfinben liehen.
' ■ *
„Du bift graufam,“ fagte bie 3 u nge zum.
3 oh n , ber ein Stüd gleifd) zerrih- — „©Biefo?“
ermiberte ber 3 ahu; „ih reihe boh nur ©Sunben
in totes gleifd), bu in Iebenbes.“
■ ■ ••
t * V* gpfe «•/*•>. i > ■* •-
ftreute — eine Saat, bie in lichter ©rad)t fcfjon
aufging, aber aud) int Meinte nod) fdjlummert.
©s finb leud)tenbe ftörper^ rein unb fdjön,
ent|tanben aus bent gleichen Stoffe, 3U gleid)er
©eftimmung unb 3u höherer ©ollenbung.
©erabe bie 9 JlildE)ftrafee ift es getoefen, auf ber
feit bes ^ 3 tolemäus Dagen 3ieIberoußt unb mutig
ber moberne ^immelsf orf d) er oortoärtsfd)reitet, um
3U jenen großartigen ©rgebniffen 3U gelangen, auf
roe!d)e bie aftronomifdje 2Biffenfcf)aft beute ftol3 ift.
gtt biefem glammenbogen finbet fid) alles
oereint, toas bas girmament Uranias güngern
3U bieten oermag.
Dort ift bie geheime „SBertftatt ber Schöpfung“,
too — roentt toir einmal bilblid) fprecßen toollen—
bas große Uhrtoert ber 2Belt aufge3ogen unb im
richtigen ©ange bis 3ur Stunbe erhalten toirb.
gm Silberfcheine ber 9 JWd)ftraße formte fid)
einft aud) unfre Sonne, tourben bie platteten,
erfdßienen toir. Das Silberlidjt ber 9 Jlild)ftraße
toirb in fernen 3^en uns toieber aufnelpnen,
bamit toir teill)aben an ihrer ©ntroidlung 3ur
©ollenbung.
Das ift ja ber ©nb3toed alles ©aturgefd)el)ens,
bie heroorfted)enbe ©igenfd)aft in ber „ s 2Belt ber
Sterne“, unb fie ift aud) ber 9 Jlild)ftraße als
Signum aufgeprägt.
Demofrit, ber gried)ifd)e ^Iofoph, toar ber
erfte, ber richtig oermutete, baß bas „alte, aus=
gefahrene ©leis bes Sonnengottes“ nidjts anbres
fei als eine ©alpt oon 3af)llofen Sonnen.
9Ijtrortomtfd)e Klauberei t?on $elix (Erber
'TNie flaren klugen ber Sternennad)t haben fid)
sZJ toieber aufgetan!
©tilbe bliden fie aus fernen §öl)en 3ur ©rbe
nieber unb rufen taufenb ©mpfinbungen in jenen
toad), bie fid) in ihre ftumme Sprad)e oertiefen.
©on fo oielem er3äl)len fie uns, bas bort in
2ßeltalisgrünben; thront — oon ihrem ©Serben
©in Stüd ©iilchftraße
Sie Sterne 5tct>en ?o bid)t beieinanber, baß fie
roic ein SJUIdjflecf mitten
Die gegabelte $öl)Ie, bie oom „©erfeus'
her in bie ©tilchftraße einbringt
9lufnaf)me oon profeftor 5öia.t 2ßolf, Sjeibelberg
Die tleine ftaptoolte
pi)otograpljijd)e 2lufnal)me oon 9tu||eU in Stjbneq
Dte große Äaproolte
pi)otograpI)ijd)e 3lufnaljme oon Dtupell in Stjbnei)
1911. 9tr. 32
Über ßartö urtb 50leer
845
Stromes burd) bas Borhanbenfein oon Sternen
aus ber elften bis ad)t3el)nten ©röhenflaffe, bie
fe© oiel blaues £id)t ausfenben, fel)r bjeife finb
unb fel)r roeit oon uns abftel)en.
3 u ihnen gehören oielleic© aud) bie ASolf-
Bapetfd)en Sterne im „Sd)toan“ unb an beu
äuherfiten ©rennen ber SCRiId)ftrafee, mit einer
Atmofphäre oon glühenbem SBafferftoff umgeben.
©aftons Ütjeorie ftimmt gut mit bert neueren
Beobachtungen, namentlich mit ben photograp©*
fd)en bes oerftorbenen ameritanifd)en Aftronomen
fteeler überein. T)iefer hat gezeigt, baß bie meiften
SternhaufenunbBebelfledeneine fpiralige Struttur
haben. Biele gorfd)er finb ber Bteinung, baß alle
Sternhaufen unb Bebelfleden, bie toir am girma»
mente in ftiller Bad)t mit bem gernrohre ober
mit ber pl)otograp©fd)en Blatte beobad)ten, oon
neben bem Fernrohr uod) Ausfunft geben über
bie phhfitalifd)e Befd)affenl)eit ber Sterne ^n ber
Blilchftrahe, über bie ©igenberoegung ber Sterne
unb über bereu Abhängigfeit ooit bem großen
£id)tftrome. Die Be3ie©mgen 3toifd)en Sternen
unb Bebeln foll fie uns ebenfalls enthüllen! Aber
— fo manches gal)r toirb noch oergehen, ehe toir
barauf eine befriebigenbe Anttoort erhalten toerben.
Die neue Baumtheorte hat fid) mit ber grage
befd)äftigt, ob nid)t bie gerabe £inie ein in fid)
3urüdlaufenbes ©ebilbe fei. §ar3er toies einmal
barauf ©Tt, bah fehr too© alle oon unfrer Sonne
ausgehenbert Strahlen toieber 3U ihr 3urücff ehren
tonnten. 2 Bie nun, toettn bie „ 2 BeIt ber Sterne“,
bie oon unfrer Bßildjftrahe umfponnen toirb, eine
Flügel toäre? Dann toiirbe bas £id)t ber Sterne,
bas unfre Daten, bie ,,©efd)id)te ber 2 Belt“, mit
Der Spiralnebel im „§aar ber Berenice“
aiufnafjme non tprofeffor 9J!a.t SBolf, §eibelberg
©ine bunfle, gegabelte Bud)t bringt oom
„Berfeus“ her in bie Biildptrahe ein. Diefer
5tanal behüt fid) siemlid) toeit unb ift d)arafte=
riftifd) für bie Buchten» unb Spaltenbübung.
Barnarb fiel)t in biefen bunfeltt, oft_ fogar
frummlintgen Kanälen unb Buchten tatfädjlid)
Stellen in ber Blild)ftrahe, burch bie man in bie
gähnenbe £eere bes Weltraums blidt. Banparb
glaubt, bah biefe Stellen mit buntler Btaterie —
toie ettoa ber buntle Begleiter bes Sirius — am
gefüllt finb. Brofeffor Btar 2 Bolf in §eibelberg
behauptet, bah bort, too fid) eine buntle Bucht
3eigt, oorl)er ein Bebel burd)ge3ogen ift, ber alle
©asmaterie an fid) 30g, fo bah an ber Stelle
nichts ntel)r übrigblieb. Das fteht auher allem
3toeifel, bah in biefer £id)tbrüde, unb 3toar bort,
too bie Sterne fehr bid)t beieinanber ftehen, nod)
toilbe, feurige Kämpfe 3toifd)en ihnen ftattfinben.
Das Bed)t bes Stärtereu gilt aud) bort; aber
in ben ©ebieten, too toir bie §öl)lenbilbung unb
bie Stermoüften antreffen, finb bie ©egenfäße
bereits ausgeglichen, ober ift bie Btaterie nod)
fungfräulid) unb oorläufig nid)t in ben rauhen
tosmifd)en ßebensfampf eingetreten.
gn ber 9 BiId)ftrahe finben toir ein3elne, bann
Doppelt unb oieifad)e Sterne.
3u Daufenben ftehen fie and) in ©ruppen bei»
fammen, unb biefe Sterngruppen finb fo 3ahlreid)
in ihr, bah ©afton bie gan3e 9 BiId)ftrahe einen
Sternhaufen in fpiraliger Anorbnung nennt.
Der Botterbamer ©eiehrte hat too© bie befte
Befd)reibung biefes feinmobellierten ©ebilbes ge»
geben. Bad) ihm liegt ber Sterns ober BMrbelpunft
biefer groben Bßeltfpirale im „Sd)toan“. Bon
©er aus gehen 3toei Arme, bie nicht genau irt ber
gleichen ©bene liegen. Unfre Sonne — inmitten
eines Sternhaufens, in bem bie Sterne 3ientlid)
gleidjmähig oerteilt finb, ift nahe biefem ÜBirbel»
puntte; aber ber Sternhaufen liegt ettoas auher»
halb ber Spirale; toir fehen fomit auf biefe herab.
©afton erflärt ben milchigen Schimmer bes
Der Borbamerifanebel im „Sd)toan“
Siufnaljme uon tprofejfor SRox 2Bolf, §etbel6erg
Der Bohrneber ($öhlennebel) bei bem
Sterne n 2 im Bilbe bes Sd)toans
(Einer ber rotdjtigften SJlebel, bie in bie SDlildjftrafse einbringen
unfrer 9 BiId)ftrahe umfd)lungen toerben, bah bie
alfo ber ©renstoall ber uns fid)tbaren BSelt ift.
©in fehr fd)öner Spiralnebel liegt im Stern»
bilb bes „©rohen Bären“. Bid)t toeit oom „Siib»
lid)en Streu3“ liegen bie beiben ftaptoolfen, unb
3toar etooas abfeits oon ber Btüd)ftrahe. ©s finb
grohe Anhäufungen oon ein3elnen Sternen, oon
Sternhaufen unb Bebelfleden — alfo eine fleine
Btildptrahe — ähnlich) toie ber „Anbromebanebel“;
aber bie 5 faptoolfen — genaue Beobachtungen
unb Bteffungen haben bies ergeben — gehören
bod) nod) 3u unfrer 9 Bild)ftrahe, unb ihre ettoas
abfeitige £age ift nur eine fdjeinbare.
©eloria bad)te fid) bie Btild)ftrahe, bie immer
nod) ein Bätfel für ben mobernen Aftronomen
bleibt, aus 3toei groben Bingen 3ufammengefeht.
©iner foll ben attbern umfc©ingen, unb bie Unts
arntung gefd)ieht im ,,©inI)orn“. Durd) ©aftons
Dheorie aber ift aud) biefe Anfid)t überholt toorben.
©ine überaus intereffante ©ntbedung machte
Brofeffor Btar SBolf in ber Blilchftrahe, unb 3toar
im Sternbilbe bes „Sdjtoans“ in ber Bad)t oom
12 . 3um 13 . September 1891 . Als er eine Begion
in biefem Bilbe photographiert hatte unb bann
bie belichtete Blatte enttoidelte, fah er biefelbe
mit einem groben Bebelgebilbe bebedt, bas bie
©eftalt bes geftlanbes oon Borbamerita hat unb
beshalb oon ihm aud) „Borbamerifanebel“ be=
nannt tourbe. Diefer grobe Bebel ift 3toifd)en bie
Sterne im „Sdjtoan“ eingefprengt, unb er toäre
uns im gernrohr niemals 3U ©efid)t gefommen,
toeil er ultraoiolettes, alfo nur für bie Photo»
graphifche Blatte empfängliches £id)t ausftra©t.
Solche für bas gernrohr unfid)tbare Bebel finb
bann fpäter nod) in gröberer 3a© oon ber Camera
aufgefunben toorben. Auf ben Bh°togtap©en
fie© es aus, als ob ber Borbamerifanebel in eine
fternreiche ©egenb eingetoanbert toäre. Die Photo»
grap©fd)e Blatte hat, toie überall, aud) ©er f°
manche unb nächtige grage gelöft; aber fie foll uns
fid) fortnahm, toieberfehrert mit allem, toas ihm an»
oertraut tourbe! Dann toirb fid) bie alte Kultur
toieber entfalten, toie fie oom Beginn ber 3 ^ an
bis 3U uns herauf ftatthatte — eine £Bieberl)olung
bes ©an3en. Anbre gorf©er btbes finb anbrer
Meinung 1 Sie behaupten, bah alle Sterne am
Fimmel — aud) bie ber Btild)ftrahe — 3toei grohe
Ströme bilbert, bie aneinanber oorüber3iel)eu.
2Bo©n eilen fie, tooher fommen fie? fiaffert toir
bie ©toigfeit biefe große grage beanttoorten!
Die §ö©en im „Anbromebanebel“
Stufgenommen oon SSrofeffoo 9Jiaae Sßolf, §eibelberg, mit bem
2ßalfctefleItor am 8. Remter 1906
©ottesbienft in einer ftalntüdenfird)e
©usnet)men bes 5 taoiars
fidf) jebermann rote 311 Haufe aus. 3 ™ Salon
erwartet il)n ber gebedte Xifdj mit ben erlefenftett
gifd)gerid)ten, wie fie eben nur I)ier 311 l)aben
finb. ©or ben breiten genftern fd)iebt fid) nad)
brei Seiten ein wunberbares Panorama oorbei
mit Xaufenben in fid) abgefd)Ioffener uub ooll*
enbeter Silber aus einer ©alerie oI)negleid)en.
Um bas gan3e Sd)iff läuft ein großes ©romettaben*
bed mit Xifd)en unb Stühlen, wo man gemütlid)
plaubert, trintt unb raud)t. ©us borgen unb
©benb wirb fd)neller ein Xag, als man bie ©in*
briide feftl)alteu tann. Da taud)t in ber fyerne
fd)on wie ein ftraff ge3ogenes Spüjenbanb über
bem Strom bie grofte eiferne ©rüde auf, über
weld)er ber 3 U 9 ntit ber qualmenben £oto*
ntotioe itad) Sibirien beim Dahinrollen fed)s
Minuten lang fid)tbar bleibt. Dann tritt bie ©r*
mübung bes grluftlaufs ein, ber fid) oerirrt 3U l)aben
fd)eint, unentfdjloffen, taumelnb, faft wie ein
©etruntener feinen S 3 eg fud)t unb bann plöftlidj
in fiiböftlid)er Sichtung ber Stüttbung 3ueilt. Die
Ufer werben flad). Die SBafferarme unb 2 fafeln
gleichen einem aufgefd)Iagenen $äcf)er. 2Bir
befinben uns auf ehemaligem Sieeresgruttbe, ber
burd) taufenb}äf)rige s tlnfcl)wemmungen allmäl)lid)
ausgefüllt worben ift. ©ber bie ©infamteit unb
Obe fd)winben wieber. Stowen freifd)en, Dampfer
pfeifen, Segler l)ufd)en aneinanber oorbei. Sod)
eine SBenbung bes Schiffs, unb fdjon oertünben
auf ben Höhen bie ftird)en unb 2Bol)nI)äufer bie
Sähe^ einer großen Stabt. Der filberne ©ürtel
bes Stromes, ber mit fo reichen Stidereien befeftt
846
Über £anb unb $0leer
1911. 91r. 32
Oßidjt wahr, „Stütterd)en ©Solga", bu fängst an,
mübe 311 werben? Haft uns ja brei runbe
2 Bod)en auf beinern breiten Süden gebulbig ge*
tragen unb fpürft enblid) bie lange ©knberung,
bie für uns nur ein all3u flauer, fd)öner Xraum
war. 3 n ber Sähe beitter Sdjwefter, ber „hei*
ligen" 3 arenftabt Stosfau, bie ja and) als „Stütter*
d)en" angefprod)en wirb, nahmft bu uns läd)elnb
hudepad. ähnlich, wie bie weiften Stauern ihres
Arentl oon alten 3eiten plaubern, er3äl)lteft aud)
bu uns mit bem l)eimlid)en Saufd)en beiner
©Gellen bie ©efdjidjte Suftlanbs feit ben Saub3ügen
ber Xataren unb Stongolen bis auf unfre Xage.
©ar munter begannft bu, gute Site, 3U traben
unb auf bie hohen Ufer hw3uweifen mit all bem
wunberlid) grembartigen, bas fid) bort abfpielt.
Da erfchierten bie grünen unb golbenen kuppeln
ber £ürd)en unb Kapellen! Die enblofen Steppen
mit ben weibenben gerben unb bem warmen
Sot bes Sonnenuntergangs! Die 3erluntpten,
burdjeinanber jagenben Siettfchen mit ihren oier*
edigen blonben ©ärten, buntest Hemben unb ©aft*
fd)uhen! Die qualmenben Scftornfteine ber ga*
briten! Die fchmuden, im SBinb fid) blähenben
Segel unb bie §ol3täl)ne, auf benen bie Bretter
3U golbfd)immernben geftungswerfen 3ufammen*
gefd)id)tet fiub!_ ©rofte Stäbte ftellteft bu 31er
greube unfrer Sd)auluft wie Spiel3eug breit oor
uns hi n > fo baft wir ben Leuten in bie
genfter fel)en tonnten, wäftrenb fie oor bem
brobelnben Samowar am Xifd) faften unb über
bas buntgeftidte £ eintu d) 3um füften ©ebäd \)\n=
überlangten. 3 U ben eingefallenen Jütten arm*
feliger Dörfer hoft bu uns geführt, wo ber fäuer*
iid)e Duft ber ftohlfuppe fid) mit bem ©erud)
oon frifd)gebadenem Sd)war3brot oerbinbet. ©Bo
bu nal)teft, lieften bie glöfter unb Hafenarbeiter
ihre fd)wermütigen £ieber ertönen, beren träftig
ftoftenber Shptl)mus ihnen wie ein elettrifcfter
Strom belebenb unb 3U harter Srbeit anfeuernb
burd) bie ©lieber 311 dte.
Du bliebft nid)t mehr bas, was wir unter
einem gluft oerftehen, fonberrt legteft bid) in bie
©reite, als ob bu bid) in eine
Steerenge oerwanbeln wollteft,
wo man ben fähigen ©erud) bes
03eans oerfpürt. ©lies geftaltete
fid) groft3ügig unb gewaltig, aud)
int ©intönigen erhaben wie am
Sd)öpfungstage, bis ber Stenfd)
mit feinem gieberbrang nad) ©e*
winn unb ©enuft in bie ewige,
unberührte Satur hineingriff.
Dreimal fo lang wie unfer ©ater
Sl)ein legteft bu als frud)t*
bringenbe ©rrtährerin bes gan3en
öftlid)en Suftlanbs beine ©ahn
3urüd. 3 u crft an fleinen alten
Stäbten oorbei, wo fid) bas ed)te
Slawentum rein erhalten hat.
Dann bort, wo ber Orient mit
feiner wirren Stiftung oon ©öl*
fern unb Sprachen an bie Stauern
ber altersgrauen 3ahrmarttftabt
Sifhnij Sowgorob unb bes büfteren Äafatt heran*
3ufd)leid)en beginnt, wo ber ©oben überall mit
©lut geträntt unb mit ben ibnodjen ©rfd)lagetter
angefüllt ift. Sd)muit3elnb machteft bu uns, Stüt*
terdjen, auf bie oielenbeutfchen Kolonien aufmert*
farrt, bie fid) feit ben 3eiten ber groftett Katharina
Hunberte oon ©Berft entlang gebilbet haben.
Du haft bafür geforgt, baft wir uns auf unferm
Dampfer wie in einem gut geführten Hotel ein*
richten tonnen, wo es an feiner ©nnel)mlid)teit
für £eib unb Seele fehlt. gn feiner Sabine ftredt
Äalmüdenfamilie ©nfidjt oon ©ftradj an
5lit ber SCRiinbung ber 2BoIga. ©on ©ugen 3abei
1911. ülr. 32
Über fiattb urtb ÜReer
847
in einen Vottid) getan, mit einem
beftimmten “tßroseutfat) Sal3 oer^
fehen unb oon träftigen Firmen
in ähnlicher 2Beife burd)einanber
getnetet toie ber leig in ber
Vadftube. Damit iftb er fogenannte
nig gefaben", fertig 3um Verfanb
in 33Ied)büd)fen, bie nun bie Keife
um bie 2Belt antreteu. Der ge-
preßte ftaoiar toeift einen nod)
härteren Salzgehalt auf unb toirb
in Säde gepadt unb 3U längerer
£altbarteit tuefjenartig 3ufammen-
getnetet.
3n Aftrad)an, too lauter ©egen-
fät)e aufeinanber prallen unb bas
2Biberfpred)enbfte ©reignis toirb,
toädhft auef) 2Bein. 2Ber eine Spa-
3ierfal)rt um bie Stabt unter-
nimmt, tarnt in ber Umgebung
an bie fünfzig SBeinberge erblicten,
- tuo aber bie sieben gan3 anbers
roie bei uns ge3ogen toerben. Sie
hängen nämlid) nid)t an Stöden,
bie reihentoeife fjintereinanber aufgefteXIt finb unb
fo ter3engerabe roie bie Solbaten beim§erantreten
bes Unteroffiziers fid) tjalten müffen. Kein, fie
biegen unb neigen fid) nad) §er3ensluft, 3eigen bie
©efd)meibigteit it)rer ßtoeige mtb fallen fid) roie
fiiebespaare 3ärtlid) in bie Arme. Dabei oer-
toadjfen fie feft miteinanber unb oerroaitbeln fid)
in eine fiaube, aus ber bie Drauben toie liefern
fäufte gar oerlodenb peroorbliden. Die Veeren
l)aben eine bide Sd)ale, unb ber SBein fd)medt füfe
unb träftig. ©inen füffigen Dropfen baoon befam
man auf ber letzten “(ßarifer SBeltausftellung 1900
3U fdjmeden, unb bie 3nrt) ertannte ihm fogar
einen ^reis 3U. Sonft ißt man ben 2ßein lieber rol).
3n Aftrad)an befinben fid) aud) riefige £ager
oon Petroleum, bie oom ftautafus, nantentlid)
aus 35atu, l)ierl)ergefd)afft toerben. Kad)betn
bie £eud)töle abgetrieben finb, bleibt ein grünlid)-
fd)toar3er, flüffiger Küdftanb übrig, ber SRafut
genannt roirb unb 3um Reisen ber SBoIgabampfer
bient. Klart erblidt überall bie großen Vaffins,
aus betten bie Ieid)t ent3ünblid)e Klaffe in Köhren
ben Sd)iffen 3ugefüt)rt toirb. Die girma ©ebritber
Kobel l)at eine Kieberlaffung für oiertjunbert
Klenfdjen gefd)affen, bie in ihren hölzernen $Bol)n=
häufern trefflich untergebrad)t fittb unb alle oon ber
23ef)attblung unb beut Verfanb bes ©rböls leben.
Äaoiar, K3ein, Petroleum unb (an 93orb uttfres
Dampfers) tlaffifcfje SCJlnfit — toie reimt fid) bas
3ufammen? K3ir finb eben am ©nbe oon ©uropa
unb am Anfang oon Afien, too fid) 3toei KSelten be¬
gegnen, 311 uteiben fud)en unb bod) immer toieber
3ufammenftohen. Das oerleil)t ber gan3en SBoIga-
münbung unb bem t)od) aufgerichteten Silbe oon
Aftrad)an, bas ber ^pt)antafie einen fo toeiten
Spielraum getoährt, einen unoerg!eid)lid)en Keis.
ift, 3eigt 311 guter Seht nod) einen
toftbaren Sd)mud, bas phantaftifd) BBLSfj jifi.
toilbe unb padenbe Silb oon Aftra- S#
d)an. Klütterd)en Kßolga barf im
itafpifdjen Kleer 3ur Kut)e gehen.
Aftrachan roirtt toie ein mäd)=
tiges Dm, burd) bas man auf ber
einen Seite nad) Afiert, auf ber
anbertt nad) ©uropa gelangt.
Orient unb Dfsibent finb nid)t jugMjjj
mehr 3U trennen! Sd)Ott im 6BK'<Sliß
erften Frühling atmet man bie
toeiche, üppige fiuft bes Sübens,
unb im Sommer herrfd)t überall
eine brüdenbe Sadofentempera-
tur, bie jebermann aus bem ftei-
nertten 5täfig ins Jreie treibt.
Kad) 2ßeil)nad)ten fetzt bie 5XäItc
bagegen mit f old) er Sd)ärfe ein,bah
bie Quedfilberfäule bes Dhertno-
uteters oft auf fünfunbnoan3ig
©rabe I)erabfinft unb bie Kien-
fd)en 3U ©etoänbern greifen, bie -
fie ben güdjfen, Sibern unb Sären
oom £eibe gesogen I)cd>en. Uitb
babei fällt leine Sd)tteeflode oom §immel!
©s riecht nad) 2rifd)en, toohin man aud) blidt,
benn Aftrad)an ift ein ungeheurer Stapelplatz für
alles, roas in ber KSolga unb im 5Xafpifd)en Kleer
an fd)uppiger Srut gefangen toirb. J-ünfsigtaufenb
Klenfd)eit leben allein baoon. Hberall liegen 3U
oielen Daufertben bie fdhlanten, gliherttbert iieiber,
bie eben nod) luftig in ben 2Bogen plätfd)ertert,
aufgefchid)tet, um gefaben, gebaden ober geräud)ert
ben 9Jienfd)en als 9tal)rurtg 3U bienen, ©s l)errfd)t
eine toilbe 3ogt> rtad) biefer Seute, unb trohbem
toill ber Überfluh tein ©nbe nehmen. % Solche
5ifd)effer toie bie Muffen gibt es niefjt toieber.
©s toirb babei ein gan3es IKegifter herunter-
gefpielt, beffen oberfte 9tote ber Sterlet bilbet.
2Beinanpflan3ung in 5lftrad)an
Dppus eines mit §013 belabenen Sootes
Das ift ber 5lriftotrat unter ben gifd)en, fein ge-
road)fen unb leid)t in feinen Setoegungen, mit einer
lang ausgesogenen Schnake. Der Sterlet ift eine
fo foftbare ©abe, bah er bem §änbler oft ein paar
hunbert 9?ubel einbringt, unb eine einige Sektion
Suppe baoon in bem flaffifd)en 9teftaurant 9Jtos=
taus, ber „©remitage“, fünf IRubel, alfo nad) unferm
©elb über 3el)n s Dtart, toftet. Sein 2Bol)lgefd)mad
läht fid) nur empfinben, nid)t befchreiben. 9Jtan
glaubt auf ber 3unge ettoas fchauteln 3U fühlen, bas
toie Sutter 3ergeht unb bod) nidjt toeid)lid) ober
toabblig, fonbern nur fein fd)medt. Dagegen ift
ber Stör ein gutes, gefunbes, fräftiges 9)taffen=
erseugnis für hod) unb niebrig, bas einer unüber-
fehbaren ©rohfd)Iäd)terei 3um Opfer fällt unb
gar nid)t genug geliefert toerben tann, um bie
iOtäuler 3U ftopfen. Dro^bem er fid) tüchtig aus-
toäd)ft, ift er bod) nur ein 3u>erg im Verhältnis
311m Raufen, ber mit bem ruffifd)en Vamen Velüga
ben eigentlichen “Kiefen unter ben s IBolgafifd)en bar-
ftellt. ©s bleibt Datfad)e, bah eine Velüga oft ad)t
unb 3ehn, ja nod) mehr Kteter lang unb fo bid toirb,
bah ein ertoad)fener üUtenfd) fid) auf beit Küdeit
bes gifd)es fe^en tann, ohne mit ben ^mfeen
©rbe 3U berühren.
Der gifd)fang felbft f)<*t ettoas Urtoüchfiges.
“JRan empfängt bei feinem Vegimt ben ©inbrud
einer 9JtobiImad)ung, unb feine Ausführung
gleid)t beinahe einer Schlad)t. Das gilt namentlid)
oon bem 3Binterfelb3ug, toenrt bie StRenfchen fid)
an ein3elnen fünften 3U Daufenben auf bem ©ife
oerfammeln unb burd) bie triftallene SCRaffe toie
Sßeinanlagen
848
Xtber £artb tinb 9Jteer
1911. 5Rr. 32
Der Stammbaum
Aon
SRuboIf Traufe
ir S 01 crtfcf)en [mb unfrer Abftammung nad)
alle untereinanber grunbfäßlidj gleich unb
gleicßmertig, [ei es nun, baß man auf bie natur*
ge[cf)icf)tXtcf)e ©ntmidlungsleßre fcßmört ober bte
cßriftlicße Scßöpfungslegenbe, bie Ab am unb ©oa
311 unfern gemeinfamen Voreltern macht, gelten
läßt. Dur Hofft au cf) ßier, tote [0 oft in ben micßtig*
[ten Lebensfragen, 3mifcßen Sßeorie.unb ^Praxis
eine breite Lüde. 9 Bas f)ilft uns bie ©emißßeit,
ungesäßlte Vorfäßren 3U ßaben, roenn mir [ie
meber tennen nod) etmas oon ißnen miffen? ©rft
baburd), baß mir oon ißrem tarnen, ißrer Attrt*
[amteit, ißren SßidfalenKunbe geminnen, machen
mir [ie uns mirtlid) 3U eigen unb merben bie
unbestimmten 3 aßlen 31t mirtlid)en Vßerten er*
fjoben. Aßie mir braunen in ber Statur an jebem
Saume bie gaßresringe 3ät)Iert tönnen, [0 möchten
mir auch an bem Saume, ber 3um Sqntbol für
toerfunft unb 3ufammenßang ber ein3elnen ga*
mitten bient, bie ©efcßlecßterfolge möglicßft meit :
bis 3m Ahndel herab nacßmeifen tönnen. Rettich
gelingt bies tatfächttd) [elbft ben oornebmften
Raufern nur für eine Spanne 3 eit, bie fa[t lädßer*
lid) tur3 i[t im Sergleid) 3U ben Saufenben oon
gaßren men[d)Kd)en Safeins. SSenn man aber
nur nad) ben oerßältnismäßig menigen gaßr*
hunberten rechnet, in benen bie Vtenpßßeit im
ßellen Lidjte ber ©efcßicßte gemanbelt i[t, mad)t
es fchon einen gemaltigen Itnterfcßieb, ob man
[eine Aßnen bis auf bie ©poche Karls bes ©roßen
3urüdoerfolgen tann ober etma höchstens noch
[einer Urgroßeltern [id) bemußt ift.
gn ben letjten gaßr3eßnten ßat bie früher oor*
3ugsmei[e oon abligen Familien geübte Sitte
ber gamilienforfcßung aud) unter bürgerlichen
immer mehr 3ugenommen. Sie fort[d)reitenbe
©röffnung ber LIrdhioe unb Degiftraturen, ber 3u*
fammenfcßluß 3U genealogifcßen Vereinen unb ©e=.
fellfcßaften mit regelmäßigen Veröffentlichungen
Ieiftet [hießen Stubien Vorfcßub, unb ber [ich ßebenbe
materielle SBoßlftanb in un[erm Vaterlanbe er*
möglicht es meiteren Greifen, [ich biefer 3iemli<h
toftfpieligen Liebhaberei 3U überlaffen. Aber um
ihre leßten ©rünbe auf311bedert, müffen mir bod)
nod) tiefer [d)ürfen. ©s ift bas beutfdße Dational*
gefühl, bas [eit ber ©rricßtung bes neuen Reiches
[0 mächtige gortfcßritte gemacht hat; es ift ber
Stol3 bes beutfchen Sürgertums, ber um [0 ftärter
ermacht ift, je fefter er auf ber [id)eren ©runblage
äußerer ©Iüdsgüter rußt. Sas froße ©egenmarts*
bemußtfein muß ben 2Bun[d) förbern, [ich auch ber
Vergangenheit, aus ber ja fcßließttch bod) bie 93 e=
bingungen unfers gegenmärtigen Seins ertlärt
merben müffen, nach allen Dichtungen 3U be=
mächtigen. Unb bie gdeube über bas, mas mir
ßeute erreicht haben, läßt aud) bie Scham über
unfre Ohnmacht oon eßebem oerblaffen.
VSie bas Leben ber Sölter, [0 mögt aud) bas
ber ein3elnen Familien auf unb nieber, unb taum
eine oermag [id) bauernb auf gleichmäßiger $öße
3‘u behaupten. 2Ber [ich mit genealogifcßen gor*
[cßungen befcßäftigt, muß auf allerlei ttber*
rafchungen gefaßt [ein unb muß ben Sötut befißen,
ber 2Baßrßeit unerfchroden ins Auge 3U bliden.
Sie ©enealogie- ift lange 3 eit als eine ßöcßft
3meifelßafte SBiffenfcßaft über bie Acßfel angefeßen
morben, unb 3toar lebiglicß besßalb, meil ißre Ver*
treter es häufig mit ber ßiftorifcßen Akßrßeit
menig genau genommen haben. Sie Lüden in
ben Stammbäumen mürben burd) tüßne Ser*
mutungen ausgefüllt, berühmte Sräger besfelben
Samens oßne fiebere Anßaltspuntte für bas ©e=
fd)led)t beanfprucßt unb unbequeme Vtitglieber
fur3meg unterfcßlagen. Ser 2 Bunfd), bie gamilie
in möglichft ßellent Lichte erftraßlen 3U feßen unb
ben ©ßrenfcßilb ber Vorfäßren blant 3U er bliden,
ift ja gemiß berechtigt, aber bie ASaßrßeit barf
[einetmegen meber birett nod) inbirett gebeugt
merben. gaft für jebe Familie gibt es ?ßerioben
bes Siefftanbes, ber Verfumpfung, ber Verarmung,
bes 3urüdtretens 00m öffentlichen Scßauplai.
Kaum in einer bleiben bie unglüdlicßen, bie ntinber*
mertigen, bie unmürbigen ©xiften3en gan3 aus;
ja im Laufe ber gaßrßunberte pflegt [ogar ber eine
ober anbre ©efcßlecßtsgenoffe unfehlbar mit ben
Strafgefeßen in Konflift 3U geraten, Dian tann
auf einen gerichteten Lanbfriebensbrecßer unb
ebenfogut auf eines jener armen SBeiblein [toßen,
bie als $exen oerbrannt morben [inb. So etmas
muß man als unabänberlicße Sat jache mit ©emüts=
ruße ßinneßmen. .
Unfre befonbere Stufmertfamteit menbet [ich
ben Familien 3U, bie in einer ©röße erften jRangs
gegipfelt haben. Dilles, mas babor liegt, erfcßeint
uns nur unter bem Seßmintel ber Vorbereitung
auf einen [olcßen gelben. Ser ©mporftieg tann
unter oerfcßiebenen Vebingungen erfolgen, halb
allmählich, halb in jähem ober bod) menigftens
fcßeinbgr jäßem Sprung, ©oetßes Urgroßoater
unb ©roßoater, jener jouffcßmieb, biefer Scßneiber=
meifter, hafteten noch in ben unteren Schichten
bes Vürgertums, ber Vater brachte es 3um 5 taijer=
liehen 9 tat unb 3m Verfcßmögerung mit einer
Vatrisierfamitte. Vei Schiller, ber ja aud) [elbft
in ber gefellf<haftlichen 9 tangorbnung nicht [0 ßo<h
mie ©oetße geftiegen ift, feßlt biefes ^toif^en^
glieb: [ein Vater ßat [id) meber burd) §eirat nod)
burd) Lebensführung oon ben eßrfamen §anb=
mertern unb Vauern, bie [einen Stammbaum
ausmachen, mefentlid) unter[d)ieben, menn er [ich
aud) 3U einer angefeßenen Stellung emporgebient
unb bie dftängel [einer ^ugenbbilbung burd) Strebe
[amleit einigermaßen ausgeglichen ßat. 5 Rur aus=
naßmsmeife gibt es einen 3meimaligen $ößepuntt
in berfelben Familie; eßer nod) oerteilt er [ich auf
3toei ©enerationen ßintereinanber, mie etma bei
ben beiben fran3öfi[cßen Sichtern Sumas Vater
unb Soßn. 3 c gemaltiger [o ein ©eiftesßelb ift,
um [0 meßr feßeint [ich bie gan3e Sriebtraft bes
©efcßlecßts in ißm nid)t bloß oerbießtet, [onbern
aud) erfeßöpft 3U haben. Vetlagensmert ift bas
Scßidfai ber Sößne, ber ©ntel, bie [i<h oergebens
3ur ©röße eines [olcßen Vaters ober ©roßoaters
emporreden möchten. 9 Jiag [ich auch ber $Iu<h bes
©pigonentums nicht an allen [0 tragtfd) erfüllen
mie an ben Vacßlommen ©oetßes: bie ©efeßießte
bes unoermeiblicßen Hbftiegs bleibt bod) ein
trauriges ftapitel in berartigen Familien, unb
all3ußäufig, als baß es nur ein Spiel bes 3 ufaIIs
[ein tönnte, feßen mir gerabe ben 3 t0e © ntit bem
[tol3eften Damensträger oerborrt, erlofcßen.
So führt uns bie $amittenfor[d)ung mitten in
bas geheimnisreiche VSalten ber Vatur. ©erabe
neuerbings ift [ie in enge Verbinbung mit pßp[to=
Iogifcßen V^oblemen gebracht morben. ©s ift eine
rei300lle Aufgabe, an ben Angehörigen eines ©e=
fdjlecfjts gemeinfame Vaffenmertmale 3U ermitteln
unb bis 3ur ^reftftellung eines Spps 3U erheben.
2Bo bies gelingen [oll, muß freilich bas biograpßifcße
SOtaterial [cßon [eßr reicßlid) oorßanben [ein unb
burcß 3aßlrei<ße bilblicße Sarftellungen Unter=
[tüßung finben. 91 ber aud) fcßon bie rein ßiftorifcßen
unb ftatiftifdjen ©rgebniffe oermögen Vefriebigung
3U gemäßren. überall laffen [icß fortgefeßte
9Becß[eIbe3iehungen 3mi[(ßen ben ein3elnen 3 a=
. mitten unb ben ©emeinmefen, ben V^ooinsen,
ben Länbern, mo [ie gelebt unb gemirtt ßaben,
naeßmeifen. Sie [tatiftifeßen ©rmittlungen über
Lebensbauer, Linbersaß!, ©ßefcßließungen, Ve=
rufe, Vefißftanb tommen auöß ber national*
ötonomifeßen 2 Bi[[en[d)aft 3ugute, Sieben folcßer
Ausbeute für bie ©efehießte bes ©efcßlecßts mie
für bie Mgemeinßeit minten bem eifrigen ^orfeßer
noch mancherlei angeneßme Slusficßten. ©r tarnt
eine engere Verbinbung aller gnntilienmitglieber,
bie oielleicßt oorßer menig ooneinanber gemußt
ßaben, 3u[tanbe bringen. 3 a [ogar prattifeße Vor*
teile tönnen ißm ermaeßfen, menn es ißm etma ge=
lingt, unbetannte Stecßtstitel, mieLtnfprücße auf©rb=
[cßaften ober Stiftungen, ans Sageslicßt 3U 3ießen.
Von melcßer Seite man auch biefe Stubien
betrachten mag, ein [djier unerfcßöpflidßer Sleis
liegt in ißnen, unb [ie laffen ben, ber fid) einmal
barein oerfenH ßat, [0 leicht nicht mieber los. Stur
barf man [icß ja nicht einbilben, baß folcße ^rrüißte
einem mühelos in ben Scßoß fallen. Ser Laie
gibt [icß gern bem naioen ©lauben ßin, bie Stamm*
bäume jeher beliebigen Familie liegen fein [äuber*
ließ in ben Slrdjioen bereit, um nur auf einen VSint
oon ißm aus ber Scßublabe ober Scßacßtel ßeroor*
gesogen 311 merben. Ad) nein! Sa müffen£unberte,
Saufenbe oon Urtunben, Slttenbünbeln, Verseicß*
niffen unb ^anbfeßriften aller Art tage*, moeßen*,
monatelang burdjfucßt merben, unb bie ©rgebniffe
[inb oft im Verhältnis sur aufgemanbten Arbeit
äußerft gering, oielleicßt nur negatio. Ser Familien*
fotfeßer bebarf alfo in erfter Linie 3 cit, [eßr oiel
3 eit, unb mer bie nicht ßat, muß eben einen Stell*:
oertreter auf [teilen, einen Verufsgenealogen in Solb
neßmen. Aber unter allen Umftänben follte ein
[yamilienmitglicb bie Auffidjt über bie gefamten
3 ;or[d)ungen fiißren, ba nur bie SMmirttmg ber er,
bie ein ibeales 3Tttere[[e baran ßaben, für liebeooll*
[orgfame Vottenbung ber Aufgabe oerbürgen tann.
^heffen mirb ber fpftematifdje $orfdjer nad)
ergän3enbem SAaterial in ben Arcßioen mie auch
in ben Vibttotßeten erft bann Hmfcßau halten,
menn er oorßer bie ©runblagen 3U [einem Stamm*
bäum aus ben Stegiftern ber Vfarr* unb Stanbes*
ämter gemonnen ßat. ©ine mießtigere Duelle als
bie Kirchenbücher gibt es für ißn nid)t, unb aud)
teine 3uoerIäf[igere; 3um minbeften muß an ißrer
©laubmürbigteit [0 lange feftgeßalten merben, bis .
ber Vemeis bes ©egenteils erbracht ift. Vfatter
[inb freilich and) menfdjlichem 3^rtum untermorfen,
unb [0 mögen [icß in bie oon ißnen geführten
3 amilienregi[ter mancherlei Verfeßen eingefcßlidjen
haben; ja [ogar 3äl[<ßungen kommen oor, etma
begangen, um gnäbige Sdjleier über [ünbßafte
©eburten 3U breiten. 3 n größeren Stäbten [inb
bie Kirchenbücher oielfacß gebrudt. Sa bies jebocß
mei[t bie Küfter beforgt ßaben, [0 ift Vorficßt ge*
boten, unb überbies muß man berüdfießtigen, baß
mitunter [tatt ber ©eburts* unb Sobes* bie Sauf'
unb Vegräbnistage angegeben [inb. Am be*
quemften ift natürlich bie 3° r f ( hung ba, mo bie
Familien generationenlang an bemfelben Drte
[eßßaft geblieben [inb. Dft aber [inb [ie im ©egen*
teil, namentlich menn in ißren Steißen bie ©eift*.
ließen, Veamten, Dffisiere übermiegen, in rafdßem
VSecßfel oon einer Stabt 3ur anbern, oon einem
Lanbesteil 3um anbern gesogen, unb ber Stacß*
tomme [ießt [icß genötigt, ben Spuren [einer
Aßnen in rafeßem 3tt>.ge von einer ©de ber $eimat
in bie anbre 3U folgen. Unb er muß [icß nod) glüd*
ließ [cßäßen, menn bie $ußtapfen nießt plößlid)
gan3 oerfanben ober auf ein frembes Lanb meifen,
in bem [icß bie abgeriffenen $äben nur [cßrper
mieber antnüpfen laffen. Sie Kirchenbücher [inb
überhaupt erft [eit ber Deformation einigermaßen
regelmäßig geführt morben. Viele [inb außerbem
bem Sreißigjährigen Kriege, biefem graufamften
Vernichter beutfeßer Kultur, 3um Opfer gefallen
unb ßeben erft mieber mit bem VSeftfälifcßen Rieben
an. So tommt es, baß bie meiften bürgerlichen
Familien ißren Stammbaum ßöcßftens bis 3ur
Vtitte bes [ieb3eßnten 3 <L)A)imberts [ießer unb
lüdenlos purüdoerfolgen tönnen. Stießt [eiten
merben mir aber auch noch für eine fpätere 3eit
oon ben Kirchenbüchern im Stieß gelaffen, [ei es
nun, baß g-euersbriinfte unb äßnlicße XInglüds*
fälle ißnen Scßaben 3ugefiigt, ober bie Saumfelig*
teit oon greifen ©entließen etliche 3ctßte über*
[prungen ßat.
©nblicß ift über alle 3üßrlid)feiten ßinmeg bas
große SBert gelungen, ber Stammbaum mit allen
[einen Ver3meigungen unb Veräftelungen auf*
geftellt. 3^ ben meiften fällen läßt [icß bie $a*
mittenfor[d)ung baran unb an ber Orbnung unb
Vermaßrung bes gefammelten ßanbfeßriftttchen
SRaterials genügen. 2Bo bas 3ntereffe jebod) groß
genug ift unb bie ©elbmittel ausreidßen, ba ent*
fteßt eine oollftänbige 3a m üiertge[d)id)te mit Vio*
grapßien aller SDtitglieber, beren Ausmaß [icß nad)
ber Vebeutung bes ein3elnen 3U richten ßat.
3mmer häufiger mirb biefes leßte unb ßöcßfte 3tel
ber gorfeßung neuerbings in Seutfcßlanb erftrebt
unb erreicht. 3aß^ous, jaßrein erfcßeint eine [tatt*
ließe An3aßl folcßer gebrudten 3 amittenmerte,
3um Seil in pruntoollem äußerem ©emanbe, mit
[cßmar3en unb farbigen Deprobuttionen oon
VSappen, ©rabmälern, Vorräten, VSoßnftätten
reich gefeßmüdt.
Sie 3 amilienge[d)id)te muß [icß im allgemeinen
auf bie Sräger bes gamiliennamens befeßränten.
SBeber tann [ie bie Dacßtommen ber |>austöd)ter
nad) abmärts noeß bie Vorfahren ber eingeßeirateten
grauen nad) aufmärts oerfolgen. Senn [on[t
mürben bie gorfeßungen niemals 3U ©nbe gelangen
unb bas SBert [elbft 3U unheimlichem Umfang an*
[cßmellen. Aber ein SDangel bleibt es, burcß ben
[icß bas natürliche Vilb menfcßlicßen SOSerbens oer*
[cßiebt. Unfre törperlidjen unb geiftigen ©igen*
[cßaften [inb ja ebenfogut unfer ©rbteil oon ben
mütterlichen mie oon ben oäterließen Aßnen, unb
um uns einen oollftänbigen Vegriff oon ben Ve*
bingungen unfers Seins machen 3U tönnen, müßten
mir auch jene genau tennen lernen, gür bie meiften
oorneßmeren Abelsgefcßlecßter [inb menigftens
Stammtafeln oorßanben, aus benen bie, meld)e
fid) immer mieber mit anbern abligen Käufern
oerfeßmägert ßaben, ißre mütterlichen Verfahren
leicht entnehmen tönnen. Aud) bürgerliche ga*
mitten merben biefem 3^1^ befto näßer tommen,
je meßr Stammbäume oon [ölcßen ßergeftellt unb
oeroielfältigt merben. Sießt man inbeffen oon
ber pßpfiologifcßen Seite ber grage ab, [0 [inb es
mit Decßt bie männlidßen ©lieber, bie ben Stamm*
bäum beßerrfeßen unb ißm [ein ©epräge auf*
brüden. Senn als Damensträger ßabett [ie allein
oor ber VSelt bie Verantmortung für Anfeßen unb
Auf ber gamilie.
1911. 9tr. 32
849
L ^ 1 ) ^^ //£t7ari
sSötCdende c Jjmst
üüiufeen unb 2lusftellungen
Cs fommt jebt bie 3 ett bes Satzes,m ber aud)
bie Zlenf©en, bte fonft fern oott ber Äunft roohnen,
reifenb an ©re Stätten gelangen. Unb toenn nid©
ber 2 Bunfd), ftunft 311 genießen, fo i[t bod) ber
Vilbungsbrang ber Deutf©en oiel 3U grob, als bah
fie nid)t bte Ztufeen unb Zustellungen in bett
Stabten, bie fie berühren, befu©en follten.
Ztand)ntal tun fie es rool© aud) nur, roeil es nun
einmal Sitte ift, unb roeil „man“ es ttid)t oer-
ftehen roürbe, tuenn fie 3urüdfel)renb fagen mühten,
fie I)ätten biefe Dinge ni©t gefet)en.
Haben fie nun oon biefen Vefud)ett einen
©ent©? Zehnten fie etroas mit, toas il)re Ztt-
fdjauung, il)re ©mpfittbung bereid)ert unb oertieft?
©ine ©ritttterung, bie einmal in füllen Stunben
auftaud)t unb bas ©lüdsgefü© roedt, biefes ober
jenes 2 Berf gefeljen 311 toben?
2 Benn man einen erl)eblid)en Deil feines Gebens
in fol©ett Sammlungen oerbringt unb il)re Ve=
fu©er beobad)tet, fo roirb man nid)t geneigt fein,
biefe fragen 311 bejahen. Zid© nur, roeil bie
nteiftert burd)aus nid)t breinfel)en, als ob fie frifd)
unb fröl)lid) ertoünfd)te ©inbrüde erlebten, fonbern
el)er tnübe, mit einer getoiffen ftarren unb mürri-
fd)en ©ntfd)loffenl)eit eine unablösbare Verpfli©-
tung 3U erlebigen fd)eittett. Zlan fiet)t fie auberbettt
fid) in einer Zrt behoben, bie ein Zufnehmen ber
2 Berfe, bas rein finttli©e 2 lufnel)men, gan3 un¬
möglich tnad)t. Ztan©mal, toetttt man eine beffere
Seele ahnt, toirb es einem fd)roer, ihr nid)t 311
fagen, baf3 unb roarum fie t)ier bie Ziögli©feit
eines unoerüerbaren ©rlebniffes oerfäuntt.
©s ift näntli© burd)aus nid)t, roie Sfeptiter,
bie ftunftempfhtbung als Zeferoat befonbers aus-
enoäljlter Zaturen roie fie felbft betrauten, 3U
fagen pflegen — es ift burd)aus nid)t Ztangel an
©ntpfinbung, roas bie Ztenfd)en oerhinbert, toirf-
lid) 3U fehett, fonbern nur Mangel an ©Ziehung
unb eine Zrt ©ebantenläffigteit, bie fie nid)t auf
Dinge tommen läbt, bie il)nett nietnanb gefagt
bat. 3d) glaube fogar, baf3 oiele, oiele unter biefen
Ungeroeibten tüärmer unb rid)tiger empfinbett
tonnten als bie Zf©eten, bie bodjmütig unb
mid)tig ü)re Zugen in ein ftunftroerf bobrett, bis
fie bie ©an3heit, bie ber Zünftler roirten laffett
roollte, serftört, es foäufagen gefcbunben haben
unb ftatt feines lebenbigen Körpers nur no© ben
fe3ierbaren £eid)nam feben.
Viele f©iebert bie S©ulb auf bie 3 nftituüonen
felbft. Diefe 3 ufammenbäufung oon 5 \unftroerteu,
fagen fie, ift eine 23 arbarei; man tarnt ba nicht
rid)tig feben unb füllen. Unb fie tommen fid)
erl)abett oor, roenn fie ertlären, bat fie erft gar
nid)t in fold)e 2lnfammlungen ©tteirtgeben, unb
fpotten über bie, bie es tun. 3© bie 3a© ber
Ztenfd)en, bie biefen ©emeinplab nad)beten,
roäd)ft unbeintUcb an. „Dotenfamtnerrt ber Äunft"
l)eif3t bas Sd)Iagroort. Z©, es roirb oon Hutt-
berten ttad)gefprod)en, an betten man niemals bie
gäbigteit bemertt bat unb taurn ben 2 Bülen, ein
einseines Kunftroert an bent Ort, für ben es ge-
bad)t ift unb an bettt es eine glüdli©e Sügung
erhalten bat, auf3ufud)en unb 311 empfittbcu; roas
roirflid) eine tounberf©öne Sache ift. 2 lber aud)
abgefeben baoott: bie 2lnfcbauung ift falfd). ©s
ift unfrud)tbar, 3 n©tuüonen, bie aus einer Zot-
roenbigteit entftanben fittb, 3U oerbammen; 3m
ftitutionen iiberbies, bie, roie Ztufeen unb Zus¬
tellungen, trob allen Za©teilen tein Ztenf© ernft-
l)aft befeitigt toiffen mö©te. 2 Ber roirfü© alte
ftunftroerfe an ©rer Stelle auffud©, ber roeif),
roie oft biefe Stelle fd)led)t ift, toie oft fie ba un¬
gepflegt eriftieren, toie toenig oon ©rer urfprüng-
lid)en ©eftalt unb 2 Birtung 3U ertennen ift; me©,
baf3 fie in ben roeitaus meiften fällen in einem
gut beleu©teten unb gut gehängten Ztufeumsfaal
oiel ftärter roirten. 2 lud) gibt bie Zul)e unb Ve=
qnemlid)teit in bem Zhtfeunt oiel mehr bie Ztög-
lid)teit ber Sammlung, unb man ift in ©nt oiel
unabhängiger als in 5 ürd)en, S©löffern unb
Häufern, roo nteift ein brängettber 2 luffel)er bie
Zü©e unb Freiheit ftört.
Zein, id) mö©te bie Ztufeen unb 2lusftellungen
mit ihrer 3 'ülle ni©t ntiffen. 3 n Stunben fann
man ba feine gan3e 3eit, gan3e 3ahrhnnberte
erleben. 3d) tarnt tttid) teines einigen erinnern,
bas id) ni©t frifd)er, freubig unb gehoben oer-
laffen hätte.
23 ielleid)t tonnen ein paar §inroeife anbern
ba3U helfen, bah fie biefe gef©mäbten Znftalten
ebenfogut 3U benuben oerftebett.
Zid© bie 2 tnftalten fittb näntli© barbarif©,
fonbern ihre 23 efu©er, bie fi©, matt oer3e©e ben
profanen 23 ergleid), ni©t na© Zppetit unb 3 eit
aus bettt Ungeheuern Vorrat ein Ztenü 3ufammen-
ftellen, bas fie mit Zuhe unb Vehagen Gewehren
tönnett, fonbern plattlos unb baftig alles, toas ba
ift, fd)lingen roollen unb ba natürlid) toeber
f©meden no© gar oerbauett tönnett.
Der Deutfd)e bereitet fid) geroöbnli© auf eine
Zeife oor. 2 Jian befpöttelt bas mit Hnre©t. ©s
fann nur fel)r roenige 9 Zenfd)ett geben, bie fid)
gan3 auf ©r 2 Biffert unb il)re , 2 lugett oerlaffett
bürfen, um eine Stabt ober gar ein fianb 3U
bur©f©auen. Sei biefer Vorbereitung, bie 3m
glei© bie 23 orfreube ift, roäre nun bie ©elegenbeit,
aud) bas 9 Jienü ber Ziufeutttsbefud)e 3U ttta©en.
2 Ber fein anbres Hilfsmittel bat ober 3U bettuben
oerftebt, tttuf) fid) an bie Zeifel)anbbüd)er halten,
berett Heroorbebungett leiber nteift 3iemli© roill=
türli© fittb. 23 effer bient f©on ein Katalog, be=
fonbers toenn er illuftriert ift. Ziattd)e beutf©e
Ziufeett haben gute 3'i©m (Serlitt, Äaifer=
3riebri©=Ziufeum, Zlagbeburg, Darmftabt). $ür
bie roi©tigften Stäbte bes Zuslanbes erifüeren
beutfd)e Zionograpbiett ( 5 tlinfl)arbt & Siermanns
„Stäbteu ber Kultur“, Seemanns „Serübmte
5 tunftftätten“), bie au© über ben ^balt ber
Ziufeen orientieren, ©inige Sammlungen fattn
man itt Hanfftaengls „Zieifterroerfen“ faft ooll=
ftänbig fennett lernen. Unb toetttt au© bie lanb=
läufigen 5 Umftgefd)id)ten auf bie 3'^age nad) betn
2 Bert unb ber 23 ebeutung ber 2 Berfe im £ebens=
toerf ©res Zieifters oft bie 2 lntroort fd)ulbig
bleiben, fo b^Xfeu ba roeitoerbreitete 5 XünftIer=
monograpl)ien (bie „itlaffifer ber ^tunft“ ber
Deutf©en 23 erlags= 2 lnftalt unb bie Hefte oott
23 e©agett & 5 Xlafing). 3 © nenne abfi©tlid) nur
fold)e Hilfsmittel, bie au© bem fiaien 3m 23 er-
fitgung fteben. 9 Zit ihnen ift jeber imftanbe, oor-
läufig 3U beftimtnen, toas er aus ber Zlaffe, bie er
oorfittbet, 3unäd)ft fel)en toill. ©erabe toenn er
bas roe©, blüht ©m oielleid© bie Zlöglid)feit,
nad)ber aud) aus bem Zeft mit eignen 2lugen biefes
unb jenes 2 Berf l)eraus3ufud)ett, bas ©m befottbers
liegt, ©ntbedungen 311 ma©en, bie eine eigne
unb perfönli©e 3 'teube bebeuten. Diefe ©änge
toerben ihm bann nid)t mehr bur© bie Zngft oer¬
leibet, für 2 Bi©tigftes oiellei©t feine 3 cU ober
feine 2lufnal)mefäl)igfeit 3U haben.
3 n fleinen Ziufeett unb, toenn man 3 ^it bat,
natürlid) aud) in grofjen, fann ber 23 efu©er, ber
feinem 2tuge trauen barf, einen erften f©nellen
©ang bur© alle Zäunte mad)en, um bas aus-
3ufu©en, roas er bann nahe betra©ten toill.
Ob er nun bie 2 Bal)l auf biefe ober bie anbre
2 Beife oorttitnmt, er toirb nt©t nur baoor betoabrt
bleiben, bent 2 luge suoiet 3U3umuten, fottbertt 3U-
gleid) aud) oon ber Zeugierbe befreit fein, bie
bett 23 lid unruhig f©toeifett unb toanbertt läßt.
Diefer fpe3ifif©e Süd bes Ziufeums- unb
Zusftellungstoattberers ift es, ber ben Seoba©ter
fo hoffnungslos über bie 2 Iusbeute ma©t. Ziuf3
man es toirflid) ausfpred)en, bah, toer mehrere
Silber 3ugleid) anfieht, feines fel)en fann?! 2 Birb
jemanb auf bie 3 bee fommen, 3toei Zlelobien
3ugleid) hören 3U roollen?! ©s ift bo© in beibett
fällen biefelbe Sad)e. 2 llle Vorbereitung nu^t
bem ni©ts, ber ni©t oerfte©, eitt ein3elnes 2 Berf
„ins Zuge 3U faffen“. Da3U gehört ni©ts als eine
getoiffe 2 Billensattftrengung. 2 Ules übrige folgt
oon felbft. Das Silb, bas matt toirflid) anfieht,
nur anfehett toill, als ein ©an3es unb gan3 für fi©,
gibt bettt Sef©auer f©on felbft bett rechten s $lat5,
toeift ihn fort, toenn es groh, sieht ©n heran,
toettn es fleht ift. 2 Ber iittmer itt einer gleid)ett
mittleren ©ntfernung oott einer 2Battb bleibt, fieht
fein Silb, ober nur sufällig einmal eines, richtig.
Sd)toieriger als bas Ziufeutn ift bie Zus¬
tellung, toeü fie mit ihrem immer neuen 3i©alt
feine Vorbereitung erlaubt. Da gibt es nur ein
Züttel, bo© etroas 3U genießen. Ztan muf3 oon
oornherein auf bie Vollftänbigfeit oer3i©ten unb
eben nur bas mitnehmen, roas in ber gegebenen
3 eit in ben meift betonten Hauptfälen begegnet.
Ziatt roirb ba ni©ts „etttbeden“. Zber in bem
üblid)en £aufe burd) alle Säle entbedt man au©
nichts unb fieht au© ni©ts unb h fl t Xcin anbres
Zefultat 3U erroarten als einen bidett 5 fopf.
2 Bäl)rettb bei bem rationellen Vorgehen bo© bie
©hattce bleibt, bah ein ober bas anbre 2 Berf 3 mtbe
gibt unb haften bleibt.
©rfd)eint bir, lieber fiefer, bas alles ein b©d)en
gar 3U einfad) uttb nü©tern unb fo gar nid© als
bas, roas man oon einer Znleitung sunt 5 funft=
gern© fid) erroartet? 2 Bo bod) mit großen 2 Borten
oon erhabenen uttb fd)önen Dingen bie Zebe fein
mühte. Hieber ©ott, all biefe groben 2 Borte helfen
gar ni©ts. Ziemanb fantt erroirfett, bah bu beffer
uttb tiefer fieht unb fühlt, als bu es oon bir aus
heute fann© Zur bie 2 Berfe felbft fönnett bi©
barin förbertt. Da3u muht bu fie aber einmal ri©tig
anfd)auen. Unb roenn i© ba3u ben 2 Beg geroiefen
habe, habe i© oiel getan. Verfu©'s!
3 r i b Stal)l
M einem püfllinMuiinliel'
er ©rohftabtmenfd) betrad)tet Dinge,
bie er bisher nod) ni©t gefatmt
hat, geroöbnlid) immer etroas ffeptifd)-
amüfiert. Das ift eine Slafier©eit, bie
fd)üehüd) niemattb iibelgenontmen toer-
beit fattn, benn erftens roirb ber 2 Belt-
ftäbter mit neuen ©inbrtiden gerabesu
überf©iittet, unb bann ift es eine alte
Datfad)e, bah fi© ein grober ^rosetttfab
bes Zeugefuttbenen ober 2 lusgegrabenen
nad)her als Ziete erroeift-
Um fo bere©tigter ift bie 3 mtbe bes
Verfaffers, bah er ein gan3 oerftedtes
Stüd©en 2 Beltftabt 3eigett fann, bas
furiofer, lehrreicher unb intereffanter gar
ni©t 3U benfen ift.
Verün ift jebt 2 Beltftabt. Der tppifd)e
Urberliner gehört ja längft ber Sage att;
er fpuft nur nod) in einigen auf bett
(puclfiiitiicm »ölt Intll Setfctl
fiofalpatriotismus fpefuüerenben 3ei=
tungen als „Ztubide“, „Zeunauge“ unb
roas berglei©ett f©ött flittgenbe Verlett
2 tlt -23 erlitt er Spra©f©äbe tto© mehr fein
mögen, herum.
23 efottbere Viertel hat bie Zeid)s-
hauptftabt nid)t; Deutf©e, ©nglänber,
3ran3ofen, Zuffett uttb fo roeiter roohnen
funterbunt bur©eittattber— bie Zationen
fott3entrierett fi© höd)ftens itt ben ent-
fpre©enben ftlubs —, aber gatt3 eigen¬
artige Zoten haben fi© bod) ©r f©arf
abgegren3tes 3elb gefd)affen, unb 311
biefen gehört bas 2 Bohnoiertel ber meift
aus Zuhlanb l)eriiberge3ogenen armen
jübif©en Familien.
©s ift ein Vetoeis für bie bef©eibette
3 urüdge 3 ogenl)eit ber üeute, bah man
fie ni©t fd)on längft fennt, bah ffc ni©t
Das abgeriffette Verliner 2 tpad)enoiertel
ben Stanb beä SHlgemeinbeftnbenS. 211$ auffallende ©rfcpeinung Serben
0ic ffet$ waprnepmen, bafj dort, wo aufregende, fd)äblid)e (Getränte feinen
3Mah finden, ber Gacao=$:opf bagegen nie feplt, porwiegenb ^ropmut unb
Söoplbepagen perrfd)t, wenn nicpt gerabe ba$ pfpd>ifd)e 2öoplgefüpl durch
irgendwelche Xlmffänbe beeinträchtigt ift 3n ber “Xat wirft eine $affe beä
prächtig buftenben $ell*Gacao$ erhebend unb ftärfenb auf ©emüt unb Körper.
<5)ie ffänbige Gacaoaufupr — aud) in $orm non Gpocolabe - trägt baju
bei, unferen Körper wiberftanb$fähiger ju machen, unfere kleinen überftepen
bie ^inberfranfpeiten beffer unb bamit find fcpon bie 93orbebinguttgen einer
glücflid)en ü>äu3ficf)feit erfüllt. 9)tan achte aber auf bie richtige 93^arfe
fYJ 6ie bodj einmal gelegentlich in 3pren 23etanntenfretten, namentlich bet
2J0OUQCDIBH finberreidjen Familien ufw., wo tägltd) Gacao getrunfen wirb unb auch ab
/ nt »ttiniAf »iru> ß’hofrdflhp heit ..OYlen alled 3rbtfchen w acht.
Ggocolade
eacao
vi/ii i yuies vLM£|u;u|iujeii
©in fd)wieriger §anbel
3übifd)er ©eflügelteller
fd)on auffielen, benn ihr gan3es Zun unb Xreiben
bilbet bod) einen fraffen ©egenfab gegenüber bem
fonftigen turbulenten 23 erlin!
Slnbre £änber, anbre Sitten. — Xas £ad)en
über bie ungewohnten Sgenen »erlernt man halb,
wenn man den Ungeheuern 3 'leifj unb bie 3 äfü 9 s
teit biefer £eute tennen lernt, bie — bettelarm
aus Vuftlanb »ertrieben — hier im Nahmen eines
georbneten Staates fiep aus bem Vichts heraus
eine ©riften3 fd) affen unb babei nod) für ihre
barbenben 23 rüber in Vuplanb arbeiten, benn alles,
was fie erhanbeln, wirb sentralifiert unb in
großen fallen nad) Sübruflanb »erfanbt, wo man
für bie 9Jtaffen3ufuf)r alter Stiefel, $üte, Kleiber
unb fo weiter einen ungeheuerlid)en 23 ebarf hat.
©inen Vebarf, ber auf bas ©lenb ber ruffifd)*
jübifd)en 3 uftänbe ein fd)arfes Scf)laglicf)t wirft.
So »erbinbet bie jübifche iHeiberbörfe in ber
5 laifer= 2 BilheIm=Strafte bas ©ute mit bem Vüft*
lid)en. Sie »ollbringt eine üötiffion, inbem fie
ben Vaffegenoffen im fernen £anbe billige 5 Hei*
bung »erfdjafft, unb erringt fid) felbft bamit einen
finansiellen Vorteil.
Selbftoerftänblid) barf fo ein Vltftänbler in ber
2 BaI)I feiner Dbjette nid)t wäl)lerifd) fein, was
wieder »iele Vegleitumftänbe nad) fid) 3ief)t, bie
ihn »on ber anbern SBelt abfchüeften unb barum
ben inneren feften Äontatt mit feinen Kameraden
halten läftt.
Xas Viertel ber armen 3 uben Berlins ift bem
fremden faft un3ugänglid). SBill man es f ernten
lernen, rnuft man fid) eben hiueinbrängen, unb
bas ift nad) ftulturbegriffen nid)t immer an*
genehm. SRan benfe:
©s ift Regentag. — Xer lärmenbe Vleranber*
plaft mit feinen um bie 2 Bette bimmelnben Strafen*
bahnen liegt hinter uns. Xie 9 Barenl)äufer find
paffiert, bie ©efefjäfte werben immer Heiner, bie
©egenb fepaut immer ärmer aus, ba biegt man
in bie 5 taifer= 2 BilheIm*Strafte ein. £inter £anb
ift nod) ber 2Bagentorbon, ber bie 3entralmartt=
halle umbrängt, 3U fel)en, aber red)ts ift alles rul)ig.
— Xotenftill."— Vielleicht liegt es baran, bah —
wie es in Verlin nid)t anbers fein !ann — ber
Straftenbamm gerabe aufgeriffen ift. — Hber
bas fd)muftige ^ßflafter taftet ber guft. Pöftlid)
bleibt man überrafept ftehen. Xie ©eftalten mit
ben hohen Stiefeln unb ben langen Värten, bie
bas Vuge erfaßt, frappieren burd) ihre 5remb=
artigteit. Vud) ftehen fie 3ufammengebrängt,
größere unb Heinere ©ruppen bilbenb. Xer
Sd)warm wirb immer bid)ter unb ton3entriert fid)
»or einem ^arterrelotal, an beffeu ©ingangstür
ein Sd)ilb hängt: „fremden ift ber 3 utritt ftreng
»erboten.“ s JVan ertunbigt fid) unb betommt bie
Antwort: „Xas ift bie 5 Heiberbörfe.“ — Unmittelbar
(gortfct 3 ung f. <5. 855)
auuubn
Blasenleiden, Emphy:
Hstbma
Über £anb urtb S0leer
barauf folgt bie ^Uuftratton ber ^Behauptung. frjier
urtb ba, überall tommert einem 9 JZertfdf)en entgegen,
bie alte Stiefel, £jüte, tur3 alles in ben Rauben
3u[ammenframpfen, roas einmal anbre trugen.
9 ^i«J)ts ift üer|d)mäl)t. — Die Antömmlinge toerben
oon ben SBartenben, ben 3*011© enhänblem, mit
Angeboten überhäuft. 9 )ian reißt ©neu bie 5 Xauf=
objette aus ben §änben unb bietet mit tritifcf) tarie=
renben 23 ltcfen greife, bie 3roar einige Pfennige
nic^t überfteigen, aber ber ©ifer, mit beut um ein
9 Jiel)r ober 2 Bentger gefeilfd)t toirb, Xäfet beutlict)
erfennett, bah hier bas (Selb etroas mehr toert
ift, als ber ©roßftäbter, ber ja 3umei)t bie Xare
über 2 Bert, 9 ?aum unb 3 eit oerloren hat, über*
haupt ahnt.
3 tur fo ift es möglich, bah man SSater unb
Sohn mit glüdftrahlenben ©efid)tern einen alten,
total abgelaufenen Deppid) im Triumph nach §aufe
tragen fieht-
Wad) |>au[e: ba ift in erfter £inie bie ©renabier=
ftrafje 3U nennen, bie bie jübifd)ett Althänbler be=
herbergt. 3 h* fließen fid) ein Stüdd)ert Pren3=
lauer strafte, bie Steim, bie 9 Jtulad= unb fd)Ueßlid)
bie fiinienftraße an. Der 3 ^tralpun!t bleibt aber
bie ©renabierftraße.
äßenn ber Abenbftem aufgeht unb bie ^Bitterung
bie Pemohner nicht in bie Käufer 3roingt, bann
tann man in ber ©renabierftraße ein reges £eben
fid) enttoideln fel)en. Da fteben fie auf bem Damm,
hanbeln mit gcfd)äftigen §änben uub 3wngert, mit
erregten dienen unb laffen fid) burd) ben patrouil*
lierenben Sd)ußmann, ber immer toieber betont,
bah bas preuhifd)e ©efeß bas offi3ielle ^Xbfd)tiefgen
oon §anbelsgefd)äften auf bem Straßenbamm oer=
bietet, nur toenig ftörert.
2 Bo ein SBille ift, ift eben auch ein 2 Beg.
33 on bem Prin3ip aus oerfud)t man aud) 311
tppifchen Photographien 3U gelangen, ©s hält
fdjtoer.
$at man burd) Cpfer oon ©elb unb guten
ÜBorten erreicht, bah er, ber ©efißer eines £>bft=
tellers, einige Piimiten fiillhalten toill, um auf bie
Platte gebannt 3U ooerben, fo ftürst feine beffere £>cilfte
erregt aus bem Ämtern bes Kellerloches unb ent=
3ieht ihn mit ettergifd)em ©riff ber inbistretert
£infe bes Photographentaftens. ©s toirb aud)
oerfud)t, in bie Kleiberbörfe ein3ubringen, troß
bes Verbots.
SBefonbers reinlid) ift es ba brinnen nicht —
bas bringt bas SJtetier fo mit fid) —, uiel 3eit bleibt
aud) *ad)t 3um beobachten, benn fd)on fragt ber
£eiter ber börfe nad) bem ©runb bes ungebetenen
befudjes. 3*seubein Anliegen toill man t)or[d)üßen,
es hilft aber alles nichts, hie* haben nur bie ber=
triebenen Wußlanbs hausrecht, hier finb alle An»
toefenben ^Bieter eines Quadratmeters, unb ber
fd)leunige Wüd3tig auf bie Straße toirb nad)briid=
Ii<h geforbert. So nad)briidlid), bah utan froh ift,
in menfd)lid)em 3uftanbe toieber braußen 311 fein.
9 Bie gefagt, fd)ön toar es in ber Kletberbörfe
gerabe nid)t, fel)r fauber aud) nid)t, bie 3ufammen=
gepferd)t ftehenben Bieter ber Quabratmeter unb
bie Atmofpl)äre toaren gleid)falls nid)t 3U „genießen";
aber man hat bod) gefeßen, hat bod) einen feltenen
©inblid in bas fieben eines eigenartigen ©ölfdjens
getan, hat bod) einmal einen tleinen Ausfcßnitt
aus ber ruffifd)=jübifd)en Alltäglid)teit mitten im
her3en ^Berlins erleben tönnen, unb bas lohnte
fid) immerhin.
Die Uibratioti$ma$$age des Crommelfells gegen
* Schwerhörigkeit, -
Ohrensausen und Olmleiden
oerfdjii’bener Art ift fachmännifdjen Greifen burd) bie ^orfdjutigen nam*
Ijafter ©eleßrten längft als ein ausgezeichnetes mtb mirffameS £>etloer-
fahren befannt geworben. 9Jlit ber §anb ift natürlich bem Drommelfell
nicht burd) SDtaffage wirlfam betjufommett. ÜJlan ift beShalb auf bie
Jed)nit' unb STlecbanif, auf Apparate angetoiefen. DaS Problem eines eim
fachen, ba()er nicht gu loftfpieligen, foliben, gmedmäfngen BibratorS gur
Alaffage be§ inneren D()reS ift jet 3 t gelöft burch ben Apparat „Hudito“
ber girma ©mit Soeft in Duberftabt. @S fönnen bamit gleichzeitig
beibe Ohren ober aud) nur eines beljanbelt merben, aud) lä&t er fid)
burd) einen einfad)en ^»artbgriff auf baS Eleinfte geioünfdjte 2Jtajj oon
BibrationSftärEe einfteßen, roirtt aber auch toieber um bei ©tarfftellung
red)t träftig. Webeninftrumente ober hoppelte Apparate für bie oer=
fchiebenen ©ebraud) 3 giüede finb unnötig.
Sßie mancher glaubt fid) hoffnungslos leibenb, loeil ihm bie mo=
bernen ioiffenfchaftlid)en ^ortfehritte in ber 0 h l ' en bef)anblung unbefannt
finb. Pflicht jebe§ einzelnen ift beshalb, fid) mit ben neueften ©rrungeiu
fd)aften unb ben toirtfamften SSehanblungen oertraut zu madjen, momit
eS nicht feiten gelungen ift, aud) noch in oeralteten unb oerpoeifeltett
3 ‘äüen baS Seiben ioirffam ju behanbeln. 3 a hlretd)e 21 nerfennung§=
fchreiben oon Patienten beridjten über ftannenSioerte ©rfolge, ioeld)e
burch bie 93ehanblung mit biefetn 21pparat bisher erhielt morben, unb
bieten neben ben ©mpfehlungen oon Autoritäten eine beacf)tenSioerte
©ernähr für bie fjeroorragenben Seiftungen beS „Hudito“.
Die gerichtlich eingetragene ^irnta 6mil CoeTt, Spejial-Jnftitut
in Duderftadt 46 am I)ar?, oerfenbet auf Sffiuufd) eine ausführliche
23rofd)üre mit Belehrungen u. BehanblungSoorfchriften für ©ehörleibenbe.
©ie haben nur nötig, bie Brofd)üre über „Hudito“ (Deutfcb.Reicbs-pat.)
gu oerlangen, fo toirb 3 h Iien ooUftänbig toftenfrei gugefanbt.
Ml LKA
VELMA
SUCHARD ’s
NOISETTINE
BELIEBTE ESS-CHOCOLADEN
Li 1
• l'*»
^S5af6orf-£lstoria
Ciaarcmes
t '2k ^
JL Birken-
3 haaKWtisser
Salrbrunner
Oberbrunnen
Katarrhe der Rtmungs- und Verdauungs*
IlAUltlDv orciane. Gallensteine. Nieren, und
Folgen der Influenza,
Umandt Gustav Strieboil, Bad Salzbrunn i. Schlei
Nasche 185 m/3.70 Nardusb//
Überall zu haben. KÄS
hin mal probiert Seiebi die nerven.
Jmmer,gebraucht
856
Übet fiatib unb 9Jleer
1911. 9tr. 32
► Photograp h/
[ Apparate ]
i Schoenfeldt &C9
L jnh.A.Roscher, Berlin SW.,
r Schöneberger 5tr.8
Scham (Bearbeitet von 6. Scballopt»
Aufgabe 13
SJon 3. 0. Chain tn £ereforb (Snglanb).
(Sßeu)
_©cfrrcars (3 (Steine)_
Auflösung der
Aufgabe 12
a bcd efgh 2S. 9. Kb4—c5 unb ge*
SDBeife (7 ©tetne) rotnnt leidet.
2Bet& jteht art unb fegt mit bem jjpetten _
8uge matt.
täglicher Ausgabe kann man durch Ankauf einer Tube
KALO DO NT für 60 Pfennig, die ungefähr 60 Tage
ausreicht, seine Gesundheit erhalten. Bei einer regel¬
mäßigen Zahn- und Mundpflege mit dem in allen
Weltteilen bestbekannten
MIT EINEM PFENNIG
Zahn-Creme und Mundwasser
(sanitätsbehördlich geprüft, Wien, 3. Juli 1887)
ist die sicherste Wehr gegen gefährliche Infektions¬
krankheiten, wie Typhus, Diphtheritis etc. etc. geboten.
F. A. SARG ,S SOHN & Co.
k, u. k. Hoflieferanten.
BERLIN. WIEN. PARIS.
Warum?
S: Die jetzise Aufmachung entspricht der Verordnung des deutschen Bun’desrate
befte @inmac()ebüd)fe
bet SMt bie
GEGRÜNDET
MBl I.!°r^ C ‘. Mil SBeil bet berjelbett ber
II I, , Ls Ml Sntjalt, tuie ©emüfe, Ofaft
11 . I 1 u.bgl.,nur mitöjla» inU3e*
II 1 -- 1 H rüljnmii tommt, jomit bie
aiP Ci i^gü: Dieinfjeit bei ©ejdmiadis ber
©mtjetueu ertjatten bleibt.
SBeil ber 5|3erfect=35evjd)luB abfolut äuberläfiiß
ift unb viele Saljre galten fann.
silleil bie ©ouferveu niemals bem SBerberben
au§geje(st finb, benn im fjalle ungenügenben ©in*
tüdjeitä hebt fidi ber ©laibedel von felbft, Weltteil
SBorjug teilt attberei ®la§becfel=St)ftem aufioetft.
Seber S8üd»ie ift eine genaue ©ebraudj&amoei«
(ung über bai ©inmaeßm beigelegt.
Qu Ijaben in aßen befjeren ®Ia§=, *ßoräeßan=
unb ^au§t)altung§aefdhäften, eventuell weifen
SBeäUQSqueUeit nach
Glashüttenwerke Adlerhütten A.-G ,
Penzig in Schlesien.
\ ßägmMler-Barnay
iW, .-A/^'ehejfa^f’DefaBzf'Mer Kronprinz - Rudolf *
ia Marlenbad
' verfedtlgt durch die Firma;
)Pr. CARL SCHWPLER-BABNAY, BERLIN-WIEN^
D as vorstehende Warenzeichen ist auf Grund des Gesetzes zur
Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894, gemäß d^r Anmeldung
1908 für Firma Dr. Carl Schindler Barnay, Berlin, Weinstraße 20a, a
1908 unter 109.996 in die Zeichenrolle eingetragen. - Aktenzeiche
Klasse 2. — Geschäftsbetrieb, in welchem das Zeichen verwendet
Fabrik pharmazeutischer Präparate. Waren, für welche das Zeichen
Marienbader Reduktionspillen.
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Stefe 9lino*©albe tvivb mit (Erfolg
gegen SBetnleiben, Siebten unb £>aut=
teiben ongemanbt unb ift in ®ofen
ä 9Rf. 1.15 unb 9Rf. 2.26 in ben atpotljefen
norrätig, aber nur ed)t in Original*
paefung roeifj* grün* rot unb $trnta
©dptbe'rt & So., 2Beinböl)la*®re§ben.
ftälfdjungen roeife man jurücE.
1911. $ftr. 32
ttber £anb urtb 9JIcer
857
<£tn0£0an0cnc Büilicr itttb
(Besprechung einzelner KUrhe Vorbehalten. — Rücksendung findet nicht statt)
•§eilbortt, ©rnft, ®ie (teile Stufe. Moment, ©erlag ©gon
gleifcßel & 6o., ©erlin.
.£>endel, ®atl, ©in $icßterbilb oon SRagba ganfen. ©ret§
fort. SR. 3.—. $ie 8 efe»©edag ®. in. b. £>., SRüncßen.
•£>errmann, ®urt, ®er Slampf um ben Stil, ©robleme ber
mobernen SRalerei. ©erlag ©rid) ©eiß, ©erlin.
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©udßßanblung, Stuttgart.
.£>eubner, iRubolf, Caroline Bremer. fRontan. ©erlag 8. Staad»
mann, Setpjtg.
§inberfin, griebrteß »on, $ie Seßre oom ©ß ©ßilofopßtfcß»
religiöfe ©etraeßtungen. SR. 3.—. Otto ©Meganb, Seipjig.
Dörfer, ©aul 0 §far/SJtufifftubenten. Sioman. ©erlag non
3. @rigelßorn§ Sfacßf., Stuttgart.
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©erlag ©gon ^letfdjel & ©o., ©erlin.
§ol!änber, gelt£, Unfer |>au§. SRoman. ©erlag ©rid) Steiß,
©erlin.
|>oioe, ©., ©ud)ner§ 8 eitfaben ber ^unftgefd)id)te. ÜReu bear»
beitet, ©rei§ geb. SR. 4.—. ©erlag ©. ®. ©aebefer, ©ffen.
£>ud), griebrid), ©njio. ©in mufifalifdßet Stomaji. ©et). SR. 4.80,
geb. SR. 6 .—. SRartin SRörifeS ©erlag, SRüncßen.
£ulfd), Söilßelm, ©o§lat. ©in Siaiferfang. ©legant geb. 3)1. 2.35.
S?ommiffion§oerIag Otto SRaier, Seipjig.
£>unolb, ©eo, ©alrii. Siomait eine§ beutfdjen ©ud)ßänbler3.
©rofeß. SR. 4.—, geb. SR. 5.—. @. Ungleicß, Seipjig.
Heller, |>eben, ©riefe meiner SBerbejeit. ©erlag Stöbert 8uß,
Stuttgart.
®nubfen, gafob, Um be§ 8 eben§ mißen, ©rsäßlung. ©eorg
SRerfeburger, Seip^ig.
Stößler, Dr. ©rtßur, Otto oon SBebefl unb ©lementine oon ber
©olß. ©riefe eine§ preußifeßen Offiziers an feine ©raut au§
ben gaßren 1799 unb 1800. Stöber & Sdjunfe, 8 eipsig.
ftoßut, ©bolf, ©u§ bem $>er,sen§ard)io oerliebter ©erüßmtßeiten.
©erlag 3teue§ Seben, Söilßelm ©orngräber, ©erlin.
Krüger, £erm. ©nber§, Stafpar Jitrumbßolß. Stoman. ©anb I
unb II. ©erlag ©Ifreb ganffen. Hamburg
Stügelgen, ©onft. Söilß. oon, ©rlebteS unb ©rftrebteS. ©ebid)t.
©erlag Stöber & Sd)un£e, Seipjig.
fturlanb, ©ottßarb, Sieber au§ Siieberfadifen. ©rei§ gel),
S)t. 2 .—, geb. SR. 3.—. guliu§ 3ioißler, SSolfenbüttel.
Sang, ®arl £>einricß oon, ©u§ ber böfen alten 8 eben§»
erinnerungen. ©erlag Stöbert Suß, Stuttgart.
Siliencron§ ©riefe an Hermann griebrid)^ au§ ben gaßren
1885—1889. ©eß. SR. 4.—, geb. SR. 5.—. ©oncorbia £eutfd)e
©erlag§anftalt, ©erlin W.
(©ejiljäfflttfic Ütfftettungen
Stidßt umfonft mar unb ift man beftrebt, aud) auf bem ©e»
biete ber <Sd)önßeit§pflege mit ber Söiffenfdjaft gleidjen Scßritt
ju ßalten. $ie meiften grauen miffen längft, baß man ent»
fcßiounbenen Sieijen nießt burd) ©über unb Sdjminfe mieber auf»
ßelfen, fonbern baß man nur bureß natürlicße SRittel etroa§ et»
reidjen fann. ®a§ „©ßari§"»Spftem ber grau ©. U. Scßroenf»
Ier, ©erlin W 57, ©otSbamer Straße 86 b, gibt jeber grau ein
©erfaßten an bie §anb, ba§ fieß fdion taufenbfad) at§ ein mirt»
Iid)er Jungbrunnen ermiefen ßat unb burdß {einerlei anbre SRittel
aud) nur annäßernb erreicht roirb. Stäßeve Orientierung bietet
eine ©rofeßüre ber ©rfinberin grau Sdpoentler.
©ab Steicßenßall. 2>ie ©orbereitungen jur Saifoneröff»
nung am 1 . SJtai finb beenbet, bie ©abe» unb Suranftalten be»
finben fieß fdßon feit ©nbe ©pril in betriebsfähigem 3 uftanbe.
SRitßin lann man bereite afle Sturen, einfeßließlid) ber burd)
Sißungen in ben pneumatifdjen Stammern ju betätigenben, oßne
febroebe ©infdßräntung burdjfüßren. ©m 1 . SRai begannen bie
©or» unb 3tacßmittag§fomerte ber St. Sturtapeße, alle Stäume
be§ St. SturßaufeS finb geöffnet. 2a^ ®rabierßau§ felbft ift fdjon
feit SRitte ©pril in ©etrieb. Sin ©eranftaltungen ßat ber Stur=
oerein für bie tommenbe Saifon einen „©unten populären
©benb" im Sturßau§, eine „Sommernacßt§reboute" im Sturpart
unb einen „SRargareten» unb Stornblumentag" im gef amten Stur»
rapon oorgefeßen.
atßetn.gnferaten=9tnnaßme cv 3nfevfio*t*-©ebüßrt«
bet Ün&olf piolTe. illTlPTltPtT für bie fünfflefpaltene
2 tnnoncen=@rpebttton für xVII/lLUlII ©onparettte^BeileSR- 1 - 80 ,
fänttltcßeBettungen$eulfcß» V für bie Sdnoeij, Statten
tanb§ unb besi 9tu§tanbe8,-unb ftranfreieß 2 . 2 6.
tn ©erttn, SreStau, ©ßemntß, ®re§ben, ®üffelborf, granffurt a. Wl.,
ftaüe a. ©., Hamburg, Äöln a. Stß., Setpstg, Sonbon, ©lagbeburg,
©tüneßen, Nürnberg, ©rag, Stuttgart, 3Bten, Büricß.
B mm' |4
en^GlanzlaCKl
•ttrocknend, 1. -
sruchlos^ “ -
vergrößert kleine unent¬
wickelte u. festigt welke
Büste. „Charis“ ist nach
berühmtem und von fast
allen anderen Aeizten
anerkanntem Professor
BierschenSystem( Hyper¬
ämie) konstruiert u. hat
sich lOOOfach bewährt.
Den Brüsten wird mehr
Nahrung(Blut)zugeführt,
dadurch straffen und wöl¬
ben sie sich. Kein Mittel
kommt „Charis“ in d.Wir-
kung gleich. Kein scharfer
Druck durch einen harten
I Brustformer,
Photographische Aufnahme einer
48jährigen Frau nach lOtägiger
Anwendung meines orthopädi¬
schen Brustformers „Charis“.
„Charis“
Englisches Patent [
Glas- oder Metallring, der
schädlich wirkt. Damen
tun gut, ehe sie teure Sa¬
chen vom Ausland kom¬
men lassen, erst meine
Broschüre zu lesen. Ich
leiste für Erfolg Garantie.
Broschüre mit Abbildun¬
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Bei Tuberkulose, Lungenschwindsucht* 1
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temperatur und Schlaf, Verminderung des Hustens, Auswurfs, Nachtschweiße fest¬
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*) Claude & Aly Zaky, Presse medicale. Mercks Berichte 1901, 1902, 1905, 1906.
Hartenberg, Revue ther. Goliner, Reichsmedicinalanz. Morrichau-Beauchant, O’Tabary,
Bernheim & Dieupart, Revue inter.
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3)te &unft ber altberühmfen Stabt Ulm unb ihrer 9fteifter mar — überftrahlt Dom 9\ut)me ihrer größeren Schmefter, ber 9^ürn--
berger ttunft, mit ©rof^meifter < *2Ubrerf)f ©ürer, °peter Vifdjer, “^Ibam straft u. a. — lange 3eit außerhalb ber Greife ber 5?unft--
gelel;rfen faft oergeffen. ©iefeä V3ert füf)rt nun bie Himer Vkler-- unb VÜbhauerfchule in il;ren michtigften Vertretern unb in
tbren Äauptmerfen bent 5tunftfreunbe oor ‘ilugen. ©3 mill bie in Kirchen unb Stapelten, in ©emälbegalerien unb ^llfertümer--
fammlungen noch fo gahlreich erhaltenen herrlichen Sdpöpfungett eineg 9D [ ?ultfd)er, 3eitblom, Schaffner unb Sprlin mieber ju neuem
leben ermetfen. ©er Vanb bietet für bie Kenntnis biefer Vfoifter mit feinen Dielen großen, ganjfeitigen ‘Slbbilbungen ein ‘Sln--
fchauunggmaferial Don einer faft unerfd)öpflid)en Smlle unb 9?eidj)halfigfeit. ©aju tritt ein Don Dr. Suliug Vautn, einem ber
beften itenner ber fchmäbifdjen VZalerfd)ule, gefd>riebener ^ejf, ber in Dolt^tümlid>er Sprache bag Verftänbnig für bie Schönheit
ber xBerfe biefer alten SO^eifter anjubahnen fud;t. ©ag Vöert oerbient, bafj eg nicht nur in ber Vücherfammlung beö Stunft--
hiftoriferg, fonbern in ben meiteften Greifen ber Itunfffreunbe ©ingang ftnbe unb heimifd) toerbe.
SDtündjen, 2Ute pinafot&et
Pfcof. 23rudmann 21.
SKündjen, 2tUe pinatofbet
Pi) 0 t. 3. 23rudmann 21.»©.
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121
938
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1911. 9tr.35
31 ngia&z tn Sfuffgaxf
(3um Sitelbilbe auf ber »orljergetienbett ©eite)
e ine gro^siigige SSeranftaltung für einen Sßettftreit beutfdjer
glieger fattb oom 6. Sftai ab einige Sage bintereinanber auf
bem ©annftatter Söafen in Stuttgart, jener füion au§ ber »or*
märälidjen 3eit allgemein betannten roeiten Söiefenflädje aut
rechten Biedlarufer, ftatt, bie ber Flieger Siebter' bereite feit
äßodjen al§ glugfelb benußt unb ergrabt batte. beiläufig fei
baran erinnert, bafj' auf bem ©annftatter Söafen aud) fcfion
roieberbolt glugfc^ifflanbungen erfolgten, fo ber 3eppelirtf«^iffe
unb be§ ißarfeoal. Sie 2lu§bet)nung ber glüge im SÖtai auf
eine aotte SDBocfje, bie iljre Unternehmer in ©rroägung gesogen
haben fotlen, »erbot ficf} leiber infolge ber äöetterungunft. Sine
beteiligten Flieger erhielten trefflicfje Seiftungen, namentlich !>el»
mut §irth auf feinem @trich=9tumpier*@ittbecler „Saube", ber
ben bisherigen beutfdjen .g)ö£)enre£orb für ißaffagierflug »on 640
Sltetern mit 800 um beren 160 überbot, unb §an§ ©rabe mit
feinem ©inbecfer „krummer", ber. ficb am abenblicfjen Himmel
einer riefenhaften Sibetle gleich tn ruhigen, grasiöfen ©leitflügen
auSjei^nete. Slüch ©gring, giebler unb $?önig mit ihren ®oppeP
beifern leifteten 23orpglicbe§. Spring beseiihnete einem Sjtit=
arbeiter be§ Stuttgarter „Bleuen SagblattS" gegenüber ben
2 Bafen als ein ibealeS glugfelb mit bem §injufügen, er glaube
nicht, ba| in Seutfchlanb mehrere beffere su ftnben feien.
mäniter$tanarät$el
Sin Stelle ber fünfte ftnb 23ud)jtahen gu jeßen, fo bafß
alle elf SBörter je einen männlichen Stanb (23eruf, 23e=
fdjäftigung) ergeben.
2)ie auf bie fetten fünfte fallenben 23ucl)ftaben nennen
bann toieber einen männlichen Stanb, ber fetjr oerbreitet ift.
21 , bat, bi, för, ge, gent, ger, jä, jun, tauf, tiinft, tut, Ianb,
lehr, Ier, mann, mann, ret, fdjer, fol, fter, ter, tor, oer, mal.
©. £>.
Kryptogramm: Die Scbultafel
— f
gl 12.11 6,5.2. s: 7. je. 7.3.9,10: gj .
m », 2, 3, 7.2. 8-. 12,71, /. 5,1(7, m
Kogogripb
3Drei .Stopfe nennt mir, mollt ihr 2Biß bemeifenl
Ser erfte ißt, mie anbre Stopfe effen;
Ser gmeite Aopf bagegen mirb gegeffen,
Ser britte läßt paffieren alle Speifen.
Saß man ber Stopfe Urtier fdjieb erfeh,
Schreibt man bie bret mit a, mit o, mit e.
©: (5. %
Auflösungen der Rät$elaufgaben Seite $$4:
Ses Somonpms: „©efcßtclt.“
Ses ^üllrätf eis: 1. foeinrid). 2. ©ule. 3.£ang. 4. ©f.
5. SRadhtigall. 6. fßaul. 7. fReis. 8. Oper. 9. 3entigramm.
10 . ©r. il. Sah*. 12. Spat. 13. ©ibechfe = ^eienprojeffe.
Ses Spricfjmorträtfels: SBeile, §eer, £erd)e,.
§ans, Bleiben, ©albe, BJteljr, §aft, Schmeben, SBette, 23alten,
2ßaII, SBibber, Soge, Sterle,' “Reißer, Saite, ©iter, ttReffe,
©ohn, §elle, BJloor, Singer.
grtfdE)e g-ifche, gute gifäje. 2Ber nicht roill, ber hat jcßort.
Btidhtige Söfungen fanbten ein: SJjetla ®ißer, 9tegen§*
bürg (3); ©eorg SftüHer, fRathenoro (2); Qob. iß. Stoppel, |>am*
bürg (2); JHonrab fßolfter, Sieumartt in Steiermart (1); 2Bara§*
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Um die Büste zu entwickeln u. befestigen
nichts kommt den Pilules Orientales eieich
Schon zu allen Zeiten hat die Frau ge¬
sucht ihre Schönheit zu vervollkommnen.
Aber von allen Schönheitsmitteln, die ihr
zu Gebote stehen, ist wohl keines höher
einzuschätzen wie dasjenige, welches wir
beschreiben werden, und mit dessen Hilfe
jede Dame und jedes junge Mädchen
einen schönen und üppigen Busen er¬
zielen kann.
Dieses Mittel ist von schneller und dabei
gänzlich gefahrloser Wirkung, und häufigr
genügen 14 Tage nur, um überraschende
Erfolge zu zeitigen.
Madame L.... schreibt:
„Seit 14 Tagen befolge ich nun Ihr Ver¬
fahren, und ich bemerke mit größter Ge¬
nugtuung bereits jetzt eine wahrhaft er¬
staunliche Wirkung ..."
Wir wollen gleich im
voraus sagen, daß dieses
Verfahren eine innere
Behandlung ist, wodurch
allein eine vorteilhafte / ft ff ■ '
Wirkung auf den Busen
ausgeübt werden kann, Pv.i'/HBff 't £
denn diese Organe emp- V ■ 1
fangen ihre Nahrung aus- «
schließlich aus dem TrJ F
Innern des Körpers und ig psjP "
können nur durch Mittel 2MP
beeinflußt werden, die ^
direkt auf ihr Nerven-
System und ihre Ernäh-
rungszufuhr wirken. wjBaBBg&MxgM
Das ganze Verfahren
ist äußerst einfach und
nehmen von winzigen yMWM
Pillen, die man zweimal n
täglich zu sich nimmt;
kein Vollstopfen mit
Mehl, keinerlei Einreibungen oder kom¬
plizierte Operationen, die ebenso wir¬
kungslos wie unnütz sind, kommen hier¬
bei in Anwendung.
Diese Pillen heißen „Pilules Orientales
Ratie“ und besitzen eine genügende
Wirkungskraft, um der Ernährungszufuhr
der Frauenbrust die entsprechende Rich¬
tung zugunsten der besseren Entwick¬
lung dieses Organs anzuweisen, und es
wird so die erforderliche Anregung zur
Entwicklung und Festigung des Busen
gegeben.
Tausende von Dankschreiben, die uns
von allen Seiten zugeheh, sitld der beste
Beweis hierfür, und führen wir nur eines
derselben hier an:
Herrn ... Ich habe Ihre Pilules Orien¬
tales angewandt, und macht es mir Freude,
Ihnen mitteilen zu können, daß mich die
erzielte Wirkung sehr befriedigt hat.
Auch mein allgemeines Befinden ist nicht
im Geringsten nachteilig beeinflußt wor¬
den, im Gegenteil: ich habe niemals
besseren Appetit gehabt als während der
Dauer der Kur. Ich kann mich daher nur
dazu beglückwünschen, von Ihrem Mittel
Gebrauch gemacht zu haben. Ich danke
Ihnen aufrichtig und erkenne freimütig
die Wirkungskraft der angewandten
Pillen an. Ich mache es mir fernerhin
zur Pflicht, Ihr Medikament jeder Dame,
die dessen bedarf, zu empfehlen.
Gez.: Frl. Marie B...
Bad Landeck, Rheinland.
Wir hoffen, daß ein so offenherziges
und freiwillig geliefertes Beweisstück
unseren liebenswürdigen Leserinnen ge¬
nügt und uns davon ent¬
hebt, hier deren weitere
l. anzuführen.
Blk Verzweifeln Sie daher
l§|gk nicht mehr, wenn Ihre
WSm Büste nicht die wün-
Hga sehenswerte Fülle zeigt,
oder wenn durch Neben-
umstände mannigfaltiger
Art deren frühere Festig-
■- keit und Ueppigkeit ver-
loren gegangen ist. Ver-
K k zagen Sie selbst dann
jf|fe nicht, wenn Sie bereits
% \ andere Mittel ähnlicher
*1 \ Art ohne Erfolg probiert
j haben. Wie dem auch
/' J sei: versuchen Sie auf
/ Jr jeden Fall Pilules
Wr Orientales Ratie; Ihr
^ Busen wird sich nach
H||||ta^ einigen Wochen ent¬
wickeln und fester wer¬
den, und die häßlichen
Knochenvörsprünge des Halses ver¬
schwinden dann gänzlich, wie durch
Zauberei.
Diese, von ärztlichen Berühmtheiten
erprobten Pillen sind der Gesundheit stets
bekömmlich und eignen sich für Damen
und junge Mädchen aller Naturen.
Nehmen Sie daher ungesäumt Ihre Zu¬
flucht zu ihnen.
Um franko und diskret einen Flakon
Pilules Orientales zu erhalten, genügt es,
M. 5.30 pef Auslands-Postanweisung oder
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in feines £äcl)elrt I)u[d)te um
Vi/ ben 9 Jiunb ber Sd)wefter,
als fie gleid) nadlet auf bie
grage bes tfapitärts itad)benf=
lief) enniberte:
„ÜHlerbings. 2ßeuigftens tft es
uns allen aufgefallen, bafj bie
girma tf)r nur bas 'Jleifegelb
3weiter Kajüte bewilligt t)at. Sie
roiffen ja, was and) ber $irma
nid)t unbefannt fein formte, baf)
auf biefen flehten Dampfern bie
3weite Kajüte ungefähr bem 2lus*
wanberer3wifd)enbecf auf großen
£>3eartpaläften gleidjfommt, el)er
fd)limmer ift, ba bie ^ßaffagiere
fid) felbft beföftigeu müffen. Unb
für biefe Koft hat bie fyirma
unfrer fleinett Ccmmi) einen fold)
geringen 23 etrag bewilligt, baf)
fie fid) bafür l)öd)ftens einige
belegte ^Butterbrote taufen
tonnte. Unb bas ©ef)alt, oier3ig
fronen für ben Anfang, ift and)
nid)t gerabe glän3enb, bie 9 Ir*
beits3eit bafür um fo länger —
oon ad)t bis ad)t Ul)r mit fleiner
ÜERittagspaufe."
„ 9 ta, id) baute," entgegnete
ber Kapitän, unb je^t flang es
, faft wie 2 But aus feiner Stimme.
„Das fd)eint ja eine nette Srirma
31t fein; ba werbe id) mir aud)
nod) erlauben, mal grünblid)
nad)3uforfd)en, wie es bem
armen Stinb bort gel)t. ^Iber,
Sd)wefter, eins oerftel)e icf) bei
allem bem nid)t: warum mag
fie nur fo erpid)t fein, einen
offenbar miferablen Soften im
^luslanb an3unel)men, wenn fie
in ber Heimat nad) 2 Bunfd) aus*
gebilbet werben fann? Das
möd)te id) wirflid) wiffen!"
3n biefem ^tugenblid trat ber
Steuermann an Stiels l)eran,
unb bie Sdjweftern 3ogen fid)
in bie Kajüte 3urüd, um nad)
itjrem Sd)ütjling 3U fel)en.
ßmmp Steinl)art faß auf
einem fleinen Sofa bes Darrten*
falons, beffen SBenutping nur
ben gat)rgäften erfter Klaffe ge*
ftattet war. 3 E)r 23 ormunb hatte
nicf)t 3ugegebeti, baf; fie 3weite
Kajüte reifte, unb als [\t fid)
eigenfinnig weigerte, bie Summe
‘ für ein befferes 23 illett an3U*
nehmen, X>atte er il)r felbft ben
‘’JHafc be3at)lt unb ben Schein
ben Sd)weftent übergeben. (£r
glaubte fein äRi'mbel besl)alb
• nod) im 23 efit) ber il)m oon ber
girma gefd)idten 9 teifefumme.
Sber bie war fd)on an eine be=
ftimmte ^tbreffe abgefanbt wor=
ben, unb bas junge 9 Jtäbd)en
brannte barauf, halb weitere
Summen folgen laffert 3U tön*
neu. ( 5 s war ja ifjr eigenftes
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940
Über £anb urtb 9Jleer
1911. 35
fd)mer3ltd)es ©eßeimnts, ba^ it>r geliebter 33 ater
nid)t nur mittellos geworben toar, fonbern eine
Sd)ulb ßinterlief), oon ber er il)r auf bem Sterbebett
gefprocßen, eine Scfyulb, an ber er fcßon mancßes
3at)r fd)roer getragen nnb bie nod) immer nid)t er=
lebigt mar. Um mas es fid) eigentlich banbeite, erfuhr
fie 3mar nid)t, aber fo oiel batte fie oerftanben, baß bie
©ßre iljrcs 33 aters bie Tilgung biefer Scßulb erforberte,
urtb fie oerfprad) il)m, alles 311 tun, um fie balbmöglicbft
311 begleiten. Daher griff fie rafd) entfd)lof fen 3U, als ber
(£l)ef ber §anbelsfd)ule, an ber fie einen taufmänmfcßen
Kurs abfoloierte, ihr ben ^ßlat) in ©ßrtfüania anbot,
beim fie mollte ja oerbienen, um bie nod) feblenben
fed)sl)unbert ältart balbigft ab3utragen. Unb mer
fcßlteßlid) in ber Heimat fragte nad) ihr? Ste mar
ja fo einfam mit ihrem 33 ater gemefen, einfamer nod),
als bie $0lutter nid)t mehr lebte, unb nun, mo and) er
geftorben, fragte erft recht feiner nad) ihr. ^Xllerbings,
ihr 33ormunb mar ba, aber ben oerbanb nur cßrifü
lid)e ^fließt mit il)r—ba bas ©efeß fie feiner Sorge an=
oertrant — aber feine perfönlid)e Hiebe — fie mar
gan3 allein. 911 s fie baran badhte unb ba3ii bas ©e=
räufcß ber Abfahrt hörte unb merfte, baß ber Dampfer
anfing, ben $afen 3U oerlaffen, fiel fie bitterlid)
fd)lud)3enb in bie roten Samtfiffen unb mürbe erft
ruhiger, als bie beiben Sd)meftern mit linben SBorten
ihren Kummer 3U füllen fud)ten.
Das mar ein ÜBetter heute!
Sd)toefter ©ßrtfüna unb Sd)mefter eignes lagen
beibe fterbenselenb in ihrer Sabine auf bem 23 ett.
©ben mar ©mmp Steinhart bei ihnen gemefen unb
hatte gefragt, ob fie ihnen nicht irgenbmie helfen
fönne, aber fie hatte nur bie matte ülntmort be=
fontmen. „Hiebes i\inb, machen Sie nur, bah ®fe
auf Ded fommen, hier unten mirb es Sie aud) paden,
uns hilft nur s .Rnße!" Da mar fie füll hinauf gegangen
unb blicfte nun ftaunenb auf bie hod)gehenbe See hin,
oon bereu Schönheit fie ftd) bisher feine 23 orftellnng
hatte machen fönnen. Das mar eine ^racßi! Da
tonnte man faft fein Heib oergeffen! 9 lber mie halb
mürbe bie fd)öne <yaßtt 311 ©nbe fein, unb fie muhte
im bumpfen Kontor ftßen. ffeine lieben s fßlauberftunben
mit bem Kapitän gab es mehr; mit intereffanten 23 e=
lel)rungen über Hanb unb Heute feines fd)önen §eimat=
lanbesj über Sd)iffal)rt, 9 Jteeresfunbe unb mas fonft
mit feinem 23 eruf 3ufammenl)ing, mar es bann aud)
aus — nur ber graue, müßeoolle Alltag martete auf fie.
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er Stutfd)er ftanb regungslos, mährenb bie
Sctjaufpielerin ben SBrief las. feiner
feiften ©tiene geigten fid) eifige Distretion unb
forfd)enbe Neugier. Sr toar ein Kenner, er
hatte fd)on manche Lbfd)iebsfzene mitgemacht
— bie Leihenfolge, in ber fief) ©erzmeiflungs*
ftabien abgufpielen pflegten, toar if)nt toof)I=
belannt. 3uerft tam toieber bas 3ufammen*
brechen in ben Fauteuil, b er bei folgen ©e*
legenheiten immer baftanb, ein Sd)Iud)3en
fdhüttelte bie fchöne $rau, ein Verbergen bes
Lntlihes in ringgefd)müdte §änbe folgte, aber
bas letztere bauerte biefes SJlal nicht lange,
früher, als er beregnet hatte, fuhr ßueie
Naumann auf unb fchleuberte ihm bas ©rief*
iuoert ins ©efidft — es tat empfinblid) toef),
benn Demmler tonnte nicht mehr austoeichen.
Sofort brach nun bie Staltation los.
„Sr macht leine Lebensarten? Lus Lebens*
arten feib ihr ja 3ufammengefeht, • ihr herz*
lofen, unbanlbaren, unbarmherzigen ©ef eilen!
ßeugne es hoch, bu ©ebientenfeele!" Sie
fprang auf unb tat ein paar Digerfdritte auf
Demmler 3 U.
Dem Stutfd)er fiel es toeber ein zu leugnen
noch überhaupt ettoas zu antroorten. Sr
madjte ein überlegen objeltioes ©efid)t unb
lehnte jebe ©erantmortung ab.
ßuäe fdhüttelte recht bebenllid) bie geballte
3 auft oor feiner Lafe. „Diefes Komplott!"
fd)rie fie. „Diefes Komplott! Sie finb bod)
feine Areatur, Sie toiffen bod) alles, Sie hat
er gefd)idt mit bem ©Sagen, toie zum £>ohn —
er hat fid) felbft nicht hergetraut, ber |jelb!
Sin Briefchen — bas ift alles! Das übrige
beforgf ber lluge Demmler, nicht toahr?! £>h>
id) fenne bas! Sie haben ja fdfon einmal
fo oor mir geftanben! Sie haben fid) fd)on
einmal zu biefer !$eutersarbeit hergegeben!
Der ©raf hat Sie 3U mir gefd)idt! Das
haben Sie toohl bem Keinen Lominger erzählt?
ßädheln Sie nicht, fonft ermürge ich Sie!"
Der Stutfdjer marf ihr einen toarnenben
©lid 3U, ber ihr zeigen follte, bah er nichts zu
fürchten habe. Die £änbe ringenb, fchritt ßueie
Laumann im 3 üamer umher. Der S)ut toar
ihr burdh bie heftigen ©emegungen 00m Stopf
geglitten. ©Sie in ben roirffamften Lugen*
bliden auf ber ©ül)ne ging ihr 3um Schluß
ihrer Lebe bie Stimme aus. ,, 3 d) armes,
1911 (Sb. 106) ■,
oerlaffenes ©efdt)öpf! Lltes* ..habe ich her*
gegeben, meine ganze gemaltige ßiebe, unb
jetjt oerabfehiebet er mich oüe ein Läl)=
mäbchen! ©Seshalb? Sr hat feiner ©tutter
gefdhtooren —? ßädherüd)! Seine ©tutter
pfeift auf Schmüre, ber ift ber Srnft bes ßebens
rourft, ber grofee Srnft! © 3 er meih, ob Start*
mann bes 'profeffors Stinb ift! Lein! 3 <h
Iaffe mir nidhts oormadhen! ©Sarurn gibt er
mich preis, mid), mid), bie einen Lanzen ab*
geroiefen hat um feinetroillen? Um ein o er*
toöhntes Süppchen ohne Lamen, ohne ©e*
ruf, ja ohne ©elb? Sin Lichts ift biefer £err
Startmann, bei ßidht befehen — nur roas ber
liebe ©ott ihm gab, bas biffchen 3 ugenb*
frifche, bas ift roas! Das roirb halb hin fern!
Lber eines mill ich uod) toiffen! Sines muh
ich noch toiffen! Sie finb feine Kreatur —
leugnen Sie nicht, Demmler, toemt 3 h n en
3 hr ßeben lieb ift — ich laffe Sie nicht aus
bem 3 tntmer!"
3 et|t roagte Demmler etroas, als ihm bie
Lafenbe gar zu nahe tam. Sr oerfehte ihr einen
unfanften Stoff unb muffte, bah er baburd)
nicht ihren Leooloer auf fid) lenlte, fonbem
fie fegensreich abtühlte. Sie ftarrte ihn auch
mirllid) nadh feinem ©Sagrtis mie ein $iIftofes
Stinb an, unb im nächften Lugenblid brach fie
mimmernb in bie Stnie.
„Srbarmen!" rief fie. „ 3 <h lann nidht leben,
menn id) nicht meih, mer mid) um ihn gebracht
hat!"
Demmler manbte fid) zur Dür. ,,© 3 emt Sie
fähig mären, mich anzuhören, gnäbiges $räu=
lein —"
„ 3 a! 3 a! ©erzeihen Sie mir alles !"
,, 3 d) fdjmör' 3 htten, id) hab' leine Lhnung
oon ber Dame, bie Sie meinen."
„Llenfch!"
„ 3 di meih nichts. 3 $ bin felber heut ooll*
tommen baoon überrafd)t morben."
„Lber Sie merben fie mir nennen, menn
Sie miffen —?"
„©Sie tomm' ich benn bazu? ©Sas fällt
3 htteu ein, mir fo etmas 3 U 3 umuten? 3 ^h bin
ein ehrlicher ©ebienter, meiter nichts —"
„Oh!"
„ 3 ch hab' 3 htten ben ©rief meines $errn
übergeben, unb nun rieht' id) aud) nod) ben
übrigen Luftrag aus. 3 <h führ' jet)t ©ferb unb
©Sagen auf ben $of — ber Sieble lann ja
bamit umgehen, ber foll für einen Stall forgen.
So. Ss tut mir leib, bah ich Stäulein %xu*
mann foldje Unannehmlichleiten hab' bereiten
müffen — aber id) hab' lebiglid) meine Lfüdht
getan. Smpfehl' mich,, Fräulein Laumann."
’ Sr oerfchmanb. Loch eine halbe Stunbe
hodte./bie- Schaufpielerin auf bem Deppid)
ihres: Salons — bann erft erhob fie fidh ge*
brochen, Irampfhafte Schludhzer erfchütterten
fie noch, Startmanns ©rief lag zerlnüllt am
©oben, ßangfam fc^Ieppte fm fidh 3um 3 eufter.
Da fah fie ben alten Sieble unten auf bem S>of
ftehen, ber mit einigen Lachbarsleuten ben
filbergefd)irrten Lappen unb bie gelbfeibene
Stutfdje bemunberte. Sie tufdhelten mohl fdhon
ooll Schabenfreube über bie ©erlaffene unb
fahen mit Ledjt ihr ©lutgelb in bem herrlichen
©efdhenl. Lber herrlich mar es. 3 et)t erft, ba
Startmann nicht mehr lam, begriff fie feinen
©Sert. Sie mollte es natürlich fofort ©erlaufen,
bie Srinnerungen an ben Dreulofen nicht mehr
fehen. Ober follte fie es ihm nicht lieber fofort
Zurüdfd)iden? Lud) bas Stollier unb bie Lrm*
bänber? Lein! Sie mollte 3um Unglüd nicht
aud) nod) bie Dummheit fügen. Solch armes,
oerlaffenes Dheatermäbchen muhte fefthalten
unb ausnuhen, mas ihr blieb. £% fte mollte
überhaupt oon jet# an nur nod) lalt beredhnenb,
erbarmungslos für ihren ©orteil leben. Ln
nichts mehr glauben, an nichts! Ss mar ein
Heines ©ermögen, Squipage unb Sd)mud. Dh»
ber lange Dag, ber nun oor ihr lag... ©Sie mar
fie mübe gemorben burdh bie furchtbare Luf*
regung! ©Sie mar fie einfam! ©Bas fing fie an?
Sollte fie an ihre Ltutter fdjreiben? Lein.
Da lag fa nod) ein anbrer ©rief auf bem
Sdhreibtifdh, ber beantmortet merben muhte.
Die Sinlabung ber ©Ründpter 3 ntenbanz zum
©aftfpiel auf Sngagement. ^tomohl, fie zögerte
nicht mehr. 3^ht omr ihr ein 3ei<hen gegeben
morben. 3 mbricf)sburgs Staub fdhüttelte fie
oon ben 3ühert -— biefes etenbe Lhtüfterneft.
Lach ©tünchen ging fie. Die ©tebea fpielte fie
bort, zum erftenmal bie ©tebea. Hub ber alte
gürft irfaffelberge? Der lebte ja in ©tünchen.
Dem mar fie immer milllommen ... ßueie
Laumann fah bis zum Lb enb am Sdhreibtifd)
unb fhrieb brei ©riefe. Sinen an bie ©tündhner
3ntenbanz, einen an eine oornehme L^fton
unb einen an ben dürften — ber belam ben
längften. —
Startmann erm artete Demmlers ©otfdjaft
im §oteI Lopal, mo er zu feiner 3 ^ube bas
Heine, 3um Sd)Iohplah h^ausgelegene Sd*
3immer unbefeht gefunben hatte. Shabüs
fdflürfenb, faf) er träumerifh auf bie alten
ßinbenbäume hinaus, bereu Stronen bas Leiter*
ftanbbilb Lugufts bes Siegreichen umgaben —
ber ßärm ber oerlehrsreichften Sde 3 mbrid)s=
burgs, Schlohplah unb ©rohher3og s 3Lebri<h^
Strahe, tönte nur in halben ßauten zu ihm
hinauf. Startmann mar ganz ruhig gemorben.
Dem ©erhör ber ©tutter mar er glüdlid) ent*
gangen, benn Stlementine mar heute fdhon früh¬
zeitig nad) Lnnashorft aufgebrodhen, mo unter
bem Lroteltorat ber ©rohherzogin ein © 3 ot)I=
tätigleitsbafar ftattfanb. Stlementine Lominger
oerlaufte bort Stidereien unb bemalte < 5 olz=
teller, zum Deil Lrbeiten ihrer eignen lunft*
fertigen §änbe. ©tartha, bas Stubenmäbdhen,
bie Startmann auf feiner ©tutter ©efehl mie
ein Deteltio bemad)te, hatte ihm oerfichert,
bah bie ©näbige heute früheftens um acht
118
918
Über ßartb urtb SQleer
1911. Ar. 35
Uf)r heimtommen würbe. So formte er alfo
bas fdjwierige Kapitel £ucie burchführen, ohne
ron ber Vlutter gehört 3u werben. Als er
fid) eben ber Kaoiarfentmel 3ugewanbt batte,
bie ihm Alfons, fein oertrauter Oberfellner,
feroiert, öffnete fid) bte Tür, unb Karlmann
blieb ber. Viffen im Vtunbe fteden. Aid)t
Oemmler erfd)ien, fonbern in fetterem, oer=
traulichem (Sefpräd) als offentunbige gremtbe
— gtans Otto VraumüIIer unb greif)err oon
Viegenau. Das batte ihm gerabe gefehlt. Karl=
mann würbe gan3 bläh oor Vßut. V 3 ie pein=
lidf) unb Iäd)erlid) gugleid) war ber 3ufall!
SAuhten biefe beiben Sfel, biefe Schwiegerföhne,
biefe Schwäger in spe fich ausgerechnet feinen
lieben Sdjlupfwintel im ■ i$oteI Aopal 3um
Katerfrühftüd ausfuchen. Unb wie grotesf
war es, bie beiben aus ben oerfcbiebenften
V 3 elten ^ergefommenen fo plö^Iid) 3ufammen=
gefuppelt 3U fefjen! Aud) bies war bas VSert
ber Vtutter. Sie fonnten einanber gan3 gewih
nicht ausftehen, Viegenau oerad)tete Vrau=
müller unb VraumüIIer Viegenau — aber ber
geftrige Abenb hatte fie 3U Kollegen gemacht,
fie mußten jetd miteinanber ausfommen, fie
oerftanben fiel) inftinftio unb oertufd)ten ihr
Verftänbnis. <5öchftwahrfdjeinlich hatte ber
gelbflamme Varon eine protzige grühftüds=
einlabung bes gabrifanten angenommen unb
erlaubte ihm nun, mit fran3öfifd)em Seft ihren
Sd)wagerbunb 3U feiern.
An eine glud)t war nicht mehr 3u benfen.
VraumüIIer entbeclte Karlmann fofort unb
ftiefelte ent3üdt auf ihn 3U. „Oas is ja
rei3enb!“ rief er bjeifer. „Oiefer 3 u fall!
£>err Karlmann! 2 Bir fetjen uns hoch 3m
fammen, nid) wahr! gd) barf mir bod) er*
tauben, aud) Sie 3U einem Keinen Oejeuner
ein3ulaben —!“
VraumüIIer ftodte, benn er glaubte es gut
3'u machen unb fah ben SOUenen ber beiben
anbern an, bah er fofort eine Tattlofigteit be=
gangen hatte. Oer Varon 30g bie Augew'
brauen hodj, als er oor bem Kellner als grei=
gehaltener be3eid)net würbe, unb Karlmann
erwiberte 3iemlid) -fdf)roff: ,,gd) banfe — bin
fd)on babei, wie Sie fehen.“ gtan3 Otto tat,
was ihm in jeher Verlegenheit übrigblieb —
er rieb feine feiften §änbe unb lächelte oer*
binblicf). Ss half nichts — Karlmann fonnte
nicht fort unb muhte bie beiben an feinem Tifd)e
‘plah nehmen laffen. SOiit halben Ohren folgte
er ihrem (öefdjwätj. Vtarions Verlobter fing
einen $pmnus auf bas $aus Aominger an,
begann bei ber Srohmutter unb enbigte bei
bem Särtnerburfdjen. SIfas Srtorener f!od)t
feierliche £obfprüd)e auf bas tabellofe Sffen,
bie tabellofen VSeine, bie tabellofen (Säfte ein.
Utls Karlmann nicht einmal auf bas ihm felbft
©efpenbete reagierte unb neroös immer wieber
3ur Tür fah, hielt VraumüIIer es für richtig,
auf anberm VSege fein |>er3 3U erobern, gn
ber Haltung eines bewegten Tifdprebners, bas
Seftglas in ber $attb, fprach er, nur noch 3U
Karlntann gewanbt, mit leifer Stimme oon
Vtarion. Unb feltfam—mochte fein eignes, burch
Trennung unb neues hoffen erfd)üttertes ©e=
müt bie Urfache fein, mochte ber ( 5 efd)äfts=
mann in feinem foliben 3utunftsglauben hoch
ein paar tiefere Töne finben — Karlmann oer=
fd)Ioh fid) ihm weniger als 3uoor. Sr Jtieh fogar
errötenb mit ihm an, unb währenb feine klugen
oon VraumüIIer 3U Viegenau glitten, ftellte er
insgeheim feft, bah ber Verliner unbebingt ber
Spmpathifchere war. Sr fürchtete jeht oiel
weniger für Vtarion als für SIfa. Aus ben
harten grauen Singen bes Aittmeifters wollte
tein gunte mehr fommen. Sein Vtitgefühl
galt fid)er einem teuren Aennpferb mehr als
feinem angetrauten VSeibe —- ©emütsproben
tonnten bei bem bürren ^ferbetenner böfe
fehlfd)Iagen. Sin3ig feine ariftotratifet) e galtung
gab (Bewähr. Vei VraumüIIer nicht Verftänb=
nis, nicht £eibenfd)aft— wie füllten aud) foldfe
Sbelgewächfe aus ber Kartoffelerbe tommen?
Aber eine tleinbürgerliche 3 ^^erläffigfeit unb
ein rührenber, Karlmann faft fchmeichelnber
Stol3 auf bas enblich errungene, hod) über ihm
ftehenbe Vtäbchen;
Snblich fd)ob fich Oemmler befcheiben ins
3 immer. Karlmann ftanb auf unb entfd)ulbigte
fich bei ben 3edjam, bie nun mit einem er=
giebigeren Oritten, bem Seit, allein blieben,
gn ben Schlohplahanlagen wanberten .herr
unb Oien er umher. Üarlmann war oon
Oemmlers Sdhilberung 3U bewegt, um fdjon
3ur greube über bie gelungene Trennung 3U
gelangen. Sluch würbe ihm in biefer frönen
^tachmittagsftunbe, ba bie oornehme 2BeIt in
ben Stabtpart hm^usfuhr, noch einmal gan3
bewuht, was er an £ucie Vaumann auf gab,
wie ftart ihre buftigen 9tei3e nodh in ihm lebten.
Slber er belobte Oemmler unb entlieh ilm reich 5
befdhentt. Slls er eilig 3m gohannestirchgaffe
hinübergehen wollte, würbe er aus einer oor=
überrollenben Orofdhte angerufen. Srfdjroden
fah er, bah er feiner Viutter in ben 2 Beg ge=
iaufen war.
„Va, üarlmännle, fo tieffinnig?!“ rief fie
unb lieh ^en 5 tutfd)er heilten. Sie fah jung unb
blühenb aus, fo hatten fie bas Vienfehengetriebe
bes Vafars unb ihre Srfolge angeregt. Sin
wenig 3U jugenblid) war ihre Ooilette, aber
bas ftörte Karlmann nicht, es machte ihm bie
Viutter nur etwas frember. „Komm! Steig
ein! Slber ja, td) will ; s! Ou wirft mir bod) nit
baoonlaufen!“
„Viama, ich will in ben Klub, idj möd)te
noch gar nicht nach foaufe.“
„Schab't nir! Vrauchft auch mt! Oer
Kutfcher fährt uns bis 3um gofephsberg unb
bidj nachher in bie Kir^gaffe — ich Ttetg^ ben
lumpigen foügel hmauf, bas tut mir gut nad)
all bem Si^en.“
„VSie töricht, Viama — um meinetwillen —
Oein Slfthma —“
Ss war nichts 3U machen. Sie 30g ihn
träfüg hinein unb fuhr mit ihm baoon. Vad)=
bem fie ihm hnnbert Oinge, bie ihn nicht im
minbeften intereffierten, oon bem Vafar er*
3äl)It hatte, fragte fie unoermittelt, was benn
mit Kucie Vaumann fei. Ob er fein Ver=
fpredhen oon geftern abenb gehalten habe? Ss
ttang nur wie ein neues ©efprächsthema, fie
tonnte teinen tieferen Oon bafür aufbringen,
ber ©efellfdjaftsbämon hatte fie 3U lange in ben
Klauen gehabt. Karlmann überlief es, aber
er fanb burch ihre herausforbernbe iteid)t=
fertigleit bie richtige Antwort. Kalt unb feft
erwiberte er, bah er felbftoerftänblid) heute mit
ber Schaufpielerin für immer gebrochen habe,
grgenbwie weiter Vebe ftehen würbe er aber
ber Vtutter in biefer Angelegenheit nicht.
Sie wehrte mit 3ärtlidjem, befriebigtem
£äd)eln ab. „Aber nein! Vein, nein! 2 Bas
meinft benn bu! geh will ja auch Qar nir mehr
wiffen! Oas genügt mir oolltommen! geh be=
greif' ja, bah bir noch bas $er3 weh tut, mein
armer Vub! Aber bu wirft es fdjon halb merfen,
wie heilfam bas ift, fo einen männlichen Snt=
fd)luh 3U faffen! Va, Sott im £»immel fei Oant!
SOtan dann fid) alfo auf Karlmanns VSort oer=
laffen! Hnb nun oerfprief) mir noch eins, mein
©olbbub!“
„VSas, Vtama? ...“
,, 9 Jlad)' morgen enblich ben Vefud) bei ben
©ieblers! Oie Viali ift fo ein grunbgefdjeites,
liebes SDläbel! Ou tennft fie noch oiel^u wenig!
Oie £eut' legen ben höchften VSert barauf, bah
bu bid) enblich mal bliden läht!“
„Vlama —“
,,.§aft bu mich, nit oerftanben?“
„Volltommen, Vlama. Aber oerfprechen
tann ich bir heute nichts.“
„Vein, nein, Kiebling, ich tann mich ja
hineinbenten — bu bift noch etwas menfd)en=
fcheu. Aber übermorgen — bu tuft mir bie
Sßohltat, gelt? ! Unb nun barfft bu ausfteigen.
geh hab' Kopfweh — ich fahr' bod) hinauf.“
Als er enblich allein war, ftürmte Karl¬
mann 3m Stabt 3urüd. 3 orn unb Sd)aben=
freube, Selbftgefühl unb tolltühne Hoffnung
erfüllten ihn. 3 u ben (Siebte ging er nie —
0 nein! Oie Vtutter follte feine wahren
Vorfähe halb begreifen. (Singen ba nicht bie
©ieblerfchen Oamen auf ber anbern Seite
ber ©rohh^3og s griebrich=Strahe? Aedten fie
nicht bie |)älfe 3U ihm herüber unb erwarteten
feinen bebeutungsoollen, überfchwenglid)en
(Sruh? geht ober nie! Sr brüsiierte fie, bas
öbe, fpetulatioe (Sefinbel. Steif unb tühl, als
wäre er. ihnen niemals nähergetreten, 30g
Karlmann ben $ut unb ging oorüber. VSie bie
Oamen reagierten, tonnte er nicht mehr fehen,
blieb aber möglichft gleichgültig am Sd)au=
fenfter ber Kehmannfdjen gofbud)hanb!ung
ftehen. Sine neu ausgeftellte Vrofd)üre feffelte
feine Aufmertfamteit. „VSie rafft' iä) mich
auf • • .“ lautete ber Oitel, unb ber Verfaffer
hieh gohannes Aollfint. Sr tannte bas neuefte
VSert feines Vetters noch uid)t, ging aber fofort
in ben £aben unb taufte 3wei Sremplare.
Sines baoon behielt er felbft, bas anbre lieh &
an gräulein Antonie Oräntle, SDtarttpIah 7 ,
fd)iden. Sine Vifitentarte hatte er, nur für bie
Keferin entbedbar, mitten 3wif<hen bie Vlätter
geflohen. Vlit Vleiftift war barauf getrihelt:
„Vefferungsbericht 00m 3wan3igften Vlai.'gräm
lein £ucie Aaumann ift nur noch eine talent=
oolle Komöbiantin bes irjoftheaters für ghren
3ielbewuhten, immer ergebenen Karlmann.“
VI
Ooni las bie halbe Aad)t in bem Vud)e, bas
fie mit Vtühe oor $ilbas Aeugier gerettet hatte.
Oas erftemal oerfchlang fie es, bas 3weitemal
las fie es VSort für VSort, bas britte= unb oierte=
mal ftubierte fie bie fdiönften, tieffinnigften
Stellen. Stwas gar 3U tieffinnig war bas
feltfame Vud) für ihren f<hlid)t gefunben Sinn,
unb Karlmann ahnte nid)t, wie aufwühlertb,
ruheraubenb biefe £ettüre für ein Vtäbdjen
wie Ooni würbe. So wunberfd)ön fie nämlich
bas San3e fanb, eine bithprambifdje Vetennt=
nisphilofophie, mehr Oid)tung als VSiffenfdjaft
— es blieb hoch etwas Ountles unb grembes
barin, bem fie nid)t auf bie Spur tarn, fooiel
fie fid) aud) mühte. Ss war aber ber Schlüffe!
3U all bem SAitleiben, Verehren, 3 u ftimmen,
bas ihr ber Verfaffer erwedte — fie fühlte es
tlar. Oantbar für bas Vegreiflidfe, befdfloh
fie enblich, Karlmann nach bem Unlösbaren
3u fragen. Sie tonnte nid)t einfchlafen, nadn
bem fie bas £idt)t gelöfdjt hatte. Als brauhen
f<hon ber Vtorgen graute, tönten noch bie
mad)toollen Schluhfähe bes Vuches in ihr nach,
unb Karlmann fprad) fie, Karlmann — fie
muffte es. Sr hatte fid) ben £äuterungspro3eh
bes unbetannten Oid)ters 3U eigen gemacht —
ein wenig baoon jebenfalls. Auch er war jetjt
auf einem h^h^u, 3um 3 tel führenben VSege.
„VSie rafft' ich mich auf • • •" Sie jauc^3te leife
in ihr Kopftiffen hiuein. §atte fie nicht großen
Oeil an feiner £ebenswenbe? Sie, nur fie!
Unb befonbers freute es fie, bah er ben VSorten
auf ber Vifitentarte nicht bie Vitte um ein 3 U *
fammentreffen angefügt hatte. So war es
ihm alfo gan3 ernft — allein, ohne Abirren,
ohne ©efährbung ihrer geliebten ^erfbn, wollte
er feinen 2 Beg gehen. Srft wenn er am 3^1
ftanb, follte ber gan3e, unfaßbare, unenbliche
£ohn tommen... Sie warf fi<h 3um genfter
herum. Ss war halb offen, unb beu grühwinb
bewegte bie Vorhänge. Sin feiner rötlicher
Schein lag auf bem £innen — berOag war ba.
Schon fangen bie Amfein in ben Vtarttbäumen.
Ooni fprang aus bem Vett. Sie hatte nicht ge=
fd)Infen, aber bas tat ihrem Aeichtum nichts.
Sie fah frifdj aus wie nach oielen. Sd)lummer=
ftunben.
Oas Vuch trug fie beftänbig bei fich- 3 ^ s
ftreut gab fie heute ihren Turnunterricht in ber
Sophienfchule — betlommenfah fie in ber ^Sri=
oatftunbe nachmittags. Karlmanns Schweftern
oor fid) ftehen. Sie ftarrte bie beiben, währenb
fie in 3ierlid)en Röschen Kniebeuge malten,
fo gebantenooll an, bah Viarion unb SIfa
fdjliehlid) bas £achen betamen. Sie ertlärten,
bah fie teine £uft hätten, für ihr gan3es ferneres
£eben in ber Kniebeuge 3U bleiben, 3ogen fich
mit hochutütiger Viiene unt unb oerliehen ben
1911. #r. 35
Über £anb unb SCReer
Dumfaal. Doni roar t)eftig erfcßroden. 2&as
mosten bie tarnen oon il)r benten? Sie be=
fcßloß, fid) brieflich) fogletd) 3U entfd)ulbigen unb
ging bann in ben Stabtparf hinaus. £uft
roollte fie fcßöpfen, nur nod) an ben lieben,
lieben SLRann beuten. Seitjam — als fie um
bie £irfd)engruppe auf bem großen Äonbell
berumging, tarn ftarlmann Iangfam auf fie 3U.
Cr roar es roirtlid), ber gemeinfame 2Beg ihrer
Seelen mußte aud) ibnum biefe Stunbe hierher*
geführt haben. Sie faßen fid) lange nur an,
ohne ein 2 Bort su fprecßen. Dann gingen fie
neberteinanber bet unb freuten nid)t bie
s JRenfcßen, bie ihnen begegneten. Sogar ben
belebten ftinberfpielplaß mieb Doni nicht, unb
als fie £)ntel Äioßr mit Änaftafius auf einer
23 anf fißen faß, rourbe fie gar nicht unruhig,
fonbern entfcßulbigte fid) bei 5 tarlmann für
einen Äugenblid unb begrüßte ihren £)ntel.
^Benjamin Ätoßr mar ein tleiner, maus*
grauer Deutfcßamerifaner mit tiefgerun3elter
Stirn unb fpiegelglatter ©Iaße. Cr fab über
jein s $incene3 httttoeg forjcbenb, aber rooßl*
mollenb bie etrnas oerlegene 5 Rid)te an unb
3upfte an feinem fpißen Törtchen. Änaftafius,
jein fünf3ehnjähriger Sohn, faß neben ihm,
roie jtets in ber fd)Iaffen, fajt Ieblojen Haltung
einer ‘‘Puppe. Die armen, bünnen ©lieb*
maßen hingen roie ausgefd)altet an feinem ein*
gejuntenert Körper, ber fcßroere Sßajjertopf
neigte fid^ mübe nad) linfs. 3^ ben großen,
braunen Äugen mar ein fcßöner, jinnenber
Äusbrud — freilid) immer berjelbe. X)ie ab*
ge3ehrten ftinberßänbe malten mit bem ftrüd*
jtocf Kringel in ben feuchten Sanb. Ob er bie
fpielenben ftinber oor jid> jah, ob er ihr kaufen
oerfolgte, ihr £ad)en hörte, mar nid)t 3U er*
fennen. Äur fein 23 ater fannte bie Ieijert
‘‘Regungen biejes oerfladernbett ©emiitslebens.
$ür ihn mar er meber imbe3ill noch überhaupt
3urüdgeblieben, unb 23 enjämin s JLRoßr mar ein
s JRann, ber bas £eben nie mit Dräumeraugert
gejehen hatte.
„©ehft jpa3ieren, Doni?" fragte er mit
feiner harten Stimme, nacßbem er einen
fcßnellen Seitenblid auf Äarlmann Äominger
gemorfen.
„ 3 a, Ontel," ermiberte Doni mit einer Un*
befangenheit, bie fie jelbjt in Crftaunen jeßte.
„©rüß bid) ©ott, Änaftafius," fügte fie bann
hin3U unb jtrid) bem armen Su^Ö^n 3ärtlid)
über bas tur3gefcßnittene §aar.
„'s ift ja fcßön heut. 2 Bann tommft benn
mieber 3U mir, um bie große gefd)äftlid)e Än=
gelegenßeit 3U befprecßen? Sitte, id) fteß' 3U
beiner Verfügung." Ontel StRoßr meinte bie
©rünbung ber orthopäbijdjen Änftalt, bie er
für Doni ins 2 Bert jeßen rnollte, unb bie 5 Rid)te
gab ihm in marmer Dantbarteit bie §anb.
,,Äd), Ontel — id) freu' mid) ja jo barauf."
„£jm ..." Cr rnollte mieber einen Seiten*
blid auf £errn Äominger merfen, be3mang
aber ben mißtrauifcßen pßilifter in fid), unb
Doni rechnete ihm biejen 3reifimt ßod) an.
Sie brauchte oon Ontel StRoßr teine 3 tf>if<hen*
trägerei 311 fürd)ten. Äblentenb beutete ber
Ontel auf feinen Sohn hin — er tat es jo oor*
ficßtig, als ob ber 23 erblöbete bie Ieijejte
Regung, bie fid) mit ihm befcßäftigte, inerten
tonnte. „Siehjt bu, mas er ba macht?" fragte
er, ohne feine Stimme 3U bämpfen, benn
Änaftafius mar taubftumm.
„Cr 3eid)net ja fo fd)ön mit bem Stod!" jagte
Doni, bie mußte, roie gern ber 23 ater bas hörte.
,,3d) fag' bir, es liegt etrnas ©eniales in
feinem 3eichnert. Da fdfau her — id) hob'
immer mein Äoti3bud) baneben unb topier'
gleich, n>as ihm einfällt. Denn bas finb bie
erften, primitioften Äußerungen bes menfcß*
ließen ©eiftes. 3 ntereffant — mie? Das bringt
ber raffiniertere Zünftler nit 3ufammen. 2Benn
bu bir bas gan3e 23 üd)l ba anfcßaun tätft,
roiirbeft bu erft begreifen, mas in folcßem
oertanntert, oerleuinbeten itopf alles oorgeßt.
Da tönnt' manch' Stubierter froh fein, menn
er ein 3ehntel baoon ßfitt'. 3ntereffant —
mie? ©enau bie gleiche ©efd)id)t' ift's mit
feinen ©ebicßten. 3«mohI, er macht ©ebicßte
— id) muß fie bir mal 3eigen. Du bift bie
ein3ige, ber id) fie 3eig'. Da ift in menig 2 Borten
bie gan3e Äatur brirt. 3^tereffant — mie?
Unb alles tommt oon bem, mas id) ißn gelehrt
ßab'. Den £eßrer aus ber Änftalt ßab' ich
'nausgefcßmiffen — ber ßätt' ben armen jungen
nur unglüdlicß gemacht. 3$ bin jeßt fein
£eßrer, ich tüeiß, mas er miffen mill, unb mie
er's oerarbeitet. Das ift meine £ebensaufgab'.
3ntereffant — mie?"
„ 3 a, Ontel, freilid),“ ermiberte Doni mit
3itternber Stimme. Sie betrachtete Änaftafius
Ö1Ö
eine Sßetle unb jagte bann: „Du mirft bein ©e=
fd)äft rooßl halb aufgeben — gelt? Du bift
bod) fo oermögenb unb —"
„Äcß ja, ad) freilid)... ßab' genug ... 2 Bas
tümmern mid) bie überfeeifcßen §öl3er? 3<h
ßab' meinen 3 ungen! Daß aus bem mas
mirb — bas ift bie §auptfad)', Doni."
„Das mein' id) aud). Unb mir erlaubft bu
bod), baß id) meine 33 erfud)e mit bem neuen
Äpparat mieber anfange? 3<h glaube be*
ftimmt, baß id)'s ba3u bringe, baß ber Äna*
ftafius ein bißl beffer geßt."
„©emiß, gemiß ... Crlaub' bir's . . . Äber
laß bid) jeßt nit länger ftören. Äuf 9 Bieber*
jeßen, Doni! §at mid) feßr gefreut!"
Cr mintte mit meltmännifd)er, ertünftelter
3 rifche, unb Doni, bie Dränen in ben Äugen
hatte, eilte ftarlmann nach- Cr roar fcßon bie
Äßornallee humufgegangen.
„Äa?" fragte er läd)elnb. „Strenges 23 er*
hör 3U befteßen gehabt?"
Sie fcßüttelte eifrig ben ftopf. „O nein!
Ontel 9 Jtoßr ift ja folcß oorneßmer, bistreter
äRenfcß!"
3 u biefer 23 eßauptung äußerte tfarlmann
niißts. Sie gingen eine 2 ßeile fd)meigenb
meiter, bann fragte er fie, mie ißr bas 23 udß ge*
fallen habe. Seine 3 nige tlang eigentlid)
etrnas Ieicßt für bas große Crlebnis ber Äacßt,
unb fie tonnte nur ftammelnb Äntmort geben.
„Oß — rounberooli — gan3 unglaublid) gut
ßat ntir's gefallen — aber —"
„Äber?"
,,3d) oerfteß's halt ntand)mal nit."
Sie jagte es gan3 traurig, unb er Iacßte ßell*
auf. „Das ift töftlid)! Äber bas finb bie beften
Südjer, bie man manchmal nicßt oerfteßt!"
(gorße^ung folgt)
2lpl) ortsmen
Cs gibt aucß eine Äücßternßeit, ber tetn Äaufcß
oorßerging. *
©roße Cßarattere haben SBillen, Heine nur
Ämoanblungen.
äRan erlangt oft ein ©lüd baburd), baß man
es nicht als folcßes anfießt.
C r n ft R ü m p e I
^Hidjarb 93of)
*
2 CBanbgemälbe in ber 23 illa galconieri
1911 ( 93 b. 106 )
I
3 tascati unb feine 23 tIIen
Of^ier3eßn Kilometer oon Äom beginnen bie 23 orläufer bes Älbaner*
gebirges über ber großen römifcßen Cbene auf3ufteigen: Äeben*
ßügel unb Olroälber — Olmälber unb Äebenßügel! Das £anb ift ein
ein3iges, unabfeßbares ©artengefilbe oon überfchroenglicßer Jnicßtbar*
teit unb 3ugleicß unoergleithlicßer S^önßeit.
3 n einer §öße oon 300 SJtetern über bem Spiegel bes Dprrhenifcßen
ÜReeres — man fießt es im Sonnenfcßein meit hinaus Ieud)ten — liegt
bie alte 2 Beinftabt grascati. Sie mürbe im SRittelalter nach ber 3 er=
ftörung Dusculums erbaut: aus ben Drümmern Dusculums, auf ben
Äuinen antiter 23 illen, auf bereu geroaltigen Sunbamenten unb Sub*
ftruttionen.
^Bereits 3m 3 ^it ber erften römifcßen Äepublit mar bie Stätte ßocß*
berüßmt burcß bie Sd)önßeit ißrer £anbfd)aft, bie traftoolle Äeinßeit
ißrer £uft, bie £errlid)teit ißrer 23 illen unb ©arten: bereits bamals
30g fid) ber Staatsmann unb ©eleßrte, 3ogen fid) Dichter unb £ünft*
ler aus bem tofenben 9 iom in biefe monnigen Cinfamteiten 3urüd, unb
Ciceros „Dusculanum" mürbe ein geflügeltes 2 Bort für ben 23 egriff
eines £anbfißes, barin ber 2 Beife unter feinen 23 ücßern unb itunft*
merten ein befcßaulidjes Dafein füßrt, ftubierenb, arbeitenb, für bie
2 BeIt unb bie große ©emeinfamteit ber Ätenf^en in ber Stille fegens*
reid) mirtenb.
2Bie es oor 3mei 3aßrtaufenben mar, fo, gerabefo ift es nod) heute:
bie fcßönfte ber albanifcßen 23 ergftäbte mirb nod) heute oon einem hellen
ftran3e maßrßaft fönigli^er £anbßäufer umgeben: 23 illa an 23 illa, 23 art
an 2 ßart — Schönheit an Scßönßeit. 3 ebe biefer 23 efißungen ift flaffi*
fd)es £olaI, jebe mirb erfüllt oon großen Crinnerungen, in jeber trugen
fid) bebeutfaine Creigniffe 3U.
3 n ber £anbfcßaft grascatis meilte Otto III., unb in einer feiner
23 illen ftarb ber Ießte ber Stuarts.
äReifter ber großen 23 au 3 eit 3 taliens erbauten bie £anbßäufer, bie
^aläften gleichen, fdjmüdten fie mit ßerrlidjen Derraffen unb 2Baffer*
119
920
1911. 9fr. 35
Über ßanb unb 9JUet
Der raffen ber Pilla ^alconieri
rnerfen, mit meiten ^ßartanlagen unb portalen,
beren monumentale Pra©t Staunen erregt.
Die tarnen Porromini, Pignola, Montana unb
©iacomo bella Porta mögen ©er genannt fein;
oon Ptalern Domeni©ino, ©arlo Plaratta, ber
©aoaliere b'Arpino, Giro 3 erri, bie Prüber 3 uc*
cari.
Die oortrefflicken ftünftler bebedten bie PSänbe
ber Säle mit roertoollen gresten unb malten bie
plafonbs aus, in [amtlichen Sßillen grascatis um ■
oergänglid)e Spuren ©res farbenfreubigen S©af=
fens 3urüdlaffenb.
3 n feiner ber oielen italienifd)ert Pillenftäbte
entroidelte fid) bas üunftleben in foI©er für bie
5 Umftgef©id)te bebeutfamen PSeife mie in Frascati.
II
£ a g e ber 93 i 11 a 3 a l c o n i e r i
Der lernte, ber mit ber Pa©t in grascati
anfommt unb oon ber Pia33a Pomana aus bem
ftattli©en Dom fid) 3umenbet, gelangt burd) bie
93 ia „Polfango ©oethe“ auf einen fleinen “pk©
mit fd)önem Brunnen aus golbbraunem Draoertin
unb, biefen überf©reitenb, in bie 93 ia „ 93 iIIa
3 alconieri“. — Dem Deutfd)en mag es als ein
gutes Omen gelten, bah ber P 3 eg 3U ber beutfd)
geroorbenen 93 illa galconieri an bem §aufe oor*
überführt, meines fein geliebter, herrli©er ©oe©e
bemo©tt hat.
Die 93 ia 93 illa galconieri ift ein I)äpd»er $o© s
roeg 3mifd)en ben h<©en dauern oon Part unb
©arten ber 93 illa Piccolomini.
And) biefer Pame hat für, bas beutfd)e £©r
einen befonberen 5 Uang. 3 n ber 93 illa Piccolo*
mini oerlebten heroorragenbe beutfde Piänner
töftlid)e grascataner 3 rü©ings= unb Sommertage.
£ier motmte ber eble Fünfen, ber präd)tige Abeten,
mu©iten Piebu© unb Abolf Sta©: l)ier ftubierten,
arbeiteten, roirtten fie. Unb in einem ©artenhaufe
ber 93 illa Piccolomini fdjrieb ber ftarbinal Pa*
ronius feine famofe 5 Urd)engefd)i©te.
Der Ie©e Pef©er ber 93 illa Piccolomini ift
bie Prin3effin £ancellotti. Sie roar au© ©igen*
tümerin ber 93 illa ft-alconieri, beren Dlioetten,
PSiefen unb ^Salbungen an bie ©rünbe ©res
£anbhaufes greinten. 3™ 3a©e 1870 oereinigte
fie bie Pilla Piccolomini mit ber 93 UIa g-alconieri
unb ber berühmten 93 illa Dusculana 3U einem Pe=
fftjtum, toeld)es in £atium feinesgleid)en ni©t
Ijatte. 3ebo© oor ungefähr ac© 3a©en oertaufte
bie Prin3effin oon ber 93 illa 3 aIconieri ben Palaft
unb einen Dell bes Parts bem Drappiftentlofter
oon Dre gontane bei Pom, ein nicht genug 3u be*
flagenbes ©reignis, mel©es ber S©ön©it ber
93 illa oertjängnisooll roerben füllte.
Peoor bie 93 illa galconieri ftlofter mürbe,
bilbete bas ftaltenportal Pignolas — „bas fd)önfte
Portal ber PSelt" — ben ©ingang, ©s liegt gan3
nal)e bei ber 93 Ula Piccolomini, alfo gan3 nahe
bei 3rascati felbft.
Um ben frommen Patern einen anbern ©im
gang 3U fd)affen, muhte eine neue Strafe angelegt
roerben. Sie führt ben Perg hinan in einer Piegung
3U einem 3toeiten, gleichfalls monumentalen Por*
tale empor. Die ©ntfernung biefes neuen ©im
gangs beträgt oon Frascati aus eine fnappe
Piertelftunbe. Die Strafe ift in f©le©tem 3 u=
ftanbe. Dod) gab bas Ptuni3ipium oon grascati
bas fefte Perfpre<©n, ben P 3 eg auf bas forglidjfte
3U beffern, roomöglid) eine neue, bequeme Per*
binbung 3toifd)en Stabt unb 93 iIIa ©r3uftellen.
III
Der P a l a ft
P 3 er burd) bas roappengetrönte Portal in bie
93 iIIa ftalconieri eingeht, fieht oor fidf), ^toifdjen
lid)ten, oon fd)toar3en 3t)Preffen überragten £>I=
toalbungen, eine mit ©belfaftanien bepflan3te
PSiefe unb b ahinter einen 3toeiten hohen Ptauerring,
barin fid) ein smeites prächtiges Portal im rei©*
ften Parodftil befinbet. tiefgegrabenen Settern
trägt biefes Dor ben Pamen feines ©rbauers:
„Dratius galconerius.“ ©rft mer biefes 3toeite
Dor burd)fd)reitet, ift in P 3 a©©it angelangt.
©in PBalb immergrüner ©i©en, bunfel unb
feierlich roie ein antiter irjain, empfängt ben An*
fömmling. Dur© feine büfteren 3 meige unb
PBipfel erblidt er bas §aus. Seine Plauern
Ieud)ten. ©s ift ein 3ür}tenf©! ©in toeit oor*
fpringenber monumentaler Pfittelbau mit oon
antifen Säulen getragener £alle; lange, fd)lante
Seitenflügel oon einer überaus anmutigen pilafter*
ard)itettur; bas ©an3e oon foI©er heiteren, fold)er
feftlid)en S©ön©it, als märe bas £aus erbaut
toorben, um ber Sebensfreubigteit bes Sübens
eine bleibenbe Stätte 3u bereiten.
PSer oor bem §aufe fteht unb feinen Plid Pom
3uroenbet, überfieht bas gan3e römif©e £anb:
bie Pieerestüfte — fie ift £otal ber Pneibe — bis
3ur Pu©t oon Dolfa; ©trurien bis 3u ben ©ren3en
Dostanas; bie ©ämpagna mit bem Perg Sorate
bis 3um Sabinergebirge. Uber ben oon ben Piön©en
oerftümmelten PBipfeln ber Steineiben fteigt aus
ber Silberflut ber £>hoälber ein mächtiges ©e=
bäube auf: bie Pilla Dusculana: ©iceros Dus=
culanum! Unb oollenbet bas Puge ben ^albtreis,
fieht es biefen bie roalbigen §öl)en Dusculums mit
ben braunen Puinen bes Amphitheaters abf©liehen.
So befd)affen ift bie Punbfd)au, roel©e ber=
jenige, ber in ber Pilla galconieri roohnt, beftänbig
oor Pugen hoi- ©s gibt in 3toKen — in gan3
Italien — feinen größeren Pnblid, feinen, ber
imftanbe märe, bie Seele mehr 3U meiten unb fie
mit erhabeneren Pilbern 3U füllen.
Die Pilla galconieri ift oon allen ^ascataner
£anbf)äufem bie ältefte, unb — toas ©re £age
unb Prchiteftur betrifft — bie f)errlid)fte. ©in
3 umel italienifd)er Paufunft mürbe oor 3 er=
ftörung gerettet! Daf) biefes für Deutfd)lanb ge^
fdjah, muh jebem Deutf©en bas §er3 f©mellen:
über Poms ©ampagna, unterhalb oom Duscm
lanum ©iceros, befinbet er fid) auf beutfd)em
©ebiet!
IV
3 medber Pilla groiconieri
Sie mürbe nid)t 3U einer „beutfd)en 5 funft=
afabemie“ erforen, fonbern 3U einem „$eint“ für
ben beutf©en ©eiehrten, ben ^iftorifer unb Pr©äo-
logen. 3uglei© 3U einem §eim für ben beutfd)en
Zünftler: ben Plaler unb piaftifer. 2 Benn ©oethe in
feiner „ 3 taliänifd)en Peife" oon feinem grascataner
Aufenthalt fpri©t, fo hat feine Stimme einen be=
fonbers hellen unb marmen ftlattg. ©r finbet, bah
bie Pömer fid) ©er ©re £anbl)äufer „re©t 3ur
£uft“ bauten. Unb er finbet in ber Umgebung
grascatis eine fol©e unerf©öpflid)e 3üIIe bes
Pialerif©en, bah Scharen oon Zünftlern ©er auf
3 a© unb Dag ©re Anregungen empfangen
fönnten. 3 *n ©oe©ehaufe 3u PSeimar hängt über
ber Dür oon $rau ©hriftianens 3cmmer eine
prä©tige Pleiftift3ei©nung bes trefflid)en 5 fniep,
bie gmscataner Pillen Dorlonia, Pfuti unb ©ra=
cioli barftellenb. ©ine gan3e ©alerie oon £anb-
f©aften, bie Piotioe aus näd)fter Pähe 3 mscatis
genommen, märe Ieid)t mährenb eines Sommers
3U bef©affen.
Unb man lefe, mas bie §umbolbts über ©re
Pilleggiatur im Albanergebirge (Aricia unb $ras=
cati) berid)ten.
©oethe üb e r 31 a s c a t i
grascatt, ben 15. Pooember 1786.
„Die ©efellfd)aft ift 3U Pette, unb i© f©reibe
ttod) aus ber Duf©mufd)el, aus mel©er ge3eid)net
morben ift. PSir haben ein paar f©öne, regenfreie
Dage hier gehabt, marm unb freunblid)en Sonnen=
f©ein, bah man ben Sommer ni©t oermi©. Die
©egenb ift fefjr angenehm, ber Ort liegt auf einem
§ügel, oielme© an einem Perge, unb jeber Sd)ritt
bietet bem 3etd)ner bie herrü©ften ©egenftänbe.
Die Ausfid)t ift unbegren3t; man fieht Pom liegen
unb meiter bie See, an ber red)ten Seite bie
©ebirge oon Diooli unb fo fort. 3« biefer luftigen
©egenb finb £anbl)äufer re©t 3ur £uft angelegt,
unb mie bie alten Pömer f©on hier ihre Pillen
hatten, fo haben oor ©mbert 3a©en unb mehr
rei©e unb übermütige Pömer ihre £anbl)äufer
au© auf bie f©önften 31ede gepflan3t. 3roei Dage
gehen mir fd)on ©er herum, unb es ift immer etmas
Peues unb Pei3enbes.
„Unb bo© Iäjjt fid) taum fagen, ob nid)t bie
Abertbe nod) oergnügter als ber Dag ©ngehen.
Sobalb bie ftattli©e PSirtin bie nteffingene brei=
1911. 9lr. 35
Über £anb unb $fiecr
921
armige fiampe auf bcn großen ruttben Difdj gefegt
unb ,Felicissima notte!' gefagt tjat, oerfammelt
fid) alles im Greife unb legt bie ^Blätter oor, roeldje
ben Dag über geßeid)net unb ffi33iert roorbett.
darüber fprid)t man, ob ber ©egenftanb I)ätte
günftiger aufgenommen roerben fallen, ob ber
©fjarafter getroffen ift, unb roas fold)e erfte alb
gemeine ^orberniffe finb, roooon man fid) fd)on
bei bem erften ©ntrourf Ked)enfd)aft geben tarnt.
*
Frascati, ben 28. September 1787.
,,3d) bin l)ier fel)r glüdlid); es roirb ben gangen
Dag bis in bie Kad)t gegeidptet, gemalt, getufcf)t,
geliebt, Hanbroert unb ftunft red)t ex professo
getrieben. Kat Keiffenftein, mein SBirt, leiftet
©efellfd)aft, unb roir finb munter unb luftig.
Kbenbs roerben bie Villen im 9 Jkmbfd)ein befudjt
unb fogar im Duntein bie frappanteren Ktotioe
nadjgegeidjnet. ©inige tjabert mir aufgejagt, bie id)
nur einmal ausgufüljren romtfd)e. Kun f)off' id), bajg
aud) bie 3 ^it bes Vollenbens tommen mirb. Die
Vollettbung liegt nur 3U meit, menn man meit fielet.
*
Frascati, bett 2. Oftober 1787.
,, 3 d) mufc beigeiten ein VIättd)en anfangen,
menn es 3ur redeten 3eit erhalten follt. ©igent=
Hdj l)ab' id) riel unb nid)t oiel 3U fagen. ©s mirb
immerfort ge3eid)net. biefen ©egenben mufe
man 311m Mnftler roerben.“
*
Kber bie 93 illa Falconieri foll für ben Mnftler
oon Kom „3U meit entfernt“ liegen. Unb es foll
in Frascati an geeigneten Ktobellen mangeln.
Das finb ernfte ©inmänbe, bie eine nähere 23 e s
trad)tung erforbern.
Die ©ntfernung oon Kom nad) grascati ift
geringer als bie oon Berlin nad) ^otsbam; jebod)
ift bie 3 eit, meld)e bie einen meiten Sogen be=
fd)reibenbe Valpt braud)t, eine ät)nlid) lange. Die
oiel 3U lange 3eit für bie turge ©ntfernung mirb
inbeffen in 3ulunft burd) bie ilonturreng mit ber
elettrifdjen Val)n oerminbert merbett. Das ftet)t
fidjer 3U ermarten. Der Zünftler, ber bie Villa
Falconieri bemol)nt, tann — ol)ne allgufrüt) auf=
ftet)en 3U müffen — gegen neun Uf)r für ein billiges
Fal)rgelb in ‘Rom fein, ©r tann in Kom ben ganzen
Dag über bie ©alerien — fie finb oor 3 ef)n nid)t
geöffnet — befud)en; tann ben gangen Dag über
in ben Kiufeen ftubieren, Kom auf fiel) mirten
laffen, um Konts mächtige ©inbrüde in ber Stille
ber Villa Falconieri für fein Vtert gu oermerten.
3 n ber Dat mirb Frascati meljr unb mef)r als
ein Vorort Korns 3U betrauten fein; nid)t nur als
Korns meitaus fd)önfte, fonbern aud) am be*
quemften gelegene Villenftabt. SBill ber Zünftler
in Kom tneipen, fo tann er bas nad) Hergensluft
bis in bie Kad)t t)inein unb immer nod) mit ber
eleftrifdjen Val)n nad) grascati gurüdfel)ren. Ve=
mertt fei, bafr gerabe ber beutfdje Zünftler eine
befonbere Vorliebe f)at, in grascati bem ©ott
Vacdjus gu bulöiöen, ber befanntlid) aus ben
Drauben biefer biont)fifd)ett ©egenb feinen I)errlidE)=
ften Saft teltern Iäfet.
Unb bie Kiobelle ... 2 Benn gmei, brei 5 tünft=
ler, meldje in ber Villa Falconieri Ateliers be=
3ogen t)aben, in ber Kiobellfrage fid) oereinigen,
fo ift nid)t eingufetjen, aus roeld)er Urfad)e bas
römifdje Verufsmobell fid) meigern follte, für ben
3 eitraum oon Dagen unb V 3 od)en nad) grascati
l)inausgutommen: hefteten bod) bie Verufsmobelle
3um größten Deil aus römifd)em fianboolt.
Dlber Frascati felbft ift berütjmt roegett feines
fd)önen 9 Jlenfd)enfd)lags. Einfangs mirb ber
Zünftler freilid) auf §inberniffe ftoften: er mirb
anfangs nid)t ol)ne Sdjroierigteiten ein roeiblid)es
Kttmobell gemimten. Dod) bürfte biefes — nad)
bes Sd)reibers faft breifjigjätjriger 5 tenntnisnat)me
ber Verl)ältniffe 3U urteilen — nur anfangs fein.
3 eben Sonntag oerfammelt fid) in grascati auf
ber Pagga Äanboolt aller römifd)en ^rooingen:
jeben Sonntag tann ber Äünftler bas prad)toollfte
9 Jienfd)enmaterial birett auf bem ^Iafce finben.
Kud) ^ier gilt es nur eine erfte Sd)eu gegen bas
Ungemol)nte 3U überminben.
2Biberfad)er bes SilIa=5atconieri=^ßrojettes men-
ben als meiteren ©runb gegen bie grofge 3bee bie
Sdjmierigteiten einer Verpflegung ein.
Von ber Villa nad) grascati ift es taurn meiter
als oon ber Villa StroI)k( 5 tent in Som bis gur
Villa Srkmünia, in meld)er Strafe fid) oon ben
beutfd)en Zünftlern mit Vorliebe befud)te oolts-
tümlidje Drattorien befinben. Der jüngere Zünftler
mirb alfo gern ben turgen 2 Beg oon ber Villa gur
Stabt mad)en, um in ben überaus beliebten gras=
catarter ©aftbäufern fein gut gubereitetes, billiges
Vtal)l einguneijmen.
Dod^ mas ber jüngere mit greuben tut, bürfte
bem älteren unbequem fein, gür biefen mü&te
alfo in ber Villa felbft Sorge getragen merbett.
Das ift leid)t 3U bemertftelligen. ©s gilt nur, bie
geeignete meiblidje ^ßerfönlid)teit gu finben, ift
alfo'Sad)e ber Drganifation.
Um oieles leidjter mürbe fid) in ber Villa
^alconieri bas ßeben bes ©elel)rten geftalten.
VSieber unb mieber fei barauf l)ingemiefen, mie
Viänner ber beutfdjen 2 ßiffenfd)aft gerabe in ber
ibt)(lifd)en ^lbgefd)iebenl)eit einer grtascataner Villa
grofee ©ebanten badjten unb bebeutfame 2Berte
fdjufen. Der ^iftoriter, ber fein Vtaterial in ber
Vibliotl)et bes Vatitan fammelt, ber%d)äologe, ber
ein Vßert über bie ‘Untite fc^reibt, 3U bem er in 9 lont
fein SBiffen fudt)t — mo tonnte er fid) ungeftörter
unb freier, mo 3ugleid) beglüdter 3um Sd)affen
tongentrieren als in bem £>aufe ber ^aiconieri...
Die Villa ^alconieri ^ en Ausgang einer
9 teit)e oon Spagiergängen, beren SRannigfaltigleit
nur berjenige tennt, ber längere 3eit t)ißt meilt.
Die ©egenb ift ein einiger ^ßart! Der ftenner bes
fianbes tann aus einer Villa in bie anbre gelangen,
ol)ne bie Stabt 3U betreten, ©r tann ftunbenlang
ungefäljrbet bie ^Salbungen ber tusculanifd)cit
^öfjengüge burd)ftreifett: grengtbod) ber 9 tuinenberg
oon Dusculum unmittelbar an bie Vcndcmlagen ber
Villa ^ökonieri, Vlonbragone unb Dusculatta.
Schöne ©rmartungen, grofee Hoffnungen tnüp=
fen fid) an bie Vermirtlid)ung bes Villa= 3 '«konieri=
Vrojettes. gür beutfd)e 51 unft unb beutfd)e 3 Biffen=
fdjaft mürbe bie ©rfüllung biefer 2Bünfd)e reid)e
grüßte tragen. Sollte biefe nid)t gleid) bie ©egem
mart geitigen, fo bürfte bie 3utunft — bafür fpredjen
alle Kngeidjen — eine um fo reidjere ©rnte bringen.
?fid)t baoon gu reben, mas Korn in allen 3 eiten
für I)iftorifd)e unb ard)äologifd)e ^orf^iung bebeutet,
fei Hier nod) einmal auf bie ftmtft l)ingemiefen.
3n 3utunft roirb beutfd)e Runft oon neuem
mehr unb mehr Italien fid) gumenben — bie
©rünbung bes Florentiner beutfd)en Rünftler=
Kaufes gehört mit 31t ben Vtertmalen, bie biefe
Knnatpne bered)tigt erfd)einen laffen. Vereits nad)
einer keinen Keil)e oon 3<d)ren bürfte es f(^mer=
fallen, in Italien, in gan3 Italien einen Vefit) 3U
ermerben, meiner ber Villa Fakottieri an Dage unb
Schönheit aud) nur annäl)ernb gleid)tommt.
Klles in allem: ber ©rmerb bes Haufes Vleifter
Vorrominis burd) einen Deutfdjen für Deutfd)e
bürfte fid) tünftig mel)r unb mefjr gu einem
bebeututtgsoollen ©reigniffe geftalten.
$lnfid)t oon F^oscoti
922
Über £anb urtb 5fteer
1911. 9tr. 35
Das Depefdjenljaus
93on
Rar! binnen
Saal mit üliorfeapparaten für ben Depef©enoerfeI)r mit beit tleineu ^roDinjämteru
Ofn bett genftern bes ©rprefeugs fauft bl©f©nell
<1 bie £anbf©aft oorbei. Urtb es ift roie ein
buntaufgefd)lagenes, fd)nell abblätternbes liefern
bilberbud): tan^enbe Stabte, rau©enbe Sd)lote,
tleine, üerf©roommene §ügel. Kinematograptjif©
faft löft £anbf©aft um £anbf©aft, ©inbrucf um
©inbrud fi© ab. — ©ins bleibt unabänberlid)
ftets gleid), unentrinnbar unb enblos oom 9teife=
anfang bis 3 um 9 teife 3 iel: bie Stangen unb
Drät)te, bie ©rprefßugsbegleiter auf feftem 23oben
re©ts unb linfs; bie Delegrapfjenmaften unb bie
bünnen, ftummen Schnüre faufen mit.
Diefe fd)toar 3 en Drätjte mit ©ren oerftedten,
rootjloerpadten Kupferbräf)ten bur©jagen, bur©*
3 ifd)en roätjrenb ©res bem 9Iuge gebotenen mun=
teren, forglofen $uf unb * 2 lb bie ©efdjäfte unb
Sorgen, Seligfeiten unb Neugier einer gan 3 en
SBelt oon 9Jtenf©en. Stabte fpre©ert miteinanber:
über ben fdjnellften ©.rprefe überfliegt bas 2 Bort
gelber, SBälber, Ströme unb £änber. Unb
fonberbarer oieIIeid)t als alles attbre no© berührt
jet$t bas Sßiffen: alle 2 ßege, alle < 5 auptroege führen
l)ier nad) 23erlin. Denn all bie roi©tigen Kupfer^
f©nitre bes roeiten Deutf©en 9tei©s, all bie 9tad)*
ri©tenbl©er, bie ben Kontinent oon
9lorb nad) Süb, oon Sonnenaufgang
nad) Sonnenuntergang bur©f©ief|en,
raften in einem füllen, nü©ternen, un=
f© einbaren §aus mitten im älteren Deil
ber Sieid) sl)aupt[tabt. ©in Sprad)en=
babel toie taum in einem anbern £>aus
ber 2 Belt bur©f©roirrt es. ©nglänber
fpre©en Saftig mit Italienern, türfif©e
Säfte fliegen nad) nortoegif©en gjorben,
Muffen reben auf gran 3 ofen ein. Sprächen
fie alle mit ben lauten, tlingenben
ÜIBorten ©rer roirfli©en Sprache, oer=
mö©te fein Dolmetf© bas lärmenbe
internationale ©ef©natter 3 u burdj-
«MH
unb luftigen 3aal iantmelt unb fängt, ■'"£
entläßt unb bettt man hier bie Stimmen ■ fl
©uropas roeiter... B p i.’. I WX
s .Hl)t)tl)miid) unb hart, als eilt ein 1
l)eitlid)er, fd)toerer, metallener 9©t)©mus
bröfynt bem gremben in biefem unge=
Ijeuerli©ften aller Konoerfations 3 immer Detepf)on 3 ufpru©ftelle: Delegranimamtafjme burd) ben gerttfpre©er
3 unä©ft ein unabläffiges Stofjen unb S©lageit
ins £©r. 9Jtan muff fid) an bie roirre unb
ftampfenbe Sinfonie nur gan 3 allmäl)licf) ge=
Die oon ben ^Berliner Stabtpoftämtern anfommenben Dele=
gramme roerben burd) ben gernbruder aufgenommen
Cben ein Deil ber Seilbahn
roöl)nen, bann teilt fiel) oon felbft
bas ©l)aos, ber rattembe ©h©eits=
rf)t)©mus 3 erfällt, unb fdjarf mit
tur 3 em flirren f)ört man eine fiegion
oon ©ht 3 elf©lägen jetjt ineinattber
Hopfen, gm toeiten Saal eine enb=
lofe 9?e©e fleiner Dif©©en. £Irbeits=
oertieft f©en bie biaubejaeften 23e=
amten, SDRanrt neben 9P?antt, oor biefen
Dif©©en, auf benen 3 ierlid)e gelbe
Apparate mit taltem ©Ian 3 e funteln.
^Jln allen Apparaten f©nellen bie
<rjebelroerfe gleid) fpitjen Spiel 3 eug*
l)ämmerd)en auf ben metallifdjen
Spiel 3 eugamboft nieber. Unb aus ber
£egion oon Dif©en toäd)[t bas £ieb
ber £egion oon funfelnben Apparaten
unb f©roi!lt, jeber Apparat mit feinem
befonberen Stofj unb feinem befon=
beren £jammerfd)lag, bis fie alle enb=
lief) bas eine grojje, fernere Dröhnen
roerben: bas in oieltaufenbfältige
Klopflaute überfe^te Spra©enbabel
ber Delegrapf)iftenl)eere ©uropas.
2 Bie bas Sieft einer Stiefenfpinne
eilen bie fupfernen gäben nad) jeber
9?id)tung. Sie umgarnen 3 unä©ft
bie nähere Umgebung Berlins, fangen
alle großen Stäbte unb gnbuftrie*
3 entren in if)r 9te^, überfpannen unb
überfd)reiten 3 ule^t aud) bie 9teid)S'
gren 3 e. Unb roie fie fdjliefjlid) boef),
Dral)t um Dral)t, roieber in bie eine
3 entralftelle einmünben, nid)ts roeiter
als etn ruI)elofer Dafter ober Klopfer,
tarnt man oon Apparat 3 U Apparat
faft bie ©efdjid^te ber Delegrapljie
burd)roanbern. Da fte^en nod), frieb=
fertig unb l)alb befd)aulid) in il)rem
eignen Abteil aufgeregt, bie alten
9Jtorfeapparate, bie mitunter nod)
gan 3 nüt)lid)e Dienfte Ieiften tonnen.
Die SDtorfeapparate oermitteln nur
mel)r beit Depefd)enoerteI)r Berlins mit beit
tleinen Orten in ber 9täl)e ber 2Beltftabtperipf)erie.
^lud) bie Klopferapparate arbeiten nod) mit-'ber
9Jtorfeted)nit, aber bie Streifenfdjrift
fef)It. Die antommenben Depefdjen
füllen nur atuftifcE) gefangen roerben, bie
Deite roerben roeber auf Streifen nod)
überhaupt grapf)ifd^ feftgefjalten, fie
flopfett nur. £aufdjenb fi^t ber 23eamte
oor feinem Apparat, o^ne roeitere Uber=
prüfungsmögli^feit als fein längft geübtes
Of)r unb bie pfyonetifdje ©rinnerung. Der
§ebel flopft — ungefdjriebene Stridje
unb s Uunfte — unb ber Beamte fdjreibt.
Die Klopferapparate ftellen bie eiligen
33erbinbmtgen mit Deutfd)lanbs Heineren
^ßrooin 3 ftäbten l)er, immerhin fd)on flinter
in ben Keiftungen als bie älteren Dele=
grapl)en gleid)en ©runbfpftems, ba fie
bie med)attifd)e S^ieberfcfjrift bes Dertes
fparen unb bie 9tieberf(^rift burd) ben
^Beamten fd)on bie Überfettung unb 3 U=
gleid) bas fertige Delegramm bebeutet.
5tber oerfd)ollen tft beiberlei 5ütorfe=
ibpll, ftef)t man nur eine tleine SBeile
oor bem 9Bunberroerf eines §ugl)estele=
grapl)ett. ©r ift nod^ nid)t ber Driumpl)
ber aufs äu^erfte ausgenu^ten mafdjinellen
©efd)roinbigf eiten, aber oor ©nt roirft bie
©rinnerung an bas alte Spftetn ungefähr roie ber
Kontraft 3 roifdE)en einer oormär 3 lid) füllen Klein*
ftabt unb einem ameritanifierenben 2Belt)tabtepos.
Unb bodf) fd)eint alles au© am <?jugf)estelegrapf)en
gait 3 finblid) einfa©. 93or bem Beamten eine
tleine f©toar 3 roei^e Daftatur. Sie gleid)t einem
nieblicfjen ^uppenflaoier, unb in ber Dat fpielt
ber ^Beamte ben 3Bortlaut ber ©m anoertrauten
Depef©e etroa in ber 9lrt ab, roie man einen
luftigen 2 Bal 3 er über bie Daftatur eines ri©tigen
Klaoiers fd)idt. 9tur bajj bas ^uppentlaoier, roemt
über feine Daften ber 23eamte in ^Berlin l)inftreid)t,
ein paar Setunbenf©läge fpäter in ^tmfterbam
ober 9tom einen 3 roeiten §ugl)esapparat in 5Be=
toegung fe^t. Unb oereinfad)ter tonnte fold)e
Der §auptumfd)alter mit bem Klinfenfelb für
fämtli©e Leitungen
1911. 9tr. 35
Über £artb unb äReer
923
Depefdjenerlebiguttg gar nid)t gebad)t roerben:
ber berliner Searnte brüdt mühelos auf feinem
Klarier bie Tafte A nieber — ber Searnte in
9tmfterbam ober ‘Korn erblidt oor fid) auf bem
Papierftreifen feiner 9Jiafd)ine ein tlargebrudtes
A — ber Searnte in Serlitt fpielt roeiter — un=
fid)tbare §änbe in 9tmfterbam ober 9tom bruden
bort ben Tert auf bem Streifen roeiter. (Eigentlich
bat ber Searnte, bort oben ober unten taufenb
Steilen oon Berlin, nichts roeiter mehr 311 tun,
als bie Streifen ab 3 ulöfett, auf 3 ureit)en, auf 3 U=
fleben unb ben Austräger 3 U rufen.
Demtod) iff ber öughestelegrapl) nod) gar nid)t
bas oerblüffenbfte SBunber aller Telegraphen*
ntärd)en. Dennod) gibt's nod) rereinfad)tere,
nod) fdjnellere Ubermittlungsarten. 91m Pturrar)*
fd)en od)ne!ltelegrapI)en bat fid) freilid) bas
barmlofe, gutmütige Klopfen bes SÜlorfe in Saloett
tnatternber Patronen oertoanbelt. Sein Se=
nehmen ift, and) äufjerlid) fd)on, herrifd) unb att=
fprucbsooll. 9llle Kameraben int Saal übertönt,
überbröbnt, überrattert er. Unb feine Sebienung
ift ein 2Bert oon Setunben. (Sin Papierftreifen roirb
in feine 9Jtafd)ine geftedt. Unb bas Telegramm
fefyt ein. Der Papierftreifen burd)eilt bie 9 Jiafd)ine,
roirb oon il)r auf beftimmte 9lrt burd)Iod)t, roobei
in Petersburg ober Paris ber torrefponbierettbe
streifen £od)ungett in gleicher 9lttorbnuttg emp*
fängt. Dann roirb bas Papierbanb in ber 9tuf*
nabmeftation in eine 9lrt Sd)reibmafd)ine ein*
gleich) flatternben gähnen. fenben ©efd)toinbigfeiten. 9lber in ber 3toifd)eu=
Unb Jn ben ein 3 elnen 9lb* seit hätte längft freilich aud) ein red)t ausfübrlid)es
teilungen müffen all bie Telegramm ben Slijpoeg oon SOtailanb nad) Stod*
Blätter aufs neue oerteilt hol™ burcbfliegen tönnen ....
roerben, unabläffig eilen 9lus fd)toar 3 er Kellernad)t fteigen bie tupfernen
Soten hin unb her, fie 9lbern, bort nod) feft oermummt in ihre 3folier*
häufen neue Stöbe auf banbagen, empor in ben §auptfaal bes inter*
bie fleinett Tifd)d)en, bie nationalen TeIegrammton 3 erts. Oben finb fie
ihre elettrifd)en Stimmen gefdjroäbig unb überlaut: oon all bett Depefd)en*
bann auf bie Steife ttad) geheimniffen, bie fie burdjeilen, oerraten fie in
abenteuerlichen fernen ber nahen Tiefe nid)t einmal bas Klopfen unb
fd)iden, fie holen bie noch Gattern ber Apparate. gn biden Strängen
frifchen Slätter, auf bie ftrömen bie Telegraphenleitungen oon allen
eben ein Parifer Inhalt Sahnhöfen in engem Kellergefd)oh 3 ufammett.
niebertlopfte, unb tragen Duntle mt)ftifd)e Sd)langen, bie fid) träg an ben
fie unoerßüglid) 311 m näd)= SSänben emponoinben unb mit ihrer £autlofig*
ften Tifd), ber ben gnhalt teit, 3 umal roeil im 9tebengelah bie 9tol)rpoft=
nad) Petersburg, nach leitungen ber Stabt fpettateln unb tofen, etroas Un=
Sutareft ober (Shriftiania heimliches haben.
roeitergibt. 9111 bas ooll* Unb ba ift oor allem ein fdjroerer, arm*
3 iel)t fid), 00 m 9?ohrpoft* bider, ped)fd)toar 3 er Strang: mehr als hunbert
einlauf ober 00 m (Ein* Kupferbräl)te führt er 3 um Saal empor. SPUtten
treffen ber 9luslanbs= unter ben Drähten aud) bie 9üefenüberlanbleitung
bepefd)en bis 311 bem ber „3nboeuropäifd)en Telegraphengefellfchaft".
9Iugenblid gered)net, ba Son Äonbon fommt bie Äeitung her. Son (Eng*
s Dtafd)inentelegraph oon SJhtrrat), unterirbifd)e Telegraphenlinie Serlin— ber Tert bereits telegra* lanbs Küfte ftür 3 t fie fid) in ben Kanal, burd)quert
Hamburg. 9ted)ts ber £od)fd)riftapparat, lints Übertragung in Schreib* pl)iert ober roeitertelegra* feine Tiefe unter unantaftbarem Pan 3 er, bet (Entbett
mafd)inenfd)rift phiert roirb, mit oerblüf* taud)t fie roieber ans £anb empor. Dann läfet fie
geführt. gnbes nod) ber Serliner Searnte an
feiner Depefdje arbeitet, brudt fd)on bie Peters*
burger Sd)reibmafd)ine fnatternb unb hämmernb
— hunbert 2Borte oermag ber 9Kurrat)fd)e Schnell*
telegrapl) in einer SDtinute 3 U betoältigen —
ohne bie £>ilfe einer 9Jienfd)enl)anb ben De*
pefd)emoortlaut auf ein gormular. Unb faft im
gleichen 9lugenblid, ba ber Serliner Searnte 3 U
telegraphieren aufhört, fann man bort bas be=
brudte Slatt bem 9lbreffaten amh fd)ott 3 uftellen.
Klüger unb abge 3 irielter tönnen bie (Einrid)*
tungen eines 9üefettunternef)mens, roie es bas
Serliner £>aupttelegrapl)enamt als größte unb fom*
pli 3 iertefte feftlänbifd)e Uberlanb 3 entrale barftellt,
gereift nid)t erfonnen roerben. Diefe fieb 3 ehn=
hunbert Seamten, bie an einem einigen Tage,
roenn's fein muh, ungefähr hunberttaufenb Tele*
gramme nad) allen 9Binbrid)tungen beförbertt
müffen, arbeiten felbft gleid) oöllig 3 uoerIäffigen,
auf bie Setunbe' eratten äRafd)inen. Dennod)
bebeuten ihre Sorarbeiten 3 ur Depefchenbeförbe*
rung eine tleine Qrtoigfeit, roenn man an ber
Schnelligteit bes ^unfens meffen toollte. 3u=
näd)ft faufen oon allen Stabtteilen, oon allen
poftämtern ber äRillionenftabt bie Depef<hcnterte
in bie grofee 3^Tttralftelle ein. Sie flattern burd)
9iol)rpoft herbei ober gernbruder — abermals
tarnt fid) hier ber alte s JJtorfeapparat nühlid) machen
— übermitteln fie. 3<d)liofe Depefdjenblätter
toerben bann fortiert, man orbnet fie nad) ben
£)immelsrid)tungen ihrer Seftimmungsorte. Unb
in ber icjöhe bes Saales furren unb faufett bann
abermals 9tol)rpoften mit ihnen baoon, tleine Seil*
poften greifen im $hige bie bereits gefisteten
Formulare auf unb entfSroirren gleid) Schnell*
fd)iffd)en naS allen (Eden unb (Enben bes Saales, $auptoerteiIung ber Delegramme im „Siered“ bes qrohen §ughes*SetriebsfaaIes. Oben ein Deil
3 toifSen feftett 3lantmern bie Depefdjenblättd)en ber Seilbahn, bie, ausgebaut, bie Serteilung ber Telegramme burS Soten entbehrlich macht
1911 (Sb. 106)
120
924
Über £artb urtb 9JIeer
1911. s Jlr. 35
Tenn alle Telegraphenämter irrt Teutfdjen
Aeid) müffen jetjt feiern, um nad) ben Schlägen
biefer einen berliner Uf)r aus3uhord)en. Sie
toirb oon ber berliner Sternmarte elettrifd) ge=
(teilt, unb bann bittiert fie allen |>auptftationen
ber beutfcf)en Telegraphie bie 3 eit-
Fünf Almuten oor acf)t Ul)r fitjt an allen
beutfdjen Telegraphenftationen ber Beamte, l)ält
forgfam feinen Apparat im Auge unb märtet.
Ta plöhlid) fd)Iägt ber Apparat an — Berlin
bepefcf)iert: „Ad)t Uf)r, auf ben Bruchteil einer
Setunbe." Unb alle Uhren merben eingeftellt,
alle §auptftationen geben ben Aebenftationen
bas 3 etd)en meiter. 3 ™ näd)ften Augenblid ift
bas feierliche Sd)meigen im Saal aller fontinem
talett Telegraphenpaffagen aud) fd)on mieber ger=
ftört: oon allen Aßinbrid)tungen tlopfen, rattern,
brötpien bie Stimmen ber ABeltftabt, bes Aeidjes,
bes raftlos machen ©uropa.
Aufnahme ber Telegramme nad) bem ©ehör burd) ben „SUopferapparat“
oben im Saal ben Apparat ©rer Berliner Aelais=
ftation fpielen unb jagt baoon.
ABeiter nad) Often über Serge unb ABälber,
burd) Stabte unb Ströme, meiter nad) ber
ftrim, burdjjagt fie ben ftautafus, burd)jagt
neuntaufenb Kilometer, atmet enblicf) in
Teheran auf unb haftet gleich aufs neue nad)
3nbien fort.
<pier unten bebeutet ber fd)mar3e Strang
freilidh nicht mehr als jebe anbre ßeitung aud):
ein Bünbel Tral)t gleich anbern ftupferabern,
bie ein anbrer 3f°ftermantel oorforglid) um=
hüllt, inbes ein Bünbel Tral)t, bas alle Sprad)ctt
ber SBelt beherrfd)t. — Tie
größte europäifd)e Uberlanb=
zentrale tennt meber Aaft noch
Aut) .bei Tag unb flacht.
Aur einmal in ben 9 Jiorgen=
ftunben, Tag um Tag burd)
fünf Minuten, ruhen alle Appa=
rate, alle ioebel, alle Klopfer,
©s ift bie ©nabenfpanne 3 eit,
in ber bie Uhr bes §aupttele=
graphenamtes ihre l)od)mütige
unb beifpiellofe £errfd)aft auf*
rietet.
Ter Siemens = äRafd)inenteIegrapf). Tie in JÖo<^fd)rift auf=
genommenen Telegramme merben felbfttätig in Sd)reib=
mafd)inenfd)rift übertragen
Jeonoreyffersen - Deäeir- TMlordetflßcfl iwffe/rofefe
V
©in Fragment aus einem ‘•Roman
Is irjans $ein3 fienjmann, mein Setter Scans
S>ein3, 3um Begräbnis ber ©ofelli ging
(einer Tarne, mit ber er meber oermanbt nod)
öerfd)mägert nod) gefellfchaftlid) liiert mar), jagte
er, er täte bas, meil er gerabe einen fo jd)önen
neuen fd)mar3en An3ug gefriegt hätte, unb ber
ftänbe il)m fo rei3ertb 3U ©eficht. — ABobei er
Bermutungen anbersartiger Aatur benjenigen
Leuten überlieh, bie ihn megen ber Färbung
einiger literarifdjer Brobutte ol)nebies für ein
fittlid) etmas oermal)rloftes 3abioibuum halten.
9 Bas hwQegen ben fd)önen ©berl)arb anging,
ben ©haratterbarfteller, fo mürbe fein Fernbleiben
ohne 3 meifel aufgefallen fein. Tenn er hatte jid)
oon Anfang an 3um oäterlid)en Befd)üt(er ber
©ofelli aufgemorfen unb hatte alle '•Rollen mit ihr
einftubiert: er hätte feinerfeits alfo höchftens ein
Aiotio für fein Aid)terfd)einen erfinben müffen.
3m übrigen mar es gut, bah fie alle beibe ba
rnaren, benn bie Sad)e mar jämmerlich tlaterig.
Ter Tirettor mar auf ©ngagementsreife, bie
befferen Kollegen 311m Teil fd)on abgereift — 00m
lieben Bublitum hatte oermutlid) immer ber eine
gebad)t, ber anbre mürbe moI)I fd)on begehen —
unb fo lief bie Beteiligung auf ein 3iemlich ftillofes
S)äufd)en nicht 3ufammengel)öriger Seute heraus,
3mifd)en benen §ans §ein3 unb ber fd)öne ©ber^
I)arb bod) menigftens nod) ein bihd)en betoratio
mirften. £>bmol)l S>ans $ein3ens Sd)önt)eit fich
leiber im mefentlichen auf ben bemühten neuen
An3ug befd)ränten muh unb bie bes frönen ©ber=
harb etmas ftart ©mbonpoint angefetjt hat feit ben
Tagen feines £elbenbarftellertums glorreichen
Anbentens.
Tie ©ofelli mar Sd)aufpielerin gemefen. —
©ine blutjunge Anfängerin, fetjr fd)ön unb offenbar
talentooll unb alfo eigentlich präbeftiniert, einmal
ein „Siebling bes Ißublitums" 3U merben. Sie
hatte aud) roährenb ber Saifon bie l)offnungs=
oollften Anläufe 3U biefem ©nb3iel gemacht, aber
nach ber Saifon hatte fie fich eines Tages erfd)offen,
ohne bah ein äRenfd) ahnte, meshalb. SBeil fie es
*) Stehe „Uber £ant> unb Aieer" Ar. 20, 22, 26
unb 31.
etmas tl)eatralifd) gemacht hatte — in oollem
Brautftaat mit 5trän3 unb Schleier — rnaren
natürlich) fofort etliche Fraubafen bei ber §anb,
bem ba3ugehörigen Aoman nach3ufd)nüffeln.
Aber ftreng genommen brad)ten fie an pofitioen
Tatfad)en nid)t oiel mehr heraus, als bah bie
©ofelli eigentlid) Fräulein 5 Uöhd)en ©eh, bah fie
aus unintereffant tleinbürgerlid)en Greifen baoom
gelaufen mar unb bah fie 3umeilen, bei einer nod)
betrübenb Keinen ©age, Atohrentöpfe für 3cl)u
Pfennig ftatt eines oernünftigen Aüttageffens ah-
2 Bas ja alles brei nicht fd)ön, aber immerhin meber
eine Schaube nod) ein Berbred)en ift.
Aid)tsbeftomeniger hatte fie fid) erfd)offen, mar
maufetot unb muhte begraben merben, unb bie
-Beteiligung beim Begräbnis mar, mie fd)oit be=
mertt, megen ber mihlidjen äuheren Umftänbe
eine hächft mangelhafte. 3ubem regnete es junge
£unbe unb Äahen, mas einige menige 3ufd)auer
aud) noch eilenbs oertrieb.
Tie ©rabrebe © e ^t in ©rmanglung eines
^ßaftors ein junger Sd)aufpieler. ©r meinte es
ohne 3roeifel red)t gut, aber er mar nod) etmas
f e 1) r jung, unb bie Ahetorit ging mit ihm burd).
Auherbent muhte er ja ebenfomenig mie irgenb
jemanb anbres, marum eigentlid) fie fid) erfd)offen
hatte, ©r hielt alfo eine Art Abhanblung über bas
Aed)t ber Selbftbeftimmung in Form eines 9 Rono=
logs mit oielen rollenben 3ungen=A unb groben
©eften, mobei man bie gan3e 3eit bas peinli^e
unb fatale ©efü© nid)t los mürbe: ^»errgott,
9 )ienfd), fie ift aber bod) mirflid) unb im ©rnft tot! —
Ter fd)öne ©berharb trat babei neroös oon einem
Bein aufs anbre (mo3U feine blanfen ©ummi=
fchuhe umfd)ichtig meland)olifd) quietfd)ten), unb
nur irjans §ein3 ftanb unburd)bringlid)en unb um
bemeglid)en ©efidjts ba unb lieh bie Bebe ebenfo
gleidjgültig an fich heninterlaufen mie ben Aegen.
(Ter ihm übrigens emfig in ben Aocftragen tröpfelte,
meil er feinen Aegenfd)irm gefd)loffen unterm
Arm trug.)
Als bie erfte naffe ©rbe mihtönenb auf ben
Sargbedel tladerte, gab er 3um erftenmal ein
£ebens3eichen oon fid), inbem er 3ufammenfchrat
unb eine unmillfürlid)e Bemegung nad) oorn
machte. Aber in bemfelben Augenblid fd)rie ber
©haratterbarfteller gan3 plöhlid) unb unoermittelt
laut auf:
„©lifabeth!“
©ine momentane Stille folgte. Aber — mar
es nun nicht fd)euhlid)? — gcm3 fid)er mar ber
Auffdjrei impulfio, tarn unsmeifelhaft aus ber
Tiefe irgenbeines rein menfd)Iid)en ©mpfinbens.
Unb bod) — lag es nun am Ton, an ber ,at3en=
tuierten Ausfpradje, an biefer infamen tRoutine
bes Cannes, bem bas ©rfd)üttern Beruf ift —
unb hoch hotte man fd)on mieber bies nieber=
trächtige ©efühl: 2 Bir finb bod) nid)t bei einer
©eneralprobe! Sie ift bod) im ©rnft tot! — Tie
momentane Stille mar fehr oiel mehr peinüd) als
erfdjütternb, ber Sdjaufpieler felber bih fid) auf
bie Sippen unb trat mit einer ©rimaffe 3uriid,
unb bie anbern gudten in einem ©emifd) oon
Aeugier, 93 erblüfftl)eit unb Unbehagen aneinanber
oorbei.
Bloh §ans §ein3 mürbe in biefem Augenblid
lebenbig. ©r fab ben 9 Rimen lange unb fehr fd)arf
an, fo fdjarf unb forfd)enb, als ob er ihn in feine
ein3elnen Beftanbteile ^erlegen mollte. Aber ber
fdjöne ©berharb ma©te in biefent Augenblid feinem
fdjmüdenben Beimort menig ©bre — er fah alt
unb grau aus, bie intereffanten Falten um 9 Runb
unb Aafe rnaren fd)laff, unb fein Paletot 30g 3um
Bäud)lein hm 3mei menig rei3enbe Falten. —
Aad» einer ASeüe lieh bie ftirnrun3elnb gefpannte
Aufmerffamteit in Scans §ein3ens gelbem Antlit)
nad) unb mad)te einem fonberbaren Ausbrud
'üßlatj, einem Ausbrud, ja, man fann es taum
anbers nennen, einem Ausbrud oon 5 tamerab=
fchaftlichteit.
Unb als bie trübfelige 3 etemonie beenbet
mar, tarn er um bas ©rab herum unb gab bem
anbern ftillfd)meigenb bie Srnnb.
Ter ftrömenbe Aegen fd)memmte bie 3ufammen=
hanglofe Trauergefellfd)aft fdjnell genug aus=
einanber. §ans §ein3, ber Aiime unb id) rnaren
bie lebten, bie ben 5 tird)hof oerliehen, unb oerrnuK
lieh hatte jeber oon uns urfprünglid) bie Abfidit,
fo fchnell mie möglich nad) irjaufe 311 tommen. Aber
als mir eben auf ber Strafte rnaren, artete ber
Aegen in einen mähren SBoltenbrud) aus (natür-
lid) in bem Augenblid, als uns bie einige Fa© =
gelegenheit oor ber Aafe baoonfaufte, fo bah mir
froh Qetms fein muhten, an ber näd)ften Strahen=
ede eine Art fleines ©afe 3U erfpähen. ©leid)=
3eitig mit einem Aßinbftoh unb einem SBafferguh
926
1911. <Rr. 35
mefeten mir ofene lange Berabrebung in bie Heine
Bube hinein, unb ber erfte unb nädfefttiegenbe
©ebante mar jebenfalls nur bas Dad) überm
Kopf, ber 3toeite eine Xaffe Kaffee auf all bie
91 äffe.
Bis mir uns brinnen erft einmal abgefcfeüttelt
unb inftalliert hatten, mürbe es fogleid) unbel)aglid)
fd)meigfam 3toifd)en uns. — Das Bübcfeen mar
eine Kombination oon Konbitorei unb ©afe, mo=
bei eine Heine S)interftube in ©emeinfcfeaft mit
oicr 91 tarmortifcfeen, einem ^feilerfpiegel unb
einigen roten Blüfd)bänten bas ©afe oor3uftellen
feätte, unb aufeer uns mar teine toeele barin.
Blenn es nun aber aud) bas 91 atürlid)e ift, bafe
man fcfemeigt, mäferenb man bei ftrömenbem
9 ?egen über einen aufgemeid)ten Kird)l)of patfd)t:
menn man 3U britt in einem fo Heinen fiotal au
einem fo Heinen Xifd)d)en beim Kaffee fifet, mu|
man auf bie Dauer fd)on aneinanber oorbeiguden,
um bas Sdfemeigen nid)t als s 2 lbfid)t 311 empfinben.
3ubem l)ing mie ein langes 5rage3eid)en biefer
unmotioierte unb überflüffige Buffcferei 3toifd)en
uns: in ber Stille l)örte man es orbentlid) mieber
laut unb beutlid), mit 3mei langge3ogenen e:
„©lifabeetfe!“
3dfe bebauerte nteinerfeits aufrid)tig, ba3U=
fein. — Der Blime räufperte fid) bebeutungsooll,
fagte aber bann bod) nichts, unb §ans §ein3 ftarrte
trübfinnig oor fid) I)in. Bber fd)liefelid) mar
er ber erfte, ber fid) ermannte. Hub bie Stinte
mung gemaltfam abfd)neibenb, fagte er troden:
,,$offentlid) l)at fie menigftens einen rnaffer*
bid)ten Sarg!“
Bber ber 9 Jtime mehrte mit einer ©efte bes
©ntfefeens ab, als ob er fagen mollte: O meld)e
Brutalität! Unb bann legte er bie £>anb über bie
klugen, 30g bie 9 Jiunbmintel nad) unten unb fagte
nad) einer Bleile mit Bothos:
„Sölein 3reunb!— 3d) t)abe fie geliebt!“
3d) rneife niefet, mas er oon uns ermartete.
■Silber mie immer es oon il)m gemeint mar: bies mar
platt. Blump. Diesmal 3udte $ans irjein3 3U*
fammen mie unter einer Bofeeit, unb es bauerte
eine gan3e Bleile, bis er troden antmortete: „So.“
Der fd)öne ©bewarb nafem bie $aub mieber
oon ben klugen. „Sie munbern fid) über bies ©e*
ftänbnis?“
„3©" fagte |jans §ein3 nod) trodener.
„Blunbem Sie fid) nid)t, mein $reunb!“ fagte
ber Sdfeaufpieler. „©emife, mir tannten uns bis*
feer menig. Der 3 ufall mefete uns 3ufammen.
Bber glauben Sie niefet, baf3 es Situationen gibt,
bie bie Blenfefeen einanber fo oiel fd)neller näfeer*
bringen? 3 d) t)abe mid) oon meiner Bemegung
feinreifeen Iaffeu bort braufeen. 3 d) feabe bas Be*
bürfnis, 3 feueit biefe BufHärung 3U geben. Biel*
Ieid)t um falfd)en Sd)lüffen oor3ubeugen. 3 fe*
§änbebrud bemies mir bas gleid)fd)lagenbe §er3,
bas“ (feier ftodte er ein bifed)en, oielleid)t meil
id) ifent oon mir aus gar lein gleid)fd)lagenbes
§er3 bemiefen feätte) „bas 3U afenen oertnag,
mit melefeen ©efüfelen man an ein ©rab treten
fann, an eine ©ruft —“
§ier ftodte er fcfeon mieber; aber mit ©lan —
mie übermältigt oon feinen ©efüfelen.
£ans £>ein3 fafe tur3 3U ifem feerüber. Buf
eine Heinmin3ige Setunbe erfd)ieu nod) einmal
ber fonberbare tamerabfefeaftlicfee Busbrud in
feinen klugen, als er um ein meniges liebens*
mürbiger bemertte: „galten Sie Bfenungen nid)t
aud) unter Umftänben für gefd)madooller als ©e*
mifefeeiten?“
„©emife! — ©emife!“ fagte ber 9 Jiime oermirrt.
Unb bann tarn mieber eine lange, gebautem
oolle Stille, mäferenb meld)er man nur bas Raffeln
bes Segens auf einem unfid)tbaren BIed)bad)e
feörte.
3 d) meife nun nid)t, meld)er Xeufel ifen ritt
ober meld)es nieberträcfetige ©efüfel in ifem boferte:
er feätte gan3 gemife oiel Hüger gefd)miegen,jiber
ob er nun aus irgenbcinem ©runbe biefe Stille
nid)t ertrug ober ob irgenbeine patfeetijtfee 2Bicf)tig=
tuerei il)n oerfüferte, nad) einer 9 BeiIe bemertte
er bumpf — fealb 3U mir unb fealb 3U fid) felber:
„©lauben Sie mir, es ift ein 3 lud) für einen
9 Jlann, menn alle Stauen auf if)u reagieren!“
3 n biefem Bugenblid fal) §ans §ein3 mieber
3u ifent feinüber, aber nur gan3 blifefdptell unb
ofene jebe Spur oon irgenbmeld)em tamerab*
fefeaftücfeen Busbrud. 3 ™ ©egenteil, es mar etmas
entfcfeiebeu 3 einbUdfees in bem Blid. Bber gleid)
barauf fafe er gleidpnütig in ben Spiegel unb 30g
fein gelbes ©efid)t in Salten, ©r mar mirtlicfe
teine Beaute.
„Blie gut,“ fagte er langfam, bafe mir beibe in
biefem Salle oon biefem 3luefe oerfd)ont geblieben
finb!“
Über £anb unb 9J?eer
„Bliefo?“ fagte ber 9 Jlhne, fid)tlid) unangenefem
berüfert.
„ 91 a,“ fagte $ans $ein3, unb fein ©efid)t mar
fo unbemegliefe mie eine 9 Jtaste, „idfe mit meiner
Scfeönfeeit unb Sie mit 3 feren Saferen — ?“
„Bitte — Blter ift Xemperameutfad)e!“ be*
mertte ber fd)öne ©berfearb bitter geträntt.
„ 91 a?“
» 3 a! — Samofel!“
§ans $jein3 3udte nur fteptifd) bie Bd)feln.
„BIfo ja. — Das feeifet für einen felber! Bber
für bie fd)önen jungen 991 äbcfeen?“
„©lauben Sie nidfet, bafe aud) eine fd)öne
junge S^au mid) lieben tann?“ fagte ber 9 JMme
fefer empfinblid) unb marf fid) unmilltürlicfe in
bie Bruft.
„Srgenbeine fdjöne junge S^au — fd)on.“
„$Bie meinen Sie bas?“
3 n ioaus Jeinsens ©efidfet sudte teine 9 Dlustel.
„3d) meinte, mir feätten oon ber ©ofelli gefproefeen,“
fagte er.
„Sie fealten es alfo für fo gau3 unrnöglid), bafe
bie ©lifabetfe ©ofelli mid) geliebt feätte?“ Der
fd)öne ©berfearb, am en!pfinblid)ften Buntt feiner
©itelteit getroffen, mürbe feifeig.
4>ati8 3>eitev« fec.
£mns $ein3 befafe oon ber Seite fein ©mbom
point mit aufrei3enber ©enanigteit unb feödjft
3meifelooll. „ 9 tee!“ fagte er bann tüfel.
„ 9 tun — Sie tönnen fid) täufefeen,“ fufer es
bem 9 Jlimen feeraus.
„®ott — fie nafem Sie als oäterlicfeen tieferer —
3utn 91 oIleneinftubieren! Das mar ja fomeit gan3
nüfelicfe!“ ($ans $ein3 fprad) gatt3 rufeig unb leife,
aber fein Xon feätte audfe eine 9 Jlumie feeraus=
geforbert, unb ber 9 Jlime ging glatt auf ben Keim.)
„ 91 un ja! 3 d) feabe ifer bie 91 ollen einftubiert!“
fagte er. „Sie mar 3unä<feft meine Sd)ülerin.
3§ füfelte mid) mie ifer geiftiger Bater.“
„Sie feätten aud) getroft ifer leiblidjer Bater
fein tönnen, bem Blter rtad),“ fagte §ans §ein3-
„§m — e — fein. — 931 ag fein. S^öenfalls,
bas tann id) Sie oerfid)ern, f i e fafe niefets Bäter=
Ud)es in mir!“ fagte er 3 ornig.
„Bber Sie als ber filtere, ©rfaferenere, Sie
feaben natürlid) biefem Kinbe —“
»3d) fagte Sfeuen ja fdfeon: Blter ift Xempera^
mentfad)e!" unterbrad) ber anbre feaftig. „ 9 Bas
mid) betrifft, id) bin ein mafenfinnig leibenfcfeafH
lid)er 9 Jlenfd)! Sie allerbings —“
„Blfo bod) ein 9 lllerbings?“ unterbrad) §ans
§ein3 feinerfeits.
Der 9 Jiime fufer fid) irritiert burefe bie 991 äfene.
„Die Dinge liegen benn bodfe fefer anbers,
als Sie an3unefemen belieben!“ fagte er feifeig.
„BSenn biefe Kiebe auf meiner Seite eine unglüd=
lid)e genannt merben foll, fo mar fie es jebenfalls
auf eine gan3 anbre SBeife, als Sie an3unefemen
fefeeinen. 3 <^ fe<©e miefe ber Kleinen — e — an=
genommen, meil i^ fie für etmas Befonberes feielt.
9 tber i© feabe mid) in ifer getäufefet. Sie feätte er=
erbte fpiefebürgerlicfee 9 lnfidfeten, fpiefebürgerlid)e
3 uftintte, bie fdfemer umsubringen maren. 2 Bie
id) jefet fefee, bie gar nid)t um3ubringen maren.
^Bofeingegen id) —!“
„BSofeingegen Sie?“
„ 91 un, id) fagte 3 fe«^^ ia fdfeon: id) bin ein fefer
leibenfdjaftlicfeer 9 Jlenfd)! 3 d) feabe fie eine 3 ^ii ;
lang geliebt. 3d) feabe fie mit meiner Kiebe geabelt,
fie ift BSeib gemorben burd) meine Kiebe—Bleib,
9 Jlenfd), Künftlerin — iefe feabe fie 311 mir empor*
ge3ogen —“
($ier umtlammerte §ans Jeinsens rteroöfe
fd)male ipanb bie Xifd)tante, aber er fagte nid)ts.)
„— id) fafe in ifer ben 3uK9tmm — bie
Kunft —“
„Unb aufeerbem?“ fagte §aits §ein3 fteptifd).
„£>m — e — fern, barauf tann id) 3fenen eben
nur fagen, fie liebte mid)! Unb id) bin, mie gefagt,
mafenfinnigleibenfefeaftlid). Der 91 eftiftSdfemeigen.“
„Bllerbings,“ bemertte £>ans §ein3 troden.
9 luf einmal entftanb eine Stille, ©ine gefäfer*
Iid)e Stille, ^o, als ob plöfelicfe bie Heine Xote
bas JBort betäme, bie ba braufeen mit einem Kod)
in ber Sd)läfe in ber naffen ©rbe lag. Der 99 time
räufperte fid) auf eine unbefeaglicfee BSeife unb fafe
oerftofelen unb unfidjer 3U §ans §ein3 feinüber.
Der fafe ifen unbemeglicfeen ©efid)ts mieber an.
©s mürbe fefer unbefeaglid).
Dann fagte §ans §eiu3 fd)liefelid) mit einem
9ld)fel3uden: „ 91 a ja. ©efd)efeene Dinge laffen fid)
fealt nidfet änbern!" — fo 3i)nifd), bafe id) felber
an ifem irre mürbe. Der 9 JUme aber fd)nappte ooll
fidfetlidfeer ©rleidjterung barauf ein: „3a, fefeeit
Sie, bas rnufe id) mir ja aud) fagen!“ fagte er mit
mürbeoollem Batfeos. „3d) tonnte bod) nid)t für
eine Stunbe ber Keibenfd)aft meine Unabfeängig*
teit opfern, meine greifeeit, meine tiinftlerifcfee
3 ubioibualität! Da gibt es bod) anbre Biege,
nidfet mafer? Bber fie feätte unenblid) Heinlicfee 9 ln*
fdfeauungen über biefen Bautt, bie ganse Spiefe*
bürgerlid)teit iferer §ertunft tarn barin mieber 311m
Borfd)ein. Das füferte 311m Brucfe. 3 d) mufete
midfe oon ifer losfagen. Blenn id) natürlid) feätte
afenen tönnen, bafe fie fo oöllig ben Kopf oerlieren
mürbe — bas feeifet — idfe meine natürlicf) —“
Damit ftodte er. §ans §ein3 feätte beibe
Brme auf ben Xifdfe gelegt.
„Blfo — bas — maren — Sie!“ fagte er mit
91 acfebrud auf jebem ein3elnen Blort.
Der Sdfeaufpieler fufer auf. „Das feabe id)
niefet gefagt! — 3d) bin —“
„Soll id) Sfenen fagen, mas Sie finb? Sie
finb ein gan3 feunbsgemeiner Kump!“ fagte §ans
§ein3 langfam unb beutlid).
Der Sdfeaufpieler fufer in bie £)öfee, bafe fein
Stufel umfiel. „§errr! Sagen Sie bas nod) ein*
mal!“
„ 9 Jiit Bergnügen. Dreimal, menn Sie rnollen!
©in gart3 feunbsgemeiner Kump! 9 Bas! So ein
alter Kerl — bringt fo ein Heines Bläbcfeen in bie
Batfcfee — 3iefet fid) mit ein paar albernen Bferafen
aus ber Bffäre unb läfet bas Kinb ba in feiner
$ilflofigteit im Stid)! Blenn bas teine ©emein*
feeit ift —“
Der fdfeöne ©berfearb fdfenappte nad) Kuft.
„ 9 Jlein §errr —!“
„Unb ba Sie bod) bereits aufgeftanben finb,“
fufer £ans §ein3 unbeirrt fort, „feaben Sie oielleid)t
bie 3reunblid)teit, uns gan3 311 oerlaffen. ©s
maefet mir menig Bergnügen, 3 fe*e BfeRfiognomie
nod) genauer tenneit 3U lernen!“
Der fd)öne ©berfearb, blafe oor Uberrafd)ung
unb Blut, griff nad) feinem 9 Jtantel. „Sic merben
oon mir feören!“ fagte er bramatifd).
,,©s mirb mir ein Bergnügen fein!“ fagte $ans
$ein3 oerbiffen. Unb als ber anbre nod) niefet fo*
gleid) ging, ftanb er auf unb fing feeifer an 311
3äfelen: „©ins! — 3 uiei! — Drei!“
Bei brei mar ber 9 Jlinte braufeen. Unb iqans
§ein3 ftanb mit flammenben Bugen an bem Xifd)*
d)en, beffen 9 ?anb er fo feart umtlammert feätte,
bafe bie Xaffen unb Köffel tUrrten. Das ©anse
mar mit unfeeimlid)er 3'iBgteit oor fid) gegangen;
es mar eine gan3 fd)eufelicfee Situation.
©ine BSeile fd)miegeit mir uns gegenfeitig an.
Dann nafemen mir aud) unfre 9 JtänteI. Bber erft
als mir uns trennten, fagte $ans $ein3 bitter —
meniger 3U mir als mie als Bbfd)lufe einer langen,
trüben unb oermutlid) ifen felbft betreffenben ©e=
bantenreifee:
„— unb fo einem alten, nieberträefetigen ©eden
mufe fo etmas bann in bie Sauger fallen!“
Bber aus bem Xon ber paar Blorte begriff id)
bocfe erfdfeüttert, bafe §ans §ein3 nid)t ausfd)Iiefe*
lid) megen bes neuen Bn3ugs auf ben Kird)feof
getommen mar.
1911. 9ir. 35
Über £artb unb 9©eer
927
©Sie bie ©einige entfielen
93on
Dr. 9©. 2Btlf)etm SRetjer f
(Öierju bret 3 eßn Originataufnat)mcii bes ©erfaffers)
tt>un beginnt wieber bie frifd)-frößlid)e 3eit, ba
man enblid) ber großen Sflaoenßalterei,
©roßftabt genannt, entrinnen tann, hinaus in bie
freie ©atur. ©Seid) ein 3 auber liegt fd)on in biefent
©Sorte: bie freie Statur! Sie ift es, bie uns bie
Seele befreit non bem Drud aller Sorgen, benn
fie trennt uns los oon allen ©erbinbungen mit
ber ©tenfd)enwelt, bie uns unfrei machten mit all
ihren ©Sirrett unb Unoollfommenheiten.
©Senn irgeub etroas in biefent toed)felooIIen
£eben ber ©rbe ©nfprud) auf Untoanbelbarfeit
hat, fo ift es bas gewaltige ©ilb bes ©ebirges, bas
beut Fimmel, jenem Ürbilb ber ©wigfeit, am
näd)ften fomtut unb faft unnahbar ift wie er.
Unb bod) ift aud) bas ©ebirge nur ein ©Sellen-
fd)lag im ©teere ber Unenblid)teit, ber ewigen ©nt-
widlurtg, bes ewigen Kreislaufs ber Dinge 3wifd)ett
Aufgang unb Untergang. ©ud) bie ©ebirge finb
nicht ewig gewefett, fie finb entftanben unb werben
wieber oergehen.
©Sie finb wol)l bie ©ebirge einftmals entftanben?
X>em nur einigermaßen aufmertfamett ©eob-
ad)ter muffen oerfd)iebeite Di)peit oon ©ebirgs-
formen aufgefallen fein. Die auffälligfte, fid) oon
allen anbern am beutlidjften unterfd)eibenbe gönn
ift bie ber ©ulfanberge, bie in ihrer flaffifd)ett ©nt-
widlung fid) plößlid) aus einer ©bene erheben als
mehr ober weniger flad)e Kegelberge ohne 3 u=
fammenhang mit anbern ©ebirgsfetteu. Der ©tua
ift hierfür bas d)arafteriftifd)fte ©eifpiel. ©r erhebt
fid) bireft oon ber ©teeresfiifte bis 311 3300 ©tetem
empor, oöllig getrennt oon bert ©ebirgs^ügen
Siziliens, bie eine burd)fd)nittlid)e $öf)e oon nur
etwa 1000 Bietern befißett.
©ber nid)t immer ftefyen bie ©ulfane auf einer
©bene. Sehr häufig finb fie offenbar einmal aus
©ebirgen l)eroorgebrod)ett, bie einen gan3 anbern
Urfprung gehabt haben müffen, ba fie aus anbern
Sd)id)toerwerfungen (^altenbilbungert) am ©ierwalbftätter See bei ftlüelen
baß bie gan3e ©rboberfläd)e einmal feuer-
flüffig gewefen fein muß unb burd) ©bfüßlung
ihre fefte Krufte erhielt, unter ber aber jene ur=
fprünglicßen feuerflüffigen ©taffen oon einer be-
ftimmten Diefe an immer nod) oorhanben fein
müffen, was nid)t nur bie ©ulfattausbrücße, fou=
beru aud) bas beftänbige $eißerwerben ber ©rb-
fd)id)ten mit 3unehmenber Diefe beweift. ©ei bem
©bfüßluugsproseß haben fid) Schollen gebilbet, bie
3uerft oon bett Strömungen in bem bie ©rbe um-
faffenben ©lutmeere getrieben würben, nach unb
nad) fid) aber ftauen mußten unb wie beim ©is=
gang gegeneinanber türmten. So fitteten fie fid)
bann 3ufammen unb formten baburd) bie Kerne
ber fpäteren ©taffem unb Kettengebirge, wie bie
©Ipen unb aud) bie lange ©ebirgsrippe ber ©nben,
bie urfprünglid) nid)t oulfanifd) war.
©Is fid) nun bie gan3e ©rbe überfruftet hatte
unb immer mehr abfühlte, würbe ißr bie neue |jaut
3U groß, benn alles, was fid) abfühlt, oerfleinert
fid) babei. Die ^cßollen, teils oon fontinerttaler
©usbeßnung, fanfen tiefer l)iuab, hielten fid) aber
3unäd)ft nod) an beit ©ebirgsrippen feft, 3wifd)en
benert fie alfo ©tulben bilbetert, bie 3ufürtftigen
©teere. Schließlich aber riß fid) bod) eine Scholle
los unb rutfcßte längs ber ©rudptelle in bieJXiefe.
Dies ift einft mit bem gan3en ©ebiete bes Stillen
£)3eans gefcßeßen unb ebenfo mit einem großen
Deil bes ©tittelmeeres. Daburch würben nun an
ben©rud)ränbernbie tieferliegenben Sd)id)tenbloß=
gelegt, bie, bem glühertbflüffigen Tunern näher,
heiß unb plaftifd) finb, fo baß fie bem Dmd ber
letzteren leichter nad)gebett fönnert, ba fie oon bem
©egenbrude ber nun entfernten oberen Sd)id)ten
befreit finb. Das ©tagma bringt burd), unb es
entfteßen nun ©ulfarte auf beut Kettengebirge,
überall ba, wo fo!d)e Scholle niebergegattgen ift.
Deshalb ift ber ©a3ififd)e £)3ean rings oon ©ulfan-
reihen umgeben, unb bemfelben Umftanbe oer-
bauten bie ttalienifd)en fyeuerberge ihren Urfprung.
©ud) bie ©Ipett bilben im Süben, gegen bie
©oebene 31t, ein fold)es ©ruchgebiet; fie fallen hier
fteil ab, währenb fie im ©orben mit langfatn att-
fteigenben ©Sellen beginnen. ©Sir haben hier ge-
wiffermaßett nur bie $älfte eines ©ebirges oor
uns, beffen anbre §älfte in ber Diefe oerfdjwunbett
ift. ©eint ©brutfcßen ber ©oebene fdEjeirtt es ittbes
nid)t 3U bebeutenben oulfanifd)en ©rfcßeiuungen
gefommen 3U fein; nur öftlicß oom ©arbafee treten
bis ©icen3a unb ©abua ältere oulfanifd)e ©efteine
auf. Dagegen ift bie ©egenb oon ©teran bis
Drient unb bas ganse ©ebiet ber Dolomiten oon
oulfanifcßen ©robuften oielfad) burd)brungen, unb
Dßermen, Schwefelquellen unb anbre ©rfd)ei-
Küftenftelle bei ©orbighera (ruhige ©ranbung)
©efteinen beftehen unb aud) einen gans anbern
©ufbau 3eigen. ©tan I)at in ber Dat an3unel)mert,
baß bie ©rbrinbe oon einer beftimmten Diefe an
nur aus ©efteinen befteßt, unb fönute nun meinen,
biefer friftallinifd)e Kern habe bie überliegenbett
Sd)id)ten, auf bereu ©rt unb ©ilbung wir nod)
3urücffommen, burd)brod)en unb 3ur Seite ge-
fdjoben. Selbftoerftänblid) fonnte es babei aud)
gelegentlich 3U
eigentlid)en
©ulfanaus-
briicßen fom-
men, unb ba-
burd) feien
bann bie ©ul-
fane über ben
eigentlid)en
Kettengebir-
gen entftan-
ben, wie 3um
©eifpiel in
ben ©nben.
©Sir wiffen, ©anorama ber Ortlerfette, oon ber Düffelborfer |jütte gefeßen
©Ud auf bie Ortlergruppe oon ber Dreifprad)en
fpiße über bem Stilffer 3 od)
nungen beuten nod) heute auf eine ehemalige oul-
fanifd)e Dätigfeit ßin. Die eigentlid)en ©Ipen aber
haben nie fjjreuerberge getragen wie bie ©nben.
©ei ber weiteren ©usgeftaltung ber Ketten¬
gebirge, bie wir bisher in ißrer urfprünglid)en
gornt als oöllig 3ufammenßängenbe ©ufwerfung
ber ©rbrinbe fentten lernten, bie aus Urgeftein be=
fteßt, fpielt nun bas ©ßaffer eine bebeutenbe ©olle.
©ad)bem fid)
bie ©rbe ge-
nügenb abge-
füßlt hatte,
fonnte es fid)
erft gan3 lang-
fam aus ber
bid)ten ©tmo-
fpßäre nieber-
fcßlagen. ©Is
©egen bie
ßeiße Ober¬
fläche errei-
cßenb, oer-
bampfte es
f#
928
Über ßanb unb 9Jleer
1911. 9tr. 35
©arbarenofd)lud)t
feljr ausgefprod)enen Schichtungen bes Rigi, oon
be.nen er ja feinen Manien (Reihen) erhalten hat,
lagen nod) unterm Ateer, als mal)rfd)einlid) nad)
ben neueften Forfd)ungen fd)on ein erftes menfd)en*
ähnliches Aßefen gleid)3eitig mit hausgrofjen
©flansenfreffern auf ber (Erbe erfd)ien. Aßanbern
Das fnmalajagebirge
mir nun meiter längs bes ©iermalbftätter Sees bie
Axenftrahe entlang, fo gelangen mir gerabe ba, mo
3toifd)en Sßi^nau unb ©ersau bie beiben „Rafen"
ben meftlid)en Deil bes romantifd)en Sees fd)ein=
bar faft abfd)Iiehen, in bie fogenannte Kreibe*
f ormation, bereits einer älteren ©ntmidlungsperiobe,
bie namentlid) burd) ungeheure Ablagerungen non
^an3crgel)äufen tleinfter Seegefd)öpfe ausge^eid^
net ift, bie unfre Sd)reibtreibe lieferten. Die 311=
fammengefalteten Schichten am Urner See, oon
benen id) oorhin fprad), gehören aber bereits einer
nod) älteren 3eit, bem „Fura", an, in ber bie
Riefenfaurier Rauften, ©rft etma bei Amfteg treten
bann bie friftallinifd)en Sd)iefer auf. Das gan3e
©ottharbmaffio befteht baraus, aber im lieblichen
Urferental, unter bem fid) ber berühmte Dunnel in
einer Diefe oon 300 Metern l)inburchmül)lt, finben
mir mieber einen fchmalen Streifen Furafait ein*
gebettet, mas uns nod) intereffieren mirb. Aßo
bann am £ago Ataggiore bie friftallinifd)en Schiefer
mieber aufhören, finbet man nur gan3 Heine
Stellen oon Fura unb Kreibe, in umgefel)rter
Reihenfolge mie an ber Rorbfeite, unb mir gelangen
bann fofort in bie ^oebene mit ihren Ablagerungen
aus ber allerjüngften 3dt.
Aus biefen gan3en £ageoerl)äItniffen geht her*
oor, bah bie Alpen fid) erft etma in ber mittleren
Dertiär3eit aus bem Ateere erhoben haben, bas hier
oorher alle jene Sd)id)ten auf feinem ©runbe ab*
lagerte. §öd)ftens mögen einige Fufeln baraus
heroorgeragt haben, in benen ©innenfeen ober
9Jieer3ungen befonbere Ablagerungen er3eugten,
mohl nod) oft mieberholt, aber in biefem milben
Stampfe bes Aßaffers mit bem Feuer muhte bod)
bas erftere fiegen. ©s entftanben tochenbe Aieere
in jenen Atulben, unb bas Aßaffer fättigte fid) mit
ben Atineralien, mit benen es in ©erüljrung tarn.
Als bie Aleere nun aud) allmählich ertalteten,
muhten fid) biefe Alineralien 3um groben Deile
mieber abfeben, es entftanben auf bem ©oben bes
Ateeres bie erften Sebimentfd)id)ten, bie 3um Deil
friftallinifd) fein muhten, meil fid) auf biefe Aßeife
burd) Abfüllung bes Auflöfungsmittels ja befannt*
lieh oiele Stoffe in Kriftallform ausfdjeiben. Alan
hat immer barüber geftritten, ob jene am tiefften
liegenben „friftallinifd)en Sd)iefer" nicht bod) fdjon
„neptunifd)en“ ftatt „plutonifd)en" Urfprungs feien.
Fn ber obigen Anfid)t hätten mir einen Kompromih
3mifd)en beiben Ateinungen.
Die Regengüffe mehrten fid) unb begannen bie
abtragenbe Arbeit auf ben Kontinenten unb nament*
lid) in ben jungen ©ebirgen, mie mir fie ja aud)
heute nod) beobad)ten. Anbre ed)te Sebiment*
fd)id)ten bebedten ben Ateeresboben.
Aber bie ©rbe fühlte fid) immer meiter ab, unb
ber fefte Aa^er mürbe il)r immer mieber 3U groh-
Die gefamte ©rbrinbe muhte fid) auf einen immer
Heineren Umfang 3ufammen3iehen. Das fonnte
nur burd) ein allmäl)lid)es Fufammenfchieben ber
Schichten gefd)el)en: bie ©rbrinbe muhte fid) in
Falten legen, bie bann aud) gelegentlid) empor*
getrieben mürben, ©s entftanben bie Faltengebirge.
So fel)en mir an bem granitenen Alaffio ber Alpen
oon Rorben her bas ©rbreid) emporbranben. Febern
aufmerffamen Aßanberer muh bas am milben Urner
See aufgefallen fein, jenem füblid)ften 3 ipfel bes
©iermalbftätter Sees, an beffen fteilen Abhängen
fid) bie füljne Axenftrahe fefthält. Unfer ©ilb 3eigt
biefes ©emirr oon gefalteten unb oöllig untge*
fnidten Sd)id)ten gan3 beutlidh-
3u ben bisher betradjteten gebirgsbilbenben
Kräften tritt nun fdjliehlid) nod) bie abtragenbe
ASirfung bes Aßaffers. Diefe fann mieber in oer*
fd)iebener Aßeife eingreifen. 3 unäd)ft fehen mir
bie ©ranbung beftänbig am Fels nagen. Das
©ilb einer Küftenftelle bei ©orbighera mag bies
3eigen. £ier oollenbet fid) ein Kreislauf bes mögen*
ben ©rbreidjs. Sd)id)ten, bie einft auf bem ©runbe
bes Ateeres abgelagert, bann aber oon ben gebirgs*
bilbenben Kräften emporgehoben mürben, fehren
nun mieber 3um Ateeresgrunbe 3urüd. Fo nodh
meit höherem Alahe beteiligen fid) an biefer 3 urüd=
führung bie Flüffe, bie gan3e ©ebirge mieber ins
Ateer tragen. Rehmen mir 3U biefen abtragenben
Aßirfungen bes fliehenben Aßaffers nod) bie meit
gemaltigeren bes ©ifes in ber ijochgebirgsregion,
fo haben mir §auptfaftoren oor uns, bie fid) an
ber ©ilbung unfrer heutigen ©ebirge beteiligt haben.
Sehen mir uns einmal ben Aufbau ber Alpen
an, mie er heute oor uns fteht. Fhre hödjften
©ipfelreihen, 00m Afontblanc beginnenb, über ben
Aionte Rofa, bie ©erner Alpen, bie ©ernina*
gruppe, ben Drtler, bie Cttfaler unb 3ülertaler
Alpen, bie §ol)en Dauern bis 3U ben öfterreid)ifd)en
Alpen gegen Aßiener=Reuftabt tyn abfallenb, be=
ftehen aus jenen friftallinifchen Schiefern, bie ber
allererften ©ntmidlungsperiobeber©rbe angehören,
als nod) feine lebenben Aßefen fie beoölferten.
Aian erfennt fie besl)alb meift fchon als Urgebirge
an ber runberen, meniger 3erflüfteten unb 3er*
riffenen Form ihrer ©ipfelfuppen. Das bei*
folgenbe ©ilb mag biefe ©ebirgsform oeranfdiau*
liehen. Aßir befinben uns auf ber Dreifpradjen*
fpihe über bem Stilffer Fod), mo £>fterreid), bie
Sd)mei3 unb Ftalien 3ufammenftohen. Sie liegt
auf einer §öt)e oon 2843 Atetern, etma 100 Aleter
über ber ©ahhöhe. Dief unter uns fehen mir einen
Deil ber Stilffer^ßod^Strahe, befanntlich ber hoffte
fahrbare Alpenübergang.
Diefe Däler in ben Urgebirgsmaffioen fann bas
rinnenbe Aßajfer nicht er3eugt haben, ©emaltige
©letfd)er tarnen einft hier herab, als fid) über einen
groben Deil ber ©rbe bie ©is3eiten, periobifd)
mieberfehrenb, breiteten. ©s gehörten 3 alp
hunberttaufenbe ba3u, bamit bas unmiberftel)lid)
oorbringenbe ©is biefe Furdien in ben harten Fels
meiheln fonnte.
ABäl)renb, mie mir fd)on fahen, nad) Süben,
namentlid) ber ^ßoebene, bie Alpen fteil abfallen,
fo bah fid) hier nur in geringem Umfange anbre
Sd)id)ten an bas granitene Urmaffio lehnen, fo
lagern bagegen im Rorben bie ©oralpen mit aus*
gebel)nten Sebimentgefteinen, bie aus allen 3 eit*
altern ber ©rbgefd)id)te flammen, mie ihre ©in*
fdjlüffe an oerfteinerten fiebemefen bemeifen. So
gehört 3um ©eifpiel bas gan3e ©ebiet 3mifd)en
3 ürid) unb ÜU3ern, alfo ber Rigi, ©ilatus unb fo
meiter, ber jüngeren Dertiärforntation an. Die fo
Drei 3 i nn ^ n i m ©ebiete ber Dolomiten
1911. 9tr. 35
Über fianb urtb 9Jleer
929
Der ^atemtofel Skiern mit ©uringer* unb Santnerturm
rote jenes gurabedctt oon Anb ermatt anbeutet.
2 Bät)renb nun eine lange 3 eit hiubur©, bie jid)
gern© na© 3 dt)tmUlionen bem©t, bie ©rbober*
flä©e jid) in biejen ©ebieten jebenfalls nur menig
bemegte, bamit jid) jene Ablagerungen bilben
tonnten, gingen mit einem Wale gur Xertiärgeit
geroaltige Reoolutionen auf unjerm ©rbtörper oor
jid), benn aud) bie meltumfajjenbe Kette ber Anben
bat fi© erjt um bieje 3 ^it aus ber Xiefe gehoben.
Die Schollen mußten jid) gegeneinanber oer*
jd)ieben, roie jie es heute aud) nod) in jd)road)em
Wahe tun, baburd) bie jogenannten „teftonijehen^
©rbbeben ergeugenb, bie oft gange Kontinente
gleichseitig erjd)üttern, ol)ne bah eine oultanijd)e
ilrfache bafür gu finben roäre. Die Sd)ollen felbjt
aber blieben bei biejen Serf©iebungen im groben
unb gangen unoeränbert; jo aud) bie norbbeutf©e
Sd)olIe, auf ber jid) bie Ablagerungen fajt aller
Urgeitmeere ungejtört oollgiehen tonnten, bis jie
erjt oor üerhältnismäjgig furger 3 eü aus bem
Weere auftaud)te. Wenn nun jold) ein Rüden roie
Der £ili<
unjerm Silbe oon ber Sarbarenoj©lud)t bei ©ar*
bone am ©arbajee ertennt. Die Weeresabtage*
rungen tonnen babei guglei© bis in bebeutertbe
hohen über ben jetoeiligen Weeresfpiegel empor*
gehoben roerben; jo finbet man jie am Himalaja
bis gu öOOOWetern §öhe oor.
Aber nicht nur bur© Hebung unb jeitlid)en
Sdjub ber Schollen entjtel)en bie ©ebirge, jie roerben
gmeifellos au© babur© ans £i©t gebrad©, bah bas
Weer guriidroei©t unb babei bie bereits unterfeeif©
oorhanbenen Rüden freilegt, ©benjo roie bie ©rb=
oberf!ä©e ijt au© ber Weeresfpiegel- ni©ts Kon*
jtantes. ©ine gange Re©e oon ©inflüjjen läjjt bie
§öhe ber Weere in bejtimmten ©ebieten mit ben
geologij©en Zeitaltern f©roanten. Sei ber Silbung
ber Alpen muh au© biejes ©lement mitgefpro©en
haben. Oft finbet man Sebimentf©i©ten oöllig
horigontal gelagert oor in bebeutenben höhen, unb
man tarnt es jid) bann taum oorjtellen, roie jie burd)
bie Wäd©e ber eigentlid)en ©ebirgsbilbung jo
ungejtört emporgetragen roorben jein füllten.
Auherorbentli© d)aratterijtij© jinb hierfür bie be=
rühmten Drei 3 iunen im ©ebiete ber Dolomiten,
bie toir hier abbilben. Die gröjgte berjelben erhebt
jid) bis gu 3000 Wetern. An allen breiert ertennt
man beutli© bie S©i©tungen, bie in fajt horigon*
taler Sage bur© jie ©ugiehen, nur unterbro©en
oon ben offenbar oom Wajjer ergeugten ©in*
jd)nitten groij©en ©neu. Rod) grojgartiger tritt
bies beim Satemtofel heroor, ber ji© unmittelbar
ben Drei 3 iunen anj©lieht. Unfer Silb geigt ©n
mit ber Drei= 3 innen=hütte. So roilb gertlüftet
unb in j©roffert Spieen ausgegadt tönnen ji© nur
©ebirge barftellen, bie aus Sebimentj©id©en aus*
gemaf©en mürben, niemals bie Urgebirgsftöde.
Dirett am Ufer eines ehemaligen Weeres be*
finben mir uns na© bem Augenj©ein auf bem
S©lernplateau. Wir betra©ten es^ auf unjerm
Silbe oon ber gegettüberliegenben toeijeralm aus
unb ertennen bas fladje Ufergejtabe, bem als
j©roffe Klippen bie ©uringer* unb Santnerjp©e
oorgeiagert jinb.
©ang ähnli©en Serhältnijjen begegnen mir in
ber Sä©jijd)en S©meig, nur bah hier nid)t bas
Weer, fonbern ein gluhlauf, bie ehemalige unb
gegenmärtige ©Ibe, bas Ausmaj©en beforgte. Die
Sä©jij©e S©meig ijt eigentlid) erjt ein gutünftiges
©ebirge. Das gla©lanb herrj©t meift nod) oor,
aus bem bas Wajjer bie tül)nen gelsformen heraus*
gearbeitet hoi- An oielen Stellen jinb no© aus*
gebehnte Plateaus ftehengeblieben, jo gum Seijpiel
ber hier bargejtellte fiilienftein. Auf bem folgen*
ben Silbe ber S©ramfteine jiel)t man, mie bte
Sd)i©ten gang horigontal geblieben jinb, roel©e bie
©Ibe ©er blohlegte.
Aber ni©t nur mieber abbauenb arbeitet heute
no© bie Statur an ber ©ejtalt ber ©ebirge; man
tann es jogar mejjenb oerfolgen, mie ji© no©
gegenmärtig Urgebirgsrüden aus bem Weere
emporheben. So fteigt bie gange jtanbinaoij©e
halbinfel, bie gum gröhten Xeile aus ©ranit be=
jteht, ungmeife©aft bejtänbig meiter aus ber Xiefe
empor, im gahrhunbert um fajt einen Weter; bie
©rj©einung mirb feit ber Witte bes a©tgel)nten
gahrhunberts mejjenb oerfolgt. Die S©ären, nteift
breite, niebrige Klippeninjeln, bie ber atlantifd)en
Küjte Stanbinaoiens überall oorgeiagert jinb, jinb
bie Kuppen gutünftiger Urgebirge. Die hebung
gej©ieht au© hier horigontal, unb bie gange S©olle
ber halbinfel mirb in nahegu gleid)er Weife baoon
ergriffen. Das jtanbinaoij©e ho©lanb bejteht bes*
S©ramjteine
ber ber Alpen jid) aus bem Weere erhebt,
jo mirb bie Sranbuna gunäd)jt bie ober*
jten S©id)ten oon Weeresj©lamm meg*
jpülen, unb bie tieferen, einer früheren
3 eit angehörigen, treten ans. Xagesli©!.
Aud) bieje roerben, je höher jie empor*
jteigen, bejto mehr oon ber Sermitterung
unb ben Wirtungen bes atmojphärifd)en
Waffers, ber ©rojion unb Denubation,
angegriffen unb mieber ins Weer guriid*
getragen, bis j©liehlid) oben ber Kern
aus hartem Hrgejteiu nod) übrigbleibt, an
bejjen beibe Seiten jid), mie mir es in
Wirtli©teit jähen, bie Sebimentf©id©en
in umgetehrter Reihenfolge anlagern, jo*
meit jie nod) erhalten blieben. 3 u jener
©rl)ebung tarn nun nod) ber feitli©e
S©ub, ber bie galtungen heroorbra©te.
Die urjprünglid) bo© am Weeresgrunbe
horigontal abgelagerten S©i©ten tonnten
jo oöllig fentre©t aufgeri©tet rnerben,
mie man es gum Seijpiel red© jd)ön auf
©hriftianiafforb
halb'aus einem meiten Wate au, über bas
ji© ftellenmeife eine ebene S©neeflä©e
breitet, oiellei©t ein Rejt ber ©isgeit.
gene granitene ho©ebene nennt ber Ror*
meger bas gjelb. ^ßlö^li© geht bas gjelb
an ber Küjte in bie milbgerrijjene gjorb*
Ianbj©aft über. Dieje gjorbe tonnten in
bas harte Urgejtein mieber nur Spreng*
mirtungen bes ©ifes einjd)neiben, beshalb
finbet man jie nur ba, mo gur ©isgeit
riejige ©letf©er bis ins Weer ©uab*
fliegen, bie heute gang ober gum Xeil meg*
gej©moIgen jinb. So baut bie Ratur be*
jtänbig auf unb gertrümmert mieber, um
abermals Reues gu j©affen. Unb mie bas
Anti© eines Wenf©en ein bur©aus oer*
. j©iebenes mirb mit feinen galten, jo hat
aud) bas Anti© ber ©rbe bejtänbig med)*
jelnbe 3 üge bejejjen. Die ©ebirge jinb
bie galten in biefem immer no© jo f©önen
Anti© unjrer Allmutter, bie oon ©rer
£ebensgef©i©te ergählen.
930
$ber £artö urtb SOIeer
1911. ütr. 35
9Wenfd)etttöerf
Von
^ermann grtebemarm
'TNie fliege, ergäl)lt eine tief finnige 3abel
AJ Vnberfons, faf) auf einer bahinrollenben
Lolomotioe. Vor bem 3 üge I)er lief ein $afe.
Die Lolomotioe aber mar f ©netter als er: fie er»
reifte unb germalmte ©m „Das laut," fetzte bie
, fliege ©ütgu, „meil i© barauffah ..."
SOladOtlofer als bie fliege niftet ber Vlenf© auf
bem mirbelnben ftoloh bes ©rbballs. Denno©
fprad) er, !aum mären bie unheimli©ften los»
mif©en S©reden oerblaht, oon „Veherrf©ung ber
Vatur". VSäl)nt gu gebieten, mo er fid) im günftig»
ften f^alte oor Sd)abert ma©t, unb fül)It fief) als
Sieger, menn er ber brohenben Verni©tung er»
folgtet© entrinnt. VSie ift er gu fo ungeheuerlichem
Verlernten bet ©röhenabftänbe gelommen?
3 unäd)ft mo©, meil es naheliegt, S©uhoorrid)»
tungen mit Vta©tmitteln gu oetme©feln. VSemt
ich einen Vegen[d)itm auffpamte, fo mag i© im
©efü© ber Sicherheit mo© meinen, bes Vegens
Lerr gemorben gu fein, obmohl i© in VSa©heit ber
Vtögli©leit, bas VSetter gu änbern, nicht näher
bin als bie ^elbmaus, bie fiä) oor ber Väffe oer»
lrie©t. Dann aber tommt, entf©eibenber, bie
Hnterf©ä©mg ber uns umgebenben Vaumgröhen
hingu. Der ©runb ift folgenber: VSir bemohnen
bie fläche, nidht auch bie Diefe unfrer ©rbe. Daran
liegt es, bah uns ©re ©röjge faft ausf©liehlt© nad)
linearen Vusbehnungen, launt mehr nach flächen,
gang unb gar nicht nach ihrem bem 3a©enfinn un=
oorftellbaren Volumen anf©auli© ift. Vur bie
Längenausbehnmtgen ber ©rbe hoben (feit nicht all»
gulanger 3 eit) aufgehört, „unenbli©“ gu fein. Das
internationale ittlometermah brüdt fie in immerhin
nidht übergrofjen 3 iffern oon Daufenben aus. Vor
ber $Iä©e ma©t bas gaffungsoermögen fdhon
halt; bie 3 <©lert fchmellen gu einer Vielheit oon
Vtillionen, um bei ben lubif©en Vtaffen ins Vebel»
reich ber Vittion gu ragen. Dement[pre©enb oer¬
hält es fi<h mit ber praltif©en Vemältigung. Den
Entfernungen bes Erbumfangs ift ber Vienfeh in
ber Dat gemachfen; er holt, f©ienenlegenb ober
brähtefponnenb, mit ihnen Schritt. 3 n ben
gläd)erträumen oerfdhminbet er mitfamt feinen
Schöpfungen fchon oöllig. Der lörperli©e Vaum»
©halt bes Planeten aber ift fo ungeheuer, bah lein
Vilb feinen Vbftanb oon allem Vlenf© enm er! oer»
fimtli©en !ann. Dennoch fängt ber aftronomifd)e
Vegrtff „Vatur“ hier eigentlich erft an. Unb um
bie mirllittjen. ©röhenabftänbe gu ertennert, mühte
man ben Vtenf©en mit ber ©rbe, Lötpermaffe
gegen Lörpetmaffe Dergleichen: mit einem Vo»
lumen alfo, bas fi© gu bem feinen ©erhält roie er
felbft gu ben lleinften ber betannten Vatterienarten.
©s liegt an unferm notmenbigermeife fchroad)
entroidelten Sinn für Diefenausbehnungen, roenn
roir bei bem VBort „Vaturlräfte" in berVegel nur
an fiufttoirbel, eleftrifdhe ©ntlabungen, VSinb unb
Vegen, für3, an bas VSetter benfen: ©rf©einungen,
bie fidh an ber Qberflä©e bes Planeten abfpielen
unb, fosmifdh genommen, faft lächerlich gering»
fügig finb. Vta©t bodh bie Vtmofpjjjäre, ber fie
in ©rer ©efamtfumme, angehören,‘ bei roeitem
noch nicht ben millionften ©emichtsteil bes ©rb=
förpers aus. Sie gleichen bem Spiel ber Sonnen»
funfen über bem VSeltmeer.
Qb es bem Vlenf© enftolg auch roibrig eingeht:
bas genaue Vtah unfrer Vaturbeeinfluffung ift
mit unfrer Lörpetgtöhe gegeben. Rein ©ebäube
ift impofanter, fein Sdpffsfoloh mächtiger, als unfer
Vaumbebütfnis es eben etforbeti. Eifenbahngug
unb Sgeanbampfer, nicht anbers als bie ?ßoft=
lutf©e, reichen gerabe aus, um unfetLörper»
geroidht gu transportieren. Liliputaner bürften
an unfrer Stelle gehnmal fleiner, Viefen mühten
gehnmal gröber bauen als mir. Das Vbljängigleits»
oerhältnis bliebe basfelbe. Vaturbeherrf©ung,
felbft im bef©eibenften Sinne bes VSortes, mürbe
heihen: losmif©e ober auch nur irbifdhe Vtaffen
fraft unfers SBillens, unabhängig oon unferm gu-
fälligen ©röhenmah, bemegen. Hnfre ftolgefte
Dechnif aber bemegt, mechanifdh genommen, nichts
anbres als Vtenfchenlaften. Vemühen be=
ginnt unb enbet bei uns felber — getreu bem
Vringip bes Vegenfchirms.
Des Vienfchen oornehmftes VSerfgeug, bas
barf man nicht oergeffen, bleibt eben fein eigner
Körper. Vach' beffen Ülbmeffungen richtet [ich
ftofflidh genommen — jegliche medhanifdhe Leiftung.
Unb bie SBingigfeit ber Veränberungen, bie,
giffernmähig ausgebrüdt, bie Vlenfdhheit feit ihrem
Veftehen am Vlonetenleibe heroorgebracht hot,
mirb uns erft gang oerftänblid), menn mir uns bas
räumliche Vusrnah biefes Vßerfgeugs oergegen=
märügen. Die Körper ber fiebgehn= bis ad)tgehn=
hunbert Vtillionen Vtenfchen, bie gurgeit ben ©rb=
ball beoölfern, bilben insgefamt eine Vtaffe, mit
ber man etma ben gehnten Deil eines 5 tubif=
filometers füllen fönnte. Da bie ©cbe mehr als
eine Villion ifubiffilometer enthält, ift faum ber
gehnbillionfte Deil ihrer Stoffmenge gur Vübung
menfehlicher Organismen oerbraucht, ©ine 5 tugel,
aus biefer lebenbigen Vtaffe geformt, mürbe nur
etma 600 Vteter im Durdhmeffer holten. Vtan
barf annehmen, bah bie Summe aller ©ebäube,
Viafchinen,. ©ebrauchsgegenftänbe, furg, bie ge=
famte für menfd)Ii<he 3 roecfe oerarbeitete Viaterie
nicht mehr als oielleicht ben billionften ©emi<hts=
teil bes ©rbförpers ausmacht. Vis Staubfchicht
über bie ©rbmeite oerteilt, mürbe fie nicht ©nreichen,
bie Oberfläche bes Vloneten auch nur ein hunbert»
ftel VUIIimeter hoch 30 bebeden.
Vuf bem Stillen Ogean fdhaufelt ein Dampfer»
riefe. Daüfenbmal tiefer, hunberttaufenbmal
länger, holbmillionmal breiter ift um ihn herum
bas Vteer — unb bebeutet hoch felber für bie ©rbe
faum fooiel als bie Vegenfeud)tigteit auf ber Laut
eines ©lefan©n. Die groben Vaffogierfd)iffe, bie
gmifdhen ©uropa unb Vmerifa oerfehren, merfen
auf jeher $ai)rt einige VüIlionenÄüo Verbrennungs»
probufte in ben Vtlantif; Dag für Dag feit 3 a©=
gehnten, bagu ftets auf berfelben gahrfirahe.
SBirflid) ift es oorgefommen, bah tu an im Schlepp»
ne| eine Vfchenflode fanb.
Seit bem ©ntftehen ber mobernen Lfabuftrie
ift bie Vienfdhheit genötigt, jährlich Lohlenmengen
gu fdhürfen, bie uns im Vergleich gu früheren
3 eiten gerabegu ungeheuerlich bünfen. Leute
fchon beträgt bie VSeltprobuftion etma hunbert
VMionen Donnen; feit einem 3 o©hunbert bie
SOiaffe eines leiblichen Verges. Dennod^ ift mit
bem allem noch nicht ein hunbertftel Vtillimeter
ber feften ©rboberfläche abgebaut, ©ine ©rb= unb
©efteinfchicht oon ber Dide eines Seibenpapiers
mar mehr als ©ureichenb, um gu beftreiten, mas
in ben langen 3 o©taufenben Vtenfchenhänbe an
Vauftoff unb Vrennmaterialien jemals oerbraucht
haben. Ober man benfe fid) oor bie Vufgabe ge»
ftellt, bur«h ted)nifd)e SOiittel nur fo oiel VSaffer aus
bem Vieere gu fdhöpfen, als täglich in ©eftalt oon
Vegen auf bie bemohnte ©rbe fällt. Daufenb
Viefenpumpen, bereu jebe ein L^toliter in ber
Sefunbe liefert, mühten ein 3 ahrhunbert lang
baran arbeiten, freilich reicht biefe Dagesleiftung
bes Vegens auch aus, um bie gefamte Vtenfchheit
auf oiele ©enerationen hinaus mit Drinfmaffer gu
oerforgen.
Vicht gang fo atomhaft mie rtadi ©rer Viaffe,
hoch immer noch, unbebeutenb genug, mirft bie
glächenausbehnung ber SVenfchenmerfe. Die
Stäbte, in benen etma ber oierte Deil oller Vien»
fchen mohnt, mögen gufammen einen Voum oon
20 000 bis 30 000 Ouobrotfilometern bebeden,
hödhftens alfo ein ©ebiet oon ber ©röhe Velgiens:
bas ift oon ber ©rboberfläche ber gmangigtaufenbfte
Deil. Um uns alle, einer ungeheuren Verfammlung
gleich, aufguftellen, mürbe ein Vreal oon menigen
Ouabratmeilen genügen.
Vielleicht oeranfehaulicht man fich oll biefe
©röhenmahftäbe noch am be[ten burd) folgenbes
Vilb. Vis Scfjauftüd trgenbeiner VSeltousftellung
(ähnliche päne finb totfädhlich fchon aufgetaucht)
befchliehen bie Unternehmer einen Erbglobus
oon riefenhaften Vbmeffungen gu tonftruieren.
Der Vlahftab fei 1:100 000 ,. bas h^fet alfo, ber
©lobus hat eine Löl)^ oon 127 Vletern. ©ine
5 tugel, fo 1 ) 0 $ otma mie bie ij)eters!ir$e unb
natürlich meit geräumiger; mit ihrem Vauminhalt
oon me© als einer Viillion itubilmeter oermutlid)
bas gröhte Vaumert ber VSelt. 2 Bie fie© es auf
biefem ©lobus aus? Die Vieere finb burdh leichte
©infentungen bis gu neun 3 ^otimeter Diefe, bie
©ebirge burd) ©rhöhungen unt ftellenmeife oier
bis a©t 3 ootimeter angebeutet. Die ©rohftäbte
haben etma bie Vusbehnung einer La n öfläd)e.
Die ©rhebung ihrer ©ebäubemaffen über bem
©rbboben entfpricht ber eines aufgeliebten, fe©
bünnen Rapiers. Vur oereingelte Viefenbauten er»
heben fidh gur Lö© eines Vtillimeters. ©in L0I3 5
fpändhen, gmei Vlillimeter lang, aber megen feiner
Schmalheit nur aus unmittelbarer Vähe fidhtbar,
bebeutet ben bas VSeltmeer burdhfurdhenben Llopb»
bampfer. ©enau nach bem Vlahftab gearbeitet,
mü©en bjefe Vbbilber ber Vtenfdhenmerle fo gier»
lieh fein, bah i© gefamtes Lerftellungsmaterial in
einem — f^iogerhut J) 31 ah hätte, obmo© fie fid)
über Daufenbe oon Guabratmetern bes ©lobus
oerteilen. Vehmen fie in ber VSirfIi$leit ein bis
hödhftens einige Vaumlilometer ein, fo bebeutet
bas, auf bie ©röhenoertjältniffe unfers ©lobus
übertragen, ebenfooiel Lubilgentimeter. Vun oer»
fu$e man, fich biefe mingigen, nodh nicht lirfchen»
groben 3 UIen oorguftellen, ben ungeheuren Vaum
bes ©lobus erfüllenb! So mie hier bie eingelne
oon ihnen, fo nimmt fich innerhalb bes ©rblörpers
ber berghohe VSürfel eines Lubillilometers aus.
Verlöre infolge irgenbeiner Strahlung bie ©rbe in
jeber Sefunbe ein Lubillilometer ©res Volumens,
es mürbe immer noch reichlich oierunbbreibigtaufenb
3 ahre bauern, ehe i©e Vlaffe erf©öpft märe.
Vber bie Kräfte, bie ber VTenfd) in Vemegung
fe©? Die gemaltigen medhanifdhen ©nergieftröme,
benen er bie Vichtung meift? Sollten fie im £>gean
ber losmifdhen ©nergie ebenfo untergehen mie
bie oon Vtenfdfen organifierten Vlaffen im ©rb»
oolumen? 3 a, benn bas eine gibt uns bas Vtah
bes anbern. Die ©röhenabftänbe bleiben aud)
hier bie gleichen. Übrigens bürfen mir uns bie
Vtafcbinenlräfte nicht gar gu ungeheuerlich oor»
[teilen. 3 ©e ©efamtfumme erreicht ein Vle©»
fad)es, nie© aber ein Vielfaches ber Leiftung
menfehlicher Vlusfeln. Vud) bie 3 ohI mafd)ineller
Vferbelräfte entfpricht ja, mie groh fie immer fei,
nur ber 3 a© ber Vienfchen, in beren Dienft fie
geftellt ift; genau mie etma bie ©röhe eines 3 ra© =
geugs. Vud) ift fie beftimmt burdh unfer förper»
lieh es Vlah, meil bie Vrobulte, an beren Ler=
[tellung fie arbeitet, es finb. Vid©fo fe©, um bie
©efamtheit menfehlicher Kräfte gu fteigern, als
um 51 raft gu fongentrieren, geitlid) unb räumlich
auf einen Vunft gu brängen, bauen mir Vlafd)inen.
Die 5 to©e, beren Verbrennung bie medhanifdhen
©nergiemaffen liefert, hoben VMioneu oon Verg»
arbeitern burdh Vrmlraft aus ber : ©rbe geholt;
übermenfd)Ii<h mirfen fönnen bie tedhnifchen 5 traft=
[ummierungen im Vergleid) gum eingelnen, nid)t
gur ©efamtheit.
So oerhalten fidh benn auch bie ©nergiemengen
im Vlenfhenbienft gu ben fosmifdjen nicht anbers
als un[re Aörpergröhe gur ©rbmaffe. Vedhnet man
gufammen, mas an menfchlichem, tierifdjem unb
mafd)inellem ilraftaufmänb feit bem biblifd)en
Schöpfungstermin geleiftet fein mag, fo reicht es —
oielleicht — :©tt, um bie ©rbe auf i©er Sonnen»
bahn eine taufenbftel Selunbe lang aufguhalten.
©rbftöhe., beren Vebeutung für ben planetaren
©efamtlörper unausbrüdbar geringfügig ift, leiften
Vlilliarben oon Vferbelräften. Die $lutmelle, bie
täglicf), bem Vionbe gehorfam, um ben ©rbball
läuft, fe© ein -Quantum med)anif$er ©nergie
um, genug, um bie Vtenfdhhett bis ans ©nbe 1 ©rer
Dage mit Vlafhinenlraft gu oerforgen ...
Unb meil benn gu guter Le© für alle Quantitäts»
gröhen ber befte 3 ä©er bas ©elb ift, no© bies
©rempel: Das Vle er esm aff er enthält, mie man
meih, au© Silber; freili© nur in oerfchminbenben
Spuren: auf je fünfgigtaufenb Lubilmeter, ben
3 ©alt eines ftattli©en Dei©es alfo, etma einen
Pfennig an SBert. Diefer Pfennig, auf bas VSelt»
meer umgere©net, bebeutet einen Silberf©ah oon
gmei» bis bre©unbert Vlilliarben Vlarl: minbeftens
gehnmal fo oiel, als runb um ben ©rbball in
Vlenf©enbef© ift.
©enug bamit; es finb ber 3 o©en mo© fd)on
guoiel. Sie füllten nur anbeuten, mie, rein ftoff»
ti© genommen, bie Vtoportion Vlenfd) unb ©rbe
fi© barftellt. Vuf immer an fein phpfif©es ©rohen»
mah gebunben, ©bt ber Vlenf© im ©runbe nie
me© als bas eigne ©emi©t. Vi©t, bah foine
Kleinheit gmif©en ben 51 ubilmeilen ber VSelt»
lörper ©n bemütigen mühte: bie Unenbli©leit ift
unter ©m fo groh *oie über ©m. Denno© muh
hinter biefen 3 ohlengleid)ungen eine ©rfahrung
fteden, bie jenfeits aller phiIofophif©en fjroge»;
gei©en i© Vedht behält. Es lönnte immer fein,
bah ou© in einem als Lompler oon Seelen»
oorgängen gebeuteten Vll bie ©röhenmahftäbe
fi© ni©t anbers oerteilen als in ber gä© s unb me©
baren VSelt ber Vlaterialiften; bah S©illers an»
f©einenb fo einleu©tenber Spott: ,,©uer ©egen»
[tanb ift ber erhabenfte freili© int Vaume — Vber,
greunbe, im Vaum mohnt bas ©rhabene nid)t, “
ber Übergeugung 3 o©ners mei©t, bem au© ber
©rbfoloh ein lebenbiger Qrganismus ift, oon einer
Vefeelt©it, in bem Vlahe granbiofer als bie
menf©Ii©e, mie räumli© ber ^Slanetenleib ben
menfdhli©en übertrifft,
VSie bem immer fei: ber Vlenf© arbeitet ni©t
an ber Ve©rrf©ung ber Vatur. Das ift au© ni©t
feine Vufgabe. Vielmehr: mit feinem t)ö©ften
te©nif©en können beherrf©t er, fteigert er —
f©afft er fi© felbft; ben Vlenf©en. 3 ft er fi© beffen
bemu©, bann mirb ©n au© bie Kleinheit ber
Vlenf©enmerle ni©t mehr bebrängen.
1911. 9tr. 35
Über £anb unb Sffleer
931
©ine Partie bei ^Samaben ©in Platd) in Wlaloja
g> o Z f. Won ^ermann Wtofenoro
^Yn ben lebten fahren batten mir häufiger ©e=
legenbeit, in oielbefud)ten Sabeorten unb an
ben Peripherien großer Stäbte uns an ber Wus=
Übung biefes rettoolleu englifdjett Sportfpiels 3U
erfreuen. Wn ber £ebensfät)igteit bes ©olffpiels
in unferm £anbe be.ftebt taum noch ein 3n>eifel,
§ole gelanbet morben, fo tritt für bie ftunft bes ©in*
fd)lagens auf bem forgfältig um bie §o!e planierten
Wafen ber Putter in Wttion. Diefer 3eid)ttet fid)
burd) einen tü^eren Schaft unb eine gebrungenere
$orm bes aus ©ifen ober Aluminium gefertigten
Sd)Iagtopfes oor ben anbern fteulen aus. Hm ihn
ber Sd)toei3. 3 n allen biefen piätjen finben all*
jährlich grobe furniere ftatt, benen 3uliebe oiele
englifdje Teilnehmer nad) bem Kontinent reifen,
um in £>omburg ober ^nterlaten ober Samaben
ihr ©lüd 3U oerfucheit. ©ine illuftre ©efellfd)aft
folgt ben Turnierfpielen immer oon §o!e 3U §o!e.
unb roäre ein foldjer oorhanben, fo mürbe er
burd) bie Wnftrengungen ber bereits 3ahlreid)en
heimifd)en 5 Uubs oöllig unterbrüdt merben.
Der Wei3 bes ©olf mirb aud) bem in £ür3e
aufgehen, ber erft einmal über bie bitten, tur3en
Wafenfläd)en bes Spielfelbes gemanbert ift. 9 Jüt
ben langen elaftifdjen beulen einen tleinen meinen
Sali über bie neun ober. ad)t3el)n tleinen, rneit
ooneinanber entfernten £jo!es (£öd)er) berart 3U
treiben, bah ntan mit möglichft menigen Schlägen
bas gan3e Spielfelb burdjquert, ift
bas 3 iel aller ©olfer. Sehilflid)
an biefem oiel Wufmertfamteit er*
forbernben Vergnügen finb bem
Spieler feine beulen. 3 hre 3 ahl /
beläuft fid) auf oier bis ad)t; ein
3unge trägt fie in einem Futteral X
hinter ben Spielern her. 3 )em X
Anfänger macht bie Wusmabl biefer /
fteulen nicht feiten Schmierigteit, /
unb troh ber großen Wusmaf)! meib /
er nicht immer bas Wichtige 3U /
treffen. 2 Bir empfehlen an £013= / a
teulen Drioer unb Drioerbraffie,
bie befonbers für bie meiten Schläge
geeignet finb; um bie in ben tünft*
liehen Jfnnberniffen ber Spielplätze wH
liegenben Sälle gliidlid) I)eraus3u*
betommen, bebarf es ber fteulen N
mit ©ifentopf, unter benen fid) ber ^^Pb 1|
©leet, ber äUibiron unb ber £ofter
befonberer ^Beliebtheit erfreuen.
Um enblich Sälle aus tleinen ©rä=
ben heraus3uholen, mirb ber Wtafhie
unb Wiblic oermenbet.
3ft mit biefen elegant gebauten
©eräten ber meibe, hatte Sali glüd*
lid) in ber unmittelbaren Wäf)e einer
311 hanbhaben, beugt fid) ber ©olffpieler 3U bem Sali, Diefe Segleitung macht bas Wlilieu ber großen
fud)t 3mifd)en biefem unb ber §ole eine geeignete Wafenflädje 3u einem fel)r erfreulichen, menn aud)
3iellinie unb fd)Iägt mit einer tur3en, energifchen nur für bie 3nfd)auer. SBenigftens finb bie <$fana=
Semegung ben fanft rollenben Sali in bie §o!e. titer bes ©olffpiels über bie „ftiebibe" nicht
Someit bie ted)nifd)en oonberheiten biefes Sports, immer fehr ent3üdt.
Sott befonberem 3 ntereffe ift feine uralte Wus* Son ber Serbreitung bes ©olffpiels in auber*
Übung in Sdfottlanb unb ©nglanb, mo es 3ahIlofe beutfefjen ©egenben macht fief) ber Weuling taum
©olffelber gibt. Sei uns finben mir foldfe in fiib* einen Segriff. 3 n ben entlegenften Teilen bes
beutfd)en Sabeorten, einigen gröberen Stäbten ©rbballes finb ©olfplätje unb ©olffpieler an*
Wtittel* unb Worbbeutfd)Ianbs, bann befonbers in 3utreffen, unb bie fafhionabeln Weife3iele in
$gqpten unb ©eplon oerfügen
.——' “ ~über ebenfo mohlgcpflegte ©olf*
r anlagen als bie englifdjen Kolonien
\ im fernen £>ften. Dem ©olffpiel
/ \ eignet in ben Wugen mancher nod)
/ \ ein befonberer Söhlig, ben eine
j \ heroorragenbe Italienerin in einem
A. Bi \ ihrer beften Südjer gloffiert hat:
\ bie Wtögliditeit, ©legan3 unb ßurus
\ 3U entfalten. s iBährenb beim Tennis
4 S \ ober Weiten hoch immerhin ein be=
7SK) <;X \ ftimmtes Äoftüm oorherrfd)t, ift ben
^ * A ©olffpielemunbsfpielerinnenoollftc
j »Isli jä 4 J Freiheit gegeben, unb mau muh
MHnM H fagen, bah auf ben ©olflmts ber
-.ffH' beuticheu unb 'dnoeiu'r aumuPoh
: JP ftatiouen btefe Freiheit faft immer
«P f red)t gefdimacfooll ausgenuht mirb.
Demgegenüber fleht nod) ber
*z*^*”!y große l)Pgicnifd)e ÜBert bes ©olf
■ m ' ■ fpiels. Das ftuubenlange Sermeilen
T in ber reinen £uft unb bie nicht
übermähig anftrengenbe Semegung
B iji lrv : beeinfluffenbieÄonftitutionunbbas
Wßohlbefinben in erfreulidjemWiahe.
©s bleibt biefem Sport ebenfo mie
öem Tennis eine nod) gröbere Ser=
breitung oorbehalten.
Der ©hatnpion Wttinfon beim Spiel
Spiel in malbigem Terrain Der Wleifter bes ©ngabin, £. ©am, bei einem Ptatch in Samaben
932 1911. 3for. 35
Warmbadvorrichiung für Blumen
Den überrafd)enben Temperaturerperimenten,
über bie mir oor Indern Iper berichteten unb bie
uns gemiffe £ebemefen als mal)re Birtuofen im
(Ertragen oon ftälte unb oon §ihe fennen lehrten,
reihen fid) neue, roidEjtige unb aud) in rein pratti*
fd)er Be3iel)ung bebeutfame Berfud)e bes Bßiener
Brofeffors SCRolifd) an, bie biefer über bie Be*
einfluffung bes Bflan3enmad)stums burd)
befonbere Temperatureinflüße anftellte. Die ©r=
perimente bes betannten öfterreid)ifd)en ©eiehrten
beanfprud)en befonbers aus bem ©runbe bas
Fntereffe jebes äfthetifd) ©mpfinbenben, roeil fie
ba3u oerhelfen, biejenigen Baturobjette, bie mir
„Blumen“ ober „Blüten“ nennen unb bie für bie
meiften Blenfd)en mohl bie allerfd)önften ©ebübe
bes belebten Blls bebeuten, auch in berjenigen
Fahresperiobe 3U er3eugen, mo fie in unferm iUima
normalermeife nicht als gortpftan3ungsorgane an
ben ^3flan3en auftreten. Das Verlangen nad) frifdjen
Blumen im grauen Spätherbft unb im trüben
BBinter ift ber empfinbfamen Btenfd)l)eit ein alter
BBunfd), faft möd)te man fagen, eine alte Sehn*
fud)t... Das ©ärtnereigemerbe oerfud)t fd)on feit
langem, burd) tomplfeierte Treibhausanlagen, burd)
allerhanb mertmürbige, oon miffenfd)aftlid)er Seite
erfonnene unb ausprobierte Btetfjoben, 3um Bei*
fpiel biejenige bes „Treibens“ ber Bflansen in Ber*
binbung mit Betäubung ($tthemartofe) ber 3u
treibenben ©ebilbe, biefem roeitoerbreiteten Be*
bürfnis entgegen3utommen. Das Verfahren ift
aufferorbentlid) einfach unb, roie es fd)eint, in feiner
gerabe3u oerblüffenben BBirtfamteit oon teinent
anbern erreicht, gefd)toeige benn übertroffen.
©s beruht auf ber eigenartigen SBirtung e r =
roärmter fliiffiger Blebien auf bie Or*
ganismen. Betanntlid) ift bie Sßirfung, bie eine
beftimmte Temperatur auf ein £ebemefen ausübt,
in gan3 auherorbentlid) hohem Blähe abhängig
oon bem Blebium, in meld)em unb burch toeld)es
fie auf biefes toirft, oon ber Brt, roie bie Ternpe*
ratur „appli3iert“ roirb. Fu ähnlicher SBeife roie
eine heihe SBaffertemperatur — bas helfet alfo ein
Bab — gan3 fpepfifd) anbers auf ben tierifefeen
(aud) ben menfd)Iid)en) Organismus roirtt als bie
gleid)hohc £ufttentperatur, fo hat aud) beim
pflan3lid)en £ebemefen ein 3eitmeifes (Eintaud)en
in roarmes ÜEBaffer eine anbre, jebenfalls oiel
intenfioere SBirtung als etroa eine ©rmärmung
auf „trodenem“ ÜBege, möge biefe in ben ©ren3en
bes phpfiologifch ©ebotenen nod) fo hod) fein.
Die 3toeite Bbbilbung 3eigt 3toei Büfd)e unfrer
tounberoollen Syringa vulgaris L., bes $Iiebers,
Syringa vulgaris. Linke Pflanze vierzig Tage nach
dem Bade, rechte nicht gebadet
beffen buftige Blütentrauben
uns allerorts erfreuen. Die
linte Bflanse hat Bl i 11 e
Booember etroa ein3toöIf*
ftünbiges ^eifpoafferbab oon
35 ©rab ©elfius erhalten:
fie fteht um Bßeihnad)ten in
ooller Blüte. Der rechte
Strauch, ber — abgefefjen
oon bem BSarmbabe — bie
gleiche Treibhausbehanblung
erfuhr roie ber Unts ab*
gebilbete, bas helfet ber roie
biefer feit Booember bei
möglichft hdler Belichtung
unb 15 bis 18 ©rab SBärme
im Treibhaus fultioiert rourbe,
fieht bagegen tal)l, ed)t minter*
lieh aus.
Bod) mehr in bie klugen
fpringenb ift bie Berfud)s=
anorbnung bei bem britten
Bilb. ©in oer3roeigter Trieb
ber Sahlroeibe rourbe nur
halbfeitig, unb 3toar red)ts,
gebabet (etroa 10 bis 11 Stun*
ben bei 30 ©rab ©elfius) unb
barauf in ber üblichen BSeife mit bem abgefdfnit*
tenen ©nbe in ein gIäfd)cE)en mit (natürlich taltem)
2 Baffer geftellt. Sdjon nad) einer 2 Bod)e (8 bis 9
Tagen) fteht biefe gebabete „beffere“ Hälfte im
oollen Sdjmud ber fonft nur als Frühlingsboten
betannten unb beliebten 5 tät)d)enblüten, toährenb
bie anbre Partie taum oeränbert ift.
Die Brt, roie bie prattifd)e ©ärtnerei biefes
erfreulid) roirtfame Bflansenbab beroertftelligt,
möge bie erfte Figur bemonftrieren. Die Blumen*
töpfe finb umgefehrt über bas SBarmtoafferbaffin W
geftellt, unb 3toar rul)cn fie auf entfpredjenb an*
georbneteu Ejofelatten, bie über ben BBafferbottid)
gelegt finb, fo bah nur bie 311 babenben Bflan3en=
fproffen, nid)t aber bie Töpfe felbft mit ©rbe unb
2Bur3eln eintauchen. Die ©rroärmung bes SBaffers,
bie natürlich recht forgfältig mittels bes Thermo*
meters fontrolliert roerben muh, gefd)ief)t burch bas
Öeferohr r, einige über bie Böben ber Blumen*
töpfe gelegte hatten M frühen als fcfeledfete Bßärnte*
leiter oor 3U fd)nellem SBärmeoerluft.
Sahlweide. Rechter
Ast wurde gebadet
Familienleben zahmer Nachtschwalben
Aufnahme von Dr. O. Heinroth, Berlin
Bad)tfd)malben im ßiutmer! Schon
bei Befpredptng ber 3 ud)terperimente bes SBiener
F;orfd)ers Kämmerer tonnte an biefer Stelle barauf
hingeroiefen roerben, meld)e auherorbentliche 2Bi<h*
tigteit eine oernünftige, auf oerftänbuisoollfter
Sorgfalt beruhenbe Tierhaltung unb =pflege aud)
für ftreng miffenf<haftlid)e Untersuchungen erlangen
tann. Die Beobachtung frei lebenber Tiere,
ihres Fuftinttlebens, ihrer ©epflogenheiten beim
£iebesfpiel urib bei ber Brutpflege, ihres Ber*
haltens gegen Brtgenoffen, gegen Freunb unb Fdnb
ift nur alfeuoft mit gröfften Sdhroierigteiten oer*
tnüpft unb roirb bem auf bas £eben in groben
Stäbten angeroiefenen &ulturmenfd)en immer
mehr 3ur Unmöglidjteit, fo grob fein Fntereffe unb
feine £iebc 3ur Sad)e aud) immer fein mögen.
Die I)ier mitgegebenen refeoollen ^Ibbilbungett
3eigen nun, bah es raftlofen Bemühungen gelingen
tann, felbft Tiere mit ben allereigenartigften
.ßebensbebingungen, mit oerborgener, nächtlicher
£ebensroeifc, in ben 2 Bohnftätten unfrer 5 tultur
oolltommen heimifd) 3U mad)en unb fie fogar bal)in
3U bringen, bah fie ifpe „intimften“ fiebensoorgänge
bem Beobachter enthüllen, bah fie ihr FortpfIan=
3ungsgefchäft oerrid)ten unb ihre Bachtommen 3U
roohlentroidelten, träfügen ©rtoad)fenen auf3iehen.
©s haribelt fid) um jene faft unheimlid»en Segler
bes nächtlichen Rimmels, bie roie riefige eulenhafte
Sd)roalben erfihcinen unb bie bas abergläubifd)e
Bolt „3iegenmelfer“ nennt, toenngleid) fid) bie
Bögel toohl nid)t gerabe oiel um 3iegen tümmern,
gefd)toeige benn fie melten bürften. Die 2 ßiffen=>
Junge Nachtschwalben. Links siebeneinhalb Stunden,
rechts dreiunddreißig Tage alt
Aufnahme von Dr. O. Heinroth, Berlin
fdjaft ftellt bie in Anlehnung an ben Bulgärnamen
Caprimulgidae genannten Tiere in bie Bähe ber
Batenoögel.
fieiber ift es unmöglich, auf bie auherorbentlid)
intereffante unb toiffenfchaftlid) fehr roertoolle
Sihilberung ber „Badhtfd)roalben3ud)t im §aufe“
hier ausführlid)er ein3ugel)en. Das biologifdje
Bteifterftüd glücfte bem Berliner ©elel)rten
O. §einrotl) in ©enteinfd)aft mit feiner ©attin.
BUt reeller ©ebulb unb Biühe bie Bögel, bie
ihrem natürlichen ^faftirttt nad) am freien Bad)t=
himmel fchnellen Fluges Fufetten jagen, an foaus=
mannstoft, Sd)aben unb präparierte Fteifdp
ftüddhen, geroöhnt rourben, roie fie lernen muhten,
bies Futter oon einer beroegten Bfu3ette ab3u=
nehuren, bis fie überhaupt felbftänbig freffen
lernten, roie fie bahin gebrad)t rourben, ihren
51 äfig, bann ben „freien“ Baum eines 3 tutmers
tennen unb fid) bort beroegen 3U lernen, bies alles
bilbet roohl ben intereffanteften Beitrag ber ornitho=
logif<hen £iteratur, ber feit langem oeröffentlid)t
rourbe. BSie 30hm unb „liebensroürbig“ bie Tiere
roareu, roie „oernünftig“ fid) biefe Bad)toögeI, bie
man fid) eigentlich nur in untoirtlidjem Bioor=
unb Ejeibebrud) oorftellen tann, in bem refeenben
©elehrtenheim beroegten, baoon tonnte ich mid)
lebten BBinter über3eugen, als id) bie Stamme
eitern oon £jeinrotf)s Ba^tfd)toalben3ud)t per=
fönli<h tennen lernte.
3 n roiffenfdjaftlicher Be3iehung liegt ber irjaupt*
roert biefer §altungsoerfudE)e in ben prä3ifen Beob=
ad)tungen, bie über bie Beroegungstoeife (oor
allem bie fogenannten Sd)ubbetoegungen) ber in
ihrer Färbung oortrefflid) angepahten Bögel, über
il)r Berl)alten in ber Bal33eit, beim Brüten (bas
ohne Beftbau auf einem am Boben liegenben Tier=
feil ftattfanb!), über ihre Stimme, bie Blaufer, bie
(Ernährung unb bas gefamte pfr)d)ifd)e Berhalten
angeftelltlroerben tonnten, Beobachtungen, bie in
ber freien Batur niemals hätten gefammelt unb
ber roiffenfd)aftIi<hen Ornithologie 3ugänglid) ge=
ma^t roerben tönnen.
Dr. 2 B i I h e I m B e r n b t
<J7 y lusik
Fn ben lebten Tagen bes Bpril ift nun enblid)
bei F* Brudmantr in Btündjen „Bl e i n £ e b e n“
oon Bidjarb BBagner erfd)ienen. Berfaht
ift biefe Biographie erft, nad)bem ber Bleifter auf
feinem gefahroollen, burd) Sorgen unb Böte aller
Brt burd)treu3ten £ebensroege bahin gelangt roar,
bah ihn unter bem Sdhutje feines Sd)irmherrn,
bes Königs £ubtoig oon Bapern, bie £aft bes ge=
meinftert £ebensbrudes nid)t roeiter berührte.
Bun erft tonnte er alle ber Bollenbung entgegen^
harrenben ©ntroürfe, bie „Bleifterfinger“, ben
„Bibelungenring“, ben „Baumöl“, in Buhe aus*
reifen Iaffen uirb fertigfd)affen. Unb gerabe in
biefen Fahren feines ©lüdes fanb er nod) bie
3 eit, ber Frau ©ofima, feiner ©attin unb Freun=
bin, bie ©efd)id)te feines reichberoegten £ebens
in bie Feber 3U bittieren. Dafj biefe Biographie
eriftierte, bah fie fogar längft gebrudt toorben
roar, muhten oiele ber 3ahlreid)en Bttl)änger bes
Bleifters; aber nur toenige ©remplare marcit
hergeftellt morben.
&ein ©eringerer als Friebrich Biehfd)e, bamals
an ber Ba[eler Unioerfität tätig, hatte in Bafel
ben Drud Übermacht, bie üorretturen beforgt unb
nach Fedigftellung ber Drude bie 3 etftörung bes
gan3en Sahes angeorbnet. Um gan3 fiefeer 3U
gehen, maren bei bem Drude fran3öfifd)e Arbeiter,
bie tein 2Bort Deutfeh oerftanben, befd)äftigt ge*
mefen. Bur menigen ber allerintimften §aus=
freunbe mar ein ©inblid in bas Bud) oergönnt
aemefen, unb forgfältig hat ber Bnorbnung bes
Autors, eine lange Beihe oon Fahren bis 3ur
933
1911. Ölt. 36
©eröffentlid)ung hinftreid)en 3U laffen, bie gamilie
ABagner golge geleiftet.
geht nun liegt bie ©iographie, in 3toei Karten
©änben faft 900 Seiten enthalten© ber Off ent*
lidjteit oor. Der gnhalt teilt fid) in oier ^Xbfd)nitte.
Der erfte enthält bie gugenbgefd)id)te, führt uns
namentlich bie ©erfonen feiner ARutter, feines
Stiefoaters ©eper, als Sd)aufpieler am Dresbner
Hoftheater angeftellt, unb feiner £ieblingsfd)toefter
Aofalie lebhaft uor Augen, bie als Sängerin an
oerfcf)iebenen Sühnen roirtte. Unter bem häufigen
ABed)feI bes Aßolprorts leibet bie Sd)ulbilbung bes
Knaben bebentlid), fein mufifalifdjes Dalent, toie
überhaupt bie greube an ber ARufit enttoidelt fid)
erft allmählich, als er ABeber unb namentlich
©eetl)ooen tennen lernt. An ber £eip3iger üni*
uerfität als stud. mus. immatrituliert, gerät ber
junge ARenfd) in fd)led)te ©efellfchaft, ftürjt fid)
burd) Spieltout in Sd)ulben, ja er, ber gän3ltd)
ungeübt im Aßaff engebraud) toar, oertoidelt fid)
tolifübn in Kontrahagen mit einer gan3en Ae©e
oon gefürchteten Aaufbolben, bie aber alle, et)e
uod) bie ARenfuren ausgefod)ten toerben tonnten,
oon ber £eip3iger ©ilbfläd)e oerfd)toinben. ©rft
als ber alte Dljomastantor ABeinlid) bem jungen
Dolltopf, ber es mit ben tontrapunttifdjen Stubien
gar 3U xoenig ernft nimmt, bie Dür roeift, tommt
biefer 3ur ©efinnung unb bringt es bann halb fo
roeit, bafz er gugen fdjreiben, auch eine Spm*
phonie nad) ©eetl)Ooenfd)em SBorbilb tamponieren
lernt. Amt beginnen bie ABanberjahre bes jungen
ARufiters. 3 nerft geht er nach ABür3burg als (£I)or=
birettor mit einer ARonatsgage oon 10 ©ulben;
hier entfteht feine erfte Oper, „Die geen“. Dann
nach ARagbeburg, too er feine erfte grau, ARinna
planer, eine junge Sd)aufpielerin, tennen lernt
unb feine 3toeüe Oper, „Das £iebesoerbot“,
refultatlos 3m Aufführung bringt, glüd)tig be*
rührt er ©erlin, bann führt ihn bas Sdjidfal nad)
Königsberg als Kapellmeifter, too er feine ©eliebte
toieberfinbet unb heiratet, oon ba nach Aiga, bas
er aber in abenteuerlicher glud)t mit feiner grau
unb einem großen Aeufunblänber oerläftt, toeil
feine ©läubiger ©m gefährlich toerben. gn ©illau
befteigt er mit grau unb Hunb ein Segelfctjiff, um
bie fran3öfifd)e Küfte 3U erreichen, muh unterroegs,
um fid) oor Sturm 3U retten, in Aortoegen lanben,
bann gel)t's nach £onbon, unb enblid) gelangt er
nach ©aris. Dahin 30g es ihn getoaltig. _ Dort
hoffte er feine neue grofce Oper „Aien3i“ 3m
Aufführung 3U bringen unb fid) bamit bie ABelt
3U erobern. Das ©ebicht — nad) bem ©ultoer*
fdhen Aomatt — h^te er fid) felbft gemacht, toie
auch fd)on bie Derte 3U ben beiben früheren Opern.
3 toei Atte toaren fertig tomponiert, bie anbern
gebaute er in ©aris halb 3U oollenben. Daff es
Ai©arb ABagner in ben galjren feines ©arifer
Aufenthaltes fehlest gegangen ift, tourte man
fd)on; toie fd)led)t — bas erfährt man aus biefer
©artie ber £ebenser3äl)lung, bie fogar nod)
manches ©ittere oerf©toeigt. Die ©mpfehlungen
AReperbeers, auf bie ABagner fo grofce Hoffnungen
gefegt hatte, ertoiefen fid) als oöllig untoirffam;
überall tourbe ber bisher gan3 unbetannte Opern*
tomponift mit leeren ©erfpredjungen hingel)alten.
Die herbfte Aot herrfd)te oft in ber tleinen Haus*
haltung, obtool)! bie grau es gut oerftanb, mit ge*
ringen ARitteln aus3utommen, ja fogar in bem
tleinen Ouartier noch eine getoiffe ©el)aglid)feit
um fid) 3U oerbreiten. Aur ein paar arme Sd)Iuder,
barunter ber ARaler ©rnft Kietj, glaubten an bie
3 ufunft bes jungen ARufiters, ber aufjer bent
„Aien3i“ noch eine 3toeite Oper, ben „gliegenben
Hollänber", in ©aris fertigfcf)uf. ARit ber Ausfid)t,
baf) ber „Aien3i“ in Dresben, ber „gliegenbe §>oU
länber" in ©erlin 3ur Aufführung angenommen
toar, oerlieh ABagner im grühjaljr 1842 ©aris
unb toanbte^fi© nad) Dresben. Übrigens toirb
gerabe bie Sd)ilberung ber gugenb, bas ©ilb ber
tinberreid)en gamilie mit ber ARutter als ARittel*
puntt, bie ©nttoidlung bes Knaben in bem erften
Abfchnitt ber ©rßählung gan3 befonbers inter*
effieren, ba er oieles bisher Unbetannte bringt.
Die 3toeite, oon 1842 bis 1850 reid)enbe ©eriobe
bel)anbelt ABagners Dätigteit als Hoffnpellnteifter
in Dresben, ben glän3enben ©rfolg bes „Aien3i“,
ben matteren bes „gliegenben Hollänbers“, ber
trotz ber ARittoirtung ber genialen Sd)röber=
Deorient toeber in ©erlin nod) in Dresben tieferen
©iubrud mad)te, bie erften Aufführungen bes
„Dannhäufer“, bie berühmte ber Aeunten Spm*
phonie, bas ©ntftehen bes „£ot)engrin“ unb fd)lieht
mit ber glud)t aus Dresben, too man auf ihn
fahnbete toegen feiner ©eteiligung an ber ARaireoo*
iution. Die ©erfönlid)teit bes Sängers Did)atf©et,
bes erften Aien3i unb Dannhäufer, ber S©röber=
Deorient, bann bes ruffifd)en Aihiliften ©afunin,
bie fefte ©haratterifierung bes gutmütigen unb
toilbbemotratifchen Aödel, feines Kollegen an ber
Hofoper, ift bem ©Wähler gan3 befonbers gut ge*
lungert. Dah bie ©he mit SAinna ©lauer für beibe
Deile ein Unglüd toar, hat fid) halb herausgeftellt.
Den gehltritt äRimtas oor ber ©he, bem eine
Dod)ter entfproffen toar, ja felbft bie ©erirrung
fd)on im erften ©hejahr in Königsberg mit einem
fremben Aianne hat ihr ber ©atte merttoürbiger*
toeife nicht nachgetragen, er toar froh, als bie grau
nad) faft einjähriger Trennung 3U ihm 3urüdtei)rte,
toeil fie es oerftanb, ihm bie Häuslidjteit behaglid)
3U mad)en. Unbegreiflid) aber toar es ihm, ber
Kinber unb Diere liebte, an ber grau, bah fie mit
ihrer Dod)ter fehr hatt unb lieblos umging, es
biefer fogar bis 3um Dobe oerheim!id)te, in toeId)em
©erhältnis fie 3ueinanber ftanben; bas äRäbd)en
tourbe ftets für eine jüngere Sdjtoefter aus*
gegeben.
Der brüte Abfd)nitt enthält bie 6d)idfale
ASagners oon 1850 bis 1861 . ©inige Dage heintlidh
Aus „Richard Wagner" von Dr. Julius Kapp
Verlag Schuster &• Loeffler, Berlin
oon £if3t in unb bei ASeimar untergebrad)t, gelang
es bem glüd)tling, mit einem auf einen anbern
Aamen lautenben ©affe über bie ©ren3e 3U ent*
tommen, unb es begann nun für ihn bas ab*
toechflungsreidje £eben eines ©o!itifd)*©erbannten.
©r läht fid) in 3nrid) nieber, entfaltet 3unäd)ft eine
bebeutfame Dätigteit als Sd)riftfteller unb lehrt
bann erft toieber 311m tünftlerifd)en Schaffen 3urüd.
£if3t führt mit burd)fd)lagenbem ©rfolge in
ASeiinar ben „£oI)engrin“ auf, ber fid), toertn aud)
langfam, eine ©ül)ne nach ber anbern in Deutfd)*
lanb erobert unb bamit aud) 3ugleid) günftig auf
bie ©erbreitung bes „Dannhäufer“ toirtt. Aus
bem ©rieftoechfel mit £if3t, mit bem Dresbner
©horbirettor Dl)eobor Ul)lig, mit feinen ©erlegern
(lehtere oon Altmann herausgegeben), aus ben
©riefen an ARathilbe ABefenbond toaren toir mit
biefem Deü bes ABagnerfd)en £ebens früher 3ient*
Ud) genau betannt. ARerttoürbigertoeife ftreift bie
©r3ählung über bie Aßefenbondepifobe 3ientlid)
tül)l hintoeg, nur bas 3 e^n)ürfnis mit grau ARinna
toirb oon ba ab als oöllig unheilbar tlargelegt. gn
biefen gahren entfielet bie gan3e Didhtung 3um
„Aing bes Aibelungen“, bie ARufif 3um „Abein*
golb", 3ur „ABaltüre“, 3U ben beiben erften Aften
bes „Siegfrieb“. Aus ber intimen ©efd)äftigung
mit ben Schriften Sd)openhauers ertoächft ihm
bie ABeItanfd)auung, mit toel©er bie Dichtung bes
„Driftan“ burd) unb burd) geträntt ift, unb biefes
ABert, naebbem bie ARufit fertiggefd)affen tourbe,
3eigte fid) alsbalb als toahres Schmer3enstinb
feines Autors, ba teiue ©ühne fid) 3ur Aufführung
entfd)Iiehen toollte. Alls es in ABien, auf bas ber
AReifter ficher gehofft hatte, nad) oielen ©roben für
unaufführbar ertlärt tourbe, als aud) in ©aris
bie 00m Kaifer Aapoleon anbefoI)lene Aufführung
bes „Damtbäufer" eine Kette oon Unannehmlid)*
leiten unb Quälereien oerurfad)t hatte, 3iel)t er
fidE) grollenb oon ber ABelt 3uriid. Oft toiffen nur
toenige ©etreue, too er fid) befinbet; ihr guter
ABüle 3um Helfen erfd)öpft fid), bie petuniären
©erlegenheüen toerben immer troftlofer. Dod)
bie unoertoüftlid)e Sd)affenstraft brängt 3U neuen
Daten, ©erabe in ben Dagen ber größten ABiber*
toärtigteiten nimmt er bas heitere ABert ber
„AReifterfinger" in Angriff, beren erfte Kon3eption
allerbings fchon in bie 3 eü ber Dresbner Kapell*
meifterjahre fällt.
©erbältnismähig tnapp ift ber lehte ber oier
Abfd)nitte oon 1861 bis 1864 gefaht; er bringt uns
aud) toenig Aeues, bas nicht fd)on betannt toäre.
Deutfchlanb, toeld)es fi© bem immer nod) ©er*
bannten bis jeht oerfd)loffen hatte, barf ber 00m
König oon Sadjfen Amneftierte 3toar toieber be*
treten, aber heimifd) toirb er nirgenbs. Auhelos
oerfud)t er I)ter unb ba feften guh 3U faffen, biri*
giert halb in ©etersburg unb SAostau, halb in
©rag, in £eip3ig, in ©eft Köderte, um ©elb 311
oerbienen, toas nid)t immer gelingt. An ber
©artüur ber „AReifterfinger“ arbeitet er toohl
toeiter, aber fo recht oorroärtsrüden toill bie ©arti*
tur nid)t. Da, als ber oon feinen ©läubigern ge*
betjte ARann fi© in Stuttgart oerborgen hält, tritt
ber ABenbepuntt ein, auf ben toeber er nod) einer
feiner ©etreuen gerabe jet)t taum nod) hoffen
burfte: ber junge König oon ©at)ern fdjidt feinen
Kabinettsfetretär aus mit bem Aufträge, ihm ben
Schöpfer bes „Dannl)äufer“ unb „£ohengrin“ 3U
fud)en unb nad) ARünd)en 3U bringen. Hier brid)t
bie ©Zählung ab.
£eid)t lieft fi<h „ARein £eben“ oon Aicharb
ABagner nicht. ©ergleid)t man ben Stil, bie Aus*
brudstoeife biefer beiben ©änbe mit ber tur3en
autobiograpl)ifd)en Sti33e in bes AReifters ge*
fammelten ABerten, fo toirb jeber unbefangene
£efer eingeftehen, bah bie frühere Arbeit in roeit
traftoollerer, reinerer Sprache abgefafct ift. ABagner
liebt in feinen fpäteren Atbhanblungen oertoidelten
©eriobenbau, feltfam burd)einanber gefchlungenes
Satzgefüge, fo bah man einen Sah oft mehrmals
nad)lefen muh, nm ihn fich tlar3ulegen. ,,gd) oer*
fügte mich in bie ABohnung ber Hausbefitjerin,
einer jungen, fel)r reifen ABitroe, einem ©rer
Hotels in marais,“ fol© ein falfd)es Sahgebilbe,
bas übrigens nicht oerein3elt oortommt, finben
toir in ABagners früheren Sd)riften nicht; er hielt
ftets auf torrette Sprache, ©isroeilen tönnte man
toähnen, bah eine toenig gelungene Über*
fetping aus einer fremben Sprad)e oor Augen hätte.
Überall trägt bie ©r3äl)lung bas ©epräge innerer
ABahrhaftigteit. ©rtoägt man, bah ABagner be*
reits bie günfsig längft überf©ritten hotte, als er
fein £ebeit 3U er3ählen begann, fo muh tnan
jtaunen, toie gegentoärtig, toie ficher in ber ©r*
innerung er jebe ©in3ell)eit aus feinen jüngeren
unb fpäteren Dagen fef©ielt. ©elegentlid) gibt er
einmal bafür eine ©rtlärung. S©on früh hotte er
fid) getoöhnt, fid) tur3 Datfad)en aus feinen ©r*
lebniffen 3U notieren, ©ine getoiffe rote Dafd)e
mit fortlaufenben Daten lag oor ihm geöffnet,
toenn er feiner grau bittierte. ©01t gugenb auf
fühlte er in fid) bas ©etouhtfein einer 3U groheit
Dingen berufenen tünftlerifd)en ©erfönüd)teit —
bas geht aus feinen ©riefen, mehr nod) aus biefen
3toei ©änben „ARein £eben“ h^roor. Dabei
nirgenbs aud) nur eine Spur oon ©ofe, überall
ABahrhaftigteit über fid) felbft, über all bie Heineren
unb bebeutenberen ©erfönlid)teüen, mit benen
ihn fein Sd)idfal 3ufammenfüi)rte, ba3u bie ©abe,
jebett, oon bem er uns er3äl)lt, uns leibhaftig oor
bie Seele 311 führen. £>ft mit gutem, liebeits*
tuertem Hntnor, oft mit unoertenubarem, leifem
Hol)n, toie 3um ©eifpiel, toenn er oon Honslid er*
3ählt, toie ber ihm f©Iud)3enb in bie Arme 3U
finten oerfud)t mit ber ©erficherung hödEjfter ©e*
tounberung, unb bann toieber, toie ber fi<h aus
einer ©orlefung bes AReifterfingergebid)tes heim*
lid) toegftiehlt, tief oerle^t, toeil er fid) für alle
©roigteit oor aller ABelt als ©edmeffer gebranb*
martt toähnte. AReifterl)aft toeih ABagner fein
unglüdliches ©erhältnis 3ur erften grau tlar3u*
legen, bie ihm auf feinen grrtuegen nad) einem
ibealen 3iele burd) il)r nüd)ternes, behaglid)es
ABefen ben nötigen housbadenen Aüdl)alt bot,
bei ehelichen S3enen ftets ben ©orteil ber äuheren
Auhe bem jäl) aufbraufenben, oerlehenbeit unb
§84
1911. $r. 36
MM
uituv der. üeqenmavt
mmm
fd)ItefeXtdf> abbittenben Alaune gegenüber ooraus*
batte. Aleßrfad) finb btefe beiben ©änbe bes
ASagnerfcßen Gebens ©ismards „©ebanlen unb
Erinnerungen", ©oetßes „Ticßtung unb ASaßrßeit"
an bie Seite gestellt worben. gdj möchte nod)
Aouffeaus „Confessions“ basurecßnen, benn wir
erleben beim Tefen nicht nur ben ©Serbegang ber
gewaltigsten lünftlerifcßen ©erfönlid)leit aus (ber
^weiten $älfte bes oorigen gaßrßunberts, fonbern
erfahren noch baneben bie oielfachen jungen
unb © 3 irrungen bes Alenfdjen ©Sagner,\bie aber
niemals ßemmenb auf ben Aufstieg ber lünftle*
rifcßen Entwidlung einwirtten.
E r n ft ©buarb Säubert
Sie Stellung bes Tanbßaufes auf
bent©auplaß
Über bie geeignete Stellung bes Tanbßaufes
auf feinem ©auplaße finb bei uns bie Anficßten,
obgleich wir feit gehn fahren eine außerorb entließ
lebhafte Bewegung im Tanbßausbau haben, nod)
recht wenig gellärt. Tas gef)t fd)ort baraus her*
oor, bah nod) allgemein an bem ©runbfaß feft*
gehalten wirb, bas £>aus an bie Strafe 3U Stellen
unb feine 3 immer an bie Straßenfront 3u legen.
Süden
Osten / ---y Westen
Haus in Zehlendorf. Situationsplan der Zimmer
Sei einigem Aad)beulen ergibt fid) Sofort, baß
hier eine ©orftellung sugrunbe liegt, bie aus. bem
©Sefen bes Stabthaufes entftanben ift. ©Ser fid) bie
Alüße gibt, einertlanbhausmößig bebauten beliebigen
©orort su burcßwanbern, wirb feftftellen tonnen,
baß faft ohne Ausnahme bie Straßenfronten reid)lid)
mit©Soßn3immerfenftern burcßbrocßen finb, gleich 5
gültig, ob es fid) um eine Aorbfront ober eine Süb*
front hanbelt, unb baß bie Trkße unb ©Sirtfd)afts*
räume an ber ber Straße abgelehrten Seite bes
Kaufes, alfo nad) bem ©arten htrt, liegen. ©e=
moßnheitsmäßig unb ohne barüber nad)3ubenten
ift hier ber 3 wang, ber bei ber Einlage ber Stabt*
wohnung oorliegt, auf ©erßältniffe übertragen,
bei benen man fid) an unb für fid) ber größten
Freiheit erfreuen lönnte.
©Denn man bas Tanbßaus auf feinem ©runb*
ftüd nach ben ©eficßtspunlten ber fopgiene unb
bes Komforts fituiert, fo ergibt fidE) bie lategorifcße
gorbermtg,. alle 3um bauernben Aufenthalt oon
Alenfdjen bienenben Aäume nah ber Sonne su
legen, unb ferner bem ©arten feine §auptaus=
behnung oor ben ©Soßnräumen 3U geben. Tas
ift beim Tanbßaufe and) in allen fällen möglich,
fobalb man nur eben aufhört, babei ber Straße
eine ausfcßlaggebenbe ©ebeutung bei3umeffen.
gn ben beifolgenben Stis3en ift bies erficßtlih
gemäht Es ift ein mittelgroßes ©augrunbftüd oon
Vier Situationspläne bei versdiiedenen Straßen-
Haus in Zehlendorf
Hausfront von der Straßenfront abgerückt
etwa 1500 Ouabratmetern sugrunbe gelegt, unb es
finb bie oier gälte angenommen, baß bie Straße
im Süben, int Aotben, im ©Seften unb im Dften
bes ©runbftüdes liegt. Auf bem ©runbftüd fteßt ein
§aus oon etwa 200 Öuabratmetern bebauter gläcße.
Tiefes irjaus bilbet einen einfpringenben ©Binlel,
in welchem fid) alle Aebentäume, wie Eingang,
©arberobe, irmlle, Treppenhaus, 5 Südje unb fo
weiter befinben, währenb an bem ausfpringenben
©Sinlel Sämtliche ©Soßnräume im Erbgefchoß unb
Sämtliche Sd)Iafräume unb Tinbet3immer im
£)bergefcßoß liegen. Tie Abbilbung seigt, wie in
allen oier gälten biefe beiben ausfpringenben,
mit ©Soßn* unb Schlafräumen befehlen Seiten
ber Sonne 3ugetehrt finb, währenb bie Hieben*
räume am einfpringenben ©Sinlel mit ber fonnen*
lofen Seite fürliebneßmen müffen. Aid)t nur
bas, fonbern ber ©arten liegt in feiner $aupt*
ausbeßnung ftets oor ben bie ©Soßnräume ent*
ßaltenben Seiten bes Kaufes. Aatürlid) ift es
3ur Einhaltung biefer ©eficßtspuntte nötig, in
einem ober 3wei gälten bas 5 )aus oon ber Straße
ab3urüden unb fo weit an bie £jintergren3e bes
©runbftüdes su f hieben, als bie ©aupoliseiorbuung
bas 3utäßt (in ber Aegel wirb ein Abftanb oon
6 Bietern oon ber $intergren3e oerlangt). Tann
erfolgt ber 3 ugang burcß einen Seitenweg bes
©artens. Alan lann einwenben, baß baburd) ber
©arten feiner gntimität beraubt würbe; immerhin
ift bies nodj nicht fo fdjlimm, als wenn er, wie es
bei Tage bes Kaufes an ber Straße ber galt fein
würbe, nad) Aorben, alfo in ben Schatten bes
Kaufes unb an bie Tücßenfront, 3U liegen tommt.
Sei ber Süblage ber Straße ift es baßer auf alle
gälle beffer, bas |jaus 3urüdsurüden. Sei ber
iDftlage ber Straße lönnte man bagegen 3weifelßaft
fein, ob man nicht bodj ber 3urüdgerüdten Tage
bes Kaufes bie Tage an ber Straße oor3ießen
würbe, um ben ©arten intimer su machen.
. Aatürlidß ßanbelt es fidE) hier nur um ein
Srinsip. gn ber ©taris läßt fid) nicht fo einfad)
nach biefem Sdßema oerfaßren, iweil befonbere
Terrainoerßältniffe ßinbernb in benf©Seg treten
tönnen. Unebenheiten tönnen es mit fidE) bringen,
baß ber 3ugang nur in einer beftimmten HBeife
möglid) ift, bie Sebauung ober bie Sepflan3ung bes
Aadßbargrunbftüdes lann üort beftimmenbem Ein*
fluß fein, oor allem aber lann eine etwa oorßanbene
fdhöne Ausfid)t bie Aäume bes ©runbriffes anbei**
weitig feftlegen. Tiegt biefe gerabe nah Aorben,
fo wirb niemanb baran benlen, bie Aorbfront
bes Kaufes lebiglih mit 5 iüd)en* |unb Aeben*
räumen 3U befeßen. Es ergibt fidE) bann einASiber*
ftreit swifhen ber Sonnenlage unb ber Ausficßts*
läge, beffen Ergebnis ein Kompromiß ift: man wirb
bei jebent Aaume überlegen, ob er feiner Aatur
nah eßer auf bie Ausficßt ober eher auf bie Sonne
oersihten lann.
Tas Aefultat wirb aber fein, baß bie Aäume,
in benen ber Atenfcß fih am meiften aufßält,
bas finb aber bie Scßlafräume unb bie SBoßnräume,
unter allen Umftänben bie Sonnenlage haben
müffen, währenb bie meßr 3um oorübergcßenben
Aufenthalt bienenben Aäume, wie bas Eßsimmer
unb bie §alle, unter Umftänben bie Sonnenlage
entbehren lönnen.
Hermann Alutßefius
Erfinbungen unbErfinber
Alir würbe einmal erzählt, baß ber Erfinber
ber Keinen eifernen ^ufeifen, bie man mit Sor*
liebe an ben Abfähen oon Tnabenfdjußen anbringt,
um ber allsu ftarlen Abnußung burh bie tollenben
Aangen oorsubeugen, meßrfaher Alillionär ge*
worben fei. gh weiß nicht, ob bas wahr ift, min*
beftens aber ift es gut erfmtben. Es ift eine in ber
gnbuftrie belannte Tatfacße, baß mit „TIeinig*
leiten" oft weit meßr ©elb oerbient wirb als mit
fogenannten großen Erfinbungen. Tie ftonftrul*
tion eines lentbaren Tuftfdjtffes mag befonbers
rußmooll fein, oom rein wirtfd)aftlicßen Stanb*
punlt aus ift fie weit weniger Iulratio als bie Er*
finbung eines praltifcßen §ofenträgers ober einer
guten HBafcßmafcßine. gh möhte jebocß ben oer*
eßrten Tefer unb nod) meßr bie oereßrten Teferimten
in ißrem eigenften gntereffe ebenfo höflich wie
bringenb bitten, in biefer Aleinungsäußerung niht
bie Aufforberung 3um Erfinben oon praltifhen
©egenftänben bes ^ausßaltes su erbliden. Tenn
auf biefem ©ebiete betätigt fih fh or t fowiefo
ein berartiges $eer oon berufenen unb meßr nod)
unberufenen ©eiftern, baß oon einem ©ebarf nah
©ermeßrung ber Tätigen niht gefprocßen werben
lann. Tte weitaus meiften erleben and) niemals
ben oon jebem ©atentaumelber erträumten Aeidj 5
tum. Teils belommen fie ben fid)et erhofften
Shußtitel überhaupt niht, teils lauft ißnen bas
müßfam erlämpfte Aecßt lein Alenfd) ab.
AS er bennod) eine Tuft oerfpürt, bem empfehle
id>, fih 3unähft einmal fämtlid)e patente ber ßier
ßauptfählih in ©etracßt lommenben klaffe: 3 , 9 b
unb c, 23 , 34 , beren allein im gaßre 1910 1800
oeröffentließt würben, burhsulefen.
Eine Heine ©lütenlefe 3m Unterhaltung: Ta
ift ein £jerr aus Aürnberg mit einem Tifh mit
einfhiebbarem Tinberftußl unb umlegbaren ©einen,
ber fid) baburd) aus3eihnet, baß bie ©eine beim
Einfcßieben fih felbfttätig umlegen unb beim 5 )er*
aus3iehen ßerunterllappen. Öffenbar bie gbee
eines linberreidjen gamilienoaters in enger ©roß*
ftabtwoßnung. Ein Teßrer ber ©eograpßie, id)
oermute bas nur, ber fih über bie ©efeftigung ber
ASanblarten ärgert, oerfenlt fid) in ©erbefferungs*
ibeen unb erhält fäßließlid) einen Shnßtitel auf
eine neue Aufhängeoorricßtung. Einem gan3
fauberen Alanne genügt bas gewößnlihe ßpgie*
nifhe Tlofettpapier nod) niht, er erfinbet baßer,
um einem bringenben ©ebürfnis ab3ußelfen, eine
„Einrihtung sum Tesinfi3ieren oon Tlofettpapier
in Aollenform". Einen billig 3U erftellenben,
unter Umftänben als Alaffenartilel günftig su oer*
treibenben Raiter für Eßriftbaumlihter unb Eßrift*
baumfhmud befeßert ber ©Seit ein ßoffnungs*
freubiger ©ürger Saarbrüdens. Einen neuen
Damenhuthalter t)at eine Dante aus ©euh er=
funben, bie offenbar mit ben non ben Hatnabeltt
gefäfpbeten klugen ber Männermelt Mitleib entp=
fattb; ein junger ©erliner hat aus groiefadjent
Egoismus eine anbre 3*>ee, bie bem gleichen
3 med bient, 3U Rapier gebraut. Das fdper um
erfd)öpflid)e Thema ber Spa^ierftöde, bie man
gleichseitig als ©egenfd)irm betrugen tarnt (als ob
es uid)t genügte, bah man jeben Sdjirin als
Spa3ierftod oermenbett tann!), t)at einen jungen
©öhmett auf ben ©latt gerufen. Kennen meine
oerehrten £eferinnen bie fogenannten ©üftem
ftänber? ©in gan3 offenbarer Mangel biefer mich*
tigen §ilfsapparate jeher geroerblid)en unb l)äus=
lid)en Sdpteiberei toar ihre Steifigteit. ©Sie tann
man 3Utn ©eifpiel auf beut 3uget)örigen ©odgeftell
einen ntobernen ©ocl non 60 3entimeter ,,©ein=
meite“ probieren! ©usgefdjloffen. Da l)ilft uns
Herr 3 °fef ©rünen. ©r I)at bas ©odgeftell aus
©appe gefertigt unb l)inten in ber £ättgsrid)tung
geteilt, ttad) ©elieben tarnt man burdj 3ufantnten=
jchnüren bie ©appe mehr ober roeniger über*
einanber fdpeben unb bamit bie ©odform enger
ober roeiter (teilen.
©ud) neue Knöpfe toerben erfunben; ein ©fors*
Reimer hat ein patent auf einen neuen Drud=
fttopf, ein ©meritaner aus ©ofton ein patent auf
eine £Irt Sd)iebe= ober ©ajonetttnopf erhalten.
Mehr an bie irbifchen ©enüffe biefes fiebetts bad)te
Herr Sd)reper, als er ein ©erät 3um galten oott
Lüftern bem ©atentamt einreid)te, unb ber £jerr
£iebgott, ber eine tjpgienifdje Moftrid)büd)fe mit
©entiloerfd)Iuh unb unterer ©uslauföffnung er*
fanb. 3<h habe nur ©ngft, bah bas ©entü im
prattifd)en ©ebrauch auf bie Dauer nid)t fo bid)t
gefchloffen mirb, roie es int 3ntereffe ber ©eitt*
paltung ber Tifd)toäfd)e erforberlid) erfd)eint.
Das ift überhaupt ber ©ad)teil ber auf patent*
anmelbuttgen gefügten ©eul)eitenfd)au: fie er*
toedett übenoiegettb falfd)e Hoffnungen. ©Senn
man bie ©rfittber fo l)ört, ba ift alles gut unb fd)ön,
ba ift gar tein 3 ^eifel, bah bie Dinge fo funttio*
nierett, roie es auf bem gebulbigen Rapier ge-
fdjrieben ftet)t. ©ber bas Patentamt prüft ja bie
prattifdje ©usführung gar nid)t; 300ar forbert bas
©atentgefetj getoerblid)e ©erroenbbarteit oott jeber
patentfähigen ©rfittbung, aber gerabe biefe Seite
toirb nid)t fo genau genommen. Häufig 3eigt es fid),
bah für bie ©euheit tein genügeub grober ©bnelpner*
freis oortjanbeu ift, unb bas fällt befonbers bann
in bie ©Sagfd)ale, meint für bie Hetftellung teure
Mafdjinen angefd)afft merben ntüffen, bie fid)
fd)liehlidj eben nur bann lohnen, rnenn ntatt auf
Maffenumfajj redptett tann. ©ttbre Dinge gehen
überhaupt nid)t fo, mie es ber ©rfinber fid) bad)te,
ober fie merben in ber Herftellung fo teuer, bah
tein Menfd) fie taufen mill. 2 © biefe ©attung ge*
hört 3utit ©eifpiel ber aus einem Tifd) heraus*
tlappbare Kinberftuf)!-
©tauche Sad)ett erfcheinen aud) auf ben erften
©lid gau3 prattifd), unb man tarnt beim beften
©Sillen nid)t oorausfagen, mie fie bie öffentliche
Meinung beurteilen mirb. ©s gel)t ba 3U mie auf
bem Theater: Der Direttor unb ber Did)ter hatten
bas neue Stüd für gut, fie fittb feft baoott über*
3eugt, unb bod), mer mill fagett, ob es einfd)Iägt.
Ob bas ©ublifum ©eifall tlatfd)t ober in eifigem
Sd)meigen oerharrt. Das Thermometer ift ein fehr
einfad)es unb nüplid)es 3nftrument, es miht uns
bie ©Särme. ©Sir finbett es faft in jebem Haus.
©Seniger 3 ntereffe i)errfd)t fd)on für bie Meffung
bes £uftbrudes: für bas ©arometer. ©ber faft
ttirgenbs finben mir ein Hygrometer. ©Sas bas
ift? ©in geud)tigteitsmeffer, ein 3nftrument, bas
uns ben ©el)alt ber £uft an ©Safferbampf angibt,
©llerbings finb bie braud)barett ©pparate biefer
©attung nicht eben billig, aber id) glaube, bah bas
gerabe baratt liegt, meil bas ©ublitum teine Mei*
ttung bafür hat, bah es infolgebeffett nid)t lohnt,
eine rationelle Maffenfabritation für folcfje 3 nftru*
mente ein3urid)ten. Unb bod) ift es für uns fehr
mid)tig, über ben 3eud)tigteitsgehalt im 3intmer
unterrid)tet 3U fein. Unfer ©Sol)lbefinben ift baoott
meit mehr abhängig, als oiele Menfd)en glauben.
©egen ntand)e ©rfinbungen muh ntan aud)
aus hPQtenifdjen ©rünben ©infprud) erheben,
fo gegen bie oielgeftaltigen ©ufhängeoorrict)*
tungett für ©Säfche in ber Küd)e, bie halb in
Quirlform 311m ©ufhängen au ber Dede, halb als
©Sanbgeftelle, halb als mehr ober minber einfache
©orrid)tungen 3um ©usfpantten einer ©Säfd)eleine
aitgeboten merben. 3 a ber Kiid)e einer ©rohftabt*
mohnung foll ntatt überhaupt teine ©Säfd)e trodnen,
bentt mäfpenb bie ©Säfche trodnet, mirb bie £uft
itbermähig fernst, unb bas ift für bie Mauern
ebenfo fdjäblid) mie für bie Menfd)en. ©uherbem
beförbert es bie ©ertnehruttg oon Unge3iefer, bas
©erberben oon Speifen uitb anbres mehr, ©in
Hygrometer mürbe halb barüber auftlären.
fyreilid) ift bas ©erlangen unfrer Hausfrauen
ttad) bequemer Trodnung ber im Haufe gemafd)e=
neu ©Säfche gered)tferügt. 3 a bürgerü^en Kreifen
finb nicht immer bie nötigen Hilfskräfte, oft aud)
teine ©elegenheit oorhanben, bie ©ßäfdje nad)
einem im freien gelegenen ©Iah 3U fd>affeu.
Dad)gärten mit Dadjtrodenplähen ober ruhfreie
Hofgärten gibt es aud) nid)t überall. Dod) ba hat
bie Ted)nit aud) fdhon erfunben, nur merben biefe
©rfinbungen nid)t überall gemürbigt unb benutjt.
Das finb bie groben hebbaren unb entlüftbaren
Trodenfdjränte, bie etma im Keller bes Haufes
neben ber ©Safd)tüd)e aufgeftellt merben uttb auf
oerhältnismähig tleinem ©aunt ein rafd)es tünft=
lidjes Trocfnett ber ©Säfd)e geftatten unter gleicf)=
3eitiger Durchmebeluttg mit frifd)er £uft. 3 a
gröberen Hotels benuht man heute fdhon ähnliche
©inrid)tungen.
greilid) ift für ben ©etrieb elettrifcher Stront
3utn ©etreiben eines tleinen ©erttilators faft utu
entbehrlich- ©ber baran muh fidh ber moberne
Haushalt unb ber mobertte Hausbefiber überhaupt
gemöl)nen: tnotorifdje Hüfeleiftung ift tein £urus
für bie mobertte Kulturentmidlung, bas ©e=
gebene 3um ©rfah für bie immer teurer merbenbe
©uf ben beutfd)en ©ettnbahnen mimmelt es
oott $arbenfqntphonien, c 0 D } e j ©ettnftallbefiher,
fo oiel bunte 3aden, getragen oon ber ©ilbe ber
3odeis ober ber flehten ©ettteinbe ber ©entleman*
reifer, bie nicht int Offi3iersrod ftedett. 3a allen
Farben mirb auf bem Turf gefd)melgt, ©ot uttb
©lau, ©riitt uttb Sd)mar3, £ad)sfarben unb Kar=
tttoifin, Kapu3inerrot unb Strohgelb, alles bas oer=
mifcf)t ntit Stenten unb Streifen, ntit Sd)ärpenunb
©ürteln uttb Quabrateit. ©Salb liegen bie Streifen
längs, balb quer, halb ift ber ©ritt rot, halb grütt
geringelt uttb mas berlei ©b3eid)en für bie oiel=
hunbert Köpfe ftarfe Sdjar ber ©ennl)erren mehr
finb. ©s ift ba oft fd)toer, itt einem ©übel oott
©(erben, bas bett ©ennfurs entlang (türmt, bie
färben auseittattbersuhalten, unb felbft ber s ©id)ter
itt feinem 3telf)äusd)en, ber immer ein ©üd)Ieitt
mit bett färben oor (ich hat, tarnt in ©erlegettheit
fommen. ©ur ein Dreh ift oon alters het aus bett
Taufenbett l)^ r aus 311 erfennett: bie fct)mar3=
meihen Streifen, bie als Farben oon „©rabih“ bie
populärften bes beutfd)en Turfs genannt merben
müffen. Die fd)mar3meihe 3 ade unb bie fd)toar3c
Kappe auf bes 3 odeis Haupt — bas fittb bie
preuhifd)en Farben, bie oott ber ebelit, int fönig=
lidjett Hauptgeftüt ©rabih aufgemadhfenen ©oII=
blutgefellfd)aft ins ©ernten getragen merben.
Die grofje ©iettge hat fid) gemöhnt, bie ©rad)t=
figurett, bie als ©rabiher auf bem grünen ©afett
auftreteit unb mit bas befte 3adjtmaterial bar=
(teilen, als Turfoertreter bes Königs oon ©reuhett
an3ufehett. Das ift ein Trugfd)Iuh. Der Kaifer
unb König als fold)er unterhält aus feiner ©rioat=
fdjatulle feinett ©ennftall, ber Stall ©rabih ift eine
ftaatlid) preuhifche 3 oftitution. ©ber ber Kaifer hat
fid) baratt gemöhnt, oott ben ©rabihern als oott
„feinett ©ferbett“ 311 fpred)en, unb es maren nicht
immer freubige ©efül)le, bie in ihm gemedt murbett,
mettn er in früheren 3al)*eo feine färben hat
„hinterher laufen“ fehett. Denn es gab früher
recht fd)led)te 3ah*e für bie preuhif^ett ©ferbe,
unb erft bas neue ©egiment bes jungen ©rafett
£ehnborff unb ber neue englifd)e Trainer ©egi=
nalb Dat) haben einen SBattbel 3Utn ©effertt ge=
fd)affett. H^ate ift ©rabih fo allntäd)tig, bah **
oott bett anbern ©enttftallbefihertt gefürchtet mirb,
fo ftarf gefürchtet, bah fie eine ©rt ©ing gebilbet
uttb es 3timege gebrad)t haben, bah ber ©rabiher
©ennftall nur ttod) aus fünfunbbreihig ©ferbett be=
ftehett barf, unb biefe ©ferbe nur itt beftimmt abge=
gren3ten ©ettnett laufen fötttten. Da3u fontmt, bah
bie ©ennoereine felbft bie ©rabiher baburd) aus
oielen ©ennen ausgefd)loffett haben, bah fie gemiffe
Konfurren3en, uttb barunter manche oott ©krt,
nur für „©ferbe im ©rioatbefih“ ausgefd)riebett
Tegerwylen bei Konstanz vom Luftschiff , Deutsch¬
land“ aus aufgenommen
haben. Troh allebem finb bie fd)mar3meihett
Streifen auf ber ©ennbahn im oorigen 3 ah^e ant
erfolgreid)ften gemefen, unb für bie jetzige Kattt=
pagne fittb fie glän3enb gerüftet. Der Kaifer hat
alfo leinen ©nlah mehr, über bie ©rabiher oer*
fchnupft 3U fein; bah er fid) aber mie ber König
oon ©Sürttentberg ober gar mie ber König oott
©nglanb — ber über breifjig ©ennpferbe in Trau
ning gegeben hat — nod) einen eignen ©ennftall
3ulegen mirb, ift nach Sage ber Sache ausgefchloffen.
Dem Turf um oieles holber ift bagegen ber Krom
prin3. Hat (ich bod) ber beutfdhe Thronfolger,
ber mit ©orliebe ©ennpferbe, bie auf bem grünen
©afen itid)ts mehr ausridjten, in feinem ©eitftall
hält, fd)on als ©ennftallbefiher betätigt. ©ller=
bings bisher nur im tleinen ©ahnten, ©r hat fid)
itt ©emeinfd)aft mit bem betannten ©ennreiter
£eutnant 3- oon 3obeItih, ber ihn aud) auf ber
3 nbienfahrt begleitete, einige Steepler mie „©ort=
man“ unb „£orb 3orfar“ für ©ennpoede 3ugelegt
unb erftlür3lid) „Droll“, ein etmas ftörrifd)es §Iad)=
rennpferb, aus ber3ud)t ber Herren oonäBeinberg,
erftanben, mol)l um es auf ber Hiobernisbal)tt
aus3unuhen. Diefe ©ennftallbefiherfdjaft märe
oieIleid)t ber grohett ©Seit nid)t befannt gemorbett,
meint nid)t feit einiger 3eit bie Verfügung be=
ftänbe, bah fogenannte Teilhaberfd)aften immer
int offi3iellen©SochertrettntaIenber ange3eigtmerbeit
ntüffen. ©Settn fid) früher in bett 23 efih eines ©olI=
blüters ein halbes Dutjenb ©ferbefreunbe teilten,
fo mürbe bies öffentlich niemanb betanntgegeben,
es (teilte fid) int ©ennprogramm immer nur einer
oon ben 23 efihern h^aus, ober es figurierte
irgenbeitt ©feubonpm, unb auf biefe ©Seife mar
gemiffen Heimlid)teiten unb Manipulationen Tür
uttb Tor geöffnet. Heute muh genau uttb öffent=
lid) burd) ©intragungen in bie ©üd)er bes Uttiotu
Hubs unb in ben © 3 od)enrenntaIenber angegeben
merben, mer an bem ©ferbeleib beteiligt ift.
*
©itt neuerer Sport ift in ftänbiger 3 u oahnte
begriffen, bas ©hotograplperen 00m 3lugfd)iffe
aus. Der ©usblid, mie ihn unfre ©ilber oon ber
grohett gafpt bes 3eppelinluftfd)iffs „Deutfch-
lanb“ 3eigen, reid)t fehr meit. Die Häufer finb
Hein mie ©ümberger Spiel3eug unb fd)einen
fd)ief 3U ftehett. Die Menfdjett Heben förmlich am
©oben mie Sdjnedett. Das freie ©elänbe, ©Siefen
unb gelber, ©erg unb Tal, Stoffe unb Seen gleiten
mie ein Koloffalteppid) oorüber uttb 3eid)neit fid)
oon oben herab fo Har in bas ©uge, bah mit ber
£anbtarte in ber Hanb jeber ©untt feft3ulegett ift.
©ute Stühpuntte finb Schienenftränge unb bamp=
fenbe 3nge, bie 00m £uftfd)iff aus mie ©iefen-
fd)langeu anmuten, bie fid) 3odenb oerlriedjen.
©rtto ©rnbt
Konstanz vom Luftschiff aus
1)36
Über £anb unb 901eer
1911. 9tr. 35
Der „Sd)netber oon Ulm“,
ein glteger oon 1811
Viünfterturm 3 U Ulm um 1790
9tod) einer 3etd)nung oon äRax (Eijtl)
1 1s infolge bes Vrefeburger Erlebens bie altefumürbigc
freie SReic£)sftabt Ulm mebiat unb erft baprifd), bann
roürttembergifd) getoorben toar, toollte fic als 3 toeit-
gröfete Stabt feines 51öntgretd)s l^^iebridf) oon 2Bürttem=
berg burd) feinen Vefud) aus 3 eid)nen unb fünbigte biefen
für bie Dage oom 29. bis 31. Vtai 1811 an. Die Ulmer
trafen it>re Vorbereitungen unb trösteten banad), bem
neuen fianbesßerrn etroas Vefonbetes, nicfet Sllltäg*
ltd)es 3 U bieten unb 3 U 3 eigen. Da erbot fid) ber
Sd)neibermeifter fiubtotg Vlbred)t Verblinger, ein
am 28. September 1771 gebotenes Stabttinb, r alfo
ein l)art an bie ©ren 3 e bes Sd)toabenalters heran*
gerüdter Vtann, bem allert)öd)ften unb allergnäbigften
Äönig 3 ur ©hre ber Vaterftabt einen glug oom
Vlünfterturm herab oor 3 ufül)ren. Vtan roufete in Ulm
allgemein, bafe Verblinger fdjon feit langem mit
bem um jene 3 eit „in ber
Duft liegenben“ kleine um*
ging, bas gliegen nad) Slrt
ber Vögel 3 U oerfudjen. Oft¬
mals batte man ibn, fo gebt
bie Überlieferung, beobad)tet,
toie er ben hofeen Vtünfter*
türm beftieg, furchtlos auf
ben Äran 3 ijinaustrat unb
lange mit oerfd>rän!ten Firmen in bie Duft biuausftarrte, offenbar in
bas Stubium bes Vogelflugs unb in Veredlungen oertieft. Unb
feit geraumer 3ett raunten fid) bie Vadjbarn 3 U unb er 3 äblten es aud)
roeiter, bafe Üfteifter Verblinger eine glugmafchine baue, mit ber er
felber bcmnäcbft 3 U fliegen gebenfe. 3 a» eines Dages batten einige
"JJlitbürger bas Sßunberroert feben bürfen unb oerfünbeten nun,
ein roabres SRcifterftüd bünte fie es. Vtinbeftens bot bie glug*
tnafcbine einen frfjönen Vnblid. 3 n ber §auptfad)e beftanb fie aus
30 oei über fieben Scbub langen unb am Sd)ulterteil beinahe oier
Sd)iib breiten klügeln, fauber genabt aus fd)önen bunten Stoffe
ftreffen. 3 b r ©rfinber unb Verfertiger oerleugnete ben Vteifter oon
ber Stabel nicht! Vn Schultern unb Vrmen toollte fie Verblinger
ficb anfd)nallen. Dort aber, too unter jebem Flügel bei ausgeftredtem
Slrm bie $anb 3 U liegen !am, ocreinigten fid) bünne ©ifenfd)ienen.
Unb bie legten fid) 3 ufammen, toenn er bie §anb fd)lofe, unb gingen
toie ein Varapluiegeftell auseinanber, fobalb berVogeimenfcbenantoärter
bie §anb toieber öffnete. Den Herren oom hoben Vate leudjtete es
ein, bafe ein glug Verblingers im Veifeitt bes ftönigs ihrer guten
alten Stabt neuen Vut)m eintragen tönnte, unb fie gingen auf ben
Vorfdjlag bes Schneibers ein. 3n feinem unb
ihrem Seile aber roäblten fie als Vbflugsort
bie Dlblerbaftei an ber Stabtmauer bid)t am
Donauufer. Vuf bie Vaftei lieb man ein |>ol 3 *
gerüft auffetjen. Slm 30. StRai füllte Verblinger
ben glug unternehmen, als er aber Vnlauf
nahm, brach ber fiuftbrud fd)on ettoas oom
©eftänge bes einen glügels. Vnt 31. Vtai
umlagerten toieberum bid)te Vtenfchcnmaffen
bie Vblerbaftei, benn ber Scbneiber batte bie
VMeberfeoIung bes Verfudjs angefünbigt. Vber
ein Dlblerflug ooarb es toieber nicht. gm ©egen*
teil, ber arme glugmafd)inenerfinber, angetan
mit einem faubercn rot unb toeiben ©etoanbe,
toie cs Seiltän 3 er 3 U tragen pflegten, unb ge*
fdjmücft mit einer bunten Schärpe, nahm ein
taltes Vab in ber Donau unb toäre beinahe
ertrunfen. „So rafd) ging's in ben Strom hin*
ein, als toär'Serr Verblinger ein Stein," heifet
cs in einem ber gleich nachher erfdjienenen oielen
Spottlieber auf ben feitbem fpricbmörtlid) ge*
bliebenen „Sd)neiber oon Ulm", oon bem ber
Voltsmunb in Scbtoaben nod) beute, fobalb man
feinen Stauten nennt, unfehlbar ben urtoüd)*
figett Spruch 3 ttiert: „Der Scbneiber oon Ulm
hat 's fliege probiert — Da hat ihn ber Deixel
in b' Donau nei' g’führt." 2Bie es helfet, toar
Verblinger am 31. 9J?ai nur ooibertoillig an bie
SBicberholung bes SBagniffes gegangen, unb
toieberum toar beim Vbfluge ein Deil bes glügel*
geriifts gebrochen. Verbiente ber Vtann ben
Spott, ber fein Vnbcnfen feit nun einem oollen
Saferhunbert nod) immer oerfolgt? Sid)er hatte
er fiefe's fauer genug toerben laffen um bie Ver*
9lad) c
Verblingers Sdjtoingenflieger
r TiarjtcIIung im Seltne ber Ulmer Stabt&ibliotfjcf
Die Vblerbaftei in Ulm um 1811
9iad) einer 3st(^nung oon 9Rax (Sijtf)
Verblinger im „Slbfliegen"
2l66ilbung aus 9?oIanb, Eroberer ber fiüfte, fioeroes ffierlag, gerb.
ioir!lid)ung feines glugibeals. ftönig griebrid), ben bie gait 3 e ©e*
fd)id)te mehr erheitert als geärgert unb ber ihm übrigens am 31. Vtai
nid)t toieber 3 ugefehen hatte, liefe Verblinger, ben hilfsbereite Schiffer
aus bem SBaffer gerettet hatten, ein Sd)mer 3 ensgelb oon 3 ehn, nad)
anbrer fiesart 3 toan 3 ig griebrid)sbor überreichen. Sicher hat ber
Vionard) bie Sache ernft genommen; roufete er bod), bafe um jene
3eit ber babifeße fianbbaumeifter fiarl griebrid) Vleertoein, berSBiencr
Uhrmacher gatob Degen, ber l)olfteinifd)e Vnuatmann Äarl griebrid)
©laubius, ein Veffe bes „2Banbsbe!er Voten", unb anbre bas glug=
Problem je auf eine Verblingers ^ßlane oertoanbte 9Beife 3 U löfett
oerfudjten. Seine Verufsgenoffen oon heute laffen fo leicht nichts
auf fiubtoig Vlbrecht Verblinger lommen; ftel)t bod) in einer um 1890
erfd)ienenen „©h^onit berühmter Scbneiber" 3 U lefen: „Viag ber .laute
9Jiartt‘ über ben hochftrebenben Viann abfällig urteilen, er betoal)rl)eitet
als Viärtprer ben gefd)ilberten allgemeinen ©haratter unb bas ©enic
bes Sd)neibers burd) bie gahrfeunberte l)iu. Vis an bes fitthers
bleichfte Sterne — ©rhob ifen ber ©nttoiirfe glug; — Vid)ts toar fo
bod) unb nid)ts fo ferne, — 2 Bol)in ihr glügel ihn nicht trug." ©ine
©hrenrettung ber benlbar feinften filrt aber hat ber im fpöttifchcn
Volfsliebe fortlebcnbe oerungliidte ©rfinber im fünfunbneun 3 igftcn
gahre nad) feinem giasto burd) ben ausge 3 eid)neten 3 toeibänbigen
Vornan feines fd)tüäbifd)en fianbsmannes Viar ©pth, „Der Scbneiber
oon Ulm", gefunben. ©pth, ber aufeer ben Vugen unb bem §er 3 en
bes ^ßoeten aud) ben red)nenben Verftanb bes gugenieurs unb ben
hoffnungsoollen Vlid in bie Sahwft ö er fiegreid) ooranfd)reitcnben
Ded)nif befafe, hat furiofertoeife auf bas Titelblatt feines 3 uerft 1906
herausgegebenen Vud)s ben Untertitel gefegt: „©efdjichte eines 3 toei=
hunbert 3ahte 3 U frül) ©eborenen". Dabei burfte man bod) fd)on 3 U
©pths £eb 3 eiten fagen: „©s toirb ©rnft mit ber
glugmafchine“, unb gar mancherlei Verfud)e
bamit hatte er felber nod) erlebt, gmlicf) fann
man aud) an eine betoufet übertreibenbe Utus=
nu^ung ber Licentia poetica benlen, benn
©pth toirb fd)on tatfäd)lid) getoufet haben, bafe
bie Vtenfchheit gar nicht mehr toeit oon ber
Vertoir!lid)ung bes 3beals feines fleincn §elben,
bes Vred)tle Verblinger, toar, als er bie lefeten
Sähe oom Sd)lufetapitel nieberfhrieb. Da läfet
er nämlih beffen gugenbfreunb, ben Stabil
Pfarrer gifd)er, auf bem §eimtoege oon Verb=
iingers Sterbelager unter anberm fagen: „Sein
Unglüd toar, bafe er 3 U früh geboren tourbe,
benn toas er toollte, toar gut, unb bie 3 eit toirb
ja ba 3 U fagen, ift's nicht in hunbert gal)ren, fo
ift es fpäter." ©pths gleichfalls giftet in ben
Viunb gelegte ©rtoartung, mittlertoeile toürben
bie Ulmer Verblinger ein Denfmal erridjten,
ift freilich nicht in ©rfüllung gegangen, toirb es
oieileicht aud) niemals. Denn bie ©efd)id}tss
forfcher ber fiuftfd)iffahrt unb gliegerei hoben
für Verblinger nicht fooiel übrig toie ber Dichter^
gngenieur, toeil fie ihn — ob mit Ved)t ober Un=
red)t, tönnen toir hier niht unterfuchen — nur
als einen Vadjahmer Degens attfehen unb ihn
3 ugleid) — mit toeld)em Ved)te, bas mögen fic
felber mitteilen — lieber als eine fomifd)c
gigur nad) Vrt feines fchtoäbifchen fianbsmanns
oom 3ah rc I960, jenes Salomon 3&l e r, öes
„fliegenben Sd)ufters oon Vugsburg", ein*
fd)äi)en ; benn als einen ernft 3 U nehmettben
Vorgänger ber neu 3 eitlid)en erfolgreid)cn
Carl, Stuttgart glieger. ©rnft Vrnolb
@tne richtige ©d)iinl)eit?4iflege
ift por allem; ©efunbheit§pflege. VerborbcneSäfte,fchlecfeteS Vlut, ge;
ringer Slppctit, mangelhaft funftionierenbe VerbauungSorgane, nernöfe
Vefdjracrbcn, Vlutarmut, Vleidfefucht, grauenlciben atter 2lrt ttfm. finb
bic Urfadjen norjeitiger galten* nnb Dtunjelbilbnng, einer fahlen, blaffen
®cficf)t§farbe, unreinen 2cint§ ufm. Sleufjcrlich aniitmeubenbc Mittel
merbcu fo lauge erfolglos bleiben, folange nicht oon innen heraus
mit ber 23iontal3=to
ber gaitje DrgautSmuS aufgefrifdjt unb oerjüngt mirb. Viontalj räumt
mit alten ungcfuubcn Säften unb Schladen grünblid) auf, beffert Vlut
unb -Iterocu unb regt bie fBerbauuug günftig an. Vatb mirb bic
VSirfitng bc§ Viomal^lSenuffcS and) äußerlich fidjtbar. 2)a§ VuSfehcu
beffert fid), Schlaffheit in beit ßügcu unb im SGBefeu perfdjminbct.
Vei SOftageren madfet fich eine mäßige IRunbung ber gönnen bemerlbar.
IDofe 1 SJif. unb 1.90 9)1!. in Sipotheten unb IDrogcnhanblungcn.
(^jn Deftcrr.4lng. 1.30 unb 2.50 S?r.) Slngeblid) „ebenfo gute" ^3rä*
parate unb minbermertige Stadjahmungen meife mau eitergifdj ju*
riicE. VegugSqitellen, 93rofd)itren nnb ^oftproben oöHig foftenloS burd)
©hem. gabrif ©ebr. ^ßatermann, griebenau*Verlin 109.
$d) freu' mich tagtäglich *>on neuem,
IDaß id) nun fo munter unb frifch,
Sonft mar id) griesgrämig unb mübe,
^efet fühl' i<h mich raol)l mie ein gifd).
Sonft mieben mich eitle Vetannten,
3ch mar nicht beliebt, nicht begehrt,
^efet h^t fid) baS Vlättlein geroenbet,
^efet rcerb’ idfe gefugt unb oerehrt!
^yefet fiet)t man bic SebenSfreube
Sluf taufenb Schritte mir an.
Unb baS h a t — ber Sßahrheit bie ©h l ' c —
®aS Viomalj getan!
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weiteren 2tu§beßnmtg be§ $luge§, bie °ß ne weiteres
möglich gewefen wäre, faß man bIoß_be§ßaIb ab,
weil bie 9)totor*2uftfaßrgeug*©efeUfd)aft einen ber
©acßlage naci) fcßon in ben »efitj ber $eere8oerwal»
tung übergegangenen Apparat nicßt einer über*
mäßigen ^nanfprucßnaßme auSfeßen wollte, ©inen
weiteren SReforb bebeutet bie Art unb SCöeife, in ber
man ben gleichfalls oerlangten SRacßwetS ber leisten
®emontierbar£eit unb ^ufammenftellbarteit erbradjte.
©egenüber ber ftorberung, ben Apparat binnen einer
©tunbe gu bemontieren unb bann in gwet ©tunben
flugbereit gu macßen, gelang eS, tßn binnen 8 9Ri*
nuten gu bemontieren unb in weiteren 25 Almuten
flugfertig wieber gufammengufteHen. ®ann unternahm
man fofort einen weiteren, feßr fcßönen unb woßl«
gelungenen ftlug. SBeiter oeranfcßaulicßte Stüter
gaßlretcßen gufeßern wieber einmal, wie einfad} unb
„fpielenb leidjt“ baS fliegen auf einem guten 2(p=
parate ift, wie tßn ber ©tridpAtonoplan barfteUt,
inbem er fo außerorbentließ fleine $uroen unb
©cßlingen flog, baß bie $lügel naßegu unter 30 bis
35 ©räb gegen bie §origontale geneigt waren. Um
bem ©rperimente bie Strone aufgufeßen, ßob er gum
©eßluffe nod) bie $änbe oom ©olant ab unb flog
fo baßin, oßne gu fteuern.
Militär-BErupIan
D er in 2Bien gebaute, für baS öjterreicßifcß*uttga*
rifeße $eer beftimmte ©tricß*Atonoplan legte
neulid) bie für feine Übemaßme bureß bie f?eere§*
oerwaltung oorgefeßriebenen Prüfungen binnen für*
gefter griff ab. @r ftieg mit bem Piloten gllner als
giißrer unb ben italienifcßen Dffigteren |>auptmann
©caparo unb Seutnant ©aootti. ferner bem fran*
göüfcßen Offigier ' Aman als tßaffagieren auf. $te
•gefamte Autglaft einfd)ließlicß ©engin unb CI belief
ftd) auf 351 Kilogramm. ®er ®trtcß*Atonoplan um*
treifte in gwei SRuttben oon girfa 30 Steter £öße
oollfommen ftabil baS glugfelb, womit man einen
neuen öfterreießifeßen «ßaffagierreforb aufitettte.
SB Ater flog bcrfelbe Apparat mit einem tßaffagter
in fwßen öon 80 bis 160 Steter 2 ©tunben 33 Sti*
nuten lang, erfüllte bamit bie oon ber Armeeoerwal*
tunq gefteHte ©ebingung eines ®auerflugeS oon
2 ©tunben unb feßuf wieberum einen neuen öfter*
reicßifdjen tßaffagterbauerreforb. ®rotj einer Sßinb*
ftärfe oon 4 bis 5 ©efunbenmetern ßielt fieß ber
@tricß*Stonoplan außerorbentlicß ftabil. ©on einer
Stuf bem ©itotenfiß Oberleutnant Stiller, oor bem Apparat in ber Stitte Sittmelfter ©eßmtbl
gwifdjen Stommergialrat ©aftiglioni unb ®ire£tor gifeßer, ferner pauptmamt oon ©etrocgi),
Oberleutnants ©tafeßfe unb ©toßangl fowie ^Betriebsleiter Sömt
@tricß*Stonoplan außerorbentlicß ftabil.
©ibrationSftärfe einfteHen, wirft aber aud) wieberum bei ©tarlftettung
Die Uibrationsmassage des Crottimelfells gegen
reeßt fräftifl. Stebeninftrumente ober hoppelte Apparate für bie oer*
feßiebenen ©ebraucßSgwede finb unnötig.
Söie mandfer glaubt fieß hoffnungslos leibenb, weit ißnt bie nto*
bernen wiffenfeßafttießen ftortfeßritte in ber Oßrenbeßanblung unbefannt
finb iß fließt jebeS einzelnen ift besßatb, fid) mit ben neueften errungen*
feßaften unb ben wirffamften SSeßanbtungen oertraut gu maeßen, wonut
e§ nicßt feiten gelungen ift, aueß nod) in veralteten unb oerjwetfelten
gälten ba§ Seiben wirffam gu beßanbetn. gaßlreicße StuerfennungS*
feßreiben oon fßatienten berieten über ftaunenSwerte ©rfolge, weteße
burdß bie «eßanbtung mit biefem Apparat biSßer ergiett worben, unb
bieten neben ben ©mpfeßtungen oon Autoritäten eine bead)ten§werte
®ewäßr für bie ßeroorragenben Seiftungen be§ „Hudito“.
S)ie gerießttieß eingetragene girma 6 mÜ EoeTt, Spejial-Jnftitut
in DuderTtadt 46 am Rar?, oerfenbet auf Sßunfcß eine auSfüßrlid)e
S 3 rofcßüre mit SBeteßrungen u. 23eßanbtung§oorfcßriften für ©eßorletbenbe.
(Sie ßaben nur nötig, bie Ißrofdjüre über „Hudito“ (Deutfcb.Reicbs-pat.)
gu oerlangen, fo wirb gßnen biefe ootlftänbig foftenfrei gugefanbt.
s Schwerhörigkeit, ■
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bureß einen einfatßen
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ergeben, ba§ in feiner ©röfce an bie
riefenbafte 3rreit)eit§ftatue pon 2teut)orf
ober aud) an ben berühmten Stolojj non
9it)obu3 erinnert, ©leid) biefetn Eann
ba§ gigantifepe ®enfmal, ein 3BerE be§
römifdjen iöilbt)Ouer§ Slrnolbo 3ocd)i,
al§ ein äßelttnunber gelten. $te berr*
lidje Statue be§ ®l)riftopt) StolumbuS
in nierfacber 8eben§gröfie, über 6 Slteter
fjotfi unb 38 Sonnen febraer, frönt ein
etroa 16 SJleter bol)e§ ©iebeftal, um
ba§ fid) aHegorifcbe Figuren in glücf*
lidber SCnorbnung gruppieren. Sie ©e*
famtböbe be§ SentmalS, ba§ mir oben
ohne bie breitau§laufenben Stufen be§
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Schreiben Sie heute noch : An das
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3 &bne
ohne bem Sdjmels ju fdjaben. gerrüd) erfrtfctjenb tm ©efdjtnacf. 3” Sütben, 4—6
SBocpen auSretdjenb, ©ube i 9Jlf., «Probetube so «pfg. 33ei ©infenbung 20 «pfg. für
«Porto. «Ulan oertange «profpett unb ®ratt§mufter birett 00 m Saboratorium „Seo",
SreSben 3 S. ober tn ben 2tpotf>efen, ©rogerien, ftrifeur-- unb ©»arfümericgcfchäftctt.
©iebeftal§ roiebergeben
25 SJleter.
C^iu^r^au^rur Bittrer
mtfr i^dirtfiru
(Besprechung einjelner Sterbe Vorbehalten. —
Rücksendung findet nicht statt)
Oeftören, grtebridj SBernet non, 9Jta*
ria mit Sftuftf. ©in ©ud) au§ bem
Kroanjigften ^aljr^unbert. ©erlag
©gon ^leifdjel & ®o., ©erlin.
Ortb, ajtinnie, §eimfeür. ©in fieben§*
bilb. ®ef). 2». 2.50, geb. 2R. 3.50.
©. ©ierfon§ ©erlag, ®re§ben.
Otto, @. non, Sragöbie einer Sfaren*
braut. Stad) ©olomiem bearbeitet.
SDt. 3.—. @r 5 elfior*©erlag, Seipjig.
©foüL gerbinanb, Stidjarb SBagner.
Sein Seben unb Schaffen. 2)t. 6.—.
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®er »erfaffer rotü jetgen, rote e§ möglich tft, fpftemattfch (alfo ohne
Stgel unb ohne Slbfürumgen) burd) einen emsigen ©trid) ganse
Silben unb ©orter fo ju fdjretben, bah bte Schrift bei bi§ heute un=
erreidner fiiirjc ebenfo suoerläfftg tfi, roie bte geroöhni. fturrentfcbrtft.
®ie Schriftseichen, roelche nur ber tatein. Schrift entnommen finb,
gehen nicht nad) atten SRichtungen augeinanber, fonbern haben eine
. fcfrone, gleidjmähtge Sage unb finb für flotte Schrift befonb. geeignet.
Slntalic Söaifdj, ftnS eigene £cint. ^raJtifdje jRatfchläge für
Sörautjeit unb @h e - 5. Sluflage. ©ebunben 3R. 6.—.
«Stuttgart, $>eutfcf)e $8erlag§»3lnftalt.
„©er einer »raut ein ebenfo fdhöneg alg prafttfd)e§ ©efd&enf machen
mochte, bern fann biefeg treffttche 93uch roarm empfohlen roerben."
___ (Schroetser gamtlien»©od)enblatt, Bürich.)
SBorftehenb oitgescigte ©erfe finb burch aHe »uchhanbtungen «u besieben.
(©EjdjäfflitfjE IKüfEtlungen
_8eben§üerftd)erung. ®ie Karlsruher £eben§»erfid)erung
auf ©egenfeitigfeit, bte oormalige Slügemeine 33erforgung§»2lnftalt,
hat auch 1910 roteber @efchäft§sahlen erhielt, bie.bie aüer troran»
gangenen Safjre überfteigen. $er neue Zugang an SobeSfaü»
oerficherungen betrug runb 55 »Mionen Sötarf gegen 51 im $Bor»
jahre, ber reine 3uroad)3 runb 34 »Mionen gegenüber 31 im
Sabre guoor 2)er 2obe§faüoerfidherung§beftanb erhöhte fid) ba»
burch auf 702 »Mionen. Unter ©inredjnung ber in ben ge»
fchloffenen betrieben noch laufenben Öerficherungen ergibt fid)
auf ©nbe 1910 ein ©efamtbeftanb oon runb 152600 Serfidherungen
über mehr alg 706 »Mionen »larf. ®urc£) S£ob »on 33erficf)erten
rourben naheju 8 »Mionen, burd) ©rieben beg ©nbterming ber
«erficherung mehr alg 5 2 /s »Mionen fäüig. ©eit (Einführung
ber Sebengoerficherung hat bie Slnftalt in biefer Abteilung für
fällige »erfidjerungen 160 »Mionen »larf, an 2)ipibenben für
«erficherte 74 »Mionen »larf, im gansen alfo 234 »Unionen
Warf befahlt. 2)a§ Vermögen ber Slnftalt hat 259 »Unionen
»carf erreicht. 2)er neben ber perfkberunggtedbnifcb notroenbigen
Stotbenbenreferoe oorhanbene 2lu§gleid)§fonb§ hat fid) roieber
nermehrt, fo baft bte Slufrechterljaltung beg gegenwärtigen $iui»
benbenfa^eg aud) bei etwa eintretenben ©chroanfungen ber Über»
fchüffe gefidhert erfdjeint.
©dhlangenbab. ©chon por beginn ber ©aifon am 1. »tat
hatte bag herrliche ftrühlinggroetter im Stpril eine ganje Slnjahl
ber attjährlich roieberfehrenben Sturgäfte hergelodt. S)ie Stönig»
liehe ßurfapene fongertiert täglid) pon 47 4 big 5 3 /4 Uhr nach»
mittagg. 8tn ben ©onntagen finben je pon lP/sUhr pormittagg
an ^romenabefonjerte an ber ©chlangenqueGe unb Stbenblonjerte,
biefe bei gutem SBetter im freien, bei ungünftigem im Stur»
faale, ftatt. .
Mein. 9nferaten=2tnnahme cv . Snfcrttmta-CSebühre«
bet ilitbolf JllolTe, /I Ittß’ iTßlt für bte fünfgefpattene
Stnnoncen=@ 5 pebttton für xlll/L IIlIL Stonparetae-^eile ©t.i. 80 ,
fämtltdheBettungen ®eutfdh* & 0 für bte Sdjroeis, Statten
lanbg unb beg Stuglanbeg, unb fjrantretdh 3fr. 2.25
tn Serltn, »redlau, Gheinntfc, S)resben, $üffelborf, frranffurt a. «Dt.,
§aUe a. S., Hamburg, fiöln a. «Rh-, Setpstg, Sonbon, «Magdeburg,
»tünchen, Stürnberg, »rag, Stuttgart, ©ten, Zürich.
Saison :
Anfang April bis
Ende Oktober
Heilanzeigen:
Erkrankungen des Magen - Darmkanals, der Leber, der Galle und der
Nieren; des Herzens und der Gefäße (Verkalkung); bei Stoffwechsel¬
erkrankungen(Zückerkränldle^ Skrophulose, Gicht und
Rheumatismus. Ferner bei Erkrankungen der Luftwege, der Nerven, des
Rückenmarks.
Eine merkwürdige
Erscheinung
Kgl. Bad Kissingen
Auskunft
durch Kurverein
Mineralwasserversand
durch Bäderverwaltung
Kurmittel:
Weltberühmte Trinkquelle Rakoczy, Pandur, Maxbrunnen, Sole, Bitter¬
wässer, Stahlbrunnen, Molke, kohlensäurereiche, freie und abstufbare Soie-
bäder, Pandur-, Wellen-, Mineralmoor-Bäder, Fango, Wasserheilverfahren,
Licht-, Luft-, Sonnen-, Dampf-, Heißluft- und elektrische Bäder, Inhalationen!
Gradierbau, pneum. Kammern, Massage, Heilgymnastik, Röntgenlaboratorium.
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ist es, daß unsere an Erfindungen, Entdeckungen
und Errungenschaften so reiche Zeit unter dem
Ballast des aufgehäuften Wissens doch biind und taub
geblieben ist gegenüber der Entwicklung des
Menschen zur Persönlichkeit. Gerade das Wich-
. , figste und Unentbehrlichste fehlt unter den modernen
Erziehungsmitteln: Dje Schulung des Denkens,
die Pflege der Sprache und der freien Rede.
Nicht ein unaufhörliches Schwatzen, nicht ein Erzählen ein¬
studierter Gesprächsformen kann im privaten oder Berufsleben unsere
Persönlichkeit irgendwie zur Geltung bringen, sondern nur ein
freies, ruhiges, eindrucksvolles Reden, dem ein logisches
Denken zu Grunde liegen muß.
Unser Ausbildungskursus für praktische Lebenskunst, höhere Denk-,
freie Vortrags- und Redekunst
wird von Tausenden, die ihn studiert haben, als das vollkommenste
Lehrwerk für freies Reden und logisches Denken bezeichnet.
Wer nur das geringste Interesse an seiner Fortbildung hat, sollte sich
über diese einzigartige Methode näher orientieren.
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Dr. med. Qu. schreibt: „Ith kousUtierte liewiebtsabnahme
_ ton -1—6 ko., ja ein mal 97* Ko. naeh ea. 21 lagen. . . .“
Schreiben Sie dieser
Trau u,enn einem manne das
' lflM Crinken abgewöbnen wollen.
Sie tat bie§ erfolgreich bei ihrem SRanrte, trüber unb oielen ihrer
9tad)barn, unb nun null fie Sh«ett in freimütiger äöeife non biefer
einfachen 9Rethobe erzählen, bie fie mit fo gutem ©rfolge anmanbte.
®iefe SDietbobe tann an bent
t Krittler unbemertt angemanbt
werben unb $h r e ^rinatanger
legenheiten bleiben nor ber
Oeffentlidhteit betoahrt. f^rau
aittberfon ift bemüht, anbern ju
helfen, unb be^holb raten mir
ernftlicf) jebem nuferer merten
Sefer, ber einen Sieben hat, ber
trinft, ihr noch heute ju f^reiben.
Söenn ©ie thr fi^reiben, rairb fie
Sbtten ergählen, mie fie ihren
jüiann oon ber Sruntfudht be=
©ie oerlangt nichts für biefe
£jilfe, nnb eä ift bar um fein
©runb oorljanben, roarunt ©ie
nicht fofort an fie fdbreiben
füllten. Sftatürlicb enoartet fie,
bah @ie ein perfönlicbe§ Suter»
effe baran haben, jemanb oon
ber Strunffucbt befreit gu fehen
unb nicht ettoa au§ hloher SReu*
«vtaw »tavgaiet 'Uuöcrfou, ^ .
bie ihren »lann »on ber 2 runfiudit befreite. ©chtaett ©te ^l)^en SSrief oer»
trauen§ooU an ihre Slbreffe:
f rau Ilargart t Jnkrfon, 29 link« Str., Jilllmrn, |l.J)., Jmerika
ober um e§ noch leister für ©ie gu marfjen, fchreihen ©ie beutli*
$b*en ^tarnen unb ooüe 2 lbreffe auf ben unten beigefügten ©oupon
nnb fettben ©ie ihr biefen.
N. B. ®a§ ^Briefporto nach Slmerifa ift 10 Pfennige.
»IrS. »largnrct «Kttbetfou,
39 Siitbcw Strafte, C>iUburn, Dicw 'Dorr, 'Hmcrifa.
»itte feftreibe» Sic mir, roie Sic Shrcm »lanttc baS 2rinfcn abflc=
wähnten, ba ich mich bcrföttlich für jemanb, bcr trintt, interefficrc.
(Bitte schreiben Sie sehr deutlich)
f\ I
&rait »iargoret Dttbcrfon,
e ihren »lann »on bcr Irnnffncht befreite.
Straße und Hausnummer
^Clät * &'irei&mäte£
» a *brud aus bem 3nf)Qlt biejer 3eifl$rlft roirb jtrafreÄflifi oerfolgt. Sßerantioortlitfjer «Rebafteur: Dr. SRubolf »resber in SBerlin. »erantroortlicf) für ben 3nferatenteil: SRicfiarb «Reff in Stuttgart 3n Öiterreidi-Unaarn für bie
«Rebaltron unb Verausgabe oeranhoor hj: «Robert Wobt in © en l Snut unb »erlag bei: ©euMen »erlags^nftalt in Stuttgart, »apter oon ber »apierfabrif Salach in Salad, (©Lttemberg) Wfe SÄ SeÄgen hie ben
rebaltioneUen 3nf)alt biefer 3ettf^rtft betreffen, nur an bie ®eut|cf)e »erlags-Slnitalt, «Rebaftion, «Berlin SW, Eöniggräger Strafe 99 (ohne »erfonenangabe) erbeten. u ’ 1 n
<ptof. Äafpar bitter: Q3i(btüä bet- Sodjter be$ ft'ün|'ttcrsS
1911 (Sb. 106)
36
SlcBcr fimb utib
WAN DLR N. U. REiSLN
ERH ÖLUNG.ü. SPORT
BENEDICTINE
33on
51. 5Bet>ertrtg
(gortfdjung)
X riibe blicEte (Emmi) tior fid) bin.
3>i)r rniirbe mit einem ättale
fo trostlos 3umute. 2Benn jet)t
ber immer heftiger fd)Ienfernbe
„ftortgrtrtg" plöljltd) unterging,
märe fie alles (Elenb los. 2 Bie
falt ifjr plöhlid) mürbe! Unb
mieber fo l)ei|! Unb ein fo jon*
berbares ©efüf)l in ber SUtogen*
gegenb jtieg auf! — Unb jetjt
— o mel)! Da half fein Stern*
men, feine SBillensanjtrengung,
jbas SOteer oerlangte fein Opfer
I aud) oon ifjr — unb ein aus*
: giebiges ba3U.
ftapitän 9 tiels hotte in ber
lebten Stunbe bereits oft forgen*
ooll an bas junge 9 Jtäbd)en, bas
als einzige ber Damen ber See*
| tranfheit noch mtberftanben, ge*
bacht, aber er formte nicht oon
ber &ommanbobrüde herunter,
jo gern er nach tf)* gejehen
J hätte. (Es mar unbenfbar, baf)
es fie bei biejem 2Binb nicht
fafete, gumal fie barauf beftanb,
oben auf Ded 31t bleiben, unb
fdjltefjlid) — in ber Äoje ging
es I)öd)jtens noch eher los.
* 3 eht aber hielt es ihn nid)t
länger — er mujjte mijjen, mie
es ihr ging. |>ajtig jtieg er
bie flehte Xreppe ooit feinem
luftigen ftommanboplatj I)iuab,
unb als er um ben Sdjomjtein
bog, begegnete er ihr, mie fie,
mühfam fid) am ©elänber hob
tenb, oergeblidh t>erfud)te, bie
5 tajiitentreppe mieber hinunter*
3ufommen.
(Ein 23 lid gren3enIofejten
(Elertbs traf ihn — ba hotte er
fie jd)on in ben Firmen unb trug
fie ben 9 Beg mieber hinauf, ben
er gefommen. Sorgjam bettete
er fie auf bas Sofa, bas fajt ben
gan3en 5 taum hinter ber eigent*
lidjen Äommanbobriide in s Un=
jprud) nahm. 9 luf biejem Sofa
ruhte er aus, rnentt bie
3U fnapp mar, I)inunter3ugehen
— es mar bas erjtemal, baf3 ein
jetd red)t bleidjes, liebliches
9 Jtäbd)enI)aupt barauf gebettet
mürbe. 9 lus einem (Edfd)ranf
holte er eine $lafd)e Selter*
maffer fyeroor, gof3 ihr ein ©las
ein unb 3toang bie SBiber*
jtrebenbe, einige Sd)Iude 3U
trinfen.
„Dann geht es leichter," jagte
er, mäl)renb er ihr ben 9 lrm
unter ben miiben 5 topf jehob,
„Sie muffen fonjt 311 oiel aus*
halten — benn ob Sie nun etmas
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genießen ober nicfet — opfern müjjen Sie bod), gräu^
lein ©mmt)! 9 Iber es roirb fdjon balb beffer roerben.
©leiben Sie nur brao l)ier liegen unb oerfudjen Sie
311 fd)lafen.“
©r I)atte recfet, ber tjeftige Sd)iner3 am $et3en
beim ^Bürgen liefe nad), toenn fie tränt. 91 ad) einer
©iertelftunbe roar fie fo toett, bafe fie ausgeftredt
liegen bleiben tonnte — unb enbltd) fd)Iummerte
fie ein.
Der junge Kapitän bedte fie forgfältig 311 unb
blieb bann fimtenb oor ifer fifeen. 2 Bie jart fie roar!
©Sie leibenb! Das mar nid)t nur bie Seetrantfeeit —
bas mürbe aud) bleiben, menn ber unoermeiblidje
Jammer überftanben mar. Unb fo ein hartes Kinb
follte ben gan3en Dag im bumpfen Kontor fifeen, für
farges ©rot fd)uften, bis 3ugenbrei3 unb Lebensmut
bafein maren? fyanb fid) benn tein ©tann für bies
lieblid)e ©Sefen, ber es oor ben Sd)attenfeiten bes
Bebens bemaferte? ©löfelid) fal) Kapitän Stiels mie in
einer ©ifion ein tleines fbäuscfeen am Sträube oor fid),
bafeinter einen laufd)igen ©arten unb einen §>üt)nert)of
— genau mie bas frjciuscfeen fal) es aus, in bem feine
©iutter mofente, bie fid) fd)on auf feine ^eimtefer
freute. ©ber nidjt fie mar es, mit ber er barinnen
3ufammenlebte, nein, bte tleine blaffe ©mmp maltete
barin — nur bafe fie nicfjt mefer blafe mar Die ©ofen
ber ©efunbfeeit blüfeten auf iferen ©Sangen, unb ifere
klugen ftrafelten im ©lüdsfdjimmer, menn fie ifen an=
Iad)te. Das mar bod) nod) anbers, als menn ifen bie
©tutter nad) ber $af)rt empfing!
Spiels füfelte fid) bei biefer ©ifion rot merben, aber
als er bann nochmals einen prüfenben ©lid auf bie
frieblid) Sd)lafenbe marf, mar er entfd)loffen, bafe
fie 3ur SBaferfeeit merben follte — menn fie mollte. —
Unb ©mmt) mollte. ©s tarn ifer 3mar faft mie
ein Draum oor, als ber Kapitän am anberrt ©iorgeit,
nadjbem fie mieber metterfeft gemorben, ifer 3unäd)ft
gan3 facfeiicf) auseinanberfefete, bafe fie es unmög=
lid) in einem bumpfen Kontor ausfealten tönne ©t
mad)e ifer bafeer ben ©orfd)Iag, 3U feiner ©tutter 3U
tommen, bie fid) fd)on lange nad) einem Heben
Död)tercf)en fefene. (Sdfeufe folgt)
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Der Kampf bet meinen
unb ber roten Rofe
Momart
t>on
©eorg $irfd)fetb
(ftottfefcurtg)
oni mufete nid)t red)t, tote Karlmann bas
meinte, 30g aber entfcE)Xoffen bas ©ud) aus
ber Dafd)e unb geigte ihm mehrere Stellen, bie
fte mit ©leiftift angeftrid)en hatte. Sind) er
hatte bie ©rofd)üre geftern abenb nod) gelefen,
ba es ii)m, roie er fagte, ein füfeer, beruhigen*
ber ©enufe toar, basfelbe roie fie gleichseitig
in fid) aufsunetjmen. Ob fie benn aud) ebenfo
an ihn beim £efen gebaut hätte?
„3a/' erroiberte fie treufjer^ig, „aber erft
nachher."
Abermals Iadjte er, unb fie toarf il)m einen
bittenben ©lid 3m Sie münfdfete ihn ernfter.
Da fat) er fid) rafdj um, unb plöfeüd) hatte er fie
gefügt, . ©s brannte ihr helfe auf ber ©Sange,
fie ftarrte fcfemeratmenb in bie meinen ©Iüten=
trauben ber Rta3ie hinauf, unter ber fie ftanben.
So tämpfte fie gegen bas entfachte Feuer unb
münfdjte im innerften bergen, er follte es aud).
©rnfter, ernfter roollte fie ihn jefet. Unb bod) —
fie hätte ihm oiel taufenb Küffe geben mögen.
Die Cüielle toar ailgu reid). Durften fie nicht
enblid) baraus fcfeöpfen, bie armen, ermübeten
©Menfd)en? Sie fah auf bas ©ud) hinunter,
bas itjre 3itternben §änbe hielten, unb tränen
traten ihr in bie klugen, ©r fat) es. „©erteil)
mir/' fagte er leife. Das erfte Du roollte sutage.
Sie liefe es gefcfeefeen. Sie nahm fogar feine
feine rechte |janb, unb plöfelid), gtoifdfeen
©Seinen unb £a<hen, 30g fie fie 3um ©Munbe
unb brüdte einen feeifeen Kufe barauf. ©s toar
Rnbetung unb feuriger ©enufe in ber ©e*
rüferung ihrer teüfcfeen Sippen. Regungslos,
mit feämmernben Wulfen liefe er ifer bie £>anb
unb fal) fie an. ©s lag eine tounberfame Sd)ön=
heit in feinen Rügen, toenn er fo blidte. Der
blaue, beutfdje, blütenreine 3ünglingsblid —
er toar ifem nod) gegeben. Die ©lut ber Unter*
toelt, bes Dämons £eibenfd)aft lag eher in bem
ihrigen—fie traf ihn einen ©Moment, fie lünbete
fchrantenlofe Eingabe — einft — toenn alles
toafer fein follte, einft. ©r erfcfeauerte. 3efet
mufete er — ifem gehörte ein ©Menfchenl eben.
Stimmen oon Spa3iergängern tarnen näher,
©r fafete fid) unb 30g fie fort. ben rofigen
Rbenbfeimmel blidten fie auf; fie gingen am
Ranbe einer ©Salbmiefe, Rrm in Rrm. £alb
unbetoufet,' 3um! erftenmal. Karlmann begann
toieber oon ^ofeanncs Rollfints ©ud» 3U
1911 (Sb. 106)
fprecfeen. ©inige ber angeftridjenen Stellen
las er’mit ifer gemeinfam unb ertlärte fie aus*
füferlid).
„Spricht er benn eigentlich oon feiner
Frau? 3 ft Stella immer feine Frau?" fragte
fie befeutfam, als ob fie fid) eine ©Iöfee 3U geben
fürchtete.
„©emife," ertoiberte er ernftfeaft. „3<h tann
es nid)t anbers auffaffen. ©Mag fein, bafe id) ba
etroas tlarer fefee, toeil id) oon ber ^Serfon bes
Rutors toeife ..."
„Du tennft ihn?!" fragte fie eifrig, unb ein
lädjelnber Sdjred tarn auf ihre 3 üge — toie
Iei^t fiel ifer bas erfte Du.
„^erfönlid) lernt' id) ifen taum, aber
3 ohannes Rollfint ift mein ©etter —"
„Dein ©etter? ..."
„3a — bas intereffiert bid) toofel? ©r hat
oor einem 3 ahr geheiratet — ©oa ©en Raftir,
beren ©ater ein ägpptifcfeer Kaufmann toar.
3 fere ©lütter toar Deutfcfee."
„©Sie fonberbar! ©r mufe fie bod) gan3
mahnfinnig liebhaben — unb bod) — er fpridjt
oon ib)r, als feätt' er fie taum gefehen."
„ 3 <h glaube, er I)at fie nie gefehen."
„Rie? Seine eigne Frau? © 3 ie tann bas
fein?"
„©Seil er blinb ift."
Doni blieb ftefeen. Diefe ©Mitteilung roirtte
fo ftart auf fie, bafe Karlmann ängftlid) nad)
iferer §anb griff. ©Mit ferneren, leife bebenben
3ügen fah fie toieber bas ©ud) an. „©linb?"
fagte fie mit einer tounberfam meidfeen Stimme,
bie er nie in ihrem ternigen ©Sefen oermutet
hatte. „©Iinb ift er? ... 3a, nun oerfteh' id)
alles, ©ib mir bas ©ud), Karlmann. 3 efet
toerb' id)'s erft richtig Iefen. ©er3eih mir, bafe
id) bich fo oiei gefragt hab'. 3d) tonnt' es ja
gar nit oerftefeen. Oh; bas ift ein getoaltiger
©teufet), Karlmann."
©r nidte bemütig. „©etoife ... 3^) möd)te
ihn fehr gern tennen lernen, ©r lebt gan3 ab*
gefchloffen mit feiner jungen 3mu in einem
©orort oon ©München."
„©Sarum reift bu benn nit einmal hin?
© 3 ie id) bid) jefet tenne — bie Kämpfe, bie bu
aus3uftehen t)aft — too tannft bu benn toas
©efferes brüber hören als bei bem ©Mann, ber
bas ©ud) gefdjrieben hat?"
,, 3 d) glaube, bu hajt red)t. Rollfint hat
uns aber immer gemieben. ©Meine ©Itern
tennen ihn and) nur toenig, unb oon ber ^xau'
toiffen toir fo gut toie gar nichts."
„©Sar er benn immer blinb?"
„©lein, er ift es erft in Rgppten getoorben.
Dort hat er-jahrelang als 3 agenieur gelebt.
Denn eigentlid) ift er ©rfinber."
„©rfinber?"
„ 3 a, er hat ein Spftem ber 3 ^rnphoto*
graphie erfunben unb befdjäftigt fid) jefet mit
einem Flugapparat,"
„RIs ©linber?"
;; 3 a."
„Unb bie F*au? Die F^au mufe bod) bei
altebem gan3 fräftig unb h^ter fein? ©Sie
fefeabe, bafe tein ©ilb oon ihr in bem ©net) ift!"
„Das ging bod) nidft..."
„Rein, nein. §aft recht. ©er3eih! Das
mar burnm. ©s ift ja grab fo fdjön, bas Un=
beftimmte. 3<h o^ufet' ja nit einmal, bafe er oon
feiner F^au fprid)t."
Rm Klarafee blieben fie flehen unb fahen
bem fd)tüar3en Sdfman 3 U, ber einfam, als ob
er oon feiner fernen Heimat träumte, burch bas
Friebrichsburger ©Saffer 30g.
„©Sie rafft' id) mid) auf?" flüfterte Kartmann.
„©Sas meinft bu — ob ber aud) fo häfelidje
©eine hat mie bie anbern Sdfemäne, menn er
aus bem ©Saffer fteigt?" fragte Doni, auf ben
fdfeonen, füllen ©ogel beutenb.
©r hatte eine anbre Rntmort ermartet, bie
ftimmungsooll an ben oon ihm geflüfterten
£itet antnüpfte, unb 3udte einmenig3ufammen.
3 uglei<h aber fühlte feine Selbfttritit mit ©e=
nugtuung, bafe Doni niemals fentimental
mürbe. Die Klippe feines ©Sefens, etmas
tiefes unb ©rofees burd) Reflexion feiefet mer*
ben 3U laffen, fah er glüdlid) mieber umfefeifft.
©r lächelte, benn ihm fiel ein, mie feine
Scfemeftern beimRnblid bes einfamen Sdjmans
in ©ergleicfeen mit bem blinb en ©rfinber ge*
fchmelgt hätten. Dantbar fah er fie an. ,, 3 d)
meife nid)t," antmortete er. „Rber möglich ift
es... 3 unerhalb unb aufeert)alb bes ©Saffers
fd)ön fein ift eine iefemierige Sache. Rber nun
tornrrt, Doni. £>eute ift Samstag — bas macht
fid) mieber bemerkbar, ©telhaft oiel ifSIebs ift
imtermegs."
©rftaunt fah fie fid) um. Für harmlofes
Spa3ierooIt mar ihr ber Rusbrud, ben er
braud)te, gar nicht geläufig. Sie fah ihres*
gleichen barin unb rnafe ji<h teine höheren
Rechte am Stabtpart 3 U. Da Karlmann aber
fehr neroös mürbe, ging fie rafd) mit thm in
eine Seitenallee. Ruch hatte fie eben nod) eine
©eobad)tung gemacht, bie ihr nicht angenehm
mar. 3 h^e mitteilfame Rrt tonnte fie nicht
lange 3urüähalten. Sie fragte Karlmann, ob
er benn gefehen habe, bafe unter ben luft*
manbelnben Solbaten mit ihren £iebften audfe
bas Stubenmäbdfeen feiner ©Mutter, an ber
Seite eines langen Reiters, gemefen fei.
©rfeferoden fah fie, mie er fid) oerfärbte.
„©Martha?" rief er fdjrill. „Diefes nieber*
trächtige F^auen3immer? Diefe Spionin?!"
„Rber Karltnann!"
„Du haft teine Rhnung — jefet finb mir ge*
liefert!"
„©Sas?..."
„©Morgen meife es meine ©Mutter !"
„£äfet bie fid) benn oon ihrem Dienftmäbel
ersählen — ?" , ...
122
946
1911. ©r. 36
„Selbjtoerjtänblid)! Sie I)at jie ja gu
meinem 5Iufpajjer ernannt! Das Sdjeujal
mirb ja jelig fern —!"
„©eg bidj nit jo auf. Das ijt mir rourjt.
2Bas alle jetjen lönnen, mag bie and) jef)n.
©ein, karlmann — baran barfjt bu biä) jet)t
nit teuren. 51uf eine 51useinanberjebung mit
beiner ©lütter mufjt bu ja bod) gefaxt fein,
gelt? ©un lommt jie halt ein bifel früher —
bas l)at bih überrajd)t."
„3a, ja ... oergeil)... bu hajt natürlich
red)t... 3h bin jeben 5Iugenblid bereit, für
meine Schritte ein3utreten... jeben 5Iugen=
blid... ©lir fielen nur bittere (Erfahrungen
oon früher ein. ©ine! Frechheit ijt es übrigens
oon ber ^ßerjon, am Samstagabenb mit einem
Solbaten jpa3ieren3ulaufen."
„SBarum benn... Sie hat roaf)rfct)einIid)
ihren Ausgang heut."
„©laubjt bu, bab jie uns gejehen hat?"
„3h meib nit, karlmann. 51ber id) fürd)t ;
mid» ja aud) nit oor meinem Dnlel. Uber*
haupt — bu jiet)jt ja — id) lönnt' mir reid)Iicf)
jo oiel Sorgen um meine £eut machen roie
bu bir um beine ... 2Beib ©ott... 51ber id)
mill's fjalt nit. 3h bin brüber roeg. ©e=
mappnet bin id). ©un jei bu's and) «fe id) bitt'
bid), karlmann!"
Sie blieb oor hm fielen unb ja!) hm mit
ruhiger ©eife in bie erregten 5Iugen. Da 30g
er jie aufs neue an jih, tüj^te jie jtürmijd) auf
beibe 5lugen unb ben erbebenben ©lunb —
bann eilte er ber Stabt 3m —
klementine entbedte, nod) beoor iljr bie
treue ©lartlja berieten tonnte, karlmamts
Verrat. Sie gab an bem gleichen ©adjmittag,
ber ihren Sohn mit Doni Dränlle im Stabt=
pari gejehen hatte, eine grobe Damenlaffee*
gefellfdjaft. Selbjtoerjtänblid) £)atte jie aud)
bie ©ieblerfdjen ba3u eingelaben, unb teine
3ufage toar ihr jo jid)er mie aus bem größten
Hauje ber ©ertajtrabe — man mubte jic§ ja
barin oerjtehert, bab ber ©unb ber beiben
Familien jetjt feinem 31el entgegengeführt
mürbe. 5lber bas Unglaubliche gejhah — bie
©ieblers tarnen nid)t. Sie jagten ab, als 3rau
©ominger jie 3U ber ©ejelljdjaft bat, bie ©larion
unb ©Ija als glüdlidje ©räute präjentieren
jollte. (Es mar unfaßbar — 3rau Staats*
minijter oon Trebel tarn, $rau ©eneraljuper*
intenbent ©od, jogar bie ^rin3effin ©lathilbe
hatte bie ©nabe, auf ein falbes Stünb^en 3U
erscheinen unb jehr oiele Sanbmid>es 3U ejjen —
©ieblers jagten ab. 31)r ©rief aber liefe all*
mählih einen ©erbaut in klementine mad)
merben. Sie featte in iferer ©inlabung be*
3iet)ungsoolI ermähnt, bab tfer karlmann jicfe
glüdlid) jdjäben mürbe, §räulein ©ialis ©e=
fang 3U begleiten, unb §rau ©iebler fdjrieb
3urüd, bas müjje mol)I auf einem 3rrtum be*
ruhen, jie tönne jid) gar nid)t rorftellen, bab
bem Herrn Sohn etmas Derartiges angenehm
jei. „Der Dausbub!" murmelte klementine
erblajjenb. „3jt er aljo nod) nit ^ingegangen I“
2ßie abjid)tlid) karlmann bie ©ieblers auf ber
Strafe brüstiert featte, bas ahnte jie freilich
nid)t. Sie tonnte karlmann an biejem 51b enb
nicht mehr fajjen — er mar tn einem Sinfonie*
lodert unb mollte jpäter in ben klub gehen,
mie ^}l)ilipp 3U er3äl)len muffte. 511s jie aber
am näd)jten ©iorgen entjd)Iojjen in fein 3brmter
trat, fanb jie es leer unb einen 3ettel a uf bem
©aihttijdj: „©in auf 3toei Dage nad) ©ertholbs=
Raufen gefahren, mill mid) bort für eine midjtige
hijtorijd)e 51rbeit jammein, ©rujp Rarlmaiin.“
Dieje ©igenmäd)tigteit mar ifer benn bod) 3U
jtart. Die erjte Steife, bie er unternahm, ol)ne
feine SRutter baoon in Kenntnis 3U fefeen!
2Bas mar nur über it)n getommen? 3ßas für
ein gefährlicher Stebellengeijt? Sie muffte
jefet tlarjel)en unb manbte jid) jelbjtoerjtänblid)
an SJiart^a, bie fd)on feit gejtern mit einer ge=
l)eimnisoollen Süliene um jie l)erumging. Stad)
menigen ©linuten l)atte jie aus ber ©etreuen
bas $mcl)terlid)e Ijeraus. 3f)r Soljn, il)rr£ieb*
Iing, ihr ebler, oornel)mer 51arlmann, er hatte
jie betrogen, fdjänblid) Untergängen, mort«
Über £anb unb SHeer
brüchig mar er gemorben, meineibig -— ja, jie
mu^te es jo nennen. SJlit einem Proleten?
frauen3immer, mit ber DocE)ter 00m üod) am
SQtartt, batte er jich öffentlief» bliden laffen!
2Bie meit mod)ten jie jdfjon miteinanber fein?
©or meldjen 51bgrunb hatte man ben llnglüd*
jeligen gejdjleppt? ©in neuer Stbgrunb, ja —
bie Sdjaujpielerin batte er nid)t oerlajjen, um
jid) in ben irjafen einer ©ott unb ©Itern ge=
fälligen ©erlobung 3U retten — mit einer ab=
gefeimten Sd)laul)eit, bie jie xi)m niemals 3U=
getraut, batte er jich erjt oon ihrer ©lutterliebe
Droft unb ©ntjcblojjenbeit geholt, um burd) ben
©ru<b mit ber einen SJlätreffe 311 einer anbern
3U gelangen. Um ettoas ©ejjeres, ©rnjteres
tonnte es jid) unmöglich h^nbeln. . Äarlmann
muhte 3U gut, bah feine ©lütter 3U einer
©lesallianee niemals ihre 3ujtimmung geben
mürbe. Da3u hatte jie jid) ihre itinber 3U jauer
merben lajjen, bejonbers bie ©üben — über
ihren 5topf hiumeg gefebab nidjts. Der tluge,
hinterhältige ftarlmann — er jollte jid) aber
grünblid) ©errechnet haben.
kampfbereit tobte illementine auf bie Strahe
hinaus, ©lartha, bie ein fd)Ied)tes ©emijjen
hatte unb bie ©ad)ei bes jungen £>errn fürchtete,
oerfud)te jie fejt3uhalten, 3U beruhigen — es
mar umjonjt. Droftlos überlegte klementine,
mas jie 3unächft unternehmen jollte, um bas
Unglüd 3U oerhüten. 3u ihuer ©lütter traute
jie jid) nid)t — jie fühlte jid) in ihrem Sohn
oor biejer ftofeen alten $dau gebemütigt.
3uftinus mar für grohe 51ufregungen nid)t 3U
brauchen — memt er jie fommen jab, jd)Ioh er
jich gemöhnlid) in feinem 51telier ein unb malte
ein Stilleben, ©larion unb ©Ija mürben jid)er
nur bie pilante Senjation im 3riebrid)sburger
£eben empfinben, ©hiUpP jie mit feiner
fürchterlichen, pblegmatifd)en Dbjettioität ent=
maffnen — nein, nein — jie mar mieber einmal
gan3 allein. Da karlmann oor morgen abenb
nid)t 3U erreid)en mar, tarn ihr Hochmutsteufel
plöfelicf) auf einen gefährlichen ©infall. Sie
minite mit heftigem 3 uru f einer Drojd)te unb
fuhr 3um ©larftplah hinunter. 2ßie ein Stier,
ber einem roten £appen nadjrennt, jtürmte
klenientine in eine grobe Dummheit hinein.
Sie machte jich nicht tlar, mas jie tat, jie fühlte
nicht, mie jie ben ©oben bes Dalts unb bes
©edjts oerlieb — mit glübenbem köpf entjtieg
jie ber Drofcfde unb betrat, mit ihrem febooeren
Seibenüeib raujehenb, bas Haus ber Dräntles.
3^au ©arbara mar 3ufäIIig allein baheim.
Die Dödjter hatten ben ©ater 3um (Einlauf
nad^ Schleeborf begleitet — aud) bie ©rob =
mutter mar mitgefahren. 5lls ©arbara plöfeliä)
3rau ©rofejjor ©ominger höchftjelbjt erje^einen
jah, badjte jie nichts anbres, als bab es jih
um eine mistige ©ejtellung hanbelte, unb jie
ging ber Dame entgegen, um in ©ertretung
ihres ©lamtes alles an3unehnten. 5lber biejes
jteinerne ©ejidfet, ooll ©ift unb Stofe unb ©ram,
es lonnte jo ©utes niht bringen — jie jah es
jofort. ©rfhroden unb in ihrer Shnlblojigleit
oöllig jidfeer, mubte ©arbara ben ©efud) ins
5Bohn3immer htnauflajjen. faben jih
nun Donis unb karlmanns ©lütter 3um erjten=
mal gegenüber, ©s jollte aud) bas lebtemal
fein, unb bas ©efpräcfe bas jie miteinanber
führten, mar für beibe hcn^ciJterijtijh genug.
©od) beoor bie atemlofe ffemi ©rofejjor
ihre mütenbe 51nllagerebe begonnen, fühlte
3rau Dränlle inftinltio, bab ein jd)merer ©or=
murf auf jie losföntmen jollte. Sie ahnte niht,
um mas es jid) höcTti>^Ite^ aber bie allgemeine
51ntipathie, bie in ihr fh 0Tt gegen bie ©omingers
gefhluntmert, ermahte plöfelih» jie mürbe eben=
•falls mütenb, beoor jie irgenb etmas mubte, unb
ermartete, mie eine £ömin jprungbereit, bab
ihre heiligften Dinge 3U oerteibigen mären.
„3rau Dränfle," begann klementine, ihr
5Ifthma belämpfenb, inbem jie jih mit beiben
Hänben auf bie Shitmfrüde jtüfete, „Sie
mijjen, mir jinb gute kunben oon 3h^en —
feit bielen 3<ih^en — Sie lönnert nit jagen,
3rau Drärtlle, bab mir 3h^en jemals 51nlab 3ur
Ön3ufriebenheit gegeben haben —"
„Hoffentlth jagen bas bie ffemi ©rofejjor
nit oon uns? ...“
„5Bas 3h^e kühe . anbetrifft — 0 nein,
3rau Xränlle. kod)en lann 31© ©lann ober
Sie, ih toeib nit, ob Sie ihm helfen, es ijt mir
aud) einerlei — aber —"
„5Iber jonjt? Da mübt' ih boh mirflih nit,
mas mir jonjt für ©e3ieljungen 3ur 3^au ©ro=
fejjor haben täten!..
,,©e3iehungen?! £> ja, 3^au Dränlle!
©e3iehungen! Darum hanbelt jih's eben!"
„5Bas?!!"
„Shreien Sie bitte nit jo — mäbigen Sie
9h!“
„5©enn Sie nit fhtein — menn Sie jih
mäßigen, %xau ^3rofejjor!"
„3h? 1"
„3amol)l! Sie jinb in meiner 5©ohnung,
mö'ht ; ih 3hnen nur jagen!"
„Das ijt ja eine Hnoerfhämtheit —1"
„So?!"
„Das ijt ja —"
„©eleibigen lab Ih mid) nit! ©on niemanb
auf ber 5BeIt! Unb menn's ber ©robher3og
mär'! Sonjt pfeif ih auf bie gan3e kunb jefeaft!"
„SBijjen Sie benn, um mas es jih hanbelt?!"
„Um nix ©utes! Das felf ih 3hnen an ber
©afenfpibe an!"
„©Iahen Sie erjt bas fünfter auf, beoor
ih's 3hnen jag' — es ijt 3U heib hfer — ih er=
jtid' jonjt oor 3h r ^n 51ugen!"
„Hm! ©lir is.es auh mie im höllifh^n
3euer! Da! 3^hl is bas fünfter offen! 51Ijo!
51ber jhrein Sie nit, %xau ^rofejjor! 5©enn's
mas is, mas ber ©larlt nit 3U hören braucht!"
„51ha! Das ijt es! 3a! £) ja! Das ijt es!
3h merb' nit jhrein — nein, meine ©ejte —
aber jagen merb' id) ; s 3f)nen — jagen —"
„2Bas benn?!... He?! •.."
„3hre Dohter
„©leine Dohter —"
„Die jaubere Doni — “
„Doni?"
„Die hat ihr ©eb auf meinen Sohn ge=
morfen! 51uf meinen karlmann! Hab' ih
mir boh £ag unb ©ad)t ben köpf 3erflaubt —
mas fehlt bem 3nngen! 5Boran leibet er!
©Bas nimmt ihm bie 3ngenb unb bie ©ejunb=
heit! 3eth meib ih' 5 !“
„©leine Doni —?! 51h — ^as is ja 3um
£ad) eit!"
„Sie haben ein ©erhältnis! 5©as für eins,,
bas meib Ih noch nit! 3h forbere Sie hiermit
auf — id) befehf es 3hnen — jagen Sie mir,
mas Sie mijjen! 3h halt's nit länger aus!“
„3hSie jinb närrijd)! ©inen Dred
meib id) !"
„können Sie mir's mit reinem ©emijjen
bejdjmören, bab Sie nichts unterjtüben? Dab
hier leine ©enbe3oous jtattfinben? He? Hier
unten am ©larlt?"
„3rau ^Profejjor, ih jhmör' 3f)nen nir,
ih jag' 3f)nen nir, ih meib ü °n nir — aber
eins, bas meib ih — menn Sie ben Don nit
aufgeben — oon mir unb oon meiner Dod)ter —
bann —"
„Dann?!"
„Dann 3eig' id) 3f)aen, mo ber 3immer=
mann 's £odj gelajjen hat!"
„5Iljo 'nausmerfen mollen Sie mih ?! ©h»
bas ijt jtarl! 5lber mas joll man hier aud)
anbres ermarten!"
„Sie jinb ja gan3 oon Sinnen, Sie mijjen
ja nit mehr, mas Sie reben! Sie tun mir leib!"
„3h geh' Ihon!"
„Überfällen mih hier — ih mar ja gan3
ahnungslos — id) merb' meine Dodjter jhoir
ins ©ebet nehmen — menn mas bran is —!"
„3meifeln Sie? 3h mub in bie £uft
hinaus! 3h erjticf' jonjt! 5Bo ijt mein Dud)?
Helfen Sie mir!"
„Hier, trinlen Sie. erjt ein lohlenjaures
©Bajjer!"
„Danle! 5lh! Dtekinber! Die kinber!
3rau Dränlle, bie kinber!"
„©it meinen, 3rau iprofejjor, jonjt mein'
id) mit!"
1911. ©Ir. 36
Über £anb uttb 9JIeer
947
„©ein! ©ein! Das ertrag' ich nit! Abteil!
begleiten Sie mid) nit! ©leiben Sie bto!
Überlegen Sie fid), roas id) 3 haea gefagt habe!
3 d) rat' es 3 *)rcen!"
So enbete ber feltfame ©efud) oon Klemern
tine ©pminger im $aufe Dräntle. —
Abenbs tarn Karlmann nad) £jaufe. Cr
hatte in ©ertholbshaufen leine hiftorifdjen
Stubien getrieben, fonbern mehrere ©>ebid)te
oerfaht unb auherorbentlid) oiel Kanbtoein
getrunlen. Sein Sd)toips hielt nod) oor, als
bie Butter ihn im ©or3immer empfing unb
burd) einen ©lid merten lief3, bah fie alles
rauhte. Aber Klementine hatte ingtoifdjen
Raffung getoonnen, unb ben (Erfahrungen, bie
fie bei ihrer Attade auf ben frieblid)en ©Zartt=
platj gemalt, banfte fie jeht ein politisches, tein
Strirmifches Vorgehen gegen Karlmann. Sie
leitete ihr ©Ranöoer bamit ein, bah fie fid) Sofort
rtad) feinem (Eintritt in einen Seffel roarf unb
gramooll ben Kopf in bie $änbe ftü^te. (Es
roar felbftoerftänblid), bah ihr Sohn fie itad)
ber Urfadfe ihres Sd)mer3es fragte. Dod)
Karlmann roar he^los genug, mit einem
rafdjen „(Buten Abenb, ©Zama, ba bin id)
roieber!“ an ihr oorüber3ueilen. (Er roollte fid)
brüden. ©un aber Schnellte bie eben nod) £in=
fällige empor.
„©leib einmal hier, Karlmann!... Sehen!
beiner ©lütter ein paar Augenblide!... 3 <h
hab' mit bir 3U reben!...“
„©lad) es, bitte, tur3, ©lama — id) muh
noch 93 rtefe Schreiben.“
„ 3 a, id) mach' es tur3, mein Sohn.. . id)
roill mid) aud) nit aufregen — nit im minbeften
aufregert — in unfer beiber 3 ntereffe — oer=
ftehft mid)? ... Kartmann! 3 <h Sieh' ja oor
einem ©ätfel! 3 <h begreif' ja bie ©Belt nit mehr!
Ad), mad) leine Ausflüchte,
Karlmann — id) roeih alles!“
„Dann Sage mir, bitte, roas
buroeiht— aber ohne Dränen,
©Zama! Du lennft meine
©eroen! 3 $ bin am ©anbe
meiner Kraft! 3 <h ertrage
leine unnützen Aufregungen!“
„©ein — ba fprid)St bu
felbjtbie gan3e, traurige ©Bat)r=
heit, mein Sohn! Das ift's!
Unb barum blutet mir mein
$er3, roeil ich bas mitanfehn
muh, id), beine Butter! Du
bift am ©anbe beiner Kraft!
Unnüh finb beine Auf=
regungen! Unb roas bu mir
getan haft — id) roill es bir
nit oortoerfen, es lommt aus
beinern Iranlhaften 3 u ftanb!
Steifen roill id) bir! Reifen,
Karlmann! ©ielleid)t 3um
letjtemnat!“
„©Borin benn, 3um Deuf el ?!
©Bas Soll benn bas alles heihen?
3 d) brauche leine §ilfe!“
„ 3 n bem, roas bu bisher
angeftellt haft, nit! ©an3
rid)tig! Da haft bu alles
allein getan! Da h a ft bu
beine ©Zutter allein belogen
unb hmtergangen —“
„fähige bid), SIRama!“
„ 3 ft es etroa nit toahr, bah
bu bie ©ieblers, bie id) bir
ans Ejer3 gelegt hab', fd)toer
beleibigt haft ? 3 ft es nit
toahr, bah bu mit ber Komö=
biantin auf meinen ©at ge=
brodjen haft, bem grauem
3imnter ein ©ermögen ge=
fchenlt unb Sofort ein anbres
©erhältnis angefangen? ©in
oiel Schlechteres unb gefähr=
lieberes? 3 um £>ohn barauf,
bah ich bir eine ent3üdenbe
©raut beftimmt hab'? £eugn'
es nit! ©Zan hat bid) mit bem
©Zäbeloom©tarltplahgefel)n!“
„©Zit toem —? ©Ser hat mid) gefehn —?“
„©Zartha hat mir alles er3äl)It!“
„Dacht' id)'s hoch! Dein Saubrer Spitzel!
Du, ich bleibe leine ©Zinute mehr im £>aufe,
toenn bas ©Seibsbilb bleibt!“
„Ot)> bas ift eine hod)anftänbige ^ßerfon!
Karlmann, roir toollert ruhig bleiben! 9 CRih=
oerfteh mich nit — es ift eine furd)tbar ernfte
Stunbe! ©Sahrheit roill id) — roir müffen aus
all bem Kug unb Drug heraus!“
„ 3 atDot)l!“
„Du roeiht, id) bin eine ©lütter, bie bas
Keben lennt — ihr ©üben braucht mir nit nad)=
3ulaufen roie bie Külel ber §enne — eure
Abenteuer mögt ihr haben — tobt eure 3 ugenb
aus — aber fo etroas — roeiht bu benn, bu un=
erfahrener ©Zenfd) bu, bah ein Dechtelmed)tel
mit 'ner ©ärgerlichen oiel gefährlicher ift als
bie raffinierteste Demimonbe? §aft bu ihr
am ©nb' ein §eiratsoerfpredjen gegeben, roor=
auf bie ©anbe aus ift roie bie Kah' auf bie
©Zaus? 3 a? 3 a? ©ei allem, roas bir heilig
ift, Karlmann — haft bu fo roas getan?“
„SPZama — mad) mid) nidjt oerrüdt, ©Zama.
Das ift ja alles fo grotesl — um ©ottes toillen
— bas tan3t unb heult unb tobt ja mit mir in
ber Stube herum! 3 ch Sage bir, ©Zama — bei
allem, roas mir heilig ift, ich hab's getan! 3 $
hab's getan unb toerb' es roieber tun! 3 U
fürchten haft bu nichts!“
,,©ub! Das ift nieberträd)tig! 3 a, bas ift
nieberträchtig, Karlmann!“
„So?! 3 d) bin atrbrer Anfid)t! Dann
lann id) ja gehn!“
„Du roillft bie Dotter oomDränlle heiraten?
Du? Der Karlmann ©ominger?! Das finb
©auern, bu, unb bu bift ber Sohn oom erften
Emus ber Stabt!“
©ZühIe im Speffart
„Darüber lad)' id)! ©Beil ich je^t roeih,
roas ich bin, barum roerbe id) an ihr fefthalten!
3d) habe lange barüber nad)gebad)t, id) habe
furchtbar bamit gerungen! Aber nun lernt' id)
aud) ein ©efultat! ©Zein 3amilienftol3, ©Zama,
ber jagt mir, bah mir 3ugrunbe gehen, roenn
roir in unferm Sahrroaffer bleiben! ©Benn roir
leinen frifchen Quell, leine neue, belebenbe
Kraft in unfern Sumpf taffen! £)l)> ein Sumpf
noch nidjt, oer3eit), aber id) fühl' es, er roirb es
halb roerben! 3<h> id), bem ihr's am roenigften
3utraut, id) bin oie!leid)t berufen, eud) baoor
3U retten! ©in Dor roill id) aufreihen! Duft!
©lutaufmifdjung! hinaus bie alten ©orurteile,
hinaus — roir haben uns lange genug oon ihnen
Inechten laffen!“
„Das 3*auen3immer hat ihn närrifd) ge=
mad)t! ©ott fd)üt3 bid), Karlmann!“
„Df), id) bin gatt3 llar, ©Zama! ©an3 llar!
©Ber finb bie ©ieblers? ©lernt bod) bloh bie
Dinge beim red)ten ©amen! ©ettfebern haben
fie reid) gemacht! 3f) r e Familie ift oiel fd)led)ter
als bie oom Kod) am ©©arlt — bas roeih id)!
©id)t bestoegen roillft bu mich mit bem ©Zäbel,
bas mid) fo roenig mag roie id) fie, oerluppeln
— ©elb hat fie, oiel ©elb! Hub roir — roir
tun nur fo!“
„©Bir tun nur fo?! Du bummer Dropf —
haft bu eine Ahnung, roas id) für Spelulationen
im Kopf hab' ? ©Bie ich euch Dräumerfipp' 3um
irjerbft aus aller ©ot herauslriegen roerbe,
roenn ich ^ ne halbe ©Zillion oerbient hab'?!“
„©ein — bas ift mir auch cßal — id)
habe leine ©e3iet)ungen 3U £errn Keffelbad)
unb Konforten —“
„Karlmann!“
„Unb ob fie beiner mehr roürbig finb als
meine ©e3iet)ungen 3U Doni Dränlle —
bas toollen roir bal)ingeftellt
fein laffen!“
„fiausbub!“
„Das fagft bu jebem, ber
bir mal bie ©Bahrheit Sagt!“
»3eht ®ab' mit
bir. 3d) ruf' mir ben ’ißapa.“
©och ehe er es oerljinbern
lonnte, roar Klementine 3um
3roeüen Stod hütaufgeeilt,
3um füllen Heiligtum im $aufe,
ber ©Berlftatt bes ©aters. ©ie=
manb burfte unt biefe Stunbe
bas Atelier betreten — KIe=
mentine trat ohne an3ullopfen
in ben ftreng befd)ühtett ©aum.
3uftinus ©Zominger fah über
einer Arbeit, bie er feit Arnolb
©ingers ©efud) am liebften
oorhatte — alte Kupferplatten
aus feiner römifd)en3eit hatte
er roieber in Angriff genom=
men, einft geplante rounber*
fame ©abierungen aus ber
©ampagna hoffte er noch 3U
©nbe führen 3U tonnen. (Es
roar eine Arbeit, fo fd)ön roie
erfd)öpfenb für feine alten
Kräfte. §anb unb Auge rooll=
ten nid)t mehr mit. Aber
Arnolb ©ingers ©Borte über
bie ©ntroürfe Hangen um fo
frifdjer in ©Zominger nad), er
roollte burdjaus bem ©eft feines
fiebens nod) fold) ein ©Bert ab=
geroinnen. Karlmann 3itterte,
als bie ©Zutter es roagte, in
ben ®d)affenstraum bes Alten
ein3ubringen. ©r fühlte fid)
fd)ulb baranunb laufchte angfH
ooll, roelcher 3ornausbrud)
bes füllen ©Zeifters erfd)alletr
roürbe. Dod) alles blieb Stumm,
©ad) einer ©iertelftunbe etroa
lam Klementine mit oertoeim
ten Augen 3urüd unb Sagte
nur: ,,©eh 3um ©aterhmauf,
!Ui. iörcnjtnget Karlmann — er erroartet bid).“
(gortfefeung folgt)
948
Über ßanb unb SReer
1911. <ttr. 36
®cit. ber Sßereinigltn Stimflanflalten, äSiin^en
König Kubroig II. im 3 äöt>loftüm
Subrotg II. oon kapern
33on Karl gr. 9ton)af
Odiles an biefern dürften aus taufenbjäl)rigem
«vi- Stamm bat frül) bas tragifd)e Duntel an*
gefünbigt, in bem fein Sdjidfal jäh erlofd). ©infam
fd)ritt er feinen Königsroeg, anbers als alle Könige
feiner 3^it, einfieblerifrfjer nod) unb oerrounber*
lieber oielleid)t als fürftlid)e toonberlinge in SP* 1
bunberten oor ihm, über bie befrembet Höflinge
unb 23 ölfer bie Köpfe fd)üttelten, roeil fie oon Welt*
mad)t unb Kaiferl)errlid)feit in oerftedte Klöfter
flohen, um an ben ©ang eines Ubnoerfs bie
müben ©ebanfen 3U bangen ober oon fd)toeigfamen
Scblofetürmen aus ben ©ebehnniffen ber Sterne
nad) grübelten. 23 on Üubtoig oon kapern roufjte
freilich teiner roal)rI)ciftige Abenteuer, unb feiner
tourbe roirflidjer SOlitcoiffer irgenbeines Spufs.
Dennoch bat früh ein faft mpftifcber Sagentreis
feine ©eftalt umhüllt, unb fein Alltag tourbe
fiegenbe fd)on, beoor er in ilpn ausgelitten.
3 m 23 apernoolf gingen bie ©erüdjte oon feinen
Saunen um. ^inreifeenb roar, toie er burd) Sd)ön=
beit, 3ugenb, Seutfeligteit ftets aufs neue bie
Waffen berüdte, toenn er unertoartet fefunben*
lang aus feiner ©infamteit beroortrat. Stets hielt
er bie Seinen burd) Dinge, Daten, ©ntfd)Iüffe in
Eltern, beren Urfad)e unb Sinn teiner oerftanb.
Wan erbitte fid) für Subtoig, man oergötterte ihn,
erbitterte fid) gegen ihn, unb bie Wifjftimmung
ftanb hart am Dor bes Aufruhrs. Gegriffen bürften
il)n in feinem Aeid) nid)t oiele b<©en — als ber
fd)rille Austlang tarn, erft bann batten fie ben
rid)tigen Sd)IüffeI: er roar ein Kranfer
getoefen ... Aingsum in ©uropa batte
man fid) halb bequeme Sd)lagroorte 3U=
red)tgelegt. ©r roar roeit mehr nod) als
3 riebrid) Wilhelm ein „Aomantifer auf
bem Dbrone“. Seine Veranlagung toar
„ex3entrifd)“, fein Wollen oon „genialem
Schimmer“ beftrablt. Dod) roar fein
gan3es umfd)attetes irjinroallen, roenn man
ihm mit biftorifcbem 23 etrad)ten folgt,
nichts anbres als bas barte, unroeigerlid)e
3 uftreben 3ur Kataftropbe.
Aus ber ftrengen Unfreiheit einer Krön*
prin3enjugenb fommt er ohne Aernütt*
iung 3ur fd)ranfenIofen Wad)t, 3u ^Heid)=
tum fd)einbar ol)ne ©nbe. Solbatenbanb*
roert unb Solbatenprunt bleiben ihm
oöllig gleichgültig. Uber ^olitif unb roid)*
tigfte Aegierungsgefd)äfte brängt es ihn
bintoeg. ©r ftrebt ber Kunft 3u unb
ftürmt fogleid) ber großen ©pifobe ent¬
gegen, bie feinen bauten bauernb in bas
©efd)id)tsbucb beutfd)er Wufif einfd)rieb
unb bie einige Sonneninfel feines Sehens
bebeutete. Schon bas roar „romantifd)“
für alle Umgebung, toie er feinen Senb*
:inlg«it Aunftanflalten, $.*©., ÜJh'mdjen
Sd)lob Aeufd)toanftein in 23 apern
boten 'pfiftermeifter hinter Aid)arb Wagner oon
Stabt 3U Stabt einberfanbte, bis er enblid) ben
Wann ber „ 3 ufunftsmufif“ in Stuttgart mit ber
23 otfd)aft aufftöberte, nad) Wünd)en 3U eilen unb
bort einen König 3um ©önner, Sd)über, greuttbe
3U erroerben ... Aid)t flüchtige Wä3enatenlaune
beroegt Subtoig babei; ihn brärtgen Wille 3ur 3 lud)t
aus 3 eitnü<bteml)eiten unb Sel)nfudjt nad) ge*
fteigerten pbantaftifdjen Wöglid)f eiten, ein mpfti*
fd)es Aebürfnis in unfd)öpferifd)er, aber leiben*
fdjaftlid) oerftel)enber Wal)loerrDanbtf(baft 3U Wag*
ner. So gleichgültig ben König fpäter bie Kriegs*
ereigniffe oon 1866 laffen, fo fühl er felbft bei bem
©in3ug ber fiegreid) I)eimfel)renben Druppen 1871
bleibt, roenn er fid) nicht überhaupt fd)eu oor jeber
Berührung mit ber £)ffentlid)feit oerbirgt, fo un*
ge3ügelt ift fein ©ifer, Wagner, bem neuen greunbe,
mehr nod) 3U halten, als er oerfprad). Seine
Sd)atulle roäbnt er unerfd)öpflid), roenn es nad)
bunberterlei fürftlicbem ©robmutsberoeis gilt,
fünftlerifdje piäne grobartig 3U oerroirtlid)en, unb
lein anbrer ©influb tonnte in jener 3 eit bei Subroig
beffer burdjbringen als ber Wagners. Unb oiel*
leidet bat nid)ts ben König, als bie Pläne eines
Wündjner Seftfpieltbeaters am Wiberftanb feiner
Umgebung fd)eiterten, als fid) 3U ben 3 ntrigett
ber $ofpartei Unmutsfunbgebungen bes fünftlid)
bearbeiteten 23 olfes gefeilten, tiefer oerftimmt,
nichts feine Wenfd)enfd)eu, fein Wifctrauen unb
feinen©infamteitsbrang noch heftiger emportoucbern
laffen als bas ungeroollte ©nbe ber greunbfcbaft
mit bem Did)ter*Komponiften. Dod) I)at Subroig,
bem Wagner oor allem aud) bie erfte Aufführung
bes „Driftan“ in oerfd)roenberifd)er ©rob3Ügigfeit
311 banfen batte, mit feiner ©unft nod) bas grobe
£j. 23 reling: Aaft bes Prad)tfd)littens Subtoigs II. oor ber£unbingsl)ütte
Sapreutber Wert gefd)übtunb geförbert. Unb häufig
genug tarnen nod) bis 3U Wagners Dob $reunb=
fcbafts3eid)en bes Königs, aber bie Aerflärung in
feinem ©ernüt, bie Wagners unmittelbare Aäbe ge*
fcbaffen batte, blieb fcbmer3lid)e Seere, feit er ben
3reunb batte „oerbannen“ rnüffen.
Unb immer mehr gingen oon feinen Daten,
oon feinem Sonberlingsbafein nur oage ©erüd)te.
Dem 3 ubel ber 23 apern, als er in feines s Keid)es
Anfd)Iub an ben Krieg gegen 3 mntreid) ohne
3ögerrt geroilligt batte, als er bann nad) fd)toeren
Kämpfen mit feiner empfinblid)en Souoeräns*
eitelteit auch in bie Aufrid)tung bes beutfcben
Kaifertums eingeftimmt batte, allen 23 egeifterungs*
ausbrüd)en feines 35 olfes, bas ihn feiern roolite,
ent3og er fid) halb als 3 liid)tling. Am liebftert oer*
birgt er fid) in feinen Vergfd)löffern. Die Aäd)te
mad)t er 3um Dag, muf^iert, lieft, bie Dage oer*
fd)Iäft er halb. Unb nad)ts, am liebften bei ©e*
roitter, tutfd)iert er uml)er. ©r läfet fid) gan3 oon
Stimmungen treiben, unficber unb haltlos. Dann
roieber fa|t il)n ber Drang nad) politifcben Daten,
unb er bleibt feft, roenn feine gan3e tolerante, fort*
fd)rittsfreunbli<be Uber3eugung ihn 3um Kampfe
gegen tleritale Uberbebung ftellt. Vlöpd), toenn's
feiner erroartet, fagt er Varabe an. Seine Stirn*
mungen lehren ficb an feine ©tifette, felbft fürft*
Iid)e ©äfte läftt er in feine ©infamfeit nicht ein*
bringen, ©r fd)ütjt Unrooblfein oor, flagt über
3abnfd)mer3en, reift ab, unb roenn man il)n über*
rafd)en roill, nimmt er jählings Aeijjaus in bas
näd)fte unroirtlid)e Dorf, roo er übernad)tet. Kein
3reunb in feiner Aäbe. Aur mit ©lifabetl), ber
Kaiferinoon Öfterreid), oerbhrben ihn freunbfdjaft*
Ud)ere ©efül)Ie. ©inmal in jungen 3abten roolite
er fid) oermäl)len. Sein Vrautftanb, in
bem er fid) auf fonberbare Art 3ärtlid)
3eigt, 23 lumen unb ©epenfe mitten in ber
Aad)t fenbet unb fofort ben Danf er*
roartet, roäl)rt geraume 3 eit. Dann löft
er feiner fd)önen ©oufine Sophie ©bar*
lotte — bie er oielleid)t nur 3U lieben
glaubt, roeil aud) fie oon Wagner fd)toärmt,
roobl aud) besl)alb, roeil fie ihn an ihre
Sd)toefter ©lifabetb erinnert — plö^lid)
roieber bas ©beoerfpred)en. Die Aegie*
rungsgefebäfte erlebigt er pflid)tgetreu,
aber fie ermüben ihn. Oft ift er für feine
Winifter unauffindbar, oft rnüffen il)tn
®oten mit ber ®itte um bie roid)tigften
©ntfebeibungen in bie 23 erge, einmal bis
in bie Sd)toei3 nad)reifen. Später ift er
für niemanb mehr unter oier Augen 3U
[preßen, au^er für Diener unb Knechte.
Wit ben Winiftern oertebrt er nur fd)rift*
lid), unb felbft mit ben Dienern unter*
banbeit er 3ulet$t burd) oerfd)Ioffene Düren.
33 ieIIeid)t ahnt er, ber felbft ben
förperlid)en Verfall einft rounberbarer
Wännerfd)önbeit an fid) roal)rnimmt unb
längft feine Sd)mer3en beargroöl)nt, als
1911. ftr. 36
Über ßanb urtb Sfllee?
949
uttabwenbbares Serl)ängttis feine nahe, wahre
3u!unft — erf©üttert hatte er ja bie 9Bal)n*
finnstragöbie feines jüngeren Srubers Otto erlebt—
unb fieberhaft fu©t er fidt) bur© Arbeit, un*
abläffige tünftlerif©e Arbeit, gu betäuben. (Er baut
Sd)Ioh um Sd)Ioh nad) eignen bizarren gbeen, bie
Millionen oerfd)Iingen, bis bieSd)ulbett
ins Ungel)euerlid)e wa©fen unb feinen
Suin herbeiführen. ghn tümmert ber
Unmut ber treffe unb bes SoItesnid)t,
bas ihn einen Serfd)wenber nennt.
Unb er beharrt and) bei ben Separat*
oorftellungen für ihn als einigen
3ufd)auer im Stündpter ^oftheater.
Sud) fie finb ein bigarrer ©infall,
phantaftifd) unb faft unheimlid). Stenn
ber ftönig bas Sd)loh oerläht: ein
5ttingel3ei©en. Stenn er bann bie
£oge betritt, aberntals eine Klingel,
unb fchon geht ber Vorhang auf. Oft
beginnen bie Sorftellungett erft um
Stitternad)t. (Eine teünftlerin oom
Sange ber ©harlotte SSolter gittert oor
Aufregung inmitten all bes unheim*
Iid)en Stimmungsbeiwerts unb oer*
mag im Anfang taum gu fpielen. Sie
bulbet er, baff aufcer ihm fid) jemanb
im 3ufd)auerraum befinbet. Später
barf gofepl) ^aing ihn begleiten.
5taing bienbet ihn burd) fein fd)au=
fpielerif©es ©enie oom erften Sugen*
blid. 3hn giel)t ber teöttig näher an fid) heran, be*
fd)entt il)n, nimmt ihn mit auf eine Schweiger Seife,
gn ben Sergen S3i©elm Dells muh ber Zünftler
Sd)iIIers Sütlioerfe betlamieren. Sber au© bie
greunbf©aft mit gofepl) Äaing ift nur ©pifobe.
Spät nadjts will £ubwig einmal, bah ber S©au=
$. Sreling: ©arten in ßinberhof
fpieler wieber oortrage. Der ermiibete teüttftler
entfd)ulbigt fid). Der teönig reift fofort ab, unb
obgleid) Äaing ihn in fiugerrt einholt unb wieber
aufgenommen wirb, bleibt eine ©ntfrembung.
Abermals fteht fiubwig allein ...
Der letjte Stt rollt f©nell gu ©nbe. Sein S©au=
plap ift Seufdjwanftein unb Serg.
Dem für geiftestrant ertlärten teönig
nupt es nichts, bah fi<h ürcgs bie
Säuern für ihn erheben unb ihn be*
freien wollen, Sud) Sismard, an ben
©raf Dürdheim um §ilfe unb Sat*
fd)Iag telegraphiert, fann nur raten,
wasßubwig ni©t befolgen will: fofort
nad) Stün©en gu fahren unb bent oer*
fammelten £anbtag gegenüber „feine
gntereffen wahrgunehmen“. Sber
le©argif© wartet ber teönig fein
Scfjidfai ab, oöllig gufammengebroch en,
Selbftmorbgebanten bef©äftigen ihn.
Stan bringt ihn nad) Sd)Ioh Serg.
„§ier geht alles wunberbar gut,"
melbet ber grrenargt ©ubben, beoor
er am 13. guni abenbs einen Spagier*
gang mit iiubwig antritt, nod) be*
friebigt nach Stün©en. Stenige Stun*
ben fpäter hat fiubwig oon Sapern
in ben gluten bes Starnberger Sees
ausgerungen. Unb nicht weit oon
feinem £ei©nam finbet man gugleid)
aud) ben Körper bes toten Srgtes ...
Die 9Urd)e her *5rau 'Sturralp 9to»eUe »ott gierte SSttte
näbige grau! ©näbige grau! £> bu mein
Seilanb, ift bas ein Ünglüd! Unfer armer
©hef!"
Der ältefte Searnte bes Santhaufes Sturrap
unb Kompanie in Singapore wifd)te fid) fd)Iud)genb
ben S<htoeih oon ber Stirn. Die klugen quollen
ihm beinahe aus bem teopfe, fo rafd) war er ge¬
laufen; ben gangen Steg über hatte er fid) ben teopf
gerbrod)en, wie er ber armen grau am fd)onenbften
bie fürd)terlid)e Sotfd)aft beibringen fönne unb
hatte leinen paffenbcn Anfang gefunben. Das
Unglüd brol)te ja noch weitere Greife gu giehen.
Den fteilen Steg oon ber San! bis gu ber ho©=
gelegenen Silla bes ©hefs hatte er ber glühenben
Sonne wegen mit halbgefchloffenen klugen gu-
riidgelegt; jept erft, im $albbuntel bes 3immers,
öffnete er fie weit unb fal) ad)tlos über bie gwifd)en
©emüfe* unb grud)tgärten liegenben §ütten ber
©ingeborenen, über bie rei©ett Käufer ber ©ng*
Iänber hinweg unb über bie ©ottages, biefrembartig
burd) bie überwuchernbe tropifche glora gleich einer
als ©hinefin oertleibeten (Europäerin erfd)ienen.
gran Sturrap ftartb erblei©ettb auf:
„S3as ift meinem Stanne gefd)el)en?"
Das Sud), in bem fie nod) eben gelefen hatte,
fiel auf ben Soben; mechanifd) hob ber pebantifche
teommis es auf.
glüfternb fragte bie ©ntfepte:
„gft er — er ift tot?"
„£eiber, leiber, gnäbige grau!"
Der Sote atmete auf — bie fd)Iimmere Hälfte
feiner Sotfd)aft war gefagt, aber nod) oiel Unheil
war gu ergäben.
Die junge grau blieb aufrecht ftehen: fie liebte
ihren Staun h^ife nnb innig, unb bod) empfanb
fie jept nur ein oages Staunen, nid)t ben grauen*
oollen Sd)merg um ben Doten. £eer unb inhaltslos
fdjienen ihr bie Sterte bes filtert; gutn Steinen hätte
fie fid) gerabegu gwingen müffen. Sie tonnte fid)
überhaupt nid)t oorftellen, bafg ihr ©atte tot fei,
fo fehr war er ihr ber gnbegriff oon Datfraft unb
Sewegung. ^lölglid) tarn ihr ein fürchterlicher
©ebante:
„©in Selbftmorb?" f<d»rie fie auf.
„Sein, gnäbige grau, es ift ein Storb, leiber
tonnen wir nicht baran gweifeln; man hat unfern
armen ©hef oor ber offenen teaffe gefunben, ein
Doldpneffer 3wif©en ben Schulterblättern, klugen*
fd)einli(^ hatte er bie Äaffe geöffnet, um bie heute
eingegangenen ©elber unb Rapiere hineingulegen,
wie er es jeben Dag tat, feitbem ber ftaffier er*
frantt ift. Die ftaffe felbft ift oollftänbig ausgeleert
worben, lein $enm) ift baringebtieben."
„Sie haben Serbad)t? ©egen wen?" rief grau
ätiurrap heftig.
„©ine ©ewijgheit, gnäbige grau, eine ©ewih s
heit: SBelbon, unfer erfter Äorrefponbent, ift ber
äRörber, er unb ber SBoIlmatler Ütathan, fein
greunb. 9latl)an ift heute früh 3^ SSelbon ins
1911 (Sb. 106)
Kontor getommen, einer oon beibett h°t bem
©hef oon rüdwärts bie kirnte gehalten, unb ber
anbre hat gugeftohen."
Unb um bie £aft, bie fein §erg bebrüdte, enblid)
gang abguwerfert, jehte 3iut Steoens haftig bingu:
„Die äliörber finb enttommen, man hat fie
nid)t mehr einholen tönnen. 5111er 2Bat)rfd)einlich*
teit nad) haben fie Singapore bereits oerlaffen."
grau SPturrap antwortete nid)t; fie war ent*
fept über ©re no© immer anhaltenbe gül)Hofigteit
unb bad)te unaufhörlich:
,3© fühle nod) immer teinen Sdpnerg, id)
leibe ni©t: ein Ungeheuer muh t© fein, bah all
biefes ©ntfehlid)e mid) nid)t bewegen tann.‘
Die 93lölglid)teit bes Unglüds trübte in ni©ts ©re
©rinnerung an ben gefunben, füllen, fd)weiqfamen
5llfreb äJiurrap, bem fie als ©attin ©ren fieib ge*
we©t hatte, beffen Haushalt ©ren ©eift, ©re ^änbe
bef©äftigte, unb ber fie fo unenbli© glüdli© ge*
macht hatte. Sie tonnte fi© burd)aus ni©t oor*
fteilen, bah er bort im tleinen, oergitterten Sureau
am Soben lag, fteif, inmitten einer hähü©en
Slutla©e. Sie empfanb teinen S©merg, nur
einen wütenben 3orn, einen unwiberftel)li©en
Drang, gu hanbeln, etwas gu tun. 3ux ©elfte fal)
fie bie leere ilaffe unb fühlte im eignen bergen
bie 2But bes fterbenb Seraubten mit. Sid)er hatte
311freb im lebten 51ugenblid gang ebenfo gebad)t,
gefühlt wie immer; beftimmt hatte er gemünfd©,
ben Räubern nad)eilen unb fein f©mer erworbenes
©ut wieber an fi© nehmen gu tönnen. Dies
füllte fo [ehr all ©r Denten, ©r ganges gühlen
aus, bah fie beinahe ausgerufen hätte:
„©r ift in mein ©ehirn übergegangen, 51lfreb
bentt in mir."
günf SOtinuten fpäter lieh fid) bie junge grau
oon gwei giegenbeinigen ©hinefen im ^alantin
gum San©aufe hiuuntertragen, unb ber getreue,
gang oerwirrte gim Steoens trottete gehorfam
hinterbrein. Die Strahe oor ber Sant war bur©
Neugierige oerfperrt;in benSureaus felbft brängten
fi© bie 51ngeftellten gufammen wie Sd)afe oor
bem ©ewitter. Der Coroner oerhörte fie einen
na© bem anbern, fragte in berfelben fd)Iäfrig=
gef©äftsmähigen Spanier nad) wi©tigen unb un*
widrigen Details. Der Dote lag halb oergeffen
auf einer Sambus©aifelongue, ein Daf©entu©
auf bem ©efi©t; f©on bebedten S©wärme oon
gliegen ben bünnett Seibenlappen.
3um erften SOtale, feitbem gim Steoens bei ihr
eingetreten war, füllte grau StJturrap einen
bumpfen S©merg: jept erft^begriff fie — bas war
ber Dob, bie g^fehung. Sie f©Iud)gte wilb auf,
unb alles ringsum fd)wieg oerlegen.
Dann ri©tete fie fi© plöplid) fteif in bie £öl)e;
üoden fragte fie na© ber ©röhe ber geftohlenen
Summen. Die grage war berntahen brutal ge*
ftellt worben, bah offene SOtihbilligung auf allen
©efi©tern gu lefen war unb eine um fo gröbere
Serwunberung, als bie junge grau fonft für fehr
freigebig galt unb ben Stert bes ©elbes taum
gu tennen fd)ien.
Der N^urift antwortete, man habe nod) ni©t
3eit gefunben, genau gu ftontrieren, bod) bürften
etwa breima©unberttaufenb Dollar in Santnoten
geraubt worben fein unb ein glei©er Setrag in
2Bed)feln unb Dratten. Offenbar hatten bie
Siörber ©re Naffage f©on oor ber Dat belegt ge*
habt, unb gwar auf einem S©iffe, bas über goto*
harna nad) San grangisto fuhr. Na© bem Siorbe
hatte nur ein eingiges S©iff biefer £inie ben $afen
oerlaffen.
,,gd) habe fd)on hinter ©nen her telegraphiert,"
mif©te fi© jept ber Coroner ein, „bas ©eri©t wirb
bie Nuslieferung ber beiben oerlangen."
grau Sturrap gudte bie 51©feln.
„g© bin in Ned)tsbingen nid)t fehr erfahren,"
fagte fie, „aber fo oiel weife i© bo©, bah bie Ser*
einigten Staaten teinen ihrer Untertanen aus*
liefern, unb bie beiben finb Nmeritaner. Unb was
ihre Verurteilung int fianbe felbft betrifft, fo
wiffert Sie fo gut wie id), bah I^bes ameritanifd)e
©eri©t 9ta©an unb Stelbott freifpre©en wirb.
§abett fie bo© genug ©elb geraubt, um alle ©e*
fd)worenen gu erlaufen. Stan muh fie oerfolgen,
©nett na©fepen, bas ift bie eingige Stöglidjteit!"
Der ftoroner fprang in bie £>öl)e:
„Sie oerfolgen? 9Bie bas? Stit wel©em 9ted)te?
Das ift ja gar ni©t unfre Sad)e. SBir wollen uns
mit ben nuslänbif©en ©eri©ten in Serbinbung
fepen unb ©nen alle Seweife liefern, bie wir haben
— natürlid) auf ghre üofteu, grau Sturrap —,
aber mehr tönnen wir für Sie ni©t tun."
„Sie benten bo© ni©t, bah i© auf Sie re©ne,"
fagte bie junge grau oeräd)tli©; „i© werbe felbft
bie beiben oerfolgen, meine Sa©e ift es, mein
Stann ift beftohlen worben.“
Der ru©Ios ©emorbete [©ien ©rem iiberreigten
©ehirn ein gelbherr gu fein, ber oor bem geinbe
fiel, unb an beffen Stelle gu treten war ©r
heiligfte Vfüd)t. Sie beauftragte gim Steoens,
bie £ei©e in bie Silla fd)affen gu Iaffen, bie Doten*
wa©t gu halten unb bas Segräbnis anguorbnen;
in berfelben Sa©t no© wollte fie ben §afen oer*
Iaffen. Statt hielt fie für geiftig geftört, bo© nie*
mattb hinberte fie ernf©aft an ©reut Sorhabett, fo
fehr f©ii©terte ©re fieberhafte ©nergie alle Stelt ein.
Den §afentai entlang lagen bie nteiften
Dampfer ftumm unb talt mit ©ren bidett Saud)*
fängen unb ©ren bürrett, fegellofen Staften; gahl=
lofe itulis warfen unaufhörli© 5törbe ooll Äohle
in ben gefräjgigen Sumpf, ©in eingiger Steamer
war unter Sollbampf, ein fd)Ianfes, langes, hurti*
ges Ding mit blenbenbweihem Sorb. ©r follte
eine £abuttg grüd)te, frif©e Draubenunb Nfüfi©e,
na© gnbiett tragen. Dies war eine neue Unter*
nehmung, bie gewagte Spetulation eines Nantee.
Das S©iff war für ben S©nellauf gebaut, ba
123
950
Über fianb unb 3Jteet
1911. 9lr. S6
bie £abung ihrer I)ei!eln Statur nad) halb an Ort
unb Stelle fern mufete.
grau NMrat) charterte ben „Sunbeam",
taufte bie gange Kabmtg auf unb liefe [ie für einen
Spottpreis auf beut Ntarti oon Singapore oer*
[djleubern, braute bie 23egal)iung burd) 23elet)nen
ihrer 23illa, ihrer gamelen auf unb behob ihr
ganges bebeutenbes 23anttonto. Schon um acht
Khr ab enbs tonnte bas Schiff in See [teefeen mit
grau Nturraq an 23orb. 3r°ei 23eamte bes 23ant=
haufes führte [ie als gbentitätsgeugen mit unb
eine Utopie bes oom Koroner aufgenommenen
Nrototolls. Oaufenbe oon Neugierigen roohnten
auf ber SBerft ber Nbfafert bei, aber leine eingige
abfällige 23emertung mürbe laut, man glaubte
eine ©eiftesgeftörte oor [ich gu haben.
Oer Kapitän bes „Sunbeam", ein edjter2)ontee,
toar geuer unb glamme für bie gagb. „®as ift
einmal eine grau," [agte er, „bas i[t bas gbeal
eines NSeibes!" Oie junge grau mar [o [ehr oon
bem einen (Befühl ber Nahe befeerrfht, bafe [ie [ich
nicht einmal bie 3eit genommen hatte, ihre lichten
Kleiber gu mehfeln. Sie liefe [ich oom Kapitän
bie Schiffstarte ertlären, ben eingufcfelogenben
NSeg geigen. Oer mar nun gang einfach: bie 23reite
oon Saigon einfealtenb, mufete ber „Sunbeam"
bas Kap oon Nianila bublieren.
gebe 23emegung ber Schraube dröhnte im
Kopfe, im $ergen ber grau miber. Oer Kapitän
liefe bie geuer [cfeüren, fuhr tolltühn gerabeaus
über Sanbbänte unb Niffe; [eben Kilometer mar*
tierte er auf ber Karte. ©ines nur oermunberte
ihn [ehr, bafe grau NMrat) teines Schlafes be*
burfte unb teinerlei Niübigfeit geigte. ©nblicfe, in
ber Nähe oon gormo[a, [ah man ben Nauch eines
grofeen Steamers auf [teigen: bas mar bas 3iel.
Oie beiben Kommis, bie entfefelidj unter ber
Seetrantheit litten unb bas tolle Nbenteuer [hon
tau[enbmal oermünfefet hatten, trochen mühfam
auf Oed. Oie Ntannfcfeaft heulte auf gleich milben
Oieren, ber 2)anteeiapitän taugte oor Vergnügen
unb rnollte burdjous bie Heine Ntitrailleufe los*
brennen Ia[[en, bie bas Schiff gum Schüfee gegen
d)inefi[dje Giraten am Norberbed führte. Oer
„Sunbeam" burdjfhnitt bie NSogert, er [d)ien aus
bem NSaffer gu [pringen mie ein fliegenber gi[dfe;
unaufhörlich ertönte bie Sirene, immer mieber
gab man bas Nlarmfignal, bas bumpf über bie
NSellen fid) fortpflangte. Ntan tat entfdjieben bes
(Buten guoiel; ber „Sdjman oon gapan" glaubte
[id) oon Giraten oerfolgt — mas beinahe ber
NSalnheit entfprad) — unb [teigerte [eine (Be*
[djminbigteit.
„Ntefr feuern!" [chrie ber 2)antee bem feiger
gu. „2Bir mollen bas Schiff [dhon triegen, unb
füllten mir in bie £uft fliegen!"
3mei Stunben [päter maren [ie bem grofeen
Oampfer auf fünfunbgmangig Nieter nafeegetom*
men. Oie meiblicfeen Naffagiere bes „S<hman oon
gapan", bie ebenfalls an einen fiberfall badjten,
feferien laut unb ängftlid). Oer Kapitän [lieg ra[d)
auf bie Kommanbobrüde unb rief hinüber:
„N3arunt oerfolgt ihr mein friebliches Schiff?
23leibt gurüd ober id) Ia[[e menben unb bohre eud)
in ben ©rmtb."
Oer 3)antee nahm nun feiner[eits bas Sprad)*
rohr gur ganb unb bemies bem anbern Kapitän,
bafe ein Nmeritaner es im gluchen mit jebem ©ng*
länber aufnehnten tann. gm übrigen mufete er
[elber nur gu gut, bafe er tein Nedfet gu bem Über*
fall höbe, unb [chimpfte bah er um [o oiel ärger.
„(Beben Sie bas Sprachrohr mir," [agte
grau NMrat), unb [ie rief hinüber:
„Sie [inb nicht imftanbe, uns in ben (Brunb gu
bohren, benn mir fahren meit fdjneller als Sie!
gd) bin bie grau Nifreb NMraps, ber oon gmeien
gbrer Naffagiere ermorbet morben ift; [ie heifeen
NSelbon unb Nathan, fahren aber maferfheinlid)
unter fal[dhem Namen, gd) bin ben Niörbern oon
Singapore nahgefahren, um [ie gu ibentiffeieren,
[ie feftgunehmen unb mieber gu meinem (Selbe gu
lommen. Kaffen Sie ein 23oot ins Nie er fefeen!"
„Sie [heinen übergefhuappt gu [ein!" brüllte
ber Kommanbant gurüd. „ghre gange Sadhe geht
mich ja gar nichts an. Netlamieren Sie bie beiben
in gapan ober bei ben anteritanifdjen (Berichten,
jefet aber fheren Sie [id) gefällig[t gumOeufel!"
„ßaffen Sie bas Scfeiff [toppen unb [djiden
Sie ein 23oot herüber," Hang grau NMraps
Stimme burefes Sprachrohr, „ich lontme bann
[elb[t unb erfläre ghnen alles. Sollten Sie [ich
aber meigern, [o folge iefe ghnen bis aits ©nbe ber
NSelt; mir führen eine Kanone am 23orberbed
unb tonnen ghr Schiff gtoar nicht in ben (Brunb
bohren, aber mir merben [eben herünterfhiefeen,
ber [ich oben bliden läfet — unb merben beim
Kapitän anfangert. Sdjiden Sie ein 23oot herüber!"
NSelbon unb Nathan mürben totenbleid) unb
liefen auf bie Kommanbobrüde gu.
„Oa [inb bie beiben Niörber!" rief bie grau auf*
geregt, „jefet erlernte ich [ie beutlid); bie Schürten
mollen oerfuchen, Sie gu erlaufen, $err Kapitän,
aber [o mafer ©ott lebt, menn einer oon ben beiben
nod) einen eingigen Schritt nach oormärts macht,
la[[e idh [chiefeen!"
Oer Kapitän bes „Sunbeam" hatte ingmi[djen
laben Ia[fen, unb ber er[te Schüfe fiel a tempo,
oorläufig allerbings' er[t blinb. Oie Na[[agiere
bes Steamers glaubten, ihr lefetes Stünbtein [ei ge*
tommen unb trei[d)ten laut auf. glud)enb rief
ber Kommanbant, um ber lächerlichen Sgene ein
©nbe gu machen:
„So tommen Sie in brei Oeufels .Namen he?*
über, man mirb ghnen ein 23oot [dfeiden; bie Sache
mirb Sie aber [ehr teuer gu -[tefeen tommen,
barauf mache idh Sie aufntertfam, benn im näcfeften
$afen Hage idh auf Sdhabener[afe."
Oas 23oot hielt unter bem „Sunbeam", grau
Niurrat) be[tieg es tja[tig,[ie unb bie beibenKommis.
NSelbon hatte gähnetlappernb ben Norgang
oerfolgt; jefet [agte er gu [einem Kpmpligen:
„Oie Nartie i[t oerloren, Nathan, es helfet be=
gahlen."
,,©ang beiner Nieinung,“ antmortete ber NSoIb
maller.
3mei Schü[[e fielen ra[ch hiutereinanber, gmei
blutenbe Körper lagen auf bem Oed: bie Ntörber
hatten [ich felbft gerichtet.
,,©i," [agte ber Kommanbant, „biefe abenteuer*
liehe ©e[dhi^te i[t al[o mirtlich mahr. Oas änbert
natürlich bie Situation."
Kaltblütig betrachtete er bie Sterbenben, beren
Seine noch trampfhaft gudten, mährenb grau
Niurrap bas Schiff betrat.
„Oie[e Herren [inb meine 3engen," [agte [ie,
auf ihre Begleiter beutenb, „auch habe id) bas
Nrototoll—"
„Steden Sie es ruhig mieber ein, id) brauche
jefet lein N^ototoll mehr unb teine 3eugen. Nus
biofeem Spleen merben [id) bie gmei Kanaillen hier
nicht er[cfeo[[en haben. Oie Sach ei[t Har. Stemarb!"
gurdht[am tarn ber Stemarb herbei, mit einem
[d)euen Slid auf bie fürdhterliche grau empfing
er ben Nuftrag, bas ©epäd ber beiben „Kanaillen"
grünblidh gu unter[uchen, unb fanb tat[äcfelid) bie
gange bei Niurrap unb Kompanie gefeofelene
Summe oor, bann noch fünfgehntau[enb Oollar,
bie früheren (£r[parni[[e ber beiben Sd)ufte.
■ „Sehalten Sie alles, meine ©näbige," [agte
ber Kommanbant, „es mirb menig[tens einen Heinen
Oeil ghrer Koften beden."
Nied)ani[dh hi^It [ie ihm immer noch bas $roto*
toll hiu.
„NSas [oll idh bamit, meine ©näbige? Nßir
Nmeritaner lieben es, uns [elb[t gu helfen, unb auf
bem Nteere i[t es gerabegu geboten, Selb[tju[tfe
gu üben. Sie haben [ehr mohl baran getan, gh*e
Sache in ghre eignen §änbe gu nehmen — bodh
Sie merben plöfelid) blafe, ra[d) ein ©las ©hant*
pagner!"
Oie junge grau taumelte gegen bie NSanb;
jefet, mo ihr 3*el erreicht mar, oer jagten ihr mit
einem Schlage NM unb Kraft. Oer ©hampagner
marf [ie oollenbs um, [ie oerlor ben ©ebraud)
ihrer ©lieber unb mufete auf ben „Sunbeam" ge*
tragen merben. Oie nunmehr gang beruhigten
^ajjagiere bes Steamers [chrien ihr ein „£urra für
bie tapferfte grau!" nach.
Oie junge grau hörte es nicht mehr. NSährenb
ber gangen Nüäfahrt tniete [ie meinenb in einer
©de. Nlles, mas [ie im fieberhaften ©ifer ber
Nadje getan hatte, [d)ien ihr mit einem Ntale rud)*
los, entjefelidj; ifyxt ^PfXi<N)t als ©attin märe es ge*
mejen, bei ber Oeicfee ihres Niannes gu machen,
[ie gur ©rbe gu bejtatten. ©erabegu phpjijchen
Sdhmerg bereitete ihr ber Nnblid ihrer hellen Klei*
ber, ber Niangel an jeglidhem äufeeren 3et<hen oon
Orauer. gn ihren Ohren gellten noch bie gmei Ne*
ootoerjcfeüfje, unb [ie mürbe ben ©ebanten an bie
beiben blutenben Körper nicht los, bie mit guden*
ben Seinen auf bem grell be[d)ienenen Oed gelegen
hatten.. Oann ängjtigte [ie mieber bie ©rinnerung
an bie gmei oerjorgten, geängjtigten ©ejidjter, bie
ben Nusbrud bes für<hterlid)en Schredens noch
im Oobe fe[tgel)alten hatten.
„Oas alles habe ich oerur[acht,“ Hagte [ie un*
aufhörlid), „habe idh benn noch bas Necfet, rnidh
NBeib gu nennen?"
Sei bem ©ebanten, bie ©rengen ihres ©e*
[dhlechtes überjdhritten gu haben, litt [ie gualooll.
Oangjamer als oorhin, mit bequemer ©ile, fuhr
ber Oampfer nach Singapore gurüd. Oer über*
glüdlicfee Nanteetapitän telegraphierte bem Serna*,
phor einen turgert Nusgug bes Nbenteuers, [tolg
oertünbete er ben h^beieilenben Sartenführern
ben Sieg unb [prad) rühmenb oon bem ^elbenmut
ber grau NMrat).
„$ören Sie mich an," [agte er gu ihr, „idh tann
nicht oiel [dhöne NSorte machen. $ier i[t ghr ©elb;
Sie [inb eine grau, mie es nur menige gibt, gd)
mufe ghnen burdhaus etmas [agen, aber bie Sache
ijt oerbammt heitel. gdh habe ghnen gegenüber
basjelbe ©efühl, mie es gang junge Keute häufig
einer Scfeaufpielerin entgegenbringen — Sie per*
[tehen — man mufe [o eine grau bejifeen unb menn
taujenb Oeufet bem entgegenjtänben. gd) bitte
Sie inftänbig, merben Sie meine grau, ghr NSille
[oll mir ©efefe [ein, mir beibe mollen gemeinjam
bas Nieer beherrjehen, mir merben uns bes gangen
^anbels gmi[d)en©hina unb San grangisto bemäefe*
tigen. gn gehn gahren [inb alle Oampferlinien
unjer, teine eingige Naudhmolte [oll gegen unjern
NSillen auf bent ©rofeenOgean auftaudhen. Ober mir
mollen, menn Sie bies oorgiefeen, in ©runbjtüden
[petulieren, in ©olb ober mas immer es [ei. SSir
merben neue Stäbte grünben unb beren Könige
[ein, benn alles, alles [oll uns bort gehören, oom
Soben an bis gu ben Sd)orn[teinen. Niemanb mirb
barinnen mohnen bürfen ohne unjre ©rlaubnis;
bie Semohner merben taufen unb oertaufen mü[[en
nach unferm NSillen. Nadh unjerm belieben merben
mir gange Nölter möbeln unb ihrem £eben bie
gorm geben, bie uns pafet!"
grau Niurrap [chmieg, gitterte unb oerbarg ihr
©e[id)t in ben ioänben.
Nls ber „Sunbeam" in Sicht ber Heinen gnfel
tarn, bie ben ©ingang gum §afen hübet, begrüfeten
breifeigtaujenb enthufia[ti[dhe Stimmen bas Schiff;
ungählige gaefeten, 23oote unb Sampangs bil*
beten [ein ©efolge, Nile Oamen ber europäifefeen
Kolonie [tanben auf ben Oods, 23Iumen in ben
§änben, Slumengarben, 23 erg e oon mohlriedhenben,
farbenfatten 23lumen. ©s mar eine Npotheofe,
unb bie SBitme greb NMraqs mürbe empfangen
mie gajon, als er mit bem ©olbenen 23lie[e heim*
tehrte, mie Kolumbus, ba [eine Schiffe, beloben
mit ben Neicfetümern einer neuen NSelt, in Kabig
einliefen, mie Nelfon nad) [einer Nüdtehr in
Neapel.
Oie Kanbungsbrüde fiel, unb eine bemütige
grau erfchien, Nngjt unb Scfereden im ©ejidht,
unglüdlidh über bas gertnitterte gelbe goularb*
Heib, bas [ie umhüllte unb be[[en greller garbe
[ie [idh [dhämte.
„©ebt mir ein [dhmarges Kleib, um ber 23arm*
hergigteit millen!" bas mar ihr erftes NSort, „fo
tann ich rnich bodh nicht öffentlich [eben taffen."
„Oie arme grau mar [hon geiftig geftört, als
[ie abfuhr," hiefe es in ber Stabt, „jefet i[t [ie total
oerrüdt gemorben."
Oas mar ein tragifefeergrrtum. grau NMrat)
hatte [id) niemals geänbert, audj ba niht, als [ie
ihre maghalfige gahrt unternahm. Sie mar ge*
blieben, mas [ie immer gemefen: einebraoe, Heine
englifhe Hausfrau, bie nur für ihren Niamt lebt,
feine 23ebürfniffe befriebigt, [einen Komfort be*
[orgt, [einem Haushalte oorftefet — turg, eine
Ourhfchnittsnatur; mäfeig fromm, ooll Nutoritäts*
glauben, ber meltlicfeen Sitte [ih leiht unb millig
fügenb. Unb jefet mar [ie plöfelid) beim Oobe ihres
§ettn über ihre ©rengen hiuausgegangen, h^tte
etmas unternommen, bas niht meiblicfe, nicht
mohltemp'eriert mar. Oie £eute [hingen [id)
um ihren Nnblid, man [pannte ihr bie ^jSferbe
aus, man [ah gu ihr auf; in aller;Nugen, in
jeber Stimme fanb [ie ben 58lid, ben Oon bes
Nanteetapitäns mieber. Nian glaubte eine her*
oorragenbe grau in ihr gu finben, einen eifernen
NSillen, unb niemals nod) hötte [ie [ih fo [htoaefe
gefühlt mie eben jefet. ghr ganger [htoaher
Oufeenbmille mar aufgebrauefet morben in einem
eingigen Oage, oerbrannt an einer eingigen ©e*
malttat. geber eingelne mürbe fortan grofee
heroifhe Oaten oon ihr ermarten, unb [ie hotte
nichts mehr gu geben. 2lus ihrem grauenlos mar
[ie herausgetreten, auf ber gangen NSelt mar ferner
tein Nlafe mehr für [ie ba. 2Son gangem bergen
münfhte grau Niurrat) [ih ben Oob:
Ooh blieb [ie leben, ©ott, ben [ie [o inbrünftig
angerufen hatte, oermeigerte ihr biefe ©nabe. Nls
bie ©efhäftsfreunbe ihres oerftorbenen Niannes
bie Sdhulben ber 23ant gegahlt, alle ©efhäfte
liquibiert, bas §aus, bie girma, ja beinahe ben
Namendesjenigen oertauft hatten, ber ihr Sdjidfat
gemorben mar, ba blieb für grau Niurrap eine
Heine Nente übrig, etroäs Nrmlihes, Nihtiges,
Oürftiges. Sie oerliefe bie heifee ©rbe Singapores
unb überfiebelte nah ©nglanb, einfant burd) ihre
Orauer, oöllig abgetrennt oon ihrem eignen ©e=
[hlehte burd) bie eine Oat ber Nahe.
(Oeutfcfe oon ©tfella Kafe)
Russische Typen
,Dwornik'
Der Herr „Gorodowoj“ (Schutzmann)
Hausierer mit Galanteriewaren
Nichtung bes Denfens" oerbädhtigt, unb banrt roirb
es ebenfo ungemütlich, tote es bisher gemütlich toar,
folartge man [ich zur „redfjtlichett Orbnurtg" befannte.
Der Haufierer, ber in bie fiangetoeile bes ^often*
ftehens bes Herrn „©orobotooj“ etroas Nbroechfiung
bringen füllte, ift zum ©lüd nicht oerbäd)tig. 3a»
er roohnt fogar in ber großen 9ftietfaferne, bie ber
Dooontif regiert, unb ift biefem gut befannt. Das
änbert natürlich bie Situation. ©inem greunbe bes
Herrn ©eoatters tut bas Nuge bes ©efefees nid)ts.
SJtan tann ja bie ßangetoeile auch burd) ein Schroäfe*
d)en oertreiben, unb halb enttoidelt fid) gtoifchen bem
Vertreter ber Staatsgeroalt unb bem braoen Hanbels*
mann eine anmutige Unterhaltung ~
Unb geht es fd)ief, nun fo hat's eben nicht füllen
fein — nitfd)etoo! 9Jtad)t nid)ts . . .
Diefern tlaffifchen „Nitfcheroo“, bas fd)on einem
23isntard imponiert hatte, als ber SBagenlenter bei
©atfcbina ben bamaligen ©e[anbten am Petersburger
Hofe unter bem umgefd)miffenen Schlitten begrub
unb ben grimmen 3ornesausbrud) bes in grofeer Uni*
form ftedenben Diplomaten burd) fein harmlofes
„Nitfcheroo, Sarin! 0 — „bas macht nichts, £>err“ —
befd)roid)tigte, biefem tlaffifchen „Nitfdheroo" reiht fid)
roürbig bas ruffifd)e „NtoofC — „üielleidht" — an
bie Seite. Vielleicht geht's unb geht es bod) nid)t,
bann eben — nitfchetoo! 9ln ber Kreuzung zweier
ftel)t ein Schulmann, ©in braoer Kerl, ber es beim
Unteroffizier gebrad)t hat unb es nun für feine Pflidjt hält, furchtbar]
grimmig breinzufchauen. ©r langroeilt fid)... ©in Haufierer läuft ihm
in ben Sßeg. Der füll mal fpiiren, roas Obrigteit bebeutet! „He, bu!
9Ber hat bir erlaubt, hier 3 u hanbeln? heraus mit ben papieren! Safe,
©eroerbefd)ein, Daufzeugnis! Siehft mir ganz wie ein 3ube aus . ..
SBas? 9teben toillft bu and) noch? 3™ oierunbztoanzig Stunben aus*
getoiefen! Sei uns roirb turzer prozefe gemacht!" 2Bährenb bie Sa-
piere bes Hanbelsmannes umftänblid) geprüft toerben, tritt ein „Dtoornif"
ZU ben beiben, ber Hofgetoaltige bes Kaufes. Die Hausnummer mit*
fantt bem Strafeennamen trägt er auf einem Steffingfdjilb um bie Stüfee
gebunben; feine eigne Dtoornifnummer baumelt ihm roie eine Sied)*
mebaille auf ber Sruft. ©r hat nidjt nur Haus unb Hof rein zu halten
unb bie Ntieter zu fd)ifanieren, nein, zu oiel höheren 3weden ift er be*,
rufen. Die Sledjmarte auf feiner Sruft ift zugleid) bie ßegitimation
feiner Solizeigeroalt. 3arool)l! Unb roel)e bem Stubenten in ber Ntanfarbe
feines Haufes, roenn er fid) mit biefem Hausgetoaltigen, ber in grofeen
Häuferrt einen unb oft aud) mehrere ©ehüfen hat, nid)t auf tamerab*
fd)aftlid) guten $ufe ftellt. £Bieleid)t ift man in Nufelanb ber „fozialiftifd)en
_ _ __ _ Som beimat*
liehen Dorfe roirb gefprod)en, oon ben fd)Ied)ten ©rnten
unb bem ©lenb, bas biefe Kinber ber Scholle unb
Daufenbe ihresgleichen oon $Iur unb 3lder oertrieben
unb nad) ber grofeen, gierigen, gefräfeigen Stabt ge*
jagt hat... Der Hanbelsmann tann nun ungel)inbert
jtrafeenl mit bem tleinen Dienftmäbd)en, bas bie bunte Stad)t feiner Namfchtoare
— 1 angelodt hat, ein gröfeeres ©efd)äft abfd)Iiefeen. Dafe er feinen rid)tig*
gehenben ©eroerbefd)ein hat, nimmt ihnt bie Dbrigfeit nicht mehr übel.
2ßo füll ber arme Schluder bas ©elb bazu hernehnten! Nitfchetoo...
£afe gut fein .. . Das macht nichts!
Dem Saffanten folgt eine zerlumpte ©eftalt. ,,Sdjenfen Sie mir
Zehn Kopefen, Herr KoIIega. 3$ mufe meinen zerrütteten ©eift burd)
ein 3Iäfd)d)en Schnaps auffrifd)en." ©iner oon ben ©orfifdjert „ge*
toefenen Ntenfdjen". Der Saffant hat gerabe eine Kupfermünze in ber
Dafd)e. ©r reicht bas 3weifopefenftüd bem Sagabunben. ,,3d) bat um
Zehn Kopefen für einen nüfelidjen 3med, Bourgeois," fagt ber „Kol*
lega". — „NImofen nehme id) nicht!“ Stol 3 roirft er bie Kupfermünze
bem naioen ©eher oor bie 3üfee U nb toenbet fid) hod)erf)obenen Hauptes
oon bannen. Hätte er bie zel)u Kopefen befommen, fo mürbe ber ©eher
eine Danfrebe in roohlgefefetem ft-ranzöfifcf) mit flajfifchen 3üaten oer*
nehmen fönnen, benn biefer „getoefene SNenfd)“ toar einft ein oerI)ätfd)eltes
Ntutterföhnchen aus reichem Haufe, bas in feiner 3ugenb bie Salons ber
mehr luftigen als guten ©efellfdiaft ben Hörfälen oorzog unb als „etoiger
Stubent" immer luftig oon Stufe zu Stufe fanf, bis ihn bas Nad)tafi)I
als treueften Stammgaft aufnahm. <5rtebrich Kranfe
Händler mit selbstgefertigten
Holzwaren
Der Wanderschlosser
Griechischer Hausierer
Ein »gewesener Mensch'
1911. 9tr. 36
Über £anb urtb 9Weer
953
///<
Von
Agra — Senates — Kalfutta
H nerfd)öpflid)es fönnte oon bet Fülle bet ©r=
[Meinungen et 3 äf)It merben, Sie mährenb
bet ßtoet SCRonate in Fubien an uns oorüber*
3 ogen; btei Stätten aber, an benen bet Krom
prüt 3 rneilte, bütfen {ebenfalls in biefett Auffäben
unter feinen Umftänben oergeffen merben: Agra,
Senates unb Kalfutta. Agra mar bet Ort, rno
bie tounbetbate fünftlerifdje ^intertaffenfefjaft in*
bifefjer Sergangenbeit am binreifjenSften 311 uns
fprad); Senates berjenige, too fid) bas blutige
teligiöfe £ebett bes S)inbu mit all feinet Si 3 ar*
retie unb bod) 3 ugleid) ©robartigfeit am bum
teften oor uns entfaltete; Kalfutta, too bie 9Jtad)t
unb bet ©tan 3 bet englifeben $errenftellung in
Fnbien uns am einbrudsoollften entgegentrat
Agra ift eine bet heiligen Stätten bet
s Uienfd)beit; nid)t in religiöfem Sinne, fonbetn
burd) ©rinnerung an Atenfd)engröbe unS burd)
ben Abel tounberooller Kunft. Diefe Stabt mar
bie $auptrefibert 3 bes „©robmoguls“ Afbar, eines
bet gemaltigften s Dtonard)en nnb größten 9Jien=
Fatihpur Sifri, too ibm fein Xbtonerbe
Fehangir geboren mürbe, auf 3 ufd)Iagen.
Unter ber SBirfung feines gemaltigen 2 Bil*
lens unb feiner unbefdjränften AUttel er* (
mudjs bier auf einem gelstüden über ber
meiten F*ud)tebene jene äBunberftabt, bie
nod) beute als eine bet einbrudsoollften,
eigentümlicbften Sebensmürbigf eiten Fubiens gilt.
Auf prad)too!l fdbattiger Kanbftrabe fuhren
mit mit Automobilen in einer Stunbe hinaus;
ber Kronprüt 3 burd)fd)ritt unter Rührung bes
oort bet englifeben Regierung bortbin beorderten
Fadjard)äologen mit bem lebhafteren
- Fntereffe bie großen, meiten §öfe,
fallen, Alofdjeen, Siegestore unb
Srunfgräber, oon benen unfre Silber
einige Seifpiele 3 eigen, unb legte,
mie jeber inbifebe F'ürft hier 3 u tun
pflegt, ein ©aftgefd)enf nieber in ber
aus meinem äRarmor 3 ierlid) mie ein
Kleinob aus ©Ifenbein gefeilten ©rab*
fapelle bes nod) beute oerebrten £>ei=
Iigen Selim, jenes DJlannes, ber Afbar
bie ©eburt feines Sohnes oorher*
gefagt hotte.
Son bie* fuhren mir 3 U bem im
Sfei-r 1 Dorfe Sifanbra bei Agra gelegenen
©rabmonument Afbars felbft, einem
«^|j Denfmal, bas oollfommen ber ©röbe
unb ©igenart bes Cannes entfpriebt,
beffen irbifd)e Uberrefte hier ruhen.
3 n einem groben, hod)ummalIten Sorf
erhebt fid) eine gemaltige Sp*ontibe.
Hfi 9 | 3 ebod) nid)t gefdjloffen mie bie ägpp*
tifeben, fonbern aus burd)brod)enen,
oielgeglieberten Sogenhallen auf¬
©mpfang bes Kronprin 3 en im Salaft bes Si 3 efönigs
in Kalfutta
gebaut, bie in Stodmerfen übereinanber, nad)
oben fid) oerfleinernb, emporfteigen. Das oberfte
Stodmerf bilbet eine offene, oon einer Ieud)tenb
meibert Atarmorarfabe umfd)loffene Slottform, in
beren Atitte nid)ts als ein grober meiber Atarmor*
blöd, ber Denfftein bes dürften, liegt. ASeld)
©ebanfe eines ©rabmals! Aid)t eine bunfle
Kuppel mölbt fid) barübermie fonft, fonbern ber
ftrahlenbe $immel Fubiens, ben er fo liebte, ift
bie Dede feines ©rabes, unb mie eine Opfergabe,
auf grobartigem Altar bem öimmel felber bar*
gebracht, liegt in ber Iid)tglül)enben ©infamfeit
Afbars bes ©toben Sarfophag.
Unb bod) ift and) bies ©rabmal nod) nid)t
bas fd)önfte oon allen ben oielen ASunbermerfen,
bie bie Atogul 3 eit uns I)interlaffen hot. Sonbern
ein aitbres, bas überhaupt urtbebenflid) als bas
fdbönfte ©ebäube Afiens unb als eines ber ooll*
enbetften Kunftmerfe ber ASelt be 3 eid)net merben
barf. Das ift ber Sabfcf) Atahal bei Agra, bas
©rabmonument, bas Schal) 3ebon ber Arjumanb
Sanu, feiner geliebten ©attin, mährenb ber 3 ^it
unfers Drei big}äbrigen Krieges errieten lieb-
Sd)ab 3^hon ift ber 3 meite Aad)folger Afbars,
berjenige unter ben ©robmoguln, unter bem
ber Srimf bes £>ofes ben l)öd)ften ©ipfel erreichte
unb felbft nad) ©uropa l)inüberftral)lte. ©r mar
unter ben Alogulfaifern oielleicht ber allerfünft*
lerifdbfte ©eift, ein Sd)melger in meibem Alarmor
Siegestor in Fotibpur Sifri
fd)en ber A3eltgefd)id)te. ©r hot mand)e eigen*
iümlicbe Serübrungspunfte mit griebtid) bem
©roben, infofern aud) er oerfd)iebene ©igen*
febaften eines dürften in fid) oereinigte, beren
jebe eht 3 elne fd)on genügen mürbe, ihm böchften
Auf)m 311 ermerben; er mar ein glän 3 enber Felb*
berr, ber fein fd)mer gefährbetes Aeid) burd) alle
Stürme hioburdbführte unb einen groben Deil
gan 3 Fhüüens bem3epter ber Atoguln untermarf.
©r mar oielleicht nod) bemunbernsmerter als
Sd)öpfer unb Leiter einer auberorbentlicben
ftaatlichen Sermaltung. ©r mar ein fünftlerifd)er
©eift erften Aanges; bie berrlidjen Sauten, mit
benen er bie Stäbte feines Aeidjes erfüllte, finb
3 eugen baoon. ©r mar enblid) 3 ugleid) aud) ein
Shilofoph, beffen erhabener Sinn in leibenfebafts*
lofer Klarheit über ben religiöfen Streitigfeiten
unb Fanatismen fd)mebte, bie bie inbifebe Aklt fo
tief burdbfetjen, unb jebeit nad) feiner Foffon
felig merben lieb- Unb über bent allem ftanb
bei ihm, gans mie bei F*kbrid), bas eine grobe
©efühb bas ihn bis 3 um lebten Atem 3 uge be=
l)errfd)te, bas ber Pflicht.
3n Agra erinnert au Afbar oor allem bas
oon ihm erbaute Königsfd)lob, heute bas „Fort“
Selim Difd)tis ©rab in Fotihpur Sifri
954
Über £artb unb SJleer
1911. 9Zr. 36
unb jener foftbaren Pietra-dura=9Irbeit, jener
9Ptofaitbetoration aus farbigen £jalbebelfteinen, bie
bamals aus galten I)ierber eingeführt roorben
toar. 9Benn man oon ber öftlid)en Umtoallung
bes ftaiferfdjloffes oon 3lgra über ben ^a^ma-
jtrom I)inüberj^aut, ber bort einen fd)ön=
gefcf)toungenen ©ogen hübet, bann grüfct über bas
2 Baffer aus ber gerne e j n © e bäube herüber, bas
eher ein 9Ptärd)engebiIbe aus Daufenbunbeiner
©ad)t ju fein fdjeint als 2Birflid)teit. Der £abfd)
SPlahal, bas beifet ftrone bes ©alaftes, ber einft-
malige Ditel ber Slrjumanb ©anu, liegt roie
■ültbars ©rab in einem prachtoollen, I)od)um=
mailten ©art. Schon fein ©ingangstor ift fo
fd)ön unb großartig, ba& man feinettoegen allein
bereits t)iert)ertoanbern toürbe. SBunberooII über
alle ©efchreibung aber ift bie 2 Birtung, roenn
man biefes Xox burd)fd)reitet unb nun in feiner
©ogentoölbung toie eingerahmt plb^Iid) bas ©ilb
bes bunten ©artens erfd)eint unb über ©m
fdfroebenb, mibergefpiegelt oon einem marmor-
gefaxten SBafferbeden, ber mildjroei^e Dom, ber in
91fbars ©rabmonument bei 91gra
ben ©rabftein, toieber einen einfa©en polierten Deilen bes fianbes in S©aren oon £junbert=
SPtarmorblod, iiberfät aber mit ben toftbarften ©bei- taufenben in bent ©nen unermeßlich Ijeiligen, alle
fteinblumen, bie ausfehen, als hätte bie §anb ber Sünben Iöfd)enben Sßaffer ber 9Ptutter ©anga;
fiiebeno© einen lebten Strauß barüberausgeftreut. am Ufer brängen fid) in ben Tempeln unb auf
Sdjauer bes Uralters umgeben ©enares. ben ©abetreppen ©eter unb ©üßenbe, l)a!boer=
$ier barf man fogar unbebenflid) ben Super- rüdte gatire unb geroe©te fti©e; auf ben ©er-
latio gebrauchen unb fagen, es ift bie I)etligftc all bremtungspläßen flammen bie Sd)eiterl)aufen
ber 3 al)IIofen he^^gen Stätten einer mehr benn berer, bie X)icrl)erpügerten, um an ben Ufern
3 toe©unbert SPtillionen 3 äf)lenben ©eoölterungs- bes t>eitigcn Stroms 3 u fterben, unb auf feinen
maffe, bie unbebingt bie religiöfefte ber ©Seit ift, fluten treiben bie Hberrefte ©rer oom <rjol 3 ftoß
roenn man mit ©eligiofität bie Durchbringung in ben gluß getoorfenen Körper, nad) ihrer
unb ©et)errf©ung bes ganzen Dafeins mit 9Pieinung, bem allempfangertben SBeltojean 3 U.
religiöfen ©orftellungen unb §anblungen meint. ©enares' Schönheit, fein romantifcher Ptei 3 liegt
gahrtaufenbe gingen über ©enares bahin, ©ene- lebiglich an feinem Slußenranbe, am ©anges. ^Iuf
rationen 3 ogen oorüber in evtblofer golge, dürften* fteil 3 um SBaffer hmabfallenbem Ufer 3 iet)t fid) ©er
gefd)le©ter roed)fe!ten, ©laubige errichtetenDempel bie oier englif©e teilen lange glußfront ber Stabt
unb Elitäre, ©roherer tarnen, bie fie toieber oer- in majeftätif©em ©ogen bahin. dürften unb
toüfteten, Unterbrüder, bie oerfuchten, mit Stiel Reiche haben getoetteifert, bie oom hohen Ufer-
unb Stumpf bie £>inbureligion aus 3 urotten, unb ranbe hernieberfteigenben Zugänge 3 um Strom mit
heut toie immer haben bie SBallfahrer aus allen ©rad)tbauten, ©hats genannt, aus 3 uftatten: riefen-
Der ftronprin 3 im ©roßmogulpalaft mtbars
©ingeborene am ©ingang bes £abf© PJtahal
bas fchimmernbe ©lau bes Rimmels emporfteigt,
eben© großartig burd) feine getoaltigen Dirnen-
fionen: bie Spiße erhebt fid) bis 3 U 80 SPietern
über bem ©oben, roie burd) ben reinen 2 IbeI
feiner einfachen, aber oollenbet [djönen £inien
unb ber ätijerijdj 3 arten garben, roie enblid) burd)
bie ftoftbarteit feines PPiaterials, bes ebelften
roeißen 9Jiarmors mit Slrabesten aus farbigen
$albebelfteinen. gm grtnern ber mächtigen
Kuppelhalle bes 3cntraIbomes, in beffen Däm¬
merung bas oon gnbiens ©lut geblenbete ©uge
erft lange 3 eit braud)t, um überhaupt ettoas
beutlid) 3 U ertennen, bann aber ent 3 üdt unb be=
raufdjt ift oon bem gra 3 iöfen Spiel bes herrlidjen
Defors ber 2ßäube, liegt bas ©rub ber grau,
bie bas granbiofefte £iebesbentmal ber ©rbe be-
fit© innerhalb eines a©tedigen ©itters oon
töftlichfter burd)bro©ener PPiarmorarbeit fieht man
Pietra-dura=9Bert im ©roßmogulpalaft oon 9Igra
1911. 9lr. 36
itber £artb unb $Keer
955
heiligen Stroms, errietet rourbe,
um bie fidnbugläubigen jo tief
rote möglich 3 U oermunben unb
3 U bemütigen. Dod) oll bieje
Dinge unb bie phantaftifd) bunten
Svenen bes Sabetreibens anben
kreppen ber ©hats fd)ilbern
oiel beffer als 2 Borte einige ber
Photographien Aufnahmen,
bie id) oon ber Sorte bes
51ronprirt3en aus machen tonnte.
2Beld) ein ©egenfaß 3 U bie*
fen feltfamen Silbern aus einer
uns tieffremben 2Belt, einer
Stätte, too fid) bie unfrer Art
am fernften liegenben Seiten
bes inbifcßen SBefens entfal*
ten, bilbete bann ftaltutta,
bie gtänjenbe, oon mo*
bemem fieben braufenbe s D?e*
tropole bes britifd) = inbifd)en
fiaiferreid)s unb feine ooltreid)fte Stabt,
fefet fid) aud) l)ier bie eine SCRilliort überfteigenbe
Seoölterungsmaffe übercoiegenb aus $inbus
nieberer ftlaffen 3 Ujammert, bie ihre Tempel,
ihren Aberglauben, il)re heiligen Säber im ©anges*
jtrom höben — ber Aame ftaltutta fomrnt oon
Der üronprins an Sorb ber Sorte bes 9Raharabfd)a oon Senares
auf beut ©anges
haften Freitreppen, bie toie ilastaben hernieber*
jtür 3 en, großartigen Uferfcßußbauten bahinter in
Form oon ard)itettonifd) geglieberten SBällen, oon
Dürnten geftüßt, ‘ipaläfte tragenb. Febes ©hat
anbers in jeiner tühnen Ard)itettur, jebes ohne Aüd*
fid)t auf bas artbre hingeftellt; bas ©an 3 e ein Silb
oon fo romantifcher Shontaftif,
als fei es nicht 2Birtlid)teit, fon*
bern eine Dorefd)e FHuftration
3 U irgenbeitrem Kapitel aus " I TCt
Ariofts Aafenbem Aolanb. Mihi- -löM
Fn mehreren Sooten fuhren ] J|fcj
mir in früher ÜJJlorgenftunbe jtrom*
abmärts baran entlang, ber 5tron= '
prin 3 mit einigen Herren bes ©e* 7pNl»Äp^§
folges unb bem Serfajjer auf einer
Sruntgonbel besäRal)arabfd)a oon
Senares mit fd)arlad)getleibeten
Äuberern, oergolbetern Saoillort
unb einem großen Sfcm am 2$ug.
2Bie eintinematograpl)ifd)es£Ban
belbilö rollte fid) fo bas feltfame, 9
märd)enbunte, bi 3 arre, ei.
fiebert auf ben Sabetreppen oor
uns ab. £ier mäl 3 ten fid) bie
Aaudjmolfen ber §ol 3 ftöße bes
Serbrennungsghats, bort brärrg*
ten fid) bie Siebten ©laubigen*
maffen bes befonbers heiligen
äRanitharnita* ©hats, h^r ragte
ber Sruntbau bes 9Jlaharabfd)a
Fai Singh oon Faipur empor,
auf bejfett Dad) fid) eines jener
feltfamen aftronomifd)en Obfer*
oatorien biefes Fürften befinbet,
mie mir in einem früheren Auf*
faß eines befdjrieben haben, bort
ber ehemalige Solaft91ana Sahibs,
bes berüchtigten Serräters aus
bern Aufftaub oon 1857. Auf ber
£jöbe reett fid) mit fd)lanten, biinnen
Minaretten ßodj über alle anbern
Sauten bie 9Jiofdjee bes ©roß*
moguls Aurangfib, bie einft oon
biefetn _fanatifd)en äRohamme*
banerfürften hier ausbriidlid)
auf Senares' meitßin fid)tbar=
ftem Swntte, im Angefidjt bes
Oben: Sabetreppen in Senares
Unten: Serbrennungsplaß am ©anges
Die §uglibrüde in Kalfutta
Der 51ronprin3 befud)t bie £omrah=Futefabrit in Äaltutta
1911. ttr. 36
956
Über £artb unb 9JIeer
• GS#£9G*#£9G**£9G*#£9G*#£9G**£9G*#£9G*#£9G**:i9G*#£9GS#!^>G?4£9G*#£9 • G*4^G**^G**s^G*#!^G**^G*#^G?*^G*#£9G*#i^)G**££>G*#£9G*#££>G*#!^> •
£lrfur 'Fürft: ^aläfte ber Arbeit
• G*#^G*#^G*#^G*#^G*#^GV*^GV*££>G*#£9G**£9G**££>G**£9G**£9G*4£9 • G*#£9G*#£9G**££>G*#!^>G*#i^>G?#£9G*#£9G*#£9G*#N£>GS#!^>G**£9G*#!^>G**££>*
'TN er ©ebanfe, bah aud) ein Fabrif*
/<J gebäube fd)ön gebaut merben
fönne, ift ein ftinb erft ber aller*
neuesten 3 eit. ^BisT^er maren biefe
Käufer [o gut mie immer freublofe
Feftungsbauten, an beren Doren bem
£id)t, ber £uft ber (gintritt oermehrt
marb, ©ebäube mit f leinen, minfligen
Räumen, bie man mit Xfnluft betrat,
mit Freube oerlieh- ©efängniffe,
ftafernen unb Fabrifen mürben in
bemfelben [djönen Stil gebaut, ob*
gleich bod) bafür nid)t bie geringfte
3 toingenbe Urfad)e oorlag. ©tan über-
fab oollfommen, bah ein bäklidies
Fabrifgebäube ben Arbeiter nieber*
brüdt, bah aber eine fd)öne Schaffens*
ftätte bas ©er[önlid)feitsgefüf)l bes
©ßerfmanns fteigern unb ü)n fröf)Iid)er
3 ur Arbeit mad)en muh-
Die Allgemeine ©leftri 3 itätsge[ell=
fd)aft in ©erlin hat als erfte unter ben
Fabrifen bie Vorteile erlannt, bie
belle, hol)*» ftf)öne Arbeitsräume j>u
bieten oermögen. Freilid) genügte biefe
(grfenntnis allein nid)t. ©s galt aud)
einen Äünftler 3 U finben, ber ©er*
ftänbnis für bie nid)t leichte Aufgabe
befah, ein fd)önes Fabrifgebäube 3 U
[djaffen. Denn hierfür ift bie An*
menbung gan 3 anbrer ©runbfähe nötig als für
bie (grrid)tung präd)tiger ^rioatpaläfte ober
[dpnuder ©illen. ©ine Fabrifationsgefellfd)aft
[teilt ein Unternehmen bar, beffeit einiges
3iel es ift, ©elb 3 U geminnen. ©Senn man
and) nod) fo fehr beftrebt ift, ben fo 3 ialen ©e*
ftrebungen ber Arbeiterfd)aft fomeit mie möglich
nad) 3 utommen, fo muh bod) immer forgfältig
barüber gemacht merben, bah bie Ausgaben für
bie fo 3 ialen ©inrichtungen eine gemiffe £öhe nid)t
überfteigen. Denn am ©nbe bes Jahres muh un=
bebingt ein Untemehmcrgeminn gebud)t merben
fönnen. Die Ausgabe für ein §aus oon ber Aus*
bebnung eines großen Fabrifgebäubes ift nun ein
Faftor, ber nicht unmefentlieh auf bie ©ilan 3 ein*
mirft. ©tan barf barum moI)I fdjön bauen, aber
man barf nid)t 311 teuer bauen. Der 3 m ©titarbeit
berufene Zünftler fann fid) feine Arbeit alfo nicht
bequem mad)en, inbem er bie Fabrif einfach nach
benfelben ©runbfähert errid)tet mie etma einen
großen ©alaft. Afthetifd)e äBirhingen burd)
©tarmor* ober Sanbfteinfronten finb gan 3 gemifj
ausgefd)Ioffen. ©s gilt oielmehr, aus billigem
Material eiubrudsoolle formen 3 U geminnen,
mit ben einfad)ften Mitteln gute Käufer 3 U er*
richten.
Die Allgemeine ©leftri 3 itätsgefellfd)aft hatte
nun bas ©Iüd, in ©eter ©ehrens einen Zünftler
311 geminnen, beffen ©igenart allen gorberringen
entfprad), bie an einen Fabrifard)iteften geftellt
merben müffen. ©rofeffor ©ehrens' Staffen ift
mobern im beften Sinn. Seiner Formgebung
liegt alles ©i 3 arre, eigenfinnig ©emollte fern.
Schon bie oon ihm entmorfenen ©töbel 3 eigen,
bah er bie Unruhe nicht für ein ©Iement ber fünft*
Ierifd)en ©Sirfung hält, ©r meibet bie toll ge*
morbene £inie, bie fo oiele ©tobernen für ihre
„©igenart“ ausgeben, unb flicht feine ©Birfung 3 U*
meift in ber Flädje, in ber fräftigen 3 urfd)au*
Stellung bes ©taterials. ©or allem aber ift er einer
jener genügenb auf bem ©oben bes ©ealen
ftehenben Zünftler, bie il)r ©Serf immer gleich im
©taterial benfen unb barum aus bem gegebenen
Stoff bas ©efte, bas er hergeben fann, heraus*
3 uentmicfeln oermögen. Darum ift er imftanbe,
aud) aus einfad)en ©runbftoffen ©auten oon
ftarfem ©inbrud 3 U fd)affen.
©erabe in biefer £infid)t ift fein intereffanteftes
© 3 erf bie grofce 1 §alle für bie Durbinenfabrif ber
Allgemeinen ©leftrisitätsgefellfchaft in ber Jütten*
ftrafee 3 U ©erlin. Seit fur 3 er 3eit erft tpirb ein
aufeerorbentlicb bilbfames unb oerl)ältnismähig
fehr billiges SOfaterial für ben ©au oon Käufern
oermenbet. ©s ift bas ber ©eton mit ©ifenarmie*
rung. Die ©ebäube aus ©ifenbeton merben nicht
mehr aufgemauert, fonbern, mit Ausnahme bes
Stühgerüftes aus ftählernen Pfeilern, in ber benf*
bar einfachften ©Seife hergefteilt, nämlich gegoffen.
ftraftftation ber Durbinenfabrif in ber ^uttenftrahe 3 U Serlin
©on Steter ©ehrens
Der ©eton, ber bas ©ifengerüft oollfommen um*
hüllt unb in fid) ein[d)lieht, um es bei einem etma
ausbred)enben ©ranb oor ber £ihe 3 U fehlen,
mirb als eine breiige ©taffe 3 mifd)en $ol 3 formen
an Ort unb Stelle eingeftampft. ©Senn ber ©eton
erftarrt ift, hot er fid) mit bem eingelegten ©ifen*
gerüft fo innig oerbunben, bah beibe 3 üfammen
eine auherorbentlid) miberftanbsfähige ©tauer bil*
ben. Doch biefe ©lauer fieht unfd)einbar, grau
unb eintönig aus, unb bie bequeme ©töglid)feit bes
©informens oeranlaht bie ©aumeifter bei ©eton*
häufern meiftenteils ba 3 u, in taufenb bunten
Ornamentd)en 3 U fchmelgen, bie für Dapeten*
mufter ausge 3 eichnet geeignet finb, für Käufer*
. fronten aber burd)aus nicht paffen. ©el)rens'
Durbinenl)alle 3 eigt aud) nod) nid)t einmal ben
Anfah 3 U einem Ornament. Sie ift ausfd)liefelid)
auf bie monumentale ©Sirfung ber breiten Fläche
geftellt, bie hier 3 U einem granbiofen ©inbrud ge*
fteigert ift. Da 3 U mar jebod) ©orbebingung, bah
erft einmal bie graue £angmeiligfeit ber ©eton*
Oberfläche befeitigt mürbe, ©ehrens gelang bies
ebenfo einfad) mie grünblid), inbem er bie glatten
Sßänbe mit bem Jammer grob unb rauh fd)fagen
lieh, moburd) eine helle, [cf)öne, fanbfteinähnlid)e
Färbung entftanb. *) Die beiben fehr
träftigen ©dpfeiler ber Front oer*
jüngen fid) Ieife nad) oben, um bort
ben mächtigen ©iebel mit feinen fd)arf
anfteigenben Äanten 3 U tragen. 3 ^
ber ©Ritte ift ein Ieife oorfpringenbes
riefiges Fenfter eingefeht, beffen grün*
lid)e Scheiben oollfommen Iid)tburd)=
läffig finb, aber feinen ©lid in bas
3 nnere bes Kaufes geftatten, fo bah
bie ©uhe ber Front nicht geftört mirb.
Die auherorbentlid) lange Seitenmanb
geminnt ihre fehr ftarfe ©Sirfung nur
aus ber immer erneuten ©Sieberl)oIung
besfelben Formelements, ©in 00 m
©oben bis 3 um Dad) ragenbes F^rtfter,
mieber aus grünlichem ©las, mirb
flanfiert oon 3 toei eifernen Drägern, bie
burd) ihren grünen Anftrid) mit bem
Fenfter unb feinen eifernen ©ippen
311 einer ©inheit 3 ufammengel)en. Die
Dräger oerjüngen fid) nad) unten, fo
bah ko* ©an 3 e Ieid)t unb fd)toebenb
ausfieht. Das §aus hübet in bem
großen Fobrifenoiertel bes nörblid)en
©harlottenburg ein ©Sahr 3 eid)en. ©s
ift eine Oafe in einer ard)iteftoni=
fd)ert ©inöbe. Xlnb es fann feinem
3 meifel unterliegen, bah biefes ©el)=
rensfd^e ©}erf Schule machen mirb.
3 umal menn man bas 3 nnere ber §alle betritt
unb mal)rnimmt, bah h^r bie benfbar günftig*
ftett £id)toer!)ältniffe er 3 ielt finb. ©tan I)ot bas
©efühl, bah es hier brintten heller fei als im
Freien. Denn überall flutet bas £id)t burd) un*
geheure gläferne ©Sänbe über bie ©tafdjinen. ©s
ftrömt oon allen oier Seiten unb 00 m Dad) her*
nieber, es bringt bis in ben lebten ©Sinfelunb
mad)t bie ©tenfdjen, bie hier arbeiten, froher 3 um
©Serf. 9tid)ts eigentlid) erinnert hier mehr an
einen Fabrifraum. Die §alle ift ein Feftfaal für
©tafd)inenbau. ©tan fühlt: nur ein heiter fchaffen*
bes ©efd)Ied)t fann hier am SBerf fein, um bie
riefenhaften Durbinen* unb Di)namoteiIe fertig*
3 u[tellen, jeber ein 3 elne S^affenbe muh fiä) hier
als ©lieb in einem mächtigen ©an 3 en fühlen, ber
Arbeitsfflaoe I)at aufgel)ört 3 U exiftieren. Unb in
ber Dat hat bie Allgemeine ©leftri 3 itätsgefellfd)aft
bie ©rfal)rung gemad)t, bah fief) feit ©rrid)tung ber
neuen fd)önen Fobrifl)äufer il)r Arbeitermaterial
meiter oerbeffert hat. Die £eute haben ein perfön*
Iid)es ©erl)äitnis 3 U ihrer Arbeitsftätte gemonnen,
unb fie fühlen aud), bah aus biefen ©äurnen feine
*) ©gl. bie Slbbilbung in 9lr. 21, 6. 560 oon „Über Sanb unb
©leer" redjts oben in bem SIrtilel „lurbobijnamo" oon Ülrtur Sriir[t.
Fnneres ber Durbinenfabrif in ber ^uttenftrahe 3 U ©erlin
mät)lid) 3 U ber notwenbigen Sr eite
aus, fo bafc bie $enfterreif)en red)ts
imb Itnfs baneben feinen beträd)t=
Tigert Statten ntel)r betommen.
Stenn man betrautet, wieoiel £id)t
beit älteren $abritgebäuben gerabe burd) bie
kreppen entßogen wirb, fo leudjtet ber Aut;en
SBafferturm ber Stafdjinenfabril; in ber Soltaftrafte 3 U Serlin
biefer ilonftruftion fofort ein. Die gefamte Einlage
ift trotj itjrer auffallenben Sd)önl)eit fo praftifd)
burcf)gefül)rt, bafj man auf
- 8000 Quabratmetern ©runbfläd)e
33 000 -Quabratnteter nutjbarer
gläd)e jur Verfügung t)at. Das
SJtauermaterial ift roter Sacfftein,
ber burd) eingelegte fd)war 3 blaue
ftlinter einen fet)r fremtblidjen
warmen Don erhalten t)at.
I Die oielfeitigeDätigfeit Seitens'
beweift aud) ein fel)r f)übfd)er
Ausftellungspaoillon für bie ßr=
3 eugniffe ber Allgemeinen (Elef=
tri^itätsgefeXIfdjaft unb ber barin
■ran^^l ftJl aufget)ängte mächtige 5Xronleud)=
ter. (£infad)I)eit unb ftraft finb
M BllM ^ie ^ etm 3 e ^) eit au d) biefer An=
Sei ber aufcerorbentlid) großen
'TlfäiBua ber Sabrifl)äufer gerabe
üätiismffiM irc bem 3nbu[trielanb Deutfd)Ianb
ift es mit $reube 31 t begrüben,
; Gleftriäitäts* bafe aud) biefe Sauten enblid)
nad) t)5t)eren ^rin^ipien als bem
Stanbpunft ber bloßen ÜRütjUdj*
feit aufgefül)rt werben, ^fatereffant aber ift bie
Seobadjtung, bafe bie Äunft, wie überall, fo aud)
l)ier einen förberfamen Gtnflufj übt, bafj bie
^Jaläfte ber Arbeit unßweifelliaft auf bie ^ßro=
buftionsluft ber Arbeiter unb bamit auf bie $ro=
buftion felbft in günftigem Sinn einwirfen.
^aoillon in ber Sd)iffbauausftellung 1908. Son Steter Seitens . j \
958
Über £anb unb 9JIeer
1911. $Rr. 36
SitBiato Hilft ftcr IMk Äutorc
93on
SHfreö Steiniger, TOirt d£)en
(§ter3ufict>en?lbbilbungen nad) s )lufnal)men bes 93erfa[fers)
feinen ber intereffanteften Ausflüge oon Sont
bietet ber Sefud) oon Subiaco. Das oon
hohen, 3 utu Deil bexoalbeten gelsbergen gerahmte,
oon bem triftalltlaren Sniene burd)raufd)te Dal mit
beu an ©raten I)inauftletternben ober in toinb-
gefd)ühte gelsteffel eingebauten, mauerumgürteten
Sergbörfern getoäI)rt eine gülle ent 3 üdenber Silber
unb bantbarfter Spaziergänge. Ster fid) weiter
in bie Serge roagt, trifft noch uralte, ftunbenlang
ausgebel)nte Suctjenroälber, beren fd)üt)enbes
Slätterbad) felbft bie italienifdje Sonne nid)t 311
burd)bringen oermag. Der lanbfd)aftlid)e ©Ian 3 =
puntt ift Subiaco felbft, bas, auf einem fid) ppra-
mibenartig erhebenben Serg aufgebaut, fid) nal)e 3 u
I)unbert Steter über ben gluf) ergebt, in beffen
SBaffer bie ©runbmauern ber unteren Stabtteile
fufjen. Suf ber Spihe bes Serges ragt bie roeit-
befjerrfd)enbe „Socca“, bie, im elften gahrhunbert
00 m Senebittinerabt gohamtes V. erbaut, ben
triegerifd)en Albten bes benachbarten Klofters als
3mingburg bienen muhte. Stit ber Sufhebung ber
geubalgerid)tsbarteit burd) SPapft SenebittXIX.
(1753) enbete bie roeltlid)e $errfd)aft ber Sbte,
bie ben Leuten immer nur ein Sdjreden roar.
Unter bem Krummftab toar es in Italien nie
gut toofjnen. Sod) l)eute tragen bie umliegenben
Sergbörfer ben Stempel ber bitterften Srmut; bie
Kolonen I)aben oft ftunbenlange Stege 3 U ben im
Dal gelegenen gelbem unb Ölbäumen unb muffen
in ber trodenen gahres 3 eit bas SSaffer ebenfo-
roeit Ijinauftragen. ^ius VI., ber aud) als ^ßapft
Karbinalabt blieb, machte oieles roieber gut,
Panorama
1527 oon Napoleon örfini ben Druppen ©Ie=
mens' VII. fdjimpflid) abgenommen unb inert-
toürbigerroeife unter ber fpäteren päpftlid)en §err-
fdjaft an ihrem ^Iatje beiaffen. gd) war f° boshaft,
ben mid) begleitenben Sruber nad) ihrer $erfunft
3 U fragen. ,,Un’ antichita,“ antroortete er ad)fei=
3 udenb. Sel)r erftaunt
roar id), in ber fieinen
SibIiotl)et mit ben
erften in gtatien ge-
brudten Südjern ein
großes Porträt bes
Königs 3 U finben. ©s
beroeift btes, bah ber
Senebittinerorben
ber friebfertigfte ber
gebilbeten £>rben ift.
Son Santa Sco-
laftica fül)rt im gels-
gehänge, l)od) über
bem Snienetal, mit
tounberoollen Süden
auf Subiaco unb fei¬
nen Sergtran 3 , ein
Steig nad) bem Hei¬
neren Klofter Sacro
Speco. Stan tritt
burd) bie niebrige ftei-
nerne Pforte in einen
ehrtoürbigen §ain ur¬
alter Steineid) en unb
ftel)t plötjlid) oor einer
faft fentred)ten; gels¬
Subiaco
garten, in bem bie Sofen gerabe in Slüte ftanben.
Der Siograpl) St. Senebifts, ©regor ber ©rohe,
er 3 äl)It, bah bie ^pt^antafie bes jungen ^eiligen
einftmals fo erregt 03ar, bah er, ber Serfuchung
faft erüegenb, mit bem Aufgebot ber lebten mora-
Iifd)en Kraft ben nadten Körper im Dorngeftrüpp
mäl 3 te, um bas unreine geuer aus 3 ulöfd)en.
Sieben gal)rl)unberte fpäter pfropfte St. gran 3 is-
tus biefen Dornen bie Sofenreifer auf, beren
Slüten nun ben ©arten mit füjjem Duft erfüllen.
gn ben gelstoänben bes Stonte Sutore, bes
höchften ©ipfels ber Sabinerberge, liegt bas be¬
rühmte Santuario bella SS. Drinitä, faft 1400
Steter I)od) gelegen unb nur in ermübenber fieben-
ftünbiger Stenberung oon Subiaco aus 3 U er¬
reichen. Sur einmal im gal)re, am erften Sonn¬
tage nad) Sfingften, bem Drinitätsfefte, ftrömen
aus roeiter Hmgegenb bie £anbleute herbei, um
il)re Snbadjt 3 U oerrid)ten unb bem „^ianto",
einem mittelalterlichen ^ßaffionsfpiel, an 3 uroohnen.
3ehn Ul)r abenbs brach id) mit Setannten aus
Som oon Subiaco auf; es maren ein Kunftl)iftoriter,
ein Staler unb ein früherer ©eiftüdher, alfo für
alle Seiten bes 311 erroartenben Schaufpiels ein
fadjoerftänbiger Referent, ©sumr eine 3 auberifd)
fchöne Sollmonbnad)t. Der 2ßeg führt 3 unäd)ft
3 toifd)en Olioenbäumen, beren phantaftifches ©e=
äfte fid) in fdjarfer 3 ^<l)nung oont tnilchblauen
Fimmel abhebt, toährenb bie 3 arten Slätter 00 m
filbernen $aud)e bes älionblid)ts erglühen. 9lm
hellfd)immernben 5Ialtgeroänbe 3 ieht ber 2Beg in bie
§öl)e; oon blauem £id)te überflutet, liegt bas Dal;
5 !reu 3 gang im 51Iofter bi Santa Scolaftica
roas feine Vorgänger oerbrod)en hatten; er
fd)miidte ben 3 ur Stabt erhobenen £>rt mit 3 ahl=
reifen Sauten unb legte bie fd)ötte Strafe oon
Diooli itad) Subiaco an, mofür il)ut bie Subia-
cefen ben Driuinphbogen am Dore errichteten.
gluhanfojärts, an gnbuftrieanlagen oorbei, bie
als s JlegaI ber .9arbinaIstommenbe ben Subiacefen
bie ÜBaffertraft bes 9lniene ent 3 iel)en, führt ber
9Beg 311 ben älteften Senebittinertlöftern bes
91benblanbes. Der Stifter bes Örbens rourbe ber
Überlieferung 3 ufoIge 480 geboren, lebte mehrere
gahre in einer §öl)le bei Subiaco unb fammelte
bort eine Schar ©Ieid)gefinnter um fid), bie in
3 mölf Älöftern af 3 etifd)en Segeln hulbigten. ©in
s üriefter bes nahen Sifooaro oertrieb ben heiligen
Senebitt, inbern er boshafterroeife fchöne 9Säbd)en
nad) ben 51löftern fd)idte, roorauf ber ^eilige nad)
Sionte ©afiito loanberte unb bort 529 bas ftlofter
grünbete, roeId)esbas9Jtuttertlofter halb in Schatten
ftellte. Die ©efd)i(^te ber 3 toöIf ülöfter ift un=
betannt, fie fdjeinen oon ben Stellen ber Sölter-
roanberung meggefdjroemmt toorben 3 U fein, nur
bas Stonaftero bi Santa Scolaftica, ein eigentlid)
aus brei illöftem beftehenber itompler, ift übrig,
gn ber 5IIoftertirche hängt eine päpftlid)e gähne,
roanb, an ber ein
©el)äufe oon ©e=
bäuben angeflebt ift.
Das gnnerebesftlo-
fters eine Iabi)rinthi=
fdje Einlage oon fiei¬
nen 5ürd)en unb Ka¬
pellen, oerbunben
imrdh Dreppen unb
©änge, 3 um Deil in
natürlid)e ©rotten
eingebaut, beren©e=
ftein ba unb bort
3 toifd)en ben reid)-
bemalten 3Bänben
fid)tbar roirb, beim
alles ift mit gresfen
aus bem Vebeit
Senebitts bebedt.
Stau fteht oor einem
Silb oon gait 3 mun-
berfamer mittel-
alterlid)er 2 Birtung.
©nt 3 üdenbiftaud)
ber fleine gelfen-
§of mit Srunnen im Klofter bi Santa Scolaftica
1911. 9lr. 36
Über £anb unb 9Jteer
959
bas StonbIid)t oer*
bleidEjt 3U hartem
©rau, bann fchiefjen
Sonnenpfeile über
bas Jirmament, unb
mit einem Stale hebt
fid) ber blenbenbe
Sali sur Dagesfahrt;
eine Lid)tflut ergießt
fid) über bte fdptee*
igen ©ipfel, fie ftrömt
I)inab in bte Däler
unb formt bte ftuliffen
3U greifbarer ^laftif.
Das Panorama ift
tounberooll, es reicht
ootn ©ran Saffo bis
3unt Steer — rote
roäre es möglid), bies
Süb, bas ben oierten
Deil ber $albinfel um*
fafet, 3U betreiben!
Die 3 eit brängt nun
3um Sufbrud), roir
geführt ootn Ortsgeiftlichen unb unter Sor*
tritt einer mifjgeftimmten 23 Ied)mufif, bte meift*
getleibeten „titelte“, ©s finb bies bie Jungfrauen
oon Sallepietra, bem ifjauptorte bes Simbrtoto*
tales, bie 3U Oftern bes Jahres 311m erftenmal
tommuni3ieren. Sie haben oon alters her bas
Sorred)t, ben ^tanto auf3uführen, eine in mono*
toner Scbe unb ©egenrebe beftehenbe ©r3äf)lung
ber Leibensgefd)id)te bes §eüanbs, ber bas Soff
anbad)tsooll Iau[d)t. Sad) Schluß bes ‘ifHanto ift
bie Jeier beenbet, unb fd)leunigft eilt alles fort,
benn ber §etmroeg ift lange unb erntübenb, 3urttal
nad) ber im Jreten oerbrad)ten Sad)t. 3 ur Süd*
tehr roählten roir ben gleiten SSeg, bcrt mir ge*
tommen toaren, nur mit Umgehung bes ©ipfels,
benn ber Daltoeg ift länger unb heiffer. Stit
©enugtuung betraten mir nad) 3toöIfftünbigem
Starfd)e, ber fdjliefflid) über ben ermeid)ten Schnee
red)t mühfant mürbe, bas Albergo, an beffett
Sd)toelle uns bie Sabrona mit ber Stitteilung
empfing, bah bie Stal)l3eit fofort „pronto“ fein
merbe. 23 erufspflid)ten riefen meine Jreunbe nod)
abettbs nad) Som 3urüd; id) blieb nod) in Subiaco,
um bie Südfehr ber pilgernben Subiacefen an3U=
Sallepietra
in blaugetönten Silhouetten fd)ieben fid) bie
Sergfämme unb ©rate burcheinanber, oon ab*
grunbtiefen fd)mar3en Schatten getrennt. Sad)
3meiftünbigent Steigen erreichen mir bie §od)fIäd)e
bes ©ampo bell' Offo. Uber bie fd)toar3e, nur
fpärlid)e 5rud)t tragenbe ©rbe ift fonberbar ge*
formtes,meihgIän3enbes Steingetrümmer 3erftreut,
bas ben ©inbrud eines trtodhenbebedten liefen*
friebhofs ermedt. Dann tommt 23 ud)enmalb, ber
uns nad) einer halben Stunbe in eine oon lichten
Säumen beftanbene §od)fläd)e entläßt.
SBieber ein Detorationsmechfel oon über*
rafd)enbfter SSirfung. ©ine arfüfd)e Lanbfd)aft
liegt oor uns, metertiefer Sd)nee bedt bte mellen*
förmig fanft anfteigeitbe Jläd)e. Unb bas in einer
3eit, mo in unfern nörblid)en Slpen oon gleid)er
!)öbc bie Sd)neebede fd)on längft oon ber Sortttc
getrunfen ift. s UlöhIid) ftehen mir oor einem nad)t=
fd)mar3en Sbgrunbe. jahllofe Jeuer leud)ten aus
ber Diefe, bie Lagerfeuer ber Pilger, ©in fd)einbar
fd)minbelrtb fd)maler s Ufab führt hinab in ben Dal*
feffel. Der Referent für Aultusangelegenheiten, eine
iqünengeftalt, befommt beim Snblid biefes Steiges
bie Sergtranfl)ett unb manbert oI)ne Saft nad)
Subiaco 3urüd, mir anbern aber menben uns 3U=
näd)ft nad) lints, um ben ©ipfel bes Stonte Sutore
(1853 Sieter) 3U befteigen.
Sad) fur^er 3 ^it ift ber ©ipfel erreicht, ©in
©emirre 3adiger Sergfetten umfrän3t bie bleichen
Sd)neefelber ringsum; bie türtisblauen Kuliffen
merben nur oon fd)toar3en Jläd)en unterbrochen —
teine Slaftif, ein JIad)bilb oon unenblid)en Di*
menfionen. Jm Often ragen bie fd)neeigen §od)*
gipfel ber Sbru33en, im SSeften, brauf^en über ber
©ampagna, glitzert bas Steer, bas etn3ig Semegtc,
Lebenbige in ber fd)lafenben Lanbfd)aft.
Sllmäl)Iid) rötet fid) ber öftliche trnmmelsfaum,
Santuario bella SS. Drinitä
folgen rauhen Serg*
pfabert, bie töftlid)e
Slide auf bas Simbri*
oiotal bieten, unb
merben aufs neue
in eine überrafd)enbe
Situation oerfeht. Sm
Jufte einer fenfred)*
ten Dolomitmauer,
bie eine Länge oon
nat)e3U 200 5 tilo*
metern hat unb fid)
bis 3U einer §öhe oon
mehreren Iputbert
Stetern türmt, ift ba,
mo fie aus bem fteilen
• §ange l)eroormäd)ft,
ein etma 4 bis 5 Steter
breites, fünftlid) ge*
ebnetes Sd)uttbanb
gefd)affen. Suf biefem
2 Bege, einem Siefen*
murm gleich, fd)iebt
fid) bie bid)tgebrängte
Stenfd)enmenge, bie
hier bie Sacht oer*
brachte; es ift Sorfidjt oonnöten, um nicht in bie
©lut ber nod) glimmenben Lagerfeuer gebrängt
3u merben. Sn ber breiteften Stelle bes Sanbes
fleht bas mitt3ige 51 ird)lein, 3U beffen ©ingang fid)
mit einer in Jtalien feltenen Südfid)tslofigfeit
alles brängt, benn ein ftniefall oor bem ©naben*
bilbe fid)ert einen Sblaj) für bie halbe ©migteit.
Jn ber 5 tird)e, bie fdjon im fünften Jahr*
hurtbert oon ben Seitebiftinern gegründet mürbe,
befinben fid) tünftlerifd) mertlofe Stalereiert aus
bem fiebteu Jahrhunbert; benterlensmert ift nur
bie antibogmatifd)e
Darftellung ber Drei*
einigteit — brei oöl*
lig gleid)e Sruftbil*
ber oon ©ott= 93 ater,
*Sohn unb bem $ei=
ligen ©eift —, bie als
Unitum gilt. Leiber
mar ber Seferent für
5 fultusangelegenf)ei=
ten, oon beffen Seiet) 5
rurtg mir intereffante
Suffchlüffe bariiber
erhofft hatten, nid)t
mehr 3m Stelle.
33 or ber 5 Urd)e
merben in ärmlichen
58 uben fonberbar ge*
fd)nihte Stöde, in*
bianerartiger Jeber*
puh, mit bem bie
Leute ben §utfd)müt=
ten,unb einelO=©ente*
firni = Literatur, teils
heiligen, teils —
pornographifd)eit Jn*
halts feilgeboten. Um
ad)t Uhr ertönen
ferne Stufifflänge, in
langem 3u<je nahen,
Strafe in Subiaco mit Silbftödel
feljen, bie mit Stufif, Jeuermerf unb ben iiblid)en
Jlintenfchiiffen empfangen mürben. Sm ©in3ug
beteiligte fid) auch bie ©eiftlid)feit, meld)e bie §eim=
fehrenben im feftlidjen Ornate am Ortseingange
ermartete. So fonnte fie, ohne fid) ben Stühen
ber SSallfahrt 3U unter3iel)en, roenigftens beim
Jinale bie ihr 3ufommenbe Solle fpieien.
Blankenborn & Q, S‘ Ludwig
Die SCRenfchenmenge oor bem ftlubtjaus ber tjeiratsluftigen Schönen
^Yflljährlid), rnenn ^fingften, bas Ueb=
\X liehe Jeft, herannaht, loden überall
in bem belgifdjen £anbftrid), in bem bas
Heine Stöbtdjen ©cauffinnes liegt, fehr
merfmürbige ^lalate bie klugen ber
Dtännerroelt. fiieblid) gefärbte unb ge=
zeichnete s $latate, auf benen bie Jung*
frauen oon ©cauffinnes bie beiratsfäbigen
Surfdjen aufforbern, am ^fingfimontag
in bas liebebebürftige fianbftäötchen 3 U
mallfabrten unb fid) unter feinen Död)=
tern ein Schätzen gu mahlen.
9Jtan fieht: bie 3eiten milbern ficb. Die
erften ©manäipierten, bie es roirflid) $u
etroas gebracht I)aben, ber männerlofe
Stamm ber 9 lma 3 onen, brachen mit räu=
berifd)er §anb in bie frieblid)en Machbar»
oölfer unb entführten bie fräftigften unb
fdjönften jungen ältänner. 9Iber — fie
liefen fie bann aud) halb toieber los,
toenn bas grobe Jeft ber fiiebe oerraufcht
unb bas SBeiberoolt neuer 9tad)fommen=
fd)aft fidjer mar.
(Sine ©ruppe ber £jeiratslufttgen
Die ^eiratsbegierigen oon ©cauffinnes
rauben nid)t, fie minien freunblid} mit
bem 3 epter ber mobernen 2 BeIt, bem
^3latat — aber mehe bem 3üu9ltug, ber
in ©cauffinnes, oom guten SBein unb bem
bunten Drubel bes fleinftäbtifd)en Jeftes
trunten, bie männliche 9?edjte Iiebet)ei=
fd)enb um ein partes $änbchen ge i eg t
hat — nie tommt er mieber los. heiraten
mub er!
Unehrerbietige unb mibtraui[che ©e=
müter tonnten aus fo mertmürbigen ©e=
bräud)en ber 2 Beiblid)teit oon ©cauffinnes
fdjlieben, bab es ben Jungfrauen bort 3 U=
ianbe aus irgenbmelchen ©rünben befom
bers fd)mer mirb, an ben 9J?ann $u tom=
men. Der ©bie aber unb Objeftioe fieht
in bem h^rmlofen Jeft bes belgifd)en
Stäbtdjens nid)ts als einen aus alter
3eit ererbten feltfamen 33raud), ber bie
23e3iet)ung ber ©efd)led)ter nod) ohne
jebe Jrauenredjtleret auf naioe SBeife fet)r
„ftaatserhaltenb“ regelt. Kn.
$eibfporne
PRftüit
DRÄUE,
JUffuitgstoJlen |itr äe
f)at eine wefentlidje SBerbefferung erfahren. ®a§ ijtenteben
abgebilbete, oor turjem in ben S)ienft ber 5Rettung§ftaticm
Saboe bei Stiel gefteüte Motorboot bewegt fict) aud) bei
fdjwerer @ee rafd)eften§ oorwärt§. 3 ur Unterftüfcmtg be§
fräftigen Motors? fann man aud) jwei Segel fetjen. 2lujier*
bem läfit fid) ba§ neue S3oot aud) burd) Stiemen fortbewegen.
B ei einem Maffenbefucfye non Offizieren ber oerfdjiebenften
Waffengattungen, ber fiir^lid) in ber berliner |>aupt»
feuerwadje ftattfanb, führte löranbbireftor SKeidjel ben S3e*
fudjent eine Steife non neu in ben 2)ienft ber berliner
2öet)r eingefiellten Apparaten, ©efäbrten unb 2lu§rüftung§*
gegenftänben t»or. Man beobadjtete babei aud) einen
ffeuerweljrmann, ber fidj im unoerbrennbaren 2tnjug, mit
Staud)l)elm unb ©auerftoffaoparat auSgerüftet, ganj bid)t
an ben SBranbfyerb ober mitten in biefen hinein begeben
fann, beim £öfd)en oon oier großen, mit Petroleum ge*
tränften ßoljftö&en. @r oermocfjte fie aEe oier binnen
weniger Minuten ju löfdjen. 3ur ©idjerung be§ SBefjr*
manne§ bient babei aud) bie auf bem £>etm angebrachte
$ufcbe, bie feinen Stürper nach S3ebarf mit SBaffer reidjlid)
beriefelt unb jugleid) jur Söfdjung be§ Feuers beiträgt.
geuerwefjrmamt in unoerbrennbarem Stngug beim
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Eber £artb unb Sbleer
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Schach
(Bearbeitet von €. Scballopp)
Partie Itv. i$
SKǤ uttf ermStorrefponbenjturntei
«Beenbet SJittte Oftober 1909
Unregelmässige Croffnung
3Bet|: SB. §Itr, ftnnSbrucL
©chwars: Oberlehrer S3r. ©agel,
»üßoro (Sltedlenburg).
SBetb ©cbwarj
‘ l. H- 14 C7—CB
2. ee—e3 d7— dB
10. o—o ee—eB!')
11. Lb5xc6 b7xc6
12. f4xeB Dc7xe6
13. Ddl—f3 0-0
14. Df3—{4 DeB—e7
16. Df4—f3 Ld7— g4? 3 )
16. Df3—g3 LcB—d6 ?
17. Sd4XC6 De7—C7
18. Lb2—eB!! 4 ) DC7XC6
19. LeBxd6 Tf8—e8
20. Ld6—eB Sf6—hB
21. Dg3xg4 Te8xeo
' 22. Sd2—f3 6 ) Ta8—e8
23. Sf3xe6 Te8xe5
24. Tfl—fB ÜC6— C3
26. Tf5xe5! 8 ) Dcäxalf
26. Kgl-f2 g7 g® ,
27 . TeöxhB Dal—f6f
28. Kf2—e2 Df6—a6f
29. Ke2—d2 f7—f5
30. ThöxfB Da6—aBf
31. b3—b4 SKufgegeben.
®te Slnmerf ungen ftnb «om führet
ber weiften Steine. . . „
i) übt einen ftarfen ®rucf auf ben
ißunft f4 au§. , . ,
3 ) Oiefer tntereffante SSorfto^ erzwingt
ble bauernbe SRüdftänbigteit beS meinen
e '®anstatt btefe§ 3uge§, in «erbinbung
mit bem folgenben, foUte ©d)n>arj otel
ftarfer Sf8-g4 jtehen unb würbe baburcb
einen fd)wer parierbaren Eingriff erlangen.
®urcft bte SEejtjüge geht Schwärs ber «er¬
teile feiner bereits überlegenen ©ofttton
"“Täfet biefem 8«se »trb ber «Kngriff
non Scbwar* ganjüch jurüdgefchlagen, unb ■
®eih erlangt in wenigen Sügen (gewinn-
fteHung. ®er 9tad)5iet)enbe hoffte mit Dc7
auf gtgurengewinn. . - ,
folgt nun @d)lag auf Schlagt
«) ©ine pttanteSthluhfteÜung; ©chwars
ift machtlos, unb bie Schachgebote hüben, .
nur mehr baS legte SXufflammen eines
StrohfeuerS.
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3u ®arl§bab wirb in biefem Sal)«,
beginnend am 20. ©uguft, ein sweite®
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tnehrung unb ©rpljung ber ©reife bei
angemeffener ^Beteiligung fowie 2lu§*
fefeung oon (Sonberpreifen ift oorbef)al=
ten. Slnmelbungen finb bis fpäteftenS
30. ^uni an ben ©orfxbenben beS Sur*
nierauSfcbuffeS, §errn @tabtrat ©iftor
Sieb — ^arlSbab, &au§ „Saun" — m
richten; bie .gulaffung unterliegt ber
freien ©ntfcfjeibung beS SurnierauS»
fdhuffeS, welche ben Slngemelbeten bis
15. Suli 1911 belanntgegeben wirb.
Sei ber Stnmelbung ift sugleid) ein
Weugelb »on 60 ftronen ?u erlegen,
baS nach orbnungSmäBiger ©rlebigung
aller Partien prüeferftattet wirb.
SjfiatfjfrriBftedifrl
San ©tooanni (©. SW.). Sh«
Slufgabe Khl, e4 eignet fict) nicht Stirn
Slbbrucf, ba fie eine unmögliche Stellung
aufweift; bie anbre wirb in nädjfter
3eit oeröffentlicht werben. — ©ei wet*
deren ©infenbungen bitten wir bie ein*
Seinen Stufgaben fortlaufenb ju nume*
- rieren, bamit eine leichtere ©eseidp
nungSweife für ben etwaigen SWei*
nungSauStaufdh gegeben ift.
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beutung ergeben, ferner bie erfte
fcnfred)te Steife, abwärts gelefen,
beit fRamen eines italienifdjen ftom»
poniften unb bie fünfte [entrechte
9tcil)e, ebenfalls abwärts gelefen,
bett Ditel eines feiner 2 Berfe nennen.
1. Stabt in ^ßreufeen. 2. SBeiblidjer
23orname. 3. ©runbbud). 4. Deutfdjer
ftomponift. 5. ftlcinc gnfcl uncoeit
nonSombap. 6 . Deutfd)esÄönigreid).
7. Ultl)enifd)er Staatsmann. 8 . 2Balb=
frud)t. 9. fölännlidjer Vorname.
10 . Stabt in Sdjottlanb. 11. ©nglifdje
gabritftabt. 12 . ©ebirgslanbfd)aft im
füblid)en Sd) in eben. 13. Strcisftabt in
s Jßrcufeen. §. n. b. 2R.
Dreisilbige Scharade
(®ubrunftropf)e)
Die erften fjabcn ^oeten
gn Siebern oft geehrt
Hub leiber aud) 3 urocilen
Stuf einen fiepten geleert.
Der £et}te barf nid)t raften:
3 um ©anßen er täglid) fd)afft
23iel 3 entnerfd)tnere Saften;
Die Ijebt's in einem £etjten mit
fRiefentraft. (5. s fß. s f3-
Auflösungen der Rätselaufgaben
Seite m u. 9is:
Des £ogogripf)s: Saft, gaft,
(Saft, §aft, £aft, SRaft, fRaft.
Des ifjomonpms: Sdjolle.
SRid)tige Söfungen fanbten ein:
Stlara 2>iaer, $Regen§burg (1); Start
Stolbe, SBieSbaben (2); ©eorg SRülIer,
Siatfjenon) (8 unb 1 Schachaufgabe);
3fot). 83. Stoppel, Hamburg (1); @. 23.
21., ©chaffhaufen (8); ftonrab 83olfter,
Weumartt in ©teiermarf (2); Stonftantin
©hrpftoph, 2&ien (3); 3uliu§ ©joetfo»
oUS, Söubapeft (1).
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Straft fchöpfen. Saufenbe non Seiben»
ben finben alljährlich an ben non alter§
her berühmten heilkräftigen SRineral»
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au§ 21fien, junt ©eifpiel ©hina, $nbien
unb Slmerifa, unter anbern aud) 93ra»
fiüen, «teilen §unberte oon ©äften hier
unb erbringen bamit auf§ neue ben
23eroei§, bafi @m§ ein S3ab oon 2Belt»
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oerfucht, aber nichts half, nach ®e=
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A
Nr. 39
830'6
Uä?-
Jahrgang 53
ÜBERJAND UND MEER
1911 (Sb. 106)
StudienKopf. Nach einer farbigen Radierung von Heia Peters
125
ERH ÖLUNG, ü. SPORT
WANDLR N. U. REIS LN
BENEDICTINE
•Sie 3aufeemüije
Uorsicbt
im Sommer
JJriefcrid) 9 £atterotf)
S tegfrieb ftroberger, ber ge=
ntale unb urter[erlief) e er|te
Aetfenbe bes Kaufes S. Silber*
[lamm & Go., tn Varfüm* unb
Doilettenartileln, über helfen
Gfjaralter fcf)on burd) feinen
Veruf f) er aus ber Duft eines
romantifd)en Stimmers lag, mit
einem 9 Jiiniftergei)aIt, um ben if)rt
ein preu©[©er Staatsfefretär
beneiben mürbe, unb aud) in
feinem imponierenben Auftreten
einer folgen ©röfce ebenbürtig,
mar, fürs gefügt, oon feinem
mefferfd)arfen, pomabifierten
Scheitel l)erab bis 3U ben utant*
türten 3 ^t)en ein Gentleman
oollenbeter Arf, menn aud) nur
einer „Made in Germany“. Gr
blieb trotjbem ber gutmütige,
liebe fterl mit m aff erblauen
klugen, ber feine oftpreuf3ifd)e
§eimat nid)t oerleugnete. Gr
trug teine tarierten SBeften unb
renommierte nur manchmal in
^reunbestreifen oon ben Grleb*
niffen feriöfer ^Irt, bie er als
moberner Droubabour halb ©er
unb bort mit einer ungarifdjen
$8aronin ober ber 2ßitme eines
arabifdjen Sd)ed)s in 5 tairo batte,
Das brad)te fo feine Karriere
im Saufe ber 3eit mit fid),
ftammte noch aus ben Dagen,
an bie er fid) nid)t gern er*
innerte, ba feine 5 tunbfd)aft
t)auptfäd)lid) aus tleinen $ri=
[euren unb ^aartünftlern be=
ftanb, unb betanntlid) pflegen
biefe bas „Sd)aumfd)lagen" als
Spe3ialität.
2ßenn ibn beute bie f^reunbe
bei einem gemütlichen Schoppen
in ber „Draube" in grober 3 ö©
feftbielten, fo lag es roo© an
bern ©ruub, mieber einmal oon
biefem intereffanten ^luibum 3U
toften, bas fo!d)en international
gebilbeten ^erfonen anbaftet;
man tann fo beim 3ubören auf
billige unb bequeme Art obue
Steife unb ohne Strapa3en alle
bie Vtomente eines neroentibelm
ben Abenteuers in Gebauten mit*
erleben. Vun, mie ©er fd)on
bemerft mürbe, bas gluibum
haftete $errn Siegfrieb gro*
berger in ftartem Via© an, aud)
bas SBollen mar ba, ben Sßunfd)
ber ^Berliner 5 tleinftäbter nad)
einer fo!d)en Senfation 3U er*
füllen, $roberger beburfte erft
einiger tleiner Vorbereitungen,
ehe es an bas „^Berichten" ging.
Gr legte feine fd)Öne glatte Stint
in pulten, feilte für einige
Viomente tief, um bann, als ob
er ein unangenehmes Grlebnis
oerfd)eud)en wollte, mit ber
$anb über bas glattrafierte ©e*
fid)t 311 fahren,' morauf unter
biefer ©efte bann bas befreienbe
Seid)ein auftauchte.
„Das hätten fid) bie Sperren
nic© träumen laffen, baff id)
bei meinem Aufenthalt tü^lich
in Vrüffel faft 3mölf Stunben
eingetaftelt ©uter Sd)Ioh unb
Aiegel oerbringen mufjte, ohne
mir bod) irgertbeines Vergehens
beton© 3U fein! Unb bas megen
einer Vtütje, bie gar nichts anbres
Auffälliges befah als oielleic©
©re garbe, bie mir beim kaufen
befonbers gefiel.“
„Giner Vttitje?" fragten oer*
munbert bie greunbe.
(Scfjlufc folgt)
beim ©enufs tii©er ©etränfe tarnt ttic© brtnglid) genug
empfohlen werben, ©in gufat) oon etwas
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fünfunbämanjigjä^rigen 9tegierung§»
jubiläum§ be§ »rinjregenten Suitpolb
oott »apern. »on biefer SRarfe, bie
nur im Saufe be§ 9Ronat§ %um ©üttig»
feit al§ baprifd)e§ tßoftroertseicljen fjaben
füllte, roe§f)alb fie halb eine befonbere
Seltenheit be§ »riefmartenfammelfport§
bilben wirb, finb nur jroei SBertflaffen
erfcfyienen, ju 5 unb su 10 Pfennig
2)er Untergrunb beiber SRarfen ift
fcfjroarj unb erfdjeint an allen »on
3et<$nung freien ©teilen. 2>a§ SRarfen»
bilb einfctjliefjlicf) ber unten angebrachten
brei 9tect)tecfe für bie Schrift in Scfjroars
ift bei ben 3eicf)en 5 Pfennig grün,
bei benen *u 10 Pfennig rot gebrucft.
®ie ben Kranj umfcfjlingenben »änber
finb in gelber fj'nbe gehalten, oon ben
beiben breitgejogenen »anbfteden unter
bem »ilbni§fopfe heben fich bie 3ßfy*e§»
jahlen 1886 unb 1911 in Scfyroarsbrucf
u)irfung§ooH ab. S)er ®ntrourf ftammt
mie bei ben neuen baprifchen SJlarfen
00m 12. SRärj 00m früheren £>ireftor
ber Münchener Kunftafabemie ißrofeffor
grih Stuguft oon Kaulbad).
unb äMttttfrfj.
(Sin gleich berlocfenbe§ <&ommergeri<f)t ift
ein s JJlonbamiu=5rud)tflammeri.
2)lan nimmt ftatt 5Jtil<f) ben frifdjen grudjtfaft.
2Ran erhält 1 Siter Dbftfaft au§ 1 »funb Ob ft,
ba§ man mit menig äBaffer
fdjmort, fodjt bann falt ange»
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gegeben oon ©eorg oon 2tlten, ©e»
neralleutnant 3. ®. Sieferung 32 unb
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2)eutfche§ »erlag§I)au§ Song & ®o.,
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fammelt unb l)erau§gegeben oon Dt»
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tjoba & Siegel, SBien unb Seipjig.
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1046
Hber ßartb unb 9Keet
1911. 9lr. 39
Tüll-Rätsel
1. 5?etcf) in Elften
2. (5cf<±)icf)tlid^er
3eitabfd)nitt
3. 9DtännItd)er
23orname
4. Sdjladjtcnort
in <3d)leften
5. SBaffc
6. Rlimattfdjer
Rurort in
granfretdj
7. Stabt in
Spanien
8. ftreijtaat in
9torbamerifa
9. gjtineral
10. Stabt in
halt
11. gifdjgattung
12. ^rooins in
3rlanb
Die eingestellten 23ud)ftaben falle fo georbnet toerben,
bafj SBörK-r oon nebenftefjenber 23ebcutung entfielen. Sinb
bie SBörter richtig gefunben, fo ergeben bie an Stelle ber
fettgebrudten 33ud)ftaben 311 Stetjen fommenben neuen 23ud)=
Staben ein Sprid)tuort. §. t>. b. 90t.
Städterätsel
bre, ba, bal, baut, bau, ben,
bres, gen3, pots, fdjil, Span,
ftert, Stet, tin.
SOftan fcfjretbe oorftefjenbe
14 Silben (lettermueife) ber=
art in bie 7 fenfrecf)ien gdber=
reiljen bes Quabrates, bafe
in benfelben bie Flamen uon
7 Stabten entstehen, tueldje
liegen in: 1. 23orarlberg;
2. Rönigt. Sad)Jen ; 3. ‘pottu
mern; 4. <ßr. ißroo. 23ranben=
bürg ; 5. s .ßr. 'proo. Sad)fen;
6. tyx. ißroo. SadjJen (Cöeburtsort 2Bmcfelmatms); 7. ißr.
ißroo. ©ranbenburg (an ber Spree unb £aoel).
I
Die Star! umranbete bi a g on a le gelberreibe rotrb tuieber
ben SRamert einer großen beutfdjen Stabt 3eigen. 91. Sp.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 997:
Des ReiStenrütfels:
B
I
R
E
I
S
T
Z
I
G
A
R
R
E
E
E
N
T
T
N
E
N
—
—
—
Des Rogogripbs: Rnoten, 9toten.
9tidbtige Söfungen janbten ein: ©üntber 9tieboro, 2lu*
rnüble bei Hamburg (3); ©life Dtieboto. geb, Rrufe, ebenba (2);
gob- iß- Stoppel, Hamburg (2); ©arl Rolbe, SBieSbaben (4); Rlara
$üler, 9tegen§burg (2); Ronftantin ©b^ftopt) jun., 9S ien ( 3 )l
3ßara§bin, 2Bien (2); §auptmamt 2Bilb. Scbroarj, Rarlftabt (3).
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106 . Hand. Dreiundfünfzigster Jahrgang
Oktober 1910—19«
■*- erscheint jeden Sonntag -*>
DeutTcbe UlluTtrierte Zeitung
Copyright, 1911, by Deutfdie Verlags ^Anhalt, Stuttgart
Preis oierteijäbriicb 4 mark
Beim Postbezug 4 mark 25 Pfg. ohne Bestellgeld
ln Österreich»Ungarn Kr. 4.$0
Der Kampf her meinen
unb bet roten Aofe
Momart
t>on
©eorg £>trfdjfelb
(gortfetsung) .
as eine ftanb für Karlmann halb feft: Donts
Aat, nocfe oor bem großen |jod)3ettsfeft
bie gluckt ins 2ßer! 3U fefeen, er mar unmöglicfe
3U befolgen. Der ältefte Spfen oerbarb bamit
allen alles, ein Scfelaganfall bes Saters tonnte
bte fcferedlicfee Holge fein. Aein, nein — Karb
mann mufete unbebingt bie §0^3 eit nocf) mit=
machen. Das tonnte er aud) feinen Scfemeftern
nicfet 3ufügen. (Sr follte fehlen, fehlen aus
folcfeeit ©rünben, er, an bem Dage, ber .fämb
licfee Aomtngers unb ©rumbacfe=Delormes im
irjaufe feiner (Eltern oereinigte? Unmöglicfe!
9 Jtit er3mungener Aufee fagtc er es Doni, unb
fie miberfpracfe ifem nicfet. Aur (Erftaunen fat)
er auf iferen blaffen, jefet eigentüfnlicfe ferneren
3 ügen. Sie begriff nicfet redfefe toas er an ber
|>ocfe3eit unb mas bie |>od)3eit an ifem feaben
tonnte. ^XutJ) tarn es ifer gan3 unbentbar oor,
einen Hludjtgebanten, mie Karlmann, 3U feaben
unb unter feunbert fremben SAenfdfeen 3U meilen,
an ber Hueube feiner Aäcfeften teilnafemlos
oorüber3ugefeen. Aber Karlmann mar ftart
genug, bies 3U tonnen. Aud) mar es ifem immer
lieber, bas ertannte fie, für feine Sorfäfee ein
feftes Programm 3U feaben, als mie es it)re Art
mar, fidfe bem 3 ufall in bie Arme 3U merfen.
3 m September ging es ifer fdfeon fdfelecfet,
unb fdferedlicfe mar es, bie Komöbie 3U §aufe
meiter3ufpielen. Aidfet minber, ifere fo
anftrengenben Serufspflidfeten meiter 3U er¬
füllen. hiermit mufete fie halb ein (Ertbe
machen. Sie fürdfetete 3U namenlos für ifer
Kinb. Aber bas (Selb mar nötig, unb mie
follte fie es ofene bie Durnftunben burcfefefeen,
bafe man ifer bafeeim ben gan3en Dag überliefe?
Audfe fteigerte fid), ins Krantfeafte madfefenb, ifere
Hurcfet oor ber ©rofemutter. Sie mar über*
3eugt, bafe bie Sitte nur ifer gegenüber fo eifig
fd)toieg, im übrigen aber bas Vertrauen ber
ÜRütter 3U erfdfeüttem fud)te. Das Sdfemeigen
ber Atutter tonnte jefet nid)t mefer ttaio fein —
bas mar ausgefcfeloffen. H^iltcfe featte Doni
einen fcfemiegfamen Körper, ifere unoerbraudfete;
3 ugenbfrifd)e tarn ba3U — mit toenig Kunft
tonnte fie es burcfefefeett, bafe ifer 3uftanb nid)t
int minbeften 3U bentcrten mar. itbelbefinben
gab fie für 23 leid)fud)t aus (ein munberlitfees
SBort bei iferen. rofigen SBatigen) — uner*
fdjroden log fie oon Ar3tbefud)ert, bie fie täglidfe
1911 ( 23 b. 106 )
macfete. Aber Atütter feaben Augen, bie burcfe
unb burcfe fefeen. (Es mar ein fcferedlicfees fieiben
für Doni, fo ungemife über Barbaras mafere
SCReinung 3U fein. Sie fpürte ben ftummen Sor=
murf, fie fat) bie Seracfeturtg, unb ifer Stol3
bäumte fid) feocfe auf. Scfeon mollte fie alles
übers Knie brecfeen unb ber SJtutter tfer ©e=
feeimnts entfeüllen — bod) recfet3eitig fiel ifer
Karlmann ein, unb fie tonnte meiter nid)ts als
3 uliane einen ferneren Süd ooll mefens*
oermanbten Kummers 3umerfen.
(Eines aber erfdfeien ifer jefet unmöglicfe. Sie
tonnte bie Hlucfet nid)t bis nad) ber ?Rominger=
fcfeen §od)3eit feinausfcfeieben. Dttober
follte fie fein — es mar ja furd)tbar — um biefe
3 eit pfiffen es fdjon bie Spafeen oon ben
Dädjern, roas ber Dodjter 00m Kodfe am SD^artt
gefdfeefeen mar. Um biefe 3^it mürben, menn
Doni fi<ü auf ber Strafee 3eigte, bieKeute ftefeem
bleiben unb ifer flüftemb nad)f<t)äuen. Das
erfte SBort aber, bas ifere SOtutter für fie fänbe,
tonnte mie ein tlingen unb: ,, 9 Jlad), bafe
bu meitertommft, bu —!“ Stein!... Sie burfte
bas nid)t über fid) tommen taffen. 3efet be*
fcfelofe fie, Karlmann 3U bitten. Sie mollte fort
aus H^tebricfesburg — im September fd)on,
im September — fie feielt es nid)t mefer aus.
Karlmann ftedte mieber mitten im $a=
miliengetrtebe. Slus (Saftein maren alle
3Urüdgetefert, unb bas 5 )aus mürbe um unb
um geftellt — bie Doppelfeocfe3eit näfeerte fid).
Da3u ber traute SSater, ber fein ungeftörtes
Steft im 3meiten Stod bei)alten mufete. (£s
mar 3um Versagen, Klementine mar nod) nie
fo neroös gemefen mie jefet. 3 tud) bie ( 5 e=
fdfemifter gerieten in anormale Aufregung, unb
Philipp fogar ging im §aufe umfeer, als ob er
gemaltige Daten oerricfetete. (£s tarn jefet 3U
feeftigen Streitigteiten mit ©iegenau unb 23 rau=
müller, bie als Sd)miegerföfene mitrebenmollten,
aber tetnen (Sinflufe 3ugeftanben erfeielten. Das
Heft mar eine Kultur= unb (Sefcfemadsfrage —
ba fd)altete man bie beiben aus. ©raumüller,
beffen Portemonnaie befearrlicfe in Slnfprucfe
genommen mürbe,’^proteftierte nod) am läng=
ften. Slber eines Dages mufete aud) er fid)
3urüdsiefeen, benn er featte fid) 3U feinem Un=
gtüd läcfe erliefe gemacht, unb ein 3 lb ent euer,
bas ifem paffiert mar, tarn leiber 3U ben Dferen
ber Hantilie. ©raumüllers gröfeter (Sfergei3
mar es, Kommer3ienrat 3U merben. §ier in
Hriebricfesburg, mo feine tünftigen S(femieger=
eitern ®e3iefeungen bis 3um £anbesfeerrn
featten, fafe er bie befte Slusfidjt bafür. (£r featte
einen oor*3ügli(feen ^pian gefefemiebet. Die
Stefiben3 follte eine allgemeine elettrifcfee 93 e*:
Ieudjtung erfeatten, ein reifeenbes Stebenflüfe*
(feen bes Stedars oor ben Doren bot feine nie
benüfete Kraft für bas SBert. 3 m Stat ber Stabt
mie in ber Stegierung maren Stimmen für unb
gegen bas “projett Slusfifelaggebenb mürbe
trofe ibeellen Kontrooerfen bie 23 efcfeaffung bes
(Selbes, unb um eine feier3u nötige Slnleifee 311
realifieren, mollte H*<*n3 Otto ©raumüller
feinen (Einflufe in H^antfurt am SJlain geltenb
madjen. (Selang ifem biefes SJtanöoer, fo mar
ber Kommer3ienratstiteI maferfefeeinlid). SIber
man tannte ifen in H^ebricfesburg rtoefe menig,
er mar nodfe ber §err Stiemanb, er beburfte oor
allem ber Slufmertfamteit einer feocfegeftellten
^Berfon, am beften bes leutfeligen ©rofefeer3ogs
felbft. 2Bie aber follte er fie erregen? ©r be-
ftfelofe 3unä^ft, es fo ein3uricfeten, bafe er bem
ßanbesoater auf feinen tägtiefeen Spa3ier-
gangen begegnete, ßange gelang es ifem niefet,
ba ber (Srofefeersog eines Sdfenupfens megen
im S(fetoffe blieb. SUs ber befearrti(fee 93 rau=
müller aber eines Stadjmittags burd) bie enge
3ofeannestir<fegaffe fifelenberte, fafe er bie feofee
©eftatt bes Hürften auf fid) 3utommen. 3 e fe
enbüdfe mar ber grofee SStoment gegeben. (Er
trat 3m Seite, 30g ben §ut, fo tief er nur
tonnte, unb nafem bie Stellung eines fpanifefeen
Höflings ein. Der (Srofefeer3og mollte eben
miebergrüfeen, bod) tm näcfeften Slugenblid er-
fcfeoll ein mifetönenbes ©etreifd) unb Sßinfeln,
bann ein mütenbes Sellen, unb ber entfefete
Sraumüller füfelte fein Scintleib oon fdjarfen
§unbe3äfenen gepadt. ©r mar in feiner De=
ootion 3U raf(fe 3ur Seite getreten unb featte bie
Pfoten eines grofefeer3ogli<feen Derriers reefet
unfanft berüfert. Der entrüftete H^ mollte ifen
beifeen, fiefe rä(feen als beleibigter ^ofbeamtev,
Hör fealf ifem — es mar eine tritifefee Situation.
Dod) ber (Srofefeer3og trieb felbft bie ^unbe mit
feinem Stoferftod 3urüd — bann marf er ed)auf=
fiert bem unglüdlicfeen Sraumüller, ber nod)
immer ben £>ut in ber §anb feielt, einen oer=
briefelidjen Slid3U. „Sie müffen fid) einbifeefeeu
oorfefeen, lieber §err." SJttt biefen S<fenarr=
morten ging er oorüber. So featte H*aTt3 Dtto
eine perfönlicfee SInfpracfee bes Äanbesoaters
meg. 2 lber 3um Kommer3ienrat tonnte fie iferp
niifet oerfeelfen. Seiber tauefete jefet aud) in
^Bfeilipp Somingers ©eftalt ein fcfelimmer 3euge
feines Abenteuers auf. Sraumüller liefe fiefe
in ber Sermirrung oerleiten, bem tüdifefeen
Scfemager alles 3U er3äfelen, unb Eßfeilipp mar
um eine Anetbote reifer. Alle anbern Ao^
mingers aud). Das mar ein fernerer Sifelag
für H^^B Ottos perfönlicfeen Aimbus. —
Klementines H^lbfeerrntalent fiegte trofe
aller ^inberniffe mieber einmal. Sie bedte
bie gemaltigen Koften mit Sälfe iferer Alutter,
fie braefete es burd) är3tlicfee Kunft fo meit, bafe
Huftinus an ber Dränung unb an berHefttafel
teilnefemen tonnte, bas §aus unb ber ©arten
featten ein murtberfam abgeftimmtes ^erbft*
gemanb betommen — menn niefet alles trog,
mufete ber brei3efente Ottober ein unoergefe*
licfeer Dag in ber Aomingerfcfeen Hcunilien=
gefifeitfete merben. Karlmann featte, ofene es 3u
132
1024
Über £anb unb eer
1911. 9tr. 39
mollen, einen ganzen Vaden mistiger Pflichten
aufgelaben befommen. Gr gehörte eben bod)
ba3U — mochte er fid) mehren ober nicht. £ans
Stid)Iinger, ber Keine, fdjiefe Sc^roeiger, ber fich
als ^aftotum mieber glängenb bemährte unb
bas Fialen oollftänbig aufgegeben batte, mürbe
Rarlrrtanns 21 bjutant. Rarlmann batte ihn
gern unb betäubte fi<h barin, mit bem Rünftler
um bte 233 ette einen bionpfifd)en Xeil bes
£od)3eitsfeftes 3U entroerfen. Gs roar bie 3^tt
ber SVeinlefe. SBöIIerfdöüffe füllten tragen,
Wateten in ben 3 tad)thimmel auffteigen, in
jeber £aube, fchmer oon Xrauben umrahmt,
ein junges, feliges ‘paar ben 3reubenbe<her
leeren. Rarlmann allein roollte einfam an
biefem Taumel teilnebmen, bod) niemanb
füllte erfahren, meld)e unenblid) fpenbenbe
Geliebte er im 21 rnt hielt- So, im kaufet), im
tüilben, alles löfenben Vacd)anal roollte er bie
lebten, fdjmerften Stunben beftehen, um bann,
roenn alles in ben borgen hinein fd)Iief, 311
Xoni 3U eilen, mit ihr ber alten Heimat Valet
3U fagen.
Gr er3ählte biefen ^ 3 Ian, ber ihm fo oiel unb
ihr fo menig gab, begeiftert ber (beliebten. Sie
hörte ihn fopffchüttelnb an. „Rarlmann,“ fagte
fie ernft, „bas gefällt mir nit — fd)on rein an
fid) genommen. 3 <h finbe, es liegt etroas Un*
roahres unb Unfauberes in ber Gefd)td)te.“
„2Bie?!“ fuhr er auf, 3um erftenmal eine
tiefe Rränfung in ben 3 ngen.
„ 3 a, Rarlmann. Sßarum foll ich bir's nit
fagen, toie ich's mein'? 3<h halt' es für bas
befte, roenn bu bie £eut unter fich läht. Gnt*
roeber — ober. 9 Jlit bem £er3en gehörft bu ja
bod) nit mehr ba3U."
„Xu meinft, id) füll bie £jod)3eit gar nicht
mitmachen —?“
„Xas mein' ich. 3 <hbitt' bid) fogar barum.
SRoäj einmal, Rarlmann. Xu mir bie £ieb'.
3 e^t ift ber 3toan3igfte September — am brei*
3ehnten Oftober fann ich unmöglich mehr hier
fein. Unmöglich, Rarlmann. Verfteden barf
id) mich nit, bas meiht bu. Xann fommt meine
Vtutter, unb alles ift aus. Sann fann id) nit
mehr fort, Rarlmann.“
„Das ift beine fixe 3 bee! Xu übertreibft
immer, bu nitnmft alles fo fchredlid) fchroer,
Xoni —“
„tRimmft bu es berat leicht?“
„Rein dJlenfd) hat eine 2 K)nung —“
„ 3 eht... 31 m bfei3ehnten Oftober roerben's
alle roiffen. Unb — bas — bie £eut — bas ift
bas emsige, ums id) nit ertrag'.“
Sie brach fd)lud)3enb gufammen. Gr hielt
fie, roollte fie beruhigen — fo hatte er fie nie
gef eben. „ 2 Iber Xoni,“ bat er, „Xoni — faffe
bid)! Xu fd)abeft ja — bu fdjabeft uns allen!
Sieh mal, ich tu' hoch aud), toas menfd)en*
möglich ift! 21b er bas Unmögliche fannft bu
nicht oon mir oerlangen! 3$ f)abe fd)liefeli<h
finblihe Verpflichtungen meinen (Eltern gegen*
über, roenn ich auch oorhabe — —-“
(Ein roilber, böfer 21 nfall lieh fie plötzlich
auffahren unb machte ihre oerborgene Vauern*
natur frei. ,,2Id) toas!“ fd^rie fie laut unb
blitjte ifjn brohenb mit ihren bunfeln 3 Iugeft an.
„Rommft bu mir mieber bamit! Xas roar hoch
erlebigt! (Erft fomm' jet$t id)! 3 <h unb bas
Rinb! 2 ßas bu ben £euten am 3 °fephsberg
fchulbeft, bas fannft bu ein anbermal abmachen!
Vei befferer Gelegenheit! 3 d) hab's jefjt'fatt,-
bas halbe GetuM"
(Er lieh fie los unb ftarrte fie lange an. (Ein
tiefer Groll toollte fein §er3 ergreifen r aber im
lebten SRoment fdjütjte- ihn bie £iebe baoor,
ihn 311 233 orteri fommen 3U Iaffen. XunKe Vöte
tut 2XntIih, roanbte er fic| ber Xür 3U unb ging
ohne 2 lntmort hinaus. (Er hörte int 3 intmer
noch ihr jammembes 21uffd)lud)3en, aber er
fehrte nid)t um. 3n tief hatte es ihn getroffen
— „bas halbe Getu'“. Sie hielt ihn alfo für
halb, noch immer für halb. 2lun, bann roar
alles oergebens. Gr lief oor bas Vofentor
hinaus, an ben fchmuhigen Gräben entlang,;
too bie Färber roohnten. Ula<h einer Stunbe
erft trieb ihn bie bohrenbe 2Ingft nach £ehnerts
Gafthaus 3urüd. 3 n feinem Gntfe^en fanb er
bas 3 immer leer. 31 uf bem Xifd) lag ein 23 rief
mit frember 2Iuffd)rift, baneben ein 3ettel oon
Xonis §anb: „ 23 in nad) - ^aus gefahren.
Schreib mir, mann bu mich mieber fprechen
millft. $ier tft ein Vrief, ber heute tarn, ich
fonnte ihn bir noch nicht geben. Xoni.“ 21 uhe
unb tiefe Führung überfamen ihn. Ser längfte,
mortreichfte Siebesbrief hätte ihm nicht fo oiel
geben föraten mie biefe einfachen, bem
Schmers entrungenen 3 eilen. 3 a, Xoni blieb
Xoni. Von ment mar ber 23 rief? Gr las
ihn. Von Goa 21 oIlfinf. Sie hatte für ihren
blinben Gatten gefhrieben. Gs mar eine Gin*
labung, ein Vuf oon folcher $er3lihfeit, fo
nahe fd)on unb 3uoerIäffig, bah ü) m tränen in
bie 2lugen traten. 3a, fie hatten gut gemählt.
2 tur 3U feinem Vetter fonnte ihr 2 Beg je^t
gehen. 2 Iufmerffam las er ben Vrief immer
mieber unb bef)er3igte bie Vatfd)läge, bie ihm
bie feften Schriftsüge oon Goas §anb gaben.
Sann, ging er fort, um nachts fcf)on unter Xonis
3 enfter auf bem Vtarftplatj 3U ftehen. Gr
mollte ihr fagen, bah jetjt alles gleich fei —
er millige in bie 2Ibreife oor bem brei3ehnten
Oftober ein. Soch fie mar mie entsaubert, als
fie ihn mieber in ihren 2Irmen hielt. 2In feinen
Sippen hängenb, flüfterte fie, er folle ihr hoch
oer3eihen. Sie merbe felbftoerftänblich alles
auf fi<h nehmen, um fern Gemiffen oor ben
Gltem rein3uf)alten. Ste habe fid) befonnen —
nichts auf berSBelt fei fo arg mie ein 3^te=
fpalt. 2Bas fümmere fie bie gan3e S 9 lenf<hhett?
Gs müffe alles nur nach Rarlmanns 2BiIlen ge*
fchehen. —
So blieben fie in Umbrichsburg. Xoni
fchleppte fid) meiter täglich 3um 5 Rofentor hla*
aus. Gs erfd)ien ihr allmählich lächerlich, ifuen
3uftanb nod) oerbergen 3U mollen, fie glaubte
beftimmt, bah jeher ihn fah, ber 2Iugen 3um
Sehen hatte. 2 ßie ein Gebrechlicher ein
ferneres Gebrechen, fo trug fie ihr merbenbes
Glüd oor ben Seuten herum. Sie begriff nicht,
marum bie Vlutter fie nicht fragte — fie
fdjämte fid) uor §ilba unb Altane unfäglid).
Gnblich fam ber brei3ef)nte Oftöber heran. Gs
mar ein Xag, an bem fie befonbers Ieibenb
mar, unb Rarlmann füllte fie bis sum nädjften
SRorgen nicht fehen. Um fünf Uhr hoffte er
oon 3U §aufe fort3ufommen. Silles mar tm
Sehnertfhen Gafthaus oorbereitet, ben 2 Bagen
brachte Rarlmann mit — im grauenben Vtorgen
enifdjmanben fie allen 23 Iiden. Sie fah auf
bem 23 ett, ben fertig gepadten Roffern gegen*
über. Sie 30g fich nicht aus, fie legte fid) nicht
fdjlafen — 3 ohannes VoIIfinfs Vud) im Sdjohe,
bas fie nun f<hon ausmenbig fannte, mollte
fie einfam bie Stunbe ber Grlöfung heran*
märten. — ■ -
Sas 5 Rommgerfche $aus in ber Verta*
ftrahe erftrahlte in3mifd)en im geftgemanb.
Glüdlid) mar alles, oon Rlementine bis 3um
jüngften Gärtnerburfchen. 2 Iu<h Vater Xränfle
mar glüdlich, benn er hatte feinen groben 21uf*
trag oollenbet ausgeführt unb perfönlich all
bie munberbaren Shüffeln 3um 3 ofephsberg
hinaufgeliefert. 3 n gehobenfter Stimmung,
oom fhmeren Sherrp, ben ihm bie Röcf)in
freben3t "hatte, befchmipft, machte er fich auf
ben loeimmeg. 3a, biefe Corning er s, biefe
Corningers — es marert bo<h hochfeine Seute.
2 iad) ber Xrauungsfeier in ber Rird)e hatte
3uftinus fid) in : fein ßxmimx 3urüd3iehen
ntüffen. Gr dämpfte gegen Ohnmachtsanfälle
— feine Xeilnahme an ber ^efttafel mar leib er
ausgefd)Iöffen. Rarlmann mar es, ber ben
Vater 3U Vett brachte, mährenb im §aufe alles
fchmahte urtbladjte, bte Vrautpaare gratulierend
ümbrängte unb mit feierlicher Spannung
Rlementines §och3eitsmenü entgegenfal). Rarl*
mann enttleiöete ben Vater, ber es mit einem
füllen, ftumpfen £äd)elrt gef drehen lieh- 3h™
3itterten bie §änbe babei — mas mar bas —
fie burften ihm ja nidft gittern — er mollte je^t
ftart fein, an Xoni bertten, fich nicht oerraten.
2Bas muhte ber alte, lebensmübe Sftann oon
ber ^ähfoane, ber er entgegenfehritt? Gine
21 hnung oon ber lebten Stunbe ihres 23 ei*
fammenfeins mochte freilich in ihm hämmern,
benn er fagte plöblicf), fich ftöhnenb aus*
ftredenb: „Xante, mein 3 ange ... 2 Benn ich
bir nod) einen Gegenbienft leiften tarnt — foll
gern gefheh^-“ Xa brüdte ihm Rarlmann
nur ftumm feine fdjlaffe $anb — mie ein enb*
lid) Grtannter, enblid) Gehobener — bann
oerlieh er rafcf) bas 3t™™cr.
Gin büfterer 3 ™ang gab ihm bie Rraft, als
ftiller Veobadhter an ber §od)3eitstafeI teil*
3unehmen. ;2Bie hahte er heute biefe gefchntüdte
Iachenbe, fhmahenbe Vtenge! Xiefe gerührten
2lebner, bie froh maren, menn fie ihr Vnftanbs*
mort bem leib er ertrantten Hausherrn ge*
mibmet hatten, um bann bie forgfältig ge*
fammelten Schere anbringen 3U tönnen. Xer
fchlimmfte mar Graf Rild)berg — er fprad) in
Verfen. Ginen Xamentoaft. Unb Vraumüller
bantte bem §aufe Corning er, mährenb Vie*
genau glüdlidhermeife fchmieg. Xer gabritant
fprad) beffer, als Rarlmann ihm jemals 3 U*
getraut hatte. Gan3 einfach unb am Schluh
nicht ohne Gemüt. $hilipp> ber beftimmt ge*
hofft hatte, bah Vraumüller ftedenbleiben
mürbe, oerlor feine fämtlichen 2Betten. 2ln
feiner Xafelede h^fchte ein übermütiges,
tichetnbes £eben. Unb bie Vräute? Sie
fdjienen fehr glüdlid) 3U fein. Vor allem fahen
fie munberfd)ön aus. Xie Viutter aber? —
Xie dRutter oergah allmählich, bah der arme
3 uftiuus ihr Programm burhtreu3t hatte. Sie
mar jeht froh, dah fie ihn nicht länger 3m Ge*
fellfd)aft ge3mungen. 2 Roct)te er fich oben aus*
ruhen — fie mar auf ber §öhe ihres £ebens.
Sie ftrahlte ein grobes, unbesmingliches Glüd
aus, benn bie gan3e 21efiben3, bie fie gelaben
hatte, mar 3 ^age. £ange fah Rarlmann feine
Vtutter an. Gr prägte fid) mit halb bemühter
2 !bfid)t ihr fchönes Vilb ein, mie er es jeht oor
fich hatte — fp enb enb, erfreu enb, bejubelt
nach allen Seiten. Xo<h als fie plöblid) ihre
lachenben 2lugen auch auf ihn richtete, brehte
er fich fort. Gr muhte, mie tief er fie bamit oer*
Iehte, aber es ging nicht anbers, er muhte fich
f«hüben. Xie Gefahr mar grob-
Xann tarn bie 9 Xacf)t, bas Gartenfeft, bas
lange, halbe, märchenhafte. Unb Rarlmänns
2 tbfcf)iebsftunbe oom Glternhaufe fam. Gr
hatte feinen Rräften 3uoiel 3ugetraut. Sttd)*
linger fudhte ihn oergebens, um bas 3euer=
merf mit ihm ab3ubrennen unb bie Ghampägner*
fübel, bie auf einem Keinen, oon Gfeln ge*
3ogenen 2Bagen ftanben, oon £aube 3U £aube
3u fahren. Xie Gfel maren eine 3 dee oon
Vhtttpp, ber bamit eine 2Infpielung auf bie
Sd)miegerföhne maheu mollte unb auhcr fid)
oor 2 ßonne mar, als Viegenau feine 3 dee be*
fonbers I)übfd) fand. Stid)Iinger fuhte Rarl*
mann überall — als er ben 2Bunberlichen enb*
lid) im lebten 2 BinfeI bes Gartens" auf ber
SIRauer fibenb gefunben hatte, muhte er allein
mieber ab3iehen, benn Rarlmann mar 3U nichts
mehr 3U bemegen. Offenbar maren ihm bie
Getränte bei Xifch fehr fd)led)t befommen.
VIeid) unb nunmehr gan3 allein ftarrte Rarl*
mann in ben dRonb auf. 3114 ^ fuhren
Wateten aus ben bunfeln Gebüfheu, praffelnbe
Sd)toärmer folgten, bunte f reif enb e $euer*
räber. „21h!" rief man bemunbernb auf ber
Veranba, mo fid) bie 3ufcf)auenben Gäfte
brängten. „ 211 )!“ erflang es nad) jeber Vumrner.
2Bie unheimlich mochte bas Raffeln unb
Rnallen ben etnfamen Vater berühren, ber in
feinem Vette oben Sd)Iaf fud)te unb nichts oon
ben Iärmenben Vlenfdjen fah* 233 er mod)te
je^t 3U ihm hwaufgehen? 2 Rarion? Glfa?
Xie SLRutter? Rarlmann hätte es gern gemuht.
Vlöhlich fah er eine Geftalt an bes Vaters
3 enfter. Gr ftarrte hiu — es mar ^fjiltpp. Gr
banfte es ihm taufenbmal unb mar tief mit ihm
oerföhnt. Verföhnung auch mit all bem Ge*
triebe bort unten ergriff ihn — mit ber 2 Rutter,
mit ben Schmeftem. 3 eht ging er — er oer*
lieh fie, aber er mürbe mieberfommen. Un=
banfbar, treulos fonnten fie ihn noch fd)elten
— halb aber füllten fie anbre 2Borte finben.
Über £anb unb SWeet
mann. ©hütPP hörte plö^Itcf) einen ©uffdjrei 3hr's, mas td) (Euch 3U lagen bat»'? ©hnt 3hr's
ber ©lütter, unb entfetjt eilte er 3U il)r. Ellies fcf)on? Ol)» menn id) bas roüfete! ©er3eil)t
lief 3u|ammen, alles glaubte, £err Siarlmann mir!, Das ift ein ©bfdjieb beut, aber id) baffe*
habe |id) ein £eib angetan. Darüber beruhigte nicht auf lange! 3 <b ooill mein ftinb, mein
©hüipp, als er ben ©rief gelefen. Dann fühes einiges, in ©hren 3m ©Seit bringen,
führte er feine faffungslofe ©lütter in ihr ©tit meinem Aarlmann 3ieb' id) beute in bie
3 immer. Sie meinte, fie fd)impjte, fie rafte meite ©Seit hinaus — er mirb mich heiraten,
— telegraphieren mollte fie — bie ©ehörben er mirb meinem ftinbe ein ©ater fein. ©ßir
aufrufen — enblid) fahte fie fid) aber, benn tennen uns, mir oerftehen uns, mir lieben uns!
Philipp rih fie gemaltfam ber Dür 3U. Dort ©ie, nie merbe ich ihn oerlaffen! Das £eben
ftanb 3m|tinus ©ominger in feinem alten ift fo fd)ön, fo groh — id) banfe (Euch, 3 br
Sdjlafrod, blafe, mit mirrem £aar. Der £ärm (Einigen, Dreuen, bah 3 br mir's gefd)enft
batte ihn beruntergefübrt — fd)on muhte er habt! ©uf © 3 ieberfehen, menn alles mieber
alles. ruhig unb gut ift! tonnt' nicht länger hier»
,,© 3 as millft bu!“ herrfchte er fie mit hohler, bleiben — meinetmegen unb ©uretmegen!
aber mächtiger Stimme an. ,,©lit mem Dentt in ^rieben an (Eure (Euch emig liebenbe
baberft bu! Safe beine $änbe oon bem jungen! Doni.“
©un ift er bir baoongelaufen! Du bift an allem £ange fahen ©ater unb ©lütter Dränfle
fd)ulb!" auf ihren Stühlen unb ftarrten bas ©latt an.
„ 3 <h ? ! 3 <h* 3 nftinus!“ (Erft als bie ftrau fid» regte, tarn audj in ben
„ 51 m meiften bu! Unb id) fag' bir's — ©tarnt etmas £eben. „£>aft bu's gemußt?“
menn's jetjt aud) mie 'ne Sd)Ied)tigfeit aus* fragte er heiler.
fd)auen mag, mas er getan hat — bie erfte ©e* „©ein, ©uguft — bas — bas nit...“
fd)eitheit, bie id) oon ihm febe, ift es! ©effer ©arbara meinte.
jd)Iecht fein, als eine ©ull fein! 3<h oerbiet' „£ab's mir gebaut," flüfterte ber ©Ite.
bir's, bah bu ihm nad)fpürft, ich oerbiet' bir's! „ftann ja nit anbers fein. Denn fonft — mir
Das £eben foll ihn enblid) in bie Ringer hätten fie hoch behalten — mas — mastümmert
triegen! Das mahre £eben!“ mid) ber ©larft!“ (gortfefeung folgt)
©Semt er fie anbem Dant unb anbre streue
ernten lieh- Das mar fein 3 iel- (Er gab fid)
einen lebten ©ud, fprang oon ber ©lauer unb
oerlieh, ©eläd)ter, £id)t unb £ärm im ©üden,
burch eine Seitenpforte ben ©arten, ©r fab
fid) nicht mehr um.
Um oier Uhr rollte burch bie grauen, harten,
laut miberballenben Strafen §riebrid)sburgs
ber ©Sagen, ber Doni unb Äarlmann mit ihrer
< 5 abe 3um ©ahnhof trug. Um halb fieben Uhr
beftiegen fie ben ©tündmer 3 U 9 - < 5 o lange
hatten fie frierenb im einfamen © 3 artefaal 3U
fihen. Der ©torgen mürbe tlar unb blau. (Es
mar ein rechtes 3ns=©lüd=.£jinausfahren, bas
er ihnen befeuerte. —
Die beiben jungen (Ehepaare bes Kaufes
oerliehen erft am näd)ften ©ad)mittag, norb*
märts unb fübmärts, $riebrid)sburg. Die
©raumüllerfche $od)3eitsreife ging nad) f^ranf*
reich unb §ollanb, bie ©iegenaufd)e nad)
Italien, ©is 3uleht hotte man fid) geftritten,
meld)e ©eife fdjöner märe. SUementine mar
nod) bis fed)s Uhr, bis bie lebten ©äfte ben
©arten oerlaffen hotten, untermegs. Das
Seltfame gefdjah — es fiel ihr jebt erft auf,
bah fie ilarlmann oiele Stunben nicht ge*
fehen hotte, ©od) tarn ihr feine böfe ©hnung
babei — fie hielt feine (Eigenbröbelei nur
für ben alten Drob- ©Is aber im §aufe alles
3U ©ett mar unb ber fabe ©eruch oon oer*
brannten Sieben, 3i9 a rren, offenen ©Sein*
flafdjen unb melfen ©Iumen fid) mit ber harten
prrühluft mifd)te, ftieg SUementine, fid) fröftelnb
in einen Schal hüllenb, aus ber © 3 üftenei in
Äarlmanns 3intmer hinauf, ©r mar nicht
bort. Sie rnedte ben meinfd)meren ©hüipp,
ber megen ber rafdjen Störung fehr ergrimmte
unb feine ©usfunft gab. ©iarion unb (Eifa
maren unmöglich auf3ufud)en — bas ©erfonal
muhte nichts, ©iemanb hotte ben jungen
Ejerrn fortgehen fehen. 3n ftummer, ahnungs*
ooller ©ngft martete SUementine bie Stunbe
ber erften ©oft ab. (Es fam ein ©rief oon 5 tarl*
<5 eb et
Saffe, ©ott, mich nidjt im Schatten
©teiner blinben £eiben houfen,
©is bie ©ulfe mir ermatten.
Sieh, bie ©Sunber märten brauhen.
©tit ber Hoffnung hellen Johnen,
©ott ber alten Sternenbahnen
Unb ber taufenb ©Seltenmunber,
Steige auch 3U mir herunter.
©Silhelm Schuffen
1026
1911. 9lr. 39
j Pie füllten nuiljitcit
OTid)ts ift fd)wieriger, als einem
| V v Wluslänber begreiflief) machen 3U
j wollen, bah Deutfd)Ianb 3war ein feit*
I gefügtes einheitliches Staatswefen ift,
I aber aus fünfmtb3wan3ig Unterftaaten
befteht, oon benen jeber ein3elne
j fouoeräne Selbftänbigfeit befitjt. ©s
I fommt bem Wluslänber fettfam, oiel*
1 leicht fogar ein wenig lächerlich cor,
bah ber Sürft Wleuh jüngerer £inie
j unb ber §er3og oon Wittenburg als
I Surtbesfürften ber Xheorie nad) auf
j berfelben Stufe ftehen wie ber mit
I ber beutfd)en ftaiferwürbe gefdhmüdte
A ftönig non ^reuhen, unb unter ben
fleinen beutfehen Wlefiben3en [teilt er
I ficf) intereffante, aber etroas un3eit*
gemäße uberreite mittelalterlid)er
j |jerrlidjleit oor.
| 3 icmlicf) ausfid)tslofes Semühen
roäre es, einen nicht auf beutfehem ** ot - e. e^aiict
I Soben ©eborenen baoon 3U über* 5 fontglid)es Sd)loh tu Stuttgart
j 3eugen, bah biefe icheinbare
I fplitterung unfres Saterlanbes ein ©lement feiner Iid)en Sd)Ioffe 3U Serlin, bas feine heutige
©röhe unb feiner Stärfe barftellt, inbem es ©eftalt, als ©an3es betrachtet, ben planen
* Deutfd)Ianb oor oerberbüd)er 3 entraIifation be* Sd)lüters, bie ©ofanber oon ©oethe unb Soel)me
I wahrt. | 5 ranfreicf) abforbiert bie ioauptftabt fortfetjten, oerbaritt. Wlber wenn bie brei §aupt*
| ijkris alle intellettuellen ifräfte bes £anbes. fronten bes Serliner Sd)loffes, an bem £uftgarten,
I 3 n Deutfd)Ianb finb bie §auptftäbte ber eüt3elnen bem Wtationalbentmal unb ber ehemaligen Sted)*
Sunbeslänber ebenfooiele grohe unb tleine ifultur*
3entren, unb man braud)t nur WBeimar unb WJlün*
bahn, bal)er im Sarod gehalten finb, fo präfentiert
fid) bie an ber Spree liegenbe Seite im aus*
d)en 3U nennen, um fidf) 3u oergegenwärtigen, gefprodjenften Wlenaiffanceftil. ©in runber Durm,
f mt Dr. fl. umt
oon Sapern — er lebte oon 1229 bis
1294 — fid) felbft 3um Sd)ut)e, bem
$einbe 3um Drutse an biefer Stelle
entftehen lieh- mar eine richtige
fefte Surg mit WJlauern, WBällen unb
©räben. 3e^t ift bie 9 Jlünd)ener Wlefi*
ben3 teils oon ben belebteften Strahen
unb flöhen, teils oon ben freunb*
liehen Einlagen bes $ofgartens um*
geben, bie ben itbergang 3U bem
walbartigen ©nglifd)en ©arten, bem
Sois be Soulogne ber SCRündjener,
oermitteln. Die ber Strahe 3ug et ehrte,
mit frönen Sron3earbeiten gefd)müdte
Üjauptfaffabe lieh fturfürft WJtar I.
ums 1600 errid)ten, ben „Königs*
bau" unb ben „geftfaalbau“, roelche
biefe „Witte Wtefiben3“ einrahmen, fd)uf
||j £eo oon 5 flen 3 e nad) italienifd)en
!■ Sorbilbem für ben tunftliebenben
ftönig £ubwig I. in ben breiiger
fahren bes letjten 3 ahrl)unberts. Das
gleiche Scfjicffal, immer enger oon
bem anfdjwellenben §äufermeere umringt 3U
toerben, hat bas Dresbener töniglid)e Sd)loh
erfahren, bas Wluguft ber Starte 1701 in feiner
heutigen ©röhe herftellte unb bas oor 3ehn fahren
3um lebten WRale erneut würbe. Son allen beut*
fdjen Wlefiben3fd)Iöffern ift es, ber herrlidjen Schabe
toegen, bie es im „©rünen ©ewölbe" birgt, bas
oon Deutfchen unb gremben am häufigften befud)te.
3 n Stuttgart beherrfd)t bas töntglicfje Sd)loh
j: sini iM j »i l
■ - •• ' y
U* m Wr ns
Sertag ©. Stadingfdjc $ud)t)anMung, SB1. Sdjmibt, DIbenBurg
©rohher3oglid)es Schloh in Olbenburg
©rohher3ogIid)es Schloh in Sdjwerin
bah einige oon ihnen, namentlich in be3ug auf
bie pflege ber fchönen fünfte, fid) burdjaus eben*
bürtig neben ^Berlin behaupten. Der materielle
Wluffchtoung, ben Deutfd)lanb in ben lebten 3 at)i>
3ehnten erlebte, hat aber auch 3 ur 5 °l 9 e gehabt,
bah biefe §auptftäbte faft alle an Wlusbehnung
unb ©inmol)ner3ahl gan3 beträd)tlid) 3ugenommen
haben. Der Sulsfchlag unfrer fleihigen unb be*
triebfamen 3^it ift in ihnen 3U fpüren.
Dem äuheren Silbe biefer Stabte ift biefe
©ntroidlung nicht immer günftig. So
mand)es alte Sauroerf oerfdiooinbet,
um einer WJttettaferne, einer $abrit*
anlage ober einem WBarenhaufe ^ 3 Iab
311 machen. Sei aller Pietät ift es
nicht immer möglich, bie ard)itettoni*
fdhen 2Bahr3eid)en früherer 3 aht =
hunberte oor Semid)tüng 3U be*
rnahren. Wlur bie Wlefiben3fd)Iöffer ber
Sunbesfürften halten bem W 33 ed)fel ber
3 eiten fiegrei^ ftanb. Wlud) oergröhert
unb mobernifiert oerleugnen bie Wß
toenigften oon ihnen gan3 ihren ur* Jfljp
fprünglid)en ©haratter. Son gefd)lof= !L|ü^
jener Stileinheit tann freilid) nicht
immer bie Wiebe fein; jeber bauliebenbe
fjrürft — unb toe!d)er gürft toäre IlljjfM'
nid)t bauliebenb getoefen? — ergän3t * * ”
bie Schöpfung feiner Sorfahren nad) I«
feinen Sebürfniffen unb bem ©e=
fd)made feines Zeitalters.
Dies gilt nicht 3uleht oon bem
mädjtigften unb impofanteften aller
beutfehen Wlefiben3fd)Iöffer, bem fönig*
„ber grüne §ut," ftammt fogar noch ÜOm
fürften griebrich II., aus ber 3toeiten Hälfte bes
fünf3el)nten 3 ah^hanberts, roährenb bie Ufer*
terraffe unb ber £anbungsplah gleid) baneben
oom jetzigen 5 faifer angelegt rourben. f^aft ein
halbes Zahttaufenb trennt alfo 3eitlid) bie Kräfte,
bie hier 3ufammenioirtten. Solche ©egenfähe
oereinigt aud) bie föniglid)e Wlefiben3 in 9 Jlünd)en.
Der fübroeftliche Flügel ihres „alten ioofes“ ift
ein Deil ber Surg, bie §er3og ßubroig ber Strenge
5 töniglid)e Wlefiben3 in WJlümhen
bas Stabtbilb auf bie glüdlid)fte Wirt. Der Schloh*
plah mit feinen Säumen unb Seeten, feinen
Denlmälern unb feinen ifiosfen ift ber eigentliche
WJiittelpuntt bes Stuttgarter £ebens unb Dreibens.
5 faum eine anbre Stabt in Deutfd)lanb hat einen
^ßlah auf3uo)eifen, ber bei fo geroaltigen Dirnen*
fionen einen fo oornehm ruhigen unb freunblid)en
©inbrud auf ben Sefchauer l)eroorbräd)te. Sön
einem Stuttgarter Schlöffe 3U fpred)en, ift
allerbings nicht richtig. Denn xoenn bas oon
fran3öfifchcn Wlrchitetten im a<ht3ehn=
1 ten 3al)rl)unbert errid)tete eigentlidje
1 Sd)Ioh, beffen golbene 5 lrone im
Sonnenlichte weithin erftrahtt unb
beffen §auptgebäube 3toei Flügel
! weit na^ oom fdjiebt, bie Slide am
ftärtften auf fid) 3ieht, fo mag hoch
ber ©efd)id)tsfreunb bem Witten Schlöffe
baneben ben Sor3ug geben. 9 Jfit feinen
runben ©dtürmen, feiner Wleittreppe,
bie bis ins 3weite Stodwerf hinauf*
reidjt, unb feinem ehrwürbigen 3nnen*
l)ofe, in beffen Wftitte ein Wleiterftanb*
bilb bes ©rafen ©berharb im Sorte
3u fehen ift, wedt es bie ©rinnerung
an jene 3 eiten ber Sergangenheit
Schwabens, bie allen Deutfchen burd)
ben Wliunb ber Did)ter §auff, Hhlanb
unb ferner lieb unb oertraut gewor*
ben finb. WCirtlidje Wlefibensen finb
übrigens beibe Sdjlöffer gegenwärtig
nicht. Das Wteue Schloh gibt ben
- Sdhauplah 311 öen geften bes ioofes
ab, im Witten finb höfifche Sel)örben
1911. 9tr. 39
Uber fiartb urtb 9Jlcer
1027
Salaisrefibiert. ©rof3l)er3og
©ruft ßubmig oon §c[fcn,
ber oerftänbnisoolle Sdjüijer
bes moberneu 51 unftgemer=
bes, I)at biefes Galats mit
bem erlefenften '©efdjmade
ausgeftattet.
9 Iud) in Dlbenburg unter*
fcfyeibet man Sdjlofe unb
Calais. Das gro&I)er3og*
Ii(f)e Saar 3iet)t bas Ie^tere
bem elfteren t)or.
äRandjem beutfd)en $ür*
ftenfd)Ioffe ift bas $euer
3um (Erneuerer gemorben.
So rourbe bas ÜBetmarer
9 ?efiben 3 fd)Iofe 1740 burd)
93 Iit$ftraI)l serftört unb erft
fünf3et)n 3 af)re fpäter burd)
§er3og 51 arl 2 tuguft [o, rote
es fetjt bajtetjt, toteber auf*
gebaut. §ier rotrb nid)t nur
ber ftult ber 9 lf)nen gepflegt,
-biebem 9 Inbenten©oet])es,
Sd)iUers,$erbers unb SHelanbs gemeinen „Didjter* fdjlofe. 5 Ber toürbe biejen gra3iöjen, Weiteren
3immer“ mahnen pietätooll an bietlaffifdje ^eriobe unb anmutigen Sau fo i)od) im Sorben Deutfd)*
in ber ©efdjid)te ber 3 hriftabt. 58 raurtfcf)tDcig Ianbs oermuten! 3 CRan meint, er märe burd)
mar es nid)t ber Fimmel, märendes oielmeljr jetjr 3 a u berlaub aus bem jonnigen grantreid) ins
irbifd)e ©emalteu, bie bas Sd)lof3, bas bis bat)in ßanb ber Obotriten oerfetjt morben, unb in ber
ber „©raue $of" gereiften Ijatte, im September Dat t)at ben planen bes Sd)toeriner Sdjloffes,
1830 in flammen aufgeljen liefen. Das gefdjab, beren 9 lusfül)rung Stüler übermad)te, bas be=
als bie Sraunfdjmeiger ben §er3og Äarl, ben rühmte fran3öfifd)e Scfyloft ©ijamborb in ber 5 Rät)e
„Diamanten=<rjer3og", feiner 2 BiIltür unb ßaune oon Slois, eine Serie ber fran3öfifd)en SRenaiffance*
51 aiferpfal 3 , auf einem
SotpI)DtfeIfen über bie
anüegenbe Stabt ragt.
£ier entführte ber Witter
Äun3 oon Häufungen in
ber SRadd oom 7 . 3um
8 . 3 uli 1455 bie Stilen ©mft unb ßtlbert oon
Sad)fen, meld)e bie Stifter ber beiben fjeute
blül)enben ßinien bes Kaufes SBettin merben
füllten.
Unb ba ift oor ben Doren ber rührigen
gabritftabt ©era auf bem §ainberge bas reu&ifdje
Sefiben3fd)Io^ Dfterftein, bas bie Sögte oon ©era
fd)on im brennten 3 cü)*I)unbert bemoljnten unb
bas in neuerer 3 eit tm ©efd)made ber englifd)en
<pi) 0 t. ©. Emalb, Raffet
^ürftlid) 2 ßalbedfd)es Sd)lofj in ^Irolfett
überbrüffig, 3ur gludjt 3mangen. Das neue ard)itettur, teilmeife 3ugrunbe gelegen. Seine ßanbfitje umgebaut mürbe.
1028
ttber £anb unb 9Jleer
1911. 5Kr. 39
Verirrt
£umoresfe von 2ßitt)elm Sraurt
on 33 erlitt mar id) ohne Unterbrechung bis
•3U meinem erften, nicht alfeumeit mehr t>on
^loreng entfernten Stanb quartier gefahren. 3 <h
roar bat)er, als ich imT^otel anlangte, jo mübe unb
hungrig, bah id) barauf oer^ichtete, mein im britten
Stodmerl gelegenes 3 intmet fogleid) an^ufehen, unb
mich ohne Ver3ug in bie Reftaurationsräume begab.
Da es beinahe elf Uhr abenbs mar, fo maren
teine (Säfte mehr anmefenb. Dafür mürbe ber
Saal belebt burd) einen Dberlellner, 3mei Seltner
ohne (Strafe unb einen Rillolo, bie fich in bie be*
fcheibenen, oon mir beanfprud)ten Dienfte teilten.
3 um Schluffe ber Vorbereitungen reichte mir ber
Rangältefte bie Speifelarte, morauf fich hie oier
fchmarggemanbeten Deute im £albfreife um mich
gruppierten unb mich ermartungsooll anfahen.
3 <h 30g meinen italienifchen Sprad)führer
aus ber Dafdje, fdt>Iug bas Stapitel „(Safthöfe“ auf
unb fühlte mich nun allen fprad)Iid)en 3umutungen
gemadhfen. Denn in bem guljrer ftanben bie 3 mt=
morten auf alle nur erbenllidjen fragen, bie
irgenbein ^otelangeftellter an ben (Saft rieten
lonnte. Die oier mich umgebenben Kellner fragten
aber gar nichts, fonbern »erhielten [ich oolllommen
ruhig. Hub bies mar geräbe ber ein3ige galt, ber
in bem Sprachführer nicht berüdfidjtigt mar. 3 d)
geriet in grojje Verlegenheit, unb aus bem bunletn
(Sefühl heraus, bah man billigermeife irgenbeine
3 tuherung oon mir ermarten lonnte, las id) halb
med)anif<h bie erfte $rage, bie man nach ber
VSeifung bes Rührers „beim Eintritt in bas Reftau*
rant“ 3ü tun hätte, 3r°är bemerfte ich mährenb
bes Sprechens, bah hie Überfettung ber Rhrafe
lautete: „ 3 ft noch ein Difch frei?“ Da ich mid)
jeboch nicht oon oornherein jeber Autorität be*
rauben mollte, fo brachte ich meinen Sah männlich
3U ©nbe, unb mährenb bie Kellner mit trampf=
haftem Rtienenfpiel ihr Dachen unterbrüdten,
ftarrte ich unter meiner magerecht an bie Stirn
gelegten £anb in bie gähnenbe Deere bes Saales,
als entbedte ich erft je^t 3U meiner ungemeffenen
Vermunberung, bah ha in ber Dat noch einige
meitere Difdhe unbefet$t mären.
Rlöttlid) burd)3udte mid) ein £>offnungsftrat)I,
bah oielleicht jemanb aus ber fd)mar3en Schar
etmas Deutfeh oerftehe. 3 <h fragte baber in meinen
heimatlichen Dauten, meid)es ©ericht heute be*
fonbers 3U empfehlen märe, hierauf brachte mir
ein Kellner bie Rßeinlarte, ber 3m eite $euer für
meine erlofchene 3 ^gorre unb ber Rillolo eine
beutfehe 3 eitung. Der £)berlellner hingegen, ber
feine Untergebenen an Sprachtenntniffen be*
beutenb übertraf, fagte erfreut: „Ah! — Palazzo
di giustizia — morgen — molto nahe — cinque
minuti.“
3 <h oer3i<htete barauf, ben Sprachgemanbten
auf3ullären, bah man unter „(Bericht“ aud) etmas
©eniefjbareres als einen „Palazzo di giustizia“
oerftehen lönne. Denn ich muhte nicht, in melchem
Rbfdjnitt bes Sprachführers ich eine foldje Ve=
merlung fuchen follte. Vielmehr nahm id), einer
geiftreichen Eingebung folgenb, bie Speifelarte 3m
|janb unb fd)Iug bie Unterabteilung „Speifen unb
©etränle“ bes Rührers auf.
31 uf ©runb oielfacher (Erfahrungen muh id)
bie Dheorie aufftellen, bah hie Speifelarten aller
auslänbifchen (Safthöfe ohne (Einficht in bie ge*
bräud)Iid)en Sprachführer unb unter forgfältiger
Vermeibung ber bort aufgeführten 33e3eicbnungen
angefertigt merben. Denn fonft märe es nidjt rnög*
Iid), bah hie langen Diften einerfeits jener Vüd)er,
anberfeits ber ^otelfpeifelarten fich meift in
leinem Runlte berühren. Dies aber mar, mie
fd)on [0 oft, auch biesmal ber $all. ßum ©Iüd
fiel mir jettt eine auherhalb ber Reihe, am oberen
Raube ftefjenbe Vemerlung in hie 3 tugen. Das
mar ja bie Stelle, mo auf bie „heute befonbers 3U
empfehlenben“ Speifen hittgemiefen 3U merben
pflegt. 3<h tippte alfo triumphierenb auf biefe
3 eile. Die oier ©anqmebe Hielten 3uerft mich,
bann fid) gegenfeitig fehr aufmerlfaütlan, mas fie
in berfelben Reihenfolge noch mehrmals mieber*
holten. Doch rührten fie; fid) nicht 00m Rlatje.
3 Bie mir fpäter feftsuftellen gelang, befagten bie
oon mir be3eidjneten 3 Borte^ *ba| im Refe* unb
Raud)3immer leine Speifen feroiert mürben.
Runmehr padte mid) eine 00m Rtagen auf*
fteigenbe Ver3meiflung, unb mit miIber-(Sebärbe
unb aufs (Seratemohl tippte ich auf irgenbeine
Stelle in ber Rütte ber Speifelarte, morauf 3U
meiner innigen Vefriebigung fämtliche oier Stell*
ner baoonftür3ten.
Rach einer Viertelftunbe mürbe mir. ein (Bericht
gebracht, bas ich noch nie gefehen ober gerochen
hatte. Das leidere Rloment mar mir befonbers
unangenehm. Denn es märe mir lieb gemefen,
menn ich mich bei früheren (Selegenheiten an ben
(Berud) gemöhnt hätte. 3 <h oermag aud) nicht 3U
fagen, meiche Veftanbteile bas (Bericht enthielt
ober, mas oielleicht Iür3er märe, bie es nicht
enthielt. Denn bie ©hemie ift immer meine fcbmache
Seite gemefen.
(Eine finftere Stimmung bemächtigte fid) meiner.
Den Stampf mit ber Sprache noch einmal auf3u*
nehmen, ba3U fehlte mir Rlut unb Straft. 31 uherbem
mar mein Ruhebebürfrtis faft nod) größer als mein
junger. Sd)liehlid) begnügte id) mid) bamit,
burch Stnabbern eines 33 rötd)ens bie 33 egierben
meines Rlagens ein3ufd)Iäfern. Dann tiefe ich
mid) oon einem ber beiben Stellner ohne ©harge
über holbbunlle Dreppen unb ^Iure auf mein
3immer geleiten.
Die übergroße (Ermübung lieh wich halb feft
einfchlafen. 31 Ilein noch oor fed)s Uhr morgens
machte ich oon einem rafenben junger auf. Rtein
Riagen mar in oollem 31 üfruhr unb blieb taub gegen
alle Verkeilungen bes Stulturmenf»hen in mir.
3 lber mie ihn beliebigen? Ob fd)on jemanb oom
Verfonal in ben Reftaurationsräumen anmefenb
mar, muhte höchft fraglich erfcheinen. Unb menn
bas mirllid) ber ^all mar, mürbe id) in meinem
gegenmärtigen Sdjmäcbe3uftanb etmas erreichen,
mas mir geftern abenb im Vollbefits meiner geiftü
gen Sträfte nicht geglüdt mar? Da burch3udte es
mich mie ein 33 Iih: in meinem ^anbloffer befanb
fich ja ein Rädchen 3onebade, bas id) als eifernen
gonbs mit auf bie Reife genommen hatte. Stein
lulullifdjes Riahl mar mir je fo oerlodenb erfchienen
als in biefem Rugenblide bie fd)lid)ten 3^iebade.
3 Ufo rafch ben Stoff er her! 31 ber ad), mo mar er?
2 >d) fah mich um, ich öffnete ben Sdjranl, ich
Irod) unter bas Vett unb bas Sofa, id) lieh tein
Riöbel auf feiner Stelle: ber Stoffer mar nicht 3U
entbeden.
Von ber §ärte bes Schidfals gan3 übermältigt,
fanl id) auf einen Seffel unb 3ermarterte mein
©ehirn, mo ber unfelige Stoffer fteden lönne.
Unb allmählich mürbe es lid)t oor meinem
geiftigen 3 tuge. Der Stellner hatte mich nur bie
Dreppe hinauf begleitet unb an beren oberem
(Snbe, als er mich bem 3ünmermäbd)en übergab,
ben Stoffer hiageftellt. Die 2 Beiterbeförberung
hatte offenbar burch bas Rläbchen gefchehen Jollen,
mar aber, ba folche Damen fid) mehr für bie 31 b*
reife* als bie 3 tnlunftsformalitäten intereffieren,
unterblieben. (Es unterlag leinem 3 **^^!, ber
Stoffer ftanb noch am Dreppenabfah-
3 Bie eleltrifiert fprang ich auf. Die Rettung
mar alfo näher, als idh gebadjt hatte. Sie toftete
mich nur ein paar Schritte. 2 >d) öffnete bie Dür,
um meine Stleiber herein3uholen. Da, ein neues
Ungemach! Der irjausbiener hatte meinen äufjeren
Rienfchen 3um Reinigen fortgenommen. (Es ge*
hört 3m Stanbesehre eines ^ausbieners, bie
Stleibungsftü'de ftets in bem Riomente fort*
genommen 3U haben, mo man fie irgenbmie ge*
brauchen lonnte.
(Ein heftiger Stampf erhob fich in mir. Sollte
id) es mögen, ben Iur3en 3 Beg in einer nicht gan3
ben europäifdhen (Bemohnheiten entfprechenben
Doilette qurüdßulegen? 3 <h laufdhte hinaus. (Es
mar noch lein Daut im §aufe 3U oernehmen. Run,
bann rnufjte es gemagt merben. 3<h 30g meinen
leiber recht Iur3en Sommerüber3ieher über bie
— nein, leine R(ad)t ber 2 Belt foll mich bemegen,
bie übrigen Veftanbteile meinesStoftüms3U nennen.
So mad)te id) mich auf bie 3 Banberung.
3 <h ging ben Storribor entlang, bog um eine
(Ede, barauf um eine 3meite. §m, fytx mar es
nicht. lehrte um, ging nad) ber anb ern Seite,
laut mieber an eine ©de — mar es bie oorige ober
eine neue? 3<h manbte midh, paffierte einen lur*
3en, bann einen langen (Bang — ba enblidj, mas
leuchtete ba oor meinen ent3üdten 31 ugen? ©s
mar ber Stoffer, ber helfe^rfefertte, ber ungeftüm
begehrte. 3 Bie ber Diebenbe auf bie lang oermihte
(Beliebte ftür3te idh auf ihn 3U. Schabe, bah ich
ben Schlüffe! nicht gleich mitgebracht hatte. 3 <h
hätte meinen junger auf ber Stelle befriebigt.
Run, auf bie 3m ei Rtinuten bis 3ur Rücflehi in
mein 3 ürtmer follte es mir nicht anlommen. So
machte ich mid) benn eilenbs auf ben Rüdtoeg.
Srol) bes ©rfolges maubeite ich burch öie
©äuge. Da Blieb id| plöfelidh mie angebonnert
ftehen. ©in furchtbarer ©ebanle hatte mein |>im
burd)3udt: id) hatte mir bie Rümmer meines
3intmers nicht gemerlt.
. -Vermirrt unb angftooll blidte idh ben Storribor
entlang. 3 Bar bas ber ©ang, an bem mein 3 intmer
lag? 3 <h lugte um bie nächfte ©de. Diefer ©ang
lam mir hoch belannter als ber oorige oor. Ober
hoch nicht? S)m. Doch, bod), ber mar es, ber muhte
es fein. 3<h fah mid) um, ob mir nicht eine ber
Düren belannt oorläme. Vergebens! 311 Ie fahen
mich einförmig unb mit beleibigenber ©leid)*
gültigleit an. Dodj halt ! Rluhten nicht bie auhen
hängenben Stleibungsftüde ein ©rlennungs3eid)en
abgeben? 31 ber bei biefem ©ebanlen tarnen mir
erft bie Sdjreden meiner Situation gan3 3um
Vemufjtfein.
3<h habe nie oiel auf Ruherlid)leiten gegeben,
unb ich oerabfdheue bie ©itelleü. 31 ber ich muh offen
geftehen, bah m jenem benlmürbigen 3 lugenblid,
mo mir bie Unlenntnis meiner 3tmmernummer
3um inneren ©rlebnis marb, bie Riärtgel meiner
Döilette midh tiefer erfdhütterten als irgenbein noch
fo fchmermiegenber fehlet meines ©haratters.
Von madhfenber Unruhe getrieben, rannte id)
hin unb het, unb immer mieber mufterte idh bie
Düren unb horchte babei ängftlid) nach jebem ©e*
räufd), inbem ich mir alle möglichen befdhämenben
Situationen oorftellte. §ier unb bort hörte man
bereits umhergehen unb Stühle rüden. 2 Bie halb
lonnte jemanb hetaustreten! ©ine Dame! ©ine
junge Dame! ©s mar entfefelidh, baran 3U beulen.
Unten freilich, im Vureau, hätte id) bie 3 immer*
nummer Ieid)t erfahren lönnen. 31 ber auch bort
mar es fdjott lebenbig gemorben; ich burfte mich
nicht auf bie Dreppe magen. 3 Benn nur ein irjaus*
biener ober 3tmmerteIIner oorbeigelommen märe!
Sonft ftolperte man auf Schritt unb Dritt über
einen oon ihnen.
3d) fudhte unb fuchte unb 3ermarterte meinen
Äopf nach ber unfeligen 3 tmmernummer. Ver*
geblid)! 3 ßar es ein 3 Bunber, bah ietst fd)mar3e
Schatten meine Seele umlagerten? Rian erinnere
fi<h nur, meldhe Rein unfern 3 U)nen 31 bam unb
©oa ihre mangelhafte Velleibung oerurfachte!
Unb bod) lag bie Sache für fie fo günftig, mie nie*
mals fpäter melü für irgenb jemanb.
$ätte ich nur gemuht, ob eines ber 3tntmer
lebiglid) einen männlichen Vemohner beherbergte!
Dann hätte ich angellopft unb unter oielen ©nt*
fdjulbigungen um feine Vermittlung mit bem
Vureau ober Rortier gebeten. Dort brüben oor
Rümmer 42 ftanb nur ein Raar Stiefel. Sie maren
recht grob- 3<h fchlich näher heran unb beugte mid)
3U ihnen herab, um 3U fehen, ob fie männlichen
©efd)Ied)ts mären. 3 u biefem 31 ugenblid öffnete
fid) bie Dür, unb eine Dame fchofe heraus, an*
febeinenb in ber 31 bfid)t, bie Stiefel herein3it*
nehmen. 3 (Is fie mich über bie Schmelle gebüdt
erblidte, prallte fie 3urüd. 3<h richtete mid) auf.
3 hre 3 Iugen fielen auf mein Stoftüm, unb ein
Schrei entrang fidh ber Stehle ber Vebauernsmerten.
Dann fdjlug fie blifefdjrteXI bie Dür oon innen 3 U,
unb ich hörte, mie fie ben Riegel oorfdjob, ben
3 tusgang mit unterfchieblidjen Ribbeln oerbarri*
labierte unb f<hliehli<h mit ber eleltrifchen ©lode
ein betäubenbes, nicht enbenmollenbes 31 Iarm=
geläut oollführte.
©inen 3 lugenblid mar id) mie oerfteinert.
Run mar bie Stataftrophe ba. 3 n menigen Se*
lunben muhte id) in meinem mürbelofen 31 uf 3 uge
oor bie Öffentlichleit treten.
Doch noch einmal raffte idh mich auf. 2Bie oon
Furien gepeitfd)t rannte idh burd) bie ©änge.
§öhnifd) glo^ten mich bie 3immernummern an.
Sed)sunbneun3ig, fiebenunbneun3ig, adhtunbneun*
3tg — hm, ad)tunbneun3ig? SUang mir bas nicht
etmas oertraut? 3d) fpradh mir bie 3 a hl mehr*
mals laut oor. 3ebesmal lam fie mir belannter
oor. 3 <h betrachtete bie Dür, unb es hämmerte
mir mie eine leife ©rinnerung. Sollte ich es
magen? Sollte bie Stimme bes Swens auch
hier bes Schidfals Rügung fein? 3 BahrIidh, ©äfars
oielgenannter Übergang über ben Rübilon mar
gcrabe3u eine Rapp alie gegen bie Dat, 3U ber idh
midh hier entfd)liehen follte.
Dod), mas mar bas? ©rllangen ba nicht
Stimmen? Unb noch ba3umeiblid)e? Sie näherten
fich auf bem anftojjenben ©ang. ©ütiger Fimmel!
Das maren ja englifdhe Raute ! Rein, bas mar
nicht benlbar, bah ^Dödhter 31 Ibions mid) fo fehen
füllten. Roch einen Rloment fchmanlte ich. 3 lber
fdjon fah ich 3mei Damen um bie ©de biegen —
unb, jebe anbre Rüdfid)t oergeffenb, ftürgte idh
ins 3immer ad)tunbneun3ig.
Die ©in3elheiten beffen, mas ich hier fah, finb
mir nicht 3um Vemuhtfein gelommen. Dah es
jeboch n i d) t mein 3i r rtrner mar, in bas ich fo
ftürmifdj einbrang, merlte id) alsbalb. Denn id)
nahm einen alten^errn unb eine alte Dame mehr,
meldhe bamit befdEjäftigt maren, [ich eingehenb 3U
mafdhen. 3 <h halte biefe Dätigleit für eine burd)*
aus löblidhe unb mühte in ber gan3en Dagesorb»
1911. yix. 39
Über fiortb unb SUteer
1029
nung bes Kulturmenfchen teinen ©untt, beffen
man fid) fo roenig 3U fd)ämen hätte roie gerabe
biefes. ©ber bas alte ©hepaar muße rooß anbrer
©nfid)t barüber fein. Denn nad) einigen ©ugen*
bliden ftarren ©ntfeßns brangen fie mit allen
©reichen ber ©Sut auf mich ein unb überhäuften
mid) mit Scßmpfroorten. ©leid)3eitig griff mid)
ber toürbige alte Herr mit einem Sd)irm an,
roäßenb bie gute alte Dame mir ©Saffer aus if)rem
©ßafd)beden ins ©eficß fpriße. ©Is id) enblid)
einmal mein geliebtes Deutfd) hörte, oerfucße id)
bie ©eroeggrünbe meines Hanbelns 3u ertlären.
©ber fie überfcßien mid) unb festen iße Dätlid)*
feiten fort, fo bah id) auf einen erfprießichen ©uf*
enthalt in beut gemütlichen ©aume nicht meß
red)nen 311 fönnen glaubte unb eilenbs meinen
©üd3ug auf ben Korribor antrat.
X>ocf) hier hatte fid) bas ©ilb in3toifd)en fehr
geänbert. Durd) ben Kämt, insbefonbere bas
©ebrüll bes rüftigen alten Herrn ö^rbeigelodtt,
roaren bie ^otelgäfte in großer 3aß 3ufammen*
geftrömt, unb in biefe ©oltsmenge fam id) toie ein
©feil hwewgef©offen unb fcßoh bei bem unoer*
hofften Anprall eine ©eiß oon Herren unb Damen
in meine ©rote, ungefähr in ber ©Seife, toie ©molb
oon SBinfelrieb bies in ber Sdjlad)t bei Sempad)
mit ben fpeertragenben geinben gemacht haben
foll. ©d), toas finb alle Speere ber ©Seit gegen
bie Spißn, bie mir ßer oon meinen 3ungen*
fertigen ©egnertt ins £jer3 gebohrt tourben! Salb
toarf man mir ©rutalität unb Untultur oor, halb
toieberum toollte man in meinem ©ebaren ben
©usflufj einer betabenten Ubertultur fehen, bie
auf ber Sud)e nad) neuen unb unerhörten Sem
fationen fid) fo roeit oerirrt hatte, ©inige roollten
mid) bei ber ©oIi3ei, anbre beim „©unbe 3m ©e=
fämpfung ber Unfittlicßeit" an3eigen. Mehrere
Damen oerfid)erten teils mir, teils fid) gegenfeitig,
bah fie fogleid) in Cßmadjt fallen mürben,
fdßenen fid) jebod) burd) ein fo oulgäres ©tittel
toie bas ©erlaffen bes Kriegsßauplaßs nid)t
retten 3U toollen. ©in Herr roünfd)te aus mir
oöllig unerfinblid)en ©rünben 3U toiffen, too id)
meine Sdjulbilbung genoffen hätte. 3 >d) mürbe
glauben, bah er nteine ©iograpfjie 3U fdßeiben be*
abfi(f)tigte, hätte id) nicht gefühlt, bah ich hierfür
benn bod) 3U toenig geleiftet hatte.
©s toar faft burchroeg ^talienifd), toas mir ba
entgegentönte. 3<h mar alfo auherftanbe, mid) 3U
oerteibigen, toährenb idh bod) — 0 glud) bes
©Siffens! — gerabe genug oon ber Sprache touhte,
um bie auf mich gehäuften Schmähungen einiger*
mähen 3U oerfteI)en. Sd)ließid) nahm idh meine
3uflud)t 3U ein paar italienifchen ©roden, bie mir
geläufig roaren unb großenteils aus Diteln oon
Opern unb Didjtungen beftanben. „Commedia
divina!“ brüllte id) in ben Raufen hinein, mit
einem ©erfud), bie Sache ins £äcßrlid)e 3U 3iehen.
Unb einigen Damen rief id) 3u: „Cosi fantutte!“,
toobei id) 3um 3eid)en meiner ©ntrüftung über
bie allgemeine ©erberbtßit ben Kopf fchüttelte.
©ber fie tourben nur nod) erregter. Unb als id)
gar einen ber Herren mit „Fra Diavolo“ apo*
ftrophierte, ba mad)te biefer, augenfcheinlid) ein
unmufitalifcßr ©tenfd), ernftlid) ©tiene, ßnb*
greiflid) 3U toerben.
3n biefem ©ugenblid ber ©ot faf) ich bie Flügel
meines rettenben ©ngels ßranfd)roeben. Diefe
glügel roaren jebod) fd)toar3 unb nahmen bei
gröberer ©äß bas ©usfeßn oon $radfd)öhen
unb ber ©ngel bie ©eftalt bes 3immertellners an.
günf Minuten fpäter toar id) in Sicherheit auf
meinem forgfältig oon innen oerriegelten 3immer.
Hier empfing id) nad) einer Stunbe 00m £>otelroirt
ein Schreiben bes 3 n halts, bah er megen meiner
oon ben Sitten bes übrigen ^Publifums abroeßen*
ben Kebensgerooßtßiten auf bie ©hre oer3idhtett
müffe, mid) länger in feinem Haufe 3U beherbergen.
Seit biefem ©orfall betrete id) tein §otel3immer,
ohne mir feine Kummer mit Hilfe mnemotechni*
fcßr ©tetljoben ein3uprägen.
9©oberne TUiefentofomotiPen
33on 9tegierurtgsbaumeifter (Eurt ftlug
Ofls im 3aße 1837 toegen bes ©aues einer ber erften toirflid)
vv ©ifenbahn oon ©erlin nad) ^ 3 otsbam Ser* braud)baren Koto*
hanbluttgen gepflogen tourben, äuherte fid) ber motioe, gelang es
bamalige preußfche ©eneralpoftmeifter oon Magier im 3 aße 1830 , mit
ba3u mit folgenben 2 Borten: „Dummes 3 oug, einer leeren £ofo*
id) laffe täglich mehrere fed)s|it)ige ^ßoftroagen motioe eine ©e=
oon ©erlin nach ^otsbam fahren, unb es [iß fd)toinbigteit oon
niemanb brinnen. Sun toollen bie fieute fogar 58 Kilometern in ber
3000
Die große unb fd)toerfte ßotomotioe ber Sßelt
(Sialletlolomotioe ber Santa*ge*©ahn)
eine ©ifenbahn bauen — toenn fie iß ©elb
abfolut los toerben toollen, fo toerfen fie es bod)
gleich lieber 3um genfter hinaus, ehe fie es 3U fold)
unnühen Unternehmungen hergeben.“ ©benfo
humoriftifch roirtt heut3utage bie Hluherung bes
Königs oon $annooer, ber teine ©ifenbahnen in
feinem fianbe hoben toollte, „bamit nicht jjeber
Sd)neiber unb Sd)ufter fo fchnell reifen fönne
toie er", ober bie bes 9Jtebi3inaItollegiums, bas in
einem oorl)er roohltoeislid) eingeholten ©utadjten
ertlärte, „bie Seifenben toiirben infolge ber
fchnellen 5al)rt in ben ©ifenbahntoagen oon einer
Srt Scetrantheit befallen toerben, ebenfo toürbe
bie ©efunbheit bcrjenigett leiben, bie einen ©ifen*
bal)n3ug an fid) oorüberrafen fehen müßen. Um
bie Seifenben brauche man fid) ja nicht roeiter
3U forgen, ba es jebem unbenommen bliebe, ob
er fid) ber 3U ertoartenben ©efaß ausfetjen toolle
ober nid)t, toogegen man oorfcßüge, bie ©etoohner
bes oon ber ©al)n burd)faßenen ©ebietes burd)
3äune 3U fd)ühen, bie längs bes ©ahntörpers
errichtet toerben füllten unb bie bie ©ifenbal)n3üge
bem Enblid ber Sntoohner ent3iehen mürben".
©Senn bies bie ©teinungen unb ©nficßen
mahgebenber ^erfönlid)teiten über ben 2Bert unb
Su§en ber ©ifenbahnen roaren, fo muh man
ben ©tut unb bie 3rmerfid)t berjenigen betounbern,
bie troßem iß ©elb 3U biefen „unnühen Unter*
neßnungen“ hmgaben.
So lächerlid) bie eben ermähnten ©uherungen
I)eut3utage erfd)eirten, fo muh man bod) annehmen,
bah fie oor fieb3ig 3 aßen aus ooller Uber3eugung
getan mürben. Die 3 eüen ho^^n fich eben feitbem
gemaltig geänbert, unb es tonnte fid) auch ber große
s ßl)<mtaft nid)t bie gemaltige ©erteßsfteigerung
träumen laffen, bie fid) gerabe erft burdh ben
©au ber ©ifenbahnen entmidelt hot. ©Sährenb
man im 3 aße 1800 im ^oftmagen etma 50 Kilo*
nteter in 3toöIf Stunben 3urüdlegen tonnte, oer*
mod)te man hunbert 3 oße fpäter bequem 800 Kilo*
meter, alfo ben fed)3eßtfad)en©3eg, 3U bemältigen.
©Sernt bem ermähnten h°ßn ©tebi3inaltoIIegium
oor fieb3ig Sohlen jemanb allen ©rnftes gefagt
hätte, man mürbe einmal ftatt 30 Kilometer
200 Kilometer in ber Stunbe faßen, fo märe
bas für ben ©etreffenben {ebenfalls ein feß oer*
fänglid)es Unternehmen gemefen.
Unb bocf) hoben es prattifcß ©erfuihe ge3eigt,
bah man mit ben elettrifd)en ©aßen feß mohl
eine berartige ©efdjminbigteit erreichen tann unb
folcfje Sdjnellbahnen aud) fidler baueit mirb,
menn bereinft fid) ein ©ebürfnis bafür geltenb
mad)en mirb. Schon Stephenfon, bem ©rbauer
Stunbe 3U er3ielen,
gemih eine gan3 erftaunlid)e ßeiftung, menn man
bebentt, auf meid) üerhältnismäßg niebriger Stufe
bas gan3e bamalige ©tafcßnenmefen ftanb.
©s hot naturgemäh gemaltige ©nftrengungen
getoftet, bis fid) aus ben erften primitioen, mit
einer Dampfmafcßne unb einem Keffel oerfeßnen
©Sagen bie jeßge, ein I)ormonifd)es ©an3es bil*
benbe Kotomotioe, bei ber jeber ein3elne Deil
feinem 3med angepaß ift, h^ousgebilbet hot.
© 3 ährenb bie erften Kotomotioen für ben ©erfonen*
3ugbienft unb auch für ben ©ütersugbienft bienen
mußen, ftellte fid) halb ein ©ebürfnis nad) fd)nell=
fahrenben, nur üerhältnismäßg geringe 3ugfraft
ausübenben ^Serfonen3uglotomotioen ein, mäßenb
für ©üter3üge Kotomotioen erforberlid^ mürben,
Die Känge einer ©ialletlotomotioe, gemeffen an
ber £jöß eines fünfftödigen ^oufes
bie bei tleineren ©eßminbigteiten grohe 3og=
träfte ausüben tonnten. Da nun einerfeits bie
3ugtraft in erfter £inie oon bem fogenannten
©eibungsgemid)t ber Kotomotioe, bas ift bem
©emicß ber getuppelten Driebachfen, abhängig ift,
bie Umbreßmgs3ahl ber Driebräber aber anberfeits
eine beftimmte 3ohi nicht überfchreiten foll, fo
ergab fich im Kauf ber 3 ^it als tppißes ©ilb
für bie ©erfonen* be3iehungsmeife S(hnell3ugs*
lotomotioe eine ©lafd)ine mit 3mei bis brei groben
Driebad)fen, für bie ©üter3iiglotomotioe bagegen
eine ©tafcßne mit fechs, aßt, ja 3ehn tleineren
Xriebachfen. ©uher ben Driebräbern haben bie
ßotomotioen noch je nach ©ebarf 3um fragen
bes Keffels, ber 3 ßmber unb fo meiter fogenannte
£aufad)fen, bie alfo 3m ©r3ielung nüßßer 3ug=
traft nid)t h^range3ogen merben tönnen, ba bie
©äber nicht oon ber Dampfmafcßne in Um*
breßmg oerfeß merben tönnen. Das ©emidß
nun, mit bem ein ©ab ber Kotomotioe auf bie
Schienen brüden tann, barf in Deutfcßanb auf
Hauptbahnen 8000 Kilogramm nid)t überf^reiten,
mährenb in ©merita bebeutenb höhere ©abbrüde,
bis 12 500 Kilogramm, oortommen. ©s ift baßr
tlar, bah ameritanifche Kotomotioen mit ber
gleichen KuppeIad)S3ahI mie in Deutßlanb be*
beutenb gröbere 3ugträfte ausüben tönnen, 3umal
ba ber Keffel infolge gröberer ©emalt ebenfalls
leiftungsfäßger mirb.
Die immer gröber merbenben ©nforberungen,
bie an bie 3ugtraft ber ©üter3uglotomotioen geftellt
merben, haben nun, befonbers in ©merita, Koto*
motiotppen ge3eitigt, bie oon ben in Deutfd)*
Ianb gebräuchlichen gan3 erheblich abmeichen. ©tit
ber 3unahme an Driebad)fen, bie 3ur ©rhöhung
ber 3ugtraft nötig mürbe, muchfen aber auch bie
Sdjmierigteiten, mit berartig oielgetuppelten Koto*
motioen burch Krümmungen 3U fahren, inbem
nämlich öer ©abftanb, bas ift bie ©ntfernung ber
beiben äuherften ©d)fen ber Kotomotioe oon*
einanber, fo grofj mürbe, bah fie bei ber gaßt
in tleinen Krümmungen, 3um ©eifpiel in ©Seid)en,
©ntgleifungsgefaßen ausgefeß mar. ©tan muße
baher barauf bebacht fein, ©tittel an3umenben,
bie eine beffere Kuroenläufigteit ermöglichen liehen.
©Is foldje ergaben fich Kentadßen, feitlid) oerfcßeb*
bare ©ßfen, Drehgeftelle unb fo roeiter unb be*
fonbere Kotomotiotonftruttionen. ©uf erftere foll
hier nicht meiter eingegangen merben, oon ben
befonberen ©auarten intereffiert ßer 3unäd)ft
befonbers bie ©talletlotomotioe. Diefe im 3 aße
1878 3um erften ©tale ausgefüßte Kotomotioe ift
1911 (23b. 106)
134
Über £anb unb 9Reer
Slus „akrJetjrsiedjntjcfje 9Bod)e", 93erlag 'iü. SDtöjer, '-Berlin
Die Rieberbrud3plinber im oorberen Drehgeftellber Rlalletlotomotioe
eine fogenannte 93ier3t)linberoerbunblofomotioe.
Der im fteffel er3eugte Dampf arbeitet 3unäd)ft in
ben ettoa in ber Rtitte ber äRafdjine Iiegenben
§od)brudbampf3pIinbern, wo er einen Deil ber
in ihm enthaltenen Energie abgibt. ©r gelangt
bann burch eine bewegliche Rohrleitung 3U einem
oorberen Drehgeftell, helfen Ad)fen burd) bie fo®
genannten Aieberbrud3piinber angetrieben werben.
Aad)bem er in biefen ben Reft feines Arbeits®
oermögens abgegeben hot, entweicht er wieber
burd) eine bewegliche Rohr®
leitung in bie Raud)tammer -
ber £otomotioe, aus ber er in
ben Sdjornftein auspufft. 3 Bir
haben es alfo h^r mit 3wei
Driebwerfen 3U tun, bie 3U=
einanber beweglich unter bem
iteffel angeorbnet finb. Die
Rabftänbe ber beiben Drieb®
werte tonnen nun fo lang aus®
geführt werben, bah bie £oto*
motioe noch bequem burch bie
engften Äuroen I)inburd)geht.
Diefe Dppe hot ihrer großen
Vorteile wegen weite 93er=
breitung als ©üter3ugIotomo* <?
tioe auf ©ebirgsftreden ge®
funben, wo grofce 3ugträfte
oerlangt werben unb wo bie
5 trümmungsoerhältniffe ber iJTS
Sal)n gleid)3eitig bie Anwen® kr*SSjjj/M
bung oieler feftgelagerter £up=
pelachfen erfd)weren. 3osbe=
fonbere in Amerita hot man
bie Rialletlotomotioe in gan3 ggg^^SSB
riefenhaften Ausführungen ge=
baut. SBährenb auf ber Aus®
ftellung in Santt £ouis 1904
nod) eine SRalletlotomotioe
oon 152 000 Kilogramm ©e®
wicht mit 3weimal brei Drieb®
achfen als „the largest and the biggest in the
world — and the heaviest too“, als bie größte
9Ius ffilajers Slnnalen
9Ius «Blazers Slnnalen
Die Sdhnell3uglotomotioe ber baprifetjen Staatsbahnen
m
§ - - %
Sage
(II sospir del mar)
D er Vollmond stieg, lieht glanzte das
Meer,
Die UJoge ebbte und schwoll.
Vom düstern Klippenschlosse her
Jugundens Klage scholl:
„Schwül weht der Ulind von Süden
her —
Dicht Crost bringt er noch Kund’,
flßein Cag ist öd, meine Dacht ist
leer,
Jn Sehnsucht brennt mein Jlßund:
Rerr Ulrich ritt, dem Kaiser ?ur Seit’,
Zum Kampf ins Reilige £and •—
Vielleicht schläft er nach blutigem Streit
Eang schon im heissen Sand —
Vielleicht, dass er eine andre küsst,
Dieweil ich harre all Stund’ —
Ob, wer mir Crost und Kur?weil
wüsst’ —
Jn Sehnsucht brennt mein flßund.“
Rorcb! — Drang ein Seufzer nicht an
ihr Ohr?
— O £iebe voll Uleb und Ulank! —
Ißit dunklen Hugen starrte empor
ein Knabe braun und schlank.
Die Ruder nahm die schmeichelnde
flut,
Die Rand vom Steuer ihm sank —
Schwül war die Macht, und es braute
ihr Blut -
— O £iebe voll 'Uleb und Ulank! —
Mild strahlte der Hmpel Rubinenglut
Vom 6rker ?um flßeere fern,
Jhr Hbglan? lag auf der gitternden
flut
Ulie ein verblutender Stern.
Rerr Ulrich spornte sein müdes Ross,
Ul eit ritt er dem Cross voran;
flßilcbweisse Schleier um Klipp’ und
Schloss
Der fßorgennebel spann.
Jm 6rker rosig die Hmpel glomm —
Rerr Ulrich lacht’ in den Bart:
„Dort soll mir werden süsser Ulill-
komm
Und holdes 6nd’ der fahrt!
Still, Vogt, — dass nicht die Rerrin
erwach’!
Der biet’ ich trauteren Gruss!“
Creppauf schon stürmt er; vorm Schlaf-
gemach
Ulas stockt so jäh sein fuss?
Uler flüsterte drin ? — Vorm Huge ihm
wallt’s
Blutrot wie des Renkers Cucb,
flßit eiskalter faust sein Rer? um-
krallt’s,
Jm Rais erstickte der fluch.
ein faustschlag wider den Riegel
fuhr-
Still alles. Vorm Miscbenrund
Bewegte sich leicht der Vorhang nur —
Schneebleich sprang auf Jugund.
„Ulen birgt der Vorhang? Unselige,
sprich V*
Doch, brünstig an ihn gedrängt.
Klagt sie: „Ulte kränkst du so tödlich
mich!
Der Ulind dort stets sich fängt.
Ob, nimmer verwände ich die Schmach,
©laubtst du mir nicht ungesebn!“
Und finster und schwer Rerr Ulrich
sprach:
„Uloblan — so soll’s gesebebn!
Den Vorhang, darin der Ulind sich
fängt,
Hie beb’ eine Rand ihn mehr,
Doch — dass dich Zarte kein Zug
bedrängt,
Re, Vogt! — schaff flßaurer her!
Vorhang und Mische, vermauert beid’,
6b’ meerwärts die Sonne ging —
Begraben sei auf ewige Zeit
Der ,Ulind’, der dort sich fing!
Dicht eher labe mich Brot und Ulein,
Bis dass errichtet die Uland
Zu 6bren der holden Rerrin mein,
Der Cugendreicbsten im Eand.”
Schon türmten Quadern auf Quadern
sich,
Rerr Ulrich voll Cücke lacht:
„Zu Schnee meiner Crauten Ulange
blich,
Ob’s wohl der Zugwind macht?”
Sie lachte ihn an mit weissem ffiund:
„So lang, mein Rerr und Gemahl,,
Rarrt’icb in Sehnsucht deiner allStund’,
Das machte mein Hntlit? fahl.”
Jhr flackernder Blick ?ur Mische glitt,
Verriet er sie nicht, der Knab’?
Doch stumm der Creue das Grause litt.
Und stumm schloss sich sein Grab.
III
Schwer schlief Rerr Ulrich, Jugunde
rang
Die weissen Rande steh wund.
Da horch! — O "Jesus! Gin Schluchten
drang
Rervor aus der Mische Grund.
„£iebste!-O Eiebste!“-ver¬
gebens barg
Das Raupt sie, vergehend schier,
Meun Mächte aus dem steinernen Sarg
Drang doch der Schrei ?u ihr.
Huf ihren Knien, neun Mächte lang,
£ag sie vor des Knaben Grab,
Bis nur ein Seufzen noch, todesbang,
Von ihm ihr Kunde gab.
Gin Seufjerbaucb, der zitternd zerrann.
Und Stille dann, stumm und leer —
Da fasste es sie wie Ulabns’.nn an.
Da trug sie es nicht mehr.
Beilscbläge dröhnten gegen die Uland
— Rerr Ulrich ächjte im Craum —
Da warf sie die f ackel mit irrer Rand
Huf seiner Kissen flaum.
Die flßauern barsten. Jn Schutt und
Glut
Sanken die Xrümmer ins flfieer —
Uleiss niemand, wo £ieb’ beiEieberuht,
Die flut gebt drüber her.
Doch steigt der Vollmond aus Duft
und flor,
Eenkt scheu der Schiffer vorbei —
Dann will’s ans Eicht — dann drängt’s
empor
Und stirbt in schluchzendem Schrei.
Der fiseberknabe ein Hve spricht
Und starrt hinüber noch lang:
„Rerr, lass’ ihnen leuchten dein ewtg
Eicht —
O Eieb’ voll Uleb und Ulank!”
(Hach einer Sage i
€. Resa
5 dem „meuerwart“ von 3. C. 15®er. fllit freundlicher Grlaubnis des Verfassers)
mm. \
|«s|
IS*??*
il'REWAlP
1034
Uber £anb unb Süteer
1911. 9lr. 39
alsJUassenpljänomene im Janbscfyaftsbilö
Don <J\.Ö ber mutter mit Xeic^uung.u^auWat^cl.
SBinterlicbe IRenntiertoanberung auf ben fällen Stanbinaoiens
Fimmel unb ©rbe, Huft, Steuer, SQßaffer unb
^Pflan3enreid) finb bie Elemente, mit benen
fid) bas Silb ber Hanbfcbaft barftellt. Das Dier
fpielt hierbei !einc IRoIIe, benn es ift ber Statur*
Renette meiftens nur als ©in3eltoefen ober bod)
nur als Segleiterfd)einung eingefügt. SRitunter
tann es allerbings aud) 3U einer d)aratteriftifd)en
Staffage toerben. ©eroaltig aber roirb feine
Staffageroirfung, roo es in äRaffen, in pbänome*
nalen SRaffen auftritt.
Diejenigen biefer Sbäuomene im freien, an
bie ber SRenfd) mit Vorliebe fein freuen unb
Seinen, faft feine gan3e ©efüf)lsffala heftet, finb
bie Sparen ber tommenben ober fort3iet)enbert
Sögel. 9 Ran rnufj, um ben ©runb hierfür oollauf
3U oerfteben, bie äRillionen Diere auf it)rem Erlüge
über Sübbeutferlaub, bie oberrbeinifebe ©bene,
gefeben haben, in Italien bie £er<benfd)toärme
ober bie ber 2Bad)teln, beren ermattet nieberfaltenbe
Staffen uns ja fd)on oom Stoten Steere her aus
bent 3 uge Sfraels betannt finb. Die SCRobil*
maebung ber Sd)toalben ift faft in jebem Deile
Deutfd)Ianbs 3U beobachten. Slber nirgenbs er*
reid)t bas Aufgebot folcfje ©rofjartigteit roie ber
Slitblid ber oereinigten Trupps über bem Steere.
©nblofen SBoIten gleid) faben fie bie Schiffer ber
mittellänbifd)en ©eroäffer bat)in3iet)en, unb ber
Steifenbe italm beobachtete ähnliches mitten im
Sttlantifd)en £)3ean, 900 Seemeilen oom geftlanb.
©eben fie bei uns ber berbftlicben Hanbfcbaft ben
©runbton ber SBebmut, bei ihrer Stüdtebr unter
aufbeiternbem Himmel ben roiebererftanbenen
Hoffnungen unb SBünf d)en roie Slumen unb Sonne
bie belebenbften Spmbole, fo mögen fie bem rauben
Schiffer auf feinem Seeroeg bas Heimtoeb bringen.
©inen ftarfen l)erben Silent erhält bie 3um
SBinter fid) rüftenbe Statur, roenn in monbljellen
Städ)ten bas ©efd)rei ber SBilbgans ober ber füb*
lieber 3iel)enben ©nten bie Huft erfüllt. Dann roirb
man erinnert, bafj bie bitterfte Halte nicht mehr
fern ift, bie felbft ben roärmefeinblidjen Sogei oon
bannen treibt, unb bafc ber ftarre Dob im ißflan3en=
reid) feinen ©in3ug oollenbet bat. Sluf Sinnenfeen
ber Storb* unb Dftfeegebiete fiel)t man bann am
Sage bie 2tere in 3al)llofen Wirten unb oermifebt
mit Unmengen anbrer SBafferoögel bie roeiteften
$Iäd)en bebeden. Slber im froftigen Stabmen ber
erftorbenen Umgebung mutet bas belebte liefern
tableau nid)t mehr erljeitemb an, felbft bas aus*
gelaufene Dabinftürmen ber Srlatternben über bie
3 Bafferfläd)e — Homer nennt bie auffliegenbe
©ans „mit ben bügeln jaudfoenb" — tann uns
nur nod) anfpornen, rüftig alle Hräfte 3U fammeln
3U ausl)arrenbem ©ntfagen.
3u gleicher 3^it, roenn bie 2Bilbgans ben hoben
Storben fließt, ooll3iet)t fid) auf ben gjällen
Sfanbinaoiens ein ©reignis, bas ben norbifdjen
Stlpen 3ur 3 ^it ber Sd)neeftürme ebarafteriftifd)
ift. Da finb es grobe Säugetiere, bie Stens, bie
bort bie Steife antreten. Diefes Dier liebt ja bie
Hätte, aber roenn ©is unb bie roeifje ^lodenbede
ben Soben 3U feljr oerfd)Iief3en, bajj ber Huf SOtoos
unb flechten ^ur Stal)rung nid)t mehr beroor*
3ufd)arren oermag, toenn Stebel unb Schnee*
geftöber alles in Duntel l)üllt, bann fammeln fid)
bie Stenntiere 3U Daufenben unb treten fturm*
unb fd)neegepeitfd)t ben 2Beg in bie ©bene an, ein
Silb, roie entnommen ber Urtraft norbifd)eräRptl)o=
logie, bas gigantif<f)e, rauhere Seitenftüd 3U ber
Heimtebr ber Herben einer Diroler Sllm.
©erabe3u ins ©eifterljafte fteigert fid) bie
rointerIid)e S3enerie im SBasgentoalb, roenn in
buntler 3 tad)t bei Serg3abern ein mächtiges
Sd)toirren unb Saufen, pfeifen unb Hreifdjen um
ben Stbtstopf gebt unb über bie fernen Höben ein
flammenber £id)terfd)roarm 3iel)t, abroed)felnb
l)ier auftaud)enb unb bort oer*
fdpinbenb. ©s finb bie „Sö*
bämmer“, bie 3u SRillionen über
bas Dannid)t jagen, unb bie
„Söbämmerfdjüben“, bie ben
büfteren Sßinterroalb fo pban*
taftifd) erleud^ten. Unge3äblte
Sd)aren oon 3 ugoögeIn aller
iRrt, im Soltsmunb ber ^ßfäl3er
mit bem Sammelnamen ber
„Söbämmer" (oielIei<bt na<b
bem Hfiuptoertreter, bem Su*
bammer) belegt, fud)en in ben
ausgebebnten gölten jj er D tj er;
rbeinifeben ©ebirge ibr 2Binter=
quartier. Da fi^en fie bann
nad)ts in oollen Haufen auf ben
faft bred)enben 3u>eigen unb
fct)lafen, ahnungslos, bafj fie
halb in gan3en £abungen als
ledere 9Rabl3eit auf ben 9 Rarft
tommen. SÖtit Radeln naben
bie unbarmber3igen Sd)übert in
großer 3abl- Som£id)tfd)einge=
bienbet, bleiben bie Sögel rul)ig ft^en unb toerben
lautlos mit Hebmtugeln, bie man aus Slasrobren
f^iefet, in URaffen erlegt, ©in unoorfidbtiger Härm
jebod) fd)eud)t bas gatt3e iReoier auf unb, oerftört
im Duntel ber $Rad)t babinirrenb, oerurfai^en fie
in ber Huft bas gefpenfterbafte unb an ben 3ug
bes toilbert Jägers gemabnenbe ©eräuf<b-
SBäbrenb fonft bie Serge fid) mit Säumen,
kanten unb ©räfern febmüden, putjen fie fid) im
hoben SRorbenunb im arftifd)en Süben (gleid) unfern
Damen) mit Sogelleibern auf, aber lebenbigen!
5 ln ben 1500 3 'ub b°^n itüften oon ^arö ift (ttad)
StRitteilungen bes 3 oologen ©buarb Ostar Scbmibt)
jebe oorfpringenbe 5 tante, jebe Stelle, auf ber nur
bie 3ebe e ^ nes Vogels haften tann, mit biefen
Dieren bebedt. 2 ßie bie ilinber auf ihren Schul*
bänten fi^en fie bort, brängen fid) unb fd)reien,
niden mit bem Äopf unb fd)lagen mit bett fylügeln;
jeber Stntömmling aber roirb oon ben $Räd)ftfit|en*
ben mit ben tomifd)ften Serbeugungen unb ilopf*
oerbrebungen begrübt. Sefonbers finb es Sillen
unb Hummen, bie gleid) ausgeftopften Säden,
aus benen oben ein Schnabel gudt, mit profeffo*
raler 9 Riene auf ihrer 51 an 3 el fi^en unb ben ©in*
brud mad)en, als toürbe bi er ber 9Rummenfdt)an3
ernft genommen, geblt ja audb nid)t ber ©lorott
SdEjtoalbenflug übers 9 Reer
1911. STtr. 39
Über £artb urtb SD^eer
1035
unter ihnen, ber Seepapagei ober ^ßapageitaucher,
aud) Srüberdjen ober roegen feines turiofen
Schnabels Suttelnafe genannt. Die SBogen
tlatfchen ans ©eftabe, ber gan3e Serg flattert unb
treifd)t, unb biefer £uftigmad)er fdjiefet oergnügt
3wifchen allen bai)in ober fäl)rt mit einem $ur3el*
bäume ins SSaffer. — ähnliche Szenerien bieten
bie umoirtlid)en Klippeneilanbe ber Siibfee. Sur
finb bort bie Pinguine bie frjauptbarfteller. Diefe
roanbelnben f^laf^crt mit ben gdoffenflügeln unb
ben unten am ©nbe angebrachten frühen fipen
bort, foweit ber Stranb reicht, aufrecht mit fteifer
©ranbe33a; enblofe Seihen hinter* unb überein*
anber roie bie Südhfen einer Spothele. Suf
breiteren glühen fiet)t man fie aud) mopl paar*
roeife, fcheinbar in gelehrtem ©efpräd), bie klugen
ftol3 in bie $öhe geratet ober beim anbern bemütig
gefentt unb bie ^loffenarme in einer Haltung, bie
3u fagen |d)eint: „$ier ftetje id), id) tann nicht
anbers!" oielIeid)t aud): ,,3d) empfehle mid),
barauf habe id) nichts mehr 3u erwibern!" äßieber
anbre fiepen truppweife beifammen roie bie
fd)wal$enben SBeiber an ber Kirchentür, roenn eine
§od)3eit ift.
3nmenfd)enentlegenen©egenbenSorbameritas
I)ört man wol)l nachts in SBalbungen, roo SBaffer
ift, ein fiärmen orn oielen Srbeitenben, ein ©e*
Spifce eines 3 uges norbamerilanifd)er 2 Banbertauben
räufcf) roie Schroten unb Sägen, Srecpen oon
3 toeigen unb Krad)en oon Stämmen. Skr am
Dage biefen $Iatj befielt, tonnte als Hneinge*
weipter glauben, SSalbarbeiter toären pier mit
einer Sbpol3ung bes Seoiers befd)äftigt, ba überall
gefällte Säume, weifte Splitter unb Sägefpäne
ben Sloosboben bebeden.
SSartet man aber eine Skile ber Stille ab, fo
toirb es am Ufer, unter bem SSaffer unb am Damm
lebenbig. Safen, klugen, Köpfe roerben ficptbar,
unb fcplieftlid) lebt es an allen ©nben oon buntel*
braunen ©efcpöpfen, „ftummen Stenfcpen“, roie
fie ber ^ubianer nennt, oon Sibern. %n Deutfd)*
lanb tennen roir bie „Siberftäbte“ nur noch in oer*
pältnismäftig tleinent Staftftabe (an ber (Elbe
3toifd)en SBittenberg unb Stagbeburg) unb tönnen
uns banacp taum einen Segriff oon bem (Sinbrud
fo roeit ausgebepnter §ol3fälIerpläfte machen, roie
ihn bie gemeinfd)aftlid)e Dätigteit biefer Säger in
ber ameritanifcpen SStlbnis heroorruft.
©in anbres erotifcpes Stlb! Süchtiger als bas
oorige! Skr einen großen Deich nrit weiften
SSafferrofen überfät gefehen unb baran feine
3reube gehabt hat, toirb fid) beffen roieber er*
innern beim Stxblid bes Slen3alehfees in %ppten,
ben Sreprn faft eine Steile roeit mit ähnlichen
weiftblüpenben Sofen bebecft fanb. Diefe Sofen
roaren jebod) Iebenbige ©efcpöpfe, rubernbe $e*
litanfchroärme. S 3 opl taum tann eine SSiefe mit
fpielenber roeifegetleibeter Stäb*
cpenfd)ar lieblicher ausfehen als
biefer belebte blaue See. Sknn
aber ber gan3e ©hör fich erhebt
unb gegen bie Sonne hin fliegt,
halb in bid)tgebrängten Staffen,
halb auseinanberirrenb inroeiten
Kreifen, bann ift bas eine (Er*
fcheinung, bie ihresgleid)en fucpt.
Der fdjimmernbe ©lan3 ber matt*
rofa angehauchten ©efieber 3au=
bert bie auf ben Schneefelbern
ber SIpen gefpiegelte Storgen*
röte pocp in bie £üfte. Sur
Sd)roäne unb Flamingos bieten
ein Schaufpiel, bas mit biefem
wetteifern tann.
Suf ber $Iut nimmt fich ein
Sd)toanenheer, roenn aud) nicpt
fcpöner, fo bod) nod) majeftäti*
fcher aus. „S 3 ie mäd)tige roeife
Slumen," jagt Dpeobor 3 on=
taue oon ben ^otsbanter §aoel=
fcpwänen, „blühen fie über bie fläche Skrben
fie 3um gütterplaft gerufen, „fo raufdjt bas gan3e
Sd)toanenheer in einer großen blenbenb weiften
Stoffe, brängenb roie ein Keil unb geroaltfam roie
bieSäber eines Dampffcpiffs im SSaffer neben
bem am Ufer gehenben Sdjwanenmeifter per".
„ 3 ur Sdhönheit ber £jaoeI tragen bie Schwäne
erheblich bei: fie geben bem Strome auf feiner
breiten $lädje eine fönigliche Stad)*/ unb
eine fd)önere ©infaffung aller an ihm ge*
legenen Sdjlöffer unb Sefiben3en ift taum
bentbar." ©s finb ihrer über 3weitaufenb.
Sber an ben baltifcpen Küften 3ieht biefer
„König ber ©ewäffer" in noch größeren
Sd)aren einher, unb wenn biefe fich in bie
£uft erheben, fo finbet unfre ^ßpantafie teinen
Vergleich 3u folcper spracht, es fei bemt mit
einer weiten, blenbenb reinen, aber wallenben
Schneeflur im Sonnenlicht.
©an3 3urüd treten bie lanbfcpaftlid)en ©le*
mente Steer, See ober $Iuft, SSalb unb £>ügel,
©rbe unb §immel oor ben Stpriaben norb*
ameritanifd)er SBanbertauben in ber 5rül)=
lings* unb §erbft3eit. Da tann man fagen:
Unb bie Serge flogen auf unb oerwanbeiten
fich, unb bie SSälber würben 3U flatternben
Scharen; bie Iebenb geworbene ©rbe ftrebte
3um Fimmel. Der gorfd)er SMlfon will bei
3nbiana einen fo!d)en 3ug uon über 3wei=
taufenb Stillionen gefehen hdten. ®er oon
gfreiligrath in einem ©ebid)t als „Stann ber
S 3 älber, ber Saoannen" gefeierte Ornitholog
Sububon fc^äpte eine folche oon ihm beob*
achtete Sölterwanberung als hunbertac^t3ig
englifd)e Steilen lang unb eine Steile breit.
Dabei gehörte biefer 3 ug noch nicht 3U ben
größten. 3 n faft tompatten Staffen, unter
bonnerartigem ©etöfe follen biefe £>eerfdharen
ber £uft bahertommen unb mit ben 2Bin*
bungen einer riefenhaften Sd)lange Solt auf
Solt ununterbrod)en oft Dage h^uburd) oor*
über3iehen.
Sad)tf3enen! — 3 ur Silhouette wirb bie
£anbfd)aft bei ben Silbern, bie uns nun nach
ben Sunbainfeln, nach Sene3uela in büftere
§öhlen bes ©aripetals unb 3U ben Drümmern
bes ägppüfdhen Dpeben führen werben.
Suf 3aoa geftaltet fid) bie
Stonbfd)einftimmung gan3 eigen*
artig burd) 3wei maffenhaft bort
auftretenbe Sad^ttiere. Sn ben
blätterlofen Sften ber hoh^u
Sanbuelabäume hängen fd)war3
unb oertrodnet ^unberte großer
^früchte herab. Stan tritt hiu3U,
unb plöhlid) regen unb trümmen
fid) biefe Siefenfrüchte, unb ein
ieifes ©etreifch Iäfet fidh oer*
nehmen. Stit bem (Eintritt
ber Dämmerung hebt fich ber
grüd)tefd)marm, 3ahIlofe Drupps
oon anbern Säumen fdhlieften
fich an, unb alle flattern nun
bahin, an ben mantelartig aus*
gebreiteten klügeln, bie fie träge
bewegen, ertennbar als Kalongs
ober fliegenbe $unbe. Die Um*
riffe jebes eht3elnen finb fcharf
gegen ben Dämmerungsfehein
bes Rimmels abgegren3t, ba
fie fid) in gewiffen Sbftänben
Singuine auf einer Sübfeeinfel
halten. Unter ihnen hiu aber bewegt fich bie
enblos fd)war 3 e 5 Iut eigentlid)er gkbermäufe.
SSie ein büfterer Draum brängt fich biefer
3weiftödige 3ug in unfer ©efid)tsfelb, quer I)iu
über bie fd)immernbe ©bene mit ben Schatten*
reliefs infelartiger $aine unb am §ori3ont ber
f^war3en £inie bes SSalbgebirges, über bie fich
fidjtenartig aufragenbe Sobocarpusbäume, bie
Schirmtronen ber ©ebangpalmen unb bie langen
SSebel oerwanbterSrten ein3eln in djarafteriftifchen
Umriffen erheben. Sei ber Klarheit ber £uft fehlt
ber S3ene bas Sebell)afte, bas unfern rtorblänbifchen
©efpenfterheeren bas geheimnisoolle SBogen ber
©eftalten, bas abenteuerlich Unbeftimmte oerleiht.
SSir fehen bie fcharf am £jimmel fi^ ab3ei^nenbe
fd)war3e $Iut; nidjts oon romantifdjem ©mpfinben
übertommt uns, fonbern betroffen ftehen wir über
bas ©röteste biefer Siefenlaune ber Satur.
3 m ©aripetal in Sene3uela tut fid) eine wahr*
haft ftpgifdhe S3ene oor uns auf, wenn wir in bie
gelstlüfte ber ©uadharos gehen. Der 3 nbianer
würbe benten, wenn wir fagen, bah *oir 3u ben
©uacharos gehen, es hanble fid) ums Sterben, ©r
braucht bie Sebensart tatfächlid) in biefem Sinne,
ba ihm bas Seich ber ©uad)aros gleid)bebeutenb
ift mit ber Dotenwelt, wo bie Seelen ber Ser*
ftorbenen in ©eftalt biefer Sögel wohnen. Un=
heimlid) genug fieht biefes Dier aud) aus. ©in ©e=
mifdh oon Sapogei unb Sa^tf^walbe mit bem
radienartigen Sd)nabel bes 3 iegenmelfers, trägt
er unter ben Sugen lange bid)te Sorften, bie fein
©efid)t gefpenfterpaft oerhüllen. 3^ ben §öl)Ien
unb finfteren Schluchten bes ©aripetales hot ihn
löumbolbt 3uerft entbedt. Dort niften fie 3U
Daufenben in ben löcherigen gelswänben. Siit
Radeln führen uns bie 3^bianer in bie ©rabes*
nad)t. ©in Aufruhr entftel)t, als fei es am 3üngften
©erid)t. Dämonifdhe Schatten fdhwirren uns um
ben Kopf, an ben Dropffteingebilben ber 2 Bänbe
fich im 3odelfd)ein oer3errenb unb unheimlich oer*
gröhernb. Sad) ben äufterften Diefen ftrömt es
unb quillt baraus heroor wie bunfler Srobem ber
$ölle. Da3U ein entfehlid)es wirres ©efdjrei, bas
aus ben Seitengängen oon nah mtf* fern wiber*
hallt unb oon ben bort niftenben Sd)aren beant*
wortet wirb. Der unfid)tbare 3 luh> nad) bem bas
Dal ben Samen hot, brauft talt ba3wifd)en.
Flamingos am Sil
1036
Öber.fianb urtb äfteet
1911. 9tr. 39
Schaurig rüttelt etrt fiuftgug an ben fhmelenben
flammen ber gadeln. Die Bruft ift betlommen,
unb mir finb froh, menn mir ben infernalifhen
Zäunten mieber enteilen.
Die Vhontafie bringt uns 3urüd in bie Alte
SBelt, nad) Agppten ben nahtumlagerten
Ruinen bes „hunberttorigen“ Dieben. Atattbleid)
ift ber äRonb aufgeftiegen unb, allmählich immer
glängenber merbenb, giefet er halb feine rrtagifd)
blenbenbe £id)thütle über bie Drümmer.
3 Bir menben uns m eit er meftlid) gur Doten»
ftabt, ben ftunbenmeit ausgedehnten Derr affen unb
Dälern mit ben altägpptif hen $elfengräbern unb
£atatomben. 3n biefem mirren Amphitheater
mirtt bie Atonbb elend) tung mie bas £id)t int Schau»
fpielraum oot Beginn ber Vorftellung, menn nod)
nicht alle £antpen brennen. Aber bie Doten ftehen
hier nimmer mieber auf, gumal ihre einftigen
Seelen, bie nad) ägpptifdjem ©lauben burd) alle
Diergattungen manbern unb nach breitaufenb
fahren mieber in SDtenfchenleiber tommen, längft
anbersmo auf ©rben ein neues $eim gefunden
haben. Ober füllten bod) — dort in ber $erne —! ?
Aus ben Vertiefungen ber ghlfenmänbe, hebt es
fid) ba nicht fhattenhaft?! — Amt oerfdjminbet es
mieber in andern Aifchen, in anbern Stodmerten.
Aus beut Dal ber Rönigsgräber tomnxt es herauf
mie oermummte Vorboten, bahinter aber ftumm
unb bunte! mie ein geifterhafter £eihengug, bod)
nid)t manbelnb, fonbern fdjmebenb. ©in Aiefen»
auf lauf, ber nun bunt näher tomrnt und mit rnert»
mürbigem Surren über unfre Häupter sieht, bann
mieber umbiegt, fid) ^erteilt unb bie gange meite
©räberftätte üb ersieht, ©ins eine find in der Aäl)e
beutlid) su unterfd)eiben. Von ferne hallt mohl
bas ©eheul ber irjpäne ober bas Kläffen bes
Schatals. ©ott fei gebantt, menn bie zeitige
Dropenfonne ben Dag oertünbet unb ben
gangen ©rabesfput auf einmal in feine £öd)er
bannt. Denn menn man auch meift, bah bie aus
ben Dotenftätten erftehenben Scharen nur aller»
hanb Arten oon $lebermäufen finb, befonbers bie
ägpptifdjen SHappnafen unb bie thebanifchen §>ol)b
nafen, bie ihren geflügelten Körper 3U einer itugel
aufblafen tönnen, fo leitet bas p) an taftifd)e bes
riefigen Sdjattenfpiels unb bie eigenartige örtlich»
teit bie ©ebanten bod) in feltfame Bahnen, ©tn
farbenfprühenbes Bilb bes fonnigen £ebens foll
uns gum Dageslidd gurüdbringen.
$üt bie Vopageienmelt hat ber grojge Schöp»
fungstünftler oon feiner Valette bie ftärtften
färben oermanbt. „Aur leuchtend! Unb ftarte
£ontrafte!“ fo fdjeint ber ©runbfah in ber Aus»
fchmüduug bes ^ebertleibes gu lauten. Schon
eingeln im £äfig lodt bas Dier baher jebermanns
Blid, prächtig mirtt feine flatternbe ©rfcheinung
in ber £uft, begaubernb aber ein ganger fliegenber
Schmarrn. VSenn bie Dropenfonne morgens am
Viarannon bie froftige 5 tühle ber Aad)t oerfd)eud)t
hat unb im Didid)t bes llrmalbs bas £eben be»
ginnt, mo bie balberftarrten Affenfamilien ihre
Abänderungen burd) bie 3 roeige antreten, bie
fcbneemeifjen Silberreiher fid) aus ben buntel»
grünen Baumtronen erheben, auf gebleichtem
Aiefenftamme, ben einft Sturm, Blitg ober Alters»
fdjmäcbe über ben Uferranb marf, bie fdjmargen
©eier trag ihre Flügel reden, ©ntenfharen^ bie
Abellen burd)ftreichen unb bie Atomen Jchreienb
3ur $tfhiagb giehen, ba haben fid) auch bie Vapa»
geien oon ben äujgerften Baumgipfeln erhoben,
mo fie erft geraume 3 eit fid) oon ber Sonne
märmen liehen, ©ange $lüge treffen Ireifchenb
gufammen, unb fort getjt's bahin, mo $rüd)t*
bäume ftehen, unb hier beginnt ein Schnaken unb
£»aden, ein Vraffeln herabfallenber Blüten unb
§rüd)te auf ben Sd)irmblättern bes Hnterholges,
als ob ein §agelmetter über ben ASalb ginge. Um
bie Baumtronen aber hebt es unb fentt es fid) oon
ben auf» unb mieber anfliegenben Vögeln, als
fprubelte jeder Baum grofje farbige Blüten in bie
if)öhe ober als mürbe hier mit bunten Vögeln bie
Aahahmmtg 3ablreidjer £eud)tfpringbrunnen oer»
fud)t. §ebt fid) ber Schmarrn bann mieber unb fteht
ber 3 n[d) au er fo gur Sonne, bah bte Beleuchtung
oon ihm her auf bie ©efieber fällt, ba übertommt
ihn freubige Bemunberung. ©in blühendes $ar»
benheer, mirbelt es über bie ÜBipfel, bann meit»
hin über ben Aiefenftrom, um in feinem leuchten»
ben Spiegel, umrahmt oon ben Ufermalbungen
unb unt erbrod) en nur oon ber füllen Vracht ber
Aristolochia regia, bas Sd)aufpiel ber £uft ' 3U
mieberholen. Vian glaubt einen milben $afd)ings*
Vhotographie mit unfichtharem £id)t. %on Alm grant
nfidhtbares £icht" mirb mohl bei manchem
£aien ein Staunen heroorrufen, benn ber
Begriff £id)t ift bei ihm untrennbar mit „ficht»
bar“ oerbunben. VSo mir nichts fehen tönnen,
ift — nach ben lanbläufigen Begriffen — auch
tein £id)t oorhanben. Vod) rätfelhafter mirb es
fd)einen, bah man fogar mit folgern unfid)tbaren
£i<ht photographieren tann; ift bies büd) nicht
einmal mit jebem fichtbaren £icht ohne meiteres
möglid). Unb bennocp gibt es unfid)tbares £idt)t,
bas fogar allein gum VhotograpI)ieren angemanbt
mirb. Der VSiffenfdhaft leiftet bies in einem ge»
miffen Salle fd)on feljr grofje Dienfte.
Das oon ber Sonne tommenbe meihe £i«ht,
bas man fid) nach einer fehr annehmbaren $ppo=
thefe als eine mellenförmige, fid) immer meiter
in geraber £inie nad) allen Seiten fortpflangenbe
Bemegung ber unenbltch tleinen Atherteilchen
Dorfteilt, ift nicht einheitlich, fonbern aus einer
groben Aeihe oon oerfcfnebenen £ihtftrahlen gu»
fammengefeht, bie fid) burd) bie ©rohe ber VSellen»
länge unb bie baoon (int umgefehrten Verhältnis)
abhängenbe Schmingungsgahl in ber Setünbe
unterfheiben. Die erftere ift unenblid) Hein, bie
letztere bagegen gang gem&Iüg. Die mittlere
Vkllenlänge beträgt etma 550 pp (p/t = mil».
liontel SRillimeter) unb bte mittlere Sd)mingungs»
gahl in ber Setunbe etma 550 Billionen, bas finb
3 ahlen, bte über unfer Vorftellungsoermögen
gehen. Diefe oerfhiebenartigen £ihtftrahlen
empfinben mir in ihrer ©efamtheit als meihes
£id)t, eingelne aber als farbiges, mehrere 3U»
fammen entmeber auh als farbiges £id)t ober
unter gemiffen Umftänben, nämlich hei 3 ufamnten=
mirfen ber fogenannten £ompIementärftraI)len
auh als VSeih- Aäl)er herauf eingugehen ift
niht ber 3med biefer 3eilen.
£ihtftrahlen pfldngett fid) in geraber Aih s
tung fort, jebod) nur fomeit fie basfelbe 9 Jlebium
burhlaufen; fie änbern ihre Aichtung aber, menn
ie in ein äRebium treten, bas oon artbrer Be»
haffenheit, oon anbrer Dihte ift. Die £id)t=
trahlen merben bann gebrohen. Das tritt 3um
Beifpiel ein, menn ein £icf)tftrabl aus £uft in
SBafJer ober ©las übergeht ober umgetel)rt. Die
cingelnen £ihtftrahlen merben aber niht gleid)»
mähig, fonbern oerfhieben ftar! gebrohen. Diefen
Umftanb nuhen mir aus, tim meihes £iht in feine
oerfhiebenen Beftanbteile gu gerlegen, mas ge»
möhnlih in ber Aegel baburh gefhteht, bah man
burd) eine fpaltförmige Öffnung bas gu unter»
fuhenbe £id)t burh ein ©lasprisma, eine brei»
tantig gefhüffette ©lasfäule, gehen läht unb
gegenüber eine meihe Slähe anbringt. Auf biefer
fieht man ein längeres farbiges Banb, bas fo»
genannte Spettrum bes benuhten £i<htes, meihes,
menn mir Sonnenliht benutzen, ineinanber
übergehenb, bie §auptfarben Aot, Örange, ©elb,
©rün, Blaugrün, Blau unb Violett geigt. Das
meihe £iht ift auf biefe VSeife in feine oer
fhiebenen farbigen £ihtftrahlen 3erlegt, oon
benen bie roten am menigften, bie oioletten am
nteiften oon ihrer urfprünglidien Aihtung ab»
gelenft finb.
Die roten Strahlen finb bte relatio lang»
melügen unb bie oioletten bie relatio turgmeiligen.
Aber bas meihe Sonnenliht befteht niht nur
aus biefem fihtbaren, oon Aot bis Violett fid)
erftredenben Spettrum, fonbern es enthält aud)
unfid)tbare £ihtftrahlen, bie teils nod) gröbere
VSellenlänge als bie fihtbaren roten Strahlen
haben, teils jenfeits bes oioletten Deils bes Spei»
trums liegen, alfo turgmelliger als bie oioletten
Strahlen finb. Diefe unfihtbaren Strahlen bes
Sonnenlichtes, bie aber niht nur in biefem,
fonbern auh in bem £id)te ber tünftlihen £id)t=
quellen mehr ober meniger oorhanben finb, nennt
man infrarote (ober Ultrarote) Strahlen unb ultra»
oiolette Strahlen.
Unfer Auge ift alfo fo eingerichtet, bah es biefe
unfihtbaren Strahlen eben nid)t als £id)t emp»
finbet; ob eingelne Diere bies tönnen, barüber
haben mir noch teinc bcftimmten Anhaltspunkte.
Die infraroten Strahlen mad)en fid) hauptfählid)
baburh bemertbar, bah fie SBärme ergeugen; fie
finb auh aüf biefe VSeife 3uerft feftgeftellt morben.
SOtan begeihnet fie baher mohl auh als Sßärme»
ftrahlen, gu benen aber in meiterem Sinne gleih=
torfo 3U fehen, ber biefe Hrmalbftrahe plö^Iih er»
füllt unb mit Rubeln unb Schreien bie Sinne oer»
mirrt.
Auhiger mirtt ba trotg aller £ebhaftigfeit ber
Diere ber Anblid oon Äolibrtfhören, mie fie bie
lichteren Aäunte ber §pläa beleben. SBenn ber
Dau auf ben Blüten liegt unb in ihnen bas Vtorgen»
rot fhimmert mie itriftall unb Aubine, ba finb
mir entgüdt oon ber ^errlihteit ber Aatur. 2Bo
aber biefe Shmetterlingsoögel — „Bejaflores“,
„Blumentüffer“ nennt fie ber Brafilianer — in
meit gröberer $ülle als am günftigften Sommer»
tag bie Raiter auf unfern VSiefen bte f^Iora bes
Dropenmalbes umfhmirren, ba fheint fid) ein
Vtärhenreid) in ber muhernben SBilbnis gu er»
fhüehen. ©s firtb tangenbe Sonnenfunten mit bem
Bliben aller Art ©belgefteins, bie hier burh hie
£id)tung fhiehen unb bort buntlere Vßölbungert
unter ben 3n>eigen mit farbigem ©lange burd)»
Ieuhten, „Sonnenloden“, „Aofenhauh, in flüffiges
^euer getaucht“, mie bie bihterifhe Sprahe ber
Vieritaner fagt, „Dopasfolibris“, „Aubintolibris“,
„golbohrige“ unb „golbfdjmängige“, ,,Sd)mud»
elfen“ unb „f^Iaggenfplphen“, mie biefe Dkrhen
unterfheibenb bie Spftematit benennt. Dem
£anbfhoftsgauber, ben fie heroorbringen, oergagt
man, ein meiteres Aaturbilb angufhliehen. ©s
mühte hphftens bie funtenüberfäte nähtühe unb
fo allerbings feierliche Vrärieflur fein, bie Alexanber
oon £>umboIbt am örinoto unmeit ber Atures».
tataratte gefehen hot.
Das munberbare Schaüfpiel, oon £euhtfäfern
urtb $euerf liegen heroorgebraht, ermähnt er bei
ber Befhreibung ber $öhle oon Ataruipe, ber
Stelettgruft eines oertilgten ^nbianerftammes.
„äRit farbigen Aingen umgeben, ftanb bte Alonb»
fheibe hoh im 3 ^rtit. Sie erleuchtete ben Saunt
bes Aebels, ber in fharfen Urrtriffen moltenartig
ben fhöumenben f^luh bebedte. 3ohllofe pnfetten
goffen ihr rötlihes Vhosphorliht über bie traut»
bebedte ©rbe. Von bem lebenbigen f^euer erglühte
ber Boben, als höbe bie fternenoolle Rimmels»
bede fid) auf bie ©rasflur nieberge fentt. Aantenbe
Bignonien, buftenbe Vanille unb gelbblühenbe
Banifterien fhmüdten ben ©ingang ber <rjöble.
Hber bem ©rabe raufhten bie ©ipfel ber Volmen.“
oiolettem £iht (mährenb ber Aufnahme)
gabrüat ber gtrma ©arl 3 eih, 3 ena
Si ©djraube gum geftfteßen ber gu|))latte für ba§ Alifroffop;
P AefIe£ion§prt§ma au§ SöergfriftaU, ba§ ba§ roagreäjt ein»
faßenbe SidCjt in bie Slcßfe be§ 9Jti£roftop§ refleltiert; Sp ißlati*
fpiegei gum Seobac^ten be§ gun£enbilbe§ auf ber UrangIo§»
platte; D 2)iapßragmenträger mit eingelegter UrangtaSplatte,
gur «Seite gefcßlagen; B gu§ ber SSertifalfamera; S 2 JUemm»
fcßraube gum geftflemmen ber bre(;baren geteilten Stange St;
H nerfteßbarer Präger für ben Sucher E; J unb K nerfteß»
bare $räger für bie Camera; Z ^eitnerfc^luß; Sch aufgegogener
Schieber ber Scßiebetaffette; Q ©riff be§ bie pptograpßif^en
ißlntten aufne^menben nerfd^iebbaren ÜtaßmenS
191J. 9fc. 39
ftber ßartb unb 5Reer
1037
falls bie roten unb gelben fichtbaren Strahlen,
bie auch meift in SBärme umgeroanbelt toerben,
3äf)Ien ; toährenb bies nad) bem oioletten ©nbe
bes Speftrums immer toeniger unb halb gar
nicht mehr ber gall ift. dagegen üben bie tur3-
roelligen Strahlen, oon ben fichtbaren oor allem
bie blauen unb oioletten, toenn fie abforbiert
toerben, djemifche Sendungen aus. - Das 3ulet$t
©efagte ift bie ©egel, oon ber es aber and) Slus-
nahmen gibt. SRinbeftens in gleichem ©iahe toie
bie blauen unb oioletten roirfen aber aud) bie
ultraoioletten Strahlen. Sluf unfer Sluge üben
fie einen fd)äblid)en ©influh aus. ferner haben
bie ultraoioletten Strahlen in befonbers hohe™
©iahe bie $ät)igleit, getoiffe Körper 3um gluore-
gieren, 3um Selbftleud)ten 30 bringen. Daburd)
roirft iebocf) im Silbe fd)toar3, weil er fein infra*
rotes £id)t ausfenbet, bas heifct biefes abforbiert;
baher erfd)einen auch alle nid)t unmittelbar oon
ber Sonne beleuchteten Sd)atten, bie ja burch bas
3erftreute blaue ^immelslidjt aufgehellt toerben,
ebenfalls fdjtoar3. §elle, oon ber Sonne be=
fdjienene SiBolfen geben bagegen infrarotes Sicht,
erfdjeinen alfo im Silbe hell.
©od) mehr 3^tereffe bieten bie Aufnahmen
mit nur ultraoiolettem £id)t. ©s fönnen hiergu
gewöhnliche photographifdje Platten benutjt toer-
ben, ba fie ohne roeiteres für Ultraoiolett emp-
finblttf) finb; bagegen finb bie fonft gebräuchlichen,
aus ©Iaslinfen beftehenben Gbjeftioe nicht oer-
toenbbar, benn ©las abforbiert faft alle ultra-
oioletten Strahlen, läht biefe alfo nicht hinburd).
trägt bie burchfchnittlidje Sßellenlänge bes meinen
Siebtes, roie fd)on oben gefagt, ettoa 550 ///it,
toeshalb roir mit biefem aud) nur Deile getrennt
fetjen ober auf ber pl)otographifd)en ^Statte toieber-
geben tonnen, bie nicht toeniger als 275 pp oon-
einanber entfernt finb. Sei ©enutjung oon blauem
unb oiolettem £id)t allein finb bie ©erhältniffe
fd)on günftiger, nod) mehr aber, toenn man bie
ultraoioletten strahlen benutzt, bie 3toar für
unfer Sluge unfichtbar finb, aber ftart auf bie unfer
Sehorgan erfetjenbe photographifd)e Platte roirfen.
Die ©uhbarmad)ung ber ultraoioletten Strahlen
ift oor allem Dr. Köhler unb Dr. oon Sohr 3U
oerbanfen. Slls £id)tquelle toirb nicht ettoa
Sonnenlicht benuht, oon bem auch 3 U toenig
ultraoiolette Strahlen 3ur ©rbe gelangen, fonbern
©tan benutzt oielmehr Sinfen aus Guar3, bas auch
für bie jenfeits bes Sioletts Uegenben ultraoio-
letten Strahlen hwmd)enb burd)läffig ift. Hm
alle anbern £id)tftrahlen 3tirüd3uhalten, muh na¬
türlich ein entfpred)enbes gilter oertoanbt toerben,
3um Seifpiel ein folches aus einer bünnen Silber-
fd)icht.
Sei ultraoioletten Aufnahmen toerben toir bie
Seobad)tung machen, bah manche toeihen Objefte
toie getoiffe weihe Slumert, 3wforpb (©htnaweih),
hochpoliertes Silber unb fo toeiter auf bem Silbe
fd)toar3 erfdheinen, toeil fie 3toar alle fichtbaren
£id)tftrahlen, bie 3ufamnten ©Seih ergeben, re-
flettieren, aber nicht bie ultraoioletten. Slnber-
feits toerben manche bunflen ©egenftänbe be-
beutenb heller abgebilbet, fo 311m Seifpiel auch
bei grellem Sonnenlicht bie fonft fo bemerfliehen
Schatten, bie hier gar nicht ausgeprägt finb, toeil
bie ultraoioletten Strahiert toeit mehr als bie ficht*
baren oon ber Sltmofphäre 3erftreut toerben.
Durd) ein gefdjloffenes genfter hinburdj erhalten
toir überhaupt fein Silb, ba ja ©las HItraoiolett
abforbiert. Sei ©tonb auf nahmen mit ultra*
oiolettem Sicht finb an getoiffen Stellen bunfle
Rieden feftgeftellt toorben, bie bisher toeber bei
oftilarer ©eobadjtung nod) bei getoöhnlid)en Stuf*
nahmen bemerft toorben finb. ©s ift alfo hier ein
©eftein oorhanben, bas nur ultraoiolette Strahlen
abforbiert.
SBir tonnen uns an $anb f old) er Aufnahmen
einen Segriff baoon machen, toie anbers toir alles
fähen, toenn unfer Sluge aud) für ultraoiolettes
unb infrarotes Sicht empfinblid) toäre.
©ine grohe praftifdje Sebeutung hat aber bie
Aufnahme mit ultraoiolettem Sicht in ber ©tifro-
Photographie, ber Photographie ber tounberbaren
Sluf nähme einer Diatomeenfd)ale (Surirellagemma)
bei fichtbarem Sicht, 3toeitaufenbf ad)e ©ergröherung
Diefelbe Diatomeenfchale, bei ultraoiolettem Sicht
aufgenommen, hunbertfad)e ©ergröherung
haben toir bie ©iöglid)feit, bie ultraoioletten
Strahlen für unfer Sluge fid)tbar 3U machen, wo-
bei toir jebod) nid)t bie eigentlichen ultraoioletten
£id)tftraf)Ien, fonbern nur bas burch biefe er3eugte
5luoref3en3lid)t fel)ett.
Die Photographie beruht nun betanntlid) auf
ber d)emifchen ©Sirfung ber Sichtftrahlen, toelche
bie SromfiIberfchid)t ber pt)otograpt)ifd)en Droden-
platte berart oeränbern, bah fie fid) in ben fo*
genannten ©ntwidlerlöfungen fchnell fd)toär3t
unter ©ntftehung oon fd)toar3em Silberpuloer.
Son ben fichtbaren Strahlen finb es t)auptfäd)Iid)
bie blauen unb oioletten Strahlen, bie Photo=
graphifd) toirten, baneben auch in hohem ©iahe
bie ultraoioletten Strahlen, bie man besl)alb auf
biefe SBeife leicht feftftellen tann. ©s ift
jebod) möglich, bie photographifd)eti platten r—
es toerben bie ultraoioletten Strahlen bes fjjfunfen-
fpeftrums bes ©iagnefiums ober bes Saömiums
oertoanbt. Diefes hot eine intenfioe Siniengmppe
oon 275 mt, bas ©iagnefiumlicht eine folche oon
280 ©Sellenlänge. ©Sir erhalten bamit ein
hoppelt fo großes Sluflöfungsoermögen toie mit
meinem Sicht, toas eine geroaltige ©rrungenfehaft
bebeutet.
Sluch hier müffen natürlich fämtlidje Sinfen
ber mitrophotographifchen ©inrichtung, bie oon
ber 8 ‘irma ©arl 3dh in 3ena geliefert toirb, aus
Cluar3 gefertigt unb fpe3iell für biefe 2Bellem
längen forrigiert fein. Die benutzen Sampen 3m
©rseugung bes üabmium* ober $Ragnejiumlid)tes
ähneln ben eleftrifchen $anbregulierlampert.
— Da nun bie ultraoioletten Strahlen für
bas Singe unfid)tbar finb, fo muh 3um ©in=
ft eilen bes Silbes ein befonberer „Su^er“
1 oertoanbt toerben
aud) für grüne, gelbe, orange unb rote, ja
felbft für infrarote £id)tftrahlen empfinblid)
3 U machen, fo bah aud) biefe einen ent=
toidelbaren ©irtbrud oerurfachen, allerbings
in oiel geringerem 9Jlahe.
Durch Silter !ann man nun erreichen,
bah nur infrarote ober nur ultraoiolette
Strahlen, bie bann allein burd) bas Filter
hinburd)gelaffen toerben, toirten. Sßir ton¬
nen auf biefe SBeife oon £anbfd)aften unb
fo toeiter photographifd)e ©Uber anfertigen,
, bei bem man fid) bie
fd)on oorne ertoähnte ©igenfdjaft ber ultra*
A oioletten Strahlen, getoiffe Körper 311m
k ^-luorefsieren 3U bringen, 3tmuhe macht,
m Der Sucher befteht aus einer Sinfen-
M tombination aus Guar3 unb einer fluore-
M f3ierenben ©lasplatte, auf ber man] mit
W §ilfe einer Supe bas ©ilb einftellt.
Durch bie Stufnahmen mit ultraoio-
p lettem Sicht hat man noch gröbere ©infid)t
in bie überaus feinen Strukturen mancher
Gbjette getoonnen. ©in beliebtes Gbjett
ift eine getoiffe Sorte oon ftiefelfdjalen.
©ei 2500fadher ©ergröherung unterfheibet
man bei biefer nod) Sinien, bie im ©ilbe
noch teinen SCRillimeter ooneinanber ent*
— femt finb.
3n 3toeiter Sinie gibt uns bie SCRilro*
Photograph^ mit ultraoiolettem Sicht aud)
baburd) über organifd)e unb tierifche ©e=
toebe Sluffchluh, bah fid) nicht alle Deile
gleid)mähig gegen ultraoiolettes, toohl aber gegen
ficfjtbares Sicht oerhalten.
©isher behalf man fid) bamit, bah man bie
Gbjette anfärbte, tooburd) fid) bann manche
in ungefärbtem 3nftanb nid)t bemertbare Unter-
fchiebe in ber Struftur geigten, befonbers bei
glasartig burd)fid)tigen Gbjeften.
Slber biefes Slnfärben ift immerhin unfiefjer,
toeil ja eine baburd) erft erfolgenbe ©eränberung
nicht ausgefdjloffen ift. ©ei lebettben Gbjetten
ift 3ubem überhaupt oft ein Slnfärben nid)t
möglich. Sluch h^ Iciftet bas ultraoiolette
Sicht bem 9Jlitrophotograpf)en fehr fd)ähenstoerte
Dienfte.
So fehen toir alfo, bah bie fdf)on in ilultur,
Dechnif unb SBiffenfdjaft 3ur gan3 getoaltigen
©ebeutung gelangte Photographie fid) nicht nur
auf bie ©ertoenbung bes fid)tbaren Siebtes be=
fchräntt, fonbern auch bas unfid^tbare fid) bienftbar
bie in ihren Dontoeiten bem ©ortjanbenfein
oon reflettierten infraroten be3ieI)ungstoeife
ultraoioletten Strahlen entfpred)en. Der eng-
lifdfje $orfcf)er ©. 3ß. Sßoob madfjte intereffante
Slufnahmen mit infraroten unb folche mit
ultraoioletten Strahlen, bie in mand)er ©e=
3iehung fehr lehrreich finb, ba fie uns bar- I
über Sluffchluh geben, oon toeld)en ©egen- —
ftänben biefe unfid)tbaren £id)tftrablen re-
fleltiert toerben, bie im übrigen fid) nid)t,
im ©egenfah 311 ben ©öntgenftratjlen, oon
ben fichtbaren SidE)tftrahIen unterfd)eiben.
Die Slufnahmen mit infrarotem Sicht toerben
alfo hinter einem ftilter gemalt, bas alle ficht¬
baren unb bie ultraoioletten Strahlen nicht h^n-
burd)Iäht. ©in folches Filter, bas man 311m ©eifpiel
burch diu fehr !on3entrierte Söfung oon 3ob in
Schroefeltohlenftoff ober burd) eine gefättigte
üaIiumbid)romatIöfung 3toifchen 3toei bici)ten Äo»
baltfcheiben erhält, erfcheint in ber Durd)fidl)t gan3
fd)toar3. Dah bie photographifche Platte, bie
allerbings burd) befonbere Präparation für biefe
ultraroten Strahlen empfinblid) gemacht fein
muh, bu*d) biefes fdf)toar3e Filter hinburd) ein
©ilb empfängt, toirb fid)erlich oiele, auch bie
meiften Photographierenben, oerblüffen. Solche
Photographien, bie bei hellem, fonnigem Sßetter
in ettoa fünf SRinuten bei ooller GbjettioÖffnung
3U erhalten finb, machen einen merltoürbigen
©inbrud. Sßiefen unb ©ätime erfdheinen in bem
pofitioen ©ilbe toeih, ein 3ddE)en, bah fie oiel
infrarote Strahlen refleftieren. Der blaue_ r §immel
Slufnahme bes Sluges (Guerfd)nitt) einer grofdhlaroe
bei ultraoiolettem £id)t
1038 1911. 9h. 39
c AahmDissetiKkift
©ibt es unfterbliche ßebemefen? Die alltäg=
ItdE)c (Erfahrung lehrt, baß, ebenfo mie mir $Aen[d)en,
alle Aßefen bes belebten Alls nad) tür^erer ober
längerer inbioiöueller ©xiften3 einer Auflöfung
ihrer organifdfen unb chemijdjen 3ufamntenhänge,
einem 3erfaII ihres förperlichen Aufbaues anheim-'
fallen, ben mir „Dob“ nennen.
Als mit ber ©rfinbung bes 3 Aifroffops, biefes
rounberoollen Hilfsmittels menfd)lid)er gorfdjung
unb ©rfenmtnis, bas Vtlb bes organifchen Bebens
unfres Planeten fid) in ungeahntem Alojfe er*
meiterte, als mir lernten, in Schlamm unb ABaffer
ber Sümpfe unb Reiche, bes Ateeres, in bem be*
rühmten „mimmetnben Tröpfchen" eines Heuauf*
guffes, überall, moes gärte unb faulte, enblid) aud)
in [o manchem tränten ©emebe höherer ßebemefen
ein ungeheuer formenreiches, fid) befämpfenbes
unb fich ntpriabenmeife oermehrenbes fieben aller*
tleinfter Aßefen gu [eben, ba fd)ien es lange 3 eü,
als ob mir in biefen allereinfad)[ten, nur aus einer
einigen belebten 3 eIIe beftetjenben Urtierchen
(unb Urpflän^chen) mahre Unfterbliche — in bio*
Iogifd)em Sinne — gefunben hätten.
Schien bod) ßunädjft bas große Aipfterium oom
fieben unb oom Dobe burd) biefe Urmefen in
allereinfachfter Aßeife gelöft 3u fein! ©ine Amöbe,
ein gnfufor, ein ©eißeltierchen brauchte als folches
nicht 3U fterben, ba es immer mieber — unb gmar
nicht im pietätooll=figürli<hen Sinne, fonbern mat)r
unb mahrhaftig — in feinen ftinbern fortlebte,
©s lebte ein Heines fieben, nährte fid), mie es
[einer fitrt gutam, unb menn es eine Aertobe bes
Aßotjllebens htnter fid) hotte, teilte fid) jebes
Dierd)en nad) Verboppelung feiner mid)tigften
3 ellorgane burd) Durd)fd)uürung feines $roto=
plasmaleibes in gmei, im felben Augenbltd 3ur
Atutter unb 3u Ambern merbenb (erfte gigur).
So fd)ien bie Sache ins Unenbliche fortgehen 3U
tonnen; menn tein „Unglüdsfall“ eintrat, brauchte
bie fiebenstette niemals unterbrochen 3U merben.
So fchien man mit gug berechtigt, bie als „Aro*
tiften" 3ufammengefahten Urtierchen unb Ur*
pflän3<hen als unbegren3t lebensfähig an3ufehen.
Sorgfältige biologifdje Unter fud)ungen jebod),
mit benen fid) berühmte Stauten ber miffenfchaft*
liehen Aßelt: 3 t. Hertmig, Ataupas unb anbre, oer*
tnüpfen, marfen in unfrer 3eit ein anbres fii<f)t
auf bie fiebensgef«hid)te ber ^ßrotiften unb fchufen
eines ber bebeutenbften fiehrgebäube ber neu3eit=
liehen Biologie: bie fiehre oon ben tieferen 3u=
fammenhängen 3mifd)en gortpflan3ung unb Dob,
bie berühmte „Amphimixislehre", bie heute mof)I
fchon oielen ©ebilbeten betannt fein bürfte.
©s mürbe 3unäcbft feftgeftellt, bah Kulturen
oon Urtierchen, bie aus einer ober menigen
„SAüttern“ burd) Teilung ge3üd)tet mürben, fid)
aud) bei forgfältiger pflege nicht unbefchräntt
meiterentmideln, fonbern immer tieferer Dege*
neration ober, mie man iri biefem gälte fagt,
Depreffion anheimfallen. Die Depreffion geht in
gortn einer in 53 erg unb Dal oerlaufenben Sturoe
oor [ich: auf einen Diefftanb ber förperlichen
©ntfaltung folgt 3unächft immer mieber eine Höhe,
ein Aufraffen gemifferntaßen, bis nach einer
größeren Strahl ©enerationen teine ©rholung
mehr möglich ift unb bie gan3e Stultur 3ugrunbe
geht. Der Untergang ber ©in3ellertolonie oer*
läuft unter gan3 tppifchen .Verf allserf Meinungen
ber 3 nbioibuen, mie bies unfre Abbildung
oon burd) „3n3ud)t" degenerierten Verliehen
Aßimp erinfuforien (£)npd)obromus) 3eigt; bie
Körpergröße geht 3urüd, bas Aßimperfleib mirb
rebu3iert, gan3 befonbers aber betrifft bie ©nt*
artung ben mid)tigften Deil ber 3elle, ben 3eII=
tern, unb 3mar in hod)intereffanter Art unb Aßeife,
bereu meitere ©rörterung jebod) mehr Sache ber
Spe3ialmiffenfchaft ift. Bedingung für biefen
Untergang ift, mie bies oor allem bie Verfud)e
bes gran3ofen Ataupas geigen, bah nur nahe
Vermanbte in ben Kulturgläfern beieinanber
bleiben unb bah für ftets gleichmäßige reichliche
©rnährung geforgt mirb; benn merfmürbigermeife
tann burch periobenmeife Hungerfuren ber Ver*
fall längere 3eit hüüongefjialten merben. ©ine
mirfliche Aettung ber „inge3üd)teten“ Kolonie
tann aber nur bann 3uftanbe tomnten, menn man
frifches „ 33 Iut“ 3uführt, bas heibt neue, aus einer
nicht oermanbten Kolonie ftammenbe S^fuforien
gleicher 5 lrt hin3ufebt.
SHsbann „überminbet bie ßiebe ben Dob", unenblich fein ausgebaute unb nach bem 5Mn3ip
ober, mie mir uns profaifcher, aber miffenfd)aft= ber Arbeitsteilung bifferen3ierte Kolonie näd)ft=
lieber ausbrüden, topulieren (beffer fonfugieren) oermanbter ©in3el3ellen, bie alle oon einer SDtutter
bie Dterchen^ inbem fie Amphimiris betrieben: (ber befruchteten ©i3elle) abftamnten, aus ben=
je 3mei ^Ttbioibuen oereinigen [ich, taufchen Sub= felben ©rünben einer Altersbepreffion unb einem
ftan3teile ihres michtigften 3ellorgans, bes fiernes, Abfterben anheimfallen muh mie bie Kolonie
aus (auf ber etmas fchematifchen brüten $igur oermanbter Urtierchen, aus bem ©runbe nämlich,
ift bies erfid)tlich) unb trennen [ich mieber, neu meil bie bifferen3ierten ©in3el3ellen unfres Körpers
oerjüngt; bie Depreffion ift - behoben, unb bie teine Stoffmifdhung — Amphimiris — mit gleich 3
Deilungsfähigteit unb bamit bie 93 töglid)teit bes artigen anbern 3 eIIen betreiben unb [ich baburdh
reftlofen Aufgehens oon mütterlichen 3 nbioibuen mechfelfettig oerjüngen fönnen. Dies fönnen nur
in ihre Aachtommen ift mieberhergeftellt. gemiffe 3 eIIen im Körper ber 53iel3eller, bie nach
Hochintereffante neuefte Arbeiten, mir nennen Aufbau unb Struftur trob grober 23 erfä)ieben=
nur ben 93 tünd)ener $orfd)er ^ 3 opoff unb ben heiten prin3ipiell proto3oenartig finb: bie ©e=
[<hled)ts3ellen. An biefe be3iehungsmeife an bie
aus ihrer Aermifchung heroorgegangenen ^ 3 ro=
butte (befruchtetes ©i, bas 3urh Aad)tommen
mirb) ift baher bie fyorteriftens ber Art gebunben —
bas 3rtbioibuum muh 3ugrunbe gehen. 3ßopoff
geht in ber parallele noch meiter: er meint, bab
auch bie gortpftan3ungs3elIen in ihren 53 er=
mel)rungs= unb 2 Bad)stumsperioben Depreffions=
3u[tänbe erfahren mie bie Urtierd)en. Die tieffte
Depreffion, nicht, mie man meift meint, bie häufte
©ntmidlung, mirb burd) bie Aeife ber 3ort=
pflan3ungs3elle bezeichnet; tritt nad) biefer Aeife
teine SAifchung mit einer anbern 3elle ein, fo
mub bie Serual3elle sugrunbe gehen: ein unbe=
fruchtetes, reifes ©i ift bei faft allen Dieren bem
Untergang gemeiht.
30 tit biefen menigen HBorten ift bas munberoolle
Problem oon Dob unb 3eugung natürlich teines=
megs erlebigt, unb mir hoffen, an biefer Stelle nod)
mehrfach über biesbetliche miffenfchaftliche gort=
fchritte unb Spetulationen berichten 3U fönnen. —
kommen mir 3um Schlub 3u unfrer erften grrage
3urüd: ©ibt es in biologifchent Sinne Unfterbliche?
23 ebingtermeife, ja. Unter natürlichen Umftänben
unb ©ebingungen merben bei ben Urtierchen
eines unb besfelben 23erbreitungsbe3irfs 5 topu=
lationen unter nicht nahen 23 Iutsoermanbten meift
möglich fein, moburcE), theoretifd) menigftens, ber
$all tonftruierbar märe, bab ein einseitiges Aßefen,
ftets reftlos in feinen Ainbern aufgehenb, unbe=
gren3t fort3uerifüeren oermöchte. ©an3 neuere
bings (Anfang 1911 ) behauptet einer ber oor=
genannten ©eiehrten (ASoobruff), ein ASimper*
infufor, Aaramäcium, in 3meitaufenb ©enerationen
ununterbrochen, unb 3mar nur burch Deilung fort=
ge3Ü<htet 3U hoben, unb er meint, bab biefe Dierdjen
menigftens eine gän3li<h unbegren3te unb unbe=
bingte Dauerhaftigteit befäben. ©s bleibt ber
golge3eit oorbehalten, biefe im ßid)te ber oorhin
flüchtig geftreiften Amphimmslehre f d)m er oerftänb=
liehe Behauptung 3U betätigen ober, mas nicht
gan3 unmahrftheinlich ift, 3U miberlegen.
Dr. Aßithelm 23 ernbt.
SCRit © u ft a o SOI ah l e r ift einer ber be=
beutenbften Donfünftler unfrer 3eit oon uns ge=
nommen morben, unb 3toar in einem Alter, bas
ben febaffertben mie reprobu3ierenben ßtünftter
meift in ber Aollfraft reifen Könnens 3eigt. Aur
fünf3ig 3oE)re ift er alt gemorben, als ihn ber Dob
bahinraffte. Den fonft fo 3ähen, miberftanbs=
fähigen AEann müffen mir mohl in bie 3 ohl ber
£>pfer einreihen, metche bas überhaftenbe ameri=
fanifche üunfttreiben mit feinem oerfütjrerifchen
Dollarloden geforbert hat- Ai<ht jeher, ber über
Amerifaner Aßoobruff, nehmen bas 3 ü<htungs= ben großen Deid) gegangen ift, oermag auf bie
unb SterbIicE)teitsproblem mieber in Angriff. Dauer fo fiegreid) mie fiillp fiehmann ober bie
Aopoff, ber mit bem häufigen 3 rtfufor Stt)lonpd)ia ScI)umann=Heint mit ftähternen Aeroen ben
experimentierte, beftätigt im großen unb gan3en Stampf gegen bas bortige SAenagerunmefen auf=
bie allgemein herrfdjenben Anfichten über bie 3unehmen. Dobfrant tehrte SAahler oon feiner
Aebeutung oon Stonjugation unb Verjüngung; lebten überfeeifchen Aeife nach ©uropa 3urüd;
immer, menn bie Depreffion in feinen Kolonien als jebe Hoffnung auf ©enefung gefchmunben mar,
am tiefften mar, herrfdjte lebhafter Drieb 31m mürbe er auf feinen AßunfdE) aus bem Sanatorium
Stonjugation, ber burch Hunger unterftütjt merben in Aeuillp bei Aoris nach Aßien transportiert, unb
tonnte, fchiiehlid) aber mar ber Verfall nicht mehr es mährte bann nid)t lange, bis bie Aachricht oon
auf3uhalten,. menn teine 3 ufuhr neuer fidtbioibuen feinem Dobe burd) alle Aßelt ging,
ftattfanb, mie benn auch rta<h anbern gor [ehern Von ©eburt ein Vöhme, 3eigte er frühßeitig
bie Atifdiung „Vlutsoermanbter" in begenerieren= Dalent unb ßiebe 3ur SOlufit, erhielt , auch fchon
ben Stolonien mit bem Dobe ber Aoarlinge in feiner erften Schul3eit mufitalifchen Unterricht,
enbigen [oll. ber inbeffen mohl nicht oiel taugen mochte. ©rünb=
Vetanmtiid) hot man mit großem Aedft oon lieh faßte er bas Stubium erft in Aßien als Schüler
biefen bei ben ©in3etlern beftehenben Verhältniffen bes bortigen Stonferoatoriums an, namentlich hot
auf bie tomplisierten otel3elIigen Aßefen, 3U benen er Anton Vrudner als fiehrer mancherlei 3U oer=
auch mir gehören, Schlüffe gesogen unb gemeint, banten, mie oor altem bie genaue Stenntnis ber
baß unfer Störper, ber ja nid)ts meiter ift als eine modernen Drchefterfarben unb beren tühne
1911. 9lr. 39
1039
t/)i2 K ^uftuv der^ i/egenmarx
Atifd)ungen. 3 m galten aber fcf)lug er feinen
eignen Aßeg in ber geiftigen ©nttoidlung ein, bie
in mancher Ae3iel)ung ber Aidjarb ABagners
gleidjt. So muh er fd)on als 3man3igjäi)riger an
tleinen Aühnen für ein elenbes ©el)alt gronbienfte
leiften, bie ü)n aber halb befähigten, ben Dattftod
fid)er 3u führen, eine ftunft, in ber er fid) fd)nell
3u hödjfter Ateifterfd)aft emporarbeitete. Ato3art,
Aeethooen, ABagner — an beren Atufit erftartte
uttb toud)s ber junge Alufiter, unb ihre ABerte
in muftergültiger Feinheit 3ur Aufführung 3U
bringen, barin fud)te er feine höchfte fiebensaufgabe,
bafiir fe^te er feine oolle £ebenstraft ein. Unb
bie roar eifern! ABer jemals Atahler hat birigieren
fet)en, roirb ben ©inbrud einer nnbeugfamen
©rtergie baoon mitgenommen haben, einer ©nergie,
bie gar feiner befonberen Aeroeglid)teit bes Äör*
pers, roie etroa bei $ans oon Aüloro, beburfte,
um bem Drd)efter feinen ABillen tlar3umad)en.
Aur mit ber rechten §anb, bie ben Dattftod führte,
marfierte er bas 3 eitmah, ben Ahythmus, aber
fo überroältigenb fid)er in feiner ABillensmeinung,
bah jebes £)rd)eftermitglieb, jeber Sänger auf
ber Sühne roiberftanbslos ©efolgfdjaft leiften
mufjte. ©s roaren übrigens nicht nur bie aus*
i'ibenben Zünftler, bie unter bem Sanne biefer
ehernen ©nergie ftanben, aud) bas Aublifum, bem
hoch ber fleine Alamt ben Aüden 3utel)rte, bas
alfo nicht einmal bem eigenartigen Alihftrahl ber
Augen ausgefeht roar, empfanb aufs intenfiofte
bie Sreffel biefer ©eiftestraft. Aachbem Atahler
mehrere 3 ahre hinburd) nur an fleineren Sühnen
tätig geroefen roar, erhielt er eine Stellung als
3ioeiter ftapellmeifter in Staffel, bann l)°Ue ihn
ber gefd)äfts* unb menfd)enfunbige Angelo Aeu*
mann nad) s fßrag, als er Direttor bes bortigen
Deutfchen 2 :h e aters rourbe. Son ba ab batiert
fid) ber Auf bes Dirigenten Atahler, unb biefer
Auf fteigerte fid) nod) bebeutenb in feinen fpäteren
Stellungen am Hamburger, am Aßiener $of*
operntheater. §ier roud)s er gerabe3u oollftänbig
aus 3um Aeorganifator bes gart3en Dpernroefens.
©r begnügte fid) nid)t mit ber rein mufitaüfchen
£eitung, fonbern er fprad) aud) bas entfd)eibenbe
Atad)troort in ber Aegie, in ber Anorbnung bes
f3enifd)en Silbes, bes bramatifd)en Hergangs, ©r
erreid)te bie innigfte ABed)feIbe3iel)ung 3roifd)en
bem, toas bas Auge auf ber Sühne fieht, unb bem,
roas bas £)l)r 3u hören befommt, unb fetzte mit
ber ©rfüllung biefer fünftlerifdjen Anforberung
bei ber Aufführung nid)t nur ber ABagnerfchen
Sühnentoerfe, fonbern aud) ber 9Ao3artfd)enOpern,
bes Seethooenfd)en „ 3 ibelio" bis bahin ungeahnte
ABirtungen burc|. £eid)t roürbe es il)m nicht,
feine ibealen Anfdjauungen 3U Datfad)en roerben
3u laffen, namentlid) in Aßien galt es manchen
Straub mit ben alten Überlieferungen, mit bent
©igemoillen ber Stünftler aus3ufed)ten. Sd)liehlid)
beugte man fid) bod) oor bem erbitterten 3einb
jebes Schlenbrians, ber fd)onungslos alles beifeite=
3ufd)ieben rouhte, toas feiner befferen ©rfenntnis
im ABege ftanb. ABeun Atahler als Dirigent all*
gemein höd)fte Aßertfd)ähung erreid)t hotte, fo
fteht bas anbers mit feiner Anerfennung als 5 tom*
ponift. ^interlaffen hat er ad)t mehr ober roeniger
umfangreid)e Ordjeftenoerte, bei beren Aus*
führung aud) 3um Deil ©höre unb Soloftimmen
mit3uroirfen haben, auherbem eine gröbere An 3 at)l
£ieber mit £Iaoier* ober Drchefterbegleitung.
Sobalb Atahler mit feinen Symphonien an bie
£>ffentlid)teit trat, fanb er aud) fanatifd)e greuube
für feine Atufit, allerbings aud) manchen ©egner.
Aus einer phantaftifchen ©inbilbungstraft ift alles
bei ihm geboren unb bas moberne Drdjefter mit
einer ooflenbeten $errfd)aft über bas Ausbruds*
material behanbelt. Alan betommt .ftlangroir*
tungen 3u hören roie bisher niemals oor ihm.
Aber Atahler über3eugt ben £>örer nicht oft mit
feiner Atufit, 3u beren Serftänbnis ber Sd)lüffel
fchroer, oft gar nid)t gefünben roerben tann, roeil
ber itomponift il)n abfid)tlich oerftedt gehalten hat.
Atahler hatte eine unüberroinblid)e Abneigung
gegen ein erläutern&es Anagramm, er roar ber
Ateinung, bab man ^feine Atufit aud) ohne er*
tlärenbe Aßorte in fid) aufnehmen unb oerftehen
folle, unb babei ift fie burd)aus nicht abfolute Atufit,
benn fie roill etroas illuftrieren, einen Hergang
mufitalifd) barftellen, unb biefer Hergang roirb
uns oerfdjroiegen. Da3u tommt noch ein feltfames
©emifch oon bentbar höchfter ©infad)heit bes
©mpfinbens, bas fid) in feiner Dbemenbilbung
geigt, unb ber Aeigung 3u raffiniertefter £)rd)efter=
bel)anblung, bie alles, roas bas moberne Aarifer*
tum uns in ber Se3iehung bewert hat, roeit
hinter fid) läbt. Setannt ift ja feine Sorliebe für
Ausnu|ung oon Sd)laginftrumenten, benen er
mertroürbige ©eräufdje ab3roingt. „Aauten, mit
Anten gepeitfd)t,“ roirten bod) mehr neroen*
tibelnb als tünftlerifd). Seine Atelobiebilbmtg ift
babei oon einer Aaioität, bie gerabe nur 3ur ©e=
ftaltung eines Operettenroal3ers ober eines oolts*
tümlid)=fentimentalen Siebes in ber ABeife 5 tofd)ats
ausgereid)t hätte. Ob nun bie Atahlerfd)e Atufit
jemals ba3U gelangen roirb, geiftiges ©igentunt 3u
roerben bei ben Atenfdjen, bie roirtlid) gern Atufit
hören, bas ift fd)roer jetjt 3u entfd)eiben. ©rfd)roert
roürbe bies burd) ben Umftanb, bah ^me häufigere
A$ieberl)oIung ber umfangreichen ASerte fid) burd)
bas Aufgebot ber Ungeheuern Darftellungsmittel
oon felber oerbietet. Atan erinnert fid) tootjl nod)
an bie Aufführung ber achten Symphonie oer=
gangenen Sommer in Atünchen, bie eine Atenfdjem
maffe oon taufenb 3 nftmmentaliften unb Sängern
in Attion fehte. Der ©nthufiasmus bei ben aus*
übenben Kräften unb ben Hörern roar ja burd)aus
echt, es roar nur nid)t red)t 3u tonftatieren, ob bas
3ujaud)3en ber Ataffen bem genialen Dirigenten
ober bem ftomponiften galt. 3 ettf, nun Atahlers
Seben abgefd)Ioffen baliegt, muh fid) ja heraus*
ftellen, ob feine Atufit allein, losgelöft oon ihrem
Urheber, fiebenstraft genug befiht, ohne bie
treibenbe Aad)lylfe feiner Aetfönlid)teit ihre Auf«
erftehung im $er3en ber Aad)toelt 3u feiern.
©rnft ©buarb Zaubert
drcfakdut
Die Sautoften bes ASohnhaufes
Der ABunfch, fid) ein eignes £>aus 3U bauen,
ift jeht in Daufenben lebenbig. A 3 enn man
nur über ben heitelften Aantt bes Aauens,
bie Aautoften, einen fidleren Anhalt hätte! 3 ^
Aublifum geht bas ©erü<ht, bah bas 23 auen
immer oiel teurer roürbe, als einem anfangs
gefagt roürbe. „Aauen ift eine Suft, roas es tuft',
bas höb ; icf) ni(^t gerouht,“ fagt ein Sprid)roort.
So liegt in ber Sautoftenfrage für oiele eine Ab*
fchredung, bie fie oon bem fonft fo oerlodenben
©ebanten, felbft 30 bauen, 3urüdhält.
Unb hoch ift biefe gan3e 3 ^ 09 ^, roenn man
ihr red)t auf ben ©runb geht, fo einfath roie bent*
bar; es foll hier oerfucht .roerben, bie fpringenben
Auntte tur3 3U beleu©ten. Die Äoftenfrage hat
bei allem, roas roir im Seben erroerben, eine
enorme Sebeutung, unb baher tommt es, bah
fid) gerabe hier Ieid)t Atärd)en bilben. So hört
man häufig er3äl)Ien, bah jemanb fich ein grobes
£jaus für eine oerfdjroinbenb geringe Summe
gebaut hätte, roobei man an3unet)men fcheint, bah
ber Aaumeifter im ©efihe eines ©eheimmittels
geroefen fei, biefes 3U errei^en. SoId)en
Atärd)en liegen immer irgenbroe!d)e Aer=
fennungen 3ugrunbe. 3unäd)ft muh genau um*
gren3t roerben, roas unter Saufoften 3U oer*
ftehen ift. Die gefamten Ausgaben bei ©rftellung
eines ASohnfitjes fehen fid) aus folgenben Aoften
3ufammen: 1. ©runberroerb, 2. Sautoften bes
nadten Kaufes bis 3ur Aeroohnbarteit, 3 . etroaiger
befferer Ausbau (Aartettfuhböben, oer3ierte
Deden, $013* ober Stoffoertleibung ber ASänbe,
Äamine, ASanbbrunnen, itunftoerglafung, §ei3=
törperoertleibungen, forgfältig ausgebilbete fefte
A 3 anbfd)ränte, beffere fanitäre ©inrichtungen in
Aäbern unb 5 Uofetten, 3liefenbelag ber ABänbe
unb Suhböben), 4 . Aeumöblierung bes Kaufes
ober teilroeife ©rgän3ung bes oorl)anbenen Ato=
biliars (hiersu rechnen aud) 23 eleud)tungstörper,
Dreppenbeläge, Deppiche, Aorhänge, Difd)beden,
itleingerät), 5 . $errid)tung ber Umgebung bes
Kaufes, beftehenb in ben ©artenanlagen, ber
Umroehrung, ber ^erraffe, etroaigen 3 ufahrts*
roegen, bem ©ingangstor, etroaigen Aergolen unb
©artenlauben, ©artenmöbeln unb Ausftattungs*
ftüden bes ©artens, 6. ©ebühren unb Abgaben
beim ©rtoerb bes ©runbftüds, ABegebeitragstoften,
©ebühren für bie baupoli3eiIichen ©enehmigungen
unb Abnahmen, ©as*, Aßaffer* unb ©Iettri3itäts*
anfd)lüffe unb ©ebühren für ben Ard)itetten.
ABenrt nun oon ben Aautoften eines Kaufes
bie Aebe ift, fo haubelt es fid) 3unäd)ft unb oor
allen Dingen barum, feft3uftellen, roeldje ber
genannten fed)s Aoften barin enthalten finb unb
toelche nicht. Aerüdfichtigt jemanb nur ben nadten
Hausbau, alfo ben 3roeiten ber obigen Aoften, fo
oermag er mit fehr billigen ^erftellungstoften feines
Kaufes 3U prunten. ©ine folctje Angabe ftimmt
aber nicht 3U ber oielleidjt in feinem Sdjreibtifd)
liegenben forgfältigen Aerbudhung ber gefamten
Untoften, bie er für fein Anroefen gehabt hat,
überein, ©s tann Ieid)t ber 3all fein, bah bie
©efamtuntoften bas Doppelte, roenn nid)t bas
Drei* unb Aierfa^e ber nadten Aautoften aus*
machen. Um gan3 tlare Aerhältniffe oor fich 3U
haben, füllte man unter Aautoften eines Kaufes
ftets nur bas oerftehen, roas unter ben 3toeiten
Aoften fällt, bas heiht bie 5 toften für bie Verfiel«
hing bes Kaufes bis 3ur Aeroohnbarteit (in einem
fold)en §aufe ift inbegriffen 3entralhei3ung ober
Dfent)ei3ung, bie Aereitung unb 3 aführung oon
roarmem ABaffer, bie elettrifd)e unb bie ©as*
leitung; bod) ift bie Ausstattung ber Aäume gan3
einfad) gehalten, bie ABänbe finb geftrid)en ober
tape3iert, bie guhböbert gebielt, Aäber unb
5 Uofette einfad), aber anftänbig ausgeftattet). Ais
3U biefem ©rabe bes inneren Ausbaues laffen
fid) bie ftoften für ein ABohnhaus oon oornherein
3iemlid) genau fixieren, fo bah fpätere ©nttäu*
fdjungen bes Aauherrn oollftänbig ausgefcbloffen
finb. Sd)on auf ©runblage ber allererften Sti33e,
ja felbft nach Aennung ber erforberten Aäume
tann ein erfahrener Architett genaue unb oer*
binblid)e Angaben machen. Diefe Angaben
grünben fid) auf ©rfahrungsgrunbfähe für bie
©inheit bes umbauten Aaumes ober bie ©inheit
ber bebauten ©runbflädje. 3ür ein burdjaus ge*
biegenes ABohnhaus mit 3roei ausgebauten §aupt*
gefchoffen roirb man mit 20 bis 25 Aiart für bas
Äubitmeter umbauten Aaumes ober mit 200 bis
250 Atart für bas Quabratmeter bebauter 3 läd)e
rechnen tönnen, je nad) ben örtlichen Aaupreifert.
Die Areife finb begriinbet in ben Arbeitslöhnen
unb ben ARaterialtoften, bie ja marttmähig feft*
ftehen.
Soroeit tann ber Aauherr alfo mit abfolut
fidleren Aerhältniffen red)nen. Sdjroantenb ba*
gegen finb faft bie meiften artbern Aoften. 3 u=
nächft ber ©runberioerb. ©s tommt natürlid)
gan3 barauf an, ob ber Aauplab in einem fafhio*
nablen Aillenoororte (roie ber Kolonie ©runetoalb
bei Aerlin) ober einem roeiter abliegenben, be*
fd)eibcmren Aororte ober etroa gar auf bem
£anbe getauft roirb. Der A*eis für bas Quabrat*
meter Aaulanb tann je nad) biefen Umftänben
3roifd)ett 00 Atart unb 50 Afennig fdjroanten.
Aimmt man an, bah für bas Anroefen etroa
1500 Guabratmeter £anb geroünfd)t roerben (fo*
oiel ift nötig, roenn oon einem ©arten bie Aebe
fein foll), fo tann bemnad) ber Aauplab bei ber
gleichen ©röhe 3roifd)en 90000 Atart unb 750 Atart
toften.
Aid)t gan3 fo roeit finb bie ©ren3en für einen
etroaigen befferen inneren Ausbau geftedt. Diefer
tann natürlich aud) gan3 unterbleiben, ABenn bie
1040 1911. 91t. 39
Kreuzung der schienenlosen elektrischen Bahn mit einer
Straßenbahn in Bremen
2 Bünfd)e ßocßgefpannt finb, tonnen aber bie Rus*
gaben bafür auf ßunbert ^roßent ober meßr ber
eigentlichen Sautoften anwacßfen. $ier toirb
ber erfahrene Rrd)itett, roenn ber Sauherr ihm
feine SBünfcße mitteilt, 3utreffenbe Eingaben aud)
fcßon oor Seginn bes Saues mad)en tonnen.
Verhältnismäßig gering ift ber ^Soften Rtöbel,
oerglidjen mit ben artbern beim Sau eines Kaufes
auflaufenben Koften. Rtertwürbigerweife toirb
aber gerabe biefer Umftanb oom bauenben $u*
blifum am allerroenigften berüdfid)tigt, benn immer
unb immer toieber foll ber Rrcßitett fid) beim Sau
eines neuen Kaufes nad) oorßanbenen einzelnen
Rtöbelftüden richten, roas ungefähr basfelbe be*
beutet, als roenn ber Sdßneiber einen Rn3ug
nad) einem oorhanbenen Knopfe mad)en foll.
©ine unter Umftänben fel)r bebeutenbe Reben*
ausgabe ergibt fid) bagegen aus ber $errid)tung
ber äußeren Umgebung bes Kaufes. Rtand)mal
tann bie Umroehrung, bie Einlage eines 3 ufal)rts=
toeges, bie Regulierung bes ©artenterrains, be*
fonbers roenn biefes abfcßüffig ift, enorme Koften
oerurfad)en, fo baß hier jebenfalls ein Umftanb
oorliegt, ber fd)on bei ber RSaßl bes Sauplaßes
eine eingeßenbe Serüdficßtigung finben folite.
©s ift baßer ratfam, ben Rrcßitetten oor Rntauf
bes Sauplaßes ßeran3U3ießen, um fpätere Uber*
rafcßungen 3U oermeiben.
Scßiießlid) ßanbelt es ficß um ben Soften
ber auflaufenben ©ebüßren. §ier tommen nid)t
unbeträchtliche Untoften bei bem ©runberroerb in
grage, bie jebocß örtlich feßr oerfd)ieben finb. Sie
tonnen fid) bis 3ur Höße oon fünf S^03ent ber
©runberwerbstoften erheben. Ob bie ©ebüßren
für Straßentoften, für bie 3 uleitung oon SBaffer,
©as unb eleftrifd)em £id)t ßocß ober niebrig finb,
ßängt ebenfalls gan3 oon ben örtlid)en Serßält*
niffen ab. Oie ©ebüßren für bie baupoIi3eiIicße
©eneßmigung unb bie Sauabnaßmen finb bei
Heineren unb mittleren Käufern mit einigen
ßunbert Riart erlebigt. $ür bie ©ebüßren bes
Rrd)itetten befteßen fefte ©runbfäße, bie fidß bei
Heineren Sßoßnßäufern 3wifcßen fünf unb seßit
Sro3ent ber Saufumme betoegen.
hiernach ift es oßne weiteres erficßtlicß, baß
mit ber Rebensart, ein H<ms tofte fo unb fo oiel,
fo gut roie nichts gefagt ift, es fei benn, baß man
bamit bie roirtlid) feftfteßenben Koften bes nadten
Hausbaues meint, gaft alle übrigen Koften finb,
fo oariabel unb oon ben Serßältniffen abhängig,
baß ficß ein Rtaßftab für fie nid)t geioinnen läßt.
Unb fo tann es oortommen, baß ein Haus, beffen
nadte Sautoften 30 000 Rtart betragen, ficß mit
allen übrigen Rebentoften auf nur 35 000 Rtart
ftellt, baß aber basfelbe Haus auf einem gleid)*
großen, jebod) in teurer ©egenb gelegenen Sau*
plaß, mit oor3üglicßem innerem Rusbau unb einem
reid) ausgeftatteten ©arten oerfeßen auf ßunbert*
fünf3igtaufenb Rtart 3u fteßen tommt. Oas hefte
Rtittel, fid) oon oornßerein ein Silb nid)t nur
oon ben nadten Hausfoften, fonbern aud) oon
ben auflaufenben ©efamttoften 3u macßen, ift,
fid) an einen im Hausbau erfahrenen Rrcßitetten
3U wenben. §ermann Rt u t ß e f i u s
©s mag 3eßn 3aßre her fein, ba tarn icß
auf einer Reife nad) ber Säcßfifcßen Scßwei3
aucß nacß ber betannten Stabt unb Heftung
Königftein. Dort faß i<ß 3um erften Rtale eine
elettrifcße Straßenbahn oßne Sd)ienen. Oie
glän3enben Hoffnungen, bie man auf bas neue
Unternehmen gefeßt hatte, finb nid)t in ©rfüllung
gegangen, unb roenn bem ©rfinber ein Oroft
blieb, fo war es ber, baß wenigftens bie Transport*
fäßigteit einer folgen Saßnanlage fid) bewäßrte,
benn wenige 3aßre fpäter würbe mit oerßältnis*
mäßig geringen Untoften bie gan3e Rnlage oon
Königftein nad) RSu^en, einer Stabt in ber Räße
fieip3igs, oerlegt. ©s ging ber fcßienenlofen
©lettrifcßen genau fo wie ben erften Rutoomnibus*
oerbinbungeit. Oecßnifcße Kinbertrantß eiten ftörten
bie 3 uoerläffigfeit bes Serteßrsmittels unb be*
anfprud)ten große Ausgaben für Unterhaltung unb
Reparaturen.
3n3wifcßen finb aber bie fcßienenlofen ©Iet=
trifcßen wefentlicß oerbeffert wprben, unb beute
oerteßren eine gan3e Rn3aßl, namentlid) in Öfter*
reich- Unfer Silb 3eigt einen 9 Bagen einer fdßienen*
lofen elettrifcßen Straßenbahn in 2 Bien. Rein
äußerlid) tonnte man ißn für einen gewöhnlichen
Straßenbahnwagen halten, aber bei genauerem
3 ufeßen bemerten wir bas $eßlen ber Schienen,
bie anbre ©eftalt ber Räber unb nid)t 3uleßt
bie hoppelten Oräßte. Oaß leßtere 3ur Ser*
fcßönerung bes Straßenbilbes bienten, tann ja
füglid) nicht behauptet werben, aber fd)Iießlid)
gewößnt fid) ber Rtenfcß aud) baran. Oer Sorteil
ber fcßienenlofen Saßn befteßt ein3ig unb allein
in ©rfparniffen an Rnlagetoften burd) SBegfall
ber Scßienenanlage, nebenbei in ber Rtöglidßteit,
eine unrentabel bleibenbe Saßn mit geringen
Untoften anberswoßin oerlegen 3U tönnen. 3 m
übrigen muß bie Saßn logifcßerweife hinter
Sd)ienenbaßnen 3urüdfteßen. Oie Reibungs*
wiberftänbe auf ber fianbftraße finb oiel größer
als auf Schienen. 3 ufoIgebeffen muß eine erßeblid)
größere motorifcße Kraft für gleid) fcßnelle $ort*
bewegung aufgewenbet werben. Oie SBagen
felbft werben auf ber unebenen Straße ftärter
beanfprucßt, fie müffen baßer träftiger gebaut
werben als gewöhnliche Straßenbahnwagen. Oie
Strom3ufüßrungsanIage wirb burcß bie hoppelten
fieitungen gleichfalls oerteuert, unb biefe hoppelte
fieitung ift unbebingt notwenbig, weil ja bie
fonft burcß bie Schienen beforgte Stromrüdleitung
anbernfalls fehlen würbe. Rußerbem werben bie
Rpparate für bie Stromabnahme teurer.
Hieraus ergibt fid), baß bie Setriebsausgaben
bei einer gleislofen Saßn ßößer fein mü[fen.
Oort, wo nur wenig Serteßr ßerrfcßt unb wo biefer
Serteßr fid) auf einige wenige $aßrten am Oage
3ufammenbrättgen läßt, ba tann eine gleislofe
Saßn woßl rentieren. RUt anbern Sßorten, wenn
3wifcßen 3wei Orten täglich oier bis 3eßn gaßrten
mit jebesmal gut befeßtem RSagen gemacht werben
tönnen, bann loßnt fid) bie ©inricßtung.
Oabei ift natürlid) eine weitere Sorausfeßung,
baß elettrifd)er Strom in ber Räße billig 3ur Ser*
fügung fteßt. Oenn bie ©rricßtung eines befon*
beren ©lettrißitätswertes für eine gleislofe Saßn
würbe fidß nid)t rentieren.
3m allgemeinen wirb man bie gleislofe eiet*
trifcße Saßn immer meßr als Sorläufer einer
regulären elettrifd)en Straßenbahn anfeßen müffen,
äßnlicß wie bies in 2 Bien ber 3 dU ift. Oenn bort,
wo in abfeßbarer 3 ^U teine Rusfid)t für bie
Ioßnenbe Rnlage einer Scßienenbaßn befteßt, wirb
man fcßließlicß au^ bie Rnlagetoften für bie
elettrifcße Oberleitung beffer
fparen unb ficß auf eine ge*
wößnlid)e Sen3inautoomnibus*
oerbinbung befcßränten.
Oenn aud) biefes Serteßrs*
mittel ßat ficß iu3wifcßen tecß*
nifd) fo weit oeroolltommnet,
baß es als oollwertig angefeßen
werben tann, fo lange bis ber
fiuftomnibus ben Serteßr aud)
oon ber geebneten Straße un=
abhängig macßt, was wir jebocß
waßrfcßeinlicß ebenfowenig er*
leben werben wie unfre ©ntel.
SSer in bas baprif^e ©ebirge
tommt, wirb häufig mit $reuben
bie bort bereits 3aßlreicß oor*
ßanbenen ftaatlid)en Rtotorpoft*
linien benußen. Sie ftellen gan3
entfcßieben bem ^Pferbebetrieb
gegenüber einen großen 3ort*
fcßritt bar, finb fcßneller unb
bequemer unb bieten aucß meßr
Sißpläße. Sei fcßönem 2 Better
finb befonbers bie terraffen*
förmig gebauten Rusficßtsmagen
angeneßm, aber aud) nur bei
fcßönem RSetter, wesßalb fie
bloß als Rusßilfswagen für ben
Sommeroerteßr benußt werben.
©egenwärtig müffen bei ben
Rtotorpoftlinien berartige Rus*
ßilfswagen für befonbers ftarten
Serteßr immer nocß bereit ge*
halten werben, genau fo, wie
man beim Sf erbebetrieb Referee*
pferbe unb Seiwagen haben
mußte, ©s ift jebocß 3u er*
warten, baß man halb 3u einer
betriebsfießeren gorm gleislofer
3üge aucß für S^fonenbeförbe*
rung tommt, naeßbem man bie*
felben für ©ütertransporte nun*
meßr feßon feit 3oß^n unb
in leßter 3eit mit red)t gutem ©rfolg probiert.
Rn ficß ift ja natürlid) teine befonbere ©rfinbung
nötig, um an einen Rtotorwagen einen R 3 agen
ait3ußängen unb biefen 3ießen 3U Iaffen. Ruf
biefe SBeife ift jebod) tein fießerer Setrieb 3U
er3ielen. Sei engen 5 turoen 3um Seifpiel wirb
ber ge3ogene SBagen bie 5 turoe 3U fdmeiben
fud)en. Rtan war besßalb beftrebt, ©inrießtungen
3U feßaffen, bie ben nacßfolgenben RSagen auto*
matifcß in ber Spur bes 3ießenben Rtotorwagens
halten, außerbem ßat man ficß bemüht, brauch*
bare bureßgeßenbe Sremfen 3u fdßaffen, um ein
rafd)es Rnßalten bes gan3en 3 uges fief)er3uftellen.
Sefonberes 3 ntereffe für biefe ©inridßtungen ßat
bie Rlilitäroerwaltung ge3eigt. Oas moberne
Heer muß einen ungeheuren Oroß mitführen.
3ebes Riittel, bas bie fiänge ber Rtarfdßtolonne
bes Orains oerminbert, ift oon größtem SBert.
©in automobiler fiaft3ug nimmt aber für bie Se*
förberung ber gleid)en Rtenge weit weniger
weg als bie entfpredjenbe 3aßl Sferbefußrwerte.
Unb biefe Sla^erfparnis ift wefentlicßer als ber
im ©rnftfall taum red)t aus3unußenbe ©ewinn
an Scßnelligteit. Oer fiaft3ug ift bann natürlid)
bebeutenb billiger als bie Sefdjaffung einer ent*
fpreeßenben Rn3aßl felbftänbiger Riotorwagen.
Rucß fonft fpielt ber Rtotor, ber no^ im fieb3iger
Kriege bem Heer oöllig unbetannt war, in ber
mobernen 5 triegsted)nit eine wad)fenbe Rolle.
3 <ß bente babei nid)t nur an feine Serwenbung
als gortbewegungsmittel, in ©eftalt oon Ruto*
mobilen, RZotorräbern unb neuerbings glug*
mafdhinen, fonbern aucß als Kraftquelle. RSir
finben 3um Seifpiel faßrbare elettrifdje 3 eutralen,
bie in erfter ßinie ben 3 med ßaben, ben Strom
für elettrifcße Scheinwerfer 3U liefern, außerbem
aber aud) als ©nergiequelle für guntenapparate
benußt werben, ober ben Strom für Orintwaffer*
03onifatoren liefern.
Rls eine Rrt Rtotor tann man übrigens aucß
maneße ber mobernen Schußwaffen betrachten,
oor allem bie fogenannten automatifeßen. 2Bir
ßaben hier eine Rrt Suloermotor oor uns, benn
fo barf man woßl eine ©inricßtung be3ei<ßnen,
bie burd) bie Kraft ber ^uloergafe nid)t bloß bas
©efeßoß fortfd)leubert, fonbern automatifcß fofort
nad) bem Sd)uß ben Serfcßluß öffnet, bie oer*
brauchte ^atronenßülfe ßerauswirft, eine neue
Patrone einfüßrt unb ben Serfcßluß wieber fdjließt.
Austausch der Stromabnehmer
1911. 9tr. 39
1041
Abfahrt des am Monte Cimino abgestürzten Fliegers Andre Frey auf
Monoplan Moräne zum Rundflug Paris — Rom—Turin
Die Dätigteit ibes Schützen toirb baburd) auf bas
fielen unb Abbrüden befchräntt, alle Dabegriffe
fallen fort, ausgenommen bas oon 3eit 3U 3eit
nötige Auffüllen bes Ratronenmaga3ins.
Sd)on feit langem muntelt man baoon, bah
berartige automatifdhe ©etoebre eingeführt roerben
füllen. Vorläufig ftel)t bas jebod) nod) nid)t in
Ausfid)t. Atan bot fid) 3toar ba3u entfd)Ioffen,
bie bisherigen Reooloer roenigftens teitroeife burd)
„felbftlabenbe" Riftolen 3u erfetjen, aber biefer
©ntfd)Iuh toar leichter, toeil bie Riftole immerhin
nur eine ABaffe oon untergeorbneter Rebeutung
ift. Das ©eroehr ift bagegen bie £>aupttoaffe
unfres guhoolfes, unb ba tommt es nicht nur
barauf an, ben ein3etnen Sd)ütjen nach Atöglidhteit
oon allen $anbgriffen 3u entlaften, oiel nächtiger
ift es, bah bie ABaffe, bie man ihm in bie £janb
gibt, ben Strapa3en eines gelb3uges unb ber
rauhen Rehanblung eines längeren Krieges in
jeber £jinfid)t geroachfen ift.
gnfofern ftellt bas £jeer an bie Ded)nit gan3
befonbers hohe Anforberungett. Das automatifche
©etoehr ift erfunben, man hot es auch fdhon fo
roeit, bah es burdhaus 3uoerläffig arbeitet, toenn
es forgfam behanbelt toirb. Aber biefes „ABenn"
toirb nicht fobalb aus bem ABege geräumt roerben
tonnen. Alan tann bas beshalb behaupten, toeil
auf anbern ©ebieten ber Dedjnit ber „Automat“,
bas heiht bie felbfttätige Ausführung oerfdjiebener
Rerrid)tungen in beftimmter Reihenfolge burch
eine Atafd)ine, fd)on feit langen Sohlen eine grohe
Rolle fpielt, befonbers im ABer!3eugmafd)inenbau.
Diefes ©ebiet ift alfo burdjaus lein Reulanb.
Aßer fid) aber mit bem Problem näher befafjt, ber
toirb ftets gefunben hoben, bah es fo gut toie
unmöglich ift, einen Ated)anismus einfach 3U ge=
ftalten, toenn man oon ihm oerlangt, bah er bas
menfd)lid)e ©ehim teilrocife erfehen foll.
Siegfrieb §artmann
Spiel unb SBette gehören eng 3ueinanber.
Das auf bem grünen Rafen übliche „Hm bie
ABette laufen" hot immer einen fefjr bud)=
ftäblichen metallifdjen Reigefdjmad. Denn bem
Rennen 3toeier unb mehr Rferbe, famt Reiter
barauf, gibt alle ABelt baburdh tlingenbe Teilnahme
3U ertennen, bah es irgenbeine Atün3e auf ben
Ausgang bes Rennens fetjt. Sei es, bah biefes
©elbftüd ber ftaatlidt) anerfannten ABettmafd)ine,
bem fogenannten Dotalifator, ober bem nicht
überall 3ugelaffenen Iebenbigen Ruchmacher am
oertraut toirb. Aber toie es immer geinbe fc es
Dotteriefpiels gegeben, fo hot audh bie Renm
roetterei, oon ber gistus unb Danb espferbe3ud)t
Abertaufenbe an Steuer be3iehen, ihre grohe
©egnerfd)aft. Diefe ©egner leugnen ben Ruhen
oon Rennen überhaupt unb 3eigen bamit, bah
fie nicht toiffen, toie toertooll bie burd) Rennen
getoonnene 3 üdjtung eines guten Rferbes für
bie 3 s>ede ber Danbesoerteibigung ift. Die ABett=
feinbe hoben erft jeht toieber in §oIIanb einen
Sieg baoongetragen, too unter ftartem Rroteft
ber pferbefreunblichen Greife oon ©efehes toegett
bie Rud)macherei unb aud) ber Dotalifator oer=
boten toorben ift. Damit ift ber Rennfport in
§o!lanb mit einem Schlage fo gut toie totgemadjt
toorben.
Denm toenn es auch um bie Rud)mad)er,
bie gerabe in £ollanb burd) allerlei ABettfdhtoinbeI=
manöoer ihr Hntoefen trieben, nicht hhabe toäre,
bie ©nt3iel)ung bes Dotalifators toirb fid) äuherlid)
baburd) fühlbar machen, bah bie grohe, bes ABett=
föbers lebige Ataffe fidh oon ben Rennplähen fern*
halten unb fo bie Rennoereine oor leere Waffen
ftellen toirb.
Das gleiche Schaufpiel hat ja fdjon feit einiger
3 eit ber Rennfport in ben gereinigten Staaten
oon Rorbamerifa bargeboten. Die puritanifchen
©efehesmacher jenfeits bes groben ABaffers, bie
am Sonntag ben ABI)isi:t) nur heimlidE) Hinten,
haben bas ABetten faft in allen norbameritanifchen
Staaten ftreng oerboten, ©etoih toar bas 3ügel=
lofe ABetttoefen brüben nidht mit unferm ftaatlicf)
toohlgeorbneten, auf ben Pfennig reellen Dota=
lifator, aud) nidht mit unfern illegitimen Rud)=
machern 3U oergleid)en, unb ben toilbeften Atachem
fdjaften toaren Dür unb Dor geöffnet, aber bas
Rolf anttoortete auf bas ABettoerbot bamit, bah
es bem Durf entfagte, fo bah bie fd)önen groben
unb fleinen Rennbahnen ber Hnton auf ber gan3en
Dinie bie Pforten fcfjliefeen muhten ober nur
fümmerlid) forttourfteln fönnen. Denn aud) bie
Rennftallbefiher, bie nid)t mehr in ber Dage toaren,
burch bas ABetten ihrer eignen Rferbe bas Durf=
glüd 3U oerfuchen, liehen ihr Rollblut in ber
Ros ftehen unb löften fdjliehlich ihren Rennftall
gan3 auf.
©an3e blühenbe ©eftüte finb fo in Rerfall ge=
raten, unb ber amerifanifdjen Danbespferbe3iid)t
ift grober Schaben ertoachfen. Anbre amerifanifdje
3 üd)ter oerfauften ihre Rferbe nach bem Auslanb,
auch nach Deutfchlanb, für ein Spottgelb, unb toieber
britte taten bas flügfie, fie roanbertert famt bem
gan3en Stall nach ©uropa aus unb liehen fid) auf
ben englifchen ober ben fran3öfifd)en Durfftätten
häuslich nieber. Die golge toar, baß bie ameri=
tanifd)en Rferbe — bie meift bas befte englifche
Rlut in fid) haben — halb ben europäifd)en Rier=
beinern fel)r fcfjarfe 51 onturren 3 mad)ten. $eute
gehören Ställe toie bie oon AB. ü. Ranberbilt unb
©oulb 3U ben mäd)tigften in grantreich. Der
Stall ©oulb beftel)t auf bem Kontinent erft feit
oier gahren, unb feine gm
faffen roerben oon bem be=
rühmten Drainer Rercie Dtjm
ham präpariert unb oon bem
godeitünftler gonnie Reiff
geritten, ber bis oor fur3em
3toei gahre in Deutfchlanb
tätig toar. ©ines feiner beften
Rferbe ift ©ombourg, ber auf
bas biesjährige fran3öfifcf)e
Derbr) marfdjierte. —
gn ber lebten 3eit hat
burd) bie beutfchen ftino*
theater ein gilm bie Runbe
gemacht, auf bem ber Re=
fd)auer mit ©ntfeben fehen
tonnte, roeld)e ©stratouren in
ber Duft Aoiatifer fid) leiften,
um bie Ataffe in Stimmung
unb Spannung 3U oerfehen.
görmlid)e £jinbentisr ernten in
ber Duft, faltomortaleartige
Sprünge toaren ^ba 3u fel)en,
unb es toaren nid)t ettoa bie
betannten’, im Atelier ! ge=
ftellten^Dheaterf3enen, fonbern
Aufnahmen oon einem ameri=
tanifdjen SReeting.
2 Ber biefe Rilbf3enen ge=
fehen hat, toirb leichter be=
greifen, bah aud) nur ein ein=
3iges falfdjes SRanöoer, irgettb=
ein gehlgriff ober_ eine ©ö int
©rud)teil einer Setunbe bas
Hnglüd bringen muh-
©s ift, toenn bas SRalheur
gefchetjen, nachher immer recht
fdjtoer 311 fagen, too bie Sdjulb
ftedt, aber es fteht bod) fo oiel
feft, bah bei ben meiften Äata=
jtrophen, bie Ieiber bie Aoiatit
in ben lebten SRonaten Dag
um Dag 3U oer3eichnen hatte,
Rergehltd)feit unb Deichtfinn,
irgenbein unf^einbarer Defett
bas Hnglüd oerurfacht haben.
Denn bie tühnen unb gliidlid) beenbeten glüge
Raris—Riabrib, bann Ratis—Rom—Durin unb
bie beutfchen gemflüge am Oberrhein unb
burd) Sad)fen haben betoiefen, bah bie glieger
es bod) unenblich roeit gebrad)t haben unb
bah bie Aoiatit „auf bem 9 Rarfd)" ift.
Rid)t umfonft roerben bie Dobesopfer, 311
beren Anbeuten jeht in grantreid) ein forntfchönes
Dentmal gefdhaffen tourbe, bargebrad)t toorben
fein. Aber nur 3toeierlei ift für bie glugtunft 3U
fürd)ten: ©s toerbett fdhon bie Stimmen oon
Scharfmachern laut, bie ber Aoiatit einen Knüppel
3toifd)en bie Reine toerfen unb bie glieger bel)örb=
lieh bif3iplinieren toollett. Hnb fd)liehltd): bie
glieger felber roerben neroös unb überrei3t burd)
bas etoige 9 Renetetel, bah fie eines Dages über
Rorb gehen.
Schon haben fidh kie älteren glieger, beren
Ramen einft in aller Atunbe toaren, oont Schau=
platj 3urüdge3ogen. Deutfdhlanb, too es
an Opfern ber Aoiatit bod) aud) nid)t gefehlt
hat — hat bod) ber lehte oberrheinifdje 3uoer=
läffigteitsflug unb bie nationale glugtood)e in
gohannisthal fchon toieber Dobesftür3e beutfd)er
glieger gebradht — ift ber RSagemut nodh um
gebrochen.
Das betoeift bie bei uttfrer geringen 3 ahl
oon gliegern hoch oerhältnismähig ftattlidje
9Relbe3iffer für ben beutfchen Runbflug um ben
R.= 3 * s ^eis ber Düfte, gür biefes roidjtigfte
©reignis ber beutfchen aoiatifdjen Saifon oon
1911 , beffen Deitung in ben §änbett bes Rereins
beutfeher glugted)niter liegt, finb fürtfunb3toan3ig
Rennungen eingegangen. Ron Deuten mit unb
ohne Ruf, älteren, toenn man bei uns fo fagen
barf, unb jüngeren Riloten, bie eben erft ihr
Dufteramen abgelegt haben unb im toahrften
ABortfinne noch nicht red)t flügge finb. 3 n ben
oertrauenertoedenben Aoiatitern in biefer Difte
gehören s JRänner toie geannin, §irth, ber ©e=
toinner bes oberrheinifchen gluges, Rüdhner,
Dinbpaintner, Dhelen, ber Sachfenflugfieger Daitfd)
unb 2BittC3iers.
©ine anbre grage ift, ob felbft einer oon
ber befferen „©arnitur" ber beutfchen Riloten
bie gart3e Reife, bie ber Runbflug oorfieht,
3u betoältigen in ber Dage ift. Denn felbft bie
fo roeit oorgefd)rittenen gran3ofen haben bei ben
gernflügen Raris—SRabrib unb Raris—Rom—
Durin 3toar erftaunlidhe Rraoourftüde oollbradht
unb finb oft oiel fdjneller als ber fchnellfte ©t=
preh geflogen, aber es toar hoch nur eine gan3
befd)eibene 3 °hl non SBagemutigen, bie bas 3 id
erreichten.
Der beutfd)e Runbflug, ber mit 3ahlreid)eu oon
Schauflügen unterbrodjenen Ruhetagen oon Rerlin
nai^ Rtagbeburg, Sd)toerin unb Hamburg nad)
5 Hel führt, bann nach Düneburg, §annooer,
SRünfter, 5 \öln, Dortmunb, Gaffel unb Rorb=
häufen geht, enbet nad) einem Abfted)er über
^alberftabt toieber in Rerlin. Das finb im gan3en
1854 Kilometer.
©s ift nur gut, bah bie im gan3en bie $öhe
oon 400 000 Atart ausmadjenben Rreife, in bie
auch bie Spenben bes ilriegsminifteriums unb
ber 3U überfliegenben Stäbte eingefd)loffen finb,
getoonnen toerbett tönnen, ohne bah es nötig
ift, bie gan3e Riefenftrede 3U betoältigen.
Arno A r n b t
Bei der Morgenarbeit: Die Favoriten des Gouldsdien Rennstalls
in Frankreich
[STOi]
Cin Photograph! — Ctn p^otograpl)
Der 3 ug 3um Stranb
nehmen frequentieren fie nid)t. Sie
fparen, weil fte es ja ba3U haben,
ihre $reube am Schwimmen unb
an ÜEBaffertaprioIen für bie See=
bäber auf. 9 Iber bas ©olt, bas fid)
nicht einmal ein noch oon jeber
Kultur gan3 unbeletftes pommer=
fd)es gifd) e rt>orfbäbd)en ober gar
5 Iblbed leiften tann, bas tobt fid)
I)ier mit 2Bonne aus. SCRit ber ©or=
ortbahn ift ber „Stranb“ 3U er=
reifen. 9 lm 2Bannfee unb am
Degeler See entroicfelt fid) wahrhaftig
fdjon fo etroas toie eine Straub *
promenabe, bie mit §eringsborf
3um minbeften 3wei fehr wichtige
gaftoren gemein hat: bie liebe
warme Sonne unb bas ©ublitum.
Denn in §eringsborf finb ja aud)
faft ausfdjliefelid) berliner.
3n gra3iöfer Neigung 3iet)en
weihe Segel über bie märtifdjen
Seen. Das fchwermiitige (Srün ber
ftteferntoälber fteb)t ftol3 unb ab=
roeifenb gegen -bie Strahlen ber
Sonne unb bie flimmernbenSBaffer,
bie < 5 aoeIbampfer tommen fid) gan3
italienifdj oor, toenn iljre 9 Jiufit=
tapellen bie neueften Schlager roie
£>I auf bie ©Selten gieren, unb
brüben im greibab tummeln fid) alt
unb jung unb fdjütten als (Srfat)
für ben fehlenben Sal3gel)alt bes
©Saffers fel)r reid)Iidje Portionen
bes berühmten „fchnobbrigen“ 23 er=
liner ©oltswitjes in bie gluten.
K. E. K.
X rotjbem bod) fd)on Dacitus oon
ben alten (Sermonen berichtet,
bafe 9 Jtann unb ©Seib promiscue bes
©abes (£rfrifd)ung genöffen unb 3ur
ftol3en greube teutonifdjer Se!un=
banerljäuptlinge biefe reine unb na=
turwüd)fige Sitte aud) für 9 tom W
3U wünfchen fd)eint, erhob man in
©erlin fdjwere „fittliche ©ebenten“,
als bas erfte greibab (im © 3 ann=
fee) eröffnet toerben follte. Dah
otele Nachfahren ber freien ( 5 er=
manen gegen bie Freiheit finb, ift
man geroohnt; bah biefe £eute nun
audh gegen bas ©aben roaren, toenn
es fid) mit ber Freiheit oermählt,
rod) nod) weniger fcfjön. ©Sesl)alb
follte bas, was im ^amilienbab oon
$eringsborf ober Norbernei) fid)
gan3 gemütlich mit ber ©toral oer=
trägt, in ©erlin bas „fittliche (£mp=
finben“ untergraben? Sd)Iiehlid)
fieht hoch ein naffer ©abean3ug im
fchmuhigblauen Degeler See atturat
fo aus wie einer im grünen ©Soffer
ber „ruhigen“ Oftfee ober im grauen
ber „bewegten“ Norbfee.
©ber es gefchehen ja hier unb ba
grunbftür3enbe Dinge, unb wie in
ber 9 ?eid)st)auptftabt feht bie treuen
©ierbehter ohne ©taultorb fid) bes
fiebens freuen (unb nod) ift auch
nidjt eine ein3tge 3erriffene $ofe
mehr poli3eiIid) gemelbet worben!),
fo haben bie ©erliner feit geraumer
3eit nid)t nur ein, fonbern mehrere
greibäber. Die Neid)en unb ©or=
Sonnenfanbbab
©Jafferatrobaten
Oben: Der „Straub" am gamtltenbab im SBannfee bei ©erlin
fjreiluftübungen
1911. 9!r. 39
Über £anb unb ©leer
1047
:i ‘Stuöffettung alter ftmnifdjer SDZöhel i:
[Nenn mir bie fjier Bereinig*
w ten alten fpanifdjen ÜDlöbel
feljen, fo meinen mir urtioillfür*
lief), anber§ fönnen fie ni<$t au§*
feljen, ba§ ift ed)t fpanifd)e
©ranbe^a, retc^, üppig unb bod)
jurücfßaltenb DO rnef)m. SItan
betraute bie rotfamtenen, golb*
beftidten gauteuiiS mit breit*
au§labenben Slrmle^nen ober
bie reichen «Scßränfe, ben großen
golbftro^enben unb bod) ftiU
unb feierlich bafteßenben Ä'antin,
ein rounberooHeS Stücf. S3e*
merfen§mert finb bie niebrigen,
großen Sifc^e mit in bie reid)
gefcßnifcte glatte eingelaffenen
Stupferbecfen. 9)ian füüt fie mit
glüfjenben §olsfof)len, roenn ber
aßinter fommt, unb bie Siamine
nidjt au§reid)en. 2luf unferm
Silbe redjter §anb erfdjeint
eine§ biefer Seelen mit ipflanjen
gefüllt, rooburd) ein SBlnmentifd)
aparter Slrt entftanb. $ßrad)t*
ooll finb aud) bie mit roten
feinen §ölsern, <Sdt)tlbpatt unb
©Ifenbein eingelegten SJtöbel
unb bie feierlichen Sibliottjeten.
m
wird seit Jahrzehnten mit glanzendem Erfolge zur gf Haustrinkkur hei Nieren-
griess, Gicht, Stein, Eiweiss und anderen Nieren-und Blasenleiden verwandt.
Sie ist nach den neuesten Forschungen auch dem Zuckerkranken vor allen anderen
Mineralwässern zu empfehlen, um den täglichen Kalkverlust, der ein sehr wesentliches
Moment seines Leidens büdet, zu ersetzen. Für werdende Mütter und Kinder in der Ent¬
wicklung ist sie für den Knochenaufbau von höchster Bedeutung. Oie Helenenquelle ist
die Hauptquelle Wildungens und steht in ihrer über- ■ aus glücklichen Zusammensetzung
einzig in der Welt da. Man überzeuge sich hiervon m selbst durchVergleich der Analysen
und begegne allen Empfehlungen von Ersatzquellen oder anderen Ersatzmitteln mit
der im eigenen Interesse durchaus gebotenen Vorsicht. Neueste Literatur frei durch
Fürstliche Wildunger Mineralquellen, Bad Wildungen 13.
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Überall
1048
Über £anb unb Sföeer
1911. $Rr. 39
Schade (Bearbeitet von €. Sdi
Partie nr. 19
Surnterpartie. ©efpielt ?u Sibau (Äurlanb) at
evansgambit
©etfc: <£. ©tjbe, Btga. — S<ä)tr>ar*: Stub. $• <
©elf?
1. e8~e4
2. Sgl—T3
3. Jjfl—c4
4.1>3—b4>)
11 . Lg 6—f4
12. Ddi—alf
13. Da4xc4
14 . Sc 3 —d 5
16. DC4—a4f
16. Sd6xb6 •
17. Da4xd7f
18. d4—d6
19. Sf3—d4
20. Lf4—g3
21. f2—f3
>tra§btng, Sttga.
b6—b6
24. a4xb6
26. Tfl—Cl
26. Tel— C6 7 )
27. b6xc6f
28. Tbixb6
29. Tb6—b7f
30. C6xb7
81. Sd4— C6
32. b7—b8Df
33. Sc6xb8
34. Lg3xd6f
36. Kgl—f2
36. Kf2—e3
40. Ld6—c5f
41. Kd4—e5
42. f3 —f4
43. d6—d6f
1 ) ®§ tft rotrfltdj ein roaljreg Sabfal, sur Seit be§ mobevnen »o=
ftttbttgfptelS enbltdj mal roteber auf ein (SoauggantbU ju flößen.
2 ) Säjroarj gebt ber fompromtttterten Sßertetbtgung (d4xc3) au§
bem ©ege .unb lentt in bie fogeirannte Slormalnartante ein.
3 ) @ine non SRorptp) mit SSorttebe angeroanbte gortfeüung.
*) ffitefe gortfeßung beS Slngrtp rübrt non »rofeffor ©bring,
bem Beitgenoffen SftDoif 3inberffen§, ber.
5 ) ®ie§ tft beffer al§ g7—g6, roa§ Stetnib im großen Sonboner
Schachturnier non 1883 gegen Sifäjigorin jog.
6 ) @tn g-etujug, ftatt beffen Lee—d7 am »faüe inar. ©eiß be=
tommt jefct einen heftigen Slngriff, bem ©chroarj in Anbetracht feiner
ungünfttgen »ofttton fchlteßütf) unterliegt.
7 ) SEBetfs fptelt ebenfo fräfttg rote elegant. ®a§ Qualität§opfer ift
röHtg torrett.
8 ) Slnbre Büge wären auch nicht beffer geroefen. ®ie febroarse
Stellung ift ju morfdb.
(Sta<b bem „Rigaer Tageblatt".)
BKtlrtlimgrn
B ab ©aljbrunn erfreut ftdE» in biefer ©atfon etne§ überaus
jaljlreicben BefudjeS, eine f^olge ber in Leiter Seit getroffenen
oielen Steuerungen unb SSerbefferungen. Stuwer bem Dberbrunnen
unb ber ^ronengueße tommt nunmetjr auch ber äftüblbrumten
in einem eignen SrinfpaniKon jum 2tu§fchant. ©in Siebte unb
Suftbab öffnet noch in biefer Saifon feine Pforten. 2>ie grequenj
betrug bi§ gum 9. $uni bereits: an ßurgäften mit Begleitung
24:55, an ißerfonen mit Slufentbalt unter 5 Sagen 2143, gufammen
4598 fßerfonen; attßerbem 17900 SageSbefudjer.
SCßenn alle Hausfrauen wüßten, wie wenig SWüfje unb
ßoften bie §erfteüung oon ^onferoen im eignen §auSl)alt »er»
urfadbt, würbe gerotß jebe ihre ütonferoen felbft gubereiten. SllS
eines ber beften unb preiSwerteften ßonferoengtäfer barf man
baS „Berfeft^onferoenglaS" empfehlen; eS geiebnet fidb bureb
befonbere ©infaebbeit au§ unb tann in jebem .beliebigen Stocljtopf
fterilifiert werben. Sabei bietet eS PöHftänbige «Sicherheit für
luftbichten Berfcijlufi. Sa bie Stonferoen nur mit ©laS in Be*
rührung fommen, ift bie fdbäblicbe ©inwirfung beS ©ummiS auf
ihren ©efdbmact auSgefthloffen. Sie gabrif fügt febem ©lafe
eine genaue ©ebraucbSanweifung nebft einer Sftenge Kocbregepte
bei. Berfe£t*Stonferoengläfer finb febon feit Sahrgehntert in Sau*
fenben oon Haushaltungen mit beftem ©rfolge im ©ebraudb unb
in jebem befferen einfehlägigen ©eftbäft oorrätig.
SlUein. gnferaten=9lnnabme
bet Hu&rHf Plärre.
Slnnoncen=®rpebttion für
fämtltdje Beitungen ®eutfcb*
lanbS unb be§ SluSlanbeS,
Mm
Unferf imt» - CSrlrüljrrn
für bie fünfgefpaltene
Stonpareille-gette SJLlso,
für bie Sdjroetj, Qtalten
unb ffranfreief) 2fr. 2.26.
in Berlin, BreSlau, ®bemntb, SreSben, Süffelborf, ftranffurt a. SSI.,
Halle a. ©., Hamburg, Stöln a. 9tb-, Setpjtg, Sonbon, SOiagbeburg,
SJlün^en, Nürnberg, fßrag, Stuttgart, ©ien, Büricb.
Dr. HOMMEL’ s Haematogen.
20jähr. Erfolg. WARNUNG! Man verlange
ausdrücklich den Namen Dr. HOMMEL.
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Um die Büste zu entwickeln u. befestigen
nichts Kommt den Pilules Orientales gleich
Schon zu allen Zeiten hat die Frau ge- Audi mein allgemeines Befinden ist nicht
sucht ihre Schönheit zu vervollkommnen. im Geringsten nachteilig beeinflußt wor-
Dauer der Kur. Ich kann mich daher n
beschreiben werden, und mit dessen Hilfe dazu beglückwünschen, von Ihrem Mittel
jede Dame und jedes junge Mädcher
einen schönen und üppigen Busen er
zielen kann.
Dieses Mittel ist von schneller und dabei Pillen .
Gebrauch gemacht zu haben. Ich danke
Ihnen aufrichtig und erkenne freimütig
die Wirkungskraft der angewandten
gänzlich gefahrloser Wirkung, und häufig
genügen 14 Tage nur, um überraschende
Erfolge zu zeitigen.
Madame L.... schreibt:
„Seit 14 Tagen befolge ich nun Ihr Ver-
ng, und häufig zur Pflicht, Ihr Medikament jeder Dame,
überraschende die dessen bedarf, zu empfehlen.
Gez.: Frl. Marie B ...
Bad Landeck, Rheinland.
ch nun Ihr \7er- Wir hoffen, daß ein so offenherziges
fahren, und ich bemerke mit größter Ge- und freiwillig geliefertes Beweisstück
nugtuung bereits jetzt eine wahrhaft e
staunliche Wirkung . .."
Wir wollen gleich im
voraus sagen, daß dieses ^4
Verfahren eine innere
Behandlung ist, wodurch JStßfmi
allein eine vorteilhafte JggmmR
Wirkung auf den Busen AjfimKkf
ausgeübt werden kann,
denn diese Organe emp- t||f
fangen ihre Nahrung aus- w$L \ fc |
schließlich aus dem \ Bf!
Innern des Körpers und
können nur durch Mittel jBF ;
beeinflußt werden, die J
direkt auf. ihr Nerven- Mof-TOjji
System und ihre Ernäh- t-S' ■
rungszufuhr wirken.
Das ganze Verfahren
ist äußerst einfach und ySSSm
besteht nur aus dem Ein- lH
nehmen von winzigen ^
Pillen, die man zweimal 1
täglich zu sich nimmt;
kein Vollstopfen mit
unseren liebenswürdigen Leserinnen ge¬
nügt und uns davon ent¬
hebt, hier deren weitere
anzuführen.
Mijk Verzweifeln Sie daher
fSijä nicht mehr, wenn Ihre
Büste nicht die wün-
WSm sehenswerte Fülle zeigt,
WJf oder wenn durch Neben-
umstände mannigfaltiger
I Art deren frühere Festig-
keit und Ueppigkeit ver-
loren gegangen ist. Ver-
zagen Sie selbst dann
jWk nicht, wenn Sie bereits
WSbDf andere Mittel ähnlicher
\ Art ohne Erfolg probiert
flS BSW 5 haben. Wie dem auch
Wm Ji "J sei: versuchen Sie auf
Kf M jeden Fall Pilules
Mm J&fr O rienta 1 esRatid; Ihr
Busen wird sich nach
einigen Wochen ent-
wickeln und fester wer¬
den, und die häßlichen
Mehl, keinerlei Einreibungen oder kom- Knochenvorsprünge des . Halses
plizierte Operationen, die ebenso
e unnütz sind,- kommen hier- Zauberei.
schwinden dann gänzlich.
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' Probefläschchen M. 0.80 franko.
der Frauenbrust die entsprechende Rich¬
tung zugunsten der besseren Entwick¬
lung dieses Organs anzuweisen, und es
wird so die erforderliche Anregung zur
Nehmen Sie daher ungesäumt Ihre Zu¬
flucht zu ihnen.
Um franko und diskret einen Flakon
Pilules Orientales zu erhalten, genügt es,
Entwicklung und Festigung des Busen M_. 5.30 per Auslands-Postanweisung oder
Fünfmarkschein und 30 Pf. Marken an
die uns Apotheker J. Ratie, Paris, 5, Passage
er beste Verdeau, zu schicken ; der Brief ist mit
uf eines 20 Pf. Porto zu bekleben, Karten mit 10 Pf.
gegeben.
Tausende von Dankschreiben, die uns
von allen Seiten zugehen, sind der beste
Beweis hierfür, und führen wir nuir eines
derselben hier an:
Wir raten einer jeden Leserin unserer
Herrn... Ich habe Ihre Pilules Orien- Zeitung, sich von Herrn Ratie das sehr
tales angewandt, und macht es mir Freude, interessante Heftchen „Ueber die pla-
Ihnen mitteilen zu können, daß mich die stische Schönheit des Busens“ kommen
erzielte Wirkung sehr befriedigt hat.
x lassen, das er gratis schickt.
Diese Pillen sind auch erhältlich bei: Berlin, Hadra-Apotheke, Spandauerstr. 77,
München, Emmel, Apotheke, Sendlingerstr. 13, Breslau, Adler-Apotheke, Ring59, Leipzig,
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Jtadjbrud aus bem 3nf)alt biefer 3extjcf)rift toirb ftrafredjtttifj verfolgt. SBeranttwrtlWjer Bebafteur: Dr. Bubolf Besser Berlin. Seranttoortlt^ für ben SnferatentetI: Bt^arb 3leff in Stuttgart. 3n £)fterrei*»Ungarn für-bie
Rebaftion unb Herausgabe Derantmortlici): Stöbert SJtobr in ©ien I. Trucf unb »erlag ber Teutjcijen »erlags*9lnftalt in Stuttgart, »apier oon ber »apierfabri! Salatb in Sala^ (©ürttemberg). Briefe unb Senbungen, bie ben
rebaftioneHen Sn^alt biefer 3eitjd)rift betreffen, nur an bie T)eutfcf)e »erlags*9lnftalt, Stebaftion, Berlin SW, Äöniggräfcer Strafe 99 (o§ne »erfonenangabe) erbeten.
ERH OLUNG U. SPORT
WANDE.RN. U. REiSLN
Uber £anb unb $Reer
0 ie 3 aubennül)e
33on
griefcnd) ^atterotl)
(gortletjung ftatt Scfjlub)
Qfjielleid)t war es and) bte
gorni ber 50lüt3e? Dod)
tüte id) bie frteblidjen 23rüffeler
ferme, esiftieren bort augem
blidltd) gar nid)t foldje gegen=
fä^Itd)e Strömungen, baß fte
jid) burd) äußere 5 tenn 3 eid)en
bemerfbar mad)en müßten,“
wagte ber fd)üd)terne itofal*
reporter ber „?) = 3 cifung" ein*
3 uroenben, ber an 3 öfobiner=
müßen unb anbres backte unb
i bereits toieber in feinem berufe
j Iid)en Snftinft eine politifdje
3 ntrigc roitterte.
S „Ülber laß mid) bod) er 3 äf)»
! Ien,“ fagte groberger mißbilli*
genb. „©erabe bas ©egenteil
mar es, bas Unauffällige an
, ißr roar bas ^luffälligfte. ©s
ging gan 3 natürlich 3U, id) hatte
mir bie 9Jtüße bei einem fleinen
£jänbler billig erftanbert unb
bummelte nun in bem ©efübl,
ber fteifen $örmlid)teit für
einige Stunben enthoben 3 U
! fein^ burch bie 5lltftabt mit
ihren winfligen ©äßdjen unb
gefdhroär 3 ten Käufern, bie man
immer toieber roegen ihrer golb*
fd)immernben fDrnamentif, ben
©uhenfd)eiben, Xiirmd)en unb
©rfern, gern betrad)tet, ohne
fid) 3 U langweilen. 3 d) lanbete
auf ber ©raube $Iace, bie
aud) biejettigen oon 3 ©ten, bie
nod) nicßt in 23rü[[el waren,
oon bem iHusftellungsplafat her
fennen, welches fid) ihre t\)x=
furd)tsooIle Schönheit 3 unt 33or=
wurf nahm. fd)on bie oer=
hältnismäßig fleitte ©raube
jjSlace fel)r ftarf non allem
internationalen fReifepublifum
befugt, fo war jetjt in ber $lus
ftellungs 3 eit bas ©ebränge felbft=
oerftänblid) nod) größer.
iroßbent traf es fid), baßicf)
hier in einer in feuerroter 9tobe
bahinwanbelnben SBeaute eine
liebe ©efannte oom internatio^
nalen kennen in 9?om her,
bie ©räfin ftosnaßfi, wieber=
erfannte."
©in halblautes „9lf)a!“ aus
bem äRunbe ber ftreuitbe, bie
feine 3 nternierung mit ber
fdjönen $rau in 3 ufammew
Die Hygiene des
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hat gelegentlich des nunmehr 25jährigen Bestehens eine Neuausgabe ihrer Broschüre
„KEFYR, ein Hausgetränk zur Stärkung für
Gesunde und Kranke“
veranstaltet. Diese Broschüre steht Interessenten kostenlos zur Verfügung. Das
Streben, dem Kefyr in den weitesten Kreisen Verbreitung zu schaffen, dürfte der Teil-
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sagenumwobene Burgen niederschauen, das Land lieblichster Natur-
reize, bietet dem Durchreisenden unvergleichliche Schönheiten, -
dem Ruhesuchenden behaglichen Genuss.
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der Württemb.-Hohenz. Vereinigung für Fremden-
verkehr in Stuttgart, die Verkehrsvereine
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BRÜSSEL 1910
GRAND PRiX
„Quälen Sie uns bod) nicht länger mit biefen
geheimnisoollen $lnbeutungen,“ erlaubte fict) §err
Silberftamm junior, ber SoI)n bes Prin3ipals, 3U
bemerken.
„ 9 Benn Sie ungebulbig merben, junger §err,
merbe id) 3ur Strafe bie Perfon meiner fd)önen
Begleiterin gan3 aus bem Spiele laffen. Schon
tommt ber §aupteffett meines Abenteuers. 2 Bie td)
abenbs mich im £otel 3ur 9 ftd)e begebe, entbede id)
in meiner 9 Jtanteltafd)e gmei mol)lgefüllte ©elbta[d)en,
bie mir nid)t gehören. Einfangs be|tür3t, benn id) habe
mich nod) nie in einer folgen beneibensmerten Situa=
tion befunben, 3toei gefüllte Portemonnaies auf eirn
mal 3U befihen, glaubte id) bie fiöfung bes fonber-
baren 9 tätfels bal)in‘3U beuten, bah meine anfeheinenb
fteinreiche greunbin mich auf 3artfühlenbe 2Beife
and) einmal oon ben föjtlicf)en ©oben bes 9 ?eid)tums
hatte foften laf[en roollen, roieberum tonnte id) mir
nid)t ertlären, mit roas meine befcheibene Perfon —
abgefehen oon ihrem änderen Kolorit — itfnlafj 3U
einem befouberen £>anf gegeben hätte.“
„©r ift immer ein Schtoerenöter geroefen,“ fagte
Fräulein ftielanb, bie jetjt in Vertretung bas §er3
bes blonben ©e[d)äftsfül)rers befah-
„“Mm anbern 2nge, als mir uns trafen, mache id)
ber ©räfin oerfteefte ^Inbeutungen megen ber unoer=
bienten ©nabe, bod) meld)er 3ufall! 9 luch fie ihrer*
feits tann bie 23 ejtür 3 ung nicht oerbergen, benn fie
befah ebenfalls 3mei folche golbgefüllte 23 örfen, bie
fie oon mir gefdjentt erhalten 3U haben glaubte unb
nun, mit tränen in ben fd)önen, unfd)ulbigen klugen
mich beftürmenb, bat, biefe mleber 3urüd3unehmen.
SBirtlid) roar es 3mifd)en uns beiben in ben ©ren3en
bes ©rlaubten nicht meiter getommen als bis 3U
einem harmlofen glirt mäbrenb ber gahrt. 2Bir
tonnten uns nicht anbers halfen, unb um bas beiber*
feitige Ptifjtrauen 3U befeitigen, befd)loffen mir, ge-
meinfam ber geheimnisoollen Sadje auf bie Spur
3U tommen. Zubern £ags gingen mir 3U 5uh burd)
bie Strafen; bereits bis 3unt SJtittag hatten mir
fechs Portemonnaies geerntet, abenbs maren es bereu
brei3el)n gemorben.
2>d) bin nicht abergläubifd), 3umai noch, menn
man bas ©olb unb Silber auf feinen 5 tlang hin [o
gut tennt mie id); es mar alles ed)t, fogar bie 23 aitt*
noten. 2 Bir hätten uns nur 3ufammen3utun unb
ein ftilles ©efd)äft auf3umad)en braud)en, id) hätte
mich babei bebeutenb beffer geftanben als mie jet|t
mit bem £jaufierl)anbel.“
„ s Jia,“ meinte §err Silberftamm junior beleibigt,
„menn Sie bie ©el)eimniffe bes Sd)laraffenlanbes
eutbedt haben, bann tönnen Sie ja in bie 5 irma
mit eintreten, §err groberger! 9 lber mie mar benn
bie ©ef<hid)te mit ber Pol^ei?“ (Sdjluft folgt)
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Dieser Staub wird von uns eingeatmet und kommen
auf diese Weise die Erreger von
in unseren Körper. Durch regelmäßige Anwendung
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1911. 9cr. 40
Uber £artb unb 9JIeer
dbaraEteriftifdje SBterfmate ber $üffetborfer Schule. 3“
biefen gehört bie §ärte unb S8untf»ett ber Farbengebung,
oon ber fid) 9tetf)el halb ganj lo§ 5 umachen oerftanb, ma§
man hefonberS an feinen Festen Jur ©efdiidjte S?arl§
be§ ©rofjen, biefem berrlidjen ©dnnucfe be§ Stadjener
9tathau§faale§, mit SBefriebigung feftftellen fann. A.
Jugenbliilje Krankenpfleger
B ei ber fürjli^ ahgehaltenen Feier anläfslid) be§ fünf*
unbsroanjigjährigen 3Jeftehen§ ber Hamburger ®e*
noffenfdjaft ber JStanfenpfleger oom „ s Jioten Streuj" er*
regten im Feftüug bie jüngften Stranfenpfleger unb
Stranfenträger befonbere Stufmerffamfeit. roaren bie§
ftramme „Hamburger Fungenä" im Süter jtoifdjen brei*
gehn unb fechgehn Fahren, bie ber feit einiger 3 e it ge*
bilbeten ©chülerabteilung be§ Hamburger ®erbanbe§ oom
„fRoten ftreug" angeboren unb mit loahrem Feuereifer
bie Obliegenheiten ihrer menfcbenfrennblidjen ^Betätigung
erfüllen. 2)ie Siritif am ©djluffe ber Übungen fotl auch
biefer jüngften ftranfenpfleger nad) ©ebühr mit Stnerten*
nung unb Sob gebacht haben.
Btmifaj Pmt Blfreb KeflicI
(3um farbigen Silbe auf ©eite 1057)
U nter ben 3^^en hiftorifdjer ©emälbe, bie Ullfreb s Jtettjel
gefdjaffen hat, ift ber bem Sefehrer ber ©ermatten,
Sonifaj, getoibmete ber ältefte unb zugleich besdjalb be*
fottber* intereffant, meil er bemerfen§roerte Seobadjtungen
über be§ älteifterS 2Berbegang unb feine Sluseinanber*
fejjung mit ber Überlieferung guläjit. ©ntftanben in ben
mittleren unb lebten Fahren feine§ 1829 begonnenen
Suffelborfer ©tubienaufentl)alt§, oon 1833 bi§ 1836, joeift
er, gumal in ben älteften Slättern, bie gu gtoeien nur in
3eid)nungen oorhanben finb, bie Freube be§ fiebgehnjähri*
gen Füngling§ an felbftänbigem Schaffen auf. dagegen
neigt fich, mie Fofef Konten in bem Stethel getoibmelen
33anbe XVII oon „Stlaffifer ber Slnnft" mit Stecht bemerft,
in bem geitlid) bagugehörigen britten, bem in ber berliner
Stationalgalerte befinblidjen ©ingelgemälbe be§ s 43i'ebiger§
unb Stird)engriinber§ Sfonifag, ber nach unferm Söilbe ent*
ftanbenen 3etdjnung im ^reSbener Jtupferftidjfabinett
unb unferm im Original bem Aachener ©täbtifdjen 9)tu*
fenm gehörigen ©emälbe ber fßrebigtfjene ber ©influ^
oon SBilljelm ©djabom, StethelS Sehrer, burd) oerfdjiebene
Seutjche 3öuftr.=@efeüfcf)aft, Serfin
„Hamburger Fungenä" al§ ^ranfenpfleger (©djülerabteilung)
Preis uierteljäbrlicb 4 mark
Beim Postbezug 4 mark is Pfa. ebne Bestellaeld
In Österreid)« Ungarn Kr. 4.80
106. Band. Dreiundfünfzigster 3 abrgang
Oktober 1910—1911
<srsdiei«t jede« Sonntag -g>
DeutTcbe JUuftrierte Zeitung
Copyright, 1911, by Deutfche Verlags »Anltalt, Stuttgart
Der Kampf ber meinen
unb bet roten Aofe
Montan
Dort
©eorg $trfd)felb
($ortj©ung)
VIII
CVn Antmerfelb, eine Stunbe fübroeftlid) non
O Alün©en, inmitten eines Dbftgartens, lag
bas ^äuscfien Johannes Aollfints. Der blinbe
©rfinber, ein gebräunter, hagerer Alann, ber
fi© giemlid) raf© unb fi©er taftenb auf feinem
Anmefen bemegte, mar non ber leu©tenbften
£erbftpra©t umgeben. (glei©fam ftöhnenb
unter ©rer 3ru©tfülle ftanben bie Apfelbäume
in Ae© unb ©lieb, bie 3t»etf©gen Ratten je©
me© Btolett als ©rün an ©ren 3roeigen, unb
ber uralte Ai©ftaum oerhüllte mit feinem
Aauf©en 3a©lofen ©rtrag. Das einfa©e £anb*
haus, abfeits oon ber Strafte, trug na© Süben
©n ein ASeinfpalier, mie es feiten in bem rauben
Dberlanbe oortam. Blau unb f©mer ©ugen
bie Draubert auf ber meiften Alauer, unb eine
Bogelf©eu©e, bie ©oas Alalerpftantafie ent*
morfen, batte Alüfte, bie frechen Aaf©er oon
ben reifen Leeren absubalten, ©oa tonnte fi©
nid»t entf©lieften, bie Strauben ab3unehmen —
i© Anblid mar ibr mehr als ©t ( 5 enuft, unb
fie follten immer no© Sonne trinten, um felbft
mie Sonnenfaft 3U f©meden nachher. Bis sum
3luft bt^nter erftredte fid) ber Obftgarten.
Die Aa©barn 311 beiben Seiten maren Bauern
— Aollfints maren gut greunb, aber fpra©en
feiten mit ihnen. 3br ©arten oerbarg fie and)
hier oor ber ASelt. Bergmann, ber grobe
Bernljarbiner, mar ihr einziger ^ausgenoffe.
Johannes unb ©oa Aollfint hotten fein Kinb.
Seit brei 3 a©en lebten fie nun in Antmerfelb
bei Alün©en. 3 em, in abenbroter Bergeffen*
beit lag Agppten, ©oas Heimat, Johannes’
ilnglüd unb ©Iüd. Der Aame bes ©rfinbers
unb. ^btlofopben oon Antmerfelb mar meitbin
beiannt -t- es mar meniger Berna©Iäffigung
als inftinttioe S©eu,. bab bie Alenf©en il)n in
ber Abgef©Ioffenheit lieben. 3 umeilen nur
flog ein feltener Bogel, ein neues Bu©, aus
bem einfamen Berfted in Stabt unb ABelt ©n=
aus. Dann I)or©te man auf unb Iaufdjte —
bis es mieber füll mürbe in Antmerfelb, bur©
Alonate, bur© 3 a©e*
Der SBrief, ben Karlmann Aominger ge*
f©rieben ©atte, brachte eine ftärtere Bemegung
in ben füllen £ebensfluft biefer Alenf©en.
|>eute, an einem golbilaren üttoberfonntag,
ermarteten fie Karlmanns unb feiner Braut
1911 (Sb. 106)
SBefuc^. ©oa mar früh nad) Alün©en gefahren,
um ©intäufe für bas Abenbeffen 3U ma<ben.
Johannes ermartete fie, mit einer pfeife oor
bem £aufe fiftenb, mie bie Bauern an ©rem
Sonntag taten. Oft holte er ©oa oon ber Ba©t*
ftation bes gröberen Aa©barborfes ab unb ging
fo fid)er an Bergmanns Seite bie £anbftrabe
hinauf, bab man ©n für einen Sebenben
halten tonnte. Aber ©oa liebte es nicht, ©n
fo in feiner feinften Kraft allein unb. rohen
3ufällen preisgegeben 3U miffen — fie
f©mang fi© am Ba©©of aufs Aab, unb in fünf
Almuten mar fie bie abfeftüffige Strede bis
Ammerfelb ©ituntergefa©en. So au© heute.
Johannes ermartete feine 3rau, in mo©iges
Sinnen oerfunfen, 00m hüben f^lüftergeräuf©
bes Alittags umgeben. Als ber erfte ©loden*
[©lag 00m Kir©turm ertlang, hörte er f©on
©ren oertrauten, hellen Auf, unb ein raf© es
^eranfaufen, ein Iei©tes Abfpringen, eine dm*
ärmung, ein Kub melbeten ©oas Antunft. Sie
ftri© fi© bas ftraffe, f©mar3e, beim fahren
3erflogene ©aar aus bem beübron^efarbenen
Anti© — ben Strohhut mit ber roten S©leife
auf ben Aafen merfenb, feftte fie fi© neben ©n
unb er3ählte oon ber Stabt. Johannes hörte
mit aufri©tigem Anteil 3 U, folange ©oa bas
©r^ählen mo© tat. Um oier Uhr tarnen bie
$riebri©sburger. ©oa ftanb auf unb führte
©ren Alann über bie holbbuntle Stiege in bas
Speife3immer. Uber bie Stiege führte fie
©n immer. 3 n einer feltfam tinbli©en Ber*
me©flung glaubte fie ©n bort unfi©er, mo
ihre eignen Augen ni©t mehr tlar er*
tennen tonnten, ©r mieberum, bem §ell unb
Duntel einerlei maren, hotte ein Aßohlgefühl
an ©rem 3dtfum unb liebte es, bab fte ©m
bie £i©tunterf©eibung no© 3utraute. So
fühlte er bas emsige bef©mi©ügt, mas fi© oer*
jtimmenb 3toif©en ©nen hätte regen tonnen
— bas Unheimli©e eines Blinben für ben, ber
fah unb fi© bes Sehens ni©t bemubt mürbe.
Beim Alittageffen fagte Johannes, ber lang*
fam ab unb gern Raufen ma©te, um ©oas
ungeftümem Klappern unb Kauen 3U lauf©en:
„ 3 © freue mi© mirtli© auf ben Beju©. At©t,
meil fonft niemanb tommt — mir brau©en
niemanb. Aber ber Karlmann —"
„Deine ^omilie!" rief ©oa, ©m über ben
Dif© eine gef©älte Birne rei©enb.
„3a, meine Familie," ermiberte 3ohannes
Iä©elnb. „Du me©t, i© habe bie Betannt*
f©aft ber Aomingers nie gefu©t. 3 ^) toubte,
fie finb ©enieber oont Dage, fie finb Alenf©en,
bie fi© mit ben ABerten bes £ebens mehr be*
hängen, als fie. in fi© einbriitgcn 3U laffen.
Ontel 3 uftinus mar immer ein Künftler auf
halbem 2 Bege — er mugte einfad), als er oier^ig
3 ähie mar, Atabemieprofeffor merben. Aun
leibet er gemib an ber böjcn halben Dragit,
bie mie ein ASurm fribt unb plötjli© roie ein
£öme oerni©tet. Die $rau hat oier Kinber,
fie tennt alles, liebt alles, befit© alles, aber ©r
£eben oerfliegt. Du munberft bi© oie!lei©t,
moher i© bas me©, ©oa? 3<t) habe bie alten
Aomingers breimal gefehen. 3 u 3 talien mar's.
Unb mas i© breimal gefehen habe, bas lerne
i© fpäter, im Ai©tmehrjehen, oöllig tennen."
„ASie bentft bu über bie Kinber?" fragte
©oa, ©re groben, buntein Augen ruhig auf
3of)nnnes geri©tet.
„Die Aläb©en haben jet© geheiratet —
baoon me© i© ni©ts. p)tdpp ©dt. einen aus*
ge3ei©neten Alagen, unb Karlmann —"
„Karlmann hat au© f©on geheiratet. Aber
fi©er, 3ohannes," fagte ©oa mit leifem £a©en,
inbem fie bie Obftf©aIe an ©© 30g.
„Das ift bo© ein Alann, ober fagen mir ein
3üngling..." ermiberte 3ahannes errötenb,
mit bebä©ügem §umor.
„So? 3 hr Alänner oeränbert eu© mol©
ni©t, menn ©r heiratet?"
„ 3 © brau©e ben Alann nie im Plural."
„£)© ftu bift ein S©lauer!"
Sie erhob fi© unb trat an bas Klaoier.
Dann fagte fie halfttaut: „ 3 © freue mi© fo
auf bas Aläbel. Doni Dräntle. Die mub gut
fein. Der helf' i© — über alles."
„3reuft bu bi© auf beine Doni, fo freuVi©
mi© auf meinen Karlmann. Dann finb mir
quitt, ©r ift ein Aominger, ber aus bem Aeft
geflogen ift — ber erfte. ©r mub ber Uber*
gang 3um neuen (Sef©le©t fein. S©öne Alit*
gift haben fie alle — aber mer nutjt fie aus?
ASer oon ©nen menbet ben Aei©tum oer*
nünfttg an, bas Blut bes beutf©en ©Satrfger*
tums unb bes pfäl3if©en Aitterabels in ben
Abern 3U haben? Karlmann im© es bo©
mehr fein als Detoration unb ^Sreftige. ©r
ooIl3iei)t bie Ummanblung, er mill gefmtb
merben, inbem er fi© mit einem Kinbe bes
Boltes oerbinbet... Das fte© in feinem Brief,
©in f©öner Brief, ©oa. §ältft bu benn mirtli©
ni©ts oon Briefen?"
„Do©, 3 ohannes. ASenn bu etmas baoon
hält©..."
„ 3 © bittiere bir meine Briefe, unb Karl*
mann f©reibt bie feinen felbft. Da ift bo© tein
Unterf©ieb. Kein mefentli©er menigftens."
„Kein mefentli©er."
Sie la©te leife unb fpielte Jet© ein S©u=
mannf©es Stüd. ©r f©üttelte ben Kopf, bann
lauf©te er bantbar. —
Aa©mittags fafeen Karlmann unb Dont
ben AoIIfints gegenüber. Karlmann maren
bie Strapasen ber 3 lü©tlingstage ftärfer an*
3ufehen als feiner (geliebten. Sein Anti©
mar bla© unb eingefallen, bie rofige 3rif©e
fort, bie blauen Augen blidtert unftet. Xtrn
fo forgfältiger hatte er, um ber oermirrenben
Situation §err 3U merben, feine Kleibung
geftaltet. Kein fehhaft er Aominger 3x1 $rieb*
136
1050
Über ßartb unb SReer
1911. Rr.40
richsburg formte einen ferneren Befud)srod
anhaben, eine beffere Strawatte tragen als
Starlmann, ber aus bent ©Iternhaufe ©nt»
laufene, ber Revolutionär ber freien Siebe.
SOZit etwas ängftlid)er EBürbe, wortlarg unb
voll Rervofität, beantwortete er bie fragen bes
Retters. ©r vergaß gang, bah er von Fohannes-
Rollfinl nicht gef eben würbe. Diefe llare,
Weitere, ebel männliche Rrt muhte ihn burd)
unb burd) fdjauen — es war nicht anbers mög»
lid). Rber fie Töfte aud) allmählid) Starlmanns
Befangenheit. Sternpuntt fühlte er
harmes 1 3 u füntmung — bas war ihm genug
unb befreite ihn. Sdjon begann bie an»
fangs unenbliche Diftan3 3wifchen ihnen fid)
3U verringern. Doni unb (Eva hatten fie nad)
wenigen ERinuten überwunben. Donis ©mp»
finben würbe feltfam \)\n unb f>tx geriffen.
23 alb hafteten ihre 2Iugen beglüdt unb liebe»
voll auf ber frembartig frönen, lebenfprühen»
ben $rau — halb richteten fie fid) traurig auf
ben maßlos Beraubten, ihren Befi^er, ihren
(Satten. Roch fanb fie fid) nicht 3ured)t. EBas
hier wie Unglüd erfd)ien, war ©tüd vielleicht,
unb irgenbwo, in fonniger Schönheit, mochten
burtlle Sd)mer3en wohnen. SOZit feudjten Rügen
bliefte Doni ber F*au, bie ihre greunbin in ber
erften Stunbe würbe, ins gütige ©efidjt. Sie
ahnte nicht, wie lieb (Eva fie fd)on um ber
Trauer willen hatte, bie fie für Johannes
empfanb — jeht vollenbs fd)loh fie fie ganj ins
Ejer^. Das wehe, luft» unb Ieibvolle Durch*
einanber ber erften ©efprädhe würbe burch einen
echten Doniausfprud) in glüdlid)en £umor auf»
gelöft. Die ERänner fpradhen über bie $rage,
worin ber Borgug eines probultiven Schaffens
vor einem reprobultiven eigentlich 3 U finben
fei, unb Rollfinl meinte: „ 3 a, was ift fd)tieh»
lieh beffer, ein Buch verftehen ober ein Buch
fchreiben?“ Da rief Doni, bie nicht hingehört
unb mit (Eva gefprod)en hatte, unvermittelt
3wifd)en: „Fh* Buch, $err Rollfinl! Das ift
wunberbar!“
Febt lachten alle unb ftanben auf. ERan
verlieh ben Deetifd) unb wanberte ein wenig
über bie abenbroten gelber. Starlmann, ber
es wie eine Rus^eichnung fühlte, Johannes'
Rrm 3U nehmen, ging mit feinem Retter
voraus. %n einiger (Entfernung, gleichfalls
untergefafjt, folgten bie flauen.
„EBir finb 3 ^ nert f° bantbar,“ fagte Doni
leife, inbem ihr Btid an (Evas fdhlanler ©eftalt
entlangglitt. „Rm meiften hatte mein .Start»
mann ja gefürchtet, bah es 3haen nit recht
fein möd)t', fi<h in ©egenfab 3U feiner Familie
3U bringen. Fibern Sie uns gut aufnehmen,
mein' i«ä)..
„EBir tun, was uns richtig erfd)eint. EBir
fühlen ba gar leinen ©egenfab. EBas wiffen
wir benn von ben Friebrid)sburgern.“
„ 3 a, ihr feib frei,“ feufgte Doni unmittelbar.
„ 3 hr hoch jeht aud)?“
„Rllmählid) werben wir's. Der Rnfang
ift natürlich fdjwer.“
„EBiffen bie (Eltern, wo ihr feib?“
„EBir haben beibe noch einmal h^ge»
fchrieben — id) an meine Beut' unb Startmann
an feine.“
„Rntwort belomnten?“
„Rein.“
Sie hatten einen £ügel erreicht, ber eine
Bant trug unb einen weiten Rusblid über bas
herbftiiehe ßanb fpenbete. Rm bunftigen $ori=
3ont erfchienen bie Dürme von ERünd)en. 3 ^
EBeften fanf bie Sonnenfeheibe rot unb Har hinab.
„EBir behalten gutes EBetter,“ fagte (Eva.
„3ft es ein reiner Untergang?“ fragte
Fohannes.
3 n feltfam tiefer (Ergriffenheit fah Start»
mann nad) biefert 2 Borten feinen Retter an.
(Ein reiner Untergang, burd)3og es fein ©emüt
— ja, bas ift viel, bu prophetifd)er Blinber.
Freuft bu bi<h bar an, ohne ihn $u fehen?
Unb ich, t<h Sehenber, was will benn ich?
Roch immer weih ich Tmd) nicht 311 befdjeiben.
Rod) immer ertenn' ich mich nid)t felbft. toter,
auf biefem (Erbhügel, ift alles, was idh habe;
mein junges, aufwartsftrebenbes Fd), mein
EBeib, meine ewigen Fteunbe. Rerföhnung
Hingt es glodenrein burd) bas ftitte Rbenblanb.
Rerföhnung mit alt benen, bie ich für Fetnbe
hielt, unb bie mir Wohltaten als 3 einbe.
Rerföhnung!
Stumm, an Donis Seite, ftarrte Startmann
in bie grohe ßanbfchaft hinaus. Der Rauch
aus ben Dorfhütten ftieg aufredht in bie reine,
burchleuchtete Ruft. (Ein 3 ifd)reiher raufdjte
aus bem Röhricht bes paffes auf unb 30g
mit weiten Schwingen 3Ur fd)war3en Ruhe
bes EBalbes hinüber. Die ©rillen in ber 2 Biefe
verftummten allmählich. (Es buntelte. Sie
brachen nad) Rmmerfelb auf.
Ruf bem Rüdwege befpradhen bie ERänner
Starlmanns nächfte Rusfid)ten — bie grauen
aber ftetlten feft, wie ber erwartete ERelt»
bürger unb feine ERutter es am beften haben
würben. Doni lieh fi<h »an (Eva fo willig
leiten wie Startmann von 3 ahannes. Beibe
hatten ein tiefes 2 Bot)Igefühl, nad) all ben
EBirren fid) einer reifen ßebenstenntnis an»
vertrauen 3U tönnen. Sie befdhtoffen, inRmmer»
feib 3U bleiben, bis bas Stinb getommen war.
2 Bas tonnten fie fief) Befferes wünfd)en als vöt»
lige Rbgefdhiebenheit unb Stille? E>ier tonnte
Starlmann bie groben Rrbeitsptäne, bie burdh
3ohannes' ©efpräche auf ihn einbrangen, ge»
ftalten. §ier würbe Doni, rnod)te bie ERutter»
fd)aft noch f° fd)wer über fie hemmen,
gefunb. Radh bem Rbenbeffen befprachen fie
fid) unter ber Rffiftens ber Eiotlfints eingehenb
mit 3^au Dberwiefer, ber Hebamme, bie ein
hübfdhes Räuschen unb eine ©emifd)twaren=
hanblung befab. Sie vermietete ihre beften
Stuben, bie eben frei geworben waren, an
bas junge „(Ehepaar“. Rollfints greunbfdjaft
bürgte i|r für alles. Das Oberwieferfdje $aus
lag unweit bes Rollfintfchen in einem Dbft»
garten unb gren3te wie jenes an ben 3tub.
Die Flüchtlinge blieben ba — am nädhften Dage
tarn bas ©epäd nach- Um mit ber fyofytn
Dbrigteit nicht in Stonflitt 3U geraten, muhte
Startmann fein Schiafgemad) im £aufe gegen»
über, beim Rebnerbauer, be3iehen. (Es war
3war nur ein ^euboben, aber er hatte nie»
rnats beffer gefhitafen, in feinem fd)önften
Frtebrid)sburger EReffingbett nicht, als
wo nachts ber Stater ©rau 3U feinen Füfeen
lag unb unten bas bumpfe Brüllen ber Stühe
ihn in aller Frühe wedte.
So tarn für ben Rnfang eine feltfam
glüdlidhe 3 e it. Doni Iädjelte, wenn Startmann
ihr begeiftert ertlärte, bah alle Sorgen für
bie 3uHmft gehoben feien. 3mei 3^tfchriften,
an bie ihn 3 ohaünes empfohlen, hätten Ruf»
fähe von ihm angenommen, unb wenn er
aud) bis jeht nur jjunbertfünf3ig ERart bamit
verbient habe, müffe feine grohe Rrbeit, eine
Stulturgefd)id)te bes Strieges ber weihen unb
ber roten Rofe, gan3 fidher bie materielle
«Unabhängigleit bringen. Faft täglich fuhr ^
nach ERündjen, um in ber Staatsbibliothel
3u lefen — jebesmal brachte er auch bide
Bänbe mit nach Rmmerfelb, unb' bie beiben
Bauernhäuf er 3eigten fid) halb für foid)e
2 Biffensfd)ähe niht eingerichtet. Der Stater
verbarb in fehr unreinlicher EBeife eine wert»
volle History of England. Das alte Rapier
einer Shalefpeareausgabe rei3te ben fonber»
baren ©efchmad eines ge3ähmten Raben.
Rber über all bie Fährniffe lam Starlmann
in feinem frohen Rrbeitseifer rafdj hinweg.
Freilich geftanb er fid) nur unvotlfommen
ein, bah bte Roltenbung ber Riefenaufgabe
unb ihre praltifd)e Rerwertung nicht vor 3wei
Fahren 3U erwarten war. Doni ahnte bas, aber
fie hütete fid), ihn 3U entmutigen. Sie lieh
ihm feinen ©tauben unb fein Setbftänbigleits»
gefütjl — bei fid) wuhte fie gut, worauf ihr
Lebensunterhalt fidh wirllich 3U ftütjen hatte.
Sobalb fie von bem Stinbe genefen war, wollte
fie fid) in ERünchenihrem Berufe wibmen. ©inen
orthop äbifd>en Durnlurfus unb heitgpmnaftifd)e
Beftionen wollte fie entrichten, ©elangihrbies,
war für fie alte geforgt. Dann mochte Start»
mann nur feine englifdhe Stulturgef<hid)te weiter
fchreiben. Das ERoralgefüIjl bes Familien»
ernährers lieh fte ihm gern — aber 3um ©elb»
verbienen war er für ihre ©mpfinbung nicht
geboren, ihr vornehmer, verwöhnter Starl»
mann. Das war ihre Sache. Sie wollte etwas
Befferes als ©elb von ihm — fie wünfd)te
fidh ftets nur ben gröhten Rnteii an feinem
Dradi)ten unb Dräumen.
Der EBinter lam. ©s würbe lalt unb rauh
in Rmmerfelb, bod) Startmann blieb auf feinem
Soeuboben 3äh bei ber Rrbeit, unbDoni erwartete
in tapferer 3 u verfid)t ihr Stinb. ©va ftanb ihr
täglid) 3m Seite. Rn einem bunlel umnebelten
Fanuarmorgen lam ein SRäbdhen 3m EBelt.
Doni litt furchtbar. Der Rr3t, ein braver,
aber robufter unb geräufd)voller ERann, ber an
Bauernwodhenftuben gewöhnt war, blieb bie
gan3e Radht an ihrem Bager, ©r würbe
fd)liehtich aud) bläh unb ftill, fo brachte ihn
biefe fdhwere ©eburt, bei ber es ihm mehr
galt als fonft, herunter. Rud) Ftau Ober»
wiefer geriet in Fardht unb Schwäche — ©va
Rollfinl lonnte es nidht hütbern, bah fie um
fieben Uhr, als bie EBetjen abermals aus»
fehlen, laut 3U beten anfing. Dann enb»
lid) lam bas Stinb, ein 3artes ERäbchen mit
Startmanns golbblonbem §aar. Der junge
Rater würbe noch lange nicht erlöft, noch lange
füllte fein ©emüt in ber f<hredli<hften Schwebe
von Hoffnung unb Rer3weiflung bleiben. Doni
würbe fehr Iran!. Rn3eid)en von Stinbbett»
fteber lamen, ihr Beben wollte in bumpfen
Rbenbftunben verlöfchen. So hatte Startmann
Rominger nie gerungen, fo nie 3um lieben
©ott gefprochen, ber ihm immer ein frember,
grober §err gewefen war. ©r erhörte ihn
aber, ©r würbe ihm in neuer Rllmacht ver»
traut. Denn wirllich, z* waren bie alten
©hriftinftinlte, bie jeht in Starlmanns mobeme
Rbtrünnigleit einlehrten, ©r fehnte fidj nach
bem ©tauben feiner Räter — bas war fd)on
viel, bas war ihm alles. Doni genas. Sehr
tangfam, fehr elenb, ein Schatten ber früheren
Doni — bod) fie genas. EBo aber blieben
nun ihre groben 3alunftspläne? ©r fühlte,
wie fie fidh barum bangte, aus ihren Fieöer»
phantafien hatte er es hamusgehört. Doch
wirllich tröften lonnte er fie nid)t. Ruch ü) m
waren in biefen furchtbaren Dagen jeber
Rrbeitsfinn unb jeber Rrbeitsfortfd)ritt erlahmt,
©r muhte fid) erft Iangfam wieber aus ber
ungeheuren ©egenwart in bie blaffen Rer»
gangenheitsfehernen 3urüdfinben. Sie .aber,
bie fdhwache, bie bleidje, 3U wochenlanger
Bettruhe verurteilte Relonvalef3entin, bie nicht
einmal ihr Stinb nähren lonnte — wo füllte
fie bie Straft finben, ihren fdjjweren, gefunb»
heitforbernben Beruf 3U ergreifen? Rls er
ihr erllärte, bah er ber groben Rrbeit entfagen
unb fürs tägliche Brot fchreiben wolle, bat
fie ihn mit foldjjer Beibenfchaft, ihr nur bas
nicht an3utun, bah er für ihr Beben fürchtete
unb erfd)üttert verfprad), baran nie mehr 3U
benlen. 3h* Dpfer bürfe er nicht werben —
bas wieberhotte Döni unter heiben Dränen
immer wieber. Rber was war 3U tun? EBie
war es 3U verfcheudhen, bas bunlte, unheim»
liehe ©efpenft, bas 3um erften ERate mit
brohenber Fauft auf Starlmann Rominger
3ufd)ritt? ©r hatte bie Rot nie gelannt —
jeht fah er fid) plötzlich in ihren Stlauen.
Sie hatten lein ©elb mehr unb leine Rus»
fid)t, genügenbe ERittel 3U erhalten. Rud) be=
burfte Doni einer befonbers guten Stoft, unb
Starlmanns ERagen lonnte wirtlichen ©nt»
behrungen noch weniger ftanbhatten. Der
EBinter war hart — es fehlte an Feuerung,
an unentbehrlichen Stteibungsftüden. EBie ein
fibirifcher Flüchtling, mit EBeib unb Stinb bem
©lenb, ber Stälte preisgegeben, tarn Startmann
fidh allmählich vor. Hnb in nädhfter Rähe
hatte er bas liebe, warme ERünchen. ©igent»
lid) hahte er bas verfd)neite Dorf, ©igent»
lieh hatte er es immer gehabt, ©r war ein
verwöhnter Stabtmenfd). ©s war ja un»
möglich, bah er folgen ©egnern ftanbhatten
1911. 9tr. 40
Über fiartb unb Steer
1051
!onnte. Xorti mar es eher gegeben, Ipe* 311
eriftieren, !Xoni, bie non Säuern abftammte,
ber nod) bte barten 5 Irbeitsbänbe, bte ftarten,
beinahe plumpen ©elenfe anbafteten ... Stit
ängftlid)er Sd)eu oermieb es Starlmann, fid)
Johannes SoIIftnf an3uoertrauen. Cr fprad)
beharrlich nur über getfttge fragen mit ibm.
X)od) mar er nie# gan3 ebrlid) oor fid) felbft.
Cr mu#e, bab ber Setter auch ohne 5 lusfprad)e
feine Serbältniffe fannte, er fab ihn in fernerer
greunbesforge umbergeben, bentt einer Sitte
beburfte es nid)t, um Sabines 3U jebem
Opfer 3U oeranlaffen. Cr batte bereits getan,
mas er tun tonnte — jebt, menn Coa aud)
3um erften Stale marnen mollte, be3ablte er
ttocb ben 50 # — nun aber batte feine §ilfs*
traft ein Cnbe. Sollfint mubte, fooiel er bar*
über grübeln mochte, teinen Susmeg mehr —
er riet bem erbleid)enben Startmann, fid) an
feine Cltem 3U menben.
„ 5 In meinen Sater?! Sie!“
„ 5 In beine Stutter, Startmann.“
„Sie! Sie!“
Cr oerlieb bert Slinben unb ftürmte 31t
£oni hinüber. Oer Crfdjrodenen, bie ihr Stinb
in ben Srmen hielt, er3äblte er atemlos, mas
Johannes ihm 3ugemutet batte.
,,3d) ftebe oor einer Unmöglid)teit, Xonü“
„Sber bufönnteftbod) an fcbreiben.“
„Oer bat nichts!“
„Sn Starion — an CIfa —“
„Du oergibt, bab meine Scbmeftern oer*
heiratet finb! Soll ich mich bem ausfeben,
bab Tic mit meinen Settelbriefen 3U ihren
Stännern geben? Oab §err Sraumüller,
biefer §ol3molleJabritant, ober irjerr oon Sie*
genau über meine 3 u t u nft entfd)eibet? 3ft
es babin getommen?“
„Sber irgenbmie mub uns bocb geholfen
roerben, Startmann. X>a mir's nit felber
tönnen. Sn beine Stama fdjreibft bu nit?“
„SBürbeft bu jebt an beine Stutter fcbreiben
tönnen?“
„S 3 ie tommft bu barauf? Oaoon mar
bodj nie bie Sebe. Oie bat ja felbft nichts, aud)
menn id) fie bitten tat'.“
,,3d) frage bid), ob bu ihr fcbreiben mürbeft!“
„3a, möd)teft bu bas oon mir ©erlangen,
Starlmann?“
,,< 5 ab' id) ein SSort baoon gefagt?!“
„Schrei bod) nit jo — bu medft bas Stinb!“
,,3d) oerlange nichts oon bir — id) mill
nur beinen Stanbpuntt tennen! Ou mürbeft
alfo nicht an beine Familie fcbreiben?“
„Sein, Starlmann! Cbenfomenig mie bu
an beine!“
„So!“
„ 3 amobI! SSenn bu's genau miffen millft!“
Cr fagte tein S 3 ort mehr unb oerliefe
fie. Suf ben gelbem lief er lange umher,
ohne Sube 3U finben. SSobin mar er ge*
raten? Ooni, bie £oc#er 00m Stod) am
Startt, fie follte auf bem Orot) ihres Selbft*
bemufetfeins beharren tönnen, unb er, er,
Starlmann Sominger, er mufete oielleicfet 3U
Strebe trieben? Pater peccavi fagen? Cin
oerlorener Sohn bei ben Scferoeinen ber
Heimat — je# fcfeon? SBarum? SSeil er als
Staun bie Serantmortung batte? Serant*
mortung! 3 a, Pflicht 3ur Oemut! Cs mar
ftärter als er, mas ihn umgab, es 3toang
ihn in bie Stnie. Sor ihm ftanb ber junger,
ber nadte, bittere, oer3meifeite frjunger. «Kein
— nur bas nid)t! Sein S 3 eib! Sein Stinb!
Oas mabre Selbftgefü# behielt er bod). Cr
mollte aud) bas nod) auf fid) nehmen, mollte
fid) bemütigen. Cr, ber ftol3e glücfetling, er
fprad) bas erfte SSort. Serföbnung. Ob» nie*
mals tarn Serföbnung! erbarmen mar es,
auf bas es ihm antam, tübles, fiegesbemufetes
Stitleib. Cr litt furchtbar. Sein Stol3 mar
mie ein Panther, ber fid) in ihn eintrallte,
noch einmal, nod) einmal. Cr fcfeüttelte ihn
ab. Cr ging in feine Stube, meinte unb
febrieb an feine Stutter. Ood) als er ihr
gefdjrieben batte, blieb ber Stapel gegen Ooni
in feinem ©emüt haften, ber ihn nid)t mehr
oerliefe burefe lange, lange 3 a # e -
(gortfefcung folgt)
(£in ©eigen oor bem Sor
<23on
$oni Scbmabe
QöaS gcbt’S ben an, ber fiel) oerlor.
Ob er nun toie ein Spielmann siebt
Unb jebem geigt fein CiebeSlieb
Oluf ©affen oor bem $or —
Cr toeife, fein £ieb 00 m jungen 93luf,
5)aS b e i§ anb tt>ilb jurn ioersen ^iebf,
<Oag trifft ein Sfinb, baS jitternb flieht —
Unb loirb ibm bennoeb gut.
Cr fennt bag Sieb oon feiner ‘Stacbt
Unb fpielt e$ frecb unb fpielt eg füfj —
Unb bie ibn berrifcb geben biefb
Sie fommt su ibm bei 9tad)f.
Seit icb ber bin, ber fid) oerlor,
Seitbem ift alle Seligfeit,
Seitbem ift mein oerfpietteS Ceib
Cin ©eigen oor bem $or.
t \ 1 /gTor
i »*! ii'j
3. g. Stillet
Oie
1052
Uber £anb urtb äfteer
1911. s Jtr. 40
Waitbernbe ftomöbianten
| (Eric!) Scfylaifjer
I ^TV C ^btetboten oon ber „Schmiere" unb ben
! tleinen reifenben ©efellfd)aften bilben eine
Y ftänbige Eubrit in ben Wihblättern, im befonberen
I in ben alten familienmähig bebaglid)en, burd)
Y bereit Spalten ber rauf)e Winb ber politifdjen unb
I fogialett Satire nod) nicf)t hinbur<hgeftrid)en ift,
v unb bie aud) bie gepfefferte 5toft ber erotifd)en
I Enfpielungett oerfchmähen. 3m allgemeinen
Y oariieren biefe Enetboten ben tomifd)en itontraft
I gmifd)en bem I)eroifd)en Schein, ben bie Storno*
Y bianten erroeden füllen, unb ber Ermfeligteit ber
I oorhanbenen Wittel. Weiter aber als biefe Enet*
Y boten, bie im beften $<41 eine Seite ber Sache
I mit bem grellen fiid)t ber Satire beleuchten,
Y reicht bie Kenntnis bes Vublitums im allgemeinen
I nicht. Wie füllte es auch anbers fein! Die mirt*
Y lid)en „Schmieren" leben gang unb gar imter*
I ha© bes Eioeaus, bas aud) in ben befdjeibenften
Y tleinen Vrooingneftern oorhanben ift, bie reifenben
I ©efellfdjaften aber (bie oon ben roirtlidjen
v „Schmieren" burd) eine gange Welt getrennt finb)
I bilben in ben tleinen Stabten, in benen fie ihre
Y Stunft geigen, eine Stafte außerhalb aller fogialen
| Verljältniffe. llnfre 3eit, bie fonft fo grünblich
Y mit ben mittelalterlichen Schranten aufgeräumt
I hat» hat hier eine Stafte ber „fahrenben £eute"
v beftehen laffen, benen ber frieblidje Vürger mit
I einem ©emifd) oon heimlichem ©rauen, heimlicher
: Neugier unb heimlichem Eeib gegenüberfteht.
Y Euch toenn er fich „mobern" gu geben liebt unb
! am Stammtifd) barauf hält, bah er als roelt=
I getoanbter Wann teine übenounbenen Vorurteile
! tennt, toirb feine ©efinnung fd)toerlich jemals eine
Y roirtlid) ernfte V*obe oertragen. Wenn beifpiels*
! roeife fein Sohn (um oon feiner Dod)ter gar nid)t
Y erft gu reben!) ihm eines Dages mit ber ©röffnung
! tommt, bah er fid) nunmehr einer roanbernben
Y Druppe anfd)liehen toolle, ertoachen in feinem
! Vlut fofort alle bürgerlichen Vorurteile, unb ber
Y ^amilientrad) ift im fd)önften ©ang. ©s liegt
! über ben tleinen reifenben ©efellfchaften immer
Y nod) ein letzter Schimmer oom „fahrenben Volt“,
! mit all ber Voefie, all bem ©Ienb unb all bem
Y roirtlich 3roeifell)aften, bas in biefem gall gur
! Sache gehört; ein letzter oerblahter Schimmer aus
Y jenen oergangenen Dagen, in benen ben Sdjau*
! fpielern tein ehrliches Vegräbnis guteil rourbe.
Y Wenn am Ebenb bie Vorftellung gu ©nbe ift, unb
! bie Schaufpieler im oorberen ©aftgimmer fich
Y bei einem Schoppen nieberlaffen, fetjen fid) im
! allgemeinen nur oerroegene 3>unggefellen ober
Y fd)toännerifd)e 3ünglinge ober ©liftengen an
! ihren Difd), benen man in ber tleinen Stabt fd)on
Y immer einen geroiffen reoolutionären ©eift nad)=
I fagte. ©s fei benn, bah fid) ein bered)nenber
v gpnifdjer £ebemann aus Strähmintel einfinbet,
I ber getoiffe Vegiehungen mit ben toeiblichen SDlit^
j gliebern angutnüpfen gebentt. ©r ift im all*
I gemeinen in ben melttlugen Eugen ber Sd)au*
j fpieler unb Sdjaufpielerinnen oiel mehr eine
I tomifche f$figur, als er fidj's träumen läfjt. 3*t
Y ben Eugen bes roiffenbett Steptiters (unb bas
I finb bie Sd)aufpieler in biefem 3all) gibt es nid)t
i leicht etroas Emüfanteres als bie heimlichen §off=
I nungen fo eines Wannes, ber fid) mit aller ©e=
v malt harmlos geben toill, unb bei bem man troh=
I bem bie rote ©lut burd) bie Wefte hmburd)=
Y brennen fieht. ©s hat auf biefe Weife fchon mancher
I bem tleinen ©nfemble auf Wochen hinaus Stoff
J gur Weiterleit gegeben, ber im ©runbe feine eigne
©Weiterung fud)te unb fid)'s bafür aud) etmas
f Eed)tes toften lieh- Was man fo bie „Woral"
gu nennen beliebt, ift in ben „tleinen Verhält*
I niffen“, mie ber Sd)au[pieler fid) ausbrüdt, im
allgemeinen beffer entmidelt als an ben Vühnen
Y ber ©rohftabt, fd)on aus bem nicht übermähig
I astetifdjen, aber burd)fd)Iagenben ©runb, bah fid)
Y bie gufammengehörigen ©lemente innerhalb bes
I ©nfembles bereits gefunben haben. En ben
Y Vühnen ber ©rohftäbte tommt ein Sd)marm oon
I ©horiftinnen gufammen, unter benen mand)e
Y tünftlerifd) mit allem abgefdjloffen, oie!Ieid)t aud)
I niemals mit irgenb etmas tünftlerifd)em an*
i gefangen haben unb bie barum ihre Hoffnungen
I auf gang anbre harten fehen. Selbftoerftänblid)
Y oerläuft aud) in ben „tleinen Verhältniffen" bie
I Sache nicht immer, mie fie hie* gefdjilbert ift;
j aud) hier gibt es, mie 3atob Schaffner es aus*
brüdt, junge 9Beibd)en, bie fd)lanfe 3'inger haben
unb fo lei^t leinen ungerupft baoon laffen.
©ine etmas anbre Stellung nimmt im bürger*
liehen £eben ber tleinen Stabt ber Direttor ein,
ber „Häuptling ber Vanbe“, mie ihn bie Sd)au*
fpieler mehr braftifd) als höflich nennen, menn
fie feinem 3^pter entronnen finb. Eet)men mir
an, bah eine Heine refpettable reifenbe ©efellfd)aft
aus fünf Herren unb fünf Damen beftel)t, unb
nehmen mir meiter für jebes Utitglieb eine Durch*
fdmittsgage oon monatli^ 75 SOtart an, fo hat ber
Direttor, oon Eetlametoften, £ofalmiete, Eeife*
fpefen, Eusftattungstoften gang abgefehen, immer*
hin monatlich einen Verfonenetat oon 750 9J?art.
2Ber aber monatlich 750 9Jtart an ^erfonaltoften
ausgibt, gehört in bem alten, lieben, bummen
Stabtbilb oon fträhmintel bereits gu ben mefent*
liehen ©rfcheinungen, unb biefem mirtfd)aftlid)en
Eäfonnement bringen bie Vürger bes tleinen
Stäbtchens ein oolles Verftänbnis entgegen; mas
man fo bas „Vürgerlid)e" nennt, ift ja im lebten
©runbe nid)ts anbres als eine abfolute Ve=
fdjräntung auf unb eine abfolute Ebt)ängigteit
oon ben ötonomifchen S^ißreffen. Der Direttor
tommt in bas Stäbtdjen nicht nur als Darfteller,
fonbern aud) als ein ©efd)äftsmann, bem ©elb
burd) bie Ringer geht, unb ber ©elb gu ©ergeben
hat. ©r läht 3ettel bruden unb gibt 3«ferate auf;
bas aber freut ben Druder bes Eeftes, unb fo gibt
ber ÜRann auch, mie fich's gebührt, eine honorige
Eotig in ben totalen Deil, bie bürgerliche VSürben
auf ben Scheitel bes Direttors häuft. Um fptelert
gu tönnen, braucht man ein £otal; bie Vorftel*
lungen giehen £eute ins Haus unb mirten überaus
förbernb auf ben Viergenujg- Sollte bas etma
bie 2Birte am Ort nicht intereffieren? SBenn ber
Direttor aber bie 907ad)t hat, bie Vorftellung aud)
einem anbern gu geben, ift er bann nicht ein
Wann, bem man mit allen bürgerlichen ©hren
entgegentommen muh? 23d bem Direttor melben
fid) bie fieute, bie an bie Schaufpieler 3ünmer
oermieten mollen; ber Ortspfarrer menbet fich
mitunter an ihn, menn er ein unmoralifdjes Stüd
ausgufd)Iiehen münfeht, Schulleiter intereffieren
fid» für tlaffifche Schüleraufführungen ober eine
Vallabenregitation in ber Eula, fogar ber fianbrat
gieht ihn mitunter ins Vertrauen, menn er ein
politifd) anrüchiges Stüd auf bistrete Ert befeitigen
möchte. Em Direttor haftet allerhanb oom
bürgerlid)en ©efd)äft, unb fo mirb ihm auch oer*
giehen, menn er nebenher ein refpettabler Sdjau*
fpieler fein füllte, mas in tleinen Verhältniffen
burd)aus nicht fo feiten ift, mie es fich bie Dheater*
fnobs ber groben Vühnen träumen laffen. freilich,
freilich, freilich: Dem Wann etma feine Dodjter
gur grau geben? ©s märe immer mie eine Eeife
in einen fremben ©rbteil, es märe ein abenteuer*
lid)es Schaufpiel, oon bem bie Stabt mit auf* I
geriffenen Eugen oernehmen mürbe, ©ang oer* •
mag aud) ber finangiell gut funbierte Direttor I
niemals bie £uft ber „fahrenben £eute" aus •
feinen Kleibern gu fdhütteln.
*
Was bem Vablitum bann meiter bas Urteil I
erfd)mert unb fdjliehlid) faft unmöglid) macht, ift •
bie grohe Verfdhiebenheit, bie unter ben reifenben I
©efellfd)aften befiehl ©s tommt hier mie überall •
an ber Vühne ein buntes Volt gufammen, Wänn* I
lein unb Weiblein aus allen menfdjlidjen Äate* •
gorien, unb es ift fehr oft Sache bes 3ufaIIs, mie I
bie ©efellfd)aft in bem eingelnen 3all gufammen* •
gemürfelt mirb. ©in Direttor, ber in beftimmten I
Stäbten ein beftimmtes Vablitum hat, mirb •
felbftoerftänblid) fuchen, aus ben manbernben I
Schaufpielerti bie refpettabelften Witglieber her* •
ausgufinben. Da aber gerabe bie refpettablen I
schaufpieler ebenfo felbftoerftänbli^ nach oben •
ftreben, ift bas Waterial einem emigen Wedjfel j
untermorfen, unb felbft ber forgfältigfte Direttor 1
im Vunbe mit bem folibeften Egenten bleibt in j
gemiffen ©rengen auf ben 3ufall angemiefen. 1
©s tann auf biefe Weife bem manbernben Sd)au= j
fpieler begegnen, bah er ben einen Winter in einer 1
©efeilfd)aft oerbringt, bie, menfd)lid) angefehen, j
oortrefflid) ift, mährenb er im nädjften'Winter 1
unter genau benfelben äuheren Umftänben mit j
£euten gufammenlebt, bie er geneigt ift, als 1
£umpenbagage gu begeid)nen. 3^t ber tleinen j
©efellfchaft, in ber id) bas erfte 3ahr meiner 1
Dheaterpraris oerbradhte, batte fid) ein burd)aüs j
anfehnliches Ouantum an menfdjlidher, morali* 1
fd)er unb tünftlerifd)er Düd)tigteit gufammen* j
gefunben. ©s mar ba ein alter, fehr refpettabler 1
Schaufpieler, ber früher an guten Vühnen ein j
ausgefprochenes fiiebhabertalent gemefen mar, 1
unb bem barum mit ber 3ugenb ber tünftlerifche j
Stern hatte erlöfchen müffen. Seine 3mu mar 1
eine mittelmäbige tomifche Elte, bie um feinet* j
millen mitengagiert mar. Die beiben lebten in A
einer ©he, bie an philiftröfer Eegelmähigteit j
überhaupt nicht übertroffen merben tonnte. 3h*£ 1
Dod)tet mar eine routinierte Sd)aufpielerin, bie j
fid) im 3ntereffe bes Direttors mit faft über* 1
menfd)lid)en Kräften abraderte; fie mar ihm j
früher in jüngeren 3af)*en mehr gemefen als ba* 1
mals unb tämpfte nun burd) einen ruinöfen Sleifc j
um feinen Vefitj. ©s gab teine Erbeit, bie fo fd)toer 1
unb aufreibenb mar, bah fie ihr nid)t aufgetragen j
merben tonnte. Sie tonnte bis in bie Vad)t hinein 1
fpielen, in ber Eacht felber mit ber Eabel an ben j
ftoftümen fitjen, am anbern Worgen früh auf ber 1
■^robe fein, nach öer V*obe bie Eequifiten be= j
forgen unb in ber Stabt mit allerlei Veforgungen 1
herumlaufen, abenbs mieber fpielen, in ben j
1911. 9tr. 40
Über £anb unb SJleer
1053
! 3oüfhenpau[en bes Spiels fouff=
f Iteren unb infameren, nad) bem
! Spiel bie ©arberobetörbe paden,
Y unb fie tonnte baneben nodj Sollen
! lernen unb allerßanb häusliche ©e=
j fd)äfte beforgen. PSir hatten bann
! weiter eine junge Aoüi3e, bie in
f Hamburg bie Schülerin eines feßr
■ bekannten Sd)aujpielers gewefen
roar unb für ihren Seruf oiel Talent,
3ntelligen3 unb ©mft mitbrad)te.
3ßr innerer Status erhellt am beften
aus bem Umftanb, baß ber feine,
geniale Däne 3- P- 3atobfen ißr
£ieblingsbid)ter roar. Außerbem
waren 3wei männliche Anfänger ba,
oon benen ber eine oom ©hriftianeum
in Altona bas Abiturium batte, unb
oon benen ber anbre foeben biefe
3cilen fdjreibt. Der Direttor felber
roar ein etroastulturlofer, aberinftint*
tio träftig begabter ftomiter, unb
unfer Sonoioant enblid) hätte fd)lant*
toeg oon uns roeg an eine erfte Ser*
liner Sühne gehen tonnen, toenn er
fich nid)t all3ufet)r auf bie 3Iafd)e
gejcßlagen hätte, ©r gehörte 3U benen, bie nidjt
mehr heraus tonnen, roeil bie 3igeunerfreil)eit
ber tleinen Serßältniffe ihnen ein notroenbiges
Sebürfnis geroorben ift, unb in feiner ©efellfchaft
befanb fid) benn aud) bie einige toeibliche 3igeuner=
eriften3, bie unter uns roar. Sie roar im ©runbe
ein [ehr begabtes warmblütiges ©efdjöpf oon
nid)t gewöhnlicher Silbung, bie aber burd) uw
gesügelte Seibenfdjaft abwärts geführt worben
war. Aus einer im bürgerlichen Sinne [ehr
refpettablen ©he mar fie weggelaufen, um be*
fagtem Sonoioant an3uhängen, unb obwohl fie
längft teinen heilen $eßen mehr am £eibe hatte,
bad)te fie nidd baran, ben Aüdweg in bie oer*
laffenen bürgerlichen Serhältniffe an3utreten, ber
ihr mehr als einmal möglich gemad)t würbe.
Schließlich feien nod) 3wei blutjunge Anfängerinnen
erwähnt, bie bei uns mit 3 u f a m m e n 60 Plart
Theater auf offenem 9Jtartte
Aach einem Ölgemälbe non gran 3 »an ber SOteuIen (£ted)tenftetn=©aletie, AHen)
monatlid) engagiert waren unb fich bamit auch
burdhf^hlugen, unb 3war anftänbig; bie eine
oon ihnen fpielt augenblidlid) an einer erften
Serliner Sühne erftes $ad); bie anbre habe ich
aus ben Augen oerloren, meine aber, baß fie an
tleinen reifenben Dingeltangelgefellfhaften wirtt.
©s geht auf unb ab im ftomöbiantenleben, unb
niemanb, ber eine retfenbe ©efellfchaft oor fich
hat, oermag aud) nur mit annähember Sicherheit
3U fagen, was in ben nächften 3ehn fahren aus
ben babei gewefenen <oerrjehaften geworben —
ober n i ch t geworben ift.
*
Son ber reifenben ©efellfchaft führt bann
über einige wenige 3mifd)enftufen ber Pfab in bas
eigentliche Aeid) ber „Schmiere“ hinab. 3h habe
bie wirtlid)e $elb=, PSalb* unb PSiefenfhmiere
nur einmal in einem baprifeßen Dorf tennen ge*
lernt, in beffen Aäße id) mich als
Sommergaft aufhielt. PSer fie ge*
nauer tennen lernen möchte, tann
auf ein Such bes oerftorbenen Sd)au*
fpielers Soree oerwiefen werben,
©s führt ben Düel „2Beil nod) bas
£ämpd)en glüht“ unb ift bei Som*
gröber in Serlin W im Auftrag
ber Deutfcßen Scßaufpielergenoffen*
fchaft herausgegeben worben. Piit
Aed)t: es enthält in feinem erften
Seil eine fo echte, fo farbige Scßilbe*
rung bes fcßredlicßen Schmieren*
elenbs, baß es in feiner bejonberen
Art tulturhiftorijcßen PSert befißt.
3h perfönlicß tann mir nicht helfen,
ich habe fonft oom Fimmel fo oiel
<rjumor mitbetommen, als 3um £eben
unerläßlich notwenbig ift, aber ich
oermag in b i e f e m Schmieren*
elenb nur eben ©lenb unb rnenfd)*
lidje unb tünftlertfcße ©ntwürbigung
3U fehen, nur eine tiefe, graue Ser*
3weiflung, bie auch oon ben wenigen
grotesten Sichtern nicht erhellt 3U
werben oermag.
3h bewunbere Soree, baß er mit bem
gan3en Piut bes jungen Scßaufpielers biefes
©lenb bureßmaeßen tonnte, ohne bie Weiterleit
ber Seele 3U oerlieren. Als id) es in jenem bapri*
fehen Dorf mit eignen Augen [aß, ift mir ein
Scßauber über bie Want gelaufen, unb ein Stäuber
läuft mir heute noch über bie Waut, wenn ich
baran bente, baß ich als junger, fröhlicher, 3 U*
tunftsgläubiger Plenfd) mit biefen längft
oer3weifelten ©rt[ten3en aus bem unterften
menfchlid)en Proletariat oielleicßt hätte 3ufammen=
leben follen.
3n Deutfcßlanb trifft man biefe $orm ber
Schmiere wohl noch am eheften in Oft* unb SOSeft*
preußen; ihre eigentlihe Heimat ift bas 5to*
möbiantenlanb Öfterreich. Unb aud) hier ftirbt
fie mit jebem Sag mehr aus. Dem Fimmel fei
£ob unb Dant!
VI. Silla Aapeougelstäfig**)
Qirüher lebte ih tu ber primitioen Auffaffung,
O baß, wenn man beifpielsweife einen Stuhl
nötig hätte, man in einen Ptöbellaben ginge
unb fich einen taufte, ober baß man fich Sabat
unb Papier beforgte, weil man fi<h 3tgaretten
3U brehen beabfidjtigte, tur3, baß ber Sebarf
ber Sater bes ©rwerbs unb bie 3bee bie
Plutter ber Ausführung wäre. — Seit ih in*
beffen bie nähere Setanntfhaft bes Öhm Schmiß
gemäht habe (bes Scßmiegerentels eben jenes
guten alten Piannes unb £abenbefißers oom
©deld)e an ber Sehergaff' 3U ©ölten, ben meine
Sante 5tommer3ienrat fih fo ungern als ihren
©roßoater oorftellt), feit ber 3eit weiß ih, baß
bie oorerwähnte Auffaffung befhräntt unb platt
unb eines Pienfhen oon Phantafie, ©emüt
unb ©ipanfionstraft unwürbig ift.
Äönnen Sie fih beifpielsweife auf ber
Safis befagter Anfhauung — bie ihre Dafeins*
berehttguhg übrigens lebiglih einer ftumpf*
finnigen Überlieferung oerbanten tann — tönnen
Sie fih auf biefer Safis ben ibealen 3ufammen=
hang 3wifhen einem 3uderhut, einer befetten
gafanenooliere, einer alten ©asleitung unb
bem fiebensinßaft eines tinberlofen PSitwers
oor [teilen?
Scßm erließ- —
PSohingegen fih bie Sad)e fofort ungeheuer
oereinfaht, wenn man oon ber Safis ausgeht,
auf ber bie ©intäufe bes Öhm Schmiß 3U be*
rußen pflegen.
Der Öhm Schmiß tauft nämlich bei ©e=
legenheit irgenbwann irgenbwo irgenbwelhen
©egenftanb, oon bem auch ber fpetulatiofte ftopf
in teiner PSeife abfehen tann, was im Saufe
ber 3eit bei geeigneten Pletamorpßofen nod)
baraus werben tann, unb er hat fih in biefer
*) Sieße „Über £artb unb Pteer“ Ar. 20, 22,
26, 31 unb 36.
**) Affenoogelläfig: etwas Aärrifcßes alfo.
rr
m
if.
ISj
§artblungsweife immer bie Hoffnung auf bas
berühmte „Pßunberbare“ oorgehalten, auf bas
fo oiele bebeutenb tlügere Pienfhen ihr Seben*
lang oergeblih lauern. Pßas [ehr gut ift, ba ber
Öhm Schmiß fein liebes Pettdjen all3U früh
oerloren hat unb feit ber 3eit immer ein biß*
hen 3wed* unb birettionslos burh bie PSelt ge*
laufen ift.
Der Öhm Schmiß ift außerbem ein Saftler,
bas heißt ein Plenfd), ber — in all3U jungen
fahren 3um Aentner beförbert — feinen nod)
unoerbrauhten Datenbrang an allen möglihen
©egenftänben auslaffen muß. Daraus ergibt
fih eine lebhafte Aeigung 3U folhen Dingen,
oon benen phantafielofere Pienfhen behaupten,
man tönnte fie niht mehr gebrauhen. — Unb
hier tomme ih auf ben 3nfammenhang mit
ben 3nderhüten.
Sie nehmen ja felber niht an, baß fämt*
liehe 3nderhüte ber PSelt ein3eln mit ber §anb
mobelliert werben? Plan hat formen bafür,
Pietallformen, bie, wenn fie befett ober oiel*
leiht aud) unmobern geworben finb, aus*
rangiert werben. PSann nun ber Öl)m Schmiß
3uerft bie Setanntfhaft folher ausrangierter
3uderl)üte mähte, ift niht gan3 genau feft3U*
[teilen, ba fih feit bem Dobe feines feligen
Aettcßens fein Sebenswanbel niht fo präzis
nahprüfen läßt, geft fteßt jebod), baß er fid)
in etwa fieb3ig bis aht3ig Stüd baoon heftig
oerliebte, fie um ein Silliges erftanb unb im
fteller feines Kaufes mit feinen alten ©as*
Ieitungen oereinigte, (©asleitungen hat er
immer; es gibt taum wanblungsfäßigere Ob*
jette als alte ©asrößren.)
Da er aber nun aud) natürlich oon biefer
Serbinbung oon alten 3uderhutformen unb
©asrößren ein Aefultat erhoffte, faß er in ber
$o!ge oiele Dage in feinem Heller unb finnierte,
fpetulierte, taltulierte. Sis ißm auf einmal
eine großartige 3öee tarn.
Aämlid): wenn man auf jeben 3uderßut ein
©asroßr ftedte unb bas bide ©nbe ber 3ucterßut*
^anS Leiters fec.
1054
Über £ctnb unb SOleer
1911. mx. 40
form mit 3 emeut ausgoß — nebenbei eine ent*
3Üdenb unappetitliche Refd)äftigmtg! — fo gab
bas fiebgig bis aditgig eiferne 3 aunpfäl)le, 3 aun*
pfähle, bie überall allein ftanben, bie man gar
nid)t erft ein^ugraben brauchte, 3 aunpfäf)Ie, bie
man fid) gerabepi patentieren Iaffen tonnte!
Dagu tarn bann bie gafanertooliere. Die blieb
nun rein gufällig an hm hängen, als er einen
gremtb befugte, bem feine gafanen leib mären.
Ober oielleiht and) bie eroigen Reparaturen an
ber Roliere. ©s mar eine Riaffe munberoollen
9 Jiajd)enbrai)tes bagu oermenbet, unb es lag tlar
auf ber §anb: menn man ben in geeignete Stüde
gertnipfte unb bie Stüde gmifdjen ben Pfählen
befeftigte, bann hatte man einen 3 aun, ber fid)
gemäßen hatte.—
üößas mürben Sie tun, menn Sie Refher
eines fo patenten 3 <*unes eigner ©rftnbung mären?
3f)n gmedlos im Letter oerroften Iafjen?
3 d) mürbe bas nicht tun. Der Ohm Schoritz
tat's aud) niht. ©r taufte fid) in gmeämäfgger
Entfernung oon ber Stabt, in ber malerifdjen
Rad)barfd)aft einer alten Kiesgrube, ein Stüd Laub
unb fetjte feinen 3 aun ba runb herum. Da es
nun aber eine tümmerlidje Lebensaufgabe für
einen fo ibealen 3 aun ift, ein leeres Stüd Laub
gu befdjirmen, machte ber Ohm biefes Stüd Laub
im Schmeiße feines Rngefichtes urbar unb pflangte
©emüfe barauf. £auptfählih Söhnen. Rid)t,
meil er etma fo gerne Söhnen gegeffen hätte,
aber meil bas eiferne ©erüft oon ber gafanen*
ooliere no(h übrig mar — als famofe LIetter*
gelegenheit für befagte Söhnen unb gleichgeitig
als Sommerlaube für herße Dage.
Run glaubt man aber nicht, mie oerrucht unb
fd)Ied)t bie Rienfdjen finb. Obgmar ber Ohm fid)
fo oorforgtid) oon ber Stabt entfernt hatte, maren
fie and) hier braunen fo nieberträd)tig, bie patenten
3 aunpfäf)Ie einfach hod)3rheben, brunter her 3 U
fchlüpfen unb bem Ohm fämtliche Söhnen gu
[fehlen. Unb es maren an bie gmei 3 entner!
Damit nicht genug, fügten fie gum Schaben gleich
ben Spott unb bängten oor bas beraubte grüne
©ehäufe einen 3 ettel, auf bem gefchrieben ftanb:
„Rapeougelstäfig gu oermieten!" 2 Bas ben Ohm,
gufammengenommen, t)eftig träntte. 9 JiögIid)er=
meife hätte er baraufhin bie Luft an ber gangen
Unternehmung rerloren, menn er nicht gerabe in
biefen Dagen gufällig ©elegenheit gefunben hätte,
einen alten ©ifenbahnmagen gu übernehmen.
Rönnen Sie fid) bie Romantit eines alten
©ifenbahruoagens oorftellen? Rßohloerftanben,
eines Rßagens, ber, räberberaubt, als 2 Bol)n=
gelegenheit bient? Pegottps Soot im „Eopperfieib"
mar ein befd)eibener Sorläufer baoon, aber Pe*
gottps Soot hatte nicht halb fooiel erlebt unb mar
nicht halb fo oerlodenb beengt. — RIs ber Ohm
ben SBagen nur fah, erftanb in feiner Phantafie
fogleih bas Silb einer munberoollen Sommer*
frifche, oon ber aus man bie nächfte Sohnenernte
mürbe übermachen tonnen, ©r jagte triumphierenb
gu fid) felbft: „Ru mäht! Ru jitt et ene Rape*
ougelstäfig!" unb teilte in ©ebanten fofort färnt*
liehe Rbteile in bie gu einer Sommermohnung
erforb erlichen Lotalitäten ein: Schlafgimmer,
2 ßoI)ngimmer, Rüche, ©erätetammer unb Ijütmer*
ftall. Der 3 >üt)nerftaII oerftanb fid) am Ranbe.
Rönnen Sie fid) eine richtig gehenbe Sommer*
frifche ohne kühner oorftellen?
Der äBagen mürbe meiß angeftrid)en, triegte
ein rotes Dach unb hödjft tunftoolle genfterläben,
burd) bie man mittels eines tompligierten Riech a*
nismus mol)I oon innen heraus, nicht aber oon
außen hroeirt guden tonnte, fo baß für etmaige
©artenfreoler auch in Rbmefenheit bes Refißers
biefer Silla beftänbig bie brohenbe Riöglidjteit
beftehen blieb, er mürbe plötjlid) als ©ott ber
Rache tüuter ben grünen genfterläben heroor*
brechen. RIs bie ©ef<hi<h±e fertig mar, mar ber
Ohm nicht nur [ehr gufrieben, fonbern aud)
ungemein befdjäftigt: allein bie kühner baoon
abguhatten, beftänbig Unheil im ©emüfe angu*
richten, mar eine Rufgabe, ber er fid) allein taum
gemachfen fühlte. Unb ba er gu eben ber 3 eit
mit Leichtigkeit an einen Poften gut erhaltener
Petröleumfäffer tommen tonnte, tarn ihm ber
naheliegenbe ©ebante an einen £>unb; ich nehute
an, Sie finb barüber unterrichtet, bah es teine
befferen^unbehütten gibt als alte Petröleumfäffer?
3 <h muh io uun gefteheit, ich toürbe einen groben
$unb gmedmähig gefunben hoben, unb gmar einen
ausgemadjfenen groben $unb. Rber es gab ba
in bes Ohms Retanntfhaft eine Derrierl)ünbtn,
bie [ich mit einem Lönigspubel eiiigelaffen hatte.
Die Probutte biefer Liaifon fahen fo mertmürbig
aus, bah fie erfäuft merben follten, mäs bem
Ohm fchredlid) leib tat. Ruberbem, jagte er [ich,
ein Derrier ift machfam, ein Pubei tlug, folglich
ift bie Rreugung machfam unb tlug! Soll man
fid) ein fo tluges, machfdmes Dier entgehen Iafjen?
gnfolgebeffen lieh er fid) eins biefer Sabps per*
ehreü. gür bas Petroleumfaß mar es ja freilich
noch etmas [ehr fugenblich: es mar erft acht Dage
alt unb nahut fid) in ber ihm gugebachten Sehau*
jung aus mie ein RSatteflod im Lohlenteller.
Uberbies [teilte [ich heraus, bah es gunähft
beabfichtigte, nichts gu tun als gu fpielen unb
9 Rild) gu fi<h gu nehmen. 2 BeId) leßteres ben Ohm
auf bie nad)bentlid)e ßbee braute, bah eine Ruh
bod) eigentlich auch ein [ehr nützliches unb lutra*
tioes Dier märe.
Der ©ebante hotte etmas 23 efte<henbes. So
eine Ruh — bas ift eigentlich bod) erft bie Seele
ber Lanbmirtfdjaft — fd)on megen ihrer Reben*
probutte. Rber fo eine Ruh ift leiber auch ein
[ehr geräumiges Dier, unb ihre Unterbringung
in einem Eifenbahnabteil bietet ftgrte örtliche
Sdjmierigteiten. Ruch tarnt man fie im $erbft
nicht ftüdmeis fd)Iad)ten mie bie kühner, ober
auf ber ©tage überrointern mie einen $unb —
ba aber leiber bas ©tabliffement oorläuftg Iebiglich
auf ben Sommerbetrieb eingerichtet mar, muhte
ber Ohm einftmeilen auf bie Ruh oergichten.
Sd)meren ^ergens: er hotte fid) in ©ebanten fchon
gang an bie tuhmarme Rtildj gemöhnt. Unb nur
bie intenfioe 23 efd)äftigung mit ber oermuteten
^unbeintelligeng brachte ihn etmas über bie Ruf*
gäbe biefer 3 bee htumeg:-bas liebe Dier hotte
nämlich oon feiner Riutter nur bie Reigung
geerbt, alles unb jebes, oon ben ©arbinen bis gum
Stiefeltned)t, gu gernagen, oon feinem Rater
bagegen ben Sdjnürpelg mit feiner erhöhten Rn*
giehungstraft an jene parafitären Lebemefen, bie
in guter ©efellfchaft gumeilen mit Riüden oer*
mehfelt merben.
Rber als ber Ohm eben bamit befdjäftigt mar,
ben Pubeiterrier Ieinenführig gu machen —mas
hauptfächli<h barin beftanb, bah ber Jowtb bie
Leine mit grobem ©efd)id fremben Leuten um
bie Reine midelte, morauf fie hinftürgten, fhimpften
ober beibes taten — tarnen fie eines Dages an
einen piah, mo man eben ein breiftödiges ©e*
fdiäftshaus abbrad). Der Ohm mitfamt bem
§unb gudten anbädjtig gu — mobei ber Ohm
bie ^Beobachtung machte, bah bas ^olgmert biefes
^aufes, oor allem bie Düren unb genfter, eigent*
lieh noch munberooll erhalten mären! RSahr*
haftig — fie maren noch fo gut mie neu! Reffer
mie neu, neue Düren oergiehen fid) fo leicht!
Der Ohm bähte an bie hm entgangene Ruh,
an feine hhgemorbeten kühner. Unb bann fah
er ben Derrierpubel an, ber gemih auh lieber
ohne bas Leinhen übers gelb faufte. Unb bann
fah er noh einmal bas mohlerhaltene ^olgmert
an mit ber tief finnigen ©rmägung: marum mohne
id) nun eigentlih im RSinter in ber Stabt? RÜt
ben nötigen 3 utaten gäbe bas boh gemih ein
prahtüolles $aus!
Rm Rbenb biefes Dages hatte ber Ohm bas
fo mohlerhaltene Dür* unb genftermert täuflid)
an fih gebraht. Unb tm grühiahr erftanb im
rechten Rßintel gu ber fommerlihen RSagenoilla
ein minterfeftes Palais, ©s hatte eine Haustür,
eine Hoftür, eine Reranbatür, eine Hintertür
unb eine Dür fo allgemein ins greie, unb ein
Doppelfenfter auf [eben Ouabratmeter feiner oier
gtonten. (©r hätte es gern reht hetH fagte ber
Ohm.) Die Sommeroilla betam anftatt ber R 3 oI)n*
gemäher fo oiele Ställe, als fie Rbteile hotte,
unb bamit bie Rnlage nicht ber Symmetrie ent*
behrte, erftanb ihr gegenüber ein maffioer Stall
für geräumigere Diere. ©r hotte brei Düren, ber
Stall, au her ber für bie Diere, unb ein Dürmchen
aus oier genftern mit einem Dad) aus oier rot*
geftrid)enen DürfüIIungen, mas fih höhft elegant
ausnahm. Unb als aud) bas Dürmhen fertig mar,
fah fih ber Ohm als beglüdter Refiner bes begau*
bernbften Rnmeferis, bas je aus einem alten
3 uderhut heroorgegangen ift. ©r nannte es pietät*
ooll „Retthensruhe" (oielleiht, meil bas felige
Retthen Ruhe baoor hatte, benn fie hotte geit*
lebens einen heftigen 2 BibermiIIen gegen febe Rrt
oon Lanbmirtfhaft unb Dierholtung gehabt), unb
er ftanb baoor mie ber £err an jenem Sd)öpfungs=
tage, als er bie Releuhtung unb bas 3 ooerttar
fertig hotte unb fih bie Lebemefen überlegte.
Denn nun tarn bas R 3 id)tigfte: bie Reoölferuug
ber Retthensruhe.
©s ift burhaus niht abgufehen, nah o^elher
Rihtung hw fidE) biefe Sähe entmidelt hoben
mürbe, menn ber Ohm in feinem Radjbenten
über biefen Punft nicht oon einem armen Reifenben
unterbtohen morben märe, ber ihn um ein Paar
alte Sd)nbe anging.
Diefer Riann (Ruguftin Rümphen hieh er)
fah fo oerhungert aus, bah er bem Ohm intenfio
leib tat. Unb ba fid) im Laufe eines näheren
©efprähs ergab, bah er gmeimal Rushilfstellner
gemefen unb in feiner Rinbheit einmal meihe Riäufe
befefjen hotte, befhloh ber Ohm unoergüglih^
ihn in Rnbetradjt fo oorgügliher Rorfenntniffe
für feine gulünftige Lanbmirtfhaft gu engagieren.
Unb mit biefem Rianne tarn bas nah Retthensruhe,
mas bei alltäglicheren Unternehmungen, mie an*
fangs bemertt, guerft bagufein pflegt: bas ©runb*
pringip, bie leitenbe gbee.
Ruguftin Rümphen mar ein furchtbar armer
Deufel. ©leih als ergumerftenRiale auf Retthens*
ruhe fpeifte, fahen ber Ohm unb fein Pubeiterrier
fhmeigenb babeiunb freuten fih barüber, mas biefer
Riann in fih hiueinfhlagen tonnte. Unb Ruguftin
Rümphen mar — abgefehen oon einigen ihm nun
mal eigentümlichen irrigen Ruffaffungen auf bem
©ebiete bes ©üterred)ts — oon fo feuriger
Dantbarteit über feine Rnftellung, bah es ben
Ohm fhier gu Dränen rührte. Ruguftin Rümphen
brachte ihm erft gu Remuhtfein, ein mie guter
Rtenfh er eigentlih märe, unb er ging tagelang,
in jener gehobemfeierlihen Stimmung einher,
bie beim Homo sapiens bie Regleiterfheinung
guter, oerftänbiger ober Iiebensmürbiger $anb*
lungen gu fein pflegt.
Das Refultat biefer Stimmung äuj)erte fih
gum erften Riale hanbgreiflid), als ber Ohm aus*
ging, eine Rlild)tuh gu taufen unb ftatt beffen gu
feinem Derrierpubel noh einen — unb gmar einen
herrenlofen, tränten irjunb mitbrahte. ©r hotte
ihn gefunben, mar unmiberftehlih on Ruguftin
Rümphen erinnert morben — unb ber tränte
$unb begog ein -Quartier in bem meifjen RSaggon,
mo er oon Ruguftin Rümphen mit oollem Rer*
ftänbnis für feine Lage oerpflegt mürbe.
Das nähfie ©efhöpf, bas ber Ohm als Re*
fultat eines ebenfalls im Leim ftedengebliebenen
Luhhonbels mitbrahte, mar ein ungeheuer magerem
Pferb, bas oor einer Sanbfuhre bis gum Umfallen
mihhonbelt morben mar. Diefes Pferb mar faft
nod) bantbarer als Ruguftin Rümphen, benn nah 5
bem es fih erft ein bihhett betrabbelt hotte, ergab
fih’s, bah es fih auf ben blohen Llang einer
beftimmten Rielobie auf bie ^interfühe [teilte
unb fih um fih felber brefjte. RSas nicht nur feine
ülufire Rergangenheit als 3 bduspferb 3ur ©enüge
bartat, fonbern mas oom Ohm gerabegu als Qoa*
tion aufgefaht mürbe.
Ron nun an mürben auf ber Retthensruhe
irgenbmelhe Lebemefen unter grunbfählihem
Rusfhluh aller unb jeber Rühlihteits* ober Shön*
heitspringipien lebiglih oom humanen ©efid)ts=
mintel aus angefhafft. Retthensruhe mürbe gum
Dierparabies — gum Sanatorium für alles traute
ober mihhonbette Riehgeug auf oier Rieden in
ber Runbe — turg: Retthensruhe hotte feine
Reftimmung entbedt! ©s hotte feine Reftimmu.ng,
entbedt unb hotte allen ©runb, fih nunmehr
für ein lang entbehrtes gnftitut gu holten! Unb
als alle Ställe befept maren, ftanb ber Ohm
erhobenen unb gerührten Dergens baoor unb tarn
fih nunmehr oor mie ber liebe ©ott am fehften
Sd)öpfungstage — als er nämlich fanb, baj$
alles gut märe. Der Pubelterrier fah ungeheuer
überlegen brein, als mollte er fagen: 3 o, menn
ich niht Ieinenführig gemäht morben märe!
Ruguftin Rümphen aber faltete bie §änbe über
einem angehenben Räud)Iein unb plante über*
mältigt heraus: „Der reinfte Rapeougelstäfig!"
©leih barauf hätte er fih am liebften bie
3 unge abgebiffen. Der Ohm fah ilm oon ber
Seite furchtbar fhorf an, unb mit einer Erinnerung
an feine feligen Rohnen ftieg ein finfterer Rer=
bäht in ihm hoch- Dann aber erfaßte ihn eine
großartige unb heroifhe Regung.
„Ruguftin!" fagte er. „Ruguftin! Du hä&
red)!“ — ging hin, holte fid) einen Pinfel unb
fhrieb eigenhänbig über feine Haustür: Rillet
Rapeougelstäfig.
„Dä!" fagte er, als er fertig mar.
llnb bamit hatte bas ©tabliffement mit feiner
mähren Reftimmung auh feinen mähren Rauten
— Ruguftin Rümphen bemüht fih feit ber 3 eit,
fih feine grrtümer begügüd) bes ©üterred)ts=
abgugemöhnen, unb ber Ohm hot eine Lebens*
auf gäbe unb ift ungeheuer ftölg unb glüdlid)-
llnb menn Sie irgenbeinen unbefhäftigten
Rermanbten haben, fo tann id) 3 h nen nur emp*
fehlen, ihn mit ber Rtethobe bes Ohm Schmiß,
betannt gu mähen. Denn es hot noh lange niht
jeber oon irjaufe aus bas Dalent, fih ben ihm not*
menbigen Rapeougelstäfig aus einem alten 3 oder*
hut herausgutonftruieren.
1911. 9lr. 40
Über £artb unb Stfteer
1055
pas pipertXcmö
BfrtRar»
bas Lanb felbft. Uber ©alla, Somali, ©uragi,
Sdhantala, bie untereinanber burd) nichts,
nicht einmal bie garbe, oerroanbt finb,
herrfchen bie 2lbeffinier, beren Stämme
toieberum getoaltige Unterf «hiebe in 21usfehen,
©haratter unb Sprache aufroeifen. gür uns
beanfprud)t ber Aönigsftamm, bie Sdjoaner,
bas größte gntereffe, roeilbie Leute oon Sdhoa
als bie eigentlichen Herren, über bas gan^e
Lanb als Solbaten unb 23 e amte oerteilt,
bas 21 beffiniertum mafzgebenb repräfentieren.
Der Europäer ift 3 unäd)ft oon bem höf=
Iid)en, jtets oerbinbltd)en unb toürbeoollen
SBefen bes 2lbeffhtiers ent^üdt. Die roeniger
fpmpatbifdjen ©tgenf «haften, gaull)eit unb
Umoahrhaftigteit, entbedt er fpäter, bafür
aber um fo grünblich er. ©s ginge ja aud)
gegen alle Regeln, toenn ber 2 lbeffinier anbers
feintoollte, benn er ift Orientale, rechter Oriem
tale. Der Orientale aber ift nie ein gbeaüft,
fonbern ein äufzerft profaner ©goift, beffen
9Jloralbegriffe PUttel geftatten, bie für uns
oertoerflid) finb. gaulheit ift feine Seligteit,
2!Bal)rI)eit unb Lüge finb nicht Sache ber
j äRoral, fonbern o^erben nach ihrer SRütjIidj 1
feit beroertet unb angeroanbt. Som Stanb=
punft bes Orientalen ift ber Sdhoaner 3 U
preifen, benn er tut abfolut nichts, führt aber
i als ©ebieter, ben frembe 2 Irbeit ernährt, ein
gutes Leben. Durch bas Lieb: ,,Hb' immer
Treu unb 9teblid)teit" fällt er nid)t auf bie
—I Heroen.
Die 5Ueibung bes 2lbeffiniers ift toeifc unb
befteht aus §ofe, §emb unb einem roeiten Xtber=
ojurf, ber Schama. Seim Solbaten oeroollftänbigen
©entehr, Patronengurt unb ber frumme Säbel
ben 21 n 3 ug. Der Säbel toirb rechts getragen
unb fteht, roeil er am Leibriemen feftgenäht ift,
toie ein ijunbefd)toan 3 nach hinten.
Der oornehme 21beffinier trägt über ber Sd)ama
einen fd)umr 3 feibenen, oft foftbar beftidten StRantel
unb einen breitträmpigen, filbergrauen, unten
grün gefütterten gil 3 hut. Den gleichen §ut tragen
oornehme abeffinifdhe grauen über ihrer aus
oielen fd)malen, toie feftgeflebten gleichen be=
ftehenben grifur. gn ber 5Ueibung unterfd)eiben
fie fid) faft gar nicht oon ben SOtännem. gaft
alle Sölter 21beffiniens lieben es, fi<h Butter in
bie irjaare 3 U [«hmieren, ftinfenbe, ranßige Sutter.
©s ift oft ergötzlich, 3 U fehen, toie auf ben 901arft=
Plätzen bie Putzfüd)tigen [ich fch einbar als Käufer
ben Stänben ber Sutteroertäuferinnen nähern,
bie ©üte ber 2 Bare prüfen, plötzlich mit rafchem
©riff eine §anboo!l Putter an fidt) reifen, auf ben
ftopf furnieren unb fortlaufen, ©erfolgt oon bem
Schimpfen ber ^Betrogenen.
Die 2Ibeffinier finb foptifche ©hriften. Das
Oberhaupt ihrer 5ür<he ift ber 2lbuna ober ©r 3 =
bifchof, ber nach altem ©efetj ein ägpptifcher ftopte
unb oom Patriarchen in 21Ieranbrien beftätigt
fein mufz. 9tach ber 3at)l ber Priefter unb Mönche,
ber 5fird)en unb ftlöfter foroie ber Feiertage —
es gibt ihrer etroa 3 toeihunbert — müffen bie
beffinien ift ein an fd)roffften ©egenfätjen
bah feine
reiches Lanb. Pid)t nur, . ,.
Söltertarte bie oerfchiebenften Waffen auf*
toeift, bietet bas Laub tlimatifct) unb lanb*
fdhaftlich gleichfam im 2 Ius 3 uge toie eine gute
Parabigmenfammlung alles, toas ber gan 3 e
grofze ©rbteil an ©igentümlid)teiten in fi<h
birgt. 2Bir finben in 2Ibeffinien XBüften, fo
öbe unb tot toie bie Sahara, in ben Stiebe*
rungen 2BäIber unb Sumpfgebiete in ber
taufenbfarbigenfchillernben Prad)t ber Tropen,
fruchtbares 21 äerlanb, auf bem alle tropifdjen
unb europäifdhen Kulturen gebeihen, üppige
SBeibelänber mit reicher Sieh 3 U<ht, Steppen,
in benen fidh alle 2 lrten afritanifchen 2 Bilbes
tummeln, unb roüftes Serglanb bis herauf
3 um Hochgebirge. gn ben Sftieberungen herrfdjt
tropifdje Hitze, bis über oier 3 ig ©rab im
Schatten, ohne merfliche nächtliche 21btül)*
Iung, toährenb in ben I)öh ere rc Lagen bie
Temperatur oft unter 9tull ©rab fällt. gm
Hochlanb Spmien liegt oft toochenlang Sdhnee
unb ©is.
9Jlan nennt 2 Ibeffinien bie afrilanifd)e
Schtoei 3 . Die Serfd)iebenheit ber §öl)en=
lagen, ber Soben* unb 2Bafferoerl)äItniffe
biefes nur toenige ^Breiten oom Äquator ent=
fernten Serglanbes finb bie Urfad)en ber ab=
normen ©egenfätje.
Dem 21eifenben, ber 21beffinien oon Dji=
buti am Sübenbe bes 91oten äReeres aus
befud)t, 3 eigt fid) bas Laub 3 unächft oon einer “
fürchterlichen Seite, ©in ettoa breihunbert
Kilometer breiter SBüftenftreifen ift bem frud)t^
baren Lanbe oorgelagert. SBüfter, toter Sanb=
hoben toechfelt ab mit ©eröllhalben, bie bie Sonne
fd)tüar 3 gebrannt h^X ba 3 toifd)en fpärlid) bürrer,
oertrüppelter Dornbufd). gern ragen hohe, tahle,
bi 3 arr geformte 23ergtetten, bie bas Tote, §off=
nungslofe ber Lanbfchaft nod) oerfdjärfen. 21m
ftahlblauen Fimmel brennt, glüht bie Sonne unb
überflutet alles mit grellem, flimmernbem Lid)t.
Der ©runbton bes 23ilbes ift ein fahles ©elb, ©elb
unb ©rau in allen Schattierungen finb bie einigen
garben. SRur in ber 9 ?egen 3 eit mifd)t fid) an
ben toenigen Stellen, ojo fpärlicher Sufd) gebeizt,
ettoas ©rün in biefes ©inerlei.
Unb hoch roohnen in biefer 2!Büftenei SRenfchen,
Somali, bie hier mit ihren gerben ein befdjroer-
liches, aber freies ^Romabenleben führen. 2 Bo
ein ärmlid)er grüner gled fidh 3 eigt, finb fie ficfjer
mit ihren abgemagerten Ramelen, 3 ieQen unb
Schafen, auch 9ünbern unb Pferben.
hinter ben Sergen beginnt bas Lanb beffer
3 U ojerben. Der tahle Sanb oerliert fi<h mehr
unb mehr unb roeicht buntelm, frudjtbarem §umus=
hoben, ber 23uf<h roirb bidhter, grüner, mannig=
fad)er, es geigen fidh hi^r unb ba ©ingeborenem
tulturen, bis enblidh reidjlicher quellenbes 2Baffer
bas Lanb in ein parabies oerojanbelt.
23on ben §öhen fchroeift ber 23Iid über üppige
gluren, 21 der reiht fid) an 2 lder roie bie
gelber eines Schachbrettes, überall Dörfer unb
fleißige 91?enfd)en. Ober es behnen fidh roeite
grüne Partlanbfd)aften mit gerben blühenben
Siehs. Pal)e ben glußläufen mit fteilen 9?änbern,
bie bie 9Jtädhtigteit bes fruchtbaren 23obens ertennen
laffen, erftreden fich pradjtoolle SBälber. Sd)irm=
aia 3 ien breiten ihr roeites, flad)es Dach aus, unb
ftanbelabereuphorbien reden roie riefige Leuchter
ihre 3^oeige empor. Die reichften ©ebiete finb
bie Prooin 3 en $arar, 2Ibba, Pruffi, ©rmatfchu,
namentlich aber itaffa, bie §eimat bes ilaffees,
roo ber ilaffeebaum toilbtoachfenb oortommt. Der
21beffinier fagt oon Äaffa, man tönne teinen Stod
abfd)neiben, ohne ©n oom ftaffeebaum 3 U nehmen,
unb teinen Stein toerfen, ohne in ein bebautes
gelb 3 U treffen.
Das abeffinifd)e §odhlanb mit feinen grünen
2BiefenfIächen erinnert in manchen Puntten an
unfre 21 Ipen. ©s herrfd)t hier ein gleidjmäfjiges
5Utma, bie Temperatur im Sommer ift faft euro=
päifdh 3 U nennen. 3n $öf)en oon 4000 XRetern
über bem SCReeresfpiegel roeht eine reine, gefunbe
23ergluft, bie biefen Teil Pbeffiniens 311 einem
Luftfurort erften langes eignen toürbe.
Die abeffinifdhen Serge roeifen aber auch
realere SBerte auf. 3 ah^eid)e gunbe an ©olb,
Silber, Tupfer, ©ifen unb 5tof)le hoben bie Ser=
mutung begrünbet, bah hier bas alte fagenhafte
©olblanb Ophir liegt.
Die Seoölferung 21beffiniens feht fidh ous faft
noch roiberftrebenberen ©lementen 3 ufammen als
,
;m 1
ik.
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]056
Über £artb unb 5CReer
1911. 9tr.40
Abeffinier fromme £eute [ein. 3 eremoniell rote
in allem, begehen fie gewiffenhaft it>re oielen Krd)=
Iidjen geiern, befonbers bas Ofterfeft. 3m übrigen
befdjränK fid) aber bie grömmigteit auf bas fragen
eines Keinen filbernen ober eifernen Kreuzes;
beftimmenb auf bie £ebensfül)rung bes Abeffiniers
wirft bie Religion taum.
Nian macht fid) in ©uropa oielfad) falfd^e
Vegriffe oon ber „Kultur“ ber Abeffinier. Die
3af)lreid)en Verid)te über bas £eben am <rjofe in
Abis Ababa, and) Silber, bie Ntenelit im Automobil
ober bei ber VefidEjttgung oon 9 NafdE)inen 3eigen,
haben bei uns Abeffinien populärer gemad)t als
irgenbein anbres £anb Afritas unb Vorstellungen
oon faft europäischen Verhältnissen erwedt. Nichts
tann falscher fein! £ie Abeffinier, an ber Spihc
Ntenelit, Sinb echte Orientalen, bis ins Ntart
Orientalen. Nur in Seltenen gällen Sieht ber
Kaifer in ben Neuerungen, welche bie gremben
il)m bringen, einen Nutzen für [ein Volt, toie es
ihn braunen tann. Oie meisten europäifdjen
©rfinbungen, 9 CRafdE)inen unb fo roeiter, bie ihm
3um ©efd)ent gemad)t roerben ober 3U bereu Ve*
Stellung ihn getoinnSüchtige ©riechen unb Armenier
oeranlaSSen, erregen nur feine Neugierbe toie ein
intereffantes Spiel3eug. ©r befieht bas neue
SBunber eingehenb, probiert es aus — unb läfjt
es liegen, ©utmütig, höflich unb ooll anertennenber
Artigteit, targt er nid)t mit fchmeidjelhaftenSBorten
über eine Sache, bie ihm abfolut gleichgültig ift.
Nur bem Vorteil, ber ihm oon aufcen tommt,
unb 3toar bem eignen toie bem bes £anbes, ift er
3ugänglid), aber nur bem Vorteil, toie er ihn als
Stodabeffinier oerfteht. Kein Abeffinier hat je
baran gebadjt, fid) 3U europäifcher Kultur 3U be*
tehten, aud) ber Kaifer nid)t. Sie toollen reine
Abeffinier bleiben, laffen fid) hödEjftens Ver*
befferungen gefallen, bie ihre ©igenart aber nid)t
Stören bürfen. 3 roei tleine Anetboten mögen bie
Anfdjauungen bes Abeffiniers üluftrieren.
Nas SNatonen, ber oerftorbene Statthalter
oon §arar, bem man ©eiftesgaben toie [einem
i^aifer nad)rühmte, hatte ben Krönungsfeierlid)*
teiten für König ©buarb in fionbon beigetoohnt.
Nach längerem Aufenthalt in ©uropa lehrte er
in fein £anb 3urüd. gu ber erften ©eridhtsfihung,
bie er abhielt, tourbe ihm ein Niann oorgeführt,
ber toegen eines geringfügigen Vergehens ange*
tlagt toar. Ntatonen, ber fonft ein Sehr milber
Nichter toar, oerurteilte ben Armen 3U einer
barbarifdjen Strafe, ein Arm unb ein Sah Sollten
ihm abgehadt roerben. ©efragt, toie er ein [o
bratonifdjes Urteil habe fällen tönnen, Sagte ber
Nas, er roolle nid)t, bah es heifce, Nas Ntatonen
fei jeht 3ioilifiert.
3m gal)re 1878 brachte ber italienifd)e gor*
fdjungsreifenbe ©ecd)i im Aufträge ber italienifd)en
©eographifd)en ©efellfd)aft Ntenelit ©efd)ente,
barunter and) ein tunftoolles Dotument, bas
Ntenelit 3um ©hrenpräfibenten ber ©e[ellfd)aft
ernannte. Anfänglich tourte Nieneli! nicht, toas
bas Vapier bebeuten Sollte. Als er aber begriffen,
30g er in feinem Sinne bie Konfequen3en. ©r
lieh fid) bie Ausrüstung ©ecd)is 3eigen unb fragte,
ob bie Sachen ©ecd)i ober ber ©efellfchaft gehörten.
Ahnungslos Sagte ©ecchi, fie feien ©igentum ber
©efellfdjaft. Sofort Suchte Ntenelit
Sich aus, toas ihm gefiel, unb Sagte
auf bie Vrotefte bes armen ©ecd)i,
in bem Vapier ftänbe, bah er
bas $aupt ber ©efellfdEjaft fei,
mithin habe er über bas ©igen*
tum ber ©efellfd^aft 3U oerfügen,
nicht aber ein einfaches Niitglieb.
Neinete gudE)s hätte genau [0 ent*
Schieben.
Neinete Sachs tönnte über*
haupt ber Nationalheilige ber
Abeffinier fein. Seine Klugheit,
burdjtriebene, ftrupellofe Diplo*
matte, fein Schlagfertiger, oon
Sentiments nid)t geplagter Ver*
ftanb fänben im £anbe $abef<h
oerftänbnisoolle Verehrung.
Diefe tlugen Abeffinier, bie
bas £anb toie Sauerteig burd)*
bringen, bilben einen oerhältnis*
mähig tleinert Veftanbteil ber
Veoölterung. Das ©ros befteht
aus ben oer[d)iebenften Völtern
unb Völtdjen, weld)e bie Abeffi*
nier unterroorfen haben. Von
biefen intereffieren uns nament* .
lid) 3toei, bie Somali unb bie ©alla.
Die Somali roohnen in ben oben VSüften*
Strichen im £)ften Abeffiniens. 3 hre oielen gröberen
unb tleineren Stämme befehben fid) 3toar unter*
einanber oft genug, halten aber, hauptsächlich
burch ben gflarn geeint, gegen auhen 3ufammen.
Unter ben Somali befteht eine Art greimaurertum,
bas jeben Somali ben anbern gegen grembe
unterftühen läht, bei ihrer burchtriebenen Sd)Iau*
heit oft fehr 3um Schaben bes gremben.
3 eber Neifenbe macht ba im SomaKIanbe
feine böfen, mand)mal aud) heiteren ©rfahrungen.
So hat ber nod) arglofe ©uropäer jeben Abenb
©elegenheit, in feinem £ager eine ausgebehnte
©aftfreunbfd)aft 3U betätigen. irjaben bie Diener
bie letzte Arbeit getan unb beginnt bas Abtochen,
fo [teilen fid) mit einem Nlale 3ahlreiche ©äfte ein.
2 Bie aus bem Voben getoachfen finb fie plö|IidE)
ba unb begrüben als Väter, Ontel ober Vrüber
bie Somalibiener, bie fie nie 3uoor in ihrem £eben
gefehen haben. Auf beiben Seiten ift bie greube
groh, unb bie lieben Vertoanbten bleiben 3um
©ffen ba. Am Ntorgen aber, toenn bie Arbeit
toieber beginnt, bei ber oielleicht ihre |>ilfe in
Anfprud) genommen roerben tönnte, finb bie
©äfte Spurlos oerfdjrounben. Aud) unterwegs,
bis 3um Abenb, laffen fie fidE) nicht bliden, obroohl
fie tagelang bem freunblidhen ©rnäbrer folgen,
bis biefem bie Augen aufgehen unb er bie Nichts*
nutje 3um Deufel jagt.
£ibj 3 affa, ber tünftige 51 aifer oon Abeffinien
Die Somali finb bie geborenen §änbler, fie
hanbeln mit allem unb überall. 3hr befdjeibener
Neid)tum befteht im Vefih non Viehherben, mit
benen fie als freie Nomaben oon VSeibeplatj 3U
SBeibepIah 3iehen. An ihrer SBilbheit unb Nul)e=
Iofigteit finb bisher alle 5 tulturoerfud)e gefd)eitert.
Obroohl bie öftlidEjften Deile bes Somalilanbes
in europäifchem itolonialbefih finb unb ber Neft
3um f abeffinifd^en NeidEje gehört, finb bie Somali
tatsächlich unabhängig. 3 hre Unterwerfung ift
eine papierene, benn, abgefehen oon ben ©ren3*
ftridE)en unb ben Keinen Stäbten in ben Kolonien,
finb irgenbwelche §oheitsredhte nicht gegen fie
geltenb 3U machen.
©egen ben geheimnisoollen NI ab Niullah
haben bie ©nglänber, 3 taliener unb Abeffinier
jahrelang ftrieg geführt, ohne bas minbefte
3U erreidjen. Die Dattit ber Somali ift bentbar
einfach- Sie loden ben ©egner in bie waffer*
lofeften, unwirtlichsten ©egenben ihres £anbes
unb überlaffen es bort feiner ©infidEjt, um3utehren
ober 3U oerburften. 3 ebenfalls bentt ber Somali
nicht baran, fid) einem Starten ©egner 3U Stellen.
Die Natur tämpft ja für ihn. Anbers aber bei
Keinen feinblichen Abteilungen. Diefe macht er
bis auf ben lebten DNann nieber. Die Abeffinier
tönnen hieroon ein £ieb fingen. Oft finb abeffinifdje
Solbatentrupps in bas Somalilanb ge3ogen, um
ben Dribut ein3utreiben, aber nid)t 3urüdgetehrt.
Von ber SBilbheit ber Somali, oor allem ber
Somali* 3 Sfa, hört man im ©afe be Ia Vai* in
Djibutt fd)redliche ©e[dE)id)ten er3ählen. Das
3Sfalanb ift [el)r arm unb tann nur wenige ernähren.
Der junge 3 Sf© ber eine 3 <ttnilte grünben will,
muh batjer erft Vla^ für feine NadE)tommenfd)aft
machen. So barf er erft bann oor feine ©rwät)lte
treten, wenn er minbeftens einen 3änb getötet
hat. 3 nm 3 eid)en bes fo beftanbenen Vraut*
erametts fchmüdt fid) ber Sieger mit einem Arm*
ring aus ©Ifenbein. Der ©uropäer geniest hier
einen Vor3ug. Die Vernichtung eines ©uropäers
gibt nämlich bas NedEjt, gleich 3wei Ninge an3ulegen.
Die Somali finb ein aufjerorbentlid) fdEjöner
9 Nenf^enSdE)Iag. Die Niänner finb prädjttge
fdhlante ©eftalten mit [dentalen ©efidhtern, bie oft
prad)tüoIle 3 üge aufweifen. Unter ben grauen
gibt es eigenartige Schönheiten, wie man fid)
bie grauen aus ber biblifd)en ©efdhid)te oorftellen
mag. Vefted)enb wirtt bie töniglid) ftol3e Haltung,
bie ber Somali Stets behält, aud) wenn er bei bem
gemeinften Diebftal)! erwifd)t wirb unb allen
©runb hat, fid) 3U fdjämen. An feinem ©haratter
ift wenig Nühmenswertes. ©r ift faul, biebifd),
oerlogen unb unreblid) in jeber gafer.
Die Nad)barn ber Somali finb bie ©alla, bie
ben Süben unb Sübweften Abeffiniens bewohnen.
Sie finb in allen Stüden bas bireKe ©egenteil
ber Somali. 3 hre unterfetsten plumpen ©eftalten
mit Stumpfen ©efict)ts3ügen laffen ben VergleidE)
3unädE)ft 3U ihren Ungunften ausfallen. Unter ben
grauen aber finbet man oft prad)toolIe fdjlante
©efdEjöpfe.
Vor etwa breifcig gah^^Tt noch waren bie
©alla ein wilbes Ariegsoolt unb ber S>d)reden
ihrer Nachbarn. Nach ih*e* Unterwerfung burch
Ntenelit finb fie friebfertig geworben. Die ©alla
finb heute ruhige, fleißige unb tüchtige Vauern,
bie il)r £anb 3U großer Vlüte gebrad)t haöen.
9 Bo ©alla wohnen, Sieht man überall reiche, gut*
bestellte gelber unb äBeibeplätje mit großen Serben
prächtigen Viehs. Die Arbeitstraft ber ©alla
macht ben wertoollften Neichtum Abeffiniens aus.
Nod) mehr aber würbe ber ©alla
leiften, wenn er 00m Abeffinier
nidE)t fo unglaublich gebrüdt würbe.
2Bas er über feine £ebens*
bebürfniffe hinaus erntet, nimmt
ihm bie Sdjar feiner nid)tstuen*
ben Herren. Unb er bentt nidE)t
baran, fidE) 3U wehren.
Au feer ben ©enannten gibt es
nod) eine grofce An3al)I Völter
unb Stämme, bie bas SdEjwert
bem Abeffinier unterworfen hat.
Diefe Völter tommen heute für
uns ©uropäer nod) wenig in Ve*
trad)t, unb es würbe 3U weit
führen, uns hier mit ihnen 3U
befchäftigen.
Diefes Konglomerat oon oer*
|d)tebenarttgen Deilen I)at 9 Nene*
lits Staatstunft 3U einem ©an3en
3ufammengefc^weiht. Die früheren
Häupter ber ein3elnen Völter hat
man oielfad) befeitigt unb an
ihre Stelle greunbe unb Ver*
wanbte bes Kaifers gefegt, bie
überall mit ihren Solbaten Un=
abtjängigteitsgelüfte im Keime er*
ftiden. Karl ©sieben
Nienelit befidEjtigt ben Vau ber ©eorgistathebrale in Abis Ababa
te. <ä ulluv aer. ueqenvxavi
ift? ©igentlid) urrt bas Altefte unb Urfprünglichfte
aller Malerei, um bie ABirfung, bie finnlid)e ABir*
fung ber reinen $arbe, bie natürlich nur ntöglid)
ift bei einer großen Sereiitfad)ung ber 5 *orm.
9 Jtan fann es aud) fo ausbrüden: ABenn in einer
ftunft 311 oiel Aad^brud auf bie Aßirflid)feit gelegt
mirb, auf ©harafter, Ausbrud, Stimmung, fo
muh bas mit einem SBerluft be3af)It iDerben. Sei*
fpiel: SBagner I)at bas aufgeben müffen, mas man
oor it)m „Atelobie" nannte, unb ber reine 5 Uang
an fid) I)öt in feiner SCRufif feine Sebeutung mehr,
©bettfo, mürben biefe neuen SJialer fagen, I)at ber
fef)en, als ob fie eben ©oethe gelefen I)aben. —
(Sine anbre Sonberausftellung hat fd)einbar gar
nid)ts mit biefer 3U tun, in ABirflid)feit fel)r oiel.
©s banbeit fid) um bie Abteilung, in ber neues
Aus ben Serliner 3 al)resausftellungcn beutfd)es Sor3eIlan ge3eigt mirb. äRanufafturett
©s ift nicht meine Abfid)t, an biefer Stelle unb gabrifen aus allen teilen bes Reiches finb
Ausftelluitgsberidüe 3U geben, unb bas ift über* b^ r vertreten unb 3eigen $rüd)te einer großen
bies nid)t möglid), ba ber ‘Kaum nid)t einmal 3U unb glüdlid)en fünftlerifcben Semühung, beren
einer ©hronif ber qIl3uoielen unb all3u großen Umfang bisher moI)l niemanb gefannt hat- Den
Seranftaltungen biefer Art reichen mürbe. Aber 3 u fammenl)ang mit ber Ausheilung „AIt=Serlitt“
mas fie an mid)tigen Sefultaten unb Anregungen fehe id) in folgenbem. 9 Bas unfre gefamte fünftle*
rifd)e iUcltur feit Diesig 3al)ren gefrfjäbigt f)öt, roar
oor allem bas ftänbige £jinfehen auf bie ftunft alter
unb frember ©pod)en, ©pod)en oon großer Srad)t*
entfaltung, fagen mir fur3: s $alaftepod)en, in
beiten alles auf ein mächtiges gormat unb ftarfe
©ffefte 3ugefd)nitten mürbe. X)iefe Dinge paßten
in feiner §iufid)t in unfre Käufer, gan3 befonbers
auch beshalb nid)t, meil man aud) Stoffe unb
formen ber Darftellung entlehnte, ftatt fie ans
eignem ©mpfinben neu 3U fd)affeu. Der tiefe
Sinn ber mobernen funftgemerblid)en Semeguttg
geht, menn ihn aud) oft (£xtraoagan3en oerhüllen,
gan3 fid)er bahin, bem tnoberneu ÄRenfchett fein
§aus unb biefem §aufe feinen Sdjmud 311 fd)affett.
Unb aus biefer Denbeit3, bie fo oielfad) an bie
gute alte 3 eit anfrtüpft, finb aud) biefe ^Sor3eIlane
entftanben. Sie holten fid) burd)meg in fleineu
Formaten unb fd)lid)ten formen, unb es finb
3um groben Xeile mirflid)e Zünftler, bie fie
fcfjaffen, bas h^ifet ; ßräfte, bie nid)t auf 3uütation
angemiefen finb. 9 Renfd)en urtfres ßebens, eigen
beobad)tete kliere löfen bie emigen Sofofopuppen
ab. £attbfd)aften unb Ultimen, nicht realiftifdh,
aber bod) ooller üebett, fd)ntüdeu bie eiitfad) ge*
formten Heller unb 33 afen. Die Dänen höben
3uerft fd)önes neues ^o^eHan gefd)affen, unb man
fühlt oft nod) ihren ©influh- Zieles aber ift frei
unb oiel fröf)lid)er in ber $arbe.
3 n beiben Ausheilungen mirb mit Aad)brud
auf bie Serfud)e hittgetoiefen, neue ntalerifd)e
Ausbrudsformen 311 fittben. Die Se3effion I)öt
ben jüngftert Sarifertt einen’Saal eingeräumt unb,
mie gemöhnlid), bem Schmei3er Steifter ft-erbü
uattb §obler eine ABanb. Sielleid)t ift es nod)
mid)tiger, bah bie jungen Sd)mei3er in bie ©rohe
Serliner ftunftausftellung eingelaben morbett finb.
Die JÖeiter biefer Ausheilung ftehen gemih nicht
in bem Serbad)te, „mobern" 3U fein unb auf
Senfation aus3ugehert. ABettit alfo bort ben
Zünftlern unb bem ^ublifum bie rteuefte „Sich 5
hing“ in fo befottberer ABeife oorgefül)rt mirb,
fo ift bas ein Semeis bafiir, bah ihre Sebeutung
nicht mehr nur oon einer s fßartei anertannt mirb.
Aud) id) bin nicht Partei unb finbe oieles Dort
biefen Serfud)en mihglüdt, fann es and) be*
greifen, bah ntand)es Aachen erregt unb baburd)
bas ernfthaft ©emollte unb Durd)geführte [d)äbigt.
Aber id) fehe in biefer Art bod) grofee äRöglidjfeiten
unb finbe ein bloßes Atihglüden fo menig fomifd)
mie etma ben Stur3 eines Fliegers. 30 er nidjt
fliegt, fann freilief) nicht ftürsen.
ABorum es biefer „neueften Sichtung“ 31t tun
feiende ^Jfuhst
Figur aus dem Brautzug von A. Amberg
Königliche Porzellanmanufaktur, Berlin
Porzellanfigur der Königlichen Porzellanmanufaktur
in Berlin. Entwurf A. Amberg
‘‘Realismus bas Atatcrial ber Atalerei, bie $arbe
als Sorbe, um ihr Sed)t gebracht unb bie Schönheit
bes einfad)en Sarbenfpieles oerbrängt. Die
mollen mir nun mieber 3U ©hreit bringen. SBer
Sarbe als Sorbe empfinbet, in ihr nicht nur ein
fRittel fiel)t, um ein Stüd S 3 irflid)feit 311 fd)ilbertt,
mirb biefen Stanbpunft miirbigen unb empfinben,
bah f°Id)e Silber für bas §aus, bas mir mollen,
bas gan3 fydle unb Iid)te, befonbers mol)I geeignet
finb. Unb ein3elne, aber eben immer itod) nur
ein3elne Arbeiten biefer 9 Jialer geben fd)on ben
finttfälligen Semeis für bie Sered)tigung ber 3öee.
§oblers Silber finb oor allem, unb oon beneit feiner
Sd)mei3er Aa^folger befonbers fianbfd)aften unb
Slumenftüde, dou einer 5 flarl)eit unb ^Reinheit,
neben ber bas übliche Ölbilb ftuntpf unb trüb
erfcheirtt. Unter ben fymu3ofen erreid)t 9 Jiartguin
bas £>öd)fte, ber ben ©lait3 eines Somnterfonuem
tags fühlen läht. Schmierig ift biefe Art, meil fie
feine 3ufälligfeiten bulbet unb meil man feinen
3 eI)Ier oertufchen fann. Deshalb oerfagen fo Diele,
bie fie oerfud)en.
s IRan fief)t, bah es ben Ausheilungen
nid)t an ernft anregenbett Abteilungen fehlt,
fl Aud) in ber ^ßlaftit fommt ber 3 ug 3um
©infachen immer mehr 3iir ©eltung. Das
gröhte SBerf, bas il)n oertritt, ift Duaillons
^ Aeiterftanbbilb bes ifaifers für 5 föln, bas
iS in fd)önfter ASeife Debenbigfeit unb fUenge
gornt oerbinbet.
Auf ein3elnes fann id) I)i^ öid)t ein-
gel)en. Aber es fei menigftens gefagt, bah
ber Se3effionift Alar Sleoogt in einer um*
faffenben 5 folleftiou als gatt3 gereifte Serfön*
. , lichfeit oor uns hintritt, unb bah natürlid)
I , in beiben Ausheilungen oiel ©utes an3u*
treffen ift. 3 ' * i fl Stal)!
enthalten, baooit muh unb mirb in jebem ^allc 311
rebert fein. Unb bie beiben Serliner Ausheilungen
biefes 3<d) r e 5 geben erfreulid)ermeife 3U fold)en
Ausführungen Anlaf).
Die ©rohe Serliner hat eine Sonberausftellung
„Alt=Serlin" oeranftaltet, beren Sebeutung trat)
bes Aamens feine nur lofale ift. ©emeint ift fie
natürlid) 3unäd)ft lofal. 2Bir alle, bie bas neue
Serlin, bas in ben lebten 3öl)r3ehuten mit fo
rafenber unb oft befinnungslofer Sd)nelligfeit auf*
gebaut morben ift, fünftlerifd) nid)t befriebigt,
fd)auen immer fel)nfüdf)tiger auf bie Stabt 3urüd,
bie es oor biefer ©ntmidlung mar: einheitlich,
oon grobem ©rnft unb befcheibener 2 Bürbe, oon
feiner ©mpfirtbung unb reid)erem ©ef(^mad.
Die Strahen unb Käufer (mehr als man glaubt),
bie SLRöbel unb Silber, bie aus jener 3 eü uod)
erhalten finb, gemittneit für uns eine immer
gröbere Sebeutung. 2 Bir lieben in ihnen nid)t
nur an unb für fid) gute Dinge, fonbern Dinge,
bie uns helfen fönnen. Serlin, bas an*
geblid) trabitionslofe, hat eine ausge3eid)nete _
Drabition gehabt. Die mollen mir anbern, H
befonbers aber beit Serlinerrt 3eigert, bamit M
fie mieber lebenbig merbe als ©runblage ber |J|
neuen,
_ bie gefdjaffen loerben muh- Aber
Serlin mar ja nid)t ifoliert, bie Kultur,
beren Dofumente fid) hier fittben, bie Kultur
bes biirgerlid)en 5Uafft3ismus, gemöhnlid)
„Siebermeierftil“ genannt, mar eine allge*
mein beutfd)e tmb geminitt aud) für gatt3
Deutfchlanb jeht mieber biefelbe ober bod)
eine ähnliche Sebeutung. Unb fo finb biefe
Säume, in betten man bie £uft biefer
guten altert ßeit atmet, burchaus geeignet
unb mert, überall in Deutfd)lanb 31t inter»
effieren. SieIIeid)t regt ber munberooll
gelungene Serfud) ba3U an, bah iu anbern
beutfd)eit Stäbten äl)itlid)e Ausheilungen
oeranftaltet merben. Siele merben an Äunft*
befitj ber ©podje oielleicfjt gar nod) reicher
fein, oieIIeid)t gar Käufer höben, in benen
man il)n gut aufftelleu fann. ©s fann ben
Deutfd)en ooit heute itirgenbs fchaben, fid)
in biefen Xeil ihrer ©efd^id)te 311 oertiefen,
einmal ben etmas altfränfifd)eit, füllen Sei3
folcher 3iuttner auf fid) mirfett 311 laffen,
in benen alle 5°nuen an bie Antife erinnetn,
unb bie porträtierten 9 Jienfd)en fo aus*
Sprühe
„ 3 rren ift menfd)Iid)!“ Das ift eine £el)re,
Sequern als Druntpf ftets aus3ufpielett.
ABenn nur nid)t bei bett Allpoielen
3rren bas e i n 3 i g 9 JtenfchIid)e märe.
's gibt manche Sruft ooll SRannesfinn,
Der jebe anbere Stärfe frentb
Als bie, mit melcher bie S 3 äfd)erin
31)^ ftörft bas bedenbe galtenhemb.
Aug. §>. Alinf
Joh. Erdmann Hummel: Edtladen an der Schloßfreiheit (1830)
1911. 5Rr. 40
Über £anb unb SReer
1059
©leonoren»$eilftätte bei SBintertaften im Obenwalb Sungenheilanftalt in 9 ietcf)elsl)eim im Obenwalb
SJlobertte £un$enf)eilftätten
X ubertulofe! — (Sin unheiloolles, angft» unb Ieib=
erfülltes VSort. Den trifft es roie ein fteulen»
f<f)Iag, beffen Sebensweg es treust. ©rfdpredenb
finb bie Verheerungen gewefen, bie insbefonbere
bie Dubertulofeertrantungen ber Sunge feit
Vlenfchengebenten im Volte angerichtet bähen*
Diefe furchtbare 5 trantl)eit ein3ubämmen, ihre
Opfer 3U oerminbern, ift bie natürliche Votwebr
ber geängfteten Kreatur. Aber teine Ärantfjeit
burfte begrünbeter als biefe lange 3cit für eine
ilrantheit ber Unwiffenbeit gegolten haben.
Daran fcheiterte 3umeift ber ©rfolg aud) ber
beften Abfichten, bie auf eine Teilung ber Du»
berfulofe hielten. tarn ba3u, bah man für
bie ©efunbung ber Fronten einzig bas milbe
füblid)e 5 Uima für notwenbig hielt.
Das hat fid) heute geänbert. 2 Bir befi^en
feit 3ahr3el)nten bewährte Sanatorien für Sungen»
tränte im eignen Sanbe. Aber aud) fie tarnen
in ber §auptfad)e nur ben Vemittelten 3ugut.
gür bie breiten Schichten bes Voltes roar nichts
geroonnen.
(Srft nadjbem bie gürforge für bie gnoaliben
ber Arbeit 3um fo3iaIen ©efeh erhoben toorben
war, ertannte man es als eine ber t)öd)ften
ibealen Pflichten, bie Sungentubertulofe als
Voltsfrantheit 3u betämpfen.
§eilftätten für bie Arbeiterbeoölterung 3u er»
richten, toar mit einem Vlale ein 3 tel — aufs
innigfte 3U wünfcben.
^turf) Reffen fdjlofc fid) halb ben allgemeinen
Veftrebungen für bas SBohl bes Voltes an. (Ss
nennt eines ber fcbönften beutfdben Vlittelgebirge
fein eigen, ben Obenwalb. Jener, too bie Däler
nach Süben offen ftehen unb
gegen bie rauhen Vorb» unb
Oftwinbe burd) roalbgefchmüdte
$öhen3üge gefehlt toerben, fan»
ben fidO ibeale Vlätje 3um ibea*
len SBert.
Aeidjelsbeim, bas treue,
wie es Vittor oon Scheffel preift,
mad)te ben Anfang, ©s grün»
bete 1897 bie erfte heffifd^e Sungen»
heilftätte. (Ss toar 3uerft nur
eine befdjeibene ^enfiott mit
10 Vetten, bie hier am fonnen*
burdjträntten Abhang bes ©äns»
bergs, mit beut Vlid auf bas
©erfpren3tal unb bie Verge oon
Sinbenfels, ben Iungentranten
©äften einen (Srbolungsauf enthalt
bot, roie er günftiger unb fdjöner
taum gefunben werben tonnte.
Die tleine DtnftaXt fteht unter
ftaatlicher Aufficht unb hat fich
im Saufe ber gafjre anfehntid)
oergröhert, fo bah fie h eu te 80
Patienten — Vtänner, grauen
unb ftinber — aufnehmen tann
unb bant ihrer oolltommenen fani»
tären ©inridjtungen imftanbe ift,
ben Vergleich mit jeber gröberen
Schroefteranftalt aus3ut)alten.
„geber fommt, jeber geht,
gebet gortfdjritt, ber beftebt"
ertoren hat.
JDtan fieht, ber §umor fehlt nicht, fowenig
roie bas gbt)ll. Denn es ereignet, fid) toohl, bah
unterm Virnbaum im ©arten 300ei einanber be»
gegnen: ein „er“ unb eine „fie“. Sie rüden 311=
fammen unb fitjen im Anblid ber rounberbaren
fianbfd)aft oerfunten.
Dort liegt ber Aobenfteiner, oon bem bie
Sage ging, bah er allnächtlich) mit ^ferbegetrappel
unb $eitfd)entnall feinen unheimlichen Aus3ug
burd) bie Süfte hielt. „Seine“ ©rohmutter roiirs
noch felbft gehört haben, er3ät)lt er juft eben ihr.
Da naht bie Anftaltspolisei. 3 um ©efunbroerben
finb Vtännlein unb VSeiblein hier, lautet ihr ©bitt,
nicht 3um Vlärd)ener3äblen — unb aus ift bas gbpll.
VSo bie Vlümling in anmutigen VSinbungen
fich um ben gewaltigen Vergtegel fchlingt, auf
beffen $öhe Vurg Vreuberg thront, 3 1 /? ftilo»
meter VSegelänge oon ber ©ifenbaljnftation $öd)ft
entfernt, erreid)en wir Dorf Sanbbad). Von
hier 3weigt bie neu erbaute Strajje in ein Seiten*
tal ab, bas uns in mähiger Steigung hinauf 3um
©elänbe oon Joeffens erfter gröberer Sungenl)eil=
anftalt — ber „©rnft=Subwig*£eilftätte“ — führt.
©in weltentlegenes Vergheim ift's, bas bie
heffifd)e Verfid)erungsanftalt hier oben nach Vlänen
bes oerbienftoollen Oberbaurates oon SBelhien er*
baut hat. An eine Stabt aus bem 9 JIittelalt er
mahnen bie hohen Käufer mit ihren Dürmeit unb
©iebeln. Der Sanbesfürft hat ber Anftalt feinen
Vamen oerliehen, um 311 betunben, bah er, ber
eifrige görberer unb Vefchüfcer ber fchönen fünfte
in feinem ßanbe, nicht geringeren
Anteil an ben Veftrebungen
nimmt, bie bem 2 Bot)le ber Ar*
beiterbeoölterung gelten. Unb
als unenblid)e VSohltat ift bie
©rnft=Subwig=J 5 eiIftätte währenb
ihres3ehnjäbrigen Veftehens fchon
oon Daufenben ber Veoölterung
Joeffens empfunben worben.
Sie nimmt nur männliche ©r=
trantte auf, unb oon ben fieben*
bis adhthunbert, bie im Saufe eines
Jahres behanbelt werben, hat
laut ftatiftifchem Vadhweis ber
weitaus überwiegenbe Deü ©e*
nefung gefunben.
2Bir betreten bie hellen, hohen
Aäume. Sicht unb Suft führen
hier bie Oberherrfdjaft. gbnen
gefeilt fich Aeinlichteit als britte
Verbünbete 3 U. Diefe brei finb
berufen, alle böfen ©eifter 3U
bannen, bie im ©efolge bes geht*
bes, Vanllus genannt, nur all3u
geneigt finb, fid) ein3uniften unb
aus3ubehnen. Aber bis tn bte
entlegenften ©den bringen Vefen
unb fßutjlappen. Das beiht (£den
gibt es nid)t, benn jeber VSintel
ift abgerunbet, unb bem reinigen*
Dabei hat fie ben urfprünglichen intimen ©ha»
ratter aufs glüdlicfjfte bewahrt. Die freunblid)*
traulichen 39 nmer, bie in jeber ©röhe mit einem
bis 3U 12 Vetten jur Verfügung ftehen, machen
gan3 ben ©inbrud einer Iänblidhett Sommerfrifche
oon peinlichfter Sauberteit. gür jebes Vett finb
20 Äubitmeter Vaum genau berechnet, faft ebenfo
genau wie bie 100 ©ramm ^itjung, bie 3U ben
Viahl3eiten jebem Vatienten 3ugewogen werben.
Unb bas tut not. Denn man hat leinen Vegriff,
wie eiferfüd)tig ber immer hungrige „Venfionär“
barüber wad)t, bah teinem oor bem anbern ber
Vrottorb tiefer gehängt unb beffer gefüllt werbe.
2lber man freut fich bes 3unehmenben Appetits
eines jeben — ift er bod) bas fidjerfte 3^i^)^u
ber gut einfehenben ©enefung!
gür biefe bilbet einen weiteren, überaus wich*
tigen gattor bie Siegetur im greien unb bie
bamit oerbunbene 3 ltemgpmnaftit. Sie 3U üben,
bauen fich im weiten, prächtigen Veufionsgarten
fünf geräumige Siegehallen terraffenförmig über*
einanber auf, bie im SBinter wie im Sommer
tagsüber sunt Aufenthalt ber Fronten bienen,
©ine jebe oon ihnen bilbet ein Heines, für fich
abgefd)loffenes Veicb- Veoor ber Veuanfömmling
Aufnahme in ihm finbet, muh er eine V*üfe3eit
beftehcn unb mit feierlichem ©ibe geloben, bah
er untertan unb willfährig ben Satjungen ber
©emeinbe fein will.
„Soll' idj bie Statuten oergeffert,
So follert mich bie Va 3 illert freffert,“
lautet bie unheimliche Drohung über ber Vforte
3ur §alle „^utmergrün“, währenb £alle „gort*
fchritt“ fich ben tieffinnigen Ausfprud)
Vlid auf bie Siegehallen in Aeidhelsheim
1060
Uber £anb unb äfteer
1911. 9tr. 40
bert demente StB affet tarm nicht bas tleinfte Stäub*
d)en entgehen.
©on ben ©etten finb erfreulidjermeife tagsüber
nur menige belegt. Die üranten ruhen, betjaglid)
in ihre Stühle eingepadt, braunen im F r eien.
Sie atmen mit oollen 3 ügen bas müßige Ojon
unb lernen ber ©Sitterung trogen. ©tit ber alten
'©tethobe ber ©ermcid)lid)ung unb ©er3ärtelung
bat man lange gebrochen. ©id)ts ift oerpönter
als Stubenhoden.
©ber aud) ber Arbeit [ollen bie ^Patienten,
bie meift brei ©tonate hier oben oercoeilen, nid)t
entfrembet roerben. Sie [inben im großen ©m
[taltsgarten reid)Iid) ©elegenheit 3ur Dätigfeit.
Unb fröhlid)er als im engen (Setriebe ber ©roh*
[tabt gehen [ie ihr nad). £achenb, unter Sd)er3
unb 3urufen toirb hier bas £anb bestellt, bort
£jol3 gehalten unb 311 Stößen aufge[d)id)tet. Die
Freube an ber ©atur [prid)t aus bem Dun jebes
ein3elnen.
Unb roie bem gan3en (Setriebe nichts ftranten*
* hausartiges anhaftet, [0 oerlieren bie trauten
felbft hier oben halb alles ©tübe unb refignierte
Eingehen in bas Unoermeiblid)e. Sie gemimten
neuen ©tut 3um £eben unb erftarten in bem
feften ©Sillen, auf bas eine 3 iel l)in3uftreben,
bem als höchfter ^reis bie eigne ©efunbung
mintt.
jünger als Sanbbad) ift bie Schmefteranftalt,
bie im Fahre 1905 ber §e[fifd)e §eilftätten*©erein
inmitten prächtiger ©uchen* unb Dannenmal*
bungen am Sübabhange ber ©euntird)er $öl)e
(550 ©teter über bem ©teere) bei ©Sintertaften
eröffnet hot. Sie bient ber Aufnahme oon F r auen
unb SUnbern unb führt ben Flamen ber ©roh*
her3ogitt oon §effen, bie in ber Fürforge ber
Sd)mad)en, £>ilf* unb ©tittellofen immer mein
bie oornehmfte Aufgabe ihrer hohen Stellung er*
blidt unb bie ©rmften unter ben Firmen, bie
ßungentranten bes fianbes, in ihren befonberen
Sdjutj genommen hat.
(Sin Feiertag rnar's. Die ©atur hatte fid)
früher als fonft mit neuem, blühenbem £eben
gefchmüdt. ©on ©eid)elsheim tommenb, manberte
id) burd) bie töftlid)e ©ebirgslanbfd)aft unb genoh
ben unbefchretblichen 3auber bes prangenben
Frühlingstages. Die Eleonoren*ijeilftätte
mar mein 3 iel. F<h ging ins Ungemiffe — ber
Iautlofe ©torgen rings um mid) her. ‘•piöhlid),
bei einer ©Segbiegung [tanb, mie burd) 3 auber*
mort, ein ftol3er, fd)Io bärtiger ©au oor meinen
klugen. Scharf hoben fid) bie meinen ©lauern
unb bas rote Dach oon bem buntlen $intergrunb
bes 5 Uefernmalbes ab. Der ©nbltd mar über*
rafchenb [d)ön! (Sin ©tärd)en[d)Ioh im §er3en bes
Obenmalbes! (Sin ©ergafpl, mie es ibealer taum
gebad)t merben tann.
Die Darmftäbter ©rd)itetten 5 tarl unb foeinrid)
©tüller finb als [eine Schöpfer 3U nennen.
©uf [tillem ©Salbpfab näherte ich mid) bem
£jaus. Der ibealen äußeren £age entfprad) bie
oollfommenfte innere Einrichtung. Unter Führung
bes freunblidjen ©ermalters ging es treppauf,
treppab, burd) bie lid)ten ©äuge, bie hohen,
fd)önen, hellen ©äume. F™ Speifefaal halten
mir ©aft. ©lehr als hunbert meiblid)e © 3 efen
fanb ich beim ©tal)le oerfammelt. Fif<h> Srleifd)
unb ^ubbinge, büntten mid), hätten jebem $oteI
erften ©anges Ehre gemad)t. ©ud) hätte feine
Feinbäderei [id) ber 5 tud)en 3U fd)ämen brauchen,
bie in mannigfaltigfter ©rt unb ©eftalt in langen
©eiben bie ©orratsfammer füllten.
©m eignen junger, ben bie ©Säuberung
burd) bie bünne ©ergluft erregt hatte, muh es
gelegen haben: bie (Sinbrüde in 5 tüd)e unb Heller
[inb bie lebenbigften geblieben. 3ubem hatte id)
ähnliche ©Sunber bes 5 tüd)enbetriebes nie oorbent
gefehen. Ein ein3iger Driumpb ber ©lafdjine
[dhien biefe ©nftaltstüd)e: ©aden, 5 tod)en, ©Safcbert,
Fleifd) haden unb ©emüfe putjen, Kaffee mahlen
unb ©tild) fühlen, bas Effen 3urid)ten unb Deller
unb Sd)ü[[eln gereinigt mieber 3U Raufen fd)i<h*
ten — unfidjtbare £änbe taten's. ©täbd)en für
alles mar ©er bie ©ta[d)ine!
©ud) ©Sintertaften hat feine [chmerfranfen Fn=
[affen. So hart es flingt, fie merben 3um Sterben
in bie Heimat gefanbt. Der leitenbe ©r3t ber
Eleonoren=§jeiI[tätte (Dr. Seil) ftrebt oor allem
banach, feine trauten für eine gefunbe £ebens=
meife 3U er3iehen.
Er ge© babei oon bem ©runbfab aus, bah
3ur Er3telung bauernber Erfolge ber ©eift bes
ftranfen ebenfo ber pflege bebürfe mie ber
ftörper. Darum hält er es für geboten, bem
ifranfen ©ufflärung über fein ßeiben 3U geben,
fiebensmeife, täglid)e fleine ©emohnheiten, © 3 ob*
nung unb anbres tragen oft mehr 3U ber Er*
franfung bei, als ber Erfranfte ahnt. Er er*
märtet alle £ilfe oon auhen. Der ©r3t unb ber
©ufenthalt in ber ©nftalt follen ©Sunber mirfen.
Der Sfranfe ahnt nid)t, bah er felbft berufen ift,
am meiften 3ur ©efunbung bei3utragen.
£ier müjfen ©orträge er3ieberifd) mirfen. Sie
finben regelmähig ftatt. Die ©Sohnungshpgiene,
bie Körper* unb Fuhbefleibung merben eingebenb
behanbelt.
©or allem aber merben bie Sd)äben, bie bas
Sforfett anridhtet, in ©Sort unb ©ilb nad)gemiefen,
unb feine 5 franfe barf, folange fie in ber ©n*
ftalt meilt, ben bie inneren Organe mihbilben*
ben Schnürleib tragen, ©ud) gefellige Unter*
haltungsabenbe finb eingerichtet, fomie ©efangs*
ftunben, in benen bie ^ßatienten gute £ieber unb
3ugleidh bie überall gleich hod)geftellte ©temgpm*
naftif üben.
Die redjte £ebensfreube bem ftranfen ein3U*
flöhen, ihn mieber tauglid) 3^m Äampf mit bem
£eben 3U mad)en, ift auch hier bie ibeale ©ufgabe,
bie man [ich geftellt hat. Unb man barf mol)l
behaupten, bah fie 3U ©eid)elsheim mie 3 u Sanb*
bad) unb 3U ©Sinterfaften aufs glän3enbfte er*
füllt mirb, bah biefe brei fiungenheilftätten^ bes
Obenmalbes einen ftarfen ©ing 3ur erfolgreichen
©efämpfung ber Duberfulofe in ber ©rbeiter*
beoölferung öeffens bilben.
©Sie fteht's nun aber mit jenen ©rmen, bie
nid)t eigentlich 3ur ©rbeiterbeoölferung 3ählen,
für bie im Falle ber Erfranfung feine ©erficbe*
rungsanftalt forgt? ©lan braud)t bloh an bie
fleinen unb fleinften ©eamten bes £anbes 311
benfen, bie iht fnappes ©ehalt bis 311m lebten
Pfennig für [ich unb bie Familie auf3ef)ren. ©Sas
mirb aus ihnen, menn bie fchleidjenbe Slranfl)eit
bas Opfer einer langmierigen unb foftfpieligen
©flege erl)ei[d)t? 3ft fie nicht in ben meiften
Fällen gleichbebeutenb mit bem ©uin für ben
fleinen ©tarnt?
$ier ift es bie ©rohher3ogin oon Reffen, bie
perfönüd) für biefe ©rmen eintritt. Seit einigen
Fahren hat fie fid) eine munberfdjöne ©ufgabe
geftellt: Fonbs 3u fammeln für bie nicht oer*
fieberten £ungenfranfen bes £anbes. 3 U biefem
3med hat fie fogenannte ©erfaufstage in
ben gröberen Stäbten £>effens eingerichtet. Darm*
ftabt mad)te 1908 ben ©nfang. Es folgten
©tain3 ( 1909 ), Offenbad) ( 1910 ), ©iefjen ( 1911 ) unb
ersielten beträd)tiid)e Einnahmen. Die hohe F*au
felbft bereitet bie ©rbeiten für biefe Dage oor.
Fa, fie fertigt fie 3um Deil mit eigner $anb an.
Die ©ermanbten bes grohber3oglid)en Kaufes,
^ßrin3 unb ©rin3effin Heinrich oon ^Sreuhen,
felbft ber ilaifer unb bie Sfaiferin oon ©ufjlanb
fteuern mertoolle ©oben bei. ©id)t 3uleht unter*
ftüht ©rohhet3og ©rnft £ubmig felbft feine ©e=
mahlin.
$effens £ungenheilftätten im §er3en bes
Obenmalbes bürfen als oorbilblid) gelten. Ff) re
Fnfaffen, oon benen alljährlich oiele geheilt unb
fröi)lid) fd)eiben, bemahren ben fauberen, freunb*
iid)en Käufern, ben freien ©ergen, ben ©efunb*
heit entatmenben ©Sälbern, ber heilenben £uft
unb nicht 3uleht bem heffifchen £>errfcherhaufe
für immer eine tiefe Danfbarteit.
Otto Stodhaufen
Ernft=£ubmig*$eilftätte bei Sanbbach im Obenmalb: ©rbeit im Freien
©enttanenifctylL 9?ad) einem ©emälbe von (£arl ioartmann
iiitaa»i! a
ftarte bes ©roßfd)iffahrtsmeges Verlin—Stettin
©ntmurf für §ubtore auf ber Scheitelhaltung bes Kanals
(Strede ßehnißfee—£iepe)
(93erltrt — Seehafen?)
Oftereits im Einfang bes fieb3ehnten 3ahrt)unberts
tauchte ber ©ebante auf, 3ur ©rleidjterung bes
riefigen ©üteroertehrs 3toifd)en Verlin—Stettin bie be=
ftehenben ©emäffer 3U oerbinben unb eine SBafferftraße
her3uftellen, burd) melche bie tjoljen Dransporttoften bes
£anbmeges erniebrigt mürben. 5 turfürft 3 oad)im griebrid)
hatte für biefes ^ßrojett lebhaftes 3rctereffe unb liefe bie
Voroerhanblungen einleiten. 9 iad) 3toei 3 al)ren mar
man enblid) fo meit, baß mit bem Sau begonnen roerben
tonnte, unb 1605 rourbe ber erfte Spatenftid) getan. Der
5 tanal benutze bas ginomtal bis $ot)enfaaten (StRünbung
in bie Ober) unb rourbe 1620 fertiggeftellt. Die SBirren
bes Dreißigjährigen Krieges übten aud) auf ben ftanal
ihren serjtörenben (Einfluß aus, oerfd)iebene Sdßleufen
mürben oernid)tet, unb infolgebeffen oerfanbete ber
5 tanal, fo baß in menigen 3 <rl)ren bas gan3e 2 Bert oer*
fallen mar. (Erft 1744 unter griebrid) II. mürbe ber
ginomtanal mit 3ehn Sd)leufen oon 3 erpenfd)Ieufe bis
(Ebersmalbe mieber ausgebaut, unb am 16 . 3 uni 1746
tonnte bas erfte 5 tanalfd)iff, mit 100 Donnen Safe be=
laben, oon ber irjaoel 3ur Ober fdjmimmenb, ben
reftaurierten ftanal paffieren. Der ftanal mürbe fpäter
meiter ausgebaut; fo mürbe burd) bie Sd)leufe bei Dufter*
late eine Verbindung mit ber unteren £jaoeI gefd)affen,
aud) mürbe burd) brei Sdjleufen unterhalb (Ebersmalbe
bas gahrmaffer oerbeffert. 3n biefem 3uftanb blieb ber
5 tanal bis 1843 , bod) genügte er fd)on lange nicht mehr
ben 9 lnfprü<t)en, bie 3rtbuftrie unb §anbel an ihn ftellten.
Die (Erm eiterungsbauten mürben benn aud) halb in 2 tn=
griff genommen. 3 unäd)ft mürbe ber 5 tanal burd) Einlage
einer Sd)leufe bei §ohenfaaten unabhängig oom SBaffer*
ftanbe ber Ober gemacht, bann mürben überall ba, mo fie
nod) fehlten, bie 3toeiten Sd)Ieufen gebaut, unb enblid)
mürbe burd) bie Verlängerung bes Voßtanals bis 3 et)benid
bie ftetige Zuführung bes Speifemaffers aus ber oberen
<S>aoel gefidjert.
Der mirtfdjaftlidjc 9 luffd)mung in ben fieb3iger unb acht*
3iger fahren bes oorigen 3al)rl)unberts oeranlaßte einen
meiteren ungeahnten Vertehr, ber ben 5 tanal an bie ©ren3e
feiner £eiftungsfäj)igteit brad)te unb ben meiteren Ausbau
3ur Votmenbigteit machte. Den gortfdjritten, bie Decßnit
unb 2ßiffenfd)aft gemacht hotten, entfpredjenb, mürbe
im lebten 3at)r3et)nt bes oorigen 3ahrhunberts ein Jßrojett
ausgearbeitet, nach bem ber ftanal für lange 3eit felbft
größten 9 Infprüd)en genügen tonnte; mar bod) 3U berüd*
fid)ttgen, baß oon 1895 bis 1903 bie ben 5 tanal paffierenben
©üter oon 2000000 auf 3000000 Donnen geftiegen maren.
Von smei Plänen, oon benen bas „Oftprojett“ bie Spree
über ben Sebbinfee, Sßerlfee, 5 angfd)leufe, Votes Such bei
Vutom in 3mei Firmen mit ber Ober oerbinben mollte (einer
nad) Oberberg unb ber 3toeite nad) 5 tüftrin), mährenb bas
„Vßeftprojeft“ hauptfäd)lid) ben Ausbau bes alten $mom=
tanals für fogenannte 600 *Donnen=Äähne oorfal), gelangte
letzteres 1904 im 9 lbgeorbnetent)aufe 3ur Einnahme, unb bas
Oftprojett, meldjes megen ber gleidfeeitigen ©ntmäfferung
bes 9 ?oten £ud)s oon ber £anbmirtfd)aft gemünfdjt mürbe,
mußte megen feiner faft hoppelt fo hohen itoften im Ver=
gleich 3um Vßeftprojett unterbleiben.
Der Vau bes ©roßfd)iffahrtsmeges 3erfällt in brei
Deile. Der erfte Deil oon Verlin bis £ehniß erforbert in
ber £auptfad)e ben Ausbau ber alten £jaoel=Ober=Straße,
ber 3meite 2lbfd)nitt oon £et)niß bis SRieber^inom (£iepe),
bie fogenannte Scheitelhaltung bes Kanals, befteht aus
einer 50 Kilometer langen, faft geraben Strede, auf
melcher ein gan3 neuer 5 tanal ausgehoben mirb; ber
britte unb lefete Deil oon Oberberg bis §ol)enfaaten benußt
Die Sd)leufe in Spanbau
Die £ehnißfd)leufe im Vau
Überführung bes Kanals über bie Stettiner Vahn bei (Ebersmalbe mittels einer Vetonbrüde
1911. 9tr. 40
Aber ßctrtb unb SCTleer
1063
bie die Ober, bte entfpredfenb vertieft unb verbreitert
mürbe. Aujfer bert eigentlichen Landarbeiten ift jebod)
no© eine Regulierung ber Ober von Jrjohenfaaten bis
Stettin erforberlid), um 3 U ermögtid)en, bah aud) bei
niebrigem ©Safferftanb ber Ober S©iffe mit gröberem
Tiefgang ohne Sei©ter parieren tönnen. Oie htet 3 U
erforber!i©en Loften merben aus bem „$onbs ber ©er*
befferung ber ©orflut ber unteren Ober“ gebedt.
Oie ©efamtlänge bes neuen Lanals beträgt runb
100 LUometer. Oie burd)f©nittli©e Spiegelbreite ift
33 Bieter bei einer Oiefe von 3 Metern, fo bah er von
ben fogenamtten 600*Oonnen*Lät)nen, bie 60 ©teter lang
unb 8 Bieter breit finb unb einenOiefgang von 1,75 Metern
haben, befahren roerben tann. (Ermähnen möchte id) ba*
bei, bah berartige 600*Oonnen*Läl)ne in ©3irtlid)leit über
800 Oonnen Tragfähigkeit haben. Oie neue 2Baffer=
ftrahe erforbert ben Neubau von 10 S©Ieufen unb
40 ©rüden fomie 2 Ourd)läffen unb no© anbern ber
©eu 3 eit entfpred)enben ©aumerten. Oie Uferbefefti*
gungen merben burd) ©afen unb S©ilfpflan 3 en fomie
teilmeife burd) Steinfdjüttungen hergeftellt. Our© bas
©efetj vom 1 . April 1905 finb für bie ©efamtfoften bes
©rohf©iffat)rtsmeges 43 ©Mionen ©tarl bemilligt mor*
ben. Oa bei obiger Summe 500 000 ©tart für ben
©Sert ftaatseigner ©runbftüde nid)t in Anrechnung ge*
tommen finb, finb bie Loften für 1 Lilometer Lanal
ju runb 435 000 ©tart veranfdjlagt. Oie ©rüden finb
alle gan^ aus ©ifen tonftruiert, unb nur bie Seeftrahen*
brüde bei ©erlin beftel)t aus (Eifenbetontonftruttion. Oiefe
erft in moberner 3dt entmidelte LonftruUionsmethobe
ift an vielen Stellen beim ©au bes Lanals mit gröhtem
©orteil vermenbet morben. Oa ber ©eton als foldtjer
nur eine mefentli©e ©Siberftanbsfähigteit gegen Orud,
nicht aber gegen 3ug befiht, fo hat man ben Lunftgriff
benutjt, ben ©eton mit (Eifenftäben 3 u armieren, fo bah
ber ©eton bie Orudfpannungen bes ©aumerts, bie (Eifern
einlage hingegen bie 3ugfpannungen aufnimmt. Oie §er=
ftellung berartiger Lonftruttionen gefd)ieht in ber ©Seife,
bah 3 unäd)ft t)öl 3 erne formen für ben ©eton aufgebaut
merben; in biefe legt man bie (Sifenftäbe, bie fogenannten
(Einlagen, unb ftampft aisbann ben erbfeu©ten ©eton
hinein, ber beim Orodnen mit ben (Eifeneinlagen eine
fefte ©taffe bilbet.
Oer ©rohf©iffahrtsmeg beginnt in ©löhenfee bei
©erlin unb in Spanbau unb folgt 3 unä©ft bem Strome
ber irjaoel, mo er burd) bie neue Set)nihfd)Ieufe ben
Übergang 3 ur Scheitelhaltung vermittelt. Oie Scheitel*
haltung treu 3 t 3 toeimal ben alten gtnomtanal, 3 ieht fid)
bann nörbli© an biefem entlang unb enbet bei ©ieber*
ginom, mo ber Lanal bas 36 ©teter tiefer liegenbe Obertal
erreicht. Um biefes ©efälle 3 U überminben, hat man
eine Ooppelanlage vorgefehen. Oer erfte Abftieg mirb
in ftorm einer einfachen S©leufentreppe von vier hinter*
unb untereinanber liegenben Sd)leufen von je 9 ©teter
©efälle ausgeführt. Oie 3 toeite Anlage mirb aus einem
mechanifchen §ebemert beftehen, mel©es bie Schiffe bie
gatten 36 ©teter hebt. Heineren ©tahftabe beftehen
fd)on verfd)iebene berartige <rjebemerfe im 3 n* fomie
aud) im Auslanbe, bod) mirb bas obenermähnte 3 ur 3 eit
ein 3 ig in feiner ©röjfe fein.
©on hier folgt bie neue ©Safferftrahe bem Saufe
ber alten Ober unb münbet mittels gmeier S©lepp 3 ug*
fd)Ieufen bei £>ohenfaaten in bie Ober. ©Sährenb bie ge*
möglichen Sd)leufen ber neuen Lanalanlage burd)*
f©nittli© 65 ©teter lang unb 10,00 ©teter breit finb,
haben bie beiben S©lepP 3 ugf©leufen eine Sänge von
je 220 ©tetern unb eine ©reite von je 19 ©tetern unb
finb vermöge ©rer toloffalen ©röhe imftanbe, gan 3 e
Sd)lepp 3 üge von fe©s ber groben 600*Oonnen=Lähne
nebft bem ba 3 ugehörigen Schleppbampfer auf 3 unehmen.
©örbli© von ©bersmalbe treu 3 t bie Scheitelhaltung
bes Lanals bie ©erlin*Stettiner ©ahu. ©tan hat hier
bie 11 ©teter tiefer liegenben ©leife mittels einer ©ifen*
betonbrüde überbrüdt unb über biefe ben Lanal geleitet.
An biefer Ubergangsftelle ift ber Ouerfchnitt mit 27 ©tetern
©reite angeorbnet, fo bah ein ©egegnen von brei 600*
Oonnen=Lähnen möglich ift. Au© hat man beim ©au
bes ©rüdentanals ben fpäteren viergleifigen Ausbau ber
©ifenbahn berüdfid)tigt. 3utereffant ift ferner bie Ourd)=
führung bes ©agöfer gliehes bei ©bersmalbe. Oiefes für
Heine ©oote f©iffbare f^üeh ift burd) einen 120 ©teter
langen Our©lah unter ben hier 28 ©teter höher liegen*
ben Lanal bur©gefüt)rt unb mirb fd)on heute von inter*
effierten ©efu©ern aufgefu©t, bie fi© bann gern in
einem Lahn bur© ben langen Ounnel rubern laffen.
Oie äuheren hohen Lanalböf©ungen ma©en fpe 3 iell hier
einen fehr oben, aber impofanten ©inbrud, unb es mirb
bal)er beabfi©tigt, fte an biefer Stelle mit gärtnerif©en
Anlagen 3 U verfehen.
Oa bie S©eiteH)altung teilmeife höher als bas um*
liegenbe ©elänbe liegt, muh bas Lanalbett an ben
betreffenben Stellen mit einer feft eingemal 3 ten Oon*
f©i©t ausgepolftert merben, mel©e mieberum, um fie vor
©erletpmgen bur© S©iffsfd)rauben unb fo meiter 3 U
fd)ütjen, mit einer S©i©t groben Sanbes bebedt mirb.
Säerburd) mirb bas Lanalbett unburd)läffig gema©t unb
ein Our©fidern bes ©Saffers verhinbert. Um nun 3 U
Oer gemaltige Oamm bei ©bersmalbe, ber bas Lanalbett trägt. ©e©ts unten bie Our©*
führung bes ©agöfer $liehes tief unter ber Sohle bes Lanals
iprobefüllung bes Lanals bei Si©terfelbe. ©om armierte 5af©inen g Um 0 ©uh ber Lanalfohle
gunbierung ber £ehnihf©IeufenfohIe mit ©ifenbeton. 3nr ©erftärtung bes nur gegen Orud
feften ©etons merben vor bem ©etonguh ©ifenftäbe eingefügt
Oüftermintelbrüde. ©ine ber vier 3 ig neuen Lanalbrüden glei©en Spftems
Gfmcleä Strampuä, CßariS u. 9iom
Das Aiefenbentmal für König Vütor (Emamiel II. auf bem Kapitol in Aom 3m 3*0 ber ©mwethung
(Sin 3al>r3el)ntc alter 3 Bunfd) ift im 3 nni ben Italienern in Erfüllung gegangen:
bie Vollenbung bes Denimals für ben SBegrünber ber (Sinljeit Italiens, König
Viftor (Smanuel II., auf bem Kapitol in Vom. Über fünfunb3wan3ig 3 afue hat
es gebauert, bis man bas Aeiterftanbbilb bes „Vaters bes Vaterlanbs" als Haupt=
beftanbteil bes gewaltigen Atonuments aufftellen unb enthüllen tonnte. Aeichlid)
ein 2 Renfd)enalter ift feit bem Dobe bes „töniglicfjen (Sf)renmanns‘‘ oerftriefjen, unb
ebenfolange währte bie moralifche unb materielle Arbeit, bie Italien für biefes
Denfmal geleiftet hat. (Es ift aber aud) ein Koloffalbau oon riefigen Dtmenfionen
geworben, ber fid) auf bem „geheiligten" ©oben ber tlaffifdjen 3eit ergebt unb
babei für bie Kunft bes neuen Italiens ein rühmliches 3 eu gnis ausftellt. 3n
jeber (Etappe bes Vaues trat bas Aloment bes Auberorbentlid)en 3utage, bas man
bem Denfmal geben wollte. Alan hatte bafür ein internationales $reisausfd)reiben
erlaffen, in bem ber (Entwurf eines beutfdjen Ard)iteften Sdjmih ben Sieg baoontrug.
Aber bie Ausführung erfolgte nad) bem $Ian bes ©rafen Sacconi. Vad) unb
nad), unter öfteren Unterbrechungen ber Arbeit, tarnen bie fünf3tg Alillionen £ire
3ufammen, bie bas 2 Bert erforberte, nad) unb nad) aud) bas Ataterial, bas in ber
benötigten Vefd) Offenheit bie Vrefcianer Serge nicht immer liefern tonnten. Der
Schöpfer bes Aeiterftanbbilbes ©fparabia ftarb oor beffen Vollenbung; auch Sacconi
füllte bie Verwirflid)ung feines Slans nicht frei oon allen füllen fehen. Aber
über alle Hinberntffe hi nrüe 9 brang bod) bie Datfraft bes neuen Italiens burd),
unb es hat mit biefem übrigens nod) nicht in allen ieilen fertiggeftellten Aiefen*
bentmal ein SBert gefefjaffen, bas an Schönheit unb Kraft neben ben Atonumenten
feiner tünftlerifch beften 3 e U en befteljen tann. freilich wiberftrebt nad) bem Ur=
teile fad)funbiger beutfd)er ^Betrachter unferm beutfehen ©efd)made in etwas bie
Unmenge oon „Statuen, ©ruppen, Trophäen, £öwert unb gabelwefen alter Art,
bie fid) wie eine ungeheure Armee aus Vron3e unb SDtarmor oor bem Ae ©alant=
uomo aufftellt". Aid)tiger muh man fagen: noch aufftellen wirb, benn noch fehlen
ja oiele oon biefen giguren ufw., wie befonbers bie acht Statuen oon Halben bes
antiten Aoms, bie man auf ebenfooielen Altären ober turulifdjen Seffeln unter=
bringen will. Vis 3ur enbgültigen gertigftellung wirb man fid) aud) eine ein»
gebenbe ^Beurteilung bes Aiefenwerts unb feiner riefigen Atenge oon ©in3elheiten
auffparen tönnen. Vielleicht gewinnt man bann aud) noch einen etwas aitbern
(Einbrud baoon; 3ur3eit nämlich tnirtt bas Denfmal, einer Atropolis gleich, toohl
grob unb gewaltig in bie grerne, erfd)eint aber recht unruhig in ber Aälje. E.A.
Fabrik-
Ansicht
Echt mit Firma:
Über £artb unb SDleer
1911. 9ftr. 40
prüfen, ob biefe Donbid)tung aud) abfolut fid)er
toirtt, tourbe lürjlid) eine 3 Kilometer lange Strede
bes Kanals bet £id)terfelbe probetoeife angefüüt.
Das hier3u nötige 2 Baffer (runb 200 StRillionen £iter)
umrbe aus betn 16 9 Jieter tiefer liegenben 9 Jiäder=
fee, toeldjer beim Rittergut £i<hterfelbe liegt, hod)=
gepumpt. Das 93 ilb geigt bas Strombett, toeldjes
aus gafdjinen (Sutenbünbeln) mit aufgelegten
fd)toeren Steinen hergeftellt ift unb fomit ein
Sterleten ber Kanalfohle burch bie hwabftürgen^
ben 2 Baffermaffen oerI)inbert. Die Prüfung hatte
bas (Ergebnis, bah bie Donbid)tung burchaus 3toed=
mäfcig unb 3uoerläffig ift. 3 ™ 3 all eines Damm=
brudjes ober einer Reparatur ift es möglich, burd)
eingebaute fogenannte Hubtore bie Scheitelhaltung
in brei Deile 3U teilen. Daburd) toirb oerhinbert,
bah bas SBaffer bes gan3en Kanals oerloren gel)t.
Die Hauptaufgabe bes ©rohfd)iffahrtstoeges ift,
eine beffere Serbinbung mit Stettin — ^reuhens
bebeutenbftem Seehafen — unb bem Hinterlanbe,
im befonberen mit Serlin 3 U fdjaffen. Seine
Keiftungsfähigteit toirb bei boppeltem Ausbau
bes Abftieges nahe Aieber= 3 inoro bei fünf3el)n=
ftünbigem Setrieb 3U runb 3 Sftillionen unb bei
oierunb3toan3igftünbigem Setrieb 3u runb 4,9 90111 =
lionen Donnen oeranfd)Iagt. Die fd)nelle Seförbe=
rung in breieinhalbmal fo groben Kähnen toie
früher toirb bie $rad)ttoften für äRaffengiiter
roefentlid) oerbilligen, unb in biefer gradjttoften*
oerbilligung liegt ber 3 u>ed bes Unternehmens.
©leid)3eitig mit bem Kanalbau führt ber Staat
für faft alle an bem Kanal liegenben Stabte,
©emeinben unb ^rioate auf bereu 2 Bunfd) unb
Koften Hafenbauten aus. Auch Serlin unb ©hat*
lottenburg planen gröbere Hafenbauten, beren
Ausführung fie nad) ben mobernften ©e[id)ts=
puntten felbft übernommen haben. Serlin hat
hierfür bas ©elänbe bes ehemaligen 3 ol)annisftiftes
angetauft, toährenb für ©harlottenburg toohl bie
Aonnentoiefen in Setrad)t tommen toerben. Die
Sollenbung bes Kanals erfolgt oorausfichtlid)
im 3 oh^e 1912 . Sruno 3 ierde
*ÄS
SALEM ALEIKUM
die Cigarette des Feinschmeckers
WEU ! Salem Gold. Etwas für S
Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik „YENIDZE“, Inhaber Hugo Zietz, Dresden.
1911. 9ir. 40
Uber £attb urtb StReer
1069
nESEEHra^n
$J5a£fcorf-5üsfcoria
(Sigareiief
Hockey... 3 Pf.
Bridge... i 8Pf. f|l§
^ 88 ? Cairo Life..10 Pf.
Zu haben in den einschlägigen Geschäften
} 4 j .
Vorratskocher
für den menschlichen Körper ist der leichte und elastische Gang, der
durch „Continental-Gummi Absätze“ ermöglicht wird. Kein hartes geräusch¬
volles Aultreten mehr, das den Körper bei jedem Schritt erschüttert.
Dauerhafter als Leder. Verlangen Sie von Ihrem Schuhmacher ausdrücklich
3. 3- 9Jtabero,
bcr erfolgreidje ftübrer ber tnefifanifc^en
3nfuvreftion unb prot»tforifd)e ^räftbent
ber Nepublif 3Jlesifo
(5Jad) einer wäbveub ber Sümpfe beloirlteit
SDtomentaufnabme)
Conservengläser
zur Herstellung aller
Haushalt-Conserven
millionenfach über die Erde
verbreitet.
Weltausst. Brüssel: Gold. Medaille
(£in0Ejtaitt*ime Bitdjer
unb
(Besprechung einjelner Klerhe Vorbehalten. —
Rücksendung findet nidit statt)
© e n e b i ?, Noberid), $er Kaffenfcblüffel.
©in Suftfpiel in einem ©ufeug. Uni*
oerfal*©ibliotbef B267. ©rei§ 20 ^3f.
©erlog Neclam, Seipjig.
©ronner, 3-3- ©at)rifdie§ ©dfelmen*
büdjlein. ©reis geb. SR. 4.—. ©erlag§*
anftalt 3of. ©. £uber, 2>ieffen oor
5Ründ)en.
Neuen, ©ictor, ®ie grembenlegion.
©ine fopalpolitifcbe, uölferredjtlidje
unb wettpolitifche Unterfudjung.
©rei§ 3)1. 1.60. ©erlag Robert Sui),
Stuttgart.
Nofenow, Hermann, ©obfleigb unb
©Metern, ©erlag ber SJeutfdjen
Sllpen^eitung ©. m. b. H-- SJtüncben.
©djntibti Notis* unb Sfterfbucb für
©botograpbierenbe. ©rei§ 3)t. 1.—.
©erlag ©uftao ©dpnibt, ©erlin.
Schuhmacher, ©ilberatla§ ber
ftriiblingSblumen. ©rei§ 31t. 3.—..
©erlag Qtto 3Jtaier, NauenSburg.
©etter, gerbinanb, ©bt $aoib. ©in
©diaufpiel mit ©borgefang au§ ber
3eit ber beutfdjen Deformation, ©er*
lag SB. ©djäfer, ©cbfeubitj bei Seip^ig.
©etter, gerbinanb, &ie SBeltalter.
®rei 3Jh)fterien. ©erlag SB. ©cbäfer.
©djfeubit) bei Seip^tg.
SBecbfelmann, ©amtätSrat Dr. SBil*
beim, 2>ie ©ebanblung ber ©ppbili§
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Jahrgang 53
Nr. 41
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Die 3<nH>ermütje
23ott
griebrid) 9 *atterott)
(Schüfe)
irt £ad)en ber Umfthenben, aus bem beutlid) ber
£>of)n I)eraus3u^ören mar, begleitete ben fpi|en
^3feil, ben ber junge (tt)ef abfd)of3. Der „fd)öne
Siegfrteb“ liefe fiel) nicf)t oerblüffen.
„Sie haben red)t, meine Herren. Um bie 6ad)e
fur3 3U machen, id) ging 3ur s f3oIi3ei. SGBofeltoeislicf)
nal)m id) nid)t bie gan3e 23eute, fonbern nur einige
ber bürftigjt gehaltenen SBrieftafchen mit. Das
3njtitut mit ben „taufenb klugen“ tourte gleichfalls
Jeine ©rflärung für biefes fonberbare ©efd)ehen.
Der ftommtffar jd)üttelte ben ftopf, ich glaube, er
hatte ftarfc 3metfel an meiner 3ured)nungsfäf)igfeit.
kleine ©rregung ftieg aufs höd)fte, finbige „©eheime“
mürben mir mitgegeben, unb eigentümlid)ermeife,
menn biefe Herren mir auf ben $erfen folgten, blieb
bas unertlärliche Spiel mit bem ©lüde aus ©s roar
ein Reiben, biefe fortgefehten JBanberungen im
Dienfte ber ‘ißolijjet burd) bie äRertmürbigfeiten ber
frjauptftabt.
Da eines Tages fefee id) roieber bie 9Jtütje auf,
unb biefes fJRittel brachte bie fiöfung. S^un ent-
bedten bie DeteJtios, bafe £eute mit einem inert-
roürbigen ©ebaren fid) oft an mid) heranbrängten
unb fich mit meinen Tafd)en 3U tun machten. $ber
fie nahmen mir nichts heraus, fonbern ftedten mir
hinein!“
„2Benn bu jefet nicht halb mit biefem Schtoinbeln
aufhörft, lieber Siegfrieb, bift bu bie längfte 3ett
mein ehrlid)er greunb geroefen,“ fagte ber bide
blonbe Giebel.
„9tee, mein 3unge, nun Jommt eben bas Traurige,
roas id) er3äl)len rnollte. Du bift 311 einem Srüffeler
^ßolfeiften roie gefd)affen, beim auch biefe ftedten
mich roegen meiner ©hrlid)leit ein. 3a, fie hatten
nod) bie Kühnheit, mich einen gan3 gemeinen Tafd)en=
bieb 3U nennen, unb roas fonft nod) folcher Hebens-
roürbigen Titulaturen mehr finb. iMI meine Unfd)ulbs=
beteuerungen roaren fruchtlos, ©rft ber 5lbenb brachte
mir bie Rettung in Jrorm bes äRühenfabrifanten unb
bamit aud) bie ‘Sufflärung bes mpfteriöfen ©rlebniffes.
Die DeteJtios hatten eine %t3af)l ber fingergeroanbten
Spi^buben eingefangen unb entbedten ben fonber-
baren Umftanb, bah fie alle bie gleiten SRühen, roie
aud) ich f^ befafe, trugen. Die blühen roaren fo3u-
fagen ihr ©rfennungs- unb 23unbes3eid)en. äRan
fonfrontierte mich mit ihnen, jeboef) mit berfelben
©ntf<hiebenheit, roie id) bie greunbfdjaft mit foldfen
©efellen beftritt, roel)rten auch fie fid) bagegen,
geroijf ein fel)r fpmpathifcher 3ug oort ihnen. Die
9iad)forfd)ungen mürben meiter alisgebel)nt, bis man
burd) mid) ben #utmad)er erfuhr, ber bie SRütjen
geliefert hatte.
9tun mar bes 9iätfels fiöfung Jlar: bie Spitj=
buben hatten fid) bei bent StRann ein Dutjenb, ober
nad) ber 3aI)I öer 23anbe, bie fid) 3U einem ge-
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metnfamen 3 ug Bereinigt Rattert, non ben SRütjen
bestellt, bocf) ber ^anbroerfer, bem bie 5orm unb
bie garbe gefiel, [teilte gleid) einen größeren Vorrat
baoon t>er, unb non biefen übegäljligen b>atte icf)
meine 3auberntüt)e befommen. Unb nun glaubten
bie Diebe in mir einen Sunbesbrnber 3U fel)en,
unb ba id) mid) nid)t mit am Stellen beteiligte, ober
roer toeift roarnm, in mir ben §et)ler oermutet, bem
[ie bie Seute anoertrauten.
Unb nun, meine Herren, laffen Sie uns nod)
einmal auf bas 2 Bot)I eines gemetnfamen 3 ufantnten=
[eins anftofeen, roer toeif}, ob bas ©lüd mir immer
[o I)olb bleibt, toie es mir in Sriiffel toar!“
„fieiben unb greuben bes Reifens,“ [agte naci)=
benilid) §err 9 Jlagi[trats[efretär §oIberbu[d). „StRir
famt bie[e Aufregung ge[tol)len bleiben!“ £>bmol)I
er förmltd) l)erausgeri[[en roar aus bem Uf)noerf
[eines [tillen 23 eamtenba[eiits unb nod) lange auf
bem <r>einuoeg in bem Erlebnis [d)toärmte.
Unb bie Dame?-Die ©efd)id)te i)atte l)ier
bod) tooljl eine red)t bemertbare £itde, aber mir
poli3eifreunblid)en ©erliner fjatten bas [d)on läng[t
oergeffen.
Schach (Bearbeitet x
Aufgabe 16
SSon 0. Jewetzki in $orpat.
(„®eutfd)c« 9Bocf)enfd)acf)".)
©cbroar; (6 Steine)
Huflösung der Auf¬
gabe 15
2B.1. Tc2—c7
@. 1. Sa8xc7, Lalxd4
2ö. 2. La4—c2 unb
SB. 3. Sd3—e6 matt.
SB. 2. La4—e8f
©. 2. Te7xe8, - f7
SB. 3. Tc7xg7, Le8xf7
matt.
@. 1. e2xflD, Dalxfl,
a4, — a2, Ta6xa4,
— C6, f6, Sc8—d6
SB. 2. Sf3-e5f
@. 2. Te6xe6
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SBeift jte£)t an u.feöt mit bembritten 8uge matt.
Hitss nnferm MarrcT^mthcn^urnicr
2>ie Verteilung ber ©onberpreife für beftgefpiette. $ar»
tien ift burd) ©ntfcfjeibung ber s ^3rei§ri^ter, Herren SJietger*
Stiel unb ÜRannefortfpVerlin, nad)bent ein übriggebliebener
®ifferenjpuntt burd) ben Surnierleiter ®. @d)aHopp*©teglit) al§
Obmann erlebigt roar, nunmehr in folgenber SBeife geregelt
worben: ben erften V*ei§ im Vetrage oon 100 Sftarf ertjätt £>err
Dr. 21. s Jtueb im £aag für feine im 2tn^ug gegen SBegemunb
gewonnene Partie; p en jmeiten unb britten ißrei§ oon je 50 SRarl
|>err Dr. $. Vannet, Sanbe§aboofat in ^rjefjoioice bei Strafau
in (Solisten (2lnjug§partie gegen Vetgmamt), unb §err fianb»
gericf)t§rat a. $. 2Ö. <3d)wan in Sinj am 9tbein (2lnsug§partie
gegen (Supas); ben oierten unb fünften Vrei§, je ein ©jcemplar
(15 Vänbe) „SJteifterwerfe berühmter ©rjätjler" §err $. $olmer
in 2(mfterbam (9tad)sug§partie gegen Söwenton) unb §err Dr.
2L2Banfin in itöfern bei 2Ut^ebaIg in Siolanb (2tn*ug§partie
gegen ©utjaj); ben fedjften 2ßrei§, £et)cf „3)ioberne Kultur" (jroei
Vänbe), |>err 2S. f^lir. £anbe§beamter in $nn§bru<f (2tn*ug§»
Partie gegen Saimer); ben fiebtenVrei§, Varnter Stongrefsbud),
|>err 9t. 2lIejanbrow in SOtoSIau (9tad)jug§pgrtie gegen
@d>wan). ©§ fei tjiersu noch auibrücElicb bemerüt, baj? nad) ben
oor Veginn be§ Stampfet feftgefteßten SEurnierbebingungen nur
9ticf)tfieger gur Vemerbung um biefe «Sonberpreife berechtigt
roaren; anbernfaü§ mären Partien rcie 2Biarba»2Begemunb,
gri^2ttte§Ianber. oon 25ef}ler'.2Bieganb, bie jmeite oom 2lnjief)en=
ben, bie beiben anbern oom 9tad)gief)enben gewonnen, fidjer nicht
leer au§gegangen. SBir oeröffentlicbten biefe Partien bereits im
Jahrgang 1909/10 unter ben 9tummern 7, 15 unb 18. Von ben
naci) oorftebenbem Verist mit Sonberpreifen bebacbten Vactien
ftnb bie erfte, fünfte unb fedbfte gleidjfaüS bereits auSfübrlicb
mitgeteilt roorben, unb gmar als 9tr. 2 unb 8 oon 1909/10 be=
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„■£>enfet§graf", unb feine Kriminab
gerid)t§barteit (1788—1808) au Ober*
bifdjingen bei Ulm. 91ad) 2tften unb
©Triften erftmalig gefd)id)tlid) bar*
gefteüt. ißrei§ brofd). 91t. 2.—, geb.
9Jt. 3.50. grancfbkbe BerlagStjanb*
lung, Stuttgart (Bibliotljef be§ 17.
unb 18. Qat)rbunbert§),
Salb« von, ®ie @d)netlfüd)e. $rei§
9Jt. 1.—. Berlag ©mil äBirj, oor*
mal§ Q. Q- ©bnfien, Slarau.
©leutfdjer Kamera * Sllmanad) 1911.
Brei§ in Büttenumfdjlag 9)t. 4.50, in
Seinen geb. 9)t. 5.50. SSerlag ©uftao
©djmibt, Berlin W 10.
©gloffftein, ^»ermann gretljerr oon.
Qm ©)ienfte be§ ©rofsberjogS ©arl
VlleEanber. ©in @rinnerung§blatt.!
$rei§ brofd). 9)1. 2.-, geb. 9)t. 3.-.
SSerlag ©ebr. ißaetel, Berlin,
ge ebner, £>an§, ®' e Bngelbrüber.
©in ÜDtalerfommer in Sltittenroalb.
Brei§ 9)1. 4.—, geb. 9)1. 5.—. SSerlag
g. gontane & ©o., Berlin,
©angbofer, Subiotg, ©efammelte
©cb'riften. S3olf§au3gabe. dritte Serie
Botlftänbig in 10 Bänben ä 9)t. 1.50.
®efamtprei§ 9)1.15.—. Berlag Slbolf
Bonj & ©o., Stuttgart.
©erbranbt, 9)1., «Jtingenbe §erjen.
KürfcbnerS Bücberfdjab 9lr. 766. HSrei§
20 Bf- Berlag §ermann §iHger, Ber*
lin*8eipaig.
©erbarbt, Otto, 2lmp Stobfart. ©in
©rauerfptel. Berlag für Siteratur
Kunft unb 9)lufif, Seipjig.
©erbarbt, Otto, ©in «Jtitterfcblag.
©cbaufpiel. Berlag für Siteratur,
Kunft unb 9)lufif, Seipjig.
©rauenborft, grau ©rna, Katedjig*
mu§ für ba§ feine §au§* unb ©tuben*
mäbdjen. B«i§ 9«b- 65 Bf-* 9 eb.
9)1.1.25. gröbel*£)berlin*Berlag, Ber*
lin*@übenbe.
§epbemann *9)löbring, ©lifabetb-
hinter bem 9lebel. 3toei 9looeHen.
Bita 2>eutfcbe§ Berlag§b«u§, Berlin.
§utfd)enrupter, SBiHem, 2)a§ Beet*
booenbau§. 8lu§ bem §ollänbifcben
übertragen oom Beifaffer. Btei§ geb.
9k. 2.—. Berlag ©reiner & Pfeiffer,
Stuttgart.
Qecminef, ©briftian, ®ie feyuelie
Qugenbiiinbe, ihre ©efabr unb 2lb*
toebr. s JSrei§ 60 Bf- @d)ulbud)banb*
lung oon g. @. S. ©realer. Sangen*
falaa.
Qm golbenen Kinberlanb. ©in Bud)
junt Sefenlernen. Qn Originalbanb
80 Bf- Berlag oon Quelle & 9)leper,
Seipjig.
Kabarett, ©ine Sammlung Heiner
©tüde, ©aenen unb Bortrage für ge*
feUige Kreife. ©efammelt unb berau§*
gegeben oon ©g. 9tid). Krufe. Uni*
oerfal*Bibliotbef 5265. B*ei§ 20 Bf-
Berlag Beclam, Seipjig.
Kilner, 9kartin. ©)ie anbere §alfte.
9toman. Bita ©>eutfdje§ BerlagS*
bau§, Berlin=©barlottenburg.
Kremnit 3 , 9)lite, Saut ©eftament.
91oman. Bita ©>eutfd)e§ BerlagS*
bau§, Berlin*©bavlottenburg. I
Kolik und
Durchfall
finb bie tgpifdjen ©ommererfrantungen bet über*
mäßigem ©enujj oon £>bft unb unreifen grüßten,
prompt unb ficfyer totrft ein Teelöffel ooE
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Oktober 1910—1911
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Copyright, 1911, by Deutfche Verlags »Anltalt, Stuttgart
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Der Kampf ber meinen
uni> öer roten ©ofe
Vornan
oon
©eorg $irfd)felb
(gortfetjung)
fYlementine antmortete— er fjatte fi© ntdjt
vv trt ©r getäuf©t. ©Im nä©ften Dage tarn
ein Telegramm.mit (Selb unb mit ben ©Borten:
„©in Samstag früß a©t Ußr in ©lün©en,
ermatte Di© am 23 aßnßof. ©tama.“ £oni
mußte greube ßeu©eln, als fie ©n in ßer3=
lieber, erlöfter greube biefes bürftige griebens*
3eitlen oorlefen faß. Diefe ©Beßmut bef©li©
fie, ©litleib and) im gmterften. Das ßatte
er für fie getan, unb fie, fie ßatte ©n fo meit
gebra©t! Die Sorge mar eine altgu ßarte
£eßrmeifterin für Karlmann ©ominger — fie
beugte feinen ©aden mit eiferner £anb, fie
mpllte oon ©runbfäßen unb frif©em gugenb*
troß nichts miffen. S©Iu©3enb fant Zorn
aufs © 3 ett, als Karlmann naeß ©tün©en auf*
bra©. ©Bar fie fein ©Iüd:? ©Bar fie fein ©Kid?!
£©, merben mollte fie es, no© einmal, immer
mieber, für bas £i©t ©res £ebens, für ©n,
für ©n, ben einzig, emig ©eliebten. ©r gab
©r alles. Sie mollte ©nt au© alles geben.
5 ßr f©Ii©tes, auf rechtes Selbft. ©Bar es
oiel, mar es menig? ©Senn er in feinem
£eben einen ©tenßßen gan3 befaß — es
tonnte ja ni©t menig fein. —
©a©mittags tarn Karlmann mit feiner
©lütter. ©Birtli©, fie mar es, bie ftol3e grau
jSrofeffor, bie Doni über bie ©Immerfelber Dorf*
ftraße (©reiten faß. Das <5et3 ftodte ©r. ©Sie
follte fiefi© jeßtfaffen? ©Basißr fagen? £eute?
3um erften ©lale? §atte fie ©ormürfe 3U
fürdjten? ©ur bas nießt! ©Iber fo tonnte bie
©lütter ©r in Karlmanns ©egenmart unmög*
lid) gegenübertreten. Sie tarnen ja ©Irm in
©rm — ein feltfamer ©nblid. §alb beängfti*
genb für 3 mni, ßalb munberooll. Sie füßlte
buntel, baß es ©r jeßt hoppelt galt, fi© auf*
reefjt 3U galten. Karlmann tarn mit feiner
©Kitter, grau ©ominger tarn mit ©rem Soßn.
©r mürbe ©r faft fremb. Do© nein! ©Sei©
ein ©Baßnfinn umfing fie! gßr Karlmann!
geßt näßte ja bie §ilfe, bie ©usfi©t, bas
neue £eben! ©nbli©! ©r ßatte reeßt getan!
Unb fie, fie ßatte fein Kinb — bas mar ©r
©emeis, ©r ©e©t, bas mar ©r Unumftößli©es.
©ine ©lutmelle ber greube unb bes Stores
flieg ©r aus bem J>er3en in bie ©Sangen
empor — fi© redenb trat Doni bem ©efu©
entgegen.
1911 (33b. 106)
Klementine 3eigte ein neroöfes, ßaftiges,
faft mirres ©Sefen. ©s mar ba3u angetan,
Donis guten ©Sillen in Spmpaißie unb inniges
©litleib 3U oermanbeln. Die arme, reifemübe,
plößli© gealterte grau! ©lit itberfd)mang tüßte
fie Klementines fieberrtbe ^anb, unb grau ©0=
minger 3itterte einen ©ugenblid. Sie muffte
fi© feßen. Sie ftarrte, einen £er3trampf
be3mingenb, oor fi© t)in. 3um erften ©lale
faß Karlmann feine ©lütter ßeute übermunben.
Das bemegte ©n namenlos — er fragte mit
mei©er Stimme na© bem ©ater, na© ben
©efdßmiftern — fie nidte nur unb ßielt feine
£anb feft. Dann bra©te Doni ©r bie tieine
9 ßaula. ©s mar ein f©önes, golbblonbes,
friebti© f©lummernbes Kinb. gßr erftes
©nteltinb. Klementine meinte. Da liefen
bie jungen £eute fie mit j 3 aula allein. —
Die ©lütter blieb brei oolle ©lonate in
©mmerfelb. Unb es gef ©ab) in biefer 3 e ü,
ba^ fie Doni oon §ei‘3en liebgemann. Sie
forgte für alles, fie oibnete bie ©elbtalamität
unb fi©erte bie erfte 3 utunft. Sie bemirtte
§- bas mar ©re irjaupttat — baß Doni unb
Karlmann in ©tündjen getraut mürben. Still
unb oßne geier, nur im Staubesamt. Do©
Klementine mar babei, unb bas ©ßepaar ©oll=
finf als Klugen, ©un maren fie alfo ©tarnt
unb grau — nun enbete bie glu©t — ja,
mo Klementine maltete, ging alles raf©, unb
man tarn ernftli©, freubig meit er. greili© —
bas ertannte Doni Dräntles tluges §er3 fetjr
halb, au© als fie in ©ßre unb ©Sürben Doni
©ominger gemorben mar: bie £iebe, bie ©re
S©miegermutter ©r entgegenbra©te, fo e©t
unb refpettüoll fie fein mo©te, beburfte bo©
ber Überleitung, ©on Karlmann über bas
Kinb 3U ©r mußte ber 3ünbenbe gunte gleiten.
©Sas Klementine für Doni tat, tat fie eigentli©
für Karlmann, unb ^fSanla mar ©res Soßnes
Kinb, no© ni©t fo oöllig bas Kinb ber neuen
Do©ter. Donis erftes ©ngftgefüßl mar 0erflogen
— marmes ©lüd mar mit ber ©lütter eingeteßrt,
fein $o©mut, feine Kälte. Sie ßatte Doni in
©ren alten ©e©ten anerfannt unb bie neuen
begrünbet. ©teßr fonnte fie ni©t tun. ©ber
fie tat es als Karlmanns ©lütter, ©s gef©aß
alles für ©ren Soßn. Unb mäßrenb ein ftiller
©eib in 2onis §er3 fam, ber fie maßnte: i©
bleibe unoerfößnt mit ben lieben, f©ulbIofen
©leinen baßeim, unb er, er füßlt f©on mieber
bas alte ©eft in ber ©äße, tröftete fie fi©
bo© fetbft unb fagte fi©: ©ur bei ber Stange
bleiben, ©leine 3eit fommt au©, g© ßabe.
Kraft 3um ©Barten. Do© mas er entbeßrt,
bas muß ©m f©nell erfeßt merben.
IX
Klementine mollte oon ©tmmerfelb na©
^Berlin reifen, mo 3mei neue Aufgaben ©rer
ßarrten: gran3 Otto ©raumüllers geirrt gu
befi©tigen unb bem greißerm oon ©iegenau
ein neues £eim begrünben 3U ß elfen. Die
beiben ©ßen ließen fi© 3U ©rem ©ram als
£eibensgef©i©ten an. Karlmann merfte es
an ben ©eben ber ©lütter, oßne baß fie es
©m 3ugeftanb. ©3 ei © 3 raumüllers ßatte es
f©on in ben erften ©lonaten gemadelt. Sie
ßatten granffurt mit ^Berlin oertauf©t, fonnten
fi© aber über bie (£tnri©tung ber ^Berliner
©Boßnung ni©t einigen, unb ©tarions 23 er*
f©meubungsfiun ftieß fo ßeftig mit ber 3äßen
Sparfamfeit ©res ©atten 3ufammen, baß bie
junge grau in oer3meifeiten ^Briefen bie §ilfe
ber ©lütter anrief. Uber bie ©efaßr, bie
in ber ©inmif©ung einer S©miegermutter
lag, ma©te ©tarion fi© feine ©ebanfen. Sie
mollte nur fiegen, ein für allemal ben
plumpen Spießbürger unter ©ren 3ierli©en
‘»Pantoffel 3mingen. ©r liebte fie auf feine
©Beife, ftierßaft, opferbereit, fanatif©. Sie
ßatte es eigentli© ni©t gern, fi© fo lieben
3U laffen, ba fie fi© mie ein ^o^eHan*
figür©en in © 3 auernßänben oorfam, aber fie
mollte menigftens ausnüßen, mas ©r biefe
£iebe eintrug. Der erfte, fonftruierte Xraum
oon 93 aben*©aben mar oerflogen, ©r ßatte
eigentli© eine re©t rei3lofe ©emößnli©feit,
biefer bejaßrte ©ef©äftsmann, unb fie mar
baßintergefommen, baß es eine ftarfe ©In*
maßung oon ©m mar, mit feinem 23 ilbungs*
grabe fi© um eine ©omingerto©ter 3U be=
merben. ©un aber, ba alles gef©eßen unb
fie feine grau gemorben mar, follten au© für
immer bie ri©tigen ©ren3en 3mif©en ©neu
ge3ogen merben. Das £anb ber Kultur, bes
©ef©mads, bes feineren £ebensgenuffes für
©larion — für SBraumüller bie Praxis, bas
©ef©äft, bas materielle £eben. S©mer ßielt
es, ©m bas beutli© 3U ma©en, all3u f©mer.
Denn er mollte gerabe bort ßinüber, mo fie
©m bie Dür oerf©loß, unb ber ©ingebilbete
glaubte ©r au© man©es ©ute aus feinem
£anbe mit3ubringen. Sie oerßanbelten erft
in f© einbarer ©üte unb ©üdfießt mie fanfte
Diplomaten — bann aber ftritten fie fi©, unb
eines Xages, eines £ages ßatte ber abf©euli©e
© 3 raumüller bie ©laste abgemorfen: er mar
grob gemorben. ©rob gegen ©larion ©ominger.
©r ßatte gef©rien unb getobt, baß bie Dienft*
boten f©redensblei© baßertamen. Das burfte
ni©t meßr oortommen. ©ie meßr! ©Bas
baeßte fi© benn ber §ol3mollefabritant?
Klementine tröftete ©re Xo©ter unb oerfpra©
bur© ©r ©rf©einen bie golbene 3^t ßerauf*
3ubef©mören.
© 3 ei © 3 iegenaus ftanb es anbers, aber ni©t
beffer. Salb na© ber ^o©3eit, no© unter*
megs, in gtaüen, ßatte ben ©ittmeifter eine
feßmere Kranfßeit befallen, oon ber er fi©
ni©t erßolen tonnte. ©Bas nüßte es ©Ifa,
mit ©rem ©attert auf ber ^erraffe bes f©önften
139
1072
ttber £artb unb äfteer
1911. 9!r. 41
Rotels oon SDttmte ©arlo gu fi^en? Stumpfe
21ugen batte er für bas blaue SDfttt einte er, für
bie ragenben Palmen unb bie eleganten,
lebensoollen StRenfcEjen. Sie muhte mit hm
nah §aufe gurüätehren, unb bie Strapazen
ber Veife roarfen Viegenau in ^riebridjsburg
oöllig nieber. Klementine unb ©Ifa pflegten
ihn — es mar eine traurige junge ©E)e*
ftanbsgeit. Dod) als er gerettet mar, ftanb
es für ü)n unb bie anbem feft: er tonnte
nicht länger im X)ienft bleiben. 2Bas er,
ber Verbrauchte, lange hinausgefdjoben hatte,
mürbe jet$t Datfad)ß: er bat um feinen 2tb*
fcbieb. 2Bol)l ernannte ber gnäbige ©roh s
hergog ihn gum SDtajor, mol)I tonnte er in
allen ©hren fReiben, aber ber 3müangug, ben
er mit ber frönen Dragoneruniform oer*
tauften muhte, machte aus bem Schmetter*
ling Viegenau eine unfä)einbare Staupe, unb
er mürbe plöhlid) ein bürrer, ältlicher, häßlicher
SJtann. ©Ifa fah es, hoch ihr ffrrauenmitleib
übermog. Klementine fah es, unb es mar ihr
ein tiefer, bleibenber Schreden. freilich —
„bie Varonin" ober „bie $rau 9Kajür" oon
ihrer Dotier fagen gu tonnen, blieb ihr,
bas ftärtte ben 9Jtut, oon oielem ©lang unb
Reichtum 2lbfdE)ißb gu nehmen. 2lu<h Viegenau
tarn felbft fehr halb über fein 9Jtth0ßfd)td fort,
inbem er ertlärte, fich enblich feiner Kieblings*
neigung, bem Stennfport, oöllig mibmen gu
mollen. ©r blieb nicht in griebrichsburg —
er mähte es Vraumüller nach unb gog mit
feiner jungen $rau nach 23erlin. Vraumüller
mar aud) herüber unglüdlidE). ©r hatte bie
2tnfd)auung bes geborenen Berliners, ber als
„gemachter SOtann" nach 23erlitt gurüdtehrt—
er lebte in bem ©lauben, bah fßütß Vaterftabt
ihm gehörte, bah alles jeht auf ihn bilden
muhte, unb niemanb, ber ihm nicht recht mar,
feinen ©ingug ftören burfte. Freiherr oon
23iegenau unb feine ©attin ftörten ihn nun
gang erheblich- ©r fah Unheil unb neuen
3*oift in bem ©rffeinen ber beiben, feine
2lnfichten trennten ihn oöllig oon bem pen*
fionierten, beruflofen Offizier, unb er mollte
um jeben Preis oerhinbem, bah Vtarion fid)
mit ihrer Familie aufs neue oereinigte.
3rifd)ßr 3ünbftoff tarn fo in bas Stomingerfche
Kager gu 3riebridE)sburg unb gu Verlin. 9tun
gar noch bie Shunegermutter! $rang Otto
Vraumüller muhte jeht feinen gangen SJlann
flehen, benn er ahnte, bah er allein mar oor
lauter SStenfdhen, bie bas ©ntgegengefehte als
er mollten.
Doch ßtn fernerer, folgenreicher 3mifd)ßn=
fall bernährte 23raumüller noch oor bem 2Ius=
brudE) bes Krieges. Klementine muhte einen
Dag oor ber 2tbreife ihre fämtlidhen Pläne
umftohen. 2Ius 3riebrid)sburg tarn ein Dele*
gramm oon Philipp, bas eine neue ©rtranfung
bes 23aters melbete — bie menigen 2Borte,
bie eigentlich nichts fagten, fagten bod) alles:
3uftinus Siomingers ©nbe mar nahe. Da gab
bie arme, hin unb hß* gßriffene $rau ihren
Verliner Steifeplan auf — fie zitierte bie Död)tßr
unb Shmiegerföhne telegraphifh nah 3rieb*
rid)sburg unb reifte felbft fofort oon 2Immer*
felb in bie $eimat ab. Karlmann begleitete fie.
SCRit fchmerem bergen lieh Dorti ihn giehen.
©s fam eine arge Verlaffenhßit über fie. Ve*
fonbers quälenb mürbe ihr ber ©ebanfe,
Karlmann ben ©rfhütterungen bes Dobes
preisgegeben 'gu miffen, hoppelt preisgegeben
auch öen ©inflüffen feiner Familie, noh bagu
in 3riebrid)sburg, mo fie bie unoerföhnten
3hrigen muhte. Sie mar feiner fidler bis
ans ©rab, aber ihre ©iferfucljt lohte mäd)tig
auf, unb fie ertannte jeht, mie oöllig fie fein
©efühlsleben beherrfht hatte. 9hm brangen
plöhlih anbre 9Jtäd)te auf ihn ein. Der Vater
— fie tonnte ihn nicht oon ben lebten Stunben
feines Vaters trennen. Unb fonft? (Einmal
noh ttt ber Heimat — mer muhte es — bas
lehtemal oielleidht, unb bann für immer
bei ihr. Sie fahte fih unb lieh hu reifen.
3hn brängte es gemaltig gu ben alten 23ilbern
3 urüdE — bas fa§ fie. Sie muhte fih hüten,
biefer Sehrtfuht nah 2lusgleid) unb Ver*
föhnung mit eignen Vßünfhßn in ben 2Beg
3 U treten. 2Us Karlmann unb feine Vtutter
fort maren, meinte Doni fih bei ©oa Voll*
fint aus. £>ier fanb fie ben Droft, ben jie
brauhte. Kein meihßs 9Jtitleib, tein ergebnts=
lofes 9lahfiunen — frifhßu $umor unb Sin-
trieb 3 ur Dätigteit, gur groben 9Jiutterforge,
bie alle ©efpenfter oerfhßuhte-
2tls Karlmann $riebrihsburg mieberfah,
ruhig unb fihßr, nidE)t mehr als fhßuer f^Iüht*
ling, ba trat es ihm mächtig oor 2Iugen:
21bfhieb. Du muht oon beiner 3ugenb 21b=
fhieb nehmen. Der Vater lag in 21gonie —
einige Vlinuten hatte Karlmann an feinem
23'ett geftanben, ohne bah ber Krante ihn
ertannte. ©s mar nihts für ihn gu tun, er
muhte fih fhmeigenb gurücfgiehen. ‘plpltpp
mar feltfam ftilt unb fah gum erften 9[Rale
bläh aus — es tarn Karlmann fogar oor, als
ob fein 23ruber etmas abgemagert märe. Sie
fprahßu fih uur feiten an, fie liehen fih gegen*
fettig unbehelligt. SPtarion unb Vraumüller
maren fhon angetommen. SBährenb fie ihrem
©atten hunbert Veforgungen auflub, mibmete
Vtarion fih ber 91tutter. Viegenaus oerfpäteten
fih — mit ftiller ©ntrüftung tonftatierten es
bie anmefenben ^amilienmitglieber.
ßangfam unb auf ben 3ßf)ß© uiht mehr
herrifh unb Düren gufhlagenb, ging Karlmann
burh bie 9täume bes ©Iternhaufes. 2Bie
buntel unb ruhig mar es jetjt hter — bas Keben
hielt gleihfam ben 2ltem an. Diefes irjaus,
bas fo oiele ©äfte gefehen hatte, beherbergte
einen ©aft, ber mähtiger mar als alle. 2Ber
lähßlte ihn an, mer fhmeiheite hm, mer
tränt hm gu? Keiner. Unb bennoh biente
man hm. Denn es mar ein ©aft, biefer
fhattenhafte Sho^eiger, ber noh uie im $aufe
9tominger eingetehrt mar. 9[Ran hatte ihn hißt
nur oom ^örenfagen getannt. 9Jtan mar oor
ihm geflofßn, recft tinbifh» unüberlegt. 9tun
mar er plöhlih öa unb tafelte unb mähte
es fih bequem überall! Überall, ©in Shauber
padtte Karlmann, ©r mar auf bie Veranba
getreten unb ftarrte in ben ©arten htuaus.
VSar's Frühling jeht, mar's $erbft? Sie logen
ja, biefe tnofpenben 3meige, biefe jungen
©räfer, bie aus fhumrger ©rbe fproffen. Der
2Binb ging rauh unb talt, ben Fimmel bebedten
jagenbe 2BoIten. Das mar tein Frühling,
tonnte tein Frühling fein. 2Bie hatte fein
Vater ihn geliebt in feinen ftarten Dagen!
©r manbte fih ab unb ftieg behutfam bie
Dreppe gum erften Stod hmauf. ©r fefmte
fih nah feinem 3tmmer. 2lls er es betreten
hatte, fhlofe ßt ftd) ein unb ging an bie liebe,
mehe 2Irbeit, gu tramen unb gu orbnen. 23üd)ßt
unb anbre Dinge, bie bamals bie $Iuct)t
befhmert hätten, mollte er jeht mitnehmen.
Unb manches tarn hm babei in bie §anb,
mas ihn feltfam bemegte: eine Photographie
oon Kucie 91aumann, eine anbre, bie oon hm
felbft gemäht morben unb bie fhöne ©qui*
page, bie gelbgepolfterte, mit bem filber*
gefhtrrten 91appen barftellte. brauneres
fhmiegte fih Kucie, unb Demmler fah ftolg,
bie Peitfhe haltenb, auf bem 23od. ©in
bitteres Käheln tarn auf Karlmanns 21ntlih
— bann gerriß er langfam biefe oerfuntenen
Dorheiten. 2Iuh Kucies Vriefe, bie hm mie
brennenbe Kügen oortamen, gerrih er. Um
fih rein gu haben, gog er feine Vrieftafhß
heroor unb betrachtete Donis Vilb, baneben
auh bie Photographie ber tleinen Paula.
3a, htßt mar ber 2Beg ins neue Keben —
offen, frei unb breit, ©r tonnte ihn nicht
oerfehlen. $rifh hmausfhrßiten mollte er,
nadhbem er bem Vergangenen unb Sterbenben
bie Iehte ©hre ermiefen, fih niht mehr um*
fhauen...
2lus feinen Dräumen fhredte hn ein ftartes
Pohßu auf. 2Ber magte in biefem $aufe
folheu Kaut? Karlmann erhob fih gornig
unb öffnete bie Dür. Freiherr oon Viegenau
ftanb oor hm. Kähßlub bot er bem tiefernften
Shomger bie £janb, gerötet mie einer, ber
eben einen guten Drunf getan, unb begann
in feinem breiten Dftpreuhifh Iosgupoltern:
„Dag, Karlmann! 2Bie jeht ; s bir benn? 23in
eben anjefommen! 2llfa hatte 9Jtijräne, fonft
mären mir jeftern fhon bajemefen! Kange
9leife oon Verlin, aber ber Speifemagen is
jut, nur fhabe, 2Ilfa fann bas fahren nih
oertragen! 9ta? §ier jeht es alfo nih iut,
hör ih? §m-."
„9lein, gar niht, unb ih bitte bidE) hߣgfth>
lieber ©rnft, fprid) leifer. Vater liegt bidE)t
über uns."
„3h meih, ih o^eh — aber bas hört er
ja nih, ßt hört ja überhaupt nihts, mie?
9ta, mie is es bir benn ingmifhen erjangen?
Du haft jeheiratet — hm ?<<
Karlmann mürbe blaß, hm trampfte fid)
bas §erg gufammen, aber er begmang fih*
9tebe ftehen, biefem Dattlofen — bas mar
ausgefhloffen.
„3^ bir mehl jang anjenehm, jeht mieber
jut gu merben mit allen — hm? 3a §aufe
gu fein unb ; s jute 9tomingerfhß ©ffen unb
bie juten 9tomingerfhßu Vetten — ja —
bie 9tomantif is jang fd)eßn, aber lange hält
man fe bodE) mh aus. Das meift ih, lieber
3reunb, bas meih ih-"
„©ruft, mir mollen lieber hmuntergehen —
hier oben—“
„§aft mir übrigens imponiert — bas tann
ih nih anbers fagen. 99tit nihts unb aber
nihts fo 'm 9JtäbeI nahgulaufen in bie maite
2BeIt raus — na — es is bir ja jelungen,
bie ristante 3ßfä)td)tß! Vorlaifig menigftens!
Unb mas Kleines habt hr eih auh fhon
anjefhafft?“
„Komm, ©h^oager ..
„3a, ja meinsmejen — fliftern fann ih
nämlich mh — öas jemehnt man fid) beim
SCRilitär ab — beim Kommanbieren, meiste —"
„2Bir mollen gu 93tama hmuntergehen."
„3ern! Da fällt mir auh eben ein: ih
füllte bid) ja in ben ©aal gitteren! Unten is
bie jange Familie oerfammelt! ©ojar bie
3rohmutter, bie olle 3mu! ©s is jang feier*
lid)! Der 2lrgt is nämlich ba unb hat's je*
minfht!"
„Der 2trgt? Der ©eheimrat — ?!"
„Derfelbige. ©r rnill, jlaub ih, noh mal
'ne Unterfuhung am Papa oornehmen, unb
bann mill er uns oertinben, mie bie 2Htien
ftehn — hab ih jang oerjeffen — mir füllen
ja babeifein."
„Das fagft bu mir erft je^t?!"
Karlmann lieh ben ©hoaager, oon plöh=
Hher 2Ingft ergriffen, ftehen unb eilte ins
Parterre hmunter. Viegenau folgte. 3m
9JtufitfaaI maren mirtlidj alle 9?omingers oer*
fammelt. ©s mar ein feltfam betlemmenbes
Vilb, biefe fhtoeigenben Vienfhßa, bläh, mit
fdpoerep, oerfhooimmenben 3ügen im Däm*
merliht. Die ©rohmutter fah in ihrem ge*
mohnten Seffel, fteinern, ermartungsooll, mit
bem Dobe oertraut. Vraumüller unterhielt
fih flüfternb mit Philipp, Vtarion unb ©Ifa
fhluhgtßn leife unb fuhten ihre Vemegung
oor ber 9Jtutter gu oerbergen. Klementine
ging ratlos umher. Vis jeht mar ihr ber Dag
burh bie oielen Vefudjß, bie fih midE) bem
Krauten erfunbigt hatten, leiblich oergangen.
Solange bie Deilnahme ber 2Belt fie in 21n*
fpruh nahm, htßlt fie fih aufrecht. 9ttm aber
mar gegen ,2lbenb ber ©eheimrat getommen,
unb nahbem er einen Vlid auf ben Krauten
gemorfen, hatte er ben 2Bunfd) geäuhert, bah
bie gange Familie fih oerfammeln möhtß*
§ier unten füllten alle auf ihn märten, bis er
mieber hmuntertomme unb bie Unterfuhung
beenbet habe. Klementine oermieb es, ben
anbern ins ©efiä)t gu fehen. Sie fürhtete
einer 2Intmort auf ihre 3rage gu begegnen,
einer 2Intmort, bie fie niht hören mollte.
9toh ftanb ihr Kebensbau fo feft [mie eine alte,
auf geifert gegrünbete Vurg. 9tod) fahte
fie es nid)t, bah ber ftütjenbe Jauptquaber fid)
iöfen füllte. 9toh omr er ihr oöllig fremb,
ber unfihtbare ©aft, ben fie fhon fo lange
1911. 9lr. 41
beherbergte. §ilfefud)enbe Vlide marf fie auf
Karlmann, ber eben mit Viegenau eintrat.
Cr erfaßte bie Sachlage, trat an bie SRutter
heran, nahm ihren $lrm nnb 30 g fie neben
fid) auf ein Sofa. Dort fahen fie nun in
ftummem Sinnen, unb ihre Vlide richteten
fid) 3 ugleid) auf bas Vilb, bas ihnen gegen*
über hmg — ein großes ©emälbe oon
Fufünus Vontingers §anb. Cs mochte fünf*
3 ehtt 3öh^e alt fein. Cs 3 eigte bie Cltern
unb ihre Kinber. Bebensgläubig, in reifem
©liid Fufünus unb Klementine — fd)öne,
frohe, jugenblidje 99Zenfd)ert- Die Kinber*
fchar golbfodig, mit ftrah.lenben blauen klugen,
alle oier. s Un bes Bebens Pforte. Die ins
roeite, roeite Crbenlanb burcf) alle Folues*
3 eiten führte. 5lber brüben, wenn ber grofee
2 ßeg 3 urüdgelegt mar, ba lag mieber eine
Pforte. Das erfannten Klementine unb Karl*
mann jetjt. Die führte nid)t mehr in ben
hellen Frühlingstag 3 urüd, fonbern in bie
falte, buntle SBinternaht. Für immer, 9ln
ihr oorüber tarn niemanb.
Sie fuhren auf. Die Dür mar geöffnet
morben — ber ©eheimrat trat ein, oon feinem
91ffiftenten begleitet. Cr fagte nichts unb
man begriff ihn hoch, aud) Klementine, bie
milb auffd)lud) 3 te unb oon Karlmann miihfam
gehalten mürbe. Cr führte fie — bem Vr 3 te
nach- Sie gingen alle herauf, bie ftummen,
ergebenen Vtenfhen, unb traten an bas Säger
bes alten Künftlers, beffen Beben mie eine
oerfladernbe Ker 3 e erlofd). Cr mar im Atelier
gebettet. Das mar fein letzter 2Bmtfd). Cr
mollte fdjeiben, ben Vlid auf feine Arbeit
gerichtet. Karlmann fah in bie bred)enben
klugen bes Vaters. Cs übermältigte ihn. Fhn
3 uerft. Cr muffte nur nod), bah Vtarion ihn
hinunterführte unb, mährenb ihm bie Sinne
fdjmanben, auf einen Dimart nieberlieh- 5IIs er
ermatte, mar bas $aus oon Vtenfhen angefüllt.
Der Vteifter mar tot. Die gan 3 e Stabt brachte
ihre Xeilnahtue in bie fülle Vertaftrahe.
Dod) mas blieb? — Diefe buntle F*age
Über Banb unb SIReer
tauchte fd)on in ber erften Stunbe, bie ben
toten Vater im £aufe fah, oor Karlmann auf.
9tid)t mie es Kinbesliebe gern erträumt hotte,
mar bas Cnbe bes alten Cannes gemefen.
Kein meifer, ins Fenfeits fchauenber ©eift
mar entflogen unb holte bie müben 3 üge
oertlärt. Cs mar ein langes, ftumpfes Ver=
fiegen gemefen, gan 3 phpfifd), gan 3 ohne
VSiffen unb Crtertntnis. 5Bar ihm für einen
^lugenblid bas Vemuhtfein getommen, bah
fein hetmgetehrter Sohn oor ihm ftanb, fein
Karlmann, ber Vereitlung erbat unb letjtes
begreifen? Der ihm im Dobe 3 eigte, bah er
ihm im Beben gerecht gemorben? Vein.
Cin frembes 2Befen, mie ber Pfleger ober ber
Vrt, fo hotte Karlmartn oor bem Sterbenben
geftanben. Keine Regung mehr, bie feinem
3 erriffenen Berßen mohlgetan, fein Vlid, tein
Crtemten, tein 2lbfd)ieb. Cin alter SRenfcf),
ber ftarb, unb biefer alte SRenfd), er hotte
nur an fid) felbft 3 U beuten. Cnblid) losgelöft
oon ben Sorgen um anbre, bie ihn 3 ermürbt
hatten, mochte er gemih nicht mehr 3 urüd=
bliden unb fid) aufhalten bet ben Übermuts
benen. Denn bitter, bitter im Funerften, mar
ber Vater gemefen. Karlmann hotte biefe
Seite feines SBefens am beften getannt. Unb
meil er fie getannt hotte, mar er ihm ferner
geblieben als bie anbern ©efchmifter.
2Bas blieb? — Die Frou, bie 2Bitme,
hilflos, ratlos, benn fie ertannte nun erft,
mas fie an bem füllen eilten, ben fie im Beben
beifeitegefd)oben, gehabt hotte. Die Kinber...
Sille brauhen in ber meiten SBelt — in neuen
Fntereffen, neuen Sd)idfalen. Fhuen blieb
ber Sßater nur ein ebler, blaffer ©ebante, ein
fernes, gepflegtes ©rab. Sie hielten nichts
Bebenbiges oon ihm in ihren falten £jänben.
Die ÜBerte? ... ÜBerfe — ja. Sein Beben
mar Vtülie unb Arbeit gemefen. 9Rod)te er
teiner oon ben ©rohen fein, bie auferftehen
unb aus bem SBinter Dob ein herrliches Früh 5
lingsleben 3 aubern — ein ed)ter Kiinftler, ein
SReifter unb 33orbiIb mar er bod). 9Rit höher
1073
fchlagenbem $er 3 en fühlte es Karlmann. Diefes
unabläffige Gingen — mie füllte es immerbar
aud) oor ihm flehen, auf feinem 3 utunfts=
mege! Cin ernfter SRann, ein ed)ter Künftler,
ber 9luhm unb SBelt gering gefchäht unb lieber
lehrte als fd)uf, meil feine Sehre tiefere SEBureln
hatte als fein Schaffen. So follte es fein —
fo muhte es fein. 2Benn man tein s Urnolb
Finger rnerben tonnte, fo follte man menigftens
einem Fufünus 9tominger gleid)en. Sein Sohn
ooran — fein Sohn! Unb Karlmartn münfd)te
fid) ein Spmbol bes oäterlichen Strebens,
etmas, mas ihn umgeben, niemals oerlaffert
follte. Keines oon ben großen Silbern mar es,
bas er mit nach 5lmmerfelb nehmen mollte.
Die lieh er gern ber Vtutter. Cr mollte nid)ts
als bie unfertigen römifchen Vabierungen.
Uber ihnen mar bes Vaters Kraft erlahmt,
an ihrer VoIIenbung mar er, fief) überfchähenb,
eigentlich geftorben. Fm feften Vemuhtfein
feines Rechtes auf bie merfmürbigen Vlätter
fprach Karlmann ber Vtutter feinen SBunfd)
aus. Sie 3 ögerte erft unb geriet in ftarte
Verlegenheit — bann erfuhr er, bah 9lrnolb
Vinger, ber 3 ur Veftattung getommen mar,
geftem im SItelier gemefen. Cr höbe bie
römifchen 9tabierungen 3 U erben geroünfd)t
unb oon Klementine fofort erholten. Der
frembe Dämon, ber Fufünus' Fugenb uner*
reichbare 3 tele oorgegautelt unb im Filter
ihm aufs neue ben oemid)tenben Stapel ins
§er 3 getrieben, er alfo raffte an fid), als Pa¬
rität, als hübfdjes Vnbenfen, mas ben Sohn
im Fnnerften begliidt hätte. Karlmann fdjmieg.
Cr bat bie Vtutter nicht, ihr Verfprechen rüd*
gängig 3 U machen. Sie hotte an ihn nicht
gebadet, unb bas mar rid)tig fo. £ätte fie es
getan, fo märe manches in feiner Cntmidlung
anbers gemefen. Karlmann hielt fid) gemalt*
fam aufrecht. Kalt unb mat)r, unbeirrbar
mat)r mollte er ben Dingen oon je^t an ins
©efid)t fehen. 9Ibe, Vater. 9lbe, Vlutter.
Fhm gehörte bie rätfelhafte, unbarml)er 3 ige
2Belt. Vur ihm . . . (g-ortfefcung folgt)
9luffd)äumenbe Sanbungswelle
Hberfippenbe Mieereswelle
Dr. 3 . 2Biefe
(Eine SDelle jagt 3m anbern:
,,9td), roie fürs til biejes SBanbern;"
Unb bie 3t»eite [agt 3ur brüten:
„Äur3 gelebt i[t Jur3 gestritten.“
ft. 9?. Xanner.
3 u berx intereffanteften ©rfd)einungen ber
Statur geboren bie SBellen bes Mieeres,
bie 3 ugleid) bie gewaltigfte Miad)t auf ber
gangen ©rbe barftellen. Der 2BeIlenfd)Iag übt
eine unmiberfteblidje 91n3iel)ungsfraft auf bie
©ernüter ber Mienfd)en aus, eine Vn 3 iet)ungs=
traft, bie felbft oon ben berühmteren ittus»
fidjtspuntten im ©ebirge nicht übertroffen
wirb. 3 ft bas ©ebirge bie Domäne bes wan-
bernben Mienfd)en, ber feine 3reube unb (£ r=
bolung in ber fteten Veränberung feines Auf¬
enthaltsortes, in bem panoramaartig fid) ab-
rollenben 2Bed)feI ber £anbfd)aftsbilber fud)t,
fo weröen oiele §unberttaufenbe alljätjrlid)
wod)en= unb monatelang in ben Küftenorten
nid)t mübe, tagaus, tagein ben SBIicE auf bas
Mieer 3 U Ijeften unb auf bie beranrollenben
MSogen I)inaus 3 ufd)auen. 3utmer roieber übt
bas Maturgemälbe, bas fid) oor ©nen mad)t=
00 II in ber Bewegung bes Mieeres entrollt,
feinen faf 3 inierenbert ©inbrud auf fie aus.
freilich ift bisweilen bie Mieeresoberflä©e
glatt unb n©ig, aber biefe ©rf©einung ift
bod) feltener, wie oielfa© angenommen wirb,
©ewöbnlid) erregen 2 Binbe, Brifen ober
Stürme, ©bbe unb $Iut halb unterftühenb, halb
betämpfenb, bas Mieerwaffer 3U mel)r ober
minber I)oI)en MSellen, bie bisweilen regel-
mähig bai)inroIIen, oft aber aud) einanber
begegnen unb treu3en. Selbft bei SBinbftillen
fährt bas Mieer unter ber Miitwirtung ber
oorangegangenen 2Binbe nod) fort, in langen
Schwingungen 3U wogen. Diefe Sd)wingungen
bei oöllig ruhigem VSetter, wenn fein £>au©
bie Segel bläht, gehören 3U ben grohartigften
Sd)aufpielen, bie bas Mieer barbietet. £>obe,
blaue, fd)aumIofe VSaffermaffen folgen einanber
in 3 toifd)enräumen oon 200 ober 300 Metern,
gleiten geräufchlos unter bem Sd)iffe weg unb
oerlieren fid), oon anbern SBellen gefolgt, in
unbeftimmter Seme. Miit Bewunberung, mit
einer Art oon Sdjreden fd)aut man auf bie
majeftätifd)e, ruhige Slut, auf bie fortfcf)rei=
tenbe Miauer, bie alles auf ihrem 2 Bege oer=
fd)lingen 3U müffen fdjeint unb bie bod) faum
einen Strohhalm aus feiner Sage bringt.
Diefe SBellen 3eigen namentlid) unter bem
3 Benbefreis bes Krebfes 3ur 3eü ber $erbft-
winbftillen unb in bem fid) 3um ©olf oon
Marien oerengenben Deile bes Antillenmeeres
faft in jeber 3af)res3eit eine überraf©enbe
Megelmähigteit. Die MSogen, bie man heran-
fommen fieht, bie bas Schiff bann heben
unb faum leife murmelnb baooneilen, finb
bort fo gerablinig wie bie 3ur©en eines
Aderfelbes unb erftreden fid) in unabfebbarer
Sänge oon einem §ori 3 ont 3 Utn anbern.
Aber ber 2 Binb ift eben ein I)öd)ft winbiger
©efelle, ber nur feiten fid) gleich bleibt, häufig
feine Mid)tung wed)felt, halb oon ©er, halb
oon bort weht unb halb mit fleiner, halb
mit gewaltiger Stofefraft bie äßafferntaffen
in Bewegung fe© unb jene Miannigfaltigfeit
ber SBafferwellen ©roorruft, bie ber großen
Miannigfaltigfeit ber Suftftrömungen entspricht.
3 a, oon allen Bewegungen auf ber gan3en
©rbfugel, bie 3U 72 Vro3ent oom Mieere be=
bedt ift, finb bie Mieereswellen bie Derbreitet-
ften aller Oberfläd)enformen, unb biefe Sor-
men finb befortbers in ber neueften 3eit 3um
©egenftanb I)od)intereffanter Stubiert gemad)t
worben. £jatte bereits 93 iarfigli im ad)t3ehnten
3 al)rhunbert bas ft)ftematifd)e Stubium ber
MSellen begonnen unb haben bie weiteren
fortgefetpen Stubien mand)e neuen inter-
effanten Mefultate ge3eitigt, fo finb, 3umal im
lebten 3ahr3ebnt, burd) bie ^Photogrammetrie
bie Stubien über bie MSellenbewegung in f)öd)ft
bemerfenswerter MSeife geförbert worben. So
hat Vrofeffor Saas burd) fein Verfahren, bas
man aud) als Stereophotogrammetrie be3eid)-
neu fönnte, an Borb bes großen fünfmafti-
gen, füglich leiber gefd)eiterten unb 3erftörten
Hamburger Segelf©iffes „Vreuhen“ Auf-
nahmen geliefert, an benen nid)t nur bie $öhe
unb bie Sänge, fonbern aud) bie Sorm j5 er
Mieereswellen aufs genauefte 3U ermitteln
möglich gewefen ift.
MBenben wir uns 3 unäd)ft unter Berüd-
fi©tigung aud) ber früheren ©rgebniffe ber am
geteilten 3 orf©ungen ben e^ielten Mefultaten
3U, fo muß im allgemeinen gefagt werben,
bah burd) bie Mieffungen bie alte übertriebene
Vorftellung oon aufjerorbentli© groben MSellen-
höhen 3 U Sali gebrad)t ift. 3e genauer bie
Mieffungen würben, um fo mehr fd)rumpfte
bie £jöl)e ber 2 Bellen 3 ufammen. 23on turm=
hohen unb haushohen SBellen wirb 3 war nod)
immer oiel gefprod)en, aber es gibt wohl
aud) unter iPielgereiften nur wenige, bie
üßellen oo.n mehr als 12 SCReter §öhe gefehen
haben. 3 « ben gewöhnlid) befahrenen ©e*
bieten erreidjert bie SBellett oerl)ältnismäbig
feiten §öl)en über (3 SfReter, unb fo!d)e über
lOäReter £>öf)e gehören fd)on 311 ben 9Ius=
nahmen, ©s muh inbeffen barauf hingewiefen
werben, bah bie £jöl)e ber 2 BelIen auch nid)t
in allen SReeren bie gleiche ift. Sie ift um fo
bebeutenber, je tiefer bas SBedett ift, je unbebüu
berter bie < 5 Iä(i)e oon ben SBinben beftrid)en
werben dann, je weniger fapgg unb je weniger
fd)wer bas SBaffer ift unb je leidster es bamm
ben atmofpl)ärifd)en Strömungen nachgibt.
So wirb bei gleidjgroher £)berfläd)e bas
SBaffer bes Dberert Sees 3 U höhnen SBellen
erhoben als bas einer äReeresbud)t, bie gegen
bie offene See burd) 3nfeln unb Sanbbänte
abgefperrt ift. ©benfo müffen bei gleichem
Sal 3 gel)alt bie engeren 23eden bie tür 3 eren unb
minber hohen 2BeIIen barbieten. Die 2Bellen
bes Kafpif^en 9Jieeres finb barum gar nid)t
3U Dergleichen mit ben Stellen bes äRittelmeers,
bie il)rerfeits wieber an §öhe weit oon ben
2BeIlen bes 9 f torbatIantifd)en C>3eans über=
troffen werben, unb bie lehteren erreid)en
wieberum niemals bie §öl)e ber SBellen bes
5 tntarttifchen 9 Jteeres, bas fidf) über eine game
©rbl)älfte ausbreitet.
2 Bas bie 23 reite ber SBellen angeht, bas
heiht ben ^Ibftanb oon SBellental 3U 2Bellen=
tal, fo finb bie üerfdpebenen Seobadjter nid)t
3U benfelben 5 Refultaten gelangt. So hat ber
fran3öfifd)e Sd)iffsleutnant S paris bei einer
§öl)e oon 3,2 StRetem eine £änge oon 79 9 Re=
tern gemeffen, alfo bas Verhältnis 25:1 feft=
geftellt. 9 Jian hat aber aud) Sängen 3wifd)en
300 bis 400 bei §öf)en oon 10 bfs 11 Mietern
nad)gewiefen, fo bah Otto 23 afd)ing mit
feiner Behauptung ungefähr bas Mid)tige ge=
troffen haben bürfte, bah bie ÜBellenlättge bas
Dreihig s bis Vier3igfad)e ber 2 Bellenböf)e be¬
trage. Mian würbe alfo Sängen bis 400 Mieter
erreichen bei etwa 10 Mieter I)oheu SMellen.
Die ©efdjwinbigteit oariiert 3wif©en 11 unb
12 Mietern für bie Setunbe ober 21 000
bis 24 000 Mieilen für bie Stunbe. Mian
wirb fid) biefe Sd)neIIigteit am beften oor=
ftellen tönnen, wenn man fich baran erinnert,
bah 47 Mieilen in ber Stunbe ober 24 Mieter
in ber Sefunbe 87 Kilometern entfpred)en,
ber S<hnelligteit eines ©rpreh3uges. 23 ergleid)t
man bie S©nelligfeit ber 2 Bogen mit ber bes
SBittbes, fo behauptet man, bah letzterer l l / 3
bis lV 2 mal fd)neller oorwärts fd)reitet als
bie oon il)m getriebenen SBogen. Diefer
Vuntt bebarf allerbings nod) weiterer ^luf=
Üärung burd) Mieffungen unb Stubien. Von
$Bid)tigteit ift es aud), 3U wiffett, bis 311 weld)er
Diefe fid) bie VSellenbewegung oon beftimmter
$öl)e oerbreitet. Das Noblem intereffiert
nicht nur bie unterfeeifd)e Delegraphie, fou-
bern feine Söfung würbe aud) nod) eine
Mtenge anbrer tl)eoretifd)er unb prattifd)er
fragen auftlären. Vis heute ift bie Diefe,
bis 3u ber bie V 3 ellenbewegung noch nad)weis=
bar ift, auf bas Dreihunbertfünf3igfad)e ber
2 BelIenhöhe bered)net. Das täme bei einer
§öhe oon 10 Mietern einer SBirtung bis in
bie Diefe oon 3500 Mietern gleich- Cb bie
Bewegung bes MSaffers wirtlid) in fo grofje
Diefen hiuabreid)t, mag be3weifelt werben.
Sid)er nachgewiefen hat man eine VMrtung
bis in 200 Mieter Diefe.
Bisher ift nur oon folgen VSellen unb
SBogen bie Mebe gewefen, bie unter bem ©in-
fluh bes VSinbes ftehen. 3u biefen 2Binb-
wellen tann man aud) nod) bie fogenannten
Dünungen 3ählen, bie nad) ?lbflauung bes
3um Sturm angewathfenen V 3 inbes in gleid)-
mähigen ülbftänben oon gan3 regelmähiger
gorm majeftätifih heranrollen unb Schiffe
ftunbenlang 311 einem tattmähigen,. felbft für
Seeleute höd)ft unangenehmen §inunbher-
penbeln oeranlaffen.
©an3 anbers in ©rer ©ntftehung finb bie
VSogen, bie burd) ©rbbeben ober oultanifihe
?Iusbrü©e auf bem Mieeresboben entftehen.
y Siele ber großen unb plöß- 1 ~ pH : ^
y lid) auftretenbeu SSellen, |a%‘ ■'
/ bie an ber SSefttüfte Süb-
V ameritas Verwüftungen unb
\) großen VerluftanSlenfcßen-
y leben oerurfacßt haben, ge-
y l)ören hierher. ©ewößnlid) ffiMy'-T
7 l)at es au 53eobad)tungen "
v gefehlt, aus benen man K*„
() auf beit $crb ber Störung
y hätte fd)Iießen tonnen, aber
y waßrfdfeinlid) ift bet hohen
/ SSellen ber Susgangspuutt ~.^
v nid)t feßr weit entfernt ge- y-’T
£) wefen. 3 k einem bemer- ff
y fenswerten <yallc lagen bie p w! ^
y Vcrhältniffe umgetehrt. Der r J
> 'Husgangspunft war bcfaitnt iBp
y cutftaubeue SSelle 3 tirüd-
y legte, tonnte in tfemlid) be- «ingSMfc^* '
y friebigenber SSeife oerfolgt
/ merben. Ties ioavbcv uroi;c ’
\) ftraßc im ^luguft 188:5, um-
y bei an Ort unb Stelle ber
y größere Teil ber 3nfel Kra-
y tatau oerfeßwanb unb an Kü|te tm Sconbltcßt
V ben benachbarten Küften
y 3aoas unb Sumatras burd) bie ungeheure SSelle, geftalten [ich bie Sebingungen für bie Ent- Trümmer toieber c
y bie fie oerwüftete, naße 3 U 40000 Stengen ihr widlung bes tierifdßen Kebens im Steere. Stets geht bas
y Keben oerloren. Tie Suf 3 eid)nungen oott felbft- toie finb am giinftigften ba, too burd) inten- aus beut ungleich
y tätigen 3Iutmef[ern unb Erdbeobachtungen fiofte Vermifcßung oon SSaffer unb £uft bie als ungleichen Ka
v machten es möglid), bie SSellen, bie oon biefem Sauerftoffabforption am träfügften ift, alfo muß man es be,
() Slusbrud) herrührten, auf roeite Entfernungen in ber 23ranbungs3one. 3n ber Tat fehen burd) feine §ärte
y 3 U oerfolgen. mir auch, baß 3 um 33eifpiel bie riffbauenben 3 U leiften oermag
a Tiefe SSellen hotten eine große £änge; Korallen gerabe in biefer 3one ihre üppigfte Teil, bie Vrant
y bie Kämme trafen in 3 mifd)en 3 eiten oon Entwidlung nehmen unb ihre größte Städ)= SSaffermaffen ßera
y ettoa einer Stunbe ein, bewegten fid) mit tigteit erreichen, wäßrenb fie in bem ruhigen Stöße 3 ufügen, bi
(J) einer ©efeßwinbigteit oon 3 irta 350 Steilen SSaffer, bas 3 toifd)en bem äußeren Sanb bes als 30000 Kilograi
y unb roaren alfo auch ungefähr um biefen bie meiften Unfein im Korallenmeer umfäu- gemeffen hot.
a Setrag ooneinanber entfernt. Tie am Kap menben S3allriffes unb ber Kiifte oorhanben Sm o^irffamfte
y §orn aufge 3 eid)neten SBellen roaren un 3 toeifeI- ift, Ieid)t abfterben. ber Steiltüften bi
V hoft burd) ben 'Slusbru^ oerurfad)t unb legten ©ine 3 roeite SBirtung ber Steereso^ellen ift bort, wo ein all
() 7500 unb 7800 Steilen an beiben Seiten bes ber SSaffertransport. SSo ber ÜBinb mit 3 iem= Stranbfläd)e lanfc
(S Siibpolarlanbes 3 urüd. Sie waren nur 5 3oll lieber ©leidfjmäßigteit aus einer oorherrfdienbert genannte pofitioe
a (13 3entimeter) in £öl)e über bem mittleren Sid)tung über weite ©ebiete bes S^eans 3 U fei es, baß biefe
y Steeresfpiegel, wäßrenb bie an ben bläßen in wehen pflegt, wie es 3 um Seifpiel in ben Steeresfpiegels ob
y Sübafrita, in einem 5lbftanb oon 5000 Steilen ^affatregionen ber Soll ift, ba entwideln fidt) Sanbes suftanbe to
(S oon ber 3lusbruchftelle, beobad)teten SBellen unter feinem Einfluß mächtige Steeres* fdjneibet bann, li
(S 1 bis 2 Suß hod) waren, bie urfprünglidjen ftrömungen, bie oon allergrößtem Einfluß auf felbft bie höchften
/ langen äBellen oon unbetannter §öl)e, aber bie SBärmeoerteilung auf unfrer Erbe finb. bau ab unb t)mt
y oermutlid) nid)t über 10 bis 15 Suß (3 bis Serbanten wir bod) bie günftigen flimatifd)en „5lbrafion“ eine fl
V 4’/^ 9Seter). Serhältniffe SBefteuropas lebiglid) bem gewal= mit ben 3 ertleine
6 Ties ift bie erfte berartige ©elegenheit tigen ©olfftrom, ber wie eine großartige maligen ©ebirges
(S gewefen, bie Entfernungen 3 U unterfud)en, SSarmwafferheipung bie atlantifcßen lüften naue geologifche 1_,
/ bis 3 U benen fid) große SSellen fortpflansen Europas befpült unb bas ©ebeißen einer fionsf!äd)en läßt bann erlernten, baß
y lönnen; aber ba eine itataftroptje wie biefe üppigen Vegetation, bie Stöglicßteit bid)ter bort mit bem ©mnbgerüft eines ehe
y im SSieberholungsfalle aud) oon einem äl)it= Sefieblung unb bie Entwidlung einer hohen ©ebirges 3 U tun hot, bas, größer un
lid)en Verluft oon Stenfchenleben begleitet fein 5tuitur nod) in ben gleid)en nörblid)en Sreitert als heute bie 5llpen, fid) einft an be
(S bürfte, wollen wir hoffen, baß fid) 3 U unfern geftattet, wo auf ber amerifanifdjen Seite biefer Ebene erhob, aber im £aitf<
/ £eb 3 eiten teilte 3 weite ©elegenheit bietet, bes ‘iltlanüfd)en 03 eans bas Üanb unter 3 ol)itoufenbe ben ftetig an feinem Suf
y fo intereffant aud) bie ^Bearbeitung ber oielen einer §unberte oon Stetem mächtigen Eisbede ben 2Bogen bes Steeressum Opfer fallet
Vegleiterteetnungen an fid) Unter biefem (
() gewefen ift. > _ _ ^ puntt betrachtet, et
begraben liegt unb nur (S
wenige Estimos oon Sob= a
benjagb unb Sifd)fang tüm* /
merlid) ihr Tafein friften. y
Tie britte ÜBirfung y
berSSellenbewegungfchließ= (\
lid) führt uns auf ben X
großen 5tampfplaß, auf bem /
feit 3ol)nnillionen fid) ber v
gewaltigfte ftampf abfpielt, §
ben bie ©efd)id)te unfres (S
Planeten feit ber 5tonben= X
fation bes SBafferbampfes /
tennt, ber i4ampf 3 wifd)en v
bem feften unb bem flüffigen C)
Element, 3 wifd)en Seftlanb (S
unb Sieer. Tiefer Kampfs a
plaß ift bie Vranbungs 3 one /
ber Steiltüften, ber Sd)au= v
plaß ber Klippbranbung. <J)
a SSeld)es finb nun bie
y SSirtungen ber SSellen unb
y SSogen? SSirfeßenhier oon
y ihrer Vebeutung für bie
y Sautit ab, laffett babei ben
(\ Kampf, ben fie unaufhörlich
y mit jenen 311 führen hat, un=
y berüdfid)tigt unb befd)äf=
y tigen uns 3 unäd)ft mit ber
y fegenfpenbenbenSeiteißres
(\ Einfluffes. Tenn, fo fonber=
/ bar es auf ben erften Vlid
y erfd)einen mag, aud) biefe
V oerßeerenbe Saturfraft tann
() fid) als Segenfpenber er-
A weifen. Einmal wirb
/ buri^ bie SSogenbilbung bie
y Verüßrungsfläcße 3 wifcßen
y SSaffer unb fiuft beträd)t=
(S lid) oergrößert, fo baß bem
A Steereswaffer baburd) bie
/ günftigfte ©elegenheit ge-
y boten wirb, ben Sauerftoff
y ber Kuft in fid) auf 3 u-
y nehmen.
a 3 o reidßüd)er aber ber
/ Sauerftoffgeßalt bes S3af-
y fers ift, um fo günftiger
3 eit gelegentlid)e 5tnbe- y
nmgen in ber ©eftaltung y
ber Küftenumriffe ooll 3 ogen y
ßabert. Erft am Staßftab v
geologifdjer 3 eiträume ge- (S
meffen aber ertennen wir, y
baß unfre heutigen Kanbtar- /
ten teine ©ültigteit für y
fpätere 3 eiten haben tönnen, y
fonbern gewiffermaßen auf- y
3 ufaffen finb als bie Sio- y
mentphotograpßienoonbem /
w e d) f elnb en Ttntliß b er Erb e. y
Verebbenbe S3ellen an 3 erflüfteter Küfte
1076
aber fiartb unb 9Jleet
1911. 9tr. 41
per Jltriafmer. ^rgäpfuna von ^ktöoff ^arbi'd)
ermann SBeber [djmebte eine ©tage überm
fiebten £>immel.
©r mar glüdlidj, überglüdlidj, [elig. Kein
SBunber! Sollte er bod) in acht Jagen ©atte ber
netten Füüane Jammer merben, nicht nur einer
anertannt gemütsreichen, fonbern auch fteinr eichen
Schönen bes Ortes. Unb in ad)t Klagen fchon. ©r,
ein armer Suchhalter, ohne 33erbinbungen, olpte
Srotettion, allein auf fein bifzdjen können in ber
Suchhaltungstunft geftetlt, mie taufenb anbre
[euresgleichen. So mie er manchen feiner Kollegen
gefehen hatte, alt unb trurnrn, faft oermachfen mit
beut Koutorfeffel unb immer bemütig, bah er nicht
bas 3ürnen eines t)oI)en ©hefs ermede: genau fo
hatte er fid) felbft fd)on im ©eifte fitjen fet>ert.
Shm mar mit einem 9tud ein freunblidhes Silb
oor ben bunleln ^intergrunb getreten; fo meit er
bliden tonnte, lag eitel Sonnenfehein. 3™ oier
SBochen — nad) Stüdtehr non ber £>od)ßeitsreife —
follte jrjermaftn SBeber ein 3roeiggefd)äft feines
Schmiegeroatets in Hamburg übernehmen, follte
er, ber Heine Suchhalter mit ßmeiljunbert Sftarf
SRonatsgehalt, auf einen Sertreterpoften mit fed)s»
taufenb Sftar! Slnfangsgeljalt fpringen. Oafj er
es nicht burd) eigne Kraft bahin gebracht, ben
Stellenmedjfel nicht feinem SBiffen unb tauf»
männifchen können ßu oerbauten hatte, fonbern
feiner fdjlanten, mohlgebauten ©eftalt unb feinen
braunen klugen, tränfte ihn ja anfänglich fehr;
fchliehlid) philofophierte er fid) bie Seb entert bamit
hinmeg, baf) ja feine Körpergeftaltung ebenfogut
ßüm ©außen feines 3<h s gehöre mie ber Schalt
feines Schäbels, unb er an ber oerborgenen ober
offenfid)ttid)en ©üte ber einßelnen Seile gleich un=
fdjulbig fei.
3eit ftredte er fid) behaglich auf bem alten,
fdhäbigen Sofa feines 3mtggefellenßimmers aus
unb [djlojß bie klugen, nachbem er mitleibig feine
Slide über bie befdjeibene ©inridjtung hatte
manbern laffen. 3m Sht malte feine Sßhantafie
liebliche Silber: Sraut— Schmiegeroater — ©elb=
[chranf — §od)ßeitsreife — Hamburg — jkoturift
— Sumbumbum! tönten auf einmal bumpfe
Silage an feine £uft[d)Iö[[er, als füllten fie in
Trümmer gefchlagen merben.
Hnmillig fuhr SB eher in bie §öhe. Sich fo — es
Hopfte an bie Tür. „herein!“
Seine SBirtin üb erbrachte ihm einen Srief,
ben er fchnell öffnete, bie paar 3eilen überflog unb
ihn bann ärgerlich beifeite marf.
SBieber eine Stbfage! SBieber lehnte ein ent»
fernter Setannter banfenb ab, als Srautführer bei
ber beften greunbin feiner Sraut ßu figurieren.
Serfümmt ftanb SBeber auf unb trat ans fünfter,
bas nach beut jrjöfe ßu lag. Oie greunbin feiner
Sraut, 3lfe Sufd), bas ehtßige Kinb mohlhabenber
©Item, etmas erßentrifd) o er anlagt, hatte hmfid)t=
lieh bes Sifchherrn beftimmte SBünfdje geftellt,
bereu gemiffenhafte ©rfütlung feine Sraut ihm
ßur Pflicht gemadjt hatte. Oer Tifchherr follte fein:
erftens gxofß, ßmeitens fd)lartt, brittens ©nbe
ßmanßig unb oiertens meltfchmerßlich angehaucht.
SBeber hatte feiner Sraut ßmar feiertichft oer»
fprodhen, fämtlidhe SBünfche ihrer fjreunbin „felbft»
rebenb“ erfüllen ßu mollen, rnujßte aber einfeljen,
bah öas taum möglich fein mürbe. Slls galanter
Sräutigam fühlte er fich febod) oerpflichtet, fein
Serfpredjen unbebingt einßulöfen, benn er hatte
bie ßmar unbeftimmte, nichtsbeftomeniger aber
beutliche Sthnung, bah feine ©ilfertigleit in ber ©r=
füllung oon SBünfchen oor ber §od)ßeit ihm eine
gemiffe Serechtigung oerleihe, fid) nach ber §od>=
ßeit eine größere 3urüdi)altung barin aufßuerlegen.
©s ift immer gut, fi<h beißeiten eine 9ted)tsgrunb»
läge ßu oerfdhaffen, auf ber fpäter bas eigne ©e»
miffen eine ruhige Bagerftatt mirb finben tönnen.
. Oen lebten jkmtt. bes SBunfchßettels hatte er
ßmar gleich geftrichen, meil er fid) fagte, bah bie.
SBeltfchmerßiichteit ber jungen Sftänner, menn
überhaupt ßu finben, angefid)ts einer mohlbeftellten
Tafel unb inmitten reißenber ©oastöchter fich fo»
miefo in fprühenbe Buftigteit auflöfen muh, unb
mo nicht, ber „SBeltfchmerßler" ein ober Badei ift,
mit bem ber taprißiöfen 3lfCö^mih nicht gebient
märe. .....
Obgleich nun SBeber bie Fühler bis an bie
äuherften Binien feines Sefanntenfreifes ausge»
ftredt hatte, fanb fid) lein £jerr, ber bas Sraut»
führeramt ßu übernehmen gemillt mar.
■ Oer hierin fo unglüdliche Sräutigam erhoffte
fd)liehlich öen ©intritt irgenbeines nieblichen Schid»
falsfchlages inber$amilieSuf<h,ber3l[e inberOeil»
nähme an ber <5od)ßeit hiubern lönnte. Ou lieber
Fimmel, fo oiele merben oon plöhlid)en Schidfals»
fchlägen betroffen, marum feilten ba gerabe bie
Sufths oerfchont bleiben? ©r fah leinen ©runb
für eine Slusnahmeftellung biefer Familie! Slber
bas Schidfal, fonft fo rührig, fchlief biesmal einen
Särenfdjlaf! Seufßenb mollte fich SBeber eben
oom genfter menben, um feiner Sraut bie unan»
genehme Stad)rieht ßu überbringen, bah feine Se»
mühungen fmchtlos geblieben feien, als feine Slide
gefeffelt mürben burdh bie rhpthmifchen Se»
megungen eines ©efellen ber Oifchlermerlftatt,
bie fid) im $ofe befanb. Oer ©efelle bearbeitete
ein langes Srett, mobet fid) bie biegfame ©eftalt
taltmähig bemegte. ©s mar ein äfthetifdjer ©enuh,
bie Semegungen bes fchlanlen Körpers ßu oer»
folgen. Sei Setrad)tung bes ©efellen fuhr bem
geplagten Sräutigam ber ©ebanle burchs §irn:
Oas märe ein Xifchherr für 3lfe Sufch! 3ut nächften
Slugenblid ßerlnüllte er freilich lächelnb ben ©e»
bauten, benn fie, bie bürgerftolße Oodjter eines
mohthabenben Kaufmannes, mürbe ben Oifd)ler»
gefeiten fehr entrüftet abgelehnt haben. Slls er aber
feiner Sraut mitteilte, bah er für 3lfe Sufch leinen
$etrn habe finben tönnen unb bie beftürßten Slide
fah, bie feine Stadhrid)t heroorrief, ftieg im hinter»
grunb feines Semuhtfeins mieber ber ©efelle hod),
unb er meinte:
„©inen mühte ich uod) aber —"
„Ou meiht nod) einen, bas ift ja fein. SBer ift' s
benn?"
„Sich — bu tennft ihn nicht. 3<h meih auch nicht
recht, ob er für 3lfe paffen mürbe."
„3ft er hübfd)?"
„Oas fchon, aber —“
„3ung?"
„freilich; in bem gemünfd»ten SHter, aber—"
„©roh, fchlant?"
„©emih — aber —"
„Sich 9^ mit beinern Slber! SBenn er all bas
ift, marum haft bu Sebenten?"
„B»m — ja—. Oas ift nämlid) ein merlmürbiger
SRenfd). ©r ift — mie foll ich fagen — ftart oer»
innerlidht, gibt nicht oiel auf Stuherlichteiten, hat
menig Sertehr, brum fehlt ihm ber feine, gefell»
fchaftliche Schliff, ift ein bijßd)en linlifd) unb mahr»
fdheinlid) nicht fehr unterhaltsam. Oanri —"
„Slber bas ift ja ein äufjerft intereffanter Sftann,"
unterbrach ihn lebhaft feine Sraut. „3Ife finbet"
ja gerabe bie lanbläufigen Scharmeure unausfteh s
lid). Babe ihn alfo fa ein. $örft bu?"
„SBeinetmegen — aber mie gefagt — i«h
garantiere nidht, bah er ben SBünfchen beiner
greunbin entfpridht, falls er überhaupt annimmt."
Slm nächften Oag um bie SDlittagsßeit ftieg
SBeber hinunter in bie Oifhlermerlftatt, mo er ben
jungen ©efellen allein antraf. Sie lannten fich
beibe oon Slnfehen, mas bie Slufgabe SBebers etmas
erleichterte. Ohne oiel Xtmfchmeife ging er auf
fein 3iel tos, oerfchmieg leine Stebenumftänbe,
ßählte bie Teilnehmer an ber $od)ßeit unter ©r»
mähnung ihres Staubes h^r unb [teilte bann an
ben ©efellen bie etmas peinliche 3rage, ob er [ich
ßutraue, offne grobe Serftöhe gegen bie allgemein
gültigen Sitten ber guten ©efellfdhaft ßu begehen,
Tifchherr einer mohlerßogenen jungen Oame fein
ßu tönnen. Oer ©efelle mar anfänglich fehr er»
ftaunt über bas Slnliegen im allgemeinen, bann
faft beleibigt über bie peinliche $rage, ber er mit.
ber ©egenfrage begegnete: „©lauben Sie oielleicht,
bei mir ßu $aufe fafßt man mit ben Ringern in bie
Suppe?" SBeber befchmichtigte, inbem er meinte,
er habe ihm natürlich uid)t ßu nahe treten mollert
unb nur beabfidhtigt, ihn auf bie Klippen tnrtßu»
meifen, bie oielleicht für ihn beftehen tonnten.
Oer Tifchlergefelle gemann mährenb bes ©e»
[prächs mehr unb mehr fein 3ntereffe. Karl ©iefer,
fo mar fein Stame, ftammte aus bem §annöoer»
fchen unb fprach baut biefer Banbsmannfchaft ein
ausgeßeichnetes §od)beutfch, mas in ber ©egenb,
mo biefe ©ef<hi<hte fpielt, angenehm auffiel. Slus
feinem gebräunten, hübfd)ert ©eficht, geßiert oon
einem bid)ten Schnurrbart, fprad) ein offenes
SBefen, bas mit ber ruhigen Sicherheit feines ©e»
habens auf einen gutartigen, aber feften ©haralter
fchliefeen lieh- Stach turßern überlegen fagte ©iefer
ßur großen ©rleichterung SBebers feine Teilnahme
an ber irjochßeit ßu. ©inen Heinen Kampf gab es
freilich riod) mit ihm ßu beftehen über bie Ser»
leugnung feines Staubes. Oas Tifchlergemerberift
gemih ein ehrliches unb angefehenes ©emerbe unb
ein Tifhlergefelle ein fehr nützliches ©lieb ber
menfhlihen ©efellfchaft. Slber bie Sfrt bes Sluf»
tretens, bie $ähigteit, fid) fprachlich ausßubrüden
unb bie Slnfhauungen über SBelt unb Beben über»
haupt pflegen ßmifhen ben oerfd)iebenen ©efell»
fd)aftsfchid)ten fehr oerfd)ieben ßu fein.
hieran bachte SBeber unb mar beshalb beftrebt,
ben einfachen Tifchlergefellen für bie £jod)ßeits»
gefellfchaft fd)madhafter ßu machen, ©iefer mollte
ßmar ßuerft nichts baoon miffen, er hielt auf feinen
Staub, fhliejßlid) lieh er fih aber bod) baßu herbei-
Um feinen SBann für 3he 33ufd) red)t intereffant
ßu machen, ertlärte ihn SBeber höhft eigenmädhtig
als ßugehörig ßum altuellften ©emerbe ber ©egen»
mart, nämlich ber $lugted)nit. ©iefer lachte unb
lieh fi<h ; s gefallen, ftubierte auch fdEjrtell noch einige
oon SBeber beforgte S3rofd)üren über glugtechnil
unb 3I u gP rD öleme. Son ber fonft üblichen oor»
herigen Sorftellung in ber SBohnung ber Sraut»
jungfer hotte SBeber ben „Sloiatiter" entbunben
unb ihn bei 3lfe Sufd) unb ihren ©Item bamit ent»
fhulbigt, bah ©iefer ausmärts mit ber SRontierung
eines Flugapparates befhäftigt fei unb nid)t ab»
tommen tönne.
Oer $od)ßeitstag tarn.
3n einem prahtooll fihenben, m.enn auch ge=
pumpten 3rad glich ©iefer einem moberneu Slpoll.
Seine fdjlante unb babei träftige ©eftalt lieh einen
fportliebenben SRann oermuten unb ftad) mohl-
tuenb oon ben anbern, meift etmas ausgebauchten
männlichen Figuren ber £jo<hßeitsgefelI[<haft ab.
3Ife Sufch mar benn and) gleich oon Stnfang an
fichtlid) ftolß auf ihren Sloiatiter unb fah mit SBohB
behagen bie Farben ihrer lieben FeftfChmeftern
hier unb ba beb entlieh ins neibliche ©elb hinüber»
fpielen.
SBährenb bes tirchlichen SIHs ber Trauung
hatte ©iefer 3eit, ßu oerfuchen, [ich in feine ihm
etmas unbehagliche Stolle einßuleben. ©r hatte
fonft ein fidjeres Sluftreten. ©etragen oon bem
Semuhtfein, auf feinem Slrbeitsgebiet Tüchtiges
ßu leiften, tannte er leine brüdenbe Schüchternheit
gegen F^^ntbe, mohl aber befah er eine gemiffe
3urüdt)altung, bie aus feinem natürlichen Taft»
gefühl entfprang. ©r mar meit herumgetommen
im beut[d)en Banb unb hatte offenen Stuges unb
Ohres oieles in fiel) aufgenommen unb oerarbeitet,
mas ihn meit über ben Ourd)fd)nitt feiner Slrbeits»
genoffen [teilte. Slber hi^ mar ihm fein ficherer
Soben entßogen, bem „Sloiatiter" ßollten alle
Slugen runbum gebiihrenbe Seachtung unb Se»
munberung. Kann bas fdjon einem einfachen
SRann Sebrängnis fchaffen, um fo mehr bem
©iefer, ber ben unechten Stimbus halb als ein»
ßtoängenben j3anßer empfanb, ber ihn in feiner
Semegungsfreiheit harnte, ihn halp^rnb unb
ftolpernb machte. Schließlich) gelang es ihnt, [ich
innerlich aufßurid)ten unb frei um fich ßu flauen ;
aber eine fonberbare Setlemmung befiel ihn, fo»
halb ©n feine hübfd)e Stad)barin 3lf^ S3ufd) anfah-
Oie Stäl)e bes reinen SOtäbdiens löfte bei bem un»
oerborbenen 93tann eine ßarte Scheu aus, gleich 1
ßeitig mar ihm aber unenblid) mohl babei; fo mohh
als übe nad) langer SBinterßeit ßum erften SBale
mieber bie marme Fritblingsfonne ih^e belebenbe,
auflodernbe SBirfung aus. Oas 9Benfd)enherß=
gärtchen bebedt fid) gar fchnell mit bunter Flora,
menn es in ben Srennmintel eines beftimmten
Stugenpaares gebracht mirb, unb bei Karl ©iefer
mar in menigen Stunben ein Stütenmunber ent»
ftanben, beffen rüdmirtenbem geheimem 3auber [ich
bte liebliche 3auberin felbft nid)t entßietjen tonnte.
SBährenb ber Tafel marf ber Sräutigam öfters
oerftohlene Slide nach bem Tifdjler intognito,
tonnte aber jebesmal befriebigt feftftellen, baß [ich
©iefers Slusübung ber Tifd)gebräud)e in teirter
SBeife oon ber ber übrigen ©äfte unterfchieb.
©iefer mar eben „ein gemedter 3unge". ©r mar
ßmar nid)t gemöhnt, an einer berartigen Tafel ßu
fpeifen, aber einige unauffällige Stunbblide lehrten
ihn fchnell fein Senehnten auf bie Stufe ber anbern
Tifdjgäfte bringen.
■ 9ttit feiner Stachbarin ßur Rechten hatte [ich
eine anregenbe Unterhaltung nod) nicht ent»
[pinnen mollen. Ooch bas golbene Stafß ber
Sömer fd)memmte feine Sefangenheit unb
Schmeigfamteit halb h^meg; frei fchaute
er in bie.! Slugen feiner Tifchbame, bie
bas burchaus^ nicht übelßunehmen fdjien. y Oie
Stimmung mar überhaupt nad) unb nach recht
rrfd) af ten, 9cad) einem ©emälbe non Söityelm 6d)reuer
1078
Hber £artb urtb SUleer
1911. 9tr. 41
gehoben geworben, beitete ©efänge unb ©orträge
füllten gef©i<ft bie Raufen 3 wif©en ben ©äugen
bes ©tahls aus. Set ben oerf©iebenen Doaften auf
bas ©rautpaar lieb fi©'s ber ©räutigam ni©t ent*
gefjen, beim ©Iäferanftohen mit Rarl ©iefer unter
luftigem 9Iugengmtnlern ein „ ißroft, Rerr 9toiatif er!"
eingufle©ten, unb bie Staut erfat) aus ben leuchten*
ben klugen ©rer Freunbin 3 lfe, bafj bie SBabl bes
Dtf©bemt feb* glücfli© gewefen gu fein f©ien.
Die öftere ©rwäbnung bes „9Iütatilers“ hätte für
©iefer beinahe üble Folgen gehabt. Denn einige
Werten ber ©efellf©aft bebrängten ihn mit ber
Sitte, bo© einige ©rlebniffe aus feiner intereffanten
Sef©äftigung gum beften 3 u geben, ©iefer wanbte
fidE) aber tlug aus ber SIffäre, inbem er gebeimnis*
ooll erflärte, er probe jeht gerabe ein neues Spftem
aus, unb barüber bürfe er leiber ni©tsausplaubern.
Seb entlieh er rourbe feine Sage erft bann, als er
nach Aufhebung ber Dafel mit 31fc ©uf© am 91rm
gemütli© plaubemb umb erging unb fie ihn
toiffensburftig na© allerlei ßingelbeiten aus bem
©ebiete ber Flugte©nil fragte. 3unä©ft fütterte
er fie mit allerlei Renwtniffen, bie er aus ben
Srofcbüren gefeböpft batte, wobur© ©re 91©tung
oor ©m no© beträ©tli© ftieg.
„ 3 © ftelle mir bas bettli© oor," bimmelte fie,
„fo über ber ©rbe babiu 3 uf©weben. Der Sienf©,
ber bas oollbringt, muh fi© wo© gottäbnli©
fühlen!"
„SSenn er aber nachher mit 3 erbro©enen
©liebem unten liegt, wirb er f©nell an feine
9Jtenf©li©feit erinnert."
„Hm ©ottes willen, Sie finb bo© no© ni©t
abgeftür^t?"
„Allein, no© nie!“ oerfi©erte er wabrbeits*
getreu.
„Da müffen Sie ja febr gef©i<ft fein," be*
tounberte fie ©n. ©iefer guefte mit ben 91©feln
unb meinte Iei©tbin:
„©s roirb alles 3 ur ©eroobnbeit, mein F*äu*
lein. So au© bas Fliegen: entroeber man fattn’s
unb ma©t ni©t oiel 91ufbebens baoon, ober man
fann'sni©t unb hält bie Sa©e für äufferft f©toierig."
31fe Suf© fab mit wa©fenber Ro©a©tung auf
ben SOtanrt, ber mit rx©iger ©eiaffenbeit oon feinem
gefäl)rli©en Serufe fpra©. 2Bie oerblahten neben
foI©en gelben alle bie anbern SOtänner ©rer ©e=
fanntf©aft!
„Das Fliegen ift aber bo© gern© febr f©toer
gu erlernen," fagte fie f©lieblich-
„91© — etgentli© ni©t. Stau fetjt fi© in ben
Apparat, brel)t an ein paar Rurbein, ber ^Propeller
fängt an gu f©nurren, unb bann fliegt man. ©ans
einfa©e <3a©e."
„Raben Sie au© f©on greife errungen?“
„mein, no© ni©t. ' 91©, toiffen Sie, fyitx ©
Deutf©lanb finb bie ausgefehten glugpreife ni©t
1 ) 0 © genug, um eilten gu reifen," meinte er na©*
läffig.
„mun immerhin," toagte fie f©ü©tern eingu*
werfen, „fünftaufenb unb 3 ebntauf enb Start finb
bo© gang I)übf©e Summen."
„mun ja —wie rnan's nimmt. ©Sollen Sie
ni©t mal einen ©reis ausfehen?" lentte er f© erg enb
ab, „ben mürbe i© auf alle Fälle 311 getoinnen
fu©en."
„ 3 ©? So oiel ©elb habe i© leiber ni©t."
„©elb? 2 Baruut gerabe ©elb?" erflärte ©iefer,
ben ber 9Bein, ber Dang unb bie fortgefetgte mähe
bes bübf©en ©täb©eus unglaubli© fi©n gemacht
batten. „©Sarum gerabe ©elb," toieberbolte er unb
fab © 1 * babei in bie 91ugen, „roo man fo oiel ©e*
gebrertswertes gu bieten bat?“
3lfe Suf© errötete, ©r Rerg©en fing f©neller
an gu f©lagen.
„91©, geben Sie!" bra©te fie in halber ©er*
legenbeit beroor, bie bübf©en 9Tcäb©en fo gut ftebt.
„911Ien ©rnftes," beteuerte ©iefer, ber an ber
©efäl)rli©feit bes Spiels abfi©tli© oorbeifab, „i©
finbe oon Stunbe gu Stunbe mehr, baff i© für
Sie alles tun fönnte unb fei es, na© bem ©lonbe
gu fliegen!"
„Das toäre ein b©©en roeit," fpottete fie.
„Übrigens — roenn ft© nun au© ein anbrer um
ben ©reis bewürbe unb ©n gewänne?“
„Ob; t© wollte ©n f©on gewinnen! ©Betten?“
„mein — nein," wehrte fie ab, „i© — i©
fönnte bie ©Bette oerlieren.".
„©Bäre 3b neTt bas fo peinli©?" fragte er, ©ren
91rm gärtli© brüefenb.
Sie antwortete ni©t, was er als eine günftige
9Intwort atifgufaffen f©nell bereit war unb fi©
bie mi©tigfeit feiner 9Iuffaffung in einer oer*
f©wiegenen ©de bur© einen no© oerf©wiegeneren
Ruh betätigen lieb- Hnb bem einen folgten anbre!
So war es gefommen, baff fi© 3lfe Suf© bem
„9Ioiatifer" Rar! ©iefer beintli© oerlobt fühlte.
3©e Seligfeit fu©te unb fanb einen 9lusweg in
ausgelaffener Ruftigfeit, bie fi© ni©t minber bei
©rem Partner bemerfbar ma©te. ©rft gegen ©nbe
ber jpo©geitsfeier f©lug ©m bas ©ewiffen. Dah
3 Ife ©n liebte, baran gweifelte er ni©t, aber würbe
©re Riebe au© ftanbljalten, wenn fie feinen wirf*
li©en Seruf erführe? Den 9foiatifer gog er morgen
wieber aus — unb bamit wabrf©einli© au© bie
©Burgein biefer Riebe aus bem bergen Räfes.
©r f©ämte fi© nunmehr, bas falf©e Spiel ge*
trieben gu haben, feine Stimmung flaute ab, unb
er fu©te fi© mögli©ft fern oon 31 fc gu halten.
3 ebo© bie flammen, bie über fie gufammen*
gef©Iagen waren, loberten ©^bur© nur böb er
auf, unb ©alb mit S©recfen, halb ooller greuben
fab er bie ©lut, bre fi© ni©t mehr bämpfen laffen
wollte, ©r wollte fi© ©r eröffnen, fi© felbft ent*
laroen. unb oerf©ob es oon Siertelftunbe gu
Siertelftunbe. ,
©nbli© auf bem Heimwege, als fie ©n bringenb
um balbige briefli©e SOtitteilung bat, fa©e er ben
©ntf©Iu©, fie mit einem S©lage ber nü©ternen
9Birfli©feit gegenüberguftellen. 3 n uä©fter 3^t
wollte fein SQZeifter einige Dage oerreifen, er war
bann allein in ber Dif©Ierwerfftatt.
„ 3 © will ©er beim Dif©Iermeifter Siecfe in ber
Steinftrabe, ben i© oon früherer fenne, ein
miobell bauen laffen. 3 © bringe allerlei inter*
effante Sa©en mit unb werbe bir ©rflärungen
geben, bie bi© in bö©ftem Stabe erftaunen werben.
3 eit bab ; i© aber ni©t oiel. SBillft bu bi© ni©t
nä©ften Siittwo©, na©mittags brei H©, in ber
93Serfftatt bes Dif©Iermeifters einfinben?"
„Da wollen wir uns bo© lieber anberswo
treffen," bat fie.
„mein, gerabe bort mö©te i© bi© feben. 2 Ber
weih, ob bi© meine 91rbeiten bann no© fo inter*
effieren, bah bu bi© weiter für mi© erwärmft!"
„9lber Rarl!"
Das eigenartige 91nfinnen fafete fie als eine
S©rulle auf, wie fie bebeutenbe mtänner gu haben
bere©tigt finb.
Rurg unb gut, fie wollte tommen — unb fie
tarn. Rarl ©iefer batte in ni©t geringer 9lufregung
Dag unb Stunbe ©res Sefu©s erwartet. 9lls er
fie enbli© über ben £>of na© ber Skrtftatt f©reiten
fab, fiel ©m fein bamals fo teües §erg—plumps—
in einen Raufen jQobelfpärte, worin es fi© baftig
oertro©.
„©uten Dag," tönte ©re belle Stimme oon
ber Dürf©welle her, „ift ber 91oiattter S>err ©iefer
gu fpre©en?“
Sie muhte eine gute 9Cßeile auf 9lntwort
warten, benn ber Dif©lergefelle f©ien unter ben
Ränben eine äuherft f©wierige 9Irbeit gu haben,
auf bie er gebüdft unb anftrengenb nieberfc©. ©nb*
li© erhob fi© fein Obertörper, unb halb oon ber
Sefu©erin abgewanbt, bra©te er würgenb beroor:
„Rarl ©iefer ift gu fpre©en."
„ 2 Bo ift benn $err ©iefer?" fragte fie, bas
„$err" f©arf betonenb.
mtit einem muct warf fi© ©iefer herum, trat
einen S©ritt auf fie gu unb f©rie faft:
„R>ier ift er."
3Ife Suf© fab ©n erft beftürgt, bann erftaunt
unb [©lief©© beluftigt an.
„Rarl," fi©erte fie fröbli©, „wie fiebft bu benn
aus?"
„So fehe i© immer aus," polterte er heraus.
Sie tarn unbefangen auf ©n gu unb ftreette ©m
bergli© beibe $änbe entgegen:
„Serge©," fagte fie mit 9Särme, „bah bu beine
91pparate ni©t im 3 mct berftellen tannft, habe i©
im 91ugenblict ni©t beba©t."
Rarl ©iefer bea©tete bie ©m guftrebenben
$änbe ni©t.
„Fräulein 31 |e,“ fagte er mit einer gewiffen
S©rof©eit, bie ©m fein Hnre©t ausprejgte, „i©
habe — Sie belogen!" 3Ifc erf©rat heftig unb
hielt fi© an ber §obelbant feft.
3 affungsIos fab fie ©n an.
„9Sa—a—a—s?" bra©te fie nur heraus. Sie
fab ©tt im ©eifte oon einer tinberrei©en Familie
umgeben, benn bas tonnte er bo© nur meinen:
er war verheiratet!
,,3a, i©©abe Sie belogen, f©mäbli© belogen!"
Seine S©rof©eit wi© angefi©ts ©rer gaffungs*
Iofigteit unb ma©te einer wei©en Stimmung Slah*
„Serge©en Sie nur," bat er unb fähte na©
©rer §anb. Do© fie gog fie baftig gurüd.
„9DSie tonnten Sie mir bas antun," f©Iu©gte fie
unb bebeette bie naffen 9 tugen, „fo f©le©t gu fein?"
„9Bar es benn fo f©Iimm?" fragte er gefentten
Süds.
„So f©Iimm!" höhnte fie, „fo f©limm, wenn
ein mtann ein 9Jiäb©en betört, ©r oon Riebe oor*
f©watjt unb oerf©wetgt, bah er oerbeiratet ift!"
„Serbeiratet? 3©?" fragte er bö©ft erftaunt.
„ma — ja — fo fagten Sie bo© oorbin felbft!"
„3©?" Droh feiner peinli©en Rage muhte er
Iä©eln. „mein, bas tann i© ni©t gefagt haben,
benn t© bin's ni©t."
„mi©t oerbeiratet?" 3eht war bas Staunen
an ©r. „3a — aber — Sie fagten bo© —!"
„3© fagte, i© hätte Sie belogen. Das ift leiber
wahr. Sie halten mi© für einen 9toiatiter, wo*
mögli© für einen wob©abenben. So fagte i©
3b n en, fo fagte 3bnen |>err 9Beber. Hnb bamit
finb Sie belogen worben. Die 9lpparate, bie i©
baue, finb teine 3 Ingmaf©inen. 9Iber hier: bas
ift meine 9Irbeit. 3© bin tein 9Ioiatiter, fonbern
— einfa©er Dif©lergefelle!"
Sie begriff nur febr langfam. Die $reube
barüber, bah er bur© teine ©Je gebunben fei, lieh
©r gunä©ft alles anbre nebenfä©Ii© erf©einen.
Do© allmäbli© fab fie ben fogialen Hnterf©ieb
gwif©en fi© unb ©m als einen ©raben, ber oon
mtinute gu mtinute breiter.gu werben f©ien. ©in
tübler Riau© ftri© barüber bin unb ma©te ©re
Smienen froftig.
„So," fagte fie [©liefeli© ftolg, „unb ba haben
Sie gewagt —" mi© 3 U tüffen, batte fie fagen
wollen, oerbefferte fi© aber no© re©tgeitig, „mi©
gu Dif© gu führen!" Der talte Stolg bes 9J£äb©ens
gab ©nt feinen fi©eren ©oben wieber.» ©r reette
ft© bo© auf, oerbeugte fi© Iei©t unb erwiberte mit
hörbarem Spott:
„3u bienen. Diefen Rümmer ©abe i© 3bnen
allerbings bereitet, wenn au© bie S©ulb hieran
mehr an bem nunmehrigen ©bemann 3 brer
greunbin liegt. 91ber," unb feine Stimme würbe
mertli© f©ärfer, ,,wiefo habe i© Sie bamit be*
leibigt? ©in i© ni©t au© als Dtf©ler ein 3Jiann
im Staate, ber feine Stelle minbeftens ebenfogut
ausfüllt wie ein 91oiatiter? S©änbet meine 9trbeit
oiel!ei©t meine ©erfon?"
3lfe ©uf© fto©erte mit ©rem Sonnenf©irm
in ben Robelfpänen umher unb wuhte ni©ts gu
antworten, ©r trat weiter auf fie gu, erfahte be*
butfarn ©re Raub unb fagte etwas wehmütig:
„©ergeffen Sie mi© unb laffen Sie fi© ; s im
Reben no© re©t gut geben!“
Dann trat er raf© an feinen 9trbeitsplab gurüü
unb griff feine 9lrbeit wieber auf, ohne fi© weiter
na© 31 fe ©uf© umgufeben.
Sie warf no© einige oerftoblene ©liefe auf ©n,
beffen männli© offenes 9Iuftreten einen ftarten
©inbruct auf fie gema©t hatte, flüfterte bann ein
leifes 9lbieu unb ging langfam hinaus.
9Iuf bem Reimweg ftieg bie ©rinnerung an
ben Rarl ©iefer bes Rocb^eitsfefttages in ©r auf,
wobei ©r febr warm würbe. SBarum muhte er
gerabe ein einfa©er Ranbwerter fein? ©in ge*
wöbnli©er Sötenf© war er jebenfalls ni©t. Hnb
tü©tig wabrf©einli© auf feinem 91rbeitsgebiet.
©in tü©tiger 9Jlenf© ift aber jebergeit f©ähens=
wert unb bringt fi© in jebem ©eruf bo©. 9Renn
©apa ein wenig petunär eingriffe —? Sie nährte
ben ©ebanten, gog ©n grojf, bis er f©liehli© fi©
fo feft eingewurgelt batte, bah er au© einem
träftigen Sturm ftanbgubalten ocrmo©te. Hnb
bas war gut, benn 3Ifes ©ater, bem fie eines Dages
©re Rergensf©mergen offenbarte, geigte lebhafte
Ruft, ben Dif©lergefeIIen in effigie gu beftatten.
Da er aber ein[eben muhte, bah feine ©ingige,
bereu SBillen fowiefo in ber Familie ftarte ©eltung
hatte, in Droh oerbarrte unb in Riebesgram oer*
fümmerte, tat er als weifer ©ater beimli© S©ritte,
ber Sa©e fo ober fo ein ©nbe gu ma©en.
©r ertunbigte fi© eingebenb über ©iefer unb
erfuhr ba überaus ©ünftiges. Der ©ater 3lfes
batte nun einen eignen ©Ian. ©r fu©te ben jungen
©iefer auf unb batte eine lange Hnterrebung mit
©m, bie für alle beteiligte bö©ft erfreuli©e folgen
batte, ©ang in ber Stille erwarb 3Ifes ©ater für
©iefer einen fabrilationsmähigen Dif©lereibetrieb
in einer bena©barten Stabt. 91n 31©s nä©ftem
©eburtstag lieh fi© 3 n ©rer ni©t geringen Über*
raf©ung als ©ratulant ein gewiffer „gabrilant
Rarl ©iefer" melben — unb als ©erlobter bes ©e=
burtstagstinbes oerlieh er na© frobIi©er freier ©r
Raus.
911s bie ©erlobungsangeige, bie unter bem
©amen ©iefer ben banbf©riftli©en 3 ©ah trug:
„früher 9Ioiatiler", bei bem jungen 9®eberf©en
©bepaar eintraf, glaubte 9©eher gunä©ft an einen
f©Ie©ten S©erg. Der beigef©loffene ©rief 3lf^s
an feine ftfrau erläuterte jebo© bie ©orgänge.
Ra©enb rief 9©eber:
„Siebft bu, S©ah, ba ift wieber einer ohne
Flugapparat bo©geflogen. 3 © wünf©e ©m, bah
er ebenfogut fahren möge wie i©!"
Damit gog er feine F r °u gärtli© auf fein Rnie
nieber.
1911. SRr. 41
Uber £artb unb s JTleer
1079
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Q-rtcipp eine Stunbe hinter SBien, f©on ein
JV toenig feitab oon ben buntein, in ©rem
toei©en S©toung faft lprif©en ©töblinger Wöben,
mitten im SBafferreoier non Jütten unb S©toe©at,
bas ber „lebte Witter“ ©tax Ieibenf©aftli© mit
feinen ©tostauer ©belfalten bur©ftreifte, rul)t eim
Cant t)irtgebreitet eins non Dfterrei©s Spiegeug*
f©löffern. Dies alte £axenburg t>at nid)t ganß bie
fübli© f©immernbe Weiterleit oon Salzburgs t»iel=
beftaunten £uftfd)löb©en Wellbrunn unb ©tirabell,
U 3 D bie ©ogelftimmen©eater, bie SBaffermarionete
ten unb bie turiofeften gontänenbalb oerfübrerifd)e,
halb übermütige Sd)er 3 e 3 um beften geben, unb
and) non Deutf©Ianbs alten, jtill in oerf©oüener
Stimmung ft ebengebliebenen ©ototoparten ift
nur toenig in bem ABienet Sommerf© bobsburgif©
taiferli©er ©ta©t. Dod) gtneierlei bringt bartet
als irgenbtoo fonft oor £)fterrei©s fürftli©en £anb=
paläften gerabe oor £axenburgs S©lob, mehr no©
in feinem ©art auf na©bentlid)e ©efu©er ein:
ein Abglan 3 öfterrei©if©er Wiftorie, ein Wou© ber
frübgefefteten, oermä©tnisrei©en ©tonard)ie unb
ein Deil 3 ugleid) and) non ber Art, roie bie dürften
felber roaren, bie fie bur© bie gal)rl)unberte führten.
Die ©aoülons fpre©en in £axenburg unb
Kaifer gransens tünftii©e gelte. ©on ben ABänben
©id)te ©taria 3©erefia, bie glan 3 =
frohe unb lebensbeitere ABienerin, S©lob £axenburg
bte au© im Sommerort bas t)öfif©e 9 } ac f) einer £itel 3 et©nung oon gr. 3abiera im Daf©enbu© 3balia 1859
Dra©tenfptel, ben ©etgen Ia©en=
ber garben nidjt entbehren toill.
Unb mit forgfamer Abmeffung beftimmt fie bas getrübter erotifd)er ©aufreubigteit, bie bem Kaifer
romantif© benannter Säle blidert immer noch
ftol 3 , feierli©, ooll ABeltmadjtbetoubtfein bie ©Über
eigenroilliger, unbeugfamer Werren, bie in bie
©bene ber S©toe©at unb ©utten 3 ur galtenjagb
binaus 3 ogen, toenn bie ©ef©äfte fie ermübet
batten, bie brin oon ber ABiener Wofburg als eine
faiferlidje ©otf©aft über einen (Erbteil bintoanber-'
ten. Die Difd)e in £axenburg f©einen oon Staats*
begebenbeiten 3 U roifpem, bie ©etten trugen bie
Staatsforgen man©e ©a©t: an alle ©töbel ftreifte
irgenbroamt unb irgenbroie bas taiferli©e jOfter-
reid). Der „lebte bitter" fcblummert hier ober
bur©toa©t bie ©a©t oor fenent gagellonenbünbnis,
bas feinen (Erben bie Kronen Ungarns unb ©öbntens
brachte. Karl VI. f©liebt in £axenburg 1725 feinen
Wonbeistrattat mit Spanien. 3u ©taria £uifens
Wod) 3 eitsebren läfet gran 31 . hier Durnier unb
©eüerfpiel oor Daufenben oon Aßienern, Abligen
unb pruntenbem Wofftaat feiern, gibt ben ftets 3 U
geften Aufgelegten no© ein Karuffell ba 3 u, benn
niemanb roagt noch im Auguft bes gabres 1810
an bie gugenbtage ber ©rin 3 effin 3 uriid 3 ubenten,
ba fie in ben Spiel 3 immern 3 U S©önbrunn ober
im gleichen £axenburg mit ben ©ef©toiftern bie
©Ieifolbatenarnteen bes f©redli©en ,,©uona=
parte" oon Sieg 3 U Sieg oernidjtete unb il)n felbft,
ben ,,©opan 3 ", bem bann bie A©t 3 ebnjäbrige in
bie Duüerien folgte, mit fpitjen ©abelftidjen tötete.
Unb burd) ben ©art buf©en bie (Erinnerungen an
gofef II., beffen £axenburger Sommerbofftaat
nod) nichts oom Drubel unb ©lart 3 unb gubel ber
aufatmenben Kongrefgeit ahnte: bie Kaoaliere
unb Wofbamen mußten (Stilette unb feierlid) es Wof=
to[tüm in ber ABiener ©urg 3 urüdlaffen, roenn fie
mit bem Kaifer in bie £änblid)teit binou 53 ogen,
taum bah er ihnen ein teures „Spettatel“ geftattete,
„enttoeber ein gnterme 330 oon einigen Stimmen
ber Opera buffa ober eine beutfd)e pece oon 30 Dei
Kleib bes Werrn unb ber Dame, bie oor ihr in
fiarenburg erfcbeinen mollen, genau bas Aot,
bas ©rün, bas ©olb — all bie Auancen, für bie
erft ber Oberbofmeifter gran 3 ens roieber Aang=
tafel unb geitbeftimmung bot, roeil SOtaria Dbere=
fias Sohn anbre Dinge für tüid)tiger felbft in ber
Sommerfrifcbe hielt unb fie oenoifd)te ...
Aber £arenburgs ©efd)id)te muh fid) nid)t an
bie (Epifoben einer tnappen gal)rl)unbertfpanne
halten: fie lägt ©über unb Sdjidfale burd) mehr
als ein halbes gahrtaufenb ooll ©untbeit toed)feln.
Den ©runb unb ©oben jener Werren oon „£ad)fin=
borf", bie bort als erfte ©utsberren faften, f^müden
ja fd)on bie ©abenberger, bie halb oon ihrem
©ergfd)loj 3 auf bem £eopolbsberge nadb Atelt unb
A3ien bernieberfteigen, mit allen £aunen fürftliäjer
©auluft. Das Sommerfd)lob bleibt feit bem oier=
3 ebnten gabrbunbert ein gürftenfib, ob bie Wer 3 öge
ber ©abenberger bie Kunfteoerte ©rer ©pod)e
bort aufftellen, ob ©n als ungarifd)es Königsgut
ber oielgeprüfte griebrid) III. oerroaltet, an beffen
f©roeres Kaiferlos irgenbtoo im S©Iob no© ber
pbüofopl)if©e Droft gemahnt: „Das bö©fte ©Iüd
alles Unabättberlichen ift bas ©ergeffen,“ ob ©n
bann enblid) feit Kaifer 9Jiar bie Wobsburger ©rem
engften, bauernben Kronbefit) begäbleit. Das
urfprüngli©e £arenburger S©Iob freilid), ber frühe
fefte ©urgbau bes ©abenbergers Albred)t, fiebt
beute toeber Kaifer nod) ©rinsen mehr in feinen
©lauern. Sie ft eben friebfertig, nur mehr mit
harmlos trotziger Aomantit im ^artinnem, ohne bie
alten toilben Auslugtürme unb ohne bie fd)ütjenben
ABaffergürtel oon einft: bie taiferlid)en S©lob=
beamten, bie fi© längft hier eingeniftet haben,
f©reden toeber anrüdenbe Diirten no© fonft ein
geinb aus Aad)t unb S©laf. Unb es ift eigentlid)
nur bas Spiel 3 eugfd)Iof 3 , bas jegt bie Soutmer=
gäfte in £axenburg anlodt, bie 3 eugniffe un¬
gran 3 oor allem hier bie 3 eit oertrieb.
gb™ genügte ber „©laue Wof“ ni©t, bas an=
fpru©slofe neue S©lob, in bas ©laria 3©erefia
als erfte eine toarme innere geftli©teit unb
gamilienbebogli©teit aus ber Donaurefibens mit=
gebra©t hotte. Denn aus ber gelegentli©en
Kaiferoilleggiatur hotte erft fie mit beutlid)er ©e-
tonung ein bauernbes ©rbolungsboflager gema©t,
in beffen ©äbe fie gern au© ben 9tei©sabel fab,
bie S©toar 3 enberg, bie Daun unb Auerfperg,
bie mit gleicher böfif©er Anbängli©teit ©re £anb=
paläfte rings um ben „©lauen Wof“ bauten, toie
fie einft ©re Aenaiffancepaläfte oon italienif©en
©leiftern auf bem trobigen ^rager W^obf©in
batten auffübren laffen, als ber Sonberling ©ubolf
oon ber ©tolbau aus fein ©ei© regieren toollte.
Aber Kaifer gran 3 , ber brei ©attinnen als Waus=
frauen na© £arenburg führte, genügten au© bie
©euerungen gofefs ni©t, ber ben toeiten S©lob ;
part na© englifdjer ©lanier oon feinen gngenieuren
umpflan 3 en lieb- ©r toollte Abtoe©flung unb rei©e
3erftreuung, fürftli©es Spiegeug unb ©ruut.
Auf ben beiben rooblgepflegten ©bauffeen, bie
f©on im Ausgang bes fieb 3 ebnten gal)rl)unberts
angelegt o?aren, lieb fl© bie ABienerftabt mit ben
rafd)en Woftutf©en fo lei©t errei©en, bab er im
Sommer überhaupt na© fiarenburg überfiebelte.
Der ©arf gab ©aum für alle gefte: für fürftli©e
©äfte, für ©antett unb ©alatafel baute er bie
„gran 3 ensfefte“. Sie ftebt auf einer tleinen gnfel,
mit 3 ionen unb 3 oden, oon buntlem ©aumgrün
bi©t umftanben, ein Spiegeug aus bem ©lüteb
alter, oon oerf©toenberif©ett Kaifermitteln mit
treuem biftorif©em Kopieren aufgefübrt. Wobs=
burgergefd)i©te in allen Sälen. Unter ben goüf©ett
Dedenbogen, bie an bas glei©e ©lufter in ber
Wrabf©iner £anbtagsftube erinnern, eine ©arabe
ber fiet> 3 ebTt beutf©en Kaifer, bie ©rin 3 ©ugenius
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1080
Hber £anb unb üfteer
1911. 91 r. 41
fid) einft hatte metzeln lagert. Btatthias Eoroinus’
Dentmal mahnt in einem ber Empfangsfäle an
fernere Ungamtämpfe, ber „Lothringerfaal" ift
ein B*adjtfpmbol für <?jabsburgs Bedüngung
burd) Lothringer Blut, ber „Shronfaal" unb ber
„Ungarifdje Lrönungsfaal" fünben glan 3 überfät
bie 9Jiad)t ber Bpoftolifdjen SOlajeftät, bie über bie
Doppelmonardjie gebietet. Öfterreichs galjlreictje
Laiferfdüöffer haben gewih überall Bäume oon
taiferlidjer B*ad)t, unb bie Staatsfäle ber BSiener
Hofburg ober Sdjönbrunns Überzahlen natürlich
nod) bie Säle ber „gransensburg" an blenbenben
Loftbarleiten. gndes tann fein habsburgifdjer
Balaft fid) größerer Seltf änderten rühmen: Stüd
um Stüd in biefen Sälen i[t altes, älteftes, echtes
Öfterreidj. Blte 5Uöfter unb oerfallenbe Bürgen
gaben bort ein genfter, hier eine Säule für den
Bau, ein oerwittertes feftes Bortal. Bon Llofter*
neuburg famen Tapeten, aus BSallenfteins Sodes*
haus in Eg er bie Bruntdede für ben „Lothringer*
faal", aus bem Llofter 3roettel bie ^olgbede für
ben „Shronfaal". llnb ein Shronbalbacfnn bort
ift ber Eappella fpeciofa entführt, ein Stüd aus bem
fünfsehnten galjrhunbertj Sd)lofz ©reilenftein
muhte einen alten Laotin, bie Lird)e „Btaria
Stiegen" ein foftbares genfter besteuern. Die
Burgfapelle aber ftrebt über Jrjabsburgs £jerrfd)er=
anfänge in Öfterreidj nod) hinaus. Sie ftanb einft,
genau fo in gorm, Blaterial unb BSirfmtg, als
Bnbadjtsftätte in ber ^ergogsburg ber Babenberger
auf bem Leopolbsberg. Sie hotte alle Stürme
überbauert, bie feit bem Beginn bes breisehnten
3ahrl)unbetts über bas Lanb 3 U ihren Hüffen hin*
brauften. gran 3 lieh Deil unb Seildjen beljutfam
auseinanberlegen, brachte alles nad) Laxenburg unb
fügte bie Babenberger Lapelle ebenfo behutfam
roieber sufammen. Unb päpftlidje Bergangenheit,
römifch^aiferliche Erinnerungen fd)lummern in
Laif er Konsens §iftorienfd)loh- ©r hat bas Ber*
fdjollene, bie toten Sprecher oerfurtfener ©Ian 3 tage,
bie Buhmesoermäd)tniffe alter 3 eiten unb Böller
feines toeiten Beides mit ber Baffion eines
Luriofitätenfammlers in feiner Bfenbofefte auf*
geftapelt. Unb auch Öfterreichs Dunfel burfte
nicht fehlen: auch ein Burgoerlies ift ba, eine ©e=
ridjtsftube unb ein armer Biann in Letten, ber
mit feinem plötzlichen ©eraffel bie Befu<her er*
fchredt. BSer an bem Spuf nidjt genug hat, mag
fid) einen irgenbtoo in finfteren Siefen gef eff eiten
Delinquenten an feinen Eifenbänbern empor*
Sieben laffen unb ihm in bas entfette BSachsgefidit
ftarren — es ift nicht mehr bie Blittelalterftimmung
ber Lreus 3 üge unb Bogentreppen, oon „Bogt ei*
Ijof" unb „Lnappenhof", burd) bie man ins
Burgfehloh einsog: bie Biittelalterftimmung
oor bem ©efeffelten geleitet in ein fpäteres
Öfterreich, in bie Lafematten bes Brünner
Spielbergs, in bem erft bie Btenf<hlid)feit
gofefs II. bie ernfthafte B’cobuftion ähnlicher
Sdjaufpiele oerbot...
3wei hohe Reifen auf ber gransensinfel. Blau
hat fie mit gefd)idter Baturnad)ahmung in ben
breiten Deich geftellt, eine wilde, rauhgetürmte
Schlucht, stoif<hen bereu engen BSänben über reg*
lofem BSaffer juft nur ein Boot mühfarn in ben
Barf hiuausgleiten fann. Unb bann ift alle Bo*
mantif burch junge, lachenbe Bnmut befiegt. Bafen
unb BSatbgruppen, flehte oerftedte BSalbwege unb
breite Alleen, über benen fid) riefige Eichen toölben
rote eine gürftenhalle, toedjfeln mit rhpthmifdjem,
hellem Spiel im englifct) freien, unabfehbaren
Barf, auf ben blanfen Lanälen unter Brüden unb
Stegen fd) auf ein bie Löhne mit ihren fommerlich
gepulten Blenfdjen. Btandjmal roinft ein Luft*
häusc|en aus bem fdjimmernben ©rün, Blaria
Linnens grühftüdspaoillon ober Blurettis „Sempel
ber Eintracht" ober bas .„$aus ber Laune", beffen
©eifterfpuf Napoleons ©rettabiere mit oanbalifd)en
BufMärungsgelüften oerf<heu<hten, worauf es in
eine Brt faiferlicher Lunftfalons umgeftaltet rourbe.
Unb roanbert man freus unb quer burd) ben Barf,
fommt man irgenbwie immer 3 U bem gierlid)en
Sempel Dianens 3 urüd, bem acht Alleen im Stern
enteilen. Die Boote förtnen eine tüchtige Bubet*
Übung leiften, roenn fie oon ber Bnlegeftelle gegen*
über ber „gelsfdjlud)t“ bis sur SJleierei hinunter*
fahren, bie fi<h auf gotifdjen Stil oerfteifte. Be*
haglid) fitzt man ba bor „faifetlichem" Laffee
unb „taiferlich em" BSeihbrot, rrtelobifd) 3 ifd)t ein
„SBafferfall" in ber Bähe, oon fteinernen fchtoeig*
famen Sphinxen bewacht... Unb manchmal fam
früher über ben fnirfchenben Barffies ein
fleiner eleganter ^agbwagen mit flinfem Stäben
oorbei. Die funge Ershersogin Elifabeth futfehierte
felbftbie Boffeburd) ben Barf oberbieLronprinseffin
Stefanie. Es finb bie fchwermütigen Erinnerungen
bes Luftfdjloffes Laxenburg, bah in feiner Stille ber
Lieblingsaufenthalt aud) bes öfterreichifchen Lton*
prinsenpaares war. 3n Biaria Dherefias „Blauem
§of" fam Bubolf 1858 3 ur BSelt. Bid)t allsuweit
oon Laxenburg, nod) eine Stunbe tiefer hinein
in ben BSiener BBalb, im Bteperlinger 3 agbfd)Ioh,
erfüllte fid) brei Sahrsehnte fpäter in fchwerem
Dunfel feine Dtagöbie ...
Larl $*-Bowaf
Dr. Sh- 3^1- Die Baturoafe im 3i mm er
Qf Ile Errungenfchaften ber Lultur, fo bewunberns*
wert fie an fid) finb unb fo gern wir oon ihnen
©ebraud) machen, fönnen bei ben ©roffftäbtern, bie
fich ih^ natürliches ©efiihl bewahrt haben, eine ge*
wiffe Leere nicht ausfüllen, bie fich inmitten bes
fteinernen Bieeres ber Käufer unb bes immer mehr
um fich freffenben Bfphattpflafters mit elementarer
©ewalt bemerfbar macht, nämlich ber Sehnfucht nach
ber Batur, in bie ber Btenfcf) oon $aufe aus ©nein*
gehört. Öljne bie Bäume auf ben Straffen, bie
Borgärten unb Barte würbe man in ber ©rofzftabt
ja nicht einmal merfen, bah ber grühting ins Lanb
gesogen ift. Die ftetig fid) fteigernbe Buswanberung
in bie Bororte, bie Biaffenausflüge an ben freien
Sagen, bie Laubenfolonien unb ähnliche Dinge be*
weifen am unwiberleglichften, bah bie Bieifterwerfe
ber Sedmif 3 m Bermehrung unfres innern ©lüdes.
nur infofern etwas beigetragen haben, als fie uns
eine bequemere unb billigere Berbinbung mit ber
Batur oerfdjafft haben. Bm liebften ift esjebod)
bem Baturfreunb, wenn er ftänbig etwas ©etier unb
©rünes um fid) hat unb fid) nicht auf feine freien
Sage oertröften muh-
3u einer folgen Baturoafe im 3inimer ift nun
nichts fo fehr geeignet wie ein Bquarium, unb es
follte mid) freuen, wenn bie nachftehenben 3 eilen 3 ur
Einrichtung eines folcfjen anregen. Denn gerabe jetzt
3 ur fd)önen Sommers 3 eit ift bas Biaterial am be*
quemften su bef<h affen.
3uoörberft aber muh i<h einige Einwänbe wiber*
legen, bie man ftänbig su hören betommt. „Bleiben
Sie mir um Rimmels willen mit Shren langweiligen
©olbfifchen oom Leibe!“ ruft mancher entfett aus,
fobalb er oon einer foldjen Bnregung lieft. — hierauf
ift su erwibern, bah *>ie früher üblichen ©olbfifh*
gläfer heute einem überwundenen Stanbpuntt an*
gehören unb bah tein Lenner fold>e ©läfer empfehlen
unb als Bquarium beseichnen wirb. 3n 2BirtIid)teit
finb biefe ©läfer wahre Btartertaften für bie armen
Bewohner. 3n !ur 3 er 3eit ift ber Sauerftoff ber im
SBaffer gelöften Luft oerbraucht unb bas Bßaffer
burd) gutterrefte unb Bbgänge oerunreinigt. Bngft*
ooll treiben fid) bie Meinen Ehinefen an ber öber*
fläche umher, um fortwährenb Luft 3 u fchnappen.
Damals muhte man eben nicht, bah 3 roif<hen $if<h
unb Bflanse ein unlösbarer 3ufammenhaug befteht,
ben man nicht trennen foll, gans abgefehen baoon,
bah bie bauchige f^orm bes ©lafes mit feinen Ber*
3 ierungen für bie Betrachtung ber Siere bentbar
ungünftig war.
hiermit erlebigt fid) aud) ber sweite Einwanb, ber
auf ben erften Blid fehr einleuchtenb fd)eint: „3eit
ift ffielb," hört man fagen, „befonbers in ber ©roh*
ftabt!" — „SBie foll id) ba bie 3 eit hernehmen, alle
3wei bis brei Sage bas Bquarium mit frifdjem
BSaffer 3 U füllen?"
Bei ben früheren ©olbfifchgläfern ift allerbings ein
berartig häufiger Erfafz bes Bßaf[ers erforberlid). Die
heutigen Bquarien, bie in richtigem Berljältnis mit
Bflanseu unb Sieren befet)t finb, bebürfen aber einer
foldjen Erneuerung in langen Zeiträumen gar nicht,
fo bah alfo auch biefer Einwanb hinfällig ift.
Bur nebenbei fei bemerft, bah der jähe Sempe*
raturwechfel bes Blaffers, ber burch bas Einfüilen
oon frifdhem Bßaffer heroorgerufen wirb, für bie
gif che, bie bodj taltblütige BSirbeltiere find, äuherft
qualooll fein muh- ©olbfifche fieht man baher, fo*
halb fie Jaltes BSaffer erhalten haben, aufgeregt hin
unb her fdjwimmen. grrigerweife fd)iieht man bar*
aus, dah fie fich riefig wohl fühlen unb ihren Übermut
betunben. 3n BSirfliäjteit ift das ©egenteil ber gall.
Bian fieht hieraus, wie ferner es ift, Siere richtig su
beurteilen.
Den britten Einwanb oon ber entfestigen Lange*
weile, bie einen Bquariumbefitzer paden muh, er*
lebigen wir am beften am Schluffe.
Die Bufftellung eines gelfens inmitten bes Bqua*
riums ift 3 war jeht tein überwunbener Stanbpuntt,
aber man wirb fid) hoch nur ausnahmsweife basu ent*
fchliefjen. Denn ber gels nimmt Bftansen unb Sieren
Licht unb Luft. Blit bem engbemeffenen Baum,
ber uns im 3«nmeraquarium sur Berfügung fteht,
ift er fchwer in Eintlang su bringen. Bud) hat er
ben Bauteil, bah ftd) gifdje häufig an ihm oerlehen.
Ein wirtliches Bquarium, bas auf biefen Barnen
Bnfprud) erhebt, muh alfo, mag es noch fo Mein fein,
Bflanseu haben, unb 3 war aus folgettbem ©runbe.
Die Bßafferpflanse atmet unter bem Einfluh bes
Sonnenlichts ben für Btenfdjen unb Siere unentbehr*
liehen Sauerftoff aus, mährenb umgetehrt bas Sier
Lohlenfäure ausatmet, bie eines ber wichtigften Buf*
baumittel ber Bflanseu ift.
3 >n einem ©olbfifchgtafe ift natürlich für Bflansen
tein Baum. Beffer finb f^on bie Leld)aquarien, wie
fie namentlich früher burch Sprengung oon Schwefel*
fäureballons hergeftellt würben. Da alle bauchigen
©läfer bie im BSaffer befinblichen ©efd)öpfe oerserrt
wiedergeben, fo finb fie nicht 3 U empfehlen, fondern
ftatt ihrer bie meineidigen Laftenaquarien su wählen.
Befonders beoorsugt man bie Elementen* ober Bttu*
mulatorengläfer als Bquarien wegen ihrer Billigteit.
Da fie gan 3 aus ©las gefertigt finb, fo hat ber
Befd)auer einen oolltommen freien Blid, auch finb
fie wegen ihrer geringen ©röfze Ieidjt 3 U transpor*
tieren. Da es häufig oortommt, bah man BSaffer*
bewohner nicht sufammengefperrt halten tann < ober
bah man einseine Siere genauer beobachten will, fo
finb in foldjen gälten mehrere ©lasaquarien natürlich
prattifcher als ein grobes, teures ©eftellaquarium.
Der Bachteil biefer ©lasaquarien befteht barin, bah
fie hfa unb wieber aus nicht ertennbaren Hrfadjen
fpringen. Hm bas 3 U oerljinbern, benu^t man als
Unterlage gils ober ähnliche Stoffe.
Bm einfad)ften unb swedmähigften finb oieredige
Bquarien mit rechtwintliger ©runbfläd)e, bie länger
als hoch finb, alfo beifpielsweife fid) wie brei su swei
oerhalten. Die Breite foll ber $öhe entfpredjen.
Selbft bei gröberen Bquarien foll die BSafferhöhe
möglidhft fünfsig 3 entimeter nid>t überfchreiten.
Solche ©eftellaquarien finb in allen befferen Bquarien*
gefchäften oerhältnismähig billig 3 U erftehen. Bud)
Schloffereien liefern ©eftelle, bie man felbft mit
©lasfeheiben oerfehen tann. BSegen bes BSaffer*
bruds muh bei gröberen Bquarien Spiegelglas oer*
wenbet werben, ferner muh der ©lafertitt mit Biennig
oermengt unb getnetet werben, bis er gleichmähig rot
gefärbt ift. $ier 3 u wirb etwas girnis getan, bamit
ber Litt recht weich wirb. Bor bem Berglafert wirb
nach Lachmann ber Boben unb bie gnnenfeite bes
©eftells mit Biennigfarbe 3 weimal geftrichen. hierauf
wirb in allen Eden unb allen Seilen des ©eftells,
gegen bie ©las anliegt, ber Litt in Stärte oon fünf
SBiüimetern aufgetragen unb bie Scheiben oorfid)tig
angebrüdt. Sobann bringt man in allen Eden wie
aud) in BSinteln am Boben entlang eine nicht 3 u
fd)wa<he Littlage an, über bie oorher paffenb ge*
fcfjnittene ©lasftreifen feft angebrüdt werben. £er=
oorquellenben Litt fchneibet manTmit einem Bteffer
fort, hierauf wirb bas Bquarium gefüllt, bamit die
Scheiben feft angebrüdt werben. B3ät)renb biefer
3eit bes Buswäfferns ftreicht man bie Buhenfeiten
bes Bquariumgeftells an. ©ewöhnlich genügt eine
3eit oon fünf Sagen. Bach ber Entleerung unb bem
Srodnen werben bie freiliegenben Littftellen mehr*
mals mit Schellad überftrichen, ber in Spiritus auf*
gelöft ift. Diefer Schellad ift im BSaffer unlöslich
unb trägt baher 3 ur Dichthaltung bes Bquariums bei.
Da ben meiften BSafferpftan 3 en eine Ernährung
burch BSurseln erforberlid) ift, fo bebarf bas Bqua*
rium einer nahrhaften Bobenfchicht, bie in Bflumu*
iatorengläfern bei Hnterwafferpflansen etwa fünf
3entimeter ho<h fein barf. $od)waä)fenbe Sumpf*
pflan 3 en oerlangen eine Schicht oon minbeftens bop*
pelter §öhe. Beingewafchener Sanb als Boben ge*
nügt nicht, ba er burch bas Buswafdjen alle Bähr*
ftoffe oerloren hat. Buf ihm würden nur wursel*
lofe bflanseu wie |jorntraut unb öuellmoos ge*
beihen, ferner Bflansen mit Schwimmblättern, aber
biefe auch nicht in bem ©rabe wie auf nahrhaftem
Bobengrunb.
9Ban hat su bem Bushilfsmittel gegriffen, bah
man bie bftansen 3Uttädjft in Söpfe ftedte, bie
1911. Ulr. 41
Über £anb unb 9Jleer
1081
mit nahrhafter (Erbe oerfehen mären unb bann
biefe Döpfe in bie Sanbfdhidht einbrüdte. Da aber
bie ^flart 3 ert in freier (Erbe meit beffer gebeten,
fo ift oon biefem ©erfahren ab 3 uraten.
Die Sobenfd)icht fpielt alfo eine roid)tige 9?oIle.
9Jian bat, um bie 9tatur nad) 3 ual)men, oielfad)
Deidhfd)Iamm als Soben gemählt. Dod) bat fich
hierbei ber l’Xbelftanb herausgeftellt, baf) man
mit bem Schlamm gefät)rlid)e Krankheitserreger
ins 2 Baffer brachte, aud) erhält biefes burd) ben
Schlamm häufig einen fhlechten, taum 3 u be*
feitigenben ©erud).
©ine roeit beffere Sobenfchidd erhält man burd)
eine 9Jtifd)ung aus einem Deil fylufjfanb, einem
Seil trockenen unb oerroitterten fiehmes unb einem
Deil fetter StRoor* ober £auberbe. Sehr gut ift
auch bie (Erbe, bie ber EtRauImurf auf ißiefen
herausgeftofjen hat, ebenfo bie Dorferbe. Diefe
©rbfd)id)t toirb fo lange mit 2 Baffer befprengt unb
getnetet, bis fid) feine £uftbläsdf)en mehr 3 eigen.
hierauf fommt eine bünne Schilt oon glubfanb,
ber oorher fauber ausgetoafd)en ift. Die ^Sflan 3 en
roerben mittels eines Stäbd)ens eingefe^t unb
fylubfanb meiter nachgefüllt, bis bie 3 Bur 3 eIn bebedt
finb. Sehr praftifd) ift es, toenn bie Sobenfd)id)t
nad) ber £>interfeite 3 U auffteigt, fo bab alle Schmuh*
teile fich an ber tiefer liegenben Sorberfeite fam*
mein, too fie mittels eines Sdjlaud)es ober eines
Sd)mubhcbers leidet entfernt roerben fönnen. Um
ben Soben nid)t auf 3 iirühren, läbt man bas 2Baffer
beim ©infüllen auf einen Sogen Rapier laufen,
ben man oorher auf ben Soben ausgebreitet hat.
Slbgeftanbenes 2Baffer ift Dieren unb ^fla^en
3 uträglidher als frifdjes. Damit bie ipflan 3 en in
Suhe anrour 3 eln, roarte man mit bem ©infehen
ber gjafd)e etroa 3 toei 2 Bod)en.
Sehr roidjtig ift ber Stanbort bes Aquariums.
SRur Heinere haben ißlab auf einem genfterbrett,
gröbere mitffen auf einem feften, bauerhaften
Difd) ftehen, ber mit Sollen oerfehen ift, bamit er
leicht feinen $lah toechfeln fann. Die $flan 3 en
brauchen fel)r oiel £id)t, unb ba fie im freien nur
Oberlid)! erhalten, fo rrtub ber Difd) 3 toar unmittel*
bar am genfter ftehen, aber nicht höher als bas
genfterbrett fein. 3ft geniiejenbes Sonnenlicht
oorhanben, fo roerben bie Schetben halb mit tilgen
beroad)fen fein. Da fie bie Seobad)tung erfd)roeren,
fo roerben fie mittels einer Sürfte entfernt. Sn ber
bem genfter 3 ugefehrten Seite läbt man fie ftehen,
roeil fie bort nicht hinberlid) finb unb 3 ur (Erhaltung
bes „biologifchen ©Ieichgeroidhts“ beitragen.
£>eimifd)e Sfian 3 en tann man fid) 3 ur roarmen
3 ahre$ 3 eit natürlid) felbft aus ©räben unb Deid)en
beforgen. gfür Serliner ift beifpielsroeife bie
^ungfernheibe empfehlensroert. Seliebt finb oon
untergetauchten 2 BafferpfIan 3 en bas Quellmoos,
bas Daufenbblatt, bie ieiber roenig beftänbige
Sßafferfeber, bas $orntraut, ber 2 Bafferftern unb
bie Sßafferpeft, oon Sd)mimmpflan 3 en ber g*ofd)=
bib, bie alle Sfiif)le bebedenben SBafferlinfen unb
bie hetmifdje Saloinie. Son Sumpfpflan 3 en finb
empfehlensroert ißfeiltraut unb gemeiner grofd)*
löffei. §odhroüchfige Sumpfpflan 3 en finb ber all-
betannte Kalmus, Calla palustris, 2 ßaffermin 3 e unb
Sumpfbotterblume. Die heimifd^en Sflan 3 en
haben faft ausnahmslos ben Sachteil, bab fie ihren
3 toed im Squarium nur roährenb ber roarmen
3eit erfüllen. Deshalb roerben oon ben Aquarien*
befitjern auslänbifche $flan 3 en beoor 3 ugt, fo bas
3ppergras, bie Sumpffdjraube unb fo roeiter.
Sud) bie Haarnixe roäre 3 u erroähnen.
Sou heimifdhen f^ifdtjen finb befonbers Sitter*
linge unb Stidjlinge empfehlensroert, roeil fie bei
guter Sehanblung 3 ur f 5 ortpflan 3 ung fchreiten.
3hr ßiebesleben feffelt ben Sefcfjauer ungemein,
namentlich ber Stichling 3 eidjnet fich burd) ben
Sau eines Seftes unb treue Srutpflege aus, roas
man biefem argen Säuber gar nicht 3 utrauen
füllte. Seibe §ifc^e legen auch ein prächtiges
£od) 3 eitstIeib an. Sonft toären nod) ©olborfen,
Sdjlammbeiber, ©Iri^en, Utelei, SSoberliesdhen,
ECRoortarpfen unb gan 3 Heine Rechte ein 3 ufetjen.
3rifd)e aus Harem, fliebenbem SBaffer finb nicht
3 u oerroenben, ba fie bei ihrem großen Sauerftoff*
bebürfnis für bas Squarium nicht geeignet finb.
Siel leichter paffen fich bie Diere an, bie bereits
in ber Freiheit in fauerftoffarmen ©eroäffern lebten.
©in 3 elne f^ifche fönnen übrigens oiel an fd)led)tem
SSaffer oertragen; als Haffifches Seifpiel bafür gilt
mir ein Stichling, ber einmal ohne jeben Sachteil
3 toei Stunben in einem (Eimer mit Sbroafchroaffer
3 ugebrad)t hatte, roorin fidt) überbies ber Sub oon
mehreren langen Stufen Dabat befanb.
Seiber geht es mit ben heimifdhen $ifcf)en
roie mit ben heimif<hen Sögeln. Die auslänbifd)en
finb bauerhafter unb fchreiten oiel leichter 3 ur
gortpflan 3 ung. itann es baher rounbernehmen,
bah auslänbifche Sifdje oiel beliebter finb als bie
heimifdhen? früher fannte man als Suslänber
nur ben ©olbfifd), jetjt roürbe eine Sifte, bie fämt*
üd)e auslänbifche Squarienfifd)e enthielte, fel)r
lang roerben. §ier feien nur Stafropoben, Sd)leier=
fifdh, ©handhito, Iangfd)näbliger §ed)t, ©urami
unb ftampffifch genannt. Selbftoerftänblidh be*
bürfen bie Sfla^en unb 5 if<he aus heiheri ©e=
genben einer höheren SBaffertoärme, unb bas 5lqua*
rium muh beshalb mit einem $ei 3 apparat oerfehen
fein. Drohbem haben bie beutfdjen <5tfdhe ben un=
erfehbaren Sor 3 ug, bah fie uns mit ber heimifdhen
Dierroelt näher oertraut machen. 2Ber fein ?Iqua*
rium mit ber heimifdhen $auna befeht, hcmbelt
aud) gan 3 im ©eifte oon 91ohmähier, ber oor
fiinf 3 ig fahren in Deutfchlanb bie erfte Anregung
311 ihrer ©inridhtung gab.
Sehr intereffant finb aud) unfre heimifchett
51äfer als Seroohner bes Aquariums. Seiber finb
oiele arge ^ifchräuber, auch muh man bas 2 lqua*
rium nad)ts mit einem Dedel oerfehen, ba fie
roährenb ber Dunfelheit gern Ausflüge unter*
nehmen. $aft überall finbet man ben ©elbranb
unb ben im Greife fchtoimmenben Daumeitäfer.
Sehr gemein ift auch ber 9?üdenfd)roimmer, ber
3 u ben Sdhnabelferfen gehört. 3Hlerliebft fieht
auch bie gemeine SBafferfpinne mit ihrer filber*
hellen Daud)erglode aus. Sian füttert fie im
Aquarium mit Heinen fliegen unb Slüden.
Sdjneden haöen ben groben Sor 3 ug, bah fte
öligen oer 3 ehren, 3 um Seifpiel bie So|thornfd)nede,
ober roie bie Sumpffdhnede bas Aquarium oon
gutterreften reinigen, es fehlt jebod) aud) h^r
bas „?lber“ nidht. 9ftand)e Sdhnedenarten fchäbigen
nämlich bie Sflan3en fehr. So haben auch bie
9Jtufd)eIn ben 3Rad)teil, bah fie, toenn bie Sanb*
f<hid)t nidht fehr ftarf ift, leidet bie Sobenfdhicht auf*
rühren, bie Sflansen herausreihen unb bas SSaffer
trüben. 91ur 3 ur 3ucht bes Sitterlings braucht man
bie Stalermufdhel unbebingt, ba biefer $ifdh oer*
mittelft feiner Segeröhre feine (Eier in biefe Slufchel
ablegt. Sielen Späh machen bie Kaulquappen, bie
man roohl in febem Dümpel finbet. Stan tann
nämlich bie ein 3 elnen Stabien ihrer Sertoanblung
mit ERuhe beobachten, aud) finb fie ein oortrefflidhes
^bitter für oiele 9lquarientiere. Dagegen muh
man auf ausgeroachfene f^röfdhe oer 3 idhten, ba
fie meiftens grofje Stäuber finb, auch oielfadh
auherhalb bes Sßaffers leben.
f 5 rür bie rei 3 enben 9Jlold)e braucht man einen
Reifen ober roenigftens eine fchroimmenbe 3 nfel,
bie oorteilhaft mit Sflan 3 en befe|t finb. Diefer
ift auch ein paffenber StuhepunH für Unten, Saub*
fröfd)e unb unfre heimifd)e Scfjtlbtröte. Die Ieht*
genannte tommt nur in ein 3 elnert Deilen unfres
Saterlanbes oor, fo 3 um Seifpiel in ber Start,
ift aber aud) hier fo feiten, bah man fie nur burd)
3 ufall fangen tann.
(Eigentlich brauche icf) gegen ben für ben Schluh
aufgehobenen (Sintoanb, bah ein Slquarium lang*
roeilig fei, nichts mehr an 3 ufül)ren. Die Setrad)*
tung eines mit ^Pflan 3 en unb Dieren befehlen
Slquariums muh oielmehr auf ben bentenben
Seobachter ben gröhten Stei 3 ausüben. Schon
bie Spmbiofe oon Sflan 3 en unb Dieren 3 eigt uns
ein ©runbprin 3 ip ber Statur, nichts für fid) allein
hirt 3 uftellen, fonbent alle Dinge ineinanber greifen
3 U laffen. Deshalb foll man fid) auch hüten, etroas
aus feinem 3ufamment)ange 3 U reihen! Dte
Stäubereien unter ben Sßaffertieren betoeifen uns,
bah auch hie* öer Kampf ums Dafein furd)tbar
tobt, ja getoiffermahen nodh fchlimmer ift als auf
bem fianbe. §ätte ©oethe ein Slquarium befeffen,
fo hätte er niemals ben 30 ologifd) unrichtigen
Sah ausgefprodhen, bah bem 5 ifd)Iein toohlig fei.
Unb auf roieoiel S*obIeme roirb man bei ber
Setrachtung bes Slquariums geflohen! Schlafen
beifpielsroeife bie 5 if<he? Saft fcheirtt es fo, benn
oiele ftehen auf bem ©runbe füll, ohne natürlid)
bie Slugen 3 U fchliehen, ba fie bas nicht tönnen.
©h*Hd) geftanben, fcheint mir ber Schlaf ber Srifdfje
beshalb fehr 3 toeifelhaft 311 fein, roeil gerabe 3 ur
Stad)t 3 eit bie gefährlichften ^eirtbe auf Staub
ausgehen, 3 um Seifpiel ber gif4)oUer. — Können
bie ^ifdhe hören? SJtan beruft fidh 3 um Seroeife
bafür immer barauf, bah in manchen Deichen bie
griffe auf ein ©loden 3 eid)en an bas Ufer ge*
fdjtoommen tommen, um ihr Butter in (Empfang
3 U nehmen. SStit Stecht ift hie* 9 e 9 en geltenb
gemacht, bah bie Sfifche aud) ohne bas ©loden*
3 eidhen tommen, ba fie lebiglid) burdh bie Schritte
bes Slntommenben, bie fie fühlen, 3 ur Slnnäherung
oeranlaht roerben. 2Bie ich in meinen Südhern
ausführlich bargelegt habe, halte ich ein £jören
ber 3 ifdhe für hödhft untoahrfd)einIidh. ©in §ören
hätte aud) für fie roenig 3 ®ed, ba bas Slnf<hlei<hen
ber f^einbe, 3 um Seifpiel ber Staubfifche unb
Otter, oolltommen lautlos gefchieht.
SBeil bie $-ifd)e ausgefprod)ene ©efühlstiere
finb, fo roerben fie burd) ©rplofionen im SBaffer
ober ©eroehrfchüffe in ihrer Stähe betäubt. Unter*
feeifdhe ©rbbeben töten TOIionen oon 5 if 4 )en. 2 Bie
man ben §unb burdh einen Schlag auf bie Stafe
töten tann, roeil ber ©erud) fein feinfter Sinn ift,
fo betäubt ben j^ifch ein SBafferbrud, ba fein ©e*
fühl enorm fein ift. Deshalb tann man aud) burd)
Sdjlagen auf bie ©isbede, bas fogenannte §ed)te*
bröhnen, fyifdhe fangen, ©in lauter Schrei ftört
bie $if<he bes Stquariums nicht. Schlägt man aber
auf eine fhallbämpfenbe Unterlage, fo fahren fie
3 ufammen.
Das Slquarium ift alfo in 2 ßirtlid)teit eine
Quelle ber höchften Selehrung. SHfo auf ins greie
unb an Diimpeln unb ©räben Stubien gemad)t,
roo man bie fpäteren Seroohner bes tünftigen
Slquariums am beften fangen tann!
SBer Släheres über Durhlüftung unb prattifhe
$ei 3 ung bes Slquariums foroie über fonfüge Dinge
roiffen roill, ber toenbe fid) an einen ber 3 ablreid)en
Slquarienoereine, in Serlin 3 um Seifpiel an ben
rührigen Serein Driton, beffen Sorfitjenbem ich
für mancherlei Selehrung 3 U Dant oerpflichtet bin.
SCufna^men — mit (Erlaubnis bes §erm iReicijett, Serlin — oon SC. 3Ratjborff
Stquariumbaffin für 2 ßintergärten 3 immeraquarium
1082
Xtber Kartb unb SUteer
1911. 9!r. 41
Sai)tifd)es ^reisfegeln
(Sin Stubienblatt non $einrid) Kautenfad
(SUlit ätnei 36tdjnungcn Don 3t. Oiret))
id)t bah fie am ©nbe gan 3 unb gar aufgehört
hätten — fonbern nur bah fie 3iemlid) im
Ulbnehmen begriffen maren in ben letjten fahren:
bie furniere auf ber Kegelbahn! — 3b* früherer
©Ian 3 nur mar um ein beträchtliches babin. Hub
bas machte: bie alten berühmten Kämpen, bie
maren allmählich fortgeftorben; unb — mie in
fo oielen anbern Gingen auch! — ein rechter
Utad)mud)s mollte fid) nicht 3 eitigen. Ober nein:
nur 3 unt einen Deil mochte es fein, bah bie mähren
gelben meggeftorben maren. 3nm anbern Deil
hatte fo mancher aus bereu Schar eine feiner
Töchter „an etmas Sefferes" oerheiratet: an
einen töniglid)en ©ifenbahm ober bito Soft=
abjuntten, einen ©erid)tsfetretär ober gar tRed)ts 5
anmalt ober gar mebi 3 inifd)en Dottor — unb ba
mar's benn ber (Einfluh oom §errn Sd)miegerfohn
gemefen, ber ben Sdjmiegertata mie an Utod=
fdjöhen baoon 3 urücR)ielt, bie fo oft erprobte
<5anbgelenttunft gegen all-p niebrigftehenbe Keute:
faulen^enbe <$aufierer, bie Arbeit bermeil oöllig
einftellenbe 3lidfd)neiber, gledlfdjufter, Knobel»
brotbäder, Sadlträger unb bergteid)en in beihem
SBetttampf aus 3 ufpielen.
Der grohe 3arras (ei ja: 3atras ber ©rohe
hatte ber fd)ier geheihen) — ber mar gleid)mohl aud)
nur ein 3Iidfd)neiber gemefen. Ulber mit meid) 3 mifd)en Siertonfument unb Sierprobu 3 ent. Unb noch eine „Sernhppnofe" ber enteilenben Kugel
einer ehrfurchtgebietenben Haltung mar ber fpät nun, nad)bem ber Donner oerhallt unb ber Dampf nad) 3 ufenbert imftanbe fein foll: bas, treuer Kefer,
abenbs nach fo einem errungenen ©nbfd)eiben, ber ©efchütje oerraucht ift, fieht ber ©afthaus» möd)t' id) benn hoch lieber für eine liebliche
bie hohe, mehenbe Stanbarte— erfd)ter ^ßreis! — befud)er ein, bah er oft, menn er auf ben fd)ulbigen Kegenbe oon ber Kegelbahn anfehen!
mie eine mal)te Kird)enfat)ne oor fid) bertragenb, Sräu 3 ielte, ben unfdjulbigen UBirt getroffen hat.— 3a fo! roer benn bas URannerl fei — grab
burd) bie ftaunenben Strafen ge 3 ogen getommen, So ift es in biefem fd)önenheurigen Sommer (Ehren» hinterm Sd)eiber jemeils an bem eiu 3 elnen Difd)»
bah felbft ein $err Oberamtsrid)ter ftehenblieb mannspflid)t, bem armen Deufel oon SBirt eine d)en — basfelbig URannerl, mas ein ums anber
ober ber £err URagiftratsrat (ad) ©ott! fold)e tleine ©enugtuung 3 U geben, eine ftillfd)meigenbe URal feine Seber eintunte unb 3 ur redhten 3eit
Oberamtsrid)ter ober URagiftratsräte gibt's heut Abbitte 3 U leihen — unb 3 toar auf folgenbe echt mas hineinrebe in bie fchmeigenbe URenfd)heit
rein gar nid)t mehr!) unb ben oon Utltohol unb biplomatifd)e £lrt: ber SBirt fdhreibt ein richtiges, ringsum? fragft bu. — 3 bu mein! bas ift ber ioerr
9?uhm oer 3 üdten 3orras hulbooll anfprad): „3Bie= tüd)tiges ^reistegelfd)eiben aus — unb ber tief= ^rototollant, muht bu miffen—bas ift ber ©hronift,
oiel 9 td)t 3 ehner marn's benn nun heute mieber, oerpfIid)tete ©aft folgt biefem 9tuf — als mie 3 U ber eine jebe Shafe biefes Kriegs, einen jeben
£err 3arras?" einem leisten, fröhlichen Sühnetermin!" Sieg unb eine jebe Schlappe einfdhreibt: Schub
2Bas id) fagen mollte — nämlid) — bas ift Unb er brachte feinen URmtb bid)t an mein um Sd)ub, Kos um Kos (1 Kos = 2 Sd)üben je
ebenfalls eines oon ben 3eid)en bes beutlid)en Ohr, ber alte IJJaffauer: „Unb menn Sie's gan 3 ins oolle |)aus), Stanb um Stanb (1 Staub =
Verfalls: bah — roo ber grohe 3<*rras ehebem genau miffen rnollen, £>err Kautenfad: bie toft= 10 Kofen = 20 Schüben), unb ber alle 10 Stäube
bie 5 t<ht 3 ebner nur fo aus ben hodhaufgefrempelten fpieligen greife — in Sargelb unb feibenen bas „Sreilos" anfagt, bas auf einen gefonberten
§embsärmeln fd)üttelte! — bah ooriges 3ah* 3 um Jahnen! — bie gibt natürlich ber Sräu!!" Sreis, einen Droftpreis, Utnfprud) hat — Sieh! —
Seifpiel hintereinanber bd oier gutbotierten ,Unb bie foftfpieligen greife in Sargelb unb fei» mie jettf ber Scheiber unglüdlid)ermei[e bloh fünf
Seftfdheiben nid)t ein einziger Utd)t 3 el)ner fiel! benen Johnen!—bie gibt natürlid) ber—Sräu?‘ gefd)oben hat, ftreid)t ber Srototollant in ftummem
fonbern bah ein paar notige, minbige, miftige, 3<h muh fagen: ich fchmieg erfchüttert. — (Sinoerftänbnis mit bem Scheiber bas betreffenbe
läufige Sieb 3 ebner fchon bas kennen machten. S3enn bu bid) fo einer Kegelbahn näl)erft unb Kos fogleich als oöllige Utiete aus: benn nad)
(Ob fid) ber 3arras barob nicht fd)ou ein paar= fonft ein Ohr für beriet unterfd)ieblid)e Dinge mit= fold)en angefchobenen fünf ift bod) eigentUd) teine
mal im ©rabe umgebreht?!) — Ulber bas tommt bringft, bann hörft bu's— am Utbhthmus! —oon red)te ©hance mehr, unb felbft menn man auf
baoon, menn bie gefd)niegelten Herren Söhne meitern fd)on, ob ba nur ein gemöhnliches Kegel= biefe fünf hinauf gar neun fd)übe, bann täten bie
oor lauter ihrem Utubereroerein unb Dennis unb )d)eiben ftatthat ober aber ein S^dstegeln! Denn Konturrenten hödjftens hellauf lachen unb man
URotorrab unb Football fi^ auf einen ber älteften ba gel)t's aus einem anbern Datt, menn fo ein felber hätte nichts als einen fatrifd)en 2lrger unb
unb ehrmürbigften Sports fo einer tleinen Stabt S*dstegelfd)eiber Kugel um Kugel hindnfeuert, 3°^ n - ^llfo: unter fieben Kegel auf ben erften
rein mie überhaupt gar nicht mehr 3 U befinnen bah bie Kegelmännd)en blihenb unb unter einem Sd)ub merben gemeinhin überhaupt nicht auf*
oermögen! unb — menn fie je einmal eine Kegel= metallifd)en Schrei 3 ur Seite fpringen — §als gefd)rieben, unb erft menn beifpielsmeife fieben
bal)n betreten — bies nur „unter allgemeiner über Kopf—ausfd)lagenb als mie junge füllen— fallen, bann fagt ber ^3rotofollant: „Siebene neu"
9Jtitmirtung ber fel)r oerehrten Damen" tun! — unb grab fo tlirrenb als mie mit erftem £jufbefd)lag. (bas hdh^auf ein neues Kos gebenb) — unb mie
Der — „Damen"! (Kru 3 itürten nochamal!) — Oh, ba geht's fein Schub um Schub, als mie nad» jettf ein Stanb aus ift, annonciert bas 9Jiamterl:
Der „Damen", benen es bann möglichermeife — Sefunben mit ber lll)r gemeffen — menn fo ein „Vierter Stanb aus! $aben mir ©ins (1. Kos)
aber nur meil es „oornehm" ift unb überaus „ge= ^5reistegelfd)eiber erft einmal marm gemorben ift! im fünften!" — Slber ba! ba! je^t! „9teune neu!"
bilbet" Hingt! — benen es bann möglid)ermeife — unb grab mie bei einer flinten Uhr foll alle ertönt's unter bem ohrenbetäubenben ©efdjrei ber
furd)tbar „ 3 iel)t" an biefem Ort, oh! bie biefe paar Minuten flint ein Schlag ertönen: ber filbern beiben Kegelbuam oon bemfelbigen Difd)d)en her!
Stätte bann mirtlid) gatt 3 fchredlid) „ 3 ugig" tönenbe 3uhuf<hrei ootn Kegelbuam: Ktlle 91eune! Das ift ein Moment ber Spannung: rnentt ber
finben! unb mas berlei neumobifd)e 2Bahtnel)= alle Uleune! — Unb als Hnterton ein bumpfes Scheiber jeht fogleich barauf noch einmal bie
mungen unb ©mpfinblid)teiten mehr finb — 3, ba Schnurren (bas ift, mie eine Kugel um bie anbre t)öd)fte 3al)i fcheibt, bann ift's ein s llcht 3 ehner!!
foll bod) gleid)-!! mieber 3 um Sd)eiberftanbort 3 urüdgefchidt mirb ^ln bie betannte Distusmerferftatue fül)lft bu
... $ld) ja: bei eingebenberer ©etrad)tung, oon brauhen, mo bie Kegel flehen!) — berfelbige bid) erinnert, mie ber Scheiber jetjt — mit ge=
bas beiht bei fo recht liebeooller unb 3 ärtlid)er brummenbe llnterton barf überhaupt nimmermehr 3 üdtem 91aden — bafteht! Da holt er 3 meimal
©rinnerung — mie fo leid)tlid) bod) täme man fd)meigen unb muh ben ununterbrochenen tiefen aus 3 um Sd)tDung — mobei bie 3eige= unb 9Jtittel=
baaus bem Sd)impfen unb fluchen fchier überhaupt Sah 3 U ber hellen SOlelobie abgeben — fonft ift finger ber linten §anb am oorberften äuherften
nid)t mehr heraus! — Unb ber alte Saffauer, ber bas „teinSetrieb nicht", mie er fid) 3 U einem rid)= ©nbe ber Serpenbitelbahn bes redeten 5lrms leis
mich für mert genug erachtete, bah er oor mir fein tigen Sreistegeln gehört! auf ben 91orbpoI ber Kugel tippen — ba fliegt
befd)toertes £er 3 ausfd)üttete, ber betam einen Uta, unb nun hob teine Utngft, lieber Kefer, bie Kugel ab — muhte aber im URoment bes
gar eignen 3ug um ben UJtunb, mie er jet)t fd)loh: unb tomm breift mit mir herein auf bie Sahn— Starts oon ber $anb einen folgen „Dreh“ er*
„Unb menn • man unferm groben bai)rifd)en auf biefen Kampfplab oon gineffen, bie alle ums holten unb mitbefommen auf ben 2Beg, bah ber
Siertrieg Iebtt)in beim beften SBillen aud) fonft nir rechte ^anbgelent herum 3 U §aufe finb — aufjer Scheiber mit fehr hoch erhobenen Ulrmen nun
©utes nadhfagen tann, bas eine menigftens mirb natürlid), es ift einer juftament ein Kintfer — mie bafteht — unb ba! ba löft fid) alles jäh in einem
man ihm Iaffen müffen: nämlid) bah bie fd)önen ber grohe 3orras felig! — bann mill ich bamit heiferen Schrei — mit bem man hier 3 ulanbe ein
Sreistegelfd)eiben oielleicf)t hoch mieber mehr unb feibftoerftänblid) bas linte ^anbgelent gemeint Stüd Sieh anfdhreit — unb 31üd)e gellen 3 mifd)en=
mehr in URobe tommen! — Ober leuchtet 3buen hoben! — ©in gutes Utugenmerf freilich ift gleich 5 ein: „3all um! galt um! gallft jetjt um?? gallft
bas am ©nb' nicht fo recht ein?" falls fehr oonnöten; um fo mehr, als oiele be= jetjt net um???"
3<h muhte offen geftehen, bah utir ber feinere houpten, bah utan ben „Sogen", ben bie Kugel Unb er fiel holt nicht um — unb er fiel mie
oerfdjärftere Slid für biefe tieferen 3 u [otrtmen 5 ba bie Sahn hinaus befd)reibt, quafi mit bem Slid um teinen Sreis ber SBelt um — biefer „linte
hänge oorläufig nod) abginge. „birigieren" müffe. Dah aber fogar ber Körper Saunagel"! 3o, fogar er mar fchon bebentlid) im
„3a, fehen Sie, Krieg bleibt Krieg. Ober? bes betreffenben Scheibers, inbem er getreu nach Sailen unb ftü^te fd)on fdhier 3 U ben acht anbern
Unb im Krieg, ba mirb teiner oerfdjont— hdfet's in bem Kauf ber Sogentugel fid) minbet, fid) trümmt, ©efällten hin— ba fanb er fid) bod) mieber 3 ured)t
bemfelbigen Kieb. 3o, fogar im Krieg fd)ieht oft fid) fperrt unb fprei 3 t unb halb ausrentt, fid) brebt, unb fleht nun mie mit an ben Keib ange 3 ogenen
ber ft-reunb auf ben gfteunb.— So äl)nlid) mar's fid) bredjfelt unb täfelt unb mal 3 t (unb alfo Ulrmen gleid) einem, ber bie ©efal)r bes Strau^elns
in unferm Siertrieg mit ©aftmirt unb SBirtsgaft fd)ier 3fobora Duncanfdhe Seformtan 3 fchritte auf einem ©latteis grabe noch übermanb! — Diefer
beftellt. Der ©aftmirt ftanb recht in aller StRitten mad)t) — bah 9or ber Körperiauf biefe UBeife oerfliite linte Saunagel!...
1911. SRr. 41
Unb fo ift's — rnieber einmal! — mir ein
„Sief> 3 e!)ner" gemorben; unb bas ift fdjabe! —
Unb aber nod) oiel mel)r fcfjabe ift's, bafe bisher
nie nod) einer mit tinematograpbifd)en Aufnahme*
äugen babeigeftanben I>at unb 3 U gleicher 3 ^it
etroa nod) einen fonft fo Iärmtjungrigen pbono*
grapbifd)en $tufnabmefd)lunb I)at fcfmappen laffen!
Denn biefe fonft fo plumpen bäuerifcben ©eftalten
fallen babei ©eften an — befd)toörenbe unb abo*
rante — als rnär's— oor Daufenben fahren unb
mel)r — nod) um ben alten beibnifcben Opferftein!
Dod) — toas mar bas? — 21d), gan 3 unb gar
nid)t im Sogen, fonbern oie!mel)r fd)nur* unb
ter 3 engerabe lief bie Kugel ins oolle §aus...
ein „Stier" ift gefd)oben morben, bas ift ber ©rfte,
ber König unb ber Kebte nur finb gefallen, unb
aber beibe „©affen", bie red)te mie bie linte, fielen
allefamt nod) bodfteif aufred)t... unb unter £ad)en
ber 3^fd)auer fd)allt's aus ben mitleiblofen Kehlen
ber Kegelbuam bis 3 U uns I)ier herein:
„§ans, toas tuaft beim bu ba?
9timm bein Stümperl,
9taucb bein ^fetferl,
Steb net alleweil f o ba
2 Bte ber £ans oon Strobbad)!!"
3<b habe ben Sinn biefes Spottreims nie fo
red)t ergrünben tönnen. ©r ift nur fel)r alt, biefer
Seim, unb mill aud) m eit er nichts fein als nur
Spott. — Sber eines Kegelbuam insbefonbere
erinnere id) mich, ber biefe 3*iten S*ab wie ein
budliger Hofnarr fprad). Sei ben erften brei
3 eilen — fd)ier plabenb oor £jol)n; 3 U ben lebten
beiben bann fid) budenb als mie in ©emifcbeit ber
graufamften Schläge. —
Über £anb unb 50leer
Unb nun gel)t's fdjon an bie oier 3 el)n Dage
fo — alle unb alle Dag. Unb oielljunbert Stäube
finb fd)on I)ineingefd)oben morben. Unb über*
morgen — Samstag — ift bas ©nbfd)eiben. SOlit
Stufit. ©ntmeber ein tleines Drio: 3itf)et, 3ieb s
barmonita unb ©eige ober Klarinette, ober aber
gar gleich bie „Stabttapelle II".
Unb bas gibt bann erft einen Klang: 3 U ben
3ubfd)reien, bie fid) ebenfo häufen mie bie Spott*
ftropben, unb 3 um Kegelbüpfen unb 3 um Kugel*
rollen aud) nod) Stufit! — ben lebten Sagen,
ba ftieg nidjt nur bie Seroofität im allgemeinen
— fonbern ba tarnen im befonbern aud) nod) bie
„Sauber" angereift, bie „Serufsfd)eiber" aus
Silsbofen, Ofterbofen, Seubaus am 3mt, Sfarr*
tird)en, ©eifeiböring unb fo meiter, bie „gähnen*
marber", mie man fie nennt, bie „Sreisiltiffe",
bie „Spänen ber Kegelbahn" mit einem SSort,
bie mit ein paar menigen Stänben unb aber befto
mehr gad)tenntnis ben mod)en!angen ehrlichen
Semerbern bie blutfauer erfd)obenen Sieb 3 ebner
unb 5 Id)t 3 ebner burd) ein paar oermerflid)e Srids
ftreitig machen mollen!
Unb enblid) fdjlägt bie Scblufjftunbe — fd)Iägt
bie Stunbe ber Susrecbnung! Der Sab Kegel
unb Kugeln, ber eigens 311 biefem S*eisfd)eiben
neu angefdjafft mürbe unb 3 U teinem profanen
Spiel gebraucht merben barf, mirb — in einer
Sd)minge ober einem 2Bafd)torb — fd)ier feier*
Iidf) ins $aus getragen, bis — nad) einer Saufe
oon einer Stunbe ober anbertl)alb — bas „Gittern"
beginnen foll. — Unb mäbrenb biefer Saufe, ba
tannft bu erft recht beine Stubien machen. Da
tannft bu bie bürgerlid)en Sd)eiber erft nod)
einmal reinlich oon benen bergefommenen Serufs*
1083
fdjeibern unterfd)eiben. Denn in biefer Saufe,
ba finb bie letzteren allemal fogleid) bei ber §anb,
bie bürgerlichen 3 U einem tleinen „netten" Santo*
fpiel ein 3 ulaben, bas — „gemütlich" improoifiert
unb „nur bamit bie 3eit oergebt" — mit 3 man 3 ig
unb fünf 3 ig Sfennigen ©infab pro Sd)ub anbebt,
um nad) taum fünfunb 3 toan 3 ig Stinuten bereits
(benn bie 3eit ift foftbar!) SSettfäbe oon barten
Dalern unb günfmartftüden auf 3 umeifen!
Unb immer mieber finben fid) ein paar Dumme
3 U biefem oerberblicbften aller Spiele, bas fo
manchem Säuerlein — fo unglaublid) bas aud)
Hingen mag— fd)on $aus unb §of getoftet bat!. . .
Sun aber beginnt bas „Gittern" um bie
Sreife! (Das b^tfet: um fooiel mehr ober um
fooiel meniger einer Sd)t 3 el)ner im Sergleid)
3 U ben anbern bat, um fooiel öfter ober um fooiel
meniger oft tommt er gegen jeben anbern 3U111
entfd)eibenben Sd)ub.) Unb fo bebt benn noch
einmal — gebrängter, aber oer 3 toeifelter —
ber Kampf an — unb unter raufd)enben Dufd)eit
oerlieft unb oerteilt 3 ulebt ber SBirt unb Seft*
geber bie Steife:
„Sei bem mit beut heutigen beenbeten Sreis*
tegelfd)eiben haben fid) folgenbe §erren greife
ermorben: ,,©rfd)ter Sreis — fed)3ig halbe Start
mit feibener Stanbarte — ifjerr Scbneibermeifter
3arras aus Saffau — (Dufd)!) 3weiter S^eis
— fünf 3 ig halbe Start mit feibener gabne — §err
Sd)neibermeifter 3arras aus Saffau — (Dufd)!!)
Dritter S*eis — oier 3 ig halbe Start mit feibener
gähne — irjerr Scbneibermeifter 3arras aus
Saffau — (Dufd)!!!)" Unb erft ben oierten S*eis
burfte fi<h ber „£)ber*Sauber" £jerr £jermannfeber
aus ©eifeiböring holen — ©tfd)!!
1084
Über ßartb unb SCReer
1911. $Rr. 41
f haniuttamfdjr (jttfenbaljnen
©rattifhe ©Sinte für ©eifenbe
©on
^ßrofeffor (Ebuarb (Engel
♦»
H
ber bie allgemeinen ©ert)ältniffe ber beiben
~'"enbahnnetje nur fooiel:
tattung 3 u ben beften in
nem Gifenbahnneh eines
"en, unb nur bie beften
ftanbinaoifd)en Gi|
fie gehören in ber ©usi
Guropa, toerben oon fei
anbern fianbes übertrofj
beutfhen ©ermaltungen tonnen fid) in ber Sauber*
feit, ©equemlihteit, örbnung jeber ©rt mit ihnen
meffen. Die ausge 3 eict)nete Verpflegung in ben
Speifemagen bei recht mäßigen greifen ift befannt,
nod) berühmter bie auf ben Gifenbahnftationen.
Dah bie Sdjnelligfeit felbft ber Sdinell^üge nicht
bie ber beutfd)en Gifenbahnen erreicht, ift ertlärlid):
mir höben es in Stanbinaoien ja faft burcbtoeg
mit Gebirgsbahnen 3 U tun.
Kber bie ©eredjnung ber Shhrpreife ift für
beibe Königreidje 3 U fagen: Der Grunbfatj ber
rohen ^Berechnung nach ein 3 elnen Kilometern ift
aufgegeben, an beffen Stelle ift ein 3ortentarif
getreten, ber allerbings in jebem ber beiben
Sänber nah recht oerfchiebenen ©ebingungen
Gine ber Schneefchleubermafd)inen ber normegifhen ©ergenbahn
Seiber hot Sdhmeben feinen fonft fo mäßigen
Darif mit gmei erfhmerenben ©ebingungen be*
laftet: es gibt einen Sdbnell 3 ugs 3 ufcf)lag oon
2V 2 , 1Ve- unb 1 Krone für bie brei Klaffen ohne
allerbings fommt er- gegenüber ber fel)r bebeu*
tenben Grmähigung bes 3onentarifs auf meite
Gntfernungen nid)t fehr empfinblich in ©etraht.
^ebenfalls täte bie fhmebifhe Gifenbahnoermaltung
flug, biefe Unterbred)ungsgebühr gan 3 ab 3 ufdt)affen,
benn fie mirb gerabe oon ben auslänbifd)en ©ei*
fenben, bie an begleichen nicht gemöhnt finb,
als fleinlid) empfunben. Der Grtrag biefer Gebühr
ift fidler fo gering, bah ihre DlbfdEjaffung ohne ©e*
benfen erfolgen fönnte.
©od) billiger ftellen fid) bie fhmebifhen ^röt)^
preife in ben ©erfonen 3 ügen beim 23ergleid) mit
ben beutfhen. Durd) bas SBegfallen ber Sd)nell=
3 ugs 3 ufd)läge auf fhmebifdjer Seite, bas £in 3 u=
treten einer gahrtartenfteuer auf beutfctjer fteigert
fidh ber Hnterfdhieb 3 mifdhen ben fhtoebifhen unb
ben beutfhen ©erfonen 3 ugsprei[en auf Gntfer*
nungen oon nur 600 Kilometern bis 3 U 40 ©ro 3 ent.
Da 3 U fommt, bah bie fd)toebifd)en Gifenbahnen
25 Kilo greigepäd gemähren, eine Grleidjterung,
bie auch für ©unbreifel)efte gilt, foferrt fie ent*
meber in Sdhmeben felbft ober in bem fd)mebifd)en
©eifeamt 3 u ©erlin getauft finb.
Dilles in allem ift feft 3 uftellen, bah bie $ahr=
preife auf ben fhmebtfdhen ©ahnen fo günftig
mie nur möglich gerabe für ben gernoerfehr, alfo
für bie auslänbifd)en ©eifenbert finb. Gehäffige
©eftimmungen mie 3 um ©eifpiel bie auf ben
ungarifchen Staatsbahnen, rnonad) ©ubapeft einen
Sdtjnittpunft für bie hohen Sermonen bilbet, alfo
bas Söfen einer neuen Karte notmenbig macht,
gibt es in Sd)meben nicht.
Der §arbangerjöbel bei 5 ütfe
*
abgeftuft ift. gür Sd)toeben gilt ein 3 iemlid)
leiht 3 u überfehenber 3onentarif mit einem
3onentarif für bie brei Klaffen oon 50, 30, 20 Öre
(56, 34, 23 Pfennig), unb bamit auf meitere
Gntfernungen ber Grunbfah bes fallenben ©reifes
3 ur ©Sirfung fomme, hot bie fhmebifdje ©er*
maltung 3 toar bie 3onentarifpreife bis in bie
t)öd)ften 3onen hinauf unmanbelbar gemacht,
bafür aber bie Sänge ber 3onen felbft oon
3onengruppe 3 U 3onengruppe gefteigert. Die
erfte 3onengruppe umfaht 12 3onen oon je
8 Kilometern, reidjt alfo bis su 96 Kilometern;
bie 3 toeite 3onengruppe befteht aus 12 3o=
neu oon je 9 Kilometern, reicht bis 3 u 204
Kilometern, in ber britten 3onengruppe oon
12 3onen fommen je 10 Kilometer auf jebe 3°rte,
unb fo geht es meiter bis 3 u ben l)öd)ften 3onen=
gruppen: immer mit einer ermähigenben 3nlage
oon einem Kilometer.
Km einen ©egriff oon ber ©ilügfeit bes
fd)mebifd)en 3onentarifs 3 U geben, mähle i<h bie
meiftbefahrene Strede oon ©lalmö nadh Stod*
holm mit 618 Kilometern. Die ©reife betragen,
einfd)Iiehlid) ber noch 3 u ermähnenben Sd)nell*
3 ugs 3 ufdt)läge, in ben brei Klaffen: 33,50, 20,10,
13,40 Kronen ober 37,70, 22,70, 15,10 ©tart.
Diefelbe Gntfernung mürbe in Deutfdjlanb mit
Sdhnell 3 ugs 3 ufd)lägen unb grohrtartenfteuer toften:
50,70, 31,70, 20 ©lart, alfo 3 mifdE)en 32 unb
37 ©ro 3 ent mehr. Da es in Schieben, Sapplanb
hin 3 ugered)net, fdf)ier ungeheure Gntfernungen
gibt — oon ©talmö über Stodholm nadh ©aroit
im höchften ©orben 3 ufammen 2200 Kilometer —,
fo fteigt natürlich baut bem 3onentarif bie Gr*
mähigung auf bie meiteften Gntfernungen immer
beträchtlicher, eine 3 ur ©nlodmtg ber ©eifenben
für ben fternoertehr fehr tluge ©iahregel.
Hnterfd)ieb ber Gntfernungen, unb es gibt
für alle gahrtarten über 168 Kilometer einen
gebührenpflidjtigen Knterbredjungsoermert oon
125, 75, 50 Öre. ©efonbers biefer Hnter*
brehungsoermert muh als läftig be 3 eidhnet merben;
©on ben normegifhen Gifenbahnen gilt ©Im*
lid)es mie oon ben fd)toebifd)en: fie merben unter
bem Gefidjtspuntt ber möglkhften ©egünftigung
ber gemreifenben oermaltet. Der ©erfonentarif
ift einer nah 3onen mit fallenben Ginl)eitfähen.
Die britte Klaffe toftet bis 3 U150 Kilometern 4 Öre
Gifenbahnbriide über ben ©Safferfall bei Sarpsberg
Uber £anb unb UJteer
1911. 9lr. 41
Der Seinunger Dunnel 311 Oftern
;d)utsoorrid)tung gegen Sd)neelatoinen auf ber 23ergenbal)n
für jebes Kilometer, in ber 3 toeiten 3one non
151 bis 300 Kilometern 3,5 Öre, in ber 3one
oon 301 Kilometern ab 3 Öre für jebes Kilometer.
Dies ift allerbings ein roenig teurer als in Deutfd)*
lanb, inbeffen bei uns fommen ja nod) bie Schnell*
3 ugs 3 ufd)läge unb bie Rahrtartenfteuer hin 3 u, unb
bie norroegifchen 93al)nen gemäßen gleid) ben
fd)toebifd)en 25 Kilo Rreigepäd. ©rtoägt man,
tuie man bod) muh, bie bei toeitem l)öb)eren 23au=
toften ber ttonoegifchen Sahnen gegenüber ben
beut[d)en, fo finb bie Rahrpreife in Sorroegen für
Seifenbe mit ©epäd nicht unbeträd)tlid) billiger
als in Deutfdjlartb. Aud) bas ©epäd über 25 Kilo
roirb nach einem 3onentarif bered)net, ber auf
t)öf)ere ©ntfernungen immer billiger roirb. So
toften 3 um Seifpiel 10 Kilo Ubergeroicht auf
600 Kilometer nur 80 Öre. hiermit oergleiche
man bie ungeheuren ©epädpreife auf beit beutfd)en
Sahnen!
Son liebreid)er Auffaffung ber norroegifchert
Sermaltung 3 eugert bie Seftimmungen über bie
Kinbertarten: bas 3 ur ©rmäfnigung um bie £älfte
bered)tigenbe Filter reicht bis 311 m oollenbeten
3 toölften Rat)r, nnb in ben Sd)ulferien, bas h^ifet
für bie lange 3eit 00 m 15. Runi bis 3 um 31. Auguft,
gilt bie ©rmäfnigung um bie Hälfte für Sd)ul!irtber
bis 3 um oollenbeten fünf 3 ehnten Sahr.
Sod) roefentli(h ermäßigt fid) ber norroegifd)e
ßonentarif baburd), bah Südfahrtarten — bie
tu Sdjtoeben fehlen — mit je 25 s $ro 3 ent ©r=
mäfpgung unb mit breimonatiger ©ültigteit aus*
Sommertraum
©in ftilles Sdjidfal liebeooll
©eht roieber mir 3 ur Seite,
Der Duft, ber 2Balb unb Sleere fchtooll,
SBarb leife mein ©eleite.
Unb birgt mid) in bem tiefen ©ruttb,
Dem aller SBinb entftiegen;
Da tann an ero'ger Ouellett Stunb
3 d) lange laufd)enb liegen.
Unb fühle, toie ber Sommer fteigt
Rn aller 2 Bur 3 eIn Diefe.
Unb ahne, toie fid) leife neigt
Sein §aupt, als ob es fd)Uefe.
2Bie fid) bie fd)toere Rrud)t erfüllt
Unb fid) bie Dräunte runben,
Das roirb fo heimlich hell enthüllt
Der Set)nfud)t ftiller Stunben.
Sis achtlos aus ber ©rbe Sann
Die Seele ficf) oerlorett.
Serfonnen fingenb fitjt fie an
Des Rimmels golbnen Doren.
Dhaffilo oon Sd)effer
gegeben roerben. Allerbings biirfen biefe Süd*
fahrtarten, genau toie in Deutfd)lanb, nur je
einmal unterbrochen roerben.
Sod) ein 2 Bort über bie rtorroegifd)en Serfonen*
batnpfer, bie ja befonbers für beutfche Seifenbe
faft nod) ntel)r in Setrad)t tommenlals bie ©ifen*
bahnen, ©ine ©igenfchaft 3 eid)net fie oor faft
allen Dampfern ber 2Belt aus: fie finb oon unheim*
lieber Sünttlichteit. SCRit bem ©lodenfdjtage roirb
bie Srüde einge 3 ogen, unmittelbar barauf tommt
ber Sefehl: Kangfam oorroärts! Die Dampfer
ber brei hauptfächlid) für ben Sertehr mit Deutfeh*
lanb unb Sorroegen in Setrad)t tommenben
©efellfd)aften, ber Kopenhagener „Rorenebe",
ber Sergenfd)en unb ber Sorbenfjelbfd)en — biefe
mit bem ©efellfcfjaftsfib in Drontheim —, genügen
allen Anfprüd)en, bie ein beutfd)er Seifenber nad)
feinen (Erfahrungen mit ben guten beutfehen
Dampfern 3 U ftellen geroöhnt ift. Uber bie Ser*
pflegung ift ungefähr basfelbe 3 U fagen roie über
bie auf ben fchroebifchen unb norroegifchen ©ifen*
bahnen. Sicht unerroäI)nt bleibe ber Rortfd)ritt
ber 9Jlähigteitsberoegung in beiben ftanbinaoif(hen
Känberrt.
Rn Kapplanb ift ber Ausfchant oon Schnaps
in allen formen überhaupt oerboten, unb in
ben ©afthäufern l)errfd)t nirgenbs ber ftlaoifdje
2 Bein 3 toang, ben unr uns nod) immer in Deutfeh*
lanb gefallen laffen.
SKIliam SOIaJepeace Dl)acferai)
'TN er englifdje §umor feiert roieber einmal ein hunbertjähriges
/ZJ Rubiläum. ©r fdjeint biefent nüchternen Solte eine not*
roenbige ©rgän 3 ung für feine Sufinefjfeele 3 U fein, bie ein 3 ig
bisputierbare Art Literatur ins Solt 3 U tragen. Unb er ift ihnen
in jeher Rorrn lieb: Die empfinbfame Seife bes armen Sorid,
Didens' ^idroidier, roeld) eine Spannweite lad)enber Shüo*
fophie, unb in ihrer Art fo oerfd)iebert roie bas Rahrhunbert
ber Kiebesepigramme feuf 3 enben Darusheden unb bie ungefudjt
fd)rullenl)afte öriginalitätsfud)t ber Didensfd)en Siebermeier.
ASilliam Stafepeace Dl)aderax) hat etwas oon einem Aad)geborenen.
Um ein Rahr älter als Didens, ift er bod) ber Sertreter einer not
oieles neroöferen 3eit, ber anbred)enben Stoberne. Rn Samgarh
bei Kaltutta am 18. Ruli 1811 geboren als Sohn eines Seamten
ber Rnbian ©ompant), tarn er mit fed)s Rahren nad) bem Dobe
feines Saters nach ©nglanb. Die Stutter heiratete halb barauf
ben SJlajor $enrp ©armichael, unb ©rofcoater toie Stiefoater
nahmen fid) ber ©Ziehung bes Rungen an. Sd)on auf ber ©harter*
houfefd)ule in Konbon grünbete er eine 3 eitfd)rift unb hatte
roenig Rreube an ben Spielen ber Rugenb. ©r war ein fd)üd)*
terner Knabe, ber ben Sanb feiner Jefte mit ©ebidjten unb
3eid)nungen ausmalte unb gar tein Serftänbnis für bie apofto*
lifdjen Stanbpauten hatte, bie feine Kehrer an bie Klaffe unb
befonbers an ihn rid)teten, als „bie Sd)anbe feiner Schule, ben
Suin feines Saterlanbes unb feiner Familie“.
Das Keben biefes Slannes, ber uns bie trefflichfte Schilberung
ber ©efellfdjaft feiner 3 ctt gegeben hat, oerlief unauffällig 3 toifd)eu
allerlei Serfudjen, fein 3 eid)nerifd)es unb fd)riftftelleri[ches Dalent
burd) 3 ufehen, unb ein paar Seifen ins Auslanb, bie ihn nad)
Sont, $aris, SBeimar, Dresben führten unb feinem 9Bih neue
Sahrung gaben. 2Bie alle jungen SSänner jener 3eit, bie in
3u feinem Ijunbertften (Geburtstag
Saris gelebt haben — man braucht nur bie Stählungen Sa^acs
unb Stuffets 311 lefen — hat aud) Dhaderai) ber romantifdjen
Kuft am §>afarbfpiel nicht roiberftehen tonnen unb tarn baburd)
ebenfo oft in Serlegentjeit roie burd) mihglüdte literarifche Unter*
nehmungen. Aber irgenbeine eingeborene $*ohnatur it e ^ ihn
nie oöllig oettoeifeln, roeber als feine 3 ^ichnungen, oon benen
roir hier eine Srobe geben, oon bem Serleger Didens' abgelehnt
tourben, noch als fich bie 3 eitf^riften gegen bie ©efd)id)te bes
großen §oggartpbiamanten unb bie traufen ©lüdsroege feines
gelben Samuel Ditmarfh ungetoöhnlich fpröbe 3 eigten. ©rft
fein Snobbud), bas in „grafers Slaga 3 in“ abgebrudt rourbe,
fpielte il)nt einen 3ipfel oon bem literarifchen Suljm 3U, ber
ben englifd)en £umori)ten oon Sroift bis 311 öabberton alle 3 eit
holb gefinnt toar. 3etd fc^rteb er eine Seihe Soutane, ben oon
©eift unb 2 Bit) überfprubelnben unb in englifd)er Serftanbes*
tlarheit glihernben „3ahrmartt ber ©itelteiten", „Arthur Sen*
bennis" unb „§enrt) ©smonb“, in benen allen ber fülle 23eob*
achter noch fd)nell fo oiele töftlidje ©belfteine aus feinem eignen
Keben fammelte, el)e il)n ein lieber unb bie neroöfen Sadjroehen
eines entbehrungsreichen Kebens im De 3 ember 1863 00 m Sd)au*
plah biefes Kebens riefen. 3n Dhaderaps Kunft hat fid) nie
ber 3 eid)ner oerleugnet, ber mit mimofenhafter ©mpfinblichteit
bie finnüdjen ©inbrüde bes Kebens notiert unb ihre tinemato*
grapt)ifd)e Dreue in feelifd)e Analpfen oon feiten über 3 eugenber
äBahrhaftigteit um 3 ubeuten roeife.
Deutfchlanb hat biefen englifd)en §umoriften ber öueen*
Sictoria=3eit bisher roenig getannt. Um fo erfreulicher ift eine
neuerliche ©efamtausgabe feiner ÜBerte im Serlag oon ©eorg
Slüller, Stünden, beren Überfeiner $einrid) ©onrab allen Um*
ftänblid)feiten unb Reinheiten bes Originals gerecht unrb. W. M.
1086
1911. $Rr. 41
9LRtt bewegtem Her 3 en, mit befonberer ©hr*
erbietung nimmt man M i I h e l m Baabes
9tad)Iaßbud) „Mtershaufen“ (©erlin, Otto 3anfe)
in bie Hänbe; mit tiefer ^Rührung legt man es
nieber, nadjbem man es gewiß auf einen Sit} unb
bod) nid)t flüdjtig, nein, bebad)tfam burd)gelefen
bat, wie man eben ©üd)er lieft, bereu bleibenben
©eßalt man oon ben erften Seiten ab empfinbet.
©in fanftes, munberfam ergreifenbes ‘iUbfchiebs*
bud) bes in I)obem Filter unb bocb immer oiel 311
früh non uns gefd)iebenen teuren Did)ters. Das
©ud) ber 9?üderinnerung eines alten, febr alten
Cannes au bie halben 3 ugenbtage, fo recht ein
Sud) für fo!d)e £efer, bie bas filtern fühlen unb
fid) aus ber immer grauer roerbenben ©egenwart
3 urüdfchtoingen möchten in bie grüngolbenen Dage,
bantan nid)ts fühlte oon bem allgemeinen Menfd)en=
lofe ber ©ergänglid)feit. Baabes 9lltersf)aufen,
1899 begonnen, 1901 liegen gelaffen, erfcheint uns
nur äußerlich als ein ©rud)ftüd: alles 3 nnigfte unb
Sd)önfte, roas ber überaus einfache Stoff bes
©efud)es eines Siebsigjährigen in ber feit fed) 3 ig
fahren nicht mehr betretenen Knabenheimatftabt
nur h^öeüeo tonnte, toar erfd)öpft, als ©aabe
nad) ben Anftrengungen feines fieb 3 igften ©eburts*
tages fid) 3 U mübe fühlte, bie $eber roieber an 3 u=
feßen. 3 roterlich ift bie foftbare ©acßlaßgabe ab*
gefd)lof[en gleid) bem £ebett bes Sieb 3 igjährigen,
ber als ber Helb unb ber ©fahler oon Alters*
häufen gebad)t ift. ©in liebes Sud) unb aller Mahr*
fd)einlid)feit nad) 311 einem ber allergrößten ©rfolge
bes an äußeren ©rfolgen ja nie reich geroefenen
9?aabe beftimmt. ©s roeift alle feinften 3 üge bes
Meifters auf unb ift ärmer an getoiffen Laabe*
fd)en ©igeußeiten, namentlich an feinen bei aller
£iebenswürbigfeit bod) immer ein roeuig er*
mübenben ©bfd)weifungen, als bie meiften ber
früheren größeren Merfe bes Meifters.
*
3n Deutfd)Ianb gilt ber unerfreuliche Sraud),
jeben Did)tersmann möglichft in ein einiges
enges 3 *ad) ein 3 ufapfeln unb es ißm entroeber
ärgerlich ober überßeblid) fpottenb als fd)toeren
Serftoß gegen bie tan 3 leirätlid)e Orbnung am
3 ured)nen, wenn er fid) unterftel)t, aus feinem
5 ad)e heraus 3 ufd)roeifen unb in fyächer hinüber*
3 ugreifen, bie ber Iiteraturgefd)id)tlid)e Kan 3 leirat
traft eigner Millfür für anbre Dichter eingeräumt
hat. ^eter Sofegg^r läßt unter bem Xitel
„Mein £ieb" (£eip 3 ig, 9Ü ^taadmann) bie Samm*
lung faft alles beffen erfcheinen, roas er je in Serfen
gefdjrieben hat, unb 3 wingt baburd) Sie gefamte
beutfd)e Kritif 3 U einer ©rgän 3 ung ihres Urteils
über biefen werten Didjter. 9tun roohl, fRofegger
roirb nad) biefem ©ebid)tbanbe bleiben, was er
uns feit mehr als einem Menfchenalter getoefen
ift: einer unfrer ternigften, poefieoollften ©Wähler,
unb nur als ben, nicht als einen unfrer großen
£prifer, toerben ihn bie 3 dtgenoffen unb bie
literaturgefd)id)tlid)en 3 orfd)er ber 3 ufunft ein*
fdjäßen. Dennoch wollen roir alle il)m oon Her 3 en
bauten, baß er uns biefe 3ugabe 311 feinem reichen
Did)terifd)en Sehenswerte gefpenbet hat, unb
wollen uns nicht mit einigen oberf!äd)lid)en
Lebensarten, nicht mit ber einfeitigen ©infd)ad)te=
lung eines fo I)eroorragenben Menfchen unb
Schriftftellers in ein einiges Sonberfach biefer
©ebid)tfammlung gegenüber abfinben. 3 $ habe
beim forgfältigen liefen bes 3 ierlid)en Sänbcßens
mit feinen nur wenig über 200 Seiten bie Hber*
3 eugung gewonnen: 9tofegger, biefer aus ben
Diefen bes ©mpfinbens fd)öpfenbe Künftler, ber
fid) felbft oon fo früh auf in ftrenge 3 ud)t ge*
nommen, würbe aud) im ©ersgebid)t feinen
Mann geftanben haben, wenn er fid) mit ber ihm
eignen Millensfraft bes wahren Könners fd)on
früher unb nad)haltiger auf bie ©e 3 wingung ber
tünftlerifd) gebunbenen s Jtebe geworfen hätte.
Ober ift etwa lein Iprifd)er Dichter ber Mann, ber
biefe ©erfe gefd)rieben:
5 Run toanöle übers äftorgenfonnenfelb.
3n ©h r fur<ht tritt 3urücf oort beinern 2ßeg
Die Sllltagswelt.
s tluf allen 2 luen heilige SRuß',
Über beinem Haupte hoch
©in galter fliegt im Greife,
Die perlen auf ben Hahnen 3tttern leife,
Unb ©lumen neigen ihren Selch btr 3U. —
O bebe, junge ©ruft,
O bete, 'banges §er3, in aßnungsDoIler £uft
Unb laß bid) weihen, laß bid) fegnen.
— Heut roirb bein ©djidfal bir begegnen.
3d) meine bod)! Unb auf gleicher Höhe fteht
3 um minbeften ein gutes halbes Dußenb ©ebid)te,
bie fd)on allein bie §eraiisgabe biefes Sammel*
banSes red)tfertigen. Stüde wie „Menn alle
Mälber fd)Iafen“ — „Unb fie gefielen mir beibe“ —
„Der ©erlaf jenen 5jud)" — „Didjters Munfd)" —
lauter oortreffliche machen, burd)aus auf fRofeggers
Wilhelm Raabe
Höhe unb 3 ugleid) auf ber Höhe beutfd)er Dichtung,
wenngleich nicht auf ihrem fteilften ©ipfel.
5tuf ein feßr empfehlenswertes Unternehmen
will i© hfrttoeifen, bas mir geeignet fd)eint, Sinn
unb Lerftänbnis für unfre große Literatur bis
tief in bie bilbungsfreunblid)en s IRitteItIaffen, ja
bis in nod) tiefere Sd)id)ten hinein 3 U oerbreiten:
bie 33oltsbüd)er ber Literatur bes
Verlages oon 33elhagen & Slafing in Seip 3 ig.
5luf Sunftbrudpapier, mit oielen meift guten
©übern gefd)müdt, 3 um greife oon nur 60 Pfennig,
ftellen biefe ©oltsbüd)er eine hö<hft anregenbe
©infühmng in bie bel)anbelten ©egenftänbe bar
unb oerbienen allgemeine ©ead)tung. ?Ius ben
erfchienenen ©änben, genauer gefprod)en §eften,
hebe ich heraus bie über Schiller, Sörner, Scheffel,
9?aabe. Das ©erlagshaus hat offenbar feinen
Mitarbeitern 3 iir $flid)t gemalt, fid) einer mög=
lidhft einfadjen, ooltstiimlidjen, reinen Sprad)e 311
bebienen, eine ©igenfd)aft, auf bie leiber felbft
für unfre beleßrenbe Literatur bei weitem nicht
genug Lad)brud gelegt wirb, ohne bie aber nad)
allen ©rfahrungen fein bauernber ©rfolg möglidh ift.
Wilhelm Hertz
©nblid) erfüllt ber ©ottafd)e ©erlag in Stutt=
gart einen oon ntir längft gehegten 2 Bunfd): er
mad)t bie befte Uberfeßung oon % r i ft a n unb
3 f 0 I b e ©ottfriebs oon Straßburg burd) eine
oerbilligte ©olfsausgabe au^ folchen Sreifen 3 m
gänglid), benen bie anbre 3 U teuer war: bie oon
2ß i I h e I m § e r ß , bie man fcßon eher eine
treue, aber felbftänbige Umbichtung nennen muß.
©rft hierburd) wirb bas wunberfame alte £iebes=
gebid)t 3 U oollem £eben erwägen unb Sunbe
geben oon einer ©lüte altbeutfd)er ‘^ßoefie, bie
immerbar unfer Staunen weden muß. Sehr
wertooll ift ber fur 3 e erläuternbe Anhang oon
SBilhelm §erß über bie Driftanfage unb über bie
fran 3 öfifd)en Ouellen, nadh benen ©ottfrieb ge=
arbeitet hat. griebrid) oon ber £epen hat biefen
©nhang ohne überflüffiges %ifd)welleu auf ©runb
ber neueften 3 orfd)ungen, namentlid) ber bes
fran 3 öfifd)en ©eiehrten ©ebier, nüßlid) ergäbt,
©on befonberem ©ewid)t finb bie Ausführungen
über bas ©erhältnis ©ottfriebs 3 U bem Driftan
bes altfran 3 öfifd)en Drouoeres Dhomas oon ©ri=
tanje. Das ©rgebnis ber grünblid)ften neueren
3orfd)ungen ift, „baß ©ottfriebs 2Berf eine Uber=
feßung im heutigen Sinne bes Mortes nicht ge=
nannt werben fcmn. ©s ift eine freie ©earbeitung,
weldhe woI)I ausgewählte ©in 3 elheiten bes Ori=
ginals wörtlid) wiebergibt, aber, oom ©egenftanb
ergriffen, weiter ausfül)rt, anbre 3 älle läßt unb
aus eigner Sd)öpferfraft ergän 3 t". 3^h glaube,
man fann nod) weiter gehen unb bem fran 3 öfifd)en
Driftangelehrten Biquet 3 uftimmen, ber ©ott=
friebs bi<hterifd)e Selbftänbigfeit unb Überlegen*
heit gegenüber bem altfran 3 öfifd)ert Drouoere
burdh genaue ©ergleidhung bemiefen hat. — Mer
fid) einrebet, nid)ts fönne leidßter fein, als aus
bem uns fo nal)eftel)enbert MitteH)od)beutfd)en
ins ©euhod)beutfd)e 3 U überfeßert, ber irrt fid)
grünblid). 3 etmmal lieber aus bem ©l)inefifd)en,
bem Dürfifd)en ober bem Spanifd)en als aus
einer beutfcßen, längft oerflungenen Sprad)form
ins ©eußodjbeutfdhe überfeßen. irjier hanbelt es
fidh nicht allein um bie getreue Miebergabe bes
fprad)lid)en 5lusbruds, oielmeßr um bie ©r=
3 eugung bes feinen Stimmungsl)aud)es, bes nur
burch geuauefte Kenntnis bes ©iitte 11 ) 0 d)beutfd)en
nach 3 uer 3 eugeitben wunberbaren Duftes, ber über
ben beften mitteH)od)beutfchen Dichtungen fd)webt,
am beraufd)enbften über ©ottfriebs Driftan unb
3 folbe. Lur ein großer ©eleßrter, ber 3 ugleid)
ein fo trefflicher Dichter war wie Milhelm |>erß,
oermod)te jenen 3 auberbuft nach 3 uempfinben unb
uns empfinben 3 U mad)en.
*
Das © e i d) s t u r s b u ch unb ber § e n b *
f d) e l für ben Sommer finb erfd)ienen, bamit hat
bie t 5 od)reife 3 eit begonnen ober, wie ein Schrift*
fteller, ber auf fidh hält, peitgemäß fd)reiben muß:
Mir fteßen jeßt „im 3ei<hen“ bes ©eifeoertehrs.
Die ©nglänber haben bie meiften, für einige ent*
legene ©ebiete and) bie beften s Jieifebüd)er. Man
ftaunt oft bei einer Durchficht ber ©er 3 eid)niffc
über ben ©eidjtum an ftattlid)en, mit ©ilberfd)mud
oerfeßenen, redßt teuren englifd)en Merten über
ferne £änber. hingegen in ben eigentlid)en ©eife*
büd)ern, alfo in ben literarifd)ert Hilfsmitteln für
ben ©eifenben felbft, übertrifft ohne 3 toeifel bie
beutfcße £üeratur alle anbern. 3 onäd)ft fd)on
burd) unfre Kursbücher! ©uf biefem ©e*
biete tommt allenfalls ber Mettbewerb bes eng*
lifd)en „©rabfhaw“ in ©etrad)t; wie weit aber
fteht biefer an ©ollftänbigteit unb ©enauigteit
hinter unferm ©eidjsfursbud) unb bem in ben
leßten 3 ah^en wefentlid) oerbefferten ^enbf«i)el
3 urüd! Die anbern ©ölter bürfen fid) in ben
Metttampf um einen oollftänbigen, guten fReife*
marfd)all gar nicht einlaffen, 3 um ©eifpiel nicht
bie Sran 3 ofen. 3 n grantreid) empfinbet man
überhaupt fein ©ebürfnis nach einem gan 3 ©uropa
umfaffenben Kursbud), benn bie 3 't:an 3 ofen finb
fein eigentliches 9?eifeooli
9lber audh burd) unfre fonftigen literarifd)en
Ratgeber fürs ©eifen haben wir uns fd)on feit
einem Menfd)enalter ben erften ‘ipiaß in ber ©eife*
fulturwelt erobert. Das Mort „© ä b e f e r" hat
längft aufgel)ört, ein ©igenname 3 U fein, ift oiel*
mehr ein ©attungsname geworben für Steife*
hanbbud) überhaupt. Urfprüuglid) angeregt burd)
euglifcße s Jleifebüd)er, fteljt ©äbefer baut feiner
©efolgung fefter, ausge 3 eid)neter literarifcher
unb gefchäftlid)er ©runbfäße in feinem 3 ad)e jeßt
obenan unb hat für manche fReifegebiete fogar bie
1911. 9tr. 41
1087
englifßen Büßer oerbröngt. ©ittige feiner meift-
benußtenBärtbe finb ins©nglifd)e unb gran 3 öfifße
überfeßt, unb ttad) meinen'Beobad)tungett finbet
man fie in ben Hänben minbeftens ber Hälfte ber
engüfd)en Beifettben. — ©s gibt too© taurrt eine
fßroierigere Aufgabe auf literarifd)=ted)nifßent
©ebiet als bie §erftellung unb immerroährenbe
©rtteueruttg eines 3 ttoerläffigen Steifeßanbbußes,
unb bie Beifettben, bie nur altßu geneigt finb, fid)
über ben tleinften grrtunt ober oielmeßr über
bas geringfte Slbtoeidjeit oou ber augenblidlidjen
B3irtlid)teit auf 3 uregen, füllten oie!meI)r bebenten,
roie berounbernsroert bas 3 ufammetttragen ber
Daufenbe oon richtigen Angaben in einem em¬
sigen Bäbeterbanbe ift. gür fo oft bearbeitete
fiänber roie Deutfd)Iattb, Sßroei 3 , gtalien ift bie
Arbeit noß ßalbroegs leicht; man bente aber an £än=
ber roie Spanien, ©ried)enlanb, Stgppten, Bußlanb
ober gar bie bereinigten Staaten — für alle biefe
£änber gibt es ausgeßeidpiete Bäbeter —, unb man
roirb ftaunen über bie gülle geroiffen!)after Klein-
arbeit, bie für bas 3 uftanbetommen eines einigen
folgen Battbes notroenbig roar.
©in reßt empfei)lenstoertes Unternehmen, eine
Slrt oon tünftlerifßer ©rgän 3 ung bes bäbeter
ftellen bie ßübfßen §eftd)en oon $enbfd)els
fiuginslanb bar. Sie geroähren in am
genehm tnapper gorm, mit ihrer 3 ugabe fef>r
tlarer Stredentärtcßen unb oieler ßübfß'er bilber
eine Berlebertbigung ber ermübenben ©ifenbaßn-
fahrt, inbem fie Slustunft geben über alle roißtig-
ften Dinge, Iatxbfd)aftlid)en ©inbrüde, in bie klugen
fpringenben Äunftbauten, unb tragen roefentliß
ba 3 u bei, ber Steife ihren ©haratter ber bloßen
Kilometerfrefferei 311 benehmen. 3d)es her be¬
quemen, oor 3 üglid) ausgeftatteten Hefte behonbelt
eine größere ©ifettbahnßauptlinie, 3 um beifpiel
Berlin-SBünßen-Äinba^BSien-Bef^Butareft-Kon-
ftantinopel, B 3 ien=©ra 3 =Drieft, unb roirb bem
bahureifenben ein anregenber, nicE)t gefßtoäßiger
begleiter.
©ine ©rgän 3 ung anbrer Slrt 3 um bäbeter ift
ber mertroürbige, fid) „Slud) ein Haitbbuß für
Beifenbe burd) Deutfßlattb, Fladen, bie 8 ßtoei 3
unb Dirol“ nennenbe „©efüßloolle bäbeter“ oon
K u r t SJI ü n 3 e r (berlag Bita in berlin). BSer
eine Steife nad) ben genannten Säubern oor-
hat, roirb 3 ur Borbereitung bas eine unb anbre
Kapitel mit Stufen, mehr noch mit ©ettuß lefert,
unb an einem Stegentage unterroegs roirb man
fich ein paar fonnige Stuttbett aus bem gan 3 en
bud)e oerfd)affen. Kurt SBütt 3 er hat ben Künftler-
blid bes toahren Beifefßriftftellers, ba 3 u einen
eignen, ein roenig aufregenben, überaus tuufitali-
fßen Stil.
*
Sin guten SBörterbüßern bes gratt 3 öfifßen ift
teilt SBattgel; roas fehlte, roar ein §ilfsbud) 31101
gran 3 öfifd)fßreiben für folße, bie rooßl über eine
leibliße Kenntnis bes fran 3 öfifd)en B3örterfd)aßes
beim £efen oerfügen, benen aber fuft nicht bie
richtigen, bie eiit 3 ig paffenben Slusbrüde beim
Schreiben einfallen roollen. btofeffor Sl l b r e ß t
St e u m in Dresben hat in gebeißlicßer 3ufammett=
arbeit mit einem jungen fran 3 öfifd)en ©eiehrten
einen Guide-I y exique de composition franqaise
(Berlag oon 3* 3- BSeber in JÖeipßig) oerfaßt,
ober roie er es nod) nennt: ein „kleines fratt 3 öfi-
fßes Stilroörterbud) 311 m ©ebraud) für Deutfd)e“.
©ar fo tlein ift es nicht: nahezu 700 große boppel-
fpaltige Seiten finb fd)on ein red)t anfeßnlißes
Sßörterbud). ©s bietet alle roid)tigften fratt 3 öfi=
fchen Slusbrüde mit ber beutfßen Hberfeßung,
3 ufammen gegen 7000; barüber hinaus aber, unb
bas ift bie Hauptfaße: bie finnoerroanbteu Bus-
brüde 3 U jebem behanbelten SBort, bie gebräud)-
Iirf)fteu ©igenfd)aftsroörter 311 ben Begriffsroörtern;
bie roidjtigften Be 3 eid)nungen ber Deiloorftelhmgen
bes Hauptbegriffs; bie 3eitroörter, bie oornel)mlid)
mit ben Hauptwörtern als Subjetten roie £)b-
jetten oerbuttben toerben tonnen; bie ftel)enben
Stebensarten, in benen man ben ein 3 elnen SBörtern
in geroanbelter Bebeututtg begegnet; ftehenbe
Stebensarten ähnlichen Sinnes; naßeliegenbe
Sprid)toörter; enblid) bie roicf)tigfteu abgeleiteten
Bßörter. 3d) fernte tein nüßlißeres §ilfsbud) 3 um
gran 3 öfifßfßreiben; es erfd)eint mir als ein un=
entbehrlid)es ©rgän 3 ungsroert felbft 3 U ben größten
9Börterbüd)erit, befottbers als Statgeber 30 m Ber-
metben ber fich fo leid)t einfßleißenben ©er-
manismen.
©buarb ©ngel
©ines ber größten BSunber im ©etriebe bes
menfd)liehen (tierifßen unb pflatt 3 lißen) Seibes ift
bie 2 Bieberer 3 eugung oerlorett gegangener, 3 er-
ftörter ober gefd)äbigter Deile. ©s gibt etroas
roie eine Beparatur- unb glidanftalt in allen £ebe-
roefen, bereu Slrbeiter natürlid) bie 3 ^den, biefe
Unioerfalbaunteifter barftellen, oon benen roir
jüngft bie roeißen Bluttörperd)en als bie tleinett
gelben int Kampfe mit ben eittgebrungenen Bat¬
terien gefeiert haben. Slber jebe 3 ^de hat in fid)
einen Sluftrag, fich immer oon neuem roieber
3 u erzeugen, fo baß man berechnet hat, haß 3 uttt
Beifpiel ber £eib bes SBenfßett innerhalb fiebett
3 at)ren fid) gatt 3 unb gar, bud)ftäblid) mit §aut
unb $aarett aus fid) felbft h^^aus neu er 3 eugt.
SBelch ein Xroft für £eibenbe, Büßenbe, Ber-
3 agertbe unb für bie mutroilligen Berfcßroenber
ißrer Kräfte, 30 roiffen, baß bie gütige Statur
in ftaunensroertem SJtaße fd)toerfte Sd)äbigungen
aus 3 ugleichen geneigt ift, falls unfd)ulbig unb
fd)ulbig iieibenbe nur ben fefteit SBUlen haben,
fid) 3 U beffertt! SBeld) eine Slusficßt unb tröftli^e
©eroißheit für alle SBeltoerbefferer unb ©T 3 ieher,
3 u beuten, baß böfe Slnlagett, fcßlimme Steigungen,
Albredit von Graefe (gest. 20. Juli 1870)
häßliche 3nftintte burd) Stad)fd)ub eines ßar-
mottifdjer funttionierenben unb bas Sd)lintme
hemmenben 3 edenmaterials im £aufe ber 3 eit
bud)ftäblid) organifd) überrounbett toerben tönnen!
Slber nid)t nur, baß bie Sßunberfpule immer am
SBerte ift, uns gan 3 unb gar innen unb außen
3 U häuten toie bie Sd)tangen ober bie 51rebfe, fo
ift nid)t minber ftaunensroert ißre ^-ähigfett, fofort
ans SBert 3 U gehen, roentt ein 3 eltte üeile plößlid)
burd) gröbere ©eroalt oerloren gehen. Diefer
©rfaß, ber beroeift, baß ein beftimmter Blau,
eine geroiffermaßen plaftifcße 3 hee, gleid) ber
eines beroußten Bilbners in ben üeibern ber
Organismen am SBerte ift, bie nach 9Bieber*
herftellung ber Harmonie bes ©an 3 en Ie^ 3 t, ift
eigentlich bie naturgegebene ©runblage ber ge¬
faulten ^eiltunbe, nid)t nur ber ©ßirurgie. Sld),
hätte bod) SJtutter Statur uns SStenfcßen etroas
oon ber Stehaufmänndjenart nieberer SBefen,
namentlich ber Kaltblüter, mit in bie ^imtnels-
roiege gelegt! SBie ßerrlidf) roäre es, roenn ber
burd) Kartätfd)en 3 erriffene ober burd) einen
ScßtDertßieb geteilte ßeib fid) eittfad) 3 U mehreren
neuen 3^hioibuen besfelbett Stametts ergän 3 te,
roie es bem Süßtoafferpolppett (ber^pbra) gegönnt
ift, bei bem bie £>urd)fd)neibung einfach bas ©rtt-
ftehen 3 toeier neuer 3 nbioibuen 3 ur fyolge ßat,
ein Bro 3 eß, 311 bem roir armen SStenfchentinber
ben llmroeg über £iebesertlärung unb Slltar 3 u
machen gesroungen finb! Stod) rounberbarer be¬
nimmt fid) bie Oualle (SJtebufe), bie aus gan 3 tleinen
Stüdd)en ißres Sd)irmes, roenn nur ein £eil bes
Staubes in ißnen enthalten ift, neue SJtebufen auf-
fprießen läßt, ober bie Surbellaria, bie, toenn ein
Stüd ißres bureßfeßnittenen Stammes abroärts
gerichtet bleibt, ein ftmßenbe, roenn aufroärts,
ein Kopfenbe unb ßori 3 ontal fogar 3 toei 5topf-
enbett fid) 3 ulegett tartn. SBunberbare B^rfpettioe
für eine menfcßlid)e 3<musföpfigteit! Sdßon um
1750 faß Bonnet Stingelroürmer (Lumbriculi),
roentt quer 3 erfcßmttert, [i© 3 U 3toei gan3 neuen
SBürmern ergänzen, unb £efd)eler erprobte, roie
eine Slrt eigenfinnigen Scharfrichters, baß ein
Siegenrourttt fid) ben ißtn fünfmal abgefd)ititteneu
Kopf fünfmal roieber neu auffeßte! Slber roir
toären rooßl auch 3 ufrieben, toenn uns bie ^äßig^
teit ber Spinnen unb Krebfe geblieben roäre,
Beine (Rüßler uitb Scheren) 3 u ergän 3 ett, ober bie
ber Scßneden, fogar ißre Slugen roieber 3 ubetommen.
Silles bies, audß etroas Slßnlicßes, roie ber SBieber-
erfaß eines ganzen Hinterteils bei Salamanbertt
unb ©ibed)fen, ift uns SBarmblütern leiber nid)t
gegeben: bie menfcßlicße Steparaturntafcßine erfeßt
leine gatt 3 en Organe, fonbern nur 3ettl DTrt Pte*G
bas ßeißt ein 3 elne ©eroebe, nießt ©etoebslombi-
nationen, roie es bie großen Prüfen, Bieren, Keber,
Sinnesorgane, ©lieber, Hciutanhänge, ©rnäßrungs-
unb Safttanäle barftellen. Sie tennt nur ein
Kittmaterial, bas faferige Binbegeroebe, bie Starbe
genannt, roelcßes alle Oefette prooiforifd) unb
manchmal befittitio oerleimt. 3 mmerßin ergän 3 t
fid) aueß im SBenfd)en oieles itt großer Bolltommen-
ßeit, roenn nur bie Bilbungsßäute ber ©eroebe,
ißre fogenannte SJtatrir, erhalten blieb. So lann
fid) 3 unt Beifpiel bie £infe bes Sluges auf bas
feßönfte roieber ergän 3 en, roenn nur ißre oorbere
Kapfelroattb unoerleßt bleibt, eine Xatfacße, bie
einen Heiligen ber SJtebi 3 in, Sllbrecßt oon ©raefe,
befähigte, etroa 3 eßntaufenb Blinbe roieber feßenb
3 U mäeßen! Sind) baß ber Kttod)en, roenn ^eile
ber Knodjenßaut erßalten finb, fieß neu er 3 eugt,
mattßmal fefter unb haltbarer als oorßer, ift eine
nid)t ßod) genug an 3 ufßlagenbe ©nabe ber Statur,
unb gerabe 3 U ein Hmtmelsgefd)ent ift es, baß ber
©allengang unb ber Slusfüßrungstoeg ber Baud)-
fpeißelbriife fid) toieberbilben tarnt. 3 a» Bmtfid
faß fogar bie ganse Keber fid) neu bilben, roenn
oorßer brei Biertel berfelben erftirpiert roarett.
BBunberbar ift ber ©rfaß bes Blutes, inbem fd)ott
innerhalb fed) 3 eßn bis 3 roan 3 ig 2agen jeber Blut¬
oerluft gebedt ift, ber nießt meßr als eitt drittel
ber gefamten Blutmaffe beträgt, in roelß leßterem
3 alle ber Xob eintritt. X)a bie ©efamtmenge bes
Blutes eines SJtenfcßen ein X)rei 3 eßntel feines
Körpergeroißts beträgt, alfo bie eines 75 Kilo
roiegenbett SJtenfcßett etroa 5 Kilo Blut, fo tarnt
man alfo faft 3 toei Älter Blut oerlieren, oßne
baran 3 ugrunbe 3 U geßen, unb innerhalb oie^eßn
Xagen ift biefer enorme Berluft gebedt. Dabei
ift 3 U bemerten, baß grauen Blutoerlufte int
allgemeinen beffer überfteßett als SJtänner unb
baß häufigere reißliße Blutoerlufte fßroerer
fßäbigett als eine einmalige, felbft extreme Blutung.
Sleißüße ©rfaßfäßigteit 3 eigen unfre Stägel
unb Hacne, erftere road)fett oont hinteren Stagel-
fal 3 nad) oortt an ben gingertt in oier bis fünf
SSionaten, an ber großen 3 eße in 3 toölf SJtonaten.
Unfre SBimpern roeßfeln in etroa 130 Dagen,
oiel lattgfamer unfre übrigen Haare, beren ©rfaß-
fäßigteit burd) all 3 U häufiges Sßneiben (Ber-
öbung ber Haarpapillen im Haarbalg burß
Xlberanftrengung) leibet. Sille Bölter (3nbianer,
Sieger, ©ßinefen), bie ißre Haare feltener fßneiben,
finb glaßenärmer als bie frifeurßulbigertben ©uro-
päer, roie beim auß unter grauen bie ©laßen-
trägerittnett feltener finb als unter SJiämtern,
troß ber größeren Beliebtheit falfßer Haare bei
ißnen! Seßr ausgiebig ift ber BSiebererfaß ber
Blutgefäße beim Blenfßen, unb bie mobertte
©ßirurgie ßat gelernt, auß bie größten ©efäß-
ftämme miteinanber 3 U oernäßeit, ja felbft am
Her 3 en martßmal ungeftraft Siäßte 3 U legen unb
Blenfßen 3 U retten, benen, roie ©patninonbas,
eine ftäßlerne Blaffe bas H ^^3 burßftieß. SSiustel-
fafern ergän 3 en fiß feßr oolltommen, roenn aud)
iangfant, inbem fie bie prooiforifdje Kittfubftan 3
naß Berleßungen burßtoad)fen. ©bettfo mad)eit
es bie Sleroen. Die elettrifßen Äeitungsbräßte
fßieben fid) gan 3 allmäßliß rößrenartig burß bie
Slarbe unb oertitten fiß, fo baß bie Slnfßlüffe
roieberßergeftellt roerbett tönnen; ja, Staunpn faß
(leiber nur bei jungen Hunben), baß bas burß-
fßnittene SUtdenmart fiß anatomifd) unb funttio-
nell roieber oereinigte, fo baß bie oorßer gelähmten
unteren Deile roieber Beroegung erlangten.
Die Sluf 3 äßlung aller biefer ©rfaßfäßigteiten
in unferm Äeibe mag bem Äaien einen ©irtblid
gemäßren in ben Beißtum ber SBöglißteiten,
1088
1911. ftr. 41
meld)e bie Ratur uns gelaffen hat, um Sd)äbi=
gungen aus3ugleid)en unb Verlorenes toieber3u=
geminnen. ©r mag baraus aud) ertennert, rote
toid)tig es ift, btefe Dinge burd) neue 3 rage=
ftellungen, burd) bas ©xperitnent am Diere 3U
erforfd)en, toeil jebe neu gefunbene Datfad)e ein
Ver[pred)en für 3u!ünftigen Heilfegen enthält,
^rofeffor Dr. © a r l K u b m i g Sdjleid)
Der Deutfd)e SBerfbunb l)at in Dresben feine
oierte 3ah r esoerfammlung abgef)alten, fo ftanb
in ben 3 eitungen 3U lefen. Run mof)I, ums lann
bas ©rohes bebeuten; ein Kongreb ntel)r ober
toettiger ift in biefen tongrebfeligen gelten nichts
Rufregettbes. Dbenbreht, roenn er in Dresben
abgetan toirb, bas heuer, im 3eid)en ber Hygiene-
ausftellung, mit Dagungen unb Sitzungen gerabe3u
überfd)toemmt roirb. 2Barum alfo [ollen mir
gerabe oon biefem Vkrtbunb l)örett? V 3 as ift
bas eigentlid)? ©s ift ein 3u[ammen[d)lub oon
Zünftlern, ^abritanten uitb 3otellettuellen, bie
im Reich ber fünfte Vefdjeib miffen; es finb
beren etma 800 jetjt in biefem Vunbe oereinigt,
bie beften tarnen Deutfchlanbs unb Öfterreid)s.
Sehr fd)ön; formulieren mir: eine ©he 3mifd)ett
3bealiften unb ^rattifern. 2ßas mollen biefe
Keute? Sie mollen bie Durch geiftigung ber
beutfdjen Arbeit. Sie mollen etma nid)t törichte
©efebe unb überfpannte gorberungen aufftellen.
Sie mollen nicht, bah ber f^cibritant möglichft
menig oerbiene, nod) bah ber Kaufmann feine
Arbeit umfonft oerrid)te. Sie mollen nicht, bah
ber Künftler fid) felbft oergotte unb bem ^rattüer
ein Dprann rnerbe. Sie mollen etmas oiel ©in-
fad)eres, eigentlid) nur bas SeIbftoerftänblid)e.
Sie mollen, bab alle ^robuttion einen SBert über
fid) hinaus bebeutet unb nicht nur bem ^robu-
3ierenben, bem Künftler ober bem ^abritanten,
nicht nur bem Vertreibenben etmas nubt, fonbertt
aud) ber ©emeinfamteit bes Vaterlanbes. Sie
mollen, bab bie Kluft 3toifd)en bem Atelier unb
ber SBertftatt, 3mifd)en ben Zünftlern unb bem
3ntellettuellen auf ber einen, bem ^abritanten
unb bem Kaufmann auf ber anbern Seite über-
brüdt merbe. Unb bab aus fold)er Rllian3 bas
mad)fe, mas 3u leiften ein politifd) unb mirtfd)aftlid)
erftarfter, ein fo3ial fid) orientierenber Staat fd)ulbig
ift: eine autonome unb nationale Kultur.
©in [d)önes Programm; mas mürbe baoon
bis heute erfüllt? ©ernib, mie überall, fo blieb
aud) l)ier ber ©rfolg um einiges 3urüd hinter bem,
mas man erreichen mollte; inbeffen, einiges tarn
bod) 3uftanbe. Vielleid)t fogar mehr, als bie
Steptiter ermarten bürften. äßobei allerbings 3u
bemerten ift, bab biefe greifbaren, in 3al)len
aus3ubriidenben Refultate nicf)t bas ©ntfd)eibenbe
finb; ent[d)eibenb ift unb bleibt bie Datfäd)Iid)teit
fold)es 3u[ammenfd)luf[es oon s Dtenfd)en, bie es
nach einer neuen beutfdjen Kultur bürftet. Das
ift es, mas ber Deutfd)e SBertbunb fein möchte:
eine I)ol)e Sßarte bes ©elftes, bas ©emiffen int
mirbelnben Q3ean ber s f 3 robuttion.
Um nun oon Realitäten 3U fprediert, fei 3unäd)ft
berid)tet, bab ber Deutfd)e SBertbunb es oerfud)t,
3U mabgebenben 3 nftan 3 en unb Korporationen
in ©eb anfett austauf et) 3U treten, ©r oerfudjt, bie
Hanbels- unb ©emerbetammern, bie 3 ad)oereitte
ber 3 nbuftrie, bes Hanbels unb bes Hanbmerfes
mit ben ©ebanten ber Qualitätsarbeit unb ben
2Berturteilen bes guten ©efd)tnades oertraut 3u
mad)en. Darüber hinaus greift er aus eigner
Rtad)t in bie Praxis, ba3u finb ihm bie Rusftellungett
ein fonberlid) geeignetes SDtebiunt. ©s barf beute
betannt rnerben, bah ber Deut[d)e RSerfbunb ein
©rbeblicbes für bas 3uftanbetommen unb für ben
©rfolg ber Raumfunft- unb ber Kunftgemerbe-
abteilung auf ber Vrüffeler 2 ßeltausftellung bei=
getragen t)at. ©r oer[d)tnäl)t es aber aud) nicht,
für feine er3ieberifd)en Rbfidjten unfdjeinbare
SBanberausftellungen 3U nutzen, Kollektionen
muftergültiger Drudfadjett ober einmanbfreier
Sd)miebearbeiten, bie er burd) bie $rooiii3ftäbte
reifen läfet. ©r hat eine Sammlung oorbüblidjer
gabritbauten 3ufammengeftellt unb fd)idt biefe
^Photographien unb ©runbriffe als 9 Ral)nung unb
Rufforberung in jene ©egenben, ba bie ©ffen
rauchen unb bie Rtafchinen bonnern. Der Deutfd)e
SBertbunb glaubt nicht an bas 3tH)ll, uod) an ben
Snobismus ber Rrtiften; er meib, bah bas neue
Deutfd)lanb, ber neue beutfdbe Stil, in ben 3 entren
ber 3 nbuftrie, in ben Hochburgen bes Kapitals
geboren rnerben mu|. So entfenbet ber 3 Berf-
bunb aud) feine Rebner abfidjtlid) nad) bem
Deutfd)lanb ber 2 Bebftül)le, ber 2Berf3eugma[d)inen,
ber 9 Jietalll)ämmer, ber 3arbbottid)e. ©in befom
beres Raffinement ift es, baft ber Deutfdje 9 Bert=
bunb, bem es oor3üglid) auf eine Vereblung ber
probuttioeit Rrbeit antommt, mit ben Kaufleuten
ein möglid))t intimes 3ufamntengel)en anftrebt.
Der Kaufmann ift ber Vermittler 3toifd)en s f 3 ro=
buttion unb Konfumtiott. 2 Ber ihn hat, hat beibe,
fo ben jjabrifanten mie bas Vublitum. ©emein=
fam mit bem Verbanb für bas taufmännifche
Unterrid)tsmefen oeranftaltet ber Deutfdje 2 Bert-
bunb Vortrags3pflen oor jungen Kaufleuten; 3U=
fammen mit bem Verbanb ber Spe3ialgefd)äfte
unterhält er eine 3 ad)f^ule für Detorationstunft.
Diefes 3 nftitut foll ba3U bienen, bie 3 enfter=
betorateure oon ben plumpften ©efdhmadlofig=
feiten 3U befreien unb Ver[önlid)feiten heran=
3ubilben, bie biefes mid)tige Hilfsmittel bes 2 Baren=
umfass meber ntihbraudjen nod) malträtieren,
oielmehr baraus etmas mie eine ftumme Rfabemie
bes guten ©efd)mades 3U mad)en oerftehen. Das
Sdjaufenfter foll 3U einem mid)tigen ©r3iel)er
bes Vublifums rnerben. ©inem oöllig anbern
©ebiet gehören bie Vauberatungsftellen; auch mit
ihnen fud)t ber VSerfbunb in ftänbige Fühlung
3U fommen. Damit bie Vauluftigen, bie es gemerft
haben, bah ber Rlaurermeifter fein guter Rr3t
ift, möglidhft befonnenen Rat unb möglid)ft fcfjönes
Vorbilb empfangen. Dabei ergibt [ich hier unb
ba ein leidster Konflift mit bem fogenannten
Heimatsfd)uh; bie Rrd)iteften bes Deutfdhen 2 Berf=
bunbes mollen nidht nur bas Rite pflegen unb
mieberholen, fie mollen aud) Häufer bauen, bie
reftlos bem ©eift ber 3 dt gehörten. Die H^iutat=
fdjüher lieben oft ein menig gar 3u fehr bas
fchleppenbe Strohbach unb bie grünen $enfter=
läben. Diefe Kontrooerfe fam bei ber Dresbner
Dagung 3um Rustrag, bod) gelang es, bie mittlere
ßinie ber Verftänbigung 311 finben. ©ine ähnliche
Rufgabe mie bie ber Vauberatungsftellen oer=
richtet ber Deutfd)e SBerfbunb burd) bie Heraus^
gäbe einer Rtaterialfunbe. Damit foll erreid)t
rnerben, bah alle Verbraud)er oon Rohmaterialien
unb Halbfabrifaten bie lanbläufigen Stäben unb
Verfälfd)ungen leidpter fel)en unb bie reine Qua¬
lität beffer berausfinben lernen. Visher erfd)ien
oon biefem bebeutfamert 9 Q 6 erf ein Vanb, ber bie
Höl3er bel)anbelt, 3toei meitere Vänbe über bie
©belfteine unb bie Rietalle rnerben nod) im Kaufe
biefes folgen. 3 u biefem Kapitel gehört
aud) bas, mas ^ßrofeffor Koubier bei ber Dresbner
Dagung über Keberoerfälfd)ung oortrug. ©r
berid)tete oon einer ©rfabrung, bie moI)l jeber
Vibliothefbefiher bereits mad)te, oon bem fd)nellen
Verfall unb bem Rusblei©en ber Rüdenleber.
SRan hörte bie feltfamften Dinge, mie bie Häute
in papierbünne Sd)id)ten gefpalten, mit ©I)emi=
falien befd)mert, mit ben ent3üdenbften, leiber
nur all3u flüchtigen Sorben oerfd)önt unb burch
Vlattenbrud 311 ben feltenften Raritäten, als ba
finb: Krofobilleber ober Schlangenleber, oerebelt
rnerben. Koubier fonnte aber aud) mitteilen,
bah unter ben Keberl)änblerrt bereits Rbmad)ungen
berebet morben finb, bie bem VMrrmar fteuern
unb einen gemiffen Qualitätsmahftab fidjern [ollen.
Das gleid)e Resept mirb für bie Sörberei oon
Dextilien angeftrebt. Rud) hier gibt es ber Klagen
Kegionen über Hnfolibität unb abfid)tlid)e Däu-
fd)ung. Rber auch hier mollen bie Sobrifanten
reblid) an einer Vefferung arbeiten; ©d)tf)eits=
marfen, Rngabe ber ©d)theitsart, ob mafd)ed)t,
ob reibecht, ob lid)ted)t, unb ähnlidjeRtittel rnerben
bisfutiert.
Das finb nun mahrlid) genug ber Realitäten,
unb beinahe fönnte man fürchten, bah ob fo!d)en
oieIoer3meigten Rrbeitsprogrammes ber Deutfd)e
SBerfbunb ©efal)r laufen fönnte, fid) 3U 3erfplittern
unb im Driebfanb ber ©in3elfragen fteden3U=
bleiben. Sold)e Surd)t ift inbes unbegriinbet, ba
bem Deutfchen SBerfbuttb bie genügenbe 3 oht
tl)eoretifd)er Köpfe gehören. Hnb gerabe bie
Dresbner Dagung hot bas mieber einmal be=
miefen. 3 Rutl)efius mar es, ber mit befonberer
©nergie barauf oermies, bah es an ber 3eit märe,
bie bisherige Rnfchauung oon ber fchönen Quali-
tätsmare, bie mit einem Dreifad)en operiert, mit
ber 9 Raterialed)tl)eit, ber 3u>ecfmähigteit unb ber
foliben Konftruftion, um ein Höheres, um bas
©efeh ber Sorm, 3U ermeitern. Das foll I)eifeen,
bah alle ©in3elarbeit, melcher Rrt fie aud) immer
fein mag unb mieoiel Rütjliches fie aud) an fid)
bereits bebeute, ihren eigentlid)en unb lebten
Sinn hoch erft befäme baburd), bah fie hilft, ber
Kebensart urtfrer 3 eit, ber ©emeirtfamfeit unfrer
2 Beltan[d)auung einen formalen Rusbrud, bie
ar<hiteftonifd)e Sorm, 3U gemimten. Solange fold)
3entrales Streben unb fold) 2 Büle 3um Stil bie
Herrfd)aft behalten, ift nidht 3U fürchten, bah bie
Vielfältigfeit ber SBerfbunbarbeit bie ein3elnett
oerleite, ob ber Spe3ialität bas ©ttb3iel 3U oer-
gef fett: bie V 3 iebergeburt einer beutfd)en Kultur.
Robert Vreuer
Das Verner Qberlanb ift in gemiffent Sinn
ein ©ifenbahnmufeum. VSir finben ba alle mög-
lid)en Spfteme, bie ber Rten[d)engei[t ausgefottttett
l)at, neben ber ,,ferravia comunis“ (L) ober
gemöhnlichen Slod)IattbbaI)n Verg- unb Rlpen-
bahnen ber oerfd)iebenften toorten.
3m Rtittelpunft bes allgemeinen 3utereffes
fteht 3meifellos ber 2BetterI)ornauf3ug. ©r fährt
3toar nid)t auf bas Vtetterhorn, mie man bem
Ramen nach annehmen fönnte, ebenfomettig mie
bie 3uttgfraubahn auf bie 3uttgfrau fährt, bie
Ramen finb oielmehr nur 9 Bed)feI auf bie 3 utunft.
Rber er ift intereffant. Riatt muh tho minbeftens
oon unten in feiner Dätigfeit bemunbert haben,
unb mentt man Rnfprud) barauf mad)t, als ntutig
3U gelten, bann muh ntan aud) bamit gefahren fein.
Dah bie Damen in unfrer „Sonne“ in 3 ^ter=
lafen erflären, bah fie nie unb nimmer bamit
fahren rnerben, ift ihr gutes Recht. Sie rnerben
es bod) noch tun, es muh our eine ben Rnfang
machen, ©efährlid) fiel)t bie Sad)e ja aus, nod)
_gefäl)rlid)er mie ber fchort feit längerer 3eit be=
ftehenbe Ruf3ug am Vürgenftod (Viermalbftätter
See) ober bas Rttniaturbilb besfelben in ber
Säd)fifd)en Sd)mei3 bei Schattbau. Da bemegt
fid) ber 5al)rforb bod) menigftens an einem feften
©erüft in bie Höhe. Unb bas gibt uns SRettfdjen,
bie mir bas §efte als bas Rorntale an3ufel)ett
gemohnt finb, ein ©efühl ber Sicherheit.
Der 2BetterI)ornauf3ug bemegt fid) jebod) auf
einem groben langen Stahlfeil, bas oortt Dal ttad)
einent 3 -elsoorfprung gefpannt ift. Qben ift biefes
Seil befeftigt, uttb unten führt es über eine grohe
Rolle, an ber ein ©emid)t hängt, fo bah es ftets
gefpannt ift uttb trotjbem, ben Demperatur-
f^mattfungen folgenb, [ich beliebig ausbehttett
unb 3ufamttten3iehen tann. Hierin liegt technifd)
ein grobes Rtoment ber Sicherheit. Das fjefte,
Starre ift itt 2 BaI)rI)eit gar nid)t immer bas Sidjerfte.
2 Bir ntüffett bamit red)nett, bah bie Ratur ftets
arbeitet, unb 3mar ift bie tnäd)tigfte Sdjaffnerin
bie Demperatur. Uttfre Rtetalle finb ihr [amt unb
Holztransport im Gebirge:
Streckenbild mit Langholzwagen
1911. Sftr. 41
1089
CJ) ie i CJ^aftur der^ C/ec/mwav
fonbers untermorfen, unb mehe bem menfchlid)en
©aumeifter, ber hierauf feine ©üdficht nimmt!
Das Seil — ober richtiger bie Seile — an
benen ber ©Settert)ornauf3ug auf unb ab gleitet,
finb an fiel) ftarf genug, um mehrere Sabinen
oollbelaftet 311 beförbern, fie tragen aber bloh
eine unb finb minbeftens fo fid)er mie eine C£ifen=
bal)nfd)iene, oon beren <5eftigfeit ja fdjliepd)
aud) bas £eben ber barüber hinfahrenben ©lenfehen*
finber abhängt. Das ein3ig pfqd)ologtfd) Un=
angenehme ift bas leidste Sd)toanfen bes Sol)t s
3euges. Da bie $al)rt ober nur einige Minuten
bauert, fo ift felbft bei Hberempfinblid)en eine Ent*
roidlung oon SeefranH)eit nicf)t 3U befürchten.
©Sarum man auf bas ©Setterhorn nun gerabe
einen Auf3ug gebaut hat? Die Antmort ift einfad):
roeil ein fold)er ©ahnbau fel)r billig ift, 3umal bort,
roo t>of)e, (teile Selstoänbe bie Einlage begünftigen.
3m übrigen hat man ja für ben Sau ber*
artiger ©erf ehrsmittel fd)on reiche Erfahrungen
anbermärts gefammelt. ©ur bah man fie bisher
bem ©üteroerfehr 3utoies. 3 u ber Sd)toei3 felbft
fann man eine ganse An3al)l Heiner ©erggüter*
auf3üge fehen, 3um ©eifpiel oon ©itjnau nad)
ber © 3 iffiflul). £>ier roerben fie benubt, um £ebens*
mittel, ©eifegepäd unb begleichen rafd) unb
bequem auf [teile £jöl)en 3U bringen. Ein ein3iges
ftärferes Seil bient als „Sahn“ unb ein 3toeites
biinneres Seil als 3 ugmittel. 3 u großem ©tah=
ftab finb ähnliche Einlagen oielfad) in überfeeifdjen
£änbern burd) geführt roorben. Hnfre Silber 3eigen
eine fold)e Sal)n jur Seförberung oon <rjol3ftämmen,
roie fie ähnlich sunt Seifpiel in Deutfeh =£)ftafrifa
angelegt tourben, um oon ben hinter bem flad)en
5 \üftenftrid) jäh anfteigenben roalbreidjen §0d)*
plateaus billig unb bequem §öl3er herab3ubringen.
Die grofeartigfte Einlage biefer Art ift fidjerlid)
bie Er3transportbahu in ben ftorbilleren. £>ier
ift oon ber Ebene ab über oiele f)of)e Dürme bas
Seil bis tief hinein in bas unmirtlid)e ©ebirge
gebaut. Diefe Däler überfpannt es in geroaltigem
Sogen, über Serge febt es fühn hinroeg. Alle
bie 3ahlreid)en Sfunftbauten, DunneIbol)rungen unb
Srüden, bie eine normale Eifertbahn erforbern
mürbe, fallen toeg. Der Sau roirb ungemein oer*
cinfad)t, oerfür3t unb, roie fd)on gefagt, oerbilligt.
Allerbings fönnen berartig grobe £aften, roie
man fie ber Stanbbahn anoertraut, einer Seil*
bahn nid)t ohne roeiteres überantroortet roerben.
©tan mühte fonft gar 3U fd)toere unb fräftige Seile
fpannen, unb bas mürbe fd)liehli<h 3 U ted)nifd)
unmöglidhen Jdonftruftionen führen.
Sei Er3* unb ftohletransporten macht ja aber
bas Unterteilen ber £aften feine Sdjmierigfeiten.
kleine ©Sagen bemegen fid) bann ftänbig mie
bie ©lieber einer ifette I)iu unb l)e*, unb wenn
man es bann noch fo entrichtet, bah bie ©Sagen
an einem enblofen Seil laufen, bann 3iehen bie
talmärts fahrenbert ©Sagen bie anbern mieber mit
in bie §öhe, unb ber ftraftaufmanb für bie gan3e
Seförberung mirb ähnlid) gering mie bei bem
Setrieb oon gemöhnlichen Dral)tfeilbahnen.
Ein ©tittelbing 3mifd)en biefen Seilbahnen
unb ben gemöhnlichen Stanbbahnen finb befannt*
lid) bie fogenannten Sd)toebebal)nen, mie eine
fold)e als Slad)lanbftrede 3mifd)en Sannen unb
Elberfelb unb als Sergbalm unmeit Dresben
bei £ofd)toib ausgeführt morben ift.
Som ted)nifd)en Stanbpunft aus bietet biefes
Transport von geschnittenem Holz
Sahnfrjftem grobe Sorteile. Es ift im Sau natürlid)
nicht gan3 fo billig mie bie obenermähnten Seil*
bahnen, meil bie fteife ftonftruftion ber Dräger
3U 3ahlreid)eren Stübpunften 3mingt, aber immer*
l)in nod) billiger mie bie Stanbhod)bahnen.
©tan füllte meinen, bah biefe Datfachen ba3u
führen mürben, bas Sqftern in ausgebehntem
©tabe im ftäbtifd)en Sd)nellbal)nft)ftem 3U oer*
menben. Aber bisher hat es fid) nod) nid)t burd)*
3ufehen oermod)t. Der leibtragenbe Deil mirb
bie Seoölferung ber ©robftäbte fein, bie für bie
Seförberung in ben teuren mobernen ©taulmurfs*
gängen felbftoerftänblid) roeit höhere Darife für
alle 3afunft 3aljlen muh- 3d) ftnbe es für bie
moberne Kultur überhaupt etmas befd)ämenb,
bah fie fo oielfach barauf ausgeht, ihre ted)nifd)en
£eiftungert 3U oerfteden. Es liegt barin fid)erlid)
etmas Ungefunbes. ©Senn man im ©tittelalter
unterirbifcf)e ©änge baute, fo gefchah bas aus
gan3 befonberen ©rünben, unb nie unb nimmer
hat man baran gebacht, regelmähige Serfehrsmege
berart an3ulegen. 3ft ber ©Setterhornaufsug nid)t
fd)on barum oiel fchöner, meil er uns fehenben
kluges in bie £jöf)e beförbert, als bie 3ungfrau*
bahn, bie uns burd) ein bunfles £od) im 3unern bes
Serges empor3iel)t! Siegfrieb $artmann
Die heutige ©tobe ift fcf)ief, oerfdiroben,
„geftiufelt“. Das Hingt fehr oerfdjroben, ift es
aber nicht. Die Daillen haben ein fonber*
bar fdjief ©efid)t, bertn oft genug ift bie linfe
$älfte anbers garniert als bie redjte. ?lud) bie
9 iöcfe 3eigen fteigenbe Denben3 für einfeitige
Arrangements, fie beftel)en, ausgenommen am
ftrengen „Dailleur“, aus 3toeierlei Stoffen; aud)
bas Straf3enfd)uhroert ift „3ufantmengeftüdelt“ —
benn es befteht bort, mo es fich elegant nennt,
aus 3toeierlei Seberforten ober 3meierlei färben;
bie ©iirtel — fomeit biefe überhaupt in Setrad)t
tommen — fehen fid) aus ßtoeifarbigem £eber
3ufammen, ober fie finb geteilt unb mieber burd)
Sd)nallen 3ufammengel)alten; ber §ut fitjt fchief,
bas ift nid)ts Aeues, unb ift 3ufammengeftiidelter
benn je, bas heiht aus 3mei färben, aud) aus
Stroh unb Samt ober Strol) unb be=
ftehenb; fd)ief, aus ben oerfd)iebenften Stüdd)en
3ufamntengefeht ift enblidh bas 3abot — bas
3abot, bas in all feiner in fid) felbft 3ufammen=
fallenden §errlid)feit eine ber §auptftühen bes
Aioeaus bes An3uges ift. ©alb ift es ärmlid),
halb „anftänbig befcheibert“, halb luxuriös, halb
oerfd)menberifd) — alfo hier ein armfelig Stüdd)en
5 ühill oon 3mei Pfennig Spihe begren3t, oer=
tnaufd)t, oer3ogen; bort fauber gehalten unb mit
guter Spihenimitation befeht; bort aus £einen=
batift unb irifdjer Spihe ober ©atiftftidereien unb
©alenciennes beftehenb ober enblid) aus breiter
edhter, momöglid) alter Spihe.
Die Sommertleiber, burd) bie bie groben
s $arifer Käufer uns erfreuen, finb in ber Dat
fehr luxuriös, geben bemofratifch ©efinnten reid)=
lid) ©elegenheit, gegen ben „machfenben £uxus“
3u eifern, unb füllten lebiglid) 00m Stanbpunft
feiner funftgemerblid)er Arbeit betrachtet merben.
Eine ©eoor3ugung eines beftimmten Materials
befteht nicht. 3*ifd)e §ätelarbeiten, itlöppelfpihen
jeglicher Art, Durd)brud)arbeiten finben in gleid)er
SBeife mie feit 3ahten ©ermenbung, unb neu
hin3ugefommen feit biefem Sommer finb nur bie
©atiftftidereien fomie neuartige Applifationen oon
£einen auf Düll, beren Entftehen mol)l auf bie
Dedjnif ber „£imerid=£ace“ 3urüd3uführen ift, bie
ihrerfeits aud) mieber für feine fragen unb anbre
£ingeriegegenftänbe ©ermenbung finbet.
Das ©runbprin3ip all biefer foftbaren Kleiber
ift: 3 ufammenfehen oerfd)iebenen ©taterials. Eine
Spihentoilette, bie nid)t 3ufammengeftüdelt, bas
heiht in einer ein3igen Dechnif t)ergeftellt märe,
hätte h^ute bei aller Äoftbarfeit nid^t AnmarH
fdjaft, ©nabe 3U finben, benn ftänbig mirb ber
©efd)mad anfprud)sooller in ber Aid)tung, bah
er höhere Anforberungen an bie 5 tunft bes 3 u=
fammenftellens, 3 ufammenftimmens, an Heine
©uancierungen ftellt, bie burch oerfd)iebene ©er^
mertung bes ©Materials entftehen, burd) Sd)ifanen
am Schnitt.
Der Schnitt ift heute alles am ftleibe. Da
oiele Sd)neiberinnen oon biefer ©otmenbigfeit
nid)t gern ©0H3 nehmen, ba oiele oon grtmfreich
übernommene formen „nad) beutfdjem ©efd)mad“
geänbert merben, in ber ©leinung, man fönne
„basfelbe 5 tleib machen, nur anbers 3ufd)neiben“,
haben bie ©toben bei uns 3umeift ein gan3 anbres
©efid)t als im Auslanb. Ein enger Dailleurrod,
ber rüdmärts eine fchräge ©aht hot, ift nicht
gerabe eine fd)neiberted)nifd)e Unmöglid)feit, aber
fidjer fel)r häfettd). ^ 5rau muh fehr fcf)lant fein,
bamit bie ©aht nid)t beutelt, unb jebmeber enge,
oben glatt gehaltene ©od 3eigt bal)er rüdmärts
gerabe Höhenlage — ber oben eingefräufelte,
alfo eine gröbere Obermeite aufmeifenbe ©od
geftattet Abfdjrägen ber hinteren ©tittelnaht, ba
es oiel geringer fein fann als jenes, meldjes ein
um ben ©unb glatt anüegenber ©od erforbert.
Eine fchräge ©iidnat)t 3eigt aud) ber oerbreitetfte
©arifer 5 foftüntrod, ber rüdmärts eine feparat
herabfallenbe, nur mit einigen 3<mgftichen feft=
gehaltene ©ahn hot.
Eine neue £eiuenart 3eigt eine freppartige
Dextur. ©tan fagt ihr nach, bah fie nicht in bem
hohen ©tahe fmttert mie bas feit 3ohren gebräud)=
lidje £einen. ©eben biefem Stoff in ben feit
3ahren beliebten Dönen £ila, ©lau, ©rau, ©ofa
unb fthoti oerarbeitet, bringt bie ©tobe ftrof)haIm=
breit gerippte unb geftreifte ©aummollftoffe. §ier
herrschen folgenbe 3orbenftellungen oor: ©ot=
meih, ©raumeih, ©raunmeih, Sd)mar3meih- Aber=
mals mirb h^r bur^ bie oerfd)iebenen Streifen^
Teilungen grohe ©arietät bes Einbrudes er3ielt —
bie Kleiber merben alfo „3ufammengeftüdelt“ —
unb 3toar je mehr je beffer. Spe3tell bie An=
orbnung bes ©iidens fomie ber Iofe herabhängenben
©odbahn geben ©elegenheit 311 3al)lreid)en ©aria=
tionen.
Die Armei an ben £einenjaden finb oielfach
breioiertellang, ©eoers unb fragen breit unb tief
geöffnet, bie Sd)öhe finb fnr3, ber ©od fnapp,
ftets fuhfrei, bas fomplettierenbe Sd)uI)roerf meih,
gelbbraun ober fd)toar3meih, benn ber grohe
©tobeartifel, ben bas griihjahr be3üglich ber guh 1
befleibung herausbrachte, mar ber fd)mar3e £ad-
fd)uh ober ber Stiefel mit meihent ©amafd)en ;
anfah aus ©ehleber ober Dud).
3 ur fommerlichen Abenbtoilette, bie ja in
jebem gröberen ©abeort ©ead)tung ©erlangt,
fommen hauptfäd)lich ber Silber= unb ©olbbrofat^
fd)uh unb ber fd)mar3e Atlasfchul) iu ©etrad)t,
fehr tief befolletiert, etma nur mit einem guten
Strahfnopf ge3iert. ©nr bie gans grohe trauern
toilette 3eigt eine Schleppe, jebes Dan3Heib,
jebes ©rautjungferfleib, jebe Heine Soireetoilette
ift fuhfrei ober anftohenb, unb bie fchmierig 31»
löfenbe $Kige: ©Selchen 3 upon trage id) unter
bem DansHeib? — hot fid) bal)er überlebt, unb
3toar auch in bem Solle, als bas 5 Ueib eine
Sdjleppe aufmeift — bie heute meift fehr be=
fcheiben ift — benn in feinem eleganten Dan3=
faal nimmt’ man heute
©iidfidjt auf ben ©od=
faum. ©lan läjgt bas
5 ^leib fchleppen.
©ei3 enbe ©euniom
toiletten hoben einen
leid)t altoäteri[d)en An*
ftrid) unb finb aus
changierenben Daften
hergeftellt, fämtlich in
recht oerblahten Don*
ftellungenmie ©raulila,
©raugelb. ,,Taffetas
changeant“ befteht aus
brei oerfdjiebenen Sö=
ben, „Taffetas glace“
aus 3mei; ber Sorben*
rei3 an erfterem ift oiel
gröber, ©eibe merben
3U jugenblid)en Doilet*
ten oon rei3enb ein*
fachen Sormen oer*
arbeitet, faum einen
Sd)ritt 00m Empire*
Heib entfernt. Sad*
gleich höngt ber ©od
herab, nicht meiter als
bringenb notmenbig,
am unteren ©anbe mit
flacher ©uffe aus fdjräg
genommenem ^Seiben*
ftoff befeht. Kleid, aus zweierlei Stoff:
Blaue Seide und Seiden-
JJiargarete musselin mit Spitzen -
oon Suttner kragen
®in feltfamer Sienenftanb SRobemer Drintbrunnen
i::::::::::::::::::::::::::::::! i>ie bunte ^ett
Dfe Bfcncnbeilfqcn. gn bem Sergbörfdßen Söfcl im fdE)Icftfcf)cn Sobertaßbacßgebirge finbet ftrf)
ein Sienenftanb, beffen 3 wan 3 tg Stöde fämtlicß ßol 3 gefdßnißte unb buntbemalte, lebensgroße Figuren
iinb. Das [Raumburger Klofter, bas hier ein ©ut hatte, unb ber fpätere Sefißer, Überseer (f 1799),
ließen fie im 18. gaßrßunbert anfertigen. Unter ber fonberbaren ©efellfcßaft finben fid) ein 93 ifcf)of,
i ein Sbt, ein SRönd), eine Klofterfrau, Petrus, Paulus, ein Offner unb Dppert aus bem Solle. Die
r j ©influgöffnungen finb oorn in ber Stifte ber bis auf bie Köpfe ßoßlen giguren angebracht.
'# moderner Crinkbrunnen. gn ben Dortmunber Solfsfcßulen hat man einen neuartigen Drint*
1 1 brunnen aufgeftellt, beffen einfache, glatte, faubere unb maffioe flächen roie bas Spinboi eines Haren
*! Drunts anmuten. gn feinem Strahl fprubeln in bem Seßälter mehrere Heine Fontänen empor, an
» benen man ohne ben ©ebraucß eines öffentlichen Drintbedßers ben Dürft löfchen tann.
Seltsame Wegweiser, gm fddefifdßen Siefengebirge, in ber Säße bes 93abes SBarmbrunn, ftehen
I 3 toei originelle figürlicfje SSegweifer. Der eine ftellt einen im Soggenfelb ftehenben, feine Senfe
I fchleifenben fdßlefifcßen Säuern bar, ber anbre ift ein aus bem SBiefengrunb ßerauswadßfenber Iänb*
I lieber Schulbube, auf beffen Schiefertafel bie SBegweifung gefchrieben ift.
€ine schwimmende Cuftschiffhalle hat man in Sarrow in ©nglanb für benfientbalton ber Sbmirali*
| tat erbaut. Sie ift 600 guß lang, 100 breit unb 80 hoch bei 600 Donnen ©ewießt.
Der Dosenrock — olle Kamellen! Sudß ber oiel umftrittene unb nun feßon roieber im Doten*
[cfirein ber Stöbe oon geftern eingefargte ifjofenrod mar nichts Seues. Der ßier reprobu 3 ierte Tupfer*
I ftidß bes Sßiener 3eid)ners ©eper aus bem gaßre 1851 beroeift, baß man feßon oor fedß 3 ig gaßren
E oerfudßt hat, ben $ ofenrod ein 3 ufüßren. Seine ©rfinberin ift eine SOtrs. Sloomer, bie bamalige
güßrerin ber eman 3 ipierten grauen in SReuport, bie aueß für eine männliche Kleibung ber grauen
Sropaganba machte. Sie fanb aud) auf bem Kontinent nur roenig Snßängerinnen, unb ber Kupferfttcß
bemeift, baß man bem §ofenrod oor fed) 3 ig gaßren aud) feinen befferen ©mpfang bereitete mie ßeute. K.
mmm
©in funftooller SBegweifer
S3egwetfer im Siefengebirge
2Ber fid) toirfltd)
erholen will
gleidßoiel, ob er im Sabeort ober baßeim feine gerien*
3 eit oerlebt, ber beachte folgenbe Segeln:
1 . Storgens fteßc man früh auf unb mache oor bem
grüßftüd einen tüchtigen Spa 3 iergang.
2 . Sormittags ift ein einftünbiges fiuftbab an fcßatti=
ger Stelle in Serbinbung mit greiübungen ober
Seroegung 3 U empfehlen. Sacßßer, ba bureß bas
fiuftbab ber Körper ausgetüßlt mirb, folgt ein
Sonnenbab oon 40—60 StRinuten Dauer. Der
Kopf ift oor ben Sonnenftraßlen 3 U fdßüßen.
3. Sad) bem Sonnenbab neßme man ein gan 3
fur 3 es füßles SBafferbab unb mache barauf einen
ßalbftünbigen Spa 3 iergang.
4. Das Saben im füßlen SBaffer ift fdßäblid), menit
man fid) oor bem ©infteigen ins SBaffer nid)t
beßaglid) marm füßlt.
ö.IScßeint bie Sonne nicht, fo neßme man nadß
bem fiuftbab ein marmes Sollbab mit nad)=
folgenber füßler 2 lbwafd)ung.
6 ©rwaeßfene füllten nur breimal am Dage effen.
Durcß häufigere 9 Raßt 3 eiten merben bie Ser*
bauungsorgane 3 U feßr belaftet.
7. 3um grüßftüd genieße man nur feßroaeßen Kaffee
ober Dee. Snt beften ift ©erftenfaffee, Katao
ober Stild) mit Siomal 3 , ba 3 U Schrotbrot mit
Sutter. Stan fann aud) Siomaßj auf bas Sutter*
brot ftreidßen. ©s empfiehlt fieß überhaupt, mit
ber ©rßolung eine Siomal 3 =Kur 3 U oerbinben,
weit man bureß Siomal 3 , täglich 3 bis 5 ©ßlöffel
ooll genoffen, bie Serbauungstätigfeit anregt,
Shit* unb Säfteftodungen befeitigt unb fo eine
burdßgreifenbere Reinigung bes Slutes unb ber
Säfte oon angefammelten Stoffwedßfelrüd*
ftänben beroirft.
8 . Sicht 3 u oiel gteifdß effen! Die Sbenbmaßl 3 eit
barf nidßt über 7 Ußr ausgebeßnt werben.
9. Späteftens um 9 Ußr fudße man bas Sett auf.
10 . ©eiftige Dätigteit ift möglicßft 3 u unterlaffen.
Dies finb bie ©rfaßrungen eines Stannes, ber burdß
bie Sefolgung obiger Segeln feine gerien 3 eit gut aus*
genüßt unb fid) oortrefflid) erßolt ßat. Der Sdßlaf ßat
toäßrcnb ber Kur etwas 3 U toünfcßen übrig gelaffen,
unb bas ©etuießt naßm fogar um einige ißfunb ab.
Docß ießt fdßlafe idß täglid) 8 Stunben unb habe inner*
ßalb 14 Dagen nidßt nur bas frühere Körpergewicht
erreidßt, fonbem aud) fdßon etwas 3 ugenommen. Die
Sadßwirtungen finb alfo oortrefflid)e. Die obigen Segeln
finb natürlich nur im allgemeinen gültig. Der s )lr 3 t
wirb fie bem ©in 3 elnen burdß inbioibuell angepaßte
Satfdßläge ergäben.
gn manchen Orten ift es mitunter redßt feßwierig,
bie angegebene Diät em 3 ußalten, unb aueß bie Se=
feßaffung oon Siomal 3 ift nidßt immer leid)t. Stancße
Sertäufer pflegen ftets etwas anberes an 3 upreifen. Das
„Snbere" foll natürlid) immer „beffer" ober minbeftens
„ebenfo gut" fein, gn biefer Kurtft bes Snpreifens finb
ein 3 elne Sertäufer fo geübt, baß fie ben Snfdßein er*
weden, als ob fie lebiglicß im gntereffe ber Käufer ißre
Sadßaßmungen anböten, gn S3irtlid)teit tun fie es nur,
weil fie an ben SRadßaßmungen ober ©rfaßpräparaten
einige Pfennige meßr oerbienen. Das ift bes Rubels
Kern. Seitbem icß bas weiß, oerbitte icß mir gan 3
energifdß bie „Seleßrungen" ber Herren unb geße in ein
anberes auf folibert güßen fteßenbes ©efcßäft, wo man
oßne weiteres erßält, was man oerlangt.
iRocß eins: 9Ber fieß an bie See begibt unb ber
Serlodung, Seebäber oon längerer Dauer 3 U nehmen,
nid)t wiberfteßen tann, füllte oorßer ben 9 lr 3 t be*
fragen, ob unb wie lange er ins Sßaffer gehen barf.
^erfonen oon träftiger Konftitution tönnen in biefer
Se 3 ießung meßr oertragen als anbere. Slutarmen
bürfte ber Sr 3 t ben ©ebraudß oon Seebäbern waßr*
fdßeinlidß oerbieten.
1911. 9tr.41
Aber £anb urtb SÖteet
1095
ipfyot. Strumper & (So., Hamburg
®ie aCßalfüre,
©rorwgruppe »ott ©rofeffor ©runo Krufe in ©erlin
an beV Schönen 2lu§fid)t in £>amburg*Ul)lenfyorft
Hvltn — Enifwfen“
finb bie beiben ©über biefer Seite, menn e§
aud) nielletcfjt nidjt auf ben erften ©lief fo er*
fdjeint. 2)ie alten ©ermanen roaren, beoor fie
ba§ ©fjriftentum fennen lernten, aud) 2lnf)änger
ber geuerbeftaüung, bie mir üftadjfaljren unS
tnüftfam Sdiritt für Sdjritt erft «lieber an*
geroötjnen. Unb fie Ratten feinerlei ©ebenfen
in ber s Jtid)tung, bajj biefe ©eftattungSart irgenb*
loeldjen ungünftigen ©influfr auf bie 2ßeiter*
ejiftenä ber Seelen nad) bern $obe Ijaben fönnte,
wie foldjen I)eutige§tag§ geroiffe ©egner ber
Seidjenoerbrennung annef)tnen. Senn bie ©er*
manen hielten bafür, bafj bie Sßalfüren, itjre
befannten Sdjladjtgöttinnen, bie Seelen ber im
tapfern Kampfe gefallenen unb auf bem Sdjeiter*
Raufen eingeäfeberten Selben nad) 5Balf)alla
führten. Ergo barf man biefe jroei ©über tat*
fäcblid) in einem befpredjeit. Sa§ eine, bie
Söatfüre, bie man jüngft an ber Sdjönen 2lu§*
fid)t bei ber 2tu§enalfter, jener burd) ©atur
unb 9Jlenfd)ent)anb gleidjermaften mit ©or-tügen
auesgeftatteten ©atioramaftrafce in Hamburgs
Ublenborft, aufgeftellt Ijat, ift ein 9Berf »on ©ro*
feffor ©runo Krufe in ©erlin. Sa§ anbre fteHt
ba§ neue Krematorium &u Sre^ben bar, unb
jeber mirb fagen fönnen, bafe bie ©ßirfung
biefe§ ©auroerfS arebiteftonifeb unb lanbfebaft*
lid) gerabeju toftbar ift; mutet fein ©itblicf
burd) bie ebeln formen be§ ©ebäu§, bie büfteren
©äume unb ben fdjroarjen ©öafferfpiegel ba*
jmifdjen bod) roie bie befannteften unb eigen*
artigften ©etnälbe 2lrnolb ©öcfltnS unb gerbt*
nanb Kellers an. —ld.—
wird seit Jahrzehnten mit glänzendem Erfolge zur am Haustrinkkur bei Nieren-
griess, Gicht, Stein, Eiweiss und anderen Nieren-und Blasenleiden verwandt.
Sie ist nach den neuesten Forschungen auch dem Zuckerkranken vor allen anderen
Mineralwässern zu empfehlen, um den täglichen Kalkverlust, der ein sehr wesentliches
Moment seines Leidens bildet, zu ersetzen. Für werdende Mütter und Kinder in der Ent¬
wicklung ist sie für den Knochenaufbau von höchster Bedeutung. Die Helenenquelle ist
die Hauptquelle Wildungens und steht in ihrer über- ■ aus glücklichen Zusammensetzung
einzig in der Welt da. Man überzeuge sich hiervon m selbst durchVergleich der Analysen
und begegne allen Empfehlungen von Ersatzquellen oder anderen Ersatzmitteln mit
der im eigenen Interesse durchaus gebotenen Vorsicht. Neueste Literatur frei durch
Fürstliche Wildunger Mineralquellen, Bad Wildungen 13.
1910: 12 611 Badegäste. 1774 412 Flaschenversand.
Haar-Pflege.
Zur Erlangung
eines
174 Anleitungen zum
Einmachen
von Früchten, Obst usw.
enthält unter nahezu 2500 selbst¬
erprobten Rezepten das Kochbuch
Die deutsche Küche
von Anna Huyn (Gebunden M 4.—
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart
Die Kunst eine schöne Büste zn crzielon
bildet für die Damen kein Geheimniss
mehr, seitdem die wunderbaren Eigen¬
schaften der Pilules Orientales bekannt
S — Diese Pillen be-
in dor Tat die
keit die Büste zn
ekeln, zu festigen
wiederherzusteden,
o wie dio Knoctaen-
rünge des Halses
er Schultern zu be¬
seitigen, indem sb
der ganzen Büs'e
eine graziöse Fülle
verleihen, ohne die
Taille zu erweitern.
Die Ptlulea Orien¬
tales bestehen haupt¬
sächlich aus orienta¬
lischen l’flanzonex-
trakten und sind, da
Gänzlich frei von
Arsenik, der Gesundheit stets zuträglich.
Ihre Wirksamkeit darf durchaus nicht
mit der irgend eines anderen, ähnlichen
Erzeugnisses, zum inneren oder äusseren
Gebrauch, verglichen werden. — Ein über
zwanzigjähriger Erfolg hat den Rnf der
Pilules Orientales bestätigt und erwiesen,
dass dieselben für die Frau sowohl wie
für das junge Mädchen das einzige,
wirklich zuverlässige Mittel bilden, einen
üppigen und festen Busen zn erzielen.
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Technikum Altenburg
Ingenieur-, Techniker-, Werkmeister-
Abteilungen. Maschinenbau, Elektro-
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Gtef)'s !Iug unb gut ins Aug' btt flauen,
Du tannjt auf feine Dreue bauen.
Dod) änbert fi<i) bas letjte 3 e id) ei L
SBirb flugs bie ©fjrlidjfeit entweichen;
pflegt es Natürlichem bod) immer
Dann ßu oerleifjn erborgten Schimmer.
A. D.
Geographisches Rätsel
Dreoifo, ©telnif, Niga, ©ofen, ©osnien.
Obige fünf geograpf)ifd)e tarnen finb berart untereinanber
311 fd)reiben, Saft ßtoei beifammenfte^enbe fenfred)te ©u<h=
ftabenreitjen, nadjeinanber abroärts gelefen, ben 9lametx einer
3 U Anfang biefes 3<rf)res oft genannten nieberlänbifdjen Stabt
ergeben. 9t, Sp-
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 1020:
Des grauenfampfrcitfels: 9Jtan beginnt mit L,
überfpringt beim Ablefen nach rcd)ts herum jebesmal 3 wei
©uchftaben unb erhält: „Sonboncr Suffragettes".
Des 2Bäfd)erätfels: SBäfdje. ~ Ausgerungen. —
Störte.
9tid)tige Söfungen fanbten ein: ©life Ateboro, geb. $rufe,
Hamburg ( 1 ), 93öuI Aiecfljoff ( 1 ): 93. Stoppel. Hamburg ( 2 );
wlara ®tHer, AegenSbuvg (B); &rau A. Vecf, ©tegen (5); @. V.
9t., ©djaffljaufen (4), SBaraSbin, Söien ( 1 ); Stonftantin ©ßnp
ftopb jun., 2 öien ( 1 ); Stonrab ißolfter, Aeumarft in ©teier*
mart (5); SuliuS SjoetfooitS, Subapeft (2).
ben £au§frauen a g er gänber jut görberung be§ gamiltettglütfe§
unb ber ®efunbf>eit bient. SDiiüionen 9ter*®läfer finb im ©e=
brauch, bie größten ftaatlict)en tteßranftalten, JSocbfcfjulen ufm.
oerroenben bie Starte „Aey". 9t-uf ber §pgiene<9luSfteltung in
2)re§ben ift bie 9ter^onferoengIa§^©efelIfchaft in |>omburg 0 . b.£.
ganj fjeroorragenb oertreten. 9tuf ber Vrüffeler 9Beltau§fteHung
erhielten bie 9tej>St'onferoengläfer unb 93orrat§fod)er bie ©olbetie
Atebailte.
„Nimm brei ©unbelreben — Unb taff fie beinen SDtunb
umf<hioeben," fagt ein alte§ ©pridjroort für folche Seute, bie burd)
heftige äöbnfdjmersen alle greube am Dafein oerloren höben.
Die neuere 3^it höt mit biefen alten Hausmitteln aufgeräumt
unb al§ ttrfache oon 3 aljnicl)meraen, 9)tageninbi§pofitionen unb
fo meiter eine mangelhafte 3öhnpflege erfannt. bie eS ben VajiHen
ermöglicht, bie gähne m jerftören ©ine regelmäßige Steinigung
ber gähne unb bei AtunbeS früh unb ahenbi mit ©arg’i ®alo=
bont, gahm©reme unb Atunbroaffer gemährt ©efunbheit bi§ in
bai fpätefte 9lUer.
©rj'diäffltdir B3tffutlmt0ett
9tej^onferoengläfer unb Vor»
ratifocher. Unter ben oielen ©rfinbungen
f ym unb Vetbefferungen, bie uni bie lebten
y' Sahre für bie Stüche brachten, hot feiten
e * n Artifel mehr gntereffe ermecft unb
7 =-di , größere Verbreitung gefunben ali ber faft
I A all überall mit ben ßödjften Auszeichnungen prämiierte
I VorratSfocher „SHejr" unb bie bei ber ftonfurrenj»
Ipiil Prüfung beutfdjer ©inmadjgefäße ali bie „beften"
\JL bemerteten ih'e^Stonferoengläfer. 3 ” ber 3 eit, in
VbÜPl ber bie 9tatur ihre ©d)ä'e>e in ffülle bietet, ton*
feroiert man Früchte, ©emüfe, ©äffe, Vilje ufm.
f eIb ' t unö ^ nt 1 ° flome Saht naturfrifdje
aromatifche Jtonferoen. 9ie^S3orratifod)er ermög»
lid)t jeber Hauifrau, bie Sftahljeiten gut unb ap*
petitlich unb babei bod) billig herjuftellen. f^ür bie HauihoIU
®onferoierung ift ber Apparat ein notmenbiger ©egenftanb, ber
Staetn.3nferaten=9tnnahme cv JtnfcvHmt« ffiebüljrrn
bet fauöolf ittolTe, A ItJ^fltlMt für bie fünfgefpaltene
3tnnoncen=@rpebttton für xVII irl IILII SRonparettte-SeileüJU.so,
fämtliche Bettungen ®eutfcb= 6 ff für bie ©cbmetj, Statten
lanbi unb bei atuitanbei,-unb ftranfreid) Sr. 2 , 26 .
tn Verttn, ®restau, ©hemnttj, Sireiben, SJüffelborf, ffrantfurt a. 3«.,
Hatte a. ©., Hamburg, fföltt a. SRI)., Setmtg, Sonbon, tutagbeburg,
Sltünchen, Nürnberg, tprag, Stuttgart, SBten, Bürtet).
Die Uibratiotismassage des Crommelfells gegeti
©ibration§ftärfe etnfteQen, mirft aber aud) roteberum bei StarffteUung
recht fräftig. 9iebeninftrumente ober hoppelte ilpparate für bie »er=
[dfieberten ©ebraudjgsroecfe finb unnötig.
2 Bie mancher glaubt fiel) hoffüttussIoS leibenb, weit ihm bie mo=
bernen roiffenft^aftlichen Fortschritte in ber Ohtenbel)anblung unbefannt
finb. ©flidjt jebe§ einjelnen ift beshalb, fid) mit ben neueften ©rrungett=
fchaften unb ben roirffamften ©ehanölungett oertraut , 31 t madhen, womit
eä nicht feiten gelungen ift, auch nod) in veralteten unb oergmeifelten
^eitlen ba§ Seibett toirffam 31 t bebanbeltt. 3 a t)lreicf)e 2 lnerfennung§=
fchreiben oon Patienten berieten über ftaunen§toerte ©rfolge, toeldfe
burd) bie ©ehanblung mit biefetn Apparat bi§l)et erhielt worben, unb
bieten neben ben ©tttpfehlungen oon Autoritäten eine bea<hten§werte
©ewähr für bie heroorragenbett Seiftungen be§ „Hudito“.
Die geridhtüch eingetragene ^irma 6mil Coeft, Spejtal-JnTtitut
in Duderftadt 46 am F)ar? t oerfenbet auf SBunfd) eine au§führlid)e
©rofdjüre mit ©etehrungen u. ©ehanblungSoorfdjriften für ©ehörleibenbe.
Sie höben nur nötig, bie ©ro[d)üre über „Hudito“ (Deutfcb. Rcicbs-pat.)
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Ohrensausen und Ohrenleiden
oerfchiebener Art ift fadjntännifchen Greifen burd) bie f^orfchungen nant*
haftet ©eiehrten längft al§ ein au§ge 3 eid)nete§ unb wirffamei öeiloer=
fahren befannt geworben, föiit ber öcrttb ift natiirlid) bent Dronimelfell
3 U oerlangen, fo wirb ^hnen biefe ooüftänbig foftenfrei sugefanbt.
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Nr. 42
830 . (o
(JX2-
Jahrgang 53
ÜBERLÄND UND MEER
Ivan Mestrovic Meine Mutter
(3u bent ^Irtifel: „(Ein fübflatDtjdjer Silbljauer“ auf Seite 1100)
1911 (Sb. 106) 145
1114
Über £anb unb 9Jteer
1911. 9lr. 42
Schach (Bearbeitet von €. Scballopp)
Partie nr. 20
91u« unfern Äorrefponbengturnier. SSeenbet ®nbe Sunt 1910
Unregelmässige Cröffnnng
SBetß: Oberlehrer Sr. «naget, fBüßoro («Dlecflenburgl.
Schroarj: £anbgericbt«rat a. S. 9B. Scbroan, Stnj atn üttjetn.
9Betß Sch ro arg Söetft Sd)roarj
1. e2—e4 f7—f6‘) 24. b2XC3 8 ) Sg5—e5
2. f2—f4 *) e7—e6 26. Ld2—h6») Se5—g4
3. f4—f6 s ) e6xf5 26 . Tgl—elf Ke7— d7
4. e4xf5 Dd8—e7f 27. Tel—e6 Sg4xh6
6. Ddl—e2 4 ) Sg8—he 28. Te6xh6 Tc8—e8
6. De2xe7f Ke8xe7! *) 29. Kcl—d2 Te8—e5
7. gi—g4 Sh6xg4 30. C3—C4 f5— f4 >“)
8. d2—d4 g7—g«! 31. Tg2 — f2 C7-C6
9. Lfl—d3 g6xf6 32. döXC6f Kd7xC6
10. Ld3xf6 Sg4—h6 33. Tf2—f3 Kce—cö
11. Lf6—h3 Sb8-C6 34. Kd2-d3 Tes-fö 11 )
12. Sgl—f3 d7—d6 36. C2 —C3 Tf5—e5
13. Lh3xc8 Ta8xc8 s ) 36. a2—a3 Te5—f5
14. Sbi—c3 She—{5 37. The-ee 1 *) Tfö—h5
16. d4—d6 Sc6—e5 88. Tf3—h3 ft-f3
16. Thl—fl Se6xf3f 39. Te6— el Tf7—f4
17. Tfixf3 Sf6—h4 40. Tel—fl Tf4xh4
18. Tf3—f2 Sh4—g6 41. Th3xh4 Th5xh4
19. Lei—d2 Lf8-g7 42. Tftxf3 h7—h6
20. 0—0—0 Th8—f8 43. Tf3—föf Kc5—c6
21. Tdl—gl Tf8—f7 44. Kd3-c2 b7—bR
22. Tf2—g2 7 ) f6—f6 46. Kc2—b3 a7—a5
23. h2—h4 Lg7xc3 SBetß gibt bie Partie auf. 18 )
2>te Dlnmerfungen l bi« 12 ftnb oom Rubrer bet febwanen Steine.
*) «Dltt biefer ©rrotberung gewann '-öarnes gegen s Jtiovpf)t).
s ) Söeffer wäre wohl 2 . d 2 —d4 ober 21 . Sbi—c3.
3 ) ®tn Rebler, beffen SBtberlegung inbe« nicht ganj teiebt ift.
*) Stuf 6. Lfl—e 2 folgt d7—d6 6. g 2 —g4 h7—h6 ober einfach 6...
Sg8—he!, toie tm Sejt: auf 6. Kei— fa De7xc5f nebft 6 ... Dc6xf6.
s ) Sffieniger gut roäre Lf8xe7 7 . g 2 —g4 Sh6xg4 8. d2—d4 d7—d5
9 . h 2 —h3 unb Dlbtauftb be« Springer« auf he; Sdjroarj hätte bann
jroar einen Säuern mehr, aber nur in fforrn eine« oereinjetten 3tanb-
boppelbauern. «Hach bem Sertjuge ift bte Partie bereit« tn ba§ ©nb=
fpielftabium getreten unb theoretifCb für Scbroarj geroonnen. 3>oCb
bereitet ba« umftebtige Sptet be« Slnjtebenben bem ®egner »tete
SCbroiertgfeiten.
6 ) 3)er freie f=53auer muß geroinnen. freilich ift bie Stellung be«
febroarjen Röntg« bet ben nieten offenen 3lngrlff«ttnten, über bie ber
©egner nerfügt, eine prefäre, roe«balb ba« Sorgeben be« ®erotnn=
bauern nur fepr norfiCbttg berotrtt roerben barf.
7 ) SSietleicbt hätte e« ficb mehr empfohlen, tm 21 . 3uge bte Sürme
auf ber f=8inte ju nerboppetn.
“) ffieiß rotfl bte 3Jiög(icbteit eine« gelegentlichen Säuferfcbadb«
ober einer Säuferfeffelung behalten. 3>et 3ug zerrüttet aber bte
SauernfteHung.
9 ) ©etß fptelt auf ®ewtnn be« h=Säuern.
,0 ) Smrcb ben Slbtaufcb erhielt ber Freibauer etroa« Seroegung«=
freibeit; bod) ift gu bebenten, bah ber fdjroarje Röntg unter Umftänben
febr fCbnelt jum Singriff nabe ift, toäbrenb ber weiße roenig Slu«flcbt
bat, jur SSertetbigung mitrotrfen ju fönnen.
") 2Betß gerät jept in 3ugwang.
>») Set 37. Kd3—e4 Tfö—fo 38. Thexfe (38. Thfi—h6 Kc6xc4 brächte
Söeifj tn ein «Dlattneß) Tf7xf6 39. Tf3xf4 Tf6xf4f 40 . Ke4xf4 Kc5xc4
unb fo roetter geroinnt Scbroar*. Ter Testjug geftattet Singriff auf
ben h=Sauern unb führt fo bte Partie Ihrem ®nbe ju. Slber rote foU
SSeiß anber« stehen?
1S ) @« fcheint un« boeb fraglich, ob SSeiß mit Stecht aufgibt unb
nidjt otelletcbt noch auf 9temi§ fptelen tonnte. SBir geben folgenbe
gortfetjung sur @rroäguug: 46. a3—a4 Th4—h 2 47. Kb3—a3 h5—h4
48. Tfö—h5 h4—h3 49 . Ka3—b3 Th2—hl 60. Kb3-a2! h3—h2 61. Ka2
—b 2 d6—do 62 . C4xd6f Kc6—c6 53. Kb2—a2 Thl—cl 64. Th4xh2
TclxcS 66. Th2—d2 Tc3—g3 66. dö—d6 Tg3—g8 67. d6—d7 Tg8—d8
68. Ka2— b.3 KC6—C6 69. Kb3—c4 Td8xd7 60. Td2-h2! unb Schroarj
fcheint ben ®eroinn nicht ergrotngen su fönnen.
Ulitlcilun^cn
§ainid)en t. @a. 2)a« ^iefige fSecßmfunt, eine unter Staats«
aufficht ftehenbe höhere tec^nifd^e Sehranftalt, hübet Ingenieure,
Sechntfer unb SBerfmeifter au« unb erfreut fid) feit ben erften
fahren feine« 33eftehen§ eine« guten 9lufe§ in gachfreifen. ®e3»
halb nimmt man bie Slbfoloenten gern in Stellung; ja bie fftach'
frage nach folgen roar auch im lebten Semefter fo groß, baß bie
Seitung ben äöünfchen nach ©mpfehlung tüchtiger technifcßer
|>tlf§fräfte nicht immer entfprecfyen tonnte, gür bie praftifeße
Vorbereitung non Solontären auf ba« tecfjnifche Stubium heftest
eine gut eingerichtete Sehrfabrtf.
®ia!on. ©ngelharb« $tachblon»2Bunbpuber, feit breißtg
fahren in ber gangen 2Belt betannt, erfüllt in unoergleicblic|er
ffißeife alle Slnforberungen an einen äßunbpuber für Stinberftube
unb ©rroadjfene. ^eroorragenbe 2irgte beftätigen bie unüberireff«
lidhe SBirfung non $ialon gur Teilung unb SSerhütung be«
quätenben äBunbfetn« tleiner ^inber. ünb ©rroachfene emp«
finben bei regelmäßigem ©inpubern ber SJörperfteHen, bie ber
Steibung unb Schroeißbilbung befonber« auSgefefct finb, bie mohl«
tätige SBirfung feiner beSinfigierenben unb fdhnell beilenben ©igen*
fdhaften. ®ialon, entfernt ben unangenehmen Schweißgeruch, heilt
SBunbreiben unb SBunblaufen unb ma^t fich gerabegu unentbehrlich;
unter anberm für Shuriften unb Sport«leute jeber Ulrt. S)er Käufer
tut gut, auf ben gefehliöh gefchüfeten Stamen „$ialon" wegen gahl«
reifer fltachahmungen ober fogenannter ©rfahpräparate gu ad^ten.
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finb bie Sdjrccfen aller 9JUitter, bereu Binder fiel)
an unreifem Dbft ben 9^agcn nerborben ^aben.
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SMif unb ®urd^fatl linbert, ben SJtagen beSinfijiert unb erfrifdtjt.
erhättltch in fjlacon« ä «DL 3.65, «Dt. 1.95, «Dt. 1.35 unb «Di. l.io tn Drogerien,
Settfateffenbanblungen, 'Parfümerien unb Slpothefen. Slu«führltd)e Srofchüre
unb ®ratt«mufter btrett burd): „Dttcqle§-3)epot", fjrantfurt a. «Dt.
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ift etn guter Schmaus,
Sein Srleifd) — gebraten , „
Sein gell — 3 t)linberl)üte mad)t man braus,
Sein Sd)toeif uom Säger „Slume" roirb genannt,
Sein £er3 als feig unb furcf)tfam ift befannt.
Snfc Ä.
Eogogripb
Sie ift uom £anb,
Sten nieberm Stanb,
3 ft tlein unb runb
Unb fei)r gefunb —
(£s ift fein SOtenfdjenfinb.
Dod) nimmft it)r §er3
Du, roie im Sdjerj,
Unb fdjenlft bafür
(Sin anbres itjr —
Dann roirb's ein 9 Jtenfd)enfinb. 91 . 3 ).
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 1096:
Des Sogogripljs: fßubef, fßuber.
Des qeograpl)tfd)en iHätfels:
" T R E VI SO
ME L N I K
Anagramm
Ss ift bes fonn'gen Sübetis fcbönfter Saum.
Soll SJtajeftät er ragt in luft’gen Saum.
Die 3 roeige batten fdjon bie 9 llten
SIs ein Spmbol bes Sieges gehalten
Unb ihren ftriegesbelben bargebrad)t,
2 Benn ruhmooll heim fie lehrten aus ber Schlaft.
Sm geft Dfiris in $gt)ptenlanb
Der Saum fo hoch tn Steifst» ereljrung ftartb,
Dafe man ihn in ©ebete fchlofe mit ein —
er fpenbet S0I3 unb grüdjte, Öl unb Stein.
Doch nun bes 2Bortes Settern umgefetjt!
Sieh ba, toas jeigt lief) beinern 9 luge je^t?
2 Bir fenrten es feit Olims 3 eiten
9lls fötefogefäf) für glüffigfeiten
Sus §013 gefertigt, aus iTRetall unb Stein . .
amt Salböl füllte man's ... auch gab pinein
Stan Sflansen, bie fich |cf)ltngenb 3toeigen
Unb ranfenb ficf) 3um Soben neigen:
Drum roar's 3U hängen unb 3U ftellen . . .
es biente, Dunfel 3U erhellen,
©leid) bem ©erät, bas bu erblicfft fofort,
Serftellft bu nochmals Settern in bem äBort.
Das neue, bas oor beinern Slicf erfdjeint,
©leichlautenb Doppelfinn in fich oereint.
Die erfte Deutung: ein ©erät fürs <rjaus —
2B03U? Der Sers oorher fchon fprad) es aus.
Die 3toeite Serfion ein Dier fo nennt,
ÜBie's jeber rool)l 00m gabellefen fennt.
©röfiter ©ebftuljl ber ©rbe
Die beiben fetten [entrechten Setternreihen ergeben:
Slif fingen»
Sichtige Söfungen fanbten ein: ©arl Kolbe, ffite§*
haben (l); Klara Miller, SegenSburg (l); ißaul SRiecfljoff,
Hamburg (1); 3 of). »• ©toppet, Hamburg (2); Sb. St.,
Scbaffbaufen ( 3 ); Konrab »olfter, Seumarft in Steter*
tnarf ( 2 ); Julius ©äoetfooits, »ubapeft ( 3 ).
Sfn einer fächfifchett ©eberei bat man oor furjem ben hierüber abgebtlbeten
aröbten SBebftubl ber ©eit aufgefteHt. ©r befifet eine Sänge non 23 Bietern, fo
bab man barauf Städte bis ju 18 SReter »reite weben fann. ®tefe gewaltige
»reite ift notwenbig, um bie in »apierfabrifen auf beren ©affinen oerwenbeten
„enblofen" gitjftreifen berfteüen 31t fönnen. Da§ ©ebetfdjiffcben legt ben ©eg oon
18 ÜDletern in jeber Sttinute fünfjebnmal hm unb her jurütf. ®ie €>öhe ber
SKafdjine mi&t 3 SReter, ihre Siefe etwa 1 V» Sieter.
\r’en kfinipcß undptakfijcf) ßejfenj berväf)?£
in den^Rpo(£} e kp n und'Dfogev’ten.
(»ehr geehrter &err!
S* babe oon Sbrer 9ttno*@aIbe
3 ®ofen ä m. 1.16 mit gutem ®r*
folg oerbraucbt. §ür mein trautes
©ein babe td) fdjon fo oeri^iebene
3Jtittet angewanbt, aber alles bat mir
nicht fo gut gefallen, als Sbre oor*
jügltcbe ©albe.
§ocbachtungSooa
F. Sommer.
©erlitt, b. 11./1 os
Cameras
{Die täglichen ^Bedürfnisse
aüeStoecf e derpbotograpbie
Cebens erfordern die verschiedensten Anschaffungen.
[Hausherr hat im {Berufs- und Privatleben immer ein
sames Auge für alle {Neuheiten, Verbesserungen, vor-
ifte {Bezugsquellen etc., und die {Hausfrau waltet mit
:m Sinn in {Haus und {Küche und weiß das traute
ilienleben durch allerlei Anschaffungen zu verschönern,
die bietet daher auch der ‘Geil, welcher die verschieden-
Qeschäfts-Empfehlungen bringt, einen {Ratgeber und
weiser. {Man setze sich vertrauensvoll mit diesen {In¬
ten inVerbindung, denn sie bemühen sich um die Qunst
rer verehrl. dieser und haben reelles Qeschäftsprinzip.
cüc exifticrenden Formate,
allen Derfä)lufjfp|ltemen
$tefe »ino*Salbe wirb mit (Erfolg
gegen ©etnleiben, flechten unb ©aut*
leiben angewanbt unb ift in SDofen
ä 3111.1.15 unb 3JH. 2.26 in ben SIpotbeten
oorrätig, aber nur edjt in Original*
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(■Besprechung einjeltier Qlerke Vorbehalten. — Rücksendung findet nicht statt)
Stlbum be Stlumenau. Verlag ©ugen ©urrltn, SSlumenau.
SCrtbetfen, |>. ©.,. ®a§ äRärdjen meines Sehend. Originalem^*
gäbe be§ SSerfafferS. SSerlag £>olbein, Stuttgart.
Setjr* unb ÜbungSbud) ber fqftematifcben ©ilben*©tenograpE)ie
für bie beutfetje Sprache. 9luf roiffenfdjaftlicher ©runbtage
auSgeatbeitet unb für ben ©elbftuntemcEjt fjerauSgegeben.
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®ege, UtommiffionSoerlag, «eipsig.
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SU. 3.—, geb. SR. 3.60. Verlag Ouetle & SReper, Seipgig.
SReter, Stinberarjt Dr. ©ugen, ©Iternbriefe über ^inberpflege ,
unb ©rsiefjung. fßreiS SR. 1. SSerlag ber Sittlichen fRunb*'
febau, Otto ©melin, SRüncffen.
fßafig, t]3aul, Ilmenau, ©oetbe unb ©orona @c£)röter in ihren
roechfelfeitigen S3ejiebungen. ©in Führer ju $lmenau§ Elaffi*
fchen Stätten. $rei§ SR. l.—. ÜSerlag Slug, ©chröter,
Ilmenau.
ißollal, griebrief), Slnton ®ontiniE non gernforn. ©in öfter«
reidjifdber SßlaftiEer. Verlag ©cbtooreEa & |>eicE, Sßien.
fßou§, 3ofe, ©ori, ber StebeH. Stoman. fßreiS geb-SR. 4.—,
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ntng, granffurt a. SR.
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©djulbe^SReferih. Sllfceb, grii 3teuter§ oHer ^aptbein au§
ber $eftung§tib. ©in Sebenäbilb. Vertag SRicEjarb SinEe,
®re§ben unb «eip^ig.
Sittenfelb, ©onrab Sttberti, Slblöfung nor! fRoman. SSita
®eutfd(e§ SBerlag§hau§, S3ertin*©barlottenburg.
©teinberger, 2tlfon§, Dan§ ©ollinger unb S?raEo. ©in ©ang non
ber ®onau. Streik SR. l.—. SSerlag§anftalt, normal^ ©.^.SRanä,
Sud)* unb jtunftbrucEerei Ul.*©., SRünd)en*Stegensburg.
Hub Wätfxxn unb Mnxoxtxn
J^urbab ©ommerftein b. ©aalfelb in $bür. ®er 93e*
udb ber erften §älfte ber ©aifon mar ausgezeichnet unb überftieg
>en norfäbrigen töefuch ganj beträchtlich. ®ie Slngiebung§Eraft
ber pbpfiEaIifcb*biod)emifdben 9tegeneration§furen bat fi<b auch
heuer beften§ beroäbrt. ®ie 2ßitterung§nerbältniffe maren günftig,
menn man freilich bie ©onnenbäber nicht aüguoft geben Eonnte.
®efto rairEfamer maren bie erfrifdjenben unb Eräftigenben Suft*
bäber. ®en Stnmelbungen für unb Sluguft jufotge ftebt
auh fü^ ©ommerfaifon ftarEer 58efuh benor.
2Sie§baben ftebt int 3 e id) en ber §ohfaifon. ®ie gro^e
f^requens beroeift, ba^ bie beilEräfttgen, fhon im Slltertum be*
Eannten Sh^nten ihren unnergleihlid)en Stuf bi§ in unfre 3 e it
erhalten unb ftänbig oermebrt haben. ®ie 3abl ber 58efud)er
belief fih in ben erften fünf SRonaten biefe§ Sabte§ auf 65000
ober 4000 mehr al§ im gleichen 3eitraume be§ ®orjabre§. 3ßie§*
baben nerbantt biefe Sßertfhäbung in erfter Sinie feinen gro§*
artigen ^urerfolgen, mie auh ntelen anbern SSorjügen, bie fih
^urgäften unb SSergnügung§reifenben hier ba§ gange Saht bin*
burh bieten. SRit ber ©ntmidlung ber ©rofjftabt bat bie ber
Eurftabt nebft bem 2lu§bau ihrer ^eilfaEtoren gleichen ©htitt
gehalten, ^aum ift ba§ neue ^urbau§ bem SSerEebr übergeben,
unb fhon erbebt fih in geroaltigen ®imenfionen an ber berühmten
SlblerqueEe inmitten ber Stabt ber Sau eine§ neuen SSabebaufeS,
ba« neben ben ®berntalbäbern alle §eilfaEtoren ber mobernen
Therapie in fih nereinigen unb allen Stnfprücben ber Steujeit in
begug auf praEtifhe ©inrihtung unb eleganten Komfort ge*
nügen foü.
Oetkers Rezepte
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Sandtorte.
Zutaten: 250 g Butter, ungesalzen oder gewaschen,
250 g Zucker, 250 g Weizen- oder Maispuder, 4 Eier, 1 Tee¬
löffel voll von Dr. Oetker’s Vanillinzucker, 1 Teelöffel
voll von Dr. Oetker’s Backpulver.
Zubereitung: Die Butter wird etwas erwärmt und
schaumig gerührt. Dann gibt man allmählich Zucker und
Vanillinzucker hinzu. Hierauf ein Ei und etwas Puder,
der vorher mit dem Backpulver gemischt wurde. Ist dieses
gut verrührt, wieder ein Ei und etwas Puder, bis die Eier
und der Puder verbraucht sind. Die Masse wird in eine
mit Butter ausgestrichene Form gegeben und bei mittlerer
Hitze rund 1 Stunde gebacken. Sandtorte hält sich lange
Zeit frisch und ist ein beliebtes Gebäck für Tee und Wein.
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mit beiden Füßen auf der Erde stehen
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den Sternen langen kann, es ist
eine bewundernswerte
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Der Kampf her meinen
uitb ber roten Aofe
Momart
t)Ott
©eorg ifjtrfdjfelb
(Fortfeßung)
as blieb? — Die Feier ber ©eftattung
tarn. Sie mürbe eine großartige Kunö*
gebung. Fnebricßsbutg trauerte eßrlicß um
feinen eblen ©ürger, Der Aünifter fprad) am
©rabe oor Taufenöen. ©Sie Iinber Tr oft fentte
fid) bas in Klemenünes niebergebeugte Seele.
Aud) ©raf Kilcßberg, oon bem man fonft
nur Tifcßreben tannte, ließ fid) »ernennten,
©in tragifcßer $umor — er fpracß aud) jeßt
in Werfen, ein langes, bem toten Ateifter
ßulbigenbes ©ebicßt. Karlmann martete fieber*
jjaft gefpannt, ob Amolb Finger bas 2Bort
ergreifen mürbe — menn and) feine Aebe
im Programm berFeier nicßt enthalten mar.
Aber Amolb Ainger fcßmieg. Karlmann faß
ißn in ber näcßften Aäße bes ©rabes fteßen.
©mft unb aufrecht, unburdjbringlid) — fcßmei*
genb. 3BoßI fagte er fid), baß fein ©ater
oon biefem f^reunbe guleßt eine Aebe oor
aller 3BeIt ermartet hätte. Aber eine tiefe
Traurigteit befiel ihn bod)' — ber Kneifet
blieb: mar es bas große Unausfprecßbare
gmifcßen ben alten Künftlern, mas ben Aleifter
fturnm machte, ober bie ©ein, baß über bas
Debensmert F u ftimus Aomingers oon Amolb
Ainger nichts Zolles unb £ocßtönenbes gefagt
merben tonnte? Karlmann faß oon ißm fort.
Sein ©lid fiel getröftet auf bie Sc|ar ber
Kunftafabemifer, auf bie jungen, begeifterten
Scßüler bes ©ntfcßlafenen. S3Iaffe, erfd)ütterte
Stubenhoder ftanben ba neben feierlich rot*
bädigen Stubenten im 3Bicßs, ben Schläger
in ber Fauft. Sie alle hatten ben 33ater
gleichermeife geliebt. Sie alle nahmen oon
ißm mie oon einer Debensperiobe Abfcßieb.
ltnb 5)ans Sticßlinger fpracß für fie — gu
Karlmanns größter Übetrafcßung. ©r traute
fid) heute oor gang ^riebricßsburg heraus,
ber Keine Atann mit bem fidjtbaren Sudel,
©r mar ein Aebrter, mie Karlmann es nie
in ißm oermutet hatte. ©egeiftert unb ©e*
geifterung medenb. ©r meinte, unb man
meinte mit. |jeute, an biefem ©rabe, liebten
ißn ficßerlicß oiele grauen unb Atäbcßen.
A3as ber Keine, befcßeibene Schüler aus*
fprad), mar mehr, mar alles, unb in §ar=
monie, als bleibenbe ©tßebung fd)Ioß mit
bes ©entließen ©ebet Fuftinus Corning er s
Totenfeier.
1911 (93b. 106)
Karlmann nahm Abfcßieb — es brängte
ißn gu Toni unb ihrem Kinbe gurüd. Die
Atutter mußte er, oon ber fcßm argen Schar
ber Familie umgeben, in guter $ut. ©r mar
hoch mieber ber Abtrünnige, er tonnte gehen.
Aber große, berußigenbe ©efüßle naßm er
aus griebricßsburg mit. ©s mar ein leucßtenber
Frühlingstag, als Karlmann, ben Kb^nber
auf bem Kopf, in matellofer Trauertleibung
gum ©aßnßof fußr. Siele Deute grüßten ißn,
unb er grüßte halb meßmütig unb in oorneßmer
Haltung, halb mie ein bantenber ©ebieter
mieber. Sogar Demmler tarn ißm jeßt nocß
in ben 9Beg. ©s intereffierte Karlmann, mie
bas ehemalige Fattotum ausfaß, unb er leßnte
fid), feine Haltung oergeffenb, aus bem A3agen
nad) ißm gurüd. Doch 3 U feinem ©ntfeßen
faß er gerabe F^au Sarbara Träntle ins ©e*
fid)t, bie, einen Atartttorb fcßleppenb, mübe
burcß bie ©roßßergog*Friebri<ß*Straße fcßliiß.
333ie mar fie gealtert unb betümmert, Tonis
Atutter! £>atte fie ben oorüberfaßrenben ©er*
füßrer ertannt? Karlmann mußte es nicht.
Fßm gitterte bas $erg, ein talter Schmeiß
trat auf feine Stirn, er oerlor feine gange
Haltung. Fürcßtete er fid) oor ber F*au bes
Kotßs am Aiartt? Aein — er haßte fie nur,
fie unb ißren gangen Anhang. Aufrecht oer*
ließ ber junge £err Aominger, ber an ber
Totenfeier für feinen großen 33ater teügenom*
men hatte, ben ©Sagen unb betrat ben ©aßn*
ßof. ©in bißcßen mit bem ©efüßl eines ©e=
retteten unb immer noch D£m ber plößlicßen
©egegnung entfeßt — bocß unterließ er es
nid)t, im Aeftaurant ein Käftcßen feinfter
Scßotolabe für Toni gu taufen unb gab fid),
als ber 3 ug ins Aollen tarn, mit Seßagen
ben ©ebanten an fein junges, feßnfüchtiges
2 ßeib ßin.
3 meiterTeil
I
Als Karlmann ßeimtam, mar alles Scßo=
nung um ißn her. Toni hatte mit bem erften
33lid bemerft, baß bie FAebricßsburger Tage
ißn ftärter mitgenommen hatten als alle bis=
ßerigen ©rlebniffe. ©r hatte gum erftenmal
ben Tob gefeßen, unb bas mar mie ein harter
©riffei in fein£ garten, meichen 3 ü<je gefahren,
ßatte Dinien ßintertaffen, bie nicht meßr oer=
gingen. Sie fragte ißn nicht, ob ißm bie teßten
Stunben nocß rolle 33erfößnung mit bem
Sater gebradht hätten — bie 3Bunbe mar gu
frifch, unb Toni ahnte, mieoiel eigenfücßtige
Aomingers fid) gmifdjen ben Sterbenben unb
fein ßeimgeteßrtes Kinb gebrängt ßaben
mochten. Sie ließ ißn erft gur Auße tommen.
Sie mar froß, ißn mieber in Ammerfelb gu
ßaben, menn ißr audh bie meßmütige Feierlid)'
teit feines 3Befens nid)t red)t lag, unb fie lieber
ein frifch ausftrömenbes £eib, eine Ausfpraiße
tieffter ©emeinfcßaft mit ißm geßabt. hätte.
3um ©lüd faß fie ißn halb gur Arbeit gurüd=
teßren. Sie felbft mürbe oolltommen oon ber
Keinen ^3aula in Anfprud) genommen unb
tonnte fid) ißm jeßt nid)t mibmen. Der
immerfort unterbrochene Schlaf ißrer tRäcßte —
Karlmann mertte baoon nicßts, er fcßlief feiner
Aeroen megen im SRacßbarßaufe —, bie ftetige
Sorge um ben Diebling, bas mar Arbeit genug.
Aber felige Arbeit. Sie beßielt ißr froßes,
rußiges J>erg ; babei. Aur Ammerfelb . . .
Sie fürchtete fid) oor bem 3!Binter in Ammer*
felb unb mollte nicßt bort bleiben, ©oa Aoll*
fint, bie fie liebte mie teine F^eunbin gu*
oor, begriff fie in biefer ©egießung nid)t. ©e=
noffin bes blinben Alannes 3 U fein mit ißren
Didjtaugen — bas mar ßerrlid) unb bie ßöd)fte
Debensreligion einer Ftau. Da oerftanb fie
©oa gang. Aobuft, mie Toni mar unb meßr
nocß fcßien, galt aud) ißr tiefer £ang bem
3arten, ©beln, Kräntlicßen. ©in äRuttergefüßl
lag in ißrer Deibenfcßaft für Karlmann, mie
in ©oas Diebe für Faßannes. Aber menn ber
geliebte ÜRann oon einem füllen ©arten um*
f rieb et fein mußte, bamit fein 2 Bert gelang,
fo mollte fie am Dafein ber anbern SAenfißen
teilneßmen. $ören mußte fie ben Auf bes
großen Debens, menn er and) nur mie ein
Jfornfignal aus grünem 333albe tlang. Sehen
mußte fie, mas lebte unb litt, unb mem fie
gut fein tonnte mit ißrem heißen, opferbereiten
Jjergen. Aber ber SBinter, ber 333inter — no<ß
einmal biefe Deicßenftarre feßen, biefe meiße
XRonotonie, an fcßlechten ©ifenöfen ßoden, bie
Abenbe überbauern, bie enblos langen Abenbe,
bas §aus oom Dftminb umßeult? Unb ißr
gartes Kinb folcßer Prüfung ausfeßen? Aein,
nein — jeßt tarn ber Sommer. Der mar bunt
unb fcßön. Aud) ber § erb ft tonnte herrliche
Tage bringen. Docß bann — fomeit mie ©oa
Aollfint mar fie niä)t. Febenfalls faß ißre Ae*
fignation gang anbers aus als bie ber Freunbin.
Sie tonnte gefäßrlid) merben für Toni mie für
Karlmann.
33orläufig fprad) fie ißm ißren 3ßunf<ß nicßt
aus, um feinen Arbeitseifer nid)t gu ftören.
©r fdjmärmte nach ben Fnebricßsburger Tagen
für Ammerfelb unb fußr faft gar nicßt nad)
SAümßen hinein, ©is über bie Dßren faß er
in feiner englifdjen ©efd)id)te. Toni beobachtete
mit 33angnis, mie er fid) an bas abgefcßiebene
Dorf gemößnte, mie ißm, bem ©mpfinbtidjen,
bie einfamen 2 Banberungert als unbetannter
Kulturträger unb ber ausfcßließlidje 33erteßr
mit bem ©linben auf feiner asteüfdjenDebens*
ßöße moßltaten. ©r mollte fid) ßier finben —
ja . . . Aber fanb er benn, fo, mie ber liebe
©ott ißn gemad)t ßatte, auf biefe SBeife genug?
Tonis naioe Urteilstraft hegte 3 1 »eifei. Aber
fie biß bie 3 äßne aufeinanber unb fdhmieg. ©is
143
1098
plöfeli© eines f©önen 2 lbenbs bie Ub erraf©ung
mieber einmal non feiner Seite tarn. Der
SBinter mürbe im ©efprä© ermähnt, nnb Doni
fpra© bas Sßort gan 3 unbemufet, mie etmas
ausfi©tslos Drauriges ans. Da ftufete er, unb
erregt, mit großen 2 lugen rief er: „ 2 Iber mir
merben bocO ni©t no© einmal im SBinter hier*
bleiben! 3 m 2Binter!?' Stein, Doni! Das ift
für mi© nichts nnb für bid) nidjts Unb : am
menigften für bas Stinb! 3 © I)abe mir felfem
feft oorgenommen: Stmmerfelb bis 3 um erften
Dttober — fetjr gnt, fetjr f©ön! Do© bann
unmeigerli© TOn©en! 3 © öttte bid), bn
barfft bid) ni©t bagegen fträuben!"
Sie fträubte fi© nidjt im minbeften. 2Iuf*
fnbelnb fiel fie it)m nm ben £als, unb mit
lautem £a©en erfuhr er, bafe er ©ren lange
oerborgenen SBunf© ausgefprodjen l)atte. Stun
f©märmte er non ©rem tünftigen £eim in
SJtündjen. ©r nal)nt ein Stüd Rapier nnb
3 ei©nete ben ^pian ber 2Bohnung, bie no© gar
ni©t oorfeanben mar. ©r fliggierte TObel, für
bie bas (Selb in Donis ©mpfinbung auf bem
TOnbe lag. ©efonbers aber begeifterte er fi©
für bas 3 tmmer, bas er if)r einri©ten molite.
(Empire, blafegelb, gefpannte Süpstapeten mit
einer Stofenborbüre — buntelbraune TObel —
oh, es füllte ein ibeales ^raüengema© merben!
Sie unterbrach ihn, lüfete ihn, rüttelte ihn —
er fülle hoch um (Sottes millen 3 ur $D3irllt©=
feit gurüdfehren. Sie fühlte fid) eigentli©
gef©mei©elt, menn Startmann baoon träumte,
mie ihre 23auerngeftalt (mifetrauif© glaubte
Doni noch immer baran) fid) in ber garteften,
erlefenften Umgebung ausnehmen mürbe. 2Iber
es jammerte fie, bafe feine £iebe Unmögltdjem
na©hing, unb fie fühlte ihn lieber gleich ab.
Dod) heute gelang es ihr nicht. ©r fefete fein
geheimnisoolles £ä©eln auf, bas er oon 3 rieb=
richsburg mitgebracht hatte. ©r liefe mit halben
SBorten buräjbliden, bafe feine SOtutter nadh
bes Vaters Dobe Veftimmungen getroffen
habe, Veftimmungen — alles fei jefet anbers,
ihr fünftiger £ebensmeg unter ben 3 itti©en
ber reich gemorbenen VSitme fichergeftellt.
Doni mufete benfen, als Startmann auf bie
fdjlafenbe ^aula beutete, bafe hier ein forgen*
freies fjjrürftenlinb in ber SBiege lag, auf grofee
©rbf©aft gebettet. 2 lber mieber brüdte er fid)
ni©t beutlt© aus, unb mieber oerhinberte ein
lefeter Drofe bie Do©ter oom Sto©, einen iRo*
minger na© materiellen 2ßot)Itaten 3 U fragen.
Stopff©ütteInb hörte fie nur, bafe alles bafein
füllte, mas ein georbneter £ausftanb in TOin*
©en erforberte. Die V3at)rheit hätte fie freilich
tief herabgeftimmt. 3 uftinus TOminger hatte
meber ein Deftament gemad)t, nod) mar Stle*
mentine bie reiche ©rbin, bie ihrem Sohn eine
forgenfreie (Sxiftenp oerfchaffen fonnte. Dat*
beftanb mar, bafe bie SOtutter fid) beim 2lbf©ieb
in einer grofeen Drauergefellf©aft befunben
hatte, bie fie fo 3 erftreute, bafe Starlmann nur
einen matten Stufe oon ihr befommen. ©>e=
fränft mar er 3 ur Dür gefcferitten, bort aber
hatte bie TOtter ihn plöfeli© eingeholt, ihn
hunbertmal gefüfet unb mit ben SBorten ent*
Iaffen: „3© hab ; ein Keines ^apierle für bid)
oerlauft — ba nimm's fürs Stinb. Unb menn
bu mieber mas haben millft, es braucht nur ein
SBort!" TO tränenben Slugen hatte fie ihm
3 ugenidt unb mar 3 m (Sefellfdiaft 3 urüdgefehrt.
©r aber ©eit einen Daufenbmarlf©ein in
feinen £änben.' ©s mar ein angenehmes (5e*
fühl, hoch er ftedte ben S©ein mit ©leidjmut
in bie Daf©e, ©in foI©es 5Reifegef©enl ent*
fpradh bem £aufe TOminger. Dom? Doni
glaubte an grofee Honorare.
Die Vollfinls, benen fie mit ihrer 2tbfi©t,
3lmmerfelb 3 Uoerlaffen, mehe 3 U tun fürchteten,
befchömten fie. ‘ Johannes unb ©oa mufeten,
mas fie an bem täglichen Verle© mit ben
^reunben oerloren, bod) säuberten fie feinen
Slugenblid, ihre 9Jteirtung aussufprechen. Sie
hielten ben 3lufenthattsmed)fel für gut. 23ei
einer gemeinfamen ^Ibertbmanberung nach 9?ott=
ning mürbe alles befproihen. %t)T Anfang
mar munberooll, bod) brachte bas ©nbe einige
Xtber £artb unb SJleer
Schreden unb hatte nur bie harte £eilfamfeit,
bafe Johannes unb (Soa fich bie Trennung nicht
all 3 u ferner merben liefeen.
3lm SBefer, bas bie SRefeach, tomerfelbs
reifeenbes glüfedjen, bilbete, beoor fie 3 um
Dorf htnunterflofe, famen bie Männer in ein
(üefpräch, mie üarlmann es liebte unb 3 a*
feannes nur mit grofeer iBefeutfamfeit führte.
Sie fprad)en oon ben höchften Dingen, oon
(Sott, oon ©oethe, unb erlauchte Flamen
mürben ausgefprodjen, mit ihrem ©efolge oon
3 beertoerbinbungen, bas mühelos bereitlag.
Scheu blieb SRolIfinf an ber Sdjmelle bes Dem=
pels, mährenb Äarlmann munter Igneintrat
unb feine Stimme im hohdn ©emölbe tönen
liefe. Sie mürbe ©er ftärfer 3 urüdgemorfen
als fie in 3Birflid)feit mar. £eifes Summen
flang b eff er, unb ^Rollfinf lächelte faum merflich
oor fich ©u. TO: äBorten fid) ben höchften
©öttem nähern, bas mar jung, fehr jung.
Seltfam mutete es ihn an, bafe üarlmann
nicht fchilierifdj, aus unbefümmertem 3 nng=
tingsbrang 3 m Formel feiner 2 Beltanfd)auung
gelangte, fonbern auf bie ©oetfeemeife, patriar*
djaiifd) breit unb beutfchtümelnb. Drofebem,
rein unb gut mar alles, mas er fprad), unb 3 o=
feannes liefe fich fd)Iiefelid) baoon mitreifeen.
Sie einigten fich tiefer als je 3 uoor. £ange
ftanbert fie auf ber 23rüde, bie über bas SBefer
führte, unb laufd)ten, bie £>änbe auf bas ©e=
länber geftüfet, bem Traufen ber SBaffer.
5tarlmann fah ihren filbemen ©ifd)t, ihr
nimmermübes kommen unb Stür 3 en, unb
ein munberooller 9tupsbael erfchien ihm bie
£anbfd)aft, bas 3 Infetal mit feinen grüngrauen
23aummipfeln unb bem bemölften Sturm=
himmel. 2Bas ihm immer mieber gefdfah, er=
eignete fid) and) h eu *e. ©r oergafe, bafe ber
3 reunb, mit bem er eine innige ©emeinfdhaft
gef unb en, nur hörte, nur ahnte. Doni, bie
eben mit ©oa bie 23rüde betrat, hatte in ©rer
Hnmittelbarfeit fogar bas Knglüd, aus 3 urufen:
„Se© hoch! Se© bod) blofe! 3ft bas nit
herrlich I" Sie merfte halb, mas fie getan, unb
bie 2Borte brannten ©r auf ber 3ange. Sie
fah, bafe ©oa blafe gemorben unb einen f©nellen,
j©euen 33tid auf Johannes marf. Do© biefer
ertannte felbft, mas 3 U oertuf©en mar, unb
rief: „ 3 © itinber — nun haben mir es enbli©
mal, mie mir es haben mollten!“ Da näherte
Doni fi© ©m raf©, f©ob ©ren Slrm in ben
feinen unb f©en!te ©m, f©einbar im S©er 3 ,
einen raf©en, liebeoollen ilufe. 3Son plöfeli©er
©iferfu©t bemegt fah ©oa hin. Dann lä©elte
fie— fie ertannte Dränen in Donis klugen.
5lrm in 5lrm gingen fie meiter. £tm 3 lafe=
ufer, unterhalb ^Rottnings, lagerten fie. Der
3lbenb mar getommen. Über bem Dorfe, bas
auf einem $öhen 3 uge lag unb in f©drfer 1 Sil=
houette fi© 00 m £>immel abhob, führte ber
Sonnenuntergang ein feltfames ^arbenfpiel
auf. ©ine brennenbe 3BoItenburg mar 3 U fehen,
unb ©iganten riffen £luabern los, um fie in
bie golbene Diefe 3 U ftür 3 en. Jlarlmann gab
biefe Deutung, unb ©oa nidte. 3^ öem
£iftoriter ftedte oiellei©t ein Di©ter. Db feine
englif©en ©ef©i©tsftubien ni©t eitel mären
oor gröfeeren Aufgaben? 3 c©annes füllte ein=
mal ein emftes SBort mit ©m reben unb ©n
ni©t in feiner trodenen Sammelmut iaffen.
5lber S5orfi©t mar geboten — bas f©nelle
Selbftbemufetfein eines Coming er brau©te
nur ein hohes 3 tet 3 a fehen, unb es ging bur©.
Sie tarnen na© itarlmanns TOrten jeben=
falls in eine feltfame Draumftimmung, bie
Doni plöfeli© mit ben SBorfen 3 errife: „5tinber,
habt ©r au© foI©en junger?"
Da Ia©ten alle, unb ein Hmf©mung ge=
fdjal). Siarlmamt tourbe übermütig, ©r liefe
fi© mit Doni auf einen berben, luftigen Disput
ein, bas mitgebradjte ^Ibcrtbeffen mürbe aus=
gepadt, bie erfte 2BeinfIgf©e enttortt, unb nun
gab es ein rechtes ©elage. S©er* 3 morte flogen
auf, befonbers Dom hatte einen guten 2lbenb.
itarlmann 3 itierte 2Bi©eIm ©uf©, blieb aber
oor einer Kräftigen Pointe fteden. Darüb er
ma©te fi© 3 ohännes, ber bie ^ortfefeung
191L^r.42
tannte, mit gutmütigem Spott luftig, unter*
f©äfete aber ftarlmanns ©mpfinbli©teit, menn
es fi© um eine geiftige £eiftung oor grauen
©anbelte. 3 ^sgeheim legte fi© idarlmann auf
bie £auer, um fi© an bem fetter 3 U rä©en.
Da er aber, 00 m 2Bein erhifet, ni©t mehr ohne
£eibenf©aft mar, oerliefe ©n bie ©ra 3 ie. Doni,
mie immer, halb mit einem S©mips gefegnet,
molite beftänbig, bafe 5tarlmann bie gan 3 e
£anbf©aft oor fi© hatte. Da er abgemanbt
im ©rafe lag unb ©oa betra©tete, bie etmas
höher als er an eine 2 Beibe gelehnt fafe, rief
fie ©m 3 U: „5lber bu fiehft ja gar nir, itarl*
mann! Du haft ja gar leine £tusfi©t
„Do© l"'rief er 3 urüd. „Die allerf©önfte
„2Bas benn? Die ©oa?! Du,, i© merb ;
nit eiferfü©tig
„3© bin au© leine S eh ensmürbigteit,"
fagte ©oa unb f©ob ben 9lodfaum über ©re
3 üfee. 3oh anrt e s ho^©te auf.
„Do©, bo©, i© finb' es, liebe ©oufine!“
frähte itarlmaun. „3© finb' es! Dut mir leib!
3 © bin mal fo!"
„Dubiftmalfo?" mieberholte3ohannesleife.
„3amohh oerehrtefter Dolftoi! 3 © ©alt's
mit SSater ©oe©e! £lammernbe Organe!
Karbon! 21© (Sott, ber 2Bein!"
S^iemanb Ia©te mehr, unb alle f©miegen.
51arlmann mürbe in biefer Minute oerurteilt.
Doni aber, beren £iebesinftintt bies fofort
empfanb, mar mit einem S©lage nü©tern.
©rft mailte ©r 3 orn auf, halb über bie anbem,
halb über üarlmamt — fie mufete ni©t, ob fie
©n oerteibigen ober ab!an 3 eln füllte. Dann
aber fah fie, bafe ©oa 3 U 3 ohannes getreten
mar unb fi© neben ©m nieberliefe. ©in Ulbfeits
lam plöfeli© 3 toif©en bas blaffe, ernfte ^$aar
unb fie. SBortlos mürbe ausgefpro©en: 3 h*
feib bes blinben 3*^unbes ni©t mert. Da
|©lu© 3 te Doni auf unb rannte baoon. 5tarl*
mann folgte ©r in hö©fter 23eftür3ung. ©r
holte fie erft auf ber £anbftrafee ein Unb oer*
fu©te fie bort mit gröfeter TOhe ,gu beruhigen.
Sie marf ©m leibenf©aftli© oor, mas fie, Doni
DränKe, begriffen hatte, unb er, ilarlmann 9t 0 =
minger, no© immer ni©t oerftanb. ©r f©mieg
3 u ©rem 93ormurf. 2Iber fie fah es ©m an,
bafe bie eble Seite feines SBefens Oberfeanb ge=
mann unb ©n reueooll 3 ur SSerföfenung trieb.
23efpro©en mürbe ber Vorfall ni©t mehr.
3 ohannes unb ©oa oerbargen ©re ©mpfinbung
unb fpra©en beim ^eimmeg mögli©ft harmlos
oon ber S©önheit bes 2lbenbs. Doni aber
brannte ©r 2lbirren 00 m eigentli©en Dfeema
im $er 3 en, fie ging bie Strafee na© 2lmmerfelb
einfam unb in eignen ©ebanten 3 urüd, mie
als TOb©en 3*lebri©sburger 2Bege. Sie
fühlte fi© oor einer feelif©en ©ntgleifung,
mie fie Rarlmann gef©efeen mar, fi©er, bo©
blieb fie im 3 *oeifeI, ob fie. fi© barüber freuen
ober grämen füllte. £iebe unb £>afe oertrug
©re Seele, menn es fi© um ben geliebten
TOnn h^nbelte, in jebem TOfee, nur leine
©eringf©äfeung. Unb fo gef ©ah es, bafe fie
ber fühlbaren 9teferoe ber 9lollfinls re©t gab
unb ©nen 3 uglei© grollte. So trieb es fie,
bem f©meigfamen ftarlmann mie ein grobes
Sauemmäbel bie 2 Bahrheit 3 U fagen unb ©n
3 uglei© gegen jebe Verurteilung in S©ufe 3 U
nehmen, ©s mar eine f©mere Stunbe für
Doni, fie litt ben itampf um bie $reunbf©aft
am tiefften. ©tmas ruhiger mürbe fie, als ©oa
beim 2 lbf©ieb mieber gaft 3 bie alte mar unb
fie mit einem Stufe unter bem fternllaren $Ra©t=
himmel allein liefe.
Stlementine blieb ben Sommer über in
3riebri©sburg. ■ Sie hatte grofee Dinge oor,
unb bie 5 torrefppnben 3 , bie fie. führte, lofiete
fie mehr, als fie babur© gemann. Sie molite
bas $aus in ber Vertaftrafee teuer oerlaufen,
aber fie mufete es f©liefeli© für bie Hälfte her*
geben, benn ber eigentli©e 9tefleltant tarn
ni©t. ©s galt, ben lünftlerif©en Vadjlafe bes
oerftorbenen Vteifters 3 U oermerten, fie hatte
fi© S©äfee baoon oerfpro©en unb mufete nun
einfel)en, bafe bas 3 atereffe ber 5tunf©änbler
über eine pietätoolle £olaIausfteIlung in
1911. 9lr. 42
ttber ßartb unb 9Jleer
1099
griebridßsburg ntd)t hinausging. ^ufttnus So=
mingers Silber batten in ber mobemen 2 BeIt
leinen Kaufpreis. Da Klementine nid)t 3 U
beftimmen mar f if)re ^orberungen herabgu=
feßen, ergab fidO halb bie Situation, baß bie
oerehrungsoollen ^anbelsleute abreiften unb
ü)r ben Sd)aß überließen, fo baß fie oon be=
malter £einmanb umgeben mar. Sie hätte
für ^nftinus' £ebensmerl ein ganges $aus ge=
braucht unb oerteilte bie Stehrgaßl ber 23il=
ber besbalb unter ihre Kinber, überzeugt, baß
fie in 23 erlin, $Sünd)en unb Dresben nur
innige $reube bamit erregen mürbe.
Dresben lebte ^btttpp, ber ©rnft bes £ebens
batte bas mit fid) gebracht. (Sr batte in bem
Sd)ad)fpiel, bas ihm bie SBerbung um £ottd)en
$ifcf) mar, einen unoorfidftigen 3 ng getan.
Sad) bem Dobe feines Saters batte er burd)
ben Reichtum feiner 3 nlünftigen mit einem
Schlage ein felbftänbiger Staun fein mollen
unb in etmas lünftlid)er £eibenfd)aft bem er=
fd)rodenen Stäbd)en feine £iebe geftanben.
£ott(ben mar 3 U ^apa unb Stama^gelaufen,
bie böflid), aber beftimmt erllärten, baß fie
bei aller $reunbfd)aft für Philipp Sominger
ißn nicht als Schmiegerfoßn auserfeben hätten.
So mar es bamit nichts. Ohne Seruf tonnte
Philipp Tticf)t leben, bie golbene griebrid)s=
burger 3ugenb mar oorüber. (Sr mußte aud)
enblid) ber SJlutter, follte ihre 3 ärtlid)leit fid)
nicht in heftigen 3 orn oermanbeln, irgenbeinen
Semeis feiner männlichen Kraft geben. (Selb
oerbienen — bas fdfmebte ihm feljr appetitlich
oor. Satürlid) nicht unter fecßstaufenb SOlarf
im 3 ahr. ®r mußte fid), ba man fid) feit»
famermeife auch hier nicht um ihn riß, unb
bie Sebeutung, Philipp Sominger 3 U gemimten,
nicht jebem Deutfchen fofort tlar mar, 3 U einem
Stonatsgeßalt oon hnnbertunbfünfgig Start
entfdjtießen. Suf Klementines bringenbe
Sitten nahm ihn ein Kunftßänbler in Dresben,
ber mit bem oerftorbenen Sater befreunbet ge=
mefen, als S erlauf er an — als S erlauf er unb
als liinftlerifd)en Seirat, mie Philipp betonte.
Die fieberhaft tätige Klementine brauchte
immer ein großes £ebensprogramm. Sie faß
ein allgu großes oor fid). S3ie König £ear oer=
teilte fie ihr Seid) unb mollte ihre Kinber be=
fucßen, jebes in feinem Sefiß, ben es ihr oer=
banlte. Die §errfd)füd)tige beging ben alten
fehler — fie entäußerte fich th^^r Krone unb
glaubte, baß ihr bie Stacht burd) ben Samen
blieb. Sls fie nad) achtgehn fahren bas £aus
in ber Sertaftraße oerließ, übertünchte fie
felbft bas traurige Sbfd)iebsgefühl. 2 teßt
follten frembe Stenfd)en barin mot)nen, aber
in menigen Stehen mußte es ihr ein leichtes
fein, bas Serlaufte gurüdgulaufen unb ben
Hfurpator an bie £uft 3 U feßen. Droßbem regte
fid) halb ein unheimlicher (Sram in ihrer Sruft.
Sie mürbe, mas fie nie gemefen, feßr empfinb*
lief) unb glaubte fid) oon ihren Selannten
nicht mie früher refpeltiert. Die alloerehrte
SSirtin, bie Ieudjtenbe ©lüdlid)mad)erin mar
Klementine nid)t mehr, in ihrem feßmargen
Drauerlleib, mit ben oermeinten Sugen. Stit=
leib fürchtete fie mie bie ^eft, namentlich bas
ber $riebrid)sburger. Da lauerte jeber nur,
mie er burd) ben Serluft bes anbem in ber
„Sanglifte" höher laut. 3eber, oon bem man
nichts mehr „hatte", faul in ben Slltagsfluß
hinab. Stit harten, f a ft feinbfeligen 3ügen
ging Klementine burch bie Straßen. Steifter
5>uftinus — feine gange „Stellung" in orrieb=
rießsburg feßrumpfte barauf gufammen, baß bie
SSitme eine ^ßenfion erhielt. (Sr mar ja nur
ein ftaatlicßer Scßulmeifter gemefen, unb bie
Slabemiler belamen einen neuen Direltor.
insgeheim fühlte fie, es mußte fo fein, aber
fie mollte es fich nicht eingefteßen — niemals.
Sur bas Stadjtgefüßl nicht oertieren! Sur
nicht oom £eben mitgefd)leppt merben, lraft=
los, alt, ein unnüßes Stöbel — aufrecht in ber
Serrfcßaft bleiben, bas mollte fie. Sicht in
§riebrid)sburg. §ier oernarbte bie SBunbe
nicht, bie fie leinem Stenfcßen auf ber 2BeIt
geigte, aud) ihren Kinbern nicht. Sßer burfte
fie als S3itme mit einem Slltagsmaße meffen?
2Ber h^tte fie rid)tig beurteilt, als ^uftinus am
£eben mar? Sie hätte ihre Drauertleiber am
üebften oom £eibe geriffen, um in ber mähren
Drauer frei gu fein. Das 2Beib in ihr, bas
immer nod) junge, finnlicße 2 Beib, bas gemalt=
fam eingefd)läfert morben oon nichtigen Sorgen
um frembe, nichtiger £iebe für ^embe.
Sie hatte einft einen Künftler geliebt. 3 u ftinus
hatte ihre £iebe gefürchtet mie fie bie feine.
Sie flohen ooreinanber unb nannten es bod)
ein 3 ufammenleben. Sie gemannen fie fid)
als Stenfcßen 3 urüd. Sor ihren Kinbern unb
oor ber 2BeIt nid)t. Dennod) galten fie für
glüdlid), bennoch ließen fie fid) gern in banl=
baren Seben als ©lüdlicße feiern. (Säfte, (Säfte
jeben Dag — nur bei fid) felber maren fie nie
gu (Saft. 3uftinus hatte feine Kunft gehabt —
Klementine haßte biefe Kunft. Diefe ftrenge,
hochmütige (Sottheit, bie ihm nur $ernfein oom
-SSeibe bebeutet hatte, fo mie er gefchaffen
hatte, mie ^uftinus Künftler gemefen mar.
Dod) feltfam — er fehlte ihr jebe Stunbe.
Sie fühlte bunlel, baß fie in bie 3rre ging,
feitbem er nid)t mehr ba mar. Serfäumnis,
SSerfäumnis tönte es mie eine maßnenbe Klage
um fie her- Sie mollte nod) einmal gang 3 U fich
felbft 3 urüdlehren, bie Stenfcßen oeraeßten,
bas £eben aufs neue liebgeminnen. Sie mar
jeßt oierunbfünfgig paßte. 3 roangig 3 aßre
lonnte fie noch üor fid) haben — es follte bie
3eit ber Seife unb bes einfamen Sieges merben.
Dies beibes erfehnte fid) Klementines töricht
junges Demperament. pm §erbft oerließ fie
$riebrid)sburg unb reifte mit ihrer gangen $abe
nach ^Berlin. (gortfeßung folgt)
Kinberlrippe. Sach einem ©emälbe oon 9S. £inbe = 2Balther
beforgte Sdjmiebearbeiten. 3u allen §anbmerten,
bie im Dorf gebraud)t mürben, oerfud)te er fid)
mit oiel Gefd)id; am liebften aber machte er feine
Möbelftüde aus §013 unb „primitio=architettonifd)e,
mit Ornament gefd)müdte Sachen. Gr tjatte es
nirgenbs gelernt, unb barum nannten it>n bie
Säuern einen 3auberer," er 3 äf)lt Meftrooic. 9tudj
bie feltene Kunft bes Befens unb Schreibens
batte er fid) irgenbroie angeeignet unb unterrichtete
ben Sohn barin, beim Schulen gab es nid)t unb
gibt es aud) beute nicht im balmatinifd)en Gebirge.
Der arme Arbeiter ahnte nicht, baf 3 er bamit feinem
Kinbe ben 3ugang 3 U einer Melt tiefer, unoergeh=
lieber Ginbrüde erfdjlofc, 3 U Grlebniffen, bie formenb
unb geftaltenb auf bie toad)en Sinne roirtten unb
für bie Gntroidlung bes jungen 3 ü mt Meftrooic
oon nad)baltigem Ginfluh roaren: an ben langen
Minterabenben las nun ber Knabe feinem ©roh 5
oater aus ben alten ferbifd)en §elbenliebern oor,
bie bamals 3 um erftenmal feine ^hantafie er=
regten unb benen er beute bie Motioe 3 U mancher
feiner Stulpturen oerbantt. Die fremben ©ebid)te
regten toobl aub 3 U eigner ^Srobuttion, unb fo
improoifierte ber 3unge mitunter fleine Bieber,
in benen Greigniffe ber engften Dorfumgebung
perfifliert roaren.
9tud) bie Steigung 3 U ornamentierter § 013 =
arbeit übernahm er oom Nater. Mit neun 3<*hren
fdjon fertigte er oerfd)iebene Gegenftänbe, bie
mit allerlei geometrifdjen Figuren unb artberm
Sd)mud oer 3 iert roaren, unb begann aub halb
Sbafe, 3iegen unb ^ferbe in §013 3 U fbniben.
9lber nur, roenn bie gelbarbeit oorbei mar, blieb
3eitfürberlei93efbäftigung, benn gleid) ben anbern
muhte aud) ber Sohn orbentlib mitfbaffen. 3m
engen Kreis muhte man mobl oon ben Nerfud)en
bes Knaben, aber es tümmerte fib teiner barum,
bis eines Dages ber Pfarrer oon bem 3 mölf=
jährigen einen Kru 3 ifteus oerlangte. Mit greuben
ging ber fo geehrte Dorftiinftler an bie Arbeit,
begann ein paarmal bie gigur in §013 3 U fbnihen,
aber immer mieber brad)en bie ausgebreiteten
9lrme bes ©etreu 3 igten ab. Da tarn Meftrooic
auf ben Gebauten, es mit einem anbern Material
3 U oerfud)en, bie gigur in Spedftein 3 U fdjneiben.
Gs gelang — unb ber Knabe, ber bis jetjt ben
nteiften als fpielenber Xaugenid)ts erfdjienen mar,
arbeitete ooit ba an fleihig, ermuntert burd) bas
Bob bes Pfarrers, an oerfdjiebenen Spedfteim
figuren, unb mancher angefehene Mann bes Dorfs
nahm bantbar bie tleinen Kunftmerte an, bie ber
Nater gern feinen greunben 3 eigte unb fdhentte.
9lls Meftrooic oiersehn 3^hre alt gemorben
mar, tarn ein Offner ber ©ar=
- nifon Sebenico in bie ©egenb,
fah bie Arbeiten bes Knaben
unb begann fid) für ihn 3 U inter=
effieren. Gr leitete eine Samtm
lung ein, bie über 200 Kronen
ergab, unb mit biefem ©elb
. mürbe 3 ®an 31 t einem Steinmetz
B meifter in Spalato in bie Behre
getan. 9tn eine mirtlid) fünfte
Ierifd)e 9tusbilbung bad)te ba=
Bi ntals mohl noch niemanb, unb
bas mar and) gan 3 gut, benn fo
ermarb ber junge Silbbauer oor
allem eine gebiegene t)aubmert=
K^r Iid)e Xüdjtigteit, bie ihm fpäter
^ gemih oon Norteil gemefen ift.
Die Summe, mit ber Meftrooic
nad) Spalato getommen mar,
fd)mol 3 halb 3 ufammen, aber ber
Meifter oerfprad), ben fleihigcn
Behrling bei freier Koft unb
Mohnung 3 U behalten, meil er
ihn gut braud)en, ihm £)rna=
mente unb giguren für Mar=
moraltäre halb gan 3 iiberlaffen
tonnte. Unb bie Meifterin gab
AB bem I)eranmad)fenben Künftler
Unterricht im 3eid)nen.
gubeffen hatte ber Offner
feinen Sd)üt}ling nid)t oergeffen
unb machte gelegentlich einen
reichen Miener Kunftfreunb auf
ihn aufmertfam. So tarn Me=
ftrooic mit fünf 3 ehn 3 ahren,
ohne je eine orbentlidje Sd)ul=
bilbung genoffen 3 U haben unb
ohne ein Mort Deutfdj 311 oer=
ftehen, nach SBien. Gs mar
nid)t leicht, einen Behrer für
ihn ausfinbig 3 U machen. Die
S elten hat mid) eine tunfttritifdjeAufgabe mehr
ange 3 ogen, fd)ien mir bie Mittlerrolle 3 mifd)en
Künftler unb Nublitum bantbarer unb mertooller
als beute, mo id) oon ben Merten eines jungen
Silbhauers fpredjen mill, ben id) nid)t für ein
ausgereiftes Dalent halte, mohl aber für eine ber
ftärtften ^ßerfönlid)teiten in ber jungen Künftler=
generation £>fterreid)s, für eine fehr bead)tensmerte
3nbioibualität im ©efamtbilb ber Kunft unfrer
3eit: oon ben Arbeiten bes Dalmatiners 3oan
M e ft r 0 0 i ö. Gine ©efamtausftellung in ben
Räumen ber Miener Se 3 effion, bie fchon feit
gahren ein 3 elne feiner Merte ge 3 eigt hatte, gab
im grül)jal)r 1910 3 um erftenmal Gelegenheit,
bas eigenartige Sd)affen biefes taum fiebenunb=
3 man 3 igjährigen ^laftiters 3 U überfhauen. 3 mei
mertmürbige Stulpturen, ein riefiger „i?jelben=
topf" unb ber — baneben mirtlid) grotest mirtenbe
— topflofe Dorfo eines oormärtsftürmenben
athletifdhen £jeros, ftanben modjenlang auf bem
Stufenoorbau oon Olbridjs Kunftpaoillon auf
bem „Nafchmartt" unb haben ba bie brauen Spieler
geärgert unb 3 U billigen Sd)er 3 en gerei 3 t, aber
aud) jeben, ber für tünftlerifd)e Qualitäten nid)t
blinb mar, unmiberftehli<h ange 3 ogen. Denn mas
ba faft aufbringlid) in ben Straf 3 enlärm bes 9111=
tags l)ineinfd)rie, fd)ien bod) auf ben erften 93Iid
gleich mehr als ein abftrufer Künftlereinf all: in
biefen 3 toei fo fonberbarett Nilbmerten offenbarte
fid) nicht nur eine gan 3 auherorbentliehe anatomifd)e
Meifterfchaft — ber 9lusbrud eines fd)mer ge=
bänbigten Mollens, ein h^ifees Gingen mar in
ihnen; aus ben hetoifdhen gormen fpradE) eine
heroifdje Seele.
So maren aud) faft alle bie SBerte, bie brinnen
ben §auptfaal beherrfdhten: granbios in ber tünft=
lerifchen 9lbfid)t, oon hohem tedjnifd)em Vermögen
in ber 9lrbeit, unb gan 3 erfüllt oon Ieibenfd)aft=
Iid)em Gmpfinben. Drei ftarte Kräfte fd)ienen ba
unb bort auf bie Gntroidlung biefes Künftlers ein=
gemirtt 3 U haben: bie tlaffifdje Kunft mit Ginfd)luh
ber orientalifd)en Sölter, bie gormenmelt bes
Michelangelo unb bie Moberne, bie burd) bie
tarnen 9tobin, Beberer unb Mehner djaratterifiert
ift; freilich nicht fo, bah man oon Nachahmung ober
9tbl)ängigteit rebeit tonnte. 93on ben 9llten hat
Meftrooic gelernt, ben Mut 3 U gemagten Grperi=
menten empfangen, mit ben Mobernen oerbinbet
ihn oermanbtes Streben nad) einem neuen monu=
mentalen Stil. Gs mad)t ihm fid)tli<h greube,
hod)gefpannte Gnergien in geftrafften Sehnen
unb geballten Mustein bar 3 uftellen, bie reife
Sd)önheit eines oollentmidelten grauenleibes nad ) 5
3 ubüben. Man tann feine emi=
nente plaftifche ©eftaltungstraft
an bem Körper einer mübe htm
gefuntenen grau in ber Gruppe
ber Mitmen ober an ber fauern=
ben ebenfo bemunbern mie an
bem oormärtsftürmenben $eros.
Gin Motio tel)rte bei ben ba=
mals ausgeftellten 9lrbeiten öf=
ters mieber: ftarte Drehung bes
Kopfes gegen bie eine etmas
gehobene Schulter; 3 toeierIei er=
reid)t ber Künftler bamit: bie
träftige Betonung ber §als=
mustein unb eine pr ach to olle
rht)thmifd)e Binie, bie beim
^jaaranfat) an ber Stirn beginnt
unb in fd)öner gorm längs bes
Nüdens oerläuft.
Gin granbiofer Nhpthmus ift
otelleict)t überhaupt bas ftärtfte
Gl)aratteriftitum in ber Kunft
bes 3oan Meftrooic, ein Nl)pth 5
mus ber Binien unb gläd)en,
ein Nhptljmus ber Maffeit, ber
Bidjt= unb Sd)attenmirfungen;
unb mohl um biefes Nhptl)mus
millen läfjt ber Künftler manche
feiner Merte als Dorfi mirten,
bricht bie 9lrme, bie gü^e ber
giguren an irgenbeiner mohl 5
berechneten Stelle ab, um ein
gemiffes ©leid)gemid)t 3 U er=
3 ielen, manchmal auch, um ben
23lid in beftimmter Nid)tung
meiter 3 uführen ober eine ftörenbe
ltberfd)neibung 3 U oermeiben.
Gs fchien mir mertooll unb
intereffant, ben Künftler felbft
über feinen Meg, feine Gntmid=
lung 3 U befragen; bie Bebens=
(Äönig.ffialcrie in 2[gram)
Der Künftler meines Nolles
,Mario Kraljeoic", fünf Meter h°h e Neiterftatue bes fübflamifdjen Nationalheiben
1911 . 42
Über £anb urtb 9JIeer
1101
ftaatlid)en Snftalten mit ihren an
bestimmte Sufnabmebebingungen
gebunbenen £ebrplänen Ratten
feinen Paft für ein Oalent, bas
auf fo fonberbaren ÜBegen fid)
bisher entroidelt batte. Unb einen
allju teuren Silbftauer als Steifter
für Sieftrooic 311 gewinnen, fcf)ien
nad) ben oorbanbenen £eiftungen
bantals oielleicbt boeb ein al^u
großes Opfer. ©nblid) nahm
Otto itönig, Oirettor ber itunft-
gewerbefdpile, ben jungen Oal-
matiner als pioatfd)üIer an.
„Stiebt toegen meiner itenntniffe,“
fd)reibt9Jleftrooic, „fonbern toegen
meiner ©efd)id)te unb feines unb
feiner grau guten ^er^ens." 3 tf>ei-
mal in ber £Bod)e unb fpäter im=
nter öfter fam SDteftrooic 3 U ibm
unb lernte oon ibm „bas allererfte
Sehen unb 9tad)bilben“, fopierte
SSertc oerfd)iebener Sieifter unb
mobedierte bann auch fd)on halb
nad) ber Statur.
Sieben Slionate bauerte ber
unentgeltliche Unterricht, bann
feftte SJleftrooiö feine Suf nähme
in bie Slfabemie burd) unb
tourbe Schüler oon geinter,
Sitterlid) unb Oberbanrat Obmann. Oie fol-
genben oier Stubienjabre toaren erfüllt oon
dufteren unb inneren itämpfen: ber junge itünftler
oerlor bie materielle Hnterftüftung feines früheren
SJtägens unb muftte fid) burd) kopieren oon Silbern
ben nötigften Unterhalt ertoerben; gelegentliche
Suboentionen, bie ihm feine £ebrer oerfdjafften,
halfen notbürftig weiter, unb troft aller Sebrängnis
hielt ber Sorwärtsftreb enbe tapfer aus. £eid)t finb
biefe 3 <*b r e gewift nicht gewefen; benn fo bantbar
SPteftrooic bie mertfd)lid)e ©üte fühlen mod)te, mit
ber bie £ebrer ihm entgegenfanten, feine über-
ftrömenbe P>airtafie brängte il)n 311 anbern Suf-
gaben, als bie SHabemie billigen mochte, getoiffe
©egenfäfte in ben SInfd)auungen toaren unoermeib-
lid). ©s 30 g SJteftrooic 3 U ben jungen, bie gleich
ihm noch in Sturm unb Orang ftafen: früh fanb
er ben Slnfd)luft an bie SBiener „Se 3 effion“ unb
ftellte fchon als Stabemiter bort feine Arbeiten aus.
§ier tourbe einer ber görberer ber „Se 3 effion“,
Aarl SBittgenftein, auf ben jungen itünftler auf*
merffam. gm: ^ a t SPteftrooic feinen groften
Srumten „Sm Ouell bes £ebens“ gefd)affen unb
eine Steibe fleinerer ^Arbeiten ausgeführt. So
Slm „Srunnen bes £ebens“, 1905. (3m Sefift ber ©emeinbe Slgram)
tourbe es ihm möglid), toäbrenb ber
nädbften brei 3 ob*e in S fßaris, too
Siobin unb Sartbolomee fid) feiner
freunblid) amtal)men, gan 3 ben
eignen planen unb Arbeiten 3 U
leben. Oie SSerte, bie bort ent-
ftanben unb im oorigen 3 <£)*e in
2 Bien ausgeftellt toaren, fteben faft
alle in einem ibeellen 3 nfammen=
hang, ©s finb bie Stagmente eines
groft gebad)ten Siubmestempels,
ben ber itünftler ben gefallenen
irjelben feines Soltes errichten
roollte. Ob fie fid) je gan 3 3 ur
©inheit 3 ufammenfd)lieften wer-
ben? Snr Peftrooic' Slrt ift biefer
ungeheure pan eines Siefenbent-
mals d)arafteriftifd): in frühen
SBerten, toie in bem (oon ber
©emeinbe Stgram angetauften)
„Srunnen bes £ebens“, muftte
eine tünftlid) gefteigerte Sd)wie-
rigteit in Stellungen unb po-
blemen bie ©röfte ber Aufgabe er-
feften, bie ber itünftler brauchte,
um Sreube an ber Slrbeit 3 U finben:
er „tonnte“ ja toirtlid) fo unglaub*
lieh oielunb muftte fid) SBiihe geben,
um nicht fpielerifd) 3 U toerben in
feiner frühreifen plaftifd)en ©eftal-
tungstraft. Oie ungewöhnliche Starte feines Oalents
brauchte ungewöhnliche SBiberftänbe, um baran
waebfen 3 U tönnen. Sei bem „tfjelbentempel“ nun
war bie ©efamtanlagepbantafieooll genug als 3 bee,
um bie ©in 3 elftüde, bie bem groften ©an 3 en fid)
einfügen füllten, in reineren, monumentalen Ser-
bältniffen entfteben 3 U Iaffen. Oiefe Siguren
finb 3 eugniffe eines Sufftieges, ben man mit
Sreube unb Sertrauen auf bie SBeiterentwidlung
bes itünftlers ertennt. ©s wäre nur 311 wünfeben,
baft ein grofter Auftrag, ber alle feine iträfte an-
fpännte, halb bas reifen Iiefte, was SPteftrooic 311
geben tmftanbe ift. 3^ feinem Saterlanb, in
£)fterreid)=Hngarn, wirb bem itünftler biefer Auf¬
trag fo halb woI)I nicht 3 uteil werben. Oie traurig
oerftridten politifchen Serhältniffe ber äRonard)ie
haben ihn fd)on einmal um eine frohe Hoffnung
betrogen. Oas Hnterricbtsminifterium wollte
ooriges 3 ab* einige feiner Arbeiten für bie „Sto-
berne ©alerie“ antaufen. Sber im leftten Sugenblid
bat irgenbein Sureautrat berausgefunben, baft man
bas wegen ber „ferbifd)en popaganba“ nid)t tun
bürfte. Sielleid)t weift man aber anberwärts itunft
ohne politifd)e 9tüdfid)ten ein 3 ufchäften.
Oie SSitwe (Fragment) Oben: ber äJtaler SPtebuliC
Spftini
1911 (Sb. 106)
144
1102
Hb er £anö unb 501 eer
1911. 42
* Das Dunfle. ©ine Aooelle non Sophie £oed©tetter
ottor Aßatter ©onnlanb, eirt junger ©e=
lehrter, ber beauftragt mar, in ben Bäben
unb Antiquariaten um „Aaternofter Aom" nad)
alten ©ü©errt unb ©rftbruden ' 3 U fu©en, befanb
fidt) heute früher als fonft auf bem „fjeimmeg.
Ser Turmtorfo oon Aßefiminfter ftanb ge=
fpenftifdE) unb büfter über ben buntlen (Sebäuben.
.©onnlanb bad©e, roenn ©loden läuten mürben,
tarne oiellei©t etmas mie Vertrauen in fein
Aber biefes Tuntel hatte teine Stimme, ©s
Iaftete, mie etmas Totes auf uns laftet.
©r ba©te an feinen 3 reunb — einen erft in
©nglanb gemonnenen 3 reunb, ben er auf ber
©iblio©et fett neu gelernt, ©r hatte- na© ifjaufe
gemußt, meil er pflege brauchte. ©onnlanb
mar jung unb gefurtb. ma©te ber ©ebante
f©aubern, bah jemanb fterben tönne, mit bem
er fo gute, feine Stunben in ber falten, um
gel)euren Stabt gehabt, ©r bad)te nod) einmal,
menn bo© ©loden läuten mürben — ©loden,
bie mie ein oerfjeifeenber Auf ben quälenben Aebel
über ber Stabt —- bie quälenbe Atutlofigteit
feiner Seele bur©bre©en mürben —
Aber auf bem Turmtorfo oon Aßeftminfter
regte fi© ni©ts.
©onnlanb überf©ritt bie ©rüde. S©mar 3
lag unten bas Aßaff er — Bi©ter marfem gelbe
Rieden ©nein, arme, mie ertrunfene gelbe Rieden.
Unb Aßatter ©onnlanb errei©te feine Aßo©
nung, ein |jaus, ni©t fern bem JObelisf, in einer
©egenb, bie früher oornehm mar, unb in ber
je© fo 3 iaIe ©egenfä^e, bie .©ürger unb f©mam
tenbe, fragli©e ©riftengen bur©einanber gemif©t
mofmen. ©s mar eine beutf©e 3 übin, bie eine
Art oon ijßenfion in btefer ©egenb ©eit.
£>eute ging ©onnlanb in ben „Salon", Tee
gu trinfen. 3amefon fah ba, ein junger Te©niter.
©in blei©er,, f©mal aufgef©offener Atenf© oon
ni©t oiel über gmangig 3 atuen-
„Sie fehen f©Ie©t aus," fagte er gu ©onnlanb.
„31)nen befommt bas Rlirna nid©." ©s mar freunb=
li© gefagt, unb freunblid) fu© ber junge Atcnfd)
fort: „Aßollen mir einmal gufammen ausgehen?
©ummein gefm? Alan mu| bo© nid© nur ©ü©er
in Bonbon fu©en. Ober mögen Sie ni©t Amü=
fements? £aben Sie 3armuth f©on einmal
dangen fel)en?" . •
„Aein — mer ober mas ift benn 3 aiütu©?"
Ser ©nglänber la©te. ©r 30 g bie SAunbmintel
babei herab, unb fein junges © eft©t befam 3 ätt©en.
„kommen Sie benn nie ©er©r? 3armu©
moI)nt bo© im $aufe — bie bunfle fyrait — Sie
loiffen bod)?"
„Sie bunfle grau, bie fo böfe ausftel©?"
„©öfe? 3© me©.-nid©. Still ift fie meift.
3 © fe© fie feiten. 3 © ©Be gehört, fie foll in
ber Aa©t tangen. Ser Atann, ber man©mal
©er ift - - "
„Ser riefen©fte Atann mit ben Aaubtier=
gähnen?"
Ser ©nglänber iad©e auf. ,,©ut, mie Sie
mollen — bie beibert tangen. Sen Sang ber
Apa©eft. ©r ©i© £©bafpes, fie Qarntut© Aßie
fie in Aßirfli©feit I)ei©n, bas me© teiner, unb
t© mtll ntidj ©ten, gu fragen. Aber:oergei©n
Sie — i© muß no©mal meg. Auf Aßieberfe©n
na©©r." • . '' ; ;
Aad) einer 3 eit, bie er ni©t gefüllt hatte,
bemerfte ©onnlanb, bah er nid© allein geblieben
mar. .
3n einem Aßinfel, na© an ber geuerftelle,
fah bie bunfle 3 rau, oon ber ber junge 3 amefon
gefpro©en. ©r fab ©n, unb als fie plö©i© ben
©lid er!)ob unb in ben feinen fenfte, erf©raf er.
©rf©raf unb Iä©elte guglei© mit bem guten
Bä©ein eines fd)ulblofen $ergens.
„Rann i© 3f)nen etmas ©Ifen?" fagte er
impulfio. "i
S©mal unb fe© ©11 ftanb er neben ber
3 remben. '
Sie erhob bas bunfle ©efi©t langfam, mie
lauernb, bünfte il)n. Aber es mürbe ebler burd)
bie Hebung ber §alslinie.
3 ü ©onnlanbs ©rftaunen- antrbortete fie mit
bem Sonfall unb bem Afgent einer Same:
„3© bitte, mie meinen Sie bas? Aßollen
Sie mir See beforgen? Sas Bi©t nä©r rüden?"
©r marb bemubi ©r oerbarg feine Iei©te
©eriegenbeit nun hinter einem gemollten Bä©eln.
,'9BeiI“ i© felbft ©er fremb bin, hatte i© mohl
alle Alenfdfen für fremb."
: 3n biefem Augertblid boote man S©ritte auf
bem 3inr — bie Sür mürbe aufgefto©n — ein
Strom oon Rälte fam ins 3intmer mit bem
©intretenben, in bem ©onnlanb jenen erfannte,
ber $pbqfpes he.i©n follte. Ser Aiann mit ber
3arbe einer anbern Aaffe rief ber 3rau etmas
gu — es flärtg hart unb ärgerii©.
Sie ftanb auf, ©r ©lid mieb ©onnlanb, fie
fagte füll guten Abenb unb oerlieh mit iogbafpes
bas $aus.
©onnlanb mar ni©t meiter erftaunt, als faft
glei© barauf ber junge 3amefon mieber eintrat
unb fragte:
„Aßas ift es, mollen mir 3armu© tangen fehen
gehn?"
Aßalter ©onnlanb fanb es unbegreifltd), bah
bie 3rau mit bem toten ©lid unb bem f©euen
ffiefi©t irgenbmo tangen follte. Senn unter Sang
oerftanb er Bei©tigfeit unb fro©s Spiel. . ©r
moilte fie . nun mirfli© fehen, oiellei©! um fi©
oon bem erften ©inbrud gu befreien.
©s mar ein Spegialitätent©ater, in bas ber
junge 3amefon ©onnlanb bra©te. ©lobe ©ro=
testen, traurig banale S©erge gogen oorbei, be=
johlt unb bela©t oon ben (5emofmheitsgängern bes
Sheaters. ©nbli© fam ber Sang ber Apad)eit.
Sie 3armutf) ftanb in einem armfeligen RIeib
in einer ©de ber ©ühne — ein menig gebudt
ftanb fie, ängftli© unb bo© lauernb — unb fah
na© irjgbafpes hinüber.
Aßas ift bies, ba©te Aßalter ©onnlanb —
bies ift fein Sang, bies ift ja -Qual. Ser Apa©e
näherte fi© ber 3rau — fie fam auf i©t gu mie
gegmungeit er hotte gum S©Iag na© ©r aus
— fie budte fi© —— er rih fie an fi©. Sie fah
©n oergmeifeit an — ba fam etmas mie Aßei©=
heit in bas ©efi©t bes Aiefen — er ftrei©eite
©r ©efi©t — mährenb fie in einem leiferen
Ahp©mus tangten. ©r marf fie ho© — hob fie
mieber auf — unb nun hingen bie ©lide ber 3rau
mit feltfamem Aßollen an bem Apa©en. ©onn=
lanb f©Ioh einen Atoment bie Augen. Sie 3or=
mein bes Sanges, oon einer einbrudsoollen Aiufif
begleitet, gingen meiter. Alles mürbe mie unter
einem Reu©en ©erhaltener Singe — unter bem
3roang einer Biual, bie bo© mieber erfehnt f©ien—
Httb enbli© mar ein Atoment — ba ftanb
fie füll unb fah auf ben Apa©en — fah mit einem
Ausbrud auf ©n, in bem alles oergm eifette Aßiffen
bes Aßeibes lag, mit Augen, bie bas 3ür©terli©fte,
für bas mir nid© Aßorte finben, gefehen hoBen
mühten — mit gramerftarrten ttntermettsaugen,
für bie es fein ©ef©ehms mehr gibt, bas ni©t in
Beib unb ©raufamfeit ertrunfen ift. — Unb für
einen Augenblid— einen ftummen, bemegungs=
lofen Augenblid, fam ein Bä©ein, unerträgli©
überlegen unb unerträgli© f©mergooll —
Ser Apa©e ergriff bie 3rau um bie lüften
unb f©leuberte fie über ben Aaum in eine ©de —
Sort lag fie — mie tot — oerni©tet, aus=
gelöf©t — ber ©orhang fiel-
Unruhig ging Aßalter ©onnlanb bur© ben
Sag. ©r muhte bie Apa©enfrau fpre©en. Aßarum
— bas mußte er ni©t. ©in 3 *oang o^ar in ©m.
©ine rätfeloolle Unraft, ©r fah am Abenb mieber
in bem Seegimmer - fie fam ni©t. - Srei Sage
fam fie ni©t. ©r magte ni©t na© ©r gu. fragen.
Aßalter ©onnlanb ging bur© bie Bäben unb
©emölbe ber ©u©hänbler in Aaternofter Aom —
f©rieb an ben franfen gdeunb in bemnor©umber=
Iänbif©en Sorf an ber römif©en Atauer.
Uber allem aber ftanb mie ein fteiler Stein,
unabmenbbar, aufreigenb unb rätfe©aft bas Bä© ein
ber Apa©enfrau.
©r traf fie mieber — in bem Seegimmer mie
bamals.
Sie bunfle 3mti fam ins 3i^orer hemn.
Sie mar na© ber Aiobe .bes Sag.es gefleibet, fie
fiel© europäif© aus, ba©te ©onnlanb, unb muhte
babei ni©t, in mel©en Aßeltteil feine ©ebanfen
ben Urfprung ©rer ©rifteng gelegt hatten. Raum
ein flüchtiges ©tmas erinnerte an bie Apa©en=
„frau, erinnerte an bie Sängerin aus einem häf©
Ii©en Sheater. ,
Sie famen in ein .©efprä©. ©r führte es
me©anif© — benn er muhte immer benfen unb
rätfeln, mas es um 3atoiu© roar. Aßoher fam
fie? Sie oerftanb Seutf©, beffer als er ©nglif©.
Sie fpra© Seutfd) mit ihm.
©s märe ni©t unfein gemefen, fie gu fragen,
benn au© fie hotte ©n gefragt, mo er gu B>aufe
mar, unb mas er in Bonbon täte. *
Aber er formte es nid)t, trohbem ©n feit
jenem Abenb, ba er fie tangen gefehen hatte, bie
©ebanfen an fte oerfolgten -r- in einer quälenben
unb aufregenben Aßeife.
©r fah in bas bunfle ©efid)t ber 3 armu©.
Sa Iä©elte fie — gang Ieife, fanft unb mie
gärtlid) lädjelte fte. ,
„Aßarum mollten Sie mir neuli© ©elfen?"
fragte fte.
©r errötete, ©r fanb ni©t foglei© Aßorte,
©nbli© fagte er: „Sie f©ienen mir fo traurig."
Sie 3nru ma©te eine ©eberbe. Sie mar
hilflos unb f©eu.
„Aßas ift 3©ten?" fragte Aßalter ©onnlanb
mit jähem 3Trtpufe unb nahm ©re Bjanb. „Spre=
©en Sie bo© — ift etmas, bas Sie bebrüdt —
fönnen Sie es nid© jagen —"
Sa merfte er plöhli©, bah bie $dou meinte.
Unb. er beugte fi© über fie — fein helles ©efi©t
mar bem ©ren nahe — einen Augenblid — unb
er fühlte, mie fie gufammengudte.
Sa ftanb 3ormu© auf unb ging.
Aßalter ©onnlanb blieb gurüd, ©r hörte, bah
bie 3ormu© na© einer fleinen Aßeile bie ©tage
oerlieh-
©r befann fi© unb ba©te, höbe i© irgenb
etmas gefagt ober getan, mas fie oerleben muhte?
Aßalter ©onnlanb fah fi© felbft plötjlid) auf
ber Strahe. Aßalter ©onnlanb lief in ber Ai©tung
ber Aßeftminfterbrüde gu. ©r hotte bas ©efühl,
bor©in müffe bie 3 ormu© gegangen fein, ©s
mar f©on füll in btefer ©egenb — unb bie er
fu©te, fanb er ni©t.
Sa ging er am linlen Shemfeufer ©uunter
na© ©aurhalbAoab.
Sas Aßaffer lag buntel in ber Siefe. Sie
Sunte©eit fiel oom Fimmel h^unter.
Unb bo© mar fie ni©t eine oöllige, beim man
tonnte no© Singe in ber Sunte©eit fehen. Unb
enbli© fah Aßalter ©onnlanb ben Umrih einer
©eftalt. ©r feufgtelunb mar-bo© befreit.
©r mar bei ber fremben~grau — er fühlte
©re talte Bjanb auf einem ©ifengitter.
„Ai©t," fagte er — „o ni©t.“
„Baffen Sie mi©—" antmprtete 3ormu©.
©r muhte, mas fie hier gemollt. ©r muhte,
fie fühlte, bah er ©re Abfi©t ahnte. •
„Ai©t," fagte er no© einmal — „ni©t — mir
müffen miteinanber fpre©en."
©r muhte mohh menn man einen Atenf©en
3 urüd©oIt — gurüdholt in ein Beben, bas fo
ni©tig ober fo oon franter Aot unb Unerträg=
Ii©em erfüllt mar, bah man es nid© mehr ertrug,
fo f©ulbet man biefem Aienf©en oiel.
Senn burfte man fein Aßollen bur©treugen
unb feinen Sinn beirren, menn man ©m ni©t
eine grohe ©erheihung gu bringen hätte?
So fühlte Aßalter ©onnlanb — als er bie
frembe 3^au aus ber Sunte©eit ©res ©ntf©Iuffes
unb ber Sunte©eit ber Aa©t mit fi© gurüdnahm.
Sie fahen gufammen. ©r fragte ni©ts. ©r
ftreid)elte leife ©re §änbe.
Unb ba begann fie gu fpre©en.
Als fprä©e fie ins Beere, begann fie gu reben:
©ef©i©ten aus ber Sunfe©eit eines trüben
Aßeges —©ef©i©ten, faft ünbegreifli© auf bem
hintergmitb einer anbern, glüdli©en 3 ugenb.
©ef©i©ten, mie fie 3 muen erleben, bie mit
einem heih m Temperament unb ohne Rraft 311
einem 3BeaI ins Beben fi© merfen Iaffen.
Aßalter ©onnlanb mar erf©üttert. ©r tonnte
ni©ts fagen, er ftrei©elte nur , bie £>änbe ber
Apa©enfrau. ©r ba©te, niemanb foll ©r mehr
etmas tun, niemanb foll fie quälen.
„heraus — menn man ba nod) heraus tönnte,"
fagte enbli© bie Apa©enfrau.
Aßalter ©onnlanbs B»erg muhte no© ni©ts oon
ber für©terli©en Tagesmahrheit mand)er Singe.
©r fühlte bas, mas bie Stunbe ber 3armu©
jefet gab, als ©r le^tes ©efihtum. Unb ihm mar,
als märe ©m Baft unb ©ertrauen eines anbern
Bebens gegeben.
„Rannft bu nid© fort oon biefem Atanne?“
fagte er, ohne ©ebanten ben oertrauten Ton
9*f)eingolt>. 9?act> einem ©emälbe »cn ©ruft Äarbt
1104
Hbet £artb unb Sflleer
1911. 91x. 42
feiner Spradje gebrauefeenb, niefet anbers, als
wäre ein Kinb ober eine Sdjwefter neben ifem.
„3dfe will es wofel!“ antwortete fie.
„Dann wirft bu mit mir in meine Heimat
gefeen,“ fagte füll BSalter Bonnlanb.
*
BSie lange blieb es fo? 3^ten oerrinnen oft,
ofene bafe man fie mifet. ein verfallenes ©efefeid
fällt manchmal nodfe £idjt, wie ber Btonb feingefet
über ausgebrannte Blauem unb fie fcfeöner madjt
als ber Dag, ber ifere Berwüftung geigt.
„3<fe feDle ifere Seele aus ber Diefe,“ baefete
BSalter Sonnlaub. Denn er war fet)r iung unb
oon feiner 5trt —
ßines Bbenbs lam fie oom Dang — BSalter
fafe nodfe auf. Sie ftanb hinter feinem Stufei
unb ftreidjelte fein 5jaar. etwas Sdjeues lag
in ber Berüfermtg — etwas Sdjeues oon ifer. —
er füllte es anbers, er ftanb jählings auf -y*
unb fafe fie an.
Hnb ba lag wieber auf ifer ein ©efidjt jenes
£äefeeln, bas ifem bas £erg gerrife, jenes unerträg=
lidj überlegene £äd)eln auf bem Hrgrunb ber oer*
gweifeltften Drauer. Hub plöfeüefe wufete ber
Btann, bafe er Sdjulb unb Sdjidfal, ja oielleidjt
entfeigen unb ©rauen niefet mefer aefeten würbe —
weil er liebte. BSeil er biefe büftere ©eftalt mit
ben wiffenben irjänben unb ber bunllen Stimme
unb bem fefemergfeaften £äcfeeln liebte.
Unb wie ein 3etbrodjener flüchtete er in bie
Brrne ber $remben —-
©efidjt war über ifem, unb er fal) es niefet.
Sie fefewieg — fie fefewieg, als er iferen Btunb
fuefete — fuefete unb lange fanb.
„©efe,“ fagte fie enblidj, „gefe, BSalter Bonn*
lanb. Du würbeft leiben. Bicfet iefe will biefe
leiben maefeen. ©efe — idj bin lein Steinbilb,
bas man lüfet.“
„©el) mit mir,“ ftammelte er ofene Raffung.
Sie 1 ftreiefe eite Ifen, fie fagte ifem gute BSorte.
£ange. Dann richtete fie fidj auf:
„3efe gel)e — unb gefee bu oon mir. 3d) würbe
bid) betrügen — idj würbe alles Entfefelidje tun —
benn audj bu bift fdjön, wenn bu leibeft.“
Unb fie liefe ilm allein, unb bie Bacfet war fdjwer.
Die Eiferfucfet fiel in fein £jerg, wenn 2>armutfe
ifen lüfete mit iljren wiffenben £ippen, unb eines
Bbenbs fonnte er nidjt mefer anbers, er fragte
fie entfdjloffen unb faft lalt nadj £pbafpes, bem
Bpadjen.
„3dfe feabe ifen geliebt,“ fagte 3armutfe, bas
©efiefet in ben irjänben.
Sooiel wufete benn auefe BSalter Bonnlanb:
bafe ifer £äd)eln, ifer Busbrud bei bem Dang
wenigftens ein erftes Blal leine Btasle gewefen,
fooiel wufete aud) BSalter Bonnlanb.
„BSas feinter bir ift, banadj feabe iefe bid) nie
gefragt,“ fagte er feeifer oor ©rregung. „Bber —
idj fealte bas niefet aus, bu barfft nidjt miefe lüffen
unb mit bem £jpbafpes tangen — bas ertrage iefe
nid)t — bies gefet nidjt.“
„Das Engagement ift gü Enbe,“ fagte
mutfe, „idj feabe geftern gum Iefeten Btale bort mit
^pbafpes getaugt.“
„unb bu wirft ifen nidfet wieberfefeen?“ fragte
BSalter Bonnlanb.
„3d) werbe ifen nidfet wieberfefeen,“ antwortete
3ar mutfe.
Die Antwort, bie SB alter Bonnlanb erfeofft
featte, würbe ifem gu etwas fonberbar Scfewerem,
als er fie erfeielt. Sie lam ifem gu rafefe — fie
lam ifem im Donfall feiner eignen Stimme,
faft wie ein gebanlenlofes Edjo fdjien fie ifem.
„©efeörft bu mir?“ fragte B3alter Bonnlanb. .
9Jiit iferer bunlelften Stimme antwortete 3ar=
mutfe: „Bimm midfe bodj.“
Er lüfete fie. £angfam unb wie ein Dräu=
menber. Hnb er fagte:
„SBarum wareft bu neuliefe, oor feefes Dagen,
böfe unb feart gu mir unb fagteft, bu würbeft
Entfefelidjes tun unb midfe betrügen? 2Bie lonnteft
bu bas jagen, ^o^Triutfe?“
„9BeiI bu oon mir gefeen follteft,“ antwor=
tete fie.
„Du follft niefet wieber oon mir gefeen, 3>ar=
mutfe. Das £eben ift fo grofe unb reid) für 9Jien=
fdE)en, bie einanber lieben. — Die bunllen Dinge
oerfinlen — fiefe, fie bleiben feinter uns wie bie
9iacfet ber ©eburt.“
„Dote Dinge,“ fagte fie fealb unbewufet.
„?lber wir leben, 3<*rmutfe. So ftolg unb
ftarl lann bas £eben fein, wenn gwei Slienfcfeen
ben grofeen SBillen gueinanber feaben. Denn
bann wollen fie bas kleine unb ©ute — wollen
weg oon allem, bas oerwirrt — fie wollen gum
£icfet — oerftefeft bu mid), 3armutfe?“
„So fpraefe nie jemanb gu mir, äßatter.“
Eines anbern Dages — füll unb gut war es
gwifdEjen ifem unb 3armutfe gewefen, unb bie glömme
feiner £eibenfcfeaft barg fidE) feinter bem £id)t
feines £»ergens — eines anbern Sjbenbs fafe SBalter
nod) bei feinem 23ucfefeänbler in ^aternofter 9low,
als ifem ein Brief oon Biltor, feinem f^teunb,
gebrad)t würbe.
SBalfer Bonnlanb las:
9Jiein lieber DBalter
§ier in bem „nortfeumberlänbifcfeert Dorf an
ber röutifdjen Blauer“, wie Du immer fagteft —
mit einem gärtlidj fdjwermütigen Donfall, als
füfelteft Du bie grofee Einöbe, wo bie ütatur nun
fo gang oerfcfeloffen ift, feat man oiel 3^it, felbft
wenn man weife, es lommen nid)t mefer oiele Dage.
SOtein lieber BBalter, nie feätte idfe geglaubt,
bafe man fo rufeig werben lann. Erinnerungen
lommen, bie lange oerfdjüttet waren, klugen fefeen
uns an, lange für uns erlofcfeen.
Die 3eiten leferen nodfe einmal gurüd: unb
mancfemal bin idj ber Heine 2dmge, ber auf ber
Biutter Scfeofe bie menbgloden feörte — ober
bas feeifee |>erg, bas in Sternennädfeten braufeen
im weiten £anb ©ott oor fein $orum rief ober
bie Erbe wie eine ©eliebte fafe.
Hnb weil wir in unferm Erinnern fo wenig
Bbfdjlufe unb Enbe finben, fonbern nur ein Ber*
lieren im Dämmern, bas wie bie £ebensquelle
fefeeint, ber Ulfenungen ooll unb bes ©efeeimniffes,
fo wirb bie Dämmerung, bie idfe oor mir fefee,
gum Bätfel unb gum £ebenbigen.
3<fe beule oft ber Bßorte im f^äuft:
„Hnb betn ^erj,
^Eus WfcfeenruV gu $lammenqualen
SBteber aufgefdjaffen,
Bebt auf.“
BSenn unfer $erg unb unfre 3ugenb fid) nidfet
ins Biebrige oerloren, was ift bann Sterben? Es
lann nur eine $orm fein — bie Bfdjenrufe' oor
neuem Entflammen.
Btandjes mödfete idfe Dir nodfe fagen, bas gu
mir lomrrtt wie bie ©eftalten ber üinbfeeit —
aus fernem £anb unb bodE) fo oertraut. Bber
meine §anb ift fo mübe, unb idfe lann nur noefe
meine ©ebanlen gu Dir fenben, bie Dicfe umfaffen
als einen liebften Bienfcfeen unb ein fcfeönftes Deil
meines £ebens. Der Deinige
Biltor.
Bßalter Bonnlanb las biefen Brief — unb fein
anbres Selbft, bas ifem fo fern gewefen in lefeten
3eiten, ftieg aus ber Diefe.
Begegnung
i^iefernwalb nun redfets unb linls,
bie Efeauffee gtabaus —
Sdfeon wifefet Bbenbbämmer rings
alle £inien aus.
§ord^! Da Hingt oon fern ©efang,
näfeer lommHs ben B3eg entlang,
unb mein Scferitt wirb träger.
Sinb oier Btäbel fdjlanl unb jung,
fingen in bie Dämmerung
bas £ieb oom Btäbcfeen unb 3äger.
Brmoerfcferänlt, in Dalt unb Dritt,
oier in einer Beife' —
unb mein §erg feiipft fröfelidfe mit,
möd)te nid)t o orbei;
bin ja jung unb Bianns genug,
wenn iefe audfe ben Bod nie trug,
ben mit grünem Kragen.
Bläbel, ei, man gefet bodfe nidE)t
ftumm oorbei im Dämmerlicfet
ofene ©rufe unb fragen!
Biit ben Biäbd^en giefe' iefe mit,
linls unb reefets je gwei —
armoerfcferänlt, in Dalt unb Dritt,
fünf jefet in ber Beife\
§alt gemad)t! 2Bic fdjeiben feter.
Dodfe ben Bbfd)ieb füllen oier
Küffe mir oerfüfeen.
Dann abe — unb fern fdfeon feallt,
Ieifer ftets, bas £ieb im 2ßalb,
wie ein lefetes ©rüfeen.
Er baefete ber Sturtbe in ber fremben Stabt,
ba ifen— es war ein banger Bbenb gewefen,
fo ein Bbenb, an bem ber feeimatlofe Biann in
bumpfen SBünfdfeen gefet unb fidE) felbft nidEjt
erlöfen lann— Biltor auf ber Bibliotfeel anfpradE).
Er gebadfete oieler Dinge — wäferenb er int
Kursbudfe nadfe bem nädjften Kuriergug naefe
Bewcaftle fudjtc.
3<fe ntufe nodfe biefe Bacfet faferen, baefete BSalter
Bonnlanb. 3® biefe Bacfet nodfe, benn es ift
nidjt mefer oiel 3 eit.
Bidjt mefer oiel 3eit- ©ine fefemerglkfee SEBelle
flofe über feine Seele. 3 U früfe lam ein Bbfcfeieb —
gu früfe würbe ein grüner Kräng gerriffen.
Hnb BSalter baefete, bas |jerg bei bem anbern,
idfe mufe gu 3armutfe gefeen. Es finb nodfe Stunben.
3n biefen Stunben will idfe ifer oon Biltor fpreefeen,
unb fie wirb begreifen, bafe idfe fort mufe.
Er ftieg bie Dreppe gu 3armutfe feinauf.
- Der fdfenelläufige 3nfaII irrte oor ifem feer.
Kein Biegei oerfdjlofe 3armutfes Dür.
BSalter Bonnlanb trat ein.
Das erfte, was er fafe, war ein Heines Ding
auf bem Difdj, es lag wie oerloren ba — finnlos
feingeworfen.
Hnb bann fafe BSalter Bonnlanb etwas anbres.
Er fafe 3armutfe unb <Qt)bafpes, ben Bpacfeen.
Hnb er fafe auf bem ©efid)t ber $rau wieber
jenen Busbrud bes ©rams unb ber £uft, ber
BSalter Bonnlanb unerträglidfe war — unb in
biefern Busbrud bes ©rams unb ber £uft fafe
BSalter Bonnlanb oerfunlen, was er aufgebaut.
Die ^flamme irren 3o^ n s überloberte ifen.
Kein Denlen unb leine Barmfeergigleit war mefer
in ifem. £)fe, nidjts war oon feiner Seele bei ifem —
Die ging oielleicfet — fdjon abgetrennt — gu
bem, ber ifer reines BSollen begriffen featte.
Eine Selunbe nur— leines oon ben beiben
im 3t mm £ r madjte aud) nur eine Bewegung.
Das Heine Ding, bas wie oerloren auf bem
Difcfee gelegen featte, war in BSalter Bonnlanbs
<$anb. Hnb ein irrer Bugenblid war, ba BSalter
Bonnlanbs Blut aufbebte in einem unertragbaren
3orn—- ein Scfeufe — unb ber Bpadje taumelte —
fiel — fiel —
Da gefefeafe ein Seltfames. Die 3otmutfe
fafe nidfet nadfj bem Bpadfeen. Die 3annutfe 9^9
unb nafem BSalter bie BSaffe.
Die 3armutfe ging gu bem wie Betäubten,
ber einen getötet. „Bun feilft es niefets mefer —
bu rnufet fort aus biefern BSirrfal unb biefern
jOäfelidfeen,“ fagte fie.
Er feob nidfet bie Bugen — er fpürte irgenbwo
iferen Biunb —
Hnb ba fiel ein gweiter Sdfeu^ -—
3n biefern Bugenblid warb bie Dür auf*
geriffen — ein Bienfcfe fafe fealb biefes £efete.
3amefon, ber junge Dedjmler, ftanb ba.
Er ftanb einen Bugenblid wie oerfteinert,
bann rannte er gu BSalter Bonnlanb. Der lebte
nidjt mefer. Bus ben Bugen bes 3amefon ftürgten
bie Dränen.
„BSas war?“ ftammelte er. 3armutfe fdjwieg.
Da lamen £eute ins 3bnmer. Die alte 3übin
erfeob ein gräfeltdjes ©efeferei — ber Hauswirt
war ba, man mufete ni<d)t wie — Blenfcfeen, bie
ber Erbe entwaefefen fdEjienen, waren ba.
Blan fragte, man feferie.
Scfeweigenb unb unbeweglid) ftanb bie 3ar*
mutfe.
„Sie Iad)t aud) nodfe, biefes BSeib lacfet nodj,“
feörte 3amefon ben Hauswirt brüllen.
Da fafe ber blaffe junge Englänber auf. Hnb
er fafe 3armutfe an, bie ftanb unb fdfewieg —
bie ftanb,. wie gu Eis erftarrt.
Hub um iferen Blunb war etwas wie ein £ädjeln.
Ein £ädjeln, bas niefets mefer gemein featte mit
Dingen biefer Erbe, ein £ädjeln, wie es bie lefete
Qual nur finb et.
Der junge Bfenfcfe aber ftarrte auf biefes
£äcfeeln — unb fein ©efidjt würbe fafel unb feine
§änbe gitterten.
Ein Bernidfeteter, über ben ein BSunfd) bes
Blutes feintobt wie ©ewitter über erfeferodenem
£anb, fo ftarrte er auf bas unerträglidfee, oon ben
bunllen ©efeeimniffen ber ^ßaffion gerriffene £ä=
djeln ber Bpadfeenfrau.
Hnb 3<*Tnefon, ber junge Englänber, fagte:
,,3d) bin 3^uge — idfe feabe gefefeen, wie ber
©erman erft ben Bpacfeen unb bann fidE) felbft
erfdjofe.“
Er fagte es mit fefter, ja faft gebietenber
Stimme in bas ©efeferei ber £eute feinein. Hnb
feine Bugen feingen flefeenb an bem bunllen ©e*
[idfet ber Bpadfeenfrau.
1911. 9fr. 42
Über £artt> unb 9Jleer
1105
Sltanito5 rote Söhne
ß ängft finb mit ben 3 utereffen unb 3 toalen
unb ber getarnten geizigen Struttor ber
©rwachfenen aud) bie formen unb Kimen ber
Draumlänber unsrer 3ugenb anbers geworben.
Stod) bentt man, bie 3eüen, öa bie borbeaur*
rote Quartanermiibe ben tor 3 gefd)orenen
blonben Knabentopf gierte, fei all 3 u lange nicht
entfcfjwunben — fo furj biinfen uns manchmal
3 ahr 3 et)nte, bie oorüberglitten — unb fd)on
fd)eint uns bie 3 ugenb" oon heute in ihren
Sel)nfüd)ten ganj ungleich ben Knaben, bie
roir felber roaren ... 3 a» nad)bem ich erfahren
t>abe, bah in ber lateinifdjen ©rammatit nid)t
mehr mensa, ber Difd), fonbern corona, bie
Krone, bie erfte Deputation einübt unb in
ber erften Konjugation porto, id) trage, an
Stelle bes alten unb befeftigtert amo, id) liebe,
getreten ift, weih id) erft, roie fd)nell roir
altern...
3m ©rnft roie int Spiel. SBir haben mit 3iun*
folbaten gefpielt, bie Knaben oon beute tennen
fid) an ber Schalttafel tniffliger elettri[d)er SJti*
niaturroerfe aus, roir haben Drachen fteigen taffen,
unfre Steffen laffen 3u>ergaeroplaite flirren. Unb
roährenb roir oon allen technifd)en Dingen 3 ur
Slot nod) bie Ketbener 3'lafd)e fannten unb ihres
boshaften 3 untenfprüf)ens roegen für fd)ähens=
wert hielten, finb bie Dertianer oon heute 3a<h'
leute in ber ^Beurteilung oon 3 <n:man 3 weibedern,
24-HP.-SIutomobilen, oon Sltotorbooten, ^arfeoal*
unb 3eppelinbaIlons unb fprechen über Kühler,
Propeller, SBen^in unb Di)namo, bah uns bie
Slugen übergehen. Drauhen oor ber Stabt, auf
ber großen SBiefe ober bort, roo hinter bem red)t*
edig gemufterten Deppich ber bebauten 3 'elber
ber SBalb buntelt unb bie Serge anfteigen, fpringt
bie s 13hantafie ber 3ngenb roohl aud) heute ttod)
umher roie ein mutroilliges füllen, nid)t am
bers, als roir's getan unb unfre ©rojjoäter
fdjon als Knaben geübt haben. Slber bie
fnabenhaften 3Uuftonen, bie bie 2Birtlid)teit
3 ur Draumwelt mad)en, roanbeln fid) mit ben
©reigniffen ber 3 eit, unb bie Sßeltfultur unb
SBeltuntuItur ftrcut ben Samen ihrer unenb*
Iidjert Sülle aud) in bie nod) road)fenben, trei=
benben Seelen. Unb Kinberfpiele pfeifen fröl)=
lid) unb ted bie geroaltige SJielobie ber SJtenfd)*
l)eitsgefchid)te nach- Sor einem guten 3aht=
get)nt betriegten unfre 3 ungens fid) nod) helben*
mütig als „Suren unb ©nglänber" (roo roaren
bamals fdjon bie ßeiten, als fie ben ©rnft bes
Sd)idfals ihrer Säter als „Deittfd)e unb 3mm
3 ofen^ fröhlich roieberholten?). Stls bas Solt
bes Sd)toeigens unb oerbergenben £äd)elns
bie träumerifdje unb oerfommene Stumpfheit
ber ruffifdjen Station über ben Raufen roarf,
nahm fid) bie 3ugenb Stame, SJtasfe unb 3orm
oon ben Stoffen unb 3apanern für ihre Kriegs*
fpiele. Slls „Stäuber unb ©enbarm“ mögen
roohl nod) braunen im Steid) bie Quintaner
3nbianifcher§äuptling in einer Shafe bes Kriegstan 3 es
gegeneinanber 3 U 3Uhe 3 iel)en: in Serlin unb
in anbem großen Stabten ift bie 3ugenb längft
mobenter geworben; bie Stäuberromarttif ift oon
ber fehr oiel realeren unb nicht fo hatmlofen
©rohftabtoerbrecherromantit oerbrängt unb bie
Serliner Sengei mimen bie blutigen Daten ber
Serbred)erfumpanei „Sd)toar 3 e £anb" unb ihren
Kampf gegen bie „©etjeimen" finngetreu nach-
SBo aber, fo frage ich 3 toetfelnb, roo gehen
beutfd)e 3ungens noch als „Stott)äute“ unb „Slafp
gefid)ter" auf ben Kriegspfab? ...
Die Sonne ber roten Söhne SJtanitos ift nieber*
gegangen. Stod) ber letzte Sbglan 3 ihres oer*
fcheibenben Strahls, ber nod) hunberttaufenb
Knabenfeelen 3 U phantaftifchen Spielen begeifterte,
will erlöfd)en. 3 ür uns war ber gan 3 e 3 auber
noch lebenbig.
Unb herrlid) war's. Sis auf ben Stabei nadt
muhte man fein. ©erabe 3 U fcheuhlid) befd)mierten
3 nbianifd)e~ ©rabmonuntente, 3teid)tum unb ©aft*
freunbfd)aft fpmbolifierenb, in Kanaba
Süffeljäger beim Sln 3 ünben bes Kagerfeuers burch
aneinanbergeriebene §ol 3 ftäbd)en
wir uns mit brauner SBafferfarbe, bie ihre Spuren
aud) auf ben frjofen hinterlieh, bas |jaupt umnidte
ber tonftooll aus meift wenig rechtlich erworbenen
£al)nenfebern gebaftelte Kopffchmud; in bem
ber Dante, ber Stotter ober ber Sd)wefter
entwenbeten ©ürtel ftat bas SJteffer unb —
o t)öd)ftes ©nt 3 üden tnabenhafter 2Bünfd)e! —-
ber „Domahawt", ber Domal)awt aus §ol 3 ,
blutbürftig rot bemalt, mit bem wir's mit einer
SBelt oon 3eiuben aufgenommen hätten. Da
erfdjoll oon wilbem „Kriegsgeheul" unfertiger
Knabenftimmen bas frieblidje Sufchwert ber
Dhüringer Serge, wenn ber „Schwade SJtoftang“
heimtüdifd) bie beiben Drapper Stofenl)ol 3 unb
Sepe, bie nie oon einer Stothaut Sefiegten, be*
fdjlidh- 3a, ba war eine SBiefe oon hunbert SOtetern
im Quabrat, fo wahrhaftig eine enblofe Prärie,
unb ein oerlaffener Steinbrud), ben bie gleite
feiner Sefitjer uns 3ungens als willtommenen
Dummelplah überlieferte, bie fd)winbelnb h°heu
3elfen ber Stodp SStountains, bah fie fid) in nid)ts,
aber aud) in gar nid)ts oon ihren Urbilbern in
Storbamerita unterfd)ieben. Der frieblid)e Sad)
brunten, ber an 2Biefenfd)aumfraut unb tnall*
gelben Sutterblumen oorüberplätfcherte, warb
3 um Slrtanfasfluh ober 3 um „Steb Stioer“ unb
würbe mit bem Kanu (ben flogen Stauten trug
ein riefiger Kiftenbedel) höd)it gefahrooll burd)*
quert. SJiattchmal ftppte bas eble, aber etwas
primitioe 3 cdU 3 eug aud), fo bah uns „bie wütenbe
Strömung t oerfdjlang". Slber was ein rechter
Häuptling war, ber unterbrüdte feine Slngft oor
23on Karlernft Knah
bett 3 ornesausbrüd)en, bie baheim ob ber
naffen §ofen losbrechett muhten, h^^ifch bis
3Um Slbettb, ba ber „Schwade SOtuftang“ unb
bie „©rohe Sd)Iange", ber tüdifd)e Squatter
Sßebro Dias unb ber eifeme Drapper Stofen*
hol 3 als tleine, bürftige fiateinfchüler wieber
nach fiaufe 3 ogen...
SOtir liegen weber bie Suren nod) bie 3a=
paner, beshalb hol mir ber Stimbus, ber bas
tupferfarbene, oon ber Kultur oernid)tete
Solt umfdjwebt, immer ber 1)^9^ ^ßh an tafie
unb bes jugenblichen 3 &eaKsmus toerter ge*
fhjienett als hunbert anbre rofafarbene 2Bolfen,
mit benen bie nach 3 cud>en fich fehnenbe
StüchternheitSBefteuropas anbre exotifd)e Sölter
umhüllt hat. Uttb in abenteuerlidjen Dräumen,
bie fid) mit tühnem Schwung oon ber Statt*
form ber tonftooll tonftruierten Kulturlofo*
motioel in bie unbeledte Statur führen, tritt
©tpugachgoot, ber grohe Häuptling ber Dela*
waren, wohl nod) heute 3 U mir unb fpricf)t
mit ben tiefen ©aumenlauten feiner Sprache
oon fid) unb feinem Solt. ©s ift wohl nid)t ber
alte rid)tige ©hingad)goot, bie „©rohe Schlange",
ber eble 3reunb bes Keberftrumpfs. Sein ©ntel
oielleicht ober Urentel.
Denn er trägt einen europäifd)en 3h^ n ^ er
unb aud) fonft fo etwas wie europäifche Kleibung.
©r oermifcht ben weidjen, fingenben Don ber
inbianifd)en 3 unge mit einem fürd)terlid)en Sarttee*
englifd),unb milbe nad) fehr oiel SBht 5 ^ utit [ehr
wenig Soba buftenb, weift er auf bie Kanbftreifen
ber „Steferoationen", in benen bie Söhne
SJlanitos fid) jet)t tümmerlid) mit bürftiger Siel)*
3 ud)t unb tärglid)em Kartbbau ernähren, auf bie
Stiefenftäbte, in benen fie als Sereiter, Sortiers,
3irtusfterue unb Deftillenwirte ihrer groben Ser*
gangenheit hohufpred)en, unb tlagt: bie Hroäter
ber Säter unfrer Säter jagten ben Süffel
oom Sal 3 waffer bis 3 U ben groben Sühwaffer*
feen unb bem breiten Strom SJtiffiffippi. Die
tiefen SBälber unb bie weiten Serien fahen
ihrer Stämme Keiben unb 3^euben, unb ber
grobe ©eift oernahui bas Kriegsgefchrei ber
Dapfern unb freute fich *>es Staud)s, wenn
bas Kalumet am 3riebensfeuer ben Kreis ber
Serföhnten umwanberte. Slber bie SIeich s
gefid)ter tarnen oon ber aufgehenben Sonne
her über bas unenblidje ^al 3 waffer, unb ber
grobe ©eift, 3 U bem fie beten, war mächtiger
als SOtanito. ©r gab ihnen bie 3 euerwaffen
unb bas 3 euerwaffer —“
©in feliges, freunblid)es Keudjten umglän 3 t
bie etwas ftumpfblidenben Slugen bes Dela*
warenepigonen unb ftet)t im SBiberfpruch 3 unt
anflagenben Donfall feiner Stimme.
3 d) tönnte ©tjingachgoot erwibern, bah ein
wichtiger ©runb für ben rafchen Stiebergang
feiner Stoffe bod) auch in ber fo gut wie ooll*
tommen fehlenben Slnpaffungsfäl)igteit an
3toei SJiebi 3 inmänner ber SJiota=3ubianer (Slri 3 ona)
auf ber Suche nad) Schlangen
1106
Über ßartb unb Süleer
1911. 9tr. 42
3nbianerfinber
^nbianer in einem berliner 3i r lus
Kultur gegenüber als roiberftanbs- unb aufnahme¬
fähig zugleich ertoiefen. Slianitos rote Söhne
aber toerben jebt unaufhaltfam oon ben Sd)atalen
ber europäifdjen Kultur, bem Sd)naps, ber
^5I)thifi5, ber Kues unb ber Dubertulofe, aufgerieben.
Slud) möchte eine tünftlerifd)e Sluffajfung, bie, in
fid) hineinlaufd) enb, in ber Sprad)e, in ber ^ßoefic,
im feelifd)en SCJlitrotosmus, aus unuorbenflidjcn
3eiten herübertlingenb, torrefponbierenbe Xönt
unb Sllelobien hier unb bort im Sßöltergeroirr ber
SBelt I)ört, coo bie 2Biffenfd)aft oom ®au ber
Knochen, oom 2Bud)s bes §aares unb ber <$rorm
ber einzelnen Körperteile längft bie Sßöltermaffen
ftreng geteilt hat — ja, ba möd)te fo ein Sßoeten-
ohr im 91h9tf)™us ber inbianifd)en Dialefte, in
ihrem erhabenen, bilberreid)en unb farbenpräd)-
tigen s f3arallelismus eher eine 2trtgemeinfd)aft mit
ber großen gantilie ber pfalmobierenben femitifchen
Slfiaten erlauben.
Der nicht mehr ganj echte GK)ht 9 cid)goot, ber
mir fytx unb ba im Draum erfd)eint, toeib bie
Sagen, bie Kieber unb bie ©efchid)te ber Söhne
SStanitos. Sie finb il)m unter bem (Einflub ber
Sßanteefultur etroäs burcheinanber gefallen, fo bah
fid) bie meland)olifd)en unb etroas tranigen (Er¬
innerungen ber (Estimos mit ben flogen Xlber-
Steues, an frembe Kulturen liege. 3ur 3dt ber
(Entbedung ber bleuen SBelt wählten bie 3i\bianer,
fo fd)äht man, in Slorb- unb Sübatnerifa 3 U=
fammen iool)I hunbert SJlillionen Seelen. £eute
gibt es alles in allem nidjt mehr als eine Million
Rothäute. Die Sieger, bie geiftig unb moralifd)
fid)er unter ben ^nbiattern rangieren, finb roeit
miberftanbsfähiger. (Srobe Deile ber fchmar^en
Slaffe finb über bie gan^e 5Belt oerftreut unb
nehmen allmät)lid) Iid)te Kulturfd)attierungen an.
Das 2Bolll)aar ber Sieger ift für ben Strahl 3i?ili=
fatorifd)er (Erleud)tung alfo bebeutenb burd)läffiger
als bie |Stalplode ber roten Söhne.
3n ben bereinigten Staaten gibt es fd)on
eine l)übftf)e Sln^ahl farbiger Slr^te, Slbootaten,
©eiftlid)er, Ingenieure unb ©elehrter, aber bie
rote Slaffe ftellt bod) ju biefen Driariern nur ein
fehr fpärlid)es Kontingent. Die 2Bel)rIofigteit
allem gegenüber, ooas nid)t mit ber Kraft bes
Sinnes, ber 23el)enbig!eit ber 23eine unb ber 3uftintt-
fd^läue bes Slaturtinbes übertounben toerben tarnt,
fprid)t eigentlid) gegen bie oon ber hÜl° r Ü c ^) en
unb ethnologifdjen SBiffcnfdjaft für toahrfd)einIid)
gehaltene berroanbtfd)aft ber Slotfjäute mit ben
Süongolen. Denn bie SJlongolen h^Oert fid) im
grofeen unb ganzen einer attbern, einer höhnen
3nbianer als 3 u 9 ftüd einer europäifd)en SJianege
Oben: Das greife Oberhaupt
Squato aus bem Stamm ber E>opi mit Kinb
einer inbianifd)ett gamilie
1911. ^Xlr. 42
Über £anb unb 90?eer
1107
lieferungen ber «toßitaner unb
ber Delawaren, ber ^rotefen unb
Eßippawaß, ber Komantfcßen unb
ber «pad)en unb bie roieber mit
benen ber Dupi ©uarani, ber
«ototuben unb ber «atagonier
oerwifcßen. «rmer Ef)ingad)goot!
«Sie traurig ift es, baß europäü
[döe «erad)tung ben tarnen ber
«otofuben rpun Sammelbegriff
finfterfter llntultur unb ben ber
«pacßen 311 m ©attungsnamen
bes «bfcßaums ber meinen «affe
abgeftempelt hat! Unb als ber
betannte „leßte « 3 tef" wirb
irgenbein ibiotifcßer «iitrotephale
in ben Scßuububen ber «laß*
geficßter l)erumgefd)leppt.
«iit ber «Seltgefcßicßte ift nicht
3 u rechten. Dem menfd)licßen
©efüßl aber wirb ber «ernid)=
tungstampf, ben feit ber «ütte
bes^ad)t 3 el)nten Saßrßunberts bis
tief ins neun 3 eßnte hinein bie
englifcßen unb fran 3 ßfifd)en Kolo*
niften gegen bie 3 nbianer führten,
tein «ußmesblatt bebeuten. 3 n
ben weiten, tiefen «Sälbern, bie
bes jagbbaren «Silbs genug für
alle bargen, an ben großen Seen, beren «Saffer
oom ©ewimmel ber $ifd)e fcßwerfluffig mar,
besten Englänber unb Stan 3 ofen ffrupellos
bie «otßäute fid) felbft unb gegeneinanber
mie wilbe Diere auf ben §als. «iit «ed)t
mirb in ber Einleitung einer neuen beutfdjen
Ausgabe ber „£eberftrumpfer 3 äf)lungen in ur=
fprünglid)er $orm" an bas «lutbab oon «Silliam
§enrp (1757) erinnert, bei benen bie ben $ran=
3 ofen unter (Seneral «lontcalm oerbi'mbeten 3 ro=
tefen einen Deil bes unter eßrenoollen «ebin*
gungen ab 3 ießenben englifcßen feeres miber
Kriegsrecht unb «ertrag ßeimtüdifd) überfielen
unb niebermeßelten. Die $ran 3 ofen fal)en fd)wei*
g eU Die U *Stämme «orbameritas, bie bie «or 3 üge
unb fteßler ber ameritanifd)en «affe, Selbftbeßerr*
fdmng, Dapferteit, natürlid)e Klugheit, Ebelmut,
Sreue unb «lutburft, «ad) gier, ©raufamteit, tn
«eiutultur 3 eigten, waren es, beren «ilb, 3 uerft
non 3ames ftenimore Eooper getreu ge 3 eid)net
unb nur wenig burcß feine aufrichtige «ewun*
beruug unb £iebe für «tanitos rote Soßne ibeali*
fiert, triumpßierenb in bie europäifcße Literatur
getragen würbe. Durd) bie Sitten unb «räud)e
biefer «älter, burd) ihre primitioe, feboch bunte
unb oielfeitige Kunft, burd)
ihre Religion, bie einen großen
unb gerechten ©ott oerel)rte
unb oon fagenhaften ioeilanbs*
gestalten bes roten «oltes
iegenben oon «tunb 311 «tunb
fang, bie ber «Sunbergefcßid)te
oom «Serben, £eben unb Ster*
ben bes ©etreu 3 igten nicht un=
ähnlich Hangen, burd) ißres
©elftes barbarifcße, aber ftol 3 e
«rt — burd) ben oollen «brüh*
mus ber «affe fchimnterte etwas
oon ber wilben ©roßartigteit
ber «euen «Seit, beren unenb=
ließe $ülle an natürlichem
«eicßtum ein halb oierßunbert*
jähriger «aubbau tnertbar nid)t
hat oerringern tonnen. «ur
«ianitos rote Söl)ne fielen
bie fein «aubbau als ein tläglid)
Opfer.
Erft Eoopers «acßtreter, wie
«imarb unb gern) in grant*
reid), bie ihre 3^bianer all 3 U
wohlried)ettb mit bem Ol galli=
fcfjer ©roßartigteit falbten, haben
bas El)aratterbilb ber roten
«tänner einigermaßen oer*
fälfd)t.
Karl 9«at), beffert tanind)en=
l)aft fruchtbares Sd)affen man
eine «euruppiner «ilberbogen*
ausgabe ber Eooperfchen «o*
mane nennen tonnte, oergrö*
berte ben fd)weigfamen Ef)in*
gad)goot 3 U feinem übermenfcß*
lid) eblen «Sinnetou unb ben
«fabfinber 311 feinem gan 3
erftaunlicßen gelben Olb Sßat*
terl)anb, ber in «tßletif unb
«trobatit fämtlid)e 3 wtus=
3 nbianerf)äuptlinge oor bem «usritt auf bie «üffeljagb
auf einer norbameritanifdfen garm
djampions ber «Seit in bie Dafcßen feines
£ebergürtels ftedt unb in «meritas «Silb=«Seft
herumwirtt, als ob es bie «tanege oon «arnum
unb «aiiep fei.
£ongfellow nahm für feinen „Sang oon
£)iamatha", einer Erlöferfigur ber inbianifcßen
Sage, 3 u weiche färben.
Seumes bibattifcßes ©ebid)t gegen Europas
übertiind)te ^öfliCßteit unterlegt ben «otßäuten
eine ge 3 ierte «toral, gegen »bie fie fid) fid)er
mit bem Domaßawt gewehrt hätten.
Ehateaubrianbs pöetifd)e Er 3 äl)lungen ,,«tala"
unb ,,Rene ou les effets des passions“, bie in
inbianifd)em «Hlieu fpielen, haben in ihrer
füßlid)en «omantit mit bem wirtlichen roten
«olt überhaupt nichts 3 U tun. «Sahrer unb um
oieles träftiger treffen nod) Sd)illers „«abo=
weffifche Dotentlage“ unb £enaus ©ebid)te aus
s «merita inbianif^e $arbe un j> «lelobie. Daß
51oßebue mit feiner „©urli", einem jungen, naben
unb gerabe in feiner 51inblid)teit um fo lüfterner
herausgepußten 3 rcbianermäbd)en, bas er burd)
mehrere «raoourbramen 3 U Dobe h^ßte, einen
fo tränenreichen Einbrud auf beutfd)e «tabter^
gemüter h^^ üorru f en bunte, beweift gerabe,
baß biefe ©eftalt einer Dotßter ber roten «affe
fo unähnlich wie nur irgenb
menfd)enmöglid) fah-
«ls id) aber in meinem Draum
oor Ehingad)goot gar einen
Stapel ’-j grellbemalter 3eha"
pfennigheftd)en auffChiChtete, in
benen in gortfeßungen feinen
eblen «ätern gerabe 3 u entfeß=
lid)e Sd)änblid)teiten in einem
unmöglichen Deutfeh in bie
Sd)ut)e gehoben würben, unb
ihm ertlärte, baß bas ber leßte
«eft phantaftifeßer 3 abianerl)err=
licßteit fei, ben unfre 3 ugenb 3 U
fpüren betäme, ba wanbte er
fid) feßweigenb ab unb glitt im
elaftifd) wiegenben ©ang feiner
«affe wieber in bie ewigen 3 agb=
grünbe hinüber. Unb bas war
aud) fd)ließlid) bas «efte ober
einige, was er tun tonnte.
«äd)ft ber bamit beutlid)ft be=
wiefenen «era^tung für foldje
gän 3 lid) unangebrachte ,,«er=
herrli^ung“ feiner armen, unter*
gegangenen «affe 3 eigte biefer
große Sohn «lanitos, baß er
fid) mit inbianifd)em ©leid)*
mut in bas Unabänberli^e 311
fügen oerfteßt, eine Dugenb, bie unenblid) oiele
«laßgefid)ter betanntlicß niemals erlernen.
SJlacfntau
CEin fahler 'Sunfttjaud) rnadjt ba^ ^fonblicbt btinb,
3 n grauen £il>remoogen ftößnt ber QBinb,
91ur fern am Äortsonte feßimmert oag
Ein Silberftreifen wie oom anbern ^ag.
Unb aud) bureß meine Seele bebt ein Schein
93on eine^ anbern ^age^ £uft unb ^eiit,
Unb meine Sebufucßt ift c^, bie ißn feft
Umfcßließf unb nimmermehr erfterben läßt.
Unb rußlo^, rußlo^ irr’ umher ich ü>eif.
Da legt bie fühle £>anb bie Einfamfeif
£luf$ Äer.) mir, unb bie Stirne ftreift oerloren
Ein tropfen Datt, au^ Droft unb 97acßt geboren.
GortteUa SSoOP
«ad)bentlt(hes
3nbianer, eine Spur oerfolgenb
Unfre Sd)wäChen finb üielteid)t bie ©lüds*
nummern berer, bie mit uns 3 U tun haben.
Es gibt gan 3 eigentümlidfe
Seelenfämpfe, bei benen man
feßon ber ©efcßlagene ift, wenn
man fie oerrät.
*
«Ser überall 3nWgen ließt,
fommt mir immer oor wie einer,
ber fid) nirgenbs fießer füßlt,
weil er — bie £a[d)en ooll
Dpnamit ßat.
*
Das ©lüd gleidft einer
Scßneeflode — faum ßat bie
£janb banad) gegriffen, fo ift
auch feßon bie gan 3 e herrlich*
teit 3 U «Saffer geworben.
*
Sobalb eine grau bie £janb=
fdjuße anßat, ift fie aud) fd)on
mastiert.
*
«Sir wollen 3 U fd)wer oer*
fteßen, bod) 3 u leidet oerftanben
fein.
*
„«Sas bilbeft bu bir benn
eigentlid) ein?“ fagte auf einem
ftartoffelader ein Stüd Stoßle
3 u einem Stüd «ernftein,
„glaub mir, id) bin ebenfooiel
wert wie bu." — „Stimmt,"
fagte ber «ernftein. — «Is bann
ein Kartoffelfeuer ange 3 ünbet
würbe, gerieten beibe Steine
in «ranb unb oerbampften —
nur baß bie Koßle ft auf unb ber
«ernftein föftlid) buftete!
Otto «romber
1108
Uber £anb unb 9fteer
1911. 9tr. 42
93om gliif)enben
Sonnenbatt
Hftronomifd)e Klauberei
burdj bie 2 ßellen 3 ieht, bie £ofomo=
tioe, bie 9Henfd)en unb ©üter über
bie glihernben Stränge in bte Sferne
trägt, bie Tampfmafd)ine, bie in tarn
fenb gabriten hunberttaufenb Häber
breht, fie alle oerbrennen 3 U Stein
gemorbene Säume unb s $flan 3 en
einer grauen Hoheit. So hoben
mir in ber SteinfoI)Ie umgeformte
Sonnenenergie früherer ^ahmtib
lionen; Sonnenmärme, bie oor
grauen 3rtten oon jenem Sali aus=
ging, treibt uns heute über Lanb
unb Hteer, breht bie taufenb Häber
unb Räbchen. Hnb unfer Lid)t?!
(Entflammt ber ftienfpan nicht ben
Säumen, bie im Sonnenlicht grüm
ten? Saugen mir nid)t aus ben oer=
fteinerten Säumen ber Soweit bas
©as, bas unfre Stuben erhellt, tommt
bas Öl ber gemütlichen Setroleunu
lampe nid)t oon stieren früherer
©rbepod)en, beren Lebensfäfte burd)
einen eigenartigen djemifchett ^3ro3eh
in ben fteinemert ftatatomben als
Öl erhalten blieben? Sd)on heute
geht man baran, bie Straft ber Sonne
bireft 3 U oermenben, biefe Straft, bie
allen Htenfchen toftenlos 3 ugeftral)lt
mirb. Sd)on heute haben mir ba
unb bort tleinere Setriebe, bie mit
<rjilfe großer Srennfpiegel, bie bas
Sonnenlicht unb bie Sonnenmärme
ton 3 entrieren, ihre Steffel hei 3 en unb
ihre 9Hafd)inen treiben ober aus ber
Sonnenftrahlung in Thermofäulen
Slettri 3 ität er 3 eugen, bie bann bas £aus in ben
Had)tftunbert erleudjtet. Hnb fo meiter. ©ans ohne
3meifel mirb bie Ted)nit ber 3utunft bie Sonne
meit mehr in ben Tienft menfd)licher Arbeit ftellen,
mirb einen bansen Stern oor ben fcfjmerenSBageit
ber ^ubuftrie fpannen, benn ber Htenfd) unfrer
Tage ift ein Sjimmelsftürmer gemorben.
©s tann nicht munbernel)men, bah bie Hftro=
nomen, bie Leute, bie bie Hätfel ber Sternenmelt
3 U ergrünben fud)en, biefen für uns fo midjtigen
otern oon jeher gan 3 befonbers eifrig in ben Streis
ihrer gorfdmngen ge 3 ogen haben." So miffen
mir, befonbers auf ©runb fpettralanalptifcher
Hnterfuchungen, fehr oiel über bie Sonne 3 u
fagen unb miiffen nach ber anbern Seite f)in
hoch mieber 3 ugeftehen, bah uns gar fel)r oiel noch
untlar ift, oor allem besmegen, meil mir bas 93 er=
halten ber oerfchiebenen Stoffe bet fo grobem
Trud unb fo hoher Temperatur, mie fie auf ber
Sonne herrfd)en, nid)t genügenb lernten. Tah
biefe Temperatur eine gan 3 ungeheure ift, oer=
mag ja fd)on ber Laie 3 U ermeffen, meun er be=
beult, bah biefer 149 Htillionen Kilometer oon
ber (Erbe entfernte Sali imftanbe ift, fo!d)e 2ßir=
tungen auf (Erben I)eroor 3 ubringen, benn 149 Hlil=
lionen Stilometer finb eine gans tücfjtige Strede;
ein ©il 3 ug hätte mehr als 190 3al)re 3 U fahren,
um fie 3 u burd)meffen, unb ber SOTann, auf ben
man jptjt oott ber Sonne aus eine ft-lintentugel
abfchöffe, tonnte immer noch ueun 3 ahre unb‘fed)s
SHonate ruhig an feinem Orte bleiben, benn biefe
3eit braud)t bas ©efdjoh, um bie Strede Sonne—
(Erbe 311 burchfliegen.
3eber meih, bah gegenüber bem Sonnen*
Iid)t alle irbifd)en Lichtquellen oerfd)minben.
Tie blenbenb helle flamme 3 mifd)en beit
elettrifdEjeu Stohlenftäben unfrer ^Bogenlampen
mirb, im ftrahlenben Somtenlidjt betrachtet,
3 U einem Tranlämpdjen, ber ausfliehenbe
Seffemerftahl ift immer noch ein buntler
£intergrunb, in bem fid) bie Sonne fpiegeli
33runo £j. 33ürgel, ^Berlin
Dte Sonne tont nadj alter 3Bei|e
3n Svuberipljären aBettgejang,
Unb i^re oorgefdjriebne Utet)e
©ollenbet [ie mit Donnergang.
3^r atnblid gibt ben Engeln Störte,
aßenn feiner )ic ergrünben mag,
Die uncrme'Blid) ^oben 3Berte
Sinb Ijenlicj) rote am erjten Dag.
ffioetlje im „ffaulf"
{Xaltet mich immerhin für einen
Läfterer, menn id) fage, bah id)
bie 9Jtenfd)en begreife, bie als I)öd)ftes
2Befen bie Sonne anbeten ober an*
beteten. $od)intelligente, grohe unb
mächtige Söller befanben fid) unter
ben Sonnenanbetern; bie 3ntas, bie
alten 3nber, auch unfre Sorfahren
unb bie alten Stanbinaoier beteten 3 U
ihr, feierten ihre §auptfefte, menn ber
Sonnengott auf feinem leud)tenben
2Bagen mieber emporfuhr, bie (Eis*
maffen fchmol 3 en unb ber lieblid)e
Frühling allen ein 9luferftel)enbrachte.
Stehr noch als ben oermöhnten 5tin*
bern bes Sübens ift ber ftral)lenbe
©lutball ben Söllern bes Horbens,
bie fel)nfüd)tig bes Tages harren,
ba bie Schraubenlinie, in ber bas lebenbringenbe
©eftirn langfam tiefer unb tiefer 3 um §ori 3 ont
herabfteigt, mieber hinaufführt 3 ur $öhe. ©rünenbe
Statten, blumige 9tuen, raufchenbe Slornfelber,
über bie ber laue Sommerminb ftreid)t, umgauleln
gleich Sifionen biefen SSunfd). Kühling, Huf*
erftehung! —
Tie gan 3 e Hatur ringsum ift ein einiges
braufenbes Ejoheslieb oon ber Sonne! 2Bas märe
bie (Erbe ohne Sonne! ©in lalter, ftarrer, leblofer
©efteinsball, ber in tiefer ginfternis feine Sahn
burd) bas Hnioerfum 3 ieht. Tie Temperatur bes
Sßeltenraumes ift eine auherorbentlid) niebrige,
fie tann nicht fei)* roeit oon bem abfoluten Hüll*
puntt (273 ©rab ftälte) entfernt fein. Hur in
ber Höhe einer Sonne mirb ein £jimmelstörper,
ber nid)t felbft hohe ©igentemperatur befitjt, er*
märmt. H3ir fehen bas an bem Serhalten ber
Kometen. Tiefe feltfamen ©eftirne tommen ge*
möhnlid) aus gemaltigen ©ntfemungen 3 m Sonne,
bleiben ihr eine tur 3 e 3 ^it fehr nahe unb enteilen
bann mieber in bie fernen Tiefen bes Haumes.
Solange biefe irjimmelstörper ber Sonne nodj
fern finb, bleiben fie unfeheinbare ©rfd)einungen;
erft in ber Höhe ber Sonne entftehen bie mächtigen
©asausftrömungen, bie riefigen Sdjmeife, ent=
ftel)en bie feltfamen Lichterfcheinungen, bie uns
jene ©eftirne fo intereffant mad)en. §ier tönnen
mir beutlich bie, man möd)te faft fagen „er*
medenbe“ 51raft ber Sonnenftrahlung oerfolgen,
©ntfernt fid) ber 5lomet mieber, fo oerfintt auch
all bie $errlid)teit; ber gefürd)tete Äomet ift ein
armer Schelm oon ber fyrau Sonne ©naben. —
Hnb fo liegen bie Serl)ältniffe aud) auf
©rben! ^ ~ " "
Tie ©röhe ber Sonne im Serhältnis 3 U ben Planeten
machte (Europa fd)on 3 U einer unbemohnbaren
©ismüfte, oon ber alle Äultur in tur 3 er 3 eit oer=
fdjminbert mürbe. Ter phantafieoolle englifdEje
Homanfd)riftfteIIer SBells I)ot bas einmal in einer
fehr intereffanten ©Zählung ausgemalt, unb be=
tannt ift bas ©emälbe bes lebten Htenfd)enpaares,
bas eng aneinanbergetauert in einer (Eishöhle am
Äquator ber ©rbe erftarrt, mährenb tief unten
am §ori 3 ont bie Sonne als ein nur nod) buntel=
rot glühenber, oerlöfchenber Sali oerfintt.
3n ber Tat! Tllles auf ©rben ift umgemanbelte
Sonnentraft. Tie gan 3 e Hatur um uns her 3 eigt
uns bas auf Schritt unb Tritt. Taft bie $flan 3 en
nid)t ohne bie Sonne 3 U gebeil)en oermögen, bah
bie meiften Tiere mieber auf i] 3 flan 3 en 3 U ihrer
Lebenserhaltung angemiefen finb, bah fid) oon
biefen Tieren erft mieber bie gleifd)freffer nähren,
ift uns allen betannt. Hber aud) bie meiften
Kräfte, bie ber Htenfd) in feine Tienfte ftellt,
ftammen in lehter Linie oöm Sonnenfeuer ab.
Tie Sonne ift es, bie unfre Sßinbmühlen treibt,
benn bie ungleiche ©rmärmung ber Luftfd)ict)ten
burd) bie Sonne bebingt beren 93emegung, bie
mir 2Binb unb Sturm nennen; bie HSafferträfte
ber 23äd)e, ber Ströme unb HSafferfälle mürben
oerfiegen, menn bie Sonne nid)t märe, benn alles
Talmärtsfliehen ber SBaffer hörte auf» menn es
nid)t mehr regnete, menn bie Sonne nicht mehr
bas HSaffer ber Hteere unb $düffe oerbunftete,
emporhöbe, um es mieber nieber 3 ufd)iden. Tie
Sonne ift ber mächtige £>ebel, ber biefes riefige
Hrbeitsgemid)t mieber über ben toten $untt bringt.
Tas Tampffd)iff, bas mit breiter Haud)fal)ne
Hur bie Sonnenftrahlung mad)t ben
©rbball bemohnbar für höh^r entmidelte
i Hflan 3 en unb Tiere, macht ihn 3 U einer §eim^
ftätte für ben 9Henfd)en. Tie mittlere
temperatur ©uropas beträgt jeht 13 ©rab
2Bärme, fie mürbe ohne Sonnenftrahlung
auf 73 ©rab Äälte finten; ja eine Abnahme
ber Sonnentemperatur um etma 400 ©rab
- , -v -.. ,^„ a Jn
tann. Hus photometrifchen Hteffungen hat
©ranulation ber SomtenoberfIäd)e ‘iPha^graphie ber Sonne mit Sonnenfleden
©rohe Sonnenfledengruppe
1911. 9lr. 42
Über fiartb urtb 9fteer
1109
müffen wir einige 2 Borte über bie gan 3 e
ftonftitution ber Sonne fagen. 9Bir I)aben
fdjon gehört, baß bie Stoffe, bie ben
fid) ergeben, baß bas £id)t ber Sonne
gleid) bem oon 27 000 VMionen Vormal*
tcr 3 en ift. Die Sßärme, bie toir jährlich
oon ber Sonne empfangen, reicht i)in,
um einen bie ©rbtugel rings umgebenben
©ispan 3 er oon 52 Metern Dide ab 3 U*
fd)mel 3 en, babei ert)ält bie ©rbe aber
nur ben 2735millionften Teil ber Sonnen*
toärme, alles anbre ftral)lt bie Sonne in
ben SBeltenraum hinein unb ben paar
anbern ^Planeten 3 u. Vad) Vieffungen
oon Sd)einer auf bem aftropI)pfitalifd)en
Obferoatorium 3 U s Potsbam ift bie Tem*
peratur ber Sonne auf 7065 ©rab ©elfius
an 3 ufeßen. ©leid) hier fei bemertt, baß
aud) bie — wie man aus erbgefd)id)tlid)en
3 orfd)ungen fchließen mu| — feit 3ahr s
millionen 3 um minbeften annäljernb gleich 1
gebliebene Temperatur ber Sonne nod)
ein Vätfel ift, benn es Xäfet fid) 3 um
Veifpiel bered)nen, baß eine ber Sonne
gleid) große ftugel aus reiner Steintof)le
nad) einer 23renn3eü oon 25000 fahren
erlofdjen fein roürbe.
Die ©röße ber Sonne ift eine gart 3
ungeheure; fie roirb aus unfrer Vbbil*
bung beutlid)er. 3l)r Durdjmeffer beträgt
1387000 Kilometer, übertrifft alfo ben
©rbburchmeffer 109mal. 3rt bie hof)I gebaute
Sonrientugel liefen fid) über 1V 4 Millionen ©rb=
tugeln hineinfüllen. Vun ergibt fid) aber aus ber
2 ln 3 iet)ungstraft ber Sonne ihre SRaffe refpettioe
ihr ©eroid)t. Vtan finbet, bah fie nur 323 OOOmal
fdjroerer ift als bie ©rbe, fie muh baßer aus [ehr
loderen Vtaffen befteßen, unb bas roirb benn auch
burd) allerlei phbfitalifd)e Vorgänge, bie toir am
Sonnentörper beobadhten tonnen, beftätigt.
Unter Vnwenbung entfpred)enber 93orrid)=
tungen 3 ur Verminberung ber £id)tfülle Iaht fid)
bie Sonne im Sernroßr fehr gut beobachten. 2Bir
fehen eine mächtige Ieud)tenbe ftugel oor uns,
beren Oberfläche mit tleinen helleren unb
buntleren Vünttcßen überfät ift. Diefe ©rfdjeinung
ber Sotmenoberflädje nennen toir ©ranulation.
2 Bir toiffen heute, bah fie heroorgerufen roirb
burdh feine 2Böltd)en, bie in ber Sonnenatmofphäre
fd)toeben. Vor allem aber fallen uns große buntle
Siede auf, bie faft immer roie Sd)önt)eits*
pfläfterdjen im Vntliß ber Tagestönigin fid)tbar
finb, es finb bie betannten Sonnenflede.
Sonnenfiede hohen 3 umeift eine
enorme Vusbeßnung. Die oier ■■
groben Siede oberhalb bes Strid)es
auf unfrer Vbbilbung (S. 1108,
unteres SCRittelbilb) finb fämtlid) ’J9j|
rtod) um ein beträd)tlid)es gröber
als ber ©rbball. 9Van hat Sieden
beobadhtet, bie gegen 200000 5XiIo=
meter £ängenausbeßnung halten
unb an Slädjeninßalt bie gan 3 e
©rboberf!äd)e mel)r als fünf 3 igmal
übertrafen. Dabei finb biefe ©e*
bilbe 3 umeift fehr oeränberlidj; in
toenigen Vtinuten oerfd)roinben
Teile, bie gröber finb als ber
©rbball. ©s tommt aber aud)
oor, bah fid) ein Sied, langfam
feine ©eftalt oeränbernb, monate*
lang hält. Vn biefen Sieden fleht
man beutlid), bah fi<h hie Sonne
roie bie ©rbe um ihre Vd)fe breht;
fie tauchen am Oftranbe ber Sonne
auf unb oerfd)toinben am 2 Beft=
ranbe. ©ine Umbreßung ber Sonne
roäI)rt runb 25 Tage, ©ine unfrer
Vbbilbungen 3 eigt einen folcßen
Sied in ftarter Vergröberung.
907an unterfcßeibet ba eine buntle
Partie, ben „fternfled", unb einen WM
helleren Saum, bie „Penumbra“. H
©lüßenbe 9CRaf fen burcßbrecßen bas
gan 3 e ©ebilbe unb er 3 eugen bien*
benb h^IIe £icßtbrüden, bie lang*
fam ben Sied toieber 3 erftören.
©s hat fid) nun ge 3 eigt, bah biefe
Sonnenflede periobifcß in oer*
fcßiebener Vn 3 aßl unb ©röße auf*
treten. 3uweilen ift bie Sonne
jahrelang faft gan 3 frei oon biefen
mäd)tigen ©efchroüren, bann fol*
gen roieber Saßre, in benen fie
bamit überfät ift. Sehr beutlid)
tritt eine elfjährige ^eriobe hier
heroor, beren Urfadje nodh ooll*
tommen rätfelßaft ift. 2ßas finb
nun bie Sonnenflede für ©ebilbe? -
©he roir biefe grage beantworten,
Sonnenball 3 ufammenfetjen, außerorbent*
lid) loder finb, unb bah bie Temperatur
mehr als hoppelt fo t)od) ift roie bie unfrer
heiheften irbifcßen SBärmequellen. Vei
biefer Temperatur finb nod) alle Stoffe,
bie hier auf ©rben feft ober flüffig finb,
auf ber Sonne in einem gasförmigen
3uftanb. So gibt es nichts Seftes, Ve*
ftänbiges, Vußenbes auf ber Sonne, biefer
SBelttörper ift ein ungeheurer Vall aus
glüljenben ©afen. Vetanntlicß haben roir
ein rounberbares Softrument 3 ur Ver*
fügung, um aus bem £idjt, bas uns ein
VSelttörper 3 ufenbet, feine 3ufammen=
fetjung unb feine pßpfitalifdje Vefcßaffen*
heit 3 U erfahren: bas Speftroftop. Seber
Stoff 3 eigt im bunten £id)tbanbe bes
Spettrums befonbere, nur ihm eigentünt*
Ikße, d)aratteriftifd)e £inien, bie „$raun*
ßoferfeßen £inien“, gan 3 gleid), ob er in
einer flamme hier unten in einem £a*
Moratorium brennt ober in einem fernen
Stern glüht. So tönnen roir ermitteln,
welche Stoffe auf ber Sonne oorhanbert
finb unb in toeld)em 3uftanbe. Das
Spettroftop hat ©ifen, ftoßlenftoff, Vßafferftoff,
©ßront, Stadium, Videl, Viel, ftalium, Sauerftoff,
Natrium unb oiele anbre Stoffe auf ber Sonne als
glühenbe ©afe nadhgeroiefen. 9tun hat ber Vielten*
raum eine auherorbentlid) niebere Temperatur. %n
ben oberften, äujjerften Sdhid)ten ber Sonne muh
baljer aud) eine ftarte 9lbtühlung ber ©afe eintreten,
unb ebenfo, roie aus bem nämlichen ©runbe fid)
ber 2Bafferbantpf in ben höheren Sdjid)ten ber
irbifchen £ufthülle 3 U VSafferbampfroolten oer*
bid)tet, oerbichten fid) bie am leidjteften tonbenfier*
baren ©afe, bie ber ÜJJtetalle, auf ber Sonne 3 u
SBolten aus äRetallbämpfen. Die Sonnenflede
finb fo!d)e VSolten, bie in ber Sonnenatmofphäre
fdjroeben, jeboch in beren tieferen Sd)id)ten. ©s
ift fehr toahrfdjeinlid), bah hie etroas tiefer liegenben
Partien ber Sonne fich in glühenb flüffigem 3u=
ftanb befinben, bah bann Schichten folgen, roo bie
flüffigen Vtaffen in einen fehr bidjten, gasförmigen
3uftanb übergehen, unb bah nad) oben l)ia, immer
o^eiter oom Sonnentern entfernt, biefe ©afe
immer bünner unb leidster roerbert. ©s ift gar
nid)t abfolut fid)er, bah bie Sonne
I ein fo feft abgegren 3 ter 23aII ift,
roie toir fie fehen, fonbern fehr
tool)l möglich, bah fid) ihre Viaf*
fen, feiner unb feiner toerbenb,
ohne fdjarfe 9lbgren3ung im 9laum
oerlieren. Die fefte, tugeiförmige
91bgren3ung tann, roie burd) Unter*
fudjungen oon Sd)mibt heroor*
geht, aud) burd) Strahlenbrechung
in einer Sd)id)t ber Sonne oon
beftimmter Didjtigteit heroorge*
rufen werben. großen unb
ganzen hat man fid) heute baran
gewöhnt, brei Sd)id)ten auf ber
Sonne 3 U unterfd)eiben. 3uriäd)ft
bie eigentliche ftartleudjtenbe
Oberfläche, „^ßhotofphäre“ ge*
nanrtt, beren tiefere Schichten
wahrfd)einlid) glühenbflüffig finb.
Dann tommt bie I)anptfäd)lid)
glühenb es Sßafferftoffgas enthal*
tenbe ©asfd)id)t ber fogenannten
„©hromofphäre“. ©s folgt bar*
auf bie eigentlid)e bünne Sonnen*
atmofphäre, beren äuherfte Var*
tien bei ©elegenheit einer totalen
Sonnenfinfternis als fogenannte
„itorona“ fid)tbar werben. Um
bie Sonnenflede herum ober an
^untten, wo halb barauf Sonnen*
flede entftehen, iiel)t man eigen
, . artige £id)tflede unb Bibern, wie
fie eines unfrer SBilbcr fel)r gut
erlernten läßt. Der Vftronont
^■j nennt fie be 3 eid)nenberwei|e
„gadeln“. Diefe Radeln flehen
in einem urfäd)lid)en 3ufammen=
hang mit ben Sieden, es fd)eiut,
als ob burd) SBirbelbewegungeu
in ben ©lutmaffert ber s 43hoto
fphäre hier befonbers beiße, auf
fteigenbe Ströme entftehen, bie
bie DJietallbämpfe in größere
£>öl)en emportreiben, wo fie bann
eben abgetühlt werben unb bie
ÜBolten bilben, als welche wir bie
Die Sonnentorona, aufgenommen währenb einer totalen Sonnen*
finfternis am 28. Vtai 1900 oon iprofeffor föitfdjei)
Sadeln auf ber Sonne
Totale Sonnenfinfternis. 9tach einem ©emälbe oon 9V. ©iffler
1110
Über £önb urtb 501 eer
1911. SRr. 42
Brotuberan 3 en
Sonnenflede tennen gelernt haben. — Tie bis*
her erwähnten ©rfdjeinungen finb feit ber (£r=
finbung bes S^roßres, alfo etwa feit bem 3aßre
1610 betannt. ©rft in neuerer 3eit aber hat
man Bßänomene entbedt, bie oßne Bnwenbung
befonberer Mittel nur 3 ur 3eit einer totalen
Sonnenfinfternis ficßtbar toerben. Bings um bie
oom Btonb bebedte Sonne fießt man bann einen
munberbaren Straßlentran 3 , bie „Korona“, beren
filberweißes £icßt, oon feinen Strahlen burd) 3 ogen,
einen gerabe 3 U mpftifdjen ©inbrud mad)t. Tiefer
Straßlentran 3 toirb burd) bie äußerfte Schießt ber
Sonnenatmofpßäre gebilbet unb ift waßrfcßeinlicß
untermifd)t mit feinen Staubpartitelcßen, bie
offenbar burd) elettrifcße, abftoßenbe Kräfte unb
burd) ben Trud bes £id)tes oon ber Sonne fort*
geftoßen roerben. Bber nod) oiel intereffanter finb
bie roten Slämmcßen, bie I)inter bem oerbuntelnben
Btonb am Sonnenranbe ficßtbar toerben. Btan
nennt biefe Slämmcßen „Brotuberan 3 en“. ©s
finb, toie bas Spettroftop 3 eigt, emporgefd)Ieuberte
Ströme glüßenben SBafferftoffgafes, bie aus ber
©ßromofpßäre ftammen. ©an 3 ungeahnte ©e*
malten müffen biefe (Eruptionen auf ber Sonne
ßeroorrufert, benn man hat ^rotuberan 3 en beob*
ad)tet, bie mit einer ©efcßwinbigteit oon 500 bis
700 Kilometern in ber Setunbe 400 000 Kilo*
meter emporftiegen. Oft finten biefe ©ebilbe in
wenigen Btinuten roieber oolltommen in bas
Bicßts 3 urüd, ein 3^id)en für bie Unbeftänbigfeit
aller Tinge auf biefem gewaltigen Seuerßerbe
unfres Blanetenreicßes.
am Sonnenranb
mätjnte ^ßeriobipität, aber nod) rätfelßafter ift ber
Umftanb, baß irbifcße ©rfcßeinungen oon biefen
©reigniffen auf ber Sonne beeinflußt werben. So
treten jebesmal, wenn ftarte ^3rotuberan3en am
Sonnenranbe auftreten, Störungen im Tele*
grapßenbienft ein, bie barauf ßinweifen, baß bie
©rbftröme eine Bnberung erfahren haben. Buch
bie Borblidfter, bie ©ewitter unb Stürme 3 eigen
eine ^ßeriobi3ität, bie mit ber ^tedenperiobe auf
ber Sonne übereinftimmt. ©an 3 offenbar ift bie
Sonne ber Siß ungeheurer elettromagnetifd)er
Kräfte, unb jebe 3uftanbänberung biefer Kräfte
muß aud), wie bas aus elettrifcßen ©rperimenten
im Laboratorium ßeroorgeßt, bas Kraftfelb ber
©rbe beeinfluffen.
So haben wir alfo feit ©wigteiten fcßon ge*
wiffermaßen eine braßtlofe Telegraphie Sonne—
©rbe; fa, bie 3ett toirb tommen, wo man nod)
anbre, gan 3 unbetannte Beziehungen 3 wifd)en
Sonne unb ©rbe aufbeden wirb, bie man heute
nur oermuten tann.
Bod) aber bietet uns ber Seuerball taufenb
Bätfel, beren größtes woI)I bie Quelle ift, aus ber
bie Sonne fortwäßrenb bie ausgeftraßlte ©nergie
wieber erfeßt. £>elml)olß war ber Tlnfidjt, baß fie
es burd) ein langfames 3 ufammen 3 iel)en erreiche
unb burd) ben Trud, ben fie babei auf ihre eignen
Blaffen ausübe. Blag bem fein, wie ihm wolle,
wir wiffen, baß aud) fie nid)t ewig fein wirb, wir
miffen, baß aud) Sterne fterben müffen. Bud) bie
größte Sonne muß oerglüßen unb oerfprühen wie
bie tleine Kohle im irjerbfeuer.
Beränberung einer Sonnenprotuberan 3
Tille biefe ©rfd)einungen, bie Siede, bie
Sadeln, bie Brotuberan 3 en, haben bie fd)on er*
Won gtvexfyevxn oon WUdKßofen
it Btacßt bringt ©uropas Kultur in Blarofto
oor, ohne (Erbarmen mit ben leßten ©r*
fcßeinungen bes antiten orientalifcßen SBefens unb
feiner 2Berte. Bur in einem oergeffenen SBintel
ift nod) faft gan 3 unoerborben jene alte 3ioilifation
lebenbig geblieben, nid)t eine rein orientalifd)e,
fonbern bie feiten fd)öne arabifd)*anbalufifd)e
Btifcßung ber maurifcßen Kultur. 3n biefem
BSintel liegt Tetuan, eine Stabt oon eigentüm*
Iid)em Bei 3 , oon unoergleich lieh er Schönheit,
unweit bes Btittellänbifcßen Bleeres, füblich oon
©euta.
3toifcßen ben oon Borben tommenben ©ebirgs*
3 ügen bes Bnbjeralanbes unb
ben innorböftlicßerBichtung nad)
bem Bleere ftrebenben Bergen
ber Beni $affan bahnt fid) ber
Queb Blartine ein fcßmales Tal,
bas fid) etwa acht Kilometer
oon ber See wie ein Säcßer 3 u
einer großen ©bene ausbreitet.
Bn biefem Übergang oom Sluß*
tal 3 ur breiten Bieberung liegt
als Bbfcßluß jene Stabt.
Buf ben terraffenförmig an*
fteigenben bügeln baut fidt)
Tetuan auf, fid) in blenbenber
Bteiße ßerrlid) abßebenb oon
bem tiefen Tuntel ber im
.Ejintergrunbe bis 3 U befchneiten
iDÖßen aufragenben Berge.
B3oI)I taum tann ein Blaß
ein für Baturfd)önheiten emp*
fängliches Buge mehr feffeln
als biefes Tetuan mit feinen
Türmen unb Blinaretten, getrönt
oon ber alten majeftätifdfen
fyefte, umgeben oon herrlichen
©ärten, liefen unb Bergen;
bas ©an 3 e oon wunber*
ooller Beinheit ber £inien unb beruhigenber
Harmonie.
„Telle est Tetouan, cette perle du Maroc,
cette odalisque, mollement couchee dans son lit
de fleurs et de feuillages,“ würbe bie Stabt
treffenb bezeichnet.
Unb biefe Stabt mit ihrer fünf 3aßr*
hunberte alten Kultur weift für marottanifeße
Berßältniffe ergiebigen £janbel unb tätige 3n*
buftrie auf.
Bllerbings bringt bas oorläufig nod) mini*
male ©inbringen ber (Europäer in biefen Blaß ben
Bachteil, baß Tetuan in tommer 3 ieIIer Bebeutung
nid)t mit Tanger unb ben Stäbten ber BSeftfüfte
Schritt gehalten I)at.
Unter beft Brbeiten ber ©ingeborenen oerbient
neben ber BSeberei, ben £eber* unb Stuttatur*
arbeiten bie Töpferei befonbere Bead)tung. Tid)t
bei ber Stabt liegen ©ruben mit etwa fünf
Bieter hohen [teilen BSänben. 3n ben leßteren
finb höhlenartige Bertiefungen oon geräumigen
Timenfionen.
Unb alles ift gebilbet aus ber feud)ten Tonerbe.
3n ben ©inbud)tungen arbeiten bie Tonbreßer an
ihrer Töpferfd)eibe. %m. Boben ift ein £od)
gegraben, bas bem am Banbe fißenben Brbeiter
gerabe Blaß für feine Beine
läßt. Blit feinen Süßen oerfeßt
er eine Trel)fd)eibe in Be*
wegung, mit ber gleid) 3 eitig
eine 3 weite Slädje, bie eigent*
Iid)e Töpferfiheibe, fid) breßt.
Tiefe 3 weite Sd)eibe ift in
§anbl)öl)e unb auf ißr wirb ber
Ton geformt.
Blit außerorbentlidfer ©e=
fd)idlid)teit unb Sd»nellig!eit
bilbet ber Blamt feine Sormen
nur mit $ilfe feiner §änbe
unb eines §ol 3 ftüdd)ens.
Tid)t an ben ©ingängen
3 U ben ^ößlen befinben fid)
bie £>fen 3 um Brennen ber
Tongebilbe.
3m allgemeinen finb bie
üeiftungen auf bem ©ebiete
ber Töpferei recht erfreulich.
Befonbere Beachtung oerbient
aber bie §erftellung ber tleinen
farbigen Tontäfeld)en, bie für bie
Blofaitbetleibung ber S u ßööben
unb ber untern Teile ber Sßänbe
benußt werben. Tie Bus*
„©uter" 2Beg oon Tetuan nad) Tanger
Tetuan, Marttplatj
füfjrung biefer glatten ift fo ausge 3 eid)net, bafc
fid) ein (Erport roohl lohnen mürbe.
Die Türme ber alten Mofd)een roeifen häufig
berartige Arbeit auf unb befunben bie Dauer*
haftigfeit non Ton, 93raub unb garbe.
Die gan 3 e Tenben 3 ber 3 ur 3 eit ausgeführten
Arbeiten neigt mehr 3 um praftifdjen ©ebraud)
I)in. 9tur oereht 3 elt nod) finbet man 93erfud)e,
ber altberühmten fpanifd)*arabifd)en Majolita*
unb gopencefunft nafeueifern. ltnb toie Ijerrlid)
[inb bod) btefe Meifterroerte bes Mittelalters in
ihren feiten fdbönen garbentoirfungen, ein ©enujg
für bie 93efud)er alter Mofdjeert unb maurifcher
Sßaläfte.
3nteref[ant ift es, in ber orientalifdien Literatur
3 U oerfolgen, toeldje iRolle bas Töpferhanbtoer!
im 3beengang ber Orientalen fpielt. Omar
Töpfereien
fthojjam, jener grofce Diditer fßerfiens, oeranfcbau*
Ud)t bie gan 3 e Tragif ber 93ergcinglid)teit bes menfch«
liehen Mefens in bem d)arafteriftifcd)en Silbe bes
Töpfers, ber aus ber (Erbe begrabener ©efd)led)ter
feine oergänglidje SBare formt. So ift biefe ent*
ftanben aus bem aus ber (Erbe gefchaffenert unb
toieber 3 ur (Erbe geroorbenen ßebenben, in ihrer
3erbred)lid)teit-- aber toieberum ein Sinnbilb ber
Sergänglidjteit.
3n ber oielbefproehenen ÜPberfehung jenes
großen Poeten hot uns Dr. griebrid) 9?ofen groben
biefer ffSoefie gegeben, bie mit jeber europäifd)en
fiprif ben Sergleid) aufnehnten:
©eftern 3 erfcE)Iug ich meinen itrug mit 2Bein
3n meiner Trunfenpeit an einem Stein.
Da fpracp bes ftruges Scherbe: 2Bie bu biit,
2Bar Up, unb wie ich bm, wirft bu einft fein.
1911. m. 42
n»i
Sauren mitten in ber Saigon als ©eßarrtifcßter ergriff. Des iöeal gefilmten Sd)tller dteßenfion
gegen bie Dbeatertritit in einer SReiße oon geutlle* ber 23ürgerfd)en ©ebidjte I)at bem ungliictlicßen
tons auftrat, gegen bie SBerroßung in ber Dßeater* Dieter bie einzig gebliebene £ebensfreube ger=
^ .. . _ , rr .. „ . tritt!,-unb bamit einen beifpiellofen Sturm ber nagt, unb bes eifernen 3ionsroäcbters Johann
jn btefen Sommermonaten gegeben, lerne Meinungen ßeraufbefeßwor. ( 3 n grantreieß, bas 2Rel<ßtor ffioefce blöbes 3eIotentum bat bem oon
bramattfd)en 3nten. Swag fern,. bafe fte ftd) tn ber fei nebenbei bemerft, batte ©eorges gregbeau, ber ©unft ber 3 ugenb rafcß mx Unfterblicßteit
Stdle ber baßtertfeßen ^Irbettsftiiben oorbereiten, ber Stteffoßn bes eleganten gigarofritifers §enrp getragenen „Sßertßer" aus feinem Hamburger
bas fitdgtber jHampenerbltdenfiemcbt. ©aftfpiel== 3'ouquier, ber ben Sproffen feiner ©attin als Santt Katßarinen roütenb naeß gef d) impft: „Die
ettfembles, bte oft tlmgenbe tarnen führen, bie ^enfent lange geftßbtti unb burd) fein oerwanbt* £eiben bes jungen 2 Bertßer füllten Narrheiten
tßnen nad) tßrer 3hfammenfeßung nur reeßt be= fdßaftlicßes 2 BoßIwollen ben Kollegen oon ber unb Dollßeiten beißen, unb biefe ,game ©ßarteque*
btngungstoetfe ^ufommen, burch 3 teben bie £anbe 23ouIeoarbpreffe empfohlen batte, in üöerbinbung habe leinen anbern 3 med, als bas Scßänblicße
unb fptelen bas oft babetnt auf ©rfolg ©rprobte mit bem oerärgerten Sarbou, ber bie fnalligert oon bem Selbftmorb eines jungen SBiMings, ben
bem jpublttum frember Stabte oor; tragen toobl Koftümtragßbien feines Alters fälecßter bepanbelt eine närrifdEje unb »erbotene £iebe m bem ©nt*
aud)mlletnere^unftgemembentbeatralifd)e£)ffen= fab als bie bei aller ^tufeerlictjleit büßnentecßnifcß feßluß gebradjt habe, fid) bie Jßiftole oor ben Kopf
barungen, bte ftd) tn ben großen 3entren fd)on bebeutenben Komöbien feiner SJtannesjaßre, einen 3 U fegen, tünftlid) ‘abBuwifcßen unb btefe feßwame
überlebt haben. Jlber ber bramattfeße 9Heffias, ^elbjug gegen bie Kritif eröffnet, ber bamit be= Dat als Danbiung bes Heroismus oorsufpiegelrt."
aud) nur ber SatfomdRefftas, wtrb ntemals im gann, baß bie ^arifer Dßeaterbirettoren — laut §ier toie bort — in ber Kritit bes oor nehmen
Sommer er [Jemen. _ ■ , grimmig unterfeßriebenem 9?eoers — feine Kri= Dichters ber ©öfter ©riecbenlanbs toie in bem
..... - üte ^tttx ruht aus, fcßlummert Unb tote es tifer mehr 3 ur ©eneralprobe einlaben burften. ©efd)impfe bes unoornebmenDrtßoboxen—finben
ftdb empfiehlt, btfftgen Dteren nur gu. naben, Daburd) tourben bie d^eufenten 3 U ber flauer* fid> 21nfpielungen auf bas „Milieu“ bes «Poeten,
^^ l^^ad) gehabter blutiger SJcablsett gut unb lieben, in unferm Dages^eitungsbetrieb längft ein* ber oerniebtet toerben fo.ll. Unb bas war ber 310 eite
feft feßlafen, fo läßt ficb otelleicbit aud) bas oon geführten harter ber diaeßttritit oerurteilt. Doch heftige 23orwurf, ben Subermann erhob, ©t
otelen, bte ftd) »erfolgt, oertounbet, serfegt oon tourbe biefe graufame Mße oerlegter Moren wollte abfeben oon ben fd)er 3 ßaften 21bfcßläd)=
ihm fühlen, gebaute Untter ber Dbeaterfriiif am halb toieber illuforifcß, als 3 uerft bie 23ouffes tereien bhitiger Dilettanten, wie fie Naul £inbau
Sri 1 e . tn 1 J taI ^ emeö Sommer* ^arifiennes einfach ftatt ber ©eneralprobe mittags gelegentlich betrieben, unb oon ben tritifdßen 2 Biß=
|d)laf 5 tn ber nähe betrachten. bie „©rftauffüßrung" anfegten...) Subermann fpielen Dsfar 231umentßals unb batierte bie oon
^mmer unb immer fmb bittere «ortoürfe gab bamals bem ©ebanfen Mbrud, bag bie if)m gerügten fd)Ied)ten dRanieren ber «reffe erft
gegen bte nrtttf erhoben toorben. Denn tn ben Sfanbal* unb Sdjmähfud&t ber Dheaterre 3 enfenten oon ber dRitte ber ad)tsiger 3alne, unb eine ihrer
£anben ber jpoefte fühlen gar otele ftd) berufen — niemals fo grog, Sitte unb ©efchmad niemals in fd)led)teften neuen äRanieren fah er eben in M
00 m oerltebten Primaner über ben Oberleutnant, einer SBeife oermahrloft getoefen feien toie heute fpielungen auf bas dRilieu, auf menfd)Iid)e 23e*
ber gerabe ben bunten 5Rod ausge 3 ogen hat unb — ober oielmehr: toie bamals (1902). 9tid)t 3 tehungen ber Sdjaffenben in ben üritifen...
ftd) auf bas Schreibgerät beftnnt, bis sum ergrauten bie Störte- ber Ablehnung, fonbern ben Don ©etoig finb oft taftlofe Schnüffler 3 U toeit qeqanqen
Kaufherrn, ber ftd) 00 m ©efdjaft 3 urudge 3 ogen gebaute er 3 U treffen. 2Iber bie ©rfolgloferen in 21nfpielungen unb Deutlicheren. 2lber es ift
unb nun enblnh 3ett hat, ber 2Belt einige ©e= unb 23ertannten hinter ihm oerftärtten bie Klage bod) auch 3 U ertoägen: toennbie £iteraturgefdid)te,
fühle tn ©oIbf«hmtt 3 U fpenben — unb nur toenige unb — ba nun einmal ber 23ann bur<h eine oiel* ber rtfdjt in legter £inie bie richtig qehanbhabte
fmb ausertoahlt. Dtefe toentgen fmb empfmblid), leidet nid)t oorfidjtige, aber tapfere 2Iusfprad)e Dagestritif bie toertoollften Dienfte 3 U Ieiften hat,
wo ber 23etfall einer großen ©efeUfdjaft wirb gebrochen war — ftellten fie fid) an, als ob in aufhört, auch ben 23 e 3 iehungen bes Poeten sum
leicht uberhod unb oergeffen, wo eine etn 3 tge früheren, befferen 3eiten alles Schöne, ©ute, £eben unb 3 U ben £ebenbigen feiner Umgebunq
Sttmtne ber ©egnerfdgaft ftch mätelnb hören lägt. SBertooIIe ohne weiteres feinen beträn 3 ten Sieges* nad) 3 ufpüren, was bliebe bann? Voltaire hat
S teI ! n .. ob( r r Nden gern ohne weiteres im 3 ug burd) bie bantbare SBelt angetreten hätte. mit meIand)oIifd)er Bosheit geurteilt: „D’bistoire
Uno er) taub ms, tm llbelwolfen, ja im §ag ber, 3n SBahrheit haben 3 U allen 3eiten auch bie ©ro gen n’est que le tableau des crimes et des malheurs.“
Krittler^ bte ©rünbe ber Ablehnung ihrer 2Berte ihre Gerächter, bie äRitläufer ihre Reuter, bie 3n folgern galle wäre bie £iteraturgefd)id)te
unb leiben ftcq allmählich tn eine äRärtprerroIIe armfeligen Kleinen ihre unbarmher 3 igen Dot* nichts anbres als eine geift* unb feelenlofe ©hronif
hmetrt, beren ©lortole ntemanb fteht als fie felbft fchläger gefunben. 3 u 3 eiten, wenn bie 2Bogen ber ©rfolge unb ber Durchfälle; taum wertooller
tm^Sptegd, unb eme tleme ©efeUfdjaft, bie einen groger 3beentämpfe hoch gingen — man bente als bas Nautbud) einer Stubentenoerbinbunq, in
otelletcht wtrfltd) 3 art unb fchön unb hoch emp* an bie Kritit ber 9 teformations 3 eit auf beiben bem alle erteilten unb erhaltenen „Abfuhren"
fmbenben äRenfchen oerwedhfelt mit einem 23 e* Seiten — ift ber SBig fpigiger, ber $ohn giftiger gewiffenhaft noüert finb, taum wefenilich int er*
gnabeten, ber folchen ©mpfmbungen bte 3 orm 3 U gewefen als in trägeren, ftilleren ©pod)en. 21 ber effanter als bas Mpnesbuch eines beliebiqen
geben oermag. äRan weig, bag unter bett tein ÜÜSert oon irgenbwelcher 5Bebeutung ift jemals Sportoereins.
„wenigen“, über beren 23ebeutung in 3af)r= auf bem pan erfchienen, ohne bag es ben ftärtften Das fdjlimmfte bei ber Kritit ift unb war,
bunberten man ftretten tann (aber bitte, wie oiele 21nfeinbungen ausgefegt war, bie um fo ftärter bag bie Differen 3 ierungen fehlen. Dag in ben
£tebltngeuhrer 3ett hoben benn überhaupt bie unb aggreffioer im Don würben, je mehr eine grogen, ernften Dheatem bie geftrenqen, mit
Suhrte behauptet, nad)bem ihre ©eneration bahin tompatte dRaffe Slinbbegeifterter ober ein 3 ähes 2Biffenfd)aft unb 2Infprüd)en befchwerten Herren
war?), beren md)t unberechtigte ©rfolge unter Häuflein, bas bie 3ntelligen3 gepadhtet 31 t hoben als dichter figen, in bie leichteren dRufentempel
ben £ebenben aber tem ©hdtd)er beftreiten wirb, glaubte ober in 2 Bal>rheit ben geiftigen 3 orifd)ritt aber oft bie Herren gefd)idt werben, bie qewiffer*
Hermann Subermann es war, ber oor neun oertrat, für bie umftrittene Steuerfcheinung Nortei (gortfegurtg f. s. 1117 )
„San atOffen
hilft Ihnen sicher /“
So sagen täglich Tausende von Herzten, wenn jemand über allgemeine
Mattigkeit, über erschöpfte Nervenkraft und geschwächte Verdauung klagt.
Sie, die berufenen Hüter der Gesundheit, wissen, daß Sanatogen 95°/ö
reinstes Eiweiß und 5 °/o Glycerinphosphat (entsprechend 18,68 °/o
Lecithin) enthält, also diejenigen Baustoffe, deren der Organismus zur
Wiedererlangung von Lebenskraft und Lebensmut bedarf.
Große Reizbarkeit, grundloser Mißmut, Rngstzustände, quä¬
lende Kopfschmerzen, rasche geistige und körperliche Ermü¬
dung und Schlaflosigkeit sind Zeichen, daß der Gebrauch von
Sanatogen geboten ist. Da Sanatogen als Zusatz zu den ge¬
wöhnlichen Speisen und Getränken bequem genommen werden
kann, veranlaßt sein Gebrauch keine Störung der gewohnten
Lebensweise und keine Unterbrechung der beruf liehen Tätigkeit.
Mehr als 14000 Herzte haben die unübertreffliche Wirkung
der Sanatogenkur in wissenschaftlichen Hrbeiten oder brief¬
lichen Gutachten bestätigt, Nicht zu zählen sind die Männer
und Frauen aller Stände und Berufsarten, denen Sanatogen
zum Jungbrunnen geworden ist.
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krankheiten, Wien:
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bewährt.“
1911. $Rr. 42
Uber £artb unb ÜJteer
1117
mauert bie frittfd)e 3toeite ©arnitur barftellert, unb
bereu hormloferem ©emüt letzter eine bramatifche
greube 311 bereiten ift, ohne baft fie Anlehnungen
fühlen, ^ilflofigteiten erlernten. So bah bent
Vublitum, bas 3mifd)en Kritil unb Kritil nicht 3u
unterfcfteiben oermag unb bie ißerfönlid)teiten, bie
hinter ben Krüilen flehen, nid)t 3U inerten in ber
Sage ift, oft £eid)tmiegenbes über ©ebül)r gerühmt,
©mftgemolltes unb nur in ©Übelheiten Verfehltes
oft ungerecht gegolten fcheint.
So erfd)ien mandhem Schaffenben oielleidjt bas
als 3 beal, was jüngft auf eine Umfrage eines VMener
Vlattes ber originelle Albert Vaffermann, einer
unfrer aller Komöbie im £eben abholbeften Gönner
auf ber Vühne, geantroortet unb — ohne felbft roohl
an bie Vermirllichmtg bes Vorfd)lags 3u glauben
— gemünzt hot: eine ftaatlid) Übermächte Kritil,
eine einfad)e Reportage über ben dufteren ©rfolg
einer Bonität ohne 3enfurerteilung, ohne Iritifche
Vehanblung non Stüd unb Spiel. Der uortrefflid)e
Darfteller hot bamit freilid) nur für ©uropa bleues
gefagt unb geforbert. Das nüchterne Amerita hat
ben Verfuch fchon gemad)t, unb ber „ 9 tem Vor!
tr>eralb“ hot nor 3aWn fchon eine ©rtlärung ab*
gegeben, baft il)m bas 3 ntereffe bes Vublilums an
lritifd)er Abfcftäftung bes VSertes non Bonitäten 3u
gering erfcheine, um in 3utunft noch 3ünftige Krittler
3U entfenben. ©in Aeporter tue es aud) unb merbe
es tun ... Vielleicht hot Vaffermann nicht geglaubt,
auch h^r bent Ven Afiba 3U begegnen.
Aud) baft gänzlich unbeteiligte Zünftler, Sd)affenbe
unb Krittlet in öffentlid)er ©rtlärung für einen ©r*
folg eintraten, ber oom grübelnben Krittler in einen
Vttfterfolg umgebeutet mürbe, mar fd)on ba. Vor
fieben 3 attten erfuhr bie Darftellung non ©ortis
„Aadttafpl" burd) eine ^Berliner Vührte (Kleines
Dheater) in Viündjen eine Ablehnung burd) einen
angefehenen Krittler, ber fofort eine öffentlid)e ©r*
llärung oon einem Duftenb nid)t minber angefebener
Kiteraten folgte, bie begann: „Unter3eid)nete 3u=
fchauer ber Vorftellung bes ©ortifcften , 9 tad)taft)r
burd) bas ©nfcmble bes Kleinen unb 9 ceuen DI)ea*
ters (Verlin) holten es für ihre Vfütftt, gegen bie
Vefprechung biefer Vorftellung burd).
öffentlich Stellung 3U nehmen.“ Unter ben Untere
3eid)nern biefes Vroteftes lefen mir neben Vier*
bäum, £albe unb bem ©rafen Kepferling and) ben
Aameu f$üont VSebelittbs. Unb ba ift es ntd)t un*
intereffant, 311 lonftatieren, baft gerabe Vßebelinb
jüngft in einem lefensmerten ©loffarium „Sd)au=
fpieltunft“ 3m Dl)eaterlritit Stellung genommen
hat unb in biefer mutigen Streitfd)rift bas gan3e
Übel ber heutigen Kritil erllärt aus — ber fd)led)ten
Vefolbung ber Krittler burd) bie Verleger ber Dages*
3eitungen. „3n bem gan3en Aiefengetriebe bes
Theaters, in bem überall nur ^erfönlichleitsmerte
mit Kiebhaberpreifen honoriert merben,“ fd)reibt er,
„ift ber Krittler ber einzige Vfenfd), ber als Dage*
löhner ober Attorbarbeiter behanbelt unb abgefpeift
mirb. 3 <!) lönnte aber fo unb fo oiele lontrete Vei*
fpiele bafür anführen, baft ein Krittler oon bem
Augenblid an, mo er oon feiner 3 dtung anftänbig
befolbet mürbe, aud) anftänbig gefcftrieben hot.
Als bte felbftänbig probu3ierenben Sd)riftfteIIer nod)
nidftts oerbienen tonnten, hechte aud) unter ihnen
ein roherer Don als heut3utage. 2 Bir brauchen nur
an ben Streit $eine*Vlaten 3U benten. £>eute lüm*
mern fie fidh mit menigen Ausnahmen überhaupt
rtid)t mehr umeinanber. Deshalb, memt fid) iigenb
jemanb burch eine Kritil benad)teiligt fühlt, bann
fud)e er bie Urfadje niemals bei bem Krittler felbft,
fonbern unter allen Umftänben immer bei ber 3 d s
tung, bei ber ber Krittler angeftellt ift. 3 d) meift,
meid) einen Sturm ber ©ntrüftung id) mit biefer
Vehauptung he^oorrufeu merbe, uub ich ftobe oom
mirtfd)aftlid)en Stanbpunlt aus oielleicftt bod) red)t.
©s müftte ben 3dtungen einfad) oermehrt merben,
einen Schriftsteller als Krittler 31t befd)äftigen, bem
fie nicht 3ugleid) aud) eine feiner geiftigen Vetätigung
entfprechenbe ßebensftellung ermöglichen. 2 Bemt
fid) eine 3 eiturtg gegen biefe Anforbentng ocrfehlt,
bann merbe id) mid) unter allen Umftänben immer
an bie 3 eitung holten unb nid)t an ben Krittler.
Das heiftt mit anbern VSorten: id) merbe nicht fragen:
VSeldhe geiftigen ©arantiert beftehen für bie Un*
befangenheit bes oeröffent!id)ten Urteils? —meil
biefe S^oge unter Kollegen unb Verufsgenoffen ab*
folut un3ulä[fig ift unb nur 311 unfrud)tbaren perfön*
Iid)en Streitigleiten führen lann. Um fo unoerföhn*
Hefter unb nad)brüdlid)er merbe ich aber fragen:
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und man hat’s im Gefühl, diesmal wird er durchdringen,“
so schrieb Franz Servaes im „Tag“, Berlin, über die von
Dr. FRIEDRICH ROSEN, Kaiserlich Deutschem Gesandten
in Marokko, übertragenen, bei der Deutschen Verlags-
Anstalt in Stuttgart erschienenen
Sinnsprüche Omars des Zeltmachers
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1118
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1911, 91r. 42
SBeldje materiellen (Garantien befteßen für bte Urt*
befangenbett bes üeröffentlicßten Urteils?"
Nu cf) SBebetinb tommt 311 bem Nejiiltat (gu
bem Nmerifa unb 23af [ermann auf anbern 2Begen
tarnen), bajg bte 5tunjt ber 5ftttj! ntdE)t bebürfe,
moßl aber bie 3 ettung, ba fte ohne ftritif feine
3 eitung märe. Sßielletcßt fjat er redjt. Nber ba er
mit einem ©loffartunt bie 3 eitungen nidjt aus ber
SBelt Raffen roirb, fo tft eben mit ben gegebenen
Nerßältnijfen gu reefmen. ©ab bie ftritifer fo
[cßlecßt beßaßlt toerben (tote 311 gontanes 3 etten,
beffen Honorare bem Nnbenlen feiner Verleger feine
©ßre f)ttt 3 ufügen), ift rticßt mehr richtig, Nur rotrb
üielleicßt manchmal gerabe bas ftarf polemifdje
©alertt, bie fdjarfe „eigne Note" beffer begafjlt, tote
ber rußig unb facßltcß Sßägenbe, ber oiel gelernt
ßat unb einfad) [cßreiben fann. Unb bann — man
läßt oielIeid)t an mittelgroßen unb fleinen ^Blättern
gu oiel 3 tigenb gum !ritifd)en Nmte gu; 3 ugenb,
bie uttbebingt burcß ©reinbauen auffallen toill,
burd) Nbfprecßen fid) ben Sd) ein ber reifen Über¬
legenheit gu gehen [rußt. 2 m feinem tecßnifcßen
^Betrieb, too Nnfeßen, ©ßre, Kapital einer ^irma auf
bem Spiele [teßen, mürbe man gu ©utacßtern junge
fieute Anfang ber 3 eoangig mahlen, felbft menn’
man ihr tecßnifcßes ©alent nicht in 3 ^eifel göge.
Praxis fehlt unb Erfahrung. 3 um tritifcßen Nrnte
in äjtßetifcßen ©ingen mirb aber oft ber junge
9Jtamt berufen, ber — „fdjreiben fann", ohne baß
er fcßon Äenntniffe, Selbftgucßt unb 23erantmortltcß=
feitsgefühl in nötigem SNaße beftßt. ©ie Ronfurreng
ber 23lätter untereinanber tut bann bas ScßHmmfte.
$at ein ^tngeiger einen fcharfen ©raufganger, fo
fucßen fid) bie Nachrichten einen feßärferen. Unb
bie 5tun|t — bie nicht immer (Smigfeitsmerte fcf)affen
fann unb auch gefälliger unb nicht unebler Unter*
haltung Nennung tragen rnuß — ift bie £etb*
tragenbe. ©efränft gießen fid) bie alternben 23e*
mährten gurücf, oerängftigt ermarten junge Nuf*
ftrebenbe ben $ieb in bie ftnieteßlen. Unb nur
ber eiferne, neroenlofe ©tcßter — freilich: rote oiele
mag's baoon geben? — fagt fid) tüßl unb felbft*
ficßer, bah bie großen ©rfolge oft nicht mit ber
3ritif, fonbern gegen bie 5tritif famen; unb bah ißm
gegen bas blutige SEJiitternachtsgerid)t ber Negen*
fenten, menn er nur gäh unb guüerfid)tlid) bleibt,
ein. Nppeil übrigbleibt: an bas ^ublifum. Unb an
eine fpätere Rritif, bie über ber 3 eit fteßt, ba
fein SBerf entftanb.
Nubolf iß-resber
OTein. 3nferaten=atnna£)me
bei ^.u&oTf iJilolTe*
SIrmoncen=@spebttion für
fämtlicöegeitunßen ®eutfd)=
lanbS unb be§ SCuälanbeS,
[Iwm
3nferUjm« - ©ebüijren
für bie fünfgefpaltene
9fonp areiHc'ßeüe 2)1.1.80,
für bie Schmeiß Italien
unb ffranfretc^ ftr. 2 . 25 .
tri Söeritn, »re§lau, ®f>emntfc, ®re§ben, ®üffetborf, g-ranffurt a. 3«.,
ßaüe a. ©., Hamburg, Äöln a. 9U)., Setpjtö/ Bonbon, SJiagbeburg,
SDtünctjen, Nürnberg, $rag, Stuttgart, Sffiten, Büridö.
IIMiMllllllllillllllW
*5)ia sdtöftsU X\«äe etoet
elfte POlUft deU üppige IfolsU. jg I Sammlung zeitgenöffifcher Denkwürdigkeiten
Eine sehr angenehme Pariserin,Besitzerin eineswun- jg
derbaren Geheimnisses, bietet dasselbe gratis allen js=
ihren Leserinnen an zur Erlangung einer solchen. :|=
Wie viele Frauen
gehen unbeachtet u.
unbemerkt dahin,
mangels der Reize
einer vollkommenen
Büste, während ihre
glücklicherenSchwe-
stern anziehen und
blenden! Sie wissen
genau, sehr geehrte
Frau,was eine schöne
Erscheinung Ihnen
sichert: Huldigun¬
gen, Respekt, Lob¬
sprüche. Doch wenn
Sie sich im Gegen¬
teil unter den von
der Natur zurück¬
gesetzten, Übersehe¬
nen befinden, wenn
Ihre Büste mager ist
und der ebenmäßi-
gen Form entbehrt,
Mi wie viel Zurück-
Setzung und Krän-
kung muß Ihnen das
PjP Leben bereiten!
P? Doch es ist noch
I kein Grund vorhan¬
den zu versagen.
Schon so oft wurde
den Fehlern und Un-
gerechtigkeiten der
/F Natur abgeholfen, u.
in diesem speziellen
Falle wurde eine
wunderbare Ent-
F deckung gemacht,
welche es allen er-
iy V; ; möglicht,eine,voll-
$ ‘ kommen schöne
Büste“ zu besitzen.
In diefer Sammlung lind erfchienen:
Rudolf von Bennigfen.
Ist dies nicht eine freudige Nachricht, welche ich Ihnen bringe.
Ja, es steht Ihnen heute die Wissenschaft und das unvergleichliche
Talent einer unserer bekanntesten Schönheits-Spezialistinnen Europas
zur Verfügung. Frau Helene Duroy, deren Ruf universel ist und
'deren Erfolge von den Angehörigen des Adels und der Aristokratie
proklamiert wurden, bietet Ihnen ihre wunderbare Methode an. Von
Paris aus, dem Mittelpunkte aller weiblichen Kunst und der Fabrikation
dessen, was mit ihr in Berührung kommt, läßt Ihnen Frau Helene
Duroy ihr ganzes reiches Wissen zugute kommen.
Ihre Methode, berühmt und bekannt unter dem Namen „Büsten¬
entwickler Exuber“, verschafft unfehlbar die gewünschte Ver¬
vollkommnung der Figur. Tausende von Damen haben ihren Wert
und ihre außerordentliche Wirksamkeit kennen und schätzen gelernt,
und was sie vermochte bei anderen, warum sollte sie es bei Ihnen
nicht vermögen. Erwägen Sie darum noch einmal, was eine solche
Umgestaltung für Sie bedeutet und in welch ganz anderem, helleren
Lichte Sie Welt und Leben erblicken werden.
Schreiben Sie an Frau Helene Duroy so offen und vertrauens¬
voll, wie Sie mit einer intimsten Freundin reden würden, und sie wird
Ihnen ihr Geheimnis, in dessen alleinigen Besitz sie ist, mitteilen.
Achten Sie genau auf ihre Adresse:
Helene DUROY,
Division 58 A Paris, 12 Chaussee d’Antin.
(Briefe sind mit 20 Pfg., Postkarten mit 10 Pfg. zu frankieren.)
Gratis-Kupon 58 A
Dieser Kupon berechtigt Sie zur Einholung der unentgelt¬
lichen Beratung von Frau Helene Duroy für die Entwicklung
oder Festigung der Büste.
Frau oder Fräulein .
IVLlVl^il VUH UUUU 5 IUI, feinen Briefen u. hinterlaflenen Papieren.
Von Hermann Oncken. 2 Bände. Geh, M 24 .—, 2 Halbfranzbände M 30 .—
«Eine unentbehrliche Quelle für die Gefchidite der deutfchen Einheitsbewegung, denn es Iteht in
feinem Mittelpunkte der Mann, der in dem Jahrzehnt, in dem die Fundamente des Deutfchen
Reiches gelegt und fein Bau ausgeltaltet wurde, durch feine auf das Praktifche gerichtete, wahr¬
haft ftaatsmännifche Politik fehr wefentlich dazu beigetragen hat, die Gefetzgebung des gem¬
einten Staates mit freiheitlichem Geilte zu erfüllen. Darum wird niemand, der lieh mit der Ge=-
fchichte des deutfchen Parlamentarismus befchäftigen will, diefes Buch unbenutzt laßen dürfen.»
^ <Der Tag, Berlin.)
Prinz Friedrich Karl von Preußen,
Leben. Herausgegeben von Wolfg. Foerfier, Hauptmann im Großen GeneraL
Itabe. 2 Bände. Mit Bildniflen, Fäkfimiles eigenhändiger Briefe des Prinzen und
Kartenfkizzen. Geheftet M 20 .—, in Halbfranz gebunden M 24 .'—
«Ich begrüße ein folches Werk wie die .Denkwürdigkeiten des Prinzen Friedrich Karl' aus vollltem
Herzen und wünfehe jedem Preußen und jedem Deutfchen, daß er fnh an ihm erbaue und Itärke,
wie ich es getan habe in heiliger Sonntagsftille.» <Archivar Dr.Brunning*Aachen i.d. D.Tagesztg., Berlin.)
Ernft Freiherr von Plener.gSSdÄ&kl
famkeit in Paris und London bis zum Jahre 1873 .)
Geheftet M 8.— , in Halbfranzband M 10 .—
«Für jeden, der an dem Bildungs* und Werdegang eines jugendlich Itrebenden Politikers Interelfe
hegt, der an der fachlich reinen Darlteliung einer lblchen Karriere Freude findet, wird die Lektüre
der Plenerfchen Erinnerungen eine ebenfo gefällige und angenehme wie nützliche Lektüre bilden.»
<Hamburger Fremdenblatt.)
Frpnf TttIitto Ä n rtra (Tv r Sein Leben und feine Zeit. Von Eduard
dl J UUUb dliy. von Wertheimer. Nadh ungedrudten
Quellen. I.Band. Bis zur Ernennung zum Minifter des Äußern.
Geheftet M 15 .—, in Halbfranz gebunden M 17 .—
«Das erlte grundlegende Werk über das Leben und Schaffen des großen ungarifchen Staats*
mannes.... Der Verfafler hat mit Herzblut gefchrieben und identifiziert lieh völlig mit den
Anfchauungen feines Helden.» <Illu(trierte Zeitung, Leipzig.)
iH (t X T oxrAon Lebenserinnerungen. Herausgegeben von feiner
J^lllIL VU11 ELyULll, Schwefier Cfariffa Lphde*Boetticher. Mit
einem Vorwort von Geheimrat Prof. Dr.Waldey er. Mit Bildniflen und Fäkfimiles.
Geheftet M 6 .—, in Halbfranz gebunden M 8 .—
«Fürwahr, einen folchen Mann feine Lebenserinnerungen erzählen zu hören, ift ein erlefener
Genuß. Sie find das Hohelied eines energifchen, ehrlichen, menfehenfreundiiehen, auf hohe
Ziele gerichteten Lebens. Für Leyden gilt das berühmte Wort: ,Nur ein guter Menfch kann
ein guter Arzt fein. 1 » «Neue Zürcher Zeitung.)
DEUTSCHE VERLAGS-ANSTALT IN STUTTGART
Ernft
atadjbrud: aus bem 3nf)alt biejer 3eitj^rift mirb Jtrafreditltc^ uerfolgt. Serantmortlt^er IRebatteur: Dr. SRubolf ißresber in SB erlin. SBerantroortUc| für ben Snferatenteil: SRic^arb SReff in Stuitgart. 3n £)jterreid)»Ungarn für bie
SRebaftion unb Verausgabe oerantroortli^: Stöbert 3JIof)r in SDSien I. Srud unb Verlag ber Seutjcfjen a3erlags=9Injtalt in Stuttgart. Rapier oon ber gßapierfabril Salacb in Salacfj (SBürttemberg). SSrtefe unb Senbungen, bie beti
rebafiionellen Sn^alt biejer 3eitjd)rift betreffen, nur an bie Deutjdje S8erlags=2tnjtalt, Stebaition, »erlin SW, ftöniggrütjer Strafe 99 (o^ne »erjonenangabe) erbeten.
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Dort
(Seorg $trfd)fefö
-(Fortfefeuttg)
Is Har Im arm unb Dom ftd) in iprer SIRüncpner
Slßopnung eben ein menig eingelebt Ratten
— fie maren in bie SHrcisftrape gezogen, gegen*
über ber mitten Sßinalotpel —, erhielten fie
ein Delegramm aus SB erlin, bas HIementines
plötjlicpe SIXnlunft melbete. Harlmann mar
tief erfcproden — bie SIRutter patte fdjmerz=
licpe, leibenfcpaftlid)e SIBorte bepefdpiert. 3Bas
mocpte benn in SBerlin gefcpepen fein? 3mar
liebte fie es, ipre unmittelbaren ©infälle ben
Hinbern als toftfpielige Depefdjen zu fenben,
bod) bie heutige SIRitteilung Hang, als ob fie
SB erlin mieber auf gab unb au dp Dresben
meiben mollte. 3P^ loerz brängte fie plöplidj
ganz zu Harlmann. SHudj Sßaula unb Doni
mürben in ber Depefd)e ermähnt. Die ©r=
Härung biefes merlmürbigen SRuffdjreis follte
halb folgen. HIementine erfcpien mit Sad unb
SJ3ad in SIRündpen. Sie mar fo erfd)öpft unb
neroös, bap Doni it)r bas Scplafzimmer ein=
räumte unb fie mie eine Dodjter pflegte. 3el]t
lam es aus HIementines fersen allntäplid)
heraus, bas bittere ßeib. Sie fcpalt ipre Döcpter
urtbanfbar, fie mar hinter fürchterliche Splicpe
gelommen.
„Das finb zmei faubere Patrone, bieSIRanns=
Ieut ; , bie beiben!" rief fie, fiep im SBett auf=
fepenb. „Silber mas foXI man aucp oon ipnen
ermarten! Die paben palt meg, mas fie mollten!
Silber SIRarion! CSlfa! Dag bie Frauenzimmer
fid) nit fdpämen, fo lang mie fie finb —!"
„SIRama," unterbrach Harlmann fie fanft,.
„reg bidp nur nidjt auf, SIRama. SBebenle —
bein $er 3 — u
„3amopI, mein $er 3 , mein armes, gequältes
£>erz! Das pab' icp immer für meine Hinber
pergegeben!"
„SBei mir foll es nidjt umfonft gemefen
fein, SIRama, unb Doni •—"
„3a, bu! Du! Du bift gut! Du bift ber
einzige! SUtein Harlmann! Unb paft bir eine
Frau genommen, bie beiner mert ift! Das
begreif id) jept! SBerzeip mir! SBerzeipt mir,
Hinber! 3cp P©b' i a bamals nit gemußt, mas
:dp tat!"
Sie meinte. Harlmann unb Doni beugten
id) erfdjüttert über fie. „Das ift alles ©ergeben
mb oergeffen, liebfte SIRama," flüfterte Harl=
nann. „2Bir mollten ja meiter nidpts, als bir/
1911 (23b. 106)
bemeifen, bap bu uns unred)t tuft. SRun finb
mir bort, moI)in mir mollten. Unb bu bleibft
bei uns—"
„Harlmann!"
„Silber tuft bu SIRarion unb ©Ifa aud) nidjt
unredpt? 3cp dann um gar uicpt oorftellen —
fie maren bod) nacp SJ3apas Dobe nur SRüdficpt
unb 3ärtlidjleit für bidj —"
„SBSas!? SRüdficpt! gärttidpleit?! Die
©Ifa Iäfgt fid) oon bem Stallmenfcpen oor=
fdpreipen, ob fie eine SIRutter paben barf ober
nit! Unb SIRarion — nein, bas ift zu jämmerlid),
id) fann es nit anbers nennen, jäm—mer—Iid)!"
Doni fud)te fie zu beruhigen.
„ 3 d) meip fcpon — aber id) frag' eud) —
ihr zmei — ipr anftänbigen SlRenfä^n“— fcpidt
es fid) für meine Docpter, bafz fie iprem ßeim=
fieber oon ©emapl recpt gibt unb im geheimen
nur mill, bap icp ben Hildjberg nit bei ihr fipen
fei) 1 ?! Sold) Frauenzimmer? Sold) taltlofe,
eproergeffene Sßerfon?"
„Um ©ottes millen, SIRama!"
„SCRit 'm Hild)berg hat fie ein ©fpufi! Der
ift jept penfioniert — ber ift nad) Berlin ge=
Zogen! ©r pat's ja immer auf bie SIRarion ab=
gefepn! 3<^ ^nn ; bod) ben Hild)berg, menn
er feine ©eieraugen madjt! SRa, foll er nur
bem SBraumüller, bem SRinboiel), bie Körner
auffe^en, bas ift bas einzige, mas mid) freut —
oerbient's nit anbers! 3^ — ich Iafj meine
$änb' oon ber Sippfd)aft!"
,,3d) begreife nur gar nidjt,".magte Harb
mann einzumerfen, „baff Sppitipp —“
„^Philipp ?!"
„3a, paft bu ipn benn überhaupt befud»t?"
„Der ift ber ärgfte!"
„sppmpp?"
,, 3 d) mar aud) in Dresben!"
„SIBann?"
„SBeoor id) zu eud) lam. 3© ja — nimm
mir’s nit übel, Harlmann — id) muff’ es erft
no^ mit ipm ©erfudjen. 3^ lonnt ; s bod) nit
für möglid) palten, bap aud) er —"
„SIRama, bas ift ja ber reine S8erfolgungs=
mapn! SIBas pat Spptltpp getan?"
„sppilipp — acp, es ift ja zum ßacpen,
menn's nit zum SIBeinen mär'!... Dtlfo, er
mopnt bocp ba in Dresben, in SBlafemip ober
mie bas ©erfludjte SReft peipt, ba mopnt er bod)
in einer spenfion. 3d) mar natürlidj gefpannt,
mie er ; s pat, ber arme SBub, zum erftenmal in
ber F^inbe ... SRa. . . id) lam pin unb —"
„©rzäpFs jept lieber ni(pt, SIRama."
„S 5 ör Zu! Die Spenfion gepört einer Dame —
Fräulein 3 ägei — fepr fcpid, fepr nett, gar nit
päplicp — jung nocp — ja, id) mar begeiftert.
Unb ooll Sorgfalt für ben sppilipp — mie ’nt
SIRutter! ßad) nit, Harlmann!"
„Sparbon, SBtama, tcp
„3ebenfaIIs — fo mas Fßtues patte fie —
birelt F^tues — bap id) apnungslos mar. Der
arme Sppilipp pat fd)mer zu arbeiten in ber
Hunftpanblung — alfo bad)t ; id), pat er's
menigftens bapeim gut. ^übfcpes 3 iutmer,
gutes SBett, fepr gutes ©ffen ... SRur bie SBer=
traulicpleit bei Difd) gefiel mir nit recpt —
oon einem alten glaplöpfigen 3 f^ a ^Kten mit
ber 3 äger unb aud) oom Sppilipp. 3 ^) f«proieg
bazu — icp blieb beim SBeobacpten — unb in
ber zmeiten SRadjt —"
„SIRama —"
„Da pab' id) meine ©ntbedung macpen
müffen ..."
„SDSie benn? DBo?"
„ 3 a, bas läpt fid) fd)mer fagen. ©s mar
ZU entfeplid), z u fürd)terlid), unb ipr merbet
ladjen, ipr zmei. SUd), id) mar aucp Iäd)erlicp,
id)! Slllfo — mas foll icp ein SBlatt oor ben
Sntunb nepmen — mir mar in ber SRacpt nit
gut, id) patte ben oerbämmten ©urlenfalat
gegeffen — pab' id) nie oertragen — unb gep'
auf ben SItbort. Der ift auf ber Dreppe in bem
Scpelmenpaufe. Unb mie id) ba bin, pör' icp
ein Flüftern unb £mfd)en braupen — birelt oor
ber Dür—palt, bacpt' icp, ein SRenbezoous, unb
oerpalt' mid) ganz füll. 3 C P pör' einen Hup —
bann nocp einen — nod) einen — mir marb's
Zuoiel, unb icp mär' bod) gern mieber fort in •
mein 3 üumet gelommen. Da plöplicp pör'
icp bas SIBeibsftüd flüftern: ,Sppilipp -
SjSpilipp — fei artig!' Unb ipn: ,SHcp mas!
Homm mit!' SRa, ba mupt' id) — ba mollt'
idp fcpon auffpringen — ganz egal — unb aus
bem oerfludpten Häfig 'naus, mitten unter bie
Zmei! Silber id) befann mid), giüdlicpermeif'!
3 cp martete nod) eine oolle SBiertelftunb' —
bann maren fie enblicp fort, unb icp lonnt'
pinaus, mit lapmem Hnien, idp meip nit, mie
icp micp in mein 3 uumer gefcpleppt pab'.
ßadpt nit, Hinber."
Doni ging pinaus.
„ 3 © icp meip nidpt, ob bas ein fo gropes
Söerbredpen ift, Sülama —" begann Harlmann,
fid) müpfam faffenb.
„Sei's, mas es fei — ber 3 unge ift in ipren
Hlauen — er mirb ba zugtunbe gepen! ©in
$aus, mo fo etmas möglicp ift! 3 d) pab's
ipm am näcpften Dage gefagt — unb bann bin
id) fort, meil ber ©lenbe grob gemorben ift,
grob gegen feine SIRutter — bann bin id) nad)
©erlin zurüd — unb nun bin idp pier — bei
eudp — op, lapt micp bleiben ..."
„SIRama — bu lannft bodp natürlidp über
uns oerfügen — über alles, mas mir paben.
Unb nun rup' bid) aus. Scplaf, SIRama. SIRor-
gen ift alles beffer."
©r oerliep fie unb ging zu Doni. Sie mollte
nocp einmal in ßadjen ausbrecpen, bodp bezmang
fie fiep, als fie fein feierlicp ernftes ©efidpt fap.
„Die arme, arme F*uu," flüfterte er.
» 3 etß Pat fie ipre erfte ©rfaprung mad)en
muffen. Sie tut mir unenblid) leib, Dont."
146
1120
Über Kartb unb 9Jleer
1911. Sftr. 43
„Stir aud), Karlmann. 2lber was foll nun
werben?"
„2Bas werben foll?! Sie bleibt bet uns,
felbfitoerftänblicß. SCRidO hat fie oon ißren
Kinbern gewählt. 3ß habe meinem feligen
23ater gegenüber meine ^flid)t %u erfüllen."
Doni fcßwieg eine Steile, bann fagte fie
beßutfam: „©ewiß, Karlmann. 2 lber id)
glaube, wir müffen oorfidjtig fein, wir müffen
and) an uns benlen."
„ 2 In uns?!"
„Otatürlid). SJie id) 311 beiner SJtutter fteß',
weißt bu. 3 ß will gewiß nur iljr ©utes. 2 lber
3 unä<ßft mu^ id) bad) an bid) benfen —"
„Überlaß mir —"
„Stein, Karlmann. Siemanb wirb fich
mehr freuen als id), wettn's mit ber Aitter
auf bie Dauer get)t. 2Iber auf bie Dauer —
baran glaub' id) halt nit, Karlmann."
„2Bo ber gute Sülle ift —"
„ 3 a, wo her ift—" •
„3cß ßab' ißn! Saß mid) nur maßen!"
©r 30 g ein gefränftes ©eficßt unb ©erließ
fie. Droßbem mußte er, Donis 3u)eifei war
ber feine. — Klementine blieb, unb 3 unäcßft
folgten glüdlicße Steißen. Son ber Südfid)t
liebeooller Kinber umgeben, in beut jungen
§eim, bie ßübfcße ©nielin ein täglich neuer
Sorn ber ffreube — fie t)atte es wirtlich feiten
fo gut gehabt. Stur als ernftere ©efprädje
lauten, glitten wieber Schatten über all bie
Sonne hin. Sie war mit Karlmanns 3 U=
tunftsplänen nid)t einoerftanben. Seine ßiftori=
fcßen Stubien, bie SJiitarbeit bei wenig ge=
lefenen 3 ^ 1 tfc£)riften genügten it)r nicht als
männlicher Sebensberuf. So große Stehen,
oon Hoffnung unb Selbftbewußtfein ge=
fchwellt, er if)r aud) über biefe ^Xätigteit
I)ielt, es lief büß, wie fie halb mertte, bar=
auf hinaus, baf 3 Doni als Durnleßrerin ben
eigentlißen ©rwerb befd)affen follte. SOtit
Feuereifer war fie babei, unb es begann ißr
in Stünßen eben gu glüden. Sie befam
Srtoatftunben, fie f)atte ben SJiagiftrat für bie
©rünbung einer ortßopäbifd)en 2 Inftalt int er=
effiert. So fßön bas alles war unb fo feßr es
für bie Sßwiegertoßter fprad) — all^ufeljr
moßte Klementine fid) oon bem Dränllemäbel
nißt imponieren Iaffen. Sie füllte ißren Karh
mann in ben Schatten geftellt, aufs Faulbett
oerwiefen (benn über feine 2 Irbeit hatte fie
fein Urteil), unb halb geigte fie offenfunbig
ißre Stißbilligung. Doni ftellte fiß bes
lieben F^iebens wegen, als ob fie nidfts baoon
merfte. 3™ Karlmann aber fammelte fid) ber
alte Droß. ©r füllte fid) felbft in Doni beleibigt,
er faß, baß bie SDtutter wieber ißren Dßrannew
gelüften oerfiel unb 3 U fommanbieren anfing,
wo fie ©aft war. ©s war mit bem. fßönen
3 bpll 3 U ©nbe. ©in fleiner 2 Inlaß braßte bie
Sombe 3 um ^piatgen.
©ines Sag es fam ein gan 3 er F^d)twagen
ooll Silberliften an, unb ber erftaunte Karl=
mann erhielt oon feiner SJtutter bie 2tuslunft :
„Freu biß — bas finb Saters ^iftorien. 3^1
habt ißr fämtliße SBänbe in ber Steßnung ooll."
„2lber SJtutter — um ©otteswillen — bie
füllen ßierbleiben? 23ei mir?! Offen ge=
ftanben — id) mag bie £iftorienbilber gar nid)t."
„So?!"
„Stein.©efßntad hat fid) geänbert — ober
oieltneßr in Stünßen erft gebübet. 23aters
Künftlerfßaft erlernte id) in Heineren Sachen
meßr. §ier ift 3 U oiel Sweater, 3 U oiel Staats^
auftrag — unb bebenfe bod) — ber Staat fjat
fie ja nidft einmal genommen — wegen f)iftbri=
fdfer F^Ier — unb bamit foll id) mir meine
gan 3 e SBof)nung behängen?"
„Stad) meiner 2lnfid)t fannft bu feinen
fd)önet*en SBanbfdjtttud l)abett. Sd)oit beine
Pietät follte bir bas felbftoerftänblid) madfen.
Hm biefe Silber f)at bein 23ater oiel gelitten."
„Hnb idO — idO leibe jetjtummeine Silber!"
„Das ift mir egal — bu bift oerpflid)tef,
bie Sad)en unter 3 ubringen. X)u bift ber einige
in ber Familie, ber ein Serljältnis 3 ur Kunft.
l)at. Sraumüller unb Siegenau —"
„21db, bie wollten fie wol)I nid)t? Die
haben fid) wol)l I)öfüd) bebanft?! Hnb id), id)
foll bamit oergewaltigt werben?"
„Karlmann!!"
„Stie, SJtutter! Stid)ts nehm' id)! Damals,
als id) nad) ^fSapas Sob bas emsige, was mid)
gefreut hätte, h^en wollte — bie römifdjen
Stabierungen — ba haft bu mid) abgewiefen —
wie ein Sittfteller mufete idb fortgehen, benn
ber große Stinger würbe natürlich beoor 3 ugt —
bem hötieft bu mein ©rbteil gegeben! Silles
auf ben Stamen hin! Silles auf SBorte hin!"
„3et$t läßt bu bie SJtasfe fallen! So benfft
bu oon beiner SJtutter! Du au^,! Du auch!"
„Das ift ja lächerlich!"
„S<hweig füll! 3d) werbe bir bie SBerfe
beines armen Saters nit aufbrängen, bu hoä)=
mütiger, bummer Sub bu!"
„SJtutter, ich auf feinen FciII biefen
Don!"
„Du wirft ihn nit mel)r 3 U hören befommen
— bu wirft mid) überhaupt nit mehr hören —
ich mit ben Silbern — id) nehm' meine
Silber unb oerlah eud)! Dann bleib bu nur
bei beinern Kodjmäbel unb Iah bid) *mn ihr
ernähren!"
„SJtutter!!!"
„$ier ift feine SItntofpf)är ; für mid)! §ier
ift mir's 3 U faul! Dier erftid ; ich!"
Das war bas ©nbe. SBieber fam bie böfe
Staferei in Karlmann auf, unb es wäre etwas
Schlimmes gefd)ef)en, er hätte Klementine bie
Dür gewiefen, wenn Doni nicht ba 3 wifd)en ge=
fommen wäre. Doch bie SJtutter padte alsbalb
ihre Sachen unb oerlief; bie SBohnung. Doni
eilte ihr na<h- Stad) Stunben erft fam fie 3 U
bem erfdjöpften Karlmann 3 urüd unb melbete
ihm, bah f^e bie SJtutter einigermahen beruhigt
habe. Doni war tobmübe, benn fie war mit
ber SBütenben 3 ehnmal bie ßubw.igftraße auf
unb ab gelaufen, 00 m Siegestor bis sum
Obeon, bann aber hatte fie fie überrebet. Sie
blieb in SJtündfen. 3 n e m er ^Jenfion wollte
fie ihr mübes Keben befdjliehen. Das flang
fehr traurig, unb Karlmann würbe oon Steue
gepadt. ©r erhob fich unb wollte bie beleibigte
SJtutter fofort befudjen. Doni aber hielt thn
feft unb fagte: „SBart noch ein paar Dage,
Karlmann! Sis fie ruhiger geworben ift. ©s
ift am beften fo. 3d) fenn ; beine SJtutter jeßt,
glaub' ich- ©rft war fie gans hin urtb oer=
3 Weifeit, aber als bie ^enfionsbame mit ihr
fprad) unb oon ihrem fd)Önen ffmris in Fiieb 5
rid)sburg wuhte, ba oeränberte fie fiel) balb,
unb beim Dee war fie wieber gan 3 oergnügt.
SBie ein Kinb hat fie fid) umgefd>aut. Sie hat
faum gemerft, bah iä) fortging. Stein, Kart=
mann, i<h h^b' mir's ja gleid) gebad)t. 3 rt
SJtündjen, ja, in unfrer Stähe foll fie bleiben.
Da tönnen wir immer nad) il)r fd)auen. Stber
nur nit bei uns wohnen. Die Frau muh Wde
Selbftänbigfeit haben." .
Karlmann rtiefte unb fühle fie. 211s . er
allein war, feßte er fid) ans Klaoier. Salb
hörte Doni ihn bas feierliche Kargo oon £järtbel
fpielen- Sie hörte es gern, benn fie-hatte fel)r
oiel UBäfd) e 311 bügein, unb bei ber SJtufit ging
bie SIrbeit nod) einmal fo rafd) oon ber §anb.
II ' ■’ ■ v D'- ; '
Das neue SJtünd)ner Keben hätt e .^bui
gans. bas ©leid)gecoid)t 3 urüdgebrad)t, wenn
fie mit Friebrid)sburg einig geworben wäre . 1
2lber ba blieb noch alles beim alten. . Die
©roßmutter war ihre ftarre ©egenpartei unb
fd)ürte in Sarbara unb Sater Sluguft bas
Feuer ber ©etränttheit. Donis FIud)t unb
mehr nod) il)r heimlicher Stufenthalt am Stofem
tor, bas waren Sergehen,. bie nicht fo balb
gefühntwerben lonntem ©rohmutter Sdjwen
fert hatte nachträglich alles ausgetunbfdjaftet
unb bas gan 3 e Selaftungsmaterial wie ein
büfterer Staatsanwalt oor ben ©Itern aus=.
gebreitet. So etwas hatte nod) feine Dod)ter
aus bem §aufe Dräntle gewagt. 2 Iuch in
Sarbara oerhärtete fich allmählich bas Ser=
föhnungsgefühl, unb ber alte Kod) fdjüttelte
ben Kopf über biefes Kinb, bas fo gut unb
3 ugleid) fo mihraten fein follte. Doch feine
Stimmung fcfjwantte — ihn erbitterte es oft
mehr, Doni entbehren 3 U müffen, als ihr Ser=
gehen an ber bürgerlichen SJioral, bie Sater
2luguft all 3 Uoft wadelig befunben halte.
2IIles wäre wohl gut geworben, wenn es nicht
juft ein IRominger gewefen wäre, ber ben ©nt=
führer gefpielt hatte. Sarbara ©ergab ben
Sefuch feiner SDlutter nicht unb hatte auch ben
hochmütigen wohl gefehen, als er bamals
ohne ©ruh trt feiner fd)war 3 en FeierlidE)feit an
ihr oorübergefahren war. Sie lam nicht basu,
bie wirtlid) ooll 3 ogene heirat 3 U feinen ©unften
an 3 ure<hnen. ©r war ohne ihr 2Biffen mit
Doni baoongelaüfen — ohne ihr 2 Biffen unb
3ufiimmen hatte er fie geheiratet. Fieiwilb
war unb blieb bas Stäbel 00 m SOfarft für ben
ebeln jungen herrn. Sater 2Iuguft war Ser=
fönlichfeit genug, um nicht anbers unb nicht
fd)wäd)er 3 U empfinben. 2 Iuch .ihitt galt es
gleid), ob ihm bie Dodßter als F^au ober
Siätreffe bes ©ntfüßrers oerloren war. Hber
ben Sater war fie hiaweggegangen im wid)=
tigften 2 lugenblid ihres Kebens. 2 lls er gehört
hatte, baßDoni in2Immerfelb SJtutter geworben
war, fah er in feiner Küche unb weinte.
hilba ©erhielt fich neutral unb umging
feiten bas Serbot ber SJtutter, mit Doni 3 U
lorrefponbieren. Slnbers 3uliane. Die Heine
Kranfe blieb in ftänbigem Sriefroed)feI mit
ber Durd)gängerin. Die Stachrießten, bie fie
oon Doni empfing, waren ihr mehr als eine
Serußigung ißrer Sdßwefterfeele. Sie hörte
bas große, ferne, wunberbare Keben barin
tönen, fie faß oon ißrer füllen Stube aus 3 wei
SJtenfcßen, bie fid) liebten, im Kampf ums
©lüd. 3 h*e Sßantafie umtleibete ißn mit ben
feßimmernben Farben bes SJtärd)ens. 2Sas ißr
oerfagt war, ©efunbheit unb Kiebesleben, fie
faß es als ftraßlenbe Krone auf bem haupt ber
Scßwefter. Sie unterließ es leinen Dag, als
©egenpartei ber ©roßmutter Donis Für=
fpreeßerin 3 U fein, unb ba man fie feßonte,
Wiberfprad) man ißr nicht unb ließ ißr alles
hingehen.. 3 uliane blieb bas feite, milbe
Sanb, bas Doni an ißrem ©Iternßaufe ßielt.
Dod) als ber SBinter lam, ftoefte ber Srief=
wecßfel. 3 aüane fanbte nur nod) wenige
Sleiftift 3 eilen -D iie lag im Sett, feit SSocßen
feßon, ißr Keiben hatte fieß ©erfcßlimmert. 3 ^
feßwerer Sorge wartete Doni auf Stacßricßten.
Sie war bie befte ‘tpflegerirt ber Scßwefter
gewefen, fie mußte ißr jeßt feßlen, unb feßon
wollte fie Karlmann erllären, baß fie 3aliartes
wegen naeß Fnebricßsburg 3 urüdmüffe. Da lam
wieber ein längerer Srief oon ber Scßwefter,
mit rafeßen, F^ber oerratenben 3 ügen ge=
fd>rieben. Sie war fort, weit fort oon ber
Heimat — aus ©enua feßrieb fie, wo fie in
©efellfdjaft einer auswanbernben Keßrerin ein
Sdßiff natß SJiabeira erwartete. 2Iuf biefem
SJteeresparabiefe erhoffte fie oöllige ©enefung.
Sie wollte lange bort bleiben. ©an 3 ißrer ©e=
funbßeit leben, bamit bas Opfer, bas bie ©Itern
gebracht hatten, aud) recht oiel Segen trug.
Doni faß lange in ben 23rief — fie nidte,
unb ißre 2Iugen ftanben ooll Dränen. 3tf>ifd)en
ben 3 eilen hatte fie anbres gelefen. 3 u I! arie
fpielte ein tiefes, erfeßütternbes Spiel oor fieß
felbft unb ißren Sieben. Sie glaubte an 23effe=
rung, bamit bie anbern baran glaubten.' Sie
trat, biefe große, gefährliche 9leife an, bamit
bie 9Jtenfd)en, bie um fie litten, ein neues 3^1
ber Hoffnung gewannen. Sie felbft hoffte nichts
meßr. . .
3© fo war es. Die Heine 3uliane war ein
$elb. Sie trug eine SBeisßeit in ißrem müben
$er 3 en, bie bas gan 3 e fieben umfaßte. Draußen
ftürmte es, bie Söller betämpften fieß, bie
Decßnil löfte gewaltige Probleme — was
hatte Sater 2Iuguft nießt tägüß aus bem Frieö=
rißsburger 2 ln 3 eiger oor 3 ulefen? Kaut war
bas Sehen, rafd) breßte fiß bie ©rbe, unb 3eitung
folgte auf 3 eitung, Siomente 3 erfplitterten bas
ftarle Sanb ber 3eit- 2Bas war ein Heines, oer'
fladembes Slenfßenlißt in biefem ©ebraufe?
1911. ©r. 43
ttber £anb unb ©leer
1121
3mei klugen, bie groß unb traurig ber Scßön*
beit nad)faßen? 3 ^^ £>änbe, bie 3 U einem
(Sott beteten, ber ni©t am Rre^e ßing, fom
bern mirtlid) lebte unb irgenbtoo fremb oor=
übermanberte? (Eines ©täb©ens Sippen, bie
nie einen Ruß gefunben, finb toie ©taiblüten in
fonnelofem (Srunb. So f©ön, fo liebesmarm,
roie bie anbern alle, aber ungefel)en. 3 U ©neu
oerirrt fi© feine ©iene. 3™ Schatten ermacßfen
— bas roar Juliane. Hub fie toar flug genug,
iie fannte bie © 3 ur 3 el ©res Seibs, fie oerfu©te
fie ni©t aus ber ©rbe 3 U reißen, benn of)ne
(Erbe gab es ni©ts auf biefer ©Seit. Stiller
mürbe es allmäf)li© in ©r, bie ftürmif©en
^ßulfe ber 2©genb fcßmiegett. Sie faß mit großen
miffenben klugen ©re ©titmenfcßen an. 3 m 4
©re ©äd)ften mollte fie no© bafein, ni©t meßr
für ©r ßoffnungslofes Selbft. Desßalb unter=
30 g Juliane fid) ber langen, a©, fo namen=
los anftrengenben ©eife. Desßalb ßeu©elte
fie ©lüd, als bie (Eltern bem 3riebri©sburger
„Spe 3 ialiften“ 3 uftimmten. ©tabeira. ©tabeira
fei ein ^arabies, oerfid)erte man ©r, unb
fie glaubte baran, fie fagte, baß fie fi© auf
ni©ts fo gefreut ßabe. §räulein S©öpf, mit
ber fie reifte, mar ©r eigentli© gleichgültig,
aber fie empfanb ©ereßrung unb 3 reunbfd)aft
für bie Dame, bamit ©re (Eltern über bie ©e=
gleiterin berußigt maren. Der „große ©erfu©“
gef ©aß. ©n einem 3 ebruartage fagte 3 uliGne
©reu Sieben Sebemoßl unb 30 g als Sterbenbe
311 m erftenmal in bie ©Seit ßinaus. Sie faß bie
mä©tigen ©erge, fie grüßte bas unenbli©c
©teer — in ©reu klugen fpiegelte fi© nod)
alles, alles. Sie blieb gefaßt — es mar oiel
meniger unb oiel meßr, als ©re ©täb©enträume
in ber £>eimat geaßnt ßatten. Das ©auße, bas
©efunbe, bas ©Sirtlid)e mar ba 3 ugefommen.
Sie 3 itterte mie ein junges ©äumd)en, bas
fi© fturmummogt allein auf einen ßoßen
Reifen gemagt. Sie bra© faft 3 ufammen.
Dod) beoor fie in ©enua bas S©iff beftieg,
f©rieb fie no© ben ©rief an
Doni.
Die Seefaßrt mürbe ©r 3 um
(Sleidptis ißres gan 3 en Sehens.
(Enbli© öffnete fi© oor ©ren
©ugen, mas buntel unb unbe=
greifli© gemefen mar. ©ud)
ein ©Seih mürbe im freien frei
unb ermies fi© als ©ottestinb,
ben (Elementen oermanbt. (Es
ßatte ni©t emig auf einen ©uf
311 ßarren, nicßt emig fi© oor
bem ©tannesmillen bes Sehens
3 U beugen. ©Sie me©felte bas
©teer! ©Sie me©felte au© bei
feinem ©nblid ©r ©täb©en=
gemüt! ©in 3 au© 3 en entrang
fid) ©r, menn fie es im 3rri©=
li©t faß, meitßin mit blißenben
Silbertrön©en auf a 3 urblauer
3Iä©e. Dann in ber Dämme=
rung, unter f©meren ©Sollen,
in monotoner, rollenber Rlage.
©ine $eier ber Seele aber, in
reiner ©infamteit, mürbe ©r
bie ©a©t. Der flimmernbe
Sternen©or bes Sübßimmels
mölbte fi© gemaltig über ber
tleinen 3 ©liane. ©egen bas
©erbot ber ©efäßrtin f©lt©
fie fi© no© einmal aufs ©er=
bed unb bot, fid) beßnenb unb
glüdbur©f©auert, ©reu jungen
Körper bem ©ott ber Spßären
an. 3 © $aßrt toar fcpn
unb Soßn für alle Seiben. So
oerf©miegen fie mar — fie be=
f©Ioß bo©, Doni bie ©ä©te
bes Droftes 3 U f©ilbem.
©nbli© tau©te bie 3 elfen=
tüfte ©tabeiras auf. 3 uliane
erf©ra! oor ben oielen lärmen*
ben ©tenf©en. Stngftli©, am
©rm ©rer ^reunbin, f©ritt fie
bur© bas §afengemüßl. ©un
1911 (©b. 106)
mußte fie toieber unter ©tenf©en leben. ©ber
bas fleine, abgelegene §aus auf einem ©Sein*
berge mar fd)ön. Unb rounberooll mar 3un©al,
bie Stabt, in ©rem fübli©en3arbengemirr, mie
eine bunte ©tuf©el am blauen ©teer gelagert.
Diefe feltfamen ©ögel, bie unter ben Halmen*
tronen bes ©artens fdjmirrten — fliegenbe
©belfteine. Do© einen, einen unf©einbar
grauen, ber ben fanften, bangen, leifen ©uf
ßatte, liebte 3uliane am meiften. Seine
Stimme ließ ©n ©r als einen ©efattgenen er*
f©einen. Dabei faß fie ©n ftets mit rafd)en
S©mingen 3 um ©teer ßimmterflattern._ ©e=
fangen unb frei — fie mar feine S©mefter.
Die erften ©So©en nüßten ©r mirfli©.
3und)al mar 3 U f©ön — mie eine Sirene
fang es ©r tiigli© bas Sieb bes Sehens oor.
3 uliane burfte es fo ni©t meßr oerneßmen.
3 ßre ©ugen maren ftärter als ©re ©ruft, ©re
Sinne fogen mit ent 3 üdter 3 u 9 en bfraft ein ,
mas bas rnunbe 3 nriete ni©t meßr aufseßreu
tonnte, unb eine unfagbare Xrauer fentte fi©
plößli© in ©r ©emitt. 3 ^ meßr man © r 15011
bem frößli©en Sehen ber 3 n fU geigte, oon
biefen ©tenf©en, braunen, unbetümmerten
©arabiefestinbern, um fo meßr oerbüfterte fi©
3ulianes Seele, unb bas §>eimmeß legte fi©
auf ©re tränte ©ruft, ©alb lag fie nur no©,
ein blaff es Seibettsbilb, faft törp erlös auf ber
©eranba. 3 ß°e meiße Ejanb rußte auf bem
3 ottigen 3elle ©ostos, bes S©äferßunbes, unb
fie ba©te an ©re Sieben in 3 riebri©sburg.
© 0 © einmal feßen, fie no© einmal feßen, bas
mar ©r einiger ©ebante. (Er mürbe 3 um
brennenben ©Smtf©. (Sr oerßieß ben Dob,
menn man ißn ni©t erfüllte. Da 3 udte ber ©r 3 t
bie ©©fein — leife ertlärte er ber Seßrerin,
baß bas einige ©tittel 3 utiones ^eimteßr
fei. Fräulein S©öpf ßatte foeben ©re (Eri*
ften 3 auf ©tabeira begrünbet — es mar ißr
unmöglich, bie Rranle na© Deutf©lanb 3 urüd=
3 ugeleiten. Depef©en mürben geme©felt, unb
halb mar oerabrebet, baß 3 u Ü anc au f einem
fran3öfifd)en S©iff allein na© ©tarfeille faßreu
füllte, um bort oon ©rer ©tutter empfangen
unb na© 3nebri©sburg gebra©t 3U merben.
3a, ©arbara Xräntle ßatte ben ©ntf©luß fo=
fort gefaßt. ©0© nie ßatte fie eine große
©eifc gemagt, ßier brau©te fie tein ©efinnen.
Sie fußr nad) ©tarfeille unb quartierte fi©
in ber ©äße bes Hafens ein. Sie tonnte in
ber ©a©t ni©t f©Iafen, fo größlten bie be=
truntenen Seeleute auf ben ©affen, unb große
©ngft bur©litt fie, baß irgenbein f©roar3er
©äuber in ißr 3 immer bringen unb ißr ein
Seib 3ufügert tönnte. ©ber alles oermanb fie
in ber ©rmartung ißres 5 ^inbes. 3^bc ©tüße
mar ißr lei©t, menn fie nur 3ulione ^cil na©
3riebri©sburg brad)te.
©Is fie fie enbli© ßatte, ißr Rleinob, ab=-
ge3eßrt, erf©öpft, einen S©atten nur, aber
glüdfelig, mieber bei ber ©tutter 311 fein,
rüftete fie fid) fofort 31m §eimfaßrt. ©s mar
ein ßeißer Dag, unb bie ©aßnfaßrt oon ©tar=
feilte na© Straßburg, in Staub unb ©e^
mitterf©müle, enblos. ©lit tibermenf©lid)er
Dapferteit betämpfte 3 uiiane © r ß^iben, bas
in ber ©ifenbaßn fi© f©redli© oerf©limmerte.
3mmer mieber lä©elte fie bie bange, treue
©tutter mit glüßenben ©Sangen an, unb ©re
f©mar3 umringten ©ugen oerfu©ten 3U fagen,
mas ber ©tunb ni©t meßr 3uftanbe brad)te.
Sie maren allein im ©oupe, bo© 3 °^ ane
no© einen britten ‘ißaffagier, ber breit unb ge=
bietenb bafaß, ißr gegenüber, fie anftarrenb,
feft entf©loffen, oor ben ni©t aus=
3ufteigen. 3uliane tämpfte ni©t meßr gegen
ißn — fie oerftänbigte fi© nur no© mit ©m.
Sie bat mit ftummem gießen, er folle fie ni©t
anrüßren, bis fie bie alte $eimat gefeßen ßatte.
Die arme ©tutter mar mübe, fo mübe. ©her
fie besmang fi©. ©ef©äftig bot fie halb eine
©rfrif©ung.an, halb fu©te fie 3ulianes ©emüt
burd) irgenbeine ©r3äßlung oon 3U §aufe
auf3ußeitern. Da oerfiel ißr
Jftnb, in namenlofer s $ein er=
ftidenb, auf eine Sift.
„©tutterle," flüfterte fie, unb
©re ©ugen f©loffen fi © I)alb.
„©Sas, mein liebes §er3?"
fragte ©arbara raf©,biebleierne
©tübigteit, bie fi© ©rer 3x1 be=
rnä©tigen broßte, no© einmal
abf©üttelnb.
„©tutterle, id) mö©t' ein
bißl f©lafen."
,,©ut, mein Süßes. S©laf
nur. 3eßt finb mir ja halb ba.“
„©Sirtli© ? ... 3 © 1 )^' ©
Dürft..."
„©©, menn i© nur ©til©
betäm'! ©uf teiner Station
betommt man ©til©! Unb bas
oerflirte 3mn3ofenoolf oerfteßt
mi© nit!“
„Saß nur ... (Es f©ab't ja
ni©ts ... 3© merb' brüber
megf©lafen . .. ©ber f©laf bu
au©, ©tutter!“
„©ein, nein, i© nit, id) nit,
liebsftinble — i© mußmadjen.“
„Dann bleib i© munter,
menn bu nit f©lafen millft.“
,,©lfo gut — mein' nur nit,
mein §er3blatt — mir f©lafen
jeßt beibe-bann mirb's
beffer — gelt?“
„©0© einen Ruß ..."
„©her ja ... ©her ja!...
£)ß, beine Sippen!“
„©Sie $euer — gelt? ©Sie
fladernbes 3euer?“
„Sd)laf nur— f©laf nur—“
„3euer — a© — bas ift ntt
bas ©e©te ... (Es gibt Sippen
— mie Rirf©en finb bie in ber
Sonne-f©öne Sippen...
S©laf moßl, ©tutter.“
(Sortierung folgt)
(Ein bisßer unbelannter (Eßriftus oon ©ubens
( 5 lus bem Sefitj oon 9 Jt. Sinbe, ©erlin)
147
1122
Über £artb unb 50leer
1911. 9tr. 43
Moderne
Odyssee
^eebab an ©orb eines O^eanbampfers int Sue3tanal
bi)[feus ift noch heute einer ber populärften
gelben — oiel populärer uls Achilles, ber
bod) and) [einen §omer als $ero!b [einer Dapfer*
leit gefunben. ©Sarunt toof)I? Dbqffeus toar
nid)t nur ein !üi)ner unb Ii[tiger $elb, er toar
aud) — ber erfte Aeifeitbe großen Stils.
Daß ber dönig ber gtßater 3toöIf Sd)iffe
gegen Droja geführt, ben Agamemnon mit Ad)illes
oerfößnt unb im ©aud)e bes hölzernen ©ferbes
Drojas gall oorbereitet, bas alles hätte ißn [d)Iieß*
Iid) bod) nid)t [o ins $er3 unb ©ebächtnis ber
Aachmelt ge[d)meid)elt. Aber: el)e er peinliche
©Beisfagung erfülleitb nad) 303an 3 igjädriger Ab-
me[enl)eit auf ga[tlid)ent ©I)äatenfd)iff 311 ber
mertmürbig gut erhaltenen (Sattin ©enelope heim-
teerte, bie freier erfdßoß unb in frieblichem Alter
gthata meiterregierte, fuhr er 3et)n gahre auf
ber See. . . Allerbings [inb bie 3el)n gahre
etroas runb unb reid)Iid) ge3äf)It, beim fieben ba-
oon I)atte er unfreitoillig Station gemacht auf
ber gnfel Ogpgia, too ihn bie „erhabene Apmphe,
bie I)errlid)e (Söttin dalppfo, Sielt in gemöl*
beter ©rott', il)n fid) 311m ©entahle begehrenb“.
Aber immerhin; brei gahre bleiben. Drei gahre
.dampf mit ©Better unb Sturm, mit ©ofeibon
[elber unb bes Aolos entfeffelten ©ei[tern, mit
ber roI)en draft bes ©olpphent unb ber £i[t ber
dirte, mit bent lodenben Schmeid) eifang ber
Sirenen unb ber gräßlid)en ©ier ber ©harpbbis ...
©Bas an ©Bat)rheitstörnd)en ben b)errlicE)en ©e*
[ängen ber Obqffee, roas an $i[torifd)em il)ren
fabeln unb ©Ieid)niffen 3ugrunbe liegt — roer
toill's meffen unb ergründen! Das £>errlid)e
bleibt: dunbe oon ber erften großen toeereife,
bie ein Did)ter mit [einem töniglid)en gelben,
empfänglid) für bie ©Bunber unb Sd)reden bes
feeres, für Stimmungen unb Abenteuer ber
Seefahrt, erlebt l)at, gibt uns bas alte, herrliche
©ud). Unb mir füllen mit bem fonft [0 flogen
©rafen ©laten, ber bemütig banfbar in gohann
Öeinrid) ©offens nie alternbe Übertragung fcßrieb:
Dtd) 3um ^Begleiter empfel)!' id) bent Aeifenben; aber
oor allem,
©Beim bes italtfdjcn ©Reers boßcs ©cftab' er umfdjiffi!
©Bunber unb bod) Ajahrßeit, Cfßrfurdp oor bem (Sott-
ließen lern' er,
Sente bas ©ienfcßengemüt tennen unb ©ien[cßenge[d)iä.
ocßönftes ©ebicßt! Aidjts tommt bir gleich an ©eßagcn
unb Anmut,
Unter ben Aeuen erfdjuf ähnliches bloß Arioft.
Drei gaßrtaufenbe [inb über ©teer unb ©rbe
l)ingerau[d)t, feitObqffeus „oieler©ten[d)en Stabte
gefehlt unb Sitte gelernt I)at, — aud) im ©teere
fo oiel Ser3fräntenbe Üeibenerbulbet,—[trebenb für
[eine Seele pgleid) unb ber greunbe 3 urüdtunft".
9111 bie ©Iäße, bie ber dönig oon gthata —
[eine grrfaßrt tnftorifd) genommen — be[ucf)t hat
ober befud)t haben tonnte, [inb heute gan3 biebere
Stationen regelmäßiger Sd)iffsoerbinbung ober
[eben bod) in ber gerne, pünttüd) auf Dag unb
Stunbe, bie gat)r3euge, bie ben ©erteßr ber
©erfonen unb bes §anbels oon Dt3ibent 3U
Orient oermittein, ihre oorge[d)riebene ©aßn
3iehett. Auf geringe, [d)mantettbe denntnis ber
düfte angemiefen, oermirrt oon ©tärd)en unb
gabeln geängftigter Schiffer unb gijcßer, hat ber
antife 3 eitgenoffe bes göttlichen Dulbers, ben
£)h)ntpiern oertrauettb, [einen ©Beg burd)s Abria-
ti[d)e, burd)s Agäifd)e ©teer ge[ud)t. gn tlarer
Aacf)t leiteten ihn bie Sterne, am hellen Dage
bie mie fleine am §ori3ont fchmimmenbe Spiß-
d)en fernher grüßenben ©ipfel ber ©ebirge bes
geftlanbes. (Denn im ©iittelmeer [inten für bas
[d)arfe Seemannsauge nur oon ber dleinen Sprte
bis 3m £eoanti[d)en See, 3toifd)en Sarbiniett
unb ben Balearen, unb mitten im Dprrheni[d)en
©teere bie leßten Spißen ber ©erge ins 9 Jieer.)
SQlit dompaß unb Seetarte burd) elettrifcße in
bie Diefen bes $ei3raums getragene ©efeßle bie
Scßnelligteit regelnb, in jeber ÜUtinute [ich bemußt,
mo [ein Schiff fährt unb mohin es ben durs
hält, beherrfd)t ber nt ob ern e dapitän bie ruhigen
unb bie empörten 2Ba[[er. ©latt gleitet erJmrd)
bie bemegte Straße oon iöteffina, ohne bie Stplla
3U fd)euett, oI)tte ber ©ha^^ts 3U ad)tett, unb
grüßt ohne Sdjreden, nahe ber düfte bes Iieb=
lid)ett dorfu, bas oon s üo[eibons 3ortt oerfteinerte,
3um 3t)pref[enbe[tanbenen gn[eld)en gemorbene
9 ?uber[chiff ber gaftlichen ^häaten. 9 tus bem ge=
fährlidjen, ben Sßagemut ber Abenteurer I)ßt:aus=
forberuben Unternehmen ift burd) ben 2 Biß bes
9Jten[d)engei[tes, burd) bie gort[d)ritte ber Ded)nit
ein gefal)rIo[es I)^ r tlid)es Vergnügen gemorben.
Unb tinblid), befdjämt unb hilflos — mie ber pri=
mitioe ®ogen, oon beffett Sehue ben greiern
ber Dob ins falfd)e §er3 fuhr, neben einer drupp=
[d)ett dattone — läge heute bas [dentale dönigs=
boot oon gthafa, bas einft bie 3toöIf Sd)iffe oon
ben 3 u[eltt bes 3 oni[d)en 9 Jieeres gegen Droja
führte, neben bem mud)tigen Aiefentörper eines
Aeid)spo[tbampfers bes „filopb“, ber oon ©reinen
unb Hamburg burd) bas blaue s Dtittelmeer unb
ben abgetroßten Seemeg oon Sue3 ben ficßeren
s üfab finbet nad) ben öftlicf)en §äfen ber 3ttber
unb Mongolen. Unb tein größerer, ben gort=
[d)ritt ber Sahrhunberte beffer aufbeutenber ©egen=
faß ift oielleid)t 3U beuten als ber traftoerlaffene
dönig oott gtßata, nadt, hungrig unb 3er[d)unbeit,
auf 3erfd)ellenbem gloß hilflos an Sd)erias düfte
gemorfeit, unb ber moberne Aeifenbe im £iege=
[tuhl auf bem fonnengefdjüßten ^ßromenabenbed,
brei Stodm ert hod) über [tili unb prä3is arbei=
tenben 99 ta[chinen, [auber rafiert, im rohfeibenen
91 ei[ean 3 ug, behaglich ben oortrefflidßen ßund) oer=
bauenb, bie 9 teifebüd)er übers Dlittelmeer int
Schoß, am Auge bas 3mölfmal oergrößernbe
3eiß=©Ias, I)inauf[päl)enb nad) ber [onnegleißenbett
golbeneit §elm[piße bes ^ßeliben über bem rofen=
reid)en taiferlichen ©arten bes Ad)ilIeions.
Die Heerfahrt, ehemals bas beftaunte 9 Bagnis
ber Abenteurer unb Startmilligen — „Navigare
necesse est, vivere non est necesse!‘-‘ —ift 3Um
erlefenften ©ergnügen ber 9 Jten[d)heit gemorben.
gd) [age ohne ©orbeI)a!t: 3unt erlefenften.
Denn mer fid) heute Sd)iff unb Aoute, dabiite
unb ©efell[d)aft mit ©orficßt mählt, mirb teilte
Summe ber ©rlebttiffe, bie eine aitbre Aeife
3u guß, 3U ^Sferb, im Automobil, im £urus3ug
gemähreit fann, bent aus Auße unb Unterhaltung,
aus 23 e[d)aulid)teit unb erlebenbem ©enießett 3m
[ammengefeßten ©enuß einer Seefahrt gleich*
3u[tellen magen.
©ergleid)en mir 3unäd)[t bie ©orteile ber ©e=
förberungsart. Die gute alte ^Softtutfdje,
bereit s 13 oe[ie mehr itt ber ©hatttafie berer lebt,
bie [ie nicht benußen, fcßeibet ohne meiteres aus.
Die £errlid)feit ber gußmanberung [ei — oor
allem ber gäugenb — unbeftritten; aber bas ©e-
biet, bas [ie -- ohne 3ur [portIi(hen ©ebirgsparüe
aus3uarten — in menigen $ßod)en bemältigen
tarnt, ift tlein. Unb bie ©rntübung an ben ein¬
zelnen Aeife3ielen minbert bie Auf nahm efähigteit.
Unb bas ©epäd . . . Aebett mir erft gar ttid)t oon
benen, bie mit gägerhemb unb 3ahtiMr[te aus=
tommen unb bie leiber nod) [0 oft beutfd)e Aamett
ins grembenbud) [djreiben. Die © i f e tt b a h u
3mingt ben Aeifenben auf tleinem Aaum für oiele
Stunben eine ©e[ell[d)aft auf, ber er fid) nicht
ent3iel)cn tann, quält mit Temperaturen, ©e*
rüd)en, Sdßmuß unb unleiblid)en Stoß- unb
Scßautelbemegungen. gür ©efunbe gemiß bie
tiir3e[te, oielleid)t aud) [icherfte, aber gemiß nicht
bie gejünbefte unb erfreulid)[te Art 3U reifen.
( 2 Bobei id) unter „Aeifen“ immer oerftehe: baß
nicht att eine gal)rt oon einem ©untt nad» einem
3iel gebad)t ift, [onbern eine ©Sanberung, bie
ohne 3Uoiel Anftrengung in oerhältnismäßig tur3er
3 eit oiel Aeues, Sd)önes unb gntereffantes an
üanb[d)aft unb ©ölterleben 3eigen unb bie er*
mübeten Aeroen träftigen anftatt er[d)öpfen foll.)
Das Automobil — auf Stunben jebe eigne
©emegung hittbernb, mit bem 3 t»ang, Staub 3U
atmen, [till3u[ißen, bie angenehme ©oentualität
oerbinbenb, burd) ©anne irgenbmo gelungen 3U
[ein nad) angestrengter gal)rt hungrig unb be=
[d)mußt fid) primitiofter ©erpflegung 3U freuen
ober gar eine ©Seile auf ber JÖanbftraße 3U liegen.
Daß ber ©ro3entfaß ber Unglüdsfälle bem Auto¬
mobil bie Dete in ber fii[te ber jäl) unb traurig
beenbeten Aeifen anmeift, [ei nur geftreift
Unb nun bas Schiff! Selbftrebeitb ge*
meint: tein brediger griec±)i[d)er düftenbampfer,
auf bem alles in fd)led)tem Öl getod)t mirb, unb
tein Ausmanbererfihiff, bas bie armen ru[[ifd)en
3uben unb polni[d)en ©rbarbeiter, bie irgenbmo
„briiben" ein untlar ge[d)autes ©olblanb fucßen,
bei ber erften [chmeren See in einen Sdjmeine*
[tall oermanbeln. ©in Sdßiff, mie [ie ber £lopb
auf [einen regelmäßigen ©affagierbampferlinien
allmöd)enilid) faft oon ©reinen nad) Oftafien, oon
Hamburg ins Sd)toar3e ©teer [d)idt: geräumig,
peinlid) [auber, mit jebem möglid)en domfort
ausgeftattet unb alle ©orteile unb Aaffinements
eines erfttlaffigen mitteleuropäi[d)en §otels auf
bie Dauer ber längften gaßrt garantierenb. Das
ift bas $errlid)ite an [old)er gaßrt: tein emiges
Aus* unb ©inpaden, tein täglid) [idß erneuernbes
§erunt3anten mit frembrebenben gacinos, dulis,
©artenfül)rern um ©epäd unb Darif; tein gräß*
lieber emiger ©Sed)fel ber ©ebienung, tein emiges
©enepptmerben bur^ beoote ober fred)e Drint*
gelblüfteme in §oteltorriboren. Aein, für ben
§eimtehrenben aus ber fd)inußigen, engen Araber-
[tabt oon Algier, aus bem abenblid)en §afen=
gemüt)l Aeapels — bas blißblante [djmimmenbe
§eim. ©ine tabellofe, aufmertfame ©ebienung,
bie unfre ©emol)nheiten [cßon tennt unb ge*
räu[d)Io[e Aüdficht nimmt, ein nid)t breites, aber
[auberes ©ett unb bie angenehme Sicherheit, nad)
gemütlid)em Stünbd)en im Aaud)3immer ober
ungestörtem ©ang um bas Ded in ruhigem
Sdßlumnter oon all ben neuen ©inbrüden 3U
raiten auf bem ©oben ber $eimat, ben biefe
Schiffsplanten auch im fernften ©teere barftellen...
©tein $aus — meine ©urg. dein 3^fall: bie
Aation ber enragierteften Seefahrer hot uns
ben Sprud) geprägt. §at uns auch gelehrt,
unfre Schiffe meit braußen in ben £jäfen bes
Oftens unb bes ©Seftens, meit braußen im £>3ean
[tol3 unb bantbar 3U unfern „©urgen" 31t mad)en;
3U [d)mimmenben ©urgen unfrer Sitten, unfrer
Örbnung, unfrer dulturbebürfniffe. Unb bis in
huitbert, hunbert gaßren bas ©af[agierluftfd)iff,
oerbeffert unb gefid)ert, unfre ©ntel burd) bie
©Sölten 311 ben ^ffiunbern ferner düften trägt unb,
gelanbet, Verberge, ©BohnI)aus unb 3nflrrcht bes
Aeifenben bleiben tann, mirb bas [tol3e ©affagier*
fd)iff bie [d)ön[te unb menfd)enmürbig[te Aeife
bes dulturmenfd)en ermöglichen.
©Barum rnerben nun ©ergnügungsreifen 3ur
See (mit Ausnahme ber burd) ben daifer ein¬
geführten Aorblanbsreifen, bie ich — ohne ihre
Schönheiten 3U oertennen — burd)aus nicht für
bie herrlichften holte) oerhältnismäßig [0 [eiten
unternommen? ©s beftehen ba ein paar ©or=
urteile: Die Seefrantheit . . . Die ungeheuren
dojten!... Die fiangemeile ber tagelangen gahrt
3mifchen §afen unb §afen!
Auit, id) habe, oon ein paar anbern Seereifen
^affagiere beim Spiel an 23orb eines £)3eanbantpfers
£)ie Ded=(Stagen eines 9ieid)spo|tbampfers ber Oftafrifalinie
R
HH
(Sin 3nbier als Sdjiffsrafeur auf einem beutfdjen ftüftenbampfer
in ülfrifa
3ung=£>eut[d)lanb an £>ed eines Oftafrifabampfets:
Import oon Papageien
. ... . ;nli nlili:; . .. ,:llii|||l!:!|::'.!i||i: .ÜU, ■!:■ :!iuiii::I!: : . . i:r':il|i I |li. :ü;:. i'lhlili;,,!;: ...
1124
Uber £anb urtb StReer
1911. 9tr. 43
abgefeßen, bie 3 aßrt um ABefteuropa, Vrernen—
©enua (refp. Neapel) jeßt breimal gemacht. 3ß
habe oon all bert am Aeife3iel ausfteigenben
Vaffagieren nißt einen gehört, ber nißt bereit
märe, biefe Aeife 3U mieberßolen. Unb aus mieoiel
berufen, Stabten, ©efellfßaftstlüngeln tarnen biefe
Aeifenben, bie in einem ABunfß unb Urteil fiß
3ufammenfanben! $reiliß, mer fict) nißt unb
niemals mit fiß felbft befcßäftigen farm, mer, ben
mürgigen Ottern bes AReeres im Kiegeftußl toftenb,
niemals ein gutes Vuß als ©efeKfßafter liebt;
mem eine fülle Sternennaßt, burß bie non fernher
mie maßenbe, forgenbe klugen bte £eußtturmfeuer
ber Küfte blinten, für ben Trieben ber Seele nichts
gibt; mem niemals f)ot)e ©ebanten ber ©migfeit
burßs §er3 3ittern, menn fßmimntenb im Abenb=
golb ber glüßenbe Sonnenball, mielangfam nieber=
gebrüdt oon einer unfißtbaren Aiefenfauft, in bie
urteublict)e Aßafferfläcße oerfintt— ja, fo!d)er um
rettbare Aüßterling bleibe am grünen Spieltifdj
ober am qualmumbuntelten Stammtifß, ober mo
fonft er feine armfeligen ©ntoüonen fuefjt. Aber
für ben einigermaßen einbrucfsfäl)igen ARenfßen
ift gerabe biefer immer mieberfeßrenbe ABeßfel
bes Anblids ber Küften, bes fiärms frember Straßen
unb ARärtte mit ber erhabenen Auße unb ©in=
jamteit bes AReeres, mit bem Spiel ber frieblißen
Delphine, mit bem leifen 3 üpen oerflatterter
Vögel im Baumert bas Anregenbe, Unoergeßtidje.
Die Seetranßeit — freilid^, idE) tarnt gottlob nißt
aus eigner ©rfaßrung mitreben, ba iß nie fee=
tränt merbe; aber ben fyatl, baß einem SOlitfatjrer
bie Aeife länger als Stunben ober ein, 3toei Dage
getrübt, baß fie ißm gan3 oerborben mürbe,
habe iß in ber guten 3aßres3eit nißt erlebt. Die
bumnte Angft tut bas Sßlimmfte; bas emige
ABarten auf Hb eifeiten, bie oielleißt gar nißt
tämen, menn man fie nid)t mit ©ebanten3mang
3itierte. Unb bann bie oft aus ber ©itelteit ge=
borene Unoernunft, fiß gleich aus ber träftigen
£uft bes Deds in bie oerfßloffene bumpfe Kabine
3U retten. Die gleichen Strecfen hintereinanber
auf ber ©ifenbaßn gefahren mürben mohl einem
normalen ARenfßen meit Sßlintmeres 3umuten
als fo ein paar Stunben Unbehagen... Unb
$)<m$ Pon
Seine 3 r a u
mmer hat er fie auf munberbare ABeife ge=
funben. 3 unt 23 eifpiel in Aorbernep. ARan
hat oon ARenfßen gehört, bie im Hausboot ben Ail
hinaüffußren, oon 9 Aount=©oereft= 23 efteigungen unb
Dibetöurßquerungen —— fie ging nach Aorbernep!
Dort moßnte fie in einer befferen 3 amilien=
penfion mit ihrer ARutter unb einer oerheirateten
Sßmefter, bie 3mei ent3ücfenbe Keine Kinbe.r
befaß; ber Sßmager mar abmefenb in ©efßäften.
©igentliß hatte er fi<h 3uerft in bie Kinber ber
Sßmefter oerliebt, 3uaIIererft in ihr oierjähriges
Keines ARäbßen. Der half er am Stranbe Vurgen
errichten unb glaggertftangen einrammen. — So
mürbe man nach nnb naß betannt. ©r bad)te
ja an gar nichts Weiteres, er, ber eingefleif<htefte
3 unggefelle, ein ARann, ber eben erft fein unab=
hängiges ©intommen hatte — er gefteßt bies felbft
befßämt —, mit üblen Angemoßnßeiten, übleren
©runbfäßen! ©in ßoffnungslofer Sali! Der
ARama gefiel er moßl 3uerft burß aus nißt, feine
Angebetete blieb bauernb füßl, aber bie Sßmefter
mürbe feine 3 reunbin, nahm ihn in ihr Ver=
trauen auf. Sie lebte fo glüdliß, % ARann trug
fie auf Räubert, jeben Dag fßrieb er ihr eine
^ofttarte, fie hatten bie nieblißen Kinber! Aein,
mirfliß, alles bas mar hoch 3U munberbar unb
ein3igartig! 3 n Aorbernep, am Stranbe, in ber
©iftbube — bei ARonbfßeinbeleußtung!
©r baßte noch immer an nichts. ABie tonnte
er auch ? ABoßl mar bie ARama ja nad): unb nad)
auch grtäbiger gemorben, fie fprad) manchmal mit
ihm oon 3U $aufe, oon feinen ©Itern, oon feiner
3ugenb3eit. Sein gan3er innerer befferer SOienfd)
machte bei ber fünften mütterlichen Berührung
in ihm mieber auf. Denn er mar ja burchaus
nicht gan3 fdhled)t unb oerhärtet, nur ein[am, nad)=
läffig unb forglos gemorben, auch in feinen Aus=
brüden — mehr in feinen Ausbrüden als in
feinen Söorftellungen! ©r träumte oft — oom
©lüd, oon ber Sonne, oon £iebe — er befaß
©emüt, er hatte noch 3beale.
äRertmürbig mar, mie bie ältere, feine ^au
ihn oerftanb! 3mmer noch bachte er babei an
bie 5 toften? 2 ßenn man fich biefelbe 3 oit in ein
tleines £anbftäbtcf)en in Thüringen ober in ein
Solbäbdjen nad) Sübbeutfd)!anb feßt, 3ehn äRart
5 turta*e 3ahlt unb als aufregenbfte Unterhaltungen
Spa3iergänge auf ber ©hauffee unb ©felritte 3U
ben Ausfid)tstürmen unternimmt, fo ift bas freilich
billiger. ASenn man aber bie Summe bes ©r*
lebten unb ©efchauten, bie burdjmeffenen Streden
unb bie Qualität oon SBohnung unb Verpflegung
in Rechnung feßt, fo mürbe man auf ber 23 ahn
fahrenb unb in entfpredßenben Abftärtben gute
Rotels mechfelnb bas Doppelte red)nen tonnen!
Aehmen mir folcße ^ah^t ^Bremen bis Aeapel an,
mie fie bie £Iot)bf<hiffe als Anfang ihrer QfK
afienfahrt machen (bie Vaffagiere für Qftafien
tommen — mit Ausnahme ber ©nglänber, bie
in Southampton einfteigen — meift erft in
©enua ober Aeapel an 23 orb), fo laufen mir feeßs
$äfen an, haben bei genügenbem Aufenthalt bie
©elegenheit, einen 23 lid 3U tun in fünf £änber:
§ollanb, 23 elgien (nicht ©nglanb, benn in South=
ampton hält ber Dampfer 3U tur3), bas englifcße
©ibraltar, bas fran3öfif<he Algier unb Italien
unb lernen 3ehn meit auseinanber liegenbe, gan3
oerfchiebenartige Stäbte tennen: Vremen, Aotter*
bam, Amfterbam (ober $aag ober §aarlem),
Antmerpen, 23 rüffeß 23 rügge, ©ibraltar, Algier,
©enua, Aeapel. 2Bir müßten — menn in berfel*
ben 3eit folcße fyahrt su £anb überhaupt möglich
märe, ohne un3ät)Iige 3mifchenftationen äu machen
— in 3ehn Rotels logieren, 3ehnmal bie nicht
geringen £often ber Antunft unb Ausfahrt
mit Drintgelbpladerei unb allem Ähnlichen er*
bulben.
So aber bleibt bas Schiff unfer $otel. 2 Bir
rechnen (unb bas geht nach ben Abfal)rts3eiten
ber Schiffe) für jebe Stabt einen Dag — in
Antmerpen liegt man faft brei Dage., fo baß
23 rüffel unb 23 rügge bequem mit3unehmen finb
— unb mir finb abenbs meift fd)on 3um Diner
mieber ,,3U Saufe", haben jebe 23 equemlid)teit,
jeben Komfort, haben bie ausgefueßt ßöflicßfie unb
gefcßultefte 23 ebienung; erhalten oon ben oieb
gefahrenen Stemarbs jebe Austunft unb haben
mit 3 oIl, ©epäd, Drintgelb, Vergeßlicßteiten beim
5^af)lenberg: Das ftarfe
nießts — ich oerfießere bidß, aber abfolut an gar
uicßts! ©s mar höcßft munberbar, oom Scßidfal
gemollt, bureß bie feltfamften Vermidlungen unb
Vertnüpfungen, burd) eine allertollfte £aune bes
3ufalls ßerbeigefüßrt — bas ABunber eben
fcßlanfmeg!
Die ©eliebte trug bei Sonnenfcßein meite
meiße Stroßhüte, bie ißr ©efießteßen munberbar
fein unb 3art maeßten — fie hatte bann etmas
oon einer feßnfücßtigen, fcßmanlenben, träum'
haften Vlume! 3 rgenbmie bachte er an 2 Baffer=
rofen, an ben Kelch einer frembartigen, einseb
blüßenben ©alla, morin ein golbener Kolben fteßt.
ABieber, bei Sturm ober heftigem ABinb, [aß auf
bem 3ierlicßen, bubenßaften Köpfcßen bie ent-
3üdenbfte, tede, Keine Dam o ; Sßanter= 93 tüße. Sie
mar bann plößlicß ein 23 ub, ein grecßling, unb
lacßte ißn aus.
©r hatte fteif unb feft geglaubt, baß fie ißn
aueß im entfeßeibenben ARoment auslacßen mürbe.
ABaßrßaftig, er hatte Angftfcßmeiß gefeßmißt, er
hatte es auf bie bümmfte, plumpfte Art oon ber
Aßelt gemacht! So gan3 unoorbereitet! ©r hatte
nicht baran gebaeßt, fie bachte fuß nießts —
Am überrafeßteften mar unb blieb bie ARama.
Atocß an feinem Sod)3eitstag er3äßlte fie allen
£euten,.baß fie nie, nie, aber aueß niemals in ber
ABelt, barauf, unb gerabe bei ißm, oerfallen märe !
Die oerßeiratete Scßmefter feßiert feßon eßer etmas
geaßnt 3U haben, fie naßnt bie Aacßricßt mit einem
Seuf3er auf, unb er fanb, baß fie feitbem gegen
ißm^p- mie follte er es eigentlich be3eicßnen? —
irortifä) mürbe. Der Scßmager hatte ißm marm,
aber emft bie Scmb gebrüdt, er mar 3U be=
fcßäftigt.
Die Kinber brauchten fie nun als ©ßrenmaeße
nießt meßr, am Stranb oon Aorbernet) unb naeß-
ßer bei ben Vifiten ober im 3 oologifd)cn.
Ad) ja, bie Vifiten! ©r feufste. 3 111 3 oo hin¬
gegen mar es nett, bie ARufif pautte unb trompetete,
baß man leinen ©ebanten im Kopf folgeridßtig
ausbenten tonnte, ARenfcßen traten einem oon
allen Seiten auf bie alle faßen ftraßlenb
unb glüdlicß aus, ARama oerteilte Kaffeetueßen,
unb er betam immer bas bidfte unb 3udrigfte Stüd.
Aufbrucß teinerlei Scherereien. So [meitTmir
aueß gefahren finb, im fremben Sofen gehen mir
leicht unb gepädlos mie ber forglofefte Dourift an
£anb; unb abenbs, menn mir mübe oom Schauen,
£ernen, Staunen uns nach Auße feßnen, miffen
mir: bort ber erleuchtete Aiefe über ben monb=
blanfen ABaffern ift unfre Seintat. Da ift uns
bas üppige ARaßl auf beutfeße Art bereitet, ba
ßören mir noch ein Stünbcßen beutfeße ARufit, ba
tonnen mir im füllen Aunbgang um bas $ro=
menabebed noch bas Panorama ber im £icßter=
glan3 feßimnternben Stabt mie eine eigens für
uns aufgebaute herrliche ^efttuliffe genießen. Von
£ärm, Staub, 3 an!, Aufregung, Vetrug ber ^rembe
aber erreicht nichts meßr unfern befcßaulicßen
Abenb, unfre gerußfame Äacßt.
Schafft euch ©rinnerungen, folange ißr manbern
unb erleben tonnt! Allen ©enußfäßigen möchte
man's 3urufen. Vilbet eueß im Aeifen unb An=
feßauen ber f^rembe! Allen Drägen möchte man's
ins Qßr feßreien. £ernt bas unerhörte ABunber
bes rafeßen ABecßfels lärmooller, bunter ARärKe
ber 5 ^embe mit ber blauen Stille bes emigen
AReeres erleben unb oerfteßen. Scßentt euren
Augen bie Offenbarungen mecßfelooller Vilber,
euren £ungen bie ftaubfreie, ßeilträftige AReerluft,
euren bie gebantenoolle ©inteßr auf ber
gaßrt 3mifcßen bem unenblicßen ABaffer unb bem
unenblicßen Sternenhimmel, ilnb lernt, menn ber
Drubel ber füblicßett Straße, ber bunten Vafare
in euren Qßren oerßallt, menn bie leßten geuer
ber Küfte eingefeßludt finb oonbem buntlen Aachen
ber Aacßt unb nur bas fünfte Aaufcßen ber ABellen
am Vug bie fcßnelle Saßrt 3U anberm Safen,
anberm ARorgen tünbet, bie feßönen Verfe £ubmig
Kßlanbs oerfteßn:
Km ARitternaßt auf pfablos weitem AReer,
ABann alle üißter längft im <3ßiff etlofßett,
ABann auß am Simmel rtirgenbs glängt ein Stern,
Dann glüßt ein üämpßen noß auf bem A3erbeß
©in Doßt, üor ABinbesungeftüm oerwahrt,
Unb hält bem Steuermann bie Atabel hell,
Die ißm untrügliß feine Aißtung weift.
3a, wenn wir's hüten, führt burß jebes Duntel
©in £ißt uns, fülle brennenb in ber Vruft ...
©efcßlecßt
Die ©eliebte, feine 23 raut, trug um biefe 3 eit
einen fcßmar3en, aufgebogenen Aembranbtßut
mit blauen Straußenfebern. ABenn er Ieife ben
Arm um ißre Stuhllehne legte, fagte niemanb
etmas, unb ARama blidte nißt ßin. Die Sßmefter
blieb ironifß unb oerfcßloffen, ber Sßmager mar
immer befßäftigt.
©s mar feßr, feßr munberbar, baß fie fid)
gefunben hatten, er tonnte bas ABunber immer
noß nißt faffen, unb fie oerftanb es auß nißt,
menn er mit ißr baoon fpraß! Aßie maren fie nur
gerabe auf Aorbernep oerfallen? 3m 3 oßr oorßer
maren fie auf Vortum gemefen unb baoor in
Splt, ißre Sßmefter hatte fiß in ABernigerobe
am S<*r3 oerlobt, bei ber Sod)3eit einer ^reunbin.
Daß aus Soß3eiten mieber Soß3eiten entfteßen,
mußte man ja, bas mar etmas Alltäglißes ! 3 ßr
3rall mar unb blieb ertraorbinär — blieb bas
ABunberbare.
Vei ber Aüdteßr oom Stanbesamt fßon fanb
er ARama. 3erftreuter. Diefe milbe, marme 3rau
hatte etmas Küßles, Abgelenttes. Der Sßmager,
beim Anftoßen naß bem Doaft auf bas Soß3eits=
paar, tniepte ißm ein Auge 3U unb ftieß ißn in
bie Seite. Der ARann benahm fiß, als ob er fagen
mollte: ABir finb jeßt 3mei, iß ßabe einen 9 Ait=
fßulbigen! Seine Sßmägerin beobaßtete ißn
maß unb fßarfäugig unter ben gefentten blonben
ABimpern, ben Spott um ißren ARunb oerßüllte
fie jeßt taum noß, er fanb, baß ißre Kippen auf*
fällig rot maren.
Seine junge $rau hingegen mar ganß in ABeiß,
in fßimmernbem meißem Atlas ,mit meißen
Sßieiern unb meißen Vlüten.
Sie mar für ißre Familie ein abgefßloffenes
Kapitel, ißre ARutter hatte eine britte Doßter 3U
oerßeiraten.
„Aber, bente mal, menn iß nun nißt 3ufällig
unb gerabe in bem Sommer naß Aorbernep
gegangen märe, menn fie nißt in ber penfion
Stella gemoßnt hätten unb bas Keine ARäbßen
am Stranb nißt gemefen märe?"
Aßie es bann moßl getommen märe, ift mirtliß
fßmer 3U fagen, auß bie junge grau meiß es
nißt. Vielleißt meiß es feine Sßmiegermutter,
■«»; ® . •
1126
Uber £anb unb S0leer
1911. 5ftr. 43
Seine Vergangenheit
Seine junge grau ift überzeugt, bah er eine
Vergangenheit hot; er fall eine haben!
Rlanhwal roirb fie fehr einbringüch: „©eftehe
es nur, bu marft fehr müft, bu marft ein gang
Schlimmer, bu hoft oiel Vöfes oerübt? Vd),
mir tertnen euch ja! Unb bann holtet ihr ja
immer gnfammen! deiner mill oom anbern etmas
miffen. Vber idt) meih! SCRidE) betrügt man
nicht!"
„— Diefe junge grangöfin, bie bu bei beiner
Schmefter tannteft... R 3 ie ift es nur möglich,
bah ein SJtäbchen fo mas tut! ©in grauengtmmer!
©ine Rheinreife hobt ihr gufammen gemacht?
Unb bu hoft if)r Sachen gefhentt — Sleiber —■
ein gadett? Vd), ich meih ja bodE), mas für Sachen
bu ihr gefhentt hoft! RSar fie fehr gärtlid), fag
mir! RSie nannte fie bid)? Du meiht ja? Sagtet
ihr eu<h Du?"
„Vber Schahi —"
„Rid)ts oon Sdjatp! Dah bu mit ihr oiel
gärtlid) er als mit mir marft, tann ich wir beuten!
Vber, mie es auf ber RSelt foldje Dinge gibt!
RSie Rtäbdjeit —! Unb fie ftammte bod) aus einer
£el)rerfamilie, mar djriftlich erlogen!"
„RSer fagt bir benn aud) nur —?"
„Vis ob id) bas nicht mühte, mie fo mas oer=
läuft! ghr habt gufammen gemotmt? Dagelang.
Vd)t Dage lang hobt ihr bie Säben nid)t aufge*
mäht! SEBahrhaftig, bie Roligei füllte fidE) barum
betümmern! Solch ein RSeib! ©ine Rerfon!
RSeldhe Dirne!"
„&inbd)en, Veftes —"
„geht fuchft bu mich wir 3u befdjwid)tigen!
Sie mar fehlest. Sie mar auch nicht mtfhulbig,
als bu fie tannteft. Unb mir madhfen fo auf, ohne
oon allen biefem etmas gu miffen! gh hotte
montöglih mit ihr oertehrt, hätte fie hübfd) ge*
funben —"
„Das Unglüd!"
„Vlle grangöfinnen finb fd)led)t. ©s ift eine
entartete Nation, man braucht ja nur ihre Romane
gu lefen! Natürlich las fie fhled)te Romane. gt>r
Taft gufammen foIdE>e nid)tsmürbigen Vüd)er,
Demi*Vierges unb ©laubine unb Rtirbeau.“
„RSiffen möchte i<h ober hoch; wein Vergehen,
mas bü oon Rtirbeau unb ©laubine —"
„Deine Schmefter ahnte nidE)ts, fie lieh fie bei
ihren Sinbern, lachte unb fprad) mit ihr. —
2 Bahrf<heinIich mar Venno, ihr Riann —"
„got>o!"
„Ra, bu fagft hoch felbft, fie hotte auf einmal
füberne Doilettefachen unb ein ftleib oon ber
Vbolphü Sollte fie fidE) oon ihren fe<hsE)unbert
Rtart ©ehalt Silberfachen unb Doiletten taufen?
Vei all eurer Raffiniertheit feib ihr Riämter hoch
manchmal gu gutgläubig — bie nicht alle merben,
nämlich! — Du hoft fie fhen Iaffen unb hoft fie
oergeffen! So feib ihr, treulos, fdjmad) unb
unbantbar! Rein, ich bebaure bie arme gojephine!
Rannteft bu fie gofette? — gef) tönnte über ihr
Sdjidfal meinen!"
,,gä) habe bir boef) fthort ergählt, bah fie hernah
ben Ingenieur geheiratet hot."
„Der arme Riann! Ruf fo mas ift er herein*
gefallen! Unb bu hoft fie ihm gugefchoben, bu
marft froh, hah bu fie auf gute Vrt los marft!
Das hot man oon feiner Siebe gu euch, oon all
ben Opfern, bie man bringt!"
„RSer ift ,man‘?"
„Run, gofephine natürlich! gh tann fie mir
oorftellen, mie fie ba einfam an ber Seite bes
ungeliebten Riamtes geht. ©r baut Vrüden.
Unb bes Vbenbs. — RSenn fie in ber ßeitung
ober irgenbmie oon beiner Veförberung lieft, bah
bu bid) oerheiratet hoft."
„Sie hot fidE) ja auch oerheiratet. Der gn*
genieur tann RSegebauntinifter merben!"
„Sollte fie ins R 3 affer gehn? ©igentlidj ift
es fehr unmoralifch, bah olles fo gut ablief, ©s
ift nicht'mal eine Dragöbie. Vielleicht belügft
bu mich aud). Sie ging ins RSaffer. Sie ftarb —
fie triegte ein itinb—"
„Vlies in ber richtigen Reihenfolge!"
„Du bift herglos unb finnlid) unb ein fdjledjter
Rtertfä)! — Sag mir, tyatteft bu grau oon Äölij
gern? RSar fie nett? RSarft bu fehr oerliebt?
Drug fie hübfhe Sachen — bu meiht bo<h — bann?
Sie mar fehr elegant?"
„Sah mid) fchlafen!"
„©ine ©erheiratete grau —"
„©efchieben —"
„Verheiratet! Rtit gmei itinbern, fo groben
Siubern! Vit muhte fie bod) auch fd)on fein!
Vn bie oiergig. Du marft noch nicht breihig. gn
unfern greifen! Doh fo mas paffiert! RSeifjt bu,
ich finbe bidE) fo fchlimm mie ©oeben. Du bift
©oeben!"
„Ra —"
„ghr Rtaun hätte fidE) mit bir fd)iehen müffen!
©r fpähte fie aus. RSie fo ein Rtann fo bumm
fein tann troh feiner Deteftios, ift mir auch um
ertlärlid)! 2 Bahrfheinli<h mollte er ihr ©elb
behalten? Verheiratete grauen finb immer, noch
ärger als Rtäbhen, bie tennen überhaupt teine
Sd)ant unb Reue mehr. So eine — eine ©he*
brecherin!"
„Deine Vhontafie, meine kleine, arbeitet mit
einer Schmungtraft, ber ich nicht nad)fomme. —
Vuherbem bin ich mübe."
„gebt bift bu mübe! Damals fdheuteft bu bie.
Reifen nicht, jebe Rächt hiu unb \)tx. Deshalb
fahft bu auch fo bläh unb abgetrieben aus, als bu
um mich anhietteft. Unb i<h Unglüdsmurm, in
meiner £ammesunfd)ulb —"
„geh mar überarbeitet burdh bas ©ramen. ©h ;
ich nicht meine Stellung hotte, hätten beine ©Itern
bidj mir nicht gegeben. VIfo arbeitete id) für bief)."
„Du millft mich oblenten. geh foll mohl gar
noch ftolg barauf fein, bah ich olle meine Rioalinnen
bei bir ausgeftochen habe! Unb mie oiele tenne
ich überhaupt? Riaing fo.II eine fo Heb erliche
Stabt fein, ghr hottet bas Sommertheater in
Rtörd)iugen. Von Stenbal tamft bu alle VSodhen
nach Verlin. — ©s ift unglaublich, mas es für
fd)Ied)te grauen gibt! Vlle grauen finb fdE)Ie<ht
unb oerberbt. geh bin übergeugt, bah grau Ritter
unb gräulein oon 5 taberau —"
„geht fhlof ich aber mirtlid) lieber!"
„grauen finb nie ptatonifd), bas merfe bir!
©s finb alles Rebensarten unb £ügen, mas bu
mir oon beinen ,greunbinnen‘ ergählft! Die
RSelt ift fd)Iedht. g© bin eine unglüdlidje grau,
gh habe einen Rßüftling unb Don guan geheiratet!"
©r-f<hnardE)t.
ghre Vergangenheit
„Sag — meine itleine — ihr mach ft bod) auch
nicht im 5 Uofter auf! Da fpufte fo ein Vetter
©neomar herum —"
„©neomar —" ooll unenblid)fter Verachtung —
„©neomar mar hoch noch ein gunge!"
„Selbft gungen haben §änbe—hoben Sippen.“
„gdh oerftehe beine Vngüglichfeiten nicht!"
„ghr mart hoch Vetter unb ©oufine. ©etüfft
hat er bid) fidher?"
„RSenn ich ©neomar tühte, badE)tc ich babei
an feine Schmefter Viere, geh habe ihn immer
genau mie feine Schmefter Viere getüht."
„Vber ©neomar felbft — ber Vub' —"
,,©r burfte mir manchmal meine gade tragen,
©inmal hot er mir Dheobor Körners ©ebichte
gefd)entt. RSir fchrieben uns RSeihnachten unb gu
ben ©eburtstagen."
„gm. Der junge 5 trautt)elm mar bein greunb ?"
„griebrich ilrauthelm ift mein greunb. ©r
hat mir auf einem 23 erg am See feine Oben an
Aiopftod oorgelefen."
„geh bähte, Älopftod. hätte felbft Oben ge*
macht?"
„grih bihtete mieber -Oben an Slopftod. Das
ift bod) fehr einfach."
„Sehr einfach!"
„gh meijg, bah bu bentft, Seutnant Rubitorn
hätte mir ben gof gemäht! Run, er mollte um
mid) onholten, er fhrieb an Vopd gmeimal, er
fpielte bes Vbenbs Planier bei uns. RSeil er eben
gang unoermögenb mar, mollten's bie ©Itern
niht."
. „Rah ©Itern pflegt man bei foId)en ©eiegen*
heiten niht allgufehr gu fragen.“
„gh fragte nah weinen ©Itern. Rubitorn
fhrieb uns einen fehr fhörten unb rührenben
Vbfhiebsbrief, er mar in ber Dat fo rührenb unb
fhön, bah mir alle meinten gu gaus. ©r ging
bann nah Vfrifa."
„Vraoe gaut! ttnb ba fiel er?"
„©r fiel."'
„griebe feiner Vfhe!"
„ga, er ift an gebrochenem gergen geftorben.
gh mar feine eingige unb erfte Siebe, eine ibeale
Siebe! Rubitorn mar ein gelb."
„Unb ging niht über ben Rubiton. — ©s
oertehrte nun bei euh jahrelang ein Rtaler. Von
bem höbe id) Weniger günftige Sahen oer*
nommen!"
„©rler mar ein urfprünglih ebler Rienfd). ©r
mar nur burd) allerlei böfe ©rfahrungen oerborben,
feine grau hotte fid) fheiben Iaffen."
„ga, megen unheilbarer Sieberlihteit feiner*
feits."
„Sie oerftanb ihn niht. Sie mar eine grobe,
materielle Ratur. gm ©runbe ift fie nur meg*
gegangen, meil er ihr nidpt genug ©elb oerbiente."
„©r behielt inbes einiges oon ihrem ©igen*
tum ?"
„Das hot fie ausgeftreut, um fih an ihm gu
rächen. Sie mar ein gemeines RSeib. ©r beutete
mir aud) an, bah fie Verhältniffe gehabt hot."
„Uber fo mas fprad)t itü boh?"
„Rur in ber garteften anbeutenben RSeife.
©rler hotte eben Vertrauen gu mir, ih bemit*
leibete ihn.“
„©r malte bih-“
„Den Sopf, ber bei uns im Salon hängt."
„Dabei hattet ihr boh oiel ©elegenheit, allein
gu fein unb euh ausgufprehen?"
„RSir fprahen über Rtalerei unb oon feinen
Reifen."
„ghr mart nachher and) in gtalien gufammen?"
,,gd) reifte mit Dante genriette. ga, er mar
bas gahr in gtalien, unb gelegentlich fahen mir
uns aud)."
„Vllein ober mit Dante genriette?“
„Die Dante fhättfe ©rler fehr. ©r hatte fo oiel
Sunftfinn."
„Sein Renommee mar herglid) fd)Ieä)t babei."
„Daoon erfahren mir nid)ts, meil mir gu
fhlehter ©efellfd)aft teine Vegiehungen haben."
„Diefe ©efellfhoft mar fhleht genug, einiges
gu tlatfchen."
„Rienfhen finb fo niebrig! ©rlers urfprünglih
fhöne unb mijghanbelte Seele tat mir leib —
ih hotte nur gu biefer Seele Vegiehungen."
„RSirtlih nur?"
„ga, beine Vhontafie ift eben fo oerborben,
bah bu gleich Schlechtes unb 3 weibeuttges an*
nimmft. Riänner hoben burd) ihr lieberlihes
Sehen eine fhlehtt Vhontafie. Reine grauen,
gungfrauen tennt ihr ja gar niht! Selbft bie
Dichter! Die in ben Romanen oorfommen, finb
immer fhledjte Verfonen unb grauengimmer.
Run, mer gum Veifpiel tönnte Dante Ottilie
etmas nahfogen?"
„Riemanb, in ber Dat."
„Ra alfo!"
„RSas mürbe aus ©rler? Starb er aud)?"
„©r malt. — gh will bir anoertrauen, bah er,
gum Vtenb
9 lahe fd)on bes Vbenbs buntler Shwelle,
güt)F ih, mie mein gerg fih füg erregt.
Ruhenbes mirb mieber gang bemegt
Unb gu neuen gahrten RSinb unb RSelle.
Saute, bie noh nie. im Duntet fangen,
güllen tlingenb nun mein tühl ©ernad).
Unb mit gruht gefegnet, hwtbertfad),
Sinb bie frühen Dräume aufgegangen.
!\
RSie oon ©migem bin ih ummaltet,
gmmer frember fühl' ich wicE) geftaltet,
Riein ©rftautten meiß niht ein noh aus.
Unb mie ih nun alles reht begreife,
RSelt unb RSanberfhuhe oon mir ftreife,
RSirb mein mahres Rienfhenglüd baraus.
V aul 3 e h
um feinen beffern Rtenfhen gu retten, mir bas
Vnfinnen ftellte, feine grau gu merben. gh tonnte
mih niht bagu entfd)Iiehen, meil ih hu eben
niht genügenb ahtete. ©r mar tief gebrohen,
er meinte unb tühte meine ganb — — gum Vb*
fd)ieb hot er mir ein Vilb: Rautenbelein im
Vrumten, gefhertft.“
,,©s hängt in beinern giwmer?"
„ga.“
„RSo lebt er?
„gn ©rohheffelohe. Vuf bem Sanbe. ©r hot
fih gong oon ber RSelt gurüdgegogen."
„Vm ©rtbe mirb er Riönh?“
Die Vermutung fheint ber Keinen grau nicht
burd)aus mel) gu tun. Sie feufgt: „©r mar ein
unglüdliher Rienfh*"
„Vber er hotte boh beffre Seiten. Das bemeift
bein gall."
Sie fieht ihn ungemih, aber boh h°hwütig an.
Die RSelt ift ooll oon fhlechten, frehen unb fri*.
oolen Rienfd)en, auf ber männlichen Seite. Vuf
ber meiblihen finb alle rein, helbenhaft ober
unglüdlih-
©s ift beffer fo.
(Die Serie mirb fortgefetjt)
pf Cammer weiter greift bie Dechnit im mobernen
jzi O £eben um fid) unb erobert fid) neue ©e=
O biete, Studj in bie fianbroirtfdjaft hoben 9 Jia=
pf fdjinen ihren ©iizug gehalten unb werben bort
jlj mehr unb mehr an Stelle ber teuren unb fd)wei
0 3U befdjaffenben $ilfsträfte oerwenbet. Sie
pf bienen bereits allen möglichen 3®cden. 3nm
pi Slufbereiten bes Widers werben bie mechanifchen
EU Wöge, (£ggen unb’ 3Bat3en benutjt, 3um Säen
pf bie automatifchen Sämafd)inen, bie ftartoffeb
p* fe^ma|"d)inen unb anbre metjr. Selbft bie
EU fcfjwierigen Crntearbeiten, bas SDtähen, Sinben
pf ber ©arben unb 5 luflaben, hat man ber 90 ta=
rp fcfjine übertragen. 'Slmerifa mit feinen riefigen,
O bünn beoölterten Sänberftreden ift natürlid)
pr allen anbern Stationen in ber §erftellung lanb=
p wirtfdjaftlidjer äRafd)inen oorangegangen. Dort
$fflähmafcf)inen im gelbe
$ori3ontaIer ©arbenbinber
Sertitaler ©arbenbinber
haben fie aud) bie JE)öd)ftc Seroollfommnung
erfahren. Unfre beiftetjenben Silber 3eigen
moberne ©rntentafdjinen bei ber Arbeit, unb
3war ältähmafdjinen, bie bas Rom in langen
Leihen, nieberlegen, ©arbenbinber, bie es in
hori3ontaler £age binben, folche, bie es in oer=
titaler £age 311 ©arben 3ufammenfügen, ferner
bie 9 Jtc©ormid=Sinber im gelbe, bie fowoljl bas
©etreibe mähen wie gleichzeitig in ©arben bim
ben. Utud) ©arbenbinber, bei benen bie 3ug=
tiere nidjt oor bie SOtafdjine gefpannt werben,
fonbern mit ijnlfe einer langen Deichfel bie
äJtafdjine fliehen, bamit bas ©etreibe nicht oor
bem Sdjneiben niebergetreten wirb, finb im
©ebraud), unb unfre letjte 2lbbilbung 3eigt bie
neuefte Seroolltommnung: eine 9 Jiähmafd)ine
mit ©arbenbinber, bie gleichzeitig bie ©arben
auf einen nebenherfahrenben SBagen auflabet
— mithin eine dRafdjine, bie fämtlidje fonft oon
§anb ausgeführte Operationen uollfommen
felbfttätig übernimmt. R. de J.
9 Jtc©ormi(i= 33 inber mit Scfjubgefpann
9 Jic©ormict= 93 inber mit Sdhubgefporm unb felbfttätigem ‘üuflaber
nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn
I
BEGEGNUNG
Von CHARLES BAUDELAIRE
Ich ging, von tollem Straßenlärm umbrauft.
Langfam fdhritt eine Frau mit trüber.
Von Schmerz verklärter Miene mir vorüber.
Sie hielt das Kleid gerafft in rof'ger Fault,-
Graziös und vornehm,- marmorfchön die Bülte,
Ich trank aus ihres Auges nächt'gem Blau,
Drin ein Orkan fchlief, fiebernd Morgentau
Freigebiger Huld und Gift der Liebeslüffe.
Ein Blitz! Dann Finlternis! ~-'0 flüchtiges Bild,
Das meinem Dafein neuen Wert gegeben —
Ob je ein Wiederfehn mein Hoffen ftillt?
Doch wann ? Zu fpät wohl — oder nie im Leben!
Wir fchritten abgekehrten Zielen zu.
Und dich hätt' ich geliebt! Das wußteft du!
II
IHR FÄCHER
Von STEPJHANE MALLARME
O Träumerin, laß tief mich tauchen
Ins unwegfame Zauberland!
Ein holder Wahn foll mich umhauchen,
Mein Flügel ruh' in deiner Hand.
Wie blaffen Frührots frifche Kühle
Umweht es dich bei jedem Schlag,
Als ob des Himmels Luftafyle
Dir dein Gefangner öffnen mag.
O welch ein Raufch! Die Luft erzittert
Gleichwie von einem gier'gen Kuß,
Der höchfte Seligkeiten wittert
Und doch in Feffeln bleiben muß.
Fühlft du's? Von deines Mundes Blüte
Entfchwindet in des Herzens Grab
Wie Lächeln, das in fich verglühte.
Ein jauchzend Paradies hinab.
Und wie die Wolke, eh' es dunkelt,
Rot fchimmernd, fo als Zepter halt'.
Von deinem Halsgefchmeid' umfunkelt,
Mich, Zeichen deiner Herrfchgewalt.
m
VOLLMOND
Von PAUL VERLAINE
Im Mondenfcheine
Erglänzt die Nacht,
Und tief im Haine
Ein Hauch erwacht
Und flültert Grüße . . ,
Du Holde, Süße!
Es blinkt der Weiher,
Sein Grund enthüllt
Im Trauerfchleier
Der Weide Bild,
Es feufzt in Bäumen
Komm, laß uns träumen!
Ein friedlich Schweigen
Umfängt die Welt,
Und Englein Iteigen
Vom Himmelszelt,
Mondfcheinumfponnen . . .
O Zeit der Wonnen!
' IV . '
AN EINEN JUNGEN FREUND
•Von THEODORE DE BÄNVILLE
Du, Jüngling, gegen Spleen Gefeiter,
Stets wie Italiens Sonne heiter.
Wahr deine luftige Torheit weiter.
Denn dies ift Weisheit! Lieb' den Wein,
Den Frühling und das Mägdelein.
Der Reft foll uns geftohlen fein!.
Niemals verzagt! fei die Parole.
Und wenn Waldmeifter blüht, fo hole
Das Kräutlein dir zur Maienbowle.
Was bleibt uns armen Tröpfen, wenn's
Zu Grabe geht? Reminifzenz
An einen kurzen Liebeslenz!
«Du trägft die Schuld an deinem Lofe!»
So ftelft der Grübler die Prognofe.
Pah, Worte! Worte! - Pflück' die Rofe!
• V
IM FRÜHLING
Von EDOUARD PAILLERON
Es war ein Sonntag in der Heide
Ach, in der Heide,
Noch früh im Jahr!
Die Jungfer ging im weißen Kleide
Und bat, daß ich ihr Zweiglein fchneide.. . .
Ja, Zweiglein fchneide
Zum Schmuck ins Haar.
Wir ließen uns im Moofe nieder ...
Im Moofe nieder.
Und keines fprach.
Wir fogen weichen Duft vom Flieder
Und fahn am Bächlein immer wieder ...
Ja/immer wieder
Den Wellen'nach.
Ein Vöglein fang auf grüner Weide . . .
Auf grüner Weide.
Der Ton verrann.
Ich nahm dein Händchen — eins, dann beide
Es war ein Sonntag in der Heide!
Ach, in der Heide!
Denkft du noch dran?
VI
ERMAHNUNG
Von HENRI DE REGNIER
Du gleich!!, mein Kind, dem Lilienkelch an
Reinheit,
Doch in dir flammt der Rofe Feuerbrand.
Sag, was entftellte deiner Züge Feinheit,
Als Rof' und Lilie blich in deiner Hand?
Dir kam's zu Sinnen, wie in Lenzgefilden
Der fchönften Blumen Duft fo rafch ent-
fchwebt —
Wie von des Frühlings lieblichen Gebilden
Doch keins den Herbft, den rauhen, überlebt.
Dir kam's zu Sinnen, daß auch dein jetzt harren'
Lenztage junger Liebe, ftillen Glücks,
Und daß auch dich Schönheit und Jugend narren
Und dir entfchwinden werden hinterrücks.
Und weil du's weißt, wird dich das Fieber fangen
Und rütteln, bis dein Stolz zu Boden finkt.
Und plötzlich wirft du nach dem Raufch verlangen,
Den Mädchenmund aus erftem Kuffe trinkt.
Du wirft dich zu des Liebften Sklavin machen.
Dein Blick hat unbewußt ihn erft ermahnt.
Zu herrfchen und den Schauer zu entfachen.
Den er erlechzt und deine Scheu nicht ahnt.
Du wirft, mein Kind, an keine Abwehr denken, ,
Wie Blumen in des Sturmes Wirbelflut,
Und wirft dein Edelftes hilflos verfchenken —
Die Lilienkeufchheit und die Rofenglut.
VII
FERNE KLÄNGE
Von FERNAND GREGH*
Trüb ift es, recht ein Tag zum Trauern |
Unhörbar, wie die Sorge fchleicht,
Sprühregen über Bäume ftreicht, .
Die fieberifch im Wind erfchauern.
* Aus «La maJson de l'Enfance», Verlag Calman
Levy, Paris.
Vom Park, durch den die Nebel ziehn,
Dringt fernher in zerrißnen Tönen
Aus altem Inftrument ein Stöhnen .
Verworrner Walzermelodien.
Es ift ein Ächzen und Verzerren,
Ein kläglich, oft mißratner Klang,
Wie unbeholfner Kinderfang,
Wie eines alten Küpftlers Plärren.
Was fchidct die falfchen Noten da
Durch Wind und Regen in die Ferne?
Wie hör' ich's doch fo feltfam gerne —
Das Spiel der Ziehharmonika!
Diefe Harmonika, fie jammert
Wie ein geplagter Erdenwicht
Und bannt midi wie im Traumgeficht
Ein Alpdruck, der das Herz umklammert.
Erbärmlich klingt die Dudelei
Von Fingern, die verkehrt hantieren.
Wie lächerlich dies Mufizieren!
Und weinen muß ich doch dabei.
Herbftfchauer fchnürt das Herz zufammen —
So friert ein Vögelchen im Schnee! ,
Es regnet — Sonnenglanz ade!
Es regnet — löfcht, ihr Lebensflammen!
Wohl ftimmt zu folchem Nebelblick
Das alberne, armfel'ge Leiern.
Wie diefe Klänge, müd und bleiern.
Drückt uns des Lebens Mißgefchick.
Die Tücken all, die uns erbofen,
Hör' ich aus diefen Klängen fchrein,
Die Kämpfe all, die freudelofen,
Und all die Winter ohne Rofen
Und alle fchönheitlofe Pein.
VIII
MÄDCHENLIED
Von JEAN MORE AS
Fenchel fprach zu mir: Er liebte dich fo.
Daß er nur durch dich wird herzensfroh.
Halte dich bereit, er weilt nicht fern.
— Fenchel, ach, du fchmeichelft gar zu gern.
Gott fei meiner Seele gnädig!
Gänfeblümchen fprach: Warum, fag an,
Bandeft du dein Herz an diefen Mann,
Dellen Herz kein Zartgefühl verrät?
— Gänfeblümchen, ach, du mahnft zu fpät.
Gott fei meiner Seele gnädig!
Sprach Salbei: Erwarte ihn nicht mehr.
Hinter einer andern läuft er her.
— O Salbei, du traurig Blümelein,
Komm, ich flechte in mein Haar dich ein.
Gott fei meiner Seele gnädig!
IX
JUNGE MÄDCHEN IN DER
DÄMMERSTUNDE
Von ALBERT SAMAIN
— Näls, ich feh' nicht mehr die Spangen
gleißen
— Lydia, ich feh' nicht mehr den Schwan, den
weißen . . .
— Na'fs, o hör das füße Hirtenlied!
— Fühl', Lydia, welch ein Duft die Luft durch¬
zieht!
— Warum, Nai's, wird mir das Herz fo fchwer.
Wenn ich die Sonne finken feh' ins Meer?
— Warum mag, Lydia, mir das Herz fo fchlagen.
Hör' ich am Weinberg rollen heim die Wagen?
So klagen in der fchwüten Abendzeit
Die fünfzehnjährigen Mägdlein fich ihr Leid.
Weit über Park und Au entrückt ihr Sehnen,
Und aus den Äugen tropfen leife Tränen. .
Merklos entringelt fich ihr Lockenbund,
Und unter Schluchzen preßt fich Mund an Mund.
Deutfdi von SIGMAR MEHRING
Über ßanb urtb 9fleet
^eröengroc&enCäufen
2ld)t Stubienblätter üon ©raf ©ourtert
2ln ben Prüften ber 9 tatur. Sftadj einem Aquarell J
£ifis geierabenb. Sleiftift3eid)nung
'TVüben hinter bem ßmeiten £ol3haufe über ber nieberen £ügeln. ©r hot einen großen runben §ut feiner §erbe unb ba3mifd)en ping, ping, ping,
sZJ Strafe fteigt ber Sergroeg an. ©rft geht es auf bem braun burchroetterten ©efid)t unb ift ein ping bas Xrippeln ber Schafe, bie, 3U einem
nodh ein Stüd bie £ald)auffee, bann gibt es nur 9 ?iefenferl, ber fidt) bie erfrorene 9 tafe mit einer ftnäuel 3ufammengebrängt, roie eine fleine Reiterei
nod) gufctoege. Durd) ©arten 3uerft, bie üppig Keinen pfeife anroärmt, aus ber er fürd)terlid) bat)er3iehen. ^intennad) in hellem Xlbermut bie
ins Rraut [Riehen hier an ber 2Beftfeite bes £ales, 3iet)t unb roeifte Dampfroolten um feinen großen 3iegen mit ben fpitjen ©utern unb ben neu=
unb bann über 2 Biefen aufroärts, in benen Suchen |>eiligenfd)ein binbet. gierigen ©efidjtern, mit ihrem 3 iegenbod 3ur
unb Platanen ftehen mit roeitauslabenbenßtoeigen. ©r geht roie ein ©ötterbote unbefümmert Seite, ber feinen 3 ug roie ein altgebienter gelb=
X)es Borgens begegnet man hier bem Wirten, ber feinen 9 Beg unb antwortet nicht, roertn man ihn roebel begleitet, bie langen Körner mit großem
feine £jerbe heimwärts in bie Ställe treibt oon ben etroas fragt, ‘ißing — pang taktiert bas ©eläute Selbftberouhtfein 3ur Schau tragenb.
1130
Über £anb unb 9(fteet
1911. Wr.43
* Gf^G*+£9G*+&Gt+&Gf*&G?+ZS Gf+&G?+s3G?+i&G?+£S)<S?+£9 6*^Gi^G*+&G*+&6?+i&G*+ZS)G?+i&6*+S9»
9 6 )
g äRübe toie ber SUlorgentomb gieren fie
<n oorüber, unb hinter ihnen ftetgt bie Sonne
4 ins Dal ©nab, roärmt unb 3erftäubt bte
6 roeihett Giebel, bte am SBegrairt fd)ldfen,
9 uttb roecft bie Slumen in ber 9 Biefe auf.
f. Stgenbein filbernes ftlingett, ein Ieifer
§ ©efang in ben £üften ruft aus beit fom
•2 nigeu £jöl)entälern, unb burd) ben tül)len,
g fd)attigen SBalb ge© eine Sei)nfud)t nad)
g\ freien lichten ©infamteiten eilig mit uns
4 * ben Serg t)inan über fd)lüpfrige Steine.
6 Solange bie Sonnenftrahlen, bie fid)
9 toie fd)toere $fte über ben jenfeitigen
* Sergrücfen 311 uns I)erabbiegen, nod)
k unfern 2Beg nid)t freuten, Ij'ören roir
•2 taufenb feine ©eräufd)e, als behnten fi<t)
g bie Slätter unb 3n>dge bem £ichte 3U
G) uttb fd)üttelten bas falte SRah ber 9 tact)t
4 oon ihrem oerfd)lafenen 9 ?ücfen. ©s fnadt
6 in allen 23 üfd)en, unb fd)toere Dropfen
9 fallen 3ur ©rbe ins ©ras, als toürfe einer
* eine £aft 3U Soben. Unb fd^Iiefelict) roäd)ft
^ bas ©eräufd), je näher bie Sonne tommt,
•2 bas Dropfenfallen gleid)t einer Äattonabe
g unb enbiid) bem ©eroel)rfd)nellfeuer eines
q fiegreidjen £jeeres.
4 * Die Sonne! 2 Bie oon taufenb unb
ö abertaufenb Reimen unb Sruftpan3ern
9 bli© es, unb bie Sftatur tut einen tiefen,
t. tiefen ^temjug. ©s ift ein 3aud)3en in
§ Farben ringsherum, roie roentt eine Stabt Sennhütte auf ber gürftenalm. Stach einer 5tohIe3eid)nung
£>albe in ben Sergen. 5tol)le3eid)nung
SBilheltn Dells gan3 perfönlid)es ^reiheits*
helbentum, ber ftarnpf oon 1809 finb nur
im 3ofammenhang mit biefent Hber=bem=
$lbgrunb=Stehen benfbar.
Unb roenn man fid) nun rücftoärts toem
bet, ba tut fid) eine gan3 neue 3 BeIt auf.
2 Bie burd) filbern gefaxte ©lasfenfter ftrömt
bas £id)t in ben langen Saum, ben oon
brei Seiten bie fteinernen 2 Bänbe mit ihren
meinen 3adigen ©raten einfchliefjen. So
nahe uttb bod) fo roeit ift alles unb ab*
gefd)loffen gegen bie arbeitenbe 9 Renfd)heit
unten im Dal. Das Dageroerf bes Säuern,
hier roirb es oon ber Statur felbft beforgt.
Das ©ras roäd)ft ben gerben gleichfatn
in ben $als hinein, unb niemanb benft
baran, es ab3umähen unb es in bie Ställe
3u tragen. Die roeibenben Sinber geben
fidh gan3 ihrer Drägheit l)tn unb oergeffen
ihre Stammesgenoffen bort unten, bie
an ben $of gebannt finb unb ft-ronbienfte
leiften.
©an3 toht3ig ftel)t in bem feuchten
©ras, an ben Abhang geflemmt roie ein
Sd)attenpil3, 3mifd)en ein paar einfamen
Sichten bie SImhütte. Der 2 ßeg baf)in ift
in bem hohen ©rafe faum 3U erfennett, unb
es tonnte red)t rool)l bie $ütte 3arathuftras
fein, in ber er mit feinen Dieren, bent
im Seftjubel alle bunten Sßintpel ©raus*
ftedt unb bie Setoohner auf ben_©affen
umherrennen oon Sdjente 3U Sd)enfe,
unb 00m äRartt in bie 51 ird)en unb aus
ben Jtirdjen in ben grünen 9 Balb.
Sber roas ift aller Sieg ber Ded)nif ber
Dpnamomafdjinen unb ber ©leftri3itäts=
toerfe gegen biefes eine ©efül)l ber 23 e=
freiung unb ©rhöhung, bas uns roie mit
Sblerfittichen übermannt, roenn roir auf
ber erften freien £0© angelangt finb unb
roeit hinabfchauen ins Dal! 2 Benn bas
§er3, roäbrenb roir 3ur £jöhe eilen,
immer heftiger ftampft unb ber SBittb
uns über -bett Sbgrunb 3iet)t, ein Ieifer
Sd)toinbel ben itopf beirrt unb bann
übertounben roirb. Die SJtenfchen plagen
fid), bie £uft 3U burchfliegen unb bie ©rbe
mit ihren ©ifenbal)nne©n 3U umfpinnen,
burd) bie SReere Unfein bes raffinierteften
£u*us 3U fd)id'en, unb bod) ift alles
9 Jtenfd)enfliegerifd)e rtidf)t fchon biefem
fd)lid)ten flbertoinben ber Schroerfraft
burd) unfre SRusfeln unb Sehnen ein*
gegeben toie eine gro^e Serheijfung unb
eine ftille SBarnuttg 3ugleid)!
Solches muß ©äfar empfunben I)ahen,
als er bie §öl)e bes 9 fubifon erreid)te, unb
§annibal, als er mit feinen ©lefanten in
bie §öl)enfd)lud)ten ber ?IIpen einbrang.
Mittag auf ber ^Ilm. ©etönte itohle3eidhnung
)6^#s£>S^#s£)(
1911. 5Rr. 43
Aber £anb unb 9Jleer
1131
$euerftelle in ber Sennhütte. 5tol)le3eidhnung
{ ifln ettoas burd) feinen 3al)nlofen ©infamfeit 3ugeftef)t. Nur manchmal fommt
’_ liffi l 9 Nunb, bas ficf) roie bas Ouietfd)en in if)re Neroegungen ettoas Saftiges, roenn fie
eines alten ilarrens anf)ört unb aus ber £ütte heraus um ben £of gel)t unb mit
nur oon ihm unb ber 23 unt= großen fragenben Nugen nach bem SBetter
fchedigen oerftanben roirb. fcfjaut. Ob bie Nebeltoibele, bieum ben §od)=
3 n bem bunfeln Naum ber $ütte hängt ftein tanken, 3ur §öl)e fteigen. Ober ob fie fid)
ein großer £jerenfeffei über bem offenen £erb: in bas Dal herablaffen, ein fcf)Iec£)tes 3 eichen
bas furrt unb fummt unb brobelt unb macht ben für bie SBitterung, unb bann gilt es, bas Nieh
Naum noch büfterer, ber nur ein toh^iges recht3eitig in Sicherheit 3U bringen. Nistoeilen
Srenfter hat, bah es orbentlid) toie in einer fchaut fie aud) tool)l einmal über bie Salbe
©lodsbergroirtfd)aft ausfchaut, trüge nid)t barin 3um Daltoeg hin, ob bie Nlutter ober gar ber
bas bloribe Saar ber Sdhaffnerin ein ftilles 3 fran 3 l fommt unb aus bem Dorfe Nachricht
Nlpenleud)ten burd) ben Naum gefd)äftig hin bringt. Nber bas fann oft Dage, ja eine 9 Bod)e
unb h^* Sie ift nicht ettoa fd)ön, aber ihre bauern, bis ficf) ant Nanbe bes Abhangs ein
groben 3 üge haben etroas fo männlich ©e= tleiner bunfler Nunft auf bie Sütte 3U beroegt.
feftigtes, unb bie Sommerfproffen in ihrem Unb bie grojfe Stille, bas Sd)toeigen ber
©efid)t ettoas fo Selbftoerftänblidhes, bie fcf)ier fteinernen liefen, bas 3 i r peu ber ©rillen an
leberbraune §aut ihrer Nrme etroas fo 2 Better= ben langen Nachmittagen ift roieber für lange
hartes, bah man ifü ohne roeiteres bie §errfche= ihre ein3ige Unterhaltung,
rinnenroiirbe über biefe grüne fonnenglänsenbe 9 B i 11 ) e I m 9 Jti e hn er
Nefi ftridt. 231 eiftift 3 eicf)nung
Nbler unb ber Solange, häuft unb feine ©e*
fange gegen fahle gelstoänbe ober ben Stürmen
er3äf)lt, bie bort mit flatternbem Ntantel ben
Abhang herunterfaufen.
Der alte §irte, ber hier feine „Nenfion"
oersehrt unb ber ftrammen Nefi bie toeih=
gefd)euerten Sol3eimer in bie Sonne ftellt,
roanft l)iu unb roieber mit breiten Seemanns^
fcf)ritten 3U bem 23 abt) auf ber Nim unb rebet
ber eilten gut 3U, bah fie ihm aud) red)t aus=
giebig 3U trinfen gebe.
Die Suft macht junger, unb er ftreidjelt
bie Nuntfchedige unb fraut fie 3roifd)en ben
Körnern, roährenb fie ihre 9 Nutterfd)aft in
ben blauen Fimmel brummt. Nud) er jud)3t
3Bie ber Leutnant lieft, ©in ©ffai) 3ur mobernen Offt3ter$fultur
s ift heih, entfehüdh heih- Die Sonne brennt
auf bie fleine ©arnifonsftabt hernieber, bah
fie trot? ©rer günftigen Sage 311 einem 5tod)=
feffel roirb.
Die |jerren brauhen oor ber Stabt im ftafino
haben bie ftorbfeffel unb bie Difd)d)en mit 3 ei=
tungen unb Sfatfarten unter bie fd)attigen 23 äume
ihres 9ßarfgartens tragen laffen. Nud) fie leiben
unter ber §ihe — fie unb ber föniglid)e Dienft.
9 Bas man aud) anfängt, bie ©äule finb gar 311
leicht fdjlapp unb bürfen 3U fehr nid)t herangeholt
roerben oor ben Nnftrengungen bes 23 rigabeeier*
3ierens unb NJanöoers.
Um fed)s Uhr brauhen unb um3ehnUhr im Stall,
unb bann liegt ber lange, heihe Dag oor einem!
Der Nittmeifter ber fünften Sd)toabron hebt
ben flugen, fd)arfgefd)nittenen 5 topf oon feinem
9toti3bud), in bas er einige Semerfungen ge=
fchrieben hat: „SBelches Datum haben roir heute
eigentlich?"
Unb aus einer ©ruppe oon brei blutjungen
Offneren, bie 3ufamnten plaubern, flingt es über=
legenb: „Seute, §err Nittmeifter? SNorgen ift
ein neues Programm im ©Ipfium, alfo ift heute
ber fünf3ehnte."
Um bie fchmaleit Sippen bes Sd)tüabrond)efs
3udt ein Sächeln, als er fragt: „Sagen Sie mal,
mein Sieber, beftimmen Sie bas jeweilige Datum
immer unter biefem ©efid)tstoinfeI?"
Verlegen tönt es 3urüd: ,, 3 d)? — Nein! —
2ld) ©ott, es ift heute fo heih!"
Nber bas ©Ipfiumprogramm! „Orbonnan3!
Orbonnan3l" Der gahnenjunfer ftef)t auf, um
an bie illingel 3u gehen. „Nch, 3unfer, toenrt
Sie bod) fchon auf bem 2 Bege finb, bann gehen
Sie bod) einmal rein unb fagen Sie bem 5 tafino=
toachtmeifter, bah morgen bie Soge gefiebert ift!"
Der fleine Sunfer fd)Ienbert hinein. 3 u>ei
Ntonate trägt er ben bunten Nod, unb er ift nod)
immer roie benommen oon allem, roas auf ihn
einftürmt — toie im Draum. „ 3 m Dran," fagt
allerbings fein ausbilbenber Unteroffizier. ©r ift
hunbemübe — Nachmittag für Nachmittag bei ber
Siebehibe brei Stunben ^uhbienft unb 3 nftruftion!
Unb abenbs bas ©ffen im Safino, bas manchmal
recht, red)t lange bauert, benn ein Runter — fo
ein angehenber 5 faoalIerift - barf teinDudntäufer
fein, ber allsufrüf) ins Nett friedht.
Der fleine 3 unfer ftredt fid) im leeren Sillarb=
3immer mit aufgefnöpftem 9 Baffenrod ein toenig
aufs Sofa. Non brauhen tönt eine Stimme: „Nbieu
— id) geh' nad) §aufe unb roill ein bihd)en lefen.“
Herrgott, ber hat' <5 gut! — Die ©ebanfen bes
Dräumenben roanbern mit bem Offner ein Stiicf=
d)en mit. 2 Bas er jeht rool)l lefen mag? Der
3unfer fennt ben ©efd)macf ber ein3elnen Herren,
benn roenn er abenbs nod) frifd) ins 51 afino
fommt, hält er bie Ohren fteif, um ettoas auf3tt=
fd)nappen. Der, ber ba eben nad) £>aufe ging,
roirb jetjt. .. Herrgott, ber Dienft!
*
Diefer junge Ntann fteht jeht in einem Sebens=
abfdhnitt, in bem fie alle geftanben haben, bie
unbefannten Offiziere foroohl roie bie Ntoltfe,
Noon, §ülfen=§aefeler, oon ber ©olh unb roie bie
groben unb ftol3en Namen alle lauten mögen, an
benen unfer $eer fo reich ift. ©in Sebensabfchnitt,
in beffen erftem Deil ber (Seift nicht oiel bebeuten
fann — in bem fie alle gleid) finb, bie illugert
roie bie Dummen, unb in bem nur ber geroanbtere
Neiter, Durner, 2 feä)ter, ber förperlich Düdhtigere
ettoas heroortreten fann.
Das ift bie 3 ^it ber Selbftentäuherung für
ben, ber hoher 9 Beist)eit ooll bie Pforten feines
©pmnafiums ©uter fid) lieh-
Der Dag finbet ben angehenben Offizier immer
im Dienft ober roenigftens in militärifcher Um=
gebung, nnb ber 2 Budht biefer täglichen unb ftünb=
liehen ©inbriide fann fid) fo leid)t niemanb ent=
3iehen. Sangfam oerliert fid) aud) bei ben „®e=
bilbetften" unter biefen jungen Seuten ein ettoa
oorhanbener innerer Sodhmut, unb je mehr bie
fd)toar3e Äunft in allen ihren 3<ueigen für ben
Nugenblid 3uriidtritt oor ben Nnforberungen bes
praftifdhen Dienftes, befto mehr beginnen fid) bie
jungen Nugen 3U öffnen für Ntenfd) unb Dier
unb Niutter Natur.
9 Benn es bann enblid) 3ur fad)toiffenfchaftlid)en
Nusbilbung neun Ntonate auf Äriegsfdhule geht,
finb bie jungen $erren bereits alle eingefleifchte,
„altgebiente" ^rontfolbaten unb fd)impfen auf bie
„oerbammte Nücherfudhferei". Ob3toar auch bas,
roas fie bort lernen, mit biefem Namen nicht be=
legt 3U roerben oerbient, benn immer roieber
roirb barauf hiugeroirft, ©ntfdjluhfähigfeit unb
Nerantroortungsfreubigfeit in ben jungen Seuten
toad)3urufen unb fie fehen 3U lehren im ©elänbe
unb auf ber ftarte.
Natürlich ergeben fid) hinficfytlich ber geiftigen
1132
Xtber £anb unb 9Jleer
1911. 9tr. 43
Nahrungsaufnahme jtotfehen ben eingelnen Paffen
Heine Unterf©iebe, bie in ber 9 Irt bes Dienftes
unb feinen Nnforberungen beruhen. Selb ft in er
an fid^ lein Sü©erfreunb ift, wirb bem gebrühten
Su©ftaben burd) ben 3 roang eines eingehenben
Stubiums ber oerf©iebengrtig[ten Sorf©xiften
groeifellos nähertommen, weswegen benn aud)
bie artilleriftifchen unb te©ni[©en Paffen in ber
allgemeinen Beurteilung mit bem Pantel tief=
griinbigen, oor allen Gingen „mathematifchen"
Piffens betleibet erfdheinen. Selbft einzelne non
fenen jungen Damen, für beren Piffensbxang bie
oorhanbenen Unioerfitätsbifgiplinen Inapp ausgu*
reid)en [©einen, [teilen [oI©em Starsjünger bas
gewih red© erhebenbe 3eugnis aus, bah er ,,fo
bumm“ gar nicht fein tonne. Nud) ber gnfanterift
rehabilitiert fid) bei einiger Negfamteit in foI©en
Nugen etwas bur© bie nicht roegguleugnenbe Dat*
fad)e, bafj feine Paffe immerhin eine gange Nngahl
bo© recht gefreiter, Sente ©roorgebra©t hat-
Nnbers nun aber bie 3<©l ber buntberodten
Neitersleute. Penn fie an fid) teine ausgefproebenen
gremtbe bes Stubierens finb, fo toirb in ben erften
Slonaten ihrer reiterfrohen Sentnantsgeit ber
Nüden ihres Bferbes gegenüber ben Sodungen
eines Su©es für fie immer bie größere Ser*
fu©ung bebeuten. Unb fo toirb manchmal ben
ihnen oom lieben Herrgott ge[©enlten, no© fo
„bu©freunbli©en" Neigungen im gutereffe ber
Neglementslenntnis eine getoiffe göxbexung oon
feiten bes Negimentslommanbeurs unb bes S©wa*
bron©efs burchaus nichts fdfaben.
„Per reitet, ber lieft.©©!,“ So ftebt es fd)on
in ber Einleitung bes Buches gefdjrieben, bas fie
wo© alle lefen. Denn „Das grüne Such" —bie
Neiterinnerungen P©te = Steloilles unb rum 5 teu*
bels —, bas lernten bie berittenen roie bte un*
berittenen Paffen. Unb rote es für ben jungen
Netter eine ftete greube unb ein Nnfporn ift, fo
ift es für ben unberittenen Seutnant leicht eine
Quelle ewiger Sel)nfud)t nach bem gar fo [©wer
gu befchaffenben eignen Bferb.
„Per reitet, ber lieft nicht." Ein 95 erleg er
©rieb es an ben grei©rrn oon Efebed, als biefer
„Das grüne Such" neu herausgeben wollte. £)b
biefer §err in feinem Serlage einige jener um
gegählten Sü©er gehabt h°t, bie [i© . mit ben
S©id[alen bes Seutnantslebens befaffen? Sie
werben alle gelefen in jenem erften 3eitabf©nitt,
wenn fid) bem jungen Stamt bie Bf° r t en ber
Qffigierslaufbahn [geben aufgetan haben. Nicht
nur gelefen — nein: miterlebt ! Der frifdje, frohe,
junge Solbat, bem Ompteba, Ntegebe, Stra©
i©e Serlörperungslraft geliehen haben, er tritt
in perfönliche Segtehungen gü feinem Sefer, er
unb feine Erlebniffe. könnte er bas ni©t felbft
fein, ber biefe Batrouille reitet, ber biefes Nennen
gewinnt, ber biefes liebe blonbe Stäbe! fein eigen
nennt, er, ber augenblidli© na© getanem Dienft
in feinem Sebnftuhl liegt unb alles bas lieft! ©ew©
lömtte er's fein! Unb am anbern Storgen, ge*
rabe als er ben groben Paffergraben auf bem
Erergierplah „hopft", ober als fein helles 5 lom*
manbo bem 3 uge bie ©entehre auf bie Schulter
wirft, ba fällt ihm bie ©e[©i©te nodhmals ein.
Unb bie Stögli©leit eines folgen Erlebens, wie
es bort gef ©üb ert ift, lä© ihm bas/Dafein in
einem eignen Sicht erfdjeinen.
Der militärif©e Seruf unb feine Ergiehung
finb begrünbet in Haren, einfachen unb anf©au*
liehen Serljältniffen— in 9 lufgaben, bereit Durch*
fü©üng oft recht fchooer, bereu Sinn aber fofort
gu erfaffen ift. — Deute un ^ r üdfi©tslofe Energie
mu| gerabe ber junge Qffigier oftmals gegen fid)
felbft mehr noch üben als gegen bie Untergebenen.
Die ©egenwirlung biefes Erforbetniffes ©wie bie
fonftigen Eigenheiten bes Berufes machen [ich
auch bei ber Settüre bemertbar. Der Qffigier
folgt einem Unterhaltungsbud)egern mit bem
Dergen, meil gerabe ber Dienft oft bem Dergen
gegenüber ber oerftänbigen Einfidht S©weigen
gebietet. Dort, too ein Irittf© Seranlagter über
ben Pert unb Unwert ber Berfonen aburteilt —
too er bie Stögli©leit ber ©ef©e©tiffe prüfenb
abroägt —> bort bat oieIIei©t ein einfach unb
warm gefchilbert es Sten[©enf©idfal basSolbaten*
her*3 tief erf©üttert. Darum liebt auch ber Qffi*
gier tlgre unb natürliche Serhältniffe unb weih
fidh in bie Seelenforf©ung moberner Schrift*
ftellerei oft fchtoer hineingufinben. gür allgu oer=
xoidelte Sonflitte hat er tein Serftänbnis, toeil
fein Seruf ihn bem „Düftelu" abholb mad)t.
Es ift bas nicht immer gum Schaben feiner
Berfönlichteit gegenüber ber Siteratur. @ar
mandhes {Such, beffen fdhxoierige Seelenanalpfe
bie jungen Derren ber ©rohftabt mit innigem
Sehagen am eignen ©eifte roie an bem B^oblem
felbft oerftanben unb genoffen haben, fliegt nach
ben erften breügig Seiten mit einem erleichtern*
ben: „too ’n Quatfd)!“ in eine Ede.
Die 3 etten, ba bte Silbung bem jungen Dffi*
gier als ein recht überflüffiges Nttribut bes 3h
oiliften erfchien, finb nur noch als ein etcoas
fab enfdh einig es Stoffmaterial für 9 ®iplätter oor*
hanben. Die erften Seutnantsmonate mit ihrer
gern einmal gur Schau getragenen Serachtung
gegenüber bem gefdhriebenen unb gebrudten
„3eug" finb xoeiter nichts als Übermut — Uber*
mut infolge ber Datfadje, bie bem jungen Derrn
in ber harten3ucht ber3untergeit gar nicht fogum
Serou^tfein tommt: bajg er bem Schulgroang ent=
roifd)t ift — baf) er fhonjeht, roährenb feine Nlters*
genoffen im Dörfaal überhaupt erft gu büffeln be*
ginnen ober ben ftontorfeherne! noch als Sehrling
xoehen, bereits ein bei aller Difgiplin freier Ntann
ift — unb noch bagu ein Ntann oon Stellung.
Ein paarmal Urlaub nur — ein paarmal her*
aus aus ber gewohnten Umgebung in einen ftreis,
in bem auch ältere 3 ©ilhten ben jungen Seut*
nant in gewiffer 2Beife weit mehr für ooll nehmen,
wie 3um Seifpiel ben Stubenteh — unb ber junge
Derr mertt, bah es irgenbtbo fehlt. Er braucht bann
nicht lange gu fudhen, um feftguftellen, bah ein wenig
Sefen biefes Ntanfo ausgleichen würbe.
Qft wirb ihm bas recht fd)wer gemacht gegen*
über feinen NItersgenoffen in anbern Serufen.
3 n ungähligen Heinen ©arntfonen finb bie 5 tame*
raben faft ber ausfdhliehliche Umgangstreis, unb
alle Nnregungen, bie nun einmal gu einer bilben*
ben Settüre nötig finb, unb bie ein umfangreicher
gefelliger Seitehr, reges wirtschaftliches Sehen
unb wohl gar eine Unioerfität gu bieten oer*
mögen, muh ber Qffigier oft entbehren.
Da. beginnen — gumal gur SSintersgeit — fid)
feltfame ©eftalten im Äafino eingufinbeit: Darren,
bie mit einer unoertennbaren, aber bie Spuren
ber Sergänglid)teit bereits recht beutlich geigen*
ben Elegang getleibet finb. Die Ditel, bie bie
Sifitentarte aufweift ober bie bei ber münbtid>en
Sorftellung betanntgegeben Werben, finb oft
recht feltfamer 9 lrt: Ein Neferoeofftgiersafpirant,
ber feinem NIter nach halb Negimentstomman*
beur — ein bicht oor bem Neferenbareramen
ftehenber itanbibat, ber Sater erwadffener idinber
fein tonnte — ein Nennftallbefiher ohne Bferbe,
ein Sohn aus guter Familie, ber fid) im Buren*
friege bas Nheuma geholt’ hat — unb fie alle,
alle oerfidhern bem jungen Offigier, bah ihm urtb
ihnen nur baburdh geholfen werben tönne, bah er bie
Niefenphotograoüre „Niühle im Nbenbrot“ ober bas
fünfbänbige 2 ßert „ 9 EBelt unb 99 ßi[fenfd)aft" erftänbe.
— Unb ber junge Seutuant tauft beibes.
Es befteht in ben Greifen ber jungen Qffi*
giere heute mehr als früher bie Neigung, wenn
irgenb angängig — unb fei es mit nod) fo be*
föheibenen Stitteln —,' fid) eine Heine SBohmmg
felbft einguridhten. 3 u biefer 2 BoI)nung prangt
bann au© ein Süd)erbrett an ber 2 Banb ober
ein Sii©ergefteII am S©reibtif©; wer es gang
bid hat, Ieiftet fid) wohl gar einen Sü©erf©rant.
Diefe Niöbel wollen unb füllen gefüllt werben
mit allerlei grunbgefd) eiten Sü©ern, bie einen
anftatt gum „ 5 tommihfoIbaten" gum mobern ge*
bilbeten Qffigier mad)en. Unb wenn fie babei
nett ausfehen, fo ift bas au© tein fehler.
Unb eines Nbenbs günbet ber junge Seutuant
fi© [©wer auffeufgenb eine 3©arette an, [©lägt
ben erften Sanb oon „ 9 Belt unb 9 Biffenf©aft“
auf unb beginnt gu lefen: „Uber bie erften oor*
geitli©en 5 lno©enfunbe bes Urmenf©en in Süb*
frantrei©." Na© gwei Nbenben ftedt er's auf
unb geht gu ben 5 tameraben ins 5 ta[ino, um ben
: fyall einmal gu befpre©ert.
Dort haben fi© unter ben jungen Stännern
brei Nt©tungen gebilbet. Die einen wollen fi©
gang bem prattif©en Dienft unb oor allen Dingen
bem Sport wibmen, unb eine lei©te Unterhat*
tungslettüre bebeutet für fie nur einen Notbehelf,
um über bie anbers ni©t oerwenbbaren Stunben
hinübergutommen. Dann finb ba anbre, bie
, bereits brei Dage na© ©rer Ernennung gum Qffi*
gier bie „Anleitung gur Sorbereitung auf Kriegs*
atabemie“ auf ©rem S©reibtif© flehen haben,
unb eitbli© foI©e, benen eine moberneu Nit*
; fprü©en genügeitbe Nllgemeinbilbung als bas
nä©[te unb erftrebenswertefte 3 iel erf©eint. Ein
jeber biefer jungen Derreu, bie als Stubenten
etwa im oierten Semefter flehen würben, oer*
teibigt feinen Stanbpuntt mit grober Energie, bis
[©liehli© ber tommenbe SBinter ber Dattraft eines
jeben ein ©nr ei© enb es unb für ben jungen Qffigier
bur©aus angebra©tes gelb ber Setätigung bietet.
Pinterarbeit, itriegsfpiel unb oor allen Dingen bie
oerantwortungsoolle Nusbilbung bes Ntannfdjafts*
erfass laffen neben ben gefelligen Serpfli©tungen
bie 3 eit ber Nuhe unb Erholung fo turg bemeffen
erf©einen, bah ber junge Seutnant fi© oft als
eingige Settüre nur bie 3 ettung oerfiatten tann.
Son biefen fowohl wie oon ben 3 eitf©riften
• liegen ftets eine gange Nngahl im Safino aus.
Son ben 3 eitungen werben ftets foI©e beoor*
gugt, bie auf monar©if©er ©runblage entweber
oöllig parteilos finb ober bie innerhalb ber ftaats*
erhaltenben Barteten ©re ©runbfähe anbern
gegenüber in möglid)ft oornehmer gorrn oertreten.
Denn in bem Dur©f©nitt ber Negimenter aller
Paffen finben fi© bie Söhne aus gamilien mit
oerf©iebenen politif©en 91 nf©auungen gufammen.
Das ftafino aber ift bas Deim bes unoerheirateten
Qffigiers — im Greife feiner 51 am er ab en foll er
fi© wie im S©ohe einer gamilie fühlen, Penn
politif© Sieb an fi© f©on ein garftig Sieb ift, fo
wirb es ©er gu einer ©efahr für ben ©runb*
gebauten ber ©ef©Ioffenheit im Qffigiertorps. Es
wäre ni©t gut, wenn ein gu tonferoatioen unb
ein gu nationalliberalen Nnf©auungen neigenber
Qffigier, ein jeber mit bem feinen 91 nfi©ten ent*
fpre©enben Organ bewaffnet, im ilafino einanber
auf ben Seib rüden würben.
Ob tonferoatio, ob 3 entrum, ob nationalliberal,
für bie jungen Jrjerren bleibt bas im übrigen oor*
läufig gang einerlei. Penn fie Stubenten wären,
würben fie fi© oermutli© im ©enuffe ©rer gugenb
gunä©ft barum auch ni©t tümmern, als jungen
Offigieren ge© es ©nen m©t anbers.
Nllmä©i© aber haben fie fi© in ©ren Seruf
eingelebt, ber tägli©e Dienft ift ©nen oertraut ge*
worben unb läht ihnen mehr freie 3eit- 3n ber
nun gewohnten S©ale regt fi© ber 5 tern eigenften
Pefens unb mit ©m guglei© au© bie wahre Selbft*
trit© bie mit ben erften Nuherungen über bie Er*
forberniffe bes Seruf es nur no© wenig gemein
hat. Diefe Selbfttritit ift heroorgerufen bur© bie
Sea©tung, bie ernfte 3 ^itf©riften unb 3Ölungen
fowie au© — oft ungeredE)tfertigt in ©ren Uber*
treibungen — bie P©blätter bem Stanbe [©enten,
ber nun einmal als ber erfte in unferm Sater*
lanbe betra©tet wirb. Sie wirb aber au© oer*
aniaht bur© bie älteren Offigiere, bie, angefangen
beim Seutnant mit längerer Dienftgeit, ein wa©=
fames Nuge auf bie jungen Äameraben haben.
Diefe S elb fttriüt tommt au© b er Nufnah m e
geiftiger Nahrung gugute. Der begeifterte 51 aoaI*
lerift erlennt, bah ©utgutage nur no© ein gang
heroörragenb begabter Neiter hoffen barf, auf
©runb feiner Nnlagen oorwärtsgulommen; —
ber Anhänger. eines rein militärwiffenf©aftli©en
Stubiums fie© ein, bah em wenig allgemeine
Kenntnis oom Sehen unb oon Ntenf©enf©idfalen
©m im Serie© mit feinen Seuten gugute lommen
unb feinen Süd für ©r Serhalten [©ärfen wirb.
Unb ben allgu Silbungsburftigen ergiehen Seruf
unb Erlenntnis gu einem Panne, ber in ri©tiger
3 eiteinteilurtg unb forgfältiger Nuswa© ber Seltüre
ben Peg erlennt, ber, wenn au© in wefentli©
. längerer 3^© als er oorerft annahm, gum 3telc
fü©t. Das junge Slut, bas in gar gu [©arfer gahrt
auf ber Sahn bes Sehens bahinftürmen wollte,
gibt nieift auf ben erften Bull hin willig na©.
So finben fi© bie meiften oon benen, bie gu*
erft fo gang oerf©iebenartige Sahnen einf©Iagen
wollten, noch einmal auf ein. lurges Stüd Peg
gufammen iit jenem Sanbe, bas ber ©öttin ber
,Di©tung gu eigen ift, unb fie folgen willig ben
©eftalten einer Siebig, eines Sauff unb eines
Deer. Einer aber [©reitet weit oorauf, fo weit, bah
fie ©n nod) ni©t alle errei©en lönnen, einer, ber
berufen ift, gerabe biefem 3uge ooranguf©reitett,
weil fein immer feinen ilameraben gehört
hat: ber beutf©e Di©ter unb preuhif©e Daupt*
mann Detleo gre©err oon Siliencron.
„Die , 91 bjutantenritte‘ biirften in leiner Offi*
gtersbibliothel f ehlen!" So f pra© einmal ein junger
Nbjutänt, unb biefes Port wirb Pah©eit werben!
Deute f©on unb mehr no© in 3 utunft wirb Silien*
cron bie jungen 51 ameraben um feine bi©terif©e
Nedengeftalt fammein unb ©nen geiftige Dehnung
mitgeben auf ©ren weiteren Peg.
Dann aber trennen fi© bie Bf ab e ber jungen
Denen halb, gmtner me© unb mehr entfernen
fie fi© oon ber ©nen bur© bie glei©e militäri[©e
Ergiehung gemeinfamen ©runblage, immer mehr
bri©t bes eingelneit eigenftes Pefen bur© unb
lä© ©n eigne geifttge Ni©tungen einf©lagen.
Die lebte Nufgabe aber, bie an alle biefe jungen
grontoffigiere herantreten lann, werben fie alle in
glei©er Peife 3U löfen Wiffen: in ben 3 etten bin*
tigen Ernftes i©en 3 ug mit fi© oorwärts gu
reihen, um, wie bie Delben in Siliencrons Kriegs*
nooellen, eine ftarle Sta©f©rift gu [©reiben auf
feinbü©em ©runbe. P.Saron
Eierfisdi
1911. 5TCr. 43
miuv aer.ueorenmav
^2 e Aahirwisfewtfiaft
Die Veftrebungen ber praftt|cf)en Biologie,
bas ßeißt besjenigen 3roeiges unfrer SBiffenfcßaft,
ber ftd) n!d)t auf bie Erörterung rein tt>eoretifd)=
roiffenfcßaftlid)er Probleme befcßränft, fteßen in
unfern Xagen großenteils unter bem 3eicßen ber
St affenfrage. Vererbung guter ober fd)Ied)ter
Einlagen, 3 n 3 u ä)ß Staffenoereblung ober „Staffen*
ßpgiene“, roie bas neuefte Sd)lagroort lautet, finb
beute einem jeben, ber ben naturroiffenfcßaftlidßen
Errungenfcßaften feiner 3 ett nid)t gan3 fremb
gegeniiberftebt, geläufige ^Begriffe. — Oas ©runb*
prinßip unb ber fieitgebanfe aller Staffenaufbeffe*
rung liegt in ber Slusmer3ung alles Scßtoad)en,
organifd) Untauglidjen; roir alle fennen ja bie
gerabe3u erftaunlid)en Stefultate, bie ber SPtenfcß
auf biefem SBege in ber Veeinfluffung unb Um*
geftaltung oon Organismen, in ber Xier* unb
^3flan5en=„3ud)t“ erreid)te, Stefultate, bie be*
tanntlid) ben Slusgangspunft für bie 3ßeen Oar*
mins bilbeten, bie jaßr3eßntelang roie neue Offen*
barungen bie SBelt beroegten.
Slber roenn aud) im großen unb ganzen bas
Veftreben bes 3üd)tenb geftaltenben SJtenfcßen
auf eine Vereblung unb Verfcßönerung ober auf
eine Erßößung bes Stußroertes feines lebenben
Materials ßin^ielen, fo ßat bocß erftaunlid)er* ober
roie ber ^effimift fagen mürbe, unoermeiblid)er*
toeife ber menfd)lid)e Sntelleft, ber fid) bem fiebe*
mefen gegenüber in gemiffem ©rabe mit fcßöpfe*
rifcßer ©eftaltungsfraft begabt füßlte, 3aßlreicße
Staffenformen gefcßaffen, bie, meber oon bem
einen nod) oon bem anbern Stanbpunft betrachtet,
irgenbmeld)e E:äften3berecßtigung 3u befißen fd)ei=
nen. SJtan hat biefe Organismenformen, bie fo*
3ufagen einem fpielerifcßen Übermut bes fcßaffenben
SJtenfcßengeiftes ihr Oafein oerbanten, mol)l mit
Stecßt als ftrüppelraffen ober Staffentrüppel
be3eicßnet.
Oie Slbgren3ung biefes Begriffes ift in äftheti*
fd)er unb in roiffenfcßaftlicßer Ve3ießung oon
allerßödjftem ^Titereffe. Eine große Schule, bie
man etma als „Staturfanatifer“ be3eicßnen bürfte,
behauptet, baß bie fünftlid) er3eugten Xiergeftalten
an Schönheit niemals bie „frei“ entftalrbene
3 ormemoelt ber Slllmutter Statur erreichen tonnten.
3 ft aber nid)t bennocß bie Ebelgeftalt bes arabifd)en
ober englifd)en Vollblutes fd)öner als bas hänge*
bauchige, fur3beinige Sßilbpferb ber afiatifcßen
Steppen, bas man als feine Stammraffe an*
fel)en muß? Ober tarnt fid) ber ftruppige SBolf
ober ber Scßatal mit bem eblen £>üßnerßunb ober
bem fd)Ianten SBinbfpiel meffen? 3« bie äußerft
üer3toicfte $rage fpielen all3uoiele oerfd)iebene
Sßertungsmomente hinein. SJtancßes Stußtier,
bas bem fleißigen fianbroirt präd)tig unb fd)ön er*
fd)eint, ift bem empfinbfamen $ftßeten ein ©reuel.
Erft mo tlar unb 3toeifelIos bie $1 b f i cß t oorlag
unb nod) befteßt, eine bem SJtenfd)en mohlgefällige
Zierform 311 fcßaffen, ba barf bie mertenbe ftritif
bes Staffenfunbigen einfeßen.
Es muß nun in ßöcßftem SJtaße munbernehmen,
Schleierschwänze, .Stamm Malte“
Pfautaube Zwergkröpfer
Ideale der Rassenzucht öaß fi
Urfad)
toelcße 3äl)e Sorgfalt, roelcße Opfer an 3 ^ü unb ftopfe
©elb auf bie Er3eugung oon Organismengeftalten Oi
oermenbet merben, bie un3toeifelßaft als Staffen* fulturc
trüppel 3U be3eid)nen finb. 3u ber Xauben3ucßt getneii
fteßen hohe greife auf ber Er3ielung oon formen, geftalt
bie mit ihrem mitt3igen Sd)näbeld)en taum nod) Statur'
freffen, ißr oon ber „ s ^erüde“ oerhülltes 5 töpfd)en fcßaftli
taum nod) bemegert fönnett, beren itropf fid) 3U mußte
einer unförmigen Vlafe ausbeßnen fann, ober bie bloße ‘
ißren fteilgeftellten $fauenfd)roeif nur nod) fo immer
fd)led)t 3um gflugfteuer gebrauchen tönnen, baß nid)t j
fie jebem galten 3um Opfer fallen. 2 Bie ebel er* Slbroei
fcßeint gegenüber biefen itunftprobutten, oon benen bes no:
unfre Slbbilbungen einen Vegriff geben mögen, nur 3U
bie fd)Iid)te ©eftalt ber roilben $elfentaube! — biefer
Unb ber „ed)te“ Vullbog? Ein SBefen ber freien träger,
Statur, bas nur nod) feuf3enb*fd)narcßenb atmen fünftlic
tann, ja bas Sd)toierig!eit ßat, feine „normalen“ bie fid)
3ortpflan3ungsgefd)äfte 3U ooIl3ießen, roürbe (gan3 ber Stc
abgefeßen oon Scßönßeit ober £äßlicßteit ber nierte,
äußeren 3orm) f aurn ^ a6 3b eQ i oorneßmfter man je
ftlubbeftrebungen bilben. Unb bettnod) — toer 3U be3«
toollte es leugnen — fehlt es all biefen Vrobutten fiiebßa
menfd)licßer „Kultur“ nid)t an einer geroiffen $ausgi
bi3arren Scßönßeit, einem äftßeüfcßen S?ei3, ber ge3Üd)1
entfernt bemjenigen eines überlabenen, oer* &nod)c
fdßnörtelten Ornamentes ber Spätrenaiffance 311 Staffeit
oergleid)en toäre. roenn
9 Bie aber auf oielen, ja, roie mand)e meinen, haben,
auf feßr oielen ©ebieten tünftlicß=tünftlerifd)er 3orfd)i
^robuftion bie mongolifcßen 5 tulturmenfd)en unfre in anb
SJteifter finb, fo finb fie es fraglos, toas bie faft meint!
ins Unglaubliche geßenbe Umgeftaltung getoiffer für be
Xierraffen angeßt. Oer um moberne 3^3ud)t* entfd)e
beftrebungen oerbiente berliner ©eleßrte fi. Vrüßl roid)tig
oeröffent!id)te oor einiger 3^it einen feßr be* Ooppe
mertensroerten SXrtitel über ein Xier3ucßtgebiet, burd) c
mit bem fid) bie europäifdße SUenfd)ßeit erft in fd)toüd
leßter 3eit befaßte, über bie 3ud)t oon j a p a n i * brud)fc
feßen ©olbfifdßen. gefpeic
Oie oftafiatifd)e 3 ie*fifd) 3 ud)t ift uiele 3 aßr= fdjleier
ßunberte, oieIIeid)t 3 aß^taufenbe alt; roaßrfSein* nad) ui
ließ reidßt fie in ißrent Urfprungslanbe, in aus f<
- Eßina, in unenblid) ferne 5 tulturepod)en queller
3urüd. Oer einfad)e ©olbfifd), an fid) oberflä
jltf fd)on eine ßöd)ft mertojürbige
Slbart ober Entartung ber buntel* ----
farbigen 5 taraufcße, bei ber bas
normalfarbige Pigment — roie
mand)e gorfeßer meinen, äßnlid)
roie bei ifabellfarbigen Serben unb
bei ©olbfüd)fen, aud) bei rotßaari*
gen 30 tenfd)en — in eigenartiger
^ SBeife fid) in ein ti)pifd) gelbrotes
umroanbelt („Stutilismus“), roirb
jeßt in 3apmt in nid)t roeniger als
fieben Spielraffen ge3üd)tet, bei
beren Slnblid ber nidßt Voreinge*
nommene in eßrlicße 3 ro eifel ge*
raten muß, ob er fie als SJtonftrofi* #
täten ober als SBefen oon ßoßer
ornamentaler Scßönßeit anfpred)en f-ja x
foll. 3 Ber bie groteslen Xiere ein*
fer mal im leud)tenbgrünen ^Pflan3en= |H
geroirr eines burd)fonnten Unter*
W. roaffergärtd)ens fid) beojegen, ißren
Äi; 3arbenfd)mel3 unb ißren fcßleier* ^
artigen gloffenbeßang fid) entfalten
faß, ber möd)te nteßr bem leßteren
Urteil 3uneigen; in anatomifcß*
biologifdjer Ve3ießung ßanbelt es fid) jebodj fraglos
um Krüppel im roaßrften SBortfinne. SStit toelcßer
aufopfernben Sorgfalt bie naturfreunblid)en 3 a s
paner ißre bi3arren fiieblinge pflegen, roie fid) in
geroiffen Familien befonbere 3üd)tungs!niffe oon
©eneration 3U ©eneration forterben, roie bie
japanifd)e 3i^ftfd)3ud)t Xaufenben fiebensunter*
ßalt unb 23 efd)äftigung geroäßrt, roie SJtillionen
unb aber SJtillionen bes Stationaloermögens für
biefe fiiebßaberei oerausgabt roerbert, bas alles
roirb nur berjenige oerfteßen, ber felbft bem fyifcf)*
3udßtfport ßulbigt. 2Bir müffen es uns oerfagen,
bie ein3elnen Staffen bes japanifeßen ©olbfifd^es,
bie ber Europäer meift unter bem jtamen „Scßieier*
fd)toän3e“ 3ufantmenfaßt, ßier im ein3elnen 311
fcßilbern. Vefonbers ntarfante Staffentppen finb
ber burd) feinen rounberoollen $loffenbeßang a u 5s
ge3eid)nete §od)floffer, ber „Eierfifd)“, ber ber
Stüdenfloffe entbeßrt, unb ber nterfroürbige „§im*
melsguder“, beffen ©loßaugen naeß oben gerid)tet
unb fo roeit aus bem Sdjäbel ßeroorgetrieben finb,
baß fie im Stquarium manchmal oßne erfidjtlidje
Urfacße bie fiinfe oerlieren ober fogar gan3 3um
51 opfe herausfallen.
Oie aufftrebenbe Stquarienliebßaberei, eine
fulturelle Veroegung, bie in ißrer Xragroeite un*
gemein ßoeß ein3ufd)äßen ift, mad)te biefe 3 Jtärd)en=
geftalten ber $ifd)roeIt ben Slquarien feinfinniger
Staturfreunbe unb ben fiaboratorien ber roiffen*
fcßaftlicßen 3 orfd)img 3ugänglid). SJtit Sted)t
mußte man fid) fragen: roar es möglich, burd)
bloße Sluslefe (in Oarroins Sinne), bas ßeißt burd)
immer erneutes Entfernen ber bem 3 ud)tibeal
nid)t 3ufagenben 3 if^^» biefe gerabe3U enormen
Slbtoeidßungen oon ber fd)lid)ten Äaraufcßengeftalt
bes normalen ©olbfifd)es 3U er3ielen, ben tooßl alle
nur 3U gut als 3^faffenber runben 3ifä)=,;©loden“,
biefer SJtartertammern ber gebulbigen hoffen*
träger, fennen? Ober ßanbelt es fid) ßier um eine
fünftlid)e §eran3üd)tung franfßafter ^roseffe,
bie fid) bei ber Enttoidlung eines jeben 3 nbioibuums
ber Stoffe roieberßolen, um eine 3üd)terifcß fanftio*
nierte, erbliche 5 tranfßeit alfo? Vefanntlid) ßat
man ja gemeint, baß bie fraglos als „früppelßaft“
3U be3eid)nenbe Veinform unfrer Oad)sßunbe (bie
fiiebßaber biefer an fid) ja äußerft fcßäßensroerten
§ausgenoffen mögen mir oer3eißen) fo ßeran*
ge3Ücßtet roorben fei, baß man rßacßitifd)e, an
&nod)enoerfrümmung leibenbe SBinbfpiele als
Staffeibeal ßinftellte. Sd)on bas alte 5 lgi)pten foll,
roenn id) nießt irre, folcße „Oadel“ gesücßtet
ßaben. Oer als Entroidlungsmedjanifer befannte
pjorfd)er Xornier, oon beffen Verfud)en ßier
in anberm 3 ufammenßange fd)on bie Stebe roar,
meint bie fSbmcje: Rranfßaft ober normal ge3Ücßtet?
für ben Scßleierfd)toan3fifd) in erfterem Sinne
entfd)eiben 3U follen. Stad) ißm roerben beffen
roid)tigfte 3 taffend)araftere, aufgetriebener Vaud),
Ooppelfloffigfeit unb ©loßäugigfeit, fo3ufagen
burd) eine erblicße 5 tinberfranfßeit, bie er „Ootter*
fd)toäd)e“ nennt, ßeroorgenrfen. Oer im Oarm*
brueßfad bes fid) entroidelnben 3’if(ßembrpos auf*
gefpeießerte Staßrungsbotterballen ßat bei unferm
fd)leiertragenben greuvtbe bie (bem 3ücßter fo*
nad) unberoußt erroünfeßte) patßologifcße Xenben3,
aus feiner Umgebung SBaffer an3U3ießen, 3U
quellen unb baburd) bie Organe — befonbers bie
oberflächlichen — 3um§eroorquellen, Sluseinanber*
leLKultuv der r Ueqenmavi
treten unb Rusmeichen 311 bringen, moburd) fd)on
in frühen „ftinbheitstagen" ber ©runb 3U ber
abnormen Rusbilbung ber $ifd)geftalt gelegt ift.
3 n ber freien Ratur märe eine fold^e Raffe
unfehlbarem Untergang gemeint, fie mürbe frag*
los niemals 3ur ©ntftehung gelangen, ba junge
gifd)d)en mit Dotterfd)mädje — bies mirb aud)
ein begeiferter Rntibarminianer 3ugeben — nie*
mals lange im graufamen Dafeinsfampf beftefen
mürben. Rur bie [orglicfe pflege bes s IRenfd)en
bemafrt fie oor bern 3ugrunbeget)en; mögen fid)
gerabe barunt bie $reunbe biefer ferrlid) färben*
präd)tigen SBefen, bie fo hart an ber ©rense 3mi[d)en
bem franfhaft £jählid)en unb bem ornamental
Sd)ötten ftehen, ihre 9 ftül)en nid)t oerbriefen unb
ihre $reube nicht oerberben laffen.
Dr. äßilhelm S e r n b t
■ MCH.i
CWhsik
2Bie in unfrer 3 e it bie ^onbramen SBagners
bas Repertoire ber beutfdjen Opernbühnen, bie
23 eethooenfd)en Symphonien unb Ouoertüren bie
Programme ber Ord)efterton3erte bet)errfd)en, fo
hat bie Rtufif Sebaftian 33 ad)s ben Vorrang
in ben öffentlid)en Rufführungen ber beutfchen
©horoereine errungen. £ange genug hat's ja
gebauert, bis biefes 3iel erreid)t morbeit ift, bis
bie Dirigenten, bie ©efangoereinsmitglieber, bie
Soliften, bie Ord)efterfpieler unb bas hörettbe
Rublitum fid) in bie Rrt unb SBeife bes Rteifters
hineingearbeitet hatten, fo bah bie 23 ad)fd)en 2 ßerfe
mirtlid) mit JÖuft unb £iebe ausgeführt unb an*
gehört mürben, bis man aud) ben Stil für bie
Rufführungen, ber oerlorert gegangen mar, mieber*
gemonnen hatte, ©s beburfte einer gemaltigen
Rrbeit oon feiten ber Dirigenten, bie als Sahn*
brecher auf biefent ©ebiete nid)t mübe mürben,
ihren Sereinsfängern immer aufs neue bie £>err=
lid)teit, bie ©ebanfenfülle, ben unerfd)öpflid)en
Reichtum bes Sad)fd)en ©enius tlarsulegen. 2 Bie
ben Sängern muffte ber fontrapunttifd)e Stil
Sad)s and) ben Ordjeftermitgliebern mieber in
$leifd) unb Slut übergehen. £)ier tarn es aufjer*
bem nod) barauf an, bie Schmierigfeiten, mie fie
Sad) ben Drompeten 3umutet, 3U überminben, ja,
es mufften bie aus bem Ord)efter oerfd)tounbenen
alten langen Drompeten, bie oerfd)iebenen Rb=
arten ber Oboen, bie Sad) oielfad) oermertet,
oon ben 3nftrumentenmad)ern neu erbaut, ihr
Spiel neu erlernt merben. ©rft in bem lebten
3ahr3ehnt finb mir bamit fo meit gefommen, baff
jeht bas Orchefter Sad)s etma fo flingt mie 311
feiner 3eü. 9 Rand)es ^nftrument, mie bie oer*
fd)tounbene Dheorbe in bem ergreifenbert ©s*Dur=
Rriofo ber 3ohannispaffion, mirb allerbings nod)
erfetjt burd) bie tlangoermanbte $arfe.
Sei ber SBieberbelebung ber Sad)fd)en 9 Rufif
galt es mirtlid) ungeahnte Schmierigfeiten 311
überminben, meil es an jeher Drabition für bie
Rusführung fehlte, ©s mangelte an 3ugänglid)en
Rusgaben ber SBerfe; in ber gan3en SBelt maren
bie Rlanuffripte 3erftreut, lagerten unbenut}t, oon
menigen gefannt, in öffentlichen, mehr nod) in
prioaten Sibliothefen. 9 Ran fann fid) nid)t mun*
bern, bah mand)es Sebeutenbe babei unmiebcr*
bringlid) oerloren gegangen ift; fo finb bie beiben
s $affionen nad) £ufas
unb Rlarfus bisher noch- WKM
nid)t mieber 3um Sor*
fd)ein gefommen. Son
ben 3ahlreid)en Älaoier*
rnerfen mar in mufifali*
fd)en Greifen nur bie
Sammlung ber s fßrälu*
bien unb $ugen, „bas
mohltemperierte 5 tla=
oier“, betannter, mürbe
inbeffen f)öd)ftens 3U
tedjnifchen Stubien ge*
braucht, oon ben öf*
fentlid) fon3ertierenben
s $ianiften ängftlid) ge*
mieben. 2Bie gering
oon biefen bie Jtlaoier*
mufif bes SReifters ein*
gefchätjt mürbe, bafür
mag ber Itmftanb 3eu=
gen, bah noch ein £ans_IH
oon Sülorn — es mar
um bie Rütte bes
Das Bach-Denkmal in Leipzig
ftefttage beigetragen.
Die Stabt £eip3ig hat
ihre alte Sd)ulb gegen
ben Rteifter, bem fie
bei beffen £eb3eiten
oiel Rrger bereitete,
ben fie bei feinem Dobe
unbeachtet beftatten
lieh, fo bah m an feine
©rabftätte rtid)t ein*
mal fannte, beffen
2 Bitme fie als „Rimofen*
frau“ fterben lieh,
längft burd) ©rrid)tung
eines ftattlid)en Denf
mals 3U fühnen oer*
fucht.
©rnft ©buarb
Säubert
Johannes Masschaert
Prof. Siegfried Odis
'vewNDfl
FRET10-
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Haus A
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BRLKON'-
1911. 5Rr. 43
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KÜOIE. 1
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9 RobiIiar na© befonberer 3 etd)rturtg erhalten. Die
bur© 3toei Stodmerte gebenbe §alle 3iert ein
rei©er, bis 3m unteren Diele t)erabf)ängenber
£i©tträger, aud) alle übrigen Veleu©tungstörper
finb befonberer ^llrt. Das $aus
bat eine Derraffe mit Stein*
belag, in biefe finb Vofenbeete
eingelaffen; oor bent §aufe ift
ein £aum=Dennis=VIab angelegt
unb ber übrige Deil bes ©artens
als Vlumen* unb ©emüfegarten
bebanbelt. ©in befonberes ©ar*
tenbäus©en f©liebt fi© ber rings
um ben Vauplab reidjenben
hoben Hmmebrung an. Obgleid)
B i - fid) nun bie bebauten gleichen
beiber Käufer etma mie 3:5 oer*
halten, fteljen bie Koften für bie
©rftellung beiber 9 lnmefen bod)
in einem Verhältnis, bas fid)
oöllig non biefer ©runblinie ent=
fernt. 3 mar laffen ficb bie Vau*
toften für bie irjerftellung bes
I I nadten, moI)nfertigen Kaufes in
beiben fällen noch auf ein äbn*
lidjes Verhältnis mie 3:5 brin*
*‘ . gen, bennbiefeKoften(bieeigent*
, Wüß. mm lid)en Vautoften) pflegen, mie
.. - J i n bem Vrtitel in 9 tr. 39 aus*
. einanbergefet|t, auf bie $Iäd)en*
ober Kubiteir©eit rebu3iert, ftets
«0« fl 3iemlidb tonftant 3U fein. Vber
ber beffere Vusbau unb bie
11 1 anbern oorermäbnten Hmftänbe
r J bringen eben beim §aufe B fo
| I —1 bof)e 9 Jtebrtoften mit fid), bab
dl RRBEiis-anR. bie ©nbfummen fid) gan3 anbers
J oerg!eid)en.
~ ü ©s ergibt ficb, bab bie ©e*
famttoften bes Vnmefens B meit
pfl r _n: über breimal fooiel betragen
V—. mie bie ©efamttoften bes 91 n*
J mefens A. Das Veifpiel 3eigt
y 5wwv ' 4riR alfo, mie febr bie Vebenumftänbe
JL I — bie Soften eines 9 Inmefens in
! bie §öbe fcbnellen laffen, ob*
gleich bie reinen Vautoften für
bas nadte mobnfertige £aus fid)
»esckoss. in unge |^ r b em glei©en Ver*
bältnis bemegen, bas in ben
©röbenabmeffungen ber beiben
VSie febr oerfd)ieben bie Vautoften eines
Vßobnbaufes fein tonnen, je nad) ber 9 Irt bes
Vauplatjes, bem rei©eren Ausbau unb ber
eingebenberen Vebanblung bes ©artens unb
ber Hmroebrung, foll an ben in Vbbilbungen
beigegebenen beiben Käufern A unb B geseigt
merben. Veim $aufe A mar bie größte Spar*
famteit ©runbbebingung, bas |jaus mürbe
auf einen 3iemli© billigen Vauplab non
mäßiger ©röfce gefegt, unb 3mar in jeber
VSeife gef©madooll unb gebiegen, jebo© ohne
febe ©rtrabinge ausgeftattet, auch ber ©arten
unb bie Hmroebrung beden nur bie einfachen
Vebürfniffe. Vei bem §aufe B bagegen ban*
beit es fid) um ein 3mar um*
fängli© nid)t großes, aber mit
reid)em inneren Vusbau oer*
febenes £>aus, bei bem aud)
für bie Hmroebrung unb für , .
bie Vusbilbung bes ©artens |F ^'.T-
erböbte SOtittel 3ur Verfügung \ ' :( =Ajp
ftanben. ©s bot eine §alle ( S 5 a onh '
unb ein ©fßimmer in eid)enem 4
Paneel, bas SBotmjStmmer ift j/ F~T a |
gan3 tu mfabagom burebge* ff aöo □□□
bilbet, unb im 9Jtufit3immer \1 uzmno I
ift Volifanber für bie 2 Banb* * ^
oertleibung mie für bie 9 JtöbeI Im] ntssR | j
einfd)Uebli© bes Bügels oer* ||twl
menbet. ^aft alle Väume
haben oer3ierte Deden. Die jm].
oberen Schlaf* unb 5 remben= '
3immer finb 3um Deil mit
§ol3paneeI ober Stoffbefpan* ^ .
nung ausgeftattet. Die Väume i i
bes ©rbgefd)offes haben burdb=
meg, bie bes Obergefcboffes EF
gum größten Xeil neues
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§äufer niebergelegt ift. Vergleidjsfäbig finb ftets
nur bie 5 toften für bas nadte mobnfertige §aus,
unb menn Vergleiche angeftellt merben, füllte man
fid) ftets oerficbern, bah nur biefe ftoften gemeint
finb. Die ein3elnen i^often ber ©efamtausgaben
ftellen fid) ungefähr mie folgt:
§ausA: $ausB:
1. ©runbermerbstoften . 11 000 Vt. 29 000 9 Jt.
2. Veine Vautoften für
bas nadte, jebod) mobn*
fertige §aus .... 31 500 SR. 60 100 Vt.
3 . VeffererVusbau( 9 Banb*
oertleibung, negierte
Deden, reidjere Väber*
ausftattung, gute Ve*
leud)tungstörper ufm. — 24 700 DJi.
4 . Veue Vtöblierung . . — 7 500 9 Jt.
5 . §errid)tung ber Hm*
gebung bes Kaufes
(©artenanlagen, Hm*
mebrung, Derraffe, ©in*
gangstor, ©artenlaube,
Dennisplab). 1 200 9 Jt. 16 500 9 Jt.
6. ©ebübren(©runbftüds*
ermerb, VaupoÜ3ei,
©as= unb Vßafferan*
fd)lub, Vrd)itettenbono*
rar). 3 750 —. 13 500 91 t.
47 450 91 t. 151 300 Wl.
§ermann 9 Jt u t b e f i u s
0 .m
„Das ©eifterfebiff" betitelten bie 9 itürnberger
ein tleines Voot, bas fid) auf bem nahen Du^enb*
teicb in rafd)er Sab^t burd) alle bie oielert anbern
2rabr3euge, bie ben See belebten, fdblängelte,
ohne bafj ein 91 tann Vefa^ung auf ©m 3U feben
mar. Hub es befanb fid) au© in ber Dot niemanb
auf bem Voot. Der Kapitän ftanb I)od) oben auf
bem £eud)tturm am Deid) unb lentte fein ^abr*
3eug oon bort. 3 m 9 KittelaIter märe ber äRann
fid)erlid) als böfer 3auberer, ber mit ber £ölle
im Vunbe ftebt, oerbrannt rnorben. 2 Bir finb
beute milber gemorben. Hns fehlt aber aud)
bas geiftige Vanb ni©t mel)r, unfre pbüfitalif©en
unb tecbnifd)en Äenntniffe finb meit genug fort*
gefd)ritten, um uns ben 3ufammenbang al)nen 311
laffen. Diefelben elettrif©en Sd)mingungen, bie
in ber bral)tlofen Delegrapl)ie bie 9Rorfe3eid)en
burd) ben Äuftraum tragen, beforgen hier bie
Rommanbos. Der oon bem ßebrer ber ’ißbofil»
©briftopl) VSirtl), erfunbene brabtlofe Äommanbo*
apparat ift im s iprin3ip nid)ts 9 teues, er bedt teine
neue 9 itaturfraft, teine bisher unbetannte ©rfdjei*
nung auf; fein Verbienft liegt barin, burd) äufjerft
finnreid) tonftruierte Apparate bas befannte Vrin*
3ip ber brabtlofen Vemegungsübertragung in
einer 9 Beife ausgebaut 3U ba^en, bie berechtigtes
Staunen ermedt. Die fiöfung einer foId)en ittuf*
gäbe ift febr häufig meit fd)mieriger als bie ©nt*
bedung einer bisher oerborgenen 9 itaturtraft,
benn gerabe ba 3eigt fid) bas, mas man bie Düde
ber SOtaterie 3U nennen pflegt: ein gebeimnisooller
paffioer VSiberftanb bes Stoffes, fi© fo formen
3U laffen, mie es ber 91 tenf©engeift mill, ba 3eigen
fi© alle bie taufenberlei tleinen unb großen
Sd)mierigteiten, 3U beren fiegreirfjer Hberminbung
eine Hnfumme oon ©ebulb gehört.
SBirtl) I)öt es jet|t fo meit gebra©t, bah er
eine aufeerorbentli© grobe 3<©l oon 5 tommanbos
auf fi©ere SBeife unterf©iebli© übertragen tarnt.
Vom £anb aus tann er bie tleine 9 Kaf©ine bes
Vootes in Vemegung fe^en, fd)neller ober lang*
famer, oormärts jpber rüdmärts laufen laffen,
ebettfo mirb bie Steueroorri©tung brabtlos ein*
geftellt, unb 3um Hberflufc erfolgen aud) no© anbre
Dinge, mie bas 91 bfeuern oon S©üffen, Vatetert
unb bergleid)en in äl)nli©er VSeife. 91 liem 9 Inf©ein
na© legt 2 BirtI) bas $auptgemid)t auf eine mili*
tärif©e Vusnubung feiner ©rfinbung. ^deunbe oon
©m finb fd)on fo meit gegangen, oon einer neuen
5 triegsmaffe unb einer oölligen Hmmä!3ung ber
Kriegführung 3U VSaffer unb 3U £anbe 3U fpre©en.
Das fd)iebt natürli© meit über bas 3 iel hinaus.
3unä©ft erbeif©t es bie ©ere©tigteit, feft3uftellen,
bab 2 Bir© burd)aus ni©t ber erfte ift, ber auf ben
©ebanfen tarn, mit §ilfe brabtlofer Kraftüber*
tragung S©iffe unb berglei©ert oon fern aus 3U
lenten. So ift bereits oor 3mei bis brei 3 ab r ^ n
über Verfu©e in ber fran3öfif©en 91 tarine berietet
1911. 9lr. 43
1137
worben, bei betten ein Dorpebo oort ©orb eines
großen Äriegsfcßiffes in gleicher SBeife gefteuert
würbe. ©s finb eben oerfd)iebeue fiöfuttgett ber
Aufgabe tttöglid). Droßbettt hat man feitßer itid)t
gehört, bah bie Sad)e eine größere ©ebeutung ge-
toontten habe.
2Ber fid) etwas eingehettber mit ber Äriegs-
ted)nit befcßäftigt hat, wirb bas nicht wunberbar
fittbett. ©ine Äriegswaffe muh, bas fattn nicht
oft genug betont werben, oor allem eittfad) fein,
wenn fie 311 allgemeinerer ©ebeufutig gelangen will.
Kußerbent würbe bie greube über bas ©elfter-
fcßiff urtb feine erafte Arbeit aud) nur fo lange
währen, bis ein anbrer fittbiger 3tt9 en i eur bie
Kbmel)rwaffc erfunbett hätte. ©leftrifcße ©Sellen
regieren bas Schiff, urtb nietnanb tann bett geittb
oerhinbern, gleichfalls nad) ©elieben eleftrifcße
©Sellett in bett Zither 311 entfeitben. X)ie mobente
Dedptif würbe nid)t lange um Ktittel oerlegett
feilt, rafd) bie rid)tige ©Sellettlärtge 3U fittbett, um
bie gernfommaitbos wirtfatn 311 ftöreit. Diefe
©efaßr befteht ja fd)on bei ber brahtlofen Dele-
grapßie, wie oerfchiebette ©rperitttettte ge3eigt
haben.
Daun würbe fid) ein ähnliches ©ilb entwidelit,
wie id) es neulich an einem flehten Dorfweißer
faß, wo 3wei gingen gegenüber an bett llfertt
ftanbert unb ein auf ber ©litte fd)wimtnenbes
fleittes Segelboot mit einem großen Kufwattb
oott duften fid) gegenfeitig 3U3utreiben fud)tett,
utteittgebenf bes ©runbfaßes: gleichgroße, gegen-
einanber tuirfettbe Äräfte heben fid) auf.
Kber t)iellei<f)t ift bie ©rfinbttng für bie ©efell-
fd)aft 3ur ‘Kettung Schiffbrüchiger oott ©ebeutung,
als ©Serf bes Gebens oermag fie in tofenber
©rauburtg oie!leid)t manchen Segen 3U ftiften
ltnb fdjwierige Kettungen 3U oollenbett, ohne
bas Beben oott Ktenfcheu aufs Spiel 3U feßett.
©ine anbre ©rfinbung, bie weniger ben 3wecfen
bes männermorbenbett Krieges bient, jebod) in
gewiffetrt 3ufatnmenl)ang batnit ftel)t, befdjreibt
Kormattn ©arben. ©s hanbelt fid) um einen
neuen Apparat, bem bie Aufgabe geftellt wirb,
ein ©eweßrgefdjoß wäl)rettb bes fähiges 3U photo¬
graphieren. ©Ser oon ben Befertt itn ©efiß
eines pl)otograpf)ifd)en Apparates unb einer Schuß-
waffe ift, mag einmal probieren, ob er es fertig*
bringt, id) glaube es nicht. Farben beuußt ben
eleftrifd)en gunfen. 3 n einem oöllig bunflen Kaum
ftellt er feinen pßotograpßifcbett Apparat auf.
Dann bringt er in bie optifche Kd)fe bes Dbjeftioes
in einige ©ntfernung beit guttiertap parat in ©e-
ftalt oott 3wei gegenüberfteßenbett metallifd)en
Äugeln. Die eine Äugel wirb mit bem einen ©ol
einer fieibetter glafd)e oerbunben, bie anbre
Äugel mit bem attbern ©ol. Beßtere ©erbinbung
ift jebod) 3tittäd)ft unterbrod)en. ©rft bas ©efd)oß
ftellt fie beim ©orbeifliegen her unb bewirft ba-
burd) felbft im richtigen ©toment bas Itberfprhtgen
bes leucßtenben gunfens 3wifd)eit ben Äugeln.
Ktel)r betn gntereffe bes praftifd)ert Kmateurs
bienen bie oon 0 er fdßieb etter Seite fortgefeßten
©erfud)e, bie Photographie in natürlichen garbett
weiter aus3ubilbett. Die ^Bemühungen, ©apier-
bilber in ttatürlid)en garben auf rein automatifd)em
© 3 ege I>er3ufteIIen, finb bisher nod) nid)t geglüdt,
unb es beftel)t aud) nod) gar feine Kusfid)t hierzu.
Dagegen beginnt man jeßt einem attbern ©tätiget
ab3iil)elfen, nämlich ber geringen Äopierfäfjigfeit
ber bunten ©über. Das urfprüttglid)e Bumierefd)e
Verfahren lieferte befanntlid) oott einer Aufnahme
nur ein einiges, in ber Durd)fid)t buntes ©las-
bilb. Buntiere hat bann fpäter felbft eine Äopier-
oorrid)tung angegeben, bie es möglich mad)t,
Duplifate 3U erhalten, ©inen attbern ©Seg fd)Iägt
Kobert Äraptt ein. ©r ftellt auf gilms (man
fönnte natürlid) aud) ©lasplatten nehmen) 3unäd)ft
eitt farbiges Kegatio her. ^as heißt, auf biefeitt
Kegatio erfcheittett alle färben in ihren fontple-
ntentären ©Serien: ©rütt als Kot, ©elb als ©iol?tt,
©lau als Drange unb utttgefeßrt. ©Settn matt
biefe Kegatioe itt einem Äopierrahmett auf anbre
garben fopiert, fo erhält ntatt jebestnal eitt ©üb
itt ben ridjtigen färben, bie färben fehrett fid)
beim Äopieren in ihre rid)tigen ©Serie um.
©ei biefer ©elegenheit fei einer tnerfwiirbigen
©ermettbung ber fogenatmten ©runbfarbett Kot,
©lau uttb ©elb gebad)t, bie oor einigen 3al)*en
int ettglifd)en $eer oerfud)sweife 3tir Knwenbung
gelangte: man beftrid) bie ©efcßüße in biefeit
garben, jebod) ftreifenartig, fo baß neben einer
gait3 biitttten roten eine bütttte blaue, fd)ließlid)
eine bünne gelbe Biuie gemalt würbe. 3 n ber
Käße fd)illerteit bie ©efd)üße alfo wunberfd)ön
bunt. ! od)on aus einiger ©ntfernung oerfchmel3ett
fid) jebod) nad) optifd)en ©efeßett bie bünnett
farbigen Diniert 3U einem oöllig ftumpfett unb
neutralen ©rau, bas bie beabfid)tigte ©Sirfung,
nämlid) ein ntöglichft llnfid)tbarmad)ett im ©e=
länbe, tatfäd)lid) erreid)en ließ. Die allgemeine
©infüßrung ift wal)rfd)eittlid) att ben §erftellungs=
foften bes Knftricßes gefd)eitert.
Si e g f ri eb §artmann
Droß bes Siege$3uges, ben bas Automobil
Iängft angetreten hot, troß ber Dage bes lenfbarett
Duftfchiffes unb bes Keroplanes tft bas ©ferb
nod) lange nid)t ausgeftorben. ©s ift fonberbar
unb überall 3U beobachten: je mehr im Sport bie
s JKafd)ine ©ingang gefuttbett ßot, je größer ift bie
2 Bertfd)äßung geworben, bie betn ©ferbe 3uteil
wirb. Das Durftreiben ift nod) niemals fo lebhaft
gewefett wie heute, unb bas Keitpferb an fid) ift
ttod) niemals fo oerl)ätfd)elt worbett wie itt biefett
3 eiten. K 3 as ber grüne Kafen für ben ©ollblut-
rettner, ift ber fogenatmte Concours §ip s
pique für bas Keitroß uttb bas Äutf©pferb.
©s ift ber Sd)auplaß, auf bem fie fid) feßen laffen.
Unb baran ßot es in ben leßteit $Bod)en nirgenbs
gefehlt. Kn Dußenbert oon ©läßen im Deutfd)ett
Keid)e unb im Kuslattb waren hippifcße Äottfur-
rettsen aller Krt 31t feßen; es war faft 3ttoiel bes
©uten, bas ba in bett großen fallen ober auf
freiem ©elättbe geboten würbe, ©erlin hatte
feinen glän3enben breitägigen Äonturs auf ber
Draberbaßn itt Kußleben, pett bas neue Äartell
für Keit- unb $oßrfport { n 0 g e ne feßte, hinter bem
alle fporttreibenben beutfcßett Äaoallerieregimenter
fteßen. 3 u Dresben, 30 tünd)en, granffurt a. Kt.,
Äaffel uttb Schwerin, wo fid) aud) ber Äronpritt3
einen ©reis int §od)fpringen ßolte, unb an oielett
anbern Stätten ßat es jüngft berlei Äonfurren3en
gegeben. 3 ™ Kuslattb blüßte ber 2Bei3en bes Keit-
pferbes nid)t minber üppig. Durin uttb Kom,
©rag, 2 Bien unb ©ubapeft unb 3uleßt Donbon
faßen itt ißrett Ktauern glän3enbe ßippifd)c tocßau-
fpiele.
Das allergrößte biefer Krt ßat bie britifdje
§auptftabt hinter fid). Die £onbotter D 1 1) m p i a=
© f e r b e f d) a u. 3 u ber großen Dlpmpiahalle,
bie in jebettt 3oßre eine ißrer berühmten horse
shows beherbergt, waren biesntal gerabe in bett
Ärönungstagen Koß unb Keiter aus aller Herren
itänbern oerfammelt, toie fie 3aßlreid)er nod) auf
feinem Äottfurs parabiert haben. SBarett bod)
aus grattfreid) uttb ©elgien, aus Spanien, Krgen-
tinien, Dfterreid), Kußlattb unb 311111 erften Ktale
aud) aus Deutfcßlaub im gatt3ett 5250 ©ferbe att-
gemelbet worben. Klleitt füttfsebn beutfd)e Dffi-
3iere gingen mit ißrett ©ferbett über ben Äattal,
unb es ift erfreulid), 31t regiftrieren, baß bas beutfcße
Krmeepferb briiben fein ©rauten mit ©lan3 be-
ftattben ßat unb oiele ©reife mit nad) §aufe
neßmen fottnte. Kllerbittgs ift es peittlid), ein-
3ugefteßen, baß mattd)e mit ^auptpreifen gefrönten
beutfd)en ©ierbeiner englifdjett Urfpruttgs finb.
SBettiger gut fcßnitten bie Deutfd)en im Springen
ab. ©s wirb ttod) lange bie Spezialität ber grau-
3ofen unb gtaliener bleiben, ißre ©ferbe bie
ßöd)ften Sprungfunftftüde tttad)eit 311 laffen. Das
finb Sdjaufpiele, bie wir eigentlid) tteiblos ißneit
iiberlaffen fönnen.
Die Derbps aller europäifcßctt
Räuber, bie Kenufport in großen 3 ügen treiben,
finb gelaufen worben, unb mit biefeitt Kugettblid
ßat bie Durffampague bett trjößepuitft erreid)t
uttb gleitet 311m 3weiten Deil ber Saifott hinüber,
©s gibt feinen Kennpferbe3üd)ter, bem es nid)t
ßöd)ftes ©liid bebeutett würbe, bas fogenatmte
„blaue ©an b“ feines Äanbes, bas Kennen,
bas rtacß betn altert itorb Derbt) benannt wirb, 311
gewinnen, ©s finb immer bie befteu Dreijährigen
Erste Etappe der Prinz-Heinrich-Fahrt: Ruhepause
auf dem Feldberg. Oben: Prinz Heinrich im Gespräch
mit dem Herzog von Ratibor
bes -Cattbes, bie im Derbt), mag es auf ber ©bette
oott ©pfom ober itt ©ßautillp, itt berSBietter greu-
benau ober auf bettt Corner Ktoor itt Hamburg
gelaufen werben, ben Äatttpf unter fid) ober mit
fremben ©ollblütern auf einer Strede oon 2400
Bietern aufuehmen. 3 « ©ttglattb unb granfreid)
war ber Kusgang nld)t überrafd)eub. Dort ge¬
warnt S. 3 - 3 oels ©unftar, ber heiße gaoorit,
ßier fiegte Kotßfcßilbs Klcantara II. Knbers, als
bie 2 Beifett propßeseit hatten, faitt es aber itn
öfterreicßifcßen unb im beutfcßeu
Derbp. Kuf ber SBiener greu-
bettau ßolte fid) ©arott Springers
gar nid)t red)t beachteter Dealer,
ein unanfeßnlicßer §ettgft, bas
100 000 - Ärotten = Kennen unb
fd)lug ein gelb, itt bent aud) 3wei
beutf^e ©ferbe mitgaloppierten.
Das für ben ©ßroniften inter-
effantefte Kioment war aber bie
Datfacße, baß ber Sieger, eße er
3um Derbpftart tttarfcßierte, in
feinem Äebett überhaupt ttod)
fein Kennen gewonnen hatte,
uttb, wie es in ber Sportfpracße
ßeißt, erft int Derbp feine Kiai-
benfd)aft ablegte. So fiel im
waßrftett Sinne gleid) einKteifter
oom irjitnmel.
Derfelbe Dealer oerfucßte
bann fein $eil im Hamburger
beutfd)ert Derbp unb war ßier
oon feinem Stallgefäßrten
© ß i l p e r i c begleitet, ber im
(gortfeßung f. Seite 1141 )
Bonboiter Dlpmpia-©ferbefchau
(Sin tüdjtigcr Springer
Der Sieger „mantfdft'
Ütufjerlidjfeiten auf Wofo unb Weiter
ab. Donnerwetter, bas finb nod)
fterle! ©ou 3odeigcu>id)t ift I)ier
nid)t bie Webe. (Ss finb träftigc, gc=
bräunte (Seftaltcu, benen man bic
ehemaligen Äaoalleriften meift auf
Ijunbcrt Stritt anfict)t. 3 n rafdjem
Aufgalopp sieben fie jum Start, bie
grellen färben if>rer ©lufen blenben
im Sonnenglaft beinahe bie Wugert.
3n fieben Wennen ix»erben Draber
unb angeförte Stuten, $albblutpferbc
unb (Säule jebeu Sd)lages erprobt.
Wtit einem leibenfd)aftiid)en (Sifer
finb bie Leiter bei ber Sad)c. Wuf
biefer Rennbahn gibt es ficher teinc
„Schiebungen". (Sin Weiter hat bas
©cd), ans betn Sattel 311 rutfd)en.
Unter bem Jrjallo ber 3 ufd)auer lommt
er bod) nod) als 3ioeiter burdjs 3iel,
an ber Seite bcs (Saulcs hängenb
unb mit beiben Wrnten ben $als
feiner Wofiuantc licbenb umfd)liefeenb.
Uber bic £jinbcrniffe geht es mit einer
Schemens, baf) bic 3 ci d 1 t er 9 ett, id)te
ber Woffe ben ©oben cr3ittern machen,
©eint Drabcit fd)lägt ber märtifdje
toanb in l)ol)cu SBellen ben Wahrem
über bic itöpfc.
©eint (Sinlauf fdhmettcrt bie bunt
uniformierte „ Stabttapeile" bem Sie=
ger hulbigenbett Dufd) entgegen. §in=
tcr ber Dribüue ftärtt er fid) unb
feine „fiifelottc" burd) einen träftigen
Wtänuertrunf. 3 m (Srunetoalb ucr=
fchntäht ein (Saul, ber was auf fid)
hält, beutfcheit toeft unb forbert mim
bejteus „in Luxemburg auf glafd)eu
gefüllt". Die braue Draberin in Wem
Wuppin nimmt aud) mit einem (Slafe
„gelles" oorlieb.
(Srid) Äöhrer
'T\er Warne WcwWuppht ift uns allen
uon ber Äinbljeit Dagen her wot)l=
uertraut. Wber bie guten WernWup*
piner finb je^t nid)t mehr bamit 3m
f rieben, bie Äinber mit ihren
©ilberbogen 3U erfreuen, fie benfett
ietjt in höherem (Sl)rgei3 aud) an bie
(Srwachferten. Seit ein paar fahren
ueranftalten fie im $od)fontmer eilten
Wenntag, ber alle feligett (Sritttte=
rungett an bie ©ilberbogen wadfruft.
greilid) finb biefe ©auernrennen nicht
nur ein luftiges Soltsfeft für bie 3 U *
fchauer, fottbern aud) ein wertuoller
Wnfporn für bie 3üd)ter.
Wtan wattbert uon bem wuitber=
fd)ötten Wuppiner Sec eine ©ierteh
ftunbe hinaus burd) bie breitäftige,
fd)attige fiinbettallec, bie ber grofje
ftriebrid) einft ber Stabt gefdjaffen
hat, bis mau bie bunten gäf)nd)en
rings um bas Stoppelfelb flattern
ficht, bas hier als Wennbahn bient.
Die (Slegants ber Stabt brängett fid)
auf ben rohge3immerteu Dribünen.
Wut 3 amt entlang aber ftaut fid) bie
Wtenge, ein buntes (Semifd) uon fräf*
tigeu, wetterfefteu (Seftalten in ben
hohen Stiefeln unb tur3Cit Rappen
bes el)rfamen fianbmattnes unb beit
©ertretern ber ftäbtifd)en Äultur Wem
Wuppins. Die weiften Sonntags*
fähttd)eu ber Sd)önen aus Stabt unb
fiattb beleben bas ©ilb. (Sine ftatt*
tiefte ©Sagenburg fährt neben unb
gegenüber bem 3ielc auf. ©o.rfintflut=
iiefte Drofcftfen unb hochräbrige £anb=
wagen, feftwere Wdcrgefpamtc unb
elegante (Squipagen ftel)en einträchtig
nebeneinanber.
Wber bas erfte (Slodett3eid)eu lentt
bie ©ufmerffamfeit uon all biefen
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«Bietier Derbi) nur Vierter hatte merbeti föuueu.
Üub es gefdjaf) bas SBunber, bafe Dealer nirgenbs
mar, bah aber biefer ©Ijilperic feinem «efiher, bem
«arou Springer, uod) ein juoeites Derbi) rtad)
$aufe bringen fonute. Denn in Hamburg galop»
pierte ©hilperic gegen alles ©rmarteu bie gan^e
elftöpfige «ferbegefellfdjaft, bie er bürt antraf, in
©ruub unb «oben. Gr lag brei Viertel bes Rennens
gau3 l)inten, tarn bann aber mit toloffalent 93 or)to^
äugefdjoffeu unb roürgte ben non bem Aeger « 3 iuf-
fielb gefteuerten beutfd)en Aiouoftotos um eine l)albe
fiänge nieber. gm gefd)lagenen gelbe enbeten bie
Abgefaubteu bes fistalifd)en Stalles ©rabitj unb
ber Herren iBeinberg, bie fo oft gerabe im Derbi)
bie Oberljaub beljalteu höben, ©s roar bas lebte -
mal, bah bas Derbi) auf ber oeralteten ioamburg-
£>orner Rennbahn gelaufen mürbe, bie einem gläu-
3eubeu Neubau «Iah machen füll, unb es mar bas
erftemal, baf3 ber Derbppreis runb 125 000 Aiart
mert mar, mehr als 3mau3tgmal foüiel, mie im
Hber £anb unb SDteer
galjre 1869 3U geminnen maren, mo bas erfte
Derbi) in S3ene ging. So änbern fid) bie 3 eiteu.
Die greife finb oerbeffert morben. «ou ben
beutfd)en Aeuupferbeu läht fid) nidjt bas gleiche
fagen. ©s ift bie alte ©efd)id)te, bah es an frifd)em
«lut fehlt.
Das einft als Aiorbiuftrumeut oerfd)rieue unb
itod) h^tte ooti oielen geitibeu umgebene Auto¬
mobil I)öt als 3al)mes griebensmittel 3mifd)en
3toei Nationen, Deutfdjlaub unb ©nglaitb, herhalten
müf[en. Denn bie im guli ausgefahrene $ r i n 3 *
§einrid)-Doitr mar 311 bem offen ausgefprodje-
neu grced 00m Deutfd)ert Kaiferlidjeu Automobil-
tlub unb oom euglifdjen Automobiltlub in S^ene
gefegt morben, Angehörige beiber «älter in einer
©efellfdjaftsfahrt einanber näher 311 bringen, bie
oon §omburg aus über ben Kanal burd) ©nglanb
unb Sdjottlanb führte. Aud) ber «reis felber, ben
mieber mie bei ben früheren alljährlid)en Automobil¬
fahrten «rin3 §>einrid) geftiftet hatte, trug bem
1141
griebensgebanten Aedjuuug, er ftellte eine griebens-
göttin bar, mäl)renb früher bem Sieger als «reis
bes «rinsen ein in Silber gemeiheltes Automobil
mintte. Das 9 ßörtd)en „Aeuueu" mar biesmal
nöllig ausgefcfjaltet, es gab meber eine odjuellig-
teitsprüfung noch ein «ergreuueu, fonbern im ge-
mäd)lid)en Dempo oon 30 Kilometern in ber Stunbe
3ogen, überall gaftlidh aufgenommen, Deutfdje
unb ©nglänber bür© bie £aube. Aud) ber grim-
migfte Automobiliftenfreffer mirb nidjt behaupten
tonnen, bah biefes ber ©angart eines Drofdjfhi-
automobils gleidjfomnteube Dempo ein Aeuueu
barftellt.
« 3 as Aenntempo ift, bas 3eigt ber ueuefte ameri-
fanifdje Aeforb. Der gemöhnlidj'e Sterblidje, ber über
bie fianbftrahe im Automobil Ijinfaufen tann, ift froh,
menn er auf freier Strede mit einem fed)3ig= ober
ad)t3igpferbigen «Sagen ein Aeunsig- ober gar
gmnbertfilometertempo fid) leiften tann. Das ift
mehr als D- 3 ug=Sd)nelligfeit, aber nod) lange fein
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9 ?enntempo, bas ben cd)ten „bitter oom üßolant"
etwa ^ufriebenitellcn famt. 3n ben lebten großen
9 Iutomobitrennen auf beni Kontinent würbe ein
Xernpo non 120 bis 100 unb 140 Kilometer in ber
Stunbc eingebaltcn. Das i|t aber ein Kinbetfpiel
gegen bie Üeiftung, bie oor turpem in s Jtorbamerita
non beut amerifanifd)en 9 ?ennfaljrer iUhirntan ooIl=
brad)t ronrbe. SJturman legte in einem 200 s $ferbe ;
ftärfen ßaltenben beutfcßen 23 en,^magen bie eng=
Hieße s JJteilc, runb 1000 iöieter, in 25 4 7 1 "" Setunben
3urüd. Stuf bie Stunbe beredetet, jtellt biefe
Waferet ein Dempo non 228 Kilometern bar. Die
3eit ift nid)t ctroa gefluntert, fonbern mürbe oon
9 tennrid)tern elcttrifd) genau aufgenommen unb
mürbe bei fogenauntem ftiegcnbem Start erreid)t.
Das beißt, ber 5 al)rer nimmt erft einen längeren
Anlauf unb fäßrt bann in »ollem Dempo am
Startbanb oorbei beut 3 tele 31t. Der s J?eforbmagen,
ber I)ier benußt mürbe, |iel)t einem Xorpebo —
oon ben s J?äbcrn abgefeßeu — äßnltd). Der 23 ug
cubet in eine lange opiße, 311111 befferit Durd) =
fdjucibert ber fiuft, unb and) bie Stirn ift gan3
fpiß abgefd)rägt.
(£s ift etue aubre 5 'i'agc, ob es I)eut3iitage nod)
0011 praftifd)ent Stufen ift, fo exorbitante Scßnellig-'
feiten 3umege 3U bringen. Da mau ja fd)ließlid) im
Automobil fäßrt, um and) etmas oon ber Umgebung
311 fetten unb nießt bloß l)in3urafen, fo mirb es für
gemöl)nlid) oollauf genügen, ein ^ödifttempo oon
00 Kilometern auf oöllig freier Strede 311 fahren.
Der £aie glaubt, baß man felbft bei biefem fd)ou
gemäßigten Xeutpo oon ber Umgebung itid)t oiel
fiel)t unb nur bie Kanbftraße frißt. Das ift ein
3rrtum. ?lud) bas nod) fo bid)t bebrillte s 3 tuge fiel)t
bei biefer Sd)itelligteit unb felbft bet 100=Kilometer=
©efd)mtnbigteit alles um fid) ßer, felbft bei 130 Ktlo^
metern. (£s get)t 3mar im £jufcß oorüber, aber bie
(£rfd)einungen finb boeß gan3 greifbar ba, beftilliert
burd) bie Sd)ärfe, mit ber bas s 2 luge in biefer
§öllenpace 311 fetten ge3mungert ift.
s il r n 0 91 r tt b t
9iaein.3nferaten=2lnnat)me Ql ^njcrfioite-ffiebüljrei
bet Hjtöolf ÜlflTe, 4 TTIPT[TP|T für bie fünfgefpatten
Annoncen = (Sfpebition für ^VUjUUUl 9ionpara(le=3eUe9TU.st
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uttb toirb ber ^3robebofe eine iüuftrierte iBrofdbüre unb eine 8tusfd)neibepuppe beigefügt.
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Sinbern tm jarteften Sitter burd) bie ©rnäbrung mit 9leftle’§ S?inbermebi. ©infad) in
ber Zubereitung, au§ge;(eid)net in ber SBirtmtg unb billig im greife, ©ine halbe ®ofe
toftet in allen einfd)lägigen ®efd)äften nur 75 s »f. unb eine ganse 9)1.1.40. ältit 9teftle^
Stinbertnehl ernährte Stinber ,teid)neit fid) burd) ©efunbheit unb blithenbeö 2lueifehen aus«,
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Tföxfif 14. Lc4xfl Sc6xe6 15. De4xe6 Dd8—f8ü.
7 ) ©tärfer roäre aber 12 . Del—g3 geroefen.
8 i Lee—e7 oerbiente oielieicbt ben asorjug.
9 ) Um bte Tirobung eb—e4 15 . d3xe4 d5xe4 ju parieren.
10 ) ®ie§ bietet bem 9?ad)jief)enben ©elegenbeit, ber Partie eine fcböne
SBenbung ju geben.
n ) Sßenn 16. d3xe4, fo Te8xe4.
12 ) ©in glänjenbeö, forrette§ Samenopfer.
’ 3 ) SBenn 19. Kg2—g3, fo Lcöxde-j- 20 . Tfi—f4 ( 20 . Kg3—f3 Lf 6 xd 3 +)
Ld6xf4f 21 . Dh4xf4 ( 21 . Kg3xf4 Lf6-h3f nebft 22 . .. Tf8-f5 bjro. Te2—e3
matt) Lf5—e4 22 . Df4xc7 (ober 22 . Df4xf8-j- Kg8xf8 23 . d3xe4 d 6 xe 4 unb
geroinnt) Te 2 —g 2 f 23. Kg3—h3 Tf8-f3f 24. Kh3—h4 g7—göf 25 . Kh4—hs
Tf3—hs matt ober 23. Kg3-h4 g7-göf 24. Kh4—h5 Le4-f3+ 25 . Kh5-he
Tf8—f6 matt.
M ) SEBeiji t)at feine SSerteiblgung mehr.
,s ) ®ibt äu einem glcuuenben ©dblufe ©elegenbeit.
16 ) Senn auf 22 . d3xe4 folgt TfSxftf 23. Tel—fl Te 2 xh 2 f 24 . Khl—gl
(Bearbeitet
£. Schallopp)
Partie nr. 21
2Iu§ unfertn fiorrefponbenjturnier
SUJit bem »ierten SJ5ret§ für beftgefpielte Partien au^gejetcfmet
©efpielt non Anfang Sunt 1908 bt§ Sinfang Sejember 1909
Wiener Partie
2Eet&: 8. Söroenton, ©barlottenburg bjro. SBraila.
@d)TOarj: 3oi). 30 Im er, 2lmfterbam.
SBeiß ©cf)roar<s SBeifc ©djroars
I. e*—e4 e7—e5 12 . Lei—g6 7 ) Dd8—de 8 )
». Sbl—c3 Sg8—fe 13. Del—h4 Lc8—f5
3. f2—f4 d7—d5 14. Tal—di 9 ) Ta8—e8
4. f4xe5 Sf6xe4 16. c3—c4 10 ) es—e4
6. Sgl—f3«) Lf3-b4*) 16. Lg5-f4“) e4xf3! 12 )
6. Lfl—e2 Sb8—C6 8 ) 17. Lf4Xd6 f3xg2f
7. 0—0 0—0 18. Khixg2 Te8xe2f
8. Ddl—el 4 ) f7—fe 6 ) 19. Kg2—hl 13 ) Le5xd6
9. d2—d3«) I.b4—C6f 20. Dh4—g5 14 ) Sc6—d4
10. Kgl—hl Se4xc3 21. Tdl—el lä ) Lf5—e4f!!
II . b2xc3 fexes 2Bet& gibt bie Partie auf. 1 *)
Ste Sfnmerfungen finb 00 m ftübrer ber fdjroaraen Steine.
M ©egenroärtig gibt man roieber Souis fßaulfen§ ^ortfetjung ben
®or*ug.
2 ) ©tärfer tft Lc8—g4 in SScrbtnbung mit Sb8—c6.
3 ) SBenn c7—c6, fo 7. 0—0 Dd8—b6f 8. Kgl—hl Se4xc3 9. b2xc8L b4xc3
10 . Lei—a3 Lc3xai ll. Ddixal mit ungünfttgem ©piele für ©ebroarj.
4 ) 9Son Dr. «perlt« herrütjrenb. ©8 tft aber fraglich, ob btefer 3ug fo
ftarf ift, roie man behauptet.
B ) Ste ftärffte Stntroort.
ber am 31. Sufi fein ftebäigfte§ 2eben§jai)r uoüenbete, ift feit einem
reidjlidjen fDienfdjenalter einer ber betannteften beutfcfjen SMlbijauer
unb gugleict) ber beliebteren einer, weil er unoergängltcfie, auef) im
9Bed)feI be§ ©efdjmacf§ an Sßert unb 33eroertung gieid) gebliebene unb
?ugletd) befonberS »olfStümlidje 2)enfmäler für oerfdjiebenfte Orte be8
9teic^§ gefdjaffen fiat. ®ar manche baoon gelten al§ bie beften ber
bargeftenten fßerfonen, fo unter anbern ba§ Hamburger Seffing* unb
ba§ berliner ©oetfiebenfmal, roie aud) mehrere feiner Stanbbilber
für eine ganse Steife Don dürften, ftelb^erren, $icf)tern unb kentern.
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Der Kampf ber meifeen
unb bet roten 5Rofe
Vornan
oon
©eorg $itfd)felb
(Srortfe^ung)
ie arme 23 arbara — fie mollte munter
bleiben—umfonft. Die Statur mar ftärfer.
Sie fanf 3urüd, mäferenb fie nofe bie Deüe
auf gulianes Körper gurecEjt^upfte. Sie mußte
nichts mefer, als fie nod) gramooll überlegte,
mo fie 9 Md) für ifer armes Kinb erlangen follte.
Stumpf unb ftampfenb rollte ber 3 ng in ben
glüfeenben 9 Ibenb hinein. Die Butter ffelief.
guliane aber nafern 9 lbffeieb oom Seben. gfer
brefeenber 23 Iid fafe in bie rote Sonnenffeeibe,
bie am genfter ftanb, fat) fie finfen, langfam
oerenben unb ffeliefelife nur nofe einen oioletten
Dunft. 9 lls es SRafet mürbe, erfeob fife ber
brüte 5 j 3 affagier langfam. Sautlos ffeob er fife
an ber fdijlafenben SJtutter oorüber unb fentte
feinen lippentofen SJlunb auf ben fiebernben
ber Keinen guliane. Sie füllte ifen — ein
9 Iuffferei — raffe unb leife — mie Uberraffeung
unb greube bofe, greube. Die Butter feörte
ifen nifet. Sie fat) nifet, mie gulianes 3 üge
erffelafften, mieifere buntten 9 Iugenbrad)en,
unb ber fcfemale, ffemafee Körper, ber folfee
Süefentaft getragen featte, enblife 3ufammen=
fant. Scfemeigenb erfeob fidt) ber Jteifegefäferte.
Sautlos öffnete er bie Dür unb oerliefe ben
rafenben Sfenell3ug, mie oon einer ©arten*
treppe abfteigenb. ©r oerffemanb in ben Hebeln
ber 5 Rafet.
9 Ks es t)eil mürbe unb ein ffearfer Sonnen*
ftrafel butefe ben Spalt bes genfteroorfeangs
ins ©oupe brang, fufer 93 arbara auf. Die
9 lfenung einer fferedlifeen 93 erfäumnis befiel
fie. Stunben maren oerftrifeen. Scfeon
näfeerte fidt) ber 3ug ber beutffeen ©ren3e.
Sie beugte fid) 3U Juliane feinüb er — ein
blaffes, frembes 91 ntlife ftarrte fie im grüfe*
liefet an. Die äRutter begriff nifet, mas ge*
fiepen mar, fie mottte es nifet begreifen. 9 J?it
leifer, bebenber Stimme fprafe fie auf bie
regungstofe Dofeter ein unb bat fie, mie fie
nie einen SCRenffeen gebeten featte, ifer 9 Int=
mort 3U geben. Juliane fprafe fein 2 Bort
mefer. 2 Ks 93 arbara ifere £>anb losliefe, fiel
fie fehlem feerab. Da fant ein gamuterfferei
aus ber ÜJtutterbruft, burd) alle ©migf eiten
tönenb unb bennofe ungefeört. Sie meinte,
meinte fid) bas 93 lut aus bem §er3en, ben
oer3meifeIten Kopf tn ben Sdjofe iferes toten
Kinbes grabenb. So fanb fie, als ber 3 ug
1911 ( 23 b. 106 )
auf ber Iefeten fran3öfiffeen Station feielt, ber
Sfeaffner. ©r featte ben raffeen 931 id — er fafe
fofort, mas gef feefeen mar. Seine Droftmorte,
bas mufete er freüife halb merfen, mürben
oon ber armen beutffeen grau nifet oer*
ftanben. Sr mufete für fie feanbeln, ofene oon
ifer begriffen 3U merben. 5 Rafd) entffeloffen
oerriegelte er bas ©oupe unb oerfprafe mit
bemegter Stimme, bis 3ur ©rense baoor
2Bafee 3U fealten unb in 3 Ioricourt feinem
^adtjfotger biefetbe 2 Beifung 3U geben. Die
Dote foltte nid)t auf gepalten merben — ifere
9 ieife in bie Heimat fonnte Juliane oottenben.
So fufer bemt ^Barbara Dränfte nodt) oiele
Stunben mit iferem toten Kiebting. biefer
Spanne 3 ^ü ergraute ifer f(^mar3es $aar, unb
ifere frifefeen, lebensgläubigen 3üQ e erfeietten
ben ©rnft bes SBeltenfcfeidifats. 2 Bas biefe
SOiutter fefet empfanb unb baifete, feofe fie für
immer aus feber 9 tieberung in ©ottes Stäfee
empor. ^Barbara Dränfte mar eine einfaefee
grau — fie fafe ber gefreu3igten Docfeter nid)t
anbers gegenüber als jene Stftutter im StRorgen*
Ianbe iferem oon ber SBelt gemorbeten Sofen.
Sie fafe bie gan3e Bieblicfefeit bes 90 täbd)ens,
feufefe mie eine StRaibtume, oon Dobesfeanb
gefnidt. Das 2 Barum! ftang bröfenenb in iferer
einfamen Seele, baslefete, grofee,nieoerflingertbe
SBarum ... Unb fie gebadfete plöfelicfe Donis,
bie biefe Sdtjmefter am meiften geliebt featte,
bie als Sünberin galt, meil fie bem 9 fuf bes
Gebens gefolgt mar. gn biefem 51 ugenblid
erfannte ^Barbara, mie fie gefünbigt featte.
©ine unbepoeifelbare äBaferfeeit regte fid) in
ifer: ©ib nidjts auf oon beinen Kinbem, mas
lebt, mas ba ift unb 3U bir 3urüdfeferen fann.
Denn bu bift ifere dRutter, bu feaft an bas
ßebenbige, mas bu geboren, 3U glauben. ?tls
ob fie ber Doten oor ifer ein feierlicfees 93 er*
fpreifeen gab, gelobte 93 arbara, bafe bie 58 er*
föfenung mit Doni feine Stunbe mefer oer*
3ögert merben follte.
911 s fie enblid) in griebriefesburg mar unb
bie gebeugten ©eftalten iferes 9 Iuguft, iferer
§ilba mieberfafe, erft ba braefe fie 3ufammen.
^lacfemittags fam fie 3U fid). Sie lag in
iferem ioäusdfeen am SOlarftpIafe. §ilba fafe am
5 Bett, unb bas erfte, mas fie ber Butter er*
3äfelte, mar, bafe Doni ifere 9 Infunft für morgen
früfe gemelbet featte. ©in tinber, tiefer Sr oft
umfing bas §er3 ber armen 9 tRutter. 5 Run
mürbe fie alle ifere Sieben mieber beifammen
feaben. Stile gaben ber Keinen guliane 3um
emigen Scfelaf bas ©eleit.
Itn einem marmen grüfelingsregentage ge*
fefeafe es. ©s meinte oon ben 93 äumen unb
Sträucfeern, alles mar ein leifes, füfees, fla*
genbes Drauern. Die 5 Ratur fang ifer f<f)önftes
933 eifeelieb auf ben Dob eines jungen äRäbdtjens.
ttnb ^Barbara ftanb an Donis 9 Irm, an Doni
gefd)miegt oor bem ©rabe. ©s mar nidfets
gefdtjefeen, fie füfelte es feeute. ©s mar nidfets
gefd^efeen, benn Doni mar gefunb, Doni fam
aus iferem ©Iüd 3U ber toten Scfemefter. Sie
follte es feftfealten. Solange fie lebte, ge*
feörte fie ja bodt) iferen ©Item. „ 3 «, StRutter,
folang idfe lebe/' antmortete Doni leife, als
featte fie ^Barbaras ©ebanfen oernommen.
„Uns trennt niefets mefer."
Der ©eiftlicfee fprad). ©s fangen bie
©ngelsftimmen ber Knaben. Dann fielen bie
Scfeolten ber £jeimaterbe bumpf unb f(ferner
auf guliane feerab.
III
Das Sfemefterle ift tot... StRit biefer
tiefen 9 tßefemut im $er3en oerbrafete Doni
einige Dage im ©Iternfeaufe|3u griebrifesburg.
©in ©ngel ber 93 erföfenung mar guliane für
fie gemorben. gm öer Keinen
5 Räume fafe Doni fie mieber, in iferen Sefen*
ftufel gebettet, mit iferem milben, lieben Kinber*
gefifetfeen, ober langfam 3um genfter tretenb,
unb, glügel an ben Sfeultem, in bie Däm*
merung feinausffemebenb. 2Bäferenb in ben
anbern bie Sturmmogen bes Scfemerses lang*
fam oerebbten, erfeoben fie fife in Doni jeben
Dag oon neuem. Sie featte aufffereien mögen,
menn ifer irgenbeine Keine ©rinnerung an
guliane in bie $dnbe fam. Unfaßbar — fo*
oiel gugenb, fooiel 9 Inmut, fooiel ©üte — fein.
Das Sfemefterle mar tot.
Dofe Doni be3mang fife, ben ©Itern 3uliebe.
Sie ffeenfte 93 ater unb dRutter ein paar Sage
bes Droftes, fie umgab ifere beiben 9 IIten mit
5 Rüdfifet unb 3 drtlifefeit. 5 Rifets ftanb mefer
3miffeen ifenen. greüife, Karlmann mürbe
mit feinem 933 ort ermäfent. Um fo mefer
fonnte Doni täglife oon iferem Kinbe fprefeen.
Diefes Keine 923 efen, bas bie ©Itern nofe nifet
gefefeen featten, umfeüllten fie mit iferer gan3en
ffemer3lifeen Siebe, ©rofeoater unb ©rofe*
mutter — fie füfelten ben erften glüdfeaften
Stol3, unb 5 ) 3 aula mürbe bie ijauptperfon im
§aufe Dränfle. Doni mufete für ben Sommer
einen 3toeiten Sefufe, unb bann mit iferem
Kinbe, oerfprefeen.
So brachten ifer bie griebrifesburger Dage,
mas fie fife lange gemünffet featte. Dennofe
erfannte fie — bie $eimat iferer 3 u tunft mar
feier nifet mefer. SBie biefe StRenffeen lebten
unb fprafeen, mie ifere alte Stabt bie Sfeneden*
ftrafee meiter3og, oerträumt unb bofe bie Oferen
fpifeenb, prafetooll unb Keinlife 3ugleife — fo
oertraut Doni bas alles mar, fie fafe bofe,
mas fie oorfeer nie gefefeen featte, unb be=
griff ifere eigne ©ntfrembung. ga, Karl*
mann featte eine grofee 9 Irbeit an ifer getan —
jefet erft oerftanb fie es in efetem greifeeits*
gefüfel unb ootl Danfbarfeü. ©s mar mirflife
eine glufet gemefen, ifer Kinb fonnte nur
braufeen in ber 9 BiIbnis, mie bie griebrifes*
150
1144
Über £artö urtb Stfteer
1911. 9tr. 44
bürget es nannten, 3 ur 2 BeIt fommen. 2 In*
fangs ftieß fie noß mit ißren frei geäußerten
2 lnfißten ßart gegen bie 3amtlienfßfibel. Sie
faß, baß Dnfel Btoßr allmäßliß mieber ber
beutfße Dur ßf ßnittspßilifter geroorben mar,
unb tonnte taunt ernft bleiben, menn ber einftige
2 Imerifaner fiß mit. beooter 3 uftimmung um
©roßmutter 'Sßmeiferts ©unft bemarb. Doni
bemertte es mit Staunen — ber Dnfel ßaßte
Starlmann faft ebenfo mie bie ftarre 2IIte, bie
eine 2 lrt ©ottfeibeiuns in ißm feßen mochte,
^ebenfalls oerftanb Benjamin Bloßr bie 31ußt
unb bie Dage am Bofentor fomenig mie bie
anbern alle, unb Doni fragte ficf) oergebens,
meIßes Beßt ber ^ol^ßänbler auf einen fo
rigorofen Stanbpunft ßatte. Spmpatßifß blieb
er ißr nur als 33ater bes armen Bnaftafius.
Da begriff fie ißn gan 3 unb ßörte ißm ftun*
benlang 3 m „ 3 ntereffant — mie?" mar noß
immer fein rüßrenbes Scßlußmort. übrigen
aber ließ Doni ißn beutliß merten, baß fie
nißt bie geringfte £uft ßatte, in gmbricßsburg
ficß eine anbre Meinung über Starlmann ein*
impfen 3 U laffen.
Da Bater unb Btutter für eine 2Iusfpraße
ni(ßt braueßbar mürben, bie ©roßmutter aber,
fobalb fie ein oertrauteres 2 ßort magte, ben
alten ^ropßetenton aufcßlug, ßoffte Doni nur
noeß bei §ilba Berftänbnis. Docß auß ßier
faß fie ficß enttäufeßt. ©s mar ißr f<ßon, als
ißre eignen Sinne oon Juliane ein menig
freier gemorben, aufgefallen, baß §ilba nicßt
in bem gleißen, nießts anbres füßlenben
Scßmer 3 lebte mie bie ©Itern. Doni mußte
nicßt, moran bas lag, unb feßob es auf bie
tüßlere Statur ber Scßmefter, bis fie enblicß
mertte, baß ein neuer 3 reunb bes Kaufes
£»ilba Dränfies ©efüßle für ficß in 2lnfpruß
naßm. ©s mar ein italienifßer Bilbßauer mit
bem fßönen Barnen ©efare Dalmatino, ber an
ber ^riebtießsbutger Bfabemie ftubierte unb
ßäufig bei Dränfies erfeßien. $ilbas erfte^ugenb
mar oorüber. Sie mar nidßt fonberlicß ßübfdß,
unb ißr £eben mar bisßer in 2 trbeit unb
ergebnislofen 2Bünfßen oergafigen. Sie ßatte
fiß als beliebte Bußmaßerin einige taufenb
Btarf erfpart — bas mar alles. 2 lls ber 3 ü a=
liener ficf) ißr näßerte, atmete fie auf. So
ßatte ficß nod) nie ein SJlann um fie befümmert,
fo unermüblicß, mit Blumen unb ffeinen ©e*
fdßenten — nod) ba 3 u ein Stünftler, ein fßlanfer,
bunt eiäugiger SDRenfcß aus Btailanb. Sie flog
ißm einfaeß in bie 2 Irme. 2 Bas fie lange auf*
bemaßrt ßatte, gab fie jeßt oßne oiel 23efinnen
ßin. Btoßte audß Donis 23eifpiel bas feine
basugetan ßaben — fie oerfßan 3 te fidß ßinter
ißrem troßigen 2Billen. 2In 31ußt badßte fie
freiließ nißt — nie trug ficß ißre trägere Statur
mit rontantifßen ©infällen. Sie mollte gut
bürgerlicß ausßarren, ben geliebten „©äfar“
bei ißren ©Itern um ficß merben laffen unb
bann in 3 riebrißsburg als ©attin eines be¬
rühmten Zünftlers leben. Daß ißm großer
Stußm beoorftanb, be 3 meifelte $ilba nicßt. ©r
meißelte ja bie allerfßönften Saßen. .Stein
befferes Sftobell fönne er finben, oerfißerte
er ißr mit feiner melobifcßen Stimme immer
mieber, als feine fdßöne beutfße Braut.
Doni gefiel ber Kliener nicßt. ©in feit*
famer BSiberfpruß ber ©mpfinbung ließ fie
§ilba in berf eiben ©efaßr feßen, ber fie bei
Starlmann erlegen mar, bod) mas für fie 3 um
£eil gemorben, fonnte bei ber Sßmefter
nur Unß eil merben. $ilba traeßtete nicßt
aus ber ©nge ißrer ^erlunft ßeraus, fie
mollte einen SOtann ßaben. Stannte fie Dal*
matino? Sie heraufeßte fidß an ißm. Unb
feltfam — alle biefe fonft praftifßen, nüß*
ternen Btenfßen, ber Bater, bie SJiutter, ber
£)nfel, ja fogar bie ©roßmutter — fie maßten
es ißr naß. Der Bilbßauer ßatte feften 23oben
im §aufe Dränfle. 2IIs Doni 3 mei 2Ibenbe
mitgemaßt ßatte, an benen er bas 2Bort fiißrte
unb einer finbliß gläubigen 3 ußörerfcfjaft oon
feinen ©rfolgen er 3 äßlte, ßatte fie genug, ©s
perbroß fie, baß ißre Stäcßften, benen fie nur
Droß unb Selbftgefüßl 3 ugetraut, ßier fo
bemütig maren. Starlmann, ber bei all feinen
Feßlern ben größten Bor 3 ug, ©ßrlicßleit unb
eine faft guälerifdße Selbftfritif ßatte, mürbe
abgeleßnt. ©in ^Pßrafenbrefdßer aber begeg*
nete liebensmürbigen unb gefdßmeießeiten ©e*
fidßtem. Dalmatino oerftanb bie Donart — ge=
miß mar er anbersmo ßoeßmütig ober feig —
ßier oerfolgte er beftimmte 3 tI)e, ie. Stein,
Doni lobte ficß ißren Starlmann. feinem
Stidßts, mit bem er noeß rang, mar er feßon
alles, unb bas maßre 3^1 ber 3 ulunft tonnte
nur auf feinem 2 ßege liegen.
Sie oerließ bie $riebricßsburger, innerlidß
meßr oon ißnen getrennt, als jene aßnten.
2Beit blieb ber alte SJIarltplaß ßinter ißr, mo
einft Starlmann im SJlonblicßt neben bem fteü
nernen 23runnenritter geftanben unb 3 U ißren
^enftern emporgeblidt ßatte. 33on ben Ilein=
lidßen Strämern, aus bem Dunfel ßöriger
23auernftuben feßrte Doni enbgültig ins 2lbels=
ließt ber freien Stomingers ein. 3ß^ e 23er=
fößnung ßatte fie gemonnen — bas mar gut
unb notmenbig. 3 ^ aber gefeilte fie ficß 3 U
Starlmann unb 3 U ißrem Stinbe.
^reilidß, er 3 äßlen mollte fie ißm maneßertei.
2 lber fie fanb ißn, naeßbem feine erfte ffjdeube
über ißre Stüdfeßr oerraufdßt mar, oerftimmt
unb tief 3 erftreut. %üx feine ©r 3 äßlung aus
ber irjeimat ßatte er Dßren. ©in beutlidßes
Unbeßagen fam auf feine 3ü9^> menn fie oon
ißren ©Itern fpraeß. 23erleßt ßielt fie inne
unb maeßte feinen 23erfucß meßr, ißn mit ißrer
Familie aus 3 ufößrten. Sie magte es nicßt
einmal, tßr 23erfprecßen, im Sommer mit bem
Stinbe nadß $riebricßsburg 3 U reifen, 3 U er=
mäßnen. Salb erfußr fie, mas Starlmann be=
brüdte. Das alte £eiben, 3ufammenftöße mit ber
SJtutter, mar es nicßt. Stlementine lebte oor=
läufig gan 3 frieblidß in ißrer SRüncßeiter ^ 3 enfion
unb mar bureß neue 23efanrttfcßaften, bie fie
beßerrfeßen fonnte, abgelenft. Starlmann litt
an fidß felbft. Sein 23eruf als ^iftorifer, mie
er ißn auffaßte, als ^ßropßet oergangener
Stultur in einer fulturell ftagnierenben 3 e ^,
mar ißm 3 meifelßaft gemorben. Die große
SIrbeit 00 m Striege ber meißen unb ber roten
Slofe ftodte — 2)orf unb £ancafter maren ißm
plößlidß gleicßgültig — er begriff nicßt meßr,
baß er in ber englifdßen ©efeßießte finben
mollte, mas eht 3 ig fein Deutfcßtum ißm erringen
fonnte. £eibenfcßaftlidß befann er fid) barauf,
baß er ein Deutfcß er mar, aus bem füblidßen,
bem edßten Deutfdßlanb. Sltit Sftadßt marf er
fidß jeßt auf bie Stunftgefcßidßte unb £iteratur.
2 lber biefe gelber maren alle fdßon abgemäßt,
unb neues Brot aus ißnen erfteßen 3 U laffen,
fanb Starlmann Coming er fidß nidßt ftarf
genug. 23alb 3 meifelte er an jeher Überlieferung
unb ©efdßidßte. 9Rit fcßmadßen §änben, franfen
2 leroen, ein 9tamenIofer ftanb er in ber ent-
frembeten ©egenmart — bodß ißr geßärte er.
3u ißr mußte er ben 23emeis feiner 33^fört=
lidßfeit liefern. Dot maren bie 2 lßnen. llnb
noeß einmal maeßte Starlmann ben Stampf
um bie 3 ^dge burdß, bie ißn feßon bei ^oßannes
9toIlfinf gepadt ßatte: 2Bar ber Beprobuftioe
bem ^robuftioen ebenbürtig ? Sollte er nißt
lieber allen 2 ßiffensfram oon fiß merfen, um
fein ©ignes, mie es aueß mar, in bie 2 Belt
3U ftellcn? ©r fußr naß 2lmmerfelb unb
oertraute fiß feinem 23etter an. 3 oßcmnes
berußigte ißn nur menig — bas dRefuttat,
bas Startmann als eßter Soßit feiner SOtutter
mit 3 uneßmen oerlangte, fonnte er ißm nißt
geben, ©rft naß meßreren Dagen, als Doni
ba mar unb traurig neben bem oer 3 meifel=
ten Starlmann ßerging, fam 3oßannes' 2Int=
mort: ,23ift bu bes Sorfßens mirfliß über=
brüffig/ fßrieb ©oa, ,fannft bu im 2 laß=
fpüren frember Daten, im Sßilbern ferner
©reigniffe, fo ßoß biefe 2 Biffenfßaft für anbre
fteßen mag, nißt meßr Deinen £ebensberuf
feßen — fteßt es für Diß mißt meßr ßoß —
fo entfßeibe Diß. 2lber fßnell unb grünbliß.
Stein 3erfafern, fein fteriles 3tt>eifeln. Du
bift noß jung genug, Du braueßft Deinen Stopf
nißt ßängen 311 laffen. ©in SRenfß in Deinen
3 aßren, ber es fo eßrliß meint, fann noß
3 eßnmal umfatteln. 2ßer fießt Dir babei 3 U?
2 lur iß — menn iß oon feßen reben barf.
Xlnb iß ermarte etmas oon Dir, bas ift Deine
Straft, Starlmann, man fann bei Dir auf
etmas märten. Du ßaft 00 m äftalen gefproßen.
Du millft Diß in ber Stunft Deines 23aters
oerfußen, troßbem ober meil er fie Dir oer=
fperren mollte. Das oerfteße iß. Du millft
Diß über Deinen 23ater ßinausßeben. 23er=
fuß es! 9Rale brauflos! ©oa mirb Dir im
Deßnifßeu ßelfen, fooiel fie fann. 9JiaIen
ift gut mie alles ©ute, menn es gefonnt ift.
2tlfo — fei gegrüßt. Dein .^oßannes/
Starlmann ftanb, als er biefen Brief ge=
Iefen ßatte, fo pofitio 3 uftimmenb unb freubig
oor Doni, baß biefe ißren ©inmurf für fiß
beßielt. , 2 RaIen ift gut mie alles ©ute,
menn es gefonnt ift‘, fßrieb 3 bßttnnes?
3a, mürbe Starlmann es benn fönnen? _3ß^i
fßien fein 3 tD ^f e I fommen. äftit einem
(Sßlage faß fie ißn mieber obenauf, ©s er-
löfte, begeifterte ißn, ber Stunft bes Baters
fiß in bie 2lrme 3 U merfen. Daufenb ^31äne
entmidelte er ißr, mit 2Borten mürben ßunbert
Bilber gemalt, unb innerßalb einer Sturtbe
ßatte er fiß entfßloffen, als befßeibener
2 tfabemiefßüler 3 eicßnen 3 U lernen unb bei
Sgeinemann eine Stolleftioausftellung 3 U oer=
anftalten. Sie ließ ißn enbliß, als ißr ber
Stopf fßmirrte, in feinem neuen ©lüd allein.
Den 2lbenb mollte fie abmarten, ber mie immer
Stlärung bringen mußte, ©ine ©efaßr für
ißren £ebensunterßalt faß Doni in bem plöß=
lißen Umfatteln nißt. Sie mußte, mas Starü
mann oerbienen fonnte, unb glaubte an feine
Bßantafie meßr. 2 Bemt es ißn nur glüdliß
maßte — fie ßatte ja ißre Durnftunben, bie
immer Iufratioer mürben. 2 Benn fie gefunb
blieb, fonnte ißnen nißts gefßeßen — ob
Starlmann malte ober ftubierte.
So ßatte er mieber neue 3IügeI. Balb mar
ein 2 ltelier gemietet, feßr groß unb mit allem
ausgeftattet, mas ein junger Bleifter oerlangen
fonnte. hierbei ßalf ißm bie 9Rutter natürliß.
Durß ißre gefßidten §änbe entftanb ein rei 3 em
bes Stünftlerneft. ©rft als Starlmann an bas
©igentliße, ans Arbeiten geßen mollte, mürben
ißm bie Befuße ber Btutter 3 uoiel, unb er
mußte fie fßließliß etmas gemaltfam in ißre
^enfion 3 urüdfßiden. 2 Bas ßalf ißm bas fßönfte
Sttelier, menn ber ©eift nißt über ißn fommen
mollte! Die ÜRutter fßmaßte all 3 uoiel ßinmeg.
Beleibigt, als er fie fo plößliß oerabfßiebete,
fam fie faum noß ba 3 u, ißm ißre Segens*
münfße als 2 Bitme bes maßren SOteifters
3 urüd 3 ulaffen. —
3mei 3cßre malte Starlmann nun mit fana*
tifßem 31^ unb unerbittlißer Selbftfritif.
Sein 23ater ftanb neben ißm, menn er ben
$infel füßrte, er mollte es fo unb traßtete
3 ugleiß banaß, fiß biefes Sßattens 3 U ent*
lebigen. 3Jtit freien 2 tugen mollte er . feßen,
mit eignen Stäuben fßaffen. 2lber ber 2Beg,
ben er ging, füßrte ißn in ßoß es 3 ^lfengebirge,
ooll 3 ^tum, oßne £abung. 2 ßäßrenb er noß
ftol 3 empfanb, mie fein moberner ©eift ben
Bater überflog, mußte er fßon erfennen, baß
er als Deßnifer unb Stönner gegen ben 2Ilten
ein Strüppel mar. ©r ßatte nißts gelernt,
©r ßatte ©efißte, boß fanb er feine ©eftal*
tung. Das ©roße, bas er feftßalten mollte,
3 erfIoß ißm, unb bas Stleine befriebigte ißn
nißt. Btit angftoolter Sßeu maßte er biefe
Stümpfe allein burß. Stein 3i*^unb, fein
Stoliege mürbe eingemeißt, unb auß ©oa
Böllfihfs §ilfe begann Starlmann, ba er ißr
fßarfes Urteil fürßtete, 3 U umgeßen. So
ßäufte er Bilb auf Bilb, oerrnoßte faum bie
Btaterialfoften 311 beden, unb manßmal broßte
er 3 u erftiefen in all bert gefpenftifßen Dorfen,
©ines 2 lbenbs ließ er bie Brbeit liegen unb
fßliß ; fiß mutlos 311 Doni ßinunter, bie mit
ber Keinen Betula fpielte, einem jeßt fßon
breijäßrigen, allerliebften Bläbel.
. „Denf bir, Starlmann, mas iß eben geßört
ßab' — ber 2 lrn 0 lb Binger ift in Blünßen!"
1911. fRr. 44
Über £anb unb föleer
1145
„Cin 9 Saler,“ flüsterte ftarlmann mit bit=
terem £äd)eln.
„ 3 a — aber toas für einer! Du oerehrft
ihn bod) jo, unb er roar ber bejte $reunb beines
Saters!“
„Damit tarnt id) nichts anfangen. £anb=
fd)uhtnopf ober Sohn eines großen 9 Sannes
3U fein — bas ijt gleid).“
„ 91 a, id) — id) hab’ mid) ben gan3en 2 Beg
brauf gefreut, bah id) bir bas er3äl)len fann.
Cr roobnt in ben Sier 3ah*es3eiten. 34 ) meih
bod), roie fdjmer bu's I)aft, idarlmann, roenn
id) aud) nichts oon ber fötalem oerftel)' — bu
fiehjt jo jammerooll jd)led)t aus, gan3 jpit3 bijt
bu — id) f)ab' mirtlid) Sngjt um beine Seroen.“
„Doni —"
„Sein, jo geht's nit roeiter, mein £iebling.
Du iht ja toie ein Spälte unb oereinjamjt
mir gan3. deinen 3reunb bajt bu unb leinen
üameraben. 51 aum, bah bu nod) einmal
nad) Smmerfelb fährft — bie Coa b)at jidf)
fd)on bellagt. 3of)annes lann bod) nit 3U bir
lomnten.“
„Soll id) 3 of)annes etrna meine Silber
3eigen? !“
i n „ftarlmann, jei nit jo fchredlid) bitter.
3unlle mid) aud) nit jo mit ben Sugen an —
bas haft bu gar nit nötig. 34 ) hab' jetjt unter>-
roegs einen anbern ©ebanten gehabt, £ör 3U.
Der Srnolb Singer ijt l)ier, ber Smolb Singer
interejjiert fid) für bid) — 3um ©lüd meih
bie 9 Sama nod) nid)ts oon il)m — id) mär'
bafür, bah bu jofort I>mgel)jt, ins §otel, if)m
beine Sli33en bringjt unb ihn bittejt, ob er
bid) nit mal im Stelier befudjen mill.“
„Sie!“
„Sber ftarlmann — überleg bir's gut —
toas bir bie größte 51 ama 3 ität jagt —“
„Üapa3ität, meinjt bu!... Sein, nein, bas
ijt Semid)tung! 34 ) toeth es im ooraus!“
„Das glaub id) nit. So, roie bu 3U leiben
l)ajt, roie bu bie Sad)e anpadft — ba jtedt
jid)er ein Dalent. ©eh t)i© td) bitt' bid),
melb' bid) beim Singer —"
ftarlmann rannte mit erglül)enbem üopf
hinaus. Die Heine fßaula, bie jeit bem fRorgen
leinen 5 tuh oon ihrem fßapa belommen hatte,
roeinte. Doni aber roar ruhig. Sie lächelte
— jetjt überlegte es jid) ber äBiberjprucfjsgeijt,
unb fdjliehlid) tarn er 3ur Crlenntnis.
So gejd)al) es. 9 lad) einer^Stunbe erjdjien
5 !arlmann roieber in einer gemiffen ruhigen
3 eierlid)leit, ungefähr roie ein ©atte, ber in
ben 51rieg geht. SCTUt fernsten Sugen erllärte
er Doni, bah er auf ihren Sßunjd) bas £et)te
oerjud)en roolle. ,Der Singer* jei allerbings bie
einige Üapa 3 ität, oon ber er eine Cntfd)eibung
hinnehme. 9Jtorgen oormittag roolle er 3 U ihm
gehen unb bem SIten jeine Sti 33 en 3 eigen.
Snbers als anbre junge 9JtaIer, bie it)n
um Sat baten, jtanb Üarlmann Sontinger oor
Srnolb Singer. Ctroas reifer rool)l, mit Cr*
Iebnisjpuren, aber äuherlid) auf bas jorg=
jamjte gepflegt, in einem neuen Überrod, in
meinen ©Iacehanbfd)uhen, bie mit jd)roar 3 en
Streifen oer 3 iert roaren. 5larlmann trug
bieje ungemöhnlidjen §anbjd)ube in einem
geroijjen Drohgefühl. 3 ^benfaIIs fd)ien er
aus teinem Sorgenleben 3 U tommen, er, ber
gejtern nod) 3 erguält unb ooll Demut roar.
Srnolb Singers Sugen ruhten überrafdjt auf
ihm. So jat) aljo ein ftunftjünger oon beute
aus. Cs rourbe ibm aber bei biejem Sttblid
bel)aglidf)er als unter ben ehrfürchtigen Süden
ärmlicher Detenten, bie oor ihm jtanben, als
ob jie ein Dobesurteil erroarteten. Sud) fiel
ihm bie oerjtärtte Shuüd)leit 51arlmanns mit
jeinem Sater auf. Sßohl jollte er roieber
einmal urteilen, biejelbe f^ein rourbe ihm 3 U=
gemutet roie jonjt, aber 3 um ©lüd jah er hier
nid)t bie gefährliche Ärijis einer angjtoollen
Äünjtlerjeele. Äarlmann jtanb ruhig, fajt
gemäd)lid) neben ihm. Sein 9Item ging ein
roenig jdjnell, jeine 9lugen büßten 3 uroeilen, er
roar jet>r rot — bas roarert alle 9iomingers.
SCRit unburchbringlichem ©ejid)t jtanb 9lmolb
9ünger ba unb blätterte in ber Sti 33 enmappe.
„3eid)nen müjjen Sie nod) lernen,“ jagte er
halblaut unb bann: „kommen Sie öfters nach
3riebrid)sburg?“ Sei einer £anbjd)aft, bie
.ftarimann für jeine bejte h^Ü, fragte er nur:
„3jt bas bas3jartal?“ Sei anbern murrte er:
,/ne lomijdje ‘iperjpeltioe“, unb bann fuhr er
jid) jd)neu 3 enb fort: ,,9td) ©ott, 3 ^ ©ltern=
haus! 3hr jdtjönes, unoergehüd^es Clternhaus!
So etroas lommt nie roieber. 3^ Sater roar
bodh roirtlid) ein ^ßrad)tmenjch. Sd)abe, bah
er als Mnjtler nicht nod) roeitergetommen ijt.
Unb 3t)i^ Slutter! 2Bie geht es benn eigent=
lief) 3hrer lieben, ent 3 üdenben 9Hutter?“ Sei
ben lebten SSorten lieh Srnolb Singer bie
Sti 33 enmappe los, jo bah ber Dedei 3 ufiel,
unb mad)te ji^ aid)t mehr auf. Dejto lebhafter
fuhr er fort, oon itarlmanns 9Jtutter 3 U jpredjen.
Snelboten er 3 ählte er bem jungen fötaler
oon ihr. 9Jtit ©rühen belub er ihn, unb ber
liebenstoürbige Crguh enbete mit bem ge=
fürchteten 9Jloment jolcfjer Sejudhe: Cr jah
auf bie UI)r. Cs roar 3 e ^t 3 um ©eben. Unb
ilarlmann jprach feinen innigjten Dant aus.
üarlmann hatte bie Über 3 eugung geroonnen,
bah ber föteifter bie Diners oon 3^t^brid)sburg
in banlbarfter Crinnerung hatte. Äarlmanrt
empfahl jidf). Cr roar jogar froh, fort 3 ulommen,
obtoohl er nid^t bas minbejte Urteil mitnahm
unb nicht einmal jeine Cinlabung ins Stelier
angebracht hatte. Cin eigentümlicher Saufd)
oerbarg ihm roieber alles Datjäd)lid)e. Cr hatte
eine Stunbe mit bem berüljmteften 9Saler
ber ©egenroart gejprodhen, er roar ber junge
Sominger aus 3 nebrid)sburg, unb toas bas
feltfamfte roar, jein grobes Streben hatte
plötzlich bie tiefen, fchmer 3 lid)en 3 ^ 9 ^ ®er=
loren. Cs roar ihm eigentlid) lieb, bah Srnolb
Singer über ben 5tünftler in ihm htTttaeg*
gegangen roar. Sil jein 3 1 * ) eifeln unb Quälen
Ireijte um Sbgrünbe — er hatte nur eins,
ein fßojitioes: er muhte, roas ed)te Runft
mar. So jtanb er auf berjelben £jöfje mie ber
roeltberühmte 9Seijter, jo mar er Sominger-
jd)er Selbjterlenntnis mürbig. Dah bie 3 U==
lunft mieber einmal 3 ugebaut unb lojtbare
3 eit für ihn oerloren mar — bas tarn jeinem
fchmärmerifd)en ©eijt freilief) nid)t 3 um Se=
muhtjein. (gortfe^ung folgt)
Sümmerna^tgeu) itter
^altjchlagenb in bie jd)mar 3 e Sommernadjt
Die jehmeren Segengüjje nieberfallen,
Srr meinem ^fenjtcr jtürgt bie mtlbe 3 agb
Sorbet mit fcharfem, flitternb hartem Stallen.
Der Donner fd)ilt im nahen üiefernroalb,
Die Slihe brennen um bie breiten Säume.
Da 3 tDifd)en angjtoergrabene Schmähe Irallt
Sid» in bes 3orjtes hütge 3 errte Säume.
Unb lod)enb peitfd)t ber Sturm ben nahen 3tuh,
3 m Slih bie meihert ©ifd)tgefd)roaber jd)leifen.
Son meinem genjter fei)' ich ©uh um ©uh
2Bte flüdjtig Seiterooll oorüberjtreifen.
3 enjeits am 3 'lrih ein §aus, in ©rau geprefd,
Das lebt unb ftirbt, mie es bie Slihe mollen.
Das meiße §aus, bas traute Slenfcherntejt,
Steht mie entgeistert oon bem SBettergrolIen.
©ujtao Schüler
ftfnjelm geuerbadö
fUma3onenjcf)Ia(^t
1146
Über £artb urtb Stfteer
1911. 91r. 44
habet ift, v baß oon bert oerfd)iebenften Seiten bie
gleiche ©ntfeßeibung getroffen mürbe, baß fomoßl
ein ©nglänber als and) bänifdje, beutfeße, italienifd)e
unb ungarifeße gorfeßer 3U genau bemfelben ©r=
gebnis gelangten, unb 3toar meift unabhängig oon*
einanber. ABas aber hat man ßerausgebraeßt?
Daß ohne feben 3 a>eifel 23 astifd) mit ben Spradjen
bes Sautafus, mit Dfd)ertef(ifd), ©eorgifdj unb
fiesgßifd) oerfippt ift. Diefe ©ntbedung ber lebten
gaßre ift oon ber größten Dragmeite. Die Stämme
bes Sautafus unb ber ^ßpreuäen finb miteinanber
oermanbt. Sd)ön! Sun tönnen aber boeß bie
£jorben, bie einft 3mifd)en ^ 3 prenäen unb Sautafus
häuften, nid)t oom Sirius gefallen fein. Die
3toingenbe Schlußfolgerung ift baßer: aud) in
fenem 3*üifd)engebiete müffen bastoibe unb tfeßer*
teffoibe £eute geroohnt haben. Sun ift aber roeiter
nid)t an3uneßmen, baß biefe fieute fpurlos, ohne
Sinb unb Siegel 3u ßinterlaffen, untergegangen
feien. Cßneßin fprießt bie irjäufigteit ber 23 rad)i)*
fephalie für bie gottbauer bes Dfcßerteffentpps.
Unb fielje, bie Vermutung ftimmt! dämlich
nodh heute ertönen in beut 3t°ifd)engebiet, toie
auch (üblich unb nörblid) baoon, bastifeße unb
tfeßerteffifeße Sßörter, SBörter, bie aus bem gnbo*
germanifeßen fcßlecßterbings nid)t ertlärt toerben
tonnen. Steift finb es munbartlid)e Ausbrüde.
Sontßherteffifcßer 33 rut ftammt ber Sees (®letfd)er
ber Dftalpen) oon georgifd)er ber ©ifcßpele, Dropf
Sd)toabens. gdj nenne ferner bas friefifdje Sag,
Sferb, unb bas pofenfd)e Srate für Sd)inbmäßre.
Aber and) feine, ja ßoeßtrabenbe Wörter ber
£iteraturfprad)e haben nidjt feiten oorarifeße
Aßnen. So tommt bas f.tol3e ABort 3 elter oon
bastifd) 3albia unb ben §engft oergefellfd)afte id)
mit tfcßerteffifd) 3<hen, Sferb. Ebenfalls oom
23 astifd)en tommt bas roeniger feine 93ür3el unb
bas fd)mei3erifdje £os, Sau. 2 Bas ift ein Spam
fertei? Das roeiß jeber. Aber auf roelcfje 9Bur3el
ift Span 3urüd3ufül)reu? Das toeiß niemanb.
Sur ber alte £eibni3 mußte es, ber fd)on oor 3toei=
hunbert fahren meiter fal) als bie gnbogermaniften
oon heute, unb ber feßon bamals bastifeße 2Bur3eIn
im Deutfcßen fueßte. £eibni3 erinnert an bas
bastifeße Span, bie Amme, ober aud) „fäugen".
Alfo ift Spanfertel ein Scßmeindjen, bas noch ber
Amme bebarf. ©ine gan3e Serlenfcßnur bastifd)er
ABörter hat jüngft oon ben Selben in ben rneft*
fd)mei3erifd)enSlifd)bialetten entbedt. geh bin feft
über3eugt, baß man aud) im gran3öfifcßen, gtalieni*
fd)en unb Aumänifd)en nod) eine gülle gleicher
©ntbedungen machen mirb. Übrigens hätte in
Deutfchlanb ber ABasgenmalb, bas ift ber ABalb ber
Sasten, oon felbft auf bastifd)e ©tpmologien
führen follen. ©inen Schimmer baoon hat offen*
Sprad)lid) bar nod) bie altbeutfd)e Sage. gßr $elb ift SBalter
nb funtel* oon Aquitanien. 3 u Aquitanien aber gehörte bie
iie tu ben ©ascogne, bas Sastenlanb.
Bermanbte ©s gibt immer böfe £eute, bie einem nid)t
©eleßrten glauben mollen. gür biefe finb unfre Silber ba.
mg mährte Auf ©tpmologien allein tarnt man teine Käufer
ffen £aute bauen. Aber bie Aßnlicßteit oon ©efid)tern ift eine
•ben. 9 Jtan Sache, über bie man nid)t fo leid)t hiuaustommt,
gnbianer. bie nicht fo einfach megbisputiert merben tann.
Ingenehnte Alfo man tue feine geehrten Augen auf unb fd)aue!
'TNie ©hemfuren im Atitteltautafus haben eine
befonbere ©emol)nheit beim 3 u>eitampf. Die
©emohnheit ift nid)t feßr menfä)enfreunblid), aber
fie ift menigftens originell. Atit einem Sd)lagring
reißen fie bem ©egner bas Auge aus. Die gleiche
Sitte beftanb bis oor tur3em noch in Sorbtirol.
Sei bem Soblertampf, ber im £od)fommer oben
auf bem Sißbicßler £orn ausgefodjten mürbe,
galt früher bas Augenausbrüden nod) für erlaubt.
Sonft lebt bie Sitte nur in Spanien unb im fpani*
fd)en Aterito fort, ©in smeiter geometrifeßer £)rt!
ABo ift heut3utage ein Stiergefecht 3U feßen? gn
Aterito, Spanien unb in ber perfifeßen ^ßrooin3
Atasenberan am Safpifee. ©in britter geometrifcher
£>rt! Aßo trägt man einen Sudfad? Diefes Slöhel
ift ohne 3 u)eifel fel)t be3eid)nenb. Sielleidjt benft
jemanb, auf einen Audfad tonnte jeber tommen.
ASeit gefehlt! Aod) nicht einmal barauf, baß man
am bequemften auf bem Aüden trägt, finb alle
Söller getommen. Der Aeger oermeint, ber itopf
fei oiel beffer ba3U, Saften 3u tragen; freilid) macht
es bem SReger aud) nicht oiel aus, menn fein Ser*
ftanb ein menig 3ufammengebrüdt mirb. ©in
©hinefe hält es überhaupt nid)t für menfehen*
mürbig, allein etmas 3U transportieren; es ge*
hören 3toei ba3u, bie bie Sürbe an einen Sambus
fteden unb fie fo auf ben Schultern tragen. Der
Armenier nimmt alles auf feinen ftiermäßigen
Saden. Aorbbeutfche unb ©nglänber haben feit*
lid) eine Aeifetafd)e. Sur ben Suffen unb Dataren
muß man es 3ubilligen, baß fie fid) nod) etmas Se*
gabteres als ben Sudfad ausgebadjt haben. Sie
plagen fid) nämlid) überhaupt nicht felber mit
Dragen, fonbem überlaffen bies gefälligft einem
gebulbigen ^ßferbe. Die golgerung hieraus? 3 d)
münfd^e 3U seigen, baß bie Art bes Dragens teines*
megs 3ufällig ift, baß fie irgenbmie mit bem
Stammesdjaratter 3ufammenhängt. ©s muß
alfo etmas Sefonberes bebeuten, menn fid) ber
Sudfad (urfprünglid)) nur im mittleren itautafus
unb in ben Alpen finb et.
Die Saturforfd)er haben fd)on längft heraus*
gebracht, baß in ©uropa einft Saffen häuften, bie
mit ben g^bogermanen gar nichts 3U tun haben.
Da maren 3unäd)ft Urräffen: ber äRenfd) oon
§eibelberg, oon Spp, oom Seanbertal, oon
itrapina. Diefe 2 Renfd)en, bie eine niebrige, 3urüd*
liegenbe Stirn unb feht ftart entmidelte Sinn*
baden hatten, finb mit ben heutigen Auftraliern
in eine ßinie geftellt morben. Darüber jebod) tobt
ein heißer Sampf, ob biefe Slenfd)en bis in bie
©egenmart bauern, ob Sachfaßren berer oon Spp
unb Seanbertal nod) unter uns im gleifd)e manbeln.
3 «h perfönlid) bin über3eugt baoon. Die Antßro*
pologen haben aber nod) eine gan3e Seiße oon
anbern Sienfcßenarten in Hreuropa ausfinbig ge*
maeßt, als ba mären 3 t»erge, oon benen man Sefte
bei ARonato fanb. gerner bie berühmte ©ro*
magnon*Saffe, bie bis 3ur Serberei reid)t, bann
tleinmücßfige £angfd)äbel, ho<hiuüd)fige Sur3*
fd)äbel unb Sermanbte ber Aino. 3 <h lebe bes
©laubens, baß aueß in bie ©egenmart nod) eine
3toergenabart fid) ßinübergerettet ßat. Sian muß
nur bie Augen auftun unb feßen. So lebt noch ein
3mergenoöltd)en in Deufenbad) unb in griefad) in
Ubinerinnen aus ASarbßafdjen im Dranstautafus
Df^erteffen in Deutfcßlanb: Siünd)ner Dppen. Sa^ 3 eicßnungen oon Hermann Slimfch
1911. 9tr. 44
Über Sartb unb 'JJieer
1147
auf foId)e ©orberafiens ^urücfgeführt: ein Dichter
muffte bie £autfd)iebcr uub ©ungelehrten be=
fd)ämen.
Stod) einen bemeisträftigen ©nbalt geben bie
Haustiere ab. Der SStenfd) ift mit feinen Dieren
gemanbert, mit ben jagbbaren mie mit ben gaijmen.
Stun ift bas irifdje Steh nad) ben gorfd)ungen bes
granffurter 3 oologen Dr. Sdjarff aus einer
Kreu3ung bes fibirifefjen mit bem tleinafiatifdjen
Steh beroorgegangen. Unb ber bastifd)e |junb ift
anatomifd) unb mertmürbigermeife 3uglei<b aud)
fprad)lid) gan3 genau ber tibetifdje §unb. ©Sabr*
fd)einlid) ift auch bas ©ferb aus Dibet getommen.
3d) tann hier einen ©eitrag aus eigner Erfahrung
liefern. 3 n einem oerborgenen Dale bes Sal3*
tammergutes unb in ber Stäbe oon ©aftein börte
id) ben ©usbrud Koten für Sd)inbmäbre. Das ift
bas fübtibetifebe Kotu, ©ferb. 3 d) grub bann
roeiter nad) unb fanb etroas $bnlid)es am Stil,
roo bie mittelafiatifd)en §ptfos t>or halb oier 3ab^
taufenben bas Stob eingefübrt haben; im ©It*
ägpptifdjen beifet nämlidb bas eble Dier ©btn. 2 Bie
bie ©öfter im Kaufe ber 3 eit 3U ©ßalbteufeln unb
$eren berabfinten, fo ift Koten nad) unb nad) jur
Scbinbmäbre geroorben. Stod) ein feltfames ©Sort,
ein mittelbeutfd)es, ift ebenfalls an ber Sdjtoelle
Dibets beimatbered)tigt. 3 ™ gmnlfurt nennt
man einen ungefügen Kal)n einen Scheid). Das
ift faft genau in berfeiben Lautung im
mrW] ©altiftan 3mifd)en Knnbufufd) unb Dibet,
ferner am ©uptjrat, roo ber roadere Deno*
W 1 . pbon in feiner ©nabafis ben Kelet be*
fd)reibt, unb in ©Ibanien roieber^ufinben.
3n biefen brei lederen fällen ift es ein
H 5abr3eug, bas fief) aus aufgeblafenen
3iegenfdjläud)en gufammenfebt.
Der Schlauch ift aud) nod) an einem
' jj anbern ©nbe ber ©Seit beliebt, greilid)
IjfjMh aus einem anbern, toeniger tu ädrigen
"Mal ©runbe. Die ©emobner ber ©Seft*
IRjj pprenäen beuor^ugen nod) beute ben
Infl Sd)laud) als Drintgefäfc. ©Senn fo ein
©aste Dürft bat, fo nimmt er ben —
meift 3iemlid) tueiträumigen — Sd)Iaud)
mit beiben £änben, bebt ibn bod), un=
IE m gcfäbr ein brittel SJteter fentred)t über
feinen SHunb, unb brüdt nun träftig.
Die gan3e Umgebung tann fid) nun an
bem fdjönen Strahl freuen, ber aus bem
Sd)laud)enbe burd) bie blaue Kuft bem
fyreilid) ift es am beften, roenn man uorber nod)
rafd) in ben Kautafus gebt. Dann toirb man 3U
Daufenben bei uns Köpfe erfpäben, bie fid) ebenfo,
mit benfelben Sd)äbeimaj3en unb bemfelben ©e=
fidjtsausbrud in ben §od)tälern ber Ufd)ba unb
bes ©Ibrus, in SJtingrelien, ©bd)afien unb Kadjetien,
bei ben Karatfdjai unb in Dbageftan finben. ©in
SJtann roie ©nbreas §ofer ift ber tlrtfd)erteffe;
fogar ©oetbe, uamentlid) aber feine SStutter, bat
etroas entfd)ieben ©eorgifdjes. Stiller ift ein
©nbi, roie er leibt unb lebt, ein ©nbi bes Dbageftan.
©s ift teine Sd)anbe, mit fieuten bes Kautafus
besfelben ©lutes 3u fein. irjaben bod) bie mehr*
haften Dfd)erteffen überall bie Scblad)ten bes
©abifebab gefd)lagen, auf europäifd)en Seibern
roie auf afiatifd)en, unb haben in ©gppten mächtige
£jerrfd)aften errid)tet, unb roerben bod) bie fd)önen
Dfd)erteffinnen in allen £jarems bes Orients be*
gehrt, oott Durtiftan bis nach SStarotto.
Stod) beftänbiger als ©ebraud)sroörter, bie aus
ber Urzeit in bie ©egenroart bineintönen, finb
Ortsnamen. Hnb ba finb roieberum bie Slufe*
namen bie beftänbigften. SStan nehme bie barm*
lofe Darm, an ber bas tunftoerftänbige Darmftabt
liegt. Sie bat einen erlauchten ©etter, nämlid)
ben Dreitaufenbtilometerftrom SStittelafiens, ben
Darim. 3 d) gebe 3U, ber ift nicht gerabe febr nabe,
©ber es gibt eine SJtenge uon 3tüifd)enflüffen, bie
fanft nad) ben ©egenben jenfeits bes
©amirs binüberleiten unb uns felbft ben r »
Darim roabrbaft nahe bringen. Da haben
mir ben Drin, ber flamifcb Drima Reifet,
in Sllbanien, unb haben ben Dpras bes
§erobot, ber in bie Donau fließt. Da ift _ 'V I
ferner ber Draous ober Drau, ba ift bie
Dreroen3 in ©ölen, ba finb bie Drentbe
in ^ollanb, bie Draoe in Storbbeutfd)Ianb,
ber Druentus im alten Oberitalien, bie \
Durance in ber heutigen Dorbogne, mei=
ters ber Douro, Duero unb Slbour auf
ber 3 berifd)en $albinfel, bie Dora ©altea
in ©iemont, bie Dl)ur in ber S<broei3, bie
Dürn in Oberöfterreid), bie Dura unb
Dula in Stuftlanb unb Sibirien, enblid)
ber Darn in Sübfrantreicb unb Siibeng=
lanb. Die Stibba ber Sßetterau bat ©afen
in ber toeftfibirifd)en Stpba unb in ber
Steba bes ©eloponnes. Stod) entferntere
©ermanbte bat bie Hrfel bes Daunus auf=
3umeifen; bie bat mit ber heiligen Hrfula
gar nichts 311 tun, roobl aber mit ber
iberifd)en Hrfola unb bem manbfd)urifd)en BMI
Sluffe Hrfon. ©benfo bat ber beutfdje
©rgen einen berühmten ©etter in bem ;
fautafifd)en unb manbfd)urifd)en Strgun, —
fomie bem nta3ebonifd)en ©rgines. Hnfre
Kenne fd)eint mit ber Kena 3ufammen=
3ubängen, ber Sltain mit bem etrustifdjen Sltinio
unb ber ruffifcbenSJtiniia, ber 9 tbeinmitbemtautafi=
fd)en Stion, bie SJturr unb ber Sltur mit bem Slrrtur,
mie aud) bem turtiftanifeben Slntu. Derart gibt es
eine ftattlid)e SIn3al)l oon beutf(ben Slufenamen —
id) mage 3U behaupten: bie allermeiften — bie tein
febnfüd)tigen SJtunbc 3uftrebt. SJtanbente
fff (ich nun, bah ber Drinter, mie es oft ge*
v< febiebt, in einem rumpelnben ©Sagen
fi^e, unb man mirb bie ©efcbidlid)teit
- mürbigen, mit ber ber Durftenbe fo 3ielt,
bah bie bs^bd)e Slüffigteit nicht in bie
3rre gebt, nid)t am SJtunbe oorbeifliebt.
Stur untunbige Srembe, bie es mit bem emig med)=
felnben ©prenäengefäfte oerfudjen, oerf^ütten bas
©etränt unb begießen fidb bie Stafe. TW aber
bie Stubanmenbung! ©astifd) beif# ber Silland)
©ota. Daoon tommt bie ©outeille ber S^an3ofen
unb unfre oielgeliebte ©ubbel ober ©ulle.
©ba3ifumuten (Dagbeftan)
namen auf ber ©Säuberung mit fort, ©uf bie ©Seife
ift ber Staute ber ©ngoba oon bem nörblid)en Darim*
beden 3ur beutfd)en Stogat unb 3um ©ngabin ge*
manbert. 3™ einer fpäteren 3 eit oerpflan3en bie
Siebter aud) bie meniger mid)tigen ©ergnamen
unb 3ulebt au<b bie Stäbtenamen. So mand)e
Spieen ber ©Ipen tragen biefelben ©e3eidb=
nungen mie $öben bes Kautafus unb bes
<rjinbutufcb; ©eld)en unb ©altan finb nid)t
ooneinanber 3U fcfjeiben. Stäbtenamen bat
im größten Hmfange f^on ber alte Steub
Diboer aus bem Sd)aurigebiet
^prtaner aus ©bobfal ©tad)i (Dagbeftan)
©in ©eorgier aus ©ori (Dranstautafien)
1911 (»b. 106 )
151
1148
1911. $ftr. 44
Uber £anb unb $Keer
Jeonore yfiersen - Deäelf- J7)/£ IMOrderrf&cfl wfmvfete Jfä/wlk'
VII
allein Sdjmippfchmager, ber£anbrid)ter
iffen Sie, meinen Sdhmippfdhmager, ben
£anbrid)ter, ben fann id) eigentüd) nicht
leiben. 2 Bie er ausfieht, bas habe id) 3 h ne n fdhon
früher einmal betrieben: menn bie Kugel mir!»
lid) bie oollfommenfte $orm ber ©rbe barftellt,
nähert er fid) aud) in biefer £jinfid)t burd)aus ber
Vollfommenheit. übrigen ift feine SBirfung
auf feine atebenmenfchen bie, bah man fd)Ieunigft
in ben nächften Spiegel gudt, ob man and) nid)ts
fd)ief fitjen hat, unb bah einem umgehenb alle
llnforreftheiten einfallen, bie man in feinem
gan3en £eben möglich ermeife einmal begangen
I)aben fönnte. Oenn bei il)m fit)t niemals etroas
fd)ief, unb er ift bie Korreftheit felber in ©eftalt
eines reinlid)en rofa ©mbonpoints. — Übrigens
fd)ätjt er mid) aud) nid)t. 3u meinem preuhifchen
Bartiftilarismus I)abe id) mid) einmal 3U ber
Vermutung t)inrei^en laffen, ein preufjifd)er 9 Jti*
nifterpräfibent märe mof)I fo oiel als ein hanfeati»
fd)er £anbrid)ter (mein Sd()mippfd)mager ift f)an=
featifd)) — aber erftens habe id) I)interl)er mein
llnred)t eingefehen (beim es ift nod) nie ein preufji*
fd)er 3 Jtinifterpräfibent in ben Senat gelommen,
ein t)anfeatifd)er £anbrid)ter aber fdhon oft), unb
3meitens hätte er meine minbere ©infidf)t in Be»
trad)t 3iet)en fönnen unb mir bie Sad)e nicht fo
lange nad)3utragen braud)en.
3nbeffen: unter llmftänben ift es bod) burdh*
aus oorteill)aft unb erfreulid), einen 9 Jlann mie
meinen Sd)mippfd)mager in ber gamilie 3U haben.
3<h fetje ihn ja nid)t oft — f)öd)ftens menn bei
meiner Sdjmägerin bie Kinber getauft merben —,
aber bei foldjen ainläffen I)at man bod) aud) faft
immer bie ©elegentjeit, feine eignen untlaren unb
oermorrenen ober logifcf) mangelhaften Bedjts*
unb StRoralbegriffe einer Prüfung 3U unter3iehen
unb an £janb eines einmanbfreien äJtufterbeifpiels
mieber in bie richtige ^ofition 3U rüden. Als
£aie unb äUenfd) oon loseren ©emohnheiten gerät
man ba furd)tbar leicht auf $ol3mege, mährenb
meines Sd)mippfd)magers juriftifd) gefdhulter Ver*
ftanb unb feine unbeftechliche Korreftheit ftets ben
Kernpunft ber Sache erfaffen — bas muh ihm
ber ateib laffen, menig äftenfdjen befifcen eine
folche ^Srä3ifion ber Rechts* unb äJtoralbegriffe
mie mein Schmippfdhmager, ber £anbrid)ter.
3 lls id) ihn bas Ietjtemal traf, maren es gleich
3mei 3älle auf einmal, bie uns ohne feine fdjarf»
finnige 3ateroention oollfommen aufs ©Iatteis
geführt hätten. 3d) mill fie 3hnen er3ählen,
hören Sie 3U, man fann nur baoon lernen.
*
3m erften $alle hanbelte es fid) um einen
Brotbeutel. Ober, richtiger ausgebrüdt, um Brot
in einem Beutel. Oer Beutel gehörte einer alten
Oame, bie fid) ebenfo ungern mie ihr altes äUäbd>en
im 3 Horgenfd)Iafe ftören lieh- StRan hängte bes»
halb befagten Beutel bes aibenbs oor bie $austür,
unb ber Bäderjunge ftedte bes Sdlorgens ohne bas
ftörenbe ©eflingel bas frifdhe SDlorgengebäd hin*
ein. SBorauf man fid) fein $rühftüd holte, menn
man allerfeits behaglid) ausgefdjlafen hatte.
31 b er eines Borgens mar ber Beutel famt ben
Brötchen oerfchmunben. Oie alte Oame, bie bem
Bäderjungen jenes mangelnbe Vertrauen ent»
gegenbrachte, bie meiblidhe SBefen über fünf3ig
Jünglingen 3mifchen oier3ehn unb fieb3el)n 3U»
meilen entgegen3ubringen pflegen, bie alte Oame
meinte 3unäd)ft, ber oerflirte 3unge mürbe moI)l
fd)ulb baran fein, unb aus biefem ©runbe machte
fie £ärm. Aber hinterher münfdhte fie faft, fie
hätte überhaupt nid)ts gefagt. Oenn es ftellte
fid) babei heraus, bah biefe unbeauffidhtigten
Brötchen 3ur Verfügung für ein elenbes, halb*
oerhungertes Bettelmeib gemorben maren, bas
mit feinen ebenfalls halboerhungerten ©ören am
frühen SDtorgen bie Strahe paffiert hatte.
©in Machbar hatte fie gefehen. Sie mar bie
ailülleimer entlang gehumpelt, ein ©ör auf bem
31 rm, eins am 3 lod. Unb bie fchönen frifdjen
Brötchen hatten ba gebaumelt unb oermutlid)
höd)ft oerlodenb gebuftet. Sie mar 3uerft oorbei*
gegangen. aiber bann mar fie 3urüdgefommen
unb hatte fehnfüd)tig gefdjielt. Oann hatte fie fid)
ein 3meites 9 JZaI be3mungen unb mar oorbei»
gegangen, aber fd)on ein buchen näher, hierauf
hatte auch öas ©ör an ihrem 3 lod angefangen 3U
fd^nüffeln mie ein Keiner §unb, unb bie grau
*) Siehe „Uber fianb unb 23ieer" 9lr. 20, 22 26,
31, 35 unb 40.
§ans Setters fec.
mar ein brittes SDtal, biesmal gefährlich hart an
ben 23 rötd)en oorbeigeftrid)en. 91 ber fd)liehlid)
maren hoch mohl ber junger ober ber mütterliche
3nftintt ftärter gemefen als bie '©hrfurdht oor bem
fremben ©igentum: fie hatte haftig ben ^Beutel
abgeriffen unb fid) famt ihren ©ören eilenbs in
bie benachbarten Einlagen geflüchtet.
93 ier Brötchen hatte fie erbeutet. Slber ba
ber a^adhbar fie gefehen unb bie alte Oame £ärm
gemacht hatte, märe fie megen biefer oier ^Brötchen
oor ©ericht getommen, menn bie alte Oame es
nicht felber oerhinbert hätte.
„Unb es mar gut, bah id) bas tonnte!“ fagte
bie alte Oame. „Oenn menn bas arme ©efd)öpf
beftraft morben märe, märe id) mein £eben lang
nicht über bie peinliche ©mpfinbung meggetommen,
bah itn ©runbe genommen mir mit unfrer 5 Be=
quemlidjteit fd)ulb baran gemefen mären! SOtan
ift oiel 3U gebantenlos in folgen Sachen; man
füllte es eben oermeiben, feine huagernben 9 Jiit=
menfehen fo in 33 erfud)ung 3U führen! Oenn auf
men fällt hernach bas bide ©nbe? 21uf ben, ber
fchon oon oornherein fd)Ied)ter baran ift. ©s ift
gan3 gut, menn man fid) fo etmas einmal tlar»
mad)t. Unb menn ich es bei £id)t befehe, habe
id) entfd)ieben mehr profitiert als bie arme Kreatur
mit ihren oier 23 rötd)en, bie fie nicht einmal felber
gegeffen hat. 3^ habe mir eine £ehre baraus
ge3ogen,“ fdjloh bie alte Oame, „bie mir mehr
mert ift als bie oier 23 rötd)en!“
3d) muh nun geftehen, mir maren fo gehanten»
los, ber alten Oame 3U3uftimmen unb ihre ©e*
finnung 3U loben. 5 Bloh ein S^äulein fanb, es
märe aber bod) fchredlid), menn man morgens
deine 23 rötd)en 3um Kaffee hätte, unb ein |>err
fagte, fie hätte fid) über eine eoentuelle Seftrafung
ber SBettlerin gerabe teine grauen $aare machfen
3U laffen braudjen, benn eine Ungefeijlichteit märe
es immerhin, unb auherbem hätte fie für fo einen
Keinen Sütunbraub höchftens einen Oag §aft ge»
triegt. alb er bie alte Oame meinte, fie hätte an
bem ailorgen einfad) ©raubrot gegeffen, unb ihr
9 led)tsgefühl fage ihr nun mal, bah biefe arme
äHutter ohne ihre ©ebantenlofigteit gar nicht in
bie gefährliche Situation hineingetommen märe.
Unb mir maren auf bem beften Sßege, uns bei
biefer fentimentalen aiuffaffung ber Sadhe 3U be»
ruhigen unb ber Ungefetjlichteit in unferm ^er3en
S 3 orfchub 3U Ieiften, als uns 3um ©lüd mein
Sd)mippfd)toager barüber belehrte, mie menig mir
überhaupt imftanbe maren, bie Oragmeite biefes
©reigniffes 3u überfehen. ©r griff in bie Unter*
haltung ein, inbem er fid) bebeutungsoollräufperte.
„© — ehern —hem!“ machte er, unb hietauf
fahen mir ihn alle ermartungsooll an, benn, mie
gefagt, er ift mirtlid) ein Kuger Kopf.
„älteine ©näbigfte!“ bemertte er, inbem er bis»
tret, aber ausbrudsooll mit feinem ^ßin3ene3
agierte. „äUeine ©näbigfte! 3<h) fürdjte, 3ht
ebenfo echt meibliches mie unlogifdjes SCRitgefüI)!
oerleitet Sie ba 3unädf)ft gu einer SSerquidung oon
3 Jtomenten, bie in 2 BirKid)leit nichts miteinanber
3U tun haben, ©s oerleitet Sie aber auch ferner,
mas fchlimmer ift, unter 33 ertennung ber eigent»
liehen Sad)Iage ben Kernpunft ber Angelegenheit
oöllig auher acht 3U laffen. 3 <h toeih nicht, ob Sie
fid) bemüht finb, auf ©runb un3utreffenber 33 or*
ausfehungen eine 31 erbred)erin bem ?lrm ber
ftrafenben ©eredhtigteit ent3ogen 3u haben?“
„atanu?!“ fagte bie alte Oame oerblüfft.
3d) aber lieh mich leiber hinreihen, unbebad)tfam
aus3urufen: „§errje! Oann finb mir, glaub' id),
alle[amt Verbrecher! §anb aufs §er3: mer hat
nie in feiner 3ngenb Gipfel ober pflaumen gemauft,
menn bie ©elegenheit gerabe günftig mar? Unb
ich glaube nicht, bah mir 3toei hungernbe ©ören
bamit fattgemad)t haben!“
„Oer im übrigen etmas unfachliche ©inmurf be*
meift meiter nichts, als bah öer Kempunit ber Sache
aud) oon anbrer Seite oöllig überfehen mirb!“ be»
mertte mein Sd)toager mit fühlbarer Überlegenheit.
„aiid)t mahr? Oas ift bod) etmas anbres, menn
an einem 23 aum ein paar Gipfel fehlen, als menn
man morgens leine Vrötd)en 3um Kaffee hat!“
fagte bas 3mulein D on oorhin, erfreut, mit bem
juriftifd) gefd)ulten (unb auherbem unoerheirateten)
Verftanb einer aOteinung 3U fein.
„atuch bas ift burd)aus nicht basjenige, mas
ich im atuge habe,“ lehnte mein Sdjmippfdhmager
höflid), aber Kihl ab. 3 Borauf ber £>err, ber an»
fangs bie Ungefetjlichleit betont hatte, ebenfalls
feinen Sdlunb auftat unb bemertte: „ata, hören
Sie mal! Verbred)erin ift benn bod) ein bihdjen
ftarl! 3 <h fage ja felbft, bah es eine Ungefe|lid)»
leit mar. aiber ba möd)te id) mid) benn hoch lieber
ber aileinung ber gnäbigen ^rau anfdhliehen.
Herrgott, megen eines harmlofen 3 Jlunbraubs—“
„Sie haben, geftatten Sie mir, 3h^en bas 3U
bemerlen, Sie haben ben Kernpunft bes Falles
ebenfomenig beachtet!“ unterbrach il)n mein
Sd)mager. ,, 3 d) gebe 3 h^^ ährte meiteres 3U,
bah unfer ©efeh für ben Vlunbraub nur oerhältnis»
mähig geringe Strafen in ainmenbung bringt.
Oarum hanbelt es fid) hier aber nicht, ©s hanbelt
fidh hier um Oiebftahl. Paragraph 242 : 2 Ber eine
frembe, bemeglid)e Sad)e einem anbern in ber
aibfid)t megnimmt, biefelbe fidh redhtsmibrig 3U=
3ueignen, mirb megen Oiebftahls mit ©efängnis
beftraft. Oer Verfud) ift ftrafbar.“
„Aber erlauben Sie, biefe oier Vrötdhen —“
„Oiefe oier Vrötchen finb bas burdjaus ateben*
fäd)lid)e! ©s ift übrigens bemerlensmert, bah öer
£aie fid) ftets an bas 3 tebenfäd)lidhe Hämmert,
mit §intanfehung bes fünftes, auf ben es 3ur
Beurteilung anlommt. 2Benn bie 3rau einen
aitunbraub beabfidjtigt hätte, fo hätte fie bie
33 rötd)en aus bem Beutel entfernen müffen! Oas
hat fie aber burd)aus nid)t getan. Sie hat fich ben
Beutel angeeiguet. Oer Beutel, meine §err»
fchaften, ber Beutel ift alfo bas, morauf es hier
anlommt! Oer Beutel ift eine frembe, bemeglidje
Sache —“ („Sehr bemeglid). ©r baumelte!“
marf ber $err mit bem 3 Jtunbraub rad)füd)tig ein.)
„©ine frembe, bemeglid)e Sache,“ ful)r mein
Schmippfdhmager fort, ohne ben törichten ©in»
murf 3u bead)ten, „alfo haben mir es I)tt* m tt
einem glatten Oiebftahl 3U tun, ber unter allen
llmftänben mit ©efängnis beftraft morben märe.
Sie fehen, meine ©näbigfte, es mar berechtigt,
menn id) 3 h™en fagte, bah eine Verbreiterin
begünftigt haben unb bah öer Kernpunft bes
Falles meber oon 3h n ^ n n0( ^ üon *> en anbern
§errfdhaften erfaht morben ift!“
Oamit fd)toieg er. aiber mir anbern fdhmiegen
audh unb maren gän3lid) gefdhlagen. aBaI)rI)aftig,
baran hatte feiner oon uns gebad)t. ©r hatte recht.
2 BeiI bie grau unb bie Kinber hungrig gemefen
maren, hatten mir alle in ber benlbar primitioften
©ebanlenoerbinbung bloh an bie Brötchen ge»
bad)t: id) fage ja, als £aie gerät man hoch immer
auf £ol3mege!
„aVieoiel ©efängnis Iriegt man benn mohl,
menn man in ber ©ile ben Beutel mitermifd)t?“
fragte id) fleinlaut.
„Oh — örei bis fed)s äUonate,“ bemerlte
mein Schmippfdhmager lüf)l. „ 3 ,u biefem $alle
mürbe id) in Anbetracht ber bemiefenen Kedl)eit
fedhs aitonate für angebracht halten.“
Oonnermetter ja! Sechs 3 Jtonate ©efängnis!
2 Bir maren alle eingefd)üd)tert. Sogar bie alte
Oame unb rechtmäßige Befi^erin bes Beutels
unb ber Brötchen, obmohl fie bie 9 totmenbig!eit
ber fed)s äRonate hartnädig nicht einfehen mollte.
£an&$be*g am £ecfy* einer 9labierung t>on (L ^eper-^afel
1150
Jtber £ctnb unb Sfteer
1911. $nr. 44
Sechs SJlonate ©efärtgnis. Teufel auch! SRit
einer %troärterin auf fedjs SRonate ©efängnis
teilt man fct)liefeli<f) nicht gern feine Spmpatßien!
SJlein Scßmippfchmaget mollte uns noch bie jurtftt*
fd)en Reinheiten auseinanberfeßen, bie entftanben
mären, menn bie alte Dame unb ber liefernbe
23äder in einen Scßabenserfaßftreit ßineingetom*
men mären, aber mir hatten gang genug. 2 ßir
fanben, mir Ratten uns mit bem einen Rail ge*
nügenb blamiert, unb sogen es oor, bas Dßema gu
medßfeln. llrtb mir fanben milllommene 2 lblentung
in bem 3 meiten Rail, ber bie ©emüter meit inten*
fioet gu erregen berufen mar als ein fimpler 23rot=
beutel, ber oßne bie 2lnmefenßeit ber alten Dame
gar nicht aufs Dapet gefommen märe.
Diefer gmeite galt betraf einen Leutnant, unb
er mar in ben oerfcßiebenften Greifen aufs leb*
Oaftefte befprodßen morben.
(Sang gart befaitete (Semüter bitte ich an biefer
Stelle bie £eftüre abgubred)en. Denn es läfet fid)
nidjt oermeiben, feftguftellen, baß ber ermähnte
Äeutnant eine offentunbige £iebfcßaft hatte.
Das Fräulein, bas es oorßin fo fdjredlid) ge*
funben ^>atte, menn man teine ©rötdjen gum
Kaffee hätte, bas Fräulein meinte, fo etmas bürfte
überhaupt nicht oorlommen. Unb ber Leutnant
müßte einfach ben 2lbfd)ieb Wegen.
Das fanben mir anbern etmas rigoros. Unb
auch etmas bebenllid). Der 2lbfd)ieb möchte bann
leicht djronifd) merben in ber Armee.
„SCBarum heiratet er fie benn nidjt einfad)?"
erlunbigte fid) bie alte Dame mit bem ^Brotbeutel.
2tber ber §err mit bem äRunbraub erllärte ißr,
bas ginge nidjt. Der Leutnant mürbe leinen £on*
fens bagu erhalten, benn bas 9Jtäbcßen märe unter
feinem Staube. Unb er, feinerfeits, er mürbe es
am ridjtigften finben, ber Leutnant madjte ent*
fcßloffen einen Strich burd) bie gange Sache unb
ließe bas SOläbel laufen.
2Iber eine jüngere Dame miberfpracß ißm
energifd). Das ginge erft redjt nicht, fagte fie.
Sie fenne bas junge SOtäbdjen, es märe ein gutes,
unbefcßoltenes unb arbeitfames ©efdjopf, bem
außer biefer einen unüugen £iebe nicht bas aller*
geringfte uachgufagen märe. Unb es märe nur
forreft unb richtig oon bem £eutnant, baß er fie
jeßt in ißrem Rcmtmer uid)t »erließe — es märe
gang bas, mas fie (bie jüngere Dame) ftets oon
bem Leutnant ermartet hätte I
„2Barum gießt er benn nidjt einfach ben bunten
Dodaus, mennberbaseingige§inb'ernisift?" fragte
bie ßartnädige alte Dame mit ben 23rötcßen meiter.
äßorauf ein jüngerer irjerr fie belehrte: Das
ginge uym gang unb gar nicht! Denn ber £eutnant
hätte gmei 23rüber, bie Affigiere, unb einen 93ater,
ber (Seneral märe, unb außerbem noch einen Dnlel
JDtajor. (Et tonnte bodh feiner militärifcßen 33er*
manbtfcßaft nicht einen foloßen Dort antun!
hierauf fing bas Rräuleht oon »orßin mieber
an: Die ©efd)id)te märe aber einfach ffanbalös,
unb man müßte entfdßieben 33orteßrungen treffen,
foldje äRenfdßen aus ber guten ©efellfdjaft gu
entfernen! Der jüngere £jerr unterbradh feinen
Disput mit ber alten Dame, um ißt barauf gu
antmorten: Die gute (Sefeltfcßaft mürbe feßr übel
tun, alte £eute mit £iebfd)aften ausgufdhließen,
benn bie feurigften Elemente mären auch ftets bie
beften. 2 lber oielieidjt fpracß er etmas pro domo,
benn ber §err mit ben 9ted)tstenntniffen betonte
oon neuem, ber £eutnant täte beffer baran, fid)
oon feiner Duenna gu trennen, morauf ißm bie
jüngere Dame mieberum aufs heftigfte miber*
fprach unb ebenfo unoerrüdbar an ihrer Stuf*
faffung feftßtelt, ber nämlich, baß ber £eutnant
bas Sütäbcßen auf feinen Rail oerlaffen bürfe.
Die alte Dame unb ber jüngere |jerr gerieten
bermeil in einen erneuten Disput über bie
StRöglicßteit ober Unmöglichieit einer irjeirat —
furg, bie äReinungen gingen benfbar auseinanber,
unb felbft menn man fidh aufs eßrlicßfte anftrengte,
objeftio gu bleiben, mürbe es immer fernerer, gu
fagen, mas ber £eutnant hätte tun ntüffen, oor*
ausgefeßt, baß er nun einmal nicht als 3 ölibatär
auf bie 3Bett gefommen märe.
2Bir hätten uns gemiß noch brei Stunben nuß*
los ßerumftreiten tonnen, menn fidh weht fcßließ*
lieh mein Scßmippfcßmager auch in biefem Salle
unfrer erbarmt hätte.
3 <h glaube, er ftanb fdfjon lange feßußfertig,
aber möglidjermeife mollte er uns bie Sache erft
bis gur ^offnungslofigfeit erfchöpfen laffen, mög*
lidjermeife mar er oon feinem Stanbpunft aus
auch nur faffungslos über unfre SRatlofigfeit einer
fo einfachen Angelegenheit gegenüber. 2 lber
fcßließlich tarn er uns bod) gu $ilfe.
3 ch muß fagen, id) mar gefpannt, als er feinen
SRurtb auftat. 2Bas, fragte idh midh gmeifelnb, mäs
hätte ber £eutnant als forrefter äRenfcß tun follen?
2Bir feßmiegen alle füll, als mein Scßmipp*
fdjmager eingriff; feit ben oier 23rötcßen, bem
SBeutel unb ben fedjs StRonaten (Gefängnis hatten
mir SHefpeft oor iljm gefriegt. Sogar ber §err mit
ben Sledhtslenntniffen beßanbelte ißn mit 3)orfid)t.
3lber er übertraf unfre fünften (Srmartungen.
(£r fprach mie ein gmeiter Salomo. SCRit einem
eingigen Säße machte er uns flar, mie oerfeßrt
ber £eutnant oon allem Einfang an geßanbelt
hatte unb mie meit mir felber uns mieber mal oom
eigentlidhen Kernpunft ber Sache entfernt hatten.
SKRit einem eingigen 6 aße, inbem er mit über*
legener ©elaffenßeit bemerfte:
„$lber ba geht man bod) einfach nach 23erlin!"
2Bir faßen einanber an unb fdjmiegen befdßämt.
Sogar ber irjerr mitben 91ed)tsfenntniffen fpraeß oon
ba ab nurnodh oomSBetter, unb er tat recht baran.
*
Seßen Sie: idß fagte ja gu 2lnfang, idß fönnte
meinen Sdhrnippfcßmager eigentlich nidßt leiben.
2 lber man muß mirflich oon 3 eit gu 3 eit froß fein,
einen foldßen SCRann in ber Samilie gu ßaben.
9Jian ift als £aie tatfäcßlich gu unfidßer in feinem
Urteil unb gu menig befähigt, fiel) in redßtlidßen
unb moralifäjen Dingen ein abfdßließenbes Urteil
gu bilben. 3ntmer, menn idß jeßt einen 53rot*
beutel feße, merbe idß mir befdßämt bemußt, baß
unfereiner nidßt einmal ben fimpelften Datbeftanb
eines 23erbredßens gu erfennen imftanbe ift. Unb
mas bie äRoral angeßt, ift mir nun enblidß auf
meine alten Dage ein £idßt aufgegangen, mie man
es fertigbringt, ftets ein mufterßafter 23ürger, ein
iorrefter 23eamter, ein untabliges Äglieb ber an*
ertannt folibeften Samilien gu fein, oßne alle unb
jebe ärgerlichen Sfanbate unb unliebfam gmeifel*
ßafte Situationen. Ubermältigt habe idß ertannt,
mas uns Unglüdlidjen feßlt, bie mir menig er mufter*
ßaft unb •— adß! —- gumeilen mürbelos finb.
Denn, nicht maßr?
Da geßt man bod) nach 23erlin!
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4 4
Kvr
I ch haV getragen deine Schleppe,
Frau Königin, drei Monde lang,
Empor, hinab auf jeder Treppe
Bewundert deinen stolzen Gang.
Ich hab' dir, war dir heiß, gefächelt,
Mein Denken ganz in dir vereint,
Ich hab’ bei jedem Scherz gelächelt
Und, wenn du traurig warst, geweint.
Ich habe auch zu deinem Gatten
Geleuchtet dir in mancher Nacht,
I oOÖOqOÖ
O ooo£
000(V
Von
Fr.Wv. Oesteren
Hab’ dir gedient als stummer Schatten
Und habe deinen Schlaf bewacht.
Doch hast du nie von meinen Mienen
Gelesen, ob es leicht mir fiel,
Dir stumm in jeder Art zu dienen;
Ich war dein Page, war dein Spiel. —
Frau Königin, gib dir die Mühe
Und lies mir jetzt vom Angesicht,
Was ich heut tat in aller Frühe,
Im ersten Morgendämmerlicht!
Du fährst vom Lager auf erschrocken ?
Du siehst mich heut zum erstenmal?
Sei still und streiche dir die Locken
Von deinen Wangen, schreckensfahl!
Sei still! Dir soll kein Leid geschehen,
Von dem es kein Gesunden gibt.
Doch sollst du mir ins Auge sehen
Und wissen, wie ein Page liebt.
Ich litt zu tief an sehnsuchtsvoller,
In stummer Brust getragner Qual.
Frau Königin, ein Liebetoller
Erschlug dir heute den Gemahl.
3 qOOOo
*
ooOn rp°°
% 0° 0 0<*3°
1911. 9tr. 44
Hber fiartb urtb 99?eer
1151
^ßarifer langen
QfTJenn man irgenbom in
bem flutenben £eben
oon Raris „eh, gösse!“ [dpel=
ten ober fd)meid)eln hört,
roirb man gleich beim Um*
brehen in bie ©efid)ter oon
üinbern fehen iönnen, benen
ber Ausruf gilt. ©inmal ift
es ein putjiger ünirps oon
tnapp brei Sauren, ein anbres
Rial fd)on ein rid)tiger Rad*
fifdE) oon fed)3ehn ober gar
fieb3el)n. Denn 3toifd)en brei
unb fiebßeljn etroa ift man
„gösse“, bas itinb, unb als
„gösse“ bas ed)te Rarifer
ftinb, bas „enfant terrible“
unb „enfant gäte“ fein famt,
ohne aber im ©runbe richtig
jemals enfant gu fein.
Denn bas Rarifer 5 tinb
roirb —immer im allgemeinen
gefagt — äl)nlid) bem
jübifcf)en 5 tinb fdjon mit
ber ßaft einer 3U großen
ilultur, eines 311 alten
Raffinements geboren,
hat oon oornl)erein 3U
oiel Rorausfehungen im Rlut, um gan3 unb
gar ftinb 3U fein. Urtb es ift, als ob fid) felbft in
alle feine Spiele, Sollseiten unb ©ra3ien etroas
oon ber oft ^eiteren, oft meland)oIifd)en Sd)toere
einer hei™^) getragenen Reumhtheit hinein-
fd)lidje. Rtan fanrt nicht einfad) bas alte 2 Bort
toieberholen, bah ihm bie tinblid)e Raioität gan3
fehle. ©s ift aber in feinem Rlid unb in feinem
©ebaren meiftens
irgenbtoo ber feine
Schatten einer frühen
Reife; gan3 fein ift
er unb fo 3art geäbert
roie ber Silberbunft
oor ber Riorgenröte.
Das l)at befonbers
jener ftinberblid, ber
einen aus Rutomo*
bilen trifft, etroa aus
bem Spiegel heraus,
an ber Rafe mit fri=
fd)en £)rd)ibeen oor*
bei; oon jenen 5 Ün*
bern, bie auf ben üp=
pigen Seppidjen ber
oielen reid)en Käufer
fpielen, bie man in
totetter ©ra3ie fd)on
in ben £ogen ber
SI)eater auftauchen
fiel)t, bas ©efid)t nod)
nid)t — roie bas ber
Rlutter — oor3üglid)
gefcSmintt, aber bemüht ber grifdje unb bereit 3U
jeber ftunft unb üünftlid)feit, bereit 3ur Reife,
tfinber, roie fie mit Vorliebe in feiner fid)eren,
feinen Rrt §enri Rfariffet 3eid)net unb malt, mit
feinen leife ftreid)elnben garben, mit oäterlid)er
3 ärtiid)feit. Selbft bei ihm bat mand)mal fold)
ein Ding oon fed)s, fieben, 3et)n 3 ah*en fd)on
etroas ©noad)fenes in Haltung, Son unb Re*
pt//i c/e ZJmfWM*
RIafat oon SS- Steinlen
roegung, bas rüSrenb, anmutig unb ein gan3 tlein
bi§d)en traurig 3ugleid) crfd)eint. Unb roenn
fold) ein 33 ürfd)Ieiu bem Diener, mit bem er
eben nod) herumgetollt, höflich Refdjeib fagt, hot
er fd)on etroas oon ber Rßürbe, mit ber fein Rater
unb fpäter er bas Raub ber
©Srenlegion trägt, ©ar 3U
Säufig ift iSre Rnmut, iSr
Üinberf3enen. Rad) 3 eid)nungen oon Routet be Rionoel
£äd)eln, iSr ererbter unb gepflegter Sd)id — ber
fid) natürlich bei ihnen genau fo roie bei ben
©rohen als Selbftoerftänblidjteit finbet — fd)on
©efte getoorben, ohne bah fie es felbft anbers
roiffen als mit einem bumpfen 3nftinttgefühl, eine
naturgeroorbene ©efte, bie einfach 3U fold) einem
ftinbe gehört. 3<h toerbe niemals a
bie Rttitübe eines jener Kultur* /
Dr. 3oa(him ^ticbenthal I
järtlinge, fold) eines i
tounberhübfeheu tleinen I
Riäbd)ens oon elf 3 <*h ren •
oergeffen, bas mir ein* I
mal in einem Salon bie f
9Barte3eit oertrieb. San* I
gelte burd) bie portiere I
herein, nidte, fah in I
ben Spiegel, brel)te fid), I
3upfte herum unb machte I
felbft fid)er: „Rid)t toahr, I
id) bin fd)id? Unb.fagen I
Sie, bitte, I)übfd) bin ich •
bod) aud), fehr hübfd) fo* I
gar, meint Rlonfieur I
Sran^ois immer.“ 3d) I
ftrid) ihr mit ein paar *
teherifd)en RSorten lä* I
d)elnb übers §aar. Unb I
babei hob fie jenen halben I
Seitenblid echt frauen- \
Safter ftotetterie mit if)= I
rem 3 a unb Rein, ihrem I
©etoährenunbRerfagen, I
unb reid)te mir mit gro* I
Ruf bem Sdjulooeg her ©mfthaftigteit—roie I
3etd>nung oon 9C. Earleglc au | foen gWQerfpihen I
— bie d)aratteriftifd)en I
RSorte hin: „Rßollen Sie nun eigentlich mich ober I
Rlama lieben?“ — „ 2 Bie, bu gösse!“ — „ 3 a, I
id) möd)t's gar 3U gerne onffen. §ier tüffen Sie f
mir fdjnell bie §anb — unb jetjt ben Riunb. Oh, I
mon Dieu, 3U heiraten brauchen Sie mid) beshalb *
ja aud) nid)t...“
Dann bie anbern aus ben tleinen Rürger* I
Säufern oben im Riontmartre ober ben anbern I
Stabtteilen. RSie bas I
mit 3toölf, brei3ehn j
3ahren fd)on mit ben |
Rügen ooirft unb bie j
älteren ©efd)toifter— !
benn fie fehen es ja j
oiel 3U früh Qon3 offen |
oor fid) — um ben |
3reunb ober bie 1
greunbin beneibet! I
Da gehen fie 3U breien 1
unb oieren burd) bie j
Strahen,fihenfreunb= !
nachbarlich in allen I
©onciergelogen, ooif* 1
fen faft fdjon oon allen j
fiiebfd)aften bes Rier* 1
tels unb tragen noch I
harmlos ihre eigne !
Sehnfud)t auf bie j
Strahe. Die gröhte 1
bleibt ihnen oorläufig j
noch „Le bal“, ber 1
grohe öffentliche Rail j
im Rioulin be la ©a* 1
lette, bei RuIIier oberSabarin. Dort ben Saumei bes j
ftinberfpiels in ben Raufd) ber Retoeguug unb in 1
ben erotifdjen Raufd) ber Rähe umroanbeln, Sän3er
finben, bie Rerehrer, oielleictjt gar reid)e greunbe 1
roerben, in all bem £ichtglan3 froh fein unb oon j
nid)ts uoiffen als oon San3, Saumei, Spiel unb 1
£uft — at), bas ift ftarte Sehnfud)t! Dann tommt j
aud) bie grohe Stunbe, ba man fid) heimlich oer* 1
Äampf um bie ^ßuppe
3 eid)nungen oon Delagraoe
5 Uaffenunterfd)iebe
1152
Über ßartb unb Sfteer
1911. Wr. 44
Die 3üngfte oom 93allett
SRadj einer IRabterung oon M IRenouarb
abrebet. Die eine feat (Selb, um ben (Eintritt zu
3 afelen, bie brüte genug für bie feat
ben Stritt geübt unb oerftefet es fcfeon fef)r gut,
fogar ä la Boston, nur nod) nicfet fo —
fo frei unb ungeniert, roie man bort tan^t.
So fliegen biefe frühen 93ögel unb fleinen
Motten gerabe aus bem ftinberfpiel auf
bie locfenben ßicfeter ber Dan^fäle 3 U, um
ficfe bort halb bie Flügel 3 U oerbrennen.
Man fiefet jte bann oft nicf)t allzulange ,
3 eit fpäter in ben eleganten Mufetlotalen ! /
auftaud)en. Mit großen, feltfam toeiten
unb oiel 3 U oiel roiffenben ftinberaugen
— aber eine ganze 3 eü finb es roirtüd)
immer nod) ftinberaugen — fifeen fie bie
Micfete feinburcfe an bem unb jenem Xifcfe,
auf bem unb jenem Scfeofe unb tan 3 en
leibenfdjaftlid) auf bem roten Deppicfe 3 U
ber aufreizenden 3 igeunermufit, bie jun¬
gen, (einigen ©lieber in bunte, oom gtacfe
9Birt geliehene Ritter ober in bie
eignen oft nod) bürftigen Kleiber ge=
feüllt. Unb gelegentlidj reifet ein im=
ponierenber Kellner oon gemeffener
ßiebensroürbigleit folcfe ein armes,
mübes ioafdjerle oon fünfzehn, fed)=
3 efen oom Stufet unb fcfenarrt oer*
traulidj: „Eh, gösse, macfe bem £jerrn
Matj, fucfe bü lieber einen Scfeofe."
Deren betounberte greunbinnen
finb es, bie im 93allett ber Oper tanzen,
ben jungen ftörper unermüblicfe üben
unb oerrenfen unb über alle Müfeen
feimoeg immer nur ben ©lan 3 ber [träfe=
Ienben Szene, ber feeIlen5Xo[tüme, ber
propfee 3 eiten Karriere füfelen. So roie
fie $aul tRenouarb 3 eicfenet mit ben
fliegenben ©azeröd(feen unb ben flie*
genben 23Iiden, ober Steinlen jene
anbem fcfeilbert aus Montmartre unb
ben engen Käufern, bie fie auf bie
Strafee brängen.
Steinlen aber roie 9iertouarb unb
befonbers ber alte 93outet be Monoei,
ber fpe 3 ififd)e trefflicfee fthtbermaler
bes frifd)en, nocfe unberüferten iünbes,
roiffen genau fo roie Moriffet mit feinen
eleganten, lebenbig unb ausgezeichnet
erfafetenDppen unb 9loubille, ©arlegle,
Merre 93rif faub oonbenfrofeen Spielen,
9Iusbrudsformen unb ©ra 3 ien bes un=
oerborbenen jungen ftinbes. ©s ift
bann in iferer 9lrt, fie auf bem Platte
feftzufealten, immer bei aller lünftle=
rifd) facfelicfeen ©etoiffenfeafttgfeit unb
Sdjärfe bes Sefeens etroas oon un=
3 t»eifelfeafter ßiebe, bie bie ßinien
roeicfe macfet. 9Bo Moriffet ober tRou=
bille zum 93eifpiel bie ganze, fealb beroufete, fealb
unberoufete ftofetterie unb grüfereife biefer 9 ßari[er
Dreibfeausblüten feinftellen, laffen fie bod) gleicfe=
R
Uferpil 3 e
einer 3U<fenung oon 23outet be StRonoel
ßanbfreuben
9tad) einer getufdjten Sleiftiftßeicfenung oon 91. iRoubille
3 eüig ben bunten Scfemetterlingsfdjmelz ber ftinb*
feeit roie einen traumfeaften Scfeleier barübergleiten.
Unb in 93outet be Monoels Stift ift immer ber
£jumor eines nedenben 93aters, roäferenb
©arlegle, ber ftarüaturift, ober ber junge
Mette 23ri[faub biefen £umor fd)on ein
o^enig fpife betonen.
9lllentfealben finben biefe üünftler
ifere Sujets, benn immer gibt es feier
ober ba ober bort gan 3 be 3 eicfenenbe, un=
nacfeafemlicfee ©eften, Seroegungen unb
9lttüüben unter bem jungen $arifer 93oU,
roie fie ficfe als 93efonberes einprägen.
. Ob es nun einfad) ein Mäbd)en auf bem
Scfeulgang ift ober ein fcfeimpfenber 93ub,
ober roie fold) ein itinb bas turze 9löd=
cfeen beim Strafeenübergang feebt, fei es,
roie es bamenfeaft artig oor bem Xeetifcfe
fifet. ^3arc bu ßurembourg mufe man
fie aber fpielen fefeen ober etroa in ben
91. Dloubille: grecfebacfes
Sßüftenritt. 9tad) einem ©emälbe oon $enri Moriffet
91. IRoubille: 91m Stranbe
Hber £anb unb Stfteer
■ Duileriengärten tote ben 9ln=
t lagert ber ©hantps=©Ii)fees.
Denn 3 roifd)en ihnen unb
j biefen rounberbaren gepflegten
! ©arten ift ein heimlicher 3 u=
Y famntenhang oon feinfter 3 n=
! timität. %n ben Äinbern tote
bes $lüftern. 9tufe machen fid)
oon gan 3 hatten burch anbre
hinburd) $lah- Unb alles 5Knber=
leben ift eine einzige jitternbe
^reube.
Das feine Döchterdjen plau*
bert merlroürbig ungeniert mit
bem 91rbeiterjungen, ber gerabe
3 toei Sou felbftänbig oerbient
hat, unb bas Keine ©oncierge=
mäbdjen oon gan 3 braunen
intereffiert fid) in biefer halben
Stunbe aud) nicht ein bifjchen
für bie frönen £adfdjuhe unb
5Keiber ber anbern.
Grand Guignol fd)roingt unter
einem 3 örtlid) blauen £jimmel
Stab unb Schelle unb macht
alles, roas nod) „gösse“ ift, bie
gan 3 Keinen unb bie größeren
ftirtber, bie aus feinen roie aus
mittleren unb geringen Käufern,
bie mit bem Schatten ber grüh=
reife in ben klugen roie bie gan 3
oerborbenen unb bie Keinften 3 U
einer einigen gefunben ©emeinbe
lachenber ftinbheit.
W..VW«*. 3 n ben Äinbern roie
in ben Einlagen ftedt eine ©ar=
tentultur oon trabittoneller,
guter 3ud)t. Unb man tann
fid) in biefen ©ängen teinen
Frühling mit allem SBlühen unb
fieud)ten benten ohne ben ju*
belnben ftinberfrühling. 2 Benn
er am lauteften jubelt, toeijj
man, bah in ber 9tähe ein „Grand
Guignol“, ein itafperletheater,
unter freiem Fimmel 33orfteI=
lung hält.
Dann gibt es jenes prächtige
23ilb, roie man es auf 9Jioriffets
farbenfrohem unb in ber Dat
gutem ©emälbe fieht: äRäbchem
unb Subentöpfe reden fid) ge=
fpannt mit großen, glän 3 enben
klugen nad) oorn, hier ein Sachen
unifono, bort ein eifrig ertlärem
3eicf)nung oon 9t. SRoubille
3et<f)nung oon 9t. SRoubüIe
Die 9Jiorgenfd)ofoIabe
9la<h einem ©emälbe oon £jenrt ÜJloriffet
ftinber oor bem „Grand Guignol" (ftafperletheater). iltach einem ©emälbe oon £jenri SCRoriffet
1154
Über Battb urtb 9Jleer
1911. 91r. 44
Unter biefen Umftänben [teilte fip ber
D^ean als mirtlip unergtünbliper Splunb
bar, unb man tonnte nur Vermutungen
über [eine Tiefe roagen. So glaubte
Bacaüle, bas SReer pabe nur eine burp*
fpnittüpe Tiefe oon 500 Bietern, Baplace
meinte, bie Tiefe bes £> 3 eans müffe ber
mittleren $öpe bes geftlanbes 3 iemlip
gleid) fein; §umbolbt fd)äfete lange bie
burpfcpnittlipe SReerestiefe 3 U 2000 SRe*
tern, mäprenb S)oung, einer ber fparf*
[innigsten ipppfiler ber neueren 3 dt,
aus ber Vemegung ber glutro eilen auf
5000 Bieter mittlere Tiefe bes Sltlantifpen
Ozeans fplofe. ’SXIIe biefe Späfeungen
gingen inbes oon Vorausfefeungen aus
unb mad)ten ben SRangel biretter SRef*
jungen nur um fo fühlbarer. 3 nnäd))t
mürben einige <5ortfd)ritte im Boten ba*
burp gemapt, bafe man bie Botleine
möglipft bünn nal)m unb als ©emid)t
eine Kanonenlugel anmanbte. Unter
biefen Umftänben mar natürlich an eine
$eraufpoIung bes Botes oon oornperein
nipt 3 U benten, es mar aber aup nid)ts
meiter baran gelegen, unb man patte ben
großen Vorteil, bafe ber SRoment bes
Sluffplagens auf ben SReeresboben als
beutliper Stofe gefüllt, unb felbft menn
bies nipt ber gall mar, aus ber Ver*
änberung in ber ©efpminbigleit bes Slb*
laufens ber Beine augenblidlip ertannt
merben tonnte, ©ine mistige Verooll*
tommnung gab Vroote beut gan 3 en Ver*
fapren baburp, bafe er bas ©emipt in
ber SBeife befeftigte, bafe biefes fid) am
SReeresgrunbe oon felbft ablöfen mufete.
Das Vrootefpe Tieflot ift trofe feiner
©infappeit in popem ©rabe 3 m Unter*
fupung ber gröfetenSReerestiefen geeignet.
Statürlid) pat es nad) unb nap Verbeffe*
rungen erhalten, inbem man ftatt ber
Kugel geeignetere Körper mäplte, aud)
beffere Apparate 3 um gaffen her ©runb*
proben fomie Thermometer 3 ur Veftirn*
mung ber Temperatur bes ©runbmaffers
anbrapte unb ftatt ber bis bafein gebräup*
lid)en §anfleine Klaoierbrapt oermenbete.
Vertitalnefe 3 um Slbfifpen bes SReeresbobens Um oollftänbigere Proben beffen, mas
auf bem Seeboben lagert, lebt unb mebt,
Die Senfgemipte merben an einer Botröpre
fo aufgehängt, bafe fie fetbfttätig bei ©rreipung
bes SReeresbobens abfallen unb auf bem ©runbe
liegen bleiben, bamit bie Draptleitung entlaftet
mirb; menn fehr grofee Tiefen ermartet merben,
benufeen mir folpe oon 28 Kilogramm Spmere
(^reis feber biefer ©ifenlugeln 6 bis 7 SRart), bei
geringen Tiefen (unter 1000 SRetern) genügt ein
©emid)t oon 15 Kilogramm (^reis 3 bis 4 SRart).
Das Kunftftüd bei bem SCReffen oon 03 eanifd)en
Tiefen beftept barin, burd) SIn 3 iepen einer Vremfe
an ber Trommel genau fo oiel Hemmung be*
ftänbig mirten 3 u laffen, bafe bas ©emipt ber
aufeenftepenben Draptleitung (ausfpliefelip Sint*
gemipt) immer tompenfiert ift unb fomit, fobalb
bas fernere Sintgemipt ben ©runb erreipt unb
teine 3ugtraft mehr ausüben tann, bie SRafpine
ftillftepen mufe. Dabei ift nop eine intereffante
Äompütation ermäpnensmert. SRan füllte 3 unäpft
ermarten, bafe man fut 3 effioe bie Hemmung mit
3 unepmenber Drafetlänge oermepten müffe, ba
bod) 3 um Veifpiel 5000 SReter Drapt mefer miegen
als 4000 SReter ober 3000 SReter. Slber es ift,
menigftens bei Klaoierfaitenbrapt, gerabe bas
©egenteil ber galt, es tommt nämlip ber gattor
ber Reibung im SBaffer in Vetrapt, unb biefer
ift felbft bei bem bünnen polierten Drapte fo ge*
maltig, bafe mit 3 unepmenber Tiefe bas SRepr*
gemipt ber aufeenftepenben Draptlänge burd) bas
SRepr bes Steibungsmiberftanbes nipt nur nipt
ausgeglichen mirb, fonbern fogar eine birette, all*
mäplip fip fteigernbe Hemmung auftritt, bie
burd) bas fut 3 effioe Büften ber Vremfe 3 U über*
minben ift.
SBäprenb bas £inablaufen bes Draptes mit
einer fetunblipen ©efpminbigteit bis 3 U 2,5 SRe*
tern erfolgte, mürbe nad) ber ©runbberüprung 1,5
bis 2 SReter in ber Setunbe aufgefeolt (mit Dampf
be 3 iel)ungsmeife eleftrifper Kraft), fo bafe eine
Tiefenlotung oon etma 5000 Bietern ungefähr
anberthalb Stunben 3eit beanfprucht; hierin finb
an bie Oberfläche 3 U brtngen, pat man tocpieppnepe
tonftruiert, beren 3 t>ee bem bänifchen ©eologen
O. g. SRüller angehört. 3n neuerer 3eit haöen
befonbers bie oerfd)iebenften Tieffee*©rpebitionen
mit grofeem (Erfolg fid) ber oerbefferten 3nftrumente
bei ihrer mübfeliaen Arbeit bebient.
Der Vleeresbobeit
unb bte Tiefen ber See
Von Dr. 3 . 2ßtefe
S eit Sahrtaufettben befd)äftigen fiep bie äRen*
fd)en mit ber ^«Qe: » 3 ^ meldher ©nt*
fernung oon ber Oberfläche befinbet fid) ber fefte
Voben bes SReeres?" unb mit ber anbern: „2Bie
fieht es unter ber gemaltigen 3tusbet)nung ber
fluten aus?“ 5Rod) oor einigen 3ah^eh^^
tonnte niemanb eine begrünbete Ülnfiipt meber
über bie Tiefe ber 03 eane noch über bie Ve=
fd)affenheit ber Vobenfläche unter ben fluten
ausfpredjen.
Btlle ainftrengungen, in biefer Ve 3 iehung ©e*
mifeheit 3 U erhalten, ermiefen fid) als frudjtlos,
unb es fd)ien, als merbe über ben 03 eanifd)en
Tiefen auf immer ber Schleier bes ©eljeimniffes
ruhen. 9tur über bie Tiefe unb bie Vobengeftalt
ber feisteren 9Reeresteile, bie 3 ubem oon Schiffen
oiel befahren merben, h Q i na< ^ U11 b nadh
beftimmte unb im gan 3 en fehr fixere Vorftellungen
gemonnen. 3 11 biefer Ve 3 ietmng ift befonbers
bie Umgebung ber britifchen ^ofeln fehr genau
erforfd)t morben, unb es hat ficf) babei bas geo*
graphifd) mie geologifd) intereffante iRefultat er*
geben, bafe ©rofebritanien unb 3 ^anb auf einem
fubmarinen Plateau ruhen, bas ftellenmeife taum
um Kird)turmshöhe unter ber Oberfläche bes
dReeres liegt. Vßie bie Unterfuchungen ge 3 eigt
haben, ftür 3 t erft in einer gemiffen ©ntfernung
meftlid) oon 3^anb ber Seeboben 3 U ben Tiefen
bes eigentlichen 03 eans hinab. VSohl mar fepon
mieberholt ber Verfuch gemacht morben, bas
Sentblei in bie Slbgrünbe bes hoh * 11 Vieeres 3 U
merfen, aber ftets mar ber ©rfolg ein mangelhafter.
Kein 3eid)en tünbigte bem Veobacpter im Schiffe
ober Voote an, mann bas Bot ben ©runb erreicht
patte: gaben um gaben rollte oon ber Beine in
bie Tiefe, fortgeriffen oon ber eignen Schmere
ober oon untermeerif<pen Strömungen, aiud) mar
bie Beine febesmal oerloren, benn es mar unmög*
lid), fie mit bem Senter mieber herauf 3 ubringen.
noch 5 bis 7 SRinuten eingerechnet, bie man oor
Veginn bes 2tufmidelns märten mufe, bamit bas
Tiefenthermometer am äReeresgrunb fid) richtig
auf bie Vobentemperatur einftellt.
Vei bem ©inminben bes Botbraljtes mirb
bie Trommel aufeerorbentlid) ftart beanfprudjt, ba
einige taufenb VSidelungen mit einer an fid) nid)t
grofeen, aber fief) birett abbierenben Kraft auf bie
Trommel tommen, fo bafe eine Veanfpruchung oon
über 100000 Kilogramm oortommen tann. ©s
ift ein ät)nlid)er Vorgang mie ber beim Vßidelrt
eines 3 11 >irnfabens um einen ginger. Sd)on nach
menigen Umminbungen fühlt man fehr beutlid)
ben rafd) 3 unehmenben Drud. 3 11 öer Tat hat
Sipott es an Vorb ber „Valbioia“ mieberpolt er*
lebt, bafe bie Trommel ber einen £otmafd)ine,
bie ftatt aus Staplgufe aus ©ifengufe beftanb, aus*
einanbergebrüdt mürbe unb fcpliefelid) gan 3 3 U=
fammenbradh-
V3as ergaben nun bie Tieffeeforfcpungen be=
3 Üglid) bes SReeresbobens? Die meiften 9Jtenf(pen
[teilen fid) ben Voben bes SReeres als eine grofee
ebene gläepe bar, bie nur an ben Küften ein fanftes
atuffteigen be 3 iepungsmeife Slbfteigen aufmeife.
3n ber Tat paben bie SReffungen ergeben, bafe
meite, faft ebene glädjen am SReeresgrunbe burd)*
aus oortjerrftpen unb ein lebhafter SBetpfel ber
Vobenneigung immerhin 3 U ben Seltenheiten
gehört. 9lber bertno(p finb bie Vioeauunterfd)iebe
in ben Vteeren nod) meit grotester als auf bem
Banbe, an manchen Stellen finbet man aus ben
gröfeten Vteerestiefen plöfelicp, faft opne feben
oermittelnben Hbergang, gnfeln an bie £)berfläd)e
emporragen. Dies gilt unter anberm für eine Veipe
ber Koralleninfeln im Stillen D 3 ean, aber 3 um
Veifpiel aud) für bie Vermubainfeln im ültlanti*
fpen C> 3 ean unb anbre. VSenn an biefen Stellen
ber SReeresboben fid) plöfelicp heben mürbe, fo bafe
er in feiner ©efamtpeit über bas Vßaffer empor*
ragte, mürben bie betreffenben gnfeln als oiele
taufenb SReter pope fpifee ©ebirgsnabeln oon einer
auf allen Seiten unerhörten Steilheit fid)tbar
merben, gegen bie etma bas Vtatterporn mie eine
unbebeutenbe fanfte ©rpebung erfpeinen mürbe,
unb mit beren feltfamen aiusfepen mürbe nid)ts
Vetanntes fid) oergleid)en laffen. gm grofeen
unb gan 3 en paben mir alfo feftphalten, bafe es
fepr grofee 03 eanifd)e Veden mit oöllig flachem
©runbe unb folpe mit grofeen aibftür 3 ungen gibt,
unb bafe unterfeeifdje ©ebirgs 3 üge mie unter*
feeifd)e Täler unb ^Inpöpungen metpfeln, mobei
inbeffen 3 U bemerten ift, bafe gemaltige Streden
in fo popent Vtafee pori 3 ontal finb, bafe man im
3uftanbe ber Trodenpeit bort eine ©ifenbapn mit
ben bentbar geringften Scpmierigteiten anlegen
tönnte.
3Bie fiept es nun auf bem Voben bes SReeres
felbft aus? Vorausgefd)idt fei, bafe mir hier oon
ber eigentlichen Tieffeefauna, alfo ben hoben*
ftänbigen Tieren, abfepen. 3 11 biefer Ve 3 iepung
paben gerabe bie neueften Tieffeeforfd)ungen ben
Staepmeis geliefert, bafe oon einem Sieicp bes Tobes
auf bem Voben bes SReeres infomeit ni^t bie Siebe
fein lann, als fiep in bem gröfeten Teile nod) Bebe*
mefen befinben. SRit jeberrt Dretfd) 3 uge (Dretfcpen
peifeen bie Siefee ber ©runbfifeperei) gemann man
neue 3eugniffe für ein Beben in ber Tiefe, bas
mir reiep nennen müffen, menn mir bebenten,
bafe es fein Dafein 3 U friften pat oon ben nieber*
fintenben Vrofamen organifdier Siäprftoffe, bie oon
ben ^ 3 flan 3 en in ben lid)tburpfluteten oberen
Sipicpten bes SReeres aus bem Veftanbe ber un=
organifepen SRaffen aufgebaut merben. Slus
5600 SRetern Tiefe brapte ber tiefe, erfolgreiche
Dretfd) 3 ug bes „©pallenger“ aufeer ben ^roto*
3 oen nop 3 1 »an 3 ig Tiere herauf, bie 3 U 3 epn
oerfpiebenen Slrten gehören. Hnb mas ber
„©hallenger“ austunbfdjaftete, pat fip bis heute
immer mieber beftätigt, menn aup bie gröfeten
betannten Tiefen nod) nipt mit ber Dretfpe ab*
gefupt finb. Dafe fip lebenbe SBefen auf ihrem
Voben finben merben, palten mir nipt mehr für
ausgefploffen, unb bafe aup ber SBafferraunt über
bem Voben ber Tieffee nipt lebensleer ift, bas
miffen mir einmanbfrei, feitbem mir mit Spliefe*
nefeen beftimmte SReeresfpid)ten ber Tiefe burp*
fifpen lönnen, berart 3 um Veifpiel, bafe ber Slppa*
rat nur mäprenb bes SIuf 3 iepens unb nur innerhalb
ber Spipt 3 mifd)en 5000 unb 4000 SRetern
arbeitet, mie es bei bem tiefften Spliefenetföug ber
„ Valbioia“ * ©xpebition ber gall mar. Dod)
mie gefagt, mir fepen hier ab oon ber Tiermelt
bes SReeresbobens unb menben uns ber Ve=
antmortung ber grage 3 U, moraus fip biefer
Voben 3 ufammenfefet. Stur menige Stellen pat
man im SReere gefunben, bei benen ber Voben
aus feftem gelsgeftein beftept, im übrigen ift ber
1911. 5Rr. 44
Aber ßartb unb $fteer
1155
©teeresboben ber grobe 51ird)hof für alles, was
an ber Oberfläche lebt, 3nsbefonbere gilt bas
oon ben maffenbaft im ©teere oerbreiteten Proto*
3 oen. ©etanntlid) finb bas ©efd)öpfe, bie im
$Kat)men einer einigen 3dle bas Deben in bent*
bar nadtefter $orm repräfentieren. ©iele fd) eiben
Schalen aus, bie meift aus !oI)Ienfaurem 5talt
ober aus iliefelföure begehen. Zn ben talten artti*
fd)en unb antarfüf d)en Strömungen übermiegen
biejenigen proto 3 oen, bie ftiefelftelette aus*
fd)eiben, ©or allem imponieren hier burd) bie
©taffenhaftigteit ihres periobifdjen Auftretens bie
bem Pflan 3 enreid)e 3 U 3 U 3 äI)lenben Diatomeen. Oie
Sdjalen aller biefer ntitroffopifd) tleinen Orga*
nismen finteu allmählid) auf ben ©teeresgrunb
nieber unb häufen fid) bort im ©erlaufe ber Sah * 1
taufenbe 311 mäd)tigen ©änten an. ©is 3 U einer
Diefe oon 4000 ©tetern baut fid) ber Hntergrunb
ber Ö 3 eane im ©ereid)e ber talten Stromgebiete
aus faft reinem ftiefelgur auf, toährenb in ben
tüärmereu Kegionen ber fogenannte ©lobigerinen*
fd)Iid, gebilbet aus ben &altfd)alen oon $ora*
miniferen, überwiegt. Zn größeren Diefen roerben
bie lederen aufgelöft unb es bleiben nur bie un=
löslid)en anorganifd)en ©eftanbteile ber Sd)alen
übrig, bie ben für bie Diefe oon unterhalb 4500
©tetern d)aratteriftifd)en roten Oon bilben. An
mand)en Stellen oermifchen fid) bie Sd)alenrefte
ber proto 3 oen mit ben ©ebäufen ber 3 rlügel=
fd)neden (“pteropoben) unb 5teilfd)neden (|>etero*
poben). Sogar < 9 aififd) 3 äl)ne, ©ehörfteind)en oon
gifd)en, ©ehörtnod)en oon ©ßalen tonnen mit ben
Stelettreften feftfi^enber Dierorganismen nid)t
unmefentlid) 311 m Ausbau ber abpffalen Sd)id)ten
beitragen. ©tilliarben oon Deid)en finten täglid)
unb ftünblidh in bie Diefe unb gleid) 3 eitig mit
ihnen ber Sd)lamnt, ben bie $lüffe mitführen, oul*
tanifd)e Afdje unb ber ©efd)iebelel)m arttifdEjer unb
antarttifd)er ©letfcf)er, bie, an ihrem Kanbe im
(Eisberge 3 erfd)ellenb, fid) füblid) bis 311 m oier 3 igften
©rab, nörblid) bis 3 um fed) 3 igften ©reitengrabe
3 erftreuen.
©Senben wir uns nun ben Diefenoerl)ältniffen
an fid) 3U, fo beftehen and) über biefe oiele falfd)e
©orftellungen. Unter ben brei §aupto 3 eanen ber
©rbe erreidjt ber 3 >nbifd)e bie am toenigften großen
Diefen, bie fid) mertmürbigerweife nicht etroa
nahe ber ©titte bes .großen ©teerbedens befinben,
fonbern nahe bem Kanbe in ber ©egenb ber
Sunbainfeln. Süblid) ber 3nfel Sumbaoa, unter
11 ©rab 22 ©Knuten fiiblid)er ©reite unb 116 ©rab
50 ©Knuten öftlidjer Dänge, fintt bie ©teerestiefe
bis auf 6205 ©teter, unb noch erheblid) größer,
nämlid) 7300 ©teter, ift bie Diefe in ber ©ähe ber
üjnfel Amboina, inmitten bes fonft 3 iemlid) flachen
©elebesfees, beren ©teeres 3 ugangsftraben fonft nur
etroa 1500 ©teter tief finb.
Die Diefenoerhältniffe bes Attantifd)en £> 3 eans
finb unter allen Ozeanen oergleid)sroeife am
beften betannt. Aus ihnen ergibt fid) bie ©riften 3
einer ausgebehnten, ben £> 3 ean in ber ©Ktte toie
ein Küdgrat burd)*
3iel)enben unb getoif=
fermaßen bie Dängs*
acf)fe besfelben bilben*
ben ©Obenerhebung.
Sie beginnt als Kat)t=
janäsrüden bei Z%*
lanb, fe^t fid) fort in
bem A 3 orenrüden ober
A 3 orenplateau,roenbet
fid) bann öftlid) nad)
St. Paulo nahe bem
Äquator als norb*
atlantifd)e Schwelle,
um toieber in Süb*
rid)tung als fübatlanti*
fche Schwelle weiter*
3 U 3 iehen; hier liegen
Ascenfion unb Driftan
b'Acunl)a. Die Diefen
biefer gan 3 en Strede
oon minbeftens. 15000
Slilometern oerbin*
bet eine unterfeeifdje
©rhebung, ©rönlanb,
2 >slanb unb bie flad)e
©orbfee (Diefen ge*
ringer als 100 ©teter);
ihr gehört fpe 3 iell ber
2Bi)oille*Dbomfon*
©üden 3 toifchen ben
$aröer unb Korb*
fd)otüanb an, er fd)ei*
bet in ber Diefe bas
eistalte Polarwaffer
oon bem roarmen at=
lanüfd)en (©olfftrom*) ©Baffer. 3u beiben Seiten
nun bes 3 entralen Hochplateaus liegen fe 3 wei
tiefe ©eden ober ©tulben mit 4000 bis 6000 ©te*
tern ©Baffertiefe, auf nörblid)er ©reite bas norb*
ameritanifdhe ©eden, bas bis unmittelbar an bie
©Beftinbifd)en 3nfdtt fid) ausbehnt, im ©Beften;
tapoerbifd)e ©tulbe im Often. 3 ™ Sübatlantifd)en
£> 3 ean entfpredjen biefen ©ilbungen einmal bas
brafilifd)e ©eden unb fobann bie weftafritanifd)e
©tulbe.
An auffallenb flachen Stellen ober ©änten,
meift fehr tleinen Umfangs, ift bie ©teeresgegenb
3 toifd)en Portugal*©tarotto einerfeits unb ben
A 3 oren= 5 !anaren anberfeits befonbers reich; tyti'-
her gehören bie ©orringe* unb ©ettpsburgbant,
bie Datia ©oncepcion, Seine, 3ofephinenbant, bie
Prin 3 *Alice=©anf unb anbre mehr, ©teift mürben
biefe ©änte beim Degen oon Delegraphentabeln
gefunben. Die Diefe bes ©Baffers auf ihnen beträgt
oft taum 100 ©teter, fo bab man auf f)ol)et ®ee
hier antern tonnte. Die oultanifd)e ©atur biefer
©änte fcheint fid)er, manche beherbergen grobe
3ifd)reid)tümer. Die flämifd)e Etappe am Oft*
abl)ang ber ©eufunblanbbant mit ©öfd)ungs=
rointeln bis 3 U 29 ©rab fd)eint ihre ©ntftel)ung
erratifd)en Anhäufungen 311 oerbanten, bie hier
oon ben fd)mel 3 enben ©isbergen nieberfallen.
©ine auffällig fteile ©Obenerhebung, bie aber
1145 ©teter unter ©Baffer bleibt, ift inmitten biefes
Deils bes Atlantifd)en ü) 3 eans aufgefunben, bie
Sarabaqhücjel in 49 ©rab 40 ©Knuten nörblidjer
©reite unb 29 ©rab 10 ©Knuten toeftlid)er Dänge.
Die fteilen ©öfchungen biefer ©Obenerhebungen,
bis 3 U 35 ©rab, beuten auf eine geroaltige unter*
feeifd)e Hebung an jener Stelle. Auf ber ©teeres*
ftrede, bie oon ber ©eufunblanbbant ausgeht,
über bie eben genannte flämifdje ftappe l)imoeg=
3 ieht unb an ben Smubaphügeln oorbei oftroärts
bis 3 slanb fid) erftredt, liegen bie nteiften ftabel
nach ©orbamerita, baher Dabelplateau genannt,
obfd)on bie Diefen ftart toed)fe!n unb bis 4000 ©teter
unb barunter htTtabgel)en. Zm ©orbtoeften oon
3 rlanb ift bie gro^e, um ben einfamen ©otall*
felfen fid) anlagernbe ©erfeidjtung mit Diefen oon
weniger als 1000©tetern auffällig. Die größten
bis je^t im Atlantifdjen D 3 ean gefunbenen Diefen
mürben nörblid) oon ©ortorito oon bem arneri*
tanifchen Sd)iffe „©late“ am 27. Januar 1883 ge*
lotet, nämlid) 8341 ©teter in 19 ©rab 39 ©Knuten
nörblid)er ©reite unb 66 ©rab 26 ©Knuten meft*
lid)er Dänge unb 7732 ©teter in 19 ©rab 30 ©ti*
nuten nörblid)er ©reite unb 66 ©rab 12 ©Knuten
weftlicher Dänge.
Der ©rofje 0 > 3 ean 3 eigt be 3 üglid) feiner Diefen*
oerhältniffe gan 3 anbres ©erhalten als bas At*
Iantifd)e ©teer. ©Senn mir in ber ©idjtung oon
ber ftüfte (Elpte 5 gegen bie japanifdjen ^Ttfeln
einen größten 5treis um bie ©rbe legen, fo teilt
biefer bas Stille ©Seitmeer in 3 toei tontraftierenbe
Hälften. Die norböftlid)e erfd)eint als fehr infei*
arme ©Saffermüfte oon großer Diefe, bie fübmeft*
Der Daudjet auf bem ©runb bes ©teeres
Iid)e bagegen ift gemiffermafien mit 3 nfeln beftäubt,
unb bie meiften oon ihnen ruhen auf einem ge*
meinfamen Sodel, ber I)öd)ftens 2000 ©teter unter
bem Seefpiegel liegt unb einen gläd)eninl)alt oon
fid)erüd) mehr als 200 000 Quabratmeilen befipt.
Diefes fubmarine ©lateau 3 eigt in feiner 3 erriffenert
unb 3 adigen Dberfläd)e alle ©igentümüchteiten bes
tontinentalen ©ebirgslanbes. Die fanftgewellte
gläche bes norbatlanüfdien D) 3 eans, bie man oor*
eilig als allgemeinen Dppus bes ©teeresbobens
betradjten wollte, fehlt hier gän 3 lid), fd)roffe Ab*
ftür 3 e med)feln oielmehr mit ausgebehnten Dieffee*
tetten, beren l)öd)fte Spitjen als oultanifche Äegel
in langen ©ogenreihen fid) über ber Oberfläche
oerfolgen laffen. Die l)m»ciiifd)en ^©feln finb
nidits anbres als bie höchften ©ipfel einet un*
geheuern ©ergtette, bie an Dänge, ja oielleid)t an
©taffenl)aftigteit bas §imalajagebirge weit über*
trifft. ©erfchmänben bie ©Saffer bes ©ro^en
C) 3 eans, fo mürbe jene ©ergtette in ihrer gan 3 en
©rofeartigteit heroortreten, unb ihre ouIfanifd)en
©ipfel mürben l)öh^r über bie umgebenbe 3 läd)e
emporragen, als bie “Kiefen bes Himalaja über
bie Diefebene bes ©anges anfteigen. Der flad)e
©oben ber Dieffee in ber norböftlichen Hälfte bes
Ozeans ift mit gelblidhbraunem Schlamm bebedt,
aber oon ben Iwwaiinfeln gegen bie japanifd)e
5lüfte hin finben fid) auf ben ©ipfeln ber unter*
feeifd)en ©erge unb ©ergtiiden Korallen unb
©ru^ftüde oon Daoa. ©örblid) oon biefer Dinie
finben fidh parallel ber japanifeben Mfte unb ben
Kurilen bie bebeutenbften 03 eanifd)en Diefen, bie
man bis oor ludern tannte. Die ©riften 3 biefer
mehr als eine beutfdje ©teile tiefen Abgrürtbe ber
See ift üollfommen fidjer ermiefert, benn gerabe
bort gingen bie Dotungen mit oor 3 üglid)em ©rfolg
oonftatten. Der s fSianobral)t, ben man auf bem
„Duscarora“ benu|te, lief fdjnurgerabe fenfrecht
aus, unb bie ©erührung bes ©obens mürbe in
8513 ©tetern Diefe fo genau gefpiirt wie im
feichteften ©teeresteile. Sie galt über 3 toan 3 ig
3ahre als bie größte Sentung, bie ber ©teeresboben
überhaupt auf 3 umeifen habe. Aber im 3uli 1895
lieh ber Dampfer „$enguin“ im Often ber Donga*
infein, mo man fd)on früher 8284 ©teter gelotet
hatte, bas Sentblei bis auf 8960 ©teter Ipnab,
ohne auf ©runb 311 ftofeen. Diefe fjeftftellung
führte 3 U genaueren ©ad)forfd)ungen in ber ge*
nannten ©egenb. Alsbalb fanb man hier — in
ber fogenannten Swffa Albrid) — mehrere be*
nad)barte Stellen oon mehr als 9000 ©teter Diefe,
am 31. De 3 ember 1895 lotete man ebenbort im
Often ber ftermabec* unb Donga* ( 3 reunbfd)afts*)
3nfeln fogar 9427 ©teter. ©inige 3ah^e hinburd)
galt nun biefe Diefe für bie größte, bis anläßlich
ber Dotungen für bie oon ben Ameritanern geplante
©erlegung eines quer burd) ben Süllen £) 3 ean oon
San §ran 3 isto bis nach ben Philippinen laufen*
ben Nabels (Enbe ©ooember 1899 burd) bas ©er*
mef fungsfd)iff „Kero“ eine nod) um 206 ©teter tiefere
Stelle gefunben mürbe. Diefe 9633 ©teter betra*
genbe ©teerestiefe, bie
imOften ber ameritani*
fd)en ©tarianeninfel
©uam liegt, ift nun
bis auf ben trügen
Dag bie abfolut tieffte
Sentung, bie betannt
geworben ift. ©enter*
tenswert ift, bah bie
eigentlichen Diefbeden
nid)t in ber ©titte ober
©tittelad)fe ber groben
£> 3 eane liegen, fonbern
mehr ben ^eftlanbs*
ränbern genähert finb.
3 ür einige ©teere feien
fchliehüd) nod) bie ©tit*
teltiefe unb bie gröfjte
3 ur 3 eit betannte Diefe
angegeben: ©roher
£» 3 ean 4100 ©teter
©tittelüefe,9633 ©teter
gröbte Diefe, Atlanti*
fcherD) 3 ean 3800©teter
©titteltiefe,8015 ©teter
qröhte Diefe, 3nbifd)er
£>3ean3600©teter©tit*
teltiefe, 6200 ©teter
gröbte Diefe, ©orbfee
90 ©teter ©tittelüefe,
808©tetergröhteDiefe,
Oftfee 70 ©teter ©titte l*
tiefe, 430 ©teter gröbte
Diefe, ©tittelmeer 1450
©teter©titteltiefe,4400
©teter gröbte Diefe.
1156
1911. Jlr. 44
fg^n C/)ie, L f\iiltuv der,L/egenwart
s&ifdende c Jdihst
Ztappenfunft
Der Segriff Runft roar in ben lebten 3 <ü)r»
3eßnten furdßbar eng geworben: Statue, oiel»
Ieid)t nod) 23 üfte, beibes natürüd) lebensgroß, unb
Qlbilb großen Formates, bas roaren am Enbe
bie ein3tgen Wirten oon SBerfen, an bie manbad)te,
bie ber reiche Zlann für fein palaftäßnlidfes $aus
erroarb, bereit irgenbroie ßergeftellte 3mitaüonen
ber bößere ZZittelftanb in feine für ihre Ziaße oiel
311 fleinen Stuben pfropfte, bie nicht befitjen 3U
fönnen ber bittere Sßmer3 unb bie eigentlid)e
Entbehrung oieler toar.
Die Ießten 3 cßte haben barin eine wohltätige
Znberung gebrad)t. Zlit
bem ®efüt)I für bie bürger»
liße ÜBoßnung, bas 3uerft
als $aß gegen ben falfd)eit
Palaftftil auftrat unb auf»
treten mußte, ift aud) bas
(befühl bafür gefommen,
weißes Format unb welche
Zrt oon Runft in fie hinein
gehört, unb baß bas jeben»
falls nicht bie lebensgroße
ift. Die Formate finb burd)»
weg tleiner geroorben, neben
bie große piaftif ift wieber
bie Rleinplaftif getreten,
fogar bie eingebürgerte
fßredlid)e Süßte, bie immer
ein bißchen ans (brab er» |
innert, ift hier unb ba
fcßon ber Porträtftatuette 1
gewid)en, neben ben Sil»
bem finb Slätter in allen
grapßifßen fünften ent»
ftanben, bie Zeprobuftionen
alter Zßerfe haben fiß oer»
breitet (fogar in einem ge»
fäßrlißen Ziaßftabe). 3 ß
laffe bahingefteilt, ob alle
biefe Dinge, bie heute ge»
tauft toerben, fehr gut finb,
jebenfalls ift ber Segriff
Runft oiel weiter geroorben,
unb es finb gute Entwid»
lungen glüdliß angebahnt.
Die beffere Zusroaßl roirb,
fo barf man hoffen, mit |
ber 3eit tommen; 3uerft
haben bie 9 Zenfd)en etroas
blinb nach bem gegriffen,
bas am bequemften geboten
tourbe, naß ben gefälligen
Slättern, bie fo betoratio
roirten.
So hat man, fieht man
auf biefes ©ebiet ber Runft
für bas |>aus, ein etroas
mertroürbiges Sßaufpiel.
Die 2 Bänbe finb überall
ooll oon „Runftblättern“,
aber bie Zünftler, bie fid)
ber ©rapßif geroibmet, bie
alten Deßnifenwieberbelebt
haben unb bie wirtlich origi»
nalfd) aff eit, haben einen oer»
hältnismäßig tleinen Ztarft.
3 n ben Zustellungen läßt bas Publifum ihre Säle,
unb wenn fie nod) fo appetitlich ßergerißtet finb,
unb wenn fie nod) fo fehr empfohlen werben, mit
Entfd)iebent)eit unb wie auf Serabrebung leer:
ber öbefte Silberfaal „3ießt“ mehr als ber feinfte
Sd)war3weißraum.
$ragt mau nad) ben ©rünben biefer Erfchei»
nung, fo feheint fid) als wefentlichfter biefer heraus»
3uftellen, baß bas Pubiifum aud) bei biefen
Slättern 3uerft nad) ber betoratioeu, „heim»
fßmüdenben“ Qualität fragt, fie immer au ber
SBanb benft, wäßrenb fie gan3 anbre Eigen»
fßaften befitjen, bie ihren 2Bert ausmachen, unb
gar nicht au bie 2 Banb, fonbern in bie Etappe
gehören.
3ß will gar nid)t bottrinär fein, fonbern rußig
3ugeben, baß aud) an meinen SBänben folße
grapßifdhen Slätter hängen, unb fie nehmen fid)
fet)r gut aus.
Zber ißr eigentlid)es Reben gewinnen fie erft
in ber $anb. Unb bie tleinen Formate fönnen
nur fo gefeßen werben.
Es war ein oerßängnisooller 3 rrtum, baß
mand)e ©rapßifer glaubten, ißrer Runft baburß
3u bienen, baß fie ißre Slätter 3U etwas wie
Qlbilberfatj oergrößerten unb oergröberten. Das
ßat bas Publifum nur in feiner falfchen Zteinung
beftärtt.
3 eßt tauft es Slätter oon $ernwirfung für
bie SBänbe unb wenn bie SBänbe ooll finb, hört
es auf.
Demgegenüber fd)eint es mir wichtig, auf
2 Befen, Sebeutung unb Zei3 ber Ztappenfunft
hin3uweifen.
üßie in ben füblid)en Ränbern, wo bie Ztenfßen
am liebften auf Ztärften unb in fallen leben,
immer bie öffentlid)e Runft bie eigentlid)e war,
Hermann Strack: Kopf eines alten Juden (nach einer Radierung)
fo für ben 9 Jlenfd)en bes Zorbens, für ben §aus»
unb 3lmmermenfd)en, bie prioatefte, eben bie
Ztappenfunft. Das Statt, ber Schnitt ober ber
Stid), ben man in füllen Stunben hernahm unb
anfd)aute, an bem man immer Zeues entbedte,
beffen neue Setrad)tung an alle früheren an»
fd)loß, war ein iöftlid)er Sefiß, ein waßres
Eigentum, bas man immer beffer erwarb, ein
Stüd Reben.
$ür fo!d)en ©enuß ßaben unfre Zteifter ge»
feßaffen, fd)on oor Dürer, aber am fd)önften bod)
Dürer felbft. Es ift aud) heute nod) unmöglid), feine
Slätter auf anbre ZSeife 3U lefen, als baß man
fie immer wieber fo hernimmt unb anfeßaut wie
bie Ztenfdjen feiner 3 eit. Dann begreift man,
was fie an ißnen befaßen, was bas ift: ein £jaus=
fßatj, roie fie bamit ein Reben lang ausfommen
tonnten wie mit ber Sibel (unb eine fpätere
beutfeße ©eneration mit ©oetße).
Zun haben wir gewiß fold)en Dingen nichts
Ebenbürtiges an bie Seite 3U ftellen. Zber alter
unb neuer Sefitj wertoollen 3 ußaltes ift bod) ba.
Unb bie Zrt folcßes füllen ©enuffes an woßl be=
wahrten Slättern bleibt auch in ben 3 ^^
ber Ztufeen unb Zustellungen bie befte. 9 Ber
es oerfud)t, wirb fie niemals wieber entbehren
tönnen.
Es ift ein gan3 anbres Serßältnis als 3U ben
Sßerten, bie wir ba fremb in fremben Zäumen
betrachten. §ier ift unfer Eigentum. (Es wirb
heute unterftüßt, was bas Runftwert als Eigentum
bebeutet, wie gan3 anbre Qualitäten bem Sefißer
wertooll finb als bem bloßen Setrad)ter im Sor»
übergeßen.) §ier ift bie Ztöglißfeit ber ZSieber»
teßr. |>ier tann fid) bie SeobadRurtg unb Entp»
finbung oerfeinern, oerinnerlid)en. So ein Statt,
bas wir in unfrer Ede 3eßnmal in oerfßiebenen
Stimmungen angefßaut
ßaben, ift wie eine Ranb»
fdjaft, in ber wir gelebt
unb Erinnerungen gefät
ßaben, unb fo mutet es
uns an: oertraut unb
bod) neu.
Ztan lernt bie Qualität
einer Zrbeit, bie Sefonber»
l)eit einer Deßnif oon felbft
würbigen unb oielIeid)t nur
mürbigen, wenn man folcße
SZappen befitjt.
Unb biefe feine Zrt, ein
Sammler 3U fein, ift nid)t
teuer. 3eßn grapßifße
Slätter toften faum fo oiel
wie bas bümmfte SUb.
Zud) Zeprobuftionen alter
Slätter gehören ba3u, wenn
fie aud) natürlich immer
nur Zotbeßelfe bleiben.
Unfre grapßifcße ^ßro=
buftion ift reid) unb noch
immer im SBacßfen. Zeben
ber tlaffifd)en Zabierung
gibt es bie farbige, ber
§arbenßol3fd)nitt ift wieber
auferftanben, bie £itßo»
grapßie wirb, fd)war3 unb
farbig, geübt.
2 Ber fieß nur ein wenig
ßineinfießt, ift ßier am
fßnellften oon ber 3eit=
frantßeit, bem pßotograpßi»
feßen Zealismus, befreit,
empfinbet faft unmittelbar,
baß Runft etwas anbres
ift, unb was es heißt, baß
ber Rünftler „für eine Deß»
nit benft“. Er fieht ein,
was weggelaffen werben
muß, um biefe Säße mit
biefem Zusbrudsmittel bar»
ftellbar 3U maßen, unb
wesßalb ber Rünftler für
biefen Einbrud biefe Deßnif
gewählt ßat. Unb mannig»
faltig wie bie 3orm ift
auß ber 3ußalt ber grapßi»
fd)en Runft. Die ©rapßifer
finb beweglißer als bie Ztaler
ber 3eit, meßr hinter bem
Reben her. Unb oon ben
alten Stäbten bis 3um mo»
bernften Zrbeitsplaß, oom fßönen Ztenfßen bis
3ur Slume, oom gelben bis 3um Sarietöfänger:
eine gan3e 2 BeIt oon bunten Dingen rei3t fie,
ißre Rünfte fpielen 3U Iaffen.
Zur ein größeres 3 utereffe bes ^ublifums,
unb bie Entwidlung ift unabfeßbar. Das grapßifße
Statt wirb wieber bie unerträglidje Znfid)tspoft»
farte ablöfen, uni an liebe £anbfd)aften unb
Stäbte 3U erinnern, unb bie Photographie, um
bas Silb naßer Zlenfßen feft3ußalten. Das alles
würbe in bie Ztappe gehören, wenn fie einmal
ba ift.
Es ift etwas gefd)eßen, was feiten gefßießt.
Die Dedung ift oor bem Sebürfnis erfolgt. Es
gibt fd)on eine gan3e Ziappenfunft, beoor bie
Ztappe in ben Käufern eriftiert.
2Ber eine anfßafft, wirb erftaunt fein, wie
leid)t unb gut fie fiß füllt.
grifc Stahl
1911. 9tr. 44
Xtber ßctnb unb 50leer
1157
Die Käfige be£ K!önig3 KubtPig. 93on (£l)mle3
n ©bmonb ^ilons Aßerf „Portraits tendres et
pathetiques“ wirb uns bas tragifdge Abert=
teuer einer natürlichen Tochter Karls VII., (£t)ar=.
lotte be 23rege, berichtet. Dtefe junge, hübfdje
Frau h^te ihren (Satten, ben Sertefd)aII ber
Aorntartbte, betrogen unb rourbe r»on ihnt aus
bent Sette geriffert, in beut ihre Ktrtber fd) liefert.
Der Aßütenbe tötete fie mit Säbelhieben: „Als
fie mit nadtert F'ühett auf bem Soben [taub, toarf
fie ftd) oor ihm auf bie Krtte, bod) er rannte ihr
ben Säbel burd) bie Stuft, unb fie ging augem
bltdltd) oom fieben gurrt Lobe über."
Die Atemoiren oon ©ommines, bie ©btonilert
öon Ffecm be Dropes unb anbre 23üd)er hdb^r
©bmonb ^ßilon gut Arbeit angeregt, benn in ihrer
ruhigen Art liegt ein mächtiger Aetg. Dod) unfer
Autor wollte bie einfachen Segebniffe erweitern
unb war fid)tlid) mit ihrer Kürge mtgufrteben. SCRit
fchönen Ahrafen hot er bas fefte ©ewebe um=
fchlungen. Sr hot ben totalen Don bewahrt, ben
moralifdjen ©harafter ber 3eit behalten, bod) ge=
fiel es ihm, bie Datfadjen umt gasreichen wahr*
f<heinlid)en unb vielleicht auch authentifdhen ©ingeL
heiten gu oerbrämen. Aßemt man fo fagen batf,
fo oerarbeitet er bas Silb bes alten Ateifters mit
taufenb gierlidE)eu Farbtönen gu einem Saftell.
©s ift tünftlerifd)e Interpretation ... aber nicht
mehr bie alte ©hronit!
Aßemt auch ber Dob oon Sharlotte be 33rege
unb bie Aad)e, bie ihr Sruber, König Kubwig XI.,
nahm, auf biefe Aßeife „romantifiert" wirb, fo
finb bie (Sefchetmiffe nid)t weniger ergreifenb.
Diefes Unglüd ruft in meinem (Sebäd)tniffe nad)=
einanber Sie feltfame Figur Kubwigs XI. oon
Duclos, ja bie oon Aßalter Scott, £>ugo, ©afimir
Delaoigne unb Sanoilte gurüd. 3© id) muhte
oiele Sücher lefen, gum Seifpiel „Pa j ermesse de
Louis XI.“ bes frühoerftorbenen SOlarcel DhL
bault, ben „Louis XI. en pelerinage“ oon Atarcel
Aaoarre unb befonbers bie intereffante Stubie
oon Sierre Champion, in bem alle Sd)metgen
bes gefangenen Descorforte fortleben.
*
Ateffire Kouis XI. war oon eigenartiger ©ram
f amt eit. Sr war oon auherorbentlidjer politifcher
Sinfid)t, unb rtachbent er oom niebrigften Aang
gur höchften §öl)e gelangt war, gewann er fo rafch
an 9ftad)t, bah Könige, Kaifer unb Sapft an feiner
Seite nur als „tleine Settern" erfchienen. „Das
Opfer, bas in feine $änbe fiel, würbe oon ihm
mit bösartiger Fteube gequält."
3n feiner früheften 3ugenb hotte er fid) auher
ber 3agb ein befonberes Sergnügen gemacht.
Sr lieh fi<h aus Fraulretd), aus ber Kombarbei,
aus Schottlanb, Spanien, Dänemart alle mög=
liehen Diere fd)iden: Sögel, §afen, 3qel, Loirfche,
3ebras, Süffel unb Köwen v
Sobalb er König würbe, fperrte Kubwig XI.
Aienfhen in bie Käfige. Sr geftanb, bah er mit
Sorliebe feine ©efangenen „wie Slftern im
Käfige" gu holten liebte. Unb welch trefflicher
Käfig war bas mächtige, büftere Kaftell oon
£od)es, an beffen Schwelle man in höhuifher
Drohung bie Aßorte lefen tann: „Dretet ein,
meine Herren, hier ift ber König, euer ©ebieter!“
3n 2BirtIid)teit eriftierten bie Sifen= unb §olg=
täfige „gur Sewahrung befangener" lange oor
1461. Sinige Schmiebe aus Deutfd)lanb hotten
oon alters her biefe Sehättniffe geliefert. Ka §ire
unb 3eonne b'Arc tannten bie Schreden biefer
entfe^Iichert Kerter.
Als Karl VIII. ben Dhron beftieg, tonnte ©om=
mines fie felbft erproben unb bann befdqeiben:
„Sie waren innen unb aufgen mit Sifenplatten
bebedt unb hotten eigenartige Sd)löffer; ihre
£jöhe betrug acht Fufi nnb ihre Sreite ebenfooiel.
Der erfte, ber [ie erfanb, war ber Sifd)of oon
Serbun, bann rourbe er gleich felbft hineingeftedt
unb h°t bort piergehn Fahre oerbracht. Siele
haben ihn barum oerflucht, bas tat auch id), ber
felbft hineintam!"
Dille ©efangenen oon Koches tonnten beichten.
Die Segünftigten burften fogar bie Ateffe hören.
Stand)e würben aus befonberer ©nabe in um
oergitterte Käfige gefperrt, tonnten mit ihren
SSärtern Sd)ad) fpielen, lefen, ja fogar fdjreiben.
Das war eine gute ©elegenheit, ihre Keiben in
Serfe ju bringen. „Sus biefem Slenb (fchreibt
Sierre Champion) entftanb eine gange Kiteratur."
Unb wenn ber ©efd)ichtfä)mber nur bie Samen
oon Charles b'Drleans unb ^ran^ois Sillon
gitiert, fo tann man ohne Übertreibung behaupten,
bah itt biefem 3eitalter bas ©efängnis wahre
Dichter güchtete! Sian fänbe ht er Stoff gu einer
feltfamen Anthologie. Um aber gu ben ©efangenen
bes Königs gurüdgutehren, muh ™on fagen, bah
biefe Srleichterungen gu ben feltenften Ausnahmen
gehörten.
D>en ©efangenen, bie SÜeffire Kouis nicht gu
fchonen hotte, war jebe Sewegung abgefd>nitten.
Sr tonnte gegen bie burd)bringenbe geud)tigteit
ber Stauern nicht tämpfen, unb es war noch ärger,
fobalb ber Käfig in ben Kellerräumen ftanb. Das
Ungegiefer oerhinberte ihn, gu fchlafen. Der
Soben war bamit bebedt, unb fogar feine Ueffeln
wimmelten oon lebenben ©reueln; er litt junger,
weil bie Koft mager war unb feine ©efangenfdjaft
ihm auherbem jeben Appetit benahm. Sobalb
fie nach langer Sd)laflofigteit gerabe gur Stunbe
ber Stahlgeit einfchlummerten, warf man ihnen
rüdfichtslos bas Srot auf ben Soben. SSenn fie
bann erwachten, fanben fie nichts mehr, benn
Satten unb Stäufe hotten alles oergehrt. Sine
fchredliche ©raufamteit war bie fortwährenbe
Duntelheit. Alle biefe Sein oertrüppelte halb
bie ©lieber unb führte ein oorgeitiges Alter unb
ben Dob herbei. Die Qualen biefer Käfige würben
auherbem burd) bie unerträgliche Kaft ber Ketten
oerftärtt. Kubwig XI. beftellte bei ben Schmieben
bie entfehlichften, „bie man fid) benten dann". Die
^ruhringe waren fo fdjwer gu öffnen wie bie
Schlöffet an ben Doren. SSährenb nun bie ©e=
fangenwärter bie Sägel fchmiebeten, um bie Sifen
angubringen, muhte ber ©efangene bie Kerge
halten. Am Snbe ber groben, ferneren Kette
befanb fid) eine mächtige Sifentugel. Stan nannte
fie bas „Dö<hterd)en bes Königs".
3n ber ewigen Dämmerung hatten bie Un=
glüdfeligen deine anbre Sefd)äftigung als' bie
ausfichtslofen Serfuche, fich oon ihrer Kette unb
ihrer Kugel gu befreien. SSenn ber Kerter nicht
gu tief lag, fo war es ihr eingiges Sergnügen, bie
©loden läuten gu hören. 3h* eingiger Droft war,
gu ©ott unb ben ^eiligen um Sefreiung gu beten.
3hre eingige Hoffnung in biefer SSelt war bie
Sefidjtigüng ber ©efängniffe burch ben König.
Doch was follte man oon einem §errn erwarten,
beffen 3orn niemals gemilbert würbe!
Siand)mal tarn Kubwig XI. bie Kuft, nach
ber Sefichtigung feiner Diere auch bie eingeterterten
Sienfd)eu in ihren Käfigen aufgufud)en. „Sei
©ott, jeht ift es 3eit, K>err ^ßrofos, bah 3hr wir
Sure Diere geigt!“ Denn er liebte es, mit ben
©efangenen fo umgugehen wie bie Katje mit
ben Stäufen. Sr war ebenfo graufam. •
Sei ^adellicht ging er in fd)ie<hter Kleibung,
oon feinen Sittern, ©arben, Dienern, ©efängnis=
Wärtern, ^entern unb Kmnben gefolgt, oon
Kerter gu Kerter. Sr fat) bann, wie fich feine
©efangenen „oom talten, feuchten Soben erhoben
unb fo fd)muhig nnb tränt, fo mager unb oerftört
ausfahen, bah on ihnen nichts mehr war als S)aut,
Knochen unb Sägel“. Sr ftanb oor ber §o!gtüre,
fhaute unbeweglich unter feiner abgenu|ten
Kappe h^roor unb hörte ruhig bie Sitten feiner
.Opfer an. Sobalb er uenug hotte, fpottete er
gpnifd) über ben beoor er weiterging. 3nm
Seifpiel fagte er gu Ka Salue, bah ein fo unnüher
©efangener gu nichts bienen tönnte als gur Kod=
fpeife für bie $ifd)e. Dann geigte er auf einen anbern
unb fagte bem Center mit jenem Kad)en, bas
feine Umgebung gittern machte: „fMfelt ihn nur
noch beffer! Sr foll Sopran fingen! Das Sifen
wirb ihn gum Sprechen bringen!"
Dann wenbete Sleffire Kouis fich um unb
ging, oon feinen Sittern, feinen ©arben, feinen
Dienern, feinen ©efängnisWärtern, feinen £>en=
tern unb K»unben gefolgt, wieber gurüd, um in
fein Setgimmer gu gelangen. Unb fobalb bie
fyadelbeleuäytung oerfd)wunben war, fentte fid)
bie Sacht wieber auf bie Slenben he*o©
gitterten nod) mehr unb oergruben fid) bod) in
ihr oerfaultes Stroh, benn fie waren in ihrer
Lobes er Wartung noch gtüdlid), bah ber dönigtiche
Sefud) oorübergegangen war, ohne ihre 3öhue
unb ihre 3unge gu fchäbigen. §errn oon Armagnac
würben bei einer foldjen ©elegenheit bie 3ähue
ausgeriffen unb bie 3unge burchbohrt. Die
töniglidje ©nabe lieh es gefdjehen, bah utan 3ean
le Son bie Augen ausftach unb bie Kiber oerfengte.
Sinige biefer Unglüdfeligen ertauften ihre
Freiheit mit ber Eingabe all ihrer irbifcf)en ©üter
unb tonnten ben Käfig lebenb oerlaffen. 3h r
Ausfehen war bann erfdjredenb, bas Slut ftodte
in ihren Abern, ihre haare waren weih, ihre
SSusteln abgeftorben, ihre Augen blidlos unb ihr
©eift oerftört. Sie waren nun unfähig, etwas
gu tun, jämmerliche menf<hlid)e Krüppel, herr
be Srege war fo lange gefangen, bah er bei feiner
Sefreiung an ber Schwelle tot hiufant.
Doch bie göttliche ©eredjtigteit wollte, bah
biefer König, ber ben Sienfchen fo oiel Schreden
brachte, felbft bamit enbete, oor ben anbern un=
nennbaren Schreden gu empfinben. Sr terterte
fid) in Sieffis les Dours ein, einem üefgetegenen,
mit ©räben umgogenen Schlöffe, beffen Stauern
oon ©ittern, Spiehen unb Fallgruben umringt
waren.
„So fanb er fich oor feinem Lobe," fchreibt Som-
mines, „in einem ähnlichen riefenhaften ©e=
fängnis, unb er hotte noch gröbere Angft als bie
©efangenen, bie er eingetertert hotte... Die
Dulbfamteit, welche er nur für feine eignen Keibew
fchoften bewies, wirb ihm wohl als Strafe am
gerechnet werben, benn unfer §err lieh ihn irt biefer
Aßelt fiegen, bamit er brüben befto härter leibe."
(Stngig autorifierte Uberfehung oon Kola Korme)
3u unfern Silbern
Die Dängerin Shlotilbe oon Derp ift otelletdjt bie •
jüngfte unter ben Sängerinnen, bie feit Dora Duncan auf
unfern Sühnen mit mehr ober weniger Srfolg fich einer
neuen Sangtunft rühmen. Knb wenn babei oft bie gute
Abficht mehr wiegt als bas urfprüngliche Latent, fo fiel)t
man es biefem jungen, frifhen SBefen fogleih an, bah
ein gutes (Sefhicf unb bie Aargen, bie an ihrer SJßiege
geftanben, fie für eine Kunft beftimmt 3 U haben fheinen,
bie ben Ahpthmus unfers Kebens in mufilatifh ge=
gtieberten Sewegungen umfe^t. Die gefhmeibige Form
ihrer ©lieber unb bie ©ragte ihrer Haltung oerfpriht
uns eine rafttofe Ausbructsfäl)tgteit für alle jene feinen
unb fubtilen ©eetenftimmungen, bie wir bem Sang ber
3utunft anoertrauen möhten.
Anfelm Fcuerbah, ber grojge Sahnbrehcr einer
neuen Atalerei, ben man erft je^t, breifeig Fahre nah feinem
Sobe — bas Keben hat hm bitter mitgefpielt —, richtig
gu würbigen anfängt, geigt fih in feinem Amagonem
tampf auf ber §öhe feines riefenhaften Könnens. Die
Sewegung ber Keiber unb bie reine ©eite bes ©riehen=
Ianb mit ber Seele fuhenben Künftlers ber Fphsenie
gelangt hier gu einer bramatifhen Steigerung ber Kom*
pofition, wie fie nur ein gang ©roher in biefer Klarheit
unb ©inbringlihteit ber Kinienführung gu meiftern oermag.
Sh- AtepemSafels feinftrihige Aabierung oon
Kanbsberg am Keh ift oon einer feltenen Frt=
timität ber Kanbfhaftsftimmung, bie fih über biefes alte
Stäbthen unb feinen Flofi oerbreitet. Die $elligteit
über bem SBaffer gegen bie buntte Silhouette ber Stabt
unb bas anbre Ufer im Sorbergtunb finb mit fo oiel
©efhntacf unb fiherem ©efühl für bie Kihtwerte bes
Kanbfhaftsbilbes ausgenuht, bah Üh biefe Seidmung auf
ber Kupferplatte fogar malerifher SBirtungen rühmen iann.
M.
Das neue Such
Aiht altes, was auf Süttenpapter gebrudt wirb, ift
föftlih gu lefen; manhes finbet fih, roas lebiglict)
perföntihe ©itelleit einem üeinen Kreis befheren gu
müffen glaubt. Da aber Hegt ein fhmaler Sanb in
©rohoftao oor mir, ber mid) mit alten Allüren ber nur=
äfhetifheu Süherei grüht, ohne Sibliophtlenliteratur gu
fein: „dB ü r g b u r g im Saumei,. Ar abesfen
oon Alfreb Aiharb Ateper“ fteht in einer
wein= unb liebestrunlen fhwanlenben Shrift auf bem
Dedel. Darunter ein Stih oon Aterian, barftellenb bas
mittelalterlihc ASürgburg unb bie fröhliche Argnei ber
Stabt gegen alle Kümmernis, ben Sodsbeutel. Der
junge Kpriter Alfreb Aid)arb Ateper reiht in biefem Suh
tofe ©ebihte aneinanber, bie wie Amoretten um bie alte
Stabt am Alain einen heiteren, ab unb gu aud) gragiös=un=
oerfhämten Sang flattern. Um bas ©ergangene ASiirgburg,
in bem bie ^eiligen brünftig oerehrt, bie Fuben oerfolgt,
bie $eren oerbrannt würben, unb um bas oon heute,
barin Stubenten ben Sodsbeutel unb bas Aapierfhwingen,
Hebe Atäbels fo fromm unb naio in Sommernächten ben
©lüälid)en entgegenfinfen. Alfreb Aid)arb Ateper ift eine
intereffante Alifhung oon äfthetifierenbem atlermobernftem
Allerjüngften unb oornehmem frifhem Alabemiler. Der
Kalabrefer fteht hm ebenfo wie bie bunte Stubenteu=
mühe, unb währenb er mit tofenben Fmgern in alten
Stichen unb teuren dkrgamenten blättert, fühlt er mit
ber anbern §anb wohlgefällig über bie tolle Quart, bie
in dßürgburger Saumeitagen ein Kontrahent, ber „was
tonnte", bei hm „reingebraht“ hed* Slutwarme Kiebe,
SB ein unb eine bewuht abfeits oom Afabe gepflegte
Kunft — bie brei fliehen in bem Suche merfwürbig unb
glüdlih ineinanber. 2>n einer Stimmung (bie frei=
lih nicht leiht gu befinieren wäre) geht alles oom Anfang
bis ans ©nbe gufammen. K. E. K.
1158
Hber ßanb unb SERecr
1911. 91r. 44
btcfe ©Über uriebergeben, o erraten
nichts oon ber Seele unb bem GPja=
ratter, aber fenn3eid)nen ben ©e=
ruf, bem biefe §änbe täglid) fronen,
©ebulbig pafjt fid) bas fünffingrige
natürliche §anbroerts3eug, bas bie
©atur bem SQlenfdEjen hat amoachfen
Iajfen, jeher mafdjtnellen ©efd)äfti=
gung an. §ammerarttg ftumpft unb
runbet fid) bie gauft bes Schmiebes
unb bes Sd)loffers; Daumen unb
3 eigefinger bes Sehers ftreden unb
fpihen fid) unb toerben 3ur fd)önften
©in3ette, bie bie tleinften Rippen be=
hutfam aus bem Sehtaften heroor*
langt. Das Schneiberlein, toenn's
nur red)t fleißig ift, betommt feinen
©infäbelfinger unb ber Sd)ufter feinen
breiten, formlofen Daumen, ber bas
fieber beim Scpneiben toie ein Sdjrau b=
ftod fefthält.
Unb bem Klaoieroirtuofen fprei3en
fid) bie ginger gleich langen Spinnern
beinen, fie ftreben auseinanber toie
fünf ©rüber, bie fid) nicht oertragen
tönnen, nur toeil ifjr $err unb ©teifter
bie Oftaoe mit leichtem Ulrtfci)lag
greifen toill. Kn.
'TNas ©efid)t unb bie £jänbe finb bie
Körperteile, benen ber $aupt=
anteil in ber ©harafterifierung ber
©erfönlidjteit 3ufäIIt. Sie tragen bie
©efte unb ben iRhpthmus bes gnbiob
buums. gn gorm unb ©etoegung
ber §änbe (nebft ber fie regierenben
ülrme) unb bes ©efidjtes ertoadd
alles ©ererbte unb neu ©rtoorbene
3Üm ©in3elteben, bas feiner §anb,
feinem ©efid)t ber ©Mionen unb
aber ©Millionen anbrer ©tenfchen je
gan3 gleicht.
Die Schönheit bes ©efichtes hat
bem erotifchen ©efüf)I immer fo be=
ftimmenb, fo bominierenb gefchienen,
bah fie in langen Kulturperioben —
unb es ift auch heute faum anbers —
spracht* unb ©runfftüd ber Slfthetif
bes menfcf)Iid)en Körpers blieb, gür
©tenfdjen oon fef)r empfinblicher ©ei3=
barfeit aber fann fdjon bie §anb allein
3um Stedbrief xoerben. Diefe feiner
Drganifierten fönnen^änbe lieben unb
haffen, oerehren unb oerachten.
©ber aud) einer gröberen ©eobad)=
tungsgabe oermögen §änbe eüoas 3_u
er3ählen. Die gormoeränberungen, bie
ftlaoierfpielerhänbe
fßianiftenhanb (linfe)
fiinfs oben:
Die $anb eines
Scbmiebs
9fecf)ts oben:
Die §anb eines
Schuhmachers
£infs unten:
Die £>anb eines
Schneibers (linfe)
9fed)ts unten:
Die £anb eines
Sdfriftfepers
KARGES-HAMMER ♦
BRflUNSCHWEIQ
<Sett ber 3 e iL ba ^°nig Sub*
ttjig I. ben Subrotg§»2)ottau=3ftaüt=
Stanal erbauen ließ, oerteßten auf
btefer mistigen Sßafferftraße nocß
immer bie altßertömmliihen große»
ren Eäßne, gezogen burcß auf bem
Uferroege getriebene Pferbe. ©rft
jeßt bat man für biefen ^attal
ba§ erfie eigettberoegltcße Saftfcßiff
in 2>ienft gefteUt, ein Ptotorfcßiff,
beffen probefaßrt unter Seilnaßme
be§ grinsen Subrotg, be§ @ntel§
oon JRöntg Subroig I. unb @oßn§
be§ Prinsregenten, unfre Stbbil*
bung jeigt. Um bie enbltdße ©in»
fübrung be§ mobernen Peförbe»
rung§mittel§ unb bamit um bie
lünftige ©eftaltung ber baprtfcßen
Stanalfcßiffaßrt bat ficb ber SUim*
berger Pefißer biefe§ erften Plotor»
Iafttaßn§, §err Söwenfoßn, ben
man jur linfen §anb be§ Prinzen
fießt, befonbere Perbienfte er»
roorben. Sßeiter beftnben ficb in
ber ©ruppe beiberfeitS be§ prin»
gen ber $Regierung§präfibent non
SJtittelfranten Dr. o. Staut, Ober»
bürgermeifter Dr. o. @cßuß, Plagt»
ftratSrat ^ommergienrat Sing unb
©eiteralbireftor Dr. t>. Petri, forote
.gmfmarfcßaU greißerr o. Saßberg.
Son ber Probefahrt be§ erften für ben SubrotgS^onaivPlaimKanal erbauten 9)lotorIaftfcßiff§ mit bem Prinjen Subrotg oon Sägern (x) an Sorb
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und gewährt daher feriöfen Empfehlungen angefehener
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fchriften, Anfragen an Inferenten, daß die Ankündigung in
«Über Land und Meer» hierzu Veranlagung gegeben hatr
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seit Jahren fortwährend in Anwendung.
München, den 10. Juli 1884.
Die k. Untersuchungsanstalt bezeugt, daß die von Herrn Dr. Pfeuffer bereiteten
und anher zur chemischen Untersuchung überschickten Hämoglobin-Pastillen im Durch¬
schnitt 1,3 Gramm Hämoglobin (natürliches Eiseneiweiß) enthielten und daß dieselben
frei sind von für die Ernährung ungeeigneten Bestandteilen, wie solche im gewöhnlichen
Blute als Excretionsstoffe (Auswurfstoffe) vorhanden sind. Obige Untersuchung bestätigt
Dr. Rudolf Emmerich (kgl. Professor an der Univ. München).
Dr. Max von Pettenkofer (Geheimrat, kgl. Prof, an der Univ. München).
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mäßigem ©enufj oon Dbft unb unreifen fruchten
prompt unb fid)er wirft ein Teelöffel ooU
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in Reibern gucferwaffer, beffen anregenbe unb antifeptifdje
ftunftion ihn gu einem ibealen £>au§mittel ftempeln.
(Erhältlich in ftlaconS ä 3tt. 3;65, ütt. 1.95, 3JI. 1.35 unb 3JI. 1.10 tn (Drogerien,
2>eltfateffenhanblungen, Sßarfümerten unb Sitpotfjeten. Ausführliche SBrofdjüre
unb ®ratt$mufter btrett burch: „SRtcqleö^epot", grantfurt a.
homcnym
2Ber fennt ni<f)t bie SBanbergefellen,
Die beimatlofen, ^te fd)nellen?
Sie 3ieben wohl burd) bte gange Sflelt,
Sie fönnen es treiben, wie’s ihnen gefällt,
Unb fommert fie lärmenb berfiir,
93erfd)Iiefe ihnen lieber bie Dür!
Doch wenn fie fid) frieblid) erwetfen,
2Bir gerne willtommen fie beiden.
3br Stamensfcbroefterlein 3art
fiebnt oft oor bem Saufe unb harrt.
Da nabn fte wobl manchmal in Stub’
Unb flüftern licbfofeitb ihm 3U,
Unb fptelen um 93ufd) unb 23aum,
SJtan bört es faum,
Unb werben miibe unb fcblafen gar ein.
Doch nein!
Slufbaftenb aufs neu,
Ohne 3iel, ohne Dreu',
3n bie Stäb', in bte gerne fie fliebn —
SBer weife, wobin! 31- X.
Trauennamen-Sternrätsel
a, a, a, a, b, c,
rn n e » e « e - c *’ t
I — , I 9» i, *, i, I, b b
\ rr °' r - u u
I I — — I I Obige 83udp
I ftaben trage man
— — — — — 1 tn bte Ouabrate
N 1 L ber 5tgur ein, fo
«IH in ~TT~I ^ a mi *Äl
x s s gen en Sud) ft oben
t ____ad)tgrauennamen
erfcbeinen, bie aus
r-| |— I > jefünfSud)ftaben
befteben unb ben
I | 1 I I gemeinfamen
I I LJ I I (Enbbucbftaben E
6 5 beftfeen. Die 2In=
fangsbud)ftaben ergeben bann wieber einen grauennamen.
©. D.
Palindrom
Du fannft mein SBort oon hinten lefen,
So bat es bas, was es gewefen,
Slls bu es noch nid)t umgefebrt.
3n beiben formen ift's begehrt:
Son oornen bat man's oon Statur,
Son hinten borgt man's meiftens nur. SB. SJt.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite i 04 b:
Des güllrätfets: 3nbien, Slltertum, SBenbelin,
ßeutben, Schwert, SJtentone, ©ranaba, Äentudt), ©limmer,
©ernrobe, Stochen, ßeinfter. — Die alten Deutfcben tränten
immer noch eins.“
Des Stäbterätfels: Sregeng, Dresben, Stettin,
Sotsbam, Sdjilba, Stenbal, Spanbau. — Die fette biagonale
£etternreil)e 3eigt: Sreslau.
Stiditige Söfungen fanbten ein: 3ol). Sß- Stoppel, §am<
bürg (2); (£.93.21., Sd)affhaufen (2); Stonrab 93olfter, Sleumavtt
in Steiermarf (2); ftuliuS ©joettooitS, Subapeft (2); 93eUa
§ofmeifter, SiegenSburg (2).
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fünfmal für ^eilnetjmer an ben 93e=
freiungSfrtegen oon 1813 bt§ 1815 51 t
Beuggen in Sübbaben
n England pflegt man diese Sauce
tllgemein bei allen Arten von Käse
zu verwenden.
Befördert die Verdauung.
m Engrosverkauf zu beziehen von LEA R; PERRINS
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biente ba§ ehemalige ^eutfcborbenS*
f)au§ 311 Beuggen ben £eeren bet Ber*
bünbeten ettoa 3 toei Sabre lang at§
cine§ ber ^auptlajarette. Blebrere
Saufenbe oon Kombattanten ftarben
bort an Wunben unb Krantbeiten.
Bor fursem bat man biefen ba§ oben
abgebilbete ®enftnal errichtet. Stuf
einem mehrere Bieter hoben Unterbau
au§ ©ranitblöden erbebt ftd) eine
©ranitppramibe, beren Borberfeite bie
Rahlen 1813 bi§ 1815 unb eine oon
einem öfterreid)ifd)en ®oppe!ab!er über*
ragte Bronjetafel mit Snfdjrift trägt.
fRed)t§ unb Iinf§ befinben ftd) bte
Wappen oon Bremen unb @ad)fen,
Bagern unb Württemberg. ©in nad)
bem Bbeine uub bem anfd)Uefjenben
Blaffengrab gerichtete^ grofce§ Bronje*
freus giert bie Stücffeite. ®a§ ganje
®enfmat frönt ein antifer £elm, unter
bem ein ©dpoert liegt.
England;
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2öo erlernen mir ©ef<f)macf?
@S gibt beute faum etne gute Sache, über bte ntdft gelehrt rotrb. Bur für ben
©efdimacf gibt eS feine 93elehrung. Seher ift ba auf ftd) felbft angetoiefen, unb boä)
ift ©efcbmacfenttoicleln für ben einselnen oon größter Söebeutung. 2118 für bie ©efdnnacf*
bitbuna in Singen ber 2öofmung§etnrid)tung nübttd), feien bie Schriften ber gtrma
SB. SHttmar, Blob elf abrtf, 23 er l in C., ÜRolfenmarft 6, beftenS empfohlen, be=
fonberS bte neuefte Sd)rift „Silberhängen, Biöbelfieüen, ©inrichten". Sie gibt gereifter*
mähen ©inbticte in bie ©ebanfemoerfftatt eines @inrid)tungStünfüer§ unb macht ®runb=
urfachen ftar, roarum bie§ 23ilb fo hängt, unb jenes fßföbel fo hod) unb nicht höher
ift. $ittmar fann als SSorfämpfer für neue oernunftgemäfte fBöbelformen bejeichnet
rcerbeu, er fuä>t bte BubUfumreünfche, bie Slunft* unb bieWerfftattforberungcn in beflem
Sinne su oereinigen. Seine SJlöbet haben im allgemeinen nicht ben Btagajin* ober Satatog*
möbetd)arafter. — ®te oon ©tttmar ins «eben gerufene „2(u§fteUung für jeitgemäfeeS
Wohnen" in 23erltn, fEauenbtenftr. 10 , ift sur 23efichttgung nad) roie oor frei oon 9 —1
u. 3—7 Uhr; ebenfo ein 23efud) im §auptgefd)äft, ber gern gefehen roirb, Blotfenmarft 6.
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Lande binnen
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Über £anb unb 3CReer
1911. 9tr.44
Bäbertt unb ßurorfen
£ö!jenluftfurort ©ergün. inmitten ^Qrjbuftenber 9Bäl*
ber unb pittoregfer £ro©gebirg§fäenerie liegt 1400 Aieter über
bem ©leere auf famtroei©en ©latten ba§ ftattlt©e Torf ©ergün.
9©eltabgef©ieben unb bo© bur© bie füljn angelegte 9©ätif©e
©t©n leicht ju erreichen, ift biefer im Zentrum ©taubünbeng
gelegene Drt rote gefebaffen, ben ©rljolunggbebürftigen bie Auf*
regtingen ber ©rofjftabt oergeffen ju machen unb ibn ju neuer
Arbeit 8U ftäblen, unb baber ein §öbenluftturort aHererften
9tange§ mit ©Beltruf geroorben. ©ine ftarfe eifenbaltige ©ipg*
quelle mit großer §eüfraft Ijat biefen Auf noch beträchtlich
erhöbt.
J3fn©ab@m§ fanb am 9. guli gum fe©gunbbreifngften Atale
bie Siaiferregatta auf ber Sahn bei f©önem Söetter ftatt. Ten
©orrennen am ©ormittag folgten na©mittagg unter großer Teil*
nähme bie 12 §auptrennen. Am beften febnitt fportli© roobl ab
bie Atainjer SR. ®. oon 1902, bie ben »out ©latnjer SRuberoeretn
feit brei fahren ftetg behaupteten, btegmal aber nicht oertei*
bigten @hrenprei§ ^aifer ©ßtlljelmgl. an fi© braute unb au© im
©reig oon Aaffau fiegte. Ten SHegattatag bef©lof? eine ©aber*
beleuchtung.
©ab Saljbrunn erfreut fid) in biefem $<©re be§ ftärfften
©efucheS feit feinem ©efteben. Tie 3al)l ber Jturgäfte hatte um
©litte Sult 5000 Übertritten; ©erfonen mit fürjerem Aufenthalt
roaren big bahin runb 4500 ju oer$et©nen, aujierbem etroa 34000
Tagegbefu©er. An bem fürgli© bort abgehaltenen VII. hinter*
nationalen Tennisturnier beteiligten fi© 60 Spieler. Tag £aupt*
fontingent fteüte Schlefien, bod) roaren au© Spieler au§ ©erlin
unb anbern bebeutenben ni©tf©lefif©en Sportplä^en, gurn erften
©lale aud) fol©e au§ SRet©enberg in ©öbmen oertreten.
S©langenbab fanb anläßlich beS amerifanif©en Unab*
hängigfeitSfefteS ein roohlgetungeneS Stongert, jufammengefegt
aug'©Berten amerifanifeber ©teifter, bei gleichseitiger Illumination
ber oberen Äuranlagen unb bengaltf©er ©eleudjtung be§ DrteS
ftatt. ©ei günftigem ©Bettet unb gutem bisherigen ©efudje »er*
fprkfjt bie Saifon roeiter re©t gut ju roerben.
QfoJiJjäffluJjfc 2$HtfEiImt0£n
Tie Kunft, jung ju bleiben, ift fo etroaS roie ber Stein
ber ©ßeifen: ein ©roblern, bem finbige Siöpfe aller .Seiten na©*
gefonnen haben, ohne eS erf©öpfenb löfen gu lönnen. $egt enb*
li© f©eint man ber Söfung auf ber Spur ju fein, ©lau bringt
ja fogar f©on „fonjentrierteS" Sonnenli©t in ben f)anbel in
ftorm oon flüffiger ©erftenmaljnahrung. ©tomalj ift fopfagen
ein innerli© ju nehmenbeS Sonnenbab, übt oft f©on na© turger
3eit au© äu^erli© roahrnehmbare, übetraf©enbe ©Birtungen auS
unb betätigt eine fieghaft oerjüngenbe Straft, roie fie fi© unter
ben ©Birtungen be§ Sonnenli©tS in ber freien ükatur immer oon
neuem roieber offenbart.
Tag Sternf©e S^onferoatorium ber ©lufit gu ©erlin
bef©lofj fein 61. S©uljahr mit einer SRe©e oon 15 öffentli©en
©rüfungSauffühtungen. ©ei oier oon biefen roirlte baS S©üler*
or©efter beS ^nftitutS mit. Tag ßonferoatorium, an bem 129
Setjrer roirten, befu©ten in biefem S©uljahr 1319 S©üler, bar*
unter oiele auS ben fernften Säubern, roie unter anbetn ©hile.
Argentinien, ftaplanb, Qi©ina, ^apan unb Auftralien. ©S fanben
33 ÜbungSoorträge unb einf©lie§li© oon Aufführungen ber
Opern* unb S©aufpielf©ule foroie ber oben ermähnten 16 ©rü*
funggfongerte 76 öffentli©e Aufführungen ftatt. ©ine grofie
Anzahl oon S©ülerinnen unb S©ülern erhielt auf ©runb ihrer
fünftlerif©en Seiftungen ©ngagements an erften ©ühnen beS Su*
unb AuSlanbeS.
Aüetn. 3nferaten*9tnnahme cv ♦ rtVV 3nfer(tone - «ebithmt
bet ?ilubotf ItldlTe, A ITIPTITPIT h* r bte fünfgefpaltene
Annoncen = ©jpebttton für AjlU/UUUl ©onparetUe=8eite3)t.i.80,
tämtli©e Bettungen T)eutfd)* —-----für bte ©©roeij, Qtalten
tanbS unb beS AuSlanbeS, unb fjranfrei© f>r. 2 . 26 .
tn öerltn, ©reSlau, ©hemnttj, 2>reSben, ®üffetborf, g-rantfurt a. 2JI.,
$alle a. ©., Hamburg, Stötn a. 9tt)., Setpjtg, Alagbeburg, 3)tün©en,
©ürnberg, ©rag, Stuttgart, SBten, 8üri©.
Die Uibrationsmassage des Crommelfells gegen
- Scbwerbörlgkeil, ■
Ohrensausen und Obrenleiden
t>erf(©iebener Art ift fadjmänntfcfjen Greifen burc© bte ^rorfdjungen nam*
Ijafter ©eleljrten Idngft al§ ein au§ge 3 eid)nete§ unb tüir!fame§ §eüoer*
fafjren betannt geroorben. SDüt ber .feanb ift natürlic© bem Trommelfell
nid)t bür© SDlaffage roirtfam beijufommen. 9Jtan ift beihalb auf bie
Teajnit unb SRedhanif, auf Apparate angeroiefen. Tai ©roblem einei ein*
fachen, baher nit©t gu foftfpieligen, foliben, jroeefmähigen ©ibratori jur
SJlaffage bei inneren £>h re § ift je0t gelöft burc© ben Apparat „Hucüto“
ber ^irma ©mit Soeft in Tuberftabt. @i föttnen bannt gleichseitig
beibe Ohren ober aud) nur einei beljanbelt roerben, aud) lä&t er fit©
burdj einen einfachen .fpanbgriff auf bai tleinfte geroünfdjte oon
Um die Büste zu entwickeln u. üeiesiisen
nichts kommt den Pilules Orientales eieich
Schon zu allen Zeiten hat die Frau ge¬
sucht ihre Schönheit zu vervollkommnen.
Aber von allen Schönheitsmitteln, die ihr
zu Gebote stehen, ist wohl keines höher
einzuschätzen wie dasjenige, welches wir
beschreiben werden, und mit dessen Hilfe
jede Dame und jedes junge Mädchen
einen schönen und üppigen Busen er¬
zielen kann.
Dieses Mittel ist von schneller und dabei
gänzlich gefahrloser Wirkung, und häufig
genügen 14 Tage nur, um überraschende
Erfolge zu zeitigen.
Madame L.... schreibt:
.Seit 14 Tagen befolge ich nun Ihr Ver¬
fahren, und ich bemerke mit größter Ge¬
nugtuung bereits jetzt eine wahrhaft er¬
staunliche Wirkung . .."
Wir wollen gleich im
voraus sagen, daß dieses
Verfahren eine innere igw
Behandlung ist, wodurch /4»38aBl
allein eine vorteilhafte A'WgA fpg
Wirkung auf den Busen Äf
ausgeübt werden kann,
denn diese Organe emp- Tpl V^i
fangen ihre Nahrung aus- V\,
schließlich aus dem
Innern des Körpers und
können nur durch Mittel jggr ■
beeinflußt werden, die «•
direkt auf ihr Nerven-
System und ihre Ernäh-
rungszufuhr wirken.
Das ganze Verfahren
ist äußerst einfach und
besteht nur aus dem Ein-
nehmen von winzigen xHF
Pillen, die man zweimal
täglich zu sich nimmt;
kein Volistopfen mit
Mehl, keinerlei Einreibungen oder kom¬
plizierte Operationen, die ebenso wir¬
kungslos wie unnütz sind, kommen hier¬
bei Tn Anwendung.
Diese Pillen heißen „Pilules Orientales
Ratie“ und besitzen eine genügende
Wirkungskraft, um der Ernährungszufuhr
der Frauenbrust die entsprechende Rich¬
tung zugunsten der besseren Entwick¬
lung dieses Organs anzuweisen, und es
wird so die erforderliche Anregung zur
Entwicklung und Festigung des Busen
gegeben.
Tausende von Dankschreiben, die uns
von allen Seiten zugehen, sind der beste
Beweis hierfür, und führen wir nur eines
derselben hier an:
Herrn... Ich habe Ihre Pilules Orien¬
tales angewandt , und macht es mir Freude,
Ihnen mitteilen zu können, daß mich die
erzielte Wirkung sehr befriedigt hat.
Auch mein allgemeines Befinden ist nicht j
im Geringsten nachteilig beeinflußt wor- \
den, im Gegenteil: ich habe niemals
besseren Appetit gehabt als während der
Dauer der Kur. Ich kann mich daher nur
dazu beglückwünschen, von Ihrem Mittel
Gebrauch gemacht zu haben. Ich danke
Ihnen aufrichtig und erkenne freimütig
die Wirkungskraft der angewandten
Pillen an. Ich mache es mir fernerhin
zur Pflicht, Ihr Medikament jeder Dame,
die dessen bedarf, zu empfehlen.
Gez.: Frl. Marie B...
Bad Landeck, Rheinland.
Wir hoffen, daß ein so offenherziges
und freiwillig geliefertes Beweisstück
unseren liebenswürdigen Leserinnen ge¬
nügt und uns davon ent¬
hebt, hier deren weitere
V anzuführen.
Verzweifeln Sie daher
nicht mehr, wenn Ihre
Büste nicht die wün-
:'iw sehenswerte Fülle zeigt,
; MW oder wenn durch Neben-
fr umstände mannigfaltiger
f Art deren frühere Festig-
keit und Ueppigkeit ver-
^ Ioren gegangen ist. Ver-
zagen Sie selbst dann
■ r nicht, wenn Sie bereits
JraKs; \ andere Mittel ähnlicher
fHPPfc \ Art ohne Erfolg probiert
j haben. Wie dem auch
SB/ JF ■ J sei: versuchen Sie auf
HP: / jr jeden Fall Pilules
IBM / r O r i e n t a 1 es Ratie; Ihr
Busen wird sich nach
einigen Wochen ent¬
wickeln und fester wer¬
den, und die häßlichen
Knochenvorsprünge des Halses ver¬
schwinden dann gänzlich, wie durch
Zauberei.
Diese, von ärztlichen Berühmtheiten
erprobten Pillen sind der Gesundheit stets
bekömmlich und eignen sich für Damen
und junge Mädchen aller Naturen.
Nehmen Sie daher ungesäumt Ihre Zu¬
flucht zu ihnen.
Um franko und diskret einen Flakon
Pilules Orientales zu erhalten, genügt es,
M. 5.30 per Auslands-Postanweisung oder
Fünfmarkschein und 30 Pf. Marken an
Apotheker J. Ratiö, Paris, 5, Passage
Verdeau, zu schicken; der Brief ist mit
20 Pf. Porto zu bekleben, Karten mit 10 Pf.
Wir raten einer jeden Leserin unserer
Zeitung, sich von Herrn Ratiö das sehr
interessante Heftchen „Ueber die pla¬
stische Schönheit des Busens“ kommen
zu lassen, das er gratis schickt.
Diese Pillen sind auch erhältlich bei: Berlin, Hadra-Apotheke, Spandauerstr. 77,
München, Emmel, Apotheke, Sendlingerstr. 13, Breslau. Adler-Apotheke, Ring59, Leipzig,
Dr. Mylius, Markt 12, Frankfurt a. M., Engel-Apotheke, Gr. Friedbergerstr. 46.
CACAO CHOCOLADE
Zu haben in den einschlägigen Geschäften
©ibration§ftcxrle einfteilen, roirft aber aud) roieberunt bet ©tarfftettung
red)t fräftig. ÜUebeninftrumente ober hoppelte Apparate für bie oer*
fdjiebenen ©ebraudjSjroecfe ftnb unnötig.
Sßie mancher glaubt fid) f)offnung§Io§ leibenb, roeil if)tn bie mo=
bernen rotffenfdjaftlidjen ^ortfdjritte in ber Dt)renbel)anblung unbefannt
finb. ©füdjt jebe§ einzelnen ift bestjalb, fid) mit ben neueften ©rrungen*
fdjaften unb ben roirtfamften 23ef»anblungen oertvaut ju madjen, roornit
eg nt©t feiten gelungen ift, au<© nod) in ueralteten unb oer^roeifelten
füllen bag Seiben roirffant gu bebanbeln. 3 a blreid)e Anerfennungg*
fdjreiben oon ©atienten berieten über ftaunengroerte ©rfolge, roeldje
burd) bie 23el)anblung mit biefem Apparat bigfyer erhielt roorben, unb
bieten neben ben ©tnpfeljlungen oon Autoritäten eine beadjtengroerte
©eroäl)r für bie l)eroorragenben Seiftungen be§ „Hudito“.
Tie gerid)tlicf) eingetragene f^irma 6mil Coeft, Special-Jnftitut
in DuderTtadt 46 am 1 ^?* oerfenbet auf aBunfd) eine augfül>rlid)e
S3rofd)üre mit 23etel)rungen u. 93et)anblung§oorfd)riften für ©el)örleibenbe.
©ie l)aben nur nötig, bie ißrofdjüre über „Hudito“ (DeutTcb. Reicbs-Pat.)
gu oerlangen, fo roirb SEiaen biefe ooÜftänbig toftenfrei gugefanbt.
Ao^brud aus bem 3nfjalt btejer 3eitjd)rift mirb jtrafreMi© oerfolgt, ©erantroortlidjer Aebafteur: Dr. Aubolf ©resher in «Berlin, ©erantroortli* für ben Snjeratenteil: Aicfiarb Aeff in Stuttgart. 3n Öjtcrrei(f)»llngarn für bie
Jtebanton unb verausgabe oerantuiortluf): Aoberst SJioljr tn 3Bten I. 35tud unb ©erlag ber 35eutjcf)en ©erlags=2lnftalt in Stuttgart, ©apier oon ber ©apierfabril Salad) in Salacb (SBürttcmberg). ©riefe unb Senbungen, bte ben
rebaftionelien 3nfjalt btejer 3sttjcf)rtft betreffen,
bte Deutle ©erlags-2tnjtalt, Aebaftion, Serlin SW, Äoniggrager Strafe 99 (oijne ©erjonenangabe) erbeten.
S30-G
C/ < 2 - 2 .
$lx. 45 3af)rgang 53
£le&cr -Canb unb SDtcer
9öla£tt>eU Slrtnfielb: „gauftina"*
1911 (23b. 106)
156
BENEDICTINE
Wirklicher Bohnenkaffee - Kein Surrogat.
►anatorium;
Über £artb urtb 93teer
SincjüogclräUel
Silbenrätsel
s #ciul uiar ein Dichter, !üF>n unb frei,
Der 3 tuar fein irbiid) 93 i e r bclafe.
Der oft in amtlicher 3 t °ei = Drei
Sein 93rot mit Sins genügiam afe.
Schach
(Bearbeitet von €. Scballopp)
Aufgabe 17 »on Gustav Itlarkus in ©an
©iooannt bei trieft (91eu)
__ Lehman (in Stein e.- AUflÖ$Utlg der Auf-
h § j |J§ ; gäbe 16
Die 93ud)ftaben
nebenftei)enbcr
5igur finb berart
3 U orbnen, bafe
bie roageredjten
9?eifjen lieben be=
fannte Singoögel
nennen.
91. £.
Da brachte if)m [ein Drama 9IuI)m
Unb reidjlid) (öolb! — Sin fdjönes 93 i e r
33e|ifct er je^t als Eigentum
3m Sins bis oier im SBalbreoier.
©. 2. Ke4xd4
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite ms:
Des Anagramms: ^ßalme — simpel — fiampe (§aus=
ät) — £ampe (in ber gabel gebraust für §a|e).
Des £ogogripf)s: £infe, £tefe.
Drel-Cettern-merkrätsel
ftübcl, Durlad), £>inbu, Munbmann, £eere.
9Jian merfe in jebem ber obigen fünf SBßrter brei bei[ammem
(tebenbe 93ud)|taben berart, bafe bie gemerften fünf £ettern=
breiljetten, nad)einanber abgelefen, etcoas nennen, mas bem
£e|er feljr nat)e liegt. 9?. Sp.
9iid)tige Söfungen fanbten ein: $of). Stoppel, $am=
bürg (l); Stlara SJiller, lHegett§burg (1); Stonfiantin ©bmltopl) jun„
aÜien (1); ÜüaraSbin, SMen (1); ^ul. (£joetfooit§, »ubapeft (1);
ftonrab fßolfter, SNeumarft in ©teiermarf (1).
2Ö.3. Tfi-ci matt.
2ßet6 (8 ©teinc'
SBetfj jtebt an u.feßt mit bemäroeiten3uge matt.
.Für Eheleute 1
Verlangen Sie
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Bedarfs-Artikel
mit ärztlich verfasster
belehrender Broschüre.
Sanitätshaus ..Aesculap“
Frankfurt a. M. 86. S
Zur Erlangung
eines
Die Knnst eine schöne Büste zu erzielen
bildet für die Damen kein Gehcimniss
mehr, seitdem die wunderbaren Eigen¬
schaften docFilules Orientales bekannt
S — Diese Pillen bo-
i in der Tat die
:keit die Büste za
ickcln, zn festigen
wieilerhcrzustellen,
0 wie die Knochen-
irünge des Halses
ler Schaltern zu be¬
seitigen, indem sie
der ganzen Büste
eine graziöse Fülle
verleihen, ohne die
Taille zu erweitern.
Die Pllulea Orien¬
tales bestellen haupt¬
sächlich aus orienta¬
lischen Pflanzenex¬
trakten und sind, da
cänzlich frei von
Arsenih, der Gesundheit stots zuträglich.
Ihre Wirksamkeit darf durchaus nicht
mit der irgend eines anderen, ähnlichen
Erzeugnisses, zum inneren oder äusseren
Gebrauch, verglichen werden. — Ein über
zwanzigjähriger Erfolg hat den Ruf der
Pilnles Orientales bestätigt und erwiesen,
dass dieselben für die Frau sowohl wie
für das junge Mädchen das einzige,
wirklich zuverlässige Mittel bilden, einen
üppigen und festen Busen zu erzielen.
Leichte, diskrete Behandlung. — Dau¬
ernder Erfolg nach ungefähr zwei Monaten.
Ein Flakon “Pilnles Orientales ” ist franko
und diskret erhältlich gegen Auslands¬
postanweisung von Mk. 5.30 oder Fünf¬
markschein & 30 Pfg Marken an Apotheker
3. Ratiö, 5, Passage Verdcau, Paris. Briefe
sind mft 20 Pfg., Postkarten mit 10 Pfg.
zu frankieren.
Jede Leserin sollte sich von Herrn Rati6
das sehr interessante Heftchen “ Ueber die
plastische Schönheit des Busens”, welches
kostenfrei eingesandt wird, zukommen
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Berlin, Dadra-Apotheke, Spandauerstr. 77
Blüncben,Emmel, Apoth. Sendlingerstr. 13,
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106. Band. Dreiundfünfziaster lahrgang
Oktober WO—1911
erscheint jede« Sonntag
DeutTcbe JlluTtrierte Zeitung
Copyright, 191t, by Deutfche Verlags =An(täIt, Stuttgart
Preis oierteliährlicb 4 mark
Beim Postbezug 4 mark ts Pfg. ohne Bestellgeld
ln Österreich'Ungarn Kr. 4.80
Der Kampf bet meinen
unb ber roten ©ofe
Montan
oon
©eotg £>irfcf)felb
(Sortierung)
oni, bie Karlmann in freubiger ©rmartung
tommen fat) — er f©ritt gang elaftifct) unb
fiegesgem© auf fie gu — mürbe f©mcr ent*
täuf©t. ©lit groben Gingen fab fte ©m na©,
als er im 3*™^* urr©erging unb tebe (Eingel*
f)ett feines (befprä©es mit ©inger mie ein
xjiftorifcfjes Ereignis f©ilberte. Sie martete
Pergebens auf bas toftbäre, eingig förbernbe
©efultat. 3Xls fie begriff, bab bie grobe Stunbe
mit £öflid)feiten unb (Erinnerungen oerplau*
bert morben, ma©te fid) ihre ©nttäuf©ung
leibenf©aftli<© Duft, unb fie äußerte fid) fetjr
fdjroff über ben bemunberten ©teifter. Das
fuhr Karlmann in bie Krone. 2Babrf)eit
tonnte er je© ni©t oertragen. 31©felgudenb
blieb er auf feiner ariftotratif©en §öbe nnb
liefe Xonx in plebejifdjer Diefe liegen. 3Iber
fie blieb me© traurig als oerle© gurüd. Sie
mußte, mie lange ber trotzige 3luff©mung bei
Karlmann ftanbbalten mürbe, ©ieberf©met*
ternbe ©rtenntnis tarn, mie immer, na©. Sein
©tal erträum batte ein jähes ©nbe gefunben.
31m 3lbenb nod) ertlärte er ©r ; bab er fein
Ie©es, mtoollenbetes ©ilb foeben gerftört habe.
(Er rübre teinen Sßtn.fel me© an. Das fei er
3lrnolb Finger f©ulbig.
So enbete Karlmanns ©talerei.
311s ©auia oier 3al)re alt mar, batte ifer
©ater bie erfte Dragöbie oollenbet.
3u biefer Station auf ber Sudje nad) einem
ßebensberuf tarn Karlmann ni©t über 3©=
barntes ©ollfint. (Er fürdjtete fid) baoor, ben
unbur ©bringli©en ©Huben, ber ibm gum
©taten geraten batte, and) megen ber.Dicht*
tunft um ©at gu fragen. Johannes blieb
auf feiner ^ßb^ofopbenböbe, bie jeben ©tit*
ftrebenben anfftad)elte nnb guglei© lähmte.
(Es biefe bei ibm nur: „Das (Setonnte ift gut,
bas ©emollte ift illuforif©“, unb mer eine
fo leidet erregbare 3^eifelfudfet in fid) trug
mie Karlmann, mufgte in biefer ftoifdfeen 3Int=
mort Stepfis ober 3d0nie mittern. 3Iu© tat
ibm ber ©linbe leib. (Es bebrüdte Rabannes
offenbar, in feiner 3Ibgef©iebenbeit immer
mieber Dratel unb SBegmeifer für einen (Elüd*
Ii©en fpielen gu follen, ber mitten im ßeben
ftanb, mit bellen klugen, unenbli© reid).
Denn fo fühlte fid) Karlmann troß aller '©nt*
1911 (Sb. 106)
täuf©ungen. 3®as er befa© mar bo© mehr
als ^obannes' armer, in ©ei©tum oerbannter
(Seift. (Er fab fein 2Beib, er nannte Doni
mabrbaft fein eigen, unb mehr als ©Serte
unb ©a©melt mürbe ibm fein fdjönes, auf*
blübenbes Kinb. ©ein, Karlmann lieb ben
3©üofopben oon 31mmerfelb in feinem ©eid)—
nid)t aus ber ©infamteit fcfeöpfte er Kraft gu
feiner Dragöbie, bie 3©irtli©teit lehrte ©U, bab
es and) anbers geben tonnte.
Seine ßebensfübrung batte fid) in ben
lebten 3>dbten erheblich geänbert. ©i©t nur
burd) Xonis beüöbTnaaftifcbe (Erfolge, bie fie
in ben beften ©tün©ner Familien beliebt
gema©t, and) bur© bas ^enfionat, in bem
bie ©lütter mobnte, mar Karlmann halb un=
beton© in einen lebhaften ©ertebr geraten.
(Er fab oft (Säfte bei fid) unb batte als ed)ter
Corning er bas beglüdenbe (befühl, ©influb
ausüben gu tonnen. 3© tleinerem Stil führte
er in ©lün©en ein Saus mie feine ©Hern in
$riebri©sburg. ©iel luftige unb anregenbe
31benbe ©erbrachte er mit Doni in $rau Dottor
S©miebels ©enfion, mo Klementine mobnte.
Sie lag im ©ertebrsgentrum ©tün©ens, in
ber ©riennerftrage. international, oormiegenb
ameritanifd), hielt fie bie beutf©en ©äfte um
fo betulicher als untonfolibierten ©erein gu*
fammen unb bot burd) ©re oielen tünftlerif©en
©lemente beftänbig Anregung unb jugenbli©es
ßeben. Klementine mar in biefer ^penfion
allgemein beliebt, ©ei Konftange S©miebel
lebten nod) einmal ©re Dalente als tünftlerifcf)=
mütterli©er S©ubgeift auf. innige greunb*
■f©aft oerbanb fie mit ber ^enfionsinbaberin,
einer raf©en, gutbergigen, immer pon Sorge
für ©re ©äfte erfüllten 31rgtesmitme. ©alb
protegierte Klementine eine junge Sängerin,
bie im S©©ieater bebütieren mollte, halb
lieb fte ft© als bulbfame Kennerin bas gange
Kongertprogramm eines ‘pianiften oorfpielen
ober Iauf©te ben tönenben 9Xeben bes S er ttt
Dttomar irangius, ber ein berühmter S©au=
fpieler mar unb in 9Jlün©en gaftierte. ©ei
ber gemeinfamen ©Uttagstafel mar irau
ißrofeffor ©ominger entf©ieben bie Saupt=
perfon. 3tllmäbli© tannten alle ^Penfionäre
©r f©önes, oerlorenes Seim in iriebri©s*
bürg, als ob fie felbft barin pertebrt hätten,
iuftinus fanb je© feinen berglid)ften .©a©^
rühm. Selbftoerftänbli© mürben Karlfrtänn,
Doni unb ©aula in ©reu len©tenben ©igen*
f©aften allgemein befannt, beoor fie einen
gub in S©miebels ^Senfion gefefet
batten. 311s , Karlmann bann eines 31benbs
erf©ien, oerlichten fi© . fämtli©e Damen.
Doni aber gefiel berartig, bab man ©r ni©t
einmal ben ©ttntnlif©en‘ ©atten mibgönnte.
fEränlein ©ngersperger, ein reid)es, bejahrtes
Odäulein aus .©Sürgburg, bas fi© beftänbig
für©tete nnb behauptete, ©r. graues Sttar
bur© ben 3lnblid einer KRätte betommen gu
haben, nannte Karlmann einen 3Intinous, unb
Serr ^rangius ertlärte ©n für bie ,geborene
tlaffif©e ©übnenerf©einung‘. Karlmann aber
mar ©£* in oieler ©egiebung mirtli© mehr
als bie anbern, unb Doui empfanb mieber
einmal ben gangen Stolg auf ©n. ©r oer=
f©menbete feinen ©eift, flü©tiger Unterhaltung
guliebe; feine Kraft mar no© gar ni©t genü©,
bas fühlte man allgemein. Die jungen SJtäler,
bie ©n tennen lernten, erfuhren ftaunenb,
bab biefer 31üfre©te ©re Kunft oon fi© ge*
morfen b<*tte, ba er ni©ts ©robes barin er*
rei©en tonnte. Das imponierte ©neu mehr als
gutgemalte ©über, ©in erfolgrei©er Di©ter
entnahm aus Karlmanns Kunfturteilen, bab
hier oieIIei©t ein ftarter SIRenf© eng eftalter oor
©m fab- Hub biefer oornebme, ironif© bur©*
bringenbe ©eift hätte no© ni©t bas SOZinbefte
oon feinen 3^^ niebergelegt! Do© fo ent*
ftanb ber erfte 3tntrieb für Karlmann, fi© an
einem Drama gu oerfu©en. 2Bas ber Di©ter,
beffen etmas unfaubere ©rf©einung ©m nti©
fiel, ni©t in ©m ma©rufen tonnte, gelang
mit befto gröberer ßei©tigteit bem S©au=
fpieler. Karlmann batte oor $rangius menig
Ultimen tennen gelernt, ©r mar nö© in
bem Stabium, einem S©aufpieler alles gu
glauben. 3m eine Debatte über bie ‘ütotmen*
bigteit ber neuen ©dönf©en Dragöbie lieb
er fi© ein, unb ber ebenfalls anmefenbe
Di©ter oerftummte immer me©, je gröbere
©eben ber S©aufpieler fetelt. Karlmann
ftimmte 3'fcingius, ber jeben ©ealismüs oon
ber ©ü©te oerbannen mollte unb mit rollenbem
Organ ein „oaterrIänbif©es Drrama^ oer*
langte, oolltommen bei. ©r hörte ©m ebenfo
anbä©tig gu mie bie anbern ^Penftonsgäfte,
unb als er fpäter bür© bie monbbef©ienenen
Straben beimging, ertlärte er 2oni plöfelicf),
bab er feinen ma©en ©eruf je© oor fi© fäbe.
©in Dramatiter ftede in ©m. Keine SBiffen*
f©aft unb teine anbre Kunft tönne ©rrt mie
bas Drama gur ©rtöfung feines ©ingens oer*
helfen. Doni f©mieg gu ber Ieibenf©aftH©en
©ebe.
Der Stoff, ben er na© gualoollem Su©en
enbli© fanb, mar etmas ausgefallen, aber bas
3tusgefallene mar Karlmann Heb unb lieb
©m bie Si©erbeit, ein oollftänbig ©igener gn
erf©einen. ,3Dßibugaft, ber Setgog am ©bein‘
hieb feine fünfattige ©erstragöbie. %m ©ater*
lanbe, mie S^rr ^angius es münf©te, murgelte
ber Stoff, ©r bebanbelte bie ©intebr bes
©briftentüms unb ber fpäter fo rei©en frän*
tif©en Kultur in 3ii^bri©sburgs feeibnifefee
(Saue.. 3Bibugaft mar natürli© Karlmann,
felbft, unb Deutelinbe, bie im beibttifdfen
©ötterbienft mit ©rem gelben gliidli© gemefen,
153
1X66
Über £anb urtb 9Veer
1911. $Rr. 45
ber tulturellen Veootution aber 3 um Opfer
fiel, roar mit Karlmanns klugen gefeiert Doni!
^CufeerorberttlidE) lang mürbe bas Stüd. SCRit
Stofe) oerlünbete Karlmann feiner $rau, es
mären fünftaufenbfedjsfeunbertbreiunbfieb 3 ig
Verfe. Er las ihr oor. Es mar an Paulas
(Geburtstag. (Gr liefe bie (5eftalten feiner ^Pfean*
tafie oor , fie feinftürmen, mäferenb bas Kinb
nebenan mit feinen puppen fpleite. Drei 2Ifte
tonnte Dont bem Vorlefer folgen, bod) bann
mürbe ifer bie 5Inftrengung nadfe ber Dages*
arbeit 3 U grofe. 2 Bibugafts' unb Deutelinbes
längftes Kiebesgefpräcfe hatte fie nod) oer*
ftanben — als aber Verengar, ber ^elöfeetr,
unb 21 urelius, ber 3 elot, fid) nod) oiel länger
über bie Votmenbigfeit unb ©efafer ber Kirche
unterhielten, fcfelummerte Doni ein. 2lls Karl*
mann es mertte, ergrimmte er nicht, fonbern
fein liebensmürbiger Sumor hatte bie Kraft,
Donis entfefetes Ermacfeen 3 U tröften unb bie
Vorlefung bes fünften Elftes auf morgen 3 U
oerfdfeieben.
2lber fie tonnte ihm auf biefem (Gebiete
nicfets' fagen, bas fühlte Karlmann. 3 mar
überrafchte fie ihn, als fie fein 2 Bert nod) ein¬
mal felbft gelefen hatte, burd) fehr treffenbe
Vemerlungen ihres gefunben Menfcfeenoer*
ftanbes. Er nahm bas meifte ad notam, aber
ein eigentümlich bodiger Stofe) in ihm mollte
ihr Urteil nicht ernft nehmen, Vur oon einer
fjjrrau, bie eine fefte 2 Veltanfdjauung befafe unb
ben Sieg ber Kultur über alle Varbareninftintte
in fid) felbft erlebt hatte, tonnte er bie mahre
SBirtung feiner Arbeit erfahren. (Gr oerfiel
auf feine Mutter. 2luf fie einen (Ginbrud 3 U
machen, mar ihm plöfelidj mehr als Donis Vei*
fall. (Gines 2lbenbs ftedte er ber Verblüfften
ein ^ßatet in bie Sänbe unb flüfterte läcfeelnb:
„fiettüre 3 um Einfcfetafen, Mama. Du haft ja
nichts mehr/'
Klementine mar mieber einmal in einer
fehr glüdüchen ^Periobe. $err Keffelbacfe hatte
bei einer gemagten Spelulation für fie 3 efen*
taufenb Marf-gemonnen, unb ben Vooember
über mar Philipp ihr (Gaft bei grau Scfemtebel
gemefen. 3efet eben hatte fie ihn nach Dresben
in feinen aufreibenben 23eruf 3 urüdgefcfeidt.
21ucfe -feu gräutein Säger, aber bie Mutter
tonnte ihn ruhigen Jemens 3 iehen laffen, er
hatte ihr fehr oernünftige (Grtlärungen gegeben.
Sräulein Säger'mar in ber Srembe mirflich
oiel für ihn, bie beften 3 tmmer bemofente er,
er betam bas erlefenfte (Gffen — unb ernfte
2Ibficfeten hatte ‘»Philipp nicht. Vein, nein, bie
hatte er nicht.
Klementine mar alfo auch utit ihrem
jüngeren Sohn oerföhnt. Sie hatte ihn ins*
geheim fogar 3 U ihrem Kiebtingsfofen ernannt,
benn ^PE)tXip>p mar unbemeibt, unb Karlmann
ftanb unter Donis- Einflufe. greitid), bas Ver*
trauen, bas er ber Mutter mit ber SBibmung
feiner Dragöbie bemiefen hatte (auf ber
erften Seite ftanb in prächtiger Vunbfcferift
,Meiner geliebten Mutter*), gab Karlmann
mieber einen gehörigen Vorfprmtg. 21m ein*
unb 3 man 3 igften Dezember hatte er ihr fein
Manuftript gebrad)t, am breiunb 3 man 3 igften
oormittags mar er fdjon über 3 eugt, bafe bie
Mutter feine fünf tauf ertbf edjsfeunb ertbreiunb*
fieb 3 ig Verfe gelefen hatte. (Gr begab fid) 3 x 1
ihr, um ihr Urteil cntgegen 3 unehmen. Su
ihrem 3 tutmer traf er fie befcfeäftigt, ein nieb*
liches-dhriftbäumchen aus 3 upufeen — mit bum
tem Danb, grlittergolb unb füfeen ßedereien,
mie für ein ermartungsoolles Kinb. Karl*
mann, ber ftatt bes 23äumchens fein Drama
auf bem Difcfe ermartet hatte, mar oon biefem
21 nblid inbigniert, bann aber be!am er bas
ßadjen unb fragte, für meld) es Vabfe fie benn
fo eifrig befcfeäftigt fei.
Schmollenb fRüttelte Klementine ben Kopf.
„ 2 lch mas, bas 0 erftehft bu nit," flüfterte fie
oerlegen. „Du ©lüdliofeer haft $rau unb
Kinb — aber mer forgt für ben armeniphilipp?
Der fifet in Dresben. 2Bis bie Säger in ihrer
“penfion für eine allgemeine Vefcfeerung feer*
ricfeten mag— nun ja—bas ift bod) nit
bas 9üd)tige. Deshalb pufe' id) ihm feier ein
Väumle aus, fo mie er's gemöhnt ift, unb
fcfeid's ihm mit ber Pöft — bann hat er's
am ^eiligen 21 benb."
Kürlmann 3 mang fich 3 um (Gmft, benn er
mar gerührt, unb einen Vugenblid flog ihm
ber (Gebante burd) ben Kopf, mie fcfeön fid)
foldje Mutter in einer mobernen Komöbie
ausnehmen mürbe. Dann aber tarn er oon
biefem (Ginfall mieber ab unb erinnerte bie
Eifrige an feine Dragöbie. S^fet befann fich
Klementine. Sofort 30 g fie ihr emfiges (Ge*
ficfet in feierliche Salten, holte bas Manuflript
aus ber Kommobe unb gab bem Did)ter
einen feeifeen Kufe auf bie Stirn.
„Karlmann," begann fie, üonnte aber oor
23emegung nicht meiterfprechen.
„ 21 a, tDtama?" munterte er fie auf, benn
er mar ungebulbig.
„Das ift fdjön. Das ift mirflich munber=,
munberfdfeön, mein geliebter 23ub bu."
„(Glaubft bu mirflid), Butter?"
„Sa, bas glaub' id)! Das meife ich !
brauchft bu gar feinen Sadjtttann mehr 311
fragen! Das ift herrlich! Das ift mehr als
herrlich — bas ift ebel! Die Stelle, mo ber
VSibugaft bie Deutehilbe —"
„Deutelinbe —"
„ 2 Bo er fie ins S^aer gehen helfet —- ,(Geh
hin, (Geliebte, in bie golbene £ohe —• (Geminnen
foll idh bid) nur im Verluft! — bas fönnte
9tid)arb 2 Bagner gefdjrieben haben."
<! „^öffentlich bin id) nicht in ben 2 Bagnerftil
oerfallen — bas mollte i<h oermeiben."
,,21d) mas — bu haft beinen eignen Stil,
beinen eignen! S^an 3 ius fagt bas auch!"
„ 2 Boher meife §tan 3 ius? $aft bu es ihm
etma 3 U Iefen gegeben —!?"
„Sa, Karlmann ! Sä) tonnt/ nit anbers!
(Geftem abenb! S<h ooar 3 U glüdfelig!"
„Das ift mir aber nicht angenehm, dftutter
— obmohl i<h ja S^ansius fehr fd)äfee...
2 Bas fagt er benn? Gjat er mirflich geftern
noch ^as gan 3 e Stüd gelefen?"
„Natürlich! Der hat ja folcfee Decfenit!
(Gr ift begeiftert, Karlmann, hbtgeriffen!"
„ 2 Birfli<h — ?"
„Du brauchft bir gar feine Sorgen mehr
3 U machen — bas Stüd geht feinen 2Beg!
(Gntmeber* gibt es ber Strabonife, ber neue
Sntenbant in Sriebridjsburg —"
. „Sa Sriebrichsburg?! Giie! Vor biefen
Krämerfeelen laffe ich atid) nicht äufführen!"
„ 2 tein, nein — fei nur gut — ein gröfeeres
£oftheater mär' ja beffer — bein 2 !Berf gehört
auf bie allererfte 23ühne. Der Kilcfeberg fennt
ben hülfen in Verlin — ich brauch' ihm nur
ein paar 3etlen 3 U fchreiben. Unb menn ber
Sran 3 ius fid) ins 3 eng legt, haft bu's nächften
SBinter im SBiener Vurgtheater."
„Vlama — nur feine all 3 u grofeen —!"
„SHufionen?! Karlmann! — 2ta, ich fag'
gar nir mehr! Du, halt beinen Vtunb —
bas ift überhaupt jefet mein Stüd — bas
gehört mir! . . ." Sie ging im 3iatmer um*
her unb brüdte bas Vfanuffript ans ^er^.
®in feliger 21 usbrud lag auf ihren 3 ügen.
Dann blieb fie oor bem allmählich in Stol 3
erglühertbert Dichter ftetjert. „VSillft bu mir
enblid) einmal freie £>anb laffen? Du böfer
Vienfd),? Deiner Vfutter? Vit mieber fofort
3 u beiner Doni laufen, bie fein Sota oon fo
etmas oerfteht?"
„S^ bin bei Doni noch aie oergebens
gemefen, Vtutter."
„Va, fag utir's 21ug in 2lug — §anb aufs
$er 3 — oerfteht fie mas oon Kunft? Kann
fie bid) mirflich beurteilen als Dichter?!"
„Das gerabe nicht — es ift ihr oieles
fremb — aber "
„21ha! Sefet fommt es 'heraus! Sie hat
feine 211 )nung, mollen mir fagen! (Gefteh bir's
hoch ein, bu oerliebt er Vtamt, bu —"
„Viutter, es ift mir fehr peinlich, fo oon
Doni —"
„2Bas reb' ich benn? Sä)?'- ^ Schlechtes!
Vein, ich meife f<hon, mie fie ift! Düdjtig, treu,
3 UoerIäffig! 21ber ^Phantafie hat fie feine!
Sürs 23raftifd)e ift fie gut — mein (Gott, bas
Dränflemäbel! 2 lber fie 3 ieht bid) 'nunter,
fie 3 ieht bich 'nunter, Karlmann, bas merfft
bu felbft 3 U menig! Du bift ein Künftler,
id) bin bie-Srau eines Künftlers gemefen!
Sie ift 'ne Durnlehrerin — nit mahr! Sd)
mad) ihr's nit 3 um Vormurf! Vegehr nur
nit auf! 21 ber halfen mufe ich bir, menn
fie ba herrfdjen mill, mo fie nit herrfchen
barf! Du armer, armer 23ub bu! Du meifet
ja gar nit, mie bu niebergehalten mirft! Das
3 udt ja alles mie rote Slammen, bie 'naus=
mollen, in beinern Stüd ba! $ab ich recht
ober nit?! (Gin SJiann braucht feine Srau
fürs §er 3 , gemife — aber fein (Seift mufe oben*
auf bleiben! Über bem |jer 3 en! Du oerftehft
mich! 211 fo lafe fie, mo fie ift — fomm 3 U bir
felber — bu mufet oor allem in beinern 23eruf
glüdlidh merben — fonft mirft bu niemals
glüdlid)!" —
Sn Karlmann mirfte biefes (Gefpräd) mit
ber KRutter ftärfer nach, als er fid) eingeftanb.
Sn einer etmas gefprepten 3urüdl)altung 3 eigte
fich biefer Umfchmung Doni. Sie mufete ni%t,
mofeer bie neue Kaune fam, unb glaubte, bafe
fie fein 2 Berf nicht genügenb gelobt hatte —
aber bie Über 3 eugung, bafe ihr (Gefühl ihm
felbftoerftänblich fein müffe, liefe fie feinen
neuen Verfud) machen unb hielt, fie in trofeigem
Schmeigen. Sreilid), Karlmann fanb auf feinen
einfamen Spa 3 iergängen auch nicht, bafe bie
Mutter recht hatte. S^ manchem hatte fie
ja ausgefprodfeen, mas ihn fdjon gequält, aber
ber mahre 3 auber oon Donis 2 Befen mar ihr
noch nicht 30 m Vemufetfein gefommen.
2Bibugaft, ber $er 3 og am Vhein, ober ,ber
2 Bibugaft‘, mie er burd) bte ^ßropaganba ber
Dichtermutter in ber ^enfion fdjon fur 3 meg
genannt mürbe, ging ben üblichen Dornenmeg
oon 23ühne 3 U Vühne. 2luf Verlin unb 2Vien
mufete man fogleid) oer 3 icfeten, ©raf Kil«h=
bergs Empfehlung oerfagte, unb S^an 3 ius
refignierte, als fogar bas Stabttheater in Salle,
3 U bem er bie beften Ve 3 ief)ungen hatte, bie
Dragöbie ablehnte. Der Iefete Soffnungsanfer
mar, nachbem bas Stüd fefeon lange gemanbert,
nun boc| bie Sofbüfme in S^^^^ä)sburg.
Es mar nicht anbers möglich — Karlmanns
Vaterftabt mufete fich öes 2Berfes, bas ein
junger Vominger gefchrieben, annehmen, fie
hatte einen Vor 3 ug, eine Ehre barin 3 U erbliden.
Der Dichter, ber nur banach oerlangte, feine
Vhantafiegeftalten im Vampenlicht 3 U fehen,
hatte fchliefelid) 3 ugeftimmt. Vei einer 21benb=
gefellfdjaft in ber ^3enfion Schmiebel aber
fiel es ihm auf, mie fd)Ied)t feine Mutter
ausfah- Vamenlos bebrüdt unb ooll 3 örtlich er
2Ingft ben Vlid auf ihn geheftet, fafe fie ihm
bei Difch gegenüber. 211 s man aufftanb, geftanb
fie ihm auf feine leife S^age bie Kataftrophe
ein — auch ber Sntenbant in S^ebrtdfesburg
hatte 2EBibugaft abgelehnt. Er fanb ihn fehr
fd)ön, fehr talentooll — aber er lehnte ihn ab.
Die lefete Möglicfefeit mar bahin. Viemanb
mollte es liebhaben, bas fd)öne, eble, nun
00 m 2Vanbem fchon arg ramponierte Manu=
ffript. Karlmann mar erfd)ütterter, als er
es felbft ermartet hatte — biefe lefete Ent=
täufdjung mar bie allerfdhmerfte. ©reifbar
ftanb fie bur<h ben Scfemers ber einft fo gläu*
bigen Mutter oor ihm- Stumm ging er mit
ihr ben anbem nach, bie noch eine 21 benb=
manberung burd) ben Englif <hen ©arten machen
mollten. S^au Schmiebel nahm fich Kiemen*
tines an — Karlmann fd)liefe einfam hinter*
brein. Da plöfelicfe gefeilte fich’ Doni 3 U ifem.
2Us fie mufete, mas ifen bebrüdte, unterliefe fie es,
tfen mit Morten 311 tröften. Schott biefe felb*
ftänbige. Küfenfeeit fiel Kartmann auf unb
befferte mie ein Ktcfetftrahl feine Stimmung.
Er fafe Doni oon ber Seite an. Schön mar fie
in iferem 1)eilen Kleib, in iferer unbefefemerten
Kraft, ooll junger, leucfetenber ©efunbfeeit.
2Bas galt benn ein Vünbei Rapier, bas überall
oerfchmäfet mürbe, oor folcfeen S^^^cmgen?
©ebannt blieb er an iferer Seite. S^ einer
1911. Ar. 45
Über £anb unb 501 eer
1167
eigentümlichen Neugier, roie Doni fi<f) roeiter
oor bem groben Sd)idjalsjd)Iage feigen mürbe,
and) rote jie au f iW lelber roirfte, rnenn er
fräftig blieb, gleid) ihr. Die ©ejelljd)aft machte
jetjt an einer VSieje halt, beren fläche jo oon
Aebel bebest mar, bah ein3elne Vaumroipfel
auf ihr in einem jilbernen See 3U jchmintmen
jd)ienen. Der Atonb h^g unb jd)roer
im jeibenblauen Atf)er. Kruc3erosfi, ber $o!e,
hatte jeine ©eige mitgenommen, ©in jcf)mar3er
Schatten, bie ^aarmähne fajt bas gan3e
bleiche ©ejid)t bebedenb, jtanb er am VSiejen*
ranb unb jpielte munberjame ©hopinroeijen.
Schmermut unb £ujt ergriff bie Aad)tjd)roär*
mer. SBährenb bie älteren £eute fröjtelnb,
aber anbädjtig 3ujahen, begannen bie jüngeren
3U tan3en. Klementine tjodte, in ihr flieber=
farbenes Dud) gehüllt, an einem Vaumjtamm.
Sie jtarrte jeltjam gebannt auf bas liebliche
Dreiben, büjter, als hätte man jie nicht ba3U
aufgeforbert. Karlmann jtanb mit harter
AZiene neben ihr, bie Arme oerjd)ränft. ©r
jah, bah bie jungen Herren am eifrigjten Doni
aufforberten, ba jie als bejte Dän3erin ber ©e=
jelljchaft befannt mar. Dod) bie 2Bunberlid)e
mar 3erjtreut unb lehnte jeben ab, mie eine
regungsloje ©Ife auf bem VSiejenplan jtehenb.
©nblid) jd)ritt Kruc3erosfi geigenb auf jie 3U.
©r mollte eine 9Aa3urfa mit ihr tan3en. £ang*
jam regte jid) Doni unb folgte ben jd)meren,
jdhlud)3enben Klängen. Doch als ber ^3ole
in jd)öner £aune plötzlich 3U einem lujtigen
2Bal3er überging, fuhr jeine Dän3erin 3ujammen
unb lieh ben Hberrajd)ten jtehen. Auf Karl*
mann flog jie 3U, padte ihn unb tan3te mit
il)m in ben Aebel hinaus, ©s mar ein rounber*
ooller Anblid, bie jd)lan!en, jich bretjenben
©ejtalten im Silberbunjtoerjd)minben 3U jehen.
3huen erjtarben aud) allmählid) bie ©eigen*
tlänge. Dod) Doni hielt nod) immer nicht irtne.
, : s lBas ijt bir?!“ flüjterte er, oon Schminbel
ergriffen. „®eliebtes$er3 — mohitt milljt bu?!“
„Ad), fann man jo nit in bie ©migfeit
tan3en?“ antmortete jie mit heihem, mie oon
fern ertlingenbem £ad)en.
„Aein — es hält uns alle jd)liehlid) im
3rbiftf)en fejt!“
„$Bas! 2Bas! £Xd) nein, bas mill id) nit!
Das mag ich nit!“ Sie umhaljte ihn, blieb
aber jetjt jtehen.
„Komm!“
©r 30g jie fort in eine bunfle Allee, über
ber ber Alonb brannte. Dort jdjritten jie lang*
jam, aneinanber gejchmiegt, jelig hingegeben,
mie in ben erjten gAebrichsburger Dagen.
„9Jtad)t bid) bie ©nttäujdhung mit bem
Stüd nod) traurig?“ fragte jie, unb ihre bunflen
Augen leuchteten jo tief in jein §er3 hinein,
bah ein £ad)en, ein inniges, befreites £ad)en
aus ihm emporjtieg unb er ausrief: „Aein,
Doni! Vei©ottnid)t! 2Benn bu frieren roürbejt,
nähm' idh bas Atanujfript unb machte ein $euer
braus, bamit bu ein bihl SBärme befämjt!“
„3<f) frier'nit! £ah es leben, Karlmann! ©s
mirb jd)on leben!
©s ijt bod), mie es
ijt! 2Bas tonnen
ihm bie anbern
AZenjd)en tun?“
„Du ©in3ige!“
„Aur nit Sor*
gennadhhängen—“
„2Benn man
bid) hat, ijt es ein
Verbrechen!“
„Karlmann!“—
£Ils jie nad)
einer Stunbe auf
bie SBieje 3urüd=
tehrten, mar bie
©ejelljchaft fort.
Droh Donis Vitten
mar Karlmann ro=
bujt genug, bie
SAutter, bie jid)
gemih jd)on um
ihn ängjtigte, an
1911 (Sb. 106)
biejem Abenb nid)t mehr auf3utlären. ©r hotte
nur ©ebanten, nur Sinn für Doni. £IIs ob
er jie am £er3en trüge, führte er jie heim.
Unb Seligteit genojjen jie bort, gegen bie bas
gan3e £iebesgliid oon VSibugajt unb Deutelinbe
nur bebrudtes Vapter mar. —
Am nächjten AZorgen ging Karlmann 3ur
AZutter. ©r traf jie nicht unb lieh ihr einen
3ettel ba. „AZeine liebe, alte AZama! Die
Doni hot bod) Urteil! Die Doni hot jogar
©eijt! Die Doni hot Vhantajie!!! §urra!
3d) grühe Dich — jei obenauf mie ich —
bid)ten heiht nid)t leben — bie Aßelt hot mehr
nod) 3U geben! Dein Karlmann. (Aßir mad)en
jeht eine Automobiltour nad) Starnberg.)“
£lls Klementine nad) £jauje tarn unb bieje
3eilen las, jd)üttelte jie gar nicht beglüdt ben
Kopf. Sie murmelte: „Sold) bummer Vub ...
Das $rouen3immer mirb ihn nod) oollenbs
närrijd) mad)en!“
IV
Karlmann oerbrannte jid) oorläufig rtid)t
mehr bie Flügel. Vor allen „Schaffens*
träumen“ hotte er jeht Aejpeft befommen in
jeinem guten, ehrlichen Kern. Da Doni feine
äuheren Sorgen an ihn heranfommen lieh,
lullte er jich tn bas jd)öngeijtige £eben eines
Vrioatgelehrten ein. ©r lebte mieber 3urüd=
ge3ogen, taufte Vücher unb Antiquitäten, las
jehr oiel unb jd)melgte in Spmpojien mit
ben erlaudjtejten ©eijtem ber Aßeltliteratur.
Aur oon 3ett 3U 3 e ü jah er mit Iächelnber
Aßehmut ben oerfdjmähten Aßibugajt an, ber
nun im Sdjreibtifd) lag, unb 3ehrte oon ben
Kleijtgefühlen bes Verfannten, bie bitter, aber
rei3ooll jd)medten. Auch ben Kampf ber
meihen unb ber roten Aoje nahm er 3umeilen
mieber oor unb jah allmählid) ben originellsten
Dorjo htjtorijdjen Schrifttums barin. Aber es
rei3te il)n nicht, irgenbeine Arbeit früherer
Verioben burd)3uführen. ©r glaubte in eine
oiel 3U mistige neue gefommen 3U jein: jeine
mahre, ureigne Aufgabe bejtanb in einer ©e=
jd)id)te jeiner gomiiie. Die mollte er jdjreiben.
Die muhte er jdjreiben. Vtit einer V3ünjd)el=
rute burd) bie jchönen ©efilbe jeiner Heimat
3iehen, ©räber öffnen, ©eijter bejd)mören, in
Kirchen unb Kapellen uralte 3 n j^h^flen ent=
3iffem unb bas Vuih jdjaffen, bas „Die Ao=
mingers“ hteh — ifm beraujchte biejer ©ebanfe.
©ine ©hronif, bie erjte f5omiIiend)ronif oon
jeiner £anb. ^oh^honberte ber Vtenjchheit
burd) ben eignen Stammbaum erforjdjen unb
bie Aätjel ber ©egenmart burd) ©rfenntnis oer=
gangener Kulturen Iöjen. ©in gan3es Vtenjchen*
leben gehörte ba3u — jein 5Dlenjd)enleben. ©r
mar fejt entjdjlojjen, es baran3umenben. So
hatte er jicher nid)t umjonjt gelebt.
Doni jd)ien für bie gemaltige Arbeit nicht
3U jein. 3 um erjtenmal magte jie offenen
ÜBiberjprud), ohne jid) aber flar aus3ubrüden.
Sie jagte nur: „Ad), mas milljt bu bid) benn
mit all bie toten £eut' plagen! Aaubritter
unb Vfaffen unb Vauem!... Aein! Aimm
bod) lieber mas $Ajd)es üor, mas Viobemes,
mas oon heut3utag!“
©r lädjelte. VSenn jie log, burchj^oute er
jie jogleid). Sie tonnte gar nicht lügen. 3h^e
mahre Vteinung mar anbers. „Vauern“ — ba
jtedte für jie ber Stachel. Sie fürdftete, bah
ber im Alltagsleben ausgeglichene ©egenjah
3toijd)en ihrem unb jeinem ^erfommen burd)
bas ©hronifjtubium aufs neue oerjd)ärft merben
fönnte. ©s mürbe Karlmann hoppelt 3um
Vemuhtjein fontmen, menn er in bie grofje
Vergangenheit htoeinjtieg, mas ein Aominger
mar, unb mas eine Dränfle bebeutete. Donis
Ahnen, bie ihm begegneten, mürben mieber
gan3 3um jd)mar3en, leibeigenen, aufjäjjigen
Vauerngejinbel. Vtit einer eigentümli^en
Sorge jah Karlmann Doni 3umeilen auf Vaula
bliden. ©s mar, als ob jie Angjt befäme, bah
Karlmanns Iid)tblonbes Kinb bod) nod) oon
ber Arijtofratenlinie abirren unb mit jeinen
3arten ©liebem, jeiner 3ierlid)en ©belgejtalt
ein plumper Vauernjpröhling merben fönnte.
So glaubte Karlmann Donis ©emüts3ujtanb
3U burchj<^auen. ©in menig hatte er red)t,
jie mar auf bie ,©hronif eiferjüd)tig. Doch
übertrieb er, meil es ihm hier mohltätig mar,
3u übertreiben. Karlmann fühlte jich nicht nur
als irjiftorifer gern über Doni erhaben — auch
als ©atte jah er jie mit ©enugtuung in ben
ataoijtijd)en Kämpfen, bie er ihr anbid)tete.
Aber bie ©egenmart hatte aud) ohne Donis
Abmehr ein jtarfes Vlittel, um Karlmann
nicht Ios3ulajfen. Sein Kinb, bas heranmudjs,
brauchte ben Vater, unb s $aula gehörte bas
gröhte Kapitel ber $amiliend)ronif: bie 3 U=
funft. Schon im Äußeren mar jie bas ed)te,
munberjame Aejultat einer Aominger=Dränfle
9Aijd)ung. Die golbige Vlonbheit, bas tief*
blaue Auge unb ber 3arte Deint Karlmanns —
bie etmas breiten, berben, jd)ön jinnlid)en
3üge Donis, Auhfrijd)e unb Urjauberfeit innen
mie auhen, ein ©emüt oon überrajdhenber
£eibenjd)aft, bas unter bem Schleier Ao*
mingerjdjer ©emejjenl)eit mohl bemahrt lag.
Vaulas ©emüt oerhielt jid) 3um Vater gang
anbers als 31m Viutter. An Doni mar jie
gemöhnt, im ^faaerjten ü an ihr untrennbar,
ihr einiges Sd)mer3en= unb 5reubenfinb.
Karlmann aber mar in ber golbenen Kapelle
biejes Khtberher3ens ber Herrgott auf bem
Hochaltar, bas Vejte unb Sdfönjte, 3U bem es
beten tonnte. Drohbem ji^ieb jid) oon flein
auf in Vaiüa ein Vlid für ben Vater bes All*
tags unb ben ber ©migfeit. ©rohen,
enbgültig Verläßlichen galt er ihr als oollenbet,
im jchmanfenb Kleinen, AIl3untenjchlid)en aber
jchärfte jid) ihre Veobad)tung früh für £aunen
unb Schmädhen. ©benjo ging es Vciula bei
ber Vtutter, nur bah' tf)r ba ein grobes, un=
bejtimmtes SAitleib blieb, bejjenltrjad)e jie nid)t
oerjtanb, bas einfad) ba mar unb oon niemanb
auf ber 2BeIt gefränft merben burfte. Die
jtarfe Doni erjdjien ihrem Kinbe oft ji^mad),
ber3arteKarlmann
jehr robujt unb
geroalttätig. Von
flein auf beob*
ad)tete ^Paula, bah
bie Vtutter nur jo
lange mit bem Va*
ter fämpfte, mie
ihre Xtber3eugung
ihrer roeiblid)en
Eingabe jtanbhielt,
unb biejer V3eg
mar fur3, mar 9Ait=
leib ermedenb oer*
gänglid). Der Va*
ter aber blieb un*
heimlich 3ähe. Sein
Vorteil mar jd)lieh*
lieh bo<h bas 3 k\
für alle — er flagt e,
unb bie Klage
mürbe jtets erhört.
( 2 ?ortjetjung folgt)
A a d) t m a n ö 0 e r. Aacf) einer lünjtlerij^en ißl) 0 tograpl)ie
154
1168
Uber £anb unb StReer
1911. 9tr. 45
3306 ©olblonb bes Jlönigs Salomo.
'TVe 51arte 3eigt bas ©ebiet, bas id) oon
Dfcfpnba, an ber Rtünburtg bes Sambefi,
aus in bas 3unere bes ßanbes bereift habe.
3uerft würbe einer jener flachgehenben gluh=
bampfer benußt unb bamit bis Tete ben glüh
hinaufgefahren. Der Sambefi, ber breitefte unb
größte Strom Dftafritas, bietet anfangs roenig
gntereffantes. Das £anb ift flad) unb ber Strom
oon ungeheurer ©reite, fo bah man an ben Ufern
taum etroas unterfd)eiben tarnt. Rlsbann ergeben
fid) einige Sd)ornfteine oon großen 3uderfabriten,
bie in ber fie umgebenben SBilbnis red)t beplaciert
erfdjeinen. Die größte biefer 3uderfabrifen ift bie
Senner Sugar gactorp, bie 3ur ©rnteßeit über 3el)n=
taufenb Eingeborene befdjäftigt unb ausgebehnte
Plantagen befißt. Der gluf} ift belebt oon allen
möglid)en ©ogelarten, ben 5tönigsfifd)ern, Ebel=
reihern, glamingos, Störchen, Riarabus, Relitanen
unb fo weiter, bie legieren in großen Rlaffen.
RUe ©ögel mit Ausnahme ber Flamingos Iaffen
ben Dampfer 3iemlid) nahe h^rantommen, el)e
fie es für nötig finben, baoon3ufliegen. Der glüh
birgt Rlengen oon ftrotobilen unb glufjpferben.
itarte ber gorfdjungsreife
Kolonie unb war früher ber Sit} einer Dominitaner=
nieberlaffung. Die Dominitaner würben jeboch
im 3ahre 1767 oon bem Rlinifter Rompal bes
fianbes oerwiefen. Tete ift heute ber Sit} eines
©ouoernements.
3n ber Rabe oon Tete, 3 wei Stunben ent*
fernt, ift bie Rtiffionsftation ©oromat, bie oon
3efuiten erbaut würbe. Diefe behaupten nun,
bah, feitbem bie Dominitaner oerwiefen feien,
Tete wie eine anbre grohe Stabt am Sambefi,
Sena, immer mehr 3 urüdgegangen fei. ©on Tete
trat id) ben 2ßeg nad) bem Rorben an, unb 3 war
3 uerft in norböftlicher Richtung bis nad) ber eng=
lifd)en ©ren 3 e, burd) fruchtbares £anb in bie
©erge hinein. 3<h überftieg auf meinem Rtarfche
nad) Rorben ben hohen ftapirifanjo unb bas
9Ratfu3ogebirge unb ging weiter nörblid) bis Süb*
Raft auf bem Rtarfd) 3unt ©olblanbe
Stein= unb Eifen3eit fehlten nid)t. Da id) ferner
alte ©auwerte unb grohe Stlaoentafernen auf=
bedte, fdjeint meine Annahme, bah ich utid) in
bem biblifd)en £)pl)ir befänbe, richtig 3U fein,
3umal id) behaupte, bah bie gefunbenen alten
Steinbauten, ber ©auart unb ihrer Sorgfältig^
teit nad) 3U fdjliehen, nid)t oon ©ufchleuten
gemad)t fein tönnen. £>pt)fr» bas man bisher
weiter füblid) oom Sambefi oermutet hot» ift bas
£anb, aus bem bie flotte Salomos unter Girant
©olb, Silber, Elfenbein, Sanbelh?l3, wertoolle
Gebern unb Rffen hennbrachte. Uber bie geo=
Sambefi: Reid)spoftbampfer „©remen"
Die erfteren erreichen ein ©ewid)t oon mehr als
fieben 3entnern. Der reifenbe Europäer tann fid)
alfo, wo es feine Raturfdjönheiten gibt, bie 3ett
mit Sd)ief}en, namentlich nad) biefen gefährlichen
Sauriern, ben ftrotobilen, gan3 gut oertreiben.
Rllmähtid) werben bie Ufer etwas l)öh er > unb 3wei
Tagereifen oor Tete treten bie fteilen gelfen bis
bicht an bie Ufer heran. Die engfte Stelle ift bie
£apata ©orge, Rlaria £uiga oon ben Rortugiefen
benannt. Rlsbann oerbreitert fid) ber Strom
wieber, unb bie Sanbbänfe treten im Stuf} 3utage.
Tete ift ber bebeutenbfte Ort in ber portugiefifchen
angoni. Der Riarfd) bewegte fid) bisher in §öhen
oon nicht unter 8000 guh, bes Tages in einer
Temperatur oon 30 ©rab im Schatten, währenb
bes Rad)ts biefe bis auf 2 ©rab (über Rull) fanf.
Der R3eg über bas fpärlid) bewohnte ©ebirge
war burchfd)nittlid) recht befdjwerlid) unb pfablos.
3ch änberte nun meine Riarfd)rid)tung nach SBeften.
Sanft abfteigenb ging es nad) bem £uuju unb bem
golbreicfjen ©ubue, beffen £auf wir 3u folgen bt-
fchloffen, ba ber glüh um biefe 3eit nur wenig
SBaffer führte. Dabei paffierten wir ungefähr brei
©olbwäfchereien auf bem RSege nad) Ehifumba3ie,
bas id) nad) ungefähr breimonatigem Riarfd)e
erreichte, bie id) nur 3U guh 3urüdgelegt hotte,
weil id) jeben Schritt, um bie gröfjte ©enauigfeit
in meinen Aufnahmen 3u er3ielen, regiftrieren
muhte. Rach wenigen Rafttagen in Ef)ifumba3ie
ging id) in bie £anbfd)aften Rtanu unb Ehipeba,
ba es hteh, baß bort große gelfen, bie gufcbriftert
trügen, gefehen worben feien. Tatfäd)lid) fanben
fid) mehrere biefer rohen gelfeninfd)riften,
ferner alte ©olber3lagerftätten unb oerlaffene
Riinengolbbergwerfe oor; aud) gunbe aus ber
Ruf bem Sambefi
3m RJarombalagebirge Sapata ©orge auf bem Sambefi
1911. 9lr. 45
Über £anb unb 9JIecr
1169
^ßelilane auf beut Sambefi
Der „Dempel bes Salomo"
grapJ)ifd)e Sage biefes SBunberlanbes, beffen Veid)-
tum au ©belmetallen ungeheuer getoefen fern
mu^ ( hdten ftdE) bte ©elel)rten nod) immer nicfjt
einigen lönnen. Die einen fuchen es in 3 nbien,
anbre iu Vialaita, anbre in Sumatra. 3 d) beute
an bie gbentität bes ßanbes Dpbir mit einem
Veidje, bas Sutljer in feiner Vibelüberfetpmg
Sabba nennt. 9 lnbre Uberfeher be3eid)nen es
halb als ßebba ober Sd)epa, ober aud) gerabeju
als Arabien. Vian l)at aud) beshalb gatt3 oer-
fcfjiebene Sabäer angenommen. Diefe Sabäer
toaren ein ntäd)tiges, l)od)tultioiertes Volt in
Sübarabien. Da fie jebod) ein §anbelsoolt roaren,
fo müffen fie biefe Sdjä^e nid)t notroenbigerroeife
im eignen Sanbe probugiert ^aben, fonbern
tonnen fie ebenfogut als Vermittler oon roeitber
gel)olt haben, unb es fd)eint mir hoch oieles bafür
3u fpredjen, bah fid) biefe arabifd)en Sabäer als
Koloniften in jenem Deile 9 lfritas angefiebelt
haben, bas heute unter portugieficber $errfd)aft
fteht. Kapitänleutnant Spring
$jan3 Pon Kahlenberg: ftarte ©efchledU*'
© t m a s über ©eographte
r meih, bah es höhere Död)terfd)ulen gibt,
manchmal hat er in Stäbten fotcbe ©ebäube
gefeben, aus Vadfteinen, mit hellen, hohen gern
ftent. 3n ©olb ftanb über bem Dor gefdjrieben:
höhere Vtäbd)enfd)ule. 3 u getoiffen 991 ittags=
feiten entleerten fid) biefe ©ebäube, ein fchtoar^
ftrümpfiges, be3opftes ©eroimmel belebte bie
Strafe, tlingenbes ©eläd)ter, hunbert Klapper-
mäuld)en, fd)mar3e unb braune Sdjut)d)eu. Das
Vilb, bie Vorftellung, roar red)t angenehm. Unb
9 lugert hatten bie tleinen Dinger, helle, breifte
ober fd)toar3e, geheimnisoolle unb fudjenbe, oer=
beifcenbe — fie oerl)iehen fd)on!
3n biefen ©ebäuben lernte man Literatur
unb ©eographie, man lernte VhPfU unb ©eo-
metrie. 2Bat)rt)aftig ©eometrie!
Seine Heine grau möchte oon Köln nad)
Suxemburg fahren, fie hat eine fel)r liebe greunbin
in Suxemburg.
„Natürlich fahren mir über ^aris, Vrüffel,"
fagt feine grau. „Suxemburg liegt hoch auf bem
2 Beg nad) Varis."
„ 9 lber Kinb, Suxemburg! — Luxemburg ift
bicf)t bei Vieh-"
„Vun gut. gn ber ©ifel alfo! gft Vieh nicf)t
©ifel? Du mirft im Kursbud) fd)on finben, mie
mir es machen. Vteh, Vrüffel, ^aris, Luxemburg,
bas ift bod) fel)r bequem! Dentft bu, ich wollte
nach Suxemburg allein, menn mir nicf)t über
^aris führen? gut Von Dtard)e tann man für
oier3ehn graut feibene Hnterröde taufen. gür
oier3ehn grant!"
Ober ©logau mirb ermähnt, „©logau liegt
bei Vlagbeburg," bemertt fie, bie in ber Död)ter=
fd)ule mit prima 3^ugnis abging. 9 luf einen
fragenben Vlid uerbeffert fie fid) fofort: „gd)
meinte natürlich ©örlitj ober ©oslar."
„ 9 hm, mit © fangen alle brei an."
„Vtad) bod) nicht fo pebantifdje Unterfd)iebe!"
Souis &uator3e mar ein Vlann, ber nad)
§einridj bem Vierten brantam, bem Vlann, ber
bie oielen Siebfchaften hatte. 9 luf biefen gab es
nod) Napoleon. Dl)» Napoleon tennt fie gut! Sie
muh 3ugeben, bah Sabsburg, §oIftein=©ottorp
unb Vf alii = 3 weibrüden für fie ein müftes Knäuel
bilben. äßarum aud) nicht? Diefe Vtenfdjen finb
bod) auch nid)t intereffant. ©äfar ( 9 lud) bu, Vrutus!),
ber 9 llte grih unb 9 lttila finb ihr bagegen intim
oertraut. Sie tommen in Stüden unb Romanen
oor; es ift il)r nicht aus3ureben, bah Kambpfes
*) Stelje „Über £anb unb SCJieer“ SRr. 43.
mal bie ägpptifd)e Königstochter geliebt hot, unb
Ven £jur fteht im Veuen Deftament — im Vtartus-
eoangelium!
Seine grau formt neue unb eigenartige Vibel-
fprüdje: 2Ber Vtenfdjenfleifch iffet, bes gleifd)
foll mieber non 9 Reufd)en gegeffen merben, unb
es macht ihr einen eigentümlichen Späh, bah bas
neunte ©ebot fid) nur auf bes Vächften 2 Beib
be3ieht.
Dabei hegt fie £jintergebanten. ©älte es uns
aud), mürbe es bod) helfen: Du follft nid)t be-
gehren beines 9 täd)ften Vtann! Viofes mag fie
nicht recht, unb Salomo mar ein Untier! Dagegen
finb Vtaria Vtagbalena, ber $auptmann oon
Kaperttaunt unb ber Vpoftel gohannes fehr fpm=
pathifd); allen grauen gefällt ber 9 lpoftel Johannes.
Seine grau hat eine ausgefprod)ene Abneigung
gegen Herren, bie foldje S©er3fragen ftellen
mie: meshalb in einem Sdjornftein ber 9 taud) in
bie §öhe fteigt, fie erörtert nicht gern 3U genau,
mie man eine fd)iebenbe Vemegung in eine
brehenbe oermanbelt, d)emifd)e gormeln finb ihr
ein ©reuel — fie lächelt jd)mer3lich unb oerloren —,
es gibt £eute, bie rniffen, mie Stoffe gemebt
merben, moraus Kunftfeibe bergeftellt ift, unb
melche Veftanbteile ©ternit enthält. Sie nimmt
biefe 9 taturerfcheinungen einfad) als Datfad)en l)tu,
mie bas Delephon, mie bie £id)tbilber unb ben
3 eppelin. Der 3 eppelüt intereffiert fie fogar
fehr, aber fd)on ber Vegriff Propeller, SJiotor,
Antrieb ermübet unb mad)t fie unficher. Sie ift
ja meber 3ugenieur nod) ©rfinber.
©raufant unb boshaft bleibt, mit ihr Prüfungen
ansuftellen, fie auflaufen 311 laffen. Sd)on bei
9 lätfelfragen unb Kunftftüden mirb fie unruhig.
Sie betommt bann etmas §ufd)enbes, fie möchte
nur 9 Jtüde fein, nur nafdhen.
gebauten haben ficf) langatmig bemüht, ihr
3u erllären, mo ber 9 J?onb fid) bei Dage aufhält
ober mie man nad) bem Stanb ber Sonne bie
$immelsgegenb berechnet. 3u ben üefften Diefen
ihres ©emüts bleibt ihr ber Äquator ein Strid)
um bie ©rbtugel, bie übrigens bei il)r burdjaus
eine gläd)e bleibt, bie Vole finb 3mei meihe Dupfen
an jebem ©nbe. Sie fiel)t nad) ber Uhr no(h heute
etmas 3U lange unb macht im Kopf ein oermorrenes
9 led)enexempel babei burd); menn bie Direttion
rechts ermähnt mirb, fafet fie heimlich nad) ber
Dafdje ober oielmehr nach ber Stelle, mo bie
Dafd)e fihen mühte.
9 tie ift einem §ierogIpphenent3ifferer gelungen,
bie 9 Rethoben, nad) benen fie bioibiert ober multi=
pliäiert, 3U ergrünben. ©s gelingt ihr na«h einiger
3 eit unb na<h fehr oiel Kri§elei auf geheimnisooll
befchmierten 3 ettelchen. Sie mag bas Semitolon
uid)t unb 3ögert über d) unb g bei ben 9 lnhänge=
filben ig ober lid)- Sie meifc ja fo fehr oiel fdjmie*
rigere Sadjen!
Viit fed)s fahren tommt man in bie Schule
in Deutfchlanb, man bleibt bort bis 3um fed)3ehnten
ober fiebsehnten 3ahr — »olle elf 3at)re! 3eben
Dag fünf Stunben. — ©s gibt fiehrer unb oiele
Daufenbe oon Kehrerinnen. Diefe Übung toftet
ben Staat 3toölf Vlillionen Viart. ©r lieft es in
ben empörten Statiftilen ber grauenbemegung,
bie rniffen, bah für Knabenfd)ulen bas Dreihigfadje
aufgemenbet mirb. — 3 hr Vlann mürbe über bem
Problem f<hon tieffinnig.
Seine grau brach ber beften Staatspalme eines
Dages ben längften Venomntiermebel ab. Sie
fchidte bie ^alme nebft 3u>eig 3um ©ärtner, er
möd)te „bas" mieber anfe^en, unb bleibt über=
3eugt, ber Vtann mar ungefällig ober ungefd)idt,
meil er ablehnte. Sie lönrtte fragen: Dut bie
Keber basfelbe mie bie Viere? Unb läuft bas Vlut
aus ben gingerfpihen in bie §>anb ober um=
gelehrt? Die natürlichen Vorgänge in ihrem
Körper finb für fie burd)aus rätfelhaft. SBarum
bas rniffen? „VSenn id) eine Krantheit haöe,
fterbe id) bran, unb menn es nid)ts ift, merbe ich
mieber gefunb." ift unanfechtbar.
Sein greunb Veginalb
Unleugbar ift bies fein befter greunb, fein
3ugenbfreunb! ©r l)ot ihn lange 3 ot)*e nicht
gefehen, er ift gerührt, menn er oon ihm fpridjt. —
„Diefer liebe, alte 3 unge!" — Daufenb ©rinne-
rungen haften an ihm, oon Sd)ülerftreid)en unb
romantifdjer Sd)märmerei, oon erften Sieben, ber
erften 3talienfal)rt.
_ Selbft feine grau mirb mit ihm meid) geftimmt.
Sooiel bebeutet ein greunb aus ber gugenb,
mehr als ein Vruber! „Denn Vermanbtfchaft ift
bod) bloh 3ufall," 3itiert feine grau elegifch;
3itate nämlid) behält fie.
Die Vegrüßung ber greunbe ift troden — bie
©rregung mar 3U groß, beult feine grau, bei
©neu fitjen bie ©motionen tiefer. „Des Vlannes
Keufd)heit geht auf feine Seele" — fie 3itiert
fd)on mieber.
Veginalb ift aud) troden. ©r hat eine etmas
gerötete Vafe. ©r fagt: „Vun, mie geht's bir?
©eht's gut? — 911 ), gnäbige grau —“
„Vteine Heine grau!" ftellt er ftrahleub oor.
Die gan3e 3 ett fpridjt er aufgeregt oon feiner
grau unb 3U feiner gmu» aud) Veginalb fpridjt
mit ihr, für fie. Sie bemeift bislretes 3 a^ 9 ^fül)l»
fie läht beibe allein, gugenbfreunbe, bie fidf) fo
1170
Über £anb urtb Sflleer
1911. 9lr. 45
lange ni©t gefe©n haben, bte fo oiel Sebnfu©t
nach einanber empfanben! 25teX — oiel werben
fie fi© gu fagen haben! 93iellei©t and) (Sebeim*
niffe. ©s ift beffer, fie ftört ba ni©t. Sie billigt
Stänner f reunbf© aften — es erinnert an 9Idjilles
unb ^Satrotlus, an Ftt©iof unb 23förn, an Schiller
unb ®oe©e. Dies ^)3aar, bebagli© ba bei ©nt,
mit 3t0ttrren unb S3einflaf©en inftalliert, ift poe*
tif© unb rü©enb.
Sie tommt, um nochmals eine befonbers gute,
ber Gelegenheit würbige SSeinflaf©e gu bringen;
Segi bat Sinn für SSein. 91©, bie f©önen Dage
in Marburg, in £eibelberg unb am 9© ein! Siax,
ibr 9Rax fie© oergnügt aus, er liegt im S©autel*
ftubl unb pafft, fReginalbs G>efi©t ift no© etwas
rötlicher unb f©einenber. 91ugenblidli© finb fie
nod) gang in toortlofes 93ebagen bes fi© SSieber*
gefunbenbabens oerfunten.
Sie begrüben fie mit übertriebener Serbinb*
li©teit: „91b, tommft bu enbli©? 931eibft bu bei
uns?"
„3© werbe mich ©iten!" fagt fie f©elmif©,
ftellt ben extra guten tropfen ©u. »So alte
Freunbe! 3ugenbfreunbe!"
SOlax lac© aufgeregt bergli©, tHeginalb fdjeint.
Seiber 9tugen folgen ibr bis gur äufterften ©reuge,
als fie über bie S©welle f©reitet.
931ax feufgt. „9to© eine 3igarette, alter 3unge?"
©r giefet bem Fteunb ben extra guten tropfen
ein. Seibe beben ihre ©läfer, befinnen fid) bann.
„91a, proft!" fagt 93tax unb na© © m tReginalb.
3m 3Hn m er bleibt's oerbä©tig füll. Die Sonne
f©eint, bie Slumen, oon i© aufgeftellt, buften.
„S©medt bir ber SSein?" fragt Siax unb hält
fein ©las prüfenb gegen bas £i©t. Seginalb
f©Iudt furg, taut, er ift ein Kenner, „©afeler,
Dominitaner,“ fagt er.
„91eungebnbunbertoierer."
„93om 9Bingeroerein?" fragt Seginalb.
„©rbeter! Den 93urf©en ift au© ni©t me©
gu trauen." Stax trintt. Seginalb f©Iudt. Die
Stille wirb brüdenb, eine SfKege fummt, unb beibe
bören ©r Summen beutli©, fie rau©en, trinten
unb fdjweigen.
9lngeregt fpringen beibe auf, als bie Hausfrau
wieber eintritt. ©s ift gum ©ffen angeri©tet.
Sie bat oon 9Sax Seginalbs SSürtf©e erfahren,
es gibt febes feiner £eibgeri©te. Seginalb ift
halb gerührt, halb gertnirf©t über fo oiel ©üte —
fie weih, bafg fie, bie Suben, bem Pfarrer grüne
Simen ftablen, fie fragt na© Seginalbs 9Sutter,
na© ben ©erheirateten ©efdjwiftern. Seginalb
taut auf unb wirb wirtlich gang gefprä©ig. 9Sax
fiebt ©n ftrablenb an, wie ber Künftler ein oon
©m ausgeftelltes unb felbftangefertigtes Obfett.
©r trintt oiel unb ftart, bas ift Freube! Seine
Frau unb Seginalb fpre©en beftänbig. ©r ift
ftolg auf feine gefprädjige, bittere unb gewanbte
Frau.
Sa© Dif© wieber 91IIeinfein ber beiben Hn=
gertrennli©en, ber F'teunbe. Sie weih beffer,
was fi© f©idt. Sa© a©t}äl)riger Trennung!
91ber £itör unb Kaffee betommen fie gern gu
©rer 91bgef©loffenbeit. Seine Ftau gie© fogar
ben Sorbang no© gu: „3e© ftort eu© teiner me©!"
Sie trinten £itör unb trinten ihren Kaffee. Sie
rau©en, 9Sax lä© eit beftänbig, unb Seginalb glängt
©n an ... Sie f©weigen.
91IImäbIi© oerfällt 9Sax in einen Sa©mittags*
bufel, er f©Iie© bie 91ugen, er f©nar©t. Seginalb
rau©t nod) unb trintt Weiter £itör. 3b m ©'s
wo©, matt unb bufelig.
©Sieber belebt ©r ©intritt um oier Uhr. „Sun,
ausgef©wä©? Da wirb es 9Ibenteuer unb Stiffe*
taten genug gegeben haben! — Sinb Sie au©
fo rot, politif©, wie mein 9Sax, $err Seginalb?
2Bas benten Sie über bie S©u©oIIpolitit, unb wie
lange behalten wir no© SRegen biefen Sommer?"
Seginalb Iä©elt unb erteilt auf alles gel) 0 r=
famen Sef©eib. ©r ift au© So^ialbemotrat, er
pfeift auf bie S©u©oIlpoIitit unb er oerflu©t
ben Segen.
Sie lä©elt. „©in oerf!u©ter Kerl, ber Segi=
nalb!" fagt 9Rax tiefbefriebigt, er bentt an was,
oieIlei©t an bie grünen Pflaumen bes Pfarrers
ober an ©re Sube über ber £abn — er Ia©t auf.
Seginalb la©t au©.
(Sott, finb bie beiben blöbfinnig! bentt feine
3rau. Sa ja, Siänner —
Sie finb nun faft ängftli© beforgt, baß fie
wieber gebt unb fie abermals allein lä©. Seginalb
taut fogar fo weit auf, baff er eine Heine, ©rm=
lofe ©>ef©i©te oon einer $rau erzählt, oon einer
2ßitwe, bie er heiraten follte.
9Jiax nimmt bie 3bee mit Feuereifer auf.
Satürli© muh Seginalb heiraten! „Du, Se=
ginalb—" ©r Ia©t in irgenbeiner ©rinnerung,
bah er fi© f©üttelt, roh unb männerbaft. Seginalb
Ia©t au©, oerf©ämt unb gebämpfter, weil fie
habet ift. — 91ber über ©r £a©en gu fagen hätten
fie beibe ni©ts.
Seine Frau gähnt. Die £itörflaf©en, gwei
9ßeinflaf©en unb ber 3©arrentaften finb leer, fie
nimmt alles mit.
Sun wirb Siax befperat: „Du barfft ni©t
geben! Du follft ©erbleiben! Seginalb ift bo©
gerabe beinetwegen, um bi© lernten gu lernen,
©rgetommen!"
„3a, bas höbe i© natürli© ni©t gewu©."
Sie bleibt, fie lä©elt, fie rebet über bies unb bas.
Die Sü©ung tommt wieber über fie, baff biefe
beiben fi© f©on fo früh getan© haben, fie ftellt
gef©idte Fragen unb erfährt au© wirtli© einiges,
bah Seginalb in Dexas war unb bah er je© oiel
©elb oerbient.
„Sie, wirtli©, haben etwas gu ergä©en! Unb
Siax ©at 3©*en oon uns f©on alles beri©tet?"
Siax bat ni©ts beri©tet. 91ber was tonnen fie
nur bie brei Stunben gufammen gefpro©en haben?
fragt fi© feine Fxau. 93ieIIei©t finb Siänner
oerf©Ioffener als wir? Sie brau©en 3eit.
©s wirb gehn l©r. Seginalb muh fi© oor=
bereiten, bas gaftli©e £»aus feiner Fxeunbe gu
oerlaffen. Siax ift fi©tli© erlei©tert, er fpringt
. mit auffallenber Dienftfertigteit umher, fu©t
Siantel unb Stod. „Das war einmal brao oon bir!
Das re©ne i© bir aber fe© bo© an, bah bu für
bie paar Stunben bie weite Fa©t gema©t baft!"
Seginalb fagt: „£eb wohl, alter 3unge! 3©
bab mi© fe© gefreut." 3a, fo 3ugenbfremtbe!
tommentiert feine F^au, fie halten gufammen,
bas bleibt fürs £eben!
„Unb f©reib mal, wie es ge©!"
Seginalb Iac© turg auf. Der ©ebante an
S©reiben ift beinahe tomif©, au© Siax finbet
©n tomif©.
Das war nun fein F^unb, fein befter unb
nä©fter Fxeunb, ein famofer Sienf©, eine treue
Seele!
„9lber i© habt bo© taum ein 9Bort gufammen
gefpro©en?" fragt feine Frau. „3©, roenn i©
Sauna ober Stinnie träfe —" Das will gar ni©ts
befagen! ©r beweift feiner Frau, bab f©on Se=
ginalbs Siutter feine mütterli©e Freunbin war,
feine gweite Siutter: „©s war ein fe© genu©
rei©er Sa©mittag."
Das Kü©enp.erfonal
©r leugnet, bab eine 93egie©mg befte©, er
leugnet es mit ©nergie, fogar mit Sntterteit! —
aber fie ift unleugbar oorbanben. Sur ift f©wer
gu fagen, wer anfängt, ©r fiebt es gern, wenn
Siinna, Klara ober Ottilie hellblaue ober rofa
Kattuntleiber tragen —■ nun, bas fiebt bo© au©
wahrhaftig nett aus! Hub Siinna unb Klara
finb jung, haben rote 93aden unb weibe $äls©en
unb Heine, f©nippif©e Kopfbewegungen unb be=
weglic© Siünb©en. SSie bl©f©nell fie reagieren,
mit einem £ä©eln, einem ©rröten, mit ©rem
Seifalt! Seine Frau ift übergeugt, bab er SSt©
für Klara unb Ottilie ma©t, er fagt ©alanterien
für Siinna, er ift ©Her unb pfeift, wenn Sal©en
bur©s 3tmmer buf©t-
©s ift nett, bas Kü©enperfönal! Siinna bat
eine Sianier, ein intimes Kleibungsftüd, fauber
abgebürftet, gart ©rtgulegen unb lautlos gu oer=
f©winben — bas ift ein gang Hein wenig Do©ter,
ein bib©en Serbältnis, gute, alte 3^t, halb
Familie, bo© unfamiliär, ein Deil oon feiner
Frau, ©re 91usfü©ung, ©re re©te $anb, bo©-
ni©t bie ©attin felbft, bie Dreffli©e, bie Soll=
tommene, bie mit gwei §änben!
Der §ang exiftiert ni©t, er f©wört ©n ab,
er beftebt lebigli© in ber ^©antafie ber Frauen.
Sie nur hört bie Siilbe, ben anbern Klang eben,
im Sefe© an Siinna als in bem- an $einri©.
Unb Siinna ift fre©, Siinna antwortet ©rrt anbers
als ©r, oertrauli©er, wie foll fie fagen? refpett=
lofer. Siinna bebt ein langes blonbes §aar oon
feinem 3adett mit religiöfer Sorgfalt unb Hm=
ftänbli©teit, es fehlte ni©t oiel, bab fte es ©nt
fauber in einen ^apierbogen gefaltet auf ben
S©reibtif© legte, tlnb fie würbe es }ebenfalls
fo legen, bab feine Frau es nt©t au© finbet.
Obglei© es bo© natürli© blob i© £>aar fein tonnte,
©s ift bas blonbe £»aar ber gnäbigen Frau. 91ber
warum bentt Siinna, bab es ni©t ©res fein tonnte?
SSas gibt ©r bie 93ere©tigung gu foI©en ©ebanten?
2ßenn er nur fragt: „Sa, Siinna, au© mal
ausfliegen ©nt?", la©t Siinna gegiert unb über*
glüdli©. 3b m gilt i© neuer $ut, ©re 93oa —
wenn er fagt: „Donnerwetter, Siinna!" erglü©
fie. Hnb glei©, wä©enb fie erglüht, fiebt Siinna
angftooll auf ©re gnäbige Frau, ©mpfinbet fie
fi© als bereu Sioalin? Das wäre! — Selbft
wenn er wütenb ruft: „So© ni©t fertig mit
3bren £iebesbriefen?", ti©ert Siinna nur matt
unb wagt nie eine Semonftration. Siit ©r, ber
gnäbigen Frau, ift fie aufgewedter unb berebter;
bafür ignoriert bie aber au© Sünnas £iebesbriefe.
Siinna ift für ©n immer ©reit, fie folgt fogar
auf pfiffe. SSenrt fie teine anbre ©igenf©aft bat,
f©mubig, na©Iäffig, oerliebt unb biebif© ift,
feine S©Iipfe unb Daf©entü©er tann fie aller*
Iiebft einorbnen, fein Frberbalter Hegt an feinem
üßk©, fein Safierfpiegel ift blitgblant poliert. Die
weinenbe Siinna finbet ©n immer oäterli©, er
tann Dränen ni©t oertragen. 93ei feiner Frau
ni©t, ba ift's ritterli©. 9lber bei bem Stuben*
mäb©en!
„Siebente, bab £ouis, Ouatorge oor ieber
Kammerfrau ben §ut abnabnt!"
„Sa, £ouis Ouatorge, ber ift eben au© ein
93eifpiel! Hnb am geöffneten Daülentnopf ber
guten Siaintenon blieb er mit feiner Krone hängen."
„Sünnas Knopf ift immer gef©loffen."
„9Hfo bas fiebft bu?"
©r gudt bie 91©feln. 3n leügnen ift ferner
ni©t, bab in 91bwefen©it feiner ©attin, wä©enb
feiner Strobwitwergeit, feltfame Sitten fi© ein*
bürgern. — Siinna fingt bei ber 9Irbeit! 2Barum
fingt fie, b^l unb f©metternb? SBenn er ©r
guruft, bab fte gu laut f©mettert — es gibt 3a=
rufe unb 3nrufe, ber Don ma©t bie Siufit! —
ti©ert fie unb fängt na© einer SSeile leifer unb
wehmütiger wieber an. Siinna pfeift finnig
ober fie fingt, ©ine gewiffe 9Hert©it ift in i©,
fie fliegt, irgenbwie fehlt i©em Füegen bas
Dienftbare, Kommanbierte, fie fliegt auf eigne
Fauft, wie fie will, f©metterlingst)aft. Hber
Heinere 93erfe©n gleitet fie flü©tig hinweg. SSas
ma©t bas au©? Der §err mü©e eigentli© anbres
im Kopf ba©n als feinen fJSubbing ober bie
Sratenfauce. 91u© Sünnas Kopf ift ni©t bei ber
93ratenfauce.
Sie lieft no© me© Somane unb öffentli©er,
bebnt fi© im £iegeftubl auf bem 93aIton. Der
93aIton war i© nie erlaubt unb würbe au© oon
ihm natürli© ni©t ausbrüdli© gugeftanben. 3e©
benu© fie ©n. Des Sa©mittags fie© fie fo oer*
f©Iafen aus, bab i© §err fi© bemübigt fühlt,
fie aufgumuntern. „Sa, mal 'n bib©en fix!...
S©Iafen Sie ni©t, Sünna!"
Sie fiebt ©n rätfe©aft unb h°tb oerä©tli©
an, gähnt no© einmal ausgiebiger. SSäre S©Iafen
nie© bas 93efte, wo bas £eben fo öb ift? Ob
für ©n, weil bie Sfabarrt fehlt? Ober für Sünna —
©in gröberer Ouerrib in feiner frif© aus*
einanber gefalteten Seroiette lä© fie ebenfalls
tü©. SSas ift benn ba weiter? Den ftopft man
eben. SSer ftopft? Sa, Sünna! SSenn fie 3^t bot.
Sie ift oerbroffen, f©latfig, impertinent, ©r
bleibt mufterbaft.
Sßenn feine Fxau gurüdtommt, gibt es grobes
Seinema©en, Sünna mub gebeu- ©s ift fonberbar,
mit bem |jerrn allein arten fie immer aus! „Du
baft eben ©re ©rwartungen ni©t erfüllt. Ober —"
©r ift oon oollenbeter ©lei© gültigfeit, ©r
bliebt ni©t mal auf, wenn bie neue ©©iftine
tommt. „Finbeft bu ©©iftine eigentli© bübf©?"
fragt fie oerfu©erif©. „§übf©er als Siinna?"
„SSer war Siinna? 9t© fo!"
Das Kü©enperfonal exiftiert für ©n ni©t.
9tber er exiftiert für es. Das bleibt immer be=
unrul)igenb. Sian lennt gu oiele ©ef©i©ten,
Frau Sieper batte eine Kö©in, bie fonft einen
anbern 93eruf ausübte unb |>errn Sieper gang
breift anbot-Fxau 93Iume ientbedte i©e 3ofe
plöbli© als elegante Dame wieber mit einer
9Srioatwobnung in ber 9tnsba©er Strabe; bie be=
trübenbfte Sa©e aber erlebte Frau Sat SSi©eImi,
bie an möblierte Herren 'oermietete, um ©re
Dö©ter untergubringen. Der möblierte $err,
ein Se©tsanwalt, no© bagu wob©obenb, heiratete
©r Stubenmäb©en!
Sientals gelingt es ©nt, fi© oon biefem
S©atten, ber auf feinem gangen ©ef©le©t ru©,
oolltommen gu reinigen. Siänner bleiben Siänner,
bebentt feine Fxau, unb £ina oergi© ben Hnter*
f©ieb au© nie.
Dab er fe© folib ift, wäre ja mögli©. ©r batte
bo© mal...
Das bringt fie wieber auf bie Sergangenbeit.
Selbft 3ofepl) hatte eine 93ergangenbeit. Sie
würbe an bie Sotipbargef©i©te ungern benten.
SSas fägte bie ^Sotipbar eigentli©? Fiel ber
Siantel oon felbft ober fa©e fie ©n?
91ber er ift in bem 9Sunft bidfeilig, er fiebt
unb hört ni©t. 3ft er f©.Iau ober unf©ulbig?
Die Spmptome finb genau bie glei©en.
(Die Serie wirb fortgefe©)
1172
Uber ßartb urtb äfteer
1911. Sftr. 45
Streiten. Blatutnnffenf©aftlt©e Klauberei oon 2üt©elm (Bölfdjß
OTls ber homerif©e Dieter bas Abenteuer bes
vi £)bq ffeus mit bert (Sirenen f©überte, be*
nufgte er ftoffli© wo© ein bamals f©on altes
(Schiffermärcf)en. (Sie unoerglei©li©e ©igenart,
bie ans biefen fünfunbbreijgig (Berfen eines ber
herrlichften (5ebicf)te ber BBeltliteratur gemacht bat,
liegt in ber S©ilberung. Das S©iff bes um*
getriebenen Dulbers fommt f)erange)d)roebt, oon
freunbli©em BBinbe getrieben, (piötjli© bann, ehe
no© bie Sireneninfel [elber auftaud)t, ift es, als
gebe ein 3ouber oon ib>r ans. (Ser BBinb ruht.
Sie fülle (See glängt oon t)eiterer (Bläue bes
Rimmels, ein §immlifd)er f©eint bie BBafjet gu
fenfen. 3e$> als ber bebentfid)e greis auf Hör*
roeite nahe ift, ber (Sirenengefang felbft. Blur acht
(Berfe, aber oiellei©t bas 5Hangoollfte, roas in
3Iias toie Dbpffee oorlommt. BBan mertt bem
Siebter orbentli© bie (Beantwortung an, biefes
Sieb, bas felbft Sen fcblauen .Obpffeus oerführen
folt, wörtli© gu geben, nnb bo© bat er es geroagt.
(Aber bie ©enoffen bes Sulbers, bie ©re (Obren
mit 2Bad)s oerftopft unb ibn felber gnr 5Borfi©t
an ben SCRaft gebunben haben, rubern oorbei.
„Seifer, immer leifer oerballte ber (Singenben Sieb
nnb «Stimme.“
©s ift eine arge Sache, roie mit tarnen um*
gefprungen roirb. Den f©euhli©ften, robeften
Wärmapparat, ben ber fpätere 5tulturmenf© er*
fnnben bat, nennt er eine Sirene, ©in Tier*
gef©le©t aber oon fo unerhörter Knform, bah
ein S©wein bagegen bie leichtfüßige ©legang oer*
förpert, bat ber moberne Blaturf otf© er fogufagen
amtlid) als bas ber Sirenen begei©net, nämlich
bie mit anberm BBort ©genannten Seetübe.
BBenn man fi© eine 5H© bentt, bie mit berfeiben
nnerfd)ütterlid)en, mafd)inenbaften5tonfeqneng, mit
ber eine richtige (AlpenH© rnpfenb unb rüdenb
tagaus tagein ihre (Blatte begimiert, Seegras ftatt
BBiefengras abroeibet; wenn man biefe 5K© für
bas BBafferleben hinten abbaeft unb in eine platt*
liegenbe $if©floffe auswalgt, ihr auch gleich babei
bie Hinterbeine fortf©neibet unb bie Sßorberbeine
in runbe babbeln oerbreitert, fo tommt man auf
bie SeeH©. 3 n biefer ©eftalt liegt fie ihr Seben
lang faul über ihrer unterfeeif©en Süftenmatte
unb äft, roobei fie im (Borf ©reiten gelegentlich ihrer
SOßeibe aud) in bie großen, gur See münbenben
gflüffe hütein nad)pabbelt unb fo bis tief ins
(Binnenlanb tommt. 3D re BBeibe ift fett, unb bas
BBaffer trägt — fo barf fie alle ftuhmahe über*
bieten unb als toloffale $leif©walge oon fünf ober
gar gehn (Bietern Sänge über ihrer BBafferwiefe
fd)auteln. Sabei ift fie gleich ber richtigen Sub
ein Säugetier. 3hro mildjgebenbe (Blutterbruft bat
fogar etwas gang (Blenf©Ii©es in Sage unb 3orm,
unb tyitx fteett bie balbtoegs gangbare (Begriffs*
brüde, bie gur (Bergleicbung mit einer f)omerif©en
„Sirene“ geführt bat; benn es roirb behauptet,
bah biefe Seetübe, im 3ubif©en unb (Boten BBeer
gelegentlich fdjon oor ben älteften Seefahrern beim
£uftf©öpfen auftau©enb unb foldhe (Büfte probu*
gierenS, gerabegu bie grabet oon (Bleerweib©en,
alfo boeb irgenbroie ber (Berroanbtfdjaft wenigftens
ber echten firenif©en Fräuleins, ergeugt hätten.
Die meiften Säugetiere aber, bie nachträglich
(benn alle echten Säuger roaren gef©i©tli© gu*
nächft Sanbtiere) roieber ins BBaffer gegangen
finb, haben bort eine (Art 3erfehungs= unb 3er*
fliefgungsprogefg ihrer Seibesformen erlebt. BBäh*
renb ber gjrif© als urfprünglidjes dBaffertinb burch*
ooeg (felbft im riefigften Hai) eine getoiffe ©ragie
ber oolltommenen dlnpaffungsform bewahrt hat,
ftö&t man beim SBafferfäuger auf bie greuliche,
oerf©wommene unb gerhadte (Büfsform bes Blil*
pferbmauls ober bie (Bionftra ber großen BBale
unb (ßottfif©e, bie feber georbneten Sinienführung
im Hmr© fpotten. Unb fo ift auch hie Seetuh auf
©rer BBafferweibe an „Bli©tform“ ein echtes unb
red)tes (Bleertounber geworben, fo ungef©la©t
roie nur möglich, roie einer, ber fid) gehen laffen
tann unb es nicht mehr nötig hat, auf nettes
(dufferes unb abrette (Umgangsform gu feljen.
©leid) für bie erften tlaren Orbnungsgenies
in ber neueren Tierfunbe muhte es babei aber eine
wichtige gfrage werben, gu welcher engeren ©de
bes großen Säugeroolts nun biefer (Better BBanft
eigentlich.gehöre. (Born Sanbe war er getommen;
an was für eine Sanbform aber füllte man ihn bort
fpftematif© anreihen? BBar es etwa wirllid) bie
5h© gewefen, bie, gefräßig ihrer BBeibe nach*
rüdenb, in irgenbwel©en Krw eltstagen fo gang
allmählich fid) ins Sei©twaffer herein oerloren
hatte unb enblid) gur regelrechten (taucherin ge*
worben war, wo bie ©rasnarbe allgu tief unters
BBaffer oerlief? ©ang fo feltfatn, wie es fid) an*
hört, wäre foI©er (Borgang ja nicht. So ift bas
allbelannte Blilpferb wirtli© nichts anbres als ein
in bie weiten (Binnenfeegrünbe ooller fiotosweib.e
bauernb oerlodtes altertümliches Schwein (nicht
allerbings ein fo oerirrtes (ßferb, wie ber (Barne
fchließen ließe), bas bei-Sanfibar fogar fdjon wie
eine rechte Seetuh tül)n ins (Bteer hinausfehwimmt.
längere 3^1 inbeffen war unfre wiffenf<haftli<he
(tierfunbe gu folchen (Ableitungen beshalb nicht
red)t mutig, weil ihr überhaupt gweifelhaft ge*
worben war, ob fid) eine (tierform aus einer anbern
„entwidelt“ haben tönnte. So gefeilte man einft*
weilen bie Seetuh gar nicht gu irgenbeinem £anb=
tier im Spftem, fonbern rüdte fie mit gwei anbern
ausgefprodjenen üßafferfäugern, bem Seehunb unb
bem SBalfifch, gu einer engeren ©emeinfehaft ber
gifch* ober Seefäugetiere gufammen. So hohen
wir ; s noch aus bem alten, wirtlid) noch oom
(Btanne biefes (Hamens oerfafften „(Brehm“ ge*
lernt, unb ber älteren ©eneration fißt's nod) in
gfleifd) unb (Blut, ©s hüft aber nichts, bie (ÖSelt
läuft, unb ber (Btenfd) muh umlernen.
Sdjon als ber erfte (Darwinismus I)ßd)tam,
würbe Har, bah einer aus biefem tünftlichen, bloß
bem (Aufenthaltsort nach oereinten (trio un=
bebingt woanbers hwtommen müffe, nämlich ber
Seehunb. ©r war wirtlid) ein Stüd „Hunb“,
nämlich lebiglid) ein für bie ergiebige dBafferfagb
halbwegs umgepahtes urfprünglid)es Äanbraub*
tier. ©in (Räuber, bas heifd ein abfoluter grleifcE)*
freffer, ift aber and) ber (Eßalfifd), unb fo beftanb
oor ©m batb ein goologifdfer Argwohn, bah er,
obwohl erfichtlid) oiel weiter fürs offene (Bteer
umgeformt, irgenbmie bod) aud) guleht unb in
grauen ©ntwidlungsurtagen an bie (Raubtiere an*
fdfliehe. Das ift in neuefter 3eit burd) geologifdje
Sunbe faft gur ©ewihhett geworben, wenn auch
bie £anboäter in biefem ffalle nod) wahre Kr*
raubtiere (fogenannte üreobonten) gewefen finb.
(Blieben gule|t alfo wieber als oereinfamter (Reft
unfre Seetühe,
Diesmal fd)ien ihre „Äuhnatur“ gur (Anerten*
nung gu tommen. (Bei Haedel, beffen Spftematit
fetjt für eine neue ©eneration gu einer 3Irt goo*
logifd)en(Breoiers würbe, las man, bah hie Seetuh
höhftwahrfcheinlid) ein (DSafferableger bes paar*
hufigen Huftiers fei, alfo eben ber ©ruppe, gu ber
unter anberm aud) bie 5tul) gehört. Solche ent*
widlungsgefd)id)tlid)en (Bermutungen finb nun
bei umfid)tiger Hanbhabung ber (Theorie ftets fehr
wertoolle 3'ingergeige, unb Haedels prooifonfehe
„Stammbäume“ hohen troh allen wohlfeilen
©egnerfpotts eine wahre neue (Ara ber. gangen
goologifdfen Spftematit herx>orgerufert, in ber
prattifcb heute aud) alle bie leben unb weben, bie
feinen (Ramen nachträglich oerleugnen. (Auf ber
anbern Seite bleibt aber eben© wahr, bah olle
noch fo gefd)idte (Theorie arm ift, wenn nicht bas
©lüd wirtliche (Beuentbedungen ©ngubringt, in
biefem gfalle alfo ben gfunb wirtlicher oorweltlidjer
Stelette oon Kbergangsformen, bie etwa ben
Schritt oon einem nilpferbifd) unb noch weiter
wafferlieb geworbenen 3roeihufer aus ber 5tul)=
oerwanbtfhaft gur Seetuh leibhaftig oor (Augen
bemonftrierten.
(Hun fanben fid) gwar oerfteinerte Seetühe.
dBie in ber Krwelt alle geographif<hen ©rengen
burchweg auf ben itopf geftellt fd)einen, fo muhte
man fich auch h^r mit bem turiofen (Bilbe be=
freunben, bah noch in ber ©poche ber (Tertiärgeit,
als unfer allbetannter (Bernftein als frifdjes Horg
oon dBalbbäumen bes £anbes tropfte, über bie
©egenb bei (Btaing unb Darmftabt ein (Bleeres*
arm ging, beffen Seegraswiefen f<hon bamals bort
oon gahlreichen, mähig großen (etwa brei (Bieter
langen) Seetühen abgeweibet würben. Diefe
alten Darmftäbter geigten, wie es fcheint, äuherlid)
no© ein oertümmertes Hwterbeind)en, bas heute
gang fehlt, fogufagen ein (Abgeichen nod) mehr
ihrer ; ftcheren ehemaligen £anboerwanbtfd)aft.
31ber bas war auch alles, im übrigen waren fie
fdjon fo mihgeformt unb wafferfroh wie ©re ©e*
noffen unfers (Tages in ©rem fernen (Roten (Bteer.
Die firenif©e Kbergangstuh hotte man {ebenfalls
no© ni©t.
3ngwif©en gab es aber eine alte Stimme aus
ber (Tiertunbe felbft, faft oergeffen wie ber (Btann,
oon bem fie houptfä©Ii© ausgegangen war, ber
f©on faft gehn 3ol)re oor Darwins (Auftreten oer*
ftorbene .gfrangofe (Blainoille. Sie mahnte an bie
hö©ft feltfamen 3ohrtoerhältniffe biefer Sirenen,
in benen offenbar no© ein feparates ©eheimnis
ftedte. dBenn oon ben h DTTt erif©en Sirenen*
mäb©en bie böfe itunbe gilt, bah ©r füjjer Sänger*
munb in oerf©wiegenen Stunben (Btenf©en*
frefferei trieb, gu ber neben oerminberten e©if©en
Hemmungen minbeftens bo© ein gutes ©ebih
gehört, fo hotten eingelne ber wirlli©en Sirenen*
tühe überhaupt feine 3äf)ne ober bo© nur fpär*
Ii©fte (Refte ©I©er. Do© bas. war offenbar wieber
dBafferanpaffung für fi©; au© ber ungeheure
©rönlanbwal ift gahnlos unb fe©t nur wingiges
wei©es (Bleergetier bur© feine ©aumenbarten,
bie uns bas befannte gfifchbein liefern. 2Bas aber
no© oorhanben war .oon firenif©em (Hormalgebi©
bas war wirfli© bebeutfam genug. (Balb geigte
fi© ausgefpro©ene (Heigung, bie oberen S©neibe*
gähne unter ber fetten dBuIftlippe in regelre©te
Stohgähne gu oerwanbeln. (Balb wu©fen bie
(Badgähne beftänbig neu na©, unb gwar fo, bah
ber oorberfte immer na© einer (ÖSeile ausfiel,
oon hinten her aber bie 3ol) n re©e ergängt nad)*
rüdte. Diefe 3 a howunber aber erinnerten auf*
fällig Jeßt an einen gweiten Soll im Säuger*
berei©, ber gang unb gar ni©ts mit ber 5U© gu
tun hotte, fonbern mit bem — ©lefanten. (Au©
bie riefigen Stohgähne unfres lebenben ©lefanten
finb obere S©neibegäl)ne, unb au© bei ben (Bad*
gähnen biefes ©lefanten herrfdjt ein minbeftens
fehr äl)nli©es Spftem oon ftreng geregeltem (Ber*
fall unb ©rfat;. 5tein 3toeifei: bie Sirenen hotten
au© im übrigen (Bau ©res Sfelettes mit ben
fdjweren, ni©t gehöhlten 5tno©en man©erlei
3üge oom ©lefanten. (Trohbem f©ien ber not*
wenbig hi^r auftau©enbe 3b e eng ang felbft ben
fühnften Stammbaum©eoretifern gu fühn. Kn*
glüdü© er weife wuhte man lange 3eK gerabe oon
ber eignen Kroerwanbtf©aft ber ©lefanten gar
ni©ts. Sie ftanben bis heute auf bem £anbe, unb
bo© wuhte man ni©t, wo fie auf biefem £anbe
hergetommen fein follten. itein anbres Säuge*
tier gli© ©neu genug gur Qlntnüpfung. Die ©egner
ber Defgenbeng©eorte liebten es, tä©elnb hierher
mit Siegern gu weifen. Hier waren (Tiere, Sie
riefengroh waren, f©on in Krweltsperioben maffen*
haft gelebt unb oerfteinerte £no©en hinterlaffen
hatten; unb bo© hotten fie anf©einenb teine
„(Ahnen“, ©ines (Tages inbeffen follte bas ein
re©t jähes ©nbe nehmen. 3m unterften (Agppten,
im Hmterlanbe bes fogenannten Sopum, ent*
bedien bie ©eologen oor einigen 3ohren eine
gerabegu fabe©aft glängenbe gfunbftätte oorwelt*
Ii©er Säugetiere. Blie werbe i© ben (Anblid oer*
geffen, als i© im £onboner 5Raturl)iftorif©en
(Blufeum beim ©intritt in bie grohe Holle oor bem
erften frif© ausgeftellten (j3ra©tftüd oon bort ftanb:
bem grotesten (Riefenf©äbel eines fogenannten
(Arfinoitherium, eines elefantenähnli©en Knge*
tüms,bas auf ber (Hafe gwei enorme, nebeneinanber
geftellte tnö©erne Horngapfen, bie an bie 3©fel
einer toloffalen (Harrentappe erinnerten, getragen
hatte. S©on biefes jebenfalls nah oerwanbte
neue (Tier bewies, bah man hier in bie Kroerwanbt*
f©aft bes ©lefanten geraten war. S©Iag auf
S©lag folgten fi© bagu bann bie weiteren ©nt*
bedungen an biefer ©lüdsftelle. (Heben jenen
(Arfinoitherien hotten bort in ber älteren Tertiär*
geit (Angehörige bes (Bolts ber fogenannten iKipp*
[©liefer gewohnt. ©s finb bas heute Heine,
lanindjengrohe ©ef©öpfe in Sprien unb (Afrita,
bie man bisher troig ©rer £1 ein!)eit nahe an bie
Blashörner anf©loh- 3e^t geigten fie ni©t bloh
uralte ©enoffen oon ber oollen ©röhe eines (Tapirs,
fonbern es würbe au© gum erftenmal Har, bah fie
ebenfalls nähere (Bettern ber ©lefanten feien. (Bon
biefen ©lefanten felber fanb man bann foglei©
ein (Bormaftobon, bas Sie ©ntftehungsgef©i©te
bes fpäteren ©lefantenrüffels enträtfelte. Die
Rxo ne aller ©ntbedungen aber war ber (Ahne bes
gangen ©Iefantengef©le©ts überhaupt, ©r geigte
fi© in trefflicher ©©altung f©on in einer S©i©t
Ser Tertiärgeit, bie geologif© no© ein Stüd älter
war als jene ber (Arfinoitherien unS (Bormaftobons.
Da erf©ien ein Tier, au© etwa -fo groh wie ein
Tapir, alfo gegen ben heutigen ©lefanten relatio
Hein. Die ©liebmahen f©lant; ein langer S©wang;
im fla©en, teineswegs elefantenljaft fteil ge*
türmten S©äbel ein altertümli©es ©ebih, in bem
bo© aber bie S©neibegäl)ne f©on eine Tenbeng
geigten, houerljafte Stohgähne gu werben. 3m
Kmrih alfo gang gewih tein ©lefant. Knb bo©
bur© fointbfo oiel feine anatomif©e Details eingig
unb allein an bie ©lefanten anguf©liehen. Die
Sa©tenner waren fi© balb einig: man hotte ben
$ltn 0trcmt> »on 33iarri$* 9?ad) einem ©emälbe £>on 9^at>e$
(Elefanten, lange fo oollfommen ifoliert, betommen
Nachbarn.
Die grofje SeefuI) bes 9toten UReeres, fo I)ören
roir, rnirb bei ^©t bort bei ben Korallenriffen
ooit ben SBebuinen in ungeheuren fftetjen ge*
fangen, burd) langes Hntertau©en (bas fie als
Säugetier ja nid)t unbegrenzt oerträgt) erftidt
uitb mit großen SCRüIjen enblid) gehoben. Das
SBilb erhält eine neue garbe, roenit man fid)
fagt, bah es [ich hier um eine näd)tli©e ©le=
fantenjagb hanbelt. (Ein SBafferelefaut, nod) ein
9Jieter in ber ßänge gröf 3 er als ber größte Iebenbe
(Elefant im Kilimanbjarobuf©maIb, bidf)äutig unb
ungefd)Ia©t über alle begriffe, im 9tetj ge*
fangen unb zappelttb roie ein fyif©, bei §adel*
f©ein auf ber Kante einer Korallenbant — toahr=
li© eine padenbe Situation mehr im ©entälbe
ber Diermelt.
oon ehemals für uns zutage. Unb nun geigte fid)
bas ltnermartete. Diefe uralten Seetühe hatten
faft genau ben Sd)äbcl unb bas ©eb© bes 9Jtöri*
©eriums gehabt. 9Iud) in ben 23edeutnod)en glichen
fie ihm nod) frappant. Xlnb bod) roaren fie fonft
fd)on Seetühe! Seetühe aber, bie 3 ugleid) fd)mitn*
menbe (Elefantenoäter roaren! Kein 3roeifeI: in
jenen Slnfangstagen mar ein 3 roeig möritt)erien*
I)after Urelefanten auf bie SBaffermeibe gegangen
unb hatte fid) bort 3 U Seefühen umgeftaltet. 9lls
SBafferelefanten tarnen biefe Seetühe fortan in bie
Seid)tbud)ten ber Ufer unb bie ^luffmünbungen,
über benen auf bem geftlanbe bröl)nenben Sd)rittes
bie Kanbelefanteu bal)inftampften. 9Bie bas IRil*
pferb zum S©mein, ber Seehunb 3 unt ed)ten
§unb ober 33är, fo ftel)en bie „Sirenen“ 311 m
(Elefanten: fie finb feine SBafferattpaffung. 9tun
gilt es ein Umräumen in allen übtufeen. Die
fo lange oermifjten „(Elefantenoater“ oor fid). (Ein
burchaus altertümliches Kanbtier, felber nod) ben
älteftcn, fel)r inbifferenten Huftieren ber 93ormeIt
nahe, bas aber ben Slusgangspuntt ber feltfamen
(Entmidlung 3 U ben elefantifd)en Koloffen, all ben
Dinotberien, SRaftobons, 9Rammuten unb mie fie
hieben, gebilbet hatte. Da in 5lltägt)pten in biefcr
$at)umgegenb ber berühmte ©iörisfee gelegen hat,
mürbe bas ein 3 igartige ©efd)öpf ©töritherium ge*
tauft. Kaum aber hatte man fid) mit feiner ©•ciftenz
abgefunben, fo füllte es ben Diertunbigen nod) eine
Uberrafd)ung bereiten, bie 3 U ben größten gehört,
bie alle Diertunbe je erlebt hat. 9ln ber Küfte bes
urafritanifchen Kontinents, mo fid) 3 U ihrer 3eit
bie 9 Jtöritl)erien herumtrieben, lebten bamals, 00 m
2 Baffer her in bie ^lufjmünbung auffteigenb, aud)
fd)on Seetühe. 9lud) ihre Knochen tarnen in ben
heute erhärteten Sd)id)ten bes alten Uferfchlamms
Xhüringer ^porgellan bes achtzehnten 3öl)if)unbert&. 33on Dr. Otto ^pelta
'TSie Kunft bes fRofotozeitalters ift ©efell=
fd)aftstunft im meiteften Sinne. 9 f tad)bem
bas 23arod fid) ausgelebt hatte unb mit bem
Dobe bes Sonnentönigs feine lehte üppige 93Iüte
oermelfte, begann bie ©ten[©heit, mie oon einem
fd)meren 9IIp befreit, micber aufzuatmen. Dem
politifd)en 5 tbfolutismus, ber 3 uglei© aud) bie
Kunft brutal in bie ©efolgfdjaft feiner egoiftif©en
3ntereffcn 3 mang, fchlug feine le^te Stunbe. Die
breiten Sd)id)ten ber 93ölter, bie bisher oon ber
Teilnahme an jeber höheren Kultur mit allen
9 Rad)tmitteln ferngehalten maren, befannen fid)
auf fid) felbft unb forberten ftürmifd) ©re lange
oorentl)altenen 9led)te. Unb bie Kunft ging fpon*
tan auf bie neuerftanbenen 2Bünfd)e ein. So
mie im ftaatli©en fieben in taurn fünfgig fahren
fid) bie fd)ärfften politif©en Kon*
trafte uermirtlidjten, bie gleichen
©egenfätje fpiegelt bie Kunft miber.
2BeI© ein Schritt oon bem „IV Etat,
c’est moi“ bis 3 U ^friebrid) bem
©rohen, ber ber erfte Diener feines
Staates fein mollte. 2Bel© ein
Unterfd)ieb 3 roifd)en ber febmeren,
erbrüdenben ^3rad)t bes 93arods
unb ber 3 ierlid)en, übermütigen,
in toller fiuftigteit ober zärtlid)er
Sd)miegfamteit fid) gebärbenben
Kunft bes 3eitalters ber 9lUf*
flärung! —
Die eigentümlid)fte Sd)öpfung
bes fRototos ift bas ^ßor 3 eIIan. 3 ns
bem fid) bas ad)t 3 et)ute 2 >ahrhun*
bert bas Porzellan erfanb, fanb es
aud) basjenige 5tusbrudsmittel, bas
bie ©eftaltungsmöglid)teiten feiner
Kunft erfdjöpfte unb über bereit
©renzen l)inaus 3 ugehen nicht mehr
möglich mar. Sich bas fRototo
ohne bas Porzellan 3 U benfen ift
cbenfo unmöglich, mie unfer 3 ^
alter ber De©nit fid) ohne bie
äRafd)ine oor 3 uftelIen. ©s mar ein
3 ufall, bah bie SBiege ber neuen
Kunft in Deutfd)lanb ftanb; aber
es mar eine fid) natürlid) ergebertbe
golgeerf©einung bes Sßefens bes
beutfdjen 9?o!o!os, bah es ft© mit
einer £eibenf©aft bes neuen Stoffes
bemächtigte, bie bem ^ 3 or 3 ellan
eine allen übrigen 3 meigen ber
betoratioenKünfte überlegene Stel*
Iung errang.
^ürftlidjer ©l)rgei 3 mar es, ber
bie 9Jtehr3al)l ber betannten ^3or*
3 ellcnfabri!en grünbete unb för*
berte. Der 93ef© eines fo!d)en
3 nftituts erf©ien nid)t allein bem
prad)tliebenben Herzog Karl ©ugen,
bem ©rünber oon Kubmigsburg,
als „ein notmenbiges Attribut bes
©Ian 3 es unb ber äBürbe“. 23iele
feiner fürftli©en 93erufsgettoffen
nahmen ben gleichen Stanbpunft
ein. So tarn es, bah um bie ©litte
bes ad)t 3 ehnten ßahrhunberts bie
SÜtanufatturen mie $il 3 e aus bem
©oben mud)fen. 9lRan©e erfolg=
rei© unb fchnell berühmt, anbre
trotj groben 'ülufmanbes oon 9JXit=
teln fdion frantenb int ©ntftehen
aus 9Rangel an öfonomifcher
Kän^lers, nid)t oirtuos unb elegant
mie bie gefd)titeibigen 9tt)mpheu-
burger Höflinge unb Sd)au[pieler,
fie haöen meber bie ent 3 Üdenbe
^ßitanterie gemiffer 3 'raufentl)aler,
nod) bie empfinbfame 5tnmut ge=
miffer $öd)fter unb ben geiftreid)en
©efd)tnad ber fpäteren ©teihner
fRofofofiguren — aber fie haben ben
fRei 3 ber Sobenftänbigteit unb ur=
müchfiger fiautte.“
(Es ift fd)mierig, in linken
äBorten bie !ünftlerif©en ©igen-
tümlid)feiten ber einzelnen Dhü^
ringer ©tanufatturen auseinanber=
3 ufet 5 en. 93ott ben oierzelpt in ber
Zmeiten §älfte bes ad)t 3 et)nten
3 al)rl)unberts entftanbenen ga=
briteit biirfen als bie leiftungs=
fähigftert bie oon Klofter 33eiIsborf,
©otl)a, SBallettborf, ü?imbad) unb
Soltftebt angefehen merben; ba-
gegen treten ©rofpSreitenbad) unb
9?auenftein, oott benen feljr menig
mit Si©erheit ihnen zuzufd)reibenbe
SBaren bis jetzt befannt gemorbett
finb, zurüd. 2 Bir befd)rän!eit uns
barauf, bie oicr 9Jtanufatturen, aus
bereu gormenfd)ah bie ?Ibbilbun=
gen entnommen finb, in ©rer
tünftlerifd)en Sebeutung 3 U d)arat=
terifieren. *)
Unter ben Dl)üringer ^abrifeu
ift 93oIfftebt 3 mar nid)t bie ältefte,
mohl aber mürbe l)i er 3 uerft ein
mir!lt©er gabritbetrieb eingeführt.
Zu bem frühere ©rünbungen mie
©otl)a unb 33eilsborf erft fpäter
gelangten. 2 lud) aus einem ftil»
gefd)id)tli©ett ©ruttbe ift 93ol!ftebt
bemertensmert. 2BäI)renb anbre
9Jtanuf atturen, mie ©o©a, 3 ltnenau
unb Klofter 33eiIsborf, gegen ©nbe
bes 3 ah r hunberts bereits auf bie
^orberungen ber neuen 9Jtobe eitt=
gegangen maren unb ihre $abrifate
im Stnne bes Klaffi 3 ismus aus*
*) Die ausführliche Sd)ilberung ber
(5efd)id)te unb ber s f3robultion ber
Dbüringer=äBalb=5abrifen fmbet fief) in
bem Süerfe oon 9li©arb ©raul unb
^llbred)t Kurzroelli): ?lltti)üringcr ^or*
3ellan. ßeipäig, ©. 51. Seemann, 1909.
$oltftebt: Kaminoafe mit bunter 5Ird)ite!turlanbfd)aft, um 1775
einen gefunben Realismus aus, beffen
9ßtr!ung burd) eine fräftige 93emalttng
nod) gesteigert wirb. Sie ergeben fid)
burd) i^re grifche unb £ebenbigfeit weit
über bie Durd)fd)nittsleiftungen ber fon=
fügen Xijüringer IfHaftiten.
Die SRanufaitur oon ftlofter 93eils*
borf, weld)e ^ 3 rin 3 grtebrid) SBilljelm
Sagen oon £ilbburghaufen itn 3ahre
1760 grünbete, tjat trotj bes geringen
23etriebsuntfanges unb ber finan 3 iellen
Schwierigteiten, mitbenen fie 311 fämpfen
I)atte, in ihren 2 ßaren eine beachtens*
werte Qualitätshöbe erreid)t. 3 tD or finb
bie formen ber ©efchirre nid)t minber
wie bie Detorationsmotioe 3 um großen
Deile abhängig oon bem gleid) 3 eüigen
SCRetallgerät unb oon Qrnamentftid)en,
bie ber ^rin 3 aus ftrantreid) ober Slugs*
bürg be 3 og, inbes 3 eugt bie Verwenbung
ber Sorbilber oon bem fieberen ©efd)mad
unb Sßerftänbnis ber topierenbenftünftler.
Sine Spe 3 ialität ber 33eilsborfer 9Jtanu*
fattur ift ihr 23lumenbetor unb ihre
grüchtemalerei. 3 n ber Stusftattung ber
©efd)irre mit amüfanten Shinefereien,
tleinen £anbf<haftsmalcreien unb luftig
bewegten Amoretten ä la 23oud)er in
Samaieumalerei unb japanifeben Delors
in 23lau unb Purpur wetteifert es mit
ben großen SOtanufatturen in SOteifeen,
Sßien unb ^Berlin. Über bie figürliche
^31afitt finb wir nid)t fo gut unterrichtet.
Die 3 eitgemäben ©ötter, ©ött innen unb
§eroen finb ber 9Jtehr3ahl nad) oon
35oItftebt: Silbnisbüfte oon Shriftian Stonne,
um 1780 bis 1785
93oltftebt: Silbnisbüfte oon $rau Shriftian Sftonne,
um 1780 bis 1785
Ttatteten, erhielt fid) bort fogar bis in ben
Anfang bes oergangenen 3 ahrt)unberts
bas SRototo. 9Jtit grober Vorliebe be*
bienten fid) bie 93oItftebter ftünftler biefer
formen, beren SBanblungsfäbigteit fie 3 U
immer neuen, ausgelaffenen Variationen
oeranlafcte. 9ßas ben Volfftebter Stetig*
niffen an Qualität ber Dechnit, an ©üte
ber SUtaffe unb ber ©lafur abgeht, erfetjen
fie burd) bie SPtanuigfaltigleit unb ben
Reichtum ihres malerifcben unb plaftifd)en
Defors, ber fidh befonbers auffällig beim
(5efd)irr bemertbar mad)t. Das 23efte,
was 33oIfftebt auf biefem (gebiete geleiftet
hat, finb feine Ifßotpourriüafen. Die
Vtalerei ift hier oon einer Reinheit, wie
fie fonft nicht wieber erreid)t würbe- Slud)
in figürlid)en itompofitionen ift SBert*
oolles geleiftet worben. Die fid)er beglau=
bigten Stüde 3 eid)nett fid) fämtlid) burd)
eine f<blid)tnatürlid)e SOtobellierung unb
ruftitaler Derbheit in ben formen, bie
fid) erft in ben fieb 3 iger ^fahren bes 3 abr*
hunberts 3 U befferer Qualität erheben.
Sin SReifterwert aus -biefer 3eit ift eine
Diana im weiten Hrttergcwanbe unb eifen*
rot geblümten SO^antel, in ber nod) etwas
oon ber lofetten ©ra 3 ie bes Siototos ftedt.
Stud) eine golge ber bantals fo beliebten
Figuren aus ber italienifchen ftomöbie
tritt uns mit ber gleichen ©efälligfeit ent*
gegen. Später muh aud) biefe $abrit ber
9J?obe 5 lon 3 effionen mad)en. 3™ lebten
Viertel bes 3 öhrf)unberts wirb eine Vor*
liebe für mattes, weiches Kolorit bemerk
bar; aud) oerliert fid) bie Ünge 3 wungen*
heit ber Bewegung, um einer puppen*
haften Steifheit bas $elb 3 U räumen.
Unter ben Df)üringer Vor 3 ellanfabriten
nimmt £imbad), ähnlid) wie Volfftebt, eine
Sonberftellung ein. 3b*em 23egriinber,
©otthelf ©reiner, war es wie äRacheleib
Stlofter 33eilsborf: Votsellanbofe mit bunter Shinoiferie
unb rofa Schuppenranb, um 1770
ftlofter 23eilsborf: Dame im 3aQö ;
toftüm, um 1790
Diana, um 1775
£>err im 3 aQbtoftüm,
um 1790
1176
Über £artb urtb 9Jleer
1911. 9tr. 45
fiimbad): ftaoalier mit Dame unb Slumen-
mäb©en, um 1775
in Soltftebt gelungen, ohne bie $ilfe ber
bamals oielbeliebten „Arfaniften" ber §er=
Stellung oon Por 3 eIIan auf bie Spur 3 U
tommen. gm ©egenfatj $u Sllofter Seils-
borf bat fiimba© in [einer ©ef©irr-
probuftion auf einen Abnehmerkreis ge¬
redet, ber, minber fauffräftig, einen
©e[©mad an oolfstümlid) beforierter unb
einfad) geformter SBare Ijatte. ©s be-
[d)ränfte [i© auf mol)Ifeile Piaffenfabrifate.
So toenig abmed)flungsrei©, fünftlerif©
reiäooü unb maleri[d) anjiebenb aud) bie
©efcbtrre fein mögen, in ber figürlichen
Plaftit bat es eine oon feiner ber DI)ü-
ringer Ptanufatturen erreichte Ptannig-
faltigfeit auf 3 utoei[en. Pi©t nur ©enre-
figuren unb -gruppen [oroie mi)tbologif©e
©eftalten laffen fid) nad)toeifen, felbft an
religiöfe Sprmürfe haben fid) feine Pto-
belleure herangemagt. So eriftiert eine
Äreuäigungsgruppe, bie im Seliger
Äunftgeroerbemufeum aufbemahrt rnirb,
beren ftompofition fid) 3 toar an ein
Pleifpier Sßorbilb anlehnt, in ©in 3 el=
beiten aber burd)aus 3üge oon Selb-
ftänbigfeit 3 eigt.
Der Qualität nad) laffen fid) bie £im-
ba©er giguren in brei ©ruppen unter¬
bringen, beren d)ronologifd)e Reihenfolge
allerbings nid)t feft 3 uftellen ift. ©an 3 im
Sinne bes Potofos gehalten ift bie ab-
gebilbete breifigurige ©ruppe: ein ftaoalier
überreid)t einer Dame eine
Pofe, bie er bem ilorbe
bes neben ©m ftehenben
Ptäb©ens entnommen hat.
Diefe roie [amtliche übrigen
Figuren ber gabrit 3 eigen
bie §auptfd)roäd)e ber £im-
bacber piafüten: ©re Un-
proportionier©eit. 2 Bäh=
renb bas eben ermähnte
Stiidan einer übertriebenen
©ebrungenheit ber gönnen
leibet, bie befonbers bur©
bie finden Seine unb bie
oiel 3 U großen ftöpfe her-
oorgerufen mirb, machen
fi© bie ©eftalten einer 3 mei-
ten ©ruppe burd) ©re 3 iem-
lid) geftredten 51örperoer=
hältniffe bemerfbar (fiehe
bie Senus mit Amor). Der
britte gigurentppus unter-
fd)eibet fi© oon ben beiben
anbern gan 3 mefentli©. Die
Proportionen fommen in
©m ber 9Birtli©feit faft
nahe. Diefes friti[©e Urteil über bie ftörperoerl)ält-
nilfe foll aber feinesmegs au© ©re fonftigen Sor 3 Üge
berühren. Die eben gef©ilberten Ptängel merben
burd) eine in Thüringen fonft ni©t gefannte Sorg¬
falt ber Ptobellierung unb Reinheit ber Semalung
ausgeglid)en. Sefonbers forgfältig oerfuhren bie
£imba©er bei ber Dur©mobeIlierung ber Jlöpfe
unb in ber Sehanblung ber ftoftiime. 2ßas biefen
giguren einen eigenartigen Pei 3 oerleiht, ift ©re
natürli©e Semegltd)teit unb eine anfprud)slofe
gri[©e. Plan merft es ©nen an, bah bie Plobelle
ber gern mit ben Attributen ber gal)res 3 eiten aus-
ftaffierten Herren unb Damen ni©t auf bem glatten
Parfett bes £ofes, fonbern in ©üringif©en £anb-
ftäbt©en bu |>aufe mären.
3n ben Anfang einer neuen 3eit führt uns bie
3lmenauer gabrit. 3roar mar fie 1777 gegrünbet,
aber mas an PSaren auf uns gefommen ift, ent-
ftammt erTt bem nahen Ausgang bes gahrhunberts.
Au© in Ilmenau fabri 3 ierte man im Pototoftile
©efchirre unb Figuren: 3 uderbo[en, Deefannen,
Sd)ofolabenbe©er unb Perfonififationen ber gahres-
3 eiten, Sauerntppen unb fo fort. Aber tünftlerif©en
9Bert merben alle biefe Dinge ni©t befeffen haben.
Unb bas abfpre©enbe Urteil ©oe©es in einem
Sriefe an grau oon Stein oom 5. guli 1782 über
bie Piaffe bürfte mol)l bered)tigt gemefen fein. Die
eigentliche SIüte 3 eit ber Ptanufattur begann erft mit
bem gat)re 1792, als Ponne bie Leitung übernahm.
Unter ©m entmidelte fid) eine Spe 3 ialität, bie
glmenau, menn au© fpät, 3 U einer Serühmtheit
oerhalf, ©s maren bas jene 3 ierlid)en, halb runben,
halb ooalen ober oieredigen piafetten mit meinem
Pelief auf blauem ©runbe in ber Art ber gafper-
£imba©: Senus mit Amor, um 1775
mare oon gofiah SSebgmoob, oon benen
unfre Abbilbung eine Probe gibt. Sie
gehört 311 ben beften ©rer Art.
Piit bem fortf©reitenben neun 3 el)nten
gahrhunbert ging bie Por 3 ellantunft immer
meiter 3 urüd. Die flrengen gormen ber
tlaffi 3 iftifd)en ©po©e oertrugen fid) ni©t
mit ber Patur bes Piaterials, bas, im
Sranbe oon allerlei 3ufälligfeiten ab¬
hängig, ftarren ard)itettonifd)en Pegeln
unpgänglid) bleibt. Da 3 U tarn bie immer
meiter um fi© greifenbe gnbuftrialifierung
ber Setriebe, bie, um ber mad)fenben
Pa©frage genügen 3 U fömten, oon ber
Sef©äftigung tünftlerif©er Kräfte abfaben
unb fi© auf geiftlofes kopieren oon ©e=
[©madlofigteiten bef©ränften.
©tnft unb jejjt
grüher mürbe ntan©er Autor für ein
großes Dalent gehalten, ber nur ein gutes
©ebäd)tnis hatte — heute . .. aud).
*
grüher gern© man bas fieben, beute
lebt man bem ©enujj.
*
grüher entsiidte ber halbe 3 auber
e©ter 2 Beibli©!eit, heute ma©t's ber faule
3 auber falf©er £oden.
grüher hoffte man auf
eine „beffere“ 3 eit, heute
fpri©t man oon ber „guten
alten" 3 ett. *
grüher hatten alle 3©ea-
terftüde einen ri©tigen
S©luh, heute hören oiele
nur auf. *
gri©er mürbe man eie-
gifd), menn man auf feinem
§aupte bas erfte me©e
|>aar erttbedte, heute färbt
man's.
*
grüher htefg unoerftän-
bige grau, mas fi© heute
unoerftanbene grau nennt.
*
grüher fpra© ber S©au-
fpieler Profa mie Serfe,
heute fprid)t er bie Serfe mie
Profa. Julius ftnopf
Ilmenau: piatette mit Senus ftallippgos, ©nbe bes 18. Sa©©.
£imba©: Drinter unb Dame am Spinnrab, um 1775
1911. 9tr. 45
Spoxtmotorboote
Von
Dipl.=3ng. 9lid)arb be 3onge
'TN er rrtoberne ©robftabtmenf© bebarf einer
Hinftlid)en 3uful)r non £i©t, £uft unb
Statureinbrüden, bie ©m bas ©lei©gemi©t {'einer
erbgeborenen 9Renf©beit erhält. Die hoben 2Viber*
ftänbe, bie {eine Heroen anbauernb 3 U überroinben
haben, {teilen an {eine ©ebirnfubftan 3 en Vnforbe*
rungen, bie bie (Ernährung allein ni©t befreiten
!ann. Unb obgleid) bie Xtberanftrengung ber
Heroen ein gemiffes natürlid)es 9Rab nid)t über*
{©reitet, roeil fid) ber itörper in bent ©ren 3 ftabium
bur© 2 lbftumpfung {elb{t hilft, fo mub er bod) ©n
unb toieber {id) nad) einer oölligen 2 lusfpannung
umfeben ober na© einer neuen, gan 3 anbers ge*
arteten Vnftrengung, in ber bie SCRusteln 3 U ©rent
9 ?ed)t tommen. 2 tus ber einge{d)lo{{enen £uft
unfrer groben Steinmüften, in benen ber Staub
ber Strafen {ein räuberifd)es 2 Befen an unfern
£ungen ausübt, brängt es uns hinaus auf bie
©emäffer unb in bie £aubtoälber ber XImgegenb,
unb bas 2tuge, in bem fo lange bas Streiten ber
VSagen unb 9Renfd)enmaffen um itjre {©malen
9Bege un©ergemirbelt i{t, oerlangt nad) {anft be= Volltommenbeit ergeben, ehe er ben {et)r oiel
roegtem grünem £aub, über bas bie Sonnen* fd)aderigeren Slnforberungen, bie ber S©iffs*
{tral)len ungebinbert ©re meinen £id)tfleden betrieb an ©n {teilt, getoad){en roar unb el)e er
{treuen, unb nad) bem fernen Vorüberbuf©en ber bie bis bal)in allein auf S©iffen gebräud)lid)e
2 ßoItenungel)euer, bie fi© im $©er begegnen. Dampfmaf©ine oerbrängert tonnte. Diefe I)at
Die ©nglänber mären bie erften, bie ge 3 eigt I)aben, 3 toar ben 9ta©teil, bab {ie bei {et)r hohem ©emi©t
mie au© bie mobernen 5Dtenf©en fi© trotj bes
baftigen unb aufreibenben £ebens in ber ©ro©
{tabt in ben 23ef© eines ge{täl)lten Körpers unb
ge{täl)lter Sternen {eben tönnen. Sie 3 eigten, bab
bie Stüdtebr 3 ur Statur unb ber Sport, mie {ie
ben SBetttampf im Spiel ober gegen bie Statur*
träfte nannten, bie beften SJtittel finb, einen ge*
{unben ©ei{t in einem gefunben itörper 3 U {©affen.
§eute merben aud) in Dcutf©lanb bereits 3 al)l=
reid)e Wirten Sport 3 ur Körper* unb Steroenpflege
betrieben, oon allen aber ift ber gefunbefte in jeber
23 e 3 iel)ung ber SVafferfport, {©on meil auf bem
VSaffer bie £uft {taubfreier unb mit geu©tigteit
gefättigter ift als auf bem £anbe, beibes ^faftoren,
bie befonbers oortei©a{t für ben Körper {inb.
Daufenbe ftreben bat)er na© oollenbetem
2 Bo©enmert am Sonntag hinaus in bie freie
Statur, um auf bem Sßaffer ©©olung unb fträfti*
gung 3 U fud)en. Von oielen mirb ber Stuberfport
beoor 3 ugt, meil er bie SOtusteln {tärtt, oon oielen
ber Segelfport, meil er auberorbentli© oiel mef)r
als jeber anbre bie ©eiftesgegenmart unb ben
perfönlidjen SJiut I)ebt. Viele aber, unb nament*
li© ältere £eute, {u©en ©©olung in einfa©em
3tid)tstun unb gän 3 lid)em SIbfpannen ber fonft {0
angeftrengten Heroen. Diefen lebteren bietet beut
bas SStotorboot ein ebenfo {d)önes mie bequemes
©rbolungsmittel.
©5 ift no© gar nid)t lange l)er, feit man ben
Verbrennungsmotor für 2 Ba{{erfal)r 3 euge m©bar
gema©t l)at. 3*oar reidjen bie erften Anfänge
bis auf bas 3at)r 1871 3 urüd, in bem ber $ran 3 ofe
£enoir, ber erfte 5tonftrutteur einer praftif©
braud)baren ©asma{©ine, ein Heines 23oot bur©
eine {old)e antreiben lieb, aber trob oieler 23er*
fu©e befonbers in $ranfrei© tonnte bie neue
9Ötaf©ine fi© no© tein §eimatred)t im Vootsbau
ermerben, ba {ie nod) längft ni©t fi©er genug
arbeitete, ©rft mubte bie 2lutomobiIinbu{trie ben
23erbrennungsmotor auf bie heutige Stufe ber
9Jtotorja©t „©Ilen" auf ber §aoel. 23orn unb ©nten offenes Kajütboot
einfa© unb unbebingt 3 Uoerlä{fig ift — beibes
für ben S©iffsbetrieb unfd)äbbare 23orteile. 5ür
Heine 23oote unb felbft für gröbere 5 abr 3 euge ift
eine Dampfmaf©ine ein Hnbing, meil bas ©emid)t
ber 30tafd)ine unb ©r Staumbebarf in {©reienbem
©egenfab 30 ber ©röbe bes gabr 3 euges felbft
fteben. 2 Inberfeits brau©t bie 9Jtaf©ine, bie aus
te©nif©en ©rünben in ber SStittc aufgeftellt merben
mub, gerabe ben beften pah bes Schiffes, mäbrenb
fie nur bie {©arfeu ©nben bes S©iffes als nujj»
baren Staunt freiläbt. Diefen Xtbelftänben fu©te,
als ber Verbrennungsmotor no© ni©t feinen ©in*
gang in ben S©iffsbetrieb gefunben l)atte, ber
betannte ftonftrutteur Serpoilet babur© ab*
3 ul)elfen, bab er eine befonbers lei©te unb Heine
2 lrt oon SDBafferrobrteffeln tonftruierte unb fo ben
notmenbigen Staunt unb bas ©emi©t für bie
SRaf©ine mefentli© befd)ränHe. Dod) au© feine
Verfu©e mie bie anbrer 5tonftruHeure mit bis
3 um §öl)epunft oerfeinerten Dampfma{©inen
tonnte ni©t oerljinbern, bab &er Verbrennungs*
motor, na©bem er einmal feine 5 Hnbertran©eiten
übermunben batte, fiegrei© feinen ©in 3 ug in ben
Vootsbau l)telt.
Der Verbrennungsmotor ift aber au© gerabe 3 U
eine ^^^©^^{©ine für Heinere gc©* 3 aige. V3äl)=
renb bie Dampfmaf©ine bur© bie tRotmenbigteit,
5tot)Ien als Vrennmaterial 3 U oermenben, ftets
einen gefonberten, oon allen anbern ^Räumen
oöllig getrennten 9[Raf©inenraum erforbert, bamit
ber 51ol)lenrub ni©t in alle Delle bes S©iffes
bringen unb biefe oerf©muben tann, brau©t ber
Verbrennungsmotor teinen fol©enifolierten Stanb*
ort, ba feine Vetriebsmittel aus flüffigen, allfeitig
in ©efäbe unb %©rleitungen eingef©Ioffenen
Stoffen befteben.
3n ben meiften fällen tommt 23en3in als Drieb=
mittel 3 ur Vermenbung, in neuerer 3^it finb aber
au© bie {©merer 3 U oerbampfenben ©rböle mie
unb bob^n Hnterbaltungsfoften eines großen Petroleum unb fogar 9?ot)öl mit Vorteil nubbar ge*
^Raumes bebarf, ba 3 U ber Vtafd)ine nod) bie not* madjtmorben. 2Iu© Spiritus, bem aber ein 3©ab
menbige ileffelanlage biTt 3 utommt. ferner miiffen oon Ven 3 ol beigegeben merben mub, ©mie bas
gef©ulte §änbe ©re 233artung übernehmen, mertn ©genannte ©rgin unb bas tRapbtbalin merben als
fie ni©t eine Quelle ber ©efc©r für bas gal)r 3 eug Vetriebsftoffe für Verbrennungsmotoren benu^t.
unb feine Umgebung merben foll. Dann aber ift Der 23 en 3 inmotor bat oor allen anbern Vtotoren
fie eine oortreffli©e 9Jtafd)ine, bie auberorbentli© einen groben Vorteil: er tann nämli© bei glei©er
Vioberner Seetreu 3 er „S.S.W." mit 20 PS Vier*
3 plinber*Ven 3 inmotor unb 4 PS Vtotorbpnamo.
£änge 12,6 m, Vreite 2,4 m
2Ioterilantf©es Älappoerbe© aufgetlappt 2lmerifantf©es Älappoerbed, 3 ufammengetlappt
©legantes Heines ^amilienmotorboot im Dpp eines ^Rennbootes mit 10 bis 12 PS Vier 3 pIinber=Ven 3 inmotor
SJtotor*Dorpebofangboot. Dieser Dt)p wirb mit erhöhtem $ed mehrfad)
als Seetreu 3 er oerwenbet. (SJtotor 400 PS)
Solinber VIII. ©rohe gebedte, feegetjenbe SJtotorjad)t mit 100 PS SJtotor.
Der Stot)öImotor ift in gefonbertem Staunt aufgeftellt
artitel. Sie bieten fo gut wie teine
Sequemlid)teiten für bie SJiannfd)aft,
bie meift hinter einem Schutjbed lauert
unb taum Slah 3 um Sijjen hat. Der
gange Sd)iffstörper bient oielfad)
nur als Dräger einer gemaltigen SJta*
fd)inerie, bie d)m eine möglid)ft t)o^e
©efchwinbigteit (bis 65, ja 70 Kilo*
meter pro Stunbe) oerleiI)en foll.
Die Dourenboote finb bie oerbrei*
tetften SJtotorboote. Sie werben für
Sittnengewäffer meift als offene Soote,
bas tjei^t oI)ne oolltommen burd)*
Iaufenbes Ded gebaut, wäfjrenb bie
Seeboote ein wafferbid)tes Ded ober
minbeftens wafferbid)te Aufbauten er*
galten.
Die offenen Soote finb faft ftets
an bett ©rtben, bie als Stäunte für bie
Setriebsmaterialtants unb bie Vorräte
fowie bas 3uoetttar bienen, mehr ober
roeniger eingebedt. ©an 3 offene fleine
Soote enthalten bann nur Sihbänte
eoentuell mit Sd)ubtäften 3 um 33er*
(tauen oon ^rooiant ober Material
unb SBertseug. Der SJtotor ftel)t bei
ihnen, roie bies auf bem achten Silbe
beutlid) ertennbar ift, ettoa in ber
SJtitte. 3um Schuhe gegen bie Sonnen*
ftrat)len ift häufig auf metallenen
Stütjen ein leid)tes Serbed ober
Sonnenfegel artgebrad)t, oft mit (eit*
liehen ©arbinen aus Segeltuch 3 um
Schuhe gegen Siegen unb SBinb.
Sielfad) roerben bie(e Soote auch in
ber (chneibigen ^orm ber Stennboote
gebaut. Sie erhalten bann meift ein
fogenanntes ameritanifd)es Klappoer*
bed, toie es beifpielstoeife aufKutfcf)en
gebräud)lid) ift. Die ßänge biefer $al)r*
3 euge oariiert 3 ir>i(d)eu 6 unb 14 SÜReter,
ihr ^reis je nad) Sauart unb SIus*
(tattung 3 roi(d)en 4000 unb 10000 SJtart
unb mehr.
Die offenen Kajütboote hoben eben*
falls eingebedte ©nbräume. Die Kajüte
mirb bei Heineren ( 3 um Seifpiel$afen*)
Sooten oft oorn oor ben mittfd)iffs*
(tehenben SJtotor oerlegt, toährenb bas
§interfd)iff offen ift. Diefe Sauart
hat ben Sorteil, bah bie Soote aud)
im tabbeligen Seegang bes $afens
fein SBaffer übernehmen. Sonft toirb
bie Kajüte meift hinter bem oorn*
ftehenben SJtotor angeorbnet. Sor
ihr unb hinter ihr bleibt je ein freier
Staunt mit Sihplähen, unb gatt 3 hinten
ift häufig auf bem eingebedteu $ed
noch ein Slatj für ein Saar Korbfeffel.
Diefer Dqp ift im Sinnenlartbe ber
beliebtere unb oerbreitetfte. llttfer
erftes Silb 3 eigt eine Heine SJlotor*
jad)t „©llen" biefes Dt)ps unb unfer
oorlehtes einen Slid aus ihrem Salou
nach oorn 3 u auf ben eingebedten
SJtotor, beffen ©ehäufe gleid) 3 eitig als
Difd) oertoenbet roerben tarnt. 3e
nad) ber ©rohe ber Soote befteht bie
Kajüte aus nur einem Staunt mit
3 toei Sofas unb Klapptifd) nebft einigen
Schränten, ober aus mehreren oon*
einanber burd) Quer* unb Kängsroänbe
(Sd)otten) getrennten Staunten, bie
ßeiftung infolge bes höhnen §ei 3 *
roertes bes Sen 3 ins erheblich Heiner
unb mithin leichter gebaut roerben
als bie anbern SJtotoren, befonbers
als bie Spiritus* unb Schweröl*
motoren. Dabei ift ber moberne
Sensinmotor bei einigermaheit oer*
nünftiger Sehanblung unb ein Hein
wenig Sßartung bereits eine ooll*
ftänbig 3 uoerIäffige 3Jtafd)itte geroor*
ben. 3n>ar befteht bei ber Serroen*
bung oon Sen 3 in, gegen beffen Se*
nutjung an Sorb oon Sd)iffen man
fid) lange 3eü als eines 3 U erplofioen
Srettnftoffes gefträubt hatte, bie SJtög*
lichteit, bah ftdh in abgefd)loffenen
Staunten ein eiplofioes ©emifd) oon
Seit 3 ingafen unb ßuft anfammelt, bas
burd) ben gerittgften Junten 3 ur ©r=
plofion gebrad)t toerbett tann, bod)
barf man bie ©efahr teinesroegs
überfdjähen. Die Dedjnit hat ge*
3 eigt, roie berartige Uttglüdsfälle burd)
geeignete KonftruHionen unb befon*
bers burd) gute Sentilation aller
Stimme leicht unb fid)er oermieben
roerben fönnen, unb in ber Dat hört
man heute oon einer Sen3inerplofion
auf einem SJtotorboot taum ntel)r,
jebenfalls aber roeit feltetter als oon
©ifenbahnunglüden ober Slutomobil*
Unfällen.
Die Sd)roerölmotoren finb heute
ebenfalls burchaus betriebsfid)ere Sita*
fd)inen. Sie haben nur ben Stadtteil,
bah fie nicht ohne weiteres betriebs*
bereit finb unb bah He nie gait 3 ge*
rud)los arbeiten. 3unt Stnlaffen biefer
SJtotoren braucht man etttroeber Sen*
3 in, unb bas ift bas einfachere, ober
aber Drudluft. Diefe erfordert 3 ient=
lid) oerroidelte Apparate, bie ben ©e=
famtaufbau ber SJtafd)ine tomplisieren
unb bas ©eroicht foroie bie Koften
roefentlid) erhöhen.
Die Spiritusmotoren haben fid)
nid)t in bem SJtafje ©ingang in ben ©ans offenes, 7 m lang
Sootsbau oerfchafft roie bie oben* ber Donau bei Saffau
genannten SItotorarten. ©s liegt bies
tool)l roefentlid) baran, bah ber S*eis
für ben Spiritus pro Sfetbetraftftunbe
oerl)äItnismähig l)°d) ift unb attber*
feits Spiritus in geeigneter Qualität
für berartige SJtotoren namentlid) auf
weiteren Wahrten in tleirteren Qrt*
fd)aften fchwerer erl)ältlid) ift als etwa
Seit 3 in. Die rege Stad)frage ber
Mittler l)at bewirH," bah biefer Srenn*
ftoff bereits überall in guter Qualität
3 U haben ift.
SBas bie gahr 3 euge felbft anlangt,
fo unterfcheibet man 3 unäd)ft ßurus*
unb ©ebraud)sboote, bie fid) wieber
in Sinnenfahr 3 euge für bas Sefahren
oon 3'Iüffen unb Sinnenfeen unb See*
fal)r 3 euge 3 um Sefahren ber Küftetr*
gewäffer unb bes offenen SJteeres
trennen laffert. Die Sport* ober ßurus*
fal)r 3 euge fd)eiben fid) nad) ihrem
Serwenbuttgs 3 wed in Douren* unb
Stennboote.
Die reinen Stennboote finb ein
auherorbentlid) toftfpieliger ßurus*
SJtarine*Seiboot, gan 3 gebedt; hinten wafferbid)tes ©odpit. SBirb häufig
aud) oon Srioatleuten in biefer als Seetreu 3 er benuht
SJtotorrennboot „3ari3a" mit Sen 3 inmotor oon 330 PS in ooller 5ah*t
(52 km pro Stunbe)
1911. Wr. 45
Über £artb unb SReer
1179
Salon ber Motorfeefreu 3 erjad)t „Maria = Augufta". 91ecf)ts unb Iinls 907otoriad)t „©llen" (ogl. elftes Silb): Slid aus ber Kajüte nad) oorn
Sd)laffofas auf bas Motorgehäufe
als Salon, Sd)laffabitte, Toilette, ftombüfe (ilüdje)
unb ^3antn) (Anrid)te= unb ©efd)irraum) ein=
gerid)tet. Die Ausftattung all biefer Säume bleibt
betit ©efdpttade unb beut ©elbbeutel bes 33efi^ers
überlaffen. Mänbe unb ©inrichtungsgegenftänbe
toerben häufig nur in Ölfarbe geftrid)en, meift
aber fd)ön toeih ober naturfarben lädiert, bod)
roerben and ) 1 toftbarc Paneele aus ©belhöhern
3 ur Ausftattung ber Kajüten oenoenbet. Die
Metallbefd)läge roerben getoöl)ttlid) aus Srottse
unb auf befonberen Muttfd) oernidelt ausgeführt.
Sei ber übrigen (Einrichtung an Schränicben,
Süd)erregalen unb fo roeiter tarnt jeber feinen
perfönlid)ett ©efd)iitad unb feine (Erfahrung frei
roalten laffen. Sielfad) roirb bas Kajütbed als
Sottttettbed über beut oorberen unb hinteren
offenen Saum, ber ftaftenbänfe 3 ur Aufnahme
bes 3noentars unb ber Merf 3 euge enthält, fort=
gefegt. Diefe Soote bieten burd) ihren gefd)idten
Aufbau einen äufjerft äftl)etifd)en, frönen Aitbltd.
3 h^ ^ßreis fd)toautt je nad) ©röfje, Ausführung
unb ©inrid)tuttg fotoie nad) ber Motorleistung
3 toifd)en 8000 bis 25 000 Marf unb mehr.
©ebedte Motorboote roerben faft ausfd^liefelid)
für Dourett auf größeren Seen, au ber 51üfte unb
auf hoher See benutzt, ba bie Seetüd)tigteit oolU
fontnten eingebedte, toafferbid)te Sal)r 3 euge er=
forbert. hieraus ergibt fid), baf 3 euttoeber bie
fyal)r 3 euge mit einem Aufbau oerfehen toerben
müffett, barnit bie Sajiite genügettb §öl)e erhält,
ober bah ber Saum unter Ded an fid) genügettb
Stel)höl)e hoben muh- Sold)e $al)r 3 euge finb aber
fd)ott größere 3od)ten, bie namentlich in Amerifa
Motorjad)t „©etnfe": Slid aus bettt Salon
nad) oorn
fel)r beliebt finb unb häufig gebaut toerben.
Deutfchlanb gehören bereits Motorboote toie
Solinber VIII. 311 bett größten Motor jad)tett. Da
bie Motorleiftungen bei biefen bereits red)t erl)eb=
lid) finb, oenoenbet man 3Utn Antrieb meift bie
mit billigem Petroleum ober Sol)öl arbeitenben
Motoren, bie itt gefd)loffenett, gut oentilierten
Säumen aufgeftellt roerben. An Sequemlid)feit
jeber Art fehlt es auf fold)ett 3 od)ten fauttt, toie
rool)l ein Slid auf bett Salon ber Motorfeefreu 3 er=
jacht „Maria=Augufta" beroeift. Der ^reis foldher
pachten beträgt 15 000—20 000 Marf unb mehr.
Der Setrieb mitteigroher Motorboote ift fo
einfach, bah toohljebermann halb mit bett toenigen
nottoenbigett §anbgriffett am Motor unb ber
Steuerung oertraut toerbett roirb. Das Auffüllen
bes Srenttftoffes gefdjieht 311 §aus ober bei feft=
gelegtem Soot. Dabei hat man ftreng barauf 3 U
achten, bah bie Dattfs nid)t überlaufen. Dann
fd)raube man bett Danf roieber feft 3U. Der
Motor roirb reid)lid) mit Schmieröl oerforgt, itt
bie 3bliuber roirb etroas Sen 3 itt gefüllt, roeil ba=
burd) bas Anfpringcn bes Motors erleichtert roirb.
Sad)bem man mittels ber fleinett §anbbrudluft=
puntpe bett Srennftofftant unter Drud gefegt hat,
fann man bett Motor, fofern fonft ttid)ts itt Utt=
orbttung ift, getroft anturbeln. Die fleinett Müden,
bie er im Setriebe 3 eigt, toirb man halb fenttett unb
il)m aussutreiben lernen.—Der Srennftoffoerbraud)
beträgt bei ben neueren Motoren etroa 250 bis
400 ©ramm pro Sferbetraft unb Stunbe ober in
©elbesroert umgefetjt etroa 10—12 Pfennig beim
Sen 3 in, 6 —7 Pfennig bei Petroleum unb Sof)öl,
12—15 Pfennig beim Spiritus, 5 —6 Pfennig
beim ©rgin pro ^ferbefraft uttb Stunbe. ©in
Sett 3 inmotor oott 10 Sferbefräften oerbraud)t
mithin itt ber Stunbe ettoa für 1 Mart bis 1 Marf
20 Pfennig Sensin.
• G**£SG*#OG**£9 <?*♦££> GS4££>G*#£S>G**£9GS*£9G**£9GS#£9 •
| pret gtcöic^fc von gtdius ^aoemann |
(Staue Stille
$eimlid) ift's unb toolfettgrau,
©infam finb bie Selber;
©ine fülle hohe Srau
Manbert burd) bie Mälber.
3brer Seibe Silber baufd)t
Meid) an göhrenl)eden.
Mo ber Saum burd) Miefen raufcht,
Säht er golbttc Rieden.
Sott ben flechten fliegt ©eleucht
Manchmal in bie fyerne;
Milbe ©üte fdjimmern feud)t
3h*e Augenfterne.
Uttb burd) biefen grauen Dag,
Soll oott Duft unb Dropfen,
klingt mit roarntem Sriebensfdhlag
3 htes §er 3 ens Klopfen.
Sorffrieöe
üeife roiegt fief) noct, bas flont,
Das am £id)t fid) fattgetrunfen.
3n ben Mohtt bie Silberfunfen
Streut bes Moubes fd)tttales §ortt.
Unb bie bunfle Sid)te fteigt,
Unb bie ©id)en ftehen ftummer,
Unb ein fdjeuer gliigcl ftreicht
Mie ein Sd)atten oor bent Schlummer.
Den fein Dagroerf fromm gemacht,
Sd)toeigettb fd)aut er ©ott entgegen,
Der burd)s ©ärtlein geht unb facht
Ausgieht feinen Silberfegen.
• G*#s^)G*#££> • G?#£9 • G*#£9 • •
3n ber 9tad)t
Oft in ber fßodjt,
Menn ber Monb auf nteitt Riffen fd)eint,
£et)nt es fid) fad)t
Mir ans Ohr uttb roeittt,
Unb id) fann mid) nid)t rühren unb fann itid)t
Mas fommft bu mir Uagen? [fragen:
Oft in ber Sad)t
Sieg' id) in Stummheit unb buttflem Stuten
Dief oertoad)t
3 n meines £er 3 ens roten Sluten;
Uttb ift in ben Meiten nicht eine £jattb,
Die mid) 3 öge an ein feftes ßattb.
Oft in ber Sad)t
Starr' id) hinauf in bas etoige Sd)toeigen
Unb fehe bie Macht
Der ©ötter entthront ins Dunfel fteigen;
Unb aus nid)ts beginn' id) in Sieben unb
Die Melt 3 U fügen. [fiügen
• G*#^G*#s^>GS#££>G*#s^>6?#£S>G*#£9G**£9G*#£9G?#s^) •
1180
1911. 91r. 45
i <7 )i e , tfüftur der, (/egenmär
Über bem oielbemunberten urtb oielbefehbeten
Dramatiter Subermann mirb oon einer
gemiffen ©attung unfrer Krittler mit gehäffiger
Nbfid)tlid)teit ber © r 3 ä h l e r Subermann als
gar nid)t oorhanben betrachtet — eine ber Dielen
feltfamen NSirtungen ber ungeheuren, erbrüdenben
Übermacht bes Xheaters in unferm höheren Kultur=
leben, ©in leiblich erfolgreid)es Drama mirb Don
mehr als einer Nttllion 3ufchauent angefehen,
ein großer bramatifd)er ©rfolg hat fid)er nicht
unter fünf Nttllionen 3ufd)auer hinter [ich; mo=
gegen ein nod) fo berühmter unb, mas mehr
befagen rnill, gelefener Vornan es nicht auf ben
3el)nten, in Dielen gälten nid)t auf ben hunbertften
Xeil in feinem Vänbeabfahe bringt, hierbei ift
freilid) 3U bebenten, bah auf jeben getauften
Nomanbanb reiflich 3mei bis brei Dutjenb ßefer
3U rechnen finb. — Dies muhte Dorausgefdjidt
roerben, um folgenbe Nuflage3al)len für Suber=
manns er3ähleube Dichtungen richtig 3U mürbigen.
„grau Sorge“ ift jetjt bei ber hnnbertfünfunb=
3man3igften Auflage angelangt, ber „Kahenfteg“
bei ber fünfunbad)t3igften, ,,©s mar“ bei ber
fünfäigften, unb felbft bas fo h e ftig angegriffene
„£olje ßieb“ fd)on bei ber fünfunbfünf3igften.
Nber aud) ohne biefe rein bud)hänblerifd)e Nlatt)e=
matit bes ©rfolges muh feftgeftellt roerben, bah
Subermann in ber oorberften Neihe unfrer meiftt
gelefenen ©Wähler fteht unb nur parteiifdje,
mihgünftige Voreingenommenheit fann behaupten:
unoerbient. Sein neuer Nooellenbanb, nad) ber
erften benannt: „Die inbifdje fiilie“ (Stuttgart,
©otta) 3eigt ben Dichter noch burdjmeg, nach
Inhalt unb gorm, auf feiner fd)öpferifd)en £öf)e,
eine ©r3äl)lung: „Der ßebensplan“, auf einem
ber ihm erreichbaren ©ipfel. Nein er3äl)lerif<h
ift fie in ber ©rfinbung unb ausführenben Ve*
meifterung bie roertoollfte biefes roertoollen Vanbes.
©in fd)önes Stüd Dichterarbeit ift „Dl)ea“, bie
letjte ber ©r3ählungen, eigentlich teine Stählung,
fonbern ein pl)antaftifd)es, rüdfcfjauenbes ßebens*
gebidjt in Profa.
3n §ans oon NSebers Nlünd)ener Spperion*
oerlag erfd)eint eine Prachtausgabe bes
Nibelungen lieb es, bie uns 3toingt, ftill3U=
ftehen. Die „Pracht“ liegt einfad) in ber Drud=
form: einer alten groben Schrift, an bie man
fid) halb geroöhnt, unb einer baraus folgenben
Vlattgröhe, bie an bie fdhönften §anbfd^riften
bes Nttttelalters erinnert. Natürlich bietet bie
Nusgabe teine Überfebung, fonbern ben mittels
hod)beutfd)en Dext, unb — feltfame VMrfung
ber Schriftform unb ber Vanbgröhe —: man lieft
bas 2Bert mit einem Diel innigeren Verftänbnis,
als h^Üe man eine bequeme Schulausgabe in
£>änben. So bequem toie biefe Iaht fid) allerbings
ber Niefenbanb nicht in ioänben hatten; man
muh fid) fd)on barüberbeugen, etma ben Kopf
in beibe £änbe geftütjt, unb langfam aus ber
groben roud)tigen Schrift bie nunmehr fiebern
hunbertjäl)rige Did)tung herauslefen. 3<h betenne
offen, ich bin im allgemeinen lein greunb bes
äuherlid)en Vüd)eraufpuhes, ber jetjt eine ber
mobifd)en ßiebhabereien geroorben ift. Klarer
Drud auf anftänbigem Papier unb einfad)fter
©inbanb genügen nur, um mid) beim ßefen 3U
ent3üden, Dorausgefeht, bah ber gnl)alt 3um ©nt=
3üden ift. §ier aber umfängt mich ber Vann
einer eignen gorm mit all ihren Nei3en, unb noch
nie habe id) geroiffe ßieblingsftellen bes Nibelungen--
liebes mit fold)er £er3ensfreube genoffen roie in
biefer Nusgabe „ber größten ©efd)id)te, bie je
in ber 2Belt gefchat)“. 2Ber überflüffige breihig
Ntart fein eigen nennt unb fid) ober einem ber
ßiebften etroas fehr Koftbares fchenten roill, ber
gebente biefer bod) nur mähig teuren Prad)t=
ausgabe, nicht Pruntausgabe, unfers unfterblichften
ßiebes, roie foebbel ber Nibelungen Not genannt hat.
*
Von allerlei Rumoren ift 3U berid)ten, oon
norb= unb [übbeutfd)em, oon öfterreichifd)em, oon
jübifd)em, ja oon meltliterarifd)em. Den norb=
beutfdjen mag ©hriftian NI orgen ft erns
unergrünblid) tiefer unb toller „Palmftröm“
(Verlin, Vruno ©affirer) oertreten. Das bünne
Vüchlein mit feinem ©inbanb in 3arteftem Nofa
Vincenz Chiavacci
ift eine ©attung gan3 für fid), bie ©hriftian Niorgem
ftern gefd)affen hat unb beren ein3iger Künftler
er bis jet$t geblieben ift: bes abfid)tlid)en Doltt
tommenen Vlöbfinns mit einem min3ig tleinen
Eduard Poezl
Sd)uh Parobie. Schon in feinen „©algenliebern“
oon 1905 hatte er fid) bie priefterfeierlid)e ©e=
bärbenl)ohtt)eit bid)tenber Nichtbid)ter 3um 3iel
feiner feinbefieberten Pfeile gemählt. Sein
„Nionbfdjaf“ roar 3mar nad) Ntorgenfterns Ver=
fidjerung nicht gerabe gegen Stephan ©eorge,
etroa gegen beffen „ßämmer“4ieb, gerid)tet,
ahmte aber ausge3eid)net ben feierlichen Stumpf*
finn berer um ©eorge nad):
Alexander Moszkowski
Das Nlonbfd)af fteht auf roeiter glur.
©s harrt unb harrt ber groben Schur,
Das Ntonbfhaf.
Das Ntonbfdjaf rupft fid) einen Salm
Unb geht bann heim auf feine Nim,
Das Ntonbfdjaf.
Das Nionbfdjaf fpridjt 3U fid) im Draum:
„3h bin bes SBeltalls buntler Naum,"
Das SOtonbfhaf.
Das Nionbfhaf liegt am SJtorgen tot,
Sein ßeib ift rocifg, bie Sonn' ift rot,
Das Nionbfhaf.
Sehr tief finnig, fehr an3üglid), aber — mit
einem Vanbe u^är's genug! 9Nir tommt es
bebentlid) nor, bah ein fo feiner, eigenträftiger
ßpriter roie Niorgenftern bem Ki^el nid)t roiber=
ftehen tann, immer DDieber foldjen blühenben
Vlöbfinn 3ured)t3ubred)feln, ber hart an bie
©ren3e 3mifd)en echter unb nachgemachter §irn=
ftörung oerläuft. Ntan fpielt nicht ungeftraft
lange mit bem geuer, fpielt nid)t ungefährbet
immer roieber ben geiftesiranten Did)terling. Nn
ben „©algenliebern“ tonnte man ein gemiffes,
übrigens nicht ungetrübtes Vergnügen haben; ber
„Palmftröm“ berührt felbft ben literartunbigen
ßefer mehr mie eine tranthafte Nei3erfheinung
benn mt eine harmlofe Verultung.
2Barum tennt man bie öfterreicfjifchen Sumo=
riften ber ©egenroart bei uns im Neid) fo fehlest?
Die Ntunbart tann bie Sd)ulb nicht haben, benn
fie ftört uns bod) taum auf ber Vühne, unb too
gibt es ein reid)sbeutjd)es Dheater, auf bem
nid)t, im fiuftfpiel roenigftens, beinah ebenfooiel
£))terreid)ifd) roie Deutfd) gerebet roirb? Nuch bie
©ntfd)ulbigung gilt nid)t, bah bie Vßerte ber
öfterreid)ifd)en Nteifter bes Sumors fchtoer 3u=
gänglid) finb: oon ©buarb Poe3ls Schriften
gibt es jeht eine fd)öne gefammelte Nusgabe bei
Piohr in VSien, auf bie nad)brüdlid) hiu3uroeifen
Pfliht unb greube 3ugleid) ift; oon V i n c e n 3
©hiaoacciift faft alles in hübfhen Vänbchen
bei Nbolf Von3 in Stuttgart erfreuen. VSelhem
dou ben beiben lebenben Sauptoertretern ber
ujienerifcheu geiftreicheu Seiterteit bie Krone
gebührt, Poe3l ober ©hiaoacci, ift fd)mer 3U fagen,
am fchroerften für einen Nid)tmiener! greuen
mir uns mit ben £)fterreidjern, bah fie 3toei fold)e
Kerle haben, unb forgen mir bafür, bah fie aud)
in Deutfd)lanb nad) Verbienft beffer gemürbigt
unb beffer betannt roerben. 2Bie fd)uell lieft man
fid) in ihre ja hoch echt beutfdje Nusbrudsmeife
hinein! SBieoiel fprad)lid)en ©enuh, neben allem
anbern, hat man an ber Ürmüdjfigteit ber beiben
feinen ©Wähler unb Nieifter bes munteren ©e=
fprädjstones! ©s gibt einige Stüdlein, befonbers
oon Poe3l, bie einert piat) in ben £efebüd)ern —
ym Nbfchnitt: SNunbartlid)es — unfrer höheren
Sd)ulen oerbienen. ^
Von N. b e Nora, bem allbetannten 9Nit*
arbeiter ber „gugenb“, liegen 3mei Vänbchen
„Nieine Käferfammlung“ oor. Nlit ben Untere
titeln: Species Borussicae unb Species Bavaricae
(ßeip3ig, £. Staadmann) enthalten fie bie fröl)=
Haften politifchen Vilberbogen aus Preuhert unb
Vapern, bie aus ber „gugenb“ 3U fammeln
mirtlid) gelohnt hat. Die beiben Vänbchen merben
bereinft nad)geborenen ©efdjlechtern bemeifen,
mie luftig fid) beutfeher ß»umor felbft in trübften
3eitläuften über grohe unb fleine Dummheiten
gemad)t hat. Der Vorrang gebührt ber boruffifd)en
Käferfammlung; bie „Vlodmal)!“ Don 1907 mirb
bermaleinft fidjer 3um eifernen Veftanbe ber
Nntl)oIogien beutfdyen §umors gehören.
NIexanber Ni 0 f 310 m s t i läfjt feiner
fd)nell berühmt gemorbenen „ünfterblidyen Kifte“
mit ben 333 beften SBi^en ber NSeltliteratur
(Verlag ber ßuftigen Vlätter) einen ©rgän3ungs=
banb folgen: „Die fübifd)e Kifte“, 399 gumelen
(im gleid)en Verlag), unb gibt U)r eine ©inleitung
auf ben 2Beg, bie 3um ©eiftreidjften gehört, mas
biefer geiftreiche Nieifter bes 9Bihes gefchrieben
hat. Sein Nusfprud): „Der jübifd)e 2Bih ift bas
gunbament unb bie Krone alles NSitjes“ ift gan3
gemih nid)t aus oberf!äd)lid)er Voreingenommen^
heit 3U ertlären, fonbern oerbient als reiflich
ermogene Über3eugung eines ber erften gad)=
männer auf biefem ©ebiet emfte Nachprüfung,
©s mirb mit bem fübifd)en 9Bih moI)l fo ftehen
mie mit allem ÜBit): er ift hoch oornehmlid) bie
2Baffe bes Schmachen; bes ©ebrüdten, unb menn
bie heutigen 3uben als befonbers mihig gelten
1911. 91*. 45
1181
altur der
bürfett ober es finb, [o roürbe bies noß nißt für
eine beforibere VSißesgabe bes jübifd)en Stammes
fpreßen, fottberrt 3 unäßft ttur für ißre unbeßag*
iiße fiage, aus ber fie ber VSiß innerliß befreien
foll. 5rrt Altert Teftament ftetjert feine VSiße,
felbft fiiomer ift teigiger als bie Sibel, oort bert
grießifßen fiomifetn gar nißt gu rebert.
$us ber Hamburger Sßulleßrerroelt ift fßon
manße ftarfe unb naßßaltige Anregung ßeroor*
gegangen; iß erinnere nur an bie fßarfert Eingriffe
aus jenen Greifen gegen bie fßunbßafte 3uqenb*
titeratur, an bie Veftrebmtgen ber $amburgifßen
fießreroereinigung 3 ur pflege ber fürtftlerifcßen
Vilbung. 3ür bie mannßaftefte, hoffentlich roirf*
[amfte Tat ber bortigen fießrer halte id) bas
in Hamburg bei £XIfreb 3ansfen erfßienene Sud)
oon 51 boIfS^Ttfen unb VSi I ß e l m £ a m s*
g u s: „Unfer Sßulauffaß ein oerfappter Sßunb*
literal". Enblid) einmal eine fchonungslofe Ver*
urteilung ber äftßetifierenben Sßulauffäße über
bie VReifterroerfe unfrer filafftfer, gegen bie hohle
Verlogenheit eines ^Iuffaßtoefens Heiner Knaben
unb 9Jiäbd)en ober unreifer Jünglinge unb Vad*
fifße, gegen bas ungefüllte großtuerifße ©e*
fßroäß, bas bann feine gans naturgemäße 3ort*
feßung finbet in ber abfpreßenben 5tritifafterei
geroiffer fitteraturpäpfte greif ßen 21 unb 25.
Vernähe nod) gu milbe Hingt bas Urteil ber beiben
Hamburger fießrer: „Sinh ©ebißte roirHiß bagu
ba, baß man 5tinber .anhält, barüber gu plappern,
ob fie roollen ober nißt?-' — VSarurn hat unfer
Volt fein Verhältnis gu Haffifd)er ißoefie? 9Jian
muß es felber erfahren höbe© oDie ber $Kefpeft
oor ber Dißtung burß bie Scßule geraubt roirb,
um bas gange Elenb erfaffen sgu fönnen. Es roirb
nißt beffer bamit, folange bie ftunft gu lanb*
läufigen ^ßlattitüben erniebrigt unb gur Aufgaben*
fammlung ber Hnmünbigen begrabiert roirb." Die
Verfaffer greifen aber nicht bloß an unb fudjen
bas ©erümpel bes Vftßetenauffaßes eingureißen;
fie geigen auß bas gu erreißenbe roertoolle 3^1
unb ben VSeg gu ißm. VRan merfe fiß biefes Such:
es fünbigt eine unausbleibliche VSenbe in unferm
höheren Schulroefen an, gugleid) eine in unfrer
©eiftesbilbung. '
Stoß nie habe id) bie 5tunftentroidIung ber
VSelt, oon ihren früßeften Anfängen bis in bie
unmittelbare ©egenroart, fo Har unb überfißtüß,
gugleid) fo übergeugenb unb behaltbar bargeftellt
gefunben roie in bem „ ©runbriß ber Stunftgefßißte"
oon Heinrich Vergner (Verlag oon E. id.
Seemann in £eipgig). Auf roenig über 300 Seiten,
allerbings mit 3rßilfenal)me oon 443 idbbilbungen
unb fünf garbentafeln, roirb bem £efer ßi^ r
ein <T>anbbud) geboten, aus bem er umfließ lernen
fann, funftgefßißtliße 3 erteilter in ihrer £tb=
grengung unb boß roieber in ihren inneren 3u*
fammenhängen gu begreifen. großen unb
gangen roirb man ben Urteilen bes gefßmadoollen
Darftellers guftimmen fönnen, toenn auß felbft*
oerftänbliß nidjt jeber mit jebem Urteil ein*
oerftanben fein roirb. Ohne gefügte ©eiftreißigfeit
unb fßnöbes Vbfpreßen naß bem Vorbilbe
Stißarb Vtutßers, in einer für ftunftfßreiber faft
unerhört reinen Spraße, mit einer berounberns*
roerten Veßerrfßung bes ungeheuren Stoffes
leiftet £»einrid) Vergner auf fnappem Staunt un=
gefäßr basfelbe roie manches bidleibige VSerf,
foroeit es fieß um bie roießtigften Stunftroerfe unb
itünftler haTtbelt, unb oon einem ©runbriß oer*
langt man fügliß nißt bie ^fufgäßlung ber Viel*
guoielen aus bem Stiefenreiß ber äRittelmäßigfeit.
Stur eine brauchbare Einführung in bie fiunft*
gefßißte für Sdßule unb §aus hatte fid) Vergner
oorgefeßt; fein Vuß tarnt aber ebenfogut bem
itentter als bequemes Stadjfßlageroerf gur roieber*
holenben Hberfßau bienen.
SJienfch, hüt e öicß oor bem häufigen 3itieren,
fonft roirft bu felbft gu einem läcßerlicßen ©itateles,
roie roir beren einige in ber neuften £iteratur
haben. So bu aber bureßaus einmal ein fchlag*
fräftiges VSort eines anbern, roomöglicß eines
©roßen, gur Unterftüßung beiner Vnficßt benötigeft,
fo gitiere ridßtig, fonft madßft bu bieß hoppelt
iäd)erlicß. Der Vücßntatttt reicht nicht hitt, obgleich
er einigen ho<hberüßmten Vlobefcßreibern unent*
behrlich ift, benn er enthält ja nur bie fogenannten
geflügelten VSorte, alfo ben feinften Vusgug ber
3itate, ben jebermann fennt ober fenrten follte.
Es gibt aber irjunberte oon guten ^lusfprücßen
in Vers unb ^Srofa, bie gur rechten 3^it unb, roie
immer roieberholt roerben muß: mit großer Spar*
famfeit angeroanbt, gute SBirfung tun fönnen.
VSill man einen folgen im genauen Sßortlaut
nacßfchlagen, roenn einem nur ber ungefähre
Inhalt oorfdßroebt, oielleicßt nur ein eingiges
Schlagroott im inneren Ohre Hingt, fo oetfueße
man's mit bem 3ifatenlerifon oon D a *
niel Sanbers, einem biden, aber hanblidßen
Vanbe, ber in britter perbefferter Auflage bei
3- 3- VScbcr in £eipgig erfeßeint; id) habe Stieß*
proben gemacht unb in jebem galle bie. richtige
9Iusfunft gefunben. Ebuarb Engel
9Bas ift ein Vucßftabe? Ein $ltom ber VSelt*
roeisheit. Ober nod) meit oteniger: ber roingige
Vruchteil eines ©efäßes, folcße Vßeisßeit gu faffen.
Vielleicht hat es etroas Nichtiges, bie V.ucßftaben
ben eingelnen 3angenlauten, biefen beftimmten
3Ibnteffungen afuftifcher Schroingungen, gleichgu*
feßen. Dann föntite man fortfahren unb fagen,
baß, toie aus ben £auten, aus ben Vibrationen
gartefter dRusfeln, bie Spracße fombiniere, fo aus
bem Vucßftaben, bem Erreger optifeßer Vetoegung,
fieß bie Scßrift reihe. VSobei mir freilich nicht oer*
geffen bürften, baß mit foldjer tlnbeutung über
bas VSefen ber ©efäße nicht bas ©eringfte gefagt
roürbe oon bem eigentlidßen pfqdßifcßen 3nßalt,
oon bem mpfteriöfen Varallelismus gtoifchen ©e=
banfen ober Empfinbung auf ber einen Seite
unb bem 91usbrud ber Spracße ober ber Schrift
auf ber anbern. Es gibt faurn ein größeres Vtp*
fterium als bas ber Spradße, faum ein größeres
als bas, baß« burdß ein Vebeneinanber ober Hber*
einanber minugiöfer Vilber, merfoaürbiger, in
ißren Variationen nur bem jetneilig Eingetoeihten
unterfeßeibbarer Spfteme aus Senfrecßten unb
3Bagered)ten, ©eraben unb ©efrümmten, in be*
ftimmten ©eßimen bie Vorftellung ganger VSelten
erroedt ooerben fann. Unb nod) etooas anbres ift
feltfam: auch bann, menn biefe fleinen linearen
Vilbungen, biefe roingigen ©ruppen aus geformten
Rieden nießt eigentlich einen itontaft im QIrfenal
ber Vorftellungen löfen, roerben fie bod) als
etoas empfunben, toas betrachtet fein möchte,
toas bem Vetracßtenben rhptßmifcße ©efüßle oer*
mittelt. Die ornamentale VSirfung frember
Schriften ift oft fo feffelnb, baß ßöd)ft furiofe,
ja grotesfe 3^fümer in bem fieß einftellen, ber
nur bas Vilb fleht, ben oerbalen Sinn aber nicht
fennt. Ober ift es etroa nießt furios, baß auf ben
3afeln ber Stenaiffartce arabifeße SBprte, ja gange
5toranfprücße gu lefen finb? Der tatßolifdße ^riefter
mollte geroiß nießt burdß fein feierliches Vteßgetoanb
ben 9tußm Vioßammebs oerfünbigen; er naßm
bas ^frabifdß als ein feßönes monumentales Or*
nament. 2Boraus gu folgern roäre, baß bie Sdßrift,
baß aueß ber eingelne Vucßftabe unabhängig oon
bem Spracßfimt einen äftßetifcßett VSert, einen
pfpcßologifcßen idnretg barftellen fann. Eine Er*
fenntnis, bie oielleicßt am beutlicßften bei jenen
Vöifern offenbar roirb, beren Sdialerei in ber
5talligrapßie eine entfdßeibenbe Stilquelle fanb.
Der japanifeße Scßriftenmaler oerfeßroenbet fein
reießes können rüdßaltlos an bas Ornament, an
bie $orm bes geroäßlten VSortes. Der SBortinßalt
bleibt fieß gleich; ein 5tenner aber unterfdßeibet
an einem eingigen 5turoengug, roelcßer äReifter
ben Vwfel füßrte. Es fann bas Ornamentale ber
eigentliche 3^ed eines Vucßftabens roerben, es
fann baßin fommen, baß man nießt meßr fragt:
toas bebeutet biefe $ierogIppße, oielmeßr allein —
roas empfanb ber, ber fie fdßrieb, roas roedt fie
in uns an äftßetifcßer Empfinbung? 3^ folcßen
Umroertungen beffen, roas eigentlich nur groed*
mäßiges 3ttffrumettt fein foll, rourgelt bie pft)=
cßologifcße VSaßrßeit ber ©rapßologie, rourgelt
gugleicß bas 5Red)t gum Unleferlicßen bei monu*
mentalen 3Ttf<ßriften unb bei beforatioen dRono*
grammen. Vur groei Veifpiele: an roießtigen ©e*
bäuben fteßt oft bie 3aßresgaßl ber Erbauung in
römifeßen SOtajusfeln; audß benen, bie folcßes
Sdjriftbilb nießt gu lefen oermögen, oermittelt es
eine geroiffe patßetifdße ©roßartigfeit. Ober:
bas fogenannte Vtonogramm Eßrifti, roie roenige
roiffen, roas es eigentlich bebeutet, unb beugen boeß
baoor bas 5tnie! Es roäre billig, folcßes nur als
©eroößnung gu begreifen; es ftedt ropßl boß
meßr baßinter. Es lebt baßinter bas ©eßeimnis
bes 9thptßmus, ber fiß in biefer fnappen Formel
einiger Valfen unb Areisfßläge mit befonberer
Energie offenbart. VIfo läßt fiß bie Hnleferlißfeit
ber irgenbroie auf bas SOtonumentale gerißteten
Sßrift reßtfertigen! Das ßat fßon £arifß, einer
ber Erroeder unfres fßreibbummen ©efßleßts,
einer ber Erneurer ber Sßreibfunft, unumrounben
ausgefproßen; er ßat felbftoerftänbliß ßingugefügt,
baß bie fßroere £esbarfeit nun nißt etroa bas
eingige unb oberfte Kriterium einer monumentalen
Sßrift fein folle. Vielleißt fönnte man es fo
formulieren: bie ornamentale Sßrift ßat bie
Diagonale gu roaßren groifßen ber £esbarfeit unb
bem rßptßmifßen Vusbrud. Es fönnte bemnaß
ein Vtonogramm auf ben erften Vlid rooßl fßroer
gu entgiffem fein, gang getroft braußte es fiß bem
Vefßauer gunäßft nur als ein Ornament, als ein
äftßetifßes ©ebilb, gu erfßließen; ßernaß aber
müßte es bem, ber bas ©erpirf ber £inien löfen
mößte, folß eine £öfung auß geroäßren. Viono*
gramme finb Vefißermarfen; fürs erfte ift es
genug, baß ber Vnfd)auenbe, auß ber nur flüßtig
Darüberßinfßauenbe, ben Einbrud eingebrannt
empfängt: mir geßört's ober mir geßörfs nißt.
?luß SBappenfßilber erfennt man nißt burß bie
ßeralbifße Deutung, fonbernburß benrhptßmifßen
©efamteinbrud. VSer ßätte rooßl je bie heiligen
£Uien 3^cxnfreißs auf bie naturaliftifße VSaßrßeit
geprüft, roer fennt ißren fpmbolifßen Sinn? Es
genügt bas Spegififum ber 3orm, unbefümmert
um fiesbarfeit unb Deutbarfeit, .bie Dage ber
fiilienfönige roaßgurufeirt.
5Raß bem 9Jlaßftab folßer 3ufammenßänge
beurteile man bie hier abgebilbeten 9Jlonogramme.
Sie entflammen einer Sammlung oon feßsßunbert
berartigen Sßroargroeißfünften unb rourben oon
Ullexanber 5toß, Darmftabt, in feßr anftänbiger
Vufmaßung herausgegeben. Es follen nißt t Vor*
bilber fein, bie nun blinblings fopiert roerben
fönnten; es ßanbelt fiß um Anregungen, etroas
oon bem Temperament unb ber gormenfpmbolif
bes StRonogramms gu oermittein. Es ßanbelt fiß
um pjebergüge, in benen, auf ein VUnimum
rebugiert, boß ftarf unb beutliß, bas Eigentliße
eines fiünftlers entßüllt roirb. Vßir feßen SBien,
roir feßen ^ßeter Veßrens; roir roürben, roenn
roir in bem Vüßlein felbft blätterten, auß Eßmde
unb 3iuboIf 5foß, 3tigg, ^jauftein unb manßen
anbern treffen. Unb groar immer: ben gangen
5terl, ein ftenograpßiertes Vilb feines oölligen
VSefens. Demgemäß: naß folßem Vorbilb
fönnten nun bie Damen oerfußen, ißre Seele
in ein äRonogramm gu projigieren. Vielleißt
aber begnügen fie fiß lieber boß bamit, aus bem
fßönen Vorrat eines ausgufußen, bas ißrem
VSefen oerroanbt fßeint. VSie fie's aber auß
maßen, in jebem 3all müßten fie guoor einen
heiligen Sßrour tun: bas anmaßliße golbene,
mit 3ciden unb Sßnörfeln beßangene, oon jeber*
1182
1911. 9Jr. 45
Abbildung 2. Speisewagen
mann lesbare unb jeben ©mpfinbfamen ärgernbe
pad)tmonogramm, bas fie bem Vräutigam 3U
ABeihnachten ftidten, aus bent Aodfutter [cf)leu=
nigft I)eraus3utrennen.
Robert SSreuer
JÖuxuswagen
Als int 3 al)te 1836 ber erfte ©ifenbaf)n3ug oon
£etp3tg nad) Dresben rollte, mußten bie Aeifenben
ber britten klaffe mit offenen 2 Bagen oorIieb=
nehmen. Da in biefer 3 eit ftofs als ^Brennmaterial
für bie £ofomotioe oorgefd)rieben toar, fo bah
faft gar tein Aaud) entwidelt rourbe, unb bie
3üge an fid) nid)t übermäßig rafch fuhren, fo toar
biefe Art 3U reifen bei fd)önem Vtetter oielleidjt
gar nid)t fo unangenehm, oielleid)tnod) angenehmer
als in ber brangooll fürchterlichen ©nge eines ooll=
befehten SBagens ber batnaligen 3toeiten klaffe,
beim bereit VBagenfaften roaren ber p)ftfutfd)e
nad)gebaut, fehr niebrig unb fd)mal, alfo nichts
weniger als bequem.
§eute finb fd)on bie in gewöhnlichen prfonem
3ügen laufenben VSagen oiel geräumiger, unb noch
mehr gilt bas oott ben mit oielerlei Vequemlid)=
leiten ausgeftatteten SBagen ber D= 3 üge. Dar=
über hinaus wirb aber in ber allerneueften 3^it
ein £uxus auf ben Näbern getrieben, oon bent
Abbildung 1
Inneres eines Speisewagens mit großen Drehfädiern
fid) unfre ©roheitern fid)erlid) nid)ts träumen
liehen.
Atan ift fd)on feit 3af)*en baoon abgelommen,
ein3ig unb allein in ber ©rf)öhung ber ©efd)toinbig=
feit ber 3 ü 0 e ben fyortfchritt 3U fuchen. Die inter=
nationalen Aeifenben legen fehr häufig unb roohl
mit Aed)t gröberen Vkrt auf eine angenehme unb
bequeme Veförberung. Aein äuherlid) fönnen
wir bas fd)on baraus erfel)ett, bah bie fogenannteit
£uxus3üge burd)aus nid)t immer bie fdjnellfte
Verbinbung herftellen, wohl aber bie bequemfte.
©iner ber wefentlichften 3ortfd)ritte war bie
(Einführung ber oierad)figen langen 2 Bagen auf
Drehgeftellen. 3 uerft hatte man befanntlid) fel)r
fur3e Pagen, bie unmittelbar auf 3wei feften
Achfen ruhten, fpäter fameit längere breiad)fige
SBagen I)iu3u unb fd)Iiehlid) bie oierachfigen, bie
heute in einigen gälten fd)on 31t fed)sad)figen
Pagen weitergebilbet finb. Diefe SBagett finb
3war wefentlid) teurer, laufen bafür aber ungleich
ruhiger, woburd) fowohl bie ^ahrgäfte, wie auch
bie Schienen gefront werben.
9 Ait ber 3 unahme bes Verfehrs wudjfen bann
aber aud) bie Anfprüdje ber Aeifenben. Aian
wollte nid)t mehr wie in ben erften 3af)t3ehnten
bes ©ifenbahnbetriebes auf einer „Atittagsftation“
in aller £aft feine Atal)l3eit einnehmen, 3unt ©ffen
war bie 3 eit 3u Iur3, als Aufenthalt 3U lang. Da
fameit bie 5 füd)enwagen auf, in benett bie 9 Aög=
lid)feit gegeben war, falte unb warme Speifen 3U=
3ubereiten unb in ben ein3elnen Abteilen 3U fer=
oierett. Dod) bas führte 3U mancherlei Un3uträg=
lichfeiten, unb fo entftanben halb bie felbftänbigen
Speifewageit, bie heute faft in allen Dagesfd)nell=
3ügen mitgeführt werben.
* Abbilbung 1 3eigt uns bas gnnere eines berartü
gen SBagens in moberner ©eftalt. ©ar oielerlei ift
ba auf engem Aaunt untergebracht. Das reifenbe
Piblifum befommt im allgemeinen nur ben
eigentlichen Speifefaal 3U fehen, ber in ber AuS=
ftattung wohl jebent Anfprud) gerecht wirb. Ve=
fonberer 2 Bert ift babei auf eine gute Lüftung ge=
legt, ber eine gan3e Ait3al)i Vorrichtungen bienen.
Als Vefonberljeit finb bie ©lasjaloufiefenfter 3U
erwähnen, bie auf Abbilbung 2 erfenntlid) finb.
Sie werben fo eingeftellt, bah bie bei rafdjer gal)rt
entftehenbe fiuftftrömung am Auheren bes 2 Bagens
burch bie aufgeftellten Schlitze bie oerbraud)te
gnnenluft intenfio abfaugt. Vemerfenswert finb
aud) bie groben Drel)fäd)er, bie auf Abbilbung 1 an
ber Decfe bes SBagens 3wifd)en ben fiampen 3U er=
fennen finb. Sie erhalten ihren Antrieb burch ein
fleines SBinbrab, bas auf bem Dach bes 2 Bagens
eingebaut ift, unb oerurfad)en einen leisten
fühlettben Pifaug. Die Difd)e fönnen fantt unb
fonbers an ben SBänben h°ä)geflappt werben,
bamit bie Reinigung bes guhbobens leicht unb
griinbli© erfolgen fann.
3 ft fdfon im Speifefaal ber pah, wie bas bie
Verfjältniffe gebieten, möglichft ausgenut)t, fo gilt
bas in nod) weit höherem Alahe oon ber &üd)e.
Vilb 3 gibt einen (Einblicf. $ier hat ber Ingenieur
in wahrhaft ingeniöfer SBeife alle erbenflid)en
ftunftgriffe angewenbet, um bie unbebingt nötigen
Apparate unter3ubringen: Äochherb, Vratl)erb,
2 Bärmefd)ranf, ÄüI)Ifd)ranf, Spültifd), ÜEBartm
wafferleitung, ©efchirrfdjränfe unb fo weiter.
©benfo wichtig, für manche oielleicht nod) wich*
tiger, erfd)eint bann ber näd)tlid)e SBruber bes
Speifewagens: ber Schlafwagen. Aud) hier hat
man anfangs fid) bamit geholfen, in gewöhnlichen
Abteilwagen bie §erftellung oon £iegeplät}en 311
ermöglid)en. 3 U biefent 3u>ecfe Iaffen fid) bie Aeh=
bänfe oon faft allen ASagen erfter unb 3weiter
iflaffe aus3iehen unb baburd) wefentlid) oer=
breitem. Die Atittelftühen fönnen gleich3eitig,
foweit oorhanbeit, had)geftellt werben, bie Stiih=
Abbildung 3. Küdie
fiffen in ben ©den ausgehoben unb 3ur Venuhung
als Äopffiffen flach gelegt werben. Auf biefe
SBeife Iaffen fid) jebod) in einem Abteil nur 3wci,
in maitd)en Abteilen erfter klaffe nebeneiitanber
in ber gahrtridjtung brei fiiegeplähe fchaffen.
Au herbem hat man auf einen fo!d)en pah nur
Anfprud) nad) Atahgabe ber 3 ugbefehung. Der
Sd)lafwagen fd)afft bas 9 ied)t auf ben £iegeplah
unb geftaltet ihn gleichseitig 3U einem oerl)ältnis=
mähig bequemen Vett. 3 ur erhöhten VIah=
ausnühung finb hier in Aad)af)mung ber Sdjiffs-'
fabinen je 3wei Setten übereinanber angebracht
(Abbilbung 4 ). 3 n ben Schlafwagen ber preuhifd) 1
heffifchen Verwaltung, in biefer unb anbrer Ve=
3ief)ung muftergültig, finb in ben neueren VSagen
immer nur je 3wei Vetten in einem Abteil, oon
benen bei Aeifenben erfter ftlaffe nur eins belegt
Abbildung 4
Inneres eines Schlafwagens
wirb. Die SBagen ber internationalen Schlaf=
wagengefellfchaft haben bemgegenüber oier Vetten
in ber 3weiten unb 3wei Vetten in ber erften
klaffe. Auherbem hat jebes Abteil ber preuhifd)=
heffifchen Aßagcn eine Vßafd)toilette, einen fleinen
Difch, eine £efclantpe unb last, not least ,,pot de
chambre“. Sel)r angenehm ift aud) bie jeht aus=
fd)liehlid) eleftrifche Veleud)tung ber Iehtgenannten
SBagen. Die früher benutzen ©aslampen ftral)lten
eine höchft läftige §ihe aus, abgefeheit oon anbern
Aad)teilen.
Die Vel)ei3ung gef<hiel)t bei ben Sd)Iafwageit
auf 3entralem VSege burd) einen befonberen $ei3=
feffel, bamit bie ABageit aud) bann erwärmt werben
fönnen, wenn fie losgetrennt oom 3u0 irgenbwo
ftehen. Der fleine Dienftraum für ben Sdjaffner
enthält gleid)3eitig eine 51 affeefüd)e, unb 3toar in
ben neueren SBagen mit eleftrifcher §ei3ung.
Auherbem oerfügt ber Vtaun über einen fleinen
Sd)ranf 3ur Aufbewahrung oon ©etränfen, Vier,
Selterwaffer unb einigem ©ebäd, fo bah itt be=
fChränftem Viahe aud) für Speife unb Dranf ge=
forgt ift. ©Ieftrifd)e klingeln an jebent Vett er=
möglichen jeber3eit bie irjerbeirufung bes Veamten.
Die beiben oben befprod)enen SBagengattungen
finb heute, man barf fagen, Allgemeingut ber
Aeifenben. oie werben in fteigenbent Atahe be=
nuht unb in jebem 3ahte oermehrt unb in weitere
3üge eingeftellt.
Darüber hinaus hat man nun aber aud) nod)
Spe3ialwagen gebaut, bie ben £uxus nod) weiter
treiben. Hrfprünglid) würben fie nur für gürft*
IiChfeiten als fogenannte Salonwagen gebaut. Ab=
1
mmm
<eorenwav\
Abbildung 5
Salonwagen des Großherzogs von Luxemburg
bilbung 5 3eigt uns 3um SBetfpiel beit Salon bes
2Bagens bes ©roßßeqogs oon fiuremburg, 5 lbbil=
bung 6 ben bes ©roßßer3ogs oon Reffen. §ente
[teilt man äßnlicße ASagen gegen Se3aßlung aber
aud) ^rioatleuten 3ur Verfügung. 3 m Srüffel toar
3um SBetfpiel im oorigen 3at)r oon ber ^8rcu^ifd)=
§effifcßen Staatsbal)n ein folcßer SBagen aus=
gestellt, ber für 3mölf gaßrfd)eiite erfter klaffe ge=
mietet unb bann mit bis 311 3mölf ^erfonen be=
mißt roerben barf.
3 Bir finben ßier ftücße, Speife3immer, Salon
unb Scßlafräume, alles in befonbers lumriöfer
Ausftattung. Die Sd)lafräume finb ^befonbers
groß, als Sißgelegenßeiten bienen im Salon ftatt
ber Sänfe bequeme Seffel.
Sei ein3elnen Sahnen, 3um Seifpiel bei ben
transamerifanifdjen Salinen unb auf ber fibiri=
fd)en Saßn, roo bie Aeifenben tagelang im 3 ug
bleiben müffen, t)at man aud) noch an toeitere Se=
quemlicßfeiten unb Anneßmlicßfeiten gebad)t. Da
finb SBagen mit Sabeabteilen, mit gri[ier= unb
Aafiergemäd)ern oerfeßen, in ben Salons finben
mir ein gutes Sßianino unb eine tleine Süd)erei.
gür bie ©efcßäftsreifenben ift oft nocf) bie ©im
rid)tung oonDiftier* unb Scßreibmafd)inen3immern
getroffen, unb oielleidjt ift bie 3^it aucß nid)t mel)r
fern, mo bie bral)tlo[e Delepßonie fo meit oerooll=
fommnet ift, baß es möglich mirb, 00m ßuge aus
fid) mit beliebigen Stationen 3U oerftänbigen.
©11t gelungene Serfucße finb fd)oit an manchen
Stellen oorgenommen toorben.
Atan fießt, bie Decßnif ßat außerorbentlicß oiel
geleiftet, fie bietet bem Aeifenben im 3 uge ßeute
Anneßmlid)feiten, bie nod) bis oor menigen gaßreit
bie erften Rotels oermiffen liefen. Solange man
Abbildung 6
Salonwagen des Großherzogs von Hessen
fid) babei in maßoollen ©reit3en I)ält, ift bie 3u=
nal)nte ber Sequemlid)feit aud) nur 3U begrüben,
beim eine unbequeme gaßrt ermübet ben Körper
unb läl)mt bie Scßaffensfraft. ©ine bequeme
Seife beläßt uns nicßt nur mäl)renb ber gaßrt,
fonbern aud) nacß ber Anfunft im oollen Sefiß
unfrer förperlkßen unb geiftigen Spannfräfte.
ASenn man bas alles richtig bemertet, mirb
man l)äufig geneigt fein, bie Ateßrfoften, bie
logi[d)ermeife für ben gebotenen größeren Komfort
gefordert merbeit müffen, 3U be3al)len; unfre
Arbeitsfraft ift ßäufig meit mel)r mert.
Siegfrieb §artmann
H {SfYTodeJ Ql
Die heutige 9 Jtobe unterfcßeibet 3mei Arten oon
Kleibern, ©inerfeits bie „Sotticellüftteiber", bie
fur3 finb unb fo eng, baß bas ©eßen faft unmöglich
mirb, anberfeits bie Kleiber, bie Solants unb
fträufelungen aufmeifen unb bamit unoerfenm
bar bie Denben3 ber ABintermobe an3eigen. Sämt=
Iid)e in leßter 3^it abgeßaltene geftlicßfeiten — bie
Sennen, bie ©artenfefte in ben ©efanbtfcßaften,
bie eleganten öffentlichen „gioe o'clods“ — er=
brachten ben Semeis, baß bie all3u engen unb
tur3en Kleiber bem ©nbe entgegengehen, um
Seubelebungen aus bem ad)t3el)nten gaßrßunbert
fomie ßöcßft pßantaftifcßen Arrangements ^Iaß 3U
machen.
Damit foll nid)t gefagt fein, baß mir bie oriem
talifche ^ßrad)t, bereu Stidereien, garben unb
formen uns fcßon feit 3mei gaßren blenben unb
ent3üden, beifeitegelegt ßaben; mir merben fie
nur fortan ßauptfäcßlid) für Atäntel unb Abenb-
toiletten ßeransießen, mas ficßer einen <yortfcf)ritt
bebeutet, benn es ift maßrlid) all3u „tßeatralißh",
menn fid) bie grauen, mie bies gelegentlich ber
Sarifer Sennen oorfommt, am ßellicßten Sage
3um Seifpiel in einem lila Düllfleib 3eigen, über
unb über mit ©olbperlen geftidt, bas einen feit=
liehen Sd)liß aufmeift, unter bem bas mit einem
perfifd) roten Strumpf befleibete Sein fid)tbar
mirb. So anneßmbar biefer Aßantafieretcßtum
— mürbig eines Atärd)ens aus Dau[enbuitbeiner=
naeßt — am Abenb, im £üfterglan3 ift, fo fd)Iecßt
angebracht ift er am Dage — mas im übrigen
unfre maßren „©legantes" feßr gut miffen.
Das fenfationelle Saifontleib, bas 3uerft ge=
legentlid) ber gulirenneit gefeßen mürbe, ift eine
Abart ber Kleiber, mie ASinterßalter fie fo oft an
ber ftaiferin ©ugenie unb ißren 3eitgeno[finnen
barftellte. ©s ift aus meißem Seibenmuffelin in
ber Daille eingeträufelt unb mit 3mei Solants aus
©ßantillpfpiße befeßt. Die Daille ift in gießuform
brapiert unb mit einem großen „Choux“ aus
[eßmarsem Samtbanb garniert. Atancßmat reid)eit
biefe Solants nur bis 3ur Sorberbaßn unb laffen
ein Dablier aus meißem Atlas [id)tbar merben, bas
in ber Atitte mit knöpfen befetjt ift. Scßmar3 unb
Akißbominieren alfo in ber Aiobe nod) immer, unb
man erreid)t bureß biefes 3ufammenmengeit
©ffette fö[tlid)er, maßrer ©Iegan3.
Spißeit, Stidereien, gelblid)er Düll, antiter
Düll fomie foId)er, ber biefen imitiert, liefern be=
fonbers meieße Doiletten, auf fd)mar3ent gottb ge=
arbeitet. Der Düll bebedt bas Sorberblatt
entmeber in gorm einer brapierten Saßn
ober er fällt in ©eftalt 3meier geraber
Saßnen, bie eine breite Silberborte ooneim
anber trennt, glatt ßerab. ©ine gleiche Sorte
begrenst auf ber Daille ben Ausfd)nitt, ber
burd) eine ©impe aus fleifd)farbenem, alfo
unfießtbarent Düll ausgefüllt mirb. Stets
mirb ber fd)toar3e Atlas am Aodfaum mie
am Ärmel fießtbar.
Scßmar3meiß ift aud) eine Slufe, bie augem
blidlid) oiel getragen mirb. Sie ift aus
[d)toar3er ©ßantillpfpiße, bie fid) über rneiße
Spißenapplitation legt unb am unteren Sanbe
mit runben Sogen an ben Aod anfügt, her¬
aus fcßmar3em Daft befteßt unb unten mit
$rancße befeßt ift.
Aud) fd)mar3er Seibenmuffelin auf meißem
gonb gearbeitet ergibt ßod)elegartte Diner=
ober Aeftauranttoiletten. SBeiter ift unter all
ben [eßmarsmeißen Doiletten jene 311 nennen
aus meißem Atlas, am unteren Aanbe mit
[eßmarser Soutacßierung ausgeftattet, unb
einer bis 311 biefer Sorbüre ßerabfallenben
Dunifa aus grobem f<hmar3em Düll. Auf ber
Daille, bie ein breiter meißer Atlasgürtel mit lang
ßerabfallenben ©nben 00m Aod trennt, mieberßolt
fieß biefelbe Soutad)eftiderei mie auf bem Sod.
fyür bie „Sormittagstrotteurs“ mirb meßr
buntelblauer ©ßeoiot benn je oerarbeitet, mas
natürlich meber bie meißen nod) grau unb braun
melierten Stoffe ausfeßließt. Dbmoßl biefe
ftoftüme noeß immer recht tur3 urtb eng finb,
fießt man boeß fcßon einige, bie feitlicß eingefeßte
galten 3eigen, bie beim ©eßen ausfpriitgen,
anbre, bie längs ber oorberen 9 Jtitte gefnöpft finb,
mas geftattet, beim ©eßen bie unterften knöpfe
3 U öffnen unb fo ben Sod 3U ermeitern.
_ 3u biefen Äleiberrt merben meßr benn ie
Spißen= unb Satiftblufen getragen unb rneiße
ßebergürtel [omie [old)e aus lebßaft gefärbtem
ßadleber. 9 J?it bem Atonat Auguft fiitb mir mieber
bei bem Atonat ber „Anfprucßslofigfeit“ in ber
Doilette angelangt, mie fie fid) für bie See= unb
anbern Sabeorte feßidt. Sie 3eigt fid) in biefent
Sommer oon befonbers ßübfd)er Seite. Die
Kleiber aus ben geftreiften, fogenannten Dennis=
ftoffen merben mit glattem ßeinen garniert — in
Spitzenkleid mit eng¬
lischer Stickerei auf
dunkelblauem Satin.
Der Gürtel aus dem
gleichen Samt wie der
Hut
gornt oon ©ürteln, Aeoers, Armelauffcßlägen unb
Streifen, bie ben Aod befäumen — unb ergeben
Doiletten oon reisenb fommerlid)er grifeße unb
fixerer ©Iegan3.
SBeiße £einmanb mirb biefen Sommer mit
marineblauem Atlas 3ufammenge[tellt; bas ift
ficßer feßr apart, aber maßrfcßeinlicß nicht nad)
bem Sinn aller grauen, bie angefid)ts ber £ein=
manb gern bas praftifeße Atoment ber ABäf^e im
Auge beßalten — aber es ift eine Aeußeit, bie er=
mäßnt, menn aud) nid)t nachgeaßntt merben muß.
— s fßrattifd)er ift bie genaue ftopie ber Slufe ber
bretonifeßen Säuern mit ißrer Stiderei, ißren
knöpfen, ißrer meiten, fur3en gorm. Atan
arbeitet fie oiel für Ausflüge unb Douren als Se=
gleitung meißer ©ßeoiotröde ober pliffierter Aödc
aus bemfelben Aiaterial mie bie Slu[e. Aud) bie
„^ßierrotblufe", ebenfalls eine Utopie betannter
Sorbilber, finbet in ißrer ©infad)ßeit mit Aecßt
oiel Seifall, fie mirb oon oben bis unten mit großen
knöpfen gefnöpft unb am $alfe fomie ben Ärmeln
mit breiten, geftidten Satiftoolants garniert. Aus
glanell, einfarbigem fieirten, ja felbft aus Atlas
befteßenb — menn man fie 311 3^eden, bie ber=
artiges Ataterial geftatten, tragen rnill—, mirb fie 311
abfted)enben, meißen, marineblauen ober [eßmarsen
Aöden getragen unb ftellt bas Aeuefte bar, mas
es an fommerlidßen Atoben gibt. SßaptXIon
Das „fd)mar 3 e ©efpenft“ öffnet bie oer*
fd)Ioffene Dür
'TVe Verhaftung einer 9 In 3 at)I ber berüdjtigtften äftonteil unb mar überall gu finben, roo 9teid)tum
$ote!biebe erhellt mit einem Vtal bas Dunfel, unb £u*us unb Vtühiggang ©rholung oom Vichts-
bas feit 3 af)ren über einem getjeimnisoollen VSefen tun fudjen. SRan fah fie in glänjenben Doiletten
gefcEjmebt: 3n einem ber oornehmften Verliner in ben Spielfälen, ftral)Ienb im Sd)mud foftbarer
Rotels toaren lange 3eit hinburd) au herorb entlief) 3utoeIen beim Diner in ben prunfoollen Sälen
bebeutenbe Diebftäf)Ie oerübt roorben, ohne bah eleganter Rotels. Dann 30 g fie fid) mübe in ihre
aud) nur ber geringfte Vnhaltspunft auf bie Spur ©emäd)er 3 urüd ...
ber Däter führte, §otelangefteIIte behaupteten, 3 ur 3 ^it, ba alles in tiefem Schlummer ruhte,
baf3 fie 3utoeilen in tiefer Vacht eine hohe fd)toar3e öffnete fich leife, leife ihre Dür. 3 n ftumpfes
©eftalt burch bie ©änge bes Kaufes hätten gleiten Sd)mar3 gehüllt, oon ben Suftfpifcen bis hinauf
gefehen — eine unheimliche ©rfd)einung, bie laut- 3um Sd)leier, ber ihren ftopf umroinbet, fd)Ieid)t
los, fdjattengleich fid) im Dunfel oerlor ... Diefes fie ben ©ang entlang. 9 Jlit fixerem ©riff öffnet
„fd) 03 ar 3 e ©efpenft“ ift nun burd) bie Verhaftung fie mit ihrem Vüfoeug oerfd)Ioffene Düren...
bes £od)ftapIers „©rafen bu Vaffp“ entlarot — Sie gleitet 3um Vett. 3 hre $anb, in ber fid)
„materialifiert“. ©r felbft roar es, ber, oöllig in ein mit ©hloroform getränfter Vaufd) befinbet,
fd)toar3e Drifots gehüllt, feine näd)tlid)en Vaub- nähert fich oorfid)tig bem Vntlih bes Schläfers ...
3üge unternahm. ©r atmet ruhig... Ohne $aft oollenbet fie ihr
©s ift eigentlid) befd)ämenb für bie männliche Vaubtoerf. Sie fd)Ieid)t hinaus. Vod) ein Sdjritt
©rfinbungsgabe, bah es fich hier um fein Original- unb fie ift in Sid)erl)eit... „$alt!“ — SRit eifernem
.1 gefpenft hanbelt, fonbern bah ,,©raf bu ^Saffp“ Drud umfaht eine ftarfe §anb ihre bebenben
nur fopierte, mas eine Srau — eine Sran3öfin — Singer ... Verloren — fie ift gefangen — bas
als erfte erfann. Sie nannte fid) ©räfin be Spiel ift aus ... 3. £ 0 r m
Veidje Veute
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Über £artb urtb 9Jleer
3u attbern trefflidß eitigericßteten Sehr*
gebauten ber blüßetibert £ocßfcßule her
jcßönett ©cßroarjroalbftaöt greiburg im
S3rei§gau, an ber aüiäßrlicß mehr al§ bret*
taufenb ©tubierertbe ißre 2lu§btlbung
fucßeti, tritt jeßt ba$ neue, groß angelegte
S?oHegienßauS. ©in Slacßbar be§ präcß--
ttgen neuen ©tabttßeaterei. nact) ißlänen
ber ißrofefforen SRaßel unb Sifling au§
rotem ©anbfteirt erfteßt, foU e» im £)lto*
ber jur ©röffnung gelangen unb einige
tiocß au§ alter .Bett ftammenbe §ocb«
fctjulbauten $u erfeßen boten. Sin biefe
fttüpfen fidh oerfcßtebene bemerfen§merte
©rinnerungen; fo oeranftalteten im großen
fteftfaalbau bie brei§gauifcßen ©tänbe eine
Steiße oon Sßeateroorftellungen ju ©ßrett
ber 23raut 8ubroig§ XVI., ©räßersogin
SDlaria Slntoinette, al§ biefe im SJtai 1770
auf ber Steife ttacß S?ari§ in greiburg
Slufentßalt ttaßm. — 2>ie Steu» unb Um=
bauten be§ §auptbaßnßof§ ju §agen in
SBeftfalen, bie feit furjem beenbet finb.
itrnren infolge oon umfängltcßen ®iet§*
oerlegungen mit umftänblicßen ©rbarbeiten
ganj befonber§ Joftfpielig, ßaben ber ©tabt
nun aber aucß ein präcßtige§ monumen*
tale§ Saumerl oon eblen formen befcßert.
®5ot. tß. Sctgen, ${i|Te(bcrf
$er umgebaute §auptbaßnßof ju §agen in SBeftfalen
tP6ot. ®. LKobcfe,
®a§ neuerbaute StoHegienßau§ ju greiburg in 33aben
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bud)§ finb beraugnebmbar. @oennec£en§
Slrtitel finb in jebem befferen ©cbreib«
roarengefdjäft ju haben ober oon g.
©oennecten««onn ober «erlin, tauben»
ftrafee 16 / 18 , unb fieipjig, alteß 5Kat*
bauS, bireft ju bejiehen.
«leureufe ift eine ganj entjücfenbe
Sßartfer ©traufefebermobe! 2>er etegan«
ten, faprijiöfen granjofin roar bie
©traufcfeber nid)t mehr apart genug,
unb fo oerfielen ingeniöfe SDlobebamen
auf bie ^bee, an ben £altn ber Straufj«
feber einen jroeiten unb britten £alttt
ju binben, io bah bie geber nun meid)
unb fetbig IjerabfäUt. ©ine elegantere
gebermobe ift fauin benfbar! 2)ree>ben§
roeltfeefannteS ©trauBfeberfpejtalhauS
pon Hermann £>effe, ©cfjeffelftrafje 7/8,
als leiftungäfäljigft in edjten gebern,
gantafie^ unb «lumen feit jtoanjtg
fahren befannt, hat ein großes* Säger
in biefer eleganten SiRobefeber in allen
garben unb beroirtt gern s Jlu§toal)b
fenbungen. _
©chlangenbab. «efonber§ günftig
geftaltet fid» biefeß ^ahr ber «efud)
au3 grantreich, banf einer oom hiefigen
«erfetjräperein im oerfloffenen ÜBinter
bei ben Slrjten granfreid)^ iür unfre
Thermen oeranitalteten untfaffenben
«ropaqanba. ©eit bem Slbfdjluh ber
Slrönungöfeierlichfeiten ift aud) ber 3u«
jug auS ©nglanb lebhafter geioorben. |
©a§ fdtjöne «Setter begünfiigt ben j
grembenjuflufc ungemein.
«Die ©rnäfjrung bet gliegerj
fpieüe beim beutfd)en SRunbfluge eine
grobe Stolle. 2>a6 bie glieger aüe als
einjige« HräftigungSmittel ba§ befannte
«iotnalj genommen haben, roiib nicht
nur in @port§£reifen intereffieren, roo ,
man bie auffrifchenben unb juperlaifi«
gen ÜBirfungen biefe§ too^lfcfynecfenben
Präparates fd)on feit Sah«« ju fdjä^en
roeih, ba§ auf bie SReroen fo beruhigenb
unb ftärfenb roirft. «enno König, ber i
75000«SlRar£«®erot»ner, erflärte für*
unb tlar: „$d) roätjlte Siomalj, uno ich
tann Sljnen oerficfjern, td) roerbe e§ in
Bufunft roieber roählen." /pan§ «oll«
möUer ift gleichfalls ein greunb biefer
flüfftgen Kraftnahtung, bie fid) fo be«
quem einnehmen läßt, unb fchretbt:
„Sch bin mit ber SBtrfung Sßrä«
parateg fehr jufcieben geroefen unb
roerbe eg jebermann toarni empfehlen."
Unb «runo «ndjner fagt runb heraus:
„SjBenn aüeg fo prompt geroirft unb fo
unfehlbar geflappt hätte roie meine ®r«
nährung mit «iomalj, bann fönnte id)
roahrlich oon ©lücf fagen. $d) roerbe
«iomalj allen gliegern empfehlen, benn
nichts ftählt ben SBtllen, hebt bie 2at«
traft unb beruhigt bie SReroen fo her«
torragenb toie biefeg natürliche Kräf«
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1911 (33b. 106)
159
1206
Uber £ctnö unö s Jfteer
1911. 3fr. 46
Uogelrätsel
5a, 5c, 7 e, 2g, 5h, 4i, lk,
21, 4 n, 1 o, 1 ö, 2 p, 2 r, 3 t,
1 u, 1 v, 1 w.
BorjteI)enbe BucEjftahen
fcfjretbe man tn bic gelber ber
gigur, fo bafj mit ben bereits
eingetragenen Budjftaben jebe
roageredjte Steife einen Bogel
ergibt. — 9tacf) richtiger ©in*
tragung nennen bie anstelle
ber ^ßuntte fallenben Bud)=
ftaben roieber einen „Bogel“.
(E. X>.
Streich- und ergänzungsaufgahe
Äuftfpiel, 2BaffetpfIan-$e, fiartöfyaus, 3 c ^ a Iier, $aupt*
mann, glügelborn, Äupfernitriol, Baumbadj, Äreuägug,
Oberberg, SOlaifäfer, Saigburg, SRauboogel, ^ßapiergelö,
Bobertfee, iprad)troer!, gagbl)urtb, X>ampffd^iff, SBeltfpradje,
Bforgenftern, Bogenlampe, Jßeibgarbe, Baterlanb, geber=
rneffer, $ausorben, SBalbmeifter, <r>anb[djul), §ammerfeft,
geuerroefr.
gebes ber angeführten Soppelroßrter ift berart in ein
anbres gu oertoanbeln, inbem man bas erfte SBori ftreid)t
unb burä) ein anbres ergänzt. Oie Bttfangsbud))taben ber
neuen Ooppelmörter ergeben, ber tReibje nadj gelefen ein
Sprid)roort. 3ur Bettoenbung tommen folgenbe BSörter:
Bbenb, Bblex, Stlpen, 5lmt, finita, Bürger, (St, (Eis, (Sifen,
(Ernte, gelb, §of, $trfö, Mittel, Btonb, mutter, «Rächt,
Babel, Bebel, Bot, 3?ab, «Ritter, SRofj, Schuh, See, Segel,
Uhr, 3Bärme, SBinb. §. o. b. m.
lüechselrätsc!
mit u unb a im gnnern ift's
Bon Bfrtla gu fel)en,
mit o unb e Iäfjt ftrante es
©eheilt oft non ftdj gehen.
mit i unb o lag grojg unb ftolg
(Es eirtft am mittelrneere,
mit e unb a hat unfern Bolt
(gebracht cs <3ieg unb (Ehre. g. 931.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 1102?
Oes $omonpms: Oie BStttbe.
Oesgrauennamen*Sternrfttf eis: l.grene,2.Sofie A
S.Wbele, 4. Beate, 5. (Elife, 6. Jöuife, 7.£ude, 8.Bgate. - gjabeila.
Oes Bültnbronts: 5Ret3, 3ier.
Bid)tige Söfungert fanbten ein: ©life Biebern, geb. $Stufe,
Hamburg (2); gelene ©raub Striegau (1); ®. B. 81., 'Schaffhaufen (2).
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aula ftanb 3 mifd)en ihren ©Itern. Seit*
fam aber bemährte fid) bie inftinttioe
SDtenfchentenntnis ber Sechsjährigen bet betn
fd)mierigften SDütgtieb ber gamüie, bet ©roh 5
mutter Klementine. §ier fat) fie b entlief) etmas
©rhabenes unb Rinblid)es zugleich. SDtit biefer
Sed) 3 igjährigen tonnte fie fpielen unb bie
herrtidfften Dinge oon ihr erfahren. Sie lernte
bei ü)r unb bemühte fie 3 ugleid). Die ©roh 5
mama mar ihr oon |e ein hartes, empfinbtid)es
©ut. SIII 3 U raut), bas beobachtete Sßaula,
ging bie 2Belt mit if)r um, aud) ihre Rinber,
benn bie maren ja ihre SCBett. Dah bie ©roh*
ntama burd) ihre rafttofe 3 uöenblid)feit, bie
immer nod) Unheil ftiftete, ihr eigenes 33 erhäng*
nis mar, bas begriff Sßaula natürlich nid)t.
Sie fat) aud) immer mieber ihr rafdfes 3m
fammenflappen nach ben h^ftigften Sluf*
fchmüngen, unb es gefd)af) oft, bah bie arme,
überreizte grau fid) bei ber ©nielin ausmeinte.
Sie hatte halb nichts ßieberes als bas finge,
fanfte Rinb.
3n bem Sommer, ber auf 3 mei griebens*
jahre folgte, fam Rarlmann auf eine unglüd*
ließe 3 ^ ee: er arrangierte eine gemeinfame
gamilienerhotung im ©ebirge. 3um eigenen
Kleeblatt foltte fid) Riementine gefellen, unb
Scania mürbe in ©armifd) fogar bie oierte
©eneration: ihre Urgroßmutter, grau oon
©rumbach=Delorme, fam trotz ihrer breiunb*
a<f)t 3 ig 3 at)re aus griebrid)sburg angereift
unb bezog bie Sparterre 3 immer ber gemieteten
33iIIa. 3*t ben erften unb 3 meiten Stod teilten
fich bie anbem. 3 >ebe Partei braute aud) ihr
Dienftmäbchen mit. So mürbe es nid)t bas fülle
Strbeitsneft, mie Rarlmann es fid) ausgemalt
hatte, fonbern ein t)ö<h[t belebtes Emilien?
gebäube. Die ©rohmutter 3 eigte fid) gan 3
anbers, als er fie in griebricf)sburg gefannt
hatte. Riementine hätte ihm oerfdjmiegen,
bah bas hohe Filter ihr inzmifdjen SBunberlid)*
feiten gebracht, bie für £jausgenoffen fdjmer
erträglich maren. Rarlmann fühlte fich hälb
angeefelt, hälb oerletzt, menn bie alte Dame
oergah, fid) 3 U frifieren, unb mie grau §olte,
mit Ropftud) unb feltfamen, eisgrauen 3öpf s
d)en bei ber SDtittagstafet erfdjien. Sind)
erfdjredte fie alle bureß ein plötzliches brüllen*
bes duften, hmter bem fie immer etmas zu
1911 (23b. 106)
murmeln unb zu lachen hätte. Unüberlegt er*
Härte Rarlmann eines Kages feiner SDtutter,
bah bie Stnmefentjeit ber alten grau bei Difd)
unmöglich fei; unb bah er feinen 23iffen mehr
hinunterbringen fönne. Das gab natürlich ben
erften Slnlah zum Rrieg. Klementine marf
ihrem Sohn 0ietätIofigfeit oor, morauf er er*
miberte, bah er bas gelb räumen unb in feinem
3 intmer allein effen merbe. hiergegen pro*
tefüerte Zorn, unb mährenb alle nod) ftritten,
melbete ein ungeheures ©epolter, bah bie
©rohmutter oben ihre StBafdjfdjüffel 3 erfd)lagen
hatte, bie britte in ad)t £agen, benn fie gab
es nicht auf, in 2Bafd)fd)üffeIn Sihbäber zu
nehmen. SBährenb man ißr 3 U < 5 ilfe eilte,
gab es SBaffenftillftanb. aber nur bis zum
SDlittageffen. Da brach ße* -Stampf oon neuem
los unb nod) bazu in ©egenmart eines ©aftes,
auf ben fid) £oni unb Rarlmann innig gefreut
hatten. Diefer ©aft mar ©oa SRotlfinf. Sie
hatte längft oerfprodfen, aus Slmmerfelb her-
überzufommen, aber fie trennte fich fdjmer
oon ihrem 3 ot)ännes, ber felbftlos genug mar,
ihr täglid) ben Ausflug an 3 uraten. ©nblid)
mar es ißm gelungen, fie zu Überreben, unb
tags barauf erfdhien bie fd)öne, bleiche ©oa.
2Bie freuten fid) Rarlmann unb Zoni mit
ihr! Sie fahen ihr immer mieber in bie
bunflen, etmas fernsten klugen, unb Zoni
fühte mit tröftenber 3 ärtlichfeit ihren fd>mellen*
ben Wiunb, ber an eine mit SJtehltau bebedte
5 rud)t erinnerte. Rarlmann beging feboch in
feiner 2 Bieberfehensfreube einen neuen S^hlor.
©r beftellte zu ©oas ©hren im erften £oteI
oon ©armifd) bas ^Rittageffen, lieh os in bie
25illa hmüberfdjaffen, unb feine Süiutter fahte
bies fofort als ein SRihtrauensootum gegen
bie Rödhin auf. Sie behauptete, jetzt enb*
gültig zu miffen, bah ihr ©ffen nid)t fd)mede,
unb machte bei jebem ©erid)t eine malitiöfe
©emerfung über bie foftfpielige ^aushal*
tung: brei Dienftboten unb bas ©ffen aus
bem §otel. Rarlmann ergrimmte, bod) Sortis
$anb beruhigte ihn unter bem Sifd). ©r
genierte fich unfäglich oor ©oa, obmohl ihm
biefe burch aufmuntembe 23Iide zu oerftehen
gab, bah es ihr oiel zu lieb fei, bort zu fein,
als bah fie auf bie 2Bunb erlief eiten ber SIRutter
achtete. 2 lm peinlichften aber mar es, baß
f^rau oon ©rumbad) noch immer nicht bei
Sifd) mar. ©ntmeber fühlte fie fich beleibigt,
ober menn fie fam — in meidjem Aufzug
mo<hte fie fommen? 5Ratürlid) erfdhien fie
erft bei ber ©ans — unb fonberbar — in
graufeibener Staatsrobe h<mte, fein frifiert,
mit Spitzentuch unb foftbarem Familien*
fdjntud. Rarlmann atmete auf. ©r fat), bah
©oa fidh fehr für bie greife Urahne intereffierte,
unb fprach oon je|t an fo fleißig bem IRübes*
heimer zu, bah er nicht ernft bleiben fonnte,
als bas ©efpräch ber Damen eine Rette oon
SOühoerftänbniffen mürbe. ©oa hätte nocl)
nidht begriffen, bah es in grau oon ©rumbaä)s
Ropf nicht mehr ganz richtig mar. Sie oer*
mechfelte bie ©enerationen, unb bas mar fehr
oermirrenb. 2Benn fie 00 m ,Rinb‘ fprad),
glaubte ©oa, bah Marita gemeint mar, unb
als fie ihrerfeits nad) ben puppen bes Kinbes
fragte, erflärte bie Sitte entrüftet, Rarlmann
habe niemals mit puppen gefpielt. Sonis
Stusfehen mürbe befprochen, unb grau oon
©rumbach meinte, bie ©ebirgsluft tue ihr
fehr gut, fie t)äbe einige Runzeln meniger.
©oa ftaunte — aber natürlich mar Riementine
gemeint. Slls Rarlmann mit rotem Ropf
tjerausplatjte, marf Soni ihm marnenbe 23lide
ZU. Die Romif biefer 33ermed)flungen hatte
für fie einen tragifdfen Unterton. Diefem
alten, oerlöfchenben ©eift mar alles, mas er
Zur 2Belt gebracht hätte, ein Spiel gemorben.
Soni fonnte über menfdjliche ©ebredfen nid)t
lachen. Sluch ©oa bezmang fich, obmohl es
ihr luftig im ©efidft 3 udte. $löhli<h) tranf
grau oon ©rumbad) ihr mit bem 9Ü)einmein*
römer 3U. „Profit, liebfte 5Reubrinf!" rief fie
mit ihrer oollen, tiefen Stimme. Sie nannte
©oa nidht mehr anbers, unb biefe lieh bie 33er*
medhflung mit einer griebrid)sburger SRegie*
rungsrätin gern über fid) ergehen. „Sie ge*
fallen mir!“ fuhr bie Sllte fort, inbem aus
ihren fd)einbar erlofdhenen Stuglein ein giftiger
Seitenblid auf Rarlmann fiel. „Sie unb
3 h* ®iänn — 3 h* feib tüdhtig!“
,,3d) banfe eh*erbietigft für bas Rom*
pliment, grau $ofrätin,“.ermiberte ©oa heiter,
„aber id) glaube, mir alle hier häben es, fofern
mir tüdjtig finb, oon 3 h*ten gelernt!“
„$Ra, idh meih nit," brummte bie Sitte,
ein brittes ©las tRübesheimer ausfd)Iürfenb.
,, 3 d) halt midh lieber an bie £atfadjen als an
bie groben SBorte. 3h* -SRann hät immer
2 atfachen geliefert, nit mahr, bas meih bie
SBett, unb Sie, Sie finb feine ©enoffin.
Slntonie hät ja Slßnlichfeit mit 3 h 1 *en, aber ..."
grau oon ©rumbach liebte es, Zoni ben
oollen Stamen zu geben. Das Slber, mit bem
fie ihren Sah fd)Ioh, mirfte oerftimmenb unb
oerftummenb. 9[Ran muhte, auf men es zielte,
unb ber arme Rarlmann mar eben fo freubig
babei, ben Seft 3 U entforfen.
3 n feltfam heftiger SBeife, als ob fie ihrer
rechten $anb nicht mehr ganz mächtig märe,
trommelte bie ©rohmutter bamit auf ben
2ifd), inbem fie fortfuhr: „Stach meiner SJlei*
nung ift ein SDtann hält nur ein StRann, menn
er mas geleiftet hät. Dann tann 'ne grau
ZU ihm aufbliden. Die grau foll deinen 23eruf
laben, fonbern ber SDtann."
„©rohmutter, nimm ©is," bemertte Rle*
mentine, einen 3 uftimmenben Seitenblid auf
157
1190
Über £anb unb Süleer
1911. Rr. 46
Doni roerfenb. Sic t)attc gegen ben ©rbbeer«
eistegel foeben ben elften Streif geführt
unb ab felbft fehr eifrig.
„9®enn id) roeib, was ’n. ©tarnt für ©er«
bienfte bat, bann bin ich für ihn 3 U haben —
fonft nit. " $rau »an ©rumbadj fagte es hart,
roie eine (5 ericf)ts entf d) eiburtg.
,,X>odE) roie ficE) ©erbienft unb ©Iüd oer«
letten — h™ — bas fällt ben Doren niemals
ein," murmelte Karlmann.
„9luf tuen gebt bas, bitte?" fragte bie
9Ilte fharf unb plöblid) gar nicht fhtoerhörig.
„SBeinberge mub ber liebe Herrgott be=
gieren, fonft bleiben bie ütRainger ©elbfäd'
leer," fügte Karlmann tübner hinsu.
„Obo! Der liebe Herrgott, mein 3nnge,
ber fegnet alleroeil nur bie Düd)tigen!"
„Ra, manchmal fiebt er auch nicht hin. ©r
mub bocb feinen Segen unb liegen irgenbroo
Iosro erben."
. „Das halt ich für £äfterung, Karlmann!
3a, für ßäfterung!" Sie fuchtelte mit ihrem
Gislöffel.
„9Iber, ©robmutter!" rief Klementine.
,,©fht, Karlmann!"
„Karlmann, fei ftill," flüfterte Doni.
„Die ©rumbacbs haben immer ihren ©tarnt
geftanben," lieb ficb bie 91Ite unbeirrt oer«
nehmen.
„Die Romingers auch,“ erroiberte Karl«
mann. „3h bin nämlich ein Rominger!"
„So 3 eig's — fo beroeif' es!"
„Das hob ich fhon getan oor Leuten, bie
roas baoon oerftehen, liebe ©robmutter."
„So?!"
„91ber getoib, 3rau §ofrätin!" ooarf ©oa
rafcf) ein. „9Reüt 9Jtamt tarnt es 3hnen fh*ift s
lidi) geben, roenn Sie ben 9Bunfh haben."
„Ra, ich hab noch nix baoon gefehen!"
„Schabe, fchabe," brummte Karlmann, ©is
löffelnb. „3h roerbe bir hintereinanber ben
SBibugaft, meine gefammelten 9luffäbe unb
ben Kampf ber roeiben unb ber roten 5Hofe
oorlefen." 911le lachten.
„Rit nötig, mein Sieber! 3$ f<h)taf noch
recht gut!"
„3rau £ofrätin finb nicht fehr höflidR“
jßieber lachten alle, unb bas lentte be«
freienb ab. Doch ber ©xplofioftoff bes litt«
ausgefprochenen blieb, ©r lag roie eine ©e«
roitterroolle über ber Dafelrunbe. SBährenb
bie 9llte nach h*e* ftarten ©motion roieber
in Stumpfheit oerfiel unb fiel) bem Deffert
guroanbte, geriet Klementine in fteigenbe lln«
ruhe. Doni betrachtete fie forgenooll, buch
tonnte fie es nicht hebern, bab bie ©tutter
halb unberoubt he*ousplabte: „ 3 a, man hat
fchon fein Kreu 3 mit eud)23uben!"
3ebt fuhr Karlmann mit 3ornesröte auf:
„9ßen meinft bu, ÜRutter? ©aula ift bod)
noch fehr flein unb ein SRäbel!"
„Rein, nein, bie Konfufion oon alten
Seuten mach ih nit! 3$ mein fhon bich,
Karlmann! Dich unb ben ©hilipp!"
„9Jterttoürbig, roie lange man hoch in ber
Schule fibt," roanbte fich Karlmann 3 U ©oa.
„3a, bu bift oiel 3 U zeitig aus ber Schule
gelaufen."
„Kinber, ift bas eine angenehme Difh«
Unterhaltung!" rief Doni, ihre erlebten SBangen
mit ber Seroiette fächelnb. „Unb fo amüfant
für unfern ©aft!"
„Oh, bitte, man braucht bas gar nicht
perfönlicf) —"
„Sehr richtig, ©oa! Rieht perfönlih!
9Iber bas hält in biefer Dafelrunbe unenblich
fchroer," jagte Karlmann, tief atmenb. „3<h
bin and) bringenb bafür: bleiben roir mtperfön«
lieh- ©efpredjen roir mal bie fragen gan 3
obfeftio, liebe 9Jtutter."
„9lber nit jebt — nachher, beim Kaffee,"
lachte Doni ge 3 toungen.
„Rein, jebt!"
„Dann geh bu in ben ©arten, ©all fpielen,
gaukle — gelt, mein ©olbtinb ? ©eh! ioier
ift's bir bod) gu Iangroeilig!" ©aula lief fofort
hinaus, ins fonnige Ureie.
„Die fpibt f<hon bie Ohren!" rief Kiemen«
tine. „Der ift's nie Iangroeilig, roenn bie
©rohen fdjroäben!"
„ 3 a, roarum fdjroäben aber bie ,©roben‘?"
erroiberte Karlmann. „SBarum fiben fie immer
auf ihrem 9lltersthron unb forbem unb be«
fretieren unb hoben es felber nicht beffer
gemacht? 3h* hobt ein Kreu 3 mit ben ©üben?
3 h*? 3 a, roenn bie ©üben nun mal jagen
täten, roir hoben ein noch gröberes Kreu 3 mit
euch? 3ah* nicht auf, SRutter. Rein unperfön«
lieh jag ich bas, benn he*ousgeforbert bin ich
roorben. 3 d) bin immerhin fiebenunb 3 toan 3 ig
3 ahre alt unb fibe hier an meinem Difh unb
roerbe tatedjifiert oor meiner 3 *ou unb oor
meiner 3*eunbin. Der Philipp —“
„9Um? 2 Bas ift mit bem ^jßhütpp?“ fragte
Klementine atemlos.
„Der ift holt gefcheiter als i^. Der lebt
in Dresben."
„Oh, roenn id) bich ftöre —!"
„Kinber, Kinber!" rief Doni. „3<h louf
auch gleid) in ben ©arten 'naus!"
„9tein, nein, bleib h^r, Doni, roir roollen
uns mal tlar roerben. Uber uns felber."
Karlmann rourbe hart urtb erregt, ©in inneres
Seiben tarn aus ihm heraus. „ 3 <h für meine
^Serfon tenne nichts höheres. Unbarmher 3 ig
tlar roill ich mir roerben. 3 <h höbe fieben 3 oh*e
roie ein Kuli gearbeitet — roie ein Kuli. Sag,
Doni — bin id) faul geroefen? 9ta alfo. Die
©robmutter fd)läft — für Rechtfertigungen
intereffiert fie fid) nicht. Dab ich *to<h nid)ts
3 uftanbe gebracht habe — fo roie ihr es meint —
tlingenbe S 0 tün 3 e — nun — rooran liegt bas?"
„9tn mir!" rief Klementine mit imkern
£ad)en.
„9ta, 9Jtutter, roenn roir ehrlich ins ©eridjt
gehn —"
„Karlmann, id) bitt' bich —
„9tuhig, Doni! 3^ *^be ich!"
„£ab ihit hoch reben! 2 Birb nit mehr oiel
©elegenheit ba 3 u haben!"
„Du febt bir immer felber ben Stuhl oor
bie Dür, Rtutter, unb behaupteft bann, bab
ich es tue! Dies 93tanöoer fenn ich !
gehft bu bie SBahrheit! 91ber ich roill ja ruhig
bleiben! 9tein, ÜJtutter! ©in Kinb, ein Sohn,
bas ift etroas, roas roie ein Kunftroert Religion
bes Schöpfers fein mub! Religion! 93er*
ftehft bu bas, roie ich es oerftehe?!"
„Schrei nit fo — bu haft oiel 3Uüiel 9Bein
getrunten!"
„Das mub man — tünftliches ©lut ein«
führen, roenn man tein echtes mitbetommen
hat!"
„ 2 Bas fagft bu ba?"
„©in 3 *oitter bin ich — ©ott fei's getlagt.
3 h* hobt mid) m §albbilbung feftrennen laffen,
bu unb ber ©ater! Oh, es ift fdjredlid), holb
aus §ol 3 unb holb aus ©belmetall 3 U fein!
Ober einen 2Burm in ber SBursel 3 U tragen,
einen nieberträstigen, gemeinen, fd)Iei<henben
SBurm, ber es gerabe noch ^uläbt, bab bie
3 *oeige bes ©aumes grob roerben, fdjattig
unb herrlid), bab ein ©Iütenbad) entfteht, eine
3 *ühlingstird)e — aber leine 3 *üd)te, teilte
3 rüd)te!"
„ 3 atf^e ©r 3 iehung," brummte bie ©rob¬
mutter aus ihrem |jalbf<hlaf.
„3a! $ab Dant für bein Urteil, Rite!"
fd)*ie Karlmann unb ftieb fein ©las fo ^eftig
an bas ber ©robmutter, bab b'etbe 3 erbra<hen.
„ 3 alfd)e ©r 3 iehüng! £eben hinausjagen!
9Jüt falfchen ©orausfebungen! Oh, tönnte man
nod) einmal anfangen! Roch einmal gutmarchen
all bie blöbfimtige $irnIofigteit mit bem, roas
einen bas Deben gelehrt hot! 3 m 3 erier!
3 m roahren ^euer 1 Rber fo entfteht ein 9Bibu«
gaft, ben Schiller angefangen unb ein Stümper
burchgeführt hot! So molt man ©über in
tnienber Demut oor allem ©robett, unb
Rrnolb Ringer ficht fie an roie äßibblätter
im ©afe!"
Klementine prebte bas ©eficht in bie |jänbe.
911s Karlmann mit pdenben Kippen unb ge«
fträubten paaren feine Selbftoernid)tungsrebe
geenbet hotte, fuhr fie fd)Iuch3enb auf: „Ra,
ift er benn nit oerrüdt? 2Bas jagt ihr? 2Bas
jagen Sie, ©oa? 9 ©er fo etooas über fi<h
felbft jagt, 3ur 3*ou, 3ur eigenen SRutter: ift
ber nit oerrüdt?!" *4
„ 3 um Donnerroetter!!!" ©in S<h*ecfens«
fdhrei brach los — Karlmann hotte mit beiben
häuften auf ben Difd) gefchlagen, bab bie
§lafd)en umfielen, bie ©läfer 3erbrad)en unb
bas rote, 3erlaufene ©is über bas Difchtuch
rann, ©r roar aufgefprungen. Doni hielt
ihn am Rodfd)ob feft. 91 ber er fcf)üttelte fie
ab unb flüfterte mit erftidter Stimme: „ 3 h*
follt mich md)t oerrüdt madjen! ©ntfchulbigt,
bab bie fffaffung uerloren habe. Rlahlseit."
©r ging mit hallenben Schritten hmous.
Die 3 u *üdgebliebenen fchroiegen. ©oa
nahm Donis §anb, ba biefe 3U roeinen anfing.
„ 91 ber," flüfterte fie — „id) tenn' bas ja —
bas finb Reroen —"
,,©r hot es fo furchtbar fchroer!" jammerte
Xoni Ieife.
„ 3 ohannes jagt, er mub es fchroer haben."
„Rber fo — aber fo!..."
Klementine, bie alles angerichtet hatte, fah
finfter oor fid) hin. Dann bemertte ©oa plöb=
lieh lächelnb, bab fie anfing, mit grober Sorg«
falt ©irnen 3U fdiälen. ©oa fchüttelte ben Kopf.
„So get)t ; s bei uns 3U," begann jebt Kle«
mentine. „Sie roünfchen fich roohl tn 3 h*
9 lmmerfelb 3urüd? 3 d) glaub ; s, ©oa. Drinten
Sie Kaffee? 3 n empfehlen. Dirett aus
©remen. Du, Doni, ruf ben Karlmann 3um
Kaffee... ober meinft, bab es feinem §er3en
nit gut tut? 9 Jlein ©ott, nun finb roieber
brei oon ben teuren ©läfem 311m Deufel.
3 d) glaub, roir müffen bas gan3e Seroice in
©armifch laffen." —
©oa lehrte nach 9 tmmerfelb 3urüd. Das
Rüttageffen, an bem fie teilgenommen hotte,
roar bie Krifis ber gemeinfamen Familien«
erholung geroorben. SRan trennte fi<h in ber
nächften © 3 o<he. 3^^* hotte bas ©ebürf«
nis, fich allein oon ben anbern 3U erholen.
Die ©robmutter reifte 3uerft. Dann folgte
Klementine, Sie roar roieber einmal ooll«
ftänbig beleibigt. 9 ©ieber einmal rourbe
Philipp ih* befter Sohn — fie reifte nicht nach
©tünchen, fonbem nah Dresben, um bort
Droft unb ©erftänbnis 3U finben. 911 s fie
ihren ©ntfdjlub, ber eigentlich olle aufatmen
lieb, mitteilte, gefhoh bas Seltfame, bab
^ßaula fhluh3enb baoonlief. Doni ging ihr
nah 00b fanb fie im ©arten, in einer ©eib=
btattlaube oerftedt. 3*omer noh 3udte ber
Heine Körper, unb enblid) tonnte Doni bie oer«
3roeifeIten äßorte h^*aushören: „Sie tommt
niht — roieber! Die ©robmama tommt nicht
— roieber! . .."
„ 91 ber ^aulale — roas fällt bir benn ein?
Ratürlih tommt fie roieber. Sie bleibt nur
ein paar 9 Bohen beim Ontel ^hlüpp in Dres«
ben — bas ift gut für fie — roeibt — bie 3 e * e
ftreuung unb bie 91 broehflung — aber im
$erbft — ba ift fie roieber bei uns unbjbringt
bir roas Schönes mit."
„91<h, ©robmama hot ja geftern 3 U mir
gejagt —",
„Ra, roas benn? ^eul bod) nit fo! 9 Bas
hat fie 3U bir gejagt?"
„Sie geht! Sie roill fort! Denn hier —"
„<5ier — ?"
„§ier hot fie niemanb lieb!"
„©laubft bu bas etroa?! ‘paula!"
©aula fhüttelte ben Kopf, antwortete
aber niht unb ging in ben ©arten hinaus.
Doni blieb gan3 erfhroden in ber Kaube fiben.
Sie mubte jebt hoppelt oorfihtig fein. Dab
nur bas ©ift ber Romingerleibenfhaft, biefer
falfchen, fhnell oerraufhenben, nid)t auh in
©aulas Seelchen tarn. Das grobe Kinb Kle«
mentine hotte roieber ohne ©ebenten bas
©efährlihfte bem tleinen Kinbe gefogt. Rie«
manb hotte fie lieb! — Doni nahm fih
3omig oor, auf bie 3*eunbfhoft ber Sechs«
jährigen unb ber Sed)3igiäh*igen fharfer
ad)t3ugeben.
1911. 9tr. 46
Über fianb unb Ofteer
1191
v
gran 3 Otto 23raumüller mar in Berlin
feinen Weg tüchtig oormärts gekritten. Aus
ber £ol 3 mo!le toar er längft heraus unb nahm
als £eiter ber oereinigten £inoleuntfabrifen
eine mistige Stellung in ber ©rohinbuftrie
ein. Was griebrid)sburg ihm nicht gebracht
hatte, tourbe ihm in griebrichsberg suteil —
er mar ftommersienrat gemorben, er galt
jetjt allgemein als ein reicher Wann. 23on
Domherein opferte er biefem Nimbus freilid)
mehr, als in Wahrheit bahinterftedte. Das
gefährliche Wettrennen 3 um ,©ipfel‘ ber ©e*
fellfchaft, auf bas fiel) ber fonft fo nüchterne
Wann einlieh, mürbe 3 um größten Seit burd)
feine 23ermanbtfchaft mit ben Aomingers oer*
fchulbet. Warions Anfprüd)e an ein monbänes
£eben, burd) bie fie fiel) über bie £)be bes
ehelichen fjmmegtäufd)te, bie oielen neuen
Se 3 iehungen, in benen fid) feine eigene ©itel*
teit fpiegelte, liehen ©raumüller nicht 3 ur
Auhe tommen. gran 3 Otto muhte im Snner*
ften: er mar ein plumper, unfeheinbarer ©e*
fchäftsmann — mit groben Damen, ©eheim*
raten unb berühmten Zünftlern 3 U oerfehren,
mar ihm uid)t an ber Wiege gefungen. Zieles,
mas er mit harten £jänben fefthielt, hatte fid)
mie ein Schmetterling 3 U ihm oerirrt, ©r
liebte an feiner grau allmählich mehr bte
frembartige, berüdenbe Atmofphäre als fie
felbft, bas feine Wenfchenfinb, bas ihm in
23aben=23aben ©ehör gefdjenft hatte. Aaufd)
unb Draum maren längft bal)in — ein praf*
tifches Aebeneinanb erleben trat an ihre Stelle,
bas ftillfchmeigenbe Hbereinfommen, fid) nichts
mehrüor 3 umad)en. Der
glud) einer ,mobernen
©he‘ legte fid) unauf*
haltfam auf gran 3 Otto
23raumüller.3ebesbür*
gerliche 3 u lammenle*
ben glitt ihm, ber es
einft über alles geftellt
hatte, aus ben $änben.
Die prüfenben klugen
anbrer, bie auf feiner
grau ruhten, mürben
ihm mehr als bie eige*
neu klugen. ©rfd)müdte
Warion nicht für fid),
fonbern für bas Urteil
ber Welt, geben Wunfd)
erfüllte er ihr, nur um
immer mehr als ber
reiche 23raumüller 3 U
gelten. Dod) mochte er
tun, mas er mollte —
Warion langmeilte fid).
gran 3 Otto mar ©e*
fchäftsmann — ftumpf
unb fd)mer blieben feine
Dage oon ^3flid)ten aus*
gefüllt, ©r 3 eigte fid)
ratlos oor ben rafdjen
unb fpöttifd)enAnfprü*
d)en feiner überlegenen
grau. Unb nod) etmas,
etmas oiel Schlimme*
res brüdte ihn nieber.
Diefe grau hatte einft
einen guten, ehrlichen
Willen 3 U ihm gehabt.
Sie hatte fid) ihre 23er*
Iiebtheit fuggeriert —
auf menige Wonate
freilich mir — bann
mar fie in©nttäufd)ung
unb Unruhe 3 urüdge*
fallen, ©raber erfd)raf,
als er bas Wunber ihrer
fdjönen s $erfon in fei*
nem 23efih fah- ©tmas
mie Aed)tlofigteit bäm*
nterte in ihm auf, unb
eines Aad)ts hatte er
böfe, halb traumhafte
Worte aus ihrem Wunb
Sei jebem gour erfd)ien ber hagere, elegante
Wann mit bem grauen 5lnebelbart unb ben
fdjarfen 2lugen. Weiftens fd)mieg er unb hörte
3 U, ein Ieifes, mofantes £äd)eln in ben ge*
furchten 3ügen. Starr ruhte fein 23Iid babei
auf ber 3 ierlid)en, bemeglichert Hausfrau, bie
immer nur mit Wännern fprad), mie ein ängft*
lieber Sogei oon einem 3 um anbem flatternb.
Sie lachte, fie fdjer 3 te mit allen, aber ihr
£er 3 mar ooll Obe unb Un 3 ufriebenheit.
©raf 5üld)berg mar ein grauenfenner. ©r
muhte genau: 3 U ihm tarn fie nod) nicht auf
ihrer ©lüdsfud)e, bie arme Wariort — erft
mar ein Ummeg nötig. Dem fatten gabri*
tanten ba, ber fid) ben ^3arabiesoogel an*
geeignet, entflog fie 3 U einem Wenfdjen, ber
nichts als fung mar, jung unb oerliebt. 23on
folgern Abenteurer, ber natürlich meiter 3 og
unb in feiner ©efaf)r erlag, muhte fie erft
oerlaffen merben, um mübe unb fchulbbetaben
bei ihm, bem mähren, bem biplomatifchen
greunbe, unter 3 ufried)en. ©raf 5tild)berg
martete. Aber bie Sorftation, bie feine brutale
Sfepfis guthieh, mar fchon ba. ©r überfah
ihn nod), ben jungen, auffallenb hübfd)en
Aheinlänber, ben Sohn oon gran 3 Ottos
beftem ©efdjäftsfreunbe: §ans oon §epben
mar mit ©mpfehlungsbriefen feines Saters
nach 23erlin gefommen. Warion erfannte bie
Senbung biefes Jünglings mit bem erften
Süd. Der fd)lanfe 3 man 3 iger mit feinem
braunen £>aarfd)opf unb ben aggreffioen, etmas
aufgeriffenen Augen mar einer oon ben naioen
graueneroberem, bie immer mieber in £uft
unb £eib erfahren miiffen, mas bie Aatur
aus ihnen gemacht hat.
Sie fiegen, mohin fie
fommen, unb haben es
gar nicht gemotlt. ge
mehr ihnen aber bie
mpftifche ©efährlid)feit
ihrer *perfon bemüht
mirb, befto raffinierter
lernen fie ihre Wittel
gebraud)en unb bühen
allmählid) für feinere
Augen ihren Aei 3 ein.
So ftanb es um £>ans
oon §epben. Warion
mar bie erfte grau
nid)t, bie ihm erlag,
unb nur reife grauen
gerieten in feine Aehe.
grau 51ontmer3ienrat
SraumüIIer mar oier*
3 ehn gahre älter als
ber hüöfd)e Solontär
bes ©atten. Siel lernte
§err oon £jet)ben in
ben Sereinigten £i*
noleumfabrifen nicht.
Aach griebrichsberg
hinaus mar es ihm 3 U
meit, aud) menn er
bas fommer 3 ienrätlid)e
Automobil benutze, ©r
machte fich lieber in ber
Srioatmohnung feines
©önners am 5lur*
fiirftenbamm nü^Iicf).
©in ftänbiger Abjutant
ber Hausfrau, beglei*
tete er fie auf ihren
©infaufsfahrten in bie
Stabt unb bilbete fid)
3 u einem geftarran*
geur aus, um ben
man Sraumüllers be*
neibete. £>ans mar
mirflid) jung, ooll quel*
lenber griffe, fein rt)ei*
nifcher §umor nahm
ben ©riesgrämigften
gefangen.
(gortfefcung folgt)
Sh loh Werenmag. Aach einer 3 e ^ nun 9 ü °n ßeopolb Soh
oernommen: er mar ihr oeräd)tlid). Wie eine
geflohene Schnede 30 g fich ber primitioe Wann
in fid) felbft 3 urüd. ghre ©he erlahmte. Schleier
fielen 3 mifd)en ihre Seelen, unaufhaltfam, fie
allmählich gan 3 oor einanber oerhüllenb. Hm jo
lauter aber fetjte bie ganfare bes £ebens ein
unb rih fie hmmts in Oberflächlichkeit unb
©enuhfudjt. Doch mährenb Warion noch mie
ein irrenbes 5Ünb nur fah unb hörte, nur nippte,
griff ber £jerr Rommer 3 ienrat nach reeller ©nt*
fd)äbigung. Alles biente feinem ©elbe, alles
flog ihm 3 U — meshalb follte er fid) ba nod)
oor bem Urteil ber Aomingertod)ter fdjeuen?
©r arbeitete für fie unb brauchte feinen £ot)n
bafür. Die grau, bie ihm nicht gehören mollte,
mochte ber Welt gehören, ©r ftieg in bie
heimlichen ©rünbe ber ©rofjftabt hmdb, er
lieh fid) fein eigenes £eben enblid) etmas
foften. Wer fah es? Wer oerriet es? Unter
ben Wännern feines Greifes herrfhte ftill*
fhmeigenbe ©inigteit in biefen Dingen. Unter
ben grauen aud), fabulierte Sraumi'tller.
Seine grau felbftoerftänblid) ausgenommen.
Unb fo blieb es, bis §ans oon §et)ben auf ber
Silbfläche erfd)ien, bas golbene Räuschen aus
51öln am Ah ein. Sis bahin mürbe Warion
3 ur ©hebreherin mohl oorbereitet. Sie erfuhr
oon bem ©eheimleben ihres ©emahls, fie mar
beleibigt mie eine Aeuoermählte, aufgeriffen
im Snnerften unb oon Aad)e erfüllt.
©raf 5üld)berg blieb beharrlich in ihrer
Aähe. ©r aber mürbe nid)t ber §ahn im 5lorbe.
©r mar 3 U alt, bie Spionage feines gelb 3 uges
gegen bie 33raumüllerfd)e ©he offenfidjtlich-
©r fah in grau Warions Salon unb martete.
(Eine 3 ahme £ömin
3 m Atelier bes Zünftlers
^^ie uralte Stabt Äöln am 9?I)ein, einft ber Sit}
^J großer Kunft unb ^oI)en 5tunftfinnes, tjat
aud) in neuefter 3eit bem Baterlanbe Ijeroor-
ragenb begabte itünftler gefdjentt; bie alte, reiche
Colonia hat fid) aber nicht immer um biefe if>r
3 ur ©hre gereid)enben Söhne fo bemüht, mie man
es münfctjen füllte.
O quae mutatio rerum!
Der mit ihr rioalifierenben, in ben lebten
3 ol)r 3 ef)nten in fctjier unerhörter SBeife fid) aus«
bebnenben ftünftlerftabt Düffelborf mar es oor«
behalten, fid^ biefer jungen Kölner Dalente an«
3 unehmen unb fie 3 U förbern.
3 u biefen neueren heroorragenben jungen
Zünftlern gehört ber Dierbilbl)auer 3 ofeph fallen«
berg. Dierbilbhauer non feiner Qualität gab's
nur menige, foId)e oon einem fo gebiegenen unb
grünblichen, umfaffenben Stubium ber 3ooIogie
im allgemeinen unb ber Anatomie teinen, ber
ihm gleidjt.
(Er mürbe am 26. 3tuguft 1882 geboren. Bon
frühefter 3 ugenb an liebte er Diere Ieibenfd)aftlid),
ber burd) Bobinus berühmt gemorbene Kölner
3 ooIogifd)e ©arten fd)ien ihm ein ^arabies; fo
oft er nur tonnte, befugte er ihn, unb fd)on als
5tnabe begann er bie geliebten Diere 3 unäd)ft in
2 Bad)s 3 U formen.
3lls es ihm gelang, im 3öbre 1900 in bie 31 ta«
bemie ein 3 utreten, mar er fd)on ein gefdhidter
Bilbt)auer. 9tur fur 3 e 3eit hielt man il)n in ber
oorbereitenben 3 eid)entlaffe, bann ging er in bie
Bilbljauertlaffe über, in ber er, mie aud) nebenher
im Kölner 3oo» beffen ber 3 eitiger Direttor,
Dr. SBunberlid), ihm jebe mögliche görberung 3 uteil
merben lieh, feine Stubien unb (Entmürfe meift
eigenmillig unb felbftänbig ausführte.
Sd)on 1902 ©erlief} er bie 3ltabemie mieber,
meil er es nicht über fidj oermochte, fid) ber
Autorität feiner fiefjrer 3 U beugen. „ 3 <h t>er=
ftehe ihn nicht — er oerfteht mid) nicht, unb oon
Dieren oerfteht er gar nichts, unb ,5tnief}‘ mag
id) nicht, ba gehe ich lieber fort,“ äußerte er
eines Dages, unb anbern Dags räumte er fein
Btenagerieatelier.
3 n bemfelben 3 <*hre 3 ierte fein erftes größtes
2 Berf bie nationale ftunft« unb 3 nbuftrieausftellung
in Düffelborf; eine Sauhaß rnar's, 3 ©oei riefige
Bader unb 3 mei $inber fud)en einen grimmen
Baffen 3 u beden. ©in fprütjenb Iebensoolles
2Bert. (Es füllte, in Bron 3 e gegoffen, im Düffel«
borfer Stabtpart aufgeftellt merben. £eiber oer«
eitelte Büßgunft bie Bemühungen berjenigen, bie
bas fd)öne Brojett ins £eben riefen.
Durd) Vermittlung eines feiner mähren $reunbe
mürbe Crofeffor Dr. £ubmig £ed, Direftor bes
3oologifd)en ©artens in Berlin, bemogen, bem
jungen Zünftler Untertunft unb görberung in
bem oon ihm geleiteten 3 nftitut an 3 ubieten. 9Bie
leicht 3 u benten, ging Callenberg bantbar unb be«
geiftert nach Berlin unb fd)uf im £aufe eines 3ahres
eine erftaunlich große 3 tn 3 ahl ber ausführlichften,
Iebensmaßren Stubien oon Dieren aller 3lrten.
©ine %t 3 at)l biefer Statuetten mürbe in ©al=
oanoplaftit in ©eislingen hergeftellt, eine anbre
in Bron 3 e gegoffen, unb beibe Serien fanben in
Berlin unb £onbon oiele Liebhaber.
3n biefer 3eit machte Battenberg bie Betamtt«
fchaft bes Schöpfers bes berühmten Stellinger
Dierparts, ftarl $agenbed, unb erhielt fogleid)
oon ihm eine Beftellung auf überlebensgroße
Diergruppen für bas Bortal bes ©artens.
fiömengruppe
2 Bilbfd)mein
1911. 9lr. 46 Über £anb urtb 9Jleer II 93
9tomintner 9iothirfch jReitbromebar
SCRit bem Aufträge ging er nad) Köln,
roo er infolge ber il)tn burd) feinen alten
©önner Dr. SBunberlid) erroirtten Orr*
laubnis fid} auf bem ©elänbe bes 3ooIogi=
fd)en ©artens ein Atelier baute. — §ier
führte, er ben £agenbedfchen Auftrag aus
fotoie aud) mehrere größere unb eine s lln=
3af)l fleinerer eigner SBerfe, unter biefen
ben 9tomintner überlebensgroßen 23runft=
hirfd), ber in ber nationalen Kunftaus*
ftellung 1907 ju Düffelborf oom 23er=
f dj önerungsoereht angetauft unb im 3äger=
tjofpart aufgeftellt rourbe. Die Stubien
3u biefem §irfd) machte er in ben taifer=
liehen 3agben £jubertusftod unb in 9io=
minten, als er bie für eine 23rüde am
3agbfd)loß in ©emeinfchaft mit ^ßrofeffor
griefe mobellierten £>irfcf)e auf (teilte.
Diefes Kölner Atelier ift für einen
Dier= unb Kunftfreunb eine Sehens^
roürbigteit. Die 2Bänbe finb bebedt mit
©eroeihen, ©efjörnen, 2ßilbbeden, Statur*
abgüffen, Sd)äbeln großer Säugetiere,
©ine Sd)äbelfammlung oon feltener 33oII=
ftänbigteit füllt einen großen ©lasfcßrant.
Der Siaurn ift angefüllt mit ©ipfen nad)
feinen Stubien, 33ron3en unb Diertäfigen.
Piece de resistance eine saßnte Pöroin
„3ufte". Die Umgebung bes Ateliers
Straußenfamilie
toar mit 3toingern für 2Biebertäuer befeßt.
3m 3at)re 1908 befcßloß §agenbed, in
feinem Car! eine Sammlung oon oor=
roeItIid)en unb ausgeftorbenen Dieren an*
3ulegen. Diefer Clan ftüßte fid) auf bas
SBiffen, bie befonberen ^ät)igteiten unb bie
©nergie unfers jungen Kimftlers. — Unb
§agenbed hatte fid) nicht oerrechnet, toas
er plante, gelang in gan3 heroorragenber
9Beife: Callenberg ging auf ben Clan mit
roahrem geuereifer ein. ©r bereifte eine
gan3e %i3ahl paläontologifdjer Sdlufeen,
roo er bie Corftubien machte, unb fdßuf im
Kaufe oon anberthalb Satten eine Samm*
lung oon 3irta fünf3ig Sauriern, bie 3um
Deil gan3 riefige Dimenfionen haben, bar*
unter aud) einige Kampfgruppen biefer
furd)tbar an3ufehenben SBeftien.
3n303ifchen omr 3ofcph Callenberg
3ahr unb Dag in Sübamerita, roo er für
ein 30oIogifd)es 3nftitut größere Arbeiten,
23 aulid)teiten, $elf engrupp en unb 2lrr ange*
ments entroarf unb leitete, ©r hat hier unb
befonbers aud) auf ber Stüdreife ©elegen°
heit gefunben, reid)e 3oologifd)e unb pa=
läontologifcße Stubien 3U mad)en, beren
Ausbeute roahrfcheinlid) bem $agenbed=
fcßen Dierpart in Stellingen noch 3ugute
fommen toirb. £>• Sauer
1194
Hb er ßanb unb 9Jleer
1911. ftr. 46
Döö ©eridjt. SRooellette oon ^aul Dtto gorbetger
erf©miegen, mit feinem, filbernem ftlange,
tidtt bie »ololouhr auf bem 5laminfims. Das
hohe 3intmer ift erfüllt oom Duft bes ©artens. ©s
riecht nach reifen grü©ten unb gefallenem Saub,
unb bie milbe ^erbftfonne brängit fid) ßmifdjen
bie gelbfeibenen ©arbüten unb bur© bie geöffnete
Derraffentür bis meit in bas 3ünmer. ghr
ruhiger Sdjein liegt ooll auf einer f©önen,
f©Ianten grau, bie untätig am glügel f©t. ghre
{©malen, meinen £änbe ruhen Ieife auf bem
Notenpult, unb ©re klugen finb ftarr auf einen
^untt in ber gegenüberliegenben 3 tmnterede
gerietet.
Draufjen oon ber Derraffe her hört man eine
ftinberftimme fingen. Die grau am glügel
fdjridt 3 ufammen. ©in melier 3 ug, als peinige
fie ein tiefer ©rant, oerbüftert ihr ©efi©t, unb
plöp© läf© fie bie §änbe auf bie Daften fallen.
Sfteroös, in Ieibenf©aftli©en Saufen jagen bie
ginger über bas 5Maoier, f©roffe, milbe Slltorbe
{©affenb, als molle bie einfame Spielerin in ben
{©mellenben, rauf©enben Dänen etmas erftiden,
begraben, bas fie quälte.
Sin ber Derraffentür tau©t ber 3opf eines
Meinen 9Jläb©ens auf. Seine großen klugen
bliden erftaunt herein. 93orfi©ttg, als für©te fie
fi©, 3 U ftören, lorrtmt bie kleine näher. ©in
gefunbes, munteres Ding oon fünf bis fe©s
gahren, mit runben SBangen unb blonben Soden.
Sie f©Iei©t bis bi©t ©nter bie grau. Dann
bleibt fie fteljen, faft f©eu, unb bo© unruhig oon
einer gufjfp©e auf bie anbre trippelnb. ©nbli©
tritt fie gan 3 bi©t an bie grau heran, 3 upft fie
am Slrmel unb neigt fi© an ©r £©r.
„SJtami!"
Die grau bri©t ©r Spiel jäh ab unb lehrt
fi© unmillig um.
„90iami," fagt bie kleine f©nell, „i© mö©te
gern miffen — — —"
„SBas mö©tft bu benn f©on mieber miffen?
Du bift ein fehr unartiges 5Unb, menn bu bie
ÜRutter immer ftörft!“
„SRarni, i© mö©te gern miffen, ob bie Meinen
©ngel au© gahrräber belommen."
„Stein bo©, mas bu nur für alberne gragen
fiellft!"
„Slber SRami!" f©mo!lt bas Sinb. „^3apa
fagt bo© immer, i© märe ein Meiner ©ngel, unb
i© foll bo© ein galjrrab belommen, menn i©
groh bin."
„Mnfimt, bas mirb bir $apa ni©t alles fägen."
©in 83Iid ber grau ftreift bie Mp. Saftig
menbet fie fi© 3 U bem Stube unb fagt, inbem fie
es ftrei©elt, fanfter 3 U ©m:
„SBillft bu ni©t in ben ©arten gelten, |janni,
bort ©nten an bie S©aulel? SBillft bu ni©t
heute mit beiner greunbin fpielen?"
Das Sinb blidt fie freubig an.
„ga, SJtami, barf i© benn?"
„greili©, §anni Stimm bir au© ben großen
Sali mit!"
Die Siebte Matf©t fröhü© in bie §änbe.
,,©i, SJtami, bürfen mir mirMi© fpielen?"
,,©em©! . .. Den gan 3 en Sta©mittag!"
Das Sinb fpringt baoon. Sin ber Derraffen*
tür lehrt es fi© no© einmal um:
„S3is Sapa mieberlommt, SItami?"
Die grau hat fi© mieber bem glügel 3 uge*
menbet unb nidt nur. 3 uftimmenb unb mie er*
löft bur© biefes Süden. SIIs habe fie fi© oor
bem Stange ©rer Stimme gefür©tet.
„Slbe, SJtami!" ruft bie Siebte no© unb oer*
{©mirtbet auf ber Derraffe.
Die grau ergebt fi© unb blättert me©anif©
in ben Stoten auf bem glügel. ghre §änbe
beben Ieife. gn lur 3 en 3mif©enräumen folgen
©re Slugen mieber unb mieber bem ©ang bes
3eigers an ber Stololoup. Sie mirft bie Stoten
3 ur Seite unb tritt an bie offene Dür ber Der*
raffe, gn ©ren 3ügen liegt tiefer ©rnft. Stur
©n unb mieber 3 udt es neroös um ©re 3 ufammen=
gepreßten Sippen. ghre Slugen bliden ohne-3tel
ins SBeite.
png, ping ma©t bie Mp pitter ©r. Saftig
lebjrt fie fi© um. ©ine tiefe Stöte fliegt über ©r
Sinti©, ghr Sufen ©ebt unb fentt fi© fi©tbar.
gpe gan 3 e ©eftalt beginnt 3 U beben, bie gittern*
ben ginger nefteln unruhig am Slusf©nitt bes
Sleibes. Sie eilt ins 5 Reben 3 immer oor ben
Spiegel. Dann in ©r Souboir. gn fliegenber
£aft ergreift fie bie glaf©e mit Sölnif©em SBaffer,
f©raubt ben Serf©a© auf unb befeu©tet ©re
brennenben S©läfen. Dann raft fie mieber
3 urüd 3 um glügel.
Slber fie oermag ni©t 3 © fpielen. ©rf©öpft
oon ©rer ©rregung mirft fie fi© in einen gau*
teuil, bem Samin gegenüber. Die Singen ftarr
auf ben 3 ^ 9 ^ ber l©r geri©tet, fit^t fie oor*
gebeugt — Iauf©enb.-SJiinutenlang. —
Släffe unb Slöte jagen fi© auf ©ren SBangen
in immer Miseren 3ooi[©enräumen. gljre Singen*
brauen 3 iel)en fi© 3 ornig 3 ufammen. Sie fpringt
empor unb ftampft mit bem gu^e auf.
Da .. . f©ellt es.
Sie atmet tief auf. —■ SIIs für©te fie um 3 u*
finlen, taften ©re ^änbe unfi©er na© bem
Saminfims.
©in Ieifer S©rei löft fi© oon ©ren Sippen.
Die lll)r ftür 3 t Mirrenb in S©erben.-
©s f©ellt mieber — länger unb f©ärfer als
oorI)er.
Da rafft fie fi© empor. Sie manlt na© bem
Sorribor, unb ©re $Ke©te berührt 3 itternb ben
Snopf, ber bie ©artentür öffnet. Unfi©er ge©
fie 3 urüd 3 um Samin. Sie büdt fi©. Slber
mübe ri©tet fie fi© mieber auf unb [©iebt bie
S©erben mit bem gufj unter ben Samin. Dann
fällt fie matt in ben gauteuil unb ftütjt bie Stirn
mit ber £anb.
Slian I)ört raf©e S©ritte oom Sorribor ber.
Dann ein Mirrenbes ©eräuf©, mie menn SOletall
an bie SBanb f©lägt.
' Sie fpringt auf, prefjt beibe $änbe gegen bie
©ruft unb tritt f©nell an bie Derraffentür. ©e=
3 mungen, glei©gültig f©aut fie na© bem ©arten
©naus, bie Ieife bebenbe §anb auf bie DürMinle
geftü©.
33om Sorribor tritt ein $ufarenrittmeifter ein,
ohne SJiübe unb Säbel, ©r ftu©, als er fie er*
blidt, bann f©reitet er unbefangen auf fie 3 u unb
oerbeugt fi©.
Sie beugt ben Äopf etmas unb menbet ©m
bas ©efi©t halb 3 U.
„Bonjour, gnäbige grau. Sitte taufenbmal
um S 3 er 3 e©ung megen ber Serfpätung. ©rhielt
g© gütiges Sillett leiber etmas fpät."
Sie rei©t ©m bie §anb, bie er lei©t an bie
Sippen führt.
„Du lannft mi© forglos bu 3 en, Stubi . . .
heute — --"
©r tritt bi©t an fie h^an.
„$ilbe! . . . ga .. . ift benn gr©-"
. Seine Stimme ift gebämpft. Die SBorte
lommen gepre© oon feinen Sippen, mie erftidt
oon einer he©en, bangen 3 uoerfi©t.
„ 3 ur gagb," fagt fie hafttg.
„§ilbe!-"
Seine 3^nge bebt. Seine Singen f©immern
unruhig, unb bo© Mang es mie ein Sormurf.
Sie tritt gan 3 bi©t an ©n hetan, umilammert
mit beiben ^änben feine Sie©te unb fie© ©m
mit ©ren feuchten Süden feft in bie Slugen.
„SBei! i© bi© enbli© einmal fpre©en mu©e,
Slubi . . . £)ber.. . . haft bu mi© oergeffen?"
©r ma©t eine ängftü©e, abme©enbe Se*
megung unb fu©t ©re $änbe fanft oon feiner
91e©ten ab 3 uftreifen.
„Um ©ottesmillen, $ilbe! ... SBenn bie
Dienftboten — — —"
Sie f©üttelt ben 5lopf unmillig.
„Sille finb fort... Sor 3 toei Stunben ift nie*
manb 3 urüd... §anni fpielt ©nten im ©arten."
©r atmet erlei©tert auf. Sie 'hat feine §anb
freigegeben unb fe© fi© in einen gauteuil neben
bent glügel. ©r mirft fi© in einen anbern ©r
gegenüber.
©ine S<mfe ... © r blidt erregt in ben ©arten
hinaus. g©e 3 üge beruhigen fi© aHmä©i©, unb
©re Slugen ruhen faft heiter, mie in beglüdenbem
©eniefjen auf feiner ©eftalt. ©nbli© menbet er
ben Sopf unb betra©tet fie mit unfi©eren, flim*
mernben Süden. Slöp© fpringt er auf unb
ge©, bas ©efi©t geneigt, mit großen S©ritten
3 mif©en feinem Stu© unb ber Derraffentür auf
unb ab. g©e Slide folgen Iieblofenb jeber feiner
Semegungen.
„Mnb trohbem, §ilbe .. . Das hei© bo© mit
bem geuer fpielen." ...
Sie erhebt fi© f©nell, eilt 3 ü ©m ©u unb
hält ©m ge 3 mungen Iä©elnb ben SJiunb 3 U.
„Du mitlft mir bo© ni©t 3 ürnen, Sieber! g©
bat bi©, ni©t aus §a^ 3 U mir 3 U lommen." — —
©r löft ©re $anb oon feinem SOlunbe urtb legt
feinen SIrm fanft um ©ren Staden.
„Du©ätteft es benno© ni©t tun fallen!"
Das glüdli©e, frohe Seu©ten ift aus ©ren
Slugen gef©munben. 3°^uig pre© fie bie Sippen
3 ufammen unb menbet fi© häftig um, fo baß fein
Slrm oon ©rer S©ulter gleitet.
„So, üebft bü mi© alfo ni©t mehr? . . . Denn
menn bu mi© no© üebteft, lönnteft bu ni©t fo
fpredjen . . . ge© ... in biefer Stunbe — bie
i© bir f©enlen moüte als ein llnterpfanb meiner
Siebe ... als etmas, na© bem bu bi© oieüei©t
gefehnt haüen lönnteft . . . mie i© ... SBenn
bu mi© no© liebhätteft!" ruft Jie mit 3 itternber
Stimme.
©r blidt traurig auf fie nieber. Dann ergreift
er ©ren 5topf mit beiben £änben unb lehrt ©r
©efi©t fi© 3 U. g©e Slugen finb bon Dränen
oerf©Ieiert.
„Du fpri©ft mie ein 5ünb, §ilbe," fagt er ernft
. . . „unb oerftehft mi© ni©t! . . . Seit jener
Stunbe, in ber mir meine Siebe 3 U bir bemu©
mürbe, in ber i© mu©e, bah bein !?jer 3 mit bem
meinigen f©lug, gab t© bem Fimmel mein SBort,
bein für emig 3 U bleiben . . . hoffte i©, in ben
3Bi©längen ber SBelt bei bir auf Stunben reine
Harmonie 3 U finben . . . mit unfernt feeüfdjen
Serftänbnis eine fefte Srüde 3 u f©lagen über
mein liebeleeres Dafein unb — beines . . . Di©
jemals 3 U bef©en, baran h^e i© nie geba©t.
Unfre $er 3 en follten fi© hoppelt geben, mas im
äufjeren ©enuh ber Siebe uns bas S©idfal oor*
enthielt."-—
Sie minbet fi© aus feinen trjänben un ^ finit
auf bas Sofa. SBUb auff©Iu© 3 enb gräbt fi© ©r
©efi©t in bie 5tiffen. ©rf©roden tritt er heran.
Seine 91e©te ftrei©elt fanft ©r §aar.
„$ilbe!... Mm ©ottesmillen, faffe bi© bo©!
SSerftehe mi© bo©! ... Mm beinetmillen barf i©
ni©t nehmen, mas mir bas 91e©t beiner Siebe
fonft 3 ufprä©e ... Du bift bie grau eines SRannes,
ber bi© liebt unb Serge baut auf bi© als fein
©lüd, unb ber 3 ufrieben ift mit bem menigen,
bas bu ©m entgegenbringft . . . Mnb eines SJlan*
nes, ber mein befter greunb mar feit 3 toan 3 ig
gahren . . . Mnb mas für eine greunbf©aft mar
bas! 2Bir ftanben nebeneinanber oor bem geinbe,
unb mehr als einmal fing er als ber Stärlere
oon uns einen £ieb ab, ber mir galt .. . ftannft
bu ni©t oerftehen, §ilbe, bah © etmas binbet,
bah bas ein fefter 51itt ift fürs Seben?"-
Sie hat fi© aus ben Riffen aufgeri©tet. ghre
geröteten klugen heften fi© ftarr auf ben Sobert.
Sa©t hebt er ©ren 5topf.
„g© liebe bi©, £>ilbe, bas me©t bu! 31ber
i© mill nt©t, bah biefe Siebe einen S©atten auf
fein Seben merfe."
Sie blidt ju ©m auf mit einem f©ma©en
91ufleu©ten in ben Slugen.
« 3 a, £>ilbe," mieberholt er marm, inbem er
©ren S©eitel lüht ... „g© liebe bi© no©
unb —-"
Slber ba hält fie fi© ni©t mehr. Sie fpringt
auf, umf©Iingt feinen $als unb preht ©n leiben*
f©aftli© an fi©.
„Slubi! Du ©uter, Sieber, ©in 3 iger! . . . SBie
i© bir baute, bah bu mi© no© Iiebft! . . . ftüffe
mi© bo©! . . . ftüffe mi©!"
Sie f©miegt fi© feft an ©n. Das Slut jagt
©r 3 um 51opfe. gn ©ren Slugen fprüljt fladernbe
Sohe.
Da f©lieht er fie plöp© in feine Slrme,
brüdt fie ©aftig an fi© unb lüht fie. Mnb bann
brängt fie ©n nieber auf ben gauteuil, feßt fi©
auf feine ftnie unb ftrei©elt 3 ärtli© feinen Sopf.
„9Dur einmal motlte i© bi© haben, Subi . . .
©inmal mit bir allein fein, bas bih©en Siebes*
glüd für eine Stunbe geniehen . . . unb bu, bu
Sieber, ©uter, bu §errü©er, bu millft mi© oon
bir flohen? Sieh mi© bo© an ... i© bin no©
jung . . . gefalle i© bir nt©t? . . . Sinb meine
Äüffe bir 3 U f©al? gft-"
Mnb fie lüht unb ftrei©eit unb f©mei©elt
mieber uttb mieber unb legt ©ren 5topf an feine
»ruft.
„SBie glüdli© bu mi© ma©ft, bu Sieber! . . ’.
So glüdli© ..."
Mnb finnlos, in fiebernber £aft, reiht er fie
an fi© unb preht feine Sippen auf ©re gef©loffenen
Slugen unb ©ren f©mellenben, felig oerlangenben
Mftunb ... Sange ...
Da — ein ©eräuf© auf ber Derraffe.
S©nell hebt er fie empor unb fpringt auf.
Sie lann fi© aus ©rer »ermirrung laum erholen.
nnnnnnnnnnnnn
§ie 2ßürf(e?
Vlad) einem ©cmälbe non ©eb^avbt
nnnnnnnnnnnnn
1196
Über £anb unb Söteer
1911. 0tr. 46
Stil mtficperen, gudfenben ©riffen »erfudjt fie tt)r
haar 3U orbnen. Dann fept fte ftef) an ben
glügel unb müplt in ben Notenblättern. ©r tft
an ben hantln getreten unb lepnt feinen Wüden
an ben Sims. Seine leife bebenben ginger
breiten neroös bie Spieen bes Sartes.
Durch bie Derraffentür tommt §anni herein
mit »ermeirttem (Seficbjt. Die Iinie §anb ift
fpütjenb pon ber redeten bebedt.
fer meiftert feine (Erregung unb geht freunb*
Iid) auf fie 3U.
„Da bift bu ja, §anni! Wber bu bjaft ja
gemeint? “
Die grau fipt mie gebannt, unfähig, fip aud)
nur umgufefien. ©nblidp smingt fie ein paar ab*
geriffene SSorte über bie Bippen.
„Bomm per, hamti!“
Die kleine tritt an ihre Seite unb ftredt it)r
3ögernb bie linte §anb pin.
„Da, Stand,“ fcpludgt fie.
Die grau nimmt bie hanb. Dann Iet)rt fie
fiep »orfieptig bem Sonnenfcpein3U, nur ein menig,
bah fie bie £>anb gerabe betrauten tarnt.
„fein Splitter! Wa, mo tjaft bu . . .“
„Wn ber bummen Scpautel, Stand!. I. Wu...
bu tuft mir ja mep!“
Die grau l)at ben Splitter aus bem tleinen
hanbballen perausgebrüdt unb entfernt it)n mit
ben gingernägein. gebe Semegung paftig, 3it*
ternb.
„Dante, Stand, baute!“ jubelt bie kleine,
läuft 3U bem Dffgier hinüber unb reicht ihm bie
hanb.
„Wbieu, Ontel, ip muh mieber fort, Bäti
ermartet mtd) nämlip mit bem tleinen Borb,“ fagt
fie miptig.
Darauf eilt fie fpnell nop einmal 3ur Stutter
unb tüjjt fie ftürmifp. Dann fpringt fie fort,
gn ber Düt menbet fie fid) noch einmal um unb
mirft ben beiben Bufpänbe 3U.
Die aber fepen es nid)t mehr. Sie pat fid)
mieber über bie bloten gebeugt, ©r fiept 3um
Bamin gemanbt unb betrachtet bie Wipp fad) en
auf bem Sims. So oerparren fie eine SBeile.
^ 3 Iö^Iidt) ftampft fie mit bem guhe auf unb tel)rt
fid) um. gE)r ©efipt ift erregter als »orper.
gEjre klugen flammen pm mitb entgegen. Bang*
fam menbet er fip pr mit fd)lept oerborgener
(Erregung 3U. geber feiner SEtde ift eine Wn*
Hage.
„Bieber I“ .. . ftammelt fie. Wber itjre SSorte
oermirren fip 3U einem milben, gurgelnben Wuf*
fplup3en. Sie fintt 3U feinen gü^en nieber unb
umfpüngt feine iinie — feft, mit beiben Firmen.
Seftür3t beugt er fidE) nieber unb 3iept fie mit
einem Wud empor.
„hübe! Hm ©ottes millen ..."
Nb er fie tlammert fidE) feft an pn, minbet ihre
Wrme um feinen Börp er unb fpmiegt fid) marm
an pn. Sruft an Sruft.
„Wein! Wein! . . . Wein, nein!“ fpreit fie
auf. ©ellenb Hingt ber Schrei mie um hüfe aus
abgrunbtiefer Seelennot . . . „Webe nid)t, fprid)
nicl)t mehr, Bieber. Bah mid) bip in bie Wrme
fpliehen, ehe bie 3 eit »ergeht .. . Bah mid) bip
tüffen . .. unb brüden .. . .fo ... fo, mie ip
es taufenbmal erfepnt in füllen Stunben unb
talten, einfamen Wäpten! Wp, Bieber, lag mir
nur biefe eine Stunbe himmel, aber flöge mid)
nipt fpon jegt 3urüd in bie hölle. meines Wll*
tags.“-—
Sie fieht pn an. Sieht, mie er mit buntel*
rotem ©efipt oor ihr fiept, mit niebergefplägeuen
Wugen mie ein ertappter Spulbube.
Da löft fie bie Wrme »on pro. WIs pabe fein
3 ögern fie meggeftohen, taumelt fie 3urüct.
Spmer mirft fie fid) über .bas Sofa unb »ergräbt
bas ©efid)t in beniliffen. Unb bann beljnt unb
minbet fid) ihre fdEjlante junge ©eftalt. Die
meiten üttrmel finb 3urüdgefallen. gaft bis 3ur
Sd)ulter teuftet ein meiner, »oller Wrrrt aus bem
SdEjatten. Das gan3e WSeib 3udt in bürftenber
SehnfucEjt.
fer fleht unb beobachtet fie mit ftarren, gleiten*
ben Sliden. gätjlings, mit einem Sprunge, ift
er neben ihr, mirft fid) »or bem Sofa auf bie
5 lnie unb prefjt feinen Whmb auf ben meidjen
Wrm.
Wb er ba fährt fie milb auf, als habe [ie ein
^ 3 eitfd)enhidb getroffen, unb mütenb fdjlägt fie
ihm bie $anb ins ©efid)t. Unb im näd)ften
Wugenblid fagt fie ben Bopf bes 5 lnienben mit
beiben hänben unb bebedt bie gefd)Iagene SBange
mit milben 5 lüffen.-- —
Da fdhellt es.-
©r fpringt empor. SBortlos oor Sd)red blidt
er in ihre angfterfüllten 3 üge. ©in et3mungenes
Bädheln »er3errt ihren Wiunb.
,,©s mirb . . . nichts . . . fein,“ brängt fie
ftodenb heroor. Unb bann, in einer jähen Wngft:
„®ott! ... Die Uhr! . . . äßie»iel Uhr-“
©r 3ieht feine Daf^enuhr.
„günf ..."
(Erleichtert atmet fie auf.
„®ott fei Dant! Sor einer Stunbe fann
niemanb 3urüd fein.“
Da fchrillt bie ©lode mieber. Wnhältertb,
fchneibenb, marternb gellt es in ben £)h r ^ n ber
beiben. Die grau fchnellt auf. üreibebleid), bas
©eficht »on ©ntfe^en »et3errt, prefet fie bie hänbe
an bie £>hren. Dann marttt fie unb finit traft*
los auf einen S effel.
©r ift erbleicht, ©emaltfam redt er feinen
Körper auf. Unruhig serren feine $änbe an ber
Wttila herum, ©tiblid) fagt er fid) unb geht mit
räfdhen Sdhritten an bas genfter, burd) bas man
ben Sorgarten unb bie Strafe üb erb liden tarnt.
„äRein ©ott!“ .
fer prallt 3urüd.
Unftcher erhebt fie fid) unb mantt ein paar
Schritte nadE) ihm hin- Wiühfam tämpft er feine
©rregung nieber. SOüt 3ufammengebiffenen Bippen
geht er ihr entgegen, legt feinen Wrm fd)ühenb
um fie unb geleitet fie nad) bem Seffel 3urüd.
Dumpf fintt fie in bie spolfler.
Wian hört Schritte im Borribor. SorfidE)tig,
leife auftretenbe Wiänner. §älb ohnmäd)ttg ftügt
bie grau ben 5 lopf auf bie Behne bes gauteuils.
©r tut einige Schritte nad) ber Dür htü.
©in Heiner herr mit einer golbeneu Sritle
unb ernftem, blaffent ©eficht tritt ein, ben Schlapp*
hut in ber §anb. ©inen Wugenblid bleibt er
flehen, mährenb feine fcharfen Slide ben Waum
überfliegen. Dann geht er auf ben Dffgier 3U
unb oerbeugt fid).
„Dottor Sdhmibt . . . Ser3eiljen Sie, hm
Wittmeifter, bah wir gemaltfam einbringen muhten.
Wb er mir bringen einen 5 lranten. . .“
Sei biefem SBorte fdjnellt fie auf. ©ntfegt
ftarrt fie ihn an. Sie ftredt bie hänbe Kampf*
haft »or fidi l)m> als molle fie eine furdjtbare
©efahr »on fid) abmehren.
. Der Wr3t mad)t eine befdhmidhtigenbe Se*
megung.
„Serutügen Sie fidh, gnäbige grau. Siel*
leicht ift bie Sache nid£)t fo fdhlimm. ©ine Bugei
hat fid) oerirrt. Der Braute braucht Sflege.“ ——
SomBorriborher hört man leife Semegungen,
bann fidh nähernbe fdhmere Schritte. Uber bie
Schmelle treten 3mei Wiänner in groben Bittein.
Sie tragen eine Sahre 3mifcE)en fid) aus rohen
Batten, ©in Wiann liegt barauf, bis 3um ©eficht
mit einem Bobenmantel 3ugebedt. Der unbe*
bedtte Böpf ruht auf einer 3ufammengelegten
goppe. Sein ©eficht ift madhsbleid), bie Wugen*
Über finb feft gefdjloffen. Die SERänner legen bie
Sahre nieber unb entfernen fid) auf einen ÜBint
bes Wr3tes. Der Wr3t beobadhtet bie beiben
fd)arf, bie ftumm, mit »erhaltenem Wtem auf
bie Sahre ftarren, unfähig; fidh oon ber Stelle
3U rühren.
©nbüdh fdhlägt ber Braute bie Wugen auf.
Sein Süd irrt mie nad) Serftetjen fuepenb »on
ber grau 3um greunbe. Da röten fid) feine
ÜBangen jät). ,©r bemegt bie Bippen unb mill
ben Bopf pehent Die Wnftrengung treibt ipm bie
Wugen aus ben höhlen. ^ a iter Scpmeih fiept
auf feiner Stirn. Wafcp beugt fiep ber Wr3t über
ihn unb entblöht feine Sruft. Wb er ber Braute
fd)üttelt oer3meifelt ben Bopf, unb als ber Wr3t
ipm gepord)enb etmas 3ur Seite tritt, bah er ben
greunb mieber fepen fann, oerfudpt er mit einem
furchtbaren Wud fid) 3U erheben. Der Wr3t mill
ihn 3urüdpalten, aber fdpon fällt fein Bopf hinten*
über, unb ein blutiges Sanb quillt aus feinem
Stunbe. Der Wr3t füplt paftig nad) ber her3*
gegenb. Dann erpebt er fiep ftumm. —-
Die grau ift ohnmächtig auf ben Deppicf) ge*
funten.-- —
Beife, mit niebergefdplagenen Wugen fdpreitet
ber Dffgier an bie Sapre. gnbem er fid) nieber*
beugt, fudjt feine h<*nb taftenb bie bes Doten.
Bangfam erpebt er fiep mieber unb brüdt bem
Wr3t ftumm bie h<iTiö. Dann ridptet er fidp podp
auf unb geht mit ftrammen Schritten hinaus.
Der Wr3t 3udt bie Schultern unb menbet fiep
ber .Ohnmächtigen 3 U.
Da tradpt ein Schuh im Borribor. Dann ein
bumpfer gall.
Seftür3t eilt ber Wr3t hinaus.
Son ber Derraffentür aber Hingt ha nn ^ s
Stimme: „Storni! — Stami!“ —--
3nxu r>on Jl. Ji. ^ielo
l»10011 Dcrfdjaf t
(£in frember iBalö ... X)od) feine UBipfel (djaren
Sidp über mir, fo feelenooll burcpblaut,
WIs fannten mir einanber fdpon feit gapren
Hub hätten uns feit gapren fdpon »ertraut.
SSalbpeimmep trug tdp immer in ben Stäbten —
gn biefe golbnen Diefen fepr' idp ein,
WIs fudpt' idp fie mit emigem Serfpäten:
Sie finb, mas id) einft mar unb merbe fein.
gd) mar ein Saum... Sefimt' idp tief unb tiefer
Stidp in ein grünes XIr3eittanb 3urüd,
Dann mipfelÜ idp als Daune ober Biefer
gn biefer ©rünbe märepenpaftem ©Iüd.
Hub einftmals murseÜ id) naep taufenb Doben
Stil 3äper, raufdpenber, getürmter Braft
Son neuem pier irrt alten Stutterboben
Hub meih nid)ts mepr »on Stenfcpenmanberfcpaft.
Dann pör ; id) nur mie ferne, leife ©rühe
Son einem Beben, bas and) id) burdpfdpritt,
gumeilen brunten eines 2 Banbrers güpe
Hub füple mie ein Draum fein h^immep mit.
Ööf^eitbes ßtc^t
1
ßängft lentten peim bie Obftoertäufer
gpr SSäglein mit bem magern hunb,
Serein3elt treu3t ein Wollfcpupläufer
Den tief ergrauten ©affengrunb.
Unb nur nodp brüben, bleidp befdpienen,
Stüpt fiep mit oorgeftredtem Binn
So fputpaft hinter ben ©arbinen
Die nimmermübe SBäfdperin.
Docp enblicp üfdjt audp ipre Bampe. : —
Der Wßädpter fdpleidjt im Duntei nur
Unb rüttelt Sdploh unb ©ifentrampe
Unb pordpt in einen Dreppenflur . . .
II
Unb idp? — Stuh idp nodp immer poden
Sor einem Sudp im Ber3enfdpein
Unb fammeln tümmerüdpe Sroden
Son fremben Dröbelfcpäpen ein? —
©enug ! Unb meine galoufien
Serfepatten fd)on mein genfterbrett,
Unb leife, leife Stelobien
Segegnen fidp oor meinem Seit.
Das finb ber Waptluft meidje Sdpmingen,
Sie meiten mir ben buntein Waum
Unb alle Sterne pör' idp Hingen—•
O ©rbe, bift bu nur ein Draum? —
Der 33erg bet ©öfter
unb ber tRäuber
3 um ©reifen nal)e liegt biefer
ebnoiirbige 93ater ber gried)i= * |ll, »i" IIBI " r
fdf)en Serge oon Saloniti ent=
fernt. 2ln flaren Dagen, bie
allerbings an ben Ringern im
gan 3 en äJtonat ab3U3äblen finb,
tann man alle bie galten unb
9tun3eln auf feinem Sd)neebaupte
feljen. Deutlid) tann man feine
imnfelgrünen SBälber ertennen; ...
fd)arf beben fief) feine Sd)lucbten
unb Stbgrünbe aus bem ©eftein ab, unb befom
bers menn ein ©eroitter bie 3ttmofpI)äre gereinigt
bat, glaubt man orbentlicb ben Sd)nee flimmern
unb glibem pu feben in ber Sonne.
3um ©reifen nab! Unb boeb roie roeit entfernt.
Der Strom bes mobemen Gebens flutet an ibm
oorbet. deines ber Sdjiffe, bie oon Saloniti ihren
äßeg ins $gäifd)e 9tteer ober 3 urüd nehmen, legt
an feinen ©eftaben an. ©r, ben einft bas berr=
lid)fte Solf bes Altertums 3 um Sitje feiner ©ötter
machte, ift beute eine oergeffene ©röbe. ©infam,
in roilber, trotziger 9Jtajeftät fteigt er faft unmittel=
bar aus bem 9)leere auf, unb l)öd)ftens, bab ber
Dourift, ber it)n oom Salfort bes nach ihm be=
nannten Rotels am 5tai in Saloniti fiebt, ihn mit
neugierigem Süd betrachtet. £inüber3ugeben unb
il)n 3 U befteigen fällt faft feinem ein. Der arme
Siebter, bert bie 9?äuber roeggefd)leppt haben,
roar einer ber ruenigen, bie feine herbe Sd)önl)eit
liebten unb ben mübfetigen 3tufftieg auf feine
©ipfel nicht fdjeuten. gebt bat ber Olpmp feinen
Serebrer gan 3 gepadt unb läßt ihn nicht mehr los.
Dreimal mödjentlid) gebt ein fleiner Dampfer
nach ben 3 toei £jafenpläben am gube bes ©ebirgs
hinüber, nad) ßefterdjorion unb Äaterini. ©in
gabr 3 eug ift bas, bem fid) oorfid)tige gamiliem
oäter lieber nicht anoertrauen follten. 3Bie eine
9^ubfd)ale ift es grob unb roie ein 90?ülleimer=
oeteran febmierig. SBenn ber gntbat, ber oom
Olpmp fontmenbe 2Binb, fid) ein bibd)en ins 3eug
legt, tan 3 t es, bab man am liebften Sater 3^us
unb famtliche d)riftlid)en ^eiligen um £ilfe am
rufen möchte. Dreieinhalb Stunben bauert biefe
r
- ■ Äi
ES
“1 SBilbromantifcß ift ber Sitt burd) bie
Serge bes Dlprrtps. Selten, baß man
ab unb 3 U einem Sergßirten mit feinen
3iegen begegnet. Stitünter tnadt es oer*
bäd)tig in ben feigen, unb bie ©en*
barmen ßeben bie fcßußbereüen ©eweßre.
©egen Sbenb tommt man nacß ftofi*
noplo. ©in trauriges, öbes ©ebirgsneft,
beffen Sewoßner mit finfteren, feinb 3
feligen Süden auf bie türtifcßen ©en*
barmen flauen, iturße Saft, bann roeiter
nad) ©laffona, bas bereits tief unten liegt.
$ier ift man einigermaßen [icßer, aber
feil aucß nur fo weit ficß bie türtifcßen ©en=
barmen feßen laffen. 2 Beße bem grem*
RH ben, ber fid) auf eigne Sauft aus ber
Stabt ßeraustraute! Die Sertrauens*
S?fc§ leute ber Säuber finb immer auf ber
a ggy SBacßt, unb mit Slißesfcßnelle läuft oon
§irtenmunb 3 U irjirtenmunb bie ftunbe
aFp I)inauf 3 U ber irgenbwo im SSalbe lauern 3
RH ben Sanbe.
;m * d 3 ft es bocß ßeute erwiefen, baß bie
Sewoßner oon itotinoplo ben armen
_ Sinter ben Säubern ausgeliefert ßaben.
SBäßrenb bie ißn begleitenden ©enbarmen
oon ber Sanbe maffatriert mürben, enttarn er
unb floß bem Qrt 311 . Sllein ßier ließ man ben
fetten Sang nicßt los, unb als bie Sriganten ißre
Seute fud)en tarnen, lieferte man fie prompt aus.
3um Dant bafür prügeln bie ©enbarmen bie
Säuern nun ßalb tot, um etroas aus ißnen ßeraus=
3 ubefommen. Sber bie fürcßten bie Säuber meßr.
£>ber finb felber welcße. Suf teinen Sali verraten
ie ettoas.
Die Seßörben finb infolgebeffen mad)tIos gegen
bas Srigantenunwefen, bas aud) tatfäcßlicß immer
meßr 3 unimmt. Die Säuern tonnen bie Steuern
nid)t meßr erfd)roingen, bie fiebensmittel roerben
immer teurer, alfo greifen fie einer nad) bem anbern
3 ur Sünte unb geben fid) bem fcßwierigeren,
aber einträglicheren Säuberbafein ßin. ©s wimmelt
ßeute 3wifcßen5taterini unb ©laffona oon Säubern.
Unb bie alle fangen bie ©enbarmen ißr fiebtag
nicßt. Denn einen mächtigen Scßußpatron ßaben
fie, biefe roilben, troßigen Sanbiten: ben ebenfo
toilben unb troßigen Dlpmp.
Der DIpmp, oom Steere aus gefeßen
(£ine ntoberne ^afnerntüßle, Sott ^ßeobor ‘SUigge
nacß ©rfaßftoffen umfeßen muffen unb ift oor=
neßmKcß auf bas Ö 0 I 3 oerfallen.
§ol 3 papier, ßöre icß ausrufen, bas ift
bod) eine ßöcßft minberroertige Sad)e! $ 013 =
papier roirb bod) im fiaufe weniger Saßre braun
unb brücßig.
Stit Unterfdjieb, oereßrter S reu nb! ©s gibt
fcßlecßtes unb gutes §ol 3 papier. Das §013 befteßt
aus reinem 3 eXIftoff, ber fogenannten 3 ?üulofe,
bie ben Sofern ber fiein*
' 1 roanbßabernburd)ausgleid)=
.Jfr \m roertig ift. Sber biefe reinen
| 3 eIIftoffafern finb eben burdß
•! /Lä j allerlei Sutruftationen oon
ftiefelfäure, bioerfen Sal 3 en
§ 013 , roie es aus bem ißalbe
tommt, enthält iiberbies in
ber Sinbe unb in ben Sft*
[teilen nocß roeitere Sei 3
gaben, bie für bie Sobri=
^ tation eines guten Rapiers
abfolut unbraud)bar finb.
^apierfabritationbamit,baß
.~Jr bie einseinen Älöße 3 unäcßft
auf ber Scßnißelbant oon
Saft unb Sinbe befreit unb
bann auf itreisfägen in
£ ^QRfe^ tiir 3 ere Älöße 3 erfcßnitten
merben. Die näd)fte Staß*
j»k naßuie richtet fid) gegen
bie unlicbfameit SftfteUen.
■K| Diefe Ülfte roerben auf Soßr=
mafd)inen ausgeboßrt unb
bann in einer Spalt 3
ntafd)inc, bie in ißrer Sonn
gnHHnC _^^H ein toenig an einen bös=
|H^, JjR artigen Sapagei erinnert,
oierfad) gefpaltct. Dann
roerben fie auf ein Dräns 3
portbanb gelegt unb ge*
Deutfd)lanb mit einer jährlichen Rapier* unb
^appenerseugung oon reießließ fünfoiertel Stil 3
lionen Kilogramm rechnen müffen.
Unb nicßt nur] bie Quantitäten haben fid)
geänbert, fonbern aud) bie Srbeitsmetßoben. Die
fiumpen finb oiel 311 toftbar geworben, würben
aud) in ber oorßanbenen Stenge nicßt im ent=
fernteften ausreießen, um ben ^Sapierbebarf 3 U
beden. Scßon feit Stenfcßenaltern hat man fid)
OJei bem SSorte „^apiermüßle" bentt ber
Defer woßl unwilltiirlid) an jene mittel*
alterlicßen S^ertftätten, in benen oom SSaffer ge*
triebene Stampfmafcßinen bie fiumpen 3 U einem
wäfferigen Srei 3 er 3 auften. Sn jene tleinen Se*
triebe, in benen bie sünftigen ^ßapiermaeßer bann
mit braßtgeflodßtenen Sieben, ben fogenannten
Sütten, jenen Srei feßöpften unb bureß Sd)ütteln,
Droünen unb ^reffen allmäßlid) in einseine fefte
Slätter, in bas Sütten 3
papier, oerwanbelten. r - 1
Das war einmal.
einer folcßen SBertftatt oon
etwa 600 Quabratmetern
Slädße er 3 ielte ein Dußenb ^
^apiermaeßer im ^ fiaufe ^
eines
_ 3 eßnftünbigenSrbeits 3
tages eine Stenge oon etwa
40Kilogramm papier. Seit*
bem ift aus bem §anbwert
eine ©roßinbuftrie gewor*
ben. £jeute beanfprud)t eine
ein 3 ige jener großen papier 3
mafeßinen, bie unfre Sb 3
bilbungen oeranfd)auIid)en,
etwa 600 Quabratmeter
SobenfIäd)e. Sber bafür
liefert eine folcße Stafd)ine
in einem £age etwa 2500
Kilogramm Sopier, gibt
fie einen enblofen Rapier 3
ftreifen aus, ber bei einem
Steter in ber Sreite etwa
25 Kilometer lang ift. Unb
folcße Stafcßinen laufen gar
oiele in Deutfdjlanb. 3m
3aßre 1800, in jenen Dagen
bes Süttenpapiers, betrug
ja bie Soßresprobuftion nur
15 000 Kilogramm. 3^1
3aßre 1900 war fie auf
eine Stillion geftiegen, unb
gegenwärtig wirb man für
Süßrbotticß für bie angefeueßtete §ol 3 fafermaffe
1911. $ftr. 46
Über £artb unb 9CReer
1199
langen aus ber Holzbearbeitung in
bie eigentliche ^Papiermühle. Unb
nun entfdjeibet es fid), ob jene
Klöße gutes ober fd)Ied)tes $013=
papier toerben follen.
Sür oiele 3 mede, toie beifpiels=
weife s $adpapiere, minberroertige
Rappen unb bergleicßen tann man
bie Sntruftationen ruhig im Hol3e
lajien. Dann toanbern jene 23 Iö(fe
in bie Schleiferei. Unter 3 ufaß oon
SBaffer toerben fie mit gewaltigem
Drud gegen fcßnellaufenbe Sd)Ieif=
fteine gepreßt unb in unglaublich
tur3er 3^it 3U einem homogenen
23 rei, bem [ogenannten Hol3fd)liff,
3ertleinert.
Sber roir roollen ein gutes,
weißes unb aud) haltbares §013=
papier er3eugen, unb ba3U bebarf
es anbrer Stethoben. Da muffen
3unäd)ft jene üblen Snfruftationen
entfernt toerben. Unb fo toanbern
bie oorbereiteten Hol3tIößd)en benn
in einen mäd)tigen Kod)er unb
toerben hier unter 3 ufaß oon Sa=
tron ober Sulfatlauge ober aber
aud) oott Sal3en ber fd)toefIigen
Säure unter beträchtlichem Drud
unb gehöriger SSärme getocht.
Siele Stunben hmburd) toerben
bie Klöße biefer iPro3ebur unter=
toorfen. Snblich wirb ber Kod)er
gefüllt unb entleert. Sun finb
alle jene üblen Seimifchungett in
ber Kod)fIüffigfeit gelöft unb bie
Klöße enthalten nur nod) reinen
3 eIlftoff. Dementfpredjenb hat fid)
aber aud) ihr äußeres oeränbert.
Die g-eftigteit bes Holmes, bie ja
auf ber binbenben SSirfung ber
Kruftenftoffe beruht, ift oerloren
gegangen. Stit einiger Snftrengung
tann man folgen getobten Kloß
3wifd)en ben Ringern 311 eirt3elnen
Wafern 3erreiben.
Das aber gefd)ieht nun im
großen in jenen Stühlen, toie unfre
Sbbilbung eine üeranfd)aulid)t.
3toei fentred)t ftehertbe runbe
Steine brefjen fid) hier in entgegengefeßtem Sinne
unb arbeiten über einem Jorisontal Iiegenben
Steine. biefen Stühlen toerben bie Klöße in
als Satron3elIulofe ober als Sul=
fit3eIIuIofe be3eid)net toirb unb ber
in jebem Salle etwas gan3 anbres
unb etwas fef)r oiel Seffres ift als
ber einfadje Hol3fd)liff. Die 'Hol^
3ellulofe ift ber Susgangsftoff für
ein Rapier, welches, foweit wir es
heute beurteilen tonnen, bureßaus
haltbar unb bauerhaft ift. Sie er=
fährt nun in ber Saffinerie noch eine
weitere Durcharbeitung. Unter 3 u=
faß oon SSaffer wirb fie in einen
bünnfliiffigen 23 rei oerwanbelt unb
muh 3af)lreid)e Siebe pajfieren.
Dabei werben alle Serunreinigum
gen, alle Knötchen unb 3U groben
Sofern 3uriidgehalten. (£s wirb
eine oöllig gleichmäßige Saferbrühe
er3eugt, bie nun reif ift, in ben
Sorraum ber ^ 3 apiermafd)ine eim
3utreten.
Dod) wieberum muß nun eine
©ntfeßeibung getroffen werben.
Soll aus bem 23 rei Schreibpapier
ober Drudpapier werben? S 3 ir
wiffen ja, baß uns bie Dinte auf
bem Drudpapier ausläuft unb baß
biefer Hbelftanb beim Schreibpapier
burd) bie Keimung oermieben wirb.
Der Susbrud Keimung ift heute
ebenfalls nicht mehr 3utreffenb.
(Er ftimmte oor ßunbertfünf3ig
fahren, als man bie beinahe fer=
tigen $apierblätter noch einmal
mit fd)mad)em Keimwaffer träntte
unb bann burd) bie leßten 2Bal3en
30g. Heute ift es in 2 BirfIid)teit
eine Hauung, unb fie erfolgt feßon
im flüffigen ^apierbrei. 3u be=
fonberen Sührmafcßinen wirb bem
s Kapierftoff eine ^argfeife 3ugefeßt,
bie burd) Kocßen oon Kolophonium
mit Sobalauge gewonnen würbe.
Unb weiter gibt man bann Slaun
ober fcßwefelfaure Donerbe in bie
Staffe. Sun tritt eine 2Bed)fel3er=
feßmtg ein. Das Har3 wirb teils
als ßar3faure Donerbc, teils als
reines Har3 unenblich fein oerteilt
ausgefeßieben unb hüllt bie eim
3elnen Sofern ein.
SSolIen wir Köfcßpapier er3eugen, fo untere
bleibt biefer 3 ufaß. Sür Drudpapier erfolgt er
Stühlfteine 3um 3 eomaßIen ber oon ben Sofruftatiouen befreiten Hoßjmaffe
früher 3eit 3u einem gleichmäßigen feinen, feßön
weißen 23 rei 3ermahlen, unb wir haben nun ben
£ol33el!ftoff, ber je nach ber Srt ber Darftellung
Seinigung bes 3 UIulofebreies (Soffinerie)
1200
Über £anb urtb Süteer
1911. 9tr. 46
Anfang ber Papiermafcßine. Die flüffige 3 elluIofemaffe tritt aus ben Votticßen auf ein enblofes Draßtfieb
nur in geringem Vtaße, für Schreibpapier erheblich
ftärter. Hub bann öffnen fid) bie Scßleufen bes
Vorraumes unb Iaffen ben Papierftoff gleichmäßig
breit »erteilt auf ben Anfang ber Papiermafcßine
[tränten, ben Einfang einer Ptafcßine, bie mit
einer Sänge non fieb3ig unb mehr Metern woßl
bie längfte aller mobernen Ptafcßinen ift, einer
Ptafcßine, bie am einen ©nbe ben flitffigen SBrei
fdßludt unb am anbem ©nbe fd)önes, trodenes,
feftes unb gut fatiniertes Rapier herausgibt.
Die Papiermafd)ine gehört rein teeßnifeß be=
trachtet $u ben gil3mafd)inen. Sie hat bie Vuf*
gäbe, bie geifern bes aufgenommenen Vreies
unter allmählicher (Entroäfferung 3U oerfilßen, bas
heißt 3U einem regellofen gledjtwert 3u oereinigen.
(Erft nad)bem bas gefdßeßen ift, erfolgt bann bie
weitere Drodnung, Pref*
fung unb ©lättung ber
fo gewonnenen gafer*
fchicht.
So tritt benn ber
Papierbrei 3unäcßft aus
ben Votticßen, wie bie
Ptitte unfrer Vbbilbung
ertennen läßt, auf ein
enblofes Draßtfieb. Vuf
biefem Siebe laufen 311
beiben Seiten Piemeu
oon einer beftimmten
Dide, um ein feitlid)es
gortfließen bes Vreies
31t oermeiben. ttber bie=
fen Piemen liegt weiter
ein Vbftreiflineal, bas
ben Vrei au ben Stellen,
wo er 3U bid liegt, ab*
ftreift unb 3urüäßölt.
So geht auf biefem erften
Draßtfieb alfo nur eine
Vreifd)id)t oon gan3 be*
ftimmter Vreite unb Dide
oorwärts, bie erfte 93 e=
bittgung für bie ©r3eu=
gung eines gleid)ntäßigen
papieres. Diefer 33 rei
foll nun aber oerfil3t
werben. Das Sieb ober
Drahttud) ift baher 311=
näcßft fo befeßaffen, baß
feßr wenig v 2 Baffer ab*
fließen - tarnt, baß'ber
Vrei noch bümtflüffig
bleibt unb bie gafern ihre Veweglicßteit behalten,
gerner finb befonbere Sd)üttelmed)anismen oor*
gefehett, bie bas Drahttud) in [cßnelle fortwährenbe
Vibrationen oerfeßen. Daburd) eben wirb jene Ver*
fil3tmg, jene wilbe Verflechtung ber gäferd)en be=
wirtt, bie für bie geftigteit bes Rapiers unbebingt
erforberlicß ift. Diefe Schütteloorricßtungen finb
Kunftftüde ber mobernen Decßnit. Sowohl bie
3 al)I ber Stöße pro Sefunbe wie aud) ihre
Stärfe fann für bie oerfd)iebenen Wirten ber gafer*
ftoffe unb Papiere oerfeßieben eingeftellt werben.
gft nun bie Verfilmung erfolgt, fo hobelt es
fid) barunt, bie Vreifd)id)t möglicßft fd)nell 3U ent*
wäffern, bie gafern in ihrer Derfil3tett Sage mög*
licßft fd)nell feft3ul)alten. 2 Bäßrenb bas Drahttud)
auf bent erften Deil bes VSeges über gan3 hießt
nebeneittanber ftel)enbe Kupferwal3en lief, bie
fein VSaffer fortließen, werben bie Stüßwal3en
jeßt feßr oiel feltener. Unb 3wi[cßen ihnen läuft
bas Drahttud) über Säften, in benen ein Vatuum
herrfcht, fo baß bas VSaffer mit ©ewalt unb feßr
fd)nell entfernt wirb.
Unb nun folgt auch ber erfte fanfte Drud oon
oben. Vott oben her legt fid) jeßt eine 2Bal3e,
bie fogenannte ©autfd)pref[e, auf bie Papierbahn
unb treibt bie (Entwäfferung unb Komprimierung
bes naffen ga[erfil3es ein gutes Stüd weiter, fo
weit, baß bas^werbenbe Papier jeßt ben erften
felbftänbigen Sd)ritt in feinem Seben tun, baß es
fid) oon bem Draßttud) abheben unb ben frühen,
nur wenige 3 entimeter weiten Sdßritt 31er nächften
©tappe, 3um fogenannten Paßfil3, tun tarnt. Der
Vaßfil3 ift ebenfo wie bas
Drahttud) in gornt einer
enblofen unb ftetig fort*
fd)reitenben Vaßn an*
georbnet ($intergrunb
unfrer oierten Vbbil*
bung). Der Paßfil3 führt
nun bas frifdße Papier
weiter oon Preßwaßje
3u Preßwal3e. ©r gibt
es immer trodener unb
immer fefter an einen
3weiten Paßfil3 ab, ber
es 3U neuen Preffen
bringt unb fcßließlid)
bem britten gil3 über*
liefert, auf bem bie
Preffung unb Drodnung
nodß weiter geht.
geßt ift bas Papier
3iemlid) weitgeßenb ge*
preßt unb getrodnet, fo
baß fieß bie PSafferent*
3ießung burd) einfaches
Preffen faum nod) weiter
treiben läßt, ©s ift ja
betannt, baß man ein
naffes $anbtucß bei*
fpielsweife burd) Vus*
wringen nur bis 3U
einem gewiffen ©rabe
entwäffern tann, baß
man bie weitere Drod*
nung bagegen ber Suft,
ber natürlichen Verbun*
ftung, überlaffen muß.
Der mittlere Deil ber papiermafdnne. Das Papier läuft über Drodenfil3e
1911. 9lr. 46
Aber Santo unb SfTicee
1201
Unb man weift weiter,
haft bicfe Trodramg
gewaltig befcftleunigt
wirb, wenn wir bas
ausgewrungene Tudft
an einen tjeifeen Ofen
bangen.
Die alte §anb=
fdjöpferei bängte bie
ein3elnen Sogen 3um
fiufttroctnen an bie
SBafcbleine. Die mo=
berne ^apiermaf^ine,
in ber fidE) bas werbenbe
Rapier mit etwa brei
Metern in ber Se*
funbe oorfd)iebt, muft
bie fcbnelle 9Bärme=
troctnung benuften.
Unb fo fommen wir
benn 3um mittleren
Teil ber ^apierma 3
fd)ine. 9In Stelle bes
Das ©nbe ber Sßapiermafcbine. Das fertige Rapier wirb aufgewidelt
9taftfil3es tritt jeftt ber Trodenfil3, wieberum eine
enblofe $il3babn, bie bas Rapier unter träftigem
Drud 3wifd)en 3ablreid)en mit Dampf gebeuten
unb auf §ocbgIan3 polierten 9Bal3en bwburcb 3
3iebt. §ier oerbampfen bie lebten 9tefte ber
geud)tigfeit, unb bas Rapier, bas als Srei auf
bas Drabttucb trat, als loderer ^il3 auf bas naffe
gil3tud) ging, tarnt jeftt jeber Stübe entbehren.
Unb fo tritt es benn ohne jebe weitere Untere
ftiibung in ben lebten Teil ber $apiermafd)ine.
§ier wirb es geglättet. (£s paffiert wieberum
blantpolierte SOtetallwalsen, bie unter ftartem
Drud febemb gegeneinanber gelagert finb. (£s
paffiert fie ohne jebe $il3unterlage. So werben
hier alle gäferdften, bie etwa irgenbwie aus ber
Sapierflädje beroorfteben, feft unb glatt in bas
Rapier bineingebrüdt. Solche ©Iättwal3en burd) 3
läuft bie ^apierbabn, nacbbem fie ben Trodenfil3
oerlaffen bot, in gröberer 9In3al)I. Die ©lättung
bes Rapiers wirb babei im oolltommenen SOtafte er*
reicbt.^lber bariiber bim
aus wirb bas Rapier
burcb biefe ©lättung
unb ^ßreffung berart
troden unb beiß; bab es
nun notwendig wirb, es
burcb ßeitung über eine
grobe gubeiferne |jobl 3
wal3e (bei bem Unten
Saalpfeiler unfrer leb 3
ten ^Ibbilbung) nod) ein*
mal 3U tüblen unb nad)
Sebarf fogar wieber
fdjwact) an3ufeud)ten.
Daher ift in biefem
Teile ber ißapierma*
fdjine eine Seriefe 3
iungsoorrid)tung ange*
brad)t. Unb nunmehr,
nad)bem bas Rapier
bie richtige ^reftigteit,
©Iätte, Temperatur
unb §eudf)tigteit be=
fiftt, wirb es enblidE) aufgerollt. 2Bir feben, wie
fid) gan3 Iints auf ber lebten 5lbbilbung eine
böl3erne 9BeIIe, bie auf einen eifernen Siertant
ber ältafcbine geftedt ift, allmählich mit bem
antommenben Rapier bewidelt.
So entfteben jene gewaltigen Sollen bes fo=
genannten enblofen ober äftafcbinenpapieres,
bie nun aus ber ^apierfabrit in alle 2BeIt hinaus*
wanbern, um oornebmlid) bie großen 9lotations=
brudmafd)inen 3u fpeifen.
tnitutx
‘Tfijadj b ß ^em Sage bämpfen
Bünlte ben lärm ber ;§fabf;
lichter unb Bämmerung kämpfen;
Berlin ijt arbeitsmatt.
(Srmübet, mit Iodceren Räumen,
Stampfen bie J^ferbe narb Ipaus,
Enb offenen Buges träumen
Bie lüagenlafernen grabaus.
^eimkekren aus ben läben
3 x 2 Bäbdjen ?u poein unb brein,
Eitbernb pt halblauten Beben —
Enb eine gebt allein.
3 x 2 mit ben blonben paaren,
Bie mit ber weihen Ipanb,
3 x 2 mit ben ftebjebn fahren —
Bie würben wir nur bekannt?
Bir geben burdj frembe Biertel -
!dj felj' nur iljr Binbergeftdp.
3If;r Buge ladjf, unb im ©iirtet
Bie Beildjen ftnb blauer nirbt.
BoIjin mag bie ^anb midj leiten,
3 x 2 meine gebräunte hält?
3 a bebnt fid;’s in bämmernbe Beiten -
Bas Sempelfpfer Selb.
3 a (tel;n wir, oon Sommerfäbeben
©efeffelf, idj unb fte —
^ie aus bem puftmadjerläbdjen,
Idj, ^tubio ber ^bilofopbie.
3Ibr Bunb ift weich — wir fpredjen
Bein Bort — unb über ben 3lor
Ber nebelweihen Slädjen
steigt groh ber Bonb empor. —
Bun fdjlenbre idj, bem alten
Badpinnenb, oor midr hi« —
Bir ift ihr Barne entfallen,
%X2 weih nidjf, wer idj bin,
Enb als wir Bbfdjieb nahmen,
Bar’s ladjenb unb webmutlos —
Enb bod;: im engen Bahmen
Bas ewige Benfdjenlos.
«Earl Ipaßen
1202
Über £artb unb 50leer
1911. 9flr. 46
Die Spraye bes Körpers
'TVe Arbeit, bie in einem ebenfo betitelten Buche (Ber*
lag oon 3- 3- BSeber, £eip3ig) ber Br3t unb frühere
Schaufpieler Dr. Karl BUd)eI geleistet hat, i[t nid)t um
bebeutenb unb füllte 3ntere[[e bei Btenfchen aller Stänbe
unb Berufe erroeden. 3rt ber Bearbeitung bes ©egen»
[tanbes hat ber Berfa[[er taum mehr als ein falbes
Dutjenb Borgänger, unter benen ber $reunb ©oethßs,
fiaoater (mit [einem 2Bert „^hpfiognomit"), unb ©hartes
Dartoin (mit bem Bud) „Der Busbrud ber ©emüts»
beroegung bei ben Btenfdjen unb bei ben Dieren") bie
in ber gebilbeten fiaienroelt be!annte[ten Barnen tragen.
Die Sprache ift un3ertrenniid) mit ber ©ebärbe oer»
bunben, bie ©eften aber, bie bas im Bugenblid ©efüf)lte,
©ebad)te, begleitenben Körperbewegungen, [inb mit ge»
ringfügigen unb [eltenen Bbtoeichungen bei allen Böllern
gleich. (freilich, bie Beger[tämme Bbeffiniens niden mit
bem Kopf bei ber Berneinung, aber bas 2Be|entIid)e
i[t eben bie Kopfbewegung an |id>.) $ür ben Kultur*
men[d)en, für alle, nicht nur für ben Bebner, ben Schau»
[pieler, ben Sänger, ben Sd)rift[teller, Blaler unb Bilb*
bauer ift es roertooll, bie eignen ©ebärben unb bie bes
Bädjften mit bem ©efüljlten unb ©e[procf)enen bemüht
in Be3iel)ung 3U [eben. Bur bann roirtt bie *Per[önlid)»
leit, bie 3xibioibuaIität harmoni[dj, in fid) gerunbet unb
ge[d)lo[[en. Knaben unb Btäbdjen in ben Bubertäts*
japren roiffen nicht, „wohin fie mit ihren ©liebmafeen
füllen“, unb einen ©rwad)[enen, ber 3toedroibrige, un*
infetplinierte, [innlofe ©ebärben 3ur Sd)au trägt, nennen
toir „fahrig", ©r fährt mit [einem Körper in ber Batur»
ge[d)id)te herum, ohne 3U roi[[en, W03U unb weshalb.
3eber Bffett hat oon alters I)er [eine natürlid)e ©e[te,
3U ber bie ein3elne ^er[önlid)teit immer nur nod) bie
©ra3ie ober bas Bebeutenbe hi«3ufügen lann.
Dr. Karl Blidjel hat in [einem Buche „Die Sprad)e
bes Körpers" [iebenhunberteinunb3toan3ig Ianbläufige
©e[ten tt)pi[d) 3U gehalten oer[ud)t unb mit Rilfe ber
mobernen Btomentaufnahme im Bilbe fe[tgehalten.
Diefen ©ebärbenfilm 3U betradjten i[t nütpid), benn ber
9Jten[d), ber ge[tituliert, ohne 3U [predjen, mag leicht
einem Rampelmann gleiten — wer aber [pricht ohne
harmoni[d)e ©e[ten, ähnelt bem ©rammopljon.
K. E. K.
Rimmelbonnerwetter!
Röd)[te Ber3toeiflung
O Bad)t, [0 [chtoar3...
(^ßpramus)
B3as [d)Iei<f)t ba heran?
Da brummt einem ja ber ©in [djönes Sümmdjen! 3ui)ären 3 erre il3 en iönnt' ich mid)! ©s i[t aus! (Striefe)
Sdjäbel
1911. $rtr. 46
Uber £anb unb 9Jteer
1203
Die klugen ber ^flan^en. son Dr. phn. Otto Damm
£infenoerfu© mit ber Oberhaut bes Blattes
Dort Anthurium leuconeurum bei fenfred)tem
£id)teinfall, 3entrifd)e ^ntenfitätsoerteihmg.
äRitropbotograpbie
«TNie Hberf©rift törmte mie ein oerfpäteter 5lpril=
f©er3 erf©einen. 3© betone baber non
oorntjerein, haft fie bur©aus ernft genommen
fein mtll. 2lllerbings mirb ber £efer bei ben
Pflan3en nid)t Gingen erroarten bürfen, roie toir
9Jtenfd)en ober bie Säugetiere ober bie 3nfelten
fie befiben. 9lber roie ift es beim um bie klugen
ber nieberften Diere beftellt? Da finben toir
3um Seifptel beim Slutegel auf ben oorberen
Gingen bes Körpers eine Utnsai)! buntler Friede,
s Uugen genannt, benen bie §ät)igfeit 3utommt,
<rjell unb Duntel 3U unter f© eiben unb bie s .Ri©tung
bes einfallenben £i©tes mabr3unel)men. Sei
ber 2Beinbergf©nede haben 3mei f©mar3e Puntte
am ©nbe ber beiben längeren $ül)ler, bei bem
Seeftern fünf rote $lede an ber Unterfeite ber
fünf 9lrme bie gleidje Aufgabe. Sie finb fämtlid)
ungemein einfad) gebaut. $©nli©e ©ebilbe bot
man nun in jüngfter 3eit au© bei ben Pflogen
nad)toeifen tonnen.
3ebem Slumenfreunbe ift betannt, baf; feine
fiieblinge, bie in ber 5Rät)e bes genfters fielen,
©re Slätter fo orientieren, baf; bie SIattflä©e
fentred)t 3um einfallenben £id)te 3U fteljen tommt.
9Jtan bat biefe £age „fixe £i©tlage“ genannt.
Das ©inrüden in bie fixe £i©tlage erfolgt bur©
entfpred)enbe Krümmungen ober Drehungen bes
Slattftiels. 2ßenn man nun ben Slattftiel mit
fd)toar3em Papier umhüllt, um eine birette ©im
roirfung bes £id)ts aus3ufd)liej3en, unb bie SIatt=
flädje bann fo ftellt, ba§ fie oort bem £i©te unter
f©iefem 2ßintel getroffen roirb, fo rüdt bas Statt
gleid)tool)l in bie fixe £id)tlage ein. Serfudje
mit unoerbülltem Slattftiel unb oerbuntelter SIatt=
fläd)e bagegen 3eigen, baf; ber Slattftiel allein
bas Statt niemals in biefe £age 3u bringen oer=
mag. Die Slattfläd)e muh alfo bie gäl)igteit
befitjen, ben Unterf©ieb 3toifd)en fentre©tem unb
fd)rägem £i©teinfall 3U empfinben.
9lus ber Datfa©e, bafc bie oorbin ermähnten
Krümmungen unb Drehungen bes Slattftiels aud)
bann 3uftanbe tommen, roenn nur bie SIattfläd)e
bem £id)trei3 ausgefetjt roirb, folgt roeiter, bafj
oon ber SIattfläd)e aus eine £eitung bes Steges
na© bem Slattftiel ftattfinbet. Der gan3e Sor=
gang oerläuft alfo in brei Stabien: 9tei3aufnal)me,
9tei3leitung, 3medmäj3ige 9teattion. 9tls £eitungs=
bal)nen für ben 9tei3 bienen mabrfd)einli© bie
feinen piasmaoetbinbungen 3mif©en ben ein=
3elnen 3^Hen.
Der Serliner PfIan3enpbt)fiologe Profeffor
£jaberlanbt, bem bie 2Biffenfd)aft biefe epod)e=
mad)enben Hnterfud)ungeit oerbantt, bot nun
ge3eigt, bafe als Organ für bie 2Bal)rnel)mung
bes £i©ts nur bie Oberhaut in Setrad)t tommt,
bie fi© an ber oberen Seite bes £aubblattes befinbet.
Datfäd)li© laffen fid) in ©rem Sau oerf©iebene
©iurid)tungen no©meifen, bie oon biefem ©efi©ts=
puntte aus fofort oerftänbli© roerben. Die an ber
oberen Seite ber grünen Slätter gelegene Ober*
l)aut beftet)t in ber Siegel aus einer einigen
£age farblofer 3etfen. Die Slufeenroänbe biefer
3ellen finb meift mehr ober roeniger nad) aufcen
oorgeroölbt, bie 3nnenroänbe bagegen eben; bo©
tommt es aud) mebrfa© oor, bafe bie 3mten=
roänbe SortoÖlbungen nad) bem Slattinnern 3U
bilben. Somit ftellt jebe Obert)aut3elle eine
plantonoexe be3iebungsmeife bitonoexe £infe bar,
bie burd) Sred)ung ber einfallenben £icf)tftral)len
eine l)elleu©tenbe, oon einer buntlen 3one um=
gebene glädje auf ber ^nnentoanb er3eugt.
Daft bie oorgeroölbten Überbaut3ellen als
Sammellinfen fungieren, läfet fid) bur© einen
ebenfo einfa©en roie finnrei©en Serfu© 3eigen.
Stau trennt bie Oberhaut mit einem f©arfen
S©nitte ab unb bringt fie fo unter bas SJUtroftop,
bah bie Sorroölbungen nad) abroärts geri©tet
finb. Slls £i©tquelle bient ber ebene Spiegel
bes SJtitroftops. Stellt man nun bas SJtitroftop
auf bie 3^^nroänbe ber Oberhaut ein, fo fiel)t
man bei fentre©tem £i©teinfalle in jeber 3elle
bas fielle SJtittelfelb unb bie buntle Stanbsone.
9Birb fe^t ber Spiegel etroas 3ur Seite gef©oben,
fo ba^ bas £i©t f©räg einfällt, fo rüdt au© bas
jjelle SJtittelfelb 3ur Seite: bie 3entrifd)e 3ntenfitäts=
oerteilung bes £id)ts get)t in bie ex3entrif©e über.
Die glei©en Sorgänge fpielen fi© aud) im
lebenben Slatte ab. Stad) ber Stnnaljme §aber=
lanbts bat man fi© nun bas Protoplasma, bas
ben 3mtentoänben ber Oberl)aut3ellen anliegt,
als li©tempfinbli© oor3ufteIlen (Serglei© mit ber
KolIobiumf©i©t einer pl)otograpl)if©en platte
ober ber Stet©aut bes menf©li©en Sluges). ©s
banbeit fi© hierbei um eine hoppelte ©mpfinb=
li©teit: 1. roirb ber Xlnterf©ieb 3roi[©en §ell
unb Duntel, 2. roirb ber Hnterf©ieb 3roif©en 3en=
trif©er unb ex3entrif©er Seleud)tung ber 3nnen=
roänbe empfunben.
Der fentred)te £i©teinfall bebingt eine 3entrale
Seleu©tung ber 3nnenroanb in ben Oberbaut=
3ellett. Daran ift bie Pflan3e geroiffermaben
geroöbnt; fie befinbet fi© babei in ber 3lul)elage.
§ällt bagegen ber belle $led auf eine feitlidje
Partie ber SBanb, fo roirb bas feitli© gelegene
Plasma geregt; bie Stei3roirtung pflan3t fi© nad)
bem 23Iattftiel l)lTt fort unb oeranlabt bter bie
eingangs ermähnten Krümmungen unb Drehungen,
bur© roel©e bie gemobnte fentre©te Seleu©tung
berbeigefübrt mirb. Dab bie Pflan3e hierbei
nidjt nur £>elligfeitsunterfd)iebe, fonbertt au© bie
Sti©tung bes einfallenben £i©ts mabrnimmt,
ergibt fid) baraus, bab fie bei f©iefer 5Belcu©tung
bie fixe £i©tlage ftets auf bem lüpften SBege
berftellt. Sie operiert babei fo fi©er, als ob fie
bas 3U errei©eube 3iel tlar oor Slugen hätte.
Da bie £)berbaut3ellen Sammellinfen bar=
ftellen, müffen fie au© Silber er3eugen. Das
gef©iebt in febr oolllommener SBeife. Slls §aber*
lanbt 3toifd)en bem Spiegel bes Ptifroftops unb
bem p-enfter ein 3meites SJtitroftop aufftelite, fab
er auf ben ^Ttnenmänben ber Oberbaut3eIlen bie
tleinen Silber bes ßmeiten SStitroffops. SBenn
fomit au© bie 3Jtögli©leit ber Silbmabrnebmung
oorliegt, fo betra©tet es ber Slutor aus oerf©iebenen
©rünben bod) als b ö ©ft unmabrf©eirtli©, bab
eine fol©e tatfä©lid) erfolgt. Slber felbft menn
bas Silb 3uftanbe tommt, ift ni©t einsufeben,
roel©er Sorteil für bie Pflan3e mit ber Silbmal)r=
nebmung oerbunben fein füllte. S)tan mirb bal)er
überbaut bes Slattes oon Anthurium Waroc-
queanum beim £infenoerfu©. 3n ben bellen
Kreifen bas Silb eines Sölifroftops.
tbtitropbotograpbie
Derfelbe Serfu© bei f©rägem £i©teinfall.
©X3entrif©e 3ntenfitätsoerteilung.
Stifropb oto gr apl)ie
bie ©ntftebung oon Silb©en auf ben 3itnen a
mänben ber Überbaut3ellen als einen 3toar pbP 3
fitalif© intereffanten, pbpfiologif© aber bebeutungs*
lofen Sorgang 3U betrachten haben.
Um 3U 3eigen, bab bie überbaut ber £aub a
blätter in ber Dat als £i©tfinnesorgan fungiert,
mar es nötig, bie Sammellinfenfunttion ber 3elleri,
bie ja für bas 3uftanbetommen ber Semegung
au© hätte belanglos fein tönnen, aus3uf©alten.
Das bat §aberlanbt 3unä©ft oerfu©t, inbem er
bie Slätter be3iebungsmeife gan3e Pflan3en unter
SBaffer tau©te. Da SSaffer unb mäfferiger 3^11=
faft nabe3U bas gleid)e £i©tbre©ungsoermögen
befi^en, tarnt unter biefen llmftänben oon einer
£infenmirtung ber Überbaut3ellen ni©t bie Sebe
fein. Die Serfu©e ergaben benn au©, bab ben
unter getan© ten Slättern bie gäblöteit abgebt,
in bie fixe £i©tlage ein3urüden.
©egen biefe Stetbobe mürben oerf©iebene
©inmänbe erhoben. Das bat ben gorf©er oer=
anlabt, neue Serfu©e an3uftellen. Diesmal
f©altete er bie £infenfunttion ber Überbaut3ellen
aus, inbem er bie Slattoberfeite mit SBaffer
benebte unb 3ur §erftellung einer ebenen ©ren3=
fläd)e mit einem äuberft bünnen ©Itmmerplätt©en
bebedte. Die Serfud)sblätter mad)tert babei ni©t
ben geringften Serfud), fi© fentre©t 3um ein=
fallenben £i©te 3U ftellen.
3n jüngfter 3ett bat bann §aberlanbt no©
eine anbre Sletbobe angemanbt. Die Serfudjs*
blätter mürben nur teilmeife mit SBaffer benebt
unb mit bem ©limmerplätt©en bebe dt, ber anbre
Deil bes Slattes blieb troden. %t ber ©ren3e
3mif©en benebter unb unbenebter Slattpartie
bra©te ber Sutor einen lei©ten f©mar3en Papier=
f©irm an. Dann mürben bie beiben Slattpartien
oon entgegengefebter Seite f©räg beleu©tet. §ier=>
bei ergab fi©, baß fi© ber Slattfüel immer berjenigett
£i©tquelle 3utrümmte, bie bie trodene Slattpartie
beleu©tete. Das mar felbft bann ber f$fall, roenn
bei glei©)tarter Seleu©tung bie benebte SIatt=
flä©e 2,2= bis 4,8mal fo grob roar als bie un--
benebte, ober menn bas benebte Stüd hoppelt fo
intenfioes £i©t empfing als bas glei©grobe
unbenebte. 2rür bie ©inftellung ber £aubblätter
in bie fixe £i©tlage ift alfo allein bie unbenebte
Slattpartie ausf©laggebenb, in ber bie ^runttion
ber Überbaut3ellen als Sammellinfen normal 3ur
©eltung tommt. §aberlanbt betra©tet bamit
feine Dbeorie als befinitio bemiefen.
Sie befagt, bab in ber Dat bas grüne £aub=
blatt mit ürganen 3ur SSabrnebmung bes £i©t=
rei3es ausgeftattet ift, bie im mefentli©en mit
benen ber nieberften Diere übereinftimmen. £jaber=
lanbt felbft nennt bie ürgane £i©tfinnesorgane.
Sßie er ausfübrt, bot er ben 2lusbrud bauptfä©Ii©
besbalb gemäblt, meil bie Dierpbbfiologen über
bas SSefen bes ^ttuges ni©t einig finb. Sßer aber
bie Se3ei©nung „Saugen“ ni©t nur auf fol©e
ürgane bes optif©en Sinnes bef©räntt, bie ein
Sehen oon Silbern ermögli©en, fonbern unter
Sehen mit SCRax Sd)ulbe „bie Ummanblung ber=
jenigen Semegung, bie uns als £i©t erf©eint, in
eine anbre Semegung, bie mir 9teroenleitung
nennen," oerftebt, ber tann bie ©ebilbe ebenfogut
klugen nennen. $ln ber Sa©e felbft mirb babur©
ni©ts geänbert.
3 uftimmung nidenb, als applaubierte Detoraüons*
ftguren beim 23 orfißenben ber Proteftoerfamm*
lurtg. (Auch bie Artiften, bas [ei nebenbei bemerft,
regten fuß bamals über bie 3ertfur auf — aller*
bings über bie 3 en[ur ber 23 arieteprogramme;
unb it>re gegnerifcße Aefolutiort gipfelte in bem
Säße: ber rid)ttgfte 3 ^nfor [ei allemal ber ©e*
fcßmad bes gebildeten Publitums... ©ine 23 e=
ßauptung, ber man entgegenßalten tonnte, baß
ber ^Begriff bes „gebilbeten Publitums" in ben
oerfcßiebenen Anfcßauungen leiber ein recßt oer*
fdßiebeuer i[t.) Dann befcßäftigte ftcß [ogar ber
Aeid)stag mit ber 3 eu[ur. Aicßt im Plenum, aber
in [einer Petitionstammer, in „biefem Ataffen*
ber ^Poli^ei in Preußen bas Aecßt gibt, bie öffent*
ließe Darftellung eines 23 üßnenu 3 erfes aus fidßer*
ßeits*, fittenorbnungs* ober getoerbepoli3eilicßen
©rünben 3U oerbieten.
Unb jeßt roären toir uneber bei ber Kraftprobe.
$ier bie Kunft — hier bie Poli3ei! §ier bas
beutfcße Schrifttum oon 1911 — hier $iufelbep
oon 1850 ! 3 d) fteße — mag's mir aud) oon ge*
toiffen Seiten oerbadjt toerben — n i d) t auf bem
Stanbpuntt, baß — roie [ie bas in Hamburg unb
23 remen beute fcßon ift — in gan3 Deutfcßlanb bie
3 en[ur einfad) abgefcßafft roerbert müßte. 233 oI)l
aber ftebe icf) auf bem Stanbpuntt, baß es un*
toürbig roar, bas oornebme 2 Bert eines oornebmen
Autors — roie $ep[es AtagbaIenen*Drama — 3U
oerbieten; unb bab es toiberfinnig ift, in einer
Stabt, burd) bie eine f 5 rriebrid)[trabe läuft unb bie
fid) mit einem §umbo!btI)afen unb [einen herrlichen
Atitbürgern gefcßmüctt toeiß, bie Aufführung eines
Dramas roie 3*an3 Dülbergs „Korallentettlein"
3U oerbinbern. 3 d) teile bie Anfüßt ber oben
3itierten Artiften nicßt, bab man bem guten ©e*
fd)mad bes publitums jcßlanttoeg jebes Urteil
überlaffen tonnte. 3 u einer Stabt roie 23 erlin,
in ber neben Arbeitfamen unb 3 ntellettuellen aus
allen ©den bes 23 aterlanbes and) ertledlid)e
Alaffen oon minberroertigen 3 eitgeno[[en 3U*
[ammenftrömen, um ihr Sdßäfcßen 3u fcßeren,
gibt es Dotale genug, bie [ich mit [ogenannter
„Kunft" befaffen unb in benen ber ,,©efd)mad"
auf einem recßt niebrigen Aioeau fteßt. Diefe an*
genehmen 23 ergnügungsftätten oerfammeln 3u
ihren Kunftgenüffen überhaupt feine Deute oon
©efdjmad, unb es triebe ben rohen Drieben ber
Arbeitsfcßeuen, Ungebilbeten, Sd)iffbrücßigen unb
Detlaffierten gerabe3u 23 or[cßub leiften, roemt man
bie 3 uläffigteit ber Darbietungen biefer Kunft*
tempelcßen nur oom ©efcßmad ihres Publitums
entßßeiben liebe. 2 P 3 eiß ©ott, ba toär's nicht mehr
roeit bis 3U ben Stier* unb Ijaßnentämpfen; unb
ber Pantomimen mit einbeutigem Inhalt, ber
„Scßönßeitsabenbe", benen jebe Schönheit fehlte,
ber 3otigften Scßtoänte, in benen bas oom grau*
3o[en immerhin noch mit ©fprit Angebeutete
plump beutfch herausgepoltert roürbe, gäbe es
halb genug. Aber ber 3 ^fur, bie beute roirtlid)
nid)t all3u ftreng ift, too [id/s um ©efungenes,
©etan3tes, ©eflüftertes unb ©e3tointertes ßanbelt,
mübte, too Kunftroerte in Srage tommen, bie bod)
fd)on oon ben fiettoren ernfthafter Püßnen bem
Direttor empfohlen, oon biefem ohne Siebenten
angenommen tourben, ein literarifcßer 23 eirat 3ur
Seite [tehen, ber über Xenben3 unb 2 Bert ber etroa
3U beanftanbenben ABerte [eine tlare Anficht auf
Sacßoerftänbigeneib 3u äußern hätte. Unb icß
möchte ben literarifchen Sadßoerftänbigen feßen,
ber 3toar geroiffe fran3öfifd)e Sd)toänte mit ein,
3toei unb brei Setten, mit ©nttleibungsfeenen unb
gepfefferten Dialogen ruhig fpielett läßt, aber ein
[o ernftes, oornehm gebacßtes 2 Bert roie Dülbergs
„Korallentettlein" 3U oerbieten anriete!
$ran3 Dülberg hat bis jeßt roenig oon ficß reben
gemacht. $at tunftßiftortfd)e Auffähe unb fülle
Püdßer gefcßrieben. Das Dßeater roußte noch
nichts oon ihm. Aus feinen ßiftorifcßen Stubien
unb feinen namentlichen ^Betrachtungen bes
(gortfeßung f. S, 1207 )
©s fdheint faft, als follte ber Dßeatenointer mit
einem Kampf beginnen, ehe ber 23 orßang 3ur
erften Premiere oon Selang fidh gehoben hat.
23 or brei fahren hat 3ran3 Dülberg, Kunft*
ßiftoriter feines 3 eichens unb lein junger Spring*
insfelb mehr, ein Drama gefcßrieben — unb 3toar,
bas fei hier gleich gefagt: ein ernfthaftes, toürbiges,
intereffantes Stüd — bas er „Das Korallentett*
lein" nannte. Drei 3 aßre fdheint fidh — bas ift
nicßt mertroürbig: benn erftens ben Autor als
Dramatiter tannte niemanb unb 3roeitens bas
Stüd ift gut — niemanb, ber an Dßeatern etroas
3U fagen hat, für bas Stüd intereffiert 3u haben.
23 is — im Sommer 1911 — ber Direttor bes Aeuen
Sd)aufpielßaufes in Serlin, Alfreb §alm, bas Stüd
annahm. Unb alfogleidh — oerbot es bie 3 enfur.
2 Bas ift bie 3 enfur? Die fie ausüben, be*
haupten: ein unerläßliches Aentil für Aoljeiten,
©ottlofigteiten, Aoltsoergiftung. Die baoon Se=
troffenen toerben behaupten: ein Unbing unb ein
Unfinn, oon bem teiner recht toeiß, toer ihn oer*
antooortet. Als bei bem Serbot oon Paul $epfes
„Ataria oon Aiagbala" in Serlin bas Deffing*
theater gegen bas PoIi3eiprä[ibium flagte, berief
fidh beffen Vertreter auf Alinifterialreffripte, nadh
benen biblifdje Stoffe oon ber Aufführung aus*
gefchloffen feien, unb betonte, baß oon biefem 23 er*
bot burdhaus teine Ausnahme gemadjt oDerben
tönne, roeil bie Perfon unb ber Dob bes ^eilanbs
in 23 erbinbung gebracht o^erbe mit einer fünbigen
Puhlerin, bie fid) allerbings in bem Drama be*
lehre. Das angerufene Oberoermaltungsgeridht
beftätigte bamals bas 23 erbot mit ber 23 egrünbung:
3ü3ugeben fei, baß bie minifteriellen Aeftripte
teine red)tlid)e Pebeutung hätten, foroeit fie bib*
Iifd)e Stoffe allgemein oerbieten. ©s tönne bes*
halb für bie grage bes Umfanges ber Aiacht*
befugnis ber 3enfurbehörbe nur bie Peftimmung
bes allgemeinen £anbred)ts unb bie Atad)tbefug=
nis ber Poli3ei in Petracht tommen. Die Aeligion
gehöre aber in einem djriftlidhen Staate 3U ben
Aed)tsgütern bes Publifums, unb „Ataria oon
Atagbala" [teile fid) als ein Angriff auf bie Aeligion
bar, beshalb fei bas 23 erbot bes Stüdes begrünbet...
An ben gall fei hier umftänblid) erinnert, roeil es
oor acht 3 <ü)*en jenen Sturm auf bie 3 enfur ent*
feffelte, ber fid) 3umr, roie alle Stürme, fd)ließlid)
legte, aber bod) tooI)I einige 23 orurteile getnidt
hat in belehrbaren §er3en. Denn in ber fdhließlidh
nicht roeit oon Preußen unb feiner 3 enfur gelegenen
Stabt SBremen hat ber ^epfefctje Angriff auf bie
Aeligion eine tiefe, faft toeiheoolle 233 irfung aus*
geübt. Unb aus ©nglanb unb Amerita tarnen bie*
felben Aadhricßten. ©s folgten bie lauten protefte
gegen bas Urteil bes Oberoerroaltungsgeridhts.
Alan hörte in einer 23 er[ammlung bes ©oethe*
bunbes, ber fid) fonft nur burct) einen fold)er Aiefen*
torporaüon eignenben tiefen unb gefunben Schlaf
aus3eidhnete, mattdh träftig 233 örtlein gegen bie
Knebelung ber tünftlerifdhen Probuttion. Suber*
mann fprad) 3ornig, gulba ironifd), grans oon
ßif3t juriftifd)*Iogifd), tülil bebauemb. Unb Alen3el
unb Atommfen, bie ehrenbelabenen ©reife faßen,
9ladf) «net fitt^oflrapfjie oon SarliSauer, Sffiindjen
grab für berechtigte A 3 ünfd)e unb bringenbe Aot*
rufe" (roie fie Ostar SBIumenthal einmal toißig
nannte). Das roar in berfelben Sißung biefes nüß*
liehen 3nftituts, in ber über bas Päßnd)en oon
23 itfch nadh Pirmafens umftänblidher oerßanbelt
ODurbe. %n betreff ber 3 en[ur einigte man fid)
nur baßin, baß ihre Regelung Sa^e ber ©in3el*
ftaaten unb nid)t bes Aeicßes fei. Unb ba in
23 e r I i n aus ©rünben, bie man heute taum nod)
3U bisfutieren braud)t, bie meiften unb roefentlid)*
ften Premieren 3U erroarten finb, unb ba Perlin
feine 23 or[tabt oon 23 remen ift, fonbern bie $aupt*
unb Aefiben3ftabt oon Preußen, fo unterfteßt ber
beutfdhe Püßnenbidhter heute noch einer Poli3ei=
oerorbnung, bie ber oon §ans oon Aod)oo3*
pieffoto oor fünfunbfünf3ig 3al)ren erfd)offene
§infelbep oerantroortlidh ge3eicßnet hatte, unb bie
ff (sy *■ •' • ©eficßt^farbe frifeßer unb rofiger. 93 ei mageren, in
fivf 'OUIVllUvli J &Kl ' ' ber ©rnäßrung ßeruntergetommenen perfonen madßt fteß eine
« - fteijtt gefunb fein. ®ofjet jä&fr jß«™ J® 1 # f ef "S 9 bcä «?*««&• *** ? eroi $ t | u ." b *»“*»«*« «»!*»««
nbeitSpflege niefit auf bie 4 n- Ä , n, ft ( unb Iafhscr
«et befct)cän!en. ®inbut<f|-. 1 } //: >' bte ©cf| 6 nf)eit bet ffotmen bee«nttad|t«gt.
er erzielen Iaffen, menn man •• / I *
maljtur auf ben Organi§mu§ - NI \ wf " * \;/ I Alan ßat Piomatj tonjentrierteS ©onnenlicßt genannt. Unb
yj ■ ,1 Md I r* in Sßaßrßeit: feßeint biefem eblen Alaljprobutt eine bem
armut, 23Ieidßfudßt, mangelßaft "'if ■*\/> .;'t ©onnenlidßt oergleicßbare fiegßafte, oerjiingenbe Sraft tnne*
ne, bureß überftanbene Stranf* M Y :• '/ jurooßnen, bie aüen jugute fommt, bie bur^ Stranfßeit, über*
ba§ 23Iut fcßlecßt. Aeroöfe fl l- anftrengenbe§ Arbeiten ufm. ßeruntergefommen, blutarm ober
gfeit, eine faßte, blaffe ©eficßtä* fl r'V-ii.'V- bleidßfücßüg finb, unter 23erbauung§befd)roerben, ßungenfranf*
oorjeitige galten* unb Aunjel* fl 1 ßeiten ufm. leiben, ftür Sööcßnerinnen unb ftiHenbe grauen
ung, ©cßtoäcßung De§ §aar* \ fl |:v •■'(** ift e§ ebenfo unentbeßrlidß mie für alternbe Perfonen. S?inber,
3n foldßeit fällen tann nur f.-V : : ^^^fl fl \ ' namentlid) blaffe unb folcße, bie ben 21nftrengungen in ber Sdbute
flM nidßt gemadßfen finb, neßtnen Piomalj mit oonüglidßem ©rfolg
Wiiffrififrurmcfitr J^flH fl jur ©tärfung foroie gur Peförberung be§ Knodßenroad)§tum§.
£lU||U|UJUngBIUl \3w alpM I 3aßlrei(he Stöniglidje finiten, profefforen unb Arjte,
ite folcße Äur ift bie Piomalj* ,!/ w fjürftlidßfeiten, berüßmte Aoiatifer, Aennfaßrer unb junger*
tätigfeit erßält eine mäeßtige fünftler oermenben nicßt§ anbereS al§ Piomalj, Da§‘ ju
:* unb ©äfteftodungen toerben :• i|'> j |;rbem billigen preife oon 1 Alf. unb 1,90 Alf. pro $>ofe in ben
nadß unb nadß entfernt. 2)er ,/ . \: meiften Apotßefen, ®rogenßanblungen unb Aeforntßäufern er*
ireß 23iomaIj ein leießt affi* " v .- T l/f / IvV'-'', ßältlicß ift. (%n t)fterreicß*Ungarn K 1.30 u. 2.50.) Aucß Sie
igefüßrt, ber bie Aeroen er* I i ’ij'-Vo-'-V' foüten, menn Qßnen 3ßre ©efunbßeit lieb ift, fieß fein anbere§,
©inbrüden gegenüber meniger angeblidß „ebenfo gute§" Präparat aufreben Iaffen.
-©ßcm. f^abrif ©ebr. Patermann in ^nebenan*
25ofen mirb bte SBirfung be§ 11 23erlin 109 meift PejugSqueüen nadß unb oerfenbet au§*
aucß äußerlicß fidßtbar. 3 u§&efonbere bie | füßrlxdße 23rofcßüre nebft Softprobe oöUig foftenloi.
1911. 9ir.46
Über £ctnö ttrtö SJleet
1207
ewigen Fugettbf^oWems ber 9 Aenjd)l)ett erwuchs
ißm ein Drama. (Ein Stücf Rüttelalter, ein ©tücf
§eute, ein Stücf noll Sd)mer3 unb Frage unb
ftlage. (Ein Stücf, bas wol)I in anrüchigem SRtlieu
beginnt — ber ltt>Iänbtfcf)e ^farrerfo^n Reinfjolb
£enß (in feinen „Solbaten“), ©oetßes ^reunb, ber
Straßburger £>einricf) £eopo!b 2 Bagner (in feinem
„(Euchen §umbred)t“) haben »or uier SRenßhen*
altern basfelbe RtÜteu nicht gefreut, unb man hat
SBagners Dragöbie nodh 1904 in Rerlin gefpielt —
aber bas bies SOtilieu ber feilen Dirnen in ber ge*
wunbenen ©affe mit ben roten £aternen halb oer*
läßt, um 3m ergreifenben Dtagööie einer 3ugenb
3U werben. „Füßlings (Erwachen“ hätte ber Dichter
bas Gtücf wohl nennen tönnen, wenn ber Xitel nicht
eben oergriffen wäre, ©in junges Ding, bas in uner*
quief ließen Rerßältniffen eines Rütgerßau|es groß
wirb — bie Riutter ßat's mit bem Machbar ge*
halten, ber ßeimfeßrenbe Rater hot bie ©rtappte
gefdhlagen, baß fie int Rett liegt auf ben Dob — hat
nichts oon feiner Fugenb gehabt. „Später fchilt
midh, weil idt) bie irjaare mir gern losmache,“ tlagt
bas ÜUiäbel, „mir 5 firfdEjen 3 weige in bie §aare
hänge, baß mir bie feßwargroten ilugeln oor unb
hinter meinen Ohren leuchten. Rater fchilt mich,
weil ich bie rote ©rbbeere, bie liebe feucht, an
meinen Ringern verreibe, baß mir bie Fingernägel
hübfeh rofenrot werben, unb mir bann lang bie
eignen Finger abtüffe. Dann fag' id) wohl 3um
Daumen: £ieber irjans, fage gum Schwurfinger:
lieber §eing, fage 3um Ringfinger: lieber F r <*n3.
Rtein Rater fchilt mich, weil, wenn id) Rrot holen
foll, ich gerne bann gehe, wenn bie jungen Räcfers=
teuf mit naeften Armen unb mit offener Rruft oor
ber Dür ftehen, unb bann gern es mache, baß mein
Arm wie unoermerft am nadten Arm oon einem
oon benen ftreift. Rieht Rater fchilt mid) unb ruft,
ich mürbe gan3 fo wie Riutter, wenn er mich nicht
fdhon bei £eb3eiten bem irjerrn Fefus oermählt.“
Unb nun flieht fie in ber heißen Angft ihres jungen
Rlutes oor bem illofter, bas fie oon all ben um
befannten F^euben einer Rtenfchenjugenb abfchüeßen
foll. Sie flieht in eine häßliche ©affe, wo man —
fie weiß es — mit £iebe honbelt. Aber bie £iebe
felbft tennt fie nicht. Unb nun ba ber erfte, ber fie
fi<h taufen will, ein lüfterner alter ürärner ift, unb
ba feine rohe ©ier fie beleibigt unb erniebrigt, er*
ftidjt bte ©nttäufchte, ©rfeßreefte ben oerliebten ©reis
unb wirb als oerbuhlte Riörberin 3um Dobe oerur=
teilt Die £iebe bes $rin3en, ber juft als Sieger
ein3ießt unb ent3üdt ihr Rilbnts gefeßen, rettet fie.
Frt feinen jungen Armen lernt fie bie £iebe lernten,
aber — wenn fie ihren tur3en Frühling gelebt hot,
foll e r fie richten oor allem Rolf unb bem Rer*
brechen bie Sühne geben. Fm Raujeß oergeffen
beibe ben ©ntfehluß. Da mahnt bas murrenbe Roll,
bas eine Dirne nicht als Joerrin will, an bas Rer*
fpreeßen. Den ^Srior, ber fie bem jpimmel als ewige
Rraut retten möchte, täufdjt fie in frommem Re*
trug, um ben Dob 3U erleiben, ben ©eüebten frei 3u
rnaeßen unb wieber 3ur |jöße 3U erheben oor allem
Rolf burch ihr Rlutopfer. Da ber Rrins feßwatß
wirb unb bas Furchtbare nicht oollftreden will,
tötet fie fi<h felbft... Das ift in fur3en Strichen
bie irjanblung bes Dramas oon Dülberg (als Rucß
bei ©gon Fleifdjel & ©o., Rerlin, erftßienen), bas bie
3 enfur in Rerlin oerboten hot. Rornehm wie bas
Problem ift bie Ausführung. Selbft im Dirnenoiertel
bes erftenAftes fein roßesSBort; aber oiel Schönheit,
oiel Drauer, oiel Anflage gegen oerfannte Rechte bes
Rluts, gegen ©Iternhärte, gegen pßarifäertum.
Rielleicht regt biefes Rerbot eine neue Disfuffion
über bie 3ettfur an; oielleicßt erleben wir noch eine
ausführlichere Refprecßmtg im Reicßstagsßaufe als
jene, bie ßinter ber Rahn Ritfcß=^irmafens 3urüd*
ftehen mußte. £)ber gar — es geßßießt ein Rhmber,
unb wir erfreuen uns mal r u f f i f cß e r 3uftänbe.
Dort hotte bie fenfur einem freien Dßeater Dolftois
„Rlacßt ber Ftnfternis“ oerboten — ba ließ ber
Riinifter bas Stüd im ftaiferlichen Dßeater aufführen.
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Sn ©ab*®lfter geigt ber ©efud)
aud) biefeS S«br einen erfreulichen 2Cuf*
fdptmng. ©telleid)t trägt hierzu bei,
baß man in bem oon ©abelroalb um<
gebenen ©abe hie fonft fo brüctenbe
.gütje biefeS Sommers weniger emp*
finbet unb in jeber 2tad)t mit (Sichet*
t)eit auf eine angenehme ©bfütjlung
rechnen fann._
®tne einfache Söfung ber<Sont*
merurlaubSfrage hat bie befannte
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Sörfdhoroiis unb ®reSben, bie befonberS
bie ®rucffnöpfe Kof)inoor berfteüt, ge*
funben. Um ihrem geiamten 2trbeitS*
perfonal ben roohltuenben ®tnfluß eines
Sommerurlaubs guteil werben ju laffen
unb babei öod) ben fonft unoermeib*
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OKtoberwo—1911
*- erscheint jeden Sonntag
DeutTcbe JlluTtrierte Zeitung
Copyright, 1911 , by Deutfdie Verlags ^Anfialt, Stuttgart
Der Kampf bet roeiften
unb bet roten Lofe
SRotnart
oon
©eorg $irfd)fdb
(gortfetsung)
CVnbie atemlofe 2 lrbeits=unb Selbatmofppäre
O bes Kaufes 23 raumütler plante frans oon
$epben ebenfo befreienb pinein mie in bie tan3*
mübe, ppilofoppierenbe Salonjugenb. Sr mar
nipt ber 50 lenfcf), bem man fein 2P*&en*Dag*
pinein*£eben gum 23 ormurf machen fonnte.
2 >ebes 23 ebenfen lapte er nieber. 9 Rit plom*
bierten 3 äf)nen freilip, neroöfem Sefipts*
3uden unb falfpen, oft fepr falfpen Gingen.
Das 23 erliner £eben nüftte pn rafp ab, er
mar fpon ein rept polierter Laturburfpe ge*
morben. £Iber er pielt fip aufrept, fooiel man
and) an pm fog unb mit pm fpielen mollte.
Sr patte feine beftimmten kleine. Opern*
fänger mollte er merben, unb ba fein 25 ater
in Köln oiel meniger begütert mar, als 23 rau*
müllers apnten, poffte er burp bie Kommer3ien*
rätin bie SDiittel 3U feiner 2lusbitbung 3U er*
palten. Sie mar' ja ber mäptigfte $aftor bei
prem Semapt.
So mar ber fonnige $ans, ber in $ran3
Otto 25 raumüllers §aufe allmäplip regierte
unb nipt nur gebulbet, fonbern miltfommen
gepeiften mar. 23 raumülter füllte fid) Söfarions
£ebensanfprüpen nipt mepr gemapfen —
mopte fie alfo immerhin ben greunb unb
^Blitzableiter paben. Die riptigen Srengen
mürbe bie Comingertopter innet)alten — er
aber gemann fid) eine angenehme Semiffens*
freiEjeit baburp. Dop $ran3 Otto tappte in
neues Hut)eil pinein. 2 tls er fein 23 eftes auf*
gab, feine bürgerlipe tötoral, machte er fid)
oogelfrei oor ber $rau, oor feinem 23 etfepr
unb am ärgften oor feiner Familie. Sraf
Kilpberg fap biefem Sntmidlungspro3eft mit
Kenneräugen 3U.
2 tls er fdion tief im Serebe mar, befploft
ber Kommer3ienrat in naioer Slüdsftimmung,
ein leuptenbes Spmbol für feine Erfolge 3U
fd)affen. ;2Illes, mas er bisher erreicht patte,
tollte ficE) in einem neuen |>aufe offenbaren,
bas er für ben Sommer gegen bie lururiöfe
233 opnüng am Kurfürftenbamm eintauf pte.
Sr beauftragte einen URobearpiteften, pm in
2 Bannfee eine 25 tlla 3U bauen, in großem Stil,
mit tpart, 2 Iutomobitgarage unb 2 Birtfpafts=
gebäuben. Der SQBelt gegenüber fap es mie
eine einmalige grobe Ausgabe aus, bie ber
tötillionär fid) Ieiften tonnte — in 2Baprpeit
aber ftedte 23 raumüIIer ben größten Deil
1911 (23b. 106)
feines 23 ermögens in biefes £ebensreflame*
paus. Das Lenommee mar ipm mepr als bie
Datfapen. 2 m gan3 25 erlin fprap man oon
ber großen Sinmeipungsfeier ber 23 raumüller*
oitla in 2 Bannfee. 2 tn einem September*
fonntag mar es enblip fomeit. £>ans oon
§epben patte in feinem gan3en £eben nipt
fo oiel gearbeitet mie in ben lebten 2Bopen.
Sr mar als lebenbiger Sefpmad angeftetlt
unb fünfte feine Sftaptoollfommenpeit. 3^e
Sinmifpung 23 raumüllers mürbe fproff 3urüd*
gemiefen. tötarion unb irjans tommanbierten
tperfonat unb Jrjaus. Da 25 raumülter fiep in
Sefpmadsfragen gan3 unfid)er füllte unb
alles baranfeftte, baft ber Srfolg bes Kaufes
bei feinem 23 erfepr ein burpfplagenber mürbe,
gab er fid) gern 3ufrieben. Seinen 2 trger
über bie ironifpe 2tnmaftung bes Kölners
fpludte er im 23 emubtfeirt bes Selbgebers
nieber. £eibenfpaftlip bebang er fiip nur
aus, bab auf ben gubböben, mo es mögtid)
mar, £ino!eum aus feinen ^jmbrifen oer*
menbet mürbe.
3ur (£inmeit)ungsfeier Iub er an punbert
tperfonen nad^ 2!ßannfee ein. ©s mar ber
gröbte Dag in 23 raumüIIers £eben. 3 ^em,
ber es pören ober ni<pt I)ören mollte, 3ät)lte
er feine illuftren (Säfte mit oollen Diteln unb
2Bürben auf. 3 rmtter f° r t nat)m er einen
harmlos Umfipau £»altertben beifeite unb raunte
pm 3U: „SBiffen Sie, mer bas ift? Der §err
mit bem grauen 23 art ba? Der 25 ortragenbe
tRat im §anbelsminifterium, Gb^ellens Spute!
kennen Sie ben Orben, ben er am §alfe trägt?
Das is ber ilronenorben erfter klaffe!"
3mifpenburp ftellte er alle 2Belt oor, uner*
müblip mie ein aufge3ogenes Ut)rmert. „$err
5lommer3ienrat'$er3felb — ^öulein tßaten*
beper, bie betannte ‘pianiftin. 5ton3ert am
fieb3et)nten Oftober, Saal ^Bepftein — miffen
Sie fpon? §err (Seljeimer IRepnungsrat
Rnetfpte — §err ( 5 et)ebner fefretierenber,
parbon erpebierenber Sefretär Spellbauer
00m ^Berliner tötagiftrat —jamol)l, 00m 25 er*
liner 9 Jtagiftrat. kennen Sie aup fpon $errn
2 lufriptig, ^äuleirt ’patenbeper? 5 tonful
oon 25 ene 3 uela? 3 omol)i, $err 2 lufriptig,
5 lonful oon 25 ene 3 uela!“ 25 raumüller patte
bie (Semot)nt)eit, bie Ditel feiner (Säfte bei ber
fBorftellung je nap prer 23 ebeutung in feier*
lipem, bemunbernbem ober moplmollenb an*
erfennenbem Done 3U fagen.
2tup bie f^omilie Ölominger mar 3U bem
großen Dage erfpienen. Klementine tarn mit
^ 5 l)üipp aus Dresben. Kartmann tjatte fip
nap langem 25 ebenfen entfptoffen, mit Doni
unb ipauta nap 23 erlin 311 fahren. Sr Satte
eine miptige 23 efprepung mit ^ 3 E)tXipp oor, unb
immerhin mar bie Srt)olungs3eit mit ^rau
unb Kinb, als (Saft feines reipen Spmagers,
niä)t oon ber $gnb 3U meifeit. 3tt ben erften
Söiinuten pres 2 Bieberfel)ens einigten fip bie
Preis oierteljäbrlicb 4 ITiark
Beim Postbezug 4 marK is Pfa. ohne Bestellgeld
ln Österreich*Ungarn Kr. 4.S0
23 rüber fpon barin, bag fie nipt 25 raumüIIers,
fonbern lötarions (Säfte feien. So fanben bie
ölamenlofen pre nötige IRomingerpattung in
bem Selb* unb Ditelmilieu. Doni mar nap
einer langen 2lrbeitsperiobe bie 3 er ^ reuun 9
im oomeünten 2!Boptleben fel)r angenehm, unb
Ißauta fpmelgte natürlip in all ben neuen,
munberoollen Dingen, bie fie oor fip Ijatte.
Sie mürbe ber oepätfpelte £iebling bes
gan3en Kaufes. Sine allgemeine 25 erfö^nungs*
ftimmung ergab fip in ben erften Dagen,
napbem bie tepte Klippe umfpifft mar, tiefe
©efräntpeit ber 23 iegenaus, bie in ber 25 illa
feinen ^ßtap mepr gefunben unb im £>otel
logieren mußten. 2lls 3ttrtTnernapbarin in
einem mirflip imponierenben ^errenpaus oer*
föpnte fip Klementine mit Kartmann unb
Sötarion. Karlmann unb ^Jpilipp fanben
mieber einmal ( 5 efallen aneinanber, unb als
lölarion pre Spmpapie für Dom aus*
gefpropen patte, liepen bie iRomingers gnäbig
burpbtiden, bap 23 raumüller aup fo übel
nipt märe. Das §aus, bas Sffen, bie 2 Beine
— Philipp mapte grope 2Iugen. 9 Ran lieft
ben £inoteumfabrifanten 3um erften Sölale
gelten. Ölur Klementine 3udte nop bie 2 tpfeln,
benn fie fiplte fip in folpem §aufe als £>errin
berufen unb empfanb aufs neue bie traurige
2 Banbtung pres Spidfals. 23 iegenau unb
Slfa famen aus bem §otel mit fpeeten 2tugen
perüb er. Sie nap men oon oornperein bie
Haltung Sötiftoergnügter ein, bie mepr muftten,
als fie ausfprapen. Da bie eben 3ü ^ran3
Otto gefaftte 3u T t^0ung bei ben anbern nop
auf fpmapen prüften ftanb, fpiftten fie mopl*
tätig berüprt bie Opren unb patten bas bunfle
Sepeimnis halb meg: £ans oon^epbens Stel*
Iung im 55 aufe bes §errn Kommer3ienrats.
Der arme ^cin3 Otto muftte nipt, melper
gefploffenen $patanr er troft feiner Saft*
freipeit, troft feiner imponierenben Srfolge
gegenüberftanb. 2lpnungslos näperte er fip
ben fparfen, lauernben £an3en. Seine Hn*
fiperpeit fürptete beftänbig, fip in ber groften
2 Belt, nap ber er teibenfcpaftlip traptete,
läperüp 3U mapen. Der bunfle Drang in
pm, nipt nur oom Selbe glüdtip 3U merben,
fonbern mepr oom geiftigen 23 efift, mar gut,
bop niemanb lopnte es pm. Ötipt einmal
feine $rau bedte feine 25 Iöften. 2 luf einem
IRiutbgange, ben er mit neu angefommenen
Säften burp bie gan3e 23 efiftung mapte —
es mar oielleipt ber 3epnte IRunbgang fpon,
immer mit benfelben, oon Kartmann unb
tßpitipp bereits gloffierten Lebensarten — in
ber groften < 5 alle, ber „^opl", mie 23 rau*
mülters bebenftipes Snglifp fagte, gefpap
ipm etmas ^äftlipes. ^rofeffor Sartorp, ein
maftgebenber 2tftpet, beffen 2Iusfprüpe oom
£>ausperrn mit befonberer Spannung ermartet
mürben, meinte, feinen 25 art ftreipenb: „Sepr
pübfp, §err Kommer3ienrat, mirflip fepr
160
1210
hübfd). 5Iber fagert Sie mir nur um ©ottes
millen — mar um haben Sie 3 lüen Ratgeber
bas orbinäre £tnoIeum auf ben jfjruhboben
legen Iaffen?"
„Das is nid) oon mir!" rief Hans oon
Hepben, unb fofort ftimmten bie anroefenben
Pamingers ein fcharfes, lidjembes ©elädjter an.
Der £inoIeumfabrifant be!am einen roten
Kopf unb oerlieh bie Halle. Verlegen folgten
ihm bie (Säfte, ©r ftieg, nad) Raffung
ringenb, bie Dreppe hinauf unb blieb am
©ingang zum SJlufitfaal fielen. „Hier, meine
HerrfChaften!" rief er im Vusruferton unb
machte eine eble ©efte, bie ber etroas 3 U enge
Samtanzug nid)t red)t geftattete. „Hier is
ber 99tufiffaal, auf ben id) befonbers ftolg bin !
Das Reifet, id) felber bin ja 3 U toenig mufi=
falifd) — bas is mehr bie Domäne meines
lieben gteunbes Hans! $ür unfern Sans is
ber Vtufiffaal gebaut toorben!"
Vlies blicfte auf ben fonft fo befd)eibenen
Dpernfänger, ber jel)r oerlegen tourbe unb
nicht muhte, toas er fagen follte.
„511) bat), Xlnfinrt !" rief SDtarion, fich herrifch
auf bie ^uhfpihen ftellenb. „Vring bod) ben
armen Sans nit in Verlegenheit! Hier hat
neulich erft ber Siftermans gelungen!"
©in leifes Kiä)ern folgte ihren VBorten, unb
VraumüIIer irrte aud) aus bem 9Jlu|tf|aaI
heraus.
„VSohin geht'f benn ba nebenan, Herr
Kommerzienrat?" fragte eine junge Dame.
„Sßahrfdjeinlid) in bie Vibliothef?"
„£). nein, meine ©näbigfte — ba gefjt's
ins 3 immter meiner $rau."
3eht mar bem $ah ber Voben ausgefd)lagen.
9ti<ht nur bie Coming er s Iad)ten — alle Vn=
mefenben oerfielen jeht in Heiterfeit unb
brachen er|t ab, als fie fahen, bah ihr ©eläd)ter
eine Kränfung für ben Hausherrn mar. 9Jtarion
oerfdpoanb. Vu<h Sans oon Stoben machte
ben VuYtbgang nicht länger mit. Dies er=
höhte Philipps Vergnügen, ber |ich an Karl=
manns miberftrebenben Vrm gehängt hatte
unb mit tränenben Vugen immerfort flüfterte:
„Diefes Vinboief)! Diefes Vinboief)!" Doni
fat) fogar Klementine lachen. Sie ahnte mehr
ben 3u|ammenhang, als bah ihr bie Situa=
tion fchon flar mürbe, ^ebenfalls mihfielen
ihr bie 9Venfd)en hier grünblich, biefe ge=
puhten, lobenben Schmarotzer mit ihren erg=
fai|d)en 3ungen. Sie hätte ben unoerfd)ämten
Viegenau, ber fid) nicht beruhigen mollte—
er grunzte nod) immer feinem Vßeibe zu:
„Vlfa! Das 3i mmer meiner Stau!!" — fie
hätte ihn am Iiebften bie Dreppe hinunter*
gemorfen. Das Vtitleib, bas fie fd)on lange
für VraumüIIer empfanb, melbete fid) oerftärft
in Doni. Salb unbemuht fühlte fie fid) in biefem
Saufe auf einer Stufe mit ihm. VSert gegen
Scheinmert 3 U oerteibigen galt es ihr, unb fie
näherte fid) bei ber erften ©elegenheit ihrem
Schmager, um ihm aus ehrlichem Herzen Vn*
erfennmtg für fein Saus auszufpred)en.
VraumüIIer muhte, mer Doni mar, unb
eine tief geheime, liebeoolle Schätzung trug
er für fie im Ser 3 en. 9Jiit mehmütiger
3ärtlid)teit betrachtete ber Kinberlofe auch
ihr fdjönes, liebensmürbiges Kinb. Vber fein
Verhängnis mollte es nid)t, ihr Vertrauen
3 U gemimten, ©r trachtete ,hinauf' in feinem
blinben VM)n, unb bie hexzßchfte ©inig=
feit mit Doni fonnte für ihn nur »hinunter'
bebeuten. V3emt er eben nod) oor fich hin=
gemurmelt hatte: „Die is ber anftänbigfte
9Venfd) oon ber gan 3 en ©efellfchaft", eilte
er fd)on Philipp ober Varon Viegenau nach
unb mar beglüdt, menn biefe Kenner feine
3 igarren gut fanben. 5tm meiften aber lag
ihm an Karlmann, benn in ihm erfaunte er
trotz feines Vomingerhodjmuts ben Vornehmen,
echt unb emfthaft Ringenben. Deoot orbnete
er fich feinem Urteil in ©efchmadsfragen unter
unb übernahm es, ohne ba 3 u aufgeforbert 3 U
fein, für Karlmanns Dal ent Propaganba 3 U
machen. Doch mährenb er in ihm einen
mirflid) Unintereffierten ber höheren Vaffe oor
Uber £artb urtb 3JIeer
fich hatte, näherte fid) oon ber anbern Seite
Philipp; bem bie ganze 2 BeIt nur perfönlicher
Vorteil mar. Valb mar auch Klementine 3 ur
Stelle, Um nicht nur als SOtutter ihrer Söhne,
fonbern auch aus eigner 9tot ben reichen
Vtamrt 3 U fchröpfen. Dief oerfing fid) $ran 3
Otto VraumüIIer in bie 9tehe» benen er bisher
gefd)idt entronnen mar. 3 eh^ ^ar es nicht
anbers möglich — er muhte für bie Üftenfchen
praftifd) eintreten, bie ihm ein ^Relief oor ber
VSelt gaben. Deuer bezahlte er bie ©hre, in
feinem eignen Saufe ©eltung 3 U finben. Kle*
mentine machte ihm flar, mie oorteilhaft es für
ihn märe, an ihren Spefulationen teilzunehmen.
Serr Keffelbach, ber alte ©efchäftsfreunb in
§riebrid)sburg, melbete eben bie günftigften
©hancen in Sübamerifa. 5Iber Klementines
Vaarmittel maren faft erfd)öpft. 9tur mit ber
Silfe bes Schmiegerfohnes fonnte fie noch ein=
mal hochfommen. VSie fchmer mürbe es ihr,
Philipp in Dresben ben monatlichen 3uf<huh
für fein angenehmes £eben 3 U fenben. VSie oft
hatte fie fchon mit blutenbem S^en Karlmanns
Vitten um Unterftühung abfdilagen müffen. ©in
99tenfd) oon ^Sh^PP 5 ©aben — ein Kopf oon
Karlmanns Vebeutung! VSelche glüdftrohenbe
Vtutter fonnte fie fein! Vber bie gemeinen
SUltagsforgen oerbitterten ihr alles. <J3InßpP
muhte bei bem Dresbener Kunfthänbler meiter
für ein Stüd Vrot arbeiten. Karlmanns
Vilber unb ber hodjßebeutenbe VSibugaft oer=
ftaubten — mas er als Sh^orifer ermarb,
reichte nodh nicht für feine Vßohnungsmiete
hin. SÖtit bemeglidfen VSorten flagte Klementine
bem Schmiegerfohn ihr £eib. VraumüIIer
mar nicht nur baoon betroffen, bie $rau f)Sro=
feffor fidh plö^Iicf) bemütig nahe 3 U fehen —
es fd)mei<heite ihm auch, 9tothelfer unb ©nt=
fd)eibungsgott ber ganzen Familie zu merben.
Diefes Voancement 3 erftreute fein altes 9Hih=
trauen, ©r beglüdte bie SChmiegermutter
burCh eine anfehnliche ©elbetnlage unb erhielt
oon ihr bafür ben erften Kuh- Vhißpps grobem
^31an, bem bie michtige VefpreChung mit Karl=
mann gegolten hatte, trat er ebenfalls näher.
Philipp mollte in Dresben eine neue, höchft
oomehme, höchft foftfpietige Kunft 3 eitfchrift
grünben. ©r behauptete burd) feine Dätigfeit
fchon ben nötigen $onbs an Kenntniffen unb
©rfahrungen zu befihen. feinen Sänben
follte bie fünftlerifche Keitung ruhen, mährenb
er für ben ItterarifChen Deil feinen Vruber
gemonnen hatte. ber ^Pallas' — fo
follte bie neue 3 eiif<h*ifi h^ifeß^ — fahen
bie beiben begeiftert ihren ßebenszmed fidh
erfüllen. Philipp teilte bem Schmager mit,
bah mehrere angefebene unb reiche Kunft=
freunbe bas ©runbfapttal gezeichnet hätten,
unb baraufhin erflärte fich VraumüIIer enblicf)
bereit, bas nodh 5 ^ 1 ) 1^06 bei 3 ufteuern. 3 n
ber eblen Kunftatmofphäre, mo 9tamen mie
Klinger, Vtar fiiebermann unb Xfchubi umher=
fchmirrten, auch feinen 9 f lamen genannt zu
miffen, bas bienbete VraumüIIer. Doch als
er fich groben Summe eben entäubert
hatte, ftellte es fich heraus, bah bie Deil*
nähme ber anbern ©elbgeber nodh in ben
Voroerhanblungen ftedte unb 3 meifelhaft
mürbe. Philipp hatte ben 9Jiunb zu ooll
genommen. Kartmann aber geriet bem em=
pörten VraumüIIer gegenüber in arge Ver=
legenheit. ©r hatte bem Vruber geglaubt,
unb nun mar alles nur mit bem ©elbe bes
SChmagers angefangen morben. meiter
Srerne lag bie erfte Stummer ber , Pallas'.
Valb nach biefer unliebfamen ©rfahrung
traf ein Delegramm oon Scrrtt KeffelbaCh ein,
bas eine plöhliche Krifis in Sübamerifa mel=
bete unb beutlid) machte, bah Vraumütlers
Veteiligung an ber fChmiegermütterliChen Spe=
fulation oerloren mar. Schlimmer aber als
ber Verluft mar es für ben foliben ©efd)äfts=
mann» fo lächerlich hereingefallen zu fein.
Niemals hätte er fid) auf berartige Spefm
Iationen eingelaffen, menn er nid)t mieber
einmal fdhmad) oor ber Vomingerfcf)en Dp=
rannei gemefen märe. VraumüIIer mar namen=
1911. 47
los gereizt. Schmiegermutter unb Sdjmieger'
fohn gingen fiCh mie fnurrenbe Raubtiere aus-
bem VSege unb marfen einanber funfelnbe
Vlide 3 U. 9lud) bie ^er 3 lid)feit Korlmann unb*
Philipp gegenüber erfaltete. Das $amilien=
fonzert mar grünblid) zerftört. Viegenau
aber, ber noch immer nicht nach Verlin 3 urüd=
fahren mollte unb an ber Kommer 3 ienrats=
tafel einen unenbliChen Vppettt entmidelte».
fam in ber fritifdjften Stunbe mit ber trium^
phierenben SftaChriCht, bah er am Parifer DotaIi=
fator fünftaufenb ^raufen gemonnen habe.
VraumüIIer mürbe bläh *>or $rger. ©r fahte
fid) erft, als $rau oon Viegenau fich öa=
burd) blamierte, bah fie ben $aooriten mit
einem traurigen Dutfiber oermechfelte. ©ublicf)
mürbe einmal über ben anbern Schmiegerfohn
gelacht, benn ber ehemalige Vittmeifter rief
mit zornigem Vormurf: „Vber VIfa! Dah bu
ben , 8 rlitt‘ nich fennft!" Diefer Vusfprud)’
mürbe 3 um geflügelten VSorte.
Karlmann hatte fChmere Sorge um SÖtarion,
feine £ieblingsfd)mefter. Der Kölner, bem er
fie hiagegeben fah, gefiel ihm nicht, unb bie
5ltmofpf)äre bes fchmefterlichen Kaufes brüdte
bermahen auf ihn, bah er mit Doni balbige
Vftreife befdEjIoh- Dies glänzenbe Scheinleben
fonnte er nicht länger mitmachen. Vlarion
empfanb, mas in bem Vruber oorging. Dah;
Philipp für ihren £iebhaber eingenommen
mar, erfChien ihr nicht fo michtig mie Karl!
manns Sympathie. ihrer grenzenlofen
£iebe fah fie mit Schmerz, bah ber Vruber
£jans oon ioepben mihbilligte. $atte er ein
^ed)t bazu? ©r ftellte ja auch noch nicht
oiel in ber VSelt oor, unb bah he, feine
SCfjmefter Vtarion, in einem VraumüIIer fein
©lüd fanb, muhte ihm. flar fein, ©in grob-
3 ügiges Venaiffanceleben, über bie Philifter=
moral htnmeg, muhte Karlmann oerftehen
unb ihr 3 ubiIIigen. ©r hatte ja bes Vaters
Künftlerblut geerbt, er fonnte unmöglich lieber
fehen, bah fie mie eine ftumpfe Vourgeoife
in finnlofen Pflichten oermelfte unb ihren
groben £iebesbefib nicht einem jungen, ihrer
mürbigen 9Jlenfd)en fchenfte. VSie lebten benn
anbre grauen ihres ©efellfchaftsfreifes? 9lud>
nicht tugenbhafter. ©ines Dages brach he bie
©elegenheit oom 3 aun, über ben ©eliebten
mit ihm 3 u fprechen. Doch fie fprad) nur —
Karlmann blieb ftumm. Vlit fliegenber Vruft
unb feuchten Vugen fagte fie ihm enblich :•
„Der §ans mirb oerfannt. ©r ift noch er
fann noch nix — aber barf man benn immer
bie gemöfmlichen 5tnfprüd)e ftellen? ©r ift
halt ber SOIenfd) — fonft nix — unb bas ift
mehr als alles!"
Karlmann gab feine SIntmort unb oerlieh
bas 3ßnmer. Korribor begegnete er feiner
9Stutter. ©r fah ihr an, fie hatte gehorcht.
Karlmann burd)fd)aute ihre Stellung in biefem
§aufe. Sie proteftierte nicht gegen bas Hm
heil , bas ihrer Do «hier brohte, m eil fie in
§ans einen Fächer fah, ber ihrem £ah gegen
VraumüIIer mohltat. —
©tmas gab es, bas auf $ranz Dtto, ber fid>
bisher unglaublich gefügig gezeigt hatte, mie
ein roter £appen auf ben Stier mirfte. Varon
Viegenau mar ein Spieler unb machte mieber=
holt ben Verfudj, feine £eibenfdhaft in bas
$aus bes Kommerzienrats zu übertragen,
©inrnal hatte VraumüIIer es fchon energifdj
oerhinbert, benn er fah feine ©runbfähe,
fein mühfant ermorbenes Renommee burCh ben
SRittmeifter bebroht. Dod) als er eines Vad)=
mittags überrafchenb oon V erlin zurüdfam
unb ben erfreulichen Vnblid hatte, bah Vie=
genau, Philipp, £ans unb ein Vmerifaner im
Herrenzimmer poferten unb feine teuerften
3 igarren pafften — ba floh ber angefammelte
3orn in ihm erfChredenb über. VSas er nach:
£uft ringenb heroorbradhte, glich einem Hinaus-
murf ber ©äfte, unb im 9tu ging bas ganze
£ügengebäube in flammen auf. VSährenb
bie Herren 3 anften, erfChienen zum Unglüd
auch bie grauen. 3 ehl mar bie Familien*
fataftrophe oollfommen. VraumüIIer mies,.
1911. 9tr. 47
am gan3ett Körper 3itternb, E 3 iegenau bie Xür,
worauf ber Elittmei[ter it)rt 3um Duell forberte.
©I[a aber [teilte fiel) megärenhaft an [einer Seite
auf unb [d)rie: „Elber er i[t ja nit [atisfaftions*
fähig! (£r i[t janit[atisfaftiortsfäl)ig! ©inEElenjd),
ber [id) bas im eigenen §au[e bieten läfet !“
„EBaslahid) mir im eigenen £>auje bieten?“
brüllte SBraumüller.
„§ier i[t nit ber Ort, um baoon 3U [predjen!“
feifte Klementine. „Sie roif[en noch immer
nit, was [id) gehört!“
„©Riehen Sie 3 h re Kinber be[[er! ©ehört
es [id) oielleid)t, bah id) mein [auer erworbenes
(Selb bei euren Sd)winbelge[d)äften los werbe?“
: ; „Elhci! Eid) [o! Sie [ollen auf geller unb
Pfennig alles 3urüdbefommen!“
„Eluf geller unb Pfennig!“ wieberholte
s ;j 3 f)ilipp mit großer ©ebärbe.
„3d) bin neugierig!“
„(Sei) f)inaus, ©I[a!“ [d)rie iet?t plöhlid)
Clarion, bie neben <5ans [tanb, in trantfjafter
(Erregung. „ 34 ) bulb' es nit, bah bu mir 33 lide
3uwirf[t!“
„ 93 i[t bu oerrüdt? Eid), bu füt)I[t bief) wof)l
getroffen?“
„£alt bein EEtaul, 3rauen3immer!“ Marion
[tür3te hinaus.
- „EBas t)at [ie ba je[agt?! ©raumiller! 3 hre
3 rau muh Abbitte lei[ten!“ EJtit wut[prül)enben
Elugen pflügte Siegenau [id) oor bem Korn*
mer3ienrat auf. Sd)lud)3enb [aut ©l[a in einen
Se[[el.
„3d) höbe hier nid) für bie Eluierungen
meiner $rau ein3u[tel)en!“
Über Kartb unb SOleer
„Das jlaub i<h! Sie [teilen ja für nid)ts
ein! $ür j ar nichts! Komm, Elija! 3 u bie[em
£jau[e lönnen wir nid) bleiben!“
Die E 3 iegenaus oerliehen bie EUlIa. Kle=
mentine, ber ein <oer3frampf brohte, muhte
oon Philipp binausgefübrt werben. E 3 er=
wün[d)imgen gegen E 3 raumüIIer auf ben £ip=
pen, liefe [ie [id) fortbringen. Doni unb KarU
mann Iau[d)ten im ©arten [djredensbleid) ben
©reigni[[en. ^löfelidt) eilte £>ans oon £jet)ben
mit einer Efeijetajdje ohne ©ruh an ihnen
oorüber. Elad) etwa 3ef)n EJtinuten erjdjien
aud) EJlarion im ©arten. „irjabt ihr ben Ejans
ge[el)en?“ rief [ie oer[tört. „Karlmann, um
©ottes willen, wo i[t Ejans?!“
Doni wollte ihn nod) hebern, bod) Karb
mann erwiberte [d)on:
„©r [djeint nad) Berlin gefahren 3u [ein.
©ben i[t er hter an uns oorübergelaufen.
3 ur E 3 ahnf)of[trahe htu.“
©r büdte [id) ent[etjt, benn bie Sd)we[ter
taumelte unb lag im näd)[ten Elugenblid be=
wuhtlos 3U [einen 3ühen.
(gortfefcimg folgt)
3wei (öeindjte in )ßtofa
Die fahle, weihe EKauer
3 n EJtittagsjonnengluten [teht eine fahle, weihe
Eftauer.
Eliele EJten[d)en eilen täglid) an ihr oorüber.
EJiand)e bead)ten [ie gar nid)t; manche [d)impfert:
„Die höfelidtje EJlauer!“ ...
►
-
Die [charfe EJtu[d)el
9Jcu!) einer fünitlerifdjen <pi)otograpf)ie oon 3- SJoila
1211
EBenn aber ein ©ärtner fäme, ber an il)r ben
EBeinjtod 3öge — wie präd)tig würbe ber gebeil)en!
Unb wie eine ©lüde bie Küchlein, [o würbe bie
Eftauer ben Drauben SBärrne [penben...
Unb bie Eften[d)en würben [taunen unb [id)
freuen. —
Eid), wieoiele EEtenjchen gleidjen ber fahlen,
weihen EEiauer! —
*
SElumen blühen auf meinem ©rabe
3m Draume [djritt ich über einen 3riebl)of.
Ein prunfoollen Dentmälent ging ich oorüber.
©rohe 23 ud)[taben, bie bie Ejanb bes E 3 ilbhauers
er[t oor wenigen EJionaten in ben EEtarmor ge=
meihelt hotte, oerfünbigten pral)Ienb, bah ber Dote
nie oergejjen werben würbe; aber E 3 rewte[feln oer*
bedten [d)on mehrere EBorte.
Eid), felb[t auf umge[tür3ten Sanbjtein» unb
©i[enfreu3en [tanben nod) Sähe, bie oon ewiger
Siebe unb Dreue fabelten.
EBarurn, fragte ich mid), nehmen bie EEten[d)en
©ifen, Stein unb EEtarmor, um barauf bie ©efiil)le
ihres wanfelmütigen Segens 3u offenbaren?
„Etehmt Eßapptäf eichen ba3u, ihr EJlen[d)en!“
[chlud)3te id)... Unb plöfelid) [tanb id) oor meinem
©rabe...
©in Ueines Ejofefreus trug nur Elamen, ©e*
burts» unb Dobestag. Eluf bem ©rabe aber blühten
in über[d)wenglid)er Sülle bie [päten EMumen bes
§erb[tes: Dahlien, Elftem unb ©eranien...
„Siebenbe §änbe [d)müden nod) nach 3wei
3al)ren mein ©rab!“ flüfterte id).
EBie [onnig würbe mir im ©erniite! EJlit einem
[eligen £äd)eln auf ben Sippen [chlenberte id) 30m
griebhofsportal hinaus!
So i[t bas men[d)lid)e $er3!
§ans Eieiter
1911 (33b. 106)
161
1212
Über £anb unb SQleer
1911. 9tr. 47
Beter £jalm: £äusd)en auf ber Steicßenau
Beter £atm
{jVJ-achbem bie Stabiertunft burd)
W Stembranbt — ähnlid) tote 3U*
oor ber Äupferftid) burd) Stirer —
eine h°h e BoIItommenheit erreicht
batte, oerfiel fie bod) fpäterhin toieber
in eine bienenbe Stellung. ©rft
banf ber eminenten gortfdjritte auf
bem ted)nifd)en ©ebiete ber Stepro*
buttion toirb bas Stabieren toieber
mehr als freie, felbftänbige Äunft
betrieben, als eine Äunft, bie fid)
innerhalb gan3 befonberer ftiliftifd)er
©rennen betoegt unb bie befonbere
Dechnit gur Betonung eben biefes
befd)räntten Stils ausnußt. Der fabel*
hafte japanifd)e $ol3fd)nitt hat in
neuerer 3eit ber Stabierfunft eine
ebenfo ftarte Anregung gegeben roie
ber europäifdjen SStalerei. SBer in
bem tür^lich erfdjienenen $anbbud)
„Die Äunft bes Stabierens" oon §er=
mann Strud blättert — bie übrigens
trefflichen tedjnifchen ©rörterungen
bes §anbbud)s finb auch funftliebenben
Saien eine oorgüglidje ©inführung —
toirb ben japanifd)en ©infdjlag bei ben
meiften unfrer gefd)äßteften Stabierer
ertennen.
Beter £alm aber hat toenig
oon biefem Stil in feine Äunft auf*
nehmen tonnen, ba er fid) überhaupt
oor allen inbiretten ©inflüffert wehrt
unb feine anbre Sehrmeifterin an*
erfennt als bie — Statur! So fönnte
man im ©egenfaß 3u ben meiften
mobemen ©raphifern bie Befon*
ber heit §alms barin fehen, bah fie
ihm fehlt (fofern man unter Be*
fonberheit unb Stilifiertheit basfelbe
oerfteht!). 3hm gilt immer nur bie
eine Denbenß — bas Staturbilb in
frifdjer Beßanblungsart eraft toieber*
3ugeben. ©r benußt nid)t bas SStotio,
um feiner Berfönlicßteit ©eltung 3U
fchaffen. §aim ift gleid) ermaßen 301=
preffionift unb Staturalift. Die Statur
Beter §alm
Stubienföpfe
hat er ftubiert mit ber Siebe unb
SadjUchteit eines SJien3eI unb mit ber
tünftlerifcßen Ungehemmtheit eines
Siebermann. Stus einer fo feltenen
Befähigung, bas fubjeftioe ©mpfinben
ber obfeftioen 2 BaI)rI)eit unterorbnen
3U fönnen, refultiert Beter §alms
außerorbentlicße Gualififation 3ur
Sehrtätigfeit, bie er ungewöhnlich
erfolgreid) an ber SStündjner SIfabemie
feit 1900 — als Slachfolger feines
Sehrers Staab — ausübt.
3 um Sehrberuf beftimmt ihn auch
fein gütiges Statureil, feine toarme
Begeiferung für bie große Äunft ber
Älaffifer. SOtit einer feltenen Eingabe
fucf)te er feiner3eit bie erften Slabier*
oerfud)e bes Stubien* unb Sllters*
genoffen Stauffer = Bern 3U förbern,
ber befanntlid) immer3u bei jebem
ein3elnen 3 uftanb ber Blatten bas
Urteil bes Freunbes berausforberte.
Stauf fers raftlofer ©ifer tourbe oon
$alm gefchürt. Biele Briefe Stauffers
haben bem fdjönen Berbältnis 3toeier
Fadjtollegen ein Denfmal gefeßt.
SBeniger befannt bürfte es fein, baß
aud) ber SOtaler Stauffer bem SJtaler
§alm nad)3ufommen fudjte. ©ine
3eitlang befudjte §alm, nachbem er
fid) 3uerft ber Slrcßitettur, bann ber
©raphif 3ugewanbt hatte, bie SOtal*
fcßule bes Brofeffors oon Söffß \n
Sllünchen. Die 2 Beid)heit feiner male*
rifdßen Diftion war recht häufig ber
fpröben Farbgebung Stauffers ein
Dorn im Sluge. Übrigens laffen
$alms lanbfd)aftlid)e Ortginair abie*
rungen, feine oon SJten3els ©eift oft
befeelten Bleiftift* unb ÄohIen3eid)=
nungen (ogl. Bublifaüon 2Bei3fäder,
„©raphifche Äünfte“, 1898 ) einen
burd)aus malerifchen Bortrag erfennen.
SPtan ift ocrfucht, oon einer Beter*
§aIm=Sinie 3U fprecßen, benn alles,
was aus ber BSertftatt biefes Sta*
bierers tommt, hat etwas oon alt*
meifterlidjer BoIItommenheit. SJtit
einer feltenen, 3artfül)lenben ©mp*
1911. 9lr. 47
Über ßartb urtb s D?eer
1213
finbfamteit i[t ^ßeter £alm burd)
bie itunft alter äReifter I)tnburcf)=
gegangen unb I)at ihrer Decbnit
bas 3ntimfte unb bas ©rofc
jügige, bte tluge 23 efd)räntung
ber SCRtttel unb ben 9 ?eid)tum
ber tleinen unb Kennten äRotioe
abgefe^cn. Unb fo trägt er 3U=
gletd) bem fuebenben ©efd)mad
ber ©egenmart 9 ted)nung, nach
einer tünftlerifcben ©eftaltung ber
mefentlicben Stimmung einer
£anbfd)aft, bie non £id)t unb
£uft burd)träntt ift. £)l)ne bie
pt)otograpbifd)e ©Sattheit ber ge=
nialifd)en ftunft SRenßels tomrnt
^eter £jalm bod) als ftünftler
oermöge feiner ©efül)lsed)tbeit
unb tedjnifdjen ©brlid)teit 3U
gleiü) über3eugenben Stubien
unb 3^id)nungen oor ber $ftatur.
Seine Köpfe finb ftreng unb oer=
fonnen in ber Haltung, unb bie
9 JiitteI auf bas Sftotmenbigfte
ausgefpart. 9 tur roer fie länger
betrachtet, ber tann oon ü)nen
als letjtes ©efebent aud) nod)
bie fröhliche SO^eifterfd)aft bes
Sdjauens ablefen, bie innige
$reube am Objett, bie ben 3ei=
cbenftift befeelt haben. ©benfo
gebt es uns bei feinen £anb=
fd)aften; bie ruhige Haltung
biefer 23 lätter, bie jebes auf
feinen fpe3ififd)en Don geftimmt
finb, getoinnen, je länger man
fie anfd)aut. Da taud)en bann
un3äl)lige tleine, liebeooll gefebene
©Übelheiten auf, bie immer roieber
roie in einem groben ©mpfim
bungsftrom in bas ©efamtbilb
einmünben unb feinen tünftleri*
f(ben 9 Bert bifferen3ieren, ohne
ibn in ein Vielerlei 3U 3erfpalten.
Diefer SUleifter ber Ded)nit be*
berrfd)t bas gan3e 2Berf3eug! —
(Er tann roäblen 3toifd)en $abieren,
Sdbabfunft unb Vernis mou unb
roenbet häufig eine 5 tombinations=
^ßeter £>alm
9 labierung nad) Sfrans £jals
ted)nit an. Niemals fül)lt er ficb
an bie Ueffeln einer einigen
Äunftgattung gebunben. (Er oer=
arbeitet ben oon ber Statur emp=
fangenen (Einbrud mit ben s Dtit=
teln, bie ibm abäquat erfd)einen.
SÜtan beamte in ber 9 iabierung
„Sauerngeböft bei 2Balbsbut“
bie Reinheit ber £id)tbebanblung
unb ber 9 ltmofpbäre unb bie nad)
ber Diefe 3uftrebenbe 9 taum=
geftaltung. Das 23 latt enthält
Xonfeinbeiten, bie aud) bie toft*
barfte Palette bes SRalers nid)t
iiberbieten roirb. Die „^relbtapelle
bei güffen" (Vernis mou) 3eid)net
ficb burd) bie prächtig in ben
9 ?aum geftellte ftompofition aus.
Die ©egenb ber 9 teid)enau, ihre
£prit unb ihren romantifdjen
3auber bat $alm förmlich neu
entbedt.
3eittoeife fpürte aud) E>alm
ben Drang (fo beute noch), fid)
als reprobu3ierenber Zünftler 3U
betätigen. (Er ift auf teine 9 tid)=
tung eingefebmoren. ©r oerebrt
neben oan (Et)d unb ©riuelli
9 ?embranbt unb grans £>als,
unb in feinem ^er^en bleibt nod)
^lab für fieibl, £iebermann unb
Ubbe. Unb fo bat er fein Sd)erf=
lein beigetragen, ben 9 üü)m ber
©rösten populär 3U machen.
9 Ilfreb SCRaper
Slpljottsmen
Kuü) einer Sache, bie teine
gute Seite bat, tann man bie
befte abgemimten.
Sergeffen mollen unb fid) nid)t
erinnern mollen ift 3toeierlei.
*
SBabre £iebe entfdjulbigt nichts
unb uer3eibt alles.
©rnft Äümpel
^ßeter £jalm
gelbtapelle bei güffen w
'»Peter §alm: 3 m ©arten
^ßeter £alm: Sti33enblatt
33 auernget)öft bei SBalbsfyut
1911. 9lr. 47 Über £anb unb 9Jleer 1215
3 nbifd)cr ^almenfächer §ellenifd)er Schirm 3 nbifd)er Schirm
Auf ber $lud)t oor bem Sonnenftrahl. pauöem von 3uiie Soioroicj
o griesgrämig bie ©efid)ter aud) fein mögen,
bie im Sommer unter triefenben Schirmen
oor3ulugen pflegen, ob ber $immel nod) immer
tein ©infehen haben mill — memt bie Sonne
aus moltenlofem 231 au unbeirrt ihre Strahlen
fenbet, 3oIlt man ebenfo feiten ihrem hei feen
©rühen einen freunblid) anertennenben Danf.
Die grofje ^jitje roirb meift nod) laftenber emp=
funben als bie fdjlimmen 2Boltenfd)auer, bie ben
Sommerfrifchlern in mand)em 3 ahr bie Serien*
freube 3u SBaffer toerben laffen. Allerorten auf
bem ©rbball fud)t man bie SBirtung ber all3u
intenfioen Sonnenftrahlen mit fiiften unb (Bemalt
ab3ufd)mäd)en.
Am beften finb natürlich bie gemappnet, beren
ftlima bie irjihe als einen Saftor in fid) fdjlieht,
mit bem gered)net merben muh tote mit feber
anbern Selbftoerftänblidjfeit auch- Äleibung,
SBohnung, £ebensgemof)nheiten, alles ift banad)
geformt/ ©an3 abgefehen oon ben un3ioilifierten
Stämmen, bie fid) nicht nur ber Sonne 3uliebe
mit einer Doilette oon allerlei bi3arren Schmud*
ftüden behelfen, finb aud) bie toftbaren Stoffe
ber oerfeinerten Aaffen bes Orients im Angefidjt
ber Sonne erbad)t unb gefdjaffen morben. All
bietühlenbe, meidhe Seibe unb bie fpinnmebbünnen
©a3egemebe finb eine Aeoeren3 oor ihren ©lut*
bliden. Die Käufer ber begüterten Orientalen
pflegen ©emädjer für ben Sommer unb ben Aßinter
3U enthalten; je nad) ber 3ah*es3eit merben bie
nach Aorben ober Süben gelegenen Aäume, bie
in ihrer Vauart ihrem 3 toed entfprechenb ein*
gerietet finb, benuht. Der £jof, bie offenen
©alerien, bie Dad)terraffe, alles finb 3 uflud)ts=
orte oor ber Verfolgerin §ihe. Die Araber mit
ihren Btomabeninftinften halten fid) nicht einmal
an eine Aaumbeftimmung. Sie 3iehen, je nach*
bem es ihnen bie Sonne gebietet, oom fteller bis
aufs Dad), unb ber Ver3id)t auf ©ebraud)smöbel
erleichtert ihnen biefe ©epflogenfjeit. Die Sdjüffel,
bie ihnen ben ©htifd) erfeht, tann überall auf ben
Voben geftellt, Deden unb Düdjer tonnen überall
ausgebreitet merben. Aber nicht nur im £aufe
felbft ift bie Sonne bie mittelbare ©ebieterin,
aud) bas Strahenbilb mirb oon ihrem ABirten
mehr ober mentger beftimmt. Die engen ©affen,
in benen bie gegenüberliegenben ©ebäube ein*
anber Schattenfpenber finb, ober bie quabrati*
fdjen, hüttenartigen Unterfchlupfe in primitioen
©egenben reben baoon. 3 n einigen Orten mieber
finb bie ©affen 3um Sdjutje gegen bie Sonnen*
ftrahlen mit Atatten überbedt, fo bah bie 23 e*
mohner oon ftetem $albbuntel umfponnen finb.
3n ben marmen £änbem ©uropas pflegt bie
$it}e bie Käufer 3U leeren unb bie ©affen 3u füllen.
Aid)t allein bie Aeftaurants unb bie ©afes
manbern aus bem umfriebeten Aaum oor bie
Dür aufs Strahenpflafter. Der Staüenerin fdjeint
es red)t, £uft unb Sd)mer3 ben Aad)barn 311
präfentieren, unb es ift betannt, mie fid) in man*
d)en Stäbten Sübitaliens bas intimfte Samilien*
leben auf ber ©affe abfpielt. Auch bas gan3e
gefellfd)aftlid)e £eben fd)eint baoon beeinfluß.
3cipcrni[d)£t Schirm Alobebilb aus ber Aototo3eit
(Uttfre SBilber finb ber fiipperbetbefdjen Sammlung entnommen)
1911 (23b. 106)
162
1216
Über £artb unb äfteer
1911. 9lr. 47
berben Foppereien, mit benen fid) bie Dorfjungen
bie fommerlidhe Ku^toeil toür3en, bic abenblidjen
Streif3üge ber 53 urfd)en, toemt fie bie habenden
9 Aäbd)en überli[ten möchten, bis 3u ben totetten
Xänbelciert ber SAonbänen, beren Aabetoftüm
monatelang oorher ^Beratungen mit bem Schneiber
nötig machte. Da roirb benn freilich ber 3 a>ed
[dEjon ein biftdjen oergeffen, unb eine Abfüllung
ift gar nicht immer ertoünfd)t. Hub roenn ebenfo
ber Stranbtorb nicfjt immer 3um Schuft gegen
Sonne unb 2 Binb gebraust roirb, fo ift er bod)
ausfd)lieftlich besroegen erbad)t coorben.
Das fd)üftenbe Dad) ber Hütte ober bes Kaufes
b)at toof)I fdfton friit) bie Anregung für ben Sonnen*
fd)irm gegeben. Denn eigentlich ift er ja nidjts
roeiter als ein prooiforifdhes, leicht transportier*
bares Dad). Aus urfprünglid)en formen tann
man bas red)t ertennen. Aus ber toenig geroölbten
Sd)uftbede bes gried)ifd)en Sdjirms mit bem faulen*
artigen, tapitellgefdjmüdten Stab, toie aus bem
primitioeren, treisrunben inbifdjen Sdhirm, ber
troft bes leidsten 23 ambusmaterials fo fdhtoer*
fällig ift, baft er einen recht träftigen Träger braucht.
3 m fpäteren Europa ljat ber Sonnenfd)irm in
feiner inneren Kon[truttion toenig SBanblungen
erfahren. (Ein toenig größer, ein toenig tleiner,
ein toenig geroölbter, ein toenig flad)er oie!Ieid)t,
ift er bod) bis 3um heutigen Tage berfelbe geblieben.
Aur ber brollige Kniderboder mit feinem oerftell*
baren SdEjirmbadE) toid) ein toenig oon bem ge*
rool)nten Schema ab. Der Sonnenfd)irm, troft
feiner eleganten Ausfdhmüdung, toar immer mehr
Atobebilb aus bem 3oh*e 1820
Sd)irm aus ber 3 eü Atari e Antoinettes
3 toanglofe 23 efuche 3u machen, ift gegen bie
Konoention, ift aud) nicht ratfam, benn man
bürfte bie Hausfrau in einem recht mangel*
haften Koftüm antreffen, bas nur burd) bas
Dämmerlicht heiter ben tagsüber herab*
gelaffenen 3aloufien milbe befd)önigt toirb.
Die Signora toirft fid) erft in ihren Staat,
toenn bie Sonne untergeht. Dann 3iel)t fie
aud) bie Vorhänge auf unb begibt fid) auf
bie Iangfam austüfdenben ©affen, in betten
fie Aadjbam unb 93 etannte trifft, unb in
benen es furrt unb Hingt, inbes minber ein*
bringliche unb anfprud)soolle fünftlid)e Sicht*
chen ben geriebenen SonnenftraI)I erfeften
unb Slebermäufe mit fd)euen Flügeln über
ben nädjtlidjenoeile getoohnten SBirrtoarr
ftreichen. Aber mehr nod) als bie mauern*
umftanbenen Straften ber Stabt 3ieht bie
oon £jifte ©eplagten bas Aßaffer an. Ateer,
Flu ft unb See ift toilltommene Abfüllung
unb Ablenfung. SBenn man fcfton getoiffen
Sübfeeinfulanern nicht nad)ahnten tann, bie
toährenb ber roarmen 3oftres3eit etroa fünf
Stunben täglich tm SBaffer 3ubringen, fo
fud)t man bod), folange es angel)t, in bem
naffett ©lement au$3uhalten. ©s gibt -nicht
leicht ettoas fo Atannigfaltiges toie bas Straub*
leben; bie braufgängerifdjfte Aatürlidjfeit unb
bie 3aghaftefte Hbertultur fdjlieftt es ein. All bie
Atobebilb aus bem 3<d)re 1810
ein Auftobjett als ber Fäd)er, toeil er ber Kotetterie
nicht fo freunblid) entgegenfam. 3ohttos finb bie
Siften, mit benen man ber §ifte beklommen
fud)t. Das Trinten oon ©isotaffer unb anbern
falten ©etränten ift ein ebenfooiel angeroanbtes
toie problematifd)es Atittel, bem man befonbers
in Amerita hnlbigt unb mit bem man fid) bort
auch grünblid) ben Atagert oerbirbt. 2 BoI)l in
roeifer 23 erüdfichtigung biefes Itmftanbes toerben
bie ©isgetränfe in ben ApotI)eten ausgefdhentt,
bamit man fid) bort gleich toieber bie nötigen ©egen*
mittel geben laffen tann. 3 n Aeuporf ift es aud)
©ebrauch, toährenb ber fchlimmen §ifteperiobe
Kohlblätter unter bem Hut 3U tragen unb fo Kopf
unb Stirn 3U fühlen. Auf ben Schuft ber Sd)äbel*
bede nehmen auch bie Orientreifenben am meiften
Sebadht, toenn fie fi<h metertoeis angefeuchteten
Seibenftoff um bie Stirn roinben, über ber ber
Schufthelm aus Korf aufterbem nod) feinen Dienft
tut. Das befte Schuftmittel gegen bie plagenbe
ASörme hoben allerdings bie Orientalen unb bie
Süblänber in ber unermeftlidhen Foulfieit gefunben,
bie ihnen 3ur lieben ffieroohnheit rourbe. Der
fengenbe Strahl ber Sonne läftt fid) toeit leidster
ertragen, roenn man ftunbenlang beroegungslos
auf bem Aüden liegt, in einer ©de hodt ober, in
ber Hängematte fcftautelnb, fidft Kühlung 3utoebeIn
läftt. Die ©nglänber in ben Kolonien hohen eine
recht finnreid)e Aorrid)tung gefunben, toie fie fid)
aud) bes Aad)ts auf ihrem Säger Sinberung ber
Sd)toüle fcftaffen. Sie befeftigen oberhalb ihres
^Bettes einen Sdhirm, ber burd) einen 93 inbfaben
auf* unb 3ugetlappt roirb. Das ©nbe ber am
Sdhirm befeftigten Sd)nur hält ein Kuli im Aeben*
3immer, ber toährenb ber gart3en Aad)t biefen
primitioen Aentilator in 23 etoegung holten
muft. Sd)Iäft er ein, fo roirb er burd) eine fanfte
AtaI)nung, etroa burdh einen gegen bie Tür
fliegenben Pantoffel, halb toieber an feine
Aflid)t erinnert. Die Sonne läftt mancherlei
Konoention f(hmel3en, fie erlaubt ben Herren
in ben oon ihr befonbers heimgefud)ten Sanb*
ftricften, auf ber Strafte in H^mbärmeln ein*
her3ugehen, ohne baburch irgenbtoie unlieb*
fames Auffehen 3U erregen, unb fie geftattet
ihnen aud), ben Fächer 3U gebraudjen, ber
anbersroo bod) ausfd)lieftlid)es Attribut ber
Damen ift. Die Aetoohner ber gan3 h e rfeen
Sänber fdjeinen übrigens teiltoeife gegen bie
ASärme gefeit 3U fein. Aur fo ift es erflär*
lieh, baft fie es manchmal in Kleibungsftüden
ausl)alten, bie für bas Klima gan3 ungeeignet
finb, toie beifpielsroeife einige inbifd)e Aegi*
menter ber englifchen Kolonien, bie breite
roollene 23 inben um ben Seib tragen. Die
Ieblofen Dinge oor ber ©inroirfung ber
ASärme 3U fdhüften, erfanb man 3toedmäftige
Kühlanlagen, bie fo oielfältig unb begehrt
finb, baft ihre Herftellung eine grofte 3 n s
buftrie in fid) fd)Iieftt. Die Transporte man*
d)er Sebensmittel toerben erft burd) biefe
Anlagen ermöglicht, unb fie hoben gereift
ba3U beigetragen, unfre Surusanfprüd)e um
ein gan3 23 eträd)tlidE)es in bie Höhe 3u fd)rauben.
Aioberner Sd)irm
$lm QSorabenb bet ©cf)lad)t t>ott 3ontbotf (24» <Hu 0 uft 1758)* 9 lad) einem ©emälbe t>on ©eorg 6cf)öbel
1218
Über ßctrtb urtb 9Jleer
1911. 9ftr. 47
Sjcmb oon ^afelenberg: DaS ftarfe ©efcfelecfef)
DerStammtifdfe
flptn Stammtifd) unt et fd) eibet fid) oon einem
\J/ Damentaffee baburdfe, bafe an timt nicht ge*
flatfdjt wirb. Männer Hatten nie — man befprid)t
bie innere unb äußere ©oliüt, ob ©etfemann ober
93af[ermann, irgenbein neues Heilmittel, ein
(Element ober ein Schiffsmobeil ift auch entbedt
roorben, natürlich tann man es fad>= unb fach*
gemäfe abfcfeäfeen; bann gibt esnodfe bie ©Sitterungs*
oerfeältniffe 3u erörtern, auch roeitere Steuern
ftefeen beoor unb finb lästig, ber ©ürgermeifter
begeht eine Dummheit über bie anbre, unb natür¬
lich finb bie Stabtoerorbneten ©fei.
tarnen nehmen an ber Stammtifdferunbe nicht
teil. ©Sas follten fie ba? ©tan weife, bie Damen
interefHeren folcfee emftfeaften unb gewichtigen
©egenftänbe nicht. Damen finb friool, leichtfertig
unb tiatfdfefeaft.
(E^ ein ©tann ein fo unoorficfetiges ©Sott fagte!
©fe' bem ein lofer ©ebante, eine grage tarne!
grauen haben ihre ©feantafie ja immer um ben
einen ©unkt befdjäftigt! ©feantafielofe unb ernft*
hafte grauen, bie 3um Laffeetlatfcfe nicht gehen,
brauchten bemna<h gar nichts 3U erfahren.
Rm Stammtifd) weife man, bafe ©tüllers fid)
fcfe eiben werben. ©tan fpricfet barüber natürlich
nicht, aber man weife es; man weife aud), bafe es
fid) um ben Rffeffor Lraufe hanbelt. grau ©tüller
hat an ben Rffeffor einen ©tief getrieben, ber
©tüller in bie Hänbe fiel, unb in bem ©rief ftanb —
„ga, um ©ottes willen, woher wifet ihr benn
bas fo wörtlich?“ _ „
Run, ber galt ift eben fchon anfeängtg. Füller
hat einen Rechtsanwalt, unb grau ©tüller nahm
ebenfalls einen. Lurios, ber Safe in bem ©riefe,
nicht? — Rett für ©tüller 3U lefen? Rrmer ©tüller!
Hm bas ©ermögen oon gebermann ftefet's
fehr wadlig. Der Stammtifd) tennt bie 3 ahlen,
bei ber R. 3 -Dransattion oerlor er 3weifeunbert*
taufenb. Dem tünftigen Schwiegerfofen bürfte
bas aud) tein ©efeeimnis bleiben; aus ber Heirat
wirb wohl nichts werben.
Rtme ©mmi gebermann!
Der Stammtifd) weife mehr. Der Leutnant,
ber hübfche, freche, ber ba in ber Lefeninftrafee
wohnt, er wohnt leiber parterre, unb bie Strafee
ift nid)t breit — ©mmi gebermann ift ein oer*
teufeiter Heiner Räder, ein fcfeider ©alg, eine tolle
Rümmer!
Das ©ifaois bes Leutnants fah emtge Schatten*
fpiele. Lala! fo was er3ählt man nicht. Das
fieht unb geniefet man eben; ber Stammtifd)
geniefet bie Rnekbote fchweigenb.
Rein, folcfee Details wiffen Damen nie! Seine
grau ift bucfeftäblicfe entfefet. Der Stammtifd ift
oon einer Deutlichkeit unb Draftif!
©om Stammtifd) tommen bie Rnekboten nad)
Haus, bie 3irtulieren. Seine grau teilt fie ber
grau Dottor mit, bie grau Dottor hat fogar
noch unoerheiratete greunbinnen.
Der Stammtifd) ift äufeerft oerheiratet, trofe
ber oielen gunggefellen, bie gunggefellen wiffen
bie oerfeeiratetften Rnekboten; fie finb gewiffer*
mafeen unparteiifch, über ben Dingen ftehenb.
SBofür intereffiert fid) benn fo ein armer, oer*
laffener ©infpänner wie für feinen ©eruf, feine
Patienten ober Klienten, für bas ©ürgerlidje ©efefe*
buch ober bie neue ©auorbnung, für bie Rbfid)ten
ber ©ereinigten Staaten auf ©texiko? ©s gibt
bem Stammtifd) betannte Sachen, bie in Regionen
fpielen, wo ein weibliches Rüge ber höheren
Sphäre nie hiubrang. ©r ftellt bie angenehme
©leichheit her 3roifd)eu grau ©ed, ber feübfcfeen
Scfeuftersfrau, 3wifcfeen ber roten gulie in ber
Laterne ober bem kleinen ©täbel im 3 igcirren=
gefcfeäft bei ©ote unb gräulein oon ©ansauge,
ber ©gellem Honigtau, etwa, gn biefer ©Seife
wirtt er bemotratifierenb unb fermenüerenb.
©r ift eine Rrt RHerfeeitigftes, es wäre ©to*
fanierung, Ungläubige ober Uneingeweihte bort
ein3uführen. ©r Hatfcht nie unb weife alles, nie*
manb berichtet bortfein, bod) finbet jebes Reuefte
feine Rbreffe, alle finb ehrenwerte Staatsbürger,
bie fich nid)t für frioole Rngelegenfeeiten inter*
effieren; mertwürbigerweife wirft bie angeregte
unb gefealtoolle Unterhaltung ein friooles ©dfeo
3urüd. , v t ,
Das ©Sohl bes Staates wtrb bort berebet,
matt tommt mit grofeen ©ebanten unb neuem
Datenbrang nad) Haus —
*) Siehe „Über 2anb unb ©leer" Rr. 43 unb 45.
©ine weife grau, wenn fie etwas ficher wiffen
will, fragt ihren ©tann, eine naioe fragt oiel*
leicht ihre Rad)barin, eine tatfäd)Iid) unfd)ulbige
ihre greunbin.
i,Ra, ihr mit eurem Laffeeklatfcfe!" fagt er bann
gönnerhaft. Die weife grau lächelt unb ftedt
fid) forgfältig ihren Spimtenfdfeleier um. Sie
weife ja, feit lange trintt man teinen Laffee mehr,
fonbern Dee, man ifet teine Lucfeen, nur Doaft
wirb geknufpert. ©tan er3ä]felt bie ©Socfeenftuben*
unb bie Lüdhengefdfeidfeten nicht mehr — Stamm*
tifcfeweisfeeit wirb oer3apft!
Rber ©tänner finb fo bistret — unter ©tännern
forbert ber eine ben anbern fofort, ber ein galantes
ober inbistretes ©Sort fagt —
Rm Stammtifch trintt man ©ier ftatt ©lut.
©tan trintt oiel ©ier unb ftunbenlang.
grauen tlatfdjen unb ©tänner oerteumben.
Sie bilben fid) ein, bafe bei ihnen ber Dolus fehlt,
fie Hatfchen ja nicht boshaft, eher Iobenb, rein
literarifd), als gufcfeauer. Die ©ntrüftung füllen
bie ©attinnen hinter ben Deetäfecfeen beforgen.
Die finb fdfeon längft aud) nicht mehr entrüftet,
3igarettenbuft burch3ieht bas ©ouboir unb 3 i s
garrenqualm füllt bas Stammlotal, ber Dee
animiert unb bas ©ier macht träftiger. Der
Unterhaltungsgegenftanb ift ber gleiche, Dorheit
unb ©itelteit ber lieben anbern.
^fSroft auf bie Doren unb auf bie ©itlen, ©rüber
unb Sd)Weftern!
Die grauenbewegung
Sie bewegt fid) — feine grau oerfichert es ihm
alle Sage, fie ift ein neuer ©alilei unb nicht mal
im Werter eingefdfeloffen, bie fpricht unb oiel fpricht.
Die Regierung berät über bie Rnftellung oer*
heirateter Lehrerinnen unb ©eamtinnen —■ fiehft
bu! — grauen finben in ber Rrmertpflege, in ber
©Saifenauffidjt, in 5 tommunaloerwaltungen ©er*
wenbung. Sie werben gabritinfpettorinnen,
£uftf^ifferinnen, ßotfenbootführerinnen, Rpo*
theterinnen, Rennreiterinnen, Stierfechterinnen,
©oxerinnen, ©rebigerinnen an freien ©emein*
ben, ©ürgermeifterinnen, Rabiumentbederinnen,
Rftronominnen.
Sie bewegt fid)! Die grau! Unb bie ©Seit
natürlich mit ber grau, ©s geht oorwärts!
Das ©ewufetfein befriebigt feine grau, irgenb*
wie fallen bie ©erbienfte ber Sdjweftern, ber ©or*
tämpferinnen unb ©al)nbred)erinnen, auf fie mit;
fie, feine grau, hot Rusfid)t, eines Dages Reichs*
tagsabgeorbnetin 3u werben, fie tann an ber
©örfe fpetulieren ober im ©eneralftabsgebäube
Sd>Iachtpläne aufftellen! ©Sarum nid)t? Hält
er fie etwa für 3U bumm ba3U?
©r antwortet faft nie, bie ©ewegung läfet ihn
erftaunlid) tühl- Rber ba betlagen fid) bie tauf*
männifchen Rngeftellten, bas ©ureauperfonal ber
Red)tsanwälte über weiblidfee 5tonturren3! ©r, er
billigt 3 igaretten* unb Honbfchuhoertäuferinnen,
Heine nette Dippfräuleins unb Delephoniftinnen.
Seine grau beunruhigt, bafe bas Dfeeater, bas
©ariete wenigftens, immer nocfe ein Harem ift,
fie hat weittragenbe unb umfaffenbe ©erbefferungs*
pläne für bie Strafee unb bie Strafeenunmoral.
„©Ulofdfeta" hat über ben ©egenftanb fogar einen
bidbänbigen Roman gefcferieben.
©r lieft ben Roman auf oielfältige Rufforberung
unb finbet einiges amüfant, unb ©lilofcfeta felbft
mttfe „ulHg" fein.
„©itte, ©lilofchta ift Diesig, ift ©oltsfdfeul*
lehrerin unb trägt eine ©rille!"
Das finbet er noch ultiger. Seine grau fpricfet
gern unb mit ©etonung oon ausge3eidfeneten unb
d)aratterfeften ©läbcfeen, bie tmnbertunboier3ig
©lart im ©lonat oerbienen, bie in berben Leber*
ftiefeln ausgehen unb Delegierte finb. Delegierte
tragen immer berbe Leberftiefel unb finb gan3e
Lerle. grgenbwie möchte feine grau ihn über
bas Lapitel herausförbern, benn würbe er fpäte
©läbd)en überflüffig, Doppelfohlen oolltönig unb
©haratter unfpmpatfeifd) finben — ah, wie rüd*
ftänbig, wie oerbohrt, wie un3eitgemäfe unb ein*
gefdfeloffen wäre er bann! Hat er jemals gofeanna
©ix : gehört, biefe neue geamte b’Rrc, bie rote
gofeannä? Unb gohanna hat in allem redfet —
in allem! Diefe gohanna hatte nämlich einen
©ater, ber feine grau betrog unb bas gamüien*
oermögen burdfebradjte, ihre ©rüber machten
Sd)ulben unb liefeen ©läbcfeen fifeen. — „ 3 og
gohanna bie Linber auf?" fragt er 3toifcfeen 3wei
Rtem3ügen ihrerfeits. gohanna würbe in ©aris
in ©erfucfeung geführt unb fanb bie beutfcfeen
©tänner ©eftien, in ©nglanb ging es ihr am
leiblidfeften. gohanna würbe bort Suffragette, fie
reitet, ficfet, trintt Lognat — ©l)> Hanndfeen würbe
ihn bedeln, ber follte er nur feine ©egengrünbe
oorbringen!
„Rber idfe habe ja gar nichts gefagtj" wirft
er oorfidfeüg ein.
„©Seil bu nichts 3U fagen weifet," antwortet
feine grau fdjnell. ,,© 3 as liefee fidfe bagegen fagen?
Die grau ift nadt geboren wie bu, aus Lot ge*
formt —"
Dh, ofe! ©s tut ihm wirtlid) weh, etwas fo
©Seiches, Reinlidjesunb Liebliches fo raufe be3eid)nen
3U feören! — Die neue grau ift nicht mehr fentimen*
tal, Sentimentalität ift männliche ©erfibie, ift eine
Lüge, ihr, bes geinbes ©Uttel, um bie grau
abhängig, weichlich unb untertänig su halten.
„Dentft bu, gohanna wäre für eure Lüffe ober
Sdfemeidfeeleien 3U haben?"
Rie feat er fiel) fo weit oerftiegen, bas 3u benten,
benn unwillkürlich nafem er an, gofeanna müfete
ein Sdfenurrbärtdfeen unb ©orftenfeaare haben. Rn
folcfee Rufeerlicfeteiten benft er natürlich fofort, er
feätte audfe bei geanne b'Rrc 3uerft auf ben Rüftungs*
oerfdfelufe gefefeen. Rls ob es ber befreiten, ber
männlichen Seele, auf bergleicfeen antäme! Ubri*
gens ritten bamals alle Damen wie ©iänner.
gür ben Herrenfife ber Damen ift er fefer, er wirb
gan3 berebt auf bem ©untt, wirtlicfe, er ift auf*
getlärt! — „Da war mal eine Lolita in unfrer
gugenb —"
Sie mödfete Räfeeres über Lolita wiffen, aber
fie will nldfet abfefeweifen. „Siefeft bu auf ber
©Seit irgendeinen irbifd)en ©runb, warum bie
grau, 00m ©Seibe geboren, intelligent, energifefe,
fittlidfe gefeftigt, rtidfet bie gleichen Redfete wie ein
©tann haben follte, ein gbiot, ein Dummfopf,
ein Säufer unb Lranfer-bie grofee ©tenge ber
©tänner finb Säufer unb ©löbfimtige, oon Lrant=
feeit 3erfreffen — — bie grau, bie bem Staat
Linber gebiert, bie arbeitet, Reben feält, bie
organifierte grau — bie in ber ©ewegung!"
©r fieht teinen erficbtlidjen ©runb.
„©s gefet oorwärts!" erklärt feine grau, ©or*
läufig feemmt es ifen nid)t all3ufefer. ©r be3afett
ihr bas ©Sirtfdfeaftsgelb, er fefeiiefet bie ©tiets*
kontrakte ab, kauft fidfe in bie Lebensoerfidjerung
ein, feine Linber tragen feinen Ramen, unb ifere
©T3iefeung koftet fein ©elb. ©Senn feine grau
ifen betrügt, ift feine ©fere gekränkt, ifer Liebhaber
fefeiefet ifen, ben ©erfeafeten, eoentuell tot, feine
Linber haben bann unter biefer ©töglidfeieit keinen
©ater; fefer gut hingegen barf ifer Linb feinen
Ramen tragen, wenn er nicht matfeematifdfe genau
nad)weifen kann, bafe es nidfet feins ift — fie ift
feübfdfe, gepflegt, kriegerifefe unb aufrüfererifd) ...
Sie feat bie Dffenfioe. — ©r oerteibigt fid)
fdfeledfet.
gbfen
gefe fürdfete, ifen in weiten Lreifen bauernb 3U
entwerten, aber idfe mufe es eingeftefen: er feat
kein ©erfeältnis 3U gbfen. Selbft ©dermann
feferieb 3uweilen an ben Ranb irgenbeiner ©e*
merkung feines Dlpmpiers: „Hier irrte ©oetfee."
Rlfo ficher irrt er, unfer greunb! ©tan feat bas
©erfeältnis ober feat es nidfet. ©r feat's nidfet.
Ratürlidfe feat es feine grau. Sie liebt gbfen.
gbfen allein oerftanb bie grauen, bas Diefe unb
©öttlidfee in ihnen, gbfen feat Rora gefefeaffen,
©lla Rentfeeim, Rebekka ©Seft, er feat fo liebe,
prächtige alte gungfern! gbfen oerftanb fogar
bie Seele ber „Dante", feine grau rechnet bem
Dichter bies ©erftänbnis befonbers feoefe an, wafer*
fd)einlicfe weil er ifer barin im feödfeften ©rab über
ift. Die Danten finb fo ein Lapitel, refpektabel
im Rufeeren, aber unamüfant; gbfen entklaubte
felbft ihnen ©olbtörner, Rusfprücfee unb Daten —
Ohrfeigen! Lona Heffel hatte Lonful ©ernid
geoferfeigt.
©r finbet Lona offenfeer3ig unausltefelicfe: „gdfe
feätte fie audfe nid)t geheiratet, felbft in ihrer beften
3 eit nidfet." Düdifdfe unb unfittlidfe nimmt er
Partei für ben Lonful: „Lieber wäre idfe nädfetlid)
bei ber Dän3erin 3um genfter 'rausgefprungen!"
Sein Ridfetoerhältnis fifet tiefer, es wirft einen
Schatten auf feinen fonft liefeten ©haratter unb
oerftimmt feine grau bauernb. ©r finbet nidfet,
bafe Rora weggefen mufete, er finbet es abfolut
nid)t! Heller wäre im umgekehrten galle un=
bebingt geblieben, er feätte weiter ©elb oerbient
unb bie ©uppenfamilie ernährt. Ra, unb wenn *
1911. 9tr. 47
Aber fianö urtö OTeet
.1219
fic bet ihrem SRartrt nid)t bleiben mollte, [o t)atte
bod) bas grauenßttnmer itinber! — Sie gehörte
3U ben ftinbern, fie i)ätte unausftehlidj fein tömten,
aber fie muhte im Haufe bleiben. Vafta!
©r begreift, bah ber itammerherr Elbing neben
grau Aloing tränt. ©r, er hätte fid) täglich be*
foffen, fchmört er, unb ben ‘paftor nebenbei 3um
Sotal hinausgepfeffert! Dafj bie 3toei ba immer
3ufammenfit}en unb über feine Sünbhaftigteit
feuf3en unb ftöhnen, hätte ihn gerabe in jebe
Teufelei hineingetrieben! ©r mill überhaupt tein
Pflichtgefühl unb teine ©ouoernanten* unb Tanten*
haftigteit, teine höhnen Anfprüd)e!
„(Ein , 2 Beibd)en‘ millft bu!" fagt bie Seine
tiefempört. „Unb besmegen ber SJtangel an Ver*
hältnis! ga, fag mal, mer gefällt bir literarifd),
Vtabame Sans=©ene unb bie Dame t>on Vtarim,
ja! Unb ©oethe feine grauen, Sötte unb Philim
unb Abelfjeib! Unb bie .oerftänbige' Tfjerefe,
Spbia, bas ,gute‘ 9 Aäb<hen —"
„Du follteft bid) fd)ämen!" — 3h™ aber
gefallen fie, fogar Ottilie gefällt ihm! „VSeifd
bu, fie finb fo — na, toeifd bu — 3um Siebhaben,
fo menfdjlid)! 9 ^ora ift 3uerft aud) fehr nett,
aber als fie all ben großen 3aubertrimstrams in
fid) entbedt..."
„ 3 h*e Seele/' betont fie.
„©ine toirtlid) gute Seele hätte gefd)toiegen
unb gemeint unb märe ein bifjdjen gebudt unb
füll gemorben unb noch liebeooller, gütiger."
„Sollte fie aud) nod) 3ärtlich fein? Df), ich
burd)fd)aue bid), ich burd)fd)aue bid! 2Beibd)en
eben, gan3 reinlich! Unb mo bleibt bie Perfönlid)*
teit ber grau, ihr (Eigenleben?"
„Siebten, es mar bod) mahrhaftig red)t be*
quem, als fie nod) teins hatte! Sieh mal, man
tarn nad) Haus, er3äl)Ite il)r oon feinen Sorgen
unb Tribulationen — menn man einen recht
biden itopf hatte, bann hatte fie bafür einen fo
lieben, leeren. SOlan tonnte fid) ba gan3 finbifd)
gebärben unb tonnte fd)impfen unb tlein fein —
bei ihr fdjabete bas eben nid)t! Die ftedte 3U
einem burd) bid unb bünn, burd) bie fchmußigfte
Sauce burd), mie man als 5 tinb 3ur Vtutter hielt
— mir haben ja jetjt aber aud) bentenbe äRütter!
Unb meil man bas fo fid)er muhte, bie hält feft
unb fd)mäfjt nid)t unb urteilt nicht — ba hatte
man ein bid)tes Aeroenpolfter, ein 5 traftreferooir,
etmas Unberührbares eben — mas ftillftanb mie
ber ©runb bes Vteeres ober ber blaue Simmel,
©laub mir bod), bah bas oiel mert mar! ©s mar
fo ungeheuer neroenberuhigenb."
„SBeibdjen! — Sehr bequem für euch!"
„ 5 tinb, bequem mar's bod) für eud) aud)!
9 Jian brauchte nid)t beuten. Sier ift mein SDtann,
fie haben ihn oerurteilt, 3U ©efängnis, 3ud)thaus,
Deportation, mas meijg id)! 3 d) I)ab' ihn lieb,
unb id) gehöre il)m, bamit genug! — 90 tan fanb
bas aud) früher fd)ön bei grauen, 3ugleid) äfthetifd)
mirtfam."
„Vtan finbet es nicht mel)r mirtfam. 3 d) mill
bir fagen, mas es ift: 3h* müht eud) jeht mehr
3ufammennel)men für eure bentenben unb tri=
tifchen grauen. Das paht euch nid)t."
,,©s liehe fid) fd)on noch burdjführen, ba bie
bentenbe unb tritifd)e grau trotj grau Aloing
noch immer längft teine Seroine ift; fie hat ihre
9 Jtenfd)Iid)teit, bie mir bentenb unb tritifd) auf*
muhen unb ausnuhen tonnten. — Sd)ön finbe
id) bas nicht unb aud) nicht gerabe friebfam."
„Dein griebe. im Saus ift ein fauler griebe,
ift bie Sebenslüge, nad) 3 bfen."
,, 3 d) meih, bie Sebenslüge! ©s log fid) fo
nett. 3 m Sumpf mar's mollig. Siehft bu, id)
bin auch in ben Stüden gan3 gern, bis bann bie
Vombe plaht, bei Aosmers ober bei ben VSilb*
entenleuten; ber arme Dstoalb hatte ja aud) in
Paris ein paar fibele Tage oerlebt. Sinterher
toirb's aber unausftehlid), einer flieht fid) tot
ober fpringt oom Turm ober geht in eine britt*
tlaffige Penfion, bie 3 nrüdbleibenbert fihen um
bie 3 Bal)rl)eit 'rum unb frieren, ©ine 3U toabrljeits*
liebenbe grau bleibt bod) fd)liehlid) bas Stelett,
unb bie Uberpolfterung gerabe hatten mir gern,
©rübdjen, Aunbungen, Aofenfarbe — bie Sehens*
lüge!"
©r oerfud)t eine Annäherung, mahrhaftig!
Seine grau fagt ftreng: ,, 3 d) fd)äme mich
beiner! ©in 9 Jtann, ber tein Verhältnis 3u 3bfen
hat, ber ift eben tein moberner Plann."
,,3d) habe es nie beanfprud)t," fagt er.
„3d) unglüdlidjes 2Beib, id) bin an einen
Varbaren ©erheiratet!"
„Das Hnglüd bauert nicht mehr fehr lange,"
tröftet er 3meibeutig. „ 9 Bir bilben uns, mir bilbert
uns rafd). Ober oielmehr il)* hübet uns ja —
unb bente bir, mie es bann fdjön ift, menn ber
gan3 ehrenhafte, fittlid)e unb geläuterte ©atte
neben ber untabeligen, gerechten unb tatträftigen
©attin einhermanbelt!“
„Du motierft bid)!“ ruft fie unb oerfud)t fid)
ihrerfeits 3U nähern, um 3U proben, miemeit er
bie äBahrheit fpridjt.
„Aie im Sehen! 3 d) habe ja tein Urteil, meil
mir bas Verhältnis 3U 3 bfen fehlt. 3 d) bleibe
im Schlamm ber alten Sünbhaftigteit, feelenlos
unb allein —“
„ 3 <h habe nie gefagt, bah bu teine Seele haft,
aber fie ift nod) fd)toad) unb teimhaft, ber Unter*
ftüßung bebürftig."
Sie ift jet)t gan3 nah, meil fie mirtlich in ihm
eine Spur oon I)°ffmm9SüolIer Xraurigteit 3U
entbeden glaubt.
Aber er ift perfib: „Der ©hampagner ftanb
auf bem Tifd)e, unb bu trantft ihn nicht," 3itiert er.
2 Bas ift ©hampagner: Schaum, 5 toI)Ienfäure,
Vetrug, ber Ubelteit hmterläht... Alles bas!
— Plan trintt ihn aber bod).
Unb fie trintt.
(Die Serie totrb fortgefetp).
^tobesgruh im Sonnenbranbe,
Sd)minbeIhohe gelfentette,
glimmerluft auf glühnbem Sanbe,
Sieches Aah im harten Vette. —
Staubbebedter 3 ug ber Aeiter
3mängt ficf) burch bie engen ©rotten,
Sterben 3ieht ihn, jagt ihn meiter
Auf ber Spur ber Hottentotten. —
Trodnes Vrot in farger Tafche,
Stirn unb Hers im gieber tlopfen,
j Erinnerung aus Sübroeft j
Aus ber triegs3erbeulten glafd)e
glofc ber Iehte golbne Tropfen.
gern bie trübe SBafferftelle —
Heiße fehlen trinten ©luten —
‘Jlur bes Sanbes öbe 2 Belle
2Bäl3t bie törn'gen meinen gluten.
Vlübes Vieh — ^ob getrieben
3 ittern abge3el)rte Seiber,
5 tlatfd)enb bröhnt es oon ben Hieben
Der entmenfd)ten fd)mar3en Treiber.
Aaft im offnen Tobesradjen,
geuerf^ein im ftein'gen ©runbe,
Auf bem ©ipfel tnien bie 2 Bad)en,
Sechsenb aus oerborrtem Vlunbe.
An ber 5 tlüfte fteilen Vtauern
Sentt bie 9 tad)t fid) eifig nieber,
Unb mit milben 5 tältefd)auem
^adt ber groft bie müben ©lieber.
2Bie oon teuflifchen ©rimaffen
©rinft es über bleid)e 2Bänbe,
gefter noch bie Vüchfe faffen
Die 3erborftnen Aeiterhänbe.-
Unb bie SOtorgenröte 3ittert
Auf ben roten, ftarren Älippen,
Auf bem Antliß fd)lachtoermittert-
Seife murmeln blaffe Sippen:
„Vtorgenrot, Vtorgenrot,
Seuchteft mir 3um frühen Tob,
Valb mirb bie Trompete blafen,
Dann muh id) mein Sehen laffen,
3d) unb mandjer ftamerab.“-
Detloff oon Verg
1220
Über £artb unö SQleer
1911. $ttr. 47
3igeuner3elt in Sübuttgarn
3onf©en Dhei©unb Rluta*
iminbung
3 mifd)ert Dfje© unb Rluta! 2 Beld)e gülle oon
ooltstümli©er (Eigenart, mieoiel Nationen
unb Ratiön©en, mel©e Verf©iebent)eit bunter
Dradjten, meid) es ©emirr oon Sprad)en unb
nationalen gorberungen! 2 Bas in Oftpreu©n
3ur fd)önen ©intjeit gebieten ift, bas braut unb
fod)t i)ier nod) burd)einanber. Unb bie ©efd)id)te
i[t auf ben Don eroiger Kämpfe unb Verönberungen
geftimmt. 2Bel©e llnterfdjiebe au© in ber fent*
unb magre©ten ©lieberung ber Donau unb ©rer
©elänbe! §ier malerifd)es Steil*, bort träges
gla©ufer, halb beroalbetes Serglanb, halb fumpfige
iieberung; einmal rebenfreubige §öi)en unb
mei3enrei©es Rderlanb, ein anbermal Serggelänbe
einer tül)nen §irtenbeoölterung, unb roieber arme
fiehmebene bürftigen gifdjeroolts!
Sei Satenfemen, roo 1691 ber babif©e äRart*
graf fiubmig 9 Bi©elm bie Dürfen fd)lug, beginnen
mir unfre gatjrt: an ber Dl)e©münbung; bei
Rifopoli, an ber Rlutamünbung, roo bie Dürfen
auf lange 3<©rf)unberte Herren ber nörblidjen
Donaufürftentümer mürben, enben mir fie. 2 Bir
haben Semlins unb Selgrabs Dürme hinter uns,
unb halb hält uns bie enge Sphäre urtfers Donau*
bampfers umfangen. Die niebrigen, buf©*
bema©fenen fi©felnglei©en f©mimmenben2Biefen.
Die frühe Sommermorgenfonne hat fonft überall
bas fiebert gemedt, §unberte oon Störd)en amten
im Sumpf unb fud)en ©r 3 rtrül)ftücJ. Diebentroati*
fd)en ähnli©en Speidjer Sübungarns, barüber bie
fier©e f©mettert, reden fi© neben ben äRais*
felbertr empor, am nieberett Ufer tummeln fi©
riefige S©meineherben, unb über bie ferbifd)en
ftopjes farriolen V 3 afferf©öpfer. Sd)on blinft aus
bem Suf©mert 3ur fiinfen ein Slamenborf mit
§ol3= unb ga©merthäus©en, beren Obergefdjofe
über bem Unterbau ©roorragt, fo bafj man einen
regenfreien ©ang hat. Vielleicht aud) fte© eine
Säulenhalle ober eine Veranba oor bem §aus,
beffen S©inbelba©feiten überall fel)r 3ugef©rägt
finb. Da grü© uns Semenbrias §afen mit
feinen ©etreibef©iffen unb Sooten, unb halb
fehen mir am Rani) eine freubig martenbe Se*
oölferung, tnobif©e Damen unb f©Iid)te Säue*
rinnen; bie ferbif©e grauenjade unb ber ferbif©e
ftopfpu© bie Ieu©tenbe oielblumige, geftärfte
S©ür3e bes flamif©en 9 Räb©ens, bie bunte Dra©t
ber rumänif©en Jünglinge erfreut unfer Rüge.
Salb mirb bie ftette mieber gelöft, bas S©iff
fährt meiter flu©bmärts, an ber Rtoramamünbung
oorüber.
Vor Sa3ias glei©t bie ©egenb mieberholt
Spreemalbpartien, nur oerraten ©er Rinber*
herben 3U fünf3© unb mehr Stüd ben unglei©
rei©eren Soben. StRete*©© Dorner©ürben an
ber Serglehrte fönnen irjunberte oon S©afen be=
herbergen.
Ruf unferm Sdjiff fommt uns fo re©t bie
ungarif©e Rationalitätenmenge 3um Semu©fein.
Die Rnf©Iäge felbft finb fe©sfpra©ig: beutf©,
mabjarif©, fran3öfif©, ferbifd), bulgarif©, rumä*
nif©. 2 ßol)I ift bas gan3e Rorbufer mit Deutf©en
bur©fe©, aber bie Rtabjaren als Herren bes einen
fiattbes, bie Serben, Sulgaren unb Rumänen als
Herren ber anbern
©ren3länb er treten
bo© eben© mä©*
tig heroor, unb
aud)bieangefiebel*
ten öanafen, SIo*
mafen, £>orafen
unb V 3 ala©en, bie
Slamonierunbfer*
rter bie IRoflemin
oon Reuorfooa
mollen nid)t3urüd*
ft eben. Das ru*
mänif©e ©lement
miegt 3unä©ft oor.
Der Sur[d)e trägt
fur3e, breite, mei©,
unten fein geftidte
£>ofen als geier*
tagstra©t. Das
f©öneme©geftidte,
mit blauroten
Slumen ober Or*
namenten ge3ierte
Oberhemb rei©t
mie bei ben Ruf*
fen bis 3U ben
ilnien. Sinb bie £>ofen fur3, fo fann man bie
guergeftreiften rotmeiftblauen ©amafd)enftriimpfe
fehen, bie im Sunb* ober S©nallenf©ul) fteden.
©ine fleinfnöpfige f©mar3e Rrmeimefte ober
blumenbeftidte fieberjade unb ein fd)iefes §üt*
©en oeroollftänbigen bie Rusftattung.
Das rumänifc© 9 Jiäb©en aber 3eigt feinen
l)auptfäd)lid)ften S©mud am geftidten fieibd)en,
an bem fel)r oft ein gan3es Kapital oon ©olb*
mün3en hängt, mie i© auf bem Rtartt 3U Dum*
Seoerin oft ftaunenb bemunbert habe. Slumen
im £aar, h°t>en fie ftol3 bas mit einfa©em
Äattuntud) oerhüllte Äöpfdjen.
©ine befonbere äRerfmürbigfeit ber bortigen
Rumäninnentleibung ift neben ber fd)ön geftidten
Sd)ür3e eine ebenfo!d)e auf ber hinteren Seite;
meift beftel)t biefe Rüdf©ür3e (Opreg) nur aus
Gräben.
Sei Rtolbama fahren mir an fd)önen, l)t>© 5
bemalbeten Ufern oorbei. 2ßie ber fioreleifelfen
grü© uns bie eine §öhe, mie eine 9 ©einlanbfd)aft
erf©eint uns bort bie Donau. Rber bie Serge
fp©en fid), ber fiaubmalb mirb ftärter; am linten
Hfer feigen mir bagegen ftellenmeife nieberes ©e=
büf© mie an unfern oftafritanif©en ftüftenflüffen;
bal)inter aber Ia©en gelber unb SBiefen mit fiieu*
feinten, bie, mal)rfd)einli© 3umS©ut| gegenSBeibe*
oieh, mit Dorngehegen ummallt finb. Rn ber be*
rüd)tigten s IRüdenhöl)le oon ©olubac oorbei unb
neben ber f©önert S3ed)en©ftra© hut tommen
mir nun an ben malerif©ften Deil ber Donau über*
haupt, ber bur© bie Rauten 51 a 3 anpa© ©ifernes
Dor oon Drfooa, oeteranif©e fi»öl)le, Drajans*
tafel meltberühmt ift.
fi© ber Dat oerbient biefer Deil ber Donau*
Ianbfd)aft bies fiob. SCRit tleinen 51 ataraften,
bie heute nad) ber enbgültigen Regulierung
ni©ts me© befagen mollen, beginnt bie eigent*
li©e Donauoerengung. Rber ber Strom mirb
na© bem fur3en 51 o©en unb Srauen glei©
mieber ruhiger unb breiter, bann oerbaut fi© bie
Dtusfi©t, als ob ein mit ben Steilufern gteid©c©e*
Reifen fi© als Riegel oorfd)iebe. ©in Rlpenfee
mie ber 2Bör©er, nur mit f©mu©gem SBaffer,
fd)eint fi© bem Rüge bar3ubieten. ©emifd)ter
fiaubbeftanb auf beiben lüften, unterbro©en
oon tleinen, me©leu©tenbenSauemgehöften, §eu*
feimen auf £jit*
f©en, 2Bä©ter*
hütten, §ürben,
©änfeherben geben
bem Silbe (Jarbe,
gif© er unb gifd) er*
tähnefieben. ©ine
neue Verengung
mit Riffen, fteilen
Uferfelfen, tleinen
Strubeln! gjorb*
artig engt fi© bas
2Baffer, bas ©e=
länbe baut fi©
canonartig auf.
Ruf hoher Spi©
ein Dürmd)en!
Do© bie ©in*
f©nürung hält
ni©t an. §inter
getreusten Säu*
men unb gelfen
tut fi© ein feen*
artiger 5 teffel auf, bem aber mieber ein bemalbeter,
3ertlüfteter Riefentegel ben Rbfluf) 3U oerlegen
fd)eint. Das Sdjiff minbet fi© in einen neuen See;
lints lagert fi© ein breites Steinufer, ein meiben*
bema©Jenes Dünenoorlanb, unb biefe Rieberungen
miebertjoten fi© öfter 3mif©en bem l)o©u gelfen*
ufer unb gemäljren tleinen Dörfern Raum, ©nt*
malbete §ügel, sermafdjene fiänbereien folgen,
bo© fteigt 3eitmeife bajjinter terraffenartig VSalb*
lanb empor, ©ine an ben Serg gelehnte fiaub*
hütte bient gifdjern als 3eitmeilige äßohnung.
Dann merben bie ferbif©en Steilufer uiebriger,
f©lie©i© nimmt bie Donau bie alte Sreite
mieber an.
Orfooa ift ein f©öner Ort mit etma 5000 ©in*
mohnern, oon benen bie größere §älfte Deutf©e,
bie Heinere ein ©emifd) oon Slamen, Rumänen
unb mabfarif©en Seamten ift. ©ine tleine eoan*
gelifctje 5 tirdje, eine gro© tatholifdje, eine größere
ferbifdje, ba3u ein Dempel (^rioathaus) genügen
ben religiöfen Sebürfniffen. Die tf©ed)ifd)e 3 n^
manberung foll oor fe©3ig bis fieb3ig fija©en er*
folgt fein, unb nod) je© tönnert alte fieute er3ä©en,
mie fie als ^inber bie Siebter beftaunt unb na*
mentli© eine f©öne §anatin bemunbert hoben.
2 Bo man nun au© geht unb ftebt, überall Hingt
beutfdjer fiaut an unfer Ohr, auf 2 Beg unb Steg
hörte id) beutfd)en ©efang, beutf©es ©efpräd).
fieiber aber mirb bem Deutf©tum bie nötige
R©tung nidjt entgegengebrad)t. S©on auf bem
Scfjiff er3ählte mir ein öfterreid)if©er ^rofeffor, 3mei
mitfatjrenbe Rtabjaren, bie felbftbemu© auf bem
Ded ftol3ierten, hätten ©n auf eine höfli©e Rn*
frage hin teiner Rntmort gemürbigt. Rlpdidjes
habe au© i© bann 3U mieberholtenmalen erfahren
müffen. ©laubhaft marb mir oerfi©ert, in ber
S©ule habe man beutf©fpre©enben 51 inbern ein*
fad) gefagt: „3n biefen heiligen fallen bürft ©r
biefe Sprad)e nid© fpredjen." ©in fiehrer eines
rein f!omatifd)en Dorfes ersählte mir felbft, baf)
plö©id) bie Rnorbnung getommen fei, oon nun
an fei bie fiehrfprad)e feines Ortes mabjarifd).
Das Hingt unglaublid), no© ba3u für eine ©egenb,
in ber im meüen, meiten umtreis aufeer ein paar
Seamten tein Rienfd) mabjarif© oerftel©. Das
beutfd)e DI)eater hat man in ber bortigen ©egenb
mie aud) in Orfooa 3U oerbieten gefud)t.
gn Orfooa felbft aber miegen bie Deutf©en fo
oor, baf) bem flüchtig Reifenbenbie Sebrüdung taum
auffällt. Deutfd) ift aud) bie Spra©e bes anfehn*
li©en Rtarttes, ber burd) bie oieleu Rationen ber
Wmgegenb unb bie Dürfen auf ber nahen fi> n ©l
ein ebenfo intereffantes als lebenbiges Silb bietet.
Da fi© bie ferbif©e Säuerin neben ©ren ©urten
unb ©artenfrü©ten. Rn ihrer Seite hängt ein
ftaftentorb, barin ein munterer Säugling feine
Stimme erf©allen läfet. Riit breiter Seitentrag*
taf©e aus Sd)ilf tauft ein Slomate ©emüfe ein,
ein brittelmeterlanges Srot in ben §änben; ein
Sulgare mit f©ön geftreifter Rüdentaf©e manbert
neben bem Rtarttmagen, beffen flamifd)es 3°d)
fo fd)mudlos ift als bas ©efd)irr ber Sauerntlepper.
§ell Ieud)ten bort bie Dielfarbigen ©ehänge unb
Strähne einer Rüdenf©ür3e, bie länger als ber
linnene mei© Rod ift unb oben in einem bunten
©ürtel enbet.
Stol3 mie bie Spanier f©reiten 3 ©^uner unb
Ia©enbe 3i9^ un ^ rm äb©en ba©r, beren Dra©t
oor fiödjern, gliden unb Rbriffen taum 311 befi*
nieren ift; man geht barfuß unb oerf©mäl)t bie
Sanbalen ber „S(Renf©en“. (Setanntli© fagt
man bort: fi>ru geuer tarnen 3toei SCRenf©en, brei
^ßferbe unb oier 3©euner um.) ^laprita, Rtelonen,
5 traut, 3 ^iebeln, ^aftinaten, Rüben, Rtöhren,
Rumänenftabt Deregooa
ttber £anb uttb 9fteer
Raum für bie gcm^e
Jyamilic iit, unb bcu otall
wie bcu Rrbcitsfdnippen.
Der fdpnale £>of aber
oerriet feiuerlei beutfd)e
Sorgfalt.
Rid)t oI)rte 3 utereffe
finb bie £ird)höfe, bereu
jebe ftonfeffion gewöhnlich
einen eignen befiftt. ©s ■■
bat fid) nun, and) abgefeben
oonben oerfd)iebenartigen
unb oielförmigen $olv
platten, toie wir fie auf
alten beutfd)en 5 \ird)t)äfen
aud) finben, jebe 5 ton*
feffion ein wenig gefonbert.
Die ferbifd) = gried)ifd)eu
.Ureuu' mit ibrem gcwal l
tigen Unterftüd finb Ieid)t 9 a 0 f
oon ben 3ierlid>en, aber
bod) groben tatholifd)en 3U .. »■ ^
unterfd) eiben, nod) mehr
bie einfacheren eoangeli*
fd)en, wie wir fie and)
bei uns auf ben ©räbern einfacher Bürgersleute
finben.
3 m ©ren3ort Berciorooa hab' id) noch ein in
Deutfd)Ianb wohl längft oerfd)wunbenes ©erät,
bie Dota, gefeben, bie mit unfrer $ellebille oer*
wanbt ift. Durch bie Signale ber §ellebille rief
betanntlid) bie 5 töI)Iersfrau bie erjgebirgifdjen
Nobler gegen ben Btingenräuber 5tuu3 oon Stau*
fungen 3ufammen. 3 n ben polatifd)en Dörfern bat
nod) oor hunbert 3 ah*en ber Schule bie Bauern
Domaten werben in Btenge feilgeboten, aud)
Bflaumen, Birnen, <rjafelnüffe, f^Ietfdt), 3 ifche.
Buben mit Äur^waren, Betleibungs*, §ausl)al=
tungs* unb £urusgegenftänben, ja iogar ein Staub
mit (meift beutfdjen) Büd)ern fehlt nid)t, unb bie
fyesträger oon Rbataleh loden mit ihren SBaren
ben ^emben.
©in Befucb ihrer fonberbaren 3 ufel wirb manche
Überrafd)ung bieten. Der tleine Dürfenort bat
nid)t mehr bie militärifebe Bebeutung oon ehe*
mals. Ruf ben harten ftebt für bies 3 ufeld)en
aud) Reuorfooa, ben tarnen fannte man in
Rltorfooa faum. Rad) einem balbftünbigen 2 Beg
läfet man ficf) hinüber nach Rbatalef) booten unb
ftebt fogleid) inmitten bes türfifd)en Gebens. Blit
Durban unb ges fteben ba in ben Bafaren bie
gefdjäftstunbigen Dürfen, bie ihre echten türti*
fd)en SBaren oon Bubapeft be3iel)en unb — fie
felbft braud)en feinen 3oll 3U 3ablen — lädjerlid)
teuer an bie anbenfeugierigen 3remben oer*
fd)ad)ern unb ihnen nid)t oerraten, bah bie beim
Rusbooten auch nod) 3 oll be3al)len müffen;
's ift halt Ungarn, ©ine Rnftanbspflid)t ift es,
ben in Düdjern oerbüllten, ficf) immer abwenben*
ben Dürfinnen nicht nad)3ufet)en, aud) wenn bie=
felbenoemünftigerweife nid)t mimofenbafte Sd)eu
oor fremben Btännern haben. 3u ben ©arten:
ftürbiffe, ©urfen, Baptita, Domaten, gelbe Bflau*
men. ©ine Schnur mit Baprifafd)oten am 3 aun,
baneben ein £änbler mit Brot unb gebratenem
Steif d).
2Bir eilen burd) bie paar engen ©affen rtad)
ber s JRofd)ee, bem fd)önften ©ebäube ber 3ufel.
©s bietet fid) uns im 3unern ein bübfd) grün, froh
gemalter Raum bar, gegenüber ber Dürfeite ift
bie ©ebetsnifd)e mit £eud)tern, an
ber SBanb fteben Äoranfuren. ©ine-
Dreppe führt 3ur Stauenempore. Die
Senfter mit grün*rot = oiolett* gelben
Sd)eiben haben Runbbogen, unb bie
Dede ift mit rotem ©itterwerf oer3iert.
©benfo häufig als Rbataleh wirb
oon Orfooa aus bas ifjertulesbab be=
fud)t, ein mobemer Babeort mit allen
©inrid)tungen ber Bereit unb einer «r-ÄkA
herrlichen Umgebung. Daft aud) hier
bie Romantit auf ihre Red)nung
fommt, hat man Sßege 3U einer be= mj»4i
rühmten Räuberhöhle gebahnt.
3 d) aber fd)reite bie fdjöne Strafe jfij
am Bad) entlang, wo rumänifd)e
ftinber mit Rftlen unter bie Steine IHH
fpiden, um <5ifd>e 311 fangen. Rn |BH
allerhanb 3 led)t=, Dornen*, Bretter* H|M|
unb £atten3äunen, bornumwallten
„Dürfifdjes ©afe‘
fpred)en, um feft 3U werben. Das £eben [in Durn*
Seoerin mutet uns freunblidjer 'an als bas im füb*
liehen Ungarn, Orfooa ausgenommen. Ruf ber
Strafte fpielt eine BMtärtapelle, im rumänifdjen
Dfteater fiftt eine lebensfreubige, fdjöngefleibete
Bienge, r auf ben Straften t)errfd)t £eben’unb £uft,
auf bemBiartt fieht man fo oiel RItertümlid)es an
Drad)ten unb ©eräten, oon letzteren mancherlei, was
ehemals aud) in Deutfd)Ianb 3U fehen war: bie
blumigen Don* unb Borsellangefäfte, S^uerböde,
§ol3tragen für BSaffereimer, ftürbis*
ober DonfIafd)en mit Beinen. Rus ben
Barietes flingt, es ift Sonntagmorgen
unb Btartttag, ©efang unb Blufit,
Dorfgigerln promenieren. Die Bur*
fd)en in Sonntagstrad)t, bie Bläbchen
in reichem Sd)mud tun fid) nad) ab*
gef^loffenem 9 JZarftgefd)äft ein ©üt=
lidjes. irjier lernen fid) aud) bie jungen
£eute fennen, unb was man in SBift*
blättern oft lefenf atm, baft heiratsluftige
s Htäbd)en irgeubwo fidjtbar bie $öhe
■ ihrer Rlitgift an fid) tragen follen, ift
hier längft 3ur ernften 2Bahrl)eit ge*
worben, ©ine fehr hübfdje grofte junge
Dame trug fünf 3 tt ) <m 3 igfronenftüde
als ©ehänge oor ber Bruft unb als
OJ)*9el)änge ©olbgloden mit roten
■ftlingelfteinen, baran je ein 3tDa^3i9 =
fronenftüd hing, ©ine anbre weniger
hübfd)e aber trug für minbeftens taufenb
©ulben ©olbmün3en an fid), echte.
Die 3i9eunerinnen hingegen nehmen
es in biefem Bunfte mit ber ©djtheit
nicht fo genau.
Die Riffe unb Bänfe bes ©ifemen Dores liegen
3 wifdjen Orfooa unb Durn=Seoerin, bid)t hinter
Rbafaleh, unb finb 2,5 Kilometer lang; bas eigent*
lid)e Dor hat 1 Kilometer £änge unb ift eine Strom*
barriere; man hat gefd)idt an ber ferbifdjen Seite
einen 5 tanal oertieft unb am 27 . September 1896
in ©egenwart bes öfterreid)ifd)en ftaifers unb ber
Könige oon Rumänien unb Serbien bem Bertehr
übergeben. Der romantifdje Deil ber Donaufahrt
erreid)t fein ©nbe, fobalb man biefe auf ber ungari*
f^en Seite natürlich nod) oorhanbenen Riffe unb
bie fd)önen bergigen Steilufer hinter fid) unb nad)
BSenn wir in ber rumänifdjen Stabt Durn* einer träftigen gluftbiegung bie BÜinbung bes
Seoerin, wo ber jeftige 5 tönig erftmals rumänifchen ferbifch s bulgarifd)en ©ren3flüftd)ens Dimot paffiert
_ Boben betrat, bas Schiff hat. Rber nod) längere 3 eit törtnen wir bie 3ahl=
oerlaffen, werben wir— reichen altrömifd)en geftungsruinen am Ufer fel)en;
wie auf ber Baltanhalb* bei italafat aud) Sd)an3en unb Stranbwerte aus
infei — 3unä<hft nach öen Kriegen oon 1854 unb 1877 . 3 e weiter wir
unferm Baft gefragt. 2 Beh in bas untere Donaugebiet tommen, befto fremb*
bem, ber leinen befiftt, er artiger unb malerifdjer werben bie Drad)ten ber
wirb unweigerlid) 3urüd= Rnwoftner, aud) bas Riinarett, bas an ber ferbifdjen
g^toiefen. Die fdftöne, Rorbgren3e eine Seltenheit war, unb ber fyes
8000 ©inwopner grofte werben jeftt auf bulgarifcher Seite häufig. Die
~ Stabt, bie wir auf einem gigantifd)e Schönheit ber llfer aber ift oollftänbig
allerbings red)t einfachen oerfd)wunben, fobalb man bas mit Dfd)erteffen
sti ** 3 Bege bergauf erreid)en, befiebelte Rfcer Balanta hmter fid) hat. Das
-h ng| l)atnid)t nur eine beutfdfte lehmige bulgarifdje Ufer ift höher gelegen als bas
■ eoangelifche, fonbern aud) fumpfreidje ebene rumänifche.
mmm eine beutfdje tatholifche 3 ft es bie Sd)önheit unb S^mäjtbarteit ber
5 tir<he unb Sdjule, neben £änber gewefen, bie oor, währenb unb nad)
^ ben rumänifd)en. 3 u ber ber Bölterwanberung ununterbrochen bie Kriegs*
Schule wirb ßwei Dage f»hären lodte, hier unten in ©ntfd)eibungsfd)lad)ten
fran3öfifd), 3weirumänifd), ein Reulanb 3U gewinnen? 3 ebenfalls 3eigt nod)
3wei beutfd) unterridjtet, heutigen Dages bie Berfd)iebenl)eit in Sprad)e,
unb biefelben Schüler bür* £örperbilbung, Dracht unb Sitte ber Rnwohner,
fen' an ben betreffenben wie oiele frembe Bölter bie untere Donau an3U=
Dagen tein anbres Sßort loden bie ftraft hatte. Dr. 3 - Deftner
Rumänifdhe Wirten im ©ebirge
1222
ttber £artb unb $0teer
1911. $Rr. 47
2Bas man non einem Fern=
roljr nerlangen fann
©on
Dr. $01. 2BiIf)elm $0ler>er f
f£in S^nroIjrobiettiD unterfd)eibet fiep
VI/ oon einem pI)otographifd)en nicht
mefentlich- ©s gibt ein um fo licht-
härteres ©ilb, je größer bas ©erhältnis
ber Öffnung 31m ©rennmeite ift, ober,
nicht ,,fad)männifd)“ ausgebrüdt, je größer
bas ©las ift, gemeffen burch bie ©nt-
fernung, in ber es ein fcfjarfes ©ilb eines
entfernten ©egenftanbes entroirft. Die
©röfje bes ©ilbes felbft, bas in biefem
©rennpunfte enttoorfen roirb, tarnt man
für jebes Fernrohr fef>r leicht finben.
©tan braud)t bloh feine £änge, alfo bie
©ntfernung oon ber ©Mitte feines Ob-
jeftfos bis 3U bem fünfte, roo bas ©ilb
entftefjt, in ©Millimetern ausgebrüdt, burd)
250 311 bioibieren, fo ift bie gefunbene
3af)I bie lineare Objeftiooergröherung
bes Fernrohrs. Hat es alfo einen ©Meter
©renmoeite, fo oergröhert es oiermal.
©in Fernrohr oon 20 ©Metern, toas in
runber 3al)l bie größte bisher praftifd)
ausgeführte £änge eines folgen Himmels-
fd)lüffels ift, oergröhert alfo burd) fein
Objeitio allein adjtäigmal. ©ine geringere
©ergröherung ift bei ihm nicht 3U er-
3ielen. ©Sollten roir nun fold) ein Fern¬
rohr ebenfo Iid)tftarf machen roie bie
beften Ianbläufigen photographifchen Ob-
jettioe finb, bie ein Öffnungsoerhältnis
oon 1:15 erreid)en, fo mühte alfo bie
£infe unfers ©iefenfernrohrs 4 ©Meter
Durchmeffer haben. Solche £infen aber
fann man praftifd) nicht herftellen. Uber
einen ©Meter ift man nod) ni$t toefentlich
hinausgetommen. Unfer ©iefenfernrohr
hat alfo nur ein Öffnungsoerhältnis 1:20,
bas ift oiermal toeniger als unfer photo-
grapl)ifd)er ©pparat, es ift fed)3el)nmal
lidhtfdjroädjer als unfre fleine Kamera,
bafür aber er3eugt es auch in biefer fed)-
3ehnmal längeren 3eit ein mehr als
hunbertmal größeres ©ilb.
Für ben ©nblid mit bent ©uge fteigert man
befanntlid) bie ©ergröherung ber Fernrohre burd)
©moenbung oon Ofularen. Ofulare finb nid)ts
toeiter als £upen, mit betten man bas Fernrofjr-
bilb im ©rennpunft gan3 ebenfo betrautet, toie
man etroa bantit eine 3ei<hnung ober eine Photo¬
graphie oergröhert anfd)auen mürbe. Die ©er-
gröfterungsoerhältniffe ber £upen gehen nad) ben-
felben ©efe^en mie bie ber Objeftioe, nur ift es um-
gelehrt: eine £upe ober ein Ofular oergröhert um
ebenfooiel, als feine ©ntfernung beimfdharfen Sehen
in 250 ©Millimetern enthalten ift. Habe id) alfo
ein Ofular, bas bem ©ilbe bis auf 5 ©Millimeter nahe
gebracht merben muh, bamit man es fcharf fieht,
fo oergröhert es fünf3igmal, meil 5x50 = 250 ift.
©3enbe ich ein folches Ofular auf bas ©rennpunft-
bilb unfers ©iefenfernrohrs an, bas bereits ad)t3ig-
tnal burch bas Objeftio oergröhert, fo erhalte id)
alfo eine ad)t3igmal fünf3ig ober eine oiertaufenb-
fache ©ergröherung. Das ift in ©Sirflid)feit bie
obere ©ren3e, bie praftifd) erreicht toorben ift.
©ber man fann fo ftarfe ©ergröherungen über¬
haupt nicht mehr anmenben, meil bies bie beftän-
bige Unruhe unfrer ©tmofphäre nid)t geftattet.
Durch ihre, immer ungleid)e ©rmärmung merben
bie burd)bringenben £id)tftral)Ien oon ihrem ©ßege
in beftänbig anbern ©id)tungen abgelenft, moburd)
bie ©über unruhig unb mallenb merben, mas
natürlich um fo ftörenber mirfen muh, je ftärfer
bie ©ergröherung ift. Selbft bei ben mäd)tigften
Fernrohren finb beshalb ©ergröherungen über
taufenbfad) hinaus nur in feltenen Fällen anmertb-
bar, unb burd)fd)nittlid) geht man bei ben aftro-
ttomifchen Arbeiten nid)t über eine fünfhunbert-
fad)e ©ergröherung hinaus. Die optifd)e Ded)nif
ift alfo in biefer §infid)t fo meit oorgefd)ritten, bah
bie oon il)r gelieferten Hilfsmittel mehr 3U leiften
imftanbe finb, als mir praftifd) art3umenben oer¬
mögen. ©Sir ftel)en fytt an einer ©ren3e, bie
praftifd) 3U überfchreiten mir heute für unmöglich
erflären müffen. ©Sir fönnen bie Himmelsförper
uns nid)t näher bringen als im allergünftigften
Falle auf ben 3meitaufenbften Deil ihrer ©nt¬
fernung, alfo ben ©Monb auf runb 200 Kilometer.
©3ir fehen auf ihm etma fo oiel, mie mir unter
gleichen ©erl)ältniffen oon ©erlin mit bem blofjen
Der ©umforbfdhe ©iefenfpeftroheliograpl)
©uge fehen mürben, memt mir uns in Dresben
befinben. ©Man fann leicht ausrechnen, bah ein
©ebäube oon 100 ©Meter £änge, fagen mir einmal
bas föniglidje Schloh in ©erlin, auf ber ©Matt-
fdjeibe unfers Apparates etma 7 8 ©Millimeter ©us=
behnung haben mürbe, ©iel ift bas nicht, unb ein
©tonbbeobad)ter mürbe alfo Iängft nid)t mehr
unterfcfjeiben fönnen, ob bie Kaiferftanbarte über
bem Schlöffe mel)t. F^eilidh etmas günftiger ge¬
halten fid) bod) bie ©erhältniffe auf bem ©Monbe
baburd), bah erhabene ©egenftänbe bei tieffteben-
ber Sonne fehr lange Schatten merfen, burch bie
fie bann oiel leidster 3U erfennen finb.
Der Sonne nähern mir uns burch fold) ein
Fernrohr nur auf etma 75000 Kilometer, bem ring-
gefdjmüdten Saturn, menn er uns am nädjften
fteht, auf 600 000 Kilometer unb ber allernäd)ften
anbern Sonne, bem F'i*ftern ©Ipl)a ©entauri, auf
20 000 ©Millionen .Kilometer. ©Säre biefe Sonne
fo groh roie bie unfrige, fo mürbe fie auf unfrer
©Mattfeheibe bei 3toeitaufenbf ad) er ©ergröherung
7ß 0 ©Millimeter groh fein; bas ift für uns ein punft
ohne fichtbaren Durchmeffer. ©Sir munbern uns
alfo nid)t mehr, bah felbft in ben mäd)tigften Fern¬
rohren alle Firfterne als Punfte erfd)einen unb bah
bei ihnen alle oergröhernbe Kraft oergebens ift.
©Man ftellt beshalb an bas Fernrohr 3toei fid)
einanber ausfd)Iiehenbe Forberungen. ©s foll oer-
gröhern, bamit man auf ben oerhältnismähig nahe-
ftehenben Himmelsförpem möglidfjft oiel ©in3el-
heiten unterfd)eiben fann, unb es foll anberfeits
bas £id)t ber |jirrtmelsförper möglid)ft oerftärfen,
bamit mir fie überhaupt nod) fel)en fönnen, menn
fie fonft 3U menig £id)t ausfenben, um auf unfer
©uge ober bie empfinblid)e Platte nod) einen ©in-
brucf machen 3U fönnen. ©Sollen mir ©ergröhe¬
rung, fo müffen mir möglichft lange Fernrohre
bauen, mollen mir £id)t)tärfe, fo muh öas Fern¬
rohr im ©egenteil möglichft fur3 fein im ©erhältnis
3u feiner Öffnung.
©II3U für 3 barf man fold) ein Fernrohr offen¬
bar aud) nicht machen, meil fonft bas ©rennpunft-
bilb boih gar 3U flein mürbe. Das photographifche
©ilb bes ©Monbes 3um ©eifpiel mürbe bei einer
©rennmeite oon 250 ©Millimetern nur 2,5 ©Milli¬
meter groh merben. ©uf foI<h fleinen Scheibchen
mürbe man nur fehr menige ©Übelheiten
erfennen. Dem nachträglichen ©ergröhem
bes ©egatios finb fehr enge ©ren3en ge¬
fegt megen bes photograpl)ifd)en Korns
ber Platte, bas bann bie feine Durcf)-
3eid)nung unterbricht. ©Man fann ein
©egatio mit ©orteil nicht mefentlidh mehr
als fünfmal oergröhern. Um ein betail-
liertes ©ilb bes ©Monbes 3U entmerfen,
bebarf man alfo burd)aus langer Fern¬
rohre, bie oon oornherein ein möglichft
grobes ©rennpunftbilb er3eugen. Unfer
©iefenfernrohr gibt bei nach träglid) er fünf¬
fach er ©ergröherung ein ©Monbbilb oon
einem ©Meter Durdhmeffer, morauf man
allerbings fdhon recht oiel fehen fann.
©ebraucht nun 3mar in unferm groben
Fernrohr ber ©Monb nur menige 3ehntel-
fefunben, um fein ©ilb auf ber empfinb-
lichen Platte 3U entmerfen, fo fteht er
bod) felbft in biefer fur3en 3eit am Fim¬
mel nicht genügenb füll, um ein fcharf es
©ilb oon biefer ©röbe 3U geben. ©Man
muh tompÜ3ierte ©Mechanismen anmen¬
ben, um bas gemaltige Fnftrument mäl)=
renb biefer fur3en 3ßit bem £aufe bes
©Monbes genau nad)3uführen. Drohbem
gelingt es immer nod) nicht, auf bem
Photographien ©Monbbilbe fo oiel ©in-
3elheiten feft3ul)alten, als fie bas Fern¬
rohr bireft fidjtbar mad)t. Die Photo¬
graphie bleibt in biefem Falle hinter bem
bireften Sehen 3urüd. ©Sir haben aud)
hier bie bereit mögliche ©rett3e erreicht,
©od) oiel meiter ftehen bie Photograph^
fehen ©ufnahmen ber Planeten hinter
ber bireften ©eobad)tmtg 3urücf, meil fie
nod) oiel Iid)tf<hmäd)er finb als ber ©Monb
unb alfo auch einer längeren ©elichtungs-
3eit bebürfett. Dabei tritt bann aud) für
bie Photographie ber Ubelftanb fehr ftörenb
auf, ben bie Unruhe ber ©tmofphäre oer-
urfad)t. Die feinen Details flimmern bei
ber ©ufnahme auf ber platte hin unb
her unb oermifdhen einanber. Die pI)oto-
grapl)ifd)en pianetenbilber fönnen mit
ben bireft felbft in fleinen Fernrohren
gefehenen noch nid)t metteifern.
©an3 anbers aber ftehen bie Dinge bei
ben F'irfternen. ©Sirmiffen f<hon, bah für
fie febe ©ergröherung nuhlos ift. ©Sir
fönnen alfo bei ber Konftruftion oon aftrophoto-
graphifchen Fnftrumenten für ben Firfternhimmel
bas £>auptgemid)t auf bie ©^ielung möglidhfter £id)t-
ftärfe allein legen, alfo auf ein möglid)ft grobes Öff-
nungsoerhältnis. ©el)men mir 3um ©eifpiel ein öb-
jefüo oon nur bem halben Durchmeffer besfenigen
unfers ©iefenfernrol)rs, alfo oon 500 ©Millimetern,
aber mit einem Öffnungsoerhältnis oon 1:4, fo
mirb bas p!)otograpl)ifd)e Fernrohr nur 3toei ©Meter
lang, ©s gibt 3ehnmal fleinere ©ilber, aber mit
fünfunb3toan3igfad)er £id)tftärfe, oerg!id)en mit
jenem ©iefen. FolQt man mit einem folgen
ftrument ber täglidjen ©emegung ber Sterne, fo
fann man bie ©elid)tungs3eit auf Stunben aus-
behnen unb erhält bann auf ber empfinblichen
Platte ©ittbrüde oon Sternen, bie bem ©uge felbft
in ben beften Fernrohren nicht mehr erfennbar
finb. ©ei fold)en Daueraufnal)tnen am Firftern-
I)immel ftört auch bie Unruhe ber £uft nicht mehr.
Sie bemirft 3toar, bah bie Sterne feine Punfte,
fonbern fleine Scheiben merben, beren ©röjge fid)
nad) ber £id)tftärfe bes Sternes bemifjt. Dies ift
aber eher ein ©orteil für bie nad)träglid)en Unter¬
redungen, bie ber ßa>ed fold)er Aufnahmen finb.
©ber bamit möge es genug fein biefer ©n=
beutungen, bie für biejenigen 3ur Orientierung
bienen mögen, bie fid) ein Fernrohr an3ufd)affen
münfehen. ©Man hat fid) babei 3unäd)ft 3U fragen,
für meldje Himmelsobjefte man fid) l)auptfäd)Iid)
intereffiert. Für ben ©Monb unb bie Planeten muh
man lange ©rennmeiten oor3iehen unb fann habet
am Durchmeffer bes Objeftios fparen. Für bie
©Seit ber Fi^terne aber unb ber fo oielfeitig ge
ftalteten feinen ©ebel muh ™an grofje Objeftioe
anmenben. Da bie ©ebel, jene merbenben ©Selten,
auch eine ©usbehnung haben, ©in3ell)eiten 3eigen,
bie fie erft intereffant mad)en, fo fann man bei
ihnen aud) nid)t all^u fleine ©rennmeiten ge¬
brauchen, meil man fie bann nicht genügenb oer¬
gröhern fann, benn burch bie Ofularoergröherung
oerliert man bei ihnen mieber 3U fehr an £id)t.
Um beiben ©nforberungen 3U genügen, nimmt
man gemöhnlich ein mittleres Öffnungsoerhältnis,
etma oon 1: 1^ ©in fo!d)es Fernrohr oon 110 ©Milli¬
metern Öffnung unb 1300 ©Millimetern ©renn¬
meite, oon ber F^a 3eih geliefert, hat mir unter
bem reinen <rjintmel ©aprts fiebert Gaturnjatelliten
ge3eigt unb niele feinfte Cin3elbeiten auf bem
URonbe unb ben ^lanetenoberfläcfjen. 9 tad) bem
obigen mar [eine Objeftiooergröfterung fünffad),
mit bem ^mtfmillimeterotular, ^ as fünf 3 igmal
oergröfeert, erreid)te id) alfo eine maximale 33 er=
grölerung oon 250 . Damit tarnt man fd)ort manche
Reinheiten auflöfen, menn man fef>r burd)fid)tige
unb ruhige £uft über fid) hat. (Einen gan3 munber=
Das SBilfomSonnenobferoatorium in California
baren 9 lnblid gemährte bie SRildjftrafee. 9 lud) an
bem fo feljr ausgebehnten Orionnebel tonnte id)
manches Rntereffante fehen. Sber fd)on ber
Snbromebanebel 3eigte taum noch (Sin3ell)eiten.
Der Spiralnebel in ben Ragbhunben erfdjien nur
mie 3mei ineinanber oerfdjmimmenbe Sebelballen.
Diefe Objette gehören aber fd)on 3U ben f)ellften
ihrer Sri Rür fie reichte alfo bie £id)t)tärte bes
Remrohres bereits nicht mehr aus. 5 luf foldje
©egenftänbe muh ber Amateur oer3id)ten, menn
er teine größeren Mittel als etroa 1000 s J0t art für
fein Rernrohr aufmenben tann. Dagegen fönnen
fd)on mefentlid) Heinere Rernrohre bei ber 23 eob-
adjtung bes 90 tonbes unb ber ^lanetenoberflädEjen
oiel Rreube madjen. 9 tur mu| man oon il)nen
nid)t ltnmöglid)es oerlangen, mie es meift gefd)iet)t,
menn man fid) über bie ©ren3en biefer 9 Qtögüd)=
feiten oöllig im unflarert befinbet.
lu unfern Silbern
Samariterbienft Das S3efen ber lünftlerifcben
Sbotograpbte tft, Statur unb SRenfcben 3 U faffert, roo
fte ol)ne Sofe malerifd) toirten. Solche Silber gang
ohne !ünftlid)e SRac^I)tIfe 3 U finben, mirb auch ben im
äftt>etifd)en Sehen geübteren klugen nur feiten gliicten.
5 tfd)ertod)ter, ber etne aIl 3 U fcparfe SRufcbel ben fonft
roobl ftranbgemobnten Rufe oerletjt bat unb bie nun mit
einem naben ©emifcb non 3lngftli<f)teit, roeiblidjer ©iteb
feit auf ihre fd)lanten ©lieber unb ein bifjcben ©e=
fdjämigleit fid) ber Sefeitigung bes tleinen Unglücfs
unterroirft, entfprid)t biefer Rorbermtg unb ftellt bas
Steer unb feine Äinber oor unfre Seele, bie noch ber
luftigen 2Bod)en an ber See bantbar gebentt.
Sm Sorabenb ber Sd)lacbt oon3ornborf.
©inen fcbidfalsträcbtigen Slugenblid aus bem Siebenjäb=
rigen Ärieg bat ^rofeffor ©eorg Sd)öbel, ber fidO
burcb feine 3 ^id)nungen unb ©emälbe aus bem friebe=
riäianifcben SOlilieu einen bauten gemalt bat, in bem
großen Silbe „Sm Sorabenb ber Schlacht oon 3orm
borf" fi<h 3 um Sormurf euoäblt. — ^riebrid) ber ©rofce
mar im Spätfommer bes Sabres 1758 auf bie itunbe
oom ©inbrud) ber Suffen unter Rermor in bie Steumar!
aus Sd)Iefieit berbeigeeilt, batte bie 32000 StRamt feines
bei ftüftrin ftebenben ©enerals oon Dohna mit ben
eignen Druppen oereinigt unb umging am 24. Sluguft
bie taltifd) febr gut geroäblte Stellung ber Suffen bei
bem Dorfe Quartfdjen. Slm 25. Sluguft griff er oon
Siiben (mit 3omborf als Stütjpunft) an. Der blutige
Dag mürbe bann burdj 3 mei glän 3 enbe Seiterattaden
bes forfeben Serjblitj 3 uungunften ber Suffen ent=
fd)ieben.
Der Setlag oon SReper & Reffen, Serlin, ber ficb's
oorgefe^t bat, uns nad) unb nach bie £ebensarbeit bes
SBiener Äritifers unb Reuilletoniften £ u b m i g Spei =
bei in gefd)madoollen Sänben 3 U fdjenten,' bat je^t
einen neuen Sanb, „Sdjaufpieler, oon üubroig Speibel“,
berausgebradjt. Das Sud) ift nicht nur für jebeu, ber
fid) mit Dbeatergefd)icbte beruflich ober aus Steigung
befdjäftigt, unentbehrlich — es ift auch für jebermann
töftlid) unb intereffant 3 U lefen Speibels SIrt mar es
immer, eher 3 umenig als 3 uoiel 3 U geben. Sber bie
Sorträte, bie er mit fdjarfen, fixeren Strichen oon ber
ftlara 3iegler, oon Sonnentbal unb ©oquelin, oon ber
äBolter, oon Stitterrour 3 er unb Sofef £01113 3 eid)net,
finb geiftooll unb lebenbig bis in bie feinften Details.
Sie finb febr perfönlid) gefeben, aber fie finb nie lang*
meilig. ©s ift aud) febr amüfant 3 U bören, mie fcbon
Speibel ben übergenialen Rerbtnanb Sonn, ber in*
3 roif(ben fo oiel oon ficb bat reben machen, d)aratteri=
fieren 3 U müffen glaubte: „S3ent Serroorrenbeit als ©c=
nialität gilt, rubelofe $aft als £eben, für ben mtrb
§err Sonn ein genialer unb lebensooller Sdjaufpielcr
fein," ober: ,,©r fe^t gern Sd)mar 3 neben Skifs, oon
oermittelnben Dinten madbt er nur feiten ©ebraud)."
Der 500. ,,©öfd)en". £tls Stummer 500 ber be=
lannten miffenfd)aftlid)en $anbbü^erei „Sammlung
©öfeben" (Serlag ber ©. 3- ©öfdjenfdjen Serlagsbu^=
banblung, £eip 3 ig) ift, in fd)önes meicbes £eber, bas
„3ubildumsgemanb", gebunben, ein Süd)lein oon ©eorg
Simmel erfd)ienen, bas bie Hauptprobleme ber Sbd°' s
fopbie bebatibelt. Das Skrtdjen ift friftallllar unb fd)arf
3 ufammengebrängtgefcbrieben. Die ©öf(^en= Sammlung,
an ber unfre beften ©elebrtenföpfe mitgearbeitet haben,
bat mit biefem Sanb bas erfte halbe Daufenb ihrer
fd)malen aber inhaltsreichen Sücber miirbig ihrer guten
Drabition abgefdjloffen. K. E.'K.
3n bßbexen SBelten. Die ©r 3 äblerin ©lariffa
£obbe fu^t in ihrem Sontan „SBanberer in höheren
SBelten" (Serlag oon ©ri<b £eonbarbi, Dresben=Slafe=
mib unb £eip 3 ig) bas Singen eines ernften, otfulter
Dbeofopbie 3 ugeneigten SJtannes um eine fdjroefterli^
geftimmte, ätberifd)e grauenfeele 3 U fdjilbern. Hm biefe
beiben ftillen 33tenfd)ert finb gan 3 effcltooll bie itinber
ber S3elt — ein fpielmütiger, bod)geborener Don 3uan,
ein junges, in biefen Soue oerliebtes SDtäbdben unb ein
ebrlidjer, aufrechter unb Iräftiger Saftorenfobn — grup¬
piert. Die ©efebebniffe merben überall flüffig unb oor=
nebm oorgetragen. —tz,
Affenßerbe ßerrfcßt ber 3 u[tanb bcr fogenannten
fexuellen Dprannei — !aum ein intimeres
effe für jebes einseine feiner 3aßlreid)en Kinber
beweifen tann. ftet)t bie Sache bei ben in
gerben Iebenben Huftieren; überhaupt finb — unb
bies wirft einiges Hießt auf oorßin berührte traurige
3 uftänbeimmenfd)Ud)en So^ialbunb — bie Säuge*
tiere burcßgeßenbs fcßlecßte Väter. 3 m leicht*
befcßmingten Veicße ber Vögel finben mir bie aller*
mannigfad)ften 3uftänbe, oon bem in treuer ©in*
ehe fid) für feine Kinber aufopfernben 23 ater
(große Vauboögel) bis 3um ausgefprod)enen Sul*
tanat, wo nur bie unfd)einbar gefärbte Mutter
il)rc kleinen burd) alle 3ugenbfäßrniffe bringen
muß, wäßrenb ber prächtige, „ftolse“ Vater mit
Bal3gefang unb Hiebesfpiel feiner ’ifßfltcEjten lebig
ift (Malbßüßner, Auerßaf)n, Birtwilb unb fo
weiter). — Die Reptilien finb burd)geßenbs un*
intereffant, fie fennen faum ©Itemforgen.
Mertmürbigermeife begegnen mir erft bei ben
nieberften Mirbeltieren, ben Amphibien unb ftifcßen,
3uftänben unb ©ßeoerßältniffen, bie in it)rer
smingenben Dragitomit in ber Melt bes Hebenben
taum ißresgleid)en finben — nicht einmal im
bunten ©ewirr etl)ifd)*moralifd)er Xenben3en über*
mobernfter Boßeme.
Da gibt es bei ber Sippe ber Kröten 23 äter,
bie ißre jungen (bas Reifet ben Haid)) fd)einbar
oerfcßlingen; ber oäterlid)e Keßlfad mirb aber 3ur
Kinberwiege, in ber fid) bie Kleinen munter ent*
mideln (Rhinoderma Darwini); bei anbem (Pipa
americana) machen bie jungen ißr sarteftes Kinbes*
alter in wabenartigen Höhlen, manche meinen
gerabegu in ©nt3Ünbungsßerben, bes mütterlichen
Südens burd), wohin ber Haid), oielleicßt oom
Männd)en, appli3iert mürbe; bei mieber anbern
(Alytes obstetricans, ber betannten ©eburtsßelfer*
träte) mad)t fid) ber Vater 3um ©eburtsßelfer:
er midelt fid) bie Haid)fcßnüre um bie Hinterbeine
unb begräbt fid) faft3weiMocßen lang lebenbig, bis
bie Kaulquäppcßen fcßlüpfreif finb.
Viel merfmürbiger noch, weil fo gan3 außer*
orbentlicß fdjmantenb unb oariabel, finb gortpflan*
3ungs* unb Brutpflegeinftintte bei ben als „lang*
meilig" oerfcßrienen gifcßen. 3^ar finb eine große
3al)l, fo bie betannteften europäifcßen Sifcße, ooll*
tommen gleichgültige (Eltern, wenn mir etwa oon
bem brolligen Stichling mit feinem Veftbau
unb aufopfernber Vaterliebe abfeßen. Dropifcße
unb fubtropifcße gifcßformen feboch, bie jeßt
immer 3aßlreid)er in unfre 2lquarien gelangen,
3eigen bie allerbi3arrften Snftinfte gegenüber ißrer
Ttad)tommenfd)aft unb bie intereffanteften ana*
tomifd)*bioIogi|d)en Verßältniffe in itjrer $ort=
pflan3ungsgefd^id)te.
Mir tennen gifdjmütter (bie fogenannten
Maulbrüter, Paratilapia unb anbre), bie äßnlid)
wie bie oorßin genannte Kröte ißre ©ier ins Maul
nehmen, mo fid) bie jungen 3iemlid) weit ent*
mideln. (Es gewährt einen ent3üdenben 2 tnblid,
wenn bie ßeranmadüenben Kleinen in bas fd)üßenbe
Obbad), bas — Maul itjrer Mutter, 3urütfteßren.
©benfo nieblich nimmt es fid) aus, wenn ber be=
forgte Vater feine Kinber umßerfüßrt wie bie
©ludßenne bie Küchlein. 23 ei unfern 3 cd)Tttärpf*
cßeir, bei benen bas Meibdjen merfmürbigermeife
gan3 bebeutenb größer ift als bas Männchen,
finben mir fogenannte „innere" Brutpflege, bie
(Eier entmideln fid) nod) innerhalb ber mütterlichen
©eburtswege (aber ol)ne ^3Ia3entabilbung, alfo
nicht wie beim lebenbgebärenben Hai) unb bie
Kleinen tommen ßocßentmidelt^Iebenb" 3ur 2 Belt.
'^yFaiurwijfeiud’iaft
Das elterliche Verantwortlich*
feitsgefüßl, bas felbft bei ben Angehörigen
eines unb besfelben menfcßlichen Kulturftaates
in fo ungemein oerfcßiebenem Maße oorßanben ift,
bilbet oielleicßt bas ernftefte Problem ber gefamten
So3ialetßit. Mäßrenb — oon einigen tieftraurigen
Ausnahmen abgefetjen — bie mütterlid)en 3 obi=
oibuen in einem Verhältnis innigfter 3 uneigung
unb gürforge 3U ihren Vad)tommen ftehen, bas
tiefer begrünbet liegt als alle mit bem Begriff
Mutterliebe fo gern oertnüpfte ^ßoefie unb ©tßil:,
unb bas auf uralten ©rbfcßaften aus ber 3^it
unfrer Dierßeit beruht, ift es um bas 3ufammen*
gehörigteitsgefül)l 3wifd)en 23 ater unb Kinb eine
„eigne" Sadje: muh oft genug ber Staat
3toingenb eingreifen, um Ve3iehungen, bie man
in bitterem Hohn „natürlid)e" nennt, einigermahen
ber Menfd)lid)teit unb Menfd)enmürbe entfprechenb
3U regeln.
©s ift hier nid)t unfre Aufgabe, 3U unterfudjen,
inwiefern bie Kultur, beffer füllte man fagen, bie
fo3iale 3i D ütfation, bie natürlid)en ©Iterninftintte
bes Menfd)en beeinflußt unb großenteils oer*
tümmert; bagegen ift es oon jeher für ben 23 io*
logen — unb natürlich aud) für jeben, ber ein offenes
Auge für bie 2 Belt bes ihn umgebenben Hebens
hat — oon allergrößtem 3ntereffe gemefen, ben
oft gan3 oermorrenen unb gerabe3U „peroers"
erfd)einenben 2ßegen 3U folgen, bie ber tierifcße
Kampfjisdi-Männdien, das Schaumnest bewachend
Nach Statisch
Dann ftellt fi<h allerbings eine ©rfd)einung ein,
bie man taum anbers be3eichnen tann wie als
leibenfd)aftlid)en ©Iterntannibalismus. 3u ber
3eit, als bie 3ifd)d)en noch fehr mertooll waren,
mußten mir 3 üd)ter ein trauriges Hieb baoon 3U
fingen, baß 23 ater unb Mutter bie faum geborenen
jungen mit beifpiellofer ©ier 3U oerfchlingen
pflegten unb baß man bie Aabenfifd)mutter in
fompli3ierten Brutapparaten („Ablaicßfäften") un*
terbringen mußte, wenn man Aad)tommenfd)aft
er3ielen wollte.
Bei ben 3 dhnfarpfen ift nod) ein gan3 eigen*
tümüd)es Verhalten 3U ermähnen, bas lange
3 eit für Hiebhaber wie 2 Biffenfd)aftler gan3
rätfelhaft erfdjien, nämlid) ber Hmftanb, baß bie
Mutter3umieberholten Malen einer 3af)lreichen
Aad)tommenfd)aft bas Heben fd)enfen tann, auch
wenn bas Männ^en nad) ber erften ©eburt oöllig
oon ihr getrennt mirb. ©rft bie leßten Hnter*
fudjungen eines für3lich jung oerftorbenen Ber*
tiner 3oologen, ©rieh ^ßhittpPb brachten bie lang*
gefud)te Aufftärung. (Es hcmbelt fi<h nämlid) hier
nid)t etwa um einen Soll »on ^arthenogenefis
( 3 ungfern3eugung), wie mir foId)e oon 3 nfeften
fennen — ein Dhema, bas hier fpäter nod) aus*
führli^er behanbelt werben foll; Bhüippis
Arbeiten bemeifen, baß biefe fleinen Kannibalen*
fifche im ^3rin3ip äßnlid) wie bie Bienenföniginnen
ben männlichen 3eugungsftoff au<h über eine ©e=
burt (©iablage) hinaus aufbemahren fönnen;
3mar ift hie* nicht ein befonberer Behälter (Re-
ceptaculum seminis) ausgebilbet wie bei ben 3 n=
fetten, oielmehr mirb ber 3eugungsftoff in ein*
fachen Ausbuchtungen ber ©ileitermanbung auf*
gefpeidjert, über eine ©eburt hinaus aufbewahrt
imb bann erft mieber 3ur Befrud)tung eines neuen
©ierfaßes unb 3nr ©r3eugung einer neuen ©e*
fdjwifterfd)aft oermenbet.
Vielleicht bas an3iet)enbfte unb gerabe3U lieb*
Iid)fte Hiebes* unb ©Iternleben führen bie munber*
fd)önen Habprinthfifd)e, beren 3 n*t>enprad)t bem
Aquarienfreunb fd)on bei bem gewöhnlichen ©roß*
floffer ober Mafropoben ent3ücft.
3d) l)cit ,c qerabe in biefen 203 od)en feßr oiel mit
Mafropoben unb Kampffifd)en experimentiert
unb aud) übertrieben erfeßeinenbe Schilberungen
ber Hiebhaberliteratur über ben Bau bes Sd)aum*
neftes, ben Hiebesreigen ber ^ 3 ärd)en unb bie auf*
opfernbe Sorge bes ftifch^citers oollauf beftätigt
gefunben.
Die Volle, bie bas 3arte ©efd)led)t bei biefen
„^ 3 arabiesfifd)en" fpielt, ift allerbings nicht bie
fd)meid)elhaftefte. Hn3ählige Male h^e id) be*
obachtet, wie „fie" oerfud)te, bem bas Veft aus*
beffemben Vater, währenb er Baumaterial
(Sd)aumblafen oon ber Dberfläd)e) holte, bie ©ier
hinter bem Vüden 3U ftet)len unb 3U oer3ehren,
fo baß fie mit mütenben Biffen oertrieben unb
fd)ließlid) oom Pfleger entfernt werben mußte.
2 Bie treulid) bann ber Vater unter bem Schaum*
neft, in bem bie Kleinen fid) entmideln, 2 Vad)e
hält, 3eigt unfre Abbilbung oom Kampffifd)d)en.
Kurs nad)bem bie jungen ausgefd)lüpftfinb, fteigert
fid) bie Vaterliebe 3U unfinniger Mut; ein hw3U=
gefeßtes Männchen mirb rüdfid)tslos ermorbet,
unb felbft gegen bie ins Aquarium geftecEte Hanb
bes Menfdjen fid)t ber braue Pater familias einen
minutenlangen erbitterten Kampf.
Dr. 2 B i 11 ) e l m Beruht
Wabenkröte mit Jungen in der Rückenhaut
Nach Thesing
3 nftinft bei Betätigung ber ©Itern*„^ßflid)ten"
geht.
Mie immer, wenn es fid) um bie Beurteilung
ber Hcmblungsmeife ber Xiere hcmbelt, bie nun
boch einmal burd) bie oorläufig nod) faum überbrüdte
Kluft oom Menfdjen getrennt finb, bie mir am
beften mit Schopenhauer als „Mangel an logifd)*
oemünftigem Väfonnement" befinieren, müffen
mir uns aud) hier oor allem hüten, anthropobox
3U werben, bas heißt Begriffe, bie nur unb aus*
fd)ließlid) bem rnenfd)ließen So3ialleben ent*
ftammen, uneingefd)ränft auf bas Dier su über*
tragen.
Mir wiefen feßon an biefer Stelle einmal bar*
auf ßin, baß bie 3 eiten bes alten Breßm über*
wunben finb, ber ben Dieren alle menfd)lid)en
Dugenben unb Hafter 3ufd)rieb. Mir bleiben uns
bewußt, baß es fid) im tierifd)en Heben nur um
parallelen 3u unfern menfd)lid)en 3u=
ftänben unb Betätigungen ßanbeln fann, bei benen
immer eines mangelt, nämlid) bie Kontrolle ber
Hanblungen burd) bie logifd) benfenbe unb
fd)ließenbe Vernunft. Menn mir troßbem Morte
wie „Mutterliebe", „Vatertreue" anmenben, fo
tun mir bies in bem oollen Bemußtfein, biefe nur
im bilblid)übertragenen Sinne unb großenteils
nur im 3Bte*effe ber ©infachßeit bes fpracßlicßen
Ausbrudes 3U gebraud)en.
3unäd)ft erfd)eint es moßl überall als bas
Vatürlicßfte unb Selbftoerftänblidjfte, menn bas
mütterliche Dier bie Sorge für bie oon ißm 3ur
Melt gebrad)te Vad)fommenfd)aft übernimmt. 3 o
ber Dat feßen mir benn aud) bei ben uns am näcßften
fteßenben Dieren, ben Affen, 3u allermeift ein ßoeß*
ausgebilbetes Mütterlicßfeitsgefüßl, bas bie Vulgär*
fprad)e treffenb mit bem Ausbrud „Affenliebe"
fenn3eicßnet. Der Affenoater pflegt (abgefeßen
oon ben Menfd>enaffen)) 3U feiner nod) ßilflofen
Vacßfommenfdhaft fd)on besmegen in wenig naßer
Be3ießung 3U ftehen, weil er als Sultan — in ber
Fischvater (Geophagus), seine Jungen führend
1911. Ulr. 47
1225
Nid)t lange nach ©uftao Niahler hat ber Dob
noch einen anbem bebeutenben Dirigenten bahin*
gerafft, $ e l i x SW o 111. SPlit ihm ift 3ugleid)
ein lebenbiger 3euge jener großen 3^it non ber
Sßelt gefd)ieben, als Nidjarb Aßagner bie erfte
Aufführung feines Sebensmertes, bes Nibelungen*
ringes, in Sapreuth 3uftanbe brachte. Damals,
mährenb ber groben in ben fahren 1875 unb
1876, gehörte $elix Nlottl als junger Nlufiter, ben
fid) ber Nteifter neben anbern §ilfsträften für
feine fogenannte Nibelungentan3lei angetnorben
ijatte, 3u ben Stinten bes Kaufes Aßahnfrieb,
mar bei ben Sängern unb £)rd)eftermitgliebem,
auch ben f^eftfpielgäften, gan3 befonbers beliebt.
Sein frifdjes, fröhliches, ed)t mienerifdjes Aßefen
gemann it)m leidjt alle §er3en, überall, im $eft=
fpielliaufe mie baljeim bei ben Klaoierproben,
mar er tätig unb hilfsbereit; er fd)ien faft unent*
behrlid), meil er fid) mit bes Nleifters 3rttentionen
in bem fdjmierigen neuen Aßerte oöllig nertraut
gemacht hatte. Auf Aßagners marme ©mpfehluug
nach Seenbigung ber mufitalifdhen Stubien als
Kapellmeifter an bie Karlsruher §ofoper berufen,
mürbe er burch feine 3atelligen3, feine (Energie
unb Düd)tigteit halb ber tünftlerifche Niittelpuntt
in ber Sübmeftede Deutfcftlanbs. Unter feiner
Leitung hob fi<H bie Karlsruher §ofoper burdh
ihre fieiftungsfähigteit 3U einer Höhe, melche bie
anbrer, mit erheblich bebeutenberen Hilfsmitteln
ausgeftatteter Sühnen meit überragte. Nicht nur,
baft er mit biplomatifd)em ©efeftid bie Aufführung
ber Aßagnerfcften Aßerte allmählich eines nad) bem
anbem bei ber anfänglich burdjaus nid)t mill*
fähigen 3rttenban3 burd)3ufeften oerftanb, er
erreichte es, baft aud) anbre, feiten ober bisher
gar nicht berüdfidjtigte Sühnenmerte einftubiert
mürben. So rettete er ben ©omeliusfd)en Sarbier
oon Sagbab, ben bie meimarifdhen Philifter,
um Siföt 3U ärgern, einft bei ber Uraufführung
mit h,äfelid)en Sfanbalf3enen abgelehnt hatten,
oor gänzlichem Sergeffenmerben, inbem er bas
liebensmürbige, geiftoolle Aßert mirtfamer um*
inftmmentierte unb bann glän3enb 3ur ©eltung
brachte. Sei fpäteren Aufführungen an anbern
Sühnen, als man mieber 3m Originalpartitur
3urüdgriff, mürbe bann Niottl megen feiner all3U
ftarten Übermalung ber ©orneliusfd)en Partitur
oielfad) angefeinbet — es fteht aber feft, baft nur
burd) fein energifeftes Sorgehen bas faft fd)on
oergeffene Aßert aus ber Serborgenfteit heroor*
ge3ogen morben ift. Aud) bie Drojaner oon Hettor
Serüo3, über beren oöllig unbramatifd)en Dext
fdjon Nidharb Aßagner einft feine Sebenten ge*
äußert hatte, unb bie anbern Opern bes fran3öfifd)en
Komponiften ftubierte Niottl ein, ohne ihnen bei
uns in Deutfdjlanb eine bauernbe Stätte bereiten
3U tönnen. Sie bergen in fid) gar 3U geringe
Sebenstraft unb ermeden gar tein bramatifd)es
3ntereffe, baher aud) bie $ran3ofen niemals oon
ben Sühnenftüden ihres Sanbsmanns haben
etmas miffen mollen.
Seinahe märe ben Karlsruhern ihr Siebling
fd)on früher einmal oon ber Serliner Dfteater*
intenban3 abmenbig gemadjt morben, inbeffen ge*
lang es bem ©rofthe^og, feinem ©eneralmufit*
birettor Uar3umad)en, bafe er mit feiner ganzen
©eiftesrichtung, feinem ausgefprodjenen Unab*
hängigteitsfinn fd)led)t in bie Serliner Dheater*
oerhältniffe hineinpaffen mürbe. Nod) gelang es,
Niottl feft3ul)alten. 3ooeiunb3man3tg 3at)re hat
er bort in befter Kebensfraft gemirft, getragen
oon ber ©unft bes Hofes mie bes publitums,
unb mol)l nur bie unerquidlid)en häuslichen Ser*
hältniffe haben ihn bann bod) bemogen, fpäter
biefe feine ihm felbft fo angenehme Stellung
auf3ugeben. ©rft ging er auf ein 3ahr nach
Amerita, bann folgte er bem Nuf nad) Niüncften
als Kapellmeifter an ber Hofoper. Sieben 3ahre
maltete er bort feines Amtes, mit allen für
einen Künftler bentbaren ©hren o° n feiten ber
Königlichen Sermaltung überhäuft, oom publitum
ebenfo hoch gefd)ä^t mie früher in Karlsruhe.
Nur fünfunbfünf3ig 2>ahre ift ber fdjeinbar tern*
gefunbe Niann gemorben. Niit oollem Ne<hte
galt er unter ben fiebenben als erfte Kraft; er
führte in ber Oper mie im Kon^ertfaal ben Datt*
ftod mit ruhiger Sicherheit, oöllig fremb mar ihm
jebe Pofiererei oor bem Publitum, ftets tarn es
ihm nur auf bie Sache an, bie er als Dirigent
oertrat. Aßagners Aßerte ftanben feinem Her3en
mohl am näd)ften, aber mie tief er auch in bas
Aßefen Nio3arts eingebrungen mar, bafür 3eugen
berebt genug bie golbenen Aßorte oon ihm, bie
jüngft burd) alle Slätter gingen. Die Niündjner
für bie Herrlichkeit ber Sachfdjen Niufit 3u er*
märmen, mollte felbft feiner ©nergie nicht gelingen,
ben Niünchnern gerabe mie ben Aßtenern miber*
ftrebt gar 3U fehr bie ftrenge Diefe bes nieber*
beutfdjen ©mpfinbens. Aßas Niottl tomponiert
hat, ift menig genug; barauf legte er felbft nicht
oiel ©emidjt, unb bas fanb auch felbft bei feinen
beften gfreunben leine ©egenliebe, ©r mar —
ungleich feinem Kollegen Aßeingartner — ein*
fidjtig genug, ben Sdjmerpunft feiner tünft*
lerifdjen Perfönlid)teit auf fein Können als
Dirigent 3U oerlegen. 3'ür bas Sergeffenmerben
mollte er nicht fdjaffen.
Sergeffen merben! Aßie halb bas in ber 3dt
ber Slugmafchinen, ber Autos gefchtet)^ barüber
Elisabeth Schmehling-Mara
(Aus Weißmann: Berlin als Musikstadt)
belehrt uns eine umfangreiche Arbeit, eine mit
oielem Steifte unb nach grünblichen Stubien her*
geftellte ,,©efchid)te ber Oper unb bes Kon3ertes
oon 1740 bis 1911“. *) Der Sanb enthält 428
Seiten unb 100 Silber, umfpannt bie 3eit oon
Sriebrichs bes ©roften Negierungsantritt bis 3U
unfern Dagen unb läftt bie mufitalifche ©ntmidlung
*) „Serltn als Alufitftabt“ oon Dr. Atbolf SBet^mann.
Aerlag oon Stuftet &, fioeffler, Serlin unb fieipätg.
Serlins oor bem ßefer mie in einer ASanbel*
betoration oorbeigleiten. ©in oerbienftlid)es Aßert
bes betannten Ntufitreferenten, ber fid) burch
Hanslids Sud) über Aßien 3U feiner Arbeit hot
anregen laffen. Sür ein3elne S^rfönliihteiten
roie 3- Neidjarbt (1752 bis 1814), in ber fid)
fdjon ber mufitalif<he Sdjaffensbrang feltfam mit
bem Serufe bes Nlufitfdjriftftellers mifcht, mie
fpäter bei ©. Ni. oon Aßeber, Nobert Sdjumann,
Hettor Serlio3, Nicharb Aßagner unb oielen
anbern, meift uns Aßeiftmann gan3 befonbers 3u
intereffieren. Ntenbelsfotjns Aßirffamteit in feinen
jungen Dagen, bie in ber Aßieberbelebung ber
Sad)fd)en Niatthäuspaffion gipfelt, aus fpäterer
3eit ber Kampf um bie Anertennung Aßagners,
ber gerabe in Serlin mit befonberer (Erbitterung
ausgefodjten mürbe, bann bie Dätigteit Süloms
an ber Spifte ber ^hilhormoniter fd)einen mir
©Ian3punfte ber Darftellung. Der Autor beftrebt
fid), gered)t 3U fein, aud) mo er entgegengefeftter
Anfi^t ift als ber oon ihm ge3eid)nete Künftler;
baher bente ich, koft es nicht Abficftt mar, menn
er tein Aßort ber ©rmähnung I)ot für Niänner
mie ©eorg Sierling, ber lange in Serlin lebte
unb mirtte, beffen grofte ©hormerfe in Norb*
unb Sübbeutfdjlanb oiel aufgeführt mürben,
beffen mol)llautenben ©horliebern man nod) jeftt
gern in ben Kon3ertprogrammen begegnet, ber
an ber Spifte bes Serliner Sachoereins man«he
fd)öne Aufführung leitete, tein Aßort ber ©r=
mähuung für bie fed)3et)nftimmige Nieffe oon
©buarb ©rell, bem langjährigen Dirigenten ber
Singatabemie, ein Aßert, bas, menn es ber Ser*
faffer tennen mürbe, ihm gan3 gemift Anertennung
abnötigen mürbe, auch tein Aßort ber ©rmähnung
für Htß^onpmus Drul)n, ben einft gefürchteten
Krititer, beffen £ieber oiel gefungen mürben, Hons
oon Sülom feines engeren Sertehrs für mert
hielt, mit bem er fogar 3ufammert ton3ertierte, ber
überhaupt im Serliner Stufitleben eine h^uor*
ragenbe Nolle fpielte, eine 3pnifd) bur^feftte, geift*
reiche, faft gefürchtete ^ßerfon, bie auch Aßagner
einft auffud)te, meil er feinen ©influft auf bie
Stimmung bes Serliner Subütums tannte. Sei
einer Neuauflage bes Aßertes mirb Aßeiftmann
gut tun, biefe Süden 3U erfeften. ©inen mert*
oollen Sdjmud bilben bie Sorträte ber oerfeftieben*
artigen ^ßerfönlid)teiten aus alten 3eiten bis 3u
ben nodh unter uns mirtenben Künftlem. Auch
menn man fid) burd) ben Sanb burdh gearbeitet
hat, greift man bod) gern mieber banad), um fid)
bie mohlgelungeneren Partien noch einmal unb
beffer 3U oergegenmärtigen.
©rnft ©buarb Daubert
Aßie in ber Angelegenheit bes Sismard*
Nationalbentmals meiter oorgegangen merben foll,
barüber finb bie Anfidjten in Deutfdjlanb aufter*
orbentlid) geteilt. Die in Nummer 23 mitgeteilte
©ntfdheibung bes $reisgerid)ts, meid)es ben erften
Sreis bem ©ntmurfe oon Hahn unb Seftelmeper
3uertannte, hat in meiteften Kreifen lebhaften
Aßiberfprud) erfahren, ©runb bafür ift, baft bas
Dentmal eine Allegorie in ©eftalt eines jungen
Helben, in bem 3ung=Siegfrieb gefehen merben
füllte, als Nüttelpuntt enthielt, mährenb bie
populäre Sorftellung eine Darftellung ber s Jterfön*
lidhteit Sismards oerlangt. Uber bie ©ntfd)eibung
bes S*eisgerichtes finb benn aud) bittere Aßorte
in ber treffe gefallen, unb mit Ausnahme ber
Silligung engerer Künftlerteeife hat mohl feiten
ein Urteilsfpruch in tünftlerifdjen Dingen fold>e
allgemeine Ablehnung erfahren mie ber Sprud)
ber Sismardjurp. ©s ift aber immer 3U bebenfen,
baft bas Preisgericht nicht ein Sismardbentmal
fd)affen follte, fonbern baft es lebiglid) bie Auf*
gäbe hatte, unter ben oorhanbenen ©ntmürfen
bie tünftlerifdh befte Seiftung heroor3ufud)en. ©s
tarn fchlieftlid) mehr barauf an, ben Stann 3U finben,
ber bas Sismardbentmal mad)en tann, als bas
Sismardbentmal felbft 3U finben. Aßie fd)on in
Nummer 23 auseinanbergefeftt, tonnte ber meitere
Aßeg, 3itm 3iele 3U gelangen, nur barin gefunben
merben, baft nunmehr in einer neuen Preis*
ausfehreibung genaue Nidjtlinien gegeben mürben,
in meldjer Art bas Dentmal 3U geftalten fei. Denn
ber erfte Aßettbemerb lieft über alle fpringenben
Puntte oöllige Freiheit. Unb fo hat man benn
in einer Ausfdjuftfiftung, bie am 24. 3uni in Aßies*
1226
1911. 9lr. 47
Dortmunder Bankverein, Zweiganstalt des Barmer
Bankvereins, Dortmund
baben ftattfanb, befd)loffen, nunmehr 3u forbern,
bofe bie 93 erfönlid)teit 23 ismards im Dentmal in
heroortretenber SBeife 3ur Darftellung gelangen
fülle. 3 u einer engeren Konturren3 finb bie 3wan3ig
Künftler aufgeforbert worben, beren ©ntwürfe
int erften 9 Bettbewerbe mit greifen
bebaut ober angetauft worben finb.
Das ^Preisgericht wirb fid) alfo bem»
näd)ft oor eine neue unb 3war be»
grenätere Aufgabe geftellt fet)en als
beim erften 933 ettbewerbe. Angeregt
burd) ben ungünftigen Ausgang ber
erften Konturren3, toar übrigens aud)
bie 23 auplat$frage oon neuem aufgerollt
toorben. Den lebhaften Agitationen,
ben gewählten Stanbort auf ber ©lifen»
höhe bei Singerbrüd 3u oerlaffen, ift
aber jetjt bie Spitje baburd) abgebrochen
roorben, bafe bie 3 Biesbabener 93 er»
fammlung eine nodjmalige Distuffion
ber ©auplatjfrage abgelehnt hat.
Die neuere ard)itettonifdje Cut»
roidlung in Deutfdjlanb mad)t aller»
orten gortfd) ritte. 2Benn aud) im großen
33 ublitum unb namentlid) bei ben 23 au»
herren oon ^rioathäufern in Deutfeh=
lanb noch recht toenig 33 erftänbnis ba»
für oorhanben ift, bafe eine gute ard)i»
tettonifd)e fiöfung nur oon einem guten
Ard)itetten erwartet toerben tann unb bah bas
übliche 23 augefd)äft teine 3nftan3 für ti'mft»
lerifche 9 Berte ift, fo finb bod) unfre großen inbu»
ftriellen Unternehmungen, unfre Santen unb unfre
Kaufhäufer jetü burdjaus auf bem Stanbpuntte
angelangt, fid) für ihre Sauaufgaben
nur ber beften ard)itettonifd)en Kräfte
3U bebienen. <Jür bie 9 Barenhäufer
hat Alfreb Rteffel im Sau bes 933 ert»
heimhaufes nid)t nur für Deutfd)lanb,
fonbern man tann fagen, für bie gan3e
933 elt bie Richtlinien oorge3eid)net.
AUerbings ift feine Keiftung fo be»
herrfdhenb unb ein3igartig, bah bie
nad) ihtu errid)teten 9 BarenI)äufer faft
alle 9 JleffeInad)empfinbungen finb.
Ramentlid) wirb heute bas oon Rteffel
angebahnte Sertitalfpftem ber $affa»
benlöfung bis 3m ©rmübung wieber»
holt. 3 n Santhäufern hat in ber
At)einproüin3 neuerbings ber Kölner
Ard)itett ©arl 9Jiorij3 bemerfenswerte
ardjitettonifche Keiftungen heroor»
gebrad)t. Die ©ebäube fd)Iagen in
ber gormengebung neue 933 ege ein
unb tragen bei felbftänbigfter Sel)anb»
lung bod) ein h°h cs monumentales
©epräge. ben Abbilbungen finb
Santhäufer in Düffelborf, Dortmunb unb Dsna»
brüd bargeftellt. Durch fo!d)e fieiftungen wirb bie
gortbilbungsfähigteit unfrer Ard)itettur bargetan,
unb man tann fid) barüber hiuwegfehen, toenn
bas *iprcuhif<he Rlinifterium ber öffentlid)en Ar»
Barmer Bankverein, Osnabrück
beiten in einem eben erfd)ienenett Serid)t 3U
ben Serfuchen ber SBeiterbilbung unfrer Ard)i=
tetturformen in ber SBeife Stellung nimmt, bah
es tunbgibt: „Die Staatsbauoerwaltung glaube
gegenüber ben neuen Ausbrudsmitteln ber Sau»
tunft 3 u^ü 4 haltung üben 3u müffen.“
Rhein.-Westfäl. Diskonto-Gesellschaft DüsseldorfA.-G.
Die ©artenftabtbewegung hat aud) in Deutfd)»
lanb mäd)tig ein3ufeijen begonnen. ©an3 im
füllen ift in ben lebten brei 3ah r en nörblid) oon
Dresben bie ©artenftabt irjellerau entftanben. So»
rool)l in ber Organifation ber $äuferbefd)affung
als in ber ft äbtebaulichen toie ard)itettonifd)en
Sehanblung ift bas Sefte geleiftet, toas wohl heute
in Deutfdjlanb 3U leiften möglich ift. ©s wirb
in einem ber näctjften Artitel ausführlich auf
£jellerau 3urüdgetommen toerben.
^ermann 9 Rutl)efius
3 n einem Sortrag im Serein 3ur Seförberung
bes ©etoerbefleihes tourbe bie Rlitteilung gemalt,
bah gegenwärtig allein burd) bie ©ismafd)inen
jährlich eine Kältemenge er3eugt toirb, bie bem
Sd)mel3en oon 660 Rttllionen 3 entnern ©is ent»
fpricht. So merttoürbig es tlingt: biefe Kälte er»
3eugen toir burd) 2 Bärme. Dampfmafd)inen ober
©asntafd)inen, beibes 9 Bännetraftmafchinen, liefern
bie Arbeit, bie 3ur Kälteer3eugung notroenbig ift.
An fich braud)en toir natürlich teine 933 ärme, um
Kälte 3u er3eugen, aber toir brauchen Kraft, unb
biefe toirb nod) immer in ben toeitaus meiften
fällen burd) Serbrennung ober Sergafung oon
Sohlen getoonnen.
AU bie Dielen 3 üge, bie tagtäglich bie Känber
burcheilen, um Rtenfdjen unb ©üter 3U beförbern,
all bie groben Dampfer, bie bas Rteer unb bie
glüffeburchfurchen, oerfd)lingenungeheure 9 Jtengen
^Brennmaterial, unb basfelbe gilt gans allgemein
oon ber mobernen ©üterer3eugung.
„SBenn ich oier Aoffe 3 ahlen tann,
Stnb if)tc Kräfte nicht bie meinen?"
Allenthalben fud)t ber Rtenfch feine Kräfte 3u
oeroielfad)en, aber aus nichts tönnen toir aud)
nid)ts fchaffen. 3*genbwoI)er muffen toir bie
©nergie herholen, unb ba oerlaffen toir uns oor»
läufig noch gan3 auf bie Unerfdjöpflichteit unfrer
Kohlenlager. Auf ben fd)toar3en Diamanten ift
unfre gegentoärtige Kultur aufgebaut. Aber finb
bie Kagerftätten toirtlich unerfd)öpfli<h? 933 ir
brauchen teinen ©eologen, um barauf eine Ant»
toort 3U geben, teine Statiftiter unb bergleidjen.
©ine einfache Überlegung fagtuns, bah fie erfdjöpf»
lid) finb, bah ber Dag unbebingt tommen toirb,
too toir in erreichbaren Diefen teinen fd)war3en
Srennftoff mehr finben. Die Kohle ift betanntlid)
im Saufe ber 3 ut)rtaufenbe aus oerfuntenen
9 ßälbern entftanben. ©el)t biefer St03eh ber Ser»
tohlung oon §ol3 aud) heute nod) oor fich?
mag fein, aber bod) nur in oerfchtoinbenb ge»
ringem 9 Jlahe.
Das £ol3, bas uns bie Somtentoärme auf»
baut, oerbraud)en toir heute faft allenthalben un»
mittelbar, bas laffen toir nicht erft oerfinten unb
oertohlen. Aber felbft toenn toir es täten: bie
Kohlenprobuttion ber Aatur geht gan3 unoergleich 5
lid) langfamer oor fih als uitfer Serbraud) in ber
©egentoart.
933 er mehr ausgibt, als er einnimmt, muh eines
Dages bantrott toerben, unb toenn fein Sermögen
nod) fo groh ift, unb basfelbe, toas toir oon $ol3
unb KoI)le fagen tönnen, gilt aud) oon ihren
flüffigen unb gasförmigen ©rfatpnitteln, oon ©rb»
ölen unb Aaturgas. Auch bie Srunnen oon Satu
unb Sennfploanien toerben oerfiegen, unb bie
brennbaren ©asftröme, bie bei Aeuengamme unb
an anbern Orten ber ©rbe entftrömen, toerben auf»
hören.
All biefe ©nergiemittel finb uns nur 3eitlid)
bienftbar, bas liegt in ihrer Aatur unb läht fich
niäjt änbern. 9 Benn toir alfo nicht eines Dages
einen getoaltigen Kulturbantrott erleben toollen,
bann h e i&l cs bereiten auf ÜJtittel unb 933 ege
finnen, um bie ©nergie, bie toir heute auf Um»
toegen be3iel)en, birett nuhbar 3U machen.
Die Söfung biefes JfJroblemes ift oiel ernfter,
toeltgefd)id)tüd) oon toeit gröberer Sebeutung, als
es bie Stehr3ahl ber 3 eitgenoffen ahnt. 933 enn
toeitfid)üge Regierungen ernftlid) an bie ©rfdjlie»
hung ber 2Bafferträfte in ber Aatur gehen, fo
bauen fie toeife oor. ©s mag fein, bah heute nod)
ba ober bort bie fd)toar3e Kohle bie Arbeit etwas
billiger oerrichtet: lange toirb bas nid)t mehr
bauern, bie Datfadje ift nicht toeg3uräumen, bah
toir in unfern KoI)lenbergtoerten jebes 3 dh* tiefer
gehen müffen unb baburd) bie ©r3eugungstoften
fortgefetjt fteigen. ©ine 3eitlang toar es möglid),
burd) Serbefferung ber mafdjinellen ©inrid)tung
auf ben Sergtoerten, burd) ©rfatj menfd)lid)er
Arbeit burch 93 tafct)inenarbeit unb, tur3 gefagt,
burd) oerfd)iebene ted)nifche gortfd)ritte bie burd)
bie gröbere görbertiefe entftanbenen 93 tel)r=
toften toieber aus3uglei<hen, aber bas hat eine
©ren3e, unb biefe ©ren3e bürfte fet)r halb er»
reid)t fein.
Som ooltstoirtfd)aftlid)en Stanbpuntte aus
müffen wir banad) trad)ten, mit ben Kohlen fofpar»
fam um3ugel)cn wie eben möglich unb fie burd)
anbre ©nergieformen erfehen, wo es nur eben geht.
©leid)3eitig wirb ben Ded)nifern bie Aufgabe ge»
ftellt, bie Ausnuhung ber fchwar3en Steine immer
weiter 3u treiben.
Alles, was hiermit im 3 ufammenl)ang fteht
unb was wir tur3 als ©nergieoerforgung be=
3eidhnen wollen, gehört 3U ben bebeutenbften Auf»
gaben, bie jeweils ben äftenfehen geftellt worben
finb; heifet es bod) nicht mehr unb nid)t
weniger, als ben gortbeftanb all ber Arbeit
fid)er3uftellen, bie oon RMionen fleifeigert unb
intelligenten Köpfen im Kaufe ber lefeten 3 ahr=
hunberte geleiftet worben ift, unb wir tönnen
fagen, gar oiele mühen fid) in biefer Richtung
ernftlid) ab, wenn aud) nicht jeher ein3elne babei
bas 93 ewufetfein befifet, an welchem grofeen 3 iel
er mitarbeitet.
1911. 9to. 47
1227
©ewaltige Ncutfd) ritte finb surrt Veifpiel in
ber Verwertung fogenannter Vbfallprobutte ge*
macht worben. Sieles, was früher als minber*
wertig beseitigt würbe, erfährt jetjt rationelle Vus*
nutjung. Vtan hat Neuerungen tonftruiert, in benen
aud) ber 5tot)tenftaub unb anbrer Vbfall ber 5tol)len*
gruben zmedmähig oenoertet roirb. Vtan hat ge*
lernt, gewiffe Sorten oon 5tol)len burd) Vertotung
fehr ausgiebig auszunutjen, inbem man nid)t blofj
bie in iljr ftedenbe SBärme, fonbern gleichzeitig
noch eine ganze Vnzahl anbrer nütjlid)er Stoffe
aus ihr herausholte. 2Benn früher bei einer Nährt
burd) bie Nubuftriereoiere meterhohe NIammen
aus ben Hod)öfen fd)of[ert unb bie Vad)t gefpen*
ftifdj erhellte, fo ift bas jetjt anbers. Die brenn*
baren (Safe, bie bei ber eifern unb Stahlerzeugung
entließen, toerben nicht mehr nutjlos zur ©r*
gö^ung ber Vorbeireifenben oerbrannt, fonbern
teils in befonberen Neuerungen zur Dampf*
erzeugung herangezogen, teils unmittelbar in ge*
roaltigen ©asmafd)inen in 5traft umgefetjt.
Nur bie bei ber Vertotung getoonnenen (Safe
gilt bas gleiche. Schon haben einige Stäbte in
Vheinlanb unb ÜBeftfalen ihre eignen (Sasanftalten
aufgegeben. Sie beziehen bas (Sas oon ben großen
Hüttentotereien, unb ohne 3meifel roirb biefe ©nt*
toidlung fehr halb bebeutenbe Nortfchritte mad)en.
9Benn roir bebenten, bah auf biefe 2Beife gewaltige
Vtengen Vaturtraft eingefpart werben, fo erfcheint
es uns tleinlid), wenn man im Nutereffe gemeinb*
lieber Unabhängigteit bagegen Stellung nimmt.
Cs bringt alles unaufhaltfam zum ©rofjbetrieb,
weil nur biefer jenes Hö^ftmah ötonomifcher
Vahruugsausnutjung ermöglicht, bas im Nutereffe
unfrer Vad)tommen geforbert werben muh-
Die Nortfchritte, bie bie ©asferuoerforgung ge*
macht hat, trägt natürlich wenig zu biefer ©nt*
widlung mit bei. Vtan fd)eut fid) jetjt nicht mehr,
£eud)tgas burd) enge Röhren unter hohem Drud
über weite Streden fortzuleiten, um es bann im
Verwenbungsgebiet burch geeignete Apparate auf
einen entfpred)enb niebrigen Drud zu bringen.
Unb biefe Ded)nit ift nod) im ©ntwidlungsftabium.
©s tannteinem 3u>eifelunterliegen, bah fie noch eine
fehr grohe 3utunft hat. Sn Stelle bes 5tot)len=
transportes, ber wieberum erheblichen üraft*
aufwanb erforbert, weil in ©eftalt ber 2Ba*
gen totes ©ewid)t mitgeführt werben muh,
tritt bie unmittelbare Nemleitung bes ©nergie*
mebiums.
5turzfid)tig wäre es jebod), biefen ©rfolg als
Sieg über bie ©lettrizität anfehen zu wollen. Die
©lettrizität hat eine fo eminent wid)tige Sufgabe
in ber itraftoerforguug, bah tein ©as ihr jemals
ben Sang ftreitig machen tarnt; fie ift bie einzige
betannte ©nergieform, bie es geftattet, auch anbre
als itol)lentraft fern zu leiten. Die ©lettrizität er*
möglicht es uns, bie 9Baffertraft rationell aus*
Zunutjen, ihre itraft in bie Nerne zu leiten unb über
gröbere £änberftreden zu oerteilen. Sie wirb bie
einzige ©nergieform fein, wenn bis bahin nidjts
Veues entbedt wirb, bie in einer tot)lenarmen
3eit bie ©ifenbahn treibt unb ben Vertehr oer*
mittelt.
Sei ber Susnutpmg ber SBafferfräfte, bie zu
ben bebeutenbften Aufgaben ber ©egenwart unb
nahen 3utunft gehört, fpielt fie bie wichtigfte
Solle. Sber nicht nur bei biefer Vßaffertraft.
Sud) bie Nlüffc unb Väd)e unfrer Dänber werben
nicht imftanbe fein, ben Vebarf an .Straft zu beden,
ben wir haben.
Die „weihe ftot)le", wie man bas SBaffer ber Nlüffe
taufte, wirb allen Veredlungen nad) bie fd)warze
nur ergänzen, aber nicht erfetjen tönnen. Sber
wir haben nod) eine gewaltige ©nergiequelle in ben
©ezeiten, im 2Bedjfet oon ©bbe unb Nlut. Nu
Sd)leswig*$olftein ift man gegenwärtig ernftlid)
an ber Srbeit, bas erfte Nluttraftwert großen Stiles
auszuführen: bah weitere folgen werben, ift
gewifj.
Sber aud) bie Straft ber ÜBinbe wirb in 3u=
tunft mehr als bisher ausgenutjt werben, unb
immer wirb bie ©lettrizität bie Vermittlerin zmi*
fd^en ©rzeugwtgs* unb Verwenbungsftelle fein,
wirb bie gewonnene Straft nach Velieben in ©e*
ftalt oon Straft, £id)t ober 2Bärme liefern.
Unb oielleid)t wirb aud) eines Dages bas
Problem gelöft, unmittelbar aus ben Strahlen ber
Sonne Straft, fei es, we!d)erSrt es fei, zu gewinnen
unter Vermeibung jeglid)en Umweges. Sber biefe
Suh ift hart, noch zeigt fie teinen Sih, gefdjweige,
bah fie getnadt wäre.
S. Hartmann
3Bas für ben Vtann bes grünen Safens bie
Derbt)wod)e auf bem Hamburg*Horner Vtoor ift,
ber §öt)epuutt ber Durftampagne, ift, auf bas
VSaffer übertragen, für ben Segelmann bie St i e l e r
2B o d) e. 2Bährenb aber im Derbt) bie Nutematio*
nalität oft nur auf bem Rapier fteht ober fid)
bod) nur auf Sbgefanbte oon ÖfterreicfpWngarn
unb allenfalls oon bem tleinen Dänemart be*
fdjräutt, pflegen in ber Stieler Narbe ©nglänber
unb Schweben, N*anzofen unb neuerbings oiele
Smeritaner ihren Stanber fehen zu laffen. Unb
mit ben fremben Vachtmen meffen fi<h bie
beutfdjen Segelmänner in fdjarfem Stampf, ber
fid) wochenlang hiuzieht. ©s wimmelt oon golbenen
unb filbernen fötalen, unb nirgenbs im Sport
pflegt es toftbarere greife zu geben als 3 U 3eiten
ber Stieler VBodje.
Nm Streife ber Nachtmänner hat fid) ber Staifer
immer am wohlften gefühlt. SBährenb er Vferbe*
rennen nur feiten auffudjt unb, wie jeber Ve=
obad)ter fehen tann, ben Stampf oon Vofj unb
Veiter nur ganz flüchtig mit ben Sugen oerfolgt
— oft mit feiner Umgebung plaubernb — ift er
in Stiel mit fieib unb Seele Sportsmann unb
Strititer, ber teine Vtiene oerzieht, wenn feine
Nachten fair gefd)lagen werben unb nur einmal,
wie bie Nama erzählt, böfe würbe. Des Staifers
Nacht war währenb ber Vegatta in bie Nafüttinie
eines feiner Stonturrenten, eines ©nglänbers, ge*
raten, ber aber teine Vtiene machte, 3 u ftoppen
ober anbern Sturs zu nehmen. Um ein Haar
hätte es eine böfe Stollifion gegeben, hätte bie
Staiferjad)t nid)t gewenbet. Vud) in bem gewih
feubalen Nathtfport gibt es eben teine 9tüdfid)ten
gefellfd)aftli<her Srt, hi^ fteht nur 9Jiann gegen
s JJtann. Der Staifer hatte in biefem Natu* tue
Nreube, feine Nad)t 9Jteteor mehrfad) als Siegerin
bie 3idlmie paffieren zu fehen unb bie englifd)e
Nad)t 2Baterman, bie mit fo groben Hoffnungen
über ben Stanal gefanbt war, zu fragen; ein
Driumph gerabe für bas beutfd)e Vootsmaterial,
bas leiber im Stampf mit ben Vmerifanem um
ben Staiferpotal total oerfagte. Nur biefe Ston*
turrenz ftanben brei beutfd)e unb brei ameritanifche
Segler in Vereitfd)aft. Nu teinem oon ben oier
kennen gelang es aber einem ber beutfehen Voote,
aud) nur einen ber oorberen ^ßlä^e
Zu befehen; fie muhten fid) glatt ge*
fd)lagen betennen, unb tein einziges
beutf^es SBoot tonnte fith für bas
©ntfeheibungsrace placieren. Droh
feines für uns nid)t fehr fchmeicf)el=
haften Ausganges tann ber beutfd)e
Segelfport bem Staifer für bie Stif*
tung gerabe biefes ^reifes, um ben
am lebhafteren getämpft würbe, nur
bantbar fein, wie benn ohne ben
Staifer unb feine ^affion bie Stieler
2Bod)e bes Staiferlid)en Nad)ttlubs nie*
mals zu ihrem heutigen 2Beltruf ge*
tommen wäre.
Nn ben 2Bo<hen, wo alle SBelt am
9Jieeresftranbe weilt, 3 iel)t es auch
bie ‘ipferbe borthiu, unb fo gibt es
in ben Hunbstagen eine fogenannte
Seefaifon bes 9?ennfports. ©s liegt in
ber ©ntwidlung biefer DCrt beutfeher „Vaberennen“,
bah fie nid)t auf ber ftolzen Höhe ftehen wie
etwa Drouoille ober Deanoille, wo ein Hunbert*
taufenbfrantrennen bem anbern folgt unb wo
bie ebelften franzö|ifd)en Vollblüter aufeinünber
treffen.
Unfre beutfdjen ^ferberennen an ber Oft*
fee unb an ber 9torbfee [inb Heineren Vanges
unb entbehren alter Senfationspreife. Nu Vorher*
net) unb in Draoemünbe, in Heringsborf unb in
3oppot, wo fid) ^ferbebeine im ©alopp ftreden,
gibt es teine Grand prix, bie Vennen finb bort
mehr eine Veunion im N^^l^u zum ©rgöhen ber
fich langweilenben Vabegäfte. Doberan, bas ja
aud) in biefe Stategorie zu zähleu ift, macht eine
tleine Ausnahme.
Diefer ältefte, aus bem Anfang bes oorigen
Nahrhunberts ftammenbe Vennplah war einft,
als nod) nid)t an allen ©den ber Difdj für galop*
pierenbe Vollblüter gebedt war, als nod) in
SCRedlenburg bie ^3ofttutfd)e regierte unb in ber
Heimat N*i^ Veuters bie gröhten 3uchtftätten
blühten, eine fehr begehrte Vahn unb
beoorzugt oom preuhifd)en unb med*
lenburgifchen Vbel.
Heute ift es hie* einfamer ge*
worben, unb bie oielfacf) uach ben
ntedlenburgifchen Nürften benannten
Vennen leiben unter einem StRangel an
Serben. Vur bas Äöniglid) ^reuhifdje
Hauptgeftüt ©rabih ift oon alters Je*
ein treuer ©aft, trohbem es eine trübe
©rinnerung an Doberan trägt.
Hier gefdjah es oor einigen Nuh*eu,
bah ber alte Stalljodei oon ©rabitj,
Vallantine, fo fd)wer ftürzte, bah er
nach turzer 3ett ftarb. ©iner ber wenigen
Dobesftürze auf einer beutfehen ^ferbe*
rennbahn.
So bünn befetjt aud) in Doberan
bie meiften Vennen zu fein pflegen,
fo ftart fällt eine Stonturrenz in
jebem N<due au s, bas ift bas Vauem*
rennen. Die medtenburgifdjen fianb*
leute finb gut zu ^ferbe unb tommen
in Scharen zu biefem Vennen, bas
ftets am Sd)luhtage gelaufen wirb unb bei bem
ber ©rohh^^og felber bas Vichteramt zu über*
nehmen pflegt.
©s ift eine Vrt Volfsfeft wie etwa bie
Vennen auf ber 9Jtünd)ener Dttoberfeftwiefe,
unb es fteht einzig im beutfehen Sport ba,
bah biefer Venntag fd)on um elf Uhr oor*
mittags feinen Vnfang nimmt. Die Stranb*
tampagne ift nur eine Vrt ©rholungsurlaub
für bie Vierbeiner, wenige 2Bod)en fpäter heiht
es im Sdjwarzwalb N^be zu betennen unb
auf bem Vafen oon Nffehelm oor ben Doren
Vaben*Vabens gegen bie Nrcmzofen in bie Sdjran*
ten zu treten. Hat fd)on bas beutfdje Derbp
unb ber Sieg eines nid)t übermähig grohartigen
Öfterreichers gezeigt, bah mit unfern s Uferben
biesmal nid)t oiel Staat zu machen ift, im Dal
ber Oos, wo ihnen eine beffere ©efellfchaft
in ben 2Beg tritt, bürfte N^antreid) wahrfd)ein=
lidh wieber Drumpf fein.
Die Nranzofen finb in jebem Nall, bas geht
aus ber Vennungslifte h^roor, auch in biefem
Nähre gut gerüftet, unb felbft bie paar ^ßfunbe
©emid)t, bie fie unfern einl)eimifd)en ©aloppierern
oorzugeben haben, werben unfre Vieberlage fdjwer*
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wir bireft.
<!£ht $taiifmamt 0 £r[j 0 lmtgs!jft»t
€ in ftoIjeiB 2Bert ber Selbfttjilfe hat ber be»
tannte unb bewährte „SSerein für £anb*
lung§*(Eommi§ non 1858" in Hamburg an
feinem im ^uli eingeweiijten (ErI)olung§ijeim
ju SßaI§robe in ber Süneburger §eibe ge»
fdjaffen. $a§ auf einer Slnhöhe nahe bei
au§gebehnten SBalbungen gelegene £>eim hat
SBaufoften non 104000 SRarf perurfadjt, bie
man burdj freiwillige Beiträge ber SSereinS*
mitglieber aufgebracht hatte- ©ine ganje
iReihe ©egirle unb Sejirf^nereinigungen wib=
rneten beut §eim Sonberftiftungen, unb jwar
fpenbeten Hamburg ein Stuberboot, £>ilbe§=
heim eine SRadjbilbung be§ -g»ilbe§^etmer
@ilberfunbe§, Süneburg ein $eibebilb, @ar=
bürg einen SEifd) im Sefefaal, SBaBrobe bie
(Einrichtung be§ 2Bintergarten§, §annooer
einen Flügel für ba§ äRufifsimmer, bie 9iorb=
roeftbeutfdjen ein §eibejimmer, bie Sachfen ein
Sachfensimnter, bie Sägern ein Kneipjimmer
ufw. 2lufjerbem hat eine Slnjatil non 3lftien=
gefeüfchaften unb (Einseifirmen SRaterialien für
ben Sau unb bie (Einrichtungen geftiftet.
Qmtjjcitanaimt 3iu%tv itttfc
j&rfjriften
(Besprechung einjelner Kterhe Vorbehalten. —
Rücksendung findet nicht statt)
Kr i f d) e, Saul, Son ber SReinfjeit be§ 9Ranne§.
Sefenntniffe eine§ Sater§ für feinen Sohn.
«$rei§ brofd). 9R. 2.—, geb. SR. 3.—. (Eugen
®ieberidh§ Serlag, Sena.
Sapfa, Otmart, ©efchaute§ unb <Erlaufd)te§.
3lüerl)anb Stigifche§ att§ ber Spottoogel*
perfpeftioe. W$rei§ SR. 1.20. £>anfaoeriag,
9tiga.
Sinbtner, (Elfie, 3Rid)aeIi§ Karin. Stoman.
«ßrei§ geh- SR. 2.—, geb. SR. 3.—. (Eoncorbia
Sseutfche SerIag§»Slnftalt ©. m. b. £>., Serlin.
£ön§, Hermann, ®a braunen oor bem 2ore.
heimatliche Staturbilber. Srei§ fart. SR. 3.50,
geb. SR. 4.50. Serlag ber 8- ©chneüfchen
Suchhanblung, Söarenborf.
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Klofier in S»tagbeburg. «Ikeiä geb. SR. 3.60.
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$ht 8öfung§oerfucf) 1. Dh5xh4 an ber (Ent*
gegnung Kf5—e6, wonad) eine jweijügige
SRattführung nidE»t erfichtlid) ift. — 2)en
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tung geigen: l.ARäbdjenname; 2.oul*
fanifefjes ^ßrobuft; 3. ftnabenname;
4. Aebenflufe ber Donau; 5. be*
rühmtet frangbfifcher ARarfcfyall;
6. heutiger Aaturpfyilofopl); 7 - be ‘
roohnte Stelle in ber ASüfte; 8. per*
fifcher Dichter. Sei richtiger Korn*
bination werben in ben beiben obersten
roagerechten ftelberreiljen bie Aamen
eines berühmten Königs non Sdjcria
(ftorfu) unb beffen lieblidjen Döcf)ter=
leins erfd)einen. 3ur Ausfüllung
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Seite ns6:
DesSingoogelrätfels: f$rinf
— 5tutut — £enhe — SBachtel —
Hänfling—Äohlmeife — Aohrfänger.
Des Drei=£ettern=9Aerträt=
fels : KÜBEL, DURLACH, HINDU,
KUNDMANN, LEERE.
Die fünf fetten (richtig gemerlten)
fietternbreiheiten ergeben:
„Uber fianb unb füleer".
Des Silbenrätfels: Sal 3 *
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5Rad)bnui aus bem 3nljalt biejer 3eit(<f|rtft roirb ftrafrechtlich ucrfolgt. »erantroortli^er SRebafteur: Dr. SJubolf »resber tn Serltn. SBeranlroortlirb für ben 3njeratenteil: 9Ud)arb SReff in Stuttgart. 3n 0|terreuf)=Ungam für bte
»ebattion unb Verausgabe oerantroortltd): Stöbert 9JJobr in SBien I. Drucf unb »erlag ber Deutj^en »erlags=21nftalt tn Stuttgart, »aptet oon ber »apterfabrtf Sala<b in Salarb (ÜBürttemberg). »rtefe unb Senbungen, bte ben.
rebaftionellen 3ni)alt biejer 3eitjd)rift betreffen, nur an bie »eutfdie »erlags=21nitalt, SRebaftion, »erlin SW, ftöniggräger Strafe 99 (ohne »erjonenangabe) erbeten.
. .1. .,. .M.
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Nr. 48
Jahrgang 53
ÜBERLÄND UND MEER
Aus Veitshöchheim. Nach einem Gemälde von Carl Leopold Voß
1911 (53b. 106)
3. September 1911
1250
#ber £artb unb 9Jleer
1911. 9tr. 48
Cgu urtferm garbenbilb auf ber ttmfdjtagfeite)
D as förttgltdje Duftfdjlofe int bagrijidjcTt DörföEjert 23 etts=
Ijödjljenn am SJiatrt ift ein fiteblingsausflugsort ber
23 erooI)ner bes nal)egelegenen Sßürgburg. Der grofje $atf,
in bem über ijunbert Statuen unb §iguren im 93 arocf=
gefcfjmacE aus bem Daub bes SBalbes, oerträumten Bostetten
ober oor roeiten füllen 5 Ha|enfläcE>en leuäjten, ift eine einzige
feierliche unb freunblid^e Erinnerung an ( 5 efd)Ied)ter, bie
nod) bas 9 ieä)t Ratten, farbenfroher unb pradjtltebenber gu
fein als mir ©ärger bes „prattifdjen 3 at)rt)unberts". Der
SÖJaler Earl Deo pol b ©oft hat bie 35 eii»i)öd)f)eimer Stirn»
mung in einer 9 teil)e oon SBilbern feftgehalten, bie bie Diebe
bes Zünftlers 311 tiefem malerifdjen Söintel füllen laffen.
3x*vl mtjxxm mtzxmiivmlzn Srfjacfj-
KnrrßJnmtbDnfimnüßr
Eine Slttgaljl Teilnehmer be§ abgefcl/loffenen £urnier§ unter
Sübrmtg be§ £)bmann§ ber äßuppertaler 2Boctienfd)ad)gruppe,
S errn 2tb. Heller in ©löerfelb, Bereinigten fidt), um mtr au§
nlaft ber SSeenbigung be§ SätrnterS ein Reichen ber 2tnertennung
gu nähmen, öa§ mir am 23. b. Wt., al§ id) non einer längeren
©etfe erft turg junor nach §aufe gurüdgete^rt mar, burdh §errn
Erid) 2 Bieganb = 93erlin im 2 tuftrage ber übrigen beteiligten in
©eftalt eine§ ©o£al§ au§ gebtegenem ©ilber, innen nergolbet,
mit ©ocEet unb gugeöörtgem ©djräntcöen überreicht mürbe. ®er
©ofal trägt bie ^nfcffrift:
SembocbnerebrtenSurnierleiter §errn©ebeimrat@cballopp
al§ Stnerfennung für feine opferfreubige unb arbeit§reid)e
Sätigleit im internationalen ftorrefponbengturnier 1908—1911
non Surnierteilneljmern gemibmet.
®ie gleichseitig überreichte 2lbreffe bat folgenben Sßortlaut:
2tm 1. $uli 1911.
hochgeehrter §err ©eheimrat!
$em Unterzeichneten ift in feiner Eigenfäjaft al§ Dbmann
ber Söuppertaler Söochenfchachgruppe non einer 2 tngahl Sinnier»
teilnehmer ber ehrenooüe 2 luftrag geworben, 3 b nen ' 'S 6 ™
©eheimrat, au§ Stnlaf? ber beenbigung be§ internationalen
^orrefponbengturnierS non „über Sanb unb ©teer" ®an£
gu fagen für bie mährenb feiner Sauer als Surnierletter
entfaltete bemunbernSroerte Säügteit unb nie erlahmte peinlich
torrefte bemältigung ber nur für ben Eingemeihten in ihrer
ooüen ©rö^e ertennbaren 2 lrbeiten.
Sie Herren 2lleranbrom, SttteSlanber, bannet, bergmann,
gflir, Süth, ©agel, ©ueb, ©d£)man, ©mith, SBegemunb, Sßie»
ganb fomie bie Söuppertaler SSocbenfcbaci) gruppe nebft bereu
SJtitglieb Dr. bär ftnb fid) einig in ber rüdhaltlofen äöürbi»
gung Sbrer berbienfte nicht nur um ba§ ^uftanbetommen,
fonbern audj um ben burcb nid)t§ behinberten berlauf be§
großen Unternehmens, bem Sie burd) immer neue 2tn»
regungen unb SRafmabmen ein gerabegu oorbilblidjeS ©e»
präge gu geben oerftanben haben.
ES mar ihnen allen baffer auch ein bebürfniS, biefen
©efühlen auch äußerlich in einem ErinnerungSgeidjen 2tuSbrud
gu oerleihen, baS, in ber SBahl oielleicht unzulänglich, immer»
hin alles baS in fid) aufgunehmen imftanbe ift, maS ih«en
nadf biefen fahren ootl Stühe unb Slrbeit geruhfame ©tär»
Jung gu bieten oermag als — bie Stild) beS 2llterS.
Sie genannten ©penber oereinigen ficb gleichzeitig in bem
SBunfdje, bah eS aud) hehrem angebrochenen SebenSabenb
nie am nötigen ©onnengolb unb bem ©ilberfcbimmer ber
©lüdSfterne fehlen möge.
Stit oorgüglicher Hochachtung
i.#.: 8 tboIf Heller.
Sie prächtige ©abe tarn mir felbftoerfiänblid) ooHtommen
überrafchenb unb hat mich im hödfften ©rabe erfreut; ich fühle
mich gebrungen, ben geehrten ©penbern für baS ©efdjenf unb
für ihre in ihm gum 2luSbrud gebrauten freunblichen ©efin»
nungen meinen roärmften San£ gu fagen, nicht gum minbeften
aber für ihre moblJoottenbe Unterftüfeung unb Iräftige SÜtit*
roidung, ohne bie eS mir fchmerlid) mögli^ geroefen märe, baS
Surnier in einem nicht übermäfsig langen Zeitraum gu bem
guten unb aUfeitig befriebigenben 2 lbfd)luh gu führen, ben es
gefunben hat. Stir mirb ihre ©penbe eine bleibenbe Erinnerung
fein an jeben eingelnen oon ihnen unb an ben fchönen unb an»
regenben geiftigen Stampf, ben ich in aü feinen ©tabien mit leb»
haftem Sntereffe oerfolgen tonnte.
©tegtih, ben 31. §uti 1911 . E. ©djallopp.
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beseitigt unfehlbar Kopfschuppen u. Schinnen u. ist un- £/ Va
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Um die Büste zu entwickeln u. befestigen
nichts kommt den Piluies Orientales eieich
, Schon zu allen Zeiten hat die Frau ge- Auch mein allgemeines Befinden ist nicht
sucht ihre Schönheit zu vervollkommnen. im Geringsten nachteilig beeinflußt wor-
Aber von allen Schönheitsmitteln, die ihr den, im Gegenteil: ich habe niemals
zu Gebote stehen, ist wohl keines höher besseren Appetit gehabt als während der
einzuschätzen wie dasjenige, welches wir Dauer der Kur. Ich kann mich daher nur
beschreiben werden, und mit dessen Hilfe dazu beglückwünschen, von Ihrem Mittel
jede Dame und jedes junge Mädchen Gebrauch gemacht zu haben. Ich danke
einen schönen und üppigen Busen er- Ihnen aufrichtig und erkenne freimütig
zielen kann. die Wirkungskraft der angewandten
Dieses Mittel ist von schneller und dabei Pillen an. Ich mache es mir fernerhin
gänzlich gefahrloser Wirkung, und häufig zur Pflicht, Ihr Medikament jeder Dame,
genügen 14 Tage nur, um überraschende die dessen bedarf, zu empfehlen.
Erfolge zu zeitigen. G^.; Frl. Marie B...
Madame L.... schreibt: Bad Landeck, Rheinland.
„Seit 14 Tagen befolge ich nun Ihr Ver- Wir hoffen, daß ein so offenherziges
fahren, und idi bemerke mit größter Ge- und freiwillig geliefertes Beweisstück
nugtuung bereits jetzt eine wahrhaft er- unseren liebenswürdigen Leserinnen ge-
staunliche Wirkung . .“ nügt und uns davon ent-
Wir wollen gleich im hebt, hier deren weitere
voraus sagen, daß dieses anzuführen.
Verfahren eine innere Verzweifeln Sie daher
Behandlung ist, wodurch nicht mehr, wenn Ihre
allein eine vorteilhafte Büste nicht die wün-
Wirkung auf den Busen , sehenswerte Fülle zeigt,
ausgeübt werden kann, J oder wenn durch Neben-
denn diese Organe etnp- 'i umstände mannigfaltiger
fangen ihre Nahrung aus- Art deren frühere Festig-
schließhch aus dem keit und Ueppigkeit ver-
Innern des Körpers und l oren gegangen ist. Ver-
konnen nur durch Mittel zagen Sie selbst dann
beeinflußt werden, die , nicht, wenn Sie bereits
direkt auf ihr Nerven- . k andere Mittel ähnlicher
System und ihre Ernäh- 1 \ Art ohne Erfolg probiert
rungszufuhr wirken. ^ $ > haben. Wie dem auch
Das ganze Verfahren ' j sei: versuchen Sie auf
ist äußerst einfach und -W jeden Fall Piluies
besteht nur aus dem Ein- w O r i e n t a 1 e s Ratic; Ihr
nehmen von winzigen Busen wird sich nach
Pillen, die man zweimal einigen Wochen ent-
täglich zu sich nimmt; wickeln und fester wer¬
kein Vollstopfen mit den, und die häßlichen
Mehl, keinerlei Einreibungen oder kom- Knochenvorsprünge des Halses ver-
plizierte Operationen, die ebenso wir- sctiwinden dann gänzlich, wie dürch
kungslos wie unnütz sind, kommen hier- Zauberei.
bei in Anwendung. . Diese, von ärztlichen Berühmtheiten
Diese Pillen heißen „Piluies Orientales erprobten Pillen sind der Gesundheit stets
Ratie“ und besitzen eine genügende bekömmlich und eignen sich für Damen
Wirkungskraft, um der Ernährungszufuhr und junge Mädchen aller Naturen,
der Frauenbrust die entsprechende Rieh- Nehmen Sie daher ungesäumt Ihre Zu-
tung zugunsten der besseren Entwick- flucht zu ihnen.
lung dieses Organs anzuweisen, und es Um franko und diskret einen Flakon
wird so die erforderliche Anregung zur Piluies Orientales zu erhalten, genügt es,
Entwicklung und Festigung des Busen M. 5.30 per Auslands-Postanweisung oder
gegeben. _ Fünfmarkschein und 30 Pf. Marken an
Tausende von Dankschreiben, die uns Apotheker J. Ratie, Paris. 5, Passage
von allen Seiten zugehen, sind der beste Verdeau, zu schicken; der Brief ist mit
Beweis hierfür, und führen wir nur eines 20 Pf. Porto zu bekleben, Karten mit 10 Pf.
derselben hier an: ^-j r ra t en einer jeden Leserin unserer
Herrn ... Ich habe Ihre Piluies Orien- Zeitung, sich von Herrn Ratie das sehr
tales angewandt, und macht es mir Freude, interessante Heftchen „lieber die pla-
Ihnen mitteilen zu können, daß mich die stische Schönheit des Busens“ kommen
erzielte Wirkung sehr befriedigt hat. zu lassen, das er gratis schickt.
Diese Pillen sind auch erhältlich bei: Berlin, Hadra-Apotbeke, Spandauerstr. 77,
München, Emmel, Apotheke, Sendlingerstr. 13, Breslau, Adler-Apotheke, Ring59, Leipzig,
Dr. Mylius, Markt 12, Frankfurt a. M., Engel-Apotheke, Gr. Friedbergerstr. 46.
Zu haben in den einschlägigen Geschäften
heleute
ReqenerationsKuren.
Brussel
1910 :
,ÖRftHOPRix.
Über £artb unb 9JIcer
Pcnltmal für C5rnft JUrbc in f cita
^fiotograpfjien Don fioutS .tietb, SDStimav
e ine ©fjrettfdjulb t)at man in
Sena butd) bie in ben lebten
Sulitagen erfolgte ©imneiljuttg
be§ 2>ettfmal§ für ©rnft 3lbbe
auf bem Slarl»3etfe»«lake ab»
getragen. 2lbbe, ber feit bettt
©nbe ber 1880er Satire «efifcer
ber oom ehemaligen Unioerfität§«
med)anifu§ St 3«i& begrünbeten
SBerfftätte für £erfteüung opti»
fcher gabrifate mar, hat biefeS
ilnternehmen au§ fteinen Sin»
fangen ju hoher '-Blüte geförbert
unb bie ^arl»3eifi»äBerl:e ju einem
Söeltgefdjäft erhoben, ba§ surjeit
mit 3800 SlngefteHten arbeitet.
Slud) mar ber im Sal)te 1905
nerftorbene ©eiehrte unb ©rftnber
ein bahnbredjenber ©ostalreformer,
ber gleidjfam ein neues Slrbeiter»
red)t fdjuf, inbem er ben Sin»
geftetften ber ©tiftungSbetriebe
redjtlidje unb mirtfdjaftlidje «or*
teile fieberte, trtie fie bisher nod)
fein anbrer ©rohbetrieb gemährte.
SJtitten jroifdjen ben ©ebäuben
be§ 3ei&roerf§ unb bid)t bei bent
oon Slbbe gefdjaffenen «olf§l)aufe
illtoraufo beim (viunrfjtcn beute au fo mint, ba§ finb nid)t fo fehr bie
äHöbel, als bah man ein gemiffeS ©tmaS in ben Siaum hineinbefommt. ’Xa^u
fann man bas alte Sterna nidjt mehr gebrauten. 2)ie neue Siichtung hat felbft
bei Staunten, bie nid)t mobern finb, neue Momente gefchaffen, bte beruefpehttgt
merben müffen, menn man einen Staum angenehm empfirtben Jp o l a e ' e it J]® u ^
angenehmer^'§örm" in bem §efV „«Überhängen, SDtobelftellen,
öaS bie girma SB. ®ittmar, «erlin, SKoUenmarft 6, auf Söunfd)
u bwu Cvfw.. fc:;tct, in SBort unb erläuternben «ilbern bargefteüt.
2)ie ftarbe fpielt heute eine mefentlidjere Stolle als früher, £>afür finb gute
t SilfrUU gegeben ;;; tem $auptgcfd;äft rer. Wittmar, Stollen»
unb in ber SluSfteüung oon ©ittrnar für jeitgemäheS SBohnen,
io. Sn beiben ift ber «efudh gern gefetjen, frei unb foll ntd)t
£ie «efud)er merben nid)t um Slennung beS StamenS erfudp.
fattn man baS^aite ©cljetna nieijt mehr gebrauchen. 2)ie neue Stiftung hat felbft
bei Stäumen, bie nid)t mobern finb, neue Slomente gefdiaffen, bte berucfpd)ttgt
* SriWeö,
gefc^morteS Obft
ift gefunb!
Stomente finb etmaS ganj «eftimmteS, ©rfennbareS unb ©rlernbareS, unb fu
finb in fnapper, -“-<n
©inridjten", t:.t
unb foftenfrei ben Sefern fenbet,
«eroeife unb «eifpiele gegeben in bem §auptgefd)äft non ®ittmar,
marft 6, u..t ’ “ r '‘*" 1 -"mm fittjiMI"* *“* + "
Süuentjienftr. 10.
nerpfli^ten. T'
CflCflO CHOCOLADE
IttUdjflanuneri
au§ reiner Sflüd) ift feljr nahrhaft.
Seibe jufammen bieten ein reidjlidjeS, üo&
fommeneö ©ommer=©ericf)t. Natürlich
mufc man guten Sflildjflammeri ftetä sjy
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Über £artb unb SÜteer
1911. 9tr. 48
ergebt fidj ber ernfte unb toürbige adjtecfige
2 empelbau. bem an ben ÜBänben greif djen
oiet 2 üren burcb 9telief§ non 2 Jteunier§ „ 2 >enf*
mal bet Arbeit" gegiertem Snnenraum fteljt bie
£>erme SlbbeS. $>rei ©eiten be§ PlocfS tragen
Reliefs, bie 2tbbe§ Pejiebungen gut 0pti£ unb
gur Strbeiterfrage oerfinnbilblicfjen; bie Porber*
feite ift ebne Zierat beiaffen.
Xtftl-töcbrnftfeier
D ie ungarifdbe Regierung oeranftaltet au§ 2 ln*
lab ber bunbertftert äöieberfebr non ftrarig
8 tfgt§ ©eburt§tage in ben Sagen oom 21 . bis
25. Oftober eine SanbeSfeier. Siefe befielt au§
folgerten geftlicbf eiten: 21 . Dftober, oormittag§
11 Ubr Sifgt: S^rönungSmeffe in ber äftatttjiaS*
firdje, abenbS 7 2 8 Ubr Sifgt: Segenbe ber ^ei=
ligen ©lifabetb in ber Siönigl. llngarifc^en Oper.
22. unb 23. Ottober, abenbe Y 28 Ubr Siongerte
im Stongertfaale ber S?önigl. Ungarifdjen Sanbe§=
Ptufifafabemie. $a§ Programm beftebt au§*
fcbliefelidb auS 8 ifgt§ ßlaoier* unb ©efangS*
tompofitionen. Sie Stlaoiernummern tragen bie
bebeutenbften @ä)üler Sifgt§ oor. 24. Oftober,
abenbS V 28 Ubr ßongertabenb mit SluSroabl
auS SifjtS ©pmpbonücben SBerfen in ber Stönigl.
Ungarifcben Oper, 25. Oftober, abenbS V 2 8 Ubr
Sifgt: ©bnftuS^Oratorium in ber Stönigl. Unga*
rifeben'Oper. 3 b*e SJlitroirfung bei ber Sanbeö*
©rabbenfmal für Sbeobor garoager auf bem 2 lrfabenfriebbof au ©algburg
feier haben nadbftebenbe Zünftler gugefagt: Start
Stggbaap, Pubapeft, ©ugen b’SUbert, Perlin,
Strtbur griebbeim, Plüncben, Sula Ph)fg=©mei*
ner, Perlin*©barlottenburg, ©ugen oon §ubap,
Pubapeft, 2Uabar 3f«bafg, Pubapeft, Stefan Ster*
ner» Pubapeft, ^reberic Samonb, Perlin*©bar*
lottenburg, ©opbie Ptenter, ©d)lob Witter, Sirol,
Ploritj 9tofentbal, 2Sien, ©mil ©auer, SreSben,
Pernbarb ©taoenbagen, ©enf, Slrpab ©aenbt),
Pubapeft, Pera oon Simanoff, 3t. Petersburg,
Stefan Sbontan, Pubapeft, unb ©iegfrieb SBag*
ner, PagreuU).
(Bin Ijrsrlidir# Qjjra&frettkmal,
toobl baS fdbönfte auf bem an beroorragenben
Ptonumenten nicht eben armen Slrfabenfriebbofe
au ©alaburg, bat bort fürglid) bie letzte Pubeftätte
eines bcbeutenben Ingenieurs erbalten. Ser Ptit*
befi^er ber raeltbefannten ©cbnetlfeuergefcbüt}fabri£
Sbeobor garoager in Paris, ein geborener ©dfreet*
aer, befafj nalje ©alaburg ein ©djlof? unb ftarb
bort. ^etjt trägt fein ©rab einen @d)mucf, ber
feineSgleicfjen fucbt, in bem oon .penri Stautfcb in
Paris, einem geborenen Ofterreicber, mobellierten
großartigen unb finnigen Pelief, baS nebenfteben*
beS Pilb roiebergibt. Sen ©ruppen Siebe unb Slrbeit
näbertfidb ber SobeSengel, ber, mie alle ntenfcblicben
PetätigungSformen,fo aud) bie Siebe unb bie Slrbeit
burcb feine Perübrung au*« ©tillftanbe bringt.
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würde so mancher gern ausgeben, wenn er seine Gesund¬
heit wieder erlangen könnte, die er durch mangelhafte
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welches seit 24 Jahren von Ärzten und Zahnärzten
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CI )’ 7 _ „ • CÜ ^ „ geben die mannigfachen Qeschäfis - Empfehlungen in
1/16 Lev Lei qJlTLV6^1XT1^6TI „über £and und Meer“. 3)er Qeschäftsmann wie
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renten dieser Zeitschrift wenden, denn die Zirmen zeichnen sich durch Xeistungsfähigkeit und reelle
Lieferungen aus. Man erwähne aber bei allen Zuschriften das Unserat in „Über Land und Meer“.
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Neue gefetzlidi gefdiützte
Modelle aus der Abteilung
für franzöfifebe Kleider
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Der Rock fertig
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Sehr leicht ganz fertig zu Hellen!
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Der Kampf bet meinen
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(gortfebung)
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ie arme Dtarton Ijatte jeljt bas ganße
ßeib einer m©brau©ten ßiebe 311 tragen.
Doppelt fdjrner in bem golbenen Käfig, um
ben fie beneibet rourbe, unb bem fie ni©t
entrinnen tonnte. 9 tur ©re Vlutter muf3te,
toieoiel fie für £ans oon £epben geopfert
batte. Der SDZenf© toar ein raffinierter ©goift
unb Sd)ulbenmad)er. ©r batte es babin 3U
bringen gemußt, bab bie oerliebte grau für
feine Verpflid)tungen eingetreten mar. Marion
batte 3um oier3igften ©eburtstag ein befonbers
toftbares Kollier oon VraumüIIer erbalten.
Sie trug es noch bei geftli©teiten unb Diners,
aber bie perlen maren feit £anfens ©influb
eine oollenbete gmitation — bie e©ten batten
lärtgft ba3u gebient, ben Kölner aus 2 Bu©erer=
bänben 311 befreien. Kommer3ienrat Vrau*
müller glaubte na© mie oor, bab feine ©attin
ed)te perlen trüge. 5 lud) für ben 2Bert ©rer
Dotierten blieb er oerblenbet. gmmer mieber
be3ablte er enorme Sd)neiberre©nungen mit
ftol3er Ütefignation, mie eine Hotmenbigteit,
bie ©m fc©nei©elte. gn 2Ba©©it aber trug
bie oerf<©menberif©e Marion alte, auf
gearbeitete Kleiber unb ftedte ben itberf©ub
in bie Daf©en bes bebürftigen Sängers. Vun
aber 3eigte es fid) — er lohnte ©r mit fd)roffem
Unbant. .Der Kataftropbe hielt er nie© ftanb.
2Bie ein Feigling gab er bie tompromittierte
grau preis unb fud)te bas V 3 eite. Der ©atte
triumphierte — auf feiner Seite ftanb natür*
li© bie fd)abenfro© 2Belt. Marion irrte rat*
los un©er. Sie oera©tete ©re Vä©ften jebt
mehr als ©re Domeftifen, fie etelte fi© oor ber
äRutter unb oor ihren ©ef©mifteru, unb als
Doni fi© ©r tröftenb nähern mollte, ftiefe fie
fie brutal 3uriid. ©in 5 lbfd)iebsbrief tarn no©
oon $ans — fie oerbrannte ihn unb bema©te
bann bie 5 lfd)e in einem filbernen Käftdjen
auf. gn ©reu glu© mifdjte fid) ber Segen
für bie 3utunft bes einigen Cannes, ben
fie geliebt batte. Sie tourte ni©t, mieoiele
©pifoben, ber ©ren gleid), no© auf bem 2Bege
biefes Komöbianten lagen, ©in 3ielbemubter
Komöbiant, bas mar er, unb VZarion mar
3u gut ober 311 törid)t für ©n. Sie teilte bas
Sd)idfal aller Corningertinber — fd)einbar
felbftfi©er, fd)einbar £ebensbe©rrfd)erin, rnuftte
fie in 2Ba©beit all3u menig oom mirtli©en
1911 ( 33 b. 106 )
ßeben unb litt, oon ihm angepadt, bie tieffte
S©am unb ^ein.
5 lls Klementine ihre Dod)ter nid)t als
Dröfterin geminnen tonnte, gelang es ihr um fo
beffer als s Ka©egeift. Sie oerbüubete fi© mit
Sötarion feierlid) gegen ben, ber na© ©rer
Uber3eugung an allem f©ulb mar. Dem
Kommer3ienrat mürbe ber Krieg bis aufs
ÜReffer ertlärt.
VraumüIIer fühlte fi© aber beffer bei biefer
VSenbung ber Dinge als 3uoor in feiner Uu=
fi©erbeit unb oerlorenen ßiebesmü©. 5 Ils
ehrlicher geinb ftanb er ben SRomingers feinen
Vtann unb mufete riidfi©tslos feine Vla©t=
mittel 3U gebrau©en. ©r batte bas ©elb —•
in mütenber Dbnma©t ftanben bie grauen
oor biefer Datfad)e. Do© Klementine mufete
nod) immer, mo ber berliner empfinblid) mar.
Sie begünftigte jebt ben alten Kil©berg bei
©rer Do©ter, ©n, ben fie ein ft als unmoralif©e
©efa© oerabfdjeut batte, ©in ©raf, ein e©=
maliger £jofmarf©all — mo blieb ba gran3
Otto, menn er au© tönigli©er Kommer3ienrat
mar? Dod) bie rad)eburftige S©miegermutter
oerre©nete fid) infofern, als VraumüIIer bei
bem neuen Hausfreunbe oor jebem öffentli©en
Stanbal fi©er mar. Dilles ging feinen Ieifen,
oerbüllten ©ang, unb bas Doppelleben im
£jaufe bes Kommer3ienrats mürbe ni©t einmal
ben Dienftboten tlar. ©raf Kil©berg mar ein
SCReifter ber äuberen ßebenstomöbie — er
mollte alles fi©er unb bequem haben. ge©
batte er es, oorläufig menigftens, unb fein
perfönlid)es Verhältnis 3U VraumüIIer mürbe
ni©t getrübt. Diefer aber geriet immer
mehr ins £alt!ofe. Da es ©m auf bie ©mp*
finbung feiner grau ni©t mehr antam, oer*
f©Ieuberte er Vermögen unb ©efunb©it, um
im ßebensgem© nie© 3U tur3 3U tommen.
Diefer unb tiefer ftieg er 3U ben Quellen ber
Vefriebigung ©nab, unb ber einft robufte 5 Ir=
beiter mar in menigen ga©en ein gebro©ener
VZann. Das ein3ige, morin er fi© no© mit
feiner grau oerftanb, mar bas eifrige, ängft*
lid)e llbertünd)en ©rer ßebensfübrung, bas
fie gemeinfam für nötig hielten.
Klementine entf©Iob fi©, mieber 3U <ß©KpP
nad) Dresben 3urüd3utebren. VSenn fie fi©
aud) mit Karlmann oerföbnt batte — bie
mibglüdte 3eitf©riftgrünbung batte 311 oiel
3 mietra©t gefät unb Hoffnungen 3erftört. Sie
batte au© bemertt, bab Karlmann ©ren ©in*
flub auf VZarion mibbilligte. VSieber mar
ein gefäbrli©er 3mtbftoff angefammelt, unb
Klementine mar eine ber3trante grau. Sie
batte ein 3U grobes 9 rt©ebebürfnis, um fi©
neuen 3ufammenftöben in S0Zün©en aus3u*
feben. 5 Bie es ©r immer am bequemften mar,
gab fie Doni bie Sd)ulb, bie na© ©rer Meinung
Karlmann gegen fie aufbebte, unb bef©räntte
fi© barauf, ber tleinen $aula beim 5 Ibfd)ieb
ein oermirrenbes ©iftmort 3U3uflüftern: ,,©elt,
^ 3 aulale, mir halten 3ufammen! VSenn fi©
au© Falles gegen bie alte ©robmama oer*
fd)mört!“ $aula mar f©on tlug genug, um
fi© ©r Deil 31t beuten. ©an3 trititlos mar
fie Klementine gegenüber ni©t mehr. Do©
nidte fie eifrig unb lieb fi© immer mieber
tüffen, benn bie ©robmama tat ©r fe© leib.
gn Dresben fanb Klementine eine Situation
oor, bie ber berlinif©en oermanbt ioar. 5111 *
mäl)li© bur©f©aute fie, mie hier bie Dinge
lagen, unb ma©te fid) bes f©merften Ver*
gebens in ©rem mirren VZutterbafein fd)ulbig:
Sie begünftigte au© Philipps Drieb. g©
^rins füllte ibeal, auf SRofert unb Daunen
gebettet fein — baoon ungefähr ging fie aus.
gräulein gäger, bie ^enfionsinbaberin, eine
nod) junge unb ©ibf©e, fe© finnli©e Säd)fin,
batte ^©ÜPP Vontinger in jeber Ve3iebung
fo oermöbnt, bab fie i©e eigene ^Serfott gart3
babei aufgegeben batte. $büipp befab bas
Dalent, 5 lnfprü©e 3U ma©en, mehr als jebes
anbre Dalent. ÜBas in ben Ve3irt feiner runben
blauen 5 lugen tarn, mürbe forgfältig gefiebt,
bis bas übrigblieb, mas ©m gefiel unb feinen
©aumen rei3te. Solange er mäblte, mar
Philipp ein talter Verftanbesmenf© — erft
menn er entf©loffen mar, gab er fid) felber bas
Signal, bab feine ßeibenfdjaft mit ©m bur©=
geben tonnte. 2Bie eine Iauembe, mobI=
genährte Spinne fab er beftänbig oor feinem
gntereffe. gräulein Annette gäger batte ein
gutes §er3, aber bie gntelügen3 mar ni©t
©re ftarte Seite. Von oom©rein mar fie
mad)t!os, als fie fi© in ^©üipp Vominger
oerliebte unb ©m oerblenbet eine Ausnahme*
ftellung in ber Jßenfion 3ugeftanb. 5lber fie
hielt fi© an einer Hoffnung aufre©t unb
ftübte über3eugt ©r 5 lnfeben bei ©äften unb
s ^erfonaI barauf: ^Pb^tpp 9 iominger mürbe
fie ©iraten. Vun mobnte aud) feine Ulutter
in Dresben — bie 5 lnmefen©it biefer bo© 5
refpettablen Dame tonnte unmögli© etmas
anbres bebeuten, als bab fte bie 2Ba© ©res
Sohnes billigte unb feine Verlobung halb
3uftanbe tommen lieb- Dab Klementines
5 ßoblmollen etmas anbres bebeutete — biefe
nieberf©mettembe ©rfa©ung mu©e Vnnette
gäger allmäbli© madjen. Klementine mar
nid)ts als äftutter. 5 lls fie mubte, bab ©r
^Philipp es am beften batte, mie bie Dinge
je^t lagen, als er ©r bie feierli©e 3©i©erung
gegeben batte, er heirate bie gäger nie —
ba gönnte fie ©m gütig, morin er glüdli©
mar, ba brüdte fie ein 5 luge 3U unb blieb
fogar als mütterli©e greunbin in ber Sftä©
bes armen, oöllig bmgegebenert VSeibes. g©
©emiffen bef©mi©tigte fie mit einer untrüg*
li©en ©ntbedung, bie fie gema©t batte: §err
gsraelstp, ein Rentier unb alter Stammgaft
ber 93 enfion, ber faft ebenfo begiinftigt mürbe
mie ^©üpp, batte ebenfalls ein Verhältnis
mit gräulein gäger. VSas «ß©KpP «5er Dame
164
1234
Über Banb urtb S01 eer
1911. Pr. 48
fürs §er3 toar, leifiete ber begüterte Hebräer
für ihre Vörfe Ob if)r Solm bie Sad)=
tage burc£)fcf)aute, war Klementine rticE)t flar.
^ebenfalls aber muhte er ahnen, um mas
für ein Mäbctjen es fid) I)anbeXte, unb bte
Pebenbuhlerfchaft bes |äfeltd)en Fünf3igers
tonnte ihm lädjerlid) fein. PudE) X)ielt fid) bie
Fägerfhe Penfion mol)l fid)er burd) Fsraelsü)s
Unterftühung auf ihrer fulinarifd)en §öi)e. Mit
erguidenber Deutlidjleit tytlt ^ 3 t)tltpp Po-
minger feinen Penaiffanceftanbpunft bem Beben
gegenüber feft. Klementine muffte ihn loben
unb freute fid) fd)on auf bie mirllid)e Mahl,
bie ber Überlegene treffen mürbe.
Dod) als bie fdjönften Frühlingstage über
bie Slbufer ber fäd)fifd)en £>auptftaöt halogen,
oerbüfterte fid) ?ßb)iXtpps Stimmung in felt=
famer Meife, unb aud) bie Freunbin 3eigte
ein tief ©erftörtes Mefen. Mit oermeinten
klugen ging fie umher, unb harte 23 itterteit
tarn jebesmal auf ihre 3üge, menn fie ber fo
oerehrten Frau profeffor anfichüg mürbe. Mas
mar gefchehen? Klementine brannte oor Peu-
gier, aber fie magte Philipp nicht 3n fragen.
Das Verhalten bes §errn Fsraelstp gab ihr
auch feinen Puffdjluh- Pn ihm mar nur 3U
bemerfen, bah feine Stimmung noch etmas
glüdlicher mar, unb bah er bei Tifdj breimal
Mehlfpeife nahm, mo er fonft am 3meiten Male
genug gehabt hatte. ^ 3 I)iIipp hatte bie Fäger
offenbar tief gefränft unb mar nun beftänbig
hinter ihr her, um fie 3u oerföhnen, benn er
tonnte fie nicht mehr entbehren. Dod) fooiel
er ihr auch Pufmertfamteiten ermies, ber
fernere Kummer oerlor fid) nicht aus bem
Pntüh ber blonben Dresbnerin. 33 ei Tifdj,
menn fie pmifdjen ihren Säften fah, herrfd)te
meiftens ein peinliches Sd)toeigen, benn Fräu-
lein Fäger ftarrte ins Beere, ©ernadjläffigte
oollftänbig ihre fonft berühmte Konoerfation,
unb es gefdjah 3umeilen, bah fie auffdjlu<h3te
unb mit rotem, gebunfenem Kopf bas 3 immer
oerlieh- §err Fsraelsü) fah ihr bann mit
fäuerlichem Bädheln nach unb überlegte, ob es
jeht anftänbig mar, noch einmal Sorte 3U oer¬
langen. Stile aber fahen mit ftummem (Sin-
oerftänbnis oormurfsooll auf Philipp Pa¬
minger, ber bläh oor fid) hin ftarrte unb mit
ben Fingern trommelte, Vefonbers bie be=
bienenben Mäbdjen marfen ihm Vlide ooü
fernerer Mihbilligung gu.
Pis Klementine einer fo peinlichen Mittags¬
tafel beigemohnt hatte, traf fie ihren Sohn
im Korribor unb fragte ihn befchmörenb:
„Philipp! Sag mir um bes Rimmels millen,
mas haft bu mit ber Fäger?"
Sr fah an iht oorbei unb 3udte bie Pchfeltt.
„Feh nichts, Mama. Sie hat mot)I mas mit mir."
„Fa, aber mas ift es benn?"
„Den! bir, bie oerrüdte perfon — fie hat
mid) neulich, als mir bie Vomle geturnten
haben, ba hat fie mid) auf bem Sofa ge¬
fragt: Mann oerloben mir uns benn, pt)i=
lippdjen? Meiches Datum hat benn beine
Mutter feftgefeht?"
„So eine unoerfchämte — fo eine orbi-
näre—!"
„Still, Mama! Fn bem Ton Iah id) oon
Pnnette nicht reben! Von ihrem Stanbpuntt
aus hat fie natürlich recht. Fd) muh nur auf
Mittel unb Mege finnen, bah i<h ihr bie Un=
möglid)teit ber ®efd)id)te tlarmahe."
„Fa, Philipp! Denn unmöglich ift es bod)!"
„Solltommen ausgefd)loffen, Mama. Vor-
läufig menigftens. Sie hat nichts unb id) habe
nichts. Du meiht ja, id) bindein Sdjmärmer.
Pber ber Frrtum, in bem fie bis jeht gelebt
hat, ift natürlich 'ne große Sorge für mich-“
„Mein armer, armer Fange! Soll ich
oielleicht?"
„Du, Mama?! Um Sottesmillen nid)t!
Du Iaht bie $anbe aus bem Spiel! Ffh
meih, mas ich 3U tun habe. Mas. mill fie
benn anfangen? Entbehren fann fie mid) nicht.
Pa alfo!"
Pber Pnnette Fäger tarn 3U ihrem £eil
bod) noch 3a einer Srtenntnis, bie über Philipps
tfnentbehrlidjteit hinausging. Sie’marXeine
gute Tennisfpielerin, fie tonnte im lenglifdjen
Viertel Dresbens ftunbenlang auf bem Sport-
plah bleiben unb unter bem blauen Maihimmel
bas harte, frifd)e Spiel treiben. £jier tämpfte
fie ihr aufgemüljltes Temperament nieber, hier
mar ber einige Ort, mo fie ein junges, felbftän-
biges Menfd)entinb mar. Philipp h a hte ben
Tennisplatz Sr mar burd) fein Mohlleben
fdperfällig gemorben unb mit einem Väud)=
lein gefegnet. Das ftille Dabeifihen, mährenb
Annette in ihrem glüdlidhen Spiel ftanb,
ärgerte ihn. Mit tiefer Siferfudjt beobachtete
er ihre Partner, benn er muhte nicht, bah ber
fpielenbe Mann tein Vebenbuljler mar, unb
bah in ihm allein, in bem behäbigen 3nfd)auer,
bie Buft am bemegten Frauentörper mad)
blieb. Trohbem — mas nach bem Spiel
gefhah, es follte ihm hoch oerhängnisooll
merben. Philipp tonnte nicht lange ^ugegen
fein — feine Sureauftunben riefen, unb es
mar nicht 3U oerhinbern, bah Pnnette Fäger
oon Mifter F*eeroan jebesmal nach Jaufe
begleitet mürbe. F^eman, ein fhöner unb
ernfter, puritanifd)er Snglänber, mar erotifch
fd)einbar unempfinblid). Scheinbar hatte er
nur bas Frttereffe bes Sportsmannes unb er¬
füllte eine gefellfchaftüdje Pflicht, menn er
feine Partnerin heimbradjte. Xß^tltpp tonnte
nicht annehmen, bah ber menig liebensmürbige
Menfch fid) für bie anmutige <Säd)fin über ben
Tennisplah hinaus intereffierte. Mar ihm
benn bie Sühe; bie Pnnette hatte, ihre un=
betümmerte Kraft gur Eingabe oerftänblid)?
Seiner engen, finfteren Dogmenmoral? Muhte
er überhaupt, meld)e 23 e 3 iehungen Fräulein
Fäger 3U ^erm Pominger hatte? Pein, nein,
Philipp tonnte gan3 ruhig fein — er lächelte
über ben morttargen Stod. Der tonnte Pnnette
nicht gefährlich) merben.
Pber er mürbe es boh- Sie flüchtete fid)
3u ihm, benn fie hatte plöhlidj, als fie eines
brohenben Pegens megen bas Spiel oot3eitig
abbredhen muhten, bemertt, bah in ben Pugen
bes Snglänbers Sonne blieb, ein munberliches,
aufforbentbes, tröftenbes Beuchten. Ohne
Morte tonnte fie fi<h mit ihm oerftänbigen.
Ohne (Sebärbe griff er mit feinen beiben
ftarten $änbert in bie 3erguälte Tiefe ihrer
Seele unb rih fie auf. Annette folgte ihm
bang unb 3itternb, mit fdjmeren, halb ge¬
lähmten Sliebern in ben fchmülen Faniabenb
hinaus. Dann fagte fie ihm plopch, fagte
ihm 3um erften Male, bah fie ein armes,
unglüdliches Menfdjentinb fei. Unb als fie
über bie menfchenleere Slbbrüde gingen, tat
fie ein paar fdjnelle Schritte ooraus unb mollte
fi<h über bas ©elänber führen. Doch Freeman
mar fdhon neben ihr unb hielt fie feft. Feht roar
nichts mehr hiippppifügen — : in biefem Pugen-
blid oerftanb er fie gan3, ohne 3U fragen. Pis
er bie halb 23 emuhtIofe meiterführte, ihrem
Stöhnen, ihrem S<hlud)3en, ihren mirren, taum
oerftänblichen Klagen laufd)te, gab er ihr füll
entfdjloffen, mas er einer Frau 3U geben hatte.
Sr hatte nur ein Mort unb bas oerfd)entte er.
Sin Kuh auf ihren glühenben Munb befiegelte
bas 33 ünbnis. F^ht erfannte Pnnette, bah fie
oor bem anbem, ber ihr alles gemefen, gerettet
merben muhte. Philipp Pominger oerfant.
. Pm nächften Pbenb mar Klementine fd)on
3ur Puhe gegangen, als es an ihrer 3 iatmertür
pochte. Sie richtete fidj entfett tm Sette auf.
Seit ihrer Mitmen3eit neigte fie 3U namen-
lofer Diebesfurcht. Die einfame Frau hatte
immer einen gelabenen Peooloer neben fid)
auf bem Paddtifd). F^h* öriff fie banad)
unb fragte mit- bebenber Stimme: „Mer ift
benn ba? ... Mer ift ba?..."
„Fd) bin es! Feh-' Ptad) auf, Mama!"
Das mar ^Ph^ipps Stimme. Hub in
meid)ent Ton rief er nach ihr! Sie eilte mit
nadten Fühert 3ur Tür, fdjtoh auf unb lieh
ihn ein. Fn $ut unb Mantel ftanb er oor ihr,
oerftört, oermüftet in jeber Binie, jebem 3 ag,
unb ftierte fie an.
„Pber Kinb! Pber Sin3iges! Mas ift bir?!"
„Du haft einen Peooloer in ber £anb,
Mama!"
f>Fa, Ph^ipp, id) fonnt's bod^ nit ahnen,
bah bu fo fpät noch —! F<h glaubte, bah ein
Verbrecher —!"
„F<h bin nichts Sefferes! Sd^ieh mid»
nieber!"
„Philipp!!"
„Schieh mich nieber!"
„Deine Mutter! Sift bu oon Sinnen! Bah
ben Peooloer los! Bah los! —— So! — Pun
fomm, tomm her, mein Steiges — mas ift
benn bloh gefchehen? Mas haft bu?"
Sr fünfte oor ihr nieber unb umtlammerte
fie. Sie fah auf bem Sett unb fühlte bie 3uden-
ben Prme ihres Sohnes an ben laum ©er¬
füllten Knien. Puher fidE) ftammelte er 3U
ihr empor: „F<h bin oerloren! F^) tann ni<|t
mehr leben, Mama!"
„Pit mehr leben?! Du? Marum?"
„Sie betrügt mich!"
„Die Fäger?"
„Sie betrügt mich ^nit F^ceman! Mit
bem Snglänber! F<h meih es!"
„Das ift ber, mit bem fie immer Tennis
fpielt?"
„Fd) habe einen Vrief aufgefangen — ber
fagt alles! F<h tonnte fie heute nicht mehr
erreichen — ich tonnte fie nicht mehr faffen
unb totfdjlagen, bie beiben —!"
„Philipp!"
„Sie finb fort!"
„Mohin?"
„Pad) Sdljanbau! Sie hat bie ^Penfion im
Süd) gelaffen! Piemanb meih mas oon ihr!
Unb ich bin lächerlich! Bäd)erlief)! Der Fsraelslp
hat eine Vemertung gemacht — ich habe ihm
Dhof^ig^Ti angeboten!"
„^Philipp — bem alten Mann?"
„Mir ift alles egal! Pber ich muh fie
mieberhaben! F<h tann ohne fie nicht leben!"
„Philipp — bu muht bir bod) fagen —
mein Kinb, beruhige bid) bod)-bu meiht
bodf) —"
„Mas meih id)?"
„Mas fie für eine ^Perfon ift!"
„Feh o^eih nur, bah i<h fie nicht entbehren
dann! Pie, nie, Mama!" Sr fdjmiegte fidE)
an fie unb meinte.
„Mirflid), P)ilipp?"
„Fa, Mama!"
„Dh, i<h meih, ooas fd)ön an ihr ift — bas
ift mas (gemeines, bu, mas gan3 (gemöhnliches!“
^Philipp fprang auf.
„Mo millft bu hin?"
„F<h ntuh — i^ mill — bu oerftehft midi
ja ni%t — bu oerftehft mich gar nicht — bu
bift mir gan3 fremb, Mama — id) muh Pnnette
mieberhaben!"
Pöhlid) fdjien ihm eine böfe Srleuchtung
3U fommen. Sr lief mit groben Schritten 3m
Tür. Ver3errt mar fein fonft fo glattes, be¬
häbiges Pntlih, bunfel unb ohne Farbe. „Fe^t
meih i<h ; s!" 3if<f)te er mit hoch erhobener Fauft.
„Sott fei Danf! Fetjt meih ich, mas ich ?n tun
habe!"
„Philipp, ich befd)mör' bi<h — jag mir's
mach leine Dummheit!"
„Dummheit?! Pein, Mama! Vis jeht mar
id) ber Dumme! Sr foll menigftens miffen,
men er erobert hat!"
„Pfui, Philipp!"
„Feh glaube, iä) merbe mahnfinnig, Mama!"
Sr füeh fie 3urüd unb lief baoon. —
Pm nächften Tage begab fid) Klementine
in aller Frühe 3m Penfion, mo fie ratlofe
Verfügung oorfanb. ‘ Fräulein Fäger mar
nicht 3urüdgelehrt. Doch als Klementine eben
in Philipps 3 intmer fah unb aus bem Per-
ftodten, ber nur milbe, fd)eue Vüde um fidE)
marf, herausbetommen mollte, mas für eine
PadE)e er geübt habe, pochte es heftig, unb
ohne ein § er ein ab3umarten, ftanb bie hagere
(geftalt Mifter Freemans oor ben Srfchrodenen.
Philipp fünfte fidE) nid)t auf ben Peben-
buhler. Sr retirierte oielmehr hinter feinen
Sd)autelftuhl unb martete bort 3ttternb, mas
1911. 5Rr. 48
Über £artb xinb S0leer
1235
ber ©nglänber jagen mürbe. ^reeman t)ielt
einen ©rief in ber §anb. ©tit tonlofer
Stimme unb furd)tbare ©lide auf ben jungen
©ominger merfenb, begann er:
„Sie tjciben mir einen ©rief gefchrieben,
SCRifter ©ominger? Diejen hier?"
„©emih," flüfterte Philipp unb fah jid)
nad) einer ©erteibigungsmaffe um.
„©leiben Sie auf 2 >h*er Mitteilung flehen?"
„©olltommen!"
^reemans klugen irrten auf Klementine
hinüber, bie fpradjlos oor ©ntfetjen neben
ihrem Sohn jtanb. ©r fah fie mit einem
langen, unheimlichen Sltd an. Dann manbte
er jich 3U ihrer tiefften Hberrafd)ung ber Dür
3U. „3hte Butter ift hier," flüjterte er, inbem
Dotenfarbe auf jein fd)males ©ntlih tarn.
,,3d) oerfd)iebe, mas id) oorhabe. ©s joll
Sie erreichen, menn 3 h*e Butter nicht babei
ijt. ©s toirb Sie erreid>en."
?Rarf) biejen ©Sorten oerjchroanb ber ©ng=
länber. Philipp jtanb mit hängenben ©lie*
bern unb blöben, entfehten ©ugen oor Kle*
mentine.
„©Sas hajt bu benn getan? ©Sas hojt bu
ihm gejchrieben?"
,,©ur bie ©Sattheit, ©tama. (Er meih je^t,
mie jie gelebt hat."
„Das ijt ein ©erbred)en, Philipp ! £os orme
©täbdjen! §ajtbu jienit in alles hineingeheht?"
„©ein! Sie hat
mich in alles hinein*
gehest!"
„Mein ©ott, mein
©ott — bu barfjt
ja nit hierbleiben!
Keine Stunbe län*
ger! Ejajt bu ihn
nit o er jtanb en? (Er
toill bid) — um*
bringen! Philipp!"
„©tama!"
Sie umtlam*
merte ihn. „©lein
•»Philipp! ©r barf
bir nichts tun! (Sr
barf bir nit auf*
lauern! 3<h o^erbe
bie Poli3ei —!"
„©ein, ©tama!"
„©ber mas joll
benn gefächen ?
Komm, tomm! 2 >d)
reije mit bir! Mir
machen, bah mir
forttommen! ©an3
heimlid)! ©iemanb
joll es merten! ©ie*
manb joll mijjen,
mohin!"
„Das ijt gegen
meinen Stol3,
©tama!"
,,©d), Stol3!
©Senn ber rajenbe
©tenjd) im hinter*
halt liegt? 3$ mill
mein Kinb bei)al=
ten! PhiüPP, Phi=
lipp — marum hajt
bu bas getan!“
2>eht tarn auch
Schmähe unb ©eue
über ihn, unb mit
ber ©eue befiel ihn
bie Dobesangft. 3 u
jebem©Sintel glaubte
er3reeman3ufehen,
ben ©eooloer auf
ihn gerichtet. (Sr
brach mie ein trän*
fes, millenlofes Kinb
3ujammen. ©nblid)
tonnte Klementine
mit ihm mähen,
mas jie mollte. Sie
padte bas ©ötigjte ©einh 1
3ujammen, holte ihre Sahen aus bem £jotel
unb fuhr mit Philipp 3unt ©ahnhof. ©s maren
fürchterliche Stunben. ©ud) Klementine jah
ben Iauemben $einb an jebem Ort. Sie
jhlug ihrem Sohn ben ©tanteltragen hoch, jie
bedte ihn auf Schritt unb Dritt mit ihrem
Körper. ©an3 erfd)öpft unb aneinanber ge*
jhmiegt fuhren jie im Sd)nell3ug baoon, ohne
eine Spur 3U t)int erlaffen. — 2 h Sübtirol, in
einem einjamen jjjrelfental, enbete ihre f^luht-
£>ier tonnte niemanb erjheinen, ben Kiemen*
tines ©lutteraugen niht tommen jähen. Das
einige ©ajthaus beherbergte oöllig ungefähr*
liehe ©äjte. Unb um gan3 jid)er 3U fein, gemann
Klementine jid) eine richtige Sd)uhmad)e an
ben Diroler ©auern, ©tännem, bie ben jtärtjten
©nglänber nid)t in Philipp* ©ähe tommen
liefen, ©tutter unb Sohn blieben ben gan3en
Sommer in tröjtenber ©injamteit bei*
jammen. Doch Klementine erlebte nod) bie
jhmerjte 3eit. ©Sohl jhiert fjjrreemans ©ad)e*
burjt erlojhen 3U jein, benn es tarn eine
©ad)rid)t, ^ie ihr ©eruhigung brachte: ber
©nglänber hotte ©nnette 3ä9er geheiratet.
Dod) 3ugleid) ftieh jie Klementine in bie
jd)limmjte Sorge 3uriid. ©Is Philipp bas ©r=
gebnis all jeiner Kämpfe erfuhr unb jich be=
jiegt jah, ben ©nglänber oorurteilslos troh
allem — ba tarn ber gan3e 3ontmer jeiner
©erlajjenheit über it)n, unb er wälzte fid) in
furchtbaren Qualen. Dag unb ©ad)t jdjrie er
nach beroerlorenen ©eliebten. Schlaflos, macht*
los jtanb bie ©tutter oor biejer Selbjt3erjtörung.
„©ber Philipp!" rief jie, ihn umtlammernb.
„Dent bod) an bas, toas es fonft noch auf
(Erben gibt! ©icht nur bas ©Seib, id) fd)mör'
bir's, unb jold) ein ©Seib! ©ei ©ott nicht!
Du bijt bod) ein ©tarnt! Dent an bas Seben,
an bie Kunjt, an bie ©Sijjenjd)aft!"
„©tama, ©tama!... 3<f) tonn nur an jie
benten. 3 < 3 ) weih ja nichts anbres. 3$ hob'
ja nie ettoas anbres gemuht."
,,©ie? ©ie?!"
„©ein, ©tama! Solang id) lebe — jolang
ich ein ©tarnt bin — jdjon in $riebrid)sburg —
bas mar eure ©^ietjung, ©tama! 3h* hobt
mid) jo aufmad)jen lajjen! ©eiernt hob' id)
nichts — nur immer alles betommen — unb
jeben Dag — jeben Dag hob' i<h's erjehnt,
hob' id)'s gebraud)t — unb tonnte nicht leben
ohne bas — bas ©Seib, ohne ... Dt), &as ijt
furchtbar! ©ure Sd)ulb, ©tama..."
(Er bäumte jid) noch einmal in Qualen auf,
bann lag er jtumpf unb füll. Sie aber jah
an feinem Säger, bie ©tutter, unb jann jeiner
fd)redlid)en ©ntlage nad). Sie nidte. ©r*
jehauernb 30g jie ihr Dud) um bie Schultern.
Der$erbftabenb mar talt. So lüjtem unb feinb*
lieh Budten bie Sterne brauhen am bleichen
$immel. Klementine neigte jid) über Philipp
unb betrachtete ihn.
^_ ©r hotte nie fold)e
©hnlidddt mit ©ta*
rion gehobt. Der*
jelbe ©tunb, biejel*
ben bürjtenben, leib*
oollen, unglüdlidjen
Sippen, ©n ©Ijas
©tunb erinnerte jie
jich nicht, unb Karl*
mann hotte ihn
anbers. Karintann,
bejjen Sinne bod)
nicht minber mach
unb begehrlich ma=
ren. ©r, ber Doni
hatte, ein ©Seib mie
Doni?-©ber
biejer muhte es ge*
geben jein, mas bas
©rlöjenbe mar: ber
©eift in ber Siebe.
Klementine bad)te
plöhlid) an 2>ufünus,
ben ©räutigam, ber
oft oor ihrer Seiben*
fd)aft geflohen mar.
©Simmernb ftüt)te jie
ben grauen Kopf in
bie ferner geaberten
$änbe.
(gortfetsung folgt)
)Olb ©egas t- Pajtellfl^e nah bem Seben oon (Emanuel ©roffer
W|>ur um toenige
J v Dage hot ©ein*
holb ©egas bie ©oll*
ettbung feines acht*
3igjten Sebensjahres
am 15 . 2 >uli unb bie
©m an biejem Dage
getoorbenen©hrungen
überlebt. ©m 3 .©uguft
ijt er bahingegangen.
Da mir in biejer ©um*
mer einen ©fjat) oon
grih Stahl oeröffent*
liehen, ber jein ©Sirlett
bemertet, befhränten
mir uns hier auf bie
©0Ü3: ©egas mar
1831 als Sohn bes
©talers Karl ©egas
in ©erlin geboren unb
hat ba aud) bie meit*
aus meijte 3eit feines
Sehens 3ugebrad)t.
1236
Über ßanb unb $01 eer
1911. 9tr. 48
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Süborientalifd)e Dächerform (Darfus)
3srrtib. Sauart bes türfifchen Sprad)bereid)s
3U einem weiten, weiten, hoben*
los tiefen Abgrunb. 3 Bie toin^ig
nehmen 3 lleranbers bes Alale»
bonen Eroberungen fid) aus neben
betten ber Araber, jenes Omar,
ber oon Ateffa mit geringer
Druopenmadjt bie gäben Ienfte!
Die Araber haben bas Sereid)
bes Orientgebantens ammeiteften
2Bas ift ber
Orient?
(9Jlit Originalpbotograpbien
unb einent Kärtchen bes
Aerfaffers)
■***Ct4 < &CtSt3JZJ •
O- ein 3 Bort flingt wohl
VV 3auberifd)erunbbe»
raufchenber im Obre bes
granfen als „Orient".
Unb bod) möchte man
toenige geographifche
3 lusbriide finben, bie
nod) bis oor tut^em fo
mtfid) er, f o unb eftimmb ar
erfdjienen. Die meiften
oerftanben, ber Über¬
fettung aus bem £a»
teinif<5 en entfpredjenb,
„bett" Often barunter,
gewöhnlich Sprien unb
oielIeid)t Agppten, nebft
bem, roas barum berum liegt, manche
glaubten fd)on in Neapel orientalifches £eben
3U ftubieren, unb roas ben Sd)muf) unb
überhaupt bie allgemeine Dieffultur angebt,
batten fie nid)t einmal fo unrecht. Kurt,
bie Anfidjten fd)wanften ungemein, niemanb
meinte mit biefem anfcbeinenb nur poetifcb
bered)tigten ABortgebilbe roas anfangen 3U
tonnen, unb bie wiffenfd)aftlid)e Äänber»
tunbe berüdfid)tigte es besbalb überhaupt
nid)t. Sei tieferem Aad)benfen läfet ficb
aber bod) ein Aefultat herausholen.
Das 3 Bort Orient als geographifcher 33 e*
griff mar bem tlaffifdjen Altertum nod)
fremb, ba Sübeuropa unb Sorberafien ein
einl)eitlid)es Kulturgebiet [bilbeten.
Erft feit bem ©egenfah ber Körner unb
ber Sartber im Doppelftromlanb öffnete fid)
3mifd)en bem Of3ibent als ber Kultur weit
unb bem Orient als ber Sarbarei eine Kluft,
an beren Serbreiterung bie nacbfolgenben
Oftrömer unb Aeuperfer nid)t oergeblid)
meiterarbeiteten. Unb bann plöhlid) jagten
bie toilben Steppenreiter Arabiens unter
bem grünen Sanner bes Propheten baber,
überrannten bie Aeuperfer unb machten
fie fid) 3U eigen, trieben bie d)riftlidjen 23 p»
3antiner 3U Saaten unb ermeiterten fomit
bie Kluft 3mifd)en Abenb» unb Aiorgenlanb
/*' 60 *&'-£(■
Süborientalifches Strafjenbilb (Damastus)
ausgebreitet, menn aud) feine Sertiefung unb
Serfed)tung anbre, 3äl)ere, roeniger geniale Sölter
übernahmen, in erfter £inie bie fiibuberber Aorb»
afritas unb bie 3ßerfer.
Es ift eine ber ©runbtatfachen ber ©eograpbie,
bah bas 3 ufammentreffengemiffer phpfifalifd)er 23 e»
bingungen, gemiffer geographifcher Erfd)einungen
gerabe3u Dppen er3eugt. Um ein Seifpiel an3U=
führen, erregt bie Sertnüpfung bud)ten3erfchlitjter,
infelge3ierter Küften an
ber ©ren3e Sübeuropas
unb bes afiatifdjen
Orients unb 3mifd)en
bem Schmalen unb bem
Atittelmeer einen regen
Sertehr unb bie 23 or*
ftufe tultureller Entwick¬
lung. ©erabe bas ©egen»
teil begegnet uns in
Aorbafrifa unb 23 orber=
afien. Ausgenommen bie
SBefttüfte Anatoliens
fpielt hier bas Ateer nur
eine geringe Aolle, ein¬
mal, meil bie £anb»
ftreden in meift un¬
geheurer Sreite ent»
midelt finb. Dann, ba
bie Küften wenig fjafen»
freunblid) unb infelarm
finb. Diefer oerfeljrs»
armen Seranlagung ge»
feilt fid) bie burd) bie
Ateerferne bebingte Dro»
denheit, ber fid) eine un=
gemein hohe grühlings»,
Sommer» unb $erbfthihe gefeilt. Die golge
ift bas Sormiegert bürrer Sflan3enforma»
tionen: bie Steppe ift bie Eharatterlanb»
fchaft bes Orients! Unb 3toar nid)t allein
in ber Sahara unb Arabien, fonbern ebenfo»
gut in ben bergigen Aegionen bes Atlas,
Kleinafiens, Armeniens unb grans. SBalb
ift aud) hier gan3 befchränft unb gewöhnlich
in ber Sufd)form ber Atacchie oertreten,
bie nid)t oiel mehr ift als eine mannshohe
Steppe. 33 ielenorts mirb felbft ber bürre
Krautmuchs ber Steppe oerbrängt burd) ihre
ins Dobähnliche gefteigerte Abart, bie fahle,
fo gut mie pflansenlofe 3 Büfte. SBeibe, Steppe
unb ABüfte, mögen über brei Vierteile bes
Orients einnehmen.
Eine Eigenheit ber Steppe ift bas
gehlen bauernb fliejjenber ASafferabern. Sie
hat entmeber gar feinen ober bodj nur 3eit=
lief) befchränften Abfluß 3um Ateer. Solche
©ebiete fönnen [ich gewöhnlich blojj unter
hohen Koften mit ber Außenwelt in 33 er»
binbung fe^en, bas heifet, menn ihre Eigen*
probuftion unb ihr 33 ebarf gering finb, über¬
haupt nicht. Da nun biefe Deile ungefähr
neun3ig 3ko3ent bes Orients umfaffen, fo
mirb erflärlid), bah fie ein ungemeines
<r>inbernis bilben 3um fulturellen Auf»
fd)wung.
**;*'*'«;* 1
23 ebuinen aus äRütelmefopotamien
Osmanlifrau aus ber 9 tbana=(£bene
: Sold)e ßänber roie
| bie eben ffi33ierteu finb
: orientbolbe Zäunte. 3n
| ihnen finbet ber Orient*
: gebaute, unterftütjt oom
1 3flant, feinen beften
: 9 täbrboben. §iet oer*
| mag ber 5 lderbau unb
. bamit bie Sefebaftigteit,
J[ beibe bie Sorbebin*
: gungen ber Kultur, nid)t
| 3u ausfd)liepd)er £jerr=
: fd)aft3u tommen roie 3um
| 23 eifpiet;beiuns, fonbern
• bas unftete 9 tomabentum
| tritt ihnen ebenbürtig,
: roenn nid)t überragenb,
[ immer aber ftari ein*
: flufjreid) an bie Seite.
Deshalb f)at bie 9 teli=
: gion 9 Jtol)ammebs audj
| nie lange rou^eln tonnen
: in Legionen, bie roefent»
| lief) anbers geartet, ftep*
: penarmer finb. Dabin
| gehören in erfter JÖinie
: Europas 23 e 3 irte, inner*
I halb bereu ber Seftanb
: bes 3flam trob aller
| jungtürtifeben ftrebfe*
: reien nur nod) eine
[ grage ber 3eit ift. Da*
* bin audb bie turanifdje
| Sieberung, in ber bas
; Suffenelement mit bem
eimjeimxiajen uuruuyuuj ~
aufräumen toirb, babin |
gleichfalls Sorberinbien, i
too bie 9 Jiobammebaner, |
abfolut 3toar ungemein ;
3al)lreid), bocb in einer |
fed)sfad)en |jinbuüber* i
macbtoerfdiroinben. Son |
einem Snfcbluf} ber i
3erftreuten Stoflemin |
Kbinas unb ber Sunba* ;
infein tann roegen ber |
Entfernung nidt)t mehr ;
bie Sebe fein.
3 m Suban aber über* i
roiegt bie auf ©oben* |
beftellung geftütjte Sefe* i
baftigteit fd)on 3U fet>r, |
unb ber natürliche •
©egenfatj gegen bie |
oben $Iuren ber Sahara •
tritt 3u augenfcbeinlid) |
beroor, als bafj man bie •
Segerlänber noch als |
orientalifd) empfänbe. ;
So bedt fid) alfo |
ber geograpbifcbe 23 e= •
griff Orient burd)aus j
nid)t mit bem religiofen •
bes 3^™» toenn aud) |
immerbin biefer ber •
augenfälligfte kulturelle |
Susbrud bes orien* ■
talifdjen ©runbgeban* I
fens ift. Vielmehr be= •
3 smib, eine norborientalifdje Stabt
Die Steppe, bie cbaratteriftifd)e £anbfd)aft bes Orients
Die allgemeine Dradjt Sübtoeftafiens
1238
Über £anb unb $Reer
1911. 9lx. 48
Hleppo in Horbfprien
fd)räntt er fidj (man oergleiche bie Karte) auf
Horbafrita nörblid) ber faharifd)en Sübgren3e
unb auf Vorberafien füblid) bes armenifchen
Horb* unb bes iranifchen Horb* unb Oft»
ranbes.
Dtefer fiänbertompler, einbreioiertelmal fo
groh als (Europa, ift ber größte Ürodenraum
unfers Planeten unb eines ber am bümtften
befiebelten ©ebiete, benn auf einem Quabrat*
ülometer fitjen burd)fd)nittlid) nur 3,47 9 Henfd)en
(in (Europa 43 , in Deutfd)Ianb aber 1121 ).
Had) ben ©rfd)einungen bes Vobens 3erfäIIt
ber Orient in oier grofee Legionen. Von ben Htlas*
länbern, beren meift gebirgiger Untergrunb burd)
Haltung ber ©rbrinbe emporgehoben tourbe, fo
bah fie ben oom HtlantifchenHteer toehenben See*
roinben alle fteudhtigteit entstehen tönnen, hrt>t
fid) fdjarf ab ber niemals gefaltete, alfo in t)ori=
Saharifd)e ^ßalmenoafe (Tripolis)
Horborientalifd)er Vauftil
3ontaIer ©efteinsfd)id)tung befinblidje Schollen*
tomplex ber Samara, beren oon ©ebirgen unb
Srodenäffen 3erfurd)ten glädjen ber oorlagernbe
Htlas unb eine talte Hteeresftrömung an ber 2 Beft*
lüfte alle $eud)tigteit oertoehren, fo bah fie troden
unb sum Seil roüftenhaft baliegen.
Veiben Hegionen, bie man als afritanifchen
Orient gufammenfaffen !ann, ftef)t ber afia*
tifd)e gegenüber, in bem fid) basfelbe ©egen*
fpiel 3eigt. Oie l)ori3ontal gelagerten Sdjol*
len Sübroeftafiens unb bie gefalteten 3 üge
Horboorberafiens. 5 RäI>eres ©ingehen oerbietet
ber Haurn, unb id) oertoeife auf meine 1910
erfd)ienenen brei Vänbe: „Oie Htlaslänber",
„Oer arabifdje Orient", roorin ich bie Samara
unb Sübtoeftafien 3ufammenfahte, unb „Oer
arifdje Orient".
©roalb Vanfe, Vraunfd)toeig
35oter reift. Hon ©manuela Varontn 90lattl*£ötDenfreu3
ie Sommerfrifd)Ier oon ^rrtebed gemährten
außerhalb bes Oorfes eine 3ierlid)e Villa in*
mitten ausgebeljnter ©emüfeanlagen. Kohl unb
Kartoffeln, Hüben unb ©urten rourben auf bem
Selb ge3ogen, unb fpäljten bie $remben über ben
fiigufter3aun, ber bie £iegenfd)aft abgrenste, tonnten
fie eine Stau emfig graben unb jäten fefjen. Oie
Srau Ijatte ein rofiges ©efidht unb barte 3 üge; fie
trug oiolett geftreiftes Orud3eug, bas in oielen
Salten oom |>als 3U ben Knöcheln bing unb burcb
einen ©ürtel um bie Hlitte gebalten rourbe. ©in
großer Sd)uhhut barg Stirn unb Singen. 2 Bie eine
Säuerin fab fie nicht aus, unb auch nicht roie eine
Htagb. itnb bie neugierigen Sommerfrifchler er*
fuhren, bah bie grau eine ©räfin fei, bie ficb unb
ihre Kinber mit einer befcbeibenen Heute unb bem
©rtrag ihres ©emüfebanbels erhielt. Seben Sams*
tag fuhr bie ©räfin auf einem tleinen 2 BägeIct)en
ooll Körben nach ber Station. Sie beftieg ein
©oupe erfter Klaffe, bas ©emüfe rourbe ihr als
irjanbgepäd oom jungen Kutfcher bwaufgereicbt.
(Es benutze hier niemanb fonft biefen Hbteil, ber
hätte Vefdhtoerbe führen tönnen; ber Stationsdjef
legte oft felbft mit $anb an, um ber ©räfin 3u
helfen, unb falutierte ftramm, toenn fid) ber 3 ug
in Vetoegung fefcte. 3 n ber benachbarten Stabt
oertaufte fie bas ©emüfe an einen ^jänbler, ber
bie Körbe in ©mpfang nahm, prüfte unb aus*
be3ahlte, bann fuhr fie toieber heim. Hm Sonn*
tag fahen bie Sommerfrifchler bie ©räfin in ber
Kirdje. Oa tniete fie unter ihren oielen Kinbern,
bie im HIter je um ein 3 ahr getrennt fein mochten,
in ber erften Vant ber ©piftelfeite. ©in rotes Oud)
mit gelben Seibenborten hmQ henrfdhaftlid) über
bem Vult; toenn ber Htesner 3um Santtus bas
Ourmglöddhen läutete, bas mittels langen Seiles an
jenem Vult getnotet toar, mad)te er einen ehr*
fürdhtigen Krahfuh unb nahm bie Hidelmün3e in
©mpfang, bie für ihn bereitgehalten tourbe. Oie
©räfin trug toieber nur ein tunftlofes Kattuntleib,
bod) toar es am Sonntag ftets toeih, unb im
©ürtel ftedten ein paar bäuerliche Vlurnen. Oie
Kinber toaren frifd) unb berb unb tonnten eben*
fotoenig 3ur Huhe unb Sammlung angehalten
toerben als beim Hltar bie Oorfjugenb, bie fid)
oertraulich tid)emb nach ihnen umtoanbte. Oenn
in ber Schule fahen fie nebeneinanber, unb täglich
führten fie Iärmenbes Spiel in ber Oorfftrafte auf,
nur am Sonntag gab es eine Trennung. Oie ©räfin
lieh bie Vertrautheit 3toifdhen ihren Kinbern unb
ber Oorfjugenb ruhig angehen, nur mit ben
Sommerfrifd)lern burfte teines ber 3 h r ^n oertehren.
Spradh jemanb eines ber Kinber an, flohen fie
fd)eu unb ftanben nicht Hnttoort. Sßinter unb
Sommer belohnte bie ©räfin mit ben Kinbern,
einer Htagb unb bem jungen Kutfdjer bas Heine
©ütdhen. Hie tarn Vefud), unb feiten trafen Vriefe
ein. Oer Vertehr mit ber Huhentoelt fchien faft
oolltommen abgefd)nitten. Hber es toar taum je
anbers auf bem ©ütdjen getoefen, unb bie £jaus=
frau toar ftets munter unb guter Oinge, nur bah
fie eben feiten ruhte, benn immer gab es 3u fdhaffen.
Oie Villa toar ein fctjlichter Vau mit §ol3oer*
fchalungen unb glich einem Vlodhaus. Sie toar
mit mancherlei Komfort eingerichtet; im Kinber*
3immer baufd)te fid) über jeber fiagerftätte ein Vett»
himmel aus frifd)em, Harem 9 Huf felin; ber Salon,
ber abgefperrt unb oerhängt toar, hatte äierlidje
rofa Seibenmöbelchen; im Speife3immer rourben
bie einfadjen, träftigen Speifen auf 3 mngefci)irr
ober bäuerlichem Steingut aufgetragen, aber oor
jebem ©ebed ber Kinber ftanb ein filberner Oauf*
bedher mit ben groben, prächtigen SBappen ber
Voten. ollen 3 i mT oern gab es antite Koft*
barteiten, bie V 3 änbe hingen ooller Vilber. ©in
Vilb roieberholte fidh in jeber Stube — jenes bes
Hausherrn, ber nie hier roohnte, unb beffen ©egen*
roart bodh bas gan3e £austoefen Ientte. Oie 5 rou
toar es, bie oon früh b\s fpät arbeitete roie eine
Vauernmagb, um bie Kinber 3U erhalten, unb hoch
hieb es bei jebem Kleib unb jebem Schul): „Oas
fdhidt eud) ber Vater!" Oer Vater, ber nie gefehen
toarb, an ben fidh i>ie älteften Kinber nur buntel
erinnerten, toar in biefem §aus allgegenroärtig
roie ber liebe ©ott. ©r übte aud) bas oolle Hid)ter=
amt aus, belohnte unb ftrafte. 2 Benn eine Huf*
gäbe roader gelernt rourbe, bad)te bie Vtutter gar
nicht baran, bie eigene 3 ufriebenheit ausßubrüden,
fie fagte: „Vater toirb fid) freuen!" Oie armen,
befdjeibenen ©eburtstagstifche ber Kinber, bie Öfter*
eier, bie 3 udertauben 3u Vfingften, ber Krampus,
ber aus einem Vetfianermuff h^^Ö^ftellt roorben
toar, enblid) ber 3 Beil)nadhtsbaum mit ben Hüffen
unb Hpfeln oom Obftgarten — alles toar ein3ig
unb allein ©abe unb ©üte bes fernen Vaters.
Hie bantten bie Kinber ber Htutter, bie in einem
feltfanten Orang ber Selbftentäuherung bie eigene
3 ärtlid)!eit h^ter bes Vaters Vilb oerfd)an3te,
bas ftrahlenb unb glän3enb roie nidhts am Kinber*
himmel ber 3 hren ftanb. Oie Kinber befchäftigten
fid) aud) mit nichts fo gern als mit ihrem Vater,
ber für fie ber legenbare 3 n&egriff alles ©uten unb
©rfreulidjen ihres fiebens toar. Oie Hiutter muhte
Sonntags ftunbenlang oom Vater er3ählen, oon
feiner Kinber3eit, toas er gelernt, roeldje Spiele
er getrieben. Hun malte bie Htutter biefe fernen
Vilber aufs Iieblichfte aus, bah bie Kinber oor
Staunen fid) oft nicht faffen tonnten, mit groben,
Ieud)tenben Hugen Iaufd)ten unb auf ihren Vater
überaus ftol3 toaren. Höheres über Stanb unb
Vefchäftigung bes Vaters erfuhren bie Kinber nie.
fragten fie einmal, antroortete bieäftutter: „Vater
reift." Sie gaben fidh bamit 3ufrieben, forfd)ten
nicht toeiter, um fo mehr bie SHutter ihnen gefagt
hatte, einmal toürbe er tommen. „VSann?“ fragten
fie fehnfüd)tig — aber barauf rourbe ihnen teine
Hntroort.
Stets tourbe bes Vaters Stube inftanb gehalten,
bah er jeben Hugenblid hätte eintreten tönnen;
bie fd)önften Vlurnen befanben fid) auf bem Oifdh
in ber 3 i r o i ^ennitte, unb 3toifd)en ben Vlurnen,
bie altarartig aufgebaut toaren, lauter Vilber oom
Vater, ©s toaren bie fd)önen Vorträte eines fd)malen,
melandholifchen ©efid)tes mit Hugen, toie fie bas
jüngfte Kinbdjen hatte. Oarum liebte bie Htutter
biefes mehr als bie anbern, obtoohl fie es teines*
toegs 3eigen toollte, nur manchmal fal) utan fie bas
Kinb mit einer 3 ärtlidhteit an fid) fdjliehen, bie
beinahe Hngft ausbrüdte. Oabei oerfielen bie 3 üge
ber SHutter, bah fie fummerooller ausfah als bie
ärmfte, brefthaftefte Oorfbettlerin. Ood) gleich
3eigte fie ben 3 h*en toieber ihr ruhiges, lädjelnbes
Hntlih unb umgab fie mit einem fd)ühenben SBall
oon S^ohfinn unb ^eiterteit, bamit teine Sorge 3U
ihnen bränge.
Hn einem S'mhlingsabenb fahen bie Kinber im
2Bohn3immer um ben nmben Oifd); bie SHutter
fah bie fran3öfifchen Hufgaben ber ©roheren burd),
1240
ttBer £artb unb 9fteer
1911. ttr.48
bettn fie trieb mit iljrtert Klaotet unb frembe
Sprachen, menn fie oon ber gelbarbeit heimfam.
Oft mar fie tobmübe, ihr zarter Körper fchmerzte
in jehern ©lieb unb ©elent, aber biefe grau befafe
eine ungernähnliche Seelentraft, bie it)r alle Opfer
als felbftoerftänblidh er)c£)einen liefe.
„Mon pere a vendu ses deux cheveux,“ ftanb
in ber 2 h'ete bes gröfeten Stäbchens. Oie Stutter
lachte hellauf. „Chevaux foll es beifeen!" torri*
gierte fie, unb in biefern 3 lugenblid brachte bie
Stagb bie eingelaufene Soft.
„©in ^ 3 atet?" fragte bie Stutter erftaunt.
„Unb für mich!“ jubelte bas gröfete Stäbchen,
bas neugierig bie 31 breffe entziffert hatte, „zu
meinem morgigen ©eburtstag, unb fidler oom
Sater!" Oas Kinb toar ganz tot bör ©lüd, öffnete
jebodb bas $afet nicht, benn bas füllte erft am
geftmorgen gefdhehen. 'über als es zu Sufee ging,
nahm es zärtlich bas Sätet in fein Seit mit.
Oie Stutter fanb feinen Schlaf in jener Sacht.
2 Bie oft batte fie fd)on bie fromme Komöbie auf=
geführt, ben gljren ben Oifd) in bes Saters Stauten
ZU fd)müden, unb jefet bad)te er felbft baran, benn
es roar feine Schrift... 3 lm anbern Storgen, als
bie breizebn Siebter im ©eburtstagsfneben brannten,
mürbe bas ^ßafet geöffnet, ©s enthielt eine foft=
bare Suppe. Oas Stäbchen trieb fchon lange nicht
mehr Suppenfpiel, trofebem blieb bie ©abe ein
©reignis für oiele SBochen. ©s lag fein Stief in ber
Sd)ad)tel, hoch bie Suppe batte ben Sater gefehen,
feine £)änbe hatten fie berührt — in fefeeuer 3 ln=
bacht mürbe bas Spielzeug im ganzen $aus be=
munbert, niemanb oon ben Kinbern traute [ich es
anzugreifen ober gar bamit zu fpielen, enblich tat
man bte Suppe mitten auf ben Oifcfe in Saters
Stube zmifdhen Slumen unb Silber.
Sun oergingen einige Stonate, es mar bereits
Sommer, ba erhielt bie Stutter mehrmals hinter*
einander Sriefe aus ber Schmeiz, unb einmal, als
mieber ein folcher eintraf, ftürzten ber Stutter bie
Ordnen aus ben Singen, fie zog bie Kinber eng an
ficb heran, bafe fie alle zufammen nur ein Körper
maren, unb fagte: „gefet fommt ber Sater."
Oie Kinber fafeten biefe Sadhridht als ganz felbft*
oerftänblid) auf, man batte fie immer gelehrt, auf
bes Saters ^eimfebr zu bauen. Sater reifte eben
nur, unb einmal mirb er zurüdfommen. Oas mar
für fie ganz flar unb ganz ficber. Hnb er mar in
ihrer Shantafie, ihrem Stolz, ihter Oanfbarfeit
unb 3 ärtlid)feit fo fehr unter ihnen, bafe er es
faum hätte mehr fönneu. Ourdj ber Stutter Se*
mühen, ben Kinbern bas Slnbenfen ihres Saters
Zu erhalten, mar ber Sater eigentlich nie aus ihrer
Stitte fern gemefen. So tonnte er jefet audh nicht
erft zurüdfommen. ©r mar immer fchon ba. Oie
lefeten Oage oor bem angegebenen Oermin ber
Slnfunft erfüllte bann bod) eine gefteigerte Span¬
nung bas i^aus. Oie Kinber tonnten meber zur
Suhe noch zu irgenbeiner SefdEjäftigmtg angehalten
merben. 31 m liebften fafeen fie am Kartoffelader,
mo man bie Sahn oorüberfahren fehen fonnte,
unb riefen ben 3 ügen ein Singfang entgegen,
bas in lauten gezogenen Oönen bas SBort „Sater"
enthielt. So überftrömenb quoll ber gubel aus
ben jungen, zärtlichen Kerzen.
Unb enblid) mürbe bas Sferbcfeen an ben
SBagen gefpannt, ber fonft bie ©emüfeförbe führte,
unb man rollte zur Station. Oer ©räfin Slntlife mar
toeife mie ihr Kleib, mitten unter ihren Kinbern fah fie
plöfelidh jung unb hilflos aus; bie beiben Sllteften
maren ihr über ben Kopf gemachfen mie mutmillige
Springmellen, bie über ben Steeresfpiegel hüpfen.
— Sinn nahte ber 3 ug. 3 mei frembe Herren ent*
fliegen ihm. guerft ber eine> ber grofe unb ftarf
mar, berbe ©lieber hatte unb ftarre, ftedjenbe, böfe
Singen, beinahe einem Serrüdten glich er. Slber
bas mar nur ber Oiener. Oer anbre mar mie auf bem
Silb, fah man ihn länger an. Überaus fein, blafe
unb zart, unb |jänbe hatte er fo lieb unb munber*
fchon mie ber liebe ©ott, bachten bie Ktnber. Sie
fd)arten fi<h um ihn; als er jebes füfete, brüdten
fie bie Slugen zu,- hörten bes Saters irjerz pochen
unb fühlten ihren Sater.
Oer Sater mar fehr ruhig, nur ber Oiener
machte oiel £ärm, befahl, mie ber Sater fahren
rnüffe, mo er zu fifeen hätte, unb immer gehorchte
ber Sater. Oann fuhr ber Sater nach Saufe, aber
meil ber Oiener mit im Sßagen fifeen mollte,
fnufeten alle 5 tinber zu gufe hinterhergehen. Sluch
in ber golge traf ber Oiener alle Slnorbnungen im
Saufe, bie Siutter hatte gar nichts mehr zu fagen.
©r fchÜef mit bem Sater in beffen Stube, unb nie
maren bie ©Itern allein, bie itinber maren zmifdhen
ihnen, ober ber Oiener mar ba. Hnb ber Sater
toar ganz fo, mie fie fidh ihn oorgeftellt hatten, fo
gut unb freunbüefe, unb oiel oornehmer als fie alle;
er trug auch gemählte Kleibung, oiele Schrnud*
fachen, bie bie itinber bemunberten, ba fie Singe,
betten unb Stabein mit blifeenbert Steinen noch
nie gefehen. Sie betafteten bie hübfdhen Oinge,
ftedten bie Köpfe zufammen, ba lächelte ber Sater
unb fdjentte ihnen alles. Slber ber Oiener nahm
es ihnen meg, unb am anbern Oag trug ber Sater
bie ©egenftänbe, ohne meiter barüber zu *eben.
©s maren bereits einige SBod)en oergangen,
ba fuhr ber Oiener nach ber Stabt, um ein Siebi=
tament bereiten zu laffen. Slm felben Slacfemittag
ftieg über griebed ein ©emitter auf. ginfter mürbe
es am hellen Oag, babei träufelten fidh out ©e=
mitterhimmel meifee, bampfenbe Schmähen über
ben buntein Süttergrunb unb fahen bebrohlich aus,
Oie £uft mar brennenb unb troden. Slngftlid)
flatterten bie Oauben. Oie Sühuer budten fich
unter ihrem Serfd)Iag, ber Saushunb mar auf bas
Oad) feiner Sütte getrochen, fo bafe ihn bie turze
Kette mürgte, unb zitterte an allen ©liebem,
^piöfelid) praffelte ein Sagelfdhauer nieber. Silberne
Schnüre, mie Saiten eines gnftrumentes, fpannten
fidh oom Siutmel zur ©rbe, oibrierten, unb es gab
einen feltfamen, faufenben Klang. Oie Kinber
maren ins $aus geflohen, aber ber Sater blieb
mitten im £jof zurüd unb hob bie Slrme nach bent
Fimmel. „Sater, tomm bodh!“ riefen bie Kinber,
liefen bann baoon unb oerbargen fidh im §aus,
mo es am buntelften mar. Slofe bas ältefte Siäb=
dhen blieb an ber Sdhmelle unb gemährte, bafe
bes Saters Slntlife fid) mehr unb mehr oeränberte
unb oerzerrte; babei trümmte fidh fein Körper in
grotesten Sprüngen unter ber 2 Bud£)t ber £>agel*
fdjlofeen, bie ihn fchnterzhaft trafen. „So fdhlagt
bodh nicht! SBer fdhlägt mich benn?" rief ber Sater
tläglict) unb tanzte mitten im §of. ©nblidE) ging
fein SBimmern in ein langgezogenes beulen über.
gm felben Slugenblid mürbe bas Kinb oon ber
SJiutter ins |jaus gezogen unb bie Oür hiuter ihm
oerfperrt, bie Siutter eilte hinaus zum Sater.
Oas Kinb tonnte nichts mehr fehen, bodh eine
gräfelidhe üngft erfüllte es, fo lief es in eines ber
3 immer unb fah alles burch bas genfter.
Unten im £>of rang bie Siutter mit bem Sater,
unb er rief immer noch: „So fdhlagt hoch nicht!
SSer fdhlägt mich benn!" Seine fdhönen meifeen
$änbe, bie bie Kinber fo oft Iiebtoft unb getüfet
hatten, mürgten bie Slutter.
Oa fprang bas Stäbchen aus bem genfter unb
taumelte auf bie Stutter zu.
Oie zarte, tleine Slutter mar bärenftart; ihr
Körper bäumte fidh, fdmeltte mie eine geber, fo
fdhob fie ben Stann oor fidh h^ unb brängte ihn
in einen Schuppen, beffen Oorflügel fie oerriegelte.
Slit ber 2 Bud)t ihres geftrafften Körpers lehnte
fie bagegen unb fdhlofe bie klugen. 911 s fie fie öffnete,
fah fie bas Kinb oor fidh flehen.
„ 2 Bo tommft bu her?"
Oas Kinb fdhmieg.
Oa [agte bie Stutter unb zmang fidh zu lädheln:
„Sater ift tomifd), mir haben gefpielt, Sater unb ich-"
Sei biefen SBorten begriff bas Kinb, bafe bas
©räfeliche, bas oorging, fchon früher oorgegangen
fein mod)te, unb bie Stutter alles aufgeboten
hatte, um es ben Kinbern zu oerbergen. Oie
©röfee feiner Stutter ftanb mie eine munberbare
Sifion oor feiner miffenben Seele, hiugertffen
marf es fid) in ihre kirnte unb meinte hellauf.
„ 2 Bas? SSas ift?" forfdhte bie grau, bie bas
mühfelige ©ebäube ihrer Slngft unb Sorfidjt
nieberbredhen fah- Ratten bie Kinber oerftanben?
Sollten bie brohenben Sorgen ihr junges £eben
mit oerbüftern? Sie fpähte nad) ben genftern,
teines ber anbern zeigte fidh; uur bie £lltefte lag
in ihren Firmen unb meinte. Sollte fie ihr erzählen,
mie alles getommen mar: mie bie ©Itern oor ber
Serbinbung mit bem fdhönen, melandhölifchen
Stann gemamt, mie fie nicht hatte hören mollen,
meldh glüdfelige gahre fie miteinanber oerlebt,
bis plöfelidh bas Hnglüd, bas fie fchon oergeffen,
mirilid) hereinbradh! ©r, ber beinahe oolltommen
bem ebeln Silbe glich, bas fie ihren Kinbern unb
fidh felbft in Iiebenber ©rinnerung gezeichnet, be=
gann plöfelid) in feltfam unfinniger SSeife ihr
beiberfeitiges Sermögen zu oergeuben. Kurz
nachher erlitt er ben erften Oobfuchtsanfall unb
mufete in eine 51 nftalt abgeführt merben. £lls
oöllig geheilt mar er entlaffen morben, morauf
man fie ftets oertröftet hatte — nur oorfid)tshalber
gab man ihm einen Sßärter aus ber ünftalt mit —
unb nun mar bodh ber 91 üdfall eingetreten!
Oer ioagel hatte nadhgelaffen, fahle Slifee
leudhteten. 31 m Sdhuppentor trommelten bie
gäufte bes Darren, ba hob bie g*au mutig bas
baupt; nein, fie mollte es allein meitertragen, ihren
Kinbern bie Kinblidhteit erhalten, mit ztttetnber
Stimme fagte fie: „Oasift alles blofe zum Scherz^—"
Unb mit ber gleichen entfdhloffenen Stimme,
bie zitterte, entgegnete bas Kinb: „gdh habe nichts
gefehen, ber §agel hat midh blinb gemacht!"
31 m anbern borgen reiften ber Sater unb ber
Oiener ab. Son nun an gab es ein feltfames Ser=
ftedenfpiel zmifdhen ber äRutter unb ihrer Ülteften.
Oenn bas Siäbdjen trug eine fefeeinbare 3 Ihnungs=
tofigteit zur Schau, bie 3 ug um 3 ug ber fdheinbaren
Sorglofigleit ber Siutter glid). Sur menn es fidh
unbeobad)tet mähnte, fiel feine Kinblidhteit oon
ihm mie ein abgetragenes Kleib, unb es gab fidh
feinen grübelnben ©ebanten htu, bie um fo
quälenber maren, als es fidh nicht offenbaren
burfte. ga, zu jener 3 eit begannen fidh Siutter
unb Oocfeter immer ähnlicher zu merben, fie hatten
biefelbe mutige Stirn, basfelbe rührenbe £äd)eln.
2 ßenn bie Heineren Kinber nach bem Sater fragten,
rnarum er meggefahren fei unb nicht bei ihnen bliebe,
bie Stutter blafe mürbe unb zögerte, ba fagte jefet
ihre ältefte Oocfeter befdhmidhtigenb: „Sater reift.“
1911. 5Rt. 48
Über £anb unb SOleer
1241
«Paul Gdjeund) gcj.
Die Slomantif ber Släber
Der Schübel ruft: „3<h bin Slmbaffabeur,
3d) bin Saron, unb idj »ermittelte
Den fyrieben 3 tmjd)en Dänemar! unb §o!lanb "
Das büft ihm alles nichts. 3ljn überfdjrett
Der erfte «Pfiff ber neuen (£ifenbal)n.
'TNie SJtabame be SJtontefpan oertreibt fid) bie
/iJ 3 eit, fedE)S SJtäufe an ein fleines SBägelchen
oon filigran 3U Spannen unb läßt fid) oon ihnen
in it)re fdjönen £änbe beiften.“ ©s ift
bie SJtaintenon, bie foldje luftige fn-
bisfreüon bes Vouboirs ausplaubert.
Sie oerrät uns bamit mehr als bie
3ufällige £aune einer galanten Dante;
fie lüftet ben Schleier oon einer ber
unfterblichen Set)nfüd)te besSJtenfd)en.
Die fd)önfingrige SJtäufefreunbin ift
nur ein Spmptom für unfer aller Ver-
gnügen an einer Stomantif ber Staber.
Das rollenbe Stab, biefe Ubertoinbung
ber Sdjroerfraft, biefe Verleugnung
ber Diftan^, ift eines ber SBunber, bas
man als felbftoerftänblid) pinnimmt
unb bas man bod) immer roieber als
ein feltfames Spiel mit Vemufttfein
geniest. SJtan empfinbet bas Stab
als eine ^ßräbeftination gur Vetoegung,
als bas oollfommenfte 2Berf3eug, ben
Staum 3U befiegen; man glaubt, baft
bas Stab, bas einig flüchtige, bie 3 ett
einholen fönne. Slls ein Stab rollt
jeben SJtorgen bie Sonne empor;
Ireifenb unb rollenb empfanb nod)
jebe SJtetaphpfif ben SIblauf bes
fahres unb bes £ebens. Den Sitten
ift bas Stab eine $ierogtt)phe bes
Slbfoluten; bie ftinber treiben es
als Steif in ber gebanlenlofen §aft
eines inftinftreinen Spiels. Das Stab trägt uns
burd) bie SBelt. 9 Ber fid) it)m oertraut, roirb
frei oon ben engen Stubenoorftellungen unb ben
ftarren ©rennen bes Seins; bas Stab läftt uns bas
eroige SBerben unb bie Unenblid)feit erfüllen.
Das Stab ift ber Stl)ptl)mus, ber nie abbred)enbe,
ber ausgeglid)ene; mit bem Stab fann bas C 5 efüt)l
alle Sfalen unb Temperaturen burd)laufen. Das
Stab ift bie grofte Hexerei, bie uns aus Sölblingen
3U Herren mad)t, bie uns in romantifdjer Trunfen-
l)eit.mit bem Sturmtoinb roetteifern läfet. — —
Sd)on SIriftophanes pries bas Vergnügen, bas
fdjaften ber 5 \inbl)eit. SJtan fuhr mit ©lias im
feurigen SBagen; man fuhr mit 3 ld)ill, brohenb,
polternb, baft bie Speid)en fid) bogen. Unb bann
tarn ber Tag bes großen ©lüdes, ba faß man l)od)
oben auf einem ©rntetoagen unb hörte burd) bas
Staufchen unb itniftern bes ftornes bas 5 treifd)en
unb £iuietfd)en ber Staber, man füllte bas Sd)xoan=
fen, bas glatte Dahinrollen, bas abenteuerliche Sin*
3iehenunbbenTriumphbes3ur-Sd)euer=.ftommens.
.Ober ein anbermal — unb bas blieb nid)t roeniger
im ©ebädjtnis — mad)te man bie
erfte Drofd)fenfat)rt. ©s toar Stacht,
unb ber Stegen pfiff gegen bie Sd)ei-
ben. SJtan fat) bes 5 tutfd)ers fliegen-
ben SJtantel, bas gelbe fladern ber
SBagenlaternen. SJtan fal) fdjroarge
Vferbe feuerfchnaubenb burd) bie
finftemis jagen. SJtan hörte aus bem
©eraffel ber Staber ein feltfames
Trommeln, bas Sd)reien ber f einbe;
man hörte aber aud) ben Sieg ber
Stäber, toie fie baoonfupren, roie fie
Stettung brachten. Unb bann tarnen
anbre 3 eiten, ba fangen bie Stäber
oon taufenb SJtelandjolien unb fenti-
mentalen Süftigfeiten. Die ^ßoft*
tutfdjenromantit oerführte bas träume*
rifd)e ^erj, baft es £enau las unb
allerlei imaginäre Steifen burd) ben
Vöhmertoalb unb burd) bie blül)enbfte
ber Reiben machte:
gerne, Ietfe hör' id) bort
(Eines ^Joftborns 5tlänge,
^lötjltcb roirb ntir's unt bas £er 3
Stun nodj eins fo enge,
fiuftig rollt ber SBagen fort
Uber Stein unb Srüden;
Stanb nid)t toer an feinem Sd)Iag
9Jtit oenoeinten Vliden?
Sie rollten ins Vlaue, immer gerabeaus,
einerlei rool)in. SJtan roünfd)te, baft ihre SJtufit
nimmer aufböre unb ber füllen 3u>edlofigteit ihres
Steigens fein ©nbe toerbe. Sold)e fentimentale
£uft an ber £prif ber Stäber blieb roirffam, bis
bah eines Tages bie 3 lutomobilpfi)d)ofe fomplett
tourbe. Von ba an betete man im Stabe ju bem
gelben, ber ben Kilometer überroanb. SJtan
operierte mit ungeheuerlichen 3 iffern für bie Um-
brehungen, bie folch ein oon SJtotoren gehegtes
Stab in ber SJtinute 3U oollßiehen habe; man fal)
bas abenteuerüd) ausgeftattete Stab ben Staum
ben ftinbern ein höl3emes 2Bägeld)en bereitet,
©s bürfte feiner unter uns fein, ber als Sechs¬
jähriger nicht für fein fieben gern bie Senfaüonen
bes &utfd)ers ausgefoftet hätte- 9 Vas hat man
bod) alles in Vferbe oerooanbett, toas hat man
alles rollenb geglaubt! ©in ftummes Vrett, auf
oier Vauflötjdjen gelegt, 3auberte einem ben
fd)nellften SJtärd)enroagen. Sßenn man aus einer
3igarrenfifte unb oier 3^ttnrollen, bie man bem
Stähfaften ber SJtutter ftahl, eine richtige Veroeg-
5 taroffe in einem feftlichen 3 ug ßubroigs XIV.
lid)feit 3ufammenl)ämmerte, mar man felig. frei¬
lich, man beneibete aud) bann nod) bie fungens,
bie auf ben mit ftiften unb fäffern übertürmten,
burd) bie Straften bonnernbeit Stollroagen hodten
ober gar oorn auf bem Vod faften unb bem Sluf
unb Slb ber fdhroeren ^ferbe 3ufehen fonnten.
Das alles aber oerblid) oor ber bloften ©rtoartung,
bie ©ifenbaftn 3U feften, bas bampfenbe unb
3ifd)enbe Ungetüm, bas funfen ausioarf unb
beffen Stäber fid) fo fchnell breftten, baft man fie
als mächtige graue Scheibe empfanb. Die fllu-
fionen bes Stabes bebeuteten bie roilbeften fieiben-
§ollänbifd)er Vauerntoagen
Statsherrmoagen unb Stollfarren (um 1750)
1242
Übet Cartb urtb TOeer
1911. 9lr. 48
Von ^aris nad) St. ©loub (Sine gaftrt ins blaue £anb: immer gerabeaus
oernid)ten. Der SBegriff ber (Entfernung fd)ien auf=
gebraucht. Die Leiber, bie im SBirbel über bie
Straften jagten, batten enbgültig bie prämoberne
SBelt ber Veharrung in bie moberne ber C£nttoicf=
lung oeränbert. Durch bie unerhörte
Scbnelligteit ber gortbemegung lem=
ten bie 9Renfd)en anbers |el)en; Jie
mürben rüdfid)ts!ofer ;unb unenblidh
elaftifdjer im itampf mit ben ©in*
brüden. Sie mürben gegmungen,
bas SBefentliche im fyluge 3u erhaben
unb aus allem Vorüberfliegenben bas
©emeinfame 3upadenb ljeraus3u=
reiften. Die Stomantif ber Voftfutfd)e
manbelte fid) in bas heroifdje Pathos
bes Automobils unb in bie SRonu=
mentalität bes D<3uges. ©ine 2Banb=
lung, bie bas ^ßrin3ip bes Stabes, ben
Vetrug an ber ©raoitation, als eine
fpe3ififd)e ftulturfraft 3U nuften begann.
Alle Kultur ift ^Befreiung bes $rin=
3ipes uon feinen Hemmungen. Das
Vrin3ip bes Stabes ift bies: mäftrenb
eines SRinimums oon 3eit ein ÜRinimum
ber ©rboberfläche als Dangente 3U bulben.
©s fommt barauf an, biefe irbifdjen, bie
Schmerfraft oerbeutlichenben unb übenben
Dangenten möglid)ft rafd) med)feln3umad)en.
Die ©efd)id)te bes Stabes unb bamit bie ©e=
fd)ichte ber gahr3euge treift um bas Problem,
bie Steibungsflädje 3mifd)en bem peripheren
Steifen unb ber ben Drud bes ©efäljrtes
aufnehmenben ©bene möglichft 3U oerringern.
SBobei freilich 3U beachten ift, baft aud> foldjer
©ntmidlung ©ren3en gefeftt finb. Sold) eine
©ren3regulterung Ieiftet bas ^ßneumatif, bas
ben raptben, bie Stabilität gefährbenben
SBedjfel burd) eine gemiffe Verbreiterung
ber Dangenten paralpfieren mill. Doch änbert
fold)e Umbiegung bes Vrin3ipes nid)ts an ber
Datfächlid)teit ber ©tappe oom Ochfenfarren
3um Selbftfutfthierer im Vlumenforfo. Der
SBagenbauer gröftte Sorge blieb bie ©nt=
materialifierung ber Staber. Der SBagen füllte
ein Spmbol für bie fieidhtigfeit ber SBegüber«
minbung fein. Der SBagen ift ein beutlidhes
Spiegelbilb bes 3eitlid)en ©mpfinbens für ben
Drtsmechfel.
*
fiangfam mahlte ber alte Steifemagen ben
Sanb; unter bem Drud ber fiabung äch3ten
unb ftöhnten bie ^ßlanmagen, bie bas Äauf=
mannsgut oon SStarft 3u SJtarft trugen. Der
Fuhrmann tonnte getroft nebenhergehen, unb
oft genug muftten bie itnedjte in bie Speidjen
maren [chmere ©äule, bie in fernerem ©efdjirr
unter einem gemaltigen, mit £eberfd)nüren unb
tlirrenben SSteffingpIatten behangenen 5tumt
gingen. Das blieb fo lange 3^it, blieb in oer*
laffenen fianbesteüen bis auf ben
heutigen Dag. Die gmhrleute halten
feft an ber Väter ©emöhnung; fie
oerachten bie Steuerungen, ©s ftedt
etmas Ariftofratifdjes in biefen fnor*
rigen Vurfdjen, bie ihre langfehnürigen
^0eitfdE)en luftig burd) ben SJtorgen»
minb fnallen. Aud) fpäter, als ber
Vertehr 3unahm, lieft man bie SBagen
gern fo, mie fie nun einmal liefen;
man tonnte bie ^oftfutfdjen nicht fo
rafd) mechfeln, mie bie SBeiber es mit
ihren ? Kleibern taten. So tommt es
mohl, baft 3u 3eiten, bie fonft f<hon
gan3 manierlich finb, bas gdhrseug
ausfd)aut mie etma bie „Schmalbe“,
mit ber SRabame Vooarp aus Doftes
nad) SJonoille £'Abbape gefahren tarn:
„©s mar ein plumper, gelbladierter
haften auf 3mei mäd)tigen, manns=
hohen Stöbern, bie ben 'ißaffagieren
bie Ausfid)t oerfperrten unb ihnen ben itot
auf ©efid)t unb Kleiber fpriftten. Die tleinen
Scheiben ber SBagenfenfter flirrten in ihren
©infafJungen, folange bas ©efährt in Ve=
megung mar, unb 3eigten ba unb bort 5tot-
flede auf ber biden alten Staubfd)id)t, bie
fie über3og unb ber felbft ber tlatfd)enbe Stegen
nichts mehr anhaben tonnte.“
Allerbings 3ur gleichen 3^rt unb fd)on
früher gab es $uf)rmerfe, bie allen ©lan3 einer
höfifdjen Kultur auf3umeifen hatten. Die
Staatsfaroffen bes Varod unb bie ber fran=
3öfifdhen £ubmige maren rollenbe Schaft*
häufer. Sie maren bis 3u einem äufterften
©rab ber 3erbred)lid)teit oon allem fiaften*
ben befreit. Sie glitzerten in ©olb. Auf
bem gefd)toeiften Dach, bas über gemölbten
SBanbungen fchmebte, fcftaufelten Strauften*
febern. ©ine gülle bes töftlichften Scftnift*
merfes loderte bie Stabilität in eine gleiftenbe
SBoIfe; Vlumengirlanben bufteten, Jütten
tletterten auf unb nieber. Die ^ßferbe gingen
als ftol3e Stoffe 3U achten unb 3U 3mölfen,
umhüllt oon foftbaren Schabraden; bie ftut*
fd)er unb Diener mehrten ben $arbenglan3
unb ben metallifd)en Steid)tum fold)er Driumph*
3üge. Der leudjtenbe, bliftenbe Speere fdhüt=
telnbe Sonnenmagen raufd)te burd) bie Stra*
ften oon ^ßaris, unb alles Volt umjubelte bie
Stäber, bie aus £id)t unb Diamanten ge=
fponnen fdhienen. Vis bann eines Dages ein
höftjerner £eitermagen, ber 3toeiräberige Sarg,
über bas ^Pflafter polterte, um fiouis ©apet
aus bem Demple 3u holen. Die Staatstaroffen
jreifen. Sold) eine 5al)rt oon Verberge 3u
Verberge, burch bie ©infamfeit mnfidjerer §enri Daumier: ^arifer ^iacre
Straften gehörte 3U ben Abenteuern unb ben
©reigniffen bes bamaligen £ebens. Oft maren
bie SBege grunblos, oft hört gefroren; bie Stäber
brachen, bie Vferbe oerloren bie ©ifen. ©s
Abenteuerlid)e ^ohrt (nad) ber Steoolution)
Stalienifche Staatsfaroffen aus bem Anfang bes neun3ehnten ^ahrhunberts
Über £anb oon ©erlin nacfe ©otsbam ( 1830 )'
©ug. £ami: ©tailcoadfe
rourben oerbrannt; bie ©epublit fcfeuf
fid) halb 3um Symbol imb f)alb 3ur
Karitatur etrt anbres ©efäfert: eine
groteste, fealsbrecfeerifdfee ©torb»
mafcfeine, bei beren ©efteigen bie
Damen 3U Sansculotten rourben unb
bie blutigen Kaoaliere oft genug il)re
Scferedensfeüte oerloren. Docfe toar
folcfee ©urlesfe nur ein Anfang. ©s
fam jefet bie 3ett, ba bas ©ürgertum
bie ©tobe ber ©Sagen beftimmte, es
tarnen bie prattifdfeen unb monbänen
Dppen, bie 3umeift aus ©nglanb irnpor»
tiert rourben. Cabriolet, Dilburp,
©Seldfe eine probuttioe £eiftung,
toeldfe eine ©ntlabung an Energien
liefe aus ben fünf3efen Drofcfefen, bie
g-riebrid) ©Silfeelm I. 1739 ber Stabt
©erlin erlaubte, bas feeutige ©efe ber
clettrifcfeen Strafeenbafen toerbenj.toie»
oiel geiftiger Arbeit beburfte es, um
aus bem Dampftoagen, ber 1833 'oon
£onbon nacfe ©irntingfeam fufer, ~ben
Automobüparf einer mobernen 2Belt=
ftabt toerben 3u laffen; meiner ©Seg
oon jener flapprigen erften ©ifenbafen
3toifcfeen ©tancfeefter unb £ioerpool
unb bem eifemen £>eer, bas feeute
~ ' ' Unb in all biefen
MH bie ©rbe eroberte!
©ntroidlungen unb Kämpfen, bei all
~ 1 biefen Siegen roaren bas ©ab unb
beffen ©Sanblungen, beffen ©efreiung
oon ©rbenfd)toere, beffen ©eflügelmtg
bas notroenbige unb entfcfeeibenbe ©tebium. Das
©ab lodte ben ©oftillon, ein romantifdfe £ieb
3U blafen; unb feeute gibt es eine ©omantit bes
Kursbucfees, nacfe ber un3äfelige ftäfelerne ©äber
ben ©aum oerneinen unb bie 3eit befiegen.
©s oerlofent fid), einmal barüber nad)3ubenten,
roas bas eigentlich bebeutet, mit 100 Kilometer
©efcferoinbigteit ober aucf) nur mit beren 80 in
ber Stunbe über bie Schienen 3u rollen.
100 Kilometer bie Stunbe, bas feeifet 1,6 Kilo*
tneter bie ©tinute ober 26 ©teter bie Setunbe.
3 dj nefeme meine Ufer feeraus unb beobacfete ben
tleinen, flinfen 3 eiger; roäferenb er oon Stricfe»
lein 3u Strid)lein fpringt, bin id) um 26 ©teter,
fünfmal um bie £änge meines 3ünmers, uor»
roärts geflogen. ©So gab es in ben ©tptfeologien
ber oerroegenften ©ölterbie ©orftellung einer äfen»
lid)en Scfenelligfeit! Die ©äber rollen. Sie ge»
feorcfeen bem ©Sillen eines
-Cannes, ben idfe nie
tennen lernen toerbe. Der
ftumme ©ertrag 3toifcfeen
.. r , * . bem Kotomotiofüferer unb
K öeit 3afergäften oerlangt
eine Dreue, oiel gröfeer unb
ööt; roaferer, als fie je burcfe eine
__ £>etatombe oon ©ittern unb
Sängern geleiftet tourbe.
Robert ©reuer
©ug. Kami: ©nglifcfee ©oft aus ber ©iebermeier3eit
feäufiger; ftatt fürftlicfeer Scfeau3üge pflegt man feat fid) füfelen gelernt. Die ©äber, bie oor
bes Sportes, ©tan fäfert feinen ©eicfetum unb ben Käufern ber Kaufleute fealten unb ifere
fein Selbftbeomfetfein auf ben Aoenuen fpa3ieren; flinten Spuren in bie ©feauffeen graben, finb
man fäfert 3 u feinem ©ergnügen über £anb. Diefe eine Demonftration ber neuen, bie © 3 elt ge»
©ntroicflung ooltyefet fid) auf bem gan3en Konti» toinnenben ©efinnung. (Es bauert nicfet lange,
nent; in ©erlin nid)t roeniger als in ©aris be» unb ber ©rofetaufmann fäfert oierfpännig eine
ginnt ber ©ürger in bem felbftgeleiteten ©ab, in Attelage ä la Daumont.
ber oon ber Dprannei befreiten ©eroeglkfeteit, einen 3nbeffen, bie ©tiffion ber ©äber follte ficfe in
Deil ber neuen ©Seltanfcfeauung 3u acfeten. An nocfe entfcfeeibenberer ©Seife erfüllen. Die Demo»
ber Kalefcfee redt fid) bie Autonomie berer, bie tratifierung bes ©ertefers fanb iferen eigentlicfeen
aus eignem ©elb auf ben toeicfeen Kiffen fifeen: Ausbrud erft in bem ©Siener Stellroagen, bem
s ~ A ©erliner Dorroagen, bem Kremfer, bem ftiater
2ßa5 Sendt?^ n9C b0< ^ Q ^ rt * ^ nb Ct 6anölst blc unb ben Drofcfeten. ©un erft, ober nod) einige
Sefer gut nimmt bas Kütfcfecfeen ftdfe aus, bas neue, be= .jofersefentefpäter, als bie ©ferbebafen tarn,
quemltcfe mar i>te ©omanttt ber ©aber 3ur ©rfullung
Säfeen niere barin unb auf bem ©ode ber Kutfcfeer. Ö^tommen. ©un erft 03 ar bas, toas einft ©ben»
teuer unb fefenfücfetiger Draum, ettoas Selbft»
©Sie einft ber golbene Krönungsroagen, jeben oerftänblidfees.
Stofe 3U meiben, 3toifdfeen
ben ©äbern feing, fo roiegt
jefet ber £anbauer auf ge»
bogenen Gebern, ©ur bafe
bie ben ©lan3 oer»
loren unb nid)t mefer pur»
purn jubilieren, oielmefer
ben ©fearatter ber Scfeufe»
färbuttg gegen ben Staub
unb gegen bas Auffällige
annefemen. Der ©ürger
Die erfte englifcfee ©ifenbafen ( 1835 )
©ug. £ami: ©ferberoedfefel
Der Dampftoagen oon £onbon nacfe ©irmingfeam ( 1833 )
Aeinbolb Aegas t
ABir fel)en heute ben Aenaiffancismus, ber ficf)
im lebten drittel bes neun3ef)nten gahrtjunberts
austobte, mit böfen klugen an. Unb es ift uns
faft eine greube, bah es ein [o I)äfelid)es ABort ift,
bas biefe Aemegung be3eid)net; eine Aemegung,
bie überall bie gute Xrabitton gerftörte unb alle
Äunft in ein Aiefenformat unb eine Uppigteit
3errte, ber meber bie AAittel ber Auftraggeber noch
bie ^Begabungen ber Äünftler gemad)fen roaren.
So bah am ©nbe alles in einen unleiblich leeren,
finnlofen unb falfdjen ^runt auslief. ©s mar
grohe Arbeit, oon biefer Art 3U einer oerftänbigen,
ed)ten unb einfad)en 3urüd3ufinben. Unb in ber
3eit bes Kampfes hatte man meber AAuhe nod)
Buft, feine Unterfd)iebe 3u madjen, 3u unterfudjen,
meld)e Äünftler ihr Xemperament fortrifj unb meld)e
nur fo mitmad)ten, ober mo bei bem ein3elnen bie
©ren3e mar 3toifd)en impulfioem Schaffen unb ge=
miffenlofer 3eitbienerei.
©rft feit tur3em t)at man, ba nun ber falfdje
ABeg enbgültig oerlaffen 3u fein fd)eint, bie Aul)e
unb ben Sinn basu, and) biefe ©poche unb ihre
AAeifter unb il)re ABerte objettio 3u meffen, and)
t)ier nad) bem ABert unb nid)t nur nad) ber Aicf)tung
3U fragen. Unb fd)on betommen Aarnen, bie
fal)r3el)ntelang nur in ©egnerfd)aft genannt
mürben, einen anbern Älang. ABobei es freilid)
d)aratteriftifd) ift, baff bie neue Schätzung fid) nicht
an bie ABerte [erliefet, bie ben großen „Aul)m"
biefer Zünftler gemacht haben, fonbern an bie
tleineren, früheren, t>alb oerfchollenen.
gn foId)en ABerten, in Silbern etma oon
AAatart, in Statuen oon Aegas, bemunbert man
nid)t nur bie tünftlerifdjen Qualitäten ber Arbeit,
fonbern nod) etmas anbres, etmas, bas bei allem
unleugbaren gortfdjritt bes ABiffens um Äunft,
bes ©rnftnehmens ber Äunft oerloren gegangen
ift: eine fd)önf)eitsfrol)e Sinnlid)feit, eine frei
fd)öpferifd)e ^ßljantafie, einen unbetümmerten
Sdjmung. ij 3 erfönlid)teit: bas fd)mere, etmas
tünftlid) gebilbete ABort pafct nid)t gan3, bas ftel)t
unfern 3eitgenoffen beffer. Äerle, Äerle, bei
benert Äunft unb Beben in einem Xraum unb
Aaufd) 3ufammenfloffen, benen bas „gute AAobell"
tein Atelierrequifit, fonbern bas fd)öne ABeib ein
©rlebnis mar. Aegas, ber fpäter bie üblen unb
Reinhold Begas: Susanne im Bade
flüchtigen Dentmäler bes neuen Aerlin fd)uf, mar
in feinen frühen AAannesjahren ein foldjes Xem=
perament. Unb biefer junge Aegas mirb als einer
ber erften Ailbl)auer bes neun3et)nten gahrt)un=
berts in ber ©efd)id)te ber Äunft fortleben.
Der Sproh einer rt)einifd)en Äünftlerfamilie,
in ber ftrengen Schule Aaud)fd)er Steinbild
hauerei er3ogen, in bem Aerlin bes ernft mahr*
haftigen AAen3el ermachfen, in Aom oon
greunben mie Aödlin ins Ahantaftifd)e mit»
geriffen: bas ift in oier Sähen bie ©efd)id)te
unb bie ©rtlärung feiner Äunft. 3eiQt> bah
er ben Älaffoismus 3erftören muhte, unb
marum er fid) an bie 3ugleid) realiftifd)ere
unb bemegtere iJMaftit bes Aarod, bes Aarod
ber fpäten Antite unb ber fpäten Aenaiffance
anfd)loh- Aegas mar nid)t einfeitig, aber man
tann bod) fagen, bah er am ftärtften unb am
meiften er felbft ift, menn er bie Schönheit
bes grauenleibes preift. AAan t)at it)n „unfern
ARidjelangelo“ genannt, masgan3 gemihfalfd)
ift; er l)at aud), abgefel)en oon ber ©rohe
biefes £jeros, bie überhaupt jeben Aergleid)
ausfd)lieht, nid)t einen 3ug mit il)m gemein.
ABenn man einen Aarnen 3ur Orientierung
gebrauchen mill, fo fann es nur ber bes
Aubens fein, an ben bie AAifd)ung tempera»
mentooller Sinnlid)teit unb nobler tünftleri»
fd)er Haltung erinnert. Aur: er mar tein
g-Iäme; fo ift fein Sd)önt)eitsibeal ein anbres
gemorben. Seine ©öttinnen unb Apmphen
finb gra3il bei aller Uppigteit, fie t)aben feine
©lieber unb fd)öne Aemegungen; eher etmas
Aomanifd)es, trobbent man fie bod) mieber
nicht 3U ben ©efd)öpfen eines romanifchen
Zünftlers als Sd)meftern ftellen tonnte, aud)
nicht eines 3eitgenöffifd)en. Sie finb gan3
unb gar Aegas unb mad)en ihren Schöpfer
3u bem ©inielfall, ben jeber ftarte Zünftler
bebeutet. 3d) Tagte fd)on, bab eines ber ent=
fcheibenben Alomente in ber ©ntmidlung bes
AAeifters bie Berührung mit Södlin mar. Aber
man muh, um biefen Sab recht 3U oerftehen,
baran beuten, bah tünftlerifche©harattere einen ©in*
fluh nur auf fid) mirten laffen, mo fie innere 33 er=
manbtfdjaft fpüren. ©s ift eben fd)on be3cid)nenb,
bah 23 egas, ber als junger A$ilbl)auer nad) Aom
tarn, ficf) nid)t 30 feinen 3unftgenoffen hielt, fonbern
3 U ben AAalern, bie ber §ertömmlid)teit gegenüber
fid) frei an bie grohe alte Srabition hielten: geuer=
bad), A 3 ödlin, Benbad). ABas ihm Södlin gab,
mar ber Stofftreis, bie Belebung antiter AApthen
aus bem eignen ©efühl heraus.
A 3 an,berbietnofpenjunge s Ufi)d)e
tröffet ober ein Apmphdjeu lehrt,
bie $löte blafen, ber3entaur, ber
einer Apmphe galant auf feinen
Aüden hilft, Aenus, bie ficf)
| fpiegelt ober ben Amor ftraft,
§ermes, ber bie ^fpdhe in ben
Olpmp trägt, Sufanue, bie im
A 3 abe tauert: bas mürben feine
AAotioe. 3 n ber gorm blieb er
gan3 frei, finb hoch aud) A 3 öd-
lins ©eftalten biefer Art faft
immer nur Staffage geblieben
unb niemals auf Schönheit ber
Binie gebad)t.
A 3 egas blieb 3uerft nod) ber
ftrengeren grorm ^er tlaffißifti^
fdjen Schule treu, ©rft allmäh*
iid) brad) fein Xemperament
burch, mürbe er freier, üppiger
unb realiftifcher. X)ie plaftifd)e
Sd)ulung burdh Aaud) mar fein
©lüd. ©r oerbantte ihr nid)t
nur bie ©efchmeibigteit ber §anb,
fonbern auch bas ©efühl für bas
AAaterial, bas feine Aeroe in ben
rechten ©ren3en hielt, ilm, nid)t
für immer, aber bod) für lange,
baoor bemahrte, auf untünft*
Ierifd)e Aßeife ben Stein 3U oer=
gemaltigen, il)n 3m „^Ilufion
bes gleifdhes“ 3U missbrauchen.
Aeben ihrer Sd)önheit ift bie
Art ber Arbeit bie grohe Qualität
feiner frühen ABerte. Sie ift
niemals ängftlid) unb troden,
aber hoch in jebem Augenblid
beljerrfd)t unb ficher. Aie artet
bie ftmheit, mit ber er aus bem
oollen fd)öpft, in Oberfläßlich 3
teit aus. ©ine Sfigur, mie 3um Aeifpiel bie Sufanne,
gehört baburd) 3U ben beften plaftifdjen ABerfen,
unb aud) Ailbhauer, bie gan3 anbre ABege gehen,
merben fie auf bas I)öd)fte bemunbern.
Der Baie glaubt gern, bah es auf biefe ©igen=
fd)aft, bie 3U erfennen ihm fchmerfällt, nid)t fo
[ehr antomnte. ©r ift im 3 n:tum. Das 5 tunftmert
ift eine ©inheit, unb bie ©igenfdjaften, bie er liebt,
Reinhold Begas: Bismarckbüste in der Königlichen
Nationalgalerie zu Berlin
hängen mit biefer, um bie er fid) nicht tümmert,
eng 3ufammen. Der freie Sd)mung ber Binie, bie
©rhebung feiner ©efd)öpfe über ihre AAobelle,
gerabe bas, mas biefen Aßerlen ihren Duft gibt,
finb nur burch eine fold)e Arbeit 3U erreichen.
Ober anbers gefagt: nur ber grohe Steinmeh
tann ben ©infall bes groben Zünftlers oertörpern,
unb beibe müffen biefelbe ‘ijßerfon fein.
A 3 e gas in A 3 erlin mar ein menig anbers als
A 3 egas in Aom. Äontret ausgebrüdt, mürbe bie
gormel lauten: in Aom übermog bas A 3 ödlinfd)e,
in A 3 erlin bas AAen3elfd)e. Dotument bafür ift
3unächft bas Sd)illerbentmal, in bem eine gan3
anbre Art oon Aealismus 3utage tritt als in ben
nn)tl)ifd)en ©ruppen berfelben 3 ett. Aud) in ben
3 bealfiguren am Sodel ift hier jeber 3 ug, jebe
3'alte bem AAobell nadjgebilbet. AAan tann fid)
mol)l oorftellen, mie bie AAenfd)en oon bamals
oor biefer Xlnerbittlid)teit erfdhraten. Sie fühlten,
bah hld ber entfeheibenbe S^lag gegen bas tlaffi*
3iftifd)e ©pigonentum geführt mürbe. Unb aus bem=
felben ©runbe frohlodten bie ^reunbe. Aiemanb
ahnte, bah biefes ABert oerein3eIt bleiben mürbe.
Unb fo notmenbig bas ABert mar, fjjdeube mad)t
es uns nicht mehr, ©s ift tein grober plaftifcher
3ug barin.
Die ABerte, bie ben berliner A 3 egas für uns oer=
treten, finb feine Porträte: bie Aüfte bes dürften
Aismard, bie erfte aus ben adliger fahren, bie
fabelhafte §albfigur AAen3els, bie Äöpfe ber Äaiferin
griebrid), ber luftigen grau toopfen. Sie h^^n
ihre Äraft behalten unb merben fie nod) meniger
oerlieren als feine römifdjen ©öttergeftalten.
Dann hat Aegas ben |>alt oerloren. Aielleid)t
lag es in feiner ©ntmidlung, bah öie Hemmungen
feines Xemperamentes, bie eine ftrenge ©r3iehung
unb ber Aertehr mit hod)ftrebenben Äünftlern ge=
fdjaffen hatten, fdhmä^er unb allmählich unmirt=
fam mürben. Sid)er ift aber, bah &er neue Äurs
mit feinem Drängen auf ftarte ©ffette, auf prunt=
oolle Häufungen, auf fd)nelle Arbeit biefe ©ntmid=
lungminbeftensbefchleunigthat. ©s fehlte bie Aul)e
ber Durcharbeitung unb erft red)t ber Ausführung.
Der alte Aegas muhte betämpft merben mit
aller Schärfe, fein©influh brotjte alles plaftifdje ©e=
miffen 3U 3erftören. Das hinbert nid)t, bah man bie
ABerte bes jungen Aegas liebt, ©r bleibt als AAenfd)
unb als Äünftler, als abüg fchöne ©rfd)einung unb
als fchöpferifche Äraft mit bas Aefte, mas mir in
biefen 3 e iten erleben burften. grih Stahl
gennp non ©uftebt
( 3 u ißrem ßunbertjäßrigen ©eburtstag, 7 . Sept.)
flpine Xocßter 5 tönig gerömes unb tjierburd) eine
9 Zicf)te bes großen Napoleon, eine ber ©er*
trautesten im ©oetßefcßen Greife, jüngere greun*
bin Ottilies, ©efäßrtin unb freimütige £eßrerin
oon Ottilies Äinbern ©Solf unb ©Salier, ber bas
$aus ©oetßes jeber^eit offen ftanb. gßre Äinbßeit
unb gugenb hat ©oetße felbft mit moßlmollenber
©üte, Später mit ©emunberung für it)re ftraßlenbe
Schönheit unb reiche ©egabung oerfolgt. Sie
mar ©efpielin unb lebenslängliche greunbin ber
nachmaligen erften beutfcßen ftaiferin ©ugufta
unb blieb bem (Erbgtoßl)er3og tfarl ©lexanber
gleichfalls bis ans £ebensenbe in treuer greunb*
Schaft oerbunben. ©ermanbt, oerfcßmägert unb
befreunbet mit einer gan3en Reiße oor3üglid)er
unb ßeroorragenber ©tenfcßen, mar fie unter anberm
aud) eine ©roßnid)te oon ©oetßes £ili — all biefe
Umftänbe allein mürben genügen, um bas regfte
gntereffe für gennp oon ©uStebt, geborene oon
©Oppenheim, 3U rechtfertigen. ©ber, fo mie bie
junge gennp in ihrem £agebud) über ©oethe
Schreibt, „menn er nid)ts gefd)riebcn hätte, mürbe
er hoch in bie erfte Reiße ber größten ©lenfcßen
gehören, ©r mar gut, neiblos, einfad), half unb
förberte gern, leine £ocßfd)äßung ber ©Seit hat ihn
eitel, feine ihrer £julbigungen hat ihn anmaßenb
gemad)t“, fo barf man in bemSelben Sinne über
gennp oon ©uftebt bas Urteil fällen: aud) menn
Sie gart3 gleichgültiger §erfunft gemefen märe,
menn ißr bas Sd)idfal nid)t oergönnt hätte, mit
ben ©roßten ihrer 3 e U in ©erüßrung 3U treten,
menn nichts anbres uns ©eranlaSfung böte, uns
mit ihr 3U beschäftigen als bas menige, mas an
©riefen unb £agebud)blättern oon ihr erhalten
blieb, fie oerbiente bennoch ein bauernbes ©e=
benfen als eine ber oortrefflidE)ften grauen an
©eift unb ©emüt. Sie mar eine „fcßöne Seele“ im
oornehmiten Sinn, il)r meiter ©lid, ihre ©tenfcßen*
liebe unb ©iütterlid)teit befähigten fie, alles unb
alle 3u oerfteßen: bie Sd)toäd)en unb grrtümer
ihrer greunbe unb ihrer Stinber, bie Kämpfe unb
bie ©olitiü ihrer 3eit, bie £eiben unb gorberungen
ber (Enterbten, bie Rotmenbigteiteu ber ©nt*
midlung unb bie ©orboten ber 3 ufunft. Oie
geistige (Srbfd)aft bieSer ungemößnlid)en grau,
bie einen Schah an £ebensfcßilberungen aus
großer 3 ett unb an mertoollen Urteilen über So
oiele bes ©Seimarer Greifes (bie ganße gamilie
©oethes, bie großßer3o gliche gamilie, Sied,
©tenbelsfoßn, Raßel, ©ettina, goßanna unb ©bele
Schopenhauer, §oltei, Xßaderap unb artbre)
hinterlieh, hat ihre ©nfelin, £ilp ©raun, geborene
oon 5 Xretfd)man, oor bem Untergang bemahrt in
ihrem (Erinnerungsbuch „gm Schatten ber XU
tanen“,*) einer ber bemertensmerteften Literatur*
erScheinungen ber lebten gahre. (Es ift oon hohem
pfi)d)ologiSd)em gntereSSe, 3U oerfolgen, mie [ehr
£ilp ©raun nicht nur bie (Erbin ber Schriften unb
Dofumente gennp oon ©uftebts, fonbern aud)
bie ihres ©elftes gemorben, mieoiel oermanbtes
*) Deutfche 33erlags=91nftalt, Stuttgart 1910.
©mpfinben unb Denfen, troß oöllig oerfcßiebener
gorm, 3utage tritt in ben ©riefen unb iagebucß*
blättern genni) oon ©uftebts unb in £üp ©rauns
„©temoiren einer So3ialiftin“. gennp oon
©uftebt, fie, ein rnaßres ©emüt ber ©tiitterlicßteit,
hat an ihren heißgeliebten ftinbern bennod) bie
gan3e Oragöbie ber grembßeit 3toifd)en 3mei
©enerationen, biesmal aber im Sinne ber rüd*
läufigen (Sntmidlung, burchgemad)t, erft in bem
(Enfelfinb erfannte fiemieber fich felbft, „mie mein
bas 5 Unb ift, fönnt ihr nicht glauben“, fd)rieb
fie. Oer iperangemachfenen gab fie ihren Reid)tum
an Überlieferungen, an ©ebanfen, an Schrift*
©tatßilbe Rapp
§anb3etd^nung ber gennp oon ©uftebt
gennp oon ©appenheim
©us ben £)rtgtnal 3 eid)nungen ber genug oon ©uftebt
(im ©efitje ber grau £üp ©raun)
ftüden, leiber maren Stiften intereffanter ©riefe,
oier ©änbe Oagebüd)er fcßon oernid)tet. ©ber
bas, mas blieb, gibt nicht nur ein ©ilb gennp oon
©uftebts unb ihrer gebt, fonbern auch eine (EI)ren=
rettung ihres ©aters, Rapoleons oiel oerläfterten
©rubers geröme. Oer £iebe, bie ihn mit ber
Schönen, jungen, an einen oiel älteren, fränfliehen
©atten oennählten Oiana oon ©appenheim oer*
banb, entfproffen 3mei Oöd)ter, gennp, bie erft
mehr benn breiig gahre Später ihre rnahre §er*
funft erfuhr, unb ©auline, bie, heimlid) in einem
fran3öfifd)en5tloSterherangemad)fen, alsmere©tarie
be la (Eroix bort lebte. Sie mar es, bie gennp bas
©ermäd)tnis ber ©lütter, ihren ©ater 3U lieben,
übermittelte unb einen regen ©riefmecßfel 3mifchen
ihrer Schmefter unb geröme einleitete, ber uns ein
§er3 ooll ©aterliebe, (Sntfagung unb Oreue 3eigt.
*
©m meimarifd)en §of mud)s gennp in faft
gefchmiSterlid)em ©erßältnis mit ber fleinen ©rin*
3eß ©ugufta auf, ihre erften Stinbßeitseinbrüde
maren ber ©roßßer^og Siarl ©uguft, feine ©e*
mal)lin £uife, (Erbgroßßer3ogin ©iaria ©aulomna,
„bie lieblich mürbige“, ©oetl)e, ber fich ber Siinbet
in unermüblicßer ©üte annahm, (Ernft ©uguft oon
©ersborf, ber energifeße liberale ©Seimarer
©linifter, gemtps trefflidjer Stiefoater. grüh
3eigte fiel) ißr ßerootragenbes 3ßiä)entalent, bie
©ier3el)njährige erhielt auf ber ©usftellung ber
meintarifd)en 3ei<h e rrfcE)uXc eine filbeme ©tebaille,
unb Später, menn bie anbern jungen 9 Jtäbd)en fid)
im ©efellfchaftsfreife mit Stidereien beschäftigten,
nahm fie Sfi33enbud) unb Stift unb fd)uf fleine
©orträte, oon benen nod) eine gan3e ©eil)e er*
halten finb. grüf)reif, literarifd) unb fünftlerifd)
hod)begabt, glich fie einer „glül)enben ©lume bes
Sübens". ,,©ar fo fd)ön, fo unbemuf)t anmutig,“
nannte fie ©oethe. gtjre 1837 mit SBerner oon
©uftebt gefchloffene ©h e führte fie aus ber oer*
feinerten Kultur ©Seimars auf ein abgelegenes
meftpreuhifches ©ut, inmitten einer halb polni*
fchen ©eoölferung. §ier, in ©erührung mit Orunf
unb ©ermahrlofung, ©rmut unb ©erroljung, er*
ftarfte ihr fo3iales güt)len unb Oenfen. ©tit llbel*
mollen unb ©tihoerftehen nad) oben unb nad)
unten fämpfenb, bemühte fie fich, auf ihrem
©ute bie ©eligion ber Xat aus3uführen. Sie
grünbete üinbergarten unb Schule, ein |>eim für
oermahrlofte ilinber, forgte für ftranfe, für ©reife
unb (Elenbe. ©eglüdt burd) bie eigne ©tutterfd)aft,
oerlor fie als fchmer3enreid)e ©tutter 3mei üinber
burd) ben Oob, unb aud) bie brei anbern bereiteten
ihr oiel ilummer unb (Snttäufchungen. gm gahre
1848 fanbte fie „gbeen 3ur ©eorganifation bes
Staates“ ihren greunben, bem (Erbgrofchersog
oon ©Seimar unb ber ©rin3effin ©ugufta oon
©reuten. „©Ile Regierungen Sollten bal)in Streben,
(Einrichtungen 3U treffen, bah ohne übermäßige
©rbeit jeber ©tenfeh feine £ebensbebürfniffe auf
bie einfachste ©Seife befriebigen fönnte, unb baß
bei felbftüerfd)ulbetem (Elenb ber ©Itern bie ftinber
gerettet merben.“ Sie felbft oertaufte einen großen
Oeil ihres Sd)mudes, um für ben ©rlös ein ©et*
tungshaus für uneheliche 5 tinber 3u grünben.
Oreiunb3man3ig gahre lebte fie auf bem £anbe,
uttermüblid) tätig für bie ©erbefferung ber 3n=
ftänbe, ftets in gühlung mit allen ilulturfort*
Schritten. ©Is ©Sitme, ba bie ermadjfenen ftinber
ihrer nid)t mehr beburften, 30g fie mieber nach
©Seimar, bas im 3 eitalter £if3ts unb ©Sagners
eine neue ©lüte3eit erlebte. gl)re greunbe, unter
anbern ©roßher3og 5 Sarl ©leianber, ©Solf unb
©Salter oon ©oethe, brad)ten ihr bie alte £iebe
entgegen, noch einmal blühte fie auf in einer
geiftigen ©tmofphäre, bie ihr eigen mar. ©llen
(Errungenschaften bes ©Siffens, allen ©hafen ber
ftunft, allen ©ßanbluttgen ber ©olitit folgte fie
bis in ihr hohes ©Iter; mit über fünfunbfieb3ig
gahren las fie bie ftenographifdjen Reichstags*
beridjte „mie einen fpannenben Roman“. gl)re
©nfeßauungen über ben idrieg, über maßres
©ßriftentum, ©Siffen unb ©lauben, bie ©flid)ten
ber ©efißenben unb bie Rechte ber (Enterbten,
£urus unb ©infad)l)eit unb anbres finb oon munber*
barer Klarheit unb greißeit bes Oentens. Sie
ftanben aber in ebenfo feßroffem ©egenfaß 3U ben
ianbläufigen ©nfidjten bes tonferoatioen ©bels
mie ber ©eift bes ©oetßefcßen ©Seimars 3um
guntertum ©reußens nad) 1870 . Rod) einmal gab
bie alte grau ißr langerfeßntes §eim in © 3 eintar
auf, fie tat es fd)mereu §er3ens aus ©lütter*
liebe, um bei ißren Äinbern leben unb meßr
oon ißren ©litteln für fie aufmenben 3u tönnen.
©ber 3u groß mar bie illuft ber ©Seltanfcßau*
ungen, fie blieb innerlich fremb in bem oft*
preußifeßen $aufe, beffen ©äfte fid) ftunbenlang
oon Rennen unb ©ferben unterhielten, für ftnute
unb ©rügelftrafe feßmärmten, benen bie ©rmen
fd)mußiges ©ad maren, mäßrenb bas §er3 ber
©reifin meßr unb meßr blutete unter ben fo3iaIen
llngerecßtigteiten, bie in ißr ein förmlid)es Sd)ulb*
bemußtfein mad)ßielten. gßre tieffte Seele, ißre
lüßnften ©läne unb ©ebanten ftrömte fie in ißren
©riefen aus, gan3 befonbers in benen an bie ißr
feelenoermanbte ©ntelin, ber ja auch Später bie
gan3e grembßeit mit ißrer Sippe fo unüberbrüd*
bar 3um ©emußtfein tarn.
gn einer guninad)t bes gaßres 1890 ent*
fcßlummerte fie; niemanb mar bei ißr in ber £obes*
jtunbe, aber ber £ob hatte fie fanft mit fid) ge*
nommen. „Rientanb feßentte ißr ben Ießten Ruße*
plaß, bort mo ißre £jer3ensßeimat mar.“ gern
unb einfam liegt ißr ©rab auf einem armfeligen
X)orftircßhof in £egitten. ©ber bie (Entelin, bie
aus bem gamilientreife ausgefeßiebene So3ialiftin,
ßat bafür geforgt, baß fie ein unoergänglicß Dent*
mal erßielt, ein ablig Dentmal, an bem Xaufenbe
unb aber Xaufenbe Stunben ber ©rßebung unb ber
©Seiße abßalten. ©bele Schreibet
greberit Rotberg
3 eicßnung ber gennp oon ©uftebt
1911. 9lr. 48
Hber ßartb unb SCReer
1245
1246
Über £anb unb 9Jleer
1911. 9tr. 48
Die Dogge
33on
(Emil eigner
'TN er Same Dogge ift eigentlich als eine Sarnmel*
be^eirfjnung für alle träftig gebauten, fur3=
haarigen §egi)unbe mit 3iemlid) großem Kopfe
unb oorn red)twinflig abgeftumpfter Schnake 3u
oerftehen. 3 u biefen Kenn3eid)en treten nod) eine
[ehr tief hetabhängenbe Oberlippe unb ein träftig
entroideltes ©ebib- Unter Dogge finb bie beutfd)e
Dogge, bie Sullbogge, bie Dogge oon Sorbeaur
unb bie alten Sullenbeiher 3u oerftehen.
2 Benn man ben Urfprung ber heutigen Doggen*
formen oerfolgt, fo muh man bis 3um beginn
ber d)riftlid)en 3 eitred)nung 3urüdgehen. Sei
ben alten Ütgpptem roaren noch leine ed)ten Doggen
oorhanben; bagegen finben roir bei ben Sffprern
eine [ehr tompatte, fd)werfällig gebaute, fur3*
haarige $lrt oon Kampfhunben, bie oiel $hnlid)ieit
mit bem plumpen Sullenbeiher haben unb auch
in ber t$rorm, nicht aber in ber Sehaarung an ben
Serghunb oon Dibet erinnern, auf ben ich im
fiaufe bie[er Sbhanblung nod) 3urüdtomme.
Seltfamerweife tannten bie alten ©ried)eu
ben affprifd)en Kampfhunb nid)t, [ie hatten ebenfo
roie bie alten Sömer nur fpihfdjnau3ige Kampf*
hunbe mit hohen fiäufen unb tu^em §aar. Der
Deutfd)e Dogge
§unb oon Sioloffis, ber häufig fälf<hlid)erweife
als bas 3 beal aller Doggenformen betrachtet roirb,
war ein toolfartiger $irtenhunb wie ber heutige
£mnb ber römifchen ©benen.
Sm früheren roohl ermähnt ©ratius galiscus
3U Som boggeuartige $unbe; [yaliscus, ber im
3toeiten 3 ah^hunbert nad) ©hriftus lebte, hebt
gan3 befonbers ben s JSut unb bie Kraft ber aus
Sritannien eingeführten breitmäuligen fimnbe
heroor, bie bei ben bamals in Stöbe ftehenben
3 irtustämpfen bie $unbe oon Sioloffus befiegten.
©efledte beutfd)e Doggen
roar es SBürttemberg, bas oon jeher in ber 3 ud)t
beutfd)er Doggen auf hödjfter Stufe ftanb, oor
allem bie Stabt Ulm 3üd)tete oor3üglid)e ©rem*
plare, fo bah bie Se3ei<hrtung „Himer Dogge“
nicht gan3 ungerechtfertigt ift. Sei ber ra*
piben SBeiteroerbreitung ber 3 ud)t biefer
Ijunbe ging man fdjliehlid) 3u ber Se 3 eid)=
nung „beutle Dogge“ über. 3 n ftranfreid)
ift bie Se3eid)nung „Grand Danois“ gang
unb gäbe unb in ©nglanb „Great Dane“.
Diefe Senennung muh als total fatfd) an*
gefehen werben. £>b urfprünglich bie Saffe
aus Dänemart ftammt, mag bahingeftellt blei*
ben; jebenfalls hat bie heutige beutfd)e Dogge
mit Dänemarf nid)t bas geringfte 3u tun.
1897 unb 1898 [ah man auf ben §unbe=
ausftelhmgen 3U Kopenhagen gan 3 grobe
Doggenfoloffe, „Danste £junbe“ genannt, bie
fid) 3 U unfern Doggen roie ber belgi[d)e
Karrengaul 3um ebeln Araber oerhielten;
roas bort an guten Doggen
3u fehen war, ftammte — aus
Deutfd)lanb.
Die beutfdje Dogge oereinigt in
ihrer ©efamterfd)einung Kraft unb
©legans toie taum eine anbre
§unberaffe. Sie hat nid)t bas
Slumpe unb Schwerfällige bes
Staftiffs, nod) bie 3U fehl ante unb
leid)t an ben 2 Binbt)unb erinnernbe
fyorm; fie hält bie Stitte 3toifd)en
beiben ©rtremen. Sebeutenbe
©rohe bei eleganter unb träftiger
Sauart, weiter Stritt unb [tol3e
Haltung, Kopf unb £>als hoch, bie Sute
in ber Suhe abwärts, im Riffelt geftreeft
ober mit möglidjft fd)wad)er Siegung
nad) oben getragen.
Der garbe nad) unterfcheibet man
3 unäd)ft bie geftromte Dogge; bie ©runb*
färbe berfelben oarüert oom l)en[tert
©elb bis 3um buntelften Sotgelb, immer
mit fd)toar3en Querftreifen geftromt. ©s
folgen einfarbige Doggen, beren $arbe
gelb ober grau in ben oerfd)iebenen Sb*
arten, entroeber gan3 einfarbig ober mit bunteint
Snflug an ber Sdjnauße, ben klugen unb mit Süden*
ftreifen; aud) einfarbige fd)toar3e Doggen tommen
oor. Sei ben geftromten unb einfarbigen Doggen
ift bie Safe ftets fd)toar3, klugen unb Sägel buntler;
weihe Streichen finb nur auf ber Sruft, an ben
Sorberläufen unb allenfalls nod) auf ben Pfoten
geftattet.
Sei ben grauen Doggen finb hellere klugen,
aber teineswegs ©Iasaugen suläffig. Die ©runb*
färbe ber gefledten Doggen ift weih mit unregel*
mähig 3erriffenen, aber über ben gan3ett Körper
möglichst gleichmähig oerteilten fd)war3en ober
grauen Rieden. Sei biefer garbenart finb ©las*
äugen, fleifd)farbene unb gefledte Olafen fowie
helle Sägel nid)t fehlerhaft.
Der männliche £unb foll 3um minbeften
76 3 <mtimeter, möglid)ft 80 Zentimeter groh fein,
bei ber Sünbitt muh bie j ©rohe 3wifd)en 70 *unb
75 Zentimeter betragen.
©nglifdjer SCRaftiff
Die beutfehe Dogge
Uber ben Seginn ber 3 u<f)t biefer
Saffe läht fid) fd)wer etwas feftftellen,
fooiel nur ift betannt, bah fie, natürlich
unter anberm tarnen unb in gröberem
Sau, fdjon oor oielen hunbert Zahlen
exiftierte. Suf alten Kupferftid)en unb
Slgemälben finben wir grohe, träftige,
tur3haarige §unbe, bie mit unfrer mo=
bernen beutfd)en Dogge oiel $hnKd)feit
haben unb wohl als ihre Soreltern an*
3ufet)en finb.
Diefe groben £unbe würben bamals
nicht allein aus ^ßaffion, fonbern aud)
3unt perfönlichen Sd)uhe ihrer Sefiher
gehalten unb mit Sorliebe für Sd)war3*
unb Sotwilbjagben benuht.
Die in früheren 3 eiten gebräud)liehe
Se3eid)nung „§ahrübe“ ftammt wohl
aus biefer Serwenbung t>e*- Die' ur=
fprünglid)en Doggen waren grobe, maf*
fioe irjunbe; bie eigentliche Sereblung
biefer 9 ?affe batiert erft feit ungefähr
fünfunb3wan3ig Zähren. ©an3 befonbers
©nglifdje Sullbogge
Der SKaftiff
Dah ber Staftiff ber mobernen 3 ^it
3 uführung fremben Slutes hat, fteht
auher allem Zweifel; mit oielem ©r*
folg würben I)ier3u tur3haarige Sanft*
Sernl)arb=£junbe oerwenbet.
Der allgemeinen ©rfdheinung nad)
ift biefe £junbeart oon grobem, fräfti*
gern, fpmmetrifdjem unb wohlgepflegtem
Sau; in ihr repräfentiert fid) eine Ser*
einigung oon SBürbe, ftartem Dempera*
ment, Stut unb ©elehrigfeit. Der Hm*
ri| bes Kopfes erfcheint oiereefig. Der
Körper ift maffig, breit, tief unb lang
unb ruht auf breitgeftellten fiäufen
mit ‘ [djarf ausgeprägter Siusfulatur.
©in gan 3 befonberes SZerfmal ber
SRaffe ift bie fur3e, unterhalb ber illugen
unb bis 3ur Safenfpihe 3 iemlich gleich*
mähig breit bleibenbe Sd)nau3e; biefe
ift oorn ftumpf unb oiereefig abgefd)nitten
unb bilbet fomit einen rechten SBinfel
mit ber fiinie bes Safenrüdens. Kleine,
1911. r. 48
Über £anb urtb 9fteer
1247
fid) bünn anfühlenbe Obren finb an ben I)öcf)ften
Suntten ber Seiten bes Sd)äbels angefetjt. $tls
garbe liebt man 9 tötli<hgelb ober Silbergrau ober
bunteigrau geftromt. 3n jebem galt finb bie
Schnake, bie Obren unb bie 9 tafe fd)war3, ebenfo
befinben fiel) fd)war3e Stellen rings um bie klugen
unb zwifdjen benfelben aufwärts.
Oie englif d) e Sullb o gge
Oie englifebe Sullbogge tann man toobl als
9 taüonalbunb ber ©nglänber bezeichnen. ©an 3
irrig ift bie 5 lnfid)t, bah bie Sullbogge ein falfd)er,
binterliftiger Surfte fei, bem man am beften
meilemoeit aus bem SBege gebe. Oie blutigen
Sullboggen finb äuherft gutmütige, anhängige,
liebe ©efellen, bie bei richtiger Sehanbhmg in
Oreue unb %d)änglid)teit oon teinem anbern
§unbe übertroffen roerben. Oie Sullbogge ift
im allgemeinen rul)ig, fd)werfällig, unb es ift baber
eine gan3e Portion Anregung notwenbig, um fie
aus ihrer Sut)e berauszubringen. ©inmal in 2But
oerfebt, oerteibigt fie ihren §errn bis aufs »lut.
Seim Eingriff gebt fie, teine $urd)t tennenb, ihrer
5traft beraubt, offen unb ebrlid) auf ben $einb los;
für ftinber ift fie ber befte unb 3uoerläffigfte ©e=
fäl)rte, fie ift „tinberlieb“. Oie Slbftammung ber
Sullbogge ift fdjroer auf3utlären; bie einen be*
baupten, fie ftamme oon bem alten britifd)en £unb
ab, beffen fid) bie Ureinwohner Sritanniens in
ihren Kämpfen gegen bie römifeben ©roherer be*
bienten. Oie anbern meinen, fie fei aus ber
gröberen unb furd)tertoedenben fpanifchen Süll*
bogge gezüchtet, zu ber man and) bie Oogge oon
Sorbeaur rechnen muh- £>ie gröbte 2 ßal)rfd)ein*
lid)teit bat febod) bie Annahme, bab bie 91 taftrffs
unb Sullboggen gemeinfamen Urfprungs finb.
Seibe follen oon bem 9 llaunt ber alten Schrift*
fteller abftammen, ber 3ur 3agb auf £öwen unb
Sären benubt tourbe. Um bas 3 abr 1500 herum
fprid)t man zuerft oon ber Sullbogge; im fed)Zel)n*
ten äabrbunbert tourbe ber §unb 3U Stier* unb
Särentämpfen benubt. s Un folgen Seranftaltungen
beteiligten ficb felbft bie erften Greife unb fanben
©efallen baran; ftürftlid)teiten halten fid) ganze
Leuten foldjer ilampfbullboggen.
Oie Sullbogge bat bas 9 tusfel)en eines glatt*
haarigen, unterfebten §unbes oon etwas niebriger,
aber breiter, mächtiger $igur. ^luffallenb fchwer
unb umfangreid) ift ber 5 topf im Serl)ältnis 3ur
©röhe bes §unbes; bas ©efid)t ift au ber orb entlieh
tur3, bie Sdjnauze breit, plump unb aufwärts ge*
richtet. Oer ilörper ift gebrungen unb woblgeformt
unb bie ©liebmaben ftämmig unb musteireich.
3 m Umfang foll er fo oiel meffen, als bie Sd)ulter*
höbe beträgt. Oie Sehaarung ift fein, tur3 an*
§unb aus Oibet
liegenb unb glatt, hart nur infolge ihrer ftürze unb
Oidjtigteit, niemals brabtig. Oie [yarbe muh ent*
weber einfarbig ober einfarbig mit fd)war3er SJlaste,
jeboeb rein unb beutlid) fein. Oie färben finb,
wenn War unb unoermifdjt, wie folgt 3u bewerten:
geftromt, 2 ßeib mit feinen Spielarten, Sotgelb,
fahlgelb unb fo weiter, ferner buntfd)edig unb ge*
mifd)tfarbig.
Oie fran3öfifcbe 3 w e r g b u 11 b o g g e
Oiefe £junbe waren lange 3 ert bie fiieblinge
ber franzöfifdjen £junbefreunbe unb in noch höherem
s dRahe bie ber 9 tmerifaner, bie alles £unbe*
material in grantreid) auftaufen unb in ihre
$eimat bringen.
Oie tleine franzöfifdje Sullbogge ift ein leb*
bafter, intelligenter unb fetjr mustulöfer §unb
oon fefter Sauart unb tleinem 5 tnod)engerüft.
Oer 5 topf befißt bebeutenbe Stärte, ift breit unb
oieredig, ber Sd)äbel beinahe flad), bie Saden*
mustein febr entwidelt, febod) ohne Sorfprutig;
breit, oieredig unb mächtig ift bie Schnauze. Oer
Untertiefer ragt über ben Obertiefer oor unb um*
gibt ihn, bie Schnauze barf niemals fpißig ober
Zufammengezogen fein. Oie £ippen finb bid, bie
untere muh bie obere in ihrer TOte treffen unb
bie 3 äbne oollftänbig oerbergen. Oie klugen finb
bunteifarbig, ziemlich grob, nicht 3u tief liegenb,
aber auch nicht febr beroortretenb; fie bürfen
teine Spur SBeih fet)eu taffen, wenn fie bem Se*
flauer 3ugewanbt finb; fie finb tiefgeftellt, ziem*
iid) entfernt oon ber fRafe unb befonbers oon ben
Obren. §elle klugen finb fd)led)t unb ungleich*
farbige ein ©runb zur s Ubweifung. Sefonbers
d)aratteriftifd) finb bie Ohren, unter bem tarnen
glebermausol)ren betannt; fie finb mittelgrob,
unten breit unb an ber Spitze abgerunbet, h°d)
am ftopfe angefeßt, nicht zu nabe beieinanber
ftebenb unb müffen gut getragen werben. Oer
Süden foll breit, tur3 unb mustulös fein; tief an*
gefetjt ift bie Sute unb oon bider 3°*™, an ber
Spiße fid) oerjüngenb, gerabe unb fet)r turz; es
gibt ftnoten* unb Scbraubenruten; eine aufwärts
getragene Sute gilt als f<hled)t. Schönes, tur3es
unb bid)tes §aar 3eid)net bie Saffe aus; als garbe
ift buntelgeftromt am beliebteften.
Oer Oibetbunb (Oibetbogge)
2 Benn aud) ni<bt ben eigentlidjen Ooggen*
formen red)nenb, hot bie Oibetbogge boeb eine
fold)e $tmlid)teit mit ber Oogge, bah bie Se3eidh*
nung „langhaarige Oogge“ ober „Oibetbogge“
wohl am Stoße ift. Sd)on 3ur 3 ^it bes affprifdjen
Seid)es exiftierte bort eine £>unbeform, bie bem
nod) beute in Xibet gezüchteten SBacbtbunb bis
auf bie längere Sehaarung bes letzteren täuf<henb
ähnlich fiebt. Oiefe §unberaffe ift febr feiten nach
©uropa gebracht worben. 3hre ©röfze entfprid)t
ungefähr ber eines ftarten langhaarigen kühner*
bunbes, bod) finb fie fihwerer; aud) ber &opf ift
gan3 bebeutenb ftärter unb ber $als mäbnenartig
bid behaart. ?ln diuntpf, $als unb 91 ute erfd)eint
bie Sehaarung lang, bid)t unb fd)Uc^t herab*
bängenb ohne SSellenform. Unten am Saud)e
nnb hinter ber fteule bilbet bas oerlängerte §aar
eine geber, biefe fehlt febod) an ben Sorberläufen
auf ihrer ganzen £>interfeite, unb ebenfo finb bie
£interläufe oom gufee bis eine §anbbreit über bas
Sprunggelent hinauf tur3 behaart. Oer üopf
erfd)eint tur3 unb bid)t behaart. Oie fd)Ied)t an*
liegenben furzen Ohren finb nur gering behaart;
bas fleine 9 Iuge ift blin3elnb unb überhaupt ber
ganze ©efid)tsausbrud mürrifd) unb mihtrauifd).
Oie Sorbe bes §aares ift ein tiefes, glän3enbes
Schwarz mit ben befannten bad)sl)unbartigen
Abzeichen, febo(h in geringerer 'ittusbehnung.
gta^rf 6urc^> bie 'gßenbei
OTbfeits oon ben großen §eerftrahen unb un*
vt berührt oon jeglichem Oouriftenoerfehr liegt
in ber wenbifdjen fiaufiß auf fd)lefifd)em ©ebiet
bas fleine, nur etwas über 2000 ©inwohner
Zählenbe ßanbftäbtchen 2 ßittid)enau. Oie ©hronif
befagt oon ihm, baß es fd)on 940 als befeftigte
Stabt erwähnt wirb, unb bah es zunäd)ft 3U
Söhmen unb bann zu Sa<hfen gehörte, ehe es an
Sdjlefien fiel. Ood) biefes Filter fieht man heute
bem Stäbtchen nid)t mehr an; benn es würbe
im 3 ahre 1827 bur<h eine grohe Seuersbrunft
oollftänbig bis auf ben ©runb zerftört. ?fls ein
einfaches £anbftäbtd)en, beffen Sewohner neben
^tderbau oornehmlid) Sieh3nd)t betreiben, prä*
Slusfteuerwogen einer wenbif(hen Sraut
fentiert es fid) bem Sefdjauer. Still unb ruhig
ift es in ben Straften, unb nur an ben Sonn*
unb Seiertagen, wenn bie ©loden ber alters*
grauen fatf)oliJd)en 5 tird)e 3um ©ottesbienft
rufen, änbert fid) mit einem Schlage bas Silb.
3n bunten SRengen brängt es fid) 3U ben
Ooren hinein, belebt bie Strahen unb fammelt
fid) auf bem weiten ifirdjplah. Oas äBenben*
oolf ftrömt aus ben umliegenben Oörfern 3ur
Äirihe.
©eht bas ganze £eben bes Sßenbenoolfes
oon ber SOßiege bis 311m ©rabe aud) in uralten
©leifen oor fid), fo gibt es bod) eine fReihe
Momente in feinem £eben, bie unfre 93 ead)tung
lohnen, hierher gehört oor allen
Oingen [bie ©hef<hliehung. ©ine
wenbifd)e §od)zeit ift ein ©reignis,
an bem bie ganze Umgebung teil*
nimmt unb bas bie weiteften Greife
3iel)t. Unb bas ift aud) naturgemäß
Oie Sauemgehöfte in ben wenbi*
fd)en Oörfern finb meift fahr*
hunbertelang in einer Familie, oer*
erben fidh immer auf ben älteften
Sohn. 9 Jlit bem ©el)öft fteht unb
fällt ber wenbifche Sauer, ©s ift
beshalb überaus wichtig, bah ber
lebige Sauer unb ©rbe fidh eine
tüchtige Säuerin in fein £jaus holt,
bie ihm in ber ©rhaltung bes ©rbes
unb ©ehöftes treu unb tatfräftig
3ur Seite fteht. £iebesf)eiraten
gibt es im eigentlichen Sinne bes
äBortes bei ben Sßenben nid)t; bas
2Benbif^es Srautpaar
1248
Über ßartb unb SWeer
1911. 9lr. 48
unb Sad)[en, toie man aus ben oerfd)iebenen
Säuberungen bes Spreemalbs roeiß. 2 Bie fremb*
artig mutet bod) biefes Deben oieler JBenben „3u
2 Baf [er unb 3u Daube" ober oielmehr mehr 3uSSa[fer
als 3U Daube an! 2 Bie man ba bie <ood)3eits=
gefellfdjaft in 5 täl)ueu beförbert, [o tragen lange
Soote aud) bie Daufgefellfd)afteit auf bem
2 Bege 3u unb oon ber 5 Hrd)e; [o fährt man aud)
bie Deid)eu im Soote ober 3 ur 2 Binters 3 eit auf
oon Sd)littfd)ul)Iäuferu begleiteten Schlitten übers
©is 3ur letjten 91 ui>eftätte.
Deiber ift biefes uralte, intereffante Söltcßeu
ber SBettben im ^usfterben begriffen; 3um min=
beften il)re Spradje infolge oielfad)er Serbiu«
bungen oon SBeubeu mit Deutfd)eu, aud) ber
Süube aus alten 2 Benbengräbern
bei 2 Bittid)enau
S 3 eubifd)e Saueruhod)3eit
Srautpaar mirb oon ben (Eltern nadj oorl)ergegangener langer Serhaubluug
über bie äRitgift ber Sraut unb ben SBert bes Sräutigams 3 u[ammengegeben.
Diefer Stanbpuntt lommt aud) bei ben oerfd)iebenen ©ebräudjeu, bie bei einer
roenbifd)en §od)3eit bead)tet roerben, 3um Husbrud. ©ine große toeubifche £od)=
3eit bauert oft 3ioei bis brei Sage, über füufhuubert §od)3eitsgäfte finb teine
Seltenheit, unb eine ftattliche 9 lu 3 al)l SKiuber, Sdjtoeine unb Kälber müffen ihr
Debert babei laffen. Deu Stol3 ber toenbifdjen Sraut bilbet ber Vorrat an
Srautbetteu, bie auf hochbelabenem unb mit bem Spinnrab gefröntem ÜBagen
feierlich oon bem §aufe ber Sraut 3u ihrem neuen
£jeim gefahren roerben.
2 ßie in eine anbre SBelt oerfeßt fühlt man [ich,
roenn man bie einfamen, füllen Dörfer ber 2 Benbei
burchfdjreitet, bie ftrammen Surfd)eu, bie brallen
Säbels, bie gelaffenen Säuern beobachtet unb ben
fremben 5 Haug ber toeubi[d)en Sprache immerfort
im Ohre trägt. 9 tid)t roenig liegt bies aud) an ber
höchft eigentümlid)en S3enerie eines großen Deils
bes oon SBenbett betool)nten ©ebiets in ißreußeu
SBenbinnen im ^eftgetoanb
3 Bittid)enau in ber Daufiß
TOitärbieuft fpielt hier eine roid)tige 9 loIIe
unb bie 9 totroenbigfeit bes Sertehrs unb
§anbels mit Deutfdjeu. Derart geht bie
3 ahl ber nur toenbifch [precheubeu Deute
in beibett Döuigreid)eu ftänbig 3urüd, in=
bes bie ber beibe Sprad)en beherrfd)en=
ben ober bas 2 Benbifd)e aufgebenben
Serool)uer ber SBenbei roöchft. Daraus
erflärt fid) ber ftatifüfd)e 91 ad)roeis, bah
aud) bie um 2 Bittid)enau herum lebenben
-.r r ^ . ^enben oon 3 al)r 3u 3 ahr an 3 al)I
roemger merben. Hm fo 3al)er burfte bas 2 Benbenoolf, fo fd)eint es nad) längerer
Seobacßtuug, an feinen alten ©ebräuchen feftl)alten. Hnb bie finb großenteils ebenfo
mtereffant unb liebenstoürbig roie bie Deute felber, mit beiten es fid) gut umgehen läßt.
3 eber ber uns Segegueubeu, fei er groß ober flein, grüßt ehrerbietig; bas ÜBeiblein,
bas bort auf ber Danbftraße gegangen fommt, fniet oor einer am SBege ftel)enben
fleinen Kapelle nieber, um anbäd)tig ein ©ebet 3u fpred)en, unb el)rfurd)tsooU
3tel)en uuuüllfürlid) aud) mir ben $ut oor bem am gelbrain fid) erl)ebenben hohen
5 treu 3 utit bem fterbenben ©hriftus. 5 lllerbiugs befennen fid) bie SBeubeu größtem
teils 3um eoaugelifcheu ©lauben, nämlid) 3u etrna elf 3 mölfteln ber ©efamt3al)l.
Sehen laffen fann fid) bie Diteratur ber 2 Benben; fie haben einige treffliche
Dichter unb mand)e Sollsbid)ter heroorgebracht. Unb recht intereffant finb bie
Sammlungen ber menbifchen Sagen unb fonftigen Soltsüberlieferungeu.
Dod) nun heißt's s übfd)ieb nehmen oon 2 ®ittid)enau. Die Sonne oerfinft im
SSeften unb oergolbet ben Durmfnopf ber tfirche, bie aus Säumen, Sü[d)en unb
gaufern in bie b!auoerfd)Ieierte Duft fticfjt, im Dornfelb 3 irpen bie ©rillen, eine
yjtagb fingt beim 5 Ueefid)eln ein fdjmermütiges toenbifd)es Soltstieb, unb ein Sauer
3 teht mit feinem müben ©aul füll bem £eimatborfe 3u.
Siomalj unb baS ^orabieS.
£ätt’ ‘Hbam ^iomalj gefannf,
‘JBär’ er in$ Hngliicf rtidf)t gerannt.
Vereitelt mär’ ber Schlange Diff,
c 2öetl 93iontal3 ba3 93e(fe ift.
^luch ©oa hätte ficherlid)
t^ür 93tomal3 begeiftert ftrf>;
Sie hätte 93iomalä gedurft
Hnb nach bem 9^9«^«
bat fidb bei meiner grau unb beiben <3öl)nen norjüglid^ bemätjrt,
ja fein gelten ^at fogar bei bem Silieren SRad^teile bei ben Ser»
_ bauungSoorgängen gejeitigt. <Sanität§rat Dr. grei^err oon 93.
gd) ermöcf)tige Sie, ju fagen, bafi idE) mit Siomalj redit jufriebenfteHenbe Sfefultate
erjielt ^abe unb e§ ftänbig in meiner Siünif »erroenben merbe. ©et). ÜDtebiünalrat S^of. Dr. S.
Sie roünfdjen ju roiffen, reelle ©rfaijrung i<^ mit ben Siomaläbofen, bie Sie mir p Ser«
fud)§sroecfen gütigft jufanbten, gemalt ^abe. gef) fann gfjnen fürs unb bünbig antworten:
9?e^t gute! ®e§megen f)abe id^ e§ auc^ jweimal nacf)beftellt. 3mei SKitglieber meiner
r
Sie mär’n im ^arabieö geblieben
Hnb oon bem ©nget nicht oerfrieben.
So mär’ geworben ^iomalj
93erhinberin be^ Sünbenfallö.
Doch 'Biomalj, ba$ baut noch h c «l’
©in ^arabieä für Huge Deut’,
< 2BeiI eS ©efunbheit, Schönheit, 5^raft
Hnb frohen Sinn im ioaufe fchafft.
%x. Coremjen.
-X
gamifie gebrauchen e§ jefet noefj unb roerben e§ nod) auf SJtonate lang gebraud)en, ba i*
feftgefteüt habe, bafi e§ ihnen beiben ungemein gut tut. Dr 1 8 1
9J)an erhältJ. 1 SM. bie Heine, f. 1,90 2». bie große ®ofe inSlpoth-, ®rogenhanbI. it. «Reform«
häufern. (gn ßfterr.«Ung. K 1,30 u. 2,50.) SRandhe SSieberoerfäuf. empfehlen au§ eigennühig
«Dtotio. etroa§ anbere§al§ angeblich „ebenfo gut". Sßiefeltfam! Sßenn eip belieb. anbere§ Sro«
buft „ebenfo gut" roäre, warum nehmen bann Srofefforen u.trjte, ÄgL ftlinifen, Sloiatifer
«Rennfahrerufro. Siomalj u. nichts anbereS? Srofp.nebftßoftprobe oerfenb.oöaig foftenl.: ©hem’
gabnf ©ebr. ißatermann, $eltoro«Serlin 109, bie auch bie nächfte SejugSgueQe nachroeift.
1911. 9tr. 48
#bet £attö urtö 9Jleer
1253
Schach (Bearbeitet von G. Scbaliopp)
Aufgabe i$ Auflösung
«011 BI. H. Bin« tn «HOBO (Stal) jjj |?
Sctjtnara (2 Steine)
Eogogrlpb
Die Dugenb, bie bu übft mit ftarler £>anb,
Hm (dpnere, feltne Siege 3 U gemimten, .
äBetttt bu ein 3 e i^en milberft nur barinnen,
SBirb in ein bäfeHd) Üafter umgemanbt. R3.
Die ©ucftftaben obiger gigur finb berart %u orbnen, bafe
bie 6 3 infenreii)en (oon oben nacE) unten gelefen) in ber
Reihenfolge 3Börter oon folgenber Sebeutung ergeben:
1 . £änblicf)er ©eruf; 2. Raturereignis; 3. $rud)t; 4. Diet=
gattung; ö. C£igenfcb)aft; 6 . SBalbgebiet. Die Hammrücfenreihe
nennt eine müßige $flan 3 e. R. £.
ergänzungsaufsabe
Rtn..ein, Sdf).*ler, (Hs..ben, S<f)*-Ibe, Spe..art,
Rnb.. fen, $uf.. ten, $la • • ein, 23af.. He, Scf).. fei.
Die unten angeführten ©uchftabenpaare finb an Stelle
ber fünfte berart 3 U fet;en, bah befannte SBörter entftehen.
Die richtig eingekeilten 23ud)ftabenpaare ergeben bann, ber
Reihe nach im 3 ufammenf)ange gelefen, ein Spridjroort:
ef, er, il/Ie, nb, fi, ff, ft, ti, toa. §>■ o. b. RL
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 1206 t
Des Rogelrätfels: Papagei, £er<he, Sßachtel, Scptoan,
Rlööe, Sterd), ißinguin, Specht, ^ßetifan. — ißechoogel,
DerStreidj* unb Srgängungsaufgabe: 2Binb=
fpiel, Rlpertpf lange, Gcfjuigljaus, RUttelalter, Rmimann,
Rebelhorn, (Sifenoitriol, Rofebadj, gelbgug, Rnnaberg, ^irfch-
läfer, Ritterburg, (Sisoogel, Rabelgelb, Rtonbfee, Hhrtoerf,
Seehunb, SegeIfdE)iff, Rtutterfprad)e, Rbenbftern, Rächt-
lampe, ©ürgergaxbe, (£ilanb SBrrmemeffer, Rblerorben,
§ofmeifter, Rabfdjuh, Crntefeft, Rotroehr.
„9Bas man erfahren, muh rnan betoahren.“
Des 2Be<hfelrätfeis: Suban, Soben, Sibon, Seban.
Richtige Söfungen fanbten ein: ißaul Riecfljoff, §antburg
(2); ^oh- Stoppel, Hamburg (2); Shetla ®itler, jurjen
Ronnenborn (2); ^onftantin ©Eu#oph jun., St. Rnbrae o. b.
■gagentbale bei Sßiett (l); 8uliu§ ©suetfooits, 93ubapeft (3).
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y ? aäl * ttoei&make
1254
Xtber £artö ttrtb SOleer
1911. $Rr. 48
(Ükfdjäftlulje jpitteUmtgflt
©djott feit einer eil)e non
faßten fpielert in ber Slrjteraelt bie
lünftlicßen SRäbrpröparate eine nicE)t
unbebeutenbe SRoße. S3ei ber bunten
3lu§wai)t berartiger ©rjeugniffe ift e§
für 2lr*t unb Saien fet)t fcßwierig, bie
engere SBaßl zu treffen, benn tagtäglidj
taucßen neue Präparate auf. ®esf)alb
gilt ber alte Uluäfprud): „Stur ba§
®ute bxic^t fid) 33at)n" befonber§ non
Dr. SißetnßarbtS Präparaten fpqgiama
in ißuloer* unb Sablettenform für Kin»
ber non zwei fahren aufwärts unb
©rwacljfene, fowie ^nfantina (Dr. Sßein»
IjarbtS Kittbernaßrung) für Säuglinge.
Sie enthalten alle für ben Slufbau unb
bie ©rßaltung be§ menfcßlicßen Drga»
ni§mu§ .notinenbigen Stäßrftoffe in
möglicßft fonsentrierter unb außer»
orbentlidj leidjt »erbaulicßer gorm.
®ie günftige pßtjfiologifcße Söirfung
ber Dr. SE^einbjarbtfctjen Spezialitäten
ift wäßrenb ntebr als 22 fahren in
einer 9ieiße non UnioerfitätSllinilen
öielfad) beftätigt worben, ®ie ©üte ber
Präparate bat ficb fojufagen non SOtunb
ju SRunbe getragen, unb §ggiama ift
beute in. nielen gamtlien, befonberS
audß in SÜrztefamilien, als regelmäßige^
grüßftü(f§* unb Slbenbgetränf ein*
geführt. „§t)giama*£abletten" ßaßen
fiel) bereits ttad) gnoei fahren bie ©unft
be§ fportlid)en PublitumS erworben,
aber aud) ©efd)äftsleute, SSeamte, 8eß*
rer unb Stüter, ferner £ßeaterbefucßer
unb fo weiter bebienen ficb ihrer mit
Porliebe als fraftfpenbenbe, angenehme
^wifcßennaßruug. ^nfantina bat fidb
auf ©runb ber günftigen ©mäßrungS*
refultate in träniert unb gefunben
Sagen als ®auernaßrung ber ©äug*
linge nieler gamiliett ihren pia| ge»
fidbert, wenn eS fid) barum geßanbelt
bat, einem tleinen SBeltbürger bie na*
türlicbe Stabrung (SRütterbruft) zu er*
feßen. ^ntereffenten für Dr. Sßein*
barbtS Probüfte belieben in Slpotßeten
unb Drogerien ober non ber Dr. &ßein=
barbtS SEäßrmittelgefeEfcßaft m. b. £>.,
@tuttgart*©annftatt, bireft gratis bie
febr lehrreichen 33rofcßüren: „Statgeber
für bie ©rnäbrung in gefunben unb
trauten Sagen" |>t)giama unb „®er
jungen Sltutter gewibmet", ^nfantina
betreffend einzuforbern.
S3ab Stennborf bei fpannoner
bietet für Staturfreunbe ben hoben
nuß, fid) im großartigen Kurparfe zu
ergeben, ber auS ber furfütftlid)en 3eit
flammt, fidb oon ben 93abeßäufern bis
über ben ©alenberg hinauf erftredt
über 20 §eltar umfaßt unb mit geroal*
tigen iöäumen, einer jJüEe feltener ©e*
wädjfe unb entzücfenber promenabem
wege feineSgleicben fud)t. 2lucß bie
nähere unb entferntere Umgegenb gibt
Zu Spaziergängen reidjlicß ©elegenbeit.
2Ber Sftufit liebt, lann täglidh zweimal
ben Klängen einer ausgezeichneten Kur*
tapeEe laufcben, SDiilitärfortgerte finben
faft wöcbenilid) ftatt. SenniSfpieler
finben einen großen, tabellofen Spiel*
plaß, Kinber tummeln ficb auf oerfcßie*
benen Pläßen bei Stingfpiel, Suftfegel*
fpiel, Schaufeln unb fo weiter, ©in
porzüglicßeS Sommertbeater, ein SSa*
riete, SanzgefeEfdjaften, Konzerte oon
Sirtuofen, ^Euminationen, Kinberfefte
unb anbre Sferanftaltungen ergänzen
baS abwed)flung§reid)e PergnügungS*
Programm.
„ bet IfUt&alf ÜHolTe,
SlnnoncemGsppebttion für fämtt. Bettungen
®eutfd)lanb§ unb be§ SluSlanbeS,
in SBerlin, SreStau, Sßemntß, ®re§ben,
$üffetbovf, fjranffurt a. 9E., fäalle a. ©.,
Hamburg, Stöln a. Seipjig, Sftagbe*
bürg, URüncßen, iRürnberg, tgrag, Stuttgart,
SBten, Qürtd).
3ttferitottö-®ebülirett für bie fitnfgefpal*
tene StonpaveiUe» Seite 9Jt. l.so, für bie
Schweiz, QtaUen unb grantretd) fjr. 2.26.
©werter %txx ^Ijjctljblibr!
SSiit Sbrer „9tino = Salbe" bin ich
feßr jufrieben. Qdb habe fdjon oieleS
oerfudbt, aber nichts half, nach ®e=
brauch Sbrer 9tino=Satbe aber ift bie
Scbuppenf(ed)te ganz fort, geh fann
fte bat)er alten nur empfehlen.
bin, 21./9. 06.
O. Besser.
®tefe 9tino = Salbe wirb mit ©rfotg
gegen Söelnteiben, flechten unb 6aut=
leiben angewanbt unb ift in Sofen
ä fDlt. 1.15 unb 3Ef. 2.25 in ben Slpotbeten
oorrätig, aber nur echt in Original»
padung weiß »grün»rot unb g-irma
Schubert & So., SBeinböbla»Bresben,
ffälfdjungen weife man zurüd.
Sie füblen $ici>
sofort wieder frischt
wenn (Sie ein ©Ia§ .gucEerroaffer mit ein paar Stopfen
„Rfcqlcs-lHinzeitgeisf“
Alcool de Menthe de Ricqles
getrunfen haben!
Stefe§ föftlict) atomatifche ©eträn! ift feine Slrjenei, fonbern ein
altbemährte^ angenehme^ $mn§mtttcl! ©§ oeruid)tet bie Kran!»
heitSerreger oon ’^nftuenza, ®tphtt)erie, Spphu§ unb ^
quieft lounberbar, löjcfjt ben Surft, reinigt unb be§infi§tert Sfiunb
unb fHachen unb oerleiht bem Sltem einen fpmpathifchen Suft,.
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für immer zerstört.
Ich übersende jedermann gra¬
tis das Geheimnis, mittelst
welchem ich mich selbst geheilt
habe. Meine Freundinnen sind
ganz entzückt.
Seit meiner Kindheit war ich durch
einen lästigen Haarwuchs auf Gesicht
und Armen entstellt und iühlte mich
dadurch stets beschämt und erniedrigt.
Ich probierte Pulver, verschiedene
Flüssigkeiten, Enthaarungs-Cremes
und alle anderen zu diesem Zwecke
empfohlenen Produkte, aber ich er¬
zielte nur eine Verschlimmerung des Übels. Wochenlang erduldete ich
die Qualen der elektrischen Nadel, ohne dadurch von diesem Schön¬
heitsfehler befreit worden zu sein. Ich gab Hunderte von Mark umsonst
aus, bis mich zuletzt endlose Versuche zur Entdeckung einer einfachen
Methode führten, welche da Erfolg hervorbrachte, wo alles zuvor ge¬
scheitert hatte, und die mich vollständig und für immer von jeder Spur
überflüssigen Haares befreit hat. Ich sende allen jenen, welche mit
diesem Übel behaftet sind, vollständige Auskünfte, .welche es den¬
selben ermöglichen, auf diskrete Weise die gleich guten Resultate
bei sich zu Hause zu erzielen. Ich verlange nur eine 20-Pfennig-Brief-
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ißebaltion unb Verausgabe oerantmortUd): '.Robert SRoßr in 2Bten I. 35rud unb SBerlag ber SeutjcEjen 9?erlags=2lnftalt in Stuttgart, ißapier non ber 'Papierfabri! Saiadj in Salami (üßürttemberg). Sriefe unb Senbuttgen, bie ben
rebaltioneUen Snljalt biejer Seitj^rift betreffen, nur an bie Seutj^e SBerIags>9lnjtaIt, SRebaftion, SBerlin SW, Äöniggrüßer Straße 99 (oßne Sßerjonenangabe) erbeten.
S'io.G
ÜXX
Jahrgang 53
Nr. 49
UBERLÄND UND MEER
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Direktion: Prof. Graf und Ing. Lohmar.
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be?, 48 3u£ tjot)e§ Stanbbiib be?
ötanerfüljrer? SMacffjamf, bet oor turn»
bert Sauren »ergebtidj oerfudjt batte,
bie 2tufreibung feine? Stoffe? butci)
heftige ©efätnpfung ber it)anfee§ auf»
sufjalten. ®ie Statue, au? Sfeton ge»
fertigt, ift ein äBerf be? SBÜDbauer?
Storeb? Saft.
Hoch bau fj Maschinenbau)
Elektrotechnik
Mod.Neubau.
Palindrom
(Ein .§elb ber alten Sagen;
Unb nocf) in unfern Dagen
Dort an ber SBüfte Pforten;
Hnb ferner allerorten
3 n feinem <r>aus 311 mifien,
3Bo ©tlbung rool)nt unb SBtffen;
SOtan fieljt's mit funb'gen §änben
Die Scfjnetbe-rin oertoenben.
5Run lies bas SBort oon hinten,
So roirft bu barin finben,
SBas für bie müfo'gen Stunben
Die 9 feu 3 eit hot crfunben. S IB. StR.
Rätsel
Dtecbetl mir leben,
Sinb tuir's eben
3 ur 3 eit nod) nicht.
Doch weil mir leben
Stnb rotr's eben
93on 5lngefid)t.
Die finb's,
Die mir 3 U (5rabe tragen.
Doch eben biefe
Sinb es nicht. (E. St.
Auflösungen der Rätselaufgaben
Seite 1232»
Des ftorfurätj eis: 2lnna,
fiaoa, fturt, 3far, Stiel, Ofen, Oafe,
Sabi Die beiben oberftett wage*
rechten £etternreil)en 3 eigen: 9lift=
noos — fRaufifaa-
Des£ogogript)s: Hilfen, 9lfen,
5tjien
Sttdjtige Söfungen fanbten ein.
3ot)ann Seibecfer, granffurt a. 9R. (3);
©arl (Eolbe, 2Sie?baben (2); St. SBecf,
Siegen (6); Sßaul Stiecftjoff, Hamburg
(B), $ob- fß. Stoppel. Hamburg (3),
Silara 3)iHer, 9tegen?burg (3); SLonrab
Sßolfter, SReumarft in Steiermart (2)
2Bara?btn, SBien (1), 3uliu? (Sjoetfo--
oit?, öubapeft (3)
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richtsbriefe nad) ber Original=9Jletl)obe
Sou[famt*fiangenfdfeibt. Saufettbe hoben
nad; biefer 9Rett)obe ftubtert unb ihre
fiebeusftellung baburdf) oerbeffert. (Es gibt
; für bie freie 3eit feine nützlichere unb an» ^
jj. genehmere Ü3efdjäfttgung als bas Stubium 1*
' tch biefer ilRethobe. Schrei»
eiche Sprache Sie 3ntereffe
t Sie umfonft unb poftfrei
foroie bie fjodjintereffante,
tenmaterial, ftatiftifchen Sa»
f)lreid)en3lIuftcationen aus»
Srofchüre „greinbe Sprachen
1 (Erlernung". □ Sangen»
fdjeiBerlagsbuchhanöluttg
rof. (5. Sangenfcheibt), <
3krlttt»Sdjimeberg.
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mungen und angeborene Hüftgelenkverrenkungen. X- und O-Beine,
Klumpfüße, Plattfüße etc.
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3i Frische und chronische Knochen- und Gelenkerkrankungen
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106. Band. Dreiundfünfzigster Jahrgang
OKtober 1910—1911
erscheint jeden Sonntag -$>
DeutTcbe JlluTtrierte Zeitung
Copyright, 1911, by Deutfdie Verlags »Anltalt, Stuttgart
Preis oferteliahrlicb 4 mark
Heim Postbezug 4 marK 2$ Pfg. ohne Besteilgeld
ln Österreich*Ungarn Kr. 4.S0
Der Kampf ber weiften
unb ber roten fRofe
Momart
oon
©eorg $it[d)felö
(gortfeftuttg)
VII
OlTn eine berufliche Dätigfeit Philipps war
oorläufig niefttgu beuten. Seine miibe
fBillenlofigteit »erlieft ihn nicht, unb er brauchte
nad) ber tReroentrifis eine befonbers teure,
forgfame pflege. Doch wieber wuftte bie
HRutter IRat. Den Ieftten Schaft, ben fie befaft,
opferte fie für ihren armen Sohn. Gs roar
ber alte gamiltenfcftmud ber Grumbadjs, jene
groften, gelblichen, leibensoollen perlen, bie
Klementine ‘SRominger einft als leudjtenber
tlRittelpuntt ber grtebrtcftsburger gefte ge*
tragen hatte. Bange faft fie über bem Käftdjen
unb nahm meinenb 9lbfhieb baoon. Doch
entroürbigen tonnte fie ber Stritt nid)t —
fie tat ihn ja für ihren Sohn. 2ßenn bie (Seifter
ber tdhnen jeftt um fie herumftanben, tonnten
fie ben toten ©efift unmöglich höher bewerten
als ein junges, lebenbiges 3 utunftsreis an
ihrem Saum. Der Grlös bes Perlenfhirmdes
genügte, um 'Philipp auf brei gatue fidt)er=
guftellen. biefer 3 eitfpanne muftte er ben
©eweis liefern, ob er gefunben wollte unb
mit bem .Beben fertig werben ober nicht.
Sie gab ihm bie Ieftte, grofte Gelegenheit —
töniglid) wie immer, nur ihrer Mutterliebe
folgenb. 9Iber um ihre alten Dage ftanb es
fdhlimm. ©on Keffelbach hatte fie fid) enbgültig
getrennt, nadjbem ber hantier fie burd) »er*
fehlte Spetulationen um ihr Vermögen ge*
braeftt hatte. 9Iuf eigene gauft oerfud)te fie
noch Heine Gefdfäfte — aber ihre Erfahrung
reichte bafür nicht aus. 3h* bitterfter Gram
blieb, baft ©raumüller, ber ihr fo oiel hätte
nüften fönnen, fidE) gegen jebe gefhäftliche
©erbinbung mit ber Schwiegermutter oer*
fdjloft.
9lls fie ben Perlen) hmud oertauft hatte,
brachte fie Philipp in ein ^eibelberger Sana*
torium. Philipp machte fid) leine Gebanten
barüber, woher feine Mutter bie ©Uttel nahm.
Gr umarmte fie unb fah 3 um erften totale
wieber heiter unb gufrieben aus. ©Sie er*
quiäte fie bas — fie fühlte barin ihren gangen
£ohn. 3 nnä<hft blieb fie in ber tftähe unb
»erfhob ihre tReife nad) ©erlin. ©iegenaus
erwarteten fie, benn GIfa war in Umftänben
unb hatte fehr 3 U leiben. Der tRittmeifter
war aufterhalb bes Kaufes ftart in 9lnfprud)
1911 (Sb. 106)
genommen (woburct), tonnte Klementine nicht
recht erfahren), unb bie 9Inwefenheit ber
Schwiegermutter war ihm gum erften totale
erwünfd)! 9tls fie oiergehn Dage bei Philipp
in ^eibelberg gewefen, rebete ihr ber Sohn,
ber fid) mertwürbig fdEjnell erholte, gu ihrer
Uberrafcftung gu, nad) 93erlin gu fahren. Gr
geigte eine mertwürbige Teilnahme für GIfa.
Klementine würbe argwöhnifd). Soweit tannte
fie ihren Philipp fd)on, um einen Grunb gu
wittern. Sie ftörte ihn in < 9 eibeiberg — er tonnte
fie nicht mehr brauchen. Dod) beoor ihr §erg
fid) in 2Beh unb Gnttaufchung gufammengog,
übergeugte fie fi<h, welche tRebenbuhlerin ihre
tOtutterliebe gefunben hatte, Philipp ging
oft in einem Part fpagieren, ber eigentlich
Prioatbefift war unb 3 U einer tRaä)baroitla
gehörte. Gine neroenleibenbe, gang gurüd*
gegogen lebenbe Dffigierswitwe war feine ©e=
fifterin. Klementine hatte oon ber feltfamen,
ber Xheofophie unb 9lftrologie ergebenen Dame,
bie einen wunberlichen Kreis oon §eib eiberg er
$ftheten in ihren halbbuntlen, feierlichen tRäu*
men um fich oerfammelte, fdfton oiel gehört.
Sie galt für reich, bo<h alles fprach in lächeln*
bem tötitleib oon ihr, wie oon einer tRarrin.
Ungefunb im ^anerften war ihre 9ltmofphäre,
unb borthin, gu biefer oiel älteren, träntlihen
grau, fühlte Philipp fich hwgegogen. Gr, ber
enblich auf bem 9Bege ber Gefunbung war
unb fein glattes, rofiges 9lntlift, feine leuch 5
tenben 9lugen wieber hatte. Mar hier nur
^Berechnung im Spiel? Seine Sinne tonnten
oon einer berartigen grau nicht entfacht wer*
ben, wenn er nicht entnerot ihrem tünft*
liehen Dreibhausbuft erlegen war. Kiemen*
tine fühlte ein Grauen. Sie wagte nicht,
fid) üon ituem fd)önen Draum gu trennen,
wieber ben gum Beben gewonnenen Sohn gu
oerlieren. Sie fragte ihn nicht, fie fügte fich
feinem immer bringenberen tRat unb oerlieft
ipeib eiberg faft in berfelben l^lixcht wie einft
Dresben. 3n Berlin erreichte fie ein ©rief,
ber alles betätigte. Gs hieft barin: ,... 3h
weift nicht, ob Du bemertt haft, liebe ©lama,
baft ich enblich mein wahres unb Iefttes,
eingiges Glüd gefunben habe. Gigentlid)
hätteft bu es als meine Mutter bemerten
müffen. 3h liebe Dftea oon Streift unb
werbe fie heiraten. Deute nicht an ben
trioialen 911tersunterf hieb gwifhen uns, an
bas, was ber Philiftermob hier über meine
93raut gu Hatfhen wagt. 2t)ea ift eine herr*
licfte grau — ih weift es! Sie hat mich bes
Segens inbifher ©Seisheit unb ber Kenntnis
meiner aftralen Grifteng teilhaftig gemäht.
SRiht begehrenb nahe ih mid) ihr unb bin
boh jung genug, um ihr bas Glüd. bas einer
fo hohfiehenben grau würbig ift, gu geben.
Sie gibt mir bafür auf immer ein forgenfreies
Beben. 3h bleibe in §eibelberg, äRama.
SBunbre Dich nicht, baft ih Dih biesmal niht
um Deine 3 u ftimmung bitte. Diesmal ent*
fheibe ih aus eigenem 9BilIen. 3h habe
guoiel gelitten unb habe jeftt meinen 9Billen
über jebe 9Jlaht hinaus, aud) über Dih, OJlama.
£abe Dant für alles unb bente in Biebe an
Deinen glüdlicften Sohn ?ßhilipp - 4
Gang oerfhroben tarnen Klementine biefe
3 eiten oor, gefpreigt unb tünftlih, als hätte
Philipp fie bittiert betommen. 3 n berfelben
Stunbe aber erreihte fie bie tRacftridd bes
9tustunftsbureaus, beffen Dienfte fie nah ihrer
Gewohnheit in 9tnfpruh genommen hatte.
Der 93efd)eib lautete fo bebentlih, baft Kiemen*
tine oon einer fhredlidjen Unruhe ergriffen
würbe unb in ihrer 9lntwort forberte, baft
Philipp feine 9Ibfi<hten auf grau oon Streift
fallen tiefte. ,93ub!‘ fhrieb fie hm mit flie*
genber geber, ,Du bift ja wieber gang oer*
bienbet! Du weiftt ja niht, was Du tuft!
Gs wirb Dir weh tun, aber nimm's als Kur
hin, was ih h^te authentifh über biefe grau
erfahren habe. 3 anäd)ft ift fie 9CRorpl)iniftin.
URorphiniftin! Dann foll fie fhredlih tränt
fein unb einen Stubenten ins grrenhaus,
einen gähnrid) oor bie piftole getrieben haben!
Philipp! 3h, Deine äRutter, flehe Dih an,
ih tnie oor Dir, ih alte grau: Baft bie oer*
riidte 93ettet! 3a, bas ift fie! Sie fhaut in
bie Sterne, oh, in Mahrheit fhaut fie woanbers
hin! Sie füttert Did) mit inbifeftem 93ücfter*
tram, unb man hat bie gotigften Shunb*
romane bei ihr gefehen. Philipp ! 9[Rein ein*
giger 93ub! Du weiftt boeft, wie ih's mit Dir
meine!..Unb fo ging es weiter. 9lber
Philipp blieb hart, unb feine nähfte 9Intwort
Hang fefton nidjt mehr ftilifiert unb feierlih*
Gntweber war bas jeftt fein eigener Don, ober
man tonnte auch anbers bei Dftea oon Streift
reben. ,tlRama, ih erhielt Deinen ©rief —
er ift einfach tattlos, unb ih wollte ihn Dir
erft gurüdfhiden. Dann aber unterlieft icft's,
benn Du bift meine äRutter. ©leib es, ih
rate Dir gut! Stelle Dih niht gwifhen mih
unb Dftea! Soll ih biefes 3bealweib oerlaffen,
ih, Philipp tRominger, um wieber für hunbert
©lart monatlih Klerereien gu oertaufen?
Stedt bas bahinter, hinter Deinem eblen
Drängen gur 9Irbeit, gur Gefunbheit? 3h
brau he niht gu arbeiten, in Deinem Sinne
niht, wenn id) bas Glüd für eine Dftea be*
beute! So! Das ift mein Stanbpuntt! Unb
nun genug baoon! gür immer!'
3roei Dage trug Klementine ihren bitteren
Gram in fih herum. Dann aber würbe fie oon
ihren 9Jtanid)äern hart bebrängt — in ihrer
9Ingft lieft fie ein Delegramm an Philipp los:
,9Benn Du jeftt fo reih öift unb mid) nid)t mehr
nötig haft, tu was für Deine Butter, aber
fofort. Sd)ide mir taufenb URarf. StRein
pertenfhmud hat Dir breiftigtaufenb oer*
167
1256
Über Kanb unb 9©eer
1911. ©r. 49
f©afft.‘ hierauf Jam bie ©ntmort: gebaute
berglidE). Daufenb f©iden unmögli©. 3 ^ Dir
mit bre©unbert gebient? ^ßljtlipp.' Diefes
Delegramm zeitigte eine febr lur3e, fonber*
bare Erwiberung aus ©erlin: ,©Seifet, was
ein Kump ift? 9 Jlama.‘ Philipps ©ntmort
lautete: ,©Seife biefen ©nwurf entfliehen
3urüd. SSierbunbert unterwegs. Dein Sofen.‘
3 fer <Dobn! Sie wollte no© einmal per Drabt
ibr Eift na© irjeibelberg f©leubem — ba Jam
bas weinenbe Dienftmäbd)en ber ©iegenaus
unb melbete, bafe bie 3rau ©ittmeifter foeben
oon einem toten Knaben entbunben roorben.
©un beJam in ber Jatten, unbebagli©en
©Sobnung $u ©Seftenb ihre 9 Jlutterforge oollauf
3u tun. Eifa roar gaip gebrochen, unb ber
©aron ging mit einer böfen, ©erlegenen SDJiene
umber. ©Is Klementine ihre Do©ter enbli©
als bleidje ©eJonoalef3entin oor fi© batte, tat
fie einen f©redli©en Einblid in bie ©iegenau=
f©e Ehe. Es roar eine §ölle, unb Karlmann
roar einft $u 3riebti©sburg ein treuer ©darb
getoefen. Dief 30g ber .*ßferbemenf©‘ bas
©omingerlittb herab. Sie batte als roerbenbe
©lütter an feinen Mächten teilnebmen müffen,
an ben SeJtorgien mit ihren roüften Erregungen
unb ,KuftigJeiten‘. 3 br bulbigte man, um fie
ins ©erberben 3U f©iden. Sie roar — es
Jlang toie ein f©rilles gingerftreichen über
©las, als bie farblofen Kippen ber 2Bö©nerin
es ausfpra©en — fie roar eine Kebebame
geroorben. ©uf bem ©ennplafe batte fie fid)
erJältet. ©fax, ber 3 aoorit ©res ©lannes,
geroann ben erften ©reis, aber bas Kinb,
bas fie gebar, roar tot. „Ob; ein finnlofes
Keben," flüfterte Eifa unb f©Iofe ©re klugen
na© ber ©ei©te. „©ber Ernft toill es fo.
Sage um Eottes willen ni©ts 3U Ernft." Die
©lütter nidte unb betra©tete ©re Do©ter.
©Sie eine roelJe £erbftblume lag ©r £jaupt
auf ben Kiffen. Sie f©lummerte nur, aber
oieles an ©r roar tot.
Klementine fab fi© no© einmal im Keben
um, bas fie bo© fo geliebt batte, ©irgenbs
me© ©egentiebe? Der ©Sille eines feurigen,
mutigen §er3ens, tonnte er es ni©t 00m
Fimmel berunt e^wingen, bas SonnenteiI©en
für fie? ©ur ein Deil©en! Sie wufete ja
bamit 3U rou©em, Klementine oon ©rumba©
aus ©Jain3, ber alten Stabt, roo ber Karneoal
3U $aufe roar. ©ber ©re ijänbe roaren roelJ
unb ohne Kraft. Sie lagen ©r bleiern im
S©ofee. £©, ©re Kinber, ©re Kinber! ©Sarttrrt
roanbten fi© alle oon ©r? ... Philipp? ©Ifa?
©larion? #©u© ©larion! $ran3 Otto 23 rau*
müllers Eattin tonnte nur bann eine gute
Do©ter fein, roenn fie fi© glüdli© fühlte,
©ber no© lebte ber Kommer3ienrat — roober
follte ©r bas ©lüd Jommen?
immerhin — mit 23 efrtebigung Jonfta*
tierten es ©lütter unb Do©ter: ©raumüllers
KebensJraft f©toanb. Er roar 3U arg barauf
losgerannt — 23 erlin roar ftärJer getoefen als
er, unb fein Eelb rourbe fein ©erbängnis.
©lit bebentli©er ©tiene betra©tete ©n ber
$ausar3t — er tat es faft auf ©Sunf©, benn
er moäjte ahnen, bafe bie nieberf©mettembe
©Sirtung feiner Diagnofe auf bie ©attin ni©t
e©t roar. £ierfafeen ©aben unb warteten. Die
Speife war ifenen gern©, aber fie tonnte no©
lange am irjimmel hängen. ©raumüller roar
3äfe. Er wufete, roas für 3 uf©auer er batte,
er Jannte bie füllen, lauernben 23 lide, unb
bafe man fein Dafein ni©t na© ber Känge
mafe, roar ©m in biefer liebeoollen Umgebung
gewife. Die S©wiegermutter roar milb unb
3uoortommenb. ©Sie einen ,f©toerert‘ $a*
tienten bebanbelte fie ©n- ©ber er fefemor
es fi© 3U, fo robuft er no© roar, ber gübrilant
aus bem Often: ©or bir, bu ©Ite, geh' i© ni©t.
Hub toie in einer unbeimli©en ©eant wortung
©rer $rage an bas S©idfal ma©te er eines
Dages plöfeli© beim ©otar fein Deftament.
©on biefer Stunbe an lie% Klementine ©rer
Dod)ter Jeine ©i©e. Sie füllte, fie rnufete in
©raumüllers S©reibtif© bliden — ber 3 ^*
halt feiner ©erfügungen mufete ©nen betannt
roerben. Es roar gan3 Jlar — er fühlte fi© als
Sterbertber, trotj ber Jeden, Iäd)erli©en 3 ugenb'
li©teit, bie er fi© anmafete — roie Jam er fonft
plöbli© barauf, fein Deftament 3U ma©en?
©raf KÜ©berg roar als 5 fS©©oIoge berfelben
©nfi©t unb fab je^t roirtli© in ber ©rau*
müllerf©en ©Sobnung roie ein alter, lauentber
©auboogel. ©üt ©ugurenbliden oerftänbigten
fi© bie ©lütter, bie ©attin unb ber hoffenbe
3reunb — es tonnte unmögli© mehr lange mit
bem Kommer3ienrat bauern. Sie festen fein
Dobesbatum für ©litte Ottober feft. ©ber
bas Deftament, bas Deftament! „Das roär'
roas für ©biüpp,“ meinte Klementine mit
3ornigem ©©fel3uden. „Der Philipp bätt's
f©on lang aus ©m heraus!"
Sehr f©roer nur übertoanb fi© bie 3agbafte
©larion. Sonft roar fie niemals ©rem ©lanne
gegenüber 3agbaft getoefen — aber ber ©elb*
puntt blieb ©r empfinbli©. Sie roar ©m
als grau f©on 3U fern, um erforf©en 3U
mögen, roas er für ©re 3utunft getan batte.
3n ©larion blieb no© ein reiner ©eft bes
©omingerftol3es. Dro^bem — bie ©lütter
horte ni©t auf, 3U quälen. Da ging fie
eines ©henbs roie Delila an ©ren ftarten
©lann b?ran. 3am erften ©tale Ablüfter,
roartete Klementine im $intergrunbe. Unb
Simfon oerlor fein §aar — jetjt bilbli© au© —
er fagte ber plöbli© liebeoollen ©attin alles.
Do© roas ©larion erfuhr, roar erf©redenb
unbefriebigenb. Erft bie empörte ©lütter
Härte bie ©ef©äftsuntunbige gan3 barüber
auf. S©on batte ©raumüller feine ©a©e
genommen, ©larion roar ni©t als Hnioerfal*
erbin eingefet© fonbem follte nur jäbrti©e
©panage erhalten — au^erbem roar ©r bie
©ef©ung in ©Sannfee 3ugefpro©en roorben.
3 ür ben 3 aII ©rer ©Sieberoerbeiratung aber,
fagte eine Klaufel, oerlor fie au© bie ©e=
fi^ung unb rourbe mit fünf3igtaufenb ©tarl
für immer abgefunben. Dann fiel alles anbre
an bie £jaupterbin, bie 3ran3 Otto ©raumüller
eingefet© batte: an feine ©aterftabt ©erlin.
Da baft bu's!“ rief Klementine aufeer fi©.
„So roeit baft bu's gebra©t!"
„3©!" f©rie ©larion unb hob fi©, ooie
immer im 3om, auf bie gufefpiben.
„ 3 aroobl!"
©Sie raufenbe Hübner ftanben fi© ©lütter
unb Do©ter gegenüber.
„ 3 © bin Jeine Erbf©lei©erbt — bab bu's
roe©t, ©lamal"
„©in i©'s etxoa? ©ber bu baft beine ©e©te
nit geltenb gema©t! Du lebft hier in Kug
unb Drug, bu budft bi©, bu läf© bi© mit
Enaben füttern! Das fag nur bem Kil©berg,
bem alten 3ik>u — er ift f©ulb, bafe ber ©rau*
müller uns alle übers £©r gehauen bat!"
„©larna, je^t mif©ft bu bi© 3um lebten*
mal in meine Sa©en!"
„Se^t bu mir au© ben Stuhl oor bie Dür?"
„ 3 © ©ab' mit bem Kil©berg ni©ts —
ni©ts, roas bi© angebt — benn ber einige,
ber ein3ige, mit bem i© —"
„©larion, fab bi© bo©!"
„Der ift fort! Denbab' i© nit mehr! Den
habt ©r oerfagt!"
91 a© biefen ©Sorten ftür3te ©larion tränen*
überftrömt in ©r 3ürtmer unb riegelte fi© ein.
Ein ftumpfer S©mer3, roie oon einem Jammer*
f©lage, blieb in Klementine 3urüd. Dann
oerlieb fie bie ©raumüüerf©e ©Sobnung. 3 br
lebtes ©eife3iel roar oorge3ei©net — na©
©lün©en 30g fie roieber, bie 3erfabrene, fülle,
tobmübe §^au.
Karlmann roubte, fobalb er bie ©lütter
toieberfab, roas gef©eben roar. 3u feiner
raf© entf©loffenen unb liebesftarJen Drei*
einigJeit, mit $rau unb Kinb, forgte er für
fie. ©Sie toobl bas Klementine tat! ©Särme,
©Särme. Sie fühlte fi© tief geborgen. £ier
Jonnte fie enbli© an fi© felbft beftJen unb
brau©te ni©t mehr an ben 3ntereffen anbrer
3u meffen, roie freunbli© man fie aufnabm.
©lütter unb Erobmama, bas roar fie in Karl*
manns bübf©em |jeim. Er Jam ©r gealtert,
emfter unb gefebter oor — bo© au© gtüdli©er
mo©te er fein als 3uoor. Kopff©üttelnb hörte
er fie erbten, roas fie bei Philipp, bei Eifa
unb bei ©larion leibenb erfahren batte. Er
fab an ©rem 23 ett unb fytlt ©re 3ittembe
§anb feft. „Das finb ©!enf©en, ©lama,"
fagte er f©liebli© mit geprebter Stimme, „bie
benJen halt nur an fi©."
„3a, nur an fi© . . . . 21©, roenn i© mir
ba bie Doni anfebe! ©ber lab fia nur nit
3UoieI arbeiten, Karlmann. Sie ift gan3 bla|
unb mager."
„£> nein, fie ift aber gefunb. Unb bann
bat fie ©ren rounberoollen ©eruf. Die ©n*
ftalt mubt bu bir anf©auen, ©lama. Die
neue ©nftalt für Jrüppe©afte Kinber — ba
ift Doni oberfte Kebrerin. Si©erli© roirb fie
au© no© DireJtorin roerben — ber Dber*
bürgermeifter ift begeiftert oon ©r."
„Unb roomit bift bu je^t bef©äftigt?"
„©©, i© penble roeiter fo bin unb her,
©lama. 3 © fammle. 3 n meinem S©reibtif©
liegt alles 99 lögli©e aufgeftapelt. ©Senn bie
Keute jebt no© ni©ts oon mir roiffen roollen —
bas ift mir egal. Ebrgei3 f©enJe i© anbem
Kenten. 3 © roill mi© oor allen Dingen felbft
finben unb oor mir felbft befteben."
„ 3 a, Karlmann, ©ber über einen Ueinen
äußeren Erfolg tät' i© mi© bo© fo innig
freuen. Deinetwegen unb Donis roegeru
Die 3 abre oergebn."
„Doni ftebt 3U tief im praJtif©en Keben,
©lama — bie läfjt mir 3 ^ii* ©Senn i© nur
arbeite, fagt fie, unb in ber ©rbeit glüdli©
bin. Das ift bo© ein rounberooller StanbpunJt..
©ber bu, ©lama, bu roünf©eft es natürü© —
ja, für bi© mö©t' i© f©on ein Korbeerblatt
aus irgenbeinem geringsmaul b^rausbolen."
„Karlmann — S©er3 beifeite... 3 ©
roar immer 'ne eitle ©lütter, nit toabr. 3©
bin eitel auf eu© unb bafür roerb' i© hart
geftraft. Der Philipp — ben Philipp mufr
i© je^t aufgeben — ben Kausbub. ©ber bu —
bu baft ben ©amen beines ©aters ... ©©,
es ift ja fo füll um mi© geroorben—i© Jornm'
mir f©on faft roie oerrounf©en oor — auf
'ner roüften 3afel... Unb roas batt' i© mal
in 3riebri©sburg — roas batt' i© mal!..."'
„©lama..."
„©ein, nein. 3 © roill nit an mi© benJen..
§aft ja re©t. Der Kebensftil gehört au© ba3u —
mir haben nie wie bie S©elmen gelebt — wir
Iiefeen's uns was Joften — DanJ ift StanJ —
a©, Karlmann—was ift DanJ! Der Philipp —
„Kafe bo© ben ^©ilipP-“
„Unb bie ©larion —"
„Ka^ bie ©larion."
„Du bift mein Einiger."
„Sag bas au© ni©t wieber, ©lama. Dein
Einiger bin i© bo© wirJIi© ni©t."
„ 3 br fülltet fo Joloffal glüdli© werben,
©r Kinber — alle, alle, ©ber wer oon eu©
ift fe^t glüdli©?"
„Elüd ift ein trügerif©es ©Sort, ©lama.
9 ©an Jann nirgenbs biaeinfeben. ©Ser fi©
für unglüdli© ausgibt, ift es im Erunbe oft
gar ni©t."
„©leinft bu? — ©ein, ©r habt alle fooiel
3U leiben."
„Du leibeft in uns, ©lama!"
„©Senn i© nur nit umfönft auf ber ©Seit
gewefen bin."
„©Sie ift bas mögli©, wenn bu fooiel für
uns gelitten b<© ? “
Sie f©Io^ ©re ©ugen, liefe ©m ©re §anb
unb f©wieg eine ©Seile. ©a©mittagsfonne
lag füll auf ©rem ©ntlife. Dann fragte fie
flüfternb: „©Soran arbeiteft bu am liebften,
Karlmann?"
,,©m liebften nefem' i© wieber ben Krieg
ber weifeen unb ber roten ©ofe oor. Das ift
bie ©rbeit meines ©nfangs — 3ob«nnes ©oll*
finJ bat mi© ba3U ermuntert — baran will
i© fef©alten."
„©Seifee unb rote ©ofe? ... Das ift wohl
foI©e Di©tung?"
„©Sie man's nimmt... au© bas."
1911. 9tr. 49
„ 3 a, tote man's nimmt." Sie jah mit
großen klugen 3um grenjter hinüber. „© 3 er
jiegt benn ba? — 3© hab' als junges SDläbel
auf jebem ©all toeifee ©ojen getragen...
Sie ftanben mir |o gut... Die £eute haben
mi© manches ©tal entjefet angej©rien: ©ber
Kinb, Sie tragen ja Dobesblumen! Unb ba
hab' id) |ie immer roieber auslad)en fönnert,
benn meine meinen ©ojen, bie Ratten im
Kel© einen rötlidjen Schein, einen feinen,
rötlichen Schein — meifet, Karlmann — |ie
roaren nie gan3 rneife. So t)att' id) jie am
liebjten."
,,©s hanbelt’ ji© bei meiner Arbeit..."
„©ote ©ojen mag i© oiel roeniger. ©ber
bie haben's gut. Xtberall toad)|en |ie — unb
immer träftig, immer gejunb. © 3 ir haben im
©rumba©j©en ©Sappen 'ne toeifee ©oje.
Das i|t unjer ©bels3eid)en, bas ©ornehmjte
bei uns. ©Seifet btt bas?"
„©ernife, ©tama. ©lein Spe3ialgebiet i|t
ja bie ©ej©i©te unfrer Familie, unb unjer
3u|ammeni)ang mit ©nglattb im a©t3ehnten
3afert)unbert bemeijt mir —"
„Ob bas ben DobJbebeutet,$j©liefeli© unb
enbli©?"
,,© 3 as, ©tama?"
„Die toeifee ©oje."
„ 3 © bente ni©t an bas Spmbolij©e."
„© 3 ot)I bir ..."
„Du j©einjt bir aber ni©t tlar 3u fein,
©tama, roas meine ©rbeit eigentlich befeanbelt.
3 © |d)reibe eine Kulturgejd)id)te bes grofeen
englijcfeen Krieges — 3toij©en ber roeifeen unb
ber roten ©oje — ©orf unb £anca|ter —
erinnerjt bu bid) ni©t mehr?"
„©© jo — ad) bas — ja, ja ... ©Sas türm
mem mid) benn bie ©nglänber? ©Senn id)
nur nit — umfon|t... Das feeifet bie toeifee
©oje, bie innen ein bifel rot ijt. .. bas tann
bod) ber Dob nit fein?"
Sie |d)auberte plöfelid) unb umflammerte
©n mit beiben ©rmen. ©ntjefet jah er in ©re
angjtoollen, roeitgeöffneten ©ugen. „©ber
Über £anb unb ©leer
©tama!... Sei bod) ruhig ... Sei ruhig ...
Du I)a|t toofel immer gan 3 3 um £eben ge»
feört ..."
„3© toeife nit, Karlmann ... 3h* Kinber —
ifer Kinber! Dein ©aulale — bie ijt halt anbers.
Doni... Die ©auern am 3pfepl)sberg ...
3mmer roaren jie hinter uns her... Seit
1525 — bas haben |ie nit oergejjen ... £m ...
Du bijt ein $ijtorifer... Denf mal über jo
etroas nach • • • Die ©auern!... ©ote ©ojen?
... 3 toiebeln!... Kartoffeln ... pah •.. jol©
j©toar 3 es ©ejinbel. ©ber ber ©runtba© —
roeifet — bein Urahn, Karlmann — ber ijt
ein 3 reunb oom Florian ©eper getoejen unb
hat ben ©eper ausgeliefert unb ijt 3 u ben
©bltgen 'nübergelaufen ... Das tut man nit...
So ober jo ... 34) bin rnübe."
Sie hatte im £jalbj©laf 3 U phantajieren
begonnen. Karlmann erhob jid) leije unb 30 g
bie 3en|teroorhänge 3 U. ©ber ber Schlaf
ber ©tutter toar trügerijd) — abenbs er»
machte jie mieber unb hatte |tartes lieber.
© 1 s Doni an ihr ©ett trat, jah jie etmas in
Klementines ©ugen — ber Dob mar im
3 immer. ©r mar 3 U jeinem milbejten, jtörrij©»
jten Kinbe getommen, 3 U Klementine © 0 »
minger, bie immer mieber ben betrauten
©ofal gegen ihn gej©menft hatte. 3 h* £eben
erloj©. 3 efet hatte ©re lange ©eije nur menige
Stationen mehr. Der ©r 3 t gab feine Hoffnung.
,,©erbrau©t," flüjterte er Karlmann 3 U. ,,©s
mirb ©r mohl fein." ©erbrau©t! ©Sie ein
Sd)rei tönte es in Karlmann, aber lautlos,
hart 3 urüdgebämmt — bann ging er mieber
3 u jeiner ©tutter. Doni jafe bei ©r. ©u©
‘’jSauIa — jo mollte es bie Sterbenbe.
„ 3 © benf' jefet nit an ben 3 ©tinus," [tarn*
melte jie, „i© bent' nit an eu©, Kinber — an
feinen benf' i©! — ©ein... 3 © benf' nur
an bas Kinb." Sie legte ©re ma©sfarbene
£janb auf Paulas golbenen S©eitel. „O bu
mein ©olbföpfle ... ©ta©'s bejjer," flüjterte
jie bann. „$ür©t bi© nit... Sag's mal ber
alten, bummen ©rofemama — jie mö©t's jo
1257
gern no© mijjen — jonjt ijt's 3U j©mer, nit
mahr, bas S©eiben — mer hat mi© benn
lieb?..."
£aut aufmeinenb janf ‘jßaula an ihrem
©ett nieber.
„©ring bas Kinb fort," flüjterte Karlmann.
„Um ©ottes millen, Doni! 3 ft bas ni©t 3uoiel
für bas Kinb?"
„ 3 © glaub', es ijt nit 3uoieI, Karlmann.
Die meijten befommen baoon 3U menig,"
ermiberte Doni, ©re bunflen ©ugen fejt,
aber ooll S©mer3 auf jeine ©tutter ge»
ri©tet.
,,© 3 ein nit, ©aulale," begann bie je mieber
mit 3udenben £ippen. „Sag mir's bo© —
i© oerjteh' bi© ja nit: ©Sie? ©Ser hat mi©
lieb?..."
„©ber alle bod), ©rofemama! ©Ile."
Klementine lächelte. „Das jagt bas Kinb.
©un ja. Dann mö©t' i© aber mijjen, mas
bie anbern na© meinem Dob jagen."
So lauteten Klementines Iefete ©Sorte. Sie
lebte no© bis 3um ©torgen, aber ni©ts ©er»
jtänbli©es mehr fam oon ©ren phantajierenben
£ippen. S©ein ber 3 n©jonne mürbe
jie ruhig, ©aula lag längjt im ©ett, unb Doni
mar am £ager ber Sterbenben eingej©Iafen.
©ur Karlmartn hielt ©Sad)e. ©Is bie Kamin»
uhr jieben j©lug, erloj© ber ©tem jeiner
©tutter. Sie lag mie eine ©Sijjenbe, mit
ruhiger unb etmas harter ©tiene ba. Stol3
unb oerj©Iojjen. Karlmann beugte ji© über
jie. ©s mailte jefet ein Danf in jeiner j©mer3»
erjtidten ©rujt empor, nur Danf für alles,
mas er oon ©r erfahren hatte, ©on biejer
3 rrenben, S©ulbbelabenen, beren Greuel © re
£iebe mar. Unb ein ©Sunber offenbarte ji©
©m: bie ©tutter mar mieber gan3 jung, als
bas £eben, mie es nun einmal gelebt merben
mufete, oon ©r genommen mar. ©in Kinb, ein
©tenjd)enfinb, 3um ©lüd bejtimmt, oom ©lüd
getäuj©t, mar Klementine, ©erhängnis unb
Segen. ©titleibs©öre aus allen Sphären
riefen ©re Seele empor.
9ia<f) einer üinitlerij^en «Photographie oon «U!ax «Plag
©ol!monbna©t auf §elgolanb
1911 (®t>. 106)
168
1258
dritter Seit
I
Aun maren cs Kare, gelbbraune Herbft*
tage, bie Karlmann in feiner Heimat ^riebridjs*
bürg fallen. (Sine ferne Sonne überleuä)tete
bas emig fdE)öne Xal, unb auf ben bergen
ringsum feierte man bie ABeinlefe. So mar
Klementine Aomütger oor roenigen Xagen in
bet redeten Kraft ihres alten Aßtrlungslreifes
beigefefet toorben. (Sott hatte mit ihrem
Keben eine fcfemere, überreife Xraube ab*
gepflüdt, unb ber ABein, ben fie gab, follte fidE)
in ber Kelterung ber 3 eit ermeifen. ,EXu
einiger Atoft eines alten Kinberhergens/ badete
Karlmann, als er blafe über bie ^ügelroege
roanberte unb ben Völlerfhüffen ber ABinger
taufhte, ,mirft bu nod) Haren Kebensfaft
geben? EXoh nah? Atir?‘ Unb Xoni fagte:
„ABoran bentft bu jefet, Karlmann? An bie
Atama?"
©r nidte. ,,©s ift fo fhredlidj fhmer,"
begann er bann leife, „bamit fertig gu toerben,
bafe fie nun nid© einmal me© mein EXurc©
bringen erlebt hat. Sie toar bodE) ein Atenfh
bes Kebens unb bes Sieges, Xoni. Sie hätte
i©en Ko©t oerbient Unb ich —es ift feit*
fam — ©lange fie lebte, hat fie mich oiel
gequält, id) füllte mid) eljeroon if)r beljinbert
als oormärtsgebrac©. Dilles fafete fie bei mir
an, aber immer an ber falf dfeen Stelle. Xrofebem
— jefet meife id) erft, mieoiel fie mir bocl)
Anfporn geroefen ift. Aßenn ich an fie benle,
Xoni — an folchem Herbfttage mie fytu te —
an i©e gute 3 üt — fie toar bie Peitfd©, ber
3 ünbftoff, ber Sauerteig für uns alle. Aun
ift fie nid© me© ba. Unb oiele Hoffnungen,
3 llufionen oielleid©, aber bod) Hoffnungen
habe icE) mit meiner Atutter begraben."
„ 3 h glaube, bas ift jefet nur beine Stirn*
mung," fagte Xoni nad) einer ABeile. „ 3 © Xob
hat bod) all bas, toomit bu nie fertig toerben
lonnteft, oon bir genommen. 3e© I)aft bu
fie roieber gefunb unb träftig, als 3ahe griff
oon aller Kebensfreube oor bir. EXas roirb it)r
Vilb für bidE) bleiben. (Sang fidjer, Karlmann."
„AReinft bu? ... EXas roäre ja munberooll.
Ac© id) möd)te bas, Xoni. 3 h oerfpredje
bir t)ier — fo, roie bu es eben ausgefprodfen
©ft, genau fo foll i© Vermächtnis in mir
roirten. 3 $ fühle bie Kraft für bas ©rofee,
bas Aßa©e, bas mir i© ©influfe im Keben
immer getrübt hat.... 3a — jefet roill i<©s
erreichen!"
Sie ftanben auf einem oorgefhobenen 3 els=
plateau, ein roeites, buntes Kanbfdjaftsbilb
gu il)ren grüßen, unb Karlmann nahm, oon ber
Abenbfonne beleuchtet, eine lühne Stellung
ein. Xoni betrachtete ihn, erroiberte aber nichts
unb näherte fid) einer Sani, bie auf ber
Ausfic©sl)öl)e ftanb. Als er eine ABeile auf ihre
Antmort geroartet hatte, liefe er ben Arm
finlen unb roanbte fid» nad) ihr um. Sie fafg
fhon unb fagte mit etroas mübem Käd)elrt:
„Sefe bid) gu mir, Karlmann. Hier broben
ift's munberooll."
(Sr gehord)te, inbem er bie empfinbüche
Ab!ü©ung, bie 5 er' empfanb," gu überroinben
fu<hte. EXann meinte er, neben ihr fifeenb,
ben Kopf in bie §>anb geftüfet: „ABie fcfeabe,
bafe roir Paula nicht ©er haben."
„Siehft bu! £>u roollteft fie ja nit mit=
nehmen!"
,,3d) fürdhtete — ber (Sinbrud bes Se=
gräbniffes — nein, EXoni. Sie h«t es bei ben
iftollfinls fo gut."
EXoni fchtoieg. . X)ie roahre Urfadhe, bah
Karlmann bas Kinb nach Ulmmerfelb gefd)idt
hatte, lannte fie. ör fürdfetete, bah ^ 3 aula
in 3nebrid)sburg ein gu ftarler Parlamentär
groifchen ihm unb ben Xränlles toerben fönnte.
iRodE) hatte bie Serföhnung nicht ftattgefunben,
no(h roar Karlmann nicht in bem alten Häuschen
am SCRarltplah erf^ienen. EXoni rouhte, bah
er einen Konbolationsbrief oon ihren (Sltern
erhalten hatte, ber ihm tief ins Herg gegriffen.
SBogegen er fid) nod) mehrte, mar nur bie
Uber Kartb unb $0teer
Kapitulation bes ERomingerftolges, ber auch
gu einem gmeiten Schritt nicht gu bemegen
mar. SIber Xoni martete — fie mollte ihn
irn richtigen Ülugenblid bitten, unb bann oer*
fagte er es nicht.
„3ch bin nur froh," begann er nach einer
2 Beile, mit bem Spagierftod bas Familien-
mappen ber ©rumbad^s in ben Sanb geichnenb,
„bah bie Sraumüllers unb bie Siegenaus fort
finb. 3<t) uoeih nicht, ob es bir auch fo gegangen
ift, ober ob es nur bie fchmargen Kleiber
maren: mie (Sefpenfter, gar nicht mie lebenbige
SOtenfd)en, ftanben fie immer oor mir. Ober
mie Verbrecher — bie oier..."
„Karlmann!... 2 Bie lannft bu fo mas
oon 9 Rarion fagen!"
„Vein, 9 Jiarion nehm' ich aus. EXas arme,
unglüdliche SDSeib! 31 ber ber Sittmeifter!
Unb Sraumüller! ED er ift übrigens ein EXobes=
lanbibat — meiht bu bas?"
„Phtüpp fagte fo mas. 2Iber ich lann es
mir gar nit oorftellen. (Sr ift bodE) leben 3 Ibenb
im Hotel IRopal gefeffen unb hat fchmeren
9 totmein getrunlen bis gmei Uhr in ber Pacht?"
„ED>as ift es ja eben! EXas gehört gu feinem
3 uftanb! (Sin gid)tgerfreffener SDtenfdh unb
Ineipt bis gum Ptorgen!"
„Sleibt benn ber PhtKpP uodh lange hier?"
3 um erften EDtale nah bem EXobe feiner
SJlutter brah Karlmann in ein lautes (Se=
lähter aus. EXoni erfhral — ihr mar bas ßaheu
nod) fremb. (Sr Hopfte ihr auf bie Schulter:
„ 3 a, ja! Vin gang beiner 31 nfi<ht! (Sr ftört
mir fd)on lange bie Kanbfhaft! Sdlit feinem
Shuterbauh! 3 Iber er mirb ja jefet ein reicher
äRann — bu haft's erreicht, Oltaoio — er
lauft in 3riebrid)sburg Shähe gufammen —
bie teuerften Stoffe unb Antiquitäten —"
„ 3 h ftttbe bas einfach unerhört !" rief EXoni
mit einer heftigen Hanbbemegung. „EXer Simpel
brauht bod) bas nit hter gu tun! Herum*
laufen bei alle £euf unb ben Prot) fpielen
oier Xage nah bem Begräbnis feiner SCRutter!
... Ah ©ott, unb heute abenb follen mir
mieber bei Aiemann mit hm foupieren! 2Beiht,
Karlmann, geh bu hin — icE) fag' ab!"
„EXas ift unmöglih, EXoni!" ermiberte Karl*
mann erfdhroden. „So barfft bu ben Philipp
nicht Iränlen! SBirllih niht!" —
Am Abenb faften fie in einem feinen
ASeinreftaurant bem fünftigen Villenbefi^er
unb Prioatier aus Heibelberg gegenüber. Phi*
lipp mar mirllih fehr in bie Vreite gegangen,
feitbem er mit 3^au oon Streif oerlobt mar.
2 Bie ein Schtoamm, ber lauter ©utes in fih
aufgefogen, fah er aus. 9 ERit penibler ©legang
gelleibet, lerngefunb, geigte er boh eine fülle
Schmermut, liefe fih oon bem Dberlellner
lonbolieren unb fah mit grofeen Augen, bie
bebeutenb fein füllten, oor fih hm. 3ür ein
erquifites ©ffen hatte er nah langer Über*
legung Sorge getragen, unb Karlmann einigte
fih mit ihm über bie VorgügltcE)leit bes fiolals.
Sie maren mieber bie alten Kenner. Als ber
Vurgunber lam unb ber bremtenbe Pubbing,
feuhteten fih Philipps Augen. Seine Hartb
gitterte, mährenb er ben rubinroten SBein in bie
Kriftallgläfer gofe. ©r ftiefe mit Karlmann unb
Xoni an. EXann fagte er halblaut: „ 3 hrem
©ebähtnis .... 3h möd)te nur eines miffen."
„ASas, Philipp?" fragte Karlmann.
„3ft fie in ^rieben mit mir geftorbert?"
Karlmann fah EXoni an. (Sr las bie Ant*
mort aus ihren Augen unb ermiberte: ,, 3 a,
Philipp ... Volltommen ..."
Philipp nidte. „EXas ift gut... EXas freut
mih • • 3a, fie mar eine merlmürbige grau.
ASenn fie bie inbifhe Philofophte gelannt
hätte, bann märe ifer mohler gemefen."
„Pteinft bu? EXie Atama unb tnbifhe
Philofophie?"
„ 3 h lann bir nur bringenb raten, Karl*
mann, oerfente bidE) auch in Vubbha." (Sr gofe
bie ©läfer mieber ooll. „Kies EXahlmann,
lies Shulge. EXas ift ein grofees ©ebiet für bih-"
„3h meife niht reht."
„EUEnb bie Sterne ..." Philipp hatte fhon
1911. 9tr. 49
eine fhmere 3 mtge. EXer ASein mar gu ftarl
gemefen. „EXie Sterne!... EXa erfäljrft bu
bis an bein ©nbe, mas bir für ein Sd)idfal
beftimmt ift."
„Elim ©ottes millen niht! EXafür banf id©
EXann lann ih mih ja gleich erfhiefeen."
Xoni rüdte unruhig auf ©rem Stuhl herum.
„3h meife alles! 3h tenne ben itrfafe:
,Aid)ts gefhie©, mas niht gefhehen mufe!'
Übrigens, meldjen 3 ahosang hat ber Amts?"
„EXu meifet alfo boh nid)t alles."
„Scfeerg beifeite, Karlmann. 3 h oerbanle
meiner Vraut bas höhere ASiffen ... ich meine,
ber Aftralleib... ber Aftralleib lann... es
lommt ja nur barauf an, unter melhem
Planeten man geboren ift —"
„ 3 a, barauf lommt es an. Sage mal,
Philipphen, mann millft bu benn eigentlich
heiraten?"
„ 3 u Aeujahr! Veftimmt... 3 a, Karlmann,
ih merbe fehr glüdlih • • • Sehr glüdlih • • •"
„Vrauhft alfo gar nichts mehr gu fhaffen?"
,,©ar nihts mehr!.. •"
„Aa, Iah boh md© bie Keute fhaun ja
her — beben! boh, mie mir ausfehn —"
„Xoni fhläft... ASaferhafüg ... Xonete!
Aa fo mas! Xonele!..."
Um brei Uhr morgens manberten gmei ge*
räufhoolle 3 ^h^ mit einer tobmüben EXame
burh bie 3 mbri<hsburger Strafeen ihrem
Hotel gu.
Philipp reifte am nähften Xage. ©in
Xelegramm ber Vraut aus Hübelberg be*
orberte ihn gurüd. Als Karlmann moljlge*
launt oom Vafenfeof bdr Stabt gufhntt, um
enblih einmal ben immer mieber hmaus*
gefhobenen Vefuh bei feiner ©rofemama, ber
3 rau oon ©rumbah*EXelorme, gu mähen, fah
er gufällig hinter bem Kabentifcl) eines 3igarren*
gefhäfts einen Atann ftehen, ber hm belannt
oorlam. ©r blidte nochmals hm. 3 m nähften
Augenblid oerbeugte fih ber 3l0arrenhänbler
unb lam, bie Hänbe reibenb, auf ihn gu.
3a, mirllih — biefer gang ergraute, giemlih
unanfehnlihe unb heruntergelommene Aienfh
mar EXemmler, Karlmanns ehemaliges 3 al=
totum. ©r lub feinen ,Herrn 4 , mie er ihn plöfe*
Iih mieber titulierte, in ben Kaben ein. ©r
oerlaufte ihm Haoannagigarren unb gab ihm
3 euer, mas er in anbrem Sinne auh früher
fhon, in tollen, längft oerllungenen Xagen,
getan hatte. Heiter mar er noch immer, ge*
fprääpg, poll ^laufen, aber Karlmann fah
boh bemegt, melhe tiefen 3 ur hen bas Keben
in bas ©efiht biefes Sorglofen gegraben
hatte, ©iniges erfuhr er — bas anbre reimte
er fih gufammen. EXemmler hatte geheiratet,
Atife 3 öa, eine ehemalige Varietefängerin.
AH fein im Herrenbienft ©rfpartes hatte er
für fie hergegeben. EXas mar feine grofee
Kebenstorheit gemefen. EXer Stil, ben er
feinen Herren nahgeafemt, hatte ihn bctgu
getrieben, einem gang merttofen ASeibe ©hre
unb 3^eiheit gu opfern, ©mft hatte er bas
Keben nie genommen — am menigften aber
bie Vegiehung gmifhen Atann unb ABeib.
ABie follte er es auh, öer alte Keporellö?
Aber bie ©he, bie ©he. X)ie ermifhte ihn, bie
gog feinen hod)9 e muten Sinn in bie Alltags*
mifere hmab — er mar Vuchmacfeer auf
Aennpläfeen gemorben, Kosoerläufer, 3 igarren*
hänbler. 3 efet mar ifent fein ABeib baoon*
gelaufen mit ber Kabenlaffe —- fein ABeib.
Aun mufete er auh hier halb heraus, bertn bie
Aüete lonnte er nid)t mehr begabten, ber alte
©fei, ber leid)tfinnige EXemmler... _ Karl*
mann hörte ihn an. ©r fah ben Verftörten
im ©eifte mieber als Kutfcfeer auf feiner ftolgert
©quipage thronen, Kucie Aaumann im gelb*
feibenen 3 cmb. Unter Xränen lähelnb gab er
bem alten Kerl ©mbert Atari (er brauhte fie
eigentlih felber nötig) unb oerliefe bann fhaell
ben Kaben. Xemmler mar überrafd)t. ©r trat
in bie Xür unb fah Karlmann Aominger
nah : »3a, ja," flüfterte er mit feinen blanlen,
ftarr gemorbenen Augen. „3a, ja ... EXen
haÜS auh fhon!. . ." (3-ortfe^ung folgt)
1911. Wr. 49
Aber fianb utib 9Jleer
1259
Jititdfdiölc kx pndjtier iof- nnö Sfflitfsfitlü'iölljcli
r>
Orufommerlid) ergießt fid) aus naß unb fern
vi ein nad) £junberttaufenben 3 äl)lenber grent=
benftrom nad) äRütußen, ber Kunjt» unb Sier»
metropole Deutßßlanbs. Stenn aud) bas näcßfte
3 tel für oiele bas $ofbräußaus ift — and) bie
Sinatotßeten, bas Sationaltnufeum, bas Deutfcße
Slufeum unb anbre Kunftfammlungen in erben
gern aufgefueßt. Sur ein ©ebäube gel)t leer aus,
unb bod) follte tnan meinen, baß es burd) bie F ™ 3
pofanj feiner Faffabe, feine Sage näd)ft bem
3entrum ber Stabt unb feine Kunftfd)äße ben
Fremben roie ben ©inßeimifchen anloden follte:
bie §of» unb Staatsbibliotßet.
Fßr geht es roie oielen unfrer Klaffiter: man
lobt fie, aber teinem Stenfcßen fällt es ein, fie 3 U
lefen be 3 ießungstoeife fie 3 u befueßen. Stau meiß,
baß fie bie größten Sd)äße an §anbfd)riften unb
SHegenbruden in Deutfcßlanb birgt unb an 3dhl
unb Sebeutung ber Sterte nur oon gang roenigen
Sibliotßeten bes (Erbballs übertroffen toirb, aber
man glaubt mit biefent patriotifeßen Stolj ißr
genug ©ßre erroiefen 311 haben. S3oßer bas tommt?
Steil man oon ißr roie oon äßnlicßen Silbungs»
inftituten eine gan 3 falfd)e Sorftellung hat. Stan
ftellt fid) Süd)er oor, nid)ts als Süd)er, in allen
Sprachen unb aus allen 3al)rl)unberten, oiel
Steisßeit unb nod) mehr Drodenßeit entl)altenb.
Das ift 3 um Deil ja richtig, aber ni<ßt erfeßöpfenb.
Ster fid) an ben Sterten eines Rubens ober
Di 3 ian begeiftert, l)at feiten genügenb ßiftorifeßen
Sinn, um nad) ben Stellt biefer Kunft ^u
fragen; er begnügt fid) mit ber gebotenen£>errlicß»
teit, bie nod) ba 3 U leid)t 3 ugänglidj in großartigen
©alerien ißm munbgereeßt gemad)t roirb. Fragt
man aber nad) ben Quellen biefer Sleifterfd)öp»
fungen, bann toirb ber Kunbige auf bie Stiniaturen»
ßanbfchriften unfrer Sibliotl)efen ßintoeifen. Sber
nid)t nur tunftbiftorifd)es Jmtereffe 3 U befriebigen
finb fie geeignet, aud) äftßetifcßen ©enuß oer»
mögen bie Keinen Sucßmalereien bem Sefd)auer
in reid)em Staße 3 U getoäßren. Sn ber Kntenntnis
biefer Datfacße in roeiten Kreifen liegt bie Ser»
nad)läffigung ber nur oon roenigen ©eleßrten
gehobenen Sd)äße.
SIs nad) ben Stürmen ber Sölterroanberung
im Sbenblanbe faft alles geiftige unb tünftlerifcße
fieben erftorben roar, gemährte ben oor bem
SSaffenlärm * geflogenen Stufen allein bie fülle
Klofter^elle Sfpl. F n ben Dagen Claris bes ©roßen
unb feiner näcßften 9^ad)foIger aber roar bereits
bie Silbung ber ßö<ßften Stadftßaber ßinlänglid)
fortgefeßritten, baß fie felbft mit ftartem Srnt unb
offener §anb bie Sterte bes griebens unterftüßten.
Damals rourben toieber bie erften großen $rad)t»
merte in fürftlid)em Aufträge gefeßaffen, unb jene
ftarte, roenn aud) tünftlicße literarifcße Strömung
feßte ein, bie mit bem Flamen ber farolingifcßett
Senaiffance benannt roirb.
Der feßönen Schrift auf heute nod) munber»
bar meießem unb roeißem Pergament, bem
*) Sämtliche Sbbtlbungen finb nad) Sufnaßmen bes
§ofpßotograpßen Deufel inSRüncfjen bergeftellt. (benannte
Firma ßat uteßrere tauienb Sßotograpßien ber bebeutenb»
ften Kunftooerfe ber Staatsbibliotßet aufgenommen.
heiligen ober bod) aufs ßöcßfte oereßrten
Fuß alt ber Kobi^es aber follte aud) bie
Susftattung entfpreeßen. Damals ent»
ftanben bie erften lunftoollen Stinia»
turen, oon benen roir eine ber toftbarften
oer öffentlichen. Sie ftellt Kaifer Karl
ben Kahlen bar unb barf fogar Porträt»
roert beanfpruchen. F^ Ieucßtenben,
tounberbar frifeßen Farben 3 eigt fie ben
Kaifer auf bem Dßrone fißenb, fimlbi»
gungen entgegennebmenb, über feinem
§aupte fd)toebt bie §anb ©ottes. Das
Statt ftammt aus bem berühmten
Codex aureus, ber in ©orbie an ber
Somme, einem fräntifdjen Klofter im
nörblicßen f^antreidb, auf Sefebl bes
Kaifers als eines ber größten 9Jieifter»
roerte feiner 3 eit gefdt)affen rourbe. gaft
ein 3 ab r t Q ufenb rourbe er als loftbarftes
Kleinob bes berühmten Klofters Sanft:
©mmeram in 5legensburg beroal)rt, bis
er, roie bie meiften Kunftfdjöße ber
Sibliothet, bei Sätularifierung ber bat)»
rifdjen Klöfter im Einfang bes oorigen
3al)rl)unberts nad) 5Ründ)en tarn.
SBürbig ber Malereien im Sutern
finb bie ©olbfd)miebearbeiten bes
Dedels. Karolingifd) finb nur bie über»
fd)lanlen Figuren. Der mit ©belfteinen
unb Filigranarbeiten ge 3 ierte 9tanb
rourbe ums Fah^ 1000 in 91egensburg
hergeftellt. Diefes s dReiftenoert altbeut»
fd)er ©olbfd)miebe!unft ift nid)t nur oon
hohem Fntereffe burd) Dedjnit unb 5luf»
Corr» r .n»r>vl.
•nUuiT.eum
nmopc cjWltt
Seifpiel einer tarolingifdben Feber»
3 eid)nung mit ftarter 9Ra<hooirtung
ber ?lntite
Sudßbedel bes Codex aureus
faffung ber bibtifeßen Sßenen, oon
enormem materiellem 2 Berte burd) bas
maffioe ©olb unb bie ©belfteine, es be»
fißt auch ben Sorßug, ein Hniftim 3 U
fein. Denn ähnlidje, aber nicht gleiche
Arbeiten exiftieren nur mehr auf einem
2lltaroorfaß in EtRailanb unb am Elitär
Kaifer Arnulfs in ber heießen Kapelle in
äRüncßen. 3n bem furchtbaren SRiebergang
Deutfd)lanbs nach bem ^lusfterben ber
Karolinger, roäßrenb ber Normannen» unb
Hngarnftiege, roar aud) bie Kunft naße 3 u
oöllig erftorben. 2 ßer am 5lbenb nid)t
roeiß, ob er ben anbern borgen nod) im
Sefiße feiner ^abe ift, roirb ein feßarfes
Scßroert ßößer fd)äßen als bie tunft»
geroanbtefte F^ber. So lommt es, baß erft
naeß einer $aufe oon faft anbertßalb Faß ^ 3
ßunberten, als unter ben traftoollen fädtjfi»
feßen §errfd)ern bie äußeren unb inneren
Störenfriebe befiegt, als Kir<ßen unb
Klöfter gegrünbet unb reich befeßenft
ojurben, emfiger SRönchsfleiß fieß toieber
frucßtbringenb betätigen tonnte. Damals
— im erften De 3 ennium bes elften Faßt 5
ßunberts — ftattete §einricß II., ber ^eilige,
feine ©rünbung Samberg in großartiger
2 Beife aus. ©ine 9töße pradhtooller $attb»
feßriften, aeßt Faß^ßunberte bort forgfam
geßütet unb bei ber Sätularifation ben
ÜRüncßner Seftänben einoerleibt, unter»
rießten uns 00 m bamaligen Können. ^luf
leueßtenbem ©olbgrunb prangen bie färben»
reießen Silber, lauter S 3 enen aus bem
Sud) ber Sücßer illuftrierenb, in ©olb
Dan 3 ber Salome unb ©ntßauptung bes Däufers
(?lus einer $anbfßrift ums Faßt 1000 )
Porträt Kaifer Karls bes Kaßlen (9. Faßißunbert)
unb ©Ifenbein ftarrt bie toftbare £>ülle. Seiber gibt
aueß bie befte ^Ibbilbung teine Sorftellung oon ber
eigenartigen pompöfen Scßönßeit biefer äRalereien,
bereit naioe ^luffaffung unb unbeholfene Sinienfüßrung
in ber 9teprobuftion 3 toar 3 ur ©eltung tommt, toäßrenb
ber malerifd)e 9 lei 3 ber Ieucßtenben ungebrodhenen
Farbentöne fortfällt. Hnfre 5tbbilbung 3 eigt ben Dan 3
ber Salome, ein Dßerna, bas fid) in genau gleicher,
in allen ©in 3 elßeiten übereinftimmenber SBeife in
mehreren Sterten biefer fübroeftbeutfeßen Sialftßule
toieberfinbet. Futereffartt ift bas Silb ber gebedten
Dafel, bas fi<ß aud) in ben folgenben Faßtßmtberten
toenig änbert. ©s betoeift bie (Einfachheit unfrer Sit»
oorbern im täglichen fieben. ©ra 3 iös finb bie Seme»
gungen Salomes, nicht oßne Dramattt bie Haltung ber
in ißren äRietten allerbingsftarrenDafelrunbe. ©erabe 3 u
töftlid) ift bie Saioität, mit ber bei oölligem F^ßlert
2lpril Sluguft
SBIätter aus einem illuftrierten Kalenber bes ausgefjenben fünfzehnten 2>af)ri)unberts
1260 Über £attb urtb StReer
bad)s Pargioal! Die £anbfd)rtft, eine ber
toftbarften ber Sibliothet, ift bie ältefte unb
be[terl)altene unb gleich ber reid) illu*
ftrierten Driftanhanbfchrift, bereit tolorierte
3eid)nungen leiber ftart oermifcht finb, halb
nad) ber Sollenbung ber un[terblid)en
Did)tung gefd)rieben. Die 9lbbilbung geigt
im oberen Streifen ein üppiges Mahl,
barunter ben Kampf gtoeier Witter in
ihren fchönen Lüftungen unb ferneren,
für bas breigehnte 3ahrl)urtbert fo d)aratte*
riftifd)en Dopfhelmen. Die Proportionen
finb noch oft fehlerhaft, perfpettioifche
Kenntniffe fehlen, unb aus ben Säumen
bes unteren Streifens ift gu entnehmen,
toie fern man nod) ber üftatur ftanb.
hin ift aus biefen illuftrierten Mtterromanen
bie profane, naturaliftifd)e Malerei ber
golgegeit erroadjfen.
Die bisherigen Malereien toaren in
ber foftbaren unb geitraubenben Dedfarben*
technif (®ua[d)) ausgeführt, bei ber bas
Pergament überall unter ber garbe oer=
fdjminbet. Seit bem groölften 3al)tf)unbert
lieh ntan mit ber gunehmenben Nachfrage
nad) §anbfchriften, befonbers feit bem Cer*
machen unfrer romantifd)en 9litterbid)tung,
gur Serbilligurtg unb Sefdjleunigung ber
Probuttion bie Dedfarben fort unb be=
gnügte fiel) mit ber 3eid)mmg, bie bann
bisroeilen, toie auf unfrer Slbbilbung, mit
SBafferfarbe getufd)t tourbe. Daburd) oer*
Sudjbedel in Elfenbein, ©mail unb ©olbfchmiebe* loren bie Miniaturen oiel oon ihrem
arbeit. (Hms 3ah r 1000) malerifdjen 9?eig,oor allem ging bie mwtber*
jeber perfpettioifdjen Kenntnis im unteren
Silbe bie Stabt, bie toieber bas $ortleben
antiter Elemente betoeift, angebeutet ift.
Die (Enthauptung — rotes Slut ftrömt aus
bem abgehauenen Stumpf — foll natürlich
in ber Stabt oeranfehauiieht toerben. Slber
bas tüill abfolut nid)t beffer gelingen, ©in
©oliath toürbe nidjt mehr pialg einnehmen
als hißt ber Käufer. Das Mittelalter tonnte
fid) übrigens in ber Ausmalung graufiger
Sgenen gar nicht genugtun.
SBürbig bes 3 n halts finb bie herrlichen
Sud)bedel. Die ©Ifenbeinfd)niherei gehört
gum Seften, toas roir aus bem Mittelalter
befitjen. Die grohartige Kompofition mett*
eifert mit ber Reinheit ber ted)nifchen Durd)=
bilbung. Die beften ©Ifenbeinarbeiten haben
fidh ja faft ausfchliehlid) . auf Suchbedeln
ober als ©inbänbe oon 2ßad)stafeln (Diptt)*
d)on) erhalten, ©erabe bie 3eit $einrid)s II.
fällt neben ber ber ausgehenben Karolinger
in bie Slüteperiobe biefer Kunft. Das gilt
auch non ben ©mailmalereien. Slllerbings
finb bie Köpfe bpgantinifdjer §ertunft, hoch
hat auch Deutfd)lanb in biefer Ded)nit recht
Süchtiges geleiftet. Die Sereinigung oon
©Ifenbein*, ©mail* unb ©olbfchmiebearbeit
an biefem Dedel bürfte halb nad) bem 3ahre
1000 in Sübbeutfd)lanb erfolgt fein.
©rötere Sdjähe nod) birgt bie Münchner
Sibliothet! ©in 2ßert, bas als Seifpiel für
bas geidhnerifd)e Können Seachtung oer*
bient, überbies aber burch feinen Inhalt
gu ben bebeutenbften Schöpfungen ber beut* 3ef)an ftouequet: ftatsfifcung
fchen Literatur gählt: Molfram oon ©fd)en* («us einer Soccaccioüberfefcung bes 15. 3abrhunberts)
1911. $Rr. 49
Kolorierte 3eid)mmgen aus ber Münchner
Pargioalhanbfchrift
bare Farbenpracht oöllig oerloren, bafür
getoannen fie aber an Kebenbigteit. ©egen*
über ben oerfd)menberifd) ausgemalten
liturgifdhen £>anbfchriften, bie tonferoatioen
©haratter betoahrten, finb biefe flott fyn*
getoorfenen Filtrationen Stusfd)nitte aus
bem Alltagsleben ber Minnefinger, bie burch
Kebensroahrheit unb tulturgef<hid)tlid)es
3ntereffe für bie ©inbuhe an tünftlerifd)em
SBert entfdjäbigen.
Den ungeheuren $ortfd)ritt, ben bie Ma*
lerei im oiergehnten unb fünfzehnten Fahr*
hunbert befonbers in Söl)men, ben Slieber*
lanben unb ^tantreid) machte, tönnen mir
in gasreichen §anbfd)riften ber Sibliothet
oerfolgen. Son bem berühmten, etma 1415
geborenen unb um 1480 oerftorbenen Feh<* n
Foucquet ift bas pradjtoolle Silb in ber
Soccaccioüberfetpmg, eine tönigliche Aats*
fitjung barftellenb, auf 1458 batiert. Die
blaue Sapete unb Sobenbefpannung bes ©e*
mad)es, bas Ornat bes Königs, bie Koftüme
feines $offtaates haben eine nicht gu über*
bietenbe £eud)ttraft. Die grortfdhritte ber
Perfpettioe ertennen mir an einem Salba*
d)in. Unfeh ähbar ift bie toftüm* unb fitten*
gefdhidhtlidje Sebeutung biefer fd)led)thin
oollenbeten Malerei.
Proben ber gleichzeitigen flämifd)en
Malerei, bie im Breviarium Grimani in
Senebig ihren 3enit ertlomm, finben fid) in
einem illuftrierten Kalcnber; jebe Seite oer*
anfd)aulid)t bie mid)tigften Sefchäftigungen
bes betreffenben Monats. Das Aprilbilb
geigt eine Stabtanfid)t mit fchönen gotifdjen
1911. STCr. 49
Über £cntb unb äfteer
1261
geringere Talente ber Sucf)malerei mib» -
meten. Sud) bas Sdhmelgen in ben neu (Sin Statt aus ber ©hronif ber ^rin 3 en oon 5Ueoe
____.__ (15. 3a^rt)unbert)
©otifdjer Sud)bedel. Seginn bes 15. Fahrhunberts
©ebäuben, ben teimenben ©arten, 1 ^.
Sfauen, ein ©hepaar unb ein £iebes= " WmtB Bä
paar am Srunnen, bie ^Ranbleifte bes
ftalenbers aber unten einen Schäfer mit ('■
iöerbe. Die 3eid)nung ift oollenbet, bie S
3 artt)eit ber Farbengebung burd)aus h* Q
ber FrüI)Iings)timmung angepaht. Dah .V i
bie 5tunft f)ier einen in ber eingefdjlagc» |
nen Sichtung nidf)t tneljr 3 U über» j
bietenben £jöt)epuntt erreid)t hat, ift jebent
SefdEjauer fofort tlar. Sollenbeteres auf ■
Keinem Saume hat leine ©poche heroor
gebracht, nur bie Dafelbilber, bie in
meit größerem Siahftabe Susfdmitte aus
ber 2 ßirtlid)teit geben, maren ber 9luf=
märtsentmidlung noch 3 uaänglich. Sicht I ''
minber rei 3 enb roie bas Sprilbilb ift bas ■( .
bes Suguft: 3m Sorbergrunbe Säuern | -
bei ber ©rntearbeit, im §intergrunbe eine R H
meite liebliche £anbfd)aft. Die ©ntmid» jgjf ^
lung ber fianbfd)aftsmalerei roäre ot)ne jö ^
Setanntfdjaft mit ber Suchmalerei oöllig
unoerftänblid). §ier bereitete fid) oor,
mas erft oiel fpäter auf Dafelbilbern ber
Sollenbung 3 ugefüf)rt roerben füllte.
ben 3 aI)Ireid)en Steiftermerten nur einige
toenige (Stichproben hier herausgreifen
tönnen.
Die Dage ber Slüte ber Sudjmalerei
mären aber ge 3 ählt. 2 ßenn and) noch
in ben folgenben 3 ahrhunberten oer»
ein 3 elt Schönes gefchaffen mürbe, fo
manbte fid) hoch h^fort bie itünftler»
fd)aft neben Dafelgemälben lieber bem
§ol 3 fd)nitt, ftupferftich unb ber Sabie»
rung 3 u. Such tarn ber Suchbrud einer
manuellen 9lusfcf)mücEung feiner ©r 3 eug»
niffe nid)t entgegen. Unb bodh finben
fiel) auch noch irc gebrudten SBerfen fdjöne
Stiniaturen. 2 Bir fd)Iiefeert mit einem
Seifpiel oon ber ifjanb £utas ©ranadhs
bes jüngeren. Die Sbbilbung 3 eigt 3 mei
Porträte, £utt)er unb Stelanchthon bar»
ftellenb, oom 3al)*e 1561. 3«tereffant ift,
bah bie hebräifdjen unb gried)ifd)en
Sdhrift 3 eidhen auf ben aufgefchlagenen
Seiten oon 90teland)thons eigner §anb
herrühren. Dr. Star ftemmerid)
£utas ©ranad): £utl)er unb SteIand)thon
Id crcÄafactaftuitnmuö:^
ij mummamöommcfcKtfan
afe tatuöo:m loummomcDiml-
ölouapatncrCImtpffona*
S. ^WRtmptÄ c inarw m cdiim
cuuiixuc atigcti laufHtncce Ck
v? r ncDiültöommü- 3)unp^onu
% - Horte -
\ WM ötnfrttc iko omme kp
w:fmiiKt>ominow (e
" v* tirta- SntroiKttuöfpcttu#
« iitfimcrultanöe-Scuotcqup
tuam Domiiuw ipiccfr&cuo:
^ t ipicfcaciiop.ftnoitipjinoe-
©ine Seite aus ftaifer Staiimilians I. ©ebetbudh
1011 (Sb. 106)
entbedten ©efe^en ber £inearperfpe!»
tioelähtfich genau foinbenSOtiniaturen
mie auf großen ©emälben oerfolgen.
3ßof)I eines ber toftbarften SBerte,
bas bie gan 3 e beutfd)e ilunft aufsu»
meifen hat, ift bas ©ebetbudh ftaifer
Starimilians I. mit Sanb 3 eid)nungen
oon Wibrecht Dürer, §oIbein unb Surgt»
mair. Stit ihm oornehmlidh mirb bie
Senaiffance in unfrer Stalerei inaugu»
riert. 3u Orlanbo bi £affos 51ompo»
fitionen hat $ans SOtielid), ein auch
als Dafelmaler heroorragenber Äünft»
ler, in 3 mei riefigen Foliobänben in
ber Stitte bes fedl) 3 ehnten 3 ah ^ 3
hunberts töftlid)e Stiniaturen in au her»
orbentlid) großer 3 ahl gefchaffen.
?lrd)itettur, Ornamentit, Äoftüme unb
Stalmeife lehren, bah toir es mit
einer Schöpfung ber reifen Senaiffance
3 u tun haben. Dah in biefer ^Periobe
— es fei an Samen mie Di 3 ian,
Saolo Seronefe, Dintoretto, 91tid)el»
angelo erinnert — bie Dafelmalerei
ihre hödhften Driuntphe feierte, be=
fonbers in Italien, ift fattfam betannt.
Dah aber bie befdjeibenere Such*
malerei bahinter nicf)t ober taum
3 uriidftanb, lehren bie Arbeiten oon
Siielidhs §anb.
Übrigens befinbet fid) oon biefem
heroorragenben Stünchner 51ünftler
noch ein anbres fd)ön auf Pergament
gemaltes Such in ber Staatsbibliothek
mie ja überhaupt nicht nadhbrüdlidj ge»
nug betont merben tarnt, bah mir aus
£jans Stielidh: Stiniatur 3 u Orlanbo bi fiaffo (16.3ahrh.)
169
1262
Uber £anb unb $9leer
1911. Sttr. 49
5>anS t)ott ^öl)lenberg: ftarte
£) ft e r i a
s gibt ein £anb, too bie 3ttronen bliibn. Über
bies £anb, toeldjes ber Deutfhe im grüb*
fahr auffud)t, finb feb>r oiele nü^lictje unb lebrreid)e
Bücher getrieben toorben, 3um SBeifpieX ber
Bäbeter. Seine grau befht natürlich ben Säbeter,
fie gebt begeiftert, aufmertfam unb emfig feinen
gingerseigen nach: fehlt uns abfolut noch bie
Kapelle Sant' 5 Inna. gh habe bas Scaligerbentmal
nod) nid)t gefebn. £>ber bie ftrppta in Suftadjio.
Sr folgt ibr, manchmal unb 3u Anfang nod)
gutgelaunt, bann toirb er bösartiger. Sr be*
groeifelt bie Shheit bes 9 tHered)teften, Urantiten.
„Das tann jeher fagen!" höb«* er unb bobrt
mit bem Stod in irgenbeinen autbentifdjen
^orpbprblod ber Mauer bes SRemus, 9 ?omuIus
baute auf ber anbern Seite — feine grau refer*
oiert ibnt bie Sefidjtigung für morgen. Sr äußert
gotteslästerliche 9 lnfidjteu über 5 tird)enbauten unb
überlegt bie Bertoenbbarteit ber ebrroürbigen
Dämmerböblen für inbuftrielle 3 mede, im gall,
toie er für tobfidjer hält, eines Dages ber Staat
oon ber 5 tird)e fid) trennt unb bamit biefe gn*
ftitution bantrott toäre. Bor einem grestü*
gemälbe, bas fie bimmlifd), allererfte idunft, ©iotto
unb Simabue unb ©reco im Bubiment unb in
reiner Srtjabenbeit finbet, behauptet er efelftörrifd),
überhaupt nur nod) £>tfleäen 3U feben, jebe feuchte
Mauer in einem Sd)öneberger Neubau böte juft
genau biefelbe Mittung. Sr roill nicht feben,
er tut fo, als ob er fd)ted)te Bugen hätte ober fid)
ben <£>ols oerrentte — er ift oon abftofjenbem
Materialismus! t
©egen Bbenb tommt eine milbe §eiterteit
über ihn, er bat oerbältnismäbig gut gegeffen —
bas ift fein Departement, unb nicht nah bem
Säbeter —, er finbet bie greimaurergeidien unb
©efätjrten, irgenbtoie weife er Hummern, gifh 5
fuppen, Bwtfdj creme, leiber aud) baprifdjes Bier
unb Bollmöpfe auf^ufpüren — feine grau be*
bauptet, es ift gnftintt, er nennt es Crientierungs*
oermögen, gür ben Bbenb oerfprid)t er ihr eine
befonbere ©enugtuung. Sr bat etroas gan3
Sbaratteriftifd)es, Sigenartiges, italienifdjes £otal=
tolorit mit ftünftlererinnerungen, Romeos £aus
ober bie Saracallatbermen.
gn Romeos toaus nämüd) trintt man meinen,
blumigen Mouffierenben, in ben Saracallatbermen
gibt es einen geroiffen bunteloioletten ©bianti*
artigen, oon bem man mit fdjweren Beinen auf*
ftebt. Unb im buntlen Werter ber Beatrice Send
fließt wieber fonnengolbener grascati, ober bie
Mönche unb gnquifitoren oon San Sulpicio
fpenben jefet für alles Slut unb geuerbränbe bas
milbefte geuerblüt felbft.
Sr roirb toabrbaft poetifd) in ber Sefdjreibung
biefer Orte, fhleid)t ficb nächtlich m Sbplods
ftneipe burd) bas ©affengeroirr am Bialto unb
finbet £ifa, bie autbentifhe Mona £ifa, bunter
muffigem £äfe unb Mattaroni. Ss toirb fhwierig,
ihn aus ben ftommetserinnerungen oon Bologna
3U entfernen, unb bei Sater Sifulco in Neapel
fhwört er, bah nur ber gaiemer ein ©ötiörwein,
ber Befuoio trofe feiner Diiden ber befte alte
Dränenbeilige oon gan3 gtalien unb ber ©briften*
beit fei! . / ^
Seine grau tlomm inbes treulid) ben Sefuo
hinan, toas mübfam ift unb ein fanboolles Ser*
gnügen bebeutet. Man tann es fid) febr beutlid)
oorftellen, inbem man einen fentredjten Schutt*
häufen, oon 3toei Kerlen, für 3ebn £ire, an Siemen
ge3errt, fid) hinauf fcfeldfen läfet! Sie ftarrte auf
bie £umpenanfammlungen bes Palatin, wo einft
bie ftaifer wohnten, unb atmete ben 'Staub ber
uralten Sömerd) auf feen in ebrroürbigen Sumpel*
brofdjten, fie briet auf bem Spomeogipfel unb
fror in blauen, grünen unb fdjtoefelgelben ©rotten,
atmete bie entfpred)enben Dünfte unb probierte
Sluttourft mit Sd)otolabe, ^ammeltöpfe in
ftürbisternen unb Domatentud)en mit 3 wiebelgufe,
ba3u las fie ©oetbeunb ©regorooius, las Biefefhe,
gerrero unb Sabatier. Sr behauptet, bafc es nur
einen ewigen Sahoerftänbigen über gtalien
gibt: §ans Sattf). tiefer §ans Sartb bat ein
Such „öfteria“ gef<hrieben, toeld)es eine rettenbe
Dat bebeutet, bie Settung oor Äircbentoänben, oor
Snglänberinnen unb brödelnbem ilaü.
§ans Sartb oerläfet feine Dafd)e nie. Ss ift
ein bünnes Sud), bas auf feinem dmfd)!ag einen
ben Sfel reitenben, beträn3ten Silen trägt. Die
*) Siebe „Über £anb unb äReer" Sr. 43, 45 unb 47.
£)rte, oon benen §ans Sartb weht fpridjt, toerben
umgangen ober auffallenb fhnell abgemacht. 3um
Seifpiel fanb £>ans Sartb in Sffifi unb S^ugia
nichts Drintbares, er liebte aber grascati unb
gefiel ficb lange in ben Slbanerbergen. §ans
Sartb oerflud)t ©enua unb preift Dorino. 2Bir
tennen bie Sftigrotten rings um £ugano, unb
irgenbtoie treibt's ihn nah £ugano immer toieber,
alltoo Saprino unb bie Santina roffa toarten:
„Du toeifet, £ugano liegt fo bequem als Susgangs*
puntt an ber groben £inie! Stau tann ba alle Soft*
fachen bfrtbeftellen!“
©ott fei Dant, lebt $ans Sartb in Som, unb
lebt unb b^bt nod) ba, toie er ficb burd) Seher*
antlang über3eugen burfte!
2Iuf biefe 2Beife fab feine grau toenigftens ben
Sapft unb fab and) bie Siftina unb bie Senus
oom itapitol.
Hm ber 2 Babrbeit bie Sbre 3u geben, bie Senus
befab er mit ihr, er befab fie mit äßoblgefallen
fogar, oon hinten unb oon oorn.
„Der herbe SBeibe oon Santi Spoftoli ift ber
befte,“ fagte er bei ber Sbfabrt 3U feiner grau,
„grüber toar ber in ber Scdontbella am Santbeon
beffer. Das Senetoreftaurant ift toirtlih ein gort*
fhritt. Da hoben fie mal toas ba3u erfunben!
3 u ben ollen Drajart unb 5 tonftantin!“
Seine grau anttoortet ihm niht. Sie bentt
an ©oetbe unb an Siharb Soft, an bie Qlbenb*
mufif auf bem Sincio, ja, unb an eine römifhe
Serlentette, an ben üupferftid), ben fie für nur
fünf3ebn £ire getauft bot, unb 3U £aufe toill fie
fagen, bab er 3toeibunbert getoftet bot.
gn Sbto e f enb eit
Ss ift für feine grau eine furchtbare Sorge,
bab er fo allein geblieben ift! „Sin Siann ift ja
fhümmer toie ein ftinb,“ er3äblt fie ihrer greunbin
Slbertine. „Hnb ih roar fo alles im <5aus! ©ott,
toer toedt il)n nur bes Borgens? 2Ber siebt ihn
orbentlih an? Sr bot fid)er fein grübftüd niht.
Hnb Srot tonnte er nie fhneiben!“
grau Slbertine möhte anbeuten, bab er früher
boh immerhin einige fehsunb3toan3ig bis breifjig
gabre als alleingebenbes Hnfhnlbstourm in ber
2BeIt gelebt batte, ab, tränt unb aufftanb. grgenb*
toie unterbrüdt fie bie Semertung. Suh
Siann ift allein in ber 2Bol)nung unb mit ben
itinbern. SBie foll er fi<h b^Tt ?
Raum geniebt fie felbft bas bequeme, gut
eingeölte Sabeleben. Herbert bot fo gar teine
roirtfhaftlihen Dalente, bie 5 Hnber gebord)en ihm
niht. Sr oersiebt fie enttoeber ober er fhnau3t
fie an. „©tauben Sie mir, SOtänner, meine £iebe,
finb bie fhlehteften Sr3ieber oon ber 2 Belt! Steine
5 Hnber, toenn es nah ginge, toären alle mib=
raten. So half ih ftßi ben Shnlarbeiten, ih
beobahtete Sofis ©efunbbeit, ber kleine tränt
nur oon mir erft getoftete SOtilh-"
Selbe grauen finb forgenooll. Ss ift leiht*
finnig, einen Staun fo allein 3U laffen! „gh
habe 3toar meine Sdjtoefter beauftragt, nah h m
3u feben," ergäblt feine grau. „€ber Helene
ift .aud) fo toufhelig nnb nah oben hinaus. Die
nimmt ihn böhftens in ein Seftaurant mit, unb
fie fhiden mir oon ba eine SXnfihtstarte."
grau dHIbertine toeib: „gn ber SSirtfhaft
brauhen fie immer bas Doppelte, toenn ih niht
ba bin. Die £eute betrügen ja fo 'n Staun red)ts
unb lints. Die fiieferanten natürlih auh- Sa,
ih toerbe, toenn ih bdmtomme, eine fhöne
Sefherung oorfinben!"
Sßenn er reift, ift bas gan3 toas anbres!
Stau bot bie 3 ^it, um fid) aus3urubn. gür ©rob*
reinemahen unb Sparen. Die itinber finb nod) 5
mal fo artig ohne ihren Sater, unb ber Haushalt
gebt am Sd)nürd)en.
„gh glaube niht, bab & fein geuer3eug felbft
finbet," reflettiert feine grau, „gh holte es
ihm immer, ih mähte nah ^ifh ben itaffee,
bib ihm bie gigorrenfpi^e ab."
Sin toenig, mit tleinert klugen, fiebt grau Silber*
tine über fie bintoeg, fie ift älter unb erfahrener,
ift Stutter oon breien. „Stau bürfte fie niht
allein laffen, toenn man niht felbft manchmal
bie £aft los fein toollte! — Dab junge Stäbchen,
bie bie Sbe niht tennen, heiraten unb um jeben
Sreis fih oerbeiraten toollen, rounbert mich ja
niht! Sber eine Sßittoe 3um Seifpiel, bie ihre
ftinber unb Sermögen bot, toirb ntir unbegreiflid),
toenn fie toieber heiratet."
Selbe Damen begreifen bie SSittoe niht.
„Hnb toenn man alles oorber fo roübte, toie gut
bat man's boh ols Stäbhen 3U §aus — im
bübfhen, 3ierlihen Stäbhenftübhen, bei ben guten
Sltern — unb geflirtet toirb, bie Setoerber
tommen —“
„Die Setoerber hören eines Dages auf," finnt
bie prattifhe grau SIbertine. „Sa, unb biefe
Sefürhtung entfheibet bann toobl. Sud) toar
meine Stama unerträglih betrfd)füä)tig, man
tonnte es als ertoahfene Do hier bei ihr im $aus
taurn ausbalten. gd) bebauerte immer Sopa."
Die Mama feiner grau . bie gute, füge
Stama — toar ebenfalls unerträglih berrfhfüd)tig
getoefen, unb aud) h*e Dohter hotte Sapa oft
bebauert. „Die grauen haben teine groben Sus*
fihten in ber SSelt, fo ober fo!" fagt -fie rnübe.
„Die Stänner leben boh toenigftens in ihrem
Seruf."
grau Sllbertine meint: „SSiffen Sie, fo Dag
für Dag 3m felben 3 dt aufs Sureau ober ins
Kontor, auf ben Srer3ierplats unb ins ©erid)t
toürbe mir auh toenig Spafe mähen. Stan muh
baran getoöbnt fein. Die Männer finb's getoöhni"
„gh möhte febr gerne ©elb oerbienen."
,,©elb einnebmen, meinen Sie? £> ja! ©elb
tann man nie genug hoben!"
„Hnb ih bin über3eugt, bab bie grauen eines
Dages gerabefo oiel ©elb toie bie Stänner befiben
unb oerbienen toerben!"
„Sie toären bumm. Ss ift angenehmer, bie
Stänner für fih oerbienen 3u laffen."
„Sber ebrenooller ift, felbft 3U oerbienen!"
„Sab, ebrenooll!"
Seine grau meint: „Sigentlid) ift boh mert*
toürbig, too bie Sbe ihnen nur Sadjteile, Ser*
minberung ihres Sintommens, Sorge unb £aft
bringt, bab Männer überhaupt nod) heiraten unb
eine grau, niht ein Sermögen, heiraten!"
„Das ift auh merttoürbig."
„Hnb toenn es toabr ift, bab fie polpgam oer*
anlagt finb — Sfher itebr behauptet boh fogar,
bab toir grauen es finb — bab fie uns treu bleiben,
ift bas ^lllermerttoürbigfte!"
„ 3 lh> Dreue!" grau Üllbertine gähnt, „üluh
fo ein Segriff!"
„SSie? Sie glauben niht an Dreue?"
„Serubigen Sie fih! gm Sin3elfall immer,
gm allgemeinen — für bas grobe ©an3e —“
„Ss gibt oiel £ieberlid)teit in ber SSelt. —
Sun, ©ott fei Dant, brauche ih bas niht 3 U
befürchten!"
„gn bem $untt ift Herbert niht an3utippen.
Sr langweilt mih fogar faft. gh hätte ihm gern
mal ein Srlebnis, eine Srfhütterung 3u oergeben."
„Die grauen fangen immer an."
„Sber alle grauen finb treu."
„©etoib finb fie bas! gh meine auh mehr
imaginäre grauen, bas SSeib als Segriff — bie
Sßeiber, fold)e SSeiber."
Über bie abfolute Sertoerflihteit „folher“
SSeiber einigen bie Damen fih leiht.
Hnb er toirb fih langtoeilen!" grübelt
feine grau. „Stänner finb fo unergiebig aus fih
felbft. Sr tommt nie mal auf eine Heine 3 ^=
ftreuung, auf einen Sbenbbummel."
„SSenn man fie mal barauf gebraht bot,
genießen fie grünbliher als toir unb hören fhroer
toieber auf."
Ss ift troftlos. Seine grau ftellt ihn fih immer
über bie Shreibtifdjplotte gebeugt, grau unb
fhleht rafiert oor. SSarum er fhleht rafiert ift,
ba fie ihn boh nicht rafiert, toeib fie niht, oiel*
leiht gehört es 3ur ’pbpfiognomie bes ©rams;
bas 3 immer ifttübl ober überbe^t, unb tein Staub
tourbe feit ad)t Dagen abgetoifht. „gh fh*dbe
ihm täglih- Sin Siann braucht Anleitung, gür
bie ift boh bie Sbe gerabe3u eine Sottoenbig*
teit, mit ihrer Shroerfälligteit unb ^ßbontafie*
lofigteit, teinem SBlidfür Sauberteitunb Behagen!
gh bin fid)er, er toeib niht einmal, toas er ibt,
unb gobanna mäht alles auf ihre gaffon."
Da tommt ein Brief oon ihm. Sr fhreibt
unb er rühmt, bab es ihm ausge3eid)net gebt,
gobonna ift überbrao, er ift mit Helene int „Slou"
getoefen.
„Sr will mir nur teine Sorge mähen," fagt
feine grau, „gh höbe hm gefagt, toenn ih
fterbe, foll er Helene heiraten. — Sr ift brei3ebn
gabre älter als ih, ih bin fiher, ih fterbe nah h™-“
„Das ift getoöbniih fo* Hnb ältere grauen
tönnen boh nihts ntebr reht anfangen bann.
Darin liegt ein Susgleich-"
„ittber glauben Sie — glauben Sie ernftlih,
bab Männer allein fein tönnen?"
ber 6d)enfe* 9Zad) einem ©emälbe bon Söityelm 6ctyreuer
1264
Über ßartb unb Sfteer
1911. 49
„Aßir würben's irrten nie erlauben. Deswegen
tönnen fie es nid)t.“
„Aßir tönnen's bod) aber?“ .
grau Albertine lächelt, unb feine Stau fängt
wieber an, non ihren großen Sorgen 3U fpr ed)en,
bah gohanna ibn beftieblt unb Helene oberflächlich
ift.,..... Ais ber £err Dottox tommt. Der Derr
Dottor ift ein netter- unb intereffanter AZann.
Sitelteit
Aßir wiffen alle, bafj grauen eitel finb — fie
ftehen oor bent Spiegel, fie fhmüden ficE) mit
Aßagenrabhüten, mit Durbanen ober Dofenröden,
fie taufen Aüfhen, Ael 3 iaden unb Seibenftrümpfe,
fie ruinieren ihre Seemänner unb bemogeln ihre
■fiiebbaber,. unb flagen bei feiner Schwiegermutter.
Aßü tarnen alle unfre Aßihbtätter unb kennen t)in,
wenn Stauen nicht eitel roären? Unfre Diebe
tonnen it)re $erlenl)alsbänber fteblen, unfre
, Dichter oon ihren fpitjenbefehten Unausfpred)liefen
fd)wärmen, unfre AZaler fie entliehen, unfre,
Sittenprebiger fie oerbammen.
Der Derr ber Schöpfung ift nicht eitel, über
alt ÖiefemiKeintram fteht er erhaben, in Sd)open*
hauerpofe.
Sr hat nur manchmal bie gbee, bah abfolut
nur: ein graublauer Sdjlips ihm fteht— jener
beftimmte graublaue, aus bider, gerippter Seibe,
engtifd) natürlich, ber fünfgehn AZart toftet. Seine
grau hat mod) , nie mehr roie gtoei AZart fünfstg
für „ein Snbhen Seibeubanb fd)ltehlid)“— aus*
gegeben, fie entfinnt fich breier geräumiger 5Zom=
mobenfhubfäd)er, bie, mit ähnlichen Seibenftreifen
oollgepfropft, ausberften. Sie wirb belehrt, bah
biefe oierhuubertfünfgig eben nicht mehr mobern,
- nicht fd)id, fonbern unmöglich unb tommishaft finb.
Sie- batf fich nid)t wunbern, toenn nah gan 3
turger 3eit (braublau ihm nicht mehr fteht — poer
hat bas gefügt unb wo würbe es feftgeftellt? ■—
©raublau ift Dorffhulmeifterfarbe, aber es ift ba
jener tntereffante, unbefinierbare, getoäfferte unb
oerfd)lungene -Sr bleibt 3Utoeilen oor Aus*
lagen ftehen: es ift unmöglid), bah £eutefo etwas
taufen, erbsgelb unb tataobutterfarben, unb wein*
rot unb ölfledig ober ohfenäugig — Der ©efhäfts*
inhaber muh bod) fein Aublitum tennen! Unb bie
tluge Sattin fchtoeigt, toenn fie unter feiner Aßäfd)e
apfelgrüne Seibentritots, toenn fie Strümpfe mit
lila 3uüdeln ober ©igerltragen AZarte Snob
$iff*Aaff entbedt.
Sr ift über jebe Sitelteit erhaben, nur be=
unruhtgt ihn lebhaft, toenn fein Sattoan3ug 3 toei
9Zäl)te ■ im Aüdert hat, toährenb bie AZobe eine
oorfdjreibt, ober feine Aßefte im U ausgefdjnitten
bleibt, too im lebten Sportberiht gürft gürftenberg
ober ber $er3og oon Dutt)erlaub fd) On ein V trägt.
„Das oerftehft btt nicht!“ fagt er argerlidt), weil
fie es wirtlich nicht oerftehi. Sr tarnt nicht aus*
fehen toie ein Armenhäusler, tote ber ©emeinbe*
oorftanb oon Altliehegöride! gerner gibt es ein
Kapitel ber ©reeches, es gibt Breeches, 5tnie*
hofen unb Aßideigamafd)ert., 3u allen breien ge*
hört eine Aßabe — — Dies ftapitel umgeht er,
inbem er farboitifd) über Sdjlitjröde,burchbrodjene
Seibenftrümpfe unb ^ßuntps toirb.
Aon tniffligfterüpeinlichleit ift er in begug auf
Stiefel. Stiefel machen ben ©entleman. Sin
unblanter Stiefel tarnt ihn oerftimmen, ein Aiefter
ertoedt Selbftmorbgebanten — bagegen hebt ein
Aatentladierter entfd)ieben,bas Dafeirtsbewuhtfein.
All biefe Aufgaben erlebigt er nicht ettoa gern,
gefd)äftig unb gefdjroähig toie feine grau ■ —*
bie Aerhanblungen werben heimlich geführt, plötp
lief) langen Stiefel an, bann tommen bramatifhe
Dete*a=tetes mit bent Sd)uhtünftler, oh, oon einer
Dramatit! ' Auch fein . Sdmeiber ift ein gbiot,
ein Schafstopf, ein - „$ol 3 tned)t! Sie erinnert
fid) gern, ber angenehmen Stunben bei ihrer
Aiabame Seline, bes groufrous unb bes munteren
©eplaubers bort, ber bistreten Anfragen unb
Aoti 3 en. — Ss muh artgenehmer fein, Sdjneiberin
3 U fein als , Sd)neiber. Aber oielIeid)t bringt bas
lehtere mehr ein?
Seine Aedjnungen 3 ählen nicht, bie be 3 ahit
er felbft unb ohne Aanbbemertung. Seine grau
fartb ihn einmal fehr,- ernftlich oerftimmt, toeil er
ein toeihes £>aar in feinem Schopf entbedt hatte,
fein §aar tourbe feitt>er toieber erfreulich bräunlich,
mit feinem grifeur fteht er immer auf gutem guhe.
Das ift eine Aertrauenspcrfon, er gibt fportlid)e
Dips. Aloh folche? s
9Bir ermähnen nicht, bah -.er feine SBruft ebenfo*
gern mit einem Sternchen ober 5treu3<hen behängt
toie fie ihre mit einer ^erlentette. Sr be3ahlt
unter Amftänben für eine 5tonfuis= ober Senator*
uniform gan 3 anftänbige Summen, feine ^h°to*
graphie im Drnat ift nicht übel! Unb toenn
hübfd)e jüngere Damen ihm Schmeicheleien über
feine jugenbliche Slaftisität, fein forfthes Ausfehen
lagen, fo ift ihm bas gleichgültig, ebenfo gleich 3
gültig, toie toenn Dante ©ift 3 ahn meint: „ga,
ja, mein Alter, toir beibe finb alte £eute, toir
lönnen nicht mehr mit, bürfen unfern Sarg beim
Difd)ler beftellen !“
Sr ift nicht eitel, ©ott betoahre ihn! Seine
grau ift es, er bulbet ihre Sitelteit, er hätfchelt
fie fogar barin. ©laUbt er, bah feine barüber
nid)t bemertt toirb?
Seine grau , ift gutmütig. Die grauen finb
toirflid) gutmütig — er oerbirgt fich fo gefdjidt!
Seine©efunbheit
gür feine 3urüdhaltung auf bem einen ^ßuntt
tann er fich too© auf bem anbern eine Keine
menfehüche Sd)toäd)e geftatten: er ift nämlich
toehleibig.
Sr beftreitet es lebhaft. Selbftoerftänblich
toürbe er toagen, ben Sötoentäfig 3 U betreten, er
toürbe fich auf bem gelbe ber Shre totfehiehen
laffen ober audj in einem Duell — ©ott erhalte
ihn uns! — ficher nicht tneifen. geh tann ihn
mir bei Aorbpolerpebitionen oorftellen ober Süb*
roeftafrita fet)r toader oerteibigenb — —
Aber fagen toir 3 um Aeifpiel: 3 ahnf<hmer 3 en!
Sr oerfucht fofort, bir begreiflid) 3 U machen, bah
fein 3 ahnf<hmer 3 anbers ift als eurer, befonbers
ägrierenb, ungerecht tüdifd), nieberträchtig. Sr
ift ein SÖiärtprer, er erträgt ihn mit ber Staub*
haftigteit eines Surtius — Sr ift unerträglich,
er brüllt, er tobt, er fd)Ieubert hanbliche ©egen*
ftänbe —
c 2 Bir toiffen, er häugt nicht am £eben —
nicht er! Sr oerachtet es fogar, ihm ift betannt,
bah toir alle fterben müffen, ber eine früh, ber
anbre fpät, manchen lieben alten greunb oon
ihm hai es f<hon hmgerafft, unb mancher toar
auch fo gar alt nod) nicht.
Sr ift. toehmutsooll geftimmt, er empfiehlt
feiner grau, halb toieber 3 U heiraten, befiehlt
feine 5tinber ©ott, bem Aalet ber ASaifen, unb
einer Aklt, in bie fie nid)ts als Aeblidjieit unb
ben Abfd)iebsfegen ihres Aaters mitbringen. Ss
geht 3 U Sttbe mit ihm, er toeih es. Ss ift fein $er 3 .
ASertn er fich ben Aiagen oerborben hat, hat er
nämlich Aiagenlrebs, auf geheimnisoolle Aßahr*
nehmungen hm oermutet er Aieren. Auch fein
©ehirn ift oft fchon affi 3 iert — er hat tür3lid)
eine Arofchüre gelefen, bah ©eiftestrante immer 3 U
fpät eingeliefert toerben. gm übrigen toäre ja
feine Aflld)i öetan, ba liegt bie Üebensoerfi^erung,
bort bas Deftament! — Diesmal alfo ift's fein
§er3!
„Aber bein §er 3 ?“ fragt bie ©attin erftaunt.
And) fein Ontel Sbuarb ift am §er 3 en ge*
ftorben. unb bie Dante £ordj en. „Dante £ord) en
ftarb fehr qualooll, fie erftidte — (er oerbirgt
eine' Dräne). Aerfprid) nur, bah ih* mich nicht
lange leiben Iaht! Atorphium! — 3eine Drauer
um mich ! gh mag bie fhroar 3 en Kleiber niht,
bu tannft bie Aßohnung sum güli fünbigen.“
Sr lennt bie Spmptome. Sie toaren immer
ba. Die Argte finb Sfel. Aßas ooeih bies ©efhleht
oon ggnoranten unb Aiehgern?
* Sr bereitet fid) in dtiriftlict) er Aßeife, grobe
Sünben hat er fih nicht gerabe oor 3 utoerfen —
merftoürbigerroeife rehuet er immer nur — unb
bies ift eine pfphologifhe Aterftoürbigteit — 00 m
§oh 3 eitstage ab. „Sage mir, bah bu im gansen
3 ufrieben toar ft, bah ih bir niht roiffentlih Aöfes
tat?“
Sie oerfihert es ihm, fie fiht an feiner Seite.
Sr toirb fhtoäher unb fhotäher — felbft bas
Sffen fdjmedt it)m niht mehr, auh bas Fähnchen
niht, obgleich, er es bod) oersehrt, um fte niht 3 U
tränten, er tonnte fogar Apfelmus hinterher unb
eine glafhe Aottoein oertragen.
Das §er *3 ift ein geheimnisooller Apparat.
Daoon toeih nämlih niemanb etroas. Alle anbern
©ebiete finb 3 iemüh burhforfhV Bum Aeifpiel
£ungenangeiegenheiten ober ber $eftba 3 illus. Aber
bas £jer 3 ! £eute toollen gerabe Ar oft fagen unb
heben ihr Aßeinglas — futfh! finb fie fort! Sr
hat einen älteren §errn gelaunt, ber austrat
unb nihtftPiebertam.
ltnterbes ftubiert er bie Aubrit $er 3 im 5ton*
oerfationsleriton, er hat eine Aibliothet über ben
©egenftanb. Dntel Sbuarb toar fhtiehlih feines
Aaters Amber, unb obgleich ber Aapa am ©ehirn*
fhlag —
Aein, er toirb nid)t tämpfen! Ss ift boh oer*
gebens. Da ft|t es ihm, er 3 eigt oon ben Shultern
bis an bie §üften hmunter, auh ba, im 5treu3
hinten! Xlnb er fpürt's an ben Schläfen, am
Appetit, in ben Aronhien. geht huftet er fogar.
Die Aermutung, es tonnte bloh gnfluen 3 a fein,
regt ihn auf. Als ob er einer gewöhnlichen gn*
fluen 3 a fo nahgäbe — hanbert gnfluen 3 en
hat er gehabt unb überftanbert! Da — ba ift
gieber!
Sntfhieben ift er bleih getoorben. Sr miht
unb 3 ählt. Auh feine grau muh meffen. Sr
fhlieht bie Augen unb legt fih im £ehnftul)l
3 urüd. geht ift er bereit, man foll ihm niht
nahfagen, bah er am £eben hmg — niht hm!
Aßas ift bas £eben? Aßie fagt fhon ber Afalmift?
„Anb ih habe bid) ja!“ fügt er mit wahrhafter
unb fhöner gärtlihteit hiu 3 u. „Du fiheft neben
mir, toenn es fotoeit ift. Sin bihhert wirft bu beinen
alten £jans ober Otto (beliebig) boh oermiffen!
Sr tonnte bir niht alles fein, was er fein wollte.
Sr muhte halb bahin —“
Der Ar 3 t tommt. Sr ift ein jooialer Atann,
ber mit einer bröhnenben unb aufmunternben
Stimme fprid)t.
„£ah mih allein mit ihm!“ befiehlt er nod)
ber ©etreuen mit fhwaher Stimme.
Sie finbet ihn nah einer halben Stunbe
entfhieben aufgeräumt. Sr fprid)t oon einem
luftigen Abenb im Aeftaurant, er wirb Seit
fpenbieren. Der Dottor hat eine faftige ©efhihte
er 3 ählt.
Sr ift gerührt, er ift weih, er ift freigebig.
. Das §er 3 war's niht, fein $er 3 ift terngefunb. —
Die Srbe hat üjtt wieber!
gn Amerita
Sr hört täglih, bah man hn in Amerita niht
mehr mag. gn Amerita ift bie grau einfah ton*
angebenb, eine grau tann in Amerita alles werben,
Schiffstapitänin, Knioerfitätsprofefforin, 3mil*
Ingenieurin, Druftmagnatin.
„Auf bie lanbesüblihe Aßeife, inbem fie einen
Druftmagnaten heiratet?“
„Aitte fehr! Ss gibt grauen, bie felbftänbig
fpefulieren, auf bie Aörfe gehen, ein Delephon
nah öer Aörfe auf hrem Sd)reibtifd) ftehen haben.
Sie finb Atultimillionärinnen. gn Amerita wirb
jebes ©irl mit bem 3epter im Stehtiffen ge*
boren, Keine Knaben bebienen bort ihre Shweftern,
Aiänner 3 iel)en ihren grauen bie Shuhe aus,
ber Atann beforgt bas Daus, er loht unb fegt.“
„Die Abwehflung wäre gan 3 annehmbar,
wenn fie bafür in bie gabrit ober in bas itohlen*
bergwert ginge.“
„Bless my soul ! So was würbe eine ameri*
tanifhe grau nie tun! Sie ift Detoration, ift
Derrin, ift bas Aftbetifdje in Amerita.“
„gn Amerita weinen gungens, wenn fie ge*
boren werben fhon, bah fte niht Atäbhen finb.
Dreijährige, bie man in £ofen fteden will, Kam*
ntern fid) 3 eternb an bas 5 KtteIfd)ür 3 hen. Ss
gibt bloh Ailbung, 3toilifation, ©efhmad unter
grauen. Der Atann, ber eine grau ftöht, beleibigt
bie Atajeftät — bas Aablitum Ipnht ihn. Stöht
ihn eine grau, fo hat er fih lebiglid) 3 U ent*
fhulbigen, bah er in ihren Aßeg lief. 3um Aeifpiel
täme es niht oor, bah ein AZann fähe unb eine
grau ftänbe. Auh wenn bie grau alt unb hähltd) —“
„itnb ber AZann gleihfalls hählth unb alt
ober lahm wäre. Das ^ublitum Ipnhte ihn!“
„Aßertn ein AZann feine grau haut, wirb er
gelpnht. Aßenn er ein AZäbhen tüht, Ipnht
man ihn. Sin Shemann, ber ohne Shering am
ginger ausgeht, oerfällt bem Stanbgeriht ber
Shwiegermütter wie ^ßentheus. ga, ein AZann,
ber nur in ben Aerbaht tommt, eine grau 3 wei=
heutig angefehen 311 haben—“
„Ss gibt teine grauen, bie wieber 3 wintern?“
„gn Amerita fuht fih bas junge AZäbhen
ben AZann aus. Sr |at nur ein Sinfpruchsred)t.
Ariht er fein Deiratsoerfprehen — unb fhon
ein Du, ein Aorname bebeutet bort eine Aer*
loburtg —“
„£i)ncht man ihn!“
„Die grau tann fid) jeber 3 eit wieber fheiben
laffen. Sie brauht oor bem Stanbesbeamten
nur an 3 ugeben, bah ho AZann ihr niht mehr
genügt, bah er hmter ihren Anfprühen 3 urüd*
bleibt.“
„Aßenn er angibt —?“
„Aatürlih Ipnd)t man ihn! Der Aid)ter felbft
würbe 00 m Stuhl fteigen unb ihn überlegen. Sr
würbe mit höfliher Aerbeugung bie Aeitpeitfdje
feiner grau anbieten. Hub fie bebiente fih ber*
felben!“
„Aßenn aber bie grau in offenbarem Knreht
ift — felbft in Amerita?“
„Sine grau tut eben tein Knreht — in Amerita.
Sine grau hat immer recht. Aßeü fie ein höheres,
feiner organifiertes unb fittlid) beoorrehtetes
Aßefen ift. Amerita hat bas Kar ertannt unb ihr
1911. 9tr. 49
Uber £anb uttb $0leer
1265
besmegen bie §errfd)erftellung im öffentlichen
fiebert eirtgeräumt. (Elegante fieute bet uns finb
eben Ameritaner. (Elegante Haushalte leben
ameritanifdh."
„Unb menn 51tüber ba finb?"
„Ameritanerinnen betommen nur Kinber, menn
fie felbft meld)e mollen. Das ift in ihrem Beirats*
fontraft aufgenommen. Überhaupt regelt biefer
§eiratsfontraft alles. And) bie 3 rdtiatioe in ber
©he."
„$m. — Du hältft nicht mal einen Streif
ber Alänner für möglich?“
„Alan roürbe bie Streifenben lynchen! Die
Atatronen in ASyoming haben einen Aiann ge»
teert, ber feiner grau miberfprodhen Ijatte. —
©ib bir feine Atül)e, mein Armer! 3h* habt
feine filusficfjten mehr in Arrtetüa. Amerita
benft man mobern!"
„gnbes batte aber bod) urfprünglid) Kolum*
bus —"
„Kolumbus, toenn er heutgutage lebte, toürbe
einfach ausgeladht toerben. Sein ABih mit bem
(Ei ift uralt."
Seine 3ufunft
(Es gibt fieute, bie fid) barüber ben Kopf 3 er*
bredjen, toas aus ben gerben toirb, toenn toir
nur nod) Automobile haben; anbre erregen fid)
um bie Sermenbung oon Kird)engloden, nad)bem
bie lebte Kirche gefd)Ioffen tourbe, ober toer trinft
bie ©hampagneroorräte in ©pernay aus, toenn es
blofc noch Abftinenten gibt?
2 Bas finb biefe ©eringfügigteiten gegen bie
toeit gröbere Sorge ber ganzen Atenfd)heit? Alan
bat fo lange nach bem pthecanthropus, nach bem
Sinbeglieb 3 toifd)en Atenfd) unb Affen gefudjt —
ftebert toir toieber oor einer Ubergangsperiobe?
ASirb man halb bas lebte männliche ASefen in
einem Atufeum geigen mit bem Ißorgellanetifett
oom 3 abre gtoeitaufenbgtoeibunbertgroeiunbgtoangig
ober fo ungefähr?
Sor mir liegt eine Srofdjüre, angenehm
himmelblau eingefd)Iagen: „Der Untergang bes
männlichen ©efd)led)ts in pflangen*, Tier* unb
Atenfd)enmelt." A3ir erfahren, bah bie Saud)eria*
aigenarten unter mangelhafter (Ernährung blob
männliche ©efchIed)tsprobufte, bei befferer ©r=
nährung auch toeiblidje, bei ber beften enblid)
nur toeibliche ausbilben. Dartoin machte ähn*
liehe (Erfahrungen am Pfaffenhütchen, fiälbebranb
an ber ©felgurte. Sei Spinat unb Singelfraut
nennt §offmann bie männlichen gnbioibuen
Kümmerlinge, inbem fie auf einer getoiffen Stufe
ihrer frühen embryonalen (Entroidlung ungenügenb
ernährt tourben.
Das gut gefütterte ASeibdjen bes Säber*
tierd)ens legt nur toeibliche, bas fd)led)t gefütterte
blob männliche (Eier. 3m ber Satur finb fiebern
unboiergig Srogent ber gröfd)e meiblid), burch
befonbers intenfioe Fütterung gelang es ©mile
3ung, bie 3af)l ber toeiblidjen Tiere bis ad)tgig
unb fogar gtoeiunbneungig Stogent gu fteigern.
Son breihunbert Schafen gaben h^nbertfünfgig
gutgenährte ad)tunbfed)gig S^ogent toeiblidje Aach*
fommen, hunbertfünfgig fd)lechtgenährte blob oier*
gig ^ßrogent SBeibchen.
(Europa hat einen gtauenüberfdhuh oon fünf
Atillionen. Unb er ift in fteter Sermehrung be*
griffen, ©ine Atännerübergahl exiftiert nur bei
öfonomifch unterbrüdten unb tiefftehenben Sölfern,
toilbe Stämme, befonbers foldje ausfterbenber
Saffen, geichnen fid) burch Atännerreichtum aus.
Auf faft allen Altersftufen ift bie Kinber*
fterblid)feit ber Knaben gröber als bie bes toeiblidhen
©efd)Ied)ts. grauen finb langlebiger als Alänner.
„Die Auslefe ift bie Austoahl ber beffer ©e=
nährten," fagt irjugo be Sries.
„Der Atann toirb untergehen unb bie
grau toirb fidh gur Synthefe beiber
©efdhledhter, gum Hbermenfd)en, ent*
toideln. Der Aiann ift oergänglid), aber
bie Atenfchheit ftirbt mit ihm nicht aus.
Die grau ift eroig."
Armer greunb! Sein Sdjidfal ift in ber Tat
traurig. So lange haben toir ihn gebraudht unb
gemibbraucht. Unb nun ...
©r ift überflüffig.
Die Snftrumente
bes Seemanns
OTuf einem mittelgroben grad)t=
Vf- bampfer füllen toir nach einer
ettoas abfeits oom allgemeinen Saffa*
gieroerfehr liegenben §afenftabt
mitgenommen toerben. Das Schiff
ift gtoar nur ein gradjtfahrgeug, hat
aber einige, toie aud) bie oer*
toöhnte fianbratte gugeftehen muh,
recht elegante Kabinen, in benen hin
unb toieber einige Seifenbe unter*
gebracht toerben. Der fooiale alte
Kapitän unb bie liebenstoürbigen
Sd)iffsoffigiere, benen bie paar neuen
©efichter an Sorb eine angenehme
Abtoed)flung gu oerfpred)en fcheinen,
laffen halb ben Schauber oor ber
©intönigteit ber beoorftehenben Seife
oerfdhtoinben. Schnell, toie man
auf bem ASaffer greunbfdhaften
fdjiiebt, toerben audh toir noch am
Abenb oor ber Abfahrt heimifd) an
Sorb, toogu nicht gum minbeften ber
oortreffliche ASeinteller bes Kapitäns
beiträgt. — Am anbern Atorgen
gibt's oiel gu fehen; oor allem
gilt unfre Aeugierbe ber Komm anbobrüde unb
ihren ©eheimniffen. Der Kapitän gibt einen
liebenstoürbigen ©rtlärer ab unb geigt uns alles
aufs eingehenbfte. „ 3 a, bie gührung eines mo*
Der 3eitball gum Segulieren ber ©hronometer auf einem toeithin
fidhtbaren Turm
bemen Schiffes ift tein fo einfaches Ding, toie Sie
glauben! (Es gehört oielerlei bagu. Der Seemann
oon heute braud)t ftänbig feine gaftrumente,
toenn er fein gahrgeug fidher leiten toill. Dort
fehen Sie gum Seifpiel ben 3eitball auf bem toeit*
hin fidhtbaren Durm bes großen Speidhers im
§afen. ©enau gur 3 eit bes ©reentoidi)er Aiittags
fällt ber Sali, ber oon ber Aormaluhr ber be*
nad)barten Sterntoarte eleftrifd) ausgelöft toirb.
©in Kanonenfchufe tünbigt fein galten an. ©r
bient gur Kontrolle ber Sd)iffsuhr, bes fogenannten
©hronometers, ber bie genaue 3 eit bes ©reen*
mich er Aieribians angeigt unb gur Seftimmung
ber geographifd) e ^ fiänge bes äugen*
blidlid)en Sd)iffsortes toährenb ber
Seife benuht mirb. — Dann hier
bas midhtigfte 3uftrument bes See*
fahrers, ber Kompaß, ©r befteht
aus ber Sofe unb bem Keffel (®e*
häufe). Die Sofe mirb heute mög*
lidhft leidht gemad)t mit großem
Trägheitsmoment, bamit fie bei ben
Semegungen bes Sd)iffes möglichft
ruhig bleibt. Sie breljt fidh auf einer
feinen Stahlfpihe. ©enau genommen
füllte fie gerabe nad) Sorben geigen.
Der ©influfe ber ©ifenmaffen unfrer
heutigen Sd)iffe ftört aber bie Sicht*
traft bes erbmagnetifdhen gelbes,
fo bah man gum Ausgleich foge*
nannte Kompenfationsmagnete unb
Kugeln am Kompajghaus unb in
feiner Sähe anbringen muh- Troh s
bem bleibt nod) immer eine ftets
medhfelnbe Abmeidhung oon ber ge*
nauen Sichtung oorhanben, bie mir
„Deoiation" nennen unb beren Se*
ftimmung ftänbig unfre midhtigfte
Sorge ift. Der Kompah toeift uns unfern Kurs,
bas heifct bie gahrtridjtung. Sie mirb mittels
bes Parallellineals in bie Seefarten eingetragen.
Dies befteht aus gmei fiinealen, bie burd) gmei
braudh bes AarallelUneals im Karten*
haus 3 um Abfehen ber Kurfe
Schiffstompah in tarbanifd)er Aufhängung
Der ©ebraudh bes Spiegelfextanten'an Sorb:
Aufnehmen ber Sonnenhöhe
1266
Über £artb unb SIReer
1911. 9lr. 49
Hanblog unb £ogg!äfer
Patentlog
Hanblote unb £ot 3 m Dljomasfdjen fiotmafdjine
gleicEjIange 3 u>ifdEj englieber ftets parallel geführt
werben. Hält man bas eine feft, fo !ann man mit
bem anbern Pewegungen oollfüljren; es bleibt
bem elfteren, bas auf bie betreffenbe ftompafc
ridjtung eingeftellt ift, ftets parallel.
DurcEj biefe Hilfsmittel beftimmen mir bie
Saljrtridjtung. Das £og gibt uns bie 3 urüd=
gelegte PSegftrede an. grüner oerwenbete man
bas Hanblog, ein treisfeftorartiges bleibefdjwertes
Prettdjen, bas, an einer £eine befeftigt unb über
Porb gemorfen, gewiffermaftenbenruljenben ^unlt
barftellte, non bem aus bie PSegftrede febesmal
gemeffen mürbe. 3m Peftimmung ber 3 um 9lus=
laufen ber £eine nötigen 3 ^it biente bas £ogglas
ober, mie es bie £anbratten nennen, eine Sanbuljr,
bas 14 ober 28 Setunben an 3 eigt. Diefe 3al)len
Rängen mit ber £änge einer Seemeile, bes fo=
genannten Knotens, 3 ufammen. Heute oerwenbet
man bie Patentloge, Schraubenflügel, bie fid)
Höl 3 erner Spiegelottant
beftänbig, je nadEj berSdEjiffsgefdEjwinbigteit fd)neller
ober Iangfamer, breljen unb bie Dreijung burdj eine
getlöppelte £eine auf ein 3eigerwert am Sdjiffs*
ranb (Geling) übertragen. 3 u ber Sftälje ber
ftüfte bietet uns Ejäufig bas £ot ein einfaches unb
bequemes Orientierungsmittel. ©s befteljt aus
einer £eine, an ber ein tegelförmiges PleigewidEjt
oon oerfdEjiebener Sdjwere, je nadEj ber PSaffer*
tiefe, befeftigt ift. Unten befinbet fiel) barin eine
Hötjlung, bie mit Dalg gefüllt mirb, bamit groben
bes Pieeresgrunbes baran Ijaften bleiben unb uns
ÄompaftEjaus mit ftompenfationstugeln
PuffdEjlufc über feine PefdEjaffenljeit geben, ©rötere
Paffagierbampfer Ijaben Ijeute Häufig fdbjon £ot-
mafefjinen, in benen bie £eine bes £otes burd)
einen polierten 5Uaoierfaitenbral)t erfe^t ift, ba*
mit bas £ot möglidjft fdtjnell 3 U Poben fintt
unb bas SdEjiff nidjt erft feine Satjrt 3 u floppen
braudjt.
Dies finb unfre Hilfsmittel für bie fogenannte
terreftrifdje Paoigation. ©ine abfolut genaue
güljrung bes SdEjiff es ift aber mit itjnen allein nidjt
möglich- Pielmeljr müffen mir aftronomifdjePeoba
adjtungen 3 U Hilfe nehmen, um ben genauen
Ort bes Sdjiffes 3 u ermitteln. Da 3 U bienen uns
bie PSintelmefeinftrumente, bie Ottanten unb Ijeute
meift bie Sextanten, ©rwäljnen möcfjte idj noctj
bas Barometer, bas uns über ben jemeiligen
£uftbrud Puffdjlufj gibt. — Sie feljen, eine gan 3 e
ftolleftion oon Suftrumenten!“
Dipl.»3ng. 9ti dj ar b be 3 o n g e
äRoberner Spiegelfextant
Der Sommerteutnant
ie Patrouille trabt, trabt — mie fdEjon feit
mehreren Stunben. Durchaus oorfdjrifts-
rnäfgig — ber £eutnant, in biefem ffalle b. 91., mit
einem 9Jiann als Spitje ooraus — ein ©efreiter
führt bie 3 mei Hufaren nad).
©in Päuerlein tommt bes PSeges. — „Sagen
Sie mal, befter 9Jiann, geljt's hier nad) ©mmborf ?"
,/s is fdljo recht — jo, jo!" tlingt's hinter ben
Drabenben Ijer.
Plfo weiter! ©in Dorf tommt in Sidjt.
„Der ©efreite!“
„Herr £eutnant?“
„Das mufe moljl ©mmborf fein, mas? — Puf
ber oerfl... Starte ift mir bie Orientierung 'n
bifedEjen abljanben getommen!“
„3u 5Befet)l! — Das mirb moljl ©mmborf fein.“
„Dann reiten Sie mal 'rüber, mäljrenb ich Ijier
bie 93telbung fertigmache. Pber oom $einbe ift
ja bod) nichts ba!“ —-
Um ©mmborf, ben Sdjlüffel ber feinblid)en
Stellung, getjt es Ijeife her. Stnattembes Stlein*
gewehrfeuer oom Dorfranb, gegen ben ber Hödjft=
tommanbierenbe PSelle auf PSelle eigner SdEjü^en=
linien anbranben läfct, ohne bah es 3 um lebten
Sturme tommen tann. Pergebens fpringt immer
unb immer mieber ber bumpfe Don ber ©efdjjütje
hinein in bas unaufhörlich ratternbe ©eräufdj
ber feinblichen ©emeljre, um feine Pegelmäfcigteit
3 U unterbrechen unb es 3 u bämpfen. Pngeftrengt
fpäljen bie Offi 3 iere bes Ijödjften Stabes über ben
tjartbeftrittenen Plan, ber ficfj oor ©mmborf
breitet.
Sdjwihenb, auf fdjweifjbebedtem ©aul, galop=
piert ein Hufar heran: „Plelbung an ©eneral 3- l M
„Hierher!“
Unb gemäh ber Petruteninftruttion brüllt ber
Praoe, auf ben Stab losfprengenb, ben 3uljalt
feiner 9Jieibung: „©egenb bis ©mmborf oom
Seinbe- frei!“
„Das mufe 'n oerfappter Sriebensengel fein,“
meint ein junger Orbonnan 3 offi 3 ier.
„9tee,“ fagt traurig ein 91ittmeifter, „bas ift
einer oon meinen Sterls unb eines oon meinen
Pferben, bie mit meinem 9teferoeontel auf Steifen
finb.“
*
So tann es tommen — im fd)limmften Salle!
9tber gro^e ©reigniffe roerfen iljre Sdjatten betannt=
UcH ooraus, unb bie äftöglidEjteit einer fürd)ter!idEjen
Plantage ift ein redEjt finfterer SdEjatten, ber lange
SBodEjen oor Peginn einer Übung ber Petätigung
bes 9 leferoeoffi 3 iers in feinen freien Stunben eine
beftimmte 9tidjtung gibt. — jene Keinen blauen,
grünen unb braunen PüdEjer, bie, Ijerausgegeben
oon ber Hofbudjljanblung Piittler & Soljn, bie
Porfd)riften ber ein 3 elnen SBaffen entljalten, er=
fe^en fogar bie £ettüre oor bem ©infdEjIafen. Unb
roas 3 uerft nur ber allen Solbaten fo rooljlbetannte
„Drud“ toar, o?irb halb 3 U einer toieberenoadEjenben
Paffion. Diefe in trodenem unb tlarem Don ge=
Ijaltenen Peftimmungen oerljinbem, roas mandEjes
UnterljaltungsbudEj oljne Sdfjtoierigteit 3 uroege
bringt: bafe fein £efer einfdEjläft.
Oljne Paffion ift ljeut 3 utage nid)t nur ber
attioe, fonbem audEj ber 9 leferoeoffi 3 ier unbentbar.
9Ber nur aus gefellfdEjaftlidEjen ©rünben nad)
Portepee unb 9ldjfelftüden greift, toirb gar halb
eine 9Jtenge £aften 3 u fpüren betommen. PtöglidEjft
rafdje SIudEjt in bie weniger anfprudEjsoolle £anb=
roeljr ift bie Solge — tool)in mandEjen paffionierten
9 leferoeoffi 3 ier fdjonbie Unmöglidjteit 3 toingt, fidEj in
bem für ben Dienft notxoenbigen 9Jia'Be oon feinem
bürgerlidEjen Peruf freimaetjen 3 U tönnen.
Unfre 9 teferoeoffi 3 iere gel)en, abgefeljen oon
benjenigen H^ren, bie fidEj aus bem aftioen Heere
in ben Peurlaubtenftanb übertoeifen Iaffen, aus
ben ©injäEjrigen Ejeroor. So gibt es 3 um Peifpiel
in allen Regimentern ©injäljrige, bie perfönlidje
Pe 3 ieljungen 3 um OffHiersforps Ijaben unb in
iljrem Auftreten oon oornl)erein einen aus=
gefprod)en militärifdEjen ©inbrud madEjen. Das
finb biejenigen, bie „werben tönnen“, wie ber
9letrutenleutnant fdjon bei ber erften, womöglid)
nodj in 3^il erfolgenben Porftellung ftill für fidEj
bemertt. 9lber oft genug fdEjeitern gerabe biefe
jungen £eute, weil fie fidj fidjerer füljlen als iljre
ftameraben. ©s gibt betanntlicEj 3 um minbeften
ben 9Kann lints unb Hinter bem ©injäEjrigen, unb
gerabe biefe £eute Ijaben feljr oft bie Reigung,
„auf 3 ufallen“. Deswegen foll ber ©injäljrige felbft
fi<H oor jeher 3 ured^tweifung Ijüten, bamit man
nidjt „ben gan 3 en Pormittag ben ©injäEjrigen
nennen Ijört“.
1911. 9tr.49
Über üartb unb 50leet
1267
Soweit fte nicht burh rollige bienftlidje Un=
br and) barfeit ober gar burh eine Beftrafung hre
geringe Eignung 311 m Borgefeßten ertoiefen hoben,
fontnten alle Einjährigen in ben oon einem älteren
£eutnant erteilten „Unterricht"- Diefer enbigt
am 21 bfd)Iuß bes Jahres mit einer heoretifhen
unb praftifhen Prüfung, oon ber bie Beförberung
3 um Unteroffi 3 ier abhängig ift.
2Bie behaglich fd) reibt jidj's ba im Speifefaal
bes Unterofftpersfafinos über „bie Ruf gaben bes
Batrouillenführers“, ober „bie Ridjtmittel ber
gelbhaübihe"! — Unb wie furchtbar ift es, fid)
auf bem -ftafernenhofe angeficßts fo unb fo oieler
Borgefeßten einer Solbatenmißhanblung fhulbig
3 u machen! Denn ba ßodt nun bie unglüdlidje
9Jiannfhaft fhon feit fünf Minuten in Kniebeuge,
unb bie ftommanbos — unter ihnen aud) bas hier
in $rage fommenbe Erlöfungswort — .entfhlüpfen
gleich feitenweife bem ©ebädjtniffe bes §errn
Unteroffi 3 iersafpiranten!
Das aftioe Dienfijahr macht ben Einjährigen
mit feiner SOßaffe befannt. Die erfte ad)twöd)ige
Übung A als Unteroffizier fowie, falls biefe aber*
mals mit einer erfolgreichen ^Prüfung abge|d)Ioffen
hat, bie Übung B als Bi 3 ewadjtmeifter ober
»felbwebel bienen im wefentlidjen ber praftifchen
Rusnußung bes heoretifdj ©elernten — unb finb
troßSem ooneinanber fehr oerfdjieben. Denn als
„Bi 3 e" mad)t ber Rfpirant eine Rrt FähnrichS 3 eit
burd), inbem er, allein fd)on burd) bie Teilnahme
am Dffhpersmittagstifh, in enge Fühlung 3 U
feinem Dffhjterforps tritt.
S<hmiffegefd)müdt unb meift fchon mit einer
ftattlichen „dürfte" oerfeljen, 3 ieren bie Herren
bann meift bas untere Enbe ber Dafel — unb ber
jüngfte £eutnant fann es fid) nicht oerfagen, fein
©las 3 U heben: „Die Herren Bi 3 e!" — Betreßte
Rrme reifen ihre ©Iäfer an fid), Stühle bonnern,
unb bie alfo ©eeljrten machen SOtiene, „empor 3 U*
flißen". Erft ein befänfftgenbes: „Rber bitte,
bleiben Sie hoch fißen unb trinfen.Sie nidjt aus!"
giefet Dl auf bie erregten 9Bogen. Rber nid)t immer
folgt biefe Mahnung 3 ur Enthaltfamfeit, unb gar
mancher Sßi^e fann bas Blaß feiner Beliebtheit an
ber 3af)l öer geleerten ©Iäfer rrteffen.
Das. aftioe £>ffi 3 iersforps muh fih einen ent*
fdjeibenben Einfluh barauf fichem, wer „brauhen",
bas heiht in allen möglichen Deilen bes beutfchen
Baterlanbes unb noch über feine ©ren 3 en hinaus,
bei beftimmten Rnläffen in ber Regimentsuniform
auftritt. — Die entfdjeibenbe 2Bal)l 3 um Referoe*
offisier aber fteht ben Herren nicht 3 U. Die 3u=
ftimmung 3 m Aufnahme in ihren ftreis geben bie
Offnere bes B e 3 irfsfommanbos ber £>eimatftabt.
Es muh — fhon um feine trennenbe £Iuft
3 wifd)en ber 3ufammenfehung bes Referee* unb
aftioen Dffisiersförps 3 U fdjaffen — nach gemein*
famen ©runbfätjen bei ber 2BaI)I 3 um Offizier
oerfahren werben. Ridjtnur bie bienftliche Düdjtig*
feit, fonbern auch bie perfönlichen 33erhältniffe
bes Rfpiranten oerbienen babei Berüdfihttgung.
Diefe aber finb an feinem 99ßohn[iß bebeutenb
leichter nadjsuprüfen als in ber oft recht weit ent*
fernten ©arnifon bes Regiments.
irjaben bereits bie aftioen Dffßpere währenb ber
Übung B ben Einbrud gewonnen, bah es fich hie*
um eine wünf<henswerteS3ereicherungihres Steferoe*
offisiersforps nicht honbeit, fo wirb ber Rfpirant
[heitern. 2IIs 5 tenn 3 eidjen bafür, bah er bie Übung
nicht nur wegen feiner bienftlidjen Untüchtigfeit
„baneben gemacht" hat, fann es bem £>errn 23i3e*
wad)tmeifter b. R. gelten, wenn er nicht ben 2Binf
erhält, bie Übung B noch einmal 3 U machen. Ruh
beim „5tommiß" gibt es, genau wie in ben Röten
eines Staatsexamens, bie SCRöglichfeit, bas „23er*
paßte" burd) einen erneuten Berfudj wieber gut*
3 um ad)en.
Es ift ein recht tiefer unb erleichternber Rtem*
3 ug, mit bem §err X. bie ihm fdjriftlicf) mitgeteilte
Datfache begrübt, bah er bie Prüfung beftanben hot.
Du lieber ©ott — in feinem Beruf, ba ift man
bod) mittlerweile wer geworben. Rber beim
ftommißü — Rls man bas Rbiturium hotte, fah
in ber Dertia ber £eutnant, ber einem jeßt immer
bie SJielbeforten 3 urüdgab mit einem fopffhütteln*
ben: „Blann ©ottes, ift bas ’n Unfinn!" — Ra,
nun hotte bas ein Enbe!
3a, bas hot es. Ein wenig fpäter — unb alle
Rnfhreiben bes Besirhdommanbos tragen fchon
äußerlich fo höflich oerfölmenb bie Ruffdjrift
„$od)wohlgeborcn“. Sämtliche — auch bas, in bem
irjerr X. nah 3 wei 3af)ren aufgeforbert wirb, an*
3 ugeben, ob er 3 U einer achtwöchigen Übung
bereit fei, be|fehungsweife wenn nicht, welche
©rünbe ihn heberten, feine bewährte Äraft in
ben Dienft bes Baterlanbes 3 U ftellen.
Herrgott, üben! — icjerr X., feines 3etd)ens
93anfbeamter unb £eutnant b. 9t tut gelbartillerie*
regiment 9lr. 84, ift ein auf ber Depofitenfaffe
wegen feiner freunblihen Umgangsformen bei ben
£unbert beliebter 9Jiann. Entgegenfommenb, faft
fanft ift feine SBefensart 3 U nennen. 9Bie hotte fein
IBatterieführer noch als 93 i 3 ewad)tmeifter ju ihm
gefaßt? — „itommanbos, X., £ommanbos — unb
feine £iebeserflärungen! — 3oI)*en Sie mal
3 wifdjen bie 23anbe!"
§errn 3t.s 9tntliß' oerfinftert fich; — oho, bas
fann er auch! „23erflud)te £erls!" murmelt er
energjfh oor fid) hw*
„9Bie meinen Sie?" fragt erftaunt ber £unbe,
ber eben 3 U ihm tritt.
Der ifunbe wirb heute fehr rafh abgefertigt,
unb $err X. beftellt eiligft per Delephon ein 2ßaar
oorfdjriftsmähige 9teithofen unb =ftiefel. £aum in
ihrem 23efih, erfteht er auch fhon bas ba 3 ugef)örige
dieitabonnement.
Die Dagesorbnung bes armen £jerrn X. ift
oon tun ab empfinblich geftört. 3ut „9Jiorgen*
grauen", wenn er fonft gerabe ans Qlufftehen bähte,
fleht man ihn hoch 3 U 91oß bie Datfahe feftftellen,
baß menfhlihe 3 utelligen 3 unb tierifd)er 3 nftinft
nicht immer biefelben 3 *ele oerfolgen. — 9ta<h
unb ngh ober fühlt er fich fidjerer — nicht umfonft
würbe er oon feinem SRefrutenleutnant ohne 5BügeI
unb 3ügel burh ben Sprunggarten geheßt.
Ein wenig fpäter fteht §err X. oor feinem Shnei*
ber, um bie fehlenben Uniformftüde nad) 3 ubeftellen,
oor allen Dingen aber, um f<hüd)tern nah 3 ufragen,
ob biefer 9ietter in ber 9iot niht „bas ba" ein
wenig fortbringen fönnte.
Unb oorfichtig 3 eigt §err X. auf eine Heine,
freunbttdje, aber gar fo unmilitärifhe 9lunbung
unterhalb feines Sruftfaftens.
Der Shneiber .tut fein möglichftes — unb an
bem Dage, ba $errX. fid) in „$BIehh°fen" unb
„£no_helbechern“ bei feinem 23e3irfsfommanbeur
3U einer ahtwöhigen Übung abmelbet, fühlt
er fid) als ein gan 3 er Solbai
21 ber bie oben angeführten 9iequifiten bleiben
$errn X. nur fur 3 e 3eit treue ^Begleiter. Er fief)t
bie aftioen ifameraben in 23reedjes unb 9töl)ren=
ftiefeln fhlonf unb felbftoerftänblih 3 u Sterbe
fißen, unb er möhte es ihnen gleidjtun. So fheut
er bie großen Äoften niht, unb oft erhält fhon nah
oier 3 ehu Dagen fein Sdjueiber ben 3 weiten Auftrag.
§eutigestags werben im übrigen foldje Herren £.
immer feltener, benn bie wedjfelnben 23e3iehungen
3 wifhen ben aftioen -Offneren unb ben itame*
raben bes 23eurlaubtenftanbes haben fih wefentlih
oermehrt. — Sportluft hat fih als 9iüdmirfung
ber neroenaufreibeitben SBerufstätigfeit weiter
Greife bemähttgt; heute mehr benn je trifft ber
aftioe X)ffi 3 ier auf biefem Selbe mit feinem £ame*
raben oon ber 9ieferoe 3 ufammen. Sportgeübte
©eftalten, Srühauffteher mit luftgewohntem 21 nt=
liß finbet man heute niht mehr nur in ben Leihen
bes ftehenben feeres.
Daneben finb es bie 3*oeige ber Dedjnif wie
Slugfunft, 21 utomobiIismus unb basf 3 ngenieur*
wefen im allgemeinen, bie militärifh s taftifhen
3 weden bienftbar gemäht werben müffen unb
ben Offner an ben 3 ioiliften, unter biefen natür*
lih am liebften an ben Äameraben oon ber 9ieferoe,
weifen. — 2 tuh wenbet fih in oielen Regimentern
ber £ommanbeur mit ber Sitte an einen igerm
ber Referoe feines Regiments, ben aftioen£)ffi 3 ieren
über ein wiffenswertes allgemeines Dhema, bas
ihm aus feiner 23erufstätigfeit befonbers gut be*
fannt ift, einen Sortrag imDffigiersfafino 3 U halten.
Diefe oon obenljer fehr unterftüßte Riaßregel hilft
jener früher fo oft behaupteten ©leihgültigfeit
bes Offi 3 iers gegenüber ben Dingen bes täglichen
£ebens ben 23oben abgraben.
Rnberfeits finb es wieberum bie 23e3irfsfont*
manbos, bie bie aftioen Herren 3 m Rufflärung
unb militärifhen Er 3 ief)ung ihrer Referoeoffi 3 iere
heran 3 U 3 iehen fuhen. 9Jiit sweimaliger itontroll*
oerfammlung im 3 oh*e unb einer ahtwöhigen
Übung alle 3 wei 3ah*e fann fih heute ber Referee*
ofp 3 ier niht mehr auf bem laufenben erhalten.
Die Riilitärwiffenfhaft ift genau wie- alle anbern
Dif 3 iplinen ein ftets fortfhreitenbes ©ebiet ber
Sorfhung geworben. DBieoiel oon biefen t|eoreti*
fhett Errungen [haften in bie Praxis auf genommen
wirb, 3 eigt fih insbefonbere bei ben arülleriftifdjen
unb tehuifhen 2D3affen jebem, ber nah längerer
93aufe wieber in bie Sront fommt.
Das 93 e 3 irfsfommanbo will ein möglihft enges
23anb um alle hm unterftellten Cffi 3 iere fhlingen.
Es wirb hm bas niht immer leiht bei ber großen
3 <hl unb Serfdjiebenartigfeit ber ißm Unterftellten.
Denn bie Hnterfhiebe, bie im aftioen $eere je
nah Dbienft, Überlieferung unb 3 ufammenfeßung
bes Offi 3 iersforps 3 wifd)en ben ein 3 elnen Regi*
mentem hefiehen, finb auh unter ben Referoe*
offneren oorhanben — ja, es foll Herren geben,
bie noh „aftioer" finb wie bie 2 lftioen.
2Bas feine Sifitenfarte mit „©arbe" ober
„£eibregiment" fhmüden fann, fühlt fih in Stol 3
gehoben, ©ar mancher junge Dach*, bem Saters
©elb bie üaoallerie unb felbft im fhnöben 3 loi=
liftenbafein einen ©aul ermöglicht hot, fdjreitet in
„leiht marfierter" Reiterhaltung einher. — Hub
£>emt X. fällt es erft hinterher ein, baß er bet einer
famerabfhaftlidjen Segrüßung burh feinen jungen
Eßef, £eutnant b. R. ber 2llbant)füraffiere, niht
anbauernb hätte ftramm 3 U ftehen brauhen. —
21 ber eine Rtutter fann auh [trafen — unb auh
bas 23e3irfsfommanbo muß hierfür bie Rlittel
haben. Ratürlih roirb ba 3 u nur in ben feltenften
fällen gefhritten werben, benn brei Dage Stuben*
arreft pflegen meiftens in ben 3toiIberuf bes baoon
23etroffenen fehr ftörenb ein 3 ugreifen. 2lber was
foll fhließlih ein armer 23e3irfsfommanbeür
mähen, wenn ber £eutnant b. R. 2 öilhelm Füller
burhfhuittlih tut URonat breimal in einer Stabt
wie Serlitt fein 3 iotmer wehfeit, ohne bem £om*
mattbo baoon 2 tn 3 eige 3 U mad)en? — Die Rfobil*
mahungsorber bürfte biefen §errn am 2 lusgang
eines fiebenjährigen Krieges fnapp erreihen!
Ein anbres Strafmittel befteht aus ben bem
ftommanbeur unterftellten, aus 5tameraben 3U*
fammengefeßten Eßrengerihten, bie für ben 23e=
3 irfsfommanbeur weit mehr eine Quelle bes
Kummers finb als für bie hm untergebenen Qffi*
3 iere. Denn im allgemeinen finb auh in bem großen
Streife ber Referoeoffi 3 iere eines 23e3trfsfommanbos
23ergel)en feiten, bie eine ©efährbung ber Stanbes*
ehre barftellen. XInenblih groß aber ift bie 3 <*hl
ber 23ieberen, bie im bürgerlihen £eben bem Re*
feroeoffi 3 ier aus feiner Stellung einen Keinen
Strid 3 U brehen oerfuhen, um ihn gefügig 3 U
mähen. Unb wenn bie Drohung nichts nußt,
bann fhreibt wohl bie würbige 23ermieterin einen
Brief ooll fittliher Entrüftung an bas 23e3irfs*
fomntanbo, baß ber ^err £eutnant ihr noh bie
23ebienung fdjulbig fei, unb baß er fo oft „Damen*
befuh" empfangen habe, unb baß er überhaupt
nießt tue, was fih [dpete. Der $err Stommanbeur
fieht fih bann in ber rtähften Qffisieroerfammlung
genötigt, feine Herren bringenb um Borfiht in
hrem Bertehr 3 U er fuhen, bamit er niht immer
mit „folhen Sahen" behelligt werbe.
Es geht ein ©erüeßt um, baß bas Be 3 irts*
tommanbo eine allßu fürforglihe Riutter gewefen
unb fih auh um bie ^Srioatangelegenheiten feiner
bod) immerhin erwahfenen Söhne — fo 3 um
23eifpielum bie böfe 2 ßolitit — getümmerthaben foll.
Es wirb fih in biefen fällen wohl aber meift nur
um eine in fhroierigen 3 eitläuften all 3 u eifrige
unb einfettige Betonung bes monarhifhen unb
nationalen ©ebantens gehanbelt haben, beffen
natürliher Dräger ber Offner auh im Be*
urlaubtenftanbe ift. ©erabe Sie Einrichtung bes
Referoeoffhders hat fih in einer $ittfiä)t auh ohne
3 utun ihrer einzelnen Biitglieber auf bas befte be*
io ährt. 2 Bennes irgenbwo im neugefügten beutfdj en
Reihe galt, bie 3 aubernben, in hrem ^ßartitularis*
tttus Berleßten mit bem Einheitsgebanten aus*
3 uföhnen, fo hat fih als eine Berfuhung für bie
junge ©eneration noh immer ber ©ebante be*
währt, eintreten 3 U bürfen in bie Rehen ber beut*
fhen ©feiere. Die englanbfreunblihen 2Belfen,
bie hanfeftabtlihen 9 Patri 3 terföI)ne, bie mit bem
Rahöarlanbe liebäugelnben EIfaß=£othringer haben
im unwillig geleifteten ^eeresbienft Einblid getan
irt ben Streis jener frifhen, fportfreubigen jungen
Riänner im Sdjmude bes farbenfrohen Dud)es.
unb gar oft haben fie bie ihnen gebotene 9Röglid) s
feit benußt, Dffoier 3 U werben — wie unfre Rang*
lifte 3 eigt. 21 us biefem an fih bodj nur gering¬
wertigen 21 nlaß finb Sem Reihe 9Jiänner geworben,
bie mit bem Sinn für ihre hiftorifhen Überliefe*
rungen ein über 3 eugtes Deutfhtum oerbinben.
Sie.wie ihre altpreußifhen Stameraben mögen
bie Übungen niht miffen, fo wenig, baß es manchen
ergrauten £errn gibt, ber freubig feinen Ritt*
meifters* ober ^auptmannsbienft tut, weil h^r
gemeinhin bie £aufbahn bes Referpeoffi 3 iers
ettben muß, währenb feine aftioen Rltersgenoffert
längft Reghuentslommanbeure finb. Denn Ser
Referoeoffi 3 ier, ber, mit einigen Slenntniffen oer*
fehen, 3 U feiner Druppe tommt, genießt mühelos
alle fo oft gerühmten Shönheiten bes Solbaten*
lebens. Er fpürt ben Etnft nicht, ber biefem wie
jebem anbern Beruf h*ut 3 utage innewohnt unb
ben ber 3ioiüft genugfam aus feiner eignen Dätigieit
tennt: ben 2 BiIlen, oorwärts 3 utommen unb bas
3 u erreih^u, was eben unter oielen nur wenigen
21 userlefenen guteil werben fann.
993alter Baron
w^m
Orodenes Sett bes ©rohen gijchflujjes
©roher gijdjfluh bei niebrigem SBajjerjtanb
Oftefanntlidj oerfügt Sübmejtafrila nur über jährlichen Regenmenge, ift jdjrner 3u jagen, mal)r»
3mei jtänbig SBajjer führenbe ^Iüffe, bie fcheinlid) tommen beibe gattoren in Setrad)t. —
aber jo unglüdlich gelegen jinb, bah es bis jefct 3 um Serftänbnisbafür, bahbie jübmeftafritanifchen
nur toenigen RSeihen oergönnt getoejen ijt, jie gluhrioiere je nach ber Rusgiebigteit bes Rieber»
jefjen ober in ihren gluten jogar ein Sab nehmen jd)Iags nur noch 3 eitmei[e RSafjer mit jid) führen,
3u tonnen. Sn biejer ©rtlujioität merben jie ooraus» oergegenroärtige man jidt) bie Söhenunter jehiebe
jid)tlid) aud) noch lange 3 eit oerharren, benn ber 3toijd)en Sinnenlanb unb Küjte. Rehmen mir 3um
eine biefer glüjje — ber Kunene — ijt unjer Seijpiel ben Smatop an. ©r fließt bei SBinbhut
nörblichjter, ber anbre — ber Oranje — unjer in einer |jöbe oon 3irfa 1700 Rtetern über bem
füblichjter ©ren3flujj; beibe getrennt burd) mehrere Rieeresjpiegel, bie Känge jeines gluhbettes mag.
taujenb Kilometer Kaubfläctje, unb trohbem meijen höchjtens 400 Kilometer betragen, es fommt aljo
beibe biejelbe gijchart — ben Sarjd) — auf unb auf ein Kilometer 4,25 Rieter ©efälle. ©s ijt
in beiben ijt nod) bas f^Iufepferb an3utreffen. — baf)er oerjtänblich, bah bie gluten ber £ochgebirgs»
Roch oor tnapp 3mei Rtenfchenaltern hatten oiele bäd)e, bie jeine majjerloje gluhrinne anfüllen,
oon ben jetjt nur oorübergehenb SBajfer führenben pfeilgejchminb bas jteil abfallenbe Sett hinab»
gluhrioieren jtänbig RSajjer; ber Smatop jtrömte jagen, bem Rleere 3U. ©benjo jdjnell mie bie
inbenRtlantijdjen03ean,ber©oanquibimSüben, glutmelle heraneilt, ebenjo jdjnell ijt jie oer»
ber toeijje Rojob im Ojten, ber grohe Omuramba laufen, unb Ruhbetten, bie für ben Reijenben
im Rorben, alle hatten jtänbig fliefjenbes
SBafjer. Seht ijt es eine Seltenheit, menn JiL
joeben nod) ein unüberminbbares $inbernis bil»
beten, jinb binnen menig Stunben pafjierbar mie
3uoor. SBehc bem Odjfenmagen, ber inmitten
eines abfommenben Rioieres oon ber glutmelle
gepadt mirb! Sajjierte es bod) im Sanuar 1898 ,
bah üieräig Sferbe oon einer Kompanie, bie
mährenb ber Rächt an ben Ränbern eines glüh»
bettes meibeten, oon ben plöhlid) abtommenben
©emäfjem erfaßt mürben unb 3iigrunbe gingen.
Unb jofort, menn ber trodene Sanbboben bes
gluhbettes nach bem Verlaufen ber mächtigen
erjten glutmelle genügenb burchfeuchtet ijt, arbeiten
jid) aus bem tiefliegenben gluhjd)Iamm Sarjche
an bie Oberfläche bes RSajjers, bie mieber mit
bem ©runbmajfer oerjchminben, menn bas Rioier
jeiner Rustrodnungsperiobe entgegengeht. RSann
bie je eintritt, hängt oon ber Rusgiebigfeit ber Regen»
3eit ab. Oieje Unbejtänbigteit in ben RSajjeroer»
hältnijjen macht jid) gan3 be[onbers un»
angenehm bemertbar bei Reijen in ©e»
birgsgegenben, bie entlang eines Rioieres
führen. Oie tiefeingejchnittenen gluh s
täler merben 3U beiben Seiten oon
jteilen geljen begleitet, bie oft jo bicf)t
I an ben glüh herantreten, bah jie 3U
unfreimilligen Ufermed)jeln 3mingen, bie
oft jchmer aus^uführen jinb. ©an3 be»
fonbers im . äuherften Süben unjrer
Kolonie macht jid) bieje Orodenheit be»
merfbar. Kein Saum, tein Strauch ijt
in ben milbge3adten Sergtetten ber
Oranjefluhhöhen, tein fiebemejen, nicht
einmal ber Saoian ijt hier an3utreffen.
©s ijt, als ob ber Obern bes Kebens in
biejer ©inöbe oerjagt hätte.
■ Oer Oranjefluh utuh jid) mährenb
JJjl bes gröhten OeÜes jeines Kaufes burd)
Hjfl geljengebirge t)iuburd)jd)Iängeln. ©rjt
bei jeinem Unterlauf treten bieje 3urüd,
jie merben im ©ebiet ber Küjtengegenb
erjefct burch haushohe Sanbbünen, bie
ihn in gleid)mähigen RSellen 3um Rieere
mie in Rgppten bas Steigen bes Rils.
Rber nidEjt nur burch bie Überlieferungen
alter Säger unb ©ingeborener mijjen
mir, bajjunfre fübmejtafritanijche Kolonie
in früheren 3 eiten über perennierenbe
glüjje oerfügte, jonbern aud) häufige
gunbe oon Uberreften grober Säuge»
tiere, mie 3um Seijpiel bes ©lefanten unb
gluhpferbes, an jefct oegetationslojen
unb trodenen Stellen jpredjen für bie
Ridjtigteit biejer Sehauptung. 2 ßie es
getommen jein mag, bah jid) ber ober»
irbijdje 2 Bajjerreid)tum bes Kanbes oer»
ringert hat, ob burch $ebung bes Konti»
nents ober burd) Serminberung ber all»
Spiegelbilb im ©rohen gijchfluh
Rtünbung bes ©rohen gijchflujjes in ben Oranjefluh
Oranjefluh
1911. Wr. 49
Uber fianb unb Süteer
1269
(Ein £)d)fenroagen burdjquert ben ftunene
Sieger burdjroaten ben ftunene
Deil eines Äunenetataratts
begleiten. Der glüh felbft, ber eine SBreite
non mehreren Kilometern annimmt,
ift bis an ben Oßean heran bid)t mit
Bäumen unb Büfdhen beftanben, bie
oon ben nieblid)en flehten Seibenaffen
beoöltert roerben. Bud) biefer Deil ber
ftiifte hat unter ber unfrer fübroeftafritani-
fcfjen Kolonie eignen fd)toeren Branbung
3U leiben. SBenn ber Beifenbe, oon Often
tommenb, bie erften hohen Dünen, un¬
gefähr noch fünfzehn Kilometer oom Bleer
entfernt, überroinbet, fo erblidt er be¬
reits oon t)ier bie in eroig gleid)mähigem
Bl)t)thmus gegen bie Küfte jagenben
Bred)er mit ihren roeihen Sd)aum-
tämmen, unb ber Donner ber Branbung
fd)Iägt toie ©efd)ühfeuer an fein £>l) r - Die
ftiifte felbft bietet ein Bilb ber 3 erftö=
rung. Bngefd)toemmte Schiffstrümmer
aller Brt, ba3tDifd)en bleichenbe ©ebeine bes SBales
geben 3 eugnis oon ber ©efährlid)teit ber SdE)iff s
fahrt an ber roeftafritanifchen stifte unb oon ber
©eroalt bes Bteeres. So troftlofe Streden ber
Dranjefluh auf feinem toeiten SBege 3um Bieere
burchflieht, fo fd)öne ©ebiete, ooller £eben unb
grud)tbarteit, berührt unfer nörblid)er ©rensfluh,
ber Kunene. (Er betritt bie beutfdje Kolonie in
einer ojeiten ©bene, bie oon ilym in ber Begen3eit
meilemoeit überfd)toemmt toirb. Sin biefes Über-
fchroemmungsgebiet fdjliefjen fidh immergrüne SBal-
bungen an, bie ben größten Deil bes Ooambolanbes
bebeden. Die gluhränberbesüunene finb mit hohem
Schilf beroachfen, in bem 3al)llofe SBafferoögel ihre
Brutplähe haben. 3 im gluffe felbft ift bas ürotobil
häufig oertreten, ebenfo bas glujfpferb, bem bie
Buren mit Borliebe nachgehen. Sie unternehmen
Sagb3üge oon ihrer in Bngola Iiegenben Bieber-
laffung ©hibia aus, fetjen fid) am Äunene feft
unb fdfpehen alles nieber, roas ihnen oor bie
glinte tommt. Das gleifd) unb namentlich ber
Sped bes gluhpferbes t n i an g e bünne
Streifen gefd)nitten unb an ber £uft getrodnet.
Beid) mit gleifdh beloben lehren bie Säger in ihre
Heimat 3urüd. 3e ran3iger ber gluhpferbfped
fchmedt, mit befto größerem Sßohlbehagen roirb
er oon ben Buren genoffen. Die |jaut bes gluh=
pferbes roirb oon ihnen 3U BeitfdE)en oerarbeitet.
©efährlid)e Beroohner bes gluffes finb bie
ftrotobile. Sin ben roenigen gurten, bie ber 9 ?ei=
fenbe 3unt Übergänge mit bem Dchfentoagen
benutzt, halten fie fid) feltener auf, ba fie fehr
fd)eu finb, unb ber §öllenfpeftalel, ben bie ©in-
geborenen oollführen, roenn ein SBagen burch ben
glüh geht, genügt, um fogar ein ftrotobil 3U oer¬
treiben. Dagegen fonnen fie fid) in Sdjaren
auf einfamen Sanbbänten. Sehr gefährlich
tönnen fie bem ein3elnen Beiter roerben, ber ben
Strom paffiert. Um bie in ber Bähe ber Über-
gangsftelle befinblicjhen ftrotobile 311 oertreiben,
roerben einige Schliffe in bas Dididjt bes Ufers
abgegeben. Slnbers oerfahren bie bortigen Bor-
tugiefen. Sie fdjiden, um Biunition 3U fparen,
ftets erft einige ©ingeborene burd) ben glüh,
ehe fie felbft ihr £eben roagen. Den ©enuh
eines Babes im ftunene barf man fid) nur unter
Borfichtsmahregeln geftatten, nur im flad)en
SBaffer in ber Bähe bes Ufers unb an einer mög-
Iichft freien Stelle. Sn unmittelbarfter Bähe
muh ber eingeborene Snnge mit bem ©eroehr
ftehen. Sehr häufig ereignet es fidh, bah SÜere,
bie an ben glüh 3ur Dräute gehen, oon ben ge-
frähigen ftrotobilen beim 5 topfe erfaht unb in
bie Diefe gezogen roerben. Selbft £>d)fen bühen
auf biefe SBeife ihr £eben ein. 3 u feinem Unter¬
lauf hat ber ftunene einen ferneren SBeg 3U
übertoinben, um 3um Bteere 3U gelangen. ©e=
birge treten oon beiben Seiten an ihn heran, burd)
bie er [ich feinen £auf bahnen muh- Slus bem ftill
bahinfliehenben gluffe ift ein raufd)enber ©ebirgs-
ftrom geroorben, beffenSBaffermengen unter Über-
roinbung oon impofanten Kataratten bem Bleere
3ueilen. Bis roeit auf bie hohe ®ee hinaus trüben
feine lehmgelben gluten bie garbe bes Cfteans.
Bodj auf 3roet eigentümliche ©Mei¬
nungen in Sübroeftafrila möchte id) hiu-
roeifen, bas ift bie Sal3pfanne beiSlminnis
an ber ©ren3e ber Kalahari unb bie
©tofhapfanne im Borben ber Kolonie
3toifd)en bem Damara- unb bem Doambo-
lanbe. Beibe finb ein Betoeis bafiir, bah
oor unbenüidhen 3eüen ber afritanifd)e
Kontinent oom Bieere überfchroemmt ge=
roefen ift. Die Bf amte bei Slminnis I)at
3irta 3ehn Kilometer im ©eoiert. Sie ift
faft ohne Betoad)fung, ihre Dberflädhe
ift mit einem feintömigen Sal3 bebeett,
bas ber fal3haltige Boben na^ jebem
Begenguh auslaugt. Die ©tofhapfanne
ift fehr oiel größer. Sie ift oielleidjt
100 Kilometer lang unb 50 Kilometer
breit. Söte Bütte ift ftets oon un-
ergriinblichem Sal3fdhlamm bebedt. S^ber
§alm bes auf ber Bfanne üppig road)fenben ©rafes
ift bis in feine äuherfte Spitje hiuauf mit triftalli-
fiertem Sal3 iiber3ogen. Die ©tofhapfanne roirb
baher oom 2Bilb gern aufgefucf)t, fie ift ber Dreff-
puntt oon unge3ählten Bntilopen aller Brten.
Stredentoeife fehlt ihr jebe Betoachfung, bie roeihe
Sal3fd)icht liegt bann offen 3utage. Sh 1 ^ Bnblid er¬
innert in ihrer ©införmigteit an bas Bleer. Der
grelle 2 Biberfd)ein bes Bobens unb ber Busgleid) ber
fchroeren, burchlälteten Bad)tluft mit ben fidh uad)
Sonnenaufgang fd)nell ertoärmenben höheren £uft=
fdhichten ruft in ben auf ber Sal3fläd)e lagernben
ßuftmaffen ein fortgefehtes BSogen unb glimmern
heroor. ©s entftehen fiuftfpiegelungen, bie oom
SBinbe beroegte BBafferflächen oor bas Buge
3aubern, aus benen Bäume, Sträucher unb ©ras-
flädhen auftauchen. £>ber man roähnt ein Bubei
Bntilopen gerabe auf fid) 3ulommert 3U fehen,
unb plöhlid) 3erfliehen bie oermeintlidhen ©e-
ftalten ber Diere in Bebelfdhroaben, bie ein leifer
2 Binbhaud) in ein Bidhts auflöft.
Sübroeftafrila ift ein £anb, arm an ober-
irbifchen SBafferabern, bafür aber reich an unter-
irbifdhen. 3 Bie in biefem £anbe alles, roas ber
garmer erreidjen toill, bem ftlima unb bem Boben
in harter Brbeit abgetroht roerben muh, genau fo
oerhält es fidh *>em unterirbifdhen SBaffer,
bas oielleidjt erft nai^ oielen oergeblid)en Ber-
fuchen in ber Diefe erboI)rt roirb, bann aber,
roenn es 3utage tritt, auf bem jungfräulichen
afritanifdhen Boben SBunber beroirtt.
Bf rilanus
Die ©tofhapfanne Die Sal3pfanne bei Bminnis
1911. 91r. 49
llpwif
C/)ie C/CuCtur der.C/eaenmavt
mgm
CSiteratut —
gm Hod)[ommer erlernt fo gut rote nichts
Sd)öpfcri[d)es; ba ift bie 3 ^it ber Uber f ©au über
allerlei £>ergejtelltes aus beu anbern £iteratur*
gebieten: beniertensroerte neue Ausgaben guter
alter ©üdjer, Streitfd)riften, ©ü©er „über". An
bie Sp©e [teile id) bie An3eige ber neue n
S©illerausgabe bes in ben lebten 3e©t
3a©en 3U immer größerer ©ebeutung gelangten
Klaffiferoerlags non War §effe in £eip3ig. Unter
Witroirfung non Karl ©erger, ©ri© ©albenburg,
X© 4 ©ngert, Gilbert Käfter, Ulbert £ei©nann, gratis
Wunder l)aben Otto ©üntter, ber rool)lbefannte
Stuttgarter £eiter bes Warbad)er S©illermufeums,
unb ©eorg Witforosft) in £eip3ig, beffen f©öne
Ausgabe ber na©gelaffenen Dramenbru©ftüde
S©illers jüngft ©er ange3eigt rourbe, in 10 Doppel*
bänben bas ©efamtroert Schillers bargeboten.
Wirflid) bas ©efamtroert: an ©ollftänbigfeit roirb
biefe Ausgabe oon feiner früheren, aud) nid)t oon
ber großen ©otta[©en gubelausgabe, übertroffen,
unb für i©en roiffenfd)aftlid)en Wert bürgen bie
Namen ber beiben Herausgeber unb i©er Wit 3
arbeiter. Die ©or3üge ber Klaffiferausgaben bes
Hef[e[©en ©erlags: grojje ©illigfeit bei anftänbiger,
ja gefälliger Ausftattung; roiffenfd)aftlid)e 3 u*
oerläffigfeit, gute ©Ölleitungen unb nüt)li©e, ni©t
3U rei©Iid)e Anmerfungen finb befannt. Die
neue S©illerausgabe bes ©erlags 3eigt bas ©e*
ftreben, alle jene ©igen[©aften auf bie äuherfte
erreid)bare Höhe 3U fteigern, o©te oon bem leiten*
ben ©runbfatj ber ©illigfeit ab3uroei©en: bie
gut gebunbenen 10, eigentlid) 20 ©änbe foften
nur 20 Warf. gunerhalb ber ein3elneti Schaffens*
gebiete finb bie Werfe Sd)illers na© ber -Keinen*
folge bes ©ntftef)ens georbnet, eine Nid)t[d)nur,
bie glüdlid)erroeife je© me© unb me© für neue
Klaffiferausgaben angeroanbt roirb, bie einige,
bie f©on an fid), ohne jebe roeitere ©rflärung,
ein ©ilb oon ber inneren ©ntroidlung eines
Künftlers gibt unb oon ber man fid) nur rounbert,
roie fpät fie fid) burd)gefetjt f)at. 3u einem be*
fonberen £esarten= unb Negifterbanbe roirb bem
gor[d)er alles bequem geboten, roas er 3ur roiffen*
fd)aftlid)en Arbeit braue©, unb in ben ©inleitungen
3u ben ein3elnen ©nippen ber Werfe Sd)illers
erhält ber nic©gele©te £efer einen roa©haft be*
le©enben Wegroeifer. 3 um erftenmal in einer
©efamtausgabe Schillers roerben bargeboten: bie
X©aterbearbeitung bes Don ©arlos in einer bis©r
ungcbrudten, oon Sdjiller felbft burdfgefeljenen
Raffung; bie ©ü©ieneinrid)tung bes ©oetl)if©en
©gmont auf ©runb ber Hanbf©riften bes Wann*
©itner unb bes Weimarer 2 ©aterarc©os; bie
erfte ©eftalt ber ©riefe über bie äft©tif©e ©r=
3iel)ung bes Wen[©en; bie [pahigen ©rflärungen
Sd)iller5 3U ben §uberfd)en, für Körner ge*
tufd)ten „Aoanturen bes neuen Xelemadjs". —•
3 © ©be mid) fd)on in ben Ie©en Wonaten burd)
Schiller zur Zeit der Räuber. Gemalt von Höflinger
©ufigen ©ebraud) biefer Ausgabe überzeugt,
bah fie burd) i©e ©ollftänbigfeit unb §anblid)feit
alle anbern in ben Sd)illerfädjern meiner ©üd)erei
in ben Nu©ftanb oerfe©n roirb, mit ber einigen
Ausnahme bes mir nod) bequemeren einbänbigen
Sd)iller ber Deutf©en ©erlags*Anfialtin Stuttgart.
Unter ben £ebensbarftellungert Sd)illers ift
mir bie Hebfte bie oon £ubroig ©eller*
m a n n (©erlag oon ©. A. Seemann in £eip3ig),
unb id) freue mid) ber neuen Auflage, bie in oöllig
oeränberter ©eftalt unb Ausftattung erfd)eint.
grü©r roar's ein bih©en 3u fe© ©ilberbu©. Der
©ilbfdjmud ift je© in befd)eibene ©ren3en ge*
brängt, er ift eben Sdjmud geroorbett, ftatt roie
ehemals beina© bie Hauptfa©e 3U fein, ©oran*
geftellt ift ein fo gut roie unbefanntes gugenbbilbnis
Sd)illers oon gatob griebri© Wederlin, geroife
ein me© S©illerfd)er S©iller als bie allbefannten,
gar 3U jüfeen unb roei©en ©über oon ©raff unb ber
Spmanoro©. Sc©be, bah ni©t aud) ber Höf*
Iingerfd)e Sdjiller aus ber Näuber3eit beigegeben
ift, bas ©Ub, bas 1782 für Dalberg gemalt rourbe
unb bas fid) je©, bem Kaifer gefdjenft, im Won*
bijoupalaft 3U ©erlin befinbet. Wir ift es bas
liebfte oon allen Sdjillerbilbern; bod) bas ift ©e*
fdfmadfac©, unb ber £efer felbft möge urteilen. —
©ellermanns S©illerbu© be©uptet feinen ©Iah
aud) nad) bem größeren Werfe Karl ©ergers.
©erabe burd) feine ftraffere 3ufammenfa[fung
alles Wid)tigften, nid)t sum roenigften aber bur©
feine glän3enbe unb bo© ruhige Spraye roirb es
nod) auf lange ©naus in ber oorberften Ne©e
ber £ebensbü©er über Schiller ftehen. Wir roill
(©einen, als ob 3roei bide ©änbe über einen ein*
3elnen Didjter, unb ©efce er Stiller, bod) me©
gefauft als gelefen roerben.
*
©ei S. t^ifd)er in ©erlin erfdjeinen bie erften
brei©änbe ber gefammelten Werfe ©jörnfons;
bie 3toei roeiteren abfd)lie©nben ©änbe follen nod)
im Herbfte biefes 3a©es folgen. Herausgeber ift
ber befannte liebeoolle ©jörnfon*gorf©er Julius
©lias. Die Hberfe©ngen ber ^rofaroerfe finb aus
einer grünbli©en Dur©fid)t unb ftiliftifd)en Um*
geftaltung ber älteren beutf©en Ausgaben ent*
jtanben. ‘ gür bie lt)rif©en Dichtungen finb oor*
neljmlid) ©läre Wföens unb £ubroig gulba als
feinfinnige Uberfe©r 3u nennen. Die neue, oon
allen ©orbilbern unabhängige beutfc© ©earbei*
tung ber 3el)n ‘ifßrofabramen rü©t oon bem Her*
ausgeber ber ©efamtausgabe ©r, eben© bie 3u=
fanunenfaffenbe Arbeit über ©jörnfon, bie ben
fünften ©anb abfd)liefeen roirb. Hiermit haben roir
enbli© bie ©jörnfonausgabe, bie nottat, bas
roürbige Seitenftüd 3U ber fd)önen 3 bfenausgabe
besfelben ©erlages. *
© b o l f W e © ^rofeffor am Hamburger
3ol)anneum, lä© bei ©. H- ©ed in Wünd)en ein
©ud) über grieberife ©rion erfcheinen,
bie er „eine neue Darftellung ber ©efchid)te in
Sefenheim" nennt, Neues habe id) barin nie© ge*
funbeit, roas ja beim gehlen neuer Quellen er*
flärlid) ift. £eiber ift aber bie ©efjanblung bes
©Iten, Wol)Ibefannten burdjaus nid)t auf ber Höhe
ftrenger Wijfenfdjaft, unb bie 5 frt, roie meine Dar*
ftellung ber grieberifentragöbie (in meinem ©udh
,,©oet©, ber Wann unb bas Wert") 3U roibertegen
oerfud)t roirb, ift auffallenb oberfIäd)lid), p©afen*
reid), barum ohne jebe Uber3eugungsfraft. Dah
fidh roä©enb bes Ie©en, befrembettb langen
Aufenthalts ©oethes im ^Sfarrhaufe 3u Sefenheim
ein qualoolles Xrauerfpiel ooll3ogen hat, barf heute
als unbe3roeifelbar gelten, unb oon feinem einigen
heroorragenben ©oetl)eforfd)er ift meiner ©eroeis*
fü©ung bisher roiberfprodjen roorben. Dennod)
fte© id) nicht an, biefer Schrift oon Abolf Weh ein
geroiffes ©erbienft bei3umeffen: er hat bie An*
griffe bes oerftorbenen groihheim auf grieberifens
Wäbchene©e in i©em £eben nad) bem £iebes=
oerl)ältnis 3U ©oethe mit unerbittlicher ©in3el*
fritif 3unid)te gemadht, unb id) bebaure um ber
roi[[enfd)aftlid)en Wahrheit roillen, bah groihheim
burd) feinen Xob biefem roohloerbienten fritifdhen
Strafgerid)t entzogen rourbe. Die faft unfühnbare
Sd)ulb bes einunb3roan3ig}ä©igen Jünglings
©oethe an grieberife ©rion fte© unerfd)ütterlid)
feft; aber aus ber Qualenfülle feines reueoollen
Sd)ulbberou©feins ift ihm unb ber Wen[d)heit bie
©retdhentragöbie entfproffen, unb roenn bur«h
nid)ts anbres, bann ©erburd) ift bas ©erbrechen
feiner 3 ugenbleibenfchaft an einem reinen Wenf<©n=
finbe hod) h^ausgehoben über ben Ai©erftu©
Björnstjerne Björnson
Letzte Aufnahme (Mai 1909) von Erwin Raupp, Berlin
ber Wit* unb ©adjroelt. ©iemanb aber foll es
me© roagen, gegen grieberife ©rion bas oöllig
beroeislos gebliebene oerIeuntberifd)e ©efdjroät) 3U
erneuern, fie habe bie Heiligfeit ©rer fd)mer3en*
rei©en £iebe 3U ©oethe burd) ein Ieid)tfertiges
fpäteres £eben entroeiht.
*
Die 9Jlär, bie roir erneuen,
Die fagt oon groben Xreuen,
Aon 2BeibIicf)feit auf reihtem Afab,
Aon Wannes Wannljeit, feft unb grab,
Die fid) oor feiner Härte bog,
Aom Wann, ben nie fein Wut betrog,
Dab, ooo fid) ©nt ein Streit entfpann,
Sein Stahlarm nidjt ben Sieg gewann
Wit manchem I)£>hen greife.
Der Kühne, fpät erft Weife,
gd) feh' ©n oor mir, ftarf unb milb,
gür Weibes Aug' ein fübes Ailb,
gür Weibes Her? ein fehnenb £eib,
Do© rein oon Wafel alleäeit.
Den i© 3 um Helben mir erforen,
(Er ift im £ieb no© ungeboren,
Aon bem in bunten S©ilberein
Wan© Wunber roirb 3 U fünben fein.
So beginnt in ber meifterli©en Überfettung bes
^ar3ioal Wolframs oon ©fdjenbad) burd) Wil*
heim Herb bie tieffinnigfte mitteIhod)beut[d)e
Di©tung, bie foeben in einer oerbilligten ©olfs*
ausgabe bei ©otta in Stuttgart erfdjeint. A©t=
lid)es roie jüngft oon ber ©olfsausgabe bes Xriftan
in ber He*bfd)en Neubearbeitung ift oon biefem
©erfu© ber roirflidjen ©inbürgerung unfres
älteften ^ar3ioalgebid)tes 3U rühmen: erft in
biefer erneuenbett Umf©öpfung fann Wolframs
rounberli© fdjönes Wert 3u me© als blofjer
Namenberühmtheit gelangen. Neinen Kunft*
genuh roirb man allerbings bei roeitem me© aus
©ottfriebs Xriftan unb gfolbe fd)öpfen. ©ottfrieb
hatte fi© einen flareren, enger begren3ten Stoff
mit glühenbem gqtnenleben ausgefudjt; Wolfram
feine" gro© ©egabung an einen oiel fpröberen,
abenteuerlidjen ©egenftanb geroanbt, unb bah er
biefe fcf)on in ber altfran3öfif©en ©orlage bis 3ur
Unoerftänbli©feit roirre gabel 3U einem Werfe
ooll feelifdjen unb fünftlerifd)en Nei©tums ge*
ftaltete, roirb gerabe für bie Kenner ber fran3öfi=
fd)ert Quellbid)tung immerbar Wolframs Nu©u
bleiben, für fo treffenb roir aud) bas fdjarfe 3eit=
genöffifdje Urteil in ©ottfriebs Xriftan unb gfolbe
über Wolfram halten müffen:
Die aber in Wären ooilbern
Unb roilbe Wären bilbern,
Wit Aiegeln unb Ketten flirren,
Kur 3 e Sinne oerroirren,
Unb ©olb oon f©le©ten Sa©en
Den Kinbern fönnen madjen,
Die Aü©fen f©ooingen unb rütteln,
Statt perlen Staub braus f©ütteln.
Die finb's! —
Diefelben ojilben Säger
Die müffen Wortausleger
Wit ©reu Wären laffen gehn:
Wir fönnen fie ni©t fo oerjfebtt.
©bu arb ©ng e l
Durd) bie öffentlichen 3ettungen ging oor nid)t
langer 3ert bie Stotig, bah es bent frattgöfifdjen
Biologen ^rofeffor ©arrel gelungen fei, außerhalb
bes £eibes in geeigneten Stährflüffigteiten tierifd^e
unb menf©li©e ©ewebe für fi© weiter3U3ü©ten.
©ine wunberbare, gang gewaltig wid)tige Tat»
fad)e, an beren 91i©tigteit ni©t 3U gweifein ift,
ba bie Slefultate uns berliner bürgten oorgefi©rt
würben. !JRan güd)tet alfo heute menf©li©e
3eIIen genau fo wie Batterien auf geeignetem
23oben unb bei gang beftimmten Temperaturen,
bie ber Körperwärme natürli© möglidjft nahe»
Rudolf Virdiow
liegen müffen; wenigftens würbe bur©aus felb»
ftänbige gortentwidlung unb ÜBadjstum gewiffer
3ellert fogar fol©er aus Krebsgef©wülften beob»
ad)tet. 21lfo losgetrennt oont £eibe, aufjer Könner
gefegt mit ber ftänbig 9Räb)rfaft fpenbenben Kana»
lifation bes Körpers, bem 23lutgefäh©ftem unb
ohne 2Inf©Iuh an bie energiefpenbenben Drähte
ber elettrif©en ßentrale bes Organismus, bem
Steroenfpftem, tönnen bie eingelnen ^Bürger ber
Körperrepublit, 3eIIen genannt, ein felbftänbiges
£eben führen, wenigftens eine gang beträ©tlid)e
3eit lang! Das ift ftaunenswert für ben £aien,
für ben Biologen nid)t gang fo überraf©enb.
2Buhte man bo© fdjort feit langem, bah bie tleinen
Kampfgellen unfres Körperftaates, bie weiten
23Iuttörper©en, fieutocpten genannt, audh au her»
halb bes £eibes in ber warmen Kammer unterm
SJlitroftop über brei SBodjen lang ihre 23ewegungs=
fähigteit behalten, nämli© ihre eingeborene,
wunberfame 9JtögIi©teit, aus fid) felbft, je nad)
23ebürfnis, Organe he^oorgugaubern. 21n fid)
treisrunb wie ein Tröpfchen Ol, tönnen fie ge»
gebenenfalls gühler, 0rühe, $angarme, Saugrüffel
bilben; fie fd)affen anbre Organe, je nad)bem
es gilt, ein Batterium ober ein garbtörnd)en,
ein Sonnenftäubd)en ober ein ©lasfplitter©en gu
bewältigen, fie tönnen fidj reden unb ftreäen
unb fabelhafte formen annehmen, wenn es I)ei§t,
eine wingige £üde gu bur©trie©en ober über
einen Süefenberg — ein foldjer ift für fie f©on
ein Seefanbtörn©ert — hütweg gu gelangen. Stur
ber elettrif©e Schlag gwingt fie, ficf) mitroftopifd)en
3gel©en gleid) gang in fi© gum gierlidhften Kügel»
©en aufgurollen. Diefe ©igenf©aften haben fie
gemein mit ben tleinften formlofen £ebewefen, ben
Slmöben, ja fie finb fold)e, unb ihre Bewegungen
nennt man baher amöbenhafte, amöboibe. §ier
ftedt eins ber hö©ften philofophifd)en Probleme,
bie ja fo häufig erft im Reiche bes Kleinften unb
©infa©ften, öfter am Sauftein als am fertigen
©ebäube bie 3auberl)üllen fallen Iaffen. 3n
biefem 3elld)en waltet nämlich bie gange plaftif©e
3bee bes £ebens, bie menf©li© unerforf©bare
gähigteit bes fiebenbigen, fid) gu wanbeln unb man hat bie 23eoba©tung gemalt, baf 3 beim
angupaffen aus einem unertlärli©en urfprüng» Stneinanbernähen gweier Kaninchen (Sauerbruch
lidjett Ürteil hetaus, aus einem faft mpftifd)en unb $epbe) bergeftalt, bah ©*e geöffneten £eibes=
SBiffen unb Sßillen heroor. Das eingig f©on höhten miteinanber in Kommunitation blieben,
unterbleibet alles £ebenbige oon ber äRaf©ine, nur bann bie Tiere am £eben blieben, wie Sia»
bie nur automatif© arbeitet, aber niemals fid) ntefifche 3uütftuge, wenn fie gleichen ©ef©led)tes
felber Stöber, gühler, Stränge unb Sänber fdjafft, waren; eine fonberbare Seftätigung Strinbberg»
um ftänbig we©felnben Aufgaben gu genügen. fcher 2tnf©auungen, bah es etwas £ebensf einblich es
Oie oon Sßrofeffor ©arrel entbedte Tatfache, gibt, aud) rein p©)fif©, 3 wif©en SStännlein unb
bah fold)e unb anbre 3ellen in eignem Slutfafte SBeiblein! So gwedlos an fid) berartige ©xpe»
(Plasma) ihr £eben unb ihre gähigteiten erhalten, rimente bem £aien erf©einen müffen, fo wichtig
beweift eben ben alten Sah 23ir©ows, unfres ift bie Tatfa©e ber 2lneinanbemäl)barteit oer»
beutf©en §eros ber Siologie, bah fchliehlid) jebe fchiebener, oerwanbter 3nbioibuen für ben for»
3elle ihre eigne Seele unb ihren eignen felb» f©enben Siologen. 9Häht man gum Seifpiel gwei
ftänbigen £eib habe, gur ©oibeng. 2Bas wir alle hatten mit ber Slüdenhaut gufammen unb gibt
geahnt unb gefud)t, jener grangofe hat es uns bann einem Tier 2ltropin, fo erweitern fid) auch
oor bie 2tugen geftellt: jebes £eben ift, aud) an bie Pupillen bes anbern, unb bur<h 3ujettionen
tleinfte 3ellen gebunben, ein 2Bunberwert für fid) tann man beweifen, bah ber 23lut= unb Saftftrom
unb enthält alle Slätfel aud) bes gröhten, gewaltig» burd) beibe Tiere gemeinfam geht. Da tönnte
ften Körpertomplexes. ©in ©lefant birgt tein experimentell erforfd)t werben, ob nicht unb unter
gröberes ©etjeimnis als bie weihe Slutgelle, ja weld)en Sebingungen bas gefunbe Tier bem an»
fein unb unfer ©efamtproblem ift bas ber tleinften genähten unb tünftli© tränt gemachten gur ©e=
3eIIe! 21ud) oon ben fylimmerepithelien, ben nefung oerhelfen tönnte, weil nunmehr gwei Or»
feinen Sefahgellen ber Sd)Ieiml)äute oon ber gamsmen mit bem Krantheitsgifte tämpfen, unb
Stafe bis in bie tleinften £uftröhr<hen hiuab, wuhte gang oon ferne wintt bie 9Stögti©teit, ein geliebtes
man fd)on, bah fie adhtgetjn Tage lang ben £ib= trautes 2Befen bur© bas hetoif©e Mittel einer
fchlag ihrer 2BimperI)är©en in ber mitroftopif©en geitweifen 23ereinigung oon 23Iut unb £eben, etwa
SBärmetammer behalten (^Buffe), unb nad) ©rol)e berSRutter mit bem Kinbe, oomTobe gu erretten!
bleibt audh bie Knod)enl)aut nod) 100 bis 192 ißrofeffor Dr. ©arl £ubwig Schlei©
Stunben entwidlungsfähig, bas h^ifet fie tann
aud) auherhalb bes Körpers ihre gäl)igteit,
Kno©en gu bilben, bewahren, ©s war ber geift»
oolle unb überaus finbige unb tonfequente Ser»
Iiner ©hirurg ©lud, ber fd)on in ben a©tgiger
fahren baranging, auf ©runb biefer Tatfachen ©s foll hier einiges über bie beutfd)en Kunft»
tühnfte Itberpflangungen oon Sehnen» unb gewerbef©ulen berid)tet werben. Da ift fürs
Knod)enftüden gu unternehmen, grunblegenbe erfte gu fragen: Kann Kunft überhaupt gelehrt
Serfud)e, bie burd) ^ßrofeffor £exer nunmehr werben? Das tann fie nid)t, fi©er nicht in bem
gu ftaunenswerten 91efultaten ganger ©elent» Sinne, bah Künftler burd) ben Sd)ulbetrieb er»
überpflangungen oon äJienfd) auf älienf© erhoben geugt unb gemiffermajgen aus bem 2ii©ts ge»
worben finb. £ange oor beiben jebo© gelang es f©affen werben, ©s gibt nur geborene Künftler;
9teoerbin unb Thierf©, auf grojge, fonft unhcil» genau fo, wie es nur geborene Ittrgte ober Pfarrer
bare ©ef©würflä©en §autftüdd)en gu überpflan» geben tann. ©s ift oie!Iei©t mögli©, bah fi© be=
gen, fogar aus £ei©enhaut auf £ebenbige, bie ftimmte ^anbgriffe unb 2ttrobatentunftftüde jeber»
anwud)fen unb bie Defette oöllig fd)loffen. Selbft mann artbreffieren Iaffen; es ift aber unmögli©,
ber £aie weih h e utgutage, bah um bas gwölfte felbft für ben raffinierteren s Uiagifter unb Siegel»
3ahrl)unbert arabifd)e 2lrgte fd)on Slafert aus 2trm» pauter unmögli©, einem blinben 23urf©en blante,
unb Stirnhaut gu bilben oermo©ten, unb i© felbft wunberfeüge 2tugen, einem ftumpfen ^tjlegmatiter
habe, wie gewih oiele ©hirurgert mit mir, ein auf fd)wingenbe unb fingenbe Steroen einguoerleiben.
ber äRenfur abgef©lagenes Slafenftüd, bas auf Die Kunftfd)ule tann gewih fein: wen fie ni©t als
ben 23obert flog, mit oollem ©rfolg bur© ein paar Künftler betommt, wirb fie nur als einen 2tuto=
Slähte wieber an feine naturbeftimmte Stelle maten für 3et©nen unb Unfein entlaffen. Sßeldjer
placiert, na©bem ber immer fprungbereite an» 2lrt ift nun aber ©re £eiftung? Denn irgenb etwas
wefenbe Korpshunb glüdlid) baran oerhinbert müffen biefe Slnftalten mit ber gülle ©rer Klaffen,
war, es feinerfeits gu oerfd)Iuden. man hat mit ben ehrenwerten ^3rofefforen, mit ihren
abgef©Iagene Ringer no© nad) Stunben glüdli© Prüfungen unb Stbgangsgeugniffen ber Kunft bo©
wieber gum 2tnheilen gebra©t. gu geben haben. Dem ift fo. Die Kunftf©ulen
S©Iägt man gähnen bie Sporen ab unb näht finb 21nftalten für ©eburtshilfe. Der Künftler ift
fie in bie Kopfhaut ein, fo hetfe n fie ni©t nur ba, er lebt; aber er muh erft in bie SBelt hinein»
mit allen ©efäh= unb Sleroenoerbinbungen ein, geboren werben, in ben 3ufammenl)ang ber ©nt»
fonbern wad)feti fogar. 23ert bra©te S©wänge widlung, in bie Konoention, in bie Stürme ber
unb gühe oon Slatten,na©bem er bie losgetrennten ©egenwart. Dagu foll bie S©ule helfen. Sie
©lieber enthäutet hatte, unter bie Slüdenhaut bes» foll bem Slooigen ben Slohftoff oermitteln, ein
felben Tieres unb fah fie wa©fen unb gebe©en, wenig beffer georbnet, ein wenig mehr ins Spftem
freili© ohne bah bie armen Tiere weiteren ©e» gebrad)t, als er ©n felber finben würbe. Sie foll
brau© oon ihren beplacierten ©liebem ma©en bem 3^9en geigen, wie bie 2Ilten gur Klaffit
tonnten, ©ben gegogene 3äh«e — es tommt oor, tarnen, fie foll ©n hwteinbliden Iaffen in bie
bah Qang gefunber 3ah^ oerfehentli© ber £eibenf©aften oon geftern unb heute. Ob fie ihm
3ange na©geben muh — tön»
nen glüdlidjerweife foglei© wie»
ber gurüdgeftopft unb gum ©in»
heilen gebra©t werben; Stüde
ber menf©li©en Hornhaut tön»
nen auf anbre 2tugen über»
pflangt werben unb behalten
©re ©lashelle, burd) bie bie
gange 2BeIt ihr 23ilb in unfre
Seele pflangt. Stilen biefen
Xtberpflangungen, wie aud)
benen oon Slut unb £pmphe
(Transfufion), ift aber oon ber
Statur eine ftrenge ©renge ge»
gogen, fie gelingen ohne S©aben
nur bann, wenn bie ©ewebe
unb ^lüffigteiten berfelben Tier»
fpegies entnommen finb, alfo
nur oon SJtenf© auf SRenfcf),
oon Kanin©en auf Kanin©en,
oon SDleerf©wein©en auf SReer»
f©wein©enunb fo fort, grembe
3eIIarten unb frembe ©ewebs»
flüffigteiten oerhalten fi© ge» Arbeiten aus dem Seminar für Handarbeitslehrerinnen
rabegu feinbli© unb giftig. 3a, an der Bielefelder Handwerkerschule
1272 mi. $Rr. 49
babei BSerturteile oermitteln barf, Iäfet fid) leidet
bestreiten; 3umei[t mirb [old)e Blüp aud) unnütj
[ein, benrt bie Starten, unb auf bie allein tommt
es an, toerben alle oorgebad)ten Bleinungen unb
alle oorempfunbenen ©mpfinbungen oerIad)en
unb nur auf ben eignen Dämon pren. Da aber
ift es nun bie Sdjule, bie, mas biefen Dämon be»
trifft, eine ^elbentat 3U oerridjten l)at. Nid)t,
bah fie ip etma totfd)lagen [oll; im ©egenteil,
gerabe au biefem Dämon, an biefem innerften unb
eigentlidjen 3 d) bes Sd)ülers [oll bie Sepie ipe
©eburtsl)ilfe leiften- Sie [oll bem jungen Blenfcpn
baju plfen, fid) [elber 3U entbeden; [ie [oll mit
3arter hanb bie Hemmungen, bie bes Dämons
[ylügel binben, ab3u[treifen [udjen. So [oll bie
5 tun[t[d)ule burd) negatioe Arbeit bas pofitioe
leiften: bie Befreiung bes geborenen ftünftlers
oou ben ©ierfd)alen ber Knficprpit unb non ben
Sd)laden fauler ©emöpungen. Das märe bas
erfte, mas bie 5 tun[tgemerbe[d)ule als ip ©efetj
an3uertennen l)at. Das peite aber ift: bah [ie
eigentlich mit 5 tun[t gar nichts 3U tun pbe. BSie
aud) bas 5 tun[tgemerbe meniger ein tünftlerifcps
als ein tulturelles Problem ift.
BSenn man bas, mas Nobler mad)t ober mas
Nembranbt tat, 5 tun[t pip, [o tann man unmög»
lid) bie herftellung eines guten unb frönen
Stuhles, tann man fclbft bie Probuttion eines
muftergültigen unb d)aratterfe[ten 2 Bopl)aufes
nid)t ber gleichen geiftigen Prooin3 3ured)nen.
Die 5 tun[tgemerbe[d)ule aber [oll nid)t ben ©p=
gei3 pben, fleine Nobler unb Nembranbte 3U ent»
taffen; [ie tat genug, menn es ip gelang, ber
Blöbelinbuftrie tüchtige, inftinttreine plfsfräfte 3U
liefern. Dennoch gilt für [ie mit nicht geringerem
©ruft bas Bßort oon ber ©eburtsplfe. Die Aunft»
gemerbefdple [oll ben geborenen £iebl)abern ber
ted)ni[d)en £ogit, ber tulturellen ßebensfüpung
unb bes guten ©e[d)mades in bie Praxis pnein
unb in bie Bielfältigteit bes Alltages plfen. Sie
[oll ben TifPer, ber 3U ip tommt, anfpornen,
bah er ein Nuherftes tue, [eine [pe3ielle Ted)nit
3U oerfeinern unb 3U burepeiftigen. Sie [oll bem
Blann, ber BSopiftätten entmerfen möchte, bie
Sinne unb bie ©ejinnung öffnen für bie Notmenbig»
teit einer alle ©in3elarbeiten 3u[ammenfa[[enben
©emeinfamteit neubeutfdjer Kultur. Sie [oll
benen, bie Farben 3u empfinben, Proportionen
3U fepn unb Np)thmen 3U fül)len oermögen, bie
©nergie unb ben Taft oermitteln, [old)e ©oben
in ben Dienft ber größten unb ber Keinjten Nuf»
gaben 3U [teilen. Sie [oll bas alles nid)t burd)
BSorte unb Dottrinen tun; fie [oll bas 2 >Pal [id)
aus ber täglicpn Arbeit beftillieren laffen, aus
ber Arbeit an ber ^obelbant unb am Sd)raub[tod.
BSenn es pute rtod) Stunftatabemien gibt, auf
benen 3um ©rempel bie Bilbhauer brei gefd)lagene
3 ape mit bem kneten oon Ton oergeuben, ope
je an ein reelles Blaterial, meber an Stein, nod)
an Bron3e, nod) an §ol3 3u gelangen, [o [oll bie
5 tunftgemerbe[d)ule folcpn patentierten Berfüm»
merungsinftituten benton[trieren, baf3 5 tunft oon
können tommt. fyreilief), nid)t oon einem können im
[d)ulmei[terlid)en Sinne, [onbern oon einem können,
Aus der Hamburger Kunstgewerbeschule:
Klasse des Professors C. O. Czesdika
mie es fid) burd) bas B3erf3eug an bem Noptoff, 3üd)ten [ie bod) nod) pnlänglid) Berirrte unb
burd) bie Drganifation an bem ©l)aos bemäpt. Untaugliche. BSas fid) befonbers an ben Damen,
Die ftunftgemerbefcpile mill im Prin3ip nur £eute, bereu bie 5 tun[tgemerbe[d)ulen meift 3U oiel haben,
bie eine prattifcp £epe burd)gemad)t haben, an leid)t bemeifen liep. Robert Sreuer
bie 3 eid)entifd)e t)eranlaffert. Unb [ie mill biefen,
bie hoch mof)l begriffen haben müßten, um mas
es fid) bei ipem “Beruf hanbelt, nid)t etma einige
billige 3eid)nerifche ©eften angemöpen; [ie mill
oielmep, bah jeber Blei[üft[trid) unb jeher Pinfel»
3ug ein Stüd BSertftattarbeit [ei. Der Ti[d)ler §ei3bare Teppidje, bas ift bod) fid)er etmas
[oll, aud) menn er eine Blume 3eid)net, meiterpn bleues. Unb ber ©ebante ift nicht übel. Nieps
ti[d)lern; bas pip: er [oll, menn er bie Nb» tann ber Blenfch pied)ter oertragen als talte
$üp. Deshalb pben unfre ©roheitern bei län»
geren gapten mit ber Poftfutfcp fid) grohe
bidgefütterte guhfäde mitgenommen.
Der pi3bare Teppich befitjt nun ben befon»
beren Bor3ug, bah er nur ebenfo ftart ermärmt
mirb, als es für einen guhbobett angenehm ift,
bas pijjt auf etma 18 ©rab ©elfius, märmer mirb
er nicht.
BSie bie §ei3ung erfolgt? Nun, lieber £e[er,
bas ift mop uid)t ferner 3u raten: unfre be*
mäpte Daufenbtünftlerin, bie ©lettrptät, muh
auch Per helfen, ©inen Deppid), nod) ba3U einen
foId)en aus Stoff, tann man nicht mit $ol3 unb
5 topen ober mit ©as hei3en. Pb er menn man
feine, bünne, biegfame elettri[<he §ei3törper nimmt,
bann geht es. Der Stromoerbraud) [oll oerl)ältnis»
wähig gering [ein, ein Keiner ieppid), mie er
mohl als Borleger oor ben Sdjreibtifd) paht,
benötigt etma über h^ubert BSatt Strom, bas
mürbe h^ipTt» bah bie bauernbe ©infdjaltung
[tünblid) runb 3mei bis [ed)s Pfennige tojtet, je
nad) bem Strompreis, ben bas ©lettrptätsmert
beredjnet.
©ine anbre Steuerung ift bie elettrifche Brenn»
[epre. Äein Brenn[d)erenmärmer. Die gibt es
[d)on [eit längerer 3 ^it, [onbern eine Sdjere,
beren Scheutet unmittelbar ermärmt merben.
Unfre Damenmelt mirb bas fidjerlid) [ep freuen,
benn es ift ungleich angenehmer, bie oieie nun
einmal unentbehrliche Brennarbeit ohne Unter»
bredj ung burdcjfüpen 3u tönnen.
©in anbrer, gleichfalls elettrifd) 3u betreibenber
meffungen unb bie Biufit ber Blüte erfühlt, oon Apparat für ben Doilettentifd) ift ber §aartrodner.
foldpm ©lüd unb folgern ©rieben etmas in fein Bei ihm mirb ber Strom einerfeits 3um Betrieb
Berufsgemiffen, etmas in [eine 9 Bert[tattgefinnung eines Keinen Bentilators, anberfeits 3ur ©r»
unb [ein 9 BertgefüP eintragen. Unb genau [o märmung ber £uft oermenbet. “Kuf biefe 2Bei[e
[ollen ber Sd)lo[fer, ber Bud)binber, ber Btetall» ift eine Drodnung felbft oon [ep oollem unb
treiber, ber B 3 eber ober Stider oerfapen. Sie bichtem haar in tur3er 3 ^t burdjfüpbar ope
[ollen alle miteinanber barauf Gereichten, fid) bie grohe ©inrid)tung, bie hierfür in ben grifier»
einen blöben Borrat oon Naturalismen unb falons bisher für notmenbig erachtet mürbe.
Planieren an3utrapn; [ie [ollen nichts anbres Unb es ift nicht leicht, haar 3U trodnen, benn
lernen, als Berl)ältniffe [eben, harmonien fühlen, biefes befip betanntlid) eine [ehr grohe Nn»
NhRtl)men empfinben. Sie [ollen ferner burd) 3iepmgsfraft für SBa[[er. Nus biefem ©runbe
fold)es 3 urüdgepn auf bie opü[d)en Prin3ipien mirb es ja als Btaterial für geu^tigteitsmeffer
bie ©inheit alles äftptifchen Schaffens ertennen mit Borliebe benup, bie in neuerer 3 eit fid) in
unb erleben. Damit fie nun aber nicht etma in [teigenbem Blähe neben Thermometer unb Baro»
ä[theti[d)er ©efül)Is[eligteit ober tultureller ppafeo» meter einbürgern, ©in bünnes Bünbel Btenfdpn»
logie ertrinten, hat bie 5 tun[tgemerbefd)ule bas l)aa^ oorfichtig gefpannt. Unter bem ©in»
3miefach mirtfame ©r3iehungsmittel ber 9 Bert» fluh bes mep ober minber groben geuchtigteits»
[tätten. geholtes ber £uft bept unb oerlür3t es [i^ unb
hier, beim 5 Kang ber Sägen, ber häfftuter unb bemegt babei einen 3 eiger, ber uns ben Sättigungs»
ber pun3en, [oll nicht nur bas, morauf bereits ber grab ber £uft ertennen läht. Unb biefes BSiffen
3 eid)enunterrid)t 3ielt, bie Durdhgeiftigung bes ift [ep mertooll, benn oon ber relatioen geuchtig»
hanbmertlidhen, erreid)t merben; in ben Schul» teit ber £uft hängt unfer SBohlbefinben [ep [tart
mertftätten [oll auch bas Detail ber Te<pit bis ab, unb nebenbei geminnen mir baraus einige
3ur Birtuofität ausgebilbet merben. Nnhaltspuntte für bie SBetteroorausfage. 2 ßir
Bßenn fold)es gemeinfam bie Unterrichts» brauchen nur baran 3U benten, bah unfer 5 törper
ab[id)t aller 5 tun[tgemerbefd)ulen ift, [o ergeben fortgefeP BSärme abgeben muh, unb 3mar bebient
fid) bod), unb bas [elptoerftänblid) unb mit Ned)t, er fid) 3U biefem 3u)ed 3u einem beträd)tlid)en
an ben oer[d)iebenen Nnftalten mandjerlei Ba» Teil ber fogenannten Berbunftungstälte. Durch
riationen. Die Nrt ber £el)rer unb bie £otal» bie Poren mirb SBaffer abgefepebert unb bei ber
forberungen änbern ni^t nur ben Stunbenplan, Berbunftung biefes Sßaffers bem üörper 9 Bärme
[ie beeinfluffen aud) bie Nuffaffung oon ben ent3ogert. Die[e Berbunftung ift jebod) oon bem
ein3ctnen Dif3iplinen. 3 n 3 'icusburg [pürt man 3 Ptanb ber uns umgebenbert £uft in h^h^ui
bie Näl)e ber Sd)iffsmerften unb bie Trabition Blähe abhängig, ©in ftubitmeter £uft oermag
bes Pefels. 3 u hauiburg, mopn oerfdjiebene nur eine Pftimmte Blenge SBaffer 3u oerbunften.
BSiener berufen mürben, entmidelte fid) eine BSieoiel, bas hängt oon ber Temperatur ab.
beutlicp Tenben3 3U jener fpe3ifi[dpn, tapri3iö[en Bei 10 ©rab ©elfius 3um Beifpiel etma 7 ©ramm,
Blanier berer um hofmann unb um ilolo Blofer. bei 20 ©rab ©elfius 3irta 14 ©ramm, bei 30 ©rab
©s tönnen eben aud) bie£eper, [ofern [ie mirtlidp etma 30 ©ramm. Sobalb [ie [o oiel 3 teud)tigteit
51 ün[tler [inb, [elbft menn bas, mas [ie lehren, hat, [prid)t man oon iper Sättigung. Blit geud)tig»
eigentlich gar nid)ts mit ftunft 3U tun hat, bod) teit gefättigte £uft oermag tein BSaffer mep 3U
nur [ich felber geben. BBoraus folgt, bah and) oerbunften, im ©egenteil, bei ber gering[ten
bie 5 tun[tgemerbe[d)ulen teinesmegs, mie 3 beali[ten Temperaturerniebrigung [d)eibet [ie BSaffer in
etma oermuten tonnten, ©r3iepngsin[titute in 5 orm oon feinen Tröpfchen aus; bas betannte
Neintultur [inb. BSenn [ie aud)
bem Prin3ip nad) (mo3u Blu»
tpfius bas Befte beigetragen
hat) Kar gebaut mürben, [o
haben [ie bod) nod) genug ber
Blängel, ber ©infeitigteiten, [o Elektrische Brennschere
Flensburger Kunstgewerbeschule: Einfaches Schreib¬
zimmer, ausgeführt von drei Schülern nach dem
Entwurf des Direktors Huber für die Reichsbank
in Sonderburg
1911. 9Jr. 49 1273
Vefdjlagen oon ©efäfeen, bie, mit taltem Eßaffer
ober ©is gefüllt, in roarme, feudjte Zäunte gebracht
roerben. EBenn unfer Körper alfo frei ausbünften
foll, fo ift es notroenbig, bafe bie uns umgebenbe
£uft möglidhft troden ift, ober man mufe.burdj oer*
ftärtten fiuftgug bie Verbunftung tünftlid) be=
fd)leunigen. hierauf allein beruht auch bie füljlenbe
angenehme EBirtung oon gädjern unb elettrifdjen
Ventilatoren, bie man richtiger medjanifche Sädjer
nennen mürbe, benn oon einer £üftung, §erbei=
fd)affung neuer £uft !ann bei biefen ERafd)ind)en
ja teine Elche fein. Elber bie ftarte £uftberoegung
genügt aud), oorausgefefet, bafe bie bemegte £uft
nod) nicht ben Sättigungsgrab erreicht hat, benn
bann ift natürlich aud) alles Vemegen nutzlos.
Die Etufftellung oon Verbunftungsfchalen im
EBinter mährenb ber $ei3periobe mufe als eine
gang oertel)rte SRafenahme belämpft merben. Ells
3uträglid)e geucfetigteit tonnen im allgemeinen
40 bis 60 ^Pro3ent angefet)en merben, unb menn
man fid) bie ERühe nimmt unb bie £uftfeudjtigteit
mit $ilfe eines ber befdjriebenen Snftrumente
nachprüft, fo mirb man faft niemals finben, bafe
ber 3 ^ 9 ^ unter 40 'tßrosent fintt. Der ERenfd)
forgt ja felbft bafür, bafe fortgefefet geud)tigteit
in bie £uft gelangt. 3 ™ einem Vureau ober in
einer Sdiultlaffe, mo eine größere Eln3aljl ERenfchen
oerfammelt finb, ift es gar nicht bentbar, bafe bie
£uft troden merben tonnte. Sdjeibet bodj jeher
SOtenfd) ftünblidj in ber iRuhe 20 bis 60 , bei müt*
lerer Arbeit 70 bis 200 ©ramm EBaffer aus, je
nach ber Temperatur. Da mir biefe geudjtigteits*
entmidlung nid)t Ijinbern tönnen, ja fogar erleid)*
tern follen, bleibt uns bie ^ 3 flid)t, bafür 3U forgen,
bafe nicht burd) anbre Hrfadjen überflüffigermeife
geudjtigteit er3eugt mirb. Vefonbers fd)limm
ftel)t es in biefer Ve3ieljung mit unfern Küchen.
Sehr prattifd) ift bie englifd)e ©inridfetung, bie
über ben irjerb einen Elb3ugsfchlot oorfieljt, burd)
ben alle Dämpfe, bie beim Kod)en oon Speifen
entfteben, entmeidjen. 3u unfern normalen
beutfdjen Küchen geht ber gefamte EBafferbampf
in bie Etaumluft über unb er3eugt ba eine unmäßige
geudjtigteit. EBirb auf ©as getodjt, fo tommt bei
ben meiften ©asherben, bie ohne Sdjornftein
brennen, nod) bie namhafte ©r3eugung oon EBaffer*
bampf burd) bas Verbrennen bes ©afes l)in3u, benn
©as oerbrennt betanntlidj teilmeife 3u EBaffer*
bampf. 3 ut 3 utereffebes 2 ßol)Ibefinbens ber Äüd)en*
bemoljner mufe baher auf eine gute £üftung ber
Küchen meit mehr EBert gelegt merben, als es
bisher nod) gefd)iel)t. S. $artmann
Eluch ber Sportan3ug — fomeit es fid) nidjt
um Eltljletit hanbelt — ftet)t gänzlich unter bem
befpotifdjen 3 epter ber ERobe, einer ERobe, bie
if)te eignen EBege geJE)t, eng ge3ogen, feft begren3t,
aufgebaut burd) bie oerfd)iebenen Sportarten
felber, bei beren Ausübung, bie fid) 3umeift in
Klubs oor 3 ufd)auern abfpielt, man nidjt gern
auf ©itelteit oer3id)tet. Selbftrebenb erforberte
es einige 3 ah*e, ehe für bie neuen Vebürfniffe bas
^Richtige gefunben mar, bas nicht immer für alle
Sportausübenben erreichbar ift, ift bod) bie ©e*
mohnheit, an gemiffen Sportarten teil3unet>men,
bis in bie breiten Voltsfd)id)ten eingebrungen, mo
bie 3 rage bes Eln3uges aus prattifdjen ©rünben
gän3lid) in ben £jintergrunb treten mufe.
©benfo unangebracht, als es in biefem $alle ift,
über nid)tfportmäfetge Elbjuftierung ein EBort 3U
oerlieren, fo berechtigt ift es, Vemittelte aus biefem
Etnlafe 3u tritifieren, benn ber falfdje Ebt3ug ift in
biefem galle nur ERangel an ©efdjmad, ber fid)
in allererfter £inie baburch geltenb macht, fid) an
unrichtiger Stelle 3U „pufeen".
EBenn oon Sport bie Etebe ift, hanbelt es fid)
im Sommer in erfter £inie um © o 1 f = unb
Tenntsfpiel. ©olf* unb Tennisan3ug beden
fid) im großen unb gan3en. Vei erfterem tommt
es fehr barauf an, in meld)er ©egenb unb 3cd)tes*
3eit gefpielt mirb. Da für Deutfd)Ianb eigentlich
nur bie im Sommer benufeten £ints in Vetradjt
tommen, bebarf es teines ft r e n g fportlidjen
Eln3uges, nur bie ^ujjbetleibung oerlangt
?Iufmertfamteit. Sie befteht, ba man kläffe nid)t
fdjeuen barf, aus gelben, berben Sdjnürftiefeln
mit halbhohem £eberabfah unb paffenbem Strumpf.
Der $R o d reicht bis 3um Stiefelranb unb ift
meiter gehalten als jener bes ftreng mobernen
„Trotteurtleibes". Die ©nglänberin beoor^ugt
3U biefem 3^0^^ nach mie oor ben fedjsteiligen
$Rod, beffen Vähte fehr breit aufgefteppt finb.
31 uch trägt fie iRöde, benen feitlid) ober hinten
galtengruppen eingefe^t finb. 3o^t im §od)=
fommer tann ber iRod fehr mol)l mei^ fein, fogar
aus fdjmerem VaummoIIftoff, gegen ben Sjerbft
3ieht man, ber geudhtigteit bes ©runbes megen,
buntle, melierte Stoffe oor, aud) ©ooert ©oat mirb
mieber oiel gemäblt. Die ©Iegan3 bes iRodes brüdt
fid) burd) bie Stoffqualität aus, bie Qualität ber
Näharbeit, bie matellofe gnfd)^- Vlufc ift
aus meinem ober buntem VaummoIIftoff, aus
glanell ober £jalbflanell. 9 Jtan geftattet ihr in
lehter 3 oi^ etmas mehr Vhantafie, bas h^ifet alfo
Gestrickte Jacke aus Cordonettseide
und gehäkelte Mütze
5Rüdenfd)Iuj3, eingearbeitete Stidereien unb Spitjen
unb Sabots, ftets unter ber Vorausfehung, ba§
fie bas ©efid)t ber einfad)en £ingerieblufe mahrt.
ÜBäljrenb ber iRod bes Stra^entleibes fo*
3ufagen ausnahmslos halbanliegenbe Vtieberform
3eigt, fd)Iiefet ber Sportrod oft im Taillenfchlujj
ab unb erforbert bann einen ©ürtel. Diefer ift
einheitlich meife, fd)mar3 ober bunt, mit Vorliebe
aus £adleber, halb burd) einfache Schnallen unter*
brochen, halb geftreift — fdjmar3rot, blaumei^
unb fo meiter —, halb befteht er aus feibenem
iRipsbanb, bas geftattet eine gute, aber unauf*
fällige Sdjnalle an3ubringen aus ©maille, Stahl,
SCReffing, Silber, Tula ober Vron3e.
IXnerläfelid) ift eine 3 a d e. Diefe ift ent*
meber 3um $Rod gehörig, ober in Strid* ober
§ätelarbeit hergeftellt. iReuer unb allerbings fehr
oiel toftbarer als bie VSoIIjaden finb jene aus bider
©orbonettfeibe geftridt, unb 3toar in ber
fehr einfad)en, aus 3toei gerabe, 3mei oerfeljrt ge*
ftridten 9 RafcE)en gebilbeten SRufterung. Diefe
bilbet ben gan3en Sadentörper, ber ringsherum
oon einer etma fed)s 3 ontimeter breiten Vorbüre
umgeben ift, bie eine etmas abmeidjenbe 9 Rufte=
rung 3eigt. Die $rmel finb lang unb eng, gan3
gerabe, mie an einem Smeater. Die hier abgebilbete
Sadenart ift bas SReuefte, mas es auf biefem ©ebiet
gibt. Viele ber neuen berartigen Saden finb !ur3
gehalten, ftets halbanliegenb.
©ine fehr moberne ftopfbebedung finb bie
meid)en Stoffhüte, bie 3um 9 lod mög*
lidjft paffenb gemäl)It merben, mit runbem Kopf
unb ringsherum gleidjbreiter Krempe, bie nach
Velieben herauf* ober heruntergefd)lagen mirb.
Kotetter finb bie auf bem Vilbe erfidjtlidjen ge=
hätelten runben 9 R ü t) e n , bie man nur in ber
bargeftellten ?lrt tragen tann. Sür eine $rau,
bie fid) nicht entfdjliehen tann, bie 9 Rühe über ben
§intertopf 3U 3iehen, ift biefe Kopfbebedung nicht
geeignet. äRan trägt fie in VSeijj ober Duntelblau,
auch Vraun ober Dunteloliogrün, fofern bies 3um
31 n 3 ug fehr gut pafjt, aber es erhöht burchaus nidjt
ben „Sd)id“ — im ©egenteil — biefe 9Rüt5d)en in
leudjtenben Farben 3u tragen. Der geringsten ©e=
fahr, fich im Sportan3ug 3u entftellen, fet^t man fid)
aus, inbem man ben „ÜRatrof enhut“ mäljlt, ber
3u jebem Sportan3ug pafet unb fpe3iell in biefem
Sommer in fehr tleibfamer $orm geboten mirb,
mit gefällig großem Kopf unb 3iemlid) breiter
Krempe, ©r mirb augenblidlid) natur* unb oer*
nunftgemäh in ben Kopf einfallenb getragen;
burd) jebes Sdhieffe^en, 9 Ius*ber=Stirn=Sdjieben,
burd) Vügelerhöhen unb fo meiter mürbe er bem
Kopf eine gän3lidj altmobifd)e Silhouette oerleihen.
3 um Sportan3ug geftattet ift auch ein einfacher
großer, Ieid)t glodenförmiger ijut, umgeben oon
einem fd)mar3en Samtbanb, bas unter fladjer
Heiner Schleife abfd)liefet, ober oon einem aus Stroh
gebilbeten Vanb — lefeteres ift ber „grand chic“.
Das Sdjuhroert ift meife, ebenfo ber Strumpf;
mirb mährenb bes Spieles ein bunller Strumpf
getragen, fo ift bas nur bamit 3U entfd)ulbigen, bafe
ber Tennisfdjuh oor bem Verlaffen bes Klubhaufes
mit einem buntlen Strafeenfdjul) geme^felt merben
foll, mas in fehr oielen Klubs Ufus ift.
Vlufe, ©ürtel unb Sade anbelangenb, gilt bas*
felbe mie bezüglich bes ©olfan3uges. Der mähren
©legan3 fd)eint es felbftoerftänblid), bafe man beim
Tennisfpiel nicht mit ,,©legan3 profet“ unb über*
transparente Spifeenblufen trägt, bafe bie 3um
?ln3ug gehörenbe Hntertaille nidjt bis 3um halben
iRüden belolletiert ift unb etma nur Sldjfelbänber
3cigt! Sie ftaunt, menn fie fieljt, mie Damen, bie
mit ben VSorten „fein“ unb „bemimonbemäfeig"
oft gar flint bei ber £>anb finb, mit bermafeen gän3lid)
un3ulänglidher Vetleibung auf bie Strafee gehen,
anftatt fid) an ben Schnitt ber feinen fran3öfifd)en
Untertaille 3U halten, bie gemäfeigten 51 usfd)nitt
3eigt, unb oor allem in ber 5 ld)felhöhle fo genau an*
fdjliefet, bafe fie bas Einbringen ber Elrmblätter ge*
ftattet, bie mittels eines fchmalen Vanbes mit
Sd)Ieifenabfd)lufe ober eines ©ummibanbes am
Elrm feftgefealten merben. 9 Rarg. oon Suttner
Reisekleid aus weiß und grau ge¬
streiftem Cheviot und Reisekapotte
aus dunkelgrauem Stroh, mit hell¬
grauem Band garniert
1274
Über £artb urtb 90teer
1911. 9tr. 49
SCRit ©rüdenbaumaterial belabene Pontons
©riidenfcßlag im äftanöoer
(SOUt oter Slbbitbungen nad) pbotographifd)en Slufnaßmen)
Ql"!! bem gluffe, ber in anmutigen SBinbungen
3tt>ifd)en Hügeln unb Dälern bem großen
Strome 3u burdßs Sanb eilt, beginnen fid) bie
©torgennebel 3u teilen. Durd) bie Stille bes fonft
nod) oon teinem Saute geftörten Spätauguft*
morgens hört man jeßt ben ©leichtritt oieler
$tenfd)enfüße, bas Sollen oon Stöbern unb Huf*
fdfjläge bem Üfer näI)ertommen. ©leid) barauf
finb fie „3ur Stelle": ein S®agen3ug unb eine
größere Abteilung Pioniere, etroa eine bis anbert*
halb Compagnien ftart, beauftragt mit rafdjer
Herftellung einer ©ontonbrüde für ben Übergang
ber „blauen" Slrmee. Die Drainfahrer leiten bte
©efährte bidt)t an bie üferböfdhung, fpringen aus
ben Sätteln, fträngen bie ©ferbe ab unb führen
fie ein Stüd roeg, too fie niemanb im 2 Bege
fielen. Die Pioniere feßen bie ©etoeljre 3ufammen,
legen bas ©epäd mit bem tragbaren SBert* unb
Sd)an33eug ab, tleiben fidf) an Stelle ber fd)toeren
SBaffenröde in bie leichten Drillid)jaden. Silles
geht beljenb oor fid). 3 u>ei Settionen ungefähr,
fe^3el)rt ©tann ober einige mehr, sieben aud) bie
Stiefel aus, frempeln bie DrilIid)|ofen bis über
bie Cnie auf unb begeben fid) unter Rührung eines
ünteroffoiers ins feid)te üfenoaffer. Schon haben
in3roifd)en emfige Hänbe eine Sln3al)I ©alten oon
ben Silagen herabgeholt unb reichen fie nun hurtig
ben Cameraben im SBaffer 3u. Unter beren ge*
fd)idten ©riffen unb mit Hilfe einiger am Sanbe
auf unb ab laufenber ©ioniere entfielt im unb
am SBaffer binnen roenigen ©linuten ein tleines
feftes ©erüft, ber biesfeitige ©rüdenbod. ©tittler*
ODeile trugen unb tragen bie übrigen Seute bie
oon roeiteren Silagen herabgel)obenen, aus ©led)
gefertigten großen Cäl)ne, bie Pontons, ans Ufer
unb ftoßen fie in ben $Iuß. ©1)e fid)'s ber 3u*
flauer oerfieI)t, finb aud) bereits brei, oier baoon,
je oon 3toei bis fedßs ©tann — je nach Starte ber
Strömung — gerubert ober burd) Staten beroegt,
auf bem Sßege 3um Hol3gerüft; roeitere folgen;
jeber nächfte treibt roeiter auf bie $Iußmitte 3u.
2>eßt langt ber erfte oor bem ©ode an; in ©nt*
femung einer mäßigen ©altenlänge quer baoor
oerantert man ben 3toeiten unb ebenfo roeit oon
biefem einen britten Ponton unb fo roeiter.
Cur3e 3 eit oor ©eginn ber Slrbeit roaren je
eine Strede ftromauf* unb abroärts auf fdjtoim*
menben ©f erben ober mit Hilfe mitgeführter
3ufammeniegbarer ©oote mehrere Caoallerie*
Patrouillen aufs jenfeitige Ufer „gegangen" unb
hatten fid) brüben ins ©elänbe 3erftreut. 3eßt
fenben fie ©leibereiter an ben gluß 3urüd, bie
il)re ©eobadßtungen einigen feitbem in einem
Ponton ans anbre Ufer gefolgten Offneren mit*
teilen. Sie haben offenbar oom „roten" ^feinbe
nichts ober nichts ©efährlid)es bemertt; ein Über*
fall toährenb bes Srüdenfd)Iags ober halb nad)
beffen ©eenbigung ift nicht 3u befürchten; benn
nunmehr beförbern auf ein h er übergegebertes
Reichen bes älteften ©enieoffi3ters roeitere ©io*
niere auf 300ei nebeneinanber oertoppelten ©on*
tons bas ©altenmaterial hinüber, bas fie bort
für ben anbem ©rüdenbod braud)en. ünb alsbalb
entfielt ba ein ©erüft gleicher Slrt roie biesfeits.
©iitunter, um bas nebenbei 3U bemerten,
ftellt man, unb 3toar befonbers bei genügenber
Süaffertiefe am üfer unb fdjtoadher Strömung,
bie ©erbinbung oom Sanbe 3um fdjroimntenben
©rüdenteile ohne ©öde burd) ©ohlenftege het;
folche oermenbet man auch oielfad) für bie aus
Raffern unb bei ©tangel an anberm ©taterial ober
bei beffen Ünoenoenbbarteit in flachem, 3umal
auch in fumpfigem StBaffer aus Strohfäden her*
geftellten ©rüden.
SBeitere fd)Ieunig nachgefolgte Pontons legen
fid) nunmehr auch brüben oor ben ©od, gehen oor
Sinter unb erhalten burd) ©altenbelag ihre ©er*
binbung mit bem Stege unb untereinanber,
roie bas aud) oom biesfeitigen Üfer aus gefd)ieht.
Stuf bie £ängsl)öl3er legt man ©oI)Ie an ©ol)le
quer nebeneinanber; an ben beiben äußeren ©nben
erhalten biefe burd) je einen in ber ©rüdenrid)tung
barübergelegten unb in regelmäßigen 3n>ifd)en=
räumen burd) Schraubtlammern mit bem äußer*
ften Dragbalten befeftigten ©altenriegel Sicherung
gegen ©erfd)iebungen. Diefe Clammern langen je
3roifdjen 3n>ei ©ohlen burd) an beren ©nben
angebrad)te ©interbungen hinburd). Das ©rüden*
gelänber ftellt man aus in halber ©tamteshöhe 3U
beiben Seiten ber 3 ral)r* unb ©angbatjn gesogenen
Seinen her; aus jebern ©onton ragt ein ©foften
hart neben ben ©ohlentöpfen in bie Höhe; um
feben baoon fd)Iingt fid) bas Setl. üntereinanber
erhalten bie ©ontons nod) ©erbinbung unb Siche*
rung burd) 3toei ftarte Stride. s Jiun nimmt in beiben
Steoen jebes ©ontons je ein ©tann ©laß, ber
einen langen Staten hält unb baburdj oerßütet,
baß bie Strömung im ©erein mit ben ©rfdßütte*
rungen beim Druppenübergange burch ©er*
toerfung ein3elner ©ontons bas ©efüge ber
©rüde lodert. Der im ftromaufoDärts gerichteten
Steoen ftehenbe ©ionier unb einige ünterofft3iere,
bie fidh in gleichen 3 uüfdhenräumen in eine Sln3al)I
©ontons (teilen, haben aud) barauf 3U achten,
baß bie ©eranterung nict)t nadhgibt. 9 tun tann
ber Übergang beginnen. ünb fcßon tommen
lange ©tarfdhtolonnen heran ...
©tag bie Decßnit bem SBaffenhanbroert ftänbig
neue Hilfsmittel 3uführen, mögen insbefonbere
glugfd)iffe unb glugmafd)inen oüe auch Sluto*
mobile fo mandhes fehr intereffante ©toment ins
neu3eitliche Criegstoefen hineinbringen, fo behält
bie uralte ©tethobe bes Sd)iffbrüdenbaus bod)
immerfort eine beträchtlidhe Sln3iehungstraft für
jeben äRanöoerbummler, ber ftets gern 3ufiel)t,
roenn SJiilitär irgenbtoo eine ©rüde fd)Iägt, über*
fdhreitet unb nad) ©ebrauch abbrid)t ober gar
oor bem nadhrüdenben geinbe eiligft baburdh
rettet, baß man fie unter ©enußung ber Strö*
mung in gan3er Sänge ans anbre üfer hinüber*
fd)o?enten läßt. ©rnft Slrnolb
SInlegen unb ©erantern ber ©ontons: Herftellung ber ©ang* unb ft-aßrbahn
©ioniere unb Caoalleriften beim gemeinfamen ©rüdenfd)lag (©ohlenfteg)
1911. s Jtr. 49
Xlber £artb unb SWeer
1277
Schach (Bearbeitet von 6. Scballopp)
Partie Dr. 22
2lu§ unfertn ßorrefponbenjturnter
SJttt bem britten greife für beftgefpielte Partien auSgejetd&net
©efptelt non Slnfang gurti 1908 bi§ Anfang 3Jlat 1910
Unregelmässige Eröffnung
aBetß: Sanbgericf)t§rat a. $. SS. Scfjroan, Sitij a. SRI).
Sdjroarj: ©ugaj, ©enf.
aöetB
@d)roarj
17.
Sf3-e5
Ld7—e8 8
1. f2—f4‘)
d7—dä*J
18.
C3—C4
f7—fe
2. d2—d4 3 )
e7—e6
19.
C4—Cö
Ld6xc5*
3. e2—e3
Sg8-f5
20.
Lei—b2 l0 )
f6xe&
4. Lfl—d3
Ci—Cä
21.
Lb2xen
DC7 —h7
6. C2—c3
SbS—C6
22.
Sh3—fä“)
Th8—fe
6. Sbi—d2«)
Lfs-d*
23.
Sf2xe4
b7—b6
7. Ddl—f3
Lc8—d7
24.
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8. Sgl^h3
Dd8—C7
25.
b5—be ia )
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9. 0—0
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26.
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27.
De2—c2 ls )
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1. d4xcö 7 )
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28.
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2. b2—b4
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29.
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Db8—f8 2S )
44. Dbl—e4
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38. DC3—eöf.
Kd6—d7
46. De4xcef
Dc8xc6
39. fö — f6
d5—d4
46. Te6xc6
Kböxce
40. De5—fo-j-
Kd7—c7
47. f6—f7
aiufgegeben.
Sie Slnnterfungen ftnb oom Rubrer Der raeißen Steine.
') Sine gute ©vöffnung, bie freutet) auct) bem ©egner etn burdjavtS
fixeres ©egenfpiet geftattet.
2 ) Ober e7—es (ftrotnö ©arnbit).
3 ) hiermit entfdjeibet ftd) Söetß für ben ©tetnroaU. 3lud) e 2 —e3
nebft b 2 —ba tft angängig.
4 ) Söeim Stetnroatt tft e4 ber ftrategifcbe SJSunft. ©etingt e§ SBeife,
biefen mit e3—e4 ju belegen, Öffnung oer e*Stnte ober Vorgang be$
ÄonigSbauern nach es ju erjroingen, fo pflegt er bamtt ba$ beffere
Sptel ju erlangen. 35er ®estjug madjt bie 93efefcung oon e4 burd)
ben ©egner unmöglich unb bereitet etroaigen eignen SBorftoß oor.
5 ) ®iefer 3ug ift niept empfehlenswert. Seine Übeln folgen jetgen
fid) fpäter.
B ) ®tefer fepr geroagte 3«9 geftattet eine ungeroöpntidje Sluflöfung
ber SteinroaüfteUung.
7 i hiermit leitet Sffieiß einen nachhaltigen Eingriff ein, ber, burd)
oerfdjiebene elegante Opfer »erftärtt, jum fcbließUdjen Siege führt.
K ) S3ei Ld6xe6 rotrb burd) 18 . f4xes nicht nur bie f=Sinte bem
®urm, fonbern (nad) c3—c4) auch bie ®iagonale ai—h8 bem Säufer
geöffnet. ®ie Scproäcpe be§ 9.3uge§ oon Scproarj tft jept unoer*
fennbar.
9 ) Stuf f6xe6 folgt 20 . cöxd6, auf Ld6xe5 folgt 20 . f4xe5.
10 ) hiermit roirb ber Ses jum Opfer angeboten. 2>ie Sragroette
ber atnnapme be§ DpferangeboteS tft oon Sdjroarj anfdjeinenb unter*
fdjäpt.
“) SBeiß oerfepmäpt e§, ftep burd) SJeptnen ber Qualität puantitatto
einigermaßen fcpabloä ju palten, unb beitupt ben ®etnpogeroinn jur
.^erbetpolung ber jur 3>urd)füprung be» Angriffes et f orberlichen
§igur.
‘p §ierburd) rotrb ber ®ame baS ^etb a6 jugängltd). Stuf 25 ...
Dh7—b7 ^ber Sas-b7; folgt 26 . bexa7; auf 25 ... a7xbe folgt
2 «. Tbixb6.
n ) ®er ßöntg läuft in ben Söroenradjen pinein. Stber roaS foll
er tun?
1J ) SBeniger, um ben fo roertoollen SXngriffsläufer gegen ben SEurnt
ju taufepen, alS otelmepr, um Stcperung ber gegnerifdpen Stellung
burep a7xb6 ju oerpüten.
13 ) sßerptnbert g7—gfi nebft Dh7—e4 ufro. unb greift ben Bes an.
18 ) Scproarj ergreift fcpleuntgft bie ftep ipm bietenbe ©egenangriffs*
tpance (Dh7—e4 nebft etroaigeni Tds—d -2 ober dt).
1? ) SStet ftärter als 29 . Dc3xa5, toorauf ftep Scproarj burep a7—a6
flcperfteat. ®Jte leiept erftcptlicp, ntuB ©d)toarj ben Säufer nehmen.
“) Stuf Kc7—d7 st. Tbl—b8 Dh7—e4 tann einfaep 32. Tb8xf8
folgen.
,9 ) Stud) jept füprt Dh7—e4 ju nichts.
20 ) Stept ber Tds, fo folgt 33. Tfi—ci.
21 ) Stun pat SOBeiß bte Qualität tn ©eroinnftellung erobert.
--) Sängeren SBiberftano pätte. roopl Lc6xds ermögltd)t. Sept
muB ber freie flauer bte ©ntfepeibung batb perbeifüpren.
33 ) @8 bropte $amenoerluft burep 38. Des—esf ober Dc3-g3f.
34 ) Stuf Lc6—bs gept burep 43 . a2—a4 ber Säufer oerloren; auf
Kb6—as folgt 43 . Te7—a7 matt. Stunmepr gibt ÜBeiß bte geroonnene
Qualität jurüd, baburep ®otalabtaufcp unb alöbalbtge ffintfepetbung
erjrotngenb.
aller mebisinifepen Seifen fleht
opne Ofrage bie allein etpte
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§autunreinigfeitcn unb $autauß*
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gung, einen wirklichen großen
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denjenigen Büchern, die man
öfter als einmal lesen muß, um
ihre ganze Schönheit kennen
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eines uns Deutschen so ver¬
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rufen wir zu: Wer ein Buch lesen
will, das ihn auffrischen und
laben, ihm einen hohen Genuß
bereiten soll, der säume nicht,
mit der ,Frau Bürgemeisterin*
Bekanntschaft zu machen.“
(Fränkischer Kurier, Nürnberg.)
Durch alle Buchhandlungen
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Georg Ebers
1278
Uber £artb unb 9Jteer
1911. 9h;. 49
Jll. Kataloge Frei.
L.Römer altdha (elbeu io
(EinttegangEUc Bitter xntb j^diriften
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ficß ton Anfang SWai bi§ SWitte Uluguft auf über 8000 ober 1200
meßr al§ im gleichen 3eitraume be§ SorjaßreS. Slucß für bie
Stacßfaifon fteßt nodß ftarfer SSefucß betör.
8cf)Iangenbab. ©roßfürft SJJauI ton SRußlanb nebft feiner
©emaßlin, ber ®räfin ton ©oßenfelfen, brei Kinbern unb ©e*
folge traf SWitte Sluguft ton 38ie§baben*au längerem Jiurgebraucß
in ©cßlangettbab ein. am §otel Sittoria oom Kurfommiffar £>aupt*
mann a. %. Saffert empfangen. 2>ie§ ift bereits ber acßte Slufentßalt
in Scßlangenbab, ben ber ©roßfürft unb feine Familie neßmen.
SRaga* (Sdßttei-)). 8eit Slnfang $ult fteßt SRagaj im 3eicßen
ber §ocßfaifon. 8cßott in ber erften 2Bo<ße be§ SWonatS waren
binnen weniger Üage bie meiften £>oteI§, unb ßauptfäcßlicß bie
großen, bis unter ba§ 2)acß gefüllt. Son fleinen Scßwanlungen
abgefeßen, bietet SRagaj ßeute baSfelbe S3ilb : tollbefe^te bis über*
füllte $otel§ unb spenfionen, toUftänbige Sefcßlagnaßme aller
terfügbaren SPrioatlogi§. S5iefe ^»odßflut weift übrigens bie amt*
ließe §rembenftatiftif jiffernmäßig auS. 8o ergab beifpielSweife
bie 3äßlu n 9 ber ©äfte in ber Wacßt tom 23. auf ben 24.9)uli
bie SUnwefenßeit ton 1375 Kurgäften unb 177 Sßaffanten. 2>ie
3aßl ber abgegebenen Sßermalbäber überflieg bis ©nbe 3«Ii
biefenige ber leßten 8aifon, bie aueß reeßt gut war, um naßeju
4000. ®a§ |>auptfontingent ber Kurgäfte liefert ba§ S)eutfcße
9Reicß, boeß ift baS Sabepublifum burcßauS international. SRacß
abtüßlenben ©ewitterregen blauten aueß wieber flare Slugufttage
mit tüßlfrifeßen SWorgen unb Ulbenben, unb bie Saifon ßält fuß
in ber biSßerigen feiten erreießten .§öße.
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Nürnberg, ©rag, Stuttgart, äöten, 3üricß.
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vorzügliches Kräftigungsmittel. WARNUNG! Man
verlange ausdrücklich den Namen Dp. Hommel.
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Geheftet M 8.—
Von K. Th. Zingeler
In Halbfranz
gebunden M 10-
Eine fesselnde Darstellung des Lebens des auf so vielen Gebieten hervorragenden Fürsten
von der Jugend bis zu seinem 1885 erfolgten Tode. Für die Allgemeinheit sind von
besonderem Interesse die Abschnitte, welche die Jugendzeit, den Studiengang, die Ab¬
tretung der hohenzollernschen Lande an die Krone Preußen, die zahlreichen Beziehungen
des Fürsten zu Kaiser Wilhelm I. von 1831 bis 1885 und zu vielen hervorragenden Männern
der Politik und der Wissenschaft schildern. Von ganz besonderer Wichtigkeit aber sind die
Schriftstücke über die spanische Thronkandidatur, die den Anlaß zu dem Kriege von 1870 71 gab.
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ickeln, zu festigen
wiedcrherzustellcn,
o wie dio Knochcn-
irünge des Halses
ler Schultern zu be¬
seitigen, indem sie
der ganzen Büsfe
eine graziöse Fülle
verleihen, ohne die
Taille zu erweitern.
Die Pilulea Orien¬
tales bestehen haupt¬
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Jahrgang 53
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Silbenrätsel
Gs mürbe Gins = 3 03 ei lange fdfon
3u Gins im eignen 3 ro ei;
Drum fucfjte aud) irt ferner 3o n '
Sief) Gin5 = 3®ei neues 3 10 ei.
2IIs man bie 3 tt) ei = Gins meggebradjt,
Da freute fid) Gins = 3 tDe i,
Denn fur 3 marb ii)m ber 2Beg gemacht
9lad) feinem fernen 3 10 ei. 3 - 9Ji-
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 1253:
Des £ogogripf)s: <»elbft 3 ucf)t, Selbftfud)t.
DesÄammrätfels: 2Btn3er, £amtne, SRelone, ^nfeft,
Dugeub, ^Reoier. — ÜBalbmeifter.
Der Grgänjungsaufgabe: Stille 2Baffer finb tief.
Süchtige Söfungen fanbten ein: 3oh- "fS. Stoppel. §am*
bürg (1); '^aul Sitecfijoff, Hamburg (2); äöilhelm ©rimme, §am«
bürg (1); SUara Diüer> SiegenSburg (2); 2t. SU., 9temich in
Sujremburg (3); ^eanne @acfs§, SSrüffel (3); Sionrab Sßolfter,
marft in ©teiermarf (3); SBaraSbin, SBien (1); Stonftantin
Ghmftoph jun., ©t. 2tnbrae»9Börbern (3).
Dreisilbige Scharade
Schach (Bear bei
Aufgabe 19
Sßon Samuel Eovd (t)
Scbroarj (0 Stein?)
e. scbaiiopp)
Auflösung der
Aufgabe is
60 Hein fie finb, fie finb »oll fieben,
Sßoll ©lut unb uoll 23ef)enbigfeit;
Sie fteigen, hüpfen, tan 3 en, fd)toeben,
3 ur Unl)eilftiftung ftets bereit.
Gin 2Iugenblid nur — unb fie fterben!
2Birb aber itjre Drohung mahr,
So bringen fie nielleid)t 33erbcrben,
Dod) feiner ift mehr, roas er mar.
<3. 1. Kf8-e7
3S. 2, C7—C8T
S. 2. Ke7—e6
SB. 3. Tc8-e8 matt.
1. Kf8-e8
SB. 2. c7—c8S
2. Ke8—f8
SB. 3. Tdi—d8 matt.
Der SBeife mag brin £eljren geben,
Das Ijeirge Sud) aud) tut btr's funb;
$>aft ober Freiheit, Dob unb £eben
Sringt es aus bes Serufnett SOiunb.
UmliJ'cI
Süchtige Söfun*
gen &u Sir. 17 gingen
ein oon 33. %. in fpebe*
roigenfoog, ^tjriftian
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©s mar ein altoertrauter ©Seg. Vis et bie
feine, efeuumranlte Villa feiner ©rohmutter
betrat, hatte er bas ©efül)t eines Stir©hof=
befu©ers, ber ein ©hrengrab f©müden mollte.
Wter toar lein fieben ntei)r. Stiles roar füll
unb bämmerig, mie mit Spimtmeben über*
3ogen. ©r fanb bie ©reifin in bemfelben
3immer, in bemfelben £el)nftut)l unb oiel*
Iei©t mit berfelben Wälelei befetjäftigt mie oor
feiner 3Iu©t aus 3riebri©sburg. ©ine ägpp*
tif©e Sphinx, bie alle ©ef©Ie©ter überbauert
unb ben unergrünblauen ©lief über ©re
ßeiben unb fjjreuben fanbte —fo faff fie oor
©nt. Der Dob ©rer Do©ter f©ien ii)r nur
mie eine ferne Votf©aft am fünfter oorüber*
ge3ogen 3U fein. Do© plöt©© manbte fi©
bas gelbe 9Mi3eIgefi©t in ber Sp©enlraufe
au© 3U bem ©nlel hin, unb er hörte bie ©roh*
mutter mit ©rer f©arfen, beutli©en (Stimme
fagen: „Du f©auft bir jameine ©iöbel fo an,
Starlmann.“
„ 3 a, munberooll, ©rohmama. Du ©oft
bie feinften Viebermeierfa©en, bie id) lernte.“
„©Sas für Sa©e?“
„Viebermeier.“
„©Sas is ’n bas eigentlich?“
„Vber fo nennt man bo© ben (Stil ber
3 eit, roo bu jung gemefen bift, ©rohmama..
„So? Viebermeier mar bas? — Daoon
hob id) gar nix bemertt... 3a, erben tuft aber
nix, Starlmann. Stommt alles in S©toei3ers
©htfeurn. Deinen ©elbanteit, ben t)aft natür*
li©. Vber i© fag ; s nit, mieoiel es ift.“
Startmann errötete unb tnüpfte ein anbres
Dhetna an.
„3© mö©te am liebften oon ^ter aus eine
Steif e an b en 9 © ein hinunter ma © en, ©ro ffmama.
3 n beinen ©Seinbergen. Da bin i© ja nur als
ftinb gemefen. §o|ened unb ©tilarsthal —“
Die Sttte nidte. „foofjened unb ©iüarsthal...
©Senn fie nur no© ©Sein brä©ten f Vber f©eene
Verge — fetjr f©eene ©erge.“
„Die 9 Mne Reifendem folt ja munberbär
fein.“
„Die Mine? $m. Vber lein ©Sein. 2 Be©t,
toie alt i© im 3anuar rnerb'? Verneig 3af)r'.
tlleunsig 3ahx ; .“
„©Sie f©ön, baß bu no© eben© rüftig hift,
©rohmama, mie beim a©t3igften.“
1911 (33b. 106)
„ 2 © bat) — fag fo mas nit. Das fage
bie £eut' bei einer Staffeeoifit'. Du mufet
anbers fpre©e. © 3 art', i© merb' bi© f©o
rebe ma©e.“
Sie erhob fi© unb humpelte 3m: Seroante
hinüber. Dort Iramte fie eine ©Seile hexum —
bann tarn fie mit einer oerftaubten 3 ©ein=
meinflaf©e mieber unb goh 3m ei ©Iäfer ein.
3 hxe 5 )anb 3itterte mie bürres £aub im © 3 inbe,
aber fie oergoh oon bem loftbaren ©ah leinen
Dropfen. „©tei ßebenselixier,“ fagte fie bann
unb oerfu©te mit Startmann ansuftoffen. ©r
näherte raf© fein ©tas bem ©ren. „Profit
©eft! ©0© brei $läf©le .'©ab i©. Solang
mie 's £eben rei©t. 3a, .ber ©erg ift geftorbe,
Startmann, ©ber beffer, als bah ntan ©ffig
aus ©m 'nausbrudt. ©it? 3)t fi© treu ge*
bliebe . ..“
Sie fenlte ben mellen Stopf unb oerfanl
eine ©Seite in tiefes Sinnen, ©etrunlen hatte
fie no© ni©t.
„©ber mü©e benn bas ©oll ben ©Seim
berg jetjt ni©t bearbeiten?“ fragte Startmann
in einer plöt©i©en ©ingebung.
Die Sttte richtete fi© auf unb fat) ©n mit
©ren eingefunlenen Stugen bur©bringenb an.
„Das ©oll? — ©em©, mei ©ub, bas ©otl.
Itnb mir finb bran 3ugrunb gegange, bah
mir fetber nit gearbeitet hd^ unb faulere
mottte auf unferm ©erg. ©afne ohne ©rtrag —
bas gibt's nit. ©Sie geht's benn beiner Doni?“
,,©ut, ©rohmama
„Die hut bod) alt ©re £eut I)ter? Die
Dränltes? Sinb braoe £eut. 3 d) hob fie im
Dienft gehabt. 3 © unb bei ©rohoater. ©Sie
fteht's benn? ©ift jet© mit ©ne einig?“
„©0© immer ni©t, ©rohmama ...“
„©0© immer nit? 3a, bu halsftarrer ©ub
bu! ©e© f©leunigft ©u 3U ben Dränlies.
Stannft babei nur profitiere, ©otbädig finb
bie, hübe oiet ©Sein, ©iel ©Sein. Steine ©uine.
£ah bir's f©mede!... Den ©Sürmern brunte
f©medt ber Steenig au© egal!“
Startmann lam mie beflügelt oon feiner
©rohmutter 3U Dorti 3urüd. ©r nahm ©xeu
Stopf in beibe $änbe, lühte bie ©erbut©e, unb
fie moltte ©ren £©xen ui©t trauen, als er
fie fragte: „©Samt gehn mir benn eigentti©
3um ©tarltptah 'nunter? Sinb beine ©Itern
heut na©mittag 3U $aus?“ ©or 3xeuben
Ia©enb unb meinenb umf©lang fie ©n unb
banlte ©m taufenbmat für biefe ©egung grober
©üte. —
©m 9 ta©mittag faffen fie mirlli© 3U 3meien
in ber Dränltef©en ©Sohnftube. Doni mar
gegen ©re fonftige ©rt einfilbig, mährenb bie
anbern f©mahten. Sie fat) mit brennenben
©ugen 3U 3utianes ©itb empor, bas ftor=
umrahmt an ber ©Sanb t)iug. Der ©ater
hatte h^ute eine ©usnahme gema©t unb mar
3U ber ungemöhnli©en Stunbe aus ber Stü©e
in bie ©So|nung gelommen. Der alte, af©ma=
tif©e Sto©, ber bur© feinen ©erte©r in groben
Käufern etmas ©ßettmännif©es belommen
©atte, fanb ben ertöfenben, Iei©ten Don 3m
erft. ©r lernte feinen S©miegerfot)n in biefer
Stunbe erft lernten, unb bie Situation mar
peinti© gmug. ©arbara mar f©euer — fie
fühlte bie ©eilige ©erpfti©tung, um bes lieben
3riebens millen je© gan3 oerföhuli© 3U fein,
aber bie plöhli©e ©egenmart bes jungen
©ominger in ©rer ©Sohnung f©nürte ©r bas
§er3 3ufammen. Sie hotte im ©runbe N no©
ni©ts oer3iehen tmb fühlte Ji© bo© na©
altem S©meren, mas fie erlitten Imtfe, 3U
jeber ©er3e©ung geneigt. £>ilba ftanb mit
©efare Datmatino, ber immer no© ©offnungs=
ootter ©räutigam mar, am ffjenfter. ©eibe
hatten mieberholt 3U li©ern unb f©ielten
babei 3m 3'lurtür hiu, hiuter ber fie einen
f©mereren Slonflilt muhten, als alle in ber
Stube ©nmefenben bur©3uma©en hotten,
©rohmutter S©meilert hotte fi© borf oer=
ftedt. Sie lonnte fi© no© ni©t überminben,
,bem ©ominger ©rüh ©ott 3U fagen*. ©Is
er fo plöhli© gelommen mür, hotte bie alte
fyrau berartig f©netl bas 3immer oerlaffen,
bah ©x ein Pantoffel oom 3uh geflogen mar.
Der lag nun mitten im ©aunt unb mar ein
neuer ©nlaff 3U unterbrüdter Weiterleit für
Datmatino unb Wilba, ba fie Slarlmanns mih=
billigenbe Seitenblide auf biefes 3 ^i©w bex-
Hnorbnung fahen.
Der erfte ©efu© blieb unergiebig unb
oerging in oerlegener. Slonoerfation. Dies
mar bie ©rt, bie Doni ni©t froh ma©en
tonnte, ©ber fie tröftete. fi© mit ben ©Sieber=
©Ölungen unb hotte re©t. Der fteife, immer
no© trotpge Startmann mürbe oon ben einfad)en,
her3li©en ©tenf©en allmä©li© genommen unb
aus ber ©orten S©ale gellopft. Sein Stern
mar mei© unb füh — bas hotte Doni immer
behauptet, unb nun erlannten bie ©Itern,
bah fie re©t gehabt. Der 3 uitfer mürbe 3um
3 üngling. Der 3 xembe liebte ©r Stinb mie
lein 3meites ©Sefen auf ber ©Seit. Unb er,
ben fie ©rem Stamme am fernften geglaubt
in feiner patri3if©en ©Sürbe, er hotte ©nen
bie Iiebli©fte ©nletin gef©enlt, bie ©ater unb
©Mter Dränlle fi© erträumen lonnten. Sie
beftürmten Startmann mit Sitten, bah ©aula
na© 3xiebri©sburg lommen liehe, unb er
erfüllte ihnen ben W^ensmunf©. ©Seniger
lei©t oerftänbigte fi© Starlmann mit ©roh«
mutter S©meilert. WM muhte Doni be=
ftänbig als ma©fame Vermittlerin ba3mifd)en=
ftehen. Die ©Ite irrte immer no© bur© bie
Stuben, menn ,ber ©ominger* anmefenb mar.
Sie f©ien in jeber ©Mute ©robheiten 3U oer«
f©luden, unb bas erftemat, als fie fi© über*
manb, mit Starlmann am Staffeetif© 3U f©en
unb ©m felbftgebadenen Stu©en oor3uIegen,
märe fie faft bur© einen böfen3ufolI fofort mit
©m auseinanber gelommen. Doni bra©te
171
1280
ein altes, in fdjmale ©olbleiften gerahmtes
Bilb an ben Difdj. Sie geigte es ftarlmamt.
„Da, fd)au — bas fallen tair hatten! Das
hat uns bie ©rofemutter gefchentt!"
Jdarlmann ftellte bie 5laf feetaffe I)in unb
liefe ben ausgezeichneten 5tud)en, toäferenb
er burd) ein Lorgnon bas Bilb betrachtete,
©s ftellte einen alten Bauern bar — in ber
Reibung ber Napoleonsgeit, ein taunberooller,
beutfcfeer 2Bettertopf, ben ein SNeifter gegeichnet
haben mufete. ftarlmamt taar entgücft. (5 er ab e
fo etroas gefiel ihnt. „©ntgüdenb!" rief er.
„Das freut mich i a toloffal! Solche Sachen
fud)' ich toie Stednabeln — bie roerben jefet
aufeerorbentlich feiten!"
„Die triege Se nimmer unb nirgenbs,"
meinte ©rofemutter Schmettert topffchüttelnb
unb fcfeon etmas ergrimmt.
„2Bo hatten Sie benn bas her?"
„Nit aus 'm Bäderlabe." Sie rücfte auf
ihrem Stuhl herum.
„Das ift bocfe —" beeilte fich Doni gu
erflären — bod) 5tarlmann unterbrach fie.
„Der 2Iusbrud! Diefe 23auernfd)Iauheit!
Den 5terl glaubt man perfönlid) gelaunt gu
haben!"
3efet fd)Iug ©rofemutter Schmettert mit
ihrer harten Sauft auf ben Difd) unb erhob
fid). Stile fahen erfdferoden hin* „Das is tei
5terl, Sie! Das is mei Batter felig!"
* Larlmarm fdjmieg oerbufet, unb bie 3^me
bes Hochmuts tarn gum erften SJtale .mieber
in feine 3^ge. Dann fagte er läctfelnb mit
etmas nafaler Stimme: ,,2ld) fo ... Karbon ...
3h* Bater... 3a • • • £>as tonnt' ich ja un=
möglich miffen."
„2Iber fd)ön ift's bod), nit mahr," marf
Doni rafd) ein. „2Bie bas famos in unfre
SBohnung paffen mirb!"
„Hm... 3^ bein 3tatmer, nicht mahr?
Stls Nhnenp orträt?"
Doni fdjmieg erft unb errötete in tiefem
21rger. Dann begmang fie fich, lachte trofeig
unb rief: „©emife! Du triegft es nit! Das
ift mein Urgrofeoater! Schau — ba hauten
liegt fein 3elb unb am Stall lehnt bie 9Nift=
gabel!"
Die anbern lachten leife, unb ftarlmann
mar tlug genug, mügulachen. „©igener Ntift
ftintt nit," meinte ©rofemutter Schroeitert,
erhob fich anb ging aus bem 3intmer. 2ln
ber Dür prallte fie aber mit Benjamin 9JtoI)r gu»
fammen, ber feinen Nndftafius hereinführte.
So mürbe fie um ben trofeigen ©ffett ihres
Abgangs gebracht. 3n boppeltem 3om oer*
fchmanb fie. Dntel Ntohr trieb bie Neugier
in bas Haus am Ntarttplafe. ©r mufete fid)
einmal perfönlich überzeugen, mie ein Nominger
bort als Sdpoiegerfohn mirtte. Sein Bor*
urteil mürbe oon 5tarlmann fcfenell befiegt.
üarlmann intereffierte fid) für bie Dragtt bes
armen 21naftafius. Nad) langer 3eit fanb ber
Bater mieber einen 3ut)örer, bem er bie gange
Leibensgefdjid)te feines Sohnes erzählen unb
feine p äb ago gif d)en Prinzipien aus ein anb erl¬
iefe en tonnte. „3ntereffant — mie?" htefe es
noch immer am Sd)lufe oon Dntel Ntofers
©rläuterungen.
21m beften oerftanb fich itarlmamt mit
23ater Dräntle. Den nahm er hamoriftifch
unb hatte als fffeinfdjmeder oor feiner 5tod)'
funft ben höchften Nefpett. Ntutter Bar*
bara gehörte nun einmal gum Dunfttreife ber
,9Tcutter‘ — niemals hatte .Startmann fid) bort
mohl gefühlt, ©r lebte gu eigenfüdjtig unb
mufete im bunflen Gleich guoiel auf feinem
Derbholz- Nur Sporte ber Hochachtung, nicht
ber Herglichteit fänb er für Donis Butter.
2Inbre für ben alten Stoch- Da fpielte er ein
menig ben Ieutfeligen Pringen, ber feinen
Stüd)enmeifter Leibgerichte machen liefe. 2lls
Doni eines 23ormittags glaubte, bafe Starl*
mann in ber Hofbibliothet über englifcher
Nedjtsgefchichte fafe, tarn Httba gu tt)t unb
ergählte lachenb: „Nat mal, men ich oorhin
beim Bater in ber Stüdfee getroffen hab'!"
Doni tonnte es nicht raten.
ttBer £artb unb
„Den Startmann!"
„Unmöglich!"
„Deinen oornehmen Startmann! 2lm Herb
ift er geftanben, gang trebsrot oor 23ergnügen,
unb hat ©ingemachtes gefdjledt! Der Bater
mar gang närrifd) oor $reub! ©r macht
ihm alle Büdjfen auf unb läfet ihn aus
feber nafd)en, meil ber Herr Nominger gar
fo begeiftert ift!"
„Ünfimt, Httba!"
„Sluf mein SBort! 3efet hat er bas Herg
oom 23ater erobert!"
Ntittags tonnte Starlmamt nichts effen unb
machte ein meland)olifches ©efid)t, als ob ihn
ber Silagen brüdte.
,,3d) meife f<hon, mas bir ben 2lppetit oer»
borben hat," fagte Doni mit luftigem 2lugen*
blifeen. Dann plafete fie aber heraus: „Du
haft ja beim 23ater in ber Md)e geftedt!
Hilba hat mir's ergählt!"
©r geriet abfolut nicht in 23erlegenheit,
benn bas Dfeema mar bem jungen Slominger
oiel gu mid)tig. ©rnfthaft ermiberte er: „3a,
Doni — ich mufe bir offen fagen — bein 23ater
ift als 5lo<h einfach ein ©enie. Seine Drüffeb
paftete gum Seifpiel ift bas ftoloffalfte, mas
ich in meinem gangen Leben gegeffen habe.
Unb bas Pfirfiddompott!" ©r blidte gum
Himmel. Dann ftrid) er mit ber Hanb über
bie Stirn unb fügte heiterer hiugu: „©r gibt
uns Slegepte. 23or allen Dingen fd)idt er uns
alles, ©r mill uns eine gange Speifentammer
einrichten. Darüber freuft bu bi<h — gelt?"
„©emife, ftarlmamt. 3<h freu' mich aber
noch mehr, bafe bu..."
„Sßorüber?" fragte er etmas mifetrauifd).
„Sla, über eure gange 23erföhnung." —
2lm näcfeften Sllorgen tarn Paula in $rieb=
rid)sburg an, unb nun gab es einen 3efttag
nach bem anbern in bem alten Dräntlefeaufe.
Die ©rofeeltern mufeten gar nicht, toie fie
ihre 23emunbermtg für bas ©nteltinb aufeern
füllten. 23ater 2tuguft biente ihr, mie ein
alter 3 rofd)tönig feinem blonben pringefedjen.
Ulles hütete, alles beobachtete, alles pflegte
nur Paula. Das in Donis ©influfe frei unb
felbftänbig aufgemad)fene 51inb mufete fich fo
ftürmifcfeer Liebe faft ermehren, aber fie fah
hoch halb ben mähren 203ert unb geigte nad)
ihrer 2lrt ein gütiges 23erftänbnis, lein eitles
23et)errf cfeen. Die treffenbfte Bezeichnung
für Paulas ©rifteng im Haufe Dränfle fanb
©rofemutter Schmettert, ilarlmann fpifete bie
Ohren, als er fie hörte: „Dasilinble, bas is
ja mie ein Sonneftrahl im 2®einteller!" 3 a ,
fo mar es. Doni freilich, bie Paula am beften
fannte, hatte auch etmas ^rernbes, Üteroöfes
in ihrem 2Befen bemertt, bas im 2lnfang ftart
heroortrat, je länger aber bas ilinb in 3rieb=
richsburg mar, fi§ mieber oerlor. ©s mar,
als hätte Paula bie helle 2lufeenfeite ber Dinge,
bie ihr bisher bie 2Belt bebeutet hatte, gum
erften 9Hale an einer Stelle abgefcfeabt unb
mit brennenben 2lugen gefehen, mas bahinter*
lag. 2Iber mas lonnte bas fein? Doni befragte
fie eines Nachmittags, als fie auf bem Sägers¬
berg fpagierengingen. ©in Schatten flog
über bas ftinbergefid)td)en hin — fie fchmieg.
„Du marft mohl nit gang gern in 2Immer=
felb, Paula?"
„O bocE), 9Uama!" ermiberte fie eifrig.
„Ortfel 3°hannes unb Dante ©oa — bie finb
ja fo gut!"
„©eit, bas meife ich — barum hab' id)
mich eben gemunbert, bafe- bu fo menig oon
ihnen ergählt haft. itonnteft bu bict) oiel*
leicht nit brau gemöhnen, bafe ber arme Ontel
blinbift?"
„2lber Nlama! Das mufet' id) ja hoch!
Das ift hoch — nein — ich hab' ja Ontel furcht*
bar gern! 2Bir finb auch immer fpagieren*
gegangen! Bis Nefeachhab'ich ihn geführt!"
, „So, fo. Unb Dante ©oa?"
„3a, meifet!... Die ift auch fehr gut —
ebenfo gut mie ber Ontel Spannes — aber —
ich hab' immer gebaut..."
„2Bas, paulale?"
1911. Nr. 50
„Dafe fie fo froh ift — seit? Sie lacht
immer fo gern? Unb eines 2tbenbs —"
„©ines 2lbenbs?"
„Da bin ich mal gang leife in bie Laube
getommen, meifet, in bie 2[Beinlaube, um ihr
einen Schabemad gu fpielen — unb ba fafe
fie — gang fo, mie bie arme 3rau mal auf
ber 3farbrüde — erinnerft bid), Sülama —
bie fo geftöhnt unb gejammert hat — fo furchte
bar—"
„So hat bie Dante ©oa—?"
„©enau fo. Uber leife. ©ang leife. Unb mie
fie mich gefehen hat, ba ift fie aufgefahren —
unb meife ift fie gemorben mie ein Difchtud) —
unb bann ift fie ins Haus gelaufen..."
Doni ftarrte oor fich hin. Nach einer
2BeiIe fragte fie: „Hat fie benn jemals mit bir
baoon gefprodjen, Paula? Hat fie bid) nachher
gebeten, bafe bu nit brüber nadjbenten unb
niemanb baoon ergäben follft?"
„Nein, Nlarna. Nie ... Nachher — am
nächften SNorgen — ba mar fie mieber mie
fonft. ©ang luftig. Ball hat fie mit mir ge*
fpielt. Nur ein bifel blafe mar fie, aber Ontel
3ohannes tann bas ja nit fehn."
,*Nein, nein. Der tann bas nit fehn."
Doni fragte Paula nichts mehr. Sie er*
Zählte auch Larlmann nichts oon ihrem feit*
famen Bericht über bie Nollfints.
Leiber follten bie 3riebrid)sburger Dage
nicht fo harmonifd) enben, mie fie fich ent*
midelt hatten. Httba hatte oft Streit mit ihrem
Bräutigam. Doni fah es, unb ihre Sorge um
bie 3atunft ber Schtoefier oerfiärtte fid).
3efet fd)Ieppte fid) bas Ntäbdjen, bas bebeutenb
älter mar als ber Bilbhauer, fd)on brei 3atüe
mit bem Saulenger herum. Sie hatte ihre
©rfparniffe für ihn hergegeben unb fogar ein
törperlidjes Ntartprium um feinetmillen auf
fich genommen. Sie mufete, bafe Dalmatino
oon ihrem Keinen 2lugenfehler geftört mürbe
unb hatte fich h e ttnft<h operieren laffen. Da
ihre Nlittel nic|t ausreichten, einen bebeu*
tenben 2Irgt gu bezahlen, mar fie an einen
Pfufdjer geraten, ber ihr ©ntgünbung auf ©nt*
günbung als Lohn für ihren Liebesmut brachte.
3mmer mar fie beljinbert, eine nid)t fehr
appetitliche Ntmofphäre oon 23erbänben unb
Nlebitamenten umgab fie, unb oft mufete fie
ihrem Bräutigam gemeinfame Unternehmungen
abfdjlagen. Die ©efahr nahte immer bebroh=
lieber — ©efare Dalmatino hatte auf eine lufti*
gere Braut gerechnet. 5tlingenben ©rfafe tonnte
fie ihm auch Tttd^t bieten, ©r oernachläffigte
fie, er gog fid) Iangfam oon ihr gurüd. Httba
mollte bas, oon jagenber 2tngft ergriffen, nicht
glauben. 3^öe marnenbe 2Inbeutung mies fie
fdjroff gurüd. ©ines Nlorgens aber fanb!Doni
fie in einem 3uftanb, ber leinen 3aoeifei übrig*
liefe. Der Italiener mar oerfchmunben. ©in
furger 2Ibfd)iebsbrief mar getommen — 2ßorte
eines launifchen, oermöfenten Lnaben, ber bie
Srucfet nad) halbem ©eniefeen fortmarf unb
eine ihn fchöner büntenbe pflüdte. ©r mar
nad) Paris gefahren, aber nicht allein, ©s
gab lein SBieberfeljen. Httba meinte unauf*
haltfam. Das fchabete ihr fehr, unb angftooll
bemühte fid) Doni bis gum 2lbenb, bie Sdjmefter
aufgurichten. ©üblich gelang es ihrer Hergens*
traft. Httba lehnte ben oerftörten Ltopf an
ihre Schulter. Die immer Stühle unb etmas
Spifeige tonnte auch jefet ben erlöfenben Schrei
nicht aus ber Seele fenben. Sie fpradj nur
harte, äufeerlidje Dinge aus. Sie fagte: „Der
Spifebub ... Das hab' id) ihm nit gugetraut.....
Das nit... ©ib mir meinen Spiegel, Doni...
Na, gib bod)! -.. Herrgott, mie id) ausfehau'!...
Na, bie 3uli hat's htttter fjd) — id) mufe
leben!... ©laubft benn, bafe id)_toerb' arbeiten
tönnen, Doni?"
,,2lrbeit' noch nit, liebfte Httba! 9Nir gu
©efallen! 3<h geb' bir, mas bu nötig haft !
Die Pufemacherei — ber Staub — bas feine
Nähen - - 51inb, bu richteft bid) gugrunbe!"
„Nein, Doni! Arbeiten mufe id)! 3u=
grunbe gerichtet hat er mich- Nber ith fag'
bir's jefet — id) roill arbeiten. 3d) roill midi
1911. ©r. 50
Über £anb unb ©Reer
1281
betäuben. 3h mill bereuen, bah id) jo fau*
bumm toar unb alles geglaubt hob'- ©d)!
©Bas braucht man benn überhaupt 3U glauben!
Unb mas mill benn eigentlich fold) ©tarnt!
©njpuden — bas gehört ihm! ©Bir finb ja
gar nix, jolang mir uns nit auf uns jelbjt
bejinnen!"
©aul) hatten bie lebten ©Sorte getlungen.
©ber bod) anbers, als bie fühle irjilba jonjt
gefproctjen. ©an3 anbers. Xoni laufdjte auf
bie Grfenntnis ihrer älteren Sd)mefter. Sie
hatte 3um erjten ©tale oon ber Qual einer
beleibigten Seele gelernt.
II
3 m Spätherbft traf Startmann mit prau
unb Stinb mieber in ©tünchen ein. Die
©Sanbertage auf ben Priebrihsburger ©Sein*
bergen hotten ihn gejtärft — er horrte mit
frohem Gifer feinem oerlajjenen ©rbeits*
3immer entgegen. Dod) als er bie jaubere,
bel)aglid)e ©Bohnung betrat, fanb er einen
©rief auf bem Sdjreibtijch, bejjen ©uffhnft
pran3 Otto ©raumüllers 3 üge trug. 3 U
Startmanns Gntjehen mar es fein oon ber
^Sojt gebrachter SBrief; ber Schmager muhte
aljo in ber ©ät)e fein. „D. ©.! Die ©ull*
bogge!" fnirjd)te Startmann mütenb. „©tuh
ber einen mieber anfallen! Gr hätte auch
D. G. ober D. O. fhreiben fönnen! ^aht
ebenjogut." Dann las er. ©raumüller hotte
ihn am oorigen Xage befud)t, moran jid) jeht
aud) bas Dienjtmäbd)en erinnerte. ©tit feltjam
oermirrten ©Sorten, ohne eine Starte 311 hinter*
lajjen, mar er mieber fortgegangen. Sjeute hatte
ein ©ote ben ©rief gebraut. Der Sd)toager bat
Startmann unb Xoni barin, gegen ©benb im
„©aprifhen §of" mit ihm 3U jpeijen. Droh
ihrer ©eifemübigfeit mühte er jo rüdfid)tslos
jein, jie um ein ©enbe30ous 3U bitten, ba er
um 3ehn Uhr 3el)n fd)on nad)
©erlin 3iirüdfahre. Gs ginge
ihm nid)t bejonbers, unb ein
3ufammenfein mit ben ,lieben
£euten‘ (bies mar ein oiel*
gebraud)ter ©usbrud ©rau*
müllers) märe ihm jehr an*
genehm.
„ 3 h gehe nicht in bas
Sjotel!“ erflärte Startmann
energifh- „ 3 h nid)t, Xoni!
Seitbem ich meih, mie biejer
©tenfd) meine Schmejter be*
hanbelt!“
„Daran braud)jt bu bod)
heut nit 3U benfen. Überhaupt
— mer jief)t benn ba hinein!
Unb menn ber ©rme jid)
j<hled)t fühlt unb uns bittet—"
„Geh bu bod) hin! ©itte!
©eh bu hm! 3h hmbre bid)
nicht! ©tid) entfd)ulbige! 3h
fomme ja bod) im ©Sinter
nad) ©erlin, um meinen
©ofenfampf, ber bann enb*
gültig fertig ijt, an einen
©erleger 311 oerfaufen! Dann
merbe id) aud) ben ©or3ug
haben, £jerrn ©raumüller
mieber3ujehen! ©ber jet)t
nicht! 3eht toill ich arbeiten!
©rühe ben £jerrn Stom*
mer3ienrat!"
„Du brauchft bid) ja gar
nit jo 3U ereifern," ermiberte
Xoni ruhig. „34 mad)' mir
auih nit oiet aus bem ©rau*
müller, aber er ijt nun einmal
©tarions ©tarnt, unb id) finbe,
bah ntan ©üdjiht nehmen
muh- 3 h geh' Oljo hin 3um
»©aprifhen £>of‘, um fieben."
„Ginoerjtanben." —
©Is Xoni bie ihr [frembe
©tmofphäre bes oornehnten
Rotels betrat unb jid) juchenb
im ©ejtibül umfaf), fam ihr ein
alter §err im Smofing, jehr elegant, aber frumm
unb gebredjliih, entgegen. Grjt als er bidht
oor ihr jtanb, erfannte jie ©raumüller. Gin
fahles, aufgebunjenes ©ejidht, bejjen 3üge nicht
mehr beherrjdjtmaren unb auseinanber3uget)en
brohten, bie ©Iahe fpiegelblanf, fein jd)ühenbes
,SarbelIenbrötd)en‘ mehr barauf, ©ugen, bie
nur fd)einbar jähen unb bie matte Opalfarbe oon
toten pifhaugen hatten, ba3u auf einen Stod
geftüht — jo jtanb ber Stommer3ienrat oor ber
erjdjrodenen Xoni. ,,©rüh ©ott," jagte ber
©erliner, offenbar meil er in ©tünchen mar.
Gr reichte ihr eine falte, fchmamntige Sjanb.
,,©ei3enb, bah bu gefommen bijt, Xoni. 3 a ,
mir haben ja ©rüberfhoft getrunfen, ©rüber*
jehaft getrunfen — jo mas oergeh ih nid),
©ber mo is benn Startmann?"
Sie beftellte bie Gntfcijulbigung ihres
©tannes.
„©a — bann nehm' id)'s aljo hoppelt hod)
auf, bah bu gefommen bijt. ©Birflidj, Xoni.
3<h mache feine ©ebensart. £atte oon je
ein paible für bid)! ©a, nu Iah bid) mal
3U Dijd) führen —"
„©ein, Otto. Danf jd)ön. 3 h muh mit
Startmann ejjen."
„So? ... ©a, bann mirjt bu bod) menigjtens
einen Xee genehmigen. ©näbigfte prau!
3h bitte!"
Gr führte jie burd) bas ©ejtibül unb gab
jid) frampfhaft Gattung. Seine Gitelfeit, jich
mit ber hübfhen jungen prau oor gleich 5
gültigen ©eifeenglänbern 3U 3eigen, hotte
eigentlich etmas Stläglidjes, bod).?Xoni jpürte
oiel 3U oiel ©titteib mit ihm. Sie jah ihn ernft
oon ber Seite an.
„©Sunberjt bid) moht, bah id) am Stod
humple? 3 o, Dunnermetter — bie ©id)t hot
mid) ermifht. 3nm erjten ©täte, Xoni. 3mi s
jd)en ©erona unb ©tünchen. © 3 irb mieber
bejjer. ©Sirb mieber bejjer. Seh bid), bitte,
©tir gegenüber. $m ... 3h fomme nämlich
aus ©om. pöbelhafter ^Slah- ©tuhte bir
auch mal anfehen, Xonichen. Stomm. ©Sir
fippen einen Ghartreufe 3ujammen. Du liebjt
bod) 'n Sd)näpsd)en — nid)? ©Ijo projt!
©uf bein ©Sohl! Unb auf Paulas ©Sohl!“
„Unb auf Startmanns."
,/n bihehen oiel für jo 'n ©läsdhen.
©ber aud) bas. ©a, nu er3ät)t mal. ©ijte
nod) immer jo glüdüd)? S^h bir's an, brauihjt
gar nichts 3U jagen, ©ijt 'tt ^ßrahtmenjh,
Xoni. ©h, mir get)t's gar nih prima."
„Das alte £eiben, Otto?"
„©Ites, altes fieiben, neues £eiben.
Shmamm brüber. ©eben mir nih baoon."
Gr 3ünbete jih eine 3l0otte an, nad)bem er
jih burh einen ©lid auf bie Stifte nod)maIs
überseugt hotte, bah jie 3mei ©tarf fojtete.
„©ber reben," japjte er meiter, „reben — bas
is eigentlich bod) nötig. Sonft erjtidt man
nämlih — Son3 reell — mie 'n pijh ouf 'nt
Xrodnen, Xoni."
„Du jiehjt nit gejunb aus, Otto."
„ 3 h? — ©teinjt bu? Ob ih ^toh ; ne
©ahtfahrt risfieren barf? So ’n Sd)lafmagen
is für mid) tote ’n Sarg — mahrfjaftig. £ege
mih nieber-unb bann meih ih md)>
ob id) am ©torgen mieber aufjtehn fanm"
„©ber 11m ©ottes mitten — bann reift bu
jo gan3 allein?"
„©tit mem jolt ih 'n reifen? ^f! ^f! Soll
ih oietleid)t mit ©tarion reifen? ©ee! ©Sir
bebanfen uns. Die hot ja ihren £>aus= \mt)
§ofmarjhall- Stellner, ; n Sobamaffcr! ©ieh s
hübler! ©Bas Se mollen! ©e — ih hob' mir
jeht noh mal alleined)en be ©Belt angejehn.
pIoren3 unb ©om! ©erfluht feine ^ßflafter!
©Bas joll man ba jagen! Du haft mih mohl
immer für ’n elenben ©anaujen gehalten, Xoni?
Ungebilbeter §ertngsoerfäu=
fer? ©Bas? irjaben bir bie oor=
nehmen ©omingers mol)l bei=
gebraht? ©in ih ober nih*
Durchaus nih- Wlipp 3um
©eijpiel—bas is 'n fontpletter .
©ffe gegen meine Stunftfennt=
nijje. 3 h hob' aud) brei Se*
mejter 3us jtubiert. ©Billjte
noch 'n Ghartreufe, Xonihen?"
„Danfe, Otto! Du follteft
aber aud) nit jooiel trinfen.
3h glaube, bu fieberjt."
„Steine Spur..."
„ 3 h hob' mirflid) immer
meine ©teinung über bih 9 es
habt. Das möd)t' th bir fd)on
einmal jagen."
„So! ©a, unb ih über bih!
3 a, 3um Deibel nih n °ü) mal
— 3iehn mir benn am Gnbe
an einem Strange? Das mär
bod) —! ©Bie ih ausfehe unb
mie bu ausjiehjt!"
„3h meih nit, mie bu bas
meinjt, Otto. ©Senn bu's oiel*
leiht barauf be3ief)ft, bah bu
immer ehrlid) gearbeitet fjajt
unb ih—bann bin ih f hon mie
bu. ©emih- Da haben mir mirf*
lid) 'ne ähnliche ©uffaffung."
Gr lieh 3 tQ 0 tre unb
Schnapsglas jinfen unb jah
jie über ben Xifh mit jeinen
oerfhtoimmenben, leblojen
©ugen lange an. ,,©an3 jid)er,"
flüjterte er. „Die ©omingers,
bie arbeiten nih- Segen ber
©rbeit heif# es ja moht in ber
©ibel ober fonjtmo ... Die
fennen ihn nih-"
3n Xoni mailte es auf.
„©uf Startmann Iah ih bas
aber nit jagen, Otto!"
,,©a, ih meih nih • • • Sd)ide
ooraus, bah ih beinen ©atten
oon ber gan3en ©efeltfhoft
Porträt einer ©merifanerin
23ilbpI)otograpI)te Don Citoin ©eamc, Souti) Stenfington
1282
ant meiften fcßäße — is 'n anftänbiger Menfch,
’n burcßaus anftänbiger Menfdß, unb bas is
and» ’n Vermögen ßeutgutage. Mer mas er
fo treibt, is bas nid) alles ’n biß<ßen Spielerei,
Doni? Herrgott, nimm mir's nid) übel —
id) oerfteß's ja moßl nid) — aber — aber er
läßt fid) bod) oon ieiner grau ernähren. Mie
lange fdßon? 3 dßn 3 aß*e unberufen. ©a,
meiste..." ,
Doni gmang iid) gur ©uße. Der Eingriff
mar gu fcßnell unb aus bem $intert)alt ge*
tommen. Mer iie mußte, mas iie gu ermibern
hatte. „Otto, id) glaube, t)ier liegt ber große
llnterfd)ieb gmifdßen uns beiben. 3 1 * bieiem
©unlt gießn mir ßalt gang unb gar nit an einem
Strange. Mas bu ba fagit, bas iinb bloß nadte,
roße Datfacßen. Mer id) oerficßere bir, mir
1 fönnen froß iein, menn mir für ein feineres
unb oorneßmeres Mefen, mie Larlmamt ober
mie Marion, arbeiten bürfert. Dann gilt ja
unire Arbeit erit mas. Dann mirb fie gu
einer Lebensaufgabe. Laß bem Larlmamt
ieine geiitigen ©läne gelingen, unb Marion —
na — id) meine — id) mein' halt, man' mu^
miüen, mofür man arbeitet! Das ift bie L>aupt=
fache. Sonit iit bie gange Arbeit leinen Schuß
9 $uIoer mert."
grang Dtto itarrte mit fcßmerem ©idett
oor iidf) hin. „$m .... 3 <ß uerfteß' bid) fdßon...
©raucßft gar nichts meßr gu iagen... 3 1 *
bieiem ^Buntt ßab' id) ntid) eben oerplempert,
Doni... Mas ftedt bei beinern Lebensmut
baßinter? Mas heißt überhaupt Lebensmut?
... ©inen Mengen Itebßaben unb bafür
arbeiten... 3 5 bod) io ~ nid) maßr? Das
is bie Formel... 3 ® • • • 3 <h dann bir's
nid) näßer ertlärert — aber Marion ts 'ne
grau — für bie arbeitet 'n Mann nid) meßr..."
„Otto!..."
„Stille, ©s tut mir meß. 3 d) tann nid)
baoon reben. Du Iiebit beinen Larlmann—
unb außerbem, mas is bein ©eruf? Lranle
Linber feilen. 3 d) fabrigiere bloß Linoleum.
Mer aud) bas — £>oIgmoIIe ober Linoleum,
Doni — am Mtfang mar's ood) ibeat. Ms
id) Marion — na — Scßmamm brüber...
Mir iinb eben bod) nid) gu Dergleichen. 3 V
ftede bis hierher — im — na ja — bie glafdßen
jinb immer bredig! Lettner, mifcßen Sie bod)
gefälligit oorßer bie glafdßen ab!"
„©arbon, $err Lommergienrat. Soll iofort
geilet)en."
„ 3 a, mas id) iagen moltte : —mir is nämlich
gang feltfam gumute, Doni. ©ang feltfam.
Meil id) mal mit bir fpredje. Meißte, marum?
Du biit mal mieber 'ne anftänbige grau • • •"
. „Otto .
„'ne tabellos anitänbige grau... 3 ^
fcßmärme nämlid) für bas ©eure. Menn id)
aud)... So ßatt' idß's aud) am Einfang bei
Marion gemeint. Deine Mmofpßäre. Die
iollte iie haben. Deine Mmofpßäre. Stoß
nod) mal mit mir an, Doni! ©ib mir einen
Orben! ©ielleid)t bin idE)'s nid) meßr mert!
Mer id) mar's mal! SDatiädjIidt)! 3 <h toar's
mal!"
Doni fdßmieg, ißre klugen itanben oolt
Dränen, unb mit mattem flirren trafen iid)
il)re ©läfer.
„©u bin id) 'n erlebigter Mann," fußr
©raumüller in fieberheißem ©ebeftrom, mit
einem gang Keinen unb oerguollenen ©efid)t
fort. „Siel) mal, meine Sdßutb is — bas
erlernt' id) jeßt gang Kar — id) bin nid) bei
ber Stange geblieben. 3 $ hob' mid) benebeln
Iaffen. Mas heißt benn überhaupt ©orneßnt*
heit unb.geinhe.it unb alte gamilie? 3 ^ ber
©egenmart muß es baiein. Lurs muß es
haben. Sonit is es mie ©apiergelb oor ßunbert
3 aßren. 3 cß foga bir, io ’n plumper Drofcßlen*
lutfdßer, fo ’n Viel) ba braußen, menn er iid)
auf 'm ©od rumlümmelt, ber is Dielieidßt hoch
mehr als ’n ©raf ober ’n großer 5 tünitler.
Menn er ehrlich is, menn er mirKidh bas is,
monadß . er ausfieht. 3 lber — mir Mbeits=
tiere — mir ^aroenüs' — io hot mich meine
grau ©emahlin mal tituliert — mir tragen's
Ubtt £artb urtb $0teer
eben in uns, bas Xtbel, mir iinb io leicht gu
rerführen. Vielleicht ts bas nid) unire id)led)*
teÜe. ©igenidhaft. Mir glauben's gu leicht,
mas uns imponieren ioll, meil mir recht gut
mißen, mas fd)ön is unb oornehm unb . . .
menn mir's auch ielber nid) iinb. Die Mte!
Die Mte, bie hat midh guerß eingefeift.
31 ber nu is ße bodh oor mir abgetraßt. ©ei
mißermaßen hob' id) ße beßegt, Doni. Die
Mte — hm ... Die hot mich nämlich gehoßt.
Die mußte, baß id) ße tenne. Unb ba gab
es nßdht mehr auf ber Melt, mas uns gm
iammenhielt. 3 <h hob' es ihr nie gefagt, aber
ße las es mir oom Munbe ab: ©anbe! 3 d)
pfeif' auf eure Mm en > auf eure gepußten
gingernägel! Mo hobt ißr benn's |>erg ge=
laßen? krempelt eud) um! Seib beid)eiben!
Arbeitet! §>kx auf mßrer Melt, ba is lein ^ 3 Iaß
für Sd)maroßer! — ?Iber Marion is meine
grau. Daran oerblut'ich- . Daieß' idß's immer
mieber, momit ße mirten bürfen. Da tann'
ich nicf) fagen, mas mir 's L>^g abbrüdt..."
©r icßmieg. Seine $änbe lagen id)mer
unb gitternb, mte rötliche Llumpen auf bem
Dßdhtudh. Doni betrad)tete ßarr biefe oer=
gmeifelten, ratloien Mbeitshönbe. Sie Ijielt
bie ihren icßeu im Sdhoße. Dann gmang
ße ßd) gu iagen: „Du Marion tein Unrecht,
Otto! Sie iß aud) nit glüdlid)."
„könnte alles hoben, mas ße braucht,"
murmelte 23 raumüller. „könnte alles hoben.
tRa... Das is oorbei. 51 ber menn id) ißr
tein Unrecht tun ioll, io iei bu io geidheit,
Doni, unb tu ihrem ©ruber nid) guoiel 91 ed)t."
„Mas ioll bas heißen? —"
„So meit tann ber dppel nid) oom Stamme
fallen, duf ber Lut mußte fein, Doni. Menn
bu auch Imnbertmal mehr biß als id). Menn
bu auch ücm ^ßfälger ©auern abßammß unb
id) aus ber tfteuen itönigßraße ... Du ßoß
aud) mas 91 omingeri<hes geheiratet. Du biß
auch ouf 'n Leim gegangen. Mio — iei oon
einem, ben's getnidt ßot, gemarnt."
„Otto — mir müßen bas ©eipräd) jeßt
aufgeben. Marnen —’marnen laß ich mid)
abiolut nit oor Startmann, ©r gehört mir —
unb id) ißm. ©emeiniames Leben unb ge=
meiniamer Dob. Das iß gang mas anbres
bei uns als bei eud). Daoon mißt ihr nidjßs —
Ieiber. Unb id) iag' bir's jeßt nochmals — fürs
©bie im anbern arbeiten, bagu iß man auf ber
Melt. ©erßid) bu's.aud) noch, Otto. Menn
bir auch i e tß olles oerfahren oortommt — am
©nbe tommß bu bod) bamit hinauf. 3 <h meiß
ja nit, mie's innen bei bir ausßelß — ich rat'
ja nur — aber oielleicht tannß bu mit meinen
Morten bocß mas anfangen."
Doni oerließ bas' Lotei. ©r begleitete ße
eine Strede. Mie fie es bei ihren Keinen
Patienten gemößnt mar, gab ße bem müh*
feligen Sdfmaget ihren Mm.
„Leut is mir mal mieber rnoßler," flüßerte
©raumüller. 3 h re ©erüßrung burdhßrömte
ißn mie ein reiner, marmer Ouell. Dann
blieb er oor bem Sdhaufenßer einer ©ärtnerei
ßeßen. „Sdßöne ©ofen ßnb bas — ßm?
Die meißen?"
„ 3 <h finbe bie roten fdßöner."
„©inen Migenblid."
©r ging in ben Laben unb tarn mit bem
gangen ©ufdß toßbarer, feurig roter %ßen
gurüd. Die legte er ißr in ben Mm unb fagte,
nod) einmal mit einem langen ©Iid ißr ©ilb
in fid) aufneßmenb: „ 9 tu abjö, liebße Doni.
Lab taufenb Danf. ©rüß Lar Im amt unb
fkmla."
„©rüß Marion."
©r ermiberte nichts, gog ben Lut unb.
macßte lehrt.
- Sie rief ißm nadß: „Mtf Mieberfeßen!"
©r grüßte nodß einmal, aber mieber oßne
Morte — bann oerfcßmanb er an ber näd)ßen
Straßenede., Doni ging Iangfam burcß bie
©riennerßraße nadß Laufe. Lmter ben ^ßro=
ppläen glüßte ein mächtige* Menbhimmel.
Die junge grau, bie ißre munberoolle ©ofen=
laß mie ein Linb am L^rgen trug, hatte ben
1911. 9k. 50
Miberfcßein bes Sonnenunterganges im Mittiß.
Scßön unb aufrecßt, ein Spmbol ber golbenen
©efunbßeit, aber mit fdjmerent Mißen belaben
fdßritt fie baßin. —
Ms ©raumüller in ©erlin angefommen
mar, mußte er fofort aufs Lrantenlager. Mie
3 eicßen beuteten barauf, baß er es nicht meßr
oerlaffen Tollte, ©in leifes, gefd)äftiges Dreiben
umgab alsbalb ben ßerbenben Mann, ©r
hatte gu feinem fytxl nidßt meßr bas fcßarfe
Oßr bafür — aber es mar nicßt gu leugnen,
baß ber ßerannaßenbe Dob, bes Lousßerrn
gum erften Male mieber etmas Leben in bas
Leim am Lurfürßenbamm brachte. ©raf
Lilcßberg mürbe jeßt ein ©rfunbigungsbefucß
oon rüßrenber ©egelmäßigleit unb Deilnaßme.
©r mar gu feßr oon ber ©ebeutung bes Mgen=
blids erfüllt, er faß gu Iiebeooll fcßon bie
guten Dinge bes ©rauntüllerfcßen Lousßalts
als fein lünftiges ©igentunt an, als baß er
bemerten lonnte, mie Marion fid) ißm gegem
über oeränberte. Der Dämon ißrer Mutter
mar oon ißr genommen, grei unb befonnen
ßanb Marion mieber oor bem Manne, ber
ißr Leben in feine ©emalt gebracht unb nun
burcß ben Dob bie ©emalt oerlieren füllte.
Sie füßlte nichts meßr für ißn, aber fein 3 u=
fammenbrud) lenlte ißr beßeres ©emußtfein
unaufßaltfam auf bie allgemeine ©ot bes
irbifdßen Dafeins. Das eble ©lut .ftieg ißr
noch einmal ins oerßärtete Lerg unb regierte
ißr Lunbeln. Die ©omingertocßter faß enbltcß
mieber ben einfachen Meg ber Menfcßlicßteit
oor fid). Sie pflegte ißn Dag unb ©acßt. Mit
ftummem Staunen, fomeit es feiner Dämme=
rung nodh bemußt mürbe, füßlte es ©ram
müller. ©s bradßte ißm grimmige Qual, unb
Marion glaubte ißm moßlgutun. Mer als
er ißre plößlicße Mtnäßeruug fpürte, ermacßte
aucß noch einmal fein Sebnen nadß ißr, oer=
nicßtenb, unerfchöpflid), unb er mußte er=
lennen, baß nur fein lommenber Dob fie gu
ißm rief, baß fie alles, mas fie jeßt für ißn
tat, für bie ©emißensruße eines künftigen
Lebens oorbaute. ©ergebens mollte er ficß
einreben, baß Doni oielleicßt unter bem ©in=
brud bes Münchener ©efpräcßes einen ©rief
an Marion gemagt unb feine leßten Stunben
ißrer Menfdßicßleit empfohlen hatte. Mer er
glaubte es felbft nicßt, es faß ber fcßeuen Doni
nicßt gleich, folcße ©eeinflujfung noch
meniger ber ftolgen Marion, ©r banlte aucß
eigentlich ©ott bafür, baß es nid)t fo fein
lonnte, benn an einem Käglidßen ©ettler=
'mitleib mollte grang Qtto ©raumüller nicßt
fcßeitern. ©odß faß er fein einft ermäßltes,
fcßönes Meib oor fid), nodß lebte er unb erlannte
bas Leben. So oergeßrte er ficß benn, eim
farner als je, unter ißren pflegenben Ldnben
in milber ©ier.
Die feelifdße Miebergeburt biefer Dage ließ
Marion halb einen Sdßritt bereuen, ben fie
nadß ©raumüllers L^iwleßr in ber erften
Mfregung unternommen hatte. hatte
fie ficß oor bem 3 uf<mrnmTtbrucß ißres Mannes
entfeßt unb nidßts fo gefürchtet mie eine Mn
näßerung in ben leßten Stunben. ©in Mirbel
oon Sorgen mar über ißr unerfahrenes Laupt
gelommen. Sie ßatte in ißrer Mtgft an
Vßilipp telegraphiert, oon bem fie einen
,männlichen ©eiftanb‘ erßoffte. ©ßiltpp darrt,
©r faßte aber, mie alles im Leben, aucß feine
brüberlicße ©efcßüßerrolle eigenartig auf. 3 n
feierliches Scßmarg gelleibet, als ob fdßon
Drauer irrt Laufe bes Lommergienrats ßerrfcßte,
fdßlicß er mie Dartuffe umßer unb beunruhigte
bie: ratlofe Sdjmefter mit ©ßdofopßemen, bie
er in L^ibelberg aufgefcßnappt ßatte. ©in
milber, moßlgenäßrter Seelforger, ber aucß in
Lüdße unb Letter gut ©efdjeib mußte — fo
ungefähr rnirlte er nadß außen ßin, unb bie
Dienerfcßaft refpeltierte ißn oolllommen. 3 m
geßeimen aber faß ©ßilipp feine Miffion
anbers an unb glaubte ber Scßmefter baburcß
meßr gu nrißen als mit allen Droftmorten.
Das Deftament ©raumüllers ftedte ©ßilipp
im Sinn. Daß es in ber Dobespefn nocß um*
1911. 9tr. 50
geflogen merben muhte 311 äRariotts ©unften
— bas ersten ihm als größte Slotmenbigfeit.
©r I)atte in £>eibelberg fein Sd)äfd)en ins
Drodene gebraut.
Dod) tote füllte er an ben fterbenben üom*
nter 3 ienrat ijeranfontmen? 2 Bo fanb er bie
Stelle, ben üeil feiner Diplomatie ein 3 U*
treiben? ©raumüller fat) ^3l)ilipp nid)t an,
roenn er in fein Simmtx trat, gefdjmeige benn,
bah er ihn anhörte. 9ftit ftarren, 3 m Dede
gerichteten klugen lag er in ben Riffen. Un*
aufhaltfam freifte fein armer, oerlöfdjenber
(Seift um bas ©rbe, bas tein Deftament enthielt.
Seine grau ... 2ßo mar feine grau? ...
Sie trat tn jeber Stunbe 3 U ihm, fie brachte
ihm üompreffen, fie ermunterte il)n, ©r=
frifd) ungen 3 U nehmen, fie lächelte ihn fogar
an, lächelte mit ihren großen, blauen, unoer*
gepöben klugen — aber fie mar il)m bod)
meilenfern. Sie grüßte nur aus einer befferen
SBelt — aus bem genfeits — ja, bas mar
bas genfeits, bas ein 3 ige, moran 53 raumüller
glaubte: bas mirflid)e fieben mar es, in bem
ein Sterbenber fein SBeib 3 urüdlieh- ©r felbft
oerfd)manb im fd)mar 3 en 5ticf)ts. Das mar
bie £öfung — fo log unb trog, mas fid) als
äRittler 3 mifd)en (Sott unb < £Renfd)en brängte.
grau!... Sie tarn 3 U ihm, um if)m 3 U 3 eigen,
bah fie fid) oort il)m entfernte. Das mar ib>re
9lad)e. Das mar feine Strafe unb bie tetjte
golter oon (Sott. — 3Benn jeßt 5linber an
feinem 23ett fielen tonnten ... gugenb, oon
il)m gefd)affene gugenb, 51ad)melt — feine
ftinber. 5 Iber nichts als l)artes ©olb umgab
it>n, leblofes ©igentum. kleine 5Ünber. Hub
bod) — er hotte meld)e. grgenbmo braunen —
meit fort — in pommerfd)en Heftern oerftedt
unb ohne feinen Flamen — ba fcljleppten 3 mei
Söhne, bie er ge 3 eugt hatte, ihr red)tlofes
Dafein l)in. ©r fannte fie taum, er floh oor
ihren 9Rüttern, er be 3 af)lte nur für fie. ©ine
Kellnerin — eine SSertäuferin — tleine, em*
pörte 9tad)egeifter, bie nur noch gtud) für il)n
Ratten. Das maren bie SCUütter feiner Söhne.
23erfd)menbet, oerfdjleubert fein Heftes. 9Rarion
1911 (Sb. 106)
Xlber £anb unb SUteer
batte tein 5ünb betommen. SJtarion nid)t.
Skrborrt mar ber ßooeig, ben er oom Saum
ber 9tomingers geriffen. 91ad)bem er it)n mit
feiner Slütenpradjt betrogen batte — oermeltt,
oerborrt
Sraumüller richtete fid) im Sett auf.
5lngftfd)meif3 trat auf feine Stirn, unb er griff
mit ben £änben um fid)- ©in < 5 alt, ein §alt —
mo auf ©ottes ©rbe gab es für ibn nod) einen
<rjalt? ©r fab fie märten — er muhte fo gut
Sefdjeib! 9fber fein Deftament mar tlug —
bas überliftete fie alle, gm ©elbfcbrant lag
es, mobl oermahrt. Das 2ßeib, bas fd)on nach
£eben gierte, beoor ber Dob im §aufe mar,
biefe brünfüge 5lnofpe, bie unter ber horten
Schale ihres Schmedes bas £eud)ten einer
neuen Slüte feben liefe, fie mar gebunben für
unb für, fie mürbe nicht tonnen, mie fie rnollte,
aud) menn er nid)t mehr ba mar. gtoiefad)
mu|te fie erfahren, mas es hiefh m it bem
£eben eines gran 3 Otto Sraumüller gefpielt
3 U hoben.
So frah er fiel), um oor ben ©efpenftern
3 U fliehen, in neuen £jah hinein. ^od) ober*
mals mürbe biefer £>ah 3 erftreut, benn bie
Dür ging auf, unb äRarion tarn, bie 9Rarion
biefer Sorgentage, oermanbelt, milb unb ehr*
liefe mitleibsooll. Da bäumte fid) ber ftrattfe
auf. 5Ils fie fid) über ihn neigte, um feine
Stirn 3 U fühlen, oerfud)te er fie in rafenber
£eibenfd)aft an fid) 3 U reihen, unb fie, in namen*
lofem ©ntfehen, lieh bie 2Bafferfd)üffeI fallen,
fo bah bas eifige 51ah über feinen fieber*
brennenben ftörper lief. Dann rannte fie
hinaus. Drauhen ftanb Philipp- umarmte
9Jtarion, beruhigte fie unb hörte mit burd)*
bringenber fünf nt erff amfeit an, mas fie ihm
jammernb er 3 äf)lte. geht hotte ber äRenfdjen*
fenner einen Tinholt gefunben. geht mußte
er enblich, mie allen 3 U halfen mar. Unb
gegen 9lbenb, als Sraumüller ruhiger ge*
morben, ging er leife 3 U ihm hinein, ©r magte
es, rüdte einen Stuhl an bas Sett, fefete fid)
unb betrachtete mit gefalteten §änben bas
£eibensbilb feines Sd)magers.
grife Serfd): „51a benn profö&tl"
1283
„5lrmer Otto,“ fagte er, als Sraumüller
bie 5lugen auffd)lug unb ihn anftarrte.
XRod)te ber Aranfe ihn nur halb erfennen
ober chon in jeber trohigen Unterfd)eibung
gefnidt fein — bie SBorte mirften gemaltig
auf ©n, er fd)lud) 3 te plöfellcfe, er oerfiel in ein
erfd)ütternbes, finbifd)es SBeinen unb ftam*
melte: „StRarion!... s IRarion!“
„Denfft bu jefet an fie?...“
„ s IRarion! gd) fann ja nid)t fterben!..."
„Sei beffer 3 U ihr — fei liebeooller, Otto ...
Die arme grau ...“
>/ga, ja .. . 2 Bas foll id) benn tun... id)
mill ja alles tun... mir is ja alles gatt 3
egal.. . 2 Ber is benn eigentlid) hier? ^3fetlipp?
Philipp?"
„ga.‘.. geh fomme oon 9Jtarion.“
„äch, marum is fie benn nid) felber ba?
gd) fterbe ja. geh frepier' ja mie 'n §unb.
gd) fann ja nid) fterben.“
„Du ©r nur nod) ©utes, Otto. Vergelte
ihr alles, mas fie für bid) getan hot, mas fie
um bid) gelitten hot. §örft bu? Dann mirb
fie fomnten.“
„gs fie böfe auf mid)? 9Rein ©ott! öob'
id) ©r meh getan?“
„Sie oer 3 eif)t bir alles. Sie ift fo gut,
Otto
„So gut! ga, Philipp! 5td), id) baut' bir,
bah bu bas gefagt häft!“
„Denfe aud) bu nur gut an fie. Das ift
es. Das fann bir grieben geben. Sonft nichts
auf ber $Belt. 2Bie bu äRarion 3 urüdläßt —
fo Iaht bu bein £eben 3 uriid, Otto. Unb
alles oerföhnt fid) mit bir — unb bu bift mit
allen oerföhnt —“
„ 2 Bas meinft bu benn eigentlid)?“
„geh höbe bir gefagt, mas ich meine. 91un
überleg es bir, Otto. Überleg es bir. Solang
es nod) 3 eit ift.“
„ 3 eit!... geh fann nid) überlegen!...“
Der giebernbe ftarrte oor fid) hin. „ga, ja ...
2 Benn ich an Doni benfe ... 3Beifet bu oiel*
leicht, mas bie mir raten mürbe? £ah Doni
fommen! Doni foll nad) Berlin fomnten!“
1284
„Das.ift ja nicht möglich- 3h fiho I)ter als
Kartons ©ruber."
„i5m ... Du rebeft gan 3 oernünftig ...
£ab' td) bir gar ntcf) gugetraut. Du bift bod)
ber «Philipp?"
„^|tltpp — ja. Du fjaft mir immer unrecht
getan, Otto."
,,©er3eih mir... §m,... 3h banf bir
jd)ön. 3h glaube, es is halb aus mit mir.
Unb ©tarion —"
„©larion bleibt als arme grau 3 urüd."
„Hein! ©tarion fall alles haben! ©larion
foll alles haben! 3nleht fag' id) ©tarion!
Dred ober Draum!"
„3h oerfteh' bicE) nid)t..
„Clarion füll alles haben... ©ur Paulas
£egat — bas bleibt ... Da nimm... bie
Sdjlüffel... fchliefte ben ©elbfdjrant auf...
Dred ober Draum ... id)... Das innere ga<h
noch .. • Siehft bu nid) bas Deftament?"
Philipp hatte fdfarfe Singen. Sofort
brachte er ©raumüller bas Deftament. ©r
reihte ihm aud) feine güllfeber. Unb ber
Sterbenbe ftrid) unb änberte an bem herum,
mas er für etoig Jeftgelegt hatte. Marion
mürbe Unioerfalerbin in biefer Stunbe. ©Is
©raumüller fertig mar unb nochmals untere
fdjrieben hatte, fragte er leife, mit erlöfdjenbem
©erftanb: ,,©ßas is benn nun? Du? ©Bann
tommt fie? ©eh hin • • • • Du h a ft mir oer*
fprodjen!.. ."
Stuf leifen Schuhen ging ber fiegreidje
Philipp hinaus, ©r fagte ©tarion niht, mas
er erreicht hatte, aber er erfhütterte fie im
3nnerften burh eine ©otfhaft, bie er ihr oon
ihrem fterbenben ßuälgeift brahte: ©bfctpeb.
Der Slbfhieb mar ba.
Sie nidte, gab bem treuen ©ruber bie
5>anb unb erfdpen im nähften ©ugenblid in
©raumüllers 3intmer. fiangfam trat fie $u
hm heran, millenlos, oom Sdpner^ gebeugt unb
fragenbe, grohe Singen auf hn gerichtet.
„Du miltft mih fprehen?" fragte fie.
„Da," murmelte er unb ftedte ihr bas
Deftament in bie £anb. Sie marf feinen
©Iid hinein unb legte es beifeite. Diefe eine
hoheitsoolle ©emegung übermältigte ihn. 3a,
fie mar es, fie mar es bod), troh allem,
trbh allem, bas ftolge 3beal feiner Dräume!
Sitarion ©ominger! Unb einftmals hatte fie
hn um feiner felbft millen genommen, nicht
um bes ©ermähtniffes, bas auf, .bem oer*
achteten Rapier ftanb. Das bandte er ihr —
biefen ©emeis! ©nbltd) einen im Dobe errun¬
genen ©emeis! ©r ftanb nun auf ihrer £ohe !
©licht mehr oeradjtet, nicht mehr lädjötlih! • • •
„Du blonbes, fhönes, fhönes —"
©rftarrenb hörte fie feine glüftermorte.
„5tomm her — erbarm bi<h • • • Sitarion!
3h hab bih bod) fo lieb."
Da neigte fie fidf über hn* Da lieh fie
fih umKammern, nieberreihen, füffen, ohne
©Sib erftanb unb ohne ©rauen. Sie fdjenfte
hm bas let|te ©efhenf. Sie hielt ben regungs*
lofen, frembartigen, erglühenben unb erfal*
tenben itörper mit ihren meihen Slrmen feft.
Sie fühte hn fogar. Sie mollte hm bie ©Beg*
gehrung nicf)t oerfagen. Unb als fie fih nah
einer langen, fürchterlichen Stunbe fanft aus
feiner Umflammerung loslöfte, fah fie, bah
er an ihrem 5tuh geftorben mar.
III
Der De^embermorgen graute, ftarlmamt
unb Doni näherten fih ©erlin. Sie trafen
am Dage ber ©eftattung ein. Slls fie ben
Sdjlafmagen oerliehen unb nah einem (Sepäd*
träger Umfdjau hielten, fam ©hüipp auf fie
3 u. Uberrafht umarmte üarlmann feinen
©ruber. ©hiüpP ftedte in einem biden ©Sel 3 =
rod unb mar baburd) mie ein meiher Sad an*
3ufühlen. „3ange!"riefStartmanngerührt. „So
früh öift bu aufgeftanben! Unb bei ber 5tölte!"
„3h bin fo fhredlih neroös," ermiberte
^Philipp etmas fur 3 atmig. „3h tarnt gar niht
fdjlafen. ©Sit haben entfetliche Dage burh 3
gemäht, 5tinber."
Uber £anb unb SÖteer
„Das glaub' id)/' fagte Doni mitleibig, aber
etmas 3 erftreut, benn fie mufterte immer
mieber Philipps foftbaren ©el 3 oon ber Seite.
Slud) 5tarlmanns Slugen rihteten fih allmählih
barauf. ©r tonnte ftd) niht irren — er fannte
biefen «ßel 3 . ©in echter 3obel! Den befah
bod» Philipp niht? ©ein, nein, es mar bas
minterlihe ©runtftüä bes toten 5 tommer 3 ien*
rats, beffen ©rbfhaft Philipp fhon heute, am
Dage feines ©egräbniffes angetreten hatte.
5tarlmann traf Donis ©Iid, bie eben be=
griffen hatte. Da gefhah ihnen bas ©ein=
Iid)e, bah he an ber Seite bes in oomehmer
Drauer hinfhreitenben ©hüipP in ein erftidtes
©elädjter oerfielen. ©©fiPP merfte es niht.
©r fühlte fih 3 u fehr in ber mihtigen Stellung,
bie er jeth einnahm, unb er 3 ät)Ite oon Sitarion.
Da mürben bie beiben mieber emft. Dod)
Doni ftaunte, mie halb ber Schlager oon
Sitarions Seelen 3 uftanb auf ihre pefuniäre
£age überging. 5tarlmann ging ebenfo eifrig
barauf ein. Die ©ahriht oon ber Umftohung
bes Deftaments mar i|m neu, unb er fhmelgte
mit Philipp; melhe Summen enblih mieber
einmal burh ©omingerfhe $änbe gehen
mürben. Das ©efpräd) ber ©rüber oerlehte
Doni ein menig — noh mar 3 ^an 3 Otto
©raumüller niht unter ber ©rbe. ©eine, oom
©elbe abgemanbte ©ebanfen taten not. Sie
bähte feinen Slugeitblid baran, meihen ©or=
teil fie oon Sitarions ©eid)tum 3 iehen fönnte.
©uh 5larlmann niht. Der mar mieber bas
alte ilirtb, bas fih an groben ©egriffen be=
geifterte, niht meil fie fein, fonbern meil fie
grohe ©egrlffe maren.
©Is fie in ber oom feuhten Duft ber
5 lran 3 e erfüllten SBohnung ftanben unb in ber
unheimlichen Stille Sitarions fd)mar 3 e ©eftalt
erblidten, mürbe es ihnen erft bemüht, mas
gefhehen mar. Philipp hatte 3 uoieI oom ©rnft
ber Dinge fortgeplaubert. ilarlmartn erfh^af,
benn er glaubte, burh bie Unterhaltung mit
bem ©ruber oerlodt, niht mit ber nötigen
Drauermiene 3 U Sitarion getreten 3 U fein. Der
©nblid feiner Shmefter rührte ihn tief. Sie
hatte biefen ©tenfh^u alfo mirflid) geliebt —
troh allem. Die arme, arme Sitarion! ©icht
©efreiung, mie er es fid) gebäht hatte, fonbern
ein gramoolles Uberbliden oerlorener 3 ah^^
bebeutete ihr ©raumüllers ©nbe. ©r umarmte
fie, unb fie fühlte feinen Droft. 3 u 3 mifh^u
befhäftigte ^ßhiüpp fih bamtt, einen fyody
feinen Sherrp 3 U entforfen unb bie beften
3igarren bes 51ommer3ienrats aus bem Schreib 1
tifh heraus 3 uhoIen. 3 m rehten ©ugenblid
erfhien aud) ©aron ©iegenau mit feiner
,©Ifa‘ — er oerfdpnähte, nahbem er ber
s JBitme fonboliert hatte, bie eblen ©enüffe
ebenfalls niht- Doni mürbe fehr neroös, als
fih bie 3 immer allmählih mit feierlihen ©e=
ftalten füllten, unb bie ©rüber mit bem ©itt=
meifter niht aufhörten, fih burh Sh^rrp 3 u
ftärten. ©s mar ein peinliher ©nblid, alle bie
oerlegenen Drauergäfte an SJtarion oorüber=
befilieren, Unoerftänblihes murmeln unb mie
fhulbbelaben fih 3 urüd 3 iehen 3 u fehen. 5tarl=
mann, ^PhiKpp unb ©iegenau bilbeten in
ber entgegengefehten ©de bes 3 ^mmers, ihre
©läfer in ber §anb, eine minber traurige
©ruppe.
3etjt mar es 3eit, in ben Salon hinüber 3 U
gehen, mo 3^ati3 Otto ©raumüller aufgebahrt
morben. §armoniumtlänge riefen bie Drauern=
ben. üarlmann führte Sitarion, Philipp bie
ein 3 ige ©ermanbte bes ©erftorbenen, bie fih
eingefunben hatte — Fräulein ©hriftine ©rau=
müller, ein altes SJtäbhen, bas mit fühlen,
mürrifhen ©ugen Umfhau htelt. Die übrige
©ermanbtfhaft bes 5 lommer 3 ienrats mar in
5ßommem unb 'pofen geblieben. Sltit ©e=
friebigung fonftatierten bie ©omingers, bah
bas Drauerarrangement im Salon fehr fhön
mar. Der Sarg, oon gelblich Ieudjtenben
SBahsfersen umgeben, ruhte in einem $ügel
erlefener ©lumenfpenben. 3m Sinne bes
©erftorbenen, ber nie eine ©hrung banfenb
abgelehnt hatte, maren bie breiten Seibern
1911. ©r. 50
fhleifen mit ben golbenen 3 nfh^ifi^n reht
fihtbar nah tmrn gelegt. So fah man noh
einmal alle ©rfolge, bie ber arme ©raumüller
fih tu feinem ©rbeitsleben errungen hatte.
2 Bie hätte er fih gefreut, menn er ben |>errn
S©inifterialbireftor gefehen hätte, ber in $erfon
erfhi^uen mar, mieber mit feinem 5lronen=
orben erfter 5Uaffe, mie einft in Sßannfee.
©erlaffen lag je^t ber ftol 3 e ©efh am mär=
fifd)eu Sßalbe, bas Sinnbilb oon ©raumüllers
Streben 3 ur höheren' SBelt. Doni tat bas
§er 3 meh, als fie fo hanbgreifüd) ben toten
SJtann in feinem Schrein oon all bem hinüber
umgeben fah, ber hm mehr gemefeu mar
als ein ehrliches £eben. Sie fah hu mieber
iu ber ©illa umhermadeln, berühmte ©afte
anpreifen, £aus oon ^epben mit ©efdjenfen
überfhütten. 2 Bo mar benn eigentlich öer
anbre päger auf fein 2 Beib? $atte ©raf Md)=
berg fih uiht 3 ur Drauerfeier eingefunben?
Suhenb hielt Doni Umfhau unb fragte bann
flüftemb Aarlmann nach bem ©rafen. Der
fhüttelte ben 51opf. ,,©iht ba." 2Bie feltfam.
Unerhört rüäfihtslos gegen 3©arion.
©un begann ber hiuter ©Iattpflan 3 en oer-
borgene ©hör fein etmas gefhäftUhes, aber
mohlflingenbes Singen. 9©and)e grauen
fd)luh 3 ten, namentlih bie Dienftmäbhen,
bie ihren §errn ob feiner ©enerofität fehr
liebgehabt hatten. 9©arion blieb ftarr unb
rührte fih niht an 51arlmanns ©rm. Der
©ruber muhte, bah es ihr tief ging — fie
tonnte nur oor ben oielen Sltenfhen nid)t
meinen. Sie hatte ben Dob biefes Sltannes ge=^
fehen — fie mar oielleiht fein Dob gemefen —
je^t ftanb fie gan 3 in fih allein unb ftarrte
burh bie lügnerifhe ioülle ber ©lumen fein
buntles Shmeigen an. Der ^rebiger fprah —
mie flogen bie mohlgemeinten, etmas fühen
3Borte über ©larions £jaupt fort! Sie bad)te
an hr tünftiges £eben — aber fie muhte niht
barin ©efdjeib. ©Is fie nah einer ©Seile, bie
ihr mie eine ©migteit erfhien, aufblidte, fah
fie, bah öer ^Srebiger niht mehr fprah, fonbern
©r 3 ellen 3 Schute, ber ©tinifterialbirettor. ©rau*
müller, hätteft bu bas gehört! Dann trat
$err Steuer an ben Sarg heran, ein £ogen*
bruber bes ©erftorbenen unb Opernfänger oon
©eruf, ber baritonifh ,bem entfhlafenen
©rruber ©beh fagte'. ©uh §err ©tidjelfohn,
ein Keiner, oiel befheibenerer 3 ubuftrieller
als ©raumüller, aber 3 ehnmal fo reih unb
©eheimer 5 lommer 3 ienrat, fprah uod) oller*
hanb Shmeroerftänblihes. Dann tarn ber
Shluhh^r mit ^armoniumbegleitung, unb bie
fhroar 3 en Dräger Iuben ben Sarg auf.
51arlmann unb Doni fuhren mit ber ©Sitme
3 um griebhof hiuaus. ©ud) ©hWpP tarn mit,
oon ©raumüllers ^Sel 3 gemärmt, mährenb
©aron ©iegenau feine grau allein nah ©Seftenb
fahren lieh* ,,©lfa, ih merbe mih bod) ba
braunen nih ertälten!" fagte er fo laut, bah
©tarion es hören muhte. „ 3 h habe ja eben
erft 'ne 3*ippe Jehabt! Dah ih ü u 00 ^)
noh 'nb £ungenent 3 inbung hol en foll, bas
dann boh ber felige ©raumiller unmeehüh
oon mir oerlangen!" Die arme grau, bie oiel
empfinblidjer mar als er, muhte nun mit ben
anbern im Sdjuee ftehen, bis bie ©rbfhollen
auf ©raumüllers Iehte ©ehaufung gefallen
maren.
5tarlmann, ber einige 3ah*e niht in ©erlin
gemefen, bemühte ben Dag, um in Aunftfamm*
Iungen lange niht ©efebenes mieber 3 ufehen.
Doni blieb in 3 mifd)en bei ©tarion — oon ©Ifa,
bie gan 3 an ihren ©lann gebunben mar, tonnte
man teinen ©eiftanb in biefen Stunben er*
märten. ©Is 5tarlmann gegen ©benb 3 um
üurfürftenbamm htoaustam, begegnete ihm
auf ber Dreppe gräulein ©hriftine ©raumüller,.
einen Keinen 5!offer in ber §anb. 5larlmann,
ber bie Dame honte erft tennen gelernt hatte,
grühte nur höflih nnb betrat bann bie ©Süh¬
nung. 3nt Salon fanb er phtßpp — Doni fah
noh an ©tarions SBett. ©r ertunbigte fih
bei bem ©ruber nah ©raumüllers Sdpnefter.
(gortjehung folgt)
1911. 9tr. 50
Über £ant> unb Sülcer
1285
Dan 3 enber ©loron Dän 3 erin ®ried)ifche Salletteufe
3 nt 3&hre 1907 fließen griechifd)e Saud) er, bie
unroeit non S07af)bia im Dunefifdjen Steere
ber Schtoammfifcherei oblagen, plö^XidO auf em
feftes £>inbernts, bas ihnen tote eine 2ln3ahl im
Schlamm lagernber großer 5Xanonen oorfam. Die
halb oorgenommenen Sad)forfd)ungen führten je=
bod) 3 u bem überrafdjenben (Ergebnis, bafe es ficf)
um bie Xtberrefte eines römifchen Schiffes I)an=
beite, bas bort offenbar oor mehr als 3 toeitaufenb
fahren mit feiner Labung an iXunftfdjähen gefunlen
toar.
Das tunefifdje 2lltertumsamt nahm halb bie
Hebung biefer Aunftgegenftänbe in Angriff unb
hat fie nad) oierjähriger mühfamer Arbeit fo roeit
geförbert, baf} Direttor 21. Sterlin in einem füglich
in ber Stabt Dunis gehaltenen 23ortrage einen
Hberblid über 2lrt unb Sebeutung bes fyunbes
geben tonnte. Seinem Iiebenstoürbigen (Entgegen^
Xommen oerbänfen mir bie hier roiebergegebe=
nen Silber einiger befonbers bemertensroerter
iXunftroerte.
Der XjiTi^Titerfteigeube Däuser fiet)t 3 unäd)ft
etroa 60 Starmor faulen, bie in fed)s 32 Steter
langen Seihen aufgeftapelt finb. Singsherum
finb bann Starmorteile oerfdjiebener 2lrt bunt
burcheinattber gefd)id)tet, unb ba 3 roifd)en liegen
3 ahIlofe Derratottafd) erben, 23rud)ftüde bes
^(hifföefdnrrs, Amphoren unb anbre ©efäfce,
bie offenbar Sorräte an Öl, 2Bein, Sßaffer
unb Lebensmitteln für bie Sd)iffsbefatjung
enthielten. 2lm Sübenbe liegen bebeutenbe
:: Llntife ‘Bronjen ::
junger Satpr
Sleimaffen, bie am Sd)iffsbug befeftigten
2Xnter, oon benen ber eine (oon mehr als 600
Kilogramm ©eroidjt) ans Dageslid)t gebraut
roorben ift.
Sßenn man unter unb 3 toifd)en ben Säulen
3 U graben oerfucht, fo trifft man halb auf eine
mehr ober toeniger oerfaulte ^ol 3 fchid)t oon etroa
20 3entimetem Dide, bas Ded bes gefuntenen
Skiffes, ©rft barunter liegen bie feineren 5Xunft=
gegenftänbe, Sron 3 eftatuettenunb Srudjftüde fünfte
lerifd) ausgeführter Stöbet. Das roohl 3 U fchroer
belabene Sd)iff muh unoermittelt gefunten fein,
fehte fidO mit feiner gan 3 en Staffe auf ben Steeres=
hoben auf unb bebedte fid) halb mit einer biden
Sd)lammf(^icht, bie alle JXunftfdjäbe in ooller
$rifd)e erhielt, greilid) finb bie oon bem Daudjer
heraufgebrachten ©egenftänbe faft untenntlidj,
unb erft nad) ©ntfernung ber Sd)muhfd)id)t mit
ben allenthalben haftenben Stufd)ein tritt bas
iXunftroert roieber in urfprünglid)er Schönheit
3 utage.
Sach ber oon Direttor 21. Sterlin aufgeftellten,
roohl begrünbeten Dheorie hobelt es fich um
ein Sd)iff, bas oon ben Sömem nad) ber ©in=
nähme bes ^iräus burch Sulla — im 2>ahre 86
oor ©hrifto — aus 2lthen nach Italien, unb 3 toar
roohl bireft nad) Som, mit reicher Seute an
5Xunftfd)ähen abgefanbt, anfdjeinenb burd) roibrige
2Binbe nad) Sorbafrita oerfd)Iagen rourbe unb
bort'unterging.
Dr. 2X1 f r e b ©rabenroifc
2lmor
irjermesbüfte
Statue bes ©ros
Euch Kindern dieser sonnenfrohen Erde,
Den Wiegensegen euren 3ugendtagen,
Dafo aus dem Knospen holdes Blühen werde.
Der Cag verblich. Im UJesten fortgezogen
Ist all sein Glanz. Die Bienen, die euch summten,
Die Jalter, die euch küfrten, sind verflogen.
Die Drosseln, die eud) sangen, sie verstummten.
Schlaft ein, schlaft ein. Cräumt süfc die ganze
Dacht.
Uom wundersamen Sternenhimmel nieder
Bält Gottes Engel segnend seine Wacht.-
Und morgen scheint die liebe Sonne wieder.
Bans von Boflenstbal
Ober fianb unb SReer
1911. 9lr. 50
3afof> Söaffermamt: 3)er ^nec^t
3 u ©ren©en in ber S©mei 3 lebte ein junger 5tne©t, ber bie
Tochter eines reifen ©ütlers liebte, jahrelang marb er tjoffnungs*
los, bis enbli© bei ber £jeimtet)r non einem Sd)ühenfeft, mo er ben
^reis errungen hatte, bas ftol 3 e 9ftöb©en fi© ©m 3 uneigte. gn ber
Aad)t, mätjrenb er in itjrer Kammer meilte, bra© auf bent $of, mo
er bebienftet mar, treuer aus. Alle maren beim £öf©en beteiligt,
unb er tarn erjt, als S©eune unb <rjaus niebergebrannt mären. Sein
oermirrtes, ja beinahe berauf©tes Setragen bejtärlte ben Serbad)t,
ben [eine Abmefenheit erregt hatte, unb er mürbe befd)ulbigt, bas
geuer gelegt 3 u haben. §ätte er fid) entf©liehen tonnen, an 3 ugeben,
mo er bie Aa©t über gemeilt, jo hätte niemanb an feiner Unf©ulb
ge 3 meifelt. Aber er mollte ben Auf feiner ©eliebten fdjonen, er
muhte, mie fel)r fie bie üble Aadjrebe fürd)tete unb bah fie ©nt ben
Serrat nidyt oer 3 iet)en hätte. Seine ^Beteuerungen maren umfonft,
unb ba er bie Austunft barüber oermeigerte, mo er fid) aufgehalten
mäl)renb ber 3 eit, mo bas geuer entftanben mar, fo mürbe er 3 u
fünf gahren Werter oerurteilt, ©r tonnte es taum glauben, bah
©m bies gefd)el)en, beim er mar ein SRenf© oon angeborener Aeb*
lid)teit, unb bah er einen männli©en unb ebelrt ©haratter bejah,
Ieud)tet ja burd) feine irjanblungsmeife ein. ©r fafj nun im 3 ud)t=
haus unb martete. Seine ftärtfte Hoffnung mar, bah bie geuers=
brunft auf eine natürliche Urfadje merbe 3 urüdgefüt)rt merben tonnen.
Dies gef©al) nicht. Sobann meinte er, ber mat)re Sd)ulbige merbe
fid), oom böfen ©emiffen angetrieben, melben. Dies gefd)al) aud)
nid)t. Unb f©liehlid) magte er 3 U benten, bah bie ftol 3 e Säuern*
tod)ter Alitleib oerfpüren mürbe, bah fie fo oiel Unheil nid)t auf
©re Seele merbe laben mollen, bah fie mutig fid) 3 U ©nt betennen
mürbe, aber bies gef©ah am allermenigften. Als nun bie fünf
galjre um maren, tarn er als gebro©ener 9 Aenf© in bas heimatlid)e
Dorf, unb bie erfte Aeuigteit, bie man ©nt mitteilte, mar, bah
feine ©eliebte unterbeffen längft geheiratet unb au© f©on 3 mei
ftinber hohe. Da oermanbelte fi© fein ftummer ©ram in §ah unb
3orn; eines SRorgens ma©te er fi© auf, betrat bas $aus ber Säuerin,
unb als er ©r gegenüberftanb unb fie ©n fragte, mas er begehre,
benn fie ertannte ©n ni©t, ba übermältigte es ©n, unb mit ge*
bobenen gäuften fd)ritt er auf fie los. gn bem Augenblid trat bas
ältefte 5ünb, ein 5tnabe, 3 ur Dür h ere i n * ^i e ®äuerin mar bleid)
gegen bie Sd)melle gemi©en, jeht muhte fie, mer er mar; fie ergriff
ben 5tnaben, h°b © n ew wenig empor unb jagte: „Sd)au ©n bir
an!“ Unb er fab, bah ber tfnabe ©m ähnli© mar an ©efi©t unb
£aar unb klugen unb bah er auf ber SBange ein grobes blutiges
geuermal hotte. S©meigenb tel)rte er um unb oerlieh bas §aus.
Son ber Stunbe ab mar es aber um bie Auhe ber Säuerin ge=
f©ehen, fie tonnte ben Slid ©res ehemaligen Liebhabers ni©t oer*
geffen. £aus unb $of gerieten ©r in Unorbnung, alles ging einen
fd)iefett 9Beg, ber gan 3 e Sef© tarn in 2Bu©erert)änbe, ber Sauer
muhte fid) entf©liehen, aus 3 umanbern; unb nad)bem ein gat)r oer*
gangen mar, lief oon Srafilien aus ein Srief an bie ©erid)tsbel)örbe,
morin bie feltfame grau ni©t etma ©r mirtli©es Sergel)en betannte,
fonbern fi© be 3 i©tigte, bah fie bie Sranbftifterin gemefen fei unb
bah *>er 3ne©t teine Sd)ulb trage. Sie gab bie ein 3 elnen Umftänbe
©rer Dat, bie fie aus einem unfinnigen Drieb na© £i©t unb ©r*
regung ertlärte, mit fol©er ©enauigteit an, bah wort ©r ©tauben
f©enten muhte; aber ber 3ned)t, ben man gern für bie erlittene
Unbill entf©äbigt hätte, mar oerf©munben, unb fein Aufenthalt tonnte
bur© teine Semühung entbedt merben.
1288
Über £anb unb 9Jleer
1911. 9tr. 50
©leftroftahl
Von
grit) fterns
Wechfelftromofen für 8000 (nad) Vöd)ling=9toberhaufen) Kilogramm, geüppt
ie Decfjnit ift in ber Beherrfdjung ber ©Iettri 3 i=
tat nun (djon fo roeit fortgeschritten, bafe
fie biefer oortreffIid)en Wienerin nicht nur bie
feineren, eleganten Arbeiten übertragen barf,
fonbern and) in ber £age ift, fie mit ganj robuften
ftraftleiftungen 3 U betrauen. 3u ben mäd)tigften
Vorgängen, bie es in ber Ded)nit überhaupt gibt,
gehört bie Bereitung bes ©ifens unb Stahls. Unb
aud) in biefes ©ebiet, bas bisher ausfd)liefelid)er
Bereid) ber brennenben ftohle toar, bringt bie
©lettri 3 ität. Md)t ihre befonbere ©igentümlichteit,
im umfloffenen ©ifen Magnetismus f)eroor 3 urufen,
roirb hier oerroenbet, fonbern ber eteftrifdje Strom
bient hier einfach als $ei 3 material. ©r hat ja bie
gähigteü, beim Übergang 3 toifd)en 3 toei oon-
einanber entfernten ©lettroben burch bie £uft
in 3orm eines £id)tbogens unb beim ^affieren
oon £eitungsftüden mit ftartem Wiberftanb au feer-
orbentlidh hohe Wärmegrabe I)eroor 3 urufen.
Die ©Beugung bes SRoheifens unb bie £>er=
ftellung bes Stahls baraus gefdjel)en oon jeher
burd) bie Wtmenbung fetjr ftarter $ifee. Die in
ber Statur oortomntenben ©ifener 3 e roerben mit
5tot)le 3 ufammen in ben £od)ofen, einen riefen-
haften, mit fchlechten Wärmeleitern umfleibeten
Sd)ad)t, getan, es roirb geuer barin ange 3 ünbet,
unb biefes läfet man bann lange 3eit brennen,
inbem man 3 ur Steigerung ber Wärme nod)
mittels ungeheurer ©ebläfemafchinen heifee £uft
forttoährenb burch bas ©emifdh oon 5tot)le unb
©T 3 en fd)idt. Salb fd)eibet fid) bei biefem B^fe
bas ©ifen oon ben übrigen Beftanbteüen, ber
Sdjlade, ab, unb man tann es burd) eine im
unterften Deil bes Ofens angebrachte Öffnung in
flüffigem 3uftanb herausrinnen laffen.
Doch biefes fo gewonnene ©ifen, Voheifen ge-
nannt, ift für bie meiften 3ooede ber Ded)nit nicht
ohne meiteres oerroenbbar. ©s ift infolge bes £jod)=
ofenpro 3 effes fehr ftart tohlenftoffhaltig, unb bie
©egenroart oon oiel üohlenftoff macht bas ©ifen
fpröbe unb rnenig roiberftanbsfäl)ig gegen 3ug
unb Biegung. ©s ift in biefem 3uftanb audh nicht
fchmiebbar, fonbern mürbe fofort 3 erfpringen.
Hm nun fchmiebbares ©ifen 3 u erhalten, mufe
man bas 9tol)eifen faft oöllig oon feinem 5tol)len-
ftoffgehalt befreien. Das gefdjieht baburd), bafe
man es flüffig mad)t unb fehr ftart mit bem
Sauerftoff ber £uft in Verbinbung bringt. Vis-
bann oerbinbet fid) ber ftohlenftoff mit bem Sauer -
ftoff 3 U 5tol)lenfäure ober ftohlenorpb unb 3iel)t in
©asform ab. ©in ©ifen, bas in fehr hohem ©rabe
oon 5tot)lenftoff frei ift, nennt man Schmiebeifen.
Seine beften ©igenfd)aften 3 eigt bas ©ifen jebod)
mertmürbigermeife, menrt es nod) 0,5—1,5 ^ßro 3 ent
51ohlenftoff enthält, ©s ift bann am meiften miber-
ftanbsfäl)ig gegen alle Beanfprud)ungen unb hat
and) nod) einige befonbere ©igentümlid)teiten, bie
bem Dechniter fehr ermünfd)t finb, fo 3 um Beifpiel
bie gähigteit, fid» härten 3 U laffen. ©ifen in biefem
3uftanb nennen mir Stahl.
Die §erftellung bes Stahls aus VoI)eifen ge-
fchah in neuerer 3eit faft ausfchliefelich unb ge¬
fehlt nod) heute im allergröfeten Umfang in ber
Beffemerbirne unb im Siemens-Martin-Ofen.
Vamentlid) ber Beffemerprosefe hat bie allermeitefte
Verbreitung, ©s mirb hierbei in ein fehr grofees,
birnenförmiges ©efäfe, bie fogenannte Beffemer-
birne, flüffiges Vofeeifen getan unb burd) biefes
heifee £uft fo lange hiuburchgeblafen, bis ber
5tol)lenftoff bes ©ifens auf ben gemünfd)ten
Bro 3 entfatj herabgefefet rnorben ift. Durd) bie
fehr umfangreid)en ©ebläfeeinrid)tungen, bie hier*
bei unterhalten merben müffen, ift ber ^ßro 3 efe
nid)t billig, unb in ber Ded)nit mürbe fd)on feit
langem ein Veinigungsoerfahren für bas ©ifen
begehrt, bas geftatten mürbe, ohne bas ©inblafen
oon £uft 3 um 3id 3 U gelangen.
Wie fo oft, brad)te auch hier bie ©lettri 3 ität bie
©rfüllung. Der Urheber bes erften ©ebantens für
eine Metfeobe ber Stat)ler 3 eugung auf elettrifdjem
Weg ift ber grofee Werner Siemens gemefen. 3m
3ahre 1878 bereits tonftruierte er 3 ufammen mit
feinem Bruber Wilhelm ben erften elettrifchen
Sd)mel 3 ofen. ©r hatte fid) babei 3 ur Aufgabe ge¬
teilt, ben Stahl in einem einigen ^5ro3efe bireft
aus bem ©r 3 3 u gemimten, ©r benutzte hter 3 U
einen Siegel aus 5tot)le unb er 3 eugte bie $ifee ba=
burd), bafe er bid)t über ben ©r 3 en einen £idjt=
bogen 3 mifd)en 3 mei ©lettroben aus Äofele über-
gehen liefe, mie bies noch heute in jeher Bogen-
lampe gefdjieht. Die oon einem folgen £ichtbogen
er 3 eugte trjifee beträgt 2000 ©rab unb mehr, unb
fie ift mot)l imftanbe, ©r 3 e auch ohne 3ul)ilfeuahme
oon ©ebläfen nieber 3 ufd)mel 3 en. Siemens hatte
aber mit feinem elettrifchen Ofen einen grofeen
Mifeerfolg. Denn fomohl in bem Material bes
Siegels mie in ben ©lettroben befanb fid) ja
5toI)lenftoff, ber in bas glüfeenb-flüffige ©ifen hm=
einmanberte unb es für praftifche 3mecfe gan 3
unbraudhbar madhte.
£ange 3 e ft bad)te banach niemanb mehr an
bie Stahlgeminnung auf elettrifchem Weg, bis
bas 3aht 1000 bie enbgültige £öfung bes Problems
brachte. Unb 3 toar mürben faft gleid) 3 eitig brei
oerfd)iebene Methoben ber ©Beugung bes ©leftro^
ftal)ls erfunben.
Der italienifd)e ©enieoffi 3 ier ©rnefto Staffano
erzeugt ©lettroftahl baburd), bafe er in ein feuer=
feftes ©efäfe, auf beffen Voben fid) bas 3 U reinigenbe
©ifen befinbet, 3 mei magered)te Äofelenelettroben
einführt, 3 mifd)en benen ein gan 3 ungeheurer
£id)tbogen oon nal)e 3 U einem Meter £änge über¬
geht. Den oon Siemens gemad)ten 3tehl cr oer-
meibet Staffano baburd), bafe er bie 5toI)len=
elettroben fo t>od) über bem ©ifenbab anbringt,
bafe fie mit biefem unter teinen Umftänben in Be¬
rührung tommen tönnen. Das Verbrennen ber
©lettroben mirb baburd) oerhütet, bafe fie in ihrem
3nnern ftänbig burd) Waffer getühlt merben. Wif
bem flüffigen ©ifen fammelt fid) aufeerbem eine
Schladenf<hid)t, bie es oollftänbig bebedt unb oon
ben 5tot)Ieeleftroben trennt. 2luf biefe Weife er-
3 eugt Staffano, ber allerbings fein Ofenmobell
aud) erft nad) langem ©rperimentieren gefunben
hat, einen fel)r guten Stahl.
Der elettrifche Stahlofen bes 3^un3ofen §eroult
3 eigt oon bem eben befchriebenen nur eine 9tb=
meid)ung in ber itonftruttion, nid)t im ©runb-
gebanten. ^eroult führt bie beiben fehr ftart
bimenfionierten Äohlenelettroben fentred)t in ben
Ofen fo meit hinein, bis fie in bie auf bem flüffigen
Metall fchmimmenbe Schladenfd)icht tauchen. Beim
©infchalten bes Stroms entftehen nun 3 mei £id)t=
bogen, inbem oon jeher ©lettrobe einer ausgeht,
ber burch bie Schlade 3 U bem Metall bur^ 3 u-
bred)en fud)t. Vud) hier mirb burch bie Sdjlade
eine Berührung 3 mif«hen ftohlenelettroben unb
©ifen oermieben.
5tnfid)t eines ©lettroftahlofens nadh bem Spftem ftjellin. Das gefd)mol 3 ene ©ifen befinbet fid) in
einer fchmalen Mnne, bie unterhalb bes im Vorbergrunbe fichtbaren Dedels liegt
1911. SRr. 50
Über fianb unb äfteer
1289
Slusfliefeen bes fertigen Stafjles aus einem (Sleftroftaljlofen
(Einem gan 3 anbern ©ebantengang ift ber
Sd)toebe Rellin gefolgt. feinem Ofen gibt es
teinen £id)tbogen mef)r, fonbern er benu^t bie
2Bärme, bie ber eleftrifdje Strom beim £>urd)gel)en
burd) einen SBiberftanb erzeugt. 3™ 5tjellin=
ofen toirb bas $u reinigenbe Metall in eine ganß
fdjmale, freisförmige SRinne gegoffen. Um biefe
9tinne I)erum toirb burd) eine ftarte 5tupfertoidelung
ein fef)r träftiger 2Bed)feIftrom geführt, ber nun
burd) bie betannte (Erfdjeinung ber ^nbuttion in
bem fd)maten eifernen 9?ing ebenfalls einen träf'-
tigen Strom eräeugt. £>as (Eifen oon geringem
Querfd)nitt bietet bem Strom nun einen fei)r
ftarten 2Biberftanb unb toirb aufoerorbentlid) ftart
erlji^t. 23ei biefer 9Jietl)obe ift eine 93erun=
reinigung bes (Eifens burd) 5toi)Ienftoff bereits
oöllig unmöglid), toeil gar feine 51oljle mei)r
gegentoärtig ift.
£>ie (E^eugung bes Statjls auf eleftrifdjem
2Beg breitet fid) immer mei)r aus. (Es finb fjeute
bereits ungefähr 120 Ofen biefer idrt im betrieb.
3n it)ren ftonftruttionen finb fie oft fel)r oon»
einanber oerfdjieben, ba 3 toar bie gefamte (Eleftro=
ftaf)Ier 3 eugung auf ben brei oben gefd)ilberten
ättettyoben beruht, bie 9lusfül)rungsformen ber
Ofen aber oft fet)r toeit ooneinanber abtoeidjenb
gerodelt toerben.
(Es gibt t)eute etroa 20 oerfdjiebene (Sleftro=
ftat)lofenfpfteme. 3jt)nen allen gemeinfam aber
ift bie Lieferung eines feljr reinen, fetpc gleid)=
mäßigen ^robutts, beffen gefügfeit bem beften
£iegelftal)l faft gleidjtommt, oljne jebod) fo
toftfpielig $u fein toie biefer. So ift eine immer
roeitere Ausbreitung ber elettrifd)en Stal)lbereitung
3 U erwarten.
Sefdiidung eines (Eleftroftaf)Iofens mit 9lof)eifen. 9tus bem ©iefetiegel redjts fließt bas 9?oi)eifen in bie 9tinne bes (Eleftroftaljlofens
1290
Über £anb unb Söleer
1911. 5ttr. 50
9 ^atürli<J) gefd)ütjter Quellteid) in ber üüneburger §eibe,
oon VSadjolber unb §eibenrösd)en umfäumt
Srora-} int 33 al ba Scarl. Vtotio aus beut fd)wei3erifd)en
„Aationalpart", Val ©luo3a int Unterengabin
Veften 3u 3ehnten, aber mir haben 3ugleid) aud)
bie heilige Pflicht, nid)ts rüdfid)tslos aus3urotten,
fonbern bas $armonifd)e in ber Aatur, bert Hos=
mos, toie es ber grohe Alexanber oon §umbolbt
nannte, nad) Vtöglid)teit 3u erhalten, foweit es fid)
irgenb mit unfern 2 mtereffen oerträgt. Völlige Aus=
rottung irgenbeiner Tierart, unb wenn fie fcheinbar
nod) fo fdjäblid) roäre, hat fid) nodj ftets früher ober
fpäter bitter geräd)t. Deshalb tonnte ber Aaturfd)utj=
gebante in feiner urfprünglid)en gorm aud) nid)t recht
ooltstümlid) toerben unb nicht in weiteren Greifen
2Bur3eI fd)lagen, weil er auf bem fogenannten Aühlid)=
teitsprin3ip aufgebaut war. So wollte 3um Veifpiel
bie frühere Dichtung im Dier* unb Vogelfdjutj nur
biejenigen Vögel befd)üt}t wiffen, bie bem 9 Tienfd)en
nütjen, währenb fie bie uns fcheinbar nad)teiligen fd)o=
nungslofer Verfolgung preisgab, ja noch burdj Ausfetjen
oon Prämien 311 ihrer Vernichtung anfpornte. Aun
finb fid) aber jetd alle einfid)tigen Aaturtenner barüber
tlar, bah es in VSirtlicbteit weber ein abfolut nühlid)es
nod) ein abfolut fd)äblid)es ©efd)öpf gibt, fonbern bah
jebes, felbft oont Stanbpunfte bes menfd)lid)en
effes aus gefprod)ert, m be3ug auf Auheu ober Staben
je ttad) £>rtlid)teit unb Verl)ältniffen ftart abänbert,
unb bah int groben §ausl)alte ber Aatur überhaupt
jebes ©efd)öpf feine gan3 beftimmte Stellung irtne
unb gan3 beftimmte Aufgaben 3U erfüllen hat, fo bah
feine Ausrottung biefelbe VSirtung haben mühte, als
wenn man aus einer groben Vtafd)ine ein Aäbd)en
herausnehmen wollte. Aud) bas oielgehahte Aaubtier
3um Seifpiel hat eine grobe unb wid)tige Aufgabe 311
erfüllen, inbern es träntlidje unb fd)wäd)lid)e 3nbu
oibuen befeitigt unb nid)t 3ur 0rortpflan3ung tommen
Iaht, fo alfo eine natürlidje Auslefe bewirtt unb
inbirett bie (Erhaltung ber oon U)m oerfolgten Art in
befonbers träftigen (Exemplaren oerbürgt. Sd)on biefe
fur3en Anbeutungen 3eigen, bah bas Aühlid)teitsprin3ip
unb natürlich aud) ein auf ihm aufgebauter Aaturfdmh
oerfel)It finb. Seit einigen Salden ift man beshalb
3U bem Stanbpuntte gelangt, etwa einen Vogel nicht
nur beshalb 311 fd)üben, weil er oielleidjt ob)tfd)äblid)e
Büfetten friht, fonbern in erfter £inie aud) feinen
äftl)etifd)en Sßert 3U berüdfid)tigen, alfo ben Vogel um
feiner felbft willen 311 fd)ühen, weil er uns als ein
herrliches ©efd)öpf, als ein Did)tergeban!e gewiffermahert
ber fchaffenben Aatur erfcheint, weil ohne bie lieblichen
©efänge unb anmutsoollen Vewegungen ber Vögel unfre
Fluren unb VSälber tot, öbe unb traurig fein würben.
Von biefen (Erwägungen ging ber ©ebante aus,
befonbers hart bebrohte unb bem Ausfterbcn geweihte
Die Aaturfdmhparfbeiuegung
(Altt brei Abbtlbungen unb rner £>rtgmal 3 etcf)mmgen oon Hermann Vellguth)
OflfJ-ancherlei neue äfthetifdje Vierte I)at bie Kultur ber ©egenwart geprägt,
unb ber Vaturfdmhgebante ift baoon wohl einer ber eigenartigften
unb be3eid)nenbften. (Es ift ja nur eine natürliche Aeattion, bah in unferm
Zeitalter ber Ded)nit unb £jt)pertultur auf ber anbern Seite bie Sehnfucht
nad) freier Aatur um fo ftärter erwad)en muhte, unb in ber Dat ift aud)
in feiner 3 ^it bie Stopfung ber Aatur fo brutal gefd)änbet worben wie
gerabe in bem oielgerühmten 3 eitalter ber Aaturwiffenfd)aften: wahrlich eine
grimmige 3*onie menfd)licher Hulturgefd)id)te.
©s ift gerabe3U furd)tbar, wie bie Vtorbluft unb ©ewinngier bes 9 Jlenfd)en
in wenigen 3ah^3ßh n ^ n unter ben an3iehenbften ©efd)öpfen unb Iieblichften
Hinbern ber Aatur aufgeräumt hat. 3 d) braune ja nur an bas Sdjidfal
bes amerifanifdjen Vüffels 3U erinnern, ber nod) oor nicht all3ulanger 3 eit
in gerben oon Daufenben unb aber Daufenben bie weiten Prärien feiner
Heimat burd)ftampfte unb heute bis auf einige Heine Drupps in gefehlten
Aeferoationeu 3ufammengefd)mol3en ift, bie burd) ben ©influh ber 3n3ud)t
nun aud) fdhon langfam, aber ficf)er bem Untergange geweiht finb. Aber wir
brauchen unfre Veifpiele gar nid)t aus fernen Säubern 3U holen, fonbern
uns nur 3U oergegenwärtigen, was aus ben gewaltigen Seeoögelfolonien
an unfern Hüften, was aus ben Hormoranfolonien unfrer Vinnenfeen
geworben ift. Der Vlifent, ber näd)fte Verwanbte ber altgermanifd)en
Auerod)fen, fommt nur nod) an einem fünfte Deutfd)Ianbs I)iuter Schuft
gattern oor, unb aud) Vßobans geflügelter Vote, ber ftattlidje Holfrabe, ift
fchon faft oollftänbig aus Deutfchlanb oerfd)wunben. Aid)t beffer ift es
unferm Sd)wimmarber, bem wegen feines foftbaren Vd3u»erfes unerbittlich
oerfolgten Aer3 gegangen, rtid)t beffer bem Sdjwimmfünftler unb Vurgem
bauer Viber, bem redenl)aften ©Id), ber nur nod) ben äuherften Aorboften
unfres Vaterlanbes bewohnt, bem Vogelfönig Steinabier, bem giufterling
Uhu, bem fchönen Sd)war3ftordh unb fo oielen, oielett anbern. ©el)t es fo
weiter, fo wirb fchon in wenigen 3ahr3ehnten 311m Veifpiel ein Aaturforfdjer,
ber eine Aaturgefd)id)te unfrer Aauboögel fchreiben will, nur nod) einen
einigen groben Aefrolog ab3ufaffen haben. Unb wie ber Dierwelt, fo ift
es aud) ber Vflan3enwelt ergangen, namentlich feit ber 3 eü> too man anfing,
überall einförmige VabeIl)ol3beftänbe 3U fd)affen, bie wohl bas £jer3 eines
§ol3hänbIers, nun unb nimmer aber bas eines Vaturfreunbes 3U rafd)erem
Sd)lage 3U bringen oermögen. Soldjeit einfeitigen Übertreibungen gegenüber
muhte mit gerichtlicher Votwenbigfeit eine Aeattion einfeijen wie einft
3u Aouffeaus 3eiten.
Das ©ntftehen 3ahlreid)er Dier= unb namentlid^ Vogelfdmhoereine war bas
erfte 3 ^id)en bafür, bah ber Vtenfd) fid) wieber auf feine ?ßflicf)t gegen
bie Aatur unb gegen beren ©efdjöpfe 311 befinnen begann. 2ßir haben
freilid) bas Aed)t, bie Aatur aus3unuhen unb ihre ©efcf)öpfe 3U unferm
Der P3
1291
1911. 9lr. 50
Über ßartb unb SETCeer
ältere unb ^flartäen oßne atüdfid)t auf ißren angeb*
lid)en SRußen ober Stäben als fogenamtte atatur*
benlntäler wenigftens an befcßränlten £>rtlicß leiten unb
in oerein 3 elten ©remplarcn für bie atacßwelt 3 u
erhalten.
©ewiß oerbient biefer ©ebanle ben Seifall
unb bie wärntfte Unterftüßung aller ataturfreunbe,
aber in praltifcßer 23e3ießung I)at es fieß bod) oielfad)
nid)t als ausreid)enb erwiefen, hier einen aiauboogel*
ßorft, bort einen ginblingsblod ober eine ©ruppe
feltfamer Säume unter Scßuß 3 u [teilen, unb nament*
lid) oerfagt bie ataturbentmalpflege gegenüber fo
freisügigen ©efeßöpfen, toie es 3 'um Seifpiel bie
Sögel finb. Selbft in botanifeßer 23e3ießung reicht
fie nießt aus, roentt roir uns ein ge[d)loffenes £anb=
fdjaftsbilb unb in it)nt bie tppifd)en aUlan 3 engemein=
feßaften erhalten unb fießern roollen. £>ie 21 merilaner
roaren es, bie feßon oor mehreren gaßrseßnten burd)
bie tod)affung ihres großartigen ajellowftoneparls
ben richtigen 2 Beg roiefen, aber es hat lange ge*
bauert, bis biefe meiteitgehenbe 2 lrt bes atatur*
feßußes, bie 3 toeifeIIos bie Krönung bes gan 3 en
ataturfcßußwerles bebeutet, auch bei" uns ©tngang
gefunben hat.
SOtit un 3 ulänglicf)en Siitteln unb 3 U ungünftigen
3eitpunlten früher gelegentlich unternommene 23er=
fud)e finb als oerfrüht gefd)eitert, bis in bem oor
anbertßalb fahren gegriinbeten „Serein aiaturfd)uß=
pari“ in Stuttgart eine mäd)tige £>rganifation ge*
fd)affert würbe, bie mit sielbewußter Xatlraft bie
Sacije in bie $anb genommen hat. Um allen wieß*
tigen £ier* unb Sflansenformen, bie für ben beutfdhen
ÜRaturfreunb in 23etracßt lommen, eine bauernbe 3u=
fln<f)tsftätte 3 u fichern, rourbe oon oornherein bie
Sd)affung breier großer ataturßßußparle ins 2luge
gefaßt, roooon ber eine als Sari für bie gönnen bes
Pjodjgebirges in ben fteiri[d)en 2 tlpen, ber 3 toeite als
aRittelgebirgsparl in Süb* ober Scittelbeutfd)Ianb
unb ber britte für bie gönnen ber Tiefebene in
atorbbeut[d)lanb 3 U liegen lommen [oll. Einesteils
müffen biefe Sarle, roenn fie ihren 3 tf>ed einigen
maßen erfüllen [ollen, 3 ientltd) umfangreich fein
(minbeftens brei -Quabratmeilen), unb anbernteils
ift mit unfern befchränlten mitteIeuropäifd)en
9?aumoerßältni[[en, bem ßoßen 33Sert unb ber
roeitgehenben 3 crftüdelung oon ©runb unb Soben
3 u red)nen. 2 Iber nad)bem es felbft ber lleinen
Sd)roei 3 [cßon ein gaßr oorher gelungen toar,
fid) im 23al ©luo 3 a infolge ber opferwilligen Unter*
ftüßung ber ©emeirtbe 3 enm 3 einen ataturfeßuß*
pari oon 25 Quabrattilometern 3 U [cßaffen, in
roeld)em fogar nod) Sären oorlommen, lann man
rooI)l aud) auf bie alteingerour 3 elte aiaturfreube
21us einem amerilanifchen aiaturfcßußparl: ©in Slid in bas 2)ofemitetaI
unb Saturliebe bes beutfeßen Solles reeßnen,
barauf, baß es burd) rege unb roerltätige Unter*
ftüßung bie 23erwirlUcßung bes großsügtgen planes
ermöglicßen werbe. Übrigens ift biefe in ber
Üat aud) nießt ausgeblieben. 9Benn anfangs ber
s UIan oon oielen für eine fd)öne Utopie gehalten
würbe, fo hat bie 2 Jtacßt ber £atfad)en fd)on nad)
laum 3 af)^esfrift unwiberleglid) bewiefen, baß ber
ataturßßußparlgebanle aud) in Deutfcßlanb un*
gemein oollstümlid) ift, baß bie ißnt innewoßnenbe
gewaltige Stoßlraft alle [icß entgegentürmenben
^inberniffe über ben Raufen 3 U werfen unb bem
groß 3 ügigert ^Blane 3 um oiege 311 oerßelfert oer*
mag. ©s ift ja aueß ßöcßfte 3 ^it, baß ßier in leßter
Stunbe etwas gefeßießt, ja es ift ber Ießte klugen*
blid gelommen, wenn nid)t ein oerßängnisoolles
„ 3 u fpät“ uns entgegenfcßallen foll. ^ 93 ei ben
meiften ftulturaufgaben, bie unfre gegenwärtige
©eneration 3 U erfüllen hat, genügt es, wenn wir
oorarbeiten unb anfangen unb bie 23oIIenbung
unfern Sößnen unb ©nleln überlaffert. §ier
aber ift es umgeleßrt, ßier müffen wir etwas
mit rafeßer ©ntfcßiebenßeit bureßfeßen, beffen 23or*
teile in ber §auptfacße erft unfern s Jiad)lommen
3 ugute lommen werben, bamit biefen nid)t nur
bie Silage um etwas unwieberbringltcß 23er*
lorenes übrigbleibt, bamit fie uns nicht bereinft
troß all unfrer ßod)entwidelten Xecßnil 23ar*
baren [dielten, Barbaren, weil wir mit bem
Öeiligften, was uns überlommen war, mit
SRotio aus bem aiaturfcßußparl in ber fiüneburger £eibe bei SBilfebe. ataeß einer 3 eicßnung oon Hermann 23ellgutß
1292
Uber £anb unb 9Jteer
1911. 9lr. 50
Hünengrab bet SBilfebe
©ebauung gu retten unb bolb barauf auch
ben überaus romantifd)en Xotengrunb 3 U
erwerben, beffen XRotioe burd) bte ©ilber
ber 2Borpsweber 9ftalerfd)ule ja weiten
Greifen beiannt unb oertraut geroorben
finb. Snstmfdjen finb nod) weitere 9In=
täufe erfolgt, unb auch bas nod) nicht in
ben ©efih bes Vereins übergegangene ®e*
länbe ift burd) Voroerträge gefiebert. 3ur
Durchführung berfelben gehört freilich ©elb,
oiel ©elb, unb es ift beshalb hocherfreulich,
baff 311 m ©eifpiel etroa 250 beutfdje Stabte
bie ©ebeutung bes Unternehmens burd)
Beitritt 311 m herein ober 3 etcf)nung oon
Suboentioncn anertannten, barunter
Hamburg allein mit 10 000 Vfart jährlich-
Unb and) bie preufeifd)e Regierung blieb
nid)t 3 urüd. 91ad) forgfältiger unb grünb*
lieber Prüfung ber Angelegenheit bereinigte
fie bem Vereine eine Lotterie, bereu
5Reinerträgnis in ber höl)e non anbertljalb
SLUillionen 9Jiart in Verbinbung mit ben
laufenben Dtitgliebsbeiträgen unb ben 3 U
erroartenbeit Suboentionen genügen wirb,
um ben norbbeutfd)en ©art fd)on in Inzer
3 eit als ftol 3 oollenbete Datfache bafteljen
3 U laffen. Ellies foll bann bort bem ur=
wüdffigen ^Balten freier 91atur überlaffen
werben, tein hol 3 barf gefällt, tein 2BiIb
ben Schäden ber I)eimif<f)en Vatur, utd)t
um 3 ugel)ett oerftanben, fonbern fie in blim
ber ©ewinngier oernichtet unb 3 erftört
unb nichts baoon für unfre 9tad)tommen
übriggelaffen haben. hier barf tein tlein-
ntütiges 3 ögern ©Iah greifen, benn es
hanbelt fid) um 2Berte, bie niemals wieber
erfettf werben tonnen, wenn fie einmal
oerloren gingen, es hcuibelt fid) um eine
©h*enfd)ulb, bie bie ftultur unfrer 3 eit
ber mihhanbelten 9tatur gegenüber ein=
3 ulöfen oerpflid)tet ift.
(Erfreulicherweife hat benn aud) bie
9taturfd)uhpartbewegung bereits greifbare
(Erfolge 3 u Bezeichnen, unb insbefonbere
ber rtorbbeutfd)e ©art barf l>eute fd)on als
gefiebert gelten, ein 9iefultat, auf bas ber
herein mit 9?ed)t ftol 3 fein barf. tiefer
norbbeutfdje ©art wirb in ber ßütteburger
frjeibe entftehen unb uns fomit bauernb ein
weites Stüd fetter fagenumwobenen §eibe=
Ianbfd)aft erhalten, bie mit ihren grojf 3
3 ügigett £irtiett, ihren enblofen X 5 r^ rnen »
ihren wuchtigen Farben fo recht ben 3 äl)en
unb fchwermütigen, etwas melan<holifd)en,
aber burd) unb burd) bid)terifd)en ©haratter
bes eblert nieberfäd)fifd)en Voltsftammes
wiberfpiegelt. Schon im oorigen $erbfte
oermodjte ber herein ben Vtittelpuntt bes
tüuftigen ©artgebietes, ben allen ttorb^
beutfdjen Xouriften woI)Ibefannten 9BiI=
feber ©erg, im lebten 9Iugenblid t>or ber
2Bad)oIber am SIbenb. 9Jlotio aus 2BiIfebe
erlegt werben, tein Sd)uh unb tein 9Irtf)ieb
ertlingen, fo bah in einigen 3ah*3ehnten
bort eine altgermanifche ^eibelanbfchaft
oon neuem entftehen unb bem ©efud)cr
oon ben geheimnisoollert SBunbern ur=
wiiehfiger 9tatur cr 3 ählen wirb. Vom §irfd)
unb Abler an bis 311 bem 9Jtoos unb ber
glechte herab, bie ben oerwitternben fyels 3
blöd umtleibet, foll fid) lp-t ber Schuh
ber 9tatur erftreden.
Schwieriger wirb ber fiibbeutfdje ©art
burch 3 uführeu fein, hoch finb and) h^r
fdhon Verbanblungen im ©ange, unb nod)
beffer ftet)t es um ben geplanten 9Ilpen=
part, weil biefem gegenüber bie öfter=
reid)ifd)en ©ef)örben in gerechter 2 Bi'trbi=
gung ber Sache bas größte ©ntgegenfommen
befunben unb weil Iper umfangreiche ©e=
länbe 00 m ©roffgrwtbbefihe gegen rnäffü
gen ©rbpadft 3 ur Verfügung gestellt wur=
.beit, fo bah es nur noch einiger 9Irron=
bierungen bebarf, um ein gefd)loffenes
©an 3 es mit natiirlid)en ©ren 3 en 3 U bilben.
hoffentlich erlebt alfo bie gegenwärtige
©eneration in abfehbarer 3 eit bie ©nt*
ftetjung aller brei ©arte unb hwterläfft
bamit ben 9?ad)tommen ein Vermächtnis,
beffen er 3 ieherifd)e, äfthetifdhe, wiffem
fd)aftlid)e unb patriotifd)e ©ebeutung gar
nid)t hoch genug oeranfd)Iagt werben
tann.
Dr. Äurt ^loeride
Sdjafftall in ÜBilfebe
23on lints nad) red)ts: 3e einmal im grül)jal;)r Xäfet fidj jeber Werfer etwas 23Iut burd) Sdjröpfföpfe ober 2lberlafe ab 3 apfen, um ben frifdjen Säften
9iaum 3 U fd)affen.— 23olt oor einem 23ogelI)änblerftanbe, bem ©efange „23ülbüls", ber perfifdjen 9tad)tigaII, laufdjenb. — Sdjreibenber perfifdjer ftnabe.
Oben lints: X)as malerifd)e 3nng=^3erfien. Oben redjjts: ©in I)ot>er ^rieftet, aus bem mit ^eiligen Steinen oom ©rabe bes ^roptjeten befdpuerten
ftorait oorlefenb
Über £attb unb SJleer
1911. 9lr. 50
©ine perfifd)e ©feltararoane
Ausritt oomeljmer ^3erferinnen mit Dienerfdjaft auf ©fein
"Persien
bas £anb ber 9tofen, ber £eppid)e unb ber 91ad)ti=
galten, ber nid)t enbenben politifdjen Hnrufjen unb
ber religiöfen Kämpfe, bas burd) bie 9tiidtef)r bes
feines £t)K>nes entfetten Sdjafjs aud) in ber lebten
3eit toieber bas 2lbenblanb oon jid) reben mad)t
1294.
1911, 5»lt. 50
üftuv der, C/eqenwaii
mtm
Der Sommer ift bert Dramen ni©t t)olb.
Setbft bte l^freibiltette [träten. Sei meinem grtfeur
liegen [eit einer Ste©e „Sorzugstarten" für ein
ganz gutes Xheater. 9Jtan tann für eine 9)tart,
benf t©, auf einem “Aartettfitj Sßlat? nehmen, ber
an ben Litfahfänlen für fünf 9Rart fünfzig an*
geboten roirb. Den gremben angeboten. (Den*
[eiben, bie in ben Xanztotaten bieber ©ntree er*
legen, was bie ©tnt)eimt[©en au© ni©t tun.)
Die Leute taffen ft© rafieren unb ben Stopf mit
©tswaffer waf©en, aber bie Sorzugsbiltette taffen
fie liegen. Der Fimmel ift rootfentos, bas Xhetmo*
meter ma©t Sttetterübungen, ber glühenbe Afphatt
in ben Sier*„(Särten" ftintt über bie 93tahen
fommerlid) — ba finb Xheater, ©ehpelze unb
5ta©elöfen entbehrt!©.
93tan geht nt©t t)inein, aber man rebet oom
Xheater. (So, roie juft bie gunggefetlen gern oon
ber ©t)e fpred)en.) Unb man ift einig, baff man
großen gäten entgegengeht. Sßieber einmal, ©s
ift eine Anregung auf ben oielbemüt)ten „guten
Soben" gefallen, ber in Xheaterbtngen immer ba
ift. Stenn für gar nichts (Selb aufzutreiben ift in
23erlin — für ein Xt)eaterunternehmen finben fid)
immer begeifterte Leute, bie roas [pringen taffen.
Araf© unb bas ©oett)ett)eater, Sdjmieben unb
bas 9teue Xheater, ©ettte unb bas ^ebbetttjeater —
vestigia terrent? £> nein! Seinharbt mit groei
guten SBintern, mit S^atefpeare, girtus, Operette
[©webt oor. 931an hofft unb glaubt. Unb fet$t ift
gar no© eine Sühne angemetbet, bie — fagt fie
in Sornotizen, unb Sornotizen finb betanntti© bie
Steifheit in reinfter, [©tadenlofer gorm — auf
materiellen ©ewinn ni©t ausget)t unb ni©t an*
geroiefen ift. Diefes einzigartige Unternehmen
|at griebri© Stai)hier auf bem ©ewiffen.
griebrid) Stag Bier ift einer oon ben ho©gebiI*
beten Sdjaufpielern, ben feine Sitbung nicht
hinbert, gut zu fpieten, unb ben feine bar fielt erifd)en
(Erfolge ni©t abhalten, ernft unb et)rli© bie bra*
matifche Literatur zu oerfolgen, au© roo fie ihm'
perföutid) teine Sombenrotle oerfpri©! gn einem
Auffatg in ber „©egenwart" hol er ausgeführt:
Dur© bie beftehenben Xheateroert)ältni[fe würbe
manchem Di©ter, ber ein gutes 9te©t barauf hätte,
auf geführt zu toerben, ber Steg oerfperrt; unb
wenn er f©tiefeti© fi© bo© bur©[ehte, feien fo
oiete gat)re oergangen, bah aus bem „jungen
Di©ter", ben bas ^ubtitum nun tennen lernt,
inzroif©en ein alter 931 arm getoorben fei. ©r tonnte
hinzufügen, bah bann au© bereits bas Stüd bie
gei©en bes Atters trägt, bie oiettei©t nur no©
Lo©a©tung erztoingen, upo einft zur (Entftefmngs*
Zeit ©nthufiasmus ben Soeten gefreut, geftärtt,
geförbert hätte. Stag hier s Sorf©lag ging nun
bat)in: eine offizielle Serfu©sbüt)ne zu grünben,
unabhängig oon alten beftehenben Xheatern;
neutraten Soben, aber unter Anteilnahme aller
Dheaterteitungen, benen bie ©ntwidtung ber Stunft
roahrhaft am Kerzen liegt. „Stemm,“ fo fährt er,
oon feinem ©egenftanb hlugeriffeu, fort, „tonnte
bie , greie Sühne' ni©t in neuer ©eftatt er*
toa©fen? SSäre es bie 3utunft unfers beutf©en
Dramas ni©t roert, mit einer fot©en Ser[u©s=
bühne oon Stunft unb 9te©ts wegen offizielle
Sref©e zu [©tagen in biefe ©inefif©e Stauer
alttährti©er Senfationsforberungen, mit ber bie
öffentti©e 93taffe bie freie unb natürli©e ©ntwid*
tung beutf©er Sühnentunft mehr unb mehr zu
umttammern brot)t?" ... Sofort greift eine be=
geifterte günglings[©ar ober ein ehrgeiziger
Sttünget, ber ob feines (Ehrgeizes ni©t getabelt fein
folt, ben ©ebanten auf unb tünbet: $ier finb toir!
Ober oietmehr um[tänbli©er: „(Einer Anregung
griebri© Staghters fotgenb, hat fi© in Sertin unter
bem 9tamen ,Sertiner greie Sühne' eine Serfu©s*
bühne für u n aufgeführte Autoren tonftituiert.
Die Sertiner greie Sühne erftrebt bie Färber urig
ber bramatif©en Di©ttunft unb forbert alte bie-
jenigen, benen bie ©ntroidlung bes beutf©en
Dramas am Sterzen liegt, zu reger 931itarbeit auf.
Alte unaufgeführten Autoren toerben erfu©t, ihre
Sühnenwerte ber unten angegebenen Abreffe
einzurei©en unb eine turze S©itberung bes
Lebenslaufes beizufügen." Unb man oerfpri©t:
„Die Sertiner greie Sühne rnirb, ohne eine be=
ftimmte Aid)tung zu pflegen, ben, Unaufgeführten'
©elegenheit geben, in einem erften Xheater oor
ber Striüt zu Sterte zu tommen. Die Sorftellungen
toerben teils in Sertin, teils in SHen unb 93tün©en
oor getabenem ißubtitum ftattfinben. Sämtti©e
Stilette gelangen unentgettti© zur Ausgabe, gür
bie tommenbe Saifon finb zlrta zroanzig Auf*
führungen oorgefehen." 931an tann in toenig
Sterten ni©t mehr oerfpre©en. Aber — bie gaft*
na©t ift no© toeit — wer beftreitet bie Stoften für
Saalmiete, Darftelter unb alt bas Drum unb Dran?
3um Striegführen — au© in ber Stunft — gehört
©elb, ©etb unb no©mats ©etb. gaft Hingt's toie
ein oerfrühter gafdpingsfpah: „Sämtli©e Sillette
gelangen unentgeltli© zur Ausgabe" unb „alle
unaufgeführten Autoren toerben erfu©t, ihre
Sühnentoerfe ber unten angegebenen Abreffe
einzurei©en.“ Da betommt bie Aei©sp.oft zu tun!
Denn es gibt ni©t fo oiete Offiziere in ber Armee,
ni©t fo oiete 3ahnärzte in Ofterrei©, ni©t fo
oiete 93tater auf ©apri, ni©t fo oiete Hoteliers in
ber S©toeiz, toie es unaufgeführte Dramatiter
in Deutf©Ianb gibt. Unb ooer roirb bas am
gef©toemmte Dramaüf©e tefen? Ster oon Anfehen
unb ©ef©mad unb Sühnentermtnis oerbirgt fi©
in bem geheimnisumwobenen Laus am Stur=
fürftenbamm, in bas ber 9ß<Uetpo[tbote alt bie
hoffnungsoolten Dramen — eingef©rieben unb
roertoerfi©ert — hineintragen barf?
S©on einmal erlebten toir eine „greie Sühne".
931ir [©eint, es roar eine größere 3<üt, bie fie gebar
unb notroenbig ma©te. gür 3bfen toar no© zu
tämpfen. Lauptmanns ftartes Dalent toar ben
©etreuen betannt unb fu©te feine Stätte. Spinter
ihm f©ien eine Stämpferjugenb zu brängen. Unb
Samen toie Otto Srahm, SjSaut S©Ienther, Lub*
toig gutba fafeen in bem bur©aus ni©t anonpmen
AusfdpuB- Der ttuge Otto Srahm — ber au©
als Direttor bes Leffingtheaters (toennf©on „Das
Stonzert" fein te^tes Laffenftüd toar) ben Dra=
bitionen ber ehemaligen greien Sühne, bie längft
entf©lief, am treueften geblieben ift, hat bamals
im S. gif©erf©en Serlage, ber bur© bie neu e
Setoegung ©o©tam unb in bewußter unb pfiffige 1
©infeitigteit feine Autoren toählte unb lancierte'
bie gleichfalls „greie Sühne" genannte 3eitf©rift
begrünbet unb geleitet. Unb es ift intereffant,
fi© heute, ba eine neue Serfu©sbüt)ne ben alten
unb ehrenootten Samen toieber aufnehmen toill,
ZU erinnern, toas er bamals als Spre©er ber
gungen bem neuen Unternehmen als ©eleitroort
mit auf ben Steg gab. ©r tünbete zuoerfi©tti©:
„©ine freie Sühne für bas moberne Leben [©tagen
toir auf. gm 93tittelpuntt unfrer Seftrebungen
folt bie 5Xunft ftehen; bie Lunft, bie bie 933irtti©teit
anf©aut unb bas gegentoärtige Dafein, ©inft gab
es eine 5tunft, bie oor bem Dage austoi©, bie nur
im Dämmerf©ein ber Sergangenheit Eßoefie
fu©te unb mit [©euer ASirtti©teitsftu©t zu jenen
ibealen gernen ftrebte, too in etoiger gugenb blüht,
toas fi© nie unb nirgenbs hat begeben. Die 5lun[t
ber Leutigen umfafet mit ttammernberi Organen
alles toas lebt, Satur unb ©efeltf©aft; barum
tnüpfen bie engften unb bie feinften Ste©fel=
roirtungen moberne Lunft unb mobernes Leben
aneinanber, unb wer jene ergreifen will, muh
ftreben, au© biefes zu bur©bringen in feinen
taufenb oerftiehenben Linien, feinen fi© Ireuzem
ben unb betämpfenben Dafeinstrieben. Der
Sannerfpru© ber neuen Lunft, mit gotbenen
Lettern oon ben führenben ©eiftern aufgezei©net,
ift bas eine Stert: 2Bahrt)eit; unb S3at)rheit,
2Bal)rheit auf jebem Lebenspfabe ift es, bie au©
wir erftreben unb forbern. Si©t bie objettioe
SJahrh^it, bie bem Slämpfenben entgeht, fonbern
bie inbioibuelle Stehrheit, wet©e aus ber innerften
Überzeugung frei gef©öpft ift unb frei aus=
gefpro©en: Sie S3al)rheit bes unabhängigen ©eiftes,
ber ni©ts zu bef©önigen unb ni©ts zu oertuf©en
hat. Unb ber barum nur einen ©egner tennt,
feinen ©rbfeinb unb Dobfeinb: bie Lüge in jeg=
ii©er ©eftatt..." Dies ftanb in ber erften Summer
oom 29. ganuar 1890 zu tefen.
©in Salon ber 3urüdgewiefenen, bas ift jebe
greie Sühne. Sternit gewih no© ni©t gefagt
ift, bah bas 3urüdgewie[ene (oft au© an fatf©en
Stellen oon ilntunbigen eingerei©t) au© bas
Unbrau©bare ift. Aber au© eine greie -Sühne
wirb zurüdweifen müffen. Si©t alles, was ber
Softpatetbote als umfangrei©es S3ertpatet in
bas geheimnisootle Laus am Lurfürftenbamm
trägt, wirb au© als Stertobjett empfunben werben
oon ben Lettoren. Das hat alles feine Orb=
nung, entfteht, dämpft, oergeht na© ben glei©en
©efehen. Setämpft anbers. Dentenbe, nimmt
fi© wi©tig, h^fet fi© bie „gutunft" unb geht
fanft über in bie alten ©teife. Denn bas Subli=
tum rebet mit unb [©tiehli© — Xtpeater finb ©e=
[©äftsunternehmungen; unb, wie 931agba in ber
„Leimat“ tühl zu Xante granzista bemertt:
„Se©t hat immer bloh ber © e b e n b e." Unb
wenn ein gewiffes Luriofitätsintereffe oorüber ift,
tehrt bas 93ublifum bo© zu feinen alten ©öhen
Zurüd ober [©wentt minbeftens in ber Si©tung
na© bem alten ©öhenbienft oon ben ©rperimem
ten ber Seutanbentbeder ab. ©s fieht fi© heute —
betehrt unb erzogen — im Leffingtheater ben
(gortfetjung [. S. 1297)
Schön fein, ^ei^t gefunb fein!
Die ©efunbheit ift ber Urquell aller @©ör©eit, ba§ t)axmonifc©e ®tei©gen)i©t
ber, Satur. Si©t ©alben, ^ßuber, ©©minfeii ufro. tonnen ein
geftörteS @lei©geroi©t toieber £>erfteUen, b. f>- alfo f©öner
ma©en. Atel oernünftiger ift e§, bie bur© Alutarmut, AIei©=
fu©t, Seroofüät, AerbauungSteiben, grauenleiben ufto. oer=
borbenen ©äfte gu regenerieren, ba§ Alut beffer, bie Seroen
fräftiger ju nta©en unb bie Aerbauung gu regeln, bantit bie
©laftigität be§ Körpers unb’ be§ ®eifte§ oerntehrt unb bie
SffiiberftanbSfähigteit ber Seroen gefteigert toirb. Sur fo toirb
eS rnögli© fein, biejenigen Aef©toerben gu beheben, bie bem
Anti© eine neroöfe Prägung geben unb e§ oorgeitig
altern taffen. . 1
Um aber oon innen heraus bur©bringenb, auf ben gangen
Organismus eintoirten gu fönnen, bebarf eS einer AerjüngungS=
unb Auffrif©ungSfUr, toie fie bie Aiomalgtur in ber angenehm*
ften, gtoedmäfjigften unb billigten Söeife bietet.
Aiomatg ift getoiffermahen fongentrierteS ©onnen*
ti ©t unb ftrahtt feine Söirfungen in bie oerborgenften gellen
auS. X)ie Aerbauung toirb mä©tig angeregt, Alut unb ©äfte
oerbeffert, bie Serben geträftigt.
Sa© bem Aerbrau© mehrerer Xofett ma©t ft© bie SSirtung beS Aiomatg*
genuffeS naturgemäß au© äuherti© bemerfbar. gnSbefonbere toirb bie ®e*
fi©tSfarbe frif©er unb rofiger, ber Xeint reiner. Aei mageren
ober in ber (Ernährung heruntergetommenen ^erfonen ma©t fi© eine L e b u n g
beS Appetits, beS ©etoi_©tS unb eine mäfsige Sunbung ber gormen be=
mertbar, ohne bap überflüffiger unb täftiger gettanfap bie ©©önheit ber gormen.
beeinträ©tigt.
Aiomatg hat feine fieghafte, oerjüngenbe Straft
bewährt bei allen, bie auS irgenbwel©en ©rünben ber Sträf*
tigung unb Auffrif©ung bebürfen. gür 2 öö©nerinnen unb
ftiHenbe grauen ift eS ebenfo unentbehrti© wie für atternbe
Aerfonen. teinber, namentli© blaffe unb fol©e, bie ben An*
ftrengungen in ber ©©ule ni©t gewa©fen finb, nehmen Aio*
malg mit oorgügli©em ©rfotge gur ©tärtung fowie gur Ae*
förberung beS Stno©enwa©StumS.
(V) * f. ift oon A^ofefforen unb Aergten gtän*
2 nlDTllCll^ 3 e ab beguta©tet unb in ftänbigem ©e*
(J brau© gahtrei©er tönigti©er Limiten,
gürftti©teiten, berühmter Aoiatiter, Sennfahrer unb Langer*
fünftter. Xofe 1 9Rt. unb 1.90 in Apothelen, Drogenhanbtungen
unb Seformhäufern. (gn Ofterrei©*ttngarn K 1.80 unb 2.50).
SSan taffe fi© ni©t Sabenhüter, minberwertige Sa©*
ahntungen unb ähnli©eS atS angebti© „ebenfo gut" auf*
reben. Aiomatg ift in feiner Art ni©t fo tei©t erfepbar.
AegugSqueüen, auSführti©e A^ofpefte unb ^oftproben oötlig foftenloS bur©
©hem. gabrif ©ebr. Aatertnattn, Xettoto*Aertin 109.
Dr Dralle's
[B&d5ommeretem Thürinq. Broachfrei.
Maschinenbau und Baufach.
Großherzogi. Baurat Dir. Klücher.
r f. Einjähr., Prim.-, Abit.-Prfg.
)r. Harangs Anst., Halle S. 66.
Grand Prix.Brüssel 1910
Bpung unübertroffen.
1911. s Jlr. 50
3bfen3ptlus an; aber ben mid)tigeit, mal)rl)aften
ftaffenerfolg bereitet es bem Val)rfd)en „5fon3ert",
bas bei aller aufgepinfelten Vtobernität oiel mel)r
in ber behaglichen Dichtung Vertebi* liegt als in ber
Dichtung 3bfen ober £jauptmann.
9 ßenn in ben Suchern neuer 3 been auf brama=
tifd)em ©ebiet, ben ©rürtbern neuer Büfyrten nicht
— gut uerftecft, aber finbbar für bie, bie's angeht
— ber ©efd)äftsmartrt ftedt, ift auf bie Dauer
nichts 311 holen. 3 n ber Seele Otto Vratjms, ber fo
fd)ön bas ßeben itleifts fd)rieb unb feine Stüde
nid)t aufführt, taltuliert neben bent ftritifer unb
Zünftler ber ruhig roägenbe ©efd)äftsmanrt. 3n
SBoläogen, beffen Hberbrettlibee ein t)übfd)es, nieb=
liches Votmm, eine roertoolle Verfeinerung ber
ftleinfunft bebeutete, ftedte er rtid)t. Der hielt bie
Pofe, 3U ber eine anfängliche Hberseugung merben
muh, nid)t aus unb taltulierte nid)t mit ber nötigen
5 tül)le. So lautet benn in feiner amüfanten fleirten
Selbftbiograpl)ie, ben „Verfert 3U meinem £eben“
beigebrudt, ber Schluhpaffus biefes ftapiteld)ens
Hber £artb unb StReer
gan3 logifchertoeife alfo: ,,3<f) aber mit meiner oer=
rud)ten ©f)rlid)feit, meiner troftlofen Unfähigkeit, in
einer roenn aud) noch fo roirtfamen Pofe 3u oer=
harren, fühlte mid) burd) bie Votmenbigfeit, tagtäg*
lid) für ©elb 3u bluffen unb 3u pofieren, heillos
proftituiert. Unb bann tarn als meliere unerträg»
lid)e ©rfd)merung nod) ber Umftanb I)in3u, bah mir
bas ©efdjäftsintereffe bie ftete Berührung gerabe
mit fetter 9 Venfd)engattung, bie id) am meiftett
hahte unb verachtete, 3ur Votmenbigfeit machte: mit
all ben ffrupellofen Profitjägern, ©efd)äftd)en=
titachertt, Schmeichlern, Schleid)ertt, £äd)lern uttb
£ügenbo!ben, bie in jeber ©rohftabt fid) mie bie
©eier um bas Vas alsbalb um febes tünftlerifd)e
Unternehmen fd)aren, folange es profperiert..
Vicht höflich gefagt, nicht liebensmürbig ausgebrüdt,
nid)t einmal oon bem angenehmen £>umor bes fonft
fo gröblichen oergolbet — aber lehrreich für bie
3bealiften. £el)rreid) für alle, bie in einem Dl)eater=
unternehmen, roenn es nur mit ben träftigen
Phrafen ber Unentmegten, mit ber Beteuerung ber
reinen ftunftliebe einfe^t, eine Vereinigung oon
§ol)eprieftertt [eben mögen, bie nur ihren t)imm=
Iifd)en ©ingebungen 3ugänglid) finb. git München
(nid)t in bem oielgefdjoltenen Berlin) hatte 9 Bol=
3ogen ©nbe bes oorigen gahrhmtberts eitt Dheater
ber Vtoberne gegrünbet. ©r hätt's a u d) „greie
Bühne“ nennen tönnen. ©r begann mit bem Vfa=
bemifd)=bramatifd)en Verein, bann mit ber oon ihm
gegrünbeten £iterarifd)en ©efellfdjaft. Das ©nbe?
„Das ©elb unb bas irjaus für bas neue Drama betam
irjerr 3 faaf ©ebalfe Stol3berg aus 2 Bogrofd)in in
2Beftgali3ien.“ Vad) VSol3ogens eigner Vusfage.
3 d) bin fein VÜesmacher unb mill feiner fein,
geh freue mich aller guten Anfänge, auch menn id)
betrüblid)e Vtufter mittber guter gortfehuttgen,
traurigen ©nbes fenne. 3<f) bin bereit, belehrt,
über3eugt, 3U fauch3enber Vnl)ängerfd)aft ge=
3mungen 3U merben. Vber id) habe rul)ig unb ohne
Vorfd)uhefftafe märten gelernt auf föftlicher Ver*
heihungen lieblid)e ©rfüllung.
Vubolf Presber
n/ yjMln^u
Ml LKA
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SUCHARDs
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tfber £anb unb 9fteer
1911. 9ir. 50
(Ein BafiivJdjauJ'ptcI
bejonberer 21rt bot jürtgft bet Seeburger See
äiuifd)en 33ern§baufen unb Seeburg, jtoei
Dörfern be§ @td)§felb§. SRitten im SBaffer
ftob ficf) am 19. 2luguft ber Seegrunb berart,
baft eine in ftetem äBacftfett begriffene, au»
nädjft etroa 25 SReter lange unb 4 Sieter
breite ^nfel entftanb, bie in fjorm einer
Sieben bt§ ju 35 Zentimeter fteroorragt.
33or furjem batte man an biefer Stelle nod)
3 bi§ 4 Sieter SÖafferticfe gemeffen. $a§
mertroürbigfte an ber ©rfcbeinung aber ift:
$8or gerabe 258 .Sauren, am 18. Sluguft 1653,
mar ^roniftifdjen Stutjeicftnimgen zufolge an
ber gleiten' Stelle eine foldje $ttfel auf-
getaucht unb nach furjer 3<dt fpurlo§ roieber
oerfcftrounbert; ja, man batte barnali hinter»
brein bort bi$ über 20 Sieter üefe feftgefteüt.
2)er Soben ber jetzigen ^nfel ift ettoaS
fcbmammig, aber bocft betretbar unb meift
in ber Stitte eine tiefe Spalte auf. 3af)ltetcl)e
Slufcbeln unb Slufcbelfdjalen bebecfen ihre
Oberfläche. Seim Sacbgraben ftöftt man
unter ber Slu,fcbelfcbiäbt auf oerroitete§ §oIg,
Salten, äBurjeln ober Säume.
SGBieber aufgetaud)te $nfel im Seeburger Sec
©Ej^äftlid^ Mitteilung
$ie Samt» unb Seibenmobe für
£erbft unb SBinter 1911. $ie Sltefelber
Seibenroeberei Seibenbau§ SRicfteB & &o.,
Serlin, Seipjiger Strafte 43/44, ift mit ihrem
neuen §erbft» unb Sßintertatalog auf bem
Slan erfcbienen. S3er bie Sßaftl eines Staut»,
SaU», ©efeüfcbaftS» ober StraftentleibeS treffen
min, ber fann fid) über b»e geeignetften unb
oon ber Stöbe beoorjugteften ßleiberftoffe unb
ßleibungSformen, über ^utterfeiben unb Se»
faftartifel au§ biefem mit jaftlreicften Stoff»
abbilbungen oerfebenen praltifd)en Stobebeft
beftenS unb foftenloS unterrichten.
UmvaIaam Staetntge3nferaten»9tnnabme
/inzeigen bet £t«b*if monv.
Annoncen »Stpebttion für fämtltdje Bettungen
®eutfd)lanb£ unb be§ 2lu§lanbe§,
tn Serlin, '-Breslau, Sbemntft, ®resben, ®üffel=
borf, ftranffurt a. 2JI., &aüe a. Hamburg,
fföltt a. Sb., Seipsig, SDlagbeburg, Siüncben,
Nürnberg, Srag, Stuttgart, SBien, 3ürid).
Jtjtfcrtion«-ö5ebüljven für bie fünfgefpattene
Sonparetae=Beile Sl. l.so, für bie ©cftroeij, Italien
unb fjrantreicb 3?r. 2 . 26 .
Oetker’^ Rezepte
undptakiijcfj hejfenj ben)äf)t£
d£)e£\pn und ‘Tdtoge'&ien,
-U Parfüm. Bäder-U
Bad nur 10 Pf.
erfrischend, anregend
nervenstärkend
u. Fussschweiss vertreibend.
Zarte Haut, blendend weißer Teint. Damen
und Herren, deren Oesicht und Hände
empfindlich und Seife nicht vertragen,
sollten nur unsere milden, stark parfümierten
Mandelkleie-Bäder benützen. Probekarton
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nur M. 1.— Nachnahme. Porto extra.
Postkarte genügt.
neubeiten.Uertrieb,
Berlin $. 61 , Bneisenanstr. 6 *n.
bie Sajiden non Influenza, Diphtherie unb typl)U$, inbem ©ie
©efir Geehrte* ^err!
§d) habe oon öftrer Stno»@albe
3 ®ofen ä SU. i.i6 mtt gutem @r»
a oerbraueftt. ffür mein tranfeS
r habe ich fcftoit fo oerfefttebene
Slittel angetoanbt, aber aüe§ bat mtr
ntcftt fo gut gefallen, als Sftre »or»
jüglttifte ©albe.
$od>acbtung§ooU
F. Sommer.
Serltn, b. n./i. oe.
Gewürz-Kuchen.
Zutaten: 250 g Butter, 375 g ( 3 /4 Pfd.) Zucker, 6 Eier,
das Weiße zu Schnee geschlagen, 500 g Weizenmehl,
1 Päckchen von Dr. Oetker’s Backpulver, 1 Teelöffel voll
Zimt, 1 Messerspitze voll gemahlene Melken, 50 g Sukkade,
125 g Korinthen, 3 Eßlöffel voll (50 g) Kakao, Vs bis
V* Liter Milch.
Zubereitung: Die Butter rühre schaumig, gib Zucker,
Eigelb, Milch, Mehl, dieses mit dem Backpulver gemischt,
hinzu und zuletzt den Kakao, die Korinthen, Sukkade, Zimt,
Melken und den Eierschnce. Fülle die Masse in die ge¬
fettete Form und backe den Kuchen in rund \ 1 / 2 Stunden.
Anmerkung. Man gibt zu dem Teig so viel Milch, daß er dick vom
Löffel fließt.
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gebrauchen.
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förbere im garten Kampfe umS 2)afein, aber
er bilbe auef) in glüdlidjfter SBeife ein ©egen*
gewidjt jum SDtaterialiSmuS, inbem er ben
Kampf um immaterielle ©üter auf feine
Sjaßne feßreibe unb unS jutn „fair play“ er*
jieße. ©ine wießtige Stoße bei ber ©infüß*
rung beS Sports in möglicßft weite Kreife
fpielen bie Klußßäufer unb bas barin jur
©eltnng fommenbe ©efeflfcßaftsleßen; auf
biefeni ©ebiet haben unS ©nglanb unb Slme*
rtfa wertooße Seifpiele gegeben. Sn einem
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©efäUigfeit beS Siußeren, ©ebiegenßett ber
@inrid)tung unb nid)t pleßt burd) ben bißi*
gen ^reiS als eine glüclließe Söfung ber oon
•giepmel gegebenen Stnregungen su betrachten
ift. 3fn einem ScßlußartiJel ergreift bie
Kaffee * §anbelS * SUtiengefeßfcßaft, bie ben
weltbefannten foffeinfreien „Kaffee §ag" in
ben £anbel bringt, felbft baS Sßort, um
einige Slngaben über bie Verbreitung ißre§
VrobuttS unb beffen befonberen SBert für
Sportleute su machen. @S wirb unter an*
berm barin ßertwrgeßoben, baß ber Umfaß
ber girma troß ber Jurten 3eit ibreS S3e*
fteßen§ jeßt feßon jäßrlicß über 7 SStißionen
beträgt unb oon Sag gu Sag wäcßft. ^n
erfter Stnie ßaßen bie Strgte bie große 1)9*
gientfeße Vebeutung beS Joffeinfreien Kaffees
erJannt unb ißn aßen Verfonen oerorbnet,
benen au§ irgenbeinent ©runbe ber Joffein*
haltige Kaffee nicht juträglicß ift. Sie fdjon
burd) itjre SluSftattung oorneßm wirJenbe
Srojcßüre wirb aßen ^fntereffeuten oon ber
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Die Kunst eine schöne Büste zu erzielen
bildet für die Damen kein Geheimniss
mehr, seitdem die wunderbaren Eigen¬
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— Diese Pillen bo-
. in der Tat die
keit die Büste za
iekcln, zu festigen
wicderherzustellen,
0 wie die Knochen-
irünge des Halses
ier Schultern zu be¬
seitigen, indem sie
der ganzen Büste
eine graziöse Fülle
verloihcn, ohne die
Taille zu erweitern.
Die Pilules Orien¬
tales bestehen haupt¬
sächlich aus orienta¬
lischen l’flauzenex-
trakten und sind, da
nämlich frei von
A rsenih, der Gesundheit stets zuträglich.
Ihre Wirksamkeit darf durchaus nicht
mit der irgend eines anderen, ähnlichen
Erzeugnisses, zum inneren oder äusseren
Gebrauch, verglichen werden. — Ein über
zwanzigjährig T Erfolg hat den Ruf der
Pilules OricuLales bestätigt und erwiesen,
dass dieselben für die Frau sowohl wie
für das junge Mädchen das einzige,
wirklich zuverlässige Mittel bilden, einen
üppigen und festen Busen zu erzielen.
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dium von Unterleibs-Brüchen befaßte, hat
eine Methode erfunden, durch welche jeder
Bruch vollständig und andauernd geheilt
werden kann, wie kompliziert und veraltet
das Leiden auch sein mag.
Herr August Hoyer.
Es wäre schon eine güte Botschaft, wenn
er seinen Patienten nur sichere Besserung
würde versprechen, die Tatsache aber, daß
seine Methode alle Brüche gänzlich und
andauernd heilt, dürfte genügend sein,
selbst dem verzweifeltsten Bruchleidenden
neuen Mut und neue Hoffnung zu bringen.
Er hat über dieses Leiden ein Buch
geschrieben, in dem .seine Methode aus¬
führlich erklärt wird und ist bereit dieses
Buch jedem der es wünscht kostenlos zu¬
zusenden. Einer seiner geheilten Patienten
ist Herr August Hoyer, Wettinstraße 71 pari,
Zwickau i/Sachsen, welcher 18 Jahre lang
an einem doppelten. Hodenbruch litt und
nun 59 Jahre alt ist. Er sagt, er würde es
niemals geglaubt haben, daß irgend eine
Methode eine derart rasche Heilung könnte
bewirken. Er wurde von einem Arzt unter¬
sucht, der über die Heilung sehr erstaunt
war und kaum begreifen konnte, daß ein
solcher Bruch ohne Operation geheilt wer¬
den kann. Herr Rice erhält täglich Dutzende
von Dankschreiben aus allen Teilen der
Erde, die alle beweisen, daß seine einfache
Methode in der Tat die wirksamste ist, die
je einem Bruchleidenden geboten wurde.
Zögern Sie daher nicht, an Herrn Rice zu
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ben; feber ber beiben SReifter tjatte 3 Partien gewonnen, unb
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A — gemifct)teS SReifter« unb £>auptturnier, offen für Spieler
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21. So w ft Ep «Seipgig ben erften, auf 500 SRarE bemeffenen ©reis
unb bamit bie SBürbe eines SReifterS beS Teutfcften SchadjbunbeS
errang. ®aS Turnier B — offen für beulfdje Dauptturnier«
fpieler — mürbe bei 26 Teilnehmern gunäcftft in 3 ©ruppen (9,
9 unb 8 Teilnehmer) auSgetämpft; bie 3 Sieger jeber ©nippe
traten gu einer ©iegergruppe gufammen, unb als erfter Sieger
(260 SRarE unb ©hrenpoEal) ging fcbüeftlid) £err K. ©arlS«
©remen hertor, ber bamit gleichfalls gum SReifter beS Teutfcljett
SchgcftbunbeS ertlärt mürbe.
Über baS internationale Schachturnier ton ©an
©ebaftian im gebruar unb SRärg 1911 erfcbien im ©erläge ton
Dr. SSebeEinb & ©o. in Berlin baS ton g. SRiefeS unb Dr. SR.
Über £anb unb SWeer
Seroitt b^uuSgegebene Turnierbud), baS eine tollftänbige
Sammlung ber im Turnier gefpielten Partien mit turgen unö
treffenben StnmerEungen unter Einfügung gasreicher Diagramme
enthält unb fidb namentlich burdb fein frühgeitigeS ©rfcheinen tor
ähnlichen ©üchern über frühere furniere unb Kongreffe roofd 5
tuenb auSgeicftnet. Stuwer ben fonft üblichen Beilagen — ©ro«
gramm, Turnierbericht, Überficbt ber Spieleröffnungen — ift bem
SDßerfcben audh ein intereffanteS Siegifter ber ©nbfpiele, beren fich
tiele lehrreiche ergaben, beigefügt morben; aud) ein wohlgelungenes
©ruppenbilb ber Teilnehmer giert baS ©ud).
( %M}tx unb SxJirtffrn
fBespredwta ein; ein er merke Vorbehalten. — Rücksendung findet nidit statt)
Singeigenfteuer unb treffe, ©ine Eefterifdfte Stimme aus gn«
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D e s 9R ä t f e I s: ©erfdgiebm.
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3um Gehrperfonal!"
.„^hiltPP •• •"
„£afj gut fein, Gornnt! 2Bir effen je^t.
Ziatton unb Demi merben auch gleich tommen."
„Steht Ztarion auf?"
„©emih-"
Speife3immer mar gebest mie 3U ben
beften 3 eiten bes Gommer3ienrats. 2 Beine
unb Delilateffen maren in ftfütle oorhanben.
Der 93 raten buftete fchon oom ©ange herein,
unb über ber Dafel lag eine milbe, gefeftigte
fiebensftimmung. Philipp rotes bie piä^e
an, Philipp tommanbierte bie Sebienuug,
Philipp füllte bie ©läfer. ©r entpuppte fid)
immer mehr als Hausherr. Ztarion mar
anfangs apathifch, aber fie liefe fief) allmäi)li<h
bodf) 3um ©ffen ermuntern unb lächelte fcl)on
ein menig, als man ihr mit ©urgunber 3u=
trän!.
ptöph plante Garlmann mit ber $rage
heraus: „2Bo fteeft benn eigentlich ber Gild)*
herg?"
©in Schmeigen folgte, bas Philipp mit bem
eigentümlichen £äd)eln eines 2Biffenben begleit
tete. Dann fagte Ztarion mit aufblitjenben
Zugen unb 3 °rnesröte in ben Sßangeu: „Der
lommt nit mehr ! Der hat mir mas übel*
genommen!"
„Hb eigenommen?"
„^Philipp, menn bu Iachft, oeriah ich fofort
ben Difdj!"
Philipp be3mang fih erfdjroden. „Zber
Ztarion — 33er3eihung — ich — na, es tft hoch
1911 ( 330 . 106 )
eigentlich auch grotest — es ift fo nieder*
trächtig, bafe es fdjon grotesf ift —"
„ 3 a, mas benn, Ginber?" rief Garlmann.
„3h merb' bir's fagen, aber bann !ein SBort
mehr oon ber ©efd)id)t'," ermiberte Ztarion,
mit 3itternben Pmnben ihren 23 raten fdjneibenb.
„Der £jerr $ofmarfd)a!l hat mir eine Stunbe
nad) Ottos Dobe einen ^eiratsantrag gemacht."
3e^t gefdjah etmas für<ä)terlich Seltfames.
Die gan3e Dafelrmtbe oerlor bie Raffung unb
lachte, lachte heftig, anhaltenb, mie unter
einem fd»mer3enben 3 mange. Zud) Ztarion
lachte. So mürben bie Dobesf hatten oerjagt.
Ztinutenlang mährte biefes üdjernbe, Hang*
lofe, mühlenbe Sachen. Die Zomhtgers mollten
fid) nicht faffen, unb fie faxten fid) niht.
Philipp roar plöfelidt) mieber glüdlih unb
fügte hitt3u, mas Ztarion niht mehr er3ählen
tonnte, ©raf Gilhberg hatte bie ©ebulb oer*
loren. Ztit ungefhidtem flattern mar ber
lauembe Zauboogel niebergegangen unb hatte
fein biplomatifhes Gartenhaus 3erftört. ©r
holte fih fhon einen Gorb oon ber reichen
©rbin, als fie taum ©rbin gemorben mar.
„Der ift ja aud) oiel 3U alt für bih, Ztarion,"
meinte Doni.
|>alb meinenb, ha© lacheub brüdte Ztarion
ben geröteten Gopf an ihre 23 ruft. „Sed)3ig
is er!"
„ 3 h mein' bas gan3 emfthaft," fuhr Doni
fort, bereu naioe Hber3eugtheit in folchen
Zugenbliden gefährlih mar unb nur nod)
mehr 3um Sahen refete. „Du bift boh noh
'ne junge 3 rau, Ztarion. So 'n alter Graher
mie ber Gilhberg..."
Zeues Sah^Ti — bas ^ausmäbhen ging
mit hohge3ogenen Schultern hinaus.
„Sraoo, Doni!" rief Philipp-
„9Bie' ein Uhu fhaut er aus!"
„Drin! niht mehr, Doni," marnte Garl*
mann. „Sie triegt immer gleih 'neu Shroips."
Zeue Weiterleit brah los. „Unb ber
©iegenau!" rief Ztarion plöfelth mit fhriller
Stimme.
„Der Siejenau? ZIfa? ZSas is benn mit
bem? Ztit biefem ©hrenmann, ben ih liebe?"
So äußerte Garlmann fih jetjt träftig.
„Der ift — frag nur ben Philipp — der
möd)t gern erben!"
„ 23 iegenau? 3 ft er blöbfinnig gemorben?
Das ift ja unmöglich!"
„3a — unb meü er bas meih — unb meil
er feinen 2Bunfd) nit merlen laffen möht —
mäht er immer ein beleibigtes ©eficht, menn
er mich fieht, bamit ih ihnt mas anbiet'!
Damit id) oon felbft brauftomm, hm ein paar
Daufenber 3u ftiften!"
„Ziarion, bas ift ja mirtlid) —"
„3ragnurben Philipp l ^h, diefe Ztenf hen!
Diefe Ztenfhen! 3 ^fet lernt man die SZenfdjen
tennen!"
Ztarion marf fih in den Seffel 3urüd unb
prehtebas©efihtinbie$änbe. Zllefhmiegen—
man muhte niht recht, ob fie meinte ober
Iahte. Dann fragte fie unter ihren §änben
tonlos: „§abt ihr benn ben Gran3 aus roten
Zofen gefehen?"
„Den großen?" rief Garlmann eifrig. „ 3 a
gemifj! Den mit ber meinen Sh©ife!"
„2Biht ihr, oon mem ber ift?"
„ 3 h tonnte bie 3 nfhrift nidjt lefen. Du
üielleid)t, Doni?"
„Zein."
„©r hatte leine 3nfh^tft. $ans hat ihn
gefhidt."
Zah biefen SBorten erhob fih Ziarion unb
oerlieh mit fdjleppenben Schritten, mie eine oon
©ottes ipänben Ziebergebeugte, bas 3 t mr aer.
Garlmann unb Doni fprachen, als fie in
ben 23 etten bes 3^^roben3immers lagen, noh
lange über biefen feltfamen ©inblid in Ziarions
Seele. Sie Hämmerte fih alfo noh iromer
an ,ben ZtenfchenS an §ans oon $epben,
unb mas hatte er ihr angetan ! Der Gran3,
ben er bem Doten gefanbt hatte, in einer
3ufälligen Zegung ber Zeue oielleid)t, mar ihr
ein Siebes3eid)en.. So arm mar biefe reihe
3rau. —
Doni lonnte es niht lange in bem oben
$eim bes toten Sdpoagers aushalten. Zuh
mürbe ihr Philipps Stellung barin immer
mibermärtiger. Ziit einer fo naioen Unoer*
fhämtheit trat er bie ©rbfdjaft an, für bie
Ziarions feinere, fd)mer3erfüllte Sinne noh
niht reif maren, bah Garlmann über biefen
unergrünbliheit 23 ruber ftaunte. ‘ptpUpP
bähte niht baran, 3u feiner ,©raut‘ nah
Ejeibelberg 3urüd3ulehren. ©s genügte hm
oorläufig, in Berlin ben ©ranbfeigneur 311
fpielen, unb man lonnte allmählich baran
3meifeln, ob bie §eib eiberg er ZSitme mirllih
feine Sraut mar. Ziit fhmer3lihem Zeib
fah Doni, mie Philipp Sd)ähe an fih raffte.
Garlmann errang fih auf anbre SBeife
Sympathien — mie ein l^ürft oerlieh er bas
|jaus, mo er 3U ©aft gemefen mar. ©r oer*
teilte Drinlgelber, bie eine auherorbentlid)e
Zleinung oon feinem ZSohlftanbe ermeden
muhten, in ZSahheit aber nur einen tüchtigen
Zih in bie Zeifelaffe mähten. —
äBährenb ber Zaddfahrt nah Ztünhen
hatte Doni einen feltfamen Draum. Sie mar
feit ihrer Ginbheit an bas 23 ilb einer Greu3igung
gemöhnt, bas am §od)aItar ber 3 ohcmnis!irhe
3U 3riedrict)sburg hmg. ©s mar oon einem
fhmefeerifhen Zteifter bes fieb3ehnten 3 <h rs
hunberts unb geigte eine eigenartige Zuf*
faffung bes großen Urmotios, bie es fo ein*
prägfam machte. Zuf einem Zahthiromel oon
bunller Purpurfarbe mar ber ©elreu3igte 3U
fehen, ber eben oerfheiben mollte. Zus bem
unteren Zanbe bes 23 ilbes aber mud)s ber
174
1302
Über £anö unb 9Veer
1911. Vt. 51
Dberförper eines getarnt fdjten Cannes auf.
©r toar mohl ber genfer gemefen unb fiarrte
nad) oollbracf)ter Arbeit $u ©hriftus empor.
|jalb fat) man nod) an ihm bie (Ster bes Kriegs-
tned)tes, ber um ben ^eiligen Vod gemürfelt,
halb fühlte man, baß biefer Vtenfdh gebannt
roar oon Furcht unb feimenber Vljnung, als
er mit bem §eilanb ber SBelt allein mar. (Sr
tjatte bie Vugen eines Vlinben— es maren
feltfame, große, aber glanglofe klugen. Unb
plößlidh, im Sdhmanfen bes Traumes, oon bem
unt)eimlid)en Stampfen unb Surren ber Vadjt*
fahrt umfungen, bemertte 3bni, bah bie alt*
oertraute ©eftalt am Jdreuge fid) oeränbert
hatte, unb als fie fd)ärfer hinfah, mar aud)
ber ©eharnifdjte ein anbrer gemorben. 91m
Strebe hing jeßt, oom Vtonb mit einer Silber*
Itftie umfd)immert, ein VSeib. ©s mar ein
fdjönes, bunteihaariges VSeib, bas Doni tannte.
V3er mar es hoch? V3er hatte fo feud)te, ins
©lüd oerlangenbe Vugen? Vur ©oa. ©oa
Vollfint htttQ am 5treug. 3P fließ enb es ©e*
manb mar oon ihr genommen. 3 üm erften
Vtale fah 3mni fie im munberbaren ©ben*
mah ihres teuften Körpers. Der ©olbton
ihres Vntlißes bebedte aud) ihn. Sie mar fo,
gan^ fo mie ihre treue, leiberprobte Vüene.
V3er hatte fie gefreugigt? 9Bar bas bie 2Bal)r=
heit? Sah fo tp ©eheimnis aus? 3 a , ^Saula
mar tein iiinb, bas ©rträumtes oorbrachte
unb mit ben Schmerlen ber ©rohen fpielte.
Vie hatte 3oni oergeffen, mas Vaula ihr in
Friebridjsburg oon ben Vmmerfelber Dagen
erzählt hatte. 3a Vmmerfelb alfo ftanb ©oas
itreug. Unb ber ©eharnifd)te, ber gu ihr
emporftarrte, blinb unb ahnungsooll, aus ber
Diefe sur £>öp oerlangenb, mar 3ohamtes.
3oni erfannte ihn. V3o mar fein ftiller Sieg,
mo blieb feine Iäd)elnbe 2 Beisi)eit? ©r hatte
bie Mächte bes Dafeins nie gezeigt. 3^ßt
fah bie erfd)ütterte Doni, bah auch er bort
ein anbrer mar, auch er. ©r fühlte fid)
als Verbrecher, er hatte feine ©ottpit ge*
treu 3 igt unb ftarrte 3 U ihr empor, in folcßer
Vad)t mit feinen bünben Vugen fehenb — nur
in folcher Vadjt. Sie aber ftarb am itreu 3 —
ohne ©lüd, ohne $reis unb nie ertannt. 3 hre
blühenben Vrüfte meltten unb bie halben
Füße fpürten ben burchbopenben Vagei halb
nicht mehr. Vber ein Vtann tonnte es oer*
fdjeibenb fagen: 3ob, mo ift bein Stadhel?
$ölle, mo ift bein Sieg? — ©in VSeib? —
©in Vßetb blieb Vntlage, folange nad) ihm'
noch menfchlidhe Sinne mach maren.
3onis Draurn ging in §albfd)laf über.
Draußen tämpfte fchon ein grauer borgen*
fchimmer mit ber ummölften Vacp — es
ftampfte unb raffelte, es tobte mütenb über
bie betauten gelber hin, ein Vaudhfdjmall er*
ftidte bie fel)nfüd)tigen iteime ber Frühe.
itarlmann mar ermacht unb beugte fid)
aus bem oberen Vett bes Scftlafmagens in
bie enge Diefe nieber. ©r fragte, mas ihr fei.
Sie erzählte ihm ihren Draum nicht, fonbern
tlagte nur über itopffdhmerg. ©r tröftete fie.
Dann oollführte er mit nadten Füßen bas
Vfrobatenfunftftüd, pnünter 3 utlettern, tühte
3oni unb trat, nad)bem er fid) rafdj angetleibet,
in ben ©ang hinaus, um itaffee 3 U beftellen.
Der erfte 9Jtünebener Dag mit feinen
Pflichten unb Paulas VSieberfepnsfreube lieh
Doni ben fonberbaren Draum ber Vadjtfapt
rafdh oergeffen. Doch es ftanb noch in mittel*
barem 3 ufammenhang, baß fie abenbs plöß*
lidh 3 U £arlmann trat, ber am ftlaoier phan*
tafierte, unb, ben 5topf an feiner VSange ber*
genb, flüfterte: „Vcß t- mir ßaben's hoch am
beften."
©r fpielte leife meiter unb fragte: „V3ie
tommft bu barauf?" .
„3ch mein' nur — bas üeibenfcE)aftlicE)e
unb bas £eib überhaupt, bas bie Vtenfd)en
umeinanber haben — Herrgott — oiel Seele
ftedt nit bahinter. ©in itampf oon milben
Dieren mit Vtenfdjengefidjtem ift es halt —
tein 9lufhören, tein Vufhören — nur 3agen
unb dauern — nur Verbluten ...“
Startmann fpielte nicht mehr, ©r 30 g fie
an fid). „Sage mir bod) beutlid), mas bu
rneinft.“
Sie fah ih^t nid)t an, mährenb fie ant*
mortete. „ 3 a, Liebling — menn's geht.,.
3 ch mein' nur — bie Vuhe — bie menfgliche
Vuhe — bie tut not. 3aoifdhen Vtann unb
3rau... VSas foll man benn immer an bie
Vad)t benten? 9Jlan lebt bei 3age. 9Jlan
arbeitet bei 3age. 9lud) ans Stirtb mirb nur
bei 3age gebaut. 9tber beine Deut', Starl*
mann — bie finb mirtlid) bloh Va^tgefchöpfe.
©arftige Vad)tfd)metterlinge finb bas. Sie
hei 3 en unb gieren immerfort — nie tommen
fie 3 ur Vuhe. Viag ja auch fein Schönes
haben — bie Unruhe — gelt — mir miffen's ...
9lber mas man aufgibt, geminnt man für bie
3utunft mieber — unb fürs Vlter, Startmann."
Seine Umarmung loderte fid) ein menig.
„ 3 ürs 9llter?" fragte er halblaut, mie in
leifem Sd)red.
Doni lächelte. „23raud)ft noch nit baran
3 u benten! 3 <h auch nit! §ab nur ebensolche
Stimmung gehabt. 3ut mohl — tut mirllicf)
gan 3 mohl — ein tleiner Vusblid..."
Starlmann fragte nichts mehr — er fah
fie nur noch einige Vtale in befangenem Stau*
neu an. Sein ©utenad)ttuh hatte etmas
Scheues, 3tabifelnbes — mehr ^odjfchähung
als 3 ärtli<hteit lag heute barin. Doni über*
legte lange, ob er fie richtig oerftanben hatte.
3 lm nä^ften Vtorgen tarn ein Vrief oon
©oa Vollfint. 3u 3onis Uberrafd)ung mar ber
Vrief nicht aus Vmmerfelb batiert—er lautete:
„3oni — ich bin nicht mehr in 9tmmerfelb,
unb 3ahannes ift bort geblieben. 3<h> Deine
©oa, nod) immer Deine ©oa, id) bin hter mit
Vemb Vübiger. Vun mei^t Du, mas bie
VSur 3 el oon allen Dornen ift — tief finb fie
mir in bie Stirn gebrüdt morben unb tun
entfepd) meh — aber aud) Vofen machfen,-
Vofen, blutrote Vofen, 3oni. Vift Du meine
3reunbin? 3a, Doni! Du haft midh immer
gefannt. Du häft gef eben, mo anbre ftumpf
oorübergehen, Du haft begriffen, mo anbre
oerurteilen. 3oni! £af) mich bei Dir aus*
ruhen! — SOlir fchmillt ein 2 Beh im §er 3 en —
unermeßlich! Vier 3 ehn 3 a Pe habe icf) es
getragen, oier 3 ef)n 3 ah^e, Doni — jeßt bin
ich 3 meiunbbreißig. Das ift noch i^g! Vod)
immer jung! Du ftarrft mich an, Du fragft —
nein, nein, Du fragft es bod) nicht „.. £iebft
Du 3ahannes niht? — VSenn Du es fragft,
fo laß Dir fagen, 3oni: idh liebe ihn mie ben
©rtöfer, ben uns bas Dafein nur einmal
fd)enft. 9lber bie ^eitfdhe bes Vüßers hat
mir ©ott nicht mitgegeben, unb ich mill fie
auch itidjt, id) tafteie midh nid)t, id) meiß,
ich ehre, mas ©ottes SBille ift! Vlühen, 3^udht
tragen, Doni! Dann erft melten! Dann erft
m eiten !...
Stennft Du Vernb? — Du haft ihn mohl
einmal in Vmmerfelb gefehen. Damals gefiel
Dir fein Sdjmetgen. Dl), er hat mit mir ge*
fdhmiegen — bis ich ihn rebeit hieß! Vis er
mir fagte: ,Du bärfft es nicht! 3 ut) tet haft
Du bem Vlirtben fdhon gegeben!' 3u*nel? —
3a, Du! 3a! — ©r fagte mir, baß ich
feße, 3^oni... Vegreifft Du bas? — Füßling!
Vraufenber ^riihling tarn ! fieudhtenbe 3effel*
Iofigteit! —
Unb 3ohannes trat, mie bie Vbenbfonne,
groß unb füll 3 U uns hinaus unb fagte : ,©el)t!‘
3 dh bat ihn, i<h umtlammerte ihn — aber
er mies midh fgnft 3 urüd unb fagte: , 3 dh habe
Dich bod) nie gefehen. Doch nie. ©ibt es
einen StRann, ber Didh fieht unb oon bem Du
gefehen fein millft — mohlan benn — manbert
hinaus, ihr beiben, manbert! 3 $ habe meine
Stille!‘
Doni, auch in meine Vlüfte fam Uber*
fchmemmung unb Sturm. 3ch Keß mich fort*
tragen, ©in VSirbelminb oon Staub all meine
Vorföße. Die 3 u 0enb trüg midh- 9ld), bte
arme, blutjunge, holbe, unfd)ulbige 3 ugenb!
3 eßt fißt fie unb brütet unb tlagt midh an:
idh hätte fie fdjulbig gentadht. So geht es
ben Flüchtlingen in ©hnoalb, 3oni. Unb
ein ©ttbe mirb tommen. ©in ©nbe muß
tommen. VSas mir bürfen, genügt uns nicht.
Unb mas mir molten, bas müffen mir uns
oerfagen. Unb fdhulbig bin ich- Denn ich barf
3oßannes nicht oerlaffen, unb Vernb dann
nicht leben ohne mich. Vicht leben ohne mtd).
Vun meißt Du alles, ©ine SUage,' ein Vätfel
umtreift brei Vlenfdjen! Sie tennen fidh gan 3 ,
fie lieben fid) gan 3 unb hängen einfam bod)
an ihren itreu 3 en! 3 ohannes fagt, er tann
midh entbehren — ich glaube es ihm nicht.
Vernb fagt, ich foll 3U il)tn 3 Ürüdgehen —
ich glaube es ihm nicht! Der Dob ftetjt
bienftfertig in ber Välje. 3<h mill bas £eben
um bie Dual bes £ebens! 5lein ftumpfer,
finnlofer Schluß! Staub merben? VSürmer*
fpeife? Vfut! VSir Vtenfchen müffen lachen!
VSir müffen lachen lernen! 3<h ooill mir's
überlegen, mas am beften ift für 3 ohannes
unb Vernb. ^öffentlich o^erbe ich ttid)t mahn*
finnig babei. Denn ich höre Vernb f<hlu<h 3 en,
unb 3ohannes fehe ich in bie rote Sonne
ftarren. 3oni! VSenn Du einen Vat meißt —
ben ri^tigen Vat — oerfeßmeige ihn mir nicht!
Vber frage nicht Startmann! Ver 3 eih mir —
Du meißt, baß ich ih^t liebhabe — aber ich
tomme nur 3 U Dir. Deine ©oa."
Drei Dage fd)leppte Doni fich mit biefem
Vrief herum. Unb als fie ihre munberfame,
erfd)ütternbe Pflicht nid)t länger hinausfdjieben
tonnte, oerfiel fie auf eine Votlüge. Sie gab
©oas Vetenntnis nid)t preis, fie fagte, baß fie
fidh erfeßöpft fühle unb mit ^aula eine tleine
©ebirgsreife unternehmen molle. So plößlid)
biefer ©ntfdjluß unb fo ungemohnt er bei ber
ftarten 3oni mar — Starlmann munberte fidh
nidht barüber unb mar fogar gan 3 froh, einmal
allein in ber Vtünd)ener VSohnung 3 U herr*
fchen. VSarum fie $ßaula nach ©hrmalb mit*
nahm, machte fie fid) nicht gan 3 tlar. Diefes
Stinb h^tte ben hellen, beherrfdjenben ©eift ber
VSahrheit. Von ihm, ohne fidh ihm ausfpredjen
3 U müffen, mollte 3oni jeßt begleitet fein.
Vis fie in ©hrmalb antam unb ©oa S>anb
in |>anb mit bem hodjgemadjfenen, helläugigen
Dänen fah, mantte ihr 3 uerft bas Sjer 3 . Dann
aber besmang fie fid) unb medhfelte mit ©oa
einen fdjeuen, lädhelnben Vlid: bie Vugen
beiber Flauen maren auf ^Sauta gerichtet.
Sie mar fdhon 3 mölf 3ape alt. Sie mußte
inftinttio ertennen, marum bie Dante ©oa
nicht mehr in Vmmerfelb mar, unb marum
ein frember Vtann hier an Dntel Johannes'
Stelle meilte. Vber merten ließ fie nichts.
Sie mar oiel ftiller als fonft, bodj leuchtete
aus ihren reinen blauen Vugen begreifenbe
©üte, fd)eues Veifeiteftehen unb eigenes Vach s
finnen, menn bie ©roßen um ihrer Diebe
millen 3 U leiben hatten... Vernb Vübiger
trat plößlidh auf Vaula 3 U unb tüßte ihren
golbblonben Scheitel. Dann fdjentte er ihr
feinen ©amsbart, feine Vbterfebern, ©bei*
meiß, einen Vergftod, Vutomatenfdhofolabe,
unb ratlos faß er fid) um, mas er ihr fonft nod)
fchenlen follte ...
Vis es Vbenb mürbe unb ^Sauta 3 U Vett
gefdhidt morben, als 3oni Vominger ©oa
Vollfin! unb ihrem Freunbe unter ber $änge*
lampe bes ©afthofftübdhens g'egenüberfaß —
ba fdhmiegen fie fidh mit ihren großen Fragen
an, unb fummenb 30 g an ihren Open ber
rätfeloolle Vßelttauf oorüber. Stunben faßen
fie fo unb tränten einen fchmeren, gelblichen
VSein. Sie fpradjen faum ein VBort. ©rft als
es 3 mölf fdjlug, richtete ©oa mit bebenber
Stimme bie ©ntfdheibungsfrage an 3oni:
„Vßas ift nun beine Vnfidjt? ©eßt es? Deilft
bu Johannes ober Vernbs Vleinung? VSoßin
foll idh gehen — morgen?"
3oni flüfterte mit halbgefchloffenen Vugen:
„3(h glaube, 3U 3ohanrtes, ©oa," SieJ)orte
ihre eigenen 2 Borte nicht.
Da fepudföte ©oa auf, 311 m erften Vtale,
in milbem 3ammer. „Du bift alfo auf ber
Seite — Vernbs!?..."
Die anbem fdhmiegen. Der Däne -hielt
1911. Wr. 51
Über ßartb unb 9Weer
1303
feinen tobesmutigen, unbeirrbar ernften Slid
auf ©oa gerietet. (Sr nidte. Da erhob fid)
gohannes ^HoXlfinfs grau unb fagte: ,,©ut.“-—
Der feimenbe grül)Iing fai) gohannes unb
©oa Wollfinf mieber im Wmmerfelber ©arten*
häufe beifammen. Still, mit bem alten,
freunblid)en ©rnft ging ber Slinbe umt)er
unb fann über ferne, tranfgenbentale Dinge,
©oa, mit etmas roelten 3ü9en, TiidE)t gealtert,
aber am gub ber Seele gefeffett, forgte im
£ausf)alt unb bebiente traulid) il)re ©äfte.
Diefe ©äfte, bie fie nid)t mehr oon fid) lieb,
maren Doni unb ^jßaula. ©ines Wbenbs mürbe
aud) Sarimann aus Wlünchen ermartet. Die
grauen gingen ihm 3ur benachbarten Sahn*
ftation entgegen, ^auta blieb bei £)nfel go*
hannes. Das mar ein geft für fie, menn fie
einmal mit ibm allein mar unb if)m oorlefen
tonnte, ©r lieb fid) am liebften oon ibr oor*
lefen, bas hatte er immer mieber oerfid)ert,
unb bie febmierigften Dinge, oon benen fie
mirtlid) nichts oerftanb, tarnen Dag für Dag
oon ihren roten Sippen. Sie hatte eine fo
feine, tlare Stimme — mod)te fie oft aud)
falfd) betonen — es büntte Johannes Wollfinf,
bab er nur bureb biefe Sorleferin ben reinen,
unoerftimmten Saut ber 2 Beisf)eit hören tonnte,
©r mad)te ficb leine Sebenfen, ob bie Settüre
auch für ^ßaula geeignet mar — bie grauen
beftätigten es ihm, bab er fid) besmegen teine
Sebenfen 3U mad)en braud)te. So gab er
ihr Schopenhauer, Wiebfdje, ©oethe. ©oethe,
ertlärte $aula, fei ihr ber Siebfte. Da tat
ihr Ontel Johannes heute, an biefem Dage,
ber megen Sarimanns Wnfunft ohnehin ein
gefttag mar, einen befonberen ©efallen. ©oethe
burfte $aula aus ber Sibliothef in ben ©arten
holen, ben SBeftöftlidjen Diman las fie ihm oor.
Sie oertieften fid). Sie oerfpannen fid) ber*
maben, ber blinbe, Iaufdjenbe gohannes unb
bie mit reinem geuer
betlamierenbe 'paula,
bab fic gar nid)t
mertten, mie bie
©artentür fid) öff*
nete unb Sarimann
mit Doni unb ©oa
hereintrat. Sie blie*
ben an ber Pforte
ftehen unb beobachte*
ten Iäd)elnb, ohne fid)
3U rühren.
IV
Sarimann blieb
nur einen Dag in
Wmmerfelb. Sein 3 u*
reben half — er be=
hauptete, 3U tief in
ber abfdjliebenben
Arbeit an feinem
Wofenfampf3ufteden,
unb nahm in aller
grühe haftig^lbfchieb.
Doni mar beforgt —
er machte einen ner*
oöfen ©inbruef, unb
fein gan3es Dradjten
mar auf einen un*
betannten 2Beg ge*
richtet. Siefd)ob alles
auf bie unglüdfelige
Arbeit, bie ihr nun
fd)on in einer langen
Weihe oon gahren
oiel oon Sarimann
fortgenommen hatte,
gnbriinftig bat fie
bas ©efd)i<J barum,
bab ?)ort unb San*
cafter enblid) ausge*
fämpft haben möd)=
ten. Wls fie aber mit
Sarimann auf bem
Wmmerfelber Sahn*
hof ftanb unb feinen
Sub fpürte, ber eine
1911 (33b. 106)
oerlebenbe glücfjtigfeit hatte, ba mailte es in
©r auf, unb fie ftieb ihre Sorfäbe um. Son
©rem geliebten Wtann lieb fic fid) fo nicht
lüffen. SSas hieb benn bas? Diefe böfe, oer*
fummelte £jiftorie!
„Sarimann,“ fagte fie unb hielt ihn am
Wrm feft — es maren nod) 3ef)n Wlinuten bis
3ur Abfahrt bes 3u9es — „bu gefällft mir gar
nit. Streng bid) hoch blob nit fo mit ber
Arbeit an, ©eliebtes.“
©r richtete mieber nid)t ben Slid auf fie,
fonbem fr amte nach feinem Sillett in ber
Dafd)e. 2Bie blab unb bebrüdt fai) er in biefer
grühlingsmorgenfrifche aus! Sie begriff ihn
nicht.
„gef)lt bir benn mas, Sarimann? Sag es
mir bod)! 9 Jlir nubt es bod) blob, toenn id)
alles meib, mas bu —“
„Wber gar nid)ts, gar nichts,“ unterbrach
er fie haftig, faft barfch- „geh rnub übrigens
einfteigen. Die Arbeit ift fo höllifd) fdjmer —
na, nun bin ich i a halb erlöft oon bem Sanb*
murm.“
„ga, ©ott fei Danf! Wber meibt, Sari*
mann — id) halt' es für bas befte, menn mir
morgen auch nach Wtündjen fommen, bie
"^aula unb id) —“
„Wber feine Spur! 2 Bas foll bas heiben?
geh bin hoch fein SBicfelfinb! Du bift je^t
hier, um bich 3U erholen — bas haft bu bringenb
nötig! 9Bo3u haft bu bir benn mit foldjer
Wlühe Urlaub oerfd^afft? gns alte god) fommft
bu nod) immer früh genug!“
Doni fcfjmieg ein 2 Beild)en — ein Sd)atten
flog über ihr ©efid)t, unb im gnnern tat es
ihr irgenbmo meh- „Du bift furios — ich hott'
gebad)t, bu rnirft eine WZorbsfreube hoben —“
„<?>ab' id) ja aud)! 3 Benn ihr mieber ba
feib! gn oier3ehn Dagen! So mie es oon
oomherein projeftiert mar!“
„Dann finb mir 3toei Wlonate fort, geh
tat's um bie ©oa —“
„©infteigen, mein $err!“
„gd) mub — ber 3 uq geht ab — abieu,
mein £er3 — id) fomm' ja in3mifd)en nod) mal
heraus —“
„Sag menigftens, bab mir nädjften Sonn*
tag mieber in Wlündjen beifammen finb!“
„Wächften Sonntag —?“
„©infteigen, mein §err!“ Der Saf)nbeamtc
mollte grob merben unb bie ©attertür fd)lieben.
Sarimann fübte Doni — etmas inniger als
3Uoor. „gd) telephoniere!“ rief er. „®rüb
bas Sinb!“ ©in SBinfen noch, unb ber ge*
mäd)li(f)e Sorort3ug bampfte in ben Wlorgen
hinaus. —
gn einem Sd)mabinger Saffeehaufe, ber
Stätte, mo oiele fd)idfaIsoolle Sefanntfchaften
angefnüpft mürben, hatte Sarimann bas ©he=
paar SBachtel fennen gelernt, ©r hotte bie
jungen fieute 3uerft in einem gröberen Sreife
getroffen, 3toifd)en WZalern, fiiteraten unb
anbern Sunftbefliffenen. Sie maren ihm fofort
auf gef allen, benn in ber tiefen Serfdjiebenheit
ihres SBefens oerfehrten fie anbers mit ben
Sünftlern, als 3U ermarten gemefen märe,
fjerr 2 Bad)teI, ein hagerer, unfeheinbarer
Wienfeh, unterhielt fid) aufs eifrigfte mit ben
Difchgenoffen unb urteilte, als ob er felbft
ben gan3en Dag im Dienft ber Sunft ftänbe.
gngeborg, feine grau (fchon ber Warne mar
merfmürbig), trat bagegen aus einem oiel*
heutigen Sdjmeigen nid)t heraus. Sie fog
nur 3umeilen an einem ©isgetränf — fonft
fab fie ftumm hintenüber gelehnt unb lieb
ihre feltfamen grauen Wugen über bie WZienen
ber Sünftler gleiten. Sie fpi^te bie rötlidjen
Sippen, menn fie an ihrem Strohhalm fog, fie
lieb, bas Söpfchen mit bem breiten gebernhut
gefenft, ihre Wugen oerftohlen umhermanbern.
Das gab ihr etmas
fd)mer3lid)gronifches.
SarImannbeobad)tete
fie, aber gngeborg
2Bad)tel fah ihnnid^t
länger an als bie
anbern. gf)r ©atte
be3ahlte — gehorfam
erhob fie fid), nidte
mit mattem £äd)eln
unb ging bann fdjme*
benben Schrittes an
feiner Seite hinaus,
gebt erfunbigte fid)
Sarimann, ©r erfuhr,
bab £>err 2Bad)tel Se=
amter an ber 23 apri*
fd)en §ppothefenbanf
fei, oon feiner grau
miffe man nur, bab
fie Sd)aufpielerin ge*
mefen fei. Der reiche
junge Wlenfd) habe
fid) gemib in fie oer*
liebt, bie Pjeirat gegen
ben 2Billen feiner
©Itern burchgefebt
unb feine grau ge*
3toungen, oon ber
Sühne ab3ugehen.
Diefe Wadjrid)t oer*
febte Sarimann in
©rftaunen. Sdjau*
fpielerin mar gnge*
borg 2Bad)tel? Sah
fo eine Dame oom
Dheater aus ? ©r
hatte feit Sucie Wau*
manns Dagen feine
Sdjaufpielerin mehr
fennen gelernt. 2Bas
ihm aus biefer gu*
genb3eit in ©rinne*
rung geblieben, mar
ein rafch burd)fd)auter
glitter, eine h^bfehe
Süge, bie fo offen*
175
Sauernreüer. 9Zad) einer Slabierung oon fteifferfcheiö
1304
funbig war, bah fie ritfjrenb würbe. Schnell
genoffen, fdjnell oergeffen — bas war bie
Sd)aufpielertn £ucie Naumann. Sber gnge*
borg 2Baä)tel? — ©s war ettoas grrenbes,
£ilftofes in ihren märchenhaften Gingen. gns
£eben oerirrt fdjien fte — ja, fo muhte es fein —
aud) bie Stunft hatte fic nicht froh gemacht,
unb als fie ihren Segen eben erfahren follte,
toar biefer brutale Kaufmann getommen,
hatte fie aus Schimmer unb Sehnfudjt in feinen
trodenen£iebesbienft ge^toungen. Sie gehorchte,
aber fie erfannte, muhte es erfennen, bah fie
gefangen toar. Nun fah fie fich um — laut
|jilfe irgenbroo her? £itt irgenbwo eine oer*
roanbte Seele? Ster jdjleppte biefelbe Not
.um unbegreiflich niebere unb herrliche Dinge
in fich herum?
Die erfte-Sefanntfdjaft mit ben 2Bad)tels
fanb noch im SBinter ftatt, beoor Startmann
unb Doni 3U Sraumüllers Seftattung nach
Serlin gefahren waren. ©ine feltfame Set*
fettung ber Umftänbe — fo oerfuchte Start*
mann es fich felbft 3U erflären — hatte ihn baoon
abgebracht, Doni oon biefen Slenfdjen 3U er*
3ählen.
©rft als fie mit Paula oon Smnterfelb
nach München 3urüägefommen roar, fah fie
bie neue Sefanntfd)aft. Sie begegnete eines
Nachmittags in ber £eopolbftrahe ihrem (Batten,
ber 3toifcf)en einem £>errn unb einer Dame ge*
mächlich bahertam. SIs er Doni plöt$lid) oor
fich faf), errötete er — fchneü gefaht aber
ftellte er feine grau ben 2Bact)tels oor.
Doni rounberte ficJ) noch immer über bie Se*
gegnung unb blieb einfilbig, mährenb fie
bie merftoürbige Staf f e ef)ausbetanntfd)aft oon
ber Seite betrachtete. §err S 3 ad)tel, ber Start*
mann fo roenig fpmpathifd) roar, geroann ihre
Neigung 3uerft. ©r fühlte fich rrtd^t roohl babei,
roenn feine grau mit £>errn Nomtnger,fprad),
unb atmete auf, als enblich auch bie ©attin
bes fchönen SNannes erfchienen roar. gn feiner
nüchternen fd)lefifd)en potterart unterhielt er
fich mit ihr, unb Doni, bie oon ber Schönheit
ber fremben Dame bebrüdt roar, seigte fid)
für bie £iebensroürbigteit ihres (Batten baut*
bar. 3 um erften State hörte Startmann fie
Stonoerfation machen. Stfo bas tonnte fie
auch — er hatte es ihr nicht 3ugetraut unb
mißtraute ein bischen ihrer ©hrlidjfeit. Stenn
grauen roie gngeborg unb Doni fich begeg*
neten, muhte es Schlingen unb heimliche
Stacheln geben. Sud) roar er in ber peinlichen
Situation, bah Doni allmählich nterfte, roie gut
er bas Paar tannte. Doni roollte fich nur
teine ©efränltheit anmerfen laffen — beshalb
fprach fie fo leicht unb mit falfchen, Hebens*
roürbigen Sugen. Dah Startmanns SNihtrauen
recht hatte, follte fid) fofort nach ber beglichen
Serabfd)iebung erooeifen. Staunt hatten bie
S 3 ad)tels ben Nüden geroanbt, als Doni fd)on
mit erheblichem (Bift in ber Stimme fagte:
„(Befallen bir bie fo gut ober bift bu nur
höflich gewefen?"
„Dasfelbe roollte i<h bid) fragen/' erroiberte
Startmann geregt. „Du roarft ja gan3 fonoen*
tionell. So lernte id) bi<h 0är nicht."
„Sitte, was fömtert fie benn oon mir be*
anfpruchen? geh fernte fie ja burchaus nit fo
genau roie bu!"
„Stenn bas ein Sorwurf fein foll — ich
habe bir ettt3ig unb allein besroegen nichts
oon ihnen et3äl)it, roeil ich mir fetber erft flar
über fie roerben roollte."
Doni fd)wieg eine Steile. Sie fühlte
buntel, bah fie irgenbeiner Unwahrheit auf bie
Spur getommen roar. Sber bas ©an3e erfdjien
ihr bod) 3U lächerlich — es reifte fie auch,
einmal Iiftig 3U fein unb nicht wie fonft mit
plumper ©hrltd)feit ihre harten aufsubecten.
So lentte fie ein unb fragte nach 3 >errn S 3 ad)tel,
währenb fie auf ber £auer blieb, bah er über
grau S 3 ad)tel Steinungen äuherte. Doch
Startmann war oorfichtig — mit freunblidjer
Dbjettioität er3ät)lte er ihr, was er oon $ein=
rid) Sktd)tel wuhte. Non gngeborg erwähnte
er nur, bah fieStünftlerin fei. Doni horchte auf...
Über ßartb unb 9fteer
„SSas für 'ne Stünftlerin?"
„Sie war Schaufpielerin ... Sber fie traut
fich gar nichts 3U. Unb bann ber unfelige
©influh ihres Stamtes..."
„gnwiefern?"
,,©r ift fehr reich, er glaubt ihr alles ,bieten*
3U tönnen unb — na, fie war ein armes,
hilflofes Stäbel, 'ne Steife — ba hot fie fich
'rumtriegen laffen unb getan, was er wollte.
Stitten aus bem erften ©rfolge, als fie eben
bie gulia fpielen follte in SNagbeburg — ba
ift fie oom Dljeater fortgelaufen unb grau
SBachtel geworben."
„Das ift ja jammerfdjabe. ßann fold) SNann
bas oerantworten? £eibet fie fehr barunter?"
„gürchterlich! Sie träumt bei Dag unb Nacht
oon ihren Nöllen."
„Das arme Ding..."
Sie waren in bie 2 Bohnung hiueingegangen,
unb Doni machte mit ruhigen §änben £icht.
©r fah ihr 3U. Nuf ihrem oon ber 3udenben
glamme geröteten Nntlih lag ein £äd)eln.
„NSorüber lächelft bu?" fragte er, inbem
er fich eine 3i0 a rre an3ünbete unb in bem
griebridisburger 5 Uubfeffel ^piah nahm.
„Sd), id) benf nur baran, wie grunb*
oerf(hieben bie 3wei eigentlich finb. 3»h muh
immer lachen, wenn ©heleut' fo gar nichts
ähnliches hoben."
„N 3 iefo? 2 Benn (Begenfähe fich berühren?"
Sm nächften Sbenb fagte ßarlmann 3iem*
lieh unoermittelt 3U Doni: „Die Spachtels
laffen bid) grühen."
„§aft bu fie fdfon wieber getroffen?"
„©ewih — ich fehe fie bod) täglich im
©afe. ©in angenehmer Sufenthalt ift bas
allerbings nicht, biefes 3ufammenhoden. 2Bär
es bir nicht recht, wenn fie mal abenbs 3U uns
fornmen?"
„Natürlich — wenn es bir recht ift."
„ 2 Bas finb bas für Antworten, Doni! Sage
hoch beutlich ja ober nein! 9 Nir ift es gan3
egal."
„SIfo ja — labe fie nur ein. gür morgen
oietleidjt. 2Bir hoben ja bie ©nten." —
.So fahen fid) 2 Bachtels unb Nomingers
fchon am nächften Sbenb gegenüber. Doni
ftaunte, wie I)übf<h bie Heine junge grau
ausfal). Sie fc^ien es heute auf einen befon*
beren ©inbrud abgefetjen 3U hoben. Mnft*
lerifd) unb foftbar war jebe £inie an ihr, jebe
©in3elheit hotte fie auf bie rein persönliche
NSirfung ihres mertwürbigen 2 ßefens angelegt.
Das ©igentümtichfte war ihr (Bang. Ntan
hörte fie nie, hö^ftens ein leifes Seibefniftern,
bann ftanb fie fchon oor einem, unb ber fchwere,
fd)öne Nirenblid ruhte auf bem Gegenüber,
gm nächften Ntoment hotte ein lautlofer
Schritt, ein Schweben beinahe, fie fd)on oor ein
33 ilb gebracht, bas fie mit tur3fi<htigen Sugen
gan3 nahe betrachtete. So gefefjah es, bah fie
bei Doni ftanb unb ihr innige, bas Bjers be*
rüdenbe NSorte fagte, alles leife, alles 3art,
wie ein tiefes 93 efenntnis: „3hr 9 Nann hot
mir fo üiel oon gtmen er3ählt, gnäbige grau.
So oiel. geh tonnt' es gar nid)t erwarten, Sie
perfönlich 3U fehen. SNögen Sie es -glauben
ober nicht — ich fühle mich f° entferlich orm=
felig oor ghnen, Unb bas, gerabe bas tut
mir wohl. g«h höbe nie eine greunbin gehabt,
eine richtige greunbin, oon ber man nur bie
2 Bahrl)eit hört. Seim Dheater — mein (Bott —
ba gibt es bas nicht. Steil id) mich bort an*
geetelt unb surüdgeftof3en fühlte, barum bin id)
natürlich gan3 einfam geworben. Unb ben
(Blauben an mid) hot mir niemanb geftärtt,
5 tein SNenfch auf ber 2Bett. Sertümmert bin
id) ~ fchon als junges Niäbel. Niemals, nie*
malshabeid) tun tönnen, W03U id) mich berufen
fühlte. Unb ich Hebe bie Straft, id) liebe bie (Be*
funbljeit, bas ©rohe, ghr (Batte hat mir gl)r
Silb ge3eigt — ba wuht' ich 93 efd)eib. ©s burch^
fchauert einen, wenn man plöhlid) fein gbeal
oor fich fteht- Nein, wenben Sie fid) nicht ab.
Sitte, bitte! £affen Sie mid) bas fagen.
Dulben Sie mich hier, gef) bin fo namenlos
unglüdltch oft r^ichhobe fo upettblid) oiel baoon,:
1911. Nr. 51
wenn id) mid) ghoen ausfprechen barf —
ghnen!..."
Dränen tarnen Doni in bie Nugen, unb
fie antwortete leife: ,,©ut, gut... NSenn id)
ghnen wirtlich was fein tann — bann mit
greuben, grau 2ßad)tel. gd) oerfteh' Sie nod)
nit gan3 — aber id) werbe Sie hoffentlich
immer mehr oerftehn. Sagen Sie mir nur
alles."
Da erwiberte gngeborg 2 Bad)tel 3U ihrer
Uberrafchung nichts, fonbem fchwebte 3U einem
Silb hmüber, bas auf bem glügel ftanb. ©s
war eine Photographie oon gohanrtes Nollfint,
bie ein3ige, bie es oon ihm gab. Ntit großen,
gebannten Nugen ftarrte gngeborg bas Silb an.
„Ster ift bas?" fragte fie leife. geht traten
aufjer Doni auch Startmann unb irjerr 2 Bad)teI
hinter ihre fchlante (Beftalt. „gohannes Noll*
fint," fagte Startmann feierlich- Da weinte gnge*
borg. Ntit Staunen unb Sd)reden fah es Doni.
©in trampfartiger, neroöfer Nnfalt fcbjüttelte
ben tinblichen Störper,funb fie muhtetm Neben*
3immer auf einen Diwan gelegt werben.
Nllmählid) erfuhr Doni, bah gngeborg 2Bad)tel
teinen 9 Nenfd)en fo bewunberte wie gohannes
Nollfint. Doni fühlte fich in ihrem greunbe
faft felbft geehrt — halb hielt fie nicht mehr
bamit 3urüd, bet eifrig £aufdjenben 3U er3ählen,
welchen ©influh ein Stert bes Smmerfelbers
auch ouf fie gehabt hatte. ,S 3 ie rafft' id) mich
. auf..gngeborg tannte bas Such nicht,
unb Doni war gtüdlid), es ihr leihen 3U tönnen.
So ergab fid) bie natürliche ©ntwidlung,
bah SSad)tels faft jeben Sbenb mit Nomingers
beifammen waren, halb in beren SSohnung,
halb in ber Penfion, wo bie noch nicht feh=
haften jungen £eute wohnten, ©in weiterer
Schritt auch glüdte gngeborg — trotj Donis
Sebenten fragte Startmann in Smmerfelb an,
ob ihr nädjfter Sefu© in Segleitung oon
greunben, beren fehnlichfter SSunfch es fei,
gohannes Nollfint tennen 3U lernen, will*
lommen wäre. Nod) niemals hatten Start*
mann unb Doni foldje Sitte gewagt — fie
waren nun einmal bie einigen, bie in ben
oerfd)ioffenen ©arten ber Smmerfelber ©in*
fiebelei gelangen burften. Die golge baoon
war, bah gohannes unb ©oa bie erfte Sus*
nähme nicht weigerten. Stit einiger Spannung
fogar erwarteten fie bie befonberen greunbe,
bie Startmann unb Doni ihnen 3ufüljren wollten.
Sts fie aber ba waren, an einem hellen Siai*
fonntag, laufd)te gohannes auf bie Stimmen
ber beiben gremben unb hielt oergleichenb
ihre Stäube feft. Sie gefielen ihm beibe
nid^t. S 3 as gefchah aber plötzlich? gnge*
borg büdte fich fd)nell, als Nollfint ihre
irjanb fefthielt, unb brüdte einen Stuh auf
bie feine, geht war auch 3 tmi abgetühtt.
Dheater, fuhr es ihr burd) ben Sinn, unb
auf ©oas £ippen war basfelbe SSort 3U
lefen. £äd)etnb fahten bie greunbinnen fid)
unter unb gingen in bas £>aus. Starlmann
aber, ber ihr Urteil nicht oerftanben hatte,
folgte ihnen mit leud)tenben Sugen, als wollte
er fagen: Nun? Das ift bod) eine Natur! —
gohannes war etwas oerlegen geworben. Sls
er fpürte, bah bie ©äfte ttn §aufe waren,
wanbte er fich 3U Paula, bie ben < 5 anbtuh
mit ftummem ©rftaunen beobachtet hatte.
„Nun, Paula," fragte er halblaut, „wie ge*
fällt bir bie neue Dante?"
„Sber Dnfel gohannes — bas ift bo<h nicht
meine Dante!"
„©ntfchulbige!" —
Der gemeinfame Susflug nach Smmer*
felb würbe, nicht wieberholt. Dod) als ber
Sommer ba war unb bie geriet eit, tarn
Startmann eines Dages mit ber gbee nach
§aufe, bah man fid) mit ben 2Bad)tels 3U
einem zweimonatigen Sufenthalt in Dirol
oerbinben follte. Doni war anfangs oon biefem
langen unb intimen 3 u fantmenfein nicht fo
erfreut wie Starlmann. Doch wagte fie nid)t
311 wiberfpred)en. Sie wollte feine Sbneigung
gegen gngeborg, bie fonft einer ©iferfud)t ge*
. glichen hätte, zeigen— auch fürchtete fie nichts
1911. ©r. 51
Über £anb unb ©leer
1305
fo, als bah Starlmann, mit bem fie in ©ilbungs*
unb ©ef hmadsfragen ja bod) nid)t Schritt galten
tonnte, in ber geriengeit bei ii)r Sangemeile
empfinben tonnte.
gn Starning gehaftete fid) anfangs alles
fo, bah Doni roieber gang ruhig unb glüdlid)
mürbe. Die grojge unb 3 ugteid) liebliche Statur,
bas primitioe Beben in bem alten SBirtsijaufe,
bas il)r, bem ©auernfpröhling, fo milltommen
mar, and) angenehme ©etantttfdjaften, bie fie
machte — alles oerbanb fih, um ihr ben
©lauben an einen befonbers fronen «Sommer
3 u geben, ©in 2Biener ©hepaar, einfache, ge*
bilbete ©tenfhen, unb £err Heinrich 3Bad)tel
bilbeten Donis 33erfel)r, mährenb 5larlmann
ficb meiftens gu gngeborg hielt. Diefe ©tuppie*
rung entftanb oon oornberein fd)on burd) bie
©ebirgsmartöerurtgert, an benen Startmann,
ber etmas torpulent getoorben, ni(bt teil*
nehmen tonnte, toäbrenb gngeborg behauptete,
ba| ihrer ©lutarmut anftrengenbe Douren
oerboten feien. Da ©aula ihren tleinen
griebrid) hatte, ben blaffen Steffen 2Bad)tels,
ber oon feiner greunbin begeiftert roar unb
gang nad) ihrem ©efallen lebte, ergab es fich
oon felbft, bah Starlmann unb gngeborg
täglich mehrere Stunben für fid) hatten. geht
führte er fie erft oöllig in fein ©eiftesleben
ein. 30ßas er nie einem ©tenfhen gegeigt
hatte — oor ihren Stugen breitete er es aus.
Sie gingen gemöhnlid) gu einer bequemen
2lusfid)tshöhe im SBalbe, bie einen munber*
oollen ©lid auf bas Dal ber©ifad gab. 3luf biefer
Slusfid)tshöhe fafeen Startmann unb gngeborg
jeben Dag. ©r las ihr oor, toas er bisher ge*
f(baffen hatte. Stein Dorfo, tein ©ntrourf blieb
ihr oerborgen. Unb ber erften ©emunberung,
bie ihm entgegengebracht mürbe, erlag er jetjt
gang. Sie tarn fo freigebig oon einer fchönen
jungen grau, bie ihn unentrinnbar in ihren
©annfreis gog. SBenn gngeborg nad) ber ©or=
lefung in ftummer Slnbetung oerharrte, menn
fie ihm bann mit leudjtenben Slugen hulbigte unb
ertlärte, meld)e ©ebeutung fein Schaffen habe,
fo mifchte fich trt all bas ©lüd, bas er empfanb,
ein bohrenbes SBeh, eine Stlage, eine Slntlage
gegen Doni. Silles, mas ihm jeht mohltat unb
enblid) einmal fein Selbftgefüljl fteigerte, hörte
er oon grauenlippen — niemals aber batte
Doni ihm bergleid)en gejagt. ©löhlih, eines
Slbenbs, als fie mieber ben ©Salbljügei erfliegen
hatten, begann feine greunbin tmn Doni gu
fpred)en.
„3<h möchte Sie etmas fragen, S>err Starl*
mann. Sie tonnen fich nicht oorftellen, mie es
mich oft erfdjüttert, Sie fo bemütig, fo in ji<b
felbft oerbannt, fo befheiben gu finben. gh
lerne ja täglich 2Berfe oon ghnen tennen, bie
Sie neben bie erften ©elfter ber ©egenmart
ftellen. ©itte, bas ift meine fefte Übergeugung.
Unb Sie, Sie meichen immer gurüd, als ob
Sie es gar nicht gefdjrieben hätten. ghr ©ater
foll audh fo namenlos befcbeiben gemefen fein,
biefer berühmte ©taler. Slber idh merbe bie
Slngft nicht los — lieber ©ott, einen Ungeheuern
©laubeit an fid) felbft müffen Sie bod) haben!
SBenn Sie beit nicht hätten — mas foll ich bann
jagen? Dann mühte ich mir ja fofort eine
Stugel oor ben Stopf fhiehen. Stein, §err Starl*
mann — jagen Sie es mir, mie hängt basgu*
fammen? grgenbein Sdjidfal hält Sie nieber,
nicht mahr? grgenb etmas hat ghnen ben
frifd)en Sebensmut genommen, bas freie 33e=
tenntnis gu fich felbft? ... Sie miffen, mie lieb
ich ghre grau habe. gh bemunbere fie auf*
richtig, 3Iber follte fie ghnen gegenüber nicht
fehlgehen? Stennt fie Sie, oerfteht fie Sie?
— £> 5err Starlmann, ich münfd)te bas fo
oon bergen ... Denn ich — es läjgt fich fo
furchtbar ferner jagen — ich möchte' nur, bah
Sie giüdüch finb — bah Sie alles erreichen,
mas Sie erreichen müffen ..
©r fchmieg unb ftarrte in bie 3tbenbferne
hinaus.
Sie fah ihn erfcpoden an. „Dl), habe ich
ghnen mel) getan? Sinb Sie geträntt? 33er*
geihen Sie mir! Das mollte ich nicht!...“
Ohne fie angubliden, ftieh er haftig atmenb
heroor: „3^h habe 3hnen ja alles erzählt — in
9Jtün<hen fdhon — mie bas getommen ift —
gmifchen mir unb meiner $mu —“
„3Bas? ... 303as, §err Äarlmann?!“
„Stun, ihre $ertunft hoch gunächft..."
„3Ich ja ... Sie ift eine ©äuerin, nid)t mahr,
fie flammt oon ©auem — nun — es gibt ja
.reigenbe ©äuerinnen —“
•©r lachte Ieife.
„ßahen Sie mich aus? £>ab' ich toas
Döri^tes gejagt? ©in ein fo törichtes Ding
— o meh • • . SBiffen Sie, mas Johannes
5tolIfint mir gejagt hat? 3n 3lmmerfelb ba*
mals, als ich oon ihm 3lbfd)ieb nahm? — 3<h
fragte ihn, id) fonnte ihn fonft nichts fragen:
,2Bie foll ich merben, 9Jteifter?‘ — ba ftarrte
er mich an mit feinen blinben 5>omeraugen
unb ermiberte: ,©leiben Sie fo, mie Sie
finb ..
„Das hat er 3hnen geantmortet?“
„3a ... Seitbem bin ich ruhiger .... 3111
meine; 3®iberfprüd)e, bas Dobenbe, ©ärenbe,
©efährtid)e in mir — es muh toohl alles fo
fein, §err Äarlmann. So bin ich • • • 3h toill
niht mehr barunter leiben. 3teuen mill ih
mich barüber — Iahen — langen! 3Barum ift
ber liebe ©ott niht üorfidjtiger gemefen, als
er mich fh^f ! ?“
Sie brehte fih toieber, einer DBalbgöttin
gleich, in ber flammenben 3Ibenbröte. 51arl=
mann betrahtete fie mit oergehrenben ©liden.
3e^t tobte ber alte, längft nid)t mehr emp*
funbene üampf in ihm. Siebe, Siebe! ©r be*
munberte 3°hannes' 2Borte, ohne über fie
nahgubenten ober einen Doppelfinn aus ihnen
herausgufpüren. Sie muhte fo bleiben . . .
Die alte Scheu oor Doni oerlieh ihn — er
mollte miffen, mie 3ttgeborg über fie bähte.
Unb plöhlicfb mit ben ©efütjlen 3Ibams, ber
ben 3Ipfel nahm, befragte er fie.
Dänbelnb fhtitt 3ageborg meiter, ber $öhe
gu — aber fie antmortete babei. „3h*e §rau
ift fehr tühtig. £>eilt fie niht tränte Rinber?
3lber als ih fie barum bemunberte, antmortete
fie: ,3hm ja, ich hab' mas gelernt in ber £jeil*
gpmnaftit.‘ 3lls ih ho jagte, mie munberooll
es fein muh, Sicht in fo arme ftinberfeelen gu
bringen, fie gu tröften, Hoffnung gu geben —
ah — Id) hätte fie faft gebeten, mih mitgu*
nehmen in ihre 3lnftalt, mir auch ben herrlichen
©eruf gu geben — ba hatte fie nur bie 3Int*
mort: ,3h hab' bie ftinber gern unb mih bie
ftinber.“'
Sie maren auf bem £>ügel. Das 3!ßunber
bes abenblihen Dages lag oor hnen. 3Rit
fdjarfen, flimmernben 3lugen ftarrte 3ngeborg
in bie gerne hmaus. „3h glaube, man barf
nicht gurüdbämmen, mas fid) entfalten möchte/'
flüfterte fie. — Sie blieben lange auf ber 3tus*
fichtshöhe. Sahen bie ©rbe unter bem Spiel ber
lebten Sonnenftrahlen erglühen, fahen fie er*
grauen, ermatten, ertalten. ©egungslos hodten
fie nebeneinanber auf einer 3lafenbant. Die
Unoerftanbenen, fih 33erftehenben. Dann mar
es 3eit, burh ben oerbuntelten 2ßalb abmärts
gu fhreiten. ftarlmann ftühte 3dgeborg auf
bem fteilen, oon SBurgeln erfhmerten 3©eg.
©in grünlicher Sh ein umrahmte it)r feines,
blaffes 3Intlib, ber Silbertamm auf ihrem
bunteln Köpfchen bli^te in magifhen, oer*
irrten Strahlen — fie trug ben i$ut in ber £>anb,
unb 5larlmann tonnte fhmer atmenb auf ihr
buftiges, mäbd)enl)aftes §aupt heoabfehen.
„©iärhenpringeffin,“ flüfterte er. 3afammen*
gudenb ftarrte fie gu ihm auf. Sie gab auf ben
2Beg nicht acht unb ftraud)elte. Da fing er fie
auf, unb plöpdj 3og er fie an fih, unb plöph
hatten feine Sippen ihren heilen 3Runb be*
rührt. Sie fhmiegte fih an ihn. Sie gab fih
ihm mie ein 2Bilb, bas er lange gejagt unb enb*
lid» erlegt hatte. 3to<h eine Stunbe blieben fie
in bem buntel oerfhmiegenen 333albe. Dann
fchraten fie auf. 3Bie 5linber, bie Strafe fürch¬
teten, eilten fie £janb m §anb gu Dal. —
Doni, .&err 2Bad)tel unb bie 3!Biener ©e*
tannten, ein gefprähiger 3tbootat mit feiner
grau, maren längft in 3Rengingers SBirtshaus
unb marteten mit bem ©ffen auf bas fäumige
^3aar. 3ioh niemals maren bie fo lange aus*
geblieben. Doni mürbe gmar oon ben anbern,
auch uon bem rätfelhaften §errn 3®ad)tel, mit
Schergen oon ihren ©ebanten fortgelodt, aber
fie empfanb bie ^ein ber Situation immer
ftärter. Sie bereute ihre große Dulbfamteit,
ben Seihtfinn, ilarlmann mit gugeborg ge*
laffen gu haben. Sie mah fid) felbft bie Shulb
bei. 2ßelhe Shulb?! SBoran? — Das magte
fie niht ausgubenlen. Doch als bie ©er*
fpäteten enblid) tarnen unb mit forcierter
Weiterleit empfangen mürben, blieb Doni
ftumm. Sie ah nichts, fie ging fhou um neun
m>x fdhlafen. 3Ils üarlmann etmas fpäter gu
ihr hiuauftam, tleibete er fih aus, jagte gute
91ad)t unb fragte nicht, mas fie bebrüdte. Das
mar ber erfte ©emeis für Doni. Still, mit
großen, offenen 3Iugen lag fie bie gange 3tad)t,
ihre fiebernben §änbe in bas ©ettuh getrallt
unb ben furchtbaren ©aft ber ©iferfud)t im
pochenben Bergen. —
itarlmann mar niht gu ihr gurüdguführen.
©r mollte es niht. ©r fpürte Donis Qualen.
3lber er mar gu fehr feiner ©lütter Sohn, um
niht nah öem eignen ©ebürfnis guerft gu
fragen, ©in ©rlebnis! ©r fühlte fid) an ber
3lltersgrenge bes ©tannes, er hatte oergihten
gu müffen geglaubt, unb nun mar es über ihn
getommen mie grühlinpsfturm, bas ©rmacpn
feines ©eiftes unb auch feines überträftigen
ilörpers. 3a, es mar nicht anbers möglih —
er muhte ber armen Doni meh tun, fehr meh-
3©as eine höhere ©eftimmung ihm in ben 3©eg
fhidte, er burfte es niht oerjagen, fich niht
burftig meiterfhleppen, menn bie golbene
grucht an feinem ©lunbe hiug. 2Bar gugeborg,
biefe halbe, befchroingte, märheuhafte gnge*
borg, niht betlagensmerter als Doni? Sie hatte
tein 3inb — auh um biefes grauenglüd hatte
ber gämmerlihe fie gebradjt, nahbem er bie
itunft mit plumpen §änben oon ihrem bergen
geriffen hatte, ©lenb, oiel elenber mar gnge*
borg als Doni in ihrer ftolgen Straft unb Selb*
ftänbigteit. Unb bennodj hatte bas garte, ger*
brechlidje 3Befen eine gemaltige Siebestraft.
§ier ftanb fie Doni in ihren beften Dagen nid)t
nah> ©ein, Startmann tonnte fih barin niht
täufchen — meit lagen Donis erfte Stüffe gurüd,
ein grauer Schimmer legte fih fhon auf ihre
bunteln Schläfen — aber füher tonnte ihre
junge Seibenfhaft niht gefhmedt haben als
bie Umarmungen ber tleinen Shaufpielerüt.
©ur Donis Störper mar fhöner — bas muhte
Stgrlmann halb erfahren, ©egen ihr gefunbes
©benmah unb bie ©einheit ihrer £aut mirtte
gngeborg etmas fhief unb edig, faft un*
fauber — turg, er muhte mit feiner ©ominger*
empfinbtihteit gar manhes überminben.
3lber er tat es. ©r mar gum Sceroentum
aufgelegt, ©tmas §öllifhes hatte fie ohnehin
— fo gehörten auch ihre gehler bagu. Unb
mas ihr Störper nicht bot, erfehte bas feine,
liebliche 3lntüh, manbelbar mie ©ebirgsmetter
— er tonnte fich niht fatt baran fehen. ©üd*
fichtslos genoh er fie Dag für Dag. ©r hatte
bas ©efühl, bah alles fd»on offentunbig fein
muhte. 3tber mohte es nun heute ober morgen
ans Sicht tommen — gleihoiet — er mar ihr
©ott, ihr ©rtöfer, ihr Dichter. Der einft ge*
fürchtete ©atte mürbe lächerlich•. Unb Doni?
Doni muhte fid) abfinben...
Doni tämpfte ben jchreülihften Stampf bes
3toeifeIs. Sie ahnte oiel, fie muhte manhes
— aber ©emihheit!... ©ein. Die fud)te unb
oerbannte fie gugleid). ©ine namenlofe gurht
erfüllte fie oor ©emihheit.
©in ©bfhiebsfeft an einem fd)mülen 3lbenb,
ber oon 323etterleuhten geheimnisooll erhellt
mürbe, befhloh ben gemeinfamen 3lufenthalt.
Die naioen SBiener, ein §of* unb ©erid)ts*
abootat mit feiner ©attin, bie oon ihren
Sommerfreunben gleihmähig entgüdt maren,
gaben ein geft oor ihrer 3lbreife. Sie hatten
aus ©ogert Sampions tommen laffen unb
gmifhen ben Qbftbäumen hmter bem 3P3irts*
1306
Über £anb unb 9Jleer
1911. SRr. 51
häufe würben bie farbigen Kugeln befeftigt.
Der mufifalifhe <rjerr 2Bad)tel aber h°dte
auf einem ^ähhert unb fpielte ©itarre.
Spanifdje Xän^e waren es, aus „©armen"
meift, unb 3 ugeborg tankte fie, in einem roten
3 igeuner!oftüm, bas fie oom Dheater her be=
fab unb feltfamerweife auf bie Sommerreife
mitgenommen tjatte. Karlmann I)ielt fid), bas
Seftglas in ber £janb, bie 3^9 arre 3 roifd)en ben
3äf)nen, im £intergrunbe, fo baff Doni il)n
nid)t fehen tonnte, ©r oerfd)Iang bie Sängerin
mit feinen klugen. Sie tankte für ibn, ja nur
für ibn. 2Ber wuhte bas? Der Sboofat aus
2 ßien roar begeiftert. ©r applaubierte fid) bie
$änbe tounb, unb feine forpulente ©attin, bie
immerfort protegierte, bat ibn inftänbig, bod)
ein Sßiener ©aftfpiel oon 3 ngeborg 2 Bad)tel 3 U
arrangieren, im Surgtheater ober minbeftens
im Deutfdjen Solfstheater. Sei feinen Ser=
binbungen mache bas gar teine Sdjroierigteit.
©s fei ja eine Sünbe, roenn fold) Dalent nid)t
3 ur ©eltung tomme.
„Sinbe?" fragte $err 2Bad)teI, auf feiner
©itarre tlimpernb. „Das finb' id) nu gar nid).
Das oerflud)te Dheater is fe ja glidlid) los.
3Bas, 3*tgeborg? Das toar bod) 'n Segen?"
©r fragte es breit, im Sewuhtfein bes £>errn
unb einen faft fhabenfroljen Susbrud in feinen
Keinen Sugen. Sie aber fuhr geregt empor,
fdjritt auf ibn 3 U unb fd)Iug ibn mit bem
Dambourin auf ben Kopf, ©s gab einen lauten
Knall. §err 2Bad)tel fuhr roie ein 3 orniger
£junb auf. „Sa, toas foll 'n bas?! S3as is 'n
bas?! £ah bod) bie Dummheiten!"
Sie fürchtete fid) nid)t, fonbern mah ihn,
bid)t oor ihm ftebenb, ben Srm in bie Seite
geftü^t, mit höfpufhen Süden. „2Benn bu fo
bumm bift, lieber $reunb, gehört bir bas!
3 ofe, 3 ofe, roas bentft bu! ©armen tann man
nid)t einfperren! Sud) roenn man fie mal am
Sein gepadt bot! ©armen gebt toieber in bie
SSelt hinaus! 3ur Sühne, mein fiieber, 3 ur
Sühne!"
Sad) biefen SBorten lief fie Iad)enb baoon,
in ber Dunfelfjeit oerfdjrüinbenb. Dod) als
fie auf einer SBalbwiefe atemlos haltmad)te
unb in ben $immel aufftarrte, wo ein 3 id 3 ad=
blib bas f^toar 3 e Dud) ber Sad)t 3 errih, fühlte
fie fid) am Srm ergriffen. Karlmann ftanb oor
ihr. ©r hotte bas bleiche, entftellte Sntlih ber
©iferfud)t. Stit bebenber Stimme fragte er fie:
„2Bar bas bein ©rnft? Du roillft fort? Du
roillft 3 ur Sühne?"
„Komm bod) mit!"
„Kann id) benn bas?!"
„3a fo! Du bift ja J^amilienoater!"
„ 3 ngeborg!"
,, 3 d) tann {ebenfalls in bem entfehlidjen
3od) nicht bleiben. Stein Stann ift mir efel=
haft, unb bu tommft 3 U teinem ©ntfhluh- Du
3 eigft nid)t, bah bu ein Stann bift. ©Iaubft bu
benn, es ift 3 U ertragen, beine 3 rau immer oor
fid) 3 U fehen, roie fie ringt unb fid) roinbet mit
ihrem Sufpafferblid? Stit biefem Sorrourf?!
3a, toas benn? S3as tu' ich benn?! Du hoft
ja freie 2Baf)I! Ol), tote fd)ön roär' bie SBelt,
roenn bie Stenfdjen nicht fo jämmerlich roären!
Sieh bod) ben ^jimmel! Die Säume! Dürfen
roir bas hoben!? Dürfen roir bas? 2Bir finb
ja fd)on 3 U feige 3 U uns felbft!"
„3ngeborg," ftammelte Karlmann, ,,mad)
mich niht oerrüdt. Du weiht, ih folge bir
überall, umhin bu gehft. Stein fieben ift an
bein fieben gebunben. Du hoft nur ben
orbinären Krämer 3 U oerlaffen —"
„Oh; 2Bad)tel ift ein anftänbiger Stenfh!"
„3h meine, id), ih gebe taufenbmal mehr
auf! Um beinetroillen, 3ngeborg! 3h tu' es
jetjt — um beinetroillen!"
©r umhalfte fie, er roarf fie auf ben Safen,
er füfjte fie unaufhaltfam. Stunben oerftridjen
— bann erroahten fie, bann hämmerte es
ihnen: bas 2 feft, bas $eft! Sßas mod)ten bie
anbem benten! Sie rafften fid) auf unb
taumelten, Srm in Srfn, 3 um SSirtshaus
3 uriid. Doh auf einem buntein 2 Bege 3 roifd)en
§eden trafen fie ein ipinbernis. ©ine regungs=
lofe ©eftalt ftanb oor ihnen, lieh fie niht burd).
©s roar Doni. Sie hatte Karlmann fie fo ge=
fehen. £ebte fie nod) ober roar fie fhon an
ihrer ©ntbedung geftorben?
„2Bir tommen," flüfterte er finnlos. „S3ir
tommen ja!" Die ©rbe fhroantte unter ihm.
Sie antwortete: ,,©s ift nit nötig ... Das
3 eft ift aus ..."
Sd)toeigenb ftanben fie fid) gegenüber. Dod)
als 3 n 9 eborg etwas fagen wollte, bie £>änbe
3 U ber beleibigten $rau erhoben, ba fuhr bie
©rftarrte auf: „©eben Sie!"
„3rau Doni — hören Sie mid) an —"
„©eben Sie!"
Da entfloh bie 3igeunerin. 3b* Sflitter tlirrte.
„SBas foll bas?" fragte Karlmann herrifd)
unb talt.
„2Bir reifen . . . Storgen ..."
„borgen?!"
„SSenn bu niht willft, bah ih mid) an ben
näd)ften Saum hänge unb unfer Kinb ba 3 u —"
„Du bift wahnfinnig —!"
„ 2 Bas bift bu?!" —
Sie reiften wirtlich am nädjften Storgen. —
3n Stünd)en folgte nun eine ‘jßeriobe bes
Shmeigens. Die 2Bad)tels würben 3 wifdjen
Doni unb Karlmann mit teinem 2Bort mehr
erwähnt. Doni wuhte, bah er mit 3 n geborg
torrefponbierte. 5lber fie tonnte troh aller Se=
mübungen bie Stelle, wo er ihre Sriefe ab=
holte, niht entbeden. ©s war ein fhredlihes,
wüblenbes fieiben. Unb wie oon £jänben, bie
in eine SBunbe griffen, berührt, 3 udte Xoni 3 U=
fammen, wenn ihr Kinb fie anfal). Paulas ©r=
barmen, ihr reiner 2BilIe unb ©Iaube, helfen
3 U tönnen — wie furhtbar war er in ber wüften
9tadjt, wie fern fühlte fie fid) baoon, bem Kinbe
eine Dräne, eine ^tnbeutung 3 U 3 eigen. 5lber
^ßaula war boh h r ftärtfter Reifer in ber 9tot.
3 h* unfreiwilliger ©influh besänftigte Doni.
Karlmann war ber Serführerin niht nahgefolgt.
9Jlonate fd)on hotte er fie niht mehr gefehen,
tonnte fie niht mehr gefehen hoben, benn
3 ngeborg 2 Bad)tel, bie fih oon ihrem 9Jtamt
getrennt hotte, wirtte als Soubrette in Düffeb
borf. Das hatte Doni burh ben tl)eater=
tunbigen Sßiener 5lbootaten, an ben fie fih
gewanbt hotte, mit Seftimmtheit erfahren.
Sriefe? 3Bas waren Sriefe? Sie beobad)tete
Karlmann ben gan 3 en Dag — er fd)*ieb faft
teine mehr. So tarn etwas 9lut)e in Donis 3 er=
riffenes ©emiit. Sielleid)t oergah er fie boh-
Sielleiht entwöhnte er fid) unter ihrem ©in=
flufe, bas unfd)ulbige Kinb oor Sugen, oon
biefem 5Ilp. ©s war am ©nbe nur ein
Sommerraufh- ©in Spul, eine £aune. Doni
glaubte fo gern, was fie glauben wollte. —
©ines Dages 3 eigte Karlmann ihr einen
Srief aus Nürnberg oon einer wiffenfd)aft=
liehen ^rioatoereinigung, bie einen Sortrags=
3 ptlus oeranftaltete. 3 n einem ber Sbenbe
würbe Karlmann aufgeforbert. ©r füllte über
ben Krieg ber weiten unb ber roten Sofe
fpred)en. Dies war fd)on ber 3 weite Srief, her¬
aus Nürnberg getommen war — bie Suf=
forberung würbe bringenber — Doni freute
fih über Karlmanns ©rfolg, ber in bem
großen 3 ntereffe lag, unb fie riet ihm, ba er
nod) fd)wantte, bie ©inlabung an 3 unehmen.
Sie rebete ihm fd)lieph ooll ©ifer 3 U. Da
mähte er fid) benn auf ben 2 Beg.
(Scfjlufe folgt)
Die Sterne lügen nid)t. 23on ©arl Siebu^r
OfTJallenfteins ©eftalt fteigt oor uns auf, fo
oft oon Sternbeutung bie 9lebe ift. Der
eifengerüftete $*kblänber unb fein itaüenifher
§ausaftrolog Saptifta Seni hoben fih gleihfaor
ein befonberes Serbinbungsfenfter nah ben Stellen
bes Rimmels htn gefhoffen, oon wo aus bie irbn
fhen ©efd)ide georbnet unb geleitet werben, unb
an bem Sertrauen auf foId)e Kunft gel)t ber fonft
fo argwöl)nifd)dluge Kriegsfürft fhliefelid) 3 ugrunbe.
£ogen ihm bie Sterne bennod), ober hatten bie
beiben eifrigen Seobad)ter etwas oerfehen?
§immel unb ©rbe burh bie £uft (©ott Shu) getrennt
^lltägpptifhes Original
Durd) ShiH^*s Dramen ber Iebenbigen Sor*
ftellung einoerleibt, wirft ber ©eftirnglaube 2 ßallen=
fteins, ben feine oom Dihter gefd)Uberte Umgebung
gar niht 3 U teilen fd)eint, wie eine perfönlihe
Sd)wäd)e. ©s ift wal)r: biefer gdbberr ift einer
ber lebten Stornier oon gefhid)tlid)er Sebeutung
gewefen, bie ber 9lftrologie ©influh auf ©re ©nt=
fd)lüffe gewährten, unb ficherlid) trug bas unglüd=
Iid)e ©nbe bes Stannes ftarf 3 ur allgemeinen
s ttbwenbung oon ber Sternbeuterei bei. s tlber ihre
3 eit war ohnehin erfüllt; fhon wanbeite bie
Saturwiffenfhaft auf ben
Sahnen neuer ©rfenntnis
unb nad) einer Sichtung,
bie ben Sloneten feine
mpftifhe ©eltung mehr
einräumen fonnte.
©ine uralte unb grofje
©ebanfenwelt ging bamit
3 U ©rabe, was heute felt=
fam flingen mag. Dod) muh
man fih oergegenwärtigen,
bah ber fid)tbare §immel
für unge 3 ählte Stenfdjem
gefhlehter fein enblofer
Saum, fonbern nur ein
Stodwerf über ber ©rbe
gewefen ift, bie wieberum
für eine Scheibe galt. Da
30 g bie Sonne nah h* e *
himmlifdjen Dagesfabrt
nadjts in bie Unterwelt, bas Kellergefhoh ber
Sdjöpfung, unb in anbern 3u>ifhenräumen 0 er 5
fanfen auh gewiffe Sterngruppen borthin, uut
fpäter wieber empor 3 utauhen.
Sls aber bie älteften fd)riftlid)en Suf 3 eid)=
nungen begannen, fhon oor fünftaufenb 3 oh*eu
ober noh früher, ba war bie Snfhauung in ihrer
Srt bereits entwidelter. Die Sabplonier unb
©re Sorgänger, bie Sumerer, teilten bas $immels=
gebiet ja in mehrere £agen ein. Stahgebenb war
§oroffop Sntiohus' I. oon Kommagene (70 o. ©l)r.)
auf ber Sßeftterraffe bes Semrub=Dagb
1911. Dir. 51
Ober £onb unb $ieer
öafür ber Diertreis, bie gefhtoffene Beil)e
ber 3 toölf Sternbilber, innerhalb welcher
bte Sonnenbahn unb gugletd) bte ber
Planeten fid) bewegt. Seitbem bies feft*
geftellt war, tjatte man bie Biöglihteit
gewonnen, ber göttlichen 3eitorbnung
na^ 3 ugehen, bas -heißt» ■ einen fortwäß 5
renben Äalenber burd) Berechnung unb
Bahptüfung ber Umlaufsfriften her 3 U=
[teilen. So weicht bas alte Bionbjahr
— bie SBtebertehr bes Begetations*
roedEjfels nach brei3ehn Bionbwed)feIn —
' .- . ~ -1 - 3. 3anuar 1571 roar ber üurfürft, am
^3..:.T,.”.“T. ......'..... ' 13. Januar ber Biartgraf tot. Bis Biagel
S Ä n S fl Ä H haes 3 ur ersten Srbumfeglung rüftete, bat
■Jp ^fJtL M . I .M 1 S er [einen Biathemattflehrer galeiro, ihn
Wlia vffl MS M ß als Shiffsaftronom gu begleiten. Doch
JT ■ tät /fffr llr Mir■flir /Pfl graleiro.lehnte ab, SrIefeinbenSternen,
ff Kjjf IlSsS! jl ! U I M U - n&y baß ber teilnehutenbe Bftronont unter*
^ s aM- . ~Ma f pl wegs [terben werbe. Biagelhaes gewann
1 . g <snr^f sipi^ \uu ben Seoillaner San 5 Biartin für ben
JJTjlSuzT^f Boften, unb auf ber 3ttfel 3eba er*
morbeten ben (Eingeborene. Bochjmmer
-—„-—- — — berühmt geblieben finb bie Borher*
bplonifhen Blanetengötter auf beut Reifen oon Bialtaja [agungen bes Biicfjel Bötrebame, ge*
wöhnlih Boftrabamus genannt. Sr fagte
tofaqen intereffant, benn bie Sternbeutung bie Bieberlage ber $ran 3 ofen 1557 bei Saint
oor bem am Fimmel offenbarten rid ) 5 Die babplonifhen Blanetengötter auf bem Reifen oon Bialtaja [agungen bes Büchel Bötrebame, ge*
tigen Blanetenfahre mit gwölf Bionaten _ wohnlich Boftrabamus genannt. Sr [agte
unb Schalttagen am Schluffe. Das Bßert ber [o 3 tt[agen intereffant, benn bie Sternbeutung bie Bieberlage ber $ran 3 o[en 1557 bet Samt
©ötter entfhleiert [ict) noch roeiter. Bn bas roanbelt [ich 3 ur ©eheimwiffenfhoft. BSacler Quentin geraume 3eit ooraus unb eben[o ben
£uftreid) ber Srbe [töfet alfo bas woltenhaltige halfen bie chriftlichen itaifer in tfonftantinopel gewaltfamen Doö £önig Heinrichs II. ©s heißt,
2Ba[[erreich bes Rimmels, über ihm ftefjt ber unb in Baoenna ba 3 u; ein ©efeß bes Jrjonorius bie Königin hätte [ich non Bo [trabamus unter
Diertreis als ,,£ämmelsbamm“, barüber folglich befahl einfach, alle „Biathematiter" aus ben falfhent Bauten bas £>oro[top ihres ©emahls
bas hi'OtTaüfäje £uftreid)- Büßt genug bamit, Stabten bes Beides 3 u jagen, nadjb ent ihnen * oerfchafft unb bar in gefehen, baß ber B r °Phet
[inb bie Stagen bes Äthers noch vermehrt unb bie aftrologifchen $anbbücf)er 3 m Verbrennung ein Srtbe beim Duell antünbigte. Sie h^lt
ausgeftaltet toorben; roenn ber Boltsmunb bis abgenommen roaren. ben itönig über [old) einen SBafjengang er¬
beute oom „[iebenten §immel“ [pricht, hält er Der 3ftam ertoies [ich toohlmollenber. Seine haben unb ladhte barob. Bber ^einrid) II. tourbe
bamit eine hä<hft altertilmlidje Bor[teIlung road). dürften begün[tigten [otoohl a[trönomi[d)e nie 1559 bei einem B*ad)tturnier burch einen £an 3 en=
2Ber ben hier im lo[e[ten Umriß angebeuteten a[tro!ogi[d)e Stubien, unb bie arabifche §imntels= fplitter ins Buge getroffen unb [tarb baran.
©runblagen, auf benen bie Beligionen ber heib= funbe genoß im Biittelalter mit Be<ht einen Boftrabamus’ Sohn, ber bes Baters ©efcßöft als
haßen Buf. Die Stabt 51airo tourbe 969 nach Sternbeuter fortfeßte, tarn bamit freilich 3U
. .. .- - umftänblidher Befragung ber Seftirne angelegt, [d)impflid)em Untergang. Die Sterne trogen ißn
n 7 unb feit ben 5 treu 33 ügen fängt man auch im unb erfüllten ben gegebenen Spruch ttid)t, baß
f (\. /j /CfvTx d)rt[tlichen Bbenblanbe roieber an, ben Sternen bie Stabt Bou 3 in abbrennen toerbe. Snblid) ging
Ti 3 tt oertrauen. Schon ber bp 3 antini[d)e Slaifer
| Xwy ^ n, Bianuel I. (geftorben 1180) führte ihre Sähe in
L J^rVjL / einer Streitfhrift gegen mönhifhe Angreifer, II
'J yX I boh [Oll er oor [einem Dobe ben Irrtum toiber= yT 1
)» \J 1/1 ßTfTy ( rufen haben. Unter ben Br 3 ten, bie ebenfalls
1 \ \ \ / '/ '■"-"'i \ oiel oom Qrient 3 u lernen hatten, toirb es [eit /CT*
' __\ \ \\sliFWmfy) jr M vyß { 1400 etroa ©ebrauh, [ih 3ugleih Bftrologen 3 U / '**' **
C 3 \ nennen unb ihren Betrieb banah ein 3 urichten. \
oT — l&w* / fiubtoig XI. oon $tan!reid), [on[t ein büfterer / ..'"‘'"'" «f
1 lWy\ ff / U fraTi / Dprann, [taub in größter gurht oor [einem / jf/Ir 1 Ji ifl 1 K -
1 ■ (( J I f\ I groben unb erprefferifhen £eibar 3 te Sotier, benn IjMH ms fU _ 1
( iM. (? *4 ^ | ■ |j |ly 'I j»J biefer Bfiff^Uis hatte am Fimmel gelefen, baß l!ß : mVr MSf 1
\ IV) Jl'7 / LirTmiil ber 5tönig ihn [elbft um 'genau aht Dage über= ===$rB^d 1 i
\ T jUq 1 \(m gr-i leben toürbe! Diesmal ermannten [ih bie Sterne W f| | 11
ll XO/ \ I unb ftraften ben ©aunerÄügen; er mußte ßubtoigs *1 ^ gM f I
(J- Dob mit anfehen. Son[t fehlt es niht an fällen, 1/1/ m\ <S) I
F ^in benen gerabe bas Xobesbatum nah ber §oro[top= 17 fl
I *sx redjnung eingetroffen i[t. Btartgraf Johann oon \ 1/1/ I \\ *19'
/ if JX, ^ / Mftrin (1513 bis 1571), ber große,Blhimift unb
l Äi4V>T § Bftrolog unter ben §ohen 3 oIIern, hatte 3 u feinem \ ff Jy
PÄÜ Seni ben gelahrten Betrus Snemianber enoählt. l
XvV/ / gür jeben Dag mirb eine Borausfage getroffen, V^U
unb 3 toar in §orm fur 3 er 3 en[ur; beifpielsroeife \ X
/ß ei ßt es 3 um 5. 3uli 1553: „Bicßt gut Br 3 nei *y
. \ l nehmen unb auh ln anbern Dingen toenig ©e= x
/ fälle“ — 3 um 6 .: „£u[tig unb roohlgefhidt 3 U
Ü - ::r: --- U Xierfceisunb2Beltenlemausgnec£)t^et3 e 9:
»abDiomfd,« ©reii 3 (tein mit ptimitiocn Siet= „ffiin topfet? märtnlid) ©emüt (Sttmmung), ge« Supte »b todjftet im Jtotbpuntt, SBuItanus,
ftetnbtibern fc&tDtnb unb giiicnict) in Sttegsüänbeln“ - 3 um , SK“ 5 - ® c,:lur - ®" e W c ® emme
8 .3uli: „Sin lebiger unb müßiger Dag.“ Diefe
nifhen 5tulturoölter ertouhfen, ins ein 3 elne nah 5 Daten, oom funbigen Biarfgraferi oielfah rtah 5 [ie boh uoh in 3 'Iammen auf, burd) Branbfüftung,
©runblagen, auf benen bie Beligionen ber heib=
Babplonifher ©ren 3 [tein mit primitioen Dier=
[ternbilbern
Diertreis unb Bßeltentern aus griehifher 3 e tt:
Jupiter als höd)[ter im Borbpuntt, Bultanus,
Btars, Biertur. ©riehifh^ ©emme
nifhen 5tulturoölter ertouhfen, ins ein3elne nah 5 Daten, oom funbigen Biartgrafen oielfah nah 5 [ie boh noch in 3'Iammen auf, burd) Branbfüftung,
gehen toill, toirb aus bem BSerte oon Blfreb oerglihen, erinnern mit oft brolliger ©enauigteit unb man ergriff einen ber Däter nod) beim Bn=
Jeremias: Das Blte Deftament im £ihte bes an altägpptifhe Borbilber; beftimmt boh ein 3 ürtben. Ss toar Boftrabamus junior [elbft, unb
alten Orients (£eip 3 ig, 3- §inrihs), reihes um 1200 oor Shriftus ©erfaßter Bapprustert gan 3 er büßte [einen Sifer mit bem £eben.
Biaterial fhöpfen tonnen. entfprehenb: „Bm 21. Sßoiat niht lufttoanbeln“, £ießen [ih bie ©eftirne alfo bistoeilen lumpen,
©alt aber ber Diertreis als hiuimlifhes Bor= ober an mehreren Dagen, bie Unheil bergen, „gar [o brachten [ie manchmal bod) ein übriges fertig,
bilb ber bewohnbaren Srbe, bann mußten auh nichts tun,“ toofür ber 24. Dpbi ein ©lüdstag ift, too man es am toenigften erwartete. Btco bella
bie bort fid)tbaren Borgänge ihre Sin 3 elbebeutung „man [oll ^onigtrant genießen“. Bber Snemianber Büranbola (geboren 1460), einer ber beften £öpfe
für bas irbifhe BSefen hoben. Die täglich ober hat feinem £errn ciud) oertünbet, biefer toerbe [einer 3eit, hotte bem neuen Bnfehen ber B[tro=
oielmehr nähtlih toehfelnben Bilber gingen toeit 3ehn Dage nah [einem Bruber, bem iturfürften logie burd) eitte lateini[d)e Bbhanblung fhtoeren
über bie rein talenbarifhe Bertoertbarteit hinaus, 3oahim II. oon Branbenburg, [terben, unb am Bbbruh bereitet. Drei Sternbeuter [ollen ihm
unb babei hotten Btonb, Sonne, unb bie fünf
betannten Bbmeten [hon längft göttlihe Sigen=
[hoft empfangen. Biithin offenbarte [ih burh
jene Stellungen, bie man [hon früh oud) für
Dagesftunben berehuen lernte, ber BSille ber
©ötter. Befeelt tourbe biefe 5taltulation burh
bie gan 3 natürlihe §erein 3 iehung bes © ötter=
[agenfhoßes, ber Bipthologie. Sie tenn 3 eihnete
er[t ben Sinn bes ©efhauten unb oerfhoffte ißm
prophetifhen ©eßalt. Ss gefhoh burh bie Shaf=
fung bes Begriffes oom §oroftop, nämlih ber ge=
nauen Blonetenftellung in ber ©eburtsftunbe bes
Betreffenben. Daburh glaubte man bie gattoren
ermittelt 3 u hoben, toonoh [ih olle toihtigeren
£ebens[hid[ale bes £inbes int ooraus errechnen
ließen.
3ahrtau[cnbe hinburh war bie BJtrologie alfo
eine oolllommene unb mit ber Beligion [o gut
wie ibentifhe BSiffenfhoft. Sine unerfüllt blei=
benbe Sternenprophe 3 eiung oermohte [o wenig
gegen ben ©Tauben wie heute ein niht erhörtes
©ebet. Das Shriftentum fanb bie Bftrologie
noh höhft lebenbig, aber bereits oöllig befiegt
oor; es oerbammte bie abgötttfhe 3'ertigteit,
unb oon biefem Bugenblid an wirb bie Sähe
1911 (23b. 106)
einhellig oertünbet haben, er [ei im beoorftehenben
breiunbbreißigjten £ebensjal)re 3 U gewiffer Stunbe
oom Bloneten Btars töblih bebroht; ob nun
Bico bei [einer Shrift oom Berbruß über bas
unfreunblihe Berbitt noh angefpornt würbe, ober
ob bie ©egner [ih erft bamit rächten, wäre ber
$rage wert, ©enug, ©raf Bico [tarb im fe[t=
gefeßten Bioment!
©erabe bamals fängt bie Sternbeutung an,
[ih oorübergehenb bie ^ohfhulen 3 U erobern.
3n Bologna unb Bobua gab es £ehr[tühle bafür,
irt BSittenberg aber hot tein ©eringerer als Bhi^PP
Blelanhthon über Bftrologie gelefen unb ben
oier 3 ehnten Bers bes erften Bibeltapitels bahin
ertlärt, ©ott höbe bie Sterne niht nur gefhoffen,
uns Bionate unb 3al)re, [onberrt auh „3cichen“
3 U geben. Bßenn ©ott bas [o wollte, bann höbe
er uns auh erlaubt, auf bem BSege ber Srfahrung
3U ermitteln, oon was für Sreigniffen bas gelte.
Der Beformator geht [o weit, eine Steile bei
Seremiah (10, 2) : „Bor ben 3eichen bes Rimmels
erfhredet nicßt“ als Beträftigung ber Bftrologie
hin 3 u[tellen, währenb ber tlare Sinn nur [ein
Büttelalterlihe Darftellung ber Sinwirtung bes !ann: ahtet niht auf bergleihen. Bioberne Bei*
Blanetenfpjtems auf benmenfhlihen Organismus [piele oon bamals werben nicht oerfhinäht. 5Tai[er
176
1308
Uber £anb unb 9Jleer
1911. 9tr. 51
griebri© III. (geftorben 1493) wollte, fo erzählt
Ntelan©tßon, bei alter großen 9Jtad)t fid) in leinen
Krieg mit König Ntattßias non Ungarn eirilaffen,
roeil er beffen angeborenes ©Iüd fannte unb bazu
tourte, bat? bei feiner eignen ©eburt Ntars eine
übte Stellung xoies. Darum 30 g ber Kaifer ttuge
Krtterßanblungen oor, unb auf gleichem 2Bege
überroanb er bie burgunbif©e Nla©!
Stad) Noftrabamus trat ber Norweger Dt)©o
Braße an bie Spiße ber £immelstunbigen. 2Bir
f©äßen ißn t)eute als Aftronomen, für feine 9Iiii=
weit aber ift er einfad) ber gürft aftroXogifdEjer
S©idfaIsoertünber gewefen. Unb toie einen dürften
t)at ißn fein Banbesßerr, griebri© II. oon Däne*
mart, auf ber 3 nfet ^oeen im Örefunb unter*
gebradjt. SNan barf ni©t ableugnen, baß Braßes
Ijoroftope ber bänif©en Königsfamilie großenteils
au© ©rfolge feiner Kunft barftelleu. Brofeffor
DroeIs=£unb in Kopenhagen, ber fi© näßer hier*
mit bef©äftigt hat, fagt, es wäre ni©t leidet,
felbft mit Kenntnis oon bem 1648 abgef©lo)fenen
Befren ©ßriftians IV.., biefen £jerrf©er in wenigen
ÜBorten beutli©er zu geidmen, als es 3©©o Braße
bei beffen ©eburt tat: „Kriegsluftig, Nßeiber*
freunb, Iebenbigen Sinnes für ©eredjügteit, mit
Untereffe für geiftH©e Angelegenheiten, was ißm
aber (im Dreißigjährigen Kriege) große ©efaßr
einbringt, oon gutem §umor, tunftoerftänbig,
prad)ttiebenb, mufitalif©, glüdli© im Bergwerts*
betrieb, bocO großer ehelicher 3 wietra©t ausgefeßt.“
Den ftärtften ©inbrud inbeffen machte elf SNonate
nad) SBtah.es -£obe bie f©Iagenbe ©rfüllung feines
^oroftops über ©ßriftians Sohn, ben jungen
grinsen Sans. Darin wirb eine bräuenbe ©efahr
für bas achtzehnte ga©c ßeroorgeßoben. Deils
ftamme fie oom äRars, teils oomNieere, hoch erfreue
■fid) ber Neugeborene einer günftigen Stellung
ber Benus, was als S©uß infofern genügen möge.
Nun aber brohe nod) Saturn, unb zwar am meiften.
©r oerurfache tatte, feuchte, melan©olif©e Krant*
ßeitsanfälle, begleitet oon feelif©en Beiben unb
allgemeiner Depreffton. Dur© ©ottes ©ingreifen
nur würbe ber Brinz um fein ad)t 3 eßntes gaßr
bem Unheil entrinnen. — ©efpannt warteten bie
©ingeweihten auf Nad)richten, als $rinz Sans
1602, im tritif©en gaßre, erft na© Belgien fuhr,
um bort bie Belagerung oon Oftenbe mitzumadjen,
bann aber heimgerufen würbe, um mit einer
flotte oftwärts zu reifen, ©r füllte na© Ntostau
gehen, wo il>m bes garen Do©ter zur grau be*
ftimmt war. Na© bef©werli©er Neife langte ber
Jüngling bort an, würbe jebo© hutgehalten,
ertrantte unb ftarb am 28. Dttober, ohne bie
Braut nur erblidt zu haben.
3©©o Braße aber hatte f©on 1597 Dänemart
oertaffen unb fi© na© Brag zu Kaifer Nubolf II.
gewenbet, ber, eine trantßafte Natur unb aller
Ntpftit ergeben, ben fremben Nteifter wie einen
Nteffias empfing. Als nä©fter Vertrauter bes
menf©enf©euen Kaifers, bem bie Sterne ganz
gewiß logen — fein Beben, feine Neigungen unb
fein S©idfal erinnern oft minuziös an Bubwig II.
oon Bapern —, oerlebte Braße feinerfeits bie
leßten gaßre in ©lanz unb Nei©tum. Am 24. No*
oember 1601 ftarb er unb hintertieß fein Amt einem
größeren £jintmeIsforf©er, Johannes Kepler.
Diefer war es, ber Anf©auungen über bie ©efeße
ber Stutmelsbewegungen herbeiführte, benen alle
Aftrologie notwenbig erliegen mußte, unb benno©
zwang au© ©n bie 3eit, Soroftope zu ftellen,
als fei ni©ts gef©eben. 2Bir befißen eine foI©e
„Natioität“ oon feiner irjanb etwa aus bem gaßre
1605, unb fie betrifft ben bamals zweiunbzwanzig=
jährigen SBallenftein. Kepler geht fi©tli© über
ben Sternenftanb oon ASallenfteins ©eburtsftunbe
(Saturn unb guptter im ©genannten, erften Saufe,
als „Saus bes Bebens“ gelten© hinweg in pft)=
©o!ogif©e Beurteilung über, wenn er meint, biefer
junge äRann habe ein unruhiges Serz unb laffe ni©t
alle feine ©ebanten laut werben. ©rtradjtena©
Neuem bur© neue StRittel, unb bie Befähigung
hierzu mangle ©m ni©t. ©ßrfu©t unb Verwegen*
heit tonnten ©u lei©t weithin oerführen; oiele unb
große gehtbe werbe er fi© f©affen, aber meiftens
obfiegen. Seiner ©eftirne Konjunttur fei bie glei©e
mit ber Königin ©lifabetß oon ©nglanb — —
Alfo lautete Keplers Neifefegen auf 2BaIlen=
fteins Bebensweg, unb bamit wären wir wieber
am Ausgangspuntt unfrer Betra©tung. „Baß
es jeßt gut fein, Seni. Komm herab.“
Der ^rofpettor
S ü b m e ft a f r i t a n i f © e St { 33 c
OOTt
Bjans Ötrtcf
er blante Knauf bes flehten 3eltes, bas im
gelben Kleib fi© taum oon bem Neoierfanb
abhob, wetterleu©tete weithin.
Di©t bei ber ©ingangstür faß ber Brofpeftor
Bleets unter bem Kamelbornbaum, oon beffen
na© S©Iangen unb Beiz bünftenben Aften bie
blutgierigen Sanbpannen glei©mäßig wie Negen
3 u Boben praffeiten, unb f©aute aufmertfam in
bie alte Konferoenbüdjfe. ©r bebauerte tief, baß
ber Keine Kaffernföter, ber, wenn er ©n an
S©wanz unb Kragen zuglei© zog» Jo fmbf© bie
Sarmonitä erfeßte, aus Berufsmübigteit ein=
gegangen war, unb baß er nun, um ben gäßnenben
Stumpffinn z.u oerf©eu©en, fi© bie 3eit mit weit
gefährlicherem Spielzeug oertreiben mußte. Dabei
hatte er f©on fo oiel Steine gebreht, baß ©n ber
Arm f©merzte, unb bo© nur ztoei flägli©e ©rem=
plare bes fd)warzgrünen, frebsähnli©en Kn=
geziefers erbeutet.
Das eine, oermutti© ein Ntänn©en, war mit
refolutem ©ntf©Iuß ©fort in bie befferert ©efilbe
hinübergewed)felt, bas anbre, bas er fpäter ein=
gefangen hatte, f©ien fi© nod) eine ÜBeile befinnen
Zu wollen. Aber wenn er etwas na©half, tonnte
es au© ni©t‘me© lange bauern! ;
Knb wirfli©, als ber fpiße 3 roeig in ber raffeln^
ben BIe©bü©fe herumfto©erte, fal) ber Storpion
faffungslos bie platten ASänbe feines Kerfers an,
bann trümmte er ben lanzettförmigen Sinter=
leib unb beförberte fi© mit bem Sta©el zu feinem
oorausgefprungenen ©enoffen hinüber.
2Bie ein Kinb, bas feine glüdli© zerbro©enen
Spielfa©en teines Blides me© würbigt, rollte
Bleets bie Konferoenbü©fe mit bem guß beifeite
unb fro© unter bie Segeltu©beden zurüd. Be=
hutfam, als für©te er, mit einem ber hcimtüdif©
aus bem Berfted auftau©enben Nägel Betannt-
f©aft 3 u ma©en, nahm er auf bem aus Kiften=
bedeln znre©tgezimmerten gelbftuhl Blaß unb
fpie oera©tungsoolI naffe Dabafstrümel©en auf bie
Zerftreut umherliegenben Nequifiten feines Berufs.
Der grobe, mafJige Sammer unb ber 3 ierli©e
SCReißel erhielten je einen, bie gerippte 3innf©üffei
bagegen zmei na©brüdli©e ©rüße. Aber bie hatte
©n üud) am meiften betrogen ! 2 Bie oft hatte er
f©on an ber Bfüße ben Kies ausgewaf©en, man©*
mal au© bas ©efi©t in bie S©üffel getau©t, aber
bas Nefultat war ftets bas gleiche geblieben. Drüb,
man©mal. fel)r trüb, hatte fi© bas SBaffer gefärbt,
auf bem buntlen ©runb jebo© war niemals bas
fo fe© erfehnte glimmern ber golbgelben Büntt*
©en zu fehen gewefen.
Unb in £überißbu©t fanben fie Diamanten,
bei ©unpas Kupfer, jeßt ©gar fübli© oon Berfeba
Brauntoßlen; es war für ©n bie I)ö©fte 3^© öaß
er au© mal etwas anbres als 3 eden unb Daufenb*
füßler fanb!
Auf ber Splzpritf©e ausgeftredt, f©abte er mit
bem Nteffer eine Blatte Dabaf na© ber anbern
Kein unb überlegte bie ©ntwidlungsmögli©teiten
feiner ©riftenz* Als bie Klippba©fe fi© aus ben
gelsfpalten herauswagten unb bie Knorrhälm.e ben
Abenb ausriefen, war ©m eine erlöfenbe gbee
getommen, unb er ma©te fi© ©fort an bie Aus*
führung feines glänzenben ©ebantens. Die Bor*
bereitungen nahmen allerbings no© oiel 3 eit in
Anfpru©, er mußte lange ©rumfu©en, bis er
bur© bie zerriffene Daf©e bas leßte Bfunbftüd
aus bem mulmigen gutter herausgeangelt hatte,
bann aber ging er mit boppeltem ©ifer ans BSert.
Die Büleubreher, bie ©re in ben Kuge©äufern
f©lummernben gungen mit ben Sanbtiffen zm
gebedt hatten, wollten fi© oon ber Arbeit erholen
unb prallten in fummenbem ging gegen bie ftraff
gefpannten Segeltu©laten. Aber teils oon bem
Auff©Iag, teils oon bem quietf©enben, treif©enben
Bärm, ber aus bem geltinnern brang, halb be*
täubt zu Boben geworfen, f©Iugen ©re glügel
halb eine anbre Ni©tung ein.
StRit fd)weißüberftrömter Stirn hodte ber Bio*
fpettor auf bem S©emel unb feilte unb hämmerte
an bem ©olbftüd herum, bis es fi© immer mehr
in ein $äuf©en funtelnber Atome zertrümelte.
©nbli© legte er bie gehe beifeite unb atmete er*
lei©tert auf. BSohlgefällig betra©tete er ben ©r*
folg feiner Arbeit unb rüdte bas fdßwelenbe £i©t=
ftümpf©en näher heran, um ben gltßernben ©lanz
Zu oerftärten. Als feine Augen fi© enbü© fatt
gefehen, entnahm er bem©Ragazin feiner Donner*
bü©fe SNobell 7 eine Batrone, biß bie 5XugeI
ab unb f©üttete etwas oon bem f©Warzen Buloer
aus, bann ließ er ben gleißenben Staub in ber
AReffingbü©© oerf©wiuben.
©twas wehmütig war ©m bo© zumute, als
er bie ©nberbare Kaffette, bie fein leßtes, auf*
gelöftes Bfunb barg, mit bem Bapierpfropfen feft
oerf©Ioß unb bie loftbare Batrone in bie Daf©e
f©ob. Do© er beruhigte fi© halb. Sein Opfermut
bra©te ©m fid)erli© noch 3mfen, ein S©uß
mußte in ber menf©enleeren ©egenb ungehört
oerhallen, unb wenn bie golben©attenbe Klippe
etwas gef©wärzt ausfah, © war halt ber liebe
Sortnenbranb baran f©ulb! S©ließli© tarnen
au© no© genug Beute ins Banb, bie bie Augen
Zu unb bie Daf©en offen hielten, einen würbe er
f©on zu töbern wiffen! ■
Na© einer Biertelftunbe genügte ©m ein
©impel ni©t mehr, ©s mußte glei© eine ganze
ARenge, eine ©efellf©aft mit bef©ränfter §aft*
pfli©t fein, bas 30 g mehr unb bedte ©m beffer ben
Nüd 3 ug über bie ©renze. gm Anfang bes Dia*
mantenfiebers waren au© öfters 3 Wei, brei ©e*
fellf©aften auf ein unb benfelben Sanbhaufen
gegrünbet worben, unb im Banbe ber gata
Ntorgana, wo felbft bie Berge einem etwas oor*
fpiegeln, tarn es auf etwas mehr ober weniger
Sd)winbel au© ni©t an.
So fiegesfi©er fühlte er fi©, baß er f©on über
ben Namen, ber bas neue Unternehmen 3 ieren
©Ute, na©zugrübeln begann. Bang blieb er ni©t
im unKaren. „£>phir" — natürli© „Ophir“ mußte
bie ©efellf©aft mit bef©räntter $aftpfli©t ge*
tauft werben, bas ro© nur © na© Niillionen, unb
wenn er bas fabelhafte ©olbparabies na© Deutf©*
Sübweftafrita oerlegte, fo war bas eine patriotif©e
Dat. Knb für ben gall, baß tein Nienf© bas ,,©olb*
parabies“ finben würbe, fo lag bas Be© eben an
ber betannten Hnerrei©barleit aller wirKi©en
Barabiefe!
So weit war alles alfo f©on reifli© oorbeba©t.
Niorgen in ber grüße hotte er nur no© ben
„Brofpettorenftein“ ßerzuftelten, fonft war alles
in Orbnung.
Aber ber f©öne 3utunftstraum ließ ©n ni©t
3 ur Nuße tommen. ©s faß ja au© oiel beffer aus,
wenn man neben bem toftbaren gwtb au© einmal
ein Keines Bopier bistret zum Borf© ein bringen
tonnte, bas, mit geßeimnisoollen 3 rl©ru bebedt,
fi©erli© eine aufreizenbe BSirtung auf pßantaftif©e
©emüter ausübte.
Knb mit oieler Niüße ftellte er fi© bie S©reib*
utenfilien her, goß Kaffee in bas ausgetrodnete
Dintenfläf©©en unb begann, mit einem zu*
gefpißten ^ölz©en in ber bläuli©gelben Brühe
rüßrenb, bie Stiz 3 e bes „©olblanbes Opßir“ auf
einen geßen Bodpapier zu zei©nen.
Aber bie Arbeit tarn ni©t 3 U ©nbe. Als er ge*
rabe beim zweiten Cluerftri© angelangt war, er*
Iof© bas blatenbe Bi©t; flu©enb Kröpfte er ben
Nod zu unb budte fi© unter bie Kamelßaarbede ...
Als bie Ntorgenfonne in bas 3rK trat, um ben
S©läfer 3 U weden, wußte fie ni©t, ob er f©on
wa©e ober no© träume.
BSenigftens faß ber Brofpettor mit blin 3 elnben
Bibern halb aufgeri©tet auf ber $o!zpritf©e unb
fußr fi© mit ber Ne©ten |©Iaftrunten über bie
Augen.
Aber ber Steinbod, ber, tnapp oor bem ©in*
gang fteßenb, bas grltinoentar ftubierte, f©wanb
ni©t einer Bifion glei© aus feinem ©efi©tstreis.
Breitfteßenb wie eine S©eibe äugte er ben
Brofpettor oertraut an.
Da f©oß in bem §albwa©en bas ßißige gäger*
blut auf, inftinttio griff feine Ne©te in bie Daf©e
unb f©ob eine Batrone in ben Bauf, bann flog ber
ÜRaufer mit einem Nud an bie Bade.
„Böff!“ — ©ine ©arbe golbig flimmember,
glißernber Stern©en fprüßte über ben Bod ©in*
weg in weite gerne.
Berbußt faß Bleets ber entf©winbenben Bra©t
na©.
„.Pjornoieß!“ brüllte er bann mit ßeroor*
quellenber Stirn unb gab fi© einen berben Stoß
3 wif©en bie Nippen.
Der Steinbod, ber na© bem S©uß immer
no© rußig oerßofft hatte, glaubte bas ungewohnte
Kernwort auf fi© gemünzt unb fprang in meter*
ßoßen glu©ten über bie Büf©e.
„©fei!“ fagte ber Brofpettor no© einmal mit
bem Bruftton ber Kberzeugung zu fi© felbft, bann
ging er 3 um geuerplaß unb ßängte mit f©merzli©
ßerabßängenben Ntunbwinteln ben Kaffeeteffel über
bie praffelnbe Stiege bes „©olblanbes oon Ophir“!
ßeottfjarb 6anbrocf: &©f)lett netymettbe ßofomottoe
1310
Über £anb unb SCReer
1911. 9tr. 51
Raftion einer ber fieben toten itönigftäbte nm Delhi
n §ote ^aiferffäbte. Ron ^ar( ^igbor
s ift beute für uns, bie roir nun fd)cn lange ber
unbebingten Defpotie entroad)fen finb, einiger*
mähen fd)toer, ben Regriff unb bie Dragtoeite ber
3 ufammenfaffung aller unb jeglid)er SCRacfjt in ben
£jänben eines einzigen ©ipfelpunftes einer Nation
aus 3 ufd)öpfen. Die 5traft einer Saune, Sehen unb
Xob 3 U geben, gan 3 e Älaffen unb Riaffen oon
Rienfchentoefen glüdlid) 3 U mad)en ober 3 U ftrangu*
lieren, erfd)eint uns heute toie faurn mehr möglid)
unb toaf)r unb nur in Sagen fernfter Ferne 3 U
Recht beftehenb. Unb bod) ift in mand)en 3onen
Sultur nie anbers möglid) getoefen als unter ber
‘sßeitfdje ber Furcht, fo füfjn bies Hingen mag. Der
gan 3 e Orient, ein ungeheures Referooir oon Sehe*
toefen mertig felbftäubigerSXrt unb mit benFuftinften
ber Rtaffe, bat nur bieferart aus ber ftarfen Re*
barrung feiner Drägheit aufgeriffen roerben tonnen.
Unb toie es bei mand)en “^fla^en oortommen foll,
bah fie nur gan 3 feiten unb oielleid)t in hunbert
fahren einmal Rlüten treiben unb ben gan 3 en
Saft, bie gan 3 e Sraft unb Sd)önbeit ihres langen
Sehens in biefe einmalige fd)öne unb färben*
prächtige ©fftafe peitfd)en/fo mag auch bas träge
oibrierenbe Seben bes Oftens manchmal bie lang
in Sd)Iaf gelegene Sraft auf einem feltenen £>öf)e=
punft 3 ufammenfaffen, unb es toirb öann ein faft
rounberbarer, fraftooller unb feltfam fd)öner StRenfd)
baraus. Die groben 3eiten inbijcher ©efd)id)te oor
allem finb Reifpiel bafür. Das aufgerüttelte ©enie
einer begabten Nation bat bort oon 3 eit 3 U 3 ett
Ubermenfd)en gebilbet, benen taum etroas 3 ur
Seite geftellt roerben tann, bas anberroärts er*
toudjs. Fut ©uten toie im Sd)led)ten toaren fie
ungeheuer, ihre gren 3 enlofe Riadjt, ihr unerhörter
Reichtum geftattete ihnen einen Rrunf, ein ©r*
füllen ber Sd)önf)eit, toie es oorbem nie getoefen.
Ror allem bie ©robntoguln finb toie ©eftalten aus
Rtärd)en unb §elbenlieb. Äaifer Rabar tann faft
einem RIexauber an bie Seite geftellt roerben,
Rfbar toar ein Sucher nad) ben lebten ©eheim*
niffen ber üflklt, ber Seele unb ©rfenntnis. ©r
träumte baoon, bas Rolf glücflid) 3 u machen, unb
toollte ihm fogar einen neuen Fimmel bauen, ©r
oerfammelte um fid) bie Anhänger unb ^ßriefter
aller Religionen unb forberte fie auf, bie Über*
legenbeit ihrer eignen Sel)re über bie anbern 3 U
betoeifen. ©in feltfames Rilb muh es getoefen fein,
als in ber £jalle ber 2 Beisl)eit Rubbhiften, Rrah=
manen, Rtoflems unb 51athoIifen, ißantheiften,
Feueranbeter unb anbre für ihren ©lauben ftritten
unb Sogit um Sogit, F**en um F^en gegenein*
anber ins Dreffen führten. Rn jebem Donnerstag
3 ur Rad)t oerfammelten fie [ich, unb immer beiger
rourbe ber Streit, ©s gab fein ©nbe, unb bie ftlein*
lidf)feit aller rourbe immer mehr unb mehr offen»
bar. Rfbar ertannte enblid), bah nichts bes heute
Reftel)enben ben Rtenfchen bas roahre §eil 3 U geben
oermöd)te. So nahm fein Draum oon einer alle
umfaffenben Religion bes feiles immer feftere
Formen an. 2Bof)l fab er ein Stücf 2BahrI)eit in
allen biefen ©lauben, aber teiner oon biefen fd)ien
ihm ber Sdjlüffel 3 um ©toigen 3 U fein. „Oft fah
er, ber Äaifer, in ben erften Stunben bes Rlorgens
auf einem Stein im £jofe feines ^3alaftes unb beob*
achtete ben Rufgang bes Dagesgottes unb fann
nad) über bas Rtpfterium bes Sehens.“ Roch
immer 3 toeifelte er unb lieh fein OI)r ben Fefuiten*
prieftem unb allen ben anbern, bie an feinem §ofe
um ben ©influh fämpften. ©nblid) entfd)Io| er
lid), biefe herrfchfüchtigen ^riefter fämtlid) falt*
3 ufteIIen unb fid) felbft als bas $aupt einer neuen
51ird)e 3 U protlamieren. 3um erftenmal ftanb er
an einem Freitag bes F<*h*es 1580 in ber groben
Rtofchee oor bem Rolfe unb begann als Rriefter*
ftönig bas Rittgebet. „Rber bie ©rregung bes
Rugenblids, ber Rnblid ber Rlenge, ber ©ebanfe
an fein hohes Rmt toaren 3 uoieI für ihn. ©r ftocfte
unb brach bann 3 ufammen..."
Fürftengrab bei Delhi Rite ©rabmofchee bei Delhi
1911. 9lr. 51 Über ßanb urtb äfteer 1311
baff fic noch mehr fd)am!os finb." ©ine
anbre^Slrt oon Unterhaltung ift, Juwelen
unb tocf)mudftüde 311 prüfen, bie in großen
Wruhen oon ©olb gebracht toerben. 93on
Ungeheuern Schäden wirb berietet. Wie
grauen tragen Sänber oon guwelen auf
beiben Schultern, um ben Hals. SRitten
auf bem Kopfe ift ein 23üfd)el perlen, bas
ihnen bis in bie SRitte ber Stirne herab*
hängt, gn ben Ohren, an ben Firmen,
Hanbgelenten unb guhtnöd)eln finb gleicher*
roeife oielfache 33änber großer perlen, unb
um bie Kenben haben fie einen ©ürtel oon
3 w eifingerbreitem ©olbgewebe, bas über unb
über mit großen Steinen bebedt ift. „ghre
Kleiber," heifet es, „finb wunberoolt unb
foftbar mit Slofeneffen 3 parfümiert, geben
Wag toed)feln fie fie 3 U oerfd)iebenen Skalen,
roegen ber im SRogullanbe häufigen SBitte*
rungswechfel... Stile grauen in gnbien
haben bie ©ewohnheit, ihre Hänbe unb
güfje mit einer Strt oon ©rbe rot 3 U färben,
berart, bah es ausfieht, als ob fie Hanbfdjuhe
trügen. Sie tun bies, toeil fie roegen ber gro*
hen <rjihe toeber Hanbfcbuhe nod) Strümpfe
tragen tonnen. Sie müffen auch barum fo
bünne Kleiber anlegen, bah ihre Haut burd)*
fieht. gn ber Siegel tragen fie 3 toei ober
brei übereinanber, oon benen jebes nicht
mehr als eine Un 3 e roiegt unb oierßig bis
fündig Slupien roert ift. Ohne bas ©olb, bas
als glitter barauf angebradit ift. Sie fchlafen
©ingeborenenborf in einer oerfallenen Stabt in öie J. en Kleibern unb erneuern fie, unb
legen fte ntemals toieber an, fonbern fd)enfen
fie ihren Wienerinnen."
©tn anbrer, oielleicht nod) |tral)Ienberer biefer ihre befonöeren «Pflichten, fei es in ber «Wartung «Bon folgern Keben muh man fich bie Höfe er*
gürften war Scha=gahan. ©r hat SRärdjen in ben bes Königs, feiner grauen, feiner Wächter ober füllt benten. Wa 3 U tarnen $unberte oon «Prisen
Stein gebannt, feine «JRarmorträume leuchten feiner Kontubinen. Um unter bieferx lederen $Be* unb Waufenbe oon Vornehmen unb ©bien, Wienern,
heute noch fo wunberfam unb fd)ön xoie je. Sion fehlgebung unb Orbnung aufrechterhalten 3 U Kriegern, ©unud)en, ©lefanten unb gerben, jebes*
feiner Hofhaltung er 3 äblen 3eitgenoffen bie un* fömten, ift jeber oon ihnen ihre Sleihe oon Släumen mal eine gan 3 e Stabt. SBertn man heute burch bie
glaublichften Winge. So gab es im Serail bes angetoiefen unb SRatronen finb über fie gefegt. leeren, fdjallenben Hallen roanbelt, burch bie toten
Herrfchers eine Slrt oon toeiblicher Siebenregierung, Hberbies hat jebe gewöhnlich 3 <dm ober 3 toölf «Paläfte unb fchlafenben Höfe, bie all ihren ©Ian 3
ein nötiges SRinifterium, burch beffen SRunb, fo weiblidje Wienerinnen, bie aus ber 3ahl ber oben* wie burd) ein SBunber bis auf unfern Wag bewahrt
oft ber König unter feinen grauen war, «Befehle erwähnten grauen gewählt finb. — Unter ihnen haben, bann faßt einen oftmals bas «Bebauern,
unb ©ntfchetbungen ergingen. SRanucci er 3 äl)lt: finb einige, welche bie $rin 3 effinnen ßefen unb bah folrfje 3eit oerfd)oll. Slber nicht nur «paläfte
„ jn ber Siegel leben im Serail ßweitaufenb grauen Schreiben lehren, unb in ber Siegel finb bas, was unb «Burgen, fonbern gan 3 e Stäbte fchlafen heute
ber oerfchiebenften Slaffen. gebe hat ihr SImt ober fie ©neu bittieren, £iebesgebid)te. Ober bie grauen fo. ©s fdjeint, als ob fie eben erft oerlaffen worben
3 erftreuen fid), in* feien, als ob eben juft ber letzte Slaufch unb Klang
bem fie 23üd)er oerflog. Un 3 ählig ift ihre 3 ahl, unb oft finb faum
lefen, ,©uliftan ( ober mehr bie Stauten ber Könige ruchbar, bie fie er*
,25oftan‘, oon einem worben. Um Welhi allein liegen Heben foldjer
Slutor, ber Sec Sabi gürftenrefiben 3 en. Wie groffe Stabt oon Stmber
©hiragi hetht, unb bei geppur erfüllt im Wöbe nod) ein ganßes grobes
anbre S3üd)er, bie Wal unb ben Slüden eines 23erges, auf bem bie
oon Jßiebe hanbeln, alten paläfte ftehen unb herabfehen auf fünftlidje
ungefähr in ber Slrt gnfeln unb Seen, auf Straffen unb Wäd)er, in
unfrer «Romane, nur benen längft alles füll geworben ift unb in benen
1312
itber £artb unb 9fteer
1911. 9tr. 51
Das ©rab bes Jlaifers Albar (roter Sanbftein, gan 3 oben meißer Starmor)
beute taum je ein oerirrter §irte
ftreift. Die fcßönften biefer Störchen
aber finb int 9?eid) ber ©roßmoguln,
nabe Agra, ihrer prunfreiesten Stabt.
So Silanbra uni) oor allem jo ga^
tebpur Sitri. Diefe Stabt roar Albars
9 ?efiben 3 . ©r bot fie um 1570 ge=
grünbet unb nad) ein paar galjren
mit feinem gan 3 en £jof unb Soll oer-
lallen. Sie liegt nod) heute, nad)
breibunbert 3 ah*en, ebenfo ba, als
ob ber ©xobus erft geftern gefd)el)en
roäre. Über bie Urfad)e meiß man
nid)ts. Standje geben an, baß es
einem ^eiligen 3 u lärmenb geroorben
fei unb er bem ftaifer feinen ©ntfd)Iuß
funbgetan bobe, unt 3 U 3 ieben, toorauf
ber Aaifer erroiberte: „Dann 3 iel)e
lieber id).“ Aud) bei ihrer ©rünbung
Jpielte ein heiliger Staun bie $aupt»
rolle, toabrfcbeinlid) mar es berfelbe.
©s mirb barüber er 3 äl)lt: Albar mad)te
einmal, oon einem feiner genüge
3 urüdfel)renb, am guße bes £ügels,
ber beute bie Stabt trägt, halt. 3u
ber 3 eit maren er unb feine ©emablin, eine
§inbuprin 3 effin aus 3 eppur, tief betümmert über
ben Serluft ihrer beiben 3uüüing$linber.
£>ben auf bem irjügel nun lebte ein febr be=
rübmter heiliger ©remit, Shell) Salem ©I)ift)li,
unb biefer oerfprad) ihnen einen Sol)n unb ©rben,
menn fie ihr §eim hier auffd)Iagen mürben. „Sie
fagten 3 U, unb entroeber burd» bie $eilfamleit ber
ßuft ober burd) bie geiftigen Semül)ungen bes
heiligen Saters lam es mirllid) 3 U ber ©eburt
eines Sohnes, Salem genannt, fpäter Kaifer
3 ehangir.“
©inunb 3 toan 3 ig Steilen oon Agra entfernt
fd)lummert biefe tote Stabt, bie größte aller auf
biefer ©rbe. 3f) re dauern haben eine Sänge oon
fed)s teilen unb ftehen nod). 3h r e Straßen finb
mit llugem Sebad)t gelegt unb heute nod) gangbar.
3 I)re ^Paläfte märten auf ben, ber in ihnen toohnen
mill. Stau hat oftmals bas ©efühl: nun lommt
mit einem Sud ber ^rins unb medt mit feinem
3auber Dornröschens unb bes gan 3 en §ofes
Sd)laf. Aber alles ift ftill mie oorbem. Aid)ts
regt fid), nur über bie oon ber Sonne gebörrten
Steine rafdjelt eine Sd)Iange ober fd)leid)t bes
Abenbs ein Sdhalal ober ein Panther. Über
ben Soben eilen kneifen in langen Scharen,
unb ©eier unb anbres Saub 3 eug flattert fdjrner
in ber Suft. Die brütenbe Stille mirb burd)'
faft nid)ts geftört.
Sieben bem Tore ift eine große ilaramanferei,
irgenbmo anbers einStarttplaß. Sille Sebürfniffe
einer großen Stabt finb oorgeforgt unb nod) ba.
3n ber SHtte, auf bem ©ipfel bes Plateaus, liegt
bie Surg, unb ringsherum finb bie ^aläfte ber
©bcln angeorbnet, bie fallen ber Aubien 3 unb
Sed)tfpred)ung, bie öffentlid)en Sauten, bie Wa¬
fern en für bie Dienerfdjaft unb für bie ftrieger
unb bie Ställe für bie gan 3 en Sd)aren $ferbe unb
©lefanten. Son einer Sebenftraße lommt man
an einen füllen §of, um ben rings lüßle unb halb
im Dunlei liegenbe Stänbe für bie Söffe bes
£jofes ftehen.
Sod) finb bie §alter für bie betten ba, aber
bie klaffen finb längft nicht mehr. Sur eine
riefenhafte heilige ftuß irrt burdh bie Säume unb
tritt einem aus ber Schmähe mie ein Schemen
entgegen. Scfjmimmbäber unb türlifdje Säber,
nod) heute benußbar, finb in einem anbern Seil,
^aoillons für bie lühlen Abenbe unb unterirbifche
Säume 3 um 3ufammenfißen, menn bie Sonne
brannte.
Sdjaßtammem finb hier unb oielftödige ©e*
bäube mit hunbert Säulen unb einer Seftimmung,
bie längft oerfd)ollen ift, un 3 äl)lige ^aläfte oon
Städ)tigen, 3 ierlid)e §äusd)en unb Türme für ben
Aufenthalt geliebter grauen, unb Un 3 äl)liges, bas
leinen Samen hat.
Stunbenlang irrt man burdh bie Straßen. Stau
lommt 3 ur Äönigsburg. ©eßt burdh
ein ftol 3 es, ftodhohes unb tiefes
Tor unb ift auf einem großen, in
meißen ©lan 3 getauchten $of, ben
ringsum eble Sauten umgeben,
©egenüber liegt bie Stofcßee bes
heiligen Salem, eine ber fd)önften
in gan 3 gnbien.
©ine gnfeßrift belehrt, fie ift bas
Duplilat bes heiügften paßes in
Stella. 3u il)ter red)ten Seite, ein
©egengemid)t ihrer brei fdjönen,
harmonifd)en Dome, liegt bas große
nörbüdhe Tor, ber munberbarfte
Triumphbogen, ben bie 2 Belt gebar.
Aud) ihn hat Albar erbaut.
Auf ber anbern Seite bes Slaßes
liegt bas ©rab bes heiligen Salem
felbft, in ber Sonne ftrahlenb. ©s
lieht aus mie aus Sorhängen ge=
mobenen Starmors gebilbet, ber
3 ierlidhfte unb lieblidhfte gumelem
fd)rein, unb feltfam genug als bie
Regung eines toten, hageren unb
oermilberten $äretiters. ©in nie=
briger, oierediger Sau, 3 u bem ein paar Stufen
hinaufführen.
©ine ftuppel Irönt bas leichte, teilmeife ab=
gefd)rägte Dad), unb bort, mo bie ©ingangstiir ift,
feßiebt fid) ein Heiner Sorbau, oon oier Säulen
getragen, nad) oome. Die SSänbe beftehen gan 3
aus biefen burdjbrocßenen, Ieud)tenben glatten,
unb man oermag ringsum burd) fie Ipuburd)°
3 ufehen.
Das überragenbe Dach tütrb oon Stüßballen
meißen Starmors getragen, bie in ben feltfamften
SBinbungen gefdßnitten iinb unb bie geinßeit ber
Steinmeßarbeit geigen. Das gnnere, ftets in
teid)tes Dämmerlid)t getaucht, trägt bas ©rab bes
^eiligen, oon Salbadjinen überfeßattet, in ^3erl=
mutter gebid)tet. Sings an ben Sßänben hängen
oiele §unberte oon fchmußigen Streifen, gaben
unb Säubern, Opfergabert unb ©rinnerungen
linberlofer grauen, bie hierher beten tarnen, auf
baß noch ber unoergänglicße ©eift bes heiligen
Stannes nun für fie basfelbe täte, mas einft
fein ©ebet für Albars 2Beib, bem es ein 5ünb
gemann.
Seltfam, benlt man nad) biefem allem,
baß bie 3 eü oon heute fo gan 3 traftios,
fdhmach unb mübe gemorben ift nad) fooiel
3eugniffen unb Taten oon Schönheit, greube
unb Tätigleit.
Die tote ftönigftabt oon Amber. See unb gort
1314
Über £anb unb älleer
1911. 9lr. 51
©efäprlidper Sturj beim §inbernisrennen
'^ftenmmfcüle
Tyr Starter Ijat bie flagge gefenft, unb im
©alopp fegt bas ^ferberubel über bte
crften Ijinberniffe. Vod) finb Voh unb Leiter
bicpt beifammen unb biegen um bie crfte ©de,
bem 2 Baffergraben 3U. Vi<pt alle lommen
glatt hinüber. (Einer t»on ben Vierbeinern ift
3U früh abgefpruttgen unb hat fid) felbft unb
feinen Leiter 3U galt gebraut. 2Bäprenb bas
Vferb halb roieber aufftept unb bem baoon*
ftürmenben Selbe nadjfept, frümmt fiep ber
Leiter am SBoben oor Sd)mer3cn, unb halb
fehen bie Xribünen3ufdjauer, wie an ber Un=
fallftelle eine ^apnenftange I)in unb her ge*
fcpwungen wirb. Das ift bas Signal für einen
ernften Stur3. Schnell wirb eine Dragbapre
an ben oerpängnisoollen Sprung pingebracpt,
unb wäprcnb bas übrige Selb fcpon Iängft bas
3iel paffiert hat, wirb ber geftür3te Leiter in
bas Rrantcn^immcr gefcfjafft unb bort oom
Vr3t unterfud)t.
Stür3e im §inbernisrennett, mögen fie auf
einer öffentlid)en Vennbahn ober auf freiem
Sagbgelänbe hinter ber toilbcn £unbemeute gelaufen
werben, finb auherorbentlid) häufig. (Es gibt nicht oiele
$ürbenrcnnen ober Steeplecpafes, in benen nid)t irgenb*
ein ftartenber ©aul fopfüber gegangen ift unb feinen
Veiter abgeroorfen I) Q t. 2 lbcr ber gewöhnliche Stur3,
bei bem ber Steuermann oft nur fanft bie (Erbe füfrt,
hat roeber für ben 9 Jtann im Sattel nod) für bas ^ 3 ferb
etroas ©efaproolles an fid), benn in ber ftunft, bie
Sturßgefapr burcp (SefdE)id=
lidjfcit 3U paraphieren,
haben es unfre Veiter,
mögen fie VroMfionals
ober Vmateure fein, fepr
roeit gebracht. 21m häufig*
ften tritt ber Sali ein, bafj
ein ipferb bas §inbemis
nicht richtig taxiert, 3U früh
ober 3U fpät fpringt, beim
fianben auf bie ftnie fommt
unb im Vogen feinen Veiter
über ben Äopf hinweg ab*
roirft. (Ein gefcpidter Veiter
hält fid) am 3aum3cug feft
unb läpt firf) bann fo fanft
roie möglich 3m (Erbe gleiten,
namentlid) bann, wenn bas
Vferb felber gleid) toiebcr
auf ben 23 einen ftept. Unb
es ift paffiert, bah ber ab*
getoorfene SJtann ftd) fcimell
roieber in ben 23 ügel
fdf)tDingt unb bem Venn*
felbe nachgaloppiert. 3a,
es hat braoouröfe fieute ge*
geben, bie fo ein Venncn
mit $inberniffen noch 3U
guter fiept gewonnen haben.
Vteift aber ift ber Stur3
gleicpbebeutenb mit ber
bas gefallene ^ 3 ferb oon feinen furchtbaren
Qualen.
Der Veiter braucht gar nicht ungefdjidt 3U
fein, um fdjlecpt 3U fallen. (Es genügt fcpon
ein unfanftes Streifen bes 23 obens, unb ber
Vrmbrud) ober ber Sd)lüffelbeinbrucp ift ba.
©an3 3U fcpweigen baoon, bah §uffd)läge
oon hinterperfommenben ^ßferben, bie nicht
fdjnell genug in einen anbern fturs gebracht
worben finb, ben auf ber (Erbe fiiegenben
böfe 3urid)ten fömten. Oft fommt auch ber
Veiter unter bas ^Pferb 3U liegen, unb bie
gan3e Schwere bes Vferbeleibes brüdt auf
ben Ütrmften, ben erft pin3ufpringenbe 23 apn=
Wärter heroor3iehen müffen. Ober ber Steuer*
mann fommt aus bem Sattel, bleibt in ben
23 ügeln hängen unb wirb eine Strede weit
mitgefchleift. Sür bie 3uf<pauer ein entfep*
lieber Vnblid.
3 ebes Venncn, befonbers aber ein $inbcr=
nisrennen, wirb erft ant 3ral entfliehen.
Die Sälle finb 3aplretch, wo ein ©aul
mit bem „Sieg in ber $anb" an ben
lebten Sprung fam, aber h^r in bie 23 riicpe
ging, ober wo ein ^Pferb gerabe nod) bis
3ur lebten §ürbe marfd)ierte, bann aber oor 9 Jtübig=
feit fiel.
Sin unb wieber müffen bie Veiter aud) ein unfrei*
williges 23 ab ausfoften, wenn es bem Venner gefällt,
gerabe an einem 23 ad) ober an einem 3U burcpquerenben
See einen Vumpler 3U machen. So ein Stur3 pflegt alle*
mal an ben Dribünen ©eläd)ter aus3ulöfen, beim ber
Veiter fiept nach bem 23 abe niept gerabe falonfäpig aus.
Seltener unb fepr ge*
fährlich pflegen Stü^e
auf flad)er 23 at)n 3U fein.
(Ein Vferb tritt in ein £od)
ober es faramboliert mit
einem fionfurrenten, unb
ber 3o^ei fliegt ab. 3« ber
flotten ^ 3 ace, bie auf ber
glacpbapn eingehalten wirb,
ift bann ein Unfall bop*
pelt ängftlid), unb bie
Durfcpronif weih oon man*
epen Dobesftür3cn biefer
2lrt 3U erzählen.
23 öfe fiept es auch für
ben Veiter aus, ber an
bie Vails, an bie ©itter,
bie ben fturs abgren3en,
gebrängt wirb. (Ein 3er*
fepmettertes 23 ein ift mit*
unter bie golge.
So fiept gerabe im
peiterften unb bunteften
Vennbapngetriebe Jöeib unb
Sreub bicpt beieinanber,
unb wer heute noch auf
ftol3en Voffen fah, fann
morgen 3um ftrüppel ge*
fcplagen fein.
Vrno 2 Irnbt
SturiJ auf flacher 23apn
2 lufgabe bes Vennens, benn bas ipferb pat fid) irgenbwo
wep getan. Selbft ein für bas 2 Iuge bes Vennbahn*
befuepers gan3 unfepeinbarer Stur3 fann einem ipferbe*
förper unheilbaren Schaben 3ufügen.
©enidbrüepe, $effelfiffuren unb Scpulterbrüdje, bas
finb fo bie Sauptgefapren, bie Vennpferben bropen,
unb eine ©nabenfugel, bie auf bem grünen Vafen
gleid) an ber Unfallftelle abgefepoffen wirb, erlöft
Hnglücf auf ber ^ßarforcejagb
Vermittelte fiage
3Ius beut Sattel!
£)et Scfyat} im 9Jleer (etn ftampf ber £erf)rtt! mit bem 9Jteer um 20 SRilltonen)
1 Der grofce Saugbagger in Dätigfeit — 2 SRücHehr eines Tauchers — 3 Das uerfuntene (Srf)a^f<f)tff „ßutine" — 4 «Beobachtung bes Saugers burd) bas Unterfeefernrohr
5 «Hnficf)t bes auf bem Seichter montierten fiebartigen Raumes
CVJ-or mehr als hurtbert fahren, in ber 9tad)t oom 9. Ottober 1799, fdjeiterte an einem ber (Eingänge ber 3uiberfee eine Fregatte ber briüfd)en
Marine, bie „ßutine“. Das )tol 3 e Schiff, welches 32 ftanonen trug, befanb fich auf einer ftahrt oon ©reat 9)armouth nach Hamburg unb hatte
einen Schah oon 1217000 ^ßfunb Sterling teils in gemümtem ©olbe, teils in Sarrett an Sorb. 3u oerfchiebenen 3eitert fitib ein 3 elne Xeile biefes
Schafes, 3 ufammen etwa im SBerte oon 2Ö0000 ^funb Sterling, gehoben worben, unb 3 war ber §auptteil biefer Summe bereits im 3ah re 1800. Dann
hatte man ben Ort bes gefuntenen $ahr 3 euges oerloren, unb erft für 3 lid) i|t er wieber entbecft worben. Nunmehr geht man mit ber größten (Energie
baran, bem äfieere feinen Schah 3u entreißen. (Ein großer Saugbagger ift bamit befchäftigt, ben Sanb unb Schlamm 3 U entfernen, ber fich im ßaufe
ber 112 3al)re am £ed bes gefuntenen gah^euges angefammelt I)at. Der burct) ein 20 3oll weites ftohr angefaugte 2Bafferftral)l wirb in einen mit
Sieben umgebenen Staunt eines ßeichters geleitet, aus welchem bas ÜBaffer IeidOt wieber abfliehen tann, wäbrenb bie feften Seftanbteile, Steine unb
fo roeiter, Uegenbleiben. So hofft man ben Schah 3 u heben. ®fcher waren aber alte Serfuche oergeblich, unb auch bie Xaucher oermod)ten noch
nid)t aus bem nur etwa 30 ftufc tief liegenbeit Schiffe auch nur bas tleinfte Stüddjen ©olb ans 2ageslid)t 3u bringen. Unfre Silber 3 eigen einen an
bie SBafferoberfläche 3 urüdfel)renben £aud)er, ferner bie ^Beobachtung eines £aud)ers mittels eines Unterfeefernrohres fowie 3 wei Sinfichten bes am
gefaugten 2ßafferftrat)les unb bes ben fiebartigen Staunt enthaltenben ßeid)ters, oon welchem bas äBaffer in breiten Strömen abläuft. Das Sftittelbilb
enblid) gibt eine Stbbilbung bes gefuntenen Schiffes felbft nach einem älteren Stiche wieber. R. de J.
1316
1911. m- 5i
KyFdJurwis/cnjcfiaß Q
gn biefen Sagen ging bie auffehenerregenbe
Kunbe burd) bte Breffe, bah es gelungen [et, un=
befruchtete grofcheier burd) blohe nted)antfd)e
Weisung 3 m teilroeifen Sntmidlung 3 U bringen,
tiefer gans erftaunensmerte Befunb, ber immer
noch etroas oom Btirafel an fid) bat — XjartbeXt es
[ich bod) um Siere, bie uns Btenfdhen burd)aus
nid)t mehr fo fern fteben — legt es nabe, bem
Problem ber oaterlofen 3 eugung ober gung»
ferngeugung, Bortheuogenefis, roie es
bie Büffenfdhaft nennt, etroas eingehenberes guter»
effe 3 U toibmen.
5CIs oor mehreren gabr 3 ebnten bie erften Bad)»
richten oon ber Sntftehung oon £ebemefen aus
unbefruchteten (Eiern auftaud)ten, unb als es
fcbliepd) mit gugnid)t mehr be 3 meifelt merben
tonnte, bah bei gemiffen Tierarten bie B3eibd)en
oielen (Generationen oon 9tad)tommen bas £eben
[dienten tonnen, ohne bah [te mit einem Blänn»
eben ihrer Brt 3 u[ammengetommen mären, ba
bemächtigte [ich ber rx)i[[en[cE)aftlicXjen SBelt hödhftes
Srftaunen, gerabe 3 u eine getoi[[e Konsternation.
BSar bod) bas gan 3 e £ehrgebäube über Beugung
unb Befruchtung in allen Buuften y 0 feft funbiert,
unb er[d)ieuen bod), roie ber berühmte Bhbft°l D S
unb Anatom Bf lüg er [ich ausbrüdte, biefe Be»
funbe gerabe 3 u als umftür 3 lerifd)e Neuheiten, bie
geeignet er[d)ienen, ben rafdjen ging miffenfchaft»
liehen Srfenntnisfortfdhritts 3 U hemmen!
Sie 2Bi[[en[d)aft bot fid) mittlermeile nod) mit
roeit unbequemeren Satfad)en abfinben müffen;
immerhin muh 3 ugeftanben roerben, bah bie grage
nad) Sinn unb Bebeutung ber 3 to e i ge[c£)XedE)tig«
feit, eine grage, bie unfern mobernen So 3 ioIogen
männlichen roie roeiblicben ©ef<hled)ts auch in
anbrer Be 3 iebung heihes Kopf 3 erbred)en macht,
burdh bas unerfcbütterlidje gaftum ber oaterlofen
Bachfommenentftehung eine [djroierige Kompli»
■tatton erfahren bat, bie bie miffenfdf)aftlidhen Sr»
flärungsoerfudhe auf bas (Gebiet mehr ober minber
„grauer" Sheorie brängte.
3 uoörber[t roollen roir baran erinnerft, bah
all bie 3 ahlreid)en gälle unge[d)led)tlid)er gort»
pflan 3 ung bureb Knofpung unb Teilung, bie
man oon nieberen Sieren her tennt, mit ber echten
Bartbenogenefis gar nidhts 3 U tun hoben. Bßemt
ein gnbioibuum unfres allbetannten tleinen Süfc
roafferpolppen ober etroa ein im Bleer lebenber
Borftenmurm, roie ber hier abgebilbete Butolptus,
burd) [eitXiche Sproffung ober Querteilung neue
gnbioibuen heroorbringen, fo finb bies einfache
Bßad)stumst>orgänge, bie nur toegen bes anher»
orbent!i<h einfachen (be 3 iebungsroeife für bie Quer»
teilung günftigen) Körper auf baues biefer Siere 3 ur
Bblöfung oon Bad)f ommenftüden führen tonnen.
Ss bängt biefe einfache gortpfIan 3 uugsart innig
mit ber großen Begenerationsfähigteit fold)er ein»
fachen Qrganismen 3 ufammen, Sie ja imftanbe
finb, aus fleirten Stüden ihres ^erteilten Körpers
mieber neue fomplette stiere he* 3 uftellen ( 3 U
regenerieren).
(Gan 3 anbers bei ber echten gungfern 3 eugung!
Hier entfteben bie jungen aus unbefruchteten
Stern, alfo aus ed)ten roeiblicben ©efd)Ied)ts»
3 eIIen, bie eben nur bie Stgentümlid)teit haben,
bah fie bes männlichen Sinfluffes entraten tonnen.
Btan fragt fid) nun 3 unäd)ft mit BecE)t: gft
biefer 3 uftanb ber ur[prünglid)e, normale,
unb [teiltbie Heranbilbung eines männlichen
(Gefd)led)ts mit all feinen tr)pi[d)en ©boraf»
teren, geraten, Schmudfarben unb fo
roeiter, oieIIeid)t mehr einen im B*nt 3 ip
nublofen £urus bar, ben [ich bie Batur
auf höheren Stufen ber Sierheit geftattet?
— Schon bie oor einiger 3eit an biefer.
Stelle gepflogenen Srmägungen müffen
uns 3 eigen, bah bem nicht fo fein fann.
B3ir erfuhren bei (Erörterung Ser grage
nah ber biologifcben Hnfterblid)feit ber
einfadhften ßebetoefen, bah bie Ber»
mifchung ber Srbmaffen — bei ben
höheren Steren ber ©efd)ledhts 3 ellen —
oon ungemein grober, mahrfdheinlidf) fogar
entfeheibenber Bebeutung für bie bauernbe
(Erhaltung lieber Sierart ift; es muh alfo
für jegltd)e Sierfornt gerabe 3 u eine £ebens»
unb gortbeftanbsfrage fein, bah Ster unb
Samenfäben er 3 eugt unb burdh bie ilo»
pulation 3 ufammengebra<ht toerben. ■—
2 Barum bie Batur bie Sräger biefer beiben 3eIX=
[orten mandhmal fo oerfctiieben geftaltet unb aus»
ftattet, roarunt fie enblid) auch häufig beiberlei
©efchIed)tsprobutte in einem unb bemfelben 2mbi=
oibuum entftehen läht (gan 3 e Sierfamilien unb
Qrbnungen finb hermaphrobitifch!), bas Jinb anbre
bod)tüiä)tige fragen, bie mir fpäter hter 3 u er»
örtern hoffen.
2Bir tehren 3 u unferm B^oblem 3 urüd. deines»
falls ift alfo bie freimillige, nicht tünftlich er 3 eugte
Sntmidlung unbefruchteter Sier bie urfprüngliche
Borm, fonbern fie ift eine auf toenige Sier»
gruppen befd)räntte Ausnahme. 2 Bir finben fie
nur bei einigen 2 mfettenfamilien, bei ben all»
betannten u,nb als „lebenbes f^ifchfutter" beliebten
SBafferflöhen (Saphuien) unb ihren nahen Ber»
manbten, bei Btufcheltrebsdhen unb enblich bei
einer (Gruppe auf bem £aroen 3 uftanbe ftehen»
gebliebener BSürmd)en, ben Bäberüeren. — Bis»
bann ein anbrer toid)tiger Umftanb: bie partheno»
genetifchen Sier geigen bei ihrer Beifung alle jene
Sr [Meinungen, bie ben für bie normale Befru<h s
tung beftimmten Siern eigentümlich finb; fie ent»
lebigen fid), inbem fie fogenannte Bidjtungs»
törperdhen ausftohen, eines Seils ihrer michtigften
Bererbungsmaffe, ber 5 Xernfubftan 3 , besjenigen
Seils nämlich, ber fonft burdh ben -Hern bes ein»
bringenben Samenfabens erfeht mirb. hieraus
bürfen mir mit aller 2Bahr[d)einlidhteit fchliehen,
bah oudh bie parthenogenetifdhen Sier urfprünglidh
für bie Befruchtung beftimmt maren unS bah öas
Befrudhtungsbebürfnis, mie man miffenf<haftli<h
fagt, bei ihnen „rüdgebilbet" ift.
BSenn mir nadh bem 3toed biefer hödhft mert»
mürbigen Sman 3 ipationsbeftrebungen fragen, bie
bie Batur min-atgen Ärebsmeibdhen, ©allmefpen,
Blattläufen, Bebläufen unb anbern „lieben"
Siermeibdhen auf erlegt, fo finb mir in manchen
fällen nicht um eine einigermahen plaufible Bnt»
mort oerlegen. (Gemiffe Sierarten, mie biefe
tleinen (Glieberfühler, bie hört oon gtinben be»
brängt merben unb auch fonft oft oon ber Unbill
äußerer Bert)ältni[fe 3 U leiben hoben, bie aber
gelegentlich bei günftiger 3 ufollstonftellation ihre
ßebensbebingungen in gan 3 ungeheurer 3 nbi»
oibuen 3 ahl ousnuhen tonnen (erinnert fei an Blatt»
lausepibemien, fomte an bie ben gifd) 3 üd)tern er»
münfdhten roten Daphuienmolten in manchen
Sorftümpeln), müffen eben in 3 citeu bes
BSohlergehens 3 U einer Bermehmngsart greifen,
bei ber jebes ^nbioibuum probuttio tätig ift. Sie
Batur „erfpart" [ich gemiffermahen 3 eitmeife bie
Busbilbung eines männlichen ©efdjledjtes, unb
fie erreicht fo, mie $effe in feinem oortrefflidhen
2Berfe „Sierbau unb Sierleben" ausführt, gan 3
enorme Boltsbeftänbe, Sine Blattlaus mürbe bei
normaler 3 meigef<hted)tlid)er Bermehrung, menn
fie etma 3 man 3 ig Surtge auf einmal 3 ur SBelt
bringt, in fünf (Generationen 200 000 iXinber er»
3 ielen, bei parthenogenetifdher ^ortpfIan 3 ung aber
3 200 000 !
BSie manche 2 Bin 3 erforge, meldhe Berlufte
am Bationdloermögen, melcpe Bermüftungen
blühenber £anbftridje tnüpfen fi<h an berartige
Satfad)en, bie auch für bie böfe Beblaus analoger»
meife 3 utreffen! 3 n gemiffen fällen, fo bei bem
Seetrebschen Soabne, bas in neuefter 3eit burdh
bie Berliner 3ooIogin Q.iXutter genauer unterfucht
mürbe, finben mir eine gerabegu unglaubliche
^Probuttioität, inbem bie parthenogenetifdh er»
Daphnie, Daphnia pülex
Sommereier nach
der Natur (Nach Hertwig)
Daphnie,
Wintereier nach
der Natur
3 eugten jungen im ^rut»
raum ber Blutter fdhonmieber
3 unge er 3 eugen; Blutter,
Sochter unb Sntelin alfo in
„einer" Berfon gefunben
merben.
BBie es ieboch nach bem
Borgefagten an 3 unehmenmar,
tann in all biefen fällen bie
Batur bes „ftarten" ©efdhled)ts
bod) auf bie Sauer nicht gan 3
entbehren. Qh ne hier auf bie
tompliaierteren f^älle ein 3 u»
gehen, bie man als (Genera»
tionsmedhfel 3 mifdhen unge»
fchledhtlichen unb gefchledht»
lidhen ©enerationen (§etero»
gonie) bei oielen ^fetten be»
obachtet, ermähnen mir nur
ben einfachen $oIl unfrer ge»
möhnlid)en Sühmaffertrebs»
chen, ber Saphnien. Bßenn
es anfängt, einer ©efellfd)aft
oon Saphnien recht fdhlecht
3 U gehen, menn Kälte unb
oor allem Bahrungsmangel
ben gortbeftanb ber Brt ge»
fährben, bann tehrt bie bis»
her eman 3 ipierteKrebsmeiber=
fdhaft 3 U normalen She 3 uftän=
ben 3 urüd. Ss merben parthe»
nogenetifd) Biännchen er»
3 eugt; biefe topulieren mit
ben Bßeibdhen, unb bie fo er»
3 eugten „BSintereier" finb
burdh träftige Schalertbilbung
unb befonbere anbre Sd)uh=
oorridhtungen für bas Uber»
bauern ber fdilimmen 3 eiten
geeignet. Srft im Frühling
greift bann bie Sman 3 i=
pation mieber Bloh-
Sie Srtlärungsoerfudhe für bie fogenannte
fatultatioe ober freimillige Barthenogenefe^ mie
fie 3 um Beifpiel bie Bienentöniginnen betreiben,
unb bei meiner höd)ft mertmürbigermeife bie un»
befruchteten Sier Btänndhen (Srotpien) liefern,
finb Ieiber burdhgebenbs noch nicht fpruchreif unb
müffen baher oorläufig übergangen merben.
3um Sdjlufc noch ein midhtiger Bunlt. Sin»
gangs mar oon lünftlidh er Sntmidlungserregung
bie Bebe. Sah trtan Sier oon nieberen Sieren, be»
fonbers Stachelhäutern, Seeigeln unb Seefternen,
burdh chemifche Büttel (Kalilauge, beftimmte See»
mafferton 3 entration) 3 ur Sntmidlung „rei 3 en" tann,
mar fchon längere 3ett befonbers burdh Berfudhe
bes Bmeritaners £oeb betannt. BSas uns erneut
in Srftaunen fehte, mar, bah fo bochftehenbe Siere
mie &röfct)e ber Kopulation für ihre (menn auch
nur teümeife) Sientmidlung entraten tönnen.
gaffen mir unfre Srflärungsoerfud)e nochmals 3U»
fammen:
Beben ber grunbmichtigen Bufgabe, bie Stoff»
m i f <h u n g ber Srbmaffen 3 U bemertftelligen,
einer Bufgabe, bie, mie mir bei ben Sühmaffer»
trebschen fahen, nur periobenmeis 3 uriid=
treten tann, bann aber immer mieber erfüllt
merben muh, hot ber männliche 3 cugungsftoff
noch bie Bebenaufgabe, burdh fein (Einbringen ins
Si ben Bnftoh 3 ur Sntmidlung 3 U geben, entmid»
lungserregenb 3 u mirten. Kopulation unb
Sntmidlung bes Badhtommen finb eben
nicht urfädhlidh, fonbern, man barf oiel»
Ieid)t fagen, mehr 3 ufällig miteinanber
oertnüpft, meil bie 3 um 3 ^>ed ber
Stoffmifd)ung ifolierten unb frei¬
gemachten ©efdhledhts 3 ellen beieinanber
bleiben unb fidh 3 u gan 3 en Sieren ber
Brt (eben ben „Kinbern") ausmachfen
müffen, menn bei ber Sterblichst ber
oiel 3 eIügen Slternorganismen ber gort»
beftanb ber Brt garantiert merben [oll. —
Sie Sntmidlungs anr egung burdh bas
männliche Slement fann megfallen (rüd»
gebilbet merben; natürliche Bortheno»
genefis) ober burd) Kunftmittel erfeht
merben (bei Seeigeleiem, neuerbings
audh beim gtofdh); bie Hauptaufgabe bes
männlidhen 3cugungsftoffes, bie Buf»
frifdhung bes £ebenspro 3 ef[es burch Stoff»
mifchung (Bmphtmiris) bleibt prin 3 ipiell,
fomeit mir heute miffen, überall beftehen.
Dr. BSilhelm Bernbt
Pergegenwärtigt man ficß auf ber überreif
liefen An 3 aßl oon Programmen 3 U ben im fiaufe
ber lebten Printer [tattgefunbenen fiieberabenben
bie tarnen ber barauf am ßäufigften wieber*
feßrenben itomponiften, fo finb es 3 toei, bie immer
toieber oorfommen: ^ofj’annes S r a i) m s
unb § u g o PS o 1 f. Als fiieberfomponiften finb
fie unftreitig am meiften in Ptobe bei ben fto^ert*
fängern unb ben Hörern. Patürücß toerben
ältere Pteifter roie gran 3 Schubert, Robert Seßu*
mann, Robert gran 3 aueß noeß gefungen; gelir
Ptenbelsfoßn ift faft gan 3 oerfeßwunben. fiif 3 t,
Cornelius, Abolf genfen begegnet man oerßältnis*
mäßig [eiten, oon lebenben Donbicßtern toerben
an erfter Stelle Picßarb Strauß unb Ptar Sieger,
bann aud) §ugo fiairn, Ptar Shillings, gelt*
PSeingartner, Arnolb Ptenbelsfoßn unb anbre
berüdfießtigt. Cs ift inbeffen nid)t 3 uoieI be*
Rauptet, toenn man fagt, baß goßannes Praßms
unb §ugo SBolf bie Programme ber fiieber*
abenbe beßerrfeßen. gaft niemals ftef)t nur ein
oerein 3 eItes Stüd oon ißnen in bie 9?eit>e ber
anbern Flamen ßineingeftreut, meiftens werben
größere ©ruppen ißrer ©efänge 3 u[ammengeftellt;
oft toibmet man einem oon ißnen ben gan 3 en
Abenb. Pterfwürbig, baß feiner oon beiben,
bie bod) in ben adliger gaßren bes oorigen
gaßrßunberts fid) auf ber oollen £jöße ißrer
Scßaffensfraft befartben, ben ©ebießten ber bamals
fid) ftarf betätigenben beutfdjen fiprifer neufter
Pid)tung toie Picßarb Deßmel, Cannes Schlaf,
Detleo oon fiiliencron, Stefan ©eorge, ©uftao
gälte, ftarl Puffe, ifjre Aufmerffamfeit 3 U*
roanbten, um fie als Deitunterlage für ißre mufi*
falißßen ©eftaltungen 3 U oerroerten. So oiel
idß mieß erinnere, f>at Prahms nur ein ©ebießt
oon fiiliencron: „Auf bem ftircßßof“ fomponiert,
bamit allerbings bie tief empfunbenen fur 3 en
Strophen in ißrem 5fern tounberbar angepadt.
Praßms griff lieber 3 U ben früheren Pomantifern
toie Died — gilt bodt) mit oollem Pecßt bie Samnt*
Iung ber Pomansen aus beffen „Scßöner Ptagelone“
3 um Peften, bas er gefeßaffen — 3 U £>öltp, piaten,
©ießenborff, Scßenfenborf, Püdert, Daumer, 3 U
Paul $epfe, 3 U ben alten Polfsbicßtungen aus
bes ftnaben PBunberßorn, aud) 31 t Übertragungen
aus bößmifeßen, ofteuropäifeßen Polfsliebern. Übri*
gens bilbet bei Prahms bie fiprif, fo 3 aßlreicße
©efänge für eine Singftimme mit itlaoierbeglei*
tung er uns aud) gefeßenft f)at, bod) nur ben
geringeren Prucßteil feiner gefeßaffenen PSerfe.
gn feiner Äammermufif, feinen Ordßefter* unb
©ßorwerfen, feiner Älaoiermufif liegt ber weitaus
bebeutenbere Scßwerpunft feiner mufifalifdfjen
$interlaffenfdßaft. gdß ßabe immer bas ©efüßl
gehabt, als ob er fiel) oon ber tiefgrünbigen Arbeit
feines anbertoeitigen Staffens bei feinen fiiebern
erf)olt b)ätte. gn ber Art unb SBeife, toie er bie
Singftimme mit ber dßarafteriftifdßen Pegleitung
3 u oer[<ßmel 3 en weiß, fnüpft er meßr an gran 3
Sdjubert an als an Robert Schumann, oon bem
fonft Praßms, allerbings nur in feiner erften
Sd)affens 3 eit, ftarf beeinflußt toar. P3äßrenb
fid) bei Robert Scßumann fdßon oielfacß bie
ftlaoierbegleitung bebeutenber als bie melobifcße
Straft ber Singftimme 3 eigt — man benfe nur
an beffen „Dicßterliebe“ —, folgt Praßms infofern
meßr bem Sd)ubertfcßen ©enius, als er irgenb*
ein wießtiges Ptoment ber Situation, aus welcßer
bas ©ebidjt ßerausgewaeßfen ift, ßerausgreift, es
mufifalifcß geftaltet unb weiterentwidelt, bie
Singftimme aber möglidjft genau bem Dicßter*
toort anpaßt, fo baß fid) ber Jjößepunft ber melo*
bißßen Steigerung gan 3 natürlich mit bem ber
©mpfinbung im Dicßterwort bedt. ©ines ber
befannteften Scßubertfcßen fiieber: „©reteßen am
Spinnrab“ aus ©oetßes gauft fei ßerausgegriffen,
um bie Sadße flar 3 ulegen. Aus ber Pegleitung
ßört man genau bas Schnurren bes 00 m guße
ber Spinnerin getretenen Spimtrabes ßeraus,
barüber erßebt ficß bann Icife flagenb bie finnige
Ptelobie in fd)önfter ©intraeßt mit ben PSorten
bes ©ebießtes, fteigert fiel) allmäßlidß mit ißnen
3 u bem ooll erfd^ütternber 5fraft losbred)enben
©efüßlsruf: „Unb adß, fein 5tuß!“; bie begleitenbe
Petoegung, bie ßier geftodt ßat, feßt bann aufs
neue ein,'unb ba, too bis fürs oor bem Schluffe
Perstoeifeln unb Pegeßren bas 9 Räbd)enI)er 3 burd)=
toüßlt, erreicht audß bie SRufif ben §ößepunft
bes 9fusbruds. fieießt fönnte man 3 aßlreidße
anbre Peifpiele oon djarafteriftifdßer gaffung ber
Pegleitung unb [iegreießer, an ber £janb bes
©ebidßtes faft bramatifd) 3 ugefpißter 9ReIobie=
füßrung aus Scßubert ßeran 3 ießen. Praßms
ßat fi^ nur feiten 3 U feinen ©efängen Did)=
tungen ßodßbramatifdßen gnßalts ausgefueßt; too
er es boeß getan, oerfagt ißm bie prägnan 3 bes
Hugo Wolf
Slusbruds, bie ©eftaltungsfraft. 9Jtati oergleidße
3 um Peifpiel, toie padenb fiötoe ben „Cbtoarb“
aus Berbers Stimmen ber Pölfer geftaltet ßat,
roie toirfungslos bagegen bie 9Rufif 3 U bem näm=
ließen ©ebidßte bei Praßms geraten ift. Sdjon
baß bei biefem bie 9febe unb ©egenrebe abtoecß=
felnb 3 toei oerfdjiebenen Stimmgattungen 3 uge=
roiefen wirb, feßeint mir ein Ptißgriff, es wiber*
ftrebt bem 2ßefen ber Pallabe, gn fleineren
Porwiirfen geigt aueß er, baß er bie Situation,
bie fid) aus bem ©ebießt ergibt, mit feiner
Ptufif 3 U treffen weiß, wie im Stänbcßen, wo
fidE) ber Stubenten brei mit ißren gnftrumenten
einfinben, in ber „gelbeinfamfeit“, einem feiner
feßönften fiieber, wo wir weltoergeffen ben weißen
2 ßolfen nadßfd^auen, in bem ritterlicßen ©infd)lag
ber erften 9 RageIonenroman 3 e. 9fus ber Pe-
gleitung ber iRegenlieber ßören wir beutlicß
genug bas unabläffige 9tieberrinnen ber tropfen
ßeraus. ©an 3 befonbers weiß er gebanfenfeßwer
ßinbrütenbe, weltoerlorene Stimmung 3 U treffen,
aud) fd)wungooll aufftrebenbe, bann aber audß
wieber ßerbere, fid) gegen bie Außenwelt ab*
Johannes Brahms
[d)Iießenbe, gan 3 in ben innerften §er 3 enswinfel
oerfenfenbe ©mpfinbungen 311 geben. Daß er
fieß gern unb eingeßenb mit bem Polfslieb be*
fdjäftigt ßat, bas ift leießt an bem eigenartigen
Duft 3 U fpüren, ber uns aus maneßer Ptelobie*
füßrung, maneßer ßarmonifeßen 2 Benbung umweßt.
Seitbem Praßms, feinem inneren unb äußeren
SBefen naeß ein eeßter, etwas raußbeiniger 9torb=
beutfeßer, in 2 Bien ßeimifd) geworben war, tritt
bie innere ©eiftesoerwanbtfdjaft mit Scßubert noeß
beutlidßer als bisßer 3 utage. Die ent 3 üdenb ßeiteren
fiiebeslieberwaßjer, eigentlid) ein 3 RÜus oon ein*
unb meßrftimmigen fiiebern im 2 Bal 3 errßi)tßmus
mit oierßänbiger Rlaoierbegleitung, flingen wie
eine birefte §ulbigung an ben fiieberfönig.
§ugo 2 Bolf ift außerorbentlicß wäßlerifd) ßin*
ficßtlicß ber ©ebidßte, bie er in SOtufif feßt, er befaßt
fid) faft ausfeßließließ nur mit ©oetße, 9Rörife,
©ießenborff, Paul §epfe in feinen Übertragungen
ber italienifdßen unb fpanifeßen Polfspoefien.
©r, ber geborene £)fterreidßer, leßnt weniger an
Säubert an als oielmeßr an S^umann; feine
ftlaoierbegleitung wirb nur nodß oiel felbftänbiger,
feine Deflamation, feine Pßrafierung bes Deit*
Wortes mit feinftem Sprad^gefüßl aufs engfte
organifd) bamit oerbunben. irjier ift oor allem
ber ©influß Pieifter PSagners 3 U merfen, bei beffen
bramatifeßen SBerfen §ugo 2 Bolf in bie fießre
gegangen ift. Pufs reießfte, bis in bie fleinfte
©in 3 elßeit ßinein geßt ber Ptufifer bem Dicßter
nadE) in ber Ausbeutung, ber Ausmalung bes
PBortes. Pielfad) wirb bie melobifcße fiinie auf*
gelöft ber wirfungsoollen Sßortbeflamation 3 U*
liebe; wo er fie feftgefcßloffen ßinfeßt, wie 3 um
Peifpiel in ber Scßlußwenbung oon: „Du bift,
Orplib, mein fianb“, ift fie oon ent 3 üdenber,
gan 3 intenfioer Scßönßeit. Das mufifalifeße
2 ßefen biefer fiprit erfcßließt fid) nidßt leidßt beim
erftmaligen §ören; ßat man es aber erft erfaßt,
läßfis einen nidjt wieber los. Der intime 3u-
fammenßang ber Singftimme mit ber Pegleitung
bebingt ein eingeßenbes Stubium bes Sängers
mit feinem Pegleiter, 3 umal ber Donbicßter
ungewößnlicße gnteroallfcßritte in ber Deflamation,
aud) füßne ^armoniefolgen liebt; ber Sänger
wirb feinen Part nur ridßtig 3 U geben imftanbe
fein, wenn er bie gan 3 e Pegleiümg fießer im
itopfe ßat. So nur fann ein fiieb oon §ugo
2BoIf 3 U ooller ©eltung fommert. Sie finb alle
fein empfunben unb ebenfo fein ausgearbeitet.
Ijumoriftifcßes gelingt ißm ebenfo wie Sdßwung*
oolles, bisweilen frappiert ein feltfamer Patur*
laut oon rüßrenber ©infalt, bann wieber flingt's
ßer wie aus fernem Draumlanb. gn feinem
gtalienifcßen fiieberbueß feßlt es an bem oolfs*
tümlicßen, improoifatorifdjen ©runb 3 ug bes ita*
lienifeßen PSefens. — §ugo PSolf war burd) unb
bureß fiprifer. 3 ^ar ßat er fid) aueß mit Ord)efter=
mufif unb einer Oper oerfueßt, aber ba feßlt es
ißm an ber ridjtigen ©rfenntnis beffen, worauf es
anfommt. Sein Orcßefterfaß flingt feßwulftig, ben
Ptotioen mangelt es an tßemati[d)er itraft. Seine
fomifdße Oper, ber ©orregibor, entßält oiele rei 300 llc
©in 3 elßeiten, rein mufifalifd) gebadEjt, aber oon
ber Püßne aus, bie ftärfere garbengebung oer*
langt, wirft bas PSerf als ©an 3 es matt. P3as an
feiner Ptufif oon bauernbem PSert ift, ßat er uns
in feinen fiiebern ßinterlaffen.
©ruft ©buarb Daubert
P3ie tief Pewegungen wie bie bes §eimat*
feßußes in ben ümftänben unfrer 3 ^ wur 3 eln,
bas 3 eigt febem, ber nod) ßegen [ollte,
ein ©ang bureß unfre Seebabeorte. Angegliebert
an bie rei 3 enben alten gifeßerßäufer erßeben fid)
Scßeußlicßfeiten neben Sd)eußlid)feiten. ©s ift
gerabe 3 u bef^ämenb, 3 U feßen, wie ber Sinn für
bie einfad)fte Anftänbigfeit (oon Scßönßeit gan 3
3 U feßweigen) ben heutigen feßlt unb wie fie in
barbarifeßer ©efüßllofigfeit bie alte fdßöne Pßelt
oerberben, bie feßöne P3elt ber primitio ©mpfinben*
ben, ber gifeßer, Pauem, fianbleute. PBo aueß
ber „©ebilbete“ ßinfommt, an bie Äüfte, ins ©e=
birge, in Ausflugsorte, bie alte Pklt wirb burd)
ißn in eine PJelt ber Sd)äbigfeit unb Proßerei
umgewanbelt. P3ie entfteßen biefe ©ebilbe? ©in
Peftaurant wirb gebaut, ein mobifd) auffrifierter
Pußbau mit glän 3 enben gal 33 tegeln, in bem Pe*
ftreben naeß ©lieberung v gan 3 3 erflüftet („male*
1318
1911. Wr. 51
Trau & ed)K>ö&, Dresben
Ortsübliches Fischerhaus auf der Insel Hiddensee
bei Rügen
rifd)"), unb mit allen s -DtihoerI)ältniffen, bte fid)
beuten laffen. (Sin Krämer fchliefjt fid) mit einem
„Neubau“ an, ben er mit jenen in |)imbeerfauce
getauchten 3 e m ent 3 iegeln bedt, bie in ber £anb*
fd)aft gerabe 3 U mie ©ift mitten. Die Regierung
baut eine Aettungsftation, flaues Pappbad) auf
3iegeIroI)bau im ©efängnisftil. Dann fiebeln fid)
toommerl)äufer non Stäbtern an im „ Villenftil"
ber berliner »ororte, aber natürlid) im Drittel*
maffftabe. Sdftiejflid) feht ein neuer Sotelbau im
tod)mei 3 erjtil, jebod) in 3 ement überfetjt, beut
©anjen bie ftrone auf. Der Ort ift ruiniert, es ift
in it)m nid^t mel)r ausjutjalten.
©s gibt jefct Diele, bie einfeljen, bah es fo nicht
meitergehen tann, unb aus ben köpfen biefer
Dielen ift eben ber ifjeimatfdjutjgebante entftanben.
Aur fragt fid), mie er in bie Tat umgefefct merben
foll. SBie ift an bie £eute, bie I)ier bauen, heran 3 u*
tommen? Unterfud)t man bie 23erl)ältniffe, fo
entbedt man folgendes: Der Aeftaurateur, ber
Alarm aus Berlin mit bem Sommerhaus, ber
fträmer, ber Hotelier, fie alle finben il)re Käufer
munberfd)ön. 3 a felbft bie eingefeffenen gifd)er
ober Säuern, bie in ben alten entßüdenben $ütten
moljnen, fie feijen in ben ihren Ort entftellen*
ben Sd)euhtid)teiten etmas Roheres, „Atobernes".
©reifen fie hoch aud) gierig nach ben Aippfad)en
fdjunbigfter Art, bie ihnen im ftr amlab eu „aus
ber Stabt" entgegengebracht merben. Alle »e*
teiligten finb alfo gang gufrieben. Seim ftönfu*
menten hat man baher 3 unäd)ft menig Ausfid)t
auf ©rfolg. 2Bie fteht es mit bem „Probu 3 enten",
bem Alaune, ber ben Sau ausführt? §ier ift leiber
3 U beobachten, bah gan 3 ungeeignete £eute bauen,
gemefene Ataurergefellen, ja oolltommene £aien.
Die Saupoli 3 ei forgt burd) Seauffid)tigung noch
eben bafür, bah bie irjäufer nidjt einfallen, oon
irgenbeinem ©efidjtspuntte ber anftänbigen ©r*
fcheinung ift gar nid)t bie Aebe. £jier märe bie
grage, ob nid)t »efdyräntungen entführen mären.
Die »erfd)anbelung bes £anbes, bie halb nicht mehr
3U ertragen fein mirb, tann moht 3U Atahnahmen
nötigen, bie fid) fonft mit ben greiheitsibealen ber
3eit nid)t im ©inflang befinben. Auf »augemert*
fdjulen ift neuerbings bas ©mpfinben für bas, mas
auf bem £anbe not tut, gernedt. Das Seftreben,
einfad), im Anfd)luh an bie formen ber lanbes*
üblid)en Saumeife, 3 u bauen, ift lebenbig, unb
eine oollftänbige Aeuorbnung bes £et)rprogramms
ift menigftens an ben 25 bis 30 preuhif^en Sau*
gemertfd)ulen eingeführt. Un 3 meifell)aft merben
bie fo exogenen jungen fieute, menn fie ans Sauen
herantommen, in anftänbigen formen bauen.
Aber bie Atehr 3 al)l ber Sauten mirb eben gar nicht
oon er 3 ogenert Sauleuten errid)tet.
©an 3 ausgefd)loffen ift übrigens aud) bie Se*
einfluffung ber ftonfumenten nicht;'aber fie geht
<pi)0t. Trau & Srfjronb, Trcsbcn
Straßenbild auf der Insel Hiddensee
langfam. Die Auftlärung burd) ben ftunftmart,
ben Dürerbunb, bie ftunftgemerbeoereine, ben
Deutfchen Sßertbunb 3 iel)t hi^ r fct)on meitere
Greife, allerbings bis jeßt ausfd)Iiehüd) in ben
Sd)id)ten ber mirtlich ©ebilbeten. Alle bie Sdjeuh 2
licbjfeiten in ben Seebabeorten, oon benen biefe
Setrad)tung ausgeht, entflammen aus Solls*
fd)id)ten, an bie bie literarifdje Seeinfluffung nicht
heranreid)t. Unb bann, mas mürbe fie nutzen,
menn bie ©^ietjung bes kluges fehlt? §ier ift
neuerbings oon feiten ber einigen ftontrollftation,
bie für biefe Sautätigteit oorhanben ift, ber Sau*
poli 3 ei, hier unb ba eine ©inmirtung oerfud)t morben.
Allerbings mirb Diele ein gemiffes ©rufein befallen,
menn fie Don äfttjetifchen Atahnahmen ber ^olisei
hören. Die ©inmirtung gefdjieht aud) nid)t dou
ber Spolt^ei birett, fonbern in Serbinbung mit
Sauberatungsftellen unb ben Atahnahmen, bie
neuerbings burd) bas ©efeh gegen bie Serunftal*
tung ber £anbfd)aft getroffen merben tönnen
(Ortsftatute, Prüfung oon Sauentmürfen 3 um
3mede ber Serfagung ber Sauerlaubnis bei ent*
ftellenben Sauten unb fo meiter). Die Aot ift
eben grob- Unb man muh fid) bod) fd)liehlid) fagen,
bah ber anftänbige Atenfd) ein Sd)utjred)t gegen
»erletjung feines Auges hat, fomie ihm ein foldjes
gegen Serlebung feines Ohres 3 ugeftanben mirb.
ÜBie bas ©efeh ben Sürger gegen ftörenben £ärm
fchü^t, füllte es aud) bie ftünblid)en unb täglichen
Seleibigungen bes Auges oerhinbern, bie bie bau*
liehe Untultur unfrer 3eit uns 3 ufügt. ©s hanbelt
Hiddensee. Altes, ortsübliches Haus mit ver¬
unstaltenden Neubauten
fid) hier um mel)r als um bie Aüdficßt auf ben
ein 3 elnen. ©s hcmbelt fid) um bie ©efährbung bes
Solfsgefdjmades, ber burd) fd)Ied)tes Sei[piel
tiefer unb tiefer fintt. Der gute ©efd)mad eines
Soltes in Dingen ber fichtbaren ©rfd)einung ift
aber nid)t nur ein ibeelles ©ut mie etma ber gute
Staub ber Literatur ober Atufit, fonbern ift hanbels*
politifch unb bamit mirtfd)aftlid) oon äuherfter
Sebeutung. 3Bir tönnen eine führenbe Stellung
in ber Probuttion aller jener Dinge, mit benen
©efchmadsmerte oertnüpft finb (unb meld)e
enormen ©ebiete tommen hier in Setradtjt!), nur
erlangen unb behaupten, menn unfer öffentlicher
©efdjmad fid) auf einem entfpred)enben Aioeau
befinbet. Deutfd)lanb, beffen geographifdlje unb
po!itifd)e Sage, beffen Stängel an Aohprobutten
immer mel)r auf bie S^obuttion oon ©beler 3 eug=
niffen ©ubrängt, muh gerabe 3 u ein Schmer*
gemid)t feiner ©r 3 iehungsmett)oben auf ben guten
©efdjmad legen.
Die baulid)e Sermilberung unfrer Dage ift als
bie ©rfd)einung einer ttbergangsperiobe auf 3 u*
faffen, eines 3 u)ifchenftabiums 3 mif<hen ber alten
SBelt einer gefd)loffenen lotalen Kultur unb ber
neuen bes allfeitig geöffneten Sertetjrs, ber bie
alten harmonifd)en Greife burdl)brid)t unb 3 unäd)ft
Disharmonien fd)afft. Die neue 9BeIt mirb ihre
Aufgaben auf neuer ©runblage löfen müffen. So
fehen mir beifpielsmeife, bah auch mir teueren
harmonifdhe Sieblungen fd)affen tönnen, menn fie
aus ben Organifationsbebingungen ber Seu 3 eit
ermaihfen. Unfre ©artenftäbte, bie Arbeitertolo*
nien grober ASerte mieftrupp, bie Sieblungen oon
Saugenoffenf<haften, fie finb es, in benen bie beften
fträfte unfrer 3eit tätig finb. ©s finb alles Anlagen,
bie aus ber ©rohorganifation ermadfjfen
finb. Diefe 3bee funttioniert aud) baulid), mie fie
fid) taufmännifd) unb inbuftriell als bie A3irtfd)afts*
form ber Aeu 3 eit botumentiert hat. Die gehler*
quellen ber ©in 3 eIprobuttion (baulich gefprochen
bie Hngeeignetheit ber tleinen Sauausführenben)
oerfd)minben hi^> rtid)t nur bie geeignetfte Sau*
meife, fonbern oor allem aud) ber befte Sau*
tünftler tann hier herange 3 ogen merben. Die
aus bem ©rohbetrieb I)eroo*gegangenen Sieb*
Iungen finb bie einigen neueren fteiftungen, bie
fid) mit ben alten harmonifdjen Ortsbilbern oer*
gleichen laffen tönnen.
Hermann Stuthefius
ftür 3 lidf) hot man in ©nglanb allen ©rnftes ben
Sorfdflag gemacht, bie Dagesftunben 3 U oerlegen.
Unfer „fteben" beginnt jeht betanntlich im all*
gemeinen 3 mifd)en fieben unb ad)t Uhr früh unb
erftredt fid) bis 3 et)n, elf Uhr abenbs. Das ift ficher*
lid) unmirtfdjaftlid), benn biefe 3 eiteinteilung 3 mingt
uns 3 U einer meit ausgebehnteren Sermenbung
bes tünftlid)en ftid)tes, als es bei oernünftigeV
©inteilung nötig märe. Der Stittag be 3 eidf)net bie
Stunbe, bie in ber Stitte 3 mifd)en Sonnenunter*
gang unb =aufgang liegt. 2 Benn mir uns alfo fdhon
mit ben eigentlid)en Dagesftunben nid)t begnügen
mollen, unb mer mürbe bas mol)I, fo märe es
rid)tig, menn mir ben SDtittag aud) in bie 93titte
unfres ftebenstaaes oerlegten. 9ted)nen mir acht
Stunben Sd)laf, fo blieben fe^ 3 ehn Stunben
2ßad)en, mithin ergibt fiel) nad) Abam Aiefe als
rid)tige Tageseinteilung ein Aufftehen acht Stun*
ben oor 9Jiittag, bas h^iht um oier Ul)r früh, unb
ein Sd)lafengehen ad)t Stunben nad) üülittag,
bas heiht acht Ul)r abenbs. Dann nutjen mir bas
Tageslicht bei meitem am beften aus unb fparen
gemaltig an tünftlid)er Seleud)tung.
$eute beträgt bie fogenannte Seleud)tungs 3 eit,
bas heiht bie 3al)l öer Stunben, mährenb ber mir
tünftlid)es £id)t benötigen, runb 2000 Stunben,
bei ber neuen Orbnung mürbe [ich bie 3ahl auf
1400 Stunben ermähigen, mobei bie Hälfte auf
bie 9?iorgenftunben fällt, in benen erfahrungsgemäß
meit meniger £id)t gebraudßt mirb als abenbs.
Aed)nen mir, bah tut DurdE)fd)nitt auf 3 mei Deutfdje
eine £ampe entfällt, fo erqeben fid) jet}t jährlich
runb 30 000 000 X 2000 = 60 000 000 000 »renn*
ftunben. Äed)nen mir bie »rennftunbe gan 3 niebrig
3 u nur 1 »femtig, fo geben mir in Deutfd)lanb jeht
jährlid) 600 Millionen SCRart für tünftlid)es £id)t
aus gegen 420 äftillionen bei ber neuen 3^itein*
teilung. Alfo mürbe bie »erftellung ber Uhr jährlid)
eine ©rfparnis oon menigftens 180 Millionen 9Jtart
liefern!
3 <h barf alfo oorläufig noch auf allgemeines
gntereffe redjnen, menn id) einige SBorte über
moberne 23eleud)tungsted)nif nieberfd)reibe.
Die Petroleumlampe hat ein unglaublich 3 ähes
£eben. Troh einer gan 3 en Anzahl Dort Untugenben
oerfteht fie es, fid) bie ©unft ihrer §errfd>aften 3 u
erhalten. Die Petroleumbeleuchtung ift 3 unädt)ft
bie teuerfte ber gegenmärtig üblichen $ausbeleud)=
tungen. ©in 24*£inien=»renner ocrbraud)t ftünb*
Kd) 0,08 £iter, ein halber £iter reidjt alfo ungefähr
für eine »rennbauer oon fedßs Stunben. »ei
einent Petroleumpreis oon 20 Pfennig (oon bil*
Iigerem Petroleum oerbraucht bie £ampe ent*
fpredfenb mehr, fo bah baburd) nid)t gefpart mirb)
ergibt bas reine »rennftofftoften oon 1,6 Pfennig
ftünblid). Die §elligteit einer folgen £ampe tann
auf etma 20 fter 3 en be 3 iffert merben, bei fetjr forg*
fälliger »ehanblung, regelmähigem Dodjtpuhen
unb fo meiter auch mehr, in feljr Dielen gäUen aber
aud) mertlid) meniger.
Da 3 u tommen als Untugenben ber ©erud), bie
Unreinlicbtät, bie mit ber »ebienung oerbunben
ift, bie 3 eitoerfäumnis für bie »ebienung, bie
Äotmenbigteit ber »eobad)tung, namentlid) 311
»eginn bes »rennens, meil nad) bem Angilben
burch ©rmärmung bes »renners ein härteres
Aad) 3 iehen oon Petroleum burch ben Docht unb
baburd) ein 2 Bad)fen ber glamme h^oorgerufeit
mirb. Pafft man nicht auf, bann „bladt" bie £ampe.
SOtan hat nun 3 mar oerfud)t, aud) bem Petro*
leumlid)! nad) berühmten Piuftent auf bie
„Strümpfe" 3 U helfen, ©s finb Diele Duhenbe oon
Patenten unb ©ebraud)smuftern für Petroleum*
glühlid)tbrenner erteilt morben, bisher ohne burd)*
d)lagenben ©rfolg. Denn bie gerud)lofe, ooll*
tänbige »ergafung oon Petroleum ift an fid) fd)on
d)mer unb mirb nod) fdjmerer baburd), bah fid) iot
iöanbel oerfd)iebene Sorten oon Petroleum be*
finben, bie jebesmal eine abmeid)ertbe »ehanblung
erforbertt. gür bie Allgemeinheit ift ber Petro*
Ieumgiühlid)tbrenner rnegen Ptangel an ©infad)*
heit unb »etriebsfidjerheit nid)ts.
1911. 9lr. 51 1319
m
Sin biefer Stelle tönnte man nun aud) einige
SBorte über bas Spiritusglütilicht Jagen. 23or
einigen gahren hat man es aus patriotifd)en unb
anbern ©rünben fehr lebhaft propagiert. Sei
biefern finb bie tedpiifcfjen 93ert)ältniffe einfacher,
es ift leid)ter, ben Spiritus 3 U gleichmähiger 93er=
gafung 311 bringen, bie £ampen befitjen eine größere
Petriebsficherheitunb geben roeniger 3 U Störungen,
Serrufeung unb fo roeiter 93eranlaffung. Slber bas
cjpiritusglüt)lid)t übertrifft bas geroöf)nlid)e Petro*
leumiid)t nod) beträd)tlid) an Petriebstoften.
Die 3entralifierung ber Beleuchtung burd)
©as unb ©lettri 3 ität bedeutet aber gan 3 3 roeifeUos
einen geroaltigen gortfd)ritt. Sluf beiben ©ebieten
ift in ben lebten galten 3 um 2 Bol)le ber S)tenfd)heit
auherorbentlid) oiel prattifd)e, nütjlidje Arbeit ge*
leiftet roorben. Der ©asfdjnittbrenner unb ber
Slrganbbrenner finb beute ein überrounbener
Stanbpuntt. Das ©asglüt)lid)t behauptet bie
2llleinherrfd)aft unbeftritten. Dabei hat forool)l
bie Stonftruttion ber Brenner roie aud) bie gabri*
fatiort ber ©lühfirümpfe bemertensroerte gort*
fd)ritte gemad)t. Die (Einführung ber Stegulier*
büfe hat bie immerhin nächtige genaue ©inftellung
ber ©as 3 uful)r erleichtert. Die Strümpfe finb oiel
roiberftanbsfät)iger toie früher, ja man hat jet$t nad)
bent patent oon Bruno ©liihftrümpfe hergeftellt,
bie fehr ert)eblid)en ©rfcf)ütterungen unb Stößen
erfolgreich Sßiberftanb Ieiften. Das I)ängenbe
©asglül)Iid)t ift fo roeit oerbeffert roorben, bah es
an Stul)e unb ©eräufd)Iofigfeit ben SBettberoerb
aufnehmen tann, 3 toei ©igenfchaften, bie ihm an*
fangs fehlten. Damit hat bie ©asbeleud)tung eine
glömme erhalten, bie bas er 3 eugte £id)t unmittel*
bar nad) unten roirft, bie alfo befonbers für Difd)*
beleud)tungen fid) fehr gut eignet. ©asbeleud)=
tung ift ol)ne 3 a>eifel am roohlfeilften, roenn
man bie er 3 eugte £id)tmenge 3 ugrunbe legt.
Sted)net man ba 3 U bie Datfad)e, bah faft jebes
Haus ber ©rohftabt unb aud) bie meiften Käufer
ber Stleinftabt ©asleitungen haben, bah bas ©as
mithin in ben roeitaus meiften 2 Bol)nungen ohne
befonbere Ausgaben 3 ur Verfügung ftel)t, bah fel)r
oiele ©asanftalten fogar bie gnftallation, oiele
aud) einige Seiend)tungsförper unb Stod)apparate
borgen gegen einen geringen 2 Iuffd)lag auf ben
©aspreis, bah fd)liehlid) bie Stutomatengasmeffer
bas Se 3 al)len bes ©afes 3 ehnpfennigroeife ermög*
Iid)en, fo müffen roir fagen, bah bas ©as mit Sted)t
Slnfprud) auf ben Xitel einer billigen, allgemein
3 ugänglid)en, bequemen unb fd)önen Seleud)tung
erheben lann. ©s ift im ©ebraud) oiel billiger als
Petroleum. SJian tann bei einem ©aspreis oon
14 Pfennig pro Stubitmeter bei Berroetibung oon
tleinen Srennern ntit etroa 30 Stegen §elligteit
0,8 Pfennig Setriebstoften pro Stunbe red)neit.
Unb bas eleftrifd)e £icht? gh m gehört, bas
ift meine Uber 3 eugung, bie fpätere 3ufunft. Slber
es roirb nod) einige 3 eit bauern, bis es fid) all*
gemein burdhgefetjt hat. gm Bergleich 3 um ©as
ift es ettoas teurer, aber nicht oiel, jebenfalls bei
roeitem nid)t fo oiel, toie es bie rege Propaganba
ber ©asinbuftriellen gegen bie ©leftrifer glauben
madjen roill. geh perfönlid) habe auf ©runb fahre*
langer ©rfahrung feftgeftellt, bah fid) bie ©cfantt*
toften ber Beleuchtung eines Kaufes bei fad)*
oerftänbiger gnftallation oon ©as 3 U ©lettri 3 ität
etroa roie 10:12 oerhalten. ©iner ©asred)nung
oon lOBtart mürbe bei gleichem £id)toerbraud)
nad) Übergang 30 m elettrifd)en £id)t eine Strom*
red)nung oon etroa 12 9Jtart folgen. Der Unter*
fdjieb 3 roifd)en ©as* unb elettrifdjem £id)t ift alfo
oiel geringer als ber Unterfd)ieb 3 toifd)en Petro*
Ieum unb ©as; bem Petroleum gegenüber ift bas
elettrifche £id)t immer nod) billiger, moberne
£ampen oorausgefetjt. Dah heute nod) in fo
oielen Haushaltungen 51oI)lenfabenglül)lampen ge*
brannt merben, ift oöllig unoerftänblid). Der eiet*
trifd)en SJietallfabenlampe gehört bas gelb. ©ine
£ampe oon 25 Stegen toftet bei einem Strompreis
oon 50 Pfennig ftünblicf) 1,25 Pfennig Strom unb
hält etma 2000 Srennftunben aus.
Die geringen SJieljrtoften ber elettrifchen Be*
leud)tung merben auherbem aufgemogen burch bie
gröbere Bequemlid)teit unb bie gröbere Sid)erheit
biefer Beleud)tungsart. Sie ift unbeftritten bie befte
Beleuchtung für Sttnberftuben unb Stranteii 3 immer,
aber auch für bie ©efunben. Die allgemeine ©in»
fiil)rung fd)eitert eben nur barau, bah nur ein Heiner
Brud)teil oon Häufern mit elettrifd)er gnftallation
oerfe!)en ift unb bal)er für ben ein 3 elnen Sftieter
Slnlagetoften ermadhfen, bie man il)m fcf)led)ter=
bings nicht 3 umuten tann. S. Hartmann
©erabe in ben lebten Hunbstagen unb in ber
©luthitje, bie fonft bem Sport nid)t günftig 3 U
fein pflegt, hat ber Slutomobilismus 3 toei ©r=
eigniffe oon „SUaffe" fid) entfdheiben laffen: Die
Brin 3 = Heinrid) = Dour unb ben Automobil *
©ranb*prir auf bem Sarthe Circuit. Die Dour,
für bie Prin 3 Heinrich ben Preis geftiftet, mar tein
kennen, fonbern mel)r eine ©efellfd)aftsreife, aller*
bings mit einer SBertung auf ©runb oon Straf*
puntten. 2ßas ber gatt 3 en ^al)tt aber ben Stempel
bes Ungemöhnlichen aufbrüdt, mar bas politifche
9Jioment, bas hier in ben Sport hiueinfpielte.
s dRan meih, bah ^rin 3 Heinrich oor oier fahren
bem 5laiferlid)en iJtutomobiltlub einen 2 Banber=
preis geftiftet hat, ber nach breimaliger Douren*
fahrt in bie Hönbe besjenigen gelangen füllte, ber
auf biefen brei gahrten am beften abf^)neiben
mürbe, er muhte alfo minbeftens 3 meimal fiegen —
anbernfalls füllte bas £os erttfdjeiben. 3 n jeber
biefer Dourenfahrten, bie halb burch Deutfd)Ianb,
halb bur© £)fterreich=Hngarn gingen, maren 3 mei
tur 3 e kennen eingefd)altet, unb Preisträger blieb
fd)liehlich auf ©runb bes £ofes ber ©emimter ber
lebten 5 lonturren 3 , ber Ingenieur Porfdje auf
einem öfterreidhifchcn Daimlermagen. 3u biefem
3ahre hatte ber ^ 3 rin 3 einen neuen Preis gegeben,
aber ohne Hiu 3 utun eines Rennens unb mit ber
SSeftimmung, bah Deutfdje unb ©nglänber fid) um
ben Preis bemerben füllen unb bah biefer ent*
meber bem Deutfdjen ftaiferlichen 5lutomobiItIub
ober beut iRoqal Automobil ©lub oon ©rohbritan*
nien 3 ufallen füllte. Die JBertung füllte fo get)anb=
habt merben, bah biefenige Seite, beren SBagen
mit ben menigften Strafpuntten für Defette aller
2 lrt bebad)t mürben, fiegreid) fein füllte.
Prin 3 H^i^trid) hatte abfid)tlid) gerabe bie ©ng=
länber als ilonturrenten auserfehen, um bie fo
Ioder gemorbenen ®e 3 iehungen 3 mifd)eu ben
beiben 33öltern auf bem 2 Bege einer frieblidhen
2lutofararoane mehr 311 befeftigen. Unb in ber
Dat haben fid) bie breihtg englifdhen Autler mit
ben ad)tunbbreihig beutfd)en Sportsgenoffen tarne*
rabfd)aftlid) oertragen, haben Staub unb Hitie,
haben bie Düden bes 93totors uub bie ©efahren
ber £anbftrahe oier 3 ehn Dage lang gebulbig hin*
genommen, ©s ift üielleid)t 00 m Stanbpuntt bes
Preisftifters aus gan 3 gut, bah bie ©nglänber bie
Drophäe gemonnen haben, gemonnen infolge bes
9Jtihgefd)ids einiger beutfdjer üßagen, bie in bie
23rüd)e gegangen maren, meil ihre £enter nicht bie
nötige Porfid)t hatten malten laffen. 2 tber ber
ilampf um ben Sieg mar biesmal Siebenfache.
Stuf biefer gahrt maren nur bie Slugen aufsu*
machen, um ein 9?iefenpanorama auf 3 unehmen.
Die gart 3 e Strede oon Hamburg über 5töln unb
fünfter nad) ®remerI)aoeu, bann nach ber Uber*
fahrt über ben ftanal bie Steife oon Southampton
nad) £eamington, Harrogate, Sterncaftle, ©bin*
bürg, SBinbermere über ©heltenham nach £onbon
mar ein langer Driumpb 3 ug. £ints unb red)ts
SJtenfd)en, bie Hurra unb Hurrä riefen, bie gähn*
d)en flattern liehen unb bie SJtühen fd)mentten,
Äinber, bie fid) bie Stehle heifer fd)rien, unb grauen,
Prinzessin Heinrich gratuliert in Badminton dem
Sieger der Prinz-Heinrich-Fahrt
bie SBIumen in ben SBagen marfen. Die ©ng*
länber haben auf ben beutfdjen Straffen eine ber
fd)önften £anbf<haften Deutfd)Ianbs, ein betrieb*
fames 33olt, reiche unb faubere Stäbte unb Dörfer
gefehen unb SRenfchert, bie mohler 3 ogen finb unb
nicht (nad) ber Phantafie mand)er englifcher
He^er) in H ö hl cn mohnen. Unb bie Deutfd)en
mieber haben bie oornehmfte englifd)e ©aftfreunb*
fd)aft getoftet, haben in Her 3 ogspaläften, bei ben
Dutes of Portlanb unb Storthumberlanb, bei £orb
Derbp unb bem Dute of Seaufort getäfelt unb
Schäle bemunbert, bie fonft bid)t oerfd)loffen finb;
bie Deutfd)en haben ein ©artenlanb unb eine Part-
tultur an fid) oorüber 3 iel)en taffen, bie mir nid)t
befihen, unb es füllte munbernehmen, menn bas
englifd)e SStufterbeifpiel nicht Stachahmer auf bem
Stontinent fänbe.
Ob fid) politifd) bie auf biefer Dour ange*
tniipften 2 te 3 iel)ungen oermerten laffen merben,
ift fd)mer 3 U fagen. Der Slugenblidserfolg hat in
jebem galle bem Prisen Heinrich recht gegeben,
benn nod) niemals ift ber phlegmatifd)e ©ng*
länber fo ftarf aus feiner Steferoe herausgetreten
unb hat ben „©ermans“ auf offener Strahe 3 U=
gejubelt unb ihnen 3 uliebe giaggen herausgeftedt.
©nglifche unb beutfche Offnere, bie als Un*
parteiifche, bie einen ben beutfdjen, bie anbern
ben englifdhen Sßagen beigegeben mürben, haben
Prinz-Heinridi-Fahrt: Prinz Heinrich beim Start
in Southampton
fid) auf biefer Steife tennen unb fchähen gelernt,
unb nicht ein SStihton ober irgenbein Stl^ibent
trübte bie Äonturren 3 , in ber nicht etma geraft,
fonbern nur ein fogenanntes Spa 3 iertempo ein*
gehalten mürbe.
Unglüdlid)er mar ber Slusgang bes 21 u t 0 *
m 0 b i I = © r a n b * P r i r auf bem ©ircuit be Ia
Sartl)e in ber Umgebung oon £e SStans. Den
gran 3 ofen ftedte es fd)on lange in ben ©liebem,
nach langer Stuhepaufe mieber ein Stennen ber
fchnellften SBagen 3 U inf 3 enieren. Stber ber £od=
ruf fanb nur geringen Sßiberl)all, unb grantreich
unb gtalien blieben in biefer Stonturren 3 unter fi<h,
bie einen italienifchen giatmagen, gefteuert oon
Hemerp, in gront fat). ©erabe als ber betannte
Stennfahrer Sltaurice gournier auf einem fron*
3 öfifd)en Sßagen „Stopf an Stopf" mit Henterp im
120*Stilometer=Dempo tämpfte, hatte er bas Un*
glüd, bah itpn bie 23orberrabad)fe brach- Der
SBagen überfdjlug fid) unb gournier fanb feinen
Dob, mährenb fein Sltedhaniter ferner oerleht
mürbe. Dobesftür 3 e biefer 2 lrt finb im Stutomobil*
rennen fdhon mehrfad) 3 U oerseichnen gemefen,
menn audh im allgemeinen 3 U fagen ift, bah
heute bie Stunft, einen 2Bagen im fd)nellften
Dempo hiirfaufen 311 laffen, bei ber Skroollfomm*
nung ber SJtotoren nidj)t fo fd)toierig ift, als ber
£aie annimmt.
Die groben glugtonturren 3 en ber
Saifon hatten roeniger Opfer geforbcrt, als be*
fürchtet mürbe, haben aber mieber beftätigt, bah
granfreicf) noch immer in ber Sloiatit an ber Spitze
marfd)iert unb ben 93orfprung, ben es feit fahren
befiht, 3 äh feftgehalten hat. SJtänner mie ber
Sd)iffsleutnant Peaumont unb SSebrines, bie
Paris—Stom, Paris—SJlabrib unb runb um ©ng*
larib geflogen finb, fehlen uns noch, ojenn auch
bei uns junge Sträfte auf bem SJtarfd) finb, bie £uft
3 U erobern, ©s ift merfmürbig, bah gerabe bie
fenfiblen gran 3 ofen SJteifter eines Sports finb,
ber bie ftärtften Steroen forbert.
Slrno Slrnbt
; 5 - r
4VÄV*VVl
»f)ot. ffie6r. gactfel
»l)ot. 9JI. ftodjev, »erlitt
©ine moberne ©rbbohrmaf chine
Der Sdjimpanfe „Did" auf bem ftrantenlager
Gfne €rdbobrma$cl)ine
Die falifornifche C£ifenbabngcfellfd)aft märe ohne
biefe 9ftafd)ine laum in ber Sage gemefen, ihre ©ifen*
bafjnftrede ein 3 U 3 äunen. Der ©oben
ift bort 3 umeift fo auberorbentlid) hart, r-
bab iebes Stiid ©rbe im mahrften
Selbstgefertigter Butnadelständer
Diefer Stänber befielt aus*oier gleichen länglichen,
oben 7, unten 11 3entimeter breiten Deilen mit etroas
nad) innen ausgefd)roeiften Seiten*
-:- ränbern. Der ©oben ift quabratifcf)
aus fteifer ©appe, 44 3entimeter im
Umfange. 2>eber Deil mirb für fid)
mit Seibe, eoentuell ©olbtüli über*
3 ogen. Den ©oben mattiert man
ettoas unb befchroert ibn mit einer
* ©leiplombe. Die £ängsnäf)te näl)t
man übermenblidj 3 ufammen unb 3 U=
üMMtM lebt ben ©oben an bie gorm.
Der „Tlascbenbase“
$as Häschen courbc bei §apnau itt
Schlefien einer iträlje abgejagt, bie es
C £ en aufgeftöbert butte. Das Dierdjen
nahm halb bie Sflafche unb gebieb oor*
trefflich, fo bab es fd)on 4'/? ©funb
roog, als es, etroa 3 ef)n 2Bod)en alt,
toieber in Freiheit gefegt tourbe.
€in eigenartiges Storcbnest
» $uf einem Haufe in fReuftrelib hatte
; W) c > n Storcbenpaar fein fReft gebaut.
' a ' £a ^ as alte S>°us abgeriffen mürbe,
man jebod) bie Diere aus ihrem §eim
nicht oerfcheudjen mollte, erhielt man
ben ©alten, morauf bas fReft ruht, bis
ber fRcubau uollenbet mar. Die ©au*
arbeitet mad)ten fid) ben Sd)er 3 , ein
Sd)ilb mit ber aud) auf unferm ©ilb
beutlid) lesbaren 5luffd)rift an 3 ubringen: „©eftellungen
für nä^ftjährige Lieferung hier, Stordj."
Sinne bes SBortes bütte Iosgefprengt
merben müffen. Die 9Rafd)ine ift bie
©rfinbung eines beutfch=ameritanifd)en
Partners unb bohrt in einer Stunbe
90 fiödjer oon 80 3entimeter Diefe
unb 20 Zentimeter ©reite, ©efonbers
mertooll ift fie auch für ©aumfd)ulen=
befiber unb fianbroirte.
„Dick“, der Bettlägerige
Der Schimpanfe „Did", einer ber
fiieblinge ber ©efudjer bes fReuporter
3ooIogifd)en ©artens, brach bas Iinte
Hinterbein. 3nt ©ipsuerbanb muhte er
mehrere ©Soeben bas ©ett hüten. So
oft er etmas haben mollte, febte er eine
am ©ett befeftigte ftlingel in ©emegung.
Die alte lUainbrucke in Trankfurt a.ltl.
fRad) langen Kämpfen roirb man
nun bie alte SRainbrüde abreiben unb
burdj einen mobernen fReubau erfeben.
Das bortige Hod)bauamt hat einen
SBettbemerb für 51rd)itetten ausge*
fdjrieben. Die alte äRainbrüde ift eine
ber fd)önften, intereffanteften, älteften
unb oom fulturl)iftori[d)en Stanb=
puntte betannteften ©rüden Deutfeh*
lanbs. Den fReubau bebittgen roaebfenber ©ertehr
unb ber neu angelegte Ofthafen.
»l)0t. 6ugo ftracif,
Die alte fOtainbrüde in f^ranffurt a. 9R., beren Abbruch in ©usfidjt genommen ift
<pijot. 91. SOTnöborff
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D ie oon ber mobernen ^Eedjrttf auf allen
©ebieten heroorgerufenen großen Um*
wäljungen lieben auch unfer täglid)e§ ©rot
nicht unberührt, unb jwar weniger feine ©e*
ftanbteile al§ oornehmlid) bie |>erftetlung§*
weife. 2>iefe war ja bi§ oor wenigen 3abr*
jebnten im allgemeinen noch recht primitio.
Sßenn wir baran beulen, bab bie auberorbent*
lid) anftrengenbe Strbeit be§ 2eigfneten§ bi§
babin ftets oon §anb, ja bei ganj fetten
Zeigen fogar unter .^ubilfenabme ber ftübe
gefdfab, fo wiffen wir, bab bie§ ben bP 9 ie*
nifdjen gorberungen recht wenig entfprad).
SBeldjen 2Banbel unfer SDtafdjinenjeitalter
auch ber ©äcterei gebraut bat, ba§ zeigte
beutlicbft unb anfd)aulid)ft bie jüngft ju Stütt*
gart abgebaltene 2>eutfcbe 93ä<fereiau§fteUung.
2>ort waren alle Slrten oon Sftafdbinen unb
2>ampfbacföfen, beren bie moberne ©äeferei
jur ^erftedung be§ täglichen ©rote§ in bUSie-
nifdb einwanbfreier, woblfcbmecfenber unb
beföntmlicber ©efebaffenbeit bebarf, in größter
fötannigfaltigfeit ju feben. Slticbt weniger al§
3 Wölf Üllufterbäcfereien tarnen im Setrieb
jur ©orfübrung, unb oon biefen batte bie
al§ größte Spejialfabrif auf biefem ©ebiet
in allen Sänbern beften§ betannte girnta
SSerner & ©fleiberer, ©annftatt* Stuttgart,
bie mit oierjebn Filialen im 3n* unb s Üu§*
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lanbe arbeitet, allein brei, unb poar befon*
ber§ treffliche, eingerichtet. 2)amit bat bie
girma ihre alten guten SAabitionen allen
§ntereffenten auf§ neue in Erinnerung ge*
bracht; war e§ bod) ihr oerftorbener ©rünber,
Stommerjienrat Hermann Sßerner, ber burd)
Schaffung oon Stnet* unb 39tifd)mafd)inen
unb ber mobernen 5)ampfbatföfen ben ©nftob
jur SRobernifierung ber ©ädiereibetriebe ge*
geben bat. $er grobe Slu^ftellungspaoillon
oon äöerner & ©fleiberer, ben wir bievneben
abbilben, erweefte febon burd) feine 2lb*
meffungen unb gefdjmadooHe unb gebiegene
2tu§fübrung bie 2tufmerffamteit bet Stu§*
fteKungSbefüdber. ®ie aDermeiften oon biefen
nahmen au§ bem Sefucbe be§ VaoiUon§ unb
oon ber Sefidjtigung ber beiben anbern
2)tufierbäcfereien bie reidjften Stnregungen
mit beim, unb ba§ ift burd)au§ oerftänblid),
wenn man ficb gegenwärtig hält, bab äBerner
& ißfleiberer an äitafd)inen unb Söadöfen bie
oerfd)iebenften SDtobelle für ben betrieb eben*
fowobl ber ganj groben, wie aud) ber mitt*
leren unb ebenfo ber fleinften Sädereien an*
fertigen. ®ie S8ef<breibung biefer einjelnen
(Spfteme unb formen, jumal ber oielerlei
bie |>anbarbeit faft gan^lid) au§fdbaltenben
Sllaf^inen jum SUifdjen, Kneten, ÜJBirfen,
3/eilen unb SLbwägen be§ 2eig§ für ©rot,
Semmel unb allerbanb Studjenforten mub
felbftoerftänblicb Slufgabe ber ^-aebpreffe
liberer mit ©ä<fereimafd)inenau§ftellung unb SJtufterbäcferei auf ber bleiben, weil hier ber 9taum and) nur für
Stuttgarter ©äcfereiauslfteUung anbeutung§weife Sdbilberungen fehlt. *
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tu $armftabt bat auf 33eranlaffung ber
©ctjulärjte jebem ©djuUinöe einen |>in*
mei§ an feine ©Itern mitgegeben, ber
unter anberm folgenbe§ ermähnt: „$ie
©Item roerben einbiinglicfjft gemahnt,
bei ihren Stinbern auf eine tägliche 3af)n*
pflege ju achten, roeil fdjlechte gäijne
häufig bie Urfacfje oon fdhmeren SRagen*
unb »erbauung§ftörungen finb." 2lm
heften ju einer rationellen Reinigung
be§ 9Runbe§ unb ber 3 ö h«e ift ein in
jeber $infict)t unfd)äbltd)e§ 3af)npuß*
mittel, roie ba§ allfeit§ anerfannte,
beften§bemäl)rte unbmoßlfetle„3arg’§
Sbalobont". 3ur fölunbpflege eignet
fid) befonber§ $ialobont*9)tunbmaffer,
ba§ einen angenehmen ©efdjmacf ßat
unb antifeptifch roirft.
„Sunt finb fdjon bie SBäiber, gelb
bie ©toppelfeiber." 2)er -g»erbft bringt
für {eben forgfamen |>au§oater bie
Mahnung, ber fid) nähernben rauhen
$atjre§ 5 eit su gebenfen unb alle baburd)
bebingten Slnfcßaffungen fo halb alö
möglid) gu bemirfen. 2>afür hat fich
feit fahren ba§ &erfanb*©efcl)äft
9)(et)&®b(id)inSeip3ig = if((agroih
al§ empfehlen§roertetöeäug§gueKe beftenl
beroährt. ©eine foeben erfdjienene um*
fangreteße )Brei§lifte bietet reiche 2tu§*
raaljl in fämtlichen SebarfSartifeln für
ben f»au§ha(t, baneben aber auch in
©egenftänben mannigfadjfter Slrt, bie
fid) oorjiiglich ju ©elegenheit§gefchenfen
eignen. 2)ie 3ufenbung ber $rei§lifte
erfolgt foftenfrei.
$er glänjenbe »erlauf ber
£>qgiene*2lu3ftellung in ®re§bett
hat bie ftachfreife nidjt überrafdjt, mar
bod) oon Stnfang an ju ermarten, bah
it)r bei ber grofsen, ber fjpgiene heut*
gutage beigemeffenett »ebeutung aud)
ba§ ^ntereffe aller Saienfreife nidjt
fehlen mürbe. 2lud) in ben Sieben*
abteilungen hat bie beteiligte ^nbuftiie ,
unbeftritten große ©rfolge ersteh. $n |
tiefer §aüe fällt ber ©tanb ber äßelt* 1
firma ©eitel & 9iaumann, ®reöben,
oor allen anbern in§ Sluge. ®ieie be*
fannte, leiftung§fät)ige ftirnta hat über*
fidjtlid) aüe3 ba$ au§gefteüt, roa§ fie
an Snöuftrieerjeugniffen auf ben iUtarlt
SU bringen hat, nämlid) ihre ftabile,
leiftungSfähige ^bealfchreibntafchine, bie
beionber§ für bie Steife geeignete ©rifa*
fdjreibmafdjine, ba§ SBunberfinb ber
Sleuseit: bie X mal 3£ Untoerfalrecßen*
mafchine, ferner ihre weltberühmten
9iaumann*9iäl)mafd)inen (für Familien*
gebrauch ■ unb ©rroerb) unb fämtlidje
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Jahrgang 53
820 -&
Nr. 52
ÜBERLAND UND MEER
Im BeRtze der Galerie O. Hermes, Mündien
Dorffchönheit. Nach einem Gemälde von Franz von Defregger
1911 (»b. 106)
2ln utifete £efer!
ber £anb unb Meer fcßlteßt mit biefer Kummer feinen 53. 3aßrgang. ©S mußte ffetö feinem alten Vuprn einen neuen
©lang gu geben, unb gmeimal unter ber jeßt gmeijäßrigen £ettung Dr. 9£ubotf cpxtübtx# tonnten mir mit 93efriebigung einen
neuen großen £luffcßmung lonffatieren. ©er frifcße ©on feiner iltuftrierten unb belletrifftfcßen ‘Slrttfel, bie gebiegene 3luS=
ffatfung unb einzig baftepenbe ©üfe feiner 9?eprobuffionen, bie ßcß niemals als Vorfpann für irgenbeine furgatmige
Mobertcßfung pergeben, oielmepr baS ©ufe unter bem 3Ufen unb 92euen gleichmäßig pflegen, paben unferer Seitfcprift gu ipren alten
niete neue ^reunbe gemonnen. ©aS iff mtS ein VemetS, baß ber 9Beg gut ift, ber eingefcptagen mürbe, unb „Über £anb unb Meer"
mirb meiter bemüpf fein, bie beffen unb frucptbarffen ©eiffer unter ben mobernen beutfcßen Autoren als Mitarbeiter gu geminnen.
©er neue 3aprgang mirb mit einem pfpcßotogifcßen Vornan auS ber ©efeUfcßaft
,,©ie 9lofe oor ber §ür" »o« ©mmi £emalb
eröffnet, bie befonberS in ber ^rauenmelf fiep einen tarnen gemaeßt paf. ©er 9?oman feßitberf bie ÄergenSfragöbte eines popen
Staatsbeamten, ber auS feiner fulfitnerfen t^orrelfpeif ben Vkg gu aufrichtiger £eibenfcßaff nidjf finben fann. Mit feinem ©riffet
ßnb oor allem bie betben ^rauencßaralfere gegetdjmef, gmifeßen benen ber Äelb pin unb per feßmanff.
Mit ber gmeiten Äätfte beS 3aßrgangS beginnt bann bie Veröffentlichung eines ungemöpnlicß frifcp gefepriebenen 99omanS non
©Itfabefß ©temerf: „Venebiffa'
ber baS ©cßidfal etneS jungen, heißblütigen V3efenS barftellt mit all ben gaplreicßen ^onfliften, bie biefeS oftelbifcße Mäbcßen —
gegenüber tpren an alten ©rabifionen pängenben ©Ifern — mit offenen ©innen, Harem Verftanb unb einem im ©runbe unnerborbenen
-foergen gu beffepen pat.
Unter ben £luforen fleinerer Mmellen unb ©ebießfe merben nertrefen fein: £>etnrid) Vterorbf, 3opanneS ©rojan, 9ücßarb Voß,
£ubmig fSütlba, ©rnff 3apn, 3afob 9Baffermann, Herbert ©utenberg, Hermann ioeffe, ©art Vuffe, ©eorg Vuffe-^alnta, Victor Vlütpgen,
3opn Äenrp Madap, loanS non ürnffenStpal, Mary Möller, VörrieS ^reiperr non Müncßpaufen, VMlpelm ©eßmibfbonn, £eonore
9Üeffen--©eiterS, ©oppte Äoecpffetter, &anS £>pan, ibanS non i^aptenberg, ©art ©runert unb niete anbere.
©er ©rfotg pat unS geleprf, baß unfere populürmiffenfdjaftliöpen iHuffäße ben richtigen ©on treffen, ©ie merben auep ferner¬
hin mit gang befonberer Sorgfalt auSgemäßlf fein, um niemals trodene, fonbern im beffen ©inne angemanbfe V3iffenfcßaff in einer
unferpalfenben, jebenfaüS niemals tangmeitigen f^orm gu bieten, ^ein ©ebief beS öffentlichen £ebenS mirb hierbei unbeachtet bleiben unb bie
tarnen, bie mir aueß hierfür als Mitarbeiter gemonnen paben, bürgen bafür, baß „Über £anb unb Meer" feftltcp unb bilbticß an
ber ©piße unferer illuffrierfen Modjenfcßrtffen marfepiert. Vnlpelm Völfcpe, ^rof. Oscar Vie, Vruno Vürgel, Major a. ©. QBange-
mann, ©ßeobor Mügge, §p. 3elt, Dr. £lbo!f Äeilborn, Herbert ©utenberg, ©eorg ibirfcßfelb, Milpetm Äegeler, 99obert Vreuer,
Dr. ©arl 5^reufcßner, Dr. 3'riß ©fomronnef, 99egierungSbaumeiffer $lug feien auS ber großen 3aßl peroorgepoben.
£lm auep bte £lftualität ber fcßnetl unb opne geifraubenben ^unftbrud pergefteEten Sournate in oerebeltem unb oerfieftem ©inne
in unfer Vtaff mit ptnübergunepmen, paben mir feit 3apreSfriff bereits bie überall mit außerorbentlicpem Veifall unb regfter £lnfeil-
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9lobert freuet über J^unftgererbe,
©berirtgenieur ^artmaun über
‘Srau ©rete ÖÄeifekößf* unb Fräulein Dr. ©erfrub
bäumet alfernierenb über
3rau Margarete r>ou 0uffuer über MZobe,
Slruo ^rubt über 0|>orf.
©er Vilbetfcßmud oon „Über £anb unb Meer" paf fiep einen Vklfruf ermorben. ©r mirb and) meiferpin, alte Möglicßfetfen ber
fid) immer oeroollfommnenben ©ecpntf nüpenb, fo oietfeifig unb reieß als möglich geffaltef merben. Meben oortreffliepem Vunfbrud naep
geitgenöffißßen ©emälben, bie baS 9?efutfat einer forgfättigen £luSmapl auf allen großen beutfeßen i?unffauSffellungen finb, merben
erffe Zünftler als Slluftratoren mit ©tift unb ffcber ben ©ejf unferer £>effe f(pmüden unb ertäufernbe 9lufnapmen auS allen ©ebieten
beS mobernen £ebenS unb ber ©eepnit unfere 9luffäße illuftrieren.
„Über £anb unb Meer" mirb auep ferner eine reiche 3lbmecpflung ber fernen mit moberner, gebiegener unb tebenbiger ^orm ber
©arffeüung oerbinben. „
SleOaftion unb Verlag oon „Über £anb unb
58«^' ©amif feine Slnterbreä)ung in ber 3ufenbung ber
Hummern oberÄeffe einfrttt, bitten n>ir, bag ^tbonnement auf ben
neuen Saprgang bei ber ^egug^ciuelle, bie ben 3<ü)rgang 1911 lieferte,
gefäüigft fogteidp gu erneuern.
®er 54. Saprgang oon „Über £anb unb 9Jleec" erfd>eint in 52 tböd>ent-
tiepen Hummern, ^reiö bierfeliäbrlid) (13 Hummern) 931 4.— , unb in
26 biet§ebnfäglicpen Äeften gum greife bon 65 Pfennig pro £>eft (Sin
< 2lbonnementg-- < 23efteUfd)ein liegt gur gefl. Venupung bei.
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Sinlü: «Sortiermafcbine — Oben: ®artenIod)tnaf chine — 9fted)t§: Slbbiermafdjine
VQfiit £oKeritb§ eleftrifd) betriebenen 3äf)lmöfcbinen erhielt ba§jMtamueifungSamt in »erlin
erhebliche »eamtenerfpami§. 9tad|bem bie Satten tn ber 8oc$maf<$tne Soßungen er hatten
haben, bie ade «Berte ber barauf enthaltenen Angaben anjngen, orbnet fte bte ©ortierma^tne.
unb bann erlebigt bie Slbbiermajchine bi§ ju 10000 tn *>er ®tunbe für famtluhe «Rubrtlen.
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GSwjjrter §txv §lpötljekcr!
«Utit Sbrer „gtino = ©albe" bin td)
fehr jufrteben. Sd» habe fcbon oieteö
üeiiucl)t, aber nichts half, nadi ®e=
brauch £$brer 9Wno*©atbe aber ift bie
©cbuppenflecbte gaits fort. 8d) fann
fie baber allen nur empfehlen.
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Sauer, $., 2a§ Altertum im £ebert ber ©egemuart. Au§
Statur unb ©eifteSroelt. Sb. 356. $rei§ SSt. 1.25. S. ©. 2eub*
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©ellariu§, Söfung ber midjtigften Stulturaufgaben im
£id)te oon Auguft £einer§ SBerf: AienfdjlicbfeU fei unfer
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Slammann, Atoberne Senfationiprojeffe. 5ßrei§ 60 $f. Steuer
Serlag 2eutfd)e 3ufunft, Setpsig.
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Suftfdjiffern. Aeid) iUuftriert. Für jeben Sportliebenben.
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SWünjer, Ä., 2er gefüf)luolle Saebeter. Serlag Sita, 2eutfd)e§
Serlag§^au§, Serlin.
25er Atenjd) aKer 3«iten. Sieferung 1. 2)ie £ieferung§au§gabe
erfdjeittt in jirfa 40 Sieferungen jum 5ßrei§ ton je SSt. 1.—.
Allgemeine Serlag§=©efellfdja|t nt. b. §., Serlin*9Wün<$en*
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2)er projeftierte F^g be§ Suftfd)iff§ „Sud)arb" über ben Atlan*
tifdien D^ean. SSt. 1.—, St. Dlbenbourg, SWündjert.
2)ol)fe, St. Dr., ©efafjr imSersuge! Son beutfdjer Sprache unb
Art. 3 £>efte. Srei§ ä 60 Sf. Seipjiger SerlagS* unb STorn*
mtffion§bud)l)anblung, Seip^ig.
2umde, 2eutfd)er SrieffteHer. 8angenfd)eibtfd)e Serlag§bud)=
hanblurtg, Serlin=Sd)öneberg.
©bner = @fcbenbad), Atarie oon, ©efammelte Schriften. 3el)ttter
Sanb. s Jket§ 9W. 3.50. ©ebrüber Sßaetel, Serlin.
®idjinger, A., 2ie ^ilje. Au§ Aatur unb ©eifte§roelt. Sb. 334.
$rei§ At. 1.25. S. ©. 2eubner, Seipjig.
©mben, Anbreä, 3Sir fudjen Atenfdjen! Serlag Stofenbaum &
§art, Serlin.
©ffig, Hermann, Furd)tlo§ unb treu. 2rama. 5ßret§ SW. 2.50.
Saul ©affirer, Serlin.
©fcel, 2l)eobor, unb SWufdiner, ©eorg, 2ie Sefe. Siterartfdje
Leitung für ba§ beutfdje Solf. ©rfd)eint jeben Sam§tag.
Atündjen.
Fernanbe§, ©., |>ilba Steidbarbt. Sioman einer Sed^ehnjäl)*
rigen. Siloa*Serlag, Serlin.
Fifd)er, S?onrab, ©in offenes SBort au§ 2eutfd)*Sübmeft-
Srei§ 80 Sßf. Aeuer Serlag 2eutfdje 3uÜunft, Seipjig.
©attgljofer, Subtwig, ©efammelte Schriften. iSolf§au§gabe.
2ritte Serie. Soüftänbig in 10 Sänben ä SW. 1.50. Serlag
Abolf Sons & ©o., Stuttgart.
©örner, ©. A., ©in glücflid)er F a htilienr>ater. Suftfpiel. ^3rei&
20 $f. AeclamS UniöerfalbibliotljeJ, Seipjig.
Auflösung der Scbacbaufgabe 19
3B. 1. Lgl—a7 A.
@. 1 . fö—f4 @. 1. Kf3—e4
9B. 2. Sdö—b6! SB. 2. Dg6—g3!
@. 2 Kf3—es ©. 2. fB—f4, g7—g5
SB. 3. Dg6-d3 matt. SB. 3. Dg3xf4, —es matt.
Auflösungen der Rätselaufgaben Seite 1296 t
Der breifilbicjen Gdjatctbe: Funfenfprud).
Des Silbenrätfels: ©nglanb.
Aid)tige£öfungen fanbten ein: Alice Staufhtann, ©klingen (1);
2t)efla 2Uler, 9tegen§burg (2); ftarl Stolbe, 9Bie§baben (1); Sß«l
AiecUjoff, Hamburg (2); ®. S. A., S(^affl)aufen (3); Stonrab
ißolfter, Aeumarft in Steiermart (2); SBarasbm, Aßien (2);
©joetfopitS, Subapeft (2); Stoppel, Hamburg (2).
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Zahn-Creme und Mundwasser
vermeidet
man am besten Typhus, Diphtheritis und andere
Infehtions-Krankheiten.
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ärzten ständig empfohlene KALODONT Zahn-Creme
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Zähne und des Wohlbefindens.
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Zur Erlangung
eines
Die Kunst eine schöne Rüste zn erzielen
bildet für die Damen kein Geheimniss
mehr, seitdem die wunderbaren Eigen¬
schaften der pilules Orientales bekannt
sind. — Diese Pillen be¬
sitzen in der Tat die
Fähigkeit die Büste zu
entwickeln, zu festigen
und wicderhcrzustellen,
ebenso wie die Knochen¬
vorsprünge des Halses
und der Schultern zu be¬
seitigen, indem sie
der ganzen Büste
eine graziöse Fülle
verleihen, ohne die
Taille zu erweitern.
Die Pilules Orien¬
tales bestehen hanpt-
( sächlich aus orienta¬
lischen Pflauzenex-
trakten nnd sind, da
Oänzlich frei von
Arsenih, der Gesundheit stets zuträglich.
Ihre Wirksamkeit darf durchaus nicht
mit der irgend eines anderen, ähnlichen
Erzeugnisses, zum inneren oder äusseren
Gebrauch, verglichen werden. — Ein über
zwanzigjähriger Erfolg hat den Ruf der
Pilules Orientales bestätigt und erwiesen, {
dass dieselben für die Frau sowohl wie
für das junge Mädchen das einzige, j
wirklich zuverlässige Mittel bilden, einen l
üppigen und festeu Busen zu erzielen.
Leichte, diskrete Behandlung. — Dau¬
ernder Erfolg nach ungefähr zweiMonaten. I
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Der 5tampf ber toeihen
uitb ber roten ©ofe
Montan
»Ott
©eorg $ir[d)felb
(Sdjlufc)
obalb Karlmann fort mar, ergriff Doni bie
alte Unruhe. Sie mißtraute ihm nicht —
aber ber Dämon Zweifel blieb madjfam unb
lentte ihren reinen Sinn auf Stritte, bie fie
3 U anbem 3eiten oerabfeheut hätte. Sie fdEjrieb
normale an ihren $reunb in ©Bien. Sie tat
es biesmal fet)r biplomatifd). Der in allen
literarifd)en unb gefellf<haftlid)en Dingen be=
manberte ©tbootat erfuhr oon ihr, baß Karl=
mann in Nürnberg einen Vortrag hielt, aber
fie toolle bei aller $reube barüber boef) gern
miffen, um mas für eine ©efellfchaft es fich
hanble, melche ©benbe fie reranjtalte unb fo
meiter. Karlmann fei fo leichtgläubig. TO
£er 3 tlopfen erroartete Döni bie ©ntmort. Der
©bootat fhrieb ihr, bah and) er fid) über jeben
(Erfolg ihres (Satten oon toe^en freue, aber hier
müffe xooi)I ein Irrtum oorliegen — bie be*
treffenbe (Sefellfdjaft eriftiere feit einem 3 at)r
nicf)t mehr, ein ©ortrags 3 ptlus in biefem
©Binter fei ausgefdjloffen. Sie folte nur Karl=
mann redhtgeitig oor einer Däufd)ung, ber er
offenbar gum Opfer gefallen fei, bemahren.
Die lebten ©Borte fdjrieb ber feinfühlige TOnn,
ba er bie ©Bahrheit nid)t oerfdEjmeigen mollte,
um Donis £age ihm gegenüber 3 U erleichtern.
23alb nad) bem ©rief bes ©bootaten tarn eine
©ofttarte Karlmanns aus ©Bür 3 burg: „©Reine
£iebe! %n Nürnberg mar's fein.' ©ortrag
fehr ftar! befugt unb nach allgemeinem Urteil
gut gelungen. (Erhole mich jefct in ber alten
Stabt am TOin. ©ei ©odsbeutel! ©ruh Dir
unb ©aula. Karlmann."
Doni 3 ertnüllte bie Karte. (Eine Stüd ihres
£ebens, ein blutenbes, fd)mer burd)Iittenes
Stüd ßertnüllte fie. ©aula fah es. Sie hatte
oergeffert, bah bas Kinb im 3ioimer toar. ©un
muhte fie es bem Sturm feiner ©hnungen
überlaffen. ©Sie fd)led)t unb jammerooll, un=
rpahr, unroahr im 3 nnerften, roar bas £eben . ..
©ber fie hielt fid) aufrecht. ©od) brei Dage.
Dann toar Karlmanns Urlaub um, unb er
trat ihr mit einem §eud)lergefid)t entgegen.
5lls fie ihn am ©ahnfjof empfing, fah er
fofort, bah fie alles muhte. Sie fdjmiegen
mährenb ber Heimfahrt, fie fchmiegen toährenb
bes ©benbeffens. ©aula, bie fid) fonft auf ihren
©ater mie auf nichts in ber ©Seit gefreut hatte,
tourbe plöhüd) oon einem fdfjüttelriben ©rauen
1911 (93b. 106)
erfaht- Sie hielt bas Sd)u>eigen ber (Eltern
nicht länger aus unb rannte aus bem 3totmer.
Da fagte Doni: „©Barum haft bu midi) be*
logen?"
„ 3 d)?!" (Er fuhr auf. „ 3 <h oerbitte mir bas!"
„©Barum haft bu mid) belogen? — 3 o
Nürnberg toar lein ©ortrag — ber ©erein
eriftiert gar nit — bie ©riefe haft bu gefälfcl)t
— alles — alles — um mit bem 3rauen3immer
3ufammen3utreffen —"
„Doni —"
„©enn meinen ©amen nit ! ©s heiht jeht
entmeber ober —"
„Sah mid)!"
(Er ftieh ben Difdj 3urüd, fprang auf unb
ftürste in bas Schwimmer. Sie fah erft noch
eine ©Seile toie gelähmt, bann folgte fie ihm.
Sie fah ihn bei einer Ker3e auf bem ©ett fitjen
unb, ben Kopf in bie §anb gepreht, eine ©hoto=
graphie anftarren. ©Sen ftellte fie bar? — ©eit
3toei Schritten toar Doni hinter ihm. Da er?
tannte fie bas ©ilb — er hatte eine ©hoto=
graphie oon 3 ngeborg ©Sachtei. Sie toar gan3
feud)t oon feinen Küffen, feucht oon feinen
Dränen, ©ntfeht fuhr ber UberrafcEpe 3U Doni
empor. Da fcXjlug fie ihm bas ©ilb aus ber
£>anb. Da trat fie mit ihren frühen auf bas
©ilb. ©aferei hatte fie ergriffen.
„©Sas — toillft bu?! Ungeheuer!" brüllte
er unb toollte bas ©ilb retten.
Doni ladhte gellenb. „ 3 ft bas bie ©Bahrheit?
Dentft bu fo oon mir?! 3 $ banf bir fd)ön!
Du £ump!"
„Dutannftmid) beleibigen, mid) emiebrigen,
fooiel bu toillft — ba bin idh eudh nicht ge=
toadhfen — ©auernpad! ©her alles nehmen
Iah id) mir nicht!"
„©Bas hab ; ich bir genommen?"
„Doni!"
„©Bas hab ; ich bir genommen? !"
„Du haft mich he*abge3ogen! ©miebrigt!
3 atoohl! Du haft mir bie Slügel gelähmt oon
©nbeginn! Das toeih id) jeht! Das banf
ich ihr!"
„©tie follft bu fie betommen!"
„Das toerben toir fehen!"
,,©tie follft bu fie befommen! Du oer=
blenbeter ©Renfcf), bu! Sie ift bas ©öfe! Sie ift
bie £üge! Um bi<h »or ihr 3U betoahren, hab'
i<h ein £eben geführt, bas leine 3rau für bi<h
geführt hätte! Sie 3ieht bidh bahin, toooor idh
bidh retten toollte! Dich allein oon eurer gan3en
©efellfchaff! Dentft bu benn, mein gan3es
£eben lannft bu hinf«hmeihen für eine Ko=
möbiantin?!"
„Du toeiht nidht, toas fie ift! Du oerftehft
foldhe 3rau nicht —!"
„ 3 dh oerfteh' fie! Sei unbeforgt! 3 ch
fenrte fie gait3 genau! '©ber fie foll bid) nit
haben! ©Senn ich: bich gehabt hab'! ©tiemals,
Karlmann! ©iemals!"
„Du bift — bu bift ja toahnfinnig oor (Eifer*
fudjt — gib mir bas ©ilb 3 urüd — Iah bas
©ilb los!"
(Er ftieh fie 3 ur Seite unb griff nach ber
Photographie. Doch als er fich gebüdt hatte
unb fich aufrichten toollte, fah er ettoas ©li^em
bes über feinem Kopf. 3h m freifte alles oor
ben ©ugen. Sein ©Re ff er hatte Doni ergriffen,
fein ©afiermeffer hatte fie aufgemadht unb
brohte thm nun. ©s toar ein unoergehüdher
©nblid. So hatten ihre ©hnen toohl einft oor
ihren Dprannen geftanben, bie toilben, oer=
toüfteten ©auern, mit rohen Dobestoaffen.
©ine f<htoar 3 e 3ahn^ toehte über bem Kampf
ber etoigen ©egenfähe. Der ©bei fiel — fie
blieb bie Dochter bes entfeffelten ©olfes.
©ufredht unb leithenblah erroartete er, toas
fie tun mürbe, ©r mehrte fie nicht ab, er gab
fich preis. Unb biefer ©itterblid ans feinen
©ugen entmaffnete fie. Sie muhte plötzlich,
mas fie getan hatte, fie fchauberte, fdhredlidh,
oernid)tet — bann lieh fio bas ©Reffer fallen
unb ftürgte hinaus.
©Is Karlmann, in Schmeih gebabet, fich
ummanbte, um §ut unb ©Rantel 3 U ergreifen,
ftanb ^Saula oor ihm. Sie bebte mie eine junge
©irle im ^rühlingsfturm — mit nadten 3 üfeon,
im £>embä)en ftanb fie ba unb fragte tonlos:
„©apa! Du millft fort? So fpät? ©Bohin
benn, ©apa?!"
„ 3 ch toeih es nicht! 3 <h toeifj es nicht, mein
Kiob! ^ier tann ich nid)t bleiben!"
„©ei uns!?"
„|jier merb' ich 3 ugrunbe gerichtet!"
n © ei uns —?"
„£ah mid), ©aula! 3 <t) foche mir meinen
©Beg! §ier liebt mid) teiner! Keiner! £ah
mich!" _
Siet umtlammerte ihn. „©ber ©apa!
©apa! Das ift ja nicht mahr!"
„Doch, koch
„Das ift nid)t mahr!"
Sie lieh ihtt nicht los. ©r tonnte bas |>aus
nicht oerlaffen mit einem nadten, oer 3 meifelten
Kinbe, bas an ihn gefdjmiebet fhien.
V
Karlmann ©ominger fah ben Sommer
feines £ebens geftorben, alle ©lätter hatte ber
Sturm ihm abgefd)üttelt, nadt unb arm ftanb
er ba. Unb bodj — mas hatte man ihm eigent=
lief) genommen? ... Dem böfen ©aufdE), bem
unoereinbaren mit feines £ebens ©au — er
tonnte ihm nicht lange nachtrauern.
©r ahnte allmählich, bah er mehr auf*
gegeben hatte, als er in bem mirren ©benteuer
jemals hätte erringen tonnen. Doni mar fein
gemefen, ©aula unb ein ehrlich ernfthaftes
Streben, beoor 3ogeborg ihm begegnet mar.
3eht füllte er fich kas einft ©efeffene mieber*
geminnen. Sein Kinb — fein Kinb gehörte
178
1326
ifem, trofe allem. Slber Fortis SBunbe blutete.
Sie b>atte fie als Siegerin baoongetragen, ifen
gebemütigt, für immer gezeigt, baß er über
iferen SBülen ben $ufe niefet fefeen tonnte. Da»
burfe nafem fie feinem Stol 3 bie Sftöglifefeit,
fie 3 U oerföfenen, ifer SBefe 3 u feilen unb auf»
3 ubauen mit ifer, mas in einem böfen SBafen
3 ufammengeftürgt mar. 3© Doni featte, fo»
lange fie fife fannten, einen füllen Strieg mit
ifem geführt, ©rft als. fie gefiegt featte, oerriet
fie es burfe iferen Driumpfe. Das mar alles
£eibens Stern — bas featte ifer fo lange im
bergen gebrannt. Sie mollte über ifen fiegen,
Slber ifere SBaffen maren eE)rIic£> Das erfannte
er. Sin tferer Seite fofet bas fieben unb ber
£iebe (Seift — er bjatte mit tpranniffeer SBitt»
für 3 U fiegen gehofft. Dilles gelang it)r — ifem
mifeglüdte alles. Steibooll faf) er in ifere Sonne,
if)re reine Sfemergensfonne, mäferenb er in
bumpfem Sfeatten blieb.
Slber feine Sinne mürben ruhiger. Die
.Ejere, bie ifem in ben SBeg gelaufen, entfcfemanb
allmät)Iicf). Sein Dürft na cf) bem SBeibe er»
loffe in neuer ©rfemttnis bes SJtenffeen. Sooiel
featte Startmann Coming er im gangen £eben
niefet gelernt mie jefet in feinen Dreißigen.
Der Arbeit marf er fid) in bie ftarfen, unfinn»
liefert SIrme. (Sr oerfanf in Arbeit, 2m feiner
Stäfee lebte unb mattete ein SBeib — mas mufete
er baoon? Slud) Doni rang fid) in raftlofem
Schaffen frei. Sie featte in biefer 3ett ifere
größten ©rfolge. Die ortfeopäbifdje Slnftalt,
oom baprifefeen Staate aufeerorb entliefe er»
meitert, mürbe unter ifere Oberleitung ge»
ftellt. grau Doni Corning er mar eine Stapagität
gemorben, fie ermarb allmäfelid) fo oiel mit iferen
Sturen, bafe fie Startmann gu einem mofeI»
feabenben SJtann machte. Seicfetum minfte
fogar, als ein amerifanifefeer SRtlltarbär in
SJtünefeert erfefeien unb feine fleine Dodjter ifer
anoertraute. Dem (Gelingen iferer Sefeanblung
fefete er ein Vermögen aus. (Es feanbette fid)
um fein eingiges Stinb.
SBo blieb oor folcfeen Pfliefeten bie fjjrage
naefe alten SBirren? Doni oergafe nidfet, aber fie
oergab. Sie oerftanb, in immer reiferer ©üte,
bas SJtenfdjliefee. SBerftätiges SJütleib, bas fie
oor ifjren Patienten erfüllte, liefe fie auefe Starl»
mann angebeifeen. Sluefe er mar eigentlich) ein
garier, ber Sefeonung bebürftiger Stranfer.
SBenn fie ifen jefet betrachtete, ofene bafe er es
mufete, füllten ifere Slugen fiefe mit Dränen.
SBte featte bie Dorfe eit eines Sommers ifen mit»
genommen! SBas mar aus bem leuefetenben
Startmann oon 2rriebrtd)sburg gemorben? Stein,
fie triumpfeierte niefet. 2 >fe r Steg mar ein oer»
roftet Scfemert, bas fie nie mefer gebrauten
mollte. Sange fafe fie Startmann naefe, menn er,
ein läffiger unb forpulent gemorbener ©eleferter,
mit bünnem, angegrautem £aar, eine Sritte
auf ber Stafe, umfeerging. SBie äfenelte er
feinem Sater! Sftübe unb ffeptifefe — aber ben
feuefeten Slid ber Sefenfuefet, bes SBiffens oom
©rofeen ber SBett noefe immer in ben Slugen.
|jatte fie gu ftreng mit ifem abgeredjnet? —
3afere ©ergingen, 2rür Startmann forglos
unb gleiefemäfeig, in boffelnber SIrbeit, ofene
reefetes 3t^l- $ür Doni ofene ©lüd, benn gur
Eingabe an ben, ben einft ifer Sfteffer treffen
follte, gelangte fie niefet mieber. Das (öefpenft
jenes Slbenbs ftanb noefe immer gmifdjen ifer
unb ifem. Das Scfelafgimmer, bas ben Iefeten
3 ufammenftofe gefefeen, mar in ein menig be»
nufetes (Saftgimmer oermanbelt morben. Itarl»
mann fifelief in feinem Stubio, Doni mit Smda
gufammen. S«ula reifte gum jungen Äbcfeen
feeran. Sßunberfam lebte Startmanns ablige
3ünglingsgeftalt mit Donis berber Solfsfraft
gepaart in ifer auf. 3 fer Slntlitg mar burefe biefe
ältifefeung nid^t fo feübfefe mie bas ber (Eltern,
aber es lag eine fo reine SInmut, ein fo leib»
oertrauter f^rofefinn in Säulas 3 ü 9 <m> in iferem
elaftifcfeen ©ange unb in allem, mas fie fprad),
bafe fie mirtlicfe bie oollenbete Spntfeefe mar.
Scfeön mären ifere tiefblauen Singen, ifer golb»
blonbes §aar — rüferenb ftanb bagegen bas
etmas runblicfee SIntlife gurüd. Sie fpenbete
Hb er £*anb unb 9Jteer
£i<fet in Startmanns unb Donis £»eim — fonff
mären bie beiben boefe in Dunfelfeeit erlofdjen,
So fanben fiefe Startmann unb Doni in iferer
leibenfcfeaftlidfeen, raftlofen£iebefür bieDodfeter.
Santa entging niefets, mas iferem Sllter, iferem
(Seift unb Störper förberlid) mar. Da fie oon
einer föftlicfe praftifd)en äRutter unb einem
ebel tfeeoretifdfeen SSater umgeben mar, um»
f<femebte ifer SJtäbcfeentum ein Duft, ben bas
SJtärcfeen feat, bas eefete, aus ber (Erbe er»
madfefenbe. SBofein fie muefes, für men fie be»
fümmt mar — bie (Eltern erfefeauerten in ^off»
nung unb (Eiferfuifet. (Erfüllung bodfe
einmal preisgeben — mufeten fie bas? S^ula
mar fiebgefen 3(ifere- (Es featte 3^it, es mufete
noefe 3^tt feaben. Sie fragte auefe naife niefets
anberm als näd) iferen (Eltern unb bem all»
gütigen £eben, bas ifere £iebe mar. —
Die Stulturgefd)idfete ber meifeen unb ber
roten Stofe mar unoollenbet geblieben. Stie»
mals mollte Startmann mefer baran arbeiten
— er feafete biefes SBerf. Sind) für feine Familien»
eferonit, bie Dragöbie, bie Silber, bie (Effaps
featte er nur ein £ädfeeln. £eben! — SBas
butbete bas £eben, mie er es jefet tannte, neben
fiefe? — ©r befdferänfte fiefe barauf, feine 23ilbmtg
ins Hngemeffene gu fteigern. (Er mürbe eine
manbetnbe (Engptlopäbie. Seine SJlittel ge»
ftatteten ifem, alle 23üd)er gu laufen, alle alten
Drude unb §anbfdferiften, bie ifem oon ^ntereffe
maren. Unb ber SJtufil marf er fiefe, menn er
auefe bie Iäfemenbe ©efafer iferes Staufdfees
tannte, gang in bie Sinne. Stftfeetifcfe oer»
fdfemeben, oerrauefeen follte fein mirres Dafein
gur Sdfeönfeeit empor. (Ein SBiffen um bie
Scfeönfeeit featte er, ber SJtalersfofen — fonft
ni^ts. Sd)ledfete ©ärtner maren bei ifem am
SBerte gemefen — (Sigenmudfes mar feine Sadfee
niefet. (Er blieb ein IjMient bes Dafeins —
Doni begriff es. (Er mufete fiefe getröftet, ofene
bafe fie es ifem ausgufpredfeen brauefete.
Dennocfe — niefet bie Sdfemädfee, bie Straft
feiner Stefignation, bies allgu feltene Stöminger»
gut mar es, bas ifem plöfelidfe bodfe ein ©elingen
befdfeerte.
Sein (Erfolg mürbe ein Keines 23ucfe, bas
(Eoa Stollfint auf Startmanns Scfereibtifd)
entbedt unb bem ärgerlich £adfeenben fort»
genommen featte, um es einem Verleger gu
■geigen. Die Scferift umfafete nod) niefet feun»
bert Seiten. Sie feiefe „Dante Donis Arbeit".
Dante mürbe Startmanns $rau in ber Sin»
ftalt genannt, ifere Pfleglinge gaben ifer felbft
ben Stamen. Sin einem grüfelingsnacfe»
mittag mar Startmann in bie Slnftalt ge»
tommen, um Doni abgufeolen, unb fie featte
ifen feftgefealten, um ifem neue (Einricfetungen
gu geigen. Sei biefer ©elegenfeeit featte er
gum erftenmal ftunbenlang iferen Serfefer mit
ben Stinbern beobaefetet. Sein oon pfeilofopfei»
fdfeen unb tulturfeiftorifdfeen Problemen er»
füllter Stopf featte bisfeer feine 3 e tt bagu ge»
funben. 3efet braefete fie ifem ber 3ufaII. Unb
mas er fafe, in feiner gegenmärtigen Stimmung
fafe, mirfte bermafeen auf ifen, bafe er jeben
Sladfemittag mieberfam unb erft abenbs, menn
Doni ging, Slbfdfeteb nefemen tonnte. (Er lernte
alle ifere Süeblinge fernten, unb bie £ieblinge
fdjmärmten altmäfelidfe für ifen. Das featten
fid) bie Keinen Streugträger niefet träumen
taffen — gu ber oergötterten Dante mar nun
noefe ein ebenbürtiger Dnfel getommen. 3 U
§aufe, in gmei Utäefeten, fdjrieb Startmann
bann fein Sudfe. (Er fd)ilberte nur bie Slnftalt.
(Er geid)nete gum erftenmal, ofene millfürlicfee
3utat, ofene Steigerung unb Stomantif, Donis
23ilb. Unb bie Stinberporträte gelangen Starl».
mann mie einem edfeten Stünftler. ©s mürbe
ein golbenes ©efdjenf ber Slnmut, bas er auf
ben Süd)ermarft marf. Dieferes unb Scfemereres
rufete barin, als frembe £efer begreifen tonnten.
Dodfe in bem, mas alten gefeörte, begriffen auefe
allefcfenell. Das fleine Sucfe fanb einen grofeen
(Erfolg. Startmann Stomingers Stame mürbe
berüfemt, man brängte fiefe um feine nädfeften
Sdjriften. ^freilicfe nur etmas Slfenlidjes mie
„Dante Doni" mollten bie Serteger feaben.
1911. 5Rr. 52
Startmann lädjelte — er gebaefete nidfets Slfen»
lidjes mefer gu fdfereiben. Slber mit einemSeufger
fagte er gu feiner „Sdfeabe, bafe bie
SJtama bas niefet erlebt feat." —
Staefe f 5 nebricfesburg featten bie 3 afete aud)
iferen ^rieben unb Slusgleid) gebradfet. Die
Stürme in Donis £eben maren nidfet fein»
gedrungen —deinem SDtenfcfeen featte Donts
feufefeer Stolg fid) anoertraut. SBie fie aus
eignem SBillen einft mit Startmann geflofeen
mar, fo fearrte fie eigenmülig aus. Dodfe inbireft
gemann ber fefemere Sieg, ben fie errungen,
(Einflufe auf bie afenungslofen (Eltern — Doni
fafe es unb freute fid) füll Iäefeelnb barüber.
Stodfe nie maren Sater Sluguft unb SRutter
Sarbara mit iferem Sefemiegerfofen fo gufrieben
gemefen. (Es featte erft etmas in ifem gefnidt
merben müffen, beoor er ifenen als Sofen nafee
tarn. So mifebeuteten bie guten £eute, im
©runbe gang richtig beutenb, Startmanns oer»
änberte Haltung. Donis Sater featte fiefe oon
feinem Seruf gurüdgegogen. ©r mar ein ab»
gearbeiteter ©reis unb fefente fiefe nadfe einem
rufeigen £ebensreft. 3 m ber Stäfee oon ^rieb»
ridfesburg, in einem ausgebauten SSinger»
feäusdfeen am Stedar, oerbradfeten bie Dränfles
iferen f5^t^cibenb. £>ier ftieg ber Sater befeag»
lid) auf ber fonnigen §öfee umfeer unb pflegte
Stebftöde, feier fafe bie SRutter, ben finnenben
Süd ins Dal gerietet, unb bad)te an ifere tote
Juliane ober fdirieb an Paula, bas £ebens»
gefefeöpf, einen Srief. Donis Stutter mar
mübe, eferlicfe mübe gemorben. $ilba blieb
in gäiebricfesburg. Sie fürdjtete nod) bie Stille,
fie fanb fidfe am beften in raftlofer Slrbeit gureefet.
©in grofees mobernes Sltelier für Damenfeüte
befafe fie unb liefe gefen junge SRäbdjen barin
arbeiten. Sie felbft blieb augenleibenb, unb
ifere Srille oerbarg, um mas fie trauerte.
Sufeerliefe lebfeaft mie früfeer, reifte fie oft nadfe
Paris, braefete bie neueften SKobelle mit unb
oerföfente jeben burdfe iferen ©efefemad, ben fie
mit bitterer %xonxt oerlefet featte.
©rofemutter Sdimeifert, noefe immer rüftig,
mürbe §ilbas SBirtfd)afterin. Sie mar nod)
bei Sträften, bie Sitte.
Slber bie anbre, oben am 3>ofepfesberg, bie
Stomingergrofemutter, lebte nidfet mefer. Sie
mar bei iferer lefeten Stfeeinmeinflafefee ent»
fd)Iummert. Stun featte Startmann in ber $ei»
mat feine Sermanbten. ©r gemöfente fiefe
baran, bie einft gering gefefeäfeten £eute aus
Donis Sermanbtfcfeaft als bie Seinen 3 U be»
tradfeten. —
SJtarion fafe er fetten — fie reifte oiel, fie
featte ifere Silla in SBannfee oerlauft unb ben
Serliner §ausfealt aufgelöft. Unbur<fefid)tig
blieb bas £eben ber rufeelofen, immer noefe
jugenblicfeen'grau.- SBie fie eigentlich) eriftierte,
oermofete Startmann niefet gu beurteilen. Slber
feine alte 3ärtliefefeit für bie Sefemefter begriff
getröftet, bafe fie mit iferem Steicfetum nur ©beim
naefejagte. ©iner feöfeeren Silbung mar ifer
£eben gemibmet. Steue legte fiefe feerbftliefe auf
biefe lebensburftige Statur, aber fie manberte
auf Sergen, fie feörte niefet auf, in bie Sonne
gu fefeen. SBofettätigfeit unb Stunft mürben ifere
©ötter — fo ffeien es. Stein §ans, fein Stilfe»
berg begleitete fie. Stur iferen Sruber Pfeiüpp
liefe fie feäufig gu fife fommen, menn bas Sittein»
fein fie mit böfen Slugen anftarrte.
©Ifa bagegen gog fife mefer unb mefer oon
iferen ©effemiftem gurüd. Sie feielt gu iferem
SBann, fie featte ifem mit allen möglifeen.unb
unmöglichen SRitteln eine fportlifee Stellung
oerffeafft, bie ifen ber Staferungsforgen entfeob.
Sie pflegte benStränflifeen, fie fanb ifenbauernb
ffeört, mar ftolg auf ifen, erniebrigte fife mit
ifem ... ©igentlife mar fie oon allen Stominger»
finbent bas treuefte...
3fet Sruber Pfeilipp jebofe mufete in ber
Speifenfarte bes £ebens beffer Seffeeib. ©r
mäfelte. Die reifee SBitme in $eibeiberg featte
er mirflife gefeeiratet, aber es fügte fife munber»
bar, bafe er meber ifer Starr nod) ifer Pfleger
gu merben braufete. ©in Serein für Stadt»
fultur, ben Oüctu oon Streife ins £eben ge»
1911. Wr. 52
Über £anb unb 9»eer
1327
rufen l)atte, unb ihre öffentlichen »erfud)e,
mit ben äRarsbemohnern in »erbinbung 3 U
fommen, hatten fie bie Freiheit getoftet. Sie
muhte ein lange oermiebenes irjeim auffudjen.
3 br uerberbli<ber ©influh mürbe in ber »eroen*
heilanftalt bemalt. Philipp befd)räntte fid)
barauf, eine höhere Meinung oon ber armen
Frau, bie uon ber 2Belt oertannt mürbe, 3 U
haben. Orr tröftete fie jebesmal mit feiner »e*
munberung, menn er fie in ber »nftalt befud)te.
3 m übrigen mar er £err ihres Vermögens unb
ein fo meifer, fparfamer £err, bah man ihm
nichts ftreitig mad)te. ©in freier, reid)er Vtann
mar p©KpP »ominger gemorben. ©r mibmete
fid) halb feiner Sd)mefter Marion, halb er*
fdjien er bei Karlmann unb fetjte fict), mas
Doni nid)t angenehm mar, in äRünd)en feft-
Karlmann oerficherte Doni, bah er jetjt einen
oiel befferen ©inbrud uon feinem »ruber habe.
Philipp fei oom Beben entfd)ieben gereift unb
gefeftigt morben. »Is geborener ©lüdspil 3
brauche er nur ben Freunb, ber ihn auf bem
rechten V3ege hielt unb ihn anfpornte, feine
SOtittel ebel 3 U oermenben. Sooiel Karlmann
es oermod)te, gemann er ben bid unb glatj=
töpfig ©emorbenen für ibeale »eftrebungen.
(Er muhte Donis Vnftalt unterftühen, Frei*
pläbe für arme Kinber ftiften. »ud) mürbe er
mobl ober übel 3 um 9Räcenas junger Künftler
ernannt. Das oerbanb fid) freilief) mieber mit
manchem Vergnügen. (Er unb Karlmann 3 ogen
nad)ts mit ben geförberten Talenten herum;
fo halb entfernte fid) W^PP nicht aus äRünd)en.
»efonbers eine »etanntfehaft malten bie
»rüber, oon ber fie gan 3 ent 3 üdt maren. Frih
Keller, ein junger Ingenieur aus Freiburg im
»reisgau, mar es — fie lernten ihn burd) ihre
totaler tennen. Karlmann fanb alsbalb eine
tiefere »e 3 ief)ung 3 U ihm, beim Frih Keller
entpuppte fid) als Ieibenfdjaftlicher Anhänger
Johannes »ollfints — er mar fd)on mieberholt
bei bem (Einfiebler oon Vmmerfelb gemejen.
Johannes jehäfcte ben jungen Vtenfchen be=
fonbers — Karlmann erfuhr es burd) ©oa, bie
häufiger als früher
nad) München tarn.
3 ohannes hatte S^h
Keller in Dinge ein*
gemeiht, bie er aufter
feiner Frau teinem
Vtenfdjen enthüllte.
(Eshanbelte fid) um ein
ted)nifd)es Problem,
um einen Flugapparat.
(Eoa tannte Fohannes'
in oielen 3 a hren ge*
reifte 3 bee, unb ohne
©if erfud)t freute fie fid),
als 3 of)annes einen
Fachmann feines »er*
trauensmürbigte. Dem
»linben mar bie prat*
tifdje »ollenbung bes
VSertes oerfagt, amh
tonnte er fid) nicf)t ba 3 ii
entfehliehen, feine ©r*
finbung bem Bärm
ber »Seit preis 3 ugeben.
§ätteFrih Keller feinen
2 Beg nid)t gefreut,
märe 3 °h a nnes »oll*
fints Vtobell gemih
oerftaubt unb ein un=
brauchbares (Erbftüd
gemorben. Das ©e*
heimnis märe mit ihm
geftorben, mie anbre
mehr — er hätte ge*
lächelt, auch über biefen
Verfud), 3 U fliegen.
Dod) Frih Keller mar
einer oon ben Sieg*
haften bes Bebens.
Seine Kräfte 3 ogen
Kräfte an unb liehen
nid)ts im Duntein, mas
fiid)t geminnen tonnte.
©iner ebeln DI)eorie als ^raris 311 bienen, mar
ihm bie liebfte Aufgabe. Dem »linben lieh er
feine klugen. »eftür 3 t unb tpngeriffen, als er
»ollfints $Ian erfuhr, fah er gemaltige Dage
für ben ©rfinber tommen, (Emigteitstage, unb
einen »bglan 3 baoon für fein irbifdjes Dafein.
Johannes fträubte fid) nicht gegen ben
plöhlidjen Bebensfturm, ben ihm ber Frei*
burger brachte, ©r hielt bas 3 a unb bas »ein
bes Bebens auf ber »Sage feiner fegnenben
§änbe. 2Bas tonnte es ihm nod) bringen?
Konnte er aber etmas bringen, fo ent 3 og er fid)
nicht, fo mochte es immerhin fein. »Sarum
fdjidte ihm ©ott aud) ben naioen, ladjenben
»oten? ©r lieh ihn gemähten. Bits feine lehte
Sdjeu nod) ©oa unb Doni befragt hatte, fagten
bie jubelnb 3u. Sie priefen ben jungen Keller.
Vtit feinen Bidjtaugen hatte er aud) Karl*
mann gemonnen. Unb feltfam, bie Sdjmermut
biefes Vielgeprüften fdjredte ben 3 ngenieur
nid)t 3 urüd, im ©egenteil, fie lieh ihn ihm nur
näher tommen. Den Bibel bes ©efühls fpürte
Frih Keller aus Karlmann »ominger heraus.
3 m übrigen taugte er nid)t nur 3 U ted)nifd)en
Problemen — er mar auch ein tüchtiger 3 ec h e r,
unb feinem »Sedruf ent 3 og fich niemanb Ieidjt.
Die »rüber »ominger fdjmärmten für ihn.
3 ohannes »ollfint hatte einmal eine lächelnbe
»Sarnung geäuhert, als Frih Keller ihm all 3 U
begeiftert oon Karlmann »ominger unb feinem
»ruber er 3 ählt hatte. „Biebe mit »eferoe,“
hatte er gefagt. „Dicht heran, Frih, aber nie
3 U bid)t.“ ©oa Iad)te barüber, miberfprad) aber
nicht. Der oerbuhte Keller erfuhr nach mehreren
Dagen, mie recht bie befdjeibene »Sarnung ge*
habt hatte, ©r fah ba mit Karlmann unb
»hWpP D °U Frohfinn in ber 9Jtünd)ner Dorgel*
ftube. Die lehte Spröbigteit hatte ihn oer*
laffen, unb auf Karlmanns Drängen mar
Kellers 3 un 9 e gemorben — er hatte ben
»rübern fein gan 3 es 0 ergangenes Beben er*
3 äl)It. $lud) bittere S<hmer 3 en tauchten in bem
Bid)tbilbe biefes ©lüdstinbes auf. Kaum 3 U
erringenbe ©ntfdjeibungen. 5Iber er hatte fie
Vtutterglüd. Vad) einem ©emälbe oon ©eorg Schment
errungen, ©r fah als ©efd)öpf feines eignen
SBillens oor ihnen. Dod) mie erftaunte er, als
Karlmann unb W^PP tf) re CSIäfer tränenben
kluges an bas feine führten, unb Karlmann
feierlich fagte: „Profit, Fnh! 3ch glaube, hier
fihen brei 91omingers beifammen!" —
Bange trug ber etmas fd)merfällig bentenbe
Keller biefen ©hol in fid) herum, ©r oerftanb
fonft jeben ©mft unb Späh — aber mie Karl*
mann ba 3 U fam, ihn gleichfam 3 U feinem »er*
manbten 3 U ernennen, nur meü er oon feiner
Düd)tigteit über 3 eugt mar, bas begriff er nicht,
©r hatte fid) ein gan 3 anbres »ilb oon Karl*
mann SRominger gemacht, »un füllte er fich
geehrt fühlen, menn nur ein melier »ame ihn
3 U fid) empor 3 og? Das Seltfamfte, »rennenbfte
an biefer ©rfahrung mar, bah Karlmanns
Drinlfprud) eine tiefe E>er 3 enst)offnung in F^^
Keller angerührt hatte. Sonft märe fie noch
lange nicht mad) gemorben. ©emih, er fehnte
fich banad), er rang mit bem ©ebanlen, Karl*
mann »ominger oermanbt 3 U merben. 3lber
in oöllig anberm Sinne.
»Is er feine Dochter 3 um erftenmal gefehen
hatte — in 3 ohannes »ollfints ©arten mar es,
unb bas junge 9Jläbd)en hatte bem »linben
»ofen gebracht, oon ihr gepflüdte »ofen —
ba fdjmang es fid) in F^h Kellers tumbem ©e*
müt lerchengleid), himmelftürmenb empor, ©r
hatte »mmerfelb mit bem ©efühl oerlaffen,
eine tiefe VSunbe baoongetragen 3 U haben,
»isher mar ihm lein Vtäbchen in bie Seele ge*
tommen — feine harte, frifdje »rbeit hatte ihn
gan 3 für fid) gehabt, »un aber fühlte er, bah
alles Dorheit mar ohne bie lehte, fegnenbe
Krone, »un muhte er, mofür ein ECRenfd), mie
er, auf biefer munberoollen 2 Belt mar. Scheu
oerfolgte er Paulas Spuren, mo er fie nur
finben tonnte unb fich fühlte, bah fie
nichts mertte, nicht oermirrt mürbe. Solche
teufd)e Klarheit trüben — biefe emften, in
jebe Diefe blidenben »ugen auf fid) Ienten,
folange er ihrer nid)t mürbig mar — unmöglich-
©r martete. ©r hielt fid) ihr oerborgen. Frei*
lieh fragte ^ßaula oft
nach tf)m — bas ahnte
er nicht, »ud) ihr. mar
bie »mmerfelber »e=
gegnung unoergehlid).
»ber er folgte Donis
©inlabung nid)t — er
bef^räntte fich barauf,
mit Karlmann unb
feinem »ruberFreunb*
fd)aft 3 ufchliehen. Unb
nun?...
Dod)oerborbenmar
nichts.? Vielleicht nur
ein Heiner Rimmels*
mint gegeben. Frih
mürgte »rger unb ©nt*
täufd)ung hinunter. 3 a
einer ©ntfd)loffent)eit,
bie ihm felbft ohne 3 m=
fammenhang fhien,
ging er am näd)ften
Sonntag 3 U »omin*
gers hinauf unb machte
Doni ben immer mie*
beroerfäumtenVefucb-
Sie nahm ihn h^lid)
auf. Vlsergehenmollte
unb fid) ftolpernb 3 ur
Dür 3 urüd 3 og, tarn
»aulaoon einem Spa*
3 iergange h^int. ©r
muhte nod) ein VSeil*
^en bleiben — es
machte fich nicht anbers.
»och einmal auf ber
©de bes Sofas muhte
er hoden, ein gebilbetes
©efpräd) führen unb
plöhlid) mit Sehreden
ernähren , bah er 9 «n 3
nach feinem Schnabel
fprad).»beraud) ^ßaula
1328
taute nun erft auf, unb Doni, bie ©Mfitert gegen*
über bie bürgerliche Steifheit aus Friebri©s=
bürg hatte, fühlte fi© erleichtert, Ft© ilellers
erfter 93 e(ud) enbete bamit, bah ilarlmann er*
fchien, ©ti als ©Rittagsgaft babehielt unb gegen
Abenb erft glüdfelig nad) Haufe traben lieh-
©lun tarn er öfters. Doni lieh ihn nicht mehr
los. 3>nt ©runbe fühlte fie fi© einfam, toenn Ft©
nur einen Dag ausblieb — er gehörte f©on 311
ihrem Heben. ©Bas hfeh benn oerliebt fein?
©r muhte einfach 3U ihr tommen. Das roar in
einem höhnen ©lat beftimmt. Unb mit bem
Droh, bert fie oon ihren ©Itern geerbt hatte,
baute ^laula ihm täglich golbene 23 rücfen.
„Das toirb ein Feft, enbli© mal ein pofitioes,
richtiges f 5 feft 3U guter Het© Doni — bie 3mei
— toas meinft bu?" fragte ©oa ©lollfint eines
Dages f©al©aft lächelnb.
* Donif©ütteltebenilopfunbmurbebuntelrot.
„©la, ilinb©en," meinte Johannes unb
nahm mit feiner milben, fühlen Hanb ihre
heihe, 3ittembe, „toas roillft bu benn feft*
halten? ©ntlaffen muffen mir alles, mas mir
flügge gemacht haben . .. ©Renf©en unb ©Berte
... Uttfre ©ef©öpfe befommen ben ©tuhm ...
Ulicht, ©oa?" ©oa fchmieg. —
ilarlmann mar ein a|nungsIofer ©later.
SBiel 3U oerfonnen unb in einen einfamen
©Bintelbes Dafeins tra©tenb, lebte er bahin
unb mertte ni©t, mas in feiner nä©ften Um*
gebung gefdljah- ©Ion feinem ©ruber ^Philipp
lieh er mieber ab, ©Rün©en miberte ihn an,
bie ilneipabenbe mit Ft© Heller mürben ihm
unbegreiflich- ©t hatte mieber eine grohe, um*
mäl3enbe ©ntbedung für fein Heben gemadjt.
©Bas maren ©Beib unb itinb — mas ©ruber
unb Fteunb — ber ^rieben ©ubbhas, ben ber
©Renf© mit fi© felbft 3U ©©liehen hatte, mar
ihm noch nicht bef©ieben. £>f)ne ihn aber gab
es feine tReife, feine ©emihheit. ©itter mar
Startmann nicht mehr, bie ©erföhnung mit ben
Seinen hatte ihn gereinigt — ein fleines bih=
©en auch ber Auhm, ben er mit „Dante Doni"
gemonnen. ©r lächelte 3toar barüber, er fchähte
ihn gering.— aber bas ©udi bebeutete ihm hoch
mehr, als er eingeftanb. ©r mar baburd) fixerer
gemorben unb ein anerfannter Teilhaber am
©Renf©enleben. ©r fonnte fich £©üe ©ram
ber groben ©infamfeit hingeben. Sein gan3es
©Befen trachtete nach einem ©inblid in bie ©Bert*
ftatt ber ©tatur, ber Urmutter aller Fteuben
unb Sd)meiert. Statur .. Spät näherte
ilarlmann fich ihr, aber nun gef©af) es mit bem
rechten ©runbgemi©t, unb fein immer etmas
feierlicher Sinn fonftatierte bie entf©eibenbe
©Banblung 3um ©uten. ©r mar fein ^iftorifer
mehr — er mürbe mit inbrünftiger Über*
3eugung ^ 3 f)# 0 loge. Au© bie ©otanif lodte
©n in ihr geheimes ©lei©, bie Diermelt geigte
ihm ©tätfel über ©tätfel. ©r 30g oon ben ©üd)ern
in bie Hanbf©aft hinaus, oon ber Hanbf©aft
3U ben ©ü<hern. Fu ber Stabt mo©te er nicht
mehr bleiben. Als Doni mit feinem Hieblings*
munfhe einoerftanben mar, oermirt!i©te er ihn
fofort. ©r faufte in Ammerfelb ein altes Haus
mit meitem, in bie Ufermilbnis bes Fluffes'
übergehenben ©arten, ©s mar ein fd)önes, faft
märchenhaftes ©ebiet, unb fonberbarermeife
lag es bem Haufe benachbart, mo ilarlmann
unb Doni einft ihre erfte 5mheits3eit oerlebt
hatten, mo ©aula 3m ©Belt gefommen mar.
Hier häufte ilarlmann, fo oft er ©Rün©en oer*
laffen fonnte. $ier hatte er feine ©üdfer,
©Ranuftripte, Fuftrumente. ©ei Johannes unb
©oa mar er 3umeüen — jeben Samstag be=
fu©ten ihn Ftau unb Tochter. Ammerfelb mar
im Haufe ber Fohte fultioierter gemorben — fo
primitio mie bamals hatte ilarlmann es nicht
mehr. Fh™ fehlte eigentlich feine ©lequemli©teit,
unb Doni muhte, bah ©nt bies ben Aufenthalt
in feiner grünen ©infamfeit erft möglich machte.
©Bunberfam mar ber Deil bes ©artens, ber
in bie Ufermilbnis überging. Da ftanben bie
©ebüf©e bi©t oerfponnen, faft tropif© prangten
grohe ©Hüten im Halbbuntel, unb bärtiges
S©ilf oerlodte in moraftige Diefe. Hier toeüte
ilarlmann am liebften. ÜRit feinen 3arten
Über £aub urtb 91teer
§änben 3iinmerte er fid) ein §üttd)en 3ure©t,
bas oont ©arten aus nicht 3U enbeden mar unb
faum auf bem SBaffer bemerft merben fonnte.
Sein Dbferoatorium mürbe es. 2 >n tief ft er
Stille fah ber 91 aturforfeher hier oiele Sommer=
ftunben unb beobachtete bas heimliche Heben
um ©n her. Die iläfer famen, bie SBefpen, bie
Schmetterlinge — es fprohten neue ©lüten aus
bunfler ©rbe unb mollten 3um £id)t empor,
ilarlmann, ber ©ntbeder, fonnte beinahe 3U=
fehen, mie ©ott entftehen lieh, unb feinen
SBirren, feinen menfd)li<hen fragen gab es
einen föftlichen Rieben.
Am Dienstag mar fein £iittchen fertig ge*
morben. Drei Dage hodte er fchon barin, unb
Samstag fam Doni mit ^aula na© Ammer*
felb htnaus. Ao© er3ählte er ©nen ni©ts oon
feiner illaufe. Sie follte nur ©m gehören,
lange, mögli©ft lange nur ©m. Sobalb anbre
Stimmen in biefer Stille laut mürben, unb
maren es feine liebften — ba mar ber erfte
3 auber fort, ilarlmann Aominger muhte auf
feiner Su©e na© bem 2 Beltgan 3 en immer
etmas ©efonberes haben...
„Der gute, geliebte tRarr,“ flüfterte Doni.
Sie hatte fein §ütt©en beim erften tRunbgang
bur© ben ©arten entbedt. SCRit Dränen nidte
fie — fie fanb es munberli©, aber f©ön. ©aula
ma©te bie ©ntbedung, bah © r ©ater ein
9 laturforf©er gemorben, no© ni©t. Sie hatte
©re ©ebanfen bei anbern Dingen. Ober eigent*
li© nur bei einem — bem harrte fie entgegen
mit jeber $iber ©rer a©t3ehn 3 afue- Do©
menn ein anbrer baoon fpra©, mürbe fie trotzig
unb glei©gültig. StRo©te er fommen ober ni©t.
©s mar au© ohne ©n fef)r f©ön in Ammerfelb.
Aber er fam natürli©. Ißünftli© am Sonn*
tag erf©ien fffrih ileller aus 9 Rün©en. ©r
hatte bie mi©tigften ©efpre©ungen mit
hannes Aollfinf. Des Flugapparates megen
fam er na© Ammerfelb — nur im ^©tereffe
bes Flugapparates. £ä©elnb fah Dorti Frihens
Dagemerf mit an. ©ine ©iorgenftunbe bei
Johannes — bie übrige lange, liebe 3 e tt in
©rem ©arten, ©r tat Hausarbeit, er 3immerte
Hühnerftälle — merfmürbig menig blieb er
eigentli© bei Fohannes' SRobell. Do© ber
©rfinber mar froh, *>or feinem ©ahnbre©er
tRuhe 3U haben. Unb ber ©ahnbre©er mürbe,
mo©te er mollen ober ni©t, Paulas Abfutant.
Sie gingen oiel feieren. Fat ©arten
meift — ber mar ja groh genug, unb Sßartbe*
rungen ins F^eie htuaus, 3U 3meien, bulbete
Doni ni©t. ©ines Abenbs — es mar ein milber
unb bo© frif©er Fuliabenb bes H°©Ianbes —
ftiegen fie tiefer 3um Ftahufer hinunter. Hier
hatte ber ©arten feine ©lauer — bas muhte
^ 5 aula. Sie fagte es F^th; unb er f©mieg. Sie
erf©auerten beibe in bem ©efühl, bah ©nen
bie ©Seit 3um erften ©Rate offen ftanb. ßange
blieben fie in ber feu©ten, 3aubertiefen Dämme*
rung — fehr lange.
ilarlmann fah um biefe Stunbe in feinem
Dbferoatorium. ©r hatte fi© heute oöllig ein*
gelullt, unb bas Summen, bas Flüftern, ber
lehte ©Siberf©e© ber Abenbfonne 3mif©en
3ittemben blättern ma©te ©n gan3 felig —
Anba©t oor bem S©öpfer erfüllte ©n. Hin*
überf©Iafen hätte er mögen. ©Sas maren ©m
jeht no© ©Renfd)en unb ©Seit?...
Aber plöhli© — täte traurig!... ©r mürbe
bo© geftört. ©r Iauf©te, tieffte ©erftimmung
in ben taubenetjten Fügen. Unbegreifli©!
©Ran mar feinem ©erfted auf bie Spur ge*
fommen. ©r hörte Iangfame, fnifternbe S©ritte
— er oernahm au© Stimmen. 3 U oerträumt
no©, um fie 3U erfennen, ärgerte er fi© nur.
Aber oiellei©t gingen fie bo© oorüber unb
fahen fein Hütt©en ni©t — bas Dienftmäbd)en
unb ber ©ärtnerburf©e ... Fet© maren fie
gan3 bi©t bei ©m — ein natürli©er Äaubgang,
ber bi©t am ©Baffer entlang führte, oerbarg
©m bie (Seftalten. Aber plöhli© erftarrte Slarl*
mann, ©r erfannte bie Stimmen — bur© einen
Spalt ber Hüttenmanb fah er, men er oor fi©
hatte. ^Saula... ’ipaula unb F*© Sleller...
©Rit groben Augen fpähte ber ©laturforf©er
1911. ©Ir. 52
hinaus. Sie fühten fid) ... .£) heiliger F^ül)*
ling ! Sie ftanben aneinanber gefd)miegt mie
junge ©äum©en, aus einer ©Sur3el entfproffen.
Sie hatten fi© unenbli© lieb . ..
ilarlmann muhte erft ni©t, mas er tun follte.
©r mar ja eigentli© nod) niemals ©ater ge*
mefert — fo mas man ©ater nannte .. . biefer
emige Füngling. Aber um bie Aolle bes ©ater*
tums 3U fpielen — ba3U mar er 31t e©t, unb
^Saula ©m 3U teuer. Au© Fr©> biefer Aader. i.
©la! ©r lieh bie ilinber. Aber burfte er benn 3U*
hören? Siebeobad)ten? ©Bieiläfer, mie ©räfer?
©Bar bas au© fo rein unb ri©tig? — ©Bas follte
er benn tun!... ©Benn er fi© ni©t oerraten
mollte .. . ©r hörte ©re ilüffe — na© ßeiben*
f©aft felig oerglühenb, hörte er ©r (Sefprä©.
„A©, -Ftth, meinen ©ater — ben mirft bu
immer mehr begreifen," fagte ‘paula. Arm in
Arm manberten fie im ßaubgang umher,
„©ieles, mas bir feht munberli© oorfommt —
fieh mal, er hat bo© oiel gelitten. Das 3U grohe
Selbftgefühl, bas bi© an ©m ftört, bas brau©t
er einfach, um fi© im £eben 3U halten..."
»»Fa, ja — feht begreif i©'s,“ meinte Fr©>
©re Stirn tüffenb. „©Benn bu es fagft, mirb
mir alles tlar. Du tennft ©n. ©Ran muh nit
alles f©mer bei ihm nehmen—mie? Ferner ein
b©l mas fubtrahieren — bann ift's f©on re©t?"
ilarlmann ma©te no© gröbere Augen.
Seine Fauft ballte fi©, als mollte er bem
teden Fr© einen Stoh oerfehen, unb er rüdte
bebrohli© nahe an ben Auslug heran. Do©
int re©ten Augenblid ermiberte f©on bie
Do©ter: „©Ran barf fi© ni©t oerleiten laffen,
©n 3U Iei©t 3U nehmen, Frih- < 51 © mal, i©
hab' fooiel bei meinen ©Itern mitangefehen —
oiel mehr, als meine ©Itern ahnen. Darum bin
i© man©mal fo füll unb unfreunbli©, mie bie
Heuf meinen, ©la ja, i© me©, i© Unn’ mi©
f©on, bu hatteftau© oft über mi© 3U tlagen.. i" ■>
©la© einer Unterbred)ung bur© mehrere
ilüffe ging Paulas ©lebe meiter.
„©Reine ©lütter, bie tonnte immer fd)affen
— ni©t! — bie ift tätig gemefen ©r Heben lang
unb hat errei©t, mas fie mollte. Aber me©!
bu, ber ©runb baoon mar nur ihr ftarter ©Bille
— ©r unbeirrbarer ©Bille — unb ben hat mein
© 3 ater au©. ©Bas heifd benn überhaupt er*
rei©en? Die ©3 efonberften gerabe, bie 3 arteften
unb ©lornehmften — bie tommen fpät ans Fiel."
itarlmanns ©lugen mürben feu©t. ©r nidte,
aber feine Haube ma©ten eine abmeljrenbe Se=
megung.
„Der arme ©later... ©la, feht gehfs ©m
beffer. ©rft hat ©n bie ©rohmama gequält unb
bann — na mir — mir mollen ©n ni©t quälen."
„Quälen?! F© banf ©m feine Do©ter. ( 5 e=
fegnet foll er fein, gepriefen. ©Bas er ift, bift bu.
Unb beine ©Rutter lieb' i© mie meine ©Jlutter."
„Die ©Renf©en, F*©> bie ©Renf©en." Der
Haubgang lag im Duntein — bie Abenbfonne
mar in einen ©Boltenfaum gefunten. „ 2 Be©t
bu f©on, mie bie ©Renf©en 3U leiben haben?"
„F© bente ..."
„Du 231 onbtopf? . .. A© !"
„Du bift mohl fol© S©mar3es, Drauriges?"
„Still! — Artig fein!... ©Bir merben's
beffer haben."
„©la, fo mie mir, hals überhaupt tein
©Renf© auf ber ©Belt."
©Rit bief em ©rgebnis oerf ©manb en bie beiben.
ilarlmann aber oerlieh fein Qbferoatorium
unb begab fi© 3U Doni. Sie fah ©n in einem
Aufruhr tommen mie feit Fahren ni©t. Als
fie gehört hatte, mas gef©ehen mar, mas unb
mo er es beoba©tet hatte, fagte fie: „©tun ja,
ilarlmann — bas ift bas Heben."
„F© meihni©t, mie i© ©ott banten foll, bah er
mir in fol©er Stunbe mein ilinb geseigt©at!"
Diefe ©Borte ilarlmanns tlangett mie ein
©ebet. ©in Auff©rei. Sie beugte ben ilopf
— fie glaubte ©m heute im Funerften.
„©Bir 3mei mollen's meiter machen," fagte
Doni Ieife. ©r 30g fie an fi©. „©Bollen mir?
Dann merben mir au© törmen. Dann merben
mir miffen, marum mir uns gefunben haben —
i© unb bu."
Stabilen fd)on, mit fiäben, mit §anbmertern,
mit einem Offizier, ber promeniert, aber too ift
biefe ^ßromenabe? Serfdjmunben. Die ©r=
martung ber ©ren^e mad)t uns je^t neugierig,
©ine 5tird)e mit einem feltfamen ©rabmal taud)t
irgenbroo auf unb oerfintt, rounberoolle Säume
fäumen bie ‘Wllee ein, unb bai)inter ftet)t bie Sonne
fd)on tief in ihrem fpätert ©lan 3 , unb mir aber,
mir lugen immer mieber nad) bem ©renj-
3 eid)en aus.
9hm, es finbet fid) teines; bloß eine ent=
legene alte ©cfyenfe am 9Beg läfjt uns t)altmad)en;
mir mollen unferm brauen 9Jiotor enblid) 2Baffer
geben. Der SBirt fietjt uns babei 3 U.
„2Bo fängt benn eigentlich SOtedlenburg an?“
fragen mir ihn.
„Dattiat all fdjon angefangen!“ ermibert ber
9Jlann gelaffen.
So tarnen mir in ftrih Reuters fianb.
( s Dtit ^eidptungen oon 3- 23 a f) r)
1330
1911. 5TCr. 52
nun haben wir für einige 3eü wieber bie Sahn
frei. Sinn genießen wir wieber Ü)te gange Köftlid ) 5
feit. Sidjts gibt es ja, woran ber Sutomobilfaljrer
mit mehr Dantbarteit bängt, als bie ßanbftrafte.
Sicht nur tedßnifch befc^äftigt fie ihn, aud) ihre
Boefie macht er wieber tebenbig. hinter beut
bünnen SSalb gef)t jet^t bie Sonne unter, unb mit
ihren lebten gelben Strahlen leucßtetnod) eine
Sehnfudßt in uns auf: wir ©roftftabtgefangenen,
tonnten wir bod) immer weiter hinaus über bas
flaci)e £anb, über bie ©rbe. Starter mit ber Statur
oerwachen, oon ihren wed)felnben Silbern immer
meljt in uns aufnehnten unb — bas oor allem —
es feftl) alten. Die Kanbftrafte ift ja ein Stüd menfcß*
l)eitlicf)en Gebens, ein Stüd ©e[d)id)te fogar,
wenn man ben Begriff (5efcb)id)te nicht ausfdE)liefe=
ti<b in unferm ©roftftabtfinn auffaftt. Die £anb=
[tragen finb oor 3 ahrhunberten gebaut, finb oer*
gröftert, finb bauernb im Stanbe gehalten worben,
unb warum gibt es nun nicht eine ©hronit oon
ihnen, bie wir lernten? SSarum wiffen wir nichts
oon ben intimeren lanbfctjafttichen Sdjicffalen ber
Heimat? 3ft bas 311 m Seifpiel biefelbe ©hauffee
hier, auf ber Sereniffimus Slbolf ^yrtebrich IV.
feinergeit „oiere lang" fußt? Diefelbe, auf ber
bann $rift Seuter, fein Barbe, in ber Siebermeier*
pofttutfche bem gemütlichen unb nur allgu gemüt*
liefen £anb feinen Süden tehrte? SSir wiffen
nichts baoon. Knfer Sirenenfignal gemißt bie
©efdßicßtsträunterei wieber, unb am fd)attenben
Horigont liegt bie Hauptftabt.
©s ift bie leftte heile Siertelftunbe oor bem
Sbenbwerben, unb wir burdjfliegen erft Sit*
Strelift, bas Sorftäbtdßen, oon bem t<h nun ewig
in (Erinnerung behalten werbe, baft es ein Decßni*
tum hot. Slt*StreIift ift ein SIt*Heib eiberg bunt*
müftiger Dedßniter. Sßaarweife fie|t man fie unter
ben Säumen ber Hauptftrafte flanieren, paarweife
bilden fie aus allen Senftern heraus, unb wo man
fie oermiftt, hängt minbeftens bie Dafel hetaus:
Hier wirb an Decßniter oermietet. Unb barüber
gudt bann neugierig ein braunhaarig Siäbel
gwifd)en ben ©arbinen ßetoor. Filia hospitalis,
bid) grüßen wir oon unfrer Kutfd)e. Dati, Data!
Dann bift bu perfeßwunben. Unb ba wir nun enb*
lid) Seu=StreIift, bas eigentliche, bas 3entrum,
bie Sletropole, errei(hen, finben wir in ber Dämme*
rmtg aud) nur ein länblicßes, ftilles Seft. So*
genanntes Kaftenbudelpflafter auf ben altmobifdjen
©affen. Räuschen aus ber guten alten burd ) 5
laudjügen 3^t- Unb mitten auf ber Strafte,
etwas entfernt unb erhöht, fieftt man erftaunt
einen agierenben Staun, einen Sebner; aber wir
tommeri ßetan, unb bas ift nur ein Dentmal.
3t g enb ein ©eorg, ben bie Serehrung feiner
Strelifter in Sronge gegoffen hat. Unb bas ift
hier nun ber Hauptplaft ober Starttplaft. ©in
Sonbo mit grüner Einlage unb gwei Spagier*
gängern. ©in paar fiäben, bie fchon gefdjloffen
finb. ©ine grofttnoeßige Stabttirdje, florentinifd)
gebadet, etwas langweilig, ©in antitifierenbes Bat*
haus, ©in ariftotratifd)es ©afthöfdjen, bas uns
abweift, weil es feine 3 Fnmer (es finb allerbings
nur oier) eben ausoertauft hotte.
SSir tarnen fdjlieftlicß bod) nodj irgenbwo unter,
unb unfer waderes Sutomoppel fanb fogar ©r*
löfuftg oon einem tleinen ^eberbrueß, ber es ereilt
hatte, ©in Sdjmiebegefetle war. fchlieftlich aufgu*
treiben. SSir felbft aber faßen berweil in ber ©aft*
ftube unter bem Keinftäbtifcßen ©aslufier, in ber
es nur 3 wei ©eridjte auf ber Karte gab, Krebfe
unb Kalbsbraten, aber bie Krebfe aus bem 3ierter
See finb gan 3 töftlid), unb wenn man 00 m Kalbs*
braten längere 3 eü hütburd) iftt, wirb man fehlte ft*
lid) aud) fati. Drauften fdßlief bie fülle Scftloft*
ftrafte. Der Scßloftpalaft felbft geifterte am
Über £anb unb 3CReer
unteren ©nbe mit feiner weiften Saffabe wie eine
unwirtlich eSSelt. ,• Das ältere unb fimplere Calais —
ad), bas ift es. ja, basfelbe, wo unfer unfterblidjer
3'ürft mit feiner Sdjwefter ©hriftel ben ^ßlan aus*
hedte, fi© 3 U pergröftern — bas brüdt fid) jeftt in
bie ©de, faft oerfd)ämt. Die Katernen, an 2Banb=
armen oon ben Käufern oorragenb, leuchten bloft
einem 2 Bad)tpoften, ber auf unb ab geht, unb auf
einem Salton, uns fuft gegenüber, erhebt fich ber
penfionierte §err £anbgerid)tsrat, unb feine ©attin
mit bem tleinen $äub^en unb bem Stridftrumpf
folgt ihm in bie SBoljnung, unb man fchlieftt bie
$enftertäben. Die ©lod' hat Iängft gehn ge*
fchlagen.
©in Silb wie ein Siärdjen; nichts aber foll mich
bagu bringen, ber 2 ßirtüd)feit nachguergählen, was
man in Seu=StreIift an einem Sommerabenb maeftt,
wenn man fid) um biefe 3 eit n i d) t gurüdgieht.
Sie ift tompromittierenb, bie 2Birtlid)teit. Drei
Slenfdjen ftehen allein, oh, wie allein, in ben
Stabtanlagen unb entbeden, baft ein leeres
Keines Srunnenbaffin eigentlich mit einem 3Wus
^hoüchteit hat. Stan tann hmeinfpringen unb
auch wieber h^austlettern. lim ben Sanb gar
herumgugaioppieren, ein nid)t gu oerad)tenbes
Sergnügen. ©s wirb babei elf, es wirb halb 3 wölf.
3 roei oon uns gehen nun aud) Jd)lafen, unb bloft
ber britte ift noch nicht totgutriegen. Kodt nod)
einen SBirt aus ber Sube, ber ben leftten unb aller*
leftten Schoppen mit ihm trintt. Der ihm ergählt,
baft 9Jiedlertburg bo<h noch eine Serfaffung be*
tommen wirb. Der 9Jtann hat nämli<h Derrains!
©r meint, baft man ihm bie jeftt abtaufen müftte!
2Benn man aus ber fd)önen Stabt Strelift hw*
ausautelt, ift man in turger 3 eit in £ohengierift;
freiüd) barf man ben Steg bahin nicht oerfehlen.
©s biegt ba fchon etwas gu früh ein ißfab ab, ber
fid) als eine giemüct) längliche Sinne ooll tiefen
Sanbs barftellt. SSenn man bas aber entbedt hat,
ift es 3 U fpät, umgutehren. Stan tann höchftens aus
feinem Stegen herausfteigen. ©r geht bann 3 war
immer noch nid)t. ©r faud)t, unb er heult fchlieftlidt)
wie ein gepeinigtes Kebewefen, unb wenn man ein
menfd)lid)es £erg im fieibe hat, bann fdftiebt man
ihn ein wenig. Drei 9Jienfd)en tönnen ein Suto*
mobil eine gan 3 anftänbige Strede weit bringen,
unb nach ^ohengierift tommt man am ©nbe auch
fo. ©s wirb bloft etwas fpäter am Dage. §ohen=
gierift heiftt ein anfehnlicfter Sdjloftgarten unb ein
ftilles, altes Sdjlbft, wo bie Königin fiuife als ^ßrin*
3 effin oft gelebt hat, wo fie auch fpäter noch manch 5
mal eingetehrt ift, wo fie fchlieftlich ftarb. Stan
3 eigt t)tec ihice 3immer, ihre alten Stöbet — „eng*
■lifch“ waren bie fchon bamals — unb eine feltfame
Saltontür. Suf ber haben nämlich eine Stenge
beutfeher $errfd)er mit einem Sleiftiftftricf) ih^c
©röften martiert. törperlichen natürlich nur.
Kaifer äBilhetm, ber erft gang türglich m biefem
£anb unb biefem Schloft feinen erften Sefuch ge*
macht hat, hat fich oon biefer fiifte nicht aus*
gefd)loffen.
Suf ber ©hauffee fahren wir bann wieber gur
< 5 auptftrede gurüd, unb auf ber ©hauffee geht es
nun weiter mit Halali nach Seubranbenburg.
Knfre Sirene fchmettert noch einmal fo hell, ba
wir burd) bas alte gotifdhe Stauertor in ben reigenb
am See gelegenen Ort. einfahren.
5)ier finb wir auf ber tiaffifdjften aller platt*
beutfehen Dichterftätten. Siggen=Sramborg emp*
fängt uns mit hellen©efd) äftsftraften; wir tutfehieren
um ein paar grofte alte Stauertaften herum unb
halten auf einem Starttplaft: bas hier ift benn alfo
büs hiftorifche neue Salats mit Dörchläuchüngs
3 wan 3 ig Sliftableitern, bie freilich bo<h nicht oer*
hinberten, baft er bei ©ewitter in einen ©lastäfig
hineintroch- (Such biefer ©lastäfig ift heute noch
gu fehert.) Dies hier lirtts ift bas alte Sathaus.
Dies ber Satsteller. eine urgemütlid)e alte
Keine Stube mit tabatbrauncr Dede, mit Silbern
unb ©etäfel treten wir ein. |jier fiftt man feftt
am Sonntagmorgen beim 3'Cühfd) oppen. $ier
hat be oll giiftmg felber auf feinem breiten alten
Keberfofa gefeffen, hat ein ©las nach bem attbertt
geleert unb eine ©efd)i<hte nach ber anbern oer*
teilt. Das heiftt, bas mit ben ©efchichten, bie man
im SSirtstjaus gum beften gibt, ift fa oielleicht ein
Kein wenig Kegenbe, unb nur bas mit ben ©Iäfern,
bas ift gef<hi<htlidj beglaubigt.
3 nbeffen, es gibt nun einmal' eine Soefte. bes
beutfehen SSirtshaufes, unb 3'tih Seuter war ge*
wift ber leftte, ber fie nicht hod) eingefchäftt hätte.
Unter bem niebrigen ©ewölbe l)i^ fpinnt bas
frieblicfte fiidht ber Kleinftabtftrafte. Sn einem
Stammtifch. in ber ©de fiften bie Siebermänner
oon heute, nicht mehr Konrettor Sepinus, nicht
mehr $ofrat Sltmann unb ber unfterbliche Serfifer
Kägebein, nein, lauter unhiftorifthe junge Kauf*
leute ober Beamte, bie fich taüm immer noch oon
jenen „ollen Kamellen“ unterhalten. Knb ber
SSirt ift gewift nicht mehr jener Kunft, ber in ber
Stube auf unb ab lief unb 3 u rufen pflegte:
„Kinner, oertehrt was!“ Knb bo<h ift biefe Keine
Steif, ohne Sffettiertheit, mit pietätooller §anb.
ihrem Dichter geweiht. Kber bem Seuterfthen
fieberfofa, auch wenn es Iängft erneuert ift, hängt
feine Sfeife- Die mit Silbern behangenen SSänbe
machen bie 3 aht e wieber lebenbig, wo er in biefer
Stabt als Hauslehrer lebte, ©roft ift ber Seuterfthe
Spruch hiugemalt, ber bie gange tiefe — ober
platte? — Soltsbidjterweisheit prägt:
SBenn (Einer öaubn beißt,
2Bat ßei beißt,
, Dann tann ßei nieß mißr baußn,
Ws ßei beißt.
Der wadere SSirt, ber jeftt hier häuft, hat bas
oolle Serftänbnis für ben ©enius feines Ortes, unb
er hütet fogar ein Keines Stufeum: am SSanbhafen
in ber ©de hängt ein ungetümer grauer 3 *)ünber
unb ein riefeüßafter baumwollener Segenfd)init —
Seuters leftte Sequifiten. Den Hut ijat ein
bieberer Siggen * Sramborger angefertigt. Sein
©ntel, ber bas ©efchäft heute nod) fortfeftt, ftellt
ihn hier aus.
Der SSirt weift, auch eine gange Stenge guter
Dinge 3 U ergäben. Die Siggen=Srambotger finb
höllifd) helle fteute, finb inbuftriell, finb mobern
unb machen fidß über bas fd)wefterliche Seu*
Strelift, bas höfifche Seamtenneft, ihre eignen
©ebanfen. Sb er wir müffen abbrechen, müffen
weiter. Der Stotor rattert oor bem altertümlichen
Haus. Der freunbliche Staun gibt uns noch bas
©eleit, unb ba er hört, baft wir über Staoenhagen
fahren wollen, bes Dichters ©eburtsftabt, bie ihm
jeftt ein Dentmal gefeftt hot, ruft er uns nach:
„Dann fahren Sie nur auch nach Stald)in unb effen
bei Sülle!“
Hab Dant, freunblicßer SSirt! Dein oerftänbiger
Sat foll nicht an Knwürbige oergeubet worben
fein, unb nun abieu, Siggen*Sramborg! SSieber
rollt fid) bie fianbftrafte wie ein ftlbernes Sanb oor
uns auf. SSieber Säume, wieber $Kber unb
hügelige SSalbumriffe; ba unb bort ein feßimmern*
ber SSafferfpiegel: Stedlenburgs Schönheiten. Die
ftreliftfche Hälfte ift ja nun allerbings mit ihrer
©renge paffiert, unb bie f<hwerinfd)e liegt oor uns,
unb für bie bleibt uns nur noch ein turger, rafdjer
Slid auf bas Staoenhagener Stonument (es ift
gang prächtig!) unb — unb bas Stittageffen „bet
Sülle“. Sun, bas war auch nießt gu oerachten!
Slfyrbrücfe, 9?acfy einem ©emälbe non Hermann £afd)
1332
Über £anb unb Sflteer
1911. 5Jtr.52
tfttfre Schulferien
3 um erften VRale feit langen Sagten hoben
fid) bie, noxbbeutfcfjen Sommerferien bemüht,
ihre 3eitXtcf)e Sage 3U rechtfertigen. V 3 enn man
fonft nach ben »ier bis fünf an ber See ober im
(Gebirge »erlebten Vegenmochen an ben l)äus=
liehen §erb surüdtehrte, fd)ielte man mit neibifchen
Süden nad) ben glüdtidjciren Voltsgenoffen t)in,
beren äRufeeseit eben anfing, um fi<h bann über
ben heifeen. ^luguft toeg bis in bie tühle £erbftseit
hiTÄ toäre es gar nicht fo unangebracht,
roenn eine groectentfprechenb sufammengefehte
»Kommiffion einmal bie oerfd)iebene Verteilung
ber Serien pxattifd) burchprobte. Unb nid)ts
leichter als bas! Denn faft jebe nur bentbare
(Gruppierung ift bereits »orgefehen. Unb man
brauste nur eine fold)e ad hoc ausgemählte 3 at)l
oon Schülern, ©Itern unb Lehrern nach unb nach
aus Oftpteufeen oon ^rooins gu Vro»in3 bis an
unfre Sübroeftgrenge 3U oerfe^en, fo mürben fie
uns nach etma fünf fahren fchon htulängliche
Austunft über bie befte Kage ber Serien geben
tonnen, Aber, höre ich ba einmenben, oermutlich
merben bie Urteile ber alfo gnftruierten felbft
meit auseinanbergehen. ©ans recht! So bente
id) mir ben Ausfall ber ©nquete aud) ungefähr,
3 um minbeften bei ben ©itern. Unter ben Schülern
mürbe ja mat)rfd)einiid) ber VBunfd) rege merben,
in gutunft alljährlich jüft um bie Vtitte ber Som*
mersseit aus einem Kanbesteil in ben anbern.
übersugehen, felbftoerftänblich aus einem, mo bie
Schulferien oom 1 . guli bis 3um 1 . Auguft bauern,
in einen, mo ber Unterricht oom 1 . Auguft bis
Sum 15 . September ausgefe^t mirb. Denn am
lebten ©nbe ftet)t bie Sache bod) fo, bah bem
6d)üler bie Kage ber Serien siemlich gleichgültig
ift, mofern fie nur häufig unb in recht ergiebigem
Umfange gemährt merben.
gür ben Kehrer liegt bie grage immerhin
noch etmas anbers. gür ih» tommt ja 3U bem
gntereffc an ber rechten (Erholung feiner Schüler
bie Sorge um bie ©rlebigung bes feftgelegten
3 ahrespenfums. Vün lehrt bie Erfahrung, bah
mit her Sänge ber Unterrichtsunterbrechung ber
itenntnisoerluft bei bin Schülern fid) in gerabe3u
geometrifcher Vrogreffion fteigert, unb fonad)
ergibt fid) bie Carole: Kurse Serien, menn auch
freiüd) in häufigerer VSieberholung. Ohnehin ift
nicht su leugnen, bah acht Dage etma nach ben
Serien »ergehen, beoor bie Klaffe mieber gans
im 3uge ift, unb bah »ielfach auch bie le|te 2Bo<he
»or ben Serien fchon halb unb halt» 3ur Ab*
gemohnung »on ber regelmähigen Arbeit bient.
(£s bleiben fomit ungefähr acht bis neun V 3 od)en
SU ftrammer Dätigteit übrig, unb »iel mehr tonnen
Kehrer unb Schüler in heutiger 3 eit nicht gut
»ertragen. So ergäbe fid) benn, ba bie 3 ot)l
ber fämtlichen gerienmochen ein für allemal auf
3ehn begren3t ift, eine (Einteilung bes Schuljahres
in »ier Quartale 3U sehn bis elf V 3 od)en gan3
»on felbft. ©benfo ertlärt es fi<h leicht, marum
oon ber ©efamtferienseit nat)e3U bie Hälfte
3mif<hen bie beiben Sommerquartale gelegt
mirb. , „
Unb noch ein 3meites Vtoment fd)emt mir für
eine fold)e (Einteilung »on Unterrichts* unb Serien*
3eit 3U fprechen. Vad) aller (Erfahrung arbeitet
ber Durd)fd)nittsfchüler immer im £inblid auf
bie Vuhe, bie ihm nach ber Arbeit mintt. (Er er*.
lebigt mohl am Dienstag mehr »on feinen Schul*
auf gaben, als gerabe unmittelbar nötig ift, um
fid) einen »öllig freien Vtittmochnadjmittag. su
» er fd) affen, unb »on Donnerstag an liegt ihm
bie (Entlaftung bes Sonntags »on jeglicher Arbeit
am fersen. Das gan3e Quartal tpuburch aber
fdjmebt ihm. bie ausgebehnte Schulfreiheit ber
gerienmochen »or. Sinb nun biefe gar su fehr
in bie gerne gerüdt, hat er beifpielsmeife ein
»olles gahrbrittel »on Anfang April bis Anfang
Auguft aussuhalten, fo geht ihm gan3 gemifc
fpäteftens in ben erften Dagen bes guli bie Kraft
aus, er mirb fchlaff unb tann nur mül)fam 3um
Arbeiten angehalten merben.
(Eine 3ufammenlegung »on. Sommer* unb
§erbftferien, mie fie bie Unterrid)tsunterbred)ung
»on Anfang Auguft bis »te September reprä*
fentiert, hat aber noch anbre Vad)teile als bie
oben angebeuteten. Die lange Dauer ber Serien
ift nicht bloß in Vüdfid)t auf ben Ausfall ber
Kenntniffe, fonbern auch an unb für fid) ein
Schaben. Vicht alle (Eltern, aud) nicht alle »oft
höheren Söhnen unb Dödjtern, fiitb in ber £age,
mit ihren Kinbern eine mehrmöd)ige Veife su
machen ober biefe allein auf Veifen 3u fdjiden.
Vleiben bie Kinber aber bal)eim, fo merben fie
in ihrer 93 efd)äftigungslofigteit — unb mit größeren
Arbeiten follen fie bod) nach Vorfdjrift ber Ve=
gierung oerfd)ont merben — eine.mahre §aus*
plage. 3d) bin überseugt, saljllofe äRütter miffen
ein £ieb banon 3u fingen. Sie rechnen bie geier*
tage ihrer Söhne unter bie dies nefasti, ftreid)en
fie im Kalenber fchtoars unb im SBirtfchaftsbucE)e
bei ben Ausgaben für „Reparatur ^erbrochener
Viöbel" hoppelt an, reben mohl gar oon gurien*
ftatt »on gerienseit unb beseugen im gansen nur
fehr geringes Verftänbnis für bie 2 Bohltat biefer
Sd)uleinrid)tung. Unb mas nun biejenigen (Eltern
betrifft, bie im eignen gntereffe unb bem ihrer
Kinber mit Sehnfud)t bem Dage entgegenharren,
ber fie in bie gerne siehst läfet, fo fühlen bie meiften
»on ihnen nach »ier fflßodjen ihre Vörfe gerabe
3ur (Genüge erleichtert, um bie Viidfehr in bie
Heimat nicht freimillig hi»aussufd)ieben. (Einige
freilicE), sum (Slüd für bie Schule nur menige,
finb es, bie für fid) unb bie Sh^S^ eine längere
Vusfpannung erheifchen.
gm übrigen liehe fid) für bie gnftitution ber
guliferien noch ein unb ber anbre rtid)t »on
ber Schulräfon bittierte ©runb ins gelb führen,
gm allgemeinen mag ja ber Vuguft mit Ved)t
als suoerläffiger für einen ©ebirgsaufenthalt
gelten; ber guli aber behauptet bafür feine offen*
funbige Überlegenheit burd) bie längere Dauer
ber Dage, bie für Vergmanberungen aud) nicht su
unterfchätjett ift. Stärfer inbes bürfte am (Enbe
für bie meiften nod) ber Umftanb ins ©emid)t
fallen, bah allenthalben, iw (Gebirge fo gut mie
namentlich an ber See, bie Unterfunft im guli
entfchieben letzter unb billiger ift als im Vuguft
unb in ben erften Dagen bes September, unb
tommt bann,; mie in fo manchen gahren, baheim
im Vuguft bte $i^e nod) nach, nun, bann gibt
es eben gleich bei Beginn ber Schulseit eine Veil)e
fr eier Vach mittag e als gar nid)t unmilltommene
Vachtur fül Schüler unb Kehrer, unb beibe gou*
tieren bas Vierteljahr, bas tein Vierteljahr ift,
unb bie Unterrichtsftunben, bie' nicht gegeben
merben, aufs hö<hfte unb arbeiten in ber benuh=
baren 3 ^it um fo ergiebiger, gn Vüdfid)t auf bas
VSetter allein bie Serien »erlegen, bas hiehe ’bod),
biefem aller Berechnung fid) ent3iehenben (Eie*
mente mit einem Vtale ein gans unoerbientes
Vertrauen entgegenbringen.
£affen mir uns alfo allefamt noch eine äBeile
unfre gerien, mie mir fie gegenmärtig h a &en,
gefallen, unb freuen mir uns im füllen, bah mir
nicht im gansen lieben Vaterlanbe 3ugleid) bie
(Eifertbahncoupes su ftürmen, bie Rotels 3U »Hu*
pieren unb bie Babetabinen 3u erobern gesmungen
finb. So menigftens füllten mir (Ermachfenen bod)
benten; ben Schüler ficht ja bergleichen meniger an.
gbm finb bie gerien, mie fchon oben gefagt, 3U
jeber 3 ^it milltommett, unb bie Schule, mag
j (Glücf!
I iöcut toat's, ba{j mit ein ©lüd entflot),
i Das eine VSeile ich qenoh,
i So fpurlos, mie nur irgenbmo
i Sin SBoltenmeih im Blau serfloh-
e gd) fat) es fchminben ohne ©ram,
e Das mir betannt fchon unb »ertraut,
e So freubesitternb, ba es tarn,
l gd) auch entgegen ihm gefäjaut.
\ ©lüd ift tein ©lüd, nennft bu?es bein!
= Vafd) bleicht bas leud)tenbe gbol.
e ©Iiid ift ein Sehnen: Könnt' es fein!
i ©lüd ift ein gragen: Kommt es mohl?
(Ernft 3 «h»
fie auch nod) fo menige VSochen bauern, mirb
ihm immerbar als eine unangenehme Unter*
brechung ber gerien erfdjeinen.
2Bi<htiger übrigens noch als bie £age unb Vus*
behnung ber gerien mag manchem bie rechte
Beratung biefer Viuheseit erf<heinen, bie fid)
ja freilich in heutiger 3eit bei gefunben unb fchon
reiferen Knaben unb Vtäbd)en bürd) bie mobemen
Veranjtaltungen ber 3 Banber»ogel*, Vfabfinber*
unb ähnlicher Vereine »on felbft ergibt. Vnbem*
falls bleibt bie Beratung allerbings eine grage,
beren £öfung bie ©Itern ihre ganse Vufmert*
famteit 3U mibmen fid) »eranlaht feljen füllten.
So mühten fie benn beifpielsmeife, falls bas
Kinb ausgefprochenermahen ber (Erholung be*
bürfte, fid) unter allen Xlmftänben basu »erflehen,
ihm bie gerien »öllig frei su laffen, felbft auf bie
(Gefahr hl», bah es in feinem SBiffen erheblich
3urüdginge. Denn in biefem galle märe eine
gelegentliche fpärliche Benuhung ber gerien für
bie Vrbeit auch nicht oon befonberem SBerte, unb
bas Kinb mürbe bann hoch nicht einmal erholt
in bie Schule surüdtehren. $at es »ier ober fünf
VSochen lang mirtüdj nichts gearbeitet, fo mirb
in ihm mitunter ein mahrer ^eihhunger nach regel*
mähiger Dätigteit entftehen, ber immerhin bann
eine 3 eitlang »orhalten mag. Sd)on um bas
mögliche Vuftommen eines folchen ©efühls nicht
gans 3U unterbrüden, follte man bei förp erlich
fchmac|en Kinbern »on ben geringen, 3umeift
bod) unsulänglichen Vnfä^en 3ur Vrbeit in ben
gerien abfehen. -
Vnbers fteht es natürlich mit bem gefunben
Kinbe. Das follte allerbings, mofern es nid)t
gerabe su ben beften feiner Klaffe gehört, »on 3 dt
3U 3dt' 3um Arbeiten herangeholt merben, unb
3mar namentlich bann, menn auch ben ©Itern ber
©inbrud fi<h aufbrängt, bah eine Keine Unter*
brechung ber langen SOtuheseit gans ba3u angetan
märe, bem Kinb beren SBert erfit recht 3U ©emüte
Su führen, ©s tommen mohl im Kaufe ber breihig
Dage Vtomente, in benen »on ber »erSmeifelnben
Vtutter bie bange grage an ben Spröhling ergeht,
ob er benn »on ber Schule aus rein gar nichts
3U erlebigen betommen habe. §ier tämen bie
©Itern in bie Kage, ihm je nad) [einem VSiffens*
ftanbe unb nach feinem Bebürfnis Aufgaben su
erfinben, aber es füllten mohlgemertt nur folche
fein, mie fie bie Sd)ule nicht 3U ftellen pflegt.
Dabei empfiehlt es fid) [ehr, eine einige einheit*
•liehe Vufgabe 3U tonftruieren, beren Anfertigung,
auf VSoctjen »erteilt, ein in [ich gefd)loffenes ©an3es
bilbet, fo bah unfer Kinb »on »ornherein bas
©efühl betommt, bah es bie einmal angefangene
Vrbeit aud) sum Vbfchluh bringen follte.: gft
aber bie Vufgabe etma su meit gefajjt unb fehen
mir in ber smeifen ober britten gerienmoche
bie Vusfid)tslofigteit ihrer Beenbigung Kar »or
Augen, bann mollen mir biefe mitnichten ersmingen,
fonbern behalten fie uns ftillfd)meigenb für bie
nächften gerien »or. Denn bie gerien finb ja auch
für bas gefunbe Kinb sur ©rholung ba. llnb fo
gilt es aud) biefem Kinbe gegenüber, ihm nad)
Vtöglidüeit »öllig freie Dage su »erfchaffen, bamit
es bas Betpuhtfein ber Vusfpannung gans unb
gar erhält. Alfo laffen mir es heute einmal
Smei bis brei Stunben an feiner Aufgabe febaffen,
aber morgen unb übermorgen höbe es bafür
feinen gänslid) freien Dag.
$ier ift übrigens bie Vtitarbeit ber Schule
mohl angebracht, ©s gibt Kehrer, bie ihren Schülern
bas Schaffen an einer gan3 beftimmten fd)rift*
liehen Aufgabe empfehlen lebiglich für ben galt,
bah bie ©Itern gelegentlich eine bat)ingel)enöe
gorberung ftellen. gmrner aber unb überall
bürfte es fid) ba eben nur um fd)riftlid)e Aufgaben
hanbeln. ©ine münblid)e Aufgabe läßt ben Ker*
nenben im ©runbe genommen nie los, finbet,
beoor bie Sd>ule mit ihrer Kontrolle eingetreten
ift, leinen Ab[chluh unb ift gans ba3U angetan, in
bem Kinbe eine Beunruhigung su er3eugen, bie
bismeilen jebe gerienerholung überhaupt in grage
ftellen tann. Alle gerienarbeiten aber, melcher
Art fie auch feien, fudje man »or ben lebten Dagen
ber Vtuhe enbgültig 3um Abfd)Iuh 3U bringen.
Beoor ber Schüler mieber unter bas god) muh,
follte er unbebingt einige Dage bas ©efühl rolliger
greiheit hoben, um erfrifd)t unb aufnahmefähig
in bie Väume ber Schule 3urüd3utet)ren.
Vtar Banner
Tnbalts-Uerzeicbnis
S a di = £ e it i jl e r
Uottinne, Hotjtllen, örih’ljlunöcn
Stlfohotiftin, bie. S3on SE, ©or«
beau 762.
Stoiatiter, ber. SSon Stubolf
SSatpfcp 1076.
, SSart arole. SSon g. ©arta Schnei»
ber 1008.
Zie §o!gfircE)ener tommen mit
bem Kreug. SSon D-bauten»
fad 898.
Sie ©tunbe be§ §errrt Strcpi»
halb derlei. SSon SS. D-
Dartwig 788.
Sie unordentlich oerheiratete ga»
milie. SSon 8. Siieffen»Zeiter§
810. 924. 1053. 1148.
Srei ©efcpidjten ber SEäfai.
SSon §ann§ gudj§ 868.
Zuntle, ba§. SSon @op^ie§oect)<
ftetter 1102..
©ang im SEorgen, ber. SSon
g. Statterotp 828. 852. 880.
©ericpt, ba§. SSon Sßaul Dtto
gorberger 1194.
©efcplccht, ba§ ftarte. SSon
Dan§ oon Kapfenberg 1124.
1169. 1218. 1262.
©lücE in ben Sünen, ba§. SSon
8. §ermbftäbt 994. 1016.
©lüdC, Kurge§. SSon §an§
SSetpge 896.
Kampf ber meinen unb ber roten
Stofe, ber. SSon ©. ■gnrfdj*
felb Silr. 29-52.
Knecht, ber. SSon gatob SGSaffer=
mann 1286.
Seutnant Heft, wie ber. SSon
28, SSaron 1131.
SEattpieu§ §afe. SSon ©. SSau»
bip 1336.
ältein SSetter, ber ©hemifer.
SSon 28. SSraun 841.
Dftertjafe, ber. SSon §. Sauten»
fad 711.
HSrofpeftor, ber. : SSon §an§
Sind 1308.
9tä<pe ber grau SEurrap, bie.
SSon Sßierre SEiEe 949.
9Uoer»SSartp, eine. SSon ©olin
Stofe 881. 908.
(Sommerleutnant, ber. SSon
SBalter SSaron 1266.
Zouriftenftüdleirt, ein. SSon
g. Sageber 800. 826.
Überfahrt, auf ber. SSon St.
SBeoering 909. 939. 962. 993.
SSater reift. SSon ©. SSaronin
2Eattl»8öwentreug 1238.
SSerirrt. SSon 28. ©raun 1028.
SSorbitb, ba§. SSon Stbolf SBil«
branbt 704. 732.
SBeib be§ SSieptreiber§, ba§.
SSon D- Sawfon (©pbnep) 974.
2Bunbe, bie erfte. SSon ©. ©tae«
fer 742.
SBunber be§ .heiligen Sftomualb,
bie. SSon gjobor ©fologub 706.
gauberutiipe, bie. SSon griebridj
: Statterotp 1044. 1066. 1092.
• S&foprapljifdje Artikel
S3ega§, Steinpolb f. SSon ©ma«
nuel ©roher 1235.
S3jörnfon, SSjörnftferne 1270.
SSrapmS, gop.-1317.
SSuff, ©parlotte 1009.
©piaoacci, SSinceng 1180.
©ommanbon, Dr. 824. ;
Zeftinn, ©rnrnp 821.
Zülberg, Dr. grang 1204.
©wer§, §an§ §einj 770.
©raefe, oon, Sttbredjt 1087.
©reif, SEarttn f 779.
©uftebt, oon, gennp. SSon Stbete
©Treiber 1245.
Daafe, griebridj f 729.
t auptmann, ©arl 874.
egar, griebritf) 719.
Heinrich, ^fSring oon SSreufeen
1137.
Depp, ©arl 729.
Derp, 38ithelm 1086.
Dergtieb, SEindpen 1010.
DoffenStpal, oon, §an§ 770.
gaffu, Sibj, ber tünftige Kaifer
oon Stbeffinien 1056.
gbfen, ©ufaitne 1009.
gfraelS, g., fßrof, + 1338.
Kremnip, SEite 874.
8e|mann, SiEp 821.
Sueger, Sßrof. Dr. Otto f 913.
SEabero, g. g. 1069.
SEahfer, ©uftao 1039.
SEa§fcpaert, gohanne§ 1135.
1180.
SEottl, gelip f 1225.
Dcp§, ©iegfrieb, ifSrofeffor 1135.
SSoegl, ©buarb 1180.
SSöpl, ©b. 729.
Siaabe, SBilpeltn 1086.
9tobenberg, guliu§ 984.
-Schaper, griebridh, $tof. 1160.
©epilier gur 3*© ber Stäuber
1270.
©dmteplittg« SEara, ©lifabeth
1225.
(Schmibt, gelip, ifSrof. 719.
©tein oon, ©harlotte 1009.
©tötgel, ©es. 5}Srof. Dr. St. 1020.
Zaitu, Kaiferin 1055.
SSircpow, 9tubolf, 1271,
28agner§ = SEutter 933.
SBaEot, ißaul, su feinem 70, ©e*
burtStag. SSon Stöbert S3reuer
28efenbond, 2Hath«be loio.
S8ithetm II. unb Königin ©har«
totte oon SBürttemberg 703.
2Bolf, §ugo 1317.
3iet, ©rnft 829.
lulturbillier, Piffenfdiaft,
Sitten unb üebräurfje
SSienenftanb, ein feltfamer 1090.
©rnte, ameritanifdje. SSon St.
be gonge 1127.
gahrt burdj bie 2Benbei 1247.
greibab. SSon ß. ®. Stnah 1042.
gürften wohnen, wie. SSon Dr.
St. oon 2Bi«e 1026.
§eirat§marft in @cauffinne§ in
SSelgien, ber 960.
§erbengIodentäuten. SSon Sffiilh.
SOtiehner 1129.
Käfige be§ ^önig§ Subwig, bie.
SSon ©hartes golep 1157.
Kultur« ©tatiftit 988.
SDtajeftät ba§ Stinb, ©eine. SSon
SBalter $urfsin§tp 869.
Obpffee, moberne. SSon Stubotf
SSre§ber 1122.
SSotiseifchuten 878.
5ßrei§tegetn, baprifche§. SSon
Heinrich Sautenfad 1082 .
Stangen, ißarifer. SSon Dr.
goachim griebenthat 1151.
Stomantit ber Stäber, bie. SSon
' Stöbert S3reuer 1241.
©djlohfrauen unb ©äfte. SSon
Sit. oon ©uttner 808.
©pradje ber Kleinen, bie. SSon
g. SBöhlbier 1010.
Sppen, ruffifche. SSon griebrid)
^ranh 952.
SSolfSparlament unter freiem
§immet, ein 1228 .
S® eg weif er, ein tunftootter 1090.
S®egweiferimStiefengebirgei090.
(Sefdjidjte
©iftorienfchloh, ein öfierreidjt
fche§. SSon St. g. Stowaf 1079.
Subwig II. oon SSapern. SSon
Start gr. Stowaf 948.
Stapoteon, ber fterbenbe. SSon
g. D. SSilfe 786.
ffSarifer Stommune, bie 743.
3eiteretgni|fe, JluslteUuttgen
unb feite
StuSfteßung alter fpanifdher
SJtöbet 1047.
©rinnerungSmarte 1045.
§pgieneau§ftettung in ®re§ben,
bie internationale. SSon ©. S.
©thteid) 764.
gubitäum§au§fteHung in Stom,
au§ ber 885.
Stronprht® in gnbien, ber. SSon
©, SSegener 738. 953. 1002.
Krönung be§ englifdhen Königs»
paare§, pr 1014.
Stunftau§fteHung in Stom,
®eutfcf)e -Sthteitung 727.
KunftauSftetlung, internationale,
in Stom, SIHttetbau ber 777.
'fSroteftantenpatentS, pr 50jäh»
rigen ©ebenffeier be§ 727.
SSoltertSmühte bet ©rünSfelb,
Sß aff er o erh eer ung en in ber
1019.
SBeltauSftellungin Surin, §aupt«
eingang ber 777.
fänber« unb plkerkunbe.
Stäbtebilber
Sttpenlanb 2lfrila§, ba§. SSon
Start ©Sieben 1055.
SSerg ber ©ötter unb ber Stäuber,
ber (Dtpmp), SSon ®.Stleinll97.
©hampagne unb ber ©ham«
pagner, bie, SSon fßaut 3fcE)or=
tid) 862.
grau, bie, int Orient 1334.
©olbtanb be§ Königs ©atomo,
ba§. SSon 2t. ©pring 1168.
gnfet im ©eeburger ©ee, auf»
getaufte 1298.
Staiferftäbte, tote. SSon Start
gtgbor 1310.
Sltatforen, bie. SSon Stlbrecht
SBirth 980.
3Jtanito§ rote ©ohne. SSon
Start ©rnft Stnatj 1105.
SJtiinchner grauetifirdhe 912.
SItünbung. ber SBotga, an ber.
SSon ©ugen gäbet 846.
Orient, ber atbanifche. SSon ©.
gädh 765.
Orient, wa§ ift ber. SSon
©walb SSanfe 1236.
SSaimar: §auptftrahe itrt S)orf,
Sßetteroerheerungen in 1019.
SSerfien 1293.
SSfingftfahrt bur^ Söate§. SSon
■£>. Uhbe«SSernat)§ 892.
©dhtuchtfahrt. SSon Sltap SSitt»
ridi 979.
©ubiaco unb ber SStonte Stutore.
SSon Sltfreb ©teinifeer 958.
^heih» unb Sllutamünbung, p>i«
fdhen. SSon Dr. g. Seiner 1220.
Sragöbie, bie marottanifche.
SSon Dr. §. §anbfe 900.
Sfcherteffen in ®eutfthtanb. SSon
Dr. Sttbrecht Sßirtt) 1146.
SSerona: bie SJiajp b’@rbe 833.
SSiHa gateonieri bei gra§cati.
SSon Stidharb SSoh 919.
SSSettftabtwinfet, au§ einem.
SSon ©rnft ©eiffert 849.
lutt|t
öatufchet, §an§. SSon SB. SJtiefc
ner 838.
SJronpn, antite. SSon 2t. ©raben»
Wih 1285.
geuerbach, 2tnfetm. SSon ®.
©chur 734.
§alm, hSeter. SSon 2tlfreb SItaper
1212.
Sttingerg Söanbgemätbe, oor.
SSon SBatter §artan 712.
^ühne, Sßalter. SSon ©iegbert
©alter 759.
Stunftfd)ät 3 e ber SItündjner §of»
unb ©taat§bibliothef. SSon
Dr. Sltap ^emmeridi 1259.
9Itapr§h 0 t e ^ Sitar. SSon 2ttfreb
SItaper 976.
SItontmartre unb fein SItater;
©teinten. SSon g. grieben«
that 894.
SSaEenberg, gofeph. SSon O.
SSauer 1192.
©ct)webifd>e ^unft, / SSon 2®itt).
Sltiepner 714.
SKiEette, 2lbolphe. SSon©.©.
©^mibt 813.
Söaulunft
2lrd)iteftur. SSon §. 3Ituthefiu§
719. 821. 934. : 1039. 1136.
1225. 1317.
gtorenp. SSata^o-©trojsi 833.
■gauptbahnhof- p @agen in
Söeftfaten, ber umgebaute 1187
guftipalafte§ in Stom 777.
äaiferin«@lifabeth«SSab p $ep«
Iih»@chönau 996.
Klubhaus ber Staffeehag 1299.
StoEegienhau§ p greiburg in
SSaben, ba§ neuerbaute 1187.
Kötner Sombrüde, SStid auf
bie 991.
Krematorium p ®re§ben, ba§
oon SSrofeffor ©dhumadher in
Hamburg erbaute 1095.
SItainbrüde, bie alte, in grant»
furt 1320.
fßatäfte ber Strbeit. SSon 2trtur
gürft 956.
2rintbrunnen, moberner 1090.
'2Bilfon«@onnenobferoatorium in
©atifornia, ba§ 1223.
ÖUönertmift
Söach»©)entmal in Seipgig, ba§
1135.
SSitbenbe Kunft. SSon g. ©taht
744. 849. 1058. 1156. 1244.
1338.
33itbhauer, ein fübftawifdher.
SSon Dr. SSictor gleifdher 1100.
SSronjegruppe oon Sßrofeffor
SSruno Krufe in SSertin 1095.
®enfmat für ©rnft 2tbbe in
gena 1251.
— für Dtto Subwig in ®re§»
ben 1094.
— ®entmal für Königin Suife
p SSertin»9Beihenfee 1345.
— für ifSrof. Dr. Sttbert SItoo.
ren in Slüffelborf 996.
— für Zeitnehmer an ben
SSefreiungStriegen oon 1813
bi§ 1815 1163.
— für SBatter oon ber SSoget»
weibe 1345.
©rabbenfmat für Zheobor gar»
oager p ©atjburg 1252.
KotumbuSbenfmat für 3Jueno§
2lire8 943.
Siebe. SSon D§car ®aroen§ 989.
Slteine Sltutter. SSon goan
SIteftrooic 1114.
Steiterftanbbitber, moberne. SSon
tt.bbe«S3ernap§ 784.
Stiefenbentmat für König SSictor
©manuet II., ba§ .1064.
Stiefenftatue eine§ gnbi'aner§
1276.
©tatuen oor bem Zh^ater in
$h<>™ oon ©rnft Werter 861.
©teuben=®enfmal in Ißot§bam
1324.
SRaterei
2tbrbrüde. SSon #.8afch 1331.
Stmapnenfdhladht. SSon Stnfelm
geuerbadh 1145.
Strbeit, bie. SSon Soofchen
1065.
SSahnfteigfperre, an ber. SSon
§an§ SSalufdjet 851.
SSilbniS ber Zoster be§ Künft*
ler§. SSon SSrof. K. Stitter 961.
©arita§,SSon S.Schmupter 1295.
©hriftu§, ein bisher unbetannter.
SSon Stuben§ 1121.
gauftina. SSon SltapweE 2trm«
fielb 1185.
©ermanenibpE. SSon ©arl §art=
mann 1061.
§errfchaften. SSon Söilbelm
©djreuer 1077,
•geulanbung auf ber gnfet guift
(Storbfee). SSon Sticharb SS.
2tbam 1205.
^itbegarb. SSon ©. gähn 843.
gnterieur. SSon SB. ©djreuer 737.
gphigenie. SSon 2t. geuerbadh
■747.
Kinberbitbni§. SSon Subwig
KirfdEjner 1229.
Kinber in ber ©onne. SSon S.
^Sufe 763.
Kinbertrippe. SSon §. Sit. Sinbe«
SBalther 1099.
Kirchgang. SSon D§car ©raf 787.
Kohtennehmenbe Sotomotioe.
SSon Seonharb ©anbrod 1309.
Küraffiere im ©ebirge, eine
©dhwabron. SSon Zh- StodjoE
Sa ©ioconba (SItona Sifa). SSon
Seongrbo ba SSinci 1321.
Saffet bie Kinbtein p mir fom«
men. SSonißietro ©abrini 707.
SIHh Sintep unb ihr SSruber.
SSon Zt). ©ainSborough 825-
SItutterglüd. SSon ©. @d»went
1327.
Sta benn profdht! SSon grih
S3erfdh 1283,
Orpheu§. SSon g. g. 2tuburtin
807:
Stheingotb. SSon ©. £arbt 1103.
Stouget be l’gfle trägt bie
„SJtarfeiEaife" oor. SSon g.
2t, ffSilS 757.
©djente, oor ber. SSon SBilhetm
©dhreuer 1263.
©otbaten, gwei. SSon §. §off«
mann»@aartoui§ 1276.
©pajiergang, beim. SSon Zljeo»
.1 bor KteehaaS 1133.
©tranb oon S3iarrip, am. SSon
SEap Stabes 1173. .
Urteil beS ffSariS, baS. SSon
Sßaul Siteperheim 897.
SSorabenb ber ©djlachtoottgorn»
borf,am. SSon ©.©dhöbet 1217.
SBädjter, ber treue. SSon DS»
walb Kreffe 1015. .
SBanbgemälbe in ber 2tuta ber
ltnioerfität p Seip^ig. SSon
Sltap Ktinger 712/713.
SBieb, gürft unb gürftin, mit
ihren beiben ©öhnen. SSon
Steinl), ©chmibt 811 .
SBürfter, bie. SSon K. ©ebharbt
1195.
5eid;nungen unb Habierungen
2tbter unb bie Krähen, ber, ein
.. 3ulunftSbilb 1032/33.
2threntef er innen, bie. SSon g.
g. SItiEet 1051.
SJauernreiter. SSon •£>. Steiffer«
fcheib 1303.
gif^er am ©tranb. SSon g. Sit.
oon SBpfdjpwalSfp 951.
§eimtehr. SSon g. gran?oiS
SItiEet 879.
Kteinftabtferifation. SSon 9t.
Kaefer«9tueff 1005.
Kopf eines alten guben. SSon
Hermann ©trud 1156.
SattbSberg am Sech- SSon ©.
Zt). S)teper»SSafet 1149.
SItater unb ber Zob, ber. SSon
§anS SIteper 1239.
SItödernbrüde in 33ertin, an ber.
SSon SSruno SSietefetb 1313.
Stäherin, bie. SSon g. 9topS 841.
SSappenheim, gennp oon 1245.
Stapp, SItathilbe 1245.
fftheittQoIb. SSon g. ©tahen 1125.
Stotberg, greberit 1245.
SB er en wag, ©chtoh- SSon ©art
Seopotb SSofj 1191.
SKehrfarbige Meprobuttionen
2lbenb in ber ©djweis. SSon
§anS Zhoma 975.
Stbfdhieb. SSon $>. fßeterS 775.
2tnanaSberg in Züffetborf. SSon
Sltap ©tern 817.
SStumen. SSon Z. SBinter 905.
Zorffdjöhheit. SSon grau* oon
Zefregger 1341.
gerienreife. SSon g. SItüEer«
SItünfter 1139.
Kahnfahrt nadh ber Kirche. SSon
. ©art SBithetmfon 723.
SItohnblumen. SSon ©art Seo«
potb SSoh 1171.
SItofel, an ber. SSon g. ©rote»
metjer 865.
SSrebigt be§ heiligen SSonifasiuS,
bie. S3on 2ttfreb atettjet 1057.
©taubfturm. SSon Zoni ©tabter
1287.
©tubientopf. SSon §eta f|Seter§
1043.
SSeit§höchheim, au§. SSon ©arl
Seopotb SSoh 1249.
SB albe, im. SSon gerbinanb
Zorfd) 1091.
futuEgenierüe
SSrönjeptatette (©etbftporträt).
SSon ©rnft Werter 861.
gtieger at§ gierat eine§ 2ln«
rid)tefdhranf§, ber 885.
Kunftgewerbe. SSon St. SSreuer
771.875. 985. 1088. 1181.1271.
SItappe be§ tßrager ©hrenbot«
torbiptom§ für Kaifer SBit»
. heim 885.
SSorjeEan be§ achtjehnten gatjr»
hunbertS, Zhüringer. SSon
Dr. Dtto SSetfa 1174.
Staturaufnabmen
Zerp, ©htothilbe oon, Zängerin.
SSon Zebfd>ih*Kunow§ti 1159.
©rabe auf einem Blbenbfluge,
ber gtieger 937.
guben au§ bem heutigen geru»
fatem oor ber Klagemauer 717.
Siliert 783.
SItühte im @p eff art 947. *
SItufchel, bie fchatfe 1211.
Stadhtmanöoer 1167.
SSorträt einer 2lmerifanerin
1281.
SSoEmonbnacht auf £>eIgotanb
1257.
Hatur
2tugen ber SSflangen, bie. SSon
Dr. phil. Dtto Zamm 1203.
Zogge, bie. SSon ©. glgner 1246.
glafcbentjafe, ber 1320.
gtugmafchinen in ber Statur.
SSon K. ©. Knap 790.
gtüffe in ©übweftafrita — einft
unb fe^t —. SSon 2tfrifanu§
1268.
©ebirge entftehen, wie bie. SSon
Dr. Sit. SB. SIteper f 927.
•Sunbe, eble. SSon Zh. geE 709.
SIteere§boben unb bie Ziefen
ber ©ee, ber. SSon Dr. g.
SBiefe 1154.
SItilihftrahe, bie. SSon getip
©rber 844.
Staturoafe im gimmer, bie. SSon
Dr. Zh- geE 1080.
Staturfdjuhpartbewegung. SSon
K. gtoeride 1290.
Staturwiffenfdhaft. SSon SB.
SSernbt 718. 820. 932. 1038.
1134. 1224. 1316.
©djimpanfe „Zid" auf bem
Krantentager 1320.
©irenen. SSon SB. SSölfche 1172.
©onnenbaE, oom gtühenben.
SSon SSruno §• S3ürgel 1108.
©tordhneft, ein fettfame§ 1320.
Zatfperren unb ©tauweiher im
§arg. SSon 21. ©rahtjof 791.
Ziere al§ SItaffenphänomene im
8anbfdjaft8bitb. SSon 2t. Dber«
müEer 1034.
SSogetuhr, bie. SSon gr. SBöhl«
hier 816.
SBafferfäEe ber ©rbe in ihrer
SSegiehung gut gnbuftrie unb
gum Staturfchutg, bie großen.
SSon 9üicharb §ennig 872.
SBeEen unb SBogen be§ SIteere§.
SSon Dr. g. SBiefe 1074.
gähn oon ©onbe, ber. SSon
SB. »ölf<he 758.
©efunbljbttspflege. letlrotflfen»
rdjaft
@rhotung§heim be§ Hamburger
„SSereinS für §anbtung§»©om»
mi§ oon 1858" gu SBatSrobe
1231.
@efunbheit§pftege. SSon ©. 8.
©dhteidh 771. 875, 985. 1087.
1271,
„Hamburger gungen" at§ Kran«
tenpfteger 1068.
Sungenheilftätten, moberne. SSon
Dtto ©todhaufen 1059.
Sntmftrie, lanbel unb JJerfeeljr.
Cedjntk unb faubiuirtfihaft
Stmateur»SJtitrophotographie.
SSon D. ©dheibner 751.
SSäderei, moberne Zedhnit in
ber 1323,
SSebeutung be§ greibaEonS, bie
bteibenbe. SSon Dtto Zribu«
nu§ 1006.
SSergebod, ein neues. SSon St.
be. gonge 983. ■
SSoot im Koffer, ba§ 722.
Zep efdj enh au§, ba§. SSon Kart
SSinnen 922.
©ifenbahnen, ftanbinapifche. SSon
©buarb ©ngel 1084.
©tettroftaht. SSon g. Kern§ 1288.
©rbbohrmafchine, eine 1320.
gernrolhr.»erlangen tann, wa§
man oon einem. SSon Dr. SE.
SB, SIteper f 1222.
geuerwehrmann in unoerbrenn»
barem 2lngug 965.
§itf§|eiger, gwei SJtonate. SSon
§an§ ©iegfrieb 902.
§oEerith»gählapparat 1343.
§utnabetftänber, f elbftg ef ertigter
1320.
gnftrumente be§ ©eemannS, bie.
SSon 9t. be gonge 1265.
Kinematographie, mitroffopifdhe
824.
Sotomotioe, neuefte amerita«
nifdje 964.
Sötfdhbergtunnet, ber. SSon 9t.
•§>einrieh 744.
SuftfchiffhaEe inSSarrow,fdhwim«
menbe 1090.
SItilitär«2leroptan, oom erften
öfterreichifchen 942.
SEoforrettungSboot in Saboe,
, neues 965.
ifSapiermühte, eine moberne. SSon
Zhdobor SEügge 1198,
ißhotoflruphie mit unfichtbarem
Sicht. SSon SEap grant 1036.
hSreffe ber Steuen SBett, bie. SSon
9t. D- ©chumadjer 818.
Probefahrt be§ erften SEotor«
laftfdjip li6l.
Stiefenlotomotioen, ■ moberne.
SSon ©urt Klug 1029.
Stiefenuhr at§ geftmaht§tafet,
ba§ gifferbtatt einer etettri«
fdjen 725.
Stiefenoentit am StiagarafaE,
elettrifdheS 725,
Stumforbfdhe 9tiefenfpeftrohelio«
graph, ber 1222 .
@^ah im SEeer, ber (Debung
ber ,8utine‘). SSon 9t. be gonge
1315.
©dhreibmafdjiue in ber Uhr, bie
• 774.
©prihentotomotioe, amerita»
nifche 774.
Zeihnit. SSon ©. Dartmann 721.
772. 822. 876. 934. 1040. 1088.
1136. 1182. 1226. 1272. 1319.
Zetuan§ Zöpfereien. SSon grei«
herrn oon Ütictjthofen 1110.
SBafferweg gur Dftfee, ein neuer.
SSon SSruno gierde 1062.
SBebftuht ber ©rbe, größter 1115.
Piliiäv unb Itlarine
SSefahung be§ neuen beutfdhen
SSangertreugerS „oon ber
Zann" gu SSlumenau, oom
SSefudh ber 887.
S3rüdenfd)lag im SEanöoer. SSon
©rnft Slrnotb 1274.
SSurgen einft unb jept, fchwim«
menbe 774.
©ef^üpe, alte. SSon ©. Siebe 767.
KriegSfcpiff „DercuteS", SSorber«
bed be§ 774.
StelfonS nodp heute erhaltenes
gtaggf^iff „SSictorp" 774.
Sport unb Sagb, Pobe
Pauernrenneh in ber SEart. SSon
©rid) Köprer 1138.
glucpt oor bem ©onnenftrahh
auf ber. SSon g. gotowieg 1215.
©otf. SSon D- 9tofenow 931.
Döfenrod in SBien oor feepgig
gahren, ber 1090.
SEammutjagb am §E)uton, auf
ber. SSon P. Sttesanber 793.
SEobe. SSon SE. oon ©uttner
773. 877. 987.1089.1183.1273.
Stafen, ber grüne. SSon SS.
©epaum 1013.
9tennunfäEe. SSon St. Strnbt 1314.
©port. SSon St. Strnbt 721. 823.
935. 1041. 1137. 1227. 1319. -
©portmotorboote. SSon Zipt.«
gng. 9t. be. gonge 1177.
Jfoefte, Upljorismen ufro,
Stbenb, gum. SSon SS. gedp 1126.
Stbenteuer. SSon ©. Dagen 1201.
StpporiSmen. SSon SE. ©otb«
fepmibt 741.
StpporiSmen. SSon ©rnft Küm«
pet 919. 1213.
Stppori§men. SSon S. Zprol
1007.
SSegegnung. SSon Karl Zpür«
nau 1104,
Zant an bie Statur. SSon Kart
©rnft Knobt 957.
©inft unb jept. SSon guliu§
Knopf 1176.
IV
$ it!) it 11 0 = p e r ? e i di n i s
Erinnerung auS ©übroeft. ©on
Tetloff non ©erg 1219.
Srage. ©on 21. Supper 895.
©örtner, ber. SSon Subwig
Sind!) 1001.
(gebet. SSon SS. ©cguffen 1025.
©ebanE'enfplitter. SSon Ernft
Tümpel 717.
©ebidgte, brei. ©on SuliuS
Hauemann 1179.
©ebidgte in ^Jrofa, jrnei. ,-SSon
HanS Leiter 121L
©ebicgte, brei. SSon ®. Schüler
742.
©ebidgte, zwei. SSon 2t. St. T.
Tieto 1196.;
©ebicgte, nier. SSon HanS §er*
bert tllricf) 1240.
©eigen tor bem Tor, ein. SSon
Toni ©dgroabe 1051.
©lüd. SSon Ernft Zagn 1332.
Himmelfahrt. SSon SEugufte
Supper 871. ;
Bongert. SSon K. ©erner 766. -
Sprit, neuere franzöfifdje. SSon
©igmar ©tegring 1128.
SRacgbenElicgeS. SSon Dtto ©ront*
ber 842. 1107.
SRacgttau. SSon ©. Kopp 1107.
©age, ber. SSon Sr. 2S. non
Defteren 1150.
©age. SSon T. fRefa 1031.
Schiff, mein. SSon %. §. Kraze
789.
©cgulgang, erfter. SSon Seit)
Zempin 891.
@dgrueigen, jäheS. SSon ©. K.
©cgmibt 757.
©ommernacgtgeiuitter. ©on©u»
fian ©cgüler 1145.
©ommertraum, SSon' Tgafftlo
non ©dg eff er 1085. ’
Splitter. SSon £>. ©lafer 837.
©pricEjroörter beS©torgenIanbeS.
©on fRoba fRoba 971.
®prüdge. ©on 2lug. H. gSIinte
1058.
Teppidg, ber. SSon Ernft ©er*
tram 971.
S®edt eint lang erfülltes ©d)roei*
gen. SSon K. @. Knag 837.
SBiegentieb für meine jungen
©turnen. SSon HanS non
Hoffen§tgal 1286.
ÖTfjcater. Ittuftk
Komöbiantert, roanbernbe. SSon
Eridg SdglaiEjer 1052.
©tufü. SSon E. ©. Taubert 718.
820.932.1038.1135.1225.1317.
©aganini. SSon £). Köhler 866.
SRidgarb ber Tritte. SSon E. ©te*
bugr 812,
Sweater. SSon 9t. ©reSber 796.
904. 1112. 1204. 1294.
3®otogen, non, Elfe Saura, als
„toeiblidger DrpgeuS" 915.
Literatur
Siteratur. SSon ©, Engel 770.
874. 984. 1086. 1180. 1270.
Tgaderag, SB Miaut ©taEepeare,
ju feinem 100.©eburtStag 1085.
üerfdjietienes
©enieS, überzählige. SSon gut;
Hauemann 1333.
Hanb unb ©eruf 1158.
HauSfrauennöte. SSon Tomeftica
769.
Höhe, in fchwinbelnber 774.
Hgänen ber ©eifefaifon, bie.
33on $. Sorm 1184.
©tenfdgemoerE. SSon Hermann
Sriebenau 930. :
SJUenenfpielS, hinter ben Knüffen
beS, SSon $. SSaumann 1337.
SRetoa, bie, trinEbar burd) Djon.
SSon %. 2t. ©teifmer 1338.
„©dgneiber oon Ulm," ber, ein
Flieger oon 1811 936.
©chneüfahrt in Srig ©euterS
Sanb, eine 1329.
©dhutferien, unfere. SSon ©tag
©amter 1332.
Spaziergang oor bem Tore. SSon
2trtur Surft 708.
©pradhe beS Körpers, bie. SSon
K. E. Knag 1202.
Stammbaum, ber. SSon Stubotf
. Kraufj 848.
©terne lügen nicht, bie. SSon
. • Earl Stiebuhr 1306.
Unfterbliche ©eliebte. SSon Her*
mann Kienzl 1009.
SBoran man gefc-geite Seute er*
fennt. SSon JO. 2t. H« ©dgmig
717.
iU v h a 1) e f ifd) e s Hi t fl t )!et
(Tie mit einem * bezeichneten 2trtitel finb ißuftriert.)
Slbenb in ber ©djioeiz * 975. Eifenbagnen, ffanbinaoifche *
Slbenfe, zum 1126. 1084.
Stbenteuer * 1201. EleEtroftagl* 1288.
Slbfcgieb * 775. ,• Erbbogrmgfcgine, eine* 1320.
2tbler unb bie Krähen, ber, ein Erholungsheim beS Huntburger
ZuEunftSbitb * 1032/33. „©ereinS fürHanbIungS*Eom*
Slgtbrüde * 1331. miS oon 1858" zu SßalSrobe *
Sigrenlef erinnern bie * 1051. 1231.
Stlfoholiftin, bie 762. Erinnerung auS ©übtoeft * 1219.
Stipenlanb 2tfrifaS, baS * 1055. ErinnerungSmarfe * 1045.
Slmateur * ©tiEropgotograpgie * Ernte, ameritartifche * 1127.
751. Ewers, HanS Heinz * 770.
Slmazönenfcgladgt * 1145. Sahrt burdh bie Sßenbei * 1247.
2tnanaSberg in £>üffelborf * 817. gauftina * 1185.
StphoriSmen 741.919.1007.1213. Serienreife * 1139.
Strbeit, bie 1065. Sernrohr oerlangen dann, roaS
2tr<hiteftur * 719. * 821. * 934. man oon einem * 1222.
1039. * 1136. * 1225. 1317. geuerbacl), 2tnfelm * 734.
2tugen ber Pflanzen, bie * 1203. Seuerroehrmann in unoerbrenn*
2tuSfteKüng alter fpanifcher barem Slrtzug * 965.
SJtöbel * 1047. Slf<her am ©tranb * 951.
Stoiatiter, ber 1076. Slafchenpafe, ber * 1320.
S3ach*®enfmal in Seipzig, baS * S lieg er als Zierat eines 2tn*
1135. richtefchrantS, ber * 885,
SSäcterei, moberne S:ed)nit in ber Florenz: ißalazzo ©trozzi * 833.
* 1323. flucht oor bem ©onnenftrühl,
SSahnfteigfperre, an ber * 851. auf ber * 1215.
SSalufchet, HunS * 838. glugmafchinen in ber 2tatur *
SSartarole 1008. 790.
SSauernreiter * 1303. Slüffe in ©übmeftafrita — einft
S3auernrennen in^ ber iötarf * unb jefet — 1268.
1138. Stage 895.
SSebeütung beS SreibaHonS, bie Stau, bie, im Orient * 1334.
bleibenbe * 1006. Steibab * 1042.
SSegaS, 8teinhoIb * 1235. Sürften mohnett, toie * 1026.
SSegegnung 1104. (Sang im SÄovgen, ber 828. 852.
SSerg ber ©ötter unb ber fRäuber, 880.
ber * (Clpmp) 1197. ©ärtner, ber 100L.
SSergebod, ein neues* 983. ©ebet 1025.
SSefagung beS. neuen beutfdhen ©ebirge entffehen, roie bie* 927.
$ßanzer£reuzerS„üOrtberSann" ©ebanfenfplitter 717.
Zu ■ SSIumen au, oom SSefucl) ©ebidhte in SSrofa, zwei 1211.
ber * 887. ©ebidhte, zwei 1196.
S3ienenftanb, ein feltfamer * 1090. ©ebidhte, brei 742.
SSilbenbe^unft* 744.849. *1058. ©ebichtc, brei 1179.
* 1156. * 1244. 1338. ©ebidhte, oier 1240.
SSilbljauer, ein fübflatoifcher * ©eigen oor bem $or, ein 1051.
1100. ©enieS, überzählige * 1333.
SSilbniS ber Sncgter beS S?ünft* ©eridjt, baS 1194.
lerS * 962. ©ermanenibpH * 1061.
33jörnfon, S3iörnftjerne * 1270. ©efchlecht, baS ftarte 1124. 1169.
©lumen * 905. 1218. 1262.
S5oot im Koffer, baS * 722. ©efchüge, alte * 767.
©rahmS, Soh- * 1317. ©efunbheitSpflege 771. * 875.
©ronzegruppe oon SSrofeffor * 985. * 1087. * 1271.
©runo J^rufe in.©erlin * 1095. ©lücf 1332.
©ronzen, antife * 1285. ©litcf in ben Sünen, baS 994.
©ronzepiatette 861. 1016.
©rüdenfdhlag imSOtanöoer *1274. ©lücf, turzeS 896.
©uff, ©harlotte * 1009. ©otbianb beS StönigS Salomo,
©urgen einft unb fegt, fchmim* baS * 1168.
menbe * 774. ©olf * 931.
EaritaS * 1295. ©rabbentmal für Sgeobor Sar*
Egampagne unb ber Eham* nager zu Salzburg * 1252.
pagner, bie * 862.’ ©rabe auf einem Stbenbfluge,
Ehiaoacci, ©incenz * 1180. ber Sieget * 937.
EgriftuS oon SftubenS, ein bis* ©raefe, non, Sllbrecgt f * 1087.
her unbefannter * 1121. ©reif, SRartin f * 779.
Eommanbon, Dr. * 824. ©uftebt, non, ^enng 1245.
®ant an bie Statur 957. Haafe, Stiebrich f * 729.
®entmal für Ernft Stöbe in Halm, ißeter * 1212.
$ena * 1251. „Hamburger jungen" als Sdran*
— für Teilnehmer an ben fenpfleger * 1068.
©efreiungStriegen oon 1813 Hanb unb ©eruf * 1158.
bis 1815 * 1163. Hauptbahnhof zu Hagen in SBeft*
— für Dtto Subtnig in 2)reS* falen, ber umgebaute * 1187.
ben * 1094. Hauptmann, Earl * 874.
— für Königin Suife zu ©er* HauSfrauennöte 769.
lin * 1345. Hegar, Stiebrich f 719.
— für ©rofeffor Dr. Sltbert Heimtegr * 879.
SJtooren in Tüffelborf * Heiurich, ©rinz * 1137.
996. HeiratSmartt in EcauffinneS in
— für SBalter non ber ©ogel* ©elgien, ber * 960.
treibe zu Tup * 1345. H e PP/ Earl * 729.
TepefcgenhauS, baS * 922. Herbenglodentäuten * 1129.
Terp, . bie Tänzerin Eglotgilbe Herrfcgaften * 1077.
non * 1159. Herg, SBühetm * 1086.
Teftinn,. Emmg * 821. Herziieb, SOtindgen * 1010.
Tie unorbentlidg nergeiratete Heulanbung auf ber Snfet ^ U tft
Samilie * 810. * 924. * 1053. (SRorbfee) * 1205.
*1148.. . Hilbegarb * 843.
Togge, bie * 1246, . Hilf§h«iet, zwei Sltonate * 902.
Torffcgöngeit * 1341. Himmelfahrt * 871.
Trei ©efdgicgten ber äftafai * Hiftorienfcglog, ein öfterreidgi*
868. fcgeS * 1079.
Tülberg, Dr. Stanz * 1204. HoffenStgal, non, HanS * 770.
Tuntle, baS 1102. Höge, in fdgroinbelnber * 774.
Einft unb jegt 1176. . Holleritg*3äglapparat * 1343.
Holzlittgener fornmen mit bem SÜtainbrücfe, bie alte in Staut*
^reuz, bie * 898. furt * 1320.
Hofenrodf in Sßien nor fed^gig SÖtajeftät baS Sinb, ©eine * 869.
hagren, ber * 1090. Sltaler unb ber Tob, ber* 1239.
Hunbe, eble * 709. ÜJtalforen, bie * 980.
Hutnabelftänber, felbftgefertigter SJtammutjagb am HJufon, auf
* 1320. ber * 793.
HgänenberfReifefaifon, bie*1184. SRanitoS rote ©Ögne * li06.
HpgieneauSfteüung in TreSben, SRappe beS ©rager Egrenbottor*
bie internationale * 764. biplomS für Staifer Sßilgelm *
Saffu, Sibj, ber fünftige Staifer 885.
non Stbeffinien * 1056. SRaSfcgaert, SoganneS * 1135.
^bfen, ©ufanne * 1009. SRattgieüS Hafe * 1336.
Snfel im ©eeburger @ee, auf* SRaprSgofer, SRap * 976.
getauchte * 1298. SReereSboben unb bie Tiefen
i .Snftrumente beS ©eemannS, bie ber ©ee, ber* 1154.
* 1265. SReine SRutter * 1114.
Interieur * 737. SRein ©etter, ber Egemifer 841.
^pgigenie * 747. ' SRerifcgemuerf 930.
öfraelS, ©rof. f * 1338. SiRerfet, bie ©tunbe beS Hetrn
SubiläumSauSftellung in SRom, Strdgibalb 788.
auS ber * 885. SRetfdgnitoff, ©rofeffor * 985.
Suben auS bem heutigen ^eru* SRienenfpielS, hinter ben Stu*
fatemoorber®lagemauer*7l7. liffert beS * 1337.
SuftizpalafteS in s Jiom, Haupt* SRildgftraBe, bie* 844.
portal beS * 777. SRilitär*2teropIan, nom erften
Ääftge beS Königs Subroig, bie öfterreidgifdgen * 942.
1157. SRifj Sinleg unb igr ©ruber *
^agnfagrt nacg ber Stirdge * 723. 825.
®aiferitt*Elifabetg*©ab zu Tep* SRöcfernbrücfe in Serlin, an ber
lig*@dgönau * 996. * 1313.
^aiferftäbte, tote * 1310. SRobe * 773. 877. 987. 1089.
Stampf ber tneigen unb ber roten 1183. 1273.
fRofe, ber 5Rr. 29—52. SRognblumen * 1171.
Stinber in ber ©onne * 763. SRontmartre unb fein ©Mer,
StinberbilbniS * 1229. (Steinten) * 894,
Jdtnberfrippe * 1099. SRofel, an ber * 865.
Kinematographie, mifroffopifdge SRofztomSti, Sllejanber * 1180.
* 824. SRötorrettungSboot in Saboe,
Kirchgang * 787. neues * 965.
Kleinftabtfenfation * 1005. SRottl, Seit? * 1225.
KtingerS SBanbgemäIbe,nor 712. SRügle im ©peffart * 947.
KlUbgauS ber Kaffeegag * 1299. äRüncgner Stauentirdge, Slnfidgt
Knecht, ber 1286. ber * 912. '
Koglennehmenbe Sotomotine * SRünbung ber Söolga, an ber *
1309. 846.
KoüegiengauS zu Steiburg in SRufdgcl, bie fdgarfe * 1211.
©aben, baS neuerbaute* 1187. t 2Rufit * 718. 820. 932. 1038.
Kölner Tontbrüde, ©lief auf bie 1135.1225.1317.
* 991. SRutterglüd * 1327.
KolumbuSbenfmal für ©uenoS Sta benn profegt! * 1283.
SlireS * 943. fRadgbentlidgeS 842. 1107.
Komöbianten, mänbernbe* 1052, ©adgimanöoer * 1167.
Konzert * 766. SRadgttau 1107.
Kopf eines alten Stuben * 1156. fRägerin, bie * 841.
Krematorium zu TreSben, baS SRapoleon, ber fterbenbe * 786
non ©rofeffor ©dgumadger in ©aturoafe im Zimmer, bie *
Hamburg erbaute * 1095. 1080.
Kremnig, SRite * 874. ©aturfcgugparfbemegung * 1290.
KriegSfcgiff „HetculeS", ©orber* ©äturroiffenfdgaft * 718. * 820.*
bed beS * 774. 932.* 1038. * 1134. * 1224.
Kronprinz in Subien, ber * 738. 1316.
* 953. * 1002. ©elfönS noeg heute erhaltenes
Krönung beS englifdgen Königs* Slaggfd)iff „©ictorp" * 774.
paareS, zur * 1014. ©eroa, bie, trintbar burdg Dz®u
Kügne, S®alter * 759. * 1338.
Kultur*©tätifüt * 988. ©dg§, ©iegfrieb, ©rof. * 1135.
KunftaüSftellung in ©om, beut* Obpffee, moberne * 1122.
fd)e Abteilung * 727. Orient, ber albanifdge * '765.
KunftauSfteüung, internationale, Orient, was ift ber * 1236.
in ©om, SRittelbau ber* 777. Orpheus * 807.
Kunftgeroerbe * 771. * 875. *985. Ofterhafe, ber * 711,
1088. * 1181. * 1271. Sßaganini *. 866.
Kunftfdgäge ber SRündgner H°f s ©äge, ber* 1150.
unb-©taatSbibliothet * 1259. ©aläfte ber ©rbeit * 956.
Küraffiere im ©ebirge, eine ©aüehberg, Söfeph * 1192.
©dgtngbron * 925. ©apiermügle, eine moberne*
.Sa©iodonba(SRonaSifa)^ 1321. 1198.
SanbSberg am Sedg * 1149. ©appengeim, ^enng non* 1245.
Saffet bie Kinblein zu mir forn* ©arifer .Kommune, bie * 743.
men * 707. ©erfien * 1293.
Segmattn, Siüg * 821. ©fingftfahrt burdg SöateS * 892.
Seutnant lieft, wie ber 1131. ©hotögrapgie mit unfidgtbarem
Siebe * 989. Siegt * 1036..
Silien* 783. ©olizeifdgulen * 878..
Siteratur * 770. 874. 984. 1086. ©orträt einer ©meritanerin *
1180. 1270. ■ 1281.
Sotomotine,neuefteameritanifdge ©orzeüan beS achtzehnten Sagr*
* 964. gunbertS, Tgüringer * 1174.
Sötfdgbergtunnel, ber* 744. ©ögl, Ebuarb * 729.
Submig II. non ©agern * 948. ©özl, Ebuarb * .1180.
Sueger, ©rof. Dr. Otto +•* 913. ©rebigt beS heiligen ©onifaziuS,'
SuftfcgiffgalIein©arrorn,fdginim* bie * 1057.
menbe * 1090. ©reiStegeln, baprifdgeS * 1082.
Sungengeilftätten,moberne* 1059. ©reffe ber ©euen S®elt, bie*
Sprit, neuere franzöfifdge* 1128. 818.
äRabero, S-* 1069. ©robefagrt beS erften SRotor*
‘ 9Ragler, ©uftan * 1039.. laftfcgip * 1161.
©rofpetfor, ber 1308.
©rpteftantenpatentS zur fünfzig*'
jägrigen ©ebentfeier beS *
727, -
©aabe, S®ilhelm * 1086.
©adge ber Stau SRurrap, bie
949.
©angen, ©arifer * 1151.
©app, SRathilbe * 1245.
©afen, ber grüne * 1013.
©eiterftanbbilber, moberne * 784
(unb Titelbilb).
©ennunfäüe * 1314.
©geingolb * 1103. * 1125.
©i^arb ber’ Tritte * 812.
©iefenbentmal für König ©ittor
Emanuel II., baS * 1064.
©iefenlotomotioen, moberne*
1029.
©iefenftatue eines $ttbianerS *
1276.
©iefenuhr als SefMaglStafel,
baS Zifferblatt einer elettri*
fegen * 725.
©iefennentil am ©iagarafaH,
elettrifdgeS * 725.
©iner*©artp, eine 881. 908.
©obenberg, $uliuS * 984.
©omantit ber ©über, bie * 1241.
©otberg, Sreberif* 1245.
©ouget be l’^ySIe trägt bie „SRar*
feittaife" nor * 757.
©umforbfdge ©iefenfpettrogelio*
grapg, ber * 1222.
Sage * 1031.
©egaper, Sriebridg, ©rof. * 1160.
©dgag im SReer, ber (Hebung
ber Sutine) * 1315,
©dgente, nor ber * 1263.'
©dgiff, mein * 789.
©dgiEer, zur Zeit ber ©äuber *
1270.
©cgimpanfe „Tid" auf bem
Krantenlager * 1320.
©cgloffrauen unb ©äffe * 808.
©dglucgtfabrt * 979.
©dgmehling * SRara, Elifabeth *
1225. ,
©dgmibt. Selig, ©rof. * 719.
„©dgneiber non Itlm," ber, ein
Slieger non 1811 * 936.
©dgneüfagrt in Srig ©euterS
, Sanb, eine * 1329.
©dgreibmafdgine in ber Ugr, bie
* 774.
©dgulferien, unfere 1332.
©dgulgang, erfter 891.
©egtoebifege Kunft * .714.
©dgjueigen, jägeS 757i
Sirenen 1172.
©olbaten, zwei * 1275.
©ommerleutnant,. ber 1266,
©ommernadgtgemitter 1145.
©ommertraum 1085.
©onnenbaß, nom glügenben *
1108. .
Spaziergang, beim* 1133.
Spaziergang nor bem Tore *
708.
Splitter 837.
Sport * 721. * 823. * 935. * 1041.
* 1137. * 1227. 1319.
©portmotorboote * 1177.
Sprache ber Kleinen, bie * 1010.
Sprache beS Körpers, bie* 1202.
Sprichwörter beS SRorgenlan*
beS 971.
©prigenlofomotine, amerita*
nifege * 774.
©prüdge 1058.
Stammbaum, ber 848.
Statuen nor bem Theater in
Tgorn * 861.
©taubfturm * 1287.
©tein, non, Egarlotte * 1009.
©terne lügen nidgt, bie * 1306.
@teuben*Tenfmal in ©otSbam
* 1324.
©tölzel, Egzeüenz ©rof. Dr. St.
* 1020 .
©tordgneft, ein feltfameS * 1320.
©tranb non ©iarrig, am* 1173.
©tubientopf * 1043.
©ubiaco unb ber ©tonte Slutore
* 958.
Taüu, Kaiferin * 1055.
Talfperren unb ©taumeiger im
Harz * 791.
Tedmif 721. * 772. * 822. * 876.
934. * 1040. * 1088. 1136. *
1182. 1226. * 1272. 1319.
Teppidg, ber * 971.
TetuanS Töpfereien * 1110.
Tgaderap, SBittiam SRetepeare,
ZU feinem 100. ©eburtStag *
1085.
Tgeater 796. 904. 1112. * 1204.
1294. . .
Tgeifs* unb SllutamünbUng,
Zwifdgen* 1220, - ;
Tiere als äRaffettpgänomene int
SanbfdgaftSbilb * 1034.
Touriftenftüdlein, ein 800. 826.
Tragöbie, biemarottanifdge * 900,
Trintbrunnen, moberner * 1090.
Tfcgerteffen in Teutfcglanb *
1146.
Tppen, ruffifdge * 952.
tteberfahrt, auf ber 909. 939.
962 993,
Unfterblicge ©eliebte * 1009.
Urteil beS ©ariS> baS * 897,
©ater reift 1238.
©eitSgödgheim, auS * 1249.
©erirrt 1028.
©erona: bie ©iazza b’Erbe * 833.
©ißa Sulconieri bei SraScati *
919.
©irdgow, ©ubolf * 1271.
©ogelugr, bie f 816 .
©oltSparlament unter freiem
Himmel, ein * 1228. ,
©ottmonbnadgt auf HelSoIanb *
1257.
©orabenb ber' ©dilacgt non
Zorttborf, am * 1217.
©orbilb, baS 704. .732,
Söäcgter, ber treue * 1015.
S®agnerS ©lütter * 933.
S®albe, int * 1091.
S®aHot, ©aut, zu feinem 70. ®e*
burtStag * 972,
SBanbgemälbe in ber Stula ber.
Uninerfität z« Seipzig * 712
unb 713.
S® aff er fälle ber Erbe in igrer
©eziegung zur Snbuftrie unb
Zum ©aturfdgug, bie großen
* 872, :
aSafferoergeerungen ber ©ol*
tertSmügte bei ©rünSfelb *
1019.
SBafferoergeerungen in ©aimar,
Hauptftrafse im Torf * 1019.
SSaffertneg zur Oftfee, ein neuer
* 1062.
a®ebftügl ber Erbe, größter *
1115. .
SSedt ein flangerfüllteS ©cbwei*
gen * 837.
S®egtneifer, ein tunftnoßer *
1090.
Sffiegroeifer im ©ie.fengebirge *
1090.
S®eib beS ©iegtreiberS, baS 974.
Söeßen unb S®ogen beS SReereS
* 1074.
SBeltauSfteßung inTurin, Haupt*
ein gang * 777.
3®eitftabtiuinEeI, auS einem *
849.
Sßeremnag. ©cglog * 1191.
SSefenbond, SRatgilbe * 1010.
SBieb, Sürft unb Sürftin, mit
igren beiben Sögnen * 811.
SSiegenlieb für meine jungen
©turnen * 1286.
Söilgelm II. unb Königin ©gar*
lotte non 3®ürttemberg (zur
Silberhochzeit) * 703.
9®ißette, Stbolphe * 813/
SBilfon * ©onnenobferoatorium
in Ealifobnia, baS * 1223,
SBotf, Hugo * 1317.
SBolzogen, pon, Elfe Saura, als
„weiblicher DrpheuS" * 915.
S®oran man gefcheite Seute er*
Eennt 717.
S®unbe, bie erfte 742.
3®unber beS heiligen ©omuatb,
bie 706.
9®ürfter, bie * 1195.
Sagn pon ©onbe, ber 758.
Zaubermüge, bie 1044. 1066.
1092.
| Zteß Ernft * 829.
1911. <ttr. 52
Übet £anb unb $0leet
im
Überzählige (benies
ir merben in biefem3al)te an bas frühe $in=
Reiben ©rabbes unb ftleifts zu gebeuten
haben. Das mag uns oeranlaffen, einen Blid
auf bie ftattlid)e Deil)e ber ©enies zu merfen,
bie in Deutfdfaub als „überzählig“ oerborben
unb geftorben finb.
Unter ben Dienten, ober bocf) für fie, fönnen
©enies nid)t überzählig fein. 2Bot)I aber im
Staat unter ben Bürgern, unb ba biefe zumeileu
oergeffen, bah fie aud) 9Jienfd)en finb, fo mirb
bann leidet fo ein überzähliges ©enie aud) ein
unbezahltes unb tommt in eine üble £age. 3 m
£anbe ber „Dichter unb Deuter“ ift betanntlid)
aud) ber treffliche 9Rid)el, ber Dtann mit ber
marmen Dad)tmühe, zu §aufe. Der hat einen
VSibermilleu gegen bie unruhigen ©enies unb fetjt
ihuen als „Rocher de bronze“ feine ganze eherne
Dut)e entgegen, bas heiht : er fnöpft oor ihuen
feine Dutatentafd)e feft zu unb märtet ab, mie
lange fie mit nidjts als 3been in fid) merben
Stanbal machen tonnen, ©in feltfamer, abenteuere
lieber 3ug ift es, ber ba l)erauffd)mantt aus ben
liebeln ber Vergangenheit. Dbfonberliche 5täuze,
bereu mancher unter fold)er Ärufte bie tiefe
blutenbe 2Bunbe taum oerbirgt. Dann melche,
bie, oon fern gefehen, büfter unb erfd)redenb er=
fd)einen, nahebei aber fo turios merben, bah man
fid) eines £ad)ens nicht ermehreit tann. ©üblich
bie groben Tragifd)en, bie am £eben nur mürben,
um am £eben zu fterben. Sonbern mir bie
heraus, bie ber beutfehen £üeratur angehören.
Sd)on unter ben ©oliarben, ben oagierenben
©lerici bes Düttelalters, bie uns bie Schäle ber
töftlid)en £ieberfammlung bes Jdlofters Beuren,
bie „Carmina burana“ — nicht aber ihre Damen —
hinterlaffen haben, bürfte mancher, anftatt in ben
geiftlidhen ^rieben einzugehen, fold) ein unruhiges
buntles £os gezogen haben, um feine anrüchige
unb nur feinesgleid)en unb ber Dad)melt erquid=
lid)e ©eiftesocrmanbtfd)aft mit Qoib unb §oraz
fchliehlich im äuherften ©lenb zu oerlieren ober
gar zu betlagen. Dtit ihuen metteifert ber ftneit-
linger Bauernfohu, ber „©ulenfpiegel“, ben ftrengen
Bel)örben unb ehrbaren £euten feinen Sd)abernad
ZU fpielen, bei: il)m rtod) um feiner felbft millen ge=
fällt. Dah ber ©eift überlegtere Ausfälle gemad)t
hätte, um fid) felber £uft zu fd)affen, bazu be=
burfte es für il)n erft oerheihungsoollerer Dus=
fid)ten auf eine s JJiad)tftellung in ber 2Belt. Die
brad)te bie Deformation. Sie reiht einen Ulrich
oon §utten aus ben immer trüber gemorbenen
Dieberungen ber ©lerici empor, trägt il)u eine
VSeile, muh il)u bann aber allzuzeitig ben elenben
golgen feiner grühzeit bennod) anheimfallen
laffen. Der Dreißigjährige 5trieg oerfpült aud)
bas ©enie mie in einer Sturmflut in fid), ohne bah
es anbers als im tätigen £eben hätte zur ©eltung
tommen tonnen, ©rft als bie Qrbnung mieber
ihre 3aune unb ©efeße aufrid)tet unb Sitte unb
Vraud) ihre engen 2Bege austreten, fangen aud)
bie ©ignen, bie.Dusgeftoheuen unb Überzähligen
mieber an, bemertbarer burd)s Seitab zu trotten.
©hriftian griebrid) Daniel Sdjubart
Dad) einem Äupferftid) oon ©. §orace unb 3. Ölenhain 3
CMus Stönnecfes Vilbcratlas)
Titelblatt ber erften ©ulenfpiegelausgabe (1515)
)Uu5 Rönnecfes Vilberattas (Verlag ©Iroert, Dtarburg)
Unb mieber heiht's: ©ntmeber aufhören, zu
eriftieren, ober aufhören, ein ©enie zu fein, merben
mie fie alle unb brao in ben Dlltag eingehen!
Denn Dlidjels Duhebebürfnis ift jetzt ftärter als je.
9Jtit fartaftifd)em Behagen hört es ber emige
Stubent, ©hriftian Deuter, ber Verfaff r bes un=
fterblid)en „Schelmuffstp", unb er holt fid) feine
„ehrbaren“ Bürger unb Bürgerinnen einmal oor
feinen Bierrichterftul)!- ©r, ber ©eiftesbruber oon
Shatefpeares lieberlid)em Sir Tobt) Beld), ber
ehemalige Stubent ber Theologie, ber es als
3urift nadjmeislid) erft mit achturtbbreihig fahren
Zunt cand. jur. bringt, finbet, mie jener feinen
Dtaloolio, feine gamilie SDülIer, lauter bereu
Sd)mäd)en unb hohlem Schein er ebenfo unbarm=
herzig berhehen tann mie „$rau Schlampampe“
hinter feinen emig leeren Tafcfen. Diit Söhnen
unb Töd)tern fd^Ieppt er fie aufs Theater unb in
fein toftbares Buch, unb als er megen Beleibigung
in ben harzer manbern muh, feht er bie ©efchidjte.
bort aud) nod) in Diufit. Durch mächtige ©önner
aus brohenben iprozeffen herausgeriffen unb als
Setretär eines Itammerherrn in eine einträgliche
Stellung gebrad)t, meih er nichts BMdjtigeres zu
tun, als nun aud) bie $ofgefellfd)aft aufs refpett*
lofefte abzutonterfeien. ©r muh benn aud) halb
nad) Berlin flüd)ten, mo ihm mit zunehmenben
3al)ren ber £>umor ausgegangen zu fein fcheint.
3uletzt foll er in ©harlottenburg als ©bemann unb
Vater in engen Verhältniffen unter £inz unb 5tunz
gefidjtet morben fein. Dod) mir hatten uns au
feine 3ugenb.
hinter ihm erhebt fid) ein trauriger Schatten:
3- ©ht- ©ünther. Dem marb bie 3ugenb nicht fo
leicht, ©r mar oon anberm Temperament. Dud)
er fo ein oerlumpter Stubent, ber es zu teiner
£ebensftellung bringt unb barüber Vater, £iebfte
unb frühzeitig bas lieben oerliert. Dod) mand)es
feiner ©ebidjte, aus munber Bruft gequollen, hat
nod) heute feinen ülang. Stürmifd)er, traftooller
in feinem unbänbigen Droh ift ©hriftian griebrid)
Daniel Sdjubart, ber zwanzig 3ah^e oor Schiller
bas £id)t Schmabens erblidte, bas beiht bas £id)t,
fo unter Vßürttembergs Tprannen nid)t gebulbet
mürbe, ber Dtann, ber oon feinem Herzog zehu
3ahre auf bem ^ohenafperg zunt Bürger gezähmt
mürbe unb fid) bann bei oiertaufenb ©ulben jähr=
lid) tatfäd)lid) mie einer aufführte, aber nichts
©rohes mehr beroorbrachte. Das gettmerben ift
ben ©enies nie zuträglich gemefen. Dann ift ba
ber £iolänber 3atob Diichael Deinholb £enz,
beffett geiftige iPh^fioguomie etmas Tragitomifches
hat, ein reicher, unruhiger ©eift ooll unreifer, über=
fpannter 3been, oorzüglid) auf bem ©ebietc
fozialer Deueruttgen, auf bem er fid) feltfamer=
meife berufen fühlte, eine Dolle zu fpielen, bei
oielen genialen 3 ü 9 ^u ein unleiblid)er Dtoralift
unb ein Quertopf, ber zum Don Quichotte nur zu
fleinmütig unb mebleibig mar. Dud) er finbet
itirgenbs bie ihm zufagenbe Tätigleit, Rieben unb
§eimat unb enbet im VSahnfinn in einer 9Jlainad)t
in ben Strahen Dtostaus.
Bei einer Deihe oon ©rfd)einungen merben mir
uns halb tlar barüber merben, bah es meniger bie
$on 3ulius $aoemann
bürgerlid)en Verl)ältniffe als bas Dienfchfein über=
haupt ift, in bas fie fid) nicht zu finben muhten.
Bürger, ber Dichter ber „£enore“, mar nur ein
Spielball feiner £eibenfd)aften, bie recht gemöhm
lieber Datur maren. Sie zertrümmerten fein £eben,
mährenb er bas Sittengefeh in frönen Verfen
pries. So erlagen ber „fd)önheitstruntene“
^ölberlin, ber fd)mermütige £enau, ber in munber=
ooller 3orm fein §errenred)t oertünbenbe unb alle
Sßerte ummertenbe Diehfd)e tieferen 3u>iefpalten
als bem zmifdjen ber nur bürgerlichen Dujgenmelt
unb einer inneren 2BeIt. Did)t ohne ber 9Jlenfd)=
heit jeber in feiner Drt unoergängliche Sdhähe
übermadjt zu haben. 9Bemt id) oon problemati=
fd)en Daturen neuerer 3^it etma ben nod) unreifen
Stürmer Hermann ©onrabi, beffen ©nbe Duntel
umhüllt, ober bie überemanzipierte Dret)fus=
freunbin 3uliane Deri), bie burd) Selbftmorb
enbete, ober aud) ben oöllig meltfremben Schmär=
mer i^eter £ille namhaft ntad)e, fo ift bamit gemih
nid)t jene grohe ringenbe Schar abgetan, bie oiel=
mehr zahlreicher mirb, je poefieärmer bas £eben
fid) für bie oielen geftaltet, unb aus ber nur ein
oerfchminbenber Bruchteil ans helle £eben empor=
taud)t. 3hrer jebem fd)rieb Drno §olz feine be=
tannten $l)outafusoerfe. Dn ihrer Spi^e aber
ftehen recht eigentlid) nach 3eit unb 2Bert ©rabbe
unb 5tleift.
©rabbe mar tränt — mie einft §utten. Das
unb bah er einfacher ©Itern 5tinb mar unb fid)
über ein gemiffes geiftiges ©rbe nicht zu erheben
oermod)te, mad)te ihn rüdfid)tslos im £eben,
fcheud)te ihn aus ben Deinen ber bürgerlid)
Strebenben. ©r unterftridh feine ©enialität. Unb
nid)t nur im 2Berfe. 3utmer mehr fonberte er fid)
oon allen ab, marf tobenb Diefenblöde aus, um
fie bann zu behauen, unbetümmert barum, ob er
in feiner Umgebung bamit Unheil anrichtete ober
babei eine närrifd)e 3dgur machte, unb geriet, als
er aud) noch in ber ©he ein allertläglidjftes £os
gezogen hatte, in eine £age, in ber nur noch VSerte
entftehen tonnten, bie fo felbftherrlid) maren, bah
es fd)ien, als füllten fie ben groben Raufen birett
oor ben Aopf flohen. Dennoch ift bas megmerfenbe
Urteil, mit bem man zumeift biefes „oertommenen
©enies“ zu gebeuten liebt, gänzlich unangebrad)t.
Sein £eibeu mar groh unb ed)t mie fein Streben.
Von bem ©emaltigften oon allen, bem gröhten
Dichter unter ben ipreuhen, oon §einrid) oon
5Ueift, bürfte um bie 3 e ^ ber hunbertften 2Bieber=
tehr feines Xobestages oiel unb ooll Begeiferung
bie Debe fein. 3u feinen £ebzeiten mar er nur
„ber oerrüdte 5Ueift“ unb oermod)te bie zwanzig
£ouisbor nid)t aufzubringen, um fid) als Qffizier
ausrüften zu tönnen. Balb mar er unter ben 5Uäg=
lid)teiten bes Tages nidjt mehr hnftanbe, mit ben
fonft fo f^arfen Did)terfinnen zu erlaufenen, mas
in ben menigen fd)on immer oernehmlicher mie
bie Sturmgloden einer näd)fteu ßutunft zu mögen
unb zu braufen begann, ©r Ipdt feine Träume
mie fein ganzes £eben für eine Torheit unb griff,
an einer 3utunft feines Voltes mie feines ©enies
©hriftian ©rabbe
Dad) einer 3 c id)oung oon VJ. s Pero
(Vus üönneefes Bilöeratlas)
1334
Über £artb unb äfteer
1911. 9tr. 52
oer 3 toeifelnb, an jenem büfteren 9tooembertage
braunen in ber 9Rad)ttoroer $eibe nnfern bes ba*
tnals nod) einfamen SBannfees 3 ur j3iftoIe.
N* ©s ift ja 3 u oerftehen, roenn bie ehrfanten £eute,
bet benen alles nad) 9Jtuftern gehen muff, unb bie
bod) fo gierig auf bas lauern, roas anbers ift, über
bett Sd)htf 3 oon £en 3 ens Drama „Die fyreuttbe
ma©en ben s j©ilofophen“ ladjten. Dort überläfjt
ein ©atte feine ©attin bem b^imlid) ©eliebten
mit ben ebelmütigften Sßorten, um fortan nur
nod) als Dritter im 23unbe, als „beiberfeüiger 23e=
f©über“, 3 U figurieren. Denn „bie SBoIluft einer
grof 3 en Dat roiegt bie SBolluft eines großen ©e=
nuffes auf“. Sind) mag, roer muffte ober roeiff, bafj
biefer ©ebanfe bur© einen allerperfönlid)fteu
SBunf© ge 3 eitigt rourbe, ba £ett 3 bie ©attin eines
9lbligen liebte, fein befeligtes „51© fo—o!“ nur
ja nid)t oerfd)luden. Unb roo 3 u rügen, roas eine
gebanfenlofe, aber um fo berebtere gamüie 3Ri©el
etcoa berntaleinft über 5Ueift geäußert l)at, uttb
baf} eine Seele oon Detmolber Spieler an ^reilig*
ratb ben Dob ©rabbes als eines „unnützen jßhan*
taften“ melbete! 9CRart tarnt ni©t oerlangen, baff eine
gemeine Stubenfliege richtige 9lnfid)ten oon einem
s Ubler tjabe. Sd)Iimmer ift es freilid), roenn
ein 3 fflanb bie Aufführung bes „ftä©d)ens oon
<rjeilbronn" ablel)nt, fo bah 5Ueift ben „jkin 3 ett
oon £ontburg“ lieber gar nid)t erft eittrei©! 91od)
fd)limmer, roenn ein ©oe©e in feiner ©eheint*
rätlidjteit bem Did)ter über bie ,,^en©efilea"
ni©ts 3 u jagen roeiff als: er „oermöge fid) mit il)r
ni©t 3 U befreuttben“. Aut f©limmften, roenn biefer
felbe ©oe©e 3 um 23al©orn roirb unb ben „3er*
bro©enen £rug“ bei einer Aufführung in SBeimar
in brei Atte 3 erlegt, fo baff er bur©fällt. Au©
©rabbes Dramen finb oon ^trtmermann in Düffel*
borf nid© aufgeführt toorben. Der £err Dl)eater*
bireftor mül)te fi© mit Diedf©en Dramen ab,
liefe fid) felbft loben unb bad)te baran, ben „91a*
poleon“ als — „^antasmagorie“ auf 3 ufüijren.
©lüdlidjerroeife tarn er ba 3 u ni©t. ©r feielt es
im übrigen für bas ber Literatur 3 uträglid)fte, roenn
er ein ©enie roie ©rabbe Aollett abf©reiben liefe,
unb oerlangte bafür Dantbarteit, bas feeifet toeniger
freimütige idritifen oon ©m.
2Bas bie Di©ter felbft anlangt, fo fet)en fie 3 u*
meift red© gut, roas ©neu roürbe Reifen fönnen,
unb au©, rool)in ©r einfamer 2 Beg fie führen roirb;
aber fie gehen biefen bo©. £iejf fid) ber junge
©ün©er in £eip 3 ig no© herbei, mit ben SBölfen
3 u heulen:
SR an lügt 3Utoetlen na© ber SRobe
Unb na© ber SRobe lüg' au© t© —
fo begehrt fein ©eift bod) immer roieber gegen
bies Verfinfen in ber SCRaffe auf, unb nur in fold)en
Stunden fd)afft er Sßertoolles. Aud) ifere fehler
befd)önigen fie ni©t, ja fie übertreiben fie, fi©
felbft 3 ermarternb, ins Ungeheure, roie Sd)ubart
unb £en 3 . ©s finb feine Ubermenf©en, bie fi© felbft
berounbern, roie bie mobernen ftaffeehausliteraten,
mag au© bas ftofee Selbftgefühl bes S©öpfers
fie bann roieber f)o© aus ben büfteren 9tieberungen
emporreiffen. ©rabbe fprid© im ,,©o©lanb“ bas
ooral)nenbe, an ©oe©es §arfneroerfe oon ber
Sd)ulb erinnernbe Aßort:
Drum, rote fi© au© ber ©bie toeI)rt, um ni©t
3u fallen — fehlen, fallen mt© er bo©,
Denn felbft bie Daten feiner Sugenb roerbett
3u greoeltaten bur© bes <3©icffals Rügung!
Das f©limmfte Sd©dfal aber roar ©nett allen
bie Verftänbnislofigteit ber 9ftenf©en, ber oielen
unb befonbers ber roenigen, ob fie nun ri©teten
ober f©toiegett. 93tujften in ber Dat alle ©er ©e=
nannten „Uber 3 äl)lige“ fein? 2 Bären fie es in einem
anbertt als bem beutfd)en Volte aud) geroefen?
Sie alle? Das finb fjeifle fragen. Aber Dielleid©
finb fie nid© gatt 3 unnüt}, roentt jeber fie fid) mit
©rnft felbft 3 u beantroorten oetfud©. Denn I)aben
fie fid) aud) im £eben bef©eiben müffen, größer
geroefen ober Vefferes geroollt 3 u hdben als bie
oielen, bie 9Rad)roeIt oermag ©nett ben 5 tran 3 ni©t
me© oor 3 uen©alten. Unb roirb es au© im all*
gemeinen nie anbers roerbett als es roar, fo roäre
bo© f©on etroas erreid)t, roenn man fi© bes
fd)trellen Vßortes über 3 eitgenoffen, bie attbres
barbieten, als man 3 u fel)en geroöhnt ift, ent*
halten roürbe.
3n ben Stabten, in benen bie Sd)ar
roefteuropäif©er ABeltenbummler neu*
gierig uii©erläuft, lodt tool© ber oer*
f©m©te fyrentbenführer 3 tt abgelegenen
©afes, in benen ber „roirtlid)e, e©te“
Vau©tan 3 gegen hohes ©intrittsgelb ge*
3 eigt roirb, ober ber berüdenbe 3 oüber
einer arabifd)en gantafia bie nüd)ternen
©hriftenfinne umgaufeln foll. Droh
fold)er Sd)auftellungen, auf bie ber
Orientale mit f©roeigfamem §ohn her*
nieberblidt, trob ber 9tontane jSierre
£otis, troh ber Dagebü©er entroi©ener
§aretnsbamert roiffen roir nid)ts oon
bent Sßefen bes orientalif©en SBeibes,
fabeln roir uns irgenb etroas erotifd)
Seftridenbes 3 ufammen. Denn aus ben
tiefften Verborgenheiten ber orietttali*
f©en Seele roirb nie eine 23rüde hinüber
3 um Ot 3 ibent führen. K. E. K.
Die $rau int Orient
3 m 9lbenblanb 9 JH©anbelnbe (oiele
nt einen: bie allererfte) in ber Dragi*
tomöbie bes £ebens. 3tn Orient in bie
bunte ÜBelt ber ©ef©et)niffe tyntin*
gemalt roie eine fd)öne Deforation ober
banebengeftellt als 3 ierli©=unnüblid)e
Attrappe. Der 9Jiatttel ber Vera©tung,
mit bem ber Orientale feine gnmen um*
tleibet, ift oerbrämt unb gef©miidt mit
allen leu©tenben f 5 rorben träumenben
Spbaritentums. Die 3'*<mett bes Orients
finb oerborgen in ber geheimnisoollen,
ftumpfen 9 f iid)tstuerei bes §arems, unb
roie ihr $tntl© bur© bett S©leier oer*
hüllt ift für jebes frentbe 5luge, fo toe©
oon ihrem 911ettfd)entum in £iebe unb
toafj nur ber eine, ber ©etnal)l unb §err.
I
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Die guf 3 toaf©ung
Hber £anb urtb SJtecr
1336
Über £artb urtb Sfteer
1911. 9lr. 52
©eptemberluft, ©eptemberluft
Söltt ©pinngeroeb’ unb SIpfelbuft
Unb bem ©eltäff ber SUeute.
35er ©cbüö in langen ©ttefeln gebt
3)er Qagbburib in ben ©toppein fietst
— S)er sroanjigfie ift beute!
it biefem 3itat meines alten $reunbes,
Hauptmann Bift aus §]ortl)Dlm, lamt id)
paffenbermeife anfangen, nicht fo fehr, tuet! bas
Saturn beute nod) ftimmt, als meil es am lürsejtert
unb beutlihften bie 3ah re!5 3 e it unb Szenerie an*
gibt — es mar ber erfte 3agbtag.
' Stoppelfelder,. meibenbes 25iet), Brombeeren
an ben Heden unb Dau in ben Bofen, mittelmeer*
blauer Fimmel unb ftratjlenbe Sonne — groh*
artig!
3m Schatten eines Hünengrabs fafe eine Seine
3agbgefellfhaft unb hielt grühftüäspaufe; bas
Butterbrot mar oersehrt, bie pfeifen angegünbet,
unb. bie fdjmeren Dafhertlagen neben ben mühen
Hurtben.
: „91ber es fah ja hoch lein Hofe auf bem Sd)ul=
ader/‘ fagte ber 3ägernteifter, „urtb bas hotten
Sie uns bod) fo beftimmt oerfprod)en, Baftor
3enfen!“
(Es mar nämlich in ben guten alten 3eiten, mo
ein ©eiftliher aufeerorbentlid) gut feine Flinte
gebrauten unb feinen Hunb führen tonnte, ohne
oon jernanb oerletjert su merben.
. „Bein,. es mar feiner ba," ermiberte ber 9ln=
gerebete, „aber id) höbe mahrhoftig ben ganzen
Sommer hinburch Äampe bort gefehen, .unb id)
buchte baher —“
„91a, er ift heute morgen mohl auch nod) ba
gemefen,“ unterbrach ©ütsbefiijer Hange ben
©eiftüchen, „abei SBeber Beter hot oermutlich
feine Holsfdjuhe angegogen, ehe mirinunfre Stiefel
gelommen finb."
„Das ift höd)ft mahrfdjeiniid)/' fagte ber Sohn
bes 3ägermeifters, ber Heutnant, ber bie 3agb=
ferien bei bem Bater oerbrachte. — „Das erinnert
mich übrigens an bie ©efd)id)te mit bem fran 3 öfi*
fd)en Briefter!“
„2Bas ift benn bas für eine?“
„Bd), bas ift eine, bie ich oon meinem Bitt*
meifter gehört höbe.“
„91a, bann banle id)!“
„3a, es ift mirflief) tein emsiges unartiges BSort
barin, aber —“
„Dann her damit!“
J. Der fieutriant fah halb fragenb su Baftor
3enfen hiuüber, ba ber aber offenbar auch bafafj
unb auf bie ©efhihte martete, ebenfo mie bie
anbern, machte er feine meiteren ümftänbe, fonbern
ersählte folgendermaßen t
„(Es mar an einem Sonnabenb im Buguft
unten in einem Seinen fran 3 öfifcf)en Dorf. Der
Bfarrer, ber braoe Bater 91icoIas, fah ba unb be*
redete mit feiner alten Haushälterin, mas fie am
nächften Dage effen mollten, unb fie mären gerabe
SU bem Befultate gefommen, bah ber betagte Hahu,
ber im Bugenbltd nod) braunen auf bem Hof lräl)te,
ohne Unrat 3 U ahnen, in ben fchmarsen iteffel
geftedt merben folle, als ein junger Bauer erfhien.
„9fh, bu bift es, lieber 9Battf)ieu!“ fagte ber
Bforrer freunblidj. „51omm herein, mein Sohn,
mas millft denn bu?“ -
3a, S01attl)ieu mollte fehr gern mit Bater
91icoIaS unter oier Bugen fpred)en, benn es mar
fo etmas mit 3meifeln unb ©emiffensfragen, mas
er auf bem He^en hatte.
Der Bforrer feuf^te, bie Haushälterin mürbe
entlaffen, unb Biattt)ieu begann:
„Hm, morgen fängt ja benn die 3agb an!"
„Herrgott, f<hon morgen?“
„3amohh morgen. 3h hab' felbft im Ie|ten
palender nadjgefhlagen, ben ich mir 3 u 91eujahr
gelauft habe. Dann muh es mohl fo Jein. — 3a,
bie 3eit oergeht!“
(Es entftanb eine Baufe. 9Battl)icu fah ba unb
hoffte, bah Bater 91icolas etmas fagen mürbe,
aber ba ber fich abmartenb oerhielt, muhte ja
9Battl)ieu felbft heran, unb fo fuhr er benn fort:
„Blorgen ift ja Jonft eigentlich Sonntag!“
Dies mar eine fo unumftöhtiche BSahrheit, bah
ber Bforrer nur betätigend nidte, aber gar nicht
antmortete, unb besmegen muhte. 9Jtattf)ieu, ohne
ba-h ihm jernanb auf bie Sprünge geholfen hätte,
mit ber fyrage herausrüden, um deren Beantmor*
tung millen er gefommen mar. Ohne meitere ©in*.
Ieitung fragte er bann:
>,©s fann hoch mohl nid)t [haben, menn ich
morgen einen Hofen fliehe?“
„BSas benfft bu bir eigentlich!“ rief ber Bfarrer
aus unb fefete eine gans empörte SOliene auf.
„Bm Sonntag fliehen! Bn einem Feiertag Blut
oergiehen — oielleiht mährenb id) bie 9Jieffe Iefe!
— Unmöglich!“
9Jiatthieu fah [ehr niebergefhlagen aus. „Dann
geht (Eolin, ber Äerl, hm unb fchieht mir 991otttag
morgen meinen Seinen Hafen meg, mährenb ich
in ber Stabt bin — benn ich utuh morgen abenb
oerreifen!“
„(Einerlei!“ jagte Bater 9ÜcoIas. „Du mirft
boch mohl um eines Hafen millen feine Sabbat*
fd)änbung begehen?“
91ein, bas mollte äRatthieu ja nicht — fehr um
gern menigftens —, aber es märe bod) fo fchredlid)
ärgerlich mit bem Hafen — obenbrein hotte er
Befud) aus ber Stabt ba 3 u auf ben Dienstag ein*
getaben, unb jeht—“
„Befuch basu eingelaben!“ unterbrach ilm ber
Bforrer inbigniert. „9fber mie fannft bu benn
überhaupt miffen, ob bu —“
3a, meinte 9Jlatthieu, es mar ja bod) gan 3
fidjer, bah er ben Hofen treffen mürbe, menn er
nur fliehen burfte, benn ben gansen Sommer
hinburch hotte er ihn jeben 91iorgen an einer
Jteinernen SOlauer fihen fehen, unb marum follte
ber Hofe gerabe morgen nicht ba fein — ber hatte
ja boch feinen Efalenber! — Der Herr Bforrer fonnte
ihm bod) gern 9lbfolution für bie Seine Sünbe er*
teilen. — „(Es ift ja boch nur ein gan 3 Seiner Hofe,“
fügte er entfchulbigenb l)msu, „nid)t mahr, Herr
Bfarrer!“
Bater 9ücoIas mar ein guter SOlann; unb Bater
91icolas lieh Ü<h benn fd)liehlich auch bemegen:
SOlatthieu befam mirflich (Erlaubnis, ben Seinen
Hafen su fliehen.
„BSo fagteft bu, bah er 3 U fitzen pflegt?“ fragte
ber Bfarrer, als 9Jtattf)ieu fchon halb 3 ur Diir hin*
aus mar.
„Unten an ber fteinernen 9Jlauer, bie (Eolins
3 elb oon bem bes Döpfers trennt,“ lautete bie
Bntmort.
„9ld) fo, ba! — 9lbieu, lieber Biatthieu, unb
glüdauf 3 ur 3 ogb!“
Diefer 9Ibfd)iebsmunfch mar nun gar nid)t
nad) 9Jiattl)ieus Sinn — benn in Oranfreidj ift
man ebenfo mie hier bei uns ber Hinficht, bah f°
ein BSunfd) Unglüd bringt — unb als er am
nächften Blorgen ein but$enbmal ober mehr an
ber fteinernen 991auer entlang getrampelt mar,
ohne auch nur eine Spur oon einem Hafen 3 u
fehen, mar er fich fo siemlich Sar barüber, bah er
ben letjten BSorten bes Bfarrers fein Unglüd su
oerbanfen habe. (Er mar fdf)on im Begriff, nach
Haufe su gehen, als er (Eolin begegnete.
„©uten Dag, SÜlatthieu,“ fagte ©olin. „BSas
mach ft bu benn hier?“
„9ld), es ift ber Hafe, bu meiht ja,“ antmortete
Blatthieu.
„9lch, ber!“ Unb bann lachte (Eolin.
„ 3 a, bu haft ihn am ©nbe f©on nieber*
geSiallt?“
„3<h? Bein, id) bin gerabe eben erft her*
getommen.“
„9lber mer !ann benn mohl hier gemefen fein?“
„ 3 a, bas ift nicht gut su miffen,“ entgegnete
©olin bebädjSg. — „©s follte bod) nicht etma
Bater 91ioolas gemefen fein?“
„Der Bfarrer!“
„3a, ich habe ihn menigftens gleich nad) Son*
nenaufgang mit einer alten Büchfe in ber Hanb
hietherfchleidjen fehen, unb gleich barauf fiel and)
ein Schuh-“
„ 3 ft bas möglich!“
„3a, unmöglich ift es nid)t — ba fällt mir
übrigens ein, bah meine 3mu fagte, fie hätte oor*
hin gefehen, mie bie Haushälterin bes Bfarrers
einen Hafen ab 3 og. — 9lber ben dann er ja immerhin
gefhentt betommert : haben,“ fügte ©olin hid 3 U.
„Du haft ihn ihm mohl bodj nicht am ©nbe gar
felbft gefhentt?“
93tattl)ieu ermiberte tein BSort, fonbern ging
nah Haufe. Die ©äfte aus ber Stabt betamen am /
Dienstag teinen Hafenbraten, unb mehrere Btonate
hinburh grühte er Bater 91icoIas niht, menn er
ihm begegnete, fonbern tat, als tenne er ihn niht-
Blatthieu mar inbes ein gutmütiger Blann, unb
als er ein 3 ahr barauf eines Bbenbs 311 m Bfarrer
tarn, hatte er bie ©efhihte mit bem Hafen fhon
faft oergeffen — ober menigftens befdjloffen, niht.
mehr bar an 3 U benten.
„9tun, lieber 9Jiatthieu,“ begann ber Bfarrer,
„mas haft bu benn jeht mieber auf bem ©emiffen?“
3a, Biatthieu mollte Bater 9ticolas bitten, ihn
am nähften Sonntag. 3 U trauen. — Die Bapiere
maren in Drbnung.
„©i, ei, bu millft bid) oerheiraten! Das gefällt
mir! 9lber baoon habe ih ja niht bas geringfte
gehört — mer ift benn bie Braut?“
3a, bas mar ein 9LRäbd)en namens fiouifon,
aber fie mar nicht hier aus bem Dorf, fie mar
brüben oon jenfeits bes Süuffes, aus St. 9to<he —
unb ber Bater mar Blüller.
„St. 9tcd)e?“ mieberholte ber Bfarrer. „St.
9todje! 3a, ba bin ih einmal oor oielen 3 ah^en
gemefen. ©s ift eine fhöne, fruhtbare ©egenb,
unb ih glaube mahrhaftig auh, ih tann mih nod)
ber 9Jtühle entfinnen — liegt bie niht 3 ur rechten
Hanb, menn man oon hier tommt, ein Stüd hinter
ber 51irhe?“
Biatthieu mar gerabe im Begriff, 3 U ant*
morten; im felben Bugenblid aber burd) 3 udte ihn
gleih einem Blih ein häßlicher Berbaht, eine
lange unterbrüdte Bitterleit ftieg in ihm auf. ©r
fah ben Bfarrer mit einem unbefhreiblidjen, 3 U* •
gleih bummen unb pfiffigen Blid an, ftanb auf
unb fagte: „91ein, Bater 9ticoIas — bas ift benn
bod) 3 Ü beutlih! So bumm bin ih beim bod)
auh md)t — ih meife nod) gans genau, mie es
mit bem Hafen gegangen ift!“ r‘
Der ©r 3 ähler fah 311 Baftor 3enfen hinüber,
unb unmilllürlid) taten ber 3 ägermeifter unb ber
©utsbefiher bas gleihe. 9lber Baftor 3enfen legte
fein oergnügtes ©eficht in ernfte galten unb Jagte
mit ruhiger Überlegenheit: „Das ift boh eine oört
ben ©efhihten, bie man nur aus Jfcanfreid) unb
niht aus Dänemarl er 3 äljlen lann.“
„91a, na!“ murmelte ber 3ägermeifter.
„9lber ih bitte Sie! — Sagten Sie niht,“
manbte fid) 3enfen an ben Heutnant, „bah es an
einem Somtabcnbabenb im Buguft mar, als
931atthieu 3 um erftenmal sum Bfarrer lam?“
. . „3a!“
„Bun, ba fehen Sie felbft: hier bei uns beginnt
bie 3agb boh erft im September!“
(Hluiorifierte Übeijehung oort Blathilbe äUann)
1911. ütr. 52
Über £anb unb 9Jteer
1337
OfJ-icE)t mit Unrecht t)ot mart bas
V l ©efid)t bert Spiegel ber Seele
genannt. 3e fchneller fid) bie ©e=
mütsbemegungen in unfernt Innern
ablöfen, um fo fchneller medhfelt auch
ber ©efidhtsausbrud. kleine ftinber
tonnen „in einem 3uge" meinen
unb lachen. Anberfeits lernt ber
©tenfd) auct) bie ftunft, feinen ©e=
fichtsausbrud gu beherrfctjen. So
hat man ben geborenen Diplomaten
im ©erbacf)t, bah er gang nad) ©e=
barf ein gleichgültiges ober ein ftart
intereffiertes ©efictjt machen tönne,
unb bah er es in ber gertigteit,
überhaupt teine ©tiene gu oergiehen,
am meiteften gebracht hätte. —
Aufmert famteit
Die Gtirnmusteln gtehen ftd)
3 ufammen
Überlegung
Die Augenrmgmusteln 3 tehen
fidE) äufammert
Särrunuskä
Sdi/äfenmusM
Sd>mer3
3Iugenbrauenrun3ler, Augen=
[(^lieber unb Stimmiger
betoegert fidj nach oben
Aasemüdcenm.
Misemmis/cel
lierrdifferOberl/fpenm.
-- Lacfmutsket
Viereckiger Unterüppenmuskel
- Draecksmuskd
Kinnmuskd
Die Pusteln bes ©efichts, bie bas ©tienenfpiel bemertftelligen
(Wach bem 2ßalbeperfd)en Atusteltorfo)
©Beinen
Der Oberlippenheber fpannt
fidE); ebenfo bas 3od)bein
Partien ber ffjaut unb ermöglidhen
baburd) bie ©limit bes ©efichts.
Das ©tienenfpiel unfres ©efichts
hat aber and) feinen ©egiffeur! Das
ift ber ©efichtsnero, ber fidh oon ber
Ohrgegenb aus über bie gange ©e=
fid)tsmustulatur oerbreitet, ©r oer=
mittelt bie burd) irgenbmeldhe
äußeren Vorgänge oeranlahten oer=
fdhiebenen ©inbrüde bes ©ehirns nad)
ber ©efid)tspartie.
Die Anatomie lehrt ben ©au
unb bie Anorbnung ber ©lustel-
bünbel unb ihre ©Birtungsmeife
lernten. ©tan meih genau, melche
©tusteln in Dienft treten müffen,
um biefe ober jene ©emütsbemegung
Sachen
Die großen 2>od)beinmus!eTn
fpreigen fid)
r ^
©itterlicb meinen
§ebung ber Wafenlippenfaltc,
tooburd) bie fog. Dränem
fnrdje entfteht
©tan barf bas ©efidjt mit feinem medj*
felnben ©tienenfpiel mit einer ©ühne oer*
gleichen. Das £auptrüftgeug für bas ©e=
lingen bes Spiels liegt hier mie bort hinter
ben Stuliffen. Aud) bas ©tienenfpiel hat
feinen „SdEmürboben", eine überaus feine
©tafchinerie — bas ift bie ©efidhtsmustu 3
latur, bie fidh uns nadE) ©ntfernung ber
©efidjtshaut geigen mürbe. Sie ift ein
Spftem bünner gteifdE)Iagen, bie burdE)
ihre 3ufammen= ober Auseinanbergiehbar^
teit bie ©eränberungen im ©efid)tsaus=
brud heroorbringen.
©Bie eine unfrer Abbilbmtgen geigt, ift bie ©tustulatur bes ©e=
fichts auherorbentlid) oielfeitig entmidelt. Sie befilgt oor ben anbern
©tusteln unfers Körpers baburd) eine ©efonberheit, bah fie nicht
oon ftnodjen gu Änodjen geht, fonbern bah fie bie Anfahpunfte
an ber $aut bes ©efichts tjat. ©Bie alfo bie Störpermustein gmei
Knochen gur Annäherung bringen, fo oerbinben bie ©efidhtsmusteln
©eradjtung
Die Dreiedsmnsteln bes Atunbes
3 tehen bie Unterlippe nad) unten
gum Ausbrud gu bringen. Solche ana=
tomifche Stenntniffe finb gum ©eifpiel
für ben bilbenben Stünftler unerlählidh-
Die Anatomie hat es im ©unbe mit ber
©fpdjologie fogar unternommen, ben ©e*
fichtsausbrud je nach ber offenbarten ©e=
mütsbemegung unb ben in Dätigteit ge°
tretenen ©efiditsmusteln auf ein Sdjjema
gu bringen unb in feinen dharafteriftifchen
Sinien feftguhalten.
3e einfacher bie geidhnerifchen ©littet
eines ©efichtsmalers finb — man bente
an ©ßilhelm ©ufdh unb an bie Stünftler
um fo fidherer muh er bas ©inmaleins ber
Sinienführung bes ©efichts bet)errfdE)en.
Unfre Abbilbungen geigen einige ©efidjtsfdhemas, unb ber
unter jebem ©ilbe ftehenbe Dert begeithnet mit turgen ©Sorten bie
jemeilige ©lustelleiftung. „ ^ m
1 ö 1 9 Dr. 3ames ©aumann
unfrer SBitjblätter
1338
1911. 91r. 52
C/)ie t CJ^Üftuvder ( C/egetiwav
Jöifdende tarnst
SD? a I e r i f cf)
ßieft unb t)ört man herum, rote heute im all*
gemeinen biefes NSort angetoenbet toirb, fo möd)te
man fagen: „Ntalerifch heifct, toas nicht gemalt
toerben tarnt." Damit ift natürlich nicht gefagt,
bah es nicht jemanb mit Farben auf einer meinen
gläd)e abfd)ilbern tönne, fonbern nur, bah es tein
malerifd)es ftunfttoert, fein „Nilb“ im eigentlichen
Sinne ergibt.
2Bas ein „Nilb" ift? geh tann mid) hier
nicht auf Definitionen einlaffen unb muh ntir
mit einer Umfdjreibung helfen. Dreien mir
einen Nugenblid auf bas ©ebiet ber Ntufit,
bas mehr SDtenfchen oertraut ift als bas ber
bilbenben ftunft! 2Ber ein Sieb in Däne
feßt, ift nur einen Nugenblid frei. Sobalb
er bie Donart getoählt hat, bleibt er an fie
gebunben (ich roeih, bah bas nicht gan 3 ge*
nau ftimmt, aber brauche barauf feine Nüd*
fid)t 3u nehmen). Die Ntelobie, fönnte man
fagen, ift ein ©etoebe aus Dänen einer be*
Jtimmten Nrt. 3a bernfeiben Sinne ift bas
Nilb als ftunftform ein ©etoebe aus garben
einer beftimmten Nrt. Nialerifd) ift alfo nur
ein Ntotio, beffen Nrt erlaubt ober fogar for=
bert, bah es in ein folches ©etoebe um=
getoertet toirb. Nile feine fonftigen SReije
fommen babei nid)t in Netrad)t.
2ßer baraufhin irgenbein Nilb irgenb*
eines echten Nlalers aus irgenbeiner 3eit
anfieht, toirb fofort begreifen, toas hier ge*
meint ift. Unb toirb, toenn er 3 U benen ge*
hört, bie es oorher rtid)t touhten, ettoas gan 3
anbres fehen als früher, es 3 um erften Nlale
toirflich als „Nilb“ fehen unb nid)t bloh als
©egenftanb ober als Stimmung, jeßt erft
empfinben, toarum ber Äünftler biefes Stüd
2ßelt gemalt hat. 3roei, brei garben finb ba,
einmal ftarf unb flar, bann in lebhaftem
Spiel in fleine Rieden aufgelöft unb burd)=
einanber gefd)lungen ober nuanciert unb bis 3 um
Nerflingen abgetönt. Reiche Ntannigfaltigteit unb
gefd)Ioffene ©inheit fönnen fich auf biefe Nrt unb
nur auf biefe Nrt miteinanber oerbinben.
Denft er ein toenig toeiter unb hat er felbft bie
2ßelt gut angefehen, fo toirb er finben, bah ein
foId)es Nilb fo gut toie niemals bie Nbfd)ilberung
eines SPlotioes ift, fonbern bah ber Dealer offenbar
3 ugunften ber 5tunft oon ber Natur abgeroichen ift.
Der Sd)affenspro3eh ftellt fid) etoa fo bar: ber
Natureinbrud hat ihm ein Nilb in einer beftimmten
Donart entftehen laffert, unb er hat bann alles
entfernt ober oeränbert, toas nicht 3 U ihr paht.
Nun fann ich 3U bem Nusgangspuntte 3 urüd=
fehren. SEBeber ber „Naebeter“ nod) ber ^rioat=
mann, toenn er eine Stabt ober eine fianbfdjaft
malerifch nennt, gebraucht bas SBort in bem eben
be 3 eid)neten Sinne, ©r meint eigentlich nur, bah
bie ©rfcheinung rei 30 oll ift, unb fragt nid)t toeiter
banach, toorin ber Nei 3 befteht.
Nm häufigften toirb bie Ne 3 eid)nung auf alte
Stabte angetoenbet. Nnalpfiert man aber, toas
eigentlid) an bem Nnblid fd)ön ift, fo finbet man,
bah es bie formen finb ober, auf bie gläd)e über*
tragen, bie ßinien in ihrem Schtoung unb in
ihren Hberfchneibungen. Unb gan 3 ebenfo fteht
«JSljot. iöeder & 'JJ!aa|j
Professor Josef Israels, der berühmteste holländische
Maler der Gegenwart, starb am 12. August ds. Js.
im Alter von siebenundachtzig Jahren
es mit getoiffen ßanbfchaften, gerabe altberühmten
fd)önen ©egenben, bah bie Umriffe ber Nerge, ber
2Bälber, ber Naumgruppen, bie Nänber ber Seen
unb glüffe bas Nuge ergäben unb nid)t bie färben,
©in anbres Ntal mag es bas reiche Spiel oon £id)t
unb Schatten fein, bas ben Nei 3 eines Nlides aus s
macht.
ginbet ber £efer mich oie!leid)t pebantifdj?
Nieint er, bah bod) toirflid) nichts barauf anfommen
fönne, ob man eine fd)öne Sad)e fo ober fo nenne?
Nun, id) toürbe mir getoih biefe gan 3 e Nuseinanber=
febung gefpart haben, toenn ich nicht glaubte, bah
bie irrtümliche Nntoenbung bes SBortes malerifch
in 2Birtlid)teit eine grohe Dragtoeite gehabt hat
unb nod) hat.
Sie ift bem Nerftänbnis für Nialerei ebenfo
im SBege toie bem Nerftänbnis für bie Sd)toar 3 3
roeihtunft, fie füllt, ba fet)r, fehr oiele ftünftler unter
ihrem ©influffe ftehen, unfre Nusftellungen unb
Käufer mit Nilbern, bie teine finb, bie toeber
fchmüden noch auf bie Dauer erfreuen tönnen,
unb fie läht ben Sinn für Nrdjitettur erft gar nicht
auftommen. Sie enblid) ift es, bie bas Nublitum
gegenüber ber mobernen Nialerei, bie toieber
Nialerei fein toill, in allen Nhafen ihrer ©nttoidlung
ungered)t gemacht hat. gft bas genug?!
gangen toir mit ber Sd)toar 3 toeihtunft
an! 2Barum bürgert fie fid) nid)t ein?
SBeil man fie für eine Nrt minbertoertigen
©rfaßes bes farbigen Dlbilbes hält.
3n 9Bahrl)eit ift fie ettoas gatt 3 anbres
unb hat ihr eignes Neich- Nlles bas, toas mit
Unredjt malerifch genannt toirb, alles, beffen
Nei 3 nicht in ber garbe befteht, fonbern in
ber ßinie unb in ßicht unb Schatten, gehört
ihr unb mühte oon Ned)ts toegen ober oon
ftunft toegen ihr allein gehören. Dann toürbe
fie blühen unb — §unberte fd)led)ter Nilber
toürben aus unfern Nusftellungen oer=
fd)toinben.
Dann toürbe bas „Nilb“ toieber in fein
Ned)t treten. Das Nuge bes mobernen
Ntenfchen, bas, toie id) glaube, bie Natur
fchärfer unb feiner fieht als bas irgenbeines
früheren, ift für bie Ntalerei baburd) oer=
borben, bah es fo oiele Nilber anfchaut,
bie teine finb, bah es getoöhnt ift, jebe be=
malte ßeintoanb als Nilb gelten 3 u laffen.
Die moberne Ntalerei geht barauf aus, toie=
ber nur burd) bie garbe 3 U toirten, fie toill
nid)ts als ben toloriftifchen Nei 3 ihres Niotios
Hingen laffen, ben aber mit ooller ftraft.
Sie ftellt bie 5?unft ber Natur gegenüber als
ettoas ©ignes, bas feine eignen ©efetje hat.
2Bie follte fie 3 u Nugen fprechen tönnen, bie
toeber bie Neinheit nod) bie Nielobie ber
garbe empfinben, fonbern in ihr nur ein
SDiittel fehen, ein Nbbilb ber Natur toirt=
lieber, täufd)enber erfcheinen 3 u laffen.
Unb toie foll bie Nautunft bas g^tereffe auf
fid) 3 iehen, toenn man bie SBirtung ihrer 2Berte fo
oertennt, bah man fie mit bem Namen einer anbern
itunft be 3 eid)net?! 2Bie foll nur bie Denben 3 bes
eignen Nauens gefunb unb richtig fein, toenn fo=
3 ufagen bas Ntalerifd)e als 3t>^al oorfd)toebt?!
3n ber Dat, bie gan 3 e Nerirrung ber polt)te<hni=
fehen Nrd)itettur ift auf bie Nertoedjflung ber bau=
tünftlerifd)en unb malerifd)en NSirtungen 3 urüd=
3 uführen.
©s ift alfo bod) toohl recht nötig, bie Negriffe
3U tlären. g r i h <31 a 1) l
Die ^enta frinfbar burch Öjon
Ofjor mir liegen alte Nriefe aus Niünchen, ge*
fdjrieben, als nod) bie ©holera feine Ne=
toohner be 3 imierte. Das gurchtbare fd)toerer
©pibemien laftet auf fonft oon heiterer ßebens*
auffaffung geführten gebem unb hat felbft ben
unoertoüftlichen §umor eines ^occi gelähmt. 1854
fchilbert er bem greuttb bas „fchauerli^e ©efid)t“
ber Stabt, „©inem ungefchlachten Dämon gleich
greift unb tappt bie ©holera in allen Käufern um=
her. 2Bie hohe §errfh)aften oft lintifche Diener*
fd)aft haben, bie bie Nifitentarten herumträgt, hat
ber Nllerhöchfte fich ein gan 3 turiofes 2Bert3eug
feiner ^räfen 3 manifeftation getoählt!“ — Das
toar auf ber britten NSeltreife ber Seuche. SBeitere
folgten, bis fanitäre SNahnahmen ben Nttaden auf
bas Neich ein 3iel festen, oor allem bie Nerforgung
mit gutem Drinftoaffer. 9Jian hat beffen Nebeutung
im 5tampf gegen bie gnfettionstrantheiten eine
3eitlang unterfd)ät|t. Nettentofers Nobentheorie
fprach für anbre gattoren. ©rft bie ©ntbedung
ber erregenben Natterien burch Nobert Äod) unb
feine Schule, ihr Nachtoeis im SBaffer ftellten ber
mobernen §t)giene bie Nufgabe, biefen Äanal 3 um
menfd)li<hen Organismus ber ©holera, Nuhr, bem
Dt)pl)us unb Niil 3 branb unter allen Xlmftänben
3 u oerfd)Iiehen. Dah ber 2Beg richtig, hat unter
anberm 1892 bas erplofioe Auftreten ber afiatifd)en
Seuche in Hamburg, bereu f^arfe Nbgren 3 ung
gegen bas gefunbe ©ebiet bes Nltonaer NSaffer*
toerts betoiefen.
2Bas oerlangt man nun oon brauchbarem
Drinttoaffer? ©inmal getoiffe allgemeine ©igen*
[«haften. Sie be 3 iehen fich auf Demperatur, 5talt=
geholt ober £ärte, Neinheit, ©eruch unb ©efdhmad.
Dann aber, batteriologifch, eine Niinbeft3al)l ftrant*
heiten oerurfachenber 5teime. 3^ einem Äubit=
3 entimeter füllen ihrer nicht mehr als ettoa 100
fein. Das finb 100 000 fteime auf bas ßiter; bie
gorberung erfcheint bal)er mäßig. Sie ertlärt fid)
burd) bie 2BiberftanbsfäI)igteitbes gefunben Darms,
bie 3 u erhalten, man aber aud) für Nefeitigung oon
©ärungs* unb gäulnisbatterien, parafitären 2Bür=
mern forgen mufe. Nun gibt es Duellen, tiefgeljenbe
Nrunnen, bereu örtliche Nerhältniffe — unb biefe
finb t)ter oon größter SBi^tigteit — fie ohne
toeiteres als ßieferanten eintoanbfreien Drint*
toaffers d)aratterifieren. Nnbers befonbers bie
Oberflächentoaffer, Näd)e, glüffe, Seen, in be*
lebten ©egenben. gaft immer oerbächtig, bebürfen
biefe meiftens forgfältiger Neinigung. 9Nan er*
innere fid), bah ftod) in ber Spree oiele äRillionen
Natterientolonien fanb.
Die Dedjnit hat bafür oerfchiebene Niethoben
erfonnen. 2Bo es fid) um Drinttoafferoerforgung
im groben hanbelt, ift mit Sanbfiltern Nefriebi*
genbes geleiftet toorben. Nefriebigenbes nad) bem
Urteil ber §t)giene fdjon bann, toenn bie Äeim3ahl
bes Nol)toaffers fid) auf minbeftens 3 toei Nt 03 ent
oerringert. gobeffen töten gilter bie Ärantheits*
erreger nidjt, halten fie oielmehr nur mechanifd)
3 urüd. ©s fehlt alfo bie abfolute Sid)erheit bes
Nrbeitens, bas fid) überbies, oon Schnellstem
abgefehen, oerhältnismähig langfam ooll 3 ieht, forg*
1911. 5Rr. 52
Über £artb unb äfteer
1339
famfte Pebienung unb Kontrolle
f)eifd)t.
Sei 23etriebsftörungen, abnormem
Serbraud) — mir haben fürglid)
erlebt, mie hoch §ihtnellen ben
ftäbtifd)en Aüafferfonfum an einem
Tage treiben tonnen — finb fold)e
Anlagen unjuoerläffig. ©s galt,
biefem fd)toermiegenben Nachteil,
aud) bem oft gemaltigen Raum»
bebarf 3 u begegnen. Das SRittel
bot bie ©leftrod)emie.
Unfre £uft enthält oiel Sauer»
ftoff. ©s ift nun eine alte (Erfahrung,
bafe biefer teilmeife eine Reränbe»
rung erfährt, menn man (Elettrigität
fich unter hohe™ Drud burd) bie
fiuft entlaben läfct. 2Bas entfteht,
hat ber ©ntbeder Schönbein bes
intenfioen ©erudjes megen nach bem
gried)ifchen 2 Bort für riechen O 3 on
genannt.
2 Bohl febem ift feine Silbung bei
©emittern unb in ber Rähe oon
(Elettrifiermafd)inen fd)on aufgef allen.
Das £) 3 on befiht bie ©igenfdjaft,
aufjerorbentlid) leidet auf anbre Stoffe 3 u mir»
ten, 3 u orpbieren unb, genügenb ton 3 entriert,
Kranffjeitserreger 3 U oernichten. Darauf aber
tommt es an. 9Ran brauste baher nur ein
Verfahren, es in größeren Atengen 3 U geminnen,
um bie mirfliche Sterilifierung bes Trinfmaffers
3 U oerfuchen.
Klärbehälter (lints), Rohrleitung unb Sdjnellfilter (red)ts)
fd)aft übernommenen gelten & ©uilleaume=£ah =
mepermerfen auf bem ungereinigtes Rema»
maffer liefernben Penfomajamerf ausgeführt.
Die Äeiftungsfähigteit beträgt runb fünf 3 ig»
taufenb Kubifmeter täglich, bas ift etrna ber
fedhfte Teil beffen, mas Perlin am 29. 2>uli oer»
brauchte.
©leftrifche 3entrale bes O 3 onmerfes mit Drehftromer 3 eugern (rechts), $od)frequeu 3 umformem (lints)
unb |jauptfd)alttafel
Seibes ift nach langjährigen Arbeiten ge»
lungen. Die ©Beugung bes 030 ns burd) mamtig»
fad)e Peroollfommnung eines fd)on 1857 oon
Siemens tonftruierten Apparates, ber bie mit
§ilfe eines fd)nell feine Rid)tung änbernben
elettrifdjen Stromes tjeroorgerufenen ©ntlabungen
als fülle £id)terfd)einung burd) bie 3 U 030 m*
fierenbe £uft führt; bie Reinigung auf bem
SBege finnreidjer Kombination oon
Sorrid)tungen, mie fie uns in neuefter
$orm einige Silber bes ©nbe oorigen
Jahres oollenbeten Petersburger
O 3 onmertes 3 eigen.
Die £auptftabt bes oon ©pi»
bemien taum je freien ruffifchen
Reiches oerfügt über brei SBaffer»
merte an ber Rema. Rur bas größte
ift mit Sanbfiltem oerfehen, unb
aud) biefe genügen heutigen An»
fprüdjen nicht mehr. Um bes Tppljus
£jerr 3 U merben, empfahlen heimifd)e
fjpgienifer bie Anmenbung bes
030 ns. Sie tonnten fich'auf erfo!g=
reiche Anlagen in fjranfreid) unb
©nglanb, in ÜBtesbaben, Paber»
born, £jermannftabt, oor allem auf
bie mehrfach geprüften ©rgebniffe
ber $irma Siemens & Ejalsfe in
Atartinidenfelbe ftütjen. Diefe hat
bann aud) oon ber Duma ben Auf»
trag erhalten unb bie ©inrid)tungen
gemeinfam mit ber ©ompagnie be
l'Dflone unb ben neuerbings oon
ber Allgemeinen ©leftri 3 itätsgefell=
Das aus bem ftluh gepumpte Rohmaffer gelangt
3 mtäd)ft in ad)t Klärbehälter, erhält aber oorher
fdhon einen 3ufah oon fdhmef elfaurer Tonerbe, beren
chemifd)e SBirfung ber Sorreinigung bient. Rohr=
leitungen führen es bann auf ebenfo oiele ameri»
fanifchc Sdjnellfilter mit Rührmert unb einer ftül»
lung aus Ouar 3 fanb, bie alle fchmebenben Stoffe
3 urüdhalten. j>eht erft erfolgt bie bafterien»
3 erftörenbe Sehanblung mit 030 a. Um biefes 3 U
fdjaffen, hat man in einer eignen elettrifd)en 3 eu=
trale — fie liefert mit ihren 300 Pferbeftärfen, bie
Referoe nicht gerechnet, aud) bie ©nergie 3 um
Antrieb ber oerfd)iebenen Riotorert — R?afd)inen
aufgeftellt, bie ben oon einer entfpredjenben An»
3 ahl Dampfbpnamos probu 3 ierten Strom fo
ummanbelrt, bah er in ber Setunbe
taufenbmal bie Richtung med)feit.
Anwerbern erhöhen Transformatoren
feine Spannung auf 3 irla 7000 Solt.
Unter biefer 3 erfet$t er nun in mage»
red)t angeorbneten, je fed)s maffer»
gefühlte O 3 onröl)ren umfaffenben
Kalten bie in biefe eingeführte fauer»
ftoffhaltige, oorher getrodnete £uft,
unb 3 mar fo, bah fich ttt einem
Kubitmeter etrna 2,5 ©ramm © 3 on
bilben. ©s finb 128 fold)er Apparate
oorgefehen, beren Anorbnung auf
eifernen ©efteilen eine unfrer Ab»
bilbungen miebergibt SBafferftrahl*
pumpen treiben bie o 3 onifierte unb
in fogenannten ©mulfeuren bereits
mit bem aus ben filtern tommenben
ASaffer gemifd)te £uft meiter auf bie
Sol)ie oon mit Kies gefüllten Sterili»
fationstürmen. Durch biefe fteigt fie,
in inniger Serüljrung mit bem ASaf»
fer, empor unb befeitigt babei beffen
Satteriengehalt oollenbs.
Das fo feimfrei gemorbene Rein»
maffer gelangt enblid) über Kas»
faben, bei beren Paffieren bie über»
fchüffige O 3 onluft entmeid)t, in
Sammelbeden unb oon biefen 3 um
ßeitungsnetj.
Das Refultat entfprid)t nad) bem Urteil
Dr. ©rlmeins*) allen ©rmartungen. Rtart hat im
Kubif 3 entimeter fterilifierten Remamaffers nicht
mehr als brei Keime, ©holera» unb Tppl)usba 3 illen
überhaupt nicht gefunben. Das ift für einen
Seuchenherb mie Petersburg natürlich bas mid)=
*) „Ted)ntfcf)e Runbfchau“ 1911, <5. 143.
Sdjnellfilter mit Rührmerfen
tigfte. 9täd)ftbem entftebt bie frage nach
ber 2 Birtfd)aftlid)leit.
fn ber ruffifdjen Sjjauptftabt toirb
man für Setriebstoften, einfd^Itefelid) 93or=
flärung nnb filtrieren, etroa 1,7 Pfennig
pro Kubitmeter regnen müffen. 2 ßenn
baoon annäl)ernb bie Hälfte auf bie
£) 3 onifierung allein entfällt unb fid)
biejer Setrag unter beutfcfyen Sert)ält=
niffen auf runb 0,6 Pfennig ermäßigt,
fo tritt bie £>tonomie bes Verfahrens
bamit ber reiner Sanbfiltration gleid)=
roertig an bie Seite. Der bafteriologifd)e
©ffett, ben man unter ooller SBürbigung
aller auf Slaffenerfrantungen folgenben
Serlufte unb [einer, roie es fdjeint, abfo=
luten Sicherheit ein 3 ufd)ähen hat> gibt ihm
fd)on Ijeute ben Vorrang.
So laffen Anlagen nad) 3lrt bes Meters*
burger Ojonroerts — ähnliche finb 3 ur 3 ett
für ^jSaris in Arbeit — unb bie fort=
fd)ritte ber Dechnit auf biefem ©ebiet,
toie man fie oor allem oon ber tü^lid)
unter Vlitroirtung ber beiben großen
©leftri 3 itätston 3 erne in V erlin gegrünbeten
£> 3 ongefelIfchaft erroarten barf, l)offen,
bah bas furd)tbare fernerer fnfeftions=
epibemien halb nur nod) aus alten Vriefen
fpridjt, bie ber Sammler forgfam oer=
toal)rt toie id) meine oergilbten Vtündmer
Vlätter.
f. 31. Vteifcner
haften mit fedjs £> 3 onröhren
3lnorbnung ber £) 3 onröl)rentaften im ‘tßenfoioajatoeri:
Sterilifationstürme mit ben barüberliegenben ©mulfeuren
3lud) eh id) fettf bebeutenb mehr
3lls früher, unb bas freut mid) [el)r.
Siel ooller ift je^t mein ©efid)ti
So rofig roar es früher nicht,
fd) l)atte Strafen oft im £jals,
3lud) bas oer[d)toanb burd) Viomal 3 .
Unb fein ©efdjmad ift aufeerbent
Datfächlid) äuherft angenehm.
Der gan 3 en SBelt ift's 3 U empfehlen
Unb nid)t nur bem, ben £eiben quälen.
Das Siomal 3 — id) merfs an mir —
Das ift ein £ebenselixier!
©lifabetb Valerius, Verlin
©s freut mid), bah id) fagen tann,
Dah Siomal 3 mir gut betam.
©in £ungenleiben, meid)' 9Jtall)eur!
Quält mid) feit langer 3eit fd)on [el)r.
Dies 3 toang trttc^ leiber, nichts 3 U tun
Unb oon ber 3lrbeit au$ 3 urubn.
3 e^t hab id» toieber 3lrbeitsluft,
Unb Hoffnung 3 tel)t burd) meine Vruft.
©rft ooar'n bie Kräfte riefig tnapp,
Dann nal)m bie Sd)toäd)e balbig ab;
Dte Sd)toäd)e, bie mid) feljr oerbroh,
Veoor id) Viomal 3 genofe.
OTlan bat Viomal 3 lon 3 entriertes Sonnenlicht in 93üd)fen genannt. Unb in 2Bat)rbeit:
©s ftf»eint biefemS 0 lal 3 probutt eine bem Sonnenlicht oergleid)bare, fiegbaftc,
oerjüngenbe Straft inne 3 uroohnen. Siomal 3 reguliert bie 3ufammenfetjungber Säfte,
frifcht Vlut unb Veroen auf, hebt ben Appetit, beförbert bie Verbauung unb erhöht bas
©etoicbt. Vei£un ge nie ibenben beroirft Viomal 3 nicht nur ©etoid)ts 3 unabme,fonbern es
trägt auch 3ur Verladung ber Xuberfeln bei, toas für bie ©enefung oon grofcer Vebeutung ift.
Q3iomal3 ift ein oon 3 ahlreid)en ©rofefforen unb $r 3 ten glän 3 enb begutachtetes natür=
^ liebes Kräftigungsmittel unb im ©ebraud) oieler Königl. Klimfert, 3loiatiter ic. fn
Ulpotheten unb Drogenhanblungen erhältlich. Dofe Vt. 1.— u. 1.90. (2>n £>fterr.=Ungarn
K 1.30 u. 2.50.) 9Dtand)e Verläufer empfehlen als angeblich „ebenfo gut" anbere ©rä=
parate, fülan roeife Sachahntungen 3 urüd unb oerlange ftets bas e d) t e Viomal 3 . Vro=
fpefte gratis. ©heoi. f abrit ©ebr. S«termann, Seltoro* Verlin 109.
1911. 52
Hber iarib unb SQleer
1345
Sftiei intereftante fiijfcrrtjcfie Denkmale
D em größten $irf)ter Itjrifcßer unb politifcßer äßeifen be§ beutfdjen Sßlittelatterg hat
man am 20. Sluguft zu ®ue in »ößmett ein ®entmal enthüllt. SBarumV SJiurt, bie
Siteraturforfcßurtg hat neuerbing§ mit ziemlicher Sicherheit herauSgefunben, baß Sßaltfjer
»on ber »ogelroeibe nidjt, rote fie bietfjer für geroiß annahm. au§ ber ©egenb non
iBosen, fonbern au§ ber ttäcßften 9tad}harfct)aft uon 2)ur gebürtig roar. »et ber äßethe*
feier, bie fid) ju einer großen nationalen Kundgebung ber ®eutfd)böhmen geftaltete.
Prie8 ber greife bößmifcfje ©iftoriter ©ofrat Dr. ©ermann §aüroict) aßaltfjer als »e*
tenner ber äBaßrßeit unb £>eimat§Iiebe; ißrofeffor iHubolf Sßolfan. ber ausgezeichnete
Stenner ber Kulturgefcfjicfjte »öhmenS, fpraeß über SßaltßerS »ebeutung für bä§ beutfeße
®oIf unb bot babei eine treffliche ©cßilberung beS politifcßen SebenS feinen £eb*
Seiten in ber erften ©äffte be§ breisehnten SaßrßunbertS. ®a§ oon ©einrieß Scßolz in
Sßten gefdjaffene Senfmal, baS am sBarbarafee inmitten eines 3tofengarten§ fteßt, geigt
ben tapferen Sänger in ber angemein befannten, oon ihm fetber in bem für feine
SBefenSart bebeutungSpoden ©ebießt „Scß faß auf einem Steine unb beefte »ein mit
»eine" gefennzeießneten Stellung beS s JfacßbenfenS über baS Treiben ber äHenfcßßeit,
roie fie aueß feßon eine SDtiniatur mit feinem »ilbniS in ber früher zu »ariS, jetzt in
ßeibelberg befinblicßen fogenannten SKaneffifcßen ©anbfeßrift, ber „©roßen ©eibelberger
Sieberßanbfcßrift" beS uierzeßnten SaßrßuttbertS, aufroeift. Saß bie Seutfcßen »ößmenS,
eingebenf ber Mahnung oon SßaltßerS jüngerem ^eitgenoffen .£>ugo oon Grimberg „§err
SBaltßer oon ber »ogclroeibe, roer beß oergäß, ber tat mir leibe", bem unfterblicßen.
fifefcSTEft
Senfmal SBaltßerS oon ber »ogelroeibe zu Suj
Senfmal für Königin Suife ju »erlin*Sßeißenfee
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weisbar von uns zuerst eingeführt. Diese überfettete Seife
beseitigt unfehlbar Kopfschuppen u. Schinnen u. ist un- &/ W
übertroffen geg. alle Arten Hautunreinigkeiten u. Aus- &/ dT&L
schlage, Flechten, Finnen, rote Flecken. Man hüte sich
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Else Biedermann,
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Meisterminiaturen
aus fünf Jahrhunderten
Leipzig 23, Barfußgasse.
Herausgegeben von Ernst Lemberger
Mit einem Abriß der Geschichte der Bildnisminiatur in Europa,75 far¬
bigen Faksimiletafeln u. einem Künstlerlexikon der Miniaturmalerei
Vornehm gebunden M 30.—
Wer sich über diese graziöse Kunst unterrichten will, dem
wird dieses Werk willkommen sein. Die Vorlagen für die
nachgebildeten Meisterwerke entstammen den bedeutend¬
sten Sammlungen; es befinden sich darunter zahlreiche
Stücke aus dem Besitz des Königs von Würt¬
temberg, des Großherzogs von Hessen, des
Großherzogs von Sachsen-Weimar usw.; auch
die berühmten Wiener Sammlungen sind entsprechend
berücksichtigt. Die Ausstattung ist die denkbar vor¬
nehmste — die Tafeln stellen unzweifelhaft das Vollkom¬
menste dar, was bezüglich der Originaltreue in der Nach¬
bildung von Bildnisminiaturen bisher erreicht wurde.
{/erhindert Hddrausfd//
Uerhiitefddiuppenbifdung
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fd)er Kurort, ^ttt Verlage ber „ s J(rst»
licften 5Runbfd)au* (Otto ©melitt, 3)iün»
cljett) erfdjien unter obigem Sitcl eine
uott Dr. med. iör. 2Uerattber uttb Dr.
ing. ©. 2llt uerfafttc '-örofcftüre. DaS SBerf
umfaßt 64 Seiten unb erfreut burcft
oornetjme Slusftattung unb oor^üglidje
Slluftrationen. 2)en größten $eil ber
atbtjanblung nehmen Stufftettung unb
iöefpredjung ber ftimatologiidjen Daten
be§ meltbefcmnten Kurortes in ad»
gemein oerftiinblidi gehaltenen ©djilbe»
rungen ein. Da§ äBetfcften roirb besi»
halb nicht nur bem 2tr$te unb Kurgafte,
fonbern auch bem Douriften unb jebem
Staturfreunb, ber 9teidftenl)all befudjt,
eine milltommene ©abe fein. Daft
tHeidjenhatl feine SBebeutung al§ inter»
nationaler.SSabeort neben feinen fonfti»
gen fteroorragenbeit Kurmitteln in
hohem ©rabe feinen günftigen flimato»
logifdjen Sßert)ältniffen uerbanft, mar
längft betannt. ©3 ift aber ein Ster»
bienft ber iBerfaffer, biefe »ehauotung
in tontreter &orm bemiefen unb ju»
gleid) ber ‘■Mgemeinfteit bargelegt gu
haben, bah hie SBintermonate mit auf»
fatlenber tütilbe unb reichem ©onnen»
fdjein bagu bered)tigen, fKeidjenhatl gu
ben erften 3öinter»Kurorten gu gählen.
9tabiume@oIbab Kreugnach.
Über ba§ im Stuguft eingemeihte neu»
erbaute SSabehauS für iRabtumffterapte,
baS erfte in Deutfdilanb, ba Kreugnad)
bis jetgt als eingiger beutfdjer töabeort
s Jiabiumfalge aus eigenen Quellen ge»
minnt, ift mitteilenSmert: 3)aS 23abet)au§,
ein im Slenaiffanceftil erbautes ©ebäube
oon pradjtooUer SBirfuttg, mit einem
©äulenoorbau unb Kolonnaben für
SBerfaufSläben, ift auch im Innern oon
auSgefud)tem. oornehmenx ©efdpitacf.
@S enthält 66 Sabegellen, bie in groei
©tagen in fteUen, luftigen, ben Sicfttftof
einfcftlieftenben Korriboren untergebradjt
finb. $n her SDtitte beS ©ebäubeS be»
finbet fid) ein ©djtnudhof. 2lufter ben
fetten, bie alles enthalten, maS man
oon einer ®abeeinrid)tung heute oerlangt,
gibt eS nod) jRuftefäle für Herren unb
'Samen foioie einen iei)r elegant ein»
gerichteten SBarte» unb Sefefaal. Stuftet
ben neuen tRabiuminhalatorien finb
aud) neue 3mhalationSeinrid)tungen für
©ole, eleftrifche SSiergellenbäber unb
toftlenfaure ©olbäber uortjattben. Ser
SBefitct) be§ SSabeS ift fo hoch) wie feit
• 20 fahren nicht, bie greguer.ggiffer hat
fcfton 11000 s üerfonen erreidjt.
Dr. med. SahntannS Vegetabile
SRild) (ißflattgenmild)) ift ber hefte 3u<
faft gur Kuhmild), um biefe für ©äug»
linge unb äRagenfchtoadje oerbautid) gu
tr.adjen. tSefanntlid) ift ber eingige
einigermaften oollroertige ©rfaij für bie
äRuttermild) unb roirb eS aud) maßt»
’tcheinHch für immer bleiben: bie Sier»
mild) (Kut>» unb giegennttld)). ©ie ift
aber, menit aud) oerbünnt, für jeben
Säugling fchtoer unb für manchen taunt
gu oerbauen, meil ber ©iroeiftftoff (Käfern) j
im finblicften 9Jtagen gu feften Klumpen
gerinnt. SaS oerurfacht 3erfe£ung
bcs SRagen» unb SarminftalteS unb
mirb fomit bie tßeranlaffung gu unftetU
roden ©rnähtungSftörungen unb ihren
folgen, roie 33red)burd)fall, Krämpfe,
©ngltfcfte Kranfheit, ©frofulofe ufio.
Stufterbem ift bie bloft oerbünnte Sier»
mild), toaS ben 9tät)rioert anlangt, na»
mentlid) toegen iftreS S'ettminbergebalteS
ber ^rauenmild) niemals ebenbürtig.
Sie Siertnild) für ben ©äugling gang
oerbaulid) gemad)t unb gu einem roaftr»
haft oollroertigen ©äuglingSernährungS»
mittel erhoben gu haben, ift baS groß»
artige Verbienft ber Dr. Slaftntannfdjen i
oegetabilen SDiilcl), ein Slefultat, baS j
bis jei)t lein anbereS SlftnlidjeS be»
gioedenbeS ißräparat erreidjt hat. Sür
ben ©äugling ift ber ©efdjmacf ber mit
oegetabüer SRild) oerfeftten Siermild) 1
bem ber üütuttermild) feftr ähnlid), fo
baft baS Kinb bie Stnnahme biefeS ©e»
tnifdjeS toohl nie oenoeigert. Sticht j
ittinber empfehlenSmert ift bie SJerroen»
bung ber oegetabilen SRilcft gunt 3mede
ber ©rnährung @noad)fener, namentlich
auch Kranter, meil ja bie Siermild)
in frifchem 3uftanbe oielen S.Ragen»
leibeitben, blutarmen, 8ungenleibenben,
SteroöS»9SerbauungSleibenben unerträg»
liehe 58efd)ioerben bereitet. SaS ©teri»
lifieren jeber SRild) in Sollet» ober j
ähnlidjen Stpparaten ift, als burdjauS
fdjäblich, gu oenoerfen, ba burd) Über» [
hitgung bie STtild) an Stährroert einbüftt
unb bie Kinber raeftitifeh macht.
EPERNAY
haben ergeben, bafe bie (Erreger oon
3nfluenza, Dipbtbcrie, Cypiws usw.
prompt abgetötet toerben, toenn inan bem SBaffer ettoas
Alcool de Menthe de Ricqles
jufetjt. Daraus ertlärt fid) aud) bie güuftige SBirfung bei
SnMgeftiott, f^tcchter Verbauung, 93tähungen,
neuratgifchcn 6d)tttetsett, Migräne, befonbers bei aller»
t>anb (Er!ältungs 3 uftänben.
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Herrn W. S. Rice erfundenen Methode.
Weder Schmerzen noch Operation, dafür
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Herrn W. S. Rice (G. 3120), 8 & 9, Stone-
cutter Street, London, E. C., England, der
sich sein ganzes Leben lang mit dem Stu¬
dium von UnteUpihj-Brüchen befaßte, hat
eine Methode erfunden, durch welche jeder
Bruch vollständig und andauernd geheilt
werden kann, wie kompliziert und veraltet
das Leiden auch sein mag.
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Neue Erscheinungen deutscher Erzählungs
aus dem Verlage der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart
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Liesbet Dill versteht wundervoll zu schildern und mit der
feinsten Beobachtung verbindet sie stets eine fesselnde Hand¬
lung. Ihr neuer Roman spielt hauptsächlich in Berliner
Künstler- und Literatenkreisen, in welche die Heldin, die
Tochter eines hohen Beamten, eintritt und in denen sie Be¬
freiung von der Enge provinziellen Kastengeistes erhofft. Die
Schilderung der Schicksale und Leidenschaften sowie der
seelischen Konflikte, die sie heraufbeschwören, gestalten die
Lektüre des Romans zu einer außerordentlich fesselnden.
Von Liesbet Dill sind früher in
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Es wäre schon eine gute Botschaft, wenn
er seinen Patienten nur sichere Besserung
würde versprechen, die Tatsache ah»>r, daß
seine Methode alle Brüche gänzlich und
andauernd heilt, dürfte genügend sein,
selbst dem verzweifeltsten Bruchleidenden
neuen Mut und neue Hoffnung zu bringen.
Er hat über dieses Leiden ein Buch
geschrieben, in dem seine Methode aus¬
führlich erklärt wird und ist bereit dieses
Buch jedem der es wünscht kostenlos zu¬
zusenden. Einer seiner geheilten Patienten
ist Herr August Hoyer, Wettinstraße 71 pari.
Zwickau i/Sachsen, welcher 18 Jahre lang
an einem doppelten Hodenbruch litt und
nun 59 Jahre alt ist. Er sagt, er würde es
niemals geglaubt haben, daß irgend eine
Methode eine derart rasche Heilung könnte
bewirken. Er wurde von einem Arzt unter¬
sucht, der über die Heilung sehr erstaunt
war und kaum begreifen konnte, daß ein
solcher Bruch ohne Operation geheilt wer¬
den kann. Herr Rice erhält täglich Dutzende
von Dankschreiben aus allen Teilen der
Erde, die alle beweisen, daß seine einfache
Methode in der Tat die wirksamste ist, die
je einem Bruchleidenden geboten wurde.
Zögern Sie daher nicht, an Herrn Rice zu
schreiben, damit er Ihnen dieses Buch
schickt, es wird für Sie von großem Werte
sein und wird Sie endgültig davon über¬
zeugen, daß Bruch geheilt werden kann.
Liesbet Dill
W oltsburg. Roman. Geheftet M 4.50, gebunden M 5.50
Die Geschichte eines Sprossen aus altadligem Geschlecht, dem es gelingt, in reichen
Industriekreisen Fuß zu fassen und dann mit beispielloser Energie und Skrupellosigkeit
seinen Weg zu einer beherrschenden Stellung zu finden. Alle Personen sind lebendig und
ausgezeichnet charakterisiert, so daß der Leser der Erzählerin mit atemloser Spannung lauscht.
Arthur Oelwein, Adventbriefe • Geh. M 3.—, gebunden M 4.—
Ein stilles, überaus feines ßnch für literarische Feinschmecker. Einen Wiener Dichter, der
sich zur Erholung von schwerer Erkrankung in eine kleine Stadt zurückziehen*muß, ergreift
eine tiefe Neigung zu einem jungen Mädchen, auf das er aber, dem Rate seines Arztes fol¬
gend, schweren Herzens verzichten muß. Ein eigenartiger Zauber liegt über dem Buche.
®nelit.3nfetaten»9lnna$me
/lll4?iyen bet Htu&crlf JMoITc,
2lnnoncert=®Epebttion für fämtt. ßeitmtgen
2)eutfcftlanb§ unb be§ 2tu§lanbe§,
in ©erltn, SreSIau, (Eftemnift, ®re§bett,
Tüffelborf, ^ranffurt a. 3)1., ©alle a.
©aittburg, Stöln a. 9tt).,8eipäig, SRagbeburg,
3)lünd)en, 9lürnberg, 'Prag, Stuttgart,
SBien, 3ürid).
Jnferftoites-ffii’büljven für bte 6 gehaltene
9lonparetHe»3eile SSI. 1.80, für bie ©eftroeij,
Italien unb fjranfreid) gr. 2.26.
9Jad)brucf aus bem 3nftalt btefer 3eitjd)rtft mirb itrafrccfttltiJ) oerfolgt. Serantroortlidjer 9tebaft-:r.r: Dr. fRubolf fftresber in «Berlin.
«Rebaftton unb Verausgabe oerantwortlirf): 'Robert 9Jtof)r in 2Bien I. Brucf unb SBerlag be: Deutjdien SBerlags=2lnitalt in Stuttgart.
rebaftionellen 3n!)alt btefer 3eiticftrift betreffen, nur an bie Xeutfcfje ®erlags='2lnjtalt, «ebaftion, Sei
Serantroortiicfi für ben 3nieratenteii: SRidjarb 'Jleff in Stuttgart. 3n £>jterrei(ft*Ungarn für bie
fßapier oon ber tpapierfabrif Saladj in Salad) (JBürttemberg). SBriefe unb Senbungen, bie ben
Hin SW, ftöniggrätjer Strafte 99 (oftne tperfonenangabe) erbeten.
28 ir bitten tue < Beftettun$ auf bett neuen Safran*}
non Übet £anb unb Söleer unoer§ü$lid) auf5u<$eben,
bamif feine Unterbrechung in ber Sufenbung eintritt
Stuttgart 3)eutfd)e ^erlagS^nftatt
Q3ud)t)<tttblung in .
llnterjeidntete befteUt hiermit
DeutTche JHuTtrierte
©rof*foUo-- 2 luggabe
54* 3<rt)rgang 1912 (öftober 19U bis September 1912)
erfcf)einenb in 52 wöchentlichen Hummern
tfmmi Pftpalö Kfmii 9Jolonb>
^C>reiö vierteljährlich (13 Hummern) 93? 4.—
unb erfud)t um regelmäßige 3ufenbung ber 9?ummern
nad) Srfd)einen.
9?atne unt) Stanb
QBoftnort
Strafte unb Hausnummer:
Um recht beutücfte Scftrift mirb freunbticftft gebeten,