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Full text of "Ueber die Anlage zur Mathematik"

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"pVuis^^^x.^ 








Heber 6ie 



Einlage 3ur Vilatlfematit 



Pon 



p. 3. möhxus. 



tna 5{ Bilbnifjen. 




t>erlag von 3oI?ann ^tmbrofius BartI) 
1900. 



"?WJu S^^i»3 




'^^-c^i^ A.ct<U^ 



:ille 'Rziiit, insbcfonbcrc bas bcv Ucbcrfcftung, 
üorbcl^altcn. 



Votwott. 



Vas Sdjtrffal iiat es fo gefügt, ba% xdt, ^er idj gar 
nidjts von Xfiatiiematit pcrjlclic, fibcr 2TlatBjcmatifcr 
fd^rctbc. Ztiemanb me\% bcjfcr als id^, »ic mangcll^aft 
meine Ceijhing ift Crofebem fd^äme id? midj gans unb 
gar nidjt, fonbern tljue, »as idj tljun mug, mit 5^ei^öen 
unb glaube, etmas (ßutes ju tl^un. Das \% 3<^il^' 
I^unbert, an bejfen 2tnfange (Sau ftanb, ijl 3u €nbe ge* 
gangen, oBjne bag es fein Unredjt gegen iljn gefül^nt 
I^ätte, 2)a bie Berufenen gefdjioiegen I^aben, ba bie 
Prüfung ber Cel^ren (ßaH's, ju ber eigentlid) bie gemein* 
fame 2lrbeit oieler (ßeleljrten geijörte, unterblieben ift, fo 
mu§ es bem ©nselnen unoeripeBjrt fein, nadt Kräften an 
ber 2lufgabe ju arbeiten, loenn andi fein 5adjti)iffen nidjt 
überall ausreid)t unb er (5cbiete betreten mug, auf Serien 
er eigentlidj nidjt 3U Qaufe ijl. Spät unb sufättig (»ie 
man 3U fagen pflegt) Ijabe id^ bie IDerfe (SatVs fennen 
gelernt. ZHit (Erjlaunen falj idj, mie reid?e Sdjäfee ^a 
unbenufet liegen, 2tls idj mid> überseugt I^atte, ia^ 



IV Doripott. 

gegen bie attgemetnen 2tnfdiauungen nidjts einsutpenben 
fei unb bag bte 5rci9^ "cidj ber Hid)ttgfeit ber fpecieHen 
©rganologie eine reine Cljatfrage fei, begann id^, biefe 
nad^Suprüfen, unb mäiilte mir aus beftimmten (ßrünben 
ein ,,0rgan", ^as bes ^aBiIenfinnes, jur erften genaueren 
Unterfud)ung. Das (£rgebnig biefer Unterfudjung lege 
idj jefet oor. Xfian iann mir einioerfen, n^as »ilip bu 
mit bem einen lumpigen 0rgane, iparte, bis bu mel^r 
3U fagen I^ajl. ^ber abgefeljen baoon, ba% xdi nid^t 
ipeij5, ^^^ ^^^^ id? "^d? leiften fann, idj Ijalte es für 
rid)tiger, fidj auf £in3elunt^rfud>ungen 3U befd)ränfen, 
unb glaube, t>a% (SaWs ZHifegefdiicf 3um CE^eile baoon 
abijing, bajj er 3ut>iel auf einmal gab« (£r tt>artete, bis 
er über 27 0rgane beridjten fonnte. Was gefdjaE^ ? 
Vas gan3e ZHaterial getoiffenE^aft nad)3uprüfen, bas über« 
ftie^ bie verfügbaren Kräfte ber (ßelel^rten, fritifirt aber 
mugte n>erben, alfo blieb ber 2tu5n>eg, auf (£in3eIB|eiten 
nid)t ein3ugel^en, iE^re prüfung burdj Befämpfung ber 
allgemeinen Sdfee unnötl^ig 3U mad)en unb bie 2tngelegen* 
Bjeit burd) Hebensarten ab3utl^un. Probatum est. 

Sugleid? begegne idj bem (£inu?urf e ber pl^renologen, 
man fönne per^änbiger lOeife bei ZHatl^ematifern nid^t 
blog 00m 0rgane bes gal^Ienfinnes fpred^en, man muffe 
unbebingt audi bie fintroicfelung bes 0rtfinnes, ^^s 
Sauftnnes u. f. ro. berücffid^tigen unb erft aus ber (ße- 
ftaltung ber gan3en Stirne, ja bes gan3en Kopfes bürfe 
ein UrtE^cil abgeleitet roerben, nad)bem bas üerl^ältnig 
ber ein3elnen 0rgane 3U einanber benimmt morben \% 
ZlTein 2tusgang i^ eben ein anberer: 3dj fe^e poraus. 



PoriDort. V 

bag man nodj gar nidjts »iffc unb bag burdj ben ZXadj« 
weis bcs matl^cmatifdjcn ©rgancs bei aUcn 2TlatI?c- 
mattfern, mögen jte fo Derfdjteben fein »ie jte rooHen, 
3uerjl eine beftimmte förperlidje 5orm mit einer be- 
jKmmten (SeijtesbefdjaffenBjeit t>erfnüpft »erbe. 

3m 0ctober ©ergangenen 3aBjre5 I^abe idj vor 
einer ärstlidien Perfammlung fürs über meine (£rgeb« 
niffe berid|tet, 2)arnad? fd^rieb mir ein lool^ltpollenber 
Itlann, idj arbeite baran, meinen JSuf 3u serjlören, man 
»erbe mir pielleid^t ein 0rgan I^ingel^en laffen, frül^er 
ober fpäter aber »erbe id^ mein UrtB|eil empfangen« 
€r mag Hed^t I:|aben, aus einseinen 2leugerungen ber 
5adjpreffe !ann id^ mir abjiel^en, »eldjen IDaffen id? 
begegnen roerbe. 3nbeffen nid^ts roürbe feige gurürf» 
Bjaltung entfd)ulbigen, Eingriffe fürd)te id? nid^t unb an 
bas Cobtfdjtoeigen bin idi audi fd)on getpöi^nt (5ott 
fei 2)anf, ba% idj gan$ frei bin unb auf feinen ZHenfdjen 
Hürfjtdit 3U nel^men Isabel Sebarf \dt bes Crojles, fo 
fann id^ an (ßaH felb^ benfen, ebenfogut aber audj an 
piele 2tnbere, 3. S. an bie (5egenftänbe meiner legten 
2lrbeiten, (5oetlje unb 5djopenl)auer. lOenn id^ audj 
nid)t fo roeit gel^e, n>ie (5oetI?e, ber an TXletd fdjreibt: 
„€inem (ßeleljrten oon profefpon traue id^ 3U, bajj er 
feine fünf Sinne ableugnet", nodi aud^ bie (ßelel^rten 
fdjleditroeg bes „Zllifoneismus" anflage, fo ift bod^ ^as 
ftdjer, baj5 bie (ßelel^rten fidi €rgebniffen gegenüber, bie 
auf unge»öl^nlidiem lOege, t>on (£in3elnen erworben 
»orben finb, jeberseit als fd]»er 3ugängUd^ geseigt 
F^aben. 



VI Poriport. 

2)cr ^crr VevUqev liat fidi bereit finbcn laffcn, 
bcm Sudjc fünfsig Silber beisugeben. Wenn biefe 
(ettpos »iHfürlid? ausgeroäl^Iten) Silber nidjt allen 2ln- 
fprüdjen enlfpredjen, fo ijl 3u bebenfen, ba% nur ein 
bittiges I^erfaF^ren möglid} max, wenn ber preis bes 
Sud^es nidjt ju I^odj tperben foHte. — 

gur €infüi|rung bemerfe xdt nur nodj, bag ber 
„'^nf:iang" bie grunblegenben (Erörterungen über (5att*s 
lettre entljält, bie sroar ZlTand^en fd^on befannt finb, I^ier 
aber als Heferoe nid^t entbeE^rt roerben fönnen. 

£eip3ig, im 2tprU I9OO. 

p. 3. m. 



3ttljalt. 



Seite 

€tnlcttuttg : x 

I ißafVs 2Iuffag übet btn gatfUnflnn 9 

IL Beiträge 5ttr 'Kenntnis bes matl^ematifc^en HaUnies 33 

A. Bcifpiclc bcr (Entipicfclung bcbcutcnbcr IHatlic- 
mattfcr 35 

B. Hebet bic Hcd^cnfünftlcr 66 

C. Ucbcr bic matl|cmatifti?cn VOexbev 77 

D. Ucbcr bic Bcbingungcn bcs matl|cmatifd^cn Calcntcs 87 
in. Ue^er bas ma^l^emattfc^e 0r0an ][37 

§ufa^: Ucbcr Bilbcr im 2IIIgcmcincn unb bic 

inatt|cmatifcr=portraits (53 

IV. Heber bie Seb{n$un$en bes matt{emaHfc^en (Dr^^ans^ 

bas <Se!{{rn unb beti Sc^dbel ber tttatliemaHUt . . 1(75 

21nljang: Ueber ,fran5 3^f«i?J? <8att ^95 

L Die 2Inatomic bes tlcrücnfyftcms ^97 

IT. pfyd^ologifd^cs 2^^ 

m. pl^vftologifd^cs 23^ 

IV. Die Kriti! 27^ 



€tttlettung- 



Was Xfiatlicmaixi fei, ift fdjrocr mit ein paar lOorten 
3u fagcn unb audj eine Definition bes matB|ematifd)en 
Calentes bürfte il^re 5d:)ir>ierigfeiten B^aben. Hel^men 
wir an, bas malE^ematifd^e Calent fei bie 5cibigfeit, bie 
ZnatBiematif, toie fie geleE^rt xoxvb, 3U begreifen. (£5 
E^at natürlidi oiele (Stabe, ©er ©ne fommt mit ben 
Pter Spesies nid^t sured^t, ber 2tnbere I^anbl^abt mit 
Ceid^tigfeit „bas Hiefenfdin>ert", bie 3nfinitefimalred)nung. 
ZlTandier begreift bie 2tritl)metif unb bie einfädle (5eometrie 
red:|t gut, aber feine 5ät|ig!eit Ijört bei ber ^nalvfis auf. 
£übfen fagt, bajj t>on 3eljn, bie bie 3nfinitefimalredi' 
nung ftubiren, faum einer fie perftel^en unb nodj oiel 
toeniger fie felbftänbig antpenberi lernt. 1>a& matE^e- 
matifd:|e Calent wädi^ 3um matl^ematifdien (ßente, roenn 
ntd?t nur bas l?orI^anbene aufgenommen, fonbern andt 
Heues gefd^affen roirb. ©er €infadil?eit roegen be- 
tradite idi I^ier bas matl^emattfd^e (ßenie als Ijöljeren 
(Stab bes matl)ematifd?en Calentes unb fpredje immer 
nur t>on bem Unteren. Calent ober Einlage, unb Zteigung 
pflegen einanber 3U entfpred^en. lOer bie Einlage iiat, 

m b i tt 5 , matfjematif er. X 



2 Einleitung. 

l)at aixdi 5r«ubc unb Cicbe; je größer bie Anlage, um 
fo leibenfdiaftlid^cr mtö tinu)föcrftcl^ltd?er tji in bcr Hegel 
bie Neigung. 5el)t gut brüdte poiffon feine Neigung 
3ur niattiemati! aus, afs er fagte : Das i^hcn ift eigen!« 
Ixdi nur 3U stoet Dingen gut, ZTlatl^emati! 3U lernen unb 
3U leieren. 

€s giebt aber nid|t nur quantitatipe, fonbern audj 
qualitatipe Unterfd|iebe. ZTTan unterfdieibet reine unb 
angemanbte ZTlatljematif. (Db einer fid| 3U biefer ot)er 
jener menbe, bas Ijängt nid^t von ben Umftänben unb 
ber tütllfür ab, fonbern von Unterfd^ieben in ber mit- 
gebrad)ten Anlage. Der €ine fül)rt als Kinb fd|on 
Hed^nungen aus, ber 2tnbere baut ZTlafdiinen ober mad^t 
pljYJtfalifdje ^eobad|tungen. ^ud? innerijalb ber reinen 
ZTlatljemati! finb bie Anlagen perfd^ieben. ^cnex 3eid|net 
ftd? in ber ^ritljmetif aus, biefer in ber (ßeometrie. 
ZTlandje, bie fet^ gut red)nen, finb menig befdB|tgt, bie 
PerB|äItniffe im Haume 3U erfaffen, unb mand^e (ßeometer 
[xnb fd|Ied)te Hediner. Piele entbeljren bei guten praf» 
tifd^en 5äljigfeiten bes Sinnes für bie matl)ematifd]e 
TXletapliyfxt Die 2tftronomen legen IDertl^ barauf, ob 
€iner mel^r Seobad)ter, ober meljr Hed)ner fei, unb 
mad)en wolil nodi roeitere Unterfd)eibungen. Pon 
ben pljvfifern ift ber (Eine als (Experimentator aus- 
ge3ei(i?net, ber Rubere als matB^ematifd^er pt|Yfifer. 
3enen treibt feine Ztatur 3U ted|nifd)en Crfinbungen, 
btef^n nxdit 

Kur3, bie (ßrabe unb bie Perfnüpfungen ber (ßaben 
jtnb mannigfaltig unb u)al|rfd]einlid) iperben um fo meljr 



(Einleitung. 3 

Unterfd|cibungcn nötljig, je nät|cr man an bie Sadic 
hictantvxtt Von einem pfydiologifd^en Perftänbtiiffe öiefer 
Dinge pnb wiv weit entfernt unb es bürfte porläufig 
ntdjt rattifam [ein, ftd^ in 5cinljeiten 3U perlieren. 

®I|ne Hücfjtdit auf quaütatipe Perfd^ieöenE^eiten tann 
man in praftifd^er ^infid|t etwa pier Claffen bilden. 
\. Unter normale, b. Ij. foldie ZTTenfd^en, bie pon ber 
2natl|emati! rpeniger begreifen als ein normal befäljigter 
JJTann bei gutem Unterrid|te begreift» ^ierljer ge* 
I^ören bie meiften tüeiber unb ntd^t rpenige ZHänner. 
2. Ztormale» IPer im (Symnaflum überl^aupt ein 
guter 5d)üler i% fommt qewöiiniidt andt in ber Znatl^e'' 
mati! porrpärts unb perfteljt bas, roas pon ber ZlTattie» 
matif im (ßymnafium porgetragen rpirb. 3. (ßut* 
befät^igte. Hedjt piele ZlTenf djen braudien meB^r 
Znatljemati!, als ber TXlelmahil ber (ßebilbeten 3uträgltd| 
ift. 3^9^"teure, Ced)nifer, Seeleute, ^rtilleriften u. f. u). 
€s mögen ftdj rPot|I ZTTandie mit eingelernten 5ormeIn 
I^elfen, aber mer in btefen Serufen Od^tiges leiften, bej» 
bie liöhiexcn Stellen einneE^men wxü, mug bod| mel^r 
matl^ematifdies Calent iiahen, als ber Durdifdinitt es be* 
ftfet. % ZTlatliematif er sensu proprio. Sei allen 
Unterfd>ieben im (Einseinen fann man als ZTTerfmale 
biefer <£Iaffe anfeilen, ^a% il^re ZlTitglieber bie Säty^feit 
i^dben, fidj bie I|öl|ere ZTlattiematif atisueignen. Pon ^a 
bis 3U ber 2nöglid|feit, jeber matl|ematif(i)en Unterfud|ung 
3U folgen, ober gar bis 3um matljematifdien (ßenie füt|ren 
toieber Stufen. €ine befonbere (ßruppe bilben bie Hedjen- 
fün^Ier, worüber fpäter (genaueres 3U fagen ift. 



^ (Einleitung. 

Sic Znenfdien mit ausgefprodicncm matE^cmatifd)cn 
Calcnte bilden fosufagen eine beporsugte Kafte» Sie 
^eljen ber übrigen Znenfd)I|eit gegenüber mie öie afaöe* 
mifdi (ßebilbeten bem Hefte. IPenn geleierte (ßefellfdiaften 
fid) trennen in eine matIjentatifd^'pI|YfifaIifd?e unb eine 
pt|iIoIogtfd^-Ijiftorifd|e Claffe, fo ip bamit gefagt, bag sur 
roal^ren IPiffenfd^aft entipeber bas pl)iIoIogifd)e ober 
bas matl|entatifd|e Calent geijöre. 3n ber tZhiat lann 
nur ber bie naturn?iffenfd|aft gans pertreten, ber ^as 
matljematifdie Calent Ijat. ^nbernfalls fann (Einer in 
einem 5öcl|e ausgeseidinet [ein, fei es in ber (£I|emie ober 
ptivfiologie, in ber (ßeologie ober goologie, aber für 
poH !ann er nxdit gelten. IDir 2lnberen bürfen uns 
baljer nxdii beflagen, xxx^nn uns bie ZlTatl^ematifer etmas 
pon oben Ijerab anfeilen. Eiat 3^ntanb rpeber bas matl^e* 
matifdie nod| bas pljilologtfdie Calent, fo ift er n>irHidi 
in ber IPiffenfdiaft fd|Ied)t baran. Unerträgli(i? ipäre 
bie Sadie, wenn es, roie nodi VxeU glauben, nur €tne 
3nteIIigen3 gäbe unb bie Unfäi^igfeit 3ur ZlTatl^ematif ein 
Zninus an 3nteIItgen3 übert^aupt ausbrücfte. Dann ipären 
wir wxvflxdi partas. (ßIü<JUd|eru)eife liegt bie Sad^c 
nid|t fo. (£5 beftet|t feine Proportionalität smifd^en 
matl|ematifd?er Anlage unb 3"teIIigen3 überljaupt. 3^"^ 
tann porl^anben fein, oljne t>a% biefe einen I|oIjen (ßrab 
erretdite, unb jene fann feljlen bei im Uebrigen glän3en* 
ben 5ät|igfeiten. (£s ift (Ein (ßeift, aber es ftnb mandjerlei 
(Sahen, fagt ber 2lpojieI. "Die Spxadie brü<Jt fd|on burdj 
bie lüorte (Sähe, Calent es aus, ^a^ bie befonberen 
5äl^igfeiten eine Sadie für fidi ftnb, t>a^ fie 3u ber all« 



Einleitung. 5 

öcmcinmcnfd^lid)cn ^usfiattung I^irisufommen fönnen oöcr 
mdit (£s ift mit öcr ZTlatljCTnatif nid^t anbers als mit 
bcr ZlTufi!, öer TXlaUxex, öcr Did^tfunft. 3urip, ZTlcbicincr, 
(Zliemxhv fann ^c^er tDcrben, unb iDcnn er gcfdiett unb 
.flcigig ift, fo fann er es mcit bringen; ^Tlaler aber ober 
^Tlufifer, ober ZTTalBiematifer fann nid^t 2^^^^ merben, 
bie (ßefdieitljeit im 2ingemeinen unb ber S^c\% Ijelfen t>a 
gar nid^ts. 3"^ (ßrunbe ift es mit ber pljilologie bas- 
felbe. "Die pIjiIoIogtfd)e Einlage ip ^wat piel E|äufiger 
als bic aribexm Calente, 3u befonberen Ceiflungen aber 
gelangt nur ber, bem bas pljilologifdie Calent in be- 
fonberem TXiaa^c gegeben iji; aud| i|ier füljrt ber 5kife 
I^ödiftens in bie Porl^öfe. 

^ie ZTTatliematif ifl alfo eigen tlid| eine Kunfl, b. li, 
ein Können, bas nid|t miHfürlid^ ermorben roerben fann. 
ZHan fann nur fagen, glücf lid| mer mit einem Calent unb in 
einem Calent geboren ift. IDie anbere KünjHer finbet 
audi ber ZHalliematifer in feiner Kunji alle 5reube. 
'Daß €iner ©on ^eruf ZlTatljematifer fei, baneben aber 
ein Stecfenpferb reite, bie ZlTatBiematif als Arbeit, bas 
2tnbere als 5r^ube anfeB^e, bas fommt nid)t por. €in 
3unft fann fet^r tüd^lig fein unb bodi tnit bem fersen 
itid^t babei, bei einem ZHattiematifer iji bas, nid^t mög- 
lidi, fomenig roie bei einem ^Tlufifer ober ZTlaler. 

Hatürlid^ ifl beim ZlTattiematifer rcie bei anbeten 
ICünftlern bie allgemeine 2tusfiattung bes (Beides nid|t 
gleidigiltig. IPirflidi (ßroßes n?irb nur ber leiten, bei 
Öem bas Calent mit ausgeseidineten 5öljigfeiten im 2in* 
gemeinen sufammentrifft. ^ud^ roirb bie befonbere XPeife^ 



^ Einleitung. 

xoxc (Einer fein Calcnt vcxwextiiet, von bcnt (Stabe unb 
bcr ^d feiner fonftigen 5öB|ig!eiten abhängen. 

TXadi aöebem fann man roo^ bas matljentatifdie 
Calent als ettoas Selbftänbiges, als eine umfdjriebene 
(ßeifiesfäl^igfeit, wenn ber ^usbrucf erlaubt ift, beseidinen» 
€5 roäre benfbar, ba^ biefer befonberen (ßeiftesbefd^affen* 
I^eit aud| eine förperlid^e ^efonbedid^feit enlfpräd)e, unb 
bas fd^eint in ber Cljat ber 5^11 3U fein» ZlTein (ßrog« 
t>ater mar ZTTatl^emalifer. ®ft liabe xdi mir feinem 
Silbe gegenüber überlegt, n?arum wo^ bie Umranbung 
feines linfen ^uges fo eigentB^ümlid] gebilbet fei. fiines 
Cages nun fanb id|, als xdi in (ßall's XPerfen las, biefe 
dgenlljümlidic Bilbung gans genau als bas ZHerfmal 
bes gal^lenfmnes befdirieben. Die Sadie überrafd)te 
mid) feB^r. Bei genauerer Ueberlegung falj id| ein, ba^ 
fanm eine anbere ^luffteHung (ßall's pd) fo fel|r sur 
Prüfung eigne, tote biefe. Denn ob 3^»^<>"^ matl^emati- 
fdjes Calent l:iahe, bas !ann, n?enigftens bei ben B|öE)eren 
(graben, nid^t 3n?eifelE)aft fein. Sei ben anbeten (ßrunb* 
fräften (ßall's liegen bie Perijältniffe meift weniger 
günftig. ®b 5. S. 3^"^<J"^ ZHutl^ iidbe ober nid^t, bas 
ift oft redjt fd|ir>er 3U fagen. Das 0rgan bes SaB|len» 
finnes ijt jeberseit ftd^tbar unb leidet 3U unterfud)en. 
Das (Drgan bes Xfinilies bagegen foU am ^interfopfe, 
unter ben paaren liegen, bie Stelle ift alfo relatip fd^toer 
am iehenben, am Silbe gar nid^t 3U unterfud]en. Kur3, 
xdi entfdjlog mid), ber Sad^e bei bem matljematifd^en 
Calente nad)3ugeB|en. Das (£rgebni§ meiner Unterfudiung 
ift biefe ^bB^anblung. 3d? eröffne fie mit einer Ueber« 



(Einlcttung;. 7 

fcfeung ÖC5 2(uffafec5 sur le sens des rapports des nom- 
bres. 3^ (ßrunt)c gcnomtiten pnb meine Erörterungen 
nur eine parapljrafe t)iefer Arbeit (ßall's. 2^ iio^c 
Itoav, mand^e (£rgän3ungen 3U bringen, aber öie ^aupt« 
fad^e Ijat (ßall erlet)igt. IDie bei feinem gansen IDerfe, 
fo ift aud] Ijier öer pfydiologifdie Cljeil relatip unab« 
Ijängig pon öem franioj!opifd|en ober rid^liger fepl^alo« 
ffopifd^en. tüäre bie CeB^re pom matljematifd^en ©r* 
gane falfd^, fo bliebe bem (Sau bod) t>a5 Perbienft, ^as 
matl^emalifd)e Calent als eine befonbere 55Ijig!eit, als 
eine ^en Kunfttrieben ber d|iere 3U pergleid)enbe €r« 
fd^einung rid^tig gefd)ilbert 3U Ijaben. 3d? bin ber Ueber* 
Seugung, ^a% ber pfyd^ologie (Ball's bie gufunft geljöre 
unb ba% es piel perbienfllid^er fei, auf feinen XPegen ber 
(Entoicfelung ber ein3elnen menfd^lid^en 5äB^igfeiten nadj- 
3ugel^en, als bie geit ber ^eactxon 3u meffen» Sesl^alb 
ift mir ber pfyd^ologifd^e Cl^eil burd^aus nid|t nur eine 
(Einleitung 3U bem fepB|aIof!opifd)en Cljeile. Desljalb 
erörtere id) ZTlandies, bas 3U bem lefeteren feine birecte 
^e3iel^ung liat, unb bringe alles 3ufammen, roas xit öuf» 
gefunben iiahe, (Eine erfd|öpfenbe Darftellung bes (ßegen« 
ftanbes fann unb roill xdi nid^t geben, aber id) Ijoffe 
berufenere an3uregen, bamit fte tiefer in ben (ßegen* 
ftanb einbringen unb bie 5fi33e in ein (ßemälbe per« 
ipanbeln. 



I. 



(3aWs 2luffa^ über bm gat^Imfinn. 



XVIII. Uebcr ben Sinn für galjlcn« 
bcsicl^ungen. (Sens des rapports des nombres.)^) 

„<£s gicbt feine SähixgUxt, bie man mit meE^r Se* 
red|tigung pon ber 3"^^ffi9^^ ^^ ^tügemeinen ab3uleiten 
glaubt, als bie Anlage 3ur ^ritEjmetif unb ZTTatB^ematif 
überljaupt.^) ZlTan meint, bie befte Uebung für bie Hr- 
tl^eilsfraft fei bie Sefdiäftigung mit ber ZHatl^emati!* 
Zlidtts fommt in biefer IPiffenfdiaft, fagt man, von 
außen, ^Hes iji ^as XPer! bes menfdiUd^en Perftanbes, 



^) 5. Banb bcr (Dctavausqabe, 5. ^30— H59. 

2) 3d? njctg fcbr gut, ba% bie gctpöl^nltd^c 2lrttl^mcttf, bie 
felbft von bcr §aI]lcniDiffeTtfd?aft nur ein Heiner (El^etl ift, ntd^t 
bie gan3e IHatl^eniattf ausmad^t unb ha^ bie fyntbetifd^e IHetl^obe, 
bie bie alten (Seometer ausfd^lieglid? anmanbten, ntd^ts mit ber 
galilenn>iffcnfd^aft gemein ):iat 3d? n?ei§ aud?, ha% ausge3eid?nete 
irtatl^ematifer 3un)eilen feine großen Hedjner finb. 2Iber t>a id? 
biefelbe (Sel^irnpartie fonjol^l bei allen perfonen, bie eine angc= 
borenc 2Inlage 3um Hed^ncn traben, als bei ben ITtännern, bie bie 
matl^ematifd^en IPtffenfi^aften burd? I^crrltd^e (Entbecfungen be= 
reid^ert I^abcn, ftarf entn?tcfelt finbe, fo I^alte id? mid? für bered?= 
ttgt, an3unel^men, ba% baffelbe (Organ, bas bem jungen dolborn 
fein Kopfred^nen ermöglid^t, bem pytl^agoras erlaubte, 3u be= 
n>etfen, ba% bas Quabrat ber ^ypotl^enufe bem ber beibcn Ka= 
tl^eten gleid? ift, unb ben £aplace bie IHed^anif bes l7immels 
fd^rciben lieg. 



\2 I. (Sall's 2Iuf|'a§ über ben gal^Ienfinn. 

^ües ift eine Sd^öpfung bct reinen ^nfd)auung unö bes 
Sdilugpermögens. ^Ifo fann fein befonöeres (Drgan 
porijanben fein, perntöge beffen ber ZTlenfd? 3um Hedinen 
ober 3ur ZTlatBiematif überB^aupt befonbers befäl^igt ift 
Das 5oIgenbe roirb seigcn, intoien^eit biefe Se« 
Ijauptungen voaiit ober falfdi (tnb. 

(ßefdjid^te ber (Entbecfung* 

3n tüien ersäljite man mir pon einem 5d)üler aus 
5t polten, ber in ber gansen (ßegenb burdj fein groges 
Hed^entalent begannt ipar. (£r mar ber Soljn eines 
5d|miebes unb Blatte feinen anberen Unterrid^t als feine 
5d|ulfameraben empfangen; aud? n?ar er in jeber anberen 
£}infid)t mit biefen auf gleid^er Stufe. 3d^ K^6 '^k^ ncidj 
tüien fommen unb fteüte iE^n meinen gul^örern por. (£r 
mar bamals 9 3<i^i^c alt. (ßab man iljm 3. S. brei 
Sal^len, beren jebe aus \0 — \2 Ziffern beftanb, unb 
forberte it|n auf, fie 3U abbiren, 3U fubtraljiren, 3U multi» 
pliciren, jebe burd^ eine breiftellige 5at|I 3U bipibiren, fo 
blidte er bie ^aiiUn einmal an, falj bann in bie Cuft 
unb rpar mit feiner Kopfred|nung früljer fertig, als meine 
gul^örer bie Hedjnung auf bem papier ausgefüB^rt Blatten. 
€r roar pon felbft auf feine ZHetl^obe gefommen. "Siefer 
Knabe mad|te 2luffeB|en in IDien. €ines Cages fam ein 
Heditsantpalt 3U mir unb bcflagte fid) über feinen fünf* 
jäB^rigen SoB^n, ber fxdi ausfd^lieglid? mit ^aiiUn unb 
Hedinuncjcn befd|äftige, für nid^ts anberes Sinn B^abe, 
nid^t einmal für bie Spiele feines alters. 3cl| perglidj 



nun liefen Unabcn mit bcm anbcrcn unb fonnte an 
iB^rcn Köpfen nur eine ^cB^nlidifctt finben, nämlid^ eine 
beträd^tlidie Voxwölhnnq am äußeren ^ugcniPinfeL Set 
beiben xoav bas ^uge im äußeren Ci^eile burd? bas 
obere Cib perbetft. 

tiefes gufammentreffen »on ungeiüöljnlidiem l^edicn* 
talent mit einer eigentljümlidien Kopfbilbung in stoet 
5äIIen brad^te mid| auf ben (ßebanfen, ba^ bie Einlage 
5ur ^ritljmettf eine (ßrunbfraft fein unb von einem be* 
fonberen ®rgane abt|ängen möd|te, benn bamals war 
xdt in meiner Cel^re von ber ZTTel^rtieit ber ®rgane fd^on 
Siemlid? meit fortgefd)ritten. 

3d^ fud)te nun nadi ZTlännern, bie burd? Anlage 3um 
Hedinen ausgeseid^net mären, guerft erinnerte id^ mid^ 
an ben l^aiii ZHantelli, beffen £i€blingsbefd|äftigung bas 
2luffud]en unb ^uflöfen matB^emalifd^er, bef. aritljmeti- 
fdier 2lufgaben mar. 3dl f^^b an xlim biefelbe eigen» 
tl|ümlid]e (ßeftaltung ber (ßegenb bes äußeren ^ugen- 
toinfels. Dann ging xdi 3um Baron oon Pega, bem 
Perfaffer ber Cogaritl^mentafeln, ber profeffor ber ZHatl^e- 
matif, im Hebrigen aber ein feljr mittelmäßiger ZHenfd^ 
mar. IPieber fanb idi biefelbe Kopfgeftaltung. 3di 
burdimufterte 5amilien unb 5d]ulen, lieg mir bie Kinber 
Seigen, bie ftd| burdi il^r Hed)enta(ent por ^en anberen 
aus3etd|neten. 7>a idi nun immer baffelbe Kenn3eid)en 
fanb, mie fonnte xdi anbers, als anneB^men, ba% ber 
SaE|Ienjtnn ein befonberes Permögen fei rxnb ein be» 
fonberes (Drgan ^ahe? 



H^ I. (Saü's 2luffa^ über bcn 3<^^lc"fi""- 



Der ZlTenfi^ erfdjafft nid^ts, fein Perflanb ift barauf 
angemiefen, bas 3U erfennen, roas e^ijHrt Wenn notl^- 
tt)enbtgertt)ei[e eins nrib eins 3u>et jtnb, unb smeimal smei 
Pier, fo Ijängt biefe Hotl^u>enbig!eit nid?t pon ber 5^I^ig- 
fett bes ZTTenfdien ab, fonbern jie mirb von ilim nur 
erfannt als ^lusbrutf unperänberlid^er (ßefefee. 1)ie 
gegenüberliegenben tüinfel eines paraOelogramms merben 
aUeseit gleid) fein, mag bas (ßefefe pon einem (ßelel|rten 
erfannt iperben ober nid)t. So iji es mit ben matl^e« 
matifd^en IPaljrljeiten überljaupf. IDenn bie ZlTatlje- 
matifer pd? mit Hed)t ber ®ptif, ber 2lftronomie, ber 
ZlTufif u. f, ip. bemäd|tigen, fon?eit bie ^ntoenbung ber 
Hedinung suläfjtg x% fo muffen bod) bie (ßefefee, nadt 
^cnen bie StraB^Ien bes £id|tes gebrodien iperben, bie bie 
€uftfd)n?ingungen unb bie Seipegungen maWieHer Ct|eil« 
d^en überijaupt bel^errfd)en, in ber Healitdt bejieljen, 
nid|t pom menfd|Iid|en (ßcijie, ber fte auffaßt 
unb in Sesiel^ungen bringt, abB|ängig fein. 3ft bies 
aber fo, fo folgt baraus, ba§ es für bas matljematifdie 
Calent eine 2lu§entt)elt giebt, roie für alle Calente, unb 
^a% andi feine Aufgabe bie ^uffaffung ber IDirflid^feit 
ift. 2lnbererfeit5 muß ber ZTlenfd) für bie bie IDelt be* 
Ijerrfd^enben matljematifd^en (ßefefee ein (Drgan l:iaben, 
permöge beffen er fie auffaffen fann. Eiäite er es nid^t, 
fo roürben bie (ßefefee ber Hatur nidjt in feineit (ßeijl 
eingel^en, er mürbe pon il|nen nid)ts miffen fönnen. 3f^ 



tTaturgcfdjtdjtc bcs gablcnfinnes. \5 

bicfes (Drgan fcljt enttoicfelt, fo mirb es il^n befäBjigcn, 
neue (ßrögenbesietiungen, neue (ßefefee 3U entbecfen, bte 
tüelt fosufagen 3U entfdileiern. Der ZTTenfd^ trägt eine 
^B|nung öer lDirfIid)feit in fid) unb bie Arbeit feines 
(ßeiftes poHsieljt ftd| in Harmonie mit ben Haturgefefeen, 
bie bte Sdimingungen unb bie Semegungen überl^aupt 
^a brausen regeln» tüdre es anbers, wie fönnte bann bas 
matl^ematifd^e (Ealent jutpeilen in erflaunenerregenbem 
(ßrabe bei Kinbern unb bei gans ungebilbeten Ceuten 
gefunben merben? 2lbgefeljen von ben oben ertoäljnten 
5äIIen, ijl an einem 7 jäBirigen Knaben, Hamens Depau^, 
3U erinnern, pon bem alle 3ournale mit Semunberung 
ersäl^It iiahen. <£x Ijatte bie Ceibenfdiaft, aöe TXlävfte 
auf3ufud|en unb ba bie Kaufleutc 3U beobad)ten, menn 
fte it|re Hed]nungen abfd|Ioffen; Ijatten fie pd? babei ge- 
irrt, fo mar es iljm eine groge ^r^ube, ben ^vxtlinm 3u 
entbecfen. Der \2]äE^rige Sibber pon Deponft|ire mürbe 
bem ^er3og Pon l)orf porgef^ellt unb fomol^I feine fönig- 
Kd|e ^ol^eit als beren Segleiter gerietB^en in bie größte 
Perrounberung, als ber Knabe ol^ne aöe giffern jebe 
iljm aufgegebene Aufgabe löfte. ^Ile Hedjnungsarten 
roaren iljm gleidimägig pertraut unb bod) mar er ber 
SoE^n eines armen ^anbarbeiters, \)C5 Paters pon neun 
Kinbern« 3" paris I^abe xdi bcn jungen ^merifaner 
S^vahi Colborn gefeiten, über ben ameri!anifd)e fomie 
fran3Öftfd|e unb englifd^e Leitungen berid^tet l:iahcn. 3d? 
t|abe ben Kopf biefes Kinbes abgeformt unb liabc fein 
Bilbnig 3eid)nen laffen (Cafel 87, 5ig. \)* £?ier tljeile 
id^ folgenbe Semerfungen barüber mit. Diefes Kinb 



H6 I- (Sall's Huffafe über t>en gat^lcnfinn. 

ijl geboren im Tipxil \80^ 5U Cabot, in bcr (ßraftd)aft 
(Ealcbonicn, im Staate Permont. <£s war nod| nid>t 
7 30^»^^^ ^Is ^err ZHac-Ztepen es faB^, ber über feinen 
Sefud] im Medical and philosophical Journal and Review 
(Zteroyorf \S\\) berid)tet liat ^m gen?öl^nlid^en Ceben 
gleidit ^cvaii anberen Kinbern feines alters, ift leidet« 
finnig unb 3U finbifd^en Spielen geneigt n?ie fte. lOirb 
feine 2lufmerffamfeit aber oon irgenb etmas gans in 
^nfprud? genommen, fo seigt er 5ä^ig^eiten, bie über 
fein ^Iter B|inau5geE)en, unb B^anbelt es fidj um Hed|- 
nungen, 55i|igfeiten, bie fosufagen über jebes ^Iter I|in- 
ausgeB^en. 2(m legten ^uguft bes ^alixes \8\0 ent« 
bedte fein Pater feine rounberbare Sä^xQtext 3um Hedinen, 
als er I^örte, n?ie bas Kinb S<^liien por ftd^ B^infpradj, 
bie es 3U feinem Pergnügen multiplicirte. 2lls bas Calent 
entbedt mar unb in 5olge beffen geübt n)urbe, enttoidelte 
es [\di in wenigen ZTTonaten augerorbentlidj rafdi» ^uf 
arill^metifdie Aufgaben anttoortet ber Knabe fo rafd?, 
ba% man glaubt, er fage 2tusn?en biggelerntes B|er, Sei 
ettpas fd^roierigeren Hedinungen tann man beobaditcn, 
wie er mit unglaublidier Sdinclligfeit laut abbirt, fub- 
traB^irt, multiplicirt ^ntocxUn B^ält er inne, menn er 
einen S^k^^TC bemerft; er ift bann fel|r betrübt, aber es 
fommt äugerft feiten por, Znac-Hepen B|örte il^n, ol^ne 
jebes Saubern unb ol^ne ben fleinften S^iiht folgenbe 
5tagen beanttoorten. 5tage: miepiel ftnb \5^7, \^55 
unb 209\? 2tnttt)ort: 537\. 5rage: meldje gaE^Ien 
geben, mit einanber multiplicirt, \292? 5olgenbe 2(nt- 
tporten famen fo fd^nell, mie man fpredien fann: 



Haturgcfd^td^te bes galjlcnfinnes. ^7 

5^ X 23, 9 X \38, 27 X ^6, 3 X ^\^, 6X207, 
2 X 62\, 5rage: meldte Sa^l gtebt mit pdj fdbft 
multiplictrt H369? ^tntmort: 37* 5rage: weldjc gal^I 
gUbt mit jtdi felbjl multiplicirt 2^0H ? Tlrxtwott ^9, unb 
7 multiplicirt mit 3^3 giebt biefelbe gal^L kannte man 
6ic ^al^I in Caufcnbcn un5 ^unberten, fo rief ev \xn» 
gcbulbig, nennt bod) 6ic ^unbertc, b, l^. er toollte 5. S» 
bei 2^0 \, man foHc fagcn, 2^ ^unbcrt unb eins. 5rög^: 
mas crl^ält man, toenn man bic 6 6 ZlTal mit fidj fclbft 
multiplicirt? (£r rcd^nctc laut auf folgende Wex\e, fo 
fdineH, u>ic man es ausfprcdjcn f ann : 6 X 6 ijl 36 
6 X 36 ijl 2^6, 6 X 2H6 ift \296, 6 X \296 ifl 7776, 
6 X 7776 ifl ^6656, 6 X ^6656 ijl 279936. 5ragc: 
voievxel Stunden entt^altcn 26 3at^re \\ TXlonate 3Cage? 
2tntn>ort: 226992. Vex 5ragcr l^attc falfdi gcrcd^nct 
unb meinte nun, geraBj t^abe jtdj geirrt. Siefer über- 
legte einen 2tugenblicf unb oerjtdjerte bann, feine Hedj* 
nung fei ridjtig. (£5 ergab jtdi, ba§ ber STcagex bie 
Sdjaltjatire oergeffen unb bie lefeten \\ ZlTonate 3U je 
30 (Tagen angenommen Ijatte.^) TJils man ©erlangte, 



^) Das erinnert an eine anbcrc 2(ncfbotc. UTan hvad^te 3U 
b'2Ilcmbcrt einen ^trtcnfnabcn, bcr fid? als Hcd^cnfünftlcr aus= 
jetd^nctc. ITTein Ktnb, fagte b'2i., fo alt bin td?, iPteotcl HTtnuten 
^ahe i(i( gelebt? Der Knabe 309 fid? in einen XPinfel bes 
gimmcrs 3urücf, hebedte fein (Sefid^t mit ben ^änbcn unb fam 
nad? fur3er gcit mit bem Hcfultat 3urücf, als b'2I. mit fetner 
fd?rtftltd?cn Ked^nung nod? nid^t fertig mar. Betbc Hed^nungen 
ftimmten nid?t. Das Kinb ging lüieber in feinen XPinfcl, red^nete 
ipteber unb bcljauptete, feine galjl fei rid^ttg; aud? b'2(. begann 

zn dbins^ Znatt^ematifer. 2 



^8 I- <S>clIV5 2Iuffa^ über bcn gatjlcnftnn. 

gcratj folle \23 mit 237 multipliciren, u>i5crfcfete jidj 
bcr Pater, smci brdftefligc gabicn fden 3U oici. 2)cr 
Knabe aber fagte, er fönhc es fdjon, unb multiplicirte 
fogar fcl^r rafdj \25^ mit H23^* 3n5cffcn fal^ man 
bodi, bag bic fdimcrcn fragen bcn Knaben crmübctcn, 
unb oft bat et, man möge nidjt 3U mxwxddte ^eii» 
nungcn ©erlangen. IDätjrenb bes Hedjnens fatj man 
an feiner Haltung, an ben klugen, an ber Spannung 
ber Süge, u>ie angejlrengt ber (ßeijl arbeitete. Seine 
Süge jtnb fetjr ausbrucfsooll. Die Stirne iji Hein, aber 
ecfig, bie Sogen ber 2lugent|ötjlen jtnb oorgerücft (con- 
sid^rablement avanc^s); bie klugen finb grau, geiftpott 
unb fetjr bemeglidj; ber Sdjäbel ift getrölbt unb oon 
beträdjtlidier Breite, ber ^interfopf Hein; bie fjaare jtnb 
rotlj; ^as Kinb ijl für fein 2IIter groß nn^ ungetrötjn- 
lidi f räf tig ; bie Semegungen jtnb überftürst, er ift immer 
in Semegung. Ztiemals l^at er eine Sdiule befudjt, fann 
toeber lefen nodj fdjreiben. 2ll5 man il^n fragte, n?ie er 
redine, fagte er, er fet^e bie Hedjnungen beutlidj oor jtdj. 
Pon Srüdjen l^at er nodj feine PorfteHung, fann nur 
mit gansen ^atjlen redjnen. (£r ijl ^as fünfte oon 
jteben Kinbern, beren fonft feins burdj befonbere Säil^Q' 
feiten ausgeseidinet ijt Der Pater, Tibxali Colbom, ijl 
mit fedjs Sinqetn an jeber ^anb 3ur IPelt gefommen 
unb geral^ ift bas einsige ber Kinber, ^as biefelbe ZHerf» 
n?ürbigfeit seigte. 



von Heuern 3U rccf^ncn, 2Ibcr mein E^crr, rief ber Knabe plöfeUd?, 
l^aben Sie benn an bie Scf^altjal^re gebacf^t? b'2l. iiatte fte oer* 
i^effen unb ber E^irtenjunge blieb Sieger. 



Hahirgcfcf^tdytc bes gat^lenftnncs. \^ 

Xnac'Ztcven erinnerte bei (ßelegent|eit Colborns an 
eine anbere perfönlid^feit, 3^^i^ici^ Su^ton, bie im 
üorigen 3öl^rl^unbert toegen augerorbentlidier Hedjen» * 
funP befannt roar, aber babei DoHfornmen geiftlos roat. 
3e6ibial^ fdjien fogar eines Ct^eiles ber oerbreitet^en 
(ßefül^Ie beraubt 5U fein. 5ür iljn roar TXln^xf nur ein 
ipirres Congemenge; als man il|n in ein Ct^eater ge» 
fül^rt I^atte, in bem ein Sind oon 5t|afefpeare gefpielt 
n?urbe un5 (ßarricf auftrat, tougte er mdiis 3U tt^un, als 
3u lälilen, ans roieoiel IDörtern (ßarrirf's Holle beflanb. 
Seralj Colborn bagegen seigt oiel (5eifl; er ifi mit ^tnt» 
n?orten rafdj bei ber ^anb unb t)iefe ftnb sumeilen fdjarf 
genug. Einige Cage vor 5em ^efudie ZHaC'Zteoen's 
I^atte ftdj eine S^can bamit beluftigt, ^eral^ 3U fragen, 
toieoiel ItuH 3 TXlal Z(nü fei. (ßerabe fo oiel toie Sie, 
antwortete er, gar nidits» 

ZHan mug ftdj fragen, fügt TXlac'Zlevcn l^insu, ob 
nidjt bie 2tnftrengungen ber 2lufmer!famfeit, benen ^cxaii 
fxdl untersiel^en muß, feinen jungen Kopf ermüben unb 
oerberben, bas serftören, roas man oon iljm troffen 
fönnte, voenn er ber natürlid^en <£ntn?icfelung überlaffen 
bliebe* 2ludi ifl es möglid^, ba% burdi eine neue £aune 
ber Ztatur ein Stiflflanb eintritt, ober gar bas eigentt|üm« 
lidje (Ealent roieber oerfdjtoinbet. ZHac^neoen erinnert 
an einen Van H. aus Viika in ben Dereinigten Staaten, 
ber mit fedjs 3at|ren fidj burdj einsigartige Sä^qUit 
bes Kopfredjnens ausseidjnete, mit adjt 301^^^^^ aber 
biefe Sä^i^hü oerlor, ot|ne 3U roiffen toie, unb ber fpäter 
redinete roie äße £eute, mit ber 5cber in ber £tant>,^ nxAit 



20 I. <3aWs 2(uffa^ über ben gal^lcnfinn. 

bcffcr unb nidjt fdineücr als ein 2tn5crcr, jtdi gar nid^t 
mct|r erinnerte, toie er es angefangen l^abe, als Kinb im 
* Kopfe 3U redjnen.^) 

Vet Knabe aus 5t polten fagte mir aud), 5ag er 
bie 5al|Ien, mit benen er operirte, 5U feigen glaube, als 
ob jte auf eine Sd^iefertafel gefdjrieben mären» €n5- 
Ixdt ijl nodi an bie Codjter bes £orb 2TlansfieIb 3U er» 
innem, bie Spurst^eim in £onbon faBj, als jie \3 3al:|re 
alt mar. Das junge ZHäbdien glid^ beinal^e geraF^ 
Colborn, jte 30g mit groger Ceidjtigfeit Quabrat« un5 
Cubümurseln aus neunftelligen gal^Ien* 

Xt>er tt)irb bei aW biefen Kinbern bie 5at|igfeit su 
redjnen aus il^ren 5ät|igfeiten im (Bansen, aus einem 
allgemeinen Sdilugoermögen ableiten? TUie Sdimierig» 
feiten oerfd^minben, fobalb man ein befonberes ©rgan 
annimmt, burdj beffen €ntn>irfelung jtdi jene Kinber 
ausseidjnen. Va% ein Organ bes ^atjlenfinnes ftd) in 
getoiffen 5äflen oorseitig entmicfeln unb eine auger» 
gen?öt|nlidje Ctjätigfeit entfalten fönne, bas ift ebenfo 
begreiflidj mie bei ben ©rganen bes (ßefd^Ied^tstriebes, 
ber aiujtf u. f. tx>. 

£s ift aud| nidjt allsu feiten, ^a% man ^as Hedjen« 
talent bei £euten finbet, beren (ßeipesfätjigfeiten nidjt 
entmicfelt morben jtnb* €in Ciroler ^irt, peter Tinrxxdtt, 
wat burdj feine aftronomifd^en Hed)nungen berütjmt 
Sein Huf veranlagte ben pater ^efl, it|n aufsufudjen. 
2tls biefer (ßeletjrte ^en ^irten über feine Dorftubien 



*) Annales de l'^ducation, redig^es par F. Guizot, No. 9. 



XtatuT^e^d^xdite bes galjlenftnncs. 2\ 

Befragte, vexnalim er mit (Erftaunen, bag peler nidit ein- 
mal bie Hamen 6er Zllatljematif unb ber ^tjlronomie 
Jannte. Dor \2 ober \^ 3<^h^^^ madjte ein Heger in 
Conbon oiel oon jtdi reben burdj feine erjiaunlidien 
Äedjenfünfte. 'pet Hegierungsratlj Sdjübler in Stuttgart 
madjte midi "tit Zllartin ^aefele befannt, einem IDinser 
aus 2tlfaltradi bei ^eilbronn. tiefer Zllann I^atte jtdi 
von ftdj aus ber ZlTatl^ematif sugeroanbt, befonbers ber 
Ilöl^eren 2tlgebra, unb liaite erftaunlidje 5ortfdiritte ge* 
madit Später l(aite man it|m bie XDerfe Käjiner's unb 
Karften's gegeben, bie er oerfdilungen l^atte; feit 3et|n 
3aBiren oeroollfommnete er fidj in ber Differential- unb 
3ntegralredinung. 

Das alles ftnb Sen?eife bafür, ^a% bas matt|e- 
matifdje Calent angeboren ifl unb fein birectes Per« 
l|ältnig 3U ben anberen (ßeiftesfäl|igfeiten ijat. Zllan 
fann fogar annet^men, ba% biefes Calent, ebenfo n>ie 
anbere Einlagen, oom Dater auf ben 5ot|n burdi meljrere 
(ßefd?Iect)ter forterben fann. Die 5ömilie Semouilli ifl 
ein Seifpiel bafür. 

Die geborenen ZlTatl^ematifer seigen, wie alle 
Znenfdjen m.it einem l|eri>orragenben Calent, iljre 2tn. 
läge feBjr früt^ unb werben oon einem mädjtigen Criebe 
gesroungen, es 3U tt^un. 

pascal füt^Ite ftdi oon Einfang an 3ur ZlTatl^ematif 
l^ingesogen. 3e metjr fjinberniffe er fanb, um fo leiben« 
fdjaftlidjer würbe er/ 2tuf bie einfadje Definition ber 
(Seometrie l^in gelang es il^m burd? bie Kraft feines 
(5emes, bie 32 erflen Säfee €ufUb's aufsufinben. TXlxi 



22 I. (Sall's 2(uffa^ über ^en gal^lcnftnn. 

\6 '^aiiven ocröffcntlid^te er ein Wert über bie Kegel* 
fdjnitte. Von ber (ßeometrie ging er mit gleidier Ceiditig« 
feit 3U anderen Clieilen ^er TXlaiiiemaixt über. Vflit 
fnapp \9 '^aiixen erf anb er eine geijireid^e Hed^en* 
mafcbine. (ßalilei l^atte feit feiner Kinbt|eit eine foldje 
Ceibenfdjaft für bie ZlTattiematif, ba§ man fagen fann, 
er fam als 2Tlatljematifer 3ur XDelt. 3ofeplj Sauoeur 
unb 03anam lernten bie (ßeometrie ot|ne £et|rer. €a* 
lanbe rourbe, als er faum V9 3^^?^^ ^^* ^<^^/ ^^^ ^^' 
auftragter ber 2lfabemie nadi Serlin gefanbt 3ur Se* 
ftimmung ber paraüa^e bes ZHonbes. Cyctjo Sral^e 
t|atte feit feiner Kinbtjeit eine augerorbentlidje Steigung 
3ur IHattjematü. €uler fül^Ite ftd? ebenfalls frütjseitig 
untpiberjtel^Iidi 3ur ilTatl^emati! ge3ogen. 

3ft ^as Calent in einem IHenfdjen übermädjtig, fo 
beeinflußt es alle anberen (ßeiftestl^ätigfeiten. 3^ fenne 
einen 2(r3t, bei bem bas matljematifd^e 0rgan flarf ent« 
tt)irfelt ift: er bemül^t frd?, bas Stubium 5er Zllebicin 
unb felbp bie IDirffamfeit ber ZlTebicamente auf matt|e» 
matifdje principien 3urürf3ufüB^ren* 

Ueber ben Hed^enfinn im ^uftanbe ber 
Kranfljeit 

gtpei mir bekannte perfonen fül^Iten ie^es Vflal, 
menn fte ftd) metjrere Cage lang mit fd^toierigen Hedj- 
nungen befd)äftigt Blatten, einen 5d)mer3 in ber (ßegenb 
bes Kopfes, n>o ftdi bas ^aljlenorgan befinbet. 

2tls ber große (ßeometer be Cagny 3um Sterben 



Ueber btc £a^e unb bic äußere €rfd?ctnung bes ^al^lenorganes. 23 

fam, fragte it^n ^Tlaupcrtuis, roas feas Quabrat oon \2 
fei: \^^ fagte ber Sterbende ot|ne gögern. 3m IDiener 
Kranfenljaufe I^abe xdi einen oerblöbeten 3rren gefet|en, 
beffen einsige Ct^ätigfeit im gätjlen bejtanb, er l^örte 
jlets bei 99 <^iif/ "^^ fonnte idi it^n bat|in bringen, 3U 
fagen HOO, er begann ftets oon Heuern mit \. 02t» 
(Soelis fagt in feiner oorsüglidjen 2tbl^anMung über ben 
dironifctien unb ^en acuten fjvbroceptialus : ^) ,,ZtiemaIs 
wirb ber pl^vftolog erflären, mie neben einem voü* 
ftänbigen ZlTangel atter (ßeiftesfätjigfeiten ein einsiges 
Dermögen in aller feiner Stärfe ertjalten fein fanm 
Der Sofyi eines ^uffdjmiebes, ber in jeber anberen 
fjinftdjt blöbfinnig roar, seigte nodj in feinem \2. 2<^k^^ 
ein erjlaunlicties §ai:iUnqebä(iitm% unb ein großes XüohiU 
rootten. ^eibe 5ä^ig'^iten oerloren fidj mit bem IDadjfen 
bes ^yt>xocepiial}X5J* 

Das finb gewig unmiberleglidie Seroeife, ^a% bie 
5unctionen bes Sat|Ienorganes unabl^ängig von benen 
ber anberen ®rgane ftnb» 

Ueber bie £age unb bie äußere (£rfd?einung 
bes gal^Ienorganes. 

7>as ©rgan ^es gal^Ienftnnes wirb burdj bie Xt>in* 
bung XIX (auf ben Cafein ^, 5, 8, \5) gebilbet. 2)iefe 
IDinbung ift eine 5ortfefeung ber unterften XDinbung bes 



^) praftifd^e ^(bl^anblung über bie üorsügltcf^eren Kranft^etten 
bes ftnbUd^en Tlitexs, 2. ^axiö. 



2^ I. (S>aWs 2(uffa^ über ben gal^lenfinn. 

Znujtforgancs unfe jte liegt auf bcm am meinen lateralen 
dieile bes Dadjes ber 2lugenljöBj(e in einer 5urd?e ober 
<£infenfung, bie oon Dorn nadj leinten 3iet|t. Wenn biefe 
XDinbung in beträditlidiem Zllaage entroicfelt x% fo wirb 
ber äugere CBjeil bes Sadjes ber ©rbita burdi jte I^erab« 
gebrücft, berart, bag ber obere Hanb ber 2lugent|öljle 
nur in feiner inneren ^älfte bie natürlidie XDöIbung 
bel^ält, t>a% bie äugere ^älfte 3u einer (ßeraben wirb, bie 
fdjräg oon oben innen nadi unten äugen sielet {vgl. ^as 
»ilbnig oon ZHonge, 5ig. 3 auf Cafel 87). 3n 5oIge 
beffen mirb ber äußere Cl^eil bes oberen Cibes gefenft 
unb becf t ^as 2tuge metjr als fonft* TXoii beutlidjer 
toirb ber Ctjarafter, wenn ber laterale Cljeil ber ®rbita 
3ugleidi nadj äugen gerücft ijl, fo bag ber Processus 
zygomaticus oss. front, (ober ber äußere obere XDinfel bes 
Hanbes ber 2tugent|öl]Ie) feitlidj oorfpringt, über bie 
oorbere partie ber Sdiläfe l^eroorragt, wie man es an 
^em Sdjäbel }^es berüt|mten Znedjanifers Doigtlänber 
(Cafel 88) fielet. 3«^od] biefer Dorfprung ift nidjt oor- 
Ijanben, wenn bie lateralen Partien fel^r jlar! gewölbt 
ftnb, burdj fintwicfelung fei es bes ZlTufiforganes, fei es 
bes Sauftnnorganes. 

^at man fidj eine beutüdie DorjieHung oon ber 
5orm unb £age bes ©rganes gemad^t, fo betradjte man 
bie Znänner, bie ftdj in ^en mattjematifdjen IDiffenfdiaften 
burdj it|r fdjöpferifdjes (5enie ausgeseidjnet l^aben* 3dj 
fenne einen großen Cljeil ber lebenben ZlTatB^ematifer 
perfönlidj, xdl I^abe bie Süften, (ßemälbe, 5tid?e mandjer 
2lnberen ftubirt* 2ln aücn, ofyxe 2tusnal|me, liabt idj 



Heber bie läge unb bie äu§ere (Erfd^etnung bes ^at^lenorganes. 25 

bas bcfdiricbene ®rgan gefunden. ZlTan betradjtc bas 
Bilb bes jungen Colborn (Cafcl 87, 5ig. 0; ^^' ^k^ 
ift ^cr ängcrc Ctjcil öcs ®rbita^adJC5 berart tjcrab« 
gcbrücft unb nadj augcn ocrf droben, ba§ bicfc (Eigen- 
ttjümlidifcit bcn Perfaffcrn bcr erficn Ztad^riditcn über 
5cn jungen Znenfd^cn in bcn amcrüanifd^cn S^itfdl^iftcn 
nid^t entgangen ift Vflan betrad^te bie Süjien unb Bilb* 
niffe von (guflib, 2trd)iniebe5, (Salifei (Cafel 82, 5ig- 3), 
Kepler, Ztemton, Ceibnis, peter (5affenbi, fjuygl^en«, 
SuEy, Sescartes (5ig. 5), fiuler, Hoberoal, Caguy, Ser* 
nouitti, £agrange, be la place, Cralles, Calanbe (5ig» ^), 
fjerfdjel, ©Ibers, Seffel, Söfeenberg, (Egmeyer, ZlTonge, 
Carnot, 3ebibial^ Su^ton (Cafel 87, 5tg. 2), Bürgg, 
Sobe, prony, 2trago u» f. w. 

Kennt man bie Sebingungen, unter benen ^as matlje« 
matifdie Calent jtd? bisl^er jlets funbgegeben l^at, fo 
fann man, ol^ne 5urd?t oor Cäufdjung, oerjtdiern, ^a% 
es fid? in ber 5oIge jlets unter benfelben ^ebingungen 
funbgeben u>erbe. 

einige parifer ^lerste füt|rten, um midt auf bie 
probe 3U (teilen, brei Knaben 3u mir, oon benen ber 
eine ein ungewöl^nlidjes Hedientalent befaß. Kaum 
roaren fie eingetreten, fo beseidjnete idj ben Hedjenfünftler. 

€5 ifl unnöttjig, 3U bemerfen, t>a% ber Sinn für 
gal^Ien unb (ßrögen eine oerfd^iebene 2lnn>enbung ftnben 
roirb, je nadjbem Don ben anberen ©rganen biefe ober 
jene jlarf entwicfelt ftnb. Salb wirb ber mit jenem 
Sinne Segabte (ßeometer werben, balb (ßeograpl^, 
©ptifer, 2ljlronom, Zlledianifer, Derfertiger mattjematifdjer 



26 I- <5aW5 2luffa^ über bcn gal^lenfinn. 

3nprumcnte, Znujtf-Componifl; es bürfte feinen großen 
Componiften geben, bei bem nidjt bas ®rgan für gal^Ien 
neben bem für bie Conbesiet^ungen gut entmirfelt wäxe. 

3n 5er Hegel ijl bas ®rgan bei ben IDeibern 
weniger enttoicfelt als bei ben ZHännern. 3"^^ff^n I^at 
es bodj IDeiber gegeben, bie große Einlagen 3um Hedinen 
I^atten unb jtdi in ben matl^ematifdjen IDiffenfd^aften 
ausseidjneten. Die Zteger liaben feiten großes Calent 
3um Hedjnen unb 3ur ZHattiemattf, andt jtnb it|re Köpfe 
fap immer fdjmal, in ber (ßegenb bes Hedienorganes 
3ufammengebrürft. Dr. Spursl^eim glaubt, ^a% bas 
§at|Ienorgan im ^IHgemeinen bei ^er\ (Englänbern gut 
ausgebilbet fei. 3ft bas eine 5oIge langer Uebung, ober 
Ijängt bie Steigung 3u ^anbelsfpeculationen oon ber 
(£ntn>icfelung bes ©rganes ab? 

(£s giebt in paris einen ZHann, beffen 3"tenigen3 
freilid^ im 2lllgemeinen redit befdiränft ift, ber aber be« 
fonbers burd? feine Unfät^igfeit, gal^Ienoertjältniffe auf* 
3ufaffen, auffaßt. £5 ift nie gelungen, iljm Aar 3u 
madjen, t>a% 2 unb 2 ^, 2 unb \ 3 ftnb. 3^! I?cibe 
ben Sdjäbel biefes ZHannes abformen laffen unb es ijl 
bemer!ensn>ertl^, ^a% an iljm bas gal^Ienorgan fajl gar 
nidjt oorl^anben 3U fein fAeint. 

Sefifeen bie (EB^iere ben gal^Ienfinn? 

2<k mödjte nidjt entfdjeiben, ob bie tCIjiere 3äl^Ien, 
eine beutlid^e Dorftettung ber galjl t|aben. „Die Cljiere 
3äI^Ien, bas ift ftdjer, fagt Ceroy; unb wenn audi bis jefet 



Bcfi^cn bic (EMerc bcn gat^lcnfinn ? 27 

il^rc 2lrittjmeti! bürflig genug fein mag, fo fönnte man 
jte bodj oiellcidjt »eitcr entotcfcin. 3" ^^" (ßegcnbcn, 
tDO man bie Dögel pflegt, oerfolgt man t>xo filficrn, benn 
bicfc ftct^Icn t>k <£wx. TXian merft fidj txe Ztcflcr ber 
Häuber unb fud|t bic 2tltc, träl^rcnb fic brütet, 5U 
tobten. Znandie Dögel oerlaffen bas ITeft, fobalb man 
ftdi it|m nätiert. ZlTan legt am S^t^ bes Saumes 
einen oerbecften ^intert|alt an. IDenn ftdj ^ann ein 
ZHann am 5u§e bes Saumes auf bie £auer fiellt, um 
bie XPieberfetjr bes brütenben Dogeis absumarten, fo 
n?artet er oft nmfonfl, benn bic filfier ifl fdjon gefcl^lt 
n?orbcn; fic n>ei§, ba% ber SItfe aus bem ^intert|altc 
Bjerausbred^en roirb, in bcn ftc ^^n Zllann I:|at get|en 
feigen. Die Znutterliebc 3iet|t ftc 5um Hefle, bie 5urdit 
Ijält fie surücf unb fdjlicglid] fommt bie Xladit l^erauf, 
bic fic bem Perfolger cntsietjt. Um bcn migtrauifd^en 
Pogel 3U täufd^cn, gelten am nädifien Cage smei IHänncr 
3u bem ^interl^altc, ber eine bleibt, ber anbere gel|t 
mieber fort. 2tber bic (Elfter tjat ftc gc3äl|It unb bleibt 
tt)cg. 2tm britten Cag fommen brei, aber bic (Elfler 
bemerft, t>a% nur 3tDci mieber tocggcljen. (£nbli(ii muffen 
fünf ober fcct)s Zllänncr l^ingcBjcn unb bic 2tritljmetif ber 
(Elfter in Dermirrung bringen. Sie glaubt, bic ZHänner 
feien alle vorübergegangen, unb fommt 3urü(f. Der 
Derfudi ift fo unb fo oft gemad^t toorben unb ifl einer ber 
gcbräudilidjftcn Semeife für bcn Sd^arffinn ber Ct|icrc.'' ^) 



^) Lcttres philosophiques sur l'intclligence et la perfectibilit^ 
des animaux. (Edition de 1802.) p. ^^9. ^30. 



28 ^- <5aWs 2luffaö über ^en gatjlenfinn. 

Vnpont be Ztcmours ocrjidjert fogar, bag bic €Iftcr bis 
ZXenn i&lile. 

TXlan glaubt, bag bie ^enne tt|rc (£ier säl^Ie unb 
bic ^ünbin itjre 3ungen. Sidjcr ift, ba§ bte ^ünbin es 
merft, roenn man eins bcr Kleinen tocggcnommcn l^at 
2Iber xdi glaube, ba% es ftdj babei nidjt um ein eigent- 
lidjes gäl^Ien tjanble. XDenn von uns in einer nidjt 
fet|r saljlreid^en (ßefeüfdiaft befinden unb einer i(i fort^ 
gegangen, fo bemerfen mir fein 5«^Icn, ol^ne bie Salil 
ber perfonen 3u fennen. Die ^ünbin fönnie in äl^nlid^er 
XDeife bas 5«^I«n eines Kinbes bemerfen, u>eil fie jebes 
von il^nen perfönlid) fennt 

Ueber ben geitfinn. 

(£s giebt Ceute, bie jtd^ mit groger Ceidjtigfeit Daten 
unb geitabfd^nitte merfen. Sie miffen alle (ßeburttage, 
äße fjod^seittage, (Eobestage,. bie geit aller (£reigniffe, 
felbft ber geringften. Sie beginnen jebe (£r3ät|Iung mit 
Eingabe bes 3atjres unb bes Cages. Von ber (ßefd^idjte 
merfen jte fid? bie §at|Ien am beften. Der 3efuit Denis 
petau n^ibmete jtdj ber Ct^ronologie unb madjte feinen 
Xlamen faft 3um berül^mteften aller europäifdien £l^rono* 
logen. 2Iuf feinem Stid^e fietjt man bas gal^Ienorgan 
fetjr beutlidj. Der Senior Degmayer oon 2tugsburg 
mar allgemein befannt, n?eil er ftd^ afle Daten merfte, 
(ßeburttage u. f. rx>. Pon feiner Kinbtjeit an Ijatte. er 
eine entfdjiebene Steigung 3ur ZHattiematif; audj ijl bas 
äußere ^eidien baoon bei il^m fetjr ausgeprägt (ßeljört 



Webet ben gcitfinn. 29 

nun ber geitfinn 5um galjlcnjlnne, ober mug man für 
x^n ein befonberes ©rgan fudjen? 

Vfiandi^ £eute fönnen, wenn jte pdi nieberlegen, 
genau bie geit bes (Ermadjens beftimmen. TXlandie 
irCujtfer I^alten, obn>ot|I jte fonji feBjr mujtfalifdi jtnb, 
fdjledit (Eact, anbere wieber oerfetjlen ben tEact nie, ob* 
u>oI^I fonft il|re 5öt|ig!eiten gering jtnb; man fönnte 
gerabesu banadj ^wcx Claffen oon Znujtfern unterfdieiben. 
€5 giebt Znenfdjen, bie gar fein (ßefül|I für ben HI^y*^' 
mus ungereimter Derfe l^aben. ZHandie flnben ein eigen« 
tl:|ümlidje5 Pergnügen an einer Ut^renfammlung unb 
baran, ta^ alle Ut^ren gans genau getjen. 3^"^ 3^^^^^, 
bie tage* unb wodjenlang auf bemfelben plafee Bjocfen, 
fdjeinen allen geitjtnn oerloren 3U iiaben. 2^ IDien 
I|atte ein (ßeijlesfranfer nur bie eine fi^e 3bee, ba% 
immer ber ^7. ©ctober märe. Sei (Seipesfranfljeiten 
roie bei anberen fd^meren Kranfl^eiten fommt es oor, 
bag bie Dorjtellung ber §eit oerloren get^t. (5enefen 
bie Kranfen, fo red^nen jte bie geit oon ^a an, als jte 
mieber ein beutlidjes Semugtfein it^rer (E^iftens erlangten. ' 
®n Vame, bie 27 3öl?re lang megen ZHanie einge- 
fdjioffen gemefen mar, fam wieber 3U jtdj, obn>ot|I it^r 
VOaiin vmb il^re (Erregung jte bis 3um gerreigen ber 
Kleiber, 3um lTacftumt|erIaufen u* f. n>. gebradjt l^atten. 
2tl5 ber IDatin auftjörte, fdiien jte aus einem Craume 3U 
ertoadjen unb fragte nadj il:|ren Keinen Kinbern. Va% biefe 
feit 2<^iiten t)erl^eiratl|et toaren, fonnte fie nid?t faffen. ^) 



^) Pinel, Trait^ m^d.-philosoph. sur l'ali^nation mentale, p. 88. 



30 I- (Sall's 2luffa^ über ben §at^lenfinn. 

Etabcn bie Cfjicrc andi ein 7Xlaa% öcr gcit? J>ie 
(Et|iere, fagt Suffon, fönncn gar feine Dorftellung von 
bcr ^ext I^aben, feine Kenntnis bes Vergangenen, feinen 
Segriff oom gufünftigen. Sd^on £. (5. Ceroy I^at biefe 
Seljauptung Suffon's fel^r gut surücfgetoiefen. 5ür uns 
ift bas Znaag öer §eit in öer 5oIge ber Porfteüungen 
unb (ßefüB^Ie, bie roir gel^abt unb öie eine Spur in 
unferem (Sebäditnig l^interlaffen Ijaben, gegeben. Sid^er 
traben bie Cljiere toeniger Dorfteüungen als roir, bal^er 
roeniger ZHarfen für ben Cauf ber Seit, aber eine Vor» 
fiellung oon biefer muffen pe hßben, ba fie periobifdi 
roieberfel^renbe guftänbe oorB^erfet|en. TiUe (Et^iere, bie 
fid] 3u beftimmten Stnn'öen 3um 5r^fßn aufmadien, unb 
es giebt beren oiele, finb burdiaus pünftlid?, inbeffen 
nidjt toie eine Uliv, bie bie Stunbcn fd^Iägt, fonbern mit 
Berücffiditigung ber 3al^res3eit unb anberer Umftänbe» 
IDenn bie (£rnte oorüber ift unb bie 5öfcinen jtd? in 
ilixen (Beilegen auft|alten muffen, alfo ettoa gegen ben 
\, September I^in, fo leben fie trupptoeife unb oerlaffen 
5iDei TXlal am Cage bas (ßetjöls, um il^re Hal^rung 3U 
nel^men, mas man 3ur IDeibe getjen nennt. 2Ifle madjen 
jld) beim Sonnenaufgange auf, unb ba 3u biefer §eit 
öie ITal^rung reidilidj ift, u>irb ^as 5rül^ftücf balb be* 
enbet; fobalb es marm mirb, getjen bie Ct|iere in ben 
Walt) 3urücf. gtpifdien 5 unb 6 Ut|r fommen jte lieber 
l^eraus unb ^as 2Ibenbbrot bauert bis 3ur Dunfelljeit. 
3P bie XDärme weniger grog unb bie Ztatjrung weniger 
reidilidj, fo 3iel^en jte etn?as frütjer aus. IDirb bie 
ITaljrung fnapp, werben bie (Eage fur3, fo gelten bie 



Ucbcr ben gcitftnn. 3^ 

5afancn nur einmal täglidj iiexans, stoifd^cn 9 unb \0 
Ul^r früBj, unb il^r Kla^ baucrt bann bis 3um Sonnen« 
untergange. IDie fönnten biefe Dögel fo regelmäßig 
leben, wenn fie nid^t irgenbmie bie geit müßten? Die 
rott^en Hebl^ül^ner oertjalten jtdj äBjnlidi unb bie fingen 
3äger wiffen je nadj ber Sinnbe, ob fte im (SeBjöIs ober 
auf bem 5^Ibe 3u fudien frnb. Die toilben Kanindien 
ertoerben burd^ (grfaljrung eine 2lrt oon X)orgefüt|L 2^ 
Sommer oerlaffen fre il^ren ^au in ber Hegel oor 
Sonnenuntergang, bleiben einen Ctjeil ber Xladit braußen 
unb fommen frütj um 8 ober 9 ^h^ 3^^ Porfd^ein, 
roenn es nidjt tjei§ ijt. 5inbet man fre aber um 2 ober 
3 Uiit Ztadjmittags eifrig freffenb unb weniger oorjtdjtig 
als fonjt, fo tann man jtdier fein, baß es am 2tbenb 
ober in ber ITadit regnen n)irb. Die (Sefräßigfeit ber 
Kanind^en iji alfo eine £janblungsn>eife aus Dorjtdjt, 
irgenb eine (£mpfinbung, bie bie (Erfatjrung fte beuten 
geleiert iiat, veranlaßt fie 3um Urtl^eile über tas Kommenbe. 
Die ^austl^iere Ijaben ebenfaEs ein ^eitgefül^I. Sie 
lernen burd? bie (£rfatjrung ^as gufünftige beurtt|eilen 
Die Stunbe bes ^afers oerfünbigt bas pferb mit un- 
gebulbigem Xt>iel|ern. ZHübe ober bösmillige tEB^iere 
XDOÜen burdiaus nidit an ^cn ©ertern oorüberget|en, an 
btncn gemöBjnlidi^alt gemadjt wirb. Sie traben alfo 
eine (Erinnerung an bas Vergangene. Die ^unbe, be» 
fonbers bie, bie gewötinlid) 3u einer beftimmten Sinn^e 
3ur 3^9^ gefül^rt werben, marfiren biefe g^i* burdj 
lautes ungebulbiges Seilen, wenn Der3Ögerung eintritt. 
(Seilt es fort, fo geben fte bie gcid^en lebt^aftefter 5reube. 



32 I. <5alVs 2lnffa§ über bcn gotjlenftnn. 

©er 35ger Ijat oft HTüIje, bie (EE^iere 3U BcruE^igen, toenn 
jte iljn mit bcr 51inte fomtncn feigen. 3eber toeiß, ba§ 
bic ^unbe unb anbete ^austE^iere bie Speifejlunbe feljr 
genau Unncn, ^a^ pe fomtt bie Seit meffen. 

2lber giebt es ein befonberes ®rgan bes ^eitmaages 
unb wo pfet es? Spursljeim meint, biefes ®rgan fei 
obert>aIb bem ber ©rbnung unb neben bem ber TXlnfxf 
5U fud^en, toeldj' leftteres baburd^ feljr geforbert toerbe» 
Dielleidjt toirb es fpäter möglid^ fein, über biefe X)inge 
etioas ^uüerlafftges 3U fagen, toenn man oiele Seob- 
ad|tungen über perfonen mit leibenfdjaftlidier Steigung 
5ur Cljronologie, 3ur ^eitbeßimmung unb 3U Daten ge* 
fammelt unb pe mit ben an UTatl^ematifem angejlettten 
forgfältig ocrglidjen {^aben n>irb." 



n. 



Beiträge 3ur Äenntnit 
bes matt^ematifcf^en Calentes. 



XXldbius, tXlatiiematif. 



A. Sctfptclc 5cr €ntit)tc!clung be^mknbet 
ZlTatljcmattfcr* 



\, Den 2tnfang mad^t billig bcr princeps mathe- 
maticorum, Karl 5ncbrid) (ßau§. ^) €r tourbe am 
30. 2IpriI H??? in Sraunfd|tDcig geboren. Sein Dater 
roar IHaurer, fpäter (ßärtner, ein ad^tungstoertl^er, aber 
rauljer, unfeiner IHann, feine IHuller Vovoiiiea, gcK 
Sense, eines Steinljauers (Codjler. Die Hlulter jlarb 
97 3aE^re alt im ^aufe bes Soljnes. (5. lernte lefen 
oi|ne Unterriebt; er fragte bie oerfdjiebenen ^ausgenoffen 
um bie Sebeutung ber Sudiftaben unb Ijalf fid^ t>ar\n 
aflein fort. Unglaublid^ früf^ trat bas matl^ematifd^e 
(Ealent E^eroor. <ß. fagte fpäter, er iiabe frül^er red^nen 
als fpredjen fönnen. 2tl5 ber Dater einft mit feinen 
(ßef eilen, bie mei^rfadj nadj 5cicrabenb gearbeitet l^atten 
bie Sonnabenbredinung abfdjiog, eri|ob pdj ber faum 
Själjrige Knabe oon feinem Cager unb rief: „Pater, bie 
Hedjnung ift falfdj, es mad|t fo oiel." Das Kinb Ijatte 



^) (Saug, ein Umrig feines £cbcns unb VO'ixhns oon ^J. 21. 
C IDinnerfe. Braunfd^ipeig. Dicipcg u. Sol^n, 1(877. 

5* 



36 H. Bcifpiclc 3ur Kcnntni§ bes matl^cmatifd^cn (Talentes.- 

Hed^t Pom 3al)re \78^ an befud^te (&♦ bic Calf^e- 
rincnfdiule, bie unter bcr Leitung Süttner's ftanb. giüei 
3al)re fpätcr, 9i^^^^9/ ^^"^ ^^^ i" ^^^ Hcdjenclaffe^ Seim 
€inlritte tourbe ben Kinbern aufgegeben, eine Heitre 
auf einanber folgenber ^aljlen, \ — ^0, 3U abbiren. Wet 
feine Hed^nung fertig Blatte, ntugte feine Cafel auf ien 
Klaffentifdj legen. <ß. fdirieb naii fursem Sepnnen bcs 
€rgebni§ auf bie Cafel unb n^arf pe mit btn IDorten: 
„Da ligget fe!" auf ^m Cifd^, n>äl)renb bie 2tnberen 
[idi mül|ten unb erft fpät fertig upurben. Der geniale 
Knabe Blatte fofort bemerft, bag bie Summe aus 20 
paaren (\ + ^0, 2 + 39, 3 -f- 38 u. f. fO von ^\ be- 
^tan^, alfo 820 betrug. Der 9iäl)rige <ß. l^atte ^cs 
Summationprincip für ariti|metifdje Heiljen auf ^en erjten 
Slicf erfannt unb angen>anbt. Der Celjrer n^ar natür- 
lidj I)öd|lidj erjtaunt, nal)m jtdj (5.'5 befonbers an, be» 
fdiaffte ii|m matljematifdje Südier unb interefjtrte be- 
beutenbe ZlTänner für ü|n. 3m 3<^I)^^ 1^88 n>urbe <ß. 
in bie 2. Claffe bes (Bvmnajtum aufgenommen, iladj 
3tt)ei 3öljren n>urbe er in bie prima oerfefet, wegen un« 
glaublidj rafdjer 5ortfd|rilte in ben Spradien. Tlls er 
^795 bie Unioerfttät besog, upugte er nicfct, ob er pEjilo- 
logie ober ZHatiiematif ftubiren fotte, entfdjieb ftdj jebodj 
balb für lefetere. 3"^ 3^^J^^ U9^ madjte er bie €nt« 
becfung, ba§ ein Siebsefjnecf in einem Kreife geometrifdj 
confiruirbar fei. 3"^ 3<J^J^^ \^^\ üeröffentlidjte er feine 
Disquisitiones arithmeticae unb oon ^a an war er ein 
berüljmter 2TIann. 

Das fpradjüdie Calent madjte pdj audj fpäter be« 




©aulj. 



A. Bcifpiclc bcr €ntipirfelung bcbcutenbcr Utatl^cmatücr. 37 

merflid?. 3"^ 3<^lixe H8^0 Iricb (5^ Sansfrit unb fpätcr 
erlernte er bas Hufftfd^e. €r las gern Xüalter Scott, 
fpäter befonbers rufftfdie Literatur, Don ben beutfdien 
Vxditexn fd^äfete er 3^ön pauI am I)ödiften, Sdiifler 
mod^te er nid^t unb (ßoellje toar il)m „an (ßebanfen 5U 
arm"* (5. jlarb am 23. 5cbruar \855 burd? ein fjers« 
leiben. 

(£r tt)ar stoei IHal Derl)eiratl)et. Sein ältefter 5oI)n 
tt)urbe 0berbauratl|, feine tEodjter E^eiratB|ete ben pro- 
feffor firoalb. Tlns ber 3tDeiten (£i|e ftammen brei 
Kinber. 

2) 2tnbr^ Ularie 2lmp^re^) tourbe am 22. 3önuar 
^775 geboren. Sein Pater war (ßefdiäftsmann, feine 
inutter eine fei^r fromme 5rau. „3\x(^t^i enttt>icfelte ftd^ 
bei 2tmp^re bas Calent 3um Hedjnen." Sd|on el)e es 
bie SaE^Ien fannte, red^nete bas Kinb mit Kiefeln unb 
SoI|nen. 2ll5 es bei einer KranfE^eit nadj breitägigem 
5aften einen gwiebacf erl^ielt, ag es il)n nidjt, fonbern 
serbrad^ il|n nnb red^nete mit ben Stücfd^en. Der auf 
bem £anbe aufioad^fenbe Knabe tourbe ein Cefegeier, 
er fanb bie 20 Sänbe ber großen €ncYfIopäbie unb las 
einen nadj bem anberen burd^. 2Iuf biefe lOeife er* 
langte er ein ungeorbnetes, aber ungel|eures Xüiffen, 
benn er merfte pd^ alles. Sein (ßebäd^tnife war fo 
riejtg, ba§ nod] ber alte 2tmp^re lange Steflen aus ber 
(gncyllopäbie wörtlidj I^erfagen fonnte. 3tn \^. 3öl|re 
perlangte ber Knabe pon einem Sud|I|änbIer bie tOerfe 



^) 2lrago's (Scbäd^tnigrcbc. 



38 n. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matl^ematifcben (Talentes. 

ScrnouUi's unb fiulcr's. ^Is ex I|örtc, fic feien latcinifdj 
gcfd^riebcn, lernte er ad hoc lateinifdj unb flubirte bie 
Sudler bann. €r erfanb als 3üngUng audj eine Ur- 
fprad^e. 3m 3al)re H793 50g bie 5amtlie nadi Cyon. 
Der Pater würbe geföpft unb ber junge 2tmp^re perfiel 
in einen einjälirigen Stupor. (£r erl^olte ftdj an Houffeau's 
botanifdjen Sriefen unb an ^es fjoras (ßebid^ten. €rp 
toar er prioatlelirer ber IHatliematif in Cyon, bann 
profeffor ber pity[\t in Sourg. Seine 2lrbeit über bie 
XüaJ^rfdjeinüdjfeit oerfd^affte xtim bie Berufung nadj 
paris unb \S\5 trat er in bie ^Ifabemie ein. Die ^öt^e 
feines Cebens erreidjte er H820 — \822 mit ^en ^biiant>» 
lungen über (£IectrobYnamif. 

2Imp^re u>ar ein neroöfer lllenfd?, fd^toärmerifdj, 
aufbraufenb, von unenblid)er fjersensgüte, roeltfremb, 
reid^ an lOunberlid^feiten. Seine gerftreutf^eit roar be« 
rüi|mt unb mad^te il^n 3um Spotte ber Sd|üler, bie nie 
t>erga§en, ^a^ er einmal ben Kreibelappen als Sd^nupf- 
tud? benu%t l|atte. €r er3äl)lle, er I)abe brei gro§e €r« 
etgniffe erlebt, bie erfte Communion, bas Cefen ber bem 
Descartes geu>ibmeten Hebe oon CB^omas, bie (£innat|me 
ber Saftiüe. €r u>ar feB|r fursftdjtig; als junger JTlenfdj 
fefete er sufäHig bie Srille eines Heifenben auf nnt> er* 
fuf^r einen überirältigenben €inbrucf. €benfo fpät unb 
flürmifdj lernte er bie 5tcube an ber Hlujtf fennen, er 
fd^tDärmte für Cieber unb fanb bie Kunftmupf B^ödijl 
langtoeilig. 3" ^^^^ 3w9^n^ bid^tete er. 5ür pE^ilofopJjie 
roar er fo begeiftert, baß er 3eittDeife jtd^ il^r gans 
roibmen roollte. 2lfles Xüunberbare 30g it^n an unb für 



A. Bcifpicic 6cr €ntipirfclung bebeutcnber Utatl^cmatiBcr. 3^ 

ben animaltfd^en ZlTagnctisinus wav er fcl)r eingenommen^ 
IDäl^renb feines ganjen Cebens plagten il)n religiöfe 
Snjcifel unb gioeifel überljaupt. 3n fpäteren 3at|ren 
modjte er mdits metjr lefen unb bas Sdjreiben lüar it^m 
immer eine ia% Sifeenb fonnte er nid^t geizig arbeiten, 
nur im Uml|ergel|en. Sulefet befd^äftigte er jtdj aus* 
fdllieglid^ mit einer neuen €intt|eilung ber lOiffenfd^aften^ 
2lmp^re ftarb am \6. 2tugujl \S56 axj einer Sruf!* 
franfl)eit Kurs vor bem Cobe begann 3emanb aus ber 
^adifolge £I)rijH ©orsulefen. 2tmp^re fagte, er möge 
aufl)ören, er fenne bas Sudj ausroenbig. 

5. 2trago I|at felbp bie (ßefd^idite feiner 2^genb 
ersät^lt.^) €r mürbe am 26. 5cbruar \786 als ber 
Sofyi eines 3uriften unb einer fel)r frommen 5rau ge» 
boren, 2IIs Knabe war er für ^en Solbatenflanb be- 
geiftert €ines (Eages rietJ^ il|m ein ©ffisier, in bie 
polytedinifd^e Sd^ule einsutreten. Seitbem ftubirte er 
nur nodj lüatliematif» €r Iie§ ftd^ bie Sudler £egenbre*s 
u. 21. Don paris fommen nrib brad^te ftd^ allein por* 
toärts. €r flubirte bie 2tnalvjts bes Unenblidjen pon 
€uler, Cagrange's Xüerfe, bie Hl^canique c^Ief^e pon 
Caplace u* f. w. 2lls er pdj jum (Eintritte melbete, 
ipurbe er pon JTlonge geprüft, ©iefer lie§ il|n anfäng- 
lidj B^art an, gerietl| aber burdj 2trago's 2tntrDorten in 
bas größte €rftaunen, als er einen pottenbeten JTlatlie- 
matifer in iljm erfannte. 3»" 3öi|re \803 trat 2lrago 
in bie polytedinifd^e Sd^ule, \806 würbe er roegen ber 



^) S^^^i 2(rago's fämmtUd^c XOexte, Dcutfd? oon ^anhL 
Icipsig, 0. IPiganb. L ^85^. 



^0 H» Beiträge 3ur Kenntnig 6es matl^ematifd^en Talentes. 

(ßrabmcffung nadj Spanien gefdjicft Wegen bcs Krieges 
erlebte er bie merfwürbigpen unb gefäiirlidiPen 2lben- 
teuer, gerietB^ in bie (ßefangenfdjaft bes ©ey pon 2IIgier, 
mugte €ntbeljrungen unb Strapazen aller Tltt ertragen, 
feierte aber nadj einigen 2<^k^^^ "^W feinen Seredjnungen 
glücf lidj surücf. JTlit 23 3al|ren npurbe er Zltitglieb ber 
2tfabemie, inbem er \809 an Calanbe's Stelle gewäl^lt 
tt)urbe. 

^. €in5 ber merfn>ürbigjlen Seifpiele von S^vitxex^e 
ip Ciiomas £)oungJ) €r würbe am ^7. 3uni 1773 in 
einer Quäferfantilie geboren* IHit jtDci 3aljren fonnte 
er geläufig lefen. JTlit pier 3al)ren fannte ^r eine 
ZHenge englifd^er SdiriftpeDer nnb wugte mel^rere 
lateinifd^e (ßebid^te ausirenbig. JTlit fed^s 3<»^ren fam 
er 3U einem profeffor in bie Cel|re. 2Il5 er ad^t 3ail^^ 
alt war, mad)te er mit einem 5^Iönteffer Spajiergänge, 
i^orte biefen über JTIeffungen reben unb nal^m lebB^aften 
2tntl|eiL €in lOörterbudj ber lüatliematif, t>as xfyn in 
bie ^änbe fiel, Karte il)n auf. Don nun an ging ber 
Knabe mit bem Quabranten fpasieren unb bered^nete 
^bent>s bie ^öl|en, bie er frü^ gemeffen I|atte* Pom 
9. bis 5um H. 3akte mibmete er [xdi I^auptfäd|Iidj ^en 
Spradjjhibien: Cateinifd^, (ßriediifd^,5rati30Jtfdj,3t<tKenifdj, 
fjebräifdj, perpfd^, 2lrabifdi. 2lls er bei einer (Belegen- 
E^eit aufgeforbert würbe, ein paar Säi^e ju fdjreiben unb 
feine gute fjanbfd^rift ju jetgen, brandete er auffattenb 
lange Seit 2lls man il^n brängte, I^atte er bie Säfee in 



2lrago's (5ebäd^tnigrebe. 



A. Bcifptelc ber €ntiptc!elung bcbeutcnbcr Utatl^cmatifcr. ^\ 

neun Spradien gcfd^ricben. €r trieb audj bolanifdje 
Stubien unb verfertigte jtd^ felbjl ein JTlifroffop. Um 
bie ßnfen ridjtig fd|Ieifen 3U fönnen, jlubirte er bie 
3nfiniteftmalred|nung. £)oung tourbe 2lr3t, fdjrieb aber 
über alles JTIöglidje, JTlatliematif, pityfit Onterferens!), 
pllVpoIogie (^ccommobation !), £jierogIvpi|en, ZHebicin, 
pEjiIofopI)te, (ßrammatif, Ced^nif, ^Iftronomie, ZlTufif, 
malerei u. f. ro. Seine Cel)re toar, jeber ZlTenfd^ fönne 
jebes leifien. Um fte 3U bemeifen, rourbe er Seiltänjer 
nnb Sereiter. 2ll5 2Ir3t I|alte er roenig €rfoIge. 3"^ 
3aB|re ^SUS gab er feine prajis faft gan3 auf unb 
iDurbe Secretär bes Cängenbureau. €r ftarb am \6. TXlax 
\829 an „Derfnöd^erung ber 2lorta'^ 

5. 3öme5 tDatt^) rourbe am \% 3önuar \ 736 in 
Sdjottlanb geboren. Sein (ßrpgoater toar Cel^rer ber 
matl^ematif unb Sd^iffsbaufunbe, rourbe ^2 3öl?re alt. 
Diefem folgten 3U>ei Söl|ne, ein JTlatl^ematifer unb ein 
Kaufmann. Der lefetere, ber augerbem 2TIagijirat toar 
unb 8^ 3öl)re alt rourbe, u>ar ber Dater pon 3otne5. 
3ame5 toar als Kinb fel^r 3art unb brad^te einen großen 
tEt^eil bes ^aiites allein im 5'^»"^^^ lernenb 3U. ZHit 
fedjs ^aitvcn oerfudite er jtd^ an geometrifd^en ^lufgaben 
unb bebecfte ben 5u§boben mit Kreibejlrid^en. (£r 3er- 
legte feine Spielfadjen unb baute eine €Iectrifirmafdjine. 
3m 3oiit^^ 1755 fam er nadj Conbon 3u einem Der* 
fertiger matl^ematifdjer unb nautifd^er 3tiftrumente. Zltit 
2\ 2cik^^^ tDurbe er IHed^anifer ber Unioerptät in 



^) 2Irago's (Seb'ddftni^xehe, 



^2 n. Beiträge 3ur Kenntntg bes matl|emattfd?en (Talentes. 

(ßlasgotD. (Dhwolil er gans unmujifalifdi wax, baute 
er gelegentlid) eine 0rgel unb t>erbefferte babei ben 
0rgelbau. 

Don feinen (£igenfdiaften roerben I^eroorge^oben 
porsüglid^es (ßebäd^tnig, Kenntniffe auf allen nüfelidien 
(ßebieten, unermüMid^er S^e'i%, groge Ciebensmürbigfeit. 

rOatt jlarb SSjäf^rig, am 25* 2Iugujl \S\% 

6. 3ofepB^ 5ourier^) upurbe am 2\. IHärs ^768 
als Soiin eines Sdjneibers in 2Iu^erre geboren. "Durcft . 
einen Sifd|of mürbe ber Knabe in bie lüilitärfd^ule ber 
Senebictiner gebrad^t. „5ourier I)atte im Filter pon 
\5 3af^ren t>cn Ungeftüm unb bie geräufd^ooHe Ceb- 
I^aftigfeit ber ZHe^^rsal^I fo junger Ceute, allein fein 
Ct^arafter erfuf^r wie burd^ einen gauberfd^Iag eine 
plöfelid^e Ummanblung, fobalb er in bie erjlen (Elemente 
öer IHatiiematiF eingemeif^t rourbe, m. a. 10. fobalb er 
feinen tt)al)rl|aften Seruf 3u fül)len anfing. Die orbnungs- 
mäßigen 2Irbeitftunben genügten feiner unerfättlid^en 
tOigbegierbe nid|t mel^n Kleine Cid^tftümpfdjen, bie er 
in ber Küdje, ^en (ßängen unb Sdlen bes £oIIegium 
forgfältig fammelte, bienten in ber Ztad^t, unter ber 
ZHünbung eines Sd^Iotes, ^en er mit einem idbcn vex* 
fd?Io§, 3ur (£rl)enung oon Courier 's einfamen Stubien/ 
5ourier rooHte junädif! 2trtiDerip roerben, jurücfgen^iefen 
trat er bei ^cn Senebictinern als Ztooije c\n. ©ie 
Heoolution fam basmifd^en, 5ourier rourbe ^789 Cel^rer 
ber inatliematif an ber lüilitärfd^ule 3u 2lu^erres unb 
fam am €nbe bes 3öi|res nadj paris, wo feine 21b« 

1) 2lrago'5 (5ebäd?tnigre6e. 




üfflonge. 



A. Bcifpicle bcr ^ntirirfclung behentenbex XWat^ematxfex. ^3 

Bjanblung über bie 2luflöfung numcrifcljer (Sfcicljungcn 
aßcr (Srabe oor bcr 2lfabemie gelcfen mürbe. 

Das weitere Ceben 5ourier'5 ir>ar fel)r betoegt, er 
naijm d)eil am poliltfcljen Cehcn, madjte bie (g^pebition 
nadj (ggypten mit, trat als Diplomat auf, rourbe präfect 
in (5renoble unb 2lfabemifer in paris. 

5ourier ir>ar eine leibenfdjaftlidje Ztatur unb in 
mandjer £}injtcljt munberliclj. ^m ^Iter pflegte er loegen 
rl^eumatifdier Sefdjmerben feine Simmct audj im Sommer 
Parf 3U Ijeisen unb pdj „in ber l?ei§eften 3Äl)>^«53eit fo 
3u fleiben, wk es felbfl Heifenbe nidjt tE|un, bie mitten 
im polareife 3u überwintern oerurtl^eilt pnb". 

5ourier ftarb am \6. TXlax \830 burdj ein Porten» 
aneurysma. 

7. Cafpar Zllonge^) lourbe am \0, TXlax \7^6 in 
Seaune geboren. Sein Pater xoax ein Meiner I:|aujtrenber 
Kaufmann, ber brei Söl)ne bei ben Patern oom ®ra- 
torium ftubiren lie§. Zllonge „war gleid? oon oorn- 
lierein ein ZHufter oon ^us3cicljnung. 3n allen 55djern 
trug er bie erften preife baoon unb feine €el)rer fanben 
ein befonberes Petgnügen baran, feinem Hamen bie 
etwas ge3ierte Benennung ,puer aureus* bei3ufcljreiben." 
Znit H 3öl)ren baute ber Zögling in ber Hebefunfl 
eine 5^ucrfprifee, beren Ceiftungen felbjl bie unterridjtetften 
perfonen erftaunlidj fanben. TXlit \6 2<^livcn entwarf 
er einen plan ber Stabt Seaune unb erfanb babei bie 
Znetl|oben ber Beobadjtung, conjiruirte 3"ftfumente 3ur 
IPinfelmeffung u. f. w. DaraufE^in rourbe er profeffor 

^) 2Irago's (Scbäd^tntgrcbc. 



^^ II. Beiträge 3iir Kenntnig bes matl^cmattfd^en (Talentes. 

ber pB)YJtf an bcr bcrül)mtcn €et|ranjialt ber ©mtorijlcn 
in Cyo" wnb bcr \6iäl)rige profcffor fanb allgemeiTic 
Bewunderung. Später befudjte er bie ^rtitteriflenfcljule 
in in^si^res, wat erfl Sdjüler ber praftifdjen Heben- 
abtl)eilung, a>urbe bann Hepetent, \76S profeffor. 
H)äl)renb biefer 3aBjre fdjuf er bie befcriptioe (5eometrie. 
^780 tDurbe er nadj paris berufen unb trat in bie 
^fabentie ein* Das weitere £chcn ZHonge's ifl ein Homan : 
^792 loar er Znarineminijler, er leitete IDunberbares in 
ber fjerbeifdjaffung von Dertl^eibigungsmilteln, er l|alf 
bie polvtedjnifdje Sdjule fdjaffen, loar ber intime 5r«unb 
Ztapoleon's, loar mit il^m in 3talien, (ggypten, Syrien* 
fjört man von ben ^nfhrengungen, (£ntbel)rungen, von 
ber Capferfeit unb bem Zllutlie bes großen (5eometers 
in biefer gewaltigen geit, fo glaubt man bie (Sefdiid^te eines 
fjelben ber Porseit 3U oernelimen. Xladi ber Hüdfel^r 
in's Paterlanb fonnte jtd? IHonge als Senator unb „(Svaf 
oon pelujtum" ber Hul^e freuen. 3m 3<^I)tre \8\5 aber 
würbe er oon ber Heflauration perfolgt unb aus ber 
^fabemie ausgeflogen* Vanadi oerfiel ZTlonge in (Seifles* 
fdjtoädje : „2luf bie eble unb leudjtenbe (5eiflesfraft, beren 
(5Ian3 gans (Europa bewunbert l^atte, fenfte pdj tiefe 
5infterni§." ^Is lefetes Zttittel, um bie (5el?irntl?ätigfeit 
ansuregen, fpielte man bie ZTlarfeillaife, aber ZTlonge 
blieb oollfommen tI)eiInaI)meIos* ^m \S. 3uli \8\8 
flarb er. 

ZlTonge war leibenfdjaftlid?, ebel, uneigennützig, fel)r 
warmiiersig* Seine Sdjüler, feine 5ÄTnili^/ ^«n Kaifer 
liebte er särtlidj. 3n^t^fonbere war er fel|r finberlieb. 




Conborcet. 



A. Bctfptcle bcr €ntn?t(fclung bcbcutcnbcr Vflat^ematxtex. ^5 

Sein (5ejtdit roar nnqewöiinlxdt breit, fcic 2lugcn lagen 
fcl)r tief unö oerfdjtpanben faji gänslidj unter biden 
Augenbrauen* 

8. 2)er Zllarquis (Earitat öe (Eonfcorcet^) 
iDurfce am \7. September ^7^3 in Hibemont geboren* 
2)er Pater roar Hittmeijler, öie lllutter eine fel^r fromme 
5rau. 2)er Pater jlarb fdjon ^7^7, fcie Ztlutter gelobte 
fcen Knaben ber Ijeiligen 3ungfrau unb liefe il)n adit 
3al?re lang weige Znäbdjenfleiber tragen. 2)ie meiften 
2lngel)örigen waren Sifdjöfe unb anbere E|oI)e (5eiftlid|e* 
2)er fpätere 5reunb Poltaire's nnb Hepublifaner würbe 
Don 3^fuiten ersogen. 3m 3aBire \758 begann Caritat 
be (Eonborcet bie matl^ematifdjen Stubien unb madjte 
überrafdjenbe 5ortfdjritte, ,,benn seljn 2JTonate nadj feinem 
Eintritte oertl^eibigte er fdjon eine feE^r fdjroierige analy* 
tifdje Cl^efe mit foldjem firfolge, ^a% iEjn Cläiraut, 
b'2llembert unb 5ontaine, bie il)m ST^agcn Peßten, als 
einen il^rer sufünftigen (Eollegen in ber Afabemie be- 
grüßten". 3tn 3<»^re H775 fdjrieb (Earitat be (Eonborcet 
ein (Slaubensbefenntnife, ^as fel)r merfmürbig ift €r 
fül^rte alle ZHoral auf ^as ZHitleib surüd unb verlangte 
Sdjonung aller lebenben XPefen* Unb im lefeten 
Briefe an feine Codjter, stoei Cage por feinem Cobe, 
fdjrieb er: Sdjone bie tEEjiere! ZHit 2\ 3ciB|ren 
erregte er burdj feinen „Perfudj über bie 3"tegral- 
redjnung" Auffeilen. b'2(Iembert unb Cagrange lobten 
il^n fel)r. 



^) ilrago's (Sebäcf^tnigrcbc. 



i^6 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^ematifd^en (Talentes. 

3n fcen fpätcren ^aiit^n fdiwanftc Caritat öc (Eon- 
borcet 3tt>ifdien ber ZlTalliematif unb bcr Socialpolilif» 
Die Heoolution 30g ihin in iEire Kreife, ex ir>urbc ocr- 
bädjligt unb ocrgiftctc jtdj am 8. 2tpril \7^^ auf ber 
5Iudit Dor ^cn rcoolulionärcn ZTlörbcrn. 

2lrago betont (Earitat bc Conborcel's enormes (5e- 
bädjtni§. Caritat be (Eonborcet war gro§, fein Kopf 
fel^r gro§* 

9. €tn äl^nlidjes Sdjidfal loie £onborcet l|alle 
Sylvan Saillv.^) €r war \756 geboren als Sol^n 
bes ^uffeEiers ber Königlidjen (Semälbefammlung, eines 
Breiteren, etwas leid^tfinnigen, bidjterifd? begabten ZHannes, 
in beffen Sctmxlk fein ^mt feit \00 jal^ren war. Saitty 
war ein j^illes lernbegieriges Kinb. ZTlit ^6 3al^ren 
fdjrieb er ein großes Crauerfpiel. (£in £}err erbot fidj, 
bem Knaben matt^ematifd^en Unterridjt 3U geben. Ztun 
madjte Saitty fdinelle glänsenbe 5ortfd:jritte, unb als er 
3ufäflig Cacaille fennen gelernt Ijatte, oertiefte er fidj in 
mül^epoHe aftronomifdje 2(rbeiten. \765 würbe er TXlxU 
glieb ber 2lfabemie. 

3n ber Heoolution würbe er ZTlaire t)on paris unb 
am \2. Hooember \7^5 würbe er guillotinirt 

2(ud? Saißy's großes (5ebädjtniß wirb befonbers 
lieroorgel^oben. (£r war lang unb I^ager, l^atte ein 3U- 
fammengebrüdtes (ßepdjt, fleine perjiedte ^ugen, eine 
regelmäßige, aber feEjr lange Ztafe» 



^) 9—15: 2Ira9o. 




^oi^on. 



A. 3etfptelc bev (Entmicfclung bcbcutcnbcr IHatt^ematifcr. ^7 

\0. ta^axc (Earnot, geboren am \5. TXlax ^753, 
war ber Solin eines ^boocaten, ber \8 Kinber Blatte. 
€r seigte jtdj oon frül) an als fel^r befäEjigt. ^Is er 
im 8. 3^^^^^ einmal in's Sdjaufpiel mitgenommen mürbe, 
rief er ben Sdiaufpielern laut 3u, bie 2trtillerie fei fdjledjt 
aufgehellt, jte mü§te fo unb fo jlel|en. Sdjon als Sdjüler 
u)urbe (Eamot pon b'2tlembert ausgeseidjnet 2)ie Kame- 
raben Bjielten il^n ffir ein ©riginal, er roar fel^r jleigig 
unb bidjtete in ^en ZHußepunben. Seine miditigfte Arbeit 
„über 2Tlafdjinen im 2tll^emeinen" erfdjien ^783. 

(Earnofs roeitere rul)mreiclje CaufbaBjn ifl befannt 
€r war Bjodjgea>adjfen, ernfl unb oerfdjioffen. 

\\. 2lugujiin 5resnel mürbe am \0. Vflai \788 
als Sol^n eines Saumeiflers geboren. Seine ZHutter 
wav eine fel^r begabte unb unterridjtete Stan, pe unter* 
ridjtete bie Kinber gemeinfam mit il)rem TXlanne. S^^^snei 
wav als Kinb fel^r 3art» €r I^atte gar feine Anlagen 
für Spradjen, oergag attes, perrietl^ aber frül?3eitig 
medjanifdje Calente. Ztlit 9 ^aiixen Pellte er e^perimen» 
teße Unterfudjungen an über bie (ßefd^offe ber £}oflunber- 
büdjfen unb bie (£igenfd|aften ber Sdiiegbogen. ©er 
(Erfolg roar eine berartige Perbefferung ber Sdjie^por* 
rid)tungen, ^a% jte perboten roerben mußten. Sei ben 
Kameraben I^ieg er bas (ßenie. Sdjon mit \6 3al?ren 
trat er in bie polytedjnifdje Sdjule ein unb balb erregte 
er burd? glänsenbe geometrifd^e Ceifiungen bie 2(ufmerf* 
famfeit Cegenbre's. 

5resnel fiarb \827 an ber Sdjroinbfudjt. 

\2. Simeon Dionys poiffon, geboren am2^0um 



z^,8 II. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matt^ematifd^en Talentes. 

\78H, war bcr 5oI)n eines f leinen Seamten, fcer frül|er 
Solbat gemefen toar. Die ZTlutter fdjeint eine feE^r ein* 
fadje 5tau gemefen 3u fein* (£r fottte (El^irurg roerben, 
Seigte jtdj aber als gans ungeeignet unb mugte nadj £jaufe 
3urücffel)ren* Sein Pater erE^ielt oon 2(mt5U)egen bas 
3ournaI ber polvtedjnifdjen Sdjule. poiffon blätterte 
barin, begann bie Aufgaben 3U löfen unb oerrieti) fo 
fein matl^ematifdjes Calent, oI|ne Unterioeifung get|abt 
3U l|aben. (£r fam nun in bie Centralfdjule 3u Son* 
taineblau, 3U SiHy. 2)iefer erfannte in poiffon feinen 
meiner unb ntugte eifrig ZHatBiematif jhibiren, . um mit 
bem Sdjüler gleidjen Sdjritt (galten 3U fönnen. Zllit 
\6 3öB|ren wat poiffon 3um Eintritte in bie polytectj* 
nifdje Sdjule reif. €r trat mit \7 3öl|ren ein nn^ er* 
regte beim 2tufnal)me«(£jamen allgemeine Semunberung» 
Salb erregte er audj bie ^ufmerffamfeit Cagrange's* 
Znit \S 3öB)ren legte er ber ^fabemie eine ^bl^anblung 
oor, ber bas I)öcljfte £ob gefpenbet rourbe. 3tn 3ö^tre 
11806 u)urbe poiffon orbentlid^er profeffor an 5ourier*s 
Stelle. 2ll5 befonbere (£igenfdjaften loerben fein großes 
(5ebäd:jtni§, fein enormer 5^eig (55 ^ ^uffäfee), feine 
pünftlidjfeit in allen Singen genannt. 3" ^^J^ 3u9^n^ 
fditoärmte er für bas Ö^eater. (£r I^atte „eine 2lrt oon 
^bfdjeu oor jeber ©rtsoeränberung". €r l^at nur ein 
ZHal eine Heife auf bie 2tnorbnung bes ^r3tes I^in 
unternommen. Ztie fonnte er fid^ entfdjließen, feine Pater* 
flabt mieber 3U befud^en. Später faufte er jtdj eine Se*. 
ftfeung im Departement ber Seine unb ZTlarne, iji ober 
nie Bjingefommen. „Sein Stubir3immer, ber StuI^I, in 




©altkt. 



A. Bcifpiclc bex €nttpicfclun9 bcbcutcnbcr IHatt^cmatifcr. ^5 

bem er mcbilirte, bcr ficine Cifdj, auf bcm et feine 21b* 
Iianblungen fdjrieb, waten feine^ ganse Cebensfpl^äre** 
poiffon ir>ar flein, Bjatte regelmäßige güge, eine breite 
Stirne unö einen Kopf von ungeu)öl|nlidjer (Sröge. (£r 
iiatte ^ Kinber, 2 5öl|ne, beren einer ^rtillerieofficier, 
beren anberer 5inan3beamter rourbe. €r ftarb am 
25. 2tpril \8^0. 

\3. (5alilei, ber am \S. 5ebruar \56^ in pifa 
geboren tourbe, Rammte aus ebler 5Iorentiner 5ötnilie* 
„Der Tinahe seigte frül^seitig eine große Porliebe für bie 
ZTledjanif unb conjlruirte eigenl)änbig ZHobeße atter 
Titten von ZTlafdjinen/' €r madjte glänsenbe (Sahen 
funb, audj im ^exdinen unb in ber Znujtf» ZlTit 25 3<''il^^^ 
a>urbe er profeffor ber TXlaiitemaüt in pifa (mit \80 2Tlf* 
3at|re5gel?alt). 

(Salile'i wat übermittelgrog, Iiatte rötl^Iidje fjaare. 
€r erblinbete mit 63 3aB|ren, ftarb am 8. 3önuar \6^2. 

\^, Sinygens tpurbe am H. Tiptxl \62^ als Sol^n 
eines bidjterifdj begabten Beamten bes prinsen pon 
0ranien im £jaag geboren. „Pon Kinbljeit an ließ er 
fdjon erfennen, was einji aus il|m roerben a>ürbe. ®I^ne 
bas Stubium ^es Cateinifdjen unb (5ried?ifd?en vetnadt» 
läfpgt 3U Iiaben, oerftanb er mit neun 3cil?ren ^ritB^metif, 
(5eograpt|ie unb Zllufif. Seine Ciebe. 3ur 2Tledjanif et» 
uoadjte oom \5. 3ölire an. 3n meliteten Iioüänbifcljen 
Sammlungen l|at man Zllafdjinenmobette aufben>al?rt, 
bie in biefem Lebensalter oon bem sufünftigen Zllatl^e- 
matifer ausgefüljrt morben maren." 

€inige Ztlonate cor feinem Cobe (^695) n>urbe 

UTdbius, UTatt^rmatiffr. ^ 



50 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matljemattfdjen 2!alentes. 

^UYgens geiPesfdjtoad?. Sdjon toäl^renb feines 2luf- 
entl^altes in 5rönfreidi (^666 — 8H) xx>av et in einem 
ätinlidjen gujianbe getoefen, toar banadj aber loieber 
gans gefunb getoorben. 

\5. 2lle^is (Elaube (Elairaut (^7)13— 65) toar bas 
Stoeite Don 2^ Kinbern eines JJTatl^ematifers in paris 
unb XDixdis als JJTatl^ematifer unter UTattiematifern auf. 
3m 3<'titve \726, mit \2 ^2 3<^itvcn reid)te er ber Zta* 
bemie eine ^bl^anblung ein, ber bie Serid)terjlatter 
großes €ob sollten. Vflxt \6 ^aiixen Derf agte er eine 
große bebeutenbe Arbeit. 

\6. 3ofepI^ 5taunI^ofer^) rpurbe am 6. TXläts 
^787 als bas elfte Kinb eines armen (ßlafers unb einer 
HatI^5biener«Cod)ter geboren. (Er follte ©redjsler toerben, 
toar aber 3U ^diwadi basu. (Er fam ^ann als Cel^rling 
3tt einem (ßlafer unb Spiegelmadjer nadj ZHündjen. (Er 
fonnte faum lefen unb fdjreiben, ber ZHeifter ©erbot it|m 
^en Sefudj ber 5ewrtag5fd)ule. 3um (ßlürfe flürste ^as 
Elans bes Zneijiers sufammen unb perfd^üttete ben £et|r« 
ling. ©iefer tourbe unbefdiäbigt ausgegraben, bas (Er* 
eignij5 mad^te großes 2luffel^en, ber König intereffirte 
pdj für ^cn armen Knaben rxrib fdjenfte il^m \S ©ucaten. 
^ttdj Ufefdjneiber nal^m [xdi feiner an unb üel^ it|m 
Sudler, tt)eil 5taunI)ofer befd^Ioffen \:iatU, optifd)e (ßläfer 
3tt fdjieifen. „7>i€ erften matl^ematifd^en 5ormeIn, bie er 
pemimmt, reißen ihin fort n?ie eine Ciebfdiaft." J)a ber 
2TCeifter bas £efen oerbot, mußte 5rciunI)ofer an 5«ict* 



^) Das 'iehen unb XDtrfcn ^Jraunl^ofcr's von Stgm. iner3. 
ianbsljut ^865. 




(a.) 



A. Beifpicle ber (Enhpicfelung bebeutcnbcr ITTatFjemattfer. ^\ 

tagen auf einer XDiefe Dor ber Stabt fhibiren. (Crofe 
aQer 2T2üt{fe(ig(eiten enttoidelte er fxdi rafd} unb als er 
enblidi in Ufefdineiber's (Befd^äft eintrat, folgte eine €nt* 
berfung ber anberen. 

5raunI^ofer jlarb am ?• 3ii"i \826 an ber 
5d)toinbfudit. 

^7. 5riebridi Wxllt* SeffeP), geboren am 22. 3uli 
^789 in pr. 21Tinben, loar ber Soljn eines Hegierungs» 
fecretärs, ber t>cn (Eitel 3ujK3ratIj füljrte, unb einer 
paflorstod^ter. Die filtern I^atten brei Söljne unb fed^s 
Cödjter. Seffel fonnte bas (ßymnajtum nur bis ju ben 
mittleren (Elaffen befudjen* JITit \5 3al^ren mürbe er 
Celjrling in einem Sremer . ^anbelsljaufe. ©bmoljl er 
3ur oollen ^ufriebenl^eit ber principale arbeitete, fül^Ite 
er bod| ben (trieb 3U befferem. €r mollte gern große 
Seifen unterneljmen, trieb besit<'^lb 2TapigationleI|re nnb 
gerietl) auf Soljnenberger's ©rtsbejHmmungen. So fam 
er 5ur 21Tatl{ematif. £r baute mit einem Cifd{Ier unb 
einem Ut^rmad^er einen Sextanten, fefete eine alte penbel* 
ul^r in Stanb, beobad^tete unb redinete. JJTit 20 ^al^ten 
beredjnete er bie ^arrioffd^en Seobad?tungen ^es 
Cometen oon 11607. ©Ibers, ber pdj feiner annaljm, 
fanbte bie Arbeit an pon Sadi. Diefer fd^rieb barüber : 
,,Qier tt|ut ein junger beutfdjer ZlTann 3u feinem Per» 
gnügen mit einer Sad^fenntniß unb mit einer 5öl^igfeit, 



^) (Erinnerung an Bcffcl^s £cben unb VOxxfen ron 2Inger. 
Dansig, ^. 21. Weber. 0. 3al|rcs3al|I. 

Keffers Icfetc Kranft^ctt, bcfd^r. unb erläutert t>on Dr. Kofd?. 
Königsberg \8^6. 



52 JI« Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^ematifd^en 2!alentes. 

Me mand^en Bcfolbetcn unb Berufenen ^Ijlronomen elften 
toürbe, was ein englifd^er profeffor längjl aus 5tmts- 
pPid^t l|ätte tl^un f ollen . . . 7Xl6(iiaxn ert^ielt vov 
\5 fällten für eine Dottfomnten äl^nlid^e Sdjrift über 
ben ebenfo berüE^mt getoorbenen Cometen t)on \66\ 
einen afabemifdjen preis. Seffel erE^ält feinen preis, 
Derbient il^n aber." Um ©Ibers gefilllig 3u fem, be* 
red)nete Seffel bie ^ah^n bes \* (Eometen von H805 in 
Dier Xtadjipunben. Zladi 7 jäliriger CE|ätigfeit als Kauf- 
mann ging Seffel 3U 5d|röter nad| £iIientI^aL 3"^ 
3al^re ^8\0 n?urbe er profeffor ber ^Ijlronomie in 
Königsberg. 

Seffel wax mit einer Codjter bes UTebicinc^lrattj 
fjagen perE^eiratl^et. Sein ältefier Solin seigte fdjon als 
Knabe Steigung 3ur ZHed^anif, baute eine penbelutjr. 
(&v fdjrieb H835 über ben Soguslamsfi'fdjen (Eometen, 
ging nadj Sertin 3ur allgemeinen Saufdjule, jiarb bort 
HS^O am Cypl^us. Die Cod^ter E^eiratliete ben pliyftfer 
(Erman. ©er ^r3t fagt oon Seffel: „Klein pon Statur, 
fd|n?äd)tidj unb mager, mit auffattenb bleidjem, flarf ge* 
furdjtem (ßefidjte, t>cn Kopf beredt mit filbergrauen 
i^aaren, bie in reid)er 5ülle ftrofeenb bis 3U ben bufdjigen 
^lugenbrauen l^erabl^ingen, ben ©berförper leidet nadi 
Tooxn gebeugt, geu)äl)rte er . . . bereits feit melen ^dtivcn 
ben 2lnblirf eines (ßreifes." Seffel jlarb nadi feE^r 
fd)n)erem Ceiben am ^7. inär3 ^8^5 burdj eine Hetro* 
peritonäalgefdjö>ulfi. £r n?urbe fecirt, ber 5d)äbel aber 
nid^t geöffnet. 




(b.) 



A. Beifptelc bcr €ntipicfelung bebeutcnber IHatlicmatifcr. 53 

\8. (5ottB|oIb (Eifcnjiein^) lourbe am \6. 2lpril 
\823 3U Scriin geboren. (Er pammte aus einer feit 
(5ef(i^Ied)tern bem ^anbel ergebenen 5ö"tilie unb I^atte 
inaniie I^äuslidie Sd^iuierigfeiten 3U befämpfen, bepor 
er jtdi bem Studium ber ZlTatljematif ergeben fonnte. 
Dererjie matl^ematifdie Perfud^ bes ^SjäE^rigen (Eifen- 
ftein befd)äftigt fidj mit einer in's Unenblid^e forfgefefeten 
potensirung. Ceiber jagte er (toie £antor fagt) in be- 
bauernstperttier IDeife nadt gerpreuungen, benen fein 
Korper nid)t gemad^fen loar. Sein Ceben war unregel* 
mägig. €r besog bie Unioerptät oE^ne ZlTaturitäte^amen 
unb tt)urbe ©octor oI)ne Prüfung. (San^ fd)rieb 3u 
einer Sammlung (Eifenflein'fd^er ^uffäfee eine Oorrebe 
nrib äußerte gefpräd)5U)eife, es liabe nur brei epodje« 
mad)enbe 2TCafl)ematifer gegeben: ^rd)imeb, XtetPton, 
€ifenftein. J)er geniale ZHatEiematifer ftarb, nadjbem 
er am 2^. ^pril orbentlidjes ZHitglieb ber ^fabemie 
ber IDiffenfdiaften in Sreslau getüorben n?ar, am 
U. ©ctober ^852. 

^9. £eonE^arb «uler^) mürbe am \5. Tlpxil H707 
in Safel geboren. Sein Pater, pauI €uler, n?ar (Sexp 
lidier iirib UTatBiematifer, ein Sd)üler bes ^acob Ser- 
noutti. Seine JJTutter, ZnargaretE^a Srurfer, ftammte 
aus einem Safeler (ßeIeE|rtengefdiIed)te. £eont|arb u)urbe 
Dom Dater unterridjtet, seigte früE^ bie Steigung 3ur 
Znatl)ematif unb entfd)IoJ5 jtdi, obtooE)! ber Pater u>ünfd|te, 



^) Xiad^ <£antor in bcr 2IIIgemcincn Dcutfd^en Biograpl^ic. 
*) Xladi (Lantov in bcr JIH^cmcincn Dcutfd^cn Biograpljie. 



5^ II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl|ematifd?en 2!alentes. 

er möd)te Cl^eologic fltubiren, gans TXlatl^cmaixUv ju 
tt)erben. (Er Besog bie UniDerfttdt Safel unb tourbe ein 
CieWingsfdiüIer bes 3ol|ann SemouIIl ZlTit \6 ^^lix^n, 
^723 tourbe er 21Tagifter auf (ßrunb einer lateinifdj vor* 
getragenen Pergleidjung ber pI^iIofopl|ie Ztetoton's mit 
ber bes Cartejtus» 7>ann rpibmete er ftd? eine §cxV lang 
tl^eologifdjen nn^ orientalifdjen Stubien, feierte aber balb 
3ur UTatl^ematif surüA Seine 5f^u"be Zticiaus nrib 
Daniel Bernoutti sogen H725 nadj Petersburg. ^Is 
Xticlaus H726 geworben toar, n?urbe €uler auf Daniels 
antreiben an bie ^fabemie nadi Petersburg berufen. 
2lls gmansigjäliriger tarn er nadi Hußlanb. Die poli- 
tifdjen Perl)ältniffe I^atten fldj ©eränbert unb jtatt in bie 
^Ifabemie mufete €uler in bie UTarine als 5d)iffsUeutenant 
eintreten. (Erft H730 njurbe er profeffor ber plivfif, 
\755 rxaiim er nad^ Daniel SernouIIi's ^Ibreife beffen 
Stette in ber 2l!abemie ein. 3"^ 3^il^^ \735 unternal^m 
er Hedjnungen, bie auf brei 21Tonate oeranfct^Iagt voaxen, 
in brei Cagen. „Die ^Inßrengung u>arf iE^n aufs 
Kranfenlager, von bem er pd) nur mit Perluji bes 
redeten kluges u)ieber erE^ob." Crofebem erfd)ien 11736 
feine „TXl^dianxt" in 3U)ei jtarfen Quartbänben. 3"^ 
3al^re ^733 I^alte €uler bie Katl^arina (ßfell, bie Codjter 
eines 2TlaIers aus 5t (Satten, gel^eiratl^et. Sie gebar 
iE|m \5 Kinber, pon benen ^766 freilidj nur nodj brei 
SöE^ne unb 3n?ei (Eöd)ter am Ceben toaren. ^m Z^livc 
\7^\ folgte (Euler einem Hufe nadi Serlin, im 2<^iixc 
\766 feierte er nad^ Petersburg surüd. Salb banadj 
jebod) befiel il)n eine I^eftige KranfE^eit, bie mit bem 




«. ®«kr. 



A. Beifpicle ber €nttt>icfelun0 bebcutenber Vflat^ematxfex. 55 

Derlujic aud) bes linfcn kluges cnbctc. 3^^^^^ gelang 
^5 bem Saron XDenfecI ](772 burdj eine Staaroperation, 
€uler bas ^lugcnlidit ipiebersugcbcn. ^lUcin balb crlofdj 
CS rpicbcr unter I^eftigen Sdjmerscn unb €uler blieb 
bauernb blinb. Vas arbeiten wav iE|m baburdj fel^r 
erfdjtoert, aber ;,€uler befaß ein lounberbares (ßebädjt« 
mj5. (Er loußte bie ganse ^leneibe Dom anfange bis 
3um (Enbe l^ersufagen unb fal) babei geijiig fein ^anb» 
ejemplar fo beutlid? Dor klugen, baß er ben erjien unb 
legten Pers einer i^^cn einseinen Seite ansugeben ipußte* 
€in anberes Seifpiel besiel^t ftdj auf fein lefetes £ebens* 
jal^r. €r gab 3um ^eitv^tttexb viet €nfeln Unterrid)t 
in Hed)enfunft unb (ßeometrie. 2Hs er an bie £eE|re 
t)on ^en IDurselaussiel^ungen fam, beredjnete er, um 
paffenbe Seifpiele 3U I)aben, in einer fd)IafIofen Zladit 
bie fed)s erflen potensen aller ^al:ilen unter 20, unb er 
fagte biefelben nodi mel^rere Cage nad)I)er ol^ne ^nftoß 
l|er. (Euler befaß aber aud^ in I^ol^em (Stabe bie 5ä^ig' 
feit, im (ßeifte £ageoeränberungen von Haumgebilben 
oorsunet^men, ujcldje 3U geometrifdjen Unterfud^ungen fo 
außerorbentlidj nüfelid^ ift, unb toeldje außer bei (geo* 
metern audj bei bebeutenben 5(i)ad)fpielern angetroffen 
u>irb, fobaß mir uns nid)t 3U oeriDunbern E^aben, n?enn 
(Euler biefem an bie (Stengen einer U)iffenfd?aft ftreifen- 
t>en Spiele sngetl^an u)ar." (Euler's (5eE|iIfen, fein SoE^n, 
oerfdjiebene ^Ifabemifer unb befonbers Zticiaus 5uß 
I|alfen iB|m getreulid^» (Euler Blatte einen Cifdj mit einer 
großen 5d?iefertafel, um ben er fpasieren ging, mit ber 
^anb am Cifd^ranbe I^ingleitenb. 2luf ber Cafel entwarf 



56 IL Beiträge 3ur Kenntnig bes matJ^ematifdjen Talentes, 

bcr Blinbe ZHann mit Krcibc in groben ^nq^n bic 
Stielen feiner (ßebanfen; famen bie (ßel^ülfen, fo er- 
läuterte er jte liefen unb lieg fld> bann iE^re Ztieber* 
fdjrift oorlefen. ^m September \783 traten Sdjtoinbel- 
anfäHe auf unb am \S. fanf (Euler, xoahixen^ er mit 
einem (Enfel fdjerste, mit ben IDorten: „id^ jierbe" be» 
iDUjjtlos um. „(Einige Stunben fpäter I^atte einer ber 
größten ZHatEiematifer aller gelten geenbet". „Die 
ßebensiDÜrbigfeit feines XPefens ipurbe burdj "feine 
^eftigfeit faum beeinträ<i)ttgt". €r fuE^r Uxdit auf, u>ar 
aber perföE|nlid| unb geredjt „(SUidi ben meinen großen 
21TatI)ematifern toar (Euler tief religiös ol^ne Sigotterie.^ 
€r leitete ^Ibenbs bie ^ansan^adit unb iiai eine „Hettung 
ber ® ff enbarung gegen bie €intt)ürfe ber 5r«ig«ip«t" 
^7^7 in Serlin trofe ber näE^e 5ri«bridi*5 IL erfdjeinen 
laffen. Unglaublid^ groß mar feine ujiffenfdiaftlid^e 
CE^ätigfeit, „beren 5rüd)te 32 Quartbänbe unb \5 (Dctav* 
bäribe felbpänbiger It>erfe, daneben meE^r als 700 jum 
Cl|eil feE^r umfangreid)e ^bE^anblungen bilben." 

„Die Söfyxc (Euler's u>aren, n?enn audj tüdjtige 
21Tänner, bem Pater nidit entfernt ebenbürtig." 

20. XPoIfgang Solyai be Solya »urbe am 
9* 5«bruar H775 geboren. „ZlTeine €Itern brad)ten midj 
mit 6^/2 3öE)ren 3U bem prof. 3oE). .^erepei, u>o mein 
beinal>e ungeu)öF>nKd)es (Erinnerungsvermögen, meine 
€inbilbungsfraft unb Seoba(i)tung£gabe in ber Knofpe 
mel|r seigten, als bie Blutige auf$un?eifen tjatte; ba idj 
midi für bie Spiele nid^t intereffirte, überflügelte idj 
immer meine Claffe." Die €igcnfd|aften bes Knaben 



A. Beifptelc 6er €nttt>irfclun0 bcbcutcnber VflatliematxUx, 57 

erregten allgemeine Seujunberung. ^m Filter oon neun 
3at|ren fpradj er audj locll^renb bes Spieles in lateini* 
fdjen Werfen. „(Dhtne 5^^fer 3U madjen 30g xdi Quabrat- 
unb (CuBiltDursel audj aus ©ierflelligen §al|Ien unb Bat 
bann am (Enbe um nod^ mel^r gal^Ien*" 3" furser geit 
lernte er (ßried)ifdi unb andi im £{ebräifd)en fam er n?eit. 
Später beE^errfdite er voVi^änbxg ^as Ungarifdje, £a- 
teinifdje, ©eutfdje, 5ran3Öjtf(i^e, (Englifd^e, Humänifd^e* 
„J>ev groge (ßraf 3of. Celefi maE^nte meinen profejfor 
3um erpen ^Tlale be3üglidj meiner att3ufrül|en geiftigen 
€ntn)i(felung. 3ni folgenden IDinter fam ein l)ifeiges 
5ieBer über midi, ^^d) bem meine bischerigen 5äl^igfeiten 
fd^manben." Solyai fam bann nadj Klaufenburg unb 
B|ier mad^te ein geijlreidjer Clieologe fold^en €inbrucf 
auf xhirXf „ba^ id) gegen bie JITatl^ematif gan3 erfaltete". 
Die tt|eoIogifd)e Begeiferung tüurbe balb burdj 3w>eifel 
geftört unb Solyai E^atte E^eftige innere Kämpfe burd^su- 
mad)en. €ine geit lang mollte er JTlaler u>erben, aber 
eine <£^pIofion felbjigefertigten puloers fd^ujäd^te feine 
^ugen. Tlrxdt bie 3bee, Sd^aufpieler 3U ujerben, E)atte 
er, unb bamals u>ie fpäter in (ßöttingen trieb er eifrig 
bas Diolinfpiel. (Enblidj entfd^Iofe er fldj, 3ur Artillerie 
3U getreu, aber an ^em Cage, als er ben €ib leiften 
follte, rief iE)n ber Saron Kem^ny nad) 2^na. „Unb 
balb begann idj am Ufer ber Saale fpasierenb mit 
meinen geringen unb serftreuten matE^ematifdjen Kennt» 
niffen jenen IDeg, auf bem id| midj aud? nodj im (greifen* 
alter finbe". Von 3^r\a ging Solyai nadj (5öttingen 
unb n)urbe ber 5reunb ^^s jungen (ßau§. „^ns oer* 



58 II- Beiträge 3ur Kenntnig bes matl|ematifd?en Talentes. 

hant> Vxe £eibenfd)aft für bic TXlaiiiematit unb unfere 
ftttlidjc UcbereinjKmmung." 3" ^^^ fyxmaili lourbc 
Solyai porübcrgcE^enb €r3ieE|er, „aber Balb crl)ielt idj 
eine fdiioere XDunbe", b. I^, er l^atle ba$ Unglürf, jtd? 3U 
Derlieben unb 3U Ijeiratljen. „I)rei ^aiixe t|inburdi 
loar idj £anbtoirtl| auf meinem Meinen (ßute''. Da er 
mit ber Ct|eorie ber parallelen nidjt in's Heine fommen 
!onnte, fo ^fd^manb mein 5cuer für bie TXlatitcmaixl unb 
xdl warf midj auf bie poepe". (Er fd)rieB (Eragöbien 
u. f. XD., oerbrannte aber Balb bas ZHeifie, um ber XDafyc^n 
5reunbin, ber ZHatE^ematif, nid|t n?egen einer (Beliebten 
untreu 3U merben. „2Ü5 idi bie poefie Derlieg, n?urbe 
Ol beinaE^e Canbes-^afner'', (Er baute allerl^anb ®efen, 
audj eigenl^änbig unb „mand^mal in einer ttad^t 3U>ei"* 
Die Solyai'^efen iidben fpäter großen Seifall gefunben. 
2lm 2\. ^annax \80^ n?urbe Solyai profeffor ber 
2natl|ematif am epangelifdjen (Eottegium 3U TXlaxos* 
Pafarliely unb er blieb es bis 3U feinem Cobe am 
20. Ztooember \S56. TXlxt ber ^rmutl^ unb l^äuslidjem 
Unglürf fämpfenb iiatU er fdjmere Reiten burdi3umad:jen* 
Die erfte S^^ci^ kjöJ^ fd|ön unb befäljigt, aber l^yperifd^, 
fie u)urbe irrfinnig unb blieb es t)ier Z^ilte lang bis 3U 
il^rem Cobe. „(Es iji fd^rerflidj, mas idj oier ^aiixc I|in* 
burdj 3u leiben }:iatU." Solyai ujar feitbem fd|IafIos, 
ober glaubte es 3U fein. Die 3U)eite 5fciu »ar txäntlxdt 
unb fiarb H833 arx ber 2lus3el|rung. „ZlTeine ein3ige 
Hul^e ift, ^a^ idj feine 5rau liabc." „^vocxmal xoax xdi 
in meinem Ceben oerrürft, als xdi I^eiratE^ete, ein brittes 
TXlai oerlor xdi meinen Derftanb nid)t." „U)enn ber 



A.' Bcifpicie bcr €nttpicfclung bcbcutcnber HTatl^cmatücr. 59 

2nann I^ciratB|ct, ift er ein 2tblcr mit gcjhifetcn klügeln." 
2ludj burdj bcn ältcftcn Solin crfuB^r ^Solyai Kummer 
(f. unten). Xücgcn bcr (ßcIbnotB| bctoarb Solvai fidj 
^820 um eine ^örpcrftcllc, bic er glüdüdjertDcife nidjt 
exliieU. 3m 3aB|rc 18511 lieg er fidj pcnponiren unb 
^856 ftarb er nadi einem 5d?IaganfaIIe mit 8^ 3aB|ren. 
^Solyai roar ein überaus gutBiersiger, aber leiben - 
fd?aftlid?er unb tDunberlidjer ZHann. (£r lebte faft asfe- 
tifd?, gab ben Firmen über feine Derl^ältniffe, roar aber 
ein Breiterer (Sefeüfdjafter, unter Umftänben roifeig unb 
fd?Iau. (Er roar nie ernjHid? franf, füB|Ite fidj aber 
immer franf, flagte über feine Sd^Iaflojigfeit, über TXlaqen' 
fdjroädje u. f. w* (Segen feine Sd^üler «>ar er feljr gut 
unb fie liebten iB^n, perftanben liin aber nid^t immer. 
;,5ein fdjaffenber. (ßeifi, feine augergerpölinlidien ^^B^ig* 
feiten »aren nid^t im Stanbe, fid? einen 23egriff 3U 
mad^en von einem mittelmäßigen ober fdjroadjen 2tuf* 
faffungspermögen". Sein Denfen Blatte etrpas über- 
fdjrDenglid^es, er füB|Ite fidj 3um ^od^poetifdjen I^ingesogen 
ixn^ fein 2tu5bru(f roar oft fd^roerperftänbUd?. (£r fpradj 
gern pom ^immel unb beseid^nete bas 3J^bifd|e als 
„fdjmufeige €rbe". ®ft naB^men iljn meIand|oIifd)e 
Stimmungen gans ein. €r roar nid^t groß, mager, fein 
länglidjes (ßefidjt foH in ber 3ugenb an Sd^iller er* 
innert I^aben. Saron Simon Kem^ny ließ il^n ^825 
malen; bas 23ilb befinbet jtdj im Sejtfee bes Saron 
Koloman K. in Decfe. ^in stoeites ©elbilb rourbe im 
70. 3<^B|re Solyai's gemalt. 2tuf bem Cobtenbette rourbe 
er pl^otograpl^irt. 



60 n. beitrage 3ur "Kenntnx^ bcs matbcmattfd?cn Talentes. 

3oB|ann Bolyai rourbe am ^5. Dccembcr ^802 
geboren. (Er seigte früB| aufeerorbentlicfte 5öB|igfeiten. 
3m 3ö^re 11807 fdjricb ber Pater an (ßau§: ^^Der 
(€rjlgeborene) ifl ein geiftooller, fdjöner Bub unb pon 
fejlem Körper, er iji fünfjäBirig, idj leBjre xttn nodi nidjt; 
bodj im Spiele iiat er piele <5ej!irne am ^immel fennen 
gelernt unb bie geipölinlidjen geometrifcften <5ejlalten 
u. bergl. ; er mad^t von feinen Segriffen audj f cfticflidje 2ln« 
roenbungen, 3. S. er seidjnet von fidj felbfi bie Cage ber 
Sterne in ^en (ßejHrnen mit Kreibe. (Einmal nodt im 
porigen Xüinter fdjnitt er einen Kartoffel« Sinus eines 
KartoffeI»3ogens, unb fo war es." (Er n>urbe pon 
Sdjülern bes Daters im fjaufe unterridjtet. Der Dater 
beB|ieIt fid? bie 21IatB|ematif por unb B|ier begriff ber 
SoB|n fo blifefd^neU, ^a% er oft ben Semeis gar nidjt 
abxvavMef fonbern bie Cöfung f eiber gab. „XDie ein 
Ceufel fprang er por midj unb bat midj tpeitersugel^en." 
„3ct? fing suerji mit (Euflib an, nadjbem rpurbe er mit 
€uler befannt, jefet (mit ^3^2 3<^^J^^n) »^ife ^^ ^on 
Pega nid^t nur bie erjlen 3u>ei Bänbe überaß, fonbern 
ifl aud? im 3. unb ^. Sanbe bewantevt, liebt bifferentiale 
unb ^ntegvalvedinviniien unb redjnet barin mit au§er- 
orbentlidjer 5«rtigfeit unb Ceidjtigfeit, fou>ie er in Diolin« 
concerten ^en Sogen in fdjmeren Cäufen leidjt fül^ren 
fann." Tlndi in anberen 5äd?ern seidjnete jtdj ber junge 
Solyai aus. Der Dater fdjidte iB|n ^8^7 nad? IDien 
in bie K. K. <5enie«2tfabemie unb audj B|ier roar 3oI|ann 
ber befte Sdjüler. (Er u>urbe ^823 Unterlieutenant, ^832 
Capit.ȣieutenant, ^833 penjionirt. ,,3" feinem Corps 



A, 3cifpicle bcr €nttpicfelung bebcutenbcr HTatl^ematitcr. 6^ 

t»at ex bcr cr^c ZlTatBiemattfer, ber bcfle Diolinfpiclcr, 
aber aud? bcr erjlc ied^ter." 3m 3aB|rc ^823 fdjcint 
er fein problem erfaßt 3u Bjaben» Seine erfte unb ein- 
Sige 2tbtjanblung, bie iljn unfterblidj madjte, erfdjien 
Ji832 als 7lppent>x^ (26 Seiten) 3um IDerfe bes Daters 
„Centamen 2c." 

ID. Solyai fdjrieb H83^ von 3oI^ann, er fei „nodi 
ein 3u »über Solbat". €r I^atte forttoäBirenb Duelle, 
mel^rere bapon mit töbtlid^em 2(usgange. „3" ^i^^t 
<ßarnifon forberten il^n \5 Capaüerieof fisiere ; er naB|m 
We 5orberung an mit ber Sebingung, ^a% itjm gehaltet 
n>erbe, nadj je stoei Duellen ein Sind auf ber Dioline 
3u fpielen. (Er blieb Sieger über 2tne." 

TXadt ber penftonirung fdjeint bie ertjoffte „'Be* 
rutjigung" nidjt eingetreten 3u fein, oieImeB|r ij! es offen- 
bar feitbem mit 3otiann abwärts gegangen. (Er bradjte 
ein 3ö^«^ bei bem Dater 3u in anbauernben Sm^iqhiien 
unb fctiließlidj forberte ber SoB|n ^en Pater. (Es fam 
3um bauernben 23rudje. 3ol)ann lebte bann auf ^em 
€an^e „unter iB|m unmürbigen Dertjältniffen". TXlandt» 
mal oerfudjte er fidj aus ^en ftnnlidjen (ßenüffen l^eraus- 
3ureij3en nn^ ber ZlIatBiematif 3U3un>enben. ^m 3öB|re 
<838 bewarb er ftdj oB|ne (Erfolg um einen preis ber 
3abIonon>sfi'fdjen <5efenf(i?aft. Sein (Seift f(i?eint aü* 
mäl^Iidj meiit unb mel^r gelitten 3u liaben. (Er wollte 
ein '&ndt I^erausgeben unter bem Citel : £eB|re ber Cel^re, 
^as alle 23üdjer entbel^rlidj madjen follte. (Er rooHte 
bie ungartfdje Spradje 3ur XDeltfpradje madjen. 2iner- 
^anb 2tbfurbitäten »erben beridjtet. „€in eigener Cynis- 



62 n. Beiträge 3ur Kenntntg bes matl^emattf(^en Talentes. 

mu5 ergriff fein ganzes IDcfen unb er flarb mit pd? unb 
ber Weh serf allen am 27, 3önuar ^860. (£r roar nn* 
pertjeiratl^et, fetjr Kein. „Vev Dater war ein sartes 
poetifdjes <5emütt{, ber Sotjn eine falte egoifüfd^e Seele, 
jener liebte bie Ztatur, begeiferte ftdj für fte, biefer oer- 
adjtete bie ZHenfdjen toie bie IDelt gleid?mägig. Xlnv 
barin waren fte einanber äB|nIid?, t>a% beibe d?oIerifdje 
nnb aufbraufenbe Staturen roaren." Die ^auptfadje ijl 
tt>oy bie, ^a% 3oB|ann eine burd^aus patl^ologifdje Se* 
fd?affenljeit l^atte, er war fd^wer beladet oon ber ZHutter 
l^er unb ber Pater, ber il^m bas matl^ematifdje <5enie 
pererbte, l^atte felbji 3u piel patl^ologifdjes, als ^a% et ben 
böfen weiblidjen (Einjiug t^ätte ausgleidjen fönnen. 

2\, geigen fdjon bie bist^er gegebenen Seifpiele, 
wie frül) nnb mäd^tig ^as matt|ematifd?e Calent ftd? 
funbgiebt bei benen, bie (ßroges leiften follen, fo wirb 
bie 5ad?e nod? einleud^tenber burd? bie 23etradjtung ber 
Dielen Säue, in Serien ungünjHge Umjtänbe bas Calent 
3urüd3ul^alten fud^en. 3dj gebe eine Heitre fold^er SäVic 
wieber. — 

peter 2tnidj würbe am 25. Februar ^723 3u 
®berparfu§ bei 3nnsbru(f geboren als Sofyi eines 
23auern. €r arbeitete bis 3U feinem 28. ^alite am 
Pfluge, Pubirte bann „in begeiftertem Xüijfensbrange" 
bei ^en 3^fuiten in ^nnsbvnd ZHatliematif unb 5tftro* 
nomie. €r perfertigte meijrere matB|ematifd?e 3nfhrumente, 
einen (Erb- unb einen fjimmelsglobus unb eine Karte 
pom füblidjen CiroL Die Kaiferin ZHaria (Ct^erefia be« 
auftragte iB^n, audj Karten Pom nörblidjen (Eirol an3U- 



A. 3cifpiclc bcr €nttptcfclung hebmtetibtx VHatl^emaüUt. 63 

fertigen. Sie erfdjienen nadi feinem (Eobe, ber am 
\. September \766 eintrat. 

£B|riftopt| 2trnoIb rourbe am \7. December ^650 
in Sommerfelb bei Ceipsig geboren. (£r roar ein Sauer, 
liebte aber bie ^flronomie fet^r unb mad{te ftd^ burd^ 
5ie (£ntbecfung bes £ometen pon ^683 betannt, ben er 
ad|t (Eage frütjer als ^epel fanb. €r beobadiMe andi 
ben Cometen pon \6S6, ben Durdjgang bes ZHercur 
»or ber Sonne am 3^. ©ctober \6^0 unb l^interlie§ 
perfdjiebene anbere a^ronomifd^e unb meteorologifdje 
Seobadjtungen. 

3oI^ann (Seorg palifefdj (geboten am U. 2^m 
\725 ixx prol^lis i. 5., geflorben am 22. 5«bruar ^788 
3U Ceubnife i. S.) n>ar ein einfadjer Canbmann. (£r per* 
fertigte jtd? aftronomifdje Onjirumente unb beobadjtete 
^^n Qimmel mit einem adjtfügigen 5^r"toI|re. 5lm 
25. December ^758 fanb er ^^n ^aUey'fdjen Cometen. 
£t t^atte aviii eine Ztaturalienfammlung, roar £orre« 
fponbent ber 2(fabemie in St Petersburg unb ber 
H. Society in Conbon. 

2)er Cifdjlermeijler 3. Seyer in ^jamburg (H673 
bis \7^\) baute jtdi eine Sterniparte, perfertigte felbji 
matl^ematifd^e On^rumente, fdjrieb über foldje unb über 
bas menfd)Iid)e 2(uge. 

5ran5 2lbam petrina (geboren am 29. december 
^799^ gejlorben am 27. 3uni ^855) war ber Sol^n eines 
gans armen Xüebers. Zllit \6 "^^alit^n war er IDeber* 
gefeH. T>anr\ erft fanb er 5tcunbe, bie il)m I^alfen unb 
il^m bas Stubiren ermöglidjten. 3m '^a\\x^ ^832 tpurbe 



^^ n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^mattf(^en Calente^:. 

er 2t6iunct bcr profcffur für Vflailiematif unb pl)Ypf, 
fpätcr profeffor bcr pljYp^ i" präg. 

Der profeffor bcr Vflailicmatif 2tfapl^ fjall in 
Xüafljingtön (geboren ^829) mar suerft einfad^er gimmer^ 
mann gemefen, B|atte eine CeB^rerin geB|eiratljet, mit beren 
fjülfe er ftdj fortbildete. ZHit 28 3aB^ren mürbe er 
2tffiftent an ber Sterntoarte bes ^aroarb College. 

peter .^tnbreas ^anfen (geboren ^795) iiatie als 
Ul^rmadier gelernt unb roanberte als foId?er bis \S\^, 
Dann etablirte er fidj in Conbern, trieb nebenB^er ZHatlie- 
matif, n>urbe H820 Sd^umad^er's Sdjüler. 

Simon Stampfer (geboren \792), ber als Vflatiie^ 
matifer unb ZHitglieb ber 2tfabemte ber Xüiffenfdjaften 
in Xüien geworben ift, roar ber Soiin eines armen (Eage- 
löBiners unb ^irtenfnabe gemefen. 

3oB|. Cobias ZHav^r (\ 723— H 762) entiDi(feIte jtdj 
aus einem getoölinlidjen ^anbmerfer ol^ne frembe Unter« 
roeifung, burdj Selbjitl^dtigfeit 3U einem B|ert>orragenben 
2tjironomen unb pB^yflfer, tüd^tigen ZHatliematifer. 

pauI <5ulbin (^577—11 6^3) »ar juerji (ßolb* 
fdjmieb. Dann rourbe er fatB|oIifdj, trat in ben 3efuiten* 
orben unb rourbe profeffor ber ZHatBiematif. 

Der profeffor ber Znatt^ematif 3oI^n I}oung 
(geboren \799) ^<^tte jidj „aus nieberem Stanbe" empor- 
gearbeitet 

Cambert (geboren am 26. 2tuguji \728, geworben 
am 23. September \777) u>ar ber Sol^n eines armen 
unb finberreidjen Sdjneibers in ZHül^Itjaufen. 2nit \2 
3at|ren roar er Sdjneiber, \>ann rourbe er ^ülfsfdjreibcr 




^. X flanfctt. 



A. Bctfpiele bcr €nttptcfclung hebmteribex ITtatl^cmatücr. 65 

auf bcr Stdbtfan^Ui, er biente fpätcr als 23udjl|altcr auf 
einem (£ifen«>erfe, mürbe Secretär bei profeffor 3felin, 
^auslel^rer u» f. ro. 

3 eseler (geboren am 20. December \73^, ge- 
jlorben am \. September ^790 ^^^ ^^^ 5ot|n eines 
Kürfdjners in Sdjaffl^aufen. Da er nidjl CB|eoIogie 
fiubiren mod^te, roie fein Dater rvoüic, fo rourbe er 3um 
üäterlid^en ^anbtoerfe gesmungen, ftubirte aber in aüen 
freien Stunden ZlIatBiematif. (£rft nadi bem Cobe bes 
Paters im 3al|re ^759 u^ibmete er jidj auf bas ^nte^en 
ber ZHutter t|in gans ben Siubien. 

3)er profeffor ber ZlTattiematif Cempe (^757 bis 
J[80Q flammte pon gans armen (Eltern. (Er »urbe ein« 
fad^er 23ergarbeiter. Vntdi pripate Stubien rourbe er 
reif 3um Befud^e ber 23ergafabemie. 

(Earl^Srutins (H830— ^880 ift 5d?Ioffer gemefen, 
£arl ^eym (Solbfdjmieb. 

(Carl %inr. (ß raffe (\799— ^873) mar ber Sol^n 
eines (ßolbarbeiters in Sraunfd^toeig. (Er mußte bie 
2lrbeit bes Paters tBieilen, fonnte pdj erft ^82^ burdj 
pripatjiubien für bas (Earolinum porbereiten, tourbe 
^82^ (ßaugens Sd^üler. 



Xtiöhius, Xnatt)emattfer. 



B. Heber öie HedjenfünfKer* 



3n Sesiel^ung auf bic HcdjenfünpUr ij! Mc 2lrbctt 
baburd) crkidjtcrt, bag fdjon eine sufatnmenfaffenbe 2Jr« 
beit oorliegt: €. Xü. Scripture, Arithmetical prodigies, 
in The American Joum. of Psychology, IV» \. \S%^ 
Diefe Siif<»"^n^^"P^öttn9 ^P f^tl^ fl^ifei^ gearbeitet unb 
befonbers reidj an €itcratur«2tadju)eifen. Scripture t^at 
feine Ceute numertrt. 

\. Xlxfomadios. Cuctan fagt, er fönne einen 
Hed^ner nid^t meB|r eB|ren, als wenn er iiin mit itifo- 
madjos von (ßerafa »ergleidje. 

2. 2lfrifanifd?e Sclapenl^änbler foHen sunt (Et^eil im 
Hedjnen eine aujjcrorbcntlidje SälixqUxt geseigt traben 
(nadj (Elarffon, Essay on the Slavery etc., London 1(788). 

3. Com 5uIIer, „the Virginia calculator*' n>ar 
als H^jäljriger Knabe in 5(frifa gej^ol^len roorben* 5lls 
er 70 2<'^lite alt war, rourbe ein Seridjt über feine 
Hedjenfünjie peröffenilid^t. <£x jlarb ^790 mit 80 3al^ren, 
Blatte nie lefen ober fdjreiben gelernt 

^. 3ebebiat| Button tourbe H702 in einem 
f leinen ®rte pon Derbyfl^ire geboren, jiarb ^772. (£r 



B. Heber bie Hec^enBünjiler. 67 

tt>ar als Kinb auffallenb butnm unb unroiHig sunt Cemen, 
obtDoI^I fein Datei: Celjrer »ar. Hedjnen jebodi lernte 
er ol^ne ^ülfe. Später n>ar er ^anbarbetter, fonnte 
feinen Zlamen nidjt fdjreiben. 

5. 5lmp^re. 

6. (Saug. 

7. Hid^arb XDI^ately, geboren \787, roar oon 
\S5\ bis \863 firjbifdiof oon Dublin. Tlls Kinb seigte 
er ein auffaOenbes Hed^entalent, 5. S. red^nete er als 
öjäl^riger Knabe aus, n>ie oiel Zllinuten ein öOjätiriger 
Zllann gelebt I^abe. 3^^ocli I^ielt ftdj bie rounberbare 
Befätjigung nur 3 ^atixc lang. Später glidi XDl^atelv 
anbeten SdinUtn Qane Whately, Life of R. W. London 
^866). 

8. geral^Colburn, \80^— WO. Colbumperlor 
als junger ZHenfd? bas Calent/ bas it^n als Knaben be« 
rüt)mt gemadit I^atte. €r oerfudite fpäter aUert^anb, 
tDurbe ZHetl^obift, Sprad^Iet^rer u. f. w., ot^ne redjt por* 
»ärts 3u fommen. (Srogmutter unb Dater »aren fedjs- 
fmgerig, ^eral^ unb 5tpei ober brei trüber aud{. 

9. Dito ZlTangiamele roar ber Sot^n eines 
Sctjäfers in Sicilien. (£r würbe mit \0 2<^iiten 2lrago 
oorgejiellt. 2luf bie 5rage, n>as ift bie Cubifu^ursel »on 
3796^^6, antwortete er nadi ^j^ Zllinute: ^56. (Comptes 
rendus XI, p. 952. ^8^0.) 

\0. Sadjarias Dafe (^82^—^86^) seigte bas 
Hedjentalent oon frütjer Kinbt^eit an. €r fd^eint aber 
fonfi nid)t befätjigt gewefen 3U fein, peterfen bemüB^te 

ftdi ol^ne piel firfolj um ben matt|ematifdjen Unterrid|t 

5* 



68 n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^emattfd?en (Talentes. 

Va\e% Sdinmadiev I^ielt Dafe fogar für gan^ bumm. 
3cbodi Strasntcf Y in IDicn bxadtU Dafe in bcr aritt|mctif 
votwäxis unb bicfcr Bemüt^te ftdj fpätcr, fein Calent 
nüfelidj ansutoenbcn, rcdjnctc uncirmübUd? Cogaritl^mem 
tafeln u. f. f. 7Us bcfonbcre €igcntt|ümüdifeit roirb on- 
gegeben, ba§ Dafe nadi einem Slicfe fagen fonnte, »ie 
oiel 23üdjer auf einem Südjeirbrette jlanben, aus n?ie 
piel Sd^afen eine ^eerbe beflanb, 

\\. prolongeau u>ur5e als 6^/2 jäl^riges Kinb 
buirdj fein ^cdinen auffällig; er »urbe von 2lrago unb 
€andiy geprüft (C. r. XX. p. ^629. ^8^5). 

\2, (ß r a n b m a n g e , ein ^ 6 jäBiriger Knabe, ol^ne 
2Jrme unb Seine, rourbe ebenfalls von ben 2lfabemifem 
geprüft (C. r. XXXIV. p. 37 ^ ^852). 

^3* £jenri Zllonbeu^ (^826—^862) »ar ber 
Sofyi eines armen ^olj^auers in ber Xläl^e oon Cours. 
€r redjnete als fleiner Knabe beim 5d?afetjüten mit 
Steindjen. €in Cet^rer, ber it^n sufällig fennen lernte, 
letjrte i^n bie giffem unb rafdj ent«>i(f elte fidj fein (Calent« 
€r foll im Uebrigen nur geringe 5ät|igfeiten befeffen 
l^aben, ja, man meinte, er fei eigentlidi nur eine Hedjen- 
mafdjine. 3ebod? erfanb er eigene Hedjenmetljoben 
(C. r. XL. p. 820. 952)^ 

H. (ßeorge Sibber (^806—^878) »ar eines 
ZlTaurers Sofy\, €r lernte mit 6 3atjren von feinem 
älteren Sruber bis mit \0, bann mit \00 redjnem 2luf 
bas Znultipliciren, bie Quabratbilbung u* f, tt>. oerfiel er 
oon felbp. Dabei fannte er bie S^^^^n nxdtt, alles 
tDutbe mit Steindjen unb Sonnen ausgeführt. Sdjreiben 



B. Uehex bic Hcd^cnfünftlcr. 69 

lernte er erft mit \0 ^afyen. ^xn^oil^^ l8^7 fat| il^n 
fjerfdjeL Sibber tnad?te bie Sdjule burdi nnb besog bie 
Unioerfität €binburgt|* 3"^ 3aB|re \822 erB|ieIt er einen 
matl^ematifd^en preis. (£r rourbe bann £i»ilingenieur 
unb seidjnete ftdj als foldjer aus» Seine rounberbare 
JBedjenfät|igfeit bet^ielt er bis sunt Cobe, €r fonnte 
Sdiadt aus bem Kopfe fpielen, 

(£in 23ruber 23.'s »ar ein guter ZlTatljeniatifer, ein 
anberer Sruber, ein (ßeipiid^er, seidineie ftdj burd? fein 
gutes (ßebäd^tnife aus, fannte äße 3)aten, bie <5eburt- 
tage aller perfonen u. f. rx>. (£in ^effe wat ein aus* 
geseidjneter ZHedianifer. Don Ä's Söl^nen roar ber 
öltere ein üorsüglid^er Hed^ner, roenn er andi nid)t bie 
(5efdju>inbigfeit unb 5idjerl)eit bes Daters erreichte» €r 
liaite ein gutes 5et| • (ßebädjtni§, fat| fi^empel unb 
geometrifd^e Figuren im (ßei^e por ftdj. Don smei 
Cod^tern bes 5ol|nes erbte bie eine bas Hedjentalent, 
bie anbere bas 5efy(5ebädjtni§. 

H5. .^enry Cruman Safforb, geboren ^836, 
war fd|on mit 6 3al)ren ein ausgeseidjneter Hedjner. 
Znit 9 3cit!rcn fd?rieb er einen ^Hmanadj. (£r lernte 
übert^aupt gut, l^atte ein überrafdjenbes (ßebädjtnife, 
tannte einen guten (El^il bes Conperfationiejifons aus- 
wenbig. ZTlit H 3ci^ren beredjnete er eine Kometenbal^n» 
<£r u)urbe ^865 Director bes fjarparb College ®bfen>a« 
torium, 11876 profejfor ber ^t^ronomie 3U XDilliamston^n, 
ZlTaffv ^at piele ajironomifdje 2tb^anblungen geliefert 
(poggenborff, III. '&arit>). 

Scripture ermät^nt ferner (ßall's Seobad?tungen, 



70 n. Beiträge 3ur Kenntnig bcs matijcmatifd?en Talentes. 

bemerft, bag (Slliot von einem ^albtbioten ex^äliU, ber 
ein Hedienfünftler wat, ^uber oon einem bünben 
Sd^roeiser, ber jebe Hed^enaufgabe löjle unb eine 
]l50fleDige ^dtil nadt einmaligem ^oren bet^ieli 

3ct? ^abe, ^a bas ©iriginal nidjt 3U fdjn>er 3U liaben 
x% Scripture's Citeraturangaben nidjt »iebergegeben, 
Tlndi t^abe i(;ij oon Tlngaben über bie Ceijlungen ber 
einseinen Hedjenfünftler abgefet^en, ^enn biefe ätjneln 
einanber fet^r. Sibber 3. 23. beantwortete ^8^6 bie 
5rage: „was ftnb bie ginfen pon j^ ^^^^ für ^^^^ 
Cage 3U ^V2 7o"? "«* 2 Minuten: je 2^3% \6 sh., 
5^4 d. 3m 3al|re \8118 foHte er ^68 592 ^H3 563 
burdj 9076 bipibiren; nad? \ ZlTinute antwortete er 
5^629838. Dafe redjnete in 6 Zllinuten bas probuct 
oon 20penigen SaB|Ien im Kopfe aus, u. f. f. 

ZlTan mu§ gegen Scripture's ^tufsäl^Iung eintoenben, 
^a^ fie einerfeits nidjt üolipänbig x% anbererfeits 3U piel 
entl)ält. Denn roollte er ^llle anfüB|ren, bie frütiseitig 
augerorbentlidje matl|ematifd?e 23egabung 3eigten , fo 
Ijätte er nodj oiele ZHatljemattfer nennen muffen. IDoIIte 
er nur bie eigentlidjen Hedjenfünftler berücf jtdjtigen, fo 
toaren <Sa\x% 2tmp^re, Safforb 3U jtreidjen, 

3nt 2. (El^eile feiner 2lrbeit ^eüt Scripture pfvcljo- 
logifdje 23etradjtungen an, bie i^rer Ztatur xxadi ^en 
<5egenftanb nidjt erfd^öpfen fönnen. €r betont, ^a% es 
pdj einerfeits um ein abnormes (ßebädjtni^, um bie 
5ätjigfeit, oiele gaWen im <5ebäd?tnig 3u bet^alten, 
anbererfeits um bie 5d?neIIigfeit, mit ber bie gal^Ien 
oerfnüpft werben, t^anble. Sei bem einen Hed?enfünjHer 



B. Heber bie Hed?en!ünftler. 7\ 

tritt met|r bas (ßcbädjtnig t^croor (j. S. bei 23u^ton), 
bei bem anderen tnel^r bic Sdjnelligfeit Tlndt von oer« 
fd?icbencn großen Znattjematifern toirb berid^tet, ba§ fte 
ein enormes (ßebädjtnig tjatten (3. S* (£uler, Diridjiet). 
ZHand^mal ift nur bas S^^^^^ngebddjtnig groß, mandjmal 
^as (ßebädjtnife übert^aupt (5. S. bei 2tmp^re, Safforb). 
2lu5fütjrlidj beridjtet Scripture über bie Derfatjren ber 
cinselnen Kün^Ier beim Hedjnen, über bie Kunjigriffe, 
^ie angemenbet roerben ober angeroenbet roerben fönnen» 
(£5 ijt pielleidjt nidjt immer piel Pertrauen auf bie 2ln« 
gaben ber Hedjenfünjtler über itjre ZnetB|oben 3U fefeen, 
^enn il|re (£rflärungen entflammen ber Hejlepon, xfyc 
Perfatiren nid^t £oIburn 3. Ä fagte, als er fein (Ealent 
übte, er rDijfe nid|t, n>ie er 3U bem Hefultate fomme, 
fpdter aber gab er (ErHärungen. 23efonber5 merfroürbig 
ift natürlidj audj für Scripture bie 5rül|3eitigfeit ber 
Hedjenfäliigfeit (Er giebt folgenbe ^ufammenftellung : 
'Das Calent gab pd? funb bei (Saufe mit 3, bei tüt^atelv 
mit 3, bei 5lmp^re mit 3 — 5, bei Safforb, (Eolburn mit 
6, bei prolongeau mit ö^o/ bei Sibber, ZHonbeu^, ZlTan* 
giamele mit \0 ^altven. — 

XDiepiel Hedjenfünftler feit Scripture's 2tuffafe auf* 
getreten finb, roeife idi nidjt. Ueber mandje iji tvaiiV' 
fdjeinlidj nur in ben (Eagesblättern beridjtet roorben. 
So erinnere id? mid?, einen Knaben Svanfl, ber öffentlid? 
auftrat, gefetjen 3U I^aben, fo rourbe por einigen 3al|ren 
in ber £eip3iger 3nuf!rirten ^exiving von einem ,,Hed?en» 
pl^änomen ^eint^aus" beridjtet. (£r flamme aus bem 
Hl^einlanb, fei ^8 3al^re alt, fei urfprünglidj Kaufmann 



72 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes mat(^ematifd?en Talentes, 

gett>efen, fprcdje mcB^rcrc Spradjen. (£r fonne bie 
Quabratoursel aus 6 — Ssifferigen ^aiikn unter genauer 
Eingabe bes Heftes, fomie Me (Eubif coursel aus aufgellen- 
ben 93ifferigen gaB^Ien augenblidlidj im Kopfe ausstellen 
u. f. f. (5enauere ^adjriditen liegen r>or über 3"<»ii^i 
unb S^ttoL ^naixbx ift r>on einer fransöpfdien (Eom* 
mifjton unterfudjt »orben unb (Z^axcot B^at über iljn 
beridjtet (Progr^s m^d. 2. 5. XV, 25, 1(892). Danad? 
ip 3<»cques 3naubi im 3öt|re H867 3U ©norato in 
piemont geboren, lieber bie Familie mar nidjt r>iel 3U 
erfai^ren, abgefeljen r>on IDunberlidjfeiten unb Cl^arafter* 
(£igenti|ümlidi!eiten auf päterlidjer Seite. Vk (5efdin>ifter 
fdjienen feine befonberen 5äl|igfeiten 3U B^aben. 3tt<xii^i 
bxadite bie erjien ^alixe feines Gebens beim 5diafel|üten 
3U unb 3eigte ettoa mit fedjs 3<xB?ten bie Ceibenfd|aft für 
bas Hedjnen. (£r b6t>knt0 fid? aber nidjt ber Steindjen, 
fonbern red|nete, nadjbem er üon feinem Bruber bie 
Hamen ber galjlen erfal^ren ^atte, ausfdilieglidi im 
Kopfe. Später burdj3og ber Knabe mit feinen 2lnge* 
I^örigen bie proüence, bettelte auf ^cn Strafen, lieg bas 
ZHurmeltB^ier tansen unb fudjte baburdj etn>as meBjr 3U 
üerbienen, ^a^ er Hedjenaufgaben löfte. 3"^ 3^^^^ 
H880, 3n>öIfiäBjrig, fam er nadj paris unb mürbe burdj 
Sroca ber antB^ropoIogifdjen (SefeUfdjaft r>orgefteIIt. (£r 
fonnte meber lefen nodj fd^reiben. 2JTit 20 ^alixcn lernte 
er beibes unb seigte fpdter, obmoi^I feine Kenntniffe 
mangelB^aft blieben, einen offenen Kopf. <£x wax 3. §♦ 
2^iäi|rig, flein {\52 cm), fräftig. Der Sd^äbel mar 
plagiocepi^al, 3eigte eine Pormolbung bes redeten Stirn« 



B. lieber bie Hed?en!ünftler. 73 

beitis unb bcs Unfen Sdicitclbcins. 2)ie ®B|ren ftanbcn 
ob, »aren [ymmctrifdi. Die linfe (ScjtdjtsB^älfte war 
grögcr. 3Tn Uebrigen ergaben bie HIeffungen nidits 
Befotiberes. 2)ie Sinnesorgane fd^ienen normal 3u fein* 
'X>as (5ebädjlnig für Sc^tben, formen, (£reigniffe, ©erter, 
Tfiixfit wax millelmägig. (£5 wax für iljn unfaßbar, bag 
man Sdjadj aus bem Kopfe fpielen fönne. ^ur bas 
gai|lengebdcljlnig xoax enorm. 3»i<iubi träumte oft üon 
gaB^len unb löjie babei Probleme, auf anbere Cräume 
befann er jtdj nidjt. IPäI|renb er nidjt meljr als fünf 
ober fedjs oorgefprodjene IPörler beljalten fonnte, madjte 
es iljm feine Zlothif 25- ober SOftellige gaB^Ien nadj ein- 
maligem J^ören 3U beljalten, fte r>orn>ärt5 unb rücf n>ärts 
E^ersufagen» 2lm Sdjiuffe einer Sifeung fonnte er alle 
Aufgaben mieberl^olen, einmal »ieberl^olte er ^00 Ziffern. 
IDäljrenb anbere Hedjner angaben, pdj auf ii^r 5eBj- 
gebäd^tnig 3U ©erlaffen, bie ^i^cxn vor jtd^ 3U feljen 
glaubten, Ijanbelte es fldj bei 3n<xii^i um (5eljörerinne- 
rungen. (£r glaubte bie ^dbiUn 3U B|ören, als ob feine 
eigene Stimme fie il|m porfprädje. 3d? fefje bie ^x^exn 
nidjt, fagte er, es ip mir fd^iDerer, gefdjriebcne Ziffern 
3u merfen, als gel|örte; idj mag audj nidits auffd^reiben, 
xdi roill Ijören. (Sab man il|m eine 2tufgabe, fo fpradj 
er leife alles nad^. 

(£s ift erfid|tlidj, ba% es r>om ^nfaüe abl^ängt, ob 
ein Hedjner (Seftdits* ober (BeEjörsPorpeUungen bepor- 
3^9^; 3"<Jubi mugte bas lefetere tljun, rneil er in ber 
3ugenb bie S^ff^^" "idjt fannte* 

J^err Dr. 5 ^ t r 1 liat bie (Süte gel^abt, mir f d|rift» 



7^ n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matljemattfd^en Talentes. 

Ixdtc ZnittBjeilungen su madicn. Vanadi iji er am 3\. 
Secember \S6^ in fjdbelberg geboren. Sein Pater wax 
ein guter Hedjner. Urfprünglidj Sleinmefe arbeitete er 
jtdj empor, fobag er als ^Irdjitect größere Sauten unter* 
neB|men fonnte. (£r begann als Unternel^mer ben Sau 
ber ®bentt)aIbbaB^n, namentlidj il^rer Cunnel, jiarb aber 
am HO. Hlai \S66 wälivent) bes Saues. Die S^clvl, bic 
bie Sdiülerin unb (5eljülfin ^es HIannes gewefen »ar, 
füf^rte ^en Sau felb^änbig 3U &nbe. fjerr 5erroI legt 
IPertB^ barauf, ^a% feine Hlutter gerabe Ȋl^renb il^rer 
5d)n>angerfdjaft in angeflrengter red^nerifdier CI|ätigfeit 
roar. (£ine im 5^bruar \S6^ geborene SdjiDefter ijl 
äB^nlidj wie 5«rroI begabt, jte wat felbp für il^n früB^er 
im ZHultipliciren unerreid^bar, il|r Calent mürbe iebodj 
nidjt ausgebilbei 

5er rol fagt t>on fidj felbft: „Vas Hed^nen wax mir 
fdjon in ber Kinbi^eit 3U einer unftittbaren Ceibenfdjaft 
geworben, unb 3u>ar weniger bas gal^Ienredinen, als 
gerabe bie a(gebrai[d)en (Operationen, an t>enen xdi mxdt 
tagelang pergnügen fonnte. ^e^ex freie 2lugenbUcf mar 
mir mit ^, y, 3 ausgefüllt, ^atürlid^ war es erft pon 
^a an möglid^, als mid^ meine ZHutter in bie Einfangs* 
grünbe bes Sud^pabenred^nens eingefüB^rt Ijatte, b. Ij. 
oon meinem HO. ^alixe ab. Porljer fdjon mar idj ein 
3temlidi guter Kopfredjner, tDenigftens mar mir in biefer 
Efinftdjt nie ein ZlTitfdjüler gleidj ober gar „über"» Die 
5ertigf eit r>erIor jtd^ aber burdj bie pebanterie meiner 
CeB^rer, bie midi 3ur 5d)ablone 3mangen unb fo un jtdjer 
mad^ten. 2JTetne Ijeutige <5emanbti|eit im 2JTuItipIiciren 




iFierrDl 



B. Heber bic Hed^cnfünftler. 75 

pcrbanfe idj rein ber tljeorctifd^cn (£nttt)icfclung, inbcm 
idj audi Ijier rein algebraifd? operire. 3d? mödjtc midj 
oIs ein (Segen^ücf 3U Dafe beseidjnen, benn, roälirenb 
biefer mit (Einem Slicfe bie gaE^len erfaffen fonnte, bin 
idj gerabe in biefer fjinjtd|t fdjledit ausgejiattet 3cl? 
E|abc gar feinen Sinn ber ^nfdjauung, mug 3. S. bie 
adit ober seE^n 5^nfter an ber 5tont eines Efaufes erft 
müEifam abbiren unb bin bann nid?t einmal jtdjer, midj 
nidjt geirrt 3U liaben. Wxü xdi (5elb säi^Ien, fo mug idj 
es erft in (5ruppen fortiren. Damit bürfte sufammen- 
l^ängen, ia^ xdi aixdi unfäljig bin, mir irgenb ein Silb 
ponpänbig oorsuftellen; id^ tx>e\% gans gut, n?ie ^ugen, 
©Ijren, Hlunb n. f..n>, jtnb, aber bie 2lnfd|aulicljfeit fel^It, 
3cl? erfenne Sefannte auf ber Strage nid|t Tlls xdi 
lefen lernte, ging es mir feljr fd|Iimm, ein Sudjpabe fal^ 
mir aus tt>ie ber anbere. DaB^er loar id^ meift in ber 
nnteterx J^älfte ber (Elaffe 3U finben, nur bas IPett» 
Kopfredjnen mad^te midi alle \^ Cage auf furse ^eit 
3um primus, Sd^on als Knabe redjnete xdi gerabe3U 
intuitip, fobag id^ oft ber ^Injtdjt roar, xdi mügte fd?on 
einmal gelebt I^aben. Stellte man mir irgenb eine in- 
I^altlidi fdimere 2lufgabe, fo quott bas Hefultat gerabe3U 
aus meinem (£mpfinben B^eraus, oljne ba% xdi iwt erften 
2lugenblirfe lougte, mie xdi ^s erl^ielt; r>om Hefultate 
aus fud^te idj bexx TOeq. Diefes intuitive (£rfaffen, bas 
merftpürbiger XDeife nie burdj einen 5«Wfd?lag erfdjüttert 
rourbe, mudis in bemfelben 7Xlaa%c, n>ie bie 2tnforberungen 
fidj jieigerten* Efäufig liabe xdi ^odi jefet bas Cmpfinben, 
als ftänbe 3^Tnanb bei mir, um mir bas gemünfd^te 



76 n. Beiträge 3ur Kenntni§ bes matl^ematifd^en Talentes. 

Hefultat, t>m gefuditcn XDcg susuraunen, unb mciji jtnb 
es IPegc, bie por mir nodj mcnige ober nicmanb be« 
fdirttten unb bie id) bei eigentlidiem 5ud|en fid)er nidjt 
gefunben iiäitc. 

TXlix iji oft, namentlidi wenn idi allein bin, als be* 
fänbe idi mid| in einer anberen XDelt; bie S^B^Ienbegriffe 
fdjeinen 3U leben. Bli^artig sielten beliebige fragen, 
piel fdimerer als bie in ben Porträgen gesellten, an 
meinem geizigen 2luge porüber, jebe lebt nni fül^rt bie 
2lnttDort mit fid^, ja fogar bie „(glemente", auf benen 
fie berul^t: es iji »ie ein fdjönes Spiel, ^as biefe (Ele- 
mente aufsufüljren fdjeinen* 

ZHein gatilengebäd^tnig beruljt auf HInemonit 
2JTein (Sebädjtnig im 2lttgemeinen ift portrefflidj, nament* 
lidj für naturfunblid)e Cl^atfadjen, bie idj erlebt ober 
gelefen l^abc." 




£auro ßaffu 



C. Hebet Me mattjematif^en Wcibcv. 



Hebet matl|ematifdic Weiber i^abe id| Solqen^es 

ZXadi Combrofo (bas Wexb als Vexbtedienn unb 
propituirte. Scutfd? ^89^, 5. 556) E^atte bie fjctäre 
Ztifarete, bic aus guter Scitnxlxe Rammte, eine leiben- 
fdiaftlidie Neigung 3ur Vflaiiiemaixt unb jte oerrpeigerle 
il|re (Snn^ Keinem, ber jte etwas Xlenes legten fonnte* 
IDoB^er bie Xloti^ ^ammt, weiß idj nxdit Selben mir r>on 
Zlxtaxete ab, fo fdjeint bie ältere bie fd^öne J^vpatia 
3U fein, bie befanntlidi im 3ofyc^ ^\5 auf graufame IPeife 
oom geijHid?en pöbel ermorbet roorben x% Sie I|atte 
UTatB^cmatif unb neuplatonifdje pJjilofopB^ie flubirt IDir 
bepfeen 3n>ar nidjts von il^r, bodj foll jte matl^ematifdje 
Sdiriften I^interlaffen Eiaben. ^fyc Vater mav ber TXlattie^ 
ntatifer CB^eon* 

3m porigen ^^H^^l^^^^^ wö^ £aura Saffi 
(t \778) profeffor ber Hlatl^ematif unb pliyjtf in So» 
logna. Sie Jjat einige 2luffcifee Jjinterlaffen. Sie irar 
bie Stan eines 2lr3tes.^) 

*) 2luf ber Bibliotljc! 3U Bologna Ijabc id? gefunbcn: Vite 



78 II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^cmatifd^en Talentes. 

(Cleüa Sorromco « (ßrillo aus bem ^aufc 
ZRonbragone, (ßattin bcs (Srafcn (5iop. Sorromeo fdjricb 
nn^ las über Hlatl^cmatif unb TXlediamI in Bologna. 
Sie fpradj jtcben Spradjen, 

(Elotilfee Cambroni (\768— 118H7), bie aus 
Sologna Rammte, mar profeffor ber ßteratur unb 
griedjifdjcn Spradje. Sic mar aber aud? ,,in ber pBjilo« 
fopl|ie unb in ber Hlatl^ematif geleljrt." 

HIaria (Saetana ^tgnefi (17^8— H799) n>ar 
bie Codjter bes Don pietro bi 2lgnejt, CeJjnspafallen oon 
Znonteoeglia. Sie mar nidjt nur matB^ematifdi, fonbem 
aud? pI|iIoIogifdj feljr begabt ^m 3aBjre \7^8 u>urbe 
jte profejfor ber ZlTatl^ematif in Sologna* Sie Jjat ein 
£el^rbud| ber ^Inalvfis in 5U)ei Sänben J^interlajfen, ein 
XDerf, t>as f. g. fel^r gerül|mt mürbe. Antonio S^anc* 
5rifi iiai iiit eine £obrebe gefdjriebem 

ZHaria (Eunife (Cunitia) etwa \6\0 geboren^ 
\66^ geworben, bie ditefte Cod|ter bes Dr. J^einrid? (Eunife, 
eines ^Ir^tes, oon \650 an perJjeiratB^et mit bem 3U 
ajironomifdjen Stubien neigenben ^rste (£üas pon £öpen 
in pilfdjen, madjte ajironomifdje Seobadjtungen nnb trieb 
nidjt allein 2JTatI?ematif, fonbem audj alte Spradjen, 
(5efdiidite, .ZHebicin, poejte, HIalerei unb Hluftf. Sie 
fdjrieb: Urania propitia (2lfironomifd?e CabeHen)* 



e rittratti dl XXX illustri Bolognesi, Bologna, Tipografia Zannbli 
1835, unb Cenni biografici e ritratti d'insigni donne bolognesi, della 
Sign. Bonafede, Tipografia Sessi. ^Jcmcr eyiftirt in Bologna ein 
Cablcau, auf bcm bic berül^mtcn Bologneferinncn bargeftellt finb : 
Donne italiane illustri nelle scienze etc., dal Prof. Leone Tettoni. 




Sopljtje ©ermam. 



C Heber bie matl^emattfd^en IDeibcr. 79 

2JTerftt>ürbig ijl bie 5ömtlte Kirdj. 2)ic Coditer 
bcs pajlor Wmdclmanrx in panitfdj bei Ceipsig, bie 
burdj einen Sauem in Sommerfelb für bie 2ljlronomie 
getDonnen »orben war, JjeiratB^ete ben ^Pronomen (Sott* 
frieb Kirdi (\639— \7\0). ZITarie Hlargaretl^e 
Kirdj (\670 — ^720) redinete unb beobad^tete mit iljrem 
Hianne in Serlin, entberfte ^cn (Eometen von ^702, 
fd?rieb über bie (Eonjunction ber Sonne mit Saturn unb 
Penus, foroie über bie bes 3ttpiter unb bes Saturn, be« 
redjnete nadj bem Cobe bes HIannes Kalenber für oer- 
fdjiebene Stäbte. 7>as (£I?epaar Kirdj liatie 3U Kinbem 
bcn 2ljhronomen €l|ripfrieb Kirdj (^69^— ^7^0) unb 
(EEiripine Kirdj (H696— ^782), bie iB^ren Sruber bei 
feinen 3eobad)tungen unb Hedjnungen unterjtüfete unb 
burdi r>iele 3<xt|re ben Kalenber für Scijiejten beredjnete» 

2lnna Barbara Heinljart, Cod^ter bes Hatl^s- 
Ijerrn Salomon Heinl^art in IPintertB^ur (H730 — ^796), 
oeröffentlidite (tDenigjiens unter iljrem tarnen) nidjts 
ZRatljematifdies, liaite aber groge Sä^xgUiien, fobag 3oI?. 
BernouHi fie über bie bu (Z^atcUt fefete unb Daniel 
BernouIIi be3eugte; jte I^abe bes HIaupertuis ^uflöfung 
bes Problems pon ber courbe de poursuite bebeutenb 
ermeitert unb perbeffert. 

2JTaria Klara €immart, Cocf^ter bes ZHalers 
unb 2ljlronomen ©mmart (1(638 — ^705), Ijalf iljrem 
Pater bei feinen ajironomifcf^en arbeiten, fdjrieb J(70^ 
,Jconographia nova contemplationum de Sole," I^eiratl^ete 
1706 bm profeffor 3oB?. J^einr» ZHüIIer in 2lItorf unb 
jiarb \707 im lüocf^enbette. 



80 n. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matl^cmattfd^eu Calcntcs. 

2)ic iüngjic Sdimcjler Zydto SraB^e's Sopljia 
Sralje foll matljCTnatifdj begabt gcmcfen fein. 

Die scoeüe 5röu bes £ubolpl| van (Eeulen (ober 
(Collen), ber ^5^0 — \6\0 Übte, 2lbriana Symons 
(ober Simons) [djeint an feinen matl|emalifd?en 2lrbeiten 
tl^etlgenommen 3u Ijaben unb gab nad? feinem Cobe fein 
Siaixptwcxt l^eraus, £uboIpIj I|atte aus 3tt>ei (£Ijen smölf 
Kinber. 

Caroline fjerfdjel (\750—^ 8^8) begab jt* 
^772 pon J^annoüer 3U il|rem großen Sruber nadj SatJj 
unb unterfiüfete il|n in feinen ajlronomifd?en arbeiten bis 
3u feinem Cobe. Sie feierte barauf nadj J^annoüer 
3urücf, n>o fie unperl^eiratljet parb. Sie E|at adjt (Eometen 
entbecft unb »mel^rere Sternfataloge oerfagi^) 

Z^anrxeVnm^e aus paris, bie 5tau eines Haupt- 
mannes, ber in Deutf d^lanb fiel, als fie ^7 3aljre alt 
loar, fdirieb : Entretiens sur ropinion de Copernic touchant 
la mobilitd de la terre (um ^680). 

(ßabriele (£milie bu (Eljatelet, Cod?ter bes 
Sarons be Sreteuil unb 5tau bes (5enerals HIarquis 
bu €I|ateIet-Caumont (\706 -17^^) fdirieb Institutions 
de Physique, gewann einen preis ber 2lcabemie burd} 
bie 2tbl|anblung sur la nature et la propagation du feu, 
überfefete Zten>tons Principia mathematica. Sie wax, B^eijt 
es oon ber 5teunbin Poltaires, oon ber peradjtenben 
5red?B^eit ber grogen lüeltbame, oon genialem <6eijle 
oBjne ade l^ingebenbe 2tnmutl|, eine geleierte Dirago. Sie 



*) Biograpl^ic oon <L, Brul^ns in ber ^lügemcinen Dcutfd^cn 
Biograpl^ie. 




Caroline ^erfdjei. 



C. Ucber bie matl^cmattfd^cn VOcxhex. S\ 

lieg ftd] fpäter mit bem Sdjöiigeipe be 5t. £ambctt ein 
unb parb an bcn 5oIgcn einer 5rüljgeburi 

Sopljie (ßermain (\776— \830 lebte unoer» 
l|eiratl|et in paris unb fdjrieb eine Heilte ntatfiematifdier 
2luffäfee, ^m 3aljre \8116 gemann fte ben oon tlapo* 
leon in 5oIge ber acuftifdjen Derfudje (£l|Iabni'5 aus- 
gefegten augerorbentlidjen preis ber 2tfabemie, augerbem 
erl|ielt fte brei TXial ^as 2lccef jtt. Sie n>ar eigentI|ümKd], 
»erlieg burd] oiele 3aljre iljr gimmer nidjt. 

5rau Cepaute, geborne ZticoIe»Heme fitable be 
la Sri^re (H723— ^788), l^atte \HS ben n>iffenfdjaftlicljen 
UI|rmadjer 3ean 5lnbrd Cepaute geljeiratljet. Sie gab 
Ijeraus: Carte du passage de l'ombre de la lune au 
travers de TEurope dans l'^clipse annulaire de soleil qui 
doit arriver i. Avr. 1764, unb madjte nidjt nur alle 3u 
biefer Karte nötljigen Hedjnungen, fonbern n>ar aud] 
eine fleißige ZHitarbeiterin an ben Connaiss. des temps 
unb an Calanbe's (£}>I|emeriben. Sie beredjnete andt 
eine Cafel ber penbellängen für if^ren ZHann, 

Filarie 3eanne 2lntdlie £a £ant>e, geborne 
fjarlay (geb, 1(768), n>ar feit ^790 bie (ßattin von ZITidjel 
3can €a £anbe, bem ^Ijironomen unb tleffen bes großen 
£a £anbe. Sie unterftüfete 21Tann unb ©nfel bei ajlro* 
nomifdjen Seobadjtungen unb Hedjnungen, beredjnete 
5. S. bie Cafein 3u bes lefeteren Abr^g^ de navigaticm. 

TXlaty Someroille, geb» \780 bei €binburgt|, 
•5rciu bes Dr. med. tDiU. Someroille, oerfagte afirono» 
mifdje unb piiy[\ta\x\die 5lrbeiten, bie sunt Cljeil in's 
Deutfdje überfefet worben ftnb, roar feit \835 (£t|ren- , 

Znöbtus, xnattjematifer. 6 



82 n. Beiträge 3ur Kenntnig bes matljematifd^en öüalentes. 

mitgüeb bcr Royal Astronom. Society. 3^Jf Pater wat 
ber Piccabmiral Sir Wxü, (ßge. 5öiiffci^, jic toar in 
crjier (£l|e mit bcm Znarineofftsicr Samuel (ßrcig ocr= 
bunbcn getoefen, ber fte in llTattiemattf unb pIiYJtf unter- 
ridjtet Ijatte. XTadj il^rem Cobe (\872) gab iljre Codjter 
2Hartt|a il|re Siograpf^ie I^eraus* 

(£♦ 3fi5 pogfon voav bie Codjter bes Directors 
ber Sterntoarte in ZHabras, Norman Hob, pogfon (^809 
bis \S%). Sie r»urbe 2tfftftent bes Paters unb \88^ 
meteon (ßopernor*Heporter bei ber präjtbentfdjaft. 

Znarie mititcU (\8\8— \889) mar bie Codjter 
bes SdjuIIel^rers rDifliam mUdieü (11793—^869), ber 
eine 2ln3aI|I ajlronomifd^er ^uf fäfee peröffenllidit l\at Sie 
unterridjtete in ber Sdjule bes Paters, trieb fdion fruit 
2ipronomie, entbedte auf iE^res Paters Sterntoarte 5U 
Ztantude IHaff. am \, ©ctober ^8^7 ben (Eometen, ben 
be Pico erji am 3. 0ctober falj, unb beredjnete bie 
(Elemente. Später roar fte profeffor am Paffar College 
3u pougB|feepfie UTaff. unb 2TCitgUeb ber ^merif. 5lfabemie. 
Sie I^interlie§ meE^rere 2tbl^anblungen. 3I|r Bruber, 
^enry Znttdjell (geb. 1^850), mar fjafencommiffar, 7Xl\U 
glieb ber 5Wabemie unb Per f äff er plivjtf alifdi-geograpE^ifdier 
arbeiten. 

Sopl^ie Komalemsfv (\850 — \S^\) war bie 
Codjter bes 2trlilleriegenerals Corpin • Kruf on>s!Y; bie 
<ßro§tocIjter bes 2tpronomen unb ZlTatl^ematifers 5riebridi 
Cl^eobor Sd)ubert. Sie mar äugerlidj it^rem Pater äljn« 
lidj. (£in etmas munberlidjer 0nfel liebte su pt^ilofo« 
pt^iren unb aud] über ZlTatfiematif ju reben, obmoljl er 




7^ 
Sophie fioroalwtjgkg. 



C, Hebet bic matl^cmattfd^cn VOeihex, 85 

nid)t5 bavon üctftanb» Dtefe Heben maditert €inbrucf 
auf bas Kiiib unb ^etn>ecftcn in mir bic ßcbe 3ur 
UTatljematif"» Die Kinbcrjhibc wav mit ben litljogra* 
plixvten Sldttcrn aus ©firograbtfi's Poricfungcn über 
Differential- unb 3ntegraI»Hedinung, bie ber Pater f. g. 
geijört Ijatte, tapesirt Vas Kinb grübelte über bie ge* 
fieimnifooHe Wanbf prägte jtd] bas 5leugerlidie ber 
5ormeIn feji ein unb merfte jtdi mand^e Siixdc bes 
Cejtes» ^Is ^5iäl|riges ZITäbdjen erl|ielt 5opI|ie Unter* 
ridit in ber Differentialredjnung, fie mad]te rafd^e SotU 
fdiritte unb bei ^en €rflärungen bes Cet^rers taudjten 
bie alten Formeln unb IDorte ber IDanb auf» Später 
Pubirte jte in Qeibelberg unb Serlin. „Pier 3at|re be- 
trieb fie nun il^re Stubien unter XDeierftrag' Ceitung; fie 
blieben von entfd^eibenbem (£influ§ auf it^r ganses 3u- 
fünftiges »iffenfdjaftlidjes Sdjaffen. Siefes entwicfelte 
pdj immer in ber von IDeierfira§ angegebenen Hidjtung» 
^Ile. iljre »iffenfdjaftlidien 2lrbeiten finb 
2tusfüljrungen unb (£ntn>i(f elungen berSäfee 
bes Zneipers," Sie n>arb \883 prioatbocent, \88^ 
profeffor ber ^Inalyps in StodEjoIm. (£ine iljrer ^x* 
beiten erwarb iljr einen preis ber parifer 5lfabemie. 
Sie 2lrbeit Blatte fie frül|3eitig erfd^öpft, fie befdjäftigte 
pdi burd] lange geiten gar nidjt mit IHatEiematif, fonnte 
nur meljr jiogn>eife tE^ätig fein. Xladt bem Cobe iljres 
llTannes (11883) alterte pe rafdj, „it^r (ßeifi I^atte an 
Klarljeit eingebüßt''« (Siograpt^ie von ^nna Ct^arlotte 
£effler.) 

5rau ^ofratti XPitte in ^annooer, ZITäbler's 

6* 



8^ n, Beiträge 3ur Kcnntnig bcs matljcmatifdjen Sialentes. 

SdjtDiegcrmutter, intcrefftrte jtdj fcljr für afironomic unb 
©erfertigte ein TXlobeü ber fldjtbaren ZnonMjalbfugel, bas 
in 3oIjn ^erfdiefs Sejtfe fam» ®b jte matt^ematifdie 
Anlagen getrabt Ijat, n>et§ idi nidjt 

Heben liefen 20 bes»» 2\ grauen unb lltäbdien, 
^ie n>egen iljrer Ceijhingen in ben 2lnnalen ber matlje» 
ntotifdjen XDiffenfdjaften ertoät^nt n>erben, fdjeint es eine 
größere gaE^l toeiblid^er perfonen 3u geben, bie bas 
matt^ematifdie Calent toenigfiens infotoeit befifeen, bafe pe 
matE|ematifd]e XDiffenfdjaften Pubiren fönnen. Xladi ber 
,, Ztorbbeutf djen ^lllgemeinen Leitung" n>aren im XDinter 
^ 898/99 auf preugifdjen Uniüerjttäten ^\^ n>eiblidie gu« 
Ijörer sugelaffen (238 in Serlin). Von it^nen jlubirten 
^5 maifymatxl ^5 naturn>iffenfdjaften (einfdjL pIjYpf 
unb ^jironomie). tDiH man fidj auf fiatiftifd^e Per- 
mutljungen einlaffen, fo fann man annet^men, baß im 
günpigjien 5öIIe auf { IHillion »eiblidjer perfonen \ 
mit matl|ematifd]em Calent f omme. €5 ergiebt alfo biefe 
Setraditung basfelbe, was bie täglidje €rfaljrung leljrt, 
t>aj^ bie IDeiber in ber Hegel ol|ne Einlage für ZHatt^e» 
matif jtnb. (ßetoölinlid] finb bie XPeiber nid)t nur un« 
fällig, matljematifd^e Sesief^ungen aufsufaffen, fonbern fie 
empfinben audj eine 2trt von 2lbfdieu gegen alles gal^Ien- 
mäßige» Damit I|ängt woiii audj bie n>eitoerbreitete 
meiblidje Unpünftlidjfeit sufammen» 3n gen^iff^m Sinne 
fann man fagen, ^as ZlTatB^ematifdie ifi ber (ßegenfafe 
bes XDeiblidjen» ZlTödjte biefes in grenjenlofen (ßefül^len 
oerfd]tt)immen, fo gipfelt männlidje Klarl^eit in ber (gjact* 
Ijeit, b. I|. bem gal|lenmäßigen. Tlndi bringt bie Polfs* 



C. Heber bie matl^emattfd^cn IPeiber. 85 

meinung Cicbc unb matt^ematif in (Scgenfa^. Houffcau 
crsäljlt, ba§ er «>äljtenb feines Slufentljaltes in Penetig 
einmal bei einem »unbertjübfdjen IHäbd^en gen>efen fei» 
3ebod], fiatt frifdj susugreifen, überlief er ftdi nadi feiner 
2trt (ßebanfen unb (ßrübeleien, bis bas TXläbdtcn bie 
(ßebulb üerlor unb in üerädjtlidiem tCone 3u iE^ fagte: 
lascia le donne e studia la matematica! Uebrigens i^at 
bie Penetianerin nidjt gans Hedjt. 2luf jeben 5ött ift 
bie ZITatt^ematif bem Ciebestoerfe weniger abtragtid] als 
bie pt|iIofopI|ifdie tleigung, t>cnn bie meifien großen 
ZlTatt^ematifer fdjeinen glürflid^e 5cimiIienoäter gen>efen 
3u fein unb mandje, bie nidjt oerljeiratljet toaren, Ijaben 
natürlidie Kinber Ijinterlaffen, n>ie (SalxUi, Descartes, 
£eibni3.^) 

ZITan fann alfo fagen, ba% ein matljematifcljes XPeib 
toiber bie tlalur fei, in getoiffem Sinne ein ^toitter» (£s 
ift I^ier nidjt anbers als bei anberen Talenten» (ßelet^rte 
nnb fünfHerifdje S^CLVien ftnb €rgebniffe ber €ntartung. 
Xlnt burdj 2lbn)eid]ung von ber Tlxt, burdj franfljaffe 
Peränberungen lann bas XDeib anbere tCalente; als bie 
3ur (ßeliebten unb 2TCutter befäljigenben, ertoerben. (£s 
ift baljer 3u ertoarten, ba% bei t>cn talentirten XPeibern 
audj anbere ^Ibtoeidiungen 3u ftnben feien. Sefannt ift, 
ta% fogen. geniale XDeiber getDÖi^nlid} toie oerfleibete 



^) Unucrt^eiratt^et waxcn freilid? gerabc groge IHänner. (Es 
gcl^öreft 3U ^en £cbigen 3. 3. (Salilei, (Saffenbi (geiftl), pascal, 
Descartes, ^uygens, (JoirteneUe, b'2llembert, Itemton, tliclaus H 
unb Daniel BemouUi, £eibni3, Hant, fjumbolbt, ^JranfUn (ein un= 
etjel. Sol^n), 3ol^. Bolyai, göUner, Dalton, Secdfi (gciftl.), 
W. IPebcr, IPctcrftrag. 



86 n. ^eiixä^e 3ur Kcnntntg bes matljcmattfd?en öüalcntcs. 

ZRännct ausfcljcm TXlan benfe 3» S. an bk in bcr 
Ufeten Seit üidfadi abgebildete Hofa Boniteur» Pon 
^en ZlTatljematiferinnen jtel^t befonbers Sopl^ie (ßermain 
männlidi aus« Die KotoaletDsfv S^^Ö^/ ^«g (ßefunbt^eit 
unb t^eroorragenbes fLaUni beim XPeibe fdin>er sufammen- 
bejieljen. Sie wax in E{ot{em (ßrabe neroös, leibenfdiaft» 
Iid)e €rregungen madtUn jte früt^seitig alt unb franf. 
3)ie (ßermain n>ar ein gutartiger Sonberling. Die Cljatelet 
in iljrer Sdiamlojtgfeit jlellt ben fdlümmen Cypus eines 
-entarteten XPeibes bar» 7lm meinen (ßutes iji oielleidjt 
von Caroline ^erfdjel 3U fagen : jte n>ar in iljrem XPefen 
ix)eiblidi, babei gefunb unb tüdjtig, erreidjte ein fet^r 
Ijoljes 5Hter» Von ben meinen matt^ematifdjen XPeibern 
freilid] roeig man 3U roenig; als bag man über bas 
patBjologifdje bei iE^nen urtt^eilen fönnte» 

(£s ift eine Uebertreibung, n>enn 00m matt^em« (ßenie 
bei XPeibem gefprodjen n>irb. Ztiemanb n>irö be3n>eifeln, 
bag bie ZlTatt^ematif jtd] ebenfo günjHg entwicfelt Ijaben 
tPÜrbe, n>enn bie aufgesäE^Iten »eiblidjen ZlTatljematifer 
tiidjt gelebt I^ätten. Keine Ijat ettoas XDefentlidies ge» 
Ceijlet, neue ZlTetlioben erbadjt. Sie waren gute Sdjüle* 
rinnen, nid)t meljr» Die Biograpt^ie ber UowaUvosfy 
f agt fet^r treffenb, bag iE^re ganse Arbeit in ^usfül|rungen 
ber oon tDeier^rag gebadeten ßebanUn bejianb. Caro 
(ine ^erfdjel roar ber getreue 5lfjtjient iljres Brubers, 
nadi feinem Cobe 30g jte jtd] in bie Stille 3urücf» 2lm 
origineHjlen fd)eint bie (ßermain gewefen 3U fein» 



D. lieber bxe Beengungen öes mattjemattfdjen 
Calentes. 



Unfcr XPiffen iji Stndwcxt Vavan wnb man nadf 
brüdlid] erinnert, n>enn man über bie Sebingungen ber 
Calente nadjbenft 3jl es aud] stDetfeüos, ba§ bie Ein- 
lage 3ur Znattiemalir mit 3ur IDelt gebradjt toirb, ba% 
iljre (ßröge unb iE^re €igenart vor ber (ßeburt beftimmt 
n>crben, fo fragen toir bodj geroölinlid] umfonji nadi 
bem IDte. tlatürlidi mu§ bie SefdjaffenEieit bes Kinbcs 
von ber ber €Itern abklängen unb oon üornljerein er» 
geben jtdj befonbers stoei ZIToglidifetten, enttoeber toirb 
bas Calent bei einem ber Crseuger, best», bei beiben an* 
getroffen, ober es entpeE^t erft nadi ber Permifd^ung bes 
oäterlidjen Keimftoffes mit bem mütterlidjen n>ie eine 
neue djemifdie Derbinbung. 5r«iHdi mu§ man gleidi 
Ijinsufügen, ba% audj im lefeteren Sdüe beftimmte (Eigen» 
fdjaften ber elterlidjen Keime förberlid] geroefen fein 
fönnen, unb man n>irb bies bann annel^men, roenn bei 
ben (Eltern matl^ematifdi begabter Kinber 3tx>ar nidjt bas 
matE^ematifd^e tCalent felbji, aber anbere Calente relatip 
oft gefunben toerben foHten. €nblid] ift bie Znögli(ijfeit 



88 n. Beiträge 3ur Kenntnig bcs matljematifd^en öüalentes. 

bes ^Itapismus 3U bcbcnfcn, b. I|. bcs Catentbktbcns 
einer Anlage in einer ober in einigen (ßenerationem 

Um mxdt einigermaagen 3U orientiren, Itahc xdi 
poggenborff' 5 „Siograpt^ifdi • Citerarifdjes JjanbtDÖrter* 
budi'' burdjgefelien unb Ijabe babei bie Hamen ange« 
merft, bie meE^reren ^Ingeljörigen einer 5cimilie gel|örten. 
Die 5d)n)ierigfeit babei n>ar, ansugeben, bei wem nodj 
matljemalifdjes Calent ooraussufefeen ift (Et^emifer fönnen 
es iiaherif braudjen es aber nidjt, (ßeologen pnb siemKdj 
in ber gleidjen £age, ZtTineralogen braudjen bie ZlTatlje- 
mati! 3ur KrvftaHograpIiie, aber nidjt alle ZHineralogen 
jtnb KrY^allograptien, pt^vfifer enblidj toerben faft immer 
matE^ematifd] begabt fein, inbeffen fann man in mandten 
(gebieten ber pB^yjtf mit toenig ZHatEiematif 3uredit 
fommen. 3n 5ranfreicli getoäl^rt bie Eingabe, ba% (Einer 
ber Ecole polytechnique angel|ört Ijabe, einige Sidjert^eit, 
in Deutfdjlanb unb (£nglanb feljlt ein foldjes ZlTerfmaL 
3m gtoeifel htabc idj midj bat^in entfdjloffen, CE^emifer 
unb (ßeologen nidjt 3u berüdjtdjtigen, pl\y[xUt als TXlaÜi^ 
matifer gelten 3U laffen, bei ZITineralogen midi naii bem 
3nljalle ber Sdjriften 3U rid)ten. 3^ nadjbem man 
jlrenger ober iDeitt|er3iger ijl, roerben bie ^al^Ien Heiner 
ober größer toerben; ^a <£^acil\c'\t fo toie fo nidjt 3U 
erreidjen ift, fommt es auf ein paar 5«W^^ "idjt an. 

Unter biefen Porausfefeungen B^abe id] folgenbe 
galjlen ert^alten. 

JUatljematifdjes Calent bei Pater unb S>ol\n fanb 
jtdi 2\5 TXial Unter biefen 2^5 n>aren 35 mit mel|r 
als einem matl^ematifcljen SoE^ne. Pater, Soljn unb 



D. Uehev btc Bcbtngungen bcs matt^emattfd^en Talentes. 89 

€nfel famcn \7 TXlal vot. (Sto^vatet urtb €nfel 
5 TXial ®nfcl unb tleffc 20 JJIaL 3e aioei Vettern 5 
TXlal (ßefditpijier mit mattiematifdjcm Calcntc gab ^5 
\3\ Xfial TXielix als iwex Brübcr söljlte idj 23 lltal, 
3rubcr unb SdjtDcftcr 3 JTlal. 

3m 5oIgcnben gebe id] eine Ucberjtdjt über eine 
2(n5at{t oon 5öniiUen, in ^cneh burdj meljr als 3tx>ci 
(ßcnerationcn jtdj bas matljcmatifdie Calcnt ert]ielt. 

Becquerel, »ntoine (Edfar, ^ 788— \ 878, M. de l'A. 

des Sc, piiYJtfcr, 
— , aic^anbre (£bmonb, geb. ^820, phty^Ux, 
— , ^Intotne ^cnri, geb. \852, piiyfxUt. 



3reitljaupt, 3oI|, £E|rijHan, ^756—^800, ^of* 

medjanicus in Caff el, (£rfinber piiy[xfaL u. malt|cm. 

3npramente, 
— , Steint. Carl tDiIE|,, \ 775— \ 856, Znedjanicus u. prof. 

b. ZHatE^. in Caffcl, 
— , 5ricbr. tDiII|., \ 780-^750, fjofmedjanicus u. Ztlüns- 

mcijler in Caffcl (matE|. 3nPrum.), 
— , 3ol^. ^nton Couis, \ 783— \ 838, ©berft-ficut. in bex 

^IrtiHerie, 
— , (ßg. Wxlii. ^nton, SoE^n r». 5ricbr. Xüill|., geb. \806, 

Ct^cillj. am matl|.»median. 3"Piiut b. Paters. 



C a r n o t , Casare Nicolas ZlTargucrite , \ 753 — \ 823, 
3"9^"i^wr»Capitän, IHitglicb bcr Hegicrung, M. de 
TA. des Sc, ZlTatE^cmatifer, 



^ II. Beiträge 3ur Kcnntnig bes matl^ematifd?en öüalentes. 

(Earnot, Sa^x, \ 796 —(832, SdtnUx ber Ecole poly- 

technique, (ßenieoffistcr, 
( — ; Casare ^vpolyte, geb» \80t, ^Iboocat, JTKnijler unb 

ZtlitgKeb bcs 3njHtut5), 
— , ZlTarie 2tt)oIpI|C, geh (839, ^<>^" *><>" ^vpolyte (£., 

Sdjülcr ber Ecole polytechn., prof» bcr Ct^cmie unb 

Znineralogic, 
( — , IHarie St^cl^x^oxs Sabi, trüber b. Der., Zninijlcr b« 

öffentL Sauten, f «I^ präftbent ber Hepublif). 



£affini, (ßiooanni Somenico, (625— (7(2, M. de TA. 

des Sc. urtb Director ber 5terntx>arte in paris, 
— , 3acque5, 5ol|n, (677— (756, M. de TA. des Sc. (feit 

(69^) u. Dir» ber Stemtoarte in paris, 
Caffini be CB^ury, (Z6\av 5ran9oi5, €nfel, (7(^ bis 

(789, M. de l'A. des Sc. (feit (736) n. Vit. ber 

Sterntoarte in paris, 
Caffini, 3acques Dominique, Comte be Ctjury, Urenfel, 

(798— (8^5, M. de TA. des Sc. (feit (779), Dir* ber 

Sternkarte 3u paris bis (793. 

(Des Urcnfels Sol^n 2llejanbrc ^enri (Sabricl, ^78^— ^83^, 
mar Botanifer; mit il^m erlofd? bas <5cfd?led?t.) 

Dasu 

ZlTaralbi, (ßiacomo Süippo, tleffe bes (ß. D. Caffini, 

(665- (729, M. de l'A. des Sc, ^Ifironom, 
— , (ßiopanni Domenico, beffen XTeffe, (709— (788, 

M. de l'A. des Sc, ^Ifironom. 

(3ct6c Vfl. ftammtcn aus perinalbo bei tTi33a. €s Qah ttoc^ 
3ipct 2lftronomcn bicfes ZTamens: Jacques pl^tlipp IHa» 
ralbi, geb. ^7^6 in perinalbo, unb be^en Soljn, Jacques 
^rangois irtaralbi, geb. (779, ber lalanbe's (Set^iHfe iparb.) 



D. Heber btc Bebtngungcn bes matl^cmattfd^en Talentes. ^\ 

(Celfius, TXlaqnixs Xlicolans, \62\ — \67^, Pfarrer unb 

Soiin eines Pfarrers, prof» b. ZlTatlj. 3u Upfala, 
— , Xlxls, \65S—\72% Prof. t>. maili. in Upfala, 
— , ^Inbers, \70\— \7^^, prof* b* Tl^ton. 5U Upfala. 



€uler, paul, Pater, qe% 17^5, Pfarrer in Hiedjen 

(ober Hielten) bei Safel unb Sdjüler 3öcob Ser- 

noulli's, oeröffentlidjte eine maiiicm. Sdjrift, 
— , Ceonljarb, \707— 11783, jlubirte (Kieologie, ZlTatlje- 

matif unb 2TIebicin, fiarb erblinbet in 5t. peters« 

bürg (ogl 5* 53), 
— , 2oit*2ahtcdtt, Solin, \73^— \800, profefforb.pIjYJt^ 

^ipronom unb 7X1. ber ^Ifabemie in 5t Petersburg, 
— , Carl, 5oIjn, ^7^0— \790, Ceibarst u. aftronom(?) in 

St Petersburg, 
— , €t|rijlopI?, 5oIin, ^7^3 — ^ 8 (2, (ßeneral unb ^Ijlronom, 
5ug, tlicolaus oon, 5djn>iegerfot|n, \755 — \826, 2TI. b. 

^Ifabemie in St. Petersburg, ZITatEiematifer, 
— , paul ^einrid? oon, «nW, \ 797— \ 855, m b. 2tfab. 

in St. Petersburg, ZHatt^ematifer, 
— , (ßeorg 2tlbert, €nfel, \806— ^85^, JHrector ber 

Sternroarte in XDilna, 
— , Pictor, Urenfel, geb. ^839/ ^jironom. 

21 nm.: (Eine 2od?tcr 3otj. 2llbrcd?t (£ulcr's Ijeiratljete ^789 
3acob BemouUt II, bod? crtranf biefer fd^on smet HTonate 
fpäter. 



92 n. Beiträge 3ur Kcnntni§ bcs matl|cmatifd?cn Calcntcs. 

<5 au ticr, ^Ifr^bc, \793— ^88^, prof. b. ^Ijbron. in 

(5cnf. 

(3ean 2Intoinc (Sauttcr, ^67^—^729, wax pi^yftfer ». prof. 
b. pijtlof. in (Senf.) 

— , fiticnne 2llfr^be, ^822— \89^, Hauptmann im (5enic- 

Corps u. ^jhonom, Itcffe bcs X>or., 
— ; Hapal; geb. ^85^, prof. b. 2tfh:on. in (5enf, Soljn 

bcs X>origcn. 

fjambcrger, <5g. 2«brcd|t, \662— ^7^6, prof. b. 

inatl|. in 3^"«/ t)crl|eiratl|et mit firf^arb WügeVs 

(\625-H699) Coditcr, 
— , <5g. €rl|arb, \697— ^755, prof, b. ZlTeb. unb ber 

i>ity[xt in 3^"«/ 
— , Ttbolpii 5riebr., ^ 727— ^ 750, ZlTeb. [Diss, de calore 

in genere], 
— , Tlbolpk Tllhtcdit, ^737— ^78., Tlv^t unb pIjYJtfcr 

[Diss. qua causa motus planetarum explicantur]. 



^ er f diel, 5riebr. Xüillj., ^ 738— ^ 822, tarn \757 als 
^autboifl Don ßannoper nad] Conbon, bann IHujtf- 
lel^rer in Ceebs, bann ©rganij! 3U Batfj; I|ier ent- 
bedte er ben Uranus, \782 prioata^ronom bes 
Königs, feit ^78^ ZHitgl. b. R. Society, 

— , Caroline Cucretia, ^ 750— \ 8^8, 5d|iDejler 5r. XD.'s, 
arbeitete mit bem Bruber \ 772— \ 822, ^ntbedte 8 
£ometen u. f. id., 

— , Sir 3oIin 5reb. XDittiam, ^792- \87^, 2lfh:onom, 
Znitgl. b. R. S. feit \S\5, 



D. Viehex bxe Behin^un^en bcs matljcmattfd?cn Calcntcs* ^3 

fjcrfdicl^ 2Hcy. Stewart, 2. Soljn b. 2^or., geb. \S56, 

. prof. b* pI^Yp' »• ^itgL b. Astron. Soc, 
— / 3oljn, Brubcr b. 2^or., geb. \837, „Roy. Engineer", 
Züatii. u. 2ipronom. 



Karben, Wcnceslans 3oB?. <5ufi, \ 752— \ 787, prof. 

b. Znatf^. in ^aEe, 
— , Sicbridj £ubip. <5uft, J1768— JlS^O, SoEjn bcs Vov., 

Znincralog, ZHitgL b. ^fab. in Scriin, 
— , 5ran5 Cl^rift. Corcns , ^75^—^829, Srubcr oon 

Wenceslans, <5el^. (Dhexhevgvailt u. ZHitgL b, ^fab. 

in Serlin, 
— ^^, ^ermann, 5oI|n bes Por., \809— ][877, prof. b. 

ZHatli. in Hoftod, 
— , »ruber bes Por., geb. \820, prof. b. pEjvftf in Kiel. 



Knorre, (gmft Cl^riflopl^ 5riebr., \759— \8\0, prof. b. 

ZHatli. u. ©bferpator in Dorpat, 
— , Karl 5riebr., ^80)1 — \883, Director ber Sternwarte 

in rticoIajetD, 
— , Pictor, geb. \8^0, ©bferüator a. b. Sternirarte in 

Serlin. 



Cauremberg, Willi., \5^7—\6\2, prof. b. ZHatl^. u. 

ZHeb. in Kopod, 
— , peter, ^585—^639, prof. erft ber pB^iIofopI|ie, t>ann 

ber ZlTeb., ^ann ber pI|YJtf u. TXiaiii. in fjamburg, 

Sulefet prof. b. poejte in Hojtod, 



9^ II. Betträge 5ur Kenntnig bes matljematifd?en Calentes. 

Caurcmberg, 3oli. Willi., ^590—^658, Brubcr bes 
Vov., prof. b. pocjtc in Hofiocf, bann prof. b. 
Zriatfj. in Soroc auf Scelanb, 

— ; ScbajKan, geb. ^626, Soljn bes Vor., prof» b. 
Zltatt). in Soroe u. Kopenf^agen. 



Caoater, Cubroig, \527 — \586, (Eljeolog u. Ciebfjaber 
b. 2tjlronomie (Cometen-Catalog), in ^^ndi, 

—, ^cinrid?, H 560— ^ 623, Dr. med., prof. b. pliTpf u. 
TXiatli. in güridj, 

— / 3oI|. fjeinridi, 16U— \69^, Dr. med, prof. b. pBjYJtf 
u. Znatl>. in gürid]. 



Zltubge, (CEjomaS; ^7(5 — ^79^, berüljmter Ul|rmad]er 
in Conbon, Sdirift^eEer über CBjronometer, 

— , 3ol^n, ^72^— \793, »ruber bes Por., ^Irst, fdjrieb 
über bie ^erjleEung ber (Celefcope, 

— , XDiEiam, ^762 — 1(820, 5ol|n bes Por., (5eneral unb 
ZHatlicmatifer, 

— , IDiUiam, gejl. 1(857, 2lbmiral 



Hepfolb,!) 3ofiann (Sq., ^770— ^830, ZlTatljematifer in 
Hamburg, lieferte ausges* ajhron. ^^^ixum^nte, mad]te 
felbp afhronomifdie 3eobad]tungen, 

*) DgL Zladjricbten über bie ^Jamlie Hepfolb u. insbcf. 3o^» 
(Sg. H.; pon 3ol|. ^. H. fjamburg (88^. 

3ol). (5öi. ipar 5ol)n unb €nfel Pon (Etjeologcn. €r folltc 
felbji Cl^eoloöiie ftubiren, 3eigte aber fd?on als Kinb groges 3«' 
tereffe unb (Sefdjicf für medjan, 2Irbeiten, ipurbe (Seljülfe ber 
IPaffcrbauinfpection, bann „5pri§cnmetftcr" unb Ijetratbctc bic 
(Eodjter bes alten Sprigenmeifters, IHarg. Sdjarff. 




3. #. iRcpfolb. 



D. Ueber bic Bcbingungcn bcs matljcmatifdjen Calentcs. 95 

Hcpfolb, (5eorg, ^80^—^885] ^ ^^ ^ s v^ . 

^' , / } rtadifolgcr tcs t^aters, 

— , ^bolf, ^806—^87^ j M ö 

— , J^ans, geb, ^838, Soljn oon ^tbolpf^, arbeitete an ber 
Sterntparte in-2lItona, trat ^862 in bas <5efd]äft ein, 

— f (Dscav pl^ilipp/ geb. 18^2, jlubirte am polyUdin, in 
Süridi, trat in bas <5efdjäft ein. 



Sdjooten, 5tan5 oan, \5S\- \6^6, prof. b. Znatf^em. 

in Ceyben, 
— , 5ran5 oan, Solin, geji. \66\, prof. b. Znatf^em* in 

üeyben, 
— , petrus oan, finfel, ^63^—^679, prof. b. Znatf^em. 

in Ceyben. 

Struoe, 3öcob, Pater, \755 — \S^\, Kector b. ©vm- 

najtum 3U 2tItona unb ZHatf^emalifer, 
— , 5riebr. (5g. XDilf^elm, \ 793— 1186^, ^jhronom, 
— , ©tto Wühielm, Solin, geb. \S\% 2lftronom, 

(Struoe, ^cinr. IPtll^., Sol^n, <£l^cmtfer), 
— , JEjermann, finfel (oon ®tto VO.), geb. \Sd^, ^tjironom, 
— , Cubtoig, finfel (oon ©Ito W.), geb. \858, 2ljlronom. 

2>a3U 
— , ^luguft ein 2^etter oon ©tto ID., gejl. ^850, 2ljlron. 



Poigtlänber, 3oB|ann CB|rijlopBj, aus Ceipsig, ^732 
bis ^779, ©pticus unb ZlTedianicus in XDien, 

— / 3oB|. 5riebrid?, Sof^n, \ 779— 11859, <ßrünber ber 
5irma „V. u. Sotjn" in Wien u. Sraunfd|n>eig, 

— , Sigmunb, Sof^n, \ 770— ^ 822 ] festen bas (5efd|aft 



^^822 \ 
—^828 j 



— , XDilf^elm, 5oB|n, ^ 768— ^ 828 j bes Daters fort. 



^0 II. Beiträge 3ur Kenntni§ bes matl^ematifd?en Calentes. 

Voigtl&n^et, pctcr XÜUB|. 5ricbrid| von, €nW (SoEjn 
3oii. SmMdfs), (8^2—^878, in SraunfditDcig, 

— , iricbr., Urcnfcl, Itadif olger bcs Paters in Sraun« 
fdjtoeig. 

Vas fjauplftüd, bie 5atnilie SemouUi, liabe xdt bis 
Sulcfet aufgeEjoben. £}crr Dr. 2tuguft B., ^iporifcr in 
»afcl, i|at bic (5üte gcl|abt, mir über bie grauen in bcr 
5amilie unb über bic jüngeren <5Iieber, foireit es mög- 
lidt wav, ^usfunft 3U geben. 3^1 tcinn bal^er einen 
Seridit geben, ber ooIIj!änbiger ift als bie bisl^er er« 
fd^ienenen. ^di fd|icfe 5ur leiditeren ©rientirung ein 
5d?enta (auf 5. 9?) ooraus, auf bem bie 2ftamen ber 
ZHatlientatifer 3. gefperrt finb. 

\. 3ö<^ob SernouIIi 30g oon Antwerpen nadj 
5ranffurt a. ZIT., f \585. (2ftame ber 5rau unbefannt) 

2. Iti da US B., SoEjn 3acobs, j \606 in Stanh 
f urt a. Zn., perEjeiratEjet mit 2lnna be^arbeys, einer 
Krämerstoditer aus Antwerpen. 

3. 3acob 3. (H598— \63^) fam nadt »afel, 
BieiratEjete bie XDitttoe feines principals, bes Specereien« 
unb DroguenEjänblers Sv^y, beren <5efdjleditsname nid|t 
befannt ift. 

^. Zticlaus 3. {\625—\70S), Kaufmann in 
Safel; ,,2nitglieb bes grogen KatEjs, KedjenratE^ unb bes 
<5erid|ts" , üerEjeiratEjet mit^Hargaretlie 5d]önauer, 
Cod^ter bes fjanbelsmannes fimanuel Sdi*, finfelin eines 
HatEjsI^errn (matE|ematifd?e Sdi. pnb nid|t befannt). <£r 
I|tnterlieg \\ Kinber. 






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ITlöbfas, tnatljematifer. 



gS II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^ematifd^en Calentes. 

5. a) 3acoI) I {\65^—\705), 5. Soiin von ^, 
flubirte CI|coIogie nnö TXlatliemaixt (Mcfe aus frül|- 
crtoaditcr Steigung im <5cl^eimcn, w'iöex bcn lüiHen bes 
l^alcrs), iDurbe ^687 prof. bcr ZHatl^. in SafcL Vex* 
fjciratEjct mit 3wbit Stupanus. 

5. b) Zlicians (^662-^7^6), 8. Sol^n von ^, 
Kunjimalcr unb bcs HatEjs, ocrl^ciratl^ct mit Urfula 
5 1 d l| c I i n. 

5. c) 3o^ann I {\667 — \7^S), \0. Soiin von ^, 
foEte Kaufmann u>crbcn, tpanbtc jtdj \6S5 3ur lüiffen« 
fdiaft, jiubirte ZHebicin u. ZlTatl^ematif. prof. bcr UTatl). 
w» pI?Yp' i^ <5röningcn, ^705 in Safcl, i|eiratl|etc \69^ 
Vototiica 5alfncr, Cod^ter bcs Daniel 5v ^^s Hati^s. 
fjintcrlic§ 5 5öl|ne unb 2 pcrl:|cirall^etc Cöd^tcr. 

5. d) ^icronvmus 3. (^669—^760), 2tpotB|cfcr 
unb ZHaterialift, oerI:|ciratEjct mit Katl|arina(£bnctcr. 

6. a. a) Zticiaus 3. (f \769), SoBjn o. 3ocob I, 
ZHalcr u. Hall^sl^crr. 

6. a, /?) (£ine perl^ciratl^ete Cod^lcr. 

6. b. a) Xlklans l, {\6S7—\75% Soiin von 5b, 
foEtc TXlaUv tt)erbcn, ftubirtc unter bem fiinflfuffe bes 
©nfels 3acoB Zfiatl^ematif u. 3ura, mürbe \7{6 prof. 
ber ZlTatlj. in pabua, 17^9 in Safel erji prof. b. £ogif, 
^73^ ber Hed^te. Perl^eir. mit ^nna ZHaria Birr. 
fjinterlieg \ oerlieiratByete Cocftter. 

6. c. «) Hiciaus n, (^695—^726), Sol^n oon 3o» 
i|ann I, Itaiic großes 5prad|talent, ftubirte 3"^^« ""^ 
merfte erjl beim Unterrid|ten feines Brubers Daniel, ^a% 
er ein fertiger Zfiattjemalifer mar. prof. b. Hed)te in 



D. Uebex btc Bcbmgungcn bcs matl]cmattfd?cn Talentes. 9^ 

Bern, \725 prof^ffor bcr ZHatli. in 5t. Petersburg. 
Starb le^ig. 

6. c. ß) Daniel I (\700— \782), 5oI|n von 30- 
bann I, seigte frül^seitig matljem. tEalent, ftuWrte ZHebidn, 
\723 — \72^ in Oenebig u. pabua, \725 mit bem Sruber 
nadj 5t Petersburg, \753 prof. ber ^(natomie unb 
Sotanif in Safel, \750 prof. ber pl^vp^- Starb lebig- 

ö. c. y) 3o^ann n (^7^0-^790), 5oEjn von 3o. 
tjann I, jlubirte auger Vflatli. bie Hedite, \7^5 prof. b. 
(£Ioquen3 in Bafel, taufdite ^as ^mt mit bem prof. ber 
ZTTatljematif. Perli^eir. mit Sn^anna König, Codjter 
bes prof. ber Zllebicin, fimanuel K. (f ^730. JEjinter» 
lieg 5 5öl|ne. 

6. c. d. e) 2)ie beiben jungten Söl\nc von 3ö' 
t^ann I maren Kaufleute, fibenfo il|re Ztadjfommen. 

6. d) riiclaus {\70^—{7S6), SoBjn üon 5d, 
2IpotI^efer unb Ulaterialift, perljeiratl^et. 

7. a) ^acoh, (£n!el pon 3^cob I, rourbe Kauf» 
mann. ZHit iEjm jlarb ber groeig ab. 

7. c. a) 3o^ann in (^7^^— \807), 5oI|n oon 
3oi|ann II, mit \2 2* Laureat, jtubirte Zfiattjematif unb 
3ura, \76^ als 2tfabemi!er nad] Serlin berufen, Königl. 

.2ljironom in Berlin. Perljeir. mit X>eronica Sed, 
^ann mit (Caroline Cempell^of (oielleid^t Cod^ter 
Z>e5 (ßenerals u. Zltatliematifers tE. [^ 737—^807]). 

8. 3oI|ann III fjinterlieg meBjrere Soline u. tEödjter. 

9. €in (gnfel, 5riebr. ^bolf S., I^atte CEjemie jlubirt, 
loar lange Director eines €ifenn>erfes im Kaufafus, jlarb 
\89\ in »erlin. 



^00 IL Beiträge 3ur Kenntnig bes matl^emattfd?en Zakntes, 

7. c. ß) Daniel B. (\75\ — ^83^), SoEjn oon 
3otjann ü, jiubirte TXle^icin, prof. ber filoqucns in 
Safel, bann Domprobfieifdiaffncr, Vexltexx. mit ^nna 
€IifabetI| 3f^Hn, bann mit ZlTaric ZlTagbaUnc 
Burcfljarbt, (Cod|ter bcs Kaufmanns CeonE^rb B. 
hinterließ 6 5öl|ne, 

• 7- a y) 3acoI> n (H759— ^789), So^xx von 3o' 
liann U, jlubirte 3wra unb ZHatl^ematif, ging erji nadi 
3talien, bann rxadi 3t. Petersburg, fjeiratl^ete Ci^ar- 
1 1 1 e € u l e r ; Cod^ter von Gilbert fiuler, prof . b. TXiaili., 
ertranf aber 2 ZHonate nad) ber J^odiseit unb E^interlieg 
feine Ztadjfommen. 

7. c. 6) (£manuel 3., Kaufmann, Solin Don 
3oI|ann IL 

Seine Ztadifommen pnb in oerfd^iebenen Stäbten 
(Europas serftreut, bod? foHen Serufe, bie matE^ematifd^e 
Begabung ©erlangen, unter il^nen nid|t oertreten fein. 

7. c. «) niciaus B., 2lj)otljefer, Solin von 3o' 
I^ann IL 

7. d) fjierönymus 8. (\7^8— \829), 5oi|n oon 
6d, 2tj)otI|efer unb ITTaterialift, StabtratEispräjtbent. 

Die Ztad|!ommen oon ^ieronymus n>aren meift 
2ter3te u. Ztaturforfd^er. €s leben 3. gt nodj 2 2ler3te 8., 
einer, (ßu^ao 8., ift burd? feine Keifen in (ßuatemala 
befannt geworben. 2Iu§erbem gel^ört 3U biefem gmeige 
ber in Safel lebenbe profeffor ber ^rd^äologie, 5. 3. 8. 

8. c. ß) Cl^riftopii 8. (1782—^863), Soljn oon 
7cßf Cedinolog u. Ztationalöfonom in 8afel, prof. ber 



D. Ucbcr Mc 3cbm<jun9cn bcs matl^cmatifd?en Calcntcs. \0\ 

inbuftricHen XDiffßitfdiaf ten, üerl|eiratl^ct mttKatB)arina 
paraptcini. 

X>on Cl|ripopl|'5 Srübcrn waten 3 Kaufleute, 
^ Xlotav, \ Pfarrer. 

9. (gilt SoEjn CiiriftopEj's (ßu^ao (f ^879) war 
3ngemeur u. UTafdiineiiBauer. 

(Einer ber Kaufleute Ejiuterlieg einen 5oI|n, ber 
^anfier ift, aber eine Befonbere Segabung für fdjmierige 
Sered^nungen an ben Cag gelegt Ejat, 3. 3. als ^850 
bie 5diwei5 iBjren 2nün3fu§ änberte, ^en Heinertrag au5 
bem ZHetaHroertl^e ber abgenufeten (Selbjiüde im Poraus 
beredjnete. (gin anberer (£nfel (EEjripopB^'s, Sol^n eines 
Kaufmanns i^at 2TlatI^emati! jiubirt unb ift in einem 
optifdjen (ßefdjäft in Cöln angejteHt. 

\0. Der (£nfel (£E|ripopB^*s pon (ßuftao mürbe Kauf« 
mann. 

(gin (gnfel bes riotars ift Tltdixteft 

8. c. e) CBiriftoff 3. (\785— ^8)12), 5ol|n üon 
7 c 6, Cljemüer, f 27iäl^rig. 

£eoni|arb S. (f \87t), Sol^n Pon 7c£, Droguip, 
moHte ^rd^iteft »erben unb baute nod? im ^Iter eine 
Sonnenul^r. 

9. c. e) 3oBjannes S. (f I895), H. Solin von 
Ceonljarb, CBjemifer unb Droguip. 

2luguft 3., 2. 5oI|n oon €eonI|arb, fjiftorifer. 
Seine 5rau fammt aus einer 5cimilie, in ber aus« 
gefprodienes Calent sur 2TlaIerei oorljanben n>ar. 

Der 3. 5oEjn oon CeonB^arb, Droguip, naEjm mit 
50 3alli^ßn pripatunterrid?t in ber ZHatEjematif. 



^02 II- Beiträge 5ur Kenntntg bes matt^emaiifd^en (Talentes. 

HO. c. e) Vet \. Soitn ^ugup*:5 ftubirt pl^vfif, 
Cf^emic u. TXiatii^matit. 

Der 2. Sollen ^uguffs tpiH ZlTalcr »erben, aud^ bie 
5d|iDefter malt. 

Der 5oi|n bes 3. Sol^nes oon Ceonl^arb ift ^Ird^iteft. 



3n Xüaiirljeit fonnten ipoI|I nod] einige 5ötniKen 
basu gebrad|t »erben, ^^poggenborff" Brid^t mit ^883 
ab. <5en)ig liahen feitbem ttad^fommen oon ZHatlje« 
matifern pdj matli^ematifdi ausgeseicftnet. Sefannt ift es 
mir pon ben 5amilien (Stahmann (Ou^us (ßüntf^er (ß., 
(779—^852, JEjerm. <ß., \809-\877) nnt> rteumann 
(5ran3 €rnp, \ 798— \ 895, Karl (ßottfrieb, geb. \832). 
Seiben 5ötnilien ift ein matl|ematifdjer finfel entftanben. 
5reilid] ift ber junge neumann ein Soljn bes prof. ber 
ZHebicin Zt.; Karl (ßottfrieb ift ünberlos. 

Die Heineren (ßruppen fann id^ bes Haumes n>egen 
Tiidjt anfüliren. Soweit befonbers befannte 2ftamen in 
Setradit fommen, wate piefleid^t 5oIgenbes 3u fagen 
{wenn audj bie ^uswal^l mel|r ober weniger roiHfür» 

a* ip). 

S^el Ijatte einen matfjem. 5oI|n, ber mit 26 3al|ren 
^larb. Siot's 5oI|n war 3"g^ni^ur nnb 2Tlati|ematifer. 
Die beiben Clairaut waren SöB^ne eines IHatliematifers. 
Der Sruber paul Dubois^Heymoubs war ber pliy[iO' 
(ogifd?e pl^yfifer. Solyai's Sol^n war ZlTatl^ematifer. 3" 
lüien jtnb bie brei Srüber <£^ner 3U erwäljnen. 3öcobi'5 
Sruber war pljypfer. Calanbe liaite einen ajlronom. 
Steffen. Pater unb Sol^n Cittrow waren 2ljhronomen, 



p, lieber bte Bebingungen bes matljematifc^en Calentes. jjOS 

«benfo bte bcibcn 3oBj. tEobias Znever. Der Klailie» 
matifcr 7Xl\xs\dt^nhvoet Blatte ausgcseiijncte TXicdiamUv 
3um Smbcr, X>ater unb ©nfcl; (ßrogoatcr unb Urgrog* 
oater marcn gcfdjicfte (ßelbgicger gctpefcn. <5corg Simon 
©Ijm's Srubcr toar Zltatliematifer. pascaFs Oater 
toar matf^cmatifdj gcbilbct. Die brei Brüber pfaff f^atten 
matljematifdjes Calent unb bie Söl^ne bes 3, Srubers 
toaren 2Tlatljematifer unb ZHineralog. ^einr. (£l|rift. 
5d7umad?er l:iatte einen ajironomifdien Steffen» Die 
beiben pljvfifer Seebecf maren Pater unb Soljn. Sir 
IDiUiam Cl^omfon mar ber Sol^n eines UTatliematifers ; 
fein Bruber roar profejfor ber ZHedianif. Bemerfens» 
wextit ijt bie 5ötnilie Siemens burdj oier Srüber mit 
med^anifd^en tEalenten. 2tudj bei ben Srübern IDeber 
Ijatte nidjt nur ber große pE^yp^^^ lDiIl|eIm mat{{e« 
matifdjes (Calent; audj firnft fjeinr. unb (£buarb noaren 
bamit begabt; einer ber SöE^ne <£rnft ^einridj's würbe 
profeffor ber plivjtf. fiinmal fommen ^»iffingsbrüber 
Dor, bie ZHatEjematifer ^bolpl^ unb fibmunb IDeig, 
Sdiine eines Erstes. Der p^y^xUx IDoHapon max Soljn 
eines Pfarrers, ber ajlronomifd?e Sdiriflen, 7 Söl^ne unb 
\0 Cöd^ter I^interlaffen I^at; audj ber ctltejle Soljn n>ar 
pljvfifer. Der Sruber bes ^tftronomen S^di voax 
<5eneral unb profeffor ber ZHatliematif. finblidj feien 
genannt bie Srüber ^^di in (Cübingen. 

2tus bem Sisf^erigen ijl 3u fdiliegen, ba% bas matfje- 
matifd^e (Talent sumeilen ©ererbt roirb unb ba% bann, 
wenn es gefd^iet^t, es burd? ^en Vaiet pererbt mirb. 
IDie oft es ©ererbt roirb, ijl nid|t 3U fagen, idj liahc bie 



^0^ II. Betträge 3ur Kcnntnig bes matl^ematifd?en Talentes. 

ttamen im „poggcnborff" nidit gcsäljlt '^nbe^cn ift 
fein §we\^^l, bag es nur in ^cr OTinbcrsal^I bcr Säue 
ererbt wixb, Vev ^taoismus ift ba, a>ie es 3. 3. bie 
5amilie SernouUi seigt, aber er fdieint feine große KoEe 
3U fpielen, toenigftens foioeit bie Seobadjtungen reidjen. 
(ßan3 jtdjer ift, bog bas matl^emattfdje tEalent päter* 
lidjes firbtl^eil ift. gioar jtnb bie meinen Scimxlxennadt - 
rid^ten infofern mangelljaft, als bie Sefdjaffenl^eit ber 
meiblidien <5Iieber 3U menig berücfpd^tigt toirb. 3n 
unferem Sciüe jebodi ftört bas menig. Die pojttioen 
Cljatfadien ber 5atnilie SernouEi laffen feinen ^wei^el. 
§\xm Ueberflfuffe ergiebt bie Ztacljforfdiung, ^a% feine 
5rau mit matl^ematifd?em Calenle ober aus matl^ematifctjer 
5amilie oorfommt. Sooiel id? fel^e, giebt es überl^aupt 
feinen ein3igen Sau, in bem bas Calent eines ZHatlje- 
matifers oon ber ZHutter geftammt I|ätte. 2tud^ bei ben 
XDeibern mit matl^emalifdjem Calent jtammt bie Segabung, 
foweit X>ererbung nadjmeisbar ift, pom Pater. Siefe 
tEljatfad^en finb fel^r intereffant, benn fie fd^Iagen in 
mandie X>ererbungstI|eorie ein £od?. €s ijl 3um erjien 
2nale pon einer Einlage nacljgeu>iefen, ba% man pe nur 
oon einer Seite erben fann. 

Z>ie Cödjter ber 2TlatI^ematifer finb in ber Hegel 
nid^t matBjematifdj begabt, aber man fönnte anneljmcn, 
ba% jte Cräger verborgener (Sahen fein, bas tEalent oon 
iE|rem X>ater auf itjren SoEjn übertragen fönnten. €s 
fdjeint nid?t fo 3U fein, immer I^aben u>ir entwebcr 
birecte ober feine Pererbung. IDeldie Sebeutung itai 
nun bas lOeib? Don ^wex ZHatEiematifern ©ererbt ber 



D. Ucber btc Bebtngungcn bes matl^cmattfd^cn (Ealcntcs. j(05 

^inc fein Calctit auf bcn Sol^n, bcr andere tiid^t. Don 
3tüci, btc üit Calcnt oom Datcr ererbt E^aben, ip bei 
bem einen mei^r, bei bem anberen ipeniger als beim 
2?ater oorl^anben. Urfad^e ber Unterfd^iebe fönnte bie 
Befd^affeniieit bes männlid^en Keimes fein, infofern er 
^as eine Zfial xcxdi, bas anbere TXlal arm an maUjei- 
matifd^en BeftanbtE^eilen ift, roenn man fid^ fo ausbrücfen 
barf. <£s fönnte aber andi bxe 3efd^affenl)eit bes ipeib« 
lid^en Keimes Urfadie ber Unterfd>iebe fein, infofern er 
bas eine Vflal förbernb, bas anbere TXlal I^emmenb ujirft. 
3d? Ijalte bie sipeite 2lnnaljme für roalirfdieinlid^er, ba 
ot^ne fie bas (EntpeE^en oon ZHatEiematifern ol^ne birecte 
l^ererbung nid^t 3U erflären fein bürfte. 2tt)nentafeln 
Don ZHatl^ematifern ol^ne birecte Dererbung jtnb fd^tüer 
3u befdjaffen. 2?ielleid|t ginge es bei ZHatEiematifern aus 
<ibUgen 5ctmilien ((Eonborcet, 2L v, ^umbolbt u. ^.)* 
3dj gebe E|ier Had^riditen über bie 5amilien oon 21. S* 
Znöbius unb b'^rreji. 3n beiben 5ctmilien fteE^en bie 
ItXatiiematifer gans allein, fte fd^einen il^r Calent nid^t 
ererbt su I^aben unb I^aben es nid^t fortgepflianst. Der 
Stammbaum meines (ßrogoaters ift 3tt>ar in 23e3iel)ung 
auf bie oäterlid^e 5ctmilie mangelE^aft, inbeffen lä^t fidj 
bie 2lbfunft ber ZHutter n>eitE|in perfolgen, ba biefe pon 
ilTartin CutE^er abdämmt unb ber Cutl^er^fd^e Stamm* 
bäum erE^alten ijt. (Sielte bie 5ctmilientafeln S. ^07 — ^08.) 
nimmt man an, ba^ bann, wenn ZHatl^ematifer oE^ne 
matEjematifdie PorfaE^ren geboren werben, eine (Eigen« 
fdjaft bes oäterlid^en Keimes bnvdt bie Befd^affenE^eit 
bes mütterlid^en Keimes geförbert n>orben fei, fo ijt 



^06 II. Beiträge 3ur Kennttiig bes matl^emattfd^en (Ealentes. 

natürlidj 3u fragen, n>eld|c €tgcnfd|aft möd^tc bas fein» 
3d] Bin auf bie 3bcc gcfommcn, es mödjtcn fünfllcrifdie 
Anlagen üBcrI|aupt fein. Der 2?atcr meines (5ro§Dater5 
n>ar Canslel^rer unb er seid^nete au^erbem, fein Bruber 
roar portraitmaler, beiber Dater tüar JlTujtfer, 2lel^n« 
lidies ftnbet man red|t oft in 2natljematifer*5amilien* 
3ctj oertoeife auf bie ZHaler in ber 5omiUe SevnouUi, 
auf bas muftfalifdie Calent ber Familie fjerfdjel. 3m 
anfange bes \7, 3öI?rE^unberts tDoI:|nten brei Brüber 
fjerfd^el in Znäl^ren, fie tüurben toegen tE|res protejlantis* 
mus oertrieBen unb einer, ^ans, fam nadi pirna, lebte 
ba als Brauer. Sein Soitn 2lbraBjam mar (5ärtner in 
ben furfürjilid^en (ßärten in Bresben. Deffen jüngfler 
Sölin wax ber ZlTuftfer 3fööf ^erfd^el, ber sugleidi ein 
groger Beujunberer ber 2lftronomie roar. 2lfle feine 
6 Kinber (^ tüaren frülj geworben) toaren fet^r muftfalifd). 
IDilljelm ging befanntlid^ als ZlTujtfer nad? (£nglanb, er 
I^at oiel componirt, ZHotetten, (ßefänge, ganse Kirdien« 
mufifen; Caroline n>ar eine ausgeseidjnete Sängerin, 
(£lifabetE^ n>ar thufifalifd:^ unb E^eiratE^ete einen ZHuftfer 
(ßriesbadj. ^einrid7, 2llejanber, Dietridj toaren ZlTujtfer 
pon 5ad|; Dietridj, ber fpäter nidjt oiel iangi^, war 
fogar ein fogenanntes IDunberfinb getüefen. (ßuftaD 
^bolpl) (ßoepel (\8\2— \8^7), Cel^rer ber Znatl^ematif 
in Berlin, roar ber Sol^n eines ZHuftfletirers unb felbjt 
feE^r mufifalifdj. Da§ fte mufifalifd) getüefen feien, roirb 
Don fel)r oielen ZHatljematifern angegeben, (ßeorg 
(EE^riftopI) (Einmart (\638— \705) tüar ber Sotjn eines 
ZHalers, roar felbft ZHaler, Habirer unb Kupferfledier, 




%. £ Möbxns. 



D. Ucbcr btc Bcbtngungcn bcs matl^cmattfd^cn (Latentes. HO? 









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D, Ucbcr btc Bcbtngungcn bcs matl^cmatifd^cn (Ealcntcs. ^09 

cmäiirlc jtd^ burd7 bie Kutiji, crfanb bancb^n aflrono« 
mifdic 3nflrumcntc unb gab ajlronomifd|cn Untcrrid|t 
Der dltcrc Bruöcr bcs piiYpfcrs ZHagnus toar JTIalcr. 
Ccopolb ZlTogbruggcr (\796 — \86^) toar bcr SoBjn eines 
portrailmalers, imgleid^en 3oE|. ^eitin ZHüHer (IHüHer* 
pouiUet). Ceinberger toar TXlaUv unb TXlaÜicmaixUt. 
©er profejfor ber 2ljlronomie in Dorpat Cubipig Sditoars 
'(^822—^89^) tvav ber (Enfel eines öperreidiifd^en 5rei* 
Jjerrn, ber aus £iebe sur Kunji 3U Sül^ne ging, feinen 
Ztanten in Sditvax^ oeränberte, in Hamburg als £ljaraf ter» 
DarfteHer auftrat unb von Cef jtng in feiner Dramaturgie 
.eripäljnt toirb. Der l?ater bes 2lfhronomen befleibete 
urfprünglidj in Hapoleon's Dienflen einen t^öBjeren poften, 
ipurbe bann Sänger unb 5d|aufpieler. €r Blatte brei 
Kinber, stoei Söl^ne unb eine 2iod7ter. Der ältere Solin 
war Silbl^auer in St Petersburg, ber jüngere t)er 
2lftronom. • ^ud? biefer Blatte fünftlerifd^e Heigurigen, be« 
fonbers ein ausgefprodienes 5d|aufpicler»2ialent, er 
l^eiratEjete eine befäl^igte portrait-ZlTalerin. Beiber Solin 
lebt als 2lr3t in Higa. 

<£nblid| fei auf Cionarbo ^a l?inci unb auf Dürer 
I^ingeiüiefen. 

€s ifl oI)ne IDeiteres 3U3ugeben, ^a% biefe wenigen 
Seifpiele nod^ feine Ueber3eugung ntad^en fönnen. Vflan 
müfete ^ben ber Sadic wcxUv nad7gel)en. 5inbet meine 
^InnaE^me Seftätigung, fo tüürbe bie l?ern>anbtfd|aft 
3n)ifd)en bem matt^ematifdien Calent unb bcn anberen 
fünpierifdjen Einlagen, auf bie fd^on bas früE^e unb un- 



^0 II- Beiträge 3ur Kennttiig bes matl^emattfd?en (Ealentes. 

rDtbcrflcE^lid^c ^crDortrctcn bcs Crtcbcs I^inöcutct, nod) 
&eutlict)cr tpcrbcn. 

ZTodj möd|tc td| darauf tiinipcifcn, t>a% bie €I)cn 
Siüifdicn VflatliematiUtn unb bcn Cod^tcrn pon ZHatB^e* 
malifern nid|t Ejäufigcr sur (ßeburt Don ZnatBjematifcrn 
Pcranlajfung geben als anberto^itc filmen. 3acob Bartfctj, 
Dr. med. unb prof. ber ZnatBiematif, I^eiratB^ete Kepler's 
Codjter, ^ambcrger lüeigers Coditer, b*^rreji ZHobius* 
Cod^ter, 2lb. €rman Seffel's Cod^ter, Krucger 2lrgc- 
lonber's Cod^ter, Kirdil^off Hid^elofs Codjter, pape 
peters' Cod^ter, Struoe Sartek' Cod^ter, ber SoB^n oon 
IDcrner Siemens £jeImI)oIfecn5 Cod^ter, 5ötfler fj. £. 5* 
pafd^en's Cod^ter. 

Wddie €igenfd?aften bes XPeibes günfttg ftnb, bas 
oermag man nod? gar nid^t 3u fagen. ^He bic S^aqcn 
nadi ben Scbingungen ber l^ererbung pnb nodj faum 
ernftlid? jhibirt roorben. ZHöd^te balb eine von antl^ro* 
pologifd^en (ßejtd^tspunften ausgel^enbe (5eneaIogte ent« 
ftetien! 

IDeiter fann man fragen, ob bie Cebensbebingungen 
im toeiteren Sinne, (Ernäljrung, Siant, Haffe, Klima von 
^ Bedeutung feien. J>a% fel^r oiele IHatl^ematifcr aus ben 
unteren Siänbm B^eroorgegangen finb, bas crfldrt ftdj 
woiil baraus, ^a^ biefen bie meiften ZHenfd^en angeijörem 
Unter ^en fürftUd^en perfonen ftnb foldic mit matl^ema- 
tifdjen Steigungen fel^r feiten; xdi ftnbe nur ^cn König 
^If ons X. von £aftilien unb ^cn Canbgraf en IDill^elm IV. 
von Reffen etwä^nt, benn ZlapoUon I. fann man Ijier 
nidit crmäljnen. (Eine fnappe <£mäljrung iji offenbar 



D. lieber bie Bebtngungen bes matl^emattfd^en (Ealentes. \\\ 

ber ZHatl^cmatif nid;! abtrdglidj, bcnn oiclc I^eroor« 
ragenbc Znatl^cmatifcr I^abcn E^utigcrn muffen. TXlan 
barf iool|l an bcn ^lusfprud) bcs ZHatl^cmalifcrs Käftncr 
erinnern, er fürd^te eine Belagerung nidit, benn er hiaic 
in £eip3ig Ijungern gelernt 

Znir ift aufgefaflen, ba§ mele ZHatliemalifer aus 
finberreid^en 5ctmilien flammen, xdi oermag aber nidit 
3u fagen, ob fie bamit fid^ von 2lnberen unterfd^eiben. 
(Efairaut Blatte 20 (ßefdjn?ijler, Cid^tenberg \7, Carnot \7, 
©Ibcrs \5, £t, (Stahmann \\, Kant 10, Beffel 8, €ncfe 7, 
VO. Siemens 8, 5rctunI)ofer n?ar bas \\, Kinb, 3öcob I 
unb 3oI)ann I SemouIIi I^alten nod? 9 (ßcfd^toifter, bie 
Familien fferfd^el unb Hepfolb n>aren fel^r saB^lreid^ u. f. f. 

3m Uebrigen fann man nur bas fagen, ba% ein 
geu>iffer gufammenl^ang ber ^öl^e ber Kultur mit bem 
matljematifdien Calente an3unel)men fei. 3"^ ZHittelalter 
roar 3*^1^^^ ^^^^ «" ausgeseid^neten Calenten, im porigen 
3aI^rB|unbert mürben in 5ranfreidj oiele gro§e ZHatl^e« 
matifer geboren. Deutfd^lanb n?ar, obujol^l es immer 
einjelne E^eroorragenbe IHänner geliefert l^at, lange 
Surüdgeblieben. 3^ \'^* ^^iivfyxnbext f ollen bie pro* 
fefforen ber Uniperptäten bie ^ Species porgetragen 
I^aben. 2lls IDeigel {\625 — \699) in Ceip$ig jlubirte, 
tt)urbe nur über fiuflib gelefen. Seit bem 2lnfange 
biefes 3ctl|rl|unbert5 I^at bie beutfd^e UlatBiemati! einen 
mäditigen 2luffd|tt)ung genommen. Ueber bie Sebeutung 
ber Haffe etmas $u fagen, bürfte aUsu fül^n fein. Vflan 
I|at roieberl^olt barauf t^ingetpiefen, ba% es unter ^cn 
3uben red^t piele ausgeseid^nete ZITatBiematifer gegeben 



^2 II- Beiträge 3ur Kennttitg bes matl^emattfd^en (Ealentes. 

iiat, inbcjfcn ift es fd^tücr, baraus einen Sd^lufe 3U 
3icl:|cn. — 

ZHan fagt idoE^I oft, bic ZlTallicmatifcr feien ein» 
feitig. Sotoeit bie Sadje ridjtig iji, liegt barin fein Vot' 
tüiirf, benn jeber ZHenfctj mit einem ausgefprodjenen 
Calente ift fosufagen 3ur (£infeitig!eit präbeftinirt, 
ZHenfdien, bie im Stanbe n>ären, nadi gan3 oerfdjiebenen 
Hiebtungen I^in ^eroorragenbes 3u leiten, jtnb auger« 
orbentlidi feiten. Sie Hegel ift bod? bie, ^a^ bie l^iel* 
feitigen HTittefgut liefern, ^a^ l?or3Üglidjfeit Sefdjränfung 
Dorausfefet. Diefe Hegel beujäl^rt ftdj andi Bei ben 
ZlTatl^ematifern. 3mmerEjin giebt es unter iE^nen €in3elne, 
bie audj auger ber Hlatl^ematif l?or3Üglid]e5 geleiftet 
l:|aben, unb l^iele, bie anbere (5ebiete bearbeiteten, il^r 
ZTebenfad^, ober iE^re ZTebenfäd^er I^atten. XTir l(ah^n 
groge IHatl^ematüer, ^ftronomen, piiyfxhv, bie nur ber 
ZHatliematif, 2lflronomte, piiy^xt lebten, groge HTatl^ematif er, 
bie nebenbei bas ober jenes trieben, mittelmäßige Hur» 
matl^ematifer unb mitttelmägige l^ielfeitige, große Künfller 
unb (ßeleB|rte ber anberen 5öcultäten, bie aud^ ettoas 
matB^ematifdies Calent I^atten, enblid^ beDor3ugte (ßeijier, 
bie fottJoE^l in ber HTatB|ematif, be3n?. ben oernjanbten 
^äd^ern, als aud? in anberen (ßeiftestl^ätigfeiten bauem« 
ben HuE^m erlangt Ijaben. Hatürlid] ijt audj bas 3u 
bebenden, ba% ein fef^r großes Calent anbere nid|t un» 
beträd^tlid^e (5aben fo3ufagen tobtbrücfen fann. IDäre 
(5auß nid^t HTatl^ematifer gemefen, fo mürbe er ein 
ausge3eid:|neter pE^ilolog gea)orben fein. 5d|on eine 
flüd)tige Ueberfid^t ergiebt, ba^ burdi bas matl^ematifdje 



D. Heber bie Bebingungen bes mattjcmattfc^en (Talentes. ^^3 

tLaUnt fein anbcrcs Calcnt ausgcfdiloffen ijl, ba§ änderet« 
fcits fein Calcnt regelmäßig neben bem mat^ematifdKw 
potljanöen tji 

Uebet bie Künfle im engeren Sinne Jjabe \d\ fdjon 
gefprod^en. ZITatiiematifer mit ber Einlage sum ZITaler 
ober 3um Silbt^auer finben mir freilidj red^t feiten, aber 
muftfalifdie ZITatEtematifer red|t I:}duftg. TXlan tann ja 
bie JJTujtf eine JJTatl^ematif in ^6ncn nennen nni fo 
einen inneren ^ufammen^ang conjiruiren, 3"^^ff^ 
reidjen foldie Speculationen nid|t n>eit, auf yc^en 5öO 
giebt es aixdi gans unmuftfalifdje ZlTatljematifer unb 
nodj piel meE^r ZITufifer oljne jebe malJjematifdje 2lnlage^ 

3n>ifd|en Cljeologie unb JTIatl^ematif fdieint oon 
Domljerein toenig ^ufammen^ang 3U fein, 3^öodi er 
e^jiirt in me^rfadjem Sinne, firflens iji bie ZlTatJ^e« 
matif oft Don foldjen, bie CEjeoIogen u>aren, ausgeübt 
iporben* (Ein großer Cl^eil ber fatI:|oIifctjen TXlathi^ 
matifer bejianb aus ©rbensleuten, befonbers aus 3«fuiten, 
2(ber audj bei ben proteflanten finben u>ir in ber älteren 
geit nid|t feiten Cl^eologen, bie sugleidj Znatl^ematif ober 
2lflronomie trieben (3» 8. €uler's Dater, 3<xtn«5 Srabley, 
5Iamjteeb, 3oI?annes Hiji, ffartmann, Seyer). ^\xm 
anbeten Bjaben große Itlattiematifer ll^eologifdie Stubien 
getrieben, Ceibnis, Ztemton, 3öcob SemouUi, (Euler u, 51. 
5emer jtnb fromme, \a fird^Iidi geftnnte ZHatljematifer 
red^t Ijäufig. IDenn Cantor fagt, <£uler fei „gleidi ben 
meiflen großen JJTatl^ematifern tief religiös ol^neSigotterie" 
gemefen, fo trifft er u>oI^I bas Hid|tige. Kepler, (ßauß 
u. 21. ftnb Seifpiele. 5rcilid| giebt es andi große ZITatl^e- 

Xnöhius, 2natt}ematifer. 8 



^^ II Beiträge 3ur Kenntntg bes mattiematifc^en (Talentes. 

matifct, bie x>on bcr 5rötnmigfett ntdjts iPtffcn woütcn, 
wie taplacc. * 

3uri5ptubcn3 nn^ Vflai^emaixt JjaBen tücnig 8e« 
3tcl:|ungen. 3urijicn unb ZlTatl^cinattfcr sugictdj toarcn 
oon bcn Sicrnoulß's Zticlaus ü, Ooljann U, 3öcob U, 
bodj I^anbclt^ es ftdi in btcfcn unö äl^nlidicn fällen nur 
barum, öag neben bcr „brotlofcn" ZITattiematif ein Srot- 
jhxöium geroäl^It toerbcn mugte. Calanbe ipar ^752 bis 
\ 753 abpocat in Sourg, Sdjumadier roar Dr. juris. ZHand^c 
profejforen traben ofle möglidjcn 5äd|er vertreten, bod| 
loaren bie meinen bicfer polytiifloren mittelmäßige £eutc. 
^ndt 3oB^. Sapt. pacajfi (^758—^8^8) wax 2ljironom, 
3urift, ^rd|itect, Diplomat, aber alles nid|t feEjr* 5lnbers 
als mit bem 3«^ im engeren Sinne iji es mit öen Staats» 
loijfenfdiaften überl^aupt Ceibnis I^at befanntlidj einen 
beträd|tlid|en Cl^eil feines Cebens bem Staatenred^t, ber 
Diplomatie unb ber (Sefd^idite geroibmet, Jjat t^eorctifdj 
unb praftifd? ftd| am öffentlidjen £eben bett^eiligt. 
Wätivenö unb nad? ber fran3Öjtfd|en Heoolution nai^men 
oerfd^iebene ZITatliiematifer an bem poIitifd)«fociaIen (ße« 
triebe tljeil, fo Conborcet, SaiHv/ ^onqe, Courier» ^uf 
ber anbeten Sexte ftnben tt>it (generale unb Staats» 
männer mit matB^ematifd^en Talenten, fo 3. 8* 5ranflin, 
Ztapoleon L, ZHoItfe u. 21. 

XPenn man bebenft baß bie ZITebicin ein Cljeil ber 
Haturroiffenfdjaft x% fo foHte man erioarten Itlebicinifdies 
unb ZHatl^ematifd^es oft 3ufammen 3U finben. Daniel 
Bernouni toar 2TCebiciner, mu§te 2lnatomie vortragen, in» 
beffen war bas rool^l mel|r äugerlid^. Ct^omas IJoung 



D. liehet bic ^Mn^nn^en bes matfjcmatifc^cn (Talentes. \\^ 

un& (Dlbets »arcn praftifcftc 2ter3tc, 2tbcr tpcnri auä? 
in f rüfjcrcn gcitcn manche Znänncr betoc ^öcftcr ocrlratcn, 
toic Kopcmtcus, fo fam es bocft nicftt fjäufig oor. €s fd^elnt, 
baj5 cfjcbem Cfjeologie unb llTatfjcmattf pdj tjäuftgcr vev* 
hangen als bicfc unb IHcbtcin* 3n ber neueren geit iji 
natürlich bem Znatl^ematifer feine geit geblieben, jicft 
um praftifcfte 5öd)er 3u fümmern. llTebiciner mit matl^e- 
matifdjem Calent fd^einen recftt feiten 3U fein. Die Stelle, 
an ber beibe Sädiev einanber berüt^ren, iji bie ^ugen« 
fjeilfunbe, l>om tpiffeufdiaftlid^en 2tugenar3te nnrb ein 
gemiffes TXlaa% matE|ematifd)er Kenntniffe geforbert. 
Cefetere pnb natürlid^ aucft auf mandien (Sebieten ber 
pi:iy[xoloQ\0 von nötigen, infofern biefe piiyfxt roirb. 
Hobert Zltever unb ^elmljolfe pnb von ber Zllebicin aus« 
gegangen. 

(SIeidj ber pI^YP^Ioöi^ ^vebt aucft bie <£t|emie 3ur 
pfjYpf fjin. IDäfjrenb früE|er bie (ZltemxUx mit ber Hegel 
be Cri ausfamen, mad^t bie moberne ptiYp'ötifd?e Ct^emie 
t^öt^ere 2tnfprüdie. 

Die pt^ilofopl^ie im engeren Sinne ift lljeils burdf 
IHatEiematifer, tt^eils burd^ „2tmatfjematifer" oertreten 
ujorben. 2m 2tltertt|ume n>aren bie €leaten, pi^ytlia' 
goras, Demofrit, n>oiil andi (gpifur unb mandje ber 
Späteren, o>ie <£B|rYfipp, als IHatEiemalifer angefet^en. 
plato rüljmte 3u>ar bie IHatt^ematif, aber es fd^eint im 
Xüefentlid^en babei geblieben 3u fein. 2tripoteIes mar 
audi fein IHattiematifer. Dagegen roerben mandje ber 
Heuplatonifer 3U ^en IHatB^ematifern gered^net. 2IIs bie 
pE|iIofopljie 3ur IHagb ber Ct|eoIogie geiDorben roar^ 



H H6 II. Betträge 3ur Kenntntg bes matljematifc^en (Talentes. . 

trat bie TXlailiematif in ben Hintergrund* Seim Sc* 
ginne ber neuen geit em>uci)s ber pi^ilofopi^ie burdj ben 
Iticfttpljilofopljen Kopernicus ber mädttigjle eintrieb- ©er 
Pater ber neueren pljilofopljie, Descartes, n>ar in gleidjem 
ZlTaage als Zllatt^ematifer ausgeseid^net Das <5leid)e 
gilt von CeiBnis. Ztlati^ematifd) befdl^igt waren aud^ 
SerfeleV/ ber überbem Sifd^of »ar, unb Kant 2tu5 
fpäterer ^ext pnb 5^cliner unb ?>robifdj 3u nennen. 
©Ijne pljilofopljifdjen <5eijl fann ein groger Hiati^e* 
matifer nidjt fein, aber freilidj ijl bie mati{ematifci)e 
p^i(o[opE{ie ein <5ebiet eigener ^(rt. 

Helatio oft ftnben wir bas pI)iIoIogifd)e unb bas 
matl^ematifdie Calent sufammen. Begiomontau; (5aug^ 
(EIj. l)oung, 3tYlanber, 3* plj* ®jlertag u. 2L wären 
i^ier 5U nennen. 7>as ^auptbeifpiel aber ifl Q. <5rag« 
mann (\809 — \877). Sein Pater »ar Zllat^ematifer 
unb Sd^ulrector, 30g im 3^. 3ö^re in ben Sefretungs* 
frteg, gab 5n:>d(f Kinbem bas Ceben. <5ragmann jhibirte 
tCt>eologie; pl^ilologie unb Zllati^ematif, legte aud) bie 
tljeoIogifd>en £^amina ab unb würbe Hadjfolger bes 
Paters. Seine grunblegenben matl^ematifd^n 2(rbeiten 
würben anfangs nur t>on IDenigen bead^tet Pie((etd)t 
besl>a(b fagte <6ragmann \868, bie Zllat^emattf fei eine 
3U Ijimjerfprengenbe IPiffenfdiaft, er treibe nun Sansfrit 
5U feiner £rI}o(ung. C^tfäd)(id) (eiflete er aud^ als 
Sansfritforfdjer Sebeutenbes. 

Sa>ifd?en Zllatljematif unb poefie fd^eint eine Kluft 
bef efHgt ju fein. Zllein (Srogoater fagte suxur, bie ZHat^* 
matif fei eigentlid) fel^r poetifd), ober n>enn aud{ ein 




Ctdjtenberg. 



D. Heber bie Bebingungen bes matljemattfc^en (Talentes. ^7 

poctifd^er (ßeiji oielcn matB^etnatifdjen J)enfcrn eigen 
fein mag, fo iDerben bod? nur tpenige ausüBenbe Diditer 
fein, ^ratus (um 270 o. <£t|r.) fd^rieb ein aflronomifdjes 
Celirgebidjt ,,pt|änomena'', aber ©ieüeid^t n>ar n>eber piel 
poefie, nodi üiel Znattjematif babei. 3acob SernouIIi 
iiat Perfe gemad^t IDoIfgang Solyai, eine mirflid^ 
poelifdje Ztatur, fdjrieb Cragöbien unb anbere bidjterifd^e 
Sad^en. 5oofe £joiffen ZnüIIer (\798— \856) n>ar Cefjrer 
ber ZITatE^ematif unb plattbeutfdier Didjter. (6ro§e 
poettfd^e Ceifhingen liegen iebenfads nid)t t>or unb 
anbererfeits itabcn oiele Did^ter eine frauenl^fte 2tb« 
neigung gegen alles ZlTalEiematifdje. ^) Von unferen 
großen Did^tern »ar (Soetfje gans amatfjematifd?, bagegen 
l|atte Cefpng, bem bas tyxi^di^ abging, matl^ematifdie 
Anlagen unb äußerte in ber Owgenb lebfjafte Neigung 
5ur ZlTatE^ematir. IDenn aud) nid^t als eigentlid^e 3>id)ter, 
fo bodj als l^ertreter ber fdjönen Citeratur finb nodj 
Käjhter unb £id)tenberg 3U ern>äE|nen, beibe n>aren wenn 
nidjt gro§e, f o bodj lüdjtige llTatfjematif er. Käflner bidjtete 
nnt galt ben geitgenoffen als ©idjter, ßd^tenberg n>ar 
nid^t nur Sdjriftjieller, fonbern audj ein feiner pljilofopt^i« 
fd^er Kopf. 3. (6g. Sulser »ar profeffor ber TXlaiiie* 
matit nnb ^ejttjetifer, n>ar aber trofe temporären Hufjmes 



*) W. £übfe, ber iwax nic^t gerabesu Dichter, aber boc^ 
btc^terifc^ heaniaqi mar, fagt in feinen „Cebenserinnerungen" 
(^890^ //Hur bie XHattjematif blieb mir fiets anttpatljifc^, wie 
benn alles Hec^nen mir ©on jeljer ein (Sräuel geipefen nnb ge« 
blieben i%" 

IDaljtfii^eittlic^ laffen pc^ manche äfjnltd?e 2Iusfprüd?e nac^* 
»etfen. 



^8 n. Beiträge 3ur Kenntntg bes matljetnatifc^en Calentes. 

in bcib^n Sädi^xn ntcftt ftart €nMidj fei ber bcrüditigte 
(Eafanooa genannt, er I^atte entfdjiebenes matt|em. Calent 

Den Scftriftflenern, bie, nebenbei ZlTatiiematif er tpaten, 
fann man biejenigen 2ljironomen anreifjen, bie Sücfter 
für bas gebilbete publifum gefdirieben traben, fo JJTäbler 
unb 3, 3. Cittrom. Der lefetere E|at übrigens in feiner 
3ugenb eine geitfdjrift „bie ptopyläen'' gegrünbet 

IDie aus ben Siograpfjieen tjerporgefjt, giebt pdj 
bas matEiematifd^e (Talent oft in früfjer ^ng^n^ funb. 
(Es fdjeint, bajj getpöfjnlid? bie Neigung sunt Hecftnen 
bas (Erjie i% gumeilen seigen pdj fd^on früfj bejHmmte 
2trten ber Segabung, n>ie Znand^e fcfton als Kinber 
medjanifdies Calent DerratE|en. Seeliger foD fd^pn als 
Heiner Knabe erfiärt I^aben: id^ toerbe 2tpronom. €s 
giebt aber audj tjerüorragenbe Znatfjematifer, bie erjl 
Siemlid) fpät iljren Seruf erfannt traben. 3» 3- £ittroi?> 
3* S. brandete lange geit, um pdj flar ju »erben; er 
^adite balb an juriftifdie, balb an tf^eologifd^e Stubien, 
n>ar nafje bäran, in ein Klofler einsutreten, n>anble pdj 
3eitu>eife ber fd|önen Citeratur 3U, erji als er ^ausletjrer 
in XOien n>ar^ u>urbe er burd^ ben Healfdjulbirector £jaD auf 
bie redete Sal^n gebrad^t Von bem weniger befannten 
5* €♦ Dasberger {\7S6—\S^5) u>irb beridjtet, ba% er 
in ber l^olfsfdjule groge SSikigUiien bewies, mit 2tu5- 
naE^me bes Hed^nens, ba% im Cyceum fid^ bas matE^e* 
matifd^e Calent gan3 plöfelidj unter prof* £jol3n>art'5 
£eitung entwitfelte* W^nn nun audj bei anberen 
Calenten pdj aE|nIidie Perl^ältniffe, b* Ij. balb früB^es, balb 
fpäteres fjerportreten, nadiweifen laffen, fo [xnb mit bodj 




4F. mm. 



D. Uebcr btc ISebm^nn^en bcs matljctnatifc^cn (Talentes. \\^ 

in oDcn ^öHcn wm eine €rHärung ©erlegen» Ztiemanb 
fann fagen, tx>arum ber Verlang halb fo, halb anbers ijl. 

(Sans befonbers merftoürbig finb bie Säue, in benen 
bos matliematifd^e Calent nur Porü6erget)enb auftritt; 
tpie bei Colburn unb bei bem Sifdjof XOiiaMy. <ZoU 
burn »ar allerbings ein bloger Hed^enfünjHer, aber »enn 
bei einem fonji begabten llTenfdien tpie bei Wl^atel^ bas 
Calent ber Kinbfjeit erfjalten geblieben n>äre, fo »Sre 
er oielleid^t ein tPtrflidjer ZHatf^ematifer geworben, ©er 
Pergleid) mit einem geilen 5dtd%lmq, ber frifd) voMt, 
brängt {tdi auf; aber er ifl nod) feine früärung, TXlan 
mn% pdj etn>a benfen, ba% (Talente, heiw. <5et)imtl)ei(e, 
bie ein €pipfjänomenon, eine fpäte Slütfje ber ptivlogene* 
tifdjen (gntmitfelung barfteDen, nid^t bie ©auertjaftigfeit 
anbertoeiter SePanbtfjeile bes meufdilid^en (Seifles ober 
<ßefjirn5 itaherif ba% pe unter mandjen Um^änben, ob« 
xDolil pe angelegt ^xnb, nicftt 3ur PoDen €ntn>itfelung 
fommen, unter anberen Umjiänben einem oorseitigen 
Senium anI|eimfaDen, (Eolburn's (gnt»itfelung erinnert 
5n:>eife(los an bie leiditeren Säue ber Dementia praecox. 
0b bie Ueberanfirengung pon Sebeutung x% jlel^t baE{in. 
€s liegt ba nodi VxeUs in ber 3>Smmerung. 

Zllan fann fragen, ob es latente ZtTatliematifer gebe, 
ob etn>a unter ungünfligen Umfiänben, bei ZtTangel an 
Unterridtt; bei bem ^n^onge sur Qanbarbeit u, f. n>* bie 
2tnlage sur ZlTatf^ematif potentia oorfjanben fein fönne. 
IDir i^aben gefe^ien, ba% nid)t feiten bas Calent alle 
IDiberjiänbe über»inbet, bie Ungunji ber Oerfjältniffe 
befiegt. ^ber bamit ijl nid)t beriefen, ba% es immer 



H20 IL Beiträge 3ur Kenntnig bes matljetnatifc^en Calentes. 

fo fein müjfc» €5 jtnb ba ocrfditcbcnc Znöglidjfeitcn 
bcnlBar* 

Der IDertfj ber UeBung nnb bes Unterrid^ts ijl feljr 
»erfdjteben beurtljeilt tporben. 3nt \S. 3al^rl^unbert, in 
ber Slüti^eseit bes Hationalismus üBerfd^d^te man Cel^re 
unb Seifpiel beträditlidi. IDie man bie ZHenfctjen burdi 
^ufHSrung, burd) Selet^rung überl^aupt anbets unb 
beffer madjen wollte, fo fdjipärmte man audj von einer 
„Silbnng" bes Zllenfdien burdj bie €r3iei^ung. J)er 
Silbungswafjn ift nidjt erlofdjen, aber im Mgemcinen 
fommt man bodj mefjr unb mel^r 3U ber €injtd?t, bag 
bie fjauptfad^e bas ifl, u>as ber Zllenfdj mit auf bie 
XDelt bringt^ ba% ber frsieE^er einem <5Srtner gleid)^ 
ber bie pflansen begießt, aufbinbet, woiil audj befd^neibet, 
nidjt aber 2tepfel auf Birnbäumen n>adifen laffen fann. 
ZHan n>irb je^t nid^t met^r glauben, ba% man matl^e« 
matifdjes (Talent burdj Unterrid^t unb Uebung erseugen 
fönne. 2tudj ber bejie Cei^rer ber JTlatliematif oerfagt 
ber 2nefjr$aE|I ber Sd^üler gegenüber unb bie Ijartnddigjle 
Uebung mad^t aus einem gutbefäfjigten Surdjfdjnitts- 
jungen feinen Zllatl^ematifer* 3"^^ff^" fönn man ju» 
geben, ba% mandjes mittlere Calent oljne Unterridit »er- 
Iftmmert; bei gutem Unterrid^te ftd) erfreu(id) entn>icfelt; 
ba% aud) bie £ntn>idelung bes großen Calentes burd) 
guten Unterrid^t befd}(eunigt unb gefteigert n>erben lann. 
Sei meljrfadjen Calenten überwiegt gen>öt|nlidi eins unb 
^urdj fein IDadisll^um oerfümmem bann oielleidjt bie 
anberen, faQen aQmäE^Ud) bem 5d)tt>unbe burd^ XlxdiU 
^ebroud) anE^eim« £s fann ahet aud} oorlommen; bag 



D. Uehex bte Bebtngnngen bcs tnatljcmatifdjcn (Talentes. \2\ 

rinige Calentc in glcid^cr SiäxU oorljanben jtnb unb 
bag bann bie äußeren Umflänte nur bem einen 5ur 
finttpitfelung ocrE|eIfen* 3tnmer tpirb bic Crsiefjung ben 
mittleren Calenten am tpid^tigPen fein, benn bei geringen 
Talenten iji pe erfolglos, bei grogem Calente ijl pe met^r 
Dienerin. Sd^dben tann bie firsiefjung fidier feljr piel. 
2nir fcfteint befonbers bas ertoägenstpertt^ 3u fein, ta% 
bei einfeitiger Segabung eine auf ben Durdifdjnitt su- 
gefdjnittene Crsietjung unpaffenb fein mug. l^iele groge 
2JTatl?ematifer l^ahm pdi fosufagen felbji gebilbet, ab* 
feits pon ber großen fjeerjirage, fle braudjten nid^ts als 
5reit|eit unb 3ur redeten geit bie redeten Sudler. 
^. V. ^umbolbt E|at gefagt : „IDäre 'xd\ ber jefeigen 5d|ul- 
bilbung in bie ^änbe gefaOen, fo märe id) (eiblid^ unb 
geijHg 3U (Srunbe gegangen." 

Um bie 5rage su beantn>orten, n>ie oft etn>a bas 
matEiematifd^e Calent oorfomme, rnoHte idj miffen, u>ie- 
piel ausgebilbete ZlTatEiematifer es in Ceipsig gebe. €in 
Cel|rer ber llTatiiematif I^at bie (ßüte gel^abt, folgenben 
^nfd^Iag 3U mad^en: 

\2 IHatljematüer an ber UnioerfLlät u. ber Sternwarte, 



elma 50 


tt 


an ben tjof^eren 5d)ulen (3 ^ym- 
napen, \ Healgymnapum, 3 Heal« 
fdiuIen,Ejanbel5fdiuIe unb(6en>erbe- 

f*ure). 


etn^a 8 


n 


an ben beredjtigten pripatfdjulen, 


etwa \5 


n 


an Perfidjerungsanftalten, im jiati* 
jlifdien 2tmte u. f. n>. 



5a. 85 Znatfjematifer. 



^22 II. Beitrage 3ur Kcnittnig bes matfjcmatifc^cn (Talentes. 

Vairx fomtncn nodt einige als Privatleute, <£orrec* 
loren unb in ät^nlidjen Stellungen lebenbe ZlTatl^ematifer, 
beren gat^l nidit 5u bejHmmen ifl. Seien n>ir liberal 
unb nel^men mir als (ßefammtfumme \00* Hunben »tr 
bie €ino>ofjner3atil auf ^00000 ab, fo fommt \ llTatlie- 
mattler auf ,^000 €in«>oI^ner. 

©n anberer Cel^rcr ber ZHatl^entatif fjalf mir freunb* 
lidj, inbem er angab, ipteoiel ber Sd^üler ber oberen 
(Byntnaftumclaffen foweit mat({emati[d) begabt feien, ba% 
man it^nen ratfjen fonnte, Znatfjematif $u jhibiren. Unter 
\20 Sdjülern (in 6 (Elaffen, ^ primen, 2 Secunben) 
o>aren 6 matf^ematifd? begabte, b. J|. \'2\. Der 
Hector eines anberen ©ymnapum fdjdfete audj \ : 20. 
tt>enn id| an meine eigenen Sdiulerinnerungen benfe, »itt 
mir bas Perfjältnijj ^j^^ red^t gro§ oorfommen, unter 
uns galt ein mattjematifdi befäfjigter Sdjüler als 
iDei§er 5pa^.^) 

IDeiter Ijabc idj einen Cfjeil ber Sdnbe ber 2tDge« 
meinen beu tf d^en Siograptjie burdigefetjen unb t^abe be« 



^) 3n einem Healgymnaftutn liegen bie Perfjältniffe natürlid? 
anbers, ^a i|ier bas XHaterial ausgeipäljlt ift. Per 3,ectov bes 
l|iejtgen Healgymnafluni, ^err profeffor Böttd^er l^at mir gütigft 
folgenbe ^n^ahen gemacht. Unter 5\^ Sdjülern ber oberen klaffen 
erl^ielten für leiftungen in ber UTatljematif eine gute Cenfur 7^ 
{2^W eine mittelgute 2^5 (68%), eine fc^lec^te 25 (8**/o). Da 
bas Healgymnafium ungefäf^r boppelt fooiel Stunben bem matl^e* 
matifdjen Unterridjte roibmet als bas* l|umaniftifd^e (Symnapum, 
Bonnen nad? ijerrn Prof. 3. audj mittelmäßig Begabte ben maüie- 
matifdyen Stoff bewältigen, ber bem blogen Umfange nac^ ^en 
bes IjumanijHfd^en (Symnafium nur magig überfieigt. XHir fc^eint 
bas nodj »id^tiger, ^a% Vätex nrib 5d?üler oon oornfjerein reali= 
ftifc^e Heigungen [[ahen. 




®. ^. ßxam. 



D. Ueber bie Bebingungen bes matljematif d?en Talentes. \25 

jKmmt, toic t>icl 3lrlifcl ZITatEiematifer (einfdiKeglidi 
2l^onomcti uti^ matl^ematifdie pl^vftf er) betrafen. . VaM 
ifl freißd} su be^enfen, ^ag tnand^e ^lrtife( mel^rere 
perfonen faffen unö öag anöererfeits mandie fürfHidie 
perfonen angefüE^rt toer^en, ^ie tiid)t genannt toür^en, 
toenn es auf iE^re perfönitcfie Se^eutung anfdme. Unter 
866^ 2lrtifeln betrafen 20\ ZlXattjematifer. Vas giebt 
alfo \ : ^3,5 ober 2,3 7o- ®i« procentsatjl fdiwanft bei 
öen einselnen Sänken pon 3,3 3U ^,8. 

Vk relattpe 5e(tenE|eit bes matE^ematifdten (Calentes 
giebt 5u ber Bemerfung 2(n(ag, bag es auf feinen Sciü 
angeseigt fein mdct^te, bie ZITatl^ematif sur (Brunblage 
ber testieren €r3ieljung 3U mad^en. — 

Ueber bie Sefd^affenl^eit bes ZlTattjematifer • (Seines 
3U reben, bas Ijat feine Sd^wierigf eiten. ZTatürlidi fann 
man fagen, bas matljematifdje Calent bejlelie in ber 
SälixQhxt, über ©rögenbesieliungen 3U urtl^eilen, bas iji 
jebodi nur eine IDorterflärung. 

Vk pfvdjologie ijl gan3 unfäl^ig, uns tt>eiter3tt^elfen. 
Q^arum ber €ine (5r5genbe3ieljungen rafdj unb ftdjer 
auffaßt, ber 2tnbere nid^t, marum ber €ine gatjlenper» 
Ijältniffe leidet überfdjaut, ber 2tnbere räumßdje Se- 
3iel{ungen; barauf giebt es feine.^tntioort Sas JPid^tigjle 
ijt.bas PerE^dttnig bes geometrifcfien Catentes 3um aritE|« 
metifdjen. Va% ein tjeroorragenber (Seometer Jein 
aritl^metifdies Calent beft^t, bas ijl rDoE{( nid^t benf bar, 
tocnn atxdt bas te^tere gegen bie geometrifd)e Einlage 
jurücfjietjen mag. dagegen fd^einen mand^e au5ge3eidjnete 
Hed^ner toirHidj toenig geometrifdje Sefätjigung getrabt 



^2^ II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matt^emattf d^en Calentes. 

3U i^aben. 2Xlan barf batjer tootjl bas Pcrflänbntg bcr 
Sal^lenpcrtjältniffe als bas IDefcn bes mart^matifdjen 
Calcrttcs anfeilen. Wiü man bas IDort (ßrunbfraft, bas 
(Saß ©orfdjiägt, anwenbcn, fo wären nidjt 2 (ßrunb« 
fräfte ansunetjmen, bie arill|metifdie unb bie geometrifdje, 
fonbern bie arittjmelifd?e 5äI|igWt wäre als bie eine 
(ßrunbfraf 1 3U belradjten, 3u ber bei (Seometern bas lieroor» 
ragenbe PermSgen rdumlid)er Slnfct^auung als Qitfsfraft 
Ijin3Utrilt 

£s perfiet^t {tcf^ von felbjl, ^ai bas mattiematifd^e 
tCalent nod) nid)t ber Znatt^ematifergeij) ifi, bag es 3n>ar 
bie unenlbelirlidie Sebingung barfiellt, bie anberen (ßeijles« 
fräfte aber I|in3utreten nnb je nad? iljrer Stärfe bie 
ZlTannigfaltigfeit ber 3nbipibuen mSglidi mad^en. Das 
mattiematifd^e Catent mad^t nodi feinen grogen ZITatEie' 
matifer, ein fold^er mug aud? fonft au£ge3eidjnete (ßeijies- 
fäl^igfeiten iiaben. Die Ueberjtdit über bie £ombinationen 
bes matl|ematifdien Calentes mit anberen Calenten Ijat 
^e3eigt, ba% bas matl|ematifd?e (Talent 3tt>ar mit jebem 
anberen 3ufammen oorfommen fann, jebodj an fein 
anberes gefnüpft iji 3efet toirb gefragt, »eld^e 5ätjig- 
feiten mug ber ausge3eid)nete ZITatE^ematifer I^abem £in 
gutes (gebädjtnig fd^eint bie erjie iorberung 3U fein. 
Xladi (5aII iji bas (ßebäditnig nur 3lttribut ber (ßrunb* 
fräfte, iji eine (ßrunbfraft jiarf, fo iji audj bas ent» 
fpredienbc (Sebädjtnig fiarf, aber ein jlarfes (ßebäd^tnig 
für ftdj giebt es nid^t. 3n biefer Sd^rofftjeit iji (ßäSVs 
€ef{re nid)t annel^mbar. Die Seobad{tung ergiebt bod}, 
^a% mand^e ZITenfd^en für alles ZITdglid^e ein gutes (5e< 



D. Ueber bie Bebingungen bes matljemattfd?en Calentes. ^25 

bdd^tnig traben, bag anbererfeits fd{arf {tnttige Ceute oud} 
auf bm (gebieten, in benen il^r Sdjarfjtnn 3u ^aufe ift, 
ein fd{(eci)te5 ober iDenigjlens mange(t{aftes (5ebdd)tnig 
traben. Pon ZnatE^emotifern toirb auffaOenb oft bexxdiM, 
^a% jte im 3lIIgemeinen ein gutes (gebäditnig trotten 
(f. 3lnip^re, €uler u. 2i). Vas tarin fein gufall fein, 
es mug eine Sesiel^ung ber ZlTerffäliigfeit überl^aupt 
5um matt|ematifd)en tCdent e^ifiiren. 2let}nticfies n>ie 
über ^as (5ebäd)tnig fann man über bas fagen, n>as 
man im gemötjnlidien £eb^n Sdjarffinn, Urllieilsfraft, 
£ombinationoermögen nennt. €s fei bal^ingefiellt , ob 
ber Sdiarffinn etwas fiinfadies ip ober nidit. 2tuf jeben 
Sau tann man im ^IQgemeinen fcf^arffinnige Ceute finben, 
bie, mögen fie befonbere (Talente I^aben ober nidjt, überaß 
Ujr gutes UrtE^eit bemeifen. 3)iefer Sdiarfftnn fommt 
rootjl jebem ausgeseid^neten Znatl^emalifer 3u^ Sie 
populdre ZITeinung freitid) E^ätt bafür, ^a^ ein (SeteE^rter 
außertjalb feines (gebietes bumm fein fönne, aber bas 
ijl ein ZlTigoerftänbnig. (Sleidjgiltigfeit, Unwiffentjeit ift 
nidit ©umml^eit. Kann €iner €ine IPiffenfdiaft förbem, 
fo E^at er met^r ats ein adeinfletienbes Calent, fo ift er 
unbebingt ein im 2lttgemeinen fd^arf finniger ZlTenfdj. 
W^nn man bem Hedjner unb bem (5eometer bm ^Inaly* 
tifer entgegenflellt/ fo ijt bas Ptetleidtt fo su perftetien, ba% 
bie Segabung für anaivtifdje ZlTatliematif toädt^t mit 
bem Sdiarfftnne im 2lttgemeinen. 3ntt>ieii)eit frilifd^es 
Permögen unb probuction 3u trennen pnb, ob es ein 
befonberes togifd^es Calent giebt u. f. xo*, bas mag 
iDeiterer Unterfud^ung t>orbel|aIlen fein. lX>ie jebem I^er- 



\26 n. Betträge jur Kenntnig bes matt^emattfd?en (Talentes. 

Dorragcnben ZHerifdicn, fo ' muffen audj bcm ZHatlic« 
malifcr ilcig unb Cliatfraft eigen fein, ©er Skife gi^^t 
5tpar nid?t ^as (ßenie, a&er bas (5enie giebt ben 5I^i6/ 
b. tj. alle Iiodjbegabten ZtTenfdjen fönnen nid^t anbers 
als fleißig fein. Summeinbe (genies giebt es nid^t nnb 
iiat es nie gegeben. VOolil mag bie Ceibenfdiaft ber 
ftetigen 2lrbeit 2lbtrag ll|un, wolil tann falfd^e, nn^wed' 
mäßige Cl|ätigfeit pom redeten IPege ablenfen, aber ein 
ZTid?tstIiun ober läppifd^es Onbeln iji mit großen 55l|ig« 
feiten unvereinbar. 3e mel^r ein beftimmtes Calent ^en 
ZtTenfdien belierrfdjt, um fo unabläfpger bient er iE^m. 
2ine großen Künftler finb unfägKd? flfeißig gemefen nriö 
anit burdi il|ren 5f^iß treten bie ZHatliematifer an bie 
Seite ber Künftler. 2lber audj bie feurige Hatur ifl ein 
tertium comparationis. Dem Dolf e mag ein leibenfdiaft» 
lid^er ZHatliematifer frembartig üorfommen, in Wafyctiext 
iji ein pljlegmatifdjes (Senie nod^ r>iel unpnniger als ein 
faules (5enie. Jltte großen ZHänner l|aben in ftdi ieuer 
getragen, ©er ZTatur ber 5adie nadi wirb ein (5elel|rter 
nadj außen I^in fül|Ier erfd^einen als etn>a ein ©idjter 
ober ZtTufifer, Selbftbelierrfdjung einerfeits, (Sleid^giltig- 
!eit gegen bie 3ntereffen bes Durdifdinittsmeufd^en 
anbererfeits mögen fogar pl|Iegma portäufd^en, aber es 
giebt feinen großen „3ntettect" ol|ne einen l|eftigen 
;;lDiIIen". Cieji man bie Cebensbefd^reibungen ber 
großen 2TCatE?ematifer, fo erftaunt man, n>ie oft nidjt nur 
oon £ebl|aftigfeit, fonbern pon J^eftigfeit unb Ceiben» 
fdjaftlid|feit bie Hebe ift, unb aud? aus iE^ren (5efid?tern 
fprid?t ein feuriger (5eift. 




£'x. Öngel. 



D. Ueber bie Bcbingnngcn bes matljemattfd?en Talentes. ^27 

IDcrfcn wir nodj einen Slirf auf bie Pedreter ber 

angetoanbten ZlTatt^ematif, bie ^unreinen" ZtTatl^ematifer, 

fo bütften befonbers stoei £ombinationen in Setradjt 

fommen, bie Pereinigung bes matt}ematifcfien Calentes 

mit bem Criebe 3ur Znedjanif einerseits, bie mit ber 

Steigung, SälixgUxt 3ur Seobadjlung ber Xlainx anberer« 

feits. ^wat jtnb perfdjiebene ZlTifdjungen möglidj, aber 

als ^auplformen entftelien ZHedianifer, 2ljironomen, 

pllVJtfer. 3n frül^eren ^exien waren ZlTandie, bie bie 

ZTatur 3U reinen ZlTatl^emalifern bejHmmt I^atte, von 

2tmt5n>egen Vertreter ber angeroanbten ZHatliematif, 

weil fte eben ein 2tmt hiabm mußten, aber ^as änbert 

^avatx nxiiis, ^a% bie nalürUdien 2tfironomen u. f. ro. 

au§er bem matliematifdien Calenle rxodi eine befonbere 

für il^ren Seruf geeignete Segabung I^aben muffen. 

Setjr merfwürbig iji bie Energie, mit ber bie redeten 

ZlTedianifer, bie geborenen €rfinber von frül^ an il^r 

Calent treibt. ZtTan pergleid^e bie Siograpl|ieen IDatt's, 

€bifon'5 u. 21. IPerner Siemens^) ersälilt, er Ijabe 

tt>ieberI|oIt ^^n €nlfdjlug gefaxt, fünftig nur ernjler 

IPiffenfdjaft 3U bienen, aber bie Perljältniffe „unb ber 

mir angeborene Crieb, erworbene wiffenfdiaftlidje Kennt- 

niffe nidit fd^Iummern 3U laffen, fonbern aud^ möglidift 

nüfelidj an3uwenben, fül^rlen mid^ bod) immer wieber 3ur 

Cedinif 3urüd unb fo ift es wäl|renb meines gansen 

Cebens geblieben". 

^) Ccbcnscrtnncrungcn. Berlin. 3wl- Springer. ^.ZtufK. ^895. 
Untex \o (Scfd^iptftcrn (8 Brübcrn) waten 5 ausgcbilbctc Ced?= 
ntfcr. (Ein grogcs Calcnt wax auger IDcrncr ber Brubcr IDill^elm 
(ber fpätcre Sir IDtlliam). 



^28 II. Beiträge jur Kenntnig bes matt^ematif d?en Talentes. 

Xlodi ein paar Wovfc über Kranflieiten nn^ CeBcns« 
Muer bei TXlatticmaixUtn. UcBcr förpertid^e Kranft}eiten 
im engeren Sinne bes XDortes wäre nidjts befonberes 
3U fagen, nur möd^te idi ermälinen, bag Cantor's 2ln* 
gäbe, bie (Sefd^icf^te ber lITattiematif ernodE^ne nur 5n>et 
Slinbe, nämlid) €uler (pgL 5. 53) unb XticoL Saunberfon 
{\6S2—\75^; 5. erblinbete im \2. 3atjre burd? bie 
porfen, würbe \7\\ prof. b. ZtTalli. in Cambribge) nietet 
gans jutrifft^ €5 wirb aviAi beridjtet, t>a% 3of* Saltl^, 
S^rarb, ber \763 geboren war, im 23. 3al|re erblinbet 
unb trofebem profeffor ber UTalliematif, fpäter ©irector 
ber Secunbärfdjule in Sefangon geworben fei. 5«tner 
erblinbete. (Salilei wie €uler im 2llter. ZtTäbler {\7^^ 
bis \87^) würbe ^8Q5 blinb, würbe fpäter t>on pagen- 
fledjer opmrt. ■^'^ 
"^X-:. iHan fann fragen, ob geiftige Störungen bei ZHattje« 
matifern I^äufig feien. Sooiel id? fel^e, fann man bie 5rög^ 
unbebenflidi perneinen. ^voax werben bie meiflen 
2tlatl|ematifer 3U "^^w nen>öfen ZHeufd^en ju red?nen fein, 
wie bie „3nteIIectueIIen" überl^aupt. Die abnorm fiarfe 
(£ntwidelung ber (ßeifiesfäl^igfeiten, bes. ^^^ (5el|ims, 
trennt jte äße pom ttormalmenfdjen unb es ijl reiner 
XDortpreit, ob man nur pon 2tbnormität ober oon Kranf- 
I^eit fpred^en witL 2ludi im Körperlidjen weiji bie fpäter 
3U befpredjenbe 2lfvmmetrie bes Kopfes barauf I|in, "^a^ 
^as normale (ßleid^gewid^t geftört ifi. ^wc Xteroofttät 
gel^ören audj mandje IDunberlidifeiten, bie bie (ßeletjrten 
beim publicum in t>^n Huf bringen, "^a^ es bei iljnen 
nidjt gans rid^tig fei. Die pielbelad^te „^erfireutlieit''. 



D. Ucbcr bie Bcbtngungen bes matfjcmatifc^cn Calcntes. H29 

t>on bcr aixdi bei mandicn ZtTatl^cmalifcrn 3U bertditcn 
ifi, ift eigcntlid) Conccnlration, b» l|. bcr Genfer pcrticft 
ftdj in bas XDid^ligc unb übcrjteljt besl^alb mandics Un* 
tptcfitige bc5 tägtid^cn Ccbens. 

Supänbe, bie fdion bcutlid^ bcn Stempel bes Kranf « 
Ijaflen tragen, finben toxx perl^ältnigmäfeig feiten. ZtTan 
f ann nid^t fagen, ^a% 2lmp6re, 5ourier, 3. Solyd u. 21. 
im gewölinlidien Sinne ^es VOovtes geiftesfranf waren, 
tnbeffen tl|re 2lnnäl|erung an ^as pfydiopatt^ifdie iji bod] 
fo beträdjtüdj, ^a% fte im 5ött« «in^s geridjtlidien Con« 
fliictes il|nen menigPens milbernbe Umjiänbe eingetragen 
I|aben würbe. 2lm bebenflidiPen war bie Sad^e bei 
3oI^. Solyai. Delfino Cobassi (\82^— ^873) fott ein 
Sonberling, basu ein (Se'x^hials unb Crinfer gewefen fein. 
€in gans abnormer Cl|arafter mug aud? Ceperrier ge- 
wefen fein. 

€ine befonbere Stelle nimmt bie fenile (Beiftesftörung 
ein. 'J)ie, bie iE^r perfaHen, ftnb gewölinlid? nie gans 
normal gewefen. 3"fofern get^ört fte 3U ben enbogenen 
(Beiftesftörungen. Jlnbererfeits fommt fte bei Ceuten t>or, 
bie im bürgerUd^en ober Caien» Sinne gefunb gewefen 
ftnb, beutet nur auf perl|äHnigmägig leidste Selafiung 
l|in unb barf nidjt mit ber Paranoia unb anberen 
5ormen auf eine Stufe gejiellt roerben. 2JTan Ijat oft 
angenommen, ^a^ fte burd? übergroße ^Injlrengung bes 
Kopfes beförbert roerbe, unb bie „^lirnserfprengenbe" 
ZtTatliematif fdjeint ^a befonbers gefäl^rlidi 3u fein. 3"* 
beffen iji es bodi fdiioer, über bie Sebeutung ber Ueber- 
anflrengung etwas 3u fagen, benn pon 3wei, bie fidi 

m ö b i n s ^ ntat^ematif er. 9 



1^30 II. Beiträge 3ur Kenntntg bes matl^emattfc^cn Calentes. 

anfdidncnb gUidi ftarf angcjlrcngt liaben, voit^ bcr €ine 
im 2tltcr gdjicsfdirDad? unb bcr 2tnbcre bleibt bis sunt 
Cobe frifd). ZITonge fd^cint in bcr kfetcn geit feines 
Cebens blöbftnnig gemefen 3u fein. Das gleidje n>irö 
pon fjuygens berid^tet, freilidj mit ber unperftänblidjen 
^ngab^, ba§ er fdjon 20 3<»l|r^ früB^er einen äE^nlid^en 
gufianb von (Seijiesfd^tDädie burd^Iebt liabe. Sei 
Köpernicus fd^eint es ftdj um bie Sollen eines Sdjiag* 
an^aües gel|anbelt 3U I:|aben. Kant mar in feiner legten 
Seit geiftesfd^toadj. ^ein (5ro§pater roar es aud?. 
ttid?t red|t flar ift mir ZTetx>ton's Kranfengefdiid^te. ^) 
€r perfiel angeblid? ^693, b. i. fdjon im 52. 3al|re, 
in eine 2lrt pon (ßeiftesfranf^ieit, erB)olte fid) fpäter, fott 
aber nie roieber n>ie frül|er gen>orben fein. Pieüeid^t 
ift bie ganse 5ad]e feljr übertrieben iporben. Sid^er ift 
nur (pgl. ZTetPton's €eben von Sren>fter unb bie bio- 
grapl^ifd^en ZTotisen pon (gbleflon), bag tteroton im 
3aE?re \6^5 nid|t gans normal ujar, ba§ er längere 
Seit an Zterpofität unb Sd^laflofigfcit litt unb gan3 
porübergeI:|enb pertpirrt ujar. Das <5an3e Hingt rpie 
bie jcfeigen Serid]te über nerpöfe Störungen nad? 3^^* 
fl[uen3a. Tlüe tl^eologifd^en Sdjriften Zten^ton's faden in 
bic Seit por biefcr Kranfl^eit. Xiadi t>cn Cagen, in 
benen ber Srief an Corfe gefd^rieben n>orben x% Ijat 
nie ipieber 3^n^<^^^^ geiftige Störungen an Heroton be« 
merft. ^tüerbings ift auffaüenb, ba§ ZteiPton nad? ^cn 
principia, b, I|. nad? \6Q7, fein neues ujtffenfd^aftlidics 



^) ^9^' 3* S' ^isbet, The insanity of genius, London 1893» 
p. 222. 




iltenjttin- 



D. Heber bie Bebtngungen bes matl^cmatifd^en Calentes. \3\ 

Wevt mcl|r perfagt tjat, aber Mefe ©jatfad^e allein be» 
redjtigt nid^t 3u meitgelienben Sd^Iüffen unb fann mit 
ber firfranfuwg pon \693 faum in Derbinbung gebrad^t 
werben. 

Smeifellos geijiesfran! waren Carbanus^) unb 
pascal. ^) Seiber (Befd^id^te entE^ält piele IivP^rifdje 
5üge unb pascaVs Kranflieit war toom jtdjer fjyperie, 



^) Pgl. £ombrofo, Der geniale lUenfc^. Hamburg (890. p. 87. 

2) Pgl. £6lut, r Amulette de Pascal. Paris I846. Gilles de 
la Tourette, Le masque de Pascal, Nouv. Iconographie de la Salp6- 
triere II. 4. p. 196. I889. A. Regnard, Genie et Folie, Annales 
m6d.-psychol. I889 — 1899. Ch. Binet-Sangl^, La maladie de Blaise 
Pascal. Ibid. Mars-Avril I899. 

Don Pascal ejtftirt eine ITtasfe. Sein Sd?äbel mug auf« 
fallenb gctpefen fein, benn es tpirb berichtet, ba% bei ber Section 
bie Kronennat^t rerjirid?en ipar, ^a^ aber an Stelle ber grogcn 
Fontanelle, bie in ber Kinbl^eit lange offen geblieben wax, ein 
(£allus gefunben u^urbe. Die 2ler3te rounberten fid? über btc 
(Sröge bes (Sebims unb meinten, ber Drucf bes (Sel^trns t^abc 
bie Stirnbeine ron einanber getrieben. TXadi ber 3efd?reibung 
ber Ulasfe, bie Paul Hic^er perfa§t l|at, ijl bas (Sefic^t afymmetrifc^ 
5U Ungunften ber Unten Seite. „Les globes oculaires paraissent 
egaux et 6galement saillants ; mais l'arcade orbitaire est plus effac^e 
ä gauche surtout ä son extr^mite externe, oü le relief qu'elle 
forme en avant de la fosse temporale est bien moindre ä gauche 
qu' ä droite. Par contre, ä son extremite interne, le relief au 
niveau de la tete du sourcil est plus accuse ä gauche qu'ä droite. 
C'est la seule exception ä l'effacement qu'ont subi toutes les 
saillies de la partie gauche du visage. II faut ajouter que le front 
ne parait avoir subi aucune deformation et que son developpement 
est ^gal des deux cot^s. 

£eiber u^irb nur bas profllbilb ber ITtaste, un^ ^wax oon 
red^ts unb oon lints gegeben. 2Iuf biefen 2Ibbilbungen ift im 
(Segenfa^e 3ur 3efd?reibung bie redete Seite einer inün3e mit 
oeru^ifd^ter Prägung, bie linfe einer 2nün3e mit frifd^er Prägung 
3U oergleid^en, aud? fpringt auf bem Silbe ber lin!e 2lugent]öl^len= 
ranb ftär!er ror als ber redete. 2Iuf meine fd?riftUd?e 2lnfrage 

9* 



\32 II- Beiträge 3ur Kenntnig bes matt^ematifd^en Talentes. 

bod} ij) es 5tpcifctt|aft; ob man bos (San^e bei Carbanus 
als fjYJierie beseidinen barf. Sie Diagnofen auf (5ruttb 
alter UTittl^eilungen jtnb immer etwas bebettWidi. 2lus 
ber neuen §eit ip Sopljus Cie 3u nennen, (gr feierte 
nad] feiner €rfranfung sroar in fein 2lmt surüd unb 
feine wiffenfdiaftlidie Ct^ätigfeit lieg feinen ^Ibbrud^ er» 
fennen, bod? ifl er nie mieber normal geroorben.^) 

2II5 ffalbnarren nennt Combrofo ben €nfantin» Diefer 
Blatte 3n>ar bie polytedinifd^e Sdjule befud^t unb u>ar 
3ngenieur, aber eigentlid? fann man il^n bod^ nid^t ju 
ben ZtTatliematifern ^äiiUnr) 

(ßeu>ig ift bie l|ier gegebene Ueberftd^t unpottftänbig ; 
franfljafte (Seiflessuflänbe roerben ja gern perfd^wiegen. 
IDenn man inbeffen bebenft, t>a^ auf 300 2TCenfdien 
burdjfd^nittlidi ein (Seiflesfranfer fommt, fo ftnb bie paar 
Sätie von (geifiesfranfljeit unter Caufenben pon ZtlaÜie' 
matifem roirflidi red^t roenig. 



t^in liat Qerr Htc^er erflärt, man I^abe fid? an feine Befd^reibung 
ju Italien, bie ptiotogramme feien leiber oerfetjrt (intervertles). 

Die UTasfe mürbe oon ber Ceid^e abgenommen, meil pas= 
caVs ^reunbe untröftlid? waren, fein Portrait oon itjm ju bejtften. 
(Quesnel verfertigte auf (Srunb ber UTasfe ein Portrait un^ 
biefes ipurbe oon €belincf (^6^9— 1707) geflod?en. <gs ifl bemnad? 
erftd?tlic^, ba% alle Stid^e pascal's nur pon untergeorbneter 3e= 
beutung ftnb. Das (Sleic^e gilt oon ber Bäfle pajors. 3^ ^e= 
fifee bie Stiche oon D. Sornique unb oon Desrod^er (^697); 
jener ift gut ausgefüt^rt, aber für unfere gioecfe finb beibe nid?t 
brauchbar. 

^) ^9^- (?• <2ngel, §ur €rinnerung an 5. Cie. Ber. b. 
matt^.'pt^Vf. dl ber K. Säd?f. <Sef. ber IDiff. 3n £eip3ig {{^. Hoo. 

1899). 

*) Die Eingabe, ba% 3ot|n Qerfd?el t^allucinirt tjabe, ift miß= 
oerftänblid? : €r litt an 2Iugen=inigräne. 




Doli», tloigt. 



D, Ueber bie Bebingungen bes mattjematifd?en Calcntes. 1(33 

ITcrDÖfe Ccute ipcrbcn oft alt unb Znatt^ematifcr 
werben andt rcd?t oft alt. 3^ fcl?IU§e biefen 2tbfd?nitt 
mit einigen eingaben über bie Cebensbauer ber Znatl^e» 
matifer» XTatürlid? n>ei§ idi, ba§ bie Zlletljobe, beren 
id? midi bedient Ijabe, in ber Statiftif nid^t für voü gilt, 
nriö ta% bie SejHmmungen ber ZHortalität in ben teilt» 
büdjem ber Statijiif auf anberem lüege geiponnen fmb^ 
3nbeffen etwas ift beffer als nidjts. lüollte man meinen 
galjlen anbere 3ur Seite fefeen, fo müßten biefe auf 
ät^nlid^e It^eife gewonnen fein, ettx>a; tpenn es ftd] um 
2ler3te Ijanbeln foUte, aus einem 2ler3teȣejifon ge- 
nommen fein. 

Um ein Urtt^eil über bie Cebensbauer ber TXlaÜie* 
matifer 3U gewinnen, E^abe iii »aljUos 300 ZHatl^e« 
matifer (be3. 2lj}ronomen u. matt^. pliy^hv) aus bexn 
„poggenborff" genommen unb iljre 2(^lite ge3äljlt 
(Senau ift bie Hed?nung nid^t, benn idi t^abe ber <£in- 
fad^t^eit n>egen ben 2lbftanb bes (ßeburtsjaljres oon bem 
Cobesjal^re 3ü (Srunbe gelegt. Hatürlid? t^atten eigent« 
\\d\ bie 3urücfgelegten 3at^re, ZHonate, Cage ge3^1t 
»erben muffen. 2luf jeben 5att ift aber meine 2trt unb 
IDeife beffer als bie gät^Iung ber 3urücfgelegten gan3en 
3at^re. 5onteneIIe 3. S. ift am \\. Februar ^ 657 ge- 
boren, am 9. 3onuar \757 geftorben, es ift alfo rid]tiger> 
iljn tjunbertjdljrig 3U nennen, ^umbolbt ifi am \^* Sep» 
tember ^769 geboren, am 6. TXlax \S5^ geworben, es 
f eljlen nur oier ZHonate an 90 3<^l:i^^\u ZHöbius ift am 
\7. XTooember \790 geboren, am 26. September \868 
geftorben, es fehlen 5\ Cage an IS.^^liten. Svans 



^3^ II. Beiträge 3ur Kenntnig bes matt^ematifd?en Talentes. 

(Ernjl ITeumatin ijl am \\* September \798 geboren, 
am 23. TXlai \895 geworben, es feljlen ntd^t gans t>ier 
2JIonate an ^7 3aljren. 

5olgenbe gal^Ien Ijabe xdi erljalten. Sie Zniltel3al|l 
bes \. ^unberts toar 65,^, bie bes 2. n>ar 65,6, bie bes 
3. »ar 65,8. Die 2(eljnlidifeit ber 3 S<^i^^n giebt eine 
geix>iffe Sid^erE^eit 2Tlan fann alfo annel^men, ^a% bie 
Cebensbauer bes 2Tlatljemalif ers burd^fd^nittlid? 65,6 3aljre 
beträgt. 

Die Cebensbauer ber E^eroorragenben ZTlatE^ematifer 
ijl größer als bie burdifd^nittlid^e, benn \00 ausgeseid^- 
nete ZTIatE^ematifer (bes. ^ftronomen u. matl). piiy^xtev) 
ergeben bie 2JIittel3at^I 72. Unter 30 3at^ren blieb ^, 
30—39 3at?re alt »urben 3, ^0—^9 3al?te 5, 50—59 
3alire \0, 60—69 3öl?re \S, 70—79 3al^re 30, 80—89 
3aljre 27, 90— \00 3at^re 6. 

(Cabeüe jiel^e näd?fte Seite.) 

Die »id^tigfle Sebingung ber Canglebigfeit ijt bie 
^uget^örigfeit 5U einer langlebigen 5<itnilie. 3ei einem 
beträd^tlidien tCl^eile ber ZTIatljematifer ift biefe 5amilien- 
eigenfd^aft nacb3Utt)eif en ; id^ erinnere an bie 5<^»niUen 
SernouIIi, Cafpni, £aoenbifl|, ^erfd^el, lüatt, lüeber, 
Doigtlänber. (Saug' Hlutter u)urbe 97 3ö^J^^ «It, u. 71. m, 
(Ein ruljiges teben l^atten aUerbings bie meinen TXlaiiiC' 
matifer, inbeffen ifl ein £eben t>oIl ^Injlrengungen fet^r 
wolil langer Dauer fäE^ig, n^ie bie pielen alten Solbaten 
bereifen, ^umbolbfs leben »ar md;t ruljig 3U nennen, 
Znonge unb Carnot »urben burd? bie politifd^en Stürme 



D. Ucbcr bxe Bcbingungcn bcs mattjcmattfcf^en Talentes. 1(35 



2. 
3. 
^. 
'5. 
6. 
7. 
8, 

9- 
U. 

t2. 
13. 

l^' 
15. 
16. 
^7. 
18. 

^9. 
20. 

21. 
22. 
23. 

25. 
26. 

27. 
28. 

29. 
30. 
3(. 
32. 
35. 
3^. 
35. 
36. 
37. 
38. 
39. 
^0. 

^l. 
^2. 

^^. 
^5. 
^6. 

^7. 
^8. 

^9. 
50. 



2lbel 


27 


b'memhext 


66 


2lmpere 


6^ 


2lrago 


67 


Becquercl 


90 


3acob Bcmoulli 


51 


3ot^ann Bemoullt I. 
5aniel Bernoulli 


81 


82 


3obann BcrnouUi II. 
Bcffcl 


80 


6( 


Biot 


88 


Bobc 


79 


Bolyai 


81 


Cydjo Bral^c 


55 


Brcttl^aupt 


81 


(Earbano 


75 


(Eamot 


70 


(SioD. (Eaffini 


87 


3can <£affini 


79 


3ean (£affini, (£omtc 




bc (O^ury 


97 


(£t^. (taoenbift^ 


80 


B. (£aücnbifrj 


79 


(Lt^asles 


87 


(Elatrault 


52 


(£oulomb 


70 


Palton 


78 


Pclisle 


80 


Peluc 


90 


Pescortcs 


5^ 


Piricf^lct 


5^ 


€nrfc 


7^ 


€ulcr 


76 


^arobay 


78 


Jotio 


89 


Jermat 


57 


Jcrnel 


6^ 


Jontencllc 


(00 


Jourier 


62 


^ranfUn 


8^ 


Jresncl 


39 


i"6 


71 


©olilci 


78 


(Soffcnbi 


63 


<5au| 
(Srafmann 


78 


68 


ßalley 


68 


ßaüy 


79 


ßclmbolfe 


73 


^. rr>. f^crfcbcl 
^oofe 


8^ 
68 



5(. r^ofpttal 

52. ^umbolbt 

53. buygcns 
5^. jacobi 

55. Käftncr 

56. Koperntcus 

57. Kroncrfcr 

58. Kummer 

59. CacaiUc 

60. Cagrange 
6;. Calanbc 

62. Cambert 

63. Cangsborf 
6^. taplace 

65. Cc^cnbre 

66. Cctbntj 

67. Icüerncr 

68. £td?tcnbcrg 

69. ü. Itnbenau 

70. Cittroip 

7(. £obatfd?ciPsfy 

72. lUalus 

73. niaupcrtuts 
7^. (Tobias ITTaycr 

75. ITT^djatn 

76. IHöbtus 

77. lUongc 

78. HciPton 

79. Heumann 

80. ©l^m 
8^. ©Ibcrs 
82. pascal 
85. pasqutd? 
8^. piasji 

85. plücfcr 

86. Poinfot 

87. poiffon 

88. Poncclct 

89. preooft 

90. prony 
9(. Quetclct 

92. Hicmann 

93. 3. Steiner 
9^. 3. n?. Struüe 

95. Poigtlänber 

96. Polta 

97. 3. IPatt 

98. W, VOebex 

99. IDeierftra^ 
(00. ü. §acf? 



^3 
90 

66 

^6 

79 
70 
68 
83 
^9 
77 
75 
^^9 
77 
78 
8( 
70 
66 
55 
7^ 
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6( 
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60 
78 
72 
8^ 
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67 
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39 
76 
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82 
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8^ 
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^0 
67 
71 
80 
82 
83 
86 
8( 
79 



H36 n. Beiträge 3ur Kenntnt§ bes mattjematifd?en Talentes; 

arg gcfdjüttclt, Tltago u» 71. t^attcn in it^rcr 3ugcnb 
au§crorbctitüd?e 5trapa3en &urd?3umad?en. TXlä^xqUit 
tjl fajl 2HIen cig«n, ein au5fdm>cifenbcr Znatljcmatifcr 
bürfte eine große Seltenljeit fein» Das Xüid^tigjle ijl unfe 
bleibt ^ie angeborene Od^tigfeit. (Serabe bie Ct^atfadie, 
feag bie ausgeseid^neten ZHatt^ematifer im ©urd^fd^nitte 
länger leben als bie anberen, seigt, ba§ ungeroöEinlid^e 
(Seijlesfäljigfeiten in ber Hegel bei oortrefflid^er Körper* 
befd?affent^eit gefunden roerben. ©er ©nroanb, ba§ bie 
ausgeseidineten 2Tlatt^ematifer älter fein mügten als ber 
Durd^fdinilt, n^eil nur jene geit geljabt Ijätten, il^r iberf 
3U ooHenben, gilt best^alb nid^t, »eil es md?t auf bie 
Quantität, fonbern auf bie Qualität ber Ceiflungen an* 
fommt. 



ni. 
Heber bas matt^ematifd^e (Drgan. 



(öaWs eingaben über feas matljematifd^e (Dtqan 
ftnb gans xxdiixq, idj Ijabe aber ferei 2tnmerfungcn 3U 
mad^en: \* Die XTatur oariirt bie 5orm ftärfcr, als es 
nadi (SatVs Sefd^reibung fd^einen möd^te. 2. ©as 
matljematifd^e ®rgan ijl nid?t auf beiden Seiten gleid^, 
fonbem in feer Hegel linfs flärfer enttt)icfelt 3. ?)a5 
matljematifd?e ®rgan befteljt 3um Ct^eil in einer Per* 
bicfung feer lüeid^tljeile. 

ad \, (SatVs Befd^reibung fe^e idi als befannt 
ooraus (vgl 5* 23). (£r betont feie Sreite feer unteren 
Stirn, fe. li. feen großen 2tbjianb ber Processus zygom. 
oss. front, oon einanber, bie lüuljlbilbung an ber Stirn- 
ecfe feurdj feas ^erausrücfen bes genannten procejfu«, 
bie Senfung fees lateralen ©jeiles fees ©rbitafead^es unb 
feie feafeurd? bewirfte ^erabbrücfung ber äußeren ^älfte 
fees oberen Ciöes. 3" ^^^ ^k<'^^ finben »ir'biefe Per- 
änfeerungen bei fajl allen großen Zllatljematifern. 3e&odj 
tritt balfe meljr ber vom lateralen <£nbe ber 2lugenbrauen 
nadj unten leinten siel^enbe IDuIjl t^eroor, balb met^r 
bie 2tbfd{rdgung bes äußeren ^(ugenE^öl^Ienranbes. 
ZHand^mal pet^t bas 2luge normal n>eit offen, mand^mal 
Ijängt feie äußere ^älfte bes Cibes fo t^erab, baß bas 



\(ifO I^I. Uebcr bas mattjcmatifcf^e (Organ. 

2tuge E^alb sugcbrücft ijt unb fd^tcf 3U jlct^cn fd^eint. 
Sctrad^tct man feas (ßcjtd^t oon vovn, fo fällt tiodj auf, bag 
ber 2tbjlanb 3ix>ifd?en fecm äußeren ^ugenipinfel unb feem 
£ontur bes (Sepdits auffallend groß ijt. §un>eilen ijl 
ber IDeg oom äußeren 2(ugenn>infel bis 3um (£n&e ber 
2tugenbraue befonbers lang, feer ^Ibjlanb sroifd^en Stirn* 
roinfel unb 2luge oergrößert 3n fold^en Säuen pflegt 
n>eber ein beut(id)er It)ul{l, nod? eine 2(bfd]rägung vov* 
iianben 3U fein, bas ®rgan ift bann fosufagen in bie 
^öl^e gebaut* 3n einjelnen fallen ift bie Stirnecfe 
gleid^mägig ausgeroeitet , mit n>eid|en Conturen, in 
anderen fpringt jie fd^arffantig oor. Sie Sefd^reibung 
oerfagt ber ZHannigfaltigfeit ber ITatur gegenüber. (Eine 
IDortformel, bie allen Pariationen gered^ roürbe, ijl 
fd?tt>er 3U finben. 2tm bejjen roäre n>bE|I, 3U fagen, bas 
matljematifd^e ®rgan bejteljt in einer ab- 
normen 3ilbung ber Stirnecfe, bie auf Per« 
grögerung bes oon ber Stirnecfe umfdjioffe» 
ntn Haumes I^inausläuft. Vfian fönnte fagen, 
nidjt bei swei Köpfen ift bas ®rgan gans gleid] gebilbet 
€s muj5 bas best^alb Ijeroorgeljoben merben, n>eU ber, 
ber biefe Variationen nodi nid^t fennt, leidet irre »irb 
unb, wenn er jid] an einen beftimmten Cypus Ijält, in 
(Sefaljr fommt, bas malEjematifd^e ®rgan 3u oerfennen^ 
Tlndi ijt bie Variabilität ein (Srunb, gegen ZlTeffungen 
migtrauifd] 3U fein/ lüenigjlens fann iii mir bis jefet 
feine ZHaagmetljobe DorfteHen, bie andi nur anhäljemb 
braudibar Ȋre. TXlan mv% immer n>ieber fagen: fommf 
unb feljt 




ffagrange- 



III. lieber bos mattjematifcf^e (Dv^an. \^\ 

ad 2. Wegen bcr tx>td}tigcn tCl^atfad^e, bag bas matl^e« 
matifd^e 0rgan portoicgcnb Unfs 5U ftnben ift, braud^e 
idi nur auf bie Silber 3u ocrmctfeti. Sei nur mägiger 
matE^ematifd^cr Scfät^igung tjl eine feeutlid^e Peränfeerung 
fogar gen>öl^n(id7 nur linfs 5U ftnben. Sun>ei(en aber 
ij) 5n>ifd:)en (infs unb red^ts faum ein n>at^rnet^mbarer 
Unterfd^ieb, 3. S. bei Ceibnis. gumeilen mieber ift feie 
redete wie bie linfe Stirnede abnorm gebildet, aber bie 
eine ijl gans anbers als bie anbere, 3. S. bei (Saug* 
2lud? E^ier finb ber Pariationen oiele unb es ijl »eber 
tt^unlid], nod| smedmägig alle fiinselfäüe mit IDorten 3U 
befd^reiben. Können n>ir andi bie ^Ifvmmetrie unb ^as 
Porn>iegen ber linfen Seite tt^eoretifdj oermertEien, fo ift 
uns bod? nod? gar fein Perftänbnig ber feineren 7lb* 
meid^ungen gegeben. 

ad 3. Sd^on ^er\ Silbern gegenüber (3. S. bei 
(£uler, bei Seffel) fommt man auf ben (Sebanfen, ba^ 
bie ^eroorragungen 3um CE^eil auf abnorm ftarfe ^aut- 
enttt)idelung 3u be3iet^en feien. Unterfud^t man ^en 
Cebenben, fo fann man jid? burd| gufüE^Ien baoon über* 
3eugen, ba% eine beträd|tUd]e £iypexpla[xe ber »eid^en 
tLhtexle befielet. ZlTan füljlt beutlidi, ba% 3U)ar ber Process. 
zygom. oss. front. ungen>öt^nlid? ftarf enlmicfelt x% ^a% 
aber aud? bie ^aut, be3. bas Unterl^autgen>ebe, oerbidt 
ijt. Die ^aut mit reid^Iid^em 5^ttpoIfter bilbet einen 
loder um bie Stirnede gelegten 5ad. Hed^t I^äufig fielet 
man aud? auffallenb ftarfe 2(ugenbrauen. 3a, bie Sio* 
grapt^en, bie fonft oon förperlid^en (Eigentt^ümlidjfeiten 
nid^t oiel fpredien, betonen nid^t feiten bie ©id^tigfeit 



^2 III. lieber bas matt^ematifi^e ©rgan. 

ber Sraucn nriö bic Cänge fecr Srauenljaare. Pon 
(£ncfe 3. S. fagt £. Srut^ns, ba% er 5(ugcnbraucn mit 
langen bidjtcn paaren getrabt unb ia% er oft felbft 
barüber gefd^erst Ijabe, »eil er ade möglid^en 3tra- 
biationen n>af{rnet{men fonnte. — 

Wjiü man <5aWs eingaben über bas matl^ematifd^e 
®rgan prüfen, fo gilt es sunäd^ft, ben Cebenben 3U be* 
traditen unfe 3U befüljlen, bann ZHasfen, Süflen, Silber 
5U unterfud^en. 5tnbet fid? bas ®rgan bei ZHatl^e* 
matifem, fo mn% es bei bcncn fetalen, bie nadjgewiefener- 
maagen fein matl^ematifd^es Calent I^aben. 

TXlan beginne bie Prüfung bamit; ^a% man I^eroor« 
ragenbe ZHatl^ematifer aufmerffam betrad^tet 2UIe Se- 
fd^reibungen, ade Silber fönnen bie Unterfud|ung bes 
Cebenben nidit erfefeen. Sie l^interlaffen Zweifel unb 
Sebenfen, bie 2lnfdjauung Ijeroorragenber ZtlatE^ematifer 
aber ift fo über3eugenb, ^a^ ber §ix>eifel rafd? oer» 
fd^iüinbet £}at man pd| erjl baoon über3eugt, u)ie bie 
Dinge in ber Hatur ausfeilen, bann get^e man 3ur Per- 
ooUftänbigung ber Kenntniffe 3ur Setrad^tung ber Silber 
über. Der, bem bie XTatur nidjt erreid|bar ijt, mu§ ftd| 
fott)iefo auf Silber befd^ränfen, aber andi bie 2lnberen 
fönnen bie Silber nidjt entbel^ren, ba nur IDenige (5e* 
legenl^eit l:tahcn, oiele B|erDorragenbe UlatEiematifer 3u 
fehlen unb ba man bod^ aud) bie Perjtorbenen feljen mu§. 

(£s ift mir ©ergönnt gewefen, oiele ausge3e{d?nete 
Ulatl^ematifer 3U fetten, einige genauer ju unterfudien* 
3mmer mar bas matt^ematifd)e ®rgan oorljanben. Pon 
Silbern l^abe xdt mel^r als 300 gefeE^en, €s Ijanbelt 




WPc«r|lra|j. 

(a.) 



III. Heber bas matl^ematifd^e ®rgan. H/^3 

jtdl ba \. um Coblcnmasfen. €ine ^Insat^I fold^er be- 
findet fxdi im anttiropologifdien 2JTufcum in Vtesöen^) 
(darunter angeblid? Xlewion, Caplacc, ^erfd^cl, 5opI:|ie 
(5crmain, £olburn, Sib^cr). Sie fdjeinen mir nid^t fel|r 
überseugenb 3u fein. Durdi t>ie (5üte ^es ^errn pxo« 
feffor neumann in Königsberg liabe \di bie ^JTasfe 
feines Daters erl^alten. 2tn iB^r fielet man bas matl|e« 
matifd^e ®rgan fel|r gut, sugleid^ aber^ roie ^ie toeid^en 
Cl^eile burdi ben (5ips gebrücft unb oerfd^oben morgen 
ftnb. 2. X)ie stoeite HeiEje bilben Süften; an allen ift 
^as matE^ematifdje ®rgan ^eutlidi 3u feigen. Sie ftnb 
3ur X)emonftratton fel^r geeignet, iB|r ir>iffenfd?aftlidier 
XPerll^ aber it>irb baburd? oerminbert, ba§ bie meiften 
Süften erft nadi bem Cobe bes Dargefiellten auf (5runb 
oon Silbern angefertigt merken, nur 3uix>eilen auf (5runb 
perfönlid^er Sefanntfd^aft mit bem Dargeftellten, bie bod] 
audi ^i^ birecte ^tnfd^auung nid^t erfefeen fann. 3, (Bröjger 
ift bie HeiE^e ber Künplerbilber, b. l^. ber ©elbilber, Stid^e, 
geid^nungen. 2tuf ber grojgen 2JTeB|r3al|I biefer Silber 
fielet man bas ®rgan red^t gut. 7>a% man es nid|t auf 
allen fiel|t, befonbers auf ^en älteren unb fd^Ied^teren 
Stid^en nid|t, bas ift begreifKd). ^. 2tm loid^tigfien finb 
bie pl^otogramme nad^ ber ttatur, be3. bie nad? foId?en 
angefertigten £itl^ograpi|ieen unb Stid^e. (£s ift nur 3u 



^) (£5 ift bas eine Sammlung bes fJofratl|es Seiler. 3d? 
üermutl|e, ba% es nid^t fel|r gelungene Hac^bilbungen ber üon 
(Sali gefammelten Stücfe finb. (Sall's Sammlung foU bem Jardin 
des plantes übergeben iporben fein. Da ic^ in ben legten 3al|ren 
nid^t in Paris gemefen bin, meig ic^ nic^t, mas bauon noc^ üor= 
banben iji. 



^^ III. Heber bas matl^emattfd^e ®rgan. 

bcbauern, ba§ jte faji alle oljtie Hücfftdit auf tDiffen- 
fd?aftlid?e Denx>ertt|ung angefertigt iporben frnb. Salb 
ijl bie Steflung günftig, balb nidjt, oft peljt man nur 
eine Seite, oft (iört eine Sriüe, oft l|at man ben Per- 
bad^t, ba§ Sdiatten roegretoud^irt u^orben ftnb. 3ntmer- 
l|in unterftüfeen bie meiften pl^otogramme bie an ben 
Cebenben getoonnene (Erfenntnijg. ^ält man baran fejl, 
ba% gereditertoeife poptioe Silber meljr berücffiditigt 
roerben muffen als sroeifeü^afte, fo ifi bie ^tusbeute be« 
friebigenb. IDieberljoIt ift es oorgefommen, t>a% idi bei 
mir unbefannten Silbern bie ZlTatE^emalifer rid^tig bia- 
gnofticirt l:iabe. guweilen I^at bie XPirfUd^feit midi an- 
genel^m überrafd|t; ber ptjvfifer Sol^mann 3. S. hiat 
ein gett>altiges ®rgan, wäl^renb auf bem pljotogramm, 
bas xdti befifee, nid|t oiel 3U feigen x% lOeiteres über 
Silber bringe xdi im näd^ften 2lbfd?nitte. 

©b bie 2JTeinung öafl's, ba% jeber ZHatljematifer 
bas matljematifdie ©rgan liaU, rid^lig ift, bas ift mit 
Seftimmtt|eit nid|t 3U fagen. gioar I^abe idj nodi feinen 
gefeiten, beffen Kopf gegen (5aII's 2JTeinung fprädie, in- 
beffen es wate bod? möglidi, t>a% gelegentlid^ bas äußere 
geid^en fet^Ite. Wenn bas matl^ematifd^e ©rgan ber 
2lu5brucf baoon ift, bajj getoiffe (5el^irntt|eile mel^r Haum 
als getDÖIjnUd) braud?en, bie ^lustoeitung ber Slirnede 
auf biefe IPeife entftel^t, fo fönnte bodi in mandjen 
5änen ber ©erlangte Haum ol^ne 2lustDeitung ber Stirn- 
ede gefunben tt>erben, fei es burdi Verlagerung ber 
(SeljirntE^eile, fei es baburdi, t>a% anbere ^irntljeile un- 
getDÖI^nlidi toenig plafe braudien. 2luf jeben Soü toürbe 




(b.) 



l^^ß m. Hebet bas matljcmattfc^c ©rgon. 

man gar in eine mebicinifdie Section, fo glaubt man 
eine andere ZlTenfct^enraffe 3U feEjen. Set ben Vertretern 
ber an bie XHatljematif angrensenben Sädiet finbet man 
halb ein großes ®rgan, balt> ein Heines, je nadj ber 
matEjematifdien Sefäljigung» 3«ner pt^yjtfer iji ein 
matl^ematifd^es (5eme, biefer ijl oielleidit ein ausgeseictj* 
neter (Experimentator, aber matljemaäfcti ^diröadt- 2leljn- 
lidi ij! es in anderen Serufsarten, bei 5inan3teuten, ^Ir* 
tillerie* unb Seeofficieren, 3ngenieuren u. f. xx>, 3ttimer 
jiet^t ba^ ®rgan ungefäB|r im Pert^ältniffe 3um matE^e- 
malifdien Calente. Sefonbers bei einseinen 5inan3- 
männern unb 2lbmiralen ift mir bie öröj^e bes ©rgans 
aufgefallen. 2JTan fiel|t es ferner an ben lüften von 
Cäfar, befonbers an bem Kopfe in Neapel, ber Cäfars 
Ztamen trägt, an einer Florentiner Süfte, bie ben Kaifer 
^ugujius barjjteflt, an ben Süjlen Napoleons u. f. w. 
3ntereffant tt)ar mir, ba% andt ZlToItfe ein matl:?ematifd|e5 
®rgan (befonbers linfs) iiat; man fieE^t es am bejien an 
ber ZHarmorbüfte oon Segas, bie in ber berliner National* 
gallerie ftet^t, aber aud? an ber Büfte oon Donnborf. - 
Pen ben Hed^enfünftlern hiahe id| neuerbings feinen 
im Ceben gefel^n ; roir I^aben nur 3um tEEjeil Silber. 
(Sau giebt Silber t>on Sujton unb Colburn, aber ieiber 
finb bie portraits auf (SaWs CafelR äugerjl bürftig. 
Sie jtnb roie geidinungen bel^anbelt, bie Köpfe finb 3um 
CE^eil fel^r Hein, man erfäE^rt nid^t, wo bas Silb B|er« 
ftammt. 3"tmerl|in fieB^t man, ba% bas matE|emätifd|e 
©rgan oort^anben x% 5^tner fieE^t man es an ben 
Dresbner ZHasfen t>on Colburn unb Sibber. Pon 3"ött^i 




ialaitbe. 



HL Heber bas mattjematifd^e 0rgan. ^^7 

bradile bie Ccipsigcr 3nujlt. geitung einen ^olsfdinilt 
nadj einem pljotogramme, ber nid|t oiel, erfenncn lie)^. 
Dr. 5erroI I|at ein beträditlidjes malt|ematifd|C5 ©rgan, 
er gleidit audi äugerlidi ben u>irf(ict|en 2JTatI|emotifern* 
3m 2lflgemeinen unlerfdieiben jtdi bie blogen Hcct^cn- 
fünfiler md|t burd| bie (5cj!a(lung iljres mal t^ematif dien 
©rganes von ben 2JTatB|em alifern , fonbern burdi bie 
übrigen Ccile iEjres Kopfes. (Sau tt>ürbe bas bes ttäBieren 
auseinonberfefeen fönnen, n>ie er andi bie Calente ber 
„unreinen" ^JTalljemalifer 3U ber 5orm il^res Kopfes in 
Besiel^ung fefeen möd|te. 3d| jebodi modile oorläufig 
auf firörlerungen biefer 2lrt nid^l eingel|en. 

Xlüxx u>äre nodi einlas über bie äujjere (Erfct^einung 
ber tt>eiblictien Znatljematifer 3U fagen. 3^1 fenne Silber 
von £aura Safp, £1. Sorromeo-(5rino , CL Cambroni, 
(5. 2lgnefi, C ^erfdjel, 5. (5ermain, 2X1. SomeroiHe, 
5. KomalefDsfy. Der Kopf ber (Sermain ij! abgegoffen, 
bas Bilb ber KoioaleiDsfY iji ein pl^ologramm nad| ber 
Ztalur. Die anberen Silber pnb Künfilerbilber unb idti 
wcx% nid|l, mieoiel fle n>erll| finb. Die <5ermain unb 
C ^erfd^el liab^n männlidie 5ormen, befonbers jene. 
Die Kowalewsfy unb £aura Saffi (äffen stoar aud| bas 
®rgan erfennen, inbeffen i^al es fosufagen weibUd?e 
5orm angenommen, wir fetten fein ^erab^rängen t>es 
Cibes, feine j!arfen Srauen, fonbern bas ©rgan \% wie 
idl oben fagle, ,,in bie ^öl|e gebaul". 2In ^cn übrigen 
Silbern, bie aud| als foldje nid|t Bieroorragenb finb, ij! 
nidjl oiel 3U feB|en. Pielleid^l liegl ber 5eI|Ier am 
Künfller, bem es am IDeibe nodi ^^it^ »iberjireben 

^0* 



|/]^8 m« Ucber bas matl^emcttifd^e 0rgan. 

mtrb; anfdicinenb unfdjöne Silbungen toicbersugcben, 
als beim 2JTanne. IDenn xdti audj pon bcn in bcr 
Citeratur genannten ^JTatljematiferinnen feine gefeiten 
Ijabe, fo Ijabe xdi bodf eine HeiE^e von 2JTäbd|en prüfen 
lönnen, bte porsüglid? ted^neten unb sunt Cl^eil im Isolieren 
Unterridite iljre malt|ematifd|e Einlage bargetljan l^atten. 
Sei aßen u>ar bas matl^emalifdie ®rgan ausgebilbet 
ipenn audj fditoadi, unb immer toar t>ie ^fymmetrie 3U 
(ßunfien ber linfen Slirnecfe oorl^anben. (Einem Künftler. 
äuge toirb eine fiarfe Stirnecfe unb erfi red|t eine 
^fymmetrie am IDeibe unfd^ön unb ftörenb porfommen, 
er u>irb fie mit Hed?t ebenfo als einen Vcx^o% gegen 
ben toeiblid^en Cvpus empfinben, n>ie ber Unbefangene 
bas matl|ematifd|e Calent mit ber tDeiblidjen (5eiftesart 
nidjt vereinen fann. 

Sielet man von ben roenigen roeiblidien IDefen ah, 
bie „aus ber ^rt gefdilagen" finb, fo giebt es -faum 
einen fdirofferen (5egenfafe als ben ZHatljematiferfopf 
unb ben IPeiberfopf einerfeits, ben XlTatEiematifergeift 
nnb ben IDeibergeijl anbererfeits. Die 2lntIjropoIogen 
betrad^ten bie geringere 2lusbilbung bes ^ugenl|öl^len» 
ranbes gerabesu als ein Kennseidien bes toeiblidien 
Kopfes, bes. Sdjäbels. Seim normal gebilbeten IDeibe 
ift bie Stirn fdimal, bie Stirnecfe eingesogen, bie Um» 
ranbung ber 2lugenB|öE|Ien nät^ert fxdi bem Kreisbogen, 
bie 2lugenbrauen finb gefd^mungen, iE|re ^aare jtnb sart, 
fürs unb fpärlid?, ja bei oielen Weihern ift ber äu§ere 
2lbfd]nitt ber 2lugenbraue im fpäteren 2Hter oeröbet (audi 
oEjne ZlTy^öbem), es ift feine 2lfYmmetrie oort^anben. 




©dambrie* 



III. Heber bas matl^ematif c^c (Dx^arx, \(iß 

Der Kopf bes Durd^fd^mltsmanncs ftcB|t in bcr 
^TTilte 3ir)ifd|en öcm 2JTatl|cmatiferfopfc unb bcm IDeibcr* 
fopfc, \ot>a% jener als bie Steigerung t>es fpecififdi 
männlidien Cypus erfdieint Salb näB|ert ftd? bie 5orm 
ber Xnännerjlirnecfe meB|r bem einen (Extrem, balb mel|r 
bem anberen. €5 ift nun fet^r intereffant, ber 5ad|e bei 
bebeulenben ZHännern nadjsugeljen unb 3u finben, t>a% 
^a, xx>o bie Stirnecfe jid^ ber tDeiblidjen 5orm näEjert, 
^as maltiematifdie Calent gans feljlt, ^a% es rort^anben 
ift in bem (5rabe, tt>ie bie Stirnerfe ftd? entioicfelt, 
tteljmen roir bie brei großen Claffifer ber Citeratur, 
(5oetEje, 5ct)iIIer, Ceffing. Don aH^n brei B|aben wir bie 
(5eftd)tsmasfe. (5oetB|e's Stirnecfe ijl fd?Ied|tu?eg meibHdj, 
SdiiHer jiel^t in ber ZHitte, Ceffing B|at andi beutlidjes, 
wenn a\xdi Heines matl^ematifd?es ©rgan. 31* ^i^ 
parallele sroifdjen (Beiftesbefdiaffenl^eit unb 5orm nid^t 
überrafdienb ? 5öft ebenfotoenig Slirnerfe mie <5oelB|e 
I^aben £utB|er, Seett^ooen n. 21., pon benen ZlTasfen oor« 
liegen. (5el^t man u^eiterE^in bie portraits ber (5eIeEjrten 
unb Künpier burd?, immer finbet man biefelbe Ueber« 
einftimmung von innen unb aujgen. Hapl^ael l:iat roeib» 
lidje, Znid^el 2IngeIo männlid^e 5orm. Did^ter unb 
tEl^eoIogen E^aben burdifd^nittlid^ tt>eniger Stirnecfe als 
Bilbl^auer, 2Irct?itecten, Haturforfdier. ZTTan oergleictje 
Blograpl^ie unb Portrait fo oiel man toill, immer mirb 
man biefelbe £eB|re finben, je mel^r Stirnede, befto meE^r 
matE^ematifdies tEalent ober Sinn für (Brögenoerl^ältniffe 
überE|aupt. probe unb Gegenprobe ergänsen fid? aufs 
Sd^önfte. 



^50 ni. Ucbcr bas matfjematif d?c 0rgan. 

Ztun bleibt nodi bte gro§e JJTaffe ber ^gciPot|hüd|cn 
XHenfdicn'' übrig* (Seiti man aufmcrffam burdj bie 
Strajjen ber Stabt, fo fammclt man binnen Kursem 
Caufenbe von Seobad^tungen unb überseugt [xdi baoon, 
ba§ unter einigen Caufenb nodi nidit ein JJTann iji, bei 
bem man pon einem matE^ematifd^en ®rgan reben 
fönnte. Unterfudien fann man freilidi auf ber 5tra§e 
nidjt. ttatürlidi Ejabe xdt audi auf bie Stirnbilbung bei 
meinen patienten gead^tet, feit id| (SaE's WexU fenne. 
(Einige 2JTaIe liabe xdi 2lnbeutungen eines matljematifdien 
©rgans gefunben, oI|ne ba§ nadj 2lu5fage ber £eute ein 
Calent 3um T^^dimn oorijanben geujefen wäre. 3cti 
laffe es bat|ingejlent fein, wie biefe S^Vie 3U erüären 
finb. (5en)öljnlidj Ijanbelte es fxdi bei gut enttoicfelter Stirn« 
ede um Kaufleute, Sanfbeamte u. f. »., bie angaben, 
t>a% iljnen bas Hedinen leidet falle, bie aber feine (ße« 
legenEjeit 3U weiterer 2lusbilbung gefunben Blatten. (£ine 
Silbung ber Stirnede wie bei einem 2JTatI|ematifer Ijabe 
id7 erjl jüngft bei einem älteren 2lrbeiter gefunbeYi. Der 
2JTann Ijatte befonbers linfs einen jlarf entwidelten Proc 
oss. front, zygom., im Uebrigen einen Seinen, ungünftig 
gefalteten Kopf. (£r jiammte aus Sd^Ieften, I^atte nur 
bie Dorfd|uIe befudjt. (£r E^abe Ieid|t gelernt, [xdt S^m 
(£rj!aunen ber Umgebung afles gemerft unb fei im 
Hedinen immer ber (Erfte gewefen, jeboii feien fie in 
ber 5d|ule nid?t weit gefommen, ^a ber £et|rer meiji 
betrunken gewefen fei, unb fpäter I^abe bie ttott^ bes 
£ebens jebes XPeiterlernen r)erl|inbert. 

Wir wiffen aUsuwenig von ber fintwidelung bes 




Cietbnt^ 



IIL Ueber bas matljematif c^c 0rgan. \5\ 

<5cljirn5 unb bes Sdiäbcis, als ba§ toir bel^auptcn 
formten, btefe ober jene 5ormeigentt|üntItdifett Knne nur 
auf €tne XDeife enlftel^en* <£s roäre baB|er oermeffen, 
3u beljaupten, ba§ eine parfe <£ntir)icfelung ber Stimecfe 
ol|ne 2lu5naljme mit Hedientalent perbunben fei. 2JTan 
fann [xdi aflerlei 2JTogIidifeiten benfen unb erji toeitere 
Unterfudiungen roerben seilen, wie bie feltenen 5Ätte, bie 
[xdi ber Hegel nid^t fügen tDoflen, su beurtljeilen pnb. 

2tudi bie 5tage, iniDietDeit Haffenunterfd^iebe bei 
ber Bilbung ber Stimecfe in Setrad^t fommen, ijl por 
ber ^anb nid|t genügenb 3U beanttoorten. 3" größeren 
inengen Ijabe idj bis jefet au§er ^en 2)eutfd|en nur 
3taliener, finglänber, 3«^^" betradjten fönnen. 3dl 
fann nid^t finben, bajj bie Stirnranbbilbung bei bem 
einen Polfe anbers tx>äve als bei bem anberen. Die 
fiigentijümlidjfeiten ber ZlTatljemaliferföpfe pnb auf jeben 
Sau überaE biefelben, foweit man nadi ben Silbern 
urtl^eilen fann. 3tttereffant u>ar mir, ba§ idj audj bei 
matt^ematifdt begabten ^apan^tn bas matt{ematifd}e 
0rgan gefunben liahe, obtoo^i bie 3öpaner im 2tnge« 
meinen u>enig Stimecfe 3u I^aben fdieinem 

Ueber bie <£ntn>icfelung bes matljematifdjen ®rgans 
im inbipibueEen £eben enblidi «fi nodi n>«nig 3U fagen. 
Wk bos mattjematifd^e Calent fd^on in ber Kinbljeit 
Ijeroortreten fann, fo fann man audi bas matljematifctie 
®rgan fd^on bei Kinbem beobadjten. ZlTan oergleid^e 
bie 2lngaben <5aE's. 2tud^ idi l^abe foiPoEjI bei Kinbem, 
bie pdi burdi (ßefct|icflidifeit im Hed^nen aus3eict|neten, 
als audi an bcn Kinberbilbem pon UTatt^ematifem bas 



^52 in. Uebcr bas matl^cmattf(^c (Dx^an, 

©rgon beobttäitet. fjot bie Uebung auf bie förperlidje 
5orm «inen €injlu§? 3di bin auf ben (5ebanfen ge* 
fommen, btt§ befonbers bie fjYperpIafte ber It)eiditt|eile 
{bk Swnotime öer ^aut unö ifjrer 2(nljänge, audi öas 
It)ttdifen ber ^tugenbrouenfjaore) burdj bie Uebung be- 
fördert n>crbe, ba§ menigftens fjier ber €injlu§ ber 
Uebung am beutlidjjien fei. €inige Seobadjtungen 
fdjienen mir bies barsutfjun, inbeffen mag meine ZHeinung 
vorläufig nur als Permutt^ung gelten. 




ffi. ßoht. 



Ueber Bilöer* 



Bei feiner fepfjaloffopifdjen Untcrfudiung jtnö 
portroits 3u enlbefjren. Denn, wenn oudj öie Ejouplfadje 
bie Prüfung öes Cebenben tji, bas Mbaftifdje 3"tercffe, 
Me Unmöglidjfeit, alle in Setradjt fommenben Cebenben 
3U unterfudien, ber bered^tigte Wnn\<ii, andi öie Per» 
ftorbenen Iierbeisusieljen, smingen uns, sunt Portrait iju 
greifen, ja rxadi ber Cage öer Dinge toeröen bie Portrait* 
Unterfudjungen öer gö^ll nadj x>or ben Cebenöen»Unter« 
fudjungen 3u jlefjen fommen. Wxt muffen beslialh 
fragen, toeldie Darjlellung öes Kopfes entfpridjt ben 
beredjtigten 5oröerungen nnb inn>ieu)eit ftnb öie oor* 
liant>cnen Silbniffe braudjbar? 

gtoeifellos roäre bas Bejle eine breibimenftonale 
It)ieöergabe, bie öem Originale glid)e. Sd^einbar er» 
füllt ber 2lbgu§ bes Kopfes afle Forderungen. IDir 
liahcn bisljer nur bas (5ipsi>erfal|ren, ber (5ips aber 
giebt bie 5orm nidjt getreu roieber, feine Sdiwete be* 
w'xxh Perfdiiebungen ber ujeidien Cl^eile, bie 3U beträdit* 
Hetzen 3rrtliümern füljren fönnen. ^(flerbings u)iber» 
ftelien bie lebenden Cljeile in getDiffem (ßrabe bem Drucfe 



H5^ ni. Ucber bas matl^cmattf(^c 0r$an. 

ÖC5 (5ipfc5, an Ccidicnföpfcn aber fommt es unter Um* 
fiänben 3U ftarfcn Dcrunftaltungcn. 2(udi iiängt nidtt 
xoenxq von bcr (5cfdjicfKdjfcit bcs (5ic§cnbcn ab, Seim 
Ccbcnbcn ift bie Unanndimlidifcit bcs Pcrfal^rcns ein 
praflifd^es fjinbcrni§, benn UTandjc toollcn jidj bcr 2lb« 
formung, bcr rcid^Iid^e 3cl|aarung bcfonbcre IPibcrfiänbe 
entgcgcnftcflt, nidjt unterstellen. 3mmerB^in u>äre redit 
feljr 3U u)ünfd)en, ba§ bie 2lbformung bes Cebenben 
I^dufiger als btsl^er ausgefüB^rt toürbe unb ^a% gefd)itfte 
£eute fxdi in bem Derfat^r^n übten» Kommt es nur auf 
bie IPiebergabe ber fnödiernen 5orm an, fo barf man 
[xdl auf t>en 2tbgug perlaffen. 2luf je^en 5^11 toirb ber 
^^dug sufammen, perglidjcn mit anberen 'DarfieHungen, 
dugerft u>ertB|POÜ fein. Ptefleidjt gelingt es in gufunft, 
ein IHaterial 3U finben, bas bie TXadiiiiexie bes (ßtpfes 
nidjt liaU 

2lbgefel|en »om 2lbguffe, iji ^as 3beal besB^alb nid)t 
3U erreid^en, roeil oollfommene Creue nur oon einem 
pB^Ypfalifdjen PerfaB^ren 3U erujarten ift, ein foldies aber 
bis jefet nur 3i©eibimenfionaIe 'Darj^ettungen liefern fann. 
Znit anberen IPorten, bie Süfte t^at nid^t bie (Sewähtt 
DoIIfommener Creue, bas pB|ologramm iji mangell^aft, 
toeil es bas förperlidie (5ebilbe auf eine fibehe projicirt 

Sei ber Büfte fommt nalürlid? afles auf ^en Künfller 
an, barauf, t>a% biefer bie 5ciB|igfeit unb ^en guten IPitten 
liat, in Creue bas iPaBjrgenommene n>ieber3ugeben. gu 
forbern ijl ^lusfüBjrung in Cebensgröge. 

7lndi bei bem pt^ologramme fommt auf ben pE|oto- 
grapljirenben piel an unb neben guten Apparaten, guter 




iFranj Unimann. 



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fbpto 

hei 
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auf 
Soll 



ob 



Uehev Btlber. ^55 

Ccdjnif btandi^n mit biefcIBcn €igenfdiaften, bie n>ir 
»om Künftler fordern. Die natürlidjen Znängcl bes 
pB^otogramms fönnen sunt CI|ciI öoburdi ausgeglid^cn 
werben, ba§ ein poHfornmenes pl^otograpljifdies Silb in 
brei 2lufnal|men serlegt toirb, eine gerabe oon oorn, 
eine pon red^ls, eine von linfs. 3e größer ber Kopf 
auf ber pI^otograpt|ie ijl, um fo beffer ift es, auf jeben 
SaU barf unter eine ge»iffe (ßröge nid)t I|erunterge» 
gangen »erben. 3^1? fenne stoar toirflidi gute Bilber 
in fog. Dijttenfartenformat, bie nur ^^n Kopf entljalten, 
aber DarfteDungen ber gansen 5igur in biefem 5ormat 
jtnb faji immer unbraudiban Itatürlid) foHte bas pl^oto» 
gramm nidjt retoud^irt fein. 

Pielleidit entfd?Iie§en fidj bie pt^otograpl^en mit ber 
Seit, „n>iffenfct|aftlid?e portraits" Eiersujleflen, bie un» 
retoudiirt ^en Kopf oon oorn unb oon beiben Seiten 
geben unb fo forgfältig Ijergepellt finb, ^a% afle Der* 
fdjiebenl^eiten ber Bilber auf Perfd)iebenl>eiten bes (Db* 
jectes 3u besiet^en jtnb, Der DortB^eü ujürbe mannig« 
fallig fein. 

ZHalerbilber oereinigen bie Hadilt^eile ber flfäd^en« 
Eiaften Darfiellung unb ber IPiflfür. Dagegen liahen 
fie, abgefel^en pon ^cn geidjnungen, ^en Portl^eil ber 
5arben. 

3n IPirflidifeit finben toir bie in unferem Sinne 
befriebigenben DarfteHungen feE|r feiten. ^us bem 
^Itertl^ume Bjaben n>ir Büften, (Bemmen, ZHünsen. 3" 
ber diripiidien geit oerftel bie Kunft rafd). Xladi einer 
langen paufe erjleB^t fte im Mittelalter oon 5^euem unb 



H56 ni. lieber bas matf|emattfcf?e 0rgan. 

nun treten 3U ben plaftifdien Darjienungcn (Ddbilbcr, 
^olsfdjnittc, Stidje u. f. w, 3" ^injtd^t auf t>as por* 
trait scrfäHt bie ganse gcit in stDci Zeitalter, tas pt^oto* 
grapl^ifdie unb bas oorj>t|otograpB^ifd)c. Por ber (£r* 
finbung bcr Cid^tBiföcr toar ber ^bgug ^as cinsigc 
mcdianifdje Derfat^rcn unb um fo mct|r ift es 3U bc* 
baucrn, bag toir fo tocnig ^Ifegüffe aus älterer geit be- 
fifeen. £5 ip unbegreifltd?, ba§ ber XOcviii eines treuen 
Silbes fo ujenig erfannt toorben ijl, um fo unbegreif • 
lid^er, als bie naioe ^uffaffung mit ber tDiffenfdjaftlidien 
pdj betft ©er naipe ZlTenfdj oerlangt nidjts oon einem 
Bilbe, als bag es bem (Originale ätinlid) fei, bas (Original 
ift il^m Dilles, ber Künftler nid|ts. (ßerabe fo benfen 
ipir. Vet Künftler aber rümpft bie 5^afe über bie bloge 
^el)nlidi!eit, iljm iji bie „fünjiterifd^e 2(uffaffung" bie 
fjauptfadje. Streng genommen follte bie portraitfunft 
gen?iffermaagen pon ber übrigen Kunft gefdjieben fein. 
3n biefer t|errfd?t 5.reit^eit, in jener gmang, I|ier fdiaßet 
ber Künftler nadj Selieben, , folgt feinen (Eingebungen, 
bringt im (5runbe genommen feine perfon 3ur (Er* 
fdieinung, im Portrait aber foHte er ein getreuer Kned)t 
ber Hatur toerben, ber auf alles €igentl^um oersiditet 
unb gern oor bem (Originale perfd)U)inbet lDaB|rfd?ein- 
[\dl liat es fold^e red)te portraitiften gegeben, aber ein« 
mal genügt bas Streben Tiid|t, ber WxVic 3ur Unperfön« 
lidlfeit ip nodj nid)t Unperfönlid^feit, 3um 2lnbern bürfte in 
9 t>on ^0 5äflen bie Künpierfubjectipität, betougt ober 
unbeujugt, burdj ^as Portrait nidit eine bloge Xladi' 
al^mung, fonbern eine KünjHerleipung beafepd)tigt Ijaben* 




lolr* iFaullfaber. 



Ueber Bilbcr. \57 

Vas gicl war «in im Sinne bcs Künfticrs gutes Silb, 
X>erl|errlid)ung bcr Kunfi, Pcrt|crrlid]ung bcs Künfticrs» 
ITatürKdj fann ein Portrait iiohtcn fünftlcrifd^en IPcrtij 
iiaberx, andi wenn es nidit gans äljnlid? iji. Stände 
aflemal unter bem Bilbe, ob es ein getreues ober ein 
fünftlerifdies Portrait ift, fo wäxe nxdtts einsutoenben. 
ipie bie 'Dinge aber roirflid? liegen, muffen wxv vot 
jebem toeniger guten Bilbe fragen, miepiel wxv burdj 
bie Unfät^igfeit bes KünjHers perloren B|aben, por jebem 
guten Silbe, toiepiel ber Subjectioität bes Künftlers an- 
gel|ört, 'Den KunjlgeleB^rten ift bie Sadte gans red)t, 
für fie ip bas (Original ein ZHobeH, axx bem . fidj bie 
Kunft geübt I^at. UTan urtB^eilt ja über ^en VOextii bes 
portraits oB|ne bie Urbilber 3u !ennen; „£in fdjöner 
Pelasques", „ein fdiöner x>an Vyt", barauf !ommt es 
an, fie feigen im Portrait fd^Ied^tweg ^en Künftler. TXlan 
meint, ber Künftler folte ibealifiren, bas Unu)efentlid]e 
ausfdieiben, bas IPefentlidie t|erPorI|eben. 2(ber u)ot|er 
ujeig ber Künftler, roas mefentlidj ijl? Dielleidit fagt 
man, bie äftt|etifdie 3etrad|tung lettre, ob bie ^etinlid)* 
feit „im l|öl^eren Sinne" oorB^anben fei, <Sew'x%, wenn 
man 3. 'B. bas Silb 3ulius IL t>on Hapl|ael betradjtet, 
fo fagt man pd) unn^illfürlidi : ber UTann lebt, fo mu§ 
er ausgefetien E|aben. ^ber toer beroeift, ba§ er fo aus« 
gefeiten t^at?^) Kann nidjt gerabe ber große Künftler 

^) IHan iann es aücrbtngs unter Umftänbcn bcipctfcn, wenn 
ndmlidi ber Scf^äbel ober eine 3uoerIäffige XUasfe ^e^eben ift. €5 
beipeifen bas bie ntd^t genug 3U fd^äfeenben Unterfucf^ungen 
IPelcfer's über Sd^iüer, Hapt^ael, Dante. 2lhex wie oft liat man 
ben Sd^äbel ober bie XUasfe? 



H58 in. Uebcr bas matl^ematif(^c 0rgan. 

bem Silbe, bas iljm oorfditoebte, bas feine pljantajte 
aus bem Silbe feiner klugen gemadjt Ijatte, bas ^ehen 
einljaudjen, fosufagen eine neue perfönlidifeit fdiaffen? 
2(uf jeben ^aH ftnb wxv oerpjliditet, alle Künftler^ 
bilber nur mit groger Dorftd^t 3U u)ifyenfdiaftlidien 
Sn^ecfen 3U oertoertlien. 7lm nädjften liegt es, oer* 
fdjiebene Silber berfelben perfon 3U oergleidien : IPas 
allen gemeinfam- ift, I^at ^nfprudj auf (ßeltung. 5teilidi 
mug man ba minbejlens brei Silber Ijaben. 5^rner 
fommt bk innere IDalirfd|einIid?feit in Setradjt. 3^ 
mandjen 5ciflen tjl es feEjr leidjt, ju fagen, bas unb bas 
ift falfdj. 3d^ erinnere mid) 3. S. einer antifen Süjle, 
Bei ber nidjt nur bie obere Stirn, fonbern audi bie 
(5egenb über ber Ztafena>ur3el (ßuerfälten trägt Das 
ift nid^t möglid?, bas muj3 ein ungefdjidter Copift ge* 
mad)t I^aben. (Ein anberes Seifpier fjt 5d)itter's CoIoffaN 
büjle oon 'Dännecfer, auf ber ber Did^ter beinat^e einen 
IPaffetfopf I|at, 3"^^ff^" oerfagen unfere Kenntniffe oft. 
(5erabe in Se3ieliung aiif bie 5örm bes Kopfes finb ber 
HTöglidjfeiten öiele. Vaixx fommt, ba^ ber Künftler in 
ber Hegel fein fjauptdugenmerf auf bie <ßefid)t53Üge 
toenbet, bie Cl^eite, bie nadj ber allgemeinen ZHeinung 
nid^t 2lusbrucf ber feelifd^en (Eigenfd^aften finb, mel^r 
ober toeniger oernad)Iäffigt ^anbelt es fid? um unge* 
ujöt^nlidie 5ormen, um ^Ifymmetrieen u. f. w., fo roirb 
ber Sd^önl^eitbrang bes Künftlers leidet ba3u füljren, ber 
Hegelmägigfeit, ber Symmetrie 3um Siege 3U I^elfen 
(pgL bie Semer!ung (SalVs auf S. 266 biefes Sud)es), 
3m ^lUgemeinen u)irb bei ungemöl^nlidien 5ormen, 3U« 




>>r-^- 




M. iFaraiaij. 



Heber Btlber. \59 

nädt^ bei bet abnormen Silbung bes 2lugent|öyenranbe5, 
ein KünftlerBilb nur ^ann als Setveismittel btenen fonnen, 
roenn es pofilio \% b. li. wenn bie fraglidie Silbung stt 
erfennen ip. Dann freilidi ijl gerade bei KünjMerbilbern 
darauf (Sewxdit 3U legen, benn bie ^tbroeidiung oon bec 
Hegel mu§ fo beutlid) geipefen fein, ba% jte ben Künpier 
Strang, fte im IDiberfprudie 3u feinen nalürlid^en Hei« 
gungen »iebersugeben. Sefonbers bebenflidi n>irb bie 
Pertoertljung, toenn bas Silb nidit Cebensgröge f^at, 
Coloffalbarfießungen bürften faft immer unbraud^bar 
fein. 3m 2lllerlt|ume foflten £oIoffaIföpfe nidjt foix)ot|I 
Portrait^ als Perf^errlidiungen fein; fie rourben bann 
nidjt naturgemäß, fonbern ftilgentäg bef^anbelt unb nadj 
(5ötlerart ins Uebermenfd^Iidie getrieben. 3n ber neueren 
Seit bürfte ^wat bie beu>u§te Dergöttlidiung nidjt in 
53etradit fommen, aber ber (trieb nadj bem JTlonumen« 
talen betoirft bodj Pergröberung unb Perserrung ber 
5ormen. 3di oeripeife mieber auf bie SdiiHerbüjle; in 
ber lebensgroßen Süj!e f^at Dannecfer ein ausgejeidinetes 
lüerf geliefert, bei ber £oIoffaIbüj!e f^at if^n ber lüunfdi, 
bie Sreite ber SdiiHerjHrn beutlid? 3U madjen, 3ur JTlig* 
gej!altung gefül^rt. 3" £linfid|t auf bie (5ejialtung bes 
2(ugenI|öI|Ienranbes Ijabe id^ fef^r piele Coloffalbü^en ange- 
feE^en, ^a finbet man tDüIfte bei Köpfen, bie in ber IDirfüdi« 
feit gar feine Spur baoon gel^abt E^aben. 2tIfo Dorftd^t ! Sa^ 
nodi weniger merben ZTTiniaturbarftellungen braudjbar fein, 
befonbers (5emmen unb fleinere ZTTünsen. ^anbelt es fidj 
bloß um ^eI|nHd|feit im 2lflgemeinen, fo mag man jie t|eran« 
sielten, bei ©etailfragen fommen fte faum in Setrad^t. 



^60 in. Ueber bas matt^ematifd^c (Drgan. 

€tnen ungel^curen 5orlfdiritt f^abcn wit burd? 
Me €rftnbung bcr Cid|tbilber qcmadit, man tann 
bafür gar nid^t batifbar genug fein. Was f^ätte 
(Sau Icij!en fönnen, toenn il^m bie pI|otograpI|ie 3U 
(Schote gefianben Ijättc! 3nbcffcn mu§ man oft bie 
pl^otogramme neE^men, tt>ic man fie befommt, unb fic 
ftnb burdiaus nid^t immer fo, wie fte fein foHten. Doli» 
ftänbige, b. f^. bteifaAe ^ufnal^men oon Köpfen finbet 
man nodj nirgenbs. 'Das befte VOext, bas id? fenne, ifl 
bie Sammlung gried^ifdjer unb tömifdjer portrails, bie 
oon ^. Brunn unb p. 2(rnbt oeranfialtet, oon S* Srucf • 
mann E^erausgegeben tDotben ip, aber aixdi f^ier E^at 
man ftdj auf swei 2(ufnal^men (eine oon oorn, eine oon 
redits ober oon linfs) befd^ränft, mal|rfdieinlidi in Hücf» 
fid^t auf bie Koften. We\% man erft einmal, wie fel^r 
redjts unb linfs bei bcn meiften ZHeufd^en unb aud^ bei 
naturgetreuen Süjlen perfdjieben finb, fo mu§ man bie 
Beredjtigung meiner 5orberung anerfennen. Sei ^en 
geix)$I|nUd|en pE^otogrammen fommen weitere Sd^wierig» 
feiten ba^n, Der pI|otograpI| wiH ein fdjönes Silb 
liefern unb er mug es, benn er mad|t fd^Ied^te (5efd^äfte, 
wenn fxdi bie Ceute auf iE^ren Silbern nidjt gefaQen. 
2(Ifo wirb bie Stellung nad? äpi^etifd^en Hücfftd^ten ge« 
wäE^It unb wirb bie plalte retoudjirt. Cid^t unb Sdjatten 
jtnb nid^t immer fo pertl^eilt, ba% man feigen fann, was 
man feigen wiß. 3n meiner Sammlung Ijabe xdi pl^oto« 
gramme oon JTlatl^ematifern, auf bcnen Hiemanb bas 
matt^em, ®rgan beutlidi erfennen fann, unb bodj weig 
xdl ans ber Setrad^tung bes Cebenben, ba% bie Darge« 




Ärgeianier- 



Heber Bilber. \^\ 

fcQtcn ein ausgeprägtes matl^ematifdies 0rgan l^aBem 
(5any befonberen Perbrug bereiten bie Sriflen, es foKte 
poUseilidi verboten fein, bag ftd^ aiattjematifer mit ber 
53riIIe pl^otograpl^iren laffen. 

Zladt aDebem x^ es bis ]e^t um bas Portrait fd)(ed)t 
bejIeDt JTlan foßte meinen, ba^ es für ben ZlTenfct^en 
fein miditigeres unb ansiel^enberes Stubium geben fönnte 
als bas Znenfdjenljaupt, ba% insbefonbere bie Köpfe, 
benen roir aües (5ute oerbanfen, jeberseit ein (Segenftanb 
fon>oI|I ber €I|rfurdit als ber XDigbegierbe Ijätten fein 
muffen, ba^ man bie äußere 5orm ber f^of^en (5eijler 
minbeftens mit eben bem €ifer unterfud^t I^aben mügte 
n>ie bie 5orm iljrer arbeiten, bie Perfe itjrer Cieber, bie 
Cesarten in iljren IDerfen u» f. f. Ztein, nidjts berari 
^ätte man (Sau geroürbigt, fo I^ätte man menigjlens feit 
\00 3al|ren JTlaterialien fammeln, bie ZTletf^oben beffern 
unb üben fönnen. Vodi (SaWs 2(rbeit mar im (Sanken 
ebenfo umfonji, mie bie reblid^en, aber ungefdjicf ten 
Bemüljungen Caoater's um bie pl^vftognomif» 3mmerljin 
u>ar bamals in »eiten Kreifen ber gute IDiße oorijanben, 
aber bie JTlittel f el^Iten ; bie Kunjl lag arg bamieber, 
mangelf^afte ^eidinungen unb elenbe 5iIt|ouetten mußten 
in ^cn meinen Säuen bas portraitbebürfnig jlißen* 3efet 
f^aben roir bie ZTTittel, aber in ber Hegel feljlt es am 
guten IDiDen unb befonbers am l^erjlänbniffe. (ßeleljrte 
unb UngeleE^rte fd^märmen für bie f^of^e Kunjl, große 
Summen roerben für bie „geippoüen" portraits einselner 
KünjHer besaE^It, aber um bas, »orauf es im Sinne bes 
IDiffens anfommt, um bie treue unb aUfeitige 5«Pl?ciItung 

mdbius^ mat^emaiiUt. \\ 



\^2 III- Heber bas motljematifd^c 0rgan. 

^er ^orm bcs Kopfes nnb bes (Scjtditcs, Kxmmcrtt fidi 
-^fe IDenigft^ft, (ßeipig ijl es fdjön, ein gemaltes Sfl^ 
^er perfon in Ijaben, aber &ag man fidj bamit begnügt, 
bas tfl ein 5eI|Iet. fiinselne Silbljauer,. wie unfet 
Seffner, bemüljen jtd^ erfölgreidj ,^(5eip" unb (Ereue 3U 
t>eteinigen unb tl^atfädilid? jinb iievdc m\e vov 2000 
3al^ren bie pottraitbüflen ^as braudibarjle, toas bie 
Kunji uns liefert. IDie tDeniger 5orm aber tann in 
JTlarmor ober €r3 fejigeljalten roerben unb wie oft muß 
ber KünjHer, ber erjl nadj bem (tobe bes TXlanms ge^ 
rufen toirb unb biefen piefleid^t gär nid^t gefannt Ijat, 
mäl^felig nacb einer (Cobtenmasfc unb nad^ pljoto- 
grammen, ober gar nur. nadj ^en le^teren, fein IDerf 
anfertigen ? €rft muß es sur altgemeinen Uebei^eugung 
werben, baß es bie pf lidjt ber ZTKtlebenben ip, bie 5orm 
ber bebeutenben Köpfe fe^suljalten, fo treu unb fo oiel» 
feitig wie irgenb möglid^. (£s fommt audj oor, ba% bie 
Sejtfeer ber bebeutenben Köpfe aus übertriebener Se» 
fd^eibenl^eit nidjts oon ber portraitirung wiffen wollen. 
So beftfeen wir oon <ß. 5. 0I|m fein suoerläfpges 53ilb. 
Der oortrefflid^e JTlann, beffen tDertlj feine Sexigeno^en 
nxdit fdjä^ten, war aßsu befdjeiben; nadj feinem (tobe 
Qßb es nur ein fd^Ied^tes pt^otogramm unb eine flüd^tige 
ptoftlseid^nung oon £♦ ^eibeloff, banadj pnb 0elbi(b ünb 
Züarmorbüjie angefertigt. 2tucli ber, ber nidjts pon 
(Sau wiffen wiß, muß bei foldjen Seifpielen ftd^ fragen, 
ob „bie IDiffenfdjaft ©om JTlenfdien" bas getl^an Ijat, 
was pe tt^un foßte. ^a, wenn es fidj nidjt um einen 
ber erjien pl^vfifer Deutfdjianbs , fonbetn um einen 




iacobl 



Ucber Bübcr: ^65 

fjöl^lcnfdiäbcl gel^nbclt B|älte! Ejoffen toit, bdg bic 
^ufunft beffcr tDcr^c. — 

IDcnn idi hn 5oIgcnbcn bei bem J^erseidih^e bcr 
liefern Sudjc bcigegcbcncn Silber bei einigen ZlTatlje* 
matifer-Portraits ^nmerfungen madje, fo gefdiieljt es mit 
bem 53etDugtfein, bag meine Kenntniffe gans ungehügenb 
finb* IDoIIte id] fte petPoQfldnbigen; fo mügte ici) lang- 
tpierige Slubien anfteßen, bie mid^ 3U weit von meinem 
IDege abtenfen ipürben. 3d) bringe bas IDenige, was 
idl ix)eig, oor, um Sefferunterridytete 3ur 2(u5füflung ber 
Cücfen ansuregen. 

' ^(rago, 5can3 (26./2. \786— 3./\0, ]i853). ^üfte. 
tladi bem Stat^Iftidie bei ^. Sruy^res (La Phrenologie etc. 
Paris 1^847). 

2lrgelanber, 5riebr. Wühi. 2tug. (23./o. \ 7% bis 
\7. 2. \875), Prof. b. 2(ftronomie in Sonn, ptjotogramm 
nadj e^nem Silbe oon ^ol^necf H852. 

b'2trrep, ^einrid? (\3./8. 1822— ^./6. \875). 
pl^otogramm nadj bem Ceben. 

Saffi, Caura TXlaxxa £atterina (3\./l0. \7\\ bis 
20./2. \778). pE^otogramm nadj bem Silbe in Sologna. 

Sttuernfeinb, Carl OTa^im. oon (t8./U. \8\8 
bis 2./8. \89^), ©irector ber tedjn. ^odjfd^ule in 23Iünd|en. 
p^iotogramm nadj bem Ceben. 

Seffel, 5riebr. V0\% (22./7. \78^--\i/3. 1^6). 

a) Stidi pon JTlanbel x\ai{ IDoIf. b) Zllasfe oon Beufd). 

Das Original bes IPolf'fd^cn portraits gel^ört Seffel's 
Cod^tcr, ber ;Jrau Derip. Conful Corcf. €tnc Kopte Ijängt in ber 
Königsberger (SaUeric. 



1^6^ m. Heber bas matljematifdje Organ. 

ijemer ejiftiren ein 3. barjiellenbcs Daguerreotyp-Btlb unb 
eine Don ^ertringer in 2Iltona angefertigte Kreibeseic^nnng bes 
jungen 3., bie Don 2Ilbred?t in IHünd^en Derotelfältigt n>orben iji. 

€ine IHaste B.'s ift leiber nic^t gemacht »orben. 

Die „etn>as überlebensgroge" Büftc B.'s (im (Sarten ber 
5temn>arte in Königsberg) i^at ^err prof. Heufc^ „auf (Srnnb 
ber Silber unb möglic^ft auttjentifd^er perfönlic^er eingaben" ge^ 
arbeitet. ;Jür bie potsbamer 5temn>arte Ijat ber Künftler eine 
lebensgroße (Sipsbüfte nadf ber Konigsberger Büfte angefertigt. 
Dom IHobell ber lefeteren l^at er in liebensn>ürbiger 3ereitu>illigs 
feit für mid? bie l|icr abgebilbete IHastc abgenommen. Sie um= 
faßt bie Dorbere ^älfte bes Kopfes, cinfd^l. ber (Dljren; ber ^inter= 
topf ber Büfte ift reine Conftruction. 

^erm (Coli, ^alleroorbcn in Königsberg bin id? fiir feine 
gütige Permittelung 3U großem Dante ocrpflid^tet. 

So 6c, 3ot|. €Iert (\9./^ \H7 , £iambmg, bi5 23./U. 
\S26), Dircctor ö^r Sterntoarte in Berlin. Cittjograpljie 
oon Svxäe. 

Sordiarbt, Carl IDilE^elm (22./2. \S\7 — 27.16. 
\880), TXlatiiematiUx in Serlin. pl^otogramm nadi bcm 
Cebcn. 

Sruns, €rnp ^cinrid? (geb. t>cn ^, Scpt \8^8 in 
Scriin), prof. 6er ^^ronomie in Cieipsig. ptjotogramm 
nadj bem Ceben. 

(Eonborcet, ZlTarie 3ettn 2tntoine Zticolas (Zaxitat, 
marquis be (\7./9. \7^3— 8./3. (79^). Kupferfti*, „3U 
ftnben bey ben (ßebrübern Klauber.'' 

3)elambre, 3ean Saptifte 3ofepI| (\9./9. ^7*9 
bis \9./8. \822), prof. b. 2(ftronomie in paris. Stidj 
pon S. ^oU nadt bem ©rigtnal oon SoiHy. 

€nrfe, 3oB?. 5ran5 (Hamburg 23./9. \79\— 26./8. 
\865), Dircctor ber Sternroarte in Serlin. Citljograpliie 
nadi pijotogramm. 




^. ®ljr. Sdjutnixdjer* 



Heber Büber. ^05 

€ngel, 5ticbricli (geb. ben 26. Dec. \86^), prof. 
ber nitttlicmtttif in Ceipsig. pJ^otogramm nadj beut 
Ceben. 

€uler, Ceonf^arb (\5./^. \707— 7./9. \783). Stidj 
Don Stenglin. 

(Euler ifl pon €. ^anbmann (^7^8—^ 780 gemalt iporben. 
Pas ^xlb fotl in Bafel aufbeipal^rt »erben. Xlädi xfyn ftnb trer* 
fi?tebene Stiche angefertigt »orben. Da biefe einanber nid^t 
gleid^en, fo l^aben entroeber bie Stecher fid? nid?t fheng an 
iljr Porbilb geljalten, ober es Ijaben oerfd^iebene ^anbmann* 
Bilber ejifttrt. Por3Üglid? fcbeint ber Stic^ Stenglin's 3U fein 
(Qanbmann p., Berlin ^756, 3. Stenglin sc. petropoli ^768); 
er giebt faft biet gan3c (Jigur, €uler blicft Ijalb nad? rechts unb 
am Ixnftn 2Iuge ift bas matljematifd^e 0rgan portrefflic^ 3u feigen. 
Pen fjinterlaffenen 5d?riften, bie ^862 p. ^. ^u§ unb ttic. ^n% 
in Petersburg Ijerausgegeben Ijaben, ift ein Stid? oorgeljeftet, ber 
bem Stenglin's äljnlid? ift. €r ift be3eid?net: €. ^anbmann p., 
(Jrib. IDeber sc., unb bie Unterfdjrift ljei§t: Leonhardi Euleri ima- 
ginem aeri incidendam curavit grata civitas MDCCCLI. 3^^^*^ ^f^ 
l|ier bas redete 2luge Ijalb gefd^loffen, Ȋljrenb es bei Stenglin 
offen ijl. €in anbcrer Stic^, oon (Ü. p. HTcd^el (^737—^8^8), ftellt 
ein umraljmtes UTebaillon bar; ber Kopf fielet Ijalb nac^ lints 
unb bie 2Iugen finb Ijalb gefd^loffcn, n>ic 3ugefniffen. Die Unter* 
fd^rift befagt, ba% ber Stic^ nac^ ^anbmann-s Bilbe für bie 
Bibliotljet in Bafel angefertigt »orben fei. 

(Jemer giebt es Stid^e nad? einem Bilbe Don 3. Darbes 
(Kutner ^780 u. 21.). Der Kopf fielet faft gan3 nadj lints unb 
ift oon einer HTü^e bebecft. ttad? btn Had^bilbungen 3U urtljcilen, 
wax bas Bilb oon Darbes eine geringe Ceiftung. €in anonymer 
Stic^ nad? Darbes ift bem \. Banbe ber Correspondence de quel- 
ques c^l^bres math^niaticiens, 6d. par P. H. Fuss, beigegeben. 

5ara6aY, Znid^acl (22./9. \79\ — 25./8. \867), 
pljvftfer in Conöon. TXadt bem Silbe bei göHnet; 
IPiffenfdittftl. 2tbt|ttnbL I. vot p. ^\7. \877. 

5auII^ttber, 3oI|. (\580— \635), 3ngenieur nrxb 
Ztlattjematifer in Ulm. Slidj von Sebajitan 5urcf. 



H^6 m. Ueber bas matljemattfd^e (Drgan. 

S^ttol (geb. 3I./\2. ^86^), aedicnfünftlcr unb 
Dpccnt in 2(fd|affctiburg. pE^otogtamtn nadi bcm Cebcn. 

5örftct/rDiK|cIm (geb. bcn \6.Vec. \832), prof^ 
bjct 2lftronomte in Berlin. pI|otogramm nadt bem Ceben. 

(ßalileo «alilei (\8./2. \56^ — 8./^ H6^2> 
pljotogramm nadj ber alten Büjie in Corre be (ßallo. 

<5.'s Kopf ift burd? beriiljmtc Silber allgemein betannt. 3ebcr, 
ber in ^lorenj war, Ijat in ben Uffisicn bas (Semälbe pon 5uftcr= 
mans (^597—^680 gcfcl|en. (ßalilei's Statue ftcl|t Dor ben Uffi= 
jien, eine Büfte im römifd^en €onferDatoren=palafte. Befonbcrs 
an3icljcnb ift bie ben „alten (ßalilei" barftellenbe Cerracottabüfte 
in Corre be (Sallo. (PiUa (ßallctti), nac^ ber ^er (Sipsabgug ber 
<5ebr. IHid^eli in Berlin gearbeitet ift. ^ier ift bas matl^ematifd^e 
(Drgan Don ungemölinlid^er (Sröge. 

IPeiterc Bilberrüljren Don Cintoretto (^5^2— ^59^), paffig^ 
nani u. 21. l|er. Cintoretto's (Semälbe ift Don H. Sd^iacani ge= 
(tod?en morben. 3n hen Kupferftid^fammlungen finbet man ferner 
Stid^e Don p. 2lubry, €1. 2lubran, (2). lioni u. 21. 

(5ttug, Karl 5rieötid? (30./^. ^777— 23./2. 1855), 

prof. b, JTlat^. unb Director ber Sternwarte in (5öttingen. 

CitI|ograpI|ie pon Hittmüller nad^ b. (ßemälbe pon 3enfen. 

(5. ift auf bem (Eobtenbctte baguerrotypirt morben. Das 
Bilb ift Don 2lug. IPeger in Stal^l geftod^cn n>orben. 

(Db bie intereffante Büfte Don Doppmeier nad? bem leben 
gearbeitet ift, ober nad? u)cld?er Dorlage, habe id? nid^t erfahren 
fönnen. (Eine Cobtenmas!e eyiftirt nid^t. 

(ßermain, Sopl^ie {\.l% \776 bis 3uni ^830* 
j^uste, moul^ sur la nature apr^s Ja mort". Stal^lftid? 
bei £(. BruY^re (La phrdnologie etc. Paris 1847). 

«vlb^n, J^ugo (29./5. Wl— ^896), prof. ber 
^jironomie in Stocfl^olin. Xiadi 5» ©lö^nann. 

J^anfen, peter »nbreas (8./\2. \795— 28./3. \87^), 
©ireftor ber 5ternu>arte in (Sothia. pljotogramm nadj 
bem tibcn. 




^autf. 



Heber Btlber. \67 

£jauY, Hcnö, 3uft (2S.I2. \7^3— 3./6. \822), 2lbbd, 
prof. bcr inin^ralogie in pari«. S* ZHaffarb deU 
Hicbcl sc. 

et ex \ diel, Caroline Cucrctia (\6./3. ^50 — 9./\. 
|8^8). 2ftadi b«m Ccben gcs. u. gcft. oon (5. Suffe, \S^6. 

Kepler, 3oI^anne5 (27./ V2. \57\— H5./U. \630). 
PB|otogramm oon 2lug. Heb in £in3 nadi bem original 
in Ktemsmünfler. 

Von Kepler fennen bte UTetften bas Stragburcjer 3ilb. Diefes 
jpar ein 0elgemälbe von tTörbltng aus bem 3^^^^^ ^600 unt> ift 
^87^ 3u (Srunbe ^eqanqen, ttad? it^ finb Me metften 5tid?e, 
3.3. ber 3- ^- ^eyben's (^637—^7^7), angefertigt €5 l)at auc^ 
bem Portrait K.'s in ber (Sefammtausgabe ber IDerfe von ^Jrifc^ 
als Porlage gebient. 

€rft ncuerbings ift ein 3JPeites Bilb Kepler's aufgetaudjt» 
fjerr Prof. Sdiwah in Kremsmünfter l^at bie (Süte getrabt, mir 
barüber einiges mit3utl^eilen. Der 2Ibt 2luguftin Hesll^uber er3äl^It: 
„3m 2lpril ^86^^ befud^temid? in £in3 ^err ttotar <£l)riftopl) (Sruner 
in XPeilberftabt, mit bem id? fd?on längere geit in brieflid?em 
Per? el)re ftanb, unb bot mir ein Portrait Kepler's 3um Kaufe an ; 
basfelbe wax €igentl^um einer mittellofen ^amilie in IPürttem* 
berg, bie nod? uon Kepler's Permanbten il)re 2lbftammung ah^ 
leiten foll." prof. Sd^mab l^at bas 3ilb oor einigen ^alciven von 
einem fadjperftänbigen UTaler unterfud^en laffen. Diefer erklärte 
mit Beftimmtl^eit, bag es meifterl^aft ausgefüt^rt fei unb bag feines 
IHalers ^anb einen Strid? feit feiner PoUenbung l^in3ugefügt ober 
reftaurirt l)abe. 3" ^^^ ^^^ red^ts oben ftel^t: Aetatis suae 39. 
^6^0. Ueber ben IHeifter ift nid^ts befannt.^) 

Pergleid^t man bie beiben Bilber, fo ift ujol^l fidler, ba% 
beibe benfelben IHann barfteüen, ba% aber beträd?tUd?e Perfd^ieben« 
l^eiten beftel^en. Das (5efid?t ift auf bem Kremsmünfterer Bilbe 
l^agerer,. alle güge finb fd^ärfer, bie 3arttrad?t ift anbers, 2lb= 
n)eid?ungen, bie gut bamit ftimmen, t>a% K. l)ier ^o 3cil?r älter ift 



^) Prof. Sdiwah meint, ptelleid^t fönnte ein ^orfd^er in 
präg, wo K. ^6^0 mar, burd^ Pergleid^ung mit anberen gleid?= 
3eitigen portraits t>en Künftler ausffnbig mad?en. €s l\ahe bas 
nod? Zliemanb oerfud^t. 



^68 in. Ucbcr bas matl^cntatifc^c 0r9an. 

als auf bcm Stragburgcr Btlbc. Die ^orm ber Stirn \ebodi fonn 
jic^ nid?t änbcm unb K.'s Stint fann nur bcr auf einem ber 
Silber geglichen l^aben. Der Stragburger K. iiat eine fetjr tjotje, 
fteil auffteigenbe unb breite, int oberen Ctjeile ausgebaud^te Stirn, 
bie etn>as an bie tjybroceptjalifc^e ^orm erinnert. Der anbere tjat 
3n>ar aud? eine l^o^e unb breite Stirn, aber biefe »eid^t leicbt 
5urürf unb ber (Sebanfc an Uebertreibung fommt einem nid^t 
<E5 ift ujol^l an3unetnnen, bag bas Kremsmünfterer Bilb bas ge= 
treuere fei.*) 2Iuf biefem ift eine IHerfmürbigfeit an ben grogen, 
t>ebeutenben2lugen »al^rsunetjmcn : K. fd?ielt nämlic^, n>ie Haptjaels 
Sijtina fd^ielt, b. tj. bie 2lugenad?fcn bicergiren. Das redete 2(uge 
ijt etn>as nadf äugen abgen>ic^en. 0b bas beabftd^tigt ijt, unb 
wenn ja, ob bas Dorbilb fo gen>efen ift, ober ob es ein Kniff 
bes Künftlers ift, bas mag bal^ingeftellt fein. 2luf bem Strag- 
burger 3ilbe jtnb bie 2ld?fen ber etmas matten .2lugcn parallel. 
Die gewaltige Stimerfe ift übrigens auf beiben Bilbem gut 3U 
feigen. 

Klein, ÄcKj (geb. ben 25. 2lpril ^8^9 in Süffcl- 
borf), Prof. b. 2JIatB|. in (ßöttingen. pB|otogtamm 
nadi bcm £cbcn. 

Kopcrntcus, Zticolaus (t9./2. ^^73— 2^./5. ^5^3). 
fjolsfdjnitt nadi bem Sclb^bilbniffc. 

Xlaö:i ^. ^ipler (bie portraits bes tlicolaus K. £eip3ig. 
€b. peter ^875) tjat K. fclbft mit ^ilfe bes Spiegels fein Bilb 
gemalt. Das Bilb fam mat^rfd^einlid? an Cyd?o Brätle, iturbe 
meljrmals copirt. ttad? il^m ift ipal^rfd^einlid? ber ^ol3fd?nitt, ben 
^ipler als älteftes K.=portrait be3eid?net, gefd^nitten »orben. Das 
(5efid?t ift l^alb nadi l;nfs (com Befdjaucr) gen)anbt, bie ^anb 
Ijält eine IHaiblume. Dem ^ol3fd?nitte fel^r äljnlid? ift bas <Sc- 
mälbe an ber redeten Seite ber grogen aftronomifd^en Ul^r im 
Stragburger Dome, bas um ^570 oon Cobias Stimmer aus* 
gefül^rt »orben ift unb beffen 3wW^^^ft bc3eugt, bag es nad^ bem 
Selbftportrait K.'s („2lutograpt^on") angefertigt ujorben ift. €ben» 
falls äl^nlid? ift bas alte Portrait,, bas fid? auf bcm K.'Dcnfmal 
in ber 3ol!annisfirc^c in Cl^orn befinbet (^583). €in brittes 3ilb 



*) Ratten mix ben Sd?äbel ober eine IHasfe, fo tonnte bie 
^rage nad? IPclcfcr's UTettjobc entfdjiebcn »erben. 




fiepler. 



Heber 3tt6er. \6^ 

fttUt K. in rotl^em, mit pel3 Dcrbrämtem <5ewanbe, mit bct 
Spi{3ra in bei Herzten bar nnb iwax ifl bie ältefie Parflettung 
bicfcr 2(rt ein 0elbilb bes 0ffolinstt'fc^en ^nfkituts in Cemberg^ 
bas möglic^eripeife noc^ aus bem ^6. Jt^^^^^^nbcrt flammt. 

We^en ber Dielen fpäteren portraits tft auf bie intereffante 
unb forgfältige Sd^rift ^ipler's 3U »eripeifen. 

Kowalewsti, Sopljic (\5./^ \853— ^0./2. ^890- 
p^otogramm nacf{ ^em Ccben. 

Cagrange, 3oi^Pk touis (25./)l. \736 (Eurin bis 
\0.H. \S\3), prof. b. Zdatit. in paris. A. Dalco ine. 
nello studio Isac e Toschi. 

£alan^c, 3of^pIjc, 3^«^o^^ I^ Stango\s be (U^7. 
^732— ^./^. ^807, ptofeffor b. 2ljhronomie in paris. 
KupfcrjHdj mit ber Sej. „Dicavit Janvier*'. 

£a place, picrre Simon, TXlatqms be (28./3. 
\H^—5p. 1827), Zriatfjematifcr in paris. KupferfHctj 
(Naigeon pinxit, Tony Gouti^re sc). 

Ceibnis, (ßottfrieb IDiHjelm (6./7. ^6^6—^^./^. 

\7\6). (ßipsbüjic oon (ßcbr. XHidieli in Serltn; Porlage 

unbcfannt. 

<S. <E. (Sul^rauer (<S. XX). ^rettjerr o. £etbni3, eine Btograpt^ie. 
Breslau ^8^6) bericf^tct, bag £. »äl^renb feines £cbens metjrmals 
gemalt roorben fei, „aber nur feiten gelang fein Bilbntg". 3"* 
3aljre X7XX rourbe bas 3ilb eines nnhetannten IHalers von 
Bemigerottj gejtoc^en. Ulanc^e neljmen an, ber IHaler fei 2(nbreas 
5d?eift. „Von Sc^eife ijt 3n>ar £. meljrmals gemalt, bod? nid^t 
immer getroffen ujorben. Der Kupferftic^ von Braufe nad^ einem 
<5emälbe von Sc^eife iji hef annt, »ä^renb ein Stic^ nac^ einem 
anberen (Semälbe oon Sc^eife, in Dresben, bas neulich erfc^ien, 
nid^t inljaltleerer fein fann," „IPelc^es original ^iquet gejtoc^en 
l^abe, ijt nid^t leidet 3U ermitteln. Pte 2leljnlid?feit mit Bemige* 
rottj's £. jteljt inbe§ fefl." „IDäl^renb feines 2(ufenttjaltes in IPien 
(^7^^) würbe £. von Zok- <5ottfr. 2luerbad?, in £ebensgr5ge, 
^albfigur gemalt. PaDon ift ein Kupferftic^ in ^dfwax^ex Kunft, 



J[.70 ni. Ucbcr bas mattjcmatifc^c 0rgan. 

Doti ^atb in 2(ugsburg, Dortjanbcn." (Ein 0clbilb befaß b^ \779 
gcfiorbenc jitbifd^ ^Utattjcmatifcr Hapl^ael, bas gut beglaubigt 
jDor. Ztad? biefem Bilbe ^at ,^787 ber t^annoDertfc^e Bilbtjaner 
3ol^. <5ottfr. Sd^mibt eine coloffale 3üjte bes pt^ilofoptjen ge^ 
arbeitet. Perfelbe formte eine ^mexte 3üjie nad^ bem Stidje 
Bemigerotl^'s, eine britte nadf einer <£opie bes (Semälbes, nac^ 
bem Bcmigerottj geftod^en Jtjatte. 

Xtddi allebcm ift t>as "^auptbilb B^rnigerott^'s allbekannter 
Stid?. (Ein genauer ^reunb £/s l?at oerfid^ert: „ber Stid? 3.'s 
gleid^e fofel|r, als oh er £eibniften aus bem(5efic^tegefd?nittentt)äre." 

2lud? ^err <5el^.=Hatlj Bobcmann t^atte bie (Süte, 3U be= 
jiättgen, ba% 3cmigcrotl|'s Bilb bas befte .fei. Von ben auf ber 
Königl. 3ibliotl|ef 3U ^annopcr porl^anbenen Bilbem £.'5 fei 
feines mäl^renb feines £ebens angefertigt. €ine Cobtenmasfe 
£.'s eyiftire nid?t. 

Heber £.'s (Erfd^einung fagt ber il|m nal^eftct^enbc (Ecft^art: 
€r wav „von mittlerer Statur, l^atte einen ctn>as großen Kopf^ 
in ber 3ugenb fd?u)ar3es ^aar, Heine unb fur3v aber fetjr fd?arf= 
feljenbe 2lugen." „(Er befam auf bem Kopfe früt^jcitig eine fatale 
platte, unb l^atte mitten auf bem XPirbcl ein (5en>äd?s von ber 
(Srögc eines Caubcneies." <5en)öl^nlid? trug er eine ped?fd?u)ar3e 
Perrücf e. „Von 5d?ultem n?ar er breit unb ging immer mit bem 
Kopfe gebücft, ba% es fd?ien, als l^ätte er einen i|ot^n Hücfen. 
t>om £eibe u^ar er mel|r mager als fett, unb ftunben il^m, ipenn 
er ging, bie Beine humm unb faft in fold^er ^Jigur, ipie Scarrön 
bie feinigen befd^reibt." 

£eibni3 felbft nennt fein ^aar bräunlid? unb fd?lid?t, fein 
(5efid?t fei blaß, bie Statur mittelmäßig unb l^ager. 

£t(ijtenbcrg, (ßeotg (El^tipopl? (^/7. \7^^ bis 
2^./2. ^799), Prof. b. pt^Yfrf in (ßotlingcn. Slic^ 
Cocbel's nadi fjcnfdjcl'^ 53üfte. 

Znittag • Cefficr , (5öfta ZHagnus (geb. ben 
\6. ZHars \S^6 in Stodiiolm), prof. t>. TXiatii. in Stocf- 
B|oIm. pl^otogtamm nadi bem £cbcn. 

JTCöbtus, 2luguP 5€rbtnanb (U./U- 1790 — 2€./9. 
\868). Vas Silb tft nadi einem Vaqnetvotyp B^ergeft^IIt, 
alfo linfs ift redjts. 




fiop^rntcuß. 



Ueber Btlber. \7\ 

monqe, Cafpar (\0./5. \7^6— H8./7. J18^8> 

JT e u m an n , 5ran3 (^ \./9* \798 — 23./5. \895), 
prof. bcr pt^Ypf i" Königsberg. (Eobtenmasf«. 

nctDt.on, Sir 3faaf (25./^a t6^2 — 20./3. \727). 
itadj öcm ßdjtbrude bei Zöllner, IDiffcnfdjaftlidjc ^b- 
hiant>l I. (original von .\69\ in bcr pcpYJtan-CoIUction 
in Cambridge). 

Sir Damb Breipftcr (Sir 3fö^f ZIeiDton's £ebcn zc. Ucbev» 
fcfet pon 3. in. (Solbberg. £ctp3tg ^833) tl)etlt ^olgcnbcs über 
tteiPtonsBilber mit. tt.'s Pcripattbte unb (Erben errid^teten tl^m 
^73^ ein Denfmal in ber IPcjintinfterabtei, auf bcm Zt. in rulien« 
ber £age angebrad^t ift. €ine Denfmän3C mit H.'s Bilbnig 
oDurbe H73]( im Cancer gef dalagen. (Eine IHarmorftatnc, bic Hou= 
biUiac gearbeitet l^at, mürbe H755 in ber Porl)aIIe bes Crinity* 
(£ottegium crridjtet. Von bemfelben Künftler ift bas Brujtbilb 
in ber Bibliott^ef bes gleid?en (Kollegium. „2lud? giebt es met^rere 
gute Bilbniffe von il)m; 3mei bergleidjen bcffnben pd? in ber 
fjalle ber Königl. Societät 3U £onbon unb pnb, mie mir glauben, 
oftmals in Kupfer geftod^en morben. €in anberes (Semälbe, von 
Panbcrbanf, ift in ben (Semäd^crn ber IDolinung bes ITtafters 
im (Erinity» (Kollegium unb ift von Pertum geftod^en morben. (Ein 
anberes uon Palentin Hitts beffnbet fld? auf bcm £anbungspla^e 
nal)e bem (Eingange in bie 3ibliott|ef bes (ErinitY=<£oIlegium; 
aber bas befte . . . mürbe pon Sir (Sobfrcy Kneller gemalt unb 
ift im Befife bes £orb (Egremont 3U pctmortl^. 3n ber Unioerfi» 
tätsbibliotl^ef ift ein pon feinem (Se^d^t nad? feinem (Eobe ge= 
nommener 2lbgug porl^anben." 

XI, mar pon mittlerer (5rö§e. (Er I^atte im 2llter reid^lid^es 
meiges ^aar ol|ne jebe Kal)ll^cit. Seine 2(ugen „l)atten etmas 
5d?mad?tenbes" unb es „mar in ber gansen UTiene feines (5e- 
fic^ts unb feiner (Seftalt tlid^ts pon bem burd^bringenben Sd^arf» 
ftnne, ber aus feinen Sdjriften erl^ellt." €r trug nie eine Brille 
unb perlor „in feinem gan3en £eben nur einen ein3igen gal^n.'' 

(Es mirb angegeben ((Eblefton), ba% ll.'s tteffc eine Heine 
€lfenbeinbüfte feines 0nfels l^interlieg, bie pon ITTard^anb por= 
3Üglid? gearbeitet mar unb Sir 3faac ^oo guineas gefojlet l^att^ 



^72 m. Heber bas matl^entatifc^c (Dt^an. 

3n ben QSnbler^Katalogen »erben Stiche von £aberer nad^ 
van ber 3anf, p. Puptn^ Hapenet nad^ Hoettiers, 3. HIc 2lrbeU 
nadi <E. Seeman, Daubet (aet. 8^) u. 21. eripStjni 

pljotogramin nadi einem Silöe. 

Sdjetbiter, IDill^eltn (geK ben 8./\» ^826), prof. 
der ZITatI). in Ceipsig. p{{otogriimm nad) dem Ceben. 

Sdjering, €rnjl (^3./7. ^833— 2./U. ^897), prof. 
ber 21IatI)ematif in <5öttingen. pI)otogramm nai\ bem 
Ceben. 

Sdtwav^, ^ermann (geb. 25./^ 18^3), prof. ber 
TXiatli. in Serlin. pB|otogramm nadi bem Ceben. 

Sdinmadicx, Ejeinr. CB^riftian (3./9. ^780— 28./\2* 
^850), prof. b. 2ljh:onomie, Kopenljagen unb Ttttona. 
£itB|ograpl^ie oon ®tto Spedier, \853. 

Seeliger, ßugo ^ans (geb. am 23./9» 18^9 in 
Sd^Iejten), prof. b. 2ljh:onomie in JTCündjen. pl^otogramm 
nadt bem Ceben. 

Poigt, IDoIbemar (geb. ^cn 2./9* \ 850 in Ceipsig), 
prof. b. pIjYJtf in (ßöttingen. pljotogramm nadj bem 
Ceben (ca. ^875). 

IDeierftraß, Karl (33.A0. \8\5— \9./2. ^897). 
prof. b. ZHatl^. in Serlin. a) pljotogramm nai\ bem 
Ceben, b) nai\ ber Süfle oon Cuerffen (aet. 70). 

2lntifer ZHatBiematif er (2lrdjimebe5?). 

Der Kopf Ztr. 82 bes capttoltnifd^en HTufeum iji bisl^er für 
2lefd?ylos gel|alten iporben, ipetl ber UTardjefe ITtcld^torri 3iPtfc^en 
tl^m unb einer bei XPtnrfelntann abgebtlbeten ölaspafte bes 
€abinet Stofd?, in ber VOmdelmann ein Bilb bes 2Icfc^ylos 3U 
fetten glaubte, 2lel^nlid?feit fanb. Die pafte ift nod? nic^t fo grog 
wie ein IHarFftürf, auf tl^r ift ein fal^lföpfiger narfter IlTann ab= 




m. Mx^tx. 



Ucbcr Bilber. ^75 

^cbilbet, ber auf einem Steine fifet unb aus einer Sd^ale trinft, 
Ueber feinem Kopfe fd^ipebt ein 2lblcr, ber eine Sdjilbfröte in ben 
Rängen l^ält. Bei bcn 2llten ipirb crsälilt, 2Iefc^ylos fei baburdj 
gejiorben, bag ein 2lbler eine 5d?ilbfröte auf feinen fal|len Schöbet 
fallen Iie§. 3^^<>^ Demofrit er3äl^lt bie 2lnefbote von einem 
Kal|lfopfe fc^Ied^troeg. (Es ift im t^öc^fien (Srabe unn>al^rfd?einlidj, 
bog man 2lcfd?vlos nacft bargeftellt t|abe. Datier mag bie pajie 
bie 2Inefbotc bes Pemofrit u)iebergcben unb ber bargeftellte Katjl» 
fopf ein Schäfer ober £anbmann fein. Ueberbem ift 3n>ifd?en bem 
IHännd^en auf ber pafte unb bem capitolinif d?en Kopfe Uint 
2letjnlid?feit 3U finben, fic beftel^t tjöd?ftens 3n)ifd?en bem lefeteren 
unb ber ungenauen Pergrögerung lOinrfclmann's. Kur3, bie 3e* 
3eid?nung bes Kopfes tto. 82 als 2lefd?yIos ift grunblos. Da3tt 
fommt, ba% neuerbings bie 2lrdjäologen, bef. Prof. 5tubnic3fa, es 
für un3uläfpg l^alten, in bem Kopfe ein XPerf bes 5. ^al^rtjunbcrts 
3u feilen. 

Die feptjaloffopifdje Betradytung lägt in bem Kopfe einen 
IHattjematifer unb Itled^anifer erfenncn. Die enorme Breite bes 
Kopfes in ber Sd^läfengegenb finbet man nad? (Sali bei tjercor^ 
ragcnben IlTed^anifcrn, Baumeiftem. (Es ift bal^er bcgreiffid?, bag 
man gelegentlid? pi^ibias in tlo. 82 l)at erblicfen »oUen. 2lber 
auger bem grogen 0rgane bes „Boufinnes" ift l^ier bas matlie= 
matifd^e 0rgan fo mäd^tig entmicfelt, bag es l^auptfäc^lid? ben 
(£l)arafter beftimmt. Dag bas matl^ematifdje 0rgan biefes Kopfes 
feine 3ufäIIige Bilbung, fonbem uom Künftler abfid?tlid? geformt 
ujurbe, bas getjt baraus lierror, bag es auf ber linfen Seite un= 
gleid? ftärfer als auf ber redeten ausgeprägt ift, eine 2lfymmetrie, 
bie in bie 2lugen fpringt. 

€s liegt nun natjc, in bem Kopfe ZIo. 82 bcn 2lrd?imebes 3U 
feigen, ber im 2(lterttjume fdjled^troeg 6 fiijxf^vixog l^ieg. Der Kopf 
mügte bann um etwa 2^0 d. (El^r. gearbeitet fein. Dagegen aber 
crt^eben bie 2lrd?äologen (Einfprud?, für biefe Seit fei ber Kopf 
3U altcrtliümlid?, er muffe aus bem ^. 3(1^1^^^^^^^^* f^^^- 

Itlan tt)irb bas IPeitcre abwarten muffen. (Es märe bod^ 
möglid?, bag bie ard?äologifd?e UTeinung fid? nod? weiter wonbelte 
unb bie 2Iltcrtliümlid?feit bem (£opiften anred?nete. Der lange 
Bart fönnte faum ftören, benn wer fagt, bag 2lrd?imebes, wenn 
3u feiner geit furse Barte IHobe waren, fid? ber IHobe unter* 
worfen Ijabe? 



j(;^^ ni. Ucbcr bas matl^cmattfcbe ©rgan. 

2luf jcbcn^aü ip bcr Kopf ein fel^r in tcrcffantes Problem.^) 
Daoon, iptc bie grogcn HTatl^cmattfcr bcs 2llterttjums aus^ 
^c^el\tn liaben^ iptjfen iptr bis jc^t gar ttid^ts. Die fagenljfaftc 
<&€jialt bcs Pytt^agoras ip gan3 formlos. Pic nad? il^m benannte 
Büjie im capitoünifdjen ITtufeum ift ^an^ ipillfürlid? getauft. (Ein 
paar inän3en aus fpäter geit, bie angeblid? fein Bilb trügen, 
traben natürlid? nid^ts ju. bebeuten. 2lud? wenn er portraitirt unb 
bie 3üfte erl^alten ujorben »äre, roürben mir nid^t oiel erfatjren, 
ba Köpfe aus bem 6. 3öWii"^^*^t faum als Portraits in unferem 
Sinne angefel^en wexben könnten. (Ebenfo »enig roiffen wix von 
€uflib, üon 2lrd/ytas u. 21. Die ongeblidje 3üftc bes 2lrd?imebe5 
in Iteapel ift ber Spartanerfönig 2lrd?ibamas. Die Köpfe pon 
2lratos unb Cl^ryfipp finb rielleid^t bie ein3igen bis jefet be= 
glaubigten Bilber uon IHännem bes 2lltertl)ums, bie 3ur HTattje= 
matif in 3e3iel^ung ftanben. 



^) Halberes entl^ält ber 2(uffa^ : „§um fapitolinifd?en ,2(efcby= 
lös*; Don p. 3. IHöbius u. ^. 5tubnic3fa/' in ben tteuett 3at^r^ 
büd?em f. b. flaff. 2(ltertl^um u.f. u?. in. 2. ^900. 




^iriiher üailjnitflttkfr. 



IV. 



IXehev bie 3e6ingungen bes 
matl^ematifdjen 0rgan5, bas <5ctjim 
unb bm Sdiäbd bev TXlai^ematifev. 



(Ks ijl von oornl^crcin u>al|rfd^cinlid^, wenn man 
mn bas 2tngcborcnfcin bcs matt^cmatifd^^n Calents. on 
^cine Unabt^ängi^fcit von anderen (ßciftcsfäbtgfeitcn 
^enft, bag bie Bedingung bcs mattjcmattfd^cn tEolcnts 
^ie (Entoirfdung einer umfcbriebcncn Stelle öer (J^vt^irn» 
rinbe fei. Denn l|inge bas matljematifdje Caleni von 
^er Qualität bes (Seljirns im (Sanken ab, fo müßte es 
-^en übrigen (ßeiftesfäl^igfeiten proportional unb ron ber 
4gr3ieljung u. f. xv. abl^ängtg fein. VOo ift jene um- 
fd^riebene Hinbenjlelle 3u fudjen? Die (Entroirfelung öer 
3inne I^at feinen €influg auf öas matl:?ematijd)c CaUnt, 
.^enn biefes fann bei Heiner unb bei großer Sinnesjd^ärfe 
.oorBianben fein, ^at aud) feine Be3iehungen 3U befttmmten 
Sinnen. <£s ift basier nid?t 3U oermutt^en, baß bas 
tnatliematifd^e Calent an eine öer fogenannten Sinnes • 
fpl|ären gefnüpft fei. Dagegen u>eift bie Ueberlegung 
<iuf bas Stirnljirn l^in. ZlTögen aud? mand?e Cl^iere in 
-geiüiffem Sinne 3äl7len, im ^lügemeinen ift bas matt^e» 
fitatifdie Calent, gerabe lüie bie Spradje, eine fpecififdi 
tnenfd^Iid^e Einlage. 3l?re Bedingung ift bal^er in ben 
Xßeljirntl^eilen 3U fud^en, beren (ßröße fpecifijdj menfd^Iid? 
ift. 3m Befonberen muß man an bie tEl^eile benfen, bie 

möbius, OTattiematifer. {2 



H78 rv. lieber bie Bebingungen bes matt^emattfc^en 0rgans ic 

nur ber Zllenfdj Ijat, 5. Ij. an genoiffe Cljeile ber öritten 
ober unteren 5tirnn>inbung. Hübinger ^) ^cd eine Ijodjfl^ 
leljrrcid^e 2tbt}anb(ung über bie brüte 5ttrnn>inbung ge* 
fd^rieben. £r l\at barin geseigt, ba%, noüE^renb bie unteren 
2lffen fo gut n>ie feine britte 5timn>inbung Ijaben, bie 
^Intl^ropoiben fte unpoü^nbig beft^en, ba% je t^oi^er 
man fteigt, bie inbteibucllen Variationen unb bie 
^IfYmmetrie sipifdien red^ts unb ünts um fo größer 
n>erben. (Eljimpanfe unb 0rang«Utang traben mel^r in» 
bioibuelle Variationen als bie anbeten 2lffen, ber Znanrt 
mel^r als bas XDeib, bie B^öl^eren 2JTenfd>enrajfen meljr 
als bie unteren, bie geiftig I|od?fteI|enben ZlTenfdjen meljr 
als bie ungebilbeten. 3eim neugeborenen Knaben ifl: 
bte britte Stirnrüinbung größer unb reid^er ausgebilbet 
als beim neugeborenen ZHäbdien, ber Unterfd^ieb 3» 
(ßunften ber linfen Seite iji größer. 33ei Negern, bei 
Dienftmäbdien unb 2trbeitern werben bie einfad^ten 
5ormen gefunben, bei (ßelel?rten bie größten unb oer» 
u)idelften 3ilbungen. ^) 3m ^tUgemeinen fommen nad^ 
Hübinger ben geiftig niebrigfteB|enben 2JIenfdjen burd^» 
fdinittlid^ einfad^ere 5ormen unb geringere ^tusbel^nung. 
ber britten Stirniüinbungen 3U als ben geiftig Ijod|* 
fteljenben unb in ber Hegel ift bei biefen bie britte 
Stirntoinbung ber linfen Seite oiel ftärfer ausgebilbet 



^) (Ein Beitrag 3ur 2Inatomie bes Sprad^ccntrutns. Stutt* 
gart, dotta'fdye Budyl^. ](882. 

2) H. fagt, „bie nad^ipcisbarcn Differcn3en'' feien „bas^ 
Hefultat crtiölitcr Function". Htd^tiger ift idoI^I, ba% bie erl^ötjte 
^functton von ber befferen 2Iusftattung bes (Setjtrns abt^ängt 




ffijTflie, 



IV. Uehev bte 53cbingungcn bcs tnatl^ctnatifd^cn ©rgans zc. j[75 

als bie redete (ausnoljmerDcife ip bie rcdjte jlärfcr enf* 
roirfclt ober ftnb bcibe Sehen glcid?), noälircnb bei ben 
iiefjlelienben Symmetrie Iierrfdjt. 5erner iiat iled^ftg 
tiad^getptefen^ bag enttPt^elungsgefdiid^tHci} eine Pier« 
tE^eilung ber britten Slirnrpinbung ansnnel^men fei, jte 
Serfalle in 3u>ei siemlid^ früB^ entrpirfelte Selber, ein 
mittleres 5clb unb enblid? ein 5clb, bas bcn Scf?(ug ber 
(£nttt)i(felung bilbe. ^) 3^ne jtnb bei ^en ^Intljropötben 
roenig entroirfelt, bas oierte 5^Ib fommt bem 2JIenfd?en 
aOein 3U. 3^ fpäter ein (ßebiet ftdj enlroirfelt, um fo 
größer jtnb bie inbibibueüen Variationen* 

Die eingaben ber beiben B^eroorragenben 2Inatomen 
liegen jtd? fel^r n>oI^I mit ber 2tnnaljme oereinigen, hä% 
bi« 33ebingung ber mall^ematifd^en Einlage in ber britten 
Stirnroinbung 3U fudien fei. Xinx mügte man nidjt an 
bie ganse lOinbung benfen. Der Urfprung ober 5ug 
ber lüinbung ift bie fogenannte Broca'fd^e Stelle, b. I^» 
bie, beren Unoerfeljrtl^eit 3um Spred^en nötl^ig x% Ueber 
bie 5unction ber porberen 2lbfd^nilte n>iffen n>ir bisl^er 
nid^ts. £jier alfo fönnte man bie Bebingung ^es matlje* 
matifd^en Talents fud|en unb 3n>ar mügte man 3unäd^ft 
an 5I^d?ftg's 5«Ib ^o. ^0 benfen, ^as bas oorbere (Znbe 
ber rPinbung barjieat, bie Stelle, n>o bie brilte in bie 
3n?eite Stirnu?inbung übergel^t 

2tuf eben biefe Stelle aber beuten bie «igentl^üm« 
Iid?!eiten bes ZITatl^emattferfopfes, bie t>as matl|ematifd?e 



1) ^l. tt^cilt bie ^irnrinbe nad? ber §eit ber inar!fd?etben= 
bilbung in ^0 gelber, ber 3. StirniDinbung gel^ören (nad? ber 
neueften HTttttieilung) an Itr. jio, \2, 27 u. ^0. 

^2* 



\80 ^* lieber bte Bedingungen bes matf^ematifc^en Organs ic. 

Organ bilben. Denn her Sttmecfe cntfprici^t eben bos 
oorbere £nbe ber brüten Süvnwivbnng. Der untere 
2(6fcf|nitt b^s Gyrus frontalis tertius ruE^t, n>te Bübinger 
ftd) ausbrücft^ auf ber Decfe ber ^genl)di)(e* ®bn>oI{( 
man 3u (SalVs Reiten über bie 5orm ber (Seliirn* 
ipinbungen siemlidi unbeutlid^e Porjle0ungen trotte unb 
andt auf (SaQ's Cafein ber üerlauf ber IDinbungen oft 
ber Jflatur nid^t entfprici^t, l^at (SaQ es bod) mit ber 
Stelle für bcn galjlenftnn merfmürbig gut getroffen« (Er 
besetd^net genau bie 5te0e: „fte Hegt auf bem am meijten 
lateralen Cl^eile bes Dad^es ber 2tugenI{di)Ie in einer 
Snxdtte ober €infenfung, bie t)on T>orn nadj leinten ^elit" 
Diefe lOinbung roar namenlos, Blatte (Bau unferen 
Spradjgebraud? gefannt, er roürbe birect gefagt hiaben, 
bas ©orbere <£nbe ber britten Stimroinbung. ^) 

£s i{l eine 5um minbeflen fel^r naE^eliegenbe 2(n^ 



^) €s tfi ipot^l fein gipcifcl, bag bas oorbcre €nbe ber 
3. Sttmipinbung an ber oon (Satt bc3ctc^ncten Stelle ber 5c^äbel= 
Ijötjle liegt. Jnbeffen bie bisl^crigen Untcrfuc^ungen über bie 
Be3tcl^ungen 3ipifc^en (Scl^im unb Sd^äbcl traben bie 5tim= 
ujinbungcn oemad^läfftgt. €s roärc njünfd?ensn?erttj, ^a% wir 
genau ujügten, meiere Stellen bes Sd^äbels ben 2Ibfc^nitten ber 
5timn?inbungen entfpred^cn. Ulan fonnte es fo mad^cn, ba% man 
bas (Sctjim im Sd^äbel t^ärtetc, bann l^crausnäl^me, ben Perlauf 
ber IDinbungen burd? (Einfted^en oon Cape3iremägeln fenn3eic^= 
mte (3. 3. für bie 3. Stirnroinbung ITägel mit runbcn 5d?eibd?en, 
für bie 2. brciccfige 5d?eibd?en, für bie \, oierecfige 5c^eibd?en), 
bann bas (Sel^irn 3urücfbräd?te unb ein Höntgenbilb aufnätjme. 
Ctjcilte man ben Kopf fagittal, fo n?ürbe, roenigftens bei jugenb« 
liefen ^"^^J'^^wen, ein flares Bilb 3U gewinnen fein. 3d? ^abe 
\dfon frül^er einigen Ferren biefe lUetl^obe oorgef dalagen; es ift 
aber, fooiel id? n>eig, nod? fein Perfuc^ gemad^t n^orben. 




Mtttng-ffeffler. 



IV. Uehex btc Bcbtngungen bcs matiiematifc^cn 0rgans 2c, \S\ 

naE^mC; ba§ feann, noenn bic Stimerfc in ungexx>dlinl\d\ex 
XDeife cntoitfclt iji, audj bcr pon iB|r umfdiloffcne (Seljirrt* 
tljeil ungemölinüdj cntoitfclt fei. 3efeer Unbefangene 
I|at ben €inbru(f , als ob ber groge ^bjlanb ber Processus 
zygomat. oss. front, von einanber, ^as ^inausrüden biefer 
Processus nadi au§en unb ber baburd? entpeljenbe 
IDuIjl, bie Senfung bes äußeren ©rbitabadjes, als ob 
alle biefe Peränberungen eine jlärfere 5üIIung ber ent- 
fpred^enben €(fe bes (ßel^irnfdiäbek ausbrühten. Dasu 
fommt ^a% bie Angaben über bas l?erB|äItnig stoifdien 
linfs unb redjts, bie idi über ^as matl^ematifdie 0rgan 
madie, Hübinger über bie brüte 5timn>inbung bei geiftig 
Ijodifteljenben Zllenfdien madit, auffaHenb sufammen» 
fMmmen. lOir n>iffen, ba^ bas fogenannte 5prad|centrum 
fap immer linfs 3u fud?en ip (b. I^. bag feine g^rjlörung 
linfs 5prad|Ioftgfeit benoirft, red|ts nid|t), aber Hübinger's 
3efd|reibungen unb ^bbilbungen seigen, ^a% nidjt nur 
bie Broca'fd^e Stelle, fonbern audj bie anberen 2tb- 
fdjnitte ber linfen britten 5tirn»inbung bei groger 
3nteUigen3 bie entfpredienben Cl^eile redits an (5rö§e 
übertreffen. (£s muffen baB|er audi anbere 5äljigfeiten 
als bie bes Spredjens oorn>iegenb an bie linfen Stirn- 
minbungen gefnüpft fein unb man barf ©ermutigen, bag 
bas andi pom 2ted|nen gelte. 

(£s iji 3U)eifelIos, ba% bei ZITatl^ematifern bie 
fnödiernen (El^eile; bie bie Stimede bilben, Ijeroor- 
getrieben finb» ^ber jte madjen bas matl^ematifdje 
®rgan nidjt allein, fonbern es bejlel^t audj eine ^yper- 
plafte ber Qant unb if|rer ^nl^dnge. XDie ifl bas 3U 



^82 IV. lieber bie Bebingungcn bes matljematifc^cn 0rgans ic. 

vexficl\en? Ptc0eid}t am bejlcti burcfi bie 2(naIogie mit 
bem n>eiblidjcn Sctfen» IDeil noegcn ber 5«"clion bes 
53etfeninB|aItc5 bie Knodjcn pärfer ertt»icfelt pnb, bilbet 
ftdi andt eine mafftge ^niwxddnng ber lDeidjtI|eiIe, eine 
^nfammlung ©on 5ßtt, bie nidjt befonberen §u>erfen 
bient, fonbem ein 2(u5brurf ber IDedjfelbesiel^ung ber 
Cl^eile x% ober n>ie man jtdj fonjl ausbrühen u>in. Sie 
IDöIbuhg ber roeiblicljen (51utäalgegenb ©erbanft Ujr 
Dafein ber Cljätigfeit ber ©oarien unb ber ^auttDuIfl 
über bem linfen 2luge bes Zllalljemalifers ijl ^usbmcf 
gejieigerter (Eljätigfeit bes oorberen (Enbes ber britten 
Stimtoinbung» 2ludj bie 2JIögIid|feit ijl in £rtpägung 
3U sieljen, bafe 3uu>eilen bas mali^ematifd^e ®rgan nur 
burd^ bie Perbitfung ber lOeiditl^eile gefennseidjnet fein 
fönnte. €5 ijl roenigjiens benfbar, ba% in einem Sdiä^d 
ein »ergrögertes ^nbe ber britten 5tirnn>inbung plafe 
finbet, oB|ne bie iB|m birect anliegenben Sd^dbeltl^eile 
Bieroornjölben 3U müjfen. 

Um alle poreiligen Cl^eorieen absunoeifen, l^abe xit 
bie ungenjöl^nlidje €nttt>i(felung einer bejHmmten Hinben« 
jleHe Sebingung bes matl^ematifd^en (Ealentes genannt. €5 
ift bamit nur gefagt, ba^ biefes ol^ne jene nid|t ba fei, 
bas Wie ber Perfnüpfung bleibt bal^ingefteüt« ^Ile 
pljvjtologifd^-pfydiologifdien Speculationen über <6eljirn# 
centren ftnb feljr bebenflid?. lOill man pon il^nen ab« 
feigen unb bcn 2(u5brurf (Eentrum ebenfo braud^en, n>ie 
idi von Sebingung fpred^e, fo wäre andt gegen ben 
^amen: matl^ematifd^es Centrum, nid^ts ein3u»enben 
unb man Knnte permutt^ungsnoeif e fagen, bas oorber^ 




.Sdjeibucr. 



IV. Uehex btc Bcbtngungcn bcs matljcinattfc^cn (Drgans 2c. ^83 

^nbe bcr britten Stirntoinbung iji bas matl^cmatifdie 
Centrum. — 

Das XDcnige, was hxsiicv über bie (5cl|trne von 
TXlatiicmatihtn ocröffcntlidjt toorben ijl, ftcttc idj im 
^plgcnbcn sufammcn. 

7ln erfter Stelle ijl H. XDagner's^) befannte 2lb- 
Ijanblung 3U nennen. XDagner hiatte ben Dorsug, bie 
<ßel^irne oon (5aug unb Cejeune-Diridilet unterfud^en 
3U bürfen. 

(Ba\x%' (5el^irn war grog unb auffallend reidj an 
tDinbungen. ZlTan fielet bies fel^r gut auf ber 2(b» 
iiföung, bie XDagner giebt unb bie mel^rfadj reprobucirt 
tDorben ijl» 5reiKcij entfpridjt toeber bie bilMidje 2)ar» 
ileDung nod^ bie Befdjreibung bei XDagner unferen 
Ijeutigen 2lnfprü(i|en. Sie ujid^tigften Stellen bei IDagner 
finb 5oIgenbe. 

p. 75. wX>iefe Stirnn>inbungen, befonbers bie erfte 
tinb 3n>eite, seigen eine groge Derfdjiebenl^eit bei ^en 
«in3elnen 3n^i'5i^uen; in bem größeren ober geringeren 
XDinbungsreidjtE^um biefer £jirnpartl|ie liegt ber fjaupt» 
unterfdiieb, »enigjlens ber äugerlidj auffallenbfte ber 
«injelnen (5el|irne. Sie erfdjeinen oerfdiieben lang bei 
t)erfcijiebenen 3'i^i>^i^wen; Ijiernadj seigt pdj ber Stirn- 
lappen überl^aupt gröger obet: Heiner (länger ober 



* XDagner, Hubolpl^, Porftubicn 3n einer fönfttgen iPtffen- 
fc^aftUc^en UTorpiiologte unb pi|yfiologte bes mcnfd^Ud^en (Scl^ims, 
als Seclenorgan, mit bcfonbcrcr Hücfftd^t auf btc f^irnbtlbung 
intelligenter HTänner. 2Ibi|anbL b. K. (Sefellfc^. b. IPtffenfc^. 3U 
<Sotttngen. IX. p, 59* <5ötttngen J(86t. 



^8^ IV. lieber bie Bebtngungen bes matl^ematifd?en Organs 2c^ 

fürser), tooburcfc bann natür(td{ audj bie Cage ber 
<tcntraltt)inbungcn halb lüciter nadi oorne, balb mctjr 
nad? \:f'\nten gcrücft «rfdieinf 

p. 80. „2lücrbing5 finb bie (ßeljirhe unferer beibet* 
großen ZHatl^ematifer mit fel^r reidjen unb tiefen IDin» 
bungen Derfel:|en; jie gel:|ören 3U ^en reidjjten, bie ic^^ 
bis jefet beobad^tet I^abe. Befonbers reidj nhb anfeE^nlidr 
ftnb bie Stirntoinbungen. Speciftfdje 5omien ixtib Tin* 
orbnungen fommen aber nid^t oor. €5 ijl fdjabe, ba%^ 
^as (Sc^xxn von Ca place, bas im Befifee illagenbies^ 
ftdi befanb unb bcffen jefeigen 2lufben>aE?rung5ort id^ 
nid)t fenne, 3ur Dergleidjung nidjt benufet werben fonnte^ 
€5 ix)ürbe fxdi freilidj rooljl ^axan ebenfo roenig ein- für 
bie matl:|ematifd|e Begabung djarafterijlifdies fpesiftfdjes- 
5ormeUment l^erausgej^eHt I^aben." 

5erner fagt XDagner von Diridjiet: ^fel^r auffallend 
ift bie mäditige €ntiüicfelung ber Stirnlappen, foiüol^l 
nad| xlixex Breite als Cänge^, oon (ßaug: „burdj äljn» 
lidje Derljältniffe [fecunbäre €inbrücf e] seidenen fidj audf 
bie fel:|r reidj entipicfelten Stirnlappeniüinbungen, nament» 
lidi bie erjle, aus, aber audj bie sroeite. Die IDin» 
bungen pnb l:|ier bünner unb feiner als bei irgenb einen» 
anberen (Sc^ixn.** 

2luj5er ber Befdjreibung giebt IDagner bie (5etDidjt* 
3al|Ien* (5auj5' (5el|irn n>og H^2 g, bas DiridjIefS' 
\520 g. €s I^at tDol^I feinen Sinn, bie (5el^irne von 
2Ti!atl:|ematifern unter einanber ober mit benen anberer 
Ceute auf il:|r (Betoidit I^in 3u oergteidjen* Denn es iji 
nid)t ansunei^men, ia% ber (Srab ber mati^ematifd^en 




^. Sdjiitar|. 



rV'. Heber bie Scbingungen hcs inatljcmatifd7en 0rcians ic. ^85 

33cfdlji9un9 ^u Öem (Bcmiditc be^ tSeI|in;& im (ßansen 
ein Dcr^ältni^ liabe. Die gcipigc 33efa^igun9 ilberl^aupt 
i(t 5tuar öem <Seliirng«tüid|te proportional, aber ein Der- 
gleidj foflte tiodi inii aiigc)le[(t n^cröen bei Serüdjid^ti' 
Qixw^ &es >Cör^iergcroid?t^, ber Körperlänge, &es Hüters, 
J>er patljologifdien ^uftdnbe. Va es fel^r unfidier ift 
ob öie in bi^fen f^inpd^ten coirigirten gabCen bas 
Hidjtige treffen, Fann man Don ^Qn Stubien über iias 
(Sel^irngeiridjt beboutenber £ente iiidit niel ermartcn, 
3Tn gegebenen 5aUe ift pi bemerfcTi, t>a% i3aii% mit 
78 ^'^^^^ii ftarb, Diridjfet mit 5^, ba§ jener nacfj 
IDagner Qiwas über ( 70 cm lang mar, bi^fer langer 
ir>ar, ba% enbltdj bei ber Section Ditidjict's „l^vbropfie'' 
gefunbcn tDurbe. 

(ßegeiiurjärfig ift ba? cSebtrn von (Baiif nod? t5or* 
t^anben. ^^ roirb, in bie £jemifpbärcn nnb ben Stamm 
getrennt, in einem reid^lidj engen <5fafe unter IPeingcijl 
auf beroatjrt, Hatürlicf? toirb es im t^crlaufe oon ^5 3*^fjiren 
fiarr gefd^rumpft fein, inbeffen ip bie mäiitige €nti»icfe- 
lung ber 5ttrn[]ii:nminbungen nod| beutlidi* — 

<£in tDcitercr 23eitrag rüf^rt Don Ctjomas Dmigt^t 
(Rcniarks on tlie brain. Proceed of the americ. acad. of 
arts and sc, Xl. 5. V, p, 2\0. i;878.) i?en DtpigM 
bcfctireibt bas (Setjirn t^QS Cfiauncy it>r:gt|t, fir ftarb 
in the |>rirae of life. (£r wav au5.ge5eid]net als 2TIatlie- 
matifer unb pl^yfifer, an^erbem a general critic.^) €r 
n>ar groß, E|atle einen großen Kopf^ b^onbers gro§«n 



^) 3Tn MpöJigenborff^' tft er nidjt atuat^nt. 



^S6 ^* Heber bie Bebtngiingen bes matl|ematifd?en (Drgans ic. 

Porberfopf* Das (ßeE^irn toog 53 ^/a oz. avds. Dos 
2(uffaQen^fle n>ar bie Qot^e ber ftontalgegenb unb bte 
[djarfc Biegung beim Ucbergange oon bem auf jicigcnbcn 
3um oberen Hanbe. Die XDinöungen waren breit unö 
^erb. Secunbäre XDinbungen falj man fafl nur am 
Stirnl^irn* Beibe ^älften waren annäl^ernb fvmmetrifdi, 
nur bas linfe Stirntjim complicirter als bas redjte, Vin* 
gewöl^nlidi grog n>ar ber Praecuneus, befonbers linfs. 
iluffattenb einfadj war bie Umgebung bes Ijinteren 2(pes 
ber F. Sylvii. We might dismiss the brain with the 
Statement that the frontal region is largely developed and 
complicated, and the rest simple. 3efonbers genau bc» 
fdjreibt Dwigl:|t eine 3rücfe swifdjen ben Central» 
winbungen, bie audj bei profeffor fudjs gefunden 
worben \% 

Dwigl^t erinnert öaran (offenbar ol^ne (5att su 
fennen), bag man bodj nidjt oon ^ntMxgerx^ überi^aupt 
reben fönne, bag ausgeseidjnete ZHenfdien burdj befonbere 
5äl|igfeiten (IHatliiematif, ZlTufif, poefie) ausgeseidjnct 
feien, in anderen 5ädjern nidjt — 

Sobann I^at (5uftao Hefeius neuerbings bas (5etjirn 
bes 2(ftronomen (Bylb6n fel^r genau befdjrieben unb auf 
fedjs pradjtoollen Cafein abgebilbet. ^) 

Ueber bie redete britte Slirnwinbung fagt Hefeius: 
^Dor biefem Operculum, unb oon il^m burdj ben jlarJen 
Ramus anter. horiz. ber F. Sylvii getrennt, befinbet ftdj 
ber oorbere Cl^eil ber unteren Stirnwinbung als eine 



^) ötologtfd^e Unterfuc^ungen. H. ^J. VIII. 




ffiijlbnt 



JV. Ucbcr bie Bebtngungcn bcs matl^emattfd^cn (Dxgans ic ^S7 

waüartig angcfdjiüollene Hanbpartie bcs orbitaten Hinbcn« 
felbes, bie ftdj leinten unb mcbialirärts in einen äl^nlidjen 
VOaü fortfefet; bas ©rbitalfelb ip nämlidi am I^interen 
Umfang etwas erl^öl^t unb bem Cemporalpole angebrücft; 
vox biefem XDatte erfennt man eine feidjte 5urdie, bie 
offenbar bem (Einbrucfe ies Keilbeinflügels entfpridjt, 
eine 2lnorbnung, toeldje, namentlidi in ftärferer 2lti5- 
bilbung, nur feiten oorfommt/ 

Ueber bie linfe britte Stirntoinbung p. \7: ^Der 
Gyrus front. Inf. gel^t • . . I^intenunten von einer in ber 
F. Sylvii oerjierften Brücfentoinbung aus, bie von ber 
üorberen Centratoinbung f ommt, unb fefet pdi mit einer 
Dertical emporjieigenben pars ascend. nadi oben I^in fort, 
bal^er bie ber pars basilaris entfpredjenbe partie in 
rebucirtem ^ujtanbe in bem unteren Cl^eil ber unteren 
präcentral- (refp. Diagonal*) iurdie 3U fudjen ifl Die 
pars ascend. fteigt itodi empor unb gel^t bann, ftarf ge* 
bogen, nadj oorn • unten, ^en eigentl^ümHdjen oberen« 
»orberen 2ljl einfaffenb, weldjer 00m oberen ^nie bes 
Ramus ant. ascend. F. im Sylvii nadj oorn-oben I^in 
läuft, ol^ne bie Hinbe gans 3U burdjfdjneiben. Der 
porbere 2lrm bes Bogens gel^t bann nadi unten I^in in 
ein Keines trianguläres Operculum frontale med., »eldies 
nnten oon bem siemlidj furjen R. ant. horiz. F. Sylv. be* 
grenst wirb, unb fefet fidj u)eiter unten in eine Hinben- 
partie fort tvcldie mit einer breiecfigen partie in bie 
F. Sylv. l^ineinfdiiegt unb oon bem oben befdiriebenen, 
in fagittaler Hidjtung ©erlaufenen lateralen 5tM bes 
S. frontomargin. überquert wirb. X>orn«oben I^ängt bie 



^88 IV. Heber 6ie Bebm^nngen bts motbemotift^en (Drgans ic 

nxiUtc 3ttnuDtnbuii9 mittel^ einer SräcfetuDinbnn^ mit 
^et G. front med. jufaimitetu Untcii' innen fe^ fte fidt 
auf bem ®rbitalfelb in ubüd^ IDeife fort nnb bilbet ^ie 
oor 5em Truncns F. Sjlv. nnb I{inter 5em S. orbit beftnb* 
Ixdic Hanön>inbung ber orbitalen Hinbenpartie." 

p. 2\ I^eigt es: ^3m 2UIgemeinen I&gt ftd) fagen, 
bag bas <SeI)im, iDeld^es ja ein 5iemlid{ hcbent^nbcs 
<Sen>id{t (\^52 g) barbot, in trielen Besiel^nngen typifd^ 
geflaltet ift Sie IDinbnngen fmb im (Bansen frSftig, 
regelmäßig nnb nxdit befonbers complicirt ausgebilbet . • « 
Was bie britte Stimtpinbnng betrifft, fo ififte in ber redeten 
Qemifpt^äre im Operculum intermedium flarf entiDicfelt,^ 
in ber linfen aber eigentl)ümlid{ geflaltet, unb was bie 
pars basilans anbelangt, beiberfeits eljer fd}n>ad{ aus* 
gebilbet; jebenfaHs ifl bie ber pars basüaris anget^rige 
Partie nid{t an ber ®berf[dd{e ftd{tbar, fonbem in bie 
(tiefe ber nnteren pracentralfurd^e, refp. ber Diagonal* 
furd{e, t^inabgebrücft 

Der auffallcnbjle (Cljeil bes <5Ylb6n'fdjen (ßeljims 
ift jebenfaDs bie Hegion, n>eld}e bas t^intere £nbe ber 
F. Sylvii umgicbt, alfo ber Gyrus supramarginalis unb 
n>as mit itjm am nädjjten oerbunben ijl.'' Das (ßeljim 
geE|drte bem Cvpus mit einfad^en breiten XDinbungen 
nrib tiefen 5urdjen an. tinls ijt ber Gyrus supramarg. 
„oon auffaüenb geringem Umfange, bagegen jinb brei 
uor unb über biefem Gyrus beftnblid^e, fiarfere IDinbungen 
uort^anben, n>e(die '\i\m mel^r ober iDeniger sugered^net 
iDerben muffen; in 5oIge beffen ijl audj in biefer ^emi* 
fpl^dre bie fraglid^e partie als flarf enttoicfelt ansufeE^en. 




(Üt. M. Qamvttfmh. 



IV. lieber bte Bebtngiingen bes matljematifd?en (Drgans ic. 1(89 

€5 ift Wc5 ooTt befonbercm 3ntcrcffe, wenn man be* 
^enft, bag bie betreffende Hegion, weldte bos centrale 
<Drgan bes (5el^örs unb ber IHuftf berül^rt, ober 3um 
Cl^eil audi entl^ält, bem großen parietalen — pfydjifdjen — 
iJffoctationscentrum oon 5I«djflg angrenst unb es n>o^I 
tljeilnoeife audj in fidj fdjJiegt. 

€5 ijt fogar nidjt untoal^rfdieinlidj, ba% bos pfydji« 
fd^e Centrum für ntati^ematifdie Begabung gerabe in 
biefem 2(ffociationscentrum 3U fudjen ifl." — 

Hefeius erwäl^nt audj, bajg lüiJber bas (5eljirn bes 
ZHat^ematifers 3- €♦ ®Koer unterfucftt I^abe; Hageres 
barüber ijl mir nidjt befannt geworben. — 

Xladi TXxsbet n. ^ fott Bajüan bas (get^im bes 
ZlTatl^ematifers be IHorgan unterfudjt traben. Die Stirn* 
winbungen feien fel^r jlarf entu>idelt gen>efen* Das 
<5eljirn i^ahe 52 ^4 Vin^en genoogen. Die ©riginalarbeit 
fenne idj nidjt. — 

finblidi I^at D. ^anfemann bas (Sel^irn oon ^elm- 
Ijolfe befdjrieben. ^) 3efdjreibung unb 2lbbilbung besiel^en 
fidj auf ben (5ipsabgug ber Jinfen ^emifpl^äre (bie 
redete u>ar burdj eine Blutung serjlört). ^m ^IHgemeinen 
fiel eine befonbers jlarfe (5Iieberung ber (Sytx auf. Die 
Stirnlappen fdjienen befonbers jiarf entu>icfelt ju fein; 
bie (Syvx waun I^ier burdj tiefe QJuerfurdien fo getl^eilt 
unb gefdilängelt, 'ba% man ZlTüI^e iiaite, bie einseinen 
befannten (ßrunbformen ber ßyn unb Sulci auf sufinben. 



1) Ueber bas (Set^im von fjermann oon ^elmljolfe. §eitfd?r. 
f. Pfy^ol. u. p(?YftoL ber Sinnesorgane. XX. \. ^899. 



\^ rv. lieber bte Bebingntt^en ^es matljematifd^en (Dx^ans ic, 

^u§erbcm tparcn nadt Qanfetnann ^«r I^intere 2(6[d)nttt 
ber erficn 5d)(dfcnn>int)ung, bte partte snoifd^en 5cm 
G. supramarginalis mit ber dritten <DcctpttaIiDtnbnng; un5 
bet Praecuneus flarf entit>ide(t — 

Die 2(utoren enlljalten ftdj Jocaüfatorifdjer Oerfudje 
bis auf Hefeius, ber ben jlarf enttoicfeUen G. supra- 
marginalis (S\{t6n's mit beffen matE|ematifdier Begabung 
in Besiel^ung bringen mödjte. (£5 ijl aber 3U bemertcn, 
ta% (ßvlbdn, ben idj perfönlidj gefannt tjabe, audj muft* 
falifd) feE|r begabt n>ar unb bag man mögKdiermeife 
beim G. supramarginalis an bie IHuftf benfen fönnte* 
Dabei fei taran erinnert, ta% W, Qis an bem ^us« 
guffe bes Sdjäbels, ben er für ben 'Sadfs I^ält, ben 
G. supramarginalis feljr groß fanb unb permutl^ete; bicfe 
(5röj5e fönnte ber ^lusbrurf mupfalifdien Calentes fein. 

3tgenb etoas SefKmmtes fann man aus ten oor* 
liegenben eingaben vooiil nidjt ableiten. 3"^^ff^" ^<w^f 
man fagen, ta% bie (Sei^irn^Unterfud^ungen burd^aus 
nid)t gegen bie 2lnnaE^me fpredjen, bas ©orbere ^nöe 
ber britten 5tirnu)inbung fei Bebingung tes matlje» 
matifdjen Calentes. Vcnn in jebem SaHe n>irb bie un- 
Qewdfyxlxdic (£ntn>icfelung ber 5tirnn>inbungen betont 

3n S^funft foHte man bas (Sc^xtn vov bem heraus« 
nel^men aus bem Sdjäbel (gärten. 3jl bie mifroffopifdje 
Unterfudiung foujcit enttt)icfelt, ta% bie €igentl|ümlidj* 
feiten ictcn 5^lbe5 ber fjirnrinbe genügenb befannt flnb, 
fo wirb audj mifroffopifdj bie ungeu>öl|nlicije €ntn>icfelung 
einer beftimmten Stelle erfennbar fein. — 

Der 5d|äbel eines reinen 2Ti!atl|ematifers ift bisl^er 




®. SdjcriiTg* 



IV. Ucbcr bic Bcbingungcn bcs matl^cmatifd^cn Organs ic, \^\ 

nodi hidit fccfdiricbcn iporbcn. Sie Untcrfudicr ^et 
(ßcB|irne B|abcn bcn Sd^äbcl nidit fccrütfjtditigt. 2tucl^ 
^tusgüffc bcs Sdiabds jtnb nidit gemadit iporbcn.^) 

3m Ucbrigcn liegt, fo mcl xdi fcBic, gar nidits t>or 
als bic 2tbbilbung bcs Sd^äbcls t)om ZHcd^anifcr VcngU 
länbcr auf (ßaü's Cafcl unb bic Scfdireibung bcs Kant» 
fdläbcls burdi Kupffcr unb ScffcIB|agcn, ^) mit bcr bie 
Scfdircibung Kcldi's t>om Kopfe bcr Ccid^c 3U t>crglcid]cn 
ift. Kupffcr unb ^cffcIB|agcn liahcn bcn 5d?äbcl aus- 
gcmcffcn unb abgebilbet. Vxe Qauptmaajjc jtnb: länge 
^82 (am (ßipsfopfe ^90), :3rcite \6\ (am (gipsfopfe \68), 
Umfang 5^7 (am (ßipsfopfe 57{). 2tu5 ben „€rgcb- 
niffen" mag 5oIgcnbes B^eroorgeB|obcn fein: „3P bie 
Stirn Kanfs U)ebcr eine breite nod? eine in fagittalcr 
Hiditung ansgebehinte 3U nennen, fo ijl bod? eine com« 
penfatorifdie IDöIbung bcr frontalen 5d^Iäfcnparticn auf 
beiben Seiten nid^t 3U pcrfenncn." ,,Der Sd^äbcl ijt 
beutlid^ afvmmctrifdi, inbem bie redete Seite bcr Kapfei 
im (ßansen an XDöIbung unb Umfang überwiegt, ?)od^ 
tritt bic linfe Seite nid^t in ber gansen TivLsbelinnng. 
f^inter bie redete Seite surüd, ba fidi linfs in smei be» 
fd^ränften Hegionen eine pärfere UDöIbung n>aB|rneB|men 
läjjt, unb 3n>ar an ber Sd?läfenfläd|e bcs Stirnbeins unb 
in ber (ßcgenb bcs Angulus mastoideus ossis parietalis.'* 
„®b bic Pärfere tt)ölbung ber Facies temporalis oss. 



^) (2rft ncucrbings crfal^rc id?, ba^ in (Söttingcn bic gcid?^ 
nung bcs Sd^äbclausguffcs von (Saug cjiftirt. 

2) Der 5d?äbcl 3mmanucl Kaufs. 2Ird?. f. 2lut(jrop. XIII. 
p. 359. 1(88^ 



\^2 IV. Ueber bie Bcbingungcn bes matt^ematifc^en 0rgans ic. 

front, auf ber (infcn Sdte mit bem Sinbcnfclb bcr 
5prad)e in 'Beiwfyxng 5U bringen fei, mag I)icr nur ds 
irage B|ingcjleDt roerbcn.^ ©ie Pcrfaffcr oemeinen aber 
tljatfäcfelidj bie 5tage, ba jte fagen, ^a^ bie Sroca*fd|€ 
SteDe ;,tt>citer Biintcrmärts'' gelegen fei. 

Von Kel(li*5 *) Sefdjreibung bes (ßipsfopfes ^) fagt 
Kupffer, bag aDe von Keldj befcferiebenen ZHerfmale am 
Sdiäbel oorBianben n>aren. Keldj, ber (ßatt's 2luffaffung 
tl^eilt, fagt über bas 0rgan bes Sa({Iengebdci)tnif[e5 bei 
Kant: „tianfs Stirne fommen biefe IHerfmale [bie oon 
<6aD angegebenen] bis auf ujenige ^tbmeidjungen su. 
Die untere Sreite ber 5lirne iji nämltd) im PerEjältnif 
mit ber an ber KransnaB^t fd^mal. Die Stirnerfen Ijin» 
^egen ftnb fdjarf nad? äugen ragenb nn^ geben ber 
Stirne unten ein erfiges 2tnfeB|en; iB|re Sdjärfe beljalten 
fte ungeaditet iB|rer allmät^Iidien 2lbnaljme oB|ngefäl|r 
einen §oD l^pdi über bie 2tugenB|öB|lenn?infeI^ unb Ijier 
t>crfd]U)inbet jte aümäBilid? in bie burd? bie Bebecfungen 
bes 5d]äbels nadifüB|Ibaren 5purlinien ber 5d|Iaf» 
ntusfeln. Die Deden ber 2tugenB|öt|Ien ftnb aber an 
^en Stellen, wo bie CB|ränenbrüfen liegen, gleidtförmig 
ausget^öBiIt." 

3d? ^abe nur ben (ßipsabgujj ber Sdjäbelform in 
^en Qänben geB|abt unb mir fiel am meiflen auf, ^a^ 
^ie Däd^er ber 2(ugenB^öt^Ien feB|r n>enig gen>ölbt roaren. 



^) Ucbcr hen Sd^äbcl Kant's ; von Dr. H). (5. Kcld?. Königs» 
bcrg ^80^. 

^) €r ift in bcm Tltias oon <Zaxns abgcbtlbct. 




^. ^- Seeliger, 



IV, Heber bie Bebingungen bcs matljematifd^en 0rgans ic. ^^3 

auffaDenb tief jlanben. Stcxlxdi toeig tdi rtidit, ititoieipeit 
an btefer Stelle bie 5orm correct wax. 

Pielleidit gelingt es mit ber ^eit, am tcb^riöcn 
burd) ^as Höntgen*I>erfaB|ren gute Sd^äbelbilber 3U er» 
Ijalten. Bis jefet ijl nid^t t>iel barauf 3u geben, mk mir 
einige Perfud^e geseigt B|aben. ®enn ix>in man bie 
5tirnerfe fetten, fo mu§ ber Kopf fdjief gegen bie platte 
ftelien unb ber (ßrab ber 2)reB|ung ift nidjt ftdier genug 
3U bejlimmen. 



mdbius, Ulatfjematlfer. ^3 



21 11 Fl a ti g. 

lieber S^^^^ 3cifeptj (Satt. 



Htütt £?, 

ßäuft^tr fin&et ötTJeni^e etBJS ileue ä, 
luffd^cr Pin* I£un(l nidri BWT'^ftit, flit &fr^ 
jfniac, tofldfür fit oerilflii ^Eei^rr^ 
mciü^trt ein ItnTcbibdft ft?cc^ ah «iti 
OTibfrer. ^t turtdjt ndTnlidr Eiiic<fj tlin? 
Dan ben Uebtt^Fn ntdif bEirprrnp 23al]it 
rniö pforif, Hiit fln&*J ti-ni atibfie linfid^t 
üon 6rii PingCTin ilUfS rita^ brn?itnbrct 
er tinb uitterfud^r fr, Hjatjtcnö Öif Uf brlg« ri 
^a^<tt^ als doc triüJi BefümUenu BOr= 
übrrttEen. 

fribni]« 



u-^ 



f 



L Die 2Jnatomtc &es HecDenfYflems. 



3n feinem XDftttt ,,üom Saue unCs Ccfjcti bes 

Sneörid? Buröad] exm (Sö(d:jidjte tjer <Set?irnanatomk 
gegeben. tiefer ^emiff^ntltifte^ reMtdje IHann fagt 
(IL p- 229): „tÜiv fcmmen 50 t>en eigentlicticn 5öt^ 
fd?nHeti, meldte bie f^irnlefjre im ^9- 3<^l?ri]unbcm burd] 
bie Bemütjungen ber beutfcijen Haturforfctier meldete, 
iinb billig fielet l^tcr (ßaEi an bcr 3pi6c^ inbem er tE^eiU 
tterfannte IDa^r(]eiten in it^r altes ^cdt^t npic^er einfette, 
tl^eils neue Cljatfadjen unb Slnjidjlcn gab^ tljeib, unb 
aans poräücjIid:|^ bic allgemeine 2iufmerf)amfeit auf bcn 
I^irnbau letifte unb 3U neuen Unterfuctjun0en bcffctben 
anregte''. Burbadj fd^ilbert in ber Kürjje cSatr^ 
feif^ungen, biDigt t>as ^ine^ üertöirft 3lnbere5 unb fdjlie^t 
f a[geuöennaagen : ,f(SaII fanb Diele <5egner: Einige 
mollt^n bloip bic Seme mit itjm mieberlictcn, meldje 
üaroli erlebt I^atte^); ^(nbere pieken fict? batan, baj^ er 



*) lieber bai arofien Dar tili/ ron bem ev Tuit „^^lnia{^r Dlu^^ 
etjiuufj' ff'ridjt^ fagt ^iii'&Lidi (IJ. p. 2ü6)^ „Üaioli imter|'ud>tc 
5netft ^as öcbim uon feiner tSvun&flädic ans intb L^erfoLjtc bie 



^^8 2Inbang: Ucbcr gratis 3ofcpl^ <5aU, 

als HBiapfobe feiner eigenen 3Iia5 auftrat unb an bas 
groge publicum porsüglid) ftdj »enbete; nodj ^nbere 
n>iberte feine unpI^ilofopBiifdie SeB|anblung pB|ilofopB|ifd|er 
(ßegenpSnbe an^); Rubere enblidi n>aren ersürnt üfcer 



Stctigfcit t>es ^afcrlaufs. Dabcy ift er bcr (£rftc unb bis auf 
bicfcn (Eag faji bcr (£1113196, bcr in bcr Copograpl^ic btc £aqe bcr 
^imtl^cilc nad? bcn Sd^äbclgcgenbcn bcftimmt . . . IXiit rut^igcr 
IDürbc, erl^abcn über flcinlid^c Selbjifud^t, cr3äl|lt er btc 2ln= 
fcd^tungcn, meldte er ipcgcn feiner (Entbccfungcn t>on feinen 
Sologncfifd^en UTitbürgcm crful^r. guerft leugnete man bic ^^aU 
^adim. 2lls Paroli bicfc im Bcyfcyn von 2lcr3tcn, pl^ilofopt^cn, 
(El^eologcn unb Senatoren nad^roies, fo heiianptete man, bie ^afcm, 
bercn Perlauf er 3ei9te, mären nid?t in ber Ztatnr porl^anben, 
fonbern burd? pincette unb Scalpel erft gemad^t. 2Us man burc^ 
bcn 2Iu9cnfd?cin gcnötl^igt n?ar, bics auf3ugebcn, foüte fd?on 
^ippofrates 2IUcs gcujugt I^abcn. Unb ba aud? IjicrDon bcr Un» 
^runb erliefen mar, foüte Paroli alles Ztcue pon einem nnhe= 
tannten 2lnatomcn, ber nod? Ztid?ts gefd^rieben l^ätte, gelernt 
l^aben! — 5oiftbie(5emeinl^eitinallen3al^rl^unberten 
fid? glcid?." 

^) Burbad? fprid?t l^icr im Sinne ber (Segner (Sall's. 3n 
IDal^rl^eit mar biefer ber ein3ige pi^ilofopb unter feinen Kollegen. 
IPeld^e Sorte oon pijilofopl^ie bie f^erren 2lnatomen pertraten, 
erfebe man ans ^olgenbem. 

Prof. 2((f ermann in f^eibelberg, einer ber EJauptgegner (Sall's, 
„nal^m ^en 3uperfid?tlid?en IHaterialismus unb bie übermütljige 
Cl^emiatrie aus ber Heige bes 3al^r!|unberts ber 2lufflarnng in 
bie neue §eit l^inüber, entlel^nte mand^e Porfteüungsarten aus 
bem 2lltertl^ume unb be!leibete fie mit ben neueften (Jormen ber 
Haturpl^ilofopl^ie. 2lus fold?' feltfamer Pereinigung ging folgenbe 
S^l^eorie l^erpor. Pas Sonnenprincip ober bas £id?t unb bas (£rb= 
princip ober bie Sd^mere finbet er überall pereint, jebod? in per= 
fd^iebenem Perl^ältniffe. Pas tl^ierifd^e IDefen he^eidtnet fid? t>a= 
burd?, ^a% es bas Sonnenprincip in fein 3nnerftes aufgenommen 
bat. tTämlid? aus bem (Sefägfyfteme, meld^es felbft eine poten= 
3irung bes gellenfyftems ift, entmirfelt ftd? bas ITerpenfyftem, 
inbem aus bem Blute (2yn?ei§ftoff ftd? abfegt, meld^em Sauerftoff= 



I. Die 2Inatomtc bcs tTcrpcnfyftcms. \^^ 

feine ^Inmaagungeti, tnbem er, nxdit m ber XDiffenfdiaft 
innen ^eljenb, itdj audj nidit ab (ßlieb in ber Kette 
il^rer Bearbeiter betradjten, fonbem nur oben fdjmimmen 
ix>oIIte* Sdiabe ijl es, bag feine franiognomifdien Seob* 
ad^tungen, in iljrer HeinB|eit unb gans abgefeljen von 
feiner CB|eorie, bis jefet su ipenig perfolgt »orben ftnb, 
unb ba% toxx nod) bie firfd^einung bes ZHannes entarten 
muffen, ber mit l^eOem Slide unb unbefangenem Sinne 
bey äußerer Begün^igung bie Prüfung ber Köpfe 3U 
feiner 2tufgabe madit" 

£uft=2lctl|cr^£id?t folgt. Damit tritt nun bie Seele in breyerley 
formen l^erDor : als Inf tf örmige für bie automatifd^en Beipegungen, 
als ätl^erifd^e für (£mpfinbung unb tljierifd^e Beroegung unb als 
£id?tfeele für bie l^öl^ere menfd?lid?c <5eiftestl^ätigfeit Das (Se= 
I]im entfteljt aus bem gciftigftcn, b. i, fauerftoffl^altigjien Blute; 
ber Sauerftoff löfet fid? Ijier in bie reinften £id?tftral^len auf unb 
CS ift bei bem UTenfd^en best^alb am Doüfommenften, roeil l^ier 
bas ^er3 fo geftellt ift, ba^ es fein fauerftoffigftes Blut in geraber 
Strömung 3um Kopfe fenbet. Die Hinbe ift ber Uebergangspunft 
aus bem (Sefägfyfteme in bas Zteroenfyftem unb il^re Hanbujulfte 
finb burd? bie (Sefägoertl^eilungen gegeben. Die tleroen ftammen 
aus bem ^er3en unb bie primitionerocn (ber fympatl^ifc^e Zteroe) 
merben bie lDur3eln bes fleinen ^ims burc^ il^re Perbinbung mit 
bem 5. ^imneroenpaare, foroie bie bes Hü(fenmar!s burd? il^re 
Perbinbung mit bem 6. EJirnneroenpaare." U. f. f. 

■ Sogar ber Dortrefflid?e Heil, ber überbem (Sall's gw^örer 
geu?cfen ift, l^atte ljöd?ft u?unberlid?e 2lnfid?ten. (2r oerglid? „bas 
(Sel^im mit einer galoanifd^cn Säule: bie aneinanber gelegten 
ureigen unb grauen Sd?id?ten finb €le!tromotoren, meldte burd? 
il^ren t^ybrogenen unb ojygenen (Segenfa^ bas ^reytl^ätige, ben 
£ebensgeift, bie (£rregbar!eit er3eugen; bie IHarff afern unb <£om= 
miffuren finb (£oUeftoren unb (£onbu!toren. Die Hinbe ift ein 
Anflug ober ein tlieberfd^lag aus ber (Sefägl^aut. Die EJirn= 
funftionen finb nid^t an fije ^formen gebunben, fonbern aus bem 
Brennpunfte il^rer Spannung ausgel^enb, fo ba^ bas Pitale bas 
Bel^arrlid^e oerlaffen !ann." 



200 2I«Kmj: VUhez ^anj '^y>k^ ^oiL 

5o gat wit Bei Bnrbod? ift <s 5cfli <B^ bei ben 
fpdieteit 2tnatofn<n tftd?t gegangen. 3n mtf ere n £e^« 
bttd^etn voirb er als Anatom gar vidfi ober bod) fo gut 
iDie gar md;t enDobnl ülandK, S- S. ^vrtl, mbMen 
ib« megen feiner OrganoCogte einige Befdiimpfongen, 
bei bemn bie <0rob^ett ben Blangel an DerfUmbnig er« 
fe^en mn%, aber i>on feiner 2tnatamie ifl feine Bebe. 
Henerbings bot C £binger {n>ob( im ^inbßcfe auf 
Surbad)) <Sall*s anatomtf d^ Derbien^ anerfonnt 3^^^ 
Sd^er fennt Wmslow, Hlonro, HoUmbo, cbwobL biefe 
Ferren tt. TL bnrdKms feine grogen <5ei^ nntren, pon 
iSall erf dbrt er nid^. Die Sd^nlb ßegt of enb<tr bei 
iSall; Ifitte er ein neues €od{ befd;rid»en, fo nmrbe 
man feiner gebenf en, ba es U)m aber van bos Perßfobnig 
bes gonsen HenoenfY^ms, nm bie (ipie man bamals 
fogte) pt{iIofopbtfd^ €rfenntni§ bes Qimbanes ju tfjnn 
oHtr, fo nmrbe er nid}t perftonben unb feine ber ^t 
poranseilenben (ßebonfen gingen perloren. 

5tan3 3ofepIj ißoE, ein Subbentfdjer, nxir ^Irjt in 
IDicn gen>efen. Seine Dorträge über 0rgano(ogie fyüten 
großen Beifall gefunben unb bos mißtrauen ber ö^ers* 
reid}tfd)en Hegierung em>ecft. Sie n>urben, n>eU fle sum 
niaterialismus periocften, burdj ein fatferlid^s fymb* 
fdjreiben perboten. ^) <5aVL gab Wien auf, mad^te weite 

^) Per Kaifcr fArieb am 2^. Pcccmbcr (80( an ben iSrofcn 
ta^ansf^' »X^cr Poctor lUebicina (Sau giebt, wie idj oemeljme, 
in feinem Banfe prit»atr>orlefiingen fiber bie üon ihm erfnnbenc 
Ctjeoric bes menfcbli djen Btmfcbabels unb foU bonftgen Sefut^ 
nidjt nur von Ulänneni, fonbem andb x>on IDeibem nnb jungen 
Uläbdben erbalten. Pa über btcfe Kopflebre, von roeldjer mit 



I. Die 2lnatomic bcs tTcrDcnfyftcms. 20 ^ 

Hcifcn, auf bcncn er einen großen Sdiai^ von Beob* 
ad^tungen fammelte, unb He§ jtdi bann mit feinem 
5reunbe 3ok* Cafp. Spurs^ieim in paris nieber. Tlndi 
B|ier f anb er piele 2tnt^änger unb befonbers Cuoier »ac 
iB|m feB|r geneigt, ^m ^^. TXläx^ ^808 überreid)ten 
(5aE unb Spurs^ieim bem fransöjtfd^en 3nftitute einen 
^luffafe über anatomifdje Unter fud^ungen bes ^erpen« 
fvPems im 2lOgemeinen unb bes (ßeljirns tnsbefonbere. 
®er 2(uffafe u>urbe öffentlid) porgelefen unb Cenon, 
Sabotier, portal, pinel, Cupier') ujurben 3u Serid^t» 
ergattern ernannt, etiles liefe ftd? gut an, aber (5aö 
iiatte Ung(üd| mit ben Kaifern. Kapoleon u>oDte nidjts 
pon it^m n>iffen, er fut^r bie 2lfabemifer an unb fragte, 



(£ntl|ufiasmus gcfprod^cn mirb, oicUetd^t mandfe il^rcn eigenen 
Kopf ücrlteren biirftcn, bicfc £cl^rc auc^ auf UTatcrialtsmus 3U 
f ül^rcn, mttl^in gegen bic crftcn (Srunbfä^c bcr IHoral unb HcUgion 
ju ftrcttcn fd^cint, fo rocrbcn Sic biefc prioatDorlcfungcn aIIfo= 
glcid? burd? bic lt. 0c. £. H. 5t. Dcrbictcn lajfcn ic." (Dbwolii 
(Sali eine ausfül^rlid^c Pcrtljcibigung einrcid^te, obn?ol^I bie por= 
tragenbcn Hätl^c, bcr Hcgicrungspräfibcnt, pctcr ^ran! unb bcr 
l^ofratb Birfcnftocf 2IIIc marm für (Sali eintraten, blieb bcr Kaifcr 
bei feiner €ntfd?cibung. (2s muffen ba gcl^cimc IHad^cnfc^aftcn 
gcujirft haben unb Dicllcid^t wax bas cigcntUd^c gicl nid^t bas 
Dcrbcrbcn (Sall's, fonbcrn bic Untcrbrürfung bcr freien Por= 
Icfungcn übcrl^aupt, bic unmittelbar banad^ eintrat, ^ran!, bev 
2(ugenar3t 3ccr u. 21. }:iatten fold^c Dorträgc gcl^altcn unb burd? 
(Sall's grogc (Erfolge n?arcn offenbar bic freien Dorträge über» 
baupt IHand^cn Dcrbricjgltd? geworben. Der Kaifer crHärtc aud?, 
bas cin3ig' Sraudjbarc oon bcr (5cl^im= unb Sd^äbcllcl^rc roerbe 
in bcn öjfcntlid^cn Dorlcfungcn auf bcr Uniocrfität geleiert. 

^) 2tls (Luvxev (Sall's anatomifd^cn Pcmonftrationcn bci= 
gcipol^nt iiatte^ fagte er 3U tl^m, er ((Euoier) t^abc ftd? bis bal^in 
niemals mit bcm bcfonbcrcn Stubium bcs (Set^irns bcfagt. 



202 ^Inl^ang: lieber ;Jran3 3ofcp^ <SaII. 

roarum jtc (Etjcmie von einem £nglanbcr (bos 3"|ii^^ 
ijotte Vavy burdj eine ZHebaille ausgeseidjnet) urib 
2lnatomie oon einem ©eutfdjen lernten. Hod? auf 5t 
^elena fagte Hapoleon: J'ai beaucoup contribu^ ä perdre 
Gall. Corvisart ^tait son grand sectateur: lui et ses sem- 
blables ont un grand penchant pour le mat^rialisme. 
Vnvdtt bas unbefugte Eingreifen bes Kaifers nmrbe bie 
£age oeränbert. Der am 25. 2lpril unb 2. TXlai er« 
ftattete, offenbar oon (Euoier rebigirte Seridjt erfannte 
(SaWs Perbienjte an, aber unter fo gemunbenen unb 
oerdaufulirten Heben, ba% Hiemanb redjt Mug baraus 
merben fann. (ßaU fritifirte itjn eingeljenb unb fd^arf, 
Iiej5 ^uffa^, ^erid|t unb Kritif foupotjl fransöpfd? als 
beutfd] erfd)einen. lDäl:|renb ber 3at|re \8\0 — 20 oer- 
öffentlid^te er fein großes IPerf : Anatomie et physiologie 
du Systeme nerveux en gdndral, et du cerveau en parti- 
culier, bas aus ^ Sänben in 5oIio unb einem 1(00 Cafein 
entt^altenben ^tlas beftcl:|t. Tlrxf bcm Oel jtnb (Bali 
unb 5pur3l:|eim als 2(utorcn genannt, jebod^ u>ar ber 
£efeterc nur im 2lnfange ZHitarbeiter ; er ging \S\^ nadt 
(£nglanb. Um bas IPerf 3ugänglid]er 3U madjen, ocr* 
anj!altete <5aU \822 — 25 eine 2(u£gabe in 6 ©ftao* 
bänben oljne Cafein mit fritifd^en Tlad^trägen. * ^m 
3at|re \828 ift er 3U paris geftorben. 

3d^ gebe im 5oIgenben einen ^us3ug aus (ßall's 
anatomifd^er teilte nad\ bem ber ^fabemie überreid)ten 
2luffafee. 

Das princip ber Unterfud)ung ift, ^a% alle d)eile 
in ber nämlid)en (Drbnung unb Perbinbung ünterfud^t 



I. Die 2(natomic bes ZTerocnfyftetts. 205 

voctben muffen, wie fic bic Zlainx fclbft fcftgcfcfet 3u 
B^abcn fd^cint. Die gcrglicbcrung bcs (Sct|irns fclbfl 
fangen faft alle Anatomen von bcr crB|abencn 0bcr- 
fldd)c an unb tocnn audj €inigc, wie Vicq b' 2l3Yr, Ijori- 
Sontale Sd^nittc oon unten nad] oben gemad^t tjaben, fo 
I^aben fie bies nid]t forooljl aus pB^ypoIogifd^en unb 
pIjUofopl:|ifd^en (5rünben, als vielmeliv nadi bem Sei« 
fpiele oon Paroli unb Pieuffens getl^an, um bie oer« 
fd^iebenen formen ber einseinen Ct^eile beffer ju fetjem 
nad)brüdlid] menbet fid^ (Sau gegen bie I^errfd^enbe 
ZTfeinung, ba§ bas verlängerte ZlTarf unb bas Hüden« 
mar! nur 5ortfäfee ober Verlängerungen ber ZHarfbünbel 
bes (5eB|irns feien. €r upeift auf bie oergleid^enbe 2tna- 
tomie l^in unb auf bie 2lcepl]alen,. um bie 5elbj!änbigfeit 
bes Küdenmarfes barsutEjun. „TXian t»erfe einen SHcf 
auf bie Stufenreilje ber empfinbenben IDefen. 3"^ 
polvpe liegt bas gallertartige (Empfinbungsorgan nod^ 
serftreut. 2tuf einer E|öf?eren Stufe famhtelt es pd^ fd)on 
in Heroenfäben unb in gemeinfame Stämme. Um en^' 
Iid> metjr Serül^rungspunfte mit ber ^ugentoelt 3u be*» 
mirfen/ oermelf ältigt bie Hatur bie 2(nftalten, b. i. bie 
Heroenfvfteme. ^uf biefe IDeife fd^afft fie immer neue 
unb 3U Ijötieren Kräften gej!eigerte (Drgane unb fteigt 
oon Stufe 3U Stufe enblid^ 3um ZTIenfdien I^inauf, inbem 
fie iB^m- (Drgane für Kräfte, für Sesiel^ungen gegeben 
i:iat, weldt^ ben d^ieren entsogen bleiben feilten . . ,** 
„Va es toeit Ieid)ter ift, bie (5efefee ber einfad^eren 
(Sebilbe 3U erfennen, fo ift es äudj oernünftiger, mit 
ber Unterfudjung berfelben ansufangen, um jtufenmeife 



20^ ^Inl^ang: Ucbcr ^tarii Jofcpl^ (Sali. 

«ine £inftd{t in bcn 5ufammcngcfct(tcrcn Organismus su 
«rtjalten." 

Sie mittel ber Unterfud^ung tparen {;öd}jl einfad^. 
Die Ulifroffopie fam nidjt in Setradjt. ^drtungsmittel 
(Kodten in 0el u. 2(.) tx>urben nur ausnat^memeife an« 
gemenbet. (SalVs ^auptmittel ftnb bas 2luseinanberlö[en 
mit jhimpfen IDerfseugen unb bas „Sdjaben'', er eifert 
gegen bie 2(natomen, bie Dilles serfdjneiben unb nur 
oom einlegen neuer Sdjnitte 2lufflärung erroarten. 

3m 2ttlgemeinen bejleljt ^as ganse ^eroenfvftcm 
aus 3ipei gans oerfdjiebenen Subflansen, ber meinen unb 
ber grauen ZHaffe. ^em ift burdjaus von ^en feinjten 
^eroenföben sufammengefe^t ^) 3)iefe jtel|t balb grau« 
(id^; balb fd^mdrslid) ober rött^Iid}, balb fd}mut(ig blag 
aus, ijl balb berber, balb upeidjer. Ueber il^re Struftur 
u>eig man nid^ts 5id)eres, aber fte ijl nidjt faferig unb 
augerorbentlid? reidj an Slutgefägen. „Sie umfleibet 
alle XTeroenenben unb ift unsertrennlid^ vom Urfprunge 
ber ^eroenf äben." Sie bilbet nid?t nur bie (Dberflädje 
bes (ßetjirns, fonbern fie bilbet audj bie riefeljaut bes 
2(uges unb bas €nbe bes Ejörneroen im CaßyrintE^, 
fotoie bie öu^erften €nben ber Ejautneroen; fie begleitet 
bie ^eroenfäben in il:|rem Perlaufe, man finbet pe in 



^) §u (Sall's geit bcftrittctt nod? mandjc 2Inatomen bie 
gufammcnfcöung ber ipcigcn f^irnmaffc aus ^afcrn. Bic^at wax 
3n)cifclljaft. Die (Sebrüber VOen^ei iDoIltcn Hid^ts baoon »iffcn 
(^806). 2lc!ermann glaubte, bas <Scl|im fei im Icbcnben guftanbc 
breiartig, gerinne erft nad? bem (Eobe 3U ^afern. 2lud) bie Com« 
miffion fprid^t oon bem (Sel^irnbrei (pulpe). 



I. Pic 2Inatomic bcs Hcrpcnfyftcms. 205 

^en (Sanglkn, im Hücfcnmarfc, im verlängerten llTarfe, 
am Soben ber vierten ^irnB|öt|Ie, in ben Pierljügeln^. 
ben Seljtjügeln, ^m gejtreiften Körpern u. f. n>. „Va 
wxv alfo fetjen, ^a% alle XTeroen, fon>oB|I in ben ein» 
fad^jten d^ieren als im ZHenfct^n, aus biefer fulsigen^ 
gallertigen Subjians entfteljen, fo betradjten toir jte als 
^en Urftoff unb bie Quelle bes Heroenfvliems un^ 
mödjten iB|r gern ben Hamen Matrix nervorum bey» 
legen," Sie Heroen entspringen aus ber grauen HTaffe 
unb „foU ber Heroe auf einmal 3u größeren Per« 
ridjtungen gefleigert n?erben, fo pögt er auf eine neue 
2Tlaffe ber nämlidien grauen gallertartigen 5ubjlan3^ 
oermebt fidj mit i^v, bilbet eine 2lnfdin?eIIung von 
mannigfaltiger (ßejtalt unb (EonjtPens; aus biefer grauen 
Subftans erseugen fid? nun neue 55ben, ujeld^e 3U ^n 
porigen treten, bie alfo jefet ftärfer unb 3um Cljeil aud| 
in anberen Hid)tungen I^eroorfommen, als fte I^inein»^ 
gegangen maren". 

Sei Setrad^tung bes Hücfenmarfs geljt (ßaH oon 
bem ber ^r\\eticn aus, ^udj bei ^cn IjSEjeren Ctjieren. 
beftet^t im (Brunbe bas Hücfenmarf aus einer Keilte oon 
(5angUen. „Hur ftnb bie oerfd^iebenen ^InfdimeHungen 
fo naE|e 3ufammengerü(Jt, ^a% jte mit il^ren gemeinfd^aft« 
lid^en Sünbeln einen beynal^e gleid] biden ZHarfftrang. 
5U bilben fd^einen." Die graue ZHaffe bilbet ben Kern 
bes Hücfenmarf es unb iß „immer an ber Stelle, wo bie 
Heroenfäben iieroorquiUen, in größerer ZlTenge ange* 
tjäuft". Tins ^en 2lnfdja>eIIungen ber grauen Hlaffe 
gelten bie fpinalen Heroen ^exvot unb ben (ßlieber» 



206 ^Int^ang: lieber ^ran3 Jofeplj (Sali. 

iicrpcn ctitfpred{cti bic Qals' unb bic Ccnbenanfd^tPcHung. 
Seim ocrldngcrten TXlaxfe erflärt (ßafi, bag es md^t nur 
bic Perlängerung bcr 2Tlarffd}cnfcI bcs grogcn unb bc5 
ficinen (ßel^irns barftcllc, fonbern oor 2HUm bic „Urquelle 
bcr Sinncsncrocn" fei unb im 3"ticren met^rcrc 2ln* 
i^aufungen grauer ZHaffe berge, beren jebe Heroenfafern 
uusfenbe. (Sau fd^ilbert ibie Perljältnijfe bes oerlängerten 
Vflaxfes balb beim ZHenfdjen, balb bei CB|ieren, ujeil bei 
biefen mandje Sünbel flärfer entoicfelt unb beuHidjer 3U 
feigen jtnb. Die Sinnesneroen [b, i. bie Ejirnnerpen] 
entfpringen nid)t, mie Picq b' Tl^yt u. ^. gemeint Ijaben, 
3um 2^E|eiIe aus ben pvramiben, fonbern gans aus ben 
grauen (ßanglien im 3nneren. ^Is Kern bes ^örneroen 
fdjilbert (Bali ben grauen Ejöcfer neben ber Hl^aptje bes 
pierten Pentrifels. Vas graue Ceiftdjen . ifl bas n>aE|re 
ißangUon bes ^örneroen unb fteB|t mit feiner (ßröge in 
gerabem Perl^ältniffe. Den fünften ZTeroen oerfolgt er 
bis 3ur äugeren Seite ber ©üoenförper unb fd|Ubert 
feinen Kern als befonbers fd^arf abgegrenst bei ^en 
5ifd?en u. f. f. lieber ben 5eE|nerpen ift mit Seftimmt« 
fjeit ju fagen, bajj beim 2Tlenfdien unb bei ben Ctjieren 
aus bcm oorberen paare ber Pierljügel eine breite 
^eroenfaferbinbe t^eraustrete, ba% fie ftd^ um ben äuferen 
IRanb bes Seliljügels fjerumlege, nodi einmal mit grauer 
Ulaffe in Serül^rung fomme unb baburd^ bas Corpus 
geniculatum ext. bilbe. Sie erljalte bann nodt einmal 
Perjiärfung von ber grauen Subftans bes Tuber cinereum 
unb freuse jidj banadj mit bem Tractus ber anberen 
Seite, roobei bie 5öf«rn nadj (Einigen gans, nadj 2lnberen 



I. Die 2lnatomic bcs Hcrocnfyftcms. 207 

3ur £}älftc auf bie anbcrc Seite übertreten, (Bali be* 
tncrft an biefer Stelle, er B|abe öfters beobad^tet, „^a%, 
wenn bey ant^altenber SlinbB|ett bes einen kluges ber 
Selineroe biefer Seite vov ber PereinigungsjteHe ge- 
fdjiDunben n>ar, fiij ber Sdiwnn^ unb bie IHij^farbe auf 
bie entgegengefe^te Seite fortgepflanst Ijatte", 3" fold^n 
5äIIen lidbe ber SeE|IjügeI nie bie minbejle X>eränberung 
erlitten, jlets aber fei ber mit bem Seljneroen sufammen« 
B|ängenbe X>ierE|ügeI merflidj oerfleinert geroefen, ^) 2tudj 
entfpredje bei ^en Ctjieren bie (ßröj^e ber SeE^neroen 
ber ber oorberen Pierljügel, burdjaus nid^t ber ber Sel^» 
B|ügeL IDas bie 2(natomen bisB^er bei ^en Pögeln Sel^- 
tjügel genannt traben, bas pnb bie X)icrB|üge{, bie mirf- 
lid^en Sel|E|ügeI Hegen nad^ com baoon. "Der SeBinero 
erl^ält feine J^fern aus bem SeB|E|ügeI, ^as oorbere 
PierEiügelpaar unb bas Corpus genicul. externum ftnb 
wallte (ßanglien bes SeEineroen. 

Um nidjt n?eitläufig 3U n^erben, übergel^e idi bie 
Sefdjreibung bes fleinen (ßeE|irns, 

©ie Sefd)retbung bes grogen (ßetjirns beginnt mit 
ber ber pyramiben, als ^em erften, beutlidj fid^tbaren 
2(nfange ber grogen Ejemifpl^ären. Die Kreusung ber 
pyramiben n>irb fetjr genau gefdjilbert, gegen Sabatier 
u. 2t. oertl^eibigt, upeiter »erben ber Perlauf ber pyra- 
mibenfafern burdj bie Srücfe, iljre Ueberlagerung burdj 



^) 21. a. 0. bertd^tct (Sali von einer Section, bei ber ber 
eine Sct^t^ügcl 3crftört gefunbcn ipurbe. Per glcid?3citi9c Streifen* 
Ijügel unb bie ^emtfpt^äre roaren atropt^ifd?, ber Seltnere unb feine 
(Jortfe^ung l^iatten nid?t gelitten. 



^^8 ^nl^ang: Ucbcr ^xan^ Z^\^Vk <Saü, 

als HB|apfobc feiner eigenen 3Ka5 auftrat unb an bas 
große publicum voxinglidi ftdj n>enbete; nodj wintere 
»iberte feine unpl^ilofopljifdie Seljanblung pljilofopl^ifdier 
(5egenpänbe an^); 2lnbere enblidj n>aren ersürnt über 



Stetigfeit bes ^Jafcrlaufs. Pabcy ift er ber (Erfte unb bis auf 
bicfen (Eag faft ber €in3igc, bcr in bcr Siopograpljic bie £age bcr 
^irntt^cile nad? ben Sdjäbclgcgcnbcn beftimmt . . . IXlit ruljiger 
ibürbe, erljabcn über !lcinlid?e Selbftfud^t, cr3ät^lt er bie 2ln= 
fcd^tungen, ujeld^e er ipcgcn feiner (Entberfungen ron feinen 
Bolognefifd^en IHitbürgern erfut^r. guerft leugnete man bie CI|at= 
fad^en. 2Ils Paroli bicfe im Bcyfeyn von 2ler3ten, pl^ilofopt^en, 
Cl^eologen unb Senatoren nad?ipies, fo beljauptete man, bie ;Jafem, 
beren Perlauf er 3eigte, roären nid?t in ber Hatur porl^anbcn, 
fonbern burd? pincette unb Scalpel erft qemadit ^Ils man burd? 
ben 2Iugenfd?cin genötl^tgt n?ar, bies auf3ugeben, foüte fd?on 
^ippofrates 2lües gerougt l^aben. Urib ba aud? t^ieroon ber Un^ 
grunb erujiefen ujar, follte Paroli alles Heue pon einem unbe= 
!annten 2lnatomen, ber nod? Hid^ts gefd?rieben l^ätte, gelernt 
I^abenl — So ift bie (Semeint^cit in allen Jaljrljunbcrten 
fid? gleid?." 

^) Burbad? fprid?t hier im Sinne ber (Segner (Sall's. 3" 
IPal^rljeit ujar biefer ber ein3ige pijtlofopl| unter feinen Kollegen. 
lPeld?e Sorte oon pl^ilofopl^ie bie i^erren 2lnatomen rertraten, 
erfel^e man aus ^olgenbem. 

prof. 2lcfermann in ^eibelberg, einer ber ^auptgegner (Sall's, 
„nal^m hen 3uperfid?tlid?en IHaterialismus unb bie übermütl^ige 
dl^emiatrie aus ber ZTeige bes 3^^r^nnberts ber 2lufflärung in 
bie neue geit l^inüber, entlel^nte mand?e Porfteüungsarten aus 
bem 2Iltertl|ume unb beflcibete fie mit ben neueften formen ber 
ZTaturpf^ilofopf^ie. 2lus fold?' feltfamer Pereinigung ging folgetibe 
Cl^eorie l^erpor. Pas Sonnenprincip ober bas £id?t unb bas (£rb= 
princip ober bie Sd^roere finbet er überall pereint, jebod? in per= 
fd?iebenem Perl^ältniffe. Pas tl^ierifd^e IPefen he^eidfuet fid? ba= 
burd?, ba% es bas Sonnenprincip in fein 3nnerftes aufgenommen 
bat. Hämlid? aus bem (Sefägfyfteme, roeld^es felbft eine poten= 
3irung bes geüenfyftems ift, entn)ic!elt fid? bas Herpenfyftem, 
inbem aus bem Blute (Eyroeigftoff fid? abfegt, n?eld?em Sauerftoff= 



I. Die 2Inatomie bcs HerDenfyjicms. \^^ 

feine 7lnmaa%nnqen, inbcm er, nid^t in bcr IDiffcnfdjaft 
innen jtet^enb, ftd) aud) nid}t als (Slieb in ber Kette 
itjrer Bearbeiter betrad^ten, fonbem nur oben fdjmimmen 
tpodte. 5d}abe ijl es, bag feine Iraniognomifd^en Beob« 
adjtungen, in il^rer Heinljeit unb gan^ abgefetjen von 
feiner Ctjeorie, bis je^t su n>enig oerfolgt roorben jtnb, 
unb baj5 loir nodi bie firfdjeinung bes Ulannes eruparten 
muffen, ber mit {jeQem SKcfe unb unbefangenem Sinne 
bey äußerer Segünjligung bie Prüfung ber Köpfe su 
feiner 2tufgabe madjt." 

£uft=2lctt^cr-£td?t folgt. Damit tritt nun bic Seele in breycrley 
formen t^error : als luf tf örmige für bie automatifdjen Beipegungen, 
als ätl^erifc^e für (Smpftnbung unb tljierifd^e Belegung unb als 
£id?tfeele für bie lj8l|ere menfd?lid?e (5eiftestl^ätig!eit. Pas (Se» 
fyxn entftei^t aus bem geiftigften, b. i. fauerftoffl^altigften Blute; 
ber Sauerftoff löfet fid? l^ier in bie reinften £id?tftraljlen auf unb 
es tft bei bem IHenfdjen besljalb am poüfommenften, roeil t^ier 
bas ?ievi fo geftellt ijt, ba% es fein faucrjtoffigftes Blut in geraber 
Strömung 3um Kopfe fenbet. Pie Hinbe tft ber Uebergangspunft 
aus bem (Sefägfyjteme in bas Herrenfyftem unb il^re Hanbujulfte 
finb burd? bie (Sefägoertl^eilungen gegeben. Pie Heroen ftammen 
aus bem ^er3en unb bie primitirneroen (ber fympatl^ifd^e Herce) 
n?erben bie lDur3eln bes fleinen i^irns burd? il^re Perbtnbung mit 
bem 5. ^irnnerpenpaare, foroie bie bes Hücfenmarfs burd? il^re 
Perbinbung mit bem 6. ^irnnerpenpaare." U. f. f. 

Sogar ber Portrefflid?e Heil, ber überbem (Sall's guljorer 
geujefen tft, f^atte Ijöd^ft ujunberltd^e 2lnftd?ten. €r oerglid? „bas 
(Seljirn mit einer gabanifd^en Säule: bie aneinanber gelegten 
meinen unb grauen Sd?id?ten pnb (Eleftromotoren, n?eld?e burd? 
iljren Ijybrogenen unb ojygenen (Segenfa^ bas ^reytl^ätige, ben 
£ebensgeift, bie €rregbarfett er3eugen; bie IHarff afern unb (£om= 
miffuren finb doüeftoren unb donbuftoren. Pie Hinbe ift ein 
2Infiug ober ein Hteberfd^lag aus ber (S.efägl^aut. Pie ^irn= 
funfttonen finb ntd?t an fije formen gebunben, fonbern aus bem 
Brennpunfte il^rer Spannung ausgel^enb, fo t>a% bas Ditale tuxs- 
Bet^arrlid^c rerlaffen fann." 



200 2lntjang: lieber ^vani Jofeptj (Sali. 

5o gut tpte bei Surbad^ ijl es bem (ßaU bei ben 
fpdtercn 2lnatomcn nidjt gegangen. 3" unfcren CeB|r- 
büdjem roirb er als 2lnatom gar nidjt ober bod^ fo gut 
n>ie gar nidjt etwä^nt ZHand^e, 3. Ä ^yrtl, «nbmen 
iljm ujegen feiner 0rganoIogie einige Sefdjimpfungen, 
bei ^men bie (ßrobtjeit ben ZHangel an Perftänbnij^ er« 
fe^en muj5, aber von feiner 2lnatomie ift feine Hebe. 
^euerbings tjat £. €binger (upofjl im £}inblicfe auf 
Surbadj) (SalVs anatomifdje X>erbienjle anerfannt 3eber 
Sdjüler fennt Wxnslow, ZlTonro, Holanbo, obipoljl biefe 
Ejerren u. 21. burd^aus feine großen (ßeifter n>aren, von 
(Sau erfät^rt er nid^ts. Die Sdjulb liegt offenbar bei 
(ßaH; Blatte er ein neues Codi befd|rieben, fo mürbe 
man feiner gebenfen, ^a es itjm aber um bas Perjtänbnig 
bes gansen ^eroenfYJiems, um bie (toie man bamals 
fagte) pB|iIofopl|ifd|e €rfenntnij5 bes Ejirnbaues 3U tB|un 
waXf fo tt)urbe er nidjt oerftanben unb feine ber S^xt 
oorauseilenben (ßebanfen gingen oerloren. 

5tan3 3ofepE| (Sau, ein Sübbeutfdjer, n>ar 2lr3t in 
IDien geu^efen. Seine Porträge über 0rganoIogie Blatten 
großen Beifall gefunben unb bas mißtrauen ber ö^er^ 
reid|ifd|en Hegierung cvwedt Sie «würben, n>eil fte 3um 
ZHaterialismus oerlocften, burdj ein faiferlidies E^ant* 
fdjreiben verboten. ^) (Sau gab IDien auf, madjte weite 



^) Per Kaifer fdjricb am 2^. Pecembcr ^80^ an ben (Srafen 
Cajansfy: „Per Poctor IHebicinä <Saü giebt, ipte td? Dernel^me, 
in feinem ^aufe pnt>atPorlefungen über Me von tl^m erfunbene 
Ct^eorte bes menfd?Iid?en ^trnfd?äbels unb foll l^äuflgen Bcfud? 
ntd^t nur oon IHännern, fonbern aud? von IDeibern unb jungen 
ITtäbd^en erljalten. Da über biefe Kopflel^re, oon »eld^er mit 



I. Ptc 2Inatomic bcs tTcrocnfyftcms. 20 ^ 

Hcifcn, auf bcnen er einen grofen Sdja^ oon Seob* 
adjtungen fammelte, unb lieg pd] bann mit [einem 
5reunbe 3otj, <£afp, SpursBieim in paris nieber. 2lud] 
B|ier fanb er oiele 2(nt|änger unb befonbers Cuoier «>ac 
ilim feE^r geneigt. 2lm ^^. IHärs \808 überreidjten 
(ßaD unb Spurstjeim bem fran3Öjtfd^en 3nftitute einen 
^luffafe über anatomifd^e Unterfudjungen bes XTeroen- 
fy^ems im 2tIIgemeinen unb bes (ßel^irns insbefonbere. 
2>er ^luffafe u^urbe öffentlid] porgelefen unb Cenon, 
Sabatier, portal, pinel, Cuoier^) n>urbcn 3u Seridjt* 
erjiattern ernannt 2tIIes lieg jtdj gut an, aber (ßaD 
t^atte Unglüd mit ^cn Kaifern. XtapoUon woUte nidjts 
von il|m miffen, er ful^r bie ^fabemifer an unb fragte, 



(£ntbufiasmus gcfprod^cn n?irb, picllcid?t mand^e iljrcn eigenen 
Kopf ücrlicrcn bürftcn, bicfc Ccl^rc auc^ auf IHatcrtaltsmus 3U 
füljren, mitt^in gegen bic erften (Srunbfä^c bcr IHoral unb HcUgion 
3U ftrcitcn fd^cint, fo n? erben Sie btefc pripatoorlcfungen alIfo= 
glcid? burd? bie IX. (De, £. H. 5t. pcrbieten laffcn ic," (Dhwolii 
(Sali eine ausfüt^rlidjc Pcrtt^cibigung einrcid^te, obrooljl bie oor= 
tvagenben Hätt^c, ber Hcgicrungspräfibcnt, petcr ^Jranf unb ber 
£)ofratb Birfenftoc! 2IIIe mann für (Sau eintraten, blieb ber Kaifcr 
bei feiner (gntfd?eibung. (£s muffen t>a get^eime IHad^enfd^aften 
geroirft haben unb pielletd^t war bas etgentlid^e giel nid?t bas 
Derberben (Saü's, fonbem bie Unterbrürfung ber freien X)or= 
lefungen überl^aupt, bie unmittelbar bauad? eintrat. (Jranf, ber 
2(ugenar3t Beer u. 21. iiatien fold?e Porträge gel^alten unb burd? 
(Sall*s große €rfolgc n?aren offenbar bie freien Vorträge über= 
baupt IHand^en perbrielglid? geworben. Per Kaifer er!lärte aud?, 
bas einsig- Braudjbare oon ber (Seljtm= unb Sdjäbellet^re roerbe 
in ben öffentUd?en Dorlefungen auf ber Unioerfttät geleiert. 

^) 2ils dupter <5aWs anatomtfd?en Pemonftrationen bei= 
geu^obut liatte, fagte er 3U il^m, er ((£upter) I^abe ftd? bis bat^in 
niemals mit bem befonberen Stubium bes (Sel^irns befaßt. 



202 2lnlian9: lieber ^xan^ 3ofcpt^ (Sali. 

roarum jtc (Z^emie von einem S:nqiänbcx (<öas ^npint 
hiatte Vavy burdj eine ZnebaiUe ousgescid^nct) unb 
2(iiatomic von einem Deutfdjen (ernten. Xloii auf 5t 
£}elena fagte ZlapoUon: J'ai beaucoup contribud ä perdre 
Gall. Corvisart dtait son grand sectateur: lui et ses sem- 
blables ont un grand penchant pour le mat^rialisme. 
Dnrdj bas unbefugte Eingreifen bes Koifers mürbe bie 
£age oeränbert. 3)er am 23. ^pril unb 2. ZHai er« 
ftattete, offenbar oon (£upier rebigirte Seridjt erfannte 
(SaWs Perbienjle an, aber unter fo gemunbenen unb 
oerclaufulirten Heben, ba% Hiemanb redjt flug baraus 
n?erben fann. (ßaU fritifirte iljn eingeljenb unb fd^arf, 
lieg ^uffa^, Serid|t unb Kritif fott)oB|I fransöfifdj als 
beutfd? erfd)einen. lDäl:|renb ber 3at|re \8\0 — 20 oer- 
öffentlid^te er fein groges IPerf : Anatomie et physiologie 
du Systeme nerveux en gdndral, et du cerveau en parti- 
culier, ^as ans ^ Sänben in 5oIio unb einem ^00 Cafein 
entB|aItenben ^tlas befteE^t. ^uf bem Citel jtnb (5att 
unb SpursE^eim als ^lutorcn genannt, jebod^ u>ar ber 
£efetere nur im 2lnfange ZHitarbeiter; er ging \S\^ nadt 
(£nglanb. Um bas IPer! 3ugänglid^er 3u mad^en, vqv» 
an^altete (ßaH \822 — 25 eine 2(u£gabe in 6 0ftaü* 
bänben ol^ne Cafein mit fritifd^en Tlad^trägen. ^ ^m 
3aE|re \828 ift er 3U paris geworben. 

3d^ gebe im 5oIgenbcn einen ^us^ug aus (ßall's 
anatomifd^er Cel^re nad^ bem ber ^fabemie überreid^ten 
^uffafee. 

2>as princip ber Unterfud)ung ift, ^a% alle Cl^eile 
in ber nämlid^en (Drbnung unb Perbinbung ünterfud^t 



I. Die 2Inatomtc bes ZTerocnfyftctts. 205 

tDctben muffen, wie fie bie Xlaim felbft fcftgefcfet 3u 
liahen fd^cint. Die gcrglicbcrung bcs (Seiixxns felbft 
fangen faft alle 2lnatomen von ber erB|abenen (Dber- 
flöd^e an unb n?enn aud^ Einige, n?ie Vxcq b' ^syr, I|ori- 
sontale Sdjnitte oon unten nadj oben gemad^t E^aben, fo 
B^aben jte btes nidjt fomof?! ans pB^ypoIogifd^en unb 
pIjUofopB|ifd^en (5rünben, als ptelmel^r nadi bem Sei« 
fpiele oon Paroli unb Pieuffens getl^an, um Me oer« 
fd^iebenen formen ber einseinen Ct^eile beffer ju feE^en, 
Hadjbrüdlid^ menbet fid? (5aü gegen bie I^errfd)ent>e 
ZTfeinung, t>a% bas verlängerte ZlTarf unb bas Hüden« 
mar! nur 5ortfäfee ober Verlängerungen ber ZHarfbünbel 
bes (Sehiixns feien. €r u^eift auf bie x>ergleid)enbe 2tna- 
tomie E)in unb auf bie ^cepl]alen,. um bie 5elbj!änbigfeit 
bes Küdenmarfes barsutEjun. „TXlan lüerfe einen Slicf 
auf bie StufenreiE^e ber empfinbenben IDefen. 3"^ 
poivpe liegt bas gallertartige (Empfinbungsorgan nod^ 
Serftreut. ^uf einer E|öljeren Stufe fammelt es pd? fd?on 
in Zteroenfäben unb in gemeinfame Stämme. Um en^* 
Ixd) meJ^r SerüE|rungspunfte mit ber ^ußenu^elt 3U be« 
ujirfen, oermelfältigt bie Hatur bie 2(nftalten, b. i. bie 
Heroenfvfteme. ^uf biefe IDeife fd^afft fie immer neue 
unb 3U I|öl^eren Kräften gesteigerte (Drgane unb jleigt 
pon Stufe 3U Stufe enblid) 3um ZHenfdien l^inauf, inbem 
fie xlimr (Drgane für Kräfte, für Se3iel:)ungen gegeben 
iiai, wddie ben Cljieren entsogen bleiben foDten ..." 
„Va es roeit leidjter ift, bie (ßefefee ber einfad^eren 
(ßebilbe 3u erfennen, fo ift es audj vernünftiger, mit 
ber Unterfud^ung berfelben ansufangen, um ftufenroeife 



20^ Tinfym^: lieber ^van^ 3ofeplj (SoIL 

«ine £inftcl}t in ben 5ufammengefe%teren Organismus su 

Die mittel ber Unterfud^ung maren I^od^fl einfad?. 
Die Znifroffopie tarn nid^t in Setrad^t ^drtungsmittel 
(Kod^en in 0el iL TL) mürben nur ausnal^memeife an* 
genoenbet (SaWs ^auptmittel ftnb bas 2(u5einanberlofen 
mit jhimpfen IDerfseugen unb bas »^Sdjaben'', er eifert 
gegen bie Tinatomen, bie 2me5 serfd^neiben unb nur 
oom einlegen neuer Sdjnitte 2(ufflärung enparten. 

3itt 2lDgemeinen bejleljt bas ganse ^eroenfYJiem 
aus 5n>ei gans per[d}iebenen Subflansen, ber n>eigen unb 
ber grauen ZHaffe. 3^ne ifl burd{aus von ben feinflen 
Heroenfäben sufammengefe^t ^) Diefe fteljt balb grau« 
lidt, halb fd^mdrsUdi ober xotklidi, halb fd^mu^ig blag 
aus, x^ halb berber, balb »eidjer. Ueber iljre Struktur 
n?eig man nidjts Sidjeres, aber pe ijl nidjt faferig unb 
augerorbentlid} reid) an Slutgefägen. „Sie umfleibet 
afie XTeroenenben unb ift unsertrennüd? oom Urfprungc 
ber Heroenfäben.'' Sie bilbet nid?t nur bie ®berfläd?e 
bes (ßeljirns, fonbern fte bilbet audj bie Hefeljaut bes 
kluges unb bas €nbe bes £}ömeroen im CaByrintl), 
fomie bie äugerflen £nben ber ^autneroen; fie begleitet 
bie ZTeroenfäbcn in il|rem Perlaufe, man finbet pe in 



^) §u <5aWs gcit bcftritten nod? mandje Anatomen bie 
gufammenfcfeung ber ipeigen f^immaffe aus ^afem. Bic^at wax 
3ipetfell>aft. Pte (Sebrüber lPen3cl iDoUtcn Hid^ts baoon ipiffen 
(^806). 2lrfennaitn glaubte, bas (ScI^tm fei im lebenben gufianbe 
breiartig, gerinne erft nad? bem (Eobe 3U ^Jafern. 2Iud) bie (£om= 
mifjton fprid^t von bem (Sel^imbrei (pulpe). 



I. Die 2Inatomic bcs Hcrpcnfyftcms. 205 

ben (Sangixen, im Hücfenmarfc, im verlängerten llTarfe, 
am Soben ber oierten £}irnE|öijIe, in ben Pierljügeln^. 
ben Seljijügeln, ben geftreiften Körpern u. f. tx>. „Va 
wix alfo feigen, baj5 alle Xtexven, foiPoB|I in ben ein» 
fadijten Qjieren als im IHenfct^n, aus biefer fulsigen^ 
gaUerligen Subftans entfteE|en, fo betradjten n>ir pe als 
ben Urftoff unb bie Quelle bes Xtexven^y^ems nnb 
möd^ten iljr gern ben ZTamen Matrix nervorum bey» 
legen." Sie Heroen entspringen aus ber grauen IHaffe 
unb „foU ber Xletve auf einmal 3U größeren Per» 
ridjtungen gej!eigert ujerben, fo pögt er auf eine neue 
2Tlaffe ber nämlidien grauen gallertartigen Sub^anS;. 
permebt fid] mit iE|r, bilbet eine 2tnfd]n?eIIung von 
mannigfaltiger (Behalt unb (Eonppens ; aus biefer grauen 
5ubftan3 erseugen ftd) nun neue 5äben, meldte 3U ^n 
oorigen treten, bie alfo jefet ftärfer unb 3um (Cl^eil aud| 
in anberen Hidjtungen IjerDorfommen, als fte Ijinein*^ 
gegangen roaren". 

Sei Setraditung bes Kücfenmarfs geE|t (Sali oon 
bem ber ^n\ctten aus. Tlndi bei ben Ijöljeren Ctjieren. 
beftetjt im (ßrunbe bas Hürfenmarf aus einer Heilte oon 
(ßanglien. „Xtixv ftnb bie oerfd^iebenen 2lnfdin?eIIungen 
fo nalie 3ufammengerüdt, ba% pe mit il^ren gemeinfd^aft« 
lid^en Sünbeln einen beynal^e gleid? biden ZHarf^rang. 
3U bilben fd^einen." 2)ie graue ZTIaffe bilbet ben Kern 
bes Hüdenmarfes unb ift ,, immer an ber Stelle, u)0 bie 
Heroenf dben iieroorquiUen, in größerer ZHenge ange« 
tjäuft". 2lus bcn ^nfd^mellungen ber grauen ZHaffe 
gelten bie fpinalen Zteroen Ijerpor unb ben (ßlieber» 



2Ö6 ^iTiSoiia: Heber ^ranj yr'i^b ^jIL 

tien>€n ent^preäten ^ie Qols' itn5 &ie Cen^enanfdpDDcfl]tng. 
I3efm Derlöngerten Hlorfe erflart <5al[, daß es nid^ tmr 
tie Perföngentng der 3narfld>cnfe( des großen und des 
fiehien <SeHms dor^elle, fondem i>or etilem die ^UxqueVie 
der Sifmesneroen* fei und im 3nneren mebrere 2ln« 
Mufungen grauer IHofe berge, deren jede Hen>enfafem 
ousfende. <5afl fi^Udert die I>erbdltntt]e des perUtngerten 
Hlorfes bald beim HIcnfdKn, bald bei Cbieren, n>eil bei 
diefen mand^ Bündel ßärfer entiricfelt und deutlid}er 5U 
feben find. Die Sinnesneroen [d. i die ^imneroen' 
entfpringen nicbt, one Vicq d' ^Isyr u- TL gemeint baben, 
5um (Cbeile ans den Pyramiden, fondem gons aus den 
grauen (5angUen im 3nneren. TLls Kern des Qömeroen 
fdnidert ißall den grauen Böcfer neben der Hl^apbe des 
pierten Dentrifels. Vas graue Ceifid^n ifl das wcifycc 
<5angIion des ^omen>en und fleljt mit feiner (5r5§e in 
geradem Derbdltniffe. Den fünften Heroen perfolgt er 
bis jur äußeren Seite der ©lioenforper und fdjildert 
feinen Kern als befonders fcftarf abgegrenst bei den 
5ifdjen u. f. f. Uebcr den Seljnerpen i^ mit SejHmmt« 
Ijeit 5U fagen, dag beim Hlenfdjen und bei den Cljieren 
aus dem porderen paare der X>ier({ügel eine breite 
Hen>enfaferbinde Ijcraustrete, da§ pe ftcft um den äugcren 
Hand des 5cbi{ügels hevnmUge, nod) einmal mit grauer 
21Iaffe in Berütjrung Fomme und dadurd> das Corpus 
^eniculatum ext. bilde. 5te erljalte dann nodj einmal 
Perflarfung pon der grauen Subjians des Tuber cinereum 
und freuje ftd] danad? mit dem Tractus der anderen 
Seite, n>obei die J^f^ni nadt Einigen gans, nadj hinderen 



L Die 2lnatomtc bcs Hcrücnfyftcms. 207 

3ur ^älftc auf bie anbere Seite übertreten, (Sau bc^ 
mcrft an biefer Stelle, er ^abc öfters beobadjtet, „bag, 
menn bey anE|aItenber Slinbl^eit bes einen kluges ber 
Sel^neroe biefer Seite por ber Pereinigungsjielle ge« 
fd^tDunben roar, fiij ber Sctjrounb unb bie ZHigfarbe auf 
bie entgegengefefete Seite fortgepflfanst ^atte". 3" foldjen 
SäVicn Ijabe ber Set^I^ügel nie bie minbejle Peränberung 
erlitten, jlets aber fei ber mit bem Seljneroen 5ufammen< 
ijängenbe Pierijügel merflidj perfleinert gecoefen. ^) 2tudj 
entfpredje bei ben Cl^ieren bie (ßröße ber SeE^nerpen 
ber ber porberen PicrE|ügeI, burd^aus nid^t ber ber Sel|- 
Ijügel. V0a5 bie Tinatomen bisl^er bei ^cn Pögein SeBj* 
E|ügel genannt E|aben, bos finb bie Pierijügel, bie roirf* 
lid^cn SeB^Ijügel liegen nad^ porn bapon. Der SeE|nerp 
erl^ält feine 5cifern aus bem SeE|t|ügeI, bas porbere 
DierB^ügelpaar unb bas Corpus genicul. exteraum finb 
ipaEire (ßanglien bes Set^nerpen. 

Um nidjt ipeitläufig 3U u^erben, übergeB^e idj bie 
Sefd^reibung bes Meinen iSefyvns. 

Die Sefdjreibung bes großen (ßel^irns beginnt mit 
ber ber pyramiben, als bem erften, beutlidj fidjtbaren 
2tnfange ber großen ^emtfpE|ären. Die Kreu3ung ber 
pyramiben roirb feB^r genau gefd^ilbert, gegen Sabatkt 
u. 2t. pertl^eibigt, ipeiter »erben ber Perlauf ber pyra« 
mibenfafem burdj bie SrücFe, iljre Ueberlagetung burdj 



^) 21. a. <D. hevid^tet (5aü r>on einer Sectton, bei ber ber 
eine Sel^l^ügel jerjiört gefunben ipurbe. Der gletd?3eittge Streifen« 
l^ügel unb bie ^emtfpl^äre iraren atropl^ifd?, ber Seltnere unb feine 
^ortfe^ung Ratten ntd^t gelitten. 



208 2(nljang: Hebet ^Jrans Z^^^Vk <SaII. 

bie pom Kleinljtrn fommenben Qucrbinbcn, Ujrc Vex* 
ftättnnq burd} bie aus grauen lITaffen entfpringenbcn 
Zterpcnfafern, tt|r ^lustrilt aus bem ^rnfnoten in (ßcftalt 
bcr u>cit bicFeren, größeren ZHarffctjenfel Befdirieben. 
€in bem Caufe ber 5öfem folgender nadj innen con« 
pejer Sogenfdjnitt mad?t bie Sadje beutlictj. Die aus 
bcn als Seljljügel unb gejireifter Körper bekannten 
(ßanglien austretenben Jfterpenfafern perjiärfen bie in 
ben ZHarffd^enfeln pereiniglen Salinen. Straljlenartig 
jieljen bie S^\evn Pom Hanbe ber (ßanglien aus bcn 
perfdjiebenen Cljeilen ber (ßrogl^irnrinbe 3U. Das Cen- 
trum ovale bes Pieuffens iji ein Kunfiprobuft Die 
lOinbungen jinb fo befctjaffen, ^a% bie 5öf«tn nadj redjts 
unb nad? linfs 3U ber jie becFenben grauen Hinbenfdiidit 
gerid^tet jtnb. 3^^^ tt)inbung ift alfo eine Dupüfatur 
unb es gelingt auf perfdjiebene XDeife (3. S. burdj 
fanften DrucF tt>ie beim langfam 3unel^menben fj^bro« 
cepljalus) beibe Ct^eile in ber ZHitteUinie 3U trennen, 
tooburdj aus ber IDinbung eine Sdjidjt pon grauer 
ZlTaffe bebedten Jfterpenfafergemebes tt>irb* ,,Die Silbung 
ber ^irnn?inbungen ift bas giel unb bie Poüenbung bes 
gan3en ^irnfv^ems/'^) Die (Einfielet in it^ren Sau 3eigt, 
ba% bas gan3e ^irnfYJlem aus einseinen Sv^emen, bie in 
il]nen auseinanbergelegt roerben, sufammengcfefet ift. 

€ine u^id^tige Hotte fpielen bie Querbinben (Com- 
miffuren). 2ltte Cl^eile bes Herpenfv^cms pnb unter 



*) Xlodi Btd^at l^attc bie ^cmtfpt)ärcn nur für einen ITIantel, 
eine Dcrfc 3um Sd^u^c ber an ber Bafts Uegenben 0rgane ae-- 
Italien. 



I. Die 2(natomtc bcs HcrDcnfyftcms. 209 

cinan&c^p ocrbunbcm 3tt5fccfonbcrc jtnb bie (ymmctrifctjcn 
Silbungcn burdj Commtffurcn ju gcmcinfamer CE|ätigfeit 
pcrfnupft ^lugcrbcm jtnb bic surücffeljrcnbcn 5ofcr* 
maffen 3U bcad^ten, tt)ir I^abcn bic ncrpenfafcrn Pont 
Hürfcnmarfe 3ur (ßcl^trnnnbc pcrfolgt, jcbcs (ßanglion 
perjiärft bic anfwätts ^rcbcnbcn ^ügc, gtcbt aber audj 
abipärts sicl^cnbc 5öfcrn ab, Hidjt jiim ipenigjicti cnt» 
fpringen fold^c 3urücffct|rcnbc 5öfcrn bcr (ßct|tmrinbc, 
bic \a als ausgebreitetes (ßanglion ansufcEien ift Die 
3urüdfel^rcnben 5afern bcs KIeint|irns bilben bic Quer* 
bünbel bcr Srü(fc, J)ic auf» unb bic abfteigenben 
5afern im großen (ßet|irne pcrpediten ftctj pielfad?, be* 
fonbers in bcr HäEic ber PentrifeL Die 3urüäfeE|renben 
5afern jlreben in ber ^auptfad^e bcr Znittellinie 3u 
unb bilben E|ier bie perfd|iebenen (Eommijfuren, ben 
Salfen u. f, m. 

2Hs fjauptfäfec be3eidjncn (Sau unb Spurst^eim bie 
folgenben. ^ttc nerpenfafern entfpringen aus grauer 
ZHaffe, €s giebt fo pielc Svftemc, als es befonbere 
Pcrridjtungen giebt, alle jtnb aber burdj Derbinbungs? 
bal^nen pcrfnüpft 3^^^^ ZterPcnfYftem bes animalifd^en 
Cebens iji boppelt, aber ftets roerben beibe Seiten burdi 
Commiffuren 3ur (Einljeit pcrbunbcn. €in Percinigungs* 
punft aller 5unctionen ift nirgenbs 3U entbecfen, 5oIg« 
ixdl mu§ uns bic €int|eit unferes '^di eroig ein (ße* 
B^eimnig bleiben, — 

€s ift nid|t ol^nc 3ntereffe, nodi (Einiges aus ben 
Semerfungen beijubringen, mit b^ncn (ßall unb 5pur3* 
Ijeim ben Seridjt ber pon bcm 3"ftitute ernannten 

m ö b { n s , maitiemaÜUx. \ ^ 



2 HO 2lnljang: Ueber ^rons 3ofeplj (Sau. 

Commifflon begleitet traben« Die Ferren Seridtterftattet 
eröffnen it^re Sefpred)ung bes rem anatomifd)en ^uf' 
faf^s mit bem Sebauem, ba§ es nidjt gelingen m5djte, 
ben Sufammenl{ang 3»ifdien ber ißeljirnbefdjaffenlieit 
VLXxö bem (Seifte 3U entbecfen« <SaD erwibert: ^Unfere 
(Segner fe^en immer votans, ^a% mit uns anmaa%en, 
bie ZDefenljeit unb bie IDirfungsart ber HerpenfYJteme, 
porsüglidi bes (Seijims, erfWren su »oOen. IDir Ijaben 
aber überott unb 3u allen geiten beljauptet, ia% man 
fo»oljI im organifdjen, als im animalifdjen Ceben oon 
ben erflen Urfadjen ber €rfdieinungen nidjts »iffen 
fönne; ba% uns bie Perbinbung bcs (Seifies mit bem 
Körper unb bie 5lrt, n>ie ber (Seifi mittels ber materiellen 
©rgane feine Kräfte äugert, gans unbefannt fei. ^Mein 
fo oiel fann man, freilidj nid^t mit Pemünfteln, aber 
mit beEiarrlid^em Pergleidjen sal^Ireidjer tEIjatfadjen enb» 
lidi fefifefeen, unter was für Sebingungen bie 
firfdjetnungen im lebenbigen ©rganismus 
möglidi finb. 2^t »erbet nie erfaljren, n>ie bas 
2luge eurem (Seifte bas Cid^t offenbaret; aber iljr »iffet, 
t>a% iljr nur mittels biefes ©rganes feljet €ben fo 
ge«)i§ n>iffet iljr, ba^ iljr nur mittels bes (Seljimes 
fimpfinbungen unb PorfteHungen erljalten fönnet* Unb 
wie ber ^Irst bie Sebingungen bes franfen unb gefunben 
(Befidjtes erforfdjet, fo erforfdjen n>ir bie Sebingungen, 
unter n>eldjen bie Perridjtungen bes (Seljirns möglid?, 
fronf ober gefunb finb,*' 

X)ie Ferren (Commiffäre oer»edifeln (SaQ's 8e- 
ftreben, burdj 2luffteigen pom Hücfenmarfe sum (Se^im 



I. Die 2tnatomic bes Hcroenfyftcms. 2 ^ 

-«in Pcrftätibnig bcs Saucs 3U erlangen, mit einer BIo§en 
Xn^tE|obe ber Section unb meinen, man fönne ja auf 
:t>erfdjUbene lOetfe 3U einer Kenntni§ ber C^eile fommen. 
^ie überfeEien, bag Paroli von gans anberen Porfleflungcn 
-ausging als (ßaH, ba§ er unter bem perlängerten Vflaxfe 
-aüe O^eile unterl^alb ber £jirnI^öE|Ien oerpanb, ^a^ 
VOxVixs mit ber Safts, b» I|. aber bei it|m mit ben Sei^* 
Ijugeln begann u. f» f, „TXlan Ijat von jel^er bie U)in« 
Zungen ber ^emifpE|ärcn von feiner befonberen Se« 
:^cutung geljalten unb jte eben barum 3u aflen geiten 
uernadiläffigt» fjingegcn liegen foipol^l bie 2lnatomcn^ 
^Is bie pl^vjtologcn bie Pentrifel eine befto grögere 
2loIIe fpielen, Desroegen fing man gern mit iljnen bie 
^erglieberung bes (ßel^irnes an, unb ba bie fjemifp^dren 
Ijöljer liegen, fo ^atte man freylictj einigermaagen ^edt^t, 
ju fagen, ^a% man bei biefem Perfal^ren bie Unterfudjung 
^es (ßel^irnes von unten ober pou ber (ßrunbflfädje aus 
anfange/ Die 2lnatomen roaren, roie (Ball fagt, „gans 
^nedjanifdje gerglieberer''* 

€s iji ein Rammet, 3u feljen, xvddien ZHangel an 
;2^erjiänbnig bie Commiffäre ben geijipollen 2tuffaffungen 
<SalI*s entgegenbringen. Sie breiten unb roenben ftd^ 
tinb am £nbe fommen fie immer barauf t^inaus, ba% 
^Sdü eigentlid} gar nid^ts Heues bringe (tporauf bann 
^SaD it^nen aus if^ren eigenen XDerfen nad{tpeift, ba^ fie 
im Unred^te jtnb), ba% bas roenige Heue nidjt gans 
cid^tig fei §• 8* fagen fte, bie allgemeine ZHeinung 
^eE}e bat^in, ba% bie aus fafl lauter (ßefdgen beflel^enbe 
Sinbenfubftans eine 2lrt pon 2tbfonberungstt>erf3eug [ber 



2^2 ^(nijaitg: Heber ;Jran3 3ofepij (SalL 

CcBensgcipcr] f«i, unb bann erflärcn jtc: „unfere X>cr«^ 
fajfcr liah^n alfo in ^inftdjt auf bte Pcrriditung, tocldie 
fte bcr grauen SuBjlans sufd^reibcn, nid^ts «igencs". 
2)a§ alle Heroen aus grauer ZlTajfe enlfpringen, bas- 
n)itt ben Commiffären nid^t einleudjten. ZITan fönne bie 
Spinalneroen nidjt bis. in bie graue Subjianj bes Hücfen*^ 
nmrfes perfolgen {was (Sau getE|an I^atte), bie ZHaffe 
ber (ßanglien fei anbers als bie graue ZTCaffe ^os (ße^ 
E|irns, bei ^cn (ßeljirnnerpen fönne, abgefeB^en vom ^ör» 
nerpen, pom 5eE|nerpen unb pom Hied^nerpen bas 2luge 
feine graue Urfprungsmaffe finben. Tim Sdjiuffe be» 
3eid?net bie Commiffton bie Perbienfte pon <5aü un^ 
SpursE^eim als folgenbe: Sie E|aben ^cn ununterbrodjenen 
Perlauf ber Herpenfafern pom perlängerten ZlTarfe bis- 
in bie fjemifpljären flar bargetE|an, fie E|aben bie pyra«^ 
mibenfreusung über alle ^u^eifel erijoben, fie l^ah^n 
x'xdiixQ bie langen Salinen Pon bcn Commiffurfafcrn 
unterfdjieben, jte ^abcn bie £et|re, nadi ber alle Zterpei> 
pom (ßel^irne fo'mmen, ;,gerDaltig erfd|üttert", 

Die Cmpftnbungen, bie ber Serid^t ber Commiffion 
im (Bansen ermedte, finb in folgenben XDorten aus» 
gebrüdt „Ueberl^aupt fpielt bie Hatur auf eine fonber»^ 
bare unb immer gleid^e IDeife mit neuen IPal^rljeiten 
unb mit Denjenigen, u?eld^e jte suerji aufjieHem Ztlxt 
roeld^em leibenfd^aftUdjen Unn^illen ftnb nid?t bie größten 
WolilthiaUn ber Hatur, 3, S. bie (£rbäpfel, bie Cf^ina 
unb bie Sd^ufepoden aufgenommen u?orbenI l(aum^ 
l^atte Defalius bebeutenbe anatomifd^e (Entbedungen ge»^ 
madjt, fo u?urbe er Pon Sylpius für im perrudjtejten^ 



I. Ptc 2lnatomic bcs Hcrocnfv^cms. 2\3 

tintDiffcn'Öjicn nnb unjtnntgPen ZHcnfd^cn ausgefdiriccn 
tinb bis 3um Cl^rone pcrfolgt Paroli roarf man oor, 
*ag er feine guljörer burctj eine oerfänglidje Sereb- 
famfeit täufdje unb bie von it^m entberfte 5ortfefeung 
^es Seljneroen erfünpele. ^aroey, als er ben Slut* 
Umlauf pertt^eibigte, mürbe für einen Sd^tpärmer er* 
flärt, unb nad^bem man ben SeE^nerpen nid?t meE|r 
pom 5et|Bjügel unb bm ^lutumlauf nid^t mel^r aus 
*en (ßefägen ipegPreiten fonnte, tpurben auf einmal 
^ie Poreltern mit bicfen beiben (Entbedungen beet^rt. 
Die pon (ßalilei, Cinn^, Sonnet, Suffon u. f. to. auf« 
^ejiellten IDaE|rIjeiten mußten ber Heligion unb ben 
Sitten bett Untergang brol^en; überall fdjeudjte man 
t>or bm gräglidjen 5ormen bes 5atalismus unb ZITa« 
ierialismus surüd, obfd^on Hiemanb u?ugte, n?opon 
«igentlidi bie Hebe u>ar; überall I^aben bie Kunjigenoffen, 
-beren Urtljeil bas traute publifum 3um ZlTaagftabe 
«lal^m, nebji bem Unfinne, weldjen fie bem (Entbeder 
<inbidjteten, audi it^re eigenen bejiimmtejien (Einftditen, 
tpo fie iE|rem gmede im IDege ^anberx, perteugnet unb 
tpiffentlidj 3U Unridjtigfeiten, wenn fie iljnen nur bienen 
f onnten, il^re guflfud^t genommen, um menig^ens bey bem 
Raufen ben TXlann 3u perberben, beffen Caft fie brüdte. 
etiles biefes ift in pollem Zllaage an uns erfüllt 
tporben. Wenn alfo audj unfer X>erbienji nodj nidjt in 
^nfdilag fommen fann, fo fönnen n?ir u?enig|tens barauf 
fiol3 feyn, ba% voit in biefer Sadie gleid^es Sdjidfal mit 
Zrtännern tl^eilen, weldjen bie IDelt eine fo große Summe 
loon Kenntniffen perbanft." 



20J 2Jnbaii4: Heber ^onj 3ofepb ÄilL 

€ftte £tiiftd{t in ^eti sufcraimengefetteren (Drgamsmits ju 
«rf^oüen.* 

Die mittel 5er Unterfud^ng nxiren I^od^ einfad?. 
Die Znitroffopie tarn mdfi in Betrod^t ^Srtnngsmittel 
(Kod^en in <De( n. 2L) n>nr6en ratr ansnai^eioeife an» 
geiDen^et iSofi's ^ouptmittel ftnb bas 21u5einünbedofen 
mit ^mnpfen IDer^engen unb bas »Sd^oben^, er eifert 
gegen bie 2tnatonten, bie 2U(es serfd^netben nnb nur 
vom 2tnlegen neuer Sd^nitte 2lufflarung emxnrten. 

3ni 2UIgemeinen beßel^t bos gonse Zterpenfy^em 
aus 3n>ei gaiis perfd^iebenen Subftansen, ber n>eigen unb 
ber grauen IHaffe. 3^ne ijt burd^aus oon ben feinden 
Iterpenfäben sufammengefe^ ^) Diefe fieljt balb grau* 
(td?, &alb fd^mdrslid? ober rotl^Iid^, balb fd^mu^g blag 
aus, ift balb berber, balb coeid^er. lieber il^re Struhur 
n>eig man nid^ts Sidi^xes, aber fte i^ nid)t faferig unb 
augerorbentlid} reid; an Blutgefäßen. „Sie umfleibet 
alle Zteruenenben unb ifi unsertrennlid? pom Ursprünge 
ber Zteruenfäben." Sie bilbet nidjt nur bie ©berflädje 
bes (ßeljirns, fonbem pe bilbet aud| bie Hefeljaut bes 
kluges unb bas ^nbe bes ^ömerpen im CaByrintb, 
fonne bie dugerflen €nben ber ^autneroen; fte begleitet 
bie Zterpenfäben in il^rem Perlaufe, man finbet jie in 



^) §» (SaU's Seit bcjtrittcn nod? mand^e 2lnatomen bie 
gufammenfeöung ber »eigen f^immaffe ans ^afem. Bic^at n>ar 
3n>eifelFjaft. Die (Sebrüber lPen3el n>oUten ITxd^ts baoon n>tffen 
(^806). 2lcf ermann glanbte, bas (Sel^im fei im lebenben guftanbc 
breiartig, gerinne erft nadi bem (Eobe 3n ^afcrn. 2lucb bie (£om» 
miffion fpridyt oon bem (Sebimbrei (pulpe). 



I. Die Tlnatomxe bcs Herocnfvfiems. 205 

bcn (ßanglicn, im Hü(f cnmarfe, im verlängerten ZITarfe, 
am Soben ber vierten ^irn^öl^Ie, in ben PierE^ügeln^ 
ben 5eI|E|ügeIn, ben geftreiften Körpern u, f. id. „Da 
toir alfo feigen, ba% ade Herpen, forooEiI in ben ein» 
fad^Pen Cljicren als im ZlTenfd^n, aus biefer fulsigen^ 
gallertigen Subftans entftet|en, fo betrad^ten roir fte als 
b^n Urftoff unb bie QueQe bes Henoenfvjtems unb 
mödjten iE|r gern ben Ztamen Matrix nervorum bey» 
legen/ Die Herpen entfpringen aus ber grauen ZHaffe 
unb „foU ber Herpe auf einmal 3U größeren Per» 
rid^tungen geweigert roerben, fo flögt er auf eine neue 
2Tlaffe ber nämlidjen grauen gallertartigen Subflans^ 
permebt fidi mit il^r, bilbet eine 2lnfdjtt>ettung pon 
mannigfaltiger (ßeflalt unb Conftflens ; aus biefer grauen 
Subftans erseugen fid] nun neue 5aben, meldje 3U bcn 
porigen treten, bie alfo jefet ftdrfer unb 3um C^cil aud| 
in anbeten Hidjtungen t^erporfommen, als jte Ijinein» 
gegangen roaren". 

Sei Setradjtung bes Hüdenmarfs gel^t (5all Pon 
bem ber 3"f^ten aus. ^ud^ bei ben Ijöl^eren Cl^ieren. 
befte^t im (ßrunbe bas Hücfenmarf aus einer Heilte Pon 
(ßanglien. „Hur fxnb bie perfd^icbenen ^nfdjmeHungen 
fo naiie sufammengerücft, ba% pe mit il^ren gemeinfdjaft« 
lid^en Sünbeln einen beynaE^e gleid^ biden ZHarfftrang. 
5U bilben fdjeinen." Die graue ZTÜaffe bilbet ben Kern 
bes Hüdenmarfes unb iß „immer an ber Stelle, too bie 
Herpenfäben E|erporquillen, in größerer ZITenge ange« 
Bjäuft". 5lus ben ^nfd^meHungen ber grauen ZTÜaffe 
geE|en bie fpinalen Herpen E^erpor unb ben (ßlieber* 



206 2inl|anu;: Heber ^ranj 3ofeptj <5a\i, 

itcrocn enlfpredjcn bic Qals» unb bic tcnbenanfdjtDcHung. 
Seim verlängerten TXlaxU erflärt (ßaH, ba§ es' nietet nur 
bie Verlängerung ber 2TlarffdjenfeI bes großen unb bes 
f leinen (ßeEiirns barfteHe, fonbern por 2lUem bie ,, Urquelle 
ber Sinnesneroen" fei unb im '^nmten meljrere 2ln» 
l^äufungen grauer 2Tlajfe berge, beren jebe Heroenfafern 
ausfenbe. <5aü fd|ilbert (bie Perljältniffe bes perlängerten 
TXlatfes halb Beim ZHenfctjen, balb bei Cl^ieren, tt>eil bei 
liefen mandje Sünbel flärfer entoirfelt unb beutlidjer 3U 
fetieti jtnb. Die Sinnesnerpen [b. i. bie ^irnnerpen] 
entspringen nid^t, n?ie Picq b' Tl^yv u. 2t. gemeint I^aben, 
3um Cl^eile aus ben pyramiben, fonbern gan5 aus bin 
grauen (ßanglien im 3^neren. ^Is Kern bes fjörnerpen 
fd^ilbert (Sau ben grauen £jö(f er neben ber Hl^aplje bes 
eierten Pentrifels. Das graue Ceiftd^en . ijl bas tt>at|rc 
ißanglion bes fjörnerpen unb jleE|t mit feiner (ßröge in 
gerabem PerE|ältniffe. Den fünften Zterpen perfolgt er 
bis 3ur äußeren Seite ber 0lipen!örper unb fd^ilbert 
feinen Kern als befonbers fd^arf abgegrenst bei bcn 
^ifd^en u. f. f. Ueber bcn Seljnerpen iji mit Sejlimmt» 
!^eit 3U fagen, ba% beim ZUenfdien unb bei ben Cl^ieren 
-aus bem porberen paare ber Pierljügel eine breite 
Zterpenfaferbinbe l^eraustrete, ba^ fie pd? um ben äußeren 
^anb bes Sel^I^ügels E^erumlege, nod^ einmal mit grauer 
ZHaffe in Serüt|rung fomme unb baburd^ bas Corpus 
geniculatum ext. bilbe. Sie erE|aIte bann nod? einmal 
Perfiärfung pon ber grauen Sixh^ian^ bes Tuber cinereum 
unb freuse fid^ banadj mit bem Tractu? ber anberen 
Seite, roobei bie 5öfern nadj Einigen gans, nadj oberen 



I. Ptc Tlnatomk bcs Hcrücnfyftems. 207 

3ur ^älftc auf bie anbcre Seite übertreten, (ßall be«« 
mcrft an biefer Stelle, er ^abc öfters beobadjtet, „bag, 
wenn bey anljaltenber Slinbl^eit bes einen kluges ber 
Sel^neroe biefer Seite oor ber Pereinigungsjielle ge- 
fctjtDunben roar, fiij ber Sdjrounb unb bie ZHigfarbe auf 
bie entgegengefefete Seite fortgepflfanst liatte", 3" foldjen 
5äIIen B^abe ber Sel^I^ügel nie bie minbejie Peränberung 
erlitten, jiets aber fei ber mit bem Seljneroen 3ufammen< 
E|ängenbe Dierijügel merflid? perfleinert getoefen, ^) Tlndi 
entfpredje bei bcn Cl^ieren bie (ßröge ber SeE^nerpen 
ber ber t>orberen PierE|ügeI, burd^aus nid^t ber ber Sel|- 
E|ügeL Wa^ bie 2(natomen bist^er bei ^cn Pögeln SeBj* 
I^ügel genannt ^ahen, ^as jtnb bie Pierljügel, bie xoxth 
iidien SeB^l^ügel liegen nadi i>orn baoon. Der Set^nero 
erl^ält feine 5<if^rn aus bem SeE^t^ügel, bas porbere 
DierE|ügeIpaar unb bas Corpus genicul. externum finb 
roaB^re (ßanglien bcs SeB^neroen. 

Um nxdii roeitldufig 3U u>erben, übergelje idj bie 
Sefdireibung bes Keinen (ßeBiirns. 

Die Sefdjreibung bes großen (ßel^irns beginnt mit 
ber ber pyramiben, als bem erften, beutlidj fid^tbaren 
2tnfange ber großen £jemifpE|ären. Die Kreu3ung ber 
pyramiben tt>irb fe^r genau gefd^ilbert, gegen Sabaiicv 
u. 71, t>ertl^eibigt, n^eiter iperben ber Perlauf ber pyra« 
mibenfafern burdj bie SrücFe, it^re Ueberlagetung burctj 



^) 21. a. <D, hexxditet (3aü uon einer Scction, bei ber ber 
eine Sel^tjügcl 3erftÖrt gcfunbcn ipurbc. Der glctd?3ctttgc Streifen« 
l^ügcl unb bie ^emtfptjärc roarcn atropt)tfd?, ber Seltnere unb feine 
^ortfc^ung l^atten nid^t gelitten. 



208 2lnFjang: Uebcr ^xan^ 3ofepij (Sali. 

bic pom K(ctn({trn fommenbcn Querbrnbcn, iljre Per* 
parfung burdj bic aus grauen ZHaffen entfpringenbcn 
Zterocnfafern, iE|r 2lu5trttt aus bem ^rnfnotcn in (ßcftalt 
ber tt>cit bicFercn, größeren ZlTarffd^enfcI befdjriebcn* 
€in bcm Caufc bcr 5öfcm folgender nadi innen con« 
pejer Sogenfdjnitt mad|t bie Sadti^ beutlid?. Die aus 
ben als Seljljügel unb gejlreifter Körper bekannten 
(Sangixen austretenben Herpenfafern perftärfcn bie in 
ben ZITarffdjenfeln pereinigten Salinen. 5traI]Ienartig 
jieljen bie 5cifern pom Hanbe ber (ßanglien aus ^en 
perfd|icbenen C^cilen ber (ßrogl^irnrinbe 3U. Das Cen- 
trum ovale bes Pieuffcns iji ein Kun^probuft, Die 
lOinbungen jtnb fo bcfdjaffen, ^a% bie 5öf«rn nad^ redjts 
unb nadt linfs 3u ber fte becfenben grauen Hinbenfd)id}t 
gerid^tct jtnb. 3cbe tt)inbung ift alfo eine Duplifatur 
unb es gelingt auf perfdjiebene XDeife (3. S. burd? 
fanften Drucf n)ie beim langfam 3uneE|menben fjYbro* 
cepl^alus) beibe Cl^eile in ber ZITitteUinie 3U trennen, 
»oburdj aus ber lOinbung eine Sdjidjt pon grauer 
ZHajfe bebecften Herpenfafergemebes n)irb» ,,Die Silbung 
ber ^irnminbungen ift ^as gi^^ ^^^ ^'^ Poüenbung bes 
gan3en ^irnfvPems/^) Die €infidit in iEjren Sau 3eigt, 
baj5 bas gan3e ^irnfvjtem aus ein3elnen Svjlemen, bie in 
iljnen auseinanbergelegt »erben, 3ufammengefefet ift. 

(Eine »id^tige HoQe fpielen bie Querbinben (£om- 
miffuren). 2(ne CBjeile bes Herpenfv^ems ^mt unter 



*) Hod? 3td?at t^atte bie ^cmifpl^ärcn nur für einen lUantel,. 
eine Derfe 3um 5d?n^c ber an ber Bafis Uegenben Organe ge« 
Italien. 



L Pic Tinatomxe bcs Heroenfvftems. 305 

cinan&e^p oerbunbcn* 3tt5fcefonberc ftnb bie fymmctrifdjen 
Stlbungcn burdj Commtffurcn ju gcmcinfamer CI]ätigfeit 
pcrfnüpft 2lu§crbeTn jtnb btc surücffcljrenben 5ofer* 
maffcn 3U h^adiUrx. Wxv Itaben bie ncrpcnfafern t)om 
HücFcnmarfe 3ur (ßcljtrnrinbc pcrfolgt, jcbcs (ßanglion 
oer^ärft bic auftoärts jircBcnbcn güge, gicbt aber audj 
abroclrts siel^cnbc 5af«tn ab» Ztidjt jüm mcnigjicti cnt» 
fprtngcn fold^c 3urücffct|rcnbc 5afcrn bcr (ßcl^imrinbe; 
btc ja als ausgebreitetes (ßatiglton ansufel^en ift. Die 
3urücffel|renben 5öfcrn bes Kleinljirns bilben bie Quer* 
bünbel ber Srücfe* Die auf« unb bie abfteigenben 
5afern im großen (ßet^irne oerPed^ten pdj vklfadi, be* 
fonbers in ber Xlä^c ber Pentrifel. Die 3urücffeE|renben 
5afern jlreben in ber ^auptfadje ber Znittellinie 3u 
unb bilben E|ier bie perfd^iebenen cEommijfuren, ben 
Salfen u. f. m. 

^Is fjauptfdfee be3eidjnen (ßaH unb 5pur3t|eim bie 
folgenbem ^Ke neroenfafern entfpringen aus grauer 
ZrCaffe, (Es giebt fo piele Svft^me, als es befonbere 
X>errid?tungen giebt, alle jtnb aber burdj Perbinbungs- 
bal^nen perfnüpft 3ebes ZterpenfYJiem bc5 animalifdjen 
Cebens iji boppelt, aber ftets werben beibe Seiten burdj 
Commiffuren 3ur €inE|eit perbunben. €in Pereinigungs* 
punft aller 5unctionen ip nirgenbs 3U entbecfen» 5olg» 
lidi mu§ uns bie (£int|eit unferes ^dt en>ig ein (ße- 
Ijeimnig bleiben. — 

€s ift nidjt ol^ne 3"tereffe, nodj €iniges aus icn 
Semerfungen beijubringen, mit ^en^n (ßall unb 5pur3* 
i?eim bcn Serid^t ber pon ^em 3njlitute ernannten 

Znöbins^ XaatifemaiiUt. X'k 



2 HO ^nfym^i Ueber ^rons Jofeplj (Sau. 

Commif jton begleitet traben« Die Ferren Setid)terflattet 
eröffnen iE^re 8efpred)ung bes rein anotomifd^ Tbxf» 
\d^5 mit bem Sebauem, ba§ es nid)t gelingen rndd^te, 
ben Sufammenl{ang smifd^en ber <ßel{im6efdKtffcnI)^ 
unb bem (ßeifle su entbecfen« <ßall erwibert: ^Unfere 
(ßegner fe^en immer DorauS; ba% mit uns anmoagen, 
bie ZDefenljeit unb bie ZOirfungsart ber ZterDenfvfteme, 
porsüglid^ bes (Setyvrxs, erfldren su woüen. XX>ix Reiben 
aber überoQ unb 5u oQen Reiten bel^auptet, ^a% man 
fo»olil im organifdjen/ «fe im animalifdjen Ceben von 
^en erflen Urfad)en ber £rfci^einungen nid)ts coiffen 
fönne; bag uns bie Perbinbung bcs (Seifles mit bem 
Körper unb bie 2lrt, nne ber (Seifl mittels ber materiellen 
0rgane feine Kräfte äußert, gans unbefannt fei Tlücm 
fo t)iel fann man, freilidi nidjt mit Pemünfteln, aber 
mit bel{arrlici}em Pergleid^en sat^Ireid^er Ojatfad^en enb< 
lid) feflfe^en, unter n>as für Sebingungen bie 
firfdjeinungen im lebenbigen Organismus 
möglid) finb. 3ljr tt>erbet nie erfaljren, n>ie bas 
2luge eurem (ßeifle bas Cid^t offenbaret; aber i({r w\^et, 
t>a% i({r nur mittels biefes ®rganes feilet £ben fo 
gen>ig »iffet iE|r, ^a% iljr nur mittels bes (ßeljimes 
€mpftnbungen unb Porfledungen erE^alten fönnet. Vin^ 
wie ber 2lr3t bie Sebingungen bes franJen unb gefunben 
(ßepdites erforfdjet, fo erforfdjen n>ir bie Sebingungen, 
unter weldien bie Perrict^tungen bes (ßeE^ims mög(ici{, 
franf ober gefunb pnb/ 

Die Ferren cEommiffäre t)er»edjfeln (ßaO's Se- 
flreben, burd} ^uffleigen t>om Hücfenmarfe sum (ße^tm 



I. Die 2tnatomie bcs Zlcroenffftcms. 2\\ 

'«in Pcrjlänbnig bcs Baues 3U erlangen; mit einer biegen 
HT^tEiobe ber Seclion unb meinen^ man fönne ja auf 
töcrfd^tcbene IDeifc 3u einer Kenntnig ber C^eile fommen. 
Sit überfeinen, ^a% Paroli von gans anberen Porftedungcn 
ausging als (ßaH, ba^ er unter bem verlängerten ZHarfc 
-aüe Oieile unterijalb ber fjirnljöljlen ocrjianb, ba% 
tOiüxs mit ber Safts, b, I{. aber bei it^m mit bm 5ef{* 
f)ügeln begann tu f* f« ,,Znan l(at von ]eE|er bie IDin« 
Zungen ber ^emifpE^dren von feiner befonberen Se« 
•Deutung get^alten unb fte ch^n barum su allen Reiten 
üernadjläfftgt* hingegen ließen fomo^I btc 2lnatomen^ 
mIs bie pl^yftologen bie Pentrifel eine befto größere 
^otte fpielen. Deswegen fing man gern mit il^nen bie 
^erglieberung bes (ßeEjirnes an, unb ^a bie fjemifpljären 
f{öf{er liegen, fo t^atte man freylict^ einigermaagen ^^ed^t, 
ju fagen, ba% man bei biefem Perfa^ren bie Unterfudtung 
^es (Sel^imes von unten ober pon ber (Srunbflödte aus 
anfange/ Die 2lnatomen u>aren, u>ie (ßoD fagt, „gans 
^ned^anifd^e gerglieberer^» 

€s ifl ein 3ömmer, 3U feE|en, weld^en ZHangel an 
:2^erfiänbnig bie Commiffäre ^en geijteoHen 2luffaffungen 
<Saa*s entgegenbringen. Sie breiten unb wenben ftdj 
tinb am £nbe fommen fte immer barauf t^inaus, ba% 
-MSäXL eigentlidj gar nidjts Xteues bringe (worauf bann 
4ßan iljnen aus iljren eigenen ZDerfen nadjweift, ba% fte 
im Unred}te ftnb), bog bas wenige Heue nid}t gans 
cid^tig fei* §. 8* fagen fie, bie allgemeine IHeinung 
^eE}e ballin, ba% bie aus fafl lauter (ßefägen beflel^enbe 
JHinbenfubflans eine 2lxt von ^Ibfonberungsmerfseug [ber 



2^2 ^Inl^ang: Heber ^xan^ 3ofeplj (SalL 

Ccbcnsgeijicr] f«i, unb bann crfldren ftc: „unfere Per«^ 
faffer Ijaben alfo in ^inftdjt auf bic Perrtdjtung, ipeldie 
ftc ber grauen Subjlans sufd^reiben, nid]ts eigenes". 
2>ag aQe Heroen aus grauer ZTCaffe entfpringen, bos^ 
tt)itt ben Commiffären nidjt einleuct)ten. Vfian fönne bie 
Spinalneroen nidjt bis in bic graue Subjlans bes Hüden* 
nmrfes perfolgen (n>as (ßatt gett^an Ijalte), bie ZHaffe 
ber (5anglien fd anders als bie graue ZHaffe bes (ße» 
Ijirns, bei ben (ßeljirnnerpen fönne, abgefeljen pom ^ör» 
nerpen, Pom Seljnerpen unb pom Hiedjnerpen tas ^uge 
feine graue Hrfprungsmaffe finden, ^m Sdjluffe be» 
3eid^nel bie (Eommifjion We Perbienfte pon (Sau un^ 
5pur3l)eim als folgende: Sie hiaben ben ununterbrodjenen 
Perlauf ber Xterpenfafern Pom perlängerten JJTartc bis- 
in bie £jemifpl|ären flar bargetl^an, fie liabm bie pyra-^ 
mibenfreu3ung über atte §tt>eifel erljoben, jie l^abei^ 
ridjtig bie langen Salinen Pon ben (Eommiffurfafern 
unterfdii^ben, pe l^ahcn bie £eB^re, nad| ber aü^ Xl^tvcn 
pom (ßeB^irne fornmen, „gewaltig «rfdjütterl"» 

2)ie (Empfinbungen, bie ber Seridjt ber (Eommiffion 
im (Bansen erwedte, ftnb in folgenben IDorten aus» 
gebrücft, „UeberB^aupt fpielt bie Ztatur auf eine fonbcr»^ 
bare unb immer gleid^e IDeife mit neuen XPat)rt|eitcn 
unb mit Senjenigen, weld^e fie suerjt aufhellen. TXlit 
roeld^em leibenfd^aftlid^en Unwillen jtnb nid^t bie größten 
lX)oB)ItI|aten ber Hatur, 3. S» bie (£rbäpfel, bie (Zkma 
unb bie 5d|ufepoden aufgenommen worben! tjiaixm 
l^atte Pefalius bebeutenbe anatomifdje €ntbedungen ge»^ 
mad)t, fo würbe er Pon Sylpius für im perruditejien^ 



I. Die 2Inatomte bes Hcrocnfyflems. 2\3 

tiriEDiffcnOpcn un6 unjtnnigjlen Znenfdjen ausgcfd^riccn 
tinb bis 3um CI|rone pcrfolgt. Paroli warf man por, 
^a% er feine guljörer ^urd] eine oerfdnglidie Sere^- 
famfeit täufdje uni) ^ie von il|m entbedte 5ortfefeung 
^es 5eI|neroen erfünjlele. ^aroey, als er ben Slut- 
iimlauf oertl^eibigte, würbe für einen Sdiwäxmev er- 
flärt, unb nadfiem man ^en 5eB)nert>en nidjt meljr 
t)om 5eljl)ügel unb ben Slutumlauf nid^t mel^r aus 
^en (5efd§en wegjlreiten fonnte, würben auf einmal 
^ie Poreltern mit biefen beiben €ntbedungen beeB^rt. 
Die oon (ßalilei, £innd, Sonnet, Suffon n. f. rx>. auf- 
^ejiettten lDal)rB?eiten mußten ber Heligion nnb ^en 
Sitten bett Untergang broljen; überall fd^eudjte man 
t)or ben grd§Iid]en 5ormen bes Fatalismus unb ZlTa- 
ierialismus surüd, obfdjon Hiemanb wußte, wooon 
«igentlid? bie Hebe war ; überatt Ijaben bie KunjJgenoffen, 
^eren Urll^eil bas traute publifum 3um ZlTaaßftabe 
tia^m, nebjt bem Hnjtnne, weldjen jte iem €ntbeder 
-anbid^teten, aud? il^re eigenen bejiimmtejlen €injtd]ten, 
wo fie iljrem gwecfe im IDege ftanben, oerleugnet unb 
coiffentlid? 3U Unrid|tigfeiten, wenn fie il^nen nur bienen 
f onnten, iljre Suflud^t genommen, um wenigjJens bey bem 
-Raufen ben ZHann 3u oerberben, beffen £aft fie brürf te. 
^ttes biefes ift in PoBem ZITaage an uns erfüllt 
tporben. Wenn alfo audj unfer Perbienft nod? nid|t in 
^nfd)(ag fommen fann, fo fönnen wir weni^ens barauf 
II0I3 feyn, ba% wir in biefer 5adt^ gleidies Sd^icffal mit 
indnnern tljeilen, weld^en bie XPelt eine fo große Summe 
©on Kenntniffen perbanft." 



II. pfYcf?oIogtfd?e5. 



PieIIcid|t EDÜrbc (Satt bamit utisufricbcn fein, ba^ 
Ijicr ^ic ^fammcnfaff ung , bic er als philosophie de 
rhomme an bas €nbc feines IDerfes geflettt Ijat, voran» 
geflettt n>iri)» €r würbe fagen: 3d? Kn ein ZHann ber 
Cbatfadien, mit iljnen beginne idt, fte allein jtnb meine 
(BrunMage unb auf {te attein fommt es mir an; bie 
üjeorie leite id? sroar aus iljnen ab, aber fte barf nidit 
bas £rfte fein. Qier jebod^ fommt es darauf an, bet» 
£efer in (ßatt's (ßebanfen einjufüljren unb iljm bert 
Ueberblicf su erleict)tern. Deslialb mad^e id) mit bett 
Folgerungen ^en 2tnfang» — 

ZlTan mufe bei ber geizigen Cljdtigfett unterfdjeibeii 
3n>ifd|en (ßrunbfräften (forces fondamentales) unb aQge# 
meinen 2tttributen (attributs giniraux), ^tne ftnb bas- 
Cigentl^ömlid^e; biefe bas (ßemeinfame, ober jebe (ßrunb* 
fraft I:;at bie attgemeinen Attribute, n>irft in ber jontt 
biefer. Die pl^ilofoptien traben ftd) immer hur an bie 
2tttnbute geli^alten, fie fpred^en pon Perflonb unb IPiOe^ 
ober pon 2tufmerffamfeit, <Bebäd)tnig; Urtt^eUsfraft, £tn» 



btibungsfraft, Scgel^rungspcrmdgett; ober von OitfHnft, 
Zleignnq, Ccibenfdjaft u^ (• w. Zladi 6a1Vs ^nfidjt jbtö 
bi« ^SeeUnpcrmdgen'' nidjts für fidj, fonbern bi« 2lrt 
unb XPcifc, ipie ftci{ bie (Svvmbh&fit, b. i* bie Cmbe, 
futtbgeben* 

Sic Haturfunbigcn Ijabcn 3unäd|fl bie aUgemcincn 
Cigenfdjaf tcn bcr Körper unterfudjt: Tlusbel^nnng, Un« 
burd^bringlid^eit; ansidjenbe unb abjlogenbe Kraft u. f. ». 
Ratten fte ftd) mit biefem Stubium begnügt, fo todre 
bie ^aturwiffenfdjaft feljr befdjrdnft, benn £uft, IDoffer, 
ZITetalle, pflansen, Cl^iere, aUe traben bie allgemeinen 
£igenfd{aften ber ZHaterie. 2Tlan mugte alfo auf bie 
befonberen £igenfct)aften adttUn unb bie Körper nadn 
Claffen abtl^eilen* Qdtte man ^di n>ieber nur an ^as 
get^alten, xoas aUen ZITetaQen, aUen pflansen vl f. n>, 
gemein ijl, fo wdre man audj nidjt »eit gelommen, 
Pie(mel?r mugte man bas eine ZITetaQ pom anberen, bie 
eine pflanje oon ber anberen unterfdieiben, man mugte 
nidjt nur tan^* unb IDaffertljiere, fonbem XPürmer, 
3nfeften, Si\(ite, Heptilien nnb ^mpljibien, Pögel vmb 
5dugetl|iere trennen, ^n eben bem (ßrabe, ab man 
ftd) pon ben aUgemeinen £igenfd{aften entfernte unb auf 
bie £igentt)üm(ici){eit ber einseinen £rfd{einungen einging, 
ebenfo ndl^erte man jtd? einer poptipen ^aturerfenntnift 
nnb im gleidien (grabe würbe ber Ztufeen unferer Kennt* 
niffe gröger* (ßerabe fo tpenig, n>ie ftd) ber Ztatur» 
forfdjer mit ber ZITed^anif begnügen barf, barf fidj ber 
pfyd^olog auf bie Setrad^tung ber allgemeinen 5o.tmen 
ber <Beiflesti)dtig{eit befdirdnlen. Wo (Sehtxtn, geiftige 



2\6 Jlnljang: Heber ^tani 3ofeplj (Sali. 

Cf^tigleit, Senmgtfetn i<l, ba ijl Tbxfn^fymen, dnpfinben, 
ZDat)rncI?men , PorfleDcn , Crinncim , gunctgung, 2lb» 
nctgütig, Streben, 5ßcl|cn, Cetbenfdjaft. 2lbcr es ijl 
tEI^rljett, 5u glauben, ba% bamit bie Sadie erledigt fei 
£s genügt uns nid^t, su n>iffen, bag bie }fterpen fenftbel 
ftnb, erp baburdj, bag wir erfennen, bag jeber Zletv 
nur bepimmte €inbrücfe aufnimmt, ba% es nid|t €inen, 
fonöem wenig^ens fünf Sinne giebt, geu)innen wir bie 
riditige €in|td?t. €benfo Ijanbelt es jid? bei ben geifKgen 
CE^dtigfeiten nie um ein Erinnern ober ZDoUen über« 
Ijaupt, fonbem um eine bejHmmte ^rt von (ßebäd|tnig, 
um bejHmmte Criebe» Sie Cljiere B^aben nidjt geijHge 
5ä^gfeiten überljaupt, fonbem beftimmte 5öljigfeiten, bie 
balb allen, balb nur bejHmmten ^rten eigen nnb and| 
bei ben 3"bioibuen oerfdjieben jtnb. 2UIe tEt)iere Ijaben 
(ßefdjiedjtstrieb, aber er jeigt jidj in roed^felnber Soxm, 
bie Sd?n>albe, ber Stordj, ber 5ud?s jtnb 3» S» mono« 
gamifdj, ber ^unb, ber ^engjl, ber ^irfdj nidjt. ZITandje 
CI|iere jtnb särtlid^e €Itern, mandje nidjt Der jlarfe 
furdjtlofe Stier ift nidjt blutgierig wie bas IDiefel. Die 
einen leben einfam, bie anberen in Qeerben, wieber 
anbere in Staaten. Der f)unb ijl Hug, aber fann nidjt 
fingen wie bie Xtadjtigatt ober bauen wie ber Siber. 
H. f. f, Sei ben JJTenf djen finben wir ben größten 
IDedifel ber Segabung. (Sau unterfdjeibet 3. S» ©rt« 
finn, Saljlenjtnn, tEonjtnn, 5ax^benfinn. IDer ausgeprägten 
©rtjtnn Ijat, fagt rdumlidie Sesieljungen rafd| unb Ieid|t 
auf, erinnert ftd? an fte, finbet pd? überatt suredjt, fann 
jtd? ein SiJb ber Perljältniffe im Haume madjen» £r 



II. pfyc^ologtfc^es. 2^7 

Jjat alfo ein ©rtsgcbädjtnig. €m 2tni)crcr mit muft* 
falifdjcr Anlage Ijat ein Congcbädjtnig, bcr 21Tatl|cmattfer 
Ijat «in S^liUngcbäditnx^f bcr ZITalcr ein Sarbengebddit- 
nig. €s giebt alfo für jene ©ier ißrunMrdfte Piet per* 
fd^iebene 2lrten ber lDaI|rneljmung unb oier <5ib&dt^^ 
niffe. Keiner I|at (Sebädjtnig überljaupt, fonbern nur 
(ßebdd^tnig für befHmmte IDat^rnet^mungen unb je nad) 
ber (Srunbfraft Ijat er balb ein gutes, balb ein fdiledjtes 
<5ebäd?tnig. 3ji ^i^ (Srunbfraft fdjwad] ober feljlt pe, 
fo jtnb andi bie 2tttribute fdjwadj ober jie feljlen. Ser 
fjunb mit porsüglidjem ©rtpnne entbeB^rt bas mupfalifdje 
X>erftänbnig gans, bem ZHaler flnb pielleidjt matljematifdje 
X>erl|ältmffe ein (Sreuel unb ein 3uclj mit fteben Siegeln 
unb ^em 2Tlatljematiter ftnb bie fctjönj^en Silber gans 
egal. llTit ber (ßrunbfraft fdjwinben PerjJänbniß, (8e- 
bädjtnife, Neigung. IDdre 3* S, bie 2tufmerffamfeit (la 
facult^ apperceptive) eine (ßrunbfraft, fo iiäiie man fie 
ober man Ijdtte fte nid|t Sie Ztatur seigt, ^a% es nidjt 
fo ifl 3^^^^ n)ibmet feine 2lufmerffamfeit Z)em, roas 
il|n interef jtrt, bie 2lpperception gef d|lecl?tlid|er Sesieljungen 
3» S» fann Por3Üglidj fein trofe ^diwait^x €rttn>icfelung 
ber geifiigen 5dB|tgfeiten im Uebrigen. ^ud? ber ge* 
bilbete Ulenfdj ermübet rafdj, wenn er auf 2)inge auf« 
merffam fein fott, bie außer feiner 5pl)äre liegen, m&fy 
renb ein 3eber oI|ne Znülje fidi ^en Singen roibmet, 
für bie il^n feine (Srunbfräfte geeignet madjen. Paucanfon 
ridjtete feine 2lufmerffamfeit als Kinb auf bas Hdber- 
tperf einer Utjr, bas einem ZHuflfer ober Did^ter mit 
grauen paaren gleid^gültig unb unt>erfJänbIid| wäre» 



2\8 ^Inljang: Heber ^ran3 3ofeplj (5aII. 

£ine Xoktte blicft mit ganscr Seele auf einen 2Tlobe« 
laben, gel{t aber ad)t(os an ber fd^Snflen toiffenfd^aft» 
(id^en Sammlung porüber. 2tel{n(ict{ ifl es mit ber 
Urtl^eilsfraft« Derfelbe ZHenfct) urtt)ei(t fki)er unb rafd^ 
über befKmmte (Segenfldnbe, ifl anderen gegenüber bei» 
naiit fd^mad^finnig* £in S^dtt^ I<(nn über 2Tlu{tf nid)t 
urtt)ei(en, beurtt)eilt aber mit beiounberungstoür&iger 
Sd^ärfe bie ZHittel, ber Sd^Knge su entget)en ober bie 
Seute 3U erwifdjem Der Siber perjleljt nidjts von 
SahtUn, aber er rid^tet feinen ^an mit fidlerem UrtE^eil 
auf unb berüdftd^tigt felbfl bas Steigen, 5aOen bes 
^luffes. Kurj, fofem es irgenb ein tEalent, eine be- 
ftimmte Sefdljigung giebt, finb mit il:jr perception, Jluf- 
merffamfeit, UrtE|ei(, Erinnerung, £inbilbungsfraft ge» 
geben» IDas von ben intettectueüen Attributen gilt, baa 
gilt andt von ben mora(ifd)en. Seget^ren, Neigung, 
Ceibenfd^aft finb nur (Stabe befümmter Criebe« 3e nad^ 
bem (Srabe, in bem im 3n^ii>i^uum ein Crieb entn>icfe(t 
iji, perlangt es nadj bestimmten Singen gar nid^t, 
fdiwadj, lebljaft, mit Ijeiger ißier* Me 5ormen bes Der* 
(angens ftnb nur an unb mit einer (Srunbfraft mög(id{* 
IDenn ein Zllenfdi für llTujtf ober für ZlTedjanif ober 
für Sptadicn fdjwad] begabt iji, fo jinb iE|m biefe Singe 
gleidjgültig. 3ji f«in^ Segabung gröger, fo finbet er 
an iljnen Pergnügen, füljlt ftdj 3u itjnen Ijingesogen. 
3ft ein Calent in i)ot)em (State porljanben, fo finbet 
ber ZITenfd? nur in ii^m fein (Slüd, ijl perfHmmt, unglüd* 
ßd?, wenn er feiner Neigung nidjt folgen fann» Jfliemanb 
ijl nadj jeber Hidjtung I|in leibenfdjaftlidj, voas bodj ber 



n. pfyd^ologifdjes. 2\^ 

SaU, fein mügtc, wenn es eine Ceibenfcf^aft an {ict{ gAbe. 
2ludj bie 2lffefte, 5reube, S^tn, Sdjred, (Ctaurigleit u. f* n>v 
get{5ren su ben aUgemeinen Attributen, fte seigen an, 
bag eine ober met)rere (Srunbfrdfte burd) befKmmte 
£inn>irfungen mobiftcirt iperben* 

(ßaD wirb nid|t tnübe, gegen „bie ZITetapIiYJtter^ 
SU eifern, bie von aQgemeinen Segriffen ausget)en, bie 
nur ben Per^anb, bie Dernunft, bas (ßebädjtnig, bie 
finbilbungsfraft, ben ZDillen im Allgemeinen fennen* 
„Senfen, fagen bie 3^«oIogen, ijl empfinben; fid| er- 
innern, urtlieilen, alles ijl nur empfinben." Diefes 
Spielen mit allgemeinen Segriffen füljrt nie 3ur WitU 
lidjfeit. Mein pon ber Seobadjtung l|at man aussu» 
geljen unb ber pfvcljolog barf nidjt anbers ©erfaljren 
als ber ^aturforfdjer überB^aupt IDir n>erben nidjt 
eljer 3u waljrljafter €inftd?t f ommen, elje bie pfvct?oIogen 
nidjt bie naturwiffenfd^aftlidie ZlTetliobe angenommen 
Ijaben» „IDarum perwerfen aber ger abe bie, bie fo fiols 
auf il|re metapB^vjtfdien Seflrebungen ftnb, bie bas €r- 
gebntg tl|rer Spefulationen mit foldjer Superfidjt als 
betptefene tDaljrEiett perfünben unb it^re Segriffe für 
um fo 5uper(äfftger t^alten, je aUgemeiner fte ftnb, b« t^. 
je weniger fle auf befonbere 55Be, auf einselne tEl{at< 
faxten antpenbbar finb, tparum perwerfen pe unfere 
tlTetl^obe? IDaljrfdjeinlidj besljalb, weil iljre ZlTettiobe 
bie pIjiIofopl|en nidjt 3U Seobadjtungen perpflicljtet, weil 
fle bas 5«Ib bem Pernünfteln unb ben Sopljisinen frei 
M|t, weil mit biefer ZITetliobe jeber 2Tletapl|vPfer rafdj 



220 2Inl^ang: Heber gratis Jofeplj (5all. 

unb kidjt ein eigenes SyPem erridjten unb Qaupt einer 
S^ti0 »erben lann/* 

€in befonberes Kapitel n>ibmet (Sau bem 3npinft 
©05 CE|icr n>irb burdj ben 3nPinft getrieben, ber iUenfdi 
Ijanbelt unter ber Ceitung ber Pernunft, fo reben bie 
p^lofopljen* Der 3nfKntt iji ein Crieb, ber von Ueber- 
legung unb IDinfür unabljängig iji: ein IDefen f&ljlt 
ftcf^ 5U bejlimmten Qanblungen getrieben, oI:;ne ^a% es 
von t>en Znitteln, nodi von bem gwecfe eine beutliiie 
Porjieüung Ijätte» (Siebt es nur einen 3nftinft ober fo 
oiele 3"Pi"fte, als es iSrunbfräfte giebt? IDdre ber 
3npinft eine allgemeine Kraft, wie bie ptjiIofopI|en 
meinen, fo müßten aQe CE|iere baffelbe tt)un. IDarum 
webt benn bie Spinne ein Xtefe unb tobtet fliegen, 
wät^renb bie 2trbeiterbiene fed^secFige ^eQen baut, nid^t 
tobtet unb für bie Kleinen forgt ol^ne (Sefdjieditstrieb» 
IDarum fümmern ftd] jene Pögel forgfältig um itjre 
Srut, wäljrenb ber Kufuf es nid|t tljut. IDarum baut 
ber Siber, fingt aber nid^t unb jagt nidjt, wdtjrenb ber 
^unb jagt, aber nid|t baut. Sie VOadiM lebt nidjt in 
ber €I|e, pflegt aber bie Kleinen unb wanbert, bas 
Hebljul^n lebt in ber €lje, pflegt bie Kleinen, »anbert 
aber nid^t. ©er 5ud?s unb bas Kanindjen graben 
^öl|len, ber XDoIf unb ber ^afe nid^t. U. f f» 3" 
IDirfHdjfeit beseidjnet bas IDort 3"Pi"'t "«^^ bie Ct^ötig» 
feit einer (ßrunbfraft, nidjt ein unfaßbares €tu>as im 
^intergrunbe. Sie Begattung, bie £iebe 3U ^en Kleinen, 
bie 5reunbfd]aft, ber Crieb 3um gemeinfamen teben ober 
3ur €infamfeit, ber KampfmutB? unb bie Porftdjt, bie 



II. pfvd?ologtfd?es. 22 ^ 

Steigung 3U biefcr o&cr jener Ztal^rung, öer lDanbertrie& 
nnb V\e Steigung 3U bejiimmten ©erlern, öer Singtrieb, 
^er Sautrteb finb (ßrunöträfte, Vflan ^arf bal|er nur 
pon befiimmten 3njHnfteii reben, was bann nict)ts anberes 
befagt als Forces fondamentales. 

Die Seliauptung, i>a% ber 3nftinft fd|Ied|lrt)eg bttnb 
fei, ifl nidjt 3U Ijalten. IDäre jte ridjtig, fo müßten bie 
Cl^iere immer in gleictjer IDeife Ijanbelm Sie tljun es 
aber nid|t, fonbern pe paffen ftd? ^en HmjJänben an. 
(Sau füt^rt andi Ijier sal^Ireid^e Seifpiele an, bie iljn als 
erfaB^renen (EI|ierfenner seigen, bas Perl^alten bes IDoIfes 
unb bes 5ud]fes gegen ^^n IHenfdien unb feine €in- 
rid|tungen, atterljanb 3agberfaB)rungen, bie Sreffur vu f. f. 
Die CI|iere lernen unb bilben ftd] bis 3U einem gewiffen 
punfte genau wie ber Znenfd). Sie B^aben mirt^in nid|t 
nur 3nftinft, fonbern aud^ Derjlanb ober Vernunft, iB^r 
^anbeln ijt 3. CI|. unwittfürlid], 3. CE|. wilHürlid]* 

^nbererfeits mu§ man fragen, Ijanbelt aud? ber 
ZHenfdi aus 3"ftinft ober geB^ord^t er nur ber Pernunft? 
Sdiafft er feine Neigungen ober finb biefe eben fo nn» 
n)iUfürIid> wie bei ^en CI|ieren? (Satt meint nidjt bie 
automatifd^en Bewegungen, bie mand^e Tutoren mit ^em 
3nftinft 3ufammenn>erfen, 3» S» bas Surücftt>eid?en bei 
(ßefalir, ^as ^usftreden ber St^n^e beim hatten, fonbern 
beftimmte Criebe mit beftimmten Sielen. €r begreift 
nidjt, wie man am Dorljanbenfein ber 3nPinfte im 
ZHenfdjen 3n>eifeln tonne. „3dj fann nidjt fagen, auf 
weld^en (ßrab oon Unwiffenl^eit ftd| bie Sel^auptungen 
jener ljod|mütf|igen pI|iIofopE?i^ grünben, bie ftdj unter» 



222 Jlnljang: Heber ^taui Jofeplj (5all. 

ftel(tf ben TXlen^di^n aüen im tEI^icrreid^e geltenbcn ®e« 
fc|(en 5U cntski^/ ZDenn bcr ZHenfct; ^te (ßef(^(«cM^< 
liebe empfindet, tpcnn er feine Ktnber IteBt, toenn er fid) 
tttib We Seinigen gegen bie 5cinbe ©ertlieibigt, wenn er 
ftols, eite(, woliltDOÜenö, graufam, t}abfüd)tig, i)interIifKg; 
oorfid^tig x% fo I^nbelt er genau fo infünftmdgig tpie 
bie tEl^iere« €Benfo oerfdl^rt ber 3"teneft ol|ne Hefleyion 
nnt gerabe ba, tx>o einselne 5öl|igf<iten befonbers ent- 
widett jinb; beim (Benie, ijl es am beutlidtjlen, ba% es 
fdj um 3nflinfte Ijanbelt UntpiUfürHcf^, oljne befonbere 
^bftdjt, geswungen tljut ber ZlTenfd? ^s, wo^n iljn feine 
2CnIage treibt, unb ber gmang iji um fo jidrfer, je 
genialer ber llTenfd? iji Poltaire fagt: TXian mu% ge* 
fteljen, ba% bei ben IDerfen bes (Benies aVies IDirfung 
bes 3nflinftes ift 

Der Hnterfd]ieb jiDifdien ben 2Tlenfd?en unb ben 
CEjieren befleißt nur barin, ba% jene I|interl|er über iljre 
^anblungen unb triebe reflectiren fSnnen unb mit ber 
^eit lernen, jtd? ©ernünftigen frcoagungen 3u unter* 
»erfen» ^id^t im IDefen, fonbern grabweife ijl ber 
XHenfd^ ©om (Eljiere pcrfdjieben. 

Ueber bie TXlotive menfd^Iid^er Qanblungen ftnb bie 
pljilofopljen ebenfalls im ^^xifyxme, wenn pe anneljmen, 
ba% bie Eigenliebe ober bas Streben, fein Sein 3U be* 
tpaljren, aOen Qanblungen su (Srunbe liege, ba% bie 
IDillfür 2lIIes madje. fis iji erpditlid?, ba% es fo ©iel 
2trten von ZHotipen geben mug, als es (Brunbfrdfte 
giebt Tlndt I|ier ift bie DergJeidjung swifdjen Znenfd?en 
unb tEt)ieren pom größten Xtu^en, Die Qanblungen ber 



II. pfyd^ologtfd^es. 223 

Cl^icrc jtnb einfad?, Har, jeber Znigbeutung entsogcn, bic 
ber llTenfdjcn jinb dagegen fajl immer meljr ober »enig^r 
©erwicfelt, ber 2lrt, bag fogar ber Siariödw^ felbjl fein 
xoaiixcs ZHotio oft nidjt fennt. Die »iditig^en tEriebe 
ber Cl^iere finb ber (ßefdiledjlstrieb, bie £iebe 3U ben 
3ungen, bie Steigung 3U ben ^rtgenoffen, ber Kampftrieb, 
bas Perlangen nadj €igentljum u. f. f»; Zteib, fiifer« 
fud|t, £ta%f §otr\, (ßraufamfeit, (ßutmütl|igfeit treiben 
5um ^anbelm ZDeld^r vernünftige ZITenfd? roürbe bie 
Sadje bamit für erlebigt Ijalten, ^a% man fagte, bie 
^anblungen ber tEI^iere ent{)et|en aus Eigenliebe ober 
aus bem XPunfd^e, ii^re ^rt 5u beipaljren? Xt\xn traben 
t>ie Itlenfd^en biefelben tEriebe tpie bie tEI^iere, it)re 
2Tlotipe muffen batjer ebenfo vielfältig fein» ®er ZITenfdj 
ftat (ßrunbf räfte , bie bas CE|ier nid|t hiai, bie Se« 
jieljungen smifd^n feinen trieben jlnb viel reid)er unb 
oerwicfelter als beim CE|iere unb trofebem glauben bie 
pljilofopljen, bie menfd^Iidjen Zllotioe mit ein paar oben 
allgemeinen Segriffen absutl^unl 

„Die Pernunft i>erE|äIt jidj sum 3"teneft wie bie 
IDinfür 3um tEriebe»" €s giebt eben fo viel 3nteIIefte 
unb tEriebe, als es 3njHnfte. ober ©rgane giebt, aber 
es giebt nur €ine Pernunft unb €ine IDillfür, ^enn 
biefe finb nidjt bas firgebnig €ines 3nPinft^5, fonbem 
fxe fe^en bas ^ufammenarbeiten, bie Sesietjungen ber 
verfdjiebenen (ßrunbfräfte 3U einanber voraus» €s 
giebt fo viel Steigungen unb Perlangen tvie (ßrunb* 
frdfte, aber erji aus bem Kampfe biefer unb bem Per* 
gleidjen nnb abwägen ber Zllotive gel|t bie XPiKens« 



22^ ^nbanaz Uebtr ^1005 3oifpb <5aIL 

ent}d>üe%anq I>en>or. 3n öem <Brabe, in bem bie 
Bö^ett, ititr bem Hlenfi^en eigenen <Bninbfrdfte ent» 
wideit finb, in e!)cn bem <6rabe imrb er freier, gennnnt 
5ie XDinfür, b. 1^. bas pemünftige XDoIIen, Me ^err* 
fdiaft über bie ben einseinen 3nftinfren entfpred^enben 
Strebnngen, tritt an Stelle bes triebma^en ^nbelns 
auf ein onfdKmlid^ UIoUd l>in, bos oerrnrnftmöfige 
Banbeln ans ber 21bn>ägung ber nid?t nnr burdi 2ln* 
fdtonnng, fonbem buidi Ueberlegnng gegebenen 2IIotii>e. 
Vuxdi 5ie Pemunft iinterfd?eiö«t fidj eigenttid) ber Dlenfc^ 
pom Ctjiere, 5enn ber 3ntenect ift beiden bis ja einem 
gerotffen punfte gemeinfam« 5reilii> fpieÜ audf bei 
5er 2IIebr5abI ber Znenfd;en bie Pemunft nidjt bie er^e 
HoHe. — 

2ln ben Derfd^eben^en Steflen fommt <6aII auf bie 
Selbjiänbigfeit ber einseinen 3nftinfte, onf bie Parallele 
3n)ifd?en ben tbierifdjen nnb ben menfd>Gd^n Anlagen 
Snrücf. Sie bisi^er im 2(us5uge n>iebergegebenen äuge« 
meinen 2(u5einanberfe^ngen bilben ben Sd^Ing feines 
IDerfes. £r eröffnet es ober mit einer langen, n>irflid} 
gans t>ortreffItd)en 21bbanbliing über ben Sa!^: ^ba% aUe 
5abigfeiten unb Steigungen angeboren ftnb'. IDenn es 
oud^ obne IDieberE^oIungen ntd^t abgelten fann, fo n>ill 
xdi bocb einiges baraus roiebergeben* Um (BalTs Der« 
bienfle rect)t su roürbtgen, mug man {id> batan erinnern^ 
n>e(d?e Meinungen 3U feiner ^evt beliebt maren, ba% ber 
fenfualijUfdje Unftnn obenauf »ar, ba% mit £mp^fe 
geleljrt rourbe, ber Ulenfdj fomme als unbefd>riebenes 
Slatt 3ttr lüelt, bie (Ersieljung ^bilbe'' ben Znenfd^en 



II. pfyc^ologtfc^cs. 225 

«rft ber Ct^araftcr tjänge von ber Umgebung unb bcn 
perfönlidjen €rfaB^rungen ab u. [♦ f. ZHüffcn tpir ^odi 
nodi Ijeutsutagc ©ort bcn „fimpiriftcn" Zllancljes aus^eljcn. 
Sie junge Spinne n>ebt il|r Ztefe, ber junge ^tmeifen* 
löwe gräbt öie trid^terförmige (Srube in ben Sanb, bie 
3um erften VflaU ausgeflogene Siene findet ben Stod 
wieget, bas eben aus bem €i gefrodjene Sin^ndt^n pxdt 
mit wunderbarer (ßefd^idlid^feit (5etreibeförner auf unb 
frißt 3nfe!ten, bie junge 5d|ilbfröte, an ber nod^ €ier* 
ftürfe fleben, friedet birect 3um nädjften IDaffer, bas 
neugeborene Kinb preßt bie Sruft ber ZHutter mit ^en 
Slän^cn unb fangt, ebenfo tt>ie bas Kalb unb ber junge 
f)unb, ber mit ^m 5üßd|en bie gifeen ber 2Uten tritt. 
2iüe biefe IDefen B^anbeln fo, nid^t weil fie fid? überlegt 
l:iahen, ^a% i^v Perfal^ren 3U iE^rer €rE?aItung nötl|ig ip, 
fonbern weil bie Ztatur il^ren Sebürfniffen 3ut>orgefommen 
ifl unb il|nen il^re Criebe mit auf ^cn Weg gegeben 
liat Ztirgenbs ift (ßewoE^nB^eit, 3eIeE?rung, €rfat|rung. 
Die (Eljiere mit Kunfttrieben bauen il^re IDoE^nung, 
fpinnen il|r (5eu>ebe u. f. xx>. ofyxc Unterrid^t ^tte 
Cl)iere wiffen ol^ne IDciteres, roas il^re XtaB^rung ift, bie 
Biene fliegt fofort 3ur Slütl^e, bas 5d|tt>ein frißt gierig 
bie erfte fiid^el, bie es finbet, bie Haupe fennt bas i^x 
3ufagenbe £aub, IDas fd^äblid) ift, bas meiben bie 
CI|iere, eE|e fie es fennen. Sie infectenfreffenben Pögel 
permeiben bie il|nen fd?äblid]en 3nf«cten, bie KuB? 
läßt bas giftige Kraut fteljen. Sas €id|l)örnd?en öffnet 
bie 2tuß an ber Spifee unb bearbeitet ^en (Eannen3apfen 
pon unten, ©er fjamfter fammelt Porrätlje, ber ^unb 

XXi&bius, JXlatlitmat'xUt. {5 



226 ^Inbang: lieber ^van^ 3c»fepl> (Sali. 

un^ ^er IRdbe pcrbcrgcn bie überflüfftge Xlatixnng. Dct 
3agbl|unb jagt oI|ne Unterridjt. 2)as 5rcttclien, bas in 
einem Kajten mit Vflxldi aufgesogen tporben ift, gerätlj 
.beim erjten TlnbVxde eines Kanindjens in Wni^ unb 
biefes erfennt beim erjJen Vflalc feinen Cobfeinb. Kamen 
bie CI|iere oB^ne il^re fertigen ^n^nfte 3ur IDelt, fo 
gingen fie einfad^ 3U (ßrunbe. Xlxdit Smucswdb(x* 
neB^mungen, nid^t angeborene Dorfieüungen, nid^t He* 
fleyion, nod) Unterrid?t fönnen ^en 3npin!t erfefeen. 
(£benfo tpie bie 5cil)igfeiten, finb bie Effecte angeboren. 
Befriebigung unb Hnsufriebenl^eit, Vergnügen unb 
5d|mer3, 5teube unb (Eraurigfeit, Kummer, 5urd)t, 
5diam, €iferfud|t, §orn u. f. w. finb eben fo ©iel innere 
Suftänbe, bie (EE|ier unb ZHenfdj nid|t mad?en, bie pe 
empfinben, oB^ne oorl^er ^avan gebadet 3U B^aben. 2)ie 
2lffecte entftef^en je nadj ber angeborenen Einlage ol^ne 
atte XDiöfür, fie jtnb ^as erfte TXlal fo beflimmt, fo ftarf, 
fo lebl^aft u?ie nad^ E^dufiger IDieberB^oIung. Siaberx bie 
inneren guftänbe eine geix)iffe Stärfe, fo ftnb fie mit 
beftimmten Beilegungen ©erfnüpft, bie ebenfo unn^illfür* 
lid^ u)ie jene finb unb immer befJimmten gwecfen enl* 
fpred^en. TXlan sieB^t bas (5Ueb surüd, man büdt pd) 
bei gett>iffen (Sefal^ren, oE^ne 3U benfen. Der Säugling 
fdjreit, tt>enn er fjunger Ijat, ol^ne 3U »iffen, ^a% er 
baburd^ bie 2TCutter B^erbeiruft, unb ebenfo fdireien bie 
nodi blinben jungen fjunbe nad^ ber 2TCutter. 

IDenn ber 2TCenfd) anfängt, über ^as, was er füljlt 
unb ll|ut, 3U benfen, ^ann glaubt er, er bringe feine 
5äl^igfeiten Ijeroor. Dor foldjen 3rrtl)ümern fdjüfet am 



II. pfyd^ologtfd^cs. 227 

bcjicn 6ic Scobad^tung öes Cfjierlebcns, 'Da^ Mc 3n- 
jlinftc 6er tEE|ierc angeboren jtnö, öas fann fein Per- 
ftänbtger bestpeifeln. Seobad^tet er aber, ^a% Me (Erlebe 
bes UTenfdien 3um CE|eil gans Mefelben jtnö rote bie ber 
CE^iere, ba§ gerabe bas lOefentlidje Bjier nid)t anbers ift 
als bort, fo fann er nidjt anneE|men, ^a% bie menfdj- 
Itd)en €tgenfdjaften einen gans anberen Urfprung ^ahen 
als bie tE^ierifd^en, 5t^ciHdj B?at ber ZlTenfdj 5äB|igfeiten, 
bie bie CE|tere nidjt Bjaben, aber er E|at audj J^irntE|eile, 
bie bie tEl^iere nid|t i?aben. lOenn toir feE|en, rote ber 
ZHenfdj Segriffe bilbet unb 5d)lüffe 3ieE|t, roie er bie 
(ßefefee ber Xlatux erfennt, bie ©berfliädje ber (£rbe er^ 
forfd^t, Sonnen- unb ZHonbfinfterniffe beredjnet, feine 
(ßebanfen 3u bem (ßöttlidjen erB^ebt, fo muffen mir nidjt 
glauben^ biefe 5ciB|igfeiten h(ahe er erfunben, ober fie 
feien ^as lOerf sufäfliger Umjlänbe, 2)em ZHenfdjen ift 
fein (EB^un porgefd)rieben u>ie ^cn tEE|ieren unb wie biefe 
I^anbelt er nur feiner angeborenen ©rganifation gemäf, 
3n tDunberlid^er IDeife E|at man bie 3ebeulung ber 
Sinne überfd^äfet. 'Die Sinnesemppnbungen fönnen 
feinerlei 5af^igfeit, ober Crieb, ober (ßefüE|l, feinerlei 
inteflectueDe ober moralifdje Ceiftung E^erporbringem Die 
Porsüglidjfeit ber Sinne fteE|t mit ber ber geijligen 5ciB^ig- 
feiten nid^t in gerabem PerE|äItniffe. Der Hlenfdj Ijat 
burdjau5 nid)t feinere Sinne als bie CB|iere. ^) €inem 



^) (5aII mad^t btc tntcrcffantc Bcmcrfung, ber (5cruc^ fei 
ber crftc Sinn. (Hr geftattc btc ©rtcntirung im Haumc (c'est le 
premier sens, qui donne d6jä ä Thomme et aux animaux l'idee de 
distance). 

^5* 



228 ^Inljang: Uebcr ^van^ 3ofeplj (Sali. 

fdjarfen <5eljör braud^cn $♦ S» muftfalifdjc 55Ijtgfcitcn 
unb Spradjocrmdgcn md]t su cntfpredjcn, 3cbcm Sinne 
«ntfprid]t eine befonbere H)elt unb je mefyc Sinne ein 
H)cfen Itatf um fo rcid]cr ift feine Welt Tibet öie 
Sinne ftnb nur 6ie (EIjüren, burd) bie bie IPaljr« 
neljmungen eintreten, n>dre fein E^ans ba, was nüfeten 
bie tEl|üren? €ingel|enb n>ir6 ber (Eajlftnn befprodjen 
unb roirb bie SeE^auptung ConbiDac's 3urücfgen)iefen, 
erji ber Cajiftnn ermöglidje bie Haumn^al^rnel^mung unb 
bie Se5iel)ung unferer £mpftnbungen auf dugere (ßegen* 
ftdnbe* 7>\e ^anb bient bem Hlenfdjen nur besB^alb, 
toeil er bas entfpredjenbe (Setyxn basu i^at 3dj über» 
gel^e biefe Erörterung unb bie Sefämpfung ber Scnfua« 
lijien überljaupt Das IDefentlidje ijt, ba% es überaß 
auf bie (ßel|irntE|ätigfeit anfommt, ba% ol|ne biefe feine 
€rfenntni§ trofe aDer Sinne möglidj voäxe. 

Tindi bie langen (Erörterungen über bie Ueber» 
fdjäfeung ber €r3ieE|ung, bes Klimas, ber Umjiänbc bes 
inbipibueDen £ebens übert^aupt mu§ idj übergeE|em 2lm 
intereffantejten pnb bie oielen 3eifpiele, bie (ßafl's aus» 
gebel|nte Kenntniffe in ber ZXatur* unb Znenfcljen«(ße* 
fdjidjte bartt|un. 

Ztur t|inn?eifen fann idj auf bie lidjtPoDen Erörte- 
rungen <5aII's über feine Stellung sum ZlTaterialismus 
unb über bie 5reit^eit. €r befpridjt biefe Dinge unb 
befonbers bie 5rei£|eitfrage feE|r ausfüljrlid^ , »eil er 
von ben Seijörben einerfeits, t)on ben <5elet|rten anberer- 
feits als JTlaterialift unb 5ötaliji befämpft »urbe» 2>ie 
mirflid? oorl^anbene 5reiE|eit fa§t er als pfydjologifdje, 



n. pfydjologifc^es. 229 

b, lt. als bic Znöglidjfeit bcs gefunden Hlenfdjen, jidj 
oerfd^iebenc ZITotioe oorsuE^altcn unb bamit bcm gmange 
ber Umjiänbe in gctDiffcm (Stabe 3U cntgcE^cn. Die 
ZITotioe finb tljcik bnxdi bk inneren, tl^eite bnxdt bte 
öugeren Umjlänbe gegeben. Setbe mu§ ber 3u erfennen 
fudjen, ber bte ZlTenfdjen leiten toill» 3« erfter Cinie 
bebürfen foit>ol|I ber €r3tel|er, als ber <5efefegeber unb 
bie Hegierenben einer tiefen Kenntni§ ber menfdjlid]en 
Ztatur im gefunben nnb im franfen guftanbe, 3ftid)t 
auf allgemeine Begriffe, fonbern auf bie 3eobadjtung 
ber lDirfIid]feit muffen Dorfdjriften unb €inridjtungen 
begrünbet fein. Sdjematifd^ fann man bie Hlenfd^en in 
fedjs <5ruppen bringen: \, foldje, bei benen bie eigent- 
lidj menfdjlid^en, t^öl^eren 5öl|igfeiten gut entn>idelt ^iriö^ 
bie bemnadj oernünftig, befonnen, n>aE|rt|aft unb geredjt 
jtnb, 2. foldje, bei benen bie tE^ierifdjen 3nftinfte ftarf, bie 
t|öl|eren 5öljigfeiten fdjmadj jtnb, bie bemnadj befdjränft, 
jlnnlidj, leibenfdjaftlidj jtnb, 3. fold^e, bei benen alle 
Criebe, niebere unb E^öE^ere, jlarf pnb, bie bemnadj balb 
im (ßuten, balb im Söfen ausgeseid^net jtnb, Kraft* 
menfd^en mit inneren IDiberfprüdjen, gmeifeelenmenfd^en, 
^. foldje, bei benen nur ein (Erieb, ein Calent, ober ein 
paar ftarf jtnb, n>äE|renb bie übrigen mittelmäßig ober 
unter bem ZITittelmaage bleiben, bie bemnadi als (Senies, 
als einfeitige tEalentmänner ober als ZlTenfdjen mit ein* 
seinen jiarfen Ceibenfd)aften erfdjeinen, 5. foldie, bei 
benen einselne 5äl{igfeiten fd}n>ad{ ober faji gar nidit 
enttoicfelt jtnb, bie meijien aber eine beträAIid^e ^dl|e 
erreidien, bie bemnadj als Cücfenmenfdien als tüd;tige 



250 Jlnl^ang: Ucbcr ^ran3 3ofcpI| (Sali. 

£cute mit umfdiriebcncm Ulangel an Pcrftänbntg o^cr 
Steigung auftreten, 6. foldje, bei öenen aDe (Eriebc, 
untere unb obere, fdjiDadj ober mittelmäßig finb, bie 
bemnadj bie große Ulajfe, ben Durdjfdinittsmenfdjen 
barfteDeij. 2luf aUe biefe Unterfd|iebe neljmen (ßefeU* 
fdjaft unb (ßefefe gar feine Hücfjtdjt. 2)ie 3urijten unb 
bie IHoralipen reben immer nur oom H)iQen fdjled^t« 
roeg, als ob es ein foldjes lOefen gäbe, bas unabE^ängig 
ton ber ® rganifation, pom (Sefd^Iedjt, pom Filter u. (♦ u>. 
rpäre. ^ödjftens bei bem unmünbigen 2l(ter madjt man 
eine 2(u5naljme. ^anbelt ber Hlenfdj böfe, fo E|at er 
fo geiPoHt, aber an bie Unterfdjiebe ber Criebe unb 
5äl:|igfeiten, bie PerfdjiebenB^eit ber äußeren, tpie ber 
inneren Umjlänbe benft man nidjt. Die Pergeljen unb 
bie Perbred)en roerben als Dinge an jtdj betradjtet 
Das (5efefe fagt, biefe unb biefe J^anblungen jtnb Praf- 
bar, w\x beftimmen bafür biefe unb biefe Strafe, unb 
bamit ftnb wir fertig. Die Strafe bleibt biefelbe, mag 
bas betroffene 3nbipibuum fo ober fo befdjaffen fein» 
XDoE|l fpridjt man pon milbernben ober erfd^werenben 
Umftänben, aber man fud^t fle l^auptfädjlidj in ^en 
äußeren Sebingungen unb läßt il:|ren €influß am lüefen 
ber Sad^e nid^t piel änbern. WiU man bie mangelEjafte 
(ßefefegebung auf bie natürlidjen (ßrunbfäfee Ejinmeifen, 
inbem man seigt, ^a% afle (Triebe angeboren finb, unb 
ba^ es nidit vom Belieben bcs ZHenfdien abJjängt, biefe 
ober jene meE|r ober u>eniger E|errfdjenbe Steigung 3U 
traben ober nidjt 3U B^aben, wie er audj nidjt biefes ober 
jenes tEalent fid^ fd^affen tann, ^a^ bie ^anblungen in 



II. pfvd^ologifdjcs. 25\ 

^er J^auptfadjc von 6er Siäxfe bcr angeborenen Criebe 
abhängen, 6ann t^eigt es, feljt ba 6en 5ötalijlen, ber afle 
Derbredjer entfdjulbigen unb ftraflos madjen mödjte. 
3n lOirfUdifeit füE|rt gerabe bie €rfenntntg ber n>aB^ren 
menfdjUdien Xlaint bal^in, eine ftrenge €r5ieE|ung unb 
ein jirenges Hed^t 3u forbern. Denn es ij^ erfidjtlid?, 
öa§ 6er natürlid)e ZHenfdj, fidj felbft überlaffen, getx)öE|n- 
lidj toeber bie genügenbe §a{jl an Hlotioen, nodj t|in» 
reidjenb ftarfe IHotioe in ftdj finben roirb, um bas Un- 
redjt; bie Sdjäbigung ber ^nberen 3U permeiben. IDeil 
mädjtige Criebe unb Ceibenfd^aften ^^n ZHenfdjen be- 
tierrfd^en, muffen Sitte unb (5efefe mädjtige ZHotioe auf« 
fteflen, bie iB^n pom 53öfen surücfB^alten unb 3um (ßuten 
treiben, IDeil aber bie moralifd^e 5r^i^^it fel^r per« 
fd|iebene (ßrabe E^at, weil Keiner gan3 unb in aUen 3e- 
3ieE|ungen frei ift, besl^alb ift bie §uredjnungsfä{jigfeit 
(la culpabilitd Interieure) nie gan3 port^anben unb in 
fel^r perfdjiebenem (ßrabe porE|anben. Diefelbe Ejanb« 
lung ijt für ben einen inbifferent, für ^cn anberen fd)ulb- 
poH, perbient balb ftrenge Strafe, balb ZHitleib. Um 
^en (ßrab ber culpabilite intdrieure redjt 3U beftimmen, 
müßte man feB^r piel tt>iffen, ^en €influ§ Pon 2tlter, 
(ßefdjledjt, KranfB^eit, Cebenslage u, f. w. Wer toeiß 
alles, ^a^ er ein geredetes UrtE|eiI fäflen fönnte? Die 
(ßered^tigfeft ift (ßottes Sadje; ein perftänbiger (ßefefe« 
geber foöte fidj nidjt einbilben, ba^ er bie (ßered^tigfeit 
peripirflidje, €r foUte als bas aöein erreidjbare ^xcl 
bas XDoE|l ber (ßefeöfdjaft betradjten. Die 2(ufgabe 
roäre, Pergel|en unb Perbredjen 3U perB^üten, 



22^ ^Inljang: Uebcr ^xan^ 3ofeplj (Satt. 

cntfd]Kegung i^eroor* 3n bem (Stabe, in bem bie 
t)$i)eren, nur bem ZITenfd^cn eigenen <5runbfräftc enU 
toicfelt ftnb, in eben bem (Brabe wirb er freier, getoinnt 
bie XDiUfür, b* Ij. bos vernünftige IDoDen, bie fjerr- 
fdjaft über bie ben cinselnen 3njlinften entfpredienben 
Strebungen, tritt an Stelle bes triebmdgtgen ^anbelns 
auf ein anfdKiuKdies TXlotw Ijin, bos Demunftmägige 
Ejanbeln aus ber Tlbwäqnnq ber nid^t nur burd) 2ln» 
fdjauung, fonbern burdj Ueberlegung gegebenen TXloüve, 
VvLvdt bie Pemunft unterfdieibet pdj eigentlidj ber ZITenfdj 
oom Cljiere, benn ber 3"teDect iji beiben bis su einem 
gewiffen punfte gemeinfam* 5retHdi fpielt audi bei 
ber ZITeljrsalil ber Znenfdjen bie Vernunft nidjt bie erfte 
Hofle. — 

2ln ben Derfd^iebenflen Stellen fommt <5aII auf bie 
Selbftänbigfeit ber einseinen 3nPinfte, auf bie parallele 
3n>ifdjen ben tljierifdjen unb bm menfdiüdjen Einlagen 
$urücf» ©ie bisljer im 2(us3uge »iebergegebenen allge» 
meinen 2(usetnanberfefeungen bilben bcn Sd]Iug feines 
XDerfes, £r eröffnet es aber mit einer langen, wirflid^ 
gan$ oortrefflidjen ^bE^anblung über ben 5ai^: „ba% aUe 
Äöljigfeiten unb Steigungen angeboren pnb". Wenn es 
audj oE|ne lDieberE|oIungen nid^t abgelten fann, fo n>ill 
idj bodj Einiges baraus »iebergeben. Um <5aII's Per« 
bienfte red^t 3u tpürbigen, mug man pdj baxan erinnern, 
n>eldje ZHeinungen 3U feiner §eit beliebt waren, ba% ber 
fenfualiftifdie Unflnn obenauf war, ba% mit €mpljafe 
gelet^rt würbe, ber ZlTenfdj fomme als unbefdjriebenes 
3Iatt 3ur IDelt, bie firsiel^ung „bilbe" ben ZITenfdjen 



II. pfyf^ologifd^cs. 225 

ev% ber (Et^arafter liänqe von 6cr Umgebung un6 bcn 
perfönßdjen €rfal|rungcn ab u. f* f, Znüjfcn wiv bodj 
xxodi t^eutsutage von bcn „€mpiriftcn" TXlandt^s auspeljeii. 
©ic junge Spinne toebt i{jr Ztefe, ber junge 2lmeifen* 
löme gräbt bie tridjterförmige <5rube in ben Sanb, Me 
3um erjlen IHale ausgeflogene Biene finbet ben Stocf 
n>ieber, bas eben aus bem €i gefrodjene ^üt|ndjen picft 
mit tpunbcrbarer <5efd:]idlidjfcit (5etreibeförner auf unb 
frißt 3nfeften, bie junge Sd^ilbfröte, an ber nodj €ier- 
ftücfe Heben, fried)t birect 3um nädiften XDaffer, bas 
neugeborene Kinb preßt bie 23ruft ber IHutter mit ben 
^änben unb fangt, ebenfo toie bas Kalb unb ber junge 
^unb, ber mit ben 5ü§djen bie gifeen ber eilten tritt» 
2lIIe biefe XDefen E^anbeln fo, nid]t toeil jte fidj überlegt 
traben, ba% il^r Perfal^ren 3u it^rer €rt^altung nötl|ig ip, 
fonbern weil bie Ztatur it^ren Bebürfniffen suDorgefommen 
ift unb it^nen it^re Criebe mit auf ben lOeg gegeben 
iiat Ztirgenbs ift (ßemoB^nEieit, Selet^rung, (grfaljrung» 
Die Ct^iere mit Kunfttrieben bauen it^re lOot^nung, 
fpinnen iB^r (ßewebe u» f» w. ofyxc Unterridjt, ^fle 
CE|iere toiffen oE|ne IDeiteres, was it^re Hat|rung ift, bie 
Siene fliegt fofort 3ur SIütB^e, bas Sdiwexn frißt gierig 
bie erfte €idjel, bie es finbet, bie ^atxpe fennt bas iljr 
3ufagenbe Caub. XDas fdjäblidj ijl, bas meiben bie 
CE|iere, et^e fte es fennen. Die infectenfreffenben Pögel 
oermeiben bie iE^nen fdjäblidjen 3nfecten, bie Kulj 
läßt bas giftige Kraut fteljen. Das (£idjl|örndjen öffnet 
bie Huß an ber Spifee unb bearbeitet bcn Cannen3apfen 
oon unten. Der fjamfter fammelt Porrätl^e, ber ^unb 

Zndbins^ Znatt^emattfer. 15 



226 ^Int^ang: lieber gratis 3ofepI| (Sali. 

un6 ber Habe verbergen bic übcrpüfftgc Xlahivnnq. Vcx 
3agbt|un6 iaqt ot^nc Unterrid)t. ©as 5rettdjen, bas in 
einem Haften mit IHildj aufgesogen toorben ift, gerätl> 
»beim erften 2(nb(ide eines Kanindjens in Wntl:^ nrib 
biefes erfennt beim erjien IHale feinen Cobfeinb. Kamen 
6ie Ct^iere ot^ne iE|re fertigen 3nftinfte 3ur XDelt, \o 
gingen fie einfadj 3U (ßrunöe. Xlxdit 5inne5n>at|r» 
net^mungen, nid^t angeborene Porpeflungen, nidjt He* 
flfe^ion, nodj Unterridjt fönnen öen 3nftin!t erfefeen. 
€benfo wie bie 5äl:|igfeiten, finb bie 2Iffecte angeboren. 
Befriedigung unb Un3uf riebenE^eit ; Pergnügen ixnt> 
Sd^mers, 5t^ube unb Craurigfeit, Kummer, 5urd|t, 
Sdjam, €iferfudjt, §orn u. f. w, finb eben fo piel innere 
Suftänbe, bie Cl|ter unb Hlenfd? nidjt madjen, bie pe 
emppnben, o{jne PorE^er ^axan gebadet 3u hiahen. Die 
Effecte entfteE^en je nadj ber angeborenen Einlage ol^ne 
aöe IDiflfür, fie [xnt> bas erfte TXial fo bejlimmt, fo ftarf, 
fo lebE|aft roie nadj E^äupger XDieberE|olung. £iaben bie 
inneren guftänbe eine gemiffe Stärfe, fo pnb pe mit 
beftimmtcn Bewegungen perfnüpft, bie ebenfo unrpiUfür» 
lidj toie jene pnb unb immer bepimmten §weden enl* 
fpred)en. TXlan 3ieE|t bas (5Iieb 3urüd, man büdt pd] 
bei gewiffen (ßefal^ren, ol^ne 3U benfen. 'Der Säugling 
fdjreit, toenn er Ejunger i(at, oE^ne 3U toiffen, ba^ er 
baburdj bie ZHutter E^erbeiruft, unb ebenfo fdjreien bie 
nodj blinben jungen ^unbe nadj ber ZHutter» 

XDenn ber UTenfd) anfängt, über bas, n>as er füljlt 
unb tE^ut, 3U benfen, bann glaubt er, er bringe feine 
5äE|igfeiten E^erpor. Por foldjen 3r^t^ümern fdjüfet am 



IL pfvcf?ologtfd?C5. 227 

bcjicn bie Scobad^tung bcs Ct|ierleben5. Da^ bte 3"* 
fünfte ber tEE|icrc atigeboren ftnb, bas fann fein X>er- 
ftänbiger bestpeifeln. 3eobadjtet er aber, ba§ bie (Triebe 
bes UTenfdien 3um Cl^eil gans biefelben jtnb tpie bie ber 
CB|iere, ba% gerabe ^as IDefentlidje E|ier nidjt anbers ift 
als bort, fo fann er nidjt anneljmen, ba% bie menfd)» 
lid^en €igenfdjaften einen gans anberen Urfprung liahen 
als bie tE|ierifd?en. 5reilid| E^at ber ZlTenfdj 5äl?igfeiten, 
bie bie CE|iere nidjt E|aben, aber er I^at audj J^irntE|etIe, 
bie bie Cl^iere nid|t baben. XDenn toir fetten, tx)ie ber 
ZHenfdj Segriffe bilbet unb Sdjiüffe sieB^t, loie er bie 
(ßefefee ber Ztatur erfennt, bie ©berfliädje ber (£rbe er^ 
forfdjt, Sonnen- unb ZHonbfinjIerniffe beredjnet, feine 
(ßebanfen 3u bem (5öttlidjen ert^ebt, fo muffen toir nidjt 
glauben/ biefe 5ät|igfeiten h(abe er erfunben, ober fie 
feien bas XDerf sufäUiger Umjiänbe. 2)em ZHenfdien ift 
fein Cl^un oorgefdjrieben tt>ie bcn Ct^ieren unb wie biefe 
I^anbelt er nur feiner angeborenen ©rganifation gemä§, 
3n u)unberlidier XDeife Bjat man bie 3ebeutung ber 
Sinne überfd^äfet 2)ie Sinnesemppnbungen fönnen 
feinerlei 5äl?igfeit, ober Crieb, ober (ßefütil, feinerlei 
inteöectueDe ober moralifd^e Ceiftung E^erporbringen, 2)ie 
Porsüglidjfeit ber Sinne peE|t mit ber ber geizigen 5äl|ig» 
feiten nid^t in gerabem DerE|ältniffe. Der Hlenfdj E^at 
burdjau5 nid^t feinere Sinne als bie CB|iere. ^) €inem 



^) (Sali mad^t btc tntcrcffantc Bcmcrfung, ber (Scruc^ fei 
ber crftc Sinn. (Hr ^e^tatte btc ©ricnttrung im Haumc (c'est le 
premier sens, qui donne d6jä ä Thomme et aux animaux l'id^e de 
distance). 

^5* 



250 ^Inl^ang: Uebcr gratis 3ofcpI| (5aII. 

£cute mit umfd)riebcncm TXlangel an Perflänbnig ober 
Steigung auftreten, 6. foldje, bei benen aQe Criebe, 
untere unb obere, ^diwadt ober mittelmäßig jtnb, bie 
bemnadj bie große Ulajfe, ben Durd|fd?nitt5menfdjen 
barfteflen. 2luf aUe biefe Unterfdjiebe net^men (ßefcfl* 
fd)aft unb (ßefefe gar feine Hücfpdjt. Die 3iirijten unb 
bie Znoralijlen reben immer nur pom XDiflen fdjiedjt« 
toeg, als ob es ein foldjes lOefen gäbe, bas unabt^ängig 
t)on ber ® rganifation, pom (ßefd^Iedjt, Pom Filter tu f. w. 
rpäre. ^öd^ftens bei bem unmünbigen 2tlter madjt man 
eine 2(usnaljme, ^anbelt ber Hlenfdj böfe, fo B^at er 
fo gewollt, aber an bie Unterfdjiebe ber Criebe unb 
5äl:|igfeiten, bie Perfd^iebenEieit ber äußeren, tt>ie ber 
inneren Umftänbe benft man nid^t. 'Die DergeB^en unb 
bie Perbredjen u)erben als Dinge an pdj betradjtet 
Das (ßefefe fagt, biefe unb biefe fjanblungen finb praf- 
bar, u)ir beftimmen bafür biefe unb biefe Strafe, unb 
bamit finb mv fertig. Die Strafe bleibt biefelbe, mag 
bas betroffene 3nbipibuum fo ober fo befdjaffen fein» 
Woh(i fprid^t man pon milbernben ober erfdiroerenben 
Umftänben, aber man fudjt fie l^auptfäd|lidj in ^en 
äußeren Sebingungen unb läßt iB^ren €influß am lOefen 
ber Sadtie nidjt piel änbern. WiVi man bie mangelEjafte 
(ßefefegebung auf bie natürlid)en (5runbfäfee t^inipeifen, 
inbem man seigt, ^a% afle Criebe angeboren finb, unb 
ba^ es nid)t pom belieben bes ZHenfd^en abt^ängt, biefe 
ober jene meE|r ober roeniger B^errfdjenbe Steigung 3U 
E^aben ober nid^t 3u E|aben, xvie er audj nid^t biefes ober 
jenes tEalent jtd^ fdjaffen tann, t>a^ bie J^anblungen in 



n. pJvd?ologtfd?c5. 25\ 

^er ^auptfad^c von 6cr Stärfe ber angeborenen (Eriebe 
abt^ängen, bann Ijeigt es, feE|t ba ben 5atalij^en, ber afle 
Perbredjer enlfdjulbigen unb ftraflos madjen mödjte, 
3n lOtrMid)!eit füt^rt gerabe bte €rfenntnt§ ber maleren 
menfd|ltd)en Xlaint bal^in, eine ftrenge (Erstellung unb 
ein jtrenges Hed^t 3u forbern. Denn es ift erfidjtUd?, 
^a^ ber natürlidje ZHenfdj, jtdj felbjl überlajfen, geu)öE|n- 
lidj toeber bie genügenbe §at|I an TXlotwen, nod| E^in» 
reidjenb jiarfe UTotioe in jtd^ finben toirb, um bas Un- 
red)t; bie 5d|äbigung ber Ruberen 3U permeiben. IDeil 
mädjtige Criebe unb Ceibenfdjaften ben Znenfd^en be- 
lierrfd^en, muffen Sitte unb (5efefe mädjtige ZHotipe auf- 
fteöen, bie iB^n oom 53öfen surücR^alten unb 3um (ßuten 
treiben. IDeil aber bie moraltfdje 5r«^«it fel^r per* 
fdjiebene (5rabe t|at, meil Keiner gans unb in aflen Se» 
SieB^ungen frei ift, besE|alb ift bie §uredjnungsfät|igfett 
(la culpabilitd intdrieure) nie gan3 PorBjanben unb in 
fel^r perfdjiebenem (ßrabe PorBjanben. 'Diefelbe Sian^» 
lung ij^ für ^cn einen inbifferent, für ben anberen fdjulbs 
PoH, perbient balb ftrenge Strafe, balb ZHitleib. Um 
ben (ßrab ber culpabilit(§ Interieure red^t 5U beftimmen, 
müßte man fel^r piel tt>iffen, ben €influ§ Pon ^Iter, 
(ßefdjled^t, Kranft^eit, Cebenslage u. f. xo* Wex XDei% 
aöes, ba% er ein geredetes UrtB|eil fäflen fönnte? 2)ie 
(5ered]tig!ett ift (5ottes Sad^e; ein perftänbiger (5efefe- 
geber follte fidj nidjt einbilben, ba% er bie (Sered^tigfeit 
pertt)irflidje. €r foöte als bas aöein erreidjbare §iel 
bas Wolil ber (ßefeöfdjaft betradjten. Vxe 2(ufgabe 
n>äre, Dergel|en unb X>erbred)en 3U perE|üten, 



232 ^(nljang: Ueber ^ran3 3ofepb (Sali. 

bie Ucbcitljdter 3U bcffcrn (corriger), fotocit 
fic aber nid^t ©erbeff erltdj fi«^^ ^i^ (ßefell* 
fdjaft t)or iljnen 3u fdjüfecn. 

H)tc bei Scurtljeilung ^er 5traftl|at, fo iji audi bei 
53«mcjfung ^cr Strafe bic 3nbioibuaIttät bcs tEt^ätcrs in 
erfler Cinie 3u berücfjiditigcn» Die (ßlddjt|cit oor bem 
<5cfefee ip btc größte Ungercdjtigfcit, bcnn was für bcn 
einen gleid^gilttg; oielleid^t fogar XDoI^ItE^at ift; bas ift 
für ^en anberen fd?ix)ere Strafe. 3d^ überget^e bie 
Erörterungen über bas Straf irefen unb bas (5efängnig* 
toefen insbefonbere, E^ebe nur nod^ l^eroor, ^a% (Ball 
flreng unterfd^etbet 3n?ifdjen ^en eigentUdjen Perbredjern 
nrib jenen, bie aus Ceidjtjtnn, HotE|, €eibenfd)aft u. f. xx>. 
3U (5elegent|eitperbredjern geworben ftnb» ^usfütirlid; 
tEjut er bar, ba% bte feE|(erBjafte ©rgantfation bie eigent* 
Bdje Urfadje bes (ßemoE|nl^eitoerbred)en5 ift, ba% bal|er 
bei ben eigentlidjen Derbred^ern von Heue unb Sefferung 
gar feine Hebe ift. 3^^^ Hatur treibt jte 3um Söfen, 
fte freuen unb rüt|men fidi it^rer Cljaten, unb alle Se* 
feEirung ijl fjeudjelei. 

€ine lange 2tbBjanbIung ift enblidj ber Derminbe* 
rung ober ^ufE^ebung ber 5reiB^eit bei (ßeiftesfranfen 
geroibmet (5aII bejtfet 3ipar audj auf biefem (5ebtete 
(£rfaljrungen unb tl|eilt eine Heitre oon Kranfen» 
gefdiiditen mit, inbeffen feljlt iE|m bodj Ijief bie intime 
Sefanntfdiaft mit bem tEt^atfädjIidjen, er fdjliegt jtd] in 
ber J^auptfadie ben ^nfd^auungen pinel's u. 21, an, 
n>idjtige neue <5ebanfen finb t|ier nid|t 3U finben. 
^erDör3uBieben aber ift, ba% (5aü mit großer KlarE^eit 



II. p)yd?olo9tf(^cs. 233 

bie Ccipcsfranfljciten als (SeltxtntxanfiiexUn^) auffaßt, 
ooIHommen in ^cm Sinne, it>ie von es Ijcutc tl|un: Les 
alidnations sont des maladies du cerveau. Heureusement, 
de nos jours, Ddmocrite ne retrouverait ses Abd^rites 
que parmi certains mdtaphysiciens. Si Ton veut combattre 
des opinions dangereuses dans leurs consequences, que 
Ton combatte Celles qui condamnent ä im cruel abandon, 
et rel^guent dans des loges infectes des victimes mal- 
heureuses, qui mdritent toujours notre compassion, et 
souvent notre estime. On n'ose arreter ses regards sur 
les Etablissements pour les alidn^s, encore tellement dE- 
fectueux dans la plupart des pays, qu'ils ne sont que les 
monumens honteux de la plus profonde ignorance. 



*) pincl erüärtc, ber primäre Stfe bcr IHanic fei in ber 
inagengegenb. (Hsquirol fagtc, balb feien bie (Enbcn bes tlerpen» 
fyftems nnb bie ^erbe ber (Hmpflnblid^feit an perfd^iebenen Stellen 
bes Körpers, balb ber Dcrbauungsapparat, balb bie £eber unb 
il|re 2lni|änge 3uerft ber 5ife ber (Setftesfrantbeit. 



III. plfYftoIogifd^cs. 



Die pl^YJtologie bcs (5cE|irn5 eröffnet (ßaD mit 
einer gefd^id^tlidien Darlegung. €r fdjtibert junäd^ft We 
alten PorfteUungen pon t»er Seele uu6 seigt, u>te bie 
ZnetapB^Vfifer pd? jeber geit bem 5ortfd^reiten ber Ztatur* 
er!enntni§ in ben lOeg gebellt E|aben. (£in beträdjtUd^es 
^inbernig bes 5ortfd:]ritte5 tpar bie Sdjioierigfeit, ben 
3au unb bie 5un!ltonen bes Heroenfvftems 3u begreifen. 
J^ippofrates B^ielt ^as (Sctyvn für einen Sdtiwamm, ber 
bie 5Iüffig!eit bes Körpers ansöge, ^(riftoteles E|ielt es 
für eine Blutlofe feud^te UTaffe, bie bie 3eftimmung h(abc, 
bie XDärme bes fjersens 3U mäßigen, pra^agoras, 
pliftonicus, pE^ilotinus unb anbere 2(natomen meinten, 
bas (5eE|irn fei nur ein einfad^er ^nswndis bes Hüden« 
marfes, ber mit ^cx\ (£mpfinbungen nid^ts 3U tE|un Ijabe, 
Znifticelli nannte es eine unregelmäßige unb unorganifdje 
ZHaffe, 2lftruc eine fd^tpammige Subftans. Diele glaubten, 
es fei eine 5ortfefeung ber Blutgefäße. tErofe ber befferen 
(ginfidjt ber steueren glaubte nodj ZHalpigl^i, bas (ßeB^im 
fei ein padet unförmlid^er unb pertpirrter (£ingeu)etbe, 



III. pl|vfiolo9tfd?c5. 235 

unb 2lnt»cre crflärtcn, es fonberc nur reine Säfte ah. 
Sabatier unb Boyer 3ät|Iten es 3U ben fccernirenben 
unb e^cernirenben ©rganen. 3idjat fat| im J^irnmantel 
eine Sd^ufebecfe für bie an ber Safis gelegenen tEEjeile. 
ZHandje Ijalten nodj an ber Cel^re (5a(en*5 fejl, bas (ße« 
E|irn fonbere in feine Pentrifel bie Cebensgeifter ab unb 
pertt^eile pe burdi bie Girierten an bie anberen C^eile 
bes Körpers, 

'Die IHett^obe ber (ßeE|irnunterfudiung war bisl^er 
B^ödjjt mangelE|aft unb bod| glaubte man, es fei nidjts 
mel|r ju entbecfen. ZHecfel meinte, bie J^auptfad^e fei 
nodi, bcn Urfprung ber ZTeroen fejl3uftellen, eine ^uf» 
gäbe, ber fidj bann Sömmering suwanbte. Xtadi ben 
2trbeiten von Dicq • b'^tsyr , von prodjasfa unb ben 
53rübern IDenjel fd^ien bie 5orfd^ung beenbigt 3U fein 
unb peter 5rcinf fagte 3U (SaU, es fei eine lädierlid^e 
2Inmaa§ung, nodi Zteues ftnben 3U wollen, €in toaEires 
Derpänbni^ mar nur burdi pergleidjenbe 2(natomie unb 
pergleid^enbe pE^yfloIogie 3U erlangen, jebod? bie 2tnatomen 
perglidjen ZHusfeln unb Knodjen, liefen bas (ße{jirn bei 
Seite, bie pl^ypologen fanben bie Cl^iere mit bem ge« 
B^eimnigooDen 3nftinft ah, ber, toie bie Seele beim 
^Henfdjen, afles lOeitere unnötB|ig madjte, 

XDenn man aud^ mit ber §eit bat^in gefommen 
wav, bas (ßeB^irn als ®rgan ber Seele an3ufeB?en, fo 
blieben bod^ bie 2lnfidjten tjödij^ unjtd^er unb u)iber« 
fprud^spofl. TXlan perlor piel geit mit Spefulationen 
unb mit bem Sudjen nad| bem Seelenftfee, etiles 
brängte auf bie €inljeit unb toenn €inige auf (ßrunb 



236 2lnl^ati4j: lieber ^Jranj Jofepl^ (Sali. 

von (EI|atfad?cn pdj 3ur Tinnaiimc einer ZneI|rE^eit oon 
Seelenorganen gebrängt füE^Iten, fo empörten fold^e 
CeE^ren bie TXieimalil, öie „bie €inE^eit öes 3dj'' oer» 
fünbete. Umfonfi fagte man il^nen, ba§ öodj aud? bas 
automatifcf^e Ceben, bie roiUfürlicf^en Seroegungen, bie 
Sinnesempftnbungen burcf^ eine ZHel^rl^eit von ©rganen 
©ermittelt roerben, oE^ne ba§ barnnter bie fiin^eit bes 
Cebens nn^ bes 3d? litte, pe blieben bei il^rer einfadjen 
Seele. 

Die 2lffecte, Ceibenfd^aften, Criebe, Steigungen t)er- 
legte man 3i»ar längft vov Cabanis in ben ® rganismus, 
aber man fudjte jte nid^t im (5eB^irn, fonbern in anberen 
©rganen; ZITit 2lu5naJjme von Surfl^arb, van Swieten 
unb Einigen erflärte man jte mit bem Temperament, 
oerfefete jte in ^as Slut, bie ®rgane bes Unterleibes 
ober ber Sruft, in bie (ßanglien ober bie fympatl^ifdjen 
Ztert^em „(Siebt es nid^t I^eute nod? 2lnatomen, bie er« 
Wären, bas (ßeJ|irn fei nid^ts anberes als bie Concen- 
tration aller Zteroen, bie Queue aller Zteroen unb ein 
Compojitum iB^rer €nben? lüie fann man ^ann im 
(ßeljirn anbere 5unftionen fudjen, als bie ber Sinnes- 
nert>en, ber motorifd^en Zteroen unb ber Zteroen bes 
organifd^en Cebens?" Die fjerren Commiffäre bes 
3nftitut5 liaben mit einer 2lrt t>on Sefriebigung erflärt, 
man i»iffe burd^aus nidjt, mit u^eldiem (Etjeile bes (5e* 
bims man bie geiftigen 5äB^igfeiten in Sesiel^ung 3U 
fefeen Itahe» 3nbeffen, fagt (Sau, lel^rt bie t>er- 
gleidjenbe pj^vfiologie mit aller Sejiimmt- 
Ijeit, ^a% nidjt beliebige (5eBjirntE^eiIe in 



m. pl^vftologifd^cs. 237 

Setradjt fommen, fonbern etnstg unb allein 
bic ^emifp^dren, ba% bte lOinbungen ber 
(5eJ|irnrinöe mit aller SepimmtBjeit als bie 
<£nöigung ber ZteroenbaE^nen unb als Sife 
aller intellef tuellen unb moralifd^en 5unf- 
tionen 3u betrad^ten finb» 3m fjinblicfe auf Wefen 
unsiüeibeutigen ^usfprud? I^at man baran fePsuJ^alten, 
bag ba, wo in öer 5oIge (ßaH oom (5eJ|trne fd^Ied^toeg 
fpridjt, an bie ^emifpl|ären, bes. ^^e lOinbungen 3U 
bcnhn ift. Diefer ^usfprud) allein bemeift, bag (ßaH 
I^odj über feiner gett ftanb. IHan benfe 3. Ä an bie 
Erörterungen ber 3rrenär3te in ben erften 3aE^r3eJ|nten 
bes 3a^rBjtt"^«rts über (ßeipesfranfJ^eiten burd) (£r* 
franfung einselner ®rgane, fei es bes fjersens, bcr 
Ceber ober fonp eines CE^eiles. 

Don ber Seweisfülirung (BaTs ift nur IDeniges 
wiebersugeben, ^a bie meiften feiner Darlegungen uns 
als felbfiperftänblid? oorfommen, (Er fe<3t auseinanber, 
^a^ fein anberer (EJ^eil bes Körpers als bas (5el^irn 
5ife ber ^emu^tfeinserfd^einungen fein tonne, fdmpft 
gegen Cabanis, Sid^at unb x^ve Sdjüler, wobei mandje 
inigperfiänbniffe unterlaufen, ftettt (Erörterungen über 
bie Temperamente an. Die poptioen Seweife bafür, 
t>a^ bas (5el^irn t>as 0rgan aller intefleftuetten unb 
moralifd^en 5dljigfeiten fei, ^\nt> folgenbe: ^. 3" ^«"t 
(Stabe, in bem pdj in ber Heilte ber (EJ^iere bie geiftigen 
5&I?igfeiten entmicfeln, ftnben wxx bas (5eBjirn entroicfelt 
2. 3"^ 3"^i»ibuum Bjdft bie (Entwicfelung ber geiftigen 
5dl^igfeiten mit ber bes (5eJ|irns gleidjen Sdjritt. Seim 



238 2Inl^ang: Uebcr ^ran3 Jofcpl^ (Sali. 

Xteugeborenen bilbet öas (5cB^trn eine weiclje ZITaffe, in 
öer nur E^ier unb ba Zteroenfafern 3u ecfcnnen ftnb; 
man jiel^t il^rcr mel^r in öcn mittleren nn^ B^interen 
Wappen als in ben oorberen*); nad? einigen ZHonaten 
xvädi^ bas Stirnl^irn jlarf, bie Stirn bes Kinbes wölbt 
jtdj, feine iiödi^e fintroicfelung erreidjt bas (ßeB^irn t>om 
20. bis 3um ^0. ^atixe, ^ann tritt StiUftanb ein, enblid> 
fdjtt)inbet früB^er ober fpäter ber Curgor, bas (5el^irn 
perHeinert jtd? unb roirb allmäl^lidj beutlidj atroptjifd^. 
3» 3n ^usnaB^mefäflen tritt eine oorseitige (Entroicfelung 
ber meinen ober einiger geiftigen 5äljigfeiten ein (lOunber* 
finber). Diefe Kinber iiaben Qcwöfyxlxdt einen sarten 
Körper, aber einen großen Kopf. 4» ZHdnner unb 
IDeiber J^aben oerfd^iebene 5äE^igf eiten , bie einseinen 
Znenfdjen, bie 5ömilien, bie Dölfer finb geiftig oer» 
fdjieben: in eben bem <5rabe ijl audj ber Kopf, bes. 
bas (Selixxn perfd^ieben ^). 5. lOeber bas (5ro§E^im, 
noä] bas KleinE^irn pnb 3um automatifd^en ober organi' 
fdjen Ceben unbebingt nött^ig. Der größere (Et^eil bes 
<5eljirn5 muß baJ^er bem animaUfdjen teben bienen. 
6. 3ntDietDeit bie (ßet^irne jtdj gleidjen, gleid^en pd| bie 
geiftigen ^ät^igfeiten. Sei ^en Zllenfdjen ijl bie 2lus- 



^) 2ln einer anberen Stelle beseid/net (Sali als bie 3uerft 
entmicfelten (El^eile ber IDinbungen les lobes moyens lateraux, alfo 
bie (£entralipinbungen. 

2) a. a. (2). fagt (Sali, man fönne, abgefel^en von (Srö§en= 
unterfd/ieben, befonbers unterfd/eiben (Seljirne mit oielen fleinen 
lüinbungen unb fold/e mit menigcr 3al|Ireid/en , aber bicfen 
lüinbungen, man ftnbe aud/ (Sel^irne, bie am einen 0rte feine, 
am anberen breite IDinbungen Iiaben. 



III. pl^vftolpgifd^cs. 23^ 

bilbung bcr lOinbungcn oerfd|icben, !ommen acccffocifdie 
IDinbungen oor, im Uebrigen ift bas (ßcljirn 3U allen 
gelten unb bei aücn Haffen baffelbe. DaJ^er ^abcn aUe 
Znenfd)en biefelben (Eriebe, Säliighxtcrx, Ceibenfdjaften 
bis auf <5rabunterfd|iebe» TXlan fönnte bie <5atlungen 
unb bie 2lrten ber CJ^iere nadi ber 5orm bes ©el^irns 
eintl^eifen, benn bie 5orm bes (Setyxns if! bei jeber ^rt 
biefelbe; fo oerfd^ieben ein IDinbB^unb unb ein Vadts» 
fyxn^ ausfeilen; iB^re <5eJ|irne finb in aflem IDefentUdien 
gleid). 7. Wix fül^Ien, ^a% bie geiftigen CJ^ätigfeiten im 
Kopfe oor ftd| gelten, Ueberanftrengung, Kopffd^mers 
u. f. w. 8. 3^^^^^ S^it ift man fldj barüber flar ge» 
mefen, ba% bie geiftigen 5ä^igfeiteh in bireftem VcthiäiU 
niffe 3ur €ntn>icfelung bes (ßeE^irns ober Kopfes fietieu;. 
benn bie ^Iten fteHten einen pljilofopljen mit mädjtigem 
Dorberfopfe, einen 2ltJ|Ieten mit einem ffeinen Dorber- 
fopfe bar. % 3" ^^^ (5rabe, in bem bas <5eljirn 
mangelt^aft ift, ^m^ andi bie geiftigen S^il^igfeiten mangel- 
I^aft: 3^iotie, Serjtörung oon (5eE)irntJ|eiIen. \0. 2lfle 
tEJ^eile, einfd|(ie§Iidj bes Hürf enmarfes, fönnen befd^äbigt 
»erben, oJ^ne ^a% bie geiftige Cljätigfeit leibet. U. Sei 
jeber Sefd^äbigung ^es (5eJ|irns aber leibet bie geifKge 
CJ|ätigfeit ober fte I^ört gan3 auf. .\2. Umgefeljrt, bd 
<5eiftesfranfl^eiten ijt ftets ^as (SeE^irn franf, wmn arxdi 
unfere ZITittel nid)t immer ausreid^en, bie Deränberungen 
beutlidj 3U madjen. ^fle \2 5äfee merben ausfül^rlidi 
befprod^en unb mit Seifpielen belegt. Sefonbers ein* 
geJ^enb certl^cibigt (Sau t>m 5ai^, ^a^ bie (ßeifiesfranf-^ 
Breiten if)ren 5ife (siege immddiat) im <5el^irn iiabcn. 



2^0 ^Inljang: Ueber ^ran3 3ofcpl^ (Sali. 

TXlan bringe bagegen oor, ba§ große Perlefeungen u. f. w. 
^es (5el^uns in bejfimmten 5^0^^" ^i^ geijHgen Sätl^Q* 
feiten nid^t beeinträd?tigt Ratten. Soldie SäUe feien 
eifrig gefammelt roorben, llieik um geroiffer (ElKorieen 
roillen, tE^eils um bie Sudjt nad? bem IDunöerbaren ju 
befriedigen. 2ln einseinen 3eifpielen seigt (Raü, roie 
wenig l^ertrauen biefe IDunbergefd^idjten oerbienen. 
Znan bel^aupte ferner, ba§ man trofe beträd^tlidjer 
<Seij!esjlörung bas (5eJ|irn normal gefunden liahc. TXlxt 
einiger Sitlerfeit füljrt (Sau ans, ba§ bie 2ler3te, bie bei 
B^artnärfigen ©eijiesfranfen I^arte (5el^irne, bei weidj* 
mütl^igen ujeidie ftnben, öie beJ^aupten, bei (Seiftesfranfen 
l:iahe bas Meine (6et|irn ujeniger Blätter als bei (ße» 
funben, 6ie bei blöbpnnigen fjvbrocepE^alifdjen gar fein 
<ßet|irn gefunden liaben, bie oon oerfnödjerten unb per« 
oerpeinerten (ßel^irnen reöen, nid^t fet^r befäi^igt 3ur 
Unterfud^ung feien unb öag überl^aupt bie Kenntnig bes 
iSel^irns 'nid?t foweit gebiet|en fei, um fagen ju fönnen, 
tiefes (Sel^irn ift normaL ^at man benn, fragt er, bei 
Cetanus, bei Habies, bei fipifeppe, bei bejHmmten 
Cdl^mungen etwas ^uperläfpges gefunden, unb glaubt 
man nid|t öodj, öa§ es pdj um Kranftjeiten bes Zteroen« 
fvPems BjanMe? (EB^atfädjUdj ftnbe man, je Idnger eine 
ißeijtesfranfl^eit gedauert liabe, um fo tjduftger Peränbe- 
rungen öes (ßeJ|irns unb feiner ^dute, feiner (ßefdge. 
Um 5U uDiffen, meldte Perdnberungen bie geijHge (Et{ätig' 
feit pören unb u?eld?e nidjt, müßte man wiffen, tpeld^e 
5unftion bie einseinen ^irnttjeile liahcn, benn bejiimmte 
Störungen fönnen nur oon beftimmten Cdponen ab- 



III. pf^yjtologifd^cs. 2^\ 

Ijängen. €tne genaue Unterfud^ung bcs Kranfen unb 
«ine genaue Unterfud^ung bes (ßeBjirns muffen einander 
entfprecften. 3isl^er aber feien bie flinifdjen eingaben 
in ber Hegel ebenfo mangeIJ|aft rote bie anatomifd)en. 
^Die perfonen, bie nadj einer (5el|irnerfdjütterung, einem 
Sd^IagPuffe, einer ©el^irnentsünbung bas lOortgebäd?tni§ 
perloren ^aben, pdj aber fonjl auf alles bejtnnen fönnen 
nrib Urt^eifefraft beroeifen, Ijaben bie nidjts oerloren?" 
ZlTan möge nur nidjt immer von <ScMditnx%, 3nteIIigen3 
u. f. xx>. im 2HIgemeinen reben, fonbern bebenfen, ba% 
umfd^riebenen (ßel^irnfiörungen umfd^riebene (ßeijles* 
Pörungen enlfpredjen fönnen. (Sau polemijtrt gegen 
pinel u* TL, bie ^m 5ife von (Seij^esfranlE^eit (le sidge 
primitif de cette alidnation) im ZHageu; in ber Ceber 
u. f. w. gefudit B^aben, mit oortrefflid^en (ßrünbem ^ätte 
man auf itjn geBjört, fo roären uns oiele lE^örid^te ^b* 
t^anblungen unb pfvdjiatrifdje 3rrtJ|ümer erfpart roorben. 
^<£s ift mirflidj traurig, ^a% man ^en ZHännem gegen« 
über, bie bie narjien PorfleHungen von ^en (ßeijles- 
franftieiten J^aben mügten, erjl bemeifen foH, n>o ber 
wallte 5ife ber (5eifiesfranf^eiten ift" — 

Der 2. 2lbfdjnitt ber ptjYftoIogifd^en Celjre E^anbelt 
von ^en Ulitteln, aus ber Sefd^affenl^eit bes (ßeliims 
auf bie geifHgen 5ä^ig^iten 3u fdjiiegen. ZITan I^at 3u- 
nädi^ ^i« abfolute (ßrö§e bes (5e^irns mit ber 5unftion 
t)erglid?en: je größer bas (ßel^irn, um fo größer ber 
<5eifl. Die oergleid^enbe 2lnatomie seigte, ba% bie 5ad^ 
nid^t fo einfad? x% Der €IepB?ant unb ber tOattftfdj 
f:taben ein größeres (ßel^irn als ber ZlTenfd], bas pferb, 

Znöbins^ Znatt^ematifer. \6 



2^2 2InI?ang: Ucbcr ^xani 3ofcpl^ (Sali. 

ber ©djfe ein größeres als öer ^unb, ber 2tffe; lOoIf^ 
Sdjaf, 5d?n>cin unb (Eiger hiaben bas (5etjtrn ungcfäE^r 
gleid? gro§, bie ficinen Dögel mit Meinem <5eB|irne seigen 
oortrefflid^e Sä\:^hxtm u. f. f. Ztlan t)erlie§ pdj nun 
auf bie refatipe (5etjirngrö§e. €5 feien nid^t nur (5e» 
toid^t unb (5rö§e bes Körpers in Selradjt 3U siet^en, 
fonbern man muffe audj bie fintoiJelung bes Hürfen» 
marfes nrib ber Zteroen bebenfen, (Ein großer Cl^eil 
bes (5el)irns fei 3um Dienfte ber Sinne unb ber Se» 
roegungsorgane beftimmt, alfo fei, roenn biefe grog feien, 
aus ber (5röge bes (ßeljirns nid^t bireft auf bie ber 
geifiigen 5ä^igWten $u fd^Iiegen. Diefe ^uffaffung liat 
im allgemeinen bas Hid^tige getroffen. 3"^^ff^'^ ^^^^f 
man nidjt ©ergeffen, t>a% pe nidjt abfolut rid^tig ift 
Xladi Sömmering, ^lumenbadj, £upier u. 21. iiahen ber 
Sperling, bas HotE|fet|Idjen unb anbere Meine Pögel ein 
relatip größeres (5eB^irn als ber ZlTenfd]. Tixxii ift es 
fet^r fdjtt>er, bie relative (5eJ|irngröge genau 3U be- 
ftimmen. TXadi Cuoier oerJ^ält [xdi beim €rtt>adjfenen 
bas (ßeE^irn 3um Körper u?ie \ : 35. 3n It>al^r J^eit 
finbet man \ : ^0, 50, ja 60. Cuoier fagt nidjt, ob er 
bie 2lnB^änge bes (SeJ^irns alle entfernt ^ahe, wie alt 
feine Subjecte geujefen [xnb u. f. f. Sdion ^aUer I^dt 
bemerft, ba% bas relatioe fjirngewidjt in ber Kinb^eit 
gröger ift als fpäter. Das Körpergewidjt änbert pdj 
nadj ZlTagerfeit unb Dirfe, bas (5eJ|irngett)id]t änbert 
pdj babei fo gut u?ie nxdit 

TXlarx liat u?eiter ^as Perl|ältnig 3tt>ifdjen <5etjirn 
unb 2^erpen 3um TXlaa^e gemad^t. 3m 2tflgemeinen ift 



III. plivftologifd^cs. 2^5 

öie Helation 3U (5unflen bcs Ulcnfcljen, allein beim 
2tffen, bei geroiffen SeeBjunben unb l^ögeln ifl Me Sadje 
3tt)eifell^aft Sömmering liat bcliaupiei, bei ben IDeibern 
feien öie Xteroen bünner als bei ben Znännern, fo gleicfie 
fidj bann öer 21TangeI an ^irnmaffe aus. (Sau I^at 
nid^l ftnben fönmn, öa§ ein fejJes t>erl|ärtni§ befleiß, 
fogar bei bemfelben 7Xlen\iien waren bie einen Zteroen 
Parf, bie anderen nid^t, 

Das t>erB^äItni§ 3tt>ifd|en (Sel^irn unb Hürfenmarf 
ift nadj £uoier, Sömmering unb €bel bebeutungspoH, 
inbeffen Cuoier felbp giebt ^usnatjmen 3U unb es iji 
erpditlidj, ba§ ein ZITenfdj mit großem fiarfem Körper 
ein ftarfes Hücfenmarf lidbcn m\x%, ba§ er aber besljalb 
meber gefd^eiter, nod? bümmer als ein fleiner 3arter 
Znenf* ift. 

Sömmering, £uoier u. ^. fudjen bas DerJ^ältnig 
3n?ifdjen (5eJ|irn unb (5eftci]t 3U beflimmen. 3e größer 
6er (5ejtditsfdjäbel, befonbers ber Kiefer fei, um fo ge« 
ringer feien bie geiftigen Sähtxghiicrx, Die Tutoren 
meinen, je entwirfelter ber ©Ifactorius fei, um fo fleiner 
fei bas (Seljirn. £uoier mad^t einen fagittalen Sdinilt 
burd? ^cn Kopf unb oergfeidit ^ann bie £}öl)e bes <ße* 
I|irnfd|äbels mit ber bes (ßeftd|tfdjäbels. 3nbeffen ijl 
biefes DerJ^ältnig nid^t bie ^auptfad^e, fonbern ^xc (ßröge 
bes (ßefidjtes fann, ujenigfiens beim Hlenfd^en, feE^r oer- 
fdjieben fein bei gleidjer (5eljirngrö§e, 2Ttand|e große 
2Ttänner mit großem (5el^irne liah^n aud) ein großes 
(5efid?t mit gewaltigen Kiefern getrabt (Ceo X., ZlTon« 
taigne, Ceibni3, Hacine, fjaHer, ZTlirabeau, 5ranflin u. ^.), 

^6* 



2^^ ^Intjang: Heber (Jratt3 3ofept^ (Sali. 

Ȋt^renb 2lnbere (Soffuct, Poltairc, Kant) ein fktnes 
©ejtdjt tjatten» 2ludj für bic (Etjicre gilt bie Hegel nicl?t 
immer, öie Kafee 3» 3. I^at einen oiel Heineren ©ejtdits« 
fd^dbel als ber Qunb* 

3idjat unb Hidjeranb rooDen naii bem Porgange 
plato's bie £änge bes fjalfes umgefetjrt sur geijHgen 
5äl^igfeit fefeen, toeil bei einem fursen ^alfe bas (5etjirn 
beffer erndtjrt werbe. <£m groger ZITann wie plato, 
meint (ßaH, fönne jtdj mandjerlei erlauben; es mag fo 
tofl fein, n>ie es will, es fommt auf bie Xladiwelt 

TXlan iiat andt Perfud^e gemad?t, bas Pertjältnife 
ber (ße^irnt^ieife 3u einanber 3U bejHmmen, Cumer liat 
bie relatioe (ßröfee bcs Kleintjirns beim Znenfd^en nnb 
bei bcn Ct^ieren an3ugeben gefudjt (Eupper bet^auptet, 
ba% bie Dimenjtonen ber (5eE|irntJ|eiIe oon 3"bimbuum 
3U 3"bipibuum nidjt merfüdj wedjfeln. (Sau entgegnet, 
es gebe nidjt 3rDei 7Xlen\dicn, bei benen bas Pertjältnig 
ber (5e^irntl^eile 3u einanber basfelbe fei. 3nsbefonbere 
fei bas Heine (5e^irn balb relativ grog, balb relatio 
Mein. Die oberfl&d^Iidijle Seobad^tung 3eigt, ba% über« 
t^anpi bie größten Perfdjiebenl^eiten oorfommen. £in 
fe^es PerBjältnig befiehlt nur 3tt)ifd:jen bcn ein3elnen 
(Elieilen eines Syftems (3. S. 3n>ifcljen Se^nert) unb 
Piert^ügel, 3n>ifcl:|en Srürf e unb Kleint^irn, 3wifdjen pyra* 
miben nnb (ßeB|irnfd?enfeIn), nidjt 3tt>ifd?en oerfdjiebenen 
Svftemen. 

€ine groge ^ebeutung I|at man bem Camper'fdjen 
lOinfel 3ugefd?rieben. (Es wirb aber bamit nur bie 
Steigung ber Stirn gemeffen. Sie iji je nadj bem ^(ter 



m. pi^vflologifd^cs. 2^5 

pcrfd^icbcn, i»edjfc[t von 3nbbibuum 3U 3tiWüibuum 
unb bas PcrBjältnig stoifd^cn iJ^r unb ber (5eB^irngröge 
tft gans inconjlant ^us Slumcnbad^'s Unterfudjungcn 
gcl|t Bjcroor, ba§ cttoa ^/^ ber befanntcn Cl)icrc unge- 
fäJ|r bcnfclben (ßeftd^tsiomfel liab^n; was Uiixt bicfcr 
affo? ^ci Ptcicn CB|icrcn i(l ein großes 2ni§oerB|ärtnt§ 
3tt>ifd?cn Stirn unb (Sclixtn, wie (Sau an vkkn Sei- 
fpielen seigt. €5 gicbt Europäer mit fl[iel|cnber Stirn 
unb Ztcger mit jlarf gctoölbtcr Stirn, bic benfelbcn 
€ampcr*fd|cn IDinfel B^abcn, weil ber Kiefer bei ben 
lefeteren weiter oor^eBit. U. )\ w. (BaU wiU t>en XOettti 
ber Camper'fdjen ZHeffung nidit oerfennen, E^ält es abet 
für tJiöridjt, in biefem lOinfel ein 7Xlaa% ber 3ntenigen3 
3U fetjen, roie Piele es tBjun. €s ift gan3 oerfeI|rt, von 
(5rö§e ber 3ntenigen3 fd|Iedjlmeg 3U fpred^en, lOer liat 
me^x 3"teIIigen3, bie Sicne, bie geflen baut, ober ber 
fjunb, ber gar nidits bauen fann, Poltaire ober Des« 
cartes, Zno3art, bas gröjgte mufifalifd^e (5enie, ober 
Cefpng, ber gar nid^ts oon ZHupf oer^anb? 

Daubenton's ©ccipitallinie enblidj \% wie Sfumen- 
badt g^3«gt k<'^tf fap gan3 unbraud)bar. 

Dagegen giebt bie (5rö§e bes Kopfes wenigPens 
infofern ein Vflaa% ber geiftigen 5äB|igfeiten, als ein 
Zninimum 3ur normalen geiftigen Sefd^affcnl^eit nöttjig 
ift unb groge ^cil^igfeiten im allgemeinen nur bei großen 
Köpfen gefunben u?erben. (Bau migt ^en Umfang bes 
Kopfes unmittelbar über bem oberen Sogen ber ®rbita 
(immddiatement audessus de l'arc sup^rieur de rorbita) 
unb über bem f)en>orragenbften CB^eile bes fjinterfopfes. 



2^6 2Inf^ang: Heber (Jranj 3ofept^ (Sali. 

€r ftnbet bei 3bioten Köpfe von 8—9 goH [22 bis 
2^.25 cm]. Köpfe oon (7 goH [^6 cm] fommen bei 
partiellen 3bioten oor, bie immertjin einselne gute Sätyg' 
Uxten Iiaben fönnen. Köpfe von \S—\S^l^ goH [^9 bis 
52 cm] gejlatten eine normale geiflige Ctjdtigfeit, if^re 
3Tt^aber aber fommen im allgemeinen über trübfelige 
Znittelmägigfeit nid^t J^inaus nnb nur ausnaE{meu>eife 
finbet man bei il^nen einselne ausgeseidjnete (Ealente. PoH« 
menfdjen lt<^ben 2^—22 goH [56.5—60 cm]. Die alten 
3ilbt{auer traben pl^ilofopl^en, priefler, iE^ren S^ns u. f. xv* 
flets mit' großen Köpfen bargefteHt unb (Sau liat niemals 
einen geiftig großen IHann mit einem fleinen Kopfe ge- 
funden. ZITel^r als ein gan3 allgemeines Urtljeil erlaubt 
aber bie UTeffung nidjt. ^ei ber gleidjen (ßrö§e bes 
Kopfes, bes. bes <5et|irns fönnen bie größten Per» 
fd>iebenJ|eiten in inteHeftuefler nnb moralifdjer ^inftdjt 
bepet^en. Die ZHaffe aflein mad^t es eben nidjt, fonbern 
bie 0rganifation unb bie ZHaffe. — 

Der fofgenbe ^bfd^nitt tjanbelt oon ben Seu?eifen 
für bie ZHeJirl^eit ber 0rgane ber morarifd^en €igen- 
fdjaften unb intetteftueüen ^ä^i^f^iten (la pluralitd des 
organes des qualitds morales et des facultes intellectuelles). 
Das princip ber Cofalifation ifi nid|t neu, im (ßegen- 
tt^eile fd^on bie ^Iten oerfudjten es ansuroenben. Sie 
fudjten bie benfenbe Seele im Kopfe, bie tJ|ierifdje im 
Humpfe unb bie oegetatipe im gansen Körper, ober bie 
3ntenigen5 im Kopfe, bie ITeigungen unb Ceibenfdjaften 
im Humpfe, ja fie glaubten, bie einseinen SäiiigMUnf 
roie fjoffnung, liebe, Heib, ZHutE^ t^ätten einen befonberen 



III. pI^vfiologifd?es. 2^7 

Sife. Die Tltabex ücrmutE|ctcn bas Sensorium commune 
in ben voxbexen ^trnf|öt^Icn, bie fiinbUbungsfraft in bcr 
2. fjol^re, t>xe HrtJ|ctl5fraft in öer 3., bas (ßebädjtnig in 
t)er ^. Später glaubten Piele, bas Heine (5el^irn fei 
<J)rgan bes (5ebäci]tni(fes. Hubertus magnus seid^nete 
einen Kopf nnb merfle*^auf il|m ben Sife ber geiftigen 
Vermögen an, nadj bem principe ber 2lraber» 2lel^n* 
lidje Perfud^e famcn im (5. 3ö^J^^wnbert t)or. IDiUis 
bcixadiMc bann bas Corpus striatum als Sife ber IDa^ir* 
neB^mung, bcn halfen als 5ife ber Heflfe^ion u, f. xv,, 
Pieuffens ©erlegte bie fiinbilbungsfraft in feirt Centrum 
ovale. Cancifi quartirte alle Sinne in bcn halfen unb 
Sonnet meinte, jebe 5öfer bes (5el|irn5 I|abe eine be* 
fonbere 5unWon. ^afler unb van 5i»ieten naJ^men an, 
^a% bie inneren Sinne ebenfo einen bejKmmten ®rt im 
<5el)irn iiaben, xoxe bie äußeren Sinne örtlidj getrennt 
finb, aber jte I^ielten es nidjt für möglid?, biefe 0rte 3U 
bejHmmen» ZHaver in Serlin I^ieft es für unn>al^rfd|ein« 
Ixdl, ^<^% bie perfd^iebenen Seelenoermögen burdj bie* 
felben <5eJ|irntI|eile ausgeübt mürben, er ©erlegte bas 
iSebädjlnig in bie Hinbe unb bie abftraften Segriffe in 
bas K(einJ|irn. prod)asfa unb SoerI|aoe erffärten, ber 
Sife ber fiinbilbungsfraft muffe oon bem ber IDal^r* 
neJimung getrennt fein, benn im Sd^Iafe fei jene tl|atig, 
biefe nid^t (£l:ianet, lürisberg, Ciebemann, Hid^eranb unb 
bie meijüen mobernen pt^vP^^^^gen netjmen an, ba% bie 
3ilbung ber einseinen (EJ^eile bes (ßel^irns eine bejiimmte 
Sebeutung liah^, unb ba^ bie Perfd)iebenl|eit ber 5orm 
einer Perfd^iebenlieit ber 5unftion entfpredje. 2let|nlidj 



2^8 ^Inljang: Heber ^Jrans Jofeplj (Sali. 

fprid^t ftdi Sömmering aus. Cuoicr erflärt botE^er audj, 
bag (Soll's £et)re burd^xus nid^t ben allgeineinen Be< 
griffen bcr plivpologie tDiberfpredic. 

2tbge(etjen pon ben ißrünben, bie erjl in ber ®r« 
ganologte oorgetragen »erben f önnen, füljrt (Sää folgenbe 
(Brünbe für bie ZneE^rtjeit ber Seelenorgane an. 

\. Die Sät^igUitm eines (Et{teres ftnb um fo oiel» 
fadjer, je sufammengefefeter fein (5el^irn ift (Bau getjt 
bie (El^ierreil^e burdj nrib toeifl befonbers auf bie €nt» 
»icfelung bes StirnE^irns beim ZITenfd^en tjin. 2<il 9^^^ 
auf bas £in5elne nid^t ein. ^ier n>ie anberroarts fd^Idgt 
ftdj ßaü mit (ßegnem, beren Einwürfe uns jefet fomifdj 
porfommen. g. S. Blatte portal erflärt, ^as f leine 
(ßel|im l^abe biefelbe 5unftion roie bas gro^e, benn bie 
5afern, bie Hinbenmaffe, bie 3Iutgefäge feien immer 
gleidj, bal^er ©ertrete in Kranfl^eiten bas Heine (5etjirn 
bas groge. Suffon I^atte erflärt, bas (ßetjim bes 
0rangutang gleid^e bem bes IHenfd^en^ es fei fein 
Unterfdjieb stoifdjen bem (Selixxn eines 3bioten mib bem 
eines (ßefunben. Unb fold^es ^eug mel^r. 

2. Die Analogie smifdjen bem Sau bes (Se^xtns 
nnb bem ber anberen neroöfen Svjieme seigt, ba% bas 
(Seiixxn ans meE^reren Organen sufammengef efet ift 2^bev 
Sinnesnero I^at fein (gnborgan unb feine (ßanglien, 
jeber Setoegungsnero geBjt $u bejHmmten ZHusfeln unb 
entfpringt in bejHmmten Cl^eilen grauer ZITaffe, bas 
<5Ieid}e gilt t>on ben 5u ben £ingeu:)eiben geE^enben 
ZTeroen. Kein (Et^eil fann bm anberen erfefeen, jeber 
I^at feine 2lufgabe für fidj. fibenfo ert^alten bie ein« 



III. plivftologtfd^cs. 2^9 

seinen [lOmbungen bes (ßel^irns it^re 5af^ifH oon be» 
pimmlen Stellen E^er unb bie einen 5öfern gelten burdj 
andere graue ZHaffen als bte anberen. 5r^iKdj jtnb äße 
(EJ^eile im (5etjirn mit einander t)erbunben unb eine 
fd^arfe 2lbgren3ung ber 0rgane iji unmöglid?, aber bamit 
ifl beren fi^i^enj ^odj nid^t aus ber lOelt gefd^afft. 

3. Die Unterfdjiebe im Sau bes (ßeJ|irns entfpredjen 
ben Unterfdjieben in 6er 5unftion. (5aü ujeiji 3, S. 
barauf Bjin, ba§ in bem (5rabe als bie (Et^iere jnenfd^en* 
äJ|nIid|er werben, il^r Porbertiirn jtdj enttoicfelt, ba§ in* 
fotoeit Znenfdj unb CB^ier äfyxlxdt^ 3npinfte liaben, bie 
unteren unb I|interen (EJ^eile bes <ßro§l^irns äljnlidi pnb. 
Das Xläii^xc geJ^ört in bie ©rganologie. 

^. Sei allen lebenben IDefen laffen oerfdjiebene 
Cebenserfdjeinungen oerfdjiebene 2lpparate oorausfefeen. 
Das <5efefe gilt überall, marum foH es bei bem (5etjirn 
nidit gelten? Die €inn>ürfe ber (ßegner, bie von ber 
Unabl^ängigfeit bes (ßeijles unb ber (EinJ^eit ber Seele 
ausgeB^en, jtnb ungemein einfältig (S^rarb, be ZHont^gre 
u. ^.). Sfa§ljaft ijl bie Seljauptung pfatner's: „ZHit 
5 Ringern ober mit einer ^anb tann man bie ©er- 
f d)iebenPen ZHupfftürf e fpielen ; warum fottte ein einsiges 
0rgan nid)t genügen 3ur 2lusübung aller geizigen 
5äljigfeiten" ? platner braudjt eben 3um Spielen, fagt 
(5aII, nid)t bfos feine dianb, bie aixdi gar nxdit einfad? 
ift, fonbern vor aßen Dingen fein <5el^irn. 

5, Die Unterfd)iebe im PerB^alten ber CB^iere würben 
gan3 unbegreiflidj fein, wenn nid^t jebe 5unftion oon 
beftimmten Ct^eifen bes (5eB^irns abl^inge. So gut wie 



250 2InI|an9 : Ucbcr ^ran3 3ofcpl^ (Sali. 

beftimmte Sinne bc{)immte Sinnesorgane porausfe<3en, fo 
muffen audj beftimmte 3'iPi^We bejKmmte (5eB|irnorgane 
oorausfefeen. 

6. Die (Eigenfdiaften unb 5ä^igfßiten einer 2(rt 
findet man bei ben 3nöipibuen in feJ^r oerfdiiebenem 
2Xlaa%c, alfo muffen aud| 6ie enlfpredjenben (5el^irn« 
Organe oerfd^ieben fein. 3eber ^unbefenner n>ei§, wxc 
inbiüibuell bie einsefnen (El^iere pnb, unb ba§ fie es r>on 
(5eburt an pnb. So ijl es mit anberen 2(rten audj 
((ßaH ersäB^lt fel^r amüfante (ßefd^idjten aus feiner (£r» 
fa^irung) unb am meinen mit ben 2Ttenfci]en. IDenn bie 
(Seleljrten bie Haffenfdjäbel ftubiren unb aus iljnen auf 
bie €igentl)ümlidifeiten ber oerfd^iebenen Haffen fd^Iie^en, 
fo t|at bas nur unter ber Dorausfefeung einen Sinn, 
b(i% man bie (EJ^eilung bes (SeBjirns in 0rgane unb bie 
Derfd^iebenl^eit biefer annimmt lüarum fxnb bie (ßlieber 
einer 5citnilie, bie Sdjüler einer Klaffe oft fo feljr oer* 
fdjieben ? Was trennt bas <5enie oom Dummfopfe, ben 
Did^ter oom ZHatJ^ematifer, pom 5^^bl>errn? 

7. lOenn jebes 3»i^ii^i^i^iittt einen eigenen £E|arafler 
l^at, fo ift bas nur burdj befonberen 'Öan feines <5eljirns 
3U erHären. IDenn einer beffer fleE^t ober I^ört als ber 
anbere, fo muffen iljre ^ugen, (Dhivcn oerfdiiebcn fein, 
unb u?enn einer ein Calent ober einen (Erieb liat unb 
ber anbere nidjt, fo muffen iE^re <5eljirnorgane oer* 
fd^ieben fein. 

8. Die Derfdjiebenen 5nnftionen u?erben nid^t 3U» 
gleidj funbgegeben; mandje fxnb immer oorl^anben, 
mand^e nur in beftimmten Cebensaltern, mandje nur 3u 



m. pljvftologtfc^cs. 25 \ 

bcjiimmten ^aiixesiexiew. Wie bie €ingert)eibe pdj nid|t 
alle suglcidj cntroidPeln, roic bas HüdPcnrharf mit feinen 
Heroen et|er fertig roirb als ber (ßel^irnmantel, fo ent* 
widPeln pdj audj bie oerfdjiebenen CI|eiIe ber ^emi* 
fpt|ären 3U oerfd)iebenen 5^it«"» ^«s i^äitc feinen Sinn, 
trenn bas (Set|trn eine gleidjförmige ZHaffe iräre, es be« 
ireip oielmelir, ba§ bas (5et|irn aus mei^reren, in ge» 
gemiffem Sinne felb^änbigen ©rganen beftei|t. 

9. X>ie €rmübung ift immer partiell. 3^^^ Cljätig* 
feit beroirft nadj einiger S^i* €rmübung, aber es bleibt 
bie 5al|igfeit, anbere Ct|ätigfeiten aussuüben. €s roäre 
nid|t möglid?, wenn bei geijiiger CE^ätigfeit bas ganse 
(ßet|irn funftionirte. 

\0. Die Seobadjtung ber Kranfen beroeip bie ZHeEir* 
I|eit ber (ßeljirnorgane. X)er ZlTenfcIj fann burdj Kranf« 
I^eit beftimmte geiftige 5äl|igfeiten oerlieren, roas fid? nur 
baburdj erflären lägt, ba§ pe an be^immte (Sel^irntl|eile 
gebunden pnb. (Sau erinnert an ben Perlup bes Hamen« 
gebäditniffes nadj umfd)riebcnen Perlefeungen bes (ße- 
I^irns, an ben 2tusfaII einselner 5äl|igfeiten im Senium, 
an partielle Defefte unb partielle Heiserfdjeinungen bei 
(Seipesfranfen, an bie (ErfaE^rungen bei Somnambulen 
unb andere €rfdjeinungen bes partiellen Sdjiafes. 

X)ie (Einroürfe, bie bem (Sau von feinen (Segnern 
gemadjt roorben pnb unb bie 3U u)iberlegen er oiel (8e» 
bulb anroenbet, erfdjeinen uns meip als redjt fdjroadj, 
ja als finbifd). TXlan foHte überl^aupt glauben, ba§ ein 
flar benfenber ZHenfdi an ^er Cofalifation ber einseinen 
5äE|igfeiten im (Sef^irn gar nid)t sipcifeln fönnte. TXlan 



252 2Inl^an9: Heber ^ranj 3ofeplj (Sau. 

fann pd? bie Sadje gar ntdit anbcrs benfcn unb bie 
<5cgner bcr Cofalifatton jtnb nie über leere Hebensarten 
I|inau5gefommen, I|aben nie Mar fagen fönnen, roie fte 
ftd? bie Porgänge im <ßei|irn benfen. €rfat|rung unb 
Denfen fpradjen gleidj fräftig für bie Cofalifation unb 
fomit für (ßaH. Itidjtsbeftoroeniger irurbe feine £el|re 
oerIad)t unb oerirorfen. ©er Unpnn pegte fo grünMid?, 
ba§ erp in ben legten 3 3<x^r3«^titen feine ^errfdjaft end- 
gültig befeitigt mürbe, ^ätte man tas (Sute bei (ßaU aner«* 
fannt unb ireiter entioidPelt, fo irären oiele ^xtvoeqc un* 
nötl|ig gerrefen. ^ber offenbar tt>ar (ßaH 3U frül| ge* 
fommen, fein I|oE|er (Seift lourbe nidjt oerjlanben, feine 
SemüE^ungen rraren grögtentlieils roegen bes Unoer« 
ftanbes feiner Coflegen nufelos. ZtTüIifam unb langfam 
mugte fpäter ber redete IDeg gefunben »erben, ten 
(Sau längP geseigt I^atte. Vas, was bie £eute irre« 
fül^rte unb blenbete, toaren im (ßrunbe nidjt bie (2in» 
roürfe, bie (Sau in feinem ^aupttoerfe berüdPpd)tigen 
fonnte, fonbern bas war ber CE^ieroerfucIj. X)ie €^peri- 
mente bes ;,gro§en'' ^lourens oerbarben bie red)te €inpd)t 
unb madjten (ßall's 3emüE|ungen in ber ^auptfadie er« 
folglos. X)er ö^ieroerfud? ift in ber pE^ypoIogie bes 
(Sefyvns bas große fjinberniß getoefen. ^udj fpäter, 3U 
^cn S^xterif bie wit Pleiteren nodj erlebt E^aben, rourbe 
bas, was bie oernünftige Ueberlegung als unabweisbar 
bartl|ut, u>as bie patE|oIogifd|e (2rfal|rung luce clarius 
bewies, auf (Srunb bes CE|ieroerfud)es auf ^as fjart« 
nädPigPe befämpft unb biejenigen (Experimentatoren, bie 
{xdi um nidjts fümmerten als um il^re operirten fjunbe. 



m. pl^vftologifc^cs. 255 

rtdjlctcn eine grogc Vexwxxxnng an. (£5 i^ xxdtixg, ba§ 
gcrabc bie Pcrfudjc oon 5rÜfd? unb fjifeig bcr Cofaltfa* 
lion iPtcbcr 3U ifjrcm Hed^tc l^alfcn, aber oon redjts* 
wegen t|ättc man il|rcr nidjt bcburft. fjättc man weniger 
auf bic pEiYJtoIogcn gcl|ört, oorurtE^cilsfrci bie (£fpcri* 
mente bcr Hatur bcobad)tct, fo roärc bcr gansc Streit 
um bie Cofalifation, bcn mir erlebt ^dben unb in bem es 
oft fdjien, als mären bie ^unbe'®perationen bas einsige 
Züxitel ^er SeleB^rung, unnötl|ig geroefen. 

Sxexlxdi, andt (ßaH roar ungered^t. €r begnügte 
[xdti nid)t i^amit, oor ber Ueberfd|äfeung bes Cliierper- 
fudjes 3u warnen, fonbern er perroarf il^n ganj ^). (£r 

*) 3d? gci^e auf feine 2Iuseinanberfe^ungen nid^t .ein, !ann 
mid? aber nid?t entl^alten, rpenigftens (Eine Stelle luiebersugeben : 
C'est une Observation constante, que pour d^couvrir les fonctions 
des diverses parties du corps, les anatomistes et les physiologistes 
ont toujours et6 plutot dispos6s k employer des moyens manuels 
que d'accumuler un grand nombre des faits physiologiques et patho- 
logiques, de combiner ces faits, de les r^iterer ou d'en attendre la 
r^p^tition en cas de besoin, d'en tirer lentement et successivement 
des cons^quences, et de n'annoncer qu'avec une sage r^serve leurs 
• d^couvertes. Cette m^thode, ä present favorite de nos investiga- 
teurs physiologistes, frappe par sa materialite et eile gagne l'appro- 
bation de la plupart des hommes par sa promptitude et par ses 
r^sultats apparents. Mais on a aussi constamment observ6 que ce 
qui parait avoir 6i6 prouv^ comme incontestable par le mutilateur 
A, ou ne r^ussit pas au mutilateur B, ou que celui-ci a justement 
trouv6, dans les m^mes exp^riences, toutes les preuves pour r^futer 
les conclusions de son pr^d^cesseur. 

3nbeffen geftei^t (Sau 3U, ba% man über bie Besiel^ungen 
3iDifd?en bem (Seljirne unb ben Sinnesorganen, ben iDiÜfürlid^en 
Bewegungen, ben ^unftionen ber inneren 0rgane burc^ Der= 
ftümmelungen einigen 2luffd?lu§ erl^alten möd?te, nur foUe man 
nid?t Ijoffen, auf biefem tDege bie £o!alifation ber intelleftuellen 
unb moralifc^en ^äf^igfeiten 3U ffnben. 



25^ ^Inljang: Ucbcr ^ran3 3ofeplj (Sau. 

I|attc sroar Hcdjt, trenn er glaubte, ba§ man bas, was 
il|n interefjtrte, ben Sife ber einseinen 3"Pinfte unb 
5ätjigfeiten nidjt burdj Perpümmelungen finden rrerbe, 
inbeffen t|ätte er jtdj bodj fagen muffen, bag bte (ßeljtrn* 
piivftologie nod? anbere ^lufgaben Ehalte. TXadi feiner 
2luffaffung finb bie ^emifpl|ären Sife aller beroußten 
Porgänge, es muffen alfo bie eintriebe 3U wiHfürlidien 
Seroegungen unb bie lDa{)rneFjmung ber Sinnes» 
erregungen an beftimmte Stellen ber (5et|irnrinbe ge» 
fnüpft fein, eine 5oIgerung, bie aus (SaWs CeE^re oB^ne 
IDeiteres 3U sieF^en ijl, X)iefe Stellen ber (5et|irn« 
minbungen Fannte man nodj nidjt, bie pB^yfioIogen Blatten 
Hed]t, nadj it|nen 3u fudjen unb 3U biefem giperfe war 
ber (Et^ieroerfudi wo^l oerwenbbar. 

(Segen 5Iourens iiat ftd? (Sali (im 6. Sanbe feines 
®ctaon>erfes) in langen unb unerquidPlidjen 2IusfüI|rungen 
gemenbet. 5Iourens wax in getpiffem Sinne fein 2ln* 
l|dnger, er perfudjte eine möglidifl ftrenge Cofalifation 
unb be3eid)nete ^as als fein fjauptbeftreben (cette locali- 
sation des ph^nom^nes par la localisation des organes 
dtait prdcisdment le but qu'il fallait atteindre). €r fdjlog 
ftdi audt infofern an (ßaH an, als er erflärte, qua dans 
las lobes cdr^braux r(§sident exclusivamant toutes les 
facultas intellactuelles et sensitives. 

5Iourens wax smeifellos in feiner §cxt ein oor3Üg» 
lidjer (Experimentator unb 3eobad]ter. "Dies bemeift bie 
(3e\di\dite ^es \0 IHonate lang beobad|teten grogl^irn^ 
lofen ^ulins, Die 5^^Icr, bie er madjte, fledPen in t>m 
Sd|Iüffen, bie er aus feinen ^eobadjtungen 30g. So ift 



m. pljvftologtfc^cs. 255 

CS ja andt feinen Itadjf olgern gegangen. Dtefe Se* 
obadjlungen traben beslialb iE^re Sebenfen, weil bie Se* 
obadjter bas lDat|rgenommene pfydiologifclj erflären 
wollen nrib auf bie CI|iere bie 5IusbrüdPe anrrenben, bie 
aus ber inneren Seobadjtung unfer felbjl fiammen. 
3)abei u)irb letdjt überfeB^en, bag unsuoerläfpge ^Inalogie* 
fdjlüffe porfommen. Was I|ier in bas 3ett)uglfein fällt, 
geB^t tort n)at|rfd?einlid} augeri|alb tes inbioibueßen Se« 
iDu^tfeins por jtdj, was i|ier als 5üB^Ien ober X)enfen 
unb IDoHen erfdjeint; barf bort überB^aupt nidjt pfvctio» 
logifdi gefaßt tocrben. Sie Porausfefeung bes Perftänb» 
niffes ijl bie Unterfdjeibung 3n>if(ijen bemühtem unb un« 
betpugtem ^anbeln. 3e B|öB^er bas CB|ier entmidPelt ift, 
um fo- meB^rere feiner ^anblungen fallen in fein inbipi* 
bueßes Sen>ugtfein unb ^ariblungen, bte bem Seobadjter 
gleidj 3U fein fdjeinen, jtnb bei ben oberjlen CB^ieren oon 
Sen>ugtfein begleitet, gefctieB^en bei ben anderen oB|ne 
SeiDugtfein, pnb baB|er B|ter für ben Halurforfdier nur 
als materieße Porgänge, als 2trbeit oon ZHafdiinen faß- 
bar. "Die unbeu)ußten Porgänge pnb ben bemußten ja 
tpefensgleidj, fie mögen pon einem Semußtfein unter« 
georbneter ©rgane begleitet fein ober nur bem nxdii' 
inbioibueßen Semußtfein angeBjören; bie 3e3eid)nung 
unbewußt befagt nur, ^a^ pe bem (ßroßB|irnbetPußtfein 
fremb finb. 2Iber aße biefe ^esieB^ungen pnb meta* 
pB^Vfifdier Tltt, überB^aupt ift (5eB|irnpB|YJtoIogie im ge- 
wöB^nlidjen Sinne oB^ne ZnetapB)vfi' nidjt möglidj. Woükn 
bie pBivpoIogen nidjts mit ber ZlTetapBivfif 3U tB^un B|aben, 
fo müßten jte überB^aupt nictit bapon reben, ^a^ bie 



256 2Inljan9: Heber ^ran3 3ofeplj (Sali. 

Cljicrc fül^Un unb woüen, oielmclir müglcn pc jid| bamit 
begnügen, Me Porgänge im (ßet|irn naturrriffenfcliaftHdj, 
b. I|. rx>ie bie Porgänge in einer ZlTafd^ine 3U betradjten. 
2tuf foldje €rn)ägungen nal|men weber (ßall, nod? 
5Iouren5 Hürfjtdjt, es ijl baE^er begreiflidj, ba§ bic 
polemif jenes gegen biefen pielfadj aus £uftt|ieben be« 
ftet|t 3)enn bcr eine fagt, bas CEjicr füEjIt, ber anberc 
CS füE^It nidjt, beibe aber traben Hedjt ober Unrcdjt, tpie 
man trill. 3nbeffen ijl bod] (ßaH infofern im Hedjt, als 
er bem 5Iourens, Holanbo unb anberen pE^vpoIogen por* 
roirft, ^a^ pe ooreilig bas an perl|ältni§mä§tg tief 
ftel|enben CFjieren Seobadjtete auf ^en ZHenfcIjen über« 
tragen (les r^sultats obtenus dans une grenouille, dans 
une poule etc., sont-ils applicables d Thomme?). Die 
Itadifolger pon 5Iourens traben auf ^cn Porwurf nidjt 
geadjtet, fonjl I|älten pe bie Seobad)tungen an gro§« 
I|irnIofen ^unben nidjt ^cn Seobadjtungen am ZHenfctjen 
entgegengepelli Die £jauptfad)e nun aber ijl bes 
5Iourens 5a^ von ber (SIei(iju)ertt|igFeit ber ^emifpl|ären« 
tl|eile. „Les lobes cdr^braux peuvent perdre, soll par 
devant, soit par derri^re, soit par en haut, soit par cote, 
une certaine dtendue de leur substance, dans perdre leurs 
fonctions." (ßeroig, fagt (Saß, bie allgemeinen 2lttribute 
bleiben erB^alten, fo lange nodj eine einsige (Srunbfraft 
unoerfelirt ift. 3^ mei|r pon ^cn ^emifpEjären oerloren 
geE|t, fäE^rt 5Iourens fort, um fo meEjr nel^men les facultas 
intellectuelles et sensitives ab, aber UDeld^er tEt|eiI oer« 
loren gel?t, bas ip gans gleidjgiltig. Dem gegenüber 
peripeift (ßaH sunädjjl auf bie patB^oIogifdjen €rf aljrungen ; 



III. pljvfiologifd^cs. 257 

oft bciüirfcn groge (Set|irn Beerbe feine waiitne^mbaxen 
Symptome, oft mad^en f leine £äfionen beträdjlRdie 
Störungen, ^m Uebrigen ^ellt er ber Sel^auptung ^es 
5Iouren5 fein ganses IDerf entgegen. (SaU befpridjt 
afle €^perimente im fiinselnen; öes Seifpiels iregen fei 
eins ertpäi|nt. „2<il entfernte, fagt 5v ^«i «incr anderen 
Caube aIImäF)Iid? unb oorfid)tig fd^idjtentpeife bie vox» 
beren unb bie B^interen Cl^eile betber ^emifpl|ären bis 
einige ßnien oom CentralFern ber ^emifpF)ären.^ (ßlaubt 
5./ erroibert (5., bie ©rgane feien in Sdjidjten gelagert? 
Was ift ber Centralem? IDie oiel Cinien i^ bas 
Caubengel)irn birf? ,,3n bem TXlaa^e, fäB^rt 5. fort, 
als bie 2lbtragung forlfdjritt, naB^men Scfy unb fjör» 
vermögen grabroeife unb merflidj ab, afle anderen 5öB|ig* 
leiten in gleidjer 2lrt; war eine 5äB^igf^it erlofdjen, fo rraren 
üfle erlofdjen.^ IDeldje feinen IHetBioben mag 5. angeroanbt 
iiabcn, fragt (6., um bas aflmäE|Iidie 2Ibnet|men bes (5e« 
E|örs roäBirenb bes Perfudjes feftsupeßen? „€in gereister 
punft bes Zteroenfvflems reist afle anberen, fagt 5v ^»^ 
geläB^mter läB^mt afle anberen; (ßemeinfd^aft ber Heaf- 
tion, ber Sdjäbigung, ber Energie. Die €inl|eit l^errfdjt 
<ils großes princip, i^ überafl, ^as ganse Heroenfv^em 
ijl nur €in SyPem." Die €int|eit, fagt (S., ijl t>as 
Nonplusultra ber metapB|vJtfd|en Deflamationen : (£s giebt 
nur (Einen IHenfdjen, CB)inefen unb 5i^<Jn3ofen, 3apciner, 
3nbier, Deutfdje, Surfen, aßes ijl eins; es giebt nur 
^inen ZlTenfdien, Kopf, 3rujl, Saud?, (ßlieber, afles ijl 
eins. IDenn Heisung einer Steöe afle anbeten erregt, 
toarum mad?t it|r ^ann euere (Experimente ? (£s würbe 

möbias^ mattiematiUt. \7 



258 2Inbang: Heber jronj 3ofepb <5alL 

ju tpctt fnl^reit, nod} mei(t ans 5er 75 Seiten fnüenben 
TSbfyaMmiQ nber S^ontens imeberpigebetu jlonrens fyit 
feine Had^ nad} <Bair5 tCobe genommen. — 

€in iDetterer 2tt>fd^itt ifi ben Bejiet^ngen 5iinfd}en 
<BeI{im nnb Sd^ibel geimbmet 

IDenn mx onnel^men, bog bte <BebimI{emifpi{aren 
5er 5i% oOer geifKgen S^fit^gf^i^^n feien nn5 bog jebe 
felbßänbige Sältigtett iljren eigenen 5i% boBe, giebt es 
ein niittel, um ben <2>rt ber einseinen <Bel{imorgane 5U 
be^immen? ^uerfl, loeld^ Besiel^ungen beßet^en smifd^en 
ißei^im unb 5d)dbel? IPtr iptffen^ 5a§ bie Salinen bes 
ZtenoenfYflems in ben IDinbungen enbigen nnb von 
il^nen ansge^n, n>ir bürfen nad) 2(naIogie onnei^men^ 
ba% bie Ct^etle ber XDinbungen, bie befümmten Sokig* 
texten entfpredjen, um fo jtärfer entmtcfelt fein n>erben, 
)e fidrfer bie 5äi{igfeiten ftnb, alfo barf man emnirten;. 
ba% bie 5orm ber Oberfläd^e ber Qemifpt^Sren ein Bilb 
bes StärfeoerE^Itntjfes ber einseinen 5di{igfeiten geben 
iperbe. IDenn nun bie ®berfläd^ bes Sd^ibels ein Bilb 
ber ©berfliädie bes <5el|im5, foweit biefe ^en Sd^äbel« 
n>anben anliegt^ giebt, fo mu§ ans ber 5orm bes 
Sdjäbels auf bie 55Ijigfciten gefdjloffen n>erben fonnen. 
Können wir enblid? aus ber 5orm bes Kopfes bie bes^ 
Sdjäbels erfdjliegen, fo u^erben n>ir audj am Cebenben 
an ber 5orm bie Befd?affent|eit bes (5eifles erfennen. 

<ßall berüdPfid?tigt ben Sdjäbel nur infon>eit, als er 
<5eB^imfapfeI x% get|t auf bie 5orm bes (5e{td;tfd}öbels^ 
auf bie 5orm ber Znusfelanfäfee u, f. m. nidjt ein. €r 
fdjilbert bie €ntfleFjung bes Sdjäbels beim 5otus unb 



m. pfjvjtologifd^es. 259 

beim Kintc. Der Sdjäbcl gcirinnt feine endgültige 
5orm erft roäiirenb bes Cebens, je^odi pnb feit ber (Eon- 
ception bie fünftigen 5ormen fdjon bejHmmt, u>ie ber 
(Sang ter Pererbung es seigt. Unwid^tig ftnb, von 
2lu5nat|men abgefeEjen, bie €inn)irfungen ber (ßeburt, 
bie €inn)irfung fonfiiger medianifdier Urfadjen (3. Ä bes 
Cragens oon Cajlen auf bem Kopfe), (ßiebt es Köpfe, 
bie burdi langirirfenben Drucf perunj^altet pnb, wie es 
von 3n^i<J"^J^ftöntmen bet|auptet wirb, fo fdjeiben fte 
natürlidj aus ber Setradjtung aus. Vas ZHed^anifdje 
fpielt übert|aupt nid?t bie Hauptrolle. Das wadjfenbe 
(ßeljirn formt ^en Sdjdbel, aber nidjt burdj medjanifdjen 
DrudP xhin ausweitenb, wie es beim Siy^voce^italns ge- 
fdjet|en mag. Der Sdjäbel änbert Jtd? in eben bem 
(ßrabe, wie bas <ßeE|irn wädjft. €inige ZTlonate nadj 
ber (5eburt beginnt bie Stirn pdj 3U wölben unb jte ijl 
beim Kinbe in ber Hegel j^ärfer gewölbt als beim (2r- 
wadifenen. Das ^interE^auptsbein ijl beim Zteugeborenen 
Siemlidj flacb, bie Processus mastoidei flet|en einanber 
naE^e, erj! gegen bie pubertät I^in wölbt fxdt ber untere 
(El^eil bes fjinterfopfes unb gewinnt feine bleibenbe (ße« 
jtalt. Die ®berfläd?e bes Sdiäbels folgt nid?t matl|e- 
matifdj genau ber bes (5et|irns, ta bie Diploe an oer- 
fdjiebenen Steflen oerfdjieben jlarf ij^. Diefe Unterfdjiebe 
ftnb natürlidj in Setrad|t 3U 3ieE|en unb am widitigften 
finb bie 5tirnI|öE|Ien. ZHit groger Sorgfalt I|at (Sali 
üon Einfang an unb als ber firj^e auf bie wedifeinben 
^Ib^änbe beiber Cafein bei ben perfdjiebenen CE^ieren, 
bei oerfdiiebenen 3"^ioi^wen, je nadi 2Hter unb (ße« 



260 ^(nljang: Ucbcr ^ranj 3ofcplj (Sau. 

fd?Icd]t gcad|tct. 3"^«ff«" P«I|t er in il|nen fein ^intcr* 
%ix%, aus bcr (ßcjialt bcs Sdiäbcls auf tie bcs (ßcl|irns 
3U fdilicgcn, bcnn minimale Untcrfdjicbc fommcn bei ber 
Kranioffopie übcri|aupt nid|t in 3ctrad)t, bic Perfd)iebcn- 
Breiten bcr Sdjäbel fmb fo grog, ba§ dagegen bie Per* 
fdjiebenl^eit ber KnodienbidPc oerfdm>inbct. 3^^ über« 
geE|c, ttjas (Sali über bie CB^ierfd^äbel fagt; auf jeben 
5aII htat er fie eben fo gut gefannt wie ber (ßoriUa- 
Kritifer, ben id] fpäter ermäE^nen werte. (Ein befonberes 
Studium liat (Sali ben ^Itersperänberungen bes Sdjäbcls 
gen?ibmet €r Iet|rle, ber Sdjäbel n?irb im 2Uter bicfer 
unb Ieid)ter, bie IDinbungen u^erben atropEjifcIj, bie 
Lamina interna folgt iE^nen fo 3U fagen, inbem fpongiöfe 
ZlTaffe 3n?ifd)en beiben Cafein gebildet roirb, Diefe 
£eF)re erregte großen IDiberfprudj. „Tille Knodien 
wetzen im Filter bünner, u^arum foHte ber Sd^äbel eine 
^u5naF)me mad?en?" Hid^eranb Iel|rte, bie fortu>äl|ren» 
ben Bewegungen ^cs (ßel^irns nufeten ben Sd^äbel ah, 
(Sali fammelte baE^er eine groge SaI|I oon (greifen» 
fd]äbeln unb fanb fafl immer feine Seobadjtungen be» 
[tätigt. (£r befdjreibt fel^r genau bie Peränberungen bes 
Stirnbeins, bie oerfd|iebenen 5ormen ber 2lbforption unb 
2Ippofition. 2lusfüE|rIid? werben Sie 3urü(Jgewiefen, bie 
bie 5orm bes Sdjäbels pom inu5fel3uge abJjängig 
madjen. "Die 2tnfafefteIIe bes Cemporalis 3. S. ift bei 
ftarfem IHusfel nid)t feiten ^adi, bei fd?n>ad)em gewölbt 
unb umgefei^rt (Pergleidjung ein3elner IHenfdjen, oer« 
fdjiebener Haffen, oerfd|iebener CE|ierarten). finblidj ift 
3U fagen, ^a% natürlid? Kranfl^eiten bie 5orm bes 



m. plivftologifd^cs. 26\ 

5d)äbcl5 ocvänbcrn tonnen, fei es bes 5ötu5, bes Kinbes, 
bcs €nüad)fenen, ba§ es aber Sadje bes Beobad^ters 
ift, patl^oIogifd)e Peränberungen 3U erFennen, bte einen 
Sdjlu^ von ber 5orm tes Sd^äbels auf bie bes (5el|irns 
un3uläfflg mad^en^). £ange Erörterungen merben ben 
^cep{)alen unb ben ^v^i^ö^^^P^^Ien, ben 3^iotenfd]äteIn 
getpibmet. Zladi fürseren (ßeiftesfranfl^eiten finbet man 
feiten Peränberungen bes Sd^äbels, nad] langbauernben 
aber ijl gen?öE|nIidi ber Knod|en bicf, jebod? nid^t n?te 
im 2llter Ietd)t, fonbern fdjroer, ja suujeilen elfenbein- 
artig. 2Iusnal|men?eife ifl ber 5d)äbel auffallenb bünn. 
Die 2ter3te I^aben bisl^er biefe Peränberungen für bie 
Urfad)e ber Kranfl^eit gel^alten, ja mandje leugneten fte 
über{)aupt. Der profeffor IDalter in Berlin erüärte, er 
l^abe fein ganses £then bem Siubium ^es ©rganismus 
gemibmet, er iiahc aber bei 3rren ben Sdjäbel niemals 
bider als fonft gefunben. gutpeilen gleid)en bie 5d]äbel 
bcr Selbpmörber benen ber (Beiftesfranfen unb aud> bei 
Derbred^ern beobad)tet man nid)t feiten 2teFjnIid|es. 
XX)efentIid|e Deränberungen ^cs Sdiäbels fönnen burdi 
Hl^ad^itis unb anbere Conftitution!ranfE|eiten entftel^en, 
ja es fd^eint eigenti^ümUdie, nodj unbefannte Knod^en« 



^) M. Blumenbach cite le crdne d'un homme age, dont de 
cote gauche de la face avait 6t6 tellement contracte, par suite du 
tic douloureux, dont cet individu fut afflige pendant plusieurs annees, 
qu'il fait un contraste singulier avec le cote droit. La crampe 
violente a abaisse le zygomatique du cote souffrant, autant qu'elle 
a fait remonter la partie voisine de la mdchoire inferieure, et 
qu'elle a ^cart6 en dehors, les apophyses zygomatiques. Sollte CS 
fid) ba um Ijalbfcitigcn (Sefidjtsfdjiputtb gclianbclt I^abcn? 



262 2Inljan9: Heber ^ranj 3ofepl^ (Sau. 

franfE^eitcn $u geben (bei einem tDiener Sdjdbel fanb 
(ßall naiiesü soübicfe tDänbe unb babei toaren ^ie (ße« 
ftdjtsfnodjen ebenfalls pcrbidPt). Sei umfdjriebenen <ße^ 
IjirnfranfB^eiten fommen umfd^nebene Perbi(Jungen, um- 
fdjriebener Sdjwunb bes Sdjäbels oor: einfeitige <ßet|irn» 
entsünbungen, Sdjirunb bes KIeint|irn5. Ztatürlidj fann 
bie 5orm bes Sd^äbels burdj (ßeiralteinipirfung (Srud?, 
Perfdjiebung ber StüdPe, Qieb-, Sdjugmunben) peränbert 
werben unb (ßefdjroülfte bes (SeB^irns ober ber (ßel^rn« 
I|äute fönnen il|n ba ober bort oorirölben, aufs ^leugerfte 
oerbünnen, ja burdibredjen. 2lIIe patt|oIogifd?en Per« 
änberungen mu§ Der fennen, ber aus ber 5orm ^es 
Sd^äbels Sd^Iüffe sieB^en n^ill, 

XOas er bisl|er oorgetragen iiahe, meint (Saß, bas 
mödjte man mol^I 3ur Itottj gelten laffen, 2Inbers jieEje 
es um bie 3eftimmung ber (ßrunbfräfte unb iB^res 
Sifees, TXlan gefalle fidj immer nodj barin, 3U fagen 
unb n)ieber 3u fagen, biefer CB^eil feiner £el|re fei ber 
fd|u>äd?fte unb am fdjleditejien bett>iefene. 3^, man 
fdjeue fxdi nid|t, bie 0rganoIogie als ^Ibfurbität unb 
€^traoagan3, als PerrücftB^eit, als CB)arIatanerie unb 
Setrug 3U be3cid|nen. 3^ibeffen fei es begreiflidj, ^a% 
alte feftgeit>ur3elte PorurtB)eiIe fd^tper 3U befeitigen feien, 
€r B^abe gegen eine falfdje ^Inatomie, gegen eine falfdje 
pB^VpoIogie unb am meiften gegen eine falfdje pB|iIo« 
fopB^ie 3U fämpfen. Die ^Inatomen unb pB^ypoIogen 
aber feien getreue Diener einer ZtTetapB^Yp'/ bie fie mit 
ber ZHuttermildj aufgenommen B^aben unb bie aIImäB|Iictj 
3U einem populären Aberglauben geworben ift. IDie 



m. pl^vftoIo9ifd?es. 263 

^as Kinb cE^er tcn fjunb fcnne als bie fjunbcraffcn, fo 
fei bcr ZlTcnfd] übcrt|aupt auf allgemeine Segriffe aus 
unb fei 3uf rieben, u>enn er nur feine 2lbjiraftion voü* 
sogen t|abe. Dal^er fd^Iagen ftd} bie Ceute mit allge« 
meinen Segriffen i|erum, wie ^wUUxqcwi, <5ebä(ijtni§, 
piiantajte, Ceibenfdjaft u. f. tx>., oljne 3U begreifen, ^a% 
«5 biefe 2lbjirafta in ber Italur gar nidjt giebt, ^a% es 
nur eine beflimmte 3ntelligen3 u, f. w. giebt, ba§ bie 
geifiigen 5äl^igfeiten nur als 2lttribute bejHmmter Criebe 
coirflidi »erben. ZHan redjne, fagt (ßaH, 3u all' biefen 
^inberniffen nodj bie profefforen, bie von neuen SnU 
bedPungen nidjts B^ören woHen, bie il^re Sdjüler mit 
fdjneibiger Sefiimmtl^eit beleE^ren unb in oerberblidje 
SidjerB^eit perfefeen, man benfe an ben fjodjmutti unb 
bie Despotie ber geleB^rten (ßefeflfdjaften. (ßlüdPIidjer* 
u>eife feien iljm nidjt aUe 5«ittbe auf einmal entgegen- 
getreten. €r i:iabe jtdj um nidjts gefümmert unb gan3 
ber Hatur i|ingegeben (abandonnd tout entier ä la nature) 
ein ®rgan nadj bem anberen gefunben. Sepor er eine 
(ßrunbfraft gefunben B^abe ober iB^r ®rgan, fei iE^m 
gan3 unbefannt geit>efen, n>ot|in ber IDeg \i(n füB^ren 
ujerbe. TXadi fo unb fo oiel Seobad^tungen taudite eine 
2tljnung auf, aHmäB^Iid^ rourbe fie 3ur beftimmten Per« 
mutB^ung, erft nadi feB^r pielen Perfud^en unb Ueber- 
(egungen 3ur' Ueber3eugung. IDie oft B)abe er nad^ 
jaB^relanger 2lrbeit feine Sdjlüffe oermerfen muffen, wie 
oft fei er oerfud^t gctpefeii, bie gan3e Sadie bei Seite 
3u legen unb 5U ben alten 5d]ulmeinungen surücfsu- 
fel^ren. 3nbcffen fei aflmäf^Iid] bie g^M ^^^ Scob» 



26^ ^Inl^ang: Ucbcr ^ran3 3ofeplj (Sali. 

adjlungcn, btc er feit ber 3w9^nb an (5efd|rx>ijicrn unb 
Znitfdjülern, an aUen möglidjen ZHcnfctjcn, an Cljicren 
aller 2lrt gemad^t I|abe, fo groß geworben, bag bie S^* 
oerjidjt fefi rourbe unb bie ZHad^t ber Ct^atfadjen ben 
Sieg bapontrug. €ine (ßrunbfraft, ein ®rgan nadi bem 
anbern irurbe entberft unb in bem (Srabe, roie bie £nt* 
be(Jungen pdj meierten unb einanber ftüfeten, toid^en bie 
Porurtl^eile, bie fdjoIajiifd?en 3i^rtl|ümer unb bie Znenfdien- 
furdjt surüdP. 

Pon ber früB^eften 3ugenb an, ersäljlt (ßaH, lebte 
id] im 5djoo§e einer finberreidjen 5ömtlie unb mit oielen 
Kameraben. 3^^^^ Uirib I|atte etwas Sefonberes, ein 
Qlalent, eine Neigung, bie il|m eigen wax. (Sali Blatte 
in ber Sd^ule bie IHitfdiüIer 3U fürd^ten, bie mit £eid)tig» 
feit austoenbig lernten, ^a x^ve Ceijiungen bie feinigen 
3Utt)eiIen in ^en Sdtaiten jleDten. Später fanb er in 
einer anbeten Sd^ule u)ieber fold^e Hebenbutiler unb be« 
merfte, ba% fie porftebenbe 2tugen Blatten; auf ber Uni« 
perfttät madite er biefelbe Beobadjtung unb nun per* 
mut{)ete er, ba% 3tt>ifd|en ^en großen 2tugen unb ber 
5äB|igfeit, auswenbig 3U lernen, ein gufammenB^ang be« 
fteE^e. 2ÜS er bann planmäßig barauf ausging, bie 3e- 
3iel^ungen 3u>i[djen ^en geiftigen Einlagen unb ber Kopf- 
form 3U entbedPen, fd|Iug er ben IDeg ein, möglidiji 
große, aber einfeitige Calente 3U bcobad]ten. Diefe 
IHetBiobe ben?äF)rte fid?, aber fie füi|rte nur langfam 
oortDärts unb mand]e 3^rtl^ümer mußten überwunben 
loerben. Hotlimenbig n>ar große Strenge, benn toenn 
es fidi um ^aturgefefee t|anbelte, fo burften feine 2lu5« 



III. pljvftologtfc^cs. 265 

naEjmcn cjiftiren. €ine 2Innat|mc rrar bal^er nur bann 
hexediixqt, wenn jte in einer fcl^r großen gaf^I pon 
5äIIen immer rid^tig gefunden iporben rrar. Sie mußte 
andi bie (ßegenprobe ausE^alten, b. Fj. es mußte [xdt 
Seigen, baß bei aüen perfonen, bie bie fraglidje Anlage 
nur gans u^enig I^atten, aud| bie 5orm negatio «>ar, 
IDar 3. S. bie ben Znufifern eigene Kopfform gefunben, 
fo mußte bei benen, bie feinen Sinn für ZHupf ober 
^Ibneigung bagegen liattcn, an ber Stefle, n>o bie ZHupfer 
eine IDöIbung tragen, feine IDöIbung oorl^anben fein, 
<£in iriditiges ^ülfsmittel ujar bie 2lbformung ber Köpfe. 
3n Deri|ältnißmäßig furser g^it fammelte (Saß ^00 (ßips- 
abgüffe oon perfonen aller Cebensalter unb Siänbe, 
IDußte er oon einem 3nbioibuum; ^a% es burdj ein 
Qlalent ober einen Cl|arafter5ug ausge3eid?net xvat, fo 
nal^m er feine Kopfform unb oerfud^te eine Hei{)e 3U 
bilben, inbem er bie 5ormen äl^nlid? begabter perfonen 
3ufammenftellte. €ine Hegion nad| ber ant>cvm n)urbe 
r>erglid)en unb erft bann, voenn eine €igentl^ümlidjfeit 
allen oerglid^enen Köpfen eigentE^ümlid? xvat, u>urbe fie 
notirt. ®ft, fagt (Sali, ftanben auf meinem (Eifdje 20 
Kopfformen IHonate lang, xdi unterfud|te fte täglid? unb 
nadi langem gw^eifeln unb Perit>erfen ging mir am 
<£ube plöfelidj ein txdit auf, id] fat| bas gefud)te gemein» 
fame ZHerfmal. Die 3etrad|tung ber Köpfe muß burdj 
bie ber Sd)äbel ergänst n)erben. (Dhvoolil er burd) 
ZHangel an Derj!änbniß oielfadi bel^inbert u>urbe, fonnte 
(Sau bodi eine große Sammlung oon Sd)äbeln fold^er 
perfonen, beren €igenart il|m befannt voax, 3ufammen* 



266 ^Inl^ang: Ueber ^rans 3ofepl^ (Sali. 

bringen. 3a, in nid?t wenigen Säü^rx gelang es iEjm, 
ben Sdjäbel bejfen 3U eriperben, bejfen Kopf er früljer 
abgeformt liaiU. IDeiter fammelte er Sdiäbel pon 
3bio(en, (ßeiftesfranfen, Derbredjern. 2(udi Süften unö 
Silber I^erporragenber ZHänner würben benu^t, wenn 
audt babei Dorpdit nötf^ig n>ar^). J)a (Sau jeber ^eit 
bie pf^YpöI<>9i^ ^^5 (ßef^irns 3um 5'^'^ I^alte, fudjte er, 
foweit möglidi, bas (Sef^irn felbjl su unterfud^en. „IPer 
befd^reibt meine 5r^ube unb mein Staunen, als idj fanb, 
bafe bie 5orm aller pon mir befd^riebenen äußeren geidien 
gans genau ber 5orm bcs barunterliegenben (ßeE^irns 
enlfpradi?'' Wo eine runblidje IDöIbung am 5d|äbcl 
roar, ba waten a\xdi bie XDinbungen runblid^ geroölbt, 



*) Malheureusement jusqu'ici nous ne poss^dons que tres peu 
de bustes fideles. Lorsque l'artiste compose, il lui est permis d'ob6ir 
exclusivement aux r^gles de l'art ; mais lorsqu'il est charg^ de trans- 
mettre ä la post^rite le portrait d'hommes qui ont vecu, il a Vob- 
ligation de copier servilement la nature : dans ce cas, vouloir 
id6aliser son modele, c'est defigurer la nature. Mais malheureuse- 
ment les artistes, au litu de rendre hommage ä la verite, se laissent 
subjuguer encore par les r^gles imaginaires de l'art et par les 
pretendues lois du beau. Hs sont trop fiers pour mouler les tetes, 
et pour ex6cuter simplement ce masque ; et cependant il est certain 
que tant qu'ils ne voudront pas se resoudre ä ce parti, nous n'au- 
rons que des imitations imparfaites ou fausses; et deux bustes du 
meme homme, sortis des mains de deux artistes differens, diff6reront 
toujours. Je vois m6me que les plus grands artistes, peintres, 
dessinateurs et sculpteurs, lorsqu'ils rencontrent des formes peu 
ordinaires, et qui leur paraissent choquantes, les regardent comme 
des d^fauts, comme des erreurs de la nature, et croient devoir alors 
modifier les proportions. Et cepedant, d'ordinaire, ces formes inso- 
jites, et qui offensent Toeil, sont precisement l'expression du carac- 
tere moral et intellectuel. 



^- pl^VJtologtfd^es. 267 

geftrccftcn IDüIjicn cntfpradjcn fräfligc IDinbungssügc 
unb 6ie Htdilung bicfcr glid^ 6cr 23id|tung jener. Zlxc 
matf abgefef^cn oon ivarxUn ober fcljr allen 3nbipibuen, 
ein IDiberfprud^ 3U entbecfen, fjat man erft einmal am 
Znenfdjen ridjlige Segriffe erworben^ fo wirb bie oer« 
gleidjenbe pl^ypologie „3ur unerfdiöpflid^en Quelle ber 
Selef^rung unb 3um unipiberflel^Iidijicn Seipeismitlel" 
für bie 0rganologie. Z)ie fiinfad^f^eit ber Der£|ältniffe 
bei ben tEf^ieren erleid^tert bie €rfennlnife, ipäEirenb frei« 
lidi ber 2lbjianb oom ZHenfdien bie* pfvctjologifdie Se« 
urt£|eilung erfdiipert Soweit ber ZHenfd^ bem tEE|iere 
glcidjt, mu§ bie ©rganifalion gleidj fein; bie Körper* 
Organe liegen an gleidjen Stellen unb tf^un gleidjen 
Dienft, bie Sinnesorgane ebenfalls, alfo muffen audj bie 
0rgane ber 3nftinfte gleid? gelagert unb gleidj gebaut 
fein, (ßaß glaubt, aus ber Seobaditung ber Cf^iere, 
tB^rer Unterfdjiebe nadj 2lrt unb 3nbipibuum einerfeils, 
aus ber Prüfung iEjrer Sd^äbel unb (Sel^irne anberer- 
fcits bie npid^tigften Slüfeen feiner CeE^ren geuponnen 3u 
Ijaben. 2Iber aud? t^ier ift ^avan fefi3uE|aIten, ^a^ bie 
<ßeE|irnunterfudiung nur ^ann (Sewum bringt, roenn pe 
im pf^vfiologifd^en Sinne gefüE^rt n?irb, upenn bie CebenS' 
eigenfd^aften ^qs <5et|irn5 fvi)on oorE^er erfannt fmb, 
SufäUige Derftümmelungen burd^ Derlefeungcn ober 
Kranfiieiten fönnen aud^ 2luffd^Iu§ geroäfijren. <5aII 
fül)rt f^ier n?ieber ^as Seifpiel an, ^a% burd^ eine Der« 
lefeung ^es 5tirnt|irns t>as Ztamengebädjlnig verloren 
gelten fönne. finblid^ ift ein Seupeismittel ber 0rgano« 
logie in ber 2tnorbnung ber 0rgane 3U erblicfen. (Saß 



268 2lnl^atig: Heber ^ran3 3ofepl? (Sali. 

entbccftc bie einzelnen (Dxgane nidit burd? Dernünfteln, 
fontcrn bnxdi Scobadilung, alfo fosufagcn siifällig, halb 
bicfcs, balb jenes of)nc jebc 0r6nung. 2(l5 er aber 
fpäter la carte craniologique überblicfte, 6a fanb es fid|, 
bafe bie ^Inortnung oernunftgemäg ipar, b. f?. bafe fie 
bas leijiete, ipas man nadj analomifd^'pf^YpoIogifdien 
Dorausfefeungen erroarten burfte. Die 5cil)igfeiten, bie 
ben 2nenfdien unb ben tEf^ieren gemeinfam finb, roerben 
in bie (Seljirntl^eile perlegt, bie ZTIenfdi unb tEE^ier gc» 
meinfam fmb, b. I^. in bie I^inleren unb unleren CE^eile 
ber £jemifpB|ären. Die 5öljigfeiten aber, bie bem ZHenfctien 
eigentEjümlid^ finb, uperben in ben (ßef^irntf^eiten gefudjt, 
bie beim 2nenfdien gan3 anbers entupicfelt ftnb als bei 
ben tEtjieren, b. E^. in ben porberen oberen CE^eiten. 3n 
gleid^em Sinne ift 3u fagen, ba% je lebensrüidjtiger ein 
tCrieb, eine ^äl^ig^eit ift, um fo näE^er fein 0rgan ber 
Bafis unb ber ZlTebianebene liegt, ba% peripanbte Sätyg* 
feiten nebeneinanber liegen. (£s fann alfo pon IDiflfür 
Feine Hebe fein, ba% sufällig (ßefunbene mug bie gefefe» 
lid^e 0rbnung barftellen. 

<5aü betont meEjrfad^, ba% er fein abgefd)Ioffencs 
Svftem geben fönne, ba% feine Cef^re nid)t als poHenbet 
angefefjen tperben bürfe. IDeber bie gaB^t ber Pon iE^m 
gefunbenen 0rgane, nod| iljre öeseidjnung fei enbgüUig. 
IDenn audj bie €intE|eilung in <5runbfräfte unb in 
2Ittribute unangreifbar fei, fo finbe bod^ bie SejHmmung 
ber (5runbfräfte große Scbrpierigfeiten. IDir E^aben ben 
fertigen ZHenfdien por uns, rpas roir feinen (ßeijt, feinen 
dl^arafter nennen, bas ift bas <£rgebnig Pon bem ^n* 



III. pl^vfiologtfd^cs. 269 

^ammcnvoitfen feiner <5runbfräfte. Die dnscinen (Eigen- 
fdjaften, tie bejiimmten dB^araflersüge jtnb nidjts £in» 
fad^es, fonbern fie finb ber ^lusbrudf bes Dert^ältniffes 
•ber (Sruntfräfte 3U einanber» gwo^^W^" ip ^i^ 3lnatvfc 
möglidi, sur^eilen enbet fie in grpeif ein unb ZnöGÜd)» 
feiten. Was mir ZTTutl^ nennen, ift ntdjt immer basfelbe, 
ber nalürltd^e Kampflrieb ift oerfd^ieben pon bem foge« 
nannten moralifd^en 2TlutE)e. Dag es eine bidjterifd^e 
Einlage giebt, ba§ ber <£ine fte I^at, bet 2tnbere nidit, 
ba% jte angeboren ift, ba^ it^r eine beflimmte Kopf» 
gejlaltung eigen ift, bas alles ift unstoeifelf^aft, aber ob 
fte eine (ßrunbfraft ift, ober auf toeldje <5runbfraft fie 
5U besieBien ift, bas ift fd^coer 3U fagen. J)ie 0rgane 
ipurben entbecft burdj bie Seobad^tung einfeitiger Calente, 
b. f?. ber ^Ypertropf^ie beftimmter <5runbfräfte. 3l)re 
Benennung fanb in Hücffid|t auf fold^e 5cine ftatt, es ift 
baB|er begreiflid^, ba% mand^e ttamen unsutreffenb fein 
mögen, ba% uns bie normale (ßrunbfraft anbers er« 
fd^eine, als if^re übermäßige €ntmicfelung. 

Diefe firupägungen pnb nötE^ig 3U einer geredeten 
Seurtt^eilung. Die CE|eorie mag faflen, bie Cf^atfad^en 
bleiben. <5aII aber miH CEiatfad^en geben; er Fann es 
nidjt unb ttiemanb fann es, oEjne fie 3U oerfnüpfen unb 
Se3ief^ungen an3uneE|men, aber ein anberes ift bie fir- 
flärung als bie Seobad^tung felbft. <5aII's <5egner E^aben 
feine <£rflärungen mit Sd^arffinn unb mit Sd^upad^finn 
befämpft, aber um feine tEtiatfad^en f:tahen fte fld| ntd|t 
gefümmert. 

Je fais observer enfin, que toutes les objections et 



270 ^Inl^ang: Uebcr ^ran3 3of^P^ <SalI. 

tous les doutes de mes adversaires ont un vice radical: 
la craniologie et l'organologie sont des sciences expdri* 
mentales. Pourquoi mes adversaires ne commencent-ils pas 
par r^p^ter les observations que nous avons faites, M. Spurz- 
heim et moi? Pourquoi ne recueillent-ils pas des faits, 
plutot que de me combattre par des subtilitds ddduites de 
leur propre mani^re de considdrer les puissances de Tarne 
et Torganisme animal? Moi aussi, je tenais autrefois aux 
id^es regues, mais la force des faits m'a contraint de 
sacrifier k la v^rit^ cette sagesse, dont je m'^tais imbu 
siu: les bancs de l'^cole, et cette fureur de tout expliquer 
dont j'y avais contractu Thabitude. Le naturaliste, avant 
tout, est Tesclave de la nature-, il doit savoir ce qui est; 
apr^s il pourra se livrer ä son vain d^sir de savoir pour- 
quoi ce qui est, est comme il est! 



IV. Kritif. 



<£E)C man 3ur DarjlcHung 6cr fpccicHcn ©rganologic 
übcrgetjcn tann, m\x% man inneB|aItcn unb fragen, ob es 
jtdi loljnt. tEaugte bic (ßrunblage nidits, fo braudjtc man 
fldj um ba3 SpccicHe nid|t 3U fümmcrn. Die allgemeine 
ZHeinung gef^t ja batjin, 6a§ (SatVs Celjre pon (ßmnb 
aus oerfef^It fei, unb I^at bestjalb für 6ie fiinself^eiten 
nur Spott, nidjt ernflf^afte Kritit 3d^ werbe 3U seigen 
perfudjen, bag biefe 2TIeinung unberedjtigt i% ba% wir 
baE|cr perpfliditet finb, anbcrs als bisf^er 3u oerfat^ren. 
TXnv mödjte idj nodj barauf f^intoeifen, ba§ man mit ber 
2(nerfennung ber Cef^re (SaWs im ^IHgemeinen nodi 
nid)t 3ur 2(nerfennung ber fpecieHen 0rganoIogie ge- 
nötB|igt iji. €s »äre fef^r wolii möglid^, ba% trofe ber 
guten (ßrunblage ßaü [xdi über alle ein3elnen 0rgane 
geirrt iiätic. 2(uf jeben 5aII ijl bie 5rage, ob bie 5orm 
bes Kopfes oon ben geizigen fiigenfd^aften abf^ängt, 
eine anbere als bie, ob unfere Kenntniffe 3ur Seftimmung 
bes IDie ausreidjen. 

3d? gebe 3uerft einen Ueberblicf über bie bist^erigen 
ZHeinungsäugerungen unb bann bie factjlid^e (Erörterung. 



272 2Inl^ang: Heber ^ran3 3ofcpI^ (Sali. 

a) (5cfd|id|tItd|C5. 

Cuciani nennt Sionxens bcn Uehexwinbet (Sall's 
unb tt|atfäi?lidi Ejat 5Iouren5 ^) in ben ruiffcnfd^aftlidien 
Krcifcn (Sali unmöglid? gcmad^t unb bamit cbcnfo mie 
burdi feine eigene £e£^re bie £nlu?icfelung ber (5et|irn« 
leEire nad^I^allig geE|emmt. 

5Iouren5 l|at feine Sd^rift gegen <5aII bem — Des* 
carles gen?ibmet. ZTTit iB)m Fänipft er für bie rationale 
pfvdiologie, für bie einfädle Seele unb bas liberum 
arbitrlum indifFerentiae. <£s I^eifet E|ie Descartes unb 
5Iouren5 gegen (Sau, f^ie Sdjolaftif unb falfdje pt|Ypö' 
logie gegen Ztaturupiffenfdiaft unb gefunben IHenfd^en« 
oerftanb, E|ier Spekulation unb 21berglauben gegen 
nüdjterne Seobad^tung. TXlan follte meinen, menn bie 
tcvdc (Sau nidjt oerftanben htaiUn, fo ^äiie iB^nen bes 
5touren5 Sd^rift bie 2tugen öffnen unb seigen muffen, 
n?o bie IDaf^rf^eit n?ar. ^ber nein, bie Cef^rer ber 
ttaturtoiffenfd^aft fdiaarten ftd? um ben Sd^olaftifer 
5Iouren5 unb t>erE|öE|nten <5aII. IDoran lag bas ? Diel« 
leidet baran, t^a^ ^lourens tEl^ierperfudie mad^te unb 
(Sau nidjt — folglidi vive 5Iouren5, ä bas (SaH! 



*) P. Flourens, Examen de la Phrenologie, Paris I845. 3^1 
^afyce 1863 erfd^ien: De la Phrenologie et des 6tudes vraies sur le 
cerveau. Paris. Garnier Freres. 12^. 302 pp. Per {. Sl^eil 
biefer 5d?rift ift bie ^. 2luflage bes „(Eyatnen ic", entl^ält augcr 
ber Befämpfung (SaU's bie 5pur3l^etm's unb Broujfais' als pbre* 
noiogen. Der 2. (El^eil beftet|t aus gefd^id^tlid^en (Erörterungen, 
in benen (Sau eine fet|r große Holle fpielt, (Erörterungen über 
ben noeud vital unb allert|anb 2lnberem, 



IV. -Kxxtxt 275 

TXadi Siouvens bcrul^t (SaWs ganse CeE^re auf ^wcx 
Saiden: \, bag bie 3ntcIIigcii3 ausfd^Iicfelidi im (ßeB)irn 
fifet, unb 2. ba§ jcbe bcfonberc Sätyqhit \l\v eigenes 
(Dtqan liat ^bcr bcr erjie Safe ift nid^t neu, unb ber 
3U)eite ift nid|t XDalit. £jinfid|tlidi bes erften Sai^es fei 
(ßaU's Derbienft nur bas, i^n bcffer begriffen 5U B^aben 
als feine Porgänger unb it^n mit Eingebung bargetljan 
3U E^aben. Elle [la proposition] e^tait dans la science avant 
Gall-, on peut dire que depuis Gall eile y r^gne. Um 
bem (SaH etr^as absutE^un, fteflt 5Iouren5 bie gans falfd^e 
SeE^auptung auf, Gall croyait que rintelligence r(§sidait 
IndifFdrement dans tout l'encdphale. <£r, 5Iourens, iiah^ 
erft beroiefen, ba% bas (ßeB|irn (rencdphale) aus ^ (Dt* 
ganen befteB^e, nämlid^ aus bem Keinen (ßeEjirn, in bem 
bas princip ber (Eoorbination fifee, aus ben Dierf^ügeln, 
in benen bas princip bes Seitens pfee, aus bem ver- 
längerten ZlTarfe, in bem bas princip ber ^tB^em» 
bemegungen fifee, unb aus ben ^emifpljären (le cerveau 
proprement dit), bem ausfd^tieglidien Sifee ber 3^teIIigen3. 
D reift beB^auptet, ip B)alb geuponnen! 

(ßegen bcn 2. Sa^ ffxfyct 5Iourens feine irrefüf^ren- 
bcn (Experimente ins 5^Ib mit benfelben IDorten, bie idj 
f rül^er citirt f^abe (p. 25^ ff). Die 5äB)igf eit, bie oerfdjiebenen 
Senfationen rDaIjr3unef^men, 3U füB|Ien, 3U urtB^eilen, 3U 
rooHen, fifet al\o an einem unb bemfelben 0rte: rintelli- 
gence est donc une. ^Hes, was (Sau gefd^rieben I^at, 
gilt für 5tourens nidjt, bcnn über 2HIem jleBit Tunitd du 
moi. (ßaU fpredje immer von Seobad^tungen (et lui- 
meme ^tait, dans son genre, un observateur plein de 

XClohius, Znotl^emätifei:. \8 



27^ 2Inljang: Ucbcr ^ran3 Z^i^Vk <5öÜ- 

finesse), aber öic Qauptfad)e Ijabe er nidjt beobadjtct^ 
bie €inticit bes 3di. fjicr prallt 6ie Sd^olafüf mit ^cr 
Haturipijfcnfd^aft sufammcn. 3a, wir [xxib (Eins, roir 
füf^lcn unb wijfcn uns als ein einiges ^di, Das er* 
fennt nalurlidj audj (ßall an, aber er sielet daraus feine 
poreiligen Sdjiüjfe, er rebet meber oon einer einfad^en 
Seele, wie es bie alten unb 6ie neuen SdioIajKfer tl>un, 
nodj Ijinbert itjn bie innere Seobadjtung an ber oor» 
urtBieilsfreien äugeren Seobad^tung» Diefe aber lel^rt 
unroeigerlid?, bafe wir trofe 6er €inE>cit 6es 3d| im 
forperlid^en unb im geijHgen Sinne jufammengefetjt ftnb. 
Wit fehlen Ijier oor 6em tDunber fdjIed^lFjin, 6a§ bas 
Untf^eilbare, 6as 3"^i^i^wum tljatfädilid^ aus Cf^eilen 
bejteBit, ba§ €inB)eit un6 ^Tlannigfaltigfeit 5ufammen be» 
ftcljen ; ja bie tief ergebende Setrad^tung leFjrt, ba§ jebes 
3nbiDibuum nid^t nur aus CE|eiIen, fonbern wieber aus 
3nbipibuen beftcEjt. Da l^itft fein Dernünfteln, wir 
beugen uns vov ber Ctjatfadje unb befennen, ba% es fo 
ip, ob wir es begreifen ober nidjt. Die Sdjolafiif aber, 
unb mit iE^r 5Iourens, tl]ut ben Cf^atfadien (5ewalt an, 
mad^t ben aflgemeinen Begriffen 3U Ciebe vov ber IDirf • 
Iid|feit bie klugen 3U, leugnet bie Cofalifation unb enbigt, 
weil fie bas gro§e unb auf bas IDunberlid^fte sufammen« 
gefefete (ßeB)irn nid)t leugnen fann, mit bem einfad]en 
Seelenpfee im (5eE^irne, wie nadj Descartes, ^erbart, 
Cofee u. 21. es gelB|an liaben. 

Das grögte Derbredjen (SaWs ift nadj 5Iourens, 
^a% er bcn libre arbitre perneint. La libertd morale, 
dit-il [Gall], n'est autre chose que la facult($ d'etre ddter- 



IV. Kritif. 275 

mind et de se d(§terminer par des motifs. Point du tout : 
la liberte est prdcisdment le pouvoir de se ddterminer 
contre tout motif. (Dhine liberum Arbitrium indifferentiae, 
meint' ber große pljilofopf^ S^onvens, giebt es feine 
IXloval, folglid^ giebt es andi für <5aII feine ZHoral — • 
alfol Daß (ßaH bk <£inB|eit ber Pernunft unb bes 
IDillens ntd|t anerfenne, bas fei ein pfyctiologifctjer 3rr» 
tB|um, aber ba^ er bcn freien XPillen nidjt anerfenne, 
t>a5 fei ein moralifd^er Jj^rll^um, fo fagt ber oHe 3efu- 
lüiter. Dabei füBjrt er ben libertin Diberot als geugen 
für bie Sdjänbtid^feit ber Ceugner ber libertd an. 

Toute la philosophie de Gall consiste ä substituer la 
multiplicit(§ ä Tunitd A un cerveau,. g6n(§ral et un^), 
il substitue plusieurs petits cerveaux. ^m (5runbe aber 
mad:^e (5all nur IDorte, er feB^re alles um, mad^e bas 
Unterfte sum 0berften unb bel^aupte bann, er f:iabe ein 
neues £jaus gebaut. tEE|eoretifd| fei bie Sad^e n?ertE|[os, 
praftifd^ füE^re fie 3ur Unfittlid^feit, ber ZHann fei fomit 
gerid^tet. 

<£s bleibe nur nod^ übrig 3u seigen, baß es aud^ 
mit (SaWs 2Inatomie nidjts ift. 2Iuf bas, was (5aII feine 
2tnatomie nennt, roill 5Iourens nid|t eingef^en, benn barin 
fte{|e nid|ts von ben 0rganen. Die ^auptfadie fei bie, 
ba% (Sau bie 0rgane im (5efjirne nid)t liabc abgrensen 
fönnen, unb bamit fei beriefen, ba^ er bie 0rgane nur 
erfunben E^abe, um einen pla^ für bie facultes 3u iiaben ; 
Blatte <5aII bes ^lourens (Experimente üorausfefien 



^) Von mir gefperrt. 111. 



276 ^Inl^ang: Ueber ^ran3 3ofcpl^ (Sali: 

fönncn (fagt 5Iourcn5 felbft), fo mürbe er nid^t getpagt 
liaben, bie gicidimägtge 2naffc bcr £}cmifpF^ärcn in an« 
gcblid^c 0rgane ju 3«rtt|eilcn. IDcgen bcr Kranioffopic 
liabe (Sau alle 0rgane an bie 0bcrfIäd|e bes (ßeljirns 
perlegt, in IDirflid^feit aber fei bie (ßel]irnrinbe siemlidi 
bedeutungslos, ^enn man fönne einem tEl|icre beliebige 
CE^eile feiner <5el^irnrinbe n>egneB)men, ol|ne ba§ es nur 
eine einsige feiner 5ät|igfeilen einbüße. ^ud| bie oer- 
gteid^enbe 2lnalomie fpred^e gegen (Sau, benn, ipäf^renb 
biefer bie Ciebe 3U ^en ^nngcn in bie l^inleren £apf>cn 
ücriege, I]aben 6ie meiften Säwgelf^iere unb alle Dögel 
überf|aupt feine binleren tappen I! <5all oerlege bie 
nur bem ZlTeufd^en jufommenben 5ä^igfciten in bas 
5tirnl|irn, in tüirflid^Feit aber feien bei ben meiften 
Cl^ieren bie oorberen tappen entroicfelt, bie f^interen 
nid^t. So fagt mit Ceuret ber groge 2Inatom ^lourens. 
5erner, bie Kranio{!opie tauge gar nidjts, ^enn bie 
äußere S^ädie t>QS Sd^äbels entfpred^e nur unpoHfommen 
ber ®berfläd]e bes <5el|irn5; für bie 5aferbünbel aber 
(pour les faisceaux de fibres) repräfentire fogar bie innere 
Sdiäbelflädje it^re 5orm nid>t, benn baswifd^en liege eine 
5d)id)t grauer ZHaffe! 

2nit einer Derbäd^tigung ßaWs fdjliegt bie Streit- 
fdirift. Descartes liahc ftd? tagelang in einen IDinfel 
3urücfge5ogen (s'enfermait dans un poele), um 3U mebi« 
tiren, ber Ieid?tfinnige (Sau aber ^ahc fein Sebürfnife 
ber Sammlung getrabt, benn er B^abe auf bas Sd)(aue{le 
bie Ceute in ber (ßefellfd^aft beobad^tet unb Ijabe itjnen 
it^re gelieimen Steigungen abgelocf t. IDeldjer (ßegenfafe : 



IV. Krittf. 277 

Descartcs, blinb für bie WcU, lief in fein 3""^^^^ ^^^' 
fcnft, <5aII, 3ufriebcn bamit, Sdidbcl 511 f<?I]cn unb 3U 
bctaftcn. 

Dilles in Willem m\x% man bcs 5touren5 2lbl)anblung 
als *cin geringes IXladitocrt beseid^nen unb bod) ftel)t 
5Iouren5 l)od] über ben fpäteren Derfleinern (SaWs, 
benn er fprid^t tpenigftens im (Sansen anftänbig oon 
(5aII iinb er B^at itjn toirflid^ gelefen, ir>äl|renb biefe 
<5all oert|ö!:^nen, ot^ne tB|n gelefen 311 l^aben. ^bgefeEjen 
von ^en l^äBltdien ^lusfäHen in ber 5lreilfd]rift fagt 
^lourens oiel <5nUs von (5all. (£r rül^mt il^n als ^cn 
Heformator ber (Sel^irnanatomie unb meint, man fönne 
fein Perbienft erft bann roürbigen, toenn man mit ber 
tiefen Untüiffenl^eit befannt fei, bie bei (Sall's 2Iuftreten 
I]errfd|te. Je n'oublierai jamais rimpression que j'dprouvai 
la premi^re fois que je vis Gall dissdquer un cerveau; il 
me semblait que je n'avais pas encore vu cet organe. 
(5all I]abe fid^ um bie pl^vfiologie bes (Sel^irns bie 
größten Perbienfte ercoorben, er i]abc 3uerft mit 3e- 
flimmti^eit geleiert, bQ% alle Ceibenfdiaften unb (Seifte«» 
franfl^eiten il^ren 51^ im (ßel^irn E^aben, ba% biefes nid^t 
nur 5ife ber 3ntelligen3, fonbern aller geiftigen tEt|ätig* 
feiten fei, er }:iabc 3uerft flar bie 53e3iel]ungen 3rDifd|en 
ber €nttt)i(felung ber feelifd]en ^unftionen unb ber bes 
(SeBjirns bargelegt. (5all ift lobservateur profond qui 
nous a ouvert, avec g^nie, Ttftude de l'anatomie et de la 
Physiologie du cerveau. 

3n ^eulfd^lanb I^atlc (Sali anfangs meEjr 5r^unbe 
als (Segner. IDäl7renb 2ldermann in ^eibelberg unb 



278 21nl^ang: Heber ^ran3 3of^P^ <SaII. 

Walter in Scrlin it^n Ijcftig angriffen, waren 6ic bcjicn 
Ccutc, fo Heil, 5roriep, fjufclanb u. 21., iEjm npotilgcnctgt 
Heil crflärte, bag er „in (ßafl's anatomifd^en Demon« 
(irationcn bes (ßeE^irns mel^r gefeiten I^abc, als er gc* 
glaubt Blatte, 6ag ein 2Tlenfd? in feinem gansen Ceben 
enlbccfen fönnle". ^ufelanb, ber an eine „DarfieHung 
6er (SaW^diQxx (ßeE|irn- unb 5d|äbeI«£eEjre" oon prof. 
(E. £i, <£. 3ifd)off in Sertin „Semerfungen" anfdjiog, 
fdirieb: „ZlTit großem Vergnügen unb 3"tereffe I^abc idj 
6en roürbigen ZHann felbft feine neue CeB^re portragen 
I^ören, unb bin oöllig überseugt roorben, ba§ er 3U ben 
tnerfn>ürbigften firfdjeinungen bes \S, 3aI^rB|unberl5, ixnt> 
feine Cel^re 3U ben tpiditigften unb fül^nften 5ortfdirilten 
im Heidje ber Ztaturforfcbung gefrört 2TIan mufe iB^n 
felbji feE^en unb I]ören, um ben unbefangenen; oon jcber 
(Etiarlatanerie, UniraE^rE^eit ober transcenbenteHen Sdiwäv' 
merei upeit entfernten ZlTann fennen 3u lernen. IHit 
einem feltenen <5rabe üon Seobad^tungsgeift, Sdjarfftnn 
unb 3nbuftion5taIent begabt, in ber Ztatur aufgetrad^fen, 
unb burdj fteten Umgang mit iB)r 3U iB^rem Vertrauten 
gebilbet, faßte er eine 21Tenge ZlTerfmale unb firfdjei« 
nungen im gan3en (Sebiete ber organifdjen IDefcn auf, 
roeldie bisB^er entmebcr gar nid]t ober nur oberfIäd|lid| 
bemerft njorben n>aren, ftellle fie mit finnreid]em <5eipe 
3ufammen, fanb iE^re analogifdjen Perl^ältniffe, it^re Be» 
beutungen, 30g Sd^lüffe baraus unb fefete tDaf^rEjeitcn 
feft, bie eben baburd^ htödi^t fd^äfebar merbcn, t>a% fie 
rein empirifd), blos ber ZTatur nad^gefprodien fmb". 
fjufelanb bringt bann eine HeiE^e pon Sebenfen oor 



IV. KrtHF. 279 

unb fdjlicfet, 6a§ bte ©rganologie im (Sansen ipaEjr, We 
<Drganoffopie aber nod^ fcEjr unsuperläfftg fei. Später 
fprad^ andi 5r. 2(rnoIb ipoljtipollcnb über (SaWs £eB|re, 
freiüd) öt|ne (ßall gelefen 3U l|aben. 

2IIImäE^Iid? fd^etnt fid? ber IDinb gebret^t 3U hiahcn. 
lieber 5tourens unb feinen fjerrltd^feiten üerga§ man 
<5aII. Uebert^aupt brängte bie neuere fintoicfelung ber 
pE)V(ioIogie unter bem €influffe ber 5ran3ofen bie (Se- 
banfen auf lOege, bie von benen (ßafl's n?eit ab lagen. 
(£rft um bas ^ahix ^8^0 tourbe bie ^ufmerffamfeit ^a» 
burd^ roieber rege, ^a% <£nglänber, bie in iEjrer fjeimat 
burd) SpursE^eim (SaWs CeEjre als „pljrenologie" fennen 
gelernt Blatten, nadj Deulfd)Ianb famen unb propaganba 
madjten. Sie fanben ^nB|änger unb £. (S. (Earus trat 
auf, f^alb 3uftimmenb, I^alb perneinenb. Die Sadje ge» 
ftaltete fid? baburd^ red|t ungünftig, ba% bie meinen 
pi^renologen £aien roaren unb nid)t immer gefdjicft 
oerfuFjren. So unflar unb fd^Ied)t begrünbet bes darus 
Kranioffopie aud^ mar, fanb fie bod? bei ben (Seleljrten 
pietfad^ 2tnflang unb ber (Saflimatbias pon bcn 3 Sd^äbel« 
u?irbeln unb ber Dreiltieitung ber Seele galt für „n?iffen« 
fdjaftad?^ 

Vk <5egner ber pl^renologie, 3U benen bie meijlen 
ZHebiciner geE^örten, erl|oben iB|re Stimmen aud?. 5rei« 
Ixdl fragten fte nie, ob bie oon (Sau befd^riebenen Cl^at« 
fad^en rid|lig feien, fonbern immer, ob bie £eE?re mit 
il)ren porgefagten 21Teinungen übereinftimme, unb bei 
2(flen faft ift es erftd^tlid^, ^a^ fie (Sau nie gelefen 
iiahm. TXlan fd^ämt pd), toenn man biefe IDiberlegungen 



280 ^nl^ang: Ucbcr ^ran3 Zo^^Vk <S^Ü- 

6cr pt|rcnoIogie licjl. €in Cübinger Doccnt bcr pBiYp^' 
logie 3. S., Dr. <ß. £J. Zncycr^) toMctc (ßaH oB^nc iEjn 
gclcfen 3U I^abcn unb beipics feine IDcisf^cit baburdj, 
ba§ er beB^auplete, bie ftarfe €nt«?icfelutig bes Dorber« 
lopfes beim ZTTenfdien f^änge nur bavon ab, bag beim 
2nenfd?en ber fogenannle ^irnbalfen größer fei als bei 
ben 5äugetB)ieren. 3n roiffenfdiaftlidien Kreifen fdjeint 
bie Sefämpfung ber (ßaH'fdien £e£|re burd^ ^(nbreas 
Hefeius (Einbrudf gemad^t 3U liahen. Hub. IDagner er* 
flärte, er fd^liege ftd? bem UrtE^eile von Hefeius gan3 an. 
IDenn man jefet ben 2(uffafe bes fdiupebifd^en (ßeleF^rten 
lieft, fommt einem biefe 2lnerfennung eliras u>unberlid? 
oor. Hefeius^) meift nalürlid] auf bie glorreidie Kritif 
bes ^lourens Ejin. <£r mad]t bann ben unglücf(id)en 
Derfud), (Sall's 2Inatomie an3ugreifen. „^uf biefer 
fdiu)adien analomifd^en (5runblage oerfud^te (Sau bas, 
was er bie pl^Yp^^^öi^ ^^^ (ßet^irns nannte, 3U erbauen. 
Sein x)or3ÜgIidifter Semeggrunb B^ier3u 
mar^), bie <£inE|eit ber Seele 3U be3u?eifeln unb bann 
3u leugnen. Um ba3u 3U gelangen, foflte bie Seele aus 
feinen 27 Seelenfä£|ig!eiten 3ufammengefefet fein." ZHerf- 
roürbig, ^a^ bie 2tnatomen fo beforgt um bie <£inB^eit 
ber Seele ftnb! <5aII iiaha gan3 ungenügenbe Kennt» 
niffe von ^en <5yxi geE^abt, ^rft ^ooille B^abe ^as Hedjte 



^) Die pl^rcnologie 00m miffenfd^aftltd^cn Stanbpunfte aus 
heleud^tet, Tübingen ^8^^. 

^) 3eurtt|etlung ber pi|rcnologtc 00m Stanbpunttc ber 
2lnatomte aus. 2lrd?io f. 2lnat. u. ptiyfiologte (l^erausgeg. pon 
30I7. inüUer). 3al|rgan9 ](8^8. p. "33. 

^) Don mir gefperrt. IH. 



IV. Kritit. 28 H 

gefunden. „So 3Ctgt uns gcrabc ^a5 5lu^ium ^cr 
Wm^nnqen, ^ag (ßaH nur ^^n ficinftcn [!] Cl^ctl Mcfcr 
roid^tigen Organe bcrüdfid)ttgt/ H. Bcl^auplct, bag ,,bcr 
größte (El^cit bcr ®BcrfIäd]C ber £}emifpl^ärcn in feiner 
Berül^rung mit ben Hegionen bes Sd^äöets ftel)t, auf 
meldte bie pI^renoIogifd]en ©rgane placirt u)orben finb". 
Bei biefer eigentl:|ümlid]en 2luffaffung nimmt es nid]t 
ü?eiter IDunber, ba§ 2\. ernftliaft fjeroorl^ebt, es fei ^odi 
andi ber 5orni^ aus £Jirnn?inbungen gebilbet. Sobann 
u?enbet fid] H. gegen (Sall's ^uffaffung ber einseinen 
(Elieile ber (ßeliirnrinbe. Die £el^re oom Kleinl^irn fei 
oerfel^It, benn ber ^mpl^io^us Ijabe fein Kleinl^irn u. f. «>. 
(Bali fud]e irrigern^eife ben 5ife ber Gebe 3u ben 3uii9^n 
im I^interen £appen, aber „bic I]interen tappen merben 
mit wenigen ^lusnal^men bei ben Säugetf^ieren ©ermißt". 
(5all liaiie flar unb überseugenb bargetljan, auf roeldic 
IDeife bie 2lnatomen auf biefen ungeljeuerlidjen 3^rtl^w»" 
gerall^en fnib, er fjalte geseigt, meld^es Derl^ättnig ^inler« 
läppen unb Klein l^irn bei ^en üerfd]iebenen Cl^icrarten 
l]ahcn. Das I^alte aber nidjts gef^olfen, benn 50 3al]re 
fpäter beleljrte Hefeius mit £euret unb 5Iouren5 ^en 
(Bali, ^a% bie 5äugell]iere feinen ^inlerlappen F^aben. 
€in weiterer Vorwurf, ^en H. gegen bie pl^renologen 
rid]tet, ift ber, fie I^ätlen bie €nta>icfelung ber Hirnlappen 
nid]t berüdfid]ligt. Swerji enttoicfle ftdj nämüd] beim 
fimbryo ber oorbere tappen, bann ber mittlere sulefet 
ber I^intere, „fo ^a^ bie I]interen tappen ^en Sd^Iu^ftein 
in ber Silbung bes (ßeliirns ausmad]en unb eigenllid] 
^em ZHenfd^en angel^ören". <£s fei ansunel^men, ba^ 



282 ^Inbotig: Heber ^ran3 3ofepb (Sali. 

„^ic vorderen tappen am nicbrigficn, öic mittleren 
böljcr vkxib Mc I^intcrcn am I>5ctjftcn in öcr funftioncflcn 
Hangorbnung unb Bedeutung flcl^cn". Das ip öic 
lDiffcnfd]aft, ^ic über (ßafl gcrid]tct bat firmer (ßaü! 
lDeitcrl)in folgen bei Hefeius lange ^lusfüfjrungcn über 
^ie Haffenfdjdbcl unb über fünfllid? oerunPaltete Sdiäbel, 
öic gar nidjts befagen. gu crtpäl^ncn ifl oiellcidit nodtt, 
öa§ Hefeius annimmt, „ba§ es grogc (5eifter mit ungc« 
n?öi|nlid] fleinem Kopfe unb fomit aud^ fleinem (Scljirne 
gegeben l^af! ^m Sd^Iuffe fagt i^efeius: ;,lTad]öem id^ 
foldjergeftalt fo üielc €inn>ürfe unb 3eben!Iid|fciten 
gegen bie pl^renologic bargetegt l\ahe, möd]te man toobj 
glauben fönnen, t»a§ idj fie aud? nad] allen il^ren Ci^cilcn 
für ungereimt Italien bürfte. Dies ift aber bei IDeitem 
nid?t meine tlTeinung. IDas id^ gegen (Sau unb feine 
Had^folgcr in ber pijrenologie, fotoie gegen iljre Cel^re 
liahc, ift bic Cenbens, fte 3U einer IPiffenfd^aft mad?en 
3u ipollen, ba§ bie pi]renoIogen il^re Cel^rc auf ptylo* 
fopljifd^em (5runbe errid?ten u?o(Ien, mäl^renb jte, bie <£in* 
beit ber Vernunft leugnend, bamit anfangen, bie pijilo» 
fopl^ie über ben fjaufen 3U u)erfen, nnb ba§ fte auf 
eine 2lnalomie bes (Setyvns bauen u?oUen, bie nid^t 
ejriftirt/' „€s ift inbeffen fjöd^ft n?aF?rfd?einIid), t>a% bie 
äußere 5orm bes Kopfes in mel^rfad^er fjinftd^t g^ugnife 
oon ben Seeleneigenfd^aften ablegen fönne." Vor aücn 
Dingen liahen bie piirenologen bisl^er bie Sd^äbel nodj 
nid^t genau genug gcmeffen! Darin liegt bie gufunft. 
Don Hefeius rül^rt befannllid] bie (£intl|eilung ber 5d?äbel 
in brad]YCcpI]aIe unb bolid^ocepl^alc einerfeits, in ortl^og* 



IV. Kritif. 283 

naiiie nn^ prognatt^e anbcrerfcits l^cr, unb unter bicfein 
o^cn Sdjcmaltsmus Uibcn n>ir nodi fjculc. 

2tudj Hefeius fjaltc tt>al|rfd]cinlidj t>en (Bali gar nid]t 
gcicfcn. 5id|cr fjat es ^y^tl ^) nid^t gcll^an, öeffen 2luf « 
fafe gegen Me pljrenologie fel^r 3U beflagen ift. Die 
meiften von uns fdjäfeen fjyrtl als il^ren Cel^rer in ber 
^(natomie \xnt> n>if|en feinen Celirbüd^ern Dan!, Bei ^er 
;,Kritif öer Sdjäbeltelire" aber fdjeint iljn fein guter 
(5eift gans üerlaffen 3U l^aben. Keimte man ^en Per« 
faffer nid]t, fo roürbe man ^as 5d]riflftürf für bas IPerf 
eines 3ournaIij!en fjatten, öem es nid]t um ^ie Sad^e, 
fonbern um ben €ffeft auf bas publifum ju tl^un ift 
unb ber besl^alb aud] unmürbige Spaße nidjt üerfdjmälit. 
(ßall n>ar mebr als ein guter Cel^rer, er tt>ar ein Sal^n- 
bred?er unb Eiyvtl follte nur mit bem Biixie in ber ^an^ 
von ilim reben. Statt beffen beginnt er mit ber 3e» 
l^auptung, (ßall's Sd^äbelleljre fei nid]t fo fel^r 3i^rtl]um 
in ber 3bee, als (£l|arlataneric in ber 2(usfül]rung ge« 
u)cfen, Die „IDiffenfd^aft" bähe bie Perl^anblung über 
biefen (ßegenftanb gans von [xdi gen^iefen, „^a es 3^^i^' 
tljümer giebt, benen man nid^t einmal bie fil^re einer 
anftänbigen XDiberlegung gönnen mag" [pfui!]. Das 
^gea)id]tigPe Bebenfen" gegen bie (5all'fd?e £el^re fei, 
„^a^ bie Criebe, Neigungen, Anlagen ftd] nur an ^en 
ber manuellen €^pIoration sugänglid^en Hegionen bes 
5d]äbels ausprägen follen, t>a bod^ andi an ber unteren 
5Iädje bes (ßeliirns Ct|eile bes (ßel^irnorganismus, unb 



') 3<^f- ^V^tl, Sebrbudj J)cr tof>oö[rapb. 2lnatomtc. 3. Ihxfi. 
Wkn (857. I. p. U3. 



28^ ^Inl^ang: lieber ^van^ 3ofepl^ (Sali. 

$tt)ar gerabc bie IcbenstDidjligPen, liegen", Das I^eißt 
nun fretltdj, ben Sinn einer Cel^re fnollig migoerftefjen. 
Don ben Ieben5n>id?tigpen (Organen ift eben feine Hebe, 
fonbern von t>encn ber (Eriebe. Diefc oerlegt (Sau in 
bic (SeE^irnrinbc, unb stoar in bie gansc Hinbe, nid}t 
nur in bic ber 5d]äbeltt)ölbung anliegenben (El^eile. 3ei 
ber Kranioffopie aber fann er nalürlid) nur von ber 
(5el]irnrinbe fpred^en, fomeit jte bie 5orm bes Sdiäbel- 
geiüölbes beftimnit. lüeiterljin folgen ^nefboten über 
bie Cntberfung ber einseinen Organe, bie (Sau lädier* 
lidi mad]en follen, pfvdiologifd^e ^ebenfen, bie fxdi bei 
bem 2inatomen Viyttl eltoas fomifd) ausneljmen, im (ße* 
fpräd]e gefallene gans tl]örid)te ^teugerungen Hapoleon's 
gegen (SaU, ^erid^te über angeblid^e grobe 3^J^tI^ü^ii^'^ 
(SaWs, fur3 eine Poleniif, bie eines ernften 2Tüanne5 nidit 
tDÜrbig ift. (Sali I^atte gefagt, ^as unb bas l^ahc idi 
hcohadiUt Biyrti unb anbere (ßegner unferfud^en tias 
(EI]atfäd/lid]e gar nid^t, fonbern antoorlen, bas fann 
nid^t fein, benn es u?iberfprid?t unferer Denfungsart 
üoüftänbig. Die Bel^auptung, „t>a^ t>en (£rE|abenl|eiten 
bes Sdiäbels feine (£rl^abenl^eiten bes (ßel^irns enl* 
fpred^en", ift bod] feine „einfädle anatomifdje IPaE|r« 
nel^mung", voxe ^yvÜ meint, fonbern eine petitio principii 
unb babei grunbfalfd^. IPäre ^yrll nidit pom ^a§ oer* 
blenbet getoefen, fo Ijätte er einen fo tl>örid)ten Sai^ 
überl^aupt nid]t ausgefprod^en. Hatürlid? beruft [xdi 
fjyrll auf Hefeius, a>ie ftd? biefer auf 5Iourens berufen 
I]atle: es l^ängt (5ea>id)t fid] an (Setvxdit Bei allebem 
liat i^yj^tl fo üiel geraben Sinn, bag.er fagt: „(£s lä§t 



IV. Kritif. 285 

fidj 3n>ar a priori gegen bie 3öec bes (ßall'fd^en Syftems 
nidits einipcnbcn; eine geroiffe Cofalifirung ber (5eifle5- 
tF^ätigfeiten auf einselne (ßel^irnorgane l}at gerabe nid^ts 
^Ibfurbes". 

34 müßte fürd^ten, 3U ipeillänfig 3U toerben, iDolIle 
id? afle oon I^erporragenben ZHebicinern gegen (ßafl 
geriditelen 2teußerungen roiebergeben. Viixv einiges <£x' 
ftaunlidje fei angefül^rt. Zladt 21. Xt). Dolfmann, ber 
bie tclixc (ßall's „mit t>m Waffen ber JEJegerfd^en Cogif" 
angreift unb beffen pfYd]oIogifd]e 2Iu£einanberfefeungen 
fefjr \diwadi jinb, ij! ein parafletifmus stoifdien ber 
(5röge bes (ßet^irns unb ber einer feelifd^en Ct^ätigfeit 
gar nidjt benfbar. IDenn (Einer fage, bie (5rö§e ber 
fjirntlieile fei ceteris paribus ber IHaafeftab für bie 
€nergie ber Seelentliäligfeilen, fo fönne man eben fo 
gut fagen, bie Dicfleibigfeit eines Bud^es fei ceteris 
paribus ber ZHaaßftab für beffen IPertl^. 30I:). ZHüIIer 
meint, bie £ofaIifation nadj (Sali fei eine pliyp^^^^^öH^^ 
Unmöglid^feit. „fis giebt burd]aus feine Cl^atfad^e, 
n>eld]e nur entfernter IDeife bie Hid^tigfeit einer fold:en 
2lnfid]t im ^allgemeinen unb bie Durd^fül^rung im (£in- 
seinen 3U erweifen im Staube ift (£s lägt [\dt feine 
prooins bes (ßel^irns nad^meifen, morin bas (5ebäd]tnig, 
bie fiinbilbungsfraft u. f. w. il^ren Sife iiäiUn^' [als ob 
(Ball fo €tu>as bel^auptet Ijätte!]. „Bebenft man auf 
ber an^ten Seite bie 3. tEl^. gans unpfvdjologifd^en, 
oon (Sau 3ufammengebradjten Uroermögen, fo fann man 
biefe burd^aus Xlidite beweifenben IDillfürlidifeiten ol^ne 
IDeiteres oon bem 5orum ujiffenfdjaftlidier Unterfudjungen 



286 ^(nbang: Heber ;Jran3 3ofepIj (Sali. 

ausfdilicgcn.'' ZlTcrf CDÜr^ig , ba§, fobalb es jtd] um 
(5an Ijanbclt, ^fle compctente Hid^tcr über bie pfydjo* 
logie jlnö. 

€5 fdieint, ba§ man ettoa pom 3öB|re \860 an 
(ßatt für erlebigt gcl^alten B^abe. IDentcjPcns Ijabe idj 
feine ausfüiirlidie XDibcrIegung [einer £eB^re in öer 
jüngeren £iteratur gefunden, mag fein, ba§ mir ZHandjes 
entgangen ijl 3^^oct? mu§ idj B^ier nodj K. Hieger ^) 
eriPöEinen. ^wav giebt jtd] Hieger ju einer IDiöer* 
legung t)er (ßaH'fd^en £eljre nid^t fjer, jte ijl für iE|n 
tobt, aber er fprid]t bodj red]t Diel über (ßaü unb t)ie 
piirenologie. H. ftellt infofern eine rulimüolle 2(u£« 
naB>me bar, als er n>irflidj in (Sau gelefen liat Um fo 
bebauerlid^er ijl es, ba§ audj fein Urtljeil fd?ief unb un« 
geredet ift. Die Dcrirrungen ber fogen. pFjrenoIogie 
fönnen nadi H. I^eute oon jebem Kinbe eingefeljen 
werben. (SaWs Pfvd^ologie bejleBjt aus Unmöglidjfeiten, 
er liai in ber ^auptfad?e IDorte fubjtantiirt unb materia» 
lifirt. „5teilid^ für bie Vertreter xvab^xcv lüiffenfdjaft 
a>aren (SaWs 3^rtE)ümer 3U plump, als ba% jte il^r 
anbers als mit l?erad]tung unb ZTIitleib liätien begegnen 
fönnen . . . 2lber biefe 2Tüänner finb eben immer feiten 
unb barum rid^len foId)c Derirrungen, mögen jte nod] 
fo grob fein, in nal)eftel^enben IDiffensgebieten immer 
3d:aben an," plump unb grob? Unerträglid? ijl bas 
Stolsiren mit ber „roal^ren XX)iffenfd]aft", benn 3«^^"^ 
ijl bie roal^re IDiffenfd^aft bie, bie er anerfennt. IDie 



^) Ikber bie Besicbungcn ber Scbäbellcl^re 3ur pbyjtoloaie, 
pfycbiatrie unb ^tbnologie. IDürsburg (882. 



IV. Krittt. 287 

falfd] ^ie Bcl^auptung H/s in t^iflorifd^cr ^tnjtdit ift, 
^a5 gct|t aus ^cr bisfjcrtgcn DarpcIIung 3ur (ßcnüge 
I]croor. Bcfonbcrs ungcrcd^t ijl ber Dortourf bcs Ccid^t- 
jinns gegen (5all. (ßetoig wat (ßaH mit 5oIgcrungcn 
xa\dicx, als mir es uns f:icntc gcflatten, aber fo u>aren 
3U feiner ^cii alle (5elel|rtcn. tlTan foU einen ZHann 
in feiner ^cxt oerftel^en, mit feinen geitgenoffen oer* 
glidjen n>ar (ßall äugerjl getoiffenl^aft unb i>orfid?tig. 

Die 2Tleiften begnügen fid] mit fursen rDegtt>erfenben 
^eu^erungen, 5d]on Carus Blatte gefagt „ßaü in feiner 
unlogifd^en ^trt", obiüol^l bod^, toer in einem (ßlasljaufe 
jifet, nid^t mit Steinen n>erfen foll. Später w\vt> es 
üblidj, (ßall als fiinen 3U bel^anbetn, ben man nid)t 
ernjt nimmt. Ztur nebenljer ern?äl?nt man bie unlogifdjen, 
oberfIäd|lid|en, unujiffenfd^aftlid^en, pl|antaftifd?en, frioolen 
Sel^auptungen (ßall's, man beljanbelt il^n nid^t, toie es 
fid^ geliört, als einen ausgeseid^neten Tinatomen, fonbern 
als einen ^ansujurj!, ber von 2lnatomie gar nid^ts oer* 
ftel^t. „2ln oielen Stellen, fagt W. Wun^t, oerbiefen 
uns Derbicfungen unb ^öl^lungen bes Knodiens, irgenb 
ettt>a5 von ber 5orm ber unterliegenben (ßel^irnrinbe su 
fd^liegen. Zladi ^en (Srunbfäfeen (SaWs, bie fxdi auf 
bie bem ZHenfd^en nädjftftel^enben Cl^iere anu^enben laffen, 
n>ürbe fid) ber (ßorilla burdj eine enorme (£nto>icfelung 
ber (ßottesfurd^t ausseidjnen." ^) Kann man ungered]ter 
unb böswilliger Don einem großen ZHanne reben? 



^) „(Scbirn unb fcelc". Peutfd?c Hunbfcf^au XXV. p. ^7 bis 

72. ^880. 

3n biefcm 2luffat3C crojäl^nt ber Dcrf., ha% 2luguft Comte 



288 2lnl^ang: Heber ^van^ 3ofept^ (Sau. 

ZtcucrMncjs f:iat 2(. 53acr^) wodt einmal eine gan^^ 
Vflenge bcr fd]icfcn Urll^cilc über (Salt sufammcngcbrad^t 
€r beginnt gfeid] mit einer falfd^en Eingabe, (Sau habe 
feine CeB^re als ptjrenologie beseid^nct. Das ijl aber 
(5aII gar nid^t eingefallen, öer Harne fommt bei (ßall 
gar nid^t Dor, er rüljrt von einem 5d)üler 5pur5l>eim's 
I^er. Die Sdiäbeljlubien I^aben 3aer 5u ber (£infidit ge« 
hxadit, „bafe bie Silbung bes Sd^äbels in feiner IDeife 
von ^er bes (ßeljirns abl^ängt". Sein €ifer fül^rt iBjn 
fo ipeit, ^a§ er (\893!) auf p. \^ fagt, 5lourens „^at 
geseigt", öa§ bie Subftans öes (SeE^irns in funflioneller 
3e3iel)ung gans in^ifferent fei, unö auf p. H5 sugiebt, 
öa§ bie ilourens'fdie Cel^re jtd] „in feiner XDeife be« 
ftäligt gefunöen hiaV*. Das Sud) Baer's, bas biefe un» 
fritifdie ^ufammenftellung enlljält, ift eigentUdj gegen 
£ombrofo gerid|tet unb beginnt besljalb mit öer Be« 
fämpfung öer pi^renologie, mcil öer Perf. ^ie rid^lige 
(2rfenntnig hiat, t>a% (ßall ber eigentlidie Begründer ber 
(£riminal'2lnll)ropologie '\% Bei £ombrofo aber, ber 
allen (ßrunb iiättc , (Sau als feinen Dater 3U eljren. 



in ber pi^rcnologie bic pfyd^ologie ber gufunft feljc unb (Sali 
neben Kant fteUe. 3d? fenne bic Sd^riften <£omte's nid^t, mn§ 
aber fagen, ba% bie 2lngabe XV 's bas erftc 2ln3iel)enbc ift, n?as 
idf über ben franjöfifd^en pijilofopljen gel^ort t^abe. 

ID.'s eigene 2lnfid?t fann man baraus erfennen, ba% nadf 
il^m beim 2lusfpred?en bes Sa^es „lOeig ift nic^t 5c^ipar3" bie 
Dorftellungen bes IDeigen unb bes 5d?ipar3en einen bcgleitenben 
pl^yjtologifdpen Vorgang }:iahen, „bie pergleid^cnbe Dcnftl^ätigfeit'' 
aber nid?t. IDol^I betomm'sl 

*) Per Perbredper in antl^rppologifc^er Bestellung. £eip3ig 
^893. (S. (Et^iemc. p. 7\\. 



IV. Kritit. 289 

n>irb Mefcr, abgcfcB^cn von ein paar Seif picUn, nid^t ertDäfjnt. 
Die Craniometric tt^at es Combrofo an unö feine Sdjäbel« 
meffungen jtnb bas größte ^inöernig für öie 2(nerfennung 
bes guten Kernes feiner €efjre getoorben. Die Craniometer 
jtnb par esprit de corps (Begner (ßafl's, (Eine ^usnal^me 
madit nur ZH. Senebift. €r fagt^): „Tils (Sau eine ber 
epod^emadienbjlen (Entberfungen ber Culturgefdjid^te 
ntadjte, ba§ Me (Bef^irntjemifpl^ären (Eräger bes pfydii« 
fdien £ebens feien unb bag ^er quantitative Sprung oon 
öer tEi^iermelt 5um Culturmenfdien in bem Sprunge ber 
relativ grojgen quantitativen (£ntn>irfelung ber ^irnl^emi- 
fpt|äre gegenüber ber an^eren (ßei^irnmaffe liege, ba% 
ferner bie €ntn>icfelung ^er Sd^äbelmölbung mit öiefer 
relativen fintmirfelung öer ^emifpB^ären Sdjritt I^alte 
unö als (Bali ben (ßrunöfafe auffteüte, ba§ einerfeits 
jeber topifd^en €ntn>idelung eines jeben ^bfd^nittes ^er 
5d]äbelfnod)en eine conforme topifd^e fintmidelung eines 
Sugel^örigen (Sel^irntl^eils entfpredje unö baj5 jeber (El^eil 
^es (ßeljirns eine lofale fpecififdje pl^vfiologifdie Sv^nh 
tion, ergo eine fpecififd^e pfvct^ologifd^e Bedeutung E^aben 
muffe, lag es naB^e, ben mddjtigen Dreiflang Sd^äbel, 
fjirn unb Pfvdie ansufd^lagen. (£s mar eine 2llbernl|eit 
t)er 2Tüajorität bcr seitgenöf jtfd]en (ßelel^rten, ba§ fte fidj 
t)ie (2)B|ren sul^ielten." (£s folgen Bebenfen unb An- 
gaben über 3rrtl|ümer (ßall's. „Va% (ßaH im erften 
einlaufe 3ur £öfung berfelben' [ber biologifd^'pfyd^ifd^en 
<5leidiungen] fd^eiterte, barf fein (ßrunb für geu>öljnlid]e 



^) Kraniotnctric unb Kepl^alomctric. VO'ien u. £cip3ig ^888. 
Hrban u. 5d?ipar3enbcrg. p. Wif. 

möbins, Znattjemattfer. 19 



290 2lnl^ang: Ucbcr ^ran3 3ofcpt^ (Sau. 

Hlcnfd^cnfinber fein, auf einen ZHann wie (Sau E^erab- 
Sufeljen, öen wix neben einem Saco v. Perulam, neben 
Xlevoion, (Balilei; üant unb anderen giexdiwextiixgen 
^eroen bes (Beides in jtellen Ijaben.'' Das ftnö fd^one 
H)orte, aber Iciber jeigt es pdj auf p. \20, bag audj 
Sene^ict öen (Bali gar nidjt gelefen hiat <£s l^eigt ba: 
;,(Batt liai tie SdieiteipeilB^eit bei Dieben beobad^tet unö 
besl^alb ben Diebes jtnn auf ben Sd^eitel oerlegt'' Kein 
Woxi bavon jtel^t bei (Bau unb nur t>ex, ber (ßall's 
Xüevt nidjt fennt, fann foldjen Unjtnn bel^aupten. Heber* 
Ijaupt I^ätte idi (ßall's Cob lieber anöersu>o als bei 
SeneWct gelefen. ^eufeerjl fomifdj ip nebenbei gefagt 
öie SeB^auptung S.'s, (Ball I^ätte eine beffere pi^re- 
nologie gemad^t, wenn et ^erbarfs pfydjologie ge- 
launt iiätte, 

Waiixen^ nodi bex CE^or ;,Kreu3igeI" rief, oottsog 
pdi fdjon bie IDanMung, oermöge beren in naiver gu« 
fünft öem gefdimäliten unö oerad^teten (Baß fein Hed^t 
merben u>irb.^3d] meine bie €nta?irfelung ber neuen 
Cel^re oon ber (BeBiirnlofalifalion. Sefanntlidj n>ar ^as 
€rfte bie fintöerfung bes fog. Spradj» Centrum» €s ij! 
eigentlidj merfu>ürtig, ba§ biefe suerft fam. Wenn man 
einmal mit (Ball annal^m, bag alle gufiänbe Des Se* 
n>u§tfeins burdj Porgänge in ben IDinbungen repräfen- 
tirt finb, fo liälte man jtd] fagen müjfen, t>a% Vex* 
binbungen von ben IDinbungen 3U öen Stellen bes 
aücfenmarfes, von benen bie Heroen 3U öen (Blieöer* 
musfelnjgef|en, unb Perbinbungen von ben Sinnespädjen 
aus 5U &en IDinbungen e^iftiren muffen. TXlan ^äiie 



IV. KriHf. 29 \ 

[xdl ferner fagcn muffen, &a§ bie 3cfcB|Ic 3u bcn IHusfcIn 
nidjt oon aßen Stellen bcr XPinöungen suglctdj aus« 
gelten fönnen, nodj Ztadiriditcn von außen fofort aUe 
H)inbungcn crrcid^cn fönncn, ba§ oiclmclir btc su* unb 
abfüB^renbcn IDege oon bcflimmtcn Stellen bes ^irn- 
mantels ausgel^en muffen, morauf ja audj bie anatomifd^e 
^norbnung hiinmks, Seltfamern)eife lieg [xdi (Sau auf 
liefen (5ebanfengang nid^t ein unb 5Iouren5 oerfperrte 
bem gefunden Znenfdienoerftanbe oollenbs ben IDeg» 
Das patI?o(ogifdie ZHaterial n>ar bamals oorl^anöen, n>ie 
es jefet ba ift, unö bei ber großen ^äufigfeit ber Saüe, 
in benen Cät^mungen u. f. n>. auf HinbenB^erben beruB^en, 
lläiU eine von rid^tigen (Sekanten geleitete Seobad^tung 
balb bas Hiditige finden muffen. 3"b^ff^tt &as IDenigjie 
n>irb auf geradem IDege erreid^t. So mußte audi bie 
elementare Cofaüfation auf ber (5eB^irnrinbe, bie ^luf« 
finbung &er fog. motorifdjen unb fenforifdjen £entren 
auf bem llmn>ege über (SaWs Cofaüfation beftimmter 
geiziger 5öl|igfeiten erreidjt n>erben. (Sali I^atte geleiert, 
baß pdi bas ®rgan bes Hamengebäd^tniffes (sens des 
mots, memoire verbale) im Stirnl^irn befinbe, unb jioar 
I^atte er es in b^n bem I^interen ©rbitabadje aufliegen« 
ben XDinbungen ge[ud}t (cette partie c^r^brale qui repose 
sur la moitid postdrieure de la voüte de Torbite). (£r 
ermäljnt meB^rere Säue, in bcncn burdj Stidioerlefeungen 
biefe (5egenb betroffen u>orben war unb in benen nadt 
2lblauf ber erjien ftürmifdjen Symptome nur ein Derluft 
bes Hamengebäditniffes 3U beobadjten gcwefen n>ar. €r 
befdjreibt ferner gans genau einen Kranfen, ber nadj 

19* 



292 2(nljang: Heber ^ran3 3ofeplj (Sali. 

^er f^eutigen ^usbrudstoeifc apt^atifd) war, nadi einctn 
Sd^IaganfaDe ^Dcs wn%U unb oerjlanb; aber nid^t reben 
fonnte, nidit loinfürlidj nad^fprcdicn formte, aber ju* 
loeilen urnüiDfürlidi porgefprodjene XDörter loieberl^oltc, 
nid^t lefen unb nidit fdireiben fonnte, aber eine '^n^ahtl 
von XDörtern jeberseit bereit l^atte. €r besiel^t pdj auf 
Kranfe, bie äl^nlidje, aber nid^t gans gleid^e Silber bar- 
boten, unb geftel^t, t>a% er über bie feineren Unterfdjiebe 
nodj nid^ts (genaues fagen fönne. Heben b^n sens des 
mots jteDte er nodj einen sens du langage de parole, 
beffen Organ unmittelbar neben bem bes erjteren liegen 
foHte. (ßans flar n>irb bie Sadje, menigjtens anatotnifdj, 
nidjt. Kugmaul ^) ermäE^nt, ba% ein pl^renolog, (El^omas 
^oob, ben erjlen Seftionsbefunb bei 2(pB^af[e im 2<^lixe 
\S22 gemadit fjabe; er fanb eine €rfranfung bes linfen 
Slimlappens. Bouiflaub ()i825) uerfodit als Sdjüler 
<5aII's energifdi (5a(I's CeE^re uon ber £ofalifation bes 
principe l^gislateur de la parole im Stimlappen, aber 
CruueiH^ier, Crouffeau u. 2(. fagten nein, bie Sprad^e 
fönne nadj gänsUdier gerflörung beiber Porberlappen 



^) Die Störungen ber Sprache, £etp5i9 (877. p. (33 flg. 
— Kugntaul fagt a. a. 0,: „(Sali liat bas groge üerbienjl, bie 
^erglieberung bes (Sel^irns Don unten nac^ oben eingefüljrt, bie 
burc^gel^enbe UTarffaferung bes (Sel^ims crtannt unb fie com 
Hücfenmarf l^er bis 3U iljrer 21usftraljlung in bie (Srogf|tmrinbe 
©erfolgt 3U l^aben. Damit ift bie notl^menbtge anatomifd^e (Srunb= 
läge aller Cofalifation ber (Seljirnfunf tionen : bie Derbinbung 
nämlic^ ber gangliöfen <£entralmaffen bes (Scijims burd? ifoUrte 
^aferbal|nen einerfeits mit ben Sinnen, anbererfeits mit ben be- 
weglichen Cetbesgliebern gemönnen n^orben". Sielte, nod? ein 
(Sercdpter I 



IV. Kritif. 295 

crl^altcn bleiben. TXlaxc 7>a^ (\S56) 5Ctgte, bag bei 
Hemiplegie mit ^pljafie Me £äjton linfs pfee. Sroca 
enMidj (^86^)/ ^^r bis ^aiixn mit ben 2lnberen Bouillaub 
befämpft I^atte, entbecfte, bag gerftörung bes Jufe^s ber 
3. linfen Stirnminbung ^pl^afie madjt. Had^bem feine 
Coüegen iB^n lange auf bas ^artnäcfigjle befämpf t I^atten, 
mußten fte jtdj überseugen laffen unb nun n>ar er ,,t>er 
große Broca". Hatürlidi gebadete Hiemanb banfbar 
(5aII'5. tnit ber ^uffinbung ber ,,3roca'fcI?en Stelle^' 
mar bie Steige nadi ^^f Cofalifation im principe enU 
fdjieben. Zfian foHte meinen, baß bie Klinifer, bie 
n>ußten, t>a% rxadi S^^^ovrxng einer Meinen IDinbung ber 
ZlTenfdi nidjt meB^r fpredjen tann, fidi auf bas €ifrigfte 
bemüE)t I^ätten, burdi genaue Unterfud^ung bes Kranfen 
unb ber Ceid^e bie IDirfung umfd^riebener Hinbenfjerbe 
überl|aupt ju erfennen. 2lber nein, es gefdjal? 3unäd|ft 
gar nidits. Das lag nidit an ber Sdjmierigfeit ber 
Sadje, fonbern baran, ^a% bie berste 3U oiet auf bie 
pI?Vpc>Iogen B^örten, 3U oiel tl^eoretifirten unb unglaublidj 
lieberlid] unterfuditen. 71, a. (D* ersälilt Kußmaul, ^a% 
(Eroujfeau bei einem ^Ipl^ajte »^ Kranfen bie Sroca'fdje 
Stelle unoerfel^rt gefunben iiaben n>ollte; Sroca lief 
fdjnell I^in unb fanb, ^a% außer Sd^eitel» unb 3nfel- 
ujinbungen andi bie 3. 5tirntt>inbung linfs ern>eid]t mar. 
Pelpeau bel^auptete, ein Krebs hiabe bie Porberlappen 
gans serftört, in XDal^rl^eit waten jmei Drittel bes linfen 
Stirnlappens unoerfel^rt. Das gef djalj am grünen ^o Ise. 
®b fdjließlidj bod? bie flinifd^e ^eobad|tung 3um giele 
gefüljrt I)ätte, miffen n>ir nid^t. tEl^atfäd>lidi mußten erfl 



29^ ^(nbang: Heber ^raiij Jofeplj (Sali. 

bU (EIjwrDcrfudjc ©on 5ritfdi vmb Qt^ig, bie fintbccfung 
oon Scfe auf bic motorifdie Sebeutung ber Central« 
iDtitbungen füBjreii. €inc wxditiqe €ntberfung tnad^te 
XDemicfe (^874), obwohl er oon ben munbcrlidien Dor« 
{Teilungen Hlevtierfs ausging: er fanb burdf fßntfd^ 
Seobad^tung bie fenforifd^e 2Ipt;afle, bie von Derle^ung 
ber \, Sd^Iafenminbung ahb^ängt Seme 2(u{faf[ung 
n>urbe burdj ZlTunfs Perfud?e (^876) bepäligt unb 
anbererfeits entbecfte Vflnnt bie 2t6t;ängigFett bes Seitens 
von ^cn ®ccipitalnnnbungen* 1>a% beim ZlTenfdjen 
Caftonen ber Centralminbungen bauembe fäljmungen 
beu>irfen, n>urbe Ijauptfäd^Iidi burdj CE^arcot unb pitres 
fejtgepellt (1877). Seitbem B^at eine JuDe tljeUs fünifd^er^ 
lEjeils experimenteller Beobad^tungen alle S^^^^l be# 
feitigt: Ztiemanb fann Ijeute meljr baran sioeifeln, ^a% 
bie XDinbungen nid^t gleidju>ertl^ig pnb, ba% biefe mit 
biefen, jene mit jenen 5unftionen in Sesieljung fielen. 
Dabei ifl es gleid^gültig, n>ie bie 5ad{e erläutert n>irb; 
meldjer Sinn bem H>orte Centrum beigelegt mirb, ob 
Hemmung in 5rage fommt ober nid)t. Hlan mag fidf 
biefer ober jener 2lnftd?t anfdiliegen, immer bleibt he* 
fleljen, ^a% bie ©berfliädje bes (5et;irn5 aus funftioncH 
oerfdiiebenen üjeilen, b. Bj. aus ©rganen befleljt Das 
aber ip (ßafl's Celjrc, n>enn audj (BaII*s Organe unb 
bie i)eutigen Centra Derfdjiebener 5lrt ftnb. 



IV, Kritif. 295 

b) Sadilidjes. 

\, Die E|culigcn £cntra jinb, bilblidi gcfprodicn, bte 
(Eljürcn ÖC5 Sctou^tfcins, Me Stellen, an benen unfer 
SetDUjgtfein mit bem Unbewußten oerfnüpft ipirb. Die 
[enforifd]en £entra jtnb öie ©rte, an benen bie ber 
IDaljrnel^niung entfpredjenben (ßeljirnDorgänge abiaixfcn, 
bie motorifd^en bie, an Serien bie fintäujgerung jtattfinbet; 
bas Wollen (EB^at n>irb. Die Porgänge, bie ftdj an bie 
IDaf)rneE|mung an[d]Iicgen, 3U)ifd:jen fimpfinbung unb 
^hinn liegen, oerlegen mir aixdi in t>en (ßeB^irnmantel, 
genauer, tt>ir nel^men an, ba% il^nen irgenb weldie Per« 
änberungen barin entfpredjen, aber rr>ir begnügen uns 
mit biefer Cofalifation im ^tUgemeinen» 

(Sau oerftanb unter Cofalifation, ^a% bie einseinen 
geizigen (£igenfd]aften, 5äfjigfeiten, (Eriebe an bejKmmie 
Stellen bes (5eE|irnmantel5 gefnüpft feien. £5 tt>äre 
3unäd]ft 3U fragen, ob biefe (5aII'fdie £efjre mit ben 
B^eutigen 2(nfdjauungen vereinbar fei. 2(natomifdie 
(ßrünbe bagegen liegen ftd^er nid]t oor. PielmeE^r fann 
man fagen, ^a% bas IDenige, n>a5 bie (ßeE|irnanatomie 
bis jefet ausfagen fann, für (SaU fprid^t. Die neueren 
Unterfudiungen über bie (5eljirnrinbe, bie ZtiffI u. ^. 
angefteHt I^aben, B^aben geseigt, wie augerorbentlidj xe'xdi 
bie ainbe an oerfdiiebenen Elementen ift, ba% ät^ntid^e 
gellen t>a unb bort auftreten, Sdixditen unb (ßruppen 
bilben, t>a^ ber Sau ber Hinbe um fo reidjer unb 
mannigfaltiger mirb, je fjöljer bas tEl^ier flef|t, ^a^ biefe 
gellengruppen auf (5ifte anbers reagiren als jene u. a. m. 



296 ^Inljang: Ucbcx ;Jran3 Jofcplj (Sau. 

„Der Sau öcr Hinöe, fagt Kracpelin, ij! öcmnadj nidits 
tpcntger als einförmig, roie etcoa derjenige ^er tcher, 
fonöcrn jie cntl^ält eine ZHenge neben unb über einander 
gelagerter ©rgane von feljr oerfdjiebener ^usbeljnung 
unb nidjt minder oerfdjiebenartigem Aufbau." 

2(ud] p. 5kdjjtg^), 6er übrigens mit 2tnerfennung 
von (ßatt fpridit gelangt 3u entfpredjenben €rgebniffen, 
obroof^I feine ^nfd^auungen über 6ie Cofalifation ber 
<5eij)esfäE^ig{eiten eine anbere Hid]tung einfd|Iagen. 

Sei ben eingeljenben Stnbkn übet 6ie 5orm ber 
(Set^irnroinbungen f^at man gefunben, ba^ feinestoegs 
bei allen 3"6ioibuen bie embryonalen 5urd|en unb 
lOinbungen gleidjseitig auftreten, nodj, roenn fie ^a jtnb, 
einanber gleidien. „Diefe Cljatfadje ift besljalb feB|r 
roiditig, n?eil pe ben 23ea>eis entt^ält, ^a% bie ^irn« 
rinbe, ber Cräger ber I^öljeren Seelentljätig« 
feit, fd|on in ber Anlage für oerfdjiebene 
3tibioibuen oerfd^ieben au5gebel:^nt ift" 
((£binger). 

(Siebt es pl^vfiologifd^e (ßegengrünbe? €s fönnte 
(Einer fagen, bie (ßel^irnrinbe ift oertB|eiIt, roir wiffen 
jefet, roeldje 5unftion t>en XDinbungen sufommt, alfo iji 
fein plafe mel^r für (ßaU's ©rgane. Ztatürlidj roäre 3U 
erroibem, t)a% wir über roeite Streben ber Hinbe nodj 
gar nidits roiffen, t>a^ bie „£entra" einen oerl^ältnig* 
mäßig fleinen Cl^eil ber (5eI|irnoberfIäd|e einnel^men. 
Vas ip aber nid)t einmal bie £jauptfad|e. €5 wäre eine 



') (Scl^irn unb Seele. 2. ^(usgabc. £ctp3ig ^896. Deit u. (£0. 



IV. KrtHf. 297 

feljr xohic ^uffaffung, wenn man glauben tDoHte, bag 
bic Scbcutung bcr XDinbungen erlebigt fei, fobalb man 
fie als Bedingungen biefer ober jener 5unftion erfannt 
l^ai, wenn man 3. 23. annäljme, bie oorbere Central» 
tDtnbung l^abe nxdits weitet 3U tl^un, ak bie betougten 
Bewegungen ber (5Iieber 3U ©ermitteln* 5d|on bie ana» 
tomifdje Betrad^tung 3eigt, ^a% bie großen motorifdjen 
Seüen nur an oerl^ältnigmägtg fleinen Stellen gefunben 
toerben, ^a% auger il^nen eine ZHaffe von anberen (5e* 
bilben oorI?anben ip. €5 roäre bal?er fel^r wolil benf* 
bar, ba^ bie Centraltoinbungen eine gan3e Heilte von 
£entren Ijätten. (£5 lüäre anbererfeits burdiaus mög* 
Ixdl, ^a^ bie Stirnlappen für bie Humpfbetoegungen 
Sebeutung I^ätten neben il^rer Sebeutung für ^a^ geifiige 
£eben. Dag bie Sei^auptung, ber Stirnlappen fei Cen- 
trum ber Humpfberoegungen unb roeiter nid^ts, nidjt mit 
einem allgemeinen ^oljngelädjter beanlroortet, fonbern 
melfadj ernftl:?aft in (£rn?ägung ge3ogen ujorben ift, tas 
3eigt, toie oiel bie £eute ftdj von ^en pl^vfiologen ge* 
fallen laffen, unb if! eine I?öd|f! betrübenbe CI:?atfad|e. 

5rül?er rourbe als Setoeis gegen (5aII bie 3e* 
Ijauplung bis 3um Ueberbruffe ujieberl^olt, es fei il^m 
nid)t gelungen, feine angeblidjen ©rgane ab3ugren3en. 
Da für bie I^eute anettannten (Zentxa feine groben 
(Sven^en naditoeisbar ftnb, fällt ber (£inn)anb roeg. 3^^^^ 
begreift, ^a% bei ber aUfeitigen Perfnüpfung ber Cl^eile 
im iSelixxne bie (5eI?irnorgane nidit getrennt fein fönnen, 
roie etwa bie Seeren einer Craube, beren jebe il^ren 
eigenen Stiel liat 2lber (Einige I^aben bie Zfieinung ge^ 



298 2lnljang: Heber ^ran3 Jofeplj <Saü. 

äugert, btc getfHgcn j^i^id'^iten mödttcn nid^f an um* 
fd)riebene Stellen bcs Qtmmantels gefnüpft fein, fonöem 
ben i>erfd)tebenen 55I|igfetten mödjten öte oerfdjiebenen 
Sd^td^ten ber <5eljtrnrinbe entfpredjen. §um erjlen 
2T?ale taudjte öiefe ^^ee bei IDernitfe auf; er ftellt jtdj 
oor, ba§ „eine 2trt fd^idjtentDeifer 2tblagerung öer Por* 
flellungen, öi^nlid? ^en Se^imentbilbungen ber jüngflen 
€rbfd^id|ten" im <5el?irne flattfinbe. 3^ ben äugerften 
5d)id|ten foll „^as Sen?ugtfein ber Körperlidifeit" jletfen, 
liefer bas „ber 2lu§enn?elt", gans unten ^as „^ct perfon* 
lid^feit". Sei biefer fürd)terUd)en pfydjologie feigen 
einem allerbings bie Qaare 3u Serge, aber Kraepelin 
meint, ba§ bod^ bie pfyd^ifdjen ®rgane fd^iditweife an« 
georbnet unb flfäd^enljaft ausgebreitet fein muffen; er 
llält bie fleinsellige 5d^id|t für bie bem t^öl^eren Seelen- 
leben n?id)tigPe, roeil fte erji beim UTenfdien iljre I^olje 
unb eigenartige finttoidelung erlange. Kraepelin fagt 
gan3 rid^tig, ^a^ alles auf eine rid^tige pfydiologie an« 
fomme, unb t>a% bie gegenwärtigen pfydiologifdjen 2lttf« 
faffungen gans ungenügenb feien. Ztun fann man aller« 
bings mit bem „F^öl^eren Seelenleben" gar nid|ts an* 
fangen. Wiä man bei bem gegentoärtigen Staube ber 
Dinge an eine Cofalifation benfen, fo bleibt nur ber von 
(ßaü eingefd|Iagene IDeg übrig, jtd^ an bie einseinen 
Criebe unb Einlagen 3U I^alten. Dag aber biefe an 
Sd^id|ten gefnüpft feien, ijl red)t unu)al)rfd|einlid?. 3"s« 
befonbere fpredjen bie (£rfal?rungen über bie Zteben« 
formen ber '^p}:ia^xc bagegen. 3d? mug fpäter auf bas 
Pfyd^ologifd^e 3urüdfommen, will t^ier nur oorWuftg 



IV. Krttü. 299 

darauf I^inipcifcn, öag man cum grano salis (5aWs ^ttlri* 
bute mit bcn Sdixdiicn in ScsieF^ung bringen fönntc, 
ipäl:^rcnb öie (ßrunbfräftc territorial gefonbert 3U bcnfen 
jtnb. Da§ bie Sefdiäftigung mit ber 2tnatomie auf 
foldje (ßebanfen bringt, erjtet^t man aus folgender ^eu^e* 
rung (Ebinger's ^), bie ganj unabEiängig oon <SaU 5U 
fein fdieint ,,tt)ir aber finb getDÖI:|nt, bie geiftige Se« 
beutung eines ZTIcnfd^en nid|t nad? iB|rer (5efammtF^eit, 
bie ja faft nie prüfbar i% fonbern sumeift nad^ irgenb 
befonbers I^erporragenben (£igenfd)aften 3U meffen, 
roelcbe bem 3nbiDibuum 2tnfet?en, Stellung u. f. to. gaben. 
Sold^e (£igenfd)af ten fönnen fel^r rool?! auf 
bef onbere ^unal^me eines einseinen Hinben« 
gebietes 3urüdfüt?rbar fein, oI:|ne ^a^ bies ge- 
rabe in bem <5efammtl|abitu5 ber lüinbungen ober in 
ber rOägung fid| ausbrüdt." 

IDeiter fönnte man fagen: (ßaU's ®rgane fönnen 
nidjt e^ipiren, roeil roeber bei ben Cl^ierperfud^en, nod) 
bei ber Kranfenbeobad)tung je ein Derluft einer (5runb^ 
fraft beobad)tet toorben ij!. 2Tlan I?at 3. S. barauf I:|in- 
getoiefen, ba% ^unbe trofe ^es Derluftes t>c5 KIeinB|irns 
fid? begattet I?aben, es fönne bal^er bas Kleinl^irn mit 
bem (ßefd^Iedjtstriebe nid)ts 3U tl:|un I:|aben. 3<i? f^^^^ 
in berartigen 2tusfül?rungen feine (5egenbeu)cife feigen 
unb glaube, ba% bei ber ©rganologie ber CF^ierperfud^ 
toeber pro, nodj contra 3U Derujenben fei. Da§ Hei3* 
Derfudje nid)t in Setrad|t fommen fönnen, bas liegt 



^) £. €btngcr, Porlefungcn über bcn Bau ber nerpöfcn 
<£entralorganc. 5. ^lufl. £etp3tg ^896. p. 200. 



300 2(nbang: Uebcr ;Jran3 3ofcpl| (5aü. 

tpot^l auf ^er Qanb. Woüic man glauben, ^ag 5^tabi« 
jtren (ober bgl.) bes Kleint^ims gefdiled^tltd^e (Erregung 
bewirten muffe, fo toäre bas nodj fdilimmer als bic 
2tnnal:^me, beim 5arabiftren ber 3. linfen Stirntoinbung 
fange ber ZTIenfdj an, 3U fpredien. 2tber audj (£fflir» 
pationen oon (ßel?irntl:^eilen fönnen nid|t5, ober roenigftens 
nidit oiel betoeifen. Der (5el?irnmantel tft ®rgan bes 
SetDugtfeins, in iB|m pnb bie 5unftionen repräfentirt, 
fotoeit fie in bas Seujugtfein eintreten. Sie fönnen aber 
3um Cl^eil audj ol^ne (5et?irnmantel, ol^ne inbioibuettes 
Sewugtfein PoUsogen werben, roenn nur bie nieberen 
®rgane erl^alten [xrib, 2)ie tiefftet^enben Cl^iere fommen 
gans ol^ne (Seiixxn ans; anbere ^abcn ein (ßel^irn, aber 
beffen Bedeutung xi/i gering, tas Cl^ier ijl im XOefent- 
lidjen eine Summe oon Segmenten unb bas (Seiixxn 
fdieint nur 3ur £ommunifation ber Segmentganglien 3U 
bienen; je l^öl^er toir in ber Cl^ierreil^e fteigen, um fo 
mel^r jteigt bie Sebeutung ^cs (ßel^irns, aber aud) bei 
I)od)ftel:|enben Cl^ieren, 3. 23. bei t>en fjunben, ift bie Se- 
beutung bes (Beljirns gan3 anbers unb piel geringer als 
beim Zfienfcl^en. pfYd)ologifd] ausgebrüht I^eigt es, je 
tiefer bas tEB|ier fielet, um fo untoiditiger ift fein inbioi« 
buelles Sewugtfein, um fo mel|r wirb es oon ber iB|m 
unbewußten allgemeinen Vernunft geleitet. Vas (EB|ier 
unb ber Zfienfci), beibe füljren xlit tebcn tl|eils bewußt, 
tl^eils unbewußt, aber bie (ßren3e ift oerfdiieben ge3ogen, 
bort ijt ber eine Cl^eil groß, Ijier ber anbere. Der Zllenfdi 
fann 3. S. oE)ne jßel^irnmantel, oB|ne Sewußtfein nidjt 
laufen, ber fjunb fann es. Die Criebljanblungen Rängen 



IV. Krtttf. 30 \ 

bei öcn meiften Cl^ieren wal^rfd^cinÜd) 3unäd)j! von 
untergeordneten ©rganen ab, finb, ptjyfiologifd? ge« 
fprodjen, Hefle^e, bte oBjne bas <ßro6I:|irn oor ftdj gelten 
fönnen, obrool?! biefes jte fördern ober oeroollfommnen 
mu§, ba es bod) fonjl ntd|t ba toäre. 2tud? bas feines 
(ßro§I:|irn5 ober KIeinI:|irn5 beraubte CI:|ier fann n?enig« 
ftens etnselne Criebl^anMungen unter günftigen Se« 
bingungen ausfüt^ren, ta& gilt 3. 23. von ber Begattung, 
oba>oI|I bei bem gefunben CF^iere bas Beu)u§tfein an 
ber Begattung tl^eilnimmt unb fte mobificiren fann. (£5 
ift wenigPens benf bar, ba^ tro<3 Cuciani's Derfudien bie 
cerebrale Hepräfentation ber Begattung im Kleint^irn 3U 
fudien n?äre; laufen (ßolfeens fjunbe ot^ne (ßro^Bjirn 
I^erum, marum foHen Cuciani's ^unbe oI?ne KIeinI:|irn 
ftd) nidjt begatten? Cro^jbem ift audj beim ßunbe bas 
(ßrogt^irn nid^t überflüfftg beim taufen, brandet menig« 
ftens bas Kleinl^irn für bas (ßefd^leditsleben nid|t über* 
flüfflg 3U fein. 3^ fd|n?ieriger eine ^anblung ift, um 
fo nötl^iger a>irb bas (ßel^irn babei fein; 3um 3agen, 
3um Hejlbauen 3. B. braudit bas CB|ier gemig fein (5ro§« 
I|irn unb möglid?ern?eife bejümmte Ct^eile baoon, bie 
Organe in (ßall's Sinne. Sd^merlid? aber möd^te es 
gelingen, biefe Dinge bem Perfudie 3U unterujerfen. 
2Xuf icben SctVi ip aus ben bisl^er gemadjten Derfudien 
nid)ts für unb nid)ts miber 3u entnel^men. 

Beim 2nenfd|en liegt bie 5ad|e anbers. Ejaben 
ein3elne IDinbungen beftimmten feelifd^en lOertt?, fo mu§ 
iE)re gerftörung beftimmte geizige Defefte beu)irfen. 
Ztlan fann nid)t fagen, bie Beobad^tung beujeife bas 



302 2lnljang: Ucber ;Jran3 Jofeplj (Sau. 

(ßcgcntl^dl, ^cnn wir ipiffen bis jcfet gar itidjt, was ötc 
Scobaditung bcweifcn fann. £Ijarcot pflegte 3U fagen, 
wir feigen nur ba*, was wir fd?on fennen, nnb öiefer 
^usfprudj ift fel^r wal^r. lOenit man bie 2ler3te baran 
erinnern wollte, was alles jte fdion abgeleugnet I?aben, 
fo müßten jte gans ftill fein. lOir gingen unb geljen 
unter Kranfen I^erum, bie wir nid|t erfennen. Um nur 
ein paar wiUfürlid^ gewäl^Ite Seifpiele 3U geben, nenne 
id) bie Bafebow'fd^e Kranftjeit unb il^re 2tbleugnung, 
erinnere idj baran, ba§ bie Kenntnig ber progreffioen 
paralyf^ tiodj nid|t 80 3öF?re alt ijl, unb t>a% Ijeute 
nodi mele 2ter3te an ber paralyfe oorüber gelten, oljne 
jie 3U fetten, weife auf bie 23IinbI?eit für bie 2l!romegaIie, 
bie SYringomyelie, bie 2tfinejta algera u. f. w. Ijin. Tlndt 
bie (ßefdiidite ber (5el|irnIofalifation ift reidj an foldjen 
Seifpielen. Demnad? ift ^as 5«Ib frei. 2^t>c^en mug 
man fagen, ta% and} von ber gefd)ärften Winifd^en Se- 
obadjtung nidjt oiel für bie ©rganologie 3U erwarten 
ift. Umfdjriebene geiftige Defefte ftnb fdjwer 3U ent« 
becf en. Die meijten Znenfdjen, unb befonbers bie Kranfen- 
l|aus-3"föffen, finb von oornljerein fo befeft unb il|r 
3nnere5 iji fo wenig 3ugänglid], ^a^ bie Unterfudjung 
groge 5d|wierigfeiten finbet. ^nbererfeits ^n^ Cäponen, 
bie braudibar wdren, dugerfl feiten. Zllan mügte per« 
langen, ba% ein umfdiriebener fjerb beftänbe, oBjne ^a% 
^as übrige gefd^dbigt wdre. Cumoren u. f. w. fonnm 
nxdit ernftlid) in Setrad{t fommen. Perlefeungen, Heine 
Blutungen unb (£rweid)ungen allein wären braudjbar. 
Soldje umfd]riebene fjerbe fieljt man fafl nur bei alten 



IV. KrirtL 303 

pcrfonen, b'w im 2Wgcmctncn franf unb I^infciütg pnb, 
bei ^^mn man tool:?! eine Cätjmnng unb eine 2tnäfll^efte, 
nid)t aber eine umfd^riebene geizige Sdiwädie auffinben 
fann. Ueberbem pnb an ben meiften Stellen ber (ßetjirn* 
oberfl[äd|c Heine fjerbe fel^r feiten unb gerabe an fold^en 
Stellen, bie im Sinne ber ©rganologie n?id|lig n?ären, 
fommen jte faft gar nid|t vov. Ztel^men roir ein Bei* 
fpiel. Denfen roir uns bie mujtfalifd^e Sefäl^igung 
wäre an tcn (Byrus fupramarginalis ober etira an ^as 
oorbere (£nbe ber \. Sdiläfenroinbung gefnüpft. 3" 
einem braudjbaren Sdüc mügte bei einem IHuftfer biefe 
Stelle (link ober auf beiben Seiten) 3erftört n^erben, ol^ne 
^a% bie (ßeI:^irnfunftion im 2lllgemeinen litte. XDie oft 
roirb ^as porfommen? 

2\Vies in ^llem mu§ idj fagen, ^a% auf (5runb ber 
2lnatomie unb phiy[xologxe bes <5etjirn5 triftige (5rünbe 
gegen bie ZHöglidjfeit einer ©rganologie bisl^er nidjt 
oorgebrad^t a>orben [xnb, unb ^a% xdi fold]e (ßrünbe 
audj nidjt 3U entbetfen permag. 

2. Die meiften (ßegner (SaWs l^aben fidj auf ^na» 
tomie unb pljYftologie nidjt eingelaffen, fie l^aben l^aupt* 
fdd^lid) bie pfydiologie ins 2(uge gefagt unb l^aben um 
fo mel^r auf (5all's pfydiologie gefd^olten, je n?eniger 
pe felbp oon ber pfydiologie oerftanben. (5all'5 pfvdio» 
logie ift oerfel^rt, folglidj taugt (Ball's ganse £eB|re nid^ts, 
^as toav bas groge 2lrgument. Die Uebereinftimmung 
ip fo grog, ^a% man von einem Seujeife e consensu 
gentium reben tonnte; bann ^iege es vox populi ana- 
tomici, vox Dei. 2llfo roirb rool^l eta>as ^axan fein. 



30^ 2lnbang: Ucber ;Jran3 3ofcplj <5aIL 

italürlid] I^ättcn bic Ceute nidjt fo rebcn fonnen, tocnn 
pe bie tDal^re pfvcbologte ntdjt fclbfl gefannt I^ätten. 
Die Znebicincr ftnb treue Sdjüler ber Ztatnr, bei il^nen 
wirb eine auf reiner Seobadjtnng unb oorpdjtigem 
©enfen berul^enbe pfydjologie 3U ftnben fein unb bie 
£jimgefpinnjle bcr pI|UofopI|en roerben nidjt bis Bjier« 
tjer reidjen. Ztun, feigen roir 3u. 5Iouren5 fdjroört 
auf £arlefiu5, Polfmann fämpft mit „^er\ IDaffen Qegel- 
fd^er £ogif ", (ßriefinger bringt Qerbart's IDeisIjeit I^eran 
unb Senebict empftei{(t fogar bem <5a0 bie pfvdjologie 
Qerbart's u. f. f. 3«/ tt>irb man fagen, ^as war früljer, 
bie neue ^eit t?at neues Cid^t gebrad^t, ba liabcn roir 
3. S* ^en großen Uleynert unb feine Sdjüler. „Die 
(Brogl^irnrinbe ift bemnadj (fagt IDemide^), um ben 
5unbamentalfafe ber IHeynerffdien Cef^ren nodj einmal 
t?eri>or3uIjeben, ber Sife oon (Erinnerungsbilbem in einem 
tjinteren fenforifd^en (ßebiete, motorifdjen (Erinnerungs- 
bilbern ober Sewegungsporjlenungen in einem porberen 
motorifd^en (ßebiete." Die (ßetjirnrinbe 3erfänt in 3n>ei 
große Cerritorien, oon benen ^as Dorbere „mit 33e» 
wegungsDorfteUungen befefet" \% t^eigt es auf p. VIT. 
Das ift bie Pfvdiologie bes ^tver\liavi\c5 unb fte gefällt 
ben Znebictnern» TXlan mag bies ober jenes Sudj auf« 
f dalagen, es roimmelt barin pon (£rinnerungsbilbern unb 
BetDegungsoorfleüungen, fo ^a% es einem nadj fur3er 
5eit übel toirb. Dasu fommt ber gan3e (ßreuel ber 
„^Iffocialionspfydiologie", fur3 in H)al?rljeit ijl bie mebi« 



^) £cl^rbud? ber (5cl^tm!ran!f^citcn II. p. VI. 



IV. Kritif. 305 

cinifdie pfvd|oIogie bic partie honteuse bcr Zncbiciti. 
Vflan liat aud| Ijicr bem Volte ftatt bcs Brotes einen 
Stein gegeben, (Sau Bjat man gefdimäB^t unb ZHeynert 
iiat man gepriefen. TXodt Bjaben irir bie „ipiffenfdiaft» 
lidie'' pfvdiologie, bie ben inenfd)en von (ßrunb aus 
experimentell erforfdit ^ber biefe roeigert jtcb, anbers 
als über (Einseiaufgaben 3u reben ; roas toir nid|t redjnen, 
gilt uns nid|t Kraepelin fagt gerabesu: ;,2llle der- 
artigen [Cofalifations-] Beftrebungen, Sie über bie ein* 
fadjften Sinnesempfinbungen nnb Bewegungen Ijinaus* 
greifen, muffen not^ujenbig an ber Unoollfommen^eit 
unferer pfvctiologifd^en Kenntniffe 5d)iffbructj leiben. 
2lud7 bie getDÖl^nlidiften pfvdiifdien Vorgänge ertoeifen 
[xdt bei genauerer Setraditung als \o ungemein oer* 
tt>icfelt, ^a% xx>it gut begreifen, roarum bas IDerfseug 
unferes Seelenlebens einen fo I^offnungslos unenttoirr- 
baren 2lufbau befifet." (gttoas IDaljres ift fidjer baran; 
aber roenn roir nid|t oiel begreifen, fo fönnen a>ir bod? 
oielleidjt etnms begreifen. 

3d? mödjte glauben, ta% (ßall's pfvd^ologifdje 2luf- 
faffung feine größte Cl^at fei. Seine Celjre oon ten 
trieben unb ^en 2lttributen einerfeits, fein Kampf gegen 
bie 2lbftracta ber i|errfd|enben pfycl^ologie anbererfeits 
bürften bereinjl 3U feinen fd|önften Hul^mestiteln jäl^len. 
Die gerreigung ^es Znenfdjen in Pprftellen, (5efül^l, 
XPillen ober in 3nteüeft unb lüillen ober n?ie bie 
Sdjemata fonft f^eigen, quält uns bis auf ben Ijeutig^n 
Cag. Die pl^ypologie ift baljin gelangt, in jebem 
Cebensoorgange ^en Hefle^ u)ieber5ufinben : Seis, bes. 

möbius, mailjematifer. 20 



306 2lnljang: Ucbcr ^xani 3ofcplj <5afl. 

aetsbarfeit unb Scaftion. €tn einfad^r IDinfcI ifl bas 
'Sdjcma bes Cebens (neb^nbri gef agt, ob man in bcn 
SdteiM dne (SangKenseDe fefet ober ntdjt, bos i^ I^ers» 
Kdi gleid?gtltig). Dem, ber mit ber ;,monijlifdjen^ 2luf* 
foffung €mfl mad]t, mu§ es einlendjten, ^a% fo, »ie 
2lettgere5 unb Annexes überiniupt einanber entfpredien, 
bem pon äugen als Hefle^ erfd]einenben Porgange ein 
3nnerKdie5 entfpredjen müf[e. Seis, Heaftion bort, €m« 
pftnben, lOoIlen E)ier« Der auffleigenbe Sd^enfel bes 
XJOinUls E)eigt Xt>a(imeE)mung, ber Sd^eitel Cu^'Unlu^, 
ber abfteigenbe 5d)enfel Xt>oQen*nid{tn>oQen, Vas ftnb 
bie feelifd^n Elemente unb es fann fein feelifdies <5e« 
fd]e{{en geben, in bem fte nid^t aQe port^anben coSren. 
Znan fann ben ©on innen aufgefaßten Heflfey audj als 
feelifd?es Habifal beseidjnen unb im (5runbe ifl er genau 
bas, was (Sau mit feinen 2lltributen meinte* 3d? bin 
$u ber Celjre pom feelifd^en Habifal gefommen, oljne 
etroas pon (Sau 5U n>i{fen (roie idi [xe benn aud) ISng^ 
porgetragen (jabe) unb freue tmdt ber UebereinfKmmung 
um fo meljr. 2lIfo, roo Ceben \% ^a ifl audj Sett>u§t« 
fein, wo Betpugtfein ifl, ba erfd^eint es in ber 5orm 
bes feelifdjen Hefleyes, roo lOaljrnelimen ifl, ba ifl audj 
5üI|Ien unb IDoOen, benn aOe 3 Utomente ftnb nur bie 
(Cljeilflüde bes einen unsertrennbaren Porganges. 7>as 
feelifd]e Ceben mag fid) fleigern, perpielfad)en, pern>ideln, 
n>ie es roiH, immer E^anbelt es fld) nur um bie Perpie(« 
fadjung nnb Perfledjtung ber pfvdjifdjen Sefleye. 2IDe 
Cebensporgdnge roerben burd} IDiebert^oIung er(eid{tert, 
bas nennen wxt, pon innen gefeljen, <5ebSd]tni§. Wo 



IV. Krtttf. 307 

Seclifdjcs ijl, ba ijl anit ^i« ZHöglid^fcit bes (Scbädjt' 
niffcs; btcfcs ift, um mxdt abftrus aussubrüdcn, ein 
(EoroUarium bcs pfyd^ifdicn Habifals. ZTIit anbercn 
XDortcn, es fann bas (ßcbädjtnig tiid)t als bcfonbercs 
Scelenocrmögcn , wie man früBjcr fagte, neben bas 
5üyen, bas XOoUen gejieHt werben, fonbem es ift ein 
^Ittribut. 

(£5 giebt feinen 3nteneft an ftdj unb es giebt feinen 
XDitten an pdj, bie 2trt ber IPal^rnel^mung unb ber 
Heaftion ijl jeberseit benimmt unb ^ängt von ber €in- 
ridjlung bes Organismus ab, in t>em bie Vorgänge ab- 
laufen. (£benfo oerfd|ieben roie bie Sinnesorgane unb 
bie (ßel^irne jlnb, ebenfo oerfdjieben mu§ audj bie IDaE^r- 
nel^mung fein. Da bie Sinne nur 2tnB|ängfeI bes cen« 
tralen Sy^ems finb, fo fann man fagen, in bem (5rabe 
toie bie tteroenfyfteme perfdjieben finb, ift bie Welt als 
X>orfteI(ung, b. l]. bas, was für t>en Organismus bie 
IDelt i% oerfdjieben, ^ber aud^ bie 2lrt ber Heaftion 
iji portjerbeflimmt; bas £ianbeln eines IDefeus ift weber 
Sufällig, nodj burdj bie inbioibueU wedjfelnben IPaE^r« 
neljmungen bebingt, fonbern burdj feinen £l|arafter ge* 
geben. 2ll5 angeborenen (Cl^araftcr aber beseidjnen »ir 
bie (5efammtt{eit ber (Criebe. Diefe finb ber eigentlid]e 
Kern bes (£in3eln>efens, bas, was Sdjopenl^auer ben 
IDiUen nannte. XPenn man es redjt DerfleB^t, liat 
Sdjopenl^auer gans Hed|t, ben IDillen als ben ^errn, 
ben 3"teIIeft als ben Diener 3U beseid^nen. Die Summe 
pon Crieben ober 55I)igfeiten, bie (Einer I^at, ijl bas 

IDefentlidie an iljm, ex^ von jenen Ijängt es ab, ob ber 

20* 



308 ^Inljang: lieber ;Jran3 3ofeplj <5aü. 

3titeQctt etwas Uifie, un^ tpieptel er (eifle. Sie be« 
fKtnmen unfer ^anöeln unb unfere gansc 2lrl, nidjt oU- 
gemeine SäH^e, überfommene CeB)ren ober fonfl etnxis 
eingelerntes. Znan lefe Sdjopenljauer's £apitel über 
ben primat bes lüillens im Selbpbewugtfein burd^ unb 
man wirb, wie 5d]open^auer es mit Hed]t be^auptet^ in 
ber tCt^at mei^r pfvd^ologie baraus lernen als ans ben 
, Cel^rbüdjern ber pfvdjologie. Zlnv foUte es flott IDille 
unb 3nteneft in (SafVs. Sinne Ijeigen (ßrunbfräfte nnb 
eittribute, 5ormett fann man Sdjopenl^auer Dormerfen, 
ba% ein Wiüe oiine gi^I ^i^ Jlbfir actum fei, ba% aber 
ein XDiDe, ber einlas woüe, fdjon mit ber PorfleQung 
oermäljlt fei. €r l^at aber bodj Hed)t, benn ein Crieb 
ift ein IDille; ber ein beftimmtes 5»^' ^tjne Dorflellung 
Ijat, foa>eit nämlidj t>as inbioibuelle Sen^ußtfein in 5tage 
fommt U)ir fennen swar bie 5ad?e aus (£rfaljrung, 
fönnen jte aber nidjt faffen, weil bie gtDecfoorftettung, 
bie tt>ir nadj unferer ©enfireife fupponiren, jenfeits bes 
inbipibueOen Sen>ugtfeins liegt 2lm leid^teßen tann 
man pdj biefe IDat^rt^eit burdj ein Silb Har mad^en. 
2)er Crieb ijl einem 3"j^umente 3u oergleidjen, bas 
uns bei ber (ßeburt mitgegeben wirb. Salb fönnen mir 
oon Anfang an barauf fpielen, balb oerooHfommnen wir 
unfer Spiel burd^ bie €rfal?rung, aber alles Üemen \xnb 
äße (Erfahrung würben nid)ts Reifen, wenn wir bas 
3nftrum«nt nidjt Blatten. 

3n pliYJtologifdjer Sprad^e Ijeigt es, es ftnb bem 
fiinselwefen fertige 2lpparate t>es <5eljims ober bes 
^eroenfvftems überBjaupt gegeben, bie burd? bie Um* 



IV. Kriti!. 309 

^ärxbe bcs tnbtoiöucHen Ccbens in ^iiätiqUit gcfcfet, aber 
nxdtt gefdiaffen werben. 5ür ben eoolutionipifdj <5e- 
fdjttiten liegt ber fiintoanb nal^e, bag biefe Apparate 
tDälirenb ber pt^ylogenefe bodj erj! geiüorben pnb. <ße* 
toig, alles i^ ja mit ber Seit getoorben, aber jefet ijl es 
eben unb ipir I^aben es mit ben 3"^Wbuen 3u tl^un, 
n>ie fte pnb. 

lOeiter fann man gegen bie Cel^re von ben (ßrunb« 
fräften einmenben, bafe ber ZTIenfd^ nid^t ein Sünbel 
von 3n1ttnften fei, fonbern (gin XDille, ber jidj balb 
baljin, balb bortl^in irenbet. Das ift im (ßrunbe lOort« 
jireit unb ber Einwurf; <5aü serftöre bie (Einl^eit bes 
3d?, serfplittere bie Seele in eine Zllenge Meiner CljeiU 
feelen, ijl red^t tijörtdjt Die Ferren oeriredjfelten €in« 
fadjtjeit mit (Einljeit. Die €inl^eit ijl ^a, bie 2nannig« 
faltigfeit ijl ba, was foHte es nüfeen, bie €inljeit 3U 
leugnen, ober bie ZHannigfaltigfeit 3U leugnen (was bie 
ftnnlofe pl^rafe von ber (£infad?I^eit ber Seele tljat)? 
2lOer Streit fann jld^ nur auf ein 2nel^r ober IDeniger 
besiel^en, benn fein Perftänbiger wirb leugnen, ^a% in 
gewiffem (ßrabe bie einseinen Criebe felbjiänbig 
jlnb. Znan benfe an ^cn ttal^rungstrieb, an ben <ße* 
fdjiedjtstrieb. Dieüeid^t I?emmt mandien bas XOort Crieb 
ober 3»iftitift. 3"^«ff^^ ^^ ^i" wefentlidier Unterfd)ieb 
3tt)ifdjen Crieben unb 55Ijigfeiten ober 2lnlagen über- 
I^aupt nidjt porl^anben, obwol^l wir gewöljnlidj nur bann 
»on Crieben reben, n>enn wir an bas (5efüI?I bes (Se* 
triebenwerbens benfen. Znan fönnte gans gut aud^ oon 
einem Spradjtriebe, einem 2nufiftriebe, einem matJ^e* 



Z{0 2lnljang: Ueber ;Jran3 Jofeplj <Saü. 

mati[d{en (Cricbc reöcn. Sobald irgcnb eine Anlage in 
I|öljerem <5raöe ©orijanben tft setgt fte jldj tl^atfddjlid^ 
als Crieb. 5ür bie relatioe Selbfldnbigfeit ber Criebe 
iiat (5a0 fooiel Seifpiele betgebradjt, im ^inbltcfe tljeik 
auf bie perfdjiebenen (n:^ierarten, tljeils auf bie vev* 
fd{iebenartige Begabung ber 3"bii)ibuen, unb je^er 
3)enfenbe fann biefe Seifpiele fo Ieid|t permeB|rcn, bag 
td{ u?eitere eingaben unterlaffen fann. J>a% unfer IDiUe 
(in Sdjopenl^auer's Sinne) fid? aus einer ^Insal^I von 
partialtoiUen sufammenfefet, bag 5<^^^ ^^^ Stätte ber 
partialn>illen wed^feln, ^a% erjl aus il^rem Sufammen* 
wirfen unb il^rem Streite ber £I^arafter I^eroorgelit, ^as 
jinb Cl^atfad^en, bie burdj XDorte nidjt aus ber XDelt ju 
fdjaffen finb unb bie im (ßrunbe alle Unbefangenen 
jeberseit anerfannt I?aben, ujenn fie audj niemanb vov 
ilim fo flar erfaßt iiat n?ie (Salt 

Bis Ijierl^er ift meines (Eradjtens (SaWs pfvcl^ologie 
untabelljaft Die größte Sdju^ierigfeit ijl bie, jtdj eine 
Porftellung 3U mad^en von ber Se3iel:^ung ber (ßrunb« 
fräfte 3u ^en 2lttributen. (£s ijl n>o!)I nid|t 3U leugnen, 
ba% (Sau in ber Ct^eorie bie Selbpänbigfeit ber Criebe 
etroas 3U jlarf betont I^at, ^a% es bei iljm 3un)ei(en aus- 
fielet, als rväxe jebes ®rgan ein fleines <5eEjirn für fidj, 
ba bodj bie Attribute nur an ber (ßrunbfraft fein foHen 
unb iet>e5 0rgan feine eigenen Attribute I?aben fott. gu 
jireng aber bürfen mir mit (Sau nidjt redeten, ^a Ijier 
alles meBjr ober u?eniger 23i(b unb (5Ieid|ni§ ijl unb 
a>ir aud^ I^eute oon einem erfdjöpfenben Perjlänbniffe 
roeit entfernt finb. 5affen »ir einmal bie Sadie redjt 



IV. Krtttf. 3U 

grob, fo fönnle man ftd? bcn S^fammcnliang folgenbcr* 
maagcn bcnfcn. Das (Scf^irn ift ein fcubalcr Staat. 
Das 3d? ift bcr König unl) bie 2lttribute ftnl) feine Se* 
amten, bie Criebe aber jinb bie Sarone. Kommt irgend 
eine ttadjrid^t pon brausen, fo perbreiten fie bie 33e« 
amten an bie rings B)erum roof^nenben Sarone. 3"te« 
refftrt ftd? feiner für fte, fo bleibt bw TXadixidit tljeore» 
tifd). (ßel^t fte aber einen Saron ober einige Sarone 
an, fo treten bie 3ntereffenten in Cl^ätigfeit, es giebt 
PerE^anblungen, Streit, Sefdjlüffe, fdilieglid? fanftionirt 
ber König bie ftegreidje 2tnftd)t unb feine Seamten, bie 
immer f^in unb ber laufen, fül|ren l>m 3efd)Iug aus. €s 
giebt Sarone, bie iljrer ZTatur nadj Stni^en bes Sl^rones 
finb, es giebt aber aud? rauE^e, eigenwillige Ferren, bie 
fidi nid^t gern etn?as fagen (äffen unb unter Umftänben 
bem Könige if^ren IDiflen aufbrängen. ZlTödite es jemanb 
gelingen, bie 2lngelegenf^eit miffenfct^afllidi 3U formuliren. 
ZlTan fprid)t pon einem Kampfe ber ZHotipe, aber in 
XDirflid^feit fönnen bie ZlTotipe gar nid^t fämpfen, bie 
Criebe fämpfen unb alles, mas toir pon innerem ^wxe* 
fpalte, Pon gweifeln unb Seelenfämpfen, pon pfvdio« 
logifd^en lX)iberfprüd)en, Pon ber boppelten Seele u. f. to. 
E|ören, bas gel)t auf bzn XDiber^reit ber Criebe. 

(£ine anbere Sd^toierigfeit liegt nidjt im principe, 
fonbern in ber ^(usfülirung. VOeldie finb l>cnn nun bie 
(ßrunbfräfte? Ueber einige ift leidet UebereinjHmmung 
3U ersielen, anbere finb 3n?eifeH^aft unb eine pollftänbige 
2luf5df^(ung überfteigt unfere Kräfte, (ßegen bie Pon 
(5aII angenommenen (ßrunbfräfte i(at fid^ ber ^oB^n ge* 



3\2 Jlntjang: lieber gratis 3ofepIj <5aII. 

rtd^tet nnb bte (Begner ftnb uncrmüblid} barin, über bte 
27 ®rgane 3U lad^n unb balb an biefem, balb an jenem 
jtt Setgen, tote finbifdj <ßatt gemefen fei Um gered)t 
3U fein, mu§ man ftdj Jolgenbes überlegen. 5ür (ßatt 
»ar bie Cljeorie t>on ben (ßrunbfräften unb lE^ren ^ttri» 
buten ber 5djlu§flein, er fam 3U iljr erfl bann, als er 
für bas, was er empirifdj unb oljne Cl^eorie gefunben 
Ijatte, bie tieferen (ßrünbe fudjte. <5aVL oerfuljr fo, ntib 
met blatte anbers ©erfaljren fonnen?, ba% er ftdj fragte, 
toas 3eidjnet einen ZHenfdjen t>or bem anberen aus, 
fyiben bie (Eigenfdjaflen, bie balb als 55l?igfeiten, ^n* 
lagen, balb als Criebe, Neigungen beseidjnet »erben, 
eine gAoiffe Selbflänbigfeit, ober entjlel^en fte erfl aus 
bem ^ufammenmirfen anberer (ßrunbfräfte, »ie unter« 
fdjeibet pd? il^r normaler gujlanb oon iljrer ^yper» 
tropljie u. f. f. €r ©erfolgte feine Permutljungen, fo gut 
er fonnte, burd? ZTadjbenfen unb Seobad^ten oon ZHenfdjen 
unb Cf^ieren unb mäl^Ite bann für bie angenommene 
(ßrunbfraft ben Hamen, ber il^m relatiü ber paffenbfte 
3U fein fdjien. (ßef^t man il^m im €in3elnen nadj, fo 
mirb man iljm maljrfdieinlidi nidjt überall beijHmmen 
fönnen, aber man n>irb nidjt umljin fönnen, fajl überall 
feinen Sdjarf jtnn, fein reid^es IDiffen, feine Unbefangen« 
Ijeit 3U beujunbem. Zltag er oft geirrt h^aben, er B)at 
trofebem aud^ als praftifd^er pfyd^olog firjlaunlidies ge« 
leijlet unb bie pfydiologifdjen Ceijlungen feiner (Segner 
ftnb n>aE|rIid^ nid^t im Stanbe, bie ^odjad^tung por 
(ßall's originellem (ßeijle 3U perminbern. €s ifl (Bali 
natürlid{ nie eingefallen, 3U bef^aupten, ber ZHenfdj l^abe 



IV. KriHf. 3^3 

27 (ßrunbf rdf tc, er glaubte nur, f ooicl an bcr jugäng- 
lid^cn ©berfläd^c bes (ßcf^irns nadirocifcn 3u fönnen, 
unb mar jtd? bcrougt, bag bamit bie 5ad^e nidjt cricbigt 
fei. Seine Se3eid^nungen jinb sutoeilen rDunberlidj unb 
vooitl nxdtt 5u billigen, aber er felbft legte gar feinen 
XDertf^ auf bie ttamen unb bebauerte mand^mal, ^a% 
xfyn feine befferen Beseid^nungen eingefallen feien. (£in 
Seifpiel genüge. (Sau glaubte, ba% bas Verlangen nad^ 
(EigentF^um , ber (£rn?erbfinn , eine (ßrunbfraft fei unb 
in ber CE|at ijl bei Cf^ieren nnb ^TTenfdjen ber Crieb 3U 
E|aben ein mid^tiger CB^araftersug. 3ft biefer Crieb fef^r 
jlarf entmicfelt, fo treibt er ^as '^nbivi^nnm 3U Ueber« 
griffen, 3ur 2lneignung andi fremben (ßutes. Desl^alb 
»erfiel (ßafl in feiner Ztaioetät auf bie unglücflidje 3^^^/ 
ben Crieb als Diebespun 3U be3eidjnen, ein (Einfall, ber 
3U billigen Kritifen aufforberte unb iBjm fef^r oiel ge- 
fdiabet Ijat. 

(£in befonberes X>erbienjl (SaWs ift feine Befämpfung 
ber fog. empiriftifdjen 2tuffaffungen. (£5 gereid)t uns 
nidjt 3ur €f^re, ba% nod| F^eut3utage bie €rfenntni§, ^a% 
aUe mefent(id)en iäliigfeiten angeboren finb, XDiberfprud^ 
finbet. (Ein fuperfluger Hationalismus f:iat 3um Sdia^^n 
ber pfvdiologie frül|er unb jefet ber inbimbueHen €nt« 
roicfelung 3ugefd?oben, toas nur ber ^Irtentroicfelung 3U- 
fommt. Zltan roagt 3. S. ber flaren Crfaljrung 3um 
Crofee 3u beE^aupten, ber ZHenfd? lerne ^as Ciefenfef^en 
erjl burdi £rfal|rung. <£xn befonbers betrübenbes 23ei^ 
fpiel rationaliftifd^er X>erfälfd?ung ber (£rfaBjrung ftnb bie 
berüd^tigten „SemegungsDorfteHungen". Die päbagogen 



3^ ^Inhoiig: Uebcr ;Jraii3 3of^P^ <5aII. 

rcben von (CE{orafterBUbnng unb bte Qumanifien iDoQen 
öen geborenen Vethxediev „beffem''. Sei einem be« 
beutenben pfvd^iater finbe idj 3U meinem Sd^recfen ben 
Safe: ;,Da5 (ßrofeE^irn ijl eben oon Einfang an eine 
tDirflidie tabula rasa." ®! €in anberer erMdrte mir 
perfönlidj, er Ijabe feine 3nftinfte. ^Hes ^as unb oieles 
^(nbere träre nid^t möglidi, wenn man nid|t <5alVs tici)t* 
poHe ^useinanberfefeungen bei Seite gefd^oben E{dtte. 
IDenn bod^ 2tfle, bie nid^t baran glauben, ba§ bie geizige 
£ntn>icfetung nid^ts ifl als bas 2(ufbIüE}en einer prä» 
formirten Knofpe, aufmerffam ein eben aus bem €i ge« 
!rod)enes ^üBjnd^cn beobadjten moUten. €s läuft elegant 
unb es picft bie Körndjen auf. IDer bas einmal emji* 
lidj begriffen l|at, ber mirb aud? bas' Uebrige begreifen. 

In summa, es liegt feine Deranlaffung »or, aus 
pfvd^ologifd^en (5rünben, (5all*s £el|re a limine absu« 
meifen. Diefe ift melmelir pfvdiologifd] oortrcfflidi he^ 
grünbet unb es ijl eine reine Cf^atfrage, ob bie 2luf» 
fteHungen <ßafl*s im fiinselnen bered^tigt finb ober nidjt. 

3. Das bicfe £nbe ifi bie Sdiäbellcljre. 21. Hefeius 
Ijatte (ßall's Sdi&belleljre oermorfen unb l^atte an itjre 
Stelle bie Haffenfdiäbellel|re im ^Infdjluffe an Blumen» 
badi gefefet. Diefen Unterfudjungen ift feitbem Seit unb 
IHülie im größten IHaa^ftabe geopfert morben unb bas 
Crgebniß ift ein „Cljaos pon IDiberfprüd^en". 

Hefeius liaiie bie einfädle Sd)äbelbetradjtung für 
ungenügenb gel^alten unb bie 2T?effung empfol^len. „€jaft« 
l^cit" wax nunmel^r bas 5^l^g^fdir«i« (5enauigfeit i(i 
getoig eine fd^öne 5ad|e, aber bie Segeifterung für ^as^ 



IV, Krttif. 3\5 

JJTcffcn unb ^äitUn an jtdj fann bod^ andi auf 2lbtpcge 
leiten. ZHan muß n>iffen, n>arum man mißt unb ob es 
nad^ ber ttatur bes (5egenftanbc5 einen Sinn Ijat, bie 
ZniHimeter 3U säl^Ien, ober ob bie unoermeibUdjen S^h^^^ 
nur approjimalioe eingaben 3u(affen. IDenn man be« 
liebige Sdjdbel aus (ßräbern, aus Seinl^äufern, aus ber 
Seute ber 2lfrifareifenben u. f. ro. mißt, roenn man feine 
2lljnung iiat von ber 23efdjaffenB)eit bes IHenfdjen, bem 
ber Sdtäbd geijörte, toenn man überf^aupt gar nid^ts 
meiß oon ber Sebeutung ber Sd^äbelmaaße, bann toirb 
ber Streit um bie ZlTiHimeter fomifd? unb man muß ben 
ejaften 2lrbeiter fragen, u?eißt bu aud^, toas tn tliufi? 
Die ganse Croftlofigfeit ber Kraniometrie erfennt 
man am bejten aus bem Sudie Cöröf 's^). Der Perf* 
gel^ört 3u ben leibenfd^aftlid^en ,^einben (5aü's. „5ür- 
n>aB)r, fein miffenfdjaftlidi benfenber ZTaturforfdjer fann 
ol^ne gett)iffe Befd^ämung auf bie £apaler*fdje pB^vH^' 
gnomif unb auf bie (ßall^fd^e pf^renologie surücfblicfen. 
XDas foU man aber erft basu fagen, u?enn man nodj 
Ijeutsutage ebenfo friool roie eBjebem oon ber äußeren 
5orm bes Sd^äbels auf geu?iffe geiftige unb moraIifd)e 
fiigenfd^aften ber betreffenben 3"^ii^i^ii«n fdiließt unb 
mit biefen 5d?Iuß5iel|ungen andi in ber rDiffenfd^aftlid^en 
IDelt fid| 3U brüften roagt! g. 23. ber pfyd^iater, ^err 
prof. Senebict in IDien, überfd^üttet bie jefeigen Kranio* 
logen toegen il|rer Unroiffenljeit mit feinem ^ol|ne unb 



^) döröf, 2lurcl ü., (Srunb3Ügc einer fyftematifd^en Kranio= 
metrte. Stuttgart 1(890. ^. €nfe. 8. 63 ^ 5. 



3\6 2Inljang: liehet ^van^ 3<>f^P^ ^^^* 

berfelbe ^crr profeffor toagt es 3ur tDaE^rcn Sdjanbe 
unferer ©isciplin, Mc (ßatt*fdjc pljrenologie als eine 
E^errlidie €rrungcnfdjaft bcr XDiffenfdjaft 3U prcifen.'* 
3tn (5egcnfafec 3U bem frwolen (Sali fdjmärmt Cöröf 
für bie j^rcnge IDiffcnfdKift ^IDas tjt cigcntlidj bcr 
Selbftsioecf ber franiologifdjcn Disciplin P'' <£r fann in 
nxdits anbcrcm bejlcf^cn, ^als emsig unb allein in ber 
€rforfd)ung ber <ßefefemä§ig!eit ber Sdjäbelform, unbe« 
fümntert barum, ob bie Ijierbei geioonnenen Hefultate 
audi i^ biefen ober ienen praftifdjen Problemen ftdj 
oern>ertE|en laffen ober nid^t". Sis jefet ijl ber „Selbji- 
3n>ecf" nadj C nodi ntd^t erreid^t. Das Derfal^ren 
ber Kraniologen fei gans planlos geioefen. Sie E^aben 
$. S. bas STcanffnvtcx Zlteffung-Sd^eina »ie ein Dogma 
befolgt, aber ^eit unb IHüEje tparen gans umfonj^, „ba 
audj bie nadj biefer Sdjablone gemeffenen unb be* 
fdjriebenen Sendete ber ocrfd^iebenen 5d|äbelfammlungcn 
roenigflens in Sesug auf bie Kraniometrie, gar feinen 
miffenfd^af t(id)en , fonbern nur einen faufmdnnifdien 
Wettli, ndmlid^ nad? bem (ßen)id?te t>on ZHafuIatur- 
papier, l|aben fönnen". ,,Sei einer ausfüljrlid^en 
fvjlematifd^en , f raniometrifdien ^Inalyfe eines einsigen 
Sd^äbels muffen über 5000 Cinearmeffungen gemad^t 
n>erben". ,,5ürmaEjr, n>enn xAt bebenfe, ba% nid|t naipe 
Caien, fonbern bie gerabesu berufenften Vertreter ber 
Kraniologie ftdj mit einigen »enigen (oon etwa 30 bis 
etn>a 200) ZlTeffungcn bef^ufs ber franiometrifdjen 
Cf^arafteriftif oollauf sufrieben geben (freilidj E^errfdjt 
aber bei biefen Koryptjäen meber in ^infid^t ber 2ln» 



IV. KrtHf. 3^7 

Saljl, nodj aber in fjinjtcbt bcr betreffenden ^lusmalil 
öer ßnearmeffungen felbjl eine (ßleidjförmigfeit), fo mug 
idi es fdjon als einen »aljren 5ortfdjritt betradjten, 
wenn xdt mittels ber blogen ^lufsäljlung ber bisljer uit» 
erljört großen ^Insaljl von önearmaajjen ^»enigftens 
einige gipeifel bei ben f elbjlänbig benf enben Kraniologen 
in Sesug auf bie bisf^erige Hidjtung ber Kraniometrie 
erregt f^abe. 5ür ben aUererften 2tugenblicf muß fd^on 
bies als ein Hefultat ber Heformbeflrebungen angefeljen 
merben. Denn ^a% es mögüd^ rodre, fdjon jefet bie 
ZTotIjn)enbig!eit ber über 5000 säl^Ienben linearmeffungen 
überseugenb bemonjtriren 3U fönnen — ^avan fann nidjt 
einmat gebadet merben unb xdt bin, um es eE|rIici{ unb 
offen 3U erfldren, audj nid^t im Stande, bies 3U tf^un. 
3a nodi meljr, idj muß audj bas nodj offen erflären: 
^a% bei meiner Ijeutigen üoflfommenen Unn)iffenljeit ber 
<ßefefemäßig!eit ber Sdjäbelform id^ nidjt einmal im 
Staube bin, 3u erflären, u>ie piele oon ben über 5000 
ßnearmeffungen 3U einer nur etn?as genaueren ©rien* 
tirung über bie allgemeinen franiometrifdjen £igen« 
fdjaften ber Sd^äbelform nötl|ig finb." Das tf^ut wo^U 
„Va% xx>ix Ijeute ber Kenntniffe nod^ üoUftdnbig ent- 
beljren, bas toirb ja bodj ein ^ebex einfetten müjfen, 
ber nidjt gan3 unb gar £aie in ber 2tnatomie bes 
Sdjdbels ift! €s geijört gen>iß bie origindre „vis inertiae" 
im Den!en ba3U, um 3U glauben, ^a^ man mit planlos 
unb bobei nod^ fetjlerijaft ausgefüljrten menigen (30) 
JHejfungen einen Sdjdbel »iffenfd^aftlidj franiometrifdi 
beftimmen fönntel ZlTan brandet nur einen Slicf in bje 



3^8 2lnljang: Ucbcr ^rans 3ofcptj (Sali. 

franiomctrifdje £iteratur 3u tljun, um fofort jene Dijfo- 
nans ber JHeinungcn über bU aflemnfadiflen S^agen 
öcr Kraniometrie bcmerfen 3U fönnen, toeldjc Dijfonans 
bas emsige beßdnbtge €tement ber btsE^erigen franto« 
metrifd^en Sorfd^ungen bilbet €5 giebt feine ^insige 
5rage in ber Kraniometrie, »0 es nidit ljie§e : asserit A, 
negat O". ©er 5wed feiner Darlegungen fei nur, fagt 
(L, bie Kraniologen 3um Denfen ansuregen, „^a bie bis- 
Ijerige 2trt unb H>eife, pdj mit Kraniometrie 3U be* 
fdidftigen, nidjt »eiter gebulbet iperben barf — fott unfere 
Disciplin fünftigf^in nidjt »eiter als gielfd^eibe ber Vet* 
E|ötjnung bienen^. 

Coro! E|at freilidj gans Hed^t, »enn er fragt: „H>er 
permag aus ben gefammten bischerigen Sd^dbelmeffungen 
andi nur ein einsiges nad} jeber Hid^tung t^in uner* 
fd^ütterlidj feftfleljenbes praftifd^es Hefultat auf3un)eifen?'' 
^ber »ie geljt bie (ßefdiid^te toeiter? Sis jefet ijl nidjts 
geleitet: ein großer 2lufn)anb fdjmäljUdj toarb pertljam 
£s ifi mit ^cn gegebenen Qütfsmittetn sur ^eit andt gar 
nid|t möglidj, etwas 3raud}bares 3U leiten. Das S^cl 
liegt in »eiter S^xne, ob es erreidjt »irb unb ob, wenn 
es erreidjt i% bie praftifdjen 5oIgerungen, bie bem 
ZtTenfd^en bod{ etgentUd} am fersen tiegen, gebogen 
toerben fönnen — bas »iffen bie (ßottcr. Dorldufig 
bleibt uns nidjts übrig, als 3u meffen, 3U meffen, 3u 
meffen unb feinen £oI?n 3U ern>arten. Der Kraniometer 
mug alfo ein im E^ddijlen (ßrabe entfagenber ITlenfd} 
fein, er erinnert lebE^aft an bie <ß(abiatoren unb iljr 
„morituri te salutamus". 



IV. Krtttf. 5\9 

Die Kraniomctric ift al\o trojüos, iDcil jte bcm 
JHcnfdien eine 2tufgabe ^eüt, bie er nid^t löfen fann. 
Sie toill bie Soxm bes Sd^äbcls ejaft, b* f^. geomelrifdj 
erforfdjen. Sie jteljt bie Unmöglidifeit ber Sadje ein, 
Ijäuft aber ZHcffungen auf ZHeffungen, um bem Siele bod? 
ein bisdjen näf^er 3U fommen. ZHad^e bas mit, »er »ifl ! 

5ragt man, n>arum (ßall's Sdjäbenel:^re fo gans 
unbraudjbar geiDefen fei, fo erl^ält man perfdjiebene 
2tntoorten. ^unäit^t interefjtrt uns bie Bef^auptung, 
ba§ ber Sd)&bel gar nidjt ein Silb ber (5el|irnform fei 
(ßall Ijatte gelef^rt, bas (8el|irn forme ben Sdiäbel unb 
beffen inbioibuefle Derfdiiebenljeilen Ijängen pon Der« 
fdiiebenf^eiten bes (ßeljirns ab, fo toeit ber SdiSbel 
ißeliirnfapfel ifl. Die meinen 2lnatomen n>aren im 2tn- 
fange bcs 3aljrljunbert5 ber gleid|en ^Inpd^t, jte fallen 
im (ßeE|irne ^en ^errn, im Knod^en ben Kned)t. Das 
follte aber nid^t fo bleiben, es folgte eine 2(rt Pon 
Sflapenauf jlanb , ber Knodien »urbe emanciptrt unb 
burfte nun bem (ßeljirne X>orfd?riften mad)en. Der 
^auptperlreter ber Knodicnfelbjlänbigfeit ifl befanntlidj 
H. Vixdtow. €r beseid^net bas „ttatjtmadjsttjum" als 
toefentlidi unb arbeitete bie Synoflofenlel^re aus, nadj 
ber „bie €ntu?idelung bes Sdjäbels jebesmal bei Syno- 
jiofe einer Zlalit in ber Hidjtung surücfbleiW, »eldie fenf • 
redjt auf bie fvnojlolifdie Zlaitt liegt". 3^""terljin brüdte 
Vxrdiow felbp fxdi feljr porftd^tig aus. fir fagt 3. S.^): 



*) Untcrfud^ungen über bie (EntiDtcfelung bes Sd^äbelgrunbes. 
Berlin ^857. p. 95. 

Ptrd^oip äu§ert fic^ aud^ über bie HTthocepIjaltc feljr cor« 



320 2lntjang: Ucbcr ;Jran3 Jof^P^j ^^^• 

„Wenden nnr uns • . . 3ut Betracf^tung bcs Peri^dÜntffes 
5iptfd}en Sd^bct« un^ <&el\\xncntwxdelnr\q, fo fann es 
fdjon auf öcn erflen Slid nidjt swcifcll^ft fein, bog es 
{td? I^ter um ein IDectifeloerEtSItnig E^anbelt unb bag nict{t 
etwa einfeitig bos (ßeE^irn bos Knoci{enn>act^tt{um be- 
fKmmt ober umgefel^rt. Der £influg, ben beibe (Cl^eiU 
auf einanber ausüben, mu§ offenbar ein boppelter fein, 
ein medjanifdjer unb ein organifdjer, toobei toir jebodj 
nidjt oerfennen !önnen, ^a% ber lefetere ({auptfSd^tid} bem 
(ßetyme sufommt, ipäE^renb ber erftere beiben Ci{eilen in 
I>oIjem ZHaajje susufdireiben ifl". 2tber D.'s Steigung 
gel^örte bem Knod^en, ^enn es Ijeijjt n>eiter (p. U^): 
,,3f^ ^ös (ßeljirn ober pnb bie Knodien bas fintfdjeibenbe? 
IDir ftnb fem bapon, bie 2lntn)ort in einem einfeitigen 



ftd^tig, es fönne fid^ in mand^en ^äUen oon Vflxhoceplialie um 
i7or5eiti9e Derfnöd^crung t^anbeln. 2lnbcrc ^Jrcunbc ber Knoc^en- 
hcrrfd^aft perfuljren ütel unbebcnfUd^er. ^yrtl 3. B. jagt (£eljrb. 
b. 2lnat. b. lUenfdjen. 12. 2lufi. p. 259. ^873): „^riilj3citi9es 
Peripad^fen ber Zläbtc, bepor bas (Setjim feine PoUfommene 2lus= 
bilbung erlangte, bebingt IHihocepljalie,. als treuen (Sefäljrten bes 
angeborenen Blöbfinns''. 2lbgefeljen bapon, ha^ bie feltene IlIifro= 
cepbalie fein treuer (Sefätjrte bes t)auf[gen angeborenen 3Iob« 
finnes ifi, erregt eine foldje Bet^auptnng eines angefet^enen 2lna= 
tomen ein bebenflicbes Kopffd^ütteln. DTan mu^ anneljmen, ha% 
^yrtl niemals einen ini!rocepbalen=5d?äbel gefeiten tjabe. (Einige 
finb nämlid? baburd» ausge3eid?net, ha% bie Itätjte abnorm »eit 
offen ftel^en, be3. bie Fontanellen lange erl>alten merben. 3d? 
fenne feinen jugenblid^en inifrocepljalen=5d?äbel, beffen Zl'd^ie 
perroad^fen n>ären. Der gleid?en 2lnfid?t ift auc^ Hieger. TXadf 
x^m l^aben bie IHifrocepl^alen in ber Hegel poUig normale IXa^U 
perljältniffe unb fommt einmal etn>as ^Ibnormes bobei por, fo \\t 
es als eine unn>efentlid?e Complifation auf3ufaffen. Dgl, auc^ bie 
eingaben IHard^anb's, pilc3's u. 21. 



IV. Krttif. 32\ 

Sinne geben 3U rroHen, aber xx>xv glauben bodj andt 
gegenüber ber Steigung, aUe XDirfung bem (Seljirne unb 
ben tterpen 3U3uf djreiben , bie grojje 3ebeutung öer 
Knodjen f^erporl^eben ju muffen". (2tls Seroeis folgt 
ein 5att »on cerebraler Kinber(äl|mung !) Dajj öie 
öentofratifdie Cenbens ben Unterfdjieb smifdjen bem 
Ijerrfdjenben unb bem bienenben (ßeiDebe gar nidjt be« 
rürffid^tigt, seigt ber gegen £. 5icf gerid^tete Doriourf 
DirdionD'S; ba§ bei ausfdiliej^Iid^er Serücffid^tigung bes 
(ßetjirniüad^srt^ums nur bie unerHärten ntorpljologifdien 
(Seflaltungstenbensen einfadj von ^cn Knodjen »eg auf 
anbere (Sebilbe gefd)oben ȟrben. 2Us ob es fid| um 
3n)ei gleid^ beredjtigte (ßemebe l^anbelte ! 3d? l^abe midj 
nun gan3 oergeblidj bemüljt, irgenb einen Semeis bafür 
3U entbecfen, bag, abgefeljen pon Caries unb ätjnlidien 
Kranflieiten, primäre Svnojlofen porfommen, ^a% bie 
fogenannte Compenfation fefunbär fei. 3tnmer Ijeijjt es 
nur, es fönnte ja fo fein. 3ö/ tnan erfSE^rt audj gar 
niiit, n)arum es einer TXalit einfallen fofl, 3U per(nöd}ern. 
1>a% bei gemiffen Conpitutionsfranff^eiten ein allgemeiner 
Crieb 3ur Der!nöd|erung porfomme, ^as W§t jtd? benfen, 
ba% aber irgenb eine ein3e(ne Ztaljt of^ne greifbare Ur« 
fadje, fojufagen aus purem €igenfinne, fidj fd?Iiege, bas 
n>ill nid)t einleudjten. fis ift ipof^l fein ^»eifel meljr, 
^a% gegenüber ^^n Darlegungen (ßubben's, 5icf's u. 71. 
bie ganse 5vnopofen(e!:^re unljallbar fei. Ueberbem per- 
n>irft X>irdion> felbjl bie 2lbleitung ber Unterfd^iebe ber 
Hajfenfdjäbel burdi beftimmte Svnojlofen, be3iel^t fidi 
faft ausfd^Iieglid) auf franftjafte gupänbe. 1>a% in ber 

m ob Ins, mattiemotifer. 2\ 



322 2lnbang: Ucber ;Jran3 3of^P^ &aU, 

potl^ologie atlcrl^anb i>orfomtnt, bos fann bod) in bev 
pE^Vftotogie nidjts Ijcifcn, bas 3nt^>^^ff^ <*^t gcijört bcm 
pIlYpol^öH^*" Sd^dbetoadjstljume. 

Qat (Subbcn geseilt, ba% bei jungen (CE^ieren Drucf 
unb Sug bic Knodjen ^fajl toic IDad^s mobcIn", fo ijt 
bamit noci{ nid^t entfd^icbcn; bag bas iDad^fenbe (5ct}irn 
im H>efcntlidjcn allein a!tio fei. Tlndti bie TXlusMn 
fönnen 3ie!:^en unb brücfen unb es fanben jtdi Dertljeibigcr 
ber leljre oon ber Sdjäbelbilbung burdj ZHusfetoirfung. 
3n gerabesu fraffer IDeife hiat 3» fingel ben TXlnsUU 
anvoalt gemadjt Zladt iljm fdjmiegt ftdj bei ber befini- 
tipen (5eftaltung ber (ßeljirnfapfel bas (5ef^im in bie 
burd? bie ZlTusfuIatur bebingte 5orm l^inein! 3^^^^:? 
iiat £. 5irf ^), beffen ^(usfuE^rungen man fajl überall von 
fersen beiflimmen fann, biefe Seflrebungen enbgültig 
3urüdgeix)iefen. ZHerfiDÜrbiger IDeife ijl Hieger auf bie 
ZHusfetoirfung surücfgefommen unb Ijat in gen>iffem 
Sinne oerfud^t, (£nge( 3U oertf^eibigen. X)a§ für bie 
5orm bes (Seftditfd^dbels bie ZHusfeln nid^t bebeutungs» 
Io5 jtnb, bas tann man ruB^ig sugeben. Va% bie 5orm 
bes Cbierfd}dbe(s fogar befrdd}tlid} burd; bie 2TlusfuIatur 
bebingt x% bas liegt auf ber ^anb. 3n biefer ^injtd^t 
ifi bie 5d)n)eine«KranioIogie braudjbar, jebod) ^atljufius 
felbji betont, ba% bie (ßeljirnfapfel bei aüen Variationen 
gans unperänbert bleibe. (£s fommt aber für uns nnb 



^) Ucbcr btc Urfad^cn ber Knod?cnformcn. <S5tttngen ^857. 
Heue Untcrfud^ungcn über btc Urfad^cn ber Knod^cnformen. 
UTarburg ^859. 



IV. Kritif. 325 

andt für Hicgcr eigenllidj nur auf bie (ßcljirnfapfcl an. 

Xlicmanb unb aud) Hieger nid^t magt 5U bet^auptett; 

^a% ber (ßeljimfd^äbel bes ZlTenfdjen von ZlTusfeln 3U« 

red^t gebrücft ober gesogen u)erbe* Wo^n alfo bcr 

€ifer? Hieger gefleF^t 3U, bag eigenllid? nur Me Kau- 

unl) bie ZXacfenmusfeln in Setrad^t fommen. 2tber audj 

if^re Sebeutung fann man nur bef^aupten, fo lange man 

im Sereidje allgemeiner (Erörterungen bleibt, mie es 

Hieger tljut Sieljt man jtdj bie aufgefägten Sd^äbel 

an, fo bemerft man niemals, ha% an ber SUÜe, wo pdj 

ber Cemporalis anfefet, bie ^cn (ßef^irnraum begrensenbe 

£inie abgebogen n)erbe, eine ^lusbud^tung nadj innen 

ober außen porfomme. Unterfud^t man bie Köpfe, fo 

finbet man ^ben fo moljl jtarfe IDölbung ber Sd^ISfen- 

gegenb bei fd^mad^en Kaumusfeln unb fd^mad^e bei 

ftar!en, ein ffad^es ^interljaupt bei Parfen ZTacfenmusfeln 

unb ein jlar! gewölbtes bei fd^toad^en, als bas Um» 

gefeierte, (ßegen 5id's fiegretd^e Setoeisfüf^rung ifl 

Hieger's lefetes 2trgument bas folgenbe. £r fagt: „lüof^er 

fdmen ^^nn aber alle faftifd^en Derfd|iebenljeiten ber 

Kopfformen? ZHusfetoirfungen »ifl 5id nid^t aner* 

fennen"* So bleibt nur bas ^irnmad^stljum, bas 5i^ 

„in ber Cl^at audj ausfd|tte§Iidi im 2luge Ijaf. „Dies 

fül^rte enttoeber auf gerabesu pljrenologifdie Confequensen 

3u einem beliebigen ^lusroad^fen pon ^irnoberffäd^en- 

organen ober mürbe bem ^irnu?adjstl^ume überijaupt 

gans unbegreiflidie launen $umutljen/ „fiin in biefer 

IPeife pdi »unberbarüdiji ausirad^fenbes ^irn fönnte 

Ijöd^jlens ^en Seifall eines pljrenologen finben/ HTan 

21* 



32 ^ 2lnljang: Ucbcr ;Jran3 Z^\^vk <SaII. 

bebertfe alfo: xx>e\l eine 2(uffaffung 3u ben 2(nftcfitcn 
fiaD's füllten Knntc, besljalb ijl jte falfdj. 3^1 benfe, 
eine foId|c SeiDcIsfüIirung rid?tet fidj felbjl. 

Da bie Knodien ben aWioen fictoeben gegenüber 
ooQfommen nadjgiebig pnb; ba für ben menfdjUdjen 
(5el|irnfd:|äbel bie JJTusfeln nidit in Setradjt fommen, 
fo bleibt als aftio nur ^as (ßel^irn übrig. Die 5orm 
bes 5d|äbefe Ijängt ab oom (ßeljirnn)adj5tl|unie unb 
feine Derfdjiebenl^eiten Ijängen ah pon ^cn Derfd)ieben* 
Ijeiten bes (ßeEiirns. Hur eins ijl 3U bebenfen, auf ^as 
(Sali nid|t gefommen x% (£s fönnte nämlictj ber Sdtäbei 
im (Bange ber Dererbung eine gemiffe Selbftdnbigfeit 
erlangen. Xlidit nur bie 5orm ber ttafe unb ber (D^ven, 
fonbern audj (ßejialtungen ber Knodien »erben ©ererbt, 
3» S. bie geu?iffer X>orfprünge. Dag bie 5orm bes 
5d|äbe(s felbfi pererbt n>irb, fann gar nid|t besujeifelt 
»erben, nur Der, beffen klugen burd} (Eljeorieen gan3 
perblenbet finb, fann bie 2lef|nlid|feit ber Kopfformen in 
ben 5ömilien, bie XDieberfef^r eigentl^ümlid^er Silbungen 
überfeinen. Die gleidjartige Dererbung überF^aupt ijl 
nur besljalb möglid^, »eil bas Kinb nidjt im matlje« 
matifd^en Sinne bas IHittel aus ^en €Itern x% »eil f ajl 
immer, fei es im (Bansen, fei es in beftimmten CIjeHen, 
ber fiinflug bes einen firseugers über»iegt. TXlan erbt 
bie geiftige ober (5etjirn«Sefd|affenB|eit unb bie Knodjen« 
form Pon ben €Itern. Die 5röge »äre, gef^t bei ber 
Vererbung ber Sdiäbel immer mit bem (ßel^im ober 
!ann man beflimmte (ßeIjirntB|eiIe pon ber 2JIutter erben, 
»äljrenb bie entfpred^enbe Sd^äbelform pom X>ater ifl? 



IV. Kritif. 325 

Dcnfbar ip bas Icfetcrc, roenn fdjon audj babei eine 2ln« 
paffung bcr Cljeile an cinanbcr baju fommen mügtc» 
£5 roirb fd^mer fein, über bicfc Dinge in's Klare su 
fommen, aber unmöglid^ ifi es nid^t. ttur geijört 3ur 
Cöfung biefer unb anderer 5tagen, baß bie Sdiäbel* 
jrüfung nidjt nur von foId)en 2lnatomen, bie ben lebenden 
JHenfd^en gar nid^t Unnen, ausgefüljrt »erbe. 

Xlnv anf^ang5n)eife mill id^ ^en oft gegen (Sali 
porgebrad)ten fiintourf ertoälinen, ba% bie äugere Sd^äbel* 
tDÖlbung ber inneren nid^t parallel fei. €r ift eigentlidj 
nur gemad^t morben, um ben Ceuten Sarxb in bie 2tugen 
3u ftreuen. H>er fittpas von ber Sadje perfteljt, ber 
n)ei§, ^a%, abgefel^en pon ein paar Steü^n, bie äußere 
unb bie innere Sd^äbeloberfläd^e im XDefentlidien parallel 
finb, ba^ bie ^tbmeid^ungen I^öd^ftens einige ZHiDimeter 
betragen, fomit für bie gegebenen 2lufgaben nid^t in 
Betrad^t !ommen. Die Unterfd^iebe stpifd^en ben per» 
fd^iebenen Köpfen finb centimetergroß, ja ber eine Kopf 
fann an einer beflimmten Stelle um mef^rere Centimeter 
jlär!er geipölbt fein als ber anbere, xvas mad}en ba 
\, 2, 3 mm aus? Don einer matf^ematifd^en (ßenauig« 
feit fann überl^aupt feine Hebe fein, beim Sdjäbel nid^t 
unb beim Kopfe bes Cebenben erjl redjt nidjt Dag 
(Bali bie Stirnljöf^Ien nid^t berücffid^tigt I^abe, bas fann 
nur bie Untpiffenf^eit beljaupten. 2tn pe benft jeber 
2lnfänger unb fie ftnb fo leidet 3U erfennen, ba^ man 
mirflid^ nid^t meiter barüber 3U reben brandet. 

Das (ßefagte gilt natürlid) nur pom annäf^ernb 
normalen Sdjäbel ober Kopfe* patl^ologifd^e formen 



326 2Inljang: Ucbcr ^ran3 3ofeplj <5aü. 

(Vflxho', UlafrocepIjaKe, Cretinismus, FjöFjcrc (ßrabc bcr 
HFjadjitis, 2tfromegaIie, Cconliaps offea, SdjiefFjeü burd? 
porcncepFjalie u. f. id.) pnb cbenfo au53ufd?eiben wie 
fünfllid{e Perbilbungen. Das perflet}t ftd? bod) gans 
©ort fclbjt UOenn ^cmanö pon bcn natürlid^en Soxmen 
bcr ZTafe rcben roill, toirb er bodj nidjt bas HBjino» 
fflerom, bie Säufemafc unb äl^nKdje (Scbilbe in Se* 
tradjt stellen, 

Xtad\ allcbem glaube idj, ^a% man n>ebcr aus 
anatomifd^cn, nodj aus pEjYpo^oöifcl?^"/ "<><*? öw^ pfYdjo« 
logifd^cii; nodj aus franioIogifd?cn <5runbcn bered^tigt 
ip, (ßall's £el|rc von pornljcrcin ab3un>dfcn. €s ijl 
möglidj, bag bcjHmmte Besirfe bcr (ßcljirnoberflfäd^c be» 
Pimmten trieben (5äljigfciten, 2lnlagcn) entfpredjen, ba§ 
je nadj bcr (Entroicfclutig cinscincr Crtebe bic (5cBjim* 
oberfläd^c ocrfdjicbcn gehaltet fei, unb ba% bicfe Per* 
fdjiebcnl|dt pd? burd? Dcrfd?icbenl|cit bcr 5d?äbcIrDÖlbung 
funbgcbc. ®b bicfcr 2TCögIidjfcit eine lDirfIid?feit cnt- 
fpredje, bas pcl|t frcilidj nod? bal^in. €s fragt pdj, 
weldic IDcgc bcr prüfung gangbar feien, 1>a% bic 
2lnatomie allein nid^t mel^r als ZHöglidjfeit geben fann, 
bas liegt auf ber ^anb. Der Cliieroerfudj u>irb aus 
pfYdjoIogifdjen unb aud? aus anberroeiten (ßrünben faum 
3u oeru?ertI|en fein; etu?aige €rgebniffe u>ären mit ber 
aüerl^öd^Pen Porpdjt aufsunel^men. Die patl^ologie fann 
pielleidjt etroas 3ur 2luf!lärung beitragen, pe ip inbeffen 
auf ^cn ^ufa0 angeu?iefen nn^ braudjbare Säue »erben, 
wie idi fd|on gefagt I^abe, äugerp feiten fein, €s bleiben 
alfo bie IDege übrig, bie (5aII in feiner „©berpädjlidj- 



IV. Kritif. 327 

fdt" gegangen ift: Perglcidjung bcs (Beljirns, bes 
Sdiätels, bes Kopfes mit bem geifKgen Sn^tanbCf b. Fj. 
ber ZladiweiSf bag befttmmten geijHgen 55I?tgfßiten immer 
beftimmte €igentl|ümlidjfeiten bes (ßel^irns unb feiner 
fjüllen entfpred^en. (Bau fudjte biefen Xladiwcis mit 
allen il^m 3u (5ebote ^el^enben ^Tlitteln 3u liefern, n)ie 
id) es frül^er bargelegt Bjabe. €r ertoarb fid) eine auger- 
orbentlid?e Kennlnig von perfönlidjfeiten, er unterfudjte 
bie Köpfe unb bie Sdjäbel, aud? bas (ßel^irn, fo piel er 
eben fonnte. €r erjirecfte feine Unterfud|ungen andi 
auf bie Cljiere nnb perbanb mit einer gans ungemöl^n« 
lid^en Kenntnig bes Cljierlebens bie ber pergleidjenben 
2lnatomie. €r fammelte patl^ologifdje Cl^atfadjen, n>o 
er jte finben fonnte. Sebenft man ^en gu^anb ber 
IDiffenfdiaft 3U feiner ^ext, bie Sefd^ränftljeit ber JTlittel 
eines prioatmannes unb bie Kurse bes menfdjlidjen 
Cebens, fo fielet man ftaunenb por (5aE's Ceij^ungen jüII. 
Sollte jtdj andi ein groger Cl^eil feiner 2lngaben als 
irrig ermeifen, fo n?ürbe bodj nod) fo t)iel übrig bleiben, 
^a% bamit eine ganse Heilte i>on <5eleljrten fidj „Un« 
jierblidjfeit" erwerben fönnte. 

TXlan nennt (SaWs Perfal^ren rol^e €mpirie. IDas 
bas 5d?impfn?ort roI| beseidinen foll, bas ift nidjt redjt 
einsufeljen. IDeitaus unfere meinen Kenntniffe beruljen 
auf €mpirie, b. ii. barauf, ^a% auf bie €rfaljrung pon 
ber regelmäßigen Derfnüpfung bejiimmter Peränberungen 
in ber ^ext ober im Haume ber Sd^Iug folgt, bie 3U- 
fammen oprfommenben Peränberungen feien gefefemägig 
perfnüpft. Unsuläffig ifl eine €mpirie, n?enn fie gegen 



328 2lnbang: Ucbcr ^ran3 3ofcpI? (Sali. 

fe^eE^en^e £inftd}ten i>erfi5§t, ober Ietd{tflnmg ücrfdt^rt, 
b. ^. if^re Sd^Iüffe nad^ ttngetmgenber €rfai{ntng ste^t 
3e rationeller ein emptrifdKr Sd^Ing i^, je meE^r er 
Unter^ü^ung burd) fd^on geftd^erte Sd^Inffe fmbet, nnb 
je gro§er bie S<i^t ^^^ 5<UI^ ij^/ anf bte er ftd^ grunbet, 
um fo gro§er i^ feine It>ai{rfd}etnlid}(eit Der empi« 
rtfd^en fann man bie experimentelle XDoijrfdieinlid^feit 
gegenüberfleHen, bie natürlid) oorsusie^en i^^ ^a fte burd^ 
beliebige Donation ber Bebingungen gefieigert iperben 
(omu TXlan tdnfd^e ftd? aber nid?t baruber, bog bos 
(ßebiet bes Perfud^ befd^ränft i^, nnb ^a% gerabe in 
ber 2tntt}ropoIogie bie £mpirie bie ^anptqueüe unferer 
Kenntniffe ifi unb bleibt. £5 i^ befonbers bei 2ter5ten 
eine (ßebanfenloftgfeit, roenn fte empirifd? unb loiffen* 
fd?aftltd} als (ßegenfo^ brand?en. IDiffenfd^aft i^dngt 
Snfammen mit (ßeimffen unb bie erfle 5orberung an ein 
Perfaljren, ^as iDijfenfdjaftlid? t^eigen foll, ifl, ba% es 
gennffent}aft fei. (Eine gett>iffent}afte £mpirie ifi in ben 
<5ebieten, bie bem Derfud^e i>erfd?Ioffen ftnb, bas einsige 
«nffenfdjaftlidje Derfaljren, T>as fottte man nidjt per- 
geffcn unb man follte einfel^en, ^a% bie Seseid^nnng 
empirifd) (SaWs Cel^re eljrt, inbem fte fte in <5egenfa% 
5u ^cn ^irngefpinnfien bringt (Sau felbß ti>oDte ttte 
etioas anberes fein als ein (Empirifer, er fud?te barin 
feinen 5to(5; unb bas mit Hed^t XDiü man in ^lAtnft 
geredet gegen ii^n fein, fo u>irb man il^n nid?t mit au* 
gemeinen Hebensarten 3U befdmpfen traben, noie es bisl^et 
gefdje^en ifl, fonbem man u>irb bie Cljatfadjen, auf bie 
er fidi beruft, nadjsuprüfcn Ijaben. IDer, oljne bies ge» 



IV. Kriae. 329 

tljan 3tt Ijaben, ben 2lutor PcrurtFjeilt, bcr ifl ntdjt gc- 
jDtffcnl^aft, b. Bj. nidjt n>iffenfdjaftlid?. 

2tnl^angsj»eifc möd)tc xdi barauf Fjimücifen, bag es 
gelingen mödjte, auf (5aII'5 IDegen Halberes über bie 
Bedingungen bes <5enies 3U erfal^ren. Sunädjft benft 
man ja, bag ber birefte IDeg bie Unterfud^ung bes (5e- 
Fjims groger ZTIänner fein muffe. Diefe Unlerfud^ung 
ifl gen?ig fel^r roidjtig, aber fie ift feljr feiten mögKd], fie 
ijl fdju>ierig unb man fdjeint bei il^r oFjne IDegroeifer 
nid)! 3um Siele 3U fommen. Die bisl^rigen Unter* 
fud^ungen ganser <ßel|lrne (Hub. IDagner, Socidtö 
d'autopsie de Paris, Sifd^off, Vwxgiit, (5. Hefeius, Ejanfe- 
mann) traben eigentUd{ nid^tir SefUmmtes ergeben; bie 
Unterfudjer mußten nidjt, roorauf fie 3U ad^ten Ijalten, 
unb mußten fid? bamit begnügen, eine möglidjft genaue 
Sdjilberung ber XPinbungen unb 5urdjen 3U geben, eine 
Aufgabe, bie <ß. Hefeius bei (Sylb6n in paunenerregenber 
IDeife gelöjt Ijat. ^Inbers liegt bie Sadie bei Hübinger's 
fdjönen Unterfudjungen über bie 3. 5tirnn?inbung. ^ier 
^atte bie patljologie ^en IDeg gemiefen unb ber 2tnatom 
perfttl^r fo, ^a% er bie Sefdjaffenl^eit bes fraglidjen (5e* 
I^irntljeiles bei ben oerfdjiebenften <5eljirnen {von 5oeten, 
Jfteugeborenen, ZHännern, IDeibern, 2tfrifanern, 3ttben, 
Deutf djen , Ulif rocepljalen , Caubjlummen , berül^mten 
Znännern) unterfudjte unb aus ber Oergleid^ung Sd^lüffe 
30g. Hübinger oerful^r tl^atfäd^lid? gan3 in (SaTs Sinne 
unb feine €rgebnif[e entfpred^en benn audj PoHpänbig 
bem (ßeifte ber Cel^re (ßall's. Sie Zlligadjtung (5aE's 
ift ^cn (5eleljrten fo in 5l«ifd? i^rx^ Slut übergegangen, 



330 2Inbang: Ucber ^ran3 Jofcplj (Sau 

bag bei ben (5eE)imnnterfud}ntigen ber Sd^abel gor nid^t 
errDäl>nt su iDcrben pflegt, noic benn Hnb. XDagner, 
Senilis u. ^ fein Wort über ben SdjSbel perliereiu 
2lndi Fjier madjt Hübinger eine 2tu5naFjme, ba er roieber^ 
t^olt borauf E^inroeifi, n>ie genan bie IDoIbnng bcs 
Sdjäbels bie ^yperplafie bejHmmter (ßyri roiebergegeben 
Ijabe. Da, roo ber pennutE)Iici?e Sdjäbel groger UlSnner 
unterfucbt roirb, pflegt ^as (ßeFjim 3U feFjIen, fo bei 
Kant (Kupffer), 5*iüer (IDelcfer) ^), Sa* (^is). «e- 
t}irn unb 5d)äbel geE^ören sufammen. Der Sd^dbelonsgng 
fann bodj nur ein bürftiger €rfafe fein. Ueberbem 
änbert pdj burd) KranfBjeit nnb 2llter bie innere Sdjäbel* 
tüolbung meljr als bie äußere. IDie bie (Sipsmasfe bos 
(Seftd^t überbauert, fo seigt ber (ßet^imabgug, ben n>ir 
Sdjäbel nennen, bie äugere 5orm bes ißeFjims nodj, 
n>enn 2(Iter, KranfFjeit, Pern>efung biefe oeränbert ober 
aufgeljoben Bjaben. 5inb roirMid? Dorn>öIbungen ber 
(5eIjirnoberfl[5d?e oon Sebeutung, fo muffen fie in erfler 
£inie am Sdjäbel aufgefud)t n>erben, benn andj bamt, 
n>enn bie IDirfungen bes 2Htersfdju>unbe5 u. f. id. nodj 
nidit beträdjtlidj finb, perliert ^as I^rausgenommene, 
nid^t geljärtete (5el|im feine 5orm. Die Unterfndjung 
bes (5el|ims n>irb 5«ut!^iten unb Unterfd^iebe ergeben, 
il|r bient bie Unterfudjung bes Kopfes als Porlänfer 
unb Porpoflen» Der für bie (5eljimunterfndjung ndtt^ige 



^) VOeidex billigt, nebenbei gefagt, (5aWs (Srunbfäftc. (Er 
l^offt burc^ gemiffenl^afte (Sel^imunterfuc^ungen „bie Cofalifirung 
ber ein3elnen Titten ber geifttgen Begabung" 3U erfennen; (Sali 
iiahe nur 3U ungebulbig auf unpc^ere Beobachtungen gebaut. 



IV. Kritif. 33 ^ 

Weqwcx\ev fann nur burd^ Unterfudiung bcr Köpfe gc« 
funben iDcrbcn» fjat man ein cinselncs (5el|irn ober 
einen einseinen Sdiäbel por jtd^, fo ifl bie 2lufgabe un* 
enblid? fdimer» Ueberbem pflegen groge Hlänner nadj 
oerfdjiebenen Hidjtungen B)in begabt 3U fein, 3. 3. Ijatte 
(Sa\x% nxdit nur bas matljematifdie, fonbern aud? bas 
pI|ilologifd:)e Calent, (Syl^^n roax nxdit nur 2lflronom, 
fonbern aud^ feB^r mufifalifdj, Kant u>ar piiyfxtex unb 
ZTÜetapI^Yfifer u. f. f. ZTur burd^ Pergleidjung Pieler, 
bie fidj in einer beftimmten 2lrt ausseid^nen, fann bas 
il^nen gemeinfame ZHerfmal (toenn es eins giebt) ge* 
funben roerben. Va% (Einer piele 2Tüufifer«(5eI|ime 3U- 
fammenbefomme, bas ifl nidjt gerabe toaljrfdjeinlid?, aber 
Znujtfer»Köpfe fann er in beliebiger gal^I unterfudjen, 
ba xiim bie Cebenben, 2lbgüffe nnb Bilber 3ur Perfügung 
ftetien. 5reilid| ij! aud^ B)ier bas 2TüateriaI eben besljalb 
nod| ungenügenb, toeil man feine redete €injtd|t in t>cn 
VOettii ber äugeren 5orm Ijat. 3"5befonbere ij! es 
leiber an3uoft oerfäumt toorben, bie Köpfe I^eroorragen- 
ber 2Tüänner absugiegen, ein JTlangel, für ^crx and\ bie 
beften Bilber nid^t voüe €ntfd?äbigung gen?äl|ren fönnen« 



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