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"pVuis^^^x.^
Heber 6ie
Einlage 3ur Vilatlfematit
Pon
p. 3. möhxus.
tna 5{ Bilbnifjen.
t>erlag von 3oI?ann ^tmbrofius BartI)
1900.
"?WJu S^^i»3
'^^-c^i^ A.ct<U^
:ille 'Rziiit, insbcfonbcrc bas bcv Ucbcrfcftung,
üorbcl^altcn.
Votwott.
Vas Sdjtrffal iiat es fo gefügt, ba% xdt, ^er idj gar
nidjts von Xfiatiiematit pcrjlclic, fibcr 2TlatBjcmatifcr
fd^rctbc. Ztiemanb me\% bcjfcr als id^, »ic mangcll^aft
meine Ceijhing ift Crofebem fd^äme id? midj gans unb
gar nidjt, fonbern tljue, »as idj tljun mug, mit 5^ei^öen
unb glaube, etmas (ßutes ju tl^un. Das \% 3<^il^'
I^unbert, an bejfen 2tnfange (Sau ftanb, ijl 3u €nbe ge*
gangen, oBjne bag es fein Unredjt gegen iljn gefül^nt
I^ätte, 2)a bie Berufenen gefdjioiegen I^aben, ba bie
Prüfung ber Cel^ren (ßaH's, ju ber eigentlid) bie gemein*
fame 2lrbeit oieler (ßeleljrten geijörte, unterblieben ift, fo
mu§ es bem ©nselnen unoeripeBjrt fein, nadt Kräften an
ber 2lufgabe ju arbeiten, loenn andi fein 5adjti)iffen nidjt
überall ausreid)t unb er (5cbiete betreten mug, auf Serien
er eigentlidj nidjt 3U Qaufe ijl. Spät unb sufättig (»ie
man 3U fagen pflegt) Ijabe id^ bie IDerfe (SatVs fennen
gelernt. ZHit (Erjlaunen falj idj, mie reid?e Sdjäfee ^a
unbenufet liegen, 2tls idj mid> überseugt I^atte, ia^
IV Doripott.
gegen bie attgemetnen 2tnfdiauungen nidjts einsutpenben
fei unb bag bte 5rci9^ "cidj ber Hid)ttgfeit ber fpecieHen
©rganologie eine reine Cljatfrage fei, begann id^, biefe
nad^Suprüfen, unb mäiilte mir aus beftimmten (ßrünben
ein ,,0rgan", ^as bes ^aBiIenfinnes, jur erften genaueren
Unterfud)ung. Das (£rgebnig biefer Unterfudjung lege
idj jefet oor. Xfian iann mir einioerfen, n^as »ilip bu
mit bem einen lumpigen 0rgane, iparte, bis bu mel^r
3U fagen I^ajl. ^ber abgefeljen baoon, ba% xdi nid^t
ipeij5, ^^^ ^^^^ id? "^d? leiften fann, idj Ijalte es für
rid)tiger, fidj auf £in3elunt^rfud>ungen 3U befd)ränfen,
unb glaube, t>a% (SaWs ZHifegefdiicf 3um CE^eile baoon
abijing, bajj er 3ut>iel auf einmal gab« (£r tt>artete, bis
er über 27 0rgane beridjten fonnte. Was gefdjaE^ ?
Vas gan3e ZHaterial getoiffenE^aft nad)3uprüfen, bas über«
ftie^ bie verfügbaren Kräfte ber (ßelel^rten, fritifirt aber
mugte n>erben, alfo blieb ber 2tu5n>eg, auf (£in3eIB|eiten
nid)t ein3ugel^en, iE^re prüfung burdj Befämpfung ber
allgemeinen Sdfee unnötl^ig 3U mad)en unb bie 2tngelegen*
Bjeit burd) Hebensarten ab3utl^un. Probatum est.
Sugleid? begegne idj bem (£inu?urf e ber pl^renologen,
man fönne per^änbiger lOeife bei ZHatl^ematifern nid^t
blog 00m 0rgane bes gal^Ienfinnes fpred^en, man muffe
unbebingt audi bie fintroicfelung bes 0rtfinnes, ^^s
Sauftnnes u. f. ro. berücffid^tigen unb erft aus ber (ße-
ftaltung ber gan3en Stirne, ja bes gan3en Kopfes bürfe
ein UrtE^cil abgeleitet roerben, nad)bem bas üerl^ältnig
ber ein3elnen 0rgane 3U einanber benimmt morben \%
ZlTein 2tusgang i^ eben ein anberer: 3dj fe^e poraus.
PoriDort. V
bag man nodj gar nidjts »iffc unb bag burdj ben ZXadj«
weis bcs matl^cmatifdjcn ©rgancs bei aUcn 2TlatI?c-
mattfern, mögen jte fo Derfdjteben fein »ie jte rooHen,
3uerjl eine beftimmte förperlidje 5orm mit einer be-
jKmmten (SeijtesbefdjaffenBjeit t>erfnüpft »erbe.
3m 0ctober ©ergangenen 3aBjre5 I^abe idj vor
einer ärstlidien Perfammlung fürs über meine (£rgeb«
niffe berid|tet, 2)arnad? fd^rieb mir ein lool^ltpollenber
Itlann, idj arbeite baran, meinen JSuf 3u serjlören, man
»erbe mir pielleid^t ein 0rgan I^ingel^en laffen, frül^er
ober fpäter aber »erbe id^ mein UrtB|eil empfangen«
€r mag Hed^t I:|aben, aus einseinen 2leugerungen ber
5adjpreffe !ann id^ mir abjiel^en, »eldjen IDaffen id?
begegnen roerbe. 3nbeffen nid^ts roürbe feige gurürf»
Bjaltung entfd)ulbigen, Eingriffe fürd)te id? nid^t unb an
bas Cobtfdjtoeigen bin idi audi fd)on getpöi^nt (5ott
fei 2)anf, ba% idj gan$ frei bin unb auf feinen ZHenfdjen
Hürfjtdit 3U nel^men Isabel Sebarf \dt bes Crojles, fo
fann id^ an (ßaH felb^ benfen, ebenfogut aber audj an
piele 2tnbere, 3. S. an bie (5egenftänbe meiner legten
2lrbeiten, (5oetlje unb 5djopenl)auer. lOenn id^ audj
nid)t fo roeit gel^e, n>ie (5oetI?e, ber an TXletd fdjreibt:
„€inem (ßeleljrten oon profefpon traue id^ 3U, bajj er
feine fünf Sinne ableugnet", nodi aud^ bie (ßelel^rten
fdjleditroeg bes „Zllifoneismus" anflage, fo ift bod^ ^as
ftdjer, baj5 bie (ßelel^rten fidi €rgebniffen gegenüber, bie
auf unge»öl^nlidiem lOege, t>on (£in3elnen erworben
»orben finb, jeberseit als fd]»er 3ugängUd^ geseigt
F^aben.
VI Poriport.
2)cr ^crr VevUqev liat fidi bereit finbcn laffcn,
bcm Sudjc fünfsig Silber beisugeben. Wenn biefe
(ettpos »iHfürlid? ausgeroäl^Iten) Silber nidjt allen 2ln-
fprüdjen enlfpredjen, fo ijl 3u bebenfen, ba% nur ein
bittiges I^erfaF^ren möglid} max, wenn ber preis bes
Sud^es nidjt ju I^odj tperben foHte. —
gur €infüi|rung bemerfe xdt nur nodj, bag ber
„'^nf:iang" bie grunblegenben (Erörterungen über (5att*s
lettre entljält, bie sroar ZlTand^en fd^on befannt finb, I^ier
aber als Heferoe nid^t entbeE^rt roerben fönnen.
£eip3ig, im 2tprU I9OO.
p. 3. m.
3ttljalt.
Seite
€tnlcttuttg : x
I ißafVs 2Iuffag übet btn gatfUnflnn 9
IL Beiträge 5ttr 'Kenntnis bes matl^ematifc^en HaUnies 33
A. Bcifpiclc bcr (Entipicfclung bcbcutcnbcr IHatlic-
mattfcr 35
B. Hebet bic Hcd^cnfünftlcr 66
C. Ucbcr bic matl|cmatifti?cn VOexbev 77
D. Ucbcr bic Bcbingungcn bcs matl|cmatifd^cn Calcntcs 87
in. Ue^er bas ma^l^emattfc^e 0r0an ][37
§ufa^: Ucbcr Bilbcr im 2IIIgcmcincn unb bic
inatt|cmatifcr=portraits (53
IV. Heber bie Seb{n$un$en bes matt{emaHfc^en (Dr^^ans^
bas <Se!{{rn unb beti Sc^dbel ber tttatliemaHUt . . 1(75
21nljang: Ueber ,fran5 3^f«i?J? <8att ^95
L Die 2Inatomic bes tlcrücnfyftcms ^97
IT. pfyd^ologifd^cs 2^^
m. pl^vftologifd^cs 23^
IV. Die Kriti! 27^
€tttlettung-
Was Xfiatlicmaixi fei, ift fdjrocr mit ein paar lOorten
3u fagcn unb audj eine Definition bes matB|ematifd)en
Calentes bürfte il^re 5d:)ir>ierigfeiten B^aben. Hel^men
wir an, bas malE^ematifd^e Calent fei bie 5cibigfeit, bie
ZnatBiematif, toie fie geleE^rt xoxvb, 3U begreifen. (£5
E^at natürlidi oiele (Stabe, ©er ©ne fommt mit ben
Pter Spesies nid^t sured^t, ber 2tnbere I^anbl^abt mit
Ceid^tigfeit „bas Hiefenfdin>ert", bie 3nfinitefimalred)nung.
ZlTandier begreift bie 2tritl)metif unb bie einfädle (5eometrie
red:|t gut, aber feine 5ät|ig!eit Ijört bei ber ^nalvfis auf.
£übfen fagt, bajj t>on 3eljn, bie bie 3nfinitefimalredi'
nung ftubiren, faum einer fie perftel^en unb nodj oiel
toeniger fie felbftänbig antpenberi lernt. 1>a& matE^e-
matifd:|e Calent wädi^ 3um matl^ematifdien (ßente, roenn
ntd?t nur bas l?orI^anbene aufgenommen, fonbern andt
Heues gefd^affen roirb. ©er €infadil?eit roegen be-
tradite idi I^ier bas matl^emattfd^e (ßenie als Ijöljeren
(Stab bes matl)ematifd?en Calentes unb fpredje immer
nur t>on bem Unteren. Calent ober Einlage, unb Zteigung
pflegen einanber 3U entfpred^en. lOer bie Einlage iiat,
m b i tt 5 , matfjematif er. X
2 Einleitung.
l)at aixdi 5r«ubc unb Cicbe; je größer bie Anlage, um
fo leibenfdiaftlid^cr mtö tinu)föcrftcl^ltd?er tji in bcr Hegel
bie Neigung. 5el)t gut brüdte poiffon feine Neigung
3ur niattiemati! aus, afs er fagte : Das i^hcn ift eigen!«
Ixdi nur 3U stoet Dingen gut, ZTlatl^emati! 3U lernen unb
3U leieren.
€s giebt aber nid|t nur quantitatipe, fonbern audj
qualitatipe Unterfd|iebe. ZTTan unterfdieibet reine unb
angemanbte ZTlatljematif. (Db einer fid| 3U biefer ot)er
jener menbe, bas Ijängt nid^t von ben Umftänben unb
ber tütllfür ab, fonbern von Unterfd^ieben in ber mit-
gebrad)ten Anlage. Der €ine fül)rt als Kinb fd|on
Hed^nungen aus, ber 2tnbere baut ZTlafdiinen ober mad^t
pljYJtfalifdje ^eobad|tungen. ^ud? innerijalb ber reinen
ZTlatljemati! finb bie Anlagen perfd^ieben. ^cnex 3eid|net
ftd? in ber ^ritljmetif aus, biefer in ber (ßeometrie.
ZTlandje, bie fet^ gut red)nen, finb menig befdB|tgt, bie
PerB|äItniffe im Haume 3U erfaffen, unb mand^e (ßeometer
[xnb fd|Ied)te Hediner. Piele entbeljren bei guten praf»
tifd^en 5äljigfeiten bes Sinnes für bie matl)ematifd]e
TXletapliyfxt Die 2tftronomen legen IDertl^ barauf, ob
€iner mel^r Seobad)ter, ober meljr Hed)ner fei, unb
mad)en wolil nodi roeitere Unterfd)eibungen. Pon
ben pljvfifern ift ber (Eine als (Experimentator aus-
ge3ei(i?net, ber Rubere als matB^ematifd^er pt|Yfifer.
3enen treibt feine Ztatur 3U ted|nifd)en Crfinbungen,
btef^n nxdit
Kur3, bie (ßrabe unb bie Perfnüpfungen ber (ßaben
jtnb mannigfaltig unb u)al|rfd]einlid) iperben um fo meljr
(Einleitung. 3
Unterfd|cibungcn nötljig, je nät|cr man an bie Sadic
hictantvxtt Von einem pfydiologifd^en Perftänbtiiffe öiefer
Dinge pnb wiv weit entfernt unb es bürfte porläufig
ntdjt rattifam [ein, ftd^ in 5cinljeiten 3U perlieren.
®I|ne Hücfjtdit auf quaütatipe Perfd^ieöenE^eiten tann
man in praftifd^er ^infid|t etwa pier Claffen bilden.
\. Unter normale, b. Ij. foldie ZTTenfd^en, bie pon ber
2natl|emati! rpeniger begreifen als ein normal befäljigter
JJTann bei gutem Unterrid|te begreift» ^ierljer ge*
I^ören bie meiften tüeiber unb ntd^t rpenige ZHänner.
2. Ztormale» IPer im (Symnaflum überl^aupt ein
guter 5d)üler i% fommt qewöiiniidt andt in ber Znatl^e''
mati! porrpärts unb perfteljt bas, roas pon ber ZlTattie»
matif im (ßymnafium porgetragen rpirb. 3. (ßut*
befät^igte. Hedjt piele ZlTenf djen braudien meB^r
Znatljemati!, als ber TXlelmahil ber (ßebilbeten 3uträgltd|
ift. 3^9^"teure, Ced)nifer, Seeleute, ^rtilleriften u. f. u).
€s mögen ftdj rPot|I ZTTandie mit eingelernten 5ormeIn
I^elfen, aber mer in btefen Serufen Od^tiges leiften, bej»
bie liöhiexcn Stellen einneE^men wxü, mug bod| mel^r
matl^ematifdies Calent iiahen, als ber Durdifdinitt es be*
ftfet. % ZTlatliematif er sensu proprio. Sei allen
Unterfd>ieben im (Einseinen fann man als ZTTerfmale
biefer <£Iaffe anfeilen, ^a% il^re ZlTitglieber bie Säty^feit
i^dben, fidj bie I|öl|ere ZTlattiematif atisueignen. Pon ^a
bis 3U ber 2nöglid|feit, jeber matl|ematif(i)en Unterfud|ung
3U folgen, ober gar bis 3um matljematifdien (ßenie füt|ren
toieber Stufen. €ine befonbere (ßruppe bilben bie Hedjen-
fün^Ier, worüber fpäter (genaueres 3U fagen ift.
^ (Einleitung.
Sic Znenfdien mit ausgefprodicncm matE^cmatifd)cn
Calcnte bilden fosufagen eine beporsugte Kafte» Sie
^eljen ber übrigen Znenfd)I|eit gegenüber mie öie afaöe*
mifdi (ßebilbeten bem Hefte. IPenn geleierte (ßefellfdiaften
fid) trennen in eine matIjentatifd^'pI|YfifaIifd?e unb eine
pt|iIoIogtfd^-Ijiftorifd|e Claffe, fo ip bamit gefagt, bag sur
roal^ren IPiffenfd^aft entipeber bas pl)iIoIogifd)e ober
bas matl|entatifd|e Calent geijöre. 3n ber tZhiat lann
nur ber bie naturn?iffenfd|aft gans pertreten, ber ^as
matljematifdie Calent Ijat. ^nbernfalls fann (Einer in
einem 5öcl|e ausgeseidinet [ein, fei es in ber (£I|emie ober
ptivfiologie, in ber (ßeologie ober goologie, aber für
poH !ann er nxdit gelten. IDir 2lnberen bürfen uns
baljer nxdii beflagen, xxx^nn uns bie ZlTatl^ematifer etmas
pon oben Ijerab anfeilen. Eiat 3^ntanb rpeber bas matl^e*
matifdie nod| bas pljilologtfdie Calent, fo ift er n>irHidi
in ber IPiffenfdiaft fd|Ied)t baran. Unerträgli(i? ipäre
bie Sadie, wenn es, roie nodi VxeU glauben, nur €tne
3nteIIigen3 gäbe unb bie Unfäi^igfeit 3ur ZlTatl^ematif ein
Zninus an 3nteIItgen3 übert^aupt ausbrücfte. Dann ipären
wir wxvflxdi partas. (ßIü<JUd|eru)eife liegt bie Sad^c
nid|t fo. (£5 beftet|t feine Proportionalität smifd^en
matl|ematifd?er Anlage unb 3"teIIigen3 überljaupt. 3^"^
tann porl^anben fein, oljne t>a% biefe einen I|oIjen (ßrab
erretdite, unb jene fann feljlen bei im Uebrigen glän3en*
ben 5ät|igfeiten. (£s ift (Ein (ßeift, aber es ftnb mandjerlei
(Sahen, fagt ber 2lpojieI. "Die Spxadie brü<Jt fd|on burdj
bie lüorte (Sähe, Calent es aus, ^a^ bie befonberen
5äl^igfeiten eine Sadie für fidi ftnb, t>a^ fie 3u ber all«
Einleitung. 5
öcmcinmcnfd^lid)cn ^usfiattung I^irisufommen fönnen oöcr
mdit (£s ift mit öcr ZTlatljCTnatif nid^t anbers als mit
bcr ZlTufi!, öer TXlaUxex, öcr Did^tfunft. 3urip, ZTlcbicincr,
(Zliemxhv fann ^c^er tDcrben, unb iDcnn er gcfdiett unb
.flcigig ift, fo fann er es mcit bringen; ^Tlaler aber ober
^Tlufifer, ober ZTTalBiematifer fann nid^t 2^^^^ merben,
bie (ßefdieitljeit im 2ingemeinen unb ber S^c\% Ijelfen t>a
gar nid^ts. 3"^ (ßrunbe ift es mit ber pljilologie bas-
felbe. "Die pIjiIoIogtfd)e Einlage ip ^wat piel E|äufiger
als bic aribexm Calente, 3u befonberen Ceiflungen aber
gelangt nur ber, bem bas pljilologifdie Calent in be-
fonberem TXiaa^c gegeben iji; aud| i|ier füljrt ber 5kife
I^ödiftens in bie Porl^öfe.
^ie ZTTatliematif ifl alfo eigen tlid| eine Kunfl, b. li,
ein Können, bas nid|t miHfürlid^ ermorben roerben fann.
ZHan fann nur fagen, glücf lid| mer mit einem Calent unb in
einem Calent geboren ift. IDie anbere KünjHer finbet
audi ber ZHalliematifer in feiner Kunji alle 5reube.
'Daß €iner ©on ^eruf ZlTatljematifer fei, baneben aber
ein Stecfenpferb reite, bie ZlTatBiematif als Arbeit, bas
2tnbere als 5r^ube anfeB^e, bas fommt nid)t por. €in
3unft fann fet^r tüd^lig fein unb bodi tnit bem fersen
itid^t babei, bei einem ZHattiematifer iji bas, nid^t mög-
lidi, fomenig roie bei einem ^Tlufifer ober ZTlaler.
Hatürlid^ ifl beim ZlTattiematifer rcie bei anbeten
ICünftlern bie allgemeine 2tusfiattung bes (Beides nid|t
gleidigiltig. IPirflidi (ßroßes n?irb nur ber leiten, bei
Öem bas Calent mit ausgeseidineten 5öljigfeiten im 2in*
gemeinen sufammentrifft. ^ud^ roirb bie befonbere XPeife^
^ Einleitung.
xoxc (Einer fein Calcnt vcxwextiiet, von bcnt (Stabe unb
bcr ^d feiner fonftigen 5öB|ig!eiten abhängen.
TXadi aöebem fann man roo^ bas matljentatifdie
Calent als ettoas Selbftänbiges, als eine umfdjriebene
(ßeifiesfäl^igfeit, wenn ber ^usbrucf erlaubt ift, beseidinen»
€5 roäre benfbar, ba^ biefer befonberen (ßeiftesbefd^affen*
I^eit aud| eine förperlid^e ^efonbedid^feit enlfpräd)e, unb
bas fd^eint in ber Cljat ber 5^11 3U fein» ZlTein (ßrog«
t>ater mar ZTTatl^emalifer. ®ft liabe xdi mir feinem
Silbe gegenüber überlegt, n?arum wo^ bie Umranbung
feines linfen ^uges fo eigentB^ümlid] gebilbet fei. fiines
Cages nun fanb id|, als xdi in (ßall's XPerfen las, biefe
dgenlljümlidic Bilbung gans genau als bas ZHerfmal
bes gal^lenfmnes befdirieben. Die Sadie überrafd)te
mid) feB^r. Bei genauerer Ueberlegung falj id| ein, ba^
fanm eine anbere ^luffteHung (ßall's pd) fo fel|r sur
Prüfung eigne, tote biefe. Denn ob 3^»^<>"^ matl^emati-
fdjes Calent l:iahe, bas !ann, n?enigftens bei ben B|öE)eren
(graben, nid^t 3n?eifelE)aft fein. Sei ben anbeten (ßrunb*
fräften (ßall's liegen bie Perijältniffe meift weniger
günftig. ®b 5. S. 3^"^<J"^ ZHutl^ iidbe ober nid^t, bas
ift oft redjt fd|ir>er 3U fagen. Das 0rgan bes SaB|len»
finnes ijt jeberseit ftd^tbar unb leidet 3U unterfud)en.
Das (Drgan bes Xfinilies bagegen foU am ^interfopfe,
unter ben paaren liegen, bie Stelle ift alfo relatip fd^toer
am iehenben, am Silbe gar nid^t 3U unterfud]en. Kur3,
xdi entfdjlog mid), ber Sad^e bei bem matljematifd^en
Calente nad)3ugeB|en. Das (£rgebni§ meiner Unterfudiung
ift biefe ^bB^anblung. 3d? eröffne fie mit einer Ueber«
(Einlcttung;. 7
fcfeung ÖC5 2(uffafec5 sur le sens des rapports des nom-
bres. 3^ (ßrunt)c gcnomtiten pnb meine Erörterungen
nur eine parapljrafe t)iefer Arbeit (ßall's. 2^ iio^c
Itoav, mand^e (£rgän3ungen 3U bringen, aber öie ^aupt«
fad^e Ijat (ßall erlet)igt. IDie bei feinem gansen IDerfe,
fo ift aud] Ijier öer pfydiologifdie Cljeil relatip unab«
Ijängig pon öem franioj!opifd|en ober rid^liger fepl^alo«
ffopifd^en. tüäre bie CeB^re pom matljematifd^en ©r*
gane falfd^, fo bliebe bem (Sau bod) t>a5 Perbienft, ^as
matl^emalifd)e Calent als eine befonbere 55Ijig!eit, als
eine ^en Kunfttrieben ber d|iere 3U pergleid)enbe €r«
fd^einung rid^tig gefd)ilbert 3U Ijaben. 3d? bin ber Ueber*
Seugung, ^a% ber pfyd^ologie (Ball's bie gufunft geljöre
unb ba% es piel perbienfllid^er fei, auf feinen XPegen ber
(Entoicfelung ber ein3elnen menfd^lid^en 5äB^igfeiten nadj-
3ugel^en, als bie geit ber ^eactxon 3u meffen» Sesl^alb
ift mir ber pfyd^ologifd^e Cl^eil burd^aus nid|t nur eine
(Einleitung 3U bem fepB|aIof!opifd)en Cljeile. Desljalb
erörtere id) ZTlandies, bas 3U bem lefeteren feine birecte
^e3iel^ung liat, unb bringe alles 3ufammen, roas xit öuf»
gefunben iiahe, (Eine erfd|öpfenbe Darftellung bes (ßegen«
ftanbes fann unb roill xdi nid^t geben, aber id) Ijoffe
berufenere an3uregen, bamit fte tiefer in ben (ßegen*
ftanb einbringen unb bie 5fi33e in ein (ßemälbe per«
ipanbeln.
I.
(3aWs 2luffa^ über bm gat^Imfinn.
XVIII. Uebcr ben Sinn für galjlcn«
bcsicl^ungen. (Sens des rapports des nombres.)^)
„<£s gicbt feine SähixgUxt, bie man mit meE^r Se*
red|tigung pon ber 3"^^ffi9^^ ^^ ^tügemeinen ab3uleiten
glaubt, als bie Anlage 3ur ^ritEjmetif unb ZTTatB^ematif
überljaupt.^) ZlTan meint, bie befte Uebung für bie Hr-
tl^eilsfraft fei bie Sefdiäftigung mit ber ZHatl^emati!*
Zlidtts fommt in biefer IPiffenfdiaft, fagt man, von
außen, ^Hes iji ^as XPer! bes menfdiUd^en Perftanbes,
^) 5. Banb bcr (Dctavausqabe, 5. ^30— H59.
2) 3d? njctg fcbr gut, ba% bie gctpöl^nltd^c 2lrttl^mcttf, bie
felbft von bcr §aI]lcniDiffeTtfd?aft nur ein Heiner (El^etl ift, ntd^t
bie gan3e IHatl^eniattf ausmad^t unb ha^ bie fyntbetifd^e IHetl^obe,
bie bie alten (Seometer ausfd^lieglid? anmanbten, ntd^ts mit ber
galilenn>iffcnfd^aft gemein ):iat 3d? n?ei§ aud?, ha% ausge3eid?nete
irtatl^ematifer 3un)eilen feine großen Hedjner finb. 2Iber t>a id?
biefelbe (Sel^irnpartie fonjol^l bei allen perfonen, bie eine angc=
borenc 2Inlage 3um Hed^ncn traben, als bei ben ITtännern, bie bie
matl^ematifd^en IPtffenfi^aften burd? I^crrltd^e (Entbecfungen be=
reid^ert I^abcn, ftarf entn?tcfelt finbe, fo I^alte id? mid? für bered?=
ttgt, an3unel^men, ba% baffelbe (Organ, bas bem jungen dolborn
fein Kopfred^nen ermöglid^t, bem pytl^agoras erlaubte, 3u be=
n>etfen, ba% bas Quabrat ber ^ypotl^enufe bem ber beibcn Ka=
tl^eten gleid? ift, unb ben £aplace bie IHed^anif bes l7immels
fd^rciben lieg.
\2 I. (Sall's 2Iuf|'a§ über ben gal^Ienfinn.
^ües ift eine Sd^öpfung bct reinen ^nfd)auung unö bes
Sdilugpermögens. ^Ifo fann fein befonöeres (Drgan
porijanben fein, perntöge beffen ber ZTlenfd? 3um Hedinen
ober 3ur ZTlatBiematif überB^aupt befonbers befäl^igt ift
Das 5oIgenbe roirb seigcn, intoien^eit biefe Se«
Ijauptungen voaiit ober falfdi (tnb.
(ßefdjid^te ber (Entbecfung*
3n tüien ersäljite man mir pon einem 5d)üler aus
5t polten, ber in ber gansen (ßegenb burdj fein groges
Hed^entalent begannt ipar. (£r mar ber Soljn eines
5d|miebes unb Blatte feinen anberen Unterrid^t als feine
5d|ulfameraben empfangen; aud? n?ar er in jeber anberen
£}infid)t mit biefen auf gleid^er Stufe. 3d^ K^6 '^k^ ncidj
tüien fommen unb fteüte iE^n meinen gul^örern por. (£r
mar bamals 9 3<i^i^c alt. (ßab man iljm 3. S. brei
Sal^len, beren jebe aus \0 — \2 Ziffern beftanb, unb
forberte it|n auf, fie 3U abbiren, 3U fubtraljiren, 3U multi»
pliciren, jebe burd^ eine breiftellige 5at|I 3U bipibiren, fo
blidte er bie ^aiiUn einmal an, falj bann in bie Cuft
unb rpar mit feiner Kopfred|nung früljer fertig, als meine
gul^örer bie Hedjnung auf bem papier ausgefüB^rt Blatten.
€r roar pon felbft auf feine ZHetl^obe gefommen. "Siefer
Knabe mad|te 2luffeB|en in IDien. €ines Cages fam ein
Heditsantpalt 3U mir unb bcflagte fid) über feinen fünf*
jäB^rigen SoB^n, ber fxdi ausfd^lieglid? mit ^aiiUn unb
Hedinuncjcn befd|äftige, für nid^ts anberes Sinn B^abe,
nid^t einmal für bie Spiele feines alters. 3cl| perglidj
nun liefen Unabcn mit bcm anbcrcn unb fonnte an
iB^rcn Köpfen nur eine ^cB^nlidifctt finben, nämlid^ eine
beträd^tlidie Voxwölhnnq am äußeren ^ugcniPinfeL Set
beiben xoav bas ^uge im äußeren Ci^eile burd? bas
obere Cib perbetft.
tiefes gufammentreffen »on ungeiüöljnlidiem l^edicn*
talent mit einer eigentljümlidien Kopfbilbung in stoet
5äIIen brad^te mid| auf ben (ßebanfen, ba^ bie Einlage
5ur ^ritljmettf eine (ßrunbfraft fein unb von einem be*
fonberen ®rgane abt|ängen möd|te, benn bamals war
xdt in meiner Cel^re von ber ZTTel^rtieit ber ®rgane fd^on
Siemlid? meit fortgefd)ritten.
3d^ fud)te nun nadi ZTlännern, bie burd? Anlage 3um
Hedinen ausgeseid^net mären, guerft erinnerte id^ mid^
an ben l^aiii ZHantelli, beffen £i€blingsbefd|äftigung bas
2luffud]en unb ^uflöfen matB^emalifd^er, bef. aritljmeti-
fdier 2lufgaben mar. 3dl f^^b an xlim biefelbe eigen»
tl|ümlid]e (ßeftaltung ber (ßegenb bes äußeren ^ugen-
toinfels. Dann ging xdi 3um Baron oon Pega, bem
Perfaffer ber Cogaritl^mentafeln, ber profeffor ber ZHatl^e-
matif, im Hebrigen aber ein feljr mittelmäßiger ZHenfd^
mar. IPieber fanb idi biefelbe Kopfgeftaltung. 3di
burdimufterte 5amilien unb 5d]ulen, lieg mir bie Kinber
Seigen, bie ftd| burdi il^r Hed)enta(ent por ^en anberen
aus3etd|neten. 7>a idi nun immer baffelbe Kenn3eid)en
fanb, mie fonnte xdi anbers, als anneB^men, ba% ber
SaE|Ienjtnn ein befonberes Permögen fei rxnb ein be»
fonberes (Drgan ^ahe?
H^ I. (Saü's 2luffa^ über bcn 3<^^lc"fi""-
Der ZlTenfi^ erfdjafft nid^ts, fein Perflanb ift barauf
angemiefen, bas 3U erfennen, roas e^ijHrt Wenn notl^-
tt)enbtgertt)ei[e eins nrib eins 3u>et jtnb, unb smeimal smei
Pier, fo Ijängt biefe Hotl^u>enbig!eit nid?t pon ber 5^I^ig-
fett bes ZTTenfdien ab, fonbern jie mirb von ilim nur
erfannt als ^lusbrutf unperänberlid^er (ßefefee. 1)ie
gegenüberliegenben tüinfel eines paraOelogramms merben
aUeseit gleid) fein, mag bas (ßefefe pon einem (ßelel|rten
erfannt iperben ober nid)t. So iji es mit ben matl^e«
matifd^en IPaljrljeiten überljaupf. IDenn bie ZlTatlje-
matifer pd? mit Hed)t ber ®ptif, ber 2lftronomie, ber
ZlTufif u. f, ip. bemäd|tigen, fon?eit bie ^ntoenbung ber
Hedinung suläfjtg x% fo muffen bod) bie (ßefefee, nadt
^cnen bie StraB^Ien bes £id|tes gebrodien iperben, bie bie
€uftfd)n?ingungen unb bie Seipegungen maWieHer Ct|eil«
d^en überijaupt bel^errfd)en, in ber Healitdt bejieljen,
nid|t pom menfd|Iid|en (ßcijie, ber fte auffaßt
unb in Sesiel^ungen bringt, abB|ängig fein. 3ft bies
aber fo, fo folgt baraus, ba§ es für bas matljematifdie
Calent eine 2lu§entt)elt giebt, roie für alle Calente, unb
^a% andi feine Aufgabe bie ^uffaffung ber IDirflid^feit
ift. 2lnbererfeit5 muß ber ZTlenfd) für bie bie IDelt be*
Ijerrfd^enben matljematifd^en (ßefefee ein (Drgan l:iaben,
permöge beffen er fie auffaffen fann. Eiäite er es nid^t,
fo roürben bie (ßefefee ber Hatur nidjt in feineit (ßeijl
eingel^en, er mürbe pon il|nen nid)ts miffen fönnen. 3f^
tTaturgcfdjtdjtc bcs gablcnfinnes. \5
bicfes (Drgan fcljt enttoicfelt, fo mirb es il^n befäBjigcn,
neue (ßrögenbesietiungen, neue (ßefefee 3U entbecfen, bte
tüelt fosufagen 3U entfdileiern. Der ZTTenfd^ trägt eine
^B|nung öer lDirfIid)feit in fid) unb bie Arbeit feines
(ßeiftes poHsieljt ftd| in Harmonie mit ben Haturgefefeen,
bie bte Sdimingungen unb bie Semegungen überl^aupt
^a brausen regeln» tüdre es anbers, wie fönnte bann bas
matl^ematifd^e (Ealent jutpeilen in erflaunenerregenbem
(ßrabe bei Kinbern unb bei gans ungebilbeten Ceuten
gefunben merben? 2lbgefeljen von ben oben ertoäljnten
5äIIen, ijl an einem 7 jäBirigen Knaben, Hamens Depau^,
3U erinnern, pon bem alle 3ournale mit Semunberung
ersäl^It iiahen. <£x Ijatte bie Ceibenfdiaft, aöe TXlävfte
auf3ufud|en unb ba bie Kaufleutc 3U beobad)ten, menn
fte it|re Hed]nungen abfd|Ioffen; Ijatten fie pd? babei ge-
irrt, fo mar es iljm eine groge ^r^ube, ben ^vxtlinm 3u
entbecfen. Der \2]äE^rige Sibber pon Deponft|ire mürbe
bem ^er3og Pon l)orf porgef^ellt unb fomol^I feine fönig-
Kd|e ^ol^eit als beren Segleiter gerietB^en in bie größte
Perrounberung, als ber Knabe ol^ne aöe giffern jebe
iljm aufgegebene Aufgabe löfte. ^Ile Hedjnungsarten
roaren iljm gleidimägig pertraut unb bod) mar er ber
SoE^n eines armen ^anbarbeiters, \)C5 Paters pon neun
Kinbern« 3" paris I^abe xdi bcn jungen ^merifaner
S^vahi Colborn gefeiten, über ben ameri!anifd)e fomie
fran3Öftfd|e unb englifd^e Leitungen berid^tet l:iahcn. 3d?
t|abe ben Kopf biefes Kinbes abgeformt unb liabc fein
Bilbnig 3eid)nen laffen (Cafel 87, 5ig. \)* £?ier tljeile
id^ folgenbe Semerfungen barüber mit. Diefes Kinb
H6 I- (Sall's Huffafe über t>en gat^lcnfinn.
ijl geboren im Tipxil \80^ 5U Cabot, in bcr (ßraftd)aft
(Ealcbonicn, im Staate Permont. <£s war nod| nid>t
7 30^»^^^ ^Is ^err ZHac-Ztepen es faB^, ber über feinen
Sefud] im Medical and philosophical Journal and Review
(Zteroyorf \S\\) berid)tet liat ^m gen?öl^nlid^en Ceben
gleidit ^cvaii anberen Kinbern feines alters, ift leidet«
finnig unb 3U finbifd^en Spielen geneigt n?ie fte. lOirb
feine 2lufmerffamfeit aber oon irgenb etmas gans in
^nfprud? genommen, fo seigt er 5ä^ig^eiten, bie über
fein ^Iter B|inau5geE)en, unb B^anbelt es fidj um Hed|-
nungen, 55i|igfeiten, bie fosufagen über jebes ^Iter I|in-
ausgeB^en. 2(m legten ^uguft bes ^alixes \8\0 ent«
bedte fein Pater feine rounberbare Sä^xQtext 3um Hedinen,
als er I^örte, n?ie bas Kinb S<^liien por ftd^ B^infpradj,
bie es 3U feinem Pergnügen multiplicirte. 2lls bas Calent
entbedt mar unb in 5olge beffen geübt n)urbe, enttoidelte
es [\di in wenigen ZTTonaten augerorbentlidj rafdi» ^uf
arill^metifdie Aufgaben anttoortet ber Knabe fo rafd?,
ba% man glaubt, er fage 2tusn?en biggelerntes B|er, Sei
ettpas fd^roierigeren Hedinungen tann man beobaditcn,
wie er mit unglaublidier Sdinclligfeit laut abbirt, fub-
traB^irt, multiplicirt ^ntocxUn B^ält er inne, menn er
einen S^k^^TC bemerft; er ift bann fel|r betrübt, aber es
fommt äugerft feiten por, Znac-Hepen B|örte il^n, ol^ne
jebes Saubern unb ol^ne ben fleinften S^iiht folgenbe
5tagen beanttoorten. 5tage: miepiel ftnb \5^7, \^55
unb 209\? 2tnttt)ort: 537\. 5rage: meldje gaE^Ien
geben, mit einanber multiplicirt, \292? 5olgenbe 2(nt-
tporten famen fo fd^nell, mie man fpredien fann:
Haturgcfd^td^te bes galjlcnfinnes. ^7
5^ X 23, 9 X \38, 27 X ^6, 3 X ^\^, 6X207,
2 X 62\, 5rage: meldte Sa^l gtebt mit pdj fdbft
multiplictrt H369? ^tntmort: 37* 5rage: weldjc gal^I
gUbt mit jtdi felbjl multiplicirt 2^0H ? Tlrxtwott ^9, unb
7 multiplicirt mit 3^3 giebt biefelbe gal^L kannte man
6ic ^al^I in Caufcnbcn un5 ^unberten, fo rief ev \xn»
gcbulbig, nennt bod) 6ic ^unbertc, b, l^. er toollte 5. S»
bei 2^0 \, man foHc fagcn, 2^ ^unbcrt unb eins. 5rög^:
mas crl^ält man, toenn man bic 6 6 ZlTal mit fidj fclbft
multiplicirt? (£r rcd^nctc laut auf folgende Wex\e, fo
fdineH, u>ic man es ausfprcdjcn f ann : 6 X 6 ijl 36
6 X 36 ijl 2^6, 6 X 2H6 ift \296, 6 X \296 ifl 7776,
6 X 7776 ifl ^6656, 6 X ^6656 ijl 279936. 5ragc:
voievxel Stunden entt^altcn 26 3at^re \\ TXlonate 3Cage?
2tntn>ort: 226992. Vex 5ragcr l^attc falfdi gcrcd^nct
unb meinte nun, geraBj t^abe jtdj geirrt. Siefer über-
legte einen 2tugenblicf unb oerjtdjerte bann, feine Hedj*
nung fei ridjtig. (£5 ergab jtdi, ba§ ber STcagex bie
Sdjaltjatire oergeffen unb bie lefeten \\ ZlTonate 3U je
30 (Tagen angenommen Ijatte.^) TJils man ©erlangte,
^) Das erinnert an eine anbcrc 2(ncfbotc. UTan hvad^te 3U
b'2Ilcmbcrt einen ^trtcnfnabcn, bcr fid? als Hcd^cnfünftlcr aus=
jetd^nctc. ITTein Ktnb, fagte b'2i., fo alt bin td?, iPteotcl HTtnuten
^ahe i(i( gelebt? Der Knabe 309 fid? in einen XPinfel bes
gimmcrs 3urücf, hebedte fein (Sefid^t mit ben ^änbcn unb fam
nad? fur3er gcit mit bem Hcfultat 3urücf, als b'2I. mit fetner
fd?rtftltd?cn Ked^nung nod? nid^t fertig mar. Betbc Hed^nungen
ftimmten nid?t. Das Kinb ging lüieber in feinen XPinfcl, red^nete
ipteber unb bcljauptete, feine galjl fei rid^ttg; aud? b'2(. begann
zn dbins^ Znatt^ematifer. 2
^8 I- <S>clIV5 2Iuffa^ über bcn gatjlcnftnn.
gcratj folle \23 mit 237 multipliciren, u>i5crfcfete jidj
bcr Pater, smci brdftefligc gabicn fden 3U oici. 2)cr
Knabe aber fagte, er fönhc es fdjon, unb multiplicirte
fogar fcl^r rafdj \25^ mit H23^* 3n5cffcn fal^ man
bodi, bag bic fdimcrcn fragen bcn Knaben crmübctcn,
unb oft bat et, man möge nidjt 3U mxwxddte ^eii»
nungcn ©erlangen. IDätjrenb bes Hedjnens fatj man
an feiner Haltung, an ben klugen, an ber Spannung
ber Süge, u>ie angejlrengt ber (ßeijl arbeitete. Seine
Süge jtnb fetjr ausbrucfsooll. Die Stirne iji Hein, aber
ecfig, bie Sogen ber 2lugent|ötjlen jtnb oorgerücft (con-
sid^rablement avanc^s); bie klugen finb grau, geiftpott
unb fetjr bemeglidj; ber Sdjäbel ift getrölbt unb oon
beträdjtlidier Breite, ber ^interfopf Hein; bie fjaare jtnb
rotlj; ^as Kinb ijl für fein 2IIter groß nn^ ungetrötjn-
lidi f räf tig ; bie Semegungen jtnb überftürst, er ift immer
in Semegung. Ztiemals l^at er eine Sdiule befudjt, fann
toeber lefen nodj fdjreiben. 2ll5 man il^n fragte, n?ie er
redine, fagte er, er fet^e bie Hedjnungen beutlidj oor jtdj.
Pon Srüdjen l^at er nodj feine PorfteHung, fann nur
mit gansen ^atjlen redjnen. (£r ijl ^as fünfte oon
jteben Kinbern, beren fonft feins burdj befonbere Säil^Q'
feiten ausgeseidinet ijt Der Pater, Tibxali Colbom, ijl
mit fedjs Sinqetn an jeber ^anb 3ur IPelt gefommen
unb geral^ ift bas einsige ber Kinber, ^as biefelbe ZHerf»
n?ürbigfeit seigte.
von Heuern 3U rccf^ncn, 2Ibcr mein E^crr, rief ber Knabe plöfeUd?,
l^aben Sie benn an bie Scf^altjal^re gebacf^t? b'2l. iiatte fte oer*
i^effen unb ber E^irtenjunge blieb Sieger.
Hahirgcfcf^tdytc bes gat^lenftnncs. \^
Xnac'Ztcven erinnerte bei (ßelegent|eit Colborns an
eine anbere perfönlid^feit, 3^^i^ici^ Su^ton, bie im
üorigen 3öl^rl^unbert toegen augerorbentlidier Hedjen» *
funP befannt roar, aber babei DoHfornmen geiftlos roat.
3e6ibial^ fdjien fogar eines Ct^eiles ber oerbreitet^en
(ßefül^Ie beraubt 5U fein. 5ür iljn roar TXln^xf nur ein
ipirres Congemenge; als man il|n in ein Ct^eater ge»
fül^rt I^atte, in bem ein Sind oon 5t|afefpeare gefpielt
n?urbe un5 (ßarricf auftrat, tougte er mdiis 3U tt^un, als
3u lälilen, ans roieoiel IDörtern (ßarrirf's Holle beflanb.
Seralj Colborn bagegen seigt oiel (5eifl; er ifi mit ^tnt»
n?orten rafdj bei ber ^anb unb t)iefe ftnb sumeilen fdjarf
genug. Einige Cage vor 5em ^efudie ZHaC'Zteoen's
I^atte ftdj eine S^can bamit beluftigt, ^eral^ 3U fragen,
toieoiel ItuH 3 TXlal Z(nü fei. (ßerabe fo oiel toie Sie,
antwortete er, gar nidits»
ZHan mug ftdj fragen, fügt TXlac'Zlevcn l^insu, ob
nidjt bie 2tnftrengungen ber 2lufmer!famfeit, benen ^cxaii
fxdl untersiel^en muß, feinen jungen Kopf ermüben unb
oerberben, bas serftören, roas man oon iljm troffen
fönnte, voenn er ber natürlid^en <£ntn?icfelung überlaffen
bliebe* 2ludi ifl es möglid^, ba% burdi eine neue £aune
ber Ztatur ein Stiflflanb eintritt, ober gar bas eigentt|üm«
lidje (Ealent roieber oerfdjtoinbet. ZHac^neoen erinnert
an einen Van H. aus Viika in ben Dereinigten Staaten,
ber mit fedjs 3at|ren fidj burdj einsigartige Sä^qUit
bes Kopfredjnens ausseidjnete, mit adjt 301^^^^^ aber
biefe Sä^i^hü oerlor, ot|ne 3U roiffen toie, unb ber fpäter
redinete roie äße £eute, mit ber 5cber in ber £tant>,^ nxAit
20 I. <3aWs 2(uffa^ über ben gal^lcnfinn.
bcffcr unb nidjt fdineücr als ein 2tn5crcr, jtdi gar nid^t
mct|r erinnerte, toie er es angefangen l^abe, als Kinb im
* Kopfe 3U redjnen.^)
Vet Knabe aus 5t polten fagte mir aud), 5ag er
bie 5al|Ien, mit benen er operirte, 5U feigen glaube, als
ob jte auf eine Sd^iefertafel gefdjrieben mären» €n5-
Ixdt ijl nodi an bie Codjter bes £orb 2TlansfieIb 3U er»
innem, bie Spurst^eim in £onbon faBj, als jie \3 3al:|re
alt mar. Das junge ZHäbdien glid^ beinal^e geraF^
Colborn, jte 30g mit groger Ceidjtigfeit Quabrat« un5
Cubümurseln aus neunftelligen gal^Ien*
Xt>er tt)irb bei aW biefen Kinbern bie 5at|igfeit su
redjnen aus il^ren 5ät|igfeiten im (Bansen, aus einem
allgemeinen Sdilugoermögen ableiten? TUie Sdimierig»
feiten oerfd^minben, fobalb man ein befonberes ©rgan
annimmt, burdj beffen €ntn>irfelung jtdi jene Kinber
ausseidjnen. Va% ein Organ bes ^atjlenfinnes ftd) in
getoiffen 5äflen oorseitig entmicfeln unb eine auger»
gen?öt|nlidje Ctjätigfeit entfalten fönne, bas ift ebenfo
begreiflidj mie bei ben ©rganen bes (ßefd^Ied^tstriebes,
ber aiujtf u. f. tx>.
£s ift aud| nidjt allsu feiten, ^a% man ^as Hedjen«
talent bei £euten finbet, beren (ßeipesfätjigfeiten nidjt
entmicfelt morben jtnb* €in Ciroler ^irt, peter Tinrxxdtt,
wat burdj feine aftronomifd^en Hed)nungen berütjmt
Sein Huf veranlagte ben pater ^efl, it|n aufsufudjen.
2tls biefer (ßeletjrte ^en ^irten über feine Dorftubien
*) Annales de l'^ducation, redig^es par F. Guizot, No. 9.
XtatuT^e^d^xdite bes galjlenftnncs. 2\
Befragte, vexnalim er mit (Erftaunen, bag peler nidit ein-
mal bie Hamen 6er Zllatljematif unb ber ^tjlronomie
Jannte. Dor \2 ober \^ 3<^h^^^ madjte ein Heger in
Conbon oiel oon jtdi reben burdj feine erjiaunlidien
Äedjenfünfte. 'pet Hegierungsratlj Sdjübler in Stuttgart
madjte midi "tit Zllartin ^aefele befannt, einem IDinser
aus 2tlfaltradi bei ^eilbronn. tiefer Zllann I^atte jtdi
von ftdj aus ber ZlTatl^ematif sugeroanbt, befonbers ber
Ilöl^eren 2tlgebra, unb liaite erftaunlidje 5ortfdiritte ge*
madit Später l(aite man it|m bie XDerfe Käjiner's unb
Karften's gegeben, bie er oerfdilungen l^atte; feit 3et|n
3aBiren oeroollfommnete er fidj in ber Differential- unb
3ntegralredinung.
Das alles ftnb Sen?eife bafür, ^a% bas matt|e-
matifdje Calent angeboren ifl unb fein birectes Per«
l|ältnig 3U ben anberen (ßeiftesfäl|igfeiten ijat. Zllan
fann fogar annet^men, ba% biefes Calent, ebenfo n>ie
anbere Einlagen, oom Dater auf ben 5ot|n burdi meljrere
(ßefd?Iect)ter forterben fann. Die 5ömilie Semouilli ifl
ein Seifpiel bafür.
Die geborenen ZlTatl^ematifer seigen, wie alle
Znenfdjen m.it einem l|eri>orragenben Calent, iljre 2tn.
läge feBjr früt^ unb werben oon einem mädjtigen Criebe
gesroungen, es 3U tt^un.
pascal füt^Ite ftdi oon Einfang an 3ur ZlTatl^ematif
l^ingesogen. 3e metjr fjinberniffe er fanb, um fo leiben«
fdjaftlidjer würbe er/ 2tuf bie einfadje Definition ber
(Seometrie l^in gelang es il^m burd? bie Kraft feines
(5emes, bie 32 erflen Säfee €ufUb's aufsufinben. TXlxi
22 I. (Sall's 2(uffa^ über ^en gal^lcnftnn.
\6 '^aiiven ocröffcntlid^te er ein Wert über bie Kegel*
fdjnitte. Von ber (ßeometrie ging er mit gleidier Ceiditig«
feit 3U anderen Clieilen ^er TXlaiiiemaixt über. Vflit
fnapp \9 '^aiixen erf anb er eine geijireid^e Hed^en*
mafcbine. (ßalilei l^atte feit feiner Kinbt|eit eine foldje
Ceibenfdjaft für bie ZlTattiematif, ba§ man fagen fann,
er fam als 2Tlatljematifer 3ur XDelt. 3ofeplj Sauoeur
unb 03anam lernten bie (ßeometrie ot|ne £et|rer. €a*
lanbe rourbe, als er faum V9 3^^?^^ ^^* ^<^^/ ^^^ ^^'
auftragter ber 2lfabemie nadi Serlin gefanbt 3ur Se*
ftimmung ber paraüa^e bes ZHonbes. Cyctjo Sral^e
t|atte feit feiner Kinbtjeit eine augerorbentlidje Steigung
3ur IHattjematü. €uler fül^Ite ftd? ebenfalls frütjseitig
untpiberjtel^Iidi 3ur ilTatl^emati! ge3ogen.
3ft ^as Calent in einem IHenfdjen übermädjtig, fo
beeinflußt es alle anberen (ßeiftestl^ätigfeiten. 3^ fenne
einen 2(r3t, bei bem bas matljematifd^e 0rgan flarf ent«
tt)irfelt ift: er bemül^t frd?, bas Stubium 5er Zllebicin
unb felbp bie IDirffamfeit ber ZlTebicamente auf matt|e»
matifdje principien 3urürf3ufüB^ren*
Ueber ben Hed^enfinn im ^uftanbe ber
Kranfljeit
gtpei mir bekannte perfonen fül^Iten ie^es Vflal,
menn fte ftd) metjrere Cage lang mit fd^toierigen Hedj-
nungen befd)äftigt Blatten, einen 5d)mer3 in ber (ßegenb
bes Kopfes, n>o ftdi bas ^aljlenorgan befinbet.
2tls ber große (ßeometer be Cagny 3um Sterben
Ueber btc £a^e unb bic äußere €rfd?ctnung bes ^al^lenorganes. 23
fam, fragte it^n ^Tlaupcrtuis, roas feas Quabrat oon \2
fei: \^^ fagte ber Sterbende ot|ne gögern. 3m IDiener
Kranfenljaufe I^abe xdi einen oerblöbeten 3rren gefet|en,
beffen einsige Ct^ätigfeit im gätjlen bejtanb, er l^örte
jlets bei 99 <^iif/ "^^ fonnte idi it^n bat|in bringen, 3U
fagen HOO, er begann ftets oon Heuern mit \. 02t»
(Soelis fagt in feiner oorsüglidjen 2tbl^anMung über ben
dironifctien unb ^en acuten fjvbroceptialus : ^) ,,ZtiemaIs
wirb ber pl^vftolog erflären, mie neben einem voü*
ftänbigen ZlTangel atter (ßeiftesfätjigfeiten ein einsiges
Dermögen in aller feiner Stärfe ertjalten fein fanm
Der Sofyi eines ^uffdjmiebes, ber in jeber anberen
fjinftdjt blöbfinnig roar, seigte nodj in feinem \2. 2<^k^^
ein erjlaunlicties §ai:iUnqebä(iitm% unb ein großes XüohiU
rootten. ^eibe 5ä^ig'^iten oerloren fidj mit bem IDadjfen
bes ^yt>xocepiial}X5J*
Das finb gewig unmiberleglidie Seroeife, ^a% bie
5unctionen bes Sat|Ienorganes unabl^ängig von benen
ber anberen ®rgane ftnb»
Ueber bie £age unb bie äußere (£rfd?einung
bes gal^Ienorganes.
7>as ©rgan ^es gal^Ienftnnes wirb burdj bie Xt>in*
bung XIX (auf ben Cafein ^, 5, 8, \5) gebilbet. 2)iefe
IDinbung ift eine 5ortfefeung ber unterften XDinbung bes
^) praftifd^e ^(bl^anblung über bie üorsügltcf^eren Kranft^etten
bes ftnbUd^en Tlitexs, 2. ^axiö.
2^ I. (S>aWs 2(uffa^ über ben gal^lenfinn.
Znujtforgancs unfe jte liegt auf bcm am meinen lateralen
dieile bes Dadjes ber 2lugenljöBj(e in einer 5urd?e ober
<£infenfung, bie oon Dorn nadj leinten 3iet|t. Wenn biefe
XDinbung in beträditlidiem Zllaage entroicfelt x% fo wirb
ber äugere CBjeil bes Sadjes ber ©rbita burdi jte I^erab«
gebrücft, berart, bag ber obere Hanb ber 2lugent|öljle
nur in feiner inneren ^älfte bie natürlidie XDöIbung
bel^ält, t>a% bie äugere ^älfte 3u einer (ßeraben wirb, bie
fdjräg oon oben innen nadi unten äugen sielet {vgl. ^as
»ilbnig oon ZHonge, 5ig. 3 auf Cafel 87). 3n 5oIge
beffen mirb ber äußere Cl^eil bes oberen Cibes gefenft
unb becf t ^as 2tuge metjr als fonft* TXoii beutlidjer
toirb ber Ctjarafter, wenn ber laterale Cljeil ber ®rbita
3ugleidi nadj äugen gerücft ijl, fo bag ber Processus
zygomaticus oss. front, (ober ber äußere obere XDinfel bes
Hanbes ber 2tugent|öl]Ie) feitlidj oorfpringt, über bie
oorbere partie ber Sdiläfe l^eroorragt, wie man es an
^em Sdjäbel }^es berüt|mten Znedjanifers Doigtlänber
(Cafel 88) fielet. 3«^od] biefer Dorfprung ift nidjt oor-
Ijanben, wenn bie lateralen Partien fel^r jlar! gewölbt
ftnb, burdj fintwicfelung fei es bes ZlTufiforganes, fei es
bes Sauftnnorganes.
^at man fidj eine beutüdie DorjieHung oon ber
5orm unb £age bes ©rganes gemad^t, fo betradjte man
bie Znänner, bie ftdj in ^en mattjematifdjen IDiffenfdiaften
burdj it|r fdjöpferifdjes (5enie ausgeseidjnet l^aben* 3dj
fenne einen großen Cljeil ber lebenben ZlTatB^ematifer
perfönlidj, xdl I^abe bie Süften, (ßemälbe, 5tid?e mandjer
2lnberen ftubirt* 2ln aücn, ofyxe 2tusnal|me, liabt idj
Heber bie läge unb bie äu§ere (Erfd^etnung bes ^at^lenorganes. 25
bas bcfdiricbene ®rgan gefunden. ZlTan betradjtc bas
Bilb bes jungen Colborn (Cafcl 87, 5ig. 0; ^^' ^k^
ift ^cr ängcrc Ctjcil öcs ®rbita^adJC5 berart tjcrab«
gcbrücft unb nadj augcn ocrf droben, ba§ bicfc (Eigen-
ttjümlidifcit bcn Perfaffcrn bcr erficn Ztad^riditcn über
5cn jungen Znenfd^cn in bcn amcrüanifd^cn S^itfdl^iftcn
nid^t entgangen ift Vflan betrad^te bie Süjien unb Bilb*
niffe von (guflib, 2trd)iniebe5, (Salifei (Cafel 82, 5ig- 3),
Kepler, Ztemton, Ceibnis, peter (5affenbi, fjuygl^en«,
SuEy, Sescartes (5ig. 5), fiuler, Hoberoal, Caguy, Ser*
nouitti, £agrange, be la place, Cralles, Calanbe (5ig» ^),
fjerfdjel, ©Ibers, Seffel, Söfeenberg, (Egmeyer, ZlTonge,
Carnot, 3ebibial^ Su^ton (Cafel 87, 5tg. 2), Bürgg,
Sobe, prony, 2trago u» f. w.
Kennt man bie Sebingungen, unter benen ^as matlje«
matifdie Calent jtd? bisl^er jlets funbgegeben l^at, fo
fann man, ol^ne 5urd?t oor Cäufdjung, oerjtdiern, ^a%
es fid? in ber 5oIge jlets unter benfelben ^ebingungen
funbgeben u>erbe.
einige parifer ^lerste füt|rten, um midt auf bie
probe 3U (teilen, brei Knaben 3u mir, oon benen ber
eine ein ungewöl^nlidjes Hedientalent befaß. Kaum
roaren fie eingetreten, fo beseidjnete idj ben Hedjenfünftler.
€5 ifl unnöttjig, 3U bemerfen, t>a% ber Sinn für
gal^Ien unb (ßrögen eine oerfd^iebene 2lnn>enbung ftnben
roirb, je nadjbem Don ben anberen ©rganen biefe ober
jene jlarf entwicfelt ftnb. Salb wirb ber mit jenem
Sinne Segabte (ßeometer werben, balb (ßeograpl^,
©ptifer, 2ljlronom, Zlledianifer, Derfertiger mattjematifdjer
26 I- <5aW5 2luffa^ über bcn gal^lenfinn.
3nprumcnte, Znujtf-Componifl; es bürfte feinen großen
Componiften geben, bei bem nidjt bas ®rgan für gal^Ien
neben bem für bie Conbesiet^ungen gut entmirfelt wäxe.
3n 5er Hegel ijl bas ®rgan bei ben IDeibern
weniger enttoicfelt als bei ben ZHännern. 3"^^ff^n I^at
es bodj IDeiber gegeben, bie große Einlagen 3um Hedinen
I^atten unb jtdi in ben matl^ematifdjen IDiffenfd^aften
ausseidjneten. Die Zteger liaben feiten großes Calent
3um Hedjnen unb 3ur ZHattiemattf, andt jtnb it|re Köpfe
fap immer fdjmal, in ber (ßegenb bes Hedienorganes
3ufammengebrürft. Dr. Spursl^eim glaubt, ^a% bas
§at|Ienorgan im ^IHgemeinen bei ^er\ (Englänbern gut
ausgebilbet fei. 3ft bas eine 5oIge langer Uebung, ober
Ijängt bie Steigung 3u ^anbelsfpeculationen oon ber
(£ntn>icfelung bes ©rganes ab?
(£s giebt in paris einen ZHann, beffen 3"tenigen3
freilid^ im 2lllgemeinen redit befdiränft ift, ber aber be«
fonbers burd? feine Unfät^igfeit, gal^Ienoertjältniffe auf*
3ufaffen, auffaßt. £5 ift nie gelungen, iljm Aar 3u
madjen, t>a% 2 unb 2 ^, 2 unb \ 3 ftnb. 3^! I?cibe
ben Sdjäbel biefes ZHannes abformen laffen unb es ijl
bemer!ensn>ertl^, ^a% an iljm bas gal^Ienorgan fajl gar
nidjt oorl^anben 3U fein fAeint.
Sefifeen bie (EB^iere ben gal^Ienfinn?
2<k mödjte nidjt entfdjeiben, ob bie tCIjiere 3äl^Ien,
eine beutlid^e Dorftettung ber galjl t|aben. „Die Cljiere
3äI^Ien, bas ift ftdjer, fagt Ceroy; unb wenn audi bis jefet
Bcfi^cn bic (EMerc bcn gat^lcnfinn ? 27
il^rc 2lrittjmeti! bürflig genug fein mag, fo fönnte man
jte bodj oiellcidjt »eitcr entotcfcin. 3" ^^" (ßegcnbcn,
tDO man bie Dögel pflegt, oerfolgt man t>xo filficrn, benn
bicfc ftct^Icn t>k <£wx. TXian merft fidj txe Ztcflcr ber
Häuber unb fud|t bic 2tltc, träl^rcnb fic brütet, 5U
tobten. Znandie Dögel oerlaffen bas ITeft, fobalb man
ftdi it|m nätiert. ZlTan legt am S^t^ bes Saumes
einen oerbecften ^intert|alt an. IDenn ftdj ^ann ein
ZHann am 5u§e bes Saumes auf bie £auer fiellt, um
bie XPieberfetjr bes brütenben Dogeis absumarten, fo
n?artet er oft nmfonfl, benn bic filfier ifl fdjon gefcl^lt
n?orbcn; fic n>ei§, ba% ber SItfe aus bem ^intert|altc
Bjerausbred^en roirb, in bcn ftc ^^n Zllann I:|at get|en
feigen. Die Znutterliebc 3iet|t ftc 5um Hefle, bie 5urdit
Ijält fie surücf unb fdjlicglid] fommt bie Xladit l^erauf,
bic fic bem Perfolger cntsietjt. Um bcn migtrauifd^en
Pogel 3U täufd^cn, gelten am nädifien Cage smei IHänncr
3u bem ^interl^altc, ber eine bleibt, ber anbere gel|t
mieber fort. 2tber bic (Elfter tjat ftc gc3äl|It unb bleibt
tt)cg. 2tm britten Cag fommen brei, aber bic (Elfler
bemerft, t>a% nur 3tDci mieber tocggcljen. (£nbli(ii muffen
fünf ober fcct)s Zllänncr l^ingcBjcn unb bic 2tritljmetif ber
(Elfter in Dermirrung bringen. Sie glaubt, bic ZHänner
feien alle vorübergegangen, unb fommt 3urü(f. Der
Derfudi ift fo unb fo oft gemad^t toorben unb ifl einer ber
gcbräudilidjftcn Semeife für bcn Sd^arffinn ber Ct|icrc.'' ^)
^) Lcttres philosophiques sur l'intclligence et la perfectibilit^
des animaux. (Edition de 1802.) p. ^^9. ^30.
28 ^- <5aWs 2luffaö über ^en gatjlenfinn.
Vnpont be Ztcmours ocrjidjert fogar, bag bic €Iftcr bis
ZXenn i&lile.
TXlan glaubt, bag bie ^enne tt|rc (£ier säl^Ie unb
bic ^ünbin itjre 3ungen. Sidjcr ift, ba§ bte ^ünbin es
merft, roenn man eins bcr Kleinen tocggcnommcn l^at
2Iber xdi glaube, ba% es ftdj babei nidjt um ein eigent-
lidjes gäl^Ien tjanble. XDenn von uns in einer nidjt
fet|r saljlreid^en (ßefeüfdiaft befinden unb einer i(i fort^
gegangen, fo bemerfen mir fein 5«^Icn, ol^ne bie Salil
ber perfonen 3u fennen. Die ^ünbin fönnie in äl^nlid^er
XDeife bas 5«^I«n eines Kinbes bemerfen, u>eil fie jebes
von il^nen perfönlid) fennt
Ueber ben geitfinn.
(£s giebt Ceute, bie jtd^ mit groger Ceidjtigfeit Daten
unb geitabfd^nitte merfen. Sie miffen alle (ßeburttage,
äße fjod^seittage, (Eobestage,. bie geit aller (£reigniffe,
felbft ber geringften. Sie beginnen jebe (£r3ät|Iung mit
Eingabe bes 3atjres unb bes Cages. Von ber (ßefd^idjte
merfen jte fid? bie §at|Ien am beften. Der 3efuit Denis
petau n^ibmete jtdj ber Ct^ronologie unb madjte feinen
Xlamen faft 3um berül^mteften aller europäifdien £l^rono*
logen. 2Iuf feinem Stid^e fietjt man bas gal^Ienorgan
fetjr beutlidj. Der Senior Degmayer oon 2tugsburg
mar allgemein befannt, n?eil er ftd^ afle Daten merfte,
(ßeburttage u. f. rx>. Pon feiner Kinbtjeit an Ijatte. er
eine entfdjiebene Steigung 3ur ZHattiematif; audj ijl bas
äußere ^eidien baoon bei il^m fetjr ausgeprägt (ßeljört
Webet ben gcitfinn. 29
nun ber geitfinn 5um galjlcnjlnne, ober mug man für
x^n ein befonberes ©rgan fudjen?
Vfiandi^ £eute fönnen, wenn jte pdi nieberlegen,
genau bie geit bes (Ermadjens beftimmen. TXlandie
irCujtfer I^alten, obn>ot|I jte fonji feBjr mujtfalifdi jtnb,
fdjledit (Eact, anbere wieber oerfetjlen ben tEact nie, ob*
u>oI^I fonft il|re 5öt|ig!eiten gering jtnb; man fönnte
gerabesu banadj ^wcx Claffen oon Znujtfern unterfdieiben.
€5 giebt Znenfdjen, bie gar fein (ßefül|I für ben HI^y*^'
mus ungereimter Derfe l^aben. ZHandie flnben ein eigen«
tl:|ümlidje5 Pergnügen an einer Ut^renfammlung unb
baran, ta^ alle Ut^ren gans genau getjen. 3^"^ 3^^^^^,
bie tage* unb wodjenlang auf bemfelben plafee Bjocfen,
fdjeinen allen geitjtnn oerloren 3U iiaben. 2^ IDien
I|atte ein (ßeijlesfranfer nur bie eine fi^e 3bee, ba%
immer ber ^7. ©ctober märe. Sei (Seipesfranfljeiten
roie bei anberen fd^meren Kranfl^eiten fommt es oor,
bag bie Dorjtellung ber §eit oerloren get^t. (5enefen
bie Kranfen, fo red^nen jte bie geit oon ^a an, als jte
mieber ein beutlidjes Semugtfein it^rer (E^iftens erlangten. '
®n Vame, bie 27 3öl?re lang megen ZHanie einge-
fdjioffen gemefen mar, fam wieber 3U jtdj, obn>ot|I it^r
VOaiin vmb il^re (Erregung jte bis 3um gerreigen ber
Kleiber, 3um lTacftumt|erIaufen u* f. n>. gebradjt l^atten.
2tl5 ber IDatin auftjörte, fdiien jte aus einem Craume 3U
ertoadjen unb fragte nadj il:|ren Keinen Kinbern. Va% biefe
feit 2<^iiten t)erl^eiratl|et toaren, fonnte fie nid?t faffen. ^)
^) Pinel, Trait^ m^d.-philosoph. sur l'ali^nation mentale, p. 88.
30 I- (Sall's 2luffa^ über ben §at^lenfinn.
Etabcn bie Cfjicrc andi ein 7Xlaa% öcr gcit? J>ie
(Et|iere, fagt Suffon, fönncn gar feine Dorftellung von
bcr ^ext I^aben, feine Kenntnis bes Vergangenen, feinen
Segriff oom gufünftigen. Sd^on £. (5. Ceroy I^at biefe
Seljauptung Suffon's fel^r gut surücfgetoiefen. 5ür uns
ift bas Znaag öer §eit in öer 5oIge ber Porfteüungen
unb (ßefüB^Ie, bie roir gel^abt unb öie eine Spur in
unferem (Sebäditnig l^interlaffen Ijaben, gegeben. Sid^er
traben bie Cljiere toeniger Dorfteüungen als roir, bal^er
roeniger ZHarfen für ben Cauf ber Seit, aber eine Vor»
fiellung oon biefer muffen pe hßben, ba fie periobifdi
roieberfel^renbe guftänbe oorB^erfet|en. TiUe (Et^iere, bie
fid] 3u beftimmten Stnn'öen 3um 5r^fßn aufmadien, unb
es giebt beren oiele, finb burdiaus pünftlid?, inbeffen
nidjt toie eine Uliv, bie bie Stunbcn fd^Iägt, fonbern mit
Berücffiditigung ber 3al^res3eit unb anberer Umftänbe»
IDenn bie (£rnte oorüber ift unb bie 5öfcinen jtd? in
ilixen (Beilegen auft|alten muffen, alfo ettoa gegen ben
\, September I^in, fo leben fie trupptoeife unb oerlaffen
5iDei TXlal am Cage bas (ßetjöls, um il^re Hal^rung 3U
nel^men, mas man 3ur IDeibe getjen nennt. 2Ifle madjen
jld) beim Sonnenaufgange auf, unb ba 3u biefer §eit
öie ITal^rung reidilidj ift, u>irb ^as 5rül^ftücf balb be*
enbet; fobalb es marm mirb, getjen bie Ct|iere in ben
Walt) 3urücf. gtpifdien 5 unb 6 Ut|r fommen jte lieber
l^eraus unb ^as 2Ibenbbrot bauert bis 3ur Dunfelljeit.
3P bie XDärme weniger grog unb bie Ztatjrung weniger
reidilidj, fo 3iel^en jte etn?as frütjer aus. IDirb bie
ITaljrung fnapp, werben bie (Eage fur3, fo gelten bie
Ucbcr ben gcitftnn. 3^
5afancn nur einmal täglidj iiexans, stoifd^cn 9 unb \0
Ul^r früBj, unb il^r Kla^ baucrt bann bis 3um Sonnen«
untergange. IDie fönnten biefe Dögel fo regelmäßig
leben, wenn fie nid^t irgenbmie bie geit müßten? Die
rott^en Hebl^ül^ner oertjalten jtdj äBjnlidi unb bie fingen
3äger wiffen je nadj ber Sinnbe, ob fte im (SeBjöIs ober
auf bem 5^Ibe 3u fudien frnb. Die toilben Kanindien
ertoerben burd^ (grfaljrung eine 2lrt oon X)orgefüt|L 2^
Sommer oerlaffen fre il^ren ^au in ber Hegel oor
Sonnenuntergang, bleiben einen Ctjeil ber Xladit braußen
unb fommen frütj um 8 ober 9 ^h^ 3^^ Porfd^ein,
roenn es nidjt tjei§ ijt. 5inbet man fre aber um 2 ober
3 Uiit Ztadjmittags eifrig freffenb unb weniger oorjtdjtig
als fonjt, fo tann man jtdier fein, baß es am 2tbenb
ober in ber ITadit regnen n)irb. Die (Sefräßigfeit ber
Kanind^en iji alfo eine £janblungsn>eife aus Dorjtdjt,
irgenb eine (£mpfinbung, bie bie (Erfatjrung fte beuten
geleiert iiat, veranlaßt fie 3um Urtl^eile über tas Kommenbe.
Die ^austl^iere Ijaben ebenfaEs ein ^eitgefül^I. Sie
lernen burd? bie (£rfatjrung ^as gufünftige beurtt|eilen
Die Stunbe bes ^afers oerfünbigt bas pferb mit un-
gebulbigem Xt>iel|ern. ZHübe ober bösmillige tEB^iere
XDOÜen burdiaus nidit an ^cn ©ertern oorüberget|en, an
btncn gemöBjnlidi^alt gemadjt wirb. Sie traben alfo
eine (Erinnerung an bas Vergangene. Die ^unbe, be»
fonbers bie, bie gewötinlid) 3u einer beftimmten Sinn^e
3ur 3^9^ gefül^rt werben, marfiren biefe g^i* burdj
lautes ungebulbiges Seilen, wenn Der3Ögerung eintritt.
(Seilt es fort, fo geben fte bie gcid^en lebt^aftefter 5reube.
32 I. <5alVs 2lnffa§ über bcn gotjlenftnn.
©er 35ger Ijat oft HTüIje, bie (EE^iere 3U BcruE^igen, toenn
jte iljn mit bcr 51inte fomtncn feigen. 3eber toeiß, ba§
bic ^unbe unb anbete ^austE^iere bie Speifejlunbe feljr
genau Unncn, ^a^ pe fomtt bie Seit meffen.
2lber giebt es ein befonberes ®rgan bes ^eitmaages
unb wo pfet es? Spursljeim meint, biefes ®rgan fei
obert>aIb bem ber ©rbnung unb neben bem ber TXlnfxf
5U fud^en, toeldj' leftteres baburd^ feljr geforbert toerbe»
Dielleidjt toirb es fpäter möglid^ fein, über biefe X)inge
etioas ^uüerlafftges 3U fagen, toenn man oiele Seob-
ad|tungen über perfonen mit leibenfdjaftlidier Steigung
5ur Cljronologie, 3ur ^eitbeßimmung unb 3U Daten ge*
fammelt unb pe mit ben an UTatl^ematifem angejlettten
forgfältig ocrglidjen {^aben n>irb."
n.
Beiträge 3ur Äenntnit
bes matt^ematifcf^en Calentes.
XXldbius, tXlatiiematif.
A. Sctfptclc 5cr €ntit)tc!clung be^mknbet
ZlTatljcmattfcr*
\, Den 2tnfang mad^t billig bcr princeps mathe-
maticorum, Karl 5ncbrid) (ßau§. ^) €r tourbe am
30. 2IpriI H??? in Sraunfd|tDcig geboren. Sein Dater
roar IHaurer, fpäter (ßärtner, ein ad^tungstoertl^er, aber
rauljer, unfeiner IHann, feine IHuller Vovoiiiea, gcK
Sense, eines Steinljauers (Codjler. Die Hlulter jlarb
97 3aE^re alt im ^aufe bes Soljnes. (5. lernte lefen
oi|ne Unterriebt; er fragte bie oerfdjiebenen ^ausgenoffen
um bie Sebeutung ber Sudiftaben unb Ijalf fid^ t>ar\n
aflein fort. Unglaublid^ früf^ trat bas matl^ematifd^e
(Ealent E^eroor. <ß. fagte fpäter, er iiabe frül^er red^nen
als fpredjen fönnen. 2tl5 ber Dater einft mit feinen
(ßef eilen, bie mei^rfadj nadj 5cicrabenb gearbeitet l^atten
bie Sonnabenbredinung abfdjiog, eri|ob pdj ber faum
Själjrige Knabe oon feinem Cager unb rief: „Pater, bie
Hedjnung ift falfdj, es mad|t fo oiel." Das Kinb Ijatte
^) (Saug, ein Umrig feines £cbcns unb VO'ixhns oon ^J. 21.
C IDinnerfe. Braunfd^ipeig. Dicipcg u. Sol^n, 1(877.
5*
36 H. Bcifpiclc 3ur Kcnntni§ bes matl^cmatifd^cn (Talentes.-
Hed^t Pom 3al)re \78^ an befud^te (&♦ bic Calf^e-
rincnfdiule, bie unter bcr Leitung Süttner's ftanb. giüei
3al)re fpätcr, 9i^^^^9/ ^^"^ ^^^ i" ^^^ Hcdjenclaffe^ Seim
€inlritte tourbe ben Kinbern aufgegeben, eine Heitre
auf einanber folgenber ^aljlen, \ — ^0, 3U abbiren. Wet
feine Hed^nung fertig Blatte, ntugte feine Cafel auf ien
Klaffentifdj legen. <ß. fdirieb naii fursem Sepnnen bcs
€rgebni§ auf bie Cafel unb n^arf pe mit btn IDorten:
„Da ligget fe!" auf ^m Cifd^, n>äl)renb bie 2tnberen
[idi mül|ten unb erft fpät fertig upurben. Der geniale
Knabe Blatte fofort bemerft, bag bie Summe aus 20
paaren (\ + ^0, 2 + 39, 3 -f- 38 u. f. fO von ^\ be-
^tan^, alfo 820 betrug. Der 9iäl)rige <ß. l^atte ^cs
Summationprincip für ariti|metifdje Heiljen auf ^en erjten
Slicf erfannt unb angen>anbt. Der Celjrer n^ar natür-
lidj I)öd|lidj erjtaunt, nal)m jtdj (5.'5 befonbers an, be»
fdiaffte ii|m matljematifdje Südier unb interefjtrte be-
beutenbe ZlTänner für ü|n. 3m 3<^I)^^ 1^88 n>urbe <ß.
in bie 2. Claffe bes (Bvmnajtum aufgenommen, iladj
3tt)ei 3öljren n>urbe er in bie prima oerfefet, wegen un«
glaublidj rafdjer 5ortfd|rilte in ben Spradien. Tlls er
^795 bie Unioerfttät besog, upugte er nicfct, ob er pEjilo-
logie ober ZHatiiematif ftubiren fotte, entfdjieb ftdj jebodj
balb für lefetere. 3"^ 3^^J^^ U9^ madjte er bie €nt«
becfung, ba§ ein Siebsefjnecf in einem Kreife geometrifdj
confiruirbar fei. 3"^ 3<J^J^^ \^^\ üeröffentlidjte er feine
Disquisitiones arithmeticae unb oon ^a an war er ein
berüljmter 2TIann.
Das fpradjüdie Calent madjte pdj audj fpäter be«
©aulj.
A. Bcifpiclc bcr €ntipirfelung bcbcutenbcr Utatl^cmatücr. 37
merflid?. 3"^ 3<^lixe H8^0 Iricb (5^ Sansfrit unb fpätcr
erlernte er bas Hufftfd^e. €r las gern Xüalter Scott,
fpäter befonbers rufftfdie Literatur, Don ben beutfdien
Vxditexn fd^äfete er 3^ön pauI am I)ödiften, Sdiifler
mod^te er nid^t unb (ßoellje toar il)m „an (ßebanfen 5U
arm"* (5. jlarb am 23. 5cbruar \855 burd? ein fjers«
leiben.
(£r tt)ar stoei IHal Derl)eiratl)et. Sein ältefter 5oI)n
tt)urbe 0berbauratl|, feine tEodjter E^eiratB|ete ben pro-
feffor firoalb. Tlns ber 3tDeiten (£i|e ftammen brei
Kinber.
2) 2tnbr^ Ularie 2lmp^re^) tourbe am 22. 3önuar
^775 geboren. Sein Pater war (ßefdiäftsmann, feine
inutter eine fei^r fromme 5rau. „3\x(^t^i enttt>icfelte ftd^
bei 2tmp^re bas Calent 3um Hedjnen." Sd|on el)e es
bie SaE^Ien fannte, red^nete bas Kinb mit Kiefeln unb
SoI|nen. 2ll5 es bei einer KranfE^eit nadj breitägigem
5aften einen gwiebacf erl^ielt, ag es il)n nidjt, fonbern
serbrad^ il|n nnb red^nete mit ben Stücfd^en. Der auf
bem £anbe aufioad^fenbe Knabe tourbe ein Cefegeier,
er fanb bie 20 Sänbe ber großen €ncYfIopäbie unb las
einen nadj bem anberen burd^. 2Iuf biefe lOeife er*
langte er ein ungeorbnetes, aber ungel|eures Xüiffen,
benn er merfte pd^ alles. Sein (ßebäd^tnife war fo
riejtg, ba§ nod] ber alte 2tmp^re lange Steflen aus ber
(gncyllopäbie wörtlidj I^erfagen fonnte. 3tn \^. 3öl|re
perlangte ber Knabe pon einem Sud|I|änbIer bie tOerfe
^) 2lrago's (Scbäd^tnigrcbc.
38 n. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matl^ematifcben (Talentes.
ScrnouUi's unb fiulcr's. ^Is ex I|örtc, fic feien latcinifdj
gcfd^riebcn, lernte er ad hoc lateinifdj unb flubirte bie
Sudler bann. €r erfanb als 3üngUng audj eine Ur-
fprad^e. 3m 3al)re H793 50g bie 5amtlie nadi Cyon.
Der Pater würbe geföpft unb ber junge 2tmp^re perfiel
in einen einjälirigen Stupor. (£r erl^olte ftdj an Houffeau's
botanifdjen Sriefen unb an ^es fjoras (ßebid^ten. €rp
toar er prioatlelirer ber IHatliematif in Cyon, bann
profeffor ber pity[\t in Sourg. Seine 2lrbeit über bie
XüaJ^rfdjeinüdjfeit oerfd^affte xtim bie Berufung nadj
paris unb \S\5 trat er in bie ^Ifabemie ein. Die ^öt^e
feines Cebens erreidjte er H820 — \822 mit ^en ^biiant>»
lungen über (£IectrobYnamif.
2Imp^re u>ar ein neroöfer lllenfd?, fd^toärmerifdj,
aufbraufenb, von unenblid)er fjersensgüte, roeltfremb,
reid^ an lOunberlid^feiten. Seine gerftreutf^eit roar be«
rüi|mt unb mad^te il^n 3um Spotte ber Sd|üler, bie nie
t>erga§en, ^a^ er einmal ben Kreibelappen als Sd^nupf-
tud? benu%t l|atte. €r er3äl)lle, er I)abe brei gro§e €r«
etgniffe erlebt, bie erfte Communion, bas Cefen ber bem
Descartes geu>ibmeten Hebe oon CB^omas, bie (£innat|me
ber Saftiüe. €r u>ar feB|r fursftdjtig; als junger JTlenfdj
fefete er sufäHig bie Srille eines Heifenben auf nnt> er*
fuf^r einen überirältigenben €inbrucf. €benfo fpät unb
flürmifdj lernte er bie 5tcube an ber Hlujtf fennen, er
fd^tDärmte für Cieber unb fanb bie Kunftmupf B^ödijl
langtoeilig. 3" ^^^^ 3w9^n^ bid^tete er. 5ür pE^ilofopJjie
roar er fo begeiftert, baß er 3eittDeife jtd^ il^r gans
roibmen roollte. 2lfles Xüunberbare 30g it^n an unb für
A. Bcifpicic 6cr €ntipirfclung bebeutcnber Utatl^cmatiBcr. 3^
ben animaltfd^en ZlTagnctisinus wav er fcl)r eingenommen^
IDäl^renb feines ganjen Cebens plagten il)n religiöfe
Snjcifel unb gioeifel überljaupt. 3n fpäteren 3at|ren
modjte er mdits metjr lefen unb bas Sdjreiben lüar it^m
immer eine ia% Sifeenb fonnte er nid^t geizig arbeiten,
nur im Uml|ergel|en. Sulefet befd^äftigte er jtdj aus*
fdllieglid^ mit einer neuen €intt|eilung ber lOiffenfd^aften^
2lmp^re ftarb am \6. 2tugujl \S56 axj einer Sruf!*
franfl)eit Kurs vor bem Cobe begann 3emanb aus ber
^adifolge £I)rijH ©orsulefen. 2tmp^re fagte, er möge
aufl)ören, er fenne bas Sudj ausroenbig.
5. 2trago I|at felbp bie (ßefd^idite feiner 2^genb
ersät^lt.^) €r mürbe am 26. 5cbruar \786 als ber
Sofyi eines 3uriften unb einer fel)r frommen 5rau ge»
boren, 2IIs Knabe war er für ^en Solbatenflanb be-
geiftert €ines (Eages rietJ^ il|m ein ©ffisier, in bie
polytedinifd^e Sd^ule einsutreten. Seitbem ftubirte er
nur nodj lüatliematif» €r Iie§ ftd^ bie Sudler £egenbre*s
u. 21. Don paris fommen nrib brad^te ftd^ allein por*
toärts. €r flubirte bie 2tnalvjts bes Unenblidjen pon
€uler, Cagrange's Xüerfe, bie Hl^canique c^Ief^e pon
Caplace u* f. w. 2lls er pdj jum (Eintritte melbete,
ipurbe er pon JTlonge geprüft, ©iefer lie§ il|n anfäng-
lidj B^art an, gerietl| aber burdj 2trago's 2tntrDorten in
bas größte €rftaunen, als er einen pottenbeten JTlatlie-
matifer in iljm erfannte. 3»" 3öi|re \803 trat 2lrago
in bie polytedinifd^e Sd^ule, \806 würbe er roegen ber
^) S^^^i 2(rago's fämmtUd^c XOexte, Dcutfd? oon ^anhL
Icipsig, 0. IPiganb. L ^85^.
^0 H» Beiträge 3ur Kenntnig 6es matl^ematifd^en Talentes.
(ßrabmcffung nadj Spanien gefdjicft Wegen bcs Krieges
erlebte er bie merfwürbigpen unb gefäiirlidiPen 2lben-
teuer, gerietB^ in bie (ßefangenfdjaft bes ©ey pon 2IIgier,
mugte €ntbeljrungen unb Strapazen aller Tltt ertragen,
feierte aber nadj einigen 2<^k^^^ "^W feinen Seredjnungen
glücf lidj surücf. JTlit 23 3al|ren npurbe er Zltitglieb ber
2tfabemie, inbem er \809 an Calanbe's Stelle gewäl^lt
tt)urbe.
^. €in5 ber merfn>ürbigjlen Seifpiele von S^vitxex^e
ip Ciiomas £)oungJ) €r würbe am ^7. 3uni 1773 in
einer Quäferfantilie geboren* IHit jtDci 3aljren fonnte
er geläufig lefen. JTlit pier 3al)ren fannte ^r eine
ZHenge englifd^er SdiriftpeDer nnb wugte mel^rere
lateinifd^e (ßebid^te ausirenbig. JTlit fed^s 3<»^ren fam
er 3U einem profeffor in bie Cel|re. 2Il5 er ad^t 3ail^^
alt war, mad)te er mit einem 5^Iönteffer Spajiergänge,
i^orte biefen über JTIeffungen reben unb nal^m lebB^aften
2tntl|eiL €in lOörterbudj ber lüatliematif, t>as xfyn in
bie ^änbe fiel, Karte il)n auf. Don nun an ging ber
Knabe mit bem Quabranten fpasieren unb bered^nete
^bent>s bie ^öl|en, bie er frü^ gemeffen I|atte* Pom
9. bis 5um H. 3akte mibmete er [xdi I^auptfäd|Iidj ^en
Spradjjhibien: Cateinifd^, (ßriediifd^,5rati30Jtfdj,3t<tKenifdj,
fjebräifdj, perpfd^, 2lrabifdi. 2lls er bei einer (Belegen-
E^eit aufgeforbert würbe, ein paar Säi^e ju fdjreiben unb
feine gute fjanbfd^rift ju jetgen, brandete er auffattenb
lange Seit 2lls man il^n brängte, I^atte er bie Säfee in
2lrago's (5ebäd^tnigrebe.
A. Bcifptelc ber €ntiptc!elung bcbeutcnbcr Utatl^cmatifcr. ^\
neun Spradien gcfd^ricben. €r trieb audj bolanifdje
Stubien unb verfertigte jtd^ felbjl ein JTlifroffop. Um
bie ßnfen ridjtig fd|Ieifen 3U fönnen, jlubirte er bie
3nfiniteftmalred|nung. £)oung tourbe 2lr3t, fdjrieb aber
über alles JTIöglidje, JTlatliematif, pityfit Onterferens!),
pllVpoIogie (^ccommobation !), £jierogIvpi|en, ZHebicin,
pEjiIofopI)te, (ßrammatif, Ced^nif, ^Iftronomie, ZlTufif,
malerei u. f. ro. Seine Cel)re toar, jeber ZlTenfd^ fönne
jebes leifien. Um fte 3U bemeifen, rourbe er Seiltänjer
nnb Sereiter. 2ll5 2Ir3t I|alte er roenig €rfoIge. 3"^
3aB|re ^SUS gab er feine prajis faft gan3 auf unb
iDurbe Secretär bes Cängenbureau. €r ftarb am \6. TXlax
\829 an „Derfnöd^erung ber 2lorta'^
5. 3öme5 tDatt^) rourbe am \% 3önuar \ 736 in
Sdjottlanb geboren. Sein (ßrpgoater toar Cel^rer ber
matl^ematif unb Sd^iffsbaufunbe, rourbe ^2 3öl?re alt.
Diefem folgten 3U>ei Söl|ne, ein JTlatl^ematifer unb ein
Kaufmann. Der lefetere, ber augerbem 2TIagijirat toar
unb 8^ 3öl)re alt rourbe, u>ar ber Dater pon 3otne5.
3ame5 toar als Kinb fel^r 3art unb brad^te einen großen
tEt^eil bes ^aiites allein im 5'^»"^^^ lernenb 3U. ZHit
fedjs ^aitvcn oerfudite er jtd^ an geometrifd^en ^lufgaben
unb bebecfte ben 5u§boben mit Kreibejlrid^en. (£r 3er-
legte feine Spielfadjen unb baute eine €Iectrifirmafdjine.
3m 3oiit^^ 1755 fam er nadj Conbon 3u einem Der*
fertiger matl^ematifdjer unb nautifd^er 3tiftrumente. Zltit
2\ 2cik^^^ tDurbe er IHed^anifer ber Unioerptät in
^) 2Irago's (Seb'ddftni^xehe,
^2 n. Beiträge 3ur Kenntntg bes matl|emattfd?en (Talentes.
(ßlasgotD. (Dhwolil er gans unmujifalifdi wax, baute
er gelegentlid) eine 0rgel unb t>erbefferte babei ben
0rgelbau.
Don feinen (£igenfdiaften roerben I^eroorge^oben
porsüglid^es (ßebäd^tnig, Kenntniffe auf allen nüfelidien
(ßebieten, unermüMid^er S^e'i%, groge Ciebensmürbigfeit.
rOatt jlarb SSjäf^rig, am 25* 2Iugujl \S\%
6. 3ofepB^ 5ourier^) upurbe am 2\. IHärs ^768
als Soiin eines Sdjneibers in 2Iu^erre geboren. "Durcft .
einen Sifd|of mürbe ber Knabe in bie lüilitärfd^ule ber
Senebictiner gebrad^t. „5ourier I)atte im Filter pon
\5 3af^ren t>cn Ungeftüm unb bie geräufd^ooHe Ceb-
I^aftigfeit ber ZHe^^rsal^I fo junger Ceute, allein fein
Ct^arafter erfuf^r wie burd^ einen gauberfd^Iag eine
plöfelid^e Ummanblung, fobalb er in bie erjlen (Elemente
öer IHatiiematiF eingemeif^t rourbe, m. a. 10. fobalb er
feinen tt)al)rl|aften Seruf 3u fül)len anfing. Die orbnungs-
mäßigen 2Irbeitftunben genügten feiner unerfättlid^en
tOigbegierbe nid|t mel^n Kleine Cid^tftümpfdjen, bie er
in ber Küdje, ^en (ßängen unb Sdlen bes £oIIegium
forgfältig fammelte, bienten in ber Ztad^t, unter ber
ZHünbung eines Sd^Iotes, ^en er mit einem idbcn vex*
fd?Io§, 3ur (£rl)enung oon Courier 's einfamen Stubien/
5ourier rooHte junädif! 2trtiDerip roerben, jurücfgen^iefen
trat er bei ^cn Senebictinern als Ztooije c\n. ©ie
Heoolution fam basmifd^en, 5ourier rourbe ^789 Cel^rer
ber inatliematif an ber lüilitärfd^ule 3u 2lu^erres unb
fam am €nbe bes 3öi|res nadj paris, wo feine 21b«
1) 2lrago'5 (5ebäd?tnigre6e.
üfflonge.
A. Bcifpicle bcr ^ntirirfclung behentenbex XWat^ematxfex. ^3
Bjanblung über bie 2luflöfung numcrifcljer (Sfcicljungcn
aßcr (Srabe oor bcr 2lfabemie gelcfen mürbe.
Das weitere Ceben 5ourier'5 ir>ar fel)r betoegt, er
naijm d)eil am poliltfcljen Cehcn, madjte bie (g^pebition
nadj (ggypten mit, trat als Diplomat auf, rourbe präfect
in (5renoble unb 2lfabemifer in paris.
5ourier ir>ar eine leibenfdjaftlidje Ztatur unb in
mandjer £}injtcljt munberliclj. ^m ^Iter pflegte er loegen
rl^eumatifdier Sefdjmerben feine Simmct audj im Sommer
Parf 3U Ijeisen unb pdj „in ber l?ei§eften 3Äl)>^«53eit fo
3u fleiben, wk es felbfl Heifenbe nidjt tE|un, bie mitten
im polareife 3u überwintern oerurtl^eilt pnb".
5ourier ftarb am \6. TXlax \830 burdj ein Porten»
aneurysma.
7. Cafpar Zllonge^) lourbe am \0, TXlax \7^6 in
Seaune geboren. Sein Pater xoax ein Meiner I:|aujtrenber
Kaufmann, ber brei Söl)ne bei ben Patern oom ®ra-
torium ftubiren lie§. Zllonge „war gleid? oon oorn-
lierein ein ZHufter oon ^us3cicljnung. 3n allen 55djern
trug er bie erften preife baoon unb feine €el)rer fanben
ein befonberes Petgnügen baran, feinem Hamen bie
etwas ge3ierte Benennung ,puer aureus* bei3ufcljreiben."
Znit H 3öl)ren baute ber Zögling in ber Hebefunfl
eine 5^ucrfprifee, beren Ceiftungen felbjl bie unterridjtetften
perfonen erftaunlidj fanben. TXlit \6 2<^livcn entwarf
er einen plan ber Stabt Seaune unb erfanb babei bie
Znetl|oben ber Beobadjtung, conjiruirte 3"ftfumente 3ur
IPinfelmeffung u. f. w. DaraufE^in rourbe er profeffor
^) 2Irago's (Scbäd^tntgrcbc.
^^ II. Beiträge 3iir Kenntnig bes matl^cmattfd^en (Talentes.
ber pB)YJtf an bcr bcrül)mtcn €et|ranjialt ber ©mtorijlcn
in Cyo" wnb bcr \6iäl)rige profcffor fanb allgemeiTic
Bewunderung. Später befudjte er bie ^rtitteriflenfcljule
in in^si^res, wat erfl Sdjüler ber praftifdjen Heben-
abtl)eilung, a>urbe bann Hepetent, \76S profeffor.
H)äl)renb biefer 3aBjre fdjuf er bie befcriptioe (5eometrie.
^780 tDurbe er nadj paris berufen unb trat in bie
^fabentie ein* Das weitere £chcn ZHonge's ifl ein Homan :
^792 loar er Znarineminijler, er leitete IDunberbares in
ber fjerbeifdjaffung von Dertl^eibigungsmilteln, er l|alf
bie polvtedjnifdje Sdjule fdjaffen, loar ber intime 5r«unb
Ztapoleon's, loar mit il^m in 3talien, (ggypten, Syrien*
fjört man von ben ^nfhrengungen, (£ntbel)rungen, von
ber Capferfeit unb bem Zllutlie bes großen (5eometers
in biefer gewaltigen geit, fo glaubt man bie (Sefdiid^te eines
fjelben ber Porseit 3U oernelimen. Xladi ber Hüdfel^r
in's Paterlanb fonnte jtd? IHonge als Senator unb „(Svaf
oon pelujtum" ber Hul^e freuen. 3m 3<^I)tre \8\5 aber
würbe er oon ber Heflauration perfolgt unb aus ber
^fabemie ausgeflogen* Vanadi oerfiel ZTlonge in (Seifles*
fdjtoädje : „2luf bie eble unb leudjtenbe (5eiflesfraft, beren
(5Ian3 gans (Europa bewunbert l^atte, fenfte pdj tiefe
5infterni§." ^Is lefetes Zttittel, um bie (5el?irntl?ätigfeit
ansuregen, fpielte man bie ZTlarfeillaife, aber ZTlonge
blieb oollfommen tI)eiInaI)meIos* ^m \S. 3uli \8\8
flarb er.
ZlTonge war leibenfdjaftlid?, ebel, uneigennützig, fel)r
warmiiersig* Seine Sdjüler, feine 5ÄTnili^/ ^«n Kaifer
liebte er särtlidj. 3n^t^fonbere war er fel|r finberlieb.
Conborcet.
A. Bctfptcle bcr €ntn?t(fclung bcbcutcnbcr Vflat^ematxtex. ^5
Sein (5ejtdit roar nnqewöiinlxdt breit, fcic 2lugcn lagen
fcl)r tief unö oerfdjtpanben faji gänslidj unter biden
Augenbrauen*
8. 2)er Zllarquis (Earitat öe (Eonfcorcet^)
iDurfce am \7. September ^7^3 in Hibemont geboren*
2)er Pater roar Hittmeijler, öie lllutter eine fel^r fromme
5rau. 2)er Pater jlarb fdjon ^7^7, fcie Ztlutter gelobte
fcen Knaben ber Ijeiligen 3ungfrau unb liefe il)n adit
3al?re lang weige Znäbdjenfleiber tragen. 2)ie meiften
2lngel)örigen waren Sifdjöfe unb anbere E|oI)e (5eiftlid|e*
2)er fpätere 5reunb Poltaire's nnb Hepublifaner würbe
Don 3^fuiten ersogen. 3m 3aBire \758 begann Caritat
be (Eonborcet bie matl^ematifdjen Stubien unb madjte
überrafdjenbe 5ortfdjritte, ,,benn seljn 2JTonate nadj feinem
Eintritte oertl^eibigte er fdjon eine feE^r fdjroierige analy*
tifdje Cl^efe mit foldjem firfolge, ^a% iEjn Cläiraut,
b'2llembert unb 5ontaine, bie il)m ST^agcn Peßten, als
einen il^rer sufünftigen (Eollegen in ber Afabemie be-
grüßten". 3tn 3<»^re H775 fdjrieb (Earitat be (Eonborcet
ein (Slaubensbefenntnife, ^as fel)r merfmürbig ift €r
fül^rte alle ZHoral auf ^as ZHitleib surüd unb verlangte
Sdjonung aller lebenben XPefen* Unb im lefeten
Briefe an feine Codjter, stoei Cage por feinem Cobe,
fdjrieb er: Sdjone bie tEEjiere! ZHit 2\ 3ciB|ren
erregte er burdj feinen „Perfudj über bie 3"tegral-
redjnung" Auffeilen. b'2(Iembert unb Cagrange lobten
il^n fel)r.
^) ilrago's (Sebäcf^tnigrcbc.
i^6 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^ematifd^en (Talentes.
3n fcen fpätcren ^aiit^n fdiwanftc Caritat öc (Eon-
borcet 3tt>ifdien ber ZlTalliematif unb bcr Socialpolilif»
Die Heoolution 30g ihin in iEire Kreife, ex ir>urbc ocr-
bädjligt unb ocrgiftctc jtdj am 8. 2tpril \7^^ auf ber
5Iudit Dor ^cn rcoolulionärcn ZTlörbcrn.
2lrago betont (Earitat bc Conborcel's enormes (5e-
bädjtni§. Caritat be (Eonborcet war gro§, fein Kopf
fel^r gro§*
9. €tn äl^nlidjes Sdjidfal loie £onborcet l|alle
Sylvan Saillv.^) €r war \756 geboren als Sol^n
bes ^uffeEiers ber Königlidjen (Semälbefammlung, eines
Breiteren, etwas leid^tfinnigen, bidjterifd? begabten ZHannes,
in beffen Sctmxlk fein ^mt feit \00 jal^ren war. Saitty
war ein j^illes lernbegieriges Kinb. ZTlit ^6 3al^ren
fdjrieb er ein großes Crauerfpiel. (£in £}err erbot fidj,
bem Knaben matt^ematifd^en Unterridjt 3U geben. Ztun
madjte Saitty fdinelle glänsenbe 5ortfd:jritte, unb als er
3ufäflig Cacaille fennen gelernt Ijatte, oertiefte er fidj in
mül^epoHe aftronomifdje 2(rbeiten. \765 würbe er TXlxU
glieb ber 2lfabemie.
3n ber Heoolution würbe er ZTlaire t)on paris unb
am \2. Hooember \7^5 würbe er guillotinirt
2(ud? Saißy's großes (5ebädjtniß wirb befonbers
lieroorgel^oben. (£r war lang unb I^ager, l^atte ein 3U-
fammengebrüdtes (ßepdjt, fleine perjiedte ^ugen, eine
regelmäßige, aber feEjr lange Ztafe»
^) 9—15: 2Ira9o.
^oi^on.
A. 3etfptelc bev (Entmicfclung bcbcutcnbcr IHatt^ematifcr. ^7
\0. ta^axc (Earnot, geboren am \5. TXlax ^753,
war ber Solin eines ^boocaten, ber \8 Kinber Blatte.
€r seigte jtdj oon frül) an als fel^r befäEjigt. ^Is er
im 8. 3^^^^^ einmal in's Sdjaufpiel mitgenommen mürbe,
rief er ben Sdiaufpielern laut 3u, bie 2trtillerie fei fdjledjt
aufgehellt, jte mü§te fo unb fo jlel|en. Sdjon als Sdjüler
u)urbe (Eamot pon b'2tlembert ausgeseidjnet 2)ie Kame-
raben Bjielten il^n ffir ein ©riginal, er roar fel^r jleigig
unb bidjtete in ^en ZHußepunben. Seine miditigfte Arbeit
„über 2Tlafdjinen im 2tll^emeinen" erfdjien ^783.
(Earnofs roeitere rul)mreiclje CaufbaBjn ifl befannt
€r war Bjodjgea>adjfen, ernfl unb oerfdjioffen.
\\. 2lugujiin 5resnel mürbe am \0. Vflai \788
als Sol^n eines Saumeiflers geboren. Seine ZHutter
wav eine fel^r begabte unb unterridjtete Stan, pe unter*
ridjtete bie Kinber gemeinfam mit il)rem TXlanne. S^^^snei
wav als Kinb fel^r 3art» €r I^atte gar feine Anlagen
für Spradjen, oergag attes, perrietl^ aber frül?3eitig
medjanifdje Calente. Ztlit 9 ^aiixen Pellte er e^perimen»
teße Unterfudjungen an über bie (ßefd^offe ber £}oflunber-
büdjfen unb bie (£igenfd|aften ber Sdiiegbogen. ©er
(Erfolg roar eine berartige Perbefferung ber Sdjie^por*
rid)tungen, ^a% jte perboten roerben mußten. Sei ben
Kameraben I^ieg er bas (ßenie. Sdjon mit \6 3al?ren
trat er in bie polytedjnifdje Sdjule ein unb balb erregte
er burd? glänsenbe geometrifd^e Ceifiungen bie 2(ufmerf*
famfeit Cegenbre's.
5resnel fiarb \827 an ber Sdjroinbfudjt.
\2. Simeon Dionys poiffon, geboren am2^0um
z^,8 II. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matt^ematifd^en Talentes.
\78H, war bcr 5oI)n eines f leinen Seamten, fcer frül|er
Solbat gemefen toar. Die ZTlutter fdjeint eine feE^r ein*
fadje 5tau gemefen 3u fein* (£r fottte (El^irurg roerben,
Seigte jtdj aber als gans ungeeignet unb mugte nadj £jaufe
3urücffel)ren* Sein Pater erE^ielt oon 2(mt5U)egen bas
3ournaI ber polvtedjnifdjen Sdjule. poiffon blätterte
barin, begann bie Aufgaben 3U löfen unb oerrieti) fo
fein matl^ematifdjes Calent, oI|ne Unterioeifung get|abt
3U l|aben. (£r fam nun in bie Centralfdjule 3u Son*
taineblau, 3U SiHy. 2)iefer erfannte in poiffon feinen
meiner unb ntugte eifrig ZHatBiematif jhibiren, . um mit
bem Sdjüler gleidjen Sdjritt (galten 3U fönnen. Zllit
\6 3öB|ren wat poiffon 3um Eintritte in bie polytectj*
nifdje Sdjule reif. €r trat mit \7 3öl|ren ein nn^ er*
regte beim 2tufnal)me«(£jamen allgemeine Semunberung»
Salb erregte er audj bie ^ufmerffamfeit Cagrange's*
Znit \S 3öB)ren legte er ber ^fabemie eine ^bl^anblung
oor, ber bas I)öcljfte £ob gefpenbet rourbe. 3tn 3ö^tre
11806 u)urbe poiffon orbentlid^er profeffor an 5ourier*s
Stelle. 2ll5 befonbere (£igenfdjaften loerben fein großes
(5ebäd:jtni§, fein enormer 5^eig (55 ^ ^uffäfee), feine
pünftlidjfeit in allen Singen genannt. 3" ^^J^ 3u9^n^
fditoärmte er für bas Ö^eater. (£r I^atte „eine 2lrt oon
^bfdjeu oor jeber ©rtsoeränberung". €r l^at nur ein
ZHal eine Heife auf bie 2tnorbnung bes ^r3tes I^in
unternommen. Ztie fonnte er fid^ entfdjließen, feine Pater*
flabt mieber 3U befud^en. Später faufte er jtdj eine Se*.
ftfeung im Departement ber Seine unb ZTlarne, iji ober
nie Bjingefommen. „Sein Stubir3immer, ber StuI^I, in
©altkt.
A. Bcifpiclc bex €nttpicfclun9 bcbcutcnbcr IHatt^cmatifcr. ^5
bem er mcbilirte, bcr ficine Cifdj, auf bcm et feine 21b*
Iianblungen fdjrieb, waten feine^ ganse Cebensfpl^äre**
poiffon ir>ar flein, Bjatte regelmäßige güge, eine breite
Stirne unö einen Kopf von ungeu)öl|nlidjer (Sröge. (£r
iiatte ^ Kinber, 2 5öl|ne, beren einer ^rtillerieofficier,
beren anberer 5inan3beamter rourbe. €r ftarb am
25. 2tpril \8^0.
\3. (5alilei, ber am \S. 5ebruar \56^ in pifa
geboren tourbe, Rammte aus ebler 5Iorentiner 5ötnilie*
„Der Tinahe seigte frül^seitig eine große Porliebe für bie
ZTledjanif unb conjlruirte eigenl)änbig ZHobeße atter
Titten von ZTlafdjinen/' €r madjte glänsenbe (Sahen
funb, audj im ^exdinen unb in ber Znujtf» ZlTit 25 3<''il^^^
a>urbe er profeffor ber TXlaiitemaüt in pifa (mit \80 2Tlf*
3at|re5gel?alt).
(Salile'i wat übermittelgrog, Iiatte rötl^Iidje fjaare.
€r erblinbete mit 63 3aB|ren, ftarb am 8. 3önuar \6^2.
\^, Sinygens tpurbe am H. Tiptxl \62^ als Sol^n
eines bidjterifdj begabten Beamten bes prinsen pon
0ranien im £jaag geboren. „Pon Kinbljeit an ließ er
fdjon erfennen, was einji aus il|m roerben a>ürbe. ®I^ne
bas Stubium ^es Cateinifdjen unb (5ried?ifd?en vetnadt»
läfpgt 3U Iiaben, oerftanb er mit neun 3cil?ren ^ritB^metif,
(5eograpt|ie unb Zllufif. Seine Ciebe. 3ur 2Tledjanif et»
uoadjte oom \5. 3ölire an. 3n meliteten Iioüänbifcljen
Sammlungen l|at man Zllafdjinenmobette aufben>al?rt,
bie in biefem Lebensalter oon bem sufünftigen Zllatl^e-
matifer ausgefüljrt morben maren."
€inige Ztlonate cor feinem Cobe (^695) n>urbe
UTdbius, UTatt^rmatiffr. ^
50 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matljemattfdjen 2!alentes.
^UYgens geiPesfdjtoad?. Sdjon toäl^renb feines 2luf-
entl^altes in 5rönfreidi (^666 — 8H) xx>av et in einem
ätinlidjen gujianbe getoefen, toar banadj aber loieber
gans gefunb getoorben.
\5. 2lle^is (Elaube (Elairaut (^7)13— 65) toar bas
Stoeite Don 2^ Kinbern eines JJTatl^ematifers in paris
unb XDixdis als JJTatl^ematifer unter UTattiematifern auf.
3m 3<'titve \726, mit \2 ^2 3<^itvcn reid)te er ber Zta*
bemie eine ^bl^anblung ein, ber bie Serid)terjlatter
großes €ob sollten. Vflxt \6 ^aiixen Derf agte er eine
große bebeutenbe Arbeit.
\6. 3ofepI^ 5taunI^ofer^) rpurbe am 6. TXläts
^787 als bas elfte Kinb eines armen (ßlafers unb einer
HatI^5biener«Cod)ter geboren. (Er follte ©redjsler toerben,
toar aber 3U ^diwadi basu. (Er fam ^ann als Cel^rling
3tt einem (ßlafer unb Spiegelmadjer nadj ZHündjen. (Er
fonnte faum lefen unb fdjreiben, ber ZHeifter ©erbot it|m
^en Sefudj ber 5ewrtag5fd)ule. 3um (ßlürfe flürste ^as
Elans bes Zneijiers sufammen unb perfd^üttete ben £et|r«
ling. ©iefer tourbe unbefdiäbigt ausgegraben, bas (Er*
eignij5 mad^te großes 2luffel^en, ber König intereffirte
pdj für ^cn armen Knaben rxrib fdjenfte il^m \S ©ucaten.
^ttdj Ufefdjneiber nal^m [xdi feiner an unb üel^ it|m
Sudler, tt)eil 5taunI)ofer befd^Ioffen \:iatU, optifd)e (ßläfer
3tt fdjieifen. „7>i€ erften matl^ematifd^en 5ormeIn, bie er
pemimmt, reißen ihin fort n?ie eine Ciebfdiaft." J)a ber
2TCeifter bas £efen oerbot, mußte 5rciunI)ofer an 5«ict*
^) Das 'iehen unb XDtrfcn ^Jraunl^ofcr's von Stgm. iner3.
ianbsljut ^865.
(a.)
A. Beifpicle ber (Enhpicfelung bebeutcnbcr ITTatFjemattfer. ^\
tagen auf einer XDiefe Dor ber Stabt fhibiren. (Crofe
aQer 2T2üt{fe(ig(eiten enttoidelte er fxdi rafd} unb als er
enblidi in Ufefdineiber's (Befd^äft eintrat, folgte eine €nt*
berfung ber anberen.
5raunI^ofer jlarb am ?• 3ii"i \826 an ber
5d)toinbfudit.
^7. 5riebridi Wxllt* SeffeP), geboren am 22. 3uli
^789 in pr. 21Tinben, loar ber Soljn eines Hegierungs»
fecretärs, ber t>cn (Eitel 3ujK3ratIj füljrte, unb einer
paflorstod^ter. Die filtern I^atten brei Söljne unb fed^s
Cödjter. Seffel fonnte bas (ßymnajtum nur bis ju ben
mittleren (Elaffen befudjen* JITit \5 3al^ren mürbe er
Celjrling in einem Sremer . ^anbelsljaufe. ©bmoljl er
3ur oollen ^ufriebenl^eit ber principale arbeitete, fül^Ite
er bod| ben (trieb 3U befferem. €r mollte gern große
Seifen unterneljmen, trieb besit<'^lb 2TapigationleI|re nnb
gerietl) auf Soljnenberger's ©rtsbejHmmungen. So fam
er 5ur 21Tatl{ematif. £r baute mit einem Cifd{Ier unb
einem Ut^rmad^er einen Sextanten, fefete eine alte penbel*
ul^r in Stanb, beobad^tete unb redinete. JJTit 20 ^al^ten
beredjnete er bie ^arrioffd^en Seobad?tungen ^es
Cometen oon 11607. ©Ibers, ber pdj feiner annaljm,
fanbte bie Arbeit an pon Sadi. Diefer fd^rieb barüber :
,,Qier tt|ut ein junger beutfdjer ZlTann 3u feinem Per»
gnügen mit einer Sad^fenntniß unb mit einer 5öl^igfeit,
^) (Erinnerung an Bcffcl^s £cben unb VOxxfen ron 2Inger.
Dansig, ^. 21. Weber. 0. 3al|rcs3al|I.
Keffers Icfetc Kranft^ctt, bcfd^r. unb erläutert t>on Dr. Kofd?.
Königsberg \8^6.
52 JI« Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^ematifd^en 2!alentes.
Me mand^en Bcfolbetcn unb Berufenen ^Ijlronomen elften
toürbe, was ein englifd^er profeffor längjl aus 5tmts-
pPid^t l|ätte tl^un f ollen . . . 7Xl6(iiaxn ert^ielt vov
\5 fällten für eine Dottfomnten äl^nlid^e Sdjrift über
ben ebenfo berüE^mt getoorbenen Cometen t)on \66\
einen afabemifdjen preis. Seffel erE^ält feinen preis,
Derbient il^n aber." Um ©Ibers gefilllig 3u fem, be*
red)nete Seffel bie ^ah^n bes \* (Eometen von H805 in
Dier Xtadjipunben. Zladi 7 jäliriger CE|ätigfeit als Kauf-
mann ging Seffel 3U 5d|röter nad| £iIientI^aL 3"^
3al^re ^8\0 n?urbe er profeffor ber ^Ijlronomie in
Königsberg.
Seffel wax mit einer Codjter bes UTebicinc^lrattj
fjagen perE^eiratl^et. Sein ältefier Solin seigte fdjon als
Knabe Steigung 3ur ZHed^anif, baute eine penbelutjr.
(&v fdjrieb H835 über ben Soguslamsfi'fdjen (Eometen,
ging nadj Sertin 3ur allgemeinen Saufdjule, jiarb bort
HS^O am Cypl^us. Die Cod^ter E^eiratliete ben pliyftfer
(Erman. ©er ^r3t fagt oon Seffel: „Klein pon Statur,
fd|n?äd)tidj unb mager, mit auffattenb bleidjem, flarf ge*
furdjtem (ßefidjte, t>cn Kopf beredt mit filbergrauen
i^aaren, bie in reid)er 5ülle ftrofeenb bis 3U ben bufdjigen
^lugenbrauen l^erabl^ingen, ben ©berförper leidet nadi
Tooxn gebeugt, geu)äl)rte er . . . bereits feit melen ^dtivcn
ben 2lnblirf eines (ßreifes." Seffel jlarb nadi feE^r
fd)n)erem Ceiben am ^7. inär3 ^8^5 burdj eine Hetro*
peritonäalgefdjö>ulfi. £r n?urbe fecirt, ber 5d)äbel aber
nid^t geöffnet.
(b.)
A. Beifptelc bcr €ntipicfelung bebeutcnber IHatlicmatifcr. 53
\8. (5ottB|oIb (Eifcnjiein^) lourbe am \6. 2lpril
\823 3U Scriin geboren. (Er pammte aus einer feit
(5ef(i^Ied)tern bem ^anbel ergebenen 5ö"tilie unb I^atte
inaniie I^äuslidie Sd^iuierigfeiten 3U befämpfen, bepor
er jtdi bem Studium ber ZlTatljematif ergeben fonnte.
Dererjie matl^ematifdie Perfud^ bes ^SjäE^rigen (Eifen-
ftein befd)äftigt fidj mit einer in's Unenblid^e forfgefefeten
potensirung. Ceiber jagte er (toie £antor fagt) in be-
bauernstperttier IDeife nadt gerpreuungen, benen fein
Korper nid)t gemad^fen loar. Sein Ceben war unregel*
mägig. €r besog bie Unioerptät oE^ne ZlTaturitäte^amen
unb tt)urbe ©octor oI)ne Prüfung. (San^ fd)rieb 3u
einer Sammlung (Eifenflein'fd^er ^uffäfee eine Oorrebe
nrib äußerte gefpräd)5U)eife, es liabe nur brei epodje«
mad)enbe 2TCafl)ematifer gegeben: ^rd)imeb, XtetPton,
€ifenftein. J)er geniale ZHatEiematifer ftarb, nadjbem
er am 2^. ^pril orbentlidjes ZHitglieb ber ^fabemie
ber IDiffenfdiaften in Sreslau getüorben n?ar, am
U. ©ctober ^852.
^9. £eonE^arb «uler^) mürbe am \5. Tlpxil H707
in Safel geboren. Sein Pater, pauI €uler, n?ar (Sexp
lidier iirib UTatBiematifer, ein Sd)üler bes ^acob Ser-
noutti. Seine JJTutter, ZnargaretE^a Srurfer, ftammte
aus einem Safeler (ßeIeE|rtengefdiIed)te. £eont|arb u)urbe
Dom Dater unterridjtet, seigte früE^ bie Steigung 3ur
Znatl)ematif unb entfd)IoJ5 jtdi, obtooE)! ber Pater u>ünfd|te,
^) Xiad^ <£antor in bcr 2IIIgemcincn Dcutfd^en Biograpl^ic.
*) Xladi (Lantov in bcr JIH^cmcincn Dcutfd^cn Biograpljie.
5^ II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl|ematifd?en 2!alentes.
er möd)te Cl^eologic fltubiren, gans TXlatl^cmaixUv ju
tt)erben. (Er Besog bie UniDerfttdt Safel unb tourbe ein
CieWingsfdiüIer bes 3ol|ann SemouIIl ZlTit \6 ^^lix^n,
^723 tourbe er 21Tagifter auf (ßrunb einer lateinifdj vor*
getragenen Pergleidjung ber pI^iIofopl|ie Ztetoton's mit
ber bes Cartejtus» 7>ann rpibmete er ftd? eine §cxV lang
tl^eologifdjen nn^ orientalifdjen Stubien, feierte aber balb
3ur UTatl^ematif surüA Seine 5f^u"be Zticiaus nrib
Daniel Bernoutti sogen H725 nadj Petersburg. ^Is
Xticlaus H726 geworben toar, n?urbe €uler auf Daniels
antreiben an bie ^fabemie nadi Petersburg berufen.
2lls gmansigjäliriger tarn er nadi Hußlanb. Die poli-
tifdjen Perl)ältniffe I^atten fldj ©eränbert unb jtatt in bie
^Ifabemie mufete €uler in bie UTarine als 5d)iffsUeutenant
eintreten. (Erft H730 njurbe er profeffor ber plivfif,
\755 rxaiim er nad^ Daniel SernouIIi's ^Ibreife beffen
Stette in ber 2l!abemie ein. 3"^ 3^il^^ \735 unternal^m
er Hedjnungen, bie auf brei 21Tonate oeranfct^Iagt voaxen,
in brei Cagen. „Die ^Inßrengung u>arf iE^n aufs
Kranfenlager, von bem er pd) nur mit Perluji bes
redeten kluges u)ieber erE^ob." Crofebem erfd)ien 11736
feine „TXl^dianxt" in 3U)ei jtarfen Quartbänben. 3"^
3al^re ^733 I^alte €uler bie Katl^arina (ßfell, bie Codjter
eines 2TlaIers aus 5t (Satten, gel^eiratl^et. Sie gebar
iE|m \5 Kinber, pon benen ^766 freilidj nur nodj brei
SöE^ne unb 3n?ei (Eöd)ter am Ceben toaren. ^m Z^livc
\7^\ folgte (Euler einem Hufe nadi Serlin, im 2<^iixc
\766 feierte er nad^ Petersburg surüd. Salb banadj
jebod) befiel il)n eine I^eftige KranfE^eit, bie mit bem
«. ®«kr.
A. Beifpicle ber €nttt>icfelun0 bebcutenber Vflat^ematxfex. 55
Derlujic aud) bes linfcn kluges cnbctc. 3^^^^^ gelang
^5 bem Saron XDenfecI ](772 burdj eine Staaroperation,
€uler bas ^lugcnlidit ipiebersugcbcn. ^lUcin balb crlofdj
CS rpicbcr unter I^eftigen Sdjmerscn unb €uler blieb
bauernb blinb. Vas arbeiten wav iE|m baburdj fel^r
erfdjtoert, aber ;,€uler befaß ein lounberbares (ßebädjt«
mj5. (Er loußte bie ganse ^leneibe Dom anfange bis
3um (Enbe l^ersufagen unb fal) babei geijiig fein ^anb»
ejemplar fo beutlid? Dor klugen, baß er ben erjien unb
legten Pers einer i^^cn einseinen Seite ansugeben ipußte*
€in anberes Seifpiel besiel^t ftdj auf fein lefetes £ebens*
jal^r. €r gab 3um ^eitv^tttexb viet €nfeln Unterrid)t
in Hed)enfunft unb (ßeometrie. 2Hs er an bie £eE|re
t)on ^en IDurselaussiel^ungen fam, beredjnete er, um
paffenbe Seifpiele 3U I)aben, in einer fd)IafIofen Zladit
bie fed)s erflen potensen aller ^al:ilen unter 20, unb er
fagte biefelben nodi mel^rere Cage nad)I)er ol^ne ^nftoß
l|er. (Euler befaß aber aud^ in I^ol^em (Stabe bie 5ä^ig'
feit, im (ßeifte £ageoeränberungen von Haumgebilben
oorsunet^men, ujcldje 3U geometrifdjen Unterfud^ungen fo
außerorbentlidj nüfelid^ ift, unb toeldje außer bei (geo*
metern audj bei bebeutenben 5(i)ad)fpielern angetroffen
u>irb, fobaß mir uns nid)t 3U oeriDunbern E^aben, n?enn
(Euler biefem an bie (Stengen einer U)iffenfd?aft ftreifen-
t>en Spiele sngetl^an u)ar." (Euler's (5eE|iIfen, fein SoE^n,
oerfdjiebene ^Ifabemifer unb befonbers Zticiaus 5uß
I|alfen iB|m getreulid^» (Euler Blatte einen Cifdj mit einer
großen 5d?iefertafel, um ben er fpasieren ging, mit ber
^anb am Cifd^ranbe I^ingleitenb. 2luf ber Cafel entwarf
56 IL Beiträge 3ur Kenntnig bes matJ^ematifdjen Talentes,
bcr Blinbe ZHann mit Krcibc in groben ^nq^n bic
Stielen feiner (ßebanfen; famen bie (ßel^ülfen, fo er-
läuterte er jte liefen unb lieg fld> bann iE^re Ztieber*
fdjrift oorlefen. ^m September \783 traten Sdjtoinbel-
anfäHe auf unb am \S. fanf (Euler, xoahixen^ er mit
einem (Enfel fdjerste, mit ben IDorten: „id^ jierbe" be»
iDUjjtlos um. „(Einige Stunben fpäter I^atte einer ber
größten ZHatEiematifer aller gelten geenbet". „Die
ßebensiDÜrbigfeit feines XPefens ipurbe burdj "feine
^eftigfeit faum beeinträ<i)ttgt". €r fuE^r Uxdit auf, u>ar
aber perföE|nlid| unb geredjt „(SUidi ben meinen großen
21TatI)ematifern toar (Euler tief religiös ol^ne Sigotterie.^
€r leitete ^Ibenbs bie ^ansan^adit unb iiai eine „Hettung
ber ® ff enbarung gegen bie €intt)ürfe ber 5r«ig«ip«t"
^7^7 in Serlin trofe ber näE^e 5ri«bridi*5 IL erfdjeinen
laffen. Unglaublid^ groß mar feine ujiffenfdiaftlid^e
CE^ätigfeit, „beren 5rüd)te 32 Quartbänbe unb \5 (Dctav*
bäribe felbpänbiger It>erfe, daneben meE^r als 700 jum
Cl|eil feE^r umfangreid)e ^bE^anblungen bilben."
„Die Söfyxc (Euler's u>aren, n?enn audj tüdjtige
21Tänner, bem Pater nidit entfernt ebenbürtig."
20. XPoIfgang Solyai be Solya »urbe am
9* 5«bruar H775 geboren. „ZlTeine €Itern brad)ten midj
mit 6^/2 3öE)ren 3U bem prof. 3oE). .^erepei, u>o mein
beinal>e ungeu)öF>nKd)es (Erinnerungsvermögen, meine
€inbilbungsfraft unb Seoba(i)tung£gabe in ber Knofpe
mel|r seigten, als bie Blutige auf$un?eifen tjatte; ba idj
midi für bie Spiele nid^t intereffirte, überflügelte idj
immer meine Claffe." Die €igcnfd|aften bes Knaben
A. Beifptelc 6er €nttt>irfclun0 bcbcutcnber VflatliematxUx, 57
erregten allgemeine Seujunberung. ^m Filter oon neun
3at|ren fpradj er audj locll^renb bes Spieles in lateini*
fdjen Werfen. „(Dhtne 5^^fer 3U madjen 30g xdi Quabrat-
unb (CuBiltDursel audj aus ©ierflelligen §al|Ien unb Bat
bann am (Enbe um nod^ mel^r gal^Ien*" 3" furser geit
lernte er (ßried)ifdi unb andi im £{ebräifd)en fam er n?eit.
Später beE^errfdite er voVi^änbxg ^as Ungarifdje, £a-
teinifdje, ©eutfdje, 5ran3Öjtf(i^e, (Englifd^e, Humänifd^e*
„J>ev groge (ßraf 3of. Celefi maE^nte meinen profejfor
3um erpen ^Tlale be3üglidj meiner att3ufrül|en geiftigen
€ntn)i(felung. 3ni folgenden IDinter fam ein l)ifeiges
5ieBer über midi, ^^d) bem meine bischerigen 5äl^igfeiten
fd^manben." Solyai fam bann nadj Klaufenburg unb
B|ier mad^te ein geijlreidjer Clieologe fold^en €inbrucf
auf xhirXf „ba^ id) gegen bie JITatl^ematif gan3 erfaltete".
Die tt|eoIogifd)e Begeiferung tüurbe balb burdj 3w>eifel
geftört unb Solyai E^atte E^eftige innere Kämpfe burd^su-
mad)en. €ine geit lang mollte er JTlaler u>erben, aber
eine <£^pIofion felbjigefertigten puloers fd^ujäd^te feine
^ugen. Tlrxdt bie 3bee, Sd^aufpieler 3U ujerben, E)atte
er, unb bamals u>ie fpäter in (ßöttingen trieb er eifrig
bas Diolinfpiel. (Enblidj entfd^Iofe er fldj, 3ur Artillerie
3U getreu, aber an ^em Cage, als er ben €ib leiften
follte, rief iE)n ber Saron Kem^ny nad) 2^na. „Unb
balb begann idj am Ufer ber Saale fpasierenb mit
meinen geringen unb serftreuten matE^ematifdjen Kennt»
niffen jenen IDeg, auf bem id| midj aud? nodj im (greifen*
alter finbe". Von 3^r\a ging Solyai nadj (5öttingen
unb n)urbe ber 5reunb ^^s jungen (ßau§. „^ns oer*
58 II- Beiträge 3ur Kenntnig bes matl|ematifd?en Talentes.
hant> Vxe £eibenfd)aft für bic TXlaiiiematit unb unfere
ftttlidjc UcbereinjKmmung." 3" ^^^ fyxmaili lourbc
Solyai porübcrgcE^enb €r3ieE|er, „aber Balb crl)ielt idj
eine fdiioere XDunbe", b. I^, er l^atle ba$ Unglürf, jtd? 3U
Derlieben unb 3U Ijeiratljen. „I)rei ^aiixe t|inburdi
loar idj £anbtoirtl| auf meinem Meinen (ßute''. Da er
mit ber Ct|eorie ber parallelen nidjt in's Heine fommen
!onnte, fo ^fd^manb mein 5cuer für bie TXlatitcmaixl unb
xdl warf midj auf bie poepe". (Er fd)rieB (Eragöbien
u. f. XD., oerbrannte aber Balb bas ZHeifie, um ber XDafyc^n
5reunbin, ber ZHatE^ematif, nid|t n?egen einer (Beliebten
untreu 3U merben. „2Ü5 idi bie poefie Derlieg, n?urbe
Ol beinaE^e Canbes-^afner'', (Er baute allerl^anb ®efen,
audj eigenl^änbig unb „mand^mal in einer ttad^t 3U>ei"*
Die Solyai'^efen iidben fpäter großen Seifall gefunben.
2lm 2\. ^annax \80^ n?urbe Solyai profeffor ber
2natl|ematif am epangelifdjen (Eottegium 3U TXlaxos*
Pafarliely unb er blieb es bis 3U feinem Cobe am
20. Ztooember \S56. TXlxt ber ^rmutl^ unb l^äuslidjem
Unglürf fämpfenb iiatU er fdjmere Reiten burdi3umad:jen*
Die erfte S^^ci^ kjöJ^ fd|ön unb befäljigt, aber l^yperifd^,
fie u)urbe irrfinnig unb blieb es t)ier Z^ilte lang bis 3U
il^rem Cobe. „(Es iji fd^rerflidj, mas idj oier ^aiixc I|in*
burdj 3u leiben }:iatU." Solyai ujar feitbem fd|IafIos,
ober glaubte es 3U fein. Die 3U)eite 5fciu »ar txäntlxdt
unb fiarb H833 arx ber 2lus3el|rung. „ZlTeine ein3ige
Hul^e ift, ^a^ idj feine 5rau liabc." „^vocxmal xoax xdi
in meinem Ceben oerrürft, als xdi I^eiratE^ete, ein brittes
TXlai oerlor xdi meinen Derftanb nid)t." „U)enn ber
A.' Bcifpicie bcr €nttpicfclung bcbcutcnber HTatl^cmatücr. 59
2nann I^ciratB|ct, ift er ein 2tblcr mit gcjhifetcn klügeln."
2ludj burdj bcn ältcftcn Solin crfuB^r ^Solyai Kummer
(f. unten). Xücgcn bcr (ßcIbnotB| bctoarb Solvai fidj
^820 um eine ^örpcrftcllc, bic er glüdüdjertDcife nidjt
exliieU. 3m 3aB|rc 18511 lieg er fidj pcnponiren unb
^856 ftarb er nadi einem 5d?IaganfaIIe mit 8^ 3aB|ren.
^Solyai roar ein überaus gutBiersiger, aber leiben -
fd?aftlid?er unb tDunberlidjer ZHann. (£r lebte faft asfe-
tifd?, gab ben Firmen über feine Derl^ältniffe, roar aber
ein Breiterer (Sefeüfdjafter, unter Umftänben roifeig unb
fd?Iau. (Er roar nie ernjHid? franf, füB|Ite fidj aber
immer franf, flagte über feine Sd^Iaflojigfeit, über TXlaqen'
fdjroädje u. f. w* (Segen feine Sd^üler «>ar er feljr gut
unb fie liebten iB^n, perftanben liin aber nid^t immer.
;,5ein fdjaffenber. (ßeifi, feine augergerpölinlidien ^^B^ig*
feiten »aren nid^t im Stanbe, fid? einen 23egriff 3U
mad^en von einem mittelmäßigen ober fdjroadjen 2tuf*
faffungspermögen". Sein Denfen Blatte etrpas über-
fdjrDenglid^es, er füB|Ite fidj 3um ^od^poetifdjen I^ingesogen
ixn^ fein 2tu5bru(f roar oft fd^roerperftänbUd?. (£r fpradj
gern pom ^immel unb beseid^nete bas 3J^bifd|e als
„fdjmufeige €rbe". ®ft naB^men iljn meIand|oIifd)e
Stimmungen gans ein. €r roar nid^t groß, mager, fein
länglidjes (ßefidjt foH in ber 3ugenb an Sd^iller er*
innert I^aben. Saron Simon Kem^ny ließ il^n ^825
malen; bas 23ilb befinbet jtdj im Sejtfee bes Saron
Koloman K. in Decfe. ^in stoeites ©elbilb rourbe im
70. 3<^B|re Solyai's gemalt. 2tuf bem Cobtenbette rourbe
er pl^otograpl^irt.
60 n. beitrage 3ur "Kenntnx^ bcs matbcmattfd?cn Talentes.
3oB|ann Bolyai rourbe am ^5. Dccembcr ^802
geboren. (Er seigte früB| aufeerorbentlicfte 5öB|igfeiten.
3m 3ö^re 11807 fdjricb ber Pater an (ßau§: ^^Der
(€rjlgeborene) ifl ein geiftooller, fdjöner Bub unb pon
fejlem Körper, er iji fünfjäBirig, idj leBjre xttn nodi nidjt;
bodj im Spiele iiat er piele <5ej!irne am ^immel fennen
gelernt unb bie geipölinlidjen geometrifcften <5ejlalten
u. bergl. ; er mad^t von feinen Segriffen audj f cfticflidje 2ln«
roenbungen, 3. S. er seidjnet von fidj felbfi bie Cage ber
Sterne in ^en (ßejHrnen mit Kreibe. (Einmal nodt im
porigen Xüinter fdjnitt er einen Kartoffel« Sinus eines
KartoffeI»3ogens, unb fo war es." (Er n>urbe pon
Sdjülern bes Daters im fjaufe unterridjtet. Der Dater
beB|ieIt fid? bie 21IatB|ematif por unb B|ier begriff ber
SoB|n fo blifefd^neU, ^a% er oft ben Semeis gar nidjt
abxvavMef fonbern bie Cöfung f eiber gab. „XDie ein
Ceufel fprang er por midj unb bat midj tpeitersugel^en."
„3ct? fing suerji mit (Euflib an, nadjbem rpurbe er mit
€uler befannt, jefet (mit ^3^2 3<^^J^^n) »^ife ^^ ^on
Pega nid^t nur bie erjlen 3u>ei Bänbe überaß, fonbern
ifl aud? im 3. unb ^. Sanbe bewantevt, liebt bifferentiale
unb ^ntegvalvedinviniien unb redjnet barin mit au§er-
orbentlidjer 5«rtigfeit unb Ceidjtigfeit, fou>ie er in Diolin«
concerten ^en Sogen in fdjmeren Cäufen leidjt fül^ren
fann." Tlndi in anberen 5äd?ern seidjnete jtdj ber junge
Solyai aus. Der Dater fdjidte iB|n ^8^7 nad? IDien
in bie K. K. <5enie«2tfabemie unb audj B|ier roar 3oI|ann
ber befte Sdjüler. (Er u>urbe ^823 Unterlieutenant, ^832
Capit.ȣieutenant, ^833 penjionirt. ,,3" feinem Corps
A, 3cifpicle bcr €nttpicfelung bebcutenbcr HTatl^ematitcr. 6^
t»at ex bcr cr^c ZlTatBiemattfer, ber bcfle Diolinfpiclcr,
aber aud? bcr erjlc ied^ter." 3m 3aB|rc ^823 fdjcint
er fein problem erfaßt 3u Bjaben» Seine erfte unb ein-
Sige 2tbtjanblung, bie iljn unfterblidj madjte, erfdjien
Ji832 als 7lppent>x^ (26 Seiten) 3um IDerfe bes Daters
„Centamen 2c."
ID. Solyai fdjrieb H83^ von 3oI^ann, er fei „nodi
ein 3u »über Solbat". €r I^atte forttoäBirenb Duelle,
mel^rere bapon mit töbtlid^em 2(usgange. „3" ^i^^t
<ßarnifon forberten il^n \5 Capaüerieof fisiere ; er naB|m
We 5orberung an mit ber Sebingung, ^a% itjm gehaltet
n>erbe, nadj je stoei Duellen ein Sind auf ber Dioline
3u fpielen. (Er blieb Sieger über 2tne."
TXadt ber penftonirung fdjeint bie ertjoffte „'Be*
rutjigung" nidjt eingetreten 3u fein, oieImeB|r ij! es offen-
bar feitbem mit 3otiann abwärts gegangen. (Er bradjte
ein 3ö^«^ bei bem Dater 3u in anbauernben Sm^iqhiien
unb fctiließlidj forberte ber SoB|n ^en Pater. (Es fam
3um bauernben 23rudje. 3ol)ann lebte bann auf ^em
€an^e „unter iB|m unmürbigen Dertjältniffen". TXlandt»
mal oerfudjte er fidj aus ^en ftnnlidjen (ßenüffen l^eraus-
3ureij3en nn^ ber ZlIatBiematif 3U3un>enben. ^m 3öB|re
<838 bewarb er ftdj oB|ne (Erfolg um einen preis ber
3abIonon>sfi'fdjen <5efenf(i?aft. Sein (Seift f(i?eint aü*
mäl^Iidj meiit unb mel^r gelitten 3u liaben. (Er wollte
ein '&ndt I^erausgeben unter bem Citel : £eB|re ber Cel^re,
^as alle 23üdjer entbel^rlidj madjen follte. (Er rooHte
bie ungartfdje Spradje 3ur XDeltfpradje madjen. 2iner-
^anb 2tbfurbitäten »erben beridjtet. „€in eigener Cynis-
62 n. Beiträge 3ur Kenntntg bes matl^emattf(^en Talentes.
mu5 ergriff fein ganzes IDcfen unb er flarb mit pd? unb
ber Weh serf allen am 27, 3önuar ^860. (£r roar nn*
pertjeiratl^et, fetjr Kein. „Vev Dater war ein sartes
poetifdjes <5emütt{, ber Sotjn eine falte egoifüfd^e Seele,
jener liebte bie Ztatur, begeiferte ftdj für fte, biefer oer-
adjtete bie ZHenfdjen toie bie IDelt gleid?mägig. Xlnv
barin waren fte einanber äB|nIid?, t>a% beibe d?oIerifdje
nnb aufbraufenbe Staturen roaren." Die ^auptfadje ijl
tt>oy bie, ^a% 3oB|ann eine burd^aus patl^ologifdje Se*
fd?affenljeit l^atte, er war fd^wer beladet oon ber ZHutter
l^er unb ber Pater, ber il^m bas matl^ematifdje <5enie
pererbte, l^atte felbji 3u piel patl^ologifdjes, als ^a% et ben
böfen weiblidjen (Einjiug t^ätte ausgleidjen fönnen.
2\, geigen fdjon bie bist^er gegebenen Seifpiele,
wie frül) nnb mäd^tig ^as matt|ematifd?e Calent ftd?
funbgiebt bei benen, bie (ßroges leiften follen, fo wirb
bie 5ad?e nod? einleud^tenber burd? bie 23etradjtung ber
Dielen Säue, in Serien ungünjHge Umjtänbe bas Calent
3urüd3ul^alten fud^en. 3dj gebe eine Heitre fold^er SäVic
wieber. —
peter 2tnidj würbe am 25. Februar ^723 3u
®berparfu§ bei 3nnsbru(f geboren als Sofyi eines
23auern. €r arbeitete bis 3U feinem 28. ^alite am
Pfluge, Pubirte bann „in begeiftertem Xüijfensbrange"
bei ^en 3^fuiten in ^nnsbvnd ZHatliematif unb 5tftro*
nomie. €r perfertigte meijrere matB|ematifd?e 3nfhrumente,
einen (Erb- unb einen fjimmelsglobus unb eine Karte
pom füblidjen CiroL Die Kaiferin ZHaria (Ct^erefia be«
auftragte iB^n, audj Karten Pom nörblidjen (Eirol an3U-
A. 3cifpiclc bcr €nttptcfclung hebmtetibtx VHatl^emaüUt. 63
fertigen. Sie erfdjienen nadi feinem (Eobe, ber am
\. September \766 eintrat.
£B|riftopt| 2trnoIb rourbe am \7. December ^650
in Sommerfelb bei Ceipsig geboren. (£r roar ein Sauer,
liebte aber bie ^flronomie fet^r unb mad{te ftd^ burd^
5ie (£ntbecfung bes £ometen pon ^683 betannt, ben er
ad|t (Eage frütjer als ^epel fanb. €r beobadiMe andi
ben Cometen pon \6S6, ben Durdjgang bes ZHercur
»or ber Sonne am 3^. ©ctober \6^0 unb l^interlie§
perfdjiebene anbere a^ronomifd^e unb meteorologifdje
Seobadjtungen.
3oI^ann (Seorg palifefdj (geboten am U. 2^m
\725 ixx prol^lis i. 5., geflorben am 22. 5«bruar ^788
3U Ceubnife i. S.) n>ar ein einfadjer Canbmann. (£r per*
fertigte jtd? aftronomifdje Onjirumente unb beobadjtete
^^n Qimmel mit einem adjtfügigen 5^r"toI|re. 5lm
25. December ^758 fanb er ^^n ^aUey'fdjen Cometen.
£t t^atte aviii eine Ztaturalienfammlung, roar £orre«
fponbent ber 2(fabemie in St Petersburg unb ber
H. Society in Conbon.
2)er Cifdjlermeijler 3. Seyer in ^jamburg (H673
bis \7^\) baute jtdi eine Sterniparte, perfertigte felbji
matl^ematifd^e On^rumente, fdjrieb über foldje unb über
bas menfd)Iid)e 2(uge.
5ran5 2lbam petrina (geboren am 29. december
^799^ gejlorben am 27. 3uni ^855) war ber Sol^n eines
gans armen Xüebers. Zllit \6 "^^alit^n war er IDeber*
gefeH. T>anr\ erft fanb er 5tcunbe, bie il)m I^alfen unb
il^m bas Stubiren ermöglidjten. 3m '^a\\x^ ^832 tpurbe
^^ n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^mattf(^en Calente^:.
er 2t6iunct bcr profcffur für Vflailiematif unb pl)Ypf,
fpätcr profeffor bcr pljYp^ i" präg.
Der profeffor bcr Vflailicmatif 2tfapl^ fjall in
Xüafljingtön (geboren ^829) mar suerft einfad^er gimmer^
mann gemefen, B|atte eine CeB^rerin geB|eiratljet, mit beren
fjülfe er ftdj fortbildete. ZHit 28 3aB^ren mürbe er
2tffiftent an ber Sterntoarte bes ^aroarb College.
peter .^tnbreas ^anfen (geboren ^795) iiatie als
Ul^rmadier gelernt unb roanberte als foId?er bis \S\^,
Dann etablirte er fidj in Conbern, trieb nebenB^er ZHatlie-
matif, n>urbe H820 Sd^umad^er's Sdjüler.
Simon Stampfer (geboren \792), ber als Vflatiie^
matifer unb ZHitglieb ber 2tfabemte ber Xüiffenfdjaften
in Xüien geworben ift, roar ber Soiin eines armen (Eage-
löBiners unb ^irtenfnabe gemefen.
3oB|. Cobias ZHav^r (\ 723— H 762) entiDi(feIte jtdj
aus einem getoölinlidjen ^anbmerfer ol^ne frembe Unter«
roeifung, burdj Selbjitl^dtigfeit 3U einem B|ert>orragenben
2tjironomen unb pB^yflfer, tüd^tigen ZHatliematifer.
pauI <5ulbin (^577—11 6^3) »ar juerji (ßolb*
fdjmieb. Dann rourbe er fatB|oIifdj, trat in ben 3efuiten*
orben unb rourbe profeffor ber ZHatBiematif.
Der profeffor ber Znatt^ematif 3oI^n I}oung
(geboren \799) ^<^tte jidj „aus nieberem Stanbe" empor-
gearbeitet
Cambert (geboren am 26. 2tuguji \728, geworben
am 23. September \777) u>ar ber Sol^n eines armen
unb finberreidjen Sdjneibers in ZHül^Itjaufen. 2nit \2
3at|ren roar er Sdjneiber, \>ann rourbe er ^ülfsfdjreibcr
^. X flanfctt.
A. Bctfpiele bcr €nttptcfclung hebmteribex ITtatl^cmatücr. 65
auf bcr Stdbtfan^Ui, er biente fpätcr als 23udjl|altcr auf
einem (£ifen«>erfe, mürbe Secretär bei profeffor 3felin,
^auslel^rer u» f. ro.
3 eseler (geboren am 20. December \73^, ge-
jlorben am \. September ^790 ^^^ ^^^ 5ot|n eines
Kürfdjners in Sdjaffl^aufen. Da er nidjl CB|eoIogie
fiubiren mod^te, roie fein Dater rvoüic, fo rourbe er 3um
üäterlid^en ^anbtoerfe gesmungen, ftubirte aber in aüen
freien Stunden ZlIatBiematif. (£rft nadi bem Cobe bes
Paters im 3al|re ^759 u^ibmete er jidj auf bas ^nte^en
ber ZHutter t|in gans ben Siubien.
3)er profeffor ber ZlTattiematif Cempe (^757 bis
J[80Q flammte pon gans armen (Eltern. (Er »urbe ein«
fad^er 23ergarbeiter. Vntdi pripate Stubien rourbe er
reif 3um Befud^e ber 23ergafabemie.
(Earl^Srutins (H830— ^880 ift 5d?Ioffer gemefen,
£arl ^eym (Solbfdjmieb.
(Carl %inr. (ß raffe (\799— ^873) mar ber Sol^n
eines (ßolbarbeiters in Sraunfd^toeig. (Er mußte bie
2lrbeit bes Paters tBieilen, fonnte pdj erft ^82^ burdj
pripatjiubien für bas (Earolinum porbereiten, tourbe
^82^ (ßaugens Sd^üler.
Xtiöhius, Xnatt)emattfer.
B. Heber öie HedjenfünfKer*
3n Sesiel^ung auf bic HcdjenfünpUr ij! Mc 2lrbctt
baburd) crkidjtcrt, bag fdjon eine sufatnmenfaffenbe 2Jr«
beit oorliegt: €. Xü. Scripture, Arithmetical prodigies,
in The American Joum. of Psychology, IV» \. \S%^
Diefe Siif<»"^n^^"P^öttn9 ^P f^tl^ fl^ifei^ gearbeitet unb
befonbers reidj an €itcratur«2tadju)eifen. Scripture t^at
feine Ceute numertrt.
\. Xlxfomadios. Cuctan fagt, er fönne einen
Hed^ner nid^t meB|r eB|ren, als wenn er iiin mit itifo-
madjos von (ßerafa »ergleidje.
2. 2lfrifanifd?e Sclapenl^änbler foHen sunt (Et^eil im
Hedjnen eine aujjcrorbcntlidje SälixqUxt geseigt traben
(nadj (Elarffon, Essay on the Slavery etc., London 1(788).
3. Com 5uIIer, „the Virginia calculator*' n>ar
als H^jäljriger Knabe in 5(frifa gej^ol^len roorben* 5lls
er 70 2<'^lite alt war, rourbe ein Seridjt über feine
Hedjenfünjie peröffenilid^t. <£x jlarb ^790 mit 80 3al^ren,
Blatte nie lefen ober fdjreiben gelernt
^. 3ebebiat| Button tourbe H702 in einem
f leinen ®rte pon Derbyfl^ire geboren, jiarb ^772. (£r
B. Heber bie Hec^enBünjiler. 67
tt>ar als Kinb auffallenb butnm unb unroiHig sunt Cemen,
obtDoI^I fein Datei: Celjrer »ar. Hedjnen jebodi lernte
er ol^ne ^ülfe. Später n>ar er ^anbarbetter, fonnte
feinen Zlamen nidjt fdjreiben.
5. 5lmp^re.
6. (Saug.
7. Hid^arb XDI^ately, geboren \787, roar oon
\S5\ bis \863 firjbifdiof oon Dublin. Tlls Kinb seigte
er ein auffaOenbes Hed^entalent, 5. S. red^nete er als
öjäl^riger Knabe aus, n>ie oiel Zllinuten ein öOjätiriger
Zllann gelebt I^abe. 3^^ocli I^ielt ftdj bie rounberbare
Befätjigung nur 3 ^atixc lang. Später glidi XDl^atelv
anbeten SdinUtn Qane Whately, Life of R. W. London
^866).
8. geral^Colburn, \80^— WO. Colbumperlor
als junger ZHenfd? bas Calent/ bas it^n als Knaben be«
rüt)mt gemadit I^atte. €r oerfudite fpäter aUert^anb,
tDurbe ZHetl^obift, Sprad^Iet^rer u. f. w., ot^ne redjt por*
»ärts 3u fommen. (Srogmutter unb Dater »aren fedjs-
fmgerig, ^eral^ unb 5tpei ober brei trüber aud{.
9. Dito ZlTangiamele roar ber Sot^n eines
Sctjäfers in Sicilien. (£r würbe mit \0 2<^iiten 2lrago
oorgejiellt. 2luf bie 5rage, n>as ift bie Cubifu^ursel »on
3796^^6, antwortete er nadi ^j^ Zllinute: ^56. (Comptes
rendus XI, p. 952. ^8^0.)
\0. Sadjarias Dafe (^82^—^86^) seigte bas
Hedjentalent oon frütjer Kinbt^eit an. €r fd^eint aber
fonfi nid)t befätjigt gewefen 3U fein, peterfen bemüB^te
ftdi ol^ne piel firfolj um ben matt|ematifdjen Unterrid|t
5*
68 n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^emattfd?en (Talentes.
Va\e% Sdinmadiev I^ielt Dafe fogar für gan^ bumm.
3cbodi Strasntcf Y in IDicn bxadtU Dafe in bcr aritt|mctif
votwäxis unb bicfcr Bemüt^te ftdj fpätcr, fein Calent
nüfelidj ansutoenbcn, rcdjnctc uncirmübUd? Cogaritl^mem
tafeln u. f. f. 7Us bcfonbcre €igcntt|ümüdifeit roirb on-
gegeben, ba§ Dafe nadi einem Slicfe fagen fonnte, »ie
oiel 23üdjer auf einem Südjeirbrette jlanben, aus n?ie
piel Sd^afen eine ^eerbe beflanb,
\\. prolongeau u>ur5e als 6^/2 jäl^riges Kinb
buirdj fein ^cdinen auffällig; er »urbe von 2lrago unb
€andiy geprüft (C. r. XX. p. ^629. ^8^5).
\2, (ß r a n b m a n g e , ein ^ 6 jäBiriger Knabe, ol^ne
2Jrme unb Seine, rourbe ebenfalls von ben 2lfabemifem
geprüft (C. r. XXXIV. p. 37 ^ ^852).
^3* £jenri Zllonbeu^ (^826—^862) »ar ber
Sofyi eines armen ^olj^auers in ber Xläl^e oon Cours.
€r redjnete als fleiner Knabe beim 5d?afetjüten mit
Steindjen. €in Cet^rer, ber it^n sufällig fennen lernte,
letjrte i^n bie giffem unb rafdj ent«>i(f elte fidj fein (Calent«
€r foll im Uebrigen nur geringe 5ät|igfeiten befeffen
l^aben, ja, man meinte, er fei eigentlidi nur eine Hedjen-
mafdjine. 3ebod? erfanb er eigene Hedjenmetljoben
(C. r. XL. p. 820. 952)^
H. (ßeorge Sibber (^806—^878) »ar eines
ZlTaurers Sofy\, €r lernte mit 6 3atjren von feinem
älteren Sruber bis mit \0, bann mit \00 redjnem 2luf
bas Znultipliciren, bie Quabratbilbung u* f, tt>. oerfiel er
oon felbp. Dabei fannte er bie S^^^^n nxdtt, alles
tDutbe mit Steindjen unb Sonnen ausgeführt. Sdjreiben
B. Uehex bic Hcd^cnfünftlcr. 69
lernte er erft mit \0 ^afyen. ^xn^oil^^ l8^7 fat| il^n
fjerfdjeL Sibber tnad?te bie Sdjule burdi nnb besog bie
Unioerfität €binburgt|* 3"^ 3aB|re \822 erB|ieIt er einen
matl^ematifd^en preis. (£r rourbe bann £i»ilingenieur
unb seidjnete ftdj als foldjer aus» Seine rounberbare
JBedjenfät|igfeit bet^ielt er bis sunt Cobe, €r fonnte
Sdiadt aus bem Kopfe fpielen,
(£in 23ruber 23.'s »ar ein guter ZlTatljeniatifer, ein
anberer Sruber, ein (ßeipiid^er, seidineie ftdj burd? fein
gutes (ßebäd^tnife aus, fannte äße 3)aten, bie <5eburt-
tage aller perfonen u. f. rx>. (£in ^effe wat ein aus*
geseidjneter ZHedianifer. Don Ä's Söl^nen roar ber
öltere ein üorsüglid^er Hed^ner, roenn er andi nid)t bie
(5efdju>inbigfeit unb 5idjerl)eit bes Daters erreichte» €r
liaite ein gutes 5et| • (ßebädjtni§, fat| fi^empel unb
geometrifd^e Figuren im (ßei^e por ftdj. Don smei
Cod^tern bes 5ol|nes erbte bie eine bas Hedjentalent,
bie anbere bas 5efy(5ebädjtni§.
H5. .^enry Cruman Safforb, geboren ^836,
war fd|on mit 6 3al)ren ein ausgeseidjneter Hedjner.
Znit 9 3cit!rcn fd?rieb er einen ^Hmanadj. (£r lernte
übert^aupt gut, l^atte ein überrafdjenbes (ßebädjtnife,
tannte einen guten (El^il bes Conperfationiejifons aus-
wenbig. ZTlit H 3ci^ren beredjnete er eine Kometenbal^n»
<£r u)urbe ^865 Director bes fjarparb College ®bfen>a«
torium, 11876 profejfor ber ^t^ronomie 3U XDilliamston^n,
ZlTaffv ^at piele ajironomifdje 2tb^anblungen geliefert
(poggenborff, III. '&arit>).
Scripture ermät^nt ferner (ßall's Seobad?tungen,
70 n. Beiträge 3ur Kenntnig bcs matijcmatifd?en Talentes.
bemerft, bag (Slliot von einem ^albtbioten ex^äliU, ber
ein Hedienfünftler wat, ^uber oon einem bünben
Sd^roeiser, ber jebe Hed^enaufgabe löjle unb eine
]l50fleDige ^dtil nadt einmaligem ^oren bet^ieli
3ct? ^abe, ^a bas ©iriginal nidjt 3U fdjn>er 3U liaben
x% Scripture's Citeraturangaben nidjt »iebergegeben,
Tlndi t^abe i(;ij oon Tlngaben über bie Ceijlungen ber
einseinen Hedjenfünftler abgefet^en, ^enn biefe ätjneln
einanber fet^r. Sibber 3. 23. beantwortete ^8^6 bie
5rage: „was ftnb bie ginfen pon j^ ^^^^ für ^^^^
Cage 3U ^V2 7o"? "«* 2 Minuten: je 2^3% \6 sh.,
5^4 d. 3m 3al|re \8118 foHte er ^68 592 ^H3 563
burdj 9076 bipibiren; nad? \ ZlTinute antwortete er
5^629838. Dafe redjnete in 6 Zllinuten bas probuct
oon 20penigen SaB|Ien im Kopfe aus, u. f. f.
ZlTan mu§ gegen Scripture's ^tufsäl^Iung eintoenben,
^a^ fie einerfeits nidjt üolipänbig x% anbererfeits 3U piel
entl)ält. Denn roollte er ^llle anfüB|ren, bie frütiseitig
augerorbentlidje matl|ematifd?e 23egabung 3eigten , fo
Ijätte er nodj oiele ZHatljemattfer nennen muffen. IDoIIte
er nur bie eigentlidjen Hedjenfünftler berücf jtdjtigen, fo
toaren <Sa\x% 2tmp^re, Safforb 3U jtreidjen,
3nt 2. (El^eile feiner 2lrbeit ^eüt Scripture pfvcljo-
logifdje 23etradjtungen an, bie i^rer Ztatur xxadi ^en
<5egenftanb nidjt erfd^öpfen fönnen. €r betont, ^a% es
pdj einerfeits um ein abnormes (ßebädjtni^, um bie
5ätjigfeit, oiele gaWen im <5ebäd?tnig 3u bet^alten,
anbererfeits um bie 5d?neIIigfeit, mit ber bie gal^Ien
oerfnüpft werben, t^anble. Sei bem einen Hed?enfünjHer
B. Heber bie Hed?en!ünftler. 7\
tritt met|r bas (ßcbädjtnig t^croor (j. S. bei 23u^ton),
bei bem anderen tnel^r bic Sdjnelligfeit Tlndt von oer«
fd?icbencn großen Znattjematifern toirb berid^tet, ba§ fte
ein enormes (ßebädjtnig tjatten (3. S* (£uler, Diridjiet).
ZHand^mal ift nur bas S^^^^^ngebddjtnig groß, mandjmal
^as (ßebädjtnife übert^aupt (5. S. bei 2tmp^re, Safforb).
2lu5fütjrlidj beridjtet Scripture über bie Derfatjren ber
cinselnen Kün^Ier beim Hedjnen, über bie Kunjigriffe,
^ie angemenbet roerben ober angeroenbet roerben fönnen»
(£5 ijt pielleidjt nidjt immer piel Pertrauen auf bie 2ln«
gaben ber Hedjenfünjtler über itjre ZnetB|oben 3U fefeen,
^enn il|re (£rflärungen entflammen ber Hejlepon, xfyc
Perfatiren nid^t £oIburn 3. Ä fagte, als er fein (Ealent
übte, er rDijfe nid|t, n>ie er 3U bem Hefultate fomme,
fpdter aber gab er (ErHärungen. 23efonber5 merfroürbig
ift natürlidj audj für Scripture bie 5rül|3eitigfeit ber
Hedjenfäliigfeit (Er giebt folgenbe ^ufammenftellung :
'Das Calent gab pd? funb bei (Saufe mit 3, bei tüt^atelv
mit 3, bei 5lmp^re mit 3 — 5, bei Safforb, (Eolburn mit
6, bei prolongeau mit ö^o/ bei Sibber, ZHonbeu^, ZlTan*
giamele mit \0 ^altven. —
XDiepiel Hedjenfünftler feit Scripture's 2tuffafe auf*
getreten finb, roeife idi nidjt. Ueber mandje iji tvaiiV'
fdjeinlidj nur in ben (Eagesblättern beridjtet roorben.
So erinnere id? mid?, einen Knaben Svanfl, ber öffentlid?
auftrat, gefetjen 3U I^aben, fo rourbe por einigen 3al|ren
in ber £eip3iger 3nuf!rirten ^exiving von einem ,,Hed?en»
pl^änomen ^eint^aus" beridjtet. (£r flamme aus bem
Hl^einlanb, fei ^8 3al^re alt, fei urfprünglidj Kaufmann
72 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes mat(^ematifd?en Talentes,
gett>efen, fprcdje mcB^rcrc Spradjen. (£r fonne bie
Quabratoursel aus 6 — Ssifferigen ^aiikn unter genauer
Eingabe bes Heftes, fomie Me (Eubif coursel aus aufgellen-
ben 93ifferigen gaB^Ien augenblidlidj im Kopfe ausstellen
u. f. f. (5enauere ^adjriditen liegen r>or über 3"<»ii^i
unb S^ttoL ^naixbx ift r>on einer fransöpfdien (Eom*
mifjton unterfudjt »orben unb (Z^axcot B^at über iljn
beridjtet (Progr^s m^d. 2. 5. XV, 25, 1(892). Danad?
ip 3<»cques 3naubi im 3öt|re H867 3U ©norato in
piemont geboren, lieber bie Familie mar nidjt r>iel 3U
erfai^ren, abgefeljen r>on IDunberlidjfeiten unb Cl^arafter*
(£igenti|ümlidi!eiten auf päterlidjer Seite. Vk (5efdin>ifter
fdjienen feine befonberen 5äl|igfeiten 3U B^aben. 3tt<xii^i
bxadite bie erjien ^alixe feines Gebens beim 5diafel|üten
3U unb 3eigte ettoa mit fedjs 3<xB?ten bie Ceibenfd|aft für
bas Hedjnen. (£r b6t>knt0 fid? aber nidjt ber Steindjen,
fonbern red|nete, nadjbem er üon feinem Bruber bie
Hamen ber galjlen erfal^ren ^atte, ausfdilieglidi im
Kopfe. Später burdj3og ber Knabe mit feinen 2lnge*
I^örigen bie proüence, bettelte auf ^cn Strafen, lieg bas
ZHurmeltB^ier tansen unb fudjte baburdj etn>as meBjr 3U
üerbienen, ^a^ er Hedjenaufgaben löfte. 3"^ 3^^^^
H880, 3n>öIfiäBjrig, fam er nadj paris unb mürbe burdj
Sroca ber antB^ropoIogifdjen (SefeUfdjaft r>orgefteIIt. (£r
fonnte meber lefen nodj fd^reiben. 2JTit 20 ^alixcn lernte
er beibes unb seigte fpdter, obmoi^I feine Kenntniffe
mangelB^aft blieben, einen offenen Kopf. <£x wax 3. §♦
2^iäi|rig, flein {\52 cm), fräftig. Der Sd^äbel mar
plagiocepi^al, 3eigte eine Pormolbung bes redeten Stirn«
B. lieber bie Hed?en!ünftler. 73
beitis unb bcs Unfen Sdicitclbcins. 2)ie ®B|ren ftanbcn
ob, »aren [ymmctrifdi. Die linfe (ScjtdjtsB^älfte war
grögcr. 3Tn Uebrigen ergaben bie HIeffungen nidits
Befotiberes. 2)ie Sinnesorgane fd^ienen normal 3u fein*
'X>as (5ebädjlnig für Sc^tben, formen, (£reigniffe, ©erter,
Tfiixfit wax millelmägig. (£5 wax für iljn unfaßbar, bag
man Sdjadj aus bem Kopfe fpielen fönne. ^ur bas
gai|lengebdcljlnig xoax enorm. 3»i<iubi träumte oft üon
gaB^len unb löjie babei Probleme, auf anbere Cräume
befann er jtdj nidjt. IPäI|renb er nidjt meljr als fünf
ober fedjs oorgefprodjene IPörler beljalten fonnte, madjte
es iljm feine Zlothif 25- ober SOftellige gaB^Ien nadj ein-
maligem J^ören 3U beljalten, fte r>orn>ärt5 unb rücf n>ärts
E^ersufagen» 2lm Sdjiuffe einer Sifeung fonnte er alle
Aufgaben mieberl^olen, einmal »ieberl^olte er ^00 Ziffern.
IDäljrenb anbere Hedjner angaben, pdj auf ii^r 5eBj-
gebäd^tnig 3U ©erlaffen, bie ^i^cxn vor jtd^ 3U feljen
glaubten, Ijanbelte es fldj bei 3n<xii^i um (5eljörerinne-
rungen. (£r glaubte bie ^dbiUn 3U B|ören, als ob feine
eigene Stimme fie il|m porfprädje. 3d? fefje bie ^x^exn
nidjt, fagte er, es ip mir fd^iDerer, gefdjriebcne Ziffern
3u merfen, als gel|örte; idj mag audj nidits auffd^reiben,
xdi roill Ijören. (Sab man il|m eine 2tufgabe, fo fpradj
er leife alles nad^.
(£s ift erfid|tlidj, ba% es r>om ^nfaüe abl^ängt, ob
ein Hedjner (Seftdits* ober (BeEjörsPorpeUungen bepor-
3^9^; 3"<Jubi mugte bas lefetere tljun, rneil er in ber
3ugenb bie S^ff^^" "idjt fannte*
J^err Dr. 5 ^ t r 1 liat bie (Süte gel^abt, mir f d|rift»
7^ n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matljemattfd^en Talentes.
Ixdtc ZnittBjeilungen su madicn. Vanadi iji er am 3\.
Secember \S6^ in fjdbelberg geboren. Sein Pater wax
ein guter Hedjner. Urfprünglidj Sleinmefe arbeitete er
jtdj empor, fobag er als ^Irdjitect größere Sauten unter*
neB|men fonnte. (£r begann als Unternel^mer ben Sau
ber ®bentt)aIbbaB^n, namentlidj il^rer Cunnel, jiarb aber
am HO. Hlai \S66 wälivent) bes Saues. Die S^clvl, bic
bie Sdiülerin unb (5eljülfin ^es HIannes gewefen »ar,
füf^rte ^en Sau felb^änbig 3U &nbe. fjerr 5erroI legt
IPertB^ barauf, ^a% feine Hlutter gerabe Ȋl^renb il^rer
5d)n>angerfdjaft in angeflrengter red^nerifdier CI|ätigfeit
roar. (£ine im 5^bruar \S6^ geborene SdjiDefter ijl
äB^nlidj wie 5«rroI begabt, jte wat felbp für il^n früB^er
im ZHultipliciren unerreid^bar, il|r Calent mürbe iebodj
nidjt ausgebilbei
5er rol fagt t>on fidj felbft: „Vas Hed^nen wax mir
fdjon in ber Kinbi^eit 3U einer unftittbaren Ceibenfdjaft
geworben, unb 3u>ar weniger bas gal^Ienredinen, als
gerabe bie a(gebrai[d)en (Operationen, an t>enen xdi mxdt
tagelang pergnügen fonnte. ^e^ex freie 2lugenbUcf mar
mir mit ^, y, 3 ausgefüllt, ^atürlid^ war es erft pon
^a an möglid^, als mid^ meine ZHutter in bie Einfangs*
grünbe bes Sud^pabenred^nens eingefüB^rt Ijatte, b. Ij.
oon meinem HO. ^alixe ab. Porljer fdjon mar idj ein
3temlidi guter Kopfredjner, tDenigftens mar mir in biefer
Efinftdjt nie ein ZlTitfdjüler gleidj ober gar „über"» Die
5ertigf eit r>erIor jtd^ aber burdj bie pebanterie meiner
CeB^rer, bie midi 3ur 5d)ablone 3mangen unb fo un jtdjer
mad^ten. 2JTetne Ijeutige <5emanbti|eit im 2JTuItipIiciren
iFierrDl
B. Heber bic Hed^cnfünftler. 75
pcrbanfe idj rein ber tljeorctifd^cn (£nttt)icfclung, inbcm
idj audi Ijier rein algebraifd? operire. 3d? mödjtc midj
oIs ein (Segen^ücf 3U Dafe beseidjnen, benn, roälirenb
biefer mit (Einem Slicfe bie gaE^len erfaffen fonnte, bin
idj gerabe in biefer fjinjtd|t fdjledit ausgejiattet 3cl?
E|abc gar feinen Sinn ber ^nfdjauung, mug 3. S. bie
adit ober seE^n 5^nfter an ber 5tont eines Efaufes erft
müEifam abbiren unb bin bann nid?t einmal jtdjer, midj
nidjt geirrt 3U liaben. Wxü xdi (5elb säi^Ien, fo mug idj
es erft in (5ruppen fortiren. Damit bürfte sufammen-
l^ängen, ia^ xdi aixdi unfäljig bin, mir irgenb ein Silb
ponpänbig oorsuftellen; id^ tx>e\% gans gut, n?ie ^ugen,
©Ijren, Hlunb n. f..n>, jtnb, aber bie 2lnfd|aulicljfeit fel^It,
3cl? erfenne Sefannte auf ber Strage nid|t Tlls xdi
lefen lernte, ging es mir feljr fd|Iimm, ein Sudjpabe fal^
mir aus tt>ie ber anbere. DaB^er loar id^ meift in ber
nnteterx J^älfte ber (Elaffe 3U finben, nur bas IPett»
Kopfredjnen mad^te midi alle \^ Cage auf furse ^eit
3um primus, Sd^on als Knabe redjnete xdi gerabe3U
intuitip, fobag id^ oft ber ^Injtdjt roar, xdi mügte fd?on
einmal gelebt I^aben. Stellte man mir irgenb eine in-
I^altlidi fdimere 2lufgabe, fo quott bas Hefultat gerabe3U
aus meinem (£mpfinben B^eraus, oljne ba% xdi iwt erften
2lugenblirfe lougte, mie xdi ^s erl^ielt; r>om Hefultate
aus fud^te idj bexx TOeq. Diefes intuitive (£rfaffen, bas
merftpürbiger XDeife nie burdj einen 5«Wfd?lag erfdjüttert
rourbe, mudis in bemfelben 7Xlaa%c, n>ie bie 2tnforberungen
fidj jieigerten* Efäufig liabe xdi ^odi jefet bas Cmpfinben,
als ftänbe 3^Tnanb bei mir, um mir bas gemünfd^te
76 n. Beiträge 3ur Kenntni§ bes matl^ematifd^en Talentes.
Hefultat, t>m gefuditcn XDcg susuraunen, unb mciji jtnb
es IPegc, bie por mir nodj mcnige ober nicmanb be«
fdirttten unb bie id) bei eigentlidiem 5ud|en fid)er nidjt
gefunben iiäitc.
TXlix iji oft, namentlidi wenn idi allein bin, als be*
fänbe idi mid| in einer anberen XDelt; bie S^B^Ienbegriffe
fdjeinen 3U leben. Bli^artig sielten beliebige fragen,
piel fdimerer als bie in ben Porträgen gesellten, an
meinem geizigen 2luge porüber, jebe lebt nni fül^rt bie
2lnttDort mit fid^, ja fogar bie „(glemente", auf benen
fie berul^t: es iji »ie ein fdjönes Spiel, ^as biefe (Ele-
mente aufsufüljren fdjeinen*
ZHein gatilengebäd^tnig beruljt auf HInemonit
2JTein (Sebädjtnig im 2lttgemeinen ift portrefflidj, nament*
lidj für naturfunblid)e Cl^atfadjen, bie idj erlebt ober
gelefen l^abc."
£auro ßaffu
C. Hebet Me mattjematif^en Wcibcv.
Hebet matl|ematifdic Weiber i^abe id| Solqen^es
ZXadi Combrofo (bas Wexb als Vexbtedienn unb
propituirte. Scutfd? ^89^, 5. 556) E^atte bie fjctäre
Ztifarete, bic aus guter Scitnxlxe Rammte, eine leiben-
fdiaftlidie Neigung 3ur Vflaiiiemaixt unb jte oerrpeigerle
il|re (Snn^ Keinem, ber jte etwas Xlenes legten fonnte*
IDoB^er bie Xloti^ ^ammt, weiß idj nxdit Selben mir r>on
Zlxtaxete ab, fo fdjeint bie ältere bie fd^öne J^vpatia
3U fein, bie befanntlidi im 3ofyc^ ^\5 auf graufame IPeife
oom geijHid?en pöbel ermorbet roorben x% Sie I|atte
UTatB^cmatif unb neuplatonifdje pJjilofopB^ie flubirt IDir
bepfeen 3n>ar nidjts von il^r, bodj foll jte matl^ematifdje
Sdiriften I^interlaffen Eiaben. ^fyc Vater mav ber TXlattie^
ntatifer CB^eon*
3m porigen ^^H^^l^^^^^ wö^ £aura Saffi
(t \778) profeffor ber Hlatl^ematif unb pliyjtf in So»
logna. Sie Jjat einige 2luffcifee Jjinterlaffen. Sie irar
bie Stan eines 2lr3tes.^)
*) 2luf ber Bibliotljc! 3U Bologna Ijabc id? gefunbcn: Vite
78 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^cmatifd^en Talentes.
(Cleüa Sorromco « (ßrillo aus bem ^aufc
ZRonbragone, (ßattin bcs (Srafcn (5iop. Sorromeo fdjricb
nn^ las über Hlatl^cmatif unb TXlediamI in Bologna.
Sie fpradj jtcben Spradjen,
(Elotilfee Cambroni (\768— 118H7), bie aus
Sologna Rammte, mar profeffor ber ßteratur unb
griedjifdjcn Spradje. Sic mar aber aud? ,,in ber pBjilo«
fopl|ie unb in ber Hlatl^ematif geleljrt."
HIaria (Saetana ^tgnefi (17^8— H799) n>ar
bie Codjter bes Don pietro bi 2lgnejt, CeJjnspafallen oon
Znonteoeglia. Sie mar nidjt nur matB^ematifdi, fonbem
aud? pI|iIoIogifdj feljr begabt ^m 3aBjre \7^8 u>urbe
jte profejfor ber ZlTatl^ematif in Sologna* Sie Jjat ein
£el^rbud| ber ^Inalvfis in 5U)ei Sänben J^interlajfen, ein
XDerf, t>as f. g. fel^r gerül|mt mürbe. Antonio S^anc*
5rifi iiai iiit eine £obrebe gefdjriebem
ZHaria (Eunife (Cunitia) etwa \6\0 geboren^
\66^ geworben, bie ditefte Cod|ter bes Dr. J^einrid? (Eunife,
eines ^Ir^tes, oon \650 an perJjeiratB^et mit bem 3U
ajironomifdjen Stubien neigenben ^rste (£üas pon £öpen
in pilfdjen, madjte ajironomifdje Seobadjtungen nnb trieb
nidjt allein 2JTatI?ematif, fonbem audj alte Spradjen,
(5efdiidite, .ZHebicin, poejte, HIalerei unb Hluftf. Sie
fdjrieb: Urania propitia (2lfironomifd?e CabeHen)*
e rittratti dl XXX illustri Bolognesi, Bologna, Tipografia Zannbli
1835, unb Cenni biografici e ritratti d'insigni donne bolognesi, della
Sign. Bonafede, Tipografia Sessi. ^Jcmcr eyiftirt in Bologna ein
Cablcau, auf bcm bic berül^mtcn Bologneferinncn bargeftellt finb :
Donne italiane illustri nelle scienze etc., dal Prof. Leone Tettoni.
Sopljtje ©ermam.
C Heber bie matl^emattfd^en IDeibcr. 79
2JTerftt>ürbig ijl bie 5ömtlte Kirdj. 2)ic Coditer
bcs pajlor Wmdclmanrx in panitfdj bei Ceipsig, bie
burdj einen Sauem in Sommerfelb für bie 2ljlronomie
getDonnen »orben war, JjeiratB^ete ben ^Pronomen (Sott*
frieb Kirdi (\639— \7\0). ZITarie Hlargaretl^e
Kirdj (\670 — ^720) redinete unb beobad^tete mit iljrem
Hianne in Serlin, entberfte ^cn (Eometen von ^702,
fd?rieb über bie (Eonjunction ber Sonne mit Saturn unb
Penus, foroie über bie bes 3ttpiter unb bes Saturn, be«
redjnete nadj bem Cobe bes HIannes Kalenber für oer-
fdjiebene Stäbte. 7>as (£I?epaar Kirdj liatie 3U Kinbem
bcn 2ljhronomen €l|ripfrieb Kirdj (^69^— ^7^0) unb
(EEiripine Kirdj (H696— ^782), bie iB^ren Sruber bei
feinen 3eobad)tungen unb Hedjnungen unterjtüfete unb
burdi r>iele 3<xt|re ben Kalenber für Scijiejten beredjnete»
2lnna Barbara Heinljart, Cod^ter bes Hatl^s-
Ijerrn Salomon Heinl^art in IPintertB^ur (H730 — ^796),
oeröffentlidite (tDenigjiens unter iljrem tarnen) nidjts
ZRatljematifdies, liaite aber groge Sä^xgUiien, fobag 3oI?.
BernouHi fie über bie bu (Z^atcUt fefete unb Daniel
BernouIIi be3eugte; jte I^abe bes HIaupertuis ^uflöfung
bes Problems pon ber courbe de poursuite bebeutenb
ermeitert unb perbeffert.
2JTaria Klara €immart, Cocf^ter bes ZHalers
unb 2ljlronomen ©mmart (1(638 — ^705), Ijalf iljrem
Pater bei feinen ajironomifcf^en arbeiten, fdjrieb J(70^
,Jconographia nova contemplationum de Sole," I^eiratl^ete
1706 bm profeffor 3oB?. J^einr» ZHüIIer in 2lItorf unb
jiarb \707 im lüocf^enbette.
80 n. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matl^cmattfd^eu Calcntcs.
2)ic iüngjic Sdimcjler Zydto SraB^e's Sopljia
Sralje foll matljCTnatifdj begabt gcmcfen fein.
Die scoeüe 5röu bes £ubolpl| van (Eeulen (ober
(Collen), ber ^5^0 — \6\0 Übte, 2lbriana Symons
(ober Simons) [djeint an feinen matl|emalifd?en 2lrbeiten
tl^etlgenommen 3u Ijaben unb gab nad? feinem Cobe fein
Siaixptwcxt l^eraus, £uboIpIj I|atte aus 3tt>ei (£Ijen smölf
Kinber.
Caroline fjerfdjel (\750—^ 8^8) begab jt*
^772 pon J^annoüer 3U il|rem großen Sruber nadj SatJj
unb unterfiüfete il|n in feinen ajlronomifd?en arbeiten bis
3u feinem Cobe. Sie feierte barauf nadj J^annoüer
3urücf, n>o fie unperl^eiratljet parb. Sie E|at adjt (Eometen
entbecft unb »mel^rere Sternfataloge oerfagi^)
Z^anrxeVnm^e aus paris, bie 5tau eines Haupt-
mannes, ber in Deutf d^lanb fiel, als fie ^7 3aljre alt
loar, fdirieb : Entretiens sur ropinion de Copernic touchant
la mobilitd de la terre (um ^680).
(ßabriele (£milie bu (Eljatelet, Cod?ter bes
Sarons be Sreteuil unb 5tau bes (5enerals HIarquis
bu €I|ateIet-Caumont (\706 -17^^) fdirieb Institutions
de Physique, gewann einen preis ber 2lcabemie burd}
bie 2tbl|anblung sur la nature et la propagation du feu,
überfefete Zten>tons Principia mathematica. Sie wax, B^eijt
es oon ber 5teunbin Poltaires, oon ber peradjtenben
5red?B^eit ber grogen lüeltbame, oon genialem <6eijle
oBjne ade l^ingebenbe 2tnmutl|, eine geleierte Dirago. Sie
*) Biograpl^ic oon <L, Brul^ns in ber ^lügemcinen Dcutfd^cn
Biograpl^ie.
Caroline ^erfdjei.
C. Ucber bie matl^cmattfd^cn VOcxhex. S\
lieg ftd] fpäter mit bem Sdjöiigeipe be 5t. £ambctt ein
unb parb an bcn 5oIgcn einer 5rüljgeburi
Sopljie (ßermain (\776— \830 lebte unoer»
l|eiratl|et in paris unb fdjrieb eine Heilte ntatfiematifdier
2luffäfee, ^m 3aljre \8116 gemann fte ben oon tlapo*
leon in 5oIge ber acuftifdjen Derfudje (£l|Iabni'5 aus-
gefegten augerorbentlidjen preis ber 2tfabemie, augerbem
erl|ielt fte brei TXial ^as 2lccef jtt. Sie n>ar eigentI|ümKd],
»erlieg burd] oiele 3aljre iljr gimmer nidjt.
5rau Cepaute, geborne ZticoIe»Heme fitable be
la Sri^re (H723— ^788), l^atte \HS ben n>iffenfdjaftlicljen
UI|rmadjer 3ean 5lnbrd Cepaute geljeiratljet. Sie gab
Ijeraus: Carte du passage de l'ombre de la lune au
travers de TEurope dans l'^clipse annulaire de soleil qui
doit arriver i. Avr. 1764, unb madjte nidjt nur alle 3u
biefer Karte nötljigen Hedjnungen, fonbern n>ar aud]
eine fleißige ZHitarbeiterin an ben Connaiss. des temps
unb an Calanbe's (£}>I|emeriben. Sie beredjnete andt
eine Cafel ber penbellängen für if^ren ZHann,
Filarie 3eanne 2lntdlie £a £ant>e, geborne
fjarlay (geb, 1(768), n>ar feit ^790 bie (ßattin von ZITidjel
3can €a £anbe, bem ^Ijironomen unb tleffen bes großen
£a £anbe. Sie unterftüfete 21Tann unb ©nfel bei ajlro*
nomifdjen Seobadjtungen unb Hedjnungen, beredjnete
5. S. bie Cafein 3u bes lefeteren Abr^g^ de navigaticm.
TXlaty Someroille, geb» \780 bei €binburgt|,
•5rciu bes Dr. med. tDiU. Someroille, oerfagte afirono»
mifdje unb piiy[\ta\x\die 5lrbeiten, bie sunt Cljeil in's
Deutfdje überfefet worben ftnb, roar feit \835 (£t|ren- ,
Znöbtus, xnattjematifer. 6
82 n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matljematifd^en öüalentes.
mitgüeb bcr Royal Astronom. Society. 3^Jf Pater wat
ber Piccabmiral Sir Wxü, (ßge. 5öiiffci^, jic toar in
crjier (£l|e mit bcm Znarineofftsicr Samuel (ßrcig ocr=
bunbcn getoefen, ber fte in llTattiemattf unb pIiYJtf unter-
ridjtet Ijatte. XTadj il^rem Cobe (\872) gab iljre Codjter
2Hartt|a il|re Siograpf^ie I^eraus*
(£♦ 3fi5 pogfon voav bie Codjter bes Directors
ber Sterntoarte in ZHabras, Norman Hob, pogfon (^809
bis \S%). Sie r»urbe 2tfftftent bes Paters unb \88^
meteon (ßopernor*Heporter bei ber präjtbentfdjaft.
Znarie mititcU (\8\8— \889) mar bie Codjter
bes SdjuIIel^rers rDifliam mUdieü (11793—^869), ber
eine 2ln3aI|I ajlronomifd^er ^uf fäfee peröffenllidit l\at Sie
unterridjtete in ber Sdjule bes Paters, trieb fdion fruit
2ipronomie, entbedte auf iE^res Paters Sterntoarte 5U
Ztantude IHaff. am \, ©ctober ^8^7 ben (Eometen, ben
be Pico erji am 3. 0ctober falj, unb beredjnete bie
(Elemente. Später roar fte profeffor am Paffar College
3u pougB|feepfie UTaff. unb 2TCitgUeb ber ^merif. 5lfabemie.
Sie I^interlie§ meE^rere 2tbl^anblungen. 3I|r Bruber,
^enry Znttdjell (geb. 1^850), mar fjafencommiffar, 7Xl\U
glieb ber 5Wabemie unb Per f äff er plivjtf alifdi-geograpE^ifdier
arbeiten.
Sopl^ie Komalemsfv (\850 — \S^\) war bie
Codjter bes 2trlilleriegenerals Corpin • Kruf on>s!Y; bie
<ßro§tocIjter bes 2tpronomen unb ZlTatl^ematifers 5riebridi
Cl^eobor Sd)ubert. Sie mar äugerlidj it^rem Pater äljn«
lidj. (£in etmas munberlidjer 0nfel liebte su pt^ilofo«
pt^iren unb aud] über ZlTatfiematif ju reben, obmoljl er
7^
Sophie fioroalwtjgkg.
C, Hebet bic matl^cmattfd^cn VOeihex, 85
nid)t5 bavon üctftanb» Dtefe Heben maditert €inbrucf
auf bas Kiiib unb ^etn>ecftcn in mir bic ßcbe 3ur
UTatljematif"» Die Kinbcrjhibc wav mit ben litljogra*
plixvten Sldttcrn aus ©firograbtfi's Poricfungcn über
Differential- unb 3ntegraI»Hedinung, bie ber Pater f. g.
geijört Ijatte, tapesirt Vas Kinb grübelte über bie ge*
fieimnifooHe Wanbf prägte jtd] bas 5leugerlidie ber
5ormeIn feji ein unb merfte jtdi mand^e Siixdc bes
Cejtes» ^Is ^5iäl|riges ZITäbdjen erl|ielt 5opI|ie Unter*
ridit in ber Differentialredjnung, fie mad]te rafd^e SotU
fdiritte unb bei ^en €rflärungen bes Cet^rers taudjten
bie alten Formeln unb IDorte ber IDanb auf» Später
Pubirte jte in Qeibelberg unb Serlin. „Pier 3at|re be-
trieb fie nun il^re Stubien unter XDeierftrag' Ceitung; fie
blieben von entfd^eibenbem (£influ§ auf it^r ganses 3u-
fünftiges »iffenfdjaftlidjes Sdjaffen. Siefes entwicfelte
pdj immer in ber von IDeierfira§ angegebenen Hidjtung»
^Ile. iljre »iffenfdjaftlidien 2lrbeiten finb
2tusfüljrungen unb (£ntn>i(f elungen berSäfee
bes Zneipers," Sie n>arb \883 prioatbocent, \88^
profeffor ber ^Inalyps in StodEjoIm. (£ine iljrer ^x*
beiten erwarb iljr einen preis ber parifer 5lfabemie.
Sie 2lrbeit Blatte fie frül|3eitig erfd^öpft, fie befdjäftigte
pdi burd] lange geiten gar nidjt mit IHatEiematif, fonnte
nur meljr jiogn>eife tE^ätig fein. Xladt bem Cobe iljres
llTannes (11883) alterte pe rafdj, „it^r (ßeifi I^atte an
Klarljeit eingebüßt''« (Siograpt^ie von ^nna Ct^arlotte
£effler.)
5rau ^ofratti XPitte in ^annooer, ZITäbler's
6*
8^ n, Beiträge 3ur Kcnntnig bcs matljcmatifdjen Sialentes.
SdjtDiegcrmutter, intcrefftrte jtdj fcljr für afironomic unb
©erfertigte ein TXlobeü ber fldjtbaren ZnonMjalbfugel, bas
in 3oIjn ^erfdiefs Sejtfe fam» ®b jte matt^ematifdie
Anlagen getrabt Ijat, n>et§ idi nidjt
Heben liefen 20 bes»» 2\ grauen unb lltäbdien,
^ie n>egen iljrer Ceijhingen in ben 2lnnalen ber matlje»
ntotifdjen XDiffenfdjaften ertoät^nt n>erben, fdjeint es eine
größere gaE^l toeiblid^er perfonen 3u geben, bie bas
matt^ematifdie Calent toenigfiens infotoeit befifeen, bafe pe
matE|ematifd]e XDiffenfdjaften Pubiren fönnen. Xladi ber
,, Ztorbbeutf djen ^lllgemeinen Leitung" n>aren im XDinter
^ 898/99 auf preugifdjen Uniüerjttäten ^\^ n>eiblidie gu«
Ijörer sugelaffen (238 in Serlin). Von it^nen jlubirten
^5 maifymatxl ^5 naturn>iffenfdjaften (einfdjL pIjYpf
unb ^jironomie). tDiH man fidj auf fiatiftifd^e Per-
mutljungen einlaffen, fo fann man annet^men, baß im
günpigjien 5öIIe auf { IHillion »eiblidjer perfonen \
mit matl|ematifd]em Calent f omme. €5 ergiebt alfo biefe
Setraditung basfelbe, was bie täglidje €rfaljrung leljrt,
t>aj^ bie IDeiber in ber Hegel ol|ne Einlage für ZHatt^e»
matif jtnb. (ßetoölinlid] finb bie XPeiber nid)t nur un«
fällig, matljematifd^e Sesief^ungen aufsufaffen, fonbern fie
empfinben audj eine 2trt von 2lbfdieu gegen alles gal^Ien-
mäßige» Damit I|ängt woiii audj bie n>eitoerbreitete
meiblidje Unpünftlidjfeit sufammen» 3n gen^iff^m Sinne
fann man fagen, ^as ZlTatB^ematifdie ifi ber (ßegenfafe
bes XDeiblidjen» ZlTödjte biefes in grenjenlofen (ßefül^len
oerfd]tt)immen, fo gipfelt männlidje Klarl^eit in ber (gjact*
Ijeit, b. I|. bem gal|lenmäßigen. Tlndi bringt bie Polfs*
C. Heber bie matl^emattfd^cn IPeiber. 85
meinung Cicbc unb matt^ematif in (Scgenfa^. Houffcau
crsäljlt, ba§ er «>äljtenb feines Slufentljaltes in Penetig
einmal bei einem »unbertjübfdjen IHäbd^en gen>efen fei»
3ebod], fiatt frifdj susugreifen, überlief er ftdi nadi feiner
2trt (ßebanfen unb (ßrübeleien, bis bas TXläbdtcn bie
(ßebulb üerlor unb in üerädjtlidiem tCone 3u iE^ fagte:
lascia le donne e studia la matematica! Uebrigens i^at
bie Penetianerin nidjt gans Hedjt. 2luf jeben 5ött ift
bie ZITatt^ematif bem Ciebestoerfe weniger abtragtid] als
bie pt|iIofopI|ifdie tleigung, t>cnn bie meifien großen
ZlTatt^ematifer fdjeinen glürflid^e 5cimiIienoäter gen>efen
3u fein unb mandje, bie nidjt oerljeiratljet toaren, Ijaben
natürlidie Kinber Ijinterlaffen, n>ie (SalxUi, Descartes,
£eibni3.^)
ZITan fann alfo fagen, ba% ein matljematifcljes XPeib
toiber bie tlalur fei, in getoiffem Sinne ein ^toitter» (£s
ift I^ier nidjt anbers als bei anberen Talenten» (ßelet^rte
nnb fünfHerifdje S^CLVien ftnb €rgebniffe ber €ntartung.
Xlnt burdj 2lbn)eid]ung von ber Tlxt, burdj franfljaffe
Peränberungen lann bas XDeib anbere tCalente; als bie
3ur (ßeliebten unb 2TCutter befäljigenben, ertoerben. (£s
ift baljer 3u ertoarten, ba% bei t>cn talentirten XPeibern
audj anbere ^Ibtoeidiungen 3u ftnben feien. Sefannt ift,
ta% fogen. geniale XDeiber getDÖi^nlid} toie oerfleibete
^) Unucrt^eiratt^et waxcn freilid? gerabc groge IHänner. (Es
gcl^öreft 3U ^en £cbigen 3. 3. (Salilei, (Saffenbi (geiftl), pascal,
Descartes, ^uygens, (JoirteneUe, b'2llembert, Itemton, tliclaus H
unb Daniel BemouUi, £eibni3, Hant, fjumbolbt, ^JranfUn (ein un=
etjel. Sol^n), 3ol^. Bolyai, göUner, Dalton, Secdfi (gciftl.),
W. IPebcr, IPctcrftrag.
86 n. ^eiixä^e 3ur Kcnntntg bes matljcmattfd?en öüalcntcs.
ZRännct ausfcljcm TXlan benfe 3» S. an bk in bcr
Ufeten Seit üidfadi abgebildete Hofa Boniteur» Pon
^en ZlTatljematiferinnen jtel^t befonbers Sopl^ie (ßermain
männlidi aus« Die KotoaletDsfv S^^Ö^/ ^«g (ßefunbt^eit
unb t^eroorragenbes fLaUni beim XPeibe fdin>er sufammen-
bejieljen. Sie wax in E{ot{em (ßrabe neroös, leibenfdiaft»
Iid)e €rregungen madtUn jte früt^seitig alt unb franf.
3)ie (ßermain n>ar ein gutartiger Sonberling. Die Cljatelet
in iljrer Sdiamlojtgfeit jlellt ben fdlümmen Cypus eines
-entarteten XPeibes bar» 7lm meinen (ßutes iji oielleidjt
von Caroline ^erfdjel 3U fagen : jte n>ar in iljrem XPefen
ix)eiblidi, babei gefunb unb tüdjtig, erreidjte ein fet^r
Ijoljes 5Hter» Von ben meinen matt^ematifdjen XPeibern
freilid] roeig man 3U roenig; als bag man über bas
patBjologifdje bei iE^nen urtt^eilen fönnte»
(£s ift eine Uebertreibung, n>enn 00m matt^em« (ßenie
bei XPeibem gefprodjen n>irb. Ztiemanb n>irö be3n>eifeln,
bag bie ZlTatt^ematif jtd] ebenfo günjHg entwicfelt Ijaben
tPÜrbe, n>enn bie aufgesäE^Iten »eiblidjen ZlTatljematifer
tiidjt gelebt I^ätten. Keine Ijat ettoas XDefentlidies ge»
Ceijlet, neue ZlTetlioben erbadjt. Sie waren gute Sdjüle*
rinnen, nid)t meljr» Die Biograpt^ie ber UowaUvosfy
f agt fet^r treffenb, bag iE^re ganse Arbeit in ^usfül|rungen
ber oon tDeier^rag gebadeten ßebanUn bejianb. Caro
(ine ^erfdjel roar ber getreue 5lfjtjient iljres Brubers,
nadi feinem Cobe 30g jte jtd] in bie Stille 3urücf» 2lm
origineHjlen fd)eint bie (ßermain gewefen 3U fein»
D. lieber bxe Beengungen öes mattjemattfdjen
Calentes.
Unfcr XPiffen iji Stndwcxt Vavan wnb man nadf
brüdlid] erinnert, n>enn man über bie Sebingungen ber
Calente nadjbenft 3jl es aud] stDetfeüos, ba§ bie Ein-
lage 3ur Znattiemalir mit 3ur IDelt gebradjt toirb, ba%
iljre (ßröge unb iE^re €igenart vor ber (ßeburt beftimmt
n>crben, fo fragen toir bodj geroölinlid] umfonji nadi
bem IDte. tlatürlidi mu§ bie SefdjaffenEieit bes Kinbcs
von ber ber €Itern abklängen unb oon üornljerein er»
geben jtdj befonbers stoei ZIToglidifetten, enttoeber toirb
bas Calent bei einem ber Crseuger, best», bei beiben an*
getroffen, ober es entpeE^t erft nadi ber Permifd^ung bes
oäterlidjen Keimftoffes mit bem mütterlidjen n>ie eine
neue djemifdie Derbinbung. 5r«iHdi mu§ man gleidi
Ijinsufügen, ba% audj im lefeteren Sdüe beftimmte (Eigen»
fdjaften ber elterlidjen Keime förberlid] geroefen fein
fönnen, unb man n>irb bies bann annel^men, roenn bei
ben (Eltern matl^ematifdi begabter Kinber 3tx>ar nidjt bas
matE^ematifd^e tCalent felbji, aber anbere Calente relatip
oft gefunben toerben foHten. €nblid] ift bie Znögli(ijfeit
88 n. Beiträge 3ur Kenntnig bcs matljematifd^en öüalentes.
bes ^Itapismus 3U bcbcnfcn, b. I|. bcs Catentbktbcns
einer Anlage in einer ober in einigen (ßenerationem
Um mxdt einigermaagen 3U orientiren, Itahc xdi
poggenborff' 5 „Siograpt^ifdi • Citerarifdjes JjanbtDÖrter*
budi'' burdjgefelien unb Ijabe babei bie Hamen ange«
merft, bie meE^reren ^Ingeljörigen einer 5cimilie gel|örten.
Die 5d)n)ierigfeit babei n>ar, ansugeben, bei wem nodj
matljemalifdjes Calent ooraussufefeen ift (Et^emifer fönnen
es iiaherif braudjen es aber nidjt, (ßeologen pnb siemKdj
in ber gleidjen £age, ZtTineralogen braudjen bie ZlTatlje-
mati! 3ur KrvftaHograpIiie, aber nidjt alle ZHineralogen
jtnb KrY^allograptien, pt^vfifer enblidj toerben faft immer
matE^ematifd] begabt fein, inbeffen fann man in mandten
(gebieten ber pB^yjtf mit toenig ZHatEiematif 3uredit
fommen. 3n 5ranfreicli getoäl^rt bie Eingabe, ba% (Einer
ber Ecole polytechnique angel|ört Ijabe, einige Sidjert^eit,
in Deutfdjlanb unb (£nglanb feljlt ein foldjes ZlTerfmaL
3m gtoeifel htabc idj midj bat^in entfdjloffen, CE^emifer
unb (ßeologen nidjt 3u berüdjtdjtigen, pl\y[xUt als TXlaÜi^
matifer gelten 3U laffen, bei ZITineralogen midi naii bem
3nljalle ber Sdjriften 3U rid)ten. 3^ nadjbem man
jlrenger ober iDeitt|er3iger ijl, roerben bie ^al^Ien Heiner
ober größer toerben; ^a <£^acil\c'\t fo toie fo nidjt 3U
erreidjen ift, fommt es auf ein paar 5«W^^ "idjt an.
Unter biefen Porausfefeungen B^abe id] folgenbe
galjlen ert^alten.
JUatljematifdjes Calent bei Pater unb S>ol\n fanb
jtdi 2\5 TXial Unter biefen 2^5 n>aren 35 mit mel|r
als einem matl^ematifcljen SoE^ne. Pater, Soljn unb
D. Uehev btc Bcbtngungen bcs matt^emattfd^en Talentes. 89
€nfel famcn \7 TXlal vot. (Sto^vatet urtb €nfel
5 TXial ®nfcl unb tleffc 20 JJIaL 3e aioei Vettern 5
TXlal (ßefditpijier mit mattiematifdjcm Calcntc gab ^5
\3\ Xfial TXielix als iwex Brübcr söljlte idj 23 lltal,
3rubcr unb SdjtDcftcr 3 JTlal.
3m 5oIgcnben gebe id] eine Ucberjtdjt über eine
2(n5at{t oon 5öniiUen, in ^cneh burdj meljr als 3tx>ci
(ßcnerationcn jtdj bas matljcmatifdie Calcnt ert]ielt.
Becquerel, »ntoine (Edfar, ^ 788— \ 878, M. de l'A.
des Sc, piiYJtfcr,
— , aic^anbre (£bmonb, geb. ^820, phty^Ux,
— , ^Intotne ^cnri, geb. \852, piiyfxUt.
3reitljaupt, 3oI|, £E|rijHan, ^756—^800, ^of*
medjanicus in Caff el, (£rfinber piiy[xfaL u. malt|cm.
3npramente,
— , Steint. Carl tDiIE|,, \ 775— \ 856, Znedjanicus u. prof.
b. ZHatE^. in Caffcl,
— , 5ricbr. tDiII|., \ 780-^750, fjofmedjanicus u. Ztlüns-
mcijler in Caffcl (matE|. 3nPrum.),
— , 3ol^. ^nton Couis, \ 783— \ 838, ©berft-ficut. in bex
^IrtiHerie,
— , (ßg. Wxlii. ^nton, SoE^n r». 5ricbr. Xüill|., geb. \806,
Ct^cillj. am matl|.»median. 3"Piiut b. Paters.
C a r n o t , Casare Nicolas ZlTargucrite , \ 753 — \ 823,
3"9^"i^wr»Capitän, IHitglicb bcr Hegicrung, M. de
TA. des Sc, ZlTatE^cmatifer,
^ II. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matl^ematifd?en öüalentes.
(Earnot, Sa^x, \ 796 —(832, SdtnUx ber Ecole poly-
technique, (ßenieoffistcr,
( — ; Casare ^vpolyte, geb» \80t, ^Iboocat, JTKnijler unb
ZtlitgKeb bcs 3njHtut5),
— , ZlTarie 2tt)oIpI|C, geh (839, ^<>^" *><>" ^vpolyte (£.,
Sdjülcr ber Ecole polytechn., prof» bcr Ct^cmie unb
Znineralogic,
( — , IHarie St^cl^x^oxs Sabi, trüber b. Der., Zninijlcr b«
öffentL Sauten, f «I^ präftbent ber Hepublif).
£affini, (ßiooanni Somenico, (625— (7(2, M. de TA.
des Sc. urtb Director ber 5terntx>arte in paris,
— , 3acque5, 5ol|n, (677— (756, M. de TA. des Sc. (feit
(69^) u. Dir» ber Stemtoarte in paris,
Caffini be CB^ury, (Z6\av 5ran9oi5, €nfel, (7(^ bis
(789, M. de l'A. des Sc. (feit (736) n. Vit. ber
Sterntoarte in paris,
Caffini, 3acques Dominique, Comte be Ctjury, Urenfel,
(798— (8^5, M. de TA. des Sc. (feit (779), Dir* ber
Sternkarte 3u paris bis (793.
(Des Urcnfels Sol^n 2llejanbrc ^enri (Sabricl, ^78^— ^83^,
mar Botanifer; mit il^m erlofd? bas <5cfd?led?t.)
Dasu
ZlTaralbi, (ßiacomo Süippo, tleffe bes (ß. D. Caffini,
(665- (729, M. de l'A. des Sc, ^Ifironom,
— , (ßiopanni Domenico, beffen XTeffe, (709— (788,
M. de l'A. des Sc, ^Ifironom.
(3ct6c Vfl. ftammtcn aus perinalbo bei tTi33a. €s Qah ttoc^
3ipct 2lftronomcn bicfes ZTamens: Jacques pl^tlipp IHa»
ralbi, geb. ^7^6 in perinalbo, unb be^en Soljn, Jacques
^rangois irtaralbi, geb. (779, ber lalanbe's (Set^iHfe iparb.)
D. Heber btc Bebtngungcn bes matl^cmattfd^en Talentes. ^\
(Celfius, TXlaqnixs Xlicolans, \62\ — \67^, Pfarrer unb
Soiin eines Pfarrers, prof» b. ZlTatlj. 3u Upfala,
— , Xlxls, \65S—\72% Prof. t>. maili. in Upfala,
— , ^Inbers, \70\— \7^^, prof* b* Tl^ton. 5U Upfala.
€uler, paul, Pater, qe% 17^5, Pfarrer in Hiedjen
(ober Hielten) bei Safel unb Sdjüler 3öcob Ser-
noulli's, oeröffentlidjte eine maiiicm. Sdjrift,
— , Ceonljarb, \707— 11783, jlubirte (Kieologie, ZlTatlje-
matif unb 2TIebicin, fiarb erblinbet in 5t. peters«
bürg (ogl 5* 53),
— , 2oit*2ahtcdtt, Solin, \73^— \800, profefforb.pIjYJt^
^ipronom unb 7X1. ber ^Ifabemie in 5t Petersburg,
— , Carl, 5oIjn, ^7^0— \790, Ceibarst u. aftronom(?) in
St Petersburg,
— , €t|rijlopI?, 5oIin, ^7^3 — ^ 8 (2, (ßeneral unb ^Ijlronom,
5ug, tlicolaus oon, 5djn>iegerfot|n, \755 — \826, 2TI. b.
^Ifabemie in St. Petersburg, ZITatEiematifer,
— , paul ^einrid? oon, «nW, \ 797— \ 855, m b. 2tfab.
in St. Petersburg, ZHatt^ematifer,
— , (ßeorg 2tlbert, €nfel, \806— ^85^, JHrector ber
Sternroarte in XDilna,
— , Pictor, Urenfel, geb. ^839/ ^jironom.
21 nm.: (Eine 2od?tcr 3otj. 2llbrcd?t (£ulcr's Ijeiratljete ^789
3acob BemouUt II, bod? crtranf biefer fd^on smet HTonate
fpäter.
92 n. Beiträge 3ur Kcnntni§ bcs matl|cmatifd?cn Calcntcs.
<5 au ticr, ^Ifr^bc, \793— ^88^, prof. b. ^Ijbron. in
(5cnf.
(3ean 2Intoinc (Sauttcr, ^67^—^729, wax pi^yftfer ». prof.
b. pijtlof. in (Senf.)
— , fiticnne 2llfr^be, ^822— \89^, Hauptmann im (5enic-
Corps u. ^jhonom, Itcffe bcs X>or.,
— ; Hapal; geb. ^85^, prof. b. 2tfh:on. in (5enf, Soljn
bcs X>origcn.
fjambcrger, <5g. 2«brcd|t, \662— ^7^6, prof. b.
inatl|. in 3^"«/ t)crl|eiratl|et mit firf^arb WügeVs
(\625-H699) Coditcr,
— , <5g. €rl|arb, \697— ^755, prof, b. ZlTeb. unb ber
i>ity[xt in 3^"«/
— , Ttbolpii 5riebr., ^ 727— ^ 750, ZlTeb. [Diss, de calore
in genere],
— , Tlbolpk Tllhtcdit, ^737— ^78., Tlv^t unb pIjYJtfcr
[Diss. qua causa motus planetarum explicantur].
^ er f diel, 5riebr. Xüillj., ^ 738— ^ 822, tarn \757 als
^autboifl Don ßannoper nad] Conbon, bann IHujtf-
lel^rer in Ceebs, bann ©rganij! 3U Batfj; I|ier ent-
bedte er ben Uranus, \782 prioata^ronom bes
Königs, feit ^78^ ZHitgl. b. R. Society,
— , Caroline Cucretia, ^ 750— \ 8^8, 5d|iDejler 5r. XD.'s,
arbeitete mit bem Bruber \ 772— \ 822, ^ntbedte 8
£ometen u. f. id.,
— , Sir 3oIin 5reb. XDittiam, ^792- \87^, 2lfh:onom,
Znitgl. b. R. S. feit \S\5,
D. Viehex bxe Behin^un^en bcs matljcmattfd?cn Calcntcs* ^3
fjcrfdicl^ 2Hcy. Stewart, 2. Soljn b. 2^or., geb. \S56,
. prof. b* pI^Yp' »• ^itgL b. Astron. Soc,
— / 3oljn, Brubcr b. 2^or., geb. \837, „Roy. Engineer",
Züatii. u. 2ipronom.
Karben, Wcnceslans 3oB?. <5ufi, \ 752— \ 787, prof.
b. Znatf^. in ^aEe,
— , Sicbridj £ubip. <5uft, J1768— JlS^O, SoEjn bcs Vov.,
Znincralog, ZHitgL b. ^fab. in Scriin,
— , 5ran5 Cl^rift. Corcns , ^75^—^829, Srubcr oon
Wenceslans, <5el^. (Dhexhevgvailt u. ZHitgL b, ^fab.
in Serlin,
— ^^, ^ermann, 5oI|n bes Por., \809— ][877, prof. b.
ZHatli. in Hoftod,
— , »ruber bes Por., geb. \820, prof. b. pEjvftf in Kiel.
Knorre, (gmft Cl^riflopl^ 5riebr., \759— \8\0, prof. b.
ZHatli. u. ©bferpator in Dorpat,
— , Karl 5riebr., ^80)1 — \883, Director ber Sternwarte
in rticoIajetD,
— , Pictor, geb. \8^0, ©bferüator a. b. Sternirarte in
Serlin.
Cauremberg, Willi., \5^7—\6\2, prof. b. ZHatl^. u.
ZHeb. in Kopod,
— , peter, ^585—^639, prof. erft ber pB^iIofopI|ie, t>ann
ber ZlTeb., ^ann ber pI|YJtf u. TXiaiii. in fjamburg,
Sulefet prof. b. poejte in Hojtod,
9^ II. Betträge 5ur Kenntnig bes matljematifd?en Calentes.
Caurcmberg, 3oli. Willi., ^590—^658, Brubcr bes
Vov., prof. b. pocjtc in Hofiocf, bann prof. b.
Zriatfj. in Soroc auf Scelanb,
— ; ScbajKan, geb. ^626, Soljn bes Vor., prof» b.
Zltatt). in Soroe u. Kopenf^agen.
Caoater, Cubroig, \527 — \586, (Eljeolog u. Ciebfjaber
b. 2tjlronomie (Cometen-Catalog), in ^^ndi,
—, ^cinrid?, H 560— ^ 623, Dr. med., prof. b. pliTpf u.
TXiatli. in güridj,
— / 3oI|. fjeinridi, 16U— \69^, Dr. med, prof. b. pBjYJtf
u. Znatl>. in gürid].
Zltubge, (CEjomaS; ^7(5 — ^79^, berüljmter Ul|rmad]er
in Conbon, Sdirift^eEer über CBjronometer,
— , 3ol^n, ^72^— \793, »ruber bes Por., ^Irst, fdjrieb
über bie ^erjleEung ber (Celefcope,
— , XDiEiam, ^762 — 1(820, 5ol|n bes Por., (5eneral unb
ZHatlicmatifer,
— , IDiUiam, gejl. 1(857, 2lbmiral
Hepfolb,!) 3ofiann (Sq., ^770— ^830, ZlTatljematifer in
Hamburg, lieferte ausges* ajhron. ^^^ixum^nte, mad]te
felbp afhronomifdie 3eobad]tungen,
*) DgL Zladjricbten über bie ^Jamlie Hepfolb u. insbcf. 3o^»
(Sg. H.; pon 3ol|. ^. H. fjamburg (88^.
3ol). (5öi. ipar 5ol)n unb €nfel Pon (Etjeologcn. €r folltc
felbji Cl^eoloöiie ftubiren, 3eigte aber fd?on als Kinb groges 3«'
tereffe unb (Sefdjicf für medjan, 2Irbeiten, ipurbe (Seljülfe ber
IPaffcrbauinfpection, bann „5pri§cnmetftcr" unb Ijetratbctc bic
(Eodjter bes alten Sprigenmeifters, IHarg. Sdjarff.
3. #. iRcpfolb.
D. Ueber bic Bcbingungcn bcs matljcmatifdjen Calentcs. 95
Hcpfolb, (5eorg, ^80^—^885] ^ ^^ ^ s v^ .
^' , / } rtadifolgcr tcs t^aters,
— , ^bolf, ^806—^87^ j M ö
— , J^ans, geb, ^838, Soljn oon ^tbolpf^, arbeitete an ber
Sterntparte in-2lItona, trat ^862 in bas <5efd]äft ein,
— f (Dscav pl^ilipp/ geb. 18^2, jlubirte am polyUdin, in
Süridi, trat in bas <5efdjäft ein.
Sdjooten, 5tan5 oan, \5S\- \6^6, prof. b. Znatf^em.
in Ceyben,
— , 5ran5 oan, Solin, geji. \66\, prof. b. Znatf^em* in
üeyben,
— , petrus oan, finfel, ^63^—^679, prof. b. Znatf^em.
in Ceyben.
Struoe, 3öcob, Pater, \755 — \S^\, Kector b. ©vm-
najtum 3U 2tItona unb ZHatf^emalifer,
— , 5riebr. (5g. XDilf^elm, \ 793— 1186^, ^jhronom,
— , ©tto Wühielm, Solin, geb. \S\% 2lftronom,
(Struoe, ^cinr. IPtll^., Sol^n, <£l^cmtfer),
— , JEjermann, finfel (oon ®tto VO.), geb. \Sd^, ^tjironom,
— , Cubtoig, finfel (oon ©Ito W.), geb. \858, 2ljlronom.
2>a3U
— , ^luguft ein 2^etter oon ©tto ID., gejl. ^850, 2ljlron.
Poigtlänber, 3oB|ann CB|rijlopBj, aus Ceipsig, ^732
bis ^779, ©pticus unb ZlTedianicus in XDien,
— / 3oB|. 5riebrid?, Sof^n, \ 779— 11859, <ßrünber ber
5irma „V. u. Sotjn" in Wien u. Sraunfd|n>eig,
— , Sigmunb, Sof^n, \ 770— ^ 822 ] festen bas (5efd|aft
^^822 \
—^828 j
— , XDilf^elm, 5oB|n, ^ 768— ^ 828 j bes Daters fort.
^0 II. Beiträge 3ur Kenntni§ bes matl^ematifd?en Calentes.
Voigtl&n^et, pctcr XÜUB|. 5ricbrid| von, €nW (SoEjn
3oii. SmMdfs), (8^2—^878, in SraunfditDcig,
— , iricbr., Urcnfcl, Itadif olger bcs Paters in Sraun«
fdjtoeig.
Vas fjauplftüd, bie 5atnilie SemouUi, liabe xdt bis
Sulcfet aufgeEjoben. £}crr Dr. 2tuguft B., ^iporifcr in
»afcl, i|at bic (5üte gcl|abt, mir über bie grauen in bcr
5amilie unb über bic jüngeren <5Iieber, foireit es mög-
lidt wav, ^usfunft 3U geben. 3^1 tcinn bal^er einen
Seridit geben, ber ooIIj!änbiger ift als bie bisl^er er«
fd^ienenen. ^di fd|icfe 5ur leiditeren ©rientirung ein
5d?enta (auf 5. 9?) ooraus, auf bem bie 2ftamen ber
ZHatlientatifer 3. gefperrt finb.
\. 3ö<^ob SernouIIi 30g oon Antwerpen nadj
5ranffurt a. ZIT., f \585. (2ftame ber 5rau unbefannt)
2. Iti da US B., SoEjn 3acobs, j \606 in Stanh
f urt a. Zn., perEjeiratEjet mit 2lnna be^arbeys, einer
Krämerstoditer aus Antwerpen.
3. 3acob 3. (H598— \63^) fam nadt »afel,
BieiratEjete bie XDitttoe feines principals, bes Specereien«
unb DroguenEjänblers Sv^y, beren <5efdjleditsname nid|t
befannt ift.
^. Zticlaus 3. {\625—\70S), Kaufmann in
Safel; ,,2nitglieb bes grogen KatEjs, KedjenratE^ unb bes
<5erid|ts" , üerEjeiratEjet mit^Hargaretlie 5d]önauer,
Cod^ter bes fjanbelsmannes fimanuel Sdi*, finfelin eines
HatEjsI^errn (matE|ematifd?e Sdi. pnb nid|t befannt). <£r
I|tnterlieg \\ Kinber.
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ITlöbfas, tnatljematifer.
gS II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^ematifd^en Calentes.
5. a) 3acoI) I {\65^—\705), 5. Soiin von ^,
flubirte CI|coIogie nnö TXlatliemaixt (Mcfe aus frül|-
crtoaditcr Steigung im <5cl^eimcn, w'iöex bcn lüiHen bes
l^alcrs), iDurbe ^687 prof. bcr ZHatl^. in SafcL Vex*
fjciratEjct mit 3wbit Stupanus.
5. b) Zlicians (^662-^7^6), 8. Sol^n von ^,
Kunjimalcr unb bcs HatEjs, ocrl^ciratl^ct mit Urfula
5 1 d l| c I i n.
5. c) 3o^ann I {\667 — \7^S), \0. Soiin von ^,
foEte Kaufmann u>crbcn, tpanbtc jtdj \6S5 3ur lüiffen«
fdiaft, jiubirte ZHebicin u. ZlTatl^ematif. prof. bcr UTatl).
w» pI?Yp' i^ <5röningcn, ^705 in Safcl, i|eiratl|etc \69^
Vototiica 5alfncr, Cod^ter bcs Daniel 5v ^^s Hati^s.
fjintcrlic§ 5 5öl|ne unb 2 pcrl:|cirall^etc Cöd^tcr.
5. d) ^icronvmus 3. (^669—^760), 2tpotB|cfcr
unb ZHaterialift, oerI:|ciratEjct mit Katl|arina(£bnctcr.
6. a. a) Zticiaus 3. (f \769), SoBjn o. 3ocob I,
ZHalcr u. Hall^sl^crr.
6. a, /?) (£ine perl^ciratl^ete Cod^lcr.
6. b. a) Xlklans l, {\6S7—\75% Soiin von 5b,
foEtc TXlaUv tt)erbcn, ftubirtc unter bem fiinflfuffe bes
©nfels 3acoB Zfiatl^ematif u. 3ura, mürbe \7{6 prof.
ber ZlTatlj. in pabua, 17^9 in Safel erji prof. b. £ogif,
^73^ ber Hed^te. Perl^eir. mit ^nna ZHaria Birr.
fjinterlieg \ oerlieiratByete Cocftter.
6. c. «) Hiciaus n, (^695—^726), Sol^n oon 3o»
i|ann I, Itaiic großes 5prad|talent, ftubirte 3"^^« ""^
merfte erjl beim Unterrid|ten feines Brubers Daniel, ^a%
er ein fertiger Zfiattjemalifer mar. prof. b. Hed)te in
D. Uebex btc Bcbmgungcn bcs matl]cmattfd?cn Talentes. 9^
Bern, \725 prof^ffor bcr ZHatli. in 5t. Petersburg.
Starb le^ig.
6. c. ß) Daniel I (\700— \782), 5oI|n von 30-
bann I, seigte frül^seitig matljem. tEalent, ftuWrte ZHebidn,
\723 — \72^ in Oenebig u. pabua, \725 mit bem Sruber
nadj 5t Petersburg, \753 prof. ber ^(natomie unb
Sotanif in Safel, \750 prof. ber pl^vp^- Starb lebig-
ö. c. y) 3o^ann n (^7^0-^790), 5oEjn von 3o.
tjann I, jlubirte auger Vflatli. bie Hedite, \7^5 prof. b.
(£Ioquen3 in Bafel, taufdite ^as ^mt mit bem prof. ber
ZTTatljematif. Perli^eir. mit Sn^anna König, Codjter
bes prof. ber Zllebicin, fimanuel K. (f ^730. JEjinter»
lieg 5 5öl|ne.
6. c. d. e) 2)ie beiben jungten Söl\nc von 3ö'
t^ann I maren Kaufleute, fibenfo il|re Ztadjfommen.
6. d) riiclaus {\70^—{7S6), SoBjn üon 5d,
2IpotI^efer unb Ulaterialift, perljeiratl^et.
7. a) ^acoh, (£n!el pon 3^cob I, rourbe Kauf»
mann. ZHit iEjm jlarb ber groeig ab.
7. c. a) 3o^ann in (^7^^— \807), 5oI|n oon
3oi|ann II, mit \2 2* Laureat, jtubirte Zfiattjematif unb
3ura, \76^ als 2tfabemi!er nad] Serlin berufen, Königl.
.2ljironom in Berlin. Perljeir. mit X>eronica Sed,
^ann mit (Caroline Cempell^of (oielleid^t Cod^ter
Z>e5 (ßenerals u. Zltatliematifers tE. [^ 737—^807]).
8. 3oI|ann III fjinterlieg meBjrere Soline u. tEödjter.
9. €in (gnfel, 5riebr. ^bolf S., I^atte CEjemie jlubirt,
loar lange Director eines €ifenn>erfes im Kaufafus, jlarb
\89\ in »erlin.
^00 IL Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^emattfd?en Zakntes,
7. c. ß) Daniel B. (\75\ — ^83^), SoEjn oon
3otjann ü, jiubirte TXle^icin, prof. ber filoqucns in
Safel, bann Domprobfieifdiaffncr, Vexltexx. mit ^nna
€IifabetI| 3f^Hn, bann mit ZlTaric ZlTagbaUnc
Burcfljarbt, (Cod|ter bcs Kaufmanns CeonE^rb B.
hinterließ 6 5öl|ne,
• 7- a y) 3acoI> n (H759— ^789), So^xx von 3o'
liann U, jlubirte 3wra unb ZHatl^ematif, ging erji nadi
3talien, bann rxadi 3t. Petersburg, fjeiratl^ete Ci^ar-
1 1 1 e € u l e r ; Cod^ter von Gilbert fiuler, prof . b. TXiaili.,
ertranf aber 2 ZHonate nad) ber J^odiseit unb E^interlieg
feine Ztadjfommen.
7. c. 6) (£manuel 3., Kaufmann, Solin Don
3oI|ann IL
Seine Ztadifommen pnb in oerfd^iebenen Stäbten
(Europas serftreut, bod? foHen Serufe, bie matE^ematifd^e
Begabung ©erlangen, unter il^nen nid|t oertreten fein.
7. c. «) niciaus B., 2lj)otljefer, Solin von 3o'
I^ann IL
7. d) fjierönymus 8. (\7^8— \829), 5oi|n oon
6d, 2tj)otI|efer unb ITTaterialift, StabtratEispräjtbent.
Die Ztad|!ommen oon ^ieronymus n>aren meift
2ter3te u. Ztaturforfd^er. €s leben 3. gt nodj 2 2ler3te 8.,
einer, (ßu^ao 8., ift burd? feine Keifen in (ßuatemala
befannt geworben. 2Iu§erbem gel^ört 3U biefem gmeige
ber in Safel lebenbe profeffor ber ^rd^äologie, 5. 3. 8.
8. c. ß) Cl^riftopii 8. (1782—^863), Soljn oon
7cßf Cedinolog u. Ztationalöfonom in 8afel, prof. ber
D. Ucbcr Mc 3cbm<jun9cn bcs matl^cmatifd?en Calcntcs. \0\
inbuftricHen XDiffßitfdiaf ten, üerl|eiratl^ct mttKatB)arina
paraptcini.
X>on Cl|ripopl|'5 Srübcrn waten 3 Kaufleute,
^ Xlotav, \ Pfarrer.
9. (gilt SoEjn CiiriftopEj's (ßu^ao (f ^879) war
3ngemeur u. UTafdiineiiBauer.
(Einer ber Kaufleute Ejiuterlieg einen 5oI|n, ber
^anfier ift, aber eine Befonbere Segabung für fdjmierige
Sered^nungen an ben Cag gelegt Ejat, 3. 3. als ^850
bie 5diwei5 iBjren 2nün3fu§ änberte, ^en Heinertrag au5
bem ZHetaHroertl^e ber abgenufeten (Selbjiüde im Poraus
beredjnete. (gin anberer (£nfel (EEjripopB^'s, Sol^n eines
Kaufmanns i^at 2TlatI^emati! jiubirt unb ift in einem
optifdjen (ßefdjäft in Cöln angejteHt.
\0. Der (£nfel (£E|ripopB^*s pon (ßuftao mürbe Kauf«
mann.
(gin (gnfel bes riotars ift Tltdixteft
8. c. e) CBiriftoff 3. (\785— ^8)12), 5ol|n üon
7 c 6, Cljemüer, f 27iäl^rig.
£eoni|arb S. (f \87t), Sol^n Pon 7c£, Droguip,
moHte ^rd^iteft »erben unb baute nod? im ^Iter eine
Sonnenul^r.
9. c. e) 3oBjannes S. (f I895), H. Solin von
Ceonljarb, CBjemifer unb Droguip.
2luguft 3., 2. 5oI|n oon €eonI|arb, fjiftorifer.
Seine 5rau fammt aus einer 5cimilie, in ber aus«
gefprodienes Calent sur 2TlaIerei oorljanben n>ar.
Der 3. 5oEjn oon CeonB^arb, Droguip, naEjm mit
50 3alli^ßn pripatunterrid?t in ber ZHatEjematif.
^02 II- Beiträge 5ur Kenntntg bes matt^emaiifd^en (Talentes.
HO. c. e) Vet \. Soitn ^ugup*:5 ftubirt pl^vfif,
Cf^emic u. TXiatii^matit.
Der 2. Sollen ^uguffs tpiH ZlTalcr »erben, aud^ bie
5d|iDefter malt.
Der 5oi|n bes 3. Sol^nes oon Ceonl^arb ift ^Ird^iteft.
3n Xüaiirljeit fonnten ipoI|I nod] einige 5ötniKen
basu gebrad|t »erben, ^^poggenborff" Brid^t mit ^883
ab. <5en)ig liahen feitbem ttad^fommen oon ZHatlje«
matifern pdj matli^ematifdi ausgeseicftnet. Sefannt ift es
mir pon ben 5amilien (Stahmann (Ou^us (ßüntf^er (ß.,
(779—^852, JEjerm. <ß., \809-\877) nnt> rteumann
(5ran3 €rnp, \ 798— \ 895, Karl (ßottfrieb, geb. \832).
Seiben 5ötnilien ift ein matl|ematifdjer finfel entftanben.
5reilid] ift ber junge neumann ein Soljn bes prof. ber
ZHebicin Zt.; Karl (ßottfrieb ift ünberlos.
Die Heineren (ßruppen fann id^ bes Haumes n>egen
Tiidjt anfüliren. Soweit befonbers befannte 2ftamen in
Setradit fommen, wate piefleid^t 5oIgenbes 3u fagen
{wenn audj bie ^uswal^l mel|r ober weniger roiHfür»
a* ip).
S^el Ijatte einen matfjem. 5oI|n, ber mit 26 3al|ren
^larb. Siot's 5oI|n war 3"g^ni^ur nnb 2Tlati|ematifer.
Die beiben Clairaut waren SöB^ne eines IHatliematifers.
Der Sruber paul Dubois^Heymoubs war ber pliy[iO'
(ogifd?e pl^yfifer. Solyai's Sol^n war ZlTatl^ematifer. 3"
lüien jtnb bie brei Srüber <£^ner 3U erwäljnen. 3öcobi'5
Sruber war pljypfer. Calanbe liaite einen ajlronom.
Steffen. Pater unb Sol^n Cittrow waren 2ljhronomen,
p, lieber bte Bebingungen bes matljematifc^en Calentes. jjOS
«benfo bte bcibcn 3oBj. tEobias Znever. Der Klailie»
matifcr 7Xl\xs\dt^nhvoet Blatte ausgcseiijncte TXicdiamUv
3um Smbcr, X>ater unb ©nfcl; (ßrogoatcr unb Urgrog*
oater marcn gcfdjicfte (ßelbgicger gctpefcn. <5corg Simon
©Ijm's Srubcr toar Zltatliematifer. pascaFs Oater
toar matf^cmatifdj gcbilbct. Die brei Brüber pfaff f^atten
matljematifdjes Calent unb bie Söl^ne bes 3, Srubers
toaren 2Tlatljematifer unb ZHineralog. ^einr. (£l|rift.
5d7umad?er l:iatte einen ajironomifdien Steffen» Die
beiben pljvfifer Seebecf maren Pater unb Soljn. Sir
IDiUiam Cl^omfon mar ber Sol^n eines UTatliematifers ;
fein Bruber roar profejfor ber ZHedianif. Bemerfens»
wextit ijt bie 5ötnilie Siemens burdj oier Srüber mit
med^anifd^en tEalenten. 2tudj bei ben Srübern IDeber
Ijatte nidjt nur ber große pE^yp^^^ lDiIl|eIm mat{{e«
matifdjes (Calent; audj firnft fjeinr. unb (£buarb noaren
bamit begabt; einer ber SöE^ne <£rnft ^einridj's würbe
profeffor ber plivjtf. fiinmal fommen ^»iffingsbrüber
Dor, bie ZHatEjematifer ^bolpl^ unb fibmunb IDeig,
Sdiine eines Erstes. Der p^y^xUx IDoHapon max Soljn
eines Pfarrers, ber ajlronomifd?e Sdiriflen, 7 Söl^ne unb
\0 Cöd^ter I^interlaffen I^at; audj ber ctltejle Soljn n>ar
pljvfifer. Der Sruber bes ^tftronomen S^di voax
<5eneral unb profeffor ber ZHatliematif. finblidj feien
genannt bie Srüber ^^di in (Cübingen.
2tus bem Sisf^erigen ijl 3u fdiliegen, ba% bas matfje-
matifd^e (Talent sumeilen ©ererbt roirb unb ba% bann,
wenn es gefd^iet^t, es burd? ^en Vaiet pererbt mirb.
IDie oft es ©ererbt roirb, ijl nid|t 3U fagen, idj liahc bie
^0^ II. Betträge 3ur Kcnntnig bes matl^ematifd?en Talentes.
ttamen im „poggcnborff" nidit gcsäljlt '^nbe^cn ift
fein §we\^^l, bag es nur in ^cr OTinbcrsal^I bcr Säue
ererbt wixb, Vev ^taoismus ift ba, a>ie es 3. 3. bie
5amilie SernouUi seigt, aber er fdieint feine große KoEe
3U fpielen, toenigftens foioeit bie Seobadjtungen reidjen.
(ßan3 jtdjer ift, bog bas matl^emattfdje tEalent päter*
lidjes firbtl^eil ift. gioar jtnb bie meinen Scimxlxennadt -
rid^ten infofern mangelljaft, als bie Sefdjaffenl^eit ber
meiblidien <5Iieber 3U menig berücfpd^tigt toirb. 3n
unferem Sciüe jebodi ftört bas menig. Die pojttioen
Cljatfadien ber 5atnilie SernouEi laffen feinen ^wei^el.
§\xm Ueberflfuffe ergiebt bie Ztacljforfdiung, ^a% feine
5rau mit matl^ematifd?em Calenle ober aus matl^ematifctjer
5amilie oorfommt. Sooiel id? fel^e, giebt es überl^aupt
feinen ein3igen Sau, in bem bas Calent eines ZHatlje-
matifers oon ber ZHutter geftammt I|ätte. 2tud^ bei ben
XDeibern mit matl^emalifdjem Calent jtammt bie Segabung,
foweit X>ererbung nadjmeisbar ift, pom Pater. Siefe
tEljatfad^en finb fel^r intereffant, benn fie fd^Iagen in
mandie X>ererbungstI|eorie ein £od?. €s ijl 3um erjien
2nale pon einer Einlage nacljgeu>iefen, ba% man pe nur
oon einer Seite erben fann.
Z>ie Cödjter ber 2TlatI^ematifer finb in ber Hegel
nid^t matBjematifdj begabt, aber man fönnte anneljmcn,
ba% jte Cräger verborgener (Sahen fein, bas tEalent oon
iE|rem X>ater auf itjren SoEjn übertragen fönnten. €s
fdjeint nid?t fo 3U fein, immer I^aben u>ir entwebcr
birecte ober feine Pererbung. IDeldie Sebeutung itai
nun bas lOeib? Don ^wex ZHatEiematifern ©ererbt ber
D. Ucber btc Bebtngungcn bes matl^cmattfd^cn (Ealcntcs. j(05
^inc fein Calctit auf bcn Sol^n, bcr andere tiid^t. Don
3tüci, btc üit Calcnt oom Datcr ererbt E^aben, ip bei
bem einen mei^r, bei bem anberen ipeniger als beim
2?ater oorl^anben. Urfad^e ber Unterfd^iebe fönnte bie
Befd^affeniieit bes männlid^en Keimes fein, infofern er
^as eine Zfial xcxdi, bas anbere TXlal arm an maUjei-
matifd^en BeftanbtE^eilen ift, roenn man fid^ fo ausbrücfen
barf. <£s fönnte aber andi bxe 3efd^affenl)eit bes ipeib«
lid^en Keimes Urfadie ber Unterfd>iebe fein, infofern er
bas eine Vflal förbernb, bas anbere TXlal I^emmenb ujirft.
3d? Ijalte bie sipeite 2lnnaljme für roalirfdieinlid^er, ba
ot^ne fie bas (EntpeE^en oon ZHatEiematifern ol^ne birecte
l^ererbung nid^t 3U erflären fein bürfte. 2tt)nentafeln
Don ZHatl^ematifern ol^ne birecte Dererbung jtnb fd^tüer
3u befdjaffen. 2?ielleid|t ginge es bei ZHatEiematifern aus
<ibUgen 5ctmilien ((Eonborcet, 2L v, ^umbolbt u. ^.)*
3dj gebe E|ier Had^riditen über bie 5amilien oon 21. S*
Znöbius unb b'^rreji. 3n beiben 5ctmilien fteE^en bie
ItXatiiematifer gans allein, fte fd^einen il^r Calent nid^t
ererbt su I^aben unb I^aben es nid^t fortgepflianst. Der
Stammbaum meines (ßrogoaters ift 3tt>ar in 23e3iel)ung
auf bie oäterlid^e 5ctmilie mangelE^aft, inbeffen lä^t fidj
bie 2lbfunft ber ZHutter n>eitE|in perfolgen, ba biefe pon
ilTartin CutE^er abdämmt unb ber Cutl^er^fd^e Stamm*
bäum erE^alten ijt. (Sielte bie 5ctmilientafeln S. ^07 — ^08.)
nimmt man an, ba^ bann, wenn ZHatl^ematifer oE^ne
matEjematifdie PorfaE^ren geboren werben, eine (Eigen«
fdjaft bes oäterlid^en Keimes bnvdt bie Befd^affenE^eit
bes mütterlid^en Keimes geförbert n>orben fei, fo ijt
^06 II. Beiträge 3ur Kennttiig bes matl^emattfd^en (Ealentes.
natürlidj 3u fragen, n>eld|c €tgcnfd|aft möd^tc bas fein»
3d] Bin auf bie 3bcc gcfommcn, es mödjtcn fünfllcrifdie
Anlagen üBcrI|aupt fein. Der 2?atcr meines (5ro§Dater5
n>ar Canslel^rer unb er seid^nete au^erbem, fein Bruber
roar portraitmaler, beiber Dater tüar JlTujtfer, 2lel^n«
lidies ftnbet man red|t oft in 2natljematifer*5amilien*
3ctj oertoeife auf bie ZHaler in ber 5omiUe SevnouUi,
auf bas muftfalifdie Calent ber Familie fjerfdjel. 3m
anfange bes \7, 3öI?rE^unberts tDoI:|nten brei Brüber
fjerfd^el in Znäl^ren, fie tüurben toegen tE|res protejlantis*
mus oertrieBen unb einer, ^ans, fam nadi pirna, lebte
ba als Brauer. Sein Soitn 2lbraBjam mar (5ärtner in
ben furfürjilid^en (ßärten in Bresben. Deffen jüngfler
Sölin wax ber ZlTuftfer 3fööf ^erfd^el, ber sugleidi ein
groger Beujunberer ber 2lftronomie roar. 2lfle feine
6 Kinber (^ tüaren frülj geworben) toaren fet^r muftfalifd).
IDilljelm ging befanntlid^ als ZlTujtfer nad? (£nglanb, er
I^at oiel componirt, ZHotetten, (ßefänge, ganse Kirdien«
mufifen; Caroline n>ar eine ausgeseidjnete Sängerin,
(£lifabetE^ n>ar thufifalifd:^ unb E^eiratE^ete einen ZHuftfer
(ßriesbadj. ^einrid7, 2llejanber, Dietridj toaren ZlTujtfer
pon 5ad|; Dietridj, ber fpäter nidjt oiel iangi^, war
fogar ein fogenanntes IDunberfinb getüefen. (ßuftaD
^bolpl) (ßoepel (\8\2— \8^7), Cel^rer ber Znatl^ematif
in Berlin, roar ber Sol^n eines ZHuftfletirers unb felbjt
feE^r mufifalifdj. Da§ fte mufifalifd) getüefen feien, roirb
Don fel)r oielen ZHatljematifern angegeben, (ßeorg
(EE^riftopI) (Einmart (\638— \705) tüar ber Sotjn eines
ZHalers, roar felbft ZHaler, Habirer unb Kupferfledier,
%. £ Möbxns.
D. Ucbcr btc Bcbtngungcn bcs matl^cmattfd^cn (Latentes. HO?
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D, Ucbcr btc Bcbtngungcn bcs matl^cmatifd^cn (Ealcntcs. ^09
cmäiirlc jtd^ burd7 bie Kutiji, crfanb bancb^n aflrono«
mifdic 3nflrumcntc unb gab ajlronomifd|cn Untcrrid|t
Der dltcrc Bruöcr bcs piiYpfcrs ZHagnus toar JTIalcr.
Ccopolb ZlTogbruggcr (\796 — \86^) toar bcr SoBjn eines
portrailmalers, imgleid^en 3oE|. ^eitin ZHüHer (IHüHer*
pouiUet). Ceinberger toar TXlaUv unb TXlaÜicmaixUt.
©er profejfor ber 2ljlronomie in Dorpat Cubipig Sditoars
'(^822—^89^) tvav ber (Enfel eines öperreidiifd^en 5rei*
Jjerrn, ber aus £iebe sur Kunji 3U Sül^ne ging, feinen
Ztanten in Sditvax^ oeränberte, in Hamburg als £ljaraf ter»
DarfteHer auftrat unb von Cef jtng in feiner Dramaturgie
.eripäljnt toirb. Der l?ater bes 2lfhronomen befleibete
urfprünglidj in Hapoleon's Dienflen einen t^öBjeren poften,
ipurbe bann Sänger unb 5d|aufpieler. €r Blatte brei
Kinber, stoei Söl^ne unb eine 2iod7ter. Der ältere Solin
war Silbl^auer in St Petersburg, ber jüngere t)er
2lftronom. • ^ud? biefer Blatte fünftlerifd^e Heigurigen, be«
fonbers ein ausgefprodienes 5d|aufpicler»2ialent, er
l^eiratEjete eine befäl^igte portrait-ZlTalerin. Beiber Solin
lebt als 2lr3t in Higa.
<£nblid| fei auf Cionarbo ^a l?inci unb auf Dürer
I^ingeiüiefen.
€s ifl oI)ne IDeiteres 3U3ugeben, ^a% biefe wenigen
Seifpiele nod^ feine Ueber3eugung ntad^en fönnen. Vflan
müfete ^ben ber Sadic wcxUv nad7gel)en. 5inbet meine
^InnaE^me Seftätigung, fo tüürbe bie l?ern>anbtfd|aft
3n)ifd)en bem matt^ematifdien Calent unb bcn anberen
fünpierifdjen Einlagen, auf bie fd^on bas früE^e unb un-
^0 II- Beiträge 3ur Kennttiig bes matl^emattfd?en (Ealentes.
rDtbcrflcE^lid^c ^crDortrctcn bcs Crtcbcs I^inöcutct, nod)
&eutlict)cr tpcrbcn.
ZTodj möd|tc td| darauf tiinipcifcn, t>a% bie €I)cn
Siüifdicn VflatliematiUtn unb bcn Cod^tcrn pon ZHatB^e*
malifern nid|t Ejäufigcr sur (ßeburt Don ZnatBjematifcrn
Pcranlajfung geben als anberto^itc filmen. 3acob Bartfctj,
Dr. med. unb prof. ber ZnatBiematif, I^eiratB^ete Kepler's
Codjter, ^ambcrger lüeigers Coditer, b*^rreji ZHobius*
Cod^ter, 2lb. €rman Seffel's Cod^ter, Krucger 2lrgc-
lonber's Cod^ter, Kirdil^off Hid^elofs Codjter, pape
peters' Cod^ter, Struoe Sartek' Cod^ter, ber SoB^n oon
IDcrner Siemens £jeImI)oIfecn5 Cod^ter, 5ötfler fj. £. 5*
pafd^en's Cod^ter.
Wddie €igenfd?aften bes XPeibes günfttg ftnb, bas
oermag man nod? gar nid^t 3u fagen. ^He bic S^aqcn
nadi ben Scbingungen ber l^ererbung pnb nodj faum
ernftlid? jhibirt roorben. ZHöd^te balb eine von antl^ro*
pologifd^en (ßejtd^tspunften ausgel^enbe (5eneaIogte ent«
ftetien!
IDeiter fann man fragen, ob bie Cebensbebingungen
im toeiteren Sinne, (Ernäljrung, Siant, Haffe, Klima von
^ Bedeutung feien. J>a% fel^r oiele IHatl^ematifcr aus ben
unteren Siänbm B^eroorgegangen finb, bas crfldrt ftdj
woiil baraus, ^a^ biefen bie meiften ZHenfd^en angeijörem
Unter ^en fürftUd^en perfonen ftnb foldic mit matl^ema-
tifdjen Steigungen fel^r feiten; xdi ftnbe nur ^cn König
^If ons X. von £aftilien unb ^cn Canbgraf en IDill^elm IV.
von Reffen etwä^nt, benn ZlapoUon I. fann man Ijier
nidit crmäljnen. (Eine fnappe <£mäljrung iji offenbar
D. lieber bie Bebtngungen bes matl^emattfd^en (Ealentes. \\\
ber ZHatl^cmatif nid;! abtrdglidj, bcnn oiclc I^eroor«
ragenbc Znatl^cmatifcr I^abcn E^utigcrn muffen. TXlan
barf iool|l an bcn ^lusfprud) bcs ZHatl^cmalifcrs Käftncr
erinnern, er fürd^te eine Belagerung nidit, benn er hiaic
in £eip3ig Ijungern gelernt
Znir ift aufgefaflen, ba§ mele ZHatliemalifer aus
finberreid^en 5ctmilien flammen, xdi oermag aber nidit
3u fagen, ob fie bamit fid^ von 2lnberen unterfd^eiben.
(Efairaut Blatte 20 (ßefdjn?ijler, Cid^tenberg \7, Carnot \7,
©Ibcrs \5, £t, (Stahmann \\, Kant 10, Beffel 8, €ncfe 7,
VO. Siemens 8, 5rctunI)ofer n?ar bas \\, Kinb, 3öcob I
unb 3oI)ann I SemouIIi I^alten nod? 9 (ßcfd^toifter, bie
Familien fferfd^el unb Hepfolb n>aren fel^r saB^lreid^ u. f. f.
3m Uebrigen fann man nur bas fagen, ba% ein
geu>iffer gufammenl^ang ber ^öl^e ber Kultur mit bem
matljematifdien Calente an3unel)men fei. 3"^ ZHittelalter
roar 3*^1^^^ ^^^^ «" ausgeseid^neten Calenten, im porigen
3aI^rB|unbert mürben in 5ranfreidj oiele gro§e ZHatl^e«
matifer geboren. Deutfd^lanb n?ar, obujol^l es immer
einjelne E^eroorragenbe IHänner geliefert l^at, lange
Surüdgeblieben. 3^ \'^* ^^iivfyxnbext f ollen bie pro*
fefforen ber Uniperptäten bie ^ Species porgetragen
I^aben. 2lls IDeigel {\625 — \699) in Ceip$ig jlubirte,
tt)urbe nur über fiuflib gelefen. Seit bem 2lnfange
biefes 3ctl|rl|unbert5 I^at bie beutfd^e UlatBiemati! einen
mäditigen 2luffd|tt)ung genommen. Ueber bie Sebeutung
ber Haffe etmas $u fagen, bürfte aUsu fül^n fein. Vflan
I|at roieberl^olt barauf t^ingetpiefen, ba% es unter ^cn
3uben red^t piele ausgeseid^nete ZITatBiematifer gegeben
^2 II- Beiträge 3ur Kennttitg bes matl^emattfd^en (Ealentes.
iiat, inbcjfcn ift es fd^tücr, baraus einen Sd^lufe 3U
3icl:|cn. —
ZHan fagt idoE^I oft, bic ZlTallicmatifcr feien ein»
feitig. Sotoeit bie Sadje ridjtig iji, liegt barin fein Vot'
tüiirf, benn jeber ZHenfctj mit einem ausgefprodjenen
Calente ift fosufagen 3ur (£infeitig!eit präbeftinirt,
ZHenfdien, bie im Stanbe n>ären, nadi gan3 oerfdjiebenen
Hiebtungen I^in ^eroorragenbes 3u leiten, jtnb auger«
orbentlidi feiten. Sie Hegel ift bod? bie, ^a^ bie l^iel*
feitigen HTittefgut liefern, ^a^ l?or3Üglidjfeit Sefdjränfung
Dorausfefet. Diefe Hegel beujäl^rt ftdj andi Bei ben
ZlTatl^ematifern. 3mmerEjin giebt es unter iE^nen €in3elne,
bie audj auger ber Hlatl^ematif l?or3Üglid]e5 geleiftet
l:|aben, unb l^iele, bie anbere (5ebiete bearbeiteten, il^r
ZTebenfad^, ober iE^re ZTebenfäd^er I^atten. XTir l(ah^n
groge IHatl^ematüer, ^ftronomen, piiyfxhv, bie nur ber
ZHatliematif, 2lflronomte, piiy^xt lebten, groge HTatl^ematif er,
bie nebenbei bas ober jenes trieben, mittelmäßige Hur»
matl^ematifer unb mitttelmägige l^ielfeitige, große Künfller
unb (ßeleB|rte ber anberen 5öcultäten, bie aud^ ettoas
matB^ematifdies Calent I^atten, enblid^ beDor3ugte (ßeijier,
bie fottJoE^l in ber HTatB|ematif, be3n?. ben oernjanbten
^äd^ern, als aud? in anberen (ßeiftestl^ätigfeiten bauem«
ben HuE^m erlangt Ijaben. Hatürlid] ijt audj bas 3u
bebenden, ba% ein fef^r großes Calent anbere nid|t un»
beträd^tlid^e (5aben fo3ufagen tobtbrücfen fann. IDäre
(5auß nid^t HTatl^ematifer gemefen, fo mürbe er ein
ausge3eid:|neter pE^ilolog gea)orben fein. 5d|on eine
flüd)tige Ueberfid^t ergiebt, ba^ burdi bas matl^ematifdje
D. Heber bie Bebingungen bes mattjcmattfc^en (Talentes. ^^3
tLaUnt fein anbcrcs Calcnt ausgcfdiloffen ijl, ba§ änderet«
fcits fein Calcnt regelmäßig neben bem mat^ematifdKw
potljanöen tji
Uebet bie Künfle im engeren Sinne Jjabe \d\ fdjon
gefprod^en. ZITatiiematifer mit ber Einlage sum ZITaler
ober 3um Silbt^auer finben mir freilidj red^t feiten, aber
muftfalifdie ZITatEtematifer red|t I:}duftg. TXlan tann ja
bie JJTujtf eine JJTatl^ematif in ^6ncn nennen nni fo
einen inneren ^ufammen^ang conjiruiren, 3"^^ff^
reidjen foldie Speculationen nid|t n>eit, auf yc^en 5öO
giebt es aixdi gans unmuftfalifdje ZlTatljematifer unb
nodj piel meE^r ZITufifer oljne jebe malJjematifdje 2lnlage^
3n>ifd|en Cljeologie unb JTIatl^ematif fdieint oon
Domljerein toenig ^ufammen^ang 3U fein, 3^öodi er
e^jiirt in me^rfadjem Sinne, firflens iji bie ZlTatJ^e«
matif oft Don foldjen, bie CEjeoIogen u>aren, ausgeübt
iporben* (Ein großer Cl^eil ber fatI:|oIifctjen TXlathi^
matifer bejianb aus ©rbensleuten, befonbers aus 3«fuiten,
2(ber audj bei ben proteflanten finben u>ir in ber älteren
geit nid|t feiten Cl^eologen, bie sugleidj Znatl^ematif ober
2lflronomie trieben (3» 8. €uler's Dater, 3<xtn«5 Srabley,
5Iamjteeb, 3oI?annes Hiji, ffartmann, Seyer). ^\xm
anbeten Bjaben große Itlattiematifer ll^eologifdie Stubien
getrieben, Ceibnis, Ztemton, 3öcob SemouUi, (Euler u, 51.
5emer jtnb fromme, \a fird^Iidi geftnnte ZHatljematifer
red^t Ijäufig. IDenn Cantor fagt, <£uler fei „gleidi ben
meiflen großen JJTatl^ematifern tief religiös ol^neSigotterie"
gemefen, fo trifft er u>oI^I bas Hid|tige. Kepler, (ßauß
u. 21. ftnb Seifpiele. 5rcilid| giebt es andi große ZITatl^e-
Xnöhius, 2natt}ematifer. 8
^^ II Beiträge 3ur Kenntntg bes mattiematifc^en (Talentes.
matifct, bie x>on bcr 5rötnmigfett ntdjts iPtffcn woütcn,
wie taplacc. *
3uri5ptubcn3 nn^ Vflai^emaixt JjaBen tücnig 8e«
3tcl:|ungen. 3urijicn unb ZlTatl^cinattfcr sugictdj toarcn
oon bcn Sicrnoulß's Zticlaus ü, Ooljann U, 3öcob U,
bodj I^anbclt^ es ftdi in btcfcn unö äl^nlidicn fällen nur
barum, öag neben bcr „brotlofcn" ZITattiematif ein Srot-
jhxöium geroäl^It toerbcn mugte. Calanbe ipar ^752 bis
\ 753 abpocat in Sourg, Sdjumadier roar Dr. juris. ZHand^c
profejforen traben ofle möglidjcn 5äd|er vertreten, bod|
loaren bie meinen bicfer polytiifloren mittelmäßige £eutc.
^ndt 3oB^. Sapt. pacajfi (^758—^8^8) wax 2ljironom,
3urift, ^rd|itect, Diplomat, aber alles nid|t feEjr* 5lnbers
als mit bem 3«^ im engeren Sinne iji es mit öen Staats»
loijfenfdiaften überl^aupt Ceibnis I^at befanntlidj einen
beträd|tlid|en Cl^eil feines Cebens bem Staatenred^t, ber
Diplomatie unb ber (Sefd^idite geroibmet, Jjat t^eorctifdj
unb praftifd? ftd| am öffentlidjen £eben bett^eiligt.
Wätivenö unb nad? ber fran3Öjtfd|en Heoolution nai^men
oerfd^iebene ZITatliiematifer an bem poIitifd)«fociaIen (ße«
triebe tljeil, fo Conborcet, SaiHv/ ^onqe, Courier» ^uf
ber anbeten Sexte ftnben tt>it (generale unb Staats»
männer mit matB^ematifd^en Talenten, fo 3. 8* 5ranflin,
Ztapoleon L, ZHoItfe u. 21.
XPenn man bebenft baß bie ZITebicin ein Cljeil ber
Haturroiffenfdjaft x% fo foHte man erioarten Itlebicinifdies
unb ZHatl^ematifd^es oft 3ufammen 3U finben. Daniel
Bernouni toar 2TCebiciner, mu§te 2lnatomie vortragen, in»
beffen war bas rool^l mel|r äugerlid^. Ct^omas IJoung
D. liehet bic ^Mn^nn^en bes matfjcmatifc^cn (Talentes. \\^
un& (Dlbets »arcn praftifcftc 2ter3tc, 2tbcr tpcnri auä?
in f rüfjcrcn gcitcn manche Znänncr betoc ^öcftcr ocrlratcn,
toic Kopcmtcus, fo fam es bocft nicftt fjäufig oor. €s fd^elnt,
baj5 cfjcbem Cfjeologie unb llTatfjcmattf pdj tjäuftgcr vev*
hangen als bicfc unb IHcbtcin* 3n ber neueren geit iji
natürlich bem Znatl^ematifer feine geit geblieben, jicft
um praftifcfte 5öd)er 3u fümmern. llTebiciner mit matl^e-
matifdjem Calent fd^einen recftt feiten 3U fein. Die Stelle,
an ber beibe Sädiev einanber berüt^ren, iji bie ^ugen«
fjeilfunbe, l>om tpiffeufdiaftlid^en 2tugenar3te nnrb ein
gemiffes TXlaa% matE|ematifd)er Kenntniffe geforbert.
Cefetere pnb natürlid^ aucft auf mandien (Sebieten ber
pi:iy[xoloQ\0 von nötigen, infofern biefe piiyfxt roirb.
Hobert Zltever unb ^elmljolfe pnb von ber Zllebicin aus«
gegangen.
(SIeidj ber pI^YP^Ioöi^ ^vebt aucft bie <£t|emie 3ur
pfjYpf fjin. IDäfjrenb früE|er bie (ZltemxUx mit ber Hegel
be Cri ausfamen, mad^t bie moberne ptiYp'ötifd?e Ct^emie
t^öt^ere 2tnfprüdie.
Die pt^ilofopl^ie im engeren Sinne ift lljeils burdf
IHatEiematifer, tt^eils burd^ „2tmatfjematifer" oertreten
ujorben. 2m 2tltertt|ume n>aren bie €leaten, pi^ytlia'
goras, Demofrit, n>oiil andi (gpifur unb mandje ber
Späteren, o>ie <£B|rYfipp, als IHatEiemalifer angefet^en.
plato rüljmte 3u>ar bie IHatt^ematif, aber es fd^eint im
Xüefentlid^en babei geblieben 3u fein. 2tripoteIes mar
audi fein IHattiematifer. Dagegen roerben mandje ber
Heuplatonifer 3U ^en IHatB^ematifern gered^net. 2IIs bie
pE|iIofopljie 3ur IHagb ber Ct|eoIogie geiDorben roar^
H H6 II. Betträge 3ur Kenntntg bes matljematifc^en (Talentes. .
trat bie TXlailiematif in ben Hintergrund* Seim Sc*
ginne ber neuen geit em>uci)s ber pi^ilofopi^ie burdj ben
Iticfttpljilofopljen Kopernicus ber mädttigjle eintrieb- ©er
Pater ber neueren pljilofopljie, Descartes, n>ar in gleidjem
ZlTaage als Zllatt^ematifer ausgeseid^net Das <5leid)e
gilt von CeiBnis. Ztlati^ematifd) befdl^igt waren aud^
SerfeleV/ ber überbem Sifd^of »ar, unb Kant 2tu5
fpäterer ^ext pnb 5^cliner unb ?>robifdj 3u nennen.
©Ijne pljilofopljifdjen <5eijl fann ein groger Hiati^e*
matifer nidjt fein, aber freilidj ijl bie mati{ematifci)e
p^i(o[opE{ie ein <5ebiet eigener ^(rt.
Helatio oft ftnben wir bas pI)iIoIogifd)e unb bas
matl^ematifdie Calent sufammen. Begiomontau; (5aug^
(EIj. l)oung, 3tYlanber, 3* plj* ®jlertag u. 2L wären
i^ier 5U nennen. 7>as ^auptbeifpiel aber ifl Q. <5rag«
mann (\809 — \877). Sein Pater »ar Zllat^ematifer
unb Sd^ulrector, 30g im 3^. 3ö^re in ben Sefretungs*
frteg, gab 5n:>d(f Kinbem bas Ceben. <5ragmann jhibirte
tCt>eologie; pl^ilologie unb Zllati^ematif, legte aud) bie
tljeoIogifd>en £^amina ab unb würbe Hadjfolger bes
Paters. Seine grunblegenben matl^ematifd^n 2(rbeiten
würben anfangs nur t>on IDenigen bead^tet Pie((etd)t
besl>a(b fagte <6ragmann \868, bie Zllat^emattf fei eine
3U Ijimjerfprengenbe IPiffenfdiaft, er treibe nun Sansfrit
5U feiner £rI}o(ung. C^tfäd)(id) (eiflete er aud^ als
Sansfritforfdjer Sebeutenbes.
Sa>ifd?en Zllatljematif unb poefie fd^eint eine Kluft
bef efHgt ju fein. Zllein (Srogoater fagte suxur, bie ZHat^*
matif fei eigentlid) fel^r poetifd), ober n>enn aud{ ein
Ctdjtenberg.
D. Heber bie Bebingungen bes matljemattfc^en (Talentes. ^7
poctifd^er (ßeiji oielcn matB^etnatifdjen J)enfcrn eigen
fein mag, fo iDerben bod? nur tpenige ausüBenbe Diditer
fein, ^ratus (um 270 o. <£t|r.) fd^rieb ein aflronomifdjes
Celirgebidjt ,,pt|änomena'', aber ©ieüeid^t n>ar n>eber piel
poefie, nodi üiel Znattjematif babei. 3acob SernouIIi
iiat Perfe gemad^t IDoIfgang Solyai, eine mirflid^
poelifdje Ztatur, fdjrieb Cragöbien unb anbere bidjterifd^e
Sad^en. 5oofe £joiffen ZnüIIer (\798— \856) n>ar Cefjrer
ber ZITatE^ematif unb plattbeutfdier Didjter. (6ro§e
poettfd^e Ceifhingen liegen iebenfads nid)t t>or unb
anbererfeits itabcn oiele Did^ter eine frauenl^fte 2tb«
neigung gegen alles ZlTalEiematifdje. ^) Von unferen
großen Did^tern »ar (Soetfje gans amatfjematifd?, bagegen
l|atte Cefpng, bem bas tyxi^di^ abging, matl^ematifdie
Anlagen unb äußerte in ber Owgenb lebfjafte Neigung
5ur ZlTatE^ematir. IDenn aud) nid^t als eigentlid^e 3>id)ter,
fo bodj als l^ertreter ber fdjönen Citeratur finb nodj
Käjhter unb £id)tenberg 3U ern>äE|nen, beibe n>aren wenn
nidjt gro§e, f o bodj lüdjtige llTatfjematif er. Käflner bidjtete
nnt galt ben geitgenoffen als ©idjter, ßd^tenberg n>ar
nid^t nur Sdjriftjieller, fonbern audj ein feiner pljilofopt^i«
fd^er Kopf. 3. (6g. Sulser »ar profeffor ber TXlaiiie*
matit nnb ^ejttjetifer, n>ar aber trofe temporären Hufjmes
*) W. £übfe, ber iwax nic^t gerabesu Dichter, aber boc^
btc^terifc^ heaniaqi mar, fagt in feinen „Cebenserinnerungen"
(^890^ //Hur bie XHattjematif blieb mir fiets anttpatljifc^, wie
benn alles Hec^nen mir ©on jeljer ein (Sräuel geipefen nnb ge«
blieben i%"
IDaljtfii^eittlic^ laffen pc^ manche äfjnltd?e 2Iusfprüd?e nac^*
»etfen.
^8 n. Beiträge 3ur Kenntntg bes matljetnatifc^en Calentes.
in bcib^n Sädi^xn ntcftt ftart €nMidj fei ber bcrüditigte
(Eafanooa genannt, er I^atte entfdjiebenes matt|em. Calent
Den Scftriftflenern, bie, nebenbei ZlTatiiematif er tpaten,
fann man biejenigen 2ljironomen anreifjen, bie Sücfter
für bas gebilbete publifum gefdirieben traben, fo JJTäbler
unb 3, 3. Cittrom. Der lefetere E|at übrigens in feiner
3ugenb eine geitfdjrift „bie ptopyläen'' gegrünbet
IDie aus ben Siograpfjieen tjerporgefjt, giebt pdj
bas matEiematifd^e (Talent oft in früfjer ^ng^n^ funb.
(Es fdjeint, bajj getpöfjnlid? bie Neigung sunt Hecftnen
bas (Erjie i% gumeilen seigen pdj fd^on früfj bejHmmte
2trten ber Segabung, n>ie Znand^e fcfton als Kinber
medjanifdies Calent DerratE|en. Seeliger foD fd^pn als
Heiner Knabe erfiärt I^aben: id^ toerbe 2tpronom. €s
giebt aber audj tjerüorragenbe Znatfjematifer, bie erjl
Siemlid) fpät iljren Seruf erfannt traben. 3» 3- £ittroi?>
3* S. brandete lange geit, um pdj flar ju »erben; er
^adite balb an juriftifdie, balb an tf^eologifd^e Stubien,
n>ar nafje bäran, in ein Klofler einsutreten, n>anble pdj
3eitu>eife ber fd|önen Citeratur 3U, erji als er ^ausletjrer
in XOien n>ar^ u>urbe er burd^ ben Healfdjulbirector £jaD auf
bie redete Sal^n gebrad^t Von bem weniger befannten
5* €♦ Dasberger {\7S6—\S^5) u>irb beridjtet, ba% er
in ber l^olfsfdjule groge SSikigUiien bewies, mit 2tu5-
naE^me bes Hed^nens, ba% im Cyceum fid^ bas matE^e*
matifd^e Calent gan3 plöfelidj unter prof* £jol3n>art'5
£eitung entwitfelte* W^nn nun audj bei anberen
Calenten pdj aE|nIidie Perl^ältniffe, b* Ij. balb früB^es, balb
fpäteres fjerportreten, nadiweifen laffen, fo [xnb mit bodj
4F. mm.
D. Uebcr btc ISebm^nn^en bcs matljctnatifc^cn (Talentes. \\^
in oDcn ^öHcn wm eine €rHärung ©erlegen» Ztiemanb
fann fagen, tx>arum ber Verlang halb fo, halb anbers ijl.
(Sans befonbers merftoürbig finb bie Säue, in benen
bos matliematifd^e Calent nur Porü6erget)enb auftritt;
tpie bei Colburn unb bei bem Sifdjof XOiiaMy. <ZoU
burn »ar allerbings ein bloger Hed^enfünjHer, aber »enn
bei einem fonji begabten llTenfdien tpie bei Wl^atel^ bas
Calent ber Kinbfjeit erfjalten geblieben n>äre, fo »Sre
er oielleid^t ein tPtrflidjer ZHatf^ematifer geworben, ©er
Pergleid) mit einem geilen 5dtd%lmq, ber frifd) voMt,
brängt {tdi auf; aber er ifl nod) feine früärung, TXlan
mn% pdj etn>a benfen, ba% (Talente, heiw. <5et)imtl)ei(e,
bie ein €pipfjänomenon, eine fpäte Slütfje ber ptivlogene*
tifdjen (gntmitfelung barfteDen, nid^t bie ©auertjaftigfeit
anbertoeiter SePanbtfjeile bes meufdilid^en (Seifles ober
<ßefjirn5 itaherif ba% pe unter mandjen Um^änben, ob«
xDolil pe angelegt ^xnb, nicftt 3ur PoDen €ntn>itfelung
fommen, unter anberen Umjiänben einem oorseitigen
Senium anI|eimfaDen, (Eolburn's (gnt»itfelung erinnert
5n:>eife(los an bie leiditeren Säue ber Dementia praecox.
0b bie Ueberanfirengung pon Sebeutung x% jlel^t baE{in.
€s liegt ba nodi VxeUs in ber 3>Smmerung.
Zllan fann fragen, ob es latente ZtTatliematifer gebe,
ob etn>a unter ungünfligen Umfiänben, bei ZtTangel an
Unterridtt; bei bem ^n^onge sur Qanbarbeit u, f. n>* bie
2tnlage sur ZlTatf^ematif potentia oorfjanben fein fönne.
IDir i^aben gefe^ien, ba% nid)t feiten bas Calent alle
IDiberjiänbe über»inbet, bie Ungunji ber Oerfjältniffe
befiegt. ^ber bamit ijl nid)t beriefen, ba% es immer
H20 IL Beiträge 3ur Kenntnig bes matljetnatifc^en Calentes.
fo fein müjfc» €5 jtnb ba ocrfditcbcnc Znöglidjfeitcn
bcnlBar*
Der IDertfj ber UeBung nnb bes Unterrid^ts ijl feljr
»erfdjteben beurtljeilt tporben. 3nt \S. 3al^rl^unbert, in
ber Slüti^eseit bes Hationalismus üBerfd^d^te man Cel^re
unb Seifpiel beträditlidi. IDie man bie ZHenfctjen burdi
^ufHSrung, burd) Selet^rung überl^aupt anbets unb
beffer madjen wollte, fo fdjipärmte man audj von einer
„Silbnng" bes Zllenfdien burdj bie €r3iei^ung. J)er
Silbungswafjn ift nidjt erlofdjen, aber im Mgemcinen
fommt man bodj mefjr unb mel^r 3U ber €injtd?t, bag
bie fjauptfad^e bas ifl, u>as ber Zllenfdj mit auf bie
XDelt bringt^ ba% ber frsieE^er einem <5Srtner gleid)^
ber bie pflansen begießt, aufbinbet, woiil audj befd^neibet,
nidjt aber 2tepfel auf Birnbäumen n>adifen laffen fann.
ZHan n>irb je^t nid^t met^r glauben, ba% man matl^e«
matifdjes (Talent burdj Unterrid^t unb Uebung erseugen
fönne. 2tudj ber bejie Cei^rer ber JTlatliematif oerfagt
ber 2nefjr$aE|I ber Sd^üler gegenüber unb bie Ijartnddigjle
Uebung mad^t aus einem gutbefäfjigten Surdjfdjnitts-
jungen feinen Zllatl^ematifer* 3"^^ff^" fönn man ju»
geben, ba% mandjes mittlere Calent oljne Unterridit »er-
Iftmmert; bei gutem Unterrid^te ftd) erfreu(id) entn>icfelt;
ba% aud) bie £ntn>idelung bes großen Calentes burd)
guten Unterrid^t befd}(eunigt unb gefteigert n>erben lann.
Sei meljrfadjen Calenten überwiegt gen>öt|nlidi eins unb
^urdj fein IDadisll^um oerfümmem bann oielleidjt bie
anberen, faQen aQmäE^Ud) bem 5d)tt>unbe burd^ XlxdiU
^ebroud) anE^eim« £s fann ahet aud} oorlommen; bag
D. Uehex bte Bebtngnngen bcs tnatljcmatifdjcn (Talentes. \2\
rinige Calentc in glcid^cr SiäxU oorljanben jtnb unb
bag bann bie äußeren Umflänte nur bem einen 5ur
finttpitfelung ocrE|eIfen* 3tnmer tpirb bic Crsiefjung ben
mittleren Calenten am tpid^tigPen fein, benn bei geringen
Talenten iji pe erfolglos, bei grogem Calente ijl pe met^r
Dienerin. Sd^dben tann bie firsiefjung fidier feljr piel.
2nir fcfteint befonbers bas ertoägenstpertt^ 3u fein, ta%
bei einfeitiger Segabung eine auf ben Durdifdjnitt su-
gefdjnittene Crsietjung unpaffenb fein mug. l^iele groge
2JTatl?ematifer l^ahm pdi fosufagen felbji gebilbet, ab*
feits pon ber großen fjeerjirage, fle braudjten nid^ts als
5reit|eit unb 3ur redeten geit bie redeten Sudler.
^. V. ^umbolbt E|at gefagt : „IDäre 'xd\ ber jefeigen 5d|ul-
bilbung in bie ^änbe gefaOen, fo märe id) (eiblid^ unb
geijHg 3U (Srunbe gegangen."
Um bie 5rage su beantn>orten, n>ie oft etn>a bas
matEiematifd^e Calent oorfomme, rnoHte idj miffen, u>ie-
piel ausgebilbete ZlTatEiematifer es in Ceipsig gebe. €in
Cel|rer ber llTatiiematif I^at bie (ßüte gel^abt, folgenben
^nfd^Iag 3U mad^en:
\2 IHatljematüer an ber UnioerfLlät u. ber Sternwarte,
elma 50
tt
an ben tjof^eren 5d)ulen (3 ^ym-
napen, \ Healgymnapum, 3 Heal«
fdiuIen,Ejanbel5fdiuIe unb(6en>erbe-
f*ure).
etn^a 8
n
an ben beredjtigten pripatfdjulen,
etwa \5
n
an Perfidjerungsanftalten, im jiati*
jlifdien 2tmte u. f. n>.
5a. 85 Znatfjematifer.
^22 II. Beitrage 3ur Kcnittnig bes matfjcmatifc^cn (Talentes.
Vairx fomtncn nodt einige als Privatleute, <£orrec*
loren unb in ät^nlidjen Stellungen lebenbe ZlTatl^ematifer,
beren gat^l nidit 5u bejHmmen ifl. Seien n>ir liberal
unb nel^men mir als (ßefammtfumme \00* Hunben »tr
bie €ino>ofjner3atil auf ^00000 ab, fo fommt \ llTatlie-
mattler auf ,^000 €in«>oI^ner.
©n anberer Cel^rcr ber ZHatl^entatif fjalf mir freunb*
lidj, inbem er angab, ipteoiel ber Sd^üler ber oberen
(Byntnaftumclaffen foweit mat({emati[d) begabt feien, ba%
man it^nen ratfjen fonnte, Znatfjematif $u jhibiren. Unter
\20 Sdjülern (in 6 (Elaffen, ^ primen, 2 Secunben)
o>aren 6 matf^ematifd? begabte, b. J|. \'2\. Der
Hector eines anberen ©ymnapum fdjdfete audj \ : 20.
tt>enn id| an meine eigenen Sdiulerinnerungen benfe, »itt
mir bas Perfjältnijj ^j^^ red^t gro§ oorfommen, unter
uns galt ein mattjematifdi befäfjigter Sdjüler als
iDei§er 5pa^.^)
IDeiter Ijabc idj einen Cfjeil ber Sdnbe ber 2tDge«
meinen beu tf d^en Siograptjie burdigefetjen unb t^abe be«
^) 3n einem Healgymnaftutn liegen bie Perfjältniffe natürlid?
anbers, ^a i|ier bas XHaterial ausgeipäljlt ift. Per 3,ectov bes
l|iejtgen Healgymnafluni, ^err profeffor Böttd^er l^at mir gütigft
folgenbe ^n^ahen gemacht. Unter 5\^ Sdjülern ber oberen klaffen
erl^ielten für leiftungen in ber UTatljematif eine gute Cenfur 7^
{2^W eine mittelgute 2^5 (68%), eine fc^lec^te 25 (8**/o). Da
bas Healgymnafium ungefäf^r boppelt fooiel Stunben bem matl^e*
matifdjen Unterridjte roibmet als bas* l|umaniftifd^e (Symnapum,
Bonnen nad? ijerrn Prof. 3. audj mittelmäßig Begabte ben maüie-
matifdyen Stoff bewältigen, ber bem blogen Umfange nac^ ^en
bes IjumanijHfd^en (Symnafium nur magig überfieigt. XHir fc^eint
bas nodj »id^tiger, ^a% Vätex nrib 5d?üler oon oornfjerein reali=
ftifc^e Heigungen [[ahen.
®. ^. ßxam.
D. Ueber bie Bebingungen bes matljematif d?en Talentes. \25
jKmmt, toic t>icl 3lrlifcl ZITatEiematifer (einfdiKeglidi
2l^onomcti uti^ matl^ematifdie pl^vftf er) betrafen. . VaM
ifl freißd} su be^enfen, ^ag tnand^e ^lrtife( mel^rere
perfonen faffen unö öag anöererfeits mandie fürfHidie
perfonen angefüE^rt toer^en, ^ie tiid)t genannt toür^en,
toenn es auf iE^re perfönitcfie Se^eutung anfdme. Unter
866^ 2lrtifeln betrafen 20\ ZlXattjematifer. Vas giebt
alfo \ : ^3,5 ober 2,3 7o- ®i« procentsatjl fdiwanft bei
öen einselnen Sänken pon 3,3 3U ^,8.
Vk relattpe 5e(tenE|eit bes matE^ematifdten (Calentes
giebt 5u ber Bemerfung 2(n(ag, bag es auf feinen Sciü
angeseigt fein mdct^te, bie ZITatl^ematif sur (Brunblage
ber testieren €r3ieljung 3U mad^en. —
Ueber bie Sefd^affenl^eit bes ZlTattjematifer • (Seines
3U reben, bas Ijat feine Sd^wierigf eiten. ZTatürlidi fann
man fagen, bas matljematifdje Calent bejlelie in ber
SälixQhxt, über ©rögenbesieliungen 3U urtl^eilen, bas iji
jebodi nur eine IDorterflärung.
Vk pfvdjologie ijl gan3 unfäl^ig, uns tt>eiter3tt^elfen.
Q^arum ber €ine (5r5genbe3ieljungen rafdj unb ftdjer
auffaßt, ber 2tnbere nid^t, marum ber €ine gatjlenper»
Ijältniffe leidet überfdjaut, ber 2tnbere räumßdje Se-
3iel{ungen; barauf giebt es feine.^tntioort Sas JPid^tigjle
ijt.bas PerE^dttnig bes geometrifcfien Catentes 3um aritE|«
metifdjen. Va% ein tjeroorragenber (Seometer Jein
aritl^metifdies Calent beft^t, bas ijl rDoE{( nid^t benf bar,
tocnn atxdt bas te^tere gegen bie geometrifd)e Einlage
jurücfjietjen mag. dagegen fd^einen mand^e au5ge3eidjnete
Hed^ner toirHidj toenig geometrifdje Sefätjigung getrabt
^2^ II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matt^emattf d^en Calentes.
3U i^aben. 2Xlan barf batjer tootjl bas Pcrflänbntg bcr
Sal^lenpcrtjältniffe als bas IDefcn bes mart^matifdjen
Calcrttcs anfeilen. Wiü man bas IDort (ßrunbfraft, bas
(Saß ©orfdjiägt, anwenbcn, fo wären nidjt 2 (ßrunb«
fräfte ansunetjmen, bie arill|metifdie unb bie geometrifdje,
fonbern bie arittjmelifd?e 5äI|igWt wäre als bie eine
(ßrunbfraf 1 3U belradjten, 3u ber bei (Seometern bas lieroor»
ragenbe PermSgen rdumlid)er Slnfct^auung als Qitfsfraft
Ijin3Utrilt
£s perfiet^t {tcf^ von felbjl, ^ai bas mattiematifd^e
tCalent nod) nid)t ber Znatt^ematifergeij) ifi, bag es 3n>ar
bie unenlbelirlidie Sebingung barfiellt, bie anberen (ßeijles«
fräfte aber I|in3utreten nnb je nad? iljrer Stärfe bie
ZlTannigfaltigfeit ber 3nbipibuen mSglidi mad^en. Das
mattiematifd^e Catent mad^t nodi feinen grogen ZITatEie'
matifer, ein fold^er mug aud? fonft au£ge3eidjnete (ßeijies-
fäl^igfeiten iiaben. Die Ueberjtdit über bie £ombinationen
bes matl|ematifdien Calentes mit anberen Calenten Ijat
^e3eigt, ba% bas matl|ematifd?e (Talent 3tt>ar mit jebem
anberen 3ufammen oorfommen fann, jebodj an fein
anberes gefnüpft iji 3efet toirb gefragt, »eld^e 5ätjig-
feiten mug ber ausge3eid)nete ZITatE^ematifer I^abem £in
gutes (gebädjtnig fd^eint bie erjie iorberung 3U fein.
Xladi (5aII iji bas (ßebäditnig nur 3lttribut ber (ßrunb*
fräfte, iji eine (ßrunbfraft jiarf, fo iji audj bas ent»
fpredienbc (Sebädjtnig fiarf, aber ein jlarfes (ßebäd^tnig
für ftdj giebt es nid^t. 3n biefer Sd^rofftjeit iji (ßäSVs
€ef{re nid)t annel^mbar. Die Seobad{tung ergiebt bod},
^a% mand^e ZITenfd^en für alles ZITdglid^e ein gutes (5e<
D. Ueber bie Bebingungen bes matljemattfd?en Calentes. ^25
bdd^tnig traben, bag anbererfeits fd{arf {tnttige Ceute oud}
auf bm (gebieten, in benen il^r Sdjarfjtnn 3u ^aufe ift,
ein fd{(eci)te5 ober iDenigjlens mange(t{aftes (5ebdd)tnig
traben. Pon ZnatE^emotifern toirb auffaOenb oft bexxdiM,
^a% jte im 3lIIgemeinen ein gutes (gebäditnig trotten
(f. 3lnip^re, €uler u. 2i). Vas tarin fein gufall fein,
es mug eine Sesiel^ung ber ZlTerffäliigfeit überl^aupt
5um matt|ematifd)en tCdent e^ifiiren. 2let}nticfies n>ie
über ^as (5ebäd)tnig fann man über bas fagen, n>as
man im gemötjnlidien £eb^n Sdjarffinn, Urllieilsfraft,
£ombinationoermögen nennt. €s fei bal^ingefiellt , ob
ber Sdiarffinn etwas fiinfadies ip ober nidit. 2tuf jeben
Sau tann man im ^IQgemeinen fcf^arffinnige Ceute finben,
bie, mögen fie befonbere (Talente I^aben ober nidjt, überaß
Ujr gutes UrtE^eit bemeifen. 3)iefer Sdiarfftnn fommt
rootjl jebem ausgeseid^neten Znatl^emalifer 3u^ Sie
populdre ZITeinung freitid) E^ätt bafür, ^a^ ein (SeteE^rter
außertjalb feines (gebietes bumm fein fönne, aber bas
ijl ein ZlTigoerftänbnig. (Sleidjgiltigfeit, Unwiffentjeit ift
nidit ©umml^eit. Kann €iner €ine IPiffenfdiaft förbem,
fo E^at er met^r ats ein adeinfletienbes Calent, fo ift er
unbebingt ein im 2lttgemeinen fd^arf finniger ZlTenfdj.
W^nn man bem Hedjner unb bem (5eometer bm ^Inaly*
tifer entgegenflellt/ fo ijt bas Ptetleidtt fo su perftetien, ba%
bie Segabung für anaivtifdje ZlTatliematif toädt^t mit
bem Sdiarfftnne im 2lttgemeinen. 3ntt>ieii)eit frilifd^es
Permögen unb probuction 3u trennen pnb, ob es ein
befonberes togifd^es Calent giebt u. f. xo*, bas mag
iDeiterer Unterfud^ung t>orbel|aIlen fein. lX>ie jebem I^er-
\26 n. Betträge jur Kenntnig bes matt^emattfd?en (Talentes.
Dorragcnben ZHerifdicn, fo ' muffen audj bcm ZHatlic«
malifcr ilcig unb Cliatfraft eigen fein, ©er Skife gi^^t
5tpar nid?t ^as (ßenie, a&er bas (5enie giebt ben 5I^i6/
b. tj. alle Iiodjbegabten ZtTenfdjen fönnen nid^t anbers
als fleißig fein. Summeinbe (genies giebt es nid^t nnb
iiat es nie gegeben. VOolil mag bie Ceibenfdiaft ber
ftetigen 2lrbeit 2lbtrag ll|un, wolil tann falfd^e, nn^wed'
mäßige Cl|ätigfeit pom redeten IPege ablenfen, aber ein
ZTid?tstIiun ober läppifd^es Onbeln iji mit großen 55l|ig«
feiten unvereinbar. 3e mel^r ein beftimmtes Calent ^en
ZtTenfdien belierrfdjt, um fo unabläfpger bient er iE^m.
2ine großen Künftler finb unfägKd? flfeißig gemefen nriö
anit burdi il|ren 5f^iß treten bie ZHatliematifer an bie
Seite ber Künftler. 2lber audj bie feurige Hatur ifl ein
tertium comparationis. Dem Dolf e mag ein leibenfdiaft»
lid^er ZHatliematifer frembartig üorfommen, in Wafyctiext
iji ein pljlegmatifdjes (Senie nod^ r>iel unpnniger als ein
faules (5enie. Jltte großen ZHänner l|aben in ftdi ieuer
getragen, ©er ZTatur ber 5adie nadi wirb ein (5elel|rter
nadj außen I^in fül|Ier erfd^einen als etn>a ein ©idjter
ober ZtTufifer, Selbftbelierrfdjung einerfeits, (Sleid^giltig-
!eit gegen bie 3ntereffen bes Durdifdinittsmeufd^en
anbererfeits mögen fogar pl|Iegma portäufd^en, aber es
giebt feinen großen „3ntettect" ol|ne einen l|eftigen
;;lDiIIen". Cieji man bie Cebensbefd^reibungen ber
großen 2TCatE?ematifer, fo erftaunt man, n>ie oft nidjt nur
oon £ebl|aftigfeit, fonbern pon J^eftigfeit unb Ceiben»
fdjaftlid|feit bie Hebe ift, unb aud? aus iE^ren (5efid?tern
fprid?t ein feuriger (5eift.
£'x. Öngel.
D. Ueber bie Bcbingnngcn bes matljemattfd?en Talentes. ^27
IDcrfcn wir nodj einen Slirf auf bie Pedreter ber
angetoanbten ZlTatt^ematif, bie ^unreinen" ZtTatl^ematifer,
fo bütften befonbers stoei £ombinationen in Setradjt
fommen, bie Pereinigung bes matt}ematifcfien Calentes
mit bem Criebe 3ur Znedjanif einerseits, bie mit ber
Steigung, SälixgUxt 3ur Seobadjlung ber Xlainx anberer«
feits. ^wat jtnb perfdjiebene ZlTifdjungen möglidj, aber
als ^auplformen entftelien ZHedianifer, 2ljironomen,
pllVJtfer. 3n frül^eren ^exien waren ZlTandie, bie bie
ZTatur 3U reinen ZlTatl^emalifern bejHmmt I^atte, von
2tmt5n>egen Vertreter ber angeroanbten ZHatliematif,
weil fte eben ein 2tmt hiabm mußten, aber ^as änbert
^avatx nxiiis, ^a% bie nalürUdien 2tfironomen u. f. ro.
au§er bem matliematifdien Calenle rxodi eine befonbere
für il^ren Seruf geeignete Segabung I^aben muffen.
Setjr merfwürbig iji bie Energie, mit ber bie redeten
ZlTedianifer, bie geborenen €rfinber von frül^ an il^r
Calent treibt. ZtTan pergleid^e bie Siograpl|ieen IDatt's,
€bifon'5 u. 21. IPerner Siemens^) ersälilt, er Ijabe
tt>ieberI|oIt ^^n €nlfdjlug gefaxt, fünftig nur ernjler
IPiffenfdjaft 3U bienen, aber bie Perljältniffe „unb ber
mir angeborene Crieb, erworbene wiffenfdiaftlidje Kennt-
niffe nidit fd^Iummern 3U laffen, fonbern aud^ möglidift
nüfelidj an3uwenben, fül^rlen mid^ bod) immer wieber 3ur
Cedinif 3urüd unb fo ift es wäl|renb meines gansen
Cebens geblieben".
^) Ccbcnscrtnncrungcn. Berlin. 3wl- Springer. ^.ZtufK. ^895.
Untex \o (Scfd^iptftcrn (8 Brübcrn) waten 5 ausgcbilbctc Ced?=
ntfcr. (Ein grogcs Calcnt wax auger IDcrncr ber Brubcr IDill^elm
(ber fpätcre Sir IDtlliam).
^28 II. Beiträge jur Kenntnig bes matt^ematif d?en Talentes.
Xlodi ein paar Wovfc über Kranflieiten nn^ CeBcns«
Muer bei TXlatticmaixUtn. UcBcr förpertid^e Kranft}eiten
im engeren Sinne bes XDortes wäre nidjts befonberes
3U fagen, nur möd^te idi ermälinen, bag Cantor's 2ln*
gäbe, bie (Sefd^icf^te ber lITattiematif ernodE^ne nur 5n>et
Slinbe, nämlid) €uler (pgL 5. 53) unb XticoL Saunberfon
{\6S2—\75^; 5. erblinbete im \2. 3atjre burd? bie
porfen, würbe \7\\ prof. b. ZtTalli. in Cambribge) nietet
gans jutrifft^ €5 wirb aviAi beridjtet, t>a% 3of* Saltl^,
S^rarb, ber \763 geboren war, im 23. 3al|re erblinbet
unb trofebem profeffor ber UTalliematif, fpäter ©irector
ber Secunbärfdjule in Sefangon geworben fei. 5«tner
erblinbete. (Salilei wie €uler im 2llter. ZtTäbler {\7^^
bis \87^) würbe ^8Q5 blinb, würbe fpäter t>on pagen-
fledjer opmrt. ■^'^
"^X-:. iHan fann fragen, ob geiftige Störungen bei ZHattje«
matifern I^äufig feien. Sooiel id? fel^e, fann man bie 5rög^
unbebenflidi perneinen. ^voax werben bie meiflen
2tlatl|ematifer 3U "^^w nen>öfen ZHeufd^en ju red?nen fein,
wie bie „3nteIIectueIIen" überl^aupt. Die abnorm fiarfe
(£ntwidelung ber (ßeifiesfäl^igfeiten, bes. ^^^ (5el|ims,
trennt jte äße pom ttormalmenfdjen unb es ijl reiner
XDortpreit, ob man nur pon 2tbnormität ober oon Kranf-
I^eit fpred^en witL 2ludi im Körperlidjen weiji bie fpäter
3U befpredjenbe 2lfvmmetrie bes Kopfes barauf I|in, "^a^
^as normale (ßleid^gewid^t geftört ifi. ^wc Xteroofttät
gel^ören audj mandje IDunberlidifeiten, bie bie (ßeletjrten
beim publicum in t>^n Huf bringen, "^a^ es bei iljnen
nidjt gans rid^tig fei. Die pielbelad^te „^erfireutlieit''.
D. Ucbcr bie Bcbtngungen bes matfjcmatifc^cn Calcntes. H29
t>on bcr aixdi bei mandicn ZtTatl^cmalifcrn 3U bertditcn
ifi, ift eigcntlid) Conccnlration, b» l|. bcr Genfer pcrticft
ftdj in bas XDid^ligc unb übcrjteljt besl^alb mandics Un*
tptcfitige bc5 tägtid^cn Ccbens.
Supänbe, bie fdion bcutlid^ bcn Stempel bes Kranf «
Ijaflen tragen, finben toxx perl^ältnigmäfeig feiten. ZtTan
f ann nid^t fagen, ^a% 2lmp6re, 5ourier, 3. Solyd u. 21.
im gewölinlidien Sinne ^es VOovtes geiftesfranf waren,
tnbeffen tl|re 2lnnäl|erung an ^as pfydiopatt^ifdie iji bod]
fo beträdjtüdj, ^a% fte im 5ött« «in^s geridjtlidien Con«
fliictes il|nen menigPens milbernbe Umjiänbe eingetragen
I|aben würbe. 2lm bebenflidiPen war bie Sad^e bei
3oI^. Solyai. Delfino Cobassi (\82^— ^873) fott ein
Sonberling, basu ein (Se'x^hials unb Crinfer gewefen fein.
€in gans abnormer Cl|arafter mug aud? Ceperrier ge-
wefen fein.
€ine befonbere Stelle nimmt bie fenile (Beiftesftörung
ein. 'J)ie, bie iE^r perfaHen, ftnb gewölinlid? nie gans
normal gewefen. 3"fofern get^ört fte 3U ben enbogenen
(Beiftesftörungen. Jlnbererfeits fommt fte bei Ceuten t>or,
bie im bürgerUd^en ober Caien» Sinne gefunb gewefen
ftnb, beutet nur auf perl|äHnigmägig leidste Selafiung
l|in unb barf nidjt mit ber Paranoia unb anberen
5ormen auf eine Stufe gejiellt roerben. 2JTan Ijat oft
angenommen, ^a^ fte burd? übergroße ^Injlrengung bes
Kopfes beförbert roerbe, unb bie „^lirnserfprengenbe"
ZtTatliematif fdjeint ^a befonbers gefäl^rlidi 3u fein. 3"*
beffen iji es bodi fdiioer, über bie Sebeutung ber Ueber-
anflrengung etwas 3u fagen, benn pon 3wei, bie fidi
m ö b i n s ^ ntat^ematif er. 9
1^30 II. Beiträge 3ur Kenntntg bes matl^emattfc^cn Calentes.
anfdidncnb gUidi ftarf angcjlrcngt liaben, voit^ bcr €ine
im 2tltcr gdjicsfdirDad? unb bcr 2tnbcre bleibt bis sunt
Cobe frifd). ZITonge fd^cint in bcr kfetcn geit feines
Cebens blöbftnnig gemefen 3u fein. Das gleidje n>irö
pon fjuygens berid^tet, freilidj mit ber unperftänblidjen
^ngab^, ba§ er fdjon 20 3<»l|r^ früB^er einen äE^nlid^en
gufianb von (Seijiesfd^tDädie burd^Iebt liabe. Sei
Köpernicus fd^eint es ftdj um bie Sollen eines Sdjiag*
an^aües gel|anbelt 3U I:|aben. Kant mar in feiner legten
Seit geiftesfd^toadj. ^ein (5ro§pater roar es aud?.
ttid?t red|t flar ift mir ZTetx>ton's Kranfengefdiid^te. ^)
€r perfiel angeblid? ^693, b. i. fdjon im 52. 3al|re,
in eine 2lrt pon (ßeiftesfranf^ieit, erB)olte fid) fpäter, fott
aber nie roieber n>ie frül|er gen>orben fein. Pieüeid^t
ift bie ganse 5ad]e feljr übertrieben iporben. Sid^er ift
nur (pgl. ZTetPton's €eben von Sren>fter unb bie bio-
grapl^ifd^en ZTotisen pon (gbleflon), bag tteroton im
3aE?re \6^5 nid|t gans normal ujar, ba§ er längere
Seit an Zterpofität unb Sd^laflofigfcit litt unb gan3
porübergeI:|enb pertpirrt ujar. Das <5an3e Hingt rpie
bie jcfeigen Serid]te über nerpöfe Störungen nad? 3^^*
fl[uen3a. Tlüe tl^eologifd^en Sdjriften Zten^ton's faden in
bic Seit por biefcr Kranfl^eit. Xiadi t>cn Cagen, in
benen ber Srief an Corfe gefd^rieben n>orben x% Ijat
nie ipieber 3^n^<^^^^ geiftige Störungen an Heroton be«
merft. ^tüerbings ift auffaüenb, ba§ ZteiPton nad? ^cn
principia, b, I|. nad? \6Q7, fein neues ujtffenfd^aftlidics
^) ^9^' 3* S' ^isbet, The insanity of genius, London 1893»
p. 222.
iltenjttin-
D. Heber bie Bebtngungen bes matl^cmatifd^en Calentes. \3\
Wevt mcl|r perfagt tjat, aber Mefe ©jatfad^e allein be»
redjtigt nid^t 3u meitgelienben Sd^Iüffen unb fann mit
ber firfranfuwg pon \693 faum in Derbinbung gebrad^t
werben.
Smeifellos geijiesfran! waren Carbanus^) unb
pascal. ^) Seiber (Befd^id^te entE^ält piele IivP^rifdje
5üge unb pascaVs Kranflieit war toom jtdjer fjyperie,
^) Pgl. £ombrofo, Der geniale lUenfc^. Hamburg (890. p. 87.
2) Pgl. £6lut, r Amulette de Pascal. Paris I846. Gilles de
la Tourette, Le masque de Pascal, Nouv. Iconographie de la Salp6-
triere II. 4. p. 196. I889. A. Regnard, Genie et Folie, Annales
m6d.-psychol. I889 — 1899. Ch. Binet-Sangl^, La maladie de Blaise
Pascal. Ibid. Mars-Avril I899.
Don Pascal ejtftirt eine ITtasfe. Sein Sd?äbel mug auf«
fallenb gctpefen fein, benn es tpirb berichtet, ba% bei ber Section
bie Kronennat^t rerjirid?en ipar, ^a^ aber an Stelle ber grogcn
Fontanelle, bie in ber Kinbl^eit lange offen geblieben wax, ein
(£allus gefunben u^urbe. Die 2ler3te rounberten fid? über btc
(Sröge bes (Sebims unb meinten, ber Drucf bes (Sel^trns t^abc
bie Stirnbeine ron einanber getrieben. TXadi ber 3efd?reibung
ber Ulasfe, bie Paul Hic^er perfa§t l|at, ijl bas (Sefic^t afymmetrifc^
5U Ungunften ber Unten Seite. „Les globes oculaires paraissent
egaux et 6galement saillants ; mais l'arcade orbitaire est plus effac^e
ä gauche surtout ä son extr^mite externe, oü le relief qu'elle
forme en avant de la fosse temporale est bien moindre ä gauche
qu' ä droite. Par contre, ä son extremite interne, le relief au
niveau de la tete du sourcil est plus accuse ä gauche qu'ä droite.
C'est la seule exception ä l'effacement qu'ont subi toutes les
saillies de la partie gauche du visage. II faut ajouter que le front
ne parait avoir subi aucune deformation et que son developpement
est ^gal des deux cot^s.
£eiber u^irb nur bas profllbilb ber ITtaste, un^ ^wax oon
red^ts unb oon lints gegeben. 2Iuf biefen 2Ibbilbungen ift im
(Segenfa^e 3ur 3efd?reibung bie redete Seite einer inün3e mit
oeru^ifd^ter Prägung, bie linfe einer 2nün3e mit frifd^er Prägung
3U oergleid^en, aud? fpringt auf bem Silbe ber lin!e 2lugent]öl^len=
ranb ftär!er ror als ber redete. 2Iuf meine fd?riftUd?e 2lnfrage
9*
\32 II- Beiträge 3ur Kenntnig bes matt^ematifd^en Talentes.
bod} ij) es 5tpcifctt|aft; ob man bos (San^e bei Carbanus
als fjYJierie beseidinen barf. Sie Diagnofen auf (5ruttb
alter UTittl^eilungen jtnb immer etwas bebettWidi. 2lus
ber neuen §eit ip Sopljus Cie 3u nennen, (gr feierte
nad] feiner €rfranfung sroar in fein 2lmt surüd unb
feine wiffenfdiaftlidie Ct^ätigfeit lieg feinen ^Ibbrud^ er»
fennen, bod? ifl er nie mieber normal geroorben.^)
2II5 ffalbnarren nennt Combrofo ben €nfantin» Diefer
Blatte 3n>ar bie polytedinifd^e Sdjule befud^t unb u>ar
3ngenieur, aber eigentlid? fann man il^n bod^ nid^t ju
ben ZtTatliematifern ^äiiUnr)
(ßeu>ig ift bie l|ier gegebene Ueberftd^t unpottftänbig ;
franfljafte (Seiflessuflänbe roerben ja gern perfd^wiegen.
IDenn man inbeffen bebenft, t>a^ auf 300 2TCenfdien
burdjfd^nittlidi ein (Seiflesfranfer fommt, fo ftnb bie paar
Sätie von (geifiesfranfljeit unter Caufenben pon ZtlaÜie'
matifem roirflidi red^t roenig.
t^in liat Qerr Htc^er erflärt, man I^abe fid? an feine Befd^reibung
ju Italien, bie ptiotogramme feien leiber oerfetjrt (intervertles).
Die UTasfe mürbe oon ber Ceid^e abgenommen, meil pas=
caVs ^reunbe untröftlid? waren, fein Portrait oon itjm ju bejtften.
(Quesnel verfertigte auf (Srunb ber UTasfe ein Portrait un^
biefes ipurbe oon €belincf (^6^9— 1707) geflod?en. <gs ifl bemnad?
erftd?tlic^, ba% alle Stid^e pascal's nur pon untergeorbneter 3e=
beutung ftnb. Das (Sleic^e gilt oon ber Bäfle pajors. 3^ ^e=
fifee bie Stiche oon D. Sornique unb oon Desrod^er (^697);
jener ift gut ausgefüt^rt, aber für unfere gioecfe finb beibe nid?t
brauchbar.
^) ^9^- (?• <2ngel, §ur €rinnerung an 5. Cie. Ber. b.
matt^.'pt^Vf. dl ber K. Säd?f. <Sef. ber IDiff. 3n £eip3ig {{^. Hoo.
1899).
*) Die Eingabe, ba% 3ot|n Qerfd?el t^allucinirt tjabe, ift miß=
oerftänblid? : €r litt an 2Iugen=inigräne.
Doli», tloigt.
D, Ueber bie Bebingungen bes mattjematifd?en Calcntes. 1(33
ITcrDÖfe Ccute ipcrbcn oft alt unb Znatt^ematifcr
werben andt rcd?t oft alt. 3^ fcl?IU§e biefen 2tbfd?nitt
mit einigen eingaben über bie Cebensbauer ber Znatl^e»
matifer» XTatürlid? n>ei§ idi, ba§ bie Zlletljobe, beren
id? midi bedient Ijabe, in ber Statiftif nid^t für voü gilt,
nriö ta% bie SejHmmungen ber ZHortalität in ben teilt»
büdjem ber Statijiif auf anberem lüege geiponnen fmb^
3nbeffen etwas ift beffer als nidjts. lüollte man meinen
galjlen anbere 3ur Seite fefeen, fo müßten biefe auf
ät^nlid^e It^eife gewonnen fein, ettx>a; tpenn es ftd] um
2ler3te Ijanbeln foUte, aus einem 2ler3teȣejifon ge-
nommen fein.
Um ein Urtt^eil über bie Cebensbauer ber TXlaÜie*
matifer 3U gewinnen, E^abe iii »aljUos 300 ZHatl^e«
matifer (be3. 2lj}ronomen u. matt^. pliy^hv) aus bexn
„poggenborff" genommen unb iljre 2(^lite ge3äljlt
(Senau ift bie Hed?nung nid^t, benn idi t^abe ber <£in-
fad^t^eit n>egen ben 2lbftanb bes (ßeburtsjaljres oon bem
Cobesjal^re 3ü (Srunbe gelegt. Hatürlid? t^atten eigent«
\\d\ bie 3urücfgelegten 3at^re, ZHonate, Cage ge3^1t
»erben muffen. 2luf jeben 5att ift aber meine 2trt unb
IDeife beffer als bie gät^Iung ber 3urücfgelegten gan3en
3at^re. 5onteneIIe 3. S. ift am \\. Februar ^ 657 ge-
boren, am 9. 3onuar \757 geftorben, es ift alfo rid]tiger>
iljn tjunbertjdljrig 3U nennen, ^umbolbt ifi am \^* Sep»
tember ^769 geboren, am 6. TXlax \S5^ geworben, es
f eljlen nur oier ZHonate an 90 3<^l:i^^\u ZHöbius ift am
\7. XTooember \790 geboren, am 26. September \868
geftorben, es fehlen 5\ Cage an IS.^^liten. Svans
^3^ II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matt^ematifd?en Talentes.
(Ernjl ITeumatin ijl am \\* September \798 geboren,
am 23. TXlai \895 geworben, es feljlen ntd^t gans t>ier
2JIonate an ^7 3aljren.
5olgenbe gal^Ien Ijabe xdi erljalten. Sie Zniltel3al|l
bes \. ^unberts toar 65,^, bie bes 2. n>ar 65,6, bie bes
3. »ar 65,8. Die 2(eljnlidifeit ber 3 S<^i^^n giebt eine
geix>iffe Sid^erE^eit 2Tlan fann alfo annel^men, ^a% bie
Cebensbauer bes 2Tlatljemalif ers burd^fd^nittlid? 65,6 3aljre
beträgt.
Die Cebensbauer ber E^eroorragenben ZTlatE^ematifer
ijl größer als bie burdifd^nittlid^e, benn \00 ausgeseid^-
nete ZTIatE^ematifer (bes. ^ftronomen u. matl). piiy^xtev)
ergeben bie 2JIittel3at^I 72. Unter 30 3at^ren blieb ^,
30—39 3at?re alt »urben 3, ^0—^9 3al?te 5, 50—59
3alire \0, 60—69 3öl?re \S, 70—79 3al^re 30, 80—89
3aljre 27, 90— \00 3at^re 6.
(Cabeüe jiel^e näd?fte Seite.)
Die »id^tigfle Sebingung ber Canglebigfeit ijt bie
^uget^örigfeit 5U einer langlebigen 5<itnilie. 3ei einem
beträd^tlidien tCl^eile ber ZTIatljematifer ift biefe 5amilien-
eigenfd^aft nacb3Utt)eif en ; id^ erinnere an bie 5<^»niUen
SernouIIi, Cafpni, £aoenbifl|, ^erfd^el, lüatt, lüeber,
Doigtlänber. (Saug' Hlutter u)urbe 97 3ö^J^^ «It, u. 71. m,
(Ein ruljiges teben l^atten aUerbings bie meinen TXlaiiiC'
matifer, inbeffen ifl ein £eben t>oIl ^Injlrengungen fet^r
wolil langer Dauer fäE^ig, n^ie bie pielen alten Solbaten
bereifen, ^umbolbfs leben »ar md;t ruljig 3U nennen,
Znonge unb Carnot »urben burd? bie politifd^en Stürme
D. Ucbcr bxe Bcbingungcn bcs mattjcmattfcf^en Talentes. 1(35
2.
3.
^.
'5.
6.
7.
8,
9-
U.
t2.
13.
l^'
15.
16.
^7.
18.
^9.
20.
21.
22.
23.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
3(.
32.
35.
3^.
35.
36.
37.
38.
39.
^0.
^l.
^2.
^^.
^5.
^6.
^7.
^8.
^9.
50.
2lbel
27
b'memhext
66
2lmpere
6^
2lrago
67
Becquercl
90
3acob Bcmoulli
51
3ot^ann Bemoullt I.
5aniel Bernoulli
81
82
3obann BcrnouUi II.
Bcffcl
80
6(
Biot
88
Bobc
79
Bolyai
81
Cydjo Bral^c
55
Brcttl^aupt
81
(Earbano
75
(Eamot
70
(SioD. (Eaffini
87
3can <£affini
79
3ean (£affini, (£omtc
bc (O^ury
97
(£t^. (taoenbift^
80
B. (£aücnbifrj
79
(Lt^asles
87
(Elatrault
52
(£oulomb
70
Palton
78
Pclisle
80
Peluc
90
Pescortcs
5^
Piricf^lct
5^
€nrfc
7^
€ulcr
76
^arobay
78
Jotio
89
Jermat
57
Jcrnel
6^
Jontencllc
(00
Jourier
62
^ranfUn
8^
Jresncl
39
i"6
71
©olilci
78
(Soffcnbi
63
<5au|
(Srafmann
78
68
ßalley
68
ßaüy
79
ßclmbolfe
73
^. rr>. f^crfcbcl
^oofe
8^
68
5(. r^ofpttal
52. ^umbolbt
53. buygcns
5^. jacobi
55. Käftncr
56. Koperntcus
57. Kroncrfcr
58. Kummer
59. CacaiUc
60. Cagrange
6;. Calanbc
62. Cambert
63. Cangsborf
6^. taplace
65. Cc^cnbre
66. Cctbntj
67. Icüerncr
68. £td?tcnbcrg
69. ü. Itnbenau
70. Cittroip
7(. £obatfd?ciPsfy
72. lUalus
73. niaupcrtuts
7^. (Tobias ITTaycr
75. ITT^djatn
76. IHöbtus
77. lUongc
78. HciPton
79. Heumann
80. ©l^m
8^. ©Ibcrs
82. pascal
85. pasqutd?
8^. piasji
85. plücfcr
86. Poinfot
87. poiffon
88. Poncclct
89. preooft
90. prony
9(. Quetclct
92. Hicmann
93. 3. Steiner
9^. 3. n?. Struüe
95. Poigtlänber
96. Polta
97. 3. IPatt
98. W, VOebex
99. IDeierftra^
(00. ü. §acf?
^3
90
66
^6
79
70
68
83
^9
77
75
^^9
77
78
8(
70
66
55
7^
59
63
37
6(
78
60
78
72
8^
97
67
82
39
76
80
67
82
59
79
88
8^
78
^0
67
71
80
82
83
86
8(
79
H36 n. Beiträge 3ur Kenntnt§ bes mattjematifd?en Talentes;
arg gcfdjüttclt, Tltago u» 71. t^attcn in it^rcr 3ugcnb
au§crorbctitüd?e 5trapa3en &urd?3umad?en. TXlä^xqUit
tjl fajl 2HIen cig«n, ein au5fdm>cifenbcr Znatljcmatifcr
bürfte eine große Seltenljeit fein» Das Xüid^tigjle ijl unfe
bleibt ^ie angeborene Od^tigfeit. (Serabe bie Ct^atfadie,
feag bie ausgeseid^neten ZHatt^ematifer im ©urd^fd^nitte
länger leben als bie anberen, seigt, ba§ ungeroöEinlid^e
(Seijlesfäljigfeiten in ber Hegel bei oortrefflid^er Körper*
befd?affent^eit gefunden roerben. ©er ©nroanb, ba§ bie
ausgeseidineten 2Tlatt^ematifer älter fein mügten als ber
Durd^fdinilt, n^eil nur jene geit geljabt Ijätten, il^r iberf
3U ooHenben, gilt best^alb nid^t, »eil es md?t auf bie
Quantität, fonbern auf bie Qualität ber Ceiflungen an*
fommt.
ni.
Heber bas matt^ematifd^e (Drgan.
(öaWs eingaben über feas matljematifd^e (Dtqan
ftnb gans xxdiixq, idj Ijabe aber ferei 2tnmerfungcn 3U
mad^en: \* Die XTatur oariirt bie 5orm ftärfcr, als es
nadi (SatVs Sefd^reibung fd^einen möd^te. 2. ©as
matljematifd^e ®rgan ijl nid?t auf beiden Seiten gleid^,
fonbem in feer Hegel linfs flärfer enttt)icfelt 3. ?)a5
matljematifd?e ®rgan befteljt 3um Ct^eil in einer Per*
bicfung feer lüeid^tljeile.
ad \, (SatVs Befd^reibung fe^e idi als befannt
ooraus (vgl 5* 23). (£r betont feie Sreite feer unteren
Stirn, fe. li. feen großen 2tbjianb ber Processus zygom.
oss. front, oon einanber, bie lüuljlbilbung an ber Stirn-
ecfe feurdj feas ^erausrücfen bes genannten procejfu«,
bie Senfung fees lateralen ©jeiles fees ©rbitafead^es unb
feie feafeurd? bewirfte ^erabbrücfung ber äußeren ^älfte
fees oberen Ciöes. 3" ^^^ ^k<'^^ finben »ir'biefe Per-
änfeerungen bei fajl allen großen Zllatljematifern. 3e&odj
tritt balfe meljr ber vom lateralen <£nbe ber 2lugenbrauen
nadj unten leinten siel^enbe IDuIjl t^eroor, balb met^r
bie 2tbfd{rdgung bes äußeren ^(ugenE^öl^Ienranbes.
ZHand^mal pet^t bas 2luge normal n>eit offen, mand^mal
Ijängt feie äußere ^älfte bes Cibes fo t^erab, baß bas
\(ifO I^I. Uebcr bas mattjcmatifcf^e (Organ.
2tuge E^alb sugcbrücft ijt unb fd^tcf 3U jlct^cn fd^eint.
Sctrad^tct man feas (ßcjtd^t oon vovn, fo fällt tiodj auf, bag
ber 2tbjlanb 3ix>ifd?en fecm äußeren ^ugenipinfel unb feem
£ontur bes (Sepdits auffallend groß ijt. §un>eilen ijl
ber IDeg oom äußeren 2(ugenn>infel bis 3um (£n&e ber
2tugenbraue befonbers lang, feer ^Ibjlanb sroifd^en Stirn*
roinfel unb 2luge oergrößert 3n fold^en Säuen pflegt
n>eber ein beut(id)er It)ul{l, nod? eine 2(bfd]rägung vov*
iianben 3U fein, bas ®rgan ift bann fosufagen in bie
^öl^e gebaut* 3n einjelnen fallen ift bie Stirnecfe
gleid^mägig ausgeroeitet , mit n>eid|en Conturen, in
anderen fpringt jie fd^arffantig oor. Sie Sefd^reibung
oerfagt ber ZHannigfaltigfeit ber ITatur gegenüber. (Eine
IDortformel, bie allen Pariationen gered^ roürbe, ijl
fd?tt>er 3U finben. 2tm bejjen roäre n>bE|I, 3U fagen, bas
matljematifd^e ®rgan bejteljt in einer ab-
normen 3ilbung ber Stirnecfe, bie auf Per«
grögerung bes oon ber Stirnecfe umfdjioffe»
ntn Haumes I^inausläuft. Vfian fönnte fagen,
nidjt bei swei Köpfen ift bas ®rgan gans gleid] gebilbet
€s muj5 bas best^alb Ijeroorgeljoben merben, n>eU ber,
ber biefe Variationen nodi nid^t fennt, leidet irre »irb
unb, wenn er jid] an einen beftimmten Cypus Ijält, in
(Sefaljr fommt, bas malEjematifd^e ®rgan 3u oerfennen^
Tlndi ijt bie Variabilität ein (Srunb, gegen ZlTeffungen
migtrauifd] 3U fein/ lüenigjlens fann iii mir bis jefet
feine ZHaagmetljobe DorfteHen, bie andi nur anhäljemb
braudibar Ȋre. TXlan mv% immer n>ieber fagen: fommf
unb feljt
ffagrange-
III. lieber bos mattjematifcf^e (Dv^an. \^\
ad 2. Wegen bcr tx>td}tigcn tCl^atfad^e, bag bas matl^e«
matifd^e 0rgan portoicgcnb Unfs 5U ftnben ift, braud^e
idi nur auf bie Silber 3u ocrmctfeti. Sei nur mägiger
matE^ematifd^cr Scfät^igung tjl eine feeutlid^e Peränfeerung
fogar gen>öl^n(id7 nur linfs 5U ftnben. Sun>ei(en aber
ij) 5n>ifd:)en (infs unb red^ts faum ein n>at^rnet^mbarer
Unterfd^ieb, 3. S. bei Ceibnis. gumeilen mieber ift feie
redete wie bie linfe Stirnede abnorm gebildet, aber bie
eine ijl gans anbers als bie anbere, 3. S. bei (Saug*
2lud? E^ier finb ber Pariationen oiele unb es ijl »eber
tt^unlid], nod| smedmägig alle fiinselfäüe mit IDorten 3U
befd^reiben. Können n>ir andi bie ^Ifvmmetrie unb ^as
Porn>iegen ber linfen Seite tt^eoretifdj oermertEien, fo ift
uns bod? nod? gar fein Perftänbnig ber feineren 7lb*
meid^ungen gegeben.
ad 3. Sd^on ^er\ Silbern gegenüber (3. S. bei
(£uler, bei Seffel) fommt man auf ben (Sebanfen, ba^
bie ^eroorragungen 3um CE^eil auf abnorm ftarfe ^aut-
enttt)idelung 3u be3iet^en feien. Unterfud^t man ^en
Cebenben, fo fann man jid? burd| gufüE^Ien baoon über*
3eugen, ba% eine beträd|tUd]e £iypexpla[xe ber »eid^en
tLhtexle befielet. ZlTan füljlt beutlidi, ba% 3U)ar ber Process.
zygom. oss. front. ungen>öt^nlid? ftarf enlmicfelt x% ^a%
aber aud? bie ^aut, be3. bas Unterl^autgen>ebe, oerbidt
ijt. Die ^aut mit reid^Iid^em 5^ttpoIfter bilbet einen
loder um bie Stirnede gelegten 5ad. Hed^t I^äufig fielet
man aud? auffallenb ftarfe 2(ugenbrauen. 3a, bie Sio*
grapt^en, bie fonft oon förperlid^en (Eigentt^ümlidjfeiten
nid^t oiel fpredien, betonen nid^t feiten bie ©id^tigfeit
^2 III. lieber bas matt^ematifi^e ©rgan.
ber Sraucn nriö bic Cänge fecr Srauenljaare. Pon
(£ncfe 3. S. fagt £. Srut^ns, ba% er 5(ugcnbraucn mit
langen bidjtcn paaren getrabt unb ia% er oft felbft
barüber gefd^erst Ijabe, »eil er ade möglid^en 3tra-
biationen n>af{rnet{men fonnte. —
Wjiü man <5aWs eingaben über bas matl^ematifd^e
®rgan prüfen, fo gilt es sunäd^ft, ben Cebenben 3U be*
traditen unfe 3U befüljlen, bann ZHasfen, Süflen, Silber
5U unterfud^en. 5tnbet fid? bas ®rgan bei ZHatl^e*
matifem, fo mn% es bei bcncn fetalen, bie nadjgewiefener-
maagen fein matl^ematifd^es Calent I^aben.
TXlan beginne bie Prüfung bamit; ^a% man I^eroor«
ragenbe ZHatl^ematifer aufmerffam betrad^tet 2UIe Se-
fd^reibungen, ade Silber fönnen bie Unterfud|ung bes
Cebenben nidit erfefeen. Sie l^interlaffen Zweifel unb
Sebenfen, bie 2lnfdjauung Ijeroorragenber ZtlatE^ematifer
aber ift fo über3eugenb, ^a^ ber §ix>eifel rafd? oer»
fd^iüinbet £}at man pd| erjl baoon über3eugt, u)ie bie
Dinge in ber Hatur ausfeilen, bann get^e man 3ur Per-
ooUftänbigung ber Kenntniffe 3ur Setrad^tung ber Silber
über. Der, bem bie XTatur nidjt erreid|bar ijt, mu§ ftd|
fott)iefo auf Silber befd^ränfen, aber andi bie 2lnberen
fönnen bie Silber nidjt entbel^ren, ba nur IDenige (5e*
legenl^eit l:tahcn, oiele B|erDorragenbe UlatEiematifer 3u
fehlen unb ba man bod^ aud) bie Perjtorbenen feljen mu§.
(£s ift mir ©ergönnt gewefen, oiele ausge3e{d?nete
Ulatl^ematifer 3U fetten, einige genauer ju unterfudien*
3mmer mar bas matt^ematifd)e ®rgan oorljanben. Pon
Silbern l^abe xdt mel^r als 300 gefeE^en, €s Ijanbelt
WPc«r|lra|j.
(a.)
III. Heber bas matl^ematifd^e ®rgan. H/^3
jtdl ba \. um Coblcnmasfen. €ine ^Insat^I fold^er be-
findet fxdi im anttiropologifdien 2JTufcum in Vtesöen^)
(darunter angeblid? Xlewion, Caplacc, ^erfd^cl, 5opI:|ie
(5crmain, £olburn, Sib^cr). Sie fdjeinen mir nid^t fel|r
überseugenb 3u fein. Durdi t>ie (5üte ^es ^errn pxo«
feffor neumann in Königsberg liabe \di bie ^JTasfe
feines Daters erl^alten. 2tn iB^r fielet man bas matl|e«
matifd^e ®rgan fel|r gut, sugleid^ aber^ roie ^ie toeid^en
Cl^eile burdi ben (5ips gebrücft unb oerfd^oben morgen
ftnb. 2. X)ie stoeite HeiEje bilben Süften; an allen ift
^as matE^ematifdje ®rgan ^eutlidi 3u feigen. Sie ftnb
3ur X)emonftratton fel^r geeignet, iB|r ir>iffenfd?aftlidier
XPerll^ aber it>irb baburd? oerminbert, ba§ bie meiften
Süften erft nadi bem Cobe bes Dargefiellten auf (5runb
oon Silbern angefertigt merken, nur 3uix>eilen auf (5runb
perfönlid^er Sefanntfd^aft mit bem Dargeftellten, bie bod]
audi ^i^ birecte ^tnfd^auung nid^t erfefeen fann. 3, (Bröjger
ift bie HeiE^e ber Künplerbilber, b. l^. ber ©elbilber, Stid^e,
geid^nungen. 2tuf ber grojgen 2JTeB|r3al|I biefer Silber
fielet man bas ®rgan red^t gut. 7>a% man es nid|t auf
allen fiel|t, befonbers auf ^en älteren unb fd^Ied^teren
Stid^en nid|t, bas ift begreifKd). ^. 2tm loid^tigfien finb
bie pl^otogramme nad^ ber ttatur, be3. bie nad? foId?en
angefertigten £itl^ograpi|ieen unb Stid^e. (£s ift nur 3u
^) (£5 ift bas eine Sammlung bes fJofratl|es Seiler. 3d?
üermutl|e, ba% es nid^t fel|r gelungene Hac^bilbungen ber üon
(Sali gefammelten Stücfe finb. (Sall's Sammlung foU bem Jardin
des plantes übergeben iporben fein. Da ic^ in ben legten 3al|ren
nid^t in Paris gemefen bin, meig ic^ nic^t, mas bauon noc^ üor=
banben iji.
^^ III. Heber bas matl^emattfd^e ®rgan.
bcbauern, ba§ jte faji alle oljtie Hücfftdit auf tDiffen-
fd?aftlid?e Denx>ertt|ung angefertigt iporben frnb. Salb
ijl bie Steflung günftig, balb nidjt, oft peljt man nur
eine Seite, oft (iört eine Sriüe, oft l|at man ben Per-
bad^t, ba§ Sdiatten roegretoud^irt u^orben ftnb. 3ntmer-
l|in unterftüfeen bie meiften pl^otogramme bie an ben
Cebenben getoonnene (Erfenntnijg. ^ält man baran fejl,
ba% gereditertoeife poptioe Silber meljr berücffiditigt
roerben muffen als sroeifeü^afte, fo ifi bie ^tusbeute be«
friebigenb. IDieberljoIt ift es oorgefommen, t>a% idi bei
mir unbefannten Silbern bie ZlTatE^emalifer rid^tig bia-
gnofticirt l:iabe. guweilen I^at bie XPirfUd^feit midi an-
genel^m überrafd|t; ber ptjvfifer Sol^mann 3. S. hiat
ein gett>altiges ®rgan, wäl^renb auf bem pljotogramm,
bas xdti befifee, nid|t oiel 3U feigen x% lOeiteres über
Silber bringe xdi im näd^ften 2lbfd?nitte.
©b bie 2JTeinung öafl's, ba% jeber ZHatljematifer
bas matljematifdie ©rgan liaU, rid^lig ift, bas ift mit
Seftimmtt|eit nid|t 3U fagen. gioar I^abe idj nodi feinen
gefeiten, beffen Kopf gegen (5aII's 2JTeinung fprädie, in-
beffen es wate bod? möglidi, t>a% gelegentlid^ bas äußere
geid^en fet^Ite. Wenn bas matl^ematifd^e ©rgan ber
2lu5brucf baoon ift, bajj getoiffe (5el^irntt|eile mel^r Haum
als getDÖIjnUd) braud?en, bie ^lustoeitung ber Slirnede
auf biefe IPeife entftel^t, fo fönnte bodi in mandjen
5änen ber ©erlangte Haum ol^ne 2lustDeitung ber Stirn-
ede gefunben tt>erben, fei es burdi Verlagerung ber
(SeljirntE^eile, fei es baburdi, t>a% anbere ^irntljeile un-
getDÖI^nlidi toenig plafe braudien. 2luf jeben Soü toürbe
(b.)
l^^ß m. Hebet bas matljcmattfc^c ©rgon.
man gar in eine mebicinifdie Section, fo glaubt man
eine andere ZlTenfct^enraffe 3U feEjen. Set ben Vertretern
ber an bie XHatljematif angrensenben Sädiet finbet man
halb ein großes ®rgan, balt> ein Heines, je nadj ber
matEjematifdien Sefäljigung» 3«ner pt^yjtfer iji ein
matl^ematifd^es (5eme, biefer ijl oielleidit ein ausgeseictj*
neter (Experimentator, aber matljemaäfcti ^diröadt- 2leljn-
lidi ij! es in anderen Serufsarten, bei 5inan3teuten, ^Ir*
tillerie* unb Seeofficieren, 3ngenieuren u. f. xx>, 3ttimer
jiet^t ba^ ®rgan ungefäB|r im Pert^ältniffe 3um matE^e-
malifdien Calente. Sefonbers bei einseinen 5inan3-
männern unb 2lbmiralen ift mir bie öröj^e bes ©rgans
aufgefallen. 2JTan fiel|t es ferner an ben lüften von
Cäfar, befonbers an bem Kopfe in Neapel, ber Cäfars
Ztamen trägt, an einer Florentiner Süfte, bie ben Kaifer
^ugujius barjjteflt, an ben Süjlen Napoleons u. f. w.
3ntereffant tt)ar mir, ba% andt ZlToItfe ein matl:?ematifd|e5
®rgan (befonbers linfs) iiat; man fieE^t es am bejien an
ber ZHarmorbüfte oon Segas, bie in ber berliner National*
gallerie ftet^t, aber aud? an ber Büfte oon Donnborf. -
Pen ben Hed^enfünftlern hiahe id| neuerbings feinen
im Ceben gefel^n ; roir I^aben nur 3um tEEjeil Silber.
(Sau giebt Silber t>on Sujton unb Colburn, aber ieiber
finb bie portraits auf (SaWs CafelR äugerjl bürftig.
Sie jtnb roie geidinungen bel^anbelt, bie Köpfe finb 3um
CE^eil fel^r Hein, man erfäE^rt nid^t, wo bas Silb B|er«
ftammt. 3"tmerl|in fieB^t man, ba% bas matE|emätifd|e
©rgan oort^anben x% 5^tner fieE^t man es an ben
Dresbner ZHasfen t>on Colburn unb Sibber. Pon 3"ött^i
ialaitbe.
HL Heber bas mattjematifd^e 0rgan. ^^7
bradile bie Ccipsigcr 3nujlt. geitung einen ^olsfdinilt
nadj einem pljotogramme, ber nid|t oiel, erfenncn lie)^.
Dr. 5erroI I|at ein beträditlidjes malt|ematifd|C5 ©rgan,
er gleidit audi äugerlidi ben u>irf(ict|en 2JTatI|emotifern*
3m 2lflgemeinen unlerfdieiben jtdi bie blogen Hcct^cn-
fünfiler md|t burd| bie (5cj!a(lung iljres mal t^ematif dien
©rganes von ben 2JTatB|em alifern , fonbern burdi bie
übrigen Ccile iEjres Kopfes. (Sau tt>ürbe bas bes ttäBieren
auseinonberfefeen fönnen, n>ie er andi bie Calente ber
„unreinen" ^JTalljemalifer 3U ber 5orm il^res Kopfes in
Besiel^ung fefeen möd|te. 3d| jebodi modile oorläufig
auf firörlerungen biefer 2lrt nid^l eingel|en.
Xlüxx u>äre nodi einlas über bie äujjere (Erfct^einung
ber tt>eiblictien Znatljematifer 3U fagen. 3^1 fenne Silber
von £aura Safp, £1. Sorromeo-(5rino , CL Cambroni,
(5. 2lgnefi, C ^erfdjel, 5. (5ermain, 2X1. SomeroiHe,
5. KomalefDsfy. Der Kopf ber (Sermain ij! abgegoffen,
bas Bilb ber KoioaleiDsfY iji ein pl^ologramm nad| ber
Ztalur. Die anberen Silber pnb Künfilerbilber unb idti
wcx% nid|l, mieoiel fle n>erll| finb. Die <5ermain unb
C ^erfd^el liab^n männlidie 5ormen, befonbers jene.
Die Kowalewsfy unb £aura Saffi (äffen stoar aud| bas
®rgan erfennen, inbeffen i^al es fosufagen weibUd?e
5orm angenommen, wir fetten fein ^erab^rängen t>es
Cibes, feine j!arfen Srauen, fonbern bas ©rgan \% wie
idl oben fagle, ,,in bie ^öl|e gebaul". 2In ^cn übrigen
Silbern, bie aud| als foldje nid|t Bieroorragenb finb, ij!
nidjl oiel 3U feB|en. Pielleid^l liegl ber 5eI|Ier am
Künfller, bem es am IDeibe nodi ^^it^ »iberjireben
^0*
|/]^8 m« Ucber bas matl^emcttifd^e 0rgan.
mtrb; anfdicinenb unfdjöne Silbungen toicbersugcben,
als beim 2JTanne. IDenn xdti audj pon bcn in bcr
Citeratur genannten ^JTatljematiferinnen feine gefeiten
Ijabe, fo Ijabe xdi bodf eine HeiE^e von 2JTäbd|en prüfen
lönnen, bte porsüglid? ted^neten unb sunt Cl^eil im Isolieren
Unterridite iljre malt|ematifd|e Einlage bargetljan l^atten.
Sei aßen u>ar bas matl^emalifdie ®rgan ausgebilbet
ipenn audj fditoadi, unb immer toar t>ie ^fymmetrie 3U
(ßunfien ber linfen Slirnecfe oorl^anben. (Einem Künftler.
äuge toirb eine fiarfe Stirnecfe unb erfi red|t eine
^fymmetrie am IDeibe unfd^ön unb ftörenb porfommen,
er u>irb fie mit Hed?t ebenfo als einen Vcx^o% gegen
ben toeiblid^en Cvpus empfinben, n>ie ber Unbefangene
bas matl|ematifd|e Calent mit ber tDeiblidjen (5eiftesart
nidjt vereinen fann.
Sielet man von ben roenigen roeiblidien IDefen ah,
bie „aus ber ^rt gefdilagen" finb, fo giebt es -faum
einen fdirofferen (5egenfafe als ben ZHatljematiferfopf
unb ben IPeiberfopf einerfeits, ben XlTatEiematifergeift
nnb ben IDeibergeijl anbererfeits. Die 2lntIjropoIogen
betrad^ten bie geringere 2lusbilbung bes ^ugenl|öl^len»
ranbes gerabesu als ein Kennseidien bes toeiblidien
Kopfes, bes. Sdjäbels. Seim normal gebilbeten IDeibe
ift bie Stirn fdimal, bie Stirnecfe eingesogen, bie Um»
ranbung ber 2lugenB|öE|Ien nät^ert fxdi bem Kreisbogen,
bie 2lugenbrauen finb gefd^mungen, iE|re ^aare jtnb sart,
fürs unb fpärlid?, ja bei oielen Weihern ift ber äu§ere
2lbfd]nitt ber 2lugenbraue im fpäteren 2Hter oeröbet (audi
oEjne ZlTy^öbem), es ift feine 2lfYmmetrie oort^anben.
©dambrie*
III. Heber bas matl^ematif c^c (Dx^arx, \(iß
Der Kopf bes Durd^fd^mltsmanncs ftcB|t in bcr
^TTilte 3ir)ifd|en öcm 2JTatl|cmatiferfopfc unb bcm IDeibcr*
fopfc, \ot>a% jener als bie Steigerung t>es fpecififdi
männlidien Cypus erfdieint Salb näB|ert ftd? bie 5orm
ber Xnännerjlirnecfe meB|r bem einen (Extrem, balb mel|r
bem anberen. €5 ift nun fet^r intereffant, ber 5ad|e bei
bebeulenben ZHännern nadjsugeljen unb 3u finben, t>a%
^a, xx>o bie Stirnecfe jid^ ber tDeiblidjen 5orm näEjert,
^as maltiematifdie Calent gans feljlt, ^a% es rort^anben
ift in bem (5rabe, tt>ie bie Stirnerfe ftd? entioicfelt,
tteljmen roir bie brei großen Claffifer ber Citeratur,
(5oetEje, 5ct)iIIer, Ceffing. Don aH^n brei B|aben wir bie
(5eftd)tsmasfe. (5oetB|e's Stirnecfe ijl fd?Ied|tu?eg meibHdj,
SdiiHer jiel^t in ber ZHitte, Ceffing B|at andi beutlidjes,
wenn a\xdi Heines matl^ematifd?es ©rgan. 31* ^i^
parallele sroifdjen (Beiftesbefdiaffenl^eit unb 5orm nid^t
überrafdienb ? 5öft ebenfotoenig Slirnerfe mie <5oelB|e
I^aben £utB|er, Seett^ooen n. 21., pon benen ZlTasfen oor«
liegen. (5el^t man u^eiterE^in bie portraits ber (5eIeEjrten
unb Künpier burd?, immer finbet man biefelbe Ueber«
einftimmung von innen unb aujgen. Hapl^ael l:iat roeib»
lidje, Znid^el 2IngeIo männlid^e 5orm. Did^ter unb
tEl^eoIogen E^aben burdifd^nittlid^ tt>eniger Stirnecfe als
Bilbl^auer, 2Irct?itecten, Haturforfdier. ZTTan oergleictje
Blograpl^ie unb Portrait fo oiel man toill, immer mirb
man biefelbe £eB|re finben, je mel^r Stirnede, befto meE^r
matE^ematifdies tEalent ober Sinn für (Brögenoerl^ältniffe
überE|aupt. probe unb Gegenprobe ergänsen fid? aufs
Sd^önfte.
^50 ni. Ucbcr bas matfjematif d?c 0rgan.
Ztun bleibt nodi bte gro§e JJTaffe ber ^gciPot|hüd|cn
XHenfdicn'' übrig* (Seiti man aufmcrffam burdj bie
Strajjen ber Stabt, fo fammclt man binnen Kursem
Caufenbe von Seobad^tungen unb überseugt [xdi baoon,
ba§ unter einigen Caufenb nodi nidit ein JJTann iji, bei
bem man pon einem matE^ematifd^en ®rgan reben
fönnte. Unterfudien fann man freilidi auf ber 5tra§e
nidjt. ttatürlidi Ejabe xdt audi auf bie Stirnbilbung bei
meinen patienten gead^tet, feit id| (SaE's WexU fenne.
(Einige 2JTaIe liabe xdi 2lnbeutungen eines matljematifdien
©rgans gefunben, oI|ne ba§ nadj 2lu5fage ber £eute ein
Calent 3um T^^dimn oorijanben geujefen wäre. 3cti
laffe es bat|ingejlent fein, wie biefe S^Vie 3U erüären
finb. (5en)öljnlidj Ijanbelte es fxdi bei gut enttoicfelter Stirn«
ede um Kaufleute, Sanfbeamte u. f. »., bie angaben,
t>a% iljnen bas Hedinen leidet falle, bie aber feine (ße«
legenEjeit 3U weiterer 2lusbilbung gefunben Blatten. (£ine
Silbung ber Stirnede wie bei einem 2JTatI|ematifer Ijabe
id7 erjl jüngft bei einem älteren 2lrbeiter gefunbeYi. Der
2JTann Ijatte befonbers linfs einen jlarf entwidelten Proc
oss. front, zygom., im Uebrigen einen Seinen, ungünftig
gefalteten Kopf. (£r jiammte aus Sd^Ieften, I^atte nur
bie Dorfd|uIe befudjt. (£r E^abe Ieid|t gelernt, [xdt S^m
(£rj!aunen ber Umgebung afles gemerft unb fei im
Hedinen immer ber (Erfte gewefen, jeboii feien fie in
ber 5d|ule nid?t weit gefommen, ^a ber £et|rer meiji
betrunken gewefen fei, unb fpäter I^abe bie ttott^ bes
£ebens jebes XPeiterlernen r)erl|inbert.
Wir wiffen aUsuwenig von ber fintwidelung bes
Cietbnt^
IIL Ueber bas matljematif c^c 0rgan. \5\
<5cljirn5 unb bes Sdiäbcis, als ba§ toir bel^auptcn
formten, btefe ober jene 5ormeigentt|üntItdifett Knne nur
auf €tne XDeife enlftel^en* <£s roäre baB|er oermeffen,
3u beljaupten, ba§ eine parfe <£ntir)icfelung ber Stimecfe
ol|ne 2lu5naljme mit Hedientalent perbunben fei. 2JTan
fann [xdi aflerlei 2JTogIidifeiten benfen unb erji toeitere
Unterfudiungen roerben seilen, wie bie feltenen 5Ätte, bie
[xdi ber Hegel nid^t fügen tDoflen, su beurtljeilen pnb.
2tudi bie 5tage, iniDietDeit Haffenunterfd^iebe bei
ber Bilbung ber Stimecfe in Setrad^t fommen, ijl por
ber ^anb nid|t genügenb 3U beanttoorten. 3" größeren
inengen Ijabe idj bis jefet au§er ^en 2)eutfd|en nur
3taliener, finglänber, 3«^^" betradjten fönnen. 3dl
fann nid^t finben, bajj bie Stirnranbbilbung bei bem
einen Polfe anbers tx>äve als bei bem anberen. Die
fiigentijümlidjfeiten ber ZlTatljemaliferföpfe pnb auf jeben
Sau überaE biefelben, foweit man nadi ben Silbern
urtl^eilen fann. 3tttereffant u>ar mir, ba§ idj audj bei
matt^ematifdt begabten ^apan^tn bas matt{ematifd}e
0rgan gefunben liahe, obtoo^i bie 3öpaner im 2tnge«
meinen u>enig Stimecfe 3u I^aben fdieinem
Ueber bie <£ntn>icfelung bes matljematifdjen ®rgans
im inbipibueEen £eben enblidi «fi nodi n>«nig 3U fagen.
Wk bos mattjematifd^e Calent fd^on in ber Kinbljeit
Ijeroortreten fann, fo fann man audi bas matljematifctie
®rgan fd^on bei Kinbem beobadjten. ZlTan oergleid^e
bie 2lngaben <5aE's. 2tud^ idi l^abe foiPoEjI bei Kinbem,
bie pdi burdi (ßefct|icflidifeit im Hed^nen aus3eict|neten,
als audi an bcn Kinberbilbem pon UTatt^ematifem bas
^52 in. Uebcr bas matl^cmattf(^c (Dx^an,
©rgon beobttäitet. fjot bie Uebung auf bie förperlidje
5orm «inen €injlu§? 3di bin auf ben (5ebanfen ge*
fommen, btt§ befonbers bie fjYperpIafte ber It)eiditt|eile
{bk Swnotime öer ^aut unö ifjrer 2(nljänge, audi öas
It)ttdifen ber ^tugenbrouenfjaore) burdj bie Uebung be-
fördert n>crbe, ba§ menigftens fjier ber €injlu§ ber
Uebung am beutlidjjien fei. €inige Seobadjtungen
fdjienen mir bies barsutfjun, inbeffen mag meine ZHeinung
vorläufig nur als Permutt^ung gelten.
ffi. ßoht.
Ueber Bilöer*
Bei feiner fepfjaloffopifdjen Untcrfudiung jtnö
portroits 3u enlbefjren. Denn, wenn oudj öie Ejouplfadje
bie Prüfung öes Cebenben tji, bas Mbaftifdje 3"tercffe,
Me Unmöglidjfeit, alle in Setradjt fommenben Cebenben
3U unterfudien, ber bered^tigte Wnn\<ii, andi öie Per»
ftorbenen Iierbeisusieljen, smingen uns, sunt Portrait iju
greifen, ja rxadi ber Cage öer Dinge toeröen bie Portrait*
Unterfudjungen öer gö^ll nadj x>or ben Cebenöen»Unter«
fudjungen 3u jlefjen fommen. Wxt muffen beslialh
fragen, toeldie Darjlellung öes Kopfes entfpridjt ben
beredjtigten 5oröerungen nnb inn>ieu)eit ftnb öie oor*
liant>cnen Silbniffe braudjbar?
gtoeifellos roäre bas Bejle eine breibimenftonale
It)ieöergabe, bie öem Originale glid)e. Sd^einbar er»
füllt ber 2lbgu§ bes Kopfes afle Forderungen. IDir
liahcn bisljer nur bas (5ipsi>erfal|ren, ber (5ips aber
giebt bie 5orm nidjt getreu roieber, feine Sdiwete be*
w'xxh Perfdiiebungen ber ujeidien Cl^eile, bie 3U beträdit*
Hetzen 3rrtliümern füljren fönnen. ^(flerbings u)iber»
ftelien bie lebenden Cljeile in getDiffem (ßrabe bem Drucfe
H5^ ni. Ucber bas matl^cmattf(^c 0r$an.
ÖC5 (5ipfc5, an Ccidicnföpfcn aber fommt es unter Um*
fiänben 3U ftarfcn Dcrunftaltungcn. 2(udi iiängt nidtt
xoenxq von bcr (5cfdjicfKdjfcit bcs (5ic§cnbcn ab, Seim
Ccbcnbcn ift bie Unanndimlidifcit bcs Pcrfal^rcns ein
praflifd^es fjinbcrni§, benn UTandjc toollcn jidj bcr 2lb«
formung, bcr rcid^Iid^e 3cl|aarung bcfonbcre IPibcrfiänbe
entgcgcnftcflt, nidjt unterstellen. 3mmerB^in u>äre redit
feljr 3U u)ünfd)en, ba§ bie 2lbformung bes Cebenben
I^dufiger als btsl^er ausgefüB^rt toürbe unb ^a% gefd)itfte
£eute fxdi in bem Derfat^r^n übten» Kommt es nur auf
bie IPiebergabe ber fnödiernen 5orm an, fo barf man
[xdl auf t>en 2tbgug perlaffen. 2luf je^en 5^11 toirb ber
^^dug sufammen, perglidjcn mit anberen 'DarfieHungen,
dugerft u>ertB|POÜ fein. Ptefleidjt gelingt es in gufunft,
ein IHaterial 3U finben, bas bie TXadiiiiexie bes (ßtpfes
nidjt liaU
2lbgefel|en »om 2lbguffe, iji ^as 3beal besB^alb nid)t
3U erreid^en, roeil oollfommene Creue nur oon einem
pB^Ypfalifdjen PerfaB^ren 3U erujarten ift, ein foldies aber
bis jefet nur 3i©eibimenfionaIe 'Darj^ettungen liefern fann.
Znit anberen IPorten, bie Süfte t^at nid^t bie (Sewähtt
DoIIfommener Creue, bas pB|ologramm iji mangell^aft,
toeil es bas förperlidie (5ebilbe auf eine fibehe projicirt
Sei ber Büfte fommt nalürlid? afles auf ^en Künfller
an, barauf, t>a% biefer bie 5ciB|igfeit unb ^en guten IPitten
liat, in Creue bas iPaBjrgenommene n>ieber3ugeben. gu
forbern ijl ^lusfüBjrung in Cebensgröge.
7lndi bei bem pt^ologramme fommt auf ben pE|oto-
grapljirenben piel an unb neben guten Apparaten, guter
iFranj Unimann.
m ]
fbpto
hei
m
auf
Soll
ob
Uehev Btlber. ^55
Ccdjnif btandi^n mit biefcIBcn €igenfdiaften, bie n>ir
»om Künftler fordern. Die natürlidjen Znängcl bes
pB^otogramms fönnen sunt CI|ciI öoburdi ausgeglid^cn
werben, ba§ ein poHfornmenes pl^otograpljifdies Silb in
brei 2lufnal|men serlegt toirb, eine gerabe oon oorn,
eine pon red^ls, eine von linfs. 3e größer ber Kopf
auf ber pI^otograpt|ie ijl, um fo beffer ift es, auf jeben
SaU barf unter eine ge»iffe (ßröge nid)t I|erunterge»
gangen »erben. 3^1? fenne stoar toirflidi gute Bilber
in fog. Dijttenfartenformat, bie nur ^^n Kopf entljalten,
aber DarfteDungen ber gansen 5igur in biefem 5ormat
jtnb faji immer unbraudiban Itatürlid) foHte bas pl^oto»
gramm nidjt retoud^irt fein.
Pielleidit entfd?Iie§en fidj bie pt^otograpl^en mit ber
Seit, „n>iffenfct|aftlid?e portraits" Eiersujleflen, bie un»
retoudiirt ^en Kopf oon oorn unb oon beiben Seiten
geben unb fo forgfältig Ijergepellt finb, ^a% afle Der*
fdjiebenl^eiten ber Bilber auf Perfd)iebenl>eiten bes (Db*
jectes 3u besiet^en jtnb, Der DortB^eü ujürbe mannig«
fallig fein.
ZHalerbilber oereinigen bie Hadilt^eile ber flfäd^en«
Eiaften Darfiellung unb ber IPiflfür. Dagegen liahen
fie, abgefel^en pon ^cn geidjnungen, ^en Portl^eil ber
5arben.
3n IPirflidifeit finben toir bie in unferem Sinne
befriebigenben DarfteHungen feE|r feiten. ^us bem
^Itertl^ume Bjaben n>ir Büften, (Bemmen, ZHünsen. 3"
ber diripiidien geit oerftel bie Kunft rafd). Xladi einer
langen paufe erjleB^t fte im Mittelalter oon 5^euem unb
H56 ni. lieber bas matf|emattfcf?e 0rgan.
nun treten 3U ben plaftifdien Darjienungcn (Ddbilbcr,
^olsfdjnittc, Stidje u. f. w, 3" ^injtd^t auf t>as por*
trait scrfäHt bie ganse gcit in stDci Zeitalter, tas pt^oto*
grapl^ifdie unb bas oorj>t|otograpB^ifd)c. Por ber (£r*
finbung bcr Cid^tBiföcr toar ber ^bgug ^as cinsigc
mcdianifdje Derfat^rcn unb um fo mct|r ift es 3U bc*
baucrn, bag toir fo tocnig ^Ifegüffe aus älterer geit be-
fifeen. £5 ip unbegreifltd?, ba§ ber XOcviii eines treuen
Silbes fo ujenig erfannt toorben ijl, um fo unbegreif •
lid^er, als bie naioe ^uffaffung mit ber tDiffenfdjaftlidien
pdj betft ©er naipe ZlTenfdj oerlangt nidjts oon einem
Bilbe, als bag es bem (Originale ätinlid) fei, bas (Original
ift il^m Dilles, ber Künftler nid|ts. (ßerabe fo benfen
ipir. Vet Künftler aber rümpft bie 5^afe über bie bloge
^el)nlidi!eit, iljm iji bie „fünjiterifd^e 2(uffaffung" bie
fjauptfadje. Streng genommen follte bie portraitfunft
gen?iffermaagen pon ber übrigen Kunft gefdjieben fein.
3n biefer t|errfd?t 5.reit^eit, in jener gmang, I|ier fdiaßet
ber Künftler nadj Selieben, , folgt feinen (Eingebungen,
bringt im (5runbe genommen feine perfon 3ur (Er*
fdieinung, im Portrait aber foHte er ein getreuer Kned)t
ber Hatur toerben, ber auf alles €igentl^um oersiditet
unb gern oor bem (Originale perfd)U)inbet lDaB|rfd?ein-
[\dl liat es fold^e red)te portraitiften gegeben, aber ein«
mal genügt bas Streben Tiid|t, ber WxVic 3ur Unperfön«
lidlfeit ip nodj nid)t Unperfönlid^feit, 3um 2lnbern bürfte in
9 t>on ^0 5äflen bie Künpierfubjectipität, betougt ober
unbeujugt, burdj ^as Portrait nidit eine bloge Xladi'
al^mung, fonbern eine KünjHerleipung beafepd)tigt Ijaben*
lolr* iFaullfaber.
Ueber Bilbcr. \57
Vas gicl war «in im Sinne bcs Künfticrs gutes Silb,
X>erl|errlid)ung bcr Kunfi, Pcrt|crrlid]ung bcs Künfticrs»
ITatürKdj fann ein Portrait iiohtcn fünftlcrifd^en IPcrtij
iiaberx, andi wenn es nidit gans äljnlid? iji. Stände
aflemal unter bem Bilbe, ob es ein getreues ober ein
fünftlerifdies Portrait ift, fo wäxe nxdtts einsutoenben.
ipie bie 'Dinge aber roirflid? liegen, muffen wxv vot
jebem toeniger guten Bilbe fragen, miepiel wxv burdj
bie Unfät^igfeit bes KünjHers perloren B|aben, por jebem
guten Silbe, toiepiel ber Subjectioität bes Künftlers an-
gel|ört, 'Den KunjlgeleB^rten ift bie Sadte gans red)t,
für fie ip bas (Original ein ZHobeH, axx bem . fidj bie
Kunft geübt I^at. UTan urtB^eilt ja über ^en VOextii bes
portraits oB|ne bie Urbilber 3u !ennen; „£in fdjöner
Pelasques", „ein fdiöner x>an Vyt", barauf !ommt es
an, fie feigen im Portrait fd^Ied^tweg ^en Künftler. TXlan
meint, ber Künftler folte ibealifiren, bas Unu)efentlid]e
ausfdieiben, bas IPefentlidie t|erPorI|eben. 2(ber u)ot|er
ujeig ber Künftler, roas mefentlidj ijl? Dielleidit fagt
man, bie äftt|etifdie 3etrad|tung lettre, ob bie ^etinlid)*
feit „im l|öl^eren Sinne" oorB^anben fei, <Sew'x%, wenn
man 3. 'B. bas Silb 3ulius IL t>on Hapl|ael betradjtet,
fo fagt man pd) unn^illfürlidi : ber UTann lebt, fo mu§
er ausgefetien E|aben. ^ber toer beroeift, ba§ er fo aus«
gefeiten t^at?^) Kann nidjt gerabe ber große Künftler
^) IHan iann es aücrbtngs unter Umftänbcn bcipctfcn, wenn
ndmlidi ber Scf^äbel ober eine 3uoerIäffige XUasfe ^e^eben ift. €5
beipeifen bas bie ntd^t genug 3U fd^äfeenben Unterfucf^ungen
IPelcfer's über Sd^iüer, Hapt^ael, Dante. 2lhex wie oft liat man
ben Sd^äbel ober bie XUasfe?
H58 in. Uebcr bas matl^ematif(^c 0rgan.
bem Silbe, bas iljm oorfditoebte, bas feine pljantajte
aus bem Silbe feiner klugen gemadjt Ijatte, bas ^ehen
einljaudjen, fosufagen eine neue perfönlidifeit fdiaffen?
2(uf jeben ^aH ftnb wxv oerpjliditet, alle Künftler^
bilber nur mit groger Dorftd^t 3U u)ifyenfdiaftlidien
Sn^ecfen 3U oertoertlien. 7lm nädjften liegt es, oer*
fdjiebene Silber berfelben perfon 3U oergleidien : IPas
allen gemeinfam- ift, I^at ^nfprudj auf (ßeltung. 5teilidi
mug man ba minbejlens brei Silber Ijaben. 5^rner
fommt bk innere IDalirfd|einIid?feit in Setradjt. 3^
mandjen 5ciflen tjl es feEjr leidjt, ju fagen, bas unb bas
ift falfdj. 3d^ erinnere mid) 3. S. einer antifen Süjle,
Bei ber nidjt nur bie obere Stirn, fonbern audi bie
(5egenb über ber Ztafena>ur3el (ßuerfälten trägt Das
ift nid^t möglid?, bas muj3 ein ungefdjidter Copift ge*
mad)t I^aben. (Ein anberes Seifpier fjt 5d)itter's CoIoffaN
büjle oon 'Dännecfer, auf ber ber Did^ter beinat^e einen
IPaffetfopf I|at, 3"^^ff^" oerfagen unfere Kenntniffe oft.
(5erabe in Se3ieliung aiif bie 5örm bes Kopfes finb ber
HTöglidjfeiten öiele. Vaixx fommt, ba^ ber Künftler in
ber Hegel fein fjauptdugenmerf auf bie <ßefid)t53Üge
toenbet, bie Cl^eite, bie nadj ber allgemeinen ZHeinung
nid^t 2lusbrucf ber feelifd^en (Eigenfd^aften finb, mel^r
ober toeniger oernad)Iäffigt ^anbelt es fid? um unge*
ujöt^nlidie 5ormen, um ^Ifymmetrieen u. f. w., fo roirb
ber Sd^önl^eitbrang bes Künftlers leidet ba3u füljren, ber
Hegelmägigfeit, ber Symmetrie 3um Siege 3U I^elfen
(pgL bie Semer!ung (SalVs auf S. 266 biefes Sud)es),
3m ^lUgemeinen u)irb bei ungemöl^nlidien 5ormen, 3U«
>>r-^-
M. iFaraiaij.
Heber Btlber. \59
nädt^ bei bet abnormen Silbung bes 2lugent|öyenranbe5,
ein KünftlerBilb nur ^ann als Setveismittel btenen fonnen,
roenn es pofilio \% b. li. wenn bie fraglidie Silbung stt
erfennen ip. Dann freilidi ijl gerade bei KünjMerbilbern
darauf (Sewxdit 3U legen, benn bie ^tbroeidiung oon bec
Hegel mu§ fo beutlid) geipefen fein, ba% jte ben Künpier
Strang, fte im IDiberfprudie 3u feinen nalürlid^en Hei«
gungen »iebersugeben. Sefonbers bebenflidi n>irb bie
Pertoertljung, toenn bas Silb nidit Cebensgröge f^at,
Coloffalbarfießungen bürften faft immer unbraud^bar
fein. 3m 2lllerlt|ume foflten £oIoffaIföpfe nidjt foix)ot|I
Portrait^ als Perf^errlidiungen fein; fie rourben bann
nidjt naturgemäß, fonbern ftilgentäg bef^anbelt unb nadj
(5ötlerart ins Uebermenfd^Iidie getrieben. 3n ber neueren
Seit bürfte ^wat bie beu>u§te Dergöttlidiung nidjt in
53etradit fommen, aber ber (trieb nadj bem JTlonumen«
talen betoirft bodj Pergröberung unb Perserrung ber
5ormen. 3di oeripeife mieber auf bie SdiiHerbüjle; in
ber lebensgroßen Süj!e f^at Dannecfer ein ausgejeidinetes
lüerf geliefert, bei ber £oIoffaIbüj!e f^at if^n ber lüunfdi,
bie Sreite ber SdiiHerjHrn beutlid? 3U madjen, 3ur JTlig*
gej!altung gefül^rt. 3" £linfid|t auf bie (5ejialtung bes
2(ugenI|öI|Ienranbes Ijabe id^ fef^r piele Coloffalbü^en ange-
feE^en, ^a finbet man tDüIfte bei Köpfen, bie in ber IDirfüdi«
feit gar feine Spur baoon gel^abt E^aben. 2tIfo Dorftd^t ! Sa^
nodi weniger merben ZTTiniaturbarftellungen braudjbar fein,
befonbers (5emmen unb fleinere ZTTünsen. ^anbelt es fidj
bloß um ^eI|nHd|feit im 2lflgemeinen, fo mag man jie t|eran«
sielten, bei ©etailfragen fommen fte faum in Setrad^t.
^60 in. Ueber bas matt^ematifd^c (Drgan.
€tnen ungel^curen 5orlfdiritt f^abcn wit burd?
Me €rftnbung bcr Cid|tbilber qcmadit, man tann
bafür gar nid^t batifbar genug fein. Was f^ätte
(Sau Icij!en fönnen, toenn il^m bie pI|otograpI|ie 3U
(Schote gefianben Ijättc! 3nbcffcn mu§ man oft bie
pl^otogramme neE^men, tt>ic man fie befommt, unb fic
ftnb burdiaus nid^t immer fo, wie fte fein foHten. Doli»
ftänbige, b. f^. bteifaAe ^ufnal^men oon Köpfen finbet
man nodj nirgenbs. 'Das befte VOext, bas id? fenne, ifl
bie Sammlung gried^ifdjer unb tömifdjer portrails, bie
oon ^. Brunn unb p. 2(rnbt oeranfialtet, oon S* Srucf •
mann E^erausgegeben tDotben ip, aber aixdi f^ier E^at
man ftdj auf swei 2(ufnal^men (eine oon oorn, eine oon
redits ober oon linfs) befd^ränft, mal|rfdieinlidi in Hücf»
fid^t auf bie Koften. We\% man erft einmal, wie fel^r
redjts unb linfs bei bcn meiften ZHeufd^en unb aud^ bei
naturgetreuen Süjlen perfdjieben finb, fo mu§ man bie
Beredjtigung meiner 5orberung anerfennen. Sei ^en
geix)$I|nUd|en pE^otogrammen fommen weitere Sd^wierig»
feiten ba^n, Der pI|otograpI| wiH ein fdjönes Silb
liefern unb er mug es, benn er mad|t fd^Ied^te (5efd^äfte,
wenn fxdi bie Ceute auf iE^ren Silbern nidjt gefaQen.
2(Ifo wirb bie Stellung nad? äpi^etifd^en Hücfftd^ten ge«
wäE^It unb wirb bie plalte retoudjirt. Cid^t unb Sdjatten
jtnb nid^t immer fo pertl^eilt, ba% man feigen fann, was
man feigen wiß. 3n meiner Sammlung Ijabe xdi pl^oto«
gramme oon JTlatl^ematifern, auf bcnen Hiemanb bas
matt^em, ®rgan beutlidi erfennen fann, unb bodj weig
xdl ans ber Setrad^tung bes Cebenben, ba% bie Darge«
Ärgeianier-
Heber Bilber. \^\
fcQtcn ein ausgeprägtes matl^ematifdies 0rgan l^aBem
(5any befonberen Perbrug bereiten bie Sriflen, es foKte
poUseilidi verboten fein, bag ftd^ aiattjematifer mit ber
53riIIe pl^otograpl^iren laffen.
Zladt aDebem x^ es bis ]e^t um bas Portrait fd)(ed)t
bejIeDt JTlan foßte meinen, ba^ es für ben ZlTenfct^en
fein miditigeres unb ansiel^enberes Stubium geben fönnte
als bas Znenfdjenljaupt, ba% insbefonbere bie Köpfe,
benen roir aües (5ute oerbanfen, jeberseit ein (Segenftanb
fon>oI|I ber €I|rfurdit als ber XDigbegierbe Ijätten fein
muffen, ba^ man bie äußere 5orm ber f^of^en (5eijler
minbeftens mit eben bem €ifer unterfud^t I^aben mügte
n>ie bie 5orm iljrer arbeiten, bie Perfe itjrer Cieber, bie
Cesarten in iljren IDerfen u» f. f. Ztein, nidjts berari
^ätte man (Sau geroürbigt, fo I^ätte man menigjlens feit
\00 3al|ren JTlaterialien fammeln, bie ZTletf^oben beffern
unb üben fönnen. Vodi (SaWs 2(rbeit mar im (Sanken
ebenfo umfonji, mie bie reblid^en, aber ungefdjicf ten
Bemüljungen Caoater's um bie pl^vftognomif» 3mmerljin
u>ar bamals in »eiten Kreifen ber gute IDiße oorijanben,
aber bie JTlittel f el^Iten ; bie Kunjl lag arg bamieber,
mangelf^afte ^eidinungen unb elenbe 5iIt|ouetten mußten
in ^cn meinen Säuen bas portraitbebürfnig jlißen* 3efet
f^aben roir bie ZTTittel, aber in ber Hegel feljlt es am
guten IDiDen unb befonbers am l^erjlänbniffe. (ßeleljrte
unb UngeleE^rte fd^märmen für bie f^of^e Kunjl, große
Summen roerben für bie „geippoüen" portraits einselner
KünjHer besaE^It, aber um bas, »orauf es im Sinne bes
IDiffens anfommt, um bie treue unb aUfeitige 5«Pl?ciItung
mdbius^ mat^emaiiUt. \\
\^2 III- Heber bas motljematifd^c 0rgan.
^er ^orm bcs Kopfes nnb bes (Scjtditcs, Kxmmcrtt fidi
-^fe IDenigft^ft, (ßeipig ijl es fdjön, ein gemaltes Sfl^
^er perfon in Ijaben, aber &ag man fidj bamit begnügt,
bas tfl ein 5eI|Iet. fiinselne Silbljauer,. wie unfet
Seffner, bemüljen jtd^ erfölgreidj ,^(5eip" unb (Ereue 3U
t>eteinigen unb tl^atfädilid? jinb iievdc m\e vov 2000
3al^ren bie pottraitbüflen ^as braudibarjle, toas bie
Kunji uns liefert. IDie tDeniger 5orm aber tann in
JTlarmor ober €r3 fejigeljalten roerben unb wie oft muß
ber KünjHer, ber erjl nadj bem (tobe bes TXlanms ge^
rufen toirb unb biefen piefleid^t gär nid^t gefannt Ijat,
mäl^felig nacb einer (Cobtenmasfc unb nad^ pljoto-
grammen, ober gar nur. nadj ^en le^teren, fein IDerf
anfertigen ? €rft muß es sur altgemeinen Uebei^eugung
werben, baß es bie pf lidjt ber ZTKtlebenben ip, bie 5orm
ber bebeutenben Köpfe fe^suljalten, fo treu unb fo oiel»
feitig wie irgenb möglid^. (£s fommt audj oor, ba% bie
Sejtfeer ber bebeutenben Köpfe aus übertriebener Se»
fd^eibenl^eit nidjts oon ber portraitirung wiffen wollen.
So beftfeen wir oon <ß. 5. 0I|m fein suoerläfpges 53ilb.
Der oortrefflid^e JTlann, beffen tDertlj feine Sexigeno^en
nxdit fdjä^ten, war aßsu befdjeiben; nadj feinem (tobe
Qßb es nur ein fd^Ied^tes pt^otogramm unb eine flüd^tige
ptoftlseid^nung oon £♦ ^eibeloff, banadj pnb 0elbi(b ünb
Züarmorbüjie angefertigt. 2tucli ber, ber nidjts pon
(Sau wiffen wiß, muß bei foldjen Seifpielen ftd^ fragen,
ob „bie IDiffenfdjaft ©om JTlenfdien" bas getl^an Ijat,
was pe tt^un foßte. ^a, wenn es fidj nidjt um einen
ber erjien pl^vfifer Deutfdjianbs , fonbetn um einen
iacobl
Ucber Bübcr: ^65
fjöl^lcnfdiäbcl gel^nbclt B|älte! Ejoffen toit, bdg bic
^ufunft beffcr tDcr^c. —
IDcnn idi hn 5oIgcnbcn bei bem J^erseidih^e bcr
liefern Sudjc bcigegcbcncn Silber bei einigen ZlTatlje*
matifer-Portraits ^nmerfungen madje, fo gefdiieljt es mit
bem 53etDugtfein, bag meine Kenntniffe gans ungehügenb
finb* IDoIIte id] fte petPoQfldnbigen; fo mügte ici) lang-
tpierige Slubien anfteßen, bie mid^ 3U weit von meinem
IDege abtenfen ipürben. 3d) bringe bas IDenige, was
idl ix)eig, oor, um Sefferunterridytete 3ur 2(u5füflung ber
Cücfen ansuregen.
' ^(rago, 5can3 (26./2. \786— 3./\0, ]i853). ^üfte.
tladi bem Stat^Iftidie bei ^. Sruy^res (La Phrenologie etc.
Paris 1^847).
2lrgelanber, 5riebr. Wühi. 2tug. (23./o. \ 7% bis
\7. 2. \875), Prof. b. 2(ftronomie in Sonn, ptjotogramm
nadj e^nem Silbe oon ^ol^necf H852.
b'2trrep, ^einrid? (\3./8. 1822— ^./6. \875).
pl^otogramm nadj bem Ceben.
Saffi, Caura TXlaxxa £atterina (3\./l0. \7\\ bis
20./2. \778). pE^otogramm nadj bem Silbe in Sologna.
Sttuernfeinb, Carl OTa^im. oon (t8./U. \8\8
bis 2./8. \89^), ©irector ber tedjn. ^odjfd^ule in 23Iünd|en.
p^iotogramm nadj bem Ceben.
Seffel, 5riebr. V0\% (22./7. \78^--\i/3. 1^6).
a) Stidi pon JTlanbel x\ai{ IDoIf. b) Zllasfe oon Beufd).
Das Original bes IPolf'fd^cn portraits gel^ört Seffel's
Cod^tcr, ber ;Jrau Derip. Conful Corcf. €tnc Kopte Ijängt in ber
Königsberger (SaUeric.
1^6^ m. Heber bas matljematifdje Organ.
ijemer ejiftiren ein 3. barjiellenbcs Daguerreotyp-Btlb unb
eine Don ^ertringer in 2Iltona angefertigte Kreibeseic^nnng bes
jungen 3., bie Don 2Ilbred?t in IHünd^en Derotelfältigt n>orben iji.
€ine IHaste B.'s ift leiber nic^t gemacht »orben.
Die „etn>as überlebensgroge" Büftc B.'s (im (Sarten ber
5temn>arte in Königsberg) i^at ^err prof. Heufc^ „auf (Srnnb
ber Silber unb möglic^ft auttjentifd^er perfönlic^er eingaben" ge^
arbeitet. ;Jür bie potsbamer 5temn>arte Ijat ber Künftler eine
lebensgroße (Sipsbüfte nadf ber Konigsberger Büfte angefertigt.
Dom IHobell ber lefeteren l^at er in liebensn>ürbiger 3ereitu>illigs
feit für mid? bie l|icr abgebilbete IHastc abgenommen. Sie um=
faßt bie Dorbere ^älfte bes Kopfes, cinfd^l. ber (Dljren; ber ^inter=
topf ber Büfte ift reine Conftruction.
^erm (Coli, ^alleroorbcn in Königsberg bin id? fiir feine
gütige Permittelung 3U großem Dante ocrpflid^tet.
So 6c, 3ot|. €Iert (\9./^ \H7 , £iambmg, bi5 23./U.
\S26), Dircctor ö^r Sterntoarte in Berlin. Cittjograpljie
oon Svxäe.
Sordiarbt, Carl IDilE^elm (22./2. \S\7 — 27.16.
\880), TXlatiiematiUx in Serlin. pl^otogramm nadi bcm
Cebcn.
Sruns, €rnp ^cinrid? (geb. t>cn ^, Scpt \8^8 in
Scriin), prof. 6er ^^ronomie in Cieipsig. ptjotogramm
nadj bem Ceben.
(Eonborcet, ZlTarie 3ettn 2tntoine Zticolas (Zaxitat,
marquis be (\7./9. \7^3— 8./3. (79^). Kupferfti*, „3U
ftnben bey ben (ßebrübern Klauber.''
3)elambre, 3ean Saptifte 3ofepI| (\9./9. ^7*9
bis \9./8. \822), prof. b. 2(ftronomie in paris. Stidj
pon S. ^oU nadt bem ©rigtnal oon SoiHy.
€nrfe, 3oB?. 5ran5 (Hamburg 23./9. \79\— 26./8.
\865), Dircctor ber Sternroarte in Serlin. Citljograpliie
nadi pijotogramm.
^. ®ljr. Sdjutnixdjer*
Heber Büber. ^05
€ngel, 5ticbricli (geb. ben 26. Dec. \86^), prof.
ber nitttlicmtttif in Ceipsig. pJ^otogramm nadj beut
Ceben.
€uler, Ceonf^arb (\5./^. \707— 7./9. \783). Stidj
Don Stenglin.
(Euler ifl pon €. ^anbmann (^7^8—^ 780 gemalt iporben.
Pas ^xlb fotl in Bafel aufbeipal^rt »erben. Xlädi xfyn ftnb trer*
fi?tebene Stiche angefertigt »orben. Da biefe einanber nid^t
gleid^en, fo l^aben entroeber bie Stecher fid? nid?t fheng an
iljr Porbilb geljalten, ober es Ijaben oerfd^iebene ^anbmann*
Bilber ejifttrt. Por3Üglid? fcbeint ber Stic^ Stenglin's 3U fein
(Qanbmann p., Berlin ^756, 3. Stenglin sc. petropoli ^768);
er giebt faft biet gan3c (Jigur, €uler blicft Ijalb nad? rechts unb
am Ixnftn 2Iuge ift bas matljematifd^e 0rgan portrefflic^ 3u feigen.
Pen fjinterlaffenen 5d?riften, bie ^862 p. ^. ^u§ unb ttic. ^n%
in Petersburg Ijerausgegeben Ijaben, ift ein Stid? oorgeljeftet, ber
bem Stenglin's äljnlid? ift. €r ift be3eid?net: €. ^anbmann p.,
(Jrib. IDeber sc., unb bie Unterfdjrift ljei§t: Leonhardi Euleri ima-
ginem aeri incidendam curavit grata civitas MDCCCLI. 3^^^*^ ^f^
l|ier bas redete 2luge Ijalb gefd^loffen, Ȋljrenb es bei Stenglin
offen ijl. €in anbcrer Stic^, oon (Ü. p. HTcd^el (^737—^8^8), ftellt
ein umraljmtes UTebaillon bar; ber Kopf fielet Ijalb nac^ lints
unb bie 2Iugen finb Ijalb gefd^loffcn, n>ic 3ugefniffen. Die Unter*
fd^rift befagt, ba% ber Stic^ nac^ ^anbmann-s Bilbe für bie
Bibliotljet in Bafel angefertigt »orben fei.
(Jemer giebt es Stid^e nad? einem Bilbe Don 3. Darbes
(Kutner ^780 u. 21.). Der Kopf fielet faft gan3 nadj lints unb
ift oon einer HTü^e bebecft. ttad? btn Had^bilbungen 3U urtljcilen,
wax bas Bilb oon Darbes eine geringe Ceiftung. €in anonymer
Stic^ nad? Darbes ift bem \. Banbe ber Correspondence de quel-
ques c^l^bres math^niaticiens, 6d. par P. H. Fuss, beigegeben.
5ara6aY, Znid^acl (22./9. \79\ — 25./8. \867),
pljvftfer in Conöon. TXadt bem Silbe bei göHnet;
IPiffenfdittftl. 2tbt|ttnbL I. vot p. ^\7. \877.
5auII^ttber, 3oI|. (\580— \635), 3ngenieur nrxb
Ztlattjematifer in Ulm. Slidj von Sebajitan 5urcf.
H^6 m. Ueber bas matljemattfd^e (Drgan.
S^ttol (geb. 3I./\2. ^86^), aedicnfünftlcr unb
Dpccnt in 2(fd|affctiburg. pE^otogtamtn nadi bcm Cebcn.
5örftct/rDiK|cIm (geb. bcn \6.Vec. \832), prof^
bjct 2lftronomte in Berlin. pI|otogramm nadt bem Ceben.
(ßalileo «alilei (\8./2. \56^ — 8./^ H6^2>
pljotogramm nadj ber alten Büjie in Corre be (ßallo.
<5.'s Kopf ift burd? beriiljmtc Silber allgemein betannt. 3ebcr,
ber in ^lorenj war, Ijat in ben Uffisicn bas (Semälbe pon 5uftcr=
mans (^597—^680 gcfcl|en. (ßalilei's Statue ftcl|t Dor ben Uffi=
jien, eine Büfte im römifd^en €onferDatoren=palafte. Befonbcrs
an3icljcnb ift bie ben „alten (ßalilei" barftellenbe Cerracottabüfte
in Corre be (Sallo. (PiUa (ßallctti), nac^ ber ^er (Sipsabgug ber
<5ebr. IHid^eli in Berlin gearbeitet ift. ^ier ift bas matl^ematifd^e
(Drgan Don ungemölinlid^er (Sröge.
IPeiterc Bilberrüljren Don Cintoretto (^5^2— ^59^), paffig^
nani u. 21. l|er. Cintoretto's (Semälbe ift Don H. Sd^iacani ge=
(tod?en morben. 3n hen Kupferftid^fammlungen finbet man ferner
Stid^e Don p. 2lubry, €1. 2lubran, (2). lioni u. 21.
(5ttug, Karl 5rieötid? (30./^. ^777— 23./2. 1855),
prof. b, JTlat^. unb Director ber Sternwarte in (5öttingen.
CitI|ograpI|ie pon Hittmüller nad^ b. (ßemälbe pon 3enfen.
(5. ift auf bem (Eobtenbctte baguerrotypirt morben. Das
Bilb ift Don 2lug. IPeger in Stal^l geftod^cn n>orben.
(Db bie intereffante Büfte Don Doppmeier nad? bem leben
gearbeitet ift, ober nad? u)cld?er Dorlage, habe id? nid^t erfahren
fönnen. (Eine Cobtenmas!e eyiftirt nid^t.
(ßermain, Sopl^ie {\.l% \776 bis 3uni ^830*
j^uste, moul^ sur la nature apr^s Ja mort". Stal^lftid?
bei £(. BruY^re (La phrdnologie etc. Paris 1847).
«vlb^n, J^ugo (29./5. Wl— ^896), prof. ber
^jironomie in Stocfl^olin. Xiadi 5» ©lö^nann.
J^anfen, peter »nbreas (8./\2. \795— 28./3. \87^),
©ireftor ber 5ternu>arte in (Sothia. pljotogramm nadj
bem tibcn.
^autf.
Heber Btlber. \67
£jauY, Hcnö, 3uft (2S.I2. \7^3— 3./6. \822), 2lbbd,
prof. bcr inin^ralogie in pari«. S* ZHaffarb deU
Hicbcl sc.
et ex \ diel, Caroline Cucrctia (\6./3. ^50 — 9./\.
|8^8). 2ftadi b«m Ccben gcs. u. gcft. oon (5. Suffe, \S^6.
Kepler, 3oI^anne5 (27./ V2. \57\— H5./U. \630).
PB|otogramm oon 2lug. Heb in £in3 nadi bem original
in Ktemsmünfler.
Von Kepler fennen bte UTetften bas Stragburcjer 3ilb. Diefes
jpar ein 0elgemälbe von tTörbltng aus bem 3^^^^^ ^600 unt> ift
^87^ 3u (Srunbe ^eqanqen, ttad? it^ finb Me metften 5tid?e,
3.3. ber 3- ^- ^eyben's (^637—^7^7), angefertigt €5 l)at auc^
bem Portrait K.'s in ber (Sefammtausgabe ber IDerfe von ^Jrifc^
als Porlage gebient.
€rft ncuerbings ift ein 3JPeites Bilb Kepler's aufgetaudjt»
fjerr Prof. Sdiwah in Kremsmünfter l^at bie (Süte getrabt, mir
barüber einiges mit3utl^eilen. Der 2Ibt 2luguftin Hesll^uber er3äl^It:
„3m 2lpril ^86^^ befud^temid? in £in3 ^err ttotar <£l)riftopl) (Sruner
in XPeilberftabt, mit bem id? fd?on längere geit in brieflid?em
Per? el)re ftanb, unb bot mir ein Portrait Kepler's 3um Kaufe an ;
basfelbe wax €igentl^um einer mittellofen ^amilie in IPürttem*
berg, bie nod? uon Kepler's Permanbten il)re 2lbftammung ah^
leiten foll." prof. Sd^mab l^at bas 3ilb oor einigen ^alciven von
einem fadjperftänbigen UTaler unterfud^en laffen. Diefer erklärte
mit Beftimmtl^eit, bag es meifterl^aft ausgefüt^rt fei unb bag feines
IHalers ^anb einen Strid? feit feiner PoUenbung l^in3ugefügt ober
reftaurirt l)abe. 3" ^^^ ^^^ red^ts oben ftel^t: Aetatis suae 39.
^6^0. Ueber ben IHeifter ift nid^ts befannt.^)
Pergleid^t man bie beiben Bilber, fo ift ujol^l fidler, ba%
beibe benfelben IHann barfteüen, ba% aber beträd?tUd?e Perfd^ieben«
l^eiten beftel^en. Das (5efid?t ift auf bem Kremsmünfterer Bilbe
l^agerer,. alle güge finb fd^ärfer, bie 3arttrad?t ift anbers, 2lb=
n)eid?ungen, bie gut bamit ftimmen, t>a% K. l)ier ^o 3cil?r älter ift
^) Prof. Sdiwah meint, ptelleid^t fönnte ein ^orfd^er in
präg, wo K. ^6^0 mar, burd^ Pergleid^ung mit anberen gleid?=
3eitigen portraits t>en Künftler ausffnbig mad?en. €s l\ahe bas
nod? Zliemanb oerfud^t.
^68 in. Ucbcr bas matl^cntatifc^c 0r9an.
als auf bcm Stragburgcr Btlbc. Die ^orm ber Stirn \ebodi fonn
jic^ nid?t änbcm unb K.'s Stint fann nur bcr auf einem ber
Silber geglichen l^aben. Der Stragburger K. iiat eine fetjr tjotje,
fteil auffteigenbe unb breite, int oberen Ctjeile ausgebaud^te Stirn,
bie etn>as an bie tjybroceptjalifc^e ^orm erinnert. Der anbere tjat
3n>ar aud? eine l^o^e unb breite Stirn, aber biefe »eid^t leicbt
5urürf unb ber (Sebanfc an Uebertreibung fommt einem nid^t
<E5 ift ujol^l an3unetnnen, bag bas Kremsmünfterer Bilb bas ge=
treuere fei.*) 2Iuf biefem ift eine IHerfmürbigfeit an ben grogen,
t>ebeutenben2lugen »al^rsunetjmcn : K. fd?ielt nämlic^, n>ie Haptjaels
Sijtina fd^ielt, b. tj. bie 2lugenad?fcn bicergiren. Das redete 2(uge
ijt etn>as nadf äugen abgen>ic^en. 0b bas beabftd^tigt ijt, unb
wenn ja, ob bas Dorbilb fo gen>efen ift, ober ob es ein Kniff
bes Künftlers ift, bas mag bal^ingeftellt fein. 2luf bem Strag-
burger 3ilbe jtnb bie 2ld?fen ber etmas matten .2lugcn parallel.
Die gewaltige Stimerfe ift übrigens auf beiben Bilbem gut 3U
feigen.
Klein, ÄcKj (geb. ben 25. 2lpril ^8^9 in Süffcl-
borf), Prof. b. 2JIatB|. in (ßöttingen. pB|otogtamm
nadi bcm £cbcn.
Kopcrntcus, Zticolaus (t9./2. ^^73— 2^./5. ^5^3).
fjolsfdjnitt nadi bem Sclb^bilbniffc.
Xlaö:i ^. ^ipler (bie portraits bes tlicolaus K. £eip3ig.
€b. peter ^875) tjat K. fclbft mit ^ilfe bes Spiegels fein Bilb
gemalt. Das Bilb fam mat^rfd^einlid? an Cyd?o Brätle, iturbe
meljrmals copirt. ttad? il^m ift ipal^rfd^einlid? ber ^ol3fd?nitt, ben
^ipler als älteftes K.=portrait be3eid?net, gefd^nitten »orben. Das
(5efid?t ift l^alb nadi l;nfs (com Befdjaucr) gen)anbt, bie ^anb
Ijält eine IHaiblume. Dem ^ol3fd?nitte fel^r äljnlid? ift bas <Sc-
mälbe an ber redeten Seite ber grogen aftronomifd^en Ul^r im
Stragburger Dome, bas um ^570 oon Cobias Stimmer aus*
gefül^rt »orben ift unb beffen 3wW^^^ft bc3eugt, bag es nad^ bem
Selbftportrait K.'s („2lutograpt^on") angefertigt ujorben ift. €ben»
falls äl^nlid? ift bas alte Portrait,, bas fid? auf bcm K.'Dcnfmal
in ber 3ol!annisfirc^c in Cl^orn befinbet (^583). €in brittes 3ilb
*) Ratten mix ben Sd?äbel ober eine IHasfe, fo tonnte bie
^rage nad? IPclcfcr's UTettjobc entfdjiebcn »erben.
fiepler.
Heber 3tt6er. \6^
fttUt K. in rotl^em, mit pel3 Dcrbrämtem <5ewanbe, mit bct
Spi{3ra in bei Herzten bar nnb iwax ifl bie ältefie Parflettung
bicfcr 2(rt ein 0elbilb bes 0ffolinstt'fc^en ^nfkituts in Cemberg^
bas möglic^eripeife noc^ aus bem ^6. Jt^^^^^^nbcrt flammt.
We^en ber Dielen fpäteren portraits tft auf bie intereffante
unb forgfältige Sd^rift ^ipler's 3U »eripeifen.
Kowalewsti, Sopljic (\5./^ \853— ^0./2. ^890-
p^otogramm nacf{ ^em Ccben.
Cagrange, 3oi^Pk touis (25./)l. \736 (Eurin bis
\0.H. \S\3), prof. b. Zdatit. in paris. A. Dalco ine.
nello studio Isac e Toschi.
£alan^c, 3of^pIjc, 3^«^o^^ I^ Stango\s be (U^7.
^732— ^./^. ^807, ptofeffor b. 2ljhronomie in paris.
KupfcrjHdj mit ber Sej. „Dicavit Janvier*'.
£a place, picrre Simon, TXlatqms be (28./3.
\H^—5p. 1827), Zriatfjematifcr in paris. KupferfHctj
(Naigeon pinxit, Tony Gouti^re sc).
Ceibnis, (ßottfrieb IDiHjelm (6./7. ^6^6—^^./^.
\7\6). (ßipsbüjic oon (ßcbr. XHidieli in Serltn; Porlage
unbcfannt.
<S. <E. (Sul^rauer (<S. XX). ^rettjerr o. £etbni3, eine Btograpt^ie.
Breslau ^8^6) bericf^tct, bag £. »äl^renb feines £cbens metjrmals
gemalt roorben fei, „aber nur feiten gelang fein Bilbntg". 3"*
3aljre X7XX rourbe bas 3ilb eines nnhetannten IHalers von
Bemigerottj gejtoc^en. Ulanc^e neljmen an, ber IHaler fei 2(nbreas
5d?eift. „Von Sc^eife ijt 3n>ar £. meljrmals gemalt, bod? nid^t
immer getroffen ujorben. Der Kupferftic^ von Braufe nad^ einem
<5emälbe von Sc^eife iji hef annt, »ä^renb ein Stic^ nac^ einem
anberen (Semälbe oon Sc^eife, in Dresben, bas neulich erfc^ien,
nid^t inljaltleerer fein fann," „IPelc^es original ^iquet gejtoc^en
l^abe, ijt nid^t leidet 3U ermitteln. Pte 2leljnlid?feit mit Bemige*
rottj's £. jteljt inbe§ fefl." „IDäl^renb feines 2(ufenttjaltes in IPien
(^7^^) würbe £. von Zok- <5ottfr. 2luerbad?, in £ebensgr5ge,
^albfigur gemalt. PaDon ift ein Kupferftic^ in ^dfwax^ex Kunft,
J[.70 ni. Ucbcr bas mattjcmatifc^c 0rgan.
Doti ^atb in 2(ugsburg, Dortjanbcn." (Ein 0clbilb befaß b^ \779
gcfiorbenc jitbifd^ ^Utattjcmatifcr Hapl^ael, bas gut beglaubigt
jDor. Ztad? biefem Bilbe ^at ,^787 ber t^annoDertfc^e Bilbtjaner
3ol^. <5ottfr. Sd^mibt eine coloffale 3üjte bes pt^ilofoptjen ge^
arbeitet. Perfelbe formte eine ^mexte 3üjie nad^ bem Stidje
Bemigerotl^'s, eine britte nadf einer <£opie bes (Semälbes, nac^
bem Bcmigerottj geftod^en Jtjatte.
Xtddi allebcm ift t>as "^auptbilb B^rnigerott^'s allbekannter
Stid?. (Ein genauer ^reunb £/s l?at oerfid^ert: „ber Stid? 3.'s
gleid^e fofel|r, als oh er £eibniften aus bem(5efic^tegefd?nittentt)äre."
2lud? ^err <5el^.=Hatlj Bobcmann t^atte bie (Süte, 3U be=
jiättgen, ba% 3cmigcrotl|'s Bilb bas befte .fei. Von ben auf ber
Königl. 3ibliotl|ef 3U ^annopcr porl^anbenen Bilbem £.'5 fei
feines mäl^renb feines £ebens angefertigt. €ine Cobtenmasfe
£.'s eyiftire nid?t.
Heber £.'s (Erfd^einung fagt ber il|m nal^eftct^enbc (Ecft^art:
€r wav „von mittlerer Statur, l^atte einen ctn>as großen Kopf^
in ber 3ugenb fd?u)ar3es ^aar, Heine unb fur3v aber fetjr fd?arf=
feljenbe 2lugen." „(Er befam auf bem Kopfe früt^jcitig eine fatale
platte, unb l^atte mitten auf bem XPirbcl ein (5en>äd?s von ber
(Srögc eines Caubcneies." <5en)öl^nlid? trug er eine ped?fd?u)ar3e
Perrücf e. „Von 5d?ultem n?ar er breit unb ging immer mit bem
Kopfe gebücft, ba% es fd?ien, als l^ätte er einen i|ot^n Hücfen.
t>om £eibe u^ar er mel|r mager als fett, unb ftunben il^m, ipenn
er ging, bie Beine humm unb faft in fold^er ^Jigur, ipie Scarrön
bie feinigen befd^reibt."
£eibni3 felbft nennt fein ^aar bräunlid? unb fd?lid?t, fein
(5efid?t fei blaß, bie Statur mittelmäßig unb l^ager.
£t(ijtenbcrg, (ßeotg (El^tipopl? (^/7. \7^^ bis
2^./2. ^799), Prof. b. pt^Yfrf in (ßotlingcn. Slic^
Cocbel's nadi fjcnfdjcl'^ 53üfte.
Znittag • Cefficr , (5öfta ZHagnus (geb. ben
\6. ZHars \S^6 in Stodiiolm), prof. t>. TXiatii. in Stocf-
B|oIm. pl^otogtamm nadi bem £cbcn.
JTCöbtus, 2luguP 5€rbtnanb (U./U- 1790 — 2€./9.
\868). Vas Silb tft nadi einem Vaqnetvotyp B^ergeft^IIt,
alfo linfs ift redjts.
fiop^rntcuß.
Ueber Btlber. \7\
monqe, Cafpar (\0./5. \7^6— H8./7. J18^8>
JT e u m an n , 5ran3 (^ \./9* \798 — 23./5. \895),
prof. bcr pt^Ypf i" Königsberg. (Eobtenmasf«.
nctDt.on, Sir 3faaf (25./^a t6^2 — 20./3. \727).
itadj öcm ßdjtbrude bei Zöllner, IDiffcnfdjaftlidjc ^b-
hiant>l I. (original von .\69\ in bcr pcpYJtan-CoIUction
in Cambridge).
Sir Damb Breipftcr (Sir 3fö^f ZIeiDton's £ebcn zc. Ucbev»
fcfet pon 3. in. (Solbberg. £ctp3tg ^833) tl)etlt ^olgcnbcs über
tteiPtonsBilber mit. tt.'s Pcripattbte unb (Erben errid^teten tl^m
^73^ ein Denfmal in ber IPcjintinfterabtei, auf bcm Zt. in rulien«
ber £age angebrad^t ift. €ine Denfmän3C mit H.'s Bilbnig
oDurbe H73]( im Cancer gef dalagen. (Eine IHarmorftatnc, bic Hou=
biUiac gearbeitet l^at, mürbe H755 in ber Porl)aIIe bes Crinity*
(£ottegium crridjtet. Von bemfelben Künftler ift bas Brujtbilb
in ber Bibliott^ef bes gleid?en (Kollegium. „2lud? giebt es met^rere
gute Bilbniffe von il)m; 3mei bergleidjen bcffnben pd? in ber
fjalle ber Königl. Societät 3U £onbon unb pnb, mie mir glauben,
oftmals in Kupfer geftod^en morben. €in anberes (Semälbe, von
Panbcrbanf, ift in ben (Semäd^crn ber IDolinung bes ITtafters
im (Erinity» (Kollegium unb ift von Pertum geftod^en morben. (Ein
anberes uon Palentin Hitts beffnbet fld? auf bcm £anbungspla^e
nal)e bem (Eingange in bie 3ibliott|ef bes (ErinitY=<£oIlegium;
aber bas befte . . . mürbe pon Sir (Sobfrcy Kneller gemalt unb
ift im Befife bes £orb (Egremont 3U pctmortl^. 3n ber Unioerfi»
tätsbibliotl^ef ift ein pon feinem (Se^d^t nad? feinem (Eobe ge=
nommener 2lbgug porl^anben."
XI, mar pon mittlerer (5rö§e. (Er I^atte im 2llter reid^lid^es
meiges ^aar ol|ne jebe Kal)ll^cit. Seine 2(ugen „l)atten etmas
5d?mad?tenbes" unb es „mar in ber gansen UTiene feines (5e-
fic^ts unb feiner (Seftalt tlid^ts pon bem burd^bringenben Sd^arf»
ftnne, ber aus feinen Sdjriften erl^ellt." €r trug nie eine Brille
unb perlor „in feinem gan3en £eben nur einen ein3igen gal^n.''
(Es mirb angegeben ((Eblefton), ba% ll.'s tteffc eine Heine
€lfenbeinbüfte feines 0nfels l^interlieg, bie pon ITTard^anb por=
3Üglid? gearbeitet mar unb Sir 3faac ^oo guineas gefojlet l^att^
^72 m. Heber bas matl^entatifc^c (Dt^an.
3n ben QSnbler^Katalogen »erben Stiche von £aberer nad^
van ber 3anf, p. Puptn^ Hapenet nad^ Hoettiers, 3. HIc 2lrbeU
nadi <E. Seeman, Daubet (aet. 8^) u. 21. eripStjni
pljotogramin nadi einem Silöe.
Sdjetbiter, IDill^eltn (geK ben 8./\» ^826), prof.
der ZITatI). in Ceipsig. p{{otogriimm nad) dem Ceben.
Sdjering, €rnjl (^3./7. ^833— 2./U. ^897), prof.
ber 21IatI)ematif in <5öttingen. pI)otogramm nai\ bem
Ceben.
Sdtwav^, ^ermann (geb. 25./^ 18^3), prof. ber
TXiatli. in Serlin. pB|otogramm nadi bem Ceben.
Sdinmadicx, Ejeinr. CB^riftian (3./9. ^780— 28./\2*
^850), prof. b. 2ljh:onomie, Kopenljagen unb Ttttona.
£itB|ograpl^ie oon ®tto Spedier, \853.
Seeliger, ßugo ^ans (geb. am 23./9» 18^9 in
Sd^Iejten), prof. b. 2ljh:onomie in JTCündjen. pl^otogramm
nadt bem Ceben.
Poigt, IDoIbemar (geb. ^cn 2./9* \ 850 in Ceipsig),
prof. b. pIjYJtf in (ßöttingen. pljotogramm nadj bem
Ceben (ca. ^875).
IDeierftraß, Karl (33.A0. \8\5— \9./2. ^897).
prof. b. ZHatl^. in Serlin. a) pljotogramm nai\ bem
Ceben, b) nai\ ber Süfle oon Cuerffen (aet. 70).
2lntifer ZHatBiematif er (2lrdjimebe5?).
Der Kopf Ztr. 82 bes capttoltnifd^en HTufeum iji bisl^er für
2lefd?ylos gel|alten iporben, ipetl ber UTardjefe ITtcld^torri 3iPtfc^en
tl^m unb einer bei XPtnrfelntann abgebtlbeten ölaspafte bes
€abinet Stofd?, in ber VOmdelmann ein Bilb bes 2Icfc^ylos 3U
fetten glaubte, 2lel^nlid?feit fanb. Die pafte ift nod? nic^t fo grog
wie ein IHarFftürf, auf tl^r ift ein fal^lföpfiger narfter IlTann ab=
m. Mx^tx.
Ucbcr Bilber. ^75
^cbilbet, ber auf einem Steine fifet unb aus einer Sd^ale trinft,
Ueber feinem Kopfe fd^ipebt ein 2lblcr, ber eine Sdjilbfröte in ben
Rängen l^ält. Bei bcn 2llten ipirb crsälilt, 2Iefc^ylos fei baburdj
gejiorben, bag ein 2lbler eine 5d?ilbfröte auf feinen fal|len Schöbet
fallen Iie§. 3^^<>^ Demofrit er3äl^lt bie 2lnefbote von einem
Kal|lfopfe fc^Ied^troeg. (Es ift im t^öc^fien (Srabe unn>al^rfd?einlidj,
bog man 2lcfd?vlos nacft bargeftellt t|abe. Datier mag bie pajie
bie 2Inefbotc bes Pemofrit u)iebergcben unb ber bargeftellte Katjl»
fopf ein Schäfer ober £anbmann fein. Ueberbem ift 3n>ifd?en bem
IHännd^en auf ber pafte unb bem capitolinif d?en Kopfe Uint
2letjnlid?feit 3U finben, fic beftel^t tjöd?ftens 3n)ifd?en bem lefeteren
unb ber ungenauen Pergrögerung lOinrfclmann's. Kur3, bie 3e*
3eid?nung bes Kopfes tto. 82 als 2lefd?yIos ift grunblos. Da3tt
fommt, ba% neuerbings bie 2lrdjäologen, bef. Prof. 5tubnic3fa, es
für un3uläfpg l^alten, in bem Kopfe ein XPerf bes 5. ^al^rtjunbcrts
3u feilen.
Die feptjaloffopifdje Betradytung lägt in bem Kopfe einen
IHattjematifer unb Itled^anifer erfenncn. Die enorme Breite bes
Kopfes in ber Sd^läfengegenb finbet man nad? (Sali bei tjercor^
ragcnben IlTed^anifcrn, Baumeiftem. (Es ift bal^er bcgreiffid?, bag
man gelegentlid? pi^ibias in tlo. 82 l)at erblicfen »oUen. 2lber
auger bem grogen 0rgane bes „Boufinnes" ift l^ier bas matlie=
matifd^e 0rgan fo mäd^tig entmicfelt, bag es l^auptfäc^lid? ben
(£l)arafter beftimmt. Dag bas matl^ematifdje 0rgan biefes Kopfes
feine 3ufäIIige Bilbung, fonbem uom Künftler abfid?tlid? geformt
ujurbe, bas getjt baraus lierror, bag es auf ber linfen Seite un=
gleid? ftärfer als auf ber redeten ausgeprägt ift, eine 2lfymmetrie,
bie in bie 2lugen fpringt.
€s liegt nun natjc, in bem Kopfe ZIo. 82 bcn 2lrd?imebes 3U
feigen, ber im 2(lterttjume fdjled^troeg 6 fiijxf^vixog l^ieg. Der Kopf
mügte bann um etwa 2^0 d. (El^r. gearbeitet fein. Dagegen aber
crt^eben bie 2lrd?äologen (Einfprud?, für biefe Seit fei ber Kopf
3U altcrtliümlid?, er muffe aus bem ^. 3(1^1^^^^^^^^* f^^^-
Itlan tt)irb bas IPeitcre abwarten muffen. (Es märe bod^
möglid?, bag bie ard?äologifd?e UTeinung fid? nod? weiter wonbelte
unb bie 2Iltcrtliümlid?feit bem (£opiften anred?nete. Der lange
Bart fönnte faum ftören, benn wer fagt, bag 2lrd?imebes, wenn
3u feiner geit furse Barte IHobe waren, fid? ber IHobe unter*
worfen Ijabe?
j(;^^ ni. Ucbcr bas matl^cmattfcbe ©rgan.
2luf jcbcn^aü ip bcr Kopf ein fel^r in tcrcffantes Problem.^)
Daoon, iptc bie grogcn HTatl^cmattfcr bcs 2llterttjums aus^
^c^el\tn liaben^ iptjfen iptr bis jc^t gar ttid^ts. Die fagenljfaftc
<&€jialt bcs Pytt^agoras ip gan3 formlos. Pic nad? il^m benannte
Büjie im capitoünifdjen ITtufeum ift ^an^ ipillfürlid? getauft. (Ein
paar inän3en aus fpäter geit, bie angeblid? fein Bilb trügen,
traben natürlid? nid^ts ju. bebeuten. 2lud? wenn er portraitirt unb
bie 3üfte erl^alten ujorben »äre, roürben mir nid^t oiel erfatjren,
ba Köpfe aus bem 6. 3öWii"^^*^t faum als Portraits in unferem
Sinne angefel^en wexben könnten. (Ebenfo »enig roiffen wix von
€uflib, üon 2lrd/ytas u. 21. Die ongeblidje 3üftc bes 2lrd?imebe5
in Iteapel ift ber Spartanerfönig 2lrd?ibamas. Die Köpfe pon
2lratos unb Cl^ryfipp finb rielleid^t bie ein3igen bis jefet be=
glaubigten Bilber uon IHännem bes 2lltertl)ums, bie 3ur HTattje=
matif in 3e3iel^ung ftanben.
^) Halberes entl^ält ber 2(uffa^ : „§um fapitolinifd?en ,2(efcby=
lös*; Don p. 3. IHöbius u. ^. 5tubnic3fa/' in ben tteuett 3at^r^
büd?em f. b. flaff. 2(ltertl^um u.f. u?. in. 2. ^900.
^iriiher üailjnitflttkfr.
IV.
IXehev bie 3e6ingungen bes
matl^ematifdjen 0rgan5, bas <5ctjim
unb bm Sdiäbd bev TXlai^ematifev.
(Ks ijl von oornl^crcin u>al|rfd^cinlid^, wenn man
mn bas 2tngcborcnfcin bcs matt^cmatifd^^n Calents. on
^cine Unabt^ängi^fcit von anderen (ßciftcsfäbtgfeitcn
^enft, bag bie Bedingung bcs mattjcmattfd^cn tEolcnts
^ie (Entoirfdung einer umfcbriebcncn Stelle öer (J^vt^irn»
rinbe fei. Denn l|inge bas matljematifdje Caleni von
^er Qualität bes (Seljirns im (Sanken ab, fo müßte es
-^en übrigen (ßeiftesfäl^igfeiten proportional unb ron ber
4gr3ieljung u. f. xv. abl^ängtg fein. VOo ift jene um-
fd^riebene Hinbenjlelle 3u fudjen? Die (Entroirfelung öer
3inne I^at feinen €influg auf öas matl:?ematijd)c CaUnt,
.^enn biefes fann bei Heiner unb bei großer Sinnesjd^ärfe
.oorBianben fein, ^at aud) feine Be3iehungen 3U befttmmten
Sinnen. <£s ift basier nid?t 3U oermutt^en, baß bas
tnatliematifd^e Calent an eine öer fogenannten Sinnes •
fpl|ären gefnüpft fei. Dagegen u>eift bie Ueberlegung
<iuf bas Stirnljirn l^in. ZlTögen aud? mand?e Cl^iere in
-geiüiffem Sinne 3äl7len, im ^lügemeinen ift bas matt^e»
fitatifdie Calent, gerabe lüie bie Spradje, eine fpecififdi
tnenfd^Iid^e Einlage. 3l?re Bedingung ift bal^er in ben
Xßeljirntl^eilen 3U fud^en, beren (ßröße fpecifijdj menfd^Iid?
ift. 3m Befonberen muß man an bie tEl^eile benfen, bie
möbius, OTattiematifer. {2
H78 rv. lieber bie Bebingungen bes matt^emattfc^en 0rgans ic
nur ber Zllenfdj Ijat, 5. Ij. an genoiffe Cljeile ber öritten
ober unteren 5tirnn>inbung. Hübinger ^) ^cd eine Ijodjfl^
leljrrcid^e 2tbt}anb(ung über bie brüte 5ttrnn>inbung ge*
fd^rieben. £r l\at barin geseigt, ba%, noüE^renb bie unteren
2lffen fo gut n>ie feine britte 5timn>inbung Ijaben, bie
^Intl^ropoiben fte unpoü^nbig beft^en, ba% je t^oi^er
man fteigt, bie inbteibucllen Variationen unb bie
^IfYmmetrie sipifdien red^ts unb ünts um fo größer
n>erben. (Eljimpanfe unb 0rang«Utang traben mel^r in»
bioibuelle Variationen als bie anbeten 2lffen, ber Znanrt
mel^r als bas XDeib, bie B^öl^eren 2JTenfd>enrajfen meljr
als bie unteren, bie geiftig I|od?fteI|enben ZlTenfdjen meljr
als bie ungebilbeten. 3eim neugeborenen Knaben ifl:
bte britte Stirnrüinbung größer unb reid^er ausgebilbet
als beim neugeborenen ZHäbdien, ber Unterfd^ieb 3»
(ßunften ber linfen Seite iji größer. 33ei Negern, bei
Dienftmäbdien unb 2trbeitern werben bie einfad^ten
5ormen gefunben, bei (ßelel?rten bie größten unb oer»
u)idelften 3ilbungen. ^) 3m ^tUgemeinen fommen nad^
Hübinger ben geiftig niebrigfteB|enben 2JIenfdjen burd^»
fdinittlid^ einfad^ere 5ormen unb geringere ^tusbel^nung.
ber britten Stirniüinbungen 3U als ben geiftig Ijod|*
fteljenben unb in ber Hegel ift bei biefen bie britte
Stirntoinbung ber linfen Seite oiel ftärfer ausgebilbet
^) (Ein Beitrag 3ur 2Inatomie bes Sprad^ccntrutns. Stutt*
gart, dotta'fdye Budyl^. ](882.
2) H. fagt, „bie nad^ipcisbarcn Differcn3en'' feien „bas^
Hefultat crtiölitcr Function". Htd^tiger ift idoI^I, ba% bie erl^ötjte
^functton von ber befferen 2Iusftattung bes (Setjtrns abt^ängt
ffijTflie,
IV. Uehev bte 53cbingungcn bcs tnatl^ctnatifd^cn ©rgans zc. j[75
als bie redete (ausnoljmerDcife ip bie rcdjte jlärfcr enf*
roirfclt ober ftnb bcibe Sehen glcid?), noälircnb bei ben
iiefjlelienben Symmetrie Iierrfdjt. 5erner iiat iled^ftg
tiad^getptefen^ bag enttPt^elungsgefdiid^tHci} eine Pier«
tE^eilung ber britten Slirnrpinbung ansnnel^men fei, jte
Serfalle in 3u>ei siemlid^ früB^ entrpirfelte Selber, ein
mittleres 5clb unb enblid? ein 5clb, bas bcn Scf?(ug ber
(£nttt)i(felung bilbe. ^) 3^ne jtnb bei ^en ^Intljropötben
roenig entroirfelt, bas oierte 5^Ib fommt bem 2JIenfd?en
aOein 3U. 3^ fpäter ein (ßebiet ftdj enlroirfelt, um fo
größer jtnb bie inbibibueüen Variationen*
Die eingaben ber beiben B^eroorragenben 2Inatomen
liegen jtd? fel^r n>oI^I mit ber 2tnnaljme oereinigen, hä%
bi« 33ebingung ber mall^ematifd^en Einlage in ber britten
Stirnroinbung 3U fudien fei. Xinx mügte man nidjt an
bie ganse lOinbung benfen. Der Urfprung ober 5ug
ber lüinbung ift bie fogenannte Broca'fd^e Stelle, b. I^»
bie, beren Unoerfeljrtl^eit 3um Spred^en nötl^ig x% Ueber
bie 5unction ber porberen 2lbfd^nilte n>iffen n>ir bisl^er
nid^ts. £jier alfo fönnte man bie Bebingung ^es matlje*
matifd^en Talents fud|en unb 3n>ar mügte man 3unäd^ft
an 5I^d?ftg's 5«Ib ^o. ^0 benfen, ^as bas oorbere (Znbe
ber rPinbung barjieat, bie Stelle, n>o bie brilte in bie
3n?eite Stirnu?inbung übergel^t
2tuf eben biefe Stelle aber beuten bie «igentl^üm«
Iid?!eiten bes ZITatl^emattferfopfes, bie t>as matl|ematifd?e
1) ^l. tt^cilt bie ^irnrinbe nad? ber §eit ber inar!fd?etben=
bilbung in ^0 gelber, ber 3. StirniDinbung gel^ören (nad? ber
neueften HTttttieilung) an Itr. jio, \2, 27 u. ^0.
^2*
\80 ^* lieber bte Bedingungen bes matf^ematifc^en Organs ic.
Organ bilben. Denn her Sttmecfe cntfprici^t eben bos
oorbere £nbe ber brüten Süvnwivbnng. Der untere
2(6fcf|nitt b^s Gyrus frontalis tertius ruE^t, n>te Bübinger
ftd) ausbrücft^ auf ber Decfe ber ^genl)di)(e* ®bn>oI{(
man 3u (SalVs Reiten über bie 5orm ber (Seliirn*
ipinbungen siemlidi unbeutlid^e Porjle0ungen trotte unb
andt auf (SaQ's Cafein ber üerlauf ber IDinbungen oft
ber Jflatur nid^t entfprici^t, l^at (SaQ es bod) mit ber
Stelle für bcn galjlenftnn merfmürbig gut getroffen« (Er
besetd^net genau bie 5te0e: „fte Hegt auf bem am meijten
lateralen Cl^eile bes Dad^es ber 2tugenI{di)Ie in einer
Snxdtte ober €infenfung, bie t)on T>orn nadj leinten ^elit"
Diefe lOinbung roar namenlos, Blatte (Bau unferen
Spradjgebraud? gefannt, er roürbe birect gefagt hiaben,
bas ©orbere <£nbe ber britten Stimroinbung. ^)
£s i{l eine 5um minbeflen fel^r naE^eliegenbe 2(n^
^) €s tfi ipot^l fein gipcifcl, bag bas oorbcre €nbe ber
3. Sttmipinbung an ber oon (Satt bc3ctc^ncten Stelle ber 5c^äbel=
Ijötjle liegt. Jnbeffen bie bisl^crigen Untcrfuc^ungen über bie
Be3tcl^ungen 3ipifc^en (Scl^im unb Sd^äbcl traben bie 5tim=
ujinbungcn oemad^läfftgt. €s roärc njünfd?ensn?erttj, ^a% wir
genau ujügten, meiere Stellen bes Sd^äbels ben 2Ibfc^nitten ber
5timn?inbungen entfpred^cn. Ulan fonnte es fo mad^cn, ba% man
bas (Sctjim im Sd^äbel t^ärtetc, bann l^crausnäl^me, ben Perlauf
ber IDinbungen burd? (Einfted^en oon Cape3iremägeln fenn3eic^=
mte (3. 3. für bie 3. Stirnroinbung ITägel mit runbcn 5d?eibd?en,
für bie 2. brciccfige 5d?eibd?en, für bie \, oierecfige 5c^eibd?en),
bann bas (Sel^irn 3urücfbräd?te unb ein Höntgenbilb aufnätjme.
Ctjcilte man ben Kopf fagittal, fo n?ürbe, roenigftens bei jugenb«
liefen ^"^^J'^^wen, ein flares Bilb 3U gewinnen fein. 3d? ^abe
\dfon frül^er einigen Ferren biefe lUetl^obe oorgef dalagen; es ift
aber, fooiel id? n>eig, nod? fein Perfuc^ gemad^t n^orben.
Mtttng-ffeffler.
IV. Uehex btc Bcbtngungen bcs matiiematifc^cn 0rgans 2c, \S\
naE^mC; ba§ feann, noenn bic Stimerfc in ungexx>dlinl\d\ex
XDeife cntoitfclt iji, audj bcr pon iB|r umfdiloffcne (Seljirrt*
tljeil ungemölinüdj cntoitfclt fei. 3efeer Unbefangene
I|at ben €inbru(f , als ob ber groge ^bjlanb ber Processus
zygomat. oss. front, von einanber, ^as ^inausrüden biefer
Processus nadi au§en unb ber baburd? entpeljenbe
IDuIjl, bie Senfung bes äußeren ©rbitabadjes, als ob
alle biefe Peränberungen eine jlärfere 5üIIung ber ent-
fpred^enben €(fe bes (ßel^irnfdiäbek ausbrühten. Dasu
fommt ^a% bie Angaben über bas l?erB|äItnig stoifdien
linfs unb redjts, bie idi über ^as matl^ematifdie 0rgan
madie, Hübinger über bie brüte 5timn>inbung bei geiftig
Ijodifteljenben Zllenfdien madit, auffaHenb sufammen»
fMmmen. lOir n>iffen, ba^ bas fogenannte 5prad|centrum
fap immer linfs 3u fud?en ip (b. I^. bag feine g^rjlörung
linfs 5prad|Ioftgfeit benoirft, red|ts nid|t), aber Hübinger's
3efd|reibungen unb ^bbilbungen seigen, ^a% nidjt nur
bie Broca'fd^e Stelle, fonbern audj bie anberen 2tb-
fdjnitte ber linfen britten 5tirn»inbung bei groger
3nteUigen3 bie entfpredienben Cl^eile redits an (5rö§e
übertreffen. (£s muffen baB|er audi anbere 5äljigfeiten
als bie bes Spredjens oorn>iegenb an bie linfen Stirn-
minbungen gefnüpft fein unb man barf ©ermutigen, bag
bas andi pom 2ted|nen gelte.
(£s iji 3U)eifelIos, ba% bei ZITatl^ematifern bie
fnödiernen (El^eile; bie bie Stimede bilben, Ijeroor-
getrieben finb» ^ber jte madjen bas matl^ematifdje
®rgan nidjt allein, fonbern es bejlel^t audj eine ^yper-
plafte ber Qant unb if|rer ^nl^dnge. XDie ifl bas 3U
^82 IV. lieber bie Bebingungcn bes matljematifc^cn 0rgans ic.
vexficl\en? Ptc0eid}t am bejlcti burcfi bie 2(naIogie mit
bem n>eiblidjcn Sctfen» IDeil noegcn ber 5«"clion bes
53etfeninB|aItc5 bie Knodjcn pärfer ertt»icfelt pnb, bilbet
ftdi andt eine mafftge ^niwxddnng ber lDeidjtI|eiIe, eine
^nfammlung ©on 5ßtt, bie nidjt befonberen §u>erfen
bient, fonbem ein 2(u5brurf ber IDedjfelbesiel^ung ber
Cl^eile x% ober n>ie man jtdj fonjl ausbrühen u>in. Sie
IDöIbuhg ber roeiblicljen (51utäalgegenb ©erbanft Ujr
Dafein ber Cljätigfeit ber ©oarien unb ber ^auttDuIfl
über bem linfen 2luge bes Zllalljemalifers ijl ^usbmcf
gejieigerter (Eljätigfeit bes oorberen (Enbes ber britten
Stimtoinbung» 2ludj bie 2JIögIid|feit ijl in £rtpägung
3U sieljen, bafe 3uu>eilen bas mali^ematifd^e ®rgan nur
burd^ bie Perbitfung ber lOeiditl^eile gefennseidjnet fein
fönnte. €5 ijl roenigjiens benfbar, ba% in einem Sdiä^d
ein »ergrögertes ^nbe ber britten 5tirnn>inbung plafe
finbet, oB|ne bie iB|m birect anliegenben Sd^dbeltl^eile
Bieroornjölben 3U müjfen.
Um alle poreiligen Cl^eorieen absunoeifen, l^abe xit
bie ungenjöl^nlidje €nttt>i(felung einer bejHmmten Hinben«
jleHe Sebingung bes matl^ematifd^en (Ealentes genannt. €5
ift bamit nur gefagt, ba^ biefes ol^ne jene nid|t ba fei,
bas Wie ber Perfnüpfung bleibt bal^ingefteüt« ^Ile
pljvjtologifd^-pfydiologifdien Speculationen über <6eljirn#
centren ftnb feljr bebenflid?. lOill man pon il^nen ab«
feigen unb bcn 2(u5brurf (Eentrum ebenfo braud^en, n>ie
idi von Sebingung fpred^e, fo wäre andt gegen ben
^amen: matl^ematifd^es Centrum, nid^ts ein3u»enben
unb man Knnte permutt^ungsnoeif e fagen, bas oorber^
.Sdjeibucr.
IV. Uehex btc Bcbtngungcn bcs matljcinattfc^cn (Drgans 2c. ^83
^nbe bcr britten Stirntoinbung iji bas matl^cmatifdie
Centrum. —
Das XDcnige, was hxsiicv über bie (5cl|trne von
TXlatiicmatihtn ocröffcntlidjt toorben ijl, ftcttc idj im
^plgcnbcn sufammcn.
7ln erfter Stelle ijl H. XDagner's^) befannte 2lb-
Ijanblung 3U nennen. XDagner hiatte ben Dorsug, bie
<ßel^irne oon (5aug unb Cejeune-Diridilet unterfud^en
3U bürfen.
(Ba\x%' (5el^irn war grog unb auffallend reidj an
tDinbungen. ZlTan fielet bies fel^r gut auf ber 2(b»
iiföung, bie XDagner giebt unb bie mel^rfadj reprobucirt
tDorben ijl» 5reiKcij entfpridjt toeber bie bilMidje 2)ar»
ileDung nod^ bie Befdjreibung bei XDagner unferen
Ijeutigen 2lnfprü(i|en. Sie ujid^tigften Stellen bei IDagner
finb 5oIgenbe.
p. 75. wX>iefe Stirnn>inbungen, befonbers bie erfte
tinb 3n>eite, seigen eine groge Derfdjiebenl^eit bei ^en
«in3elnen 3n^i'5i^uen; in bem größeren ober geringeren
XDinbungsreidjtE^um biefer £jirnpartl|ie liegt ber fjaupt»
unterfdiieb, »enigjlens ber äugerlidj auffallenbfte ber
«injelnen (5el|irne. Sie erfdjeinen oerfdiieben lang bei
t)erfcijiebenen 3'i^i>^i^wen; Ijiernadj seigt pdj ber Stirn-
lappen überl^aupt gröger obet: Heiner (länger ober
* XDagner, Hubolpl^, Porftubicn 3n einer fönfttgen iPtffen-
fc^aftUc^en UTorpiiologte unb pi|yfiologte bes mcnfd^Ud^en (Scl^ims,
als Seclenorgan, mit bcfonbcrcr Hücfftd^t auf btc f^irnbtlbung
intelligenter HTänner. 2Ibi|anbL b. K. (Sefellfc^. b. IPtffenfc^. 3U
<Sotttngen. IX. p, 59* <5ötttngen J(86t.
^8^ IV. lieber bie Bebtngungen bes matl^ematifd?en Organs 2c^
fürser), tooburcfc bann natür(td{ audj bie Cage ber
<tcntraltt)inbungcn halb lüciter nadi oorne, balb mctjr
nad? \:f'\nten gcrücft «rfdieinf
p. 80. „2lücrbing5 finb bie (ßeljirhe unferer beibet*
großen ZHatl^ematifer mit fel^r reidjen unb tiefen IDin»
bungen Derfel:|en; jie gel:|ören 3U ^en reidjjten, bie ic^^
bis jefet beobad^tet I^abe. Befonbers reidj nhb anfeE^nlidr
ftnb bie Stirntoinbungen. Speciftfdje 5omien ixtib Tin*
orbnungen fommen aber nid^t oor. €5 ijl fdjabe, ba%^
^as (Sc^xxn von Ca place, bas im Befifee illagenbies^
ftdi befanb unb bcffen jefeigen 2lufben>aE?rung5ort id^
nid)t fenne, 3ur Dergleidjung nidjt benufet werben fonnte^
€5 ix)ürbe fxdi freilidj rooljl ^axan ebenfo roenig ein- für
bie matl:|ematifd|e Begabung djarafterijlifdies fpesiftfdjes-
5ormeUment l^erausgej^eHt I^aben."
5erner fagt XDagner von Diridjiet: ^fel^r auffallend
ift bie mäditige €ntiüicfelung ber Stirnlappen, foiüol^l
nad| xlixex Breite als Cänge^, oon (ßaug: „burdj äljn»
lidje Derljältniffe [fecunbäre €inbrücf e] seidenen fidj audf
bie fel:|r reidj entipicfelten Stirnlappeniüinbungen, nament»
lidi bie erjle, aus, aber audj bie sroeite. Die IDin»
bungen pnb l:|ier bünner unb feiner als bei irgenb einen»
anberen (Sc^ixn.**
2luj5er ber Befdjreibung giebt IDagner bie (5etDidjt*
3al|Ien* (5auj5' (5el|irn n>og H^2 g, bas DiridjIefS'
\520 g. €s I^at tDol^I feinen Sinn, bie (5el^irne von
2Ti!atl:|ematifern unter einanber ober mit benen anberer
Ceute auf il:|r (Betoidit I^in 3u oergteidjen* Denn es iji
nid)t ansunei^men, ia% ber (Srab ber mati^ematifd^en
^. Sdjiitar|.
rV'. Heber bie Scbingungen hcs inatljcmatifd7en 0rcians ic. ^85
33cfdlji9un9 ^u Öem (Bcmiditc be^ tSeI|in;& im (ßansen
ein Dcr^ältni^ liabe. Die gcipigc 33efa^igun9 ilberl^aupt
i(t 5tuar öem <Seliirng«tüid|te proportional, aber ein Der-
gleidj foflte tiodi inii aiigc)le[(t n^cröen bei Serüdjid^ti'
Qixw^ &es >Cör^iergcroid?t^, ber Körperlänge, &es Hüters,
J>er patljologifdien ^uftdnbe. Va es fel^r unfidier ift
ob öie in bi^fen f^inpd^ten coirigirten gabCen bas
Hidjtige treffen, Fann man Don ^Qn Stubien über iias
(Sel^irngeiridjt beboutenber £ente iiidit niel ermartcn,
3Tn gegebenen 5aUe ift pi bemerfcTi, t>a% i3aii% mit
78 ^'^^^^ii ftarb, Diridjfet mit 5^, ba§ jener nacfj
IDagner Qiwas über ( 70 cm lang mar, bi^fer langer
ir>ar, ba% enbltdj bei ber Section Ditidjict's „l^vbropfie''
gefunbcn tDurbe.
(ßegeiiurjärfig ift ba? cSebtrn von (Baiif nod? t5or*
t^anben. ^^ roirb, in bie £jemifpbärcn nnb ben Stamm
getrennt, in einem reid^lidj engen <5fafe unter IPeingcijl
auf beroatjrt, Hatürlicf? toirb es im t^crlaufe oon ^5 3*^fjiren
fiarr gefd^rumpft fein, inbeffen ip bie mäiitige €nti»icfe-
lung ber 5ttrn[]ii:nminbungen nod| beutlidi* —
<£in tDcitercr 23eitrag rüf^rt Don Ctjomas Dmigt^t
(Rcniarks on tlie brain. Proceed of the americ. acad. of
arts and sc, Xl. 5. V, p, 2\0. i;878.) i?en DtpigM
bcfctireibt bas (Setjirn t^QS Cfiauncy it>r:gt|t, fir ftarb
in the |>rirae of life. (£r wav au5.ge5eid]net als 2TIatlie-
matifer unb pl^yfifer, an^erbem a general critic.^) €r
n>ar groß, E|atle einen großen Kopf^ b^onbers gro§«n
^) 3Tn MpöJigenborff^' tft er nidjt atuat^nt.
^S6 ^* Heber bie Bebtngiingen bes matl|ematifd?en (Drgans ic.
Porberfopf* Das (ßeE^irn toog 53 ^/a oz. avds. Dos
2(uffaQen^fle n>ar bie Qot^e ber ftontalgegenb unb bte
[djarfc Biegung beim Ucbergange oon bem auf jicigcnbcn
3um oberen Hanbe. Die XDinöungen waren breit unö
^erb. Secunbäre XDinbungen falj man fafl nur am
Stirnl^irn* Beibe ^älften waren annäl^ernb fvmmetrifdi,
nur bas linfe Stirntjim complicirter als bas redjte, Vin*
gewöl^nlidi grog n>ar ber Praecuneus, befonbers linfs.
iluffattenb einfadj war bie Umgebung bes Ijinteren 2(pes
ber F. Sylvii. We might dismiss the brain with the
Statement that the frontal region is largely developed and
complicated, and the rest simple. 3efonbers genau bc»
fdjreibt Dwigl:|t eine 3rücfe swifdjen ben Central»
winbungen, bie audj bei profeffor fudjs gefunden
worben \%
Dwigl^t erinnert öaran (offenbar ol^ne (5att su
fennen), bag man bodj nidjt oon ^ntMxgerx^ überi^aupt
reben fönne, bag ausgeseidjnete ZHenfdien burdj befonbere
5äl|igfeiten (IHatliiematif, ZlTufif, poefie) ausgeseidjnct
feien, in anderen 5ädjern nidjt —
Sobann I^at (5uftao Hefeius neuerbings bas (5etjirn
bes 2(ftronomen (Bylb6n fel^r genau befdjrieben unb auf
fedjs pradjtoollen Cafein abgebilbet. ^)
Ueber bie redete britte Slirnwinbung fagt Hefeius:
^Dor biefem Operculum, unb oon il^m burdj ben jlarJen
Ramus anter. horiz. ber F. Sylvii getrennt, befinbet ftdj
ber oorbere Cl^eil ber unteren Stirnwinbung als eine
^) ötologtfd^e Unterfuc^ungen. H. ^J. VIII.
ffiijlbnt
JV. Ucbcr bie Bebtngungcn bcs matl^emattfd^cn (Dxgans ic ^S7
waüartig angcfdjiüollene Hanbpartie bcs orbitaten Hinbcn«
felbes, bie ftdj leinten unb mcbialirärts in einen äl^nlidjen
VOaü fortfefet; bas ©rbitalfelb ip nämlidi am I^interen
Umfang etwas erl^öl^t unb bem Cemporalpole angebrücft;
vox biefem XDatte erfennt man eine feidjte 5urdie, bie
offenbar bem (Einbrucfe ies Keilbeinflügels entfpridjt,
eine 2lnorbnung, toeldje, namentlidi in ftärferer 2lti5-
bilbung, nur feiten oorfommt/
Ueber bie linfe britte Stirntoinbung p. \7: ^Der
Gyrus front. Inf. gel^t • . . I^intenunten von einer in ber
F. Sylvii oerjierften Brücfentoinbung aus, bie von ber
üorberen Centratoinbung f ommt, unb fefet pdi mit einer
Dertical emporjieigenben pars ascend. nadi oben I^in fort,
bal^er bie ber pars basilaris entfpredjenbe partie in
rebucirtem ^ujtanbe in bem unteren Cl^eil ber unteren
präcentral- (refp. Diagonal*) iurdie 3U fudjen ifl Die
pars ascend. fteigt itodi empor unb gel^t bann, ftarf ge*
bogen, nadj oorn • unten, ^en eigentl^ümHdjen oberen«
»orberen 2ljl einfaffenb, weldjer 00m oberen ^nie bes
Ramus ant. ascend. F. im Sylvii nadj oorn-oben I^in
läuft, ol^ne bie Hinbe gans 3U burdjfdjneiben. Der
porbere 2lrm bes Bogens gel^t bann nadi unten I^in in
ein Keines trianguläres Operculum frontale med., »eldies
nnten oon bem siemlidj furjen R. ant. horiz. F. Sylv. be*
grenst wirb, unb fefet fidj u)eiter unten in eine Hinben-
partie fort tvcldie mit einer breiecfigen partie in bie
F. Sylv. l^ineinfdiiegt unb oon bem oben befdiriebenen,
in fagittaler Hidjtung ©erlaufenen lateralen 5tM bes
S. frontomargin. überquert wirb. X>orn«oben I^ängt bie
^88 IV. Heber 6ie Bebm^nngen bts motbemotift^en (Drgans ic
nxiUtc 3ttnuDtnbuii9 mittel^ einer SräcfetuDinbnn^ mit
^et G. front med. jufaimitetu Untcii' innen fe^ fte fidt
auf bem ®rbitalfelb in ubüd^ IDeife fort nnb bilbet ^ie
oor 5em Truncns F. Sjlv. nnb I{inter 5em S. orbit beftnb*
Ixdic Hanön>inbung ber orbitalen Hinbenpartie."
p. 2\ I^eigt es: ^3m 2UIgemeinen I> ftd) fagen,
bag bas <SeI)im, iDeld^es ja ein 5iemlid{ hcbent^nbcs
<Sen>id{t (\^52 g) barbot, in trielen Besiel^nngen typifd^
geflaltet ift Sie IDinbnngen fmb im (Bansen frSftig,
regelmäßig nnb nxdit befonbers complicirt ausgebilbet . • «
Was bie britte Stimtpinbnng betrifft, fo ififte in ber redeten
Qemifpt^äre im Operculum intermedium flarf entiDicfelt,^
in ber linfen aber eigentl)ümlid{ geflaltet, unb was bie
pars basilans anbelangt, beiberfeits eljer fd}n>ad{ aus*
gebilbet; jebenfaHs ifl bie ber pars basüaris anget^rige
Partie nid{t an ber ®berf[dd{e ftd{tbar, fonbem in bie
(tiefe ber nnteren pracentralfurd^e, refp. ber Diagonal*
furd{e, t^inabgebrücft
Der auffallcnbjle (Cljeil bes <5Ylb6n'fdjen (ßeljims
ift jebenfaDs bie Hegion, n>eld}e bas t^intere £nbe ber
F. Sylvii umgicbt, alfo ber Gyrus supramarginalis unb
n>as mit itjm am nädjjten oerbunben ijl.'' Das (ßeljim
geE|drte bem Cvpus mit einfad^en breiten XDinbungen
nrib tiefen 5urdjen an. tinls ijt ber Gyrus supramarg.
„oon auffaüenb geringem Umfange, bagegen jinb brei
uor unb über biefem Gyrus beftnblid^e, fiarfere IDinbungen
uort^anben, n>e(die '\i\m mel^r ober iDeniger sugered^net
iDerben muffen; in 5oIge beffen ijl audj in biefer ^emi*
fpl^dre bie fraglid^e partie als flarf enttoicfelt ansufeE^en.
(Üt. M. Qamvttfmh.
IV. lieber bte Bebtngiingen bes matljematifd?en (Drgans ic. 1(89
€5 ift Wc5 ooTt befonbercm 3ntcrcffe, wenn man be*
^enft, bag bie betreffende Hegion, weldte bos centrale
<Drgan bes (5el^örs unb ber IHuftf berül^rt, ober 3um
Cl^eil audi entl^ält, bem großen parietalen — pfydjifdjen —
iJffoctationscentrum oon 5I«djflg angrenst unb es n>o^I
tljeilnoeife audj in fidj fdjJiegt.
€5 ijt fogar nidjt untoal^rfdieinlidj, ba% bos pfydji«
fd^e Centrum für ntati^ematifdie Begabung gerabe in
biefem 2(ffociationscentrum 3U fudjen ifl." —
Hefeius erwäl^nt audj, bajg lüiJber bas (5eljirn bes
ZHat^ematifers 3- €♦ ®Koer unterfucftt I^abe; Hageres
barüber ijl mir nidjt befannt geworben. —
Xladi TXxsbet n. ^ fott Bajüan bas (get^im bes
ZlTatl^ematifers be IHorgan unterfudjt traben. Die Stirn*
winbungen feien fel^r jlarf entu>idelt gen>efen* Das
<5eljirn i^ahe 52 ^4 Vin^en genoogen. Die ©riginalarbeit
fenne idj nidjt. —
finblidi I^at D. ^anfemann bas (Sel^irn oon ^elm-
Ijolfe befdjrieben. ^) 3efdjreibung unb 2lbbilbung besiel^en
fidj auf ben (5ipsabgug ber Jinfen ^emifpl^äre (bie
redete u>ar burdj eine Blutung serjlört). ^m ^IHgemeinen
fiel eine befonbers jlarfe (5Iieberung ber (Sytx auf. Die
Stirnlappen fdjienen befonbers jiarf entu>icfelt ju fein;
bie (Syvx waun I^ier burdj tiefe QJuerfurdien fo getl^eilt
unb gefdilängelt, 'ba% man ZlTüI^e iiaite, bie einseinen
befannten (ßrunbformen ber ßyn unb Sulci auf sufinben.
1) Ueber bas (Set^im von fjermann oon ^elmljolfe. §eitfd?r.
f. Pfy^ol. u. p(?YftoL ber Sinnesorgane. XX. \. ^899.
\^ rv. lieber bte Bebingntt^en ^es matljematifd^en (Dx^ans ic,
^u§erbcm tparcn nadt Qanfetnann ^«r I^intere 2(6[d)nttt
ber erficn 5d)(dfcnn>int)ung, bte partte snoifd^en 5cm
G. supramarginalis mit ber dritten <DcctpttaIiDtnbnng; un5
bet Praecuneus flarf entit>ide(t —
Die 2(utoren enlljalten ftdj Jocaüfatorifdjer Oerfudje
bis auf Hefeius, ber ben jlarf enttoicfeUen G. supra-
marginalis (S\{t6n's mit beffen matE|ematifdier Begabung
in Besiel^ung bringen mödjte. (£5 ijl aber 3U bemertcn,
ta% (ßvlbdn, ben idj perfönlidj gefannt tjabe, audj muft*
falifd) feE|r begabt n>ar unb bag man mögKdiermeife
beim G. supramarginalis an bie IHuftf benfen fönnte*
Dabei fei taran erinnert, ta% W, Qis an bem ^us«
guffe bes Sdjäbels, ben er für ben 'Sadfs I^ält, ben
G. supramarginalis feljr groß fanb unb permutl^ete; bicfe
(5röj5e fönnte ber ^lusbrurf mupfalifdien Calentes fein.
3tgenb etoas SefKmmtes fann man aus ten oor*
liegenben eingaben vooiil nidjt ableiten. 3"^^ff^" ^<w^f
man fagen, ta% bie (Sei^irn^Unterfud^ungen burd^aus
nid)t gegen bie 2lnnaE^me fpredjen, bas ©orbere ^nöe
ber britten 5tirnu)inbung fei Bebingung tes matlje»
matifdjen Calentes. Vcnn in jebem SaHe n>irb bie un-
Qewdfyxlxdic (£ntn>icfelung ber 5tirnn>inbungen betont
3n S^funft foHte man bas (Sc^xtn vov bem heraus«
nel^men aus bem Sdjäbel (gärten. 3jl bie mifroffopifdje
Unterfudiung foujcit enttt)icfelt, ta% bie €igentl|ümlidj*
feiten ictcn 5^lbe5 ber fjirnrinbe genügenb befannt flnb,
fo wirb audj mifroffopifdj bie ungeu>öl|nlicije €ntn>icfelung
einer beftimmten Stelle erfennbar fein. —
Der 5d|äbel eines reinen 2Ti!atl|ematifers ift bisl^er
®. SdjcriiTg*
IV. Ucbcr bic Bcbingungcn bcs matl^cmatifd^cn Organs ic, \^\
nodi hidit fccfdiricbcn iporbcn. Sie Untcrfudicr ^et
(ßcB|irne B|abcn bcn Sd^äbcl nidit fccrütfjtditigt. 2tucl^
^tusgüffc bcs Sdiabds jtnb nidit gemadit iporbcn.^)
3m Ucbrigcn liegt, fo mcl xdi fcBic, gar nidits t>or
als bic 2tbbilbung bcs Sd^äbcls t)om ZHcd^anifcr VcngU
länbcr auf (ßaü's Cafcl unb bic Scfdireibung bcs Kant»
fdläbcls burdi Kupffcr unb ScffcIB|agcn, ^) mit bcr bie
Scfdircibung Kcldi's t>om Kopfe bcr Ccid^c 3U t>crglcid]cn
ift. Kupffcr unb ^cffcIB|agcn liahcn bcn 5d?äbcl aus-
gcmcffcn unb abgebilbet. Vxe Qauptmaajjc jtnb: länge
^82 (am (ßipsfopfe ^90), :3rcite \6\ (am (gipsfopfe \68),
Umfang 5^7 (am (ßipsfopfe 57{). 2tu5 ben „€rgcb-
niffen" mag 5oIgcnbes B^eroorgeB|obcn fein: „3P bie
Stirn Kanfs U)ebcr eine breite nod? eine in fagittalcr
Hiditung ansgebehinte 3U nennen, fo ijl bod? eine com«
penfatorifdie IDöIbung bcr frontalen 5d^Iäfcnparticn auf
beiben Seiten nid^t 3U pcrfenncn." ,,Der Sd^äbcl ijt
beutlid^ afvmmctrifdi, inbem bie redete Seite bcr Kapfei
im (ßansen an XDöIbung unb Umfang überwiegt, ?)od^
tritt bic linfe Seite nid^t in ber gansen TivLsbelinnng.
f^inter bie redete Seite surüd, ba fidi linfs in smei be»
fd^ränften Hegionen eine pärfere UDöIbung n>aB|rneB|men
läjjt, unb 3n>ar an ber Sd?läfenfläd|e bcs Stirnbeins unb
in ber (ßcgenb bcs Angulus mastoideus ossis parietalis.'*
„®b bic Pärfere tt)ölbung ber Facies temporalis oss.
^) (2rft ncucrbings crfal^rc id?, ba^ in (Söttingcn bic gcid?^
nung bcs Sd^äbclausguffcs von (Saug cjiftirt.
2) Der 5d?äbcl 3mmanucl Kaufs. 2Ird?. f. 2lut(jrop. XIII.
p. 359. 1(88^
\^2 IV. Ueber bie Bcbingungcn bes matt^ematifc^en 0rgans ic.
front, auf ber (infcn Sdte mit bem Sinbcnfclb bcr
5prad)e in 'Beiwfyxng 5U bringen fei, mag I)icr nur ds
irage B|ingcjleDt roerbcn.^ ©ie Pcrfaffcr oemeinen aber
tljatfäcfelidj bie 5tage, ba jte fagen, ^a^ bie Sroca*fd|€
SteDe ;,tt>citer Biintcrmärts'' gelegen fei.
Von Kel(li*5 *) Sefdjreibung bes (ßipsfopfes ^) fagt
Kupffer, bag aDe von Keldj befcferiebenen ZHerfmale am
Sdiäbel oorBianben n>aren. Keldj, ber (ßatt's 2luffaffung
tl^eilt, fagt über bas 0rgan bes Sa({Iengebdci)tnif[e5 bei
Kant: „tianfs Stirne fommen biefe IHerfmale [bie oon
<6aD angegebenen] bis auf ujenige ^tbmeidjungen su.
Die untere Sreite ber 5lirne iji nämltd) im PerEjältnif
mit ber an ber KransnaB^t fd^mal. Die Stirnerfen Ijin»
^egen ftnb fdjarf nad? äugen ragenb nn^ geben ber
Stirne unten ein erfiges 2tnfeB|en; iB|re Sdjärfe beljalten
fte ungeaditet iB|rer allmät^Iidien 2lbnaljme oB|ngefäl|r
einen §oD l^pdi über bie 2tugenB|öB|lenn?infeI^ unb Ijier
t>crfd]U)inbet jte aümäBilid? in bie burd? bie Bebecfungen
bes 5d]äbels nadifüB|Ibaren 5purlinien ber 5d|Iaf»
ntusfeln. Die Deden ber 2tugenB|öt|Ien ftnb aber an
^en Stellen, wo bie CB|ränenbrüfen liegen, gleidtförmig
ausget^öBiIt."
3d? ^abe nur ben (ßipsabgujj ber Sdjäbelform in
^en Qänben geB|abt unb mir fiel am meiflen auf, ^a^
^ie Däd^er ber 2(ugenB^öt^Ien feB|r n>enig gen>ölbt roaren.
^) Ucbcr hen Sd^äbcl Kant's ; von Dr. H). (5. Kcld?. Königs»
bcrg ^80^.
^) €r ift in bcm Tltias oon <Zaxns abgcbtlbct.
^. ^- Seeliger,
IV, Heber bie Bebingungen bcs matljematifd^en 0rgans ic. ^^3
auffaDenb tief jlanben. Stcxlxdi toeig tdi rtidit, ititoieipeit
an btefer Stelle bie 5orm correct wax.
Pielleidit gelingt es mit ber ^eit, am tcb^riöcn
burd) ^as Höntgen*I>erfaB|ren gute Sd^äbelbilber 3U er»
Ijalten. Bis jefet ijl nid^t t>iel barauf 3u geben, mk mir
einige Perfud^e geseigt B|aben. ®enn ix>in man bie
5tirnerfe fetten, fo mu§ ber Kopf fdjief gegen bie platte
ftelien unb ber (ßrab ber 2)reB|ung ift nidjt ftdier genug
3U bejlimmen.
mdbius, Ulatfjematlfer. ^3
21 11 Fl a ti g.
lieber S^^^^ 3cifeptj (Satt.
Htütt £?,
ßäuft^tr fin&et ötTJeni^e etBJS ileue ä,
luffd^cr Pin* I£un(l nidri BWT'^ftit, flit &fr^
jfniac, tofldfür fit oerilflii ^Eei^rr^
mciü^trt ein ItnTcbibdft ft?cc^ ah «iti
OTibfrer. ^t turtdjt ndTnlidr Eiiic<fj tlin?
Dan ben Uebtt^Fn ntdif bEirprrnp 23al]it
rniö pforif, Hiit fln&*J ti-ni atibfie linfid^t
üon 6rii PingCTin ilUfS rita^ brn?itnbrct
er tinb uitterfud^r fr, Hjatjtcnö Öif Uf brlg« ri
^a^<tt^ als doc triüJi BefümUenu BOr=
übrrttEen.
fribni]«
u-^
f
L Die 2Jnatomtc &es HecDenfYflems.
3n feinem XDftttt ,,üom Saue unCs Ccfjcti bes
Sneörid? Buröad] exm (Sö(d:jidjte tjer <Set?irnanatomk
gegeben. tiefer ^emiff^ntltifte^ reMtdje IHann fagt
(IL p- 229): „tÜiv fcmmen 50 t>en eigentlicticn 5öt^
fd?nHeti, meldte bie f^irnlefjre im ^9- 3<^l?ri]unbcm burd]
bie Bemütjungen ber beutfcijen Haturforfctier meldete,
iinb billig fielet l^tcr (ßaEi an bcr 3pi6c^ inbem er tE^eiU
tterfannte IDa^r(]eiten in it^r altes ^cdt^t npic^er einfette,
tl^eils neue Cljatfadjen unb Slnjidjlcn gab^ tljeib, unb
aans poräücjIid:|^ bic allgemeine 2iufmerf)amfeit auf bcn
I^irnbau letifte unb 3U neuen Unterfuctjun0en bcffctben
anregte''. Burbadj fd^ilbert in ber Kürjje cSatr^
feif^ungen, biDigt t>as ^ine^ üertöirft 3lnbere5 unb fdjlie^t
f a[geuöennaagen : ,f(SaII fanb Diele <5egner: Einige
mollt^n bloip bic Seme mit itjm mieberlictcn, meldje
üaroli erlebt I^atte^); ^(nbere pieken fict? batan, baj^ er
*) lieber bai arofien Dar tili/ ron bem ev Tuit „^^lnia{^r Dlu^^
etjiuufj' ff'ridjt^ fagt ^iii'&Lidi (IJ. p. 2ü6)^ „Üaioli imter|'ud>tc
5netft ^as öcbim uon feiner tSvun&flädic ans intb L^erfoLjtc bie
^^8 2Inbang: Ucbcr gratis 3ofcpl^ <5aU,
als HBiapfobe feiner eigenen 3Iia5 auftrat unb an bas
groge publicum porsüglid) ftdj »enbete; nodj ^nbere
n>iberte feine unpI^ilofopBiifdie SeB|anblung pB|ilofopB|ifd|er
(ßegenpSnbe an^); Rubere enblidi n>aren ersürnt üfcer
Stctigfcit t>es ^afcrlaufs. Dabcy ift er bcr (£rftc unb bis auf
bicfcn (Eag faji bcr (£1113196, bcr in bcr Copograpl^ic btc £aqe bcr
^imtl^cilc nad? bcn Sd^äbclgcgenbcn bcftimmt . . . IXiit rut^igcr
IDürbc, erl^abcn über flcinlid^c Selbjifud^t, cr3äl|lt er btc 2ln=
fcd^tungcn, meldte er ipcgcn feiner (Entbccfungcn t>on feinen
Sologncfifd^en UTitbürgcm crful^r. guerft leugnete man bic ^^aU
^adim. 2lls Paroli bicfc im Bcyfcyn von 2lcr3tcn, pl^ilofopt^cn,
(El^eologcn unb Senatoren nad^roies, fo heiianptete man, bie ^afcm,
bercn Perlauf er 3ei9te, mären nid?t in ber Ztatnr porl^anben,
fonbern burd? pincette unb Scalpel erft gemad^t. 2Us man burc^
bcn 2Iu9cnfd?cin gcnötl^igt n?ar, bics auf3ugebcn, foüte fd?on
^ippofrates 2IUcs gcujugt I^abcn. Unb ba aud? IjicrDon bcr Un»
^runb erliefen mar, foüte Paroli alles Ztcue pon einem nnhe=
tannten 2lnatomcn, ber nod? Ztid?ts gefd^rieben l^ätte, gelernt
l^aben! — 5oiftbie(5emeinl^eitinallen3al^rl^unberten
fid? glcid?."
^) Burbad? fprid?t l^icr im Sinne ber (Segner (Sall's. 3n
IDal^rl^eit mar biefer ber ein3ige pi^ilofopb unter feinen Kollegen.
IPeld^e Sorte oon pijilofopl^ie bie f^erren 2lnatomen pertraten,
erfebe man ans ^olgenbem.
Prof. 2((f ermann in f^eibelberg, einer ber EJauptgegner (Sall's,
„nal^m ^en 3uperfid?tlid?en IHaterialismus unb bie übermütljige
Cl^emiatrie aus ber Heige bes 3al^r!|unberts ber 2lufflarnng in
bie neue §eit l^inüber, entlel^nte mand^e Porfteüungsarten aus
bem 2lltertl^ume unb be!leibete fie mit ben neueften (Jormen ber
Haturpl^ilofopl^ie. 2lus fold?' feltfamer Pereinigung ging folgenbe
S^l^eorie l^erpor. Pas Sonnenprincip ober bas £id?t unb bas (£rb=
princip ober bie Sd^mere finbet er überall pereint, jebod? in per=
fd^iebenem Perl^ältniffe. Pas tl^ierifd^e IDefen he^eidtnet fid? t>a=
burd?, ^a% es bas Sonnenprincip in fein 3nnerftes aufgenommen
bat. tTämlid? aus bem (Sefägfyfteme, meld^es felbft eine poten=
3irung bes gellenfyftems ift, entmirfelt ftd? bas ITerpenfyftem,
inbem aus bem Blute (2yn?ei§ftoff ftd? abfegt, meld^em Sauerftoff=
I. Die 2Inatomtc bcs tTcrpcnfyftcms. \^^
feine ^Inmaagungeti, tnbem er, nxdit m ber XDiffenfdiaft
innen ^eljenb, itdj audj nidit ab (ßlieb in ber Kette
il^rer Bearbeiter betradjten, fonbem nur oben fdjmimmen
ix>oIIte* Sdiabe ijl es, bag feine franiognomifdien Seob*
ad^tungen, in iljrer HeinB|eit unb gans abgefeljen von
feiner CB|eorie, bis jefet su ipenig perfolgt »orben ftnb,
unb ba% toxx nod) bie firfd^einung bes ZHannes entarten
muffen, ber mit l^eOem Slide unb unbefangenem Sinne
bey äußerer Begün^igung bie Prüfung ber Köpfe 3U
feiner 2tufgabe madit"
£uft=2lctl|cr^£id?t folgt. Damit tritt nun bie Seele in breyerley
formen l^erDor : als Inf tf örmige für bie automatifd^en Beipegungen,
als ätl^erifd^e für (£mpfinbung unb tljierifd^e Beroegung unb als
£id?tfeele für bie l^öl^ere menfd?lid?c <5eiftestl^ätigfeit Das (Se=
I]im entfteljt aus bem gciftigftcn, b. i, fauerftoffl^altigjien Blute;
ber Sauerftoff löfet fid? Ijier in bie reinften £id?tftral^len auf unb
CS ift bei bem UTenfd^en best^alb am Doüfommenften, roeil l^ier
bas ^er3 fo geftellt ift, ba^ es fein fauerftoffigftes Blut in geraber
Strömung 3um Kopfe fenbet. Die Hinbe ift ber Uebergangspunft
aus bem (Sefägfyfteme in bas Zteroenfyftem unb il^re Hanbujulfte
finb burd? bie (Sefägoertl^eilungen gegeben. Die tleroen ftammen
aus bem ^er3en unb bie primitionerocn (ber fympatl^ifc^e Zteroe)
merben bie lDur3eln bes fleinen ^ims burc^ il^re Perbinbung mit
bem 5. ^imneroenpaare, foroie bie bes Hü(fenmar!s burd? il^re
Perbinbung mit bem 6. EJirnneroenpaare." U. f. f.
■ Sogar ber Dortrefflid?e Heil, ber überbem (Sall's gw^örer
geu?cfen ift, l^atte ljöd?ft u?unberlid?e 2lnfid?ten. (2r oerglid? „bas
(Sel^im mit einer galoanifd^cn Säule: bie aneinanber gelegten
ureigen unb grauen Sd?id?ten finb €le!tromotoren, meldte burd?
il^ren t^ybrogenen unb ojygenen (Segenfa^ bas ^reytl^ätige, ben
£ebensgeift, bie (£rregbar!eit er3eugen; bie IHarff afern unb <£om=
miffuren finb (£oUeftoren unb (£onbu!toren. Die Hinbe ift ein
Anflug ober ein tlieberfd^lag aus ber (Sefägl^aut. Die EJirn=
funftionen finb nid^t an fije ^formen gebunben, fonbern aus bem
Brennpunfte il^rer Spannung ausgel^enb, fo ba^ bas Pitale bas
Bel^arrlid^e oerlaffen !ann."
200 2I«Kmj: VUhez ^anj '^y>k^ ^oiL
5o gat wit Bei Bnrbod? ift <s 5cfli <B^ bei ben
fpdieteit 2tnatofn<n tftd?t gegangen. 3n mtf ere n £e^«
bttd^etn voirb er als Anatom gar vidfi ober bod) fo gut
iDie gar md;t enDobnl ülandK, S- S. ^vrtl, mbMen
ib« megen feiner OrganoCogte einige Befdiimpfongen,
bei bemn bie <0rob^ett ben Blangel an DerfUmbnig er«
fe^en mn%, aber i>on feiner 2tnatamie ifl feine Bebe.
Henerbings bot C £binger {n>ob( im ^inbßcfe auf
Surbad)) <Sall*s anatomtf d^ Derbien^ anerfonnt 3^^^
Sd^er fennt Wmslow, Hlonro, HoUmbo, cbwobL biefe
Ferren tt. TL bnrdKms feine grogen <5ei^ nntren, pon
iSall erf dbrt er nid^. Die Sd^nlb ßegt of enb<tr bei
iSall; Ifitte er ein neues €od{ befd;rid»en, fo nmrbe
man feiner gebenf en, ba es U)m aber van bos Perßfobnig
bes gonsen HenoenfY^ms, nm bie (ipie man bamals
fogte) pt{iIofopbtfd^ €rfenntni§ bes Qimbanes ju tfjnn
oHtr, fo nmrbe er nid}t perftonben unb feine ber ^t
poranseilenben (ßebonfen gingen perloren.
5tan3 3ofepIj ißoE, ein Subbentfdjer, nxir ^Irjt in
IDicn gen>efen. Seine Dorträge über 0rgano(ogie fyüten
großen Beifall gefunben unb bos mißtrauen ber ö^ers*
reid}tfd)en Hegierung em>ecft. Sie n>urben, n>eU fle sum
niaterialismus periocften, burdj ein fatferlid^s fymb*
fdjreiben perboten. ^) <5aVL gab Wien auf, mad^te weite
^) Per Kaifcr fArieb am 2^. Pcccmbcr (80( an ben iSrofcn
ta^ansf^' »X^cr Poctor lUebicina (Sau giebt, wie idj oemeljme,
in feinem Banfe prit»atr>orlefiingen fiber bie üon ihm erfnnbenc
Ctjeoric bes menfcbli djen Btmfcbabels unb foU bonftgen Sefut^
nidjt nur von Ulänneni, fonbem andb x>on IDeibem nnb jungen
Uläbdben erbalten. Pa über btcfe Kopflebre, von roeldjer mit
I. Die 2lnatomic bcs tTcrDcnfyftcms. 20 ^
Hcifcn, auf bcncn er einen großen Sdiai^ von Beob*
ad^tungen fammelte, unb He§ jtdi bann mit feinem
5reunbe 3ok* Cafp. Spurs^ieim in paris nieber. Tlndi
B|ier f anb er piele 2tnt^änger unb befonbers Cuoier »ac
iB|m feB|r geneigt, ^m ^^. TXläx^ ^808 überreid)ten
(5aE unb Spurs^ieim bem fransöjtfd^en 3nftitute einen
^luffafe über anatomifdje Unter fud^ungen bes ^erpen«
fvPems im 2lOgemeinen unb bes (ßeljirns tnsbefonbere.
®er 2(uffafe u>urbe öffentlid) porgelefen unb Cenon,
Sabotier, portal, pinel, Cupier') ujurben 3u Serid^t»
ergattern ernannt, etiles liefe ftd? gut an, aber (5aö
iiatte Ung(üd| mit ben Kaifern. Kapoleon u>oDte nidjts
pon it^m n>iffen, er fut^r bie 2lfabemifer an unb fragte,
(£ntl|ufiasmus gcfprod^cn mirb, oicUetd^t mandfe il^rcn eigenen
Kopf ücrlteren biirftcn, bicfc £cl^rc auc^ auf UTatcrialtsmus 3U
f ül^rcn, mttl^in gegen bic crftcn (Srunbfä^c bcr IHoral unb HcUgion
ju ftrcttcn fd^cint, fo rocrbcn Sic biefc prioatDorlcfungcn aIIfo=
glcid? burd? bic lt. 0c. £. H. 5t. Dcrbictcn lajfcn ic." (Dbwolii
(Sali eine ausfül^rlid^c Pcrtljcibigung einrcid^te, obn?ol^I bie por=
tragenbcn Hätl^c, bcr Hcgicrungspräfibcnt, pctcr ^ran! unb bcr
l^ofratb Birfcnftocf 2IIIc marm für (Sali eintraten, blieb bcr Kaifcr
bei feiner €ntfd?cibung. (2s muffen ba gcl^cimc IHad^cnfc^aftcn
gcujirft haben unb Dicllcid^t wax bas cigcntUd^c gicl nid^t bas
Dcrbcrbcn (Sall's, fonbcrn bic Untcrbrürfung bcr freien Por=
Icfungcn übcrl^aupt, bic unmittelbar banad^ eintrat, ^ran!, bev
2(ugenar3t 3ccr u. 21. }:iatten fold^c Dorträgc gcl^altcn unb burd?
(Sall's grogc (Erfolge n?arcn offenbar bic freien Dorträge über»
baupt IHand^cn Dcrbricjgltd? geworben. Der Kaifer crHärtc aud?,
bas cin3ig' Sraudjbarc oon bcr (5cl^im= unb Sd^äbcllcl^rc roerbe
in bcn öjfcntlid^cn Dorlcfungcn auf bcr Uniocrfität geleiert.
^) 2tls (Luvxev (Sall's anatomifd^cn Pcmonftrationcn bci=
gcipol^nt iiatte^ fagte er 3U tl^m, er ((Euoier) t^abc ftd? bis bal^in
niemals mit bcm bcfonbcrcn Stubium bcs (Set^irns bcfagt.
202 ^Inl^ang: lieber ;Jran3 3ofcp^ <SaII.
roarum jtc (Etjcmie von einem £nglanbcr (bos 3"|ii^^
ijotte Vavy burdj eine ZHebaille ausgeseidjnet) urib
2lnatomie oon einem ©eutfdjen lernten. Hod? auf 5t
^elena fagte Hapoleon: J'ai beaucoup contribu^ ä perdre
Gall. Corvisart ^tait son grand sectateur: lui et ses sem-
blables ont un grand penchant pour le mat^rialisme.
Vnvdtt bas unbefugte Eingreifen bes Kaifers nmrbe bie
£age oeränbert. Der am 25. 2lpril unb 2. TXlai er«
ftattete, offenbar oon (Euoier rebigirte Seridjt erfannte
(SaWs Perbienjte an, aber unter fo gemunbenen unb
oerdaufulirten Heben, ba% Hiemanb redjt Mug baraus
merben fann. (ßaU fritifirte itjn eingeljenb unb fd^arf,
Iiej5 ^uffa^, ^erid|t unb Kritif foupotjl fransöpfd? als
beutfd] erfd)einen. lDäl:|renb ber 3at|re \8\0 — 20 oer-
öffentlid^te er fein großes IPerf : Anatomie et physiologie
du Systeme nerveux en gdndral, et du cerveau en parti-
culier, bas aus ^ Sänben in 5oIio unb einem 1(00 Cafein
entt^altenben ^tlas beftcl:|t. Tlrxf bcm Oel jtnb (Bali
unb 5pur3l:|eim als 2(utorcn genannt, jebod^ u>ar ber
£efeterc nur im 2lnfange ZHitarbeiter ; er ging \S\^ nadt
(£nglanb. Um bas IPerf 3ugänglid]er 3U madjen, ocr*
anj!altete <5aU \822 — 25 eine 2(u£gabe in 6 ©ftao*
bänben oljne Cafein mit fritifd^en Tlad^trägen. * ^m
3at|re \828 ift er 3U paris geftorben.
3d^ gebe im 5oIgenben einen ^us3ug aus (ßall's
anatomifd^er teilte nad\ bem ber ^fabemie überreid)ten
2luffafee.
Das princip ber Unterfud)ung ift, ^a% alle d)eile
in ber nämlid)en (Drbnung unb Perbinbung ünterfud^t
I. Die 2(natomic bes ZTerocnfyftetts. 205
voctben muffen, wie fic bic Zlainx fclbft fcftgcfcfet 3u
B^abcn fd^cint. Die gcrglicbcrung bcs (Sct|irns fclbfl
fangen faft alle Anatomen von bcr crB|abencn 0bcr-
fldd)c an unb tocnn audj €inigc, wie Vicq b' 2l3Yr, Ijori-
Sontale Sd^nittc oon unten nad] oben gemad^t tjaben, fo
I^aben fie bies nid]t forooljl aus pB^ypoIogifd^en unb
pIjUofopl:|ifd^en (5rünben, als vielmeliv nadi bem Sei«
fpiele oon Paroli unb Pieuffens getl^an, um bie oer«
fd^iebenen formen ber einseinen Ct^eile beffer ju fetjem
nad)brüdlid] menbet fid^ (Sau gegen bie I^errfd^enbe
ZTfeinung, ba§ bas verlängerte ZlTarf unb bas Hüden«
mar! nur 5ortfäfee ober Verlängerungen ber ZHarfbünbel
bes (5eB|irns feien. €r upeift auf bie oergleid^enbe 2tna-
tomie l^in unb auf bie 2lcepl]alen,. um bie 5elbj!änbigfeit
bes Küdenmarfes barsutEjun. „TXian t»erfe einen SHcf
auf bie Stufenreilje ber empfinbenben IDefen. 3"^
polvpe liegt bas gallertartige (Empfinbungsorgan nod^
serftreut. 2tuf einer E|öf?eren Stufe famhtelt es pd^ fd)on
in Heroenfäben unb in gemeinfame Stämme. Um en^'
Iid> metjr Serül^rungspunfte mit ber ^ugentoelt 3u be*»
mirfen/ oermelf ältigt bie Hatur bie 2(nftalten, b. i. bie
Heroenfvfteme. ^uf biefe IDeife fd^afft fie immer neue
unb 3U Ijötieren Kräften gej!eigerte (Drgane unb fteigt
oon Stufe 3U Stufe enblid^ 3um ZTIenfdien I^inauf, inbem
fie iB^m- (Drgane für Kräfte, für Sesiel^ungen gegeben
i:iat, weldt^ ben d^ieren entsogen bleiben feilten . . ,**
„Va es toeit Ieid)ter ift, bie (5efefee ber einfad^eren
(Sebilbe 3U erfennen, fo ift es äudj oernünftiger, mit
ber Unterfudjung berfelben ansufangen, um jtufenmeife
20^ ^Inl^ang: Ucbcr ^tarii Jofcpl^ (Sali.
«ine £inftd{t in bcn 5ufammcngcfct(tcrcn Organismus su
«rtjalten."
Sie mittel ber Unterfud^ung tparen {;öd}jl einfad^.
Die Ulifroffopie fam nidjt in Setradjt. ^drtungsmittel
(Kodten in 0el u. 2(.) tx>urben nur ausnat^memeife an«
gemenbet. (SalVs ^auptmittel ftnb bas 2luseinanberlö[en
mit jhimpfen IDerfseugen unb bas „Sdjaben'', er eifert
gegen bie 2(natomen, bie Dilles serfdjneiben unb nur
oom einlegen neuer Sdjnitte 2lufflärung erroarten.
3m 2ttlgemeinen bejleljt ^as ganse ^eroenfvftcm
aus 3ipei gans oerfdjiebenen Subflansen, ber meinen unb
ber grauen ZHaffe. ^em ift burdjaus von ^en feinjten
^eroenföben sufammengefe^t ^) 3)iefe jtel|t balb grau«
(id^; balb fd^mdrslid) ober rött^Iid}, balb fd}mut(ig blag
aus, ijl balb berber, balb upeidjer. Ueber il^re Struftur
u>eig man nid^ts 5id)eres, aber fte ijl nidjt faferig unb
augerorbentlid? reidj an Slutgefägen. „Sie umfleibet
alle XTeroenenben unb ift unsertrennlid^ vom Urfprunge
ber ^eroenf äben." Sie bilbet nid?t nur bie (Dberflädje
bes (ßetjirns, fonbern fie bilbet audj bie riefeljaut bes
2(uges unb bas €nbe bes Ejörneroen im CaßyrintE^,
fotoie bie öu^erften €nben ber Ejautneroen; fie begleitet
bie ^eroenfäben in il:|rem Perlaufe, man finbet pe in
^) §u (Sall's geit bcftrittctt nod? mandjc 2Inatomen bie
gufammcnfcöung ber ipcigcn f^irnmaffc aus ^afcrn. Bic^at wax
3n)cifclljaft. Die (Sebrüber VOen^ei iDoIltcn Hid^ts baoon »iffcn
(^806). 2lc!ermann glaubte, bas <Scl|im fei im Icbcnben guftanbc
breiartig, gerinne erft nad? bem (Eobe 3U ^afern. 2lud) bie Com«
miffion fprid^t oon bem (Sel^irnbrei (pulpe).
I. Pic 2Inatomic bcs Hcrpcnfyftcms. 205
^en (Sanglkn, im Hücfcnmarfc, im verlängerten llTarfe,
am Soben ber vierten ^irnB|öt|Ie, in ben Pierljügeln^.
ben Seljtjügeln, ^m gejtreiften Körpern u. f. n>. „Va
wxv alfo fetjen, ^a% alle XTeroen, fon>oB|I in ben ein»
fad^jten d^ieren als im ZHenfct^n, aus biefer fulsigen^
gallertigen Subjians entfteljen, fo betradjten toir jte als
^en Urftoff unb bie Quelle bes Heroenfvliems un^
mödjten iB|r gern ben Hamen Matrix nervorum bey»
legen," Sie Heroen entspringen aus ber grauen HTaffe
unb „foU ber Heroe auf einmal 3u größeren Per«
ridjtungen gefleigert n?erben, fo pögt er auf eine neue
2Tlaffe ber nämlidien grauen gallertartigen 5ubjlan3^
oermebt fidj mit i^v, bilbet eine 2lnfdin?eIIung von
mannigfaltiger (ßejtalt unb (EonjtPens; aus biefer grauen
Subftans erseugen fid? nun neue 55ben, ujeld^e 3U ^n
porigen treten, bie alfo jefet ftärfer unb 3um Cljeil aud|
in anberen Hid)tungen I^eroorfommen, als fte I^inein»^
gegangen maren".
Sei Setrad^tung bes Hücfenmarfs geljt (ßaH oon
bem ber ^r\\eticn aus, ^udj bei ^cn IjSEjeren Ctjieren.
beftet^t im (Brunbe bas Hücfenmarf aus einer Keilte oon
(5angUen. „Hur ftnb bie oerfd^iebenen ^InfdimeHungen
fo naE|e 3ufammengerü(Jt, ^a% jte mit il^ren gemeinfd^aft«
lid^en Sünbeln einen beynal^e gleid] biden ZHarfftrang.
5U bilben fd^einen." Die graue ZHaffe bilbet ben Kern
bes Hücfenmarf es unb iß „immer an ber Stelle, wo bie
Heroenfäben iieroorquiUen, in größerer ZlTenge ange*
tjäuft". Tins ^en 2lnfdja>eIIungen ber grauen Hlaffe
gelten bie fpinalen Heroen ^exvot unb ben (ßlieber»
206 ^Int^ang: lieber ^ran3 Jofeplj (Sali.
iicrpcn ctitfpred{cti bic Qals' unb bic Ccnbenanfd^tPcHung.
Seim ocrldngcrten TXlaxfe erflärt (ßafi, bag es md^t nur
bic Perlängerung bcr 2Tlarffd}cnfcI bcs grogcn unb bc5
ficinen (ßel^irns barftcllc, fonbern oor 2HUm bic „Urquelle
bcr Sinncsncrocn" fei unb im 3"ticren met^rcrc 2ln*
i^aufungen grauer ZHaffe berge, beren jebe Heroenfafern
uusfenbe. (Sau fd^ilbert ibie Perljältnijfe bes oerlängerten
Vflaxfes balb beim ZHenfdjen, balb bei CB|ieren, ujeil bei
biefen mandje Sünbel flärfer entoicfelt unb beuHidjer 3U
feigen jtnb. Die Sinnesneroen [b, i. bie Ejirnnerpen]
entfpringen nid)t, mie Picq b' Tl^yt u. ^. gemeint Ijaben,
3um 2^E|eiIe aus ben pvramiben, fonbern gans aus ben
grauen (ßanglien im 3nneren. ^Is Kern bes ^örneroen
fdjilbert (Bali ben grauen Ejöcfer neben ber Hl^aptje bes
pierten Pentrifels. Vas graue Ceiftdjen . ifl bas n>aE|re
ißangUon bes ^örneroen unb fteB|t mit feiner (ßröge in
gerabem Perl^ältniffe. Den fünften ZTeroen oerfolgt er
bis 3ur äugeren Seite ber ©üoenförper unb fd|Ubert
feinen Kern als befonbers fd^arf abgegrenst bei ^en
5ifd?en u. f. f. lieber ben 5eE|nerpen ift mit Seftimmt«
fjeit ju fagen, bajj beim 2Tlenfdien unb bei ben Ctjieren
aus bcm oorberen paare ber Pierljügel eine breite
^eroenfaferbinbe t^eraustrete, ba% fie ftd^ um ben äuferen
IRanb bes Seliljügels fjerumlege, nodi einmal mit grauer
Ulaffe in Serül^rung fomme unb baburd^ bas Corpus
geniculatum ext. bilbe. Sie erljalte bann nodt einmal
Perjiärfung von ber grauen Subftans bes Tuber cinereum
unb freuse jidj banadj mit bem Tractus ber anberen
Seite, roobei bie 5öf«rn nadj (Einigen gans, nadj 2lnberen
I. Die 2lnatomic bcs Hcrocnfyftcms. 207
3ur £}älftc auf bie anbcrc Seite übertreten, (Bali be*
tncrft an biefer Stelle, er B|abe öfters beobad^tet, „^a%,
wenn bey ant^altenber SlinbB|ett bes einen kluges ber
Selineroe biefer Seite vov ber PereinigungsjteHe ge-
fdjiDunben n>ar, fiij ber Sdiwnn^ unb bie IHij^farbe auf
bie entgegengefe^te Seite fortgepflanst Ijatte", 3" fold^n
5äIIen lidbe ber SeE|IjügeI nie bie minbejle X>eränberung
erlitten, jlets aber fei ber mit bem Seljneroen sufammen«
B|ängenbe X>ierE|ügeI merflidj oerfleinert geroefen, ^) 2tudj
entfpredje bei ^en Ctjieren bie (ßröj^e ber SeE^neroen
ber ber oorberen Pierljügel, burdjaus nid^t ber ber Sel^»
B|ügeL IDas bie 2(natomen bisB^er bei ^en Pögeln Sel^-
tjügel genannt traben, bas pnb bie X)icrB|üge{, bie mirf-
lid^en Sel|E|ügeI Hegen nad^ com baoon. "Der SeBinero
erl^ält feine J^fern aus bem SeB|E|ügeI, ^as oorbere
PierEiügelpaar unb bas Corpus genicul. externum ftnb
wallte (ßanglien bes SeEineroen.
Um nidjt n?eitläufig 3U n^erben, übergel^e idi bie
Sefdjreibung bes fleinen (ßeE|irns,
©ie Sefd)retbung bes grogen (ßetjirns beginnt mit
ber ber pyramiben, als ^em erften, beutlidj fid^tbaren
2(nfange ber grogen Ejemifpl^ären. Die Kreusung ber
pyramiben n>irb fetjr genau gefdjilbert, gegen Sabatier
u. 2t. oertl^eibigt, upeiter »erben ber Perlauf ber pyra-
mibenfafern burdj bie Srücfe, iljre Ueberlagerung burdj
^) 21. a. 0. bertd^tct (Sali von einer Section, bei ber ber
eine Sct^t^ügcl 3crftört gefunbcn ipurbe. Per glcid?3citi9c Streifen*
Ijügel unb bie ^emtfpt^äre roaren atropt^ifd?, ber Seltnere unb feine
(Jortfe^ung l^iatten nid?t gelitten.
^^8 ^nl^ang: Ucbcr ^xan^ Z^\^Vk <Saü,
als HB|apfobc feiner eigenen 3Ka5 auftrat unb an bas
große publicum voxinglidi ftdj n>enbete; nodj wintere
»iberte feine unpl^ilofopljifdie Seljanblung pljilofopl^ifdier
(5egenpänbe an^); 2lnbere enblidj n>aren ersürnt über
Stetigfeit bes ^Jafcrlaufs. Pabcy ift er ber (Erfte unb bis auf
bicfen (Eag faft ber €in3igc, bcr in bcr Siopograpljic bie £age bcr
^irntt^cile nad? ben Sdjäbclgcgcnbcn beftimmt . . . IXlit ruljiger
ibürbe, erljabcn über !lcinlid?e Selbftfud^t, cr3ät^lt er bie 2ln=
fcd^tungen, ujeld^e er ipcgcn feiner (Entberfungen ron feinen
Bolognefifd^en IHitbürgern erfut^r. guerft leugnete man bie CI|at=
fad^en. 2Ils Paroli bicfe im Bcyfeyn von 2ler3ten, pl^ilofopt^en,
Cl^eologen unb Senatoren nad?ipies, fo beljauptete man, bie ;Jafem,
beren Perlauf er 3eigte, roären nid?t in ber Hatur porl^anbcn,
fonbern burd? pincette unb Scalpel erft qemadit ^Ils man burd?
ben 2Iugenfd?cin genötl^tgt n?ar, bies auf3ugeben, foüte fd?on
^ippofrates 2lües gerougt l^aben. Urib ba aud? t^ieroon ber Un^
grunb erujiefen ujar, follte Paroli alles Heue pon einem unbe=
!annten 2lnatomen, ber nod? Hid^ts gefd?rieben l^ätte, gelernt
I^abenl — So ift bie (Semeint^cit in allen Jaljrljunbcrten
fid? gleid?."
^) Burbad? fprid?t hier im Sinne ber (Segner (Sall's. 3"
IPal^rljeit ujar biefer ber ein3ige pijtlofopl| unter feinen Kollegen.
lPeld?e Sorte oon pl^ilofopl^ie bie i^erren 2lnatomen rertraten,
erfel^e man aus ^olgenbem.
prof. 2lcfermann in ^eibelberg, einer ber ^auptgegner (Sall's,
„nal^m hen 3uperfid?tlid?en IHaterialismus unb bie übermütl^ige
dl^emiatrie aus ber ZTeige bes 3^^r^nnberts ber 2lufflärung in
bie neue geit l^inüber, entlel^nte mand?e Porfteüungsarten aus
bem 2Iltertl|ume unb beflcibete fie mit ben neueften formen ber
ZTaturpf^ilofopf^ie. 2lus fold?' feltfamer Pereinigung ging folgetibe
Cl^eorie l^erpor. Pas Sonnenprincip ober bas £id?t unb bas (£rb=
princip ober bie Sd^roere finbet er überall pereint, jebod? in per=
fd?iebenem Perl^ältniffe. Pas tl^ierifd^e IPefen he^eidfuet fid? ba=
burd?, ba% es bas Sonnenprincip in fein 3nnerftes aufgenommen
bat. Hämlid? aus bem (Sefägfyfteme, roeld^es felbft eine poten=
3irung bes geüenfyftems ift, entn)ic!elt fid? bas Herpenfyftem,
inbem aus bem Blute (Eyroeigftoff fid? abfegt, n?eld?em Sauerftoff=
I. Die 2Inatomie bcs HerDenfyjicms. \^^
feine 7lnmaa%nnqen, inbcm er, nid^t in bcr IDiffcnfdjaft
innen jtet^enb, ftd) aud) nid}t als (Slieb in ber Kette
itjrer Bearbeiter betrad^ten, fonbem nur oben fdjmimmen
tpodte. 5d}abe ijl es, bag feine Iraniognomifd^en Beob«
adjtungen, in il^rer Heinljeit unb gan^ abgefetjen von
feiner Ctjeorie, bis je^t su n>enig oerfolgt roorben jtnb,
unb baj5 loir nodi bie firfdjeinung bes Ulannes eruparten
muffen, ber mit {jeQem SKcfe unb unbefangenem Sinne
bey äußerer Segünjligung bie Prüfung ber Köpfe su
feiner 2tufgabe madjt."
£uft=2lctt^cr-£td?t folgt. Damit tritt nun bic Seele in breycrley
formen t^error : als luf tf örmige für bie automatifdjen Beipegungen,
als ätl^erifc^e für (Smpftnbung unb tljierifd^e Belegung unb als
£id?tfeele für bie lj8l|ere menfd?lid?e (5eiftestl^ätig!eit. Pas (Se»
fyxn entftei^t aus bem geiftigften, b. i. fauerftoffl^altigften Blute;
ber Sauerftoff löfet fid? l^ier in bie reinften £id?tftraljlen auf unb
es tft bei bem IHenfdjen besljalb am poüfommenften, roeil t^ier
bas ?ievi fo geftellt ijt, ba% es fein faucrjtoffigftes Blut in geraber
Strömung 3um Kopfe fenbet. Pie Hinbe tft ber Uebergangspunft
aus bem (Sefägfyjteme in bas Herrenfyftem unb il^re Hanbujulfte
finb burd? bie (Sefägoertl^eilungen gegeben. Pie Heroen ftammen
aus bem ^er3en unb bie primitirneroen (ber fympatl^ifd^e Herce)
n?erben bie lDur3eln bes fleinen i^irns burd? il^re Perbtnbung mit
bem 5. ^irnnerpenpaare, foroie bie bes Hücfenmarfs burd? il^re
Perbinbung mit bem 6. ^irnnerpenpaare." U. f. f.
Sogar ber Portrefflid?e Heil, ber überbem (Sall's guljorer
geujefen tft, f^atte Ijöd^ft ujunberltd^e 2lnftd?ten. €r oerglid? „bas
(Seljirn mit einer gabanifd^en Säule: bie aneinanber gelegten
meinen unb grauen Sd?id?ten pnb (Eleftromotoren, n?eld?e burd?
iljren Ijybrogenen unb ojygenen (Segenfa^ bas ^reytl^ätige, ben
£ebensgeift, bie €rregbarfett er3eugen; bie IHarff afern unb (£om=
miffuren finb doüeftoren unb donbuftoren. Pie Hinbe ift ein
2Infiug ober ein Hteberfd^lag aus ber (S.efägl^aut. Pie ^irn=
funfttonen finb ntd?t an fije formen gebunben, fonbern aus bem
Brennpunfte il^rer Spannung ausgel^enb, fo t>a% bas Ditale tuxs-
Bet^arrlid^c rerlaffen fann."
200 2lntjang: lieber ^vani Jofeptj (Sali.
5o gut tpte bei Surbad^ ijl es bem (ßaU bei ben
fpdtercn 2lnatomcn nidjt gegangen. 3" unfcren CeB|r-
büdjem roirb er als 2lnatom gar nidjt ober bod^ fo gut
n>ie gar nidjt etwä^nt ZHand^e, 3. Ä ^yrtl, «nbmen
iljm ujegen feiner 0rganoIogie einige Sefdjimpfungen,
bei ^men bie (ßrobtjeit ben ZHangel an Perftänbnij^ er«
fe^en muj5, aber von feiner 2lnatomie ift feine Hebe.
^euerbings tjat £. €binger (upofjl im £}inblicfe auf
Surbadj) (SalVs anatomifdje X>erbienjle anerfannt 3eber
Sdjüler fennt Wxnslow, ZlTonro, Holanbo, obipoljl biefe
Ejerren u. 21. burd^aus feine großen (ßeifter n>aren, von
(Sau erfät^rt er nid^ts. Die Sdjulb liegt offenbar bei
(ßaH; Blatte er ein neues Codi befd|rieben, fo mürbe
man feiner gebenfen, ^a es itjm aber um bas Perjtänbnig
bes gansen ^eroenfYJiems, um bie (toie man bamals
fagte) pB|iIofopl|ifd|e €rfenntnij5 bes Ejirnbaues 3U tB|un
waXf fo tt)urbe er nidjt oerftanben unb feine ber S^xt
oorauseilenben (ßebanfen gingen oerloren.
5tan3 3ofepE| (Sau, ein Sübbeutfdjer, n>ar 2lr3t in
IDien geu^efen. Seine Porträge über 0rganoIogie Blatten
großen Beifall gefunben unb bas mißtrauen ber ö^er^
reid|ifd|en Hegierung cvwedt Sie «würben, n>eil fte 3um
ZHaterialismus oerlocften, burdj ein faiferlidies E^ant*
fdjreiben verboten. ^) (Sau gab IDien auf, madjte weite
^) Per Kaifer fdjricb am 2^. Pecembcr ^80^ an ben (Srafen
Cajansfy: „Per Poctor IHebicinä <Saü giebt, ipte td? Dernel^me,
in feinem ^aufe pnt>atPorlefungen über Me von tl^m erfunbene
Ct^eorte bes menfd?Iid?en ^trnfd?äbels unb foll l^äuflgen Bcfud?
ntd^t nur oon IHännern, fonbern aud? von IDeibern unb jungen
ITtäbd^en erljalten. Da über biefe Kopflel^re, oon »eld^er mit
I. Ptc 2Inatomic bcs tTcrocnfyftcms. 20 ^
Hcifcn, auf bcnen er einen grofen Sdja^ oon Seob*
adjtungen fammelte, unb lieg pd] bann mit [einem
5reunbe 3otj, <£afp, SpursBieim in paris nieber. 2lud]
B|ier fanb er oiele 2(nt|änger unb befonbers Cuoier «>ac
ilim feE^r geneigt. 2lm ^^. IHärs \808 überreidjten
(ßaD unb Spurstjeim bem fran3Öjtfd^en 3nftitute einen
^luffafe über anatomifd^e Unterfudjungen bes XTeroen-
fy^ems im 2tIIgemeinen unb bes (ßel^irns insbefonbere.
2>er ^luffafe u^urbe öffentlid] porgelefen unb Cenon,
Sabatier, portal, pinel, Cuoier^) n>urbcn 3u Seridjt*
erjiattern ernannt 2tIIes lieg jtdj gut an, aber (ßaD
t^atte Unglüd mit ^cn Kaifern. XtapoUon woUte nidjts
von il|m miffen, er ful^r bie ^fabemifer an unb fragte,
(£ntbufiasmus gcfprod^cn n?irb, picllcid?t mand^e iljrcn eigenen
Kopf ücrlicrcn bürftcn, bicfc Ccl^rc auc^ auf IHatcrtaltsmus 3U
füljren, mitt^in gegen bic erften (Srunbfä^c bcr IHoral unb HcUgion
3U ftrcitcn fd^cint, fo n? erben Sie btefc pripatoorlcfungen alIfo=
glcid? burd? bie IX. (De, £. H. 5t. pcrbieten laffcn ic," (Dhwolii
(Sali eine ausfüt^rlidjc Pcrtt^cibigung einrcid^te, obrooljl bie oor=
tvagenben Hätt^c, ber Hcgicrungspräfibcnt, petcr ^Jranf unb ber
£)ofratb Birfenftoc! 2IIIe mann für (Sau eintraten, blieb ber Kaifcr
bei feiner (gntfd?eibung. (£s muffen t>a get^eime IHad^enfd^aften
geroirft haben unb pielletd^t war bas etgentlid^e giel nid?t bas
Derberben (Saü's, fonbem bie Unterbrürfung ber freien X)or=
lefungen überl^aupt, bie unmittelbar bauad? eintrat. (Jranf, ber
2(ugenar3t Beer u. 21. iiatien fold?e Porträge gel^alten unb burd?
(Sall*s große €rfolgc n?aren offenbar bie freien Vorträge über=
baupt IHand^en perbrielglid? geworben. Per Kaifer er!lärte aud?,
bas einsig- Braudjbare oon ber (Seljtm= unb Sdjäbellet^re roerbe
in ben öffentUd?en Dorlefungen auf ber Unioerfttät geleiert.
^) 2ils dupter <5aWs anatomtfd?en Pemonftrationen bei=
geu^obut liatte, fagte er 3U il^m, er ((£upter) I^abe ftd? bis bat^in
niemals mit bem befonberen Stubium bes (Sel^irns befaßt.
202 2lnlian9: lieber ^xan^ 3ofcpt^ (Sali.
roarum jtc (Z^emie von einem S:nqiänbcx (<öas ^npint
hiatte Vavy burdj eine ZnebaiUe ousgescid^nct) unb
2(iiatomic von einem Deutfdjen (ernten. Xloii auf 5t
£}elena fagte ZlapoUon: J'ai beaucoup contribud ä perdre
Gall. Corvisart dtait son grand sectateur: lui et ses sem-
blables ont un grand penchant pour le mat^rialisme.
Dnrdj bas unbefugte Eingreifen bes Koifers mürbe bie
£age oeränbert. 3)er am 23. ^pril unb 2. ZHai er«
ftattete, offenbar oon (£upier rebigirte Seridjt erfannte
(SaWs Perbienjle an, aber unter fo gemunbenen unb
oerclaufulirten Heben, ba% Hiemanb redjt flug baraus
n?erben fann. (ßaU fritifirte iljn eingeljenb unb fd^arf,
lieg ^uffa^, Serid|t unb Kritif fott)oB|I fransöfifdj als
beutfd? erfd)einen. lDäl:|renb ber 3at|re \8\0 — 20 oer-
öffentlid^te er fein groges IPerf : Anatomie et physiologie
du Systeme nerveux en gdndral, et du cerveau en parti-
culier, ^as ans ^ Sänben in 5oIio unb einem ^00 Cafein
entB|aItenben ^tlas befteE^t. ^uf bem Citel jtnb (5att
unb SpursE^eim als ^lutorcn genannt, jebod^ u>ar ber
£efetere nur im 2lnfange ZHitarbeiter; er ging \S\^ nadt
(£nglanb. Um bas IPer! 3ugänglid^er 3u mad^en, vqv»
an^altete (ßaH \822 — 25 eine 2(u£gabe in 6 0ftaü*
bänben ol^ne Cafein mit fritifd^en Tlad^trägen. ^ ^m
3aE|re \828 ift er 3U paris geworben.
3d^ gebe im 5oIgenbcn einen ^us^ug aus (ßall's
anatomifd^er Cel^re nad^ bem ber ^fabemie überreid^ten
^uffafee.
2>as princip ber Unterfud)ung ift, ^a% alle Cl^eile
in ber nämlid^en (Drbnung unb Perbinbung ünterfud^t
I. Die 2Inatomtc bes ZTerocnfyftctts. 205
tDctben muffen, wie fie bie Xlaim felbft fcftgefcfet 3u
liahen fd^cint. Die gcrglicbcrung bcs (Seiixxns felbft
fangen faft alle 2lnatomen von ber erB|abenen (Dber-
flöd^e an unb n?enn aud^ Einige, n?ie Vxcq b' ^syr, I|ori-
sontale Sdjnitte oon unten nadj oben gemad^t E^aben, fo
B^aben jte btes nidjt fomof?! ans pB^ypoIogifd^en unb
pIjUofopB|ifd^en (5rünben, als ptelmel^r nadi bem Sei«
fpiele oon Paroli unb Pieuffens getl^an, um Me oer«
fd^iebenen formen ber einseinen Ct^eile beffer ju feE^en,
Hadjbrüdlid^ menbet fid? (5aü gegen bie I^errfd)ent>e
ZTfeinung, t>a% bas verlängerte ZlTarf unb bas Hüden«
mar! nur 5ortfäfee ober Verlängerungen ber ZHarfbünbel
bes (Sehiixns feien. €r u^eift auf bie x>ergleid)enbe 2tna-
tomie E)in unb auf bie ^cepl]alen,. um bie 5elbj!änbigfeit
bes Küdenmarfes barsutEjun. „TXlan lüerfe einen Slicf
auf bie StufenreiE^e ber empfinbenben IDefen. 3"^
poivpe liegt bas gallertartige (Empfinbungsorgan nod^
Serftreut. ^uf einer E|öljeren Stufe fammelt es pd? fd?on
in Zteroenfäben unb in gemeinfame Stämme. Um en^*
Ixd) meJ^r SerüE|rungspunfte mit ber ^ußenu^elt 3U be«
ujirfen, oermelfältigt bie Hatur bie 2(nftalten, b. i. bie
Heroenfvfteme. ^uf biefe IDeife fd^afft fie immer neue
unb 3U I|öl^eren Kräften gesteigerte (Drgane unb jleigt
pon Stufe 3U Stufe enblid) 3um ZHenfdien l^inauf, inbem
fie xlimr (Drgane für Kräfte, für Se3iel:)ungen gegeben
iiai, wddie ben Cljieren entsogen bleiben foDten ..."
„Va es roeit leidjter ift, bie (ßefefee ber einfad^eren
(ßebilbe 3u erfennen, fo ift es audj vernünftiger, mit
ber Unterfud^ung berfelben ansufangen, um ftufenroeife
20^ Tinfym^: lieber ^van^ 3ofeplj (SoIL
«ine £inftcl}t in ben 5ufammengefe%teren Organismus su
Die mittel ber Unterfud^ung maren I^od^fl einfad?.
Die Znifroffopie tarn nid^t in Setrad^t ^drtungsmittel
(Kod^en in 0el iL TL) mürben nur ausnal^memeife an*
genoenbet (SaWs ^auptmittel ftnb bas 2(u5einanberlofen
mit jhimpfen IDerfseugen unb bas »^Sdjaben'', er eifert
gegen bie Tinatomen, bie 2me5 serfd^neiben unb nur
oom einlegen neuer Sdjnitte 2(ufflärung enparten.
3itt 2lDgemeinen bejleljt bas ganse ^eroenfYJiem
aus 5n>ei gans per[d}iebenen Subflansen, ber n>eigen unb
ber grauen ZHaffe. 3^ne ifl burd{aus von ben feinflen
Heroenfäben sufammengefe^t ^) Diefe fteljt balb grau«
lidt, halb fd^mdrsUdi ober xotklidi, halb fd^mu^ig blag
aus, x^ halb berber, balb »eidjer. Ueber iljre Struktur
n?eig man nidjts Sidjeres, aber pe ijl nidjt faferig unb
augerorbentlid} reid) an Slutgefägen. „Sie umfleibet
afie XTeroenenben unb ift unsertrennüd? oom Urfprungc
ber Heroenfäben.'' Sie bilbet nid?t nur bie ®berfläd?e
bes (ßeljirns, fonbern fte bilbet audj bie Hefeljaut bes
kluges unb bas €nbe bes £}ömeroen im CaByrintl),
fomie bie äugerflen £nben ber ^autneroen; fie begleitet
bie ZTeroenfäbcn in il|rem Perlaufe, man finbet pe in
^) §u <5aWs gcit bcftritten nod? mandje Anatomen bie
gufammenfcfeung ber ipeigen f^immaffe aus ^afem. Bic^at wax
3ipetfell>aft. Pte (Sebrüber lPen3cl iDoUtcn Hid^ts baoon ipiffen
(^806). 2lrfennaitn glaubte, bas (ScI^tm fei im lebenben gufianbe
breiartig, gerinne erft nad? bem (Eobe 3U ^Jafern. 2Iud) bie (£om=
mifjton fprid^t von bem (Sel^imbrei (pulpe).
I. Die 2Inatomic bcs Hcrpcnfyftcms. 205
ben (Sangixen, im Hücfenmarfc, im verlängerten llTarfe,
am Soben ber oierten £}irnE|öijIe, in ben Pierljügeln^.
ben Seljijügeln, ben geftreiften Körpern u. f. tx>. „Va
wix alfo feigen, baj5 alle Xtexven, foiPoB|I in ben ein»
fadijten Qjieren als im IHenfct^n, aus biefer fulsigen^
gaUerligen Subftans entfteE|en, fo betradjten n>ir pe als
ben Urftoff unb bie Quelle bes Xtexven^y^ems nnb
möd^ten iljr gern ben ZTamen Matrix nervorum bey»
legen." Sie Heroen entspringen aus ber grauen IHaffe
unb „foU ber Xletve auf einmal 3U größeren Per»
ridjtungen gej!eigert ujerben, fo pögt er auf eine neue
2Tlaffe ber nämlidien grauen gallertartigen Sub^anS;.
permebt fid] mit iE|r, bilbet eine 2tnfd]n?eIIung von
mannigfaltiger (Behalt unb (Eonppens ; aus biefer grauen
5ubftan3 erseugen ftd) nun neue 5äben, meldte 3U ^n
oorigen treten, bie alfo jefet ftärfer unb 3um (Cl^eil aud|
in anberen Hidjtungen IjerDorfommen, als fte Ijinein*^
gegangen roaren".
Sei Setraditung bes Kücfenmarfs geE|t (Sali oon
bem ber ^n\ctten aus. Tlndi bei ben Ijöljeren Ctjieren.
beftetjt im (ßrunbe bas Hürfenmarf aus einer Heilte oon
(ßanglien. „Xtixv ftnb bie oerfd^iebenen 2lnfdin?eIIungen
fo nalie 3ufammengerüdt, ba% pe mit il^ren gemeinfd^aft«
lid^en Sünbeln einen beynal^e gleid? biden ZHarf^rang.
3U bilben fd^einen." 2)ie graue ZTIaffe bilbet ben Kern
bes Hüdenmarfes unb ift ,, immer an ber Stelle, u)0 bie
Heroenf dben iieroorquiUen, in größerer ZHenge ange«
tjäuft". 2lus bcn ^nfd^mellungen ber grauen ZHaffe
gelten bie fpinalen Zteroen Ijerpor unb ben (ßlieber»
2Ö6 ^iTiSoiia: Heber ^ranj yr'i^b ^jIL
tien>€n ent^preäten ^ie Qols' itn5 &ie Cen^enanfdpDDcfl]tng.
I3efm Derlöngerten Hlorfe erflart <5al[, daß es nid^ tmr
tie Perföngentng der 3narfld>cnfe( des großen und des
fiehien <SeHms dor^elle, fondem i>or etilem die ^UxqueVie
der Sifmesneroen* fei und im 3nneren mebrere 2ln«
Mufungen grauer IHofe berge, deren jede Hen>enfafem
ousfende. <5afl fi^Udert die I>erbdltntt]e des perUtngerten
Hlorfes bald beim HIcnfdKn, bald bei Cbieren, n>eil bei
diefen mand^ Bündel ßärfer entiricfelt und deutlid}er 5U
feben find. Die Sinnesneroen [d. i die ^imneroen'
entfpringen nicbt, one Vicq d' ^Isyr u- TL gemeint baben,
5um (Cbeile ans den Pyramiden, fondem gons aus den
grauen (5angUen im 3nneren. TLls Kern des Qömeroen
fdnidert ißall den grauen Böcfer neben der Hl^apbe des
pierten Dentrifels. Vas graue Ceifid^n ifl das wcifycc
<5angIion des ^omen>en und fleljt mit feiner (5r5§e in
geradem Derbdltniffe. Den fünften Heroen perfolgt er
bis jur äußeren Seite der ©lioenforper und fdjildert
feinen Kern als befonders fcftarf abgegrenst bei den
5ifdjen u. f. f. Uebcr den Seljnerpen i^ mit SejHmmt«
Ijeit 5U fagen, dag beim Hlenfdjen und bei den Cljieren
aus dem porderen paare der X>ier({ügel eine breite
Hen>enfaferbinde Ijcraustrete, da§ pe ftcft um den äugcren
Hand des 5cbi{ügels hevnmUge, nod) einmal mit grauer
21Iaffe in Berütjrung Fomme und dadurd> das Corpus
^eniculatum ext. bilde. 5te erljalte dann nodj einmal
Perflarfung pon der grauen Subjians des Tuber cinereum
und freuje ftd] danad? mit dem Tractus der anderen
Seite, n>obei die J^f^ni nadt Einigen gans, nadj hinderen
L Die 2lnatomtc bcs Hcrücnfyftcms. 207
3ur ^älftc auf bie anbere Seite übertreten, (Sau bc^
mcrft an biefer Stelle, er ^abc öfters beobadjtet, „bag,
menn bey anE|aItenber Slinbl^eit bes einen kluges ber
Sel^neroe biefer Seite por ber Pereinigungsjielle ge«
fd^tDunben roar, fiij ber Sctjrounb unb bie ZHigfarbe auf
bie entgegengefefete Seite fortgepflfanst ^atte". 3" foldjen
SäVicn Ijabe ber Set^I^ügel nie bie minbejle Peränberung
erlitten, jlets aber fei ber mit bem Seljneroen 5ufammen<
ijängenbe Pierijügel merflidj perfleinert gecoefen. ^) 2tudj
entfpredje bei ben Cl^ieren bie (ßröße ber SeE^nerpen
ber ber porberen PicrE|ügeI, burd^aus nid^t ber ber Sel|-
Ijügel. V0a5 bie Tinatomen bisl^er bei ^cn Pögein SeBj*
E|ügel genannt E|aben, bos finb bie Pierijügel, bie roirf*
lid^cn SeB^Ijügel liegen nad^ porn bapon. Der SeE|nerp
erl^ält feine 5cifern aus bem SeE|t|ügeI, bas porbere
DierB^ügelpaar unb bas Corpus genicul. exteraum finb
ipaEire (ßanglien bes Set^nerpen.
Um nidjt ipeitläufig 3U u^erben, übergeB^e idj bie
Sefd^reibung bes Meinen iSefyvns.
Die Sefdjreibung bes großen (ßel^irns beginnt mit
ber ber pyramiben, als bem erften, beutlidj fidjtbaren
2tnfange ber großen ^emtfpE|ären. Die Kreu3ung ber
pyramiben roirb feB^r genau gefd^ilbert, gegen Sabatkt
u. 2t. pertl^eibigt, ipeiter »erben ber Perlauf ber pyra«
mibenfafem burdj bie SrücFe, iljre Ueberlagetung burdj
^) 21. a. <D. hevid^tet (5aü r>on einer Sectton, bei ber ber
eine Sel^l^ügel jerjiört gefunben ipurbe. Der gletd?3eittge Streifen«
l^ügel unb bie ^emtfpl^äre iraren atropl^ifd?, ber Seltnere unb feine
^ortfe^ung Ratten ntd^t gelitten.
208 2(nljang: Hebet ^Jrans Z^^^Vk <SaII.
bie pom Kleinljtrn fommenben Qucrbinbcn, Ujrc Vex*
ftättnnq burd} bie aus grauen lITaffen entfpringenbcn
Zterpcnfafern, tt|r ^lustrilt aus bem ^rnfnoten in (ßcftalt
bcr u>cit bicFeren, größeren ZHarffctjenfel Befdirieben.
€in bem Caufe ber 5öfem folgender nadj innen con«
pejer Sogenfdjnitt mad?t bie Sadje beutlictj. Die aus
bcn als Seljljügel unb gejireifter Körper bekannten
(ßanglien austretenben Jfterpenfafern perjiärfen bie in
ben ZHarffd^enfeln pereiniglen Salinen. Straljlenartig
jieljen bie S^\evn Pom Hanbe ber (ßanglien aus bcn
perfdjiebenen Cljeilen ber (ßrogl^irnrinbe 3U. Das Cen-
trum ovale bes Pieuffens iji ein Kunfiprobuft Die
lOinbungen jinb fo befctjaffen, ^a% bie 5öf«tn nadj redjts
unb nad? linfs 3U ber jie becFenben grauen Hinbenfdiidit
gerid^tet jtnb. 3^^^ tt)inbung ift alfo eine Dupüfatur
unb es gelingt auf perfdjiebene XDeife (3. S. burdj
fanften DrucF tt>ie beim langfam 3unel^menben fj^bro«
cepljalus) beibe Ct^eile in ber ZHitteUinie 3U trennen,
tooburdj aus ber IDinbung eine Sdjidjt pon grauer
ZlTaffe bebedten Jfterpenfafergemebes tt>irb* ,,Die Silbung
ber ^irnn?inbungen ift bas giel unb bie Poüenbung bes
gan3en ^irnfv^ems/'^) Die (Einfielet in it^ren Sau 3eigt,
ba% bas gan3e ^irnfYJlem aus einseinen Sv^emen, bie in
il]nen auseinanbergelegt roerben, sufammengcfefet ift.
€ine u^id^tige Hotte fpielen bie Querbinben (Com-
miffuren). 2ltte Cl^eile bes Herpenfv^cms pnb unter
*) Xlodi Btd^at l^attc bie ^cmtfpt)ärcn nur für einen ITIantel,
eine Dcrfc 3um Sd^u^c ber an ber Bafts Uegenben 0rgane ae--
Italien.
I. Die 2(natomtc bcs HcrDcnfyftcms. 209
cinan&c^p ocrbunbcm 3tt5fccfonbcrc jtnb bie (ymmctrifctjcn
Silbungcn burdj Commtffurcn ju gcmcinfamer CE|ätigfeit
pcrfnupft ^lugcrbcm jtnb bic surücffeljrcnbcn 5ofcr*
maffen 3U bcad^ten, tt)ir I^abcn bic ncrpenfafcrn Pont
Hürfcnmarfe 3ur (ßcl^trnnnbc pcrfolgt, jcbcs (ßanglion
perjiärft bic anfwätts ^rcbcnbcn ^ügc, gtcbt aber audj
abipärts sicl^cnbc 5öfcrn ab, Hidjt jiim ipenigjicti cnt»
fpringen fold^c 3urücffct|rcnbc 5öfcrn bcr (ßct|tmrinbc,
bic \a als ausgebreitetes (ßanglion ansufcEien ift Die
3urüdfel^rcnben 5afern bcs KIeint|irns bilben bic Quer*
bünbel bcr Srü(fc, J)ic auf» unb bic abfteigenben
5afern im großen (ßet|irne pcrpediten ftctj pielfad?, be*
fonbers in bcr HäEic ber PentrifeL Die 3urüäfeE|renben
5afern jlreben in ber ^auptfad^e bcr Znittellinie 3u
unb bilben E|ier bie perfd|iebenen (Eommijfuren, ben
Salfen u. f, m.
2Hs fjauptfäfec be3eidjncn (Sau unb Spurst^eim bie
folgenben. ^ttc nerpenfafern entfpringen aus grauer
ZHaffe, €s giebt fo pielc Svftemc, als es befonbere
Pcrridjtungen giebt, alle jtnb aber burdj Derbinbungs?
bal^nen pcrfnüpft 3^^^^ ZterPcnfYftem bes animalifd^en
Cebens iji boppelt, aber ftets roerben beibe Seiten burdi
Commiffuren 3ur (Einljeit pcrbunbcn. €in Percinigungs*
punft aller 5unctionen ift nirgenbs 3U entbecfen, 5oIg«
ixdl mu§ uns bic €int|eit unferes '^di eroig ein (ße*
B^eimnig bleiben, —
€s ift nid|t ol^nc 3ntereffe, nodi (Einiges aus ben
Semerfungen beijubringen, mit b^ncn (ßall unb 5pur3*
Ijeim ben Seridjt ber pon bcm 3"ftitute ernannten
m ö b { n s , maitiemaÜUx. \ ^
2 HO 2lnljang: Ueber ^rons 3ofeplj (Sau.
Commifflon begleitet traben« Die Ferren Seridtterftattet
eröffnen it^re Sefpred)ung bes rem anatomifd)en ^uf'
faf^s mit bem Sebauem, ba§ es nidjt gelingen m5djte,
ben Sufammenl{ang 3»ifdien ber ißeljirnbefdjaffenlieit
VLXxö bem (Seifte 3U entbecfen« <SaD erwibert: ^Unfere
(Segner fe^en immer votans, ^a% mit uns anmaa%en,
bie ZDefenljeit unb bie IDirfungsart ber HerpenfYJteme,
porsüglidi bes (Seijims, erfWren su »oOen. IDir Ijaben
aber überott unb 3u allen geiten beljauptet, ia% man
fo»oljI im organifdjen, als im animalifdjen Ceben oon
ben erflen Urfadjen ber €rfdieinungen nidjts »iffen
fönne; ba% uns bie Perbinbung bcs (Seifies mit bem
Körper unb bie 5lrt, n>ie ber (Seifi mittels ber materiellen
©rgane feine Kräfte äugert, gans unbefannt fei. ^Mein
fo oiel fann man, freilidj nid^t mit Pemünfteln, aber
mit beEiarrlid^em Pergleidjen sal^Ireidjer tEIjatfadjen enb»
lidi fefifefeen, unter was für Sebingungen bie
firfdjetnungen im lebenbigen ©rganismus
möglidi finb. 2^t »erbet nie erfaljren, n>ie bas
2luge eurem (Seifte bas Cid^t offenbaret; aber iljr »iffet,
t>a% iljr nur mittels biefes ©rganes feljet €ben fo
ge«)i§ n>iffet iljr, ba^ iljr nur mittels bes (Seljimes
fimpfinbungen unb PorfteHungen erljalten fönnet* Unb
wie ber ^Irst bie Sebingungen bes franfen unb gefunben
(Befidjtes erforfdjet, fo erforfdjen n>ir bie Sebingungen,
unter n>eldjen bie Perridjtungen bes (Seljirns möglid?,
fronf ober gefunb finb,*'
X)ie Ferren (Commiffäre oer»edifeln (SaQ's 8e-
ftreben, burdj 2luffteigen pom Hücfenmarfe sum (Se^im
I. Die 2tnatomic bes Hcroenfyftcms. 2 ^
-«in Pcrftätibnig bcs Saucs 3U erlangen, mit einer BIo§en
Xn^tE|obe ber Section unb meinen, man fönne ja auf
:t>erfdjUbene lOetfe 3U einer Kenntni§ ber C^eile fommen.
^ie überfeEien, bag Paroli von gans anberen Porfleflungcn
-ausging als (ßaH, ba§ er unter bem perlängerten Vflaxfe
-aüe O^eile unterl^alb ber £jirnI^öE|Ien oerpanb, ^a^
VOxVixs mit ber Safts, b» I|. aber bei it|m mit ben Sei^*
Ijugeln begann u. f» f, „TXlan Ijat von jel^er bie U)in«
Zungen ber ^emifpE|ärcn von feiner befonberen Se«
:^cutung geljalten unb jte eben barum 3u aflen geiten
uernadiläffigt» fjingegcn liegen foipol^l bie 2lnatomcn^
^Is bie pl^vjtologcn bie Pentrifel eine befto grögere
2loIIe fpielen, Desroegen fing man gern mit iljnen bie
^erglieberung bes (ßel^irnes an, unb ba bie fjemifp^dren
Ijöljer liegen, fo ^atte man freylictj einigermaagen ^edt^t,
ju fagen, ^a% man bei biefem Perfal^ren bie Unterfudjung
^es (ßel^irnes von unten ober pou ber (ßrunbflfädje aus
anfange/ Die 2lnatomen roaren, roie (Ball fagt, „gans
^nedjanifdje gerglieberer''*
€s iji ein Rammet, 3u feljen, xvddien ZHangel an
;2^erjiänbnig bie Commiffäre ben geijipollen 2tuffaffungen
<SalI*s entgegenbringen. Sie breiten unb roenben ftd^
tinb am £nbe fommen fie immer barauf t^inaus, ba%
^Sdü eigentlid} gar nid^ts Heues bringe (tporauf bann
^SaD it^nen aus if^ren eigenen XDerfen nad{tpeift, ba^ fie
im Unred^te jtnb), ba% bas roenige Heue nidjt gans
cid^tig fei §• 8* fagen fte, bie allgemeine ZHeinung
^eE}e bat^in, ba% bie aus fafl lauter (ßefdgen beflel^enbe
Sinbenfubftans eine 2lrt pon 2tbfonberungstt>erf3eug [ber
2^2 ^(nijaitg: Heber ;Jran3 3ofepij (SalL
CcBensgcipcr] f«i, unb bann erflärcn jtc: „unfere X>cr«^
fajfcr liah^n alfo in ^inftdjt auf bte Pcrriditung, tocldie
fte bcr grauen SuBjlans sufd^reibcn, nid^ts «igencs".
2)a§ alle Heroen aus grauer ZlTajfe enlfpringen, bas-
n)itt ben Commiffären nid^t einleudjten. ZITan fönne bie
Spinalneroen nidjt bis. in bie graue Subjianj bes Hücfen*^
nmrfes perfolgen {was (Sau getE|an I^atte), bie ZHaffe
ber (ßanglien fei anbers als bie graue ZTCaffe ^os (ße^
E|irns, bei ^cn (ßeljirnnerpen fönne, abgefeB^en vom ^ör»
nerpen, pom 5eE|nerpen unb pom Hied^nerpen bas 2luge
feine graue Urfprungsmaffe finben. Tim Sdjiuffe be»
3eid?net bie Commiffton bie Perbienfte pon <5aü un^
SpursE^eim als folgenbe: Sie E|aben ^cn ununterbrodjenen
Perlauf ber Herpenfafern pom perlängerten ZlTarfe bis-
in bie fjemifpljären flar bargetE|an, fie E|aben bie pyra«^
mibenfreusung über alle ^u^eifel erijoben, fie l^ah^n
x'xdiixQ bie langen Salinen Pon bcn Commiffurfafcrn
unterfdjieben, jte ^abcn bie £et|re, nadi ber alle Zterpei>
pom (ßel^irne fo'mmen, ;,gerDaltig erfd|üttert",
Die Cmpftnbungen, bie ber Serid^t ber Commiffion
im (Bansen ermedte, finb in folgenben XDorten aus»
gebrüdt „Ueberl^aupt fpielt bie Hatur auf eine fonber»^
bare unb immer gleid^e IDeife mit neuen IPal^rljeiten
unb mit Denjenigen, u?eld^e jte suerji aufjieHem Ztlxt
roeld^em leibenfd^aftUdjen Unn^illen ftnb nid?t bie größten
WolilthiaUn ber Hatur, 3, S. bie (£rbäpfel, bie Cf^ina
unb bie Sd^ufepoden aufgenommen u?orbenI l(aum^
l^atte Defalius bebeutenbe anatomifd^e (Entbedungen ge»^
madjt, fo u?urbe er Pon Sylpius für im perrudjtejten^
I. Ptc 2lnatomic bcs Hcrocnfv^cms. 2\3
tintDiffcn'Öjicn nnb unjtnntgPen ZHcnfd^cn ausgefdiriccn
tinb bis 3um Cl^rone pcrfolgt Paroli roarf man oor,
*ag er feine guljörer burctj eine oerfänglidje Sereb-
famfeit täufdje unb bie von it^m entberfte 5ortfefeung
^es Seljneroen erfünpele. ^aroey, als er ben Slut*
Umlauf pertt^eibigte, mürbe für einen Sd^tpärmer er*
flärt, unb nad^bem man ben SeE^nerpen nid?t meE|r
pom 5et|Bjügel unb bm ^lutumlauf nid^t mel^r aus
*en (ßefägen ipegPreiten fonnte, tpurben auf einmal
^ie Poreltern mit bicfen beiben (Entbedungen beet^rt.
Die pon (ßalilei, Cinn^, Sonnet, Suffon u. f. to. auf«
^ejiellten IDaE|rIjeiten mußten ber Heligion unb ben
Sitten bett Untergang brol^en; überall fdjeudjte man
t>or bm gräglidjen 5ormen bes 5atalismus unb ZITa«
ierialismus surüd, obfd^on Hiemanb u?ugte, n?opon
«igentlidi bie Hebe u>ar; überall I^aben bie Kunjigenoffen,
-beren Urtljeil bas traute publifum 3um ZlTaagftabe
«lal^m, nebji bem Unfinne, weldjen fie bem (Entbeder
<inbidjteten, audi it^re eigenen bejiimmtejien (Einftditen,
tpo fie iE|rem gmede im IDege ^anberx, perteugnet unb
tpiffentlidj 3U Unridjtigfeiten, wenn fie iljnen nur bienen
f onnten, il^re guflfud^t genommen, um menig^ens bey bem
Raufen ben TXlann 3u perberben, beffen Caft fie brüdte.
etiles biefes ift in pollem Zllaage an uns erfüllt
tporben. Wenn alfo audj unfer X>erbienji nodj nidjt in
^nfdilag fommen fann, fo fönnen n?ir u?enig|tens barauf
fiol3 feyn, ba% voit in biefer Sadie gleid^es Sdjidfal mit
Zrtännern tl^eilen, weldjen bie IDelt eine fo große Summe
loon Kenntniffen perbanft."
20J 2Jnbaii4: Heber ^onj 3ofepb ÄilL
€ftte £tiiftd{t in ^eti sufcraimengefetteren (Drgamsmits ju
«rf^oüen.*
Die mittel 5er Unterfud^ng nxiren I^od^ einfad?.
Die Znitroffopie tarn mdfi in Betrod^t ^Srtnngsmittel
(Kod^en in <De( n. 2L) n>nr6en ratr ansnai^eioeife an»
geiDen^et iSofi's ^ouptmittel ftnb bas 21u5einünbedofen
mit ^mnpfen IDer^engen unb bas »Sd^oben^, er eifert
gegen bie 2tnatonten, bie 2U(es serfd^netben nnb nur
vom 2tnlegen neuer Sd^nitte 2lufflarung emxnrten.
3ni 2UIgemeinen beßel^t bos gonse Zterpenfy^em
aus 3n>ei gaiis perfd^iebenen Subftansen, ber n>eigen unb
ber grauen IHaffe. 3^ne ijt burd^aus oon ben feinden
Iterpenfäben sufammengefe^ ^) Diefe fieljt balb grau*
(td?, &alb fd^mdrslid? ober rotl^Iid^, balb fd^mu^g blag
aus, ift balb berber, balb coeid^er. lieber il^re Struhur
n>eig man nid^ts Sidi^xes, aber fte i^ nid)t faferig unb
augerorbentlid} reid; an Blutgefäßen. „Sie umfleibet
alle Zteruenenben unb ifi unsertrennlid? pom Ursprünge
ber Zteruenfäben." Sie bilbet nidjt nur bie ©berflädje
bes (ßeljirns, fonbem pe bilbet aud| bie Hefeljaut bes
kluges unb bas ^nbe bes ^ömerpen im CaByrintb,
fonne bie dugerflen €nben ber ^autneroen; fte begleitet
bie Zterpenfäben in il^rem Perlaufe, man finbet jie in
^) §» (SaU's Seit bcjtrittcn nod? mand^e 2lnatomen bie
gufammenfeöung ber »eigen f^immaffe ans ^afem. Bic^at n>ar
3n>eifelFjaft. Die (Sebrüber lPen3el n>oUten ITxd^ts baoon n>tffen
(^806). 2lcf ermann glanbte, bas (Sel^im fei im lebenben guftanbc
breiartig, gerinne erft nadi bem (Eobe 3n ^afcrn. 2lucb bie (£om»
miffion fpridyt oon bem (Sebimbrei (pulpe).
I. Die Tlnatomxe bcs Herocnfvfiems. 205
bcn (ßanglicn, im Hü(f cnmarfe, im verlängerten ZITarfe,
am Soben ber vierten ^irn^öl^Ie, in ben PierE^ügeln^
ben 5eI|E|ügeIn, ben geftreiften Körpern u, f. id. „Da
toir alfo feigen, ba% ade Herpen, forooEiI in ben ein»
fad^Pen Cljicren als im ZlTenfd^n, aus biefer fulsigen^
gallertigen Subftans entftet|en, fo betrad^ten roir fte als
b^n Urftoff unb bie QueQe bes Henoenfvjtems unb
mödjten iE|r gern ben Ztamen Matrix nervorum bey»
legen/ Die Herpen entfpringen aus ber grauen ZHaffe
unb „foU ber Herpe auf einmal 3U größeren Per»
rid^tungen geweigert roerben, fo flögt er auf eine neue
2Tlaffe ber nämlidjen grauen gallertartigen Subflans^
permebt fidi mit il^r, bilbet eine 2lnfdjtt>ettung pon
mannigfaltiger (ßeflalt unb Conftflens ; aus biefer grauen
Subftans erseugen fid] nun neue 5aben, meldje 3U bcn
porigen treten, bie alfo jefet ftdrfer unb 3um C^cil aud|
in anbeten Hidjtungen t^erporfommen, als jte Ijinein»
gegangen roaren".
Sei Setradjtung bes Hüdenmarfs gel^t (5all Pon
bem ber 3"f^ten aus. ^ud^ bei ben Ijöl^eren Cl^ieren.
befte^t im (ßrunbe bas Hücfenmarf aus einer Heilte Pon
(ßanglien. „Hur fxnb bie perfd^icbenen ^nfdjmeHungen
fo naiie sufammengerücft, ba% pe mit il^ren gemeinfdjaft«
lid^en Sünbeln einen beynaE^e gleid^ biden ZHarfftrang.
5U bilben fdjeinen." Die graue ZTÜaffe bilbet ben Kern
bes Hüdenmarfes unb iß „immer an ber Stelle, too bie
Herpenfäben E|erporquillen, in größerer ZITenge ange«
Bjäuft". 5lus ben ^nfd^meHungen ber grauen ZTÜaffe
geE|en bie fpinalen Herpen E^erpor unb ben (ßlieber*
206 2inl|anu;: Heber ^ranj 3ofeptj <5a\i,
itcrocn enlfpredjcn bic Qals» unb bic tcnbenanfdjtDcHung.
Seim verlängerten TXlaxU erflärt (ßaH, ba§ es' nietet nur
bie Verlängerung ber 2TlarffdjenfeI bes großen unb bes
f leinen (ßeEiirns barfteHe, fonbern por 2lUem bie ,, Urquelle
ber Sinnesneroen" fei unb im '^nmten meljrere 2ln»
l^äufungen grauer 2Tlajfe berge, beren jebe Heroenfafern
ausfenbe. <5aü fd|ilbert (bie Perljältniffe bes perlängerten
TXlatfes halb Beim ZHenfctjen, balb bei Cl^ieren, tt>eil bei
liefen mandje Sünbel flärfer entoirfelt unb beutlidjer 3U
fetieti jtnb. Die Sinnesnerpen [b. i. bie ^irnnerpen]
entspringen nid^t, n?ie Picq b' Tl^yv u. 2t. gemeint I^aben,
3um Cl^eile aus ben pyramiben, fonbern gan5 aus bin
grauen (ßanglien im 3^neren. ^Is Kern bes fjörnerpen
fd^ilbert (Sau ben grauen £jö(f er neben ber Hl^aplje bes
eierten Pentrifels. Das graue Ceiftd^en . ijl bas tt>at|rc
ißanglion bes fjörnerpen unb jleE|t mit feiner (ßröge in
gerabem PerE|ältniffe. Den fünften Zterpen perfolgt er
bis 3ur äußeren Seite ber 0lipen!örper unb fd^ilbert
feinen Kern als befonbers fd^arf abgegrenst bei bcn
^ifd^en u. f. f. Ueber bcn Seljnerpen iji mit Sejlimmt»
!^eit 3U fagen, ba% beim ZUenfdien unb bei ben Cl^ieren
-aus bem porberen paare ber Pierljügel eine breite
Zterpenfaferbinbe l^eraustrete, ba^ fie pd? um ben äußeren
^anb bes Sel^I^ügels E^erumlege, nod^ einmal mit grauer
ZHaffe in Serüt|rung fomme unb baburd^ bas Corpus
geniculatum ext. bilbe. Sie erE|aIte bann nod? einmal
Perfiärfung pon ber grauen Sixh^ian^ bes Tuber cinereum
unb freuse fid^ banadj mit bem Tractu? ber anberen
Seite, roobei bie 5öfern nadj Einigen gans, nadj oberen
I. Ptc Tlnatomk bcs Hcrücnfyftems. 207
3ur ^älftc auf bie anbcre Seite übertreten, (ßall be««
mcrft an biefer Stelle, er ^abc öfters beobadjtet, „bag,
wenn bey anljaltenber Slinbl^eit bes einen kluges ber
Sel^neroe biefer Seite oor ber Pereinigungsjielle ge-
fctjtDunben roar, fiij ber Sdjrounb unb bie ZHigfarbe auf
bie entgegengefefete Seite fortgepflfanst liatte", 3" foldjen
5äIIen B^abe ber Sel^I^ügel nie bie minbejie Peränberung
erlitten, jiets aber fei ber mit bem Seljneroen 3ufammen<
E|ängenbe Dierijügel merflid? perfleinert getoefen, ^) Tlndi
entfpredje bei bcn Cl^ieren bie (ßröge ber SeE^nerpen
ber ber t>orberen PierE|ügeI, burd^aus nid^t ber ber Sel|-
E|ügeL Wa^ bie 2(natomen bist^er bei ^cn Pögeln SeBj*
I^ügel genannt ^ahen, ^as jtnb bie Pierljügel, bie xoxth
iidien SeB^l^ügel liegen nadi i>orn baoon. Der Set^nero
erl^ält feine 5<if^rn aus bem SeE^t^ügel, bas porbere
DierE|ügeIpaar unb bas Corpus genicul. externum finb
roaB^re (ßanglien bcs SeB^neroen.
Um nxdii roeitldufig 3U u>erben, übergelje idj bie
Sefdireibung bes Keinen (ßeBiirns.
Die Sefdjreibung bes großen (ßel^irns beginnt mit
ber ber pyramiben, als bem erften, beutlidj fid^tbaren
2tnfange ber großen £jemifpE|ären. Die Kreu3ung ber
pyramiben tt>irb fe^r genau gefd^ilbert, gegen Sabaiicv
u. 71, t>ertl^eibigt, n^eiter iperben ber Perlauf ber pyra«
mibenfafern burdj bie SrücFe, it^re Ueberlagetung burctj
^) 21. a. <D, hexxditet (3aü uon einer Scction, bei ber ber
eine Sel^tjügcl 3erftÖrt gcfunbcn ipurbc. Der glctd?3ctttgc Streifen«
l^ügcl unb bie ^emtfptjärc roarcn atropt)tfd?, ber Seltnere unb feine
^ortfc^ung l^atten nid^t gelitten.
208 2lnFjang: Uebcr ^xan^ 3ofepij (Sali.
bic pom K(ctn({trn fommenbcn Querbrnbcn, iljre Per*
parfung burdj bic aus grauen ZHaffen entfpringenbcn
Zterocnfafern, iE|r 2lu5trttt aus bem ^rnfnotcn in (ßcftalt
ber tt>cit bicFercn, größeren ZlTarffd^enfcI befdjriebcn*
€in bcm Caufc bcr 5öfcm folgender nadi innen con«
pejer Sogenfdjnitt mad|t bie Sadti^ beutlid?. Die aus
ben als Seljljügel unb gejlreifter Körper bekannten
(Sangixen austretenben Herpenfafern perftärfcn bie in
ben ZITarffdjenfeln pereinigten Salinen. 5traI]Ienartig
jieljen bie 5cifern pom Hanbe ber (ßanglien aus ^en
perfd|icbenen C^cilen ber (ßrogl^irnrinbe 3U. Das Cen-
trum ovale bes Pieuffcns iji ein Kun^probuft, Die
lOinbungen jtnb fo bcfdjaffen, ^a% bie 5öf«rn nad^ redjts
unb nadt linfs 3u ber fte becfenben grauen Hinbenfd)id}t
gerid^tct jtnb. 3cbe tt)inbung ift alfo eine Duplifatur
unb es gelingt auf perfdjiebene XDeife (3. S. burd?
fanften Drucf n)ie beim langfam 3uneE|menben fjYbro*
cepl^alus) beibe Cl^eile in ber ZITitteUinie 3U trennen,
»oburdj aus ber lOinbung eine Sdjidjt pon grauer
ZHajfe bebecften Herpenfafergemebes n)irb» ,,Die Silbung
ber ^irnminbungen ift ^as gi^^ ^^^ ^'^ Poüenbung bes
gan3en ^irnfvPems/^) Die €infidit in iEjren Sau 3eigt,
baj5 bas gan3e ^irnfvjtem aus ein3elnen Svjlemen, bie in
iljnen auseinanbergelegt »erben, 3ufammengefefet ift.
(Eine »id^tige HoQe fpielen bie Querbinben (£om-
miffuren). 2(ne CBjeile bes Herpenfv^ems ^mt unter
*) Hod? 3td?at t^atte bie ^cmifpl^ärcn nur für einen lUantel,.
eine Derfe 3um 5d?n^c ber an ber Bafis Uegenben Organe ge«
Italien.
L Pic Tinatomxe bcs Heroenfvftems. 305
cinan&e^p oerbunbcn* 3tt5fcefonberc ftnb bie fymmctrifdjen
Stlbungcn burdj Commtffurcn ju gcmcinfamer CI]ätigfeit
pcrfnüpft 2lu§crbeTn jtnb btc surücffcljrenben 5ofer*
maffcn 3U h^adiUrx. Wxv Itaben bie ncrpcnfafern t)om
HücFcnmarfe 3ur (ßcljtrnrinbc pcrfolgt, jcbcs (ßanglion
oer^ärft bic auftoärts jircBcnbcn güge, gicbt aber audj
abroclrts siel^cnbc 5af«tn ab» Ztidjt jüm mcnigjicti cnt»
fprtngcn fold^c 3urücffct|rcnbc 5afcrn bcr (ßcl^imrinbe;
btc ja als ausgebreitetes (ßatiglton ansufel^en ift. Die
3urücffel|renben 5öfcrn bes Kleinljirns bilben bie Quer*
bünbel ber Srücfe* Die auf« unb bie abfteigenben
5afern im großen (ßet^irne oerPed^ten pdj vklfadi, be*
fonbers in ber Xlä^c ber Pentrifel. Die 3urücffeE|renben
5afern jlreben in ber ^auptfadje ber Znittellinie 3u
unb bilben E|ier bie perfd^iebenen cEommijfuren, ben
Salfen u. f. m.
^Is fjauptfdfee be3eidjnen (ßaH unb 5pur3t|eim bie
folgenbem ^Ke neroenfafern entfpringen aus grauer
ZrCaffe, (Es giebt fo piele Svft^me, als es befonbere
X>errid?tungen giebt, alle jtnb aber burdj Perbinbungs-
bal^nen perfnüpft 3ebes ZterpenfYJiem bc5 animalifdjen
Cebens iji boppelt, aber ftets werben beibe Seiten burdj
Commiffuren 3ur €inE|eit perbunben. €in Pereinigungs*
punft aller 5unctionen ip nirgenbs 3U entbecfen» 5olg»
lidi mu§ uns bie (£int|eit unferes ^dt en>ig ein (ße-
Ijeimnig bleiben. —
€s ift nidjt ol^ne 3"tereffe, nodj €iniges aus icn
Semerfungen beijubringen, mit ^en^n (ßall unb 5pur3*
i?eim bcn Serid^t ber pon ^em 3njlitute ernannten
Znöbins^ XaatifemaiiUt. X'k
2 HO ^nfym^i Ueber ^rons Jofeplj (Sau.
Commif jton begleitet traben« Die Ferren Setid)terflattet
eröffnen iE^re 8efpred)ung bes rein anotomifd^ Tbxf»
\d^5 mit bem Sebauem, ba§ es nid)t gelingen rndd^te,
ben Sufammenl{ang smifd^en ber <ßel{im6efdKtffcnI)^
unb bem (ßeifle su entbecfen« <ßall erwibert: ^Unfere
(ßegner fe^en immer DorauS; ba% mit uns anmoagen,
bie ZDefenljeit unb bie ZOirfungsart ber ZterDenfvfteme,
porsüglid^ bes (Setyvrxs, erfldren su woüen. XX>ix Reiben
aber überoQ unb 5u oQen Reiten bel^auptet, ^a% man
fo»olil im organifdjen/ «fe im animalifdjen Ceben von
^en erflen Urfad)en ber £rfci^einungen nid)ts coiffen
fönne; bag uns bie Perbinbung bcs (Seifles mit bem
Körper unb bie 2lrt, nne ber (Seifl mittels ber materiellen
0rgane feine Kräfte äußert, gans unbefannt fei Tlücm
fo t)iel fann man, freilidi nidjt mit Pemünfteln, aber
mit bel{arrlici}em Pergleid^en sat^Ireid^er Ojatfad^en enb<
lid) feflfe^en, unter n>as für Sebingungen bie
firfdjeinungen im lebenbigen Organismus
möglid) finb. 3ljr tt>erbet nie erfaljren, n>ie bas
2luge eurem (ßeifle bas Cid^t offenbaret; aber i({r w\^et,
t>a% i({r nur mittels biefes ®rganes feilet £ben fo
gen>ig »iffet iE|r, ^a% iljr nur mittels bes (ßeljimes
€mpftnbungen unb Porfledungen erE^alten fönnet. Vin^
wie ber 2lr3t bie Sebingungen bes franJen unb gefunben
(ßepdites erforfdjet, fo erforfdjen n>ir bie Sebingungen,
unter weldien bie Perrict^tungen bes (ßeE^ims mög(ici{,
franf ober gefunb pnb/
Die Ferren cEommiffäre t)er»edjfeln (ßaO's Se-
flreben, burd} ^uffleigen t>om Hücfenmarfe sum (ße^tm
I. Die 2tnatomie bcs Zlcroenffftcms. 2\\
'«in Pcrjlänbnig bcs Baues 3U erlangen; mit einer biegen
HT^tEiobe ber Seclion unb meinen^ man fönne ja auf
töcrfd^tcbene IDeifc 3u einer Kenntnig ber C^eile fommen.
Sit überfeinen, ^a% Paroli von gans anberen Porftedungcn
ausging als (ßaH, ba^ er unter bem verlängerten ZHarfc
-aüe Oieile unterijalb ber fjirnljöljlen ocrjianb, ba%
tOiüxs mit ber Safts, b, I{. aber bei it^m mit bm 5ef{*
f)ügeln begann tu f* f« ,,Znan l(at von ]eE|er bie IDin«
Zungen ber ^emifpE^dren von feiner befonberen Se«
•Deutung get^alten unb fte ch^n barum su allen Reiten
üernadjläfftgt* hingegen ließen fomo^I btc 2lnatomen^
mIs bie pl^yftologen bie Pentrifel eine befto größere
^otte fpielen. Deswegen fing man gern mit il^nen bie
^erglieberung bes (ßeEjirnes an, unb ^a bie fjemifpljären
f{öf{er liegen, fo t^atte man freylict^ einigermaagen ^^ed^t,
ju fagen, ba% man bei biefem Perfa^ren bie Unterfudtung
^es (Sel^imes von unten ober pon ber (Srunbflödte aus
anfange/ Die 2lnatomen u>aren, u>ie (ßoD fagt, „gans
^ned^anifd^e gerglieberer^»
€s ifl ein 3ömmer, 3U feE|en, weld^en ZHangel an
:2^erfiänbnig bie Commiffäre ^en geijteoHen 2luffaffungen
<Saa*s entgegenbringen. Sie breiten unb wenben ftdj
tinb am £nbe fommen fte immer barauf t^inaus, ba%
-MSäXL eigentlidj gar nidjts Xteues bringe (worauf bann
4ßan iljnen aus iljren eigenen ZDerfen nadjweift, ba% fte
im Unred}te ftnb), bog bas wenige Heue nid}t gans
cid^tig fei* §. 8* fagen fie, bie allgemeine IHeinung
^eE}e ballin, ba% bie aus fafl lauter (ßefägen beflel^enbe
JHinbenfubflans eine 2lxt von ^Ibfonberungsmerfseug [ber
2^2 ^Inl^ang: Heber ^xan^ 3ofeplj (SalL
Ccbcnsgeijicr] f«i, unb bann crfldren ftc: „unfere Per«^
faffer Ijaben alfo in ^inftdjt auf bic Perrtdjtung, ipeldie
ftc ber grauen Subjlans sufd^reiben, nid]ts eigenes".
2>ag aQe Heroen aus grauer ZTCaffe entfpringen, bos^
tt)itt ben Commiffären nidjt einleuct)ten. Vfian fönne bie
Spinalneroen nidjt bis in bic graue Subjlans bes Hüden*
nmrfes perfolgen (n>as (ßatt gett^an Ijalte), bie ZHaffe
ber (5anglien fd anders als bie graue ZHaffe bes (ße»
Ijirns, bei ben (ßeljirnnerpen fönne, abgefeljen pom ^ör»
nerpen, Pom Seljnerpen unb pom Hiedjnerpen tas ^uge
feine graue Hrfprungsmaffe finden, ^m Sdjluffe be»
3eid^nel bie (Eommifjion We Perbienfte pon (Sau un^
5pur3l)eim als folgende: Sie hiaben ben ununterbrodjenen
Perlauf ber Xterpenfafern Pom perlängerten JJTartc bis-
in bie £jemifpl|ären flar bargetl^an, fie liabm bie pyra-^
mibenfreu3ung über atte §tt>eifel erljoben, jie l^abei^
ridjtig bie langen Salinen Pon ben (Eommiffurfafern
unterfdii^ben, pe l^ahcn bie £eB^re, nad| ber aü^ Xl^tvcn
pom (ßeB^irne fornmen, „gewaltig «rfdjütterl"»
2)ie (Empfinbungen, bie ber Seridjt ber (Eommiffion
im (Bansen erwedte, ftnb in folgenben IDorten aus»
gebrücft, „UeberB^aupt fpielt bie Ztatur auf eine fonbcr»^
bare unb immer gleid^e IDeife mit neuen XPat)rt|eitcn
unb mit Senjenigen, weld^e fie suerjt aufhellen. TXlit
roeld^em leibenfd^aftlid^en Unwillen jtnb nid^t bie größten
lX)oB)ItI|aten ber Hatur, 3. S» bie (£rbäpfel, bie (Zkma
unb bie 5d|ufepoden aufgenommen worben! tjiaixm
l^atte Pefalius bebeutenbe anatomifdje €ntbedungen ge»^
mad)t, fo würbe er Pon Sylpius für im perruditejien^
I. Die 2Inatomte bes Hcrocnfyflems. 2\3
tiriEDiffcnOpcn un6 unjtnnigjlen Znenfdjen ausgcfd^riccn
tinb bis 3um CI|rone pcrfolgt. Paroli warf man por,
^a% er feine guljörer ^urd] eine oerfdnglidie Sere^-
famfeit täufdje uni) ^ie von il|m entbedte 5ortfefeung
^es 5eI|neroen erfünjlele. ^aroey, als er ben Slut-
iimlauf oertl^eibigte, würbe für einen Sdiwäxmev er-
flärt, unb nadfiem man ^en 5eB)nert>en nidjt meljr
t)om 5eljl)ügel unb ben Slutumlauf nid^t mel^r aus
^en (5efd§en wegjlreiten fonnte, würben auf einmal
^ie Poreltern mit biefen beiben €ntbedungen beeB^rt.
Die oon (ßalilei, £innd, Sonnet, Suffon n. f. rx>. auf-
^ejiettten lDal)rB?eiten mußten ber Heligion nnb ^en
Sitten bett Untergang broljen; überall fd^eudjte man
t)or ben grd§Iid]en 5ormen bes Fatalismus unb ZlTa-
ierialismus surüd, obfdjon Hiemanb wußte, wooon
«igentlid? bie Hebe war ; überatt Ijaben bie KunjJgenoffen,
^eren Urll^eil bas traute publifum 3um ZlTaaßftabe
tia^m, nebjt bem Hnjtnne, weldjen jte iem €ntbeder
-anbid^teten, aud? il^re eigenen bejiimmtejlen €injtd]ten,
wo fie iljrem gwecfe im IDege ftanben, oerleugnet unb
coiffentlid? 3U Unrid|tigfeiten, wenn fie il^nen nur bienen
f onnten, iljre Suflud^t genommen, um wenigjJens bey bem
-Raufen ben ZHann 3u oerberben, beffen £aft fie brürf te.
^ttes biefes ift in PoBem ZITaage an uns erfüllt
tporben. Wenn alfo audj unfer Perbienft nod? nid|t in
^nfd)(ag fommen fann, fo fönnen wir weni^ens barauf
II0I3 feyn, ba% wir in biefer 5adt^ gleidies Sd^icffal mit
indnnern tljeilen, weld^en bie XPelt eine fo große Summe
©on Kenntniffen perbanft."
II. pfYcf?oIogtfd?e5.
PieIIcid|t EDÜrbc (Satt bamit utisufricbcn fein, ba^
Ijicr ^ic ^fammcnfaff ung , bic er als philosophie de
rhomme an bas €nbc feines IDerfes geflettt Ijat, voran»
geflettt n>iri)» €r würbe fagen: 3d? Kn ein ZHann ber
Cbatfadien, mit iljnen beginne idt, fte allein jtnb meine
(BrunMage unb auf {te attein fommt es mir an; bie
üjeorie leite id? sroar aus iljnen ab, aber fte barf nidit
bas £rfte fein. Qier jebod^ fommt es darauf an, bet»
£efer in (ßatt's (ßebanfen einjufüljren unb iljm bert
Ueberblicf su erleict)tern. Deslialb mad^e id) mit bett
Folgerungen ^en 2tnfang» —
ZlTan mufe bei ber geizigen Cljdtigfett unterfdjeibeii
3n>ifd|en (ßrunbfräften (forces fondamentales) unb aQge#
meinen 2tttributen (attributs giniraux), ^tne ftnb bas-
Cigentl^ömlid^e; biefe bas (ßemeinfame, ober jebe (ßrunb*
fraft I:;at bie attgemeinen Attribute, n>irft in ber jontt
biefer. Die pl^ilofoptien traben ftd) immer hur an bie
2tttnbute geli^alten, fie fpred^en pon Perflonb unb IPiOe^
ober pon 2tufmerffamfeit, <Bebäd)tnig; Urtt^eUsfraft, £tn»
btibungsfraft, Scgel^rungspcrmdgett; ober von OitfHnft,
Zleignnq, Ccibenfdjaft u^ (• w. Zladi 6a1Vs ^nfidjt jbtö
bi« ^SeeUnpcrmdgen'' nidjts für fidj, fonbern bi« 2lrt
unb XPcifc, ipie ftci{ bie (Svvmbh&fit, b. i* bie Cmbe,
futtbgeben*
Sic Haturfunbigcn Ijabcn 3unäd|fl bie aUgemcincn
Cigenfdjaf tcn bcr Körper unterfudjt: Tlusbel^nnng, Un«
burd^bringlid^eit; ansidjenbe unb abjlogenbe Kraft u. f. ».
Ratten fte ftd) mit biefem Stubium begnügt, fo todre
bie ^aturwiffenfdjaft feljr befdjrdnft, benn £uft, IDoffer,
ZITetalle, pflansen, Cl^iere, aUe traben bie allgemeinen
£igenfd{aften ber ZHaterie. 2Tlan mugte alfo auf bie
befonberen £igenfct)aften adttUn unb bie Körper nadn
Claffen abtl^eilen* Qdtte man ^di n>ieber nur an ^as
get^alten, xoas aUen ZITetaQen, aUen pflansen vl f. n>,
gemein ijl, fo wdre man audj nidjt »eit gelommen,
Pie(mel?r mugte man bas eine ZITetaQ pom anberen, bie
eine pflanje oon ber anberen unterfdieiben, man mugte
nidjt nur tan^* unb IDaffertljiere, fonbem XPürmer,
3nfeften, Si\(ite, Heptilien nnb ^mpljibien, Pögel vmb
5dugetl|iere trennen, ^n eben bem (ßrabe, ab man
ftd) pon ben aUgemeinen £igenfd{aften entfernte unb auf
bie £igentt)üm(ici){eit ber einseinen £rfd{einungen einging,
ebenfo ndl^erte man jtd? einer poptipen ^aturerfenntnift
nnb im gleidien (grabe würbe ber Ztufeen unferer Kennt*
niffe gröger* (ßerabe fo tpenig, n>ie ftd) ber Ztatur»
forfdjer mit ber ZITed^anif begnügen barf, barf fidj ber
pfyd^olog auf bie Setrad^tung ber allgemeinen 5o.tmen
ber <Beiflesti)dtig{eit befdirdnlen. Wo (Sehtxtn, geiftige
2\6 Jlnljang: Heber ^tani 3ofeplj (Sali.
Cf^tigleit, Senmgtfetn i<l, ba ijl Tbxfn^fymen, dnpfinben,
ZDat)rncI?men , PorfleDcn , Crinncim , gunctgung, 2lb»
nctgütig, Streben, 5ßcl|cn, Cetbenfdjaft. 2lbcr es ijl
tEI^rljett, 5u glauben, ba% bamit bie Sadie erledigt fei
£s genügt uns nid^t, su n>iffen, bag bie }fterpen fenftbel
ftnb, erp baburdj, bag wir erfennen, bag jeber Zletv
nur bepimmte €inbrücfe aufnimmt, ba% es nid|t €inen,
fonöem wenig^ens fünf Sinne giebt, geu)innen wir bie
riditige €in|td?t. €benfo Ijanbelt es jid? bei ben geifKgen
CE^dtigfeiten nie um ein Erinnern ober ZDoUen über«
Ijaupt, fonbem um eine bejHmmte ^rt von (ßebäd|tnig,
um bejHmmte Criebe» Sie Cljiere B^aben nidjt geijHge
5ä^gfeiten überljaupt, fonbem beftimmte 5öljigfeiten, bie
balb allen, balb nur bejHmmten ^rten eigen nnb and|
bei ben 3"bioibuen oerfdjieben jtnb. 2UIe tEt)iere Ijaben
(ßefdjiedjtstrieb, aber er jeigt jidj in roed^felnber Soxm,
bie Sd?n>albe, ber Stordj, ber 5ud?s jtnb 3» S» mono«
gamifdj, ber ^unb, ber ^engjl, ber ^irfdj nidjt. ZITandje
CI|iere jtnb särtlid^e €Itern, mandje nidjt Der jlarfe
furdjtlofe Stier ift nidjt blutgierig wie bas IDiefel. Die
einen leben einfam, bie anberen in Qeerben, wieber
anbere in Staaten. Der f)unb ijl Hug, aber fann nidjt
fingen wie bie Xtadjtigatt ober bauen wie ber Siber.
H. f. f, Sei ben JJTenf djen finben wir ben größten
IDedifel ber Segabung. (Sau unterfdjeibet 3. S» ©rt«
finn, Saljlenjtnn, tEonjtnn, 5ax^benfinn. IDer ausgeprägten
©rtjtnn Ijat, fagt rdumlidie Sesieljungen rafd| unb Ieid|t
auf, erinnert ftd? an fte, finbet pd? überatt suredjt, fann
jtd? ein SiJb ber Perljältniffe im Haume madjen» £r
II. pfyc^ologtfc^es. 2^7
Jjat alfo ein ©rtsgcbädjtnig. €m 2tni)crcr mit muft*
falifdjcr Anlage Ijat ein Congcbädjtnig, bcr 21Tatl|cmattfer
Ijat «in S^liUngcbäditnx^f bcr ZITalcr ein Sarbengebddit-
nig. €s giebt alfo für jene ©ier ißrunMrdfte Piet per*
fd^iebene 2lrten ber lDaI|rneljmung unb oier <5ib&dt^^
niffe. Keiner I|at (Sebädjtnig überljaupt, fonbern nur
(ßebdd^tnig für befHmmte IDat^rnet^mungen unb je nad)
ber (Srunbfraft Ijat er balb ein gutes, balb ein fdiledjtes
<5ebäd?tnig. 3ji ^i^ (Srunbfraft fdjwad] ober feljlt pe,
fo jtnb andi bie 2tttribute fdjwadj ober jie feljlen. Ser
fjunb mit porsüglidjem ©rtpnne entbeB^rt bas mupfalifdje
X>erftänbnig gans, bem ZHaler flnb pielleidjt matljematifdje
X>erl|ältmffe ein (Sreuel unb ein 3uclj mit fteben Siegeln
unb ^em 2Tlatljematiter ftnb bie fctjönj^en Silber gans
egal. llTit ber (ßrunbfraft fdjwinben PerjJänbniß, (8e-
bädjtnife, Neigung. IDdre 3* S, bie 2tufmerffamfeit (la
facult^ apperceptive) eine (ßrunbfraft, fo iiäiie man fie
ober man Ijdtte fte nid|t Sie Ztatur seigt, ^a% es nidjt
fo ifl 3^^^^ n)ibmet feine 2lufmerffamfeit Z)em, roas
il|n interef jtrt, bie 2lpperception gef d|lecl?tlid|er Sesieljungen
3» S» fann Por3Üglidj fein trofe ^diwait^x €rttn>icfelung
ber geifiigen 5dB|tgfeiten im Uebrigen. ^ud? ber ge*
bilbete Ulenfdj ermübet rafdj, wenn er auf 2)inge auf«
merffam fein fott, bie außer feiner 5pl)äre liegen, m&fy
renb ein 3eber oI|ne Znülje fidi ^en Singen roibmet,
für bie il^n feine (Srunbfräfte geeignet madjen. Paucanfon
ridjtete feine 2lufmerffamfeit als Kinb auf bas Hdber-
tperf einer Utjr, bas einem ZHuflfer ober Did^ter mit
grauen paaren gleid^gültig unb unt>erfJänbIid| wäre»
2\8 ^Inljang: Heber ^ran3 3ofeplj (5aII.
£ine Xoktte blicft mit ganscr Seele auf einen 2Tlobe«
laben, gel{t aber ad)t(os an ber fd^Snflen toiffenfd^aft»
(id^en Sammlung porüber. 2tel{n(ict{ ifl es mit ber
Urtl^eilsfraft« Derfelbe ZHenfct) urtt)ei(t fki)er unb rafd^
über befKmmte (Segenfldnbe, ifl anderen gegenüber bei»
naiit fd^mad^finnig* £in S^dtt^ I<(nn über 2Tlu{tf nid)t
urtt)ei(en, beurtt)eilt aber mit beiounberungstoür&iger
Sd^ärfe bie ZHittel, ber Sd^Knge su entget)en ober bie
Seute 3U erwifdjem Der Siber perjleljt nidjts von
SahtUn, aber er rid^tet feinen ^an mit fidlerem UrtE^eil
auf unb berüdftd^tigt felbfl bas Steigen, 5aOen bes
^luffes. Kurj, fofem es irgenb ein tEalent, eine be-
ftimmte Sefdljigung giebt, finb mit il:jr perception, Jluf-
merffamfeit, UrtE|ei(, Erinnerung, £inbilbungsfraft ge»
geben» IDas von ben intettectueüen Attributen gilt, baa
gilt andt von ben mora(ifd)en. Seget^ren, Neigung,
Ceibenfd^aft finb nur (Stabe befümmter Criebe« 3e nad^
bem (Srabe, in bem im 3n^ii>i^uum ein Crieb entn>icfe(t
iji, perlangt es nadj bestimmten Singen gar nid^t,
fdiwadj, lebljaft, mit Ijeiger ißier* Me 5ormen bes Der*
(angens ftnb nur an unb mit einer (Srunbfraft mög(id{*
IDenn ein Zllenfdi für llTujtf ober für ZlTedjanif ober
für Sptadicn fdjwad] begabt iji, fo jinb iE|m biefe Singe
gleidjgültig. 3ji f«in^ Segabung gröger, fo finbet er
an iljnen Pergnügen, füljlt ftdj 3u itjnen Ijingesogen.
3ft ein Calent in i)ot)em (State porljanben, fo finbet
ber ZITenfd? nur in ii^m fein (Slüd, ijl perfHmmt, unglüd*
ßd?, wenn er feiner Neigung nidjt folgen fann» Jfliemanb
ijl nadj jeber Hidjtung I|in leibenfdjaftlidj, voas bodj ber
n. pfyd^ologifdjes. 2\^
SaU, fein mügtc, wenn es eine Ceibenfcf^aft an {ict{ gAbe.
2ludj bie 2lffefte, 5reube, S^tn, Sdjred, (Ctaurigleit u. f* n>v
get{5ren su ben aUgemeinen Attributen, fte seigen an,
bag eine ober met)rere (Srunbfrdfte burd) befKmmte
£inn>irfungen mobiftcirt iperben*
(ßaD wirb nid|t tnübe, gegen „bie ZITetapIiYJtter^
SU eifern, bie von aQgemeinen Segriffen ausget)en, bie
nur ben Per^anb, bie Dernunft, bas (ßebädjtnig, bie
finbilbungsfraft, ben ZDillen im Allgemeinen fennen*
„Senfen, fagen bie 3^«oIogen, ijl empfinben; fid| er-
innern, urtlieilen, alles ijl nur empfinben." Diefes
Spielen mit allgemeinen Segriffen füljrt nie 3ur WitU
lidjfeit. Mein pon ber Seobadjtung l|at man aussu»
geljen unb ber pfvcljolog barf nidjt anbers ©erfaljren
als ber ^aturforfdjer überB^aupt IDir n>erben nidjt
eljer 3u waljrljafter €inftd?t f ommen, elje bie pfvct?oIogen
nidjt bie naturwiffenfd^aftlidie ZlTetliobe angenommen
Ijaben» „IDarum perwerfen aber ger abe bie, bie fo fiols
auf il|re metapB^vjtfdien Seflrebungen ftnb, bie bas €r-
gebntg tl|rer Spefulationen mit foldjer Superfidjt als
betptefene tDaljrEiett perfünben unb it^re Segriffe für
um fo 5uper(äfftger t^alten, je aUgemeiner fte ftnb, b« t^.
je weniger fle auf befonbere 55Be, auf einselne tEl{at<
faxten antpenbbar finb, tparum perwerfen pe unfere
tlTetl^obe? IDaljrfdjeinlidj besljalb, weil iljre ZlTettiobe
bie pIjiIofopl|en nidjt 3U Seobadjtungen perpflicljtet, weil
fle bas 5«Ib bem Pernünfteln unb ben Sopljisinen frei
M|t, weil mit biefer ZITetliobe jeber 2Tletapl|vPfer rafdj
220 2Inl^ang: Heber gratis Jofeplj (5all.
unb kidjt ein eigenes SyPem erridjten unb Qaupt einer
S^ti0 »erben lann/*
€in befonberes Kapitel n>ibmet (Sau bem 3npinft
©05 CE|icr n>irb burdj ben 3nPinft getrieben, ber iUenfdi
Ijanbelt unter ber Ceitung ber Pernunft, fo reben bie
p^lofopljen* Der 3nfKntt iji ein Crieb, ber von Ueber-
legung unb IDinfür unabljängig iji: ein IDefen f&ljlt
ftcf^ 5U bejlimmten Qanblungen getrieben, oI:;ne ^a% es
von t>en Znitteln, nodi von bem gwecfe eine beutliiie
Porjieüung Ijätte» (Siebt es nur einen 3nftinft ober fo
oiele 3"Pi"fte, als es iSrunbfräfte giebt? IDdre ber
3npinft eine allgemeine Kraft, wie bie ptjiIofopI|en
meinen, fo müßten aQe CE|iere baffelbe tt)un. IDarum
webt benn bie Spinne ein Xtefe unb tobtet fliegen,
wät^renb bie 2trbeiterbiene fed^secFige ^eQen baut, nid^t
tobtet unb für bie Kleinen forgt ol^ne (Sefdjieditstrieb»
IDarum fümmern ftd] jene Pögel forgfältig um itjre
Srut, wäljrenb ber Kufuf es nid|t tljut. IDarum baut
ber Siber, fingt aber nid^t unb jagt nidjt, wdtjrenb ber
^unb jagt, aber nid|t baut. Sie VOadiM lebt nidjt in
ber €I|e, pflegt aber bie Kleinen unb wanbert, bas
Hebljul^n lebt in ber €lje, pflegt bie Kleinen, »anbert
aber nid^t. ©er 5ud?s unb bas Kanindjen graben
^öl|len, ber XDoIf unb ber ^afe nid^t. U. f f» 3"
IDirfHdjfeit beseidjnet bas IDort 3"Pi"'t "«^^ bie Ct^ötig»
feit einer (ßrunbfraft, nidjt ein unfaßbares €tu>as im
^intergrunbe. Sie Begattung, bie £iebe 3U ^en Kleinen,
bie 5reunbfd]aft, ber Crieb 3um gemeinfamen teben ober
3ur €infamfeit, ber KampfmutB? unb bie Porftdjt, bie
II. pfvd?ologtfd?es. 22 ^
Steigung 3U biefcr o&cr jener Ztal^rung, öer lDanbertrie&
nnb V\e Steigung 3U bejiimmten ©erlern, öer Singtrieb,
^er Sautrteb finb (ßrunöträfte, Vflan ^arf bal|er nur
pon befiimmten 3njHnfteii reben, was bann nict)ts anberes
befagt als Forces fondamentales.
Die Seliauptung, i>a% ber 3nftinft fd|Ied|lrt)eg bttnb
fei, ifl nidjt 3U Ijalten. IDäre jte ridjtig, fo müßten bie
Cl^iere immer in gleictjer IDeife Ijanbelm Sie tljun es
aber nid|t, fonbern pe paffen ftd? ^en HmjJänben an.
(Sau füt^rt andi Ijier sal^Ireid^e Seifpiele an, bie iljn als
erfaB^renen (EI|ierfenner seigen, bas Perl^alten bes IDoIfes
unb bes 5ud]fes gegen ^^n IHenfdien unb feine €in-
rid|tungen, atterljanb 3agberfaB)rungen, bie Sreffur vu f. f.
Die CI|iere lernen unb bilben ftd] bis 3U einem gewiffen
punfte genau wie ber Znenfd). Sie B^aben mirt^in nid|t
nur 3nftinft, fonbern aud^ Derjlanb ober Vernunft, iB^r
^anbeln ijt 3. CI|. unwittfürlid], 3. CE|. wilHürlid]*
^nbererfeits mu§ man fragen, Ijanbelt aud? ber
ZHenfdi aus 3"ftinft ober geB^ord^t er nur ber Pernunft?
Sdiafft er feine Neigungen ober finb biefe eben fo nn»
n)iUfürIid> wie bei ^en CI|ieren? (Satt meint nidjt bie
automatifd^en Bewegungen, bie mand^e Tutoren mit ^em
3nftinft 3ufammenn>erfen, 3» S» bas Surücftt>eid?en bei
(ßefalir, ^as ^usftreden ber St^n^e beim hatten, fonbern
beftimmte Criebe mit beftimmten Sielen. €r begreift
nidjt, wie man am Dorljanbenfein ber 3nPinfte im
ZHenfdjen 3n>eifeln tonne. „3dj fann nidjt fagen, auf
weld^en (ßrab oon Unwiffenl^eit ftd| bie Sel^auptungen
jener ljod|mütf|igen pI|iIofopE?i^ grünben, bie ftdj unter»
222 Jlnljang: Heber ^taui Jofeplj (5all.
ftel(tf ben TXlen^di^n aüen im tEI^icrreid^e geltenbcn ®e«
fc|(en 5U cntski^/ ZDenn bcr ZHenfct; ^te (ßef(^(«cM^<
liebe empfindet, tpcnn er feine Ktnber IteBt, toenn er fid)
tttib We Seinigen gegen bie 5cinbe ©ertlieibigt, wenn er
ftols, eite(, woliltDOÜenö, graufam, t}abfüd)tig, i)interIifKg;
oorfid^tig x% fo I^nbelt er genau fo infünftmdgig tpie
bie tEl^iere« €Benfo oerfdl^rt ber 3"teneft ol|ne Hefleyion
nnt gerabe ba, tx>o einselne 5öl|igf<iten befonbers ent-
widett jinb; beim (Benie, ijl es am beutlidtjlen, ba% es
fdj um 3nflinfte Ijanbelt UntpiUfürHcf^, oljne befonbere
^bftdjt, geswungen tljut ber ZlTenfd? ^s, wo^n iljn feine
2CnIage treibt, unb ber gmang iji um fo jidrfer, je
genialer ber llTenfd? iji Poltaire fagt: TXian mu% ge*
fteljen, ba% bei ben IDerfen bes (Benies aVies IDirfung
bes 3nflinftes ift
Der Hnterfd]ieb jiDifdien ben 2Tlenfd?en unb ben
CEjieren befleißt nur barin, ba% jene I|interl|er über iljre
^anblungen unb triebe reflectiren fSnnen unb mit ber
^eit lernen, jtd? ©ernünftigen frcoagungen 3u unter*
»erfen» ^id^t im IDefen, fonbern grabweife ijl ber
XHenfd^ ©om (Eljiere pcrfdjieben.
Ueber bie TXlotive menfd^Iid^er Qanblungen ftnb bie
pljilofopljen ebenfalls im ^^xifyxme, wenn pe anneljmen,
ba% bie Eigenliebe ober bas Streben, fein Sein 3U be*
tpaljren, aOen Qanblungen su (Srunbe liege, ba% bie
IDillfür 2lIIes madje. fis iji erpditlid?, ba% es fo ©iel
2trten von ZHotipen geben mug, als es (Brunbfrdfte
giebt Tlndt I|ier ift bie DergJeidjung swifdjen Znenfd?en
unb tEt)ieren pom größten Xtu^en, Die Qanblungen ber
II. pfyd^ologtfd^es. 223
Cl^icrc jtnb einfad?, Har, jeber Znigbeutung entsogcn, bic
ber llTenfdjcn jinb dagegen fajl immer meljr ober »enig^r
©erwicfelt, ber 2lrt, bag fogar ber Siariödw^ felbjl fein
xoaiixcs ZHotio oft nidjt fennt. Die »iditig^en tEriebe
ber Cl^iere finb ber (ßefdiledjlstrieb, bie £iebe 3U ben
3ungen, bie Steigung 3U ben ^rtgenoffen, ber Kampftrieb,
bas Perlangen nadj €igentljum u. f. f»; Zteib, fiifer«
fud|t, £ta%f §otr\, (ßraufamfeit, (ßutmütl|igfeit treiben
5um ^anbelm ZDeld^r vernünftige ZITenfd? roürbe bie
Sadje bamit für erlebigt Ijalten, ^a% man fagte, bie
^anblungen ber tEI^iere ent{)et|en aus Eigenliebe ober
aus bem XPunfd^e, ii^re ^rt 5u beipaljren? Xt\xn traben
t>ie Itlenfd^en biefelben tEriebe tpie bie tEI^iere, it)re
2Tlotipe muffen batjer ebenfo vielfältig fein» ®er ZITenfdj
ftat (ßrunbf räfte , bie bas CE|ier nid|t hiai, bie Se«
jieljungen smifd^n feinen trieben jlnb viel reid)er unb
oerwicfelter als beim CE|iere unb trofebem glauben bie
pljilofopljen, bie menfd^Iidjen Zllotioe mit ein paar oben
allgemeinen Segriffen absutl^unl
„Die Pernunft i>erE|äIt jidj sum 3"teneft wie bie
IDinfür 3um tEriebe»" €s giebt eben fo viel 3nteIIefte
unb tEriebe, als es 3njHnfte. ober ©rgane giebt, aber
es giebt nur €ine Pernunft unb €ine IDillfür, ^enn
biefe finb nidjt bas firgebnig €ines 3nPinft^5, fonbem
fxe fe^en bas ^ufammenarbeiten, bie Sesietjungen ber
verfdjiebenen (ßrunbfräfte 3U einanber voraus» €s
giebt fo viel Steigungen unb Perlangen tvie (ßrunb*
frdfte, aber erji aus bem Kampfe biefer unb bem Per*
gleidjen nnb abwägen ber Zllotive gel|t bie XPiKens«
22^ ^nbanaz Uebtr ^1005 3oifpb <5aIL
ent}d>üe%anq I>en>or. 3n öem <Brabe, in bem bie
Bö^ett, ititr bem Hlenfi^en eigenen <Bninbfrdfte ent»
wideit finb, in e!)cn bem <6rabe imrb er freier, gennnnt
5ie XDinfür, b. 1^. bas pemünftige XDoIIen, Me ^err*
fdiaft über bie ben einseinen 3nftinfren entfpred^enben
Strebnngen, tritt an Stelle bes triebma^en ^nbelns
auf ein onfdKmlid^ UIoUd l>in, bos oerrnrnftmöfige
Banbeln ans ber 21bn>ägung ber nid?t nnr burdi 2ln*
fdtonnng, fonbem buidi Ueberlegnng gegebenen 2IIotii>e.
Vuxdi 5ie Pemunft iinterfd?eiö«t fidj eigenttid) ber Dlenfc^
pom Ctjiere, 5enn ber 3ntenect ift beiden bis ja einem
gerotffen punfte gemeinfam« 5reilii> fpieÜ audf bei
5er 2IIebr5abI ber Znenfd;en bie Pemunft nidjt bie er^e
HoHe. —
2ln ben Derfd^eben^en Steflen fommt <6aII auf bie
Selbjiänbigfeit ber einseinen 3nftinfte, onf bie Parallele
3n)ifd?en ben tbierifdjen nnb ben menfd>Gd^n Anlagen
Snrücf. Sie bisi^er im 2(us5uge n>iebergegebenen äuge«
meinen 2(u5einanberfe^ngen bilben ben Sd^Ing feines
IDerfes. £r eröffnet es ober mit einer langen, n>irflid}
gans t>ortreffItd)en 21bbanbliing über ben Sa!^: ^ba% aUe
5abigfeiten unb Steigungen angeboren ftnb'. IDenn es
oud^ obne IDieberE^oIungen ntd^t abgelten fann, fo n>ill
xdi bocb einiges baraus roiebergeben* Um (BalTs Der«
bienfle rect)t su roürbtgen, mug man {id> batan erinnern^
n>e(d?e Meinungen 3U feiner ^evt beliebt maren, ba% ber
fenfualijUfdje Unftnn obenauf »ar, ba% mit £mp^fe
geleljrt rourbe, ber Ulenfdj fomme als unbefd>riebenes
Slatt 3ttr lüelt, bie (Ersieljung ^bilbe'' ben Znenfd^en
II. pfyc^ologtfc^cs. 225
«rft ber Ct^araftcr tjänge von ber Umgebung unb bcn
perfönlidjen €rfaB^rungen ab u. [♦ f. ZHüffcn tpir ^odi
nodi Ijeutsutagc ©ort bcn „fimpiriftcn" Zllancljes aus^eljcn.
Sie junge Spinne n>ebt il|r Ztefe, ber junge ^tmeifen*
löwe gräbt öie trid^terförmige (Srube in ben Sanb, bie
3um erften VflaU ausgeflogene Siene findet ben Stod
wieget, bas eben aus bem €i gefrodjene Sin^ndt^n pxdt
mit wunderbarer (ßefd^idlid^feit (5etreibeförner auf unb
frißt 3nfe!ten, bie junge 5d|ilbfröte, an ber nod^ €ier*
ftürfe fleben, friedet birect 3um nädjften IDaffer, bas
neugeborene Kinb preßt bie Sruft ber ZHutter mit ^en
Slän^cn unb fangt, ebenfo tt>ie bas Kalb unb ber junge
f)unb, ber mit ^m 5üßd|en bie gifeen ber 2Uten tritt.
2iüe biefe IDefen B^anbeln fo, nid^t weil fie fid? überlegt
l:iahen, ^a% i^v Perfal^ren 3U iE^rer €rE?aItung nötl|ig ip,
fonbern weil bie Ztatur il^ren Sebürfniffen 3ut>orgefommen
ifl unb il|nen il^re Criebe mit auf ^cn Weg gegeben
liat Ztirgenbs ift (ßewoE^nB^eit, 3eIeE?rung, €rfat|rung.
Die (Eljiere mit Kunfttrieben bauen il^re IDoE^nung,
fpinnen il|r (5eu>ebe u. f. xx>. ofyxc Unterrid^t ^tte
Cl)iere wiffen ol^ne IDciteres, roas il^re XtaB^rung ift, bie
Biene fliegt fofort 3ur Slütl^e, bas 5d|tt>ein frißt gierig
bie erfte fiid^el, bie es finbet, bie Haupe fennt bas i^x
3ufagenbe £aub, IDas fd^äblid) ift, bas meiben bie
CI|iere, eE|e fie es fennen. Sie infectenfreffenben Pögel
permeiben bie il|nen fd?äblid]en 3nf«cten, bie KuB?
läßt bas giftige Kraut fteljen. Sas €id|l)örnd?en öffnet
bie 2tuß an ber Spifee unb bearbeitet ^en (Eannen3apfen
pon unten, ©er fjamfter fammelt Porrätlje, ber ^unb
XXi&bius, JXlatlitmat'xUt. {5
226 ^Inbang: lieber ^van^ 3c»fepl> (Sali.
un^ ^er IRdbe pcrbcrgcn bie überflüfftge Xlatixnng. Dct
3agbl|unb jagt oI|ne Unterridjt. 2)as 5rcttclien, bas in
einem Kajten mit Vflxldi aufgesogen tporben ift, gerätlj
.beim erjten TlnbVxde eines Kanindjens in Wni^ unb
biefes erfennt beim erjJen Vflalc feinen Cobfeinb. Kamen
bie CI|iere oB^ne il^re fertigen ^n^nfte 3ur IDelt, fo
gingen fie einfad^ 3U (ßrunbe. Xlxdit Smucswdb(x*
neB^mungen, nid^t angeborene Dorfieüungen, nid^t He*
fleyion, nod) Unterrid?t fönnen ^en 3npin!t erfefeen.
(£benfo tpie bie 5cil)igfeiten, finb bie Effecte angeboren.
Befriebigung unb Hnsufriebenl^eit, Vergnügen unb
5d|mer3, 5teube unb (Eraurigfeit, Kummer, 5urd)t,
5diam, €iferfud|t, §orn u. f. w. finb eben fo ©iel innere
Suftänbe, bie (EE|ier unb ZHenfdj nid|t mad?en, bie pe
empfinben, oB^ne oorl^er ^avan gebadet 3U B^aben. 2)ie
2lffecte entftef^en je nadj ber angeborenen Einlage ol^ne
atte XDiöfür, fie jtnb ^as erfte TXlal fo beflimmt, fo ftarf,
fo lebl^aft u?ie nad^ E^dufiger IDieberB^oIung. Siaberx bie
inneren guftänbe eine geix)iffe Stärfe, fo ftnb fie mit
beftimmten Beilegungen ©erfnüpft, bie ebenfo unn^illfür*
lid^ u)ie jene finb unb immer befJimmten gwecfen enl*
fpred^en. TXlan sieB^t bas (5Ueb surüd, man büdt pd)
bei gett>iffen (Sefal^ren, oE^ne 3U benfen. Der Säugling
fdjreit, tt>enn er fjunger Ijat, ol^ne 3U »iffen, ^a% er
baburd^ bie 2TCutter B^erbeiruft, unb ebenfo fdireien bie
nodi blinben jungen fjunbe nad^ ber 2TCutter.
IDenn ber 2TCenfd) anfängt, über ^as, was er füljlt
unb ll|ut, 3U benfen, ^ann glaubt er, er bringe feine
5äl^igfeiten Ijeroor. Dor foldjen 3rrtl)ümern fdjüfet am
II. pfyd^ologtfd^cs. 227
bcjicn 6ic Scobad^tung öes Cfjierlebcns, 'Da^ Mc 3n-
jlinftc 6er tEE|ierc angeboren jtnö, öas fann fein Per-
ftänbtger bestpeifeln. Seobad^tet er aber, ^a% Me (Erlebe
bes UTenfdien 3um CE|eil gans Mefelben jtnö rote bie ber
CE^iere, ba§ gerabe bas lOefentlidje Bjier nid)t anbers ift
als bort, fo fann er nidjt anneE|men, ^a% bie menfdj-
Itd)en €tgenfdjaften einen gans anberen Urfprung ^ahen
als bie tE^ierifd^en, 5t^ciHdj B?at ber ZlTenfdj 5äB|igfeiten,
bie bie CE|tere nidjt Bjaben, aber er E|at audj J^irntE|eile,
bie bie tEl^iere nid|t i?aben. lOenn toir feE|en, rote ber
ZHenfdj Segriffe bilbet unb 5d)lüffe 3ieE|t, roie er bie
(ßefefee ber Xlatux erfennt, bie ©berfliädje ber (£rbe er^
forfd^t, Sonnen- unb ZHonbfinfterniffe beredjnet, feine
(ßebanfen 3u bem (ßöttlidjen erB^ebt, fo muffen mir nidjt
glauben^ biefe 5ciB|igfeiten h(ahe er erfunben, ober fie
feien ^as lOerf sufäfliger Umjlänbe, 2)em ZHenfdjen ift
fein (EB^un porgefd)rieben u>ie ^cn tEE|ieren unb wie biefe
I^anbelt er nur feiner angeborenen ©rganifation gemäf,
3n tDunberlid^er IDeife E|at man bie 3ebeulung ber
Sinne überfd^äfet. 'Die Sinnesemppnbungen fönnen
feinerlei 5af^igfeit, ober Crieb, ober (ßefüE|l, feinerlei
inteflectueDe ober moralifdje Ceiftung E^erporbringem Die
Porsüglidjfeit ber Sinne fteE|t mit ber ber geijligen 5ciB^ig-
feiten nid^t in gerabem PerE|äItniffe. Der Hlenfdj Ijat
burdjau5 nid)t feinere Sinne als bie CB|iere. ^) €inem
^) (5aII mad^t btc tntcrcffantc Bcmcrfung, ber (5cruc^ fei
ber crftc Sinn. (Hr geftattc btc ©rtcntirung im Haumc (c'est le
premier sens, qui donne d6jä ä Thomme et aux animaux l'idee de
distance).
^5*
228 ^Inljang: Uebcr ^van^ 3ofeplj (Sali.
fdjarfen <5eljör braud^cn $♦ S» muftfalifdjc 55Ijtgfcitcn
unb Spradjocrmdgcn md]t su cntfpredjcn, 3cbcm Sinne
«ntfprid]t eine befonbere H)elt unb je mefyc Sinne ein
H)cfen Itatf um fo rcid]cr ift feine Welt Tibet öie
Sinne ftnb nur 6ie (EIjüren, burd) bie bie IPaljr«
neljmungen eintreten, n>dre fein E^ans ba, was nüfeten
bie tEl|üren? €ingel|enb n>ir6 ber (Eajlftnn befprodjen
unb roirb bie SeE^auptung ConbiDac's 3urücfgen)iefen,
erji ber Cajiftnn ermöglidje bie Haumn^al^rnel^mung unb
bie Se5iel)ung unferer £mpftnbungen auf dugere (ßegen*
ftdnbe* 7>\e ^anb bient bem Hlenfdjen nur besB^alb,
toeil er bas entfpredjenbe (Setyxn basu i^at 3dj über»
gel^e biefe Erörterung unb bie Sefämpfung ber Scnfua«
lijien überljaupt Das IDefentlidje ijt, ba% es überaß
auf bie (ßel|irntE|ätigfeit anfommt, ba% ol|ne biefe feine
€rfenntni§ trofe aDer Sinne möglidj voäxe.
Tindi bie langen (Erörterungen über bie Ueber»
fdjäfeung ber €r3ieE|ung, bes Klimas, ber Umjiänbc bes
inbipibueDen £ebens übert^aupt mu§ idj übergeE|em 2lm
intereffantejten pnb bie oielen 3eifpiele, bie (ßafl's aus»
gebel|nte Kenntniffe in ber ZXatur* unb Znenfcljen«(ße*
fdjidjte bartt|un.
Ztur t|inn?eifen fann idj auf bie lidjtPoDen Erörte-
rungen <5aII's über feine Stellung sum ZlTaterialismus
unb über bie 5reit^eit. €r befpridjt biefe Dinge unb
befonbers bie 5rei£|eitfrage feE|r ausfüljrlid^ , »eil er
von ben Seijörben einerfeits, t)on ben <5elet|rten anberer-
feits als JTlaterialift unb 5ötaliji befämpft »urbe» 2>ie
mirflid? oorl^anbene 5reiE|eit fa§t er als pfydjologifdje,
n. pfydjologifc^es. 229
b, lt. als bic Znöglidjfeit bcs gefunden Hlenfdjen, jidj
oerfd^iebenc ZITotioe oorsuE^altcn unb bamit bcm gmange
ber Umjiänbe in gctDiffcm (Stabe 3U cntgcE^cn. Die
ZITotioe finb tljcik bnxdi bk inneren, tl^eite bnxdt bte
öugeren Umjlänbe gegeben. Setbe mu§ ber 3u erfennen
fudjen, ber bte ZlTenfdjen leiten toill» 3« erfter Cinie
bebürfen foit>ol|I ber €r3tel|er, als ber <5efefegeber unb
bie Hegierenben einer tiefen Kenntni§ ber menfdjlid]en
Ztatur im gefunben nnb im franfen guftanbe, 3ftid)t
auf allgemeine Begriffe, fonbern auf bie 3eobadjtung
ber lDirfIid]feit muffen Dorfdjriften unb €inridjtungen
begrünbet fein. Sdjematifd^ fann man bie Hlenfd^en in
fedjs <5ruppen bringen: \, foldje, bei benen bie eigent-
lidj menfdjlid^en, t^öl^eren 5öl|igfeiten gut entn>idelt ^iriö^
bie bemnadj oernünftig, befonnen, n>aE|rt|aft unb geredjt
jtnb, 2. foldje, bei benen bie tE^ierifdjen 3nftinfte ftarf, bie
t|öl|eren 5öljigfeiten fdjmadj jtnb, bie bemnadj befdjränft,
jlnnlidj, leibenfdjaftlidj jtnb, 3. fold^e, bei benen alle
Criebe, niebere unb E^öE^ere, jlarf pnb, bie bemnadj balb
im (ßuten, balb im Söfen ausgeseid^net jtnb, Kraft*
menfd^en mit inneren IDiberfprüdjen, gmeifeelenmenfd^en,
^. foldje, bei benen nur ein (Erieb, ein Calent, ober ein
paar ftarf jtnb, n>äE|renb bie übrigen mittelmäßig ober
unter bem ZITittelmaage bleiben, bie bemnadi als (Senies,
als einfeitige tEalentmänner ober als ZlTenfdjen mit ein*
seinen jiarfen Ceibenfd)aften erfdjeinen, 5. foldie, bei
benen einselne 5äl{igfeiten fd}n>ad{ ober faji gar nidit
enttoicfelt jtnb, bie meijien aber eine beträAIid^e ^dl|e
erreidien, bie bemnadj als Cücfenmenfdien als tüd;tige
250 Jlnl^ang: Ucbcr ^ran3 3ofcpI| (Sali.
£cute mit umfdiriebcncm Ulangel an Pcrftänbntg o^cr
Steigung auftreten, 6. foldje, bei öenen aDe (Eriebc,
untere unb obere, fdjiDadj ober mittelmäßig finb, bie
bemnadj bie große Ulajfe, ben Durdjfdinittsmenfdjen
barfteDeij. 2luf aUe biefe Unterfd|iebe neljmen (ßefeU*
fdjaft unb (ßefefe gar feine Hücfjtdjt. 2)ie 3urijten unb
bie IHoralipen reben immer nur oom H)iQen fdjled^t«
roeg, als ob es ein foldjes lOefen gäbe, bas unabE^ängig
ton ber ® rganifation, pom (Sefd^Iedjt, pom Filter u. (♦ u>.
rpäre. ^ödjftens bei bem unmünbigen 2l(ter madjt man
eine 2(u5naljme. ^anbelt ber Hlenfdj böfe, fo E|at er
fo geiPoHt, aber an bie Unterfdjiebe ber Criebe unb
5äl:|igfeiten, bie PerfdjiebenB^eit ber äußeren, tpie ber
inneren Umjlänbe benft man nidjt. Die Pergeljen unb
bie Perbred)en roerben als Dinge an jtdj betradjtet
Das (5efefe fagt, biefe unb biefe J^anblungen jtnb Praf-
bar, w\x beftimmen bafür biefe unb biefe Strafe, unb
bamit ftnb wir fertig. Die Strafe bleibt biefelbe, mag
bas betroffene 3nbipibuum fo ober fo befdjaffen fein»
XDoE|l fpridjt man pon milbernben ober erfd^werenben
Umftänben, aber man fud^t fle l^auptfädjlidj in ^en
äußeren Sebingungen unb läßt il:|ren €influß am lüefen
ber Sad^e nid^t piel änbern. WiU man bie mangelEjafte
(ßefefegebung auf bie natürlidjen (ßrunbfäfee Ejinmeifen,
inbem man seigt, ^a% afle (Triebe angeboren finb, unb
ba^ es nidit vom Belieben bcs ZHenfdien abJjängt, biefe
ober jene meE|r ober u>eniger E|errfdjenbe Steigung 3U
traben ober nidjt 3U B^aben, wie er audj nidjt biefes ober
jenes tEalent fid^ fd^affen tann, ^a^ bie ^anblungen in
II. pfvd^ologifdjcs. 25\
^er J^auptfadjc von 6er Siäxfe bcr angeborenen Criebe
abhängen, 6ann t^eigt es, feljt ba 6en 5ötalijlen, ber afle
Derbredjer entfdjulbigen unb ftraflos madjen mödjte.
3n lOirfUdifeit füE|rt gerabe bie €rfenntntg ber n>aB^ren
menfdjUdien Xlaint bal^in, eine ftrenge €r5ieE|ung unb
ein jirenges Hed^t 3u forbern. Denn es ij^ erfidjtlid?,
öa§ 6er natürlid)e ZHenfdj, fidj felbft überlaffen, getx)öE|n-
lidj toeber bie genügenbe §a{jl an Hlotioen, nodj t|in»
reidjenb ftarfe IHotioe in ftdj finben roirb, um bas Un-
redjt; bie Sdjäbigung ber ^nberen 3U permeiben. IDeil
mädjtige Criebe unb Ceibenfd^aften ^^n ZHenfdjen be-
tierrfd^en, muffen Sitte unb (5efefe mädjtige ZHotioe auf«
fteflen, bie iB^n pom 53öfen surücfB^alten unb 3um (ßuten
treiben, IDeil aber bie moralifd^e 5r^i^^it fel^r per«
fd|iebene (ßrabe E^at, weil Keiner gan3 unb in aUen 3e-
3ieE|ungen frei ift, besl^alb ift bie §uredjnungsfä{jigfeit
(la culpabilitd Interieure) nie gan3 port^anben unb in
fel^r perfdjiebenem (ßrabe porE|anben. Diefelbe Ejanb«
lung ijt für ben einen inbifferent, für ^cn anberen fd)ulb-
poH, perbient balb ftrenge Strafe, balb ZHitleib. Um
^en (ßrab ber culpabilite intdrieure redjt 3U beftimmen,
müßte man feB^r piel tt>iffen, ^en €influ§ Pon 2tlter,
(ßefdjledjt, KranfB^eit, Cebenslage u, f. w. Wer toeiß
alles, ^a^ er ein geredetes UrtE|eiI fäflen fönnte? Die
(ßered^tigfeft ift (ßottes Sadje; ein perftänbiger (ßefefe«
geber foöte fidj nidjt einbilben, ba^ er bie (ßered^tigfeit
peripirflidje, €r foUte als bas aöein erreidjbare ^xcl
bas XDoE|l ber (ßefeöfdjaft betradjten. Die 2(ufgabe
roäre, Pergel|en unb Perbredjen 3U perB^üten,
22^ ^Inljang: Uebcr ^xan^ 3ofeplj (Satt.
cntfd]Kegung i^eroor* 3n bem (Stabe, in bem bie
t)$i)eren, nur bem ZITenfd^cn eigenen <5runbfräftc enU
toicfelt ftnb, in eben bem (Brabe wirb er freier, getoinnt
bie XDiUfür, b* Ij. bos vernünftige IDoDen, bie fjerr-
fdjaft über bie ben cinselnen 3njlinften entfpredienben
Strebungen, tritt an Stelle bes triebmdgtgen ^anbelns
auf ein anfdKiuKdies TXlotw Ijin, bos Demunftmägige
Ejanbeln aus ber Tlbwäqnnq ber nid^t nur burd) 2ln»
fdjauung, fonbern burdj Ueberlegung gegebenen TXloüve,
VvLvdt bie Pemunft unterfdieibet pdj eigentlidj ber ZITenfdj
oom Cljiere, benn ber 3"teDect iji beiben bis su einem
gewiffen punfte gemeinfam* 5retHdi fpielt audi bei
ber ZITeljrsalil ber Znenfdjen bie Vernunft nidjt bie erfte
Hofle. —
2ln ben Derfd^iebenflen Stellen fommt <5aII auf bie
Selbftänbigfeit ber einseinen 3nPinfte, auf bie parallele
3n>ifdjen ben tljierifdjen unb bm menfdiüdjen Einlagen
$urücf» ©ie bisljer im 2(us3uge »iebergegebenen allge»
meinen 2(usetnanberfefeungen bilben bcn Sd]Iug feines
XDerfes, £r eröffnet es aber mit einer langen, wirflid^
gan$ oortrefflidjen ^bE^anblung über ben 5ai^: „ba% aUe
Äöljigfeiten unb Steigungen angeboren pnb". Wenn es
audj oE|ne lDieberE|oIungen nid^t abgelten fann, fo n>ill
idj bodj Einiges baraus »iebergeben. Um <5aII's Per«
bienfte red^t 3u tpürbigen, mug man pdj baxan erinnern,
n>eldje ZHeinungen 3U feiner §eit beliebt waren, ba% ber
fenfualiftifdie Unflnn obenauf war, ba% mit €mpljafe
gelet^rt würbe, ber ZlTenfdj fomme als unbefdjriebenes
3Iatt 3ur IDelt, bie firsiel^ung „bilbe" ben ZITenfdjen
II. pfyf^ologifd^cs. 225
ev% ber (Et^arafter liänqe von 6cr Umgebung un6 bcn
perfönßdjen €rfal|rungcn ab u. f* f, Znüjfcn wiv bodj
xxodi t^eutsutage von bcn „€mpiriftcn" TXlandt^s auspeljeii.
©ic junge Spinne toebt i{jr Ztefe, ber junge 2lmeifen*
löme gräbt bie tridjterförmige <5rube in ben Sanb, Me
3um erjlen IHale ausgeflogene Biene finbet ben Stocf
n>ieber, bas eben aus bem €i gefrodjene ^üt|ndjen picft
mit tpunbcrbarer <5efd:]idlidjfcit (5etreibeförner auf unb
frißt 3nfeften, bie junge Sd^ilbfröte, an ber nodj €ier-
ftücfe Heben, fried)t birect 3um nädiften XDaffer, bas
neugeborene Kinb preßt bie 23ruft ber IHutter mit ben
^änben unb fangt, ebenfo toie bas Kalb unb ber junge
^unb, ber mit ben 5ü§djen bie gifeen ber eilten tritt»
2lIIe biefe XDefen E^anbeln fo, nid]t toeil jte fidj überlegt
traben, ba% il^r Perfal^ren 3u it^rer €rt^altung nötl|ig ip,
fonbern weil bie Ztatur it^ren Bebürfniffen suDorgefommen
ift unb it^nen it^re Criebe mit auf ben lOeg gegeben
iiat Ztirgenbs ift (ßemoB^nEieit, Selet^rung, (grfaljrung»
Die Ct^iere mit Kunfttrieben bauen it^re lOot^nung,
fpinnen iB^r (ßewebe u» f» w. ofyxc Unterridjt, ^fle
CE|iere toiffen oE|ne IDeiteres, was it^re Hat|rung ift, bie
Siene fliegt fofort 3ur SIütB^e, bas Sdiwexn frißt gierig
bie erfte €idjel, bie es finbet, bie ^atxpe fennt bas iljr
3ufagenbe Caub. XDas fdjäblidj ijl, bas meiben bie
CE|iere, et^e fte es fennen. Die infectenfreffenben Pögel
oermeiben bie iE^nen fdjäblidjen 3nfecten, bie Kulj
läßt bas giftige Kraut fteljen. Das (£idjl|örndjen öffnet
bie Huß an ber Spifee unb bearbeitet bcn Cannen3apfen
oon unten. Der fjamfter fammelt Porrätl^e, ber ^unb
Zndbins^ Znatt^emattfer. 15
226 ^Int^ang: lieber gratis 3ofepI| (Sali.
un6 ber Habe verbergen bic übcrpüfftgc Xlahivnnq. Vcx
3agbt|un6 iaqt ot^nc Unterrid)t. ©as 5rettdjen, bas in
einem Haften mit IHildj aufgesogen toorben ift, gerätl>
»beim erften 2(nb(ide eines Kanindjens in Wntl:^ nrib
biefes erfennt beim erjien IHale feinen Cobfeinb. Kamen
6ie Ct^iere ot^ne iE|re fertigen 3nftinfte 3ur XDelt, \o
gingen fie einfadj 3U (ßrunöe. Xlxdit 5inne5n>at|r»
net^mungen, nid^t angeborene Porpeflungen, nidjt He*
flfe^ion, nodj Unterridjt fönnen öen 3nftin!t erfefeen.
€benfo wie bie 5äl:|igfeiten, finb bie 2Iffecte angeboren.
Befriedigung unb Un3uf riebenE^eit ; Pergnügen ixnt>
Sd^mers, 5t^ube unb Craurigfeit, Kummer, 5urd|t,
Sdjam, €iferfudjt, §orn u. f. w, finb eben fo piel innere
Suftänbe, bie Cl|ter unb Hlenfd? nidjt madjen, bie pe
emppnben, o{jne PorE^er ^axan gebadet 3u hiahen. Die
Effecte entfteE^en je nadj ber angeborenen Einlage ol^ne
aöe IDiflfür, fie [xnt> bas erfte TXial fo bejlimmt, fo ftarf,
fo lebE|aft roie nadj E^äupger XDieberE|olung. £iaben bie
inneren guftänbe eine gemiffe Stärfe, fo pnb pe mit
beftimmtcn Bewegungen perfnüpft, bie ebenfo unrpiUfür»
lidj toie jene pnb unb immer bepimmten §weden enl*
fpred)en. TXlan 3ieE|t bas (5Iieb 3urüd, man büdt pd]
bei gewiffen (ßefal^ren, ol^ne 3U benfen. 'Der Säugling
fdjreit, toenn er Ejunger i(at, oE^ne 3U toiffen, ba^ er
baburdj bie ZHutter E^erbeiruft, unb ebenfo fdjreien bie
nodj blinben jungen ^unbe nadj ber ZHutter»
XDenn ber UTenfd) anfängt, über bas, n>as er füljlt
unb tE^ut, 3U benfen, bann glaubt er, er bringe feine
5äE|igfeiten E^erpor. Por foldjen 3r^t^ümern fdjüfet am
IL pfvcf?ologtfd?C5. 227
bcjicn bie Scobad^tung bcs Ct|ierleben5. Da^ bte 3"*
fünfte ber tEE|icrc atigeboren ftnb, bas fann fein X>er-
ftänbiger bestpeifeln. 3eobadjtet er aber, ba§ bie (Triebe
bes UTenfdien 3um Cl^eil gans biefelben jtnb tpie bie ber
CB|iere, ba% gerabe ^as IDefentlidje E|ier nidjt anbers ift
als bort, fo fann er nidjt anneljmen, ba% bie menfd)»
lid^en €igenfdjaften einen gans anberen Urfprung liahen
als bie tE|ierifd?en. 5reilid| E^at ber ZlTenfdj 5äl?igfeiten,
bie bie CE|iere nidjt E|aben, aber er I^at audj J^irntE|etIe,
bie bie Cl^iere nid|t baben. XDenn toir fetten, tx)ie ber
ZHenfdj Segriffe bilbet unb Sdjiüffe sieB^t, loie er bie
(ßefefee ber Ztatur erfennt, bie ©berfliädje ber (£rbe er^
forfdjt, Sonnen- unb ZHonbfinjIerniffe beredjnet, feine
(ßebanfen 3u bem (5öttlidjen ert^ebt, fo muffen toir nidjt
glauben/ biefe 5ät|igfeiten h(abe er erfunben, ober fie
feien bas XDerf sufäUiger Umjiänbe. 2)em ZHenfdien ift
fein Cl^un oorgefdjrieben tt>ie bcn Ct^ieren unb wie biefe
I^anbelt er nur feiner angeborenen ©rganifation gemä§,
3n u)unberlidier XDeife Bjat man bie 3ebeutung ber
Sinne überfd^äfet 2)ie Sinnesemppnbungen fönnen
feinerlei 5äl?igfeit, ober Crieb, ober (ßefütil, feinerlei
inteöectueDe ober moralifd^e Ceiftung E^erporbringen, 2)ie
Porsüglidjfeit ber Sinne peE|t mit ber ber geizigen 5äl|ig»
feiten nid^t in gerabem DerE|ältniffe. Der Hlenfdj E^at
burdjau5 nid^t feinere Sinne als bie CB|iere. ^) €inem
^) (Sali mad^t btc tntcrcffantc Bcmcrfung, ber (Scruc^ fei
ber crftc Sinn. (Hr ^e^tatte btc ©ricnttrung im Haumc (c'est le
premier sens, qui donne d6jä ä Thomme et aux animaux l'id^e de
distance).
^5*
250 ^Inl^ang: Uebcr gratis 3ofcpI| (5aII.
£cute mit umfd)riebcncm TXlangel an Perflänbnig ober
Steigung auftreten, 6. foldje, bei benen aQe Criebe,
untere unb obere, ^diwadt ober mittelmäßig jtnb, bie
bemnadj bie große Ulajfe, ben Durd|fd?nitt5menfdjen
barfteflen. 2luf aUe biefe Unterfdjiebe net^men (ßefcfl*
fd)aft unb (ßefefe gar feine Hücfpdjt. Die 3iirijten unb
bie Znoralijlen reben immer nur pom XDiflen fdjiedjt«
toeg, als ob es ein foldjes lOefen gäbe, bas unabt^ängig
t)on ber ® rganifation, pom (ßefd^Iedjt, Pom Filter tu f. w.
rpäre. ^öd^ftens bei bem unmünbigen 2tlter madjt man
eine 2(usnaljme, ^anbelt ber Hlenfdj böfe, fo B^at er
fo gewollt, aber an bie Unterfdjiebe ber Criebe unb
5äl:|igfeiten, bie Perfd^iebenEieit ber äußeren, tt>ie ber
inneren Umftänbe benft man nid^t. 'Die DergeB^en unb
bie Perbredjen u)erben als Dinge an pdj betradjtet
Das (ßefefe fagt, biefe unb biefe fjanblungen finb praf-
bar, u)ir beftimmen bafür biefe unb biefe Strafe, unb
bamit finb mv fertig. Die Strafe bleibt biefelbe, mag
bas betroffene 3nbipibuum fo ober fo befdjaffen fein»
Woh(i fprid^t man pon milbernben ober erfdiroerenben
Umftänben, aber man fudjt fie l^auptfäd|lidj in ^en
äußeren Sebingungen unb läßt iB^ren €influß am lOefen
ber Sadtie nidjt piel änbern. WiVi man bie mangelEjafte
(ßefefegebung auf bie natürlid)en (5runbfäfee t^inipeifen,
inbem man seigt, ^a% afle Criebe angeboren finb, unb
ba^ es nid)t pom belieben bes ZHenfd^en abt^ängt, biefe
ober jene meE|r ober roeniger B^errfdjenbe Steigung 3U
E^aben ober nid^t 3u E|aben, xvie er audj nid^t biefes ober
jenes tEalent jtd^ fdjaffen tann, t>a^ bie J^anblungen in
n. pJvd?ologtfd?c5. 25\
^er ^auptfad^c von 6cr Stärfe ber angeborenen (Eriebe
abt^ängen, bann Ijeigt es, feE|t ba ben 5atalij^en, ber afle
Perbredjer enlfdjulbigen unb ftraflos madjen mödjte,
3n lOtrMid)!eit füt^rt gerabe bte €rfenntnt§ ber maleren
menfd|ltd)en Xlaint bal^in, eine ftrenge (Erstellung unb
ein jtrenges Hed^t 3u forbern. Denn es ift erfidjtUd?,
^a^ ber natürlidje ZHenfdj, jtdj felbjl überlajfen, geu)öE|n-
lidj toeber bie genügenbe §at|I an TXlotwen, nod| E^in»
reidjenb jiarfe UTotioe in jtd^ finben toirb, um bas Un-
red)t; bie 5d|äbigung ber Ruberen 3U permeiben. IDeil
mädjtige Criebe unb Ceibenfdjaften ben Znenfd^en be-
lierrfd^en, muffen Sitte unb (5efefe mädjtige ZHotipe auf-
fteöen, bie iB^n oom 53öfen surücR^alten unb 3um (ßuten
treiben. IDeil aber bie moraltfdje 5r«^«it fel^r per*
fdjiebene (5rabe t|at, meil Keiner gans unb in aflen Se»
SieB^ungen frei ift, besE|alb ift bie §uredjnungsfät|igfett
(la culpabilitd intdrieure) nie gan3 PorBjanben unb in
fel^r perfdjiebenem (ßrabe PorBjanben. 'Diefelbe Sian^»
lung ij^ für ^cn einen inbifferent, für ben anberen fdjulbs
PoH, perbient balb ftrenge Strafe, balb ZHitleib. Um
ben (ßrab ber culpabilit(§ Interieure red^t 5U beftimmen,
müßte man fel^r piel tt>iffen, ben €influ§ Pon ^Iter,
(ßefdjled^t, Kranft^eit, Cebenslage u. f. xo* Wex XDei%
aöes, ba% er ein geredetes UrtB|eil fäflen fönnte? 2)ie
(5ered]tig!ett ift (5ottes Sad^e; ein perftänbiger (5efefe-
geber follte fidj nidjt einbilben, ba% er bie (Sered^tigfeit
pertt)irflidje. €r foöte als bas aöein erreidjbare §iel
bas Wolil ber (ßefeöfdjaft betradjten. Vxe 2(ufgabe
n>äre, Dergel|en unb X>erbred)en 3U perE|üten,
232 ^(nljang: Ueber ^ran3 3ofepb (Sali.
bie Ucbcitljdter 3U bcffcrn (corriger), fotocit
fic aber nid^t ©erbeff erltdj fi«^^ ^i^ (ßefell*
fdjaft t)or iljnen 3u fdjüfecn.
H)tc bei Scurtljeilung ^er 5traftl|at, fo iji audi bei
53«mcjfung ^cr Strafe bic 3nbioibuaIttät bcs tEt^ätcrs in
erfler Cinie 3u berücfjiditigcn» Die (ßlddjt|cit oor bem
<5cfefee ip btc größte Ungercdjtigfcit, bcnn was für bcn
einen gleid^gilttg; oielleid^t fogar XDoI^ItE^at ift; bas ift
für ^en anberen fd?ix)ere Strafe. 3d^ überget^e bie
Erörterungen über bas Straf irefen unb bas (5efängnig*
toefen insbefonbere, E^ebe nur nod^ l^eroor, ^a% (Ball
flreng unterfd^etbet 3n?ifdjen ^en eigentUdjen Perbredjern
nrib jenen, bie aus Ceidjtjtnn, HotE|, €eibenfd)aft u. f. xx>.
3U (5elegent|eitperbredjern geworben ftnb» ^usfütirlid;
tEjut er bar, ba% bte feE|(erBjafte ©rgantfation bie eigent*
Bdje Urfadje bes (ßemoE|nl^eitoerbred)en5 ift, ba% bal|er
bei ben eigentlidjen Derbred^ern von Heue unb Sefferung
gar feine Hebe ift. 3^^^ Hatur treibt jte 3um Söfen,
fte freuen unb rüt|men fidi it^rer Cljaten, unb alle Se*
feEirung ijl fjeudjelei.
€ine lange 2tbBjanbIung ift enblidj ber Derminbe*
rung ober ^ufE^ebung ber 5reiB^eit bei (ßeiftesfranfen
geroibmet (5aII bejtfet 3ipar audj auf biefem (5ebtete
(£rfaljrungen unb tl|eilt eine Heitre oon Kranfen»
gefdiiditen mit, inbeffen feljlt iE|m bodj Ijief bie intime
Sefanntfdiaft mit bem tEt^atfädjIidjen, er fdjliegt jtd] in
ber J^auptfadie ben ^nfd^auungen pinel's u. 21, an,
n>idjtige neue <5ebanfen finb t|ier nid|t 3U finben.
^erDör3uBieben aber ift, ba% (5aü mit großer KlarE^eit
II. p)yd?olo9tf(^cs. 233
bie Ccipcsfranfljciten als (SeltxtntxanfiiexUn^) auffaßt,
ooIHommen in ^cm Sinne, it>ie von es Ijcutc tl|un: Les
alidnations sont des maladies du cerveau. Heureusement,
de nos jours, Ddmocrite ne retrouverait ses Abd^rites
que parmi certains mdtaphysiciens. Si Ton veut combattre
des opinions dangereuses dans leurs consequences, que
Ton combatte Celles qui condamnent ä im cruel abandon,
et rel^guent dans des loges infectes des victimes mal-
heureuses, qui mdritent toujours notre compassion, et
souvent notre estime. On n'ose arreter ses regards sur
les Etablissements pour les alidn^s, encore tellement dE-
fectueux dans la plupart des pays, qu'ils ne sont que les
monumens honteux de la plus profonde ignorance.
*) pincl erüärtc, ber primäre Stfe bcr IHanic fei in ber
inagengegenb. (Hsquirol fagtc, balb feien bie (Enbcn bes tlerpen»
fyftems nnb bie ^erbe ber (Hmpflnblid^feit an perfd^iebenen Stellen
bes Körpers, balb ber Dcrbauungsapparat, balb bie £eber unb
il|re 2lni|änge 3uerft ber 5ife ber (Setftesfrantbeit.
III. plfYftoIogifd^cs.
Die pl^YJtologie bcs (5cE|irn5 eröffnet (ßaD mit
einer gefd^id^tlidien Darlegung. €r fdjtibert junäd^ft We
alten PorfteUungen pon t»er Seele uu6 seigt, u>te bie
ZnetapB^Vfifer pd? jeber geit bem 5ortfd^reiten ber Ztatur*
er!enntni§ in ben lOeg gebellt E|aben. (£in beträdjtUd^es
^inbernig bes 5ortfd:]ritte5 tpar bie Sdjioierigfeit, ben
3au unb bie 5un!ltonen bes Heroenfvftems 3u begreifen.
J^ippofrates B^ielt ^as (Sctyvn für einen Sdtiwamm, ber
bie 5Iüffig!eit bes Körpers ansöge, ^(riftoteles E|ielt es
für eine Blutlofe feud^te UTaffe, bie bie 3eftimmung h(abc,
bie XDärme bes fjersens 3U mäßigen, pra^agoras,
pliftonicus, pE^ilotinus unb anbere 2(natomen meinten,
bas (5eE|irn fei nur ein einfad^er ^nswndis bes Hüden«
marfes, ber mit ^cx\ (£mpfinbungen nid^ts 3U tE|un Ijabe,
Znifticelli nannte es eine unregelmäßige unb unorganifdje
ZHaffe, 2lftruc eine fd^tpammige Subftans. Diele glaubten,
es fei eine 5ortfefeung ber Blutgefäße. tErofe ber befferen
(ginfidjt ber steueren glaubte nodj ZHalpigl^i, bas (ßeB^im
fei ein padet unförmlid^er unb pertpirrter (£ingeu)etbe,
III. pl|vfiolo9tfd?c5. 235
unb 2lnt»cre crflärtcn, es fonberc nur reine Säfte ah.
Sabatier unb Boyer 3ät|Iten es 3U ben fccernirenben
unb e^cernirenben ©rganen. 3idjat fat| im J^irnmantel
eine Sd^ufebecfe für bie an ber Safis gelegenen tEEjeile.
ZHandje Ijalten nodj an ber Cel^re (5a(en*5 fejl, bas (ße«
E|irn fonbere in feine Pentrifel bie Cebensgeifter ab unb
pertt^eile pe burdi bie Girierten an bie anberen C^eile
bes Körpers,
'Die IHett^obe ber (ßeE|irnunterfudiung war bisl^er
B^ödjjt mangelE|aft unb bod| glaubte man, es fei nidjts
mel|r ju entbecfen. ZHecfel meinte, bie J^auptfad^e fei
nodi, bcn Urfprung ber ZTeroen fejl3uftellen, eine ^uf»
gäbe, ber fidj bann Sömmering suwanbte. Xtadi ben
2trbeiten von Dicq • b'^tsyr , von prodjasfa unb ben
53rübern IDenjel fd^ien bie 5orfd^ung beenbigt 3U fein
unb peter 5rcinf fagte 3U (SaU, es fei eine lädierlid^e
2Inmaa§ung, nodi Zteues ftnben 3U wollen, €in toaEires
Derpänbni^ mar nur burdi pergleidjenbe 2(natomie unb
pergleid^enbe pE^yfloIogie 3U erlangen, jebod? bie 2tnatomen
perglidjen ZHusfeln unb Knodjen, liefen bas (ße{jirn bei
Seite, bie pl^ypologen fanben bie Cl^iere mit bem ge«
B^eimnigooDen 3nftinft ah, ber, toie bie Seele beim
^Henfdjen, afles lOeitere unnötB|ig madjte,
XDenn man aud^ mit ber §eit bat^in gefommen
wav, bas (ßeB^irn als ®rgan ber Seele an3ufeB?en, fo
blieben bod^ bie 2lnfidjten tjödij^ unjtd^er unb u)iber«
fprud^spofl. TXlan perlor piel geit mit Spefulationen
unb mit bem Sudjen nad| bem Seelenftfee, etiles
brängte auf bie €inljeit unb toenn €inige auf (ßrunb
236 2lnl^ati4j: lieber ^Jranj Jofepl^ (Sali.
von (EI|atfad?cn pdj 3ur Tinnaiimc einer ZneI|rE^eit oon
Seelenorganen gebrängt füE^Iten, fo empörten fold^e
CeE^ren bie TXieimalil, öie „bie €inE^eit öes 3dj'' oer»
fünbete. Umfonfi fagte man il^nen, ba§ öodj aud? bas
automatifcf^e Ceben, bie roiUfürlicf^en Seroegungen, bie
Sinnesempftnbungen burcf^ eine ZHel^rl^eit von ©rganen
©ermittelt roerben, oE^ne ba§ barnnter bie fiin^eit bes
Cebens nn^ bes 3d? litte, pe blieben bei il^rer einfadjen
Seele.
Die 2lffecte, Ceibenfd^aften, Criebe, Steigungen t)er-
legte man 3i»ar längft vov Cabanis in ben ® rganismus,
aber man fudjte jte nid^t im (5eB^irn, fonbern in anberen
©rganen; ZITit 2lu5naJjme von Surfl^arb, van Swieten
unb Einigen erflärte man jte mit bem Temperament,
oerfefete jte in ^as Slut, bie ®rgane bes Unterleibes
ober ber Sruft, in bie (ßanglien ober bie fympatl^ifdjen
Ztert^em „(Siebt es nid^t I^eute nod? 2lnatomen, bie er«
Wären, bas (ßeJ|irn fei nid^ts anberes als bie Concen-
tration aller Zteroen, bie Queue aller Zteroen unb ein
Compojitum iB^rer €nben? lüie fann man ^ann im
(ßeljirn anbere 5unftionen fudjen, als bie ber Sinnes-
nert>en, ber motorifd^en Zteroen unb ber Zteroen bes
organifd^en Cebens?" Die fjerren Commiffäre bes
3nftitut5 liaben mit einer 2lrt t>on Sefriebigung erflärt,
man i»iffe burd^aus nidjt, mit u^eldiem (Etjeile bes (5e*
bims man bie geiftigen 5äB^igfeiten in Sesiel^ung 3U
fefeen Itahe» 3nbeffen, fagt (Sau, lel^rt bie t>er-
gleidjenbe pj^vfiologie mit aller Sejiimmt-
Ijeit, ^a% nidjt beliebige (5eBjirntE^eiIe in
m. pl^vftologifd^cs. 237
Setradjt fommen, fonbern etnstg unb allein
bic ^emifp^dren, ba% bte lOinbungen ber
(5eJ|irnrinöe mit aller SepimmtBjeit als bie
<£nöigung ber ZteroenbaE^nen unb als Sife
aller intellef tuellen unb moralifd^en 5unf-
tionen 3u betrad^ten finb» 3m fjinblicfe auf Wefen
unsiüeibeutigen ^usfprud? I^at man baran fePsuJ^alten,
bag ba, wo in öer 5oIge (ßaH oom (5eJ|trne fd^Ied^toeg
fpridjt, an bie ^emifpl|ären, bes. ^^e lOinbungen 3U
bcnhn ift. Diefer ^usfprud) allein bemeift, bag (ßaH
I^odj über feiner gett ftanb. IHan benfe 3. Ä an bie
Erörterungen ber 3rrenär3te in ben erften 3aE^r3eJ|nten
bes 3a^rBjtt"^«rts über (ßeipesfranfJ^eiten burd) (£r*
franfung einselner ®rgane, fei es bes fjersens, bcr
Ceber ober fonp eines CE^eiles.
Don ber Seweisfülirung (BaTs ift nur IDeniges
wiebersugeben, ^a bie meiften feiner Darlegungen uns
als felbfiperftänblid? oorfommen, (Er fe<3t auseinanber,
^a^ fein anberer (EJ^eil bes Körpers als bas (5el^irn
5ife ber ^emu^tfeinserfd^einungen fein tonne, fdmpft
gegen Cabanis, Sid^at unb x^ve Sdjüler, wobei mandje
inigperfiänbniffe unterlaufen, ftettt (Erörterungen über
bie Temperamente an. Die poptioen Seweife bafür,
t>a^ bas (5el^irn t>as 0rgan aller intefleftuetten unb
moralifd^en 5dljigfeiten fei, ^\nt> folgenbe: ^. 3" ^«"t
(Stabe, in bem pdj in ber Heilte ber (EJ^iere bie geiftigen
5&I?igfeiten entmicfeln, ftnben wxx bas (5eBjirn entroicfelt
2. 3"^ 3"^i»ibuum Bjdft bie (Entwicfelung ber geiftigen
5dl^igfeiten mit ber bes (5eJ|irns gleidjen Sdjritt. Seim
238 2Inl^ang: Uebcr ^ran3 Jofcpl^ (Sali.
Xteugeborenen bilbet öas (5cB^trn eine weiclje ZITaffe, in
öer nur E^ier unb ba Zteroenfafern 3u ecfcnnen ftnb;
man jiel^t il^rcr mel^r in öcn mittleren nn^ B^interen
Wappen als in ben oorberen*); nad? einigen ZHonaten
xvädi^ bas Stirnl^irn jlarf, bie Stirn bes Kinbes wölbt
jtdj, feine iiödi^e fintroicfelung erreidjt bas (ßeB^irn t>om
20. bis 3um ^0. ^atixe, ^ann tritt StiUftanb ein, enblid>
fdjtt)inbet früB^er ober fpäter ber Curgor, bas (5el^irn
perHeinert jtd? unb roirb allmäl^lidj beutlidj atroptjifd^.
3» 3n ^usnaB^mefäflen tritt eine oorseitige (Entroicfelung
ber meinen ober einiger geiftigen 5äljigfeiten ein (lOunber*
finber). Diefe Kinber iiaben Qcwöfyxlxdt einen sarten
Körper, aber einen großen Kopf. 4» ZHdnner unb
IDeiber J^aben oerfd^iebene 5äE^igf eiten , bie einseinen
Znenfdjen, bie 5ömilien, bie Dölfer finb geiftig oer»
fdjieben: in eben bem <5rabe ijl audj ber Kopf, bes.
bas (Selixxn perfd^ieben ^). 5. lOeber bas (5ro§E^im,
noä] bas KleinE^irn pnb 3um automatifd^en ober organi'
fdjen Ceben unbebingt nött^ig. Der größere (Et^eil bes
<5eljirn5 muß baJ^er bem animaUfdjen teben bienen.
6. 3ntDietDeit bie (ßet^irne jtdj gleidjen, gleid^en pd| bie
geiftigen ^ät^igfeiten. Sei ^en Zllenfdjen ijl bie 2lus-
^) 2ln einer anberen Stelle beseid/net (Sali als bie 3uerft
entmicfelten (El^eile ber IDinbungen les lobes moyens lateraux, alfo
bie (£entralipinbungen.
2) a. a. (2). fagt (Sali, man fönne, abgefel^en von (Srö§en=
unterfd/ieben, befonbers unterfd/eiben (Seljirne mit oielen fleinen
lüinbungen unb fold/e mit menigcr 3al|Ireid/en , aber bicfen
lüinbungen, man ftnbe aud/ (Sel^irne, bie am einen 0rte feine,
am anberen breite IDinbungen Iiaben.
III. pl^vftolpgifd^cs. 23^
bilbung bcr lOinbungcn oerfd|icben, !ommen acccffocifdie
IDinbungen oor, im Uebrigen ift bas (ßcljirn 3U allen
gelten unb bei aücn Haffen baffelbe. DaJ^er ^abcn aUe
Znenfd)en biefelben (Eriebe, Säliighxtcrx, Ceibenfdjaften
bis auf <5rabunterfd|iebe» TXlan fönnte bie <5atlungen
unb bie 2lrten ber CJ^iere nadi ber 5orm bes ©el^irns
eintl^eifen, benn bie 5orm bes (Setyxns if! bei jeber ^rt
biefelbe; fo oerfd^ieben ein IDinbB^unb unb ein Vadts»
fyxn^ ausfeilen; iB^re <5eJ|irne finb in aflem IDefentUdien
gleid). 7. Wix fül^Ien, ^a% bie geiftigen CJ^ätigfeiten im
Kopfe oor ftd| gelten, Ueberanftrengung, Kopffd^mers
u. f. w. 8. 3^^^^^ S^it ift man fldj barüber flar ge»
mefen, ba% bie geiftigen 5ä^igfeiteh in bireftem VcthiäiU
niffe 3ur €ntn>icfelung bes (ßeE^irns ober Kopfes fietieu;.
benn bie ^Iten fteHten einen pljilofopljen mit mädjtigem
Dorberfopfe, einen 2ltJ|Ieten mit einem ffeinen Dorber-
fopfe bar. % 3" ^^^ (5rabe, in bem bas <5eljirn
mangelt^aft ift, ^m^ andi bie geiftigen S^il^igfeiten mangel-
I^aft: 3^iotie, Serjtörung oon (5eE)irntJ|eiIen. \0. 2lfle
tEJ^eile, einfd|(ie§Iidj bes Hürf enmarfes, fönnen befd^äbigt
»erben, oJ^ne ^a% bie geiftige Cljätigfeit leibet. U. Sei
jeber Sefd^äbigung ^es (5eJ|irns aber leibet bie geifKge
CJ|ätigfeit ober fte I^ört gan3 auf. .\2. Umgefeljrt, bd
<5eiftesfranfl^eiten ijt ftets ^as (SeE^irn franf, wmn arxdi
unfere ZITittel nid)t immer ausreid^en, bie Deränberungen
beutlidj 3U madjen. ^fle \2 5äfee merben ausfül^rlidi
befprod^en unb mit Seifpielen belegt. Sefonbers ein*
geJ^enb certl^cibigt (Sau t>m 5ai^, ^a^ bie (ßeifiesfranf-^
Breiten if)ren 5ife (siege immddiat) im <5el^irn iiabcn.
2^0 ^Inljang: Ueber ^ran3 3ofcpl^ (Sali.
TXlan bringe bagegen oor, ba§ große Perlefeungen u. f. w.
^es (5el^uns in bejfimmten 5^0^^" ^i^ geijHgen Sätl^Q*
feiten nid^t beeinträd?tigt Ratten. Soldie SäUe feien
eifrig gefammelt roorben, llieik um geroiffer (ElKorieen
roillen, tE^eils um bie Sudjt nad? bem IDunöerbaren ju
befriedigen. 2ln einseinen 3eifpielen seigt (Raü, roie
wenig l^ertrauen biefe IDunbergefd^idjten oerbienen.
Znan bel^aupte ferner, ba§ man trofe beträd^tlidjer
<Seij!esjlörung bas (5eJ|irn normal gefunden liahc. TXlxt
einiger Sitlerfeit füljrt (Sau ans, ba§ bie 2ler3te, bie bei
B^artnärfigen ©eijiesfranfen I^arte (5el^irne, bei weidj*
mütl^igen ujeidie ftnben, öie beJ^aupten, bei (Seiftesfranfen
l:iahe bas Meine (6et|irn ujeniger Blätter als bei (ße»
funben, 6ie bei blöbpnnigen fjvbrocepE^alifdjen gar fein
<ßet|irn gefunden liaben, bie oon oerfnödjerten unb per«
oerpeinerten (ßel^irnen reöen, nid^t fet^r befäi^igt 3ur
Unterfud^ung feien unb öag überl^aupt bie Kenntnig bes
iSel^irns 'nid?t foweit gebiet|en fei, um fagen ju fönnen,
tiefes (Sel^irn ift normaL ^at man benn, fragt er, bei
Cetanus, bei Habies, bei fipifeppe, bei bejHmmten
Cdl^mungen etwas ^uperläfpges gefunden, unb glaubt
man nid|t öodj, öa§ es pdj um Kranftjeiten bes Zteroen«
fvPems BjanMe? (EB^atfädjUdj ftnbe man, je Idnger eine
ißeijtesfranfl^eit gedauert liabe, um fo tjduftger Peränbe-
rungen öes (ßeJ|irns unb feiner ^dute, feiner (ßefdge.
Um 5U uDiffen, meldte Perdnberungen bie geijHge (Et{ätig'
feit pören unb u?eld?e nidjt, müßte man wiffen, tpeld^e
5unftion bie einseinen ^irnttjeile liahcn, benn bejiimmte
Störungen fönnen nur oon beftimmten Cdponen ab-
III. pf^yjtologifd^cs. 2^\
Ijängen. €tne genaue Unterfud^ung bcs Kranfen unb
«ine genaue Unterfud^ung bes (ßeBjirns muffen einander
entfprecften. 3isl^er aber feien bie flinifdjen eingaben
in ber Hegel ebenfo mangeIJ|aft rote bie anatomifd)en.
^Die perfonen, bie nadj einer (5el|irnerfdjütterung, einem
Sd^IagPuffe, einer ©el^irnentsünbung bas lOortgebäd?tni§
perloren ^aben, pdj aber fonjl auf alles bejtnnen fönnen
nrib Urt^eifefraft beroeifen, Ijaben bie nidjts oerloren?"
ZlTan möge nur nidjt immer von <ScMditnx%, 3nteIIigen3
u. f. xx>. im 2HIgemeinen reben, fonbern bebenfen, ba%
umfd^riebenen (ßel^irnfiörungen umfd^riebene (ßeijles*
Pörungen enlfpredjen fönnen. (Sau polemijtrt gegen
pinel u* TL, bie ^m 5ife von (Seij^esfranlE^eit (le sidge
primitif de cette alidnation) im ZHageu; in ber Ceber
u. f. w. gefudit B^aben, mit oortrefflid^en (ßrünbem ^ätte
man auf itjn geBjört, fo roären uns oiele lE^örid^te ^b*
t^anblungen unb pfvdjiatrifdje 3rrtJ|ümer erfpart roorben.
^<£s ift mirflidj traurig, ^a% man ^en ZHännem gegen«
über, bie bie narjien PorfleHungen von ^en (ßeijles-
franftieiten J^aben mügten, erjl bemeifen foH, n>o ber
wallte 5ife ber (5eifiesfranf^eiten ift" —
Der 2. 2lbfdjnitt ber ptjYftoIogifd^en Celjre E^anbelt
von ^en Ulitteln, aus ber Sefd^affenl^eit bes (ßeliims
auf bie geifHgen 5ä^ig^iten 3u fdjiiegen. ZITan I^at 3u-
nädi^ ^i« abfolute (ßrö§e bes (5e^irns mit ber 5unftion
t)erglid?en: je größer bas (ßel^irn, um fo größer ber
<5eifl. Die oergleid^enbe 2lnatomie seigte, ba% bie 5ad^
nid^t fo einfad? x% Der €IepB?ant unb ber tOattftfdj
f:taben ein größeres (ßel^irn als ber ZlTenfd], bas pferb,
Znöbins^ Znatt^ematifer. \6
2^2 2InI?ang: Ucbcr ^xani 3ofcpl^ (Sali.
ber ©djfe ein größeres als öer ^unb, ber 2tffe; lOoIf^
Sdjaf, 5d?n>cin unb (Eiger hiaben bas (5etjtrn ungcfäE^r
gleid? gro§, bie ficinen Dögel mit Meinem <5eB|irne seigen
oortrefflid^e Sä\:^hxtm u. f. f. Ztlan t)erlie§ pdj nun
auf bie refatipe (5etjirngrö§e. €5 feien nid^t nur (5e»
toid^t unb (5rö§e bes Körpers in Selradjt 3U siet^en,
fonbern man muffe audj bie fintoiJelung bes Hürfen»
marfes nrib ber Zteroen bebenfen, (Ein großer Cl^eil
bes (5el)irns fei 3um Dienfte ber Sinne unb ber Se»
roegungsorgane beftimmt, alfo fei, roenn biefe grog feien,
aus ber (5röge bes (ßeljirns nid^t bireft auf bie ber
geifiigen 5ä^igWten $u fd^Iiegen. Diefe ^uffaffung liat
im allgemeinen bas Hid^tige getroffen. 3"^^ff^'^ ^^^^f
man nidjt ©ergeffen, t>a% pe nidjt abfolut rid^tig ift
Xladi Sömmering, ^lumenbadj, £upier u. 21. iiahen ber
Sperling, bas HotE|fet|Idjen unb anbere Meine Pögel ein
relatip größeres (5eB^irn als ber ZlTenfd]. Tixxii ift es
fet^r fdjtt>er, bie relative (5eJ|irngröge genau 3U be-
ftimmen. TXadi Cuoier oerJ^ält [xdi beim €rtt>adjfenen
bas (ßeE^irn 3um Körper u?ie \ : 35. 3n It>al^r J^eit
finbet man \ : ^0, 50, ja 60. Cuoier fagt nidjt, ob er
bie 2lnB^änge bes (SeJ^irns alle entfernt ^ahe, wie alt
feine Subjecte geujefen [xnb u. f. f. Sdion ^aUer I^dt
bemerft, ba% bas relatioe fjirngewidjt in ber Kinb^eit
gröger ift als fpäter. Das Körpergewidjt änbert pdj
nadj ZlTagerfeit unb Dirfe, bas (5eJ|irngett)id]t änbert
pdj babei fo gut u?ie nxdit
TXlarx liat u?eiter ^as Perl|ältnig 3tt>ifdjen <5etjirn
unb 2^erpen 3um TXlaa^e gemad^t. 3m 2tflgemeinen ift
III. plivftologifd^cs. 2^5
öie Helation 3U (5unflen bcs Ulcnfcljen, allein beim
2tffen, bei geroiffen SeeBjunben unb l^ögeln ifl Me Sadje
3tt)eifell^aft Sömmering liat bcliaupiei, bei ben IDeibern
feien öie Xteroen bünner als bei ben Znännern, fo gleicfie
fidj bann öer 21TangeI an ^irnmaffe aus. (Sau I^at
nid^l ftnben fönmn, öa§ ein fejJes t>erl|ärtni§ befleiß,
fogar bei bemfelben 7Xlen\iien waren bie einen Zteroen
Parf, bie anderen nid^t,
Das t>erB^äItni§ 3tt>ifd|en (Sel^irn unb Hürfenmarf
ift nadj £uoier, Sömmering unb €bel bebeutungspoH,
inbeffen Cuoier felbp giebt ^usnatjmen 3U unb es iji
erpditlidj, ba§ ein ZITenfdj mit großem fiarfem Körper
ein ftarfes Hücfenmarf lidbcn m\x%, ba§ er aber besljalb
meber gefd^eiter, nod? bümmer als ein fleiner 3arter
Znenf* ift.
Sömmering, £uoier u. ^. fudjen bas DerJ^ältnig
3n?ifdjen (5eJ|irn unb (5eftci]t 3U beflimmen. 3e größer
6er (5ejtditsfdjäbel, befonbers ber Kiefer fei, um fo ge«
ringer feien bie geiftigen Sähtxghiicrx, Die Tutoren
meinen, je entwirfelter ber ©Ifactorius fei, um fo fleiner
fei bas (Seljirn. £uoier mad^t einen fagittalen Sdinilt
burd? ^cn Kopf unb oergfeidit ^ann bie £}öl)e bes <ße*
I|irnfd|äbels mit ber bes (ßeftd|tfdjäbels. 3nbeffen ijl
biefes DerJ^ältnig nid^t bie ^auptfad^e, fonbern ^xc (ßröge
bes (ßefidjtes fann, ujenigfiens beim Hlenfd^en, feE^r oer-
fdjieben fein bei gleidjer (5eljirngrö§e, 2Ttand|e große
2Ttänner mit großem (5el^irne liah^n aud) ein großes
(5efid?t mit gewaltigen Kiefern getrabt (Ceo X., ZlTon«
taigne, Ceibni3, Hacine, fjaHer, ZTlirabeau, 5ranflin u. ^.),
^6*
2^^ ^Intjang: Heber (Jratt3 3ofept^ (Sali.
Ȋt^renb 2lnbere (Soffuct, Poltairc, Kant) ein fktnes
©ejtdjt tjatten» 2ludj für bic (Etjicre gilt bie Hegel nicl?t
immer, öie Kafee 3» 3. I^at einen oiel Heineren ©ejtdits«
fd^dbel als ber Qunb*
3idjat unb Hidjeranb rooDen naii bem Porgange
plato's bie £änge bes fjalfes umgefetjrt sur geijHgen
5äl^igfeit fefeen, toeil bei einem fursen ^alfe bas (5etjirn
beffer erndtjrt werbe. <£m groger ZITann wie plato,
meint (ßaH, fönne jtdj mandjerlei erlauben; es mag fo
tofl fein, n>ie es will, es fommt auf bie Xladiwelt
TXlan iiat andt Perfud^e gemad?t, bas Pertjältnife
ber (ße^irnt^ieife 3u einanber 3U bejHmmen, Cumer liat
bie relatioe (ßröfee bcs Kleintjirns beim Znenfd^en nnb
bei bcn Ct^ieren an3ugeben gefudjt (Eupper bet^auptet,
ba% bie Dimenjtonen ber (5eE|irntJ|eiIe oon 3"bimbuum
3U 3"bipibuum nidjt merfüdj wedjfeln. (Sau entgegnet,
es gebe nidjt 3rDei 7Xlen\dicn, bei benen bas Pertjältnig
ber (5e^irntl^eile 3u einanber basfelbe fei. 3nsbefonbere
fei bas Heine (5e^irn balb relativ grog, balb relatio
Mein. Die oberfl&d^Iidijle Seobad^tung 3eigt, ba% über«
t^anpi bie größten Perfdjiebenl^eiten oorfommen. £in
fe^es PerBjältnig befiehlt nur 3tt)ifd:jen bcn ein3elnen
(Elieilen eines Syftems (3. S. 3n>ifcljen Se^nert) unb
Piert^ügel, 3n>ifcl:|en Srürf e unb Kleint^irn, 3wifdjen pyra*
miben nnb (ßeB|irnfd?enfeIn), nidjt 3tt>ifd?en oerfdjiebenen
Svftemen.
€ine groge ^ebeutung I|at man bem Camper'fdjen
lOinfel 3ugefd?rieben. (Es wirb aber bamit nur bie
Steigung ber Stirn gemeffen. Sie iji je nadj bem ^(ter
m. pi^vflologifd^cs. 2^5
pcrfd^icbcn, i»edjfc[t von 3nbbibuum 3U 3tiWüibuum
unb bas PcrBjältnig stoifd^cn iJ^r unb ber (5eB^irngröge
tft gans inconjlant ^us Slumcnbad^'s Unterfudjungcn
gcl|t Bjcroor, ba§ cttoa ^/^ ber befanntcn Cl)icrc unge-
fäJ|r bcnfclben (ßeftd^tsiomfel liab^n; was Uiixt bicfcr
affo? ^ci Ptcicn CB|icrcn i(l ein großes 2ni§oerB|ärtnt§
3tt>ifd?cn Stirn unb (Sclixtn, wie (Sau an vkkn Sei-
fpielen seigt. €5 gicbt Europäer mit fl[iel|cnber Stirn
unb Ztcger mit jlarf gctoölbtcr Stirn, bic benfelbcn
€ampcr*fd|cn IDinfel B^abcn, weil ber Kiefer bei ben
lefeteren weiter oor^eBit. U. )\ w. (BaU wiU t>en XOettti
ber Camper'fdjen ZHeffung nidit oerfennen, E^ält es abet
für tJiöridjt, in biefem lOinfel ein 7Xlaa% ber 3ntenigen3
3U fetjen, roie Piele es tBjun. €s ift gan3 oerfeI|rt, von
(5rö§e ber 3ntenigen3 fd|Iedjlmeg 3U fpred^en, lOer liat
me^x 3"teIIigen3, bie Sicne, bie geflen baut, ober ber
fjunb, ber gar nidits bauen fann, Poltaire ober Des«
cartes, Zno3art, bas gröjgte mufifalifd^e (5enie, ober
Cefpng, ber gar nid^ts oon ZHupf oer^anb?
Daubenton's ©ccipitallinie enblidj \% wie Sfumen-
badt g^3«gt k<'^tf fap gan3 unbraud)bar.
Dagegen giebt bie (5rö§e bes Kopfes wenigPens
infofern ein Vflaa% ber geiftigen 5äB|igfeiten, als ein
Zninimum 3ur normalen geiftigen Sefd^affcnl^eit nöttjig
ift unb groge ^cil^igfeiten im allgemeinen nur bei großen
Köpfen gefunben u?erben. (Bau migt ^en Umfang bes
Kopfes unmittelbar über bem oberen Sogen ber ®rbita
(immddiatement audessus de l'arc sup^rieur de rorbita)
unb über bem f)en>orragenbften CB^eile bes fjinterfopfes.
2^6 2Inf^ang: Heber (Jranj 3ofept^ (Sali.
€r ftnbet bei 3bioten Köpfe von 8—9 goH [22 bis
2^.25 cm]. Köpfe oon (7 goH [^6 cm] fommen bei
partiellen 3bioten oor, bie immertjin einselne gute Sätyg'
Uxten Iiaben fönnen. Köpfe von \S—\S^l^ goH [^9 bis
52 cm] gejlatten eine normale geiflige Ctjdtigfeit, if^re
3Tt^aber aber fommen im allgemeinen über trübfelige
Znittelmägigfeit nid^t J^inaus nnb nur ausnaE{meu>eife
finbet man bei il^nen einselne ausgeseidjnete (Ealente. PoH«
menfdjen lt<^ben 2^—22 goH [56.5—60 cm]. Die alten
3ilbt{auer traben pl^ilofopl^en, priefler, iE^ren S^ns u. f. xv*
flets mit' großen Köpfen bargefteHt unb (Sau liat niemals
einen geiftig großen IHann mit einem fleinen Kopfe ge-
funden. ZITel^r als ein gan3 allgemeines Urtljeil erlaubt
aber bie UTeffung nidjt. ^ei ber gleidjen (ßrö§e bes
Kopfes, bes. bes <5et|irns fönnen bie größten Per»
fd>iebenJ|eiten in inteHeftuefler nnb moralifdjer ^inftdjt
bepet^en. Die ZHaffe aflein mad^t es eben nidjt, fonbern
bie 0rganifation unb bie ZHaffe. —
Der fofgenbe ^bfd^nitt tjanbelt oon ben Seu?eifen
für bie ZHeJirl^eit ber 0rgane ber morarifd^en €igen-
fdjaften unb intetteftueüen ^ä^i^f^iten (la pluralitd des
organes des qualitds morales et des facultes intellectuelles).
Das princip ber Cofalifation ifi nid|t neu, im (ßegen-
tt^eile fd^on bie ^Iten oerfudjten es ansuroenben. Sie
fudjten bie benfenbe Seele im Kopfe, bie tJ|ierifdje im
Humpfe unb bie oegetatipe im gansen Körper, ober bie
3ntenigen5 im Kopfe, bie ITeigungen unb Ceibenfdjaften
im Humpfe, ja fie glaubten, bie einseinen SäiiigMUnf
roie fjoffnung, liebe, Heib, ZHutE^ t^ätten einen befonberen
III. pI^vfiologifd?es. 2^7
Sife. Die Tltabex ücrmutE|ctcn bas Sensorium commune
in ben voxbexen ^trnf|öt^Icn, bie fiinbUbungsfraft in bcr
2. fjol^re, t>xe HrtJ|ctl5fraft in öer 3., bas (ßebädjtnig in
t)er ^. Später glaubten Piele, bas Heine (5el^irn fei
<J)rgan bes (5ebäci]tni(fes. Hubertus magnus seid^nete
einen Kopf nnb merfle*^auf il|m ben Sife ber geiftigen
Vermögen an, nadj bem principe ber 2lraber» 2lel^n*
lidje Perfud^e famcn im (5. 3ö^J^^wnbert t)or. IDiUis
bcixadiMc bann bas Corpus striatum als Sife ber IDa^ir*
neB^mung, bcn halfen als 5ife ber Heflfe^ion u, f. xv,,
Pieuffens ©erlegte bie fiinbilbungsfraft in feirt Centrum
ovale. Cancifi quartirte alle Sinne in bcn halfen unb
Sonnet meinte, jebe 5öfer bes (5el|irn5 I|abe eine be*
fonbere 5unWon. ^afler unb van 5i»ieten naJ^men an,
^a% bie inneren Sinne ebenfo einen bejKmmten ®rt im
<5el)irn iiaben, xoxe bie äußeren Sinne örtlidj getrennt
finb, aber jte I^ielten es nidjt für möglid?, biefe 0rte 3U
bejHmmen» ZHaver in Serlin I^ieft es für unn>al^rfd|ein«
Ixdl, ^<^% bie perfd^iebenen Seelenoermögen burdj bie*
felben <5eJ|irntI|eile ausgeübt mürben, er ©erlegte bas
iSebädjlnig in bie Hinbe unb bie abftraften Segriffe in
bas K(einJ|irn. prod)asfa unb SoerI|aoe erffärten, ber
Sife ber fiinbilbungsfraft muffe oon bem ber IDal^r*
neJimung getrennt fein, benn im Sd^Iafe fei jene tl|atig,
biefe nid^t (£l:ianet, lürisberg, Ciebemann, Hid^eranb unb
bie meijüen mobernen pt^vP^^^^gen netjmen an, ba% bie
3ilbung ber einseinen (EJ^eile bes (ßel^irns eine bejiimmte
Sebeutung liah^, unb ba^ bie Perfd)iebenl|eit ber 5orm
einer Perfd^iebenlieit ber 5unftion entfpredje. 2let|nlidj
2^8 ^Inljang: Heber ^Jrans Jofeplj (Sali.
fprid^t ftdi Sömmering aus. Cuoicr erflärt botE^er audj,
bag (Soll's £et)re burd^xus nid^t ben allgeineinen Be<
griffen bcr plivpologie tDiberfpredic.
2tbge(etjen pon ben ißrünben, bie erjl in ber ®r«
ganologte oorgetragen »erben f önnen, füljrt (Sää folgenbe
(Brünbe für bie ZneE^rtjeit ber Seelenorgane an.
\. Die Sät^igUitm eines (Et{teres ftnb um fo oiel»
fadjer, je sufammengefefeter fein (5el^irn ift (Bau getjt
bie (El^ierreil^e burdj nrib toeifl befonbers auf bie €nt»
»icfelung bes StirnE^irns beim ZITenfd^en tjin. 2<il 9^^^
auf bas £in5elne nid^t ein. ^ier n>ie anberroarts fd^Idgt
ftdj ßaü mit (ßegnem, beren Einwürfe uns jefet fomifdj
porfommen. g. S. Blatte portal erflärt, ^as f leine
(ßel|im l^abe biefelbe 5unftion roie bas gro^e, benn bie
5afern, bie Hinbenmaffe, bie 3Iutgefäge feien immer
gleidj, bal^er ©ertrete in Kranfl^eiten bas Heine (5etjirn
bas groge. Suffon I^atte erflärt, bas (ßetjim bes
0rangutang gleid^e bem bes IHenfd^en^ es fei fein
Unterfdjieb stoifdjen bem (Selixxn eines 3bioten mib bem
eines (ßefunben. Unb fold^es ^eug mel^r.
2. Die Analogie smifdjen bem Sau bes (Se^xtns
nnb bem ber anberen neroöfen Svjieme seigt, ba% bas
(Seiixxn ans meE^reren Organen sufammengef efet ift 2^bev
Sinnesnero I^at fein (gnborgan unb feine (ßanglien,
jeber Setoegungsnero geBjt $u bejHmmten ZHusfeln unb
entfpringt in bejHmmten Cl^eilen grauer ZITaffe, bas
<5Ieid}e gilt t>on ben 5u ben £ingeu:)eiben geE^enben
ZTeroen. Kein (Et^eil fann bm anberen erfefeen, jeber
I^at feine 2lufgabe für fidj. fibenfo ert^alten bie ein«
III. plivftologtfd^cs. 2^9
seinen [lOmbungen bes (ßel^irns it^re 5af^ifH oon be»
pimmlen Stellen E^er unb bie einen 5öfern gelten burdj
andere graue ZHaffen als bte anberen. 5r^iKdj jtnb äße
(EJ^eile im (5etjirn mit einander t)erbunben unb eine
fd^arfe 2lbgren3ung ber 0rgane iji unmöglid?, aber bamit
ifl beren fi^i^enj ^odj nid^t aus ber lOelt gefd^afft.
3. Die Unterfdjiebe im Sau bes (ßeJ|irns entfpredjen
ben Unterfdjieben in 6er 5unftion. (5aü ujeiji 3, S.
barauf Bjin, ba§ in bem (5rabe als bie (Et^iere jnenfd^en*
äJ|nIid|er werben, il^r Porbertiirn jtdj enttoicfelt, ba§ in*
fotoeit Znenfdj unb CB^ier äfyxlxdt^ 3npinfte liaben, bie
unteren unb I|interen (EJ^eile bes <ßro§l^irns äljnlidi pnb.
Das Xläii^xc geJ^ört in bie ©rganologie.
^. Sei allen lebenben IDefen laffen oerfdjiebene
Cebenserfdjeinungen oerfdjiebene 2lpparate oorausfefeen.
Das <5efefe gilt überall, marum foH es bei bem (5etjirn
nidit gelten? Die €inn>ürfe ber (ßegner, bie von ber
Unabl^ängigfeit bes (ßeijles unb ber (EinJ^eit ber Seele
ausgeB^en, jtnb ungemein einfältig (S^rarb, be ZHont^gre
u. ^.). Sfa§ljaft ijl bie Seljauptung pfatner's: „ZHit
5 Ringern ober mit einer ^anb tann man bie ©er-
f d)iebenPen ZHupfftürf e fpielen ; warum fottte ein einsiges
0rgan nid)t genügen 3ur 2lusübung aller geizigen
5äljigfeiten" ? platner braudjt eben 3um Spielen, fagt
(5aII, nid)t bfos feine dianb, bie aixdi gar nxdit einfad?
ift, fonbern vor aßen Dingen fein <5el^irn.
5, Die Unterfd)iebe im PerB^alten ber CB^iere würben
gan3 unbegreiflidj fein, wenn nid^t jebe 5unftion oon
beftimmten Ct^eifen bes (5eB^irns abl^inge. So gut wie
250 2InI|an9 : Ucbcr ^ran3 3ofcpl^ (Sali.
beftimmte Sinne bc{)immte Sinnesorgane porausfe<3en, fo
muffen audj beftimmte 3'iPi^We bejKmmte (5eB|irnorgane
oorausfefeen.
6. Die (Eigenfdiaften unb 5ä^igfßiten einer 2(rt
findet man bei ben 3nöipibuen in feJ^r oerfdiiebenem
2Xlaa%c, alfo muffen aud| 6ie enlfpredjenben (5el^irn«
Organe oerfd^ieben fein. 3eber ^unbefenner n>ei§, wxc
inbiüibuell bie einsefnen (El^iere pnb, unb ba§ fie es r>on
(5eburt an pnb. So ijl es mit anberen 2(rten audj
((ßaH ersäB^lt fel^r amüfante (ßefd^idjten aus feiner (£r»
fa^irung) unb am meinen mit ben 2Ttenfci]en. IDenn bie
(Seleljrten bie Haffenfdjäbel ftubiren unb aus iljnen auf
bie €igentl)ümlidifeiten ber oerfd^iebenen Haffen fd^Iie^en,
fo t|at bas nur unter ber Dorausfefeung einen Sinn,
b(i% man bie (EJ^eilung bes (SeBjirns in 0rgane unb bie
Derfd^iebenl^eit biefer annimmt lüarum fxnb bie (ßlieber
einer 5citnilie, bie Sdjüler einer Klaffe oft fo feljr oer*
fdjieben ? Was trennt bas <5enie oom Dummfopfe, ben
Did^ter oom ZHatJ^ematifer, pom 5^^bl>errn?
7. lOenn jebes 3»i^ii^i^i^iittt einen eigenen £E|arafler
l^at, fo ift bas nur burdj befonberen 'Öan feines <5eljirns
3U erHären. IDenn einer beffer fleE^t ober I^ört als ber
anbere, fo muffen iljre ^ugen, (Dhivcn oerfdiiebcn fein,
unb u?enn einer ein Calent ober einen (Erieb liat unb
ber anbere nidjt, fo muffen iE^re <5eljirnorgane oer*
fd^ieben fein.
8. Die Derfdjiebenen 5nnftionen u?erben nid^t 3U»
gleidj funbgegeben; mandje fxnb immer oorl^anben,
mand^e nur in beftimmten Cebensaltern, mandje nur 3u
m. pljvftologtfc^cs. 25 \
bcjiimmten ^aiixesiexiew. Wie bie €ingert)eibe pdj nid|t
alle suglcidj cntroidPeln, roic bas HüdPcnrharf mit feinen
Heroen et|er fertig roirb als ber (ßel^irnmantel, fo ent*
widPeln pdj audj bie oerfdjiebenen CI|eiIe ber ^emi*
fpt|ären 3U oerfd)iebenen 5^it«"» ^«s i^äitc feinen Sinn,
trenn bas (Set|trn eine gleidjförmige ZHaffe iräre, es be«
ireip oielmelir, ba§ bas (5et|irn aus mei^reren, in ge»
gemiffem Sinne felb^änbigen ©rganen beftei|t.
9. X>ie €rmübung ift immer partiell. 3^^^ Cljätig*
feit beroirft nadj einiger S^i* €rmübung, aber es bleibt
bie 5al|igfeit, anbere Ct|ätigfeiten aussuüben. €s roäre
nid|t möglid?, wenn bei geijiiger CE^ätigfeit bas ganse
(ßet|irn funftionirte.
\0. Die Seobadjtung ber Kranfen beroeip bie ZHeEir*
I|eit ber (ßeljirnorgane. X)er ZlTenfcIj fann burdj Kranf«
I^eit beftimmte geiftige 5äl|igfeiten oerlieren, roas fid? nur
baburdj erflären lägt, ba§ pe an be^immte (Sel^irntl|eile
gebunden pnb. (Sau erinnert an ben Perlup bes Hamen«
gebäditniffes nadj umfd)riebcnen Perlefeungen bes (ße-
I^irns, an ben 2tusfaII einselner 5äl|igfeiten im Senium,
an partielle Defefte unb partielle Heiserfdjeinungen bei
(Seipesfranfen, an bie (ErfaE^rungen bei Somnambulen
unb andere €rfdjeinungen bes partiellen Sdjiafes.
X)ie (Einroürfe, bie bem (Sau von feinen (Segnern
gemadjt roorben pnb unb bie 3U u)iberlegen er oiel (8e»
bulb anroenbet, erfdjeinen uns meip als redjt fdjroadj,
ja als finbifd). TXlan foHte überl^aupt glauben, ba§ ein
flar benfenber ZHenfdi an ^er Cofalifation ber einseinen
5äE|igfeiten im (Sef^irn gar nid)t sipcifeln fönnte. TXlan
252 2Inl^an9: Heber ^ranj 3ofeplj (Sau.
fann pd? bie Sadje gar ntdit anbcrs benfcn unb bie
<5cgner bcr Cofalifatton jtnb nie über leere Hebensarten
I|inau5gefommen, I|aben nie Mar fagen fönnen, roie fte
ftd? bie Porgänge im <ßei|irn benfen. €rfat|rung unb
Denfen fpradjen gleidj fräftig für bie Cofalifation unb
fomit für (ßaH. Itidjtsbeftoroeniger irurbe feine £el|re
oerIad)t unb oerirorfen. ©er Unpnn pegte fo grünMid?,
ba§ erp in ben legten 3 3<x^r3«^titen feine ^errfdjaft end-
gültig befeitigt mürbe, ^ätte man tas (Sute bei (ßaU aner«*
fannt unb ireiter entioidPelt, fo irären oiele ^xtvoeqc un*
nötl|ig gerrefen. ^ber offenbar tt>ar (ßaH 3U frül| ge*
fommen, fein I|oE|er (Seift lourbe nidjt oerjlanben, feine
SemüE^ungen rraren grögtentlieils roegen bes Unoer«
ftanbes feiner Coflegen nufelos. ZtTüIifam unb langfam
mugte fpäter ber redete IDeg gefunben »erben, ten
(Sau längP geseigt I^atte. Vas, was bie £eute irre«
fül^rte unb blenbete, toaren im (ßrunbe nidjt bie (2in»
roürfe, bie (Sau in feinem ^aupttoerfe berüdPpd)tigen
fonnte, fonbern bas war ber CE^ieroerfucIj. X)ie €^peri-
mente bes ;,gro§en'' ^lourens oerbarben bie red)te €inpd)t
unb madjten (ßall's 3emüE|ungen in ber ^auptfadie er«
folglos. X)er ö^ieroerfud? ift in ber pE^ypoIogie bes
(Sefyvns bas große fjinberniß getoefen. ^udj fpäter, 3U
^cn S^xterif bie wit Pleiteren nodj erlebt E^aben, rourbe
bas, was bie oernünftige Ueberlegung als unabweisbar
bartl|ut, u>as bie patE|oIogifd|e (2rfal|rung luce clarius
bewies, auf (Srunb bes CE|ieroerfud)es auf ^as fjart«
nädPigPe befämpft unb biejenigen (Experimentatoren, bie
{xdi um nidjts fümmerten als um il^re operirten fjunbe.
m. pl^vftologifc^cs. 255
rtdjlctcn eine grogc Vexwxxxnng an. (£5 i^ xxdtixg, ba§
gcrabc bie Pcrfudjc oon 5rÜfd? unb fjifeig bcr Cofaltfa*
lion iPtcbcr 3U ifjrcm Hed^tc l^alfcn, aber oon redjts*
wegen t|ättc man il|rcr nidjt bcburft. fjättc man weniger
auf bic pEiYJtoIogcn gcl|ört, oorurtE^cilsfrci bie (£fpcri*
mente bcr Hatur bcobad)tct, fo roärc bcr gansc Streit
um bie Cofalifation, bcn mir erlebt ^dben unb in bem es
oft fdjien, als mären bie ^unbe'®perationen bas einsige
Züxitel ^er SeleB^rung, unnötl|ig geroefen.
Sxexlxdi, andt (ßaH roar ungered^t. €r begnügte
[xdti nid)t i^amit, oor ber Ueberfd|äfeung bes Cliierper-
fudjes 3u warnen, fonbern er perroarf il^n ganj ^). (£r
*) 3d? gci^e auf feine 2Iuseinanberfe^ungen nid^t .ein, !ann
mid? aber nid?t entl^alten, rpenigftens (Eine Stelle luiebersugeben :
C'est une Observation constante, que pour d^couvrir les fonctions
des diverses parties du corps, les anatomistes et les physiologistes
ont toujours et6 plutot dispos6s k employer des moyens manuels
que d'accumuler un grand nombre des faits physiologiques et patho-
logiques, de combiner ces faits, de les r^iterer ou d'en attendre la
r^p^tition en cas de besoin, d'en tirer lentement et successivement
des cons^quences, et de n'annoncer qu'avec une sage r^serve leurs
• d^couvertes. Cette m^thode, ä present favorite de nos investiga-
teurs physiologistes, frappe par sa materialite et eile gagne l'appro-
bation de la plupart des hommes par sa promptitude et par ses
r^sultats apparents. Mais on a aussi constamment observ6 que ce
qui parait avoir 6i6 prouv^ comme incontestable par le mutilateur
A, ou ne r^ussit pas au mutilateur B, ou que celui-ci a justement
trouv6, dans les m^mes exp^riences, toutes les preuves pour r^futer
les conclusions de son pr^d^cesseur.
3nbeffen geftei^t (Sau 3U, ba% man über bie Besiel^ungen
3iDifd?en bem (Seljirne unb ben Sinnesorganen, ben iDiÜfürlid^en
Bewegungen, ben ^unftionen ber inneren 0rgane burc^ Der=
ftümmelungen einigen 2luffd?lu§ erl^alten möd?te, nur foUe man
nid?t Ijoffen, auf biefem tDege bie £o!alifation ber intelleftuellen
unb moralifc^en ^äf^igfeiten 3U ffnben.
25^ ^Inljang: Ucbcr ^ran3 3ofeplj (Sau.
I|attc sroar Hcdjt, trenn er glaubte, ba§ man bas, was
il|n interefjtrte, ben Sife ber einseinen 3"Pinfte unb
5ätjigfeiten nidjt burdj Perpümmelungen finden rrerbe,
inbeffen t|ätte er jtdj bodj fagen muffen, bag bte (ßeljtrn*
piivftologie nod? anbere ^lufgaben Ehalte. TXadi feiner
2luffaffung finb bie ^emifpl|ären Sife aller beroußten
Porgänge, es muffen alfo bie eintriebe 3U wiHfürlidien
Seroegungen unb bie lDa{)rneFjmung ber Sinnes»
erregungen an beftimmte Stellen ber (5et|irnrinbe ge»
fnüpft fein, eine 5oIgerung, bie aus (SaWs CeE^re oB^ne
IDeiteres 3U sieF^en ijl, X)iefe Stellen ber (5et|irn«
minbungen Fannte man nodj nidjt, bie pB^yfioIogen Blatten
Hed]t, nadj it|nen 3u fudjen unb 3U biefem giperfe war
ber (Et^ieroerfudi wo^l oerwenbbar.
(Segen 5Iourens iiat ftd? (Sali (im 6. Sanbe feines
®ctaon>erfes) in langen unb unerquidPlidjen 2IusfüI|rungen
gemenbet. 5Iourens wax in getpiffem Sinne fein 2ln*
l|dnger, er perfudjte eine möglidifl ftrenge Cofalifation
unb be3eid)nete ^as als fein fjauptbeftreben (cette locali-
sation des ph^nom^nes par la localisation des organes
dtait prdcisdment le but qu'il fallait atteindre). €r fdjlog
ftdi audt infofern an (ßaH an, als er erflärte, qua dans
las lobes cdr^braux r(§sident exclusivamant toutes les
facultas intellactuelles et sensitives.
5Iourens wax smeifellos in feiner §cxt ein oor3Üg»
lidjer (Experimentator unb 3eobad]ter. "Dies bemeift bie
(3e\di\dite ^es \0 IHonate lang beobad|teten grogl^irn^
lofen ^ulins, Die 5^^Icr, bie er madjte, fledPen in t>m
Sd|Iüffen, bie er aus feinen ^eobadjtungen 30g. So ift
m. pljvftologtfc^cs. 255
CS ja andt feinen Itadjf olgern gegangen. Dtefe Se*
obadjlungen traben beslialb iE^re Sebenfen, weil bie Se*
obadjter bas lDat|rgenommene pfydiologifclj erflären
wollen nrib auf bie CI|iere bie 5IusbrüdPe anrrenben, bie
aus ber inneren Seobadjtung unfer felbjl fiammen.
3)abei u)irb letdjt überfeB^en, bag unsuoerläfpge ^Inalogie*
fdjlüffe porfommen. Was I|ier in bas 3ett)uglfein fällt,
geB^t tort n)at|rfd?einlid} augeri|alb tes inbioibueßen Se«
iDu^tfeins por jtdj, was i|ier als 5üB^Ien ober X)enfen
unb IDoHen erfdjeint; barf bort überB^aupt nidjt pfvctio»
logifdi gefaßt tocrben. Sie Porausfefeung bes Perftänb»
niffes ijl bie Unterfdjeibung 3n>if(ijen bemühtem unb un«
betpugtem ^anbeln. 3e B|öB^er bas CB|ier entmidPelt ift,
um fo- meB^rere feiner ^anblungen fallen in fein inbipi*
bueßes Sen>ugtfein unb ^ariblungen, bte bem Seobadjter
gleidj 3U fein fdjeinen, jtnb bei ben oberjlen CB^ieren oon
Sen>ugtfein begleitet, gefctieB^en bei ben anderen oB|ne
SeiDugtfein, pnb baB|er B|ter für ben Halurforfdier nur
als materieße Porgänge, als 2trbeit oon ZHafdiinen faß-
bar. "Die unbeu)ußten Porgänge pnb ben bemußten ja
tpefensgleidj, fie mögen pon einem Semußtfein unter«
georbneter ©rgane begleitet fein ober nur bem nxdii'
inbioibueßen Semußtfein angeBjören; bie 3e3eid)nung
unbewußt befagt nur, ^a^ pe bem (ßroßB|irnbetPußtfein
fremb finb. 2Iber aße biefe ^esieB^ungen pnb meta*
pB^Vfifdier Tltt, überB^aupt ift (5eB|irnpB|YJtoIogie im ge-
wöB^nlidjen Sinne oB^ne ZnetapB)vfi' nidjt möglidj. Woükn
bie pBivpoIogen nidjts mit ber ZlTetapBivfif 3U tB^un B|aben,
fo müßten jte überB^aupt nictit bapon reben, ^a^ bie
256 2Inljan9: Heber ^ran3 3ofeplj (Sali.
Cljicrc fül^Un unb woüen, oielmclir müglcn pc jid| bamit
begnügen, Me Porgänge im (ßet|irn naturrriffenfcliaftHdj,
b. I|. rx>ie bie Porgänge in einer ZlTafd^ine 3U betradjten.
2tuf foldje €rn)ägungen nal|men weber (ßall, nod?
5Iouren5 Hürfjtdjt, es ijl baE^er begreiflidj, ba§ bic
polemif jenes gegen biefen pielfadj aus £uftt|ieben be«
ftet|t 3)enn bcr eine fagt, bas CEjicr füEjIt, ber anberc
CS füE^It nidjt, beibe aber traben Hedjt ober Unrcdjt, tpie
man trill. 3nbeffen ijl bod] (ßaH infofern im Hedjt, als
er bem 5Iourens, Holanbo unb anberen pE^vpoIogen por*
roirft, ^a^ pe ooreilig bas an perl|ältni§mä§tg tief
ftel|enben CFjieren Seobadjtete auf ^en ZHenfcIjen über«
tragen (les r^sultats obtenus dans une grenouille, dans
une poule etc., sont-ils applicables d Thomme?). Die
Itadifolger pon 5Iourens traben auf ^cn Porwurf nidjt
geadjtet, fonjl I|älten pe bie Seobad)tungen an gro§«
I|irnIofen ^unben nidjt ^cn Seobadjtungen am ZHenfctjen
entgegengepelli Die £jauptfad)e nun aber ijl bes
5Iourens 5a^ von ber (SIei(iju)ertt|igFeit ber ^emifpl|ären«
tl|eile. „Les lobes cdr^braux peuvent perdre, soll par
devant, soit par derri^re, soit par en haut, soit par cote,
une certaine dtendue de leur substance, dans perdre leurs
fonctions." (ßeroig, fagt (Saß, bie allgemeinen 2lttribute
bleiben erB^alten, fo lange nodj eine einsige (Srunbfraft
unoerfelirt ift. 3^ mei|r pon ^cn ^emifpEjären oerloren
geE|t, fäE^rt 5Iourens fort, um fo meEjr nel^men les facultas
intellectuelles et sensitives ab, aber UDeld^er tEt|eiI oer«
loren gel?t, bas ip gans gleidjgiltig. Dem gegenüber
peripeift (ßaH sunädjjl auf bie patB^oIogifdjen €rf aljrungen ;
III. pljvfiologifd^cs. 257
oft bciüirfcn groge (Set|irn Beerbe feine waiitne^mbaxen
Symptome, oft mad^en f leine £äfionen beträdjlRdie
Störungen, ^m Uebrigen ^ellt er ber Sel^auptung ^es
5Iouren5 fein ganses IDerf entgegen. (SaU befpridjt
afle €^perimente im fiinselnen; öes Seifpiels iregen fei
eins ertpäi|nt. „2<il entfernte, fagt 5v ^«i «incr anderen
Caube aIImäF)Iid? unb oorfid)tig fd^idjtentpeife bie vox»
beren unb bie B^interen Cl^eile betber ^emifpl|ären bis
einige ßnien oom CentralFern ber ^emifpF)ären.^ (ßlaubt
5./ erroibert (5., bie ©rgane feien in Sdjidjten gelagert?
Was ift ber Centralem? IDie oiel Cinien i^ bas
Caubengel)irn birf? ,,3n bem TXlaa^e, fäB^rt 5. fort,
als bie 2lbtragung forlfdjritt, naB^men Scfy unb fjör»
vermögen grabroeife unb merflidj ab, afle anderen 5öB|ig*
leiten in gleidjer 2lrt; war eine 5äB^igf^it erlofdjen, fo rraren
üfle erlofdjen.^ IDeldje feinen IHetBioben mag 5. angeroanbt
iiabcn, fragt (6., um bas aflmäE|Iidie 2Ibnet|men bes (5e«
E|örs roäBirenb bes Perfudjes feftsupeßen? „€in gereister
punft bes Zteroenfvflems reist afle anberen, fagt 5v ^»^
geläB^mter läB^mt afle anberen; (ßemeinfd^aft ber Heaf-
tion, ber Sdjäbigung, ber Energie. Die €inl|eit l^errfdjt
<ils großes princip, i^ überafl, ^as ganse Heroenfv^em
ijl nur €in SyPem." Die €int|eit, fagt (S., ijl t>as
Nonplusultra ber metapB|vJtfd|en Deflamationen : (£s giebt
nur (Einen IHenfdjen, CB)inefen unb 5i^<Jn3ofen, 3apciner,
3nbier, Deutfdje, Surfen, aßes ijl eins; es giebt nur
^inen ZlTenfdien, Kopf, 3rujl, Saud?, (ßlieber, afles ijl
eins. IDenn Heisung einer Steöe afle anbeten erregt,
toarum mad?t it|r ^ann euere (Experimente ? (£s würbe
möbias^ mattiematiUt. \7
258 2Inbang: Heber jronj 3ofepb <5alL
ju tpctt fnl^reit, nod} mei(t ans 5er 75 Seiten fnüenben
TSbfyaMmiQ nber S^ontens imeberpigebetu jlonrens fyit
feine Had^ nad} <Bair5 tCobe genommen. —
€in iDetterer 2tt>fd^itt ifi ben Bejiet^ngen 5iinfd}en
<BeI{im nnb Sd^ibel geimbmet
IDenn mx onnel^men, bog bte <BebimI{emifpi{aren
5er 5i% oOer geifKgen S^fit^gf^i^^n feien nn5 bog jebe
felbßänbige Sältigtett iljren eigenen 5i% boBe, giebt es
ein niittel, um ben <2>rt ber einseinen <Bel{imorgane 5U
be^immen? ^uerfl, loeld^ Besiel^ungen beßet^en smifd^en
ißei^im unb 5d)dbel? IPtr iptffen^ 5a§ bie Salinen bes
ZtenoenfYflems in ben IDinbungen enbigen nnb von
il^nen ansge^n, n>ir bürfen nad) 2(naIogie onnei^men^
ba% bie Ct^etle ber XDinbungen, bie befümmten Sokig*
texten entfpredjen, um fo jtärfer entmtcfelt fein n>erben,
)e fidrfer bie 5äi{igfeiten ftnb, alfo barf man emnirten;.
ba% bie 5orm ber Oberfläd^e ber Qemifpt^Sren ein Bilb
bes StärfeoerE^Itntjfes ber einseinen 5di{igfeiten geben
iperbe. IDenn nun bie ®berfläd^ bes Sd^ibels ein Bilb
ber ©berfliädie bes <5el|im5, foweit biefe ^en Sd^äbel«
n>anben anliegt^ giebt, fo mu§ ans ber 5orm bes
Sdjäbels auf bie 55Ijigfciten gefdjloffen n>erben fonnen.
Können wir enblid? aus ber 5orm bes Kopfes bie bes^
Sdjäbels erfdjliegen, fo u^erben n>ir audj am Cebenben
an ber 5orm bie Befd?affent|eit bes (5eifles erfennen.
<ßall berüdPfid?tigt ben Sdjäbel nur infon>eit, als er
<5eB^imfapfeI x% get|t auf bie 5orm bes (5e{td;tfd}öbels^
auf bie 5orm ber Znusfelanfäfee u, f. m. nidjt ein. €r
fdjilbert bie €ntfleFjung bes Sdjäbels beim 5otus unb
m. pfjvjtologifd^es. 259
beim Kintc. Der Sdjäbcl gcirinnt feine endgültige
5orm erft roäiirenb bes Cebens, je^odi pnb feit ber (Eon-
ception bie fünftigen 5ormen fdjon bejHmmt, u>ie ber
(Sang ter Pererbung es seigt. Unwid^tig ftnb, von
2lu5nat|men abgefeEjen, bie €inn)irfungen ber (ßeburt,
bie €inn)irfung fonfiiger medianifdier Urfadjen (3. Ä bes
Cragens oon Cajlen auf bem Kopfe), (ßiebt es Köpfe,
bie burdi langirirfenben Drucf perunj^altet pnb, wie es
von 3n^i<J"^J^ftöntmen bet|auptet wirb, fo fdjeiben fte
natürlidj aus ber Setradjtung aus. Vas ZHed^anifdje
fpielt übert|aupt nid?t bie Hauptrolle. Das wadjfenbe
(ßeljirn formt ^en Sdjdbel, aber nidjt burdj medjanifdjen
DrudP xhin ausweitenb, wie es beim Siy^voce^italns ge-
fdjet|en mag. Der Sdjäbel änbert Jtd? in eben bem
(ßrabe, wie bas <ßeE|irn wädjft. €inige ZTlonate nadj
ber (5eburt beginnt bie Stirn pdj 3U wölben unb jte ijl
beim Kinbe in ber Hegel j^ärfer gewölbt als beim (2r-
wadifenen. Das ^interE^auptsbein ijl beim Zteugeborenen
Siemlidj flacb, bie Processus mastoidei flet|en einanber
naE^e, erj! gegen bie pubertät I^in wölbt fxdt ber untere
(El^eil bes fjinterfopfes unb gewinnt feine bleibenbe (ße«
jtalt. Die ®berfläd?e bes Sdiäbels folgt nid?t matl|e-
matifdj genau ber bes (5et|irns, ta bie Diploe an oer-
fdjiebenen Steflen oerfdjieben jlarf ij^. Diefe Unterfdjiebe
ftnb natürlidj in Setrad|t 3U 3ieE|en unb am widitigften
finb bie 5tirnI|öE|Ien. ZHit groger Sorgfalt I|at (Sali
üon Einfang an unb als ber firj^e auf bie wedifeinben
^Ib^änbe beiber Cafein bei ben perfdjiebenen CE^ieren,
bei oerfdiiebenen 3"^ioi^wen, je nadi 2Hter unb (ße«
260 ^(nljang: Ucbcr ^ranj 3ofcplj (Sau.
fd?Icd]t gcad|tct. 3"^«ff«" P«I|t er in il|nen fein ^intcr*
%ix%, aus bcr (ßcjialt bcs Sdiäbcls auf tie bcs (ßcl|irns
3U fdilicgcn, bcnn minimale Untcrfdjicbc fommcn bei ber
Kranioffopie übcri|aupt nid|t in 3ctrad)t, bic Perfd)iebcn-
Breiten bcr Sdjäbel fmb fo grog, ba§ dagegen bie Per*
fdjiebenl^eit ber KnodienbidPc oerfdm>inbct. 3^^ über«
geE|c, ttjas (Sali über bie CB^ierfd^äbel fagt; auf jeben
5aII htat er fie eben fo gut gefannt wie ber (ßoriUa-
Kritifer, ben id] fpäter ermäE^nen werte. (Ein befonberes
Studium liat (Sali ben ^Itersperänberungen bes Sdjäbcls
gen?ibmet €r Iet|rle, ber Sdjäbel n?irb im 2Uter bicfer
unb Ieid)ter, bie IDinbungen u^erben atropEjifcIj, bie
Lamina interna folgt iE^nen fo 3U fagen, inbem fpongiöfe
ZlTaffe 3n?ifd)en beiben Cafein gebildet roirb, Diefe
£eF)re erregte großen IDiberfprudj. „Tille Knodien
wetzen im Filter bünner, u^arum foHte ber Sd^äbel eine
^u5naF)me mad?en?" Hid^eranb Iel|rte, bie fortu>äl|ren»
ben Bewegungen ^cs (ßel^irns nufeten ben Sd^äbel ah,
(Sali fammelte baE^er eine groge SaI|I oon (greifen»
fd]äbeln unb fanb fafl immer feine Seobadjtungen be»
[tätigt. (£r befdjreibt fel^r genau bie Peränberungen bes
Stirnbeins, bie oerfd|iebenen 5ormen ber 2lbforption unb
2Ippofition. 2lusfüE|rIid? werben Sie 3urü(Jgewiefen, bie
bie 5orm bes Sdjäbels pom inu5fel3uge abJjängig
madjen. "Die 2tnfafefteIIe bes Cemporalis 3. S. ift bei
ftarfem IHusfel nid)t feiten ^adi, bei fd?n>ad)em gewölbt
unb umgefei^rt (Pergleidjung ein3elner IHenfdjen, oer«
fdjiebener Haffen, oerfd|iebener CE|ierarten). finblidj ift
3U fagen, ^a% natürlid? Kranfl^eiten bie 5orm bes
m. plivftologifd^cs. 26\
5d)äbcl5 ocvänbcrn tonnen, fei es bes 5ötu5, bes Kinbes,
bcs €nüad)fenen, ba§ es aber Sadje bes Beobad^ters
ift, patl^oIogifd)e Peränberungen 3U erFennen, bte einen
Sdjlu^ von ber 5orm tes Sd^äbels auf bie bes (5el|irns
un3uläfflg mad^en^). £ange Erörterungen merben ben
^cep{)alen unb ben ^v^i^ö^^^P^^Ien, ben 3^iotenfd]äteIn
getpibmet. Zladi fürseren (ßeiftesfranfl^eiten finbet man
feiten Peränberungen bes Sd^äbels, nad] langbauernben
aber ijl gen?öE|nIidi ber Knod|en bicf, jebod? nid^t n?te
im 2llter Ietd)t, fonbern fdjroer, ja suujeilen elfenbein-
artig. 2Iusnal|men?eife ifl ber 5d)äbel auffallenb bünn.
Die 2ter3te I^aben bisl^er biefe Peränberungen für bie
Urfad)e ber Kranfl^eit gel^alten, ja mandje leugneten fte
über{)aupt. Der profeffor IDalter in Berlin erüärte, er
l^abe fein ganses £then bem Siubium ^es ©rganismus
gemibmet, er iiahc aber bei 3rren ben Sdjäbel niemals
bider als fonft gefunben. gutpeilen gleid)en bie 5d]äbel
bcr Selbpmörber benen ber (Beiftesfranfen unb aud> bei
Derbred^ern beobad)tet man nid)t feiten 2teFjnIid|es.
XX)efentIid|e Deränberungen ^cs Sdiäbels fönnen burdi
Hl^ad^itis unb anbere Conftitution!ranfE|eiten entftel^en,
ja es fd^eint eigenti^ümUdie, nodj unbefannte Knod^en«
^) M. Blumenbach cite le crdne d'un homme age, dont de
cote gauche de la face avait 6t6 tellement contracte, par suite du
tic douloureux, dont cet individu fut afflige pendant plusieurs annees,
qu'il fait un contraste singulier avec le cote droit. La crampe
violente a abaisse le zygomatique du cote souffrant, autant qu'elle
a fait remonter la partie voisine de la mdchoire inferieure, et
qu'elle a ^cart6 en dehors, les apophyses zygomatiques. Sollte CS
fid) ba um Ijalbfcitigcn (Sefidjtsfdjiputtb gclianbclt I^abcn?
262 2Inljan9: Heber ^ranj 3ofepl^ (Sau.
franfE^eitcn $u geben (bei einem tDiener Sdjdbel fanb
(ßall naiiesü soübicfe tDänbe unb babei toaren ^ie (ße«
ftdjtsfnodjen ebenfalls pcrbidPt). Sei umfdjriebenen <ße^
IjirnfranfB^eiten fommen umfd^nebene Perbi(Jungen, um-
fdjriebener Sdjwunb bes Sdjäbels oor: einfeitige <ßet|irn»
entsünbungen, Sdjirunb bes KIeint|irn5. Ztatürlidj fann
bie 5orm bes Sd^äbels burdj (ßeiralteinipirfung (Srud?,
Perfdjiebung ber StüdPe, Qieb-, Sdjugmunben) peränbert
werben unb (ßefdjroülfte bes (SeB^irns ober ber (ßel^rn«
I|äute fönnen il|n ba ober bort oorirölben, aufs ^leugerfte
oerbünnen, ja burdibredjen. 2lIIe patt|oIogifd?en Per«
änberungen mu§ Der fennen, ber aus ber 5orm ^es
Sd^äbels Sd^Iüffe sieB^en n^ill,
XOas er bisl|er oorgetragen iiahe, meint (Saß, bas
mödjte man mol^I 3ur Itottj gelten laffen, 2Inbers jieEje
es um bie 3eftimmung ber (ßrunbfräfte unb iB^res
Sifees, TXlan gefalle fidj immer nodj barin, 3U fagen
unb n)ieber 3u fagen, biefer CB^eil feiner £el|re fei ber
fd|u>äd?fte unb am fdjleditejien bett>iefene. 3^, man
fdjeue fxdi nid|t, bie 0rganoIogie als ^Ibfurbität unb
€^traoagan3, als PerrücftB^eit, als CB)arIatanerie unb
Setrug 3U be3cid|nen. 3^ibeffen fei es begreiflidj, ^a%
alte feftgeit>ur3elte PorurtB)eiIe fd^tper 3U befeitigen feien,
€r B^abe gegen eine falfdje ^Inatomie, gegen eine falfdje
pB^VpoIogie unb am meiften gegen eine falfdje pB|iIo«
fopB^ie 3U fämpfen. Die ^Inatomen unb pB^ypoIogen
aber feien getreue Diener einer ZtTetapB^Yp'/ bie fie mit
ber ZHuttermildj aufgenommen B^aben unb bie aIImäB|Iictj
3U einem populären Aberglauben geworben ift. IDie
m. pl^vftoIo9ifd?es. 263
^as Kinb cE^er tcn fjunb fcnne als bie fjunbcraffcn, fo
fei bcr ZlTcnfd] übcrt|aupt auf allgemeine Segriffe aus
unb fei 3uf rieben, u>enn er nur feine 2lbjiraftion voü*
sogen t|abe. Dal^er fd^Iagen ftd} bie Ceute mit allge«
meinen Segriffen i|erum, wie ^wUUxqcwi, <5ebä(ijtni§,
piiantajte, Ceibenfdjaft u. f. tx>., oljne 3U begreifen, ^a%
«5 biefe 2lbjirafta in ber Italur gar nidjt giebt, ^a% es
nur eine beflimmte 3ntelligen3 u, f. w. giebt, ba§ bie
geifiigen 5äl^igfeiten nur als 2lttribute bejHmmter Criebe
coirflidi »erben. ZHan redjne, fagt (ßaH, 3u all' biefen
^inberniffen nodj bie profefforen, bie von neuen SnU
bedPungen nidjts B^ören woHen, bie il^re Sdjüler mit
fdjneibiger Sefiimmtl^eit beleE^ren unb in oerberblidje
SidjerB^eit perfefeen, man benfe an ben fjodjmutti unb
bie Despotie ber geleB^rten (ßefeflfdjaften. (ßlüdPIidjer*
u>eife feien iljm nidjt aUe 5«ittbe auf einmal entgegen-
getreten. €r i:iabe jtdj um nidjts gefümmert unb gan3
ber Hatur i|ingegeben (abandonnd tout entier ä la nature)
ein ®rgan nadj bem anberen gefunben. Sepor er eine
(ßrunbfraft gefunben B^abe ober iB^r ®rgan, fei iE^m
gan3 unbefannt geit>efen, n>ot|in ber IDeg \i(n füB^ren
ujerbe. TXadi fo unb fo oiel Seobad^tungen taudite eine
2tljnung auf, aHmäB^Iid^ rourbe fie 3ur beftimmten Per«
mutB^ung, erft nadi feB^r pielen Perfud^en unb Ueber-
(egungen 3ur' Ueber3eugung. IDie oft B)abe er nad^
jaB^relanger 2lrbeit feine Sdjlüffe oermerfen muffen, wie
oft fei er oerfud^t gctpefeii, bie gan3e Sadie bei Seite
3u legen unb 5U ben alten 5d]ulmeinungen surücfsu-
fel^ren. 3nbcffen fei aflmäf^Iid] bie g^M ^^^ Scob»
26^ ^Inl^ang: Ucbcr ^ran3 3ofeplj (Sali.
adjlungcn, btc er feit ber 3w9^nb an (5efd|rx>ijicrn unb
Znitfdjülern, an aUen möglidjen ZHcnfctjcn, an Cljicren
aller 2lrt gemad^t I|abe, fo groß geworben, bag bie S^*
oerjidjt fefi rourbe unb bie ZHad^t ber Ct^atfadjen ben
Sieg bapontrug. €ine (ßrunbfraft, ein ®rgan nadi bem
anbern irurbe entberft unb in bem (Srabe, roie bie £nt*
be(Jungen pdj meierten unb einanber ftüfeten, toid^en bie
Porurtl^eile, bie fdjoIajiifd?en 3i^rtl|ümer unb bie Znenfdien-
furdjt surüdP.
Pon ber früB^eften 3ugenb an, ersäljlt (ßaH, lebte
id] im 5djoo§e einer finberreidjen 5ömtlie unb mit oielen
Kameraben. 3^^^^ Uirib I|atte etwas Sefonberes, ein
Qlalent, eine Neigung, bie il|m eigen wax. (Sali Blatte
in ber Sd^ule bie IHitfdiüIer 3U fürd^ten, bie mit £eid)tig»
feit austoenbig lernten, ^a x^ve Ceijiungen bie feinigen
3Utt)eiIen in ^en Sdtaiten jleDten. Später fanb er in
einer anbeten Sd^ule u)ieber fold^e Hebenbutiler unb be«
merfte, ba% fie porftebenbe 2tugen Blatten; auf ber Uni«
perfttät madite er biefelbe Beobadjtung unb nun per*
mut{)ete er, ba% 3tt>ifd|en ^en großen 2tugen unb ber
5äB|igfeit, auswenbig 3U lernen, ein gufammenB^ang be«
fteE^e. 2ÜS er bann planmäßig barauf ausging, bie 3e-
3iel^ungen 3u>i[djen ^en geiftigen Einlagen unb ber Kopf-
form 3U entbedPen, fd|Iug er ben IDeg ein, möglidiji
große, aber einfeitige Calente 3U bcobad]ten. Diefe
IHetBiobe ben?äF)rte fid?, aber fie füi|rte nur langfam
oortDärts unb mand]e 3^rtl^ümer mußten überwunben
loerben. Hotlimenbig n>ar große Strenge, benn toenn
es fidi um ^aturgefefee t|anbelte, fo burften feine 2lu5«
III. pljvftologtfc^cs. 265
naEjmcn cjiftiren. €ine 2Innat|mc rrar bal^er nur bann
hexediixqt, wenn jte in einer fcl^r großen gaf^I pon
5äIIen immer rid^tig gefunden iporben rrar. Sie mußte
andi bie (ßegenprobe ausE^alten, b. Fj. es mußte [xdt
Seigen, baß bei aüen perfonen, bie bie fraglidje Anlage
nur gans u^enig I^atten, aud| bie 5orm negatio «>ar,
IDar 3. S. bie ben Znufifern eigene Kopfform gefunben,
fo mußte bei benen, bie feinen Sinn für ZHupf ober
^Ibneigung bagegen liattcn, an ber Stefle, n>o bie ZHupfer
eine IDöIbung tragen, feine IDöIbung oorl^anben fein,
<£in iriditiges ^ülfsmittel ujar bie 2lbformung ber Köpfe.
3n Deri|ältnißmäßig furser g^it fammelte (Saß ^00 (ßips-
abgüffe oon perfonen aller Cebensalter unb Siänbe,
IDußte er oon einem 3nbioibuum; ^a% es burdj ein
Qlalent ober einen Cl|arafter5ug ausge3eid?net xvat, fo
nal^m er feine Kopfform unb oerfud^te eine Hei{)e 3U
bilben, inbem er bie 5ormen äl^nlid? begabter perfonen
3ufammenftellte. €ine Hegion nad| ber ant>cvm n)urbe
r>erglid)en unb erft bann, voenn eine €igentl^ümlidjfeit
allen oerglid^enen Köpfen eigentE^ümlid? xvat, u>urbe fie
notirt. ®ft, fagt (Sali, ftanben auf meinem (Eifdje 20
Kopfformen IHonate lang, xdi unterfud|te fte täglid? unb
nadi langem gw^eifeln unb Perit>erfen ging mir am
<£ube plöfelidj ein txdit auf, id] fat| bas gefud)te gemein»
fame ZHerfmal. Die 3etrad|tung ber Köpfe muß burdj
bie ber Sd)äbel ergänst n)erben. (Dhvoolil er burd)
ZHangel an Derj!änbniß oielfadi bel^inbert u>urbe, fonnte
(Sau bodi eine große Sammlung oon Sd)äbeln fold^er
perfonen, beren €igenart il|m befannt voax, 3ufammen*
266 ^Inl^ang: Ueber ^rans 3ofepl^ (Sali.
bringen. 3a, in nid?t wenigen Säü^rx gelang es iEjm,
ben Sdjäbel bejfen 3U eriperben, bejfen Kopf er früljer
abgeformt liaiU. IDeiter fammelte er Sdiäbel pon
3bio(en, (ßeiftesfranfen, Derbredjern. 2(udi Süften unö
Silber I^erporragenber ZHänner würben benu^t, wenn
audt babei Dorpdit nötf^ig n>ar^). J)a (Sau jeber ^eit
bie pf^YpöI<>9i^ ^^5 (ßef^irns 3um 5'^'^ I^alte, fudjte er,
foweit möglidi, bas (Sef^irn felbjl su unterfud^en. „IPer
befd^reibt meine 5r^ube unb mein Staunen, als idj fanb,
bafe bie 5orm aller pon mir befd^riebenen äußeren geidien
gans genau ber 5orm bcs barunterliegenben (ßeE^irns
enlfpradi?'' Wo eine runblidje IDöIbung am 5d|äbcl
roar, ba waten a\xdi bie XDinbungen runblid^ geroölbt,
*) Malheureusement jusqu'ici nous ne poss^dons que tres peu
de bustes fideles. Lorsque l'artiste compose, il lui est permis d'ob6ir
exclusivement aux r^gles de l'art ; mais lorsqu'il est charg^ de trans-
mettre ä la post^rite le portrait d'hommes qui ont vecu, il a Vob-
ligation de copier servilement la nature : dans ce cas, vouloir
id6aliser son modele, c'est defigurer la nature. Mais malheureuse-
ment les artistes, au litu de rendre hommage ä la verite, se laissent
subjuguer encore par les r^gles imaginaires de l'art et par les
pretendues lois du beau. Hs sont trop fiers pour mouler les tetes,
et pour ex6cuter simplement ce masque ; et cependant il est certain
que tant qu'ils ne voudront pas se resoudre ä ce parti, nous n'au-
rons que des imitations imparfaites ou fausses; et deux bustes du
meme homme, sortis des mains de deux artistes differens, diff6reront
toujours. Je vois m6me que les plus grands artistes, peintres,
dessinateurs et sculpteurs, lorsqu'ils rencontrent des formes peu
ordinaires, et qui leur paraissent choquantes, les regardent comme
des d^fauts, comme des erreurs de la nature, et croient devoir alors
modifier les proportions. Et cepedant, d'ordinaire, ces formes inso-
jites, et qui offensent Toeil, sont precisement l'expression du carac-
tere moral et intellectuel.
^- pl^VJtologtfd^es. 267
geftrccftcn IDüIjicn cntfpradjcn fräfligc IDinbungssügc
unb 6ie Htdilung bicfcr glid^ 6cr 23id|tung jener. Zlxc
matf abgefef^cn oon ivarxUn ober fcljr allen 3nbipibuen,
ein IDiberfprud^ 3U entbecfen, fjat man erft einmal am
Znenfdjen ridjlige Segriffe erworben^ fo wirb bie oer«
gleidjenbe pl^ypologie „3ur unerfdiöpflid^en Quelle ber
Selef^rung unb 3um unipiberflel^Iidijicn Seipeismitlel"
für bie 0rganologie. Z)ie fiinfad^f^eit ber Der£|ältniffe
bei ben tEf^ieren erleid^tert bie €rfennlnife, ipäEirenb frei«
lidi ber 2lbjianb oom ZHenfdien bie* pfvctjologifdie Se«
urt£|eilung erfdiipert Soweit ber ZHenfd^ bem tEE|iere
glcidjt, mu§ bie ©rganifalion gleidj fein; bie Körper*
Organe liegen an gleidjen Stellen unb tf^un gleidjen
Dienft, bie Sinnesorgane ebenfalls, alfo muffen audj bie
0rgane ber 3nftinfte gleid? gelagert unb gleidj gebaut
fein, (ßaß glaubt, aus ber Seobaditung ber Cf^iere,
tB^rer Unterfdjiebe nadj 2lrt unb 3nbipibuum einerfeils,
aus ber Prüfung iEjrer Sd^äbel unb (Sel^irne anberer-
fcits bie npid^tigften Slüfeen feiner CeE^ren geuponnen 3u
Ijaben. 2Iber aud? t^ier ift ^avan fefi3uE|aIten, ^a^ bie
<ßeE|irnunterfudiung nur ^ann (Sewum bringt, roenn pe
im pf^vfiologifd^en Sinne gefüE^rt n?irb, upenn bie CebenS'
eigenfd^aften ^qs <5et|irn5 fvi)on oorE^er erfannt fmb,
SufäUige Derftümmelungen burd^ Derlefeungcn ober
Kranfiieiten fönnen aud^ 2luffd^Iu§ geroäfijren. <5aII
fül)rt f^ier n?ieber ^as Seifpiel an, ^a% burd^ eine Der«
lefeung ^es 5tirnt|irns t>as Ztamengebädjlnig verloren
gelten fönne. finblid^ ift ein Seupeismittel ber 0rgano«
logie in ber 2tnorbnung ber 0rgane 3U erblicfen. (Saß
268 2lnl^atig: Heber ^ran3 3ofepl? (Sali.
entbccftc bie einzelnen (Dxgane nidit burd? Dernünfteln,
fontcrn bnxdi Scobadilung, alfo fosufagcn siifällig, halb
bicfcs, balb jenes of)nc jebc 0r6nung. 2(l5 er aber
fpäter la carte craniologique überblicfte, 6a fanb es fid|,
bafe bie ^Inortnung oernunftgemäg ipar, b. f?. bafe fie
bas leijiete, ipas man nadj analomifd^'pf^YpoIogifdien
Dorausfefeungen erroarten burfte. Die 5cil)igfeiten, bie
ben 2nenfdien unb ben tEf^ieren gemeinfam finb, roerben
in bie (Seljirntl^eile perlegt, bie ZTIenfdi unb tEE^ier gc»
meinfam fmb, b. I^. in bie I^inleren unb unleren CE^eile
ber £jemifpB|ären. Die 5öljigfeiten aber, bie bem ZHenfctien
eigentEjümlid^ finb, uperben in ben (ßef^irntf^eiten gefudjt,
bie beim 2nenfdien gan3 anbers entupicfelt ftnb als bei
ben tEtjieren, b. E^. in ben porberen oberen CE^eiten. 3n
gleid^em Sinne ift 3u fagen, ba% je lebensrüidjtiger ein
tCrieb, eine ^äl^ig^eit ift, um fo näE^er fein 0rgan ber
Bafis unb ber ZlTebianebene liegt, ba% peripanbte Sätyg*
feiten nebeneinanber liegen. (£s fann alfo pon IDiflfür
Feine Hebe fein, ba% sufällig (ßefunbene mug bie gefefe»
lid^e 0rbnung barftellen.
<5aü betont meEjrfad^, ba% er fein abgefd)Ioffencs
Svftem geben fönne, ba% feine Cef^re nid)t als poHenbet
angefefjen tperben bürfe. IDeber bie gaB^t ber Pon iE^m
gefunbenen 0rgane, nod| iljre öeseidjnung fei enbgüUig.
IDenn audj bie €intE|eilung in <5runbfräfte unb in
2Ittribute unangreifbar fei, fo finbe bod^ bie SejHmmung
ber (5runbfräfte große Scbrpierigfeiten. IDir E^aben ben
fertigen ZHenfdien por uns, rpas roir feinen (ßeijt, feinen
dl^arafter nennen, bas ift bas <£rgebnig Pon bem ^n*
III. pl^vfiologtfd^cs. 269
^ammcnvoitfen feiner <5runbfräfte. Die dnscinen (Eigen-
fdjaften, tie bejiimmten dB^araflersüge jtnb nidjts £in»
fad^es, fonbern fie finb ber ^lusbrudf bes Dert^ältniffes
•ber (Sruntfräfte 3U einanber» gwo^^W^" ip ^i^ 3lnatvfc
möglidi, sur^eilen enbet fie in grpeif ein unb ZnöGÜd)»
feiten. Was mir ZTTutl^ nennen, ift ntdjt immer basfelbe,
ber nalürltd^e Kampflrieb ift oerfd^ieben pon bem foge«
nannten moralifd^en 2TlutE)e. Dag es eine bidjterifd^e
Einlage giebt, ba§ ber <£ine fte I^at, bet 2tnbere nidit,
ba% jte angeboren ift, ba^ it^r eine beflimmte Kopf»
gejlaltung eigen ift, bas alles ift unstoeifelf^aft, aber ob
fte eine (ßrunbfraft ift, ober auf toeldje <5runbfraft fie
5U besieBien ift, bas ift fd^coer 3U fagen. J)ie 0rgane
ipurben entbecft burdj bie Seobad^tung einfeitiger Calente,
b. f?. ber ^Ypertropf^ie beftimmter <5runbfräfte. 3l)re
Benennung fanb in Hücffid|t auf fold^e 5cine ftatt, es ift
baB|er begreiflid^, ba% mand^e ttamen unsutreffenb fein
mögen, ba% uns bie normale (ßrunbfraft anbers er«
fd^eine, als if^re übermäßige €ntmicfelung.
Diefe firupägungen pnb nötE^ig 3U einer geredeten
Seurtt^eilung. Die CE|eorie mag faflen, bie Cf^atfad^en
bleiben. <5aII aber miH CEiatfad^en geben; er Fann es
nidjt unb ttiemanb fann es, oEjne fie 3U oerfnüpfen unb
Se3ief^ungen an3uneE|men, aber ein anberes ift bie fir-
flärung als bie Seobad^tung felbft. <5aII's <5egner E^aben
feine <£rflärungen mit Sd^arffinn unb mit Sd^upad^finn
befämpft, aber um feine tEtiatfad^en f:tahen fte fld| ntd|t
gefümmert.
Je fais observer enfin, que toutes les objections et
270 ^Inl^ang: Uebcr ^ran3 3of^P^ <SalI.
tous les doutes de mes adversaires ont un vice radical:
la craniologie et l'organologie sont des sciences expdri*
mentales. Pourquoi mes adversaires ne commencent-ils pas
par r^p^ter les observations que nous avons faites, M. Spurz-
heim et moi? Pourquoi ne recueillent-ils pas des faits,
plutot que de me combattre par des subtilitds ddduites de
leur propre mani^re de considdrer les puissances de Tarne
et Torganisme animal? Moi aussi, je tenais autrefois aux
id^es regues, mais la force des faits m'a contraint de
sacrifier k la v^rit^ cette sagesse, dont je m'^tais imbu
siu: les bancs de l'^cole, et cette fureur de tout expliquer
dont j'y avais contractu Thabitude. Le naturaliste, avant
tout, est Tesclave de la nature-, il doit savoir ce qui est;
apr^s il pourra se livrer ä son vain d^sir de savoir pour-
quoi ce qui est, est comme il est!
IV. Kritif.
<£E)C man 3ur DarjlcHung 6cr fpccicHcn ©rganologic
übcrgetjcn tann, m\x% man inneB|aItcn unb fragen, ob es
jtdi loljnt. tEaugte bic (ßrunblage nidits, fo braudjtc man
fldj um ba3 SpccicHe nid|t 3U fümmcrn. Die allgemeine
ZHeinung gef^t ja batjin, 6a§ (SatVs Celjre pon (ßmnb
aus oerfef^It fei, unb I^at bestjalb für 6ie fiinself^eiten
nur Spott, nidjt ernflf^afte Kritit 3d^ werbe 3U seigen
perfudjen, bag biefe 2TIeinung unberedjtigt i% ba% wir
baE|cr perpfliditet finb, anbcrs als bisf^er 3u oerfat^ren.
TXnv mödjte idj nodj barauf f^intoeifen, ba§ man mit ber
2(nerfennung ber Cef^re (SaWs im ^IHgemeinen nodi
nid)t 3ur 2(nerfennung ber fpecieHen 0rganoIogie ge-
nötB|igt iji. €s »äre fef^r wolii möglid^, ba% trofe ber
guten (ßrunblage ßaü [xdi über alle ein3elnen 0rgane
geirrt iiätic. 2(uf jeben 5aII ijl bie 5rage, ob bie 5orm
bes Kopfes oon ben geizigen fiigenfd^aften abf^ängt,
eine anbere als bie, ob unfere Kenntniffe 3ur Seftimmung
bes IDie ausreidjen.
3d? gebe 3uerft einen Ueberblicf über bie bist^erigen
ZHeinungsäugerungen unb bann bie factjlid^e (Erörterung.
272 2Inl^ang: Heber ^ran3 3ofcpI^ (Sali.
a) (5cfd|id|tItd|C5.
Cuciani nennt Sionxens bcn Uehexwinbet (Sall's
unb tt|atfäi?lidi Ejat 5Iouren5 ^) in ben ruiffcnfd^aftlidien
Krcifcn (Sali unmöglid? gcmad^t unb bamit cbcnfo mie
burdi feine eigene £e£^re bie £nlu?icfelung ber (5et|irn«
leEire nad^I^allig geE|emmt.
5Iouren5 l|at feine Sd^rift gegen <5aII bem — Des*
carles gen?ibmet. ZTTit iB)m Fänipft er für bie rationale
pfvdiologie, für bie einfädle Seele unb bas liberum
arbitrlum indifFerentiae. <£s I^eifet E|ie Descartes unb
5Iouren5 gegen (Sau, f^ie Sdjolaftif unb falfdje pt|Ypö'
logie gegen Ztaturupiffenfdiaft unb gefunben IHenfd^en«
oerftanb, E|ier Spekulation unb 21berglauben gegen
nüdjterne Seobad^tung. TXlan follte meinen, menn bie
tcvdc (Sau nidjt oerftanben htaiUn, fo ^äiie iB^nen bes
5touren5 Sd^rift bie 2tugen öffnen unb seigen muffen,
n?o bie IDaf^rf^eit n?ar. ^ber nein, bie Cef^rer ber
ttaturtoiffenfd^aft fdiaarten ftd? um ben Sd^olaftifer
5Iouren5 unb t>erE|öE|nten <5aII. IDoran lag bas ? Diel«
leidet baran, t^a^ ^lourens tEl^ierperfudie mad^te unb
(Sau nidjt — folglidi vive 5Iouren5, ä bas (SaH!
*) P. Flourens, Examen de la Phrenologie, Paris I845. 3^1
^afyce 1863 erfd^ien: De la Phrenologie et des 6tudes vraies sur le
cerveau. Paris. Garnier Freres. 12^. 302 pp. Per {. Sl^eil
biefer 5d?rift ift bie ^. 2luflage bes „(Eyatnen ic", entl^ält augcr
ber Befämpfung (SaU's bie 5pur3l^etm's unb Broujfais' als pbre*
noiogen. Der 2. (El^eil beftet|t aus gefd^id^tlid^en (Erörterungen,
in benen (Sau eine fet|r große Holle fpielt, (Erörterungen über
ben noeud vital unb allert|anb 2lnberem,
IV. -Kxxtxt 275
TXadi Siouvens bcrul^t (SaWs ganse CeE^re auf ^wcx
Saiden: \, bag bie 3ntcIIigcii3 ausfd^Iicfelidi im (ßeB)irn
fifet, unb 2. ba§ jcbe bcfonberc Sätyqhit \l\v eigenes
(Dtqan liat ^bcr bcr erjie Safe ift nid^t neu, unb ber
3U)eite ift nid|t XDalit. £jinfid|tlidi bes erften Sai^es fei
(ßaU's Derbienft nur bas, i^n bcffer begriffen 5U B^aben
als feine Porgänger unb it^n mit Eingebung bargetljan
3U E^aben. Elle [la proposition] e^tait dans la science avant
Gall-, on peut dire que depuis Gall eile y r^gne. Um
bem (SaH etr^as absutE^un, fteflt 5Iouren5 bie gans falfd^e
SeE^auptung auf, Gall croyait que rintelligence r(§sidait
IndifFdrement dans tout l'encdphale. <£r, 5Iourens, iiah^
erft beroiefen, ba% bas (ßeB|irn (rencdphale) aus ^ (Dt*
ganen befteB^e, nämlid^ aus bem Keinen (ßeEjirn, in bem
bas princip ber (Eoorbination fifee, aus ben Dierf^ügeln,
in benen bas princip bes Seitens pfee, aus bem ver-
längerten ZlTarfe, in bem bas princip ber ^tB^em»
bemegungen fifee, unb aus ben ^emifpljären (le cerveau
proprement dit), bem ausfd^tieglidien Sifee ber 3^teIIigen3.
D reift beB^auptet, ip B)alb geuponnen!
(ßegen bcn 2. Sa^ ffxfyct 5Iourens feine irrefüf^ren-
bcn (Experimente ins 5^Ib mit benfelben IDorten, bie idj
f rül^er citirt f^abe (p. 25^ ff). Die 5äB)igf eit, bie oerfdjiebenen
Senfationen rDaIjr3unef^men, 3U füB|Ien, 3U urtB^eilen, 3U
rooHen, fifet al\o an einem unb bemfelben 0rte: rintelli-
gence est donc une. ^Hes, was (Sau gefd^rieben I^at,
gilt für 5tourens nidjt, bcnn über 2HIem jleBit Tunitd du
moi. (ßaU fpredje immer von Seobad^tungen (et lui-
meme ^tait, dans son genre, un observateur plein de
XClohius, Znotl^emätifei:. \8
27^ 2Inljang: Ucbcr ^ran3 Z^i^Vk <5öÜ-
finesse), aber öic Qauptfad)e Ijabe er nidjt beobadjtct^
bie €inticit bes 3di. fjicr prallt 6ie Sd^olafüf mit ^cr
Haturipijfcnfd^aft sufammcn. 3a, wir [xxib (Eins, roir
füf^lcn unb wijfcn uns als ein einiges ^di, Das er*
fennt nalurlidj audj (ßall an, aber er sielet daraus feine
poreiligen Sdjiüjfe, er rebet meber oon einer einfad^en
Seele, wie es bie alten unb 6ie neuen SdioIajKfer tl>un,
nodj Ijinbert itjn bie innere Seobadjtung an ber oor»
urtBieilsfreien äugeren Seobad^tung» Diefe aber lel^rt
unroeigerlid?, bafe wir trofe 6er €inE>cit 6es 3d| im
forperlid^en unb im geijHgen Sinne jufammengefetjt ftnb.
Wit fehlen Ijier oor 6em tDunber fdjIed^lFjin, 6a§ bas
Untf^eilbare, 6as 3"^i^i^wum tljatfädilid^ aus Cf^eilen
bejteBit, ba§ €inB)eit un6 ^Tlannigfaltigfeit 5ufammen be»
ftcljen ; ja bie tief ergebende Setrad^tung leFjrt, ba§ jebes
3nbiDibuum nid^t nur aus CE|eiIen, fonbern wieber aus
3nbipibuen beftcEjt. Da l^itft fein Dernünfteln, wir
beugen uns vov ber Ctjatfadje unb befennen, ba% es fo
ip, ob wir es begreifen ober nidjt. Die Sdjolafiif aber,
unb mit iE^r 5Iourens, tl]ut ben Cf^atfadien (5ewalt an,
mad^t ben aflgemeinen Begriffen 3U Ciebe vov ber IDirf •
Iid|feit bie klugen 3U, leugnet bie Cofalifation unb enbigt,
weil fie bas gro§e unb auf bas IDunberlid^fte sufammen«
gefefete (ßeB)irn nid)t leugnen fann, mit bem einfad]en
Seelenpfee im (5eE^irne, wie nadj Descartes, ^erbart,
Cofee u. 21. es gelB|an liaben.
Das grögte Derbredjen (SaWs ift nadj 5Iourens,
^a% er bcn libre arbitre perneint. La libertd morale,
dit-il [Gall], n'est autre chose que la facult($ d'etre ddter-
IV. Kritif. 275
mind et de se d(§terminer par des motifs. Point du tout :
la liberte est prdcisdment le pouvoir de se ddterminer
contre tout motif. (Dhine liberum Arbitrium indifferentiae,
meint' ber große pljilofopf^ S^onvens, giebt es feine
IXloval, folglid^ giebt es andi für <5aII feine ZHoral — •
alfol Daß (ßaH bk <£inB|eit ber Pernunft unb bes
IDillens ntd|t anerfenne, bas fei ein pfyctiologifctjer 3rr»
tB|um, aber ba^ er bcn freien XPillen nidjt anerfenne,
t>a5 fei ein moralifd^er Jj^rll^um, fo fagt ber oHe 3efu-
lüiter. Dabei füBjrt er ben libertin Diberot als geugen
für bie Sdjänbtid^feit ber Ceugner ber libertd an.
Toute la philosophie de Gall consiste ä substituer la
multiplicit(§ ä Tunitd A un cerveau,. g6n(§ral et un^),
il substitue plusieurs petits cerveaux. ^m (5runbe aber
mad:^e (5all nur IDorte, er feB^re alles um, mad^e bas
Unterfte sum 0berften unb bel^aupte bann, er f:iabe ein
neues £jaus gebaut. tEE|eoretifd| fei bie Sad^e n?ertE|[os,
praftifd^ füE^re fie 3ur Unfittlid^feit, ber ZHann fei fomit
gerid^tet.
<£s bleibe nur nod^ übrig 3u seigen, baß es aud^
mit (SaWs 2Inatomie nidjts ift. 2Iuf bas, was (5aII feine
2tnatomie nennt, roill 5Iourens nid|t eingef^en, benn barin
fte{|e nid|ts von ben 0rganen. Die ^auptfadie fei bie,
ba% (Sau bie 0rgane im (5efjirne nid)t liabc abgrensen
fönnen, unb bamit fei beriefen, ba^ er bie 0rgane nur
erfunben E^abe, um einen pla^ für bie facultes 3u iiaben ;
Blatte <5aII bes ^lourens (Experimente üorausfefien
^) Von mir gefperrt. 111.
276 ^Inl^ang: Ueber ^ran3 3ofcpl^ (Sali:
fönncn (fagt 5Iourcn5 felbft), fo mürbe er nid^t getpagt
liaben, bie gicidimägtge 2naffc bcr £}cmifpF^ärcn in an«
gcblid^c 0rgane ju 3«rtt|eilcn. IDcgen bcr Kranioffopic
liabe (Sau alle 0rgane an bie 0bcrfIäd|e bes (ßeljirns
perlegt, in IDirflid^feit aber fei bie (ßel]irnrinbe siemlidi
bedeutungslos, ^enn man fönne einem tEl|icre beliebige
CE^eile feiner <5el^irnrinbe n>egneB)men, ol|ne ba§ es nur
eine einsige feiner 5ät|igfeilen einbüße. ^ud| bie oer-
gteid^enbe 2lnalomie fpred^e gegen (Sau, benn, ipäf^renb
biefer bie Ciebe 3U ^en ^nngcn in bie l^inleren £apf>cn
ücriege, I]aben 6ie meiften Säwgelf^iere unb alle Dögel
überf|aupt feine binleren tappen I! <5all oerlege bie
nur bem ZlTeufd^en jufommenben 5ä^igfciten in bas
5tirnl|irn, in tüirflid^Feit aber feien bei ben meiften
Cl^ieren bie oorberen tappen entroicfelt, bie f^interen
nid^t. So fagt mit Ceuret ber groge 2Inatom ^lourens.
5erner, bie Kranio{!opie tauge gar nidjts, ^enn bie
äußere S^ädie t>QS Sd^äbels entfpred^e nur unpoHfommen
ber ®berfläd]e bes <5el|irn5; für bie 5aferbünbel aber
(pour les faisceaux de fibres) repräfentire fogar bie innere
Sdiäbelflädje it^re 5orm nid>t, benn baswifd^en liege eine
5d)id)t grauer ZHaffe!
2nit einer Derbäd^tigung ßaWs fdjliegt bie Streit-
fdirift. Descartes liahc ftd? tagelang in einen IDinfel
3urücfge5ogen (s'enfermait dans un poele), um 3U mebi«
tiren, ber Ieid?tfinnige (Sau aber ^ahc fein Sebürfnife
ber Sammlung getrabt, benn er B^abe auf bas Sd)(aue{le
bie Ceute in ber (ßefellfd^aft beobad^tet unb Ijabe itjnen
it^re gelieimen Steigungen abgelocf t. IDeldjer (ßegenfafe :
IV. Krittf. 277
Descartcs, blinb für bie WcU, lief in fein 3""^^^^ ^^^'
fcnft, <5aII, 3ufriebcn bamit, Sdidbcl 511 f<?I]cn unb 3U
bctaftcn.
Dilles in Willem m\x% man bcs 5touren5 2lbl)anblung
als *cin geringes IXladitocrt beseid^nen unb bod) ftel)t
5Iouren5 l)od] über ben fpäteren Derfleinern (SaWs,
benn er fprid^t tpenigftens im (Sansen anftänbig oon
(5aII iinb er B^at itjn toirflid^ gelefen, ir>äl|renb biefe
<5all oert|ö!:^nen, ot^ne tB|n gelefen 311 l^aben. ^bgefeEjen
von ^en l^äBltdien ^lusfäHen in ber 5lreilfd]rift fagt
^lourens oiel <5nUs von (5all. (£r rül^mt il^n als ^cn
Heformator ber (Sel^irnanatomie unb meint, man fönne
fein Perbienft erft bann roürbigen, toenn man mit ber
tiefen Untüiffenl^eit befannt fei, bie bei (Sall's 2Iuftreten
I]errfd|te. Je n'oublierai jamais rimpression que j'dprouvai
la premi^re fois que je vis Gall dissdquer un cerveau; il
me semblait que je n'avais pas encore vu cet organe.
(5all I]abe fid^ um bie pl^vfiologie bes (Sel^irns bie
größten Perbienfte ercoorben, er i]abc 3uerft mit 3e-
flimmti^eit geleiert, bQ% alle Ceibenfdiaften unb (Seifte«»
franfl^eiten il^ren 51^ im (ßel^irn E^aben, ba% biefes nid^t
nur 5ife ber 3ntelligen3, fonbern aller geiftigen tEt|ätig*
feiten fei, er }:iabc 3uerft flar bie 53e3iel]ungen 3rDifd|en
ber €nttt)i(felung ber feelifd]en ^unftionen unb ber bes
(SeBjirns bargelegt. (5all ift lobservateur profond qui
nous a ouvert, avec g^nie, Ttftude de l'anatomie et de la
Physiologie du cerveau.
3n ^eulfd^lanb I^atlc (Sali anfangs meEjr 5r^unbe
als (Segner. IDäl7renb 2ldermann in ^eibelberg unb
278 21nl^ang: Heber ^ran3 3of^P^ <SaII.
Walter in Scrlin it^n Ijcftig angriffen, waren 6ic bcjicn
Ccutc, fo Heil, 5roriep, fjufclanb u. 21., iEjm npotilgcnctgt
Heil crflärte, bag er „in (ßafl's anatomifd^en Demon«
(irationcn bes (ßeE^irns mel^r gefeiten I^abc, als er gc*
glaubt Blatte, 6ag ein 2Tlenfd? in feinem gansen Ceben
enlbccfen fönnle". ^ufelanb, ber an eine „DarfieHung
6er (SaW^diQxx (ßeE|irn- unb 5d|äbeI«£eEjre" oon prof.
(E. £i, <£. 3ifd)off in Sertin „Semerfungen" anfdjiog,
fdirieb: „ZlTit großem Vergnügen unb 3"tereffe I^abc idj
6en roürbigen ZHann felbft feine neue CeB^re portragen
I^ören, unb bin oöllig überseugt roorben, ba§ er 3U ben
tnerfn>ürbigften firfdjeinungen bes \S, 3aI^rB|unberl5, ixnt>
feine Cel^re 3U ben tpiditigften unb fül^nften 5ortfdirilten
im Heidje ber Ztaturforfcbung gefrört 2TIan mufe iB^n
felbji feE^en unb I]ören, um ben unbefangenen; oon jcber
(Etiarlatanerie, UniraE^rE^eit ober transcenbenteHen Sdiwäv'
merei upeit entfernten ZlTann fennen 3u lernen. IHit
einem feltenen <5rabe üon Seobad^tungsgeift, Sdjarfftnn
unb 3nbuftion5taIent begabt, in ber Ztatur aufgetrad^fen,
unb burdj fteten Umgang mit iB)r 3U iB^rem Vertrauten
gebilbet, faßte er eine 21Tenge ZlTerfmale unb firfdjei«
nungen im gan3en (Sebiete ber organifdjen IDefcn auf,
roeldie bisB^er entmebcr gar nid]t ober nur oberfIäd|lid|
bemerft njorben n>aren, ftellle fie mit finnreid]em <5eipe
3ufammen, fanb iE^re analogifdjen Perl^ältniffe, it^re Be»
beutungen, 30g Sd^lüffe baraus unb fefete tDaf^rEjeitcn
feft, bie eben baburd^ htödi^t fd^äfebar merbcn, t>a% fie
rein empirifd), blos ber ZTatur nad^gefprodien fmb".
fjufelanb bringt bann eine HeiE^e pon Sebenfen oor
IV. KrtHF. 279
unb fdjlicfet, 6a§ bte ©rganologie im (Sansen ipaEjr, We
<Drganoffopie aber nod^ fcEjr unsuperläfftg fei. Später
fprad^ andi 5r. 2(rnoIb ipoljtipollcnb über (SaWs £eB|re,
freiüd) öt|ne (ßall gelefen 3U l|aben.
2IIImäE^Iid? fd^etnt fid? ber IDinb gebret^t 3U hiahcn.
lieber 5tourens unb feinen fjerrltd^feiten üerga§ man
<5aII. Uebert^aupt brängte bie neuere fintoicfelung ber
pE)V(ioIogie unter bem €influffe ber 5ran3ofen bie (Se-
banfen auf lOege, bie von benen (ßafl's n?eit ab lagen.
(£rft um bas ^ahix ^8^0 tourbe bie ^ufmerffamfeit ^a»
burd^ roieber rege, ^a% <£nglänber, bie in iEjrer fjeimat
burd) SpursE^eim (SaWs CeEjre als „pljrenologie" fennen
gelernt Blatten, nadj Deulfd)Ianb famen unb propaganba
madjten. Sie fanben ^nB|änger unb £. (S. (Earus trat
auf, f^alb 3uftimmenb, I^alb perneinenb. Die Sadje ge»
ftaltete fid? baburd^ red|t ungünftig, ba% bie meinen
pi^renologen £aien roaren unb nid)t immer gefdjicft
oerfuFjren. So unflar unb fd^Ied)t begrünbet bes darus
Kranioffopie aud^ mar, fanb fie bod? bei ben (Seleljrten
pietfad^ 2tnflang unb ber (Saflimatbias pon bcn 3 Sd^äbel«
u?irbeln unb ber Dreiltieitung ber Seele galt für „n?iffen«
fdjaftad?^
Vk <5egner ber pl^renologie, 3U benen bie meijlen
ZHebiciner geE^örten, erl|oben iB|re Stimmen aud?. 5rei«
Ixdl fragten fte nie, ob bie oon (Sau befd^riebenen Cl^at«
fad^en rid|lig feien, fonbern immer, ob bie £eE?re mit
il)ren porgefagten 21Teinungen übereinftimme, unb bei
2(flen faft ift es erftd^tlid^, ^a^ fie (Sau nie gelefen
iiahm. TXlan fd^ämt pd), toenn man biefe IDiberlegungen
280 ^nl^ang: Ucbcr ^ran3 Zo^^Vk <S^Ü-
6cr pt|rcnoIogie licjl. €in Cübinger Doccnt bcr pBiYp^'
logie 3. S., Dr. <ß. £J. Zncycr^) toMctc (ßaH oB^nc iEjn
gclcfen 3U I^abcn unb beipics feine IDcisf^cit baburdj,
ba§ er beB^auplete, bie ftarfe €nt«?icfelutig bes Dorber«
lopfes beim ZTTenfdien f^änge nur bavon ab, bag beim
2nenfd?en ber fogenannle ^irnbalfen größer fei als bei
ben 5äugetB)ieren. 3n roiffenfdiaftlidien Kreifen fdjeint
bie Sefämpfung ber (ßaH'fdien £e£|re burd^ ^(nbreas
Hefeius (Einbrudf gemad^t 3U liahen. Hub. IDagner er*
flärte, er fd^liege ftd? bem UrtE^eile von Hefeius gan3 an.
IDenn man jefet ben 2(uffafe bes fdiupebifd^en (ßeleF^rten
lieft, fommt einem biefe 2lnerfennung eliras u>unberlid?
oor. Hefeius^) meift nalürlid] auf bie glorreidie Kritif
bes ^lourens Ejin. <£r mad]t bann ben unglücf(id)en
Derfud), (Sall's 2Inatomie an3ugreifen. „^uf biefer
fdiu)adien analomifd^en (5runblage oerfud^te (Sau bas,
was er bie pl^Yp^^^öi^ ^^^ (ßet^irns nannte, 3U erbauen.
Sein x)or3ÜgIidifter Semeggrunb B^ier3u
mar^), bie <£inE|eit ber Seele 3U be3u?eifeln unb bann
3u leugnen. Um ba3u 3U gelangen, foflte bie Seele aus
feinen 27 Seelenfä£|ig!eiten 3ufammengefefet fein." ZHerf-
roürbig, ^a^ bie 2tnatomen fo beforgt um bie <£inB^eit
ber Seele ftnb! <5aII iiaha gan3 ungenügenbe Kennt»
niffe von ^en <5yxi geE^abt, ^rft ^ooille B^abe ^as Hedjte
^) Die pl^rcnologie 00m miffenfd^aftltd^cn Stanbpunfte aus
heleud^tet, Tübingen ^8^^.
^) 3eurtt|etlung ber pi|rcnologtc 00m Stanbpunttc ber
2lnatomte aus. 2lrd?io f. 2lnat. u. ptiyfiologte (l^erausgeg. pon
30I7. inüUer). 3al|rgan9 ](8^8. p. "33.
^) Don mir gefperrt. IH.
IV. Kritit. 28 H
gefunden. „So 3Ctgt uns gcrabc ^a5 5lu^ium ^cr
Wm^nnqen, ^ag (ßaH nur ^^n ficinftcn [!] Cl^ctl Mcfcr
roid^tigen Organe bcrüdfid)ttgt/ H. Bcl^auplct, bag ,,bcr
größte (El^cit bcr ®BcrfIäd]C ber £}emifpl^ärcn in feiner
Berül^rung mit ben Hegionen bes Sd^äöets ftel)t, auf
meldte bie pI^renoIogifd]en ©rgane placirt u)orben finb".
Bei biefer eigentl:|ümlid]en 2luffaffung nimmt es nid]t
ü?eiter IDunber, ba§ 2\. ernftliaft fjeroorl^ebt, es fei ^odi
andi ber 5orni^ aus £Jirnn?inbungen gebilbet. Sobann
u?enbet fid] H. gegen (Sall's ^uffaffung ber einseinen
(Elieile ber (ßeliirnrinbe. Die £el^re oom Kleinl^irn fei
oerfel^It, benn ber ^mpl^io^us Ijabe fein Kleinl^irn u. f. «>.
(Bali fud]e irrigern^eife ben 5ife ber Gebe 3u ben 3uii9^n
im I^interen £appen, aber „bic I]interen tappen merben
mit wenigen ^lusnal^men bei ben Säugetf^ieren ©ermißt".
(5all liaiie flar unb überseugenb bargetljan, auf roeldic
IDeife bie 2lnatomen auf biefen ungeljeuerlidjen 3^rtl^w»"
gerall^en fnib, er fjalte geseigt, meld^es Derl^ättnig ^inler«
läppen unb Klein l^irn bei ^en üerfd]iebenen Cl^icrarten
l]ahcn. Das I^alte aber nidjts gef^olfen, benn 50 3al]re
fpäter beleljrte Hefeius mit £euret unb 5Iouren5 ^en
(Bali, ^a% bie 5äugell]iere feinen ^inlerlappen F^aben.
€in weiterer Vorwurf, ^en H. gegen bie pl^renologen
rid]tet, ift ber, fie I^ätlen bie €nta>icfelung ber Hirnlappen
nid]t berüdfid]ligt. Swerji enttoicfle ftdj nämüd] beim
fimbryo ber oorbere tappen, bann ber mittlere sulefet
ber I^intere, „fo ^a^ bie I]interen tappen ^en Sd^Iu^ftein
in ber Silbung bes (ßeliirns ausmad]en unb eigenllid]
^em ZHenfd^en angel^ören". <£s fei ansunel^men, ba^
282 ^Inbotig: Heber ^ran3 3ofepb (Sali.
„^ic vorderen tappen am nicbrigficn, öic mittleren
böljcr vkxib Mc I^intcrcn am I>5ctjftcn in öcr funftioncflcn
Hangorbnung unb Bedeutung flcl^cn". Das ip öic
lDiffcnfd]aft, ^ic über (ßafl gcrid]tct bat firmer (ßaü!
lDeitcrl)in folgen bei Hefeius lange ^lusfüfjrungcn über
^ie Haffenfdjdbcl unb über fünfllid? oerunPaltete Sdiäbel,
öic gar nidjts befagen. gu crtpäl^ncn ifl oiellcidit nodtt,
öa§ Hefeius annimmt, „ba§ es grogc (5eifter mit ungc«
n?öi|nlid] fleinem Kopfe unb fomit aud^ fleinem (Scljirne
gegeben l^af! ^m Sd^Iuffe fagt i^efeius: ;,lTad]öem id^
foldjergeftalt fo üielc €inn>ürfe unb 3eben!Iid|fciten
gegen bie pl^renologic bargetegt l\ahe, möd]te man toobj
glauben fönnen, t»a§ idj fie aud? nad] allen il^ren Ci^cilcn
für ungereimt Italien bürfte. Dies ift aber bei IDeitem
nid?t meine tlTeinung. IDas id^ gegen (Sau unb feine
Had^folgcr in ber pijrenologie, fotoie gegen iljre Cel^re
liahc, ift bic Cenbens, fte 3U einer IPiffenfd^aft mad?en
3u ipollen, ba§ bie pi]renoIogen il^re Cel^rc auf ptylo*
fopljifd^em (5runbe errid?ten u?o(Ien, mäl^renb jte, bie <£in*
beit ber Vernunft leugnend, bamit anfangen, bie pijilo»
fopl^ie über ben fjaufen 3U u)erfen, nnb ba§ fte auf
eine 2lnalomie bes (Setyvns bauen u?oUen, bie nid^t
ejriftirt/' „€s ift inbeffen fjöd^ft n?aF?rfd?einIid), t>a% bie
äußere 5orm bes Kopfes in mel^rfad^er fjinftd^t g^ugnife
oon ben Seeleneigenfd^aften ablegen fönne." Vor aücn
Dingen liahen bie piirenologen bisl^er bie Sd^äbel nodj
nid^t genau genug gcmeffen! Darin liegt bie gufunft.
Don Hefeius rül^rt befannllid] bie (£intl|eilung ber 5d?äbel
in brad]YCcpI]aIe unb bolid^ocepl^alc einerfeits, in ortl^og*
IV. Kritif. 283
naiiie nn^ prognatt^e anbcrerfcits l^cr, unb unter bicfein
o^cn Sdjcmaltsmus Uibcn n>ir nodi fjculc.
2tudj Hefeius fjaltc tt>al|rfd]cinlidj t>en (Bali gar nid]t
gcicfcn. 5id|cr fjat es ^y^tl ^) nid^t gcll^an, öeffen 2luf «
fafe gegen Me pljrenologie fel^r 3U beflagen ift. Die
meiften von uns fdjäfeen fjyrtl als il^ren Cel^rer in ber
^(natomie \xnt> n>if|en feinen Celirbüd^ern Dan!, Bei ^er
;,Kritif öer Sdjäbeltelire" aber fdjeint iljn fein guter
(5eift gans üerlaffen 3U l^aben. Keimte man ^en Per«
faffer nid]t, fo roürbe man ^as 5d]riflftürf für bas IPerf
eines 3ournaIij!en fjatten, öem es nid]t um ^ie Sad^e,
fonbern um ben €ffeft auf bas publifum ju tl^un ift
unb ber besl^alb aud] unmürbige Spaße nidjt üerfdjmälit.
(ßall n>ar mebr als ein guter Cel^rer, er tt>ar ein Sal^n-
bred?er unb Eiyvtl follte nur mit bem Biixie in ber ^an^
von ilim reben. Statt beffen beginnt er mit ber 3e»
l^auptung, (ßall's Sd^äbelleljre fei nid]t fo fel^r 3i^rtl]um
in ber 3bee, als (£l|arlataneric in ber 2(usfül]rung ge«
u)cfen, Die „IDiffenfd^aft" bähe bie Perl^anblung über
biefen (ßegenftanb gans von [xdi gen^iefen, „^a es 3^^i^'
tljümer giebt, benen man nid^t einmal bie fil^re einer
anftänbigen XDiberlegung gönnen mag" [pfui!]. Das
^gea)id]tigPe Bebenfen" gegen bie (5all'fd?e £el^re fei,
„^a^ bie Criebe, Neigungen, Anlagen ftd] nur an ^en
ber manuellen €^pIoration sugänglid^en Hegionen bes
5d]äbels ausprägen follen, t>a bod^ andi an ber unteren
5Iädje bes (ßeliirns Ct|eile bes (ßel^irnorganismus, unb
') 3<^f- ^V^tl, Sebrbudj J)cr tof>oö[rapb. 2lnatomtc. 3. Ihxfi.
Wkn (857. I. p. U3.
28^ ^Inl^ang: lieber ^van^ 3ofepl^ (Sali.
$tt)ar gerabc bie IcbenstDidjligPen, liegen", Das I^eißt
nun fretltdj, ben Sinn einer Cel^re fnollig migoerftefjen.
Don ben Ieben5n>id?tigpen (Organen ift eben feine Hebe,
fonbern von t>encn ber (Eriebe. Diefc oerlegt (Sau in
bic (SeE^irnrinbc, unb stoar in bie gansc Hinbe, nid}t
nur in bic ber 5d]äbeltt)ölbung anliegenben (El^eile. 3ei
ber Kranioffopie aber fann er nalürlid) nur von ber
(5el]irnrinbe fpred^en, fomeit jte bie 5orm bes Sdiäbel-
geiüölbes beftimnit. lüeiterljin folgen ^nefboten über
bie Cntberfung ber einseinen Organe, bie (Sau lädier*
lidi mad]en follen, pfvdiologifd^e ^ebenfen, bie fxdi bei
bem 2inatomen Viyttl eltoas fomifd) ausneljmen, im (ße*
fpräd]e gefallene gans tl]örid)te ^teugerungen Hapoleon's
gegen (SaU, ^erid^te über angeblid^e grobe 3^J^tI^ü^ii^'^
(SaWs, fur3 eine Poleniif, bie eines ernften 2Tüanne5 nidit
tDÜrbig ift. (Sali I^atte gefagt, ^as unb bas l^ahc idi
hcohadiUt Biyrti unb anbere (ßegner unferfud^en tias
(EI]atfäd/lid]e gar nid^t, fonbern antoorlen, bas fann
nid^t fein, benn es u?iberfprid?t unferer Denfungsart
üoüftänbig. Die Bel^auptung, „t>a^ t>en (£rE|abenl|eiten
bes Sdiäbels feine (£rl^abenl^eiten bes (ßel^irns enl*
fpred^en", ift bod] feine „einfädle anatomifdje IPaE|r«
nel^mung", voxe ^yvÜ meint, fonbern eine petitio principii
unb babei grunbfalfd^. IPäre ^yrll nidit pom ^a§ oer*
blenbet getoefen, fo Ijätte er einen fo tl>örid)ten Sai^
überl^aupt nid]t ausgefprod^en. Hatürlid? beruft [xdi
fjyrll auf Hefeius, a>ie ftd? biefer auf 5Iourens berufen
I]atle: es l^ängt (5ea>id)t fid] an (Setvxdit Bei allebem
liat i^yj^tl fo üiel geraben Sinn, bag.er fagt: „(£s lä§t
IV. Kritif. 285
fidj 3n>ar a priori gegen bie 3öec bes (ßall'fd^en Syftems
nidits einipcnbcn; eine geroiffe Cofalifirung ber (5eifle5-
tF^ätigfeiten auf einselne (ßel^irnorgane l}at gerabe nid^ts
^Ibfurbes".
34 müßte fürd^ten, 3U ipeillänfig 3U toerben, iDolIle
id? afle oon I^erporragenben ZHebicinern gegen (ßafl
geriditelen 2teußerungen roiebergeben. Viixv einiges <£x'
ftaunlidje fei angefül^rt. Zladt 21. Xt). Dolfmann, ber
bie tclixc (ßall's „mit t>m Waffen ber JEJegerfd^en Cogif"
angreift unb beffen pfYd]oIogifd]e 2Iu£einanberfefeungen
fefjr \diwadi jinb, ij! ein parafletifmus stoifdien ber
(5röge bes (ßet^irns unb ber einer feelifd^en Ct^ätigfeit
gar nidjt benfbar. IDenn (Einer fage, bie (5rö§e ber
fjirntlieile fei ceteris paribus ber IHaafeftab für bie
€nergie ber Seelentliäligfeilen, fo fönne man eben fo
gut fagen, bie Dicfleibigfeit eines Bud^es fei ceteris
paribus ber ZHaaßftab für beffen IPertl^. 30I:). ZHüIIer
meint, bie £ofaIifation nadj (Sali fei eine pliyp^^^^^öH^^
Unmöglid^feit. „fis giebt burd]aus feine Cl^atfad^e,
n>eld]e nur entfernter IDeife bie Hid^tigfeit einer fold:en
2lnfid]t im ^allgemeinen unb bie Durd^fül^rung im (£in-
seinen 3U erweifen im Staube ift (£s lägt [\dt feine
prooins bes (ßel^irns nad^meifen, morin bas (5ebäd]tnig,
bie fiinbilbungsfraft u. f. w. il^ren Sife iiäiUn^' [als ob
(Ball fo €tu>as bel^auptet Ijätte!]. „Bebenft man auf
ber an^ten Seite bie 3. tEl^. gans unpfvdjologifd^en,
oon (Sau 3ufammengebradjten Uroermögen, fo fann man
biefe burd^aus Xlidite beweifenben IDillfürlidifeiten ol^ne
IDeiteres oon bem 5orum ujiffenfdjaftlidier Unterfudjungen
286 ^(nbang: Heber ;Jran3 3ofepIj (Sali.
ausfdilicgcn.'' ZlTcrf CDÜr^ig , ba§, fobalb es jtd] um
(5an Ijanbclt, ^fle compctente Hid^tcr über bie pfydjo*
logie jlnö.
€5 fdieint, ba§ man ettoa pom 3öB|re \860 an
(ßatt für erlebigt gcl^alten B^abe. IDentcjPcns Ijabe idj
feine ausfüiirlidie XDibcrIegung [einer £eB^re in öer
jüngeren £iteratur gefunden, mag fein, ba§ mir ZHandjes
entgangen ijl 3^^oct? mu§ idj B^ier nodj K. Hieger ^)
eriPöEinen. ^wav giebt jtd] Hieger ju einer IDiöer*
legung t)er (ßaH'fd^en £eljre nid^t fjer, jte ijl für iE|n
tobt, aber er fprid]t bodj red]t Diel über (ßaü unb t)ie
piirenologie. H. ftellt infofern eine rulimüolle 2(u£«
naB>me bar, als er n>irflidj in (Sau gelefen liat Um fo
bebauerlid^er ijl es, ba§ audj fein Urtljeil fd?ief unb un«
geredet ift. Die Dcrirrungen ber fogen. pFjrenoIogie
fönnen nadi H. I^eute oon jebem Kinbe eingefeljen
werben. (SaWs Pfvd^ologie bejleBjt aus Unmöglidjfeiten,
er liai in ber ^auptfad?e IDorte fubjtantiirt unb materia»
lifirt. „5teilid^ für bie Vertreter xvab^xcv lüiffenfdjaft
a>aren (SaWs 3^rtE)ümer 3U plump, als ba% jte il^r
anbers als mit l?erad]tung unb ZTIitleib liätien begegnen
fönnen . . . 2lber biefe 2Tüänner finb eben immer feiten
unb barum rid^len foId)c Derirrungen, mögen jte nod]
fo grob fein, in nal)eftel^enben IDiffensgebieten immer
3d:aben an," plump unb grob? Unerträglid? ijl bas
Stolsiren mit ber „roal^ren XX)iffenfd]aft", benn 3«^^"^
ijl bie roal^re IDiffenfd^aft bie, bie er anerfennt. IDie
^) Ikber bie Besicbungcn ber Scbäbellcl^re 3ur pbyjtoloaie,
pfycbiatrie unb ^tbnologie. IDürsburg (882.
IV. Krittt. 287
falfd] ^ie Bcl^auptung H/s in t^iflorifd^cr ^tnjtdit ift,
^a5 gct|t aus ^cr bisfjcrtgcn DarpcIIung 3ur (ßcnüge
I]croor. Bcfonbcrs ungcrcd^t ijl ber Dortourf bcs Ccid^t-
jinns gegen (5all. (ßetoig wat (ßaH mit 5oIgcrungcn
xa\dicx, als mir es uns f:icntc gcflatten, aber fo u>aren
3U feiner ^cii alle (5elel|rtcn. tlTan foU einen ZHann
in feiner ^cxt oerftel^en, mit feinen geitgenoffen oer*
glidjen n>ar (ßall äugerjl getoiffenl^aft unb i>orfid?tig.
Die 2Tleiften begnügen fid] mit fursen rDegtt>erfenben
^eu^erungen, 5d]on Carus Blatte gefagt „ßaü in feiner
unlogifd^en ^trt", obiüol^l bod^, toer in einem (ßlasljaufe
jifet, nid^t mit Steinen n>erfen foll. Später w\vt> es
üblidj, (ßall als fiinen 3U bel^anbetn, ben man nid)t
ernjt nimmt. Ztur nebenljer ern?äl?nt man bie unlogifdjen,
oberfIäd|lid|en, unujiffenfd^aftlid^en, pl|antaftifd?en, frioolen
Sel^auptungen (ßall's, man beljanbelt il^n nid^t, toie es
fid^ geliört, als einen ausgeseid^neten Tinatomen, fonbern
als einen ^ansujurj!, ber von 2lnatomie gar nid^ts oer*
ftel^t. „2ln oielen Stellen, fagt W. Wun^t, oerbiefen
uns Derbicfungen unb ^öl^lungen bes Knodiens, irgenb
ettt>a5 von ber 5orm ber unterliegenben (ßel^irnrinbe su
fd^liegen. Zladi ^en (Srunbfäfeen (SaWs, bie fxdi auf
bie bem ZHenfd^en nädjftftel^enben Cl^iere anu^enben laffen,
n>ürbe fid) ber (ßorilla burdj eine enorme (£nto>icfelung
ber (ßottesfurd^t ausseidjnen." ^) Kann man ungered]ter
unb böswilliger Don einem großen ZHanne reben?
^) „(Scbirn unb fcelc". Peutfd?c Hunbfcf^au XXV. p. ^7 bis
72. ^880.
3n biefcm 2luffat3C crojäl^nt ber Dcrf., ha% 2luguft Comte
288 2lnl^ang: Heber ^van^ 3ofept^ (Sau.
ZtcucrMncjs f:iat 2(. 53acr^) wodt einmal eine gan^^
Vflenge bcr fd]icfcn Urll^cilc über (Salt sufammcngcbrad^t
€r beginnt gfeid] mit einer falfd^en Eingabe, (Sau habe
feine CeB^re als ptjrenologie beseid^nct. Das ijl aber
(5aII gar nid^t eingefallen, öer Harne fommt bei (ßall
gar nid^t Dor, er rüljrt von einem 5d)üler 5pur5l>eim's
I^er. Die Sdiäbeljlubien I^aben 3aer 5u ber (£infidit ge«
hxadit, „bafe bie Silbung bes Sd^äbels in feiner IDeife
von ^er bes (ßeljirns abl^ängt". Sein €ifer fül^rt iBjn
fo ipeit, ^a§ er (\893!) auf p. \^ fagt, 5lourens „^at
geseigt", öa§ bie Subftans öes (SeE^irns in funflioneller
3e3iel)ung gans in^ifferent fei, unö auf p. H5 sugiebt,
öa§ bie ilourens'fdie Cel^re jtd] „in feiner XDeife be«
ftäligt gefunöen hiaV*. Das Sud) Baer's, bas biefe un»
fritifdie ^ufammenftellung enlljält, ift eigentUdj gegen
£ombrofo gerid|tet unb beginnt besljalb mit öer Be«
fämpfung öer pi^renologie, mcil öer Perf. ^ie rid^lige
(2rfenntnig hiat, t>a% (ßall ber eigentlidie Begründer ber
(£riminal'2lnll)ropologie '\% Bei £ombrofo aber, ber
allen (ßrunb iiättc , (Sau als feinen Dater 3U eljren.
in ber pi^rcnologie bic pfyd^ologie ber gufunft feljc unb (Sali
neben Kant fteUe. 3d? fenne bic Sd^riften <£omte's nid^t, mn§
aber fagen, ba% bie 2lngabe XV 's bas erftc 2ln3iel)enbc ift, n?as
idf über ben franjöfifd^en pijilofopljen gel^ort t^abe.
ID.'s eigene 2lnfid?t fann man baraus erfennen, ba% nadf
il^m beim 2lusfpred?en bes Sa^es „lOeig ift nic^t 5c^ipar3" bie
Dorftellungen bes IDeigen unb bes 5d?ipar3en einen bcgleitenben
pl^yjtologifdpen Vorgang }:iahen, „bie pergleid^cnbe Dcnftl^ätigfeit''
aber nid?t. IDol^I betomm'sl
*) Per Perbredper in antl^rppologifc^er Bestellung. £eip3ig
^893. (S. (Et^iemc. p. 7\\.
IV. Kritit. 289
n>irb Mefcr, abgcfcB^cn von ein paar Seif picUn, nid^t ertDäfjnt.
Die Craniometric tt^at es Combrofo an unö feine Sdjäbel«
meffungen jtnb bas größte ^inöernig für öie 2(nerfennung
bes guten Kernes feiner €efjre getoorben. Die Craniometer
jtnb par esprit de corps (Begner (ßafl's, (Eine ^usnal^me
madit nur ZH. Senebift. €r fagt^): „Tils (Sau eine ber
epod^emadienbjlen (Entberfungen ber Culturgefdjid^te
ntadjte, ba§ Me (Bef^irntjemifpl^ären (Eräger bes pfydii«
fdien £ebens feien unb bag ^er quantitative Sprung oon
öer tEi^iermelt 5um Culturmenfdien in bem Sprunge ber
relativ grojgen quantitativen (£ntn>irfelung ber ^irnl^emi-
fpt|äre gegenüber ber an^eren (ßei^irnmaffe liege, ba%
ferner bie €ntn>icfelung ^er Sd^äbelmölbung mit öiefer
relativen fintmirfelung öer ^emifpB^ären Sdjritt I^alte
unö als (Bali ben (ßrunöfafe auffteüte, ba§ einerfeits
jeber topifd^en €ntn>idelung eines jeben ^bfd^nittes ^er
5d]äbelfnod)en eine conforme topifd^e fintmidelung eines
Sugel^örigen (Sel^irntl^eils entfpredje unö baj5 jeber (El^eil
^es (ßeljirns eine lofale fpecififdje pl^vfiologifdie Sv^nh
tion, ergo eine fpecififd^e pfvct^ologifd^e Bedeutung E^aben
muffe, lag es naB^e, ben mddjtigen Dreiflang Sd^äbel,
fjirn unb Pfvdie ansufd^lagen. (£s mar eine 2llbernl|eit
t)er 2Tüajorität bcr seitgenöf jtfd]en (ßelel^rten, ba§ fte fidj
t)ie (2)B|ren sul^ielten." (£s folgen Bebenfen unb An-
gaben über 3rrtl|ümer (ßall's. „Va% (ßaH im erften
einlaufe 3ur £öfung berfelben' [ber biologifd^'pfyd^ifd^en
<5leidiungen] fd^eiterte, barf fein (ßrunb für geu>öljnlid]e
^) Kraniotnctric unb Kepl^alomctric. VO'ien u. £cip3ig ^888.
Hrban u. 5d?ipar3enbcrg. p. Wif.
möbins, Znattjemattfer. 19
290 2lnl^ang: Ucbcr ^ran3 3ofcpt^ (Sau.
Hlcnfd^cnfinber fein, auf einen ZHann wie (Sau E^erab-
Sufeljen, öen wix neben einem Saco v. Perulam, neben
Xlevoion, (Balilei; üant unb anderen giexdiwextiixgen
^eroen bes (Beides in jtellen Ijaben.'' Das ftnö fd^one
H)orte, aber Iciber jeigt es pdj auf p. \20, bag audj
Sene^ict öen (Bali gar nidjt gelefen hiat <£s l^eigt ba:
;,(Batt liai tie SdieiteipeilB^eit bei Dieben beobad^tet unö
besl^alb ben Diebes jtnn auf ben Sd^eitel oerlegt'' Kein
Woxi bavon jtel^t bei (Bau unb nur t>ex, ber (ßall's
Xüevt nidjt fennt, fann foldjen Unjtnn bel^aupten. Heber*
Ijaupt I^ätte idi (ßall's Cob lieber anöersu>o als bei
SeneWct gelefen. ^eufeerjl fomifdj ip nebenbei gefagt
öie SeB^auptung S.'s, (Ball I^ätte eine beffere pi^re-
nologie gemad^t, wenn et ^erbarfs pfydjologie ge-
launt iiätte,
Waiixen^ nodi bex CE^or ;,Kreu3igeI" rief, oottsog
pdi fdjon bie IDanMung, oermöge beren in naiver gu«
fünft öem gefdimäliten unö oerad^teten (Baß fein Hed^t
merben u>irb.^3d] meine bie €nta?irfelung ber neuen
Cel^re oon ber (BeBiirnlofalifalion. Sefanntlidj n>ar ^as
€rfte bie fintöerfung bes fog. Spradj» Centrum» €s ij!
eigentlidj merfu>ürtig, ba§ biefe suerft fam. Wenn man
einmal mit (Ball annal^m, bag alle gufiänbe Des Se*
n>u§tfeins burdj Porgänge in ben IDinbungen repräfen-
tirt finb, fo liälte man jtd] fagen müjfen, t>a% Vex*
binbungen von ben IDinbungen 3U öen Stellen bes
aücfenmarfes, von benen bie Heroen 3U öen (Blieöer*
musfelnjgef|en, unb Perbinbungen von ben Sinnespädjen
aus 5U &en IDinbungen e^iftiren muffen. TXlan ^äiie
IV. KriHf. 29 \
[xdl ferner fagcn muffen, &a§ bie 3cfcB|Ic 3u bcn IHusfcIn
nidjt oon aßen Stellen bcr XPinöungen suglctdj aus«
gelten fönnen, nodj Ztadiriditcn von außen fofort aUe
H)inbungcn crrcid^cn fönncn, ba§ oiclmclir btc su* unb
abfüB^renbcn IDege oon bcflimmtcn Stellen bes ^irn-
mantels ausgel^en muffen, morauf ja audj bie anatomifd^e
^norbnung hiinmks, Seltfamern)eife lieg [xdi (Sau auf
liefen (5ebanfengang nid^t ein unb 5Iouren5 oerfperrte
bem gefunden Znenfdienoerftanbe oollenbs ben IDeg»
Das patI?o(ogifdie ZHaterial n>ar bamals oorl^anöen, n>ie
es jefet ba ift, unö bei ber großen ^äufigfeit ber Saüe,
in benen Cät^mungen u. f. n>. auf HinbenB^erben beruB^en,
lläiU eine von rid^tigen (Sekanten geleitete Seobad^tung
balb bas Hiditige finden muffen. 3"b^ff^tt &as IDenigjie
n>irb auf geradem IDege erreid^t. So mußte audi bie
elementare Cofaüfation auf ber (5eB^irnrinbe, bie ^luf«
finbung &er fog. motorifdjen unb fenforifdjen £entren
auf bem llmn>ege über (SaWs Cofaüfation beftimmter
geiziger 5öl|igfeiten erreidjt n>erben. (Sali I^atte geleiert,
baß pdi bas ®rgan bes Hamengebäd^tniffes (sens des
mots, memoire verbale) im Stirnl^irn befinbe, unb jioar
I^atte er es in b^n bem I^interen ©rbitabadje aufliegen«
ben XDinbungen ge[ud}t (cette partie c^r^brale qui repose
sur la moitid postdrieure de la voüte de Torbite). (£r
ermäljnt meB^rere Säue, in bcncn burdj Stidioerlefeungen
biefe (5egenb betroffen u>orben war unb in benen nadt
2lblauf ber erjien ftürmifdjen Symptome nur ein Derluft
bes Hamengebäditniffes 3U beobadjten gcwefen n>ar. €r
befdjreibt ferner gans genau einen Kranfen, ber nadj
19*
292 2(nljang: Heber ^ran3 3ofeplj (Sali.
^er f^eutigen ^usbrudstoeifc apt^atifd) war, nadi einctn
Sd^IaganfaDe ^Dcs wn%U unb oerjlanb; aber nid^t reben
fonnte, nidit loinfürlidj nad^fprcdicn formte, aber ju*
loeilen urnüiDfürlidi porgefprodjene XDörter loieberl^oltc,
nid^t lefen unb nidit fdireiben fonnte, aber eine '^n^ahtl
von XDörtern jeberseit bereit l^atte. €r besiel^t pdj auf
Kranfe, bie äl^nlidje, aber nid^t gans gleid^e Silber bar-
boten, unb geftel^t, t>a% er über bie feineren Unterfdjiebe
nodj nid^ts (genaues fagen fönne. Heben b^n sens des
mots jteDte er nodj einen sens du langage de parole,
beffen Organ unmittelbar neben bem bes erjteren liegen
foHte. (ßans flar n>irb bie Sadje, menigjtens anatotnifdj,
nidjt. Kugmaul ^) ermäE^nt, ba% ein pl^renolog, (El^omas
^oob, ben erjlen Seftionsbefunb bei 2(pB^af[e im 2<^lixe
\S22 gemadit fjabe; er fanb eine €rfranfung bes linfen
Slimlappens. Bouiflaub ()i825) uerfodit als Sdjüler
<5aII's energifdi (5a(I's CeE^re uon ber £ofalifation bes
principe l^gislateur de la parole im Stimlappen, aber
CruueiH^ier, Crouffeau u. 2(. fagten nein, bie Sprad^e
fönne nadj gänsUdier gerflörung beiber Porberlappen
^) Die Störungen ber Sprache, £etp5i9 (877. p. (33 flg.
— Kugntaul fagt a. a. 0,: „(Sali liat bas groge üerbienjl, bie
^erglieberung bes (Sel^irns Don unten nac^ oben eingefüljrt, bie
burc^gel^enbe UTarffaferung bes (Sel^ims crtannt unb fie com
Hücfenmarf l^er bis 3U iljrer 21usftraljlung in bie (Srogf|tmrinbe
©erfolgt 3U l^aben. Damit ift bie notl^menbtge anatomifd^e (Srunb=
läge aller Cofalifation ber (Seljirnfunf tionen : bie Derbinbung
nämlic^ ber gangliöfen <£entralmaffen bes (Scijims burd? ifoUrte
^aferbal|nen einerfeits mit ben Sinnen, anbererfeits mit ben be-
weglichen Cetbesgliebern gemönnen n^orben". Sielte, nod? ein
(Sercdpter I
IV. Kritif. 295
crl^altcn bleiben. TXlaxc 7>a^ (\S56) 5Ctgte, bag bei
Hemiplegie mit ^pljafie Me £äjton linfs pfee. Sroca
enMidj (^86^)/ ^^r bis ^aiixn mit ben 2lnberen Bouillaub
befämpft I^atte, entbecfte, bag gerftörung bes Jufe^s ber
3. linfen Stirnminbung ^pl^afie madjt. Had^bem feine
Coüegen iB^n lange auf bas ^artnäcfigjle befämpf t I^atten,
mußten fte jtdj überseugen laffen unb nun n>ar er ,,t>er
große Broca". Hatürlidi gebadete Hiemanb banfbar
(5aII'5. tnit ber ^uffinbung ber ,,3roca'fcI?en Stelle^'
mar bie Steige nadi ^^f Cofalifation im principe enU
fdjieben. Zfian foHte meinen, baß bie Klinifer, bie
n>ußten, t>a% rxadi S^^^ovrxng einer Meinen IDinbung ber
ZlTenfdi nidjt meB^r fpredjen tann, fidi auf bas €ifrigfte
bemüE)t I^ätten, burdi genaue Unterfud^ung bes Kranfen
unb ber Ceid^e bie IDirfung umfd^riebener Hinbenfjerbe
überl|aupt ju erfennen. 2lber nein, es gefdjal? 3unäd|ft
gar nidits. Das lag nidit an ber Sdjmierigfeit ber
Sadje, fonbern baran, ^a% bie berste 3U oiet auf bie
pI?Vpc>Iogen B^örten, 3U oiel tl^eoretifirten unb unglaublidj
lieberlid] unterfuditen. 71, a. (D* ersälilt Kußmaul, ^a%
(Eroujfeau bei einem ^Ipl^ajte »^ Kranfen bie Sroca'fdje
Stelle unoerfel^rt gefunben iiaben n>ollte; Sroca lief
fdjnell I^in unb fanb, ^a% außer Sd^eitel» unb 3nfel-
ujinbungen andi bie 3. 5tirntt>inbung linfs ern>eid]t mar.
Pelpeau bel^auptete, ein Krebs hiabe bie Porberlappen
gans serftört, in XDal^rl^eit waten jmei Drittel bes linfen
Stirnlappens unoerfel^rt. Das gef djalj am grünen ^o Ise.
®b fdjließlidj bod? bie flinifd^e ^eobad|tung 3um giele
gefüljrt I)ätte, miffen n>ir nid^t. tEl^atfäd>lidi mußten erfl
29^ ^(nbang: Heber ^raiij Jofeplj (Sali.
bU (EIjwrDcrfudjc ©on 5ritfdi vmb Qt^ig, bie fintbccfung
oon Scfe auf bic motorifdie Sebeutung ber Central«
iDtitbungen füBjreii. €inc wxditiqe €ntberfung tnad^te
XDemicfe (^874), obwohl er oon ben munbcrlidien Dor«
{Teilungen Hlevtierfs ausging: er fanb burdf fßntfd^
Seobad^tung bie fenforifd^e 2Ipt;afle, bie von Derle^ung
ber \, Sd^Iafenminbung ahb^ängt Seme 2(u{faf[ung
n>urbe burdj ZlTunfs Perfud?e (^876) bepäligt unb
anbererfeits entbecfte Vflnnt bie 2t6t;ängigFett bes Seitens
von ^cn ®ccipitalnnnbungen* 1>a% beim ZlTenfdjen
Caftonen ber Centralminbungen bauembe fäljmungen
beu>irfen, n>urbe Ijauptfäd^Iidi burdj CE^arcot unb pitres
fejtgepellt (1877). Seitbem B^at eine JuDe tljeUs fünifd^er^
lEjeils experimenteller Beobad^tungen alle S^^^^l be#
feitigt: Ztiemanb fann Ijeute meljr baran sioeifeln, ^a%
bie XDinbungen nid^t gleidju>ertl^ig pnb, ba% biefe mit
biefen, jene mit jenen 5unftionen in Sesieljung fielen.
Dabei ifl es gleid^gültig, n>ie bie 5ad{e erläutert n>irb;
meldjer Sinn bem H>orte Centrum beigelegt mirb, ob
Hemmung in 5rage fommt ober nid)t. Hlan mag fidf
biefer ober jener 2lnftd?t anfdiliegen, immer bleibt he*
fleljen, ^a% bie ©berfliädje bes (5et;irn5 aus funftioncH
oerfdiiebenen üjeilen, b. Bj. aus ©rganen befleljt Das
aber ip (ßafl's Celjrc, n>enn audj (BaII*s Organe unb
bie i)eutigen Centra Derfdjiebener 5lrt ftnb.
IV, Kritif. 295
b) Sadilidjes.
\, Die E|culigcn £cntra jinb, bilblidi gcfprodicn, bte
(Eljürcn ÖC5 Sctou^tfcins, Me Stellen, an benen unfer
SetDUjgtfein mit bem Unbewußten oerfnüpft ipirb. Die
[enforifd]en £entra jtnb öie ©rte, an benen bie ber
IDaljrnel^niung entfpredjenben (ßeljirnDorgänge abiaixfcn,
bie motorifd^en bie, an Serien bie fintäujgerung jtattfinbet;
bas Wollen (EB^at n>irb. Die Porgänge, bie ftdj an bie
IDaf)rneE|mung an[d]Iicgen, 3U)ifd:jen fimpfinbung unb
^hinn liegen, oerlegen mir aixdi in t>en (ßeB^irnmantel,
genauer, tt>ir nel^men an, ba% il^nen irgenb weldie Per«
änberungen barin entfpredjen, aber rr>ir begnügen uns
mit biefer Cofalifation im ^tUgemeinen»
(Sau oerftanb unter Cofalifation, ^a% bie einseinen
geizigen (£igenfd]aften, 5äfjigfeiten, (Eriebe an bejKmmie
Stellen bes (5eE|irnmantel5 gefnüpft feien. £5 tt>äre
3unäd]ft 3U fragen, ob biefe (5aII'fdie £efjre mit ben
B^eutigen 2(nfdjauungen vereinbar fei. 2(natomifdie
(ßrünbe bagegen liegen ftd^er nid]t oor. PielmeE^r fann
man fagen, ^a% bas IDenige, n>a5 bie (ßeE|irnanatomie
bis jefet ausfagen fann, für (SaU fprid^t. Die neueren
Unterfudiungen über bie (5eljirnrinbe, bie ZtiffI u. ^.
angefteHt I^aben, B^aben geseigt, wie augerorbentlidj xe'xdi
bie ainbe an oerfdiiebenen Elementen ift, ba% ät^ntid^e
gellen t>a unb bort auftreten, Sdixditen unb (ßruppen
bilben, t>a^ ber Sau ber Hinbe um fo reidjer unb
mannigfaltiger mirb, je fjöljer bas tEl^ier flef|t, ^a^ biefe
gellengruppen auf (5ifte anbers reagiren als jene u. a. m.
296 ^Inljang: Ucbcx ;Jran3 Jofcplj (Sau.
„Der Sau öcr Hinöe, fagt Kracpelin, ij! öcmnadj nidits
tpcntger als einförmig, roie etcoa derjenige ^er tcher,
fonöcrn jie cntl^ält eine ZHenge neben unb über einander
gelagerter ©rgane von feljr oerfdjiebener ^usbeljnung
unb nidjt minder oerfdjiebenartigem Aufbau."
2(ud] p. 5kdjjtg^), 6er übrigens mit 2tnerfennung
von (ßatt fpridit gelangt 3u entfpredjenben €rgebniffen,
obroof^I feine ^nfd^auungen über 6ie Cofalifation ber
<5eij)esfäE^ig{eiten eine anbere Hid]tung einfd|Iagen.
Sei ben eingeljenben Stnbkn übet 6ie 5orm ber
(Set^irnroinbungen f^at man gefunben, ba^ feinestoegs
bei allen 3"6ioibuen bie embryonalen 5urd|en unb
lOinbungen gleidjseitig auftreten, nodj, roenn fie ^a jtnb,
einanber gleidien. „Diefe Cljatfadje ift besljalb feB|r
roiditig, n?eil pe ben 23ea>eis entt^ält, ^a% bie ^irn«
rinbe, ber Cräger ber I^öljeren Seelentljätig«
feit, fd|on in ber Anlage für oerfdjiebene
3tibioibuen oerfd^ieben au5gebel:^nt ift"
((£binger).
(Siebt es pl^vfiologifd^e (ßegengrünbe? €s fönnte
(Einer fagen, bie (ßel^irnrinbe ift oertB|eiIt, roir wiffen
jefet, roeldje 5unftion t>en XDinbungen sufommt, alfo iji
fein plafe mel^r für (ßaU's ©rgane. Ztatürlidj roäre 3U
erroibem, t)a% wir über roeite Streben ber Hinbe nodj
gar nidits roiffen, t>a^ bie „£entra" einen oerl^ältnig*
mäßig fleinen Cl^eil ber (5eI|irnoberfIäd|e einnel^men.
Vas ip aber nid)t einmal bie £jauptfad|e. €5 wäre eine
') (Scl^irn unb Seele. 2. ^(usgabc. £ctp3ig ^896. Deit u. (£0.
IV. KrtHf. 297
feljr xohic ^uffaffung, wenn man glauben tDoHte, bag
bic Scbcutung bcr XDinbungen erlebigt fei, fobalb man
fie als Bedingungen biefer ober jener 5unftion erfannt
l^ai, wenn man 3. 23. annäljme, bie oorbere Central»
tDtnbung l^abe nxdits weitet 3U tl^un, ak bie betougten
Bewegungen ber (5Iieber 3U ©ermitteln* 5d|on bie ana»
tomifdje Betrad^tung 3eigt, ^a% bie großen motorifdjen
Seüen nur an oerl^ältnigmägtg fleinen Stellen gefunben
toerben, ^a% auger il^nen eine ZHaffe von anberen (5e*
bilben oorI?anben ip. €5 roäre bal?er fel^r wolil benf*
bar, ba^ bie Centraltoinbungen eine gan3e Heilte von
£entren Ijätten. (£5 lüäre anbererfeits burdiaus mög*
Ixdl, ^a^ bie Stirnlappen für bie Humpfbetoegungen
Sebeutung I^ätten neben il^rer Sebeutung für ^a^ geifiige
£eben. Dag bie Sei^auptung, ber Stirnlappen fei Cen-
trum ber Humpfberoegungen unb roeiter nid^ts, nidjt mit
einem allgemeinen ^oljngelädjter beanlroortet, fonbern
melfadj ernftl:?aft in (£rn?ägung ge3ogen ujorben ift, tas
3eigt, toie oiel bie £eute ftdj von ^en pl^vfiologen ge*
fallen laffen, unb if! eine I?öd|f! betrübenbe CI:?atfad|e.
5rül?er rourbe als Setoeis gegen (5aII bie 3e*
Ijauplung bis 3um Ueberbruffe ujieberl^olt, es fei il^m
nid)t gelungen, feine angeblidjen ©rgane ab3ugren3en.
Da für bie I^eute anettannten (Zentxa feine groben
(Sven^en naditoeisbar ftnb, fällt ber (£inn)anb roeg. 3^^^^
begreift, ^a% bei ber aUfeitigen Perfnüpfung ber Cl^eile
im iSelixxne bie (5eI?irnorgane nidit getrennt fein fönnen,
roie etwa bie Seeren einer Craube, beren jebe il^ren
eigenen Stiel liat 2lber (Einige I^aben bie Zfieinung ge^
298 2lnljang: Heber ^ran3 Jofeplj <Saü.
äugert, btc getfHgcn j^i^id'^iten mödttcn nid^f an um*
fd)riebene Stellen bcs Qtmmantels gefnüpft fein, fonöem
ben i>erfd)tebenen 55I|igfetten mödjten öte oerfdjiebenen
Sd^td^ten ber <5eljtrnrinbe entfpredjen. §um erjlen
2T?ale taudjte öiefe ^^ee bei IDernitfe auf; er ftellt jtdj
oor, ba§ „eine 2trt fd^idjtentDeifer 2tblagerung öer Por*
flellungen, öi^nlid? ^en Se^imentbilbungen ber jüngflen
€rbfd^id|ten" im <5el?irne flattfinbe. 3^ ben äugerften
5d)id|ten foll „^as Sen?ugtfein ber Körperlidifeit" jletfen,
liefer bas „ber 2lu§enn?elt", gans unten ^as „^ct perfon*
lid^feit". Sei biefer fürd)terUd)en pfydjologie feigen
einem allerbings bie Qaare 3u Serge, aber Kraepelin
meint, ba§ bod^ bie pfyd^ifdjen ®rgane fd^iditweife an«
georbnet unb flfäd^enljaft ausgebreitet fein muffen; er
llält bie fleinsellige 5d^id|t für bie bem t^öl^eren Seelen-
leben n?id)tigPe, roeil fte erji beim UTenfdien iljre I^olje
unb eigenartige finttoidelung erlange. Kraepelin fagt
gan3 rid^tig, ^a^ alles auf eine rid^tige pfydiologie an«
fomme, unb t>a% bie gegenwärtigen pfydiologifdjen 2lttf«
faffungen gans ungenügenb feien. Ztun fann man aller«
bings mit bem „F^öl^eren Seelenleben" gar nid|ts an*
fangen. Wiä man bei bem gegentoärtigen Staube ber
Dinge an eine Cofalifation benfen, fo bleibt nur ber von
(ßaü eingefd|Iagene IDeg übrig, jtd^ an bie einseinen
Criebe unb Einlagen 3U I^alten. Dag aber biefe an
Sd^id|ten gefnüpft feien, ijl red)t unu)al)rfd|einlid?. 3"s«
befonbere fpredjen bie (£rfal?rungen über bie Zteben«
formen ber '^p}:ia^xc bagegen. 3d? mug fpäter auf bas
Pfyd^ologifd^e 3urüdfommen, will t^ier nur oorWuftg
IV. Krttü. 299
darauf I^inipcifcn, öag man cum grano salis (5aWs ^ttlri*
bute mit bcn Sdixdiicn in ScsieF^ung bringen fönntc,
ipäl:^rcnb öie (ßrunbfräftc territorial gefonbert 3U bcnfen
jtnb. Da§ bie Sefdiäftigung mit ber 2tnatomie auf
foldje (ßebanfen bringt, erjtet^t man aus folgender ^eu^e*
rung (Ebinger's ^), bie ganj unabEiängig oon <SaU 5U
fein fdieint ,,tt)ir aber finb getDÖI:|nt, bie geiftige Se«
beutung eines ZTIcnfd^en nid|t nad? iB|rer (5efammtF^eit,
bie ja faft nie prüfbar i% fonbern sumeift nad^ irgenb
befonbers I^erporragenben (£igenfd)aften 3U meffen,
roelcbe bem 3nbiDibuum 2tnfet?en, Stellung u. f. to. gaben.
Sold^e (£igenfd)af ten fönnen fel^r rool?! auf
bef onbere ^unal^me eines einseinen Hinben«
gebietes 3urüdfüt?rbar fein, oI:|ne ^a^ bies ge-
rabe in bem <5efammtl|abitu5 ber lüinbungen ober in
ber rOägung fid| ausbrüdt."
IDeiter fönnte man fagen: (ßaU's ®rgane fönnen
nidjt e^ipiren, roeil roeber bei ben Cl^ierperfud^en, nod)
bei ber Kranfenbeobad)tung je ein Derluft einer (5runb^
fraft beobad)tet toorben ij!. 2Tlan I?at 3. S. barauf I:|in-
getoiefen, ba% ^unbe trofe ^es Derluftes t>c5 KIeinB|irns
fid? begattet I?aben, es fönne bal^er bas Kleinl^irn mit
bem (ßefd^Iedjtstriebe nid)ts 3U tl:|un I:|aben. 3<i? f^^^^
in berartigen 2tusfül?rungen feine (5egenbeu)cife feigen
unb glaube, ba% bei ber ©rganologie ber CF^ierperfud^
toeber pro, nodj contra 3U Derujenben fei. Da§ Hei3*
Derfudje nid)t in Setrad|t fommen fönnen, bas liegt
^) £. €btngcr, Porlefungcn über bcn Bau ber nerpöfcn
<£entralorganc. 5. ^lufl. £etp3tg ^896. p. 200.
300 2(nbang: Uebcr ;Jran3 3ofcpl| (5aü.
tpot^l auf ^er Qanb. Woüic man glauben, ^ag 5^tabi«
jtren (ober bgl.) bes Kleint^ims gefdiled^tltd^e (Erregung
bewirten muffe, fo toäre bas nodj fdilimmer als bic
2tnnal:^me, beim 5arabiftren ber 3. linfen Stirntoinbung
fange ber ZTIenfdj an, 3U fpredien. 2tber audj (£fflir»
pationen oon (ßel?irntl:^eilen fönnen nid|t5, ober roenigftens
nidit oiel betoeifen. Der (5el?irnmantel tft ®rgan bes
SetDugtfeins, in iB|m pnb bie 5unftionen repräfentirt,
fotoeit fie in bas Seujugtfein eintreten. Sie fönnen aber
3um Cl^eil audj ol^ne (5et?irnmantel, ol^ne inbioibuettes
Sewugtfein PoUsogen werben, roenn nur bie nieberen
®rgane erl^alten [xrib, 2)ie tiefftet^enben Cl^iere fommen
gans ol^ne (Seiixxn ans; anbere ^abcn ein (ßel^irn, aber
beffen Bedeutung xi/i gering, tas Cl^ier ijl im XOefent-
lidjen eine Summe oon Segmenten unb bas (Seiixxn
fdieint nur 3ur £ommunifation ber Segmentganglien 3U
bienen; je l^öl^er toir in ber Cl^ierreil^e fteigen, um fo
mel^r jteigt bie Sebeutung ^cs (ßel^irns, aber aud) bei
I)od)ftel:|enben Cl^ieren, 3. 23. bei t>en fjunben, ift bie Se-
beutung bes (Beljirns gan3 anbers unb piel geringer als
beim Zfienfcl^en. pfYd)ologifd] ausgebrüht I^eigt es, je
tiefer bas tEB|ier fielet, um fo untoiditiger ift fein inbioi«
buelles Sewugtfein, um fo mel|r wirb es oon ber iB|m
unbewußten allgemeinen Vernunft geleitet. Vas (EB|ier
unb ber Zfienfci), beibe füljren xlit tebcn tl|eils bewußt,
tl^eils unbewußt, aber bie (ßren3e ift oerfdiieben ge3ogen,
bort ijt ber eine Cl^eil groß, Ijier ber anbere. Der Zllenfdi
fann 3. S. oE)ne jßel^irnmantel, oB|ne Sewußtfein nidjt
laufen, ber fjunb fann es. Die Criebljanblungen Rängen
IV. Krtttf. 30 \
bei öcn meiften Cl^ieren wal^rfd^cinÜd) 3unäd)j! von
untergeordneten ©rganen ab, finb, ptjyfiologifd? ge«
fprodjen, Hefle^e, bte oBjne bas <ßro6I:|irn oor ftdj gelten
fönnen, obrool?! biefes jte fördern ober oeroollfommnen
mu§, ba es bod) fonjl ntd|t ba toäre. 2tud? bas feines
(ßro§I:|irn5 ober KIeinI:|irn5 beraubte CI:|ier fann n?enig«
ftens etnselne Criebl^anMungen unter günftigen Se«
bingungen ausfüt^ren, ta& gilt 3. 23. von ber Begattung,
oba>oI|I bei bem gefunben CF^iere bas Beu)u§tfein an
ber Begattung tl^eilnimmt unb fte mobificiren fann. (£5
ift wenigPens benf bar, ba^ tro<3 Cuciani's Derfudien bie
cerebrale Hepräfentation ber Begattung im Kleint^irn 3U
fudien n?äre; laufen (ßolfeens fjunbe ot^ne (ßro^Bjirn
I^erum, marum foHen Cuciani's ^unbe oI?ne KIeinI:|irn
ftd) nidjt begatten? Cro^jbem ift audj beim ßunbe bas
(ßrogt^irn nid^t überflüfftg beim taufen, brandet menig«
ftens bas Kleinl^irn für bas (ßefd^leditsleben nid|t über*
flüfflg 3U fein. 3^ fd|n?ieriger eine ^anblung ift, um
fo nötl^iger a>irb bas (ßel^irn babei fein; 3um 3agen,
3um Hejlbauen 3. B. braudit bas CB|ier gemig fein (5ro§«
I|irn unb möglid?ern?eife bejümmte Ct^eile baoon, bie
Organe in (ßall's Sinne. Sd^merlid? aber möd^te es
gelingen, biefe Dinge bem Perfudie 3U unterujerfen.
2Xuf icben SctVi ip aus ben bisl^er gemadjten Derfudien
nid)ts für unb nid)ts miber 3u entnel^men.
Beim 2nenfd|en liegt bie 5ad|e anbers. Ejaben
ein3elne IDinbungen beftimmten feelifd^en lOertt?, fo mu§
iE)re gerftörung beftimmte geizige Defefte beu)irfen.
Ztlan fann nid)t fagen, bie Beobad^tung beujeife bas
302 2lnljang: Ucber ;Jran3 Jofeplj (Sau.
(ßcgcntl^dl, ^cnn wir ipiffen bis jcfet gar itidjt, was ötc
Scobaditung bcweifcn fann. £Ijarcot pflegte 3U fagen,
wir feigen nur ba*, was wir fd?on fennen, nnb öiefer
^usfprudj ift fel^r wal^r. lOenit man bie 2ler3te baran
erinnern wollte, was alles jte fdion abgeleugnet I?aben,
fo müßten jte gans ftill fein. lOir gingen unb geljen
unter Kranfen I^erum, bie wir nid|t erfennen. Um nur
ein paar wiUfürlid^ gewäl^Ite Seifpiele 3U geben, nenne
id) bie Bafebow'fd^e Kranftjeit unb il^re 2tbleugnung,
erinnere idj baran, ba§ bie Kenntnig ber progreffioen
paralyf^ tiodj nid|t 80 3öF?re alt ijl, unb t>a% Ijeute
nodi mele 2ter3te an ber paralyfe oorüber gelten, oljne
jie 3U fetten, weife auf bie 23IinbI?eit für bie 2l!romegaIie,
bie SYringomyelie, bie 2tfinejta algera u. f. w. Ijin. Tlndt
bie (ßefdiidite ber (5el|irnIofalifation ift reidj an foldjen
Seifpielen. Demnad? ift ^as 5«Ib frei. 2^t>c^en mug
man fagen, ta% and} von ber gefd)ärften Winifd^en Se-
obadjtung nidjt oiel für bie ©rganologie 3U erwarten
ift. Umfdjriebene geiftige Defefte ftnb fdjwer 3U ent«
becf en. Die meijten Znenfdjen, unb befonbers bie Kranfen-
l|aus-3"föffen, finb von oornljerein fo befeft unb il|r
3nnere5 iji fo wenig 3ugänglid], ^a^ bie Unterfudjung
groge 5d|wierigfeiten finbet. ^nbererfeits ^n^ Cäponen,
bie braudibar wdren, dugerfl feiten. Zllan mügte per«
langen, ba% ein umfdiriebener fjerb beftänbe, oBjne ^a%
^as übrige gefd^dbigt wdre. Cumoren u. f. w. fonnm
nxdit ernftlid) in Setrad{t fommen. Perlefeungen, Heine
Blutungen unb (£rweid)ungen allein wären braudjbar.
Soldje umfd]riebene fjerbe fieljt man fafl nur bei alten
IV. KrirtL 303
pcrfonen, b'w im 2Wgcmctncn franf unb I^infciütg pnb,
bei ^^mn man tool:?! eine Cätjmnng unb eine 2tnäfll^efte,
nid)t aber eine umfd^riebene geizige Sdiwädie auffinben
fann. Ueberbem pnb an ben meiften Stellen ber (ßetjirn*
oberfl[äd|c Heine fjerbe fel^r feiten unb gerabe an fold^en
Stellen, bie im Sinne ber ©rganologie n?id|lig n?ären,
fommen jte faft gar nid|t vov. Ztel^men roir ein Bei*
fpiel. Denfen roir uns bie mujtfalifd^e Sefäl^igung
wäre an tcn (Byrus fupramarginalis ober etira an ^as
oorbere (£nbe ber \. Sdiläfenroinbung gefnüpft. 3"
einem braudjbaren Sdüc mügte bei einem IHuftfer biefe
Stelle (link ober auf beiben Seiten) 3erftört n^erben, ol^ne
^a% bie (ßeI:^irnfunftion im 2lllgemeinen litte. XDie oft
roirb ^as porfommen?
2\Vies in ^llem mu§ idj fagen, ^a% auf (5runb ber
2lnatomie unb phiy[xologxe bes <5etjirn5 triftige (5rünbe
gegen bie ZHöglidjfeit einer ©rganologie bisl^er nidjt
oorgebrad^t a>orben [xnb, unb ^a% xdi fold]e (ßrünbe
audj nidjt 3U entbetfen permag.
2. Die meiften (ßegner (SaWs l^aben fidj auf ^na»
tomie unb pljYftologie nidjt eingelaffen, fie l^aben l^aupt*
fdd^lid) bie pfydiologie ins 2(uge gefagt unb l^aben um
fo mel^r auf (5all's pfydiologie gefd^olten, je n?eniger
pe felbp oon ber pfydiologie oerftanben. (5all'5 pfvdio»
logie ift oerfel^rt, folglidj taugt (Ball's ganse £eB|re nid^ts,
^as toav bas groge 2lrgument. Die Uebereinftimmung
ip fo grog, ^a% man von einem Seujeife e consensu
gentium reben tonnte; bann ^iege es vox populi ana-
tomici, vox Dei. 2llfo roirb rool^l eta>as ^axan fein.
30^ 2lnbang: Ucber ;Jran3 3ofcplj <5aIL
italürlid] I^ättcn bic Ceute nidjt fo rebcn fonnen, tocnn
pe bie tDal^re pfvcbologte ntdjt fclbfl gefannt I^ätten.
Die Znebicincr ftnb treue Sdjüler ber Ztatnr, bei il^nen
wirb eine auf reiner Seobadjtnng unb oorpdjtigem
©enfen berul^enbe pfydjologie 3U ftnben fein unb bie
£jimgefpinnjle bcr pI|UofopI|en roerben nidjt bis Bjier«
tjer reidjen. Ztun, feigen roir 3u. 5Iouren5 fdjroört
auf £arlefiu5, Polfmann fämpft mit „^er\ IDaffen Qegel-
fd^er £ogif ", (ßriefinger bringt Qerbart's IDeisIjeit I^eran
unb Senebict empftei{(t fogar bem <5a0 bie pfvdjologie
Qerbart's u. f. f. 3«/ tt>irb man fagen, ^as war früljer,
bie neue ^eit t?at neues Cid^t gebrad^t, ba liabcn roir
3. S* ^en großen Uleynert unb feine Sdjüler. „Die
(Brogl^irnrinbe ift bemnadj (fagt IDemide^), um ben
5unbamentalfafe ber IHeynerffdien Cef^ren nodj einmal
t?eri>or3uIjeben, ber Sife oon (Erinnerungsbilbem in einem
tjinteren fenforifd^en (ßebiete, motorifdjen (Erinnerungs-
bilbern ober Sewegungsporjlenungen in einem porberen
motorifd^en (ßebiete." Die (ßetjirnrinbe 3erfänt in 3n>ei
große Cerritorien, oon benen ^as Dorbere „mit 33e»
wegungsDorfteUungen befefet" \% t^eigt es auf p. VIT.
Das ift bie Pfvdiologie bes ^tver\liavi\c5 unb fte gefällt
ben Znebictnern» TXlan mag bies ober jenes Sudj auf«
f dalagen, es roimmelt barin pon (£rinnerungsbilbern unb
BetDegungsoorfleüungen, fo ^a% es einem nadj fur3er
5eit übel toirb. Dasu fommt ber gan3e (ßreuel ber
„^Iffocialionspfydiologie", fur3 in H)al?rljeit ijl bie mebi«
^) £cl^rbud? ber (5cl^tm!ran!f^citcn II. p. VI.
IV. Kritif. 305
cinifdie pfvd|oIogie bic partie honteuse bcr Zncbiciti.
Vflan liat aud| Ijicr bem Volte ftatt bcs Brotes einen
Stein gegeben, (Sau Bjat man gefdimäB^t unb ZHeynert
iiat man gepriefen. TXodt Bjaben irir bie „ipiffenfdiaft»
lidie'' pfvdiologie, bie ben inenfd)en von (ßrunb aus
experimentell erforfdit ^ber biefe roeigert jtcb, anbers
als über (Einseiaufgaben 3u reben ; roas toir nid|t redjnen,
gilt uns nid|t Kraepelin fagt gerabesu: ;,2llle der-
artigen [Cofalifations-] Beftrebungen, Sie über bie ein*
fadjften Sinnesempfinbungen nnb Bewegungen Ijinaus*
greifen, muffen not^ujenbig an ber Unoollfommen^eit
unferer pfvctiologifd^en Kenntniffe 5d)iffbructj leiben.
2lud7 bie getDÖl^nlidiften pfvdiifdien Vorgänge ertoeifen
[xdt bei genauerer Setraditung als \o ungemein oer*
tt>icfelt, ^a% xx>it gut begreifen, roarum bas IDerfseug
unferes Seelenlebens einen fo I^offnungslos unenttoirr-
baren 2lufbau befifet." (gttoas IDaljres ift fidjer baran;
aber roenn roir nid|t oiel begreifen, fo fönnen a>ir bod?
oielleidjt etnms begreifen.
3d? mödjte glauben, ta% (ßall's pfvd^ologifdje 2luf-
faffung feine größte Cl^at fei. Seine Celjre oon ten
trieben unb ^en 2lttributen einerfeits, fein Kampf gegen
bie 2lbftracta ber i|errfd|enben pfycl^ologie anbererfeits
bürften bereinjl 3U feinen fd|önften Hul^mestiteln jäl^len.
Die gerreigung ^es Znenfdjen in Pprftellen, (5efül^l,
XPillen ober in 3nteüeft unb lüillen ober n?ie bie
Sdjemata fonft f^eigen, quält uns bis auf ben Ijeutig^n
Cag. Die pl^ypologie ift baljin gelangt, in jebem
Cebensoorgange ^en Hefle^ u)ieber5ufinben : Seis, bes.
möbius, mailjematifer. 20
306 2lnljang: Ucbcr ^xani 3ofcplj <5afl.
aetsbarfeit unb Scaftion. €tn einfad^r IDinfcI ifl bas
'Sdjcma bes Cebens (neb^nbri gef agt, ob man in bcn
SdteiM dne (SangKenseDe fefet ober ntdjt, bos i^ I^ers»
Kdi gleid?gtltig). Dem, ber mit ber ;,monijlifdjen^ 2luf*
foffung €mfl mad]t, mu§ es einlendjten, ^a% fo, »ie
2lettgere5 unb Annexes überiniupt einanber entfpredien,
bem pon äugen als Hefle^ erfd]einenben Porgange ein
3nnerKdie5 entfpredjen müf[e. Seis, Heaftion bort, €m«
pftnben, lOoIlen E)ier« Der auffleigenbe Sd^enfel bes
XJOinUls E)eigt Xt>a(imeE)mung, ber Sd^eitel Cu^'Unlu^,
ber abfteigenbe 5d)enfel Xt>oQen*nid{tn>oQen, Vas ftnb
bie feelifd^n Elemente unb es fann fein feelifdies <5e«
fd]e{{en geben, in bem fte nid^t aQe port^anben coSren.
Znan fann ben ©on innen aufgefaßten Heflfey audj als
feelifd?es Habifal beseidjnen unb im (5runbe ifl er genau
bas, was (Sau mit feinen 2lltributen meinte* 3d? bin
$u ber Celjre pom feelifd^en Habifal gefommen, oljne
etroas pon (Sau 5U n>i{fen (roie idi [xe benn aud) ISng^
porgetragen (jabe) unb freue tmdt ber UebereinfKmmung
um fo meljr. 2lIfo, roo Ceben \% ^a ifl audj Sett>u§t«
fein, wo Betpugtfein ifl, ba erfd^eint es in ber 5orm
bes feelifdjen Hefleyes, roo lOaljrnelimen ifl, ba ifl audj
5üI|Ien unb IDoOen, benn aOe 3 Utomente ftnb nur bie
(Cljeilflüde bes einen unsertrennbaren Porganges. 7>as
feelifd]e Ceben mag fid) fleigern, perpielfad)en, pern>ideln,
n>ie es roiH, immer E^anbelt es fld) nur um bie Perpie(«
fadjung nnb Perfledjtung ber pfvdjifdjen Sefleye. 2IDe
Cebensporgdnge roerben burd} IDiebert^oIung er(eid{tert,
bas nennen wxt, pon innen gefeljen, <5ebSd]tni§. Wo
IV. Krtttf. 307
Seclifdjcs ijl, ba ijl anit ^i« ZHöglid^fcit bes (Scbädjt'
niffcs; btcfcs ift, um mxdt abftrus aussubrüdcn, ein
(EoroUarium bcs pfyd^ifdicn Habifals. ZTIit anbercn
XDortcn, es fann bas (ßcbädjtnig tiid)t als bcfonbercs
Scelenocrmögcn , wie man früBjcr fagte, neben bas
5üyen, bas XOoUen gejieHt werben, fonbem es ift ein
^Ittribut.
(£5 giebt feinen 3nteneft an ftdj unb es giebt feinen
XDitten an pdj, bie 2trt ber IPal^rnel^mung unb ber
Heaftion ijl jeberseit benimmt unb ^ängt von ber €in-
ridjlung bes Organismus ab, in t>em bie Vorgänge ab-
laufen. (£benfo oerfd|ieben roie bie Sinnesorgane unb
bie (ßel^irne jlnb, ebenfo oerfdjieben mu§ audj bie IDaE^r-
nel^mung fein. Da bie Sinne nur 2tnB|ängfeI bes cen«
tralen Sy^ems finb, fo fann man fagen, in bem (5rabe
toie bie tteroenfyfteme perfdjieben finb, ift bie Welt als
X>orfteI(ung, b. l]. bas, was für t>en Organismus bie
IDelt i% oerfdjieben, ^ber aud^ bie 2lrt ber Heaftion
iji portjerbeflimmt; bas £ianbeln eines IDefeus ift weber
Sufällig, nodj burdj bie inbioibueU wedjfelnben IPaE^r«
neljmungen bebingt, fonbern burdj feinen £l|arafter ge*
geben. 2ll5 angeborenen (Cl^araftcr aber beseidjnen »ir
bie (5efammtt{eit ber (Criebe. Diefe finb ber eigentlid]e
Kern bes (£in3eln>efens, bas, was Sdjopenl^auer ben
IDiUen nannte. XPenn man es redjt DerfleB^t, liat
Sdjopenl^auer gans Hed|t, ben IDillen als ben ^errn,
ben 3"teIIeft als ben Diener 3U beseid^nen. Die Summe
pon Crieben ober 55I)igfeiten, bie (Einer I^at, ijl bas
IDefentlidie an iljm, ex^ von jenen Ijängt es ab, ob ber
20*
308 ^Inljang: lieber ;Jran3 3ofeplj <5aü.
3titeQctt etwas Uifie, un^ tpieptel er (eifle. Sie be«
fKtnmen unfer ^anöeln unb unfere gansc 2lrl, nidjt oU-
gemeine SäH^e, überfommene CeB)ren ober fonfl etnxis
eingelerntes. Znan lefe Sdjopenljauer's £apitel über
ben primat bes lüillens im Selbpbewugtfein burd^ unb
man wirb, wie 5d]open^auer es mit Hed]t be^auptet^ in
ber tCt^at mei^r pfvd^ologie baraus lernen als ans ben
, Cel^rbüdjern ber pfvdjologie. Zlnv foUte es flott IDille
unb 3nteneft in (SafVs. Sinne Ijeigen (ßrunbfräfte nnb
eittribute, 5ormett fann man Sdjopenl^auer Dormerfen,
ba% ein Wiüe oiine gi^I ^i^ Jlbfir actum fei, ba% aber
ein XDiDe, ber einlas woüe, fdjon mit ber PorfleQung
oermäljlt fei. €r l^at aber bodj Hed)t, benn ein Crieb
ift ein IDille; ber ein beftimmtes 5»^' ^tjne Dorflellung
Ijat, foa>eit nämlidj t>as inbioibuelle Sen^ußtfein in 5tage
fommt U)ir fennen swar bie 5ad?e aus (£rfaljrung,
fönnen jte aber nidjt faffen, weil bie gtDecfoorftettung,
bie tt>ir nadj unferer ©enfireife fupponiren, jenfeits bes
inbipibueOen Sen>ugtfeins liegt 2lm leid^teßen tann
man pdj biefe IDat^rt^eit burdj ein Silb Har mad^en.
2)er Crieb ijl einem 3"j^umente 3u oergleidjen, bas
uns bei ber (ßeburt mitgegeben wirb. Salb fönnen mir
oon Anfang an barauf fpielen, balb oerooHfommnen wir
unfer Spiel burd^ bie €rfal?rung, aber alles Üemen \xnb
äße (Erfahrung würben nid)ts Reifen, wenn wir bas
3nftrum«nt nidjt Blatten.
3n pliYJtologifdjer Sprad^e Ijeigt es, es ftnb bem
fiinselwefen fertige 2lpparate t>es <5eljims ober bes
^eroenfvftems überBjaupt gegeben, bie burd? bie Um*
IV. Kriti!. 309
^ärxbe bcs tnbtoiöucHen Ccbens in ^iiätiqUit gcfcfet, aber
nxdtt gefdiaffen werben. 5ür ben eoolutionipifdj <5e-
fdjttiten liegt ber fiintoanb nal^e, bag biefe Apparate
tDälirenb ber pt^ylogenefe bodj erj! geiüorben pnb. <ße*
toig, alles i^ ja mit ber Seit getoorben, aber jefet ijl es
eben unb ipir I^aben es mit ben 3"^Wbuen 3u tl^un,
n>ie fte pnb.
lOeiter fann man gegen bie Cel^re von ben (ßrunb«
fräften einmenben, bafe ber ZTIenfd^ nid^t ein Sünbel
von 3n1ttnften fei, fonbern (gin XDille, ber jidj balb
baljin, balb bortl^in irenbet. Das ift im (ßrunbe lOort«
jireit unb ber Einwurf; <5aü serftöre bie (Einl^eit bes
3d?, serfplittere bie Seele in eine Zllenge Meiner CljeiU
feelen, ijl red^t tijörtdjt Die Ferren oeriredjfelten €in«
fadjtjeit mit (Einljeit. Die €inl^eit ijl ^a, bie 2nannig«
faltigfeit ijl ba, was foHte es nüfeen, bie €inljeit 3U
leugnen, ober bie ZHannigfaltigfeit 3U leugnen (was bie
ftnnlofe pl^rafe von ber (£infad?I^eit ber Seele tljat)?
2lOer Streit fann jld^ nur auf ein 2nel^r ober IDeniger
besiel^en, benn fein Perftänbiger wirb leugnen, ^a% in
gewiffem (ßrabe bie einseinen Criebe felbjiänbig
jlnb. Znan benfe an ^cn ttal^rungstrieb, an ben <ße*
fdjiedjtstrieb. Dieüeid^t I?emmt mandien bas XOort Crieb
ober 3»iftitift. 3"^«ff^^ ^^ ^i" wefentlidier Unterfd)ieb
3tt)ifdjen Crieben unb 55Ijigfeiten ober 2lnlagen über-
I^aupt nidjt porl^anben, obwol^l wir gewöljnlidj nur bann
»on Crieben reben, n>enn wir an bas (5efüI?I bes (Se*
triebenwerbens benfen. Znan fönnte gans gut aud^ oon
einem Spradjtriebe, einem 2nufiftriebe, einem matJ^e*
Z{0 2lnljang: Ueber ;Jran3 Jofeplj <Saü.
mati[d{en (Cricbc reöcn. Sobald irgcnb eine Anlage in
I|öljerem <5raöe ©orijanben tft setgt fte jldj tl^atfddjlid^
als Crieb. 5ür bie relatioe Selbfldnbigfeit ber Criebe
iiat (5a0 fooiel Seifpiele betgebradjt, im ^inbltcfe tljeik
auf bie perfdjiebenen (n:^ierarten, tljeils auf bie vev*
fd{iebenartige Begabung ber 3"bii)ibuen, unb je^er
3)enfenbe fann biefe Seifpiele fo Ieid|t permeB|rcn, bag
td{ u?eitere eingaben unterlaffen fann. J>a% unfer IDiUe
(in Sdjopenl^auer's Sinne) fid? aus einer ^Insal^I von
partialtoiUen sufammenfefet, bag 5<^^^ ^^^ Stätte ber
partialn>illen wed^feln, ^a% erjl aus il^rem Sufammen*
wirfen unb il^rem Streite ber £I^arafter I^eroorgelit, ^as
jinb Cl^atfad^en, bie burdj XDorte nidjt aus ber XDelt ju
fdjaffen finb unb bie im (ßrunbe alle Unbefangenen
jeberseit anerfannt I?aben, ujenn fie audj niemanb vov
ilim fo flar erfaßt iiat n?ie (Salt
Bis Ijierl^er ift meines (Eradjtens (SaWs pfvcl^ologie
untabelljaft Die größte Sdju^ierigfeit ijl bie, jtdj eine
Porftellung 3U mad^en von ber Se3iel:^ung ber (ßrunb«
fräfte 3u ^en 2lttributen. (£s ijl n>o!)I nid|t 3U leugnen,
ba% (Sau in ber Ct^eorie bie Selbpänbigfeit ber Criebe
etroas 3U jlarf betont I^at, ^a% es bei iljm 3un)ei(en aus-
fielet, als rväxe jebes ®rgan ein fleines <5eEjirn für fidj,
ba bodj bie Attribute nur an ber (ßrunbfraft fein foHen
unb iet>e5 0rgan feine eigenen Attribute I?aben fott. gu
jireng aber bürfen mir mit (Sau nidjt redeten, ^a Ijier
alles meBjr ober u?eniger 23i(b unb (5Ieid|ni§ ijl unb
a>ir aud^ I^eute oon einem erfdjöpfenben Perjlänbniffe
roeit entfernt finb. 5affen »ir einmal bie Sadie redjt
IV. Krtttf. 3U
grob, fo fönnle man ftd? bcn S^fammcnliang folgenbcr*
maagcn bcnfcn. Das (Scf^irn ift ein fcubalcr Staat.
Das 3d? ift bcr König unl) bie 2lttribute ftnl) feine Se*
amten, bie Criebe aber jinb bie Sarone. Kommt irgend
eine ttadjrid^t pon brausen, fo perbreiten fie bie 33e«
amten an bie rings B)erum roof^nenben Sarone. 3"te«
refftrt ftd? feiner für fte, fo bleibt bw TXadixidit tljeore»
tifd). (ßel^t fte aber einen Saron ober einige Sarone
an, fo treten bie 3ntereffenten in Cl^ätigfeit, es giebt
PerE^anblungen, Streit, Sefdjlüffe, fdilieglid? fanftionirt
ber König bie ftegreidje 2tnftd)t unb feine Seamten, bie
immer f^in unb ber laufen, fül|ren l>m 3efd)Iug aus. €s
giebt Sarone, bie iljrer ZTatur nadj Stni^en bes Sl^rones
finb, es giebt aber aud? rauE^e, eigenwillige Ferren, bie
fidi nid^t gern etn?as fagen (äffen unb unter Umftänben
bem Könige if^ren IDiflen aufbrängen. ZlTödite es jemanb
gelingen, bie 2lngelegenf^eit miffenfct^afllidi 3U formuliren.
ZlTan fprid)t pon einem Kampfe ber ZHotipe, aber in
XDirflid^feit fönnen bie ZlTotipe gar nid^t fämpfen, bie
Criebe fämpfen unb alles, mas toir pon innerem ^wxe*
fpalte, Pon gweifeln unb Seelenfämpfen, pon pfvdio«
logifd^en lX)iberfprüd)en, Pon ber boppelten Seele u. f. to.
E|ören, bas gel)t auf bzn XDiber^reit ber Criebe.
(£ine anbere Sd^toierigfeit liegt nidjt im principe,
fonbern in ber ^(usfülirung. VOeldie finb l>cnn nun bie
(ßrunbfräfte? Ueber einige ift leidet UebereinjHmmung
3U ersielen, anbere finb 3n?eifeH^aft unb eine pollftänbige
2luf5df^(ung überfteigt unfere Kräfte, (ßegen bie Pon
(5aII angenommenen (ßrunbfräfte i(at fid^ ber ^oB^n ge*
3\2 Jlntjang: lieber gratis 3ofepIj <5aII.
rtd^tet nnb bte (Begner ftnb uncrmüblid} barin, über bte
27 ®rgane 3U lad^n unb balb an biefem, balb an jenem
jtt Setgen, tote finbifdj <ßatt gemefen fei Um gered)t
3U fein, mu§ man ftdj Jolgenbes überlegen. 5ür (ßatt
»ar bie Cljeorie t>on ben (ßrunbfräften unb lE^ren ^ttri»
buten ber 5djlu§flein, er fam 3U iljr erfl bann, als er
für bas, was er empirifdj unb oljne Cl^eorie gefunben
Ijatte, bie tieferen (ßrünbe fudjte. <5aVL oerfuljr fo, ntib
met blatte anbers ©erfaljren fonnen?, ba% er ftdj fragte,
toas 3eidjnet einen ZHenfdjen t>or bem anberen aus,
fyiben bie (Eigenfdjaflen, bie balb als 55l?igfeiten, ^n*
lagen, balb als Criebe, Neigungen beseidjnet »erben,
eine gAoiffe Selbflänbigfeit, ober entjlel^en fte erfl aus
bem ^ufammenmirfen anberer (ßrunbfräfte, »ie unter«
fdjeibet pd? il^r normaler gujlanb oon iljrer ^yper»
tropljie u. f. f. €r ©erfolgte feine Permutljungen, fo gut
er fonnte, burd? ZTadjbenfen unb Seobad^ten oon ZHenfdjen
unb Cf^ieren unb mäl^Ite bann für bie angenommene
(ßrunbfraft ben Hamen, ber il^m relatiü ber paffenbfte
3U fein fdjien. (ßef^t man il^m im €in3elnen nadj, fo
mirb man iljm maljrfdieinlidi nidjt überall beijHmmen
fönnen, aber man n>irb nidjt umljin fönnen, fajl überall
feinen Sdjarf jtnn, fein reid^es IDiffen, feine Unbefangen«
Ijeit 3U beujunbem. Zltag er oft geirrt h^aben, er B)at
trofebem aud^ als praftifd^er pfyd^olog firjlaunlidies ge«
leijlet unb bie pfydiologifdjen Ceijlungen feiner (Segner
ftnb n>aE|rIid^ nid^t im Stanbe, bie ^odjad^tung por
(ßall's originellem (ßeijle 3U perminbern. €s ifl (Bali
natürlid{ nie eingefallen, 3U bef^aupten, ber ZHenfdj l^abe
IV. KriHf. 3^3
27 (ßrunbf rdf tc, er glaubte nur, f ooicl an bcr jugäng-
lid^cn ©berfläd^c bes (ßcf^irns nadirocifcn 3u fönnen,
unb mar jtd? bcrougt, bag bamit bie 5ad^e nidjt cricbigt
fei. Seine Se3eid^nungen jinb sutoeilen rDunberlidj unb
vooitl nxdtt 5u billigen, aber er felbft legte gar feinen
XDertf^ auf bie ttamen unb bebauerte mand^mal, ^a%
xfyn feine befferen Beseid^nungen eingefallen feien. (£in
Seifpiel genüge. (Sau glaubte, ba% bas Verlangen nad^
(EigentF^um , ber (£rn?erbfinn , eine (ßrunbfraft fei unb
in ber CE|at ijl bei Cf^ieren nnb ^TTenfdjen ber Crieb 3U
E|aben ein mid^tiger CB^araftersug. 3ft biefer Crieb fef^r
jlarf entmicfelt, fo treibt er ^as '^nbivi^nnm 3U Ueber«
griffen, 3ur 2lneignung andi fremben (ßutes. Desl^alb
»erfiel (ßafl in feiner Ztaioetät auf bie unglücflidje 3^^^/
ben Crieb als Diebespun 3U be3eidjnen, ein (Einfall, ber
3U billigen Kritifen aufforberte unb iBjm fef^r oiel ge-
fdiabet Ijat.
(£in befonberes X>erbienjl (SaWs ift feine Befämpfung
ber fog. empiriftifdjen 2tuffaffungen. (£5 gereid)t uns
nidjt 3ur €f^re, ba% nod| F^eut3utage bie €rfenntni§, ^a%
aUe mefent(id)en iäliigfeiten angeboren finb, XDiberfprud^
finbet. (Ein fuperfluger Hationalismus f:iat 3um Sdia^^n
ber pfvdiologie frül|er unb jefet ber inbimbueHen €nt«
roicfelung 3ugefd?oben, toas nur ber ^Irtentroicfelung 3U-
fommt. Zltan roagt 3. S. ber flaren Crfaljrung 3um
Crofee 3u beE^aupten, ber ZHenfd? lerne ^as Ciefenfef^en
erjl burdi £rfal|rung. <£xn befonbers betrübenbes 23ei^
fpiel rationaliftifd^er X>erfälfd?ung ber (£rfaBjrung ftnb bie
berüd^tigten „SemegungsDorfteHungen". Die päbagogen
3^ ^Inhoiig: Uebcr ;Jraii3 3of^P^ <5aII.
rcben von (CE{orafterBUbnng unb bte Qumanifien iDoQen
öen geborenen Vethxediev „beffem''. Sei einem be«
beutenben pfvd^iater finbe idj 3U meinem Sd^recfen ben
Safe: ;,Da5 (ßrofeE^irn ijl eben oon Einfang an eine
tDirflidie tabula rasa." ®! €in anberer erMdrte mir
perfönlidj, er Ijabe feine 3nftinfte. ^Hes ^as unb oieles
^(nbere träre nid^t möglidi, wenn man nid|t <5alVs tici)t*
poHe ^useinanberfefeungen bei Seite gefd^oben E{dtte.
IDenn bod^ 2tfle, bie nid^t baran glauben, ba§ bie geizige
£ntn>icfetung nid^ts ifl als bas 2(ufbIüE}en einer prä»
formirten Knofpe, aufmerffam ein eben aus bem €i ge«
!rod)enes ^üBjnd^cn beobadjten moUten. €s läuft elegant
unb es picft bie Körndjen auf. IDer bas einmal emji*
lidj begriffen l|at, ber mirb aud? bas' Uebrige begreifen.
In summa, es liegt feine Deranlaffung »or, aus
pfvd^ologifd^en (5rünben, (5all*s £el|re a limine absu«
meifen. Diefe ift melmelir pfvdiologifd] oortrcfflidi he^
grünbet unb es ijl eine reine Cf^atfrage, ob bie 2luf»
fteHungen <ßafl*s im fiinselnen bered^tigt finb ober nidjt.
3. Das bicfe £nbe ifi bie Sdiäbellcljre. 21. Hefeius
Ijatte (ßall's Sdi&belleljre oermorfen unb l^atte an itjre
Stelle bie Haffenfdiäbellel|re im ^Infdjluffe an Blumen»
badi gefefet. Diefen Unterfudjungen ift feitbem Seit unb
IHülie im größten IHaa^ftabe geopfert morben unb bas
Crgebniß ift ein „Cljaos pon IDiberfprüd^en".
Hefeius liaiie bie einfädle Sd)äbelbetradjtung für
ungenügenb gel^alten unb bie 2T?effung empfol^len. „€jaft«
l^cit" wax nunmel^r bas 5^l^g^fdir«i« (5enauigfeit i(i
getoig eine fd^öne 5ad|e, aber bie Segeifterung für ^as^
IV, Krttif. 3\5
JJTcffcn unb ^äitUn an jtdj fann bod^ andi auf 2lbtpcge
leiten. ZHan muß n>iffen, n>arum man mißt unb ob es
nad^ ber ttatur bes (5egenftanbc5 einen Sinn Ijat, bie
ZniHimeter 3U säl^Ien, ober ob bie unoermeibUdjen S^h^^^
nur approjimalioe eingaben 3u(affen. IDenn man be«
liebige Sdjdbel aus (ßräbern, aus Seinl^äufern, aus ber
Seute ber 2lfrifareifenben u. f. ro. mißt, roenn man feine
2lljnung iiat von ber 23efdjaffenB)eit bes IHenfdjen, bem
ber Sdtäbd geijörte, toenn man überf^aupt gar nid^ts
meiß oon ber Sebeutung ber Sd^äbelmaaße, bann toirb
ber Streit um bie ZlTiHimeter fomifd? unb man muß ben
ejaften 2lrbeiter fragen, u?eißt bu aud^, toas tn tliufi?
Die ganse Croftlofigfeit ber Kraniometrie erfennt
man am bejten aus bem Sudie Cöröf 's^). Der Perf*
gel^ört 3u ben leibenfd^aftlid^en ,^einben (5aü's. „5ür-
n>aB)r, fein miffenfdjaftlidi benfenber ZTaturforfdjer fann
ol^ne gett)iffe Befd^ämung auf bie £apaler*fdje pB^vH^'
gnomif unb auf bie (ßall^fd^e pf^renologie surücfblicfen.
XDas foU man aber erft basu fagen, u?enn man nodj
Ijeutsutage ebenfo friool roie eBjebem oon ber äußeren
5orm bes Sd^äbels auf geu?iffe geiftige unb moraIifd)e
fiigenfd^aften ber betreffenben 3"^ii^i^ii«n fdiließt unb
mit biefen 5d?Iuß5iel|ungen andi in ber rDiffenfd^aftlid^en
IDelt fid| 3U brüften roagt! g. 23. ber pfyd^iater, ^err
prof. Senebict in IDien, überfd^üttet bie jefeigen Kranio*
logen toegen il|rer Unroiffenljeit mit feinem ^ol|ne unb
^) döröf, 2lurcl ü., (Srunb3Ügc einer fyftematifd^en Kranio=
metrte. Stuttgart 1(890. ^. €nfe. 8. 63 ^ 5.
3\6 2Inljang: liehet ^van^ 3<>f^P^ ^^^*
berfelbe ^crr profeffor toagt es 3ur tDaE^rcn Sdjanbe
unferer ©isciplin, Mc (ßatt*fdjc pljrenologie als eine
E^errlidie €rrungcnfdjaft bcr XDiffenfdjaft 3U prcifen.'*
3tn (5egcnfafec 3U bem frwolen (Sali fdjmärmt Cöröf
für bie j^rcnge IDiffcnfdKift ^IDas tjt cigcntlidj bcr
Selbftsioecf ber franiologifdjcn Disciplin P'' <£r fann in
nxdits anbcrcm bejlcf^cn, ^als emsig unb allein in ber
€rforfd)ung ber <ßefefemä§ig!eit ber Sdjäbelform, unbe«
fümntert barum, ob bie Ijierbei geioonnenen Hefultate
audi i^ biefen ober ienen praftifdjen Problemen ftdj
oern>ertE|en laffen ober nid^t". Sis jefet ijl ber „Selbji-
3n>ecf" nadj C nodi ntd^t erreid^t. Das Derfal^ren
ber Kraniologen fei gans planlos geioefen. Sie E^aben
$. S. bas STcanffnvtcx Zlteffung-Sd^eina »ie ein Dogma
befolgt, aber ^eit unb IHüEje tparen gans umfonj^, „ba
audj bie nadj biefer Sdjablone gemeffenen unb be*
fdjriebenen Sendete ber ocrfd^iebenen 5d|äbelfammlungcn
roenigflens in Sesug auf bie Kraniometrie, gar feinen
miffenfd^af t(id)en , fonbern nur einen faufmdnnifdien
Wettli, ndmlid^ nad? bem (ßen)id?te t>on ZHafuIatur-
papier, l|aben fönnen". ,,Sei einer ausfüljrlid^en
fvjlematifd^en , f raniometrifdien ^Inalyfe eines einsigen
Sd^äbels muffen über 5000 Cinearmeffungen gemad^t
n>erben". ,,5ürmaEjr, n>enn xAt bebenfe, ba% nid|t naipe
Caien, fonbern bie gerabesu berufenften Vertreter ber
Kraniologie ftdj mit einigen »enigen (oon etwa 30 bis
etn>a 200) ZlTeffungcn bef^ufs ber franiometrifdjen
Cf^arafteriftif oollauf sufrieben geben (freilidj E^errfdjt
aber bei biefen Koryptjäen meber in ^infid^t ber 2ln»
IV. KrtHf. 3^7
Saljl, nodj aber in fjinjtcbt bcr betreffenden ^lusmalil
öer ßnearmeffungen felbjl eine (ßleidjförmigfeit), fo mug
idi es fdjon als einen »aljren 5ortfdjritt betradjten,
wenn xdt mittels ber blogen ^lufsäljlung ber bisljer uit»
erljört großen ^Insaljl von önearmaajjen ^»enigftens
einige gipeifel bei ben f elbjlänbig benf enben Kraniologen
in Sesug auf bie bisf^erige Hidjtung ber Kraniometrie
erregt f^abe. 5ür ben aUererften 2tugenblicf muß fd^on
bies als ein Hefultat ber Heformbeflrebungen angefeljen
merben. Denn ^a% es mögüd^ rodre, fdjon jefet bie
ZTotIjn)enbig!eit ber über 5000 säl^Ienben linearmeffungen
überseugenb bemonjtriren 3U fönnen — ^avan fann nidjt
einmat gebadet merben unb xdt bin, um es eE|rIici{ unb
offen 3U erfldren, audj nid^t im Stande, bies 3U tf^un.
3a nodi meljr, idj muß audj bas nodj offen erflären:
^a% bei meiner Ijeutigen üoflfommenen Unn)iffenljeit ber
<ßefefemäßig!eit ber Sdjäbelform id^ nidjt einmal im
Staube bin, 3u erflären, u>ie piele oon ben über 5000
ßnearmeffungen 3U einer nur etn?as genaueren ©rien*
tirung über bie allgemeinen franiometrifdjen £igen«
fdjaften ber Sd^äbelform nötl|ig finb." Das tf^ut wo^U
„Va% xx>ix Ijeute ber Kenntniffe nod^ üoUftdnbig ent-
beljren, bas toirb ja bodj ein ^ebex einfetten müjfen,
ber nidjt gan3 unb gar £aie in ber 2tnatomie bes
Sdjdbels ift! €s geijört gen>iß bie origindre „vis inertiae"
im Den!en ba3U, um 3U glauben, ^a^ man mit planlos
unb bobei nod^ fetjlerijaft ausgefüljrten menigen (30)
JHejfungen einen Sdjdbel »iffenfd^aftlidj franiometrifdi
beftimmen fönntel ZlTan brandet nur einen Slicf in bje
3^8 2lnljang: Ucbcr ^rans 3ofcptj (Sali.
franiomctrifdje £iteratur 3u tljun, um fofort jene Dijfo-
nans ber JHeinungcn über bU aflemnfadiflen S^agen
öcr Kraniometrie bcmerfen 3U fönnen, toeldjc Dijfonans
bas emsige beßdnbtge €tement ber btsE^erigen franto«
metrifd^en Sorfd^ungen bilbet €5 giebt feine ^insige
5rage in ber Kraniometrie, »0 es nidit ljie§e : asserit A,
negat O". ©er 5wed feiner Darlegungen fei nur, fagt
(L, bie Kraniologen 3um Denfen ansuregen, „^a bie bis-
Ijerige 2trt unb H>eife, pdj mit Kraniometrie 3U be*
fdidftigen, nidjt »eiter gebulbet iperben barf — fott unfere
Disciplin fünftigf^in nidjt »eiter als gielfd^eibe ber Vet*
E|ötjnung bienen^.
Coro! E|at freilidj gans Hed^t, »enn er fragt: „H>er
permag aus ben gefammten bischerigen Sd^dbelmeffungen
andi nur ein einsiges nad} jeber Hid^tung t^in uner*
fd^ütterlidj feftfleljenbes praftifd^es Hefultat auf3un)eifen?''
^ber »ie geljt bie (ßefdiid^te toeiter? Sis jefet ijl nidjts
geleitet: ein großer 2lufn)anb fdjmäljUdj toarb pertljam
£s ifi mit ^cn gegebenen Qütfsmittetn sur ^eit andt gar
nid|t möglidj, etwas 3raud}bares 3U leiten. Das S^cl
liegt in »eiter S^xne, ob es erreidjt »irb unb ob, wenn
es erreidjt i% bie praftifdjen 5oIgerungen, bie bem
ZtTenfd^en bod{ etgentUd} am fersen tiegen, gebogen
toerben fönnen — bas »iffen bie (ßottcr. Dorldufig
bleibt uns nidjts übrig, als 3u meffen, 3U meffen, 3u
meffen unb feinen £oI?n 3U ern>arten. Der Kraniometer
mug alfo ein im E^ddijlen (ßrabe entfagenber ITlenfd}
fein, er erinnert lebE^aft an bie <ß(abiatoren unb iljr
„morituri te salutamus".
IV. Krtttf. 5\9
Die Kraniomctric ift al\o trojüos, iDcil jte bcm
JHcnfdien eine 2tufgabe ^eüt, bie er nid^t löfen fann.
Sie toill bie Soxm bes Sd^äbcls ejaft, b* f^. geomelrifdj
erforfdjen. Sie jteljt bie Unmöglidifeit ber Sadje ein,
Ijäuft aber ZHcffungen auf ZHeffungen, um bem Siele bod?
ein bisdjen näf^er 3U fommen. ZHad^e bas mit, »er »ifl !
5ragt man, n>arum (ßall's Sdjäbenel:^re fo gans
unbraudjbar geiDefen fei, fo erl^ält man perfdjiebene
2tntoorten. ^unäit^t interefjtrt uns bie Bef^auptung,
ba§ ber Sd)&bel gar nidjt ein Silb ber (5el|irnform fei
(ßall Ijatte gelef^rt, bas (8el|irn forme ben Sdiäbel unb
beffen inbioibuefle Derfdiiebenljeilen Ijängen pon Der«
fdiiebenf^eiten bes (ßeljirns ab, fo toeit ber SdiSbel
ißeliirnfapfel ifl. Die meinen 2lnatomen n>aren im 2tn-
fange bcs 3aljrljunbert5 ber gleid|en ^Inpd^t, jte fallen
im (ßeE|irne ^en ^errn, im Knod^en ben Kned)t. Das
follte aber nid^t fo bleiben, es folgte eine 2(rt Pon
Sflapenauf jlanb , ber Knodien »urbe emanciptrt unb
burfte nun bem (ßeljirne X>orfd?riften mad)en. Der
^auptperlreter ber Knodicnfelbjlänbigfeit ifl befanntlidj
H. Vixdtow. €r beseid^net bas „ttatjtmadjsttjum" als
toefentlidi unb arbeitete bie Synoflofenlel^re aus, nadj
ber „bie €ntu?idelung bes Sdjäbels jebesmal bei Syno-
jiofe einer Zlalit in ber Hidjtung surücfbleiW, »eldie fenf •
redjt auf bie fvnojlolifdie Zlaitt liegt". 3^""terljin brüdte
Vxrdiow felbp fxdi feljr porftd^tig aus. fir fagt 3. S.^):
*) Untcrfud^ungen über bie (EntiDtcfelung bes Sd^äbelgrunbes.
Berlin ^857. p. 95.
Ptrd^oip äu§ert fic^ aud^ über bie HTthocepIjaltc feljr cor«
320 2lntjang: Ucbcr ;Jran3 Jof^P^j ^^^•
„Wenden nnr uns • . . 3ut Betracf^tung bcs Peri^dÜntffes
5iptfd}en Sd^bct« un^ <&el\\xncntwxdelnr\q, fo fann es
fdjon auf öcn erflen Slid nidjt swcifcll^ft fein, bog es
{td? I^ter um ein IDectifeloerEtSItnig E^anbelt unb bag nict{t
etwa einfeitig bos (ßeE^irn bos Knoci{enn>act^tt{um be-
fKmmt ober umgefel^rt. Der £influg, ben beibe (Cl^eiU
auf einanber ausüben, mu§ offenbar ein boppelter fein,
ein medjanifdjer unb ein organifdjer, toobei toir jebodj
nidjt oerfennen !önnen, ^a% ber lefetere ({auptfSd^tid} bem
(ßetyme sufommt, ipäE^renb ber erftere beiben Ci{eilen in
I>oIjem ZHaajje susufdireiben ifl". 2tber D.'s Steigung
gel^örte bem Knod^en, ^enn es Ijeijjt n>eiter (p. U^):
,,3f^ ^ös (ßeljirn ober pnb bie Knodien bas fintfdjeibenbe?
IDir ftnb fem bapon, bie 2lntn)ort in einem einfeitigen
ftd^tig, es fönne fid^ in mand^en ^äUen oon Vflxhoceplialie um
i7or5eiti9e Derfnöd^crung t^anbeln. 2lnbcrc ^Jrcunbc ber Knoc^en-
hcrrfd^aft perfuljren ütel unbebcnfUd^er. ^yrtl 3. B. jagt (£eljrb.
b. 2lnat. b. lUenfdjen. 12. 2lufi. p. 259. ^873): „^riilj3citi9es
Peripad^fen ber Zläbtc, bepor bas (Setjim feine PoUfommene 2lus=
bilbung erlangte, bebingt IHihocepljalie,. als treuen (Sefäljrten bes
angeborenen Blöbfinns''. 2lbgefeljen bapon, ha^ bie feltene IlIifro=
cepbalie fein treuer (Sefätjrte bes t)auf[gen angeborenen 3Iob«
finnes ifi, erregt eine foldje Bet^auptnng eines angefet^enen 2lna=
tomen ein bebenflicbes Kopffd^ütteln. DTan mu^ anneljmen, ha%
^yrtl niemals einen ini!rocepbalen=5d?äbel gefeiten tjabe. (Einige
finb nämlid? baburd» ausge3eid?net, ha% bie Itätjte abnorm »eit
offen ftel^en, be3. bie Fontanellen lange erl>alten merben. 3d?
fenne feinen jugenblid^en inifrocepljalen=5d?äbel, beffen Zl'd^ie
perroad^fen n>ären. Der gleid?en 2lnfid?t ift auc^ Hieger. TXadf
x^m l^aben bie IHifrocepl^alen in ber Hegel poUig normale IXa^U
perljältniffe unb fommt einmal etn>as ^Ibnormes bobei por, fo \\t
es als eine unn>efentlid?e Complifation auf3ufaffen. Dgl, auc^ bie
eingaben IHard^anb's, pilc3's u. 21.
IV. Krttif. 32\
Sinne geben 3U rroHen, aber xx>xv glauben bodj andt
gegenüber ber Steigung, aUe XDirfung bem (Seljirne unb
ben tterpen 3U3uf djreiben , bie grojje 3ebeutung öer
Knodjen f^erporl^eben ju muffen". (2tls Seroeis folgt
ein 5att »on cerebraler Kinber(äl|mung !) Dajj öie
öentofratifdie Cenbens ben Unterfdjieb smifdjen bem
Ijerrfdjenben unb bem bienenben (ßeiDebe gar nidjt be«
rürffid^tigt, seigt ber gegen £. 5icf gerid^tete Doriourf
DirdionD'S; ba§ bei ausfdiliej^Iid^er Serücffid^tigung bes
(ßetjirniüad^srt^ums nur bie unerHärten ntorpljologifdien
(Seflaltungstenbensen einfadj von ^cn Knodjen »eg auf
anbere (Sebilbe gefd)oben ȟrben. 2Us ob es fid| um
3n)ei gleid^ beredjtigte (ßemebe l^anbelte ! 3d? l^abe midj
nun gan3 oergeblidj bemüljt, irgenb einen Semeis bafür
3U entbecfen, bag, abgefeljen pon Caries unb ätjnlidien
Kranflieiten, primäre Svnojlofen porfommen, ^a% bie
fogenannte Compenfation fefunbär fei. 3tnmer Ijeijjt es
nur, es fönnte ja fo fein. 3ö/ tnan erfSE^rt audj gar
niiit, n)arum es einer TXalit einfallen fofl, 3U per(nöd}ern.
1>a% bei gemiffen Conpitutionsfranff^eiten ein allgemeiner
Crieb 3ur Der!nöd|erung porfomme, ^as W§t jtd? benfen,
ba% aber irgenb eine ein3e(ne Ztaljt of^ne greifbare Ur«
fadje, fojufagen aus purem €igenfinne, fidj fd?Iiege, bas
n>ill nid)t einleudjten. fis ift ipof^l fein ^»eifel meljr,
^a% gegenüber ^^n Darlegungen (ßubben's, 5icf's u. 71.
bie ganse 5vnopofen(e!:^re unljallbar fei. Ueberbem per-
n>irft X>irdion> felbjl bie 2lbleitung ber Unterfd^iebe ber
Hajfenfdjäbel burdi beftimmte Svnojlofen, be3iel^t fidi
faft ausfd^Iieglid) auf franftjafte gupänbe. 1>a% in ber
m ob Ins, mattiemotifer. 2\
322 2lnbang: Ucber ;Jran3 3of^P^ &aU,
potl^ologie atlcrl^anb i>orfomtnt, bos fann bod) in bev
pE^Vftotogie nidjts Ijcifcn, bas 3nt^>^^ff^ <*^t gcijört bcm
pIlYpol^öH^*" Sd^dbetoadjstljume.
Qat (Subbcn geseilt, ba% bei jungen (CE^ieren Drucf
unb Sug bic Knodjen ^fajl toic IDad^s mobcIn", fo ijt
bamit noci{ nid^t entfd^icbcn; bag bas iDad^fenbe (5ct}irn
im H>efcntlidjcn allein a!tio fei. Tlndti bie TXlusMn
fönnen 3ie!:^en unb brücfen unb es fanben jtdi Dertljeibigcr
ber leljre oon ber Sdjäbelbilbung burdj ZHusfetoirfung.
3n gerabesu fraffer IDeife hiat 3» fingel ben TXlnsUU
anvoalt gemadjt Zladt iljm fdjmiegt ftdj bei ber befini-
tipen (5eftaltung ber (ßeljirnfapfel bas (5ef^im in bie
burd? bie ZlTusfuIatur bebingte 5orm l^inein! 3^^^^:?
iiat £. 5irf ^), beffen ^(usfuE^rungen man fajl überall von
fersen beiflimmen fann, biefe Seflrebungen enbgültig
3urüdgeix)iefen. ZHerfiDÜrbiger IDeife ijl Hieger auf bie
ZHusfetoirfung surücfgefommen unb Ijat in gen>iffem
Sinne oerfud^t, (£nge( 3U oertf^eibigen. X)a§ für bie
5orm bes (Seftditfd^dbels bie ZHusfeln nid^t bebeutungs»
Io5 jtnb, bas tann man ruB^ig sugeben. Va% bie 5orm
bes Cbierfd}dbe(s fogar befrdd}tlid} burd; bie 2TlusfuIatur
bebingt x% bas liegt auf ber ^anb. 3n biefer ^injtd^t
ifi bie 5d)n)eine«KranioIogie braudjbar, jebod) ^atljufius
felbji betont, ba% bie (ßeljirnfapfel bei aüen Variationen
gans unperänbert bleibe. (£s fommt aber für uns nnb
^) Ucbcr btc Urfad^cn ber Knod?cnformcn. <S5tttngen ^857.
Heue Untcrfud^ungcn über btc Urfad^cn ber Knod^cnformen.
UTarburg ^859.
IV. Kritif. 325
andt für Hicgcr eigenllidj nur auf bie (ßcljirnfapfcl an.
Xlicmanb unb aud) Hieger nid^t magt 5U bet^auptett;
^a% ber (ßeljimfd^äbel bes ZlTenfdjen von ZlTusfeln 3U«
red^t gebrücft ober gesogen u)erbe* Wo^n alfo bcr
€ifer? Hieger gefleF^t 3U, bag eigenllid? nur Me Kau-
unl) bie ZXacfenmusfeln in Setrad^t fommen. 2tber audj
if^re Sebeutung fann man nur bef^aupten, fo lange man
im Sereidje allgemeiner (Erörterungen bleibt, mie es
Hieger tljut Sieljt man jtdj bie aufgefägten Sd^äbel
an, fo bemerft man niemals, ha% an ber SUÜe, wo pdj
ber Cemporalis anfefet, bie ^cn (ßef^irnraum begrensenbe
£inie abgebogen n)erbe, eine ^lusbud^tung nadj innen
ober außen porfomme. Unterfud^t man bie Köpfe, fo
finbet man ^ben fo moljl jtarfe IDölbung ber Sd^ISfen-
gegenb bei fd^mad^en Kaumusfeln unb fd^mad^e bei
ftar!en, ein ffad^es ^interljaupt bei Parfen ZTacfenmusfeln
unb ein jlar! gewölbtes bei fd^toad^en, als bas Um»
gefeierte, (ßegen 5id's fiegretd^e Setoeisfüf^rung ifl
Hieger's lefetes 2trgument bas folgenbe. £r fagt: „lüof^er
fdmen ^^nn aber alle faftifd^en Derfd|iebenljeiten ber
Kopfformen? ZHusfetoirfungen »ifl 5id nid^t aner*
fennen"* So bleibt nur bas ^irnmad^stljum, bas 5i^
„in ber Cl^at audj ausfd|tte§Iidi im 2luge Ijaf. „Dies
fül^rte enttoeber auf gerabesu pljrenologifdie Confequensen
3u einem beliebigen ^lusroad^fen pon ^irnoberffäd^en-
organen ober mürbe bem ^irnu?adjstl^ume überijaupt
gans unbegreiflidie launen $umutljen/ „fiin in biefer
IPeife pdi »unberbarüdiji ausirad^fenbes ^irn fönnte
Ijöd^jlens ^en Seifall eines pljrenologen finben/ HTan
21*
32 ^ 2lnljang: Ucbcr ;Jran3 Z^\^vk <SaII.
bebertfe alfo: xx>e\l eine 2(uffaffung 3u ben 2(nftcfitcn
fiaD's füllten Knntc, besljalb ijl jte falfdj. 3^1 benfe,
eine foId|c SeiDcIsfüIirung rid?tet fidj felbjl.
Da bie Knodien ben aWioen fictoeben gegenüber
ooQfommen nadjgiebig pnb; ba für ben menfdjUdjen
(5el|irnfd:|äbel bie JJTusfeln nidit in Setradjt fommen,
fo bleibt als aftio nur ^as (ßel^irn übrig. Die 5orm
bes 5d|äbefe Ijängt ab oom (ßeljirnn)adj5tl|unie unb
feine Derfdjiebenl^eiten Ijängen ah pon ^cn Derfd)ieben*
Ijeiten bes (ßeEiirns. Hur eins ijl 3U bebenfen, auf ^as
(Sali nid|t gefommen x% (£s fönnte nämlictj ber Sdtäbei
im (Bange ber Dererbung eine gemiffe Selbftdnbigfeit
erlangen. Xlidit nur bie 5orm ber ttafe unb ber (D^ven,
fonbern audj (ßejialtungen ber Knodien »erben ©ererbt,
3» S. bie geu?iffer X>orfprünge. Dag bie 5orm bes
5d|äbe(s felbfi pererbt n>irb, fann gar nid|t besujeifelt
»erben, nur Der, beffen klugen burd} (Eljeorieen gan3
perblenbet finb, fann bie 2lef|nlid|feit ber Kopfformen in
ben 5ömilien, bie XDieberfef^r eigentl^ümlid^er Silbungen
überfeinen. Die gleidjartige Dererbung überF^aupt ijl
nur besljalb möglid^, »eil bas Kinb nidjt im matlje«
matifd^en Sinne bas IHittel aus ^en €Itern x% »eil f ajl
immer, fei es im (Bansen, fei es in beftimmten CIjeHen,
ber fiinflug bes einen firseugers über»iegt. TXlan erbt
bie geiftige ober (5etjirn«Sefd|affenB|eit unb bie Knodjen«
form Pon ben €Itern. Die 5röge »äre, gef^t bei ber
Vererbung ber Sdiäbel immer mit bem (ßel^im ober
!ann man beflimmte (ßeIjirntB|eiIe pon ber 2JIutter erben,
»äljrenb bie entfpred^enbe Sd^äbelform pom X>ater ifl?
IV. Kritif. 325
Dcnfbar ip bas Icfetcrc, roenn fdjon audj babei eine 2ln«
paffung bcr Cljeile an cinanbcr baju fommen mügtc»
£5 roirb fd^mer fein, über bicfc Dinge in's Klare su
fommen, aber unmöglid^ ifi es nid^t. ttur geijört 3ur
Cöfung biefer unb anderer 5tagen, baß bie Sdiäbel*
jrüfung nidjt nur von foId)en 2lnatomen, bie ben lebenden
JHenfd^en gar nid^t Unnen, ausgefüljrt »erbe.
Xlnv anf^ang5n)eife mill id^ ^en oft gegen (Sali
porgebrad)ten fiintourf ertoälinen, ba% bie äugere Sd^äbel*
tDÖlbung ber inneren nid^t parallel fei. €r ift eigentlidj
nur gemad^t morben, um ben Ceuten Sarxb in bie 2tugen
3u ftreuen. H>er fittpas von ber Sadje perfteljt, ber
n)ei§, ^a%, abgefel^en pon ein paar Steü^n, bie äußere
unb bie innere Sd^äbeloberfläd^e im XDefentlidien parallel
finb, ba^ bie ^tbmeid^ungen I^öd^ftens einige ZHiDimeter
betragen, fomit für bie gegebenen 2lufgaben nid^t in
Betrad^t !ommen. Die Unterfd^iebe stpifd^en ben per»
fd^iebenen Köpfen finb centimetergroß, ja ber eine Kopf
fann an einer beflimmten Stelle um mef^rere Centimeter
jlär!er geipölbt fein als ber anbere, xvas mad}en ba
\, 2, 3 mm aus? Don einer matf^ematifd^en (ßenauig«
feit fann überl^aupt feine Hebe fein, beim Sdjäbel nid^t
unb beim Kopfe bes Cebenben erjl redjt nidjt Dag
(Bali bie Stirnljöf^Ien nid^t berücffid^tigt I^abe, bas fann
nur bie Untpiffenf^eit beljaupten. 2tn pe benft jeber
2lnfänger unb fie ftnb fo leidet 3U erfennen, ba^ man
mirflid^ nid^t meiter barüber 3U reben brandet.
Das (ßefagte gilt natürlid) nur pom annäf^ernb
normalen Sdjäbel ober Kopfe* patl^ologifd^e formen
326 2Inljang: Ucbcr ^ran3 3ofeplj <5aü.
(Vflxho', UlafrocepIjaKe, Cretinismus, FjöFjcrc (ßrabc bcr
HFjadjitis, 2tfromegaIie, Cconliaps offea, SdjiefFjeü burd?
porcncepFjalie u. f. id.) pnb cbenfo au53ufd?eiben wie
fünfllid{e Perbilbungen. Das perflet}t ftd? bod) gans
©ort fclbjt UOenn ^cmanö pon bcn natürlid^en Soxmen
bcr ZTafe rcben roill, toirb er bodj nidjt bas HBjino»
fflerom, bie Säufemafc unb äl^nKdje (Scbilbe in Se*
tradjt stellen,
Xtad\ allcbem glaube idj, ^a% man n>ebcr aus
anatomifd^cn, nodj aus pEjYpo^oöifcl?^"/ "<><*? öw^ pfYdjo«
logifd^cii; nodj aus franioIogifd?cn <5runbcn bered^tigt
ip, (ßall's £el|rc von pornljcrcin ab3un>dfcn. €s ijl
möglidj, bag bcjHmmte Besirfe bcr (ßcljirnoberflfäd^c be»
Pimmten trieben (5äljigfciten, 2lnlagcn) entfpredjen, ba§
je nadj bcr (Entroicfclutig cinscincr Crtebe bic (5cBjim*
oberfläd^c ocrfdjicbcn gehaltet fei, unb ba% bicfe Per*
fdjiebcnl|dt pd? burd? Dcrfd?icbenl|cit bcr 5d?äbcIrDÖlbung
funbgcbc. ®b bicfcr 2TCögIidjfcit eine lDirfIid?feit cnt-
fpredje, bas pcl|t frcilidj nod? bal^in. €s fragt pdj,
weldic IDcgc bcr prüfung gangbar feien, 1>a% bic
2lnatomie allein nid^t mel^r als ZHöglidjfeit geben fann,
bas liegt auf ber ^anb. Der Cliieroerfudj u>irb aus
pfYdjoIogifdjen unb aud? aus anberroeiten (ßrünben faum
3u oeru?ertI|en fein; etu?aige €rgebniffe u>ären mit ber
aüerl^öd^Pen Porpdjt aufsunel^men. Die patl^ologie fann
pielleidjt etroas 3ur 2luf!lärung beitragen, pe ip inbeffen
auf ^cn ^ufa0 angeu?iefen nn^ braudjbare Säue »erben,
wie idi fd|on gefagt I^abe, äugerp feiten fein, €s bleiben
alfo bie IDege übrig, bie (5aII in feiner „©berpädjlidj-
IV. Kritif. 327
fdt" gegangen ift: Perglcidjung bcs (Beljirns, bes
Sdiätels, bes Kopfes mit bem geifKgen Sn^tanbCf b. Fj.
ber ZladiweiSf bag befttmmten geijHgen 55I?tgfßiten immer
beftimmte €igentl|ümlidjfeiten bes (ßel^irns unb feiner
fjüllen entfpred^en. (Bau fudjte biefen Xladiwcis mit
allen il^m 3u (5ebote ^el^enben ^Tlitteln 3u liefern, n)ie
id) es frül^er bargelegt Bjabe. €r ertoarb fid) eine auger-
orbentlid?e Kennlnig von perfönlidjfeiten, er unterfudjte
bie Köpfe unb bie Sdjäbel, aud? bas (ßel^irn, fo piel er
eben fonnte. €r erjirecfte feine Unterfud|ungen andi
auf bie Cljiere nnb perbanb mit einer gans ungemöl^n«
lid^en Kenntnig bes Cljierlebens bie ber pergleidjenben
2lnatomie. €r fammelte patl^ologifdje Cl^atfadjen, n>o
er jte finben fonnte. Sebenft man ^en gu^anb ber
IDiffenfdiaft 3U feiner ^ext, bie Sefd^ränftljeit ber JTlittel
eines prioatmannes unb bie Kurse bes menfdjlidjen
Cebens, fo fielet man ftaunenb por (5aE's Ceij^ungen jüII.
Sollte jtdj andi ein groger Cl^eil feiner 2lngaben als
irrig ermeifen, fo n?ürbe bodj nod) fo t)iel übrig bleiben,
^a% bamit eine ganse Heilte i>on <5eleljrten fidj „Un«
jierblidjfeit" erwerben fönnte.
TXlan nennt (SaWs Perfal^ren rol^e €mpirie. IDas
bas 5d?impfn?ort roI| beseidinen foll, bas ift nidjt redjt
einsufeljen. IDeitaus unfere meinen Kenntniffe beruljen
auf €mpirie, b. ii. barauf, ^a% auf bie €rfaljrung pon
ber regelmäßigen Derfnüpfung bejiimmter Peränberungen
in ber ^ext ober im Haume ber Sd^Iug folgt, bie 3U-
fammen oprfommenben Peränberungen feien gefefemägig
perfnüpft. Unsuläffig ifl eine €mpirie, n?enn fie gegen
328 2lnbang: Ucbcr ^ran3 3ofcpI? (Sali.
fe^eE^en^e £inftd}ten i>erfi5§t, ober Ietd{tflnmg ücrfdt^rt,
b. ^. if^re Sd^Iüffe nad^ ttngetmgenber €rfai{ntng ste^t
3e rationeller ein emptrifdKr Sd^Ing i^, je meE^r er
Unter^ü^ung burd) fd^on geftd^erte Sd^Inffe fmbet, nnb
je gro§er bie S<i^t ^^^ 5<UI^ ij^/ anf bte er ftd^ grunbet,
um fo gro§er i^ feine It>ai{rfd}etnlid}(eit Der empi«
rtfd^en fann man bie experimentelle XDoijrfdieinlid^feit
gegenüberfleHen, bie natürlid) oorsusie^en i^^ ^a fte burd^
beliebige Donation ber Bebingungen gefieigert iperben
(omu TXlan tdnfd^e ftd? aber nid?t baruber, bog bos
(ßebiet bes Perfud^ befd^ränft i^, nnb ^a% gerabe in
ber 2tntt}ropoIogie bie £mpirie bie ^anptqueüe unferer
Kenntniffe ifi unb bleibt. £5 i^ befonbers bei 2ter5ten
eine (ßebanfenloftgfeit, roenn fte empirifd? unb loiffen*
fd?aftltd} als (ßegenfo^ brand?en. IDiffenfd^aft i^dngt
Snfammen mit (ßeimffen unb bie erfle 5orberung an ein
Perfaljren, ^as iDijfenfdjaftlid? t^eigen foll, ifl, ba% es
gennffent}aft fei. (Eine gett>iffent}afte £mpirie ifi in ben
<5ebieten, bie bem Derfud^e i>erfd?Ioffen ftnb, bas einsige
«nffenfdjaftlidje Derfaljren, T>as fottte man nidjt per-
geffcn unb man follte einfel^en, ^a% bie Seseid^nnng
empirifd) (SaWs Cel^re eljrt, inbem fte fte in <5egenfa%
5u ^cn ^irngefpinnfien bringt (Sau felbß ti>oDte ttte
etioas anberes fein als ein (Empirifer, er fud?te barin
feinen 5to(5; unb bas mit Hed^t XDiü man in ^lAtnft
geredet gegen ii^n fein, fo u>irb man il^n nid?t mit au*
gemeinen Hebensarten 3U befdmpfen traben, noie es bisl^et
gefdje^en ifl, fonbem man u>irb bie Cljatfadjen, auf bie
er fidi beruft, nadjsuprüfcn Ijaben. IDer, oljne bies ge»
IV. Kriae. 329
tljan 3tt Ijaben, ben 2lutor PcrurtFjeilt, bcr ifl ntdjt gc-
jDtffcnl^aft, b. Bj. nidjt n>iffenfdjaftlid?.
2tnl^angsj»eifc möd)tc xdi barauf Fjimücifen, bag es
gelingen mödjte, auf (5aII'5 IDegen Halberes über bie
Bedingungen bes <5enies 3U erfal^ren. Sunädjft benft
man ja, bag ber birefte IDeg bie Unterfud^ung bes (5e-
Fjims groger ZTIänner fein muffe. Diefe Unlerfud^ung
ifl gen?ig fel^r roidjtig, aber fie ift feljr feiten mögKd], fie
ijl fdju>ierig unb man fdjeint bei il^r oFjne IDegroeifer
nid)! 3um Siele 3U fommen. Die bisl^rigen Unter*
fud^ungen ganser <ßel|lrne (Hub. IDagner, Socidtö
d'autopsie de Paris, Sifd^off, Vwxgiit, (5. Hefeius, Ejanfe-
mann) traben eigentUd{ nid^tir SefUmmtes ergeben; bie
Unterfudjer mußten nidjt, roorauf fie 3U ad^ten Ijalten,
unb mußten fid? bamit begnügen, eine möglidjft genaue
Sdjilberung ber XPinbungen unb 5urdjen 3U geben, eine
Aufgabe, bie <ß. Hefeius bei (Sylb6n in paunenerregenber
IDeife gelöjt Ijat. ^Inbers liegt bie Sadie bei Hübinger's
fdjönen Unterfudjungen über bie 3. 5tirnn?inbung. ^ier
^atte bie patljologie ^en IDeg gemiefen unb ber 2tnatom
perfttl^r fo, ^a% er bie Sefdjaffenl^eit bes fraglidjen (5e*
I^irntljeiles bei ben oerfdjiebenften <5eljirnen {von 5oeten,
Jfteugeborenen, ZHännern, IDeibern, 2tfrifanern, 3ttben,
Deutf djen , Ulif rocepljalen , Caubjlummen , berül^mten
Znännern) unterfudjte unb aus ber Oergleid^ung Sd^lüffe
30g. Hübinger oerful^r tl^atfäd^lid? gan3 in (SaTs Sinne
unb feine €rgebnif[e entfpred^en benn audj PoHpänbig
bem (ßeifte ber Cel^re (ßall's. Sie Zlligadjtung (5aE's
ift ^cn (5eleljrten fo in 5l«ifd? i^rx^ Slut übergegangen,
330 2Inbang: Ucber ^ran3 Jofcplj (Sau
bag bei ben (5eE)imnnterfud}ntigen ber Sd^abel gor nid^t
errDäl>nt su iDcrben pflegt, noic benn Hnb. XDagner,
Senilis u. ^ fein Wort über ben SdjSbel perliereiu
2lndi Fjier madjt Hübinger eine 2tu5naFjme, ba er roieber^
t^olt borauf E^inroeifi, n>ie genan bie IDoIbnng bcs
Sdjäbels bie ^yperplafie bejHmmter (ßyri roiebergegeben
Ijabe. Da, roo ber pennutE)Iici?e Sdjäbel groger UlSnner
unterfucbt roirb, pflegt ^as (ßeFjim 3U feFjIen, fo bei
Kant (Kupffer), 5*iüer (IDelcfer) ^), Sa* (^is). «e-
t}irn unb 5d)äbel geE^ören sufammen. Der Sd^dbelonsgng
fann bodj nur ein bürftiger €rfafe fein. Ueberbem
änbert pdj burd) KranfBjeit nnb 2llter bie innere Sdjäbel*
tüolbung meljr als bie äußere. IDie bie (Sipsmasfe bos
(Seftd^t überbauert, fo seigt ber (ßet^imabgug, ben n>ir
Sdjäbel nennen, bie äugere 5orm bes ißeFjims nodj,
n>enn 2(Iter, KranfFjeit, Pern>efung biefe oeränbert ober
aufgeljoben Bjaben. 5inb roirMid? Dorn>öIbungen ber
(5eIjirnoberfl[5d?e oon Sebeutung, fo muffen fie in erfler
£inie am Sdjäbel aufgefud)t n>erben, benn andj bamt,
n>enn bie IDirfungen bes 2Htersfdju>unbe5 u. f. id. nodj
nidit beträdjtlidj finb, perliert ^as I^rausgenommene,
nid^t geljärtete (5el|im feine 5orm. Die Unterfndjung
bes (5el|ims n>irb 5«ut!^iten unb Unterfd^iebe ergeben,
il|r bient bie Unterfudjung bes Kopfes als Porlänfer
unb Porpoflen» Der für bie (5eljimunterfndjung ndtt^ige
^) VOeidex billigt, nebenbei gefagt, (5aWs (Srunbfäftc. (Er
l^offt burc^ gemiffenl^afte (Sel^imunterfuc^ungen „bie Cofalifirung
ber ein3elnen Titten ber geifttgen Begabung" 3U erfennen; (Sali
iiahe nur 3U ungebulbig auf unpc^ere Beobachtungen gebaut.
IV. Kritif. 33 ^
Weqwcx\ev fann nur burd^ Unterfudiung bcr Köpfe gc«
funben iDcrbcn» fjat man ein cinselncs (5el|irn ober
einen einseinen Sdiäbel por jtd^, fo ifl bie 2lufgabe un*
enblid? fdimer» Ueberbem pflegen groge Hlänner nadj
oerfdjiebenen Hidjtungen B)in begabt 3U fein, 3. 3. Ijatte
(Sa\x% nxdit nur bas matljematifdie, fonbern aud? bas
pI|ilologifd:)e Calent, (Syl^^n roax nxdit nur 2lflronom,
fonbern aud^ feB^r mufifalifdj, Kant u>ar piiyfxtex unb
ZTÜetapI^Yfifer u. f. f. ZTur burd^ Pergleidjung Pieler,
bie fidj in einer beftimmten 2lrt ausseid^nen, fann bas
il^nen gemeinfame ZHerfmal (toenn es eins giebt) ge*
funben roerben. Va% (Einer piele 2Tüufifer«(5eI|ime 3U-
fammenbefomme, bas ifl nidjt gerabe toaljrfdjeinlid?, aber
Znujtfer»Köpfe fann er in beliebiger gal^I unterfudjen,
ba xiim bie Cebenben, 2lbgüffe nnb Bilber 3ur Perfügung
ftetien. 5reilid| ij! aud^ B)ier bas 2TüateriaI eben besljalb
nod| ungenügenb, toeil man feine redete €injtd|t in t>cn
VOettii ber äugeren 5orm Ijat. 3"5befonbere ij! es
leiber an3uoft oerfäumt toorben, bie Köpfe I^eroorragen-
ber 2Tüänner absugiegen, ein JTlangel, für ^crx and\ bie
beften Bilber nid^t voüe €ntfd?äbigung gen?äl|ren fönnen«
Cippert ft Co. (<S. pdH'fd^e Budf^.), nanmbitrg o. 5.
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